Schriften zu Staat und Kirche: Ausgewählte Aufsätze. Hrsg. von Anna Egler / Wilhelm Rees [1 ed.] 9783428549917, 9783428149919

Auf der Grundlage langjähriger Forschung und der Beschäftigung mit dem Thema Staat und Kirche verfasste Georg May zahlre

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Schriften zu Staat und Kirche: Ausgewählte Aufsätze. Hrsg. von Anna Egler / Wilhelm Rees [1 ed.]
 9783428549917, 9783428149919

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Schriften zu Staat und Kirche Ausgewählte Aufsätze

Von Georg May

Duncker & Humblot . Berlin

GEORG MAY

Schriften zu Staat und Kirche

Kanonistische Studien und Texte begründet von Dr. A l b e r t M . K o e n i g e r † o.ö. Professor des Kirchenrechts und der Kirchenrechtsgeschichte an der Universität Bonn fortgeführt von Dr. Dr. H e i n r i c h F l a t t e n † o.ö. Professor des Kirchenrechts und der Kirchenrechtsgeschichte an der Universität Bonn und Dr. G e o r g M a y Professor für Kirchenrecht, Kirchenrechtsgeschichte und Staatskirchenrecht an der Universität Mainz herausgegeben von Dr. A n n a E g l e r Akademische Direktorin i. R. am FB 01 Katholisch-Theologische Fakultät der Universität Mainz und Dr. W i l h e l m R e e s Professor für Kirchenrecht an der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck

Band 66 GEORG MAY

Schriften zu Staat und Kirche

Schriften zu Staat und Kirche Ausgewählte Aufsätze

Von Georg May

Herausgegeben von Anna Egler und Wilhelm Rees

Duncker & Humblot · Berlin

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, für sämtliche Beiträge vorbehalten © 2017 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: Konrad Triltsch GmbH, Ochsenfurt Druck: MEDIALIS Offsetdruck GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0929-0680 ISBN 978-3-428-14991-9 (Print) ISBN 978-3-428-54991-7 (E-Book) ISBN 978-3-428-84991-8 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort der Herausgeber Der Sammelband „Schriften zu Staat und Kirche“ beinhaltet eine Auswahl aus den vielen Publikationen zu dem genannten Thema, dem Georg May während seiner langen wissenschaftlichen Forschungs- und Lehrtätigkeit neben dem Kirchenrecht und der Kirchlichen Rechtsgeschichte große Aufmerksamkeit widmete. Den Fragen des Verhältnisses von Staat und Kirche und deren Zusammenwirken wandte sich der Autor schon vor seiner Mainzer Zeit zu, während der er bei der Bleibeverhandlung im Jahre 1965 nach einer an ihn ergangenen Berufung an die neu gegründete Universität Bochum eine Neuumschreibung der Professur für Kirchenrecht, zu deren Forschungs- und Lehrgegenstand künftig das Staatskirchenrecht und die Kirchliche Rechtsgeschichte gehören sollten, erreichte. Die Beiträge zu Staat und Kirche schließen an die Bände „Schriften zum Kirchenrecht“ und „Schriften zur Rechtsgeschichte“ an. Mit diesen Sammelbänden liegt eine Trilogie vor, die Einblicke in das Forschen und wissenschaftliche Arbeiten des Gelehrten vermittelt, der stets bemüht war, den drei Sachgebieten, die er zu vertreten hatte, gerecht zu werden. Es sind Schriften aus über fünf Jahrzehnten, von 1959 bis 2012, ausgewählt worden. Von den 24 Aufsätzen fallen 21 in die Zeit vor das Jahr 2000 und vermitteln daher partiell auch Einblicke in die Geschichte des Verhältnisses von Staat und Kirche und das Ringen um die Gestaltung dieses Zu- und Miteinanders. Aus Zeitraum und „Orte“ der Erstveröffentlichung lässt sich bereits erkennen, dass viele Titel inzwischen z. T. nicht mehr leicht erreichbar sind. Um diese unter Auswertung der umfangreichen Literatur und Quellen mit großem Einsatz erarbeiteten Beiträge für Wissenschaft und Praxis leicht zugänglich zu machen, wird dieser Sammelband vorgelegt. Zeichnen sich die Aufsätze doch durch souveräne Handhabung der Interpretation staatlicher wie kirchlicher Gesetze aus. Die akribisch erforschte Materie wird stets unter Beachtung des historischen Kontextes erhellt; durch allseitige Betrachtung des Gegenstandes wird eine möglichst objektive und eine diesem gerecht werdende Beurteilung bzw. Lösung angestrebt. Aus dem weiten Bogen, den dieser Band, nicht nur zeitlich, sondern auch inhaltlich, spannt, sei nur auf einige Themen hingewiesen, die besonderes Interesse finden dürften: die vertragsrechtlichen Regelungen die Schulen und Hochschulen mit ihren Einrichtungen und ihrer personellen Ausstattung betreffend (z. B. in Bayern, Rheinland-Pfalz, Hessen und der ehemaligen sowjetischen Besatzungszone), die etwa ein halbes Jahrhundert überblickende Zusammenfassung der Konkordatspolitik des Heiligen Stuhles, die in Konkordaten und Kirchenverträgen vereinbarte Vorbereitung der Besetzung von Bischofsstühlen, die in den Fokus geratene Frage des Wiedereintritts

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Vorwort der Herausgeber

in eine Religionsgemeinschaft (Pendants aus früherer Zeit „Der Kirchenaustritt in der DDR“ und „Der Kirchenaustritt in der Bundesrepublik Deutschland“) und schließlich der umsichtige, aber rechtlich stringente Beitrag „Anzeige und Anzeigepflicht bei Missbrauchsfällen“. Die Edition der „Schriften zu Staat und Kirche“ ist eine Hommage an Georg May anlässlich seines 90 .Geburtstages. Für das neue Lebensjahrzehnt wünschen die Herausgeber ihm Gottes Segen und Kraft. Ein herzlicher Dank gilt dem Hochwürdigsten Herrn Professor Dr. Dr. Karl Kardinal Lehmann, der noch vor seiner Emeritierung als Mainzer Diözesanbischof – wie schon öfter – auch diese Publikation mit einem sehr großzügigen Druckkostenzuschuß ermöglicht hat. Ohne diese beachtliche finanzielle Hilfe wäre das Projekt nicht zu realisieren gewesen. Dem Verlag Duncker und Humblot, Berlin, danken die Herausgeber für die streckenweise schwierige Bearbeitung der Erstveröffentlichungen der Beiträge und die Zubereitung für die Drucklegung. Die Herausgeber hoffen, dass die „Schriften zu Staat und Kirche“, mit denen durch diese Edition ein weiterer Einblick in das Gesamtœvre des unermüdlich forschenden Gelehrten Georg May ermöglicht und leicht zugänglich gemacht wird, von der Fachwelt wie auch von einem weiteren Kreis der in der seelsorglichen Praxis Tätigen mit Interesse und zum Nutzen für ihr Arbeiten an- und aufgenommen werden. Mainz/Innsbruck, am Fest Allerheiligen 2016

Anna Egler Wilhelm Rees

Inhaltsverzeichnis Die kirchlichen Belange im geltenden bayerischen Schulrecht der allgemeinbildenden Schulen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Der Religionsunterricht im Staatskirchenrecht der sowjetischen Besatzungszone. Ein Beitrag zum Thema „Verfassungsrecht und Verfassungswirklichkeit“ . . . . . . . .

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Der Kirchenaustritt in der DDR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Zu den staatlichen Erwerbsbeschränkungen für kirchliche juristische Personen, besonders in Preußen und seinen Nachfolgestaaten seit dem Erscheinen des BGB . . .

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Entstehung und Rechtscharakter der Vereinbarung zwischen dem Bischof von Mainz und dem Oberregierungspräsidenten von Hessen-Pfalz vom 15./17. April bzw. 5. Oktober 1946 zur Errichtung der Katholisch-Theologischen Fakultät an der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Der Kirchenaustritt in der Bundesrepublik Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 Das Verhältnis der Katholisch-Theologischen Fakultät der Johannes GutenbergUniversität in Mainz zu dem Diözesanbischof nach der Vereinbarung zwischen Kirche und Staat vom 15./17. April bzw. 5. Oktober 1946 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 Der Vertrag des Landes Rheinland-Pfalz mit den evangelischen Landeskirchen vom 31. März 1962 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 Koordination von Staat und Kirche in der Demokratie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 Die Errichtung von zwei mit Katholiken zu besetzenden Professuren in der Philosophischen Fakultät der Universität Straßburg im Jahre 1902/1903 . . . . . . . . . . . . . 321 Mit Katholiken zu besetzende Professuren für Philosophie und Geschichte an der Universität Freiburg nach dem Badischen Konkordat vom 12. Oktober 1932 . . . . . 361 Zur Frage der staatlichen Anerkennung eines päpstlichen Adelstitels. Gutachten im Auftrag des Amtsgerichts Kiel zu Rechtsfragen der Verleihung des päpstlichen Adels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 385 Die Errichtung von Stiftungslehrstühlen für katholische Theologie an den Universitäten Frankfurt am Main und Gießen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 393 Die Rechtsstellung der akademischen Lehrer der katholischen Theologie und die Ausbildung der katholischen Theologiestudierenden an den staatlichen Hochschulen in Bayern nach dem Vertrag zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Freistaat Bayern vom 4. September 1974 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 407

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Inhaltsverzeichnis

Die rechtliche Stellung der Einrichtungen zur Ausbildung katholischer Religionslehrer an den staatlichen Hochschulen in dem Land Hessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 447 Verträge deutscher Bischöfe mit der Bundesrepublik Deutschland und den deutschen Bundesländern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 477 Die Konkordatspolitik des Heiligen Stuhls von 1918 bis 1974 . . . . . . . . . . . . . . . . . 515 Ludwig Kaas (1881 – 1952) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 565 Errichtung und Erweiterung katholisch-theologischer Studieneinrichtungen an staatlichen Hochschulen. Überlegungen zu einer jüngst erschienenen Studie . . . . . 579 Die Hochschulen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 601 Listen von Bischofskandidaten in den deutschen Konkordaten und Kirchenverträgen 633 Das „Hausrecht“ des Pfarrers bzw. des Kirchenrektors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 655 Der Wiedereintritt in eine Religionsgemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 679 Anzeige und Anzeigepflicht bei Missbrauchsfällen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 697 Erstveröffentlichung der Beiträge in chronologischer Reihenfolge . . . . . . . . . . . . . 723

Die kirchlichen Belange im geltenden bayerischen Schulrecht der allgemeinbildenden Schulen Die Kirche trägt die Offenbarung Gottes in Jesus Christus durch die Zeiten. Sie ist die gottgesetzte Vermittlerin des Heiles. Ein wesentlicher Teil der kirchlichen Heilsvermittlung ist die Verkündigung der geoffenbarten Wahrheit. Sie erfolgt in Unterricht und Erziehung. Den Dienst am Wort schuldet die Kirche nicht nur den Erwachsenen, sondern auch den Kindern. Gott beansprucht den Menschen nicht nur von einem bestimmten Zeitpunkt ab, etwa von der bürgerlichrechtlichen Mündigkeit an, sondern während der ganzen Zeit seines Lebens. Die Wahrheit der Offenbarung muß deshalb zum frühestmöglichen Zeitpunkt an die empfänglichen Seelen der Kinder herangetragen werden. Da die Offenbarung nicht nur belehren, sondern das Leben gestalten will, muß die Einübung in sie, d. h. die Praxis des religiös-sittlichen Lebens ebenfalls möglichst früh einsetzen. Unterricht in der geoffenbarten Wahrheit und Erziehung zum neuen Leben in Christus dürfen nicht isoliert neben der übrigen geistig-sittlichen Bildungsarbeit am Kind stehen. Die Offenbarung deckt nämlich nicht nur auf, wer Gott ist, sondern auch, was die Welt ist. Es kann sich darum kein Bereich der geistigen Kultur gleichgültig gegen die Offenbarung verhalten und im Dunkel des Immanentismus verharren. Der umfassende Gehorsam gegen Gottes Selbstenthüllung verlangt, daß alle Geistesgebiete in ihr Licht gerückt werden und alle erzieherischen Maßnahmen von ihr die letzte Begründung entgegennehmen. Auch die sog. profanen Fächer müssen gleichsam von Gottes Sonne überstrahlt sein. So zielt die Kirche auf „den organischen und werthierarchischen Einbau der Profanbildung in die in Gott zentrierte Bildungsidee“1, fordert sie die ganzheitliche Ausrichtung von Unterricht und Erziehung nach den Grundsätzen der Offenbarung in einer Schule, die vom Geiste des katholischen Glaubens geprägt ist2. Da Unterricht und Erziehung entscheidend durch die Persönlichkeit des Unterrichtenden und Erziehenden geprägt sind, setzt der Anspruch auf ganzheitliche katholische Erziehung den anderen nach Erziehern voraus, die fähig und bereit sind, das katholische Bildungsideal zu verwirklichen.

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LThK IX2 Sp. 341. Vgl. LThK IX2 Sp. 343.

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Kirchliche Belange im bayerischen Schulrecht der allgemeinbildenden Schulen

Seit über hundertfünfzig Jahren hat nun der Staat das Schulwesen grundsätzlich zu seiner eigenen Angelegenheit erklärt. Die Kirche lehnt den Monopolanspruch des Staates ab; sie findet sich jedoch mit der Regelung des Schulwesens durch ihn um so eher ab, je mehr er bestrebt ist, sein Schulrecht nach katholischen Grundsätzen zu gestalten. Es erhebt sich die Frage, wie sich das geltende bayerische Schulrecht zu den kirchlichen Ansprüchen stellt, ob und in welchem Maße es die kirchlichen Belange berücksichtigt. Die für das bayerische Schulrecht maßgebenden Rechtsquellen sind heute das Bonner Grundgesetz vom 23. Mai 1949 (BGBl. S. 1), die Bayerische Verfassung vom 2. Dezember 1946 (GVBl. S. 333), die Kirchenverträge vom Jahre 19243 sowie die damit in Einklang stehenden früheren reichs- und landesrechtlichen Bestimmungen und die seit 1946 ergangenen Gesetze, Verordnungen, Bekanntmachungen und Entschließungen4.

I. Grundsätzliches Das bayerische Schulrecht erkennt allgemein in der Religion einen hohen Bildungswert und räumt insbesondere den christlichen Grundsätzen eine anerkannte Vorrangstellung ein. Von daher ist die sowohl im Grundgesetz Art. 6 Abs. 2 als auch in der Bayerischen Verfassung Art. 126 Abs. 1 erfolgte Anerkennung des elterlichen Erziehungsrechtes als eines natürlichen Rechtes zu verstehen5. Unbeschadet des Elternrechtes wird auch das eigene Recht der Religionsgemeinschaften und der staatlich anerkannten weltanschaulichen Gemeinschaften auf einen angemessenen Einfluß bei der Erziehung der Kinder ihres Bekenntnisses oder ihrer Weltanschauung durch die Bayerische Verfassung Art. 127 anerkannt. Nach Art. 133 Abs. 1 der Bayerischen Verfassung sind nicht nur der Staat und die Gemeinden Bildungsträger, sondern auch die anerkannten Religionsgemeinschaften und weltanschaulichen Gemeinschaften. In Art. 131 Abs. 2 der Bayerischen Verfassung werden als oberste Bildungsziele für alle Schulen „Ehrfurcht vor Gott, Achtung vor religiöser Überzeugung und vor der Würde des Menschen, Selbstbeherrschung, Verantwortungsgefühl und Verant3 Bayerisches Konkordat mit dem Heiligen Stuhl vom 29. März 1924 und Vertrag zwischen dem Bayerischen Staate und der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern r. d. Rh. vom 15. November 1924 (GVBl. 1925 S. 53). 4 Vgl. G. A. Vischer, Bayerisches Schulrecht (München 1952), 5. 5 Vgl. K. Weinzierl, Das Recht der Eltern zur Mitbestimmung der Schulart: Münchener Theologische Zeitschrift 1 (1950) 3. Heft, 66 – 82; Th. Maunz, Das Recht des Kindes und der Eltern: Grundsätze katholischer Schulpolitik (Freiburg 1958), 172 – 188; LThK III3 Sp. 835 – 837; StL II6 Sp. 1175 – 1179.

Kirchliche Belange im bayerischen Schulrecht der allgemeinbildenden Schulen

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wortungsfreudigkeit, Hilfsbereitschaft und Aufgeschlossenheit für alles Wahre, Gute und Schöne“ anerkannt. Mit diesen Bestimmungen ist wohl das Maximale an positiver Einstellung zur christlichen Offenbarung erreicht, das der religiös neutrale Staat sich leisten kann.

II. Religionsunterricht 1. Pflichtfach a) Der CIC schärft den Gläubigen die vom göttlichen Recht her gegebene Pflicht ein, sich eine möglichst vollkommene Ausbildung in der christlichen Glaubenslehre anzueignen, und verpflichtet alle irgendwie an der Erziehung Beteiligten, dafür Sorge zu tragen, daß die ihnen Anvertrauten religiösen Unterricht empfangen6. In allen allgemeinbildenden Schulen, die von katholischen Schülern besucht werden, ist Religionsunterricht als Pflichtfach zu erteilen7. b) Das bayerische Schulrecht entspricht der kirchlichen Forderung. (1) Ordentliches Lehrfach. Der Religionsunterricht ist ordentliches Lehrfach aller Volksschulen, Berufsschulen, mittleren und höheren Lehranstalten in Bayern8. Damit ist der Religionsunterricht vom bayerischen Staat nach seiner sachlichen Seite zum Pflichtfach erklärt9. 6

C. 1335; vgl. cc. 769; 797; 1113; 1372 § 2. C. 1373; vgl. das Rundschreiben der SC Conc. über den Religionsunterricht an den Mittelschulen Italiens vom 21. 6. 1930 (AAS 22, 1930, p. 395 – 409). 8 Bayerisches Konkordat (= BayK), Art. 7 § 1 S. 1; Art. 4 § 3; BayerischeVerfassung (= BayVerf), Art. 136 Abs. 2 S. 1. Im einzelnen: Bekanntmachung (= Bek) über den Bildungsplan für die bayerischen Volksschulen vom 27. 9. 1955 (BayBSVK S. 1710 ff.; 1714 ff.); Bek. über die Richtlinien für den Unterricht an den bayerischen Berufsschulen vom 17. 6. 1953 (BayBSVK S. 1057); Bek. über den Religionsunterricht an den Berufsfachschulen und Fachschulen für Mädchen vom 24. 3. 1959 (KMBl. S. 157); Bek. über die Frauenfachschulen in Bayern vom 18. 8. 1950 (BayBSVK S. 527); Bek. über die Haushaltungsschulen vom 5. 10. 1956 (BayBSVK S. 2064); Bek. über die Schulen für Kinderpflege und Hauswirtschaft vom 13. 3. 1957 (BayBSVK S. 2286); Bek. über die Ausbildung von Kindergärtnerinnen und Hortnerinnen vom 23. 8. 1950 (BayBSVK S. 572); Bek. über Landfrauenschulen in Bayern vom 28. 6. 1957 (BayBSVK S. 2460); Bek. über den Lehrplan an Mittelschulen vom 24. 7. 1950 (BayBSVK S. 467; 496); Bek. über die Stundentafeln und Stoffpläne an Höheren Schulen vom 14. 1. 1952 (BayBSVK S. 740). 9 Die Einrichtung und Abhaltung des Religionsunterrichtes in den allgemeinbildenden Schulen ist Sache des Staates. Er hat die erforderlichen Schulräume einschließlich der Beheizung und Beleuchtung zur Verfügung zu stellen. Der Religionsunterricht ist in die Lehrpläne dieser Schulen aufzunehmen (vgl. Vischer, S. 21). In den Stundenplänen ist der Religionsunterricht grundsätzlich gleichberechtigt mit allen anderen Fächern. Die Aufnahmeprüfung in die Höhere Schule erstreckt sich auch auf die Religionslehre, wenn der Prüfling am 7

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Kirchliche Belange im bayerischen Schulrecht der allgemeinbildenden Schulen

(2) Umfang. Der Umfang des Religionsunterrichtes soll im Einvernehmen mit den kirchlichen Oberbehörden festgesetzt und gegenüber dem Stande bei Abschluß des BayK nicht gekürzt werden10. (3) Teilnahme. Getreu dem Grundsatz der Glaubens- und Gewissensfreiheit darf niemand gezwungen werden, am Religionsunterricht sowie an kirchlichen Handlungen teilzunehmen11. Bei Kindern bleibt die Teilnahme am Religionsunterricht sowie an kirchlichen Handlungen und Feierlichkeiten der Willenserklärung der Erziehungsberechtigten überlassen12. Vom vollendeten achtzehnten Lebensjahre ab entscheidet der Schüler selbst über die Teilnahme am Religionsunterricht13. Die Erklärung, am Religionsunterricht nicht teilnehmen zu wollen, kann immer nur für ein Schuljahr und nur innerhalb der ersten acht bzw. vierzehn Tage nach Beginn des Schuljahres abgegeben werden14. Religionsunterricht der Volksschule teilgenommen hat (Ausführungsbestimmungen zur Schulordnung für die Höheren Schulen in Bayern vom 15. 2. 1958: KMBl. S. 49 Ziffer 11). Die Hilfsmittel für den Religionsunterricht fallen unter das Gesetz über die Lehrmittelfreiheit (vgl. die Bek. über ein Gesamtverzeichnis der in Bayern lernmittelfrei genehmigten Schulbücher vom 2. 3. 1957: BayBSVK S. 2181 und vom 6. 8. 1959: KMBl. S. 277). – Die Einschränkung des Art. 7 § 1 Abs. 2 BayK faßt Fälle ins Auge, in denen die Zahl der Kinder katholischen Bekenntnisses so gering ist, daß die Anstellung eines Religionslehrers vom Staate nicht verlangt werden kann. 10 BayK Art. 4 § 3; Art. 7 § 1 Abs. 1 S.2. Die Bestimmung gilt für Volks-, mittlere und höhere Schulen. 11 Bay Verf Art. 107 Abs. 1 und Abs. 6; vgl. Art. 148. 12 BayVerf. Art. 137 Abs. 1. Wo keine Abmeldung erfolgt, umfaßt die Schulpflicht (vgl. das Schulpflichtgesetz vom 15. 1. 1952: GVBl. S. 11 = BayBS II S. 580) auch die Verpflichtung zur regelmäßigen Teilnahme am lehrplanmäßigen Religionsunterricht (Bek. zur Ausführung des Schulpflichtgesetzes vom 7. 4. 1952: J. Mayer, Das Schulpflichtgesetz [München 1952], 43, Ziffer 2 Abs. 1). 13 BayVerf Art. 137 Abs. 1. Mit dieser Bestimmung ist die unsinnige Vorverlegung der Religionsmündigkeit auf das vollendete 14. Lebensjahr, wie dies § 5 des Reichsgesetzes über die religiöse Kindererziehung vom 15. 7. 1920 (RGBl. S. 939) vorsah, jedenfalls für die Teilnahme am Religionsunterricht (und selbstverständlich auch an religiösen Handlungen und Feierlichkeiten) rückgängig gemacht und die Entscheidung in ein Alter verlegt, in dem sie aus überlegtem Entschluß und echter Überzeugung zustande kommen kann. 14 Bek. vom 16. 10. 1947 über den Besuch des Religionsunterrichtes (BayBSVK S. 299). Während des Schuljahres soll eine Abmeldung nur aus wichtigen Gründen erfolgen (Ausführungsbestimmungen zur Schulordnung für die Höheren Schulen in Bayern vom 15. 2. 1958: KMBl. S. 49 Ziffer 39). Die Bek. über die Einführung der Schulordnung für die bayerischen Volksschulen vom 24. 7. 1959 (KMBl. S. 201) erklärt in Ziffer 276 Abs. 1, die Abmeldung solle möglichst innerhalb der ersten zwei Wochen des Schuljahres erfolgen. – Die Erklärung, am Religionsunterricht nicht teilnehmen zu wollen, ist für alle Schüler bis zum vollendeten 18. Lebensjahre von dem abzugeben, der über die religiöse Erziehung des Schülers zu bestimmen hat. Vgl. dafür § 2 des Reichsgesetzes über die religiöse Kindererziehung; ferner Vischer, 26 ff.

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2. Lehrkräfte für den Religionsunterricht a) Nach kanonischem Recht ist die religiöse Unterweisung des Volkes die eigene und bedeutsame Aufgabe der Seelsorgegeistlichen15, insbesondere Recht und Pflicht des Pfarrers16. Der Pfarrer ist berechtigt und notfalls verpflichtet, zur religiösen Unterrichtung der Jugend die Hilfe anderer im Pfarrgebiet wohnhafter Geistlicher, auch aus klösterlichen Verbänden, in Anspruch zu nehmen17. Für den Religionsunterricht in den mittleren und höheren Schulen sind nur Priester vorgesehen18 ; in den Volksschulen sind auch Laien zugelassen19. b) Das bayerische Schulrecht tut den kirchlichen Bestimmungen Genüge. (1) Seelsorgegeistliche. Die Erteilung des Religionsunterrichtes gehört grundsätzlich zu den ordentlichen Dienstaufgaben des zuständigen Seelsorgegeistlichen und unterliegt als eigene kirchliche Angelegenheit der innerkirchlichen Regelung20. Die Kirche hat sich bereit erklärt, für die Erteilung des Religionsunterrichtes an Volksschulen nur Geistliche zu verwenden, welche die bayerische oder eine andere deutsche Staatsangehörigkeit haben, das Reifezeugnis besitzen und die vorgeschriebenen Studien an einer deutschen staatlichen Hochschule oder einer deutschen bischöflichen Hochschule oder einer päpstlichen Hochschule in Rom erfolgreich zurückgelegt haben21. (2) Volksschullehrer. Die Volksschullehrer sind, soweit sie die Erteilung des Religionsunterrichtes nicht niedergelegt haben, verpflichtet, bei der Erteilung des Religionsunterrichtes mitzuwirken. Diese Mitwirkung gehört zu ihren ordentlichen Dienstaufgaben. Die

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C. 1329. C. 467. 17 Cc. 1333; 1334. Die Bestimmung bezieht sich an sich auf die Mithilfe in der pfarrlichen Katechese, kann aber unbedenklich auf den Religionsunterricht in den öffentlichen Schulen ausgedehnt werden (H. Heitnerl, Laien im Dienste der Verkündigung [Wien 1958], 64.) 18 Vgl. c. 1373 § 2. 19 Cc. 1333 § 1; 1334; MP Pius’ XI., Orbem catholicum, 29. 6. 1923 (AAS 15, 1923, p. 328; vgl. auch 16, 1924, p. 392; 18, 1926, p. 145ss.): Einrichtung von Lehrgängen zur Ausbildung von Laienkatecheten; s. auch SC Conc., Provido sane, 12. 1. 1935 (AAS 27, 1935, p. 152). Besonders sollen dafür die Mitglieder der Christenlehrbruderschaften herangezogen werden (dazu cc. 711 § 2; 1333 § 1; SC Conc. vom 12. 1. 1935: AAS 27, 1935, p. 149; Heimerl, S. 60 – 64). Auch Frauen sind zugelassen (vgl. Benedikt XIV., Const. Etsi minime, 7. 2. 1742, § 7: Fontes I n. 324 p. 717). 20 Vgl. J. Mayer, Das Schulorganisationsgesetz (München 1951), 42; Münchener Diözesansynode 1950, Bericht (München 1951), 100 f.; Pflichtstundenmaß der Seelsorgegeistlichen: Amtsblatt der Erzdiözese München-Freising 1956 S. 191. – S. auch Ziffer 392 der Landesvolksschulordnung von 1959. 21 BayK Art. 13 § 1 in Verbindung mit Reichskonkordat Art. 14. 16

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Religionsstunden werden auf das ordentliche Stundenmaß der Lehrer angerechnet22. Der Lehrer kann jedoch die Erteilung des Religionsunterrichtes ablehnen23. (3) Studienräte. Wie in den meisten deutschen Ländern kann auch in Bayern bei dem Staatsexamen für das höhere Lehramt katholische Religionslehre als eigenes Fach gewählt werden; allerdings ist eine bestimmte Fächerverbindung vorgeschrieben24. Außerdem können zur Prüfung in katholischer Religionslehre in Verbindung mit den angegebenen Fächern nur solche Studierende zugelassen werden, denen vor Beginn ihres Studiums vom Staatsministerium für Unterricht und Kultus schriftlich die Zulassung hiezu in Aussicht gestellt worden ist25. (4) Besondere Religionslehrkräfte. Sind für den Schulort nicht genügend Seelsorgegeistliche vorhanden und können auch die Volksschullehrer nicht im erforderlichen Maß den Religionsunterricht übernehmen, so dürfen die Religionsgesellschaften nach Maßgabe des Bedürfnisses besondere Lehrkräfte heranziehen, für deren Besoldung der Staat die Mittel zur Verfügung stellt26. Diese Lehrkräfte bedürfen zur Erteilung des Unterrichts der Zulassung durch die Regierung. Voraussetzung dafür ist der Nachweis einer entsprechenden allgemeinen und katechetischen Ausbildung sowie die charakterliche Eignung27). Die von den Religionsgemeinschaften bestellten Religionslehrer können den gesamten Religionsunterricht in allen Schülerjahrgängen selbst erteilen. Wenn der Klassenlehrer beteiligt werden soll, wird der Religionsunterricht nach bestimmten Grundsätzen zwischen beiden aufgeteilt28.

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J. Mayer, Schulorganisationsgesetz, 42. Vgl. die Entschließung vom 19. 2. 1955 (Beilage zu Nr. 5, 1955, des Amtsblattes der Erzdiözese München-Freising); Ziffer 315 der Landesvolksschulordnung von 1959. Für die Teilnahme an Fortbildungslehrgängen in Religionspädagogik ist die Beurlaubung der Volksschullehrer vorgesehen (Entschließung vom 16. 1. 1957: KMBl. Beiblatt 1957 S. 7; vom 14. 2. 1955: KMBl. S. 41; vom 5. 12. 1957: KMBl. Beiblatt 1957 S. 285). – Zum Organistendienst der Volksschullehrer vgl. die Bek. vom 14. 11. 1952 (Amtsblatt der Erzdiözese München-Freising 1952 S. 276). 23 BayVerf. Art. 136 Abs. 3, GG Art. 7 Abs. 3 S. 3. Der Lehrer hat dies dem Schulleiter schriftlich zu erklären, und zwar in der Regel zu Beginn eines Schuljahres. Der Schulleiter legt diese Erklärung dem Schulamt vor (Landesvolksschulordnung von 1959 Ziffer 316). 24 Bek. über die Prüfungsordnung für das Lehramt an den Höheren Schulen in Bayern vom 12. 8. 1955 (BayBSVK S. 1594 ff.) § 19 Ziffer 2 Abs. 1 Buchst. b = Prüfungsordnung für das Lehramt an Höheren Schulen in Bayern vom 3. 2. 1959 (KMBl. S. 45) § 2 Abs. 5 Ziffer 1 Buchst. e. Die Prüfungsbestimmungen für katholische Religionslehre stehen nunmehr in § 31. Vgl. auch die Ausführungsbestimmungen vom 3. 2. 1959 (KMBl. S. 104). 25 Anmerkung zur Prüfungsordnung ebenda. 26 § 14 des Schulorganisationsgesetzes vom 8. August 1950 (GVBl. S. 159 = BayBS II S. 591). 27 Dazu Mayer, Schulorganisationgesetz, 42 f. 28 Landesvolksschulordnung 1959 Ziffer 317. – Vgl. noch ebenda Ziffer 301.

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3. Prüfung, Anstellung und Sendung der mit der Erteilung von Religionsunterricht befaßten Lehrkräfte a) Nach kirchlichem Recht kann niemand an der Glaubensverkündigung beteiligt werden, der nicht durch kanonische Sendung damit beauftragt ist29. Die kanonische Sendung erfolgt entweder durch Übertragung eines Amtes, mit dem Recht und Pflicht zur Wortverkündigung verbunden sind, oder durch besonderen Sendungsauftrag30. Der Sendungsauftrag kann nach Inhalt, Umfang, Form, Ort, Zeit und Personen verschieden sein. Er ist jederzeit entziehbar31. Auch der schulplanmäßige Religionsunterricht kann nur im Auftrage der Kirche erteilt werden32. Es obliegt den Ortsoberhirten, die Religionslehrer auf ihre Eignung zu prüfen und mit der kanonischen Sendung auszustatten33. b) Nach bayerischem Schulrecht setzt die Erteilung des Religionsunterrichtes die kirchliche Ermächtigung, d. i. die missio canonica durch den Diözesanbischof voraus34. Der Widerruf der missio canonica macht den Betroffenen zur Erteilung von Religionsunterricht ungeeignet. Insbesondere kann die Ernennung der Religionslehrer an den höheren Lehranstalten staatlicherseits erst erfolgen, wenn gegen den in Aussicht genommenen Kandidaten von dem zuständigen Diözesanbischof keine Erinnerung erhoben wird35. Sollte ein Religionslehrer von dem Diözesanbischof wegen seiner Lehre oder wegen seines sittlichen Verhaltens aus triftigen Gründen beanstandet werden, so hat die Staatsregierung alsbald auf andere Weise für einen entsprechenden Ersatz zu sorgen36. Dem Prüfungsausschuß für die Erteilung der Lehrbefähigung an den katholischen Volksschulen gehört, soweit die religionspädagogische Prüfung in Frage steht, ein Vertreter der kirchlichen Oberbehörden an37. 29 Zur missio canonica vgl. Dictionnaire de droit canonique VI col. 890 – 892; H. Flatten, Missio canonica: Verkündigung und Glaube. Festgabe für Franz X. Arnold (Freiburg i. Br. 1958), 123 – 141; Heimerl, 77 – 102. 30 C. 1328. 31 Vgl. c. 2317. 32 J. Wenner, Kirchliches Lehrapostolat in Wort und Schrift, 2. Aufl. (Paderborn 1953), 61. 33 C. 1381 § 3. So dürfte approbare mit Eichmann-Mörsdorf, Lehrbuch des Kirchenrechts, 9. Aufl. (Paderborn 1958), 402 zu übersetzen sein (vgl. LThK XIII Sp. 772; anders Heimerl, 89). Die Kirche verlangt also zweierlei: einmal daß sie ihr Urteil abgibt über die Befähigung des Kandidaten zur Erteilung von Religionsunterricht, zum anderen daß sie ihm die Vollmacht zur Erteilung von Religionsunterricht erteilt. Die staatliche Anstellung ist von diesen beiden Voraussetzungen abhängig. 34 BayK Art. 5 § 2 S. 3; BayVerf Art. 136 Abs. 4; Landesvolksschulordnung von 1959 Ziffer 315. 35 BayK Art. 3 § 1. 36 BayK Art. 3 § 2. 37 Nach Art. 5 § 4 BayK erhalten die kirchlichen Oberbehörden in den Prüfungskommissionen, die für die Erteilung der Lehrbefähigung an den katholischen Volksschulen zuständig sind, mindestens für die Prüfungen aus der Religionslehre eine angemessene Vertretung.

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4. Aufsicht und Leitung des Religionsunterrichtes a) Nach dem CIC unterliegt die religiöse Unterweisung der katholischen Jugend in Schulen aller Art, auch in den Staats- und Privatschulen, der Aufsicht und Leitung der Kirche38. Die Ortsoberhirten haben hinsichtlich der religiösen und sittlichen Unterweisung der Jugend das Visitationsrecht in allen Schulen; sie können die Visitation selbst oder durch andere vornehmen39. Die unmittelbare Aufsicht über den Religionsunterricht führen nach gemeinem Recht die Landdekane40, in Bayern die Schuldekane41. Die Ortsoberhirten treffen die näheren Bestimmungen über die Erteilung des Religionsunterrichtes42. Ihnen obliegt es auch, die Lehrbücher für den Religionsunterricht gutzuheißen43. b) Das bayerische Schulrecht trägt den kirchlichen Belangen auch in dieser Hinsicht Rechnung. (1) Allgemeines. Die Beaufsichtigung und Leitung des Religionsunterrichtes an den Volksschulen, Mittelschulen und höheren Lehranstalten werden der Kirche gewährleistet44. Die Kirche hat danach ein Mitbestimmungsrecht über Lehrinhalt, Lehrmethode, Lehrplan und Lehr- bzw. Lernmittel für den Religionsunterricht45. Diesem Minimum leistet die Bek. über die Prüfungsordnung der religionspädagogischen Prüfung für das Lehramt an Volksschulen vom 9. 3. 1953 (BayBSVK S. 354) § 3 Ziffer 3 Genüge. – Dem Prüfungsausschuß für das höhere Lehramt gehört ausdrücklich ein kirchlicher Vertreter nicht an. Es kann jedoch ohne Schwierigkeit der Fachprüfer für katholische Religionslehre von der kirchlichen Oberbehörde zu ihrem Vertreter bestellt werden (vgl. die Bek. über die Prüfungsordnung für das Lehramt an den Höheren Schulen in Bayern vom 12. 8. 1955: BayBSVK S. 1601 f. § 10; S. 1645 f. § 65). 38 C. 1381 § 1; vgl. c. 1327 § 1. 39 C. 1382. 40 C. 447 § 1 n. 1. 41 Vgl. dazu die Neuregelung der Schulvisitationspflicht des Schuldekans ab Schuljahr 1958/59 (Amtsblatt der Erzdiözese München-Freising 1958 S. 174). S. auch: Entlaßprüfung an den Volksschulen (ebenda 1957 S. 183); Visitation der Laienkatecheten (ebenda 1957 S. 81); Jahresbericht über den Religionsunterricht an den Volks- und Berufsschulen (ebenda 1957 S. 134). 42 C. 1336. Vgl. dazu die Lehrordnung für den katholischen Religionsunterricht an den Volksschulen in Bayern (Beilage zu Nr. 5, 1952, des Amtsblattes der Erzdiözese MünchenFreising). 43 C. 1381 § 3. 44 BayK Art. 8 § 1. Nach Art. 136 Abs. 2 S. 2 BayVerf wird der Religionsunterricht in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der betr. Religionsgemeinschaft erteilt. Zu diesen Grundsätzen gehört die oberhirtliche Leitung und Beaufsichtigung der gesamten Glaubensverkündigung in einer Diözese. 45 In den Bildungsplänen und Stoffplänen für die verschiedenen bayerischen Schularten wird regelmäßig bemerkt, daß für den Religionsunterricht die Richtlinien der kirchlichen Oberbehörden maßgebend sind, daß die Bestimmungen für den Religionsunterricht von den

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(2) Besuchsrecht. Die Religionsgesellschaften können durch Beauftragte den Religionsunterricht ihres Bekenntnisses besuchen lassen. Die Beauftragten können mit den Lehrkräften, die den Religionsunterricht erteilen, über die Abstellung wahrgenommener Mängel in Fühlung treten. Auch steht es ihnen frei, das Schulamt anzurufen, wenn Beanstandungen zu erheben sind. Jedoch haben die Religionsgesellschaften und ihre Vertreter gegenüber den staatlichen Lehrkräften, die Religionsunterricht erteilen, keine dienstaufsichtlichen Befugnisse46. (3) Genehmigung der Lernmittel. Die Lernmittel für den Religionsunterricht werden auf Antrag der kirchlichen Oberbehörden zum Unterrichtsgebrauche zugelassen; die Auswahl unter den zugelassenen Lernmitteln für den Religionsunterricht trifft die zuständige kirchliche Oberbehörde47.

III. Ganzheitliche katholische Erziehung 1. Die Kirche fordert für die schulische Erziehung der katholischen Kinder die ganzheitliche katholische Erziehung, wie sie in der katholischen Bekenntnisschule grundsätzlich gewährleistet ist48. Die deutschen Bischöfe haben die kirchliche zuständigen kirchlichen Oberbehörden erstellt sind, daß der Religionsunterricht nach den Weisungen der kirchlichen Oberbehörden erteilt wird (vgl. Bek. über den Bildungsplan für die bayerischen Volksschulen vom 27. 9. 1955: BayBSVK S. 1714 f.; Bek. über die Richtlinien für den Unterricht an den bayerischen Berufsschulen vom 17. 6. 1953: BayBSVK S. 1058; Bek. über die Richtlinien für den Unterricht an den landwirtschaftlichen Berufsschulen vom 3. 7. 1958: KMBl. S. 177; Bek. über die Frauenfachschulen in Bayern vom 18. 8. 1950: BayBSVK S. 528; Bek. über die Ausbildung von Kindergärtnerinnen und Hortnerinnen vom 23. 8. 1950: BayBSVK S. 573; Bek. über die Haushaltungsschulen in Bayern vom 5. 10. 1956: BayBSVK S. 2065; Bek. über die Schulen für Kinderpflege und Hauswirtschaft vom 13. 3. 1957: BayBSVK S. 2286; Bek. über die Landfrauenschulen in Bayern vom 28. 6. 1957: BayBSVK S. 2461; Bek. über die Ausbildung und Prüfung der Jugendleiterinnen vom 18. 9. 1958: KMBl. S. 265 Ziffer VII Buchst. C; Bek. über den Lehrplan der Mittelschulen vom 24. 7. 1950: BayBSVK S. 469; 497). Eine solche Bestimmung fehlt nur für die höheren Schulen (vgl. die Bek. über die Stundentafeln und Stoffpläne an den Höheren Schulen vom 14. 1. 1952: BayBSVK S. 745 f.), ist aber ohne weiteres vorauszusetzen. 46 So die Bek. über den Vollzug des Gesetzes über die Schulverwaltung, Schulleitung und Schulaufsicht an den öffentlichen Volksschulen vom 22. 4. 1938 (BayBSVK S. 242) Ziffer 34 Abs. 2 – 5 hinsichtlich der Volksschulen. Das allgemeine Besuchsrecht ergibt sich aber bereits aus Art. 8 § 1 BayK. 47 So die Bek. über die Zulassung von Lernmitteln für die Volksschulen vom 16. 10. 1928 (BayBSVK S. 165) Ziffer 4 und Ziffer 5 Abs. 2; die Bek. über die Einführung zugelassener Schulbücher an Volksschulen vom 4. 6. 1958 (KMBl. S. 139) Ziffer 4 und Ziffer 815 der Landesvolksschulordnung von 1959 hinsichtlich der Religionslehrbücher in Volksschulen. Für die übrigen Schularten gilt jedoch nichts anderes (Art. 8 § 1 BayK). 48 Die Forderung der katholischen Bekenntnisschule ergibt sich aus dem Verbot des Besuches der nichtkatholischen, neutralen und gemischten Schulen in c. 1374. Nach c. 1372 § 2

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Forderung auf katholische Bekenntnisschulen oft und eindringlich erhoben49. Nur wenn nach Lage der Dinge die katholische Bekenntnisschule nicht durchzusetzen ist, kann der Ortsoberhirt den Besuch nichtkatholischer, neutraler oder gemischter Schulen dulden50. Da der katholische Charakter der Schule mit der Befähigung und Bereitschaft der Lehrer, im Geiste des katholischen Glaubens zu unterrichten und zu erziehen, steht oder fällt, ist in der Forderung nach katholischen Bekenntnisschulen die andere nach katholischen Lehrern, die diese Bereitschaft und jene Fähigkeit besitzen, näherhin nach katholischer Lehrerbildung enthalten. 2. Das bayerische Schulrecht schafft hier in weitem Umfange die Voraussetzungen zur Erfüllung der kirchlichen Forderungen. Jedoch kann das Lehrerbildungsgesetz des Jahres 1958 nicht ohne Bedenken betrachtet werden. a) Allgemeines. Die öffentlichen Volksschulen Bayerns sind stets christliche Schulen, seien es Bekenntnis- oder Gemeinschaftsschulen. Öffentliche Weltanschauungsschulen oder öffentliche weltliche Schulen sind in Bayern nicht zugelassen51. Die Berufs- und Fortbildungsschulen sowie die Mittel- und höheren Schulen kennen keine Sonderung in Bekenntnis- und Gemeinschaftsschulen. Sie stehen den Schülern aller Bekenntnisse und Weltanschauungen offen; bei der Besetzung der Lehrerstellen spielen Bekenntnis oder Weltanschauung des Lehrers grundsätzlich keine Rolle. Die mittleren, höheren und berufsbildenden Schulen sind mithin paritätische Simultanschulen52.

haben die Eltern nach Maßgabe des c. 1113 das Recht und die ernste Pflicht, die christliche Erziehung ihrer Kinder zu besorgen. Nach c. 1372 § 1 sind alle Gläubigen von Kindheit an so zu erziehen, daß nicht nur alles von ihnen ferngehalten wird, was der katholischen Glaubenslehre oder der christlichen Sitte zuwider ist, sondern daß die religiöse und sittliche Erziehung die erste Stelle einnimmt. Die beiden letzteren Bestimmungen konvergieren auf die katholische Bekenntnisschule. 49 Vgl. das Hirtenschreiben vom 20. 8. 1936 (AfkKR 116, 1936, S. 618 – 626) sowie die auf der Fuldaer Bischofskonferenz von 1946 aufgestellten Katholischen Grundsätze über das Erziehungs- und Schulwesen Ziffer 9 und die Erklärung bezüglich der Bekenntnisschule (Wenner, Lehrapostolat, 118; 120). – Aus der umfangreichen Literatur sei genannt: E. W. Dackweiler, Katholische Kirche und Schule (Paderborn 1932); A. Scharnagel, Das Recht der Bekenntnisschule in Bayern, Jur. Beilage zum Klerusblatt 1952, Nr. 10; E. Mleinek, Die katholische Schule: Grundsätze katholischer Schulpolitik (Freiburg 1958), 150 – 171; P. Fleig, Erziehung im Gewissen, ebenda, 36 – 86; F. Pöggeler, Das katholische Erziehungsideal, ebenda, 11 – 35; J. Esterhues, Zur Geschichte der Bekenntnisschule, ebenda, 87 – 110 (mit Schrifttum); F. Weigl, Die Bekenntnisschule im Urteil der Fachwissenschaft (Klerusblatt 1950, 160 f.). 50 C. 1374 . 51 Vgl. J. Mayer, Schulorganisationsgesetz, 32. 52 Vgl. dazu H. Heckel, Sinn und Mißverständnisse der Parität bei Stellenbesetzungen an höheren Schulen: Die Höhere Schule (1958), 173 – 178.

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b) Die Bekenntnisschule. (1) Begriff. Bekenntnisschulen sind Schulen, in denen Kinder eines bestimmten Bekenntnisses nach den Grundsätzen dieses Bekenntnisses unterrichtet und erzogen werden53. In ihnen werden Unterricht und Erziehung in allen Fächern einheitlich nach den Grundsätzen des Bekenntnisses ausgerichtet. (2) Errichtung. Nach der rechtlichen Entwicklung des Schulwesens in Bayern und nach der Bayerischen Verfassung sowie dem Schulorganisationsgesetz ist die Bekenntnisschule die Regelschule54. Während sich das Bayerische Konkordat in Art. 6 mit einer Formulierung begnügen mußte, in der die Bekenntnisschule zur Antragsschule erklärt wird, um nicht gegen Art. 146 Abs. 2 der Weimarer Reichsverfassung zu verstoßen, geht die staatliche Schulgesetzgebung Bayerns nach Entfall der WRV über die konkordatären Abmachungen hinaus und erklärt die Bekenntnisschule zur Regelschule, die Gemeinschaftsschule zur Antragsschule. Die Verfassung geht davon aus, daß die Errichtung einer Bekenntnisschule dem Willen der Erziehungsberechtigten entspricht55 ; einer Antragsstellung bedarf es nicht. Jede neue Schule ist somit grundsätzlich eine Bekenntnisschule56. Wenn jedoch eine Schule der Bekenntnisminderheit errichtet werden soll, ist der Wille der Erziehungsberechtigten in geeigneter Weise festzustellen57. 53

§ 6 Abs. 1 des Schulorganisationsgesetzes. Vischer, S. 11. Vgl. die Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichthofes vom 21. 12. 1951 (Pfarramtsblatt 1953 S. 45 ff.) und J. Mayer, Das Schulorganisationsgesetz stimmt mit der Verfassung überein (Klerusblatt 1952, 115 – 117). 55 Art. 135 Abs. 1 S. 3 BayVerf. Die Erklärung der Bekenntnisschule zur Regelschule ist also eine Auswirkung der Anerkennung des Elternrechtes in Art. 126 Abs. 1 BayVerf (vgl. J. Mayer, Schulorganisationsgesetz, 21). 56 Schulorganisationsgesetz § 5; Bek. zur Ausführung des Gesetzes über die Organisation der Volksschulen vom 23. 11. 1950 (BayBSVK 5. 616) Ziffer 9 Abs. II. 57 Vgl. J. Mayer, Schulorganisationsgesetz, 21. – Im allgemeinen ist an einem Ort zunächst nur eine Bekenntnisschule der Bekenntnismehrheit vorhanden. Diese Schule werden zunächst auch die Schüler der Bekenntnisminderheit besuchen (Ausführungsbekanntmachung Ziffer 9 Abs. II). Wächst aber die Zahl der Kinder des anderen Bekenntnisses so stark an, daß der Charakter der Schule tatsächlich stark beeinträchtigt wird, oder wird von den beteiligten Kreisen die Errichtung einer Schule des Minderheitsbekenntnisses angeregt, so ist von Amts wegen zu prüfen, ob zu der Schule für die Bekenntnismehrheit auch eine Schule für die Bekenntnisminderheit zu errichten ist (Ausführungsbekanntmachung Ziffer 11 Abs. II). Die Errichtung einer eigenen Schule für die Bekenntnisminderheit ist dann anzuordnen, wenn 1. die Zahl der volksschulpflichtigen Kinder der Bekenntnisminderheit in den nächsten fünf Jahren voraussichtlich 25 beträgt (Schulorganisationsgesetz § 2 Abs. 3), 2. diesen Kindern der Besuch einer benachbarten Schule ihres Bekenntnisses nicht möglich ist oder nicht zugemutet werden kann, 3. die Errichtung der Schule dem Willen der Erziehungsberechtigten der Bekenntnisminderheit entspricht, worüber ein Gutachten der zuständigen kirchlichen Oberbe54

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(3) Lehrkräfte. Der Unterricht und die Erziehung der Kinder an katholischen Volksschulen dürfen nur solchen Lehrkräften anvertraut werden, die geeignet und bereit sind, in verläßlicher Weise in der katholischen Religionslehre zu unterrichten und im Geiste des katholischen Glaubens zu erziehen58. Die Lehrer und Lehrerinnen, die an katholischen Volksschulen angestellt werden wollen, müssen vor ihrer Anstellung nachweisen, daß sie eine dem Charakter dieser Schulen entsprechende Ausbildung erhalten haben. Diese Ausbildung muß sich sowohl auf den Religionsunterricht als auch auf jene Fächer beziehen, die für den Glauben und die Sitten bedeutungsvoll sind59. Um diesen konkordatären und verfassungsrechtlichen Ansprüchen nachzukommen, müssen die Lehrer und Lehrerinnen nicht nur dem katholischen Bekenntnis angehören, sondern auch in Gesinnung und Lebenswandel ihre katholische Überzeugung bezeugen. Ihre Bereitwilligkeit zum Dienst an der Bekenntnisschule ergibt sich aus der den Erfordernissen der Bekenntnisschule entsprechenden Ausbildung und der Meldung zum Dienst an der Bekenntnisschule.

hörde einzuholen ist, auch im Hinblick auf Art. 6 BayK (Ausführungsbekanntmachung Ziffer 9 Abs. III und IV). Die Errichtung ist mit Wirkung zum nächsten Schuljahresbeginn rechtzeitig anzuordnen. Für etwaige schulaufsichtliche Erwägungen ist in diesem Falle kein Raum. Auf Grund der Schulsprengelpflicht sind fortan alle Kinder der Bekenntnisminderheit zum Besuche dieser Schule verpflichtet; Ausnahmen sind nur in begrenztem Umfange möglich (Schulorganisationsgesetz § 2 Abs. 3; Ausführungsbekanntmachung Ziffer 9 Abs. IV bis VI). 58 BayK Art. 5 § 1. BayVerf Art. 135 Abs. 2 übernimmt weitgehend die konkordatäre Bestimmung, erwähnt aber nicht eigens den Religionsunterricht. Ihr folgt Schulorganisationsgesetz § 6 Abs. 2, fügt aber hinzu, daß die Entscheidung hierüber (ob Lehrer geeignet und bereit sind, die Kinder nach den Grundsätzen des betreffenden Bekenntnisses zu unterrichten und zu erziehen) der staatlichen Schulaufsicht vorbehalten bleibt. Daß die Befähigung, Unterricht in der katholischen Religionslehre zu erteilen, Voraussetzung für die Anstellung an einer Bekenntnisschule ist, geht auch aus der Bek. über die religionspädagogische Prüfung für das Lehramt an Volksschulen vom 9. 3. 1953 (BayBSVK, S. 367) hervor; dort wird gefordert, daß Lehrkräfte, die an Bekenntnisschulen verwendet werden sollen, die Lehrbefähigung für den Religionsunterricht nachweisen und deshalb die religionspädagogische Prüfung für das Lehramt an Volksschulen ablegen. 59 BayK Art. 5 § 2. Nach Art. 13 Abs. 1 des Lehrerbildungsgesetzes vom 14. 6. 1958 (GVBl. S. 133) müssen Studierende, die später an einer katholischen Bekenntnisschule verwendet werden wollen, Religionspädagogik und Religionslehre sowie eine durch Rechtsverordnung der Staatsregierung festzusetzende Anzahl von Vorlesungen in Philosophie, Psychologie, Pädagogik und Methodik weltanschaulich bedeutsamer Fächer einschließlich Seminare und Übungen an einer Hochschule mit katholischem Bekenntnischarakter hören. Von dem Nachweis der Befähigung zur Erteilung von Religionsunterricht ist die Erteilung der Genehmigung des Diözesanbischofs zur Unterrichtung in katholischer Religionslehre verschieden (vgl. BayK Art. 5 § 2 letzter Satz; BayVerf Art. 136 Abs. 4).

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Das Lehrerbildungsgesetz vom 14. Juni 1958 (GVBl. S. 133) tut den kirchlichen Ansprüchen formal Genüge, ist jedoch von einem beklagenswerten Minimalismus hinsichtlich der bekenntnismäßigen Prägung der Lehrerbildung bestimmt60. Danach erfolgt die Ausbildung für das Lehramt an öffentlichen Volksschulen auf christlicher Grundlage und auf dem Boden der abendländischen Kultur61, und zwar in einem sechssemestrigen Studium an Pädagogischen Hochschulen der Landesuniversitäten62. Die Pädagogischen Hochschulen haben bekenntnismäßigen Charakter nach Maßgabe des Gesetzes63, d. h. mit erheblichen und schwerwiegenden Einschränkungen. Bei der Verwendung der Lehrkräfte an den Pädagogischen Hochschulen wird dem bekenntnismäßigen Charakter Rechnung getragen64. Indes gelten nur für die Lehrer in Religionspädagogik und Religionslehre die Bestimmungen der Art. 3 und Art. 5 § 2 S. 3 des Bayerischen Konkordates65, wird also der Kirche ein Vetorecht und das Recht zur Erteilung der missio canonica eingeräumt. Von der beabsichtigten Verwendung von Lehrkräften für Philosophie, Psychologie, Pädagogik und Methodik weltanschaulich bedeutsamer Fächer wird der kirchlichen Oberbehörde dagegen nur Kenntnis gegeben66, was wohl die Möglichkeit einschließt, gegebenenfalls Gegenvorstellungen zu erheben, ein Vetorecht jedoch nicht begründet. Da der Lehrer in der Bekenntnisschule grundsätzlich alle Fächer in die bekenntnismäßige Prägung einbeziehen und in ihnen aus dem Geiste des Bekenntnisses unterrichten und erziehen soll, läßt sich die Ausklammerung aller übrigen Fächer an den Pädagogischen Hochschulen aus der bekenntnismäßigen Prä60 Zur Neuordnung der Lehrerbildung in Bayern vgl. besonders Th. Maunz, Staatsrechtliche Grundfragen der Lehrerbildung in Bayern (München o. J.); J. Zinkl/J. Mayer/A. Scharnagel: Juristische Beilage zum Klerusblatt 1953, Nr. 5 – 7. 61 Art. 1 Lehrerbildungsgesetz (= LBG). 62 Art. 2 Abs. 2 LBG. 63 Art. 11 Abs. 1 S. 1 LBG. Katholischen Bekenntnischarakter haben die Pädagogischen Hochschulen in Augsburg, Bamberg, Regensburg und Würzburg (2. Verordnung zur Durchführung des Lehrerbildungsgesetzes vom 28. 7. 1958: GVBl. S. 185 = KMBl. S. 350, § 1 Abs. 2). Bedauerlich ist, daß der Hochschule in München – als der bedeutendsten – nicht von vornherein eine klare bekenntnismäßige Prägung gegeben wurde (vgl. § 1 Abs. 2 der 2. Durchführungsverordnung). Nicht unbedenklich ist auch der Art. 12 LBG. Wenn sich nämlich eine für den Lehrbetrieb einer Pädagogischen Hochschule ausreichende Zahl von Studierenden dafür entscheidet, an einer Pädagogischen Hochschule simultanen Charakters ausgebildet zu werden, so wird eine Hochschule dieses Charakters errichtet (Abs. 1). Falls eine der christlichen Kirchen einen Lehrstuhl für Religionspädagogik und Religionslehre an einer solchen Hochschule verlangt, wird dem stattgegeben. Für die Lehrer in Religionspädagogik und Religionslehre findet Art. 11 Abs. 3 Anwendung (Abs. 2). Dieser Art. 12 beschwört die Gefahr herauf, daß die Zahl der für die Bekenntnisschule unverwendbaren Lehrer in einem Maße steigt, daß sie aus Mangel an verwendbaren auch an Bekenntnisschulen verwendet werden müssen. Außerdem wird hier von vornherein die Erteilung des Religionsunterrichtes durch den Lehrer ignoriert. 64 Art. 11 Abs. 1 S. 2 LBG. 65 Art. 11 Abs. 3 LBG. 66 Art. 11 Abs. 2 LBG.

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gung mit dem Bildungsziel der Pädagogischen Hochschulen, nämlich Lehrer heranzubilden, die geeignet sind, an den in Bayern vorherrschenden Bekenntnisschulen zu unterrichten, nur schwer vereinbaren. Wenn auch die Konkordatsbestimrnung des Art. 5 § 2 S. 2, die für jene Fächer eine dem Charakter der Bekenntnisschule entsprechende Ausbildung verlangt, die für den Glauben und die Sitte bedeutungsvoll sind, reichlich allgemein gehalten ist, kann es doch, zumal nach den Erfahrungen der letzten dreißig Jahre und besonders in der Sowjetischen Besatzungszone, keinem Zweifel unterliegen, daß die erbittertsten Feinde des katholischen Bildungsideals ihrerseits nicht zögern, den gesamten Unterricht in allen Fächern weltanschaulich auszurichten, daß also für sie alle Fächer weltanschaulich bedeutungsvoll sind. Insbesondere ist der im Gesetz verankerte Grundsatz der Freizügigkeit der Studenten geeignet, den Bekenntnischarakter der Lehrerbildung auszuhöhlen. Zwar wird bestimmt, daß Studierende, die später an einer katholischen Bekenntnisschule verwendet werden wollen, bestimmte Vorlesungen mit Seminaren und Übungen an einer Pädagogischen Hochschule mit katholischem Bekenntnischarakter hören und an dieser die Erste Prüfung für das Lehramt an Volksschulen ablegen müssen67. Das Gesetz läßt es aber grundsätzlich zu, daß ein Studierender lediglich das Minimum an. Vorlesungen und Übungen an einer Hochschule mit katholischem Bekenntnischarakter studiert und die übrigen Semester anderswohin geht und sich erst zur Ersten Prüfung an dieser Hochschule wieder einfindet68. Die Gefahren, die das Lehrerbildungsgesetz in sich birgt, können somit nicht verkannt werden. Sie gewinnen ihre besondere Schwere aus der erklärten Absicht der Feinde der katholischen Bildungsidee, über die Lehrerschaft die Bekenntnisschule zu Fall zu bringen69. Die Eignung und Bereitschaft der Lehrkräfte an katholischen Bekenntnisschulen, im Geiste des katholischen Glaubens zu unterrichten und zu erziehen, muß nicht nur am Anfang der schulischen Laufbahn, sondern während der ganzen Dauer 67 Art. 13 Abs. 1 LBG. Die Anzahl der Vorlesungen, Seminare und Übungen ist durch Verwaltungsabkommen zwischen dem Heiligen Stuhl und der Bayerischen Staatsregierung vom 29./30. 8. 1958 vereinbart (Die Katholische Schule [1959] 41 f.) und durch die 4. Verordnung des Bayerischen Ministerpräsidenten zur Durchführung des Lehrerbildungsgesetzes vom 16. 1. 1959 (GVBl. S. 36 = KMBl. S. 27) festgesetzt worden. Danach müssen Studierende, die später an einer katholischen Bekenntnisschule verwendet werden sollen, an einer Pädagogischen Hochschule mit katholischem Bekenntnischarakter sechs Wochenstunden in Philosophie, acht Wochenstunden in Psychologie, vierzehn Wochenstunden in Pädagogik, vier Wochenstunden in Methodik weltanschaulich bedeutsamer Fächer und acht Wochenstunden in Religionspädagogik und Religionslehre hören. 68 Vgl. K. A. Ederer, Die künftige Lehrerbildung in Bayern: Klerusblatt 1958, 215. 69 Dagegen bietet die in Art. 17 LBG ermöglichte Errichtung nichtstaatlicher Pädagogischer Hochschulen keinen wirksamen Schutz, da sie erfahrungsgemäß fast ausschließlich der Ausbildung klösterlicher Lehrkräfte dienen. Vgl. die Errichtung der Kirchlichen Pädagogischen Hochschule in Eichstätt (Pfarramtsblatt 1958, 283 f.; Die Katholische Schule 1958, 323).

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der schulischen Wirksamkeit gegeben sein. Ein Verstoß gegen die Verpflichtung, im Geiste des katholischen Glaubens zu unterrichten und zu erziehen, ist zugleich ein Verstoß gegen die allgemeine Dienstpflicht und daher disziplinär verfolgbar70. Die Entscheidung, ob Lehrer an Bekenntnisschulen verwendet werden können, steht der Regierung zum71. c) Die Gemeinschaftsschule. (1) Begriff. Gemeinschaftsschulen sind Schulen, in denen Kinder ohne Rücksicht auf das Bekenntnis gemeinsam nach christlich-abendländischen Grundsätzen unterrichtet und erzogen werden72. Unterricht und Erziehung sind hier somit nicht auf ein bestimmtes Bekenntnis abgestellt. Die Gemeinschaftsschule ist jedoch ihrem Wesen 70 Roedel-Paulus, Reichskirchenrecht und neues bayerisches Kirchenrecht (München und Berlin 1934), 61. – Da kein Lehrer gezwungen werden kann, Religionsunterricht zu erteilen (BayVerf Art. 136 Abs. 3), erhebt sich die Frage, ob einem Lehrer an einer Bekenntnisschule Schwierigkeiten erwachsen, wenn er von seinem verfassungsmäßig gewährleisteten Recht Gebrauch macht, den Religionsunterricht niederzulegen. Dafür ist noch immer maßgebend die Erklärung der Staatsregierung vom 14. 1. 1925 (GVBl. S. 68) im Zusammenhang mit dem Konkordat: „Der Freiheit des Gewissens und der Verwendung der Lehrpersonen an Bekenntnisschulen sind andere Schranken, als sie durch die besonderen Amts- und Standespflichten bedingt sind, nicht gezogen. Die Neuanstellung von Lehrpersonen an Bekenntnisschulen setzt voraus, daß der Bewerber den Erfordernissen der einschlägigen Vertragsbestimmungen entspricht. Die Niederlegung des Religionsunterrichtes für sich allein ist nicht in jedem Falle ein genügender Beweis dafür, daß die betreffende Lehrperson den angeführten Vertragsbestimmungen nicht mehr entspricht.“ Es wird also bei der Entscheidung der Frage, ob Lehrer, die den Religionsunterricht niederlegen, weiter an dieser oder einer anderen Bekenntnisschule verwendet werden können, entscheidend auf den Grund der Niederlegung ankommen. Ist die Niederlegung durch einen Umstand bedingt, der die Eignung des Lehrers für die Bekenntnisschule nicht in Frage stellt, kann er an der gleichen Schule belassen oder an eine andere Bekenntnisschule versetzt werden. Im anderen Falle ist er von jeder Bekenntnisschule zu entfernen oder in den Ruhestand zu versetzen (vgl. A. M. Koeniger, Die neuen deutschen Konkordate und Kirchenverträge [Bonn und Köln 1932], 216 f.). 71 Schulorganisationsgesetz § 6 Abs. 2 S. 2; Ausführungsbekanntmachung Ziffer 11 Abs. III. Im allgemeinen wird die Regierung Beanstandungen durch die kirchlichen Behörden abwarten. Solche Beanstandungen sind, um eine gleichmäßige Handhabung der Bestimmung zu gewährleisten, nur von den bischöflichen Ordinariaten entgegenzunehmen (Ausführungsbekanntmachung Ziffer 11 Abs. IV). Die Seelsorgevorstände haben also ihrerseits kein selbständiges Beanstandungsrecht, sondern müssen dem Ordinariat im einzelnen Fall Meldung machen. Würde die Regierung in begründeten Fällen den Beanstandungen nicht abhelfen, müßten Verhandlungen mit den Vertragspartnern geführt werden (Ausführungsbekanntmachung Ziffer 11 Abs. IV S. 2; vgl. Mayer, Schulorganisationsgesetz, 28 f.). – Kommt die Regierung zu dem Ergebnis, daß der Lehrer auf Grund seines Verhaltens an einer Bekenntnisschule nicht mehr weiterverwendet werden kann, so wird zu prüfen sein, ob eine Weiterverwendung an einer Gemeinschaftsschule möglich ist. Bejahendenfalls wird er aus dienstlichen Gründen an eine Gemeinschaftsschule versetzt (Mayer, Schulorganisationsgesetz, 29). Es ist noch zu verweisen auf die Urteile des LAG Bayern vom 8. 2. 1951 (Pfarramtsblatt 1951 S. 217 ff.) und des BayVGH vom 28. 10. 1957 (Pfarramtsblatt 1958 S. 75 ff.). 72 Schulorganisationsgesetz § 8 Abs. 1.

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nach eine christliche Schule73. Den kirchlichen Bestimmungen genügt sie allerdings nicht. (2) Errichtung. Gemeinschaftsschulen können nur an Orten mit bekenntnismäßig gemischter Bevölkerung (1 %) errichtet werden. Da die Gemeinschaftsschule nicht die Regelschule ist, bedarf es zu ihrer Errichtung in jedem Falle des Antrages von wenigstens fünf Erziehungsberechtigten74. (3) Lehrkräfte. An der Gemeinschaftsschule in Bayern wird nach christlich-abendländischen Grundsätzen unterrichtet und erzogen. Daraus ergibt sich, daß die Lehrkräfte an Gemeinschaftsschulen grundsätzlich christlich sein müssen. Es ist jedoch zwischen der Erstanstellung und der späteren Diensttätigkeit zu unterscheiden. Zur Anstellung an Gemeinschaftsschulen kommen nur Lehrkräfte, die einem der beiden christlichen Bekenntnisse angehören. Ist aber ein Lehrer einmal an einer Schule angestellt und scheidet er nachträglich aus einer der beiden christlichen Religionsgesellschaften aus, so bildet dies allein nach der bayerischen Praxis keinen Grund, ihn aus dem Schuldienst zu entfernen. Es mag Anlaß sein, ihn aus dienstlichen Gründen zu versetzen, dann nämlich, wenn an der Schule schon andere nichtchristliche Lehrkräfte sind, so daß der christliche Charakter der Gemeinschaftsschule gefährdet wäre, oder wenn die Schulpflegschaft dies verlangt75. In Gemeinschaftsschulen soll bei der Auswahl der Lehrer auf die verschiedenen Bekenntnisse der Kinder Rücksicht genommen werden76. In strittigen Fällen ist die Schulpflegschaft zu hören77. 73 J. Mayer, Schulorganisationsgesetz, 32. – Nach Ziffer 603 der Landesvolksschulordnung von 1959 ist in jedem Klassenzimmer einer Volksschule, gleichgültig ob es sich um eine Bekenntnis- oder eine Gemeinschaftsschule handelt, ein Kreuz anzubringen. 74 Schulorganisationsgesetz § 5 Abs. 2 – 4. Eingehende Ausführungen über die Errichtung einer Gemeinschaftsschule finden sich bei J. Mayer, Schulorganisationsgesetz, 33 ff. 75 J. Mayer, Schulorganisationsgesetz, 36. – Eine Versetzung aus dienstlichen Gründen ist im Bayerischen Beamtengesetz vorgesehen und daher wie bei allen Beamten auch bei Volksschullehrern zulässig. Eine Entfernung aus dem Schuldienst überhaupt wird nur dann in Betracht kommen, wenn der Lehrer durch antichristliche Haltung in der Schule die Erziehung der Kinder im christlichen Sinne gefährdet. Es müßte in einem solchen Falle ein Dienststrafverfahren durchgeführt werden (Mayer, Schulorganisationsgesetz, 36 f.). 76 Schulorganisationsgesetz § 8 Abs. 2 S. 1. Grundsätzlich soll die Anzahl der Lehrer eines bestimmten Bekenntnisses sich nach der Anzahl der Schüler des betreffenden Bekenntnisses richten. Bei der ungeteilten Gemeinschaftsschule wird deswegen in der Regel der Lehrer dem Bekenntnis der Mehrheit der schulpflichtigen Kinder in den letzten fünf Jahren angehören. An teilweise oder ganz ausgebauten Gemeinschaftsschulen sollen von jedem beteiligten Bekenntnis Lehrer in entsprechender Zahl verwendet werden. Sind genügend freireligiöse und aus der Kirche ausgetretene oder ausgeschlossene Kinder vorhanden, so sind auch solche

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Durch alle diese Bestimmungen wird den Kindern katholischen Bekenntnisses ein anerkennenswertes Maß an Schutz gesichert, ohne daß dadurch die Bedenken gegen diese Form der Schule beseitigt werden könnten. (4) Wahl der Schulart. Die Wahl der Schulart, also zwischen Bekenntnisschule und Gemeinschaftsschule, ist den Erziehungsberechtigten vorbehalten78. Die Lehrkräfte haben sich in amtlicher Eigenschaft jeder Beeinflussung der Erziehungsberechtigten in der Wahl der Schulart zu enthalten und dürfen auch nicht dulden, daß solche Beeinflussung in den Räumen und auf dem Grundstück des Schulgebäudes von anderen Personen ausgeübt wird79. d) Die Teilnahme der Schüler an religiösen Übungen. Den Schülern der Volksschulen, Mittelschulen und höheren Lehranstalten wird im Benehmen mit den kirchlichen Oberbehörden geeignete und ausreichende Gelegenheit zur Erfüllung ihrer religiösen Pflichten gegeben80. Dazu gehören der Schutz der Sonn- und Feiertage81 und die Pflege religiöser Veranstaltungen, die mit der Schule im Zusammenhang stehen82 oder für Schüler gehalten werden83. Lehrer in entsprechender Zahl zu verwenden (Ausführungsbekanntmachung Ziffer 13; vgl. Mayer, Schulorganisationsgesetz, 37). 77 Schulorganisationsgesetz § 8 Abs. 2 S. 2. Von der Auffassung der Schulpflegschaft soll nur bei Vorliegen besonderer wichtiger Gründe abgegangen werden, denn die Auffassung der Schulpflegschaft ist als die Auffassung der Eltern anzusehen, deren Wille möglichst berücksichtigt werden soll (Mayer, Schulorganisationsgesetz, 37). – Die Auswahl der Lehrer soll nicht nur mit Rücksicht auf die Gefühle der Erziehungsberechtigten den Bekenntnissen der Kinder entsprechen, sondern auch aus rein schulischen Gründen. Die Durchführung des Religionsunterrichtes an den Gemeinschaftsschulen ist eine durch die Verfassung festgelegte Aufgabe des Staates. Die Erteilung des Religionsunterrichtes ist Pflicht des Lehrers, soweit er ihn nicht ausdrücklich niedergelegt hat. Es müssen demnach die Lehrer in den Gemeinschaftsschulen grundsätzlich so ausgewählt werden, daß der Religionsunterricht auch ohne zusätzliche Aufwendungen durch Bestellung von besonderen Religionslehrern erteilt werden kann. Das läßt sich am sichersten dadurch erreichen, daß die Lehrkräfte in ihrem Bekenntnis dem der Kinder entsprechen (Mayer, Schulorganisationsgesetz, 37). 78 Schulorganisationsgesetz § 7 Abs. 2; § 11; Ausführungsverordnung zum Schulpflichtgesetz vom 7. 9. 1957 (GVBl. S. 199) Ziffer 9 Abs. IV und V (in der Fassung vom 22. 3. 1958: GVBl. S. 53); Aufführungsbekanntmachung zum Schulorganisationsgesetz vom 23. 11. 1950 (BayBSVK S. 616) Ziffer 9 Abs. VI (in der Fassung vom 21. 6. 1957: KMBl. S. 369). – Vgl. auch das Urteil des BayVGH vom 11. 2. 1958 (Pfarramtsblatt 1958 S. 149 ff.) und die Entschließung vom 9. 4. 1958 (Pfarramtsblatt 1958 S. 289). 79 Ausführungsbekanntmachung zum Schulorganisationsgesetz Ziffer 10 Abs. VIII. 80 BayK Art. 7 § 2. 81 An den Sonntagen und gesetzlichen Feiertagen (Gesetz über den Schutz der Sonn- und Feiertage vom 15. 12. 1949: GVBl. 1950 S. 41 = BayBS I 380) fällt der Unterricht an den Schulen sämtlicher Gattungen aus. An den staatlich geschützten kirchlichen Feiertagen (19.3., 29.6. und 8.12.; in den Gemeinden mit überwiegend katholischer Bevölkerung: Buß- und Bettag und unter Umständen der 1.11.; in den Gemeinden mit überwiegend protestantischer Bevölkerung: Fronleichnam, 15.8., 1.11.) fällt an den Volksschulen in Bekenntnisschulen des

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Die Teilnahme an kirchlichen und religiösen Handlungen und Feierlichkeiten bleibt jedoch der Willenserklärung der Erziehungsberechtigten, vom vollendeten achtzehnten Lebensjahre ab der Willenserklärung der Schüler überlassen84.

betreffenden Bekenntnisses der Schulunterricht aus. An den übrigen Schulen aller Gattungen fällt der Unterricht aus, wenn mindestens ein Drittel der Besucher der Schule dem betreffenden Bekenntnis angehört. Wird diese Zahl nicht erreicht, so haben nur die Angehörigen des betreffenden Bekenntnisses unterrichtsfrei. Für den von der katholischen Kirche gefeierten Allerseelentag (2.11.) und den von der evangelischen Kirche gefeierten Reformationstag (31.10.) gilt die gleiche Regelung wie für die staatlich geschützten Feiertage mit der Maßgabe, daß nur für den zum Besuch des Gottesdienstes erforderlichen Zeitraum unterrichtsfrei ist. Während sich der Schutz der staatlich geschützten kirchlichen Feiertage nur auf die ortsübliche Zeit des Hauptgottesdienstes beschränkt, fällt der Unterricht am ganzen Tag aus oder es haben die Angehörigen des betreffenden Bekenntnisses den ganzen Tag schulfrei (Bek. über die Auswirkung des Gesetzes über den Schutz der Sonn- und Feiertage in den Schulen vom 19. 10. 1950: BayBSVK S. 600). – Vgl. auch noch die Entschließung über den Ausfall des Unterrichts an Volksschulen (und ähnlich an Berufsschulen) an örtlichen Feiertagen vom 1. 1. 1951 (BayBSVK S. 632), jetzt überholt durch die sachlich gleiche Ziffer 260 der Landesvolksschulordnung von 1959, sowie die Entschließung vom 16. 5. 1946 (BayBSVK S. 282) über die Teilnahme der Schulkinder an den herkömmlichen Bittprozessionen, durch Ziffer 261 der Landesvolksschulordnung von 1959 erweitert auf „kirchliche Feierlichkeiten“. Nach Ziffer 272 der Landesvolksschulordnung von 1959 gilt als besonderer Grund für die Befreiung vom Unterricht auch die Teilnahme des Schülers an kirchlichen Veranstaltungen (Ministrieren und andere kirchliche Dienste) und an besonderen Familienereignissen. 82 Nach Ziffer 531 der Landesvolksschulordnung von 1959 können Anlaß zu Schulfeiern u. a. kirchliche Feste und Gedenktage sein. Dazu können der Schule nahestehende Personen wie Vertreter der Kirchen eingeladen werden (Ziffer 532). Wo sich das Schulleben mit kirchlichen Festen berührt, soll sich die Schule nach Möglichkeit an ihnen beteiligen (Ziffer 533). 83 Zur Teilnahme am Tag der Firmung, an der Schulbeichte und der Schulkommunion für die erforderliche Zeit, Schüler der beiden letzten Jahrgänge zur Teilnahme an einem Einkehrtage erhalten die Kinder schulfrei. Die Pfarrämter oder die Religionslehrer verständigen vorher den Klassenlehrer (Ziffer 275 der Landesvolksschulordnung von 1959). Der Religionslehrer einer katholischen Bekenntnisschule darf am Schwarzen Brett der Schule die Zeiten des Schulgottesdienstes bekanntgeben (Entschließung vom 20. 3. 1956: Amtsblatt der Erzdiözese München-Freising 1956 S. 125). Die Schüler höherer Lehranstalten sollen an den Schulgottesdiensten ihres Bekenntnisses teilnehmen; darüber hinaus sollen sie die Vorschriften ihres Bekenntnisses über die Teilnahme an kirchlichen Veranstaltungen befolgen (Schulordnung für die Höheren Schulen in Bayern vom 17. 5. 1957: BayBSVK S. 2351, § 14 Abs. 4). 84 BayVerf Art. 137 Abs. 1. Aufschlußreich ist Ziffer 53 der Ausführungsbestimmungen zur Schulordnung für die Höheren Schulen in Bayern vom 15. 2. 1958 (KMBl. S. 49): „Nach Artikel 137 Abschn. 1 der Bayerischen Verfassung ist es Sache der Erziehungsberechtigten, um die Erfüllung der religiösen Verpflichtungen ihrer Kinder besorgt zu sein. Die Schule unterstützt den Willen der Eltern bei dieser Erziehungsaufgabe, soweit sich Möglichkeiten dazu bieten. Durch die Einrichtung von Schulgottesdiensten, Schulandachten und Schulgebet, aber auch durch die Sicherung der Sonntagsheiligung kann sie eine bedeutsame Hilfe leisten.“

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IV. Schulaufsicht 1. Nach dem CIC haben die Ortsoberhirten das Recht und die Pflicht, darüber zu wachen, daß in den Schulen ihres Gebietes nichts gegen den Glauben oder die guten Sitten gelehrt wird oder geschieht85. Die gleiche Aufgabe obliegt, in Unterordnung unter die Ortsoberhirten, den Pfarrern86. Zur Erfüllung ihrer Aufgabe sind die Ortsoberhirten berechtigt, persönlich oder durch andere die Schulen hinsichtlich dessen, was die religiös-sittliche Erziehung betrifft, zu visitieren87. Es wird also von der Kirche nicht eine allgemeine Schulaufsicht gefordert, welche die Leitung, Förderung und Überwachung des Schulwesens umfaßt und die der Staat für sich in Anspruch nimmt, sondern eine sachlich beschränkte, den religiös-sittlichen Bereich umfassende Aufsicht. 2. Das bayerische Schulrecht kommt der Kirche hinsichtlich der geforderten Aufsicht entgegen, räumt aber den Ortsoberhirten kein allgemeines Visitationsrecht hinsichtlich der religiös-sittlichen Erziehung in den Schulen ein. a) Beanstandungsrecht. Dem Bischof und seinen Beauftragten steht das Recht zu, Mißstände im religiössittlichen Leben88 der katholischen Schüler wie auch ihre nachteiligen oder ungehörigen Beeinflussungen in der Schule, insbesondere etwaige Verletzungen ihrer Glaubensüberzeugung oder religiösen Empfindungen89 im Unterrichte, bei der staatlichen Unterrichtsbehörde zu beanstanden, die für entsprechende Abhilfe Sorge tragen wird90. Dieses Beanstandungsrecht ist nur für den Fall von Beobachtungen oder Anzeigen gewährt; es gibt kein Besuchsrecht in den sog. profanen Fächern. Es räumt keine dienstaufsichtlichen Befugnisse gegenüber den Lehrkräften ein91. Es erstreckt sich aber auch auf die Lernmittel92. 85

C. 1381 § 2. C. 469 87 C. 1382. 88 Vgl. dazu die Bek. über Mitteilungen bei Verfehlungen von Hochschülern und Schülern sowie bei strafbaren Handlungen an Schülern vom 19. 9. 1956 (BayBSVK S. 2059), besonders Ziffer III, sowie die Entschließung über den Schutz der Jugend vor den Gefahren des Alkohols und des Rauchens vom 27. 1. 1959 (Beiblatt zum KMBl. 1959 S. 77). 89 Vgl. dazu BayVerf Art. 136 Abs. 1; Entschließungen vom 1. und 5. 12. 1950 (BayBSVK S. 629; 630), jetzt überholt durch Ziffer 501 der Landesvolksschulordnung von 1959 über die Achtung der religiösen Empfindungen aller; endlich Abschnitt IV Ziffer 12 der allgemeinen Richtlinien des Bildungsplanes für die bayerischen Volksschulen vom 27. 9. 1955 (BayBSVK S. 1699). 90 BayK Art. 8 § 2. 91 Die Regierungserklärung vom 14. 1. 1925 sagt dazu: „Die staatliche Schulaufsicht wird aufrecht erhalten. Eine Wiedereinführung der früheren geistlichen Schulaufsicht steht nicht in Frage. Am § 28 des Schulaufsichtsgesetzes vom 1. 8. 1922 wird festgehalten. Seine Bestimmungen kommen bezüglich des Religionsunterrichtes an den übrigen Lehranstalten zur ent86

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b) Mitarbeit in Schulpflegschaft und Berufsschulbeirat. Die Mitarbeit kirchlicher Vertreter in Schulpflegschaft und Berufsschulbeirat ermöglicht es, auch hier kirchliche Grundsätze geltend zu machen. (1) Schulpflegschaft. Die Schulpflege ist die Sorge für alle Maßnahmen und Einrichtungen, die der Förderung der äußeren Schulverhältnisse und der Unterstützung der Erziehung der schulpflichtigen Jugend in und außerhalb, der Schule dienen93. Träger der Schulpflege ist die Schulpflegschaft. Sie wird grundsätzlich für jede öffentliche Volksschule gebildet. Ihr gehört u. a. der katholische Pfarrvorstand an, in dessen Pfarrei die Schule liegt, wenn aus seiner Pfarrei bekenntnisangehörige Kinder der Schule zugeteilt sind94. Religionslehrer sind für die Wahl der Lehrervertreter der Schulpflegschaft unter bestimmten Voraussetzungen aktiv und passiv wahlberechtigt95. sprechenden Anwendung. Der kirchlichen Oberbehörde oder deren Beauftragten sind bei Ausübung des Rechtes zum Besuche des Religionsunterrichtes und des Rechtes zu allenfallsigen Beanstandungen des Unterrichtes in den weltlichen Fächern dienstaufsichtliche Befugnisse gegenüber dem Lehrpersonal nicht eingeräumt. Im Falle von Beanstandungen kommt die der Sach- und Rechtslage entsprechende Entscheidung nach Maßgabe staatlicher Bestimmungen dem Staate zu.“ 92 Bei Anträgen auf Aufnahme eines Lernmittels in das amtliche Lernmittelverzeichnis, die beim Staatsministerium für Unterricht und Kultus zu stellen sind, sind Gutachten von Sachverständigen einzuholen; gegebenenfalls ist das Lernmittel auch der beteiligten kirchlichen Oberbehörde zur Einsichtnahme und etwaigen Erinnerung zuzuleiten (Bek. vom 16. 10. 1928: BayBSVK S. 166, Ziffer 8). Daß es sich hierbei nicht um Lernmittel für den Religionsunterricht handelt, geht daraus hervor, daß von der Notwendigkeit der kirchlichen Genehmigung zu ihrer Zulassung bereits in Ziffer 4 der Bek. die Rede ist. 93 Bek. zum Vollzug des Schulpflegegesetzes yom 14. 12. 1948 (BayBSVK S. 322) Ziffer 1; vgl. § 1 des Gesetzes über die Schulpflege an den Volksschulen vom 27. 7. 1948 (BayBSVK S. 311 = BayBS II S. 593). Die Schulpflegschaft ist insbesondere gutachtlich zu hören bei der Errichtung von öffentlichen Volksschulen und der Bildung der Schulsprengel sowie in strittigen Fällen bei der Besetzung der Lehrerstellen an Gemeinschaftsschulen (Schulorganisationsgesetz § 1 Abs. 1 und § 8 Abs. 2; Ausführungsbekanntmachung dazu Ziffer 3 Abs. II und V, Ziffer 6; vgl. Vischer, S. 15). 94 Schulpflegegesetz § 4 Abs. 1 – 4; Bek. dazu Ziffer 29. – Der Stadtschulpflegschaft (d. i. die übergeordnete Schulpflegschaft für eine kreisfreie Stadt) gehört auch ein Pfarrvorstand als Mitglied an, den die kirchliche Oberbehörde abordnet (Schulpflegegesetz § 12 Abs. 1 S. 1; Bek. dazu Ziffer 46 Abs. 1). In Gemeinden, in denen mehr als sechs Pfarreien eines Bekenntnisses bestehen, können zwei Pfarrvorstände abgeordnet werden (Schulpflegegesetz § 12 Abs. 1 S. 2). 95 Die Lehrervertreter der Schulpflegschaft werden von den Volksschullehrern, Volksschulfachlehrern und hauptamtlichen Religionslehrern der Schule auf die gleiche Amtsdauer wie die Elternvertreter (4 Jahre) gewählt (Schulpflegegesetz § 7 Abs. 2). Die Volksschulfachlehrer und die hauptamtlichen Religionslehrer sind nur an der Schule wahlberechtigt, an der sie überwiegend tätig sind (Schulpflegegesetz § 7 Abs. 3; Bek. Ziffer 36 Abs. 3). Nebenamtliche Fachlehrer und nebenamtliche Religionslehrer sind unter der Voraussetzung wahlberechtigt, daß sie regelmäßig mindestens in zehn Wochenstunden Unterricht an Volksschulen erteilen. Auch sie sind nur an der Schule wahlberechtigt, an der sie überwiegend tätig sind

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(2) Berufsschulbeirat. Dem Berufsschulbeirat obliegt die Förderung der Beziehungen zwischen Berufsschule, Elternhaus, Lehrbetrieb und Wirtschaft, die Förderung aller Maßnahmen, die dem Wohle der Schule und der Schüler dienen, und die Mitwirkung bei der Ahndung der Schulversäumnisse96. Ihm gehört ein Vertreter der beteiligten Religionsgesellschaften an97. (3) Elternbeiräte an mittleren und höheren Schulen. Den Elternbeiräten an mittleren und höheren Schulen gehören Vertreter der Religionsgemeinschaften nicht an98.

V. Kirchliche Schulen 1. Die Kirche nimmt für sich das Recht in Anspruch, Schulen aller Wissenszweige zu errichten99. Indes soll nur an Orten, die keine Grund- und Mittelschulen mit pflichtmäßigem katholischen Religionsunterricht gemäß c. 1373 haben, vor allem seitens des Ortsoberhirten darauf hingewirkt werden, daß entsprechende kirchliche Schulen errichtet werden100.

(Schulpflegegesetz § 7 Abs. 4; Bek. Ziffer 36 Abs. 4). Wählbar sind die Wahlberechtigten (Schulpflegegesetz § 7 Abs. 5; Bek. Ziffer 36). 96 Berufsschulgesetz vom 25. 3. 1953 (BayBSVK S. 1016 = BayBS II S. 595) § 33; Bek. zur Ausführung des Berufsschulgesetzes vom 18. 1. 1954 (BayBSVK S. 1227) Ziffer 41. 97 Berufsschulgesetz § 30 Abs. 1 und 2. Als beteiligt gelten jene Religionsgemeinschaften, in deren Bekenntnis an der Schule Religionsunterrichterteilt wird (J. Mayer, Das Berufsschulgesetz, [München 1955], 58). Die Vertretung der beteiligten Religionsgemeinschaften im Berufsschulbeirat haben in der Regel die Pfarrvorstände der betreffenden Bekenntnisse wahrzunehmen. Sie sind von Amts wegen Mitglieder der Berufsschulbeiräte an den Berufsschulen, die in ihrer Pfarrei liegen (Bek. Ziffer 39 Buchst. c). Die Vertreter der Religionsgemeinschaften gehören den Beiräten solange an, als sie ihr Hauptamt bekleiden. Scheiden sie vor Ablauf der dreijährigen Periode aus ihrem Hauptamt aus, dann endet auch ihre Mitgliedschaft und geht auf den Nachfolger im Hauptamt über. Bleiben sie jeweils über die dreijährige Periode hinaus im Hauptamt, so gehören sie auch den neugebildeten Beiräten wieder als Mitglieder an (Berufsschulgesetz § 32; Bek. Ziffer 40). An diesen Vorschriften hat die Verordnung über die Ausführungsbestimmungen zum Berufsschulgesetz in der Fassung der Bek. vom 12. 12. 1958 (KMBl. S. 117) nichts geändert. 98 Vgl. die Schulordnung für die Mittelschulen in Bayern vom 29. 6. 1957 (BayBSVK S. 2543) § 38 Abs. 3; Schulordnung für die Höheren Schulen in Bayern vom 17. 5. 1957 (BayBSVK S. 2351) § 38 Abs. 3. In den Elternbeiräten an diesen Schulen können jedoch Geistliche als Leiter von Erziehungsanstalten, deren Zöglinge die betreffenden Schulen besuchen, zu finden sein (vgl. Bek. vom 7. 1. 1953: BayBSVK S. 1000, § 2 Abs. 1). 99 C. 1375. Vgl. P. Westhoff, Das Grundrecht der freien Schule: Grundsätze katholischer Schulpolitik (Freiburg 1958), 189 – 209. 100 C. 1379 § 1.

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2. Das bayerische Schulrecht eröffnet durch seine Privatschulgesetzgebung grundsätzlich die Möglichkeit zur Errichtung kirchlicher Schulen, insbesondere von mittleren und höheren Lehranstalten. a) Anerkennung der Kirche als Bildungsträger. Da die Kirche verfassungsrechtlich als Bildungsträger anerkannt ist101, kann privaten Schulen von Orden und religiösen Kongregationen der Charakter einer öffentlichen Schule verliehen werden102. b) Errichtung von Privatschulen. (1) Im allgemeinen. Nach Art. 7 Abs. 4 und 5 des Grundgesetzes wird das Recht zur Errichtung von privaten Schulen gewährleistet. Private Schulen als Ersatz für öffentliche Schulen bedürfen der Genehmigung des Staates und unterstehen den Landesgesetzen. Die Genehmigung setzt vor allem voraus, daß die privaten Schulen in ihren Lehrzielen und Einrichtungen sowie in der wissenschaftlichen Ausbildung ihrer Lehrkräfte nicht hinter den öffentlichen Schulen zurückstehen und eine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern nicht gefördert wird. Die Genehmigung ist zu versagen, wenn die wirtschaftliche und rechtliche Stellung der Lehrkräfte nicht genügend gesichert ist. Die Errichtung privater mittlerer und höherer Schulen ist also bei Erfüllung der Voraussetzungen ohne weiteres möglich; eine Bedürfnisprüfung ist unzulässig. Anders steht es mit den privaten Volksschulen. Eine private Volksschule ist nur zuzulassen, wenn die Unterrichtsverwaltung ein besonderes pädagogisches Interesse anerkennt oder, auf Antrag der Erziehungsberechtigten, wenn sie als Gemeinschaftsschule, als Bekenntnis- oder Weltanschauungsschule errichtet werden soll und eine öffentliche Volksschule dieser Art in der Gemeinde nicht besteht103. Jede private Volksschule bedarf also ebenfalls der Genehmigung. Die Genehmigung erteilt die Regierung. Sind die Voraussetzungen des Art. 7 GG gegeben, muß die Regierung die private Volksschule genehmigen104. (2) Bekenntnissonderschulen. Für Angehörige eines christlichen Bekenntnisses ist auf Antrag die Errichtung einer privaten Volksschule mit dem Charakter einer öffentlichen Volksschule, die Erfüllung der Bedingungen des Art. 7 Abs. 4 und 5 GG vorausgesetzt, zu geneh101

BayVerf Art. 133 Abs. 1 S. 3. BayK Art. 9 § 2. 103 Vgl. auch BayVerf Art. 134, besonders Abs. 3. 104 J. Mayer, Schulorganisationsgesetz, 46. Vgl. die Bek. zum Schulorganisationsgesetz Ziffer 21 Abs. II. Soweit ein Rechtsanspruch auf Erteilung der Genehmigung besteht, kann bei Verweigerung der Genehmigung oder bei Auferlegung von Bedingungen nach vorhergegangenem Einspruchsverfahren Anfechtungsklage zum Verwaltungsgericht erhoben werden (ebenda; vgl. Vischer, S. 17). 102

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migen, wenn ihnen eine öffentliche Volksschule ihres Bekenntnisses nicht zur Verfügung steht105. (3) Privatschulen von Orden und religiösen Kongregationen. Orden und religiöse Kongregationen werden unter den allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen zur Gründung und Führung von Privatschulen zugelassen. Die Zuerkennung von Berechtigungen an derartige Schulen erfolgt nach den für andere Privatschulen geltenden Grundsätzen106. c) Unterrichtserteilung an öffentlichen Schulen durch kirchliche Genossenschaften. Der Unterricht an den öffentlichen Volksschulen wird regelmäßig von staatlichen Lehrkräften erteilt. Auf Antrag einer Zweidrittelmehrheit der beteiligten Erziehungsberechtigten kann jedoch eine kirchliche Genossenschaft mit der Erteilung des Unterrichts an einer Bekenntnisschule betraut werden. Der Auftrag wird von der Regierung der Genossenschaft als solcher erteilt. Die Leitung der Genossenschaft erhält damit das Recht und übernimmt die Pflicht, die Lehrerstellen an dieser Volksschule mit Angehörigen ihrer Genossenschaft, die die allgemeinen Voraussetzungen für das Lehramt an den Volksschulen erfüllen, zu besetzen. Von der getroffenen Wahl ist der Regierung Meldung zu machen. Diese überprüft sie schulaufsichtlich, um je nach dem Ergebnis die Genehmigung zu erteilen oder zu versagen. Der öffentliche Charakter der Volksschule, die Vorschriften über die Schulpflegschaft und die Schulpflicht werden durch die Beauftragung nicht berührt. Auf Antrag muß die schulische Versorgung der Minderheit in entsprechender Anwendung des § 2 Abs. 2 des Schulorganisationsgesetzes sichergestellt werden; solange sich Schüler einer Bekenntnisminderheit in der Schule befinden, muß auf ihre religiösen Empfindungen Rücksicht genommen werden107.

Würdigung Das geltende bayerische Schulrecht108 wird den kirchlichen Belangen in sehr weitem Umfange gerecht. Die Verankerung der wesentlichen kirchlichen Ansprüche in der Verfassung und einem völkerrechtlichen Vertrage lassen eine stärkere Sicherung überhaupt nicht mehr zu. Es darf jedoch nicht übersehen werden, daß das Recht das Leben nicht zeugt, sondern nur schützen und bewahren kann. Was rechtlich gesichert werden soll, muß in sich und aus sich lebendig sein. Das Leben 105 BayVerf Art. 134 Abs. 3; Schulorganisationsgesetz § 17 Abs. 1; Bek. dazu Ziffer 23 Abs. I. 106 BayK Art. 9 § 1. 107 Vischer, 16. Vgl. Schulorganisationsgesetz §§ 9 und 13; Bek. dazu Ziffer 18; Entschließung vom 17. 5. 1958 über den Vollzug des Art. 17 Schulbedarfsgesetz: Besoldung von klösterlichen Lehrkräften (KMBl. S. 169). S. auch J. Mayer, Schulorganisationsgesetz, 29 ff. 108 Die Untersuchung wurde am 1. 10. 1959 abgeschlossen.

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Kirchliche Belange im bayerischen Schulrecht der allgemeinbildenden Schulen

vermag das Gesetz den von ihm geschaffenen Institutionen nicht einzuhauchen. Hier liegt die gewaltige Aufgabe der Kirche, ihrer Hirten und ihrer Gläubigen: der Chance, die der Gesetzgeber ihr gab, gerecht zu werden.

Der Religionsunterricht im Staatskirchenrecht der sowjetischen Besatzungszone Ein Beitrag zum Thema „Verfassungsrecht und Verfassungswirklichkeit“

Einführung Der Marxismus-Lenismus ist, wie er offen zugibt, grundsätzlich religionsfeindlich. Er lehnt jedoch den staatlichen Kampf gegen die Religionen ab, so lange diese noch nicht infolge Änderung der ökonomischen Basis, von deren ideologischem Überbau sie ein Element darstellen, abgestorben sind. Für den Staat ist die Religion Privatsache. Doch wird die antireligiöse Propaganda entschieden bejaht, um durch wissenschaftliche Aufklärung das Absterben der Religionen zu beschleunigen; die Gefühle der Gläubigen sollen dadurch nicht verletzt werden, um nicht den religiösen Fanatismus zu wecken und dadurch die Lebensdauer der Religionen zu verlängern1. Von dieser theoretischen Grundlage her ist klar, daß in dem auf der marxistischleninistischen Ideologie aufgebauten bolschewistischen Weltanschauungsstaate grundsätzlich für Religion und Kirche kein Platz ist. Der Staat wird vielmehr durch seine Ordnung bestrebt sein, die Vernichtung des Überbleibsels aus dem Kapitalismus, als welches ihm Religion und Kirche gelten, möglichst zu befördern. Die Duldung beider, die in der Überzeugung geschieht, die Umwandlung der ökonomischen Verhältnisse werde mit Sicherheit das Absterben nach sich ziehen, schließt jeden Öffentlichkeitscharakter aus; die Öffentlichkeit wird allein von der bolschewistischen Ideologie, ihren Verbänden und Einrichtungen bestimmt. Die Zurückdrängung von Religion und Kirche in die private Sphäre erfordert die radikale Trennung von Staat und Kirche. Ein Element dieser Trennung von Staat und Kirche ist die Trennung der Schule von der Kirche. In der Hinsicht auf dieses Ziel besteht zwischen den bolschewistischen Staaten kein Unterschied. Verschiedenheiten bestehen nur hinsichtlich der Stufe der Annäherung an dieses Ziel, die bisher erreicht ist, und hinsichtlich der Geschwindig-

1 Vgl. dazu Erwin Jacobi, Staat und Kirche in der Sowjetunion: Wissenschaftliche Zeitschrift der Karl-Marx-Universität Leipzig, 4. Jahrgang, 1954/55, Gesellschafts- und sprachwissenschaftliche Reihe, Heft 3/4, S. 328.

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Religionsunterricht im Staatskirchenrecht der sowjetischen Besatzungszone

keit, mit der die verantwortlichen Männer meinen, den Weg zu diesem Ziel gehen zu können. Die Machthaber der Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands (= SBZ) stehen unter der vollendeten Hegemonie der Sowjetunion; ihre Freiheit besteht allein darin, von selbst das zu tun, was sie sonst gezwungen würden zu tun2. Um deshalb von vornherein sicher zu erkennen, welches die Gestalt des Zieles ist, auf das die staatskirchenrechtliche Entwicklung der SBZ zusteuert, ist ein Blick auf die Lage in der Sowjetunion lehrreich. Dabei beschränken wir uns auf die Frage des Religionsunterrichtes. Das Dekret Lenins vom 23. Januar 1918 (alter Zählung, 5. Februar 1918 neuer Zählung) über die Trennung der Kirche vom Staat3 verfügte auch die Trennung der Schule von der Kirche4; zugleich wurde die Erteilung des Religionsunterrichtes in allen allgemeinbildenden Schulen verboten5. Diese Gesetzgebung steht heute unverändert in Geltung6. Das Dekret vom 23. Januar 1918 gestattete jedoch privaten Religionsunterricht außerhalb der Schule7. Indes bedroht das Russische Strafgesetzbuch vom 1. Juni 1922 in der Fassung vom 26. November 1926 die Erteilung von Religionsunterricht an Kinder oder Minderjährige (vor Vollendung des 18. Lebensjahres) „unter Verletzung der hierfür erlassenen Bestimmungen“ mit Strafe8. Die „Bestimmungen“ aber gestatten privaten Religionsunterricht grundsätzlich nur, wenn nicht mehr als drei Kinder beteiligt sind9. So bleibt die private Erteilung von Religionsunterricht an Kinder oder Minderjährige, die selbstverständlich außerhalb der Schule zu erfolgen hat, überwiegend in der Hand der Eltern, die Willen und Fähigkeit haben, ihre Kinder religiös zu erziehen10. Das aus diesen Bestimmungen ersichtliche Ziel der sowjetischen Gesetzgebung über den Religionsunterricht ist, durch die Ausschaltung des schulischen und die 2

Vgl. Martin Drath, Verfassungsrecht und Verfassungswirklichkeit in der Sowjetischen Besatzungszone, Untersuchungen über Legalität, Loyalität und Legitimität, 2. Aufl., Bonn 1954, S. 25 – 33. 3 GS. RSFSR 1918 Nr. 18 Art. 263; deutsch bei Freund, Strafgesetzbuch Sowjetrußlands, Mannheim-Berlin-Leipzig 1925, S. 156. Dieses und die folgenden Zitate russischer Rechtsquellen entnehme ich dem angeführten Aufsatz von Jacobi S. 332 – 333. 4 Ziff. 1 Abs. 1. 5 Ziff. 9 Abs. 2 S. 1. 6 Vgl. die folgenden Verfassungsurkunden: Verf. der RSFSR vom 10. Juli 1918 2. Abschnitt Kapitel V Ziff. 13; Grundgesetz der UdSSR vom 31. Januar 1924 2. Abschnitt Kapitel I Ziff. 1 Buchst. r; Verf. der UdSSR vom 5. Dezember 1936 Art. 124; Verf. der RSFSR vom 21. Januar 1937 Art. 128, sämtlich enthalten in: Die Verfassungsgesetzgebung des Sowjetstaates, Eine Sammlung von Dokumenten, Berlin o. J. 7 Ziff. 9 Abs. 2 S. 2. 8 Russ. StGB vom 1. Juni 1922 § 121; i. d. F. vom 26. November 1926 § 122. 9 GS. RSFSR 1932 Nr. 8 Art. 41. 10 Jacobi a.a.O. S. 343.

Religionsunterricht im Staatskirchenrecht der sowjetischen Besatzungszone

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starke Beschränkung des außerschulischen Religionsunterrichts an Kinder und Jugendliche unter gleichzeitiger obligatorischer Einführung aller Schulpflichtigen in den atheistischen und religionsfeindlichen Marxismus-Leninismus das Absterben der „religiösen Vorurteile“ in der sowjetischen Jugend herbeizuführen11. Es unterliegt keinem Zweifel, daß die Staatsmacht in der SBZ diese Gesetzgebung in ihrem Herrschaftsgebiet zu übernehmen entschlossen ist. Die Gründe, die das Erreichen dieses Zieles bis jetzt hintanhielten, sind hier nicht zu untersuchen. Indes sind im letzten Jahre wichtige Schritte auf dem Wege zu ihm getan worden. 1. Abschnitt

Allgemeines Die Machthaber der SBZ verstehen ihren Staat als Volksdemokratie12 im Aufbau des Sozialismus13. In einem sozialistischen Staate ist die Trennung der Kirche vom Staat und der Schule eine selbstverständliche Forderung der politischen Ideologie; sie ist erforderlich, um die Revolution von oben ungestört verwirklichen zu können. Der Kirche kann grundsätzlich ein Öffentlichkeitsrecht nicht mehr zuerkannt werden14. Die Verfassung der SBZ führt denn nun auch die alleinige Herrschaft des Staates über die Schule und die völlige Trennung der Schule von Religion und Kirche durch15. Das gesamte öffentliche Schulwesen ist in die Hand des Staates gelegt16. Ein privates Schulwesen existiert nicht17. Konfessionelle Schulen sind nicht zugelassen18. 11

Jacobi a.a.O. S. 343. Zu diesem Begriff ist zu vergleichen: Der Staat, Begriff, Wesen und Inhalt, in: Große Sowjet-Enzyklopädie, Reihe Wirtschaft und Recht, Berlin 1957, S. 100 – 117. 13 Walter Ulbricht, Die Staatsfrage in der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution und ihre Bedeutung für die Entwicklung in Deutschland, in: Staat und Recht, Festschrift zum 40. Jahrestag der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution, Berlin 1957, S. 30. 14 Deshalb verliert die Anerkennung der Religionsgemeinschaften als Körperschaften des öffentlichen Rechts in Art. 43 Abs. 3 SBZ-Verfassung ihre Bedeutung. Nach Posch (Das Zivilrecht der DDR, Allgemeiner Teil, Berlin 1955, S. 192) und Ulrich Krüger (Das Prinzip der Trennung von Staat und Kirche in Deutschland, in: Festschrift für Erwin Jacobi, Berlin 1957, S. 285) handelt es sich hierbei nur um eine traditionelle Wortwahl, aus der eine privilegierte Stellung der Religionsgemeinschaften nicht abgeleitet werden kann; der Ausdruck bedeute nur die Anerkennung als juristische Person. – Dies ist ein typisches Beispiel einer beispiellosen willkürlichen, aber beabsichtigten Umdeutung der Verfassungsbestimmungen, die indes der Verfassungswirklichkeit entspricht. 15 Art. 35, 36, 39 SBZ-Verfassung vom 7. Oktober 1949 (GBl. 1949 S. 5). 16 Art. 36 Abs. 1 SBZ-Verfassung. 17 Art. 38 Abs. 1 S. 4 SBZ-Verfassung bezeichnet zwar als unzulässig, „Privatschulen als Ersatz für öffentliche Schulen“ (Ersatzschulen); demnach wäre für Ergänzungsschulen privater Art noch Raum. Jedoch ist bei dem Totalitätsanspruch des staatlichen Schulwesens eine Ergänzung durch private Schulen nicht möglich; jede Privatschule würde als Ersatzschule gelten und damit dem Verbot unterliegen (vgl. Hans Heckel, Deutsches Privatschulrecht, Berlin-Köln 1955, S. 42). 12

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Die öffentlichen Schulen dienen offenkundig der Bolschewisierung der Jugend19. Es erhebt sich die Frage, ob und in welcher Weise für die religiöse Unterweisung der Schuljugend gesorgt ist. Mit der Erteilung des Religionsunterrichtes an die Schuljugend befassen sich Art. 40 und 44 der SBZ-Verfassung; der erstere steht im Abschnitt IV: „Erziehung und Bildung“ an letzter Stelle, der andere im Abschnitt V: „Religion und Religionsgemeinschaften“ nach Art. 43, wo die grundlegenden Freiheitsrechte und Privilegierungen der Kirche aufgezählt werden. Alle Bestimmungen der SBZ-Verfassung sind unmittelbar geltendes Recht20, also nicht bloße Programmsätze. Durchführungsbestimmungen zu den Verfassungssätzen fehlen jedoch fast ganz. Jedoch wurden am 31. Oktober 1953 „im Einvernehmen mit den Kirchen und unter Berücksichtigung der bisherigen Erfahrungen … zur Durchführung des Art. 44 der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik und in Verwirklichung des Rechts der Kirchen auf Erteilung von Religionsunterricht in den Räumen der Schulen“ vom Staatssekretär im Ministerium für Volksbildung unterzeichnete Richtlinien über die Erteilung des Religionsunterrichts in den Räumen der allgemeinbildenden Schulen erlassen21. Die verhältnismäßig entgegenkommenden Richtlinien von 1953 wurden am 12. Februar 1958 durch eine vom Minister für Volksbildung unterzeichnete und im Gesetzblatt erschienene „Anordnung zur Sicherung von Ordnung und Stetigkeit im Erziehungs- und Bildungsprozeß der allgemeinbildenden Schulen“ ersetzt22. Diese Anordnung war durch die „Anweisung zur Sicherung von Ordnung und Stetigkeit im Erziehungs- und Bildungsprozeß der demokratischen Schule“ des Magistrates von Ostberlin vom 5. Februar 1956 vorbereitet worden, gegen die das

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Vgl. dazu Krüger a.a.O. S. 282 f. Dazu ist vor allem zu vergleichen die Reihe „Bonner Fachberichte aus der Sowjetzone“, daraus besonders die Nummern „Das Schulbuch in der Sowjetzone“, zusammengestellt von Martin Diederich und Friedrich Blage, Bonn 1958; „Die Gegenwartskunde in den Schulen der Sowjetzone“; „Erzieher unter dem Zwang zur ,Parteilichkeit‘“; „Die Themen der Reifeprüfungen in der Sowjetzone in Geschichte, Gegenwartskunde und Deutsch“; „Sollen wir zum Haß erziehen?“; „Das Schulwesen in der Sowjetzone“, 4. Aufl., 1958; „Das Fachschulwesen in der Sowjetzone“; „Das Berufsschulwesen in der Sowjetzone“, 2. Aufl., 1957. Bedeutsam auch die Entschließung der Kirchlichen Ostkonferenz gegen die zunehmende Politisierung der Schule in der DDR (Junge Kirche 16, 1955, S. 34 f.) sowie das Hirtenschreiben der katholischen Ortsoberhirten der SBZ vom 11. 1. 1953 (Herder-Korrespondenz 7, 1952/3, S. 243 f.), neuerdings der Fastenhirtenbrief derselben vom Jahre 1959 (Herder-Korrespondenz 13, 1958/ 9, S. 292 – 294). 20 Art. 144 S. 1 SBZ-Verfassung. 21 Verfügungen und Mitteilungen des Ministeriums für Volksbildung der DDR Nr. 21 vom 14. November 1953 S. 153. Vorher gingen die bekannten Ereignisse des 17. Juni 1953. 22 GBl. I S. 236. 19

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Bischöfliche Ordinariat des Bistums Berlin bereits am 5. März 1956 in scharfer Form, aber erfolglos, protestierte23. Die Anordnung von 1958 legte sich die Kraft bei, entgegenstehende landesrechtliche Regelungen und die Richtlinien über die Erteilung von Religionsunterricht von 1953 außer Kraft zu setzen24. 2. Abschnitt

Die staatskirchenrechtlichen Bestimmungen im einzelnen I. Gewährleistung des Rechts auf Erteilung von Religionsunterricht Art. 40 SBZ-Verfassung erklärt: „Der Religionsunterricht ist Angelegenheit der Religionsgemeinschaften. Die Ausübung des Rechtes wird gewährleistet.“ Indem dieser Artikel in den Abschnitt „Erziehung und Bildung“ aufgenommen wurde, gab der Gesetzgeber zu verstehen, daß er auch in der religiösen Unterweisung ein Erziehungs- und Bildungselement erblickt. Im Unterschied zu anderen Erziehungs- und Bildungsfaktoren wird dieser zu einer Angelegenheit der Religionsgemeinschaften, also nicht des Staates25 erklärt. Das Recht, dessen Ausübung hier verfassungsmäßig gewährleistet wird, ist das Recht auf Erteilung des Religionsunterrichtes, und zwar grundsätzlich ohne Einschränkung auf bestimmte Personenkreise oder Altersstufen. Jede Behinderung des Religionsunterrichtes in irgendeiner Hinsicht – z. B. die Beschränkung auf die Schulkinder oder auf die Schüler zwischen 14 und 18 Jahren – ist verfassungswidrig. In der Spezifizierung auf die Benützung der Schulräume wird in Art. 44 SBZVerfassung das gleiche Recht nochmals – hier „der Kirche“ gewährleistet. II. Das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften im Hinblick auf die Erteilung des Religionsunterrichtes 1. Das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften hinsichtlich des Religionsunterrichtes ist ein Teil des Selbstbestimmungsrechtes im allgemeinen.

23 Vgl. Herder-Korrespondenz 10, 1955/6, S. 346. In dem Protestschreiben heißt es u. a.: „Diese Anweisung stellt eine schwere Behinderung des Religionsunterrichtes an den Grundschulen dar und verstößt gegen das Schulgesetz von Großberlin sowie gegen die Richtlinien Vom 31. 10. 1953. Die Verfügung, wonach die ,religiöse Unterweisung … spätestens mit dem Ablauf der Grundschulpflicht‘ endet, hebt praktisch die Erteilung des Religionsunterrichtes an den Oberschulen auf und stellt einen offenen Bruch der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik dar.“ 24 § 7 Abs. 2 der Anordnung. 25 Vgl. Art. 34 Abs. 2; 35 Abs. 2; 36 Abs. 1 SBZ-Verfassung.

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Im Einklang mit Art. 137 Abs. 3 der Weimarer Verfassung vom 11. August 191926 erklärt Art. 43 Abs. 2 SBZ-Verfassung: „Jede Religionsgemeinschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbständig nach Maßgabe der für alle geltenden Gesetze.“ Eine Folgerung aus dieser Bestimmung ist Art. 40 S. 1 SBZ-Verfassung: „Der Religionsunterricht ist Angelegenheit der Religionsgemeinschaften.“ Sowohl die Ordnung wie die Verwaltung des Religionsunterrichtes ist danach der Religionsgemeinschaft vorbehalten. Methode und Inhalt des Religionsunterrichtes werden allein von der Kirche bestimmt27. Die Kirche wählt die Lehrkräfte aus, wie Art. 44 S. 2 SBZ-Verfassung ausdrücklich anerkennt. Die Kirche hat die Aufsicht über die Erteilung des Religionsunterrichtes28. Für die Kosten hat grundsätzlich die Kirche aufzukommen. In alle diese Angelegenheiten hat sich der Staat nach der Verfassung nicht einzumischen. Er nimmt vom Religionsunterricht so wenig Notiz, daß der Religionsunterricht kein ordentliches Lehrfach ist, nicht in den Lehrplan der Schule aufgenommen wird und bei der Aufstellung des Stundenplans durch den Schulleiter grundsätzlich nicht berücksichtigt zu werden braucht29. Da der Religionsunterricht kein Lehrfach der Schule ist, steht er nicht unter der Aufsicht der Schule, nicht unter der staatlichen Schulaufsicht30. 2. In eklatantem Widerspruch zu den das Selbstbestimmungsrecht der Kirche gewährleistenden Verfassungsbestimmungen steht Paragraph 6 der Anordnung von 1958. Danach ist der Leiter der Schule verpflichtet, „für die strikte Einhaltung dieser Anordnung zu sorgen und zu diesem Zwecke alle außerschulischen und

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RGBl. S. 1383. Vgl. für die Lehrbücher zum Religionsunterricht: Kirchliches Amtsblatt für die Bistümer und die Erzbischöflichen bzw. Bischöflichen Kommissariate im Gebiet der DDR, Ausgabe des Erzbischöflichen Amtes Görlitz, 3 (1954) Nr. 9 S. 68; für Lehrplan und Einführung des neuen Katechismus: ebenda 5 (1956) Nr. 10 S. 75. 28 Vgl. die Visitationsordnung für den Amtsbereich des Erzbischöflichen Amtes Görlitz Ziff. 3: Die Kinderkatechese findet in Gegenwart der Gläubigen in der Kirche statt und ist von einem Pfarrgeistlichen oder einer Seelsorgehelferin zu halten (Kirchliches Amtsblatt für die Bistümer und die Erzbischöflichen bzw. Bischöflichen Kommissariate im Gebiet der DDR, Ausgabe des Erzbischöflichen Amtes Görlitz, 3 (1954) Nr. 10 S. 77. 29 Nach den Richtlinien von 1953 Ziff. 2 S. 2 war von Änderungen des Stundenplanes, die auch die Zeit des Religionsunterrichtes betreffen, den mit der Erteilung des Religionsunterrichtes Beauftragten Mitteilung zu machen und ihnen Gelegenheit zu geben, die am Religionsunterricht teilnehmenden Kinder innerhalb der Schule zu benachrichtigen. 30 Vgl. Erwin Jacobi, Staat und Kirche nach der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik: Zeitschrift für evangelisches Kirchenrecht 1 (1951) S. 133. – Anders naturgemäß Art. 149 Abs. 1 der Weimarer Verfassung, wo der Religionsunterricht ordentliches Lehrfach der Schulen (mit Ausnahme der bekenntnisfreien Schulen) war: Der Religionsunterricht wird in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der betreffenden Religionsgesellschaft unbeschadet des Aufsichtsrechts des Staates erteilt.“ – Die Richtlinien von 1953 bestimmten in Ziff. 5, daß zur Aufrechterhaltung der Disziplin in den von der Schule zur Verfügung gestellten Räumen keine anderen Maßnahmen ergriffen werden dürfen, als sie in der deutschen demokratischen Schule angewendet werden. 27

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sonstigen außerunterrichtlichen Veranstaltungen nach Form und Inhalt zu prüfen sowie die Tätigkeit der damit betrauten Personen zu kontrollieren“. Der Schulleiter hat danach über die Eignung der Personen, die Schüler außerschulisch oder sonst außerhalb des Schulunterrichts unterweisen oder erziehen, zu befinden31. Er hat den Ort der Unterrichtserteilung zu bestimmen32. Er hat Methode und Gegenstand des Unterrichts zu prüfen sowie die Unterrichtserteilung des einzelnen Religionslehrers zu überwachen33. Mit diesen Bestimmungen einer Anordnung, die äußerlich gesehen als innerdienstliche Anweisung erscheint und den Religionsunterricht nur an zwei Stellen flüchtig erwähnt, nach den Umständen sich aber allgemeine Geltung zuschreibt und praktisch allein den Religionsunterricht trifft, wird ein Aufsichts-, Kontroll- und Visitationsrecht des Staates begründet, das grundsätzlich keine Grenze mehr kennt. In dieser umfassenden Weise hat kein Staatskirchentum der Geschichte des Abendlandes in das Selbstbestimmungsrecht der Kirche hinsichtlich der religiösen Unterweisung eingegriffen. III. Ort der Erteilung des Religionsunterrichtes 1. Die den Religionsgemeinschaften gewährleistete freie Ordnung und Verwaltung ihrer Angelegenheiten stellt es diesen frei, den Ort der religiösen Unterweisung – im Einklang mit den allgemeinen Bestimmungen der Sanitäts- und Baupolizei u. ä. – zu bestimmen. Indes ist den christlichen Kirchen34 das Recht zur Erteilung von Religionsunterricht an die Schulpflichtigen in den Räumen der Schule gewährleistet. Der Ausdruck „Schule“ in Art. 44 S. 1 SBZ-Verfassung ist als „allgemeinbildende Schule“ zu verstehen35. Dies ist die Grundschule (mit Zentralschule, Hilfsschule und Sonderschule), die Mittelschule und die Oberschule36. Das Recht ist an keine 31

§ 3 der Anordnung. § 4 der Anordnung. 33 § 6 der Anordnung. 34 Es heißt in Art. 44 S. 1 und 2 bezeichnenderweise „Kirche“, nicht Religionsgemeinschaft. Darunter sind die großen christlichen Kirchen zu verstehen, denen in der SBZ-Verfassung in Anbetracht ihrer historischen Stellung noch gewisse Privilegien belassen sind (vgl. Art. 43 Abs. 4 das Besteuerungsrecht, obwohl es allen öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften gewährt wird; Art. 45 Abs. 1 die vorgesehene gesetzliche Ablösung der öffentlichen Leistungen an die Religionsgemeinschaften; Art 45 Abs. 2 die Garantie des Eigentums und anderer Rechte der Religionsgemeinschaften; Art. 46 die Zulassung zur Vornahme religiöser Handlungen in öffentlichen Anstalten, die hauptsächlich für die Kirchen in Frage kommt). 35 So verstand ihn Ziff. 1 der Richtlinien von 1953. 36 So § 3 des Gesetzes über die Schulpflicht in der DDR vom 15. Dezember 1950 (GBl. S. 1203); hier werden die berufsbildenden Schulen von den weiterführenden allgemeinbildenden Schulen (Zehnjahresschule, Oberschule) unterschieden. – Die seelsorgerliche Be32

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weiteren Beschränkungen geknüpft; es ist insbesondere nicht nur für die Schüler bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres, also dem Alter, in dem nach bürgerlichem Recht die Religionsmündigkeit eintritt37, sondern ohne Rücksicht auf das Alter gewährleistet. Es liegt nicht im Ermessen des einzelnen Schulleiters, Räume für den Religionsunterricht zur Verfügung zu stellen; er hat vielmehr jedem rechtmäßigen Ansuchen des zuständigen Organs der Kirche zu entsprechen38. 2. Mit der aus dem Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften sich ergebenden Freiheit der Kirche, den Ort für die Erteilung des Religionsunterrichtes selbst zu bestimmen, steht Paragraph 4 S. 1 der Anordnung von 1958 in Widerspruch. Dort heißt es: „Alle außerschulischen und sonstigen außerunterrichtlichen Veranstaltungen dürfen nur an den vom Leiter der Schule dafür zugelassenen Orten stattfinden.“39. Das der Kirche in der Verfassung gewährleistete Recht, in den Räumen der Schule Religionsunterricht erteilen zu können, schließt keine Pflicht ein, nun tatsächlich von dem Recht Gebrauch zu machen. Darf der Schulleiter nun aber über die Örtlichkeit bestimmen, in der der Religionsunterricht zu erteilen ist, dann wird ihm damit ein Kontrollrecht über den Unterricht und mittelbar über die ihn besuchenden Kinder eingeräumt. Der Schulleiter darf nach dieser Bestimmung darüber befinden, ob der Religionsunterricht selbst in kircheneigenen Räumen stattfinden darf oder nicht! Auch das Recht der Benutzung von Schulräumen zur Erteilung von Religionsunterricht wird durch die Anordnung schweren Einschränkungen unterworfen. Einmal wird die Benutzung von Schulräumen von der Genehmigung des Schulleiters abhängig gemacht40. Zum andern dürfen Räume für religiöse Unterweisungen nur spätestens (!) bis zum Ablauf der Grundschulpflicht der Schüler zur Verfügung gestellt werden41. treuung der Lehrlinge, Fachschüler und Studenten muß außerhalb ihrer Schulen bzw. Lehranstalten erfolgen. Vgl. Kirchliches Amtsblatt für die Bistümer und die Erzbischöflichen bzw. Bischöflichen Kommissariate im Gebiet der DDR, Ausgabe des Erzbischöflichen Amtes Görlitz, 6 (1957) Nr. 10 S. 42; 4 (1955) Nr. 9 S. 67 f. 37 Vgl. § 5 des Gesetzes über die religiöse Kindererziehung vom 15. Juli 1921 (RGBl. S. 939). 38 In diesem Sinne bestimmte Ziffer 1 der Richtlinien von 1953: Die Leiter der allgemeinbildenden Schulen sind verpflichtet, der Kirche auf Ansuchen Räume zur Erteilung des Religionsunterrichts kostenlos zur Verfügung zu stellen. Die entsprechenden Zeiten werden mit den Kirchenvertretern vereinbart. Und in Ziffer 2 S. 1: Durch die Bereitstellung von Unterrichtsräumen gemäß Ziffer 1 darf keine Beeinträchtigung des planmäßigen Unterrichts eintreten. 39 Hier ist davon abzusehen, daß mit der überaus weit gefaßten Bestimmung nicht bloß der Religionsunterricht (außerschulische Veranstaltung), sondern auch jede andere erzieherische oder bildende Einwirkung der Religionsgemeinschaften auf die Kinder (außerunterrichtliche Veranstaltungen) grundsätzlich getroffen ist. Der Zweck ist klar: der totale Staat beansprucht die Kinder nicht nur während der Schulzeit, sondern den ganzen Tag über. Jede Einwirkung von anderer Seite wird als unerwünschter, vielleicht bald unzulässiger Eingriff angesehen. 40 § 4 S. 2 der Anordnung. Vgl. damit Ziffer 1 der Richtlinien von 1953. 41 § 5 S. 2 der Anordnung. Eine solche Bestimmung fehlte in den Richtlinien von 1953.

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Durch die letzte Bestimmung wird die Durchführung des Religionsunterrichtes an den Oberschulen praktisch aufgehoben42. Das Verbot, Schulräume für den Religionsunterricht umzugestalten, ist vor allem gegen das Anbringen religiöser Symbole während der Unterrichtszeit gerichtet43. IV. Zeit der Erteilung des Religionsunterrichtes 1. Über die Zeit, in der in den Räumen der Schule Religionsunterricht erteilt werden kann, ist in der SBZ-Verfassung ausdrücklich nichts bestimmt. Aus der Verfassung ist nur zu entnehmen, daß der Religionsunterricht nicht unter Umständen erteilt werden darf, die dem Prinzip der Trennung der Schule von der Kirche widersprächen und den privaten Charakter dieses Unterrichts in Frage stellten44. Die Auffassung mancher Schulleiter, es sei unzulässig, Schulräume für den Religionsunterricht zur Verfügung zu stellen, solange noch Schulunterricht in irgendwelchen Klassenräumen des Schulgebäudes erteilt wird, wurde als irrig erkannt; sie würde das den Kirchen gewährleistete Recht auf Erteilung des Religionsunterrichtes in den Räumen der Schule weitgehend illusorisch machen, da durch den Schichtunterricht in manchen Schulen an allen Wochentagen mit Ausnahme von Samstag auch am Nachmittag Unterricht erteilt wird45. 42 So das Protestschreiben des Bischöflichen Ordinariates Berlin gegen die fast wörtlich gleichlautende Bestimmung der Anweisung des Ostberliner Magistrats von 1956 (HerderKorrespondenz 10 [1955/6] S. 346). Aber nicht nur diese Bestimmung ist, wie das Schreiben ausführt, „ein offener Bruch der Verfassung der DDR“. 43 § 4 S. 2 der Anordnung. In diesem Punkte strenger Ziffer 4 der Richtlinien von 1953: Eine Umgestaltung der zur Erteilung des Religionsunterrichts überlassenen Räume ist nicht zulässig. 44 Deshalb bestimmte Ziffer 3 S. 2 der Richtlinien von 1953: Es ist … nicht statthaft, den Religionsunterricht in den fortlaufenden Unterricht der Klassen („Springstunden“) einzubauen. 45 Hier ist von Interesse die Verfügung des Landeskirchenrats der Evangelisch-Lutherischen Kirche von Thüringen vom 6. September 1949 (ABl. S. 194 = Amtsblatt der Evangelischen Kirche in Deutschland 1949 Nr. 10 S. 209): „Auf Grund von Einzelfällen hatten wir Veranlassung, beim Ministerium für Volksbildung anzufragen, ob ein grundsätzliches Verbot, Christenlehre in den Schulräumen zu erteilen, solange noch im Schulgebäude überhaupt Unterricht erteilt würde, ergangen sei. Daraufhin hat uns am 19. 7. 1949 Frau Minister mitgeteilt, daß die sehr verschiedenartigen Bedingungen für die Erteilung des Schulunterrichts in den einzelnen Städten und Ortschaften und die zeitbedingten Schwierigkeiten es nicht erlaubten, generelle Anweisungen bezüglich des Zeitpunktes für die Zurverfügungstellung von Schulräumen für den Religionsunterricht zu geben. Die örtlichen Stellen sind letzten Endes für die Einzelheiten der Abmachungen verantwortlich. Wir entnehmen dieser Äußerung des Ministeriums, daß die Auffassung örtlicher Schulleitungen und mancher Schulräte, das Ministerium verbiete es, für die Christenlehre Schulräume zur Verfügung zu stellen, solange noch Schulunterricht in irgendwelchen Klassenräumen des Schulgebäudes erteilt würde, irrig ist und den Auffassungen des Ministeriums ebenso wie den der Kirche gesetzlich zugesicherten Rechten widerspricht. Wir ersuchen also, mit den örtlichen Stellen die Verhandlungen bezüglich der Schulraumgestellung unter Hinweis auf diese Äußerung des Ministeriums für Volksbildung zu führen. Werden weiterhin grund-

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2. Es ist anzuerkennen, daß die Schule ein rechtmäßiges Interesse daran hat, daß die Schüler durch außerschulische Veranstaltungen nicht über Gebühr belastet werden. Daß der Religionsunterricht als solcher eine ungebührliche Belastung nicht darstellen kann, ergibt sich aus seiner verfassungsmäßigen Gewährleistung. Dennoch wird eine Vereinbarung zwischen Kirchen- und Schulbehörden über die Verteilung der Stunden als billig erscheinen46. Der Anordnung von 1958 jedoch dient die angebliche Belastung der Schüler durch den Religionsunterricht offensichtlich nur als Vorwand, um die Erteilung des Religionsunterrichtes und die Teilnahme an ihm zu erschweren oder unmöglich zu machen. Da die Schulen in der SBZ die Aufgabe haben, „alle Kinder und Jugendlichen zu bewußten Bürgern der Republik zu erziehen und ein hohes Bildungsniveau zu schaffen“, das die Jugendlichen „zu großen Leistungen, vor allem in der Produktion befähigt“47, werden die Organe für Volksbildung beauftragt, „Maßnahmen zu treffen, um die übermäßige außerschulische Beanspruchung der Schüler zu beseitigen“48. „Alle außerschulische Beanspruchung der Schüler kann erst nach Schluß des lehrplanmäßigen Unterrichts und anderer verbindlicher Veranstaltungen der Schule49 erfolgen; dazwischen muß eine angemessene Pause liegen, in der sich die Kinder körperlich und geistig erholen können. Alle außerunterrichtlichen Veranstaltungen können erst stattfinden, wenn zwischen diesen und der Beendigung des lehrplanmäßigen Unterrichts eine Pause von mindestens zwei Stunden eingeschaltet wird“50. Da auch der Religionsunterricht als „außerschulische Beanspruchung der Schüler“ und „außerunterrichtliche Veranstaltung“ betrachtet wird und die Zweistundenfrist für alle Schultage gilt, auch für jene, an denen die Zahl der Unterrichtsstunden gering ist, wird damit eine

sätzlich Schwierigkeiten gemacht, insbesondere behauptet, das Ministerium habe Anweisung erteilt, Schulräume erst nach Beendigung des gesamten Schulunterrichts im Gebäude zur Verfügung zu stellen, ist uns dies zu melden.“ Zwar liegt diese Äußerung vor Inkrafttreten der SBZ-Verfassung; diese brachte aber darin keine Änderung. – Die Untersuchung der Praxis ist nicht Gegenstand dieses Aufsatzes. 46 Ziffer 3 S. 1 der Richtlinien von 1953 bestimmte: Der Religionsunterricht darf nicht vor Beginn des planmäßigen Unterrichts erteilt werden, wenn dieser um 8 Uhr beginnt. S. 3: Im übrigen kann er unmittelbar vor oder nach dem planmäßigen Unterricht der einzelnen Klassen erteilt werden. S. 4: Dabei ist zu beachten, daß die Schüler dadurch nicht über Gebühr belastet werden. 47 Präambel der Anordnung von 1958. 48 § 1 Abs. 1 der Anordnung. 49 Nach § 4 des Schulpflichtgesetzes von 1950 sowie § 7 der Schulordnung für die allgemeinbildenden Schulen der DDR vom 24. Mai 1951 (Ministerialblatt der DDR S. 71) erstreckt sich die Schulpflicht nicht nur auf den regelmäßigen Besuch des lehrplanmäßigen Unterrichts, sondern auch auf die Teilnahme an anderen vom Ministerium für Volksbildung der DDR für obligatorisch erklärten Veranstaltungen der Schule. Diese können auch außerhalb des Schulgrundstückes oder der üblichen Unterrichtszeit stattfinden (vgl. die Durchführungsbestimmung zu § 4 des Schulpflichtgesetzes vom 29. Dezember 1950: GBl. 1951 S. 6). 50 § 1 Abs. 2 der Anordnung.

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weitere Erschwerung der Erteilung und Teilnahme am Religionsunterricht51 geschaffen, die Belastung der Schüler aber vergrößert52. V. Die Lehrkräfte zur Erteilung des Religionsunterrichtes 1. Da die Erteilung des Religionsunterrichtes nach Art. 40 S. 1 SBZ-Verfassung Angelegenheit der Religionsgemeinschaften ist, steht die Auswahl, Bestellung und Abberufung der Lehrkräfte allein den Religionsgemeinschaften zu. Dies gilt auch für jene Religionslehrkräfte, die den Religionsunterricht in den Räumen der Schule erteilen. Im Hinblick auf diese erklärt Art. 44 S. 2 SBZ-Verfassung ausdrücklich: „Der Religionsunterricht wird von den durch die Kirche ausgewählten Kräften erteilt.“ Der Staat hat nach dieser Vorschrift weder bei der Auswahl noch bei der Beaufsichtigung der Tätigkeit der Religionslehrer mitzuwirken. Insbesondere hat er nicht das Recht, die Eignung der mit der Erteilung des Religionsunterrichtes befaßten Lehrkräfte zu untersuchen oder nachzuprüfen. Die Erteilung des Religionsunterrichtes ist eine Angelegenheit der Glaubensund Gewissensfreiheit, die durch Art. 41 Abs. 1 SBZ-Verfassung geschützt ist. Deshalb bestimmt Art. 44 S. 3 SBZ-Verfassung: „Niemand darf gezwungen oder gehindert werden, Religionsunterricht zu erteilen.“ Der Kirche ist damit der Zwang zur Erteilung, dem Staat und seinen Organen sowie anderen Verbänden die Behinderung der Erteilung von Religionsunterricht verboten. Grundsätzlich darf nach dieser Bestimmung auch kein staatlich angestellter Lehrer durch seine Dienstvorgesetzten gehindert werden, Religionsunterricht zu erteilen, sofern dies ohne Vernachlässigung seiner Dienstpflicht geschieht53. 51 Daß dies das erklärte Ziel der Bestimmung ist, ergibt sich aus zwei weiteren Bestimmungen. § 1 Abs. 3 der Anordnung sieht „besondere Regelungen“ für die Tätigkeit der kommunistischen Jugendorganisation Junge Pioniere „Ernst Thälmann“ vor. Nach § 2 Abs. 1 der Anordnung führt der Lehrer seine Klasse nach der letzten Unterrichtsstunde durch das Schulhaus zum Schultor – offenbar in der Absicht, um zu verhüten, daß die Kinder auf den Gedanken kommen könnten, den Religionslehrer zu erwarten! 52 Dies hat bereits das Protestschreiben des Bischöflichen Ordinariats Berlin klar ausgesprochen (Herder-Korrespondenz 10, 1955/6, S. 346): „In der Begründung für die angewiesenen Maßnahmen wird angeführt, daß die ,Gesundheit der Schüler nicht durch Überlastung‘ gefährdet werden darf. Tatsächlich wird aber erst durch die angeordneten Maßnahmen eine außerordentliche Belastung der am Religionsunterricht teilnehmenden Kinder geschaffen. Den Schülern wird ein zweiter Schulweg zugemutet, der, insbesondere am Stadtrand mit seiner weitläufigen Besiedlung, vor allem bei ungünstiger Witterung, eine starke Belastung darstellt. Hinzu kommt der zeitliche Ausfall der Nachmittagsstunden für die Hausaufgaben, die nur in den Abendstunden erledigt werden können … Für die berufstätigen Eltern entsteht die ernste Schwierigkeit, wie ihre Kinder zur richtigen Zeit auf den zweiten Schulweg geschickt werden sollen, vor allem dann, wenn es sich um Schüler der ersten Klassenstufen handelt.“ Da nicht anzunehmen ist, daß diese Gründe dem Ministerium nicht bekannt waren, liegt offensichtlich böse Absicht vor. 53 Damit daß auch der Zwang gegen die Erteilung von Religionsunterricht ausgeschlossen und somit schon jede staatliche Benachteiligung der Religionslehrer für verfassungswidrig

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2. Gegenüber den klaren Bestimmungen der SBZ-Verfassung stellt der Paragraph 3 der Anordnung von 1958 eine schwerwiegende, nach rechtsstaatlichen Begriffen unzulässige und rechtlich unwirksame Beeinträchtigung des verfassungsmäßig gewährleisteten Selbstbestimmungsrechtes der Religionsgemeinschaften in Bezug auf die Auswahl der mit der Erteilung des Religionsunterrichtes befaßten Lehrkräfte dar. Paragraph 3 der Anordnung hat folgenden Wortlaut: „Alle Personen, die Schüler außerschulisch oder sonst außerhalb des Schulunterrichts unterweisen oder erziehen, müssen für diese verantwortliche Aufgabe geeignet sein. Sie müssen in ihrem Verhalten positiv zum Staat der Arbeiter und Bauern stehen. Über die Zulassung dieser Personen – soweit es sich nicht um staatlich angestellte Lehrer oder Erzieher handelt – entscheidet der Leiter der Schule. Die Zulassung ist nur Staatsangehörigen der DDR zu erteilen (Abs. 1). Wer zugelassen wird, erhält einen Ausweis, dessen Gültigkeitsdauer vierteljährlich durch den Leiter der Schule zu verlängern ist. Die Zulassung kann jederzeit widerrufen werden (Abs. 2).“ Mit dieser Bestimmung beansprucht der Staat, über die Eignung auch der Religionslehrkräfte zur Erteilung von Religionsunterricht zu entscheiden. Die Eignung soll sich nach der Stellung zum bolschewistischen Staat bestimmen. Es ist selbstverständlich, daß die Religionslehrkräfte ihre Tätigkeit im Rahmen der staatlichen Gesetze ausüben. Auch der Religionsunterricht der Kirche steht unter den allgemeinen Staatsgesetzen. Insbesondere darf er nach Art. 41 Abs. 2 SBZ-Verfassung nicht für verfassungswidrige oder parteipolitische Zwecke mißbraucht werden54. Was in Paragraph 3 Abs. 1 der Anordnung gefordert ist, geht jedoch über diese Vorschriften offensichtlich hinaus. Die Forderung, daß die Religionslehrkräfte „in ihrem Verhalten positiv zum Staat der Arbeiter und Bauern stehen“ müssen, bedeutet nach dem Sprachgebrauch der SBZ nichts anderes, als den Zwang zur „Parteilichkeit“55. erklärt wird (vgl. Jacobi, Staat und Kirche nach der Verfassung der DDR S. 133), geht die SBZ-Verfassung über Art. 149 Abs. 2 der Weimarer Verfassung hinaus. Vgl. heute noch Art. 7 Abs. 3 S. 3 Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 1949 (BGBl. 1949 S. 1) und Art. 14 Abs. 1 S. 3 der Verfassung von Nordrhein-Westfalen vom 28. Juni 1950 (GVBl. S. 127); dagegen Art. 138 Abs. 3 der Verfassung von Bayern vom 2. Dezember 1946 (GVBl. S. 333): Kein Lehrer darf gezwungen oder gehindert werden, Religionsunterricht zu erteilen; ebenso Art. 34 S. 4 der Verfassung von Rheinland-Pfalz vom 18. Mai 1947 (VOBl. S. 209). 54 Vgl. Jacobi, Staat und Kirche nach der Verfassung der DDR S. 134; Krüger, Das Prinzip der Trennung von Staat und Kirche in Deutschland S. 280. 55 Vgl. z. B. die VO über die Neuregelung der Ausbildung der Lehrer an den allgemeinbildenden Schulen, der Pionierleiter, der Kindergärtnerinnen und der Erzieher in Heimen und Horten vom 15. Mai 1953 (GBl. S. 728), wo es in der Präambel heißt: „Der planmäßige Aufbau des Sozialismus in der DDR stellt die deutsche demokratische Schule vor die Aufgabe, die Jugend zu allseitig entwickelten Persönlichkeiten zu erziehen, die fähig und bereit sind, den Sozialismus aufzubauen und die Errungenschaften der Werktätigen bis zum äußer-

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Nach diesem Gesichtspunkt entscheidet der Schulleiter über die Zulassung der Religionslehrer. Die Kirche behält nach dieser Vorschrift ein bloßes Vorschlagsrecht; die Zulassung erfolgt durch eine staatliche Stelle. Sie darf nur „Staatsangehörigen der Deutschen Demokratischen Republik“ erteilt werden56. Die Zulassung erfolgt nur für die Dauer eines Vierteljahres; nach Ablauf dieser Zeitspanne ist um Verlängerung jeweils um drei Monate beim Schulleiter einzukommen Mit dieser Vorschrift soll offenbar ein ständiger Druck auf die Religionslehrkräfte ausgeübt werden, einmal ihrer Pflicht der „Parteilichkeit“ treu zu bleiben, zum anderen – soweit es sich um staatlich angestellte Lehrer handelt – durch die Lästigkeit des Verfahrens bewogen, die Erteilung des Religionsunterrichtes aufzugeben. Die Zulassung kann ohne Angabe von Gründen jederzeit, also auch vor Ablauf der Vierteljahresfrist, widerrufen werden; damit ist der betreffende Religionslehrer gezwungen, seine Tätigkeit für die Kirche einzustellen. Nach Paragraph 6 der Anordnung von 1958 erschöpft sich der Anspruch des Staates nicht mit der Zulassung und Abberufung der Religionslehrer, sondern hat der Schulleiter auch die Tätigkeit der mit der Erteilung des Religionsunterrichtes betrauten Personen zu kontrollieren; er kann danach dem Unterricht beiwohnen und die Lehrtätigkeit des Religionslehrers überwachen. VI. Die Bestimmung der Teilnahme am Religionsunterricht 1. Es ist ein Ausfluß der in Art. 41 Abs. 1 SBZ-Verfassung gewährleisteten Glaubens- und Gewissensfreiheit, wenn in Art. 42 Abs. 4 SBZ-Verfassung bestimmt wird: „Niemand darf zu einer kirchlichen Handlung oder Feierlichkeit oder zur Teilnahme an religiösen Übungen oder zur Benutzung einer religiösen Eidesformel gezwungen werden.“ Da der Religionsunterricht in kirchlichem Auftrag erteilt wird und das Glaubensgut der Kirche vermittelt, hat er als „kirchliche sten zu verteidigen. Eine wichtige Voraussetzung für die Lösung dieser Aufgabe ist die ideologisch-politische Erziehung und die fachliche Qualifizierung der Lehrer …“ Unter dem Thema „Die Parteilichkeit des Lehrers und Erziehers“ behandelt A. Wilke vom Vorstand der Gewerkschaft Unterricht und Erziehung des FDGB der SBZ die Forderung der Parteilichkeit, die an den Lehrer und Erzieher ist der SBZ zu stellen ist (vgl. Erzieher unter dem Zwang zur ,Parteilichkeit‘, in: Ausschnitte, hrsg. von der Publikationsstelle des Bundesministeriums für gesamtdeutsche Fragen). Zum Inhalt dieser so geforderten Parteilichkeit schreibt der Verfasser: „Die Parteinahme des Lehrers für die Sache der Arbeiterklasse und damit für den Aufbau des Sozialismus in der DDR zwingt ihn, die gesamte Bildungs- und Erziehungsarbeit am Kinde mit der Teilnahme am gemeinsamen Kampf aller Werktätigen für den Aufbau des Sozialismus und die demokratische Wiedervereinigung Deutschlands zu verknüpfen … Wir verlangen von unseren Lehrern im Unterricht die Entwicklung und Festigung eines materialistischen Weltbildes … Für den Lehrer ist die sozialistische Sache in Wort und Tat eine Einheit. Besonders bekennt sich der Lehrer zum proletarischen Internationalismus. Er ergreift Partei für die um ihre Befreiung vom Joch) des Kapitalismus kämpfenden Völker. Er steht an der Seite der Arbeiter, die in den kapitalistischen Ländern gegen die wachsende Ausbeutung und Unterdrückung kämpfen …“ 56 Vgl. Art. 1 Abs. 4; 3 Abs. 2 SBZ-Verfassung.

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Handlung“ bzw. „religiöse Übung“ zu gelten. Die Teilnahme daran ist grundsätzlich freiwillig. Jedoch gilt dies uneingeschränkt nur von den Bekenntnismündigen; d. h. mit Vollendung des 14. Lebensjahres bestimmt jeder selbst darüber, ob er am Religionsunterricht teilnehmen will oder nicht. Für die Bekenntnisunmündigen bestimmt Art. 44 S. 4 SBZ-Verfassung: „Über die Teilnahme am Religionsunterricht bestimmen die Erziehungsberechtigten“57. 2. Weil der Religionsunterricht eine Angelegenheit der Religionsgemeinschaften ist und die Schule von jeder religiösen Bildung der Schüler absieht, bestimmt Paragraph 5 Abs. 1 der Anordnung von 1958, daß in der Schule und ihren Einrichtungen nicht für die Teilnahme an religiösen Unterweisungen geworben werden darf. Ein Verbot, sich in der Schule und ihren Einrichtungen gegen die Teilnahme am Religionsunterricht auszusprechen, fehlt58. Würdigung Der gegebene Überblick über die Lage des Religionsunterrichtes im Staatskirchenrecht der SBZ berechtigt zu einigen Folgerungen, die sich mit den von Martin Drath in seiner Schrift „Verfassungsrecht und Verfassungswirklichkeit in der SBZ“ erarbeiteten Ergebnisse völlig decken. 1. Das Verfassungsrecht der SBZ hinsichtlich der Erteilung des Religionsunterrichtes durch die Religionsgemeinschaften und Kirchen ist durch die Entwicklung weitgehend überholt. Die Verfassungsgewährleistungen der Art. 40, 41 Abs. 1, 43 Abs. 2 und 44 sind fast völlig wert- und inhaltslos geworden. 2. An die Stelle der Geltung der Verfassung ist die Verordnungsdiktatur der Regierung getreten. Diese geht so weit, daß durch eine einfache Verwaltungsanordnung eines einzelnen Ministers, die sich auf keine Ermächtigung beruft und auch 57 Es ist hier nicht die Stelle, die Fragen des Familienrechts der SBZ aufzurollen. Immerhin sei auf einige wesentliche Gesichtspunkte verwiesen. Art. 30 Abs. 1 SBZ-Verfassung stellt Ehe und Familie unter den Schutz des Staates. Art. 31 erklärt die Erziehung der Kinder zu geistig und körperlich tüchtigen Menschen im Geiste der Demokratie zum natürlichen Recht und zur obersten Pflicht der Eltern gegenüber der Gesellschaft. Art. 33 untersagt jede Benachteiligung des unehelichen Kindes und seiner Eltern und hebt alle entgegenstehenden Gesetze und Bestimmungen auf. Der unehelichen Mutter steht die elterliche Gewalt über ihre Kinder zu. Gegenüber ehelichen Kindern steht die elterliche Gewalt nach § 16 des Gesetzes über den Mutter- und Kinderschutz und die Rechte der Frau vom 27. September 1950 (GBl. S. 1037) beiden Eheleuten gemeinschaftlich zu. Einigen sie sich nicht, so soll das Vormundschaftsgericht entscheiden (OLG Dresden: Neue Juristische Wochenschrift 1950 S. 503). Das Gesetz über die religiöse Kindererziehung vom 15. Juli 1921 steht in der SBZ grundsätzlich in Geltung. 58 In den Richtlinien von 1953 hatte es unter Ziffer 6 noch geheißen: Nach Art. 42 und 44 der Verfassung der DDR ist die Teilnahme am Religionsunterricht freiwillig. Es ist deshalb unzulässig, in der Schule oder ihren Einrichtungen für die Teilnahme am Religionsunterricht zu werben; ebenso ist es unzulässig, in der Schule oder ihren Einrichtungen sich gegen die Teilnahme am Religionsunterricht auszusprechen.

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auf keiner Ermächtigung beruht, die Verfassungsbestimmungen aufgehoben werden. Es gibt in der Verfassungswirklichkeit der SBZ keine Rangordnung der Normen mehr, kraft deren die höhere Norm die niedere bindet. 3. Die Verbindlichkeit der Normen und die Unverbrüchlichkeit des Rechtes sind nicht mehr gewährleistet. Die Verbindlichkeit ist keine spezifisch rechtliche mehr; sie ist vielmehr eine bedingte, nämlich bedingt durch Zweckmäßigkeitserwägungen, die ihre Außerachtlassung erlauben. Die Unverbrüchlichkeit ist der Revolution von oben geopfert. Im Falle der die Erteilung des Religionsunterrichtes regelnden staatlichen Bestimmungen wird die Funktion des Rechtes in der SBZ besonders deutlich: Das Recht ist ein Instrument im Kampfe um die Bolschewisierung, hier die Bolschewisierung der Seelen der Schüler. 4. Die Entwicklung der staatlichen Regelung des Religionsunterrichtes in der SBZ erbringt den Beweis, daß dem politischen Ziel verfassungsmäßig gewährleistete Rechte bedenkenlos geopfert werden. Der Begriff der Rechtsstaatlichkeit ist damit an einem wichtigen Beispiel als für den Staat der SBZ unanwendbar aufgewiesen worden. 5. Die Untersuchung der Durchführung der rechtlichen Bestimmungen, insbesondere der Anordnung von 1958, und der Anwendung auf die Erteilung des Religionsunterrichtes ist nicht Gegenstand dieser Darstellung. Eine etwaige Nichtanwendung wäre kein Einwand gegen die gemachten Ausführungen; sie entspränge allein taktischen Beweggründen und lieferte insofern eine Bestätigung des Gesagten59.

59 Am 12. Juni 1959 wurden durch ein offizielles Schreiben alle Leiter und Direktoren von Schulen angewiesen, die Anordnung von 1958 strikt durchzuführen (Herder-Korrespondenz 13, 1958/59, S. 552; ebenda S. 549 – 554 ein umfassender Überblick über die „Gewissensnot der Christen in der Sowjetzone“).

Der Kirchenaustritt in der DDR Der Austritt aus der Kirche als öffentlich-rechtlicher Körperschaft mit bürgerlich-rechtlicher Wirkung ohne Übertritt zu einer anderen anerkannten Religionsgemeinschaft ist im 19. Jahrhundert allgemein in das deutsche Staatsrecht eingedrungen und hat sich dort behauptet. Er wird vom religiös neutralen Staat als Ausfluß des Grundrechtes der Glaubens- und Gewissensfreiheit sowie als notwendiges Korrelat zu dem der Kirche zugestandenen hoheitlichen Besteuerungsrecht betrachtet1. Der Kirchenaustritt als Freiheitsrecht des einzelnen Kirchengliedes war für die Kirche so lange relativ ungefährlich, als er der freien Entscheidung des einzelnen überlassen blieb. Er stellt eine ernste Gefahr dar, seit er von Massenbewegungen in ihr Programm aufgenommen und leidenschaftlich propagiert, in nicht seltenen Fällen durch wirtschaftlichen oder moralischen Druck erzwungen wurde. Die Träger der Kirchenaustrittsbewegung waren hauptsächlich Freidenker- und Gottlosenverbände, Marxisten und Kommunisten, gewisse politische Parteien sowie liberale und völkische Vereinigungen2. Ihre Tätigkeit hatte in der Zeit der Weimarer Republik und zu der Zeit, da sich der Nationalsozialismus in Deutschland konsolidiert hatte, große Erfolge zu verzeichnen3. Die gleichen Kräfte haben in der DDR (= Deutschen Demokratischen Republik, Sowjet. Besatzungszone) die Staatsmacht inne und bilden die Staatspartei.

I. Die Kirchenaustrittsbewegung 1. Träger und Mittel. Bereits wenige Jahre nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges begann die SED (= Sozialist. Einheitspartei Deutschlands), die kommunistische Partei der DDR, mit ihren angeschlossenen Verbänden, in aller Öffentlichkeit den Kirchenaustritt zu propagieren. Seit etwa 1953 setzte eine großangelegte, umfassende, bis zur Stunde anhaltende Aktion der Massenorganisationen zur Er1 Vgl. z. B. Hans Rieder, Staat und Kirche nach modernem Verfassungsrecht, Berlin 1928, S. 129 ff.; August Hagen, Die kirchliche Mitgliedschaft, Rottenburg a. N. 1938, S. 56 ff.; Heinrich J. Scholler, Die Freiheit des Gewissens, Berlin 1958, S. 185. 2 Vgl. ausführlich den Artikel „Kirchenaustrittsbewegung“ von K. Algermissen im LThK V, Sp. 986 – 989. 3 Die Zahlen bis 1930 in dem genannten Artikel. Für später vgl. Amtsblatt der Evangelischen Kirche in Deutschland, Statistische Beilage Nr. 4 zu Heft 8, Jahrg. 1952, und Nr. 19 zu Heft 6, Jahrg. 1958, sowie Kirchliches Handbuch, Amtliches statistisches Jahrbuch der katholischen Kirche Deutschlands.

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zielung von Massenaustritten aus der Kirche ein. Neben politischer Diffamierung und „wissenschaftlichen“ Argumenten finden bei diesem Propagandafeldzug die altbekannten Vorwürfe gegen Kirche und Klerus Verwendung. Neu ist die großzügige Einschaltung der Presse in diese Kampagne. In fast allen Zeitungen und Zeitschriften erscheinen Artikel und Anzeigen, die zum Kirchenaustritt auffordern und seine gesetzlichen Formalitäten erklären, sowie Zuschriften von Lesern, die den vollzogenen Kirchenaustritt erläutern und zur Nachahmung einladen. In Versammlungen und Zirkeln, im Unterricht und bei Vorträgen, im Gespräch von Mensch zu Mensch wird eine zähe, vor Drohungen und Zwang nicht zurückschreckende Propaganda für den Kirchenaustritt betrieben. Die Staatsorgane, vor allem die Armee und bestimmte Behörden, leisten stillschweigende oder offene Unterstützung. Das Ziel ist, die Kirche zu entvölkern und ihrer finanziellen Mittel zu berauben. Die Feinde der Kirche hoffen, daß mit dem bürgerlich-rechtlichen Austritt die kirchliche bzw. religiöse Bindung überhaupt zerrissen wird. 2. Vorläufige Ergebnisse. – a) Bei den protestantischen Landeskirchen. – Für die protestantischen Landeskirchen der DDR liegen genaue Zahlen über die Ergebnisse dieser Bemühungen vor. So hatte etwa die Landeskirche Sachsen im Jahre 1946 den Austritt von 6201 religionsmündigen und 267 religionsunmündigen Personen zu verzeichnen. In fast stetigem Anstieg lauten die entsprechenden Zahlen im Jahre 1955: 50.693 und 8864. Traten in Thüringen im Jahre 1946 nur 1589 bzw. 63 Personen aus der Kirche aus, so waren es im Jahre 1955: 14.015 bzw. 5345. Auf 10.000 Gläubige umgerechnet, verließen im Jahre 1955 in Sachsen je 111, in Thüringen 81 die Kirche. Im allgemeinen gleich stark war die Bewegung in den übrigen protestantischen Landeskirchen der DDR6. Wie eindeutig die hohe Zahl der Austritte auf die besonderen Umstände und Verhältnisse der DDR zurückzuführen ist, läßt der Vergleich mit den entsprechenden Zahlen der protestantischen Landeskirchen in der Deutschen Bundesrepublik erkennen7. b) Bei der katholischen Kirche. – Auch im Bereich der katholischen Kirche ist ein ständiges Anwachsen der Zahl der Kirchenaustritte festzustellen. Im Jahre 1948 verließen 3733 Katholiken in der DDR ihre Kirche. Im Jahre 1949 waren es bereits 5379, 1954: 99738. Auf 10.000 Seelen umgerechnet, verließen im Jahre 1954 ca. 40 4

Zum Vergleich die Zahlen der ausgetretenen Religionsmündigen für 1921: 97.634; 1943: 2201; 1939: 58.721; 1945: 2529. 5 Zum Vergleich die Zahlen für 1921: 19.452; 1934: 684; 1939: 22.688; 1945: 1735. 6 Pommern 1955: 46 auf 10.000; Schlesien: 94; Anhalt: 90; Mecklenburg: 50. 7 Im Jahre 1955 Austritte auf 10.000 Gläubige: in Westfalen: 11; Rheinland: 15; Hessen und Nassau: 17; Kurhessen-Waldeck: 10; Baden: 11; Pfalz: 6; Bremen: 12; Hannover: 8; Bayern: 8; Schleswig-Holstein: 12; Hamburg: 40; Braunschweig: 19; Lübeck: 10; Schaumburg-Lippe: 6; Württemberg: 27; Oldenburg: 13; Eutin: 4. 8 Ich halte mich hier an die Zahlen, die Josef Gülden in seinem Aufsatz „Von Zahlen und Unzählbarem – aus unserer Lesergemeinde“: Tag des Herrn, Katholisches Kirchenblatt 6 (1956), Nr. 1/2, S. 8, gibt. Die Zahlen im Kirchlichen Handbuch 24 (1952 – 1956), Köln 1956, S. 418 – 443, weichen davon zum Teil ab.

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bis 50 Katholiken die Kirche. In den einzelnen kirchlichen Jurisdiktionsbezirken der DDR stiegen die Zahlen von 1948 bis 1954 in folgender Weise an: Im Bistum Berlin von 818 auf 1932, im Bistum Meißen von 1393 auf 3022, im Bezirk des Kommissariats Magdeburg von 840 auf 2500, im Bezirk des Generalvikariats Erfurt von 255 auf 1284, im Bezirk des Kommissariats Schwerin von 83 auf 550, im Bezirk des Erzbischöflichen Amtes Görlitz von 282 auf 491, im Bezirk des Kommissariats Meiningen von 59 auf 194. Die Anstrengungen der Feinde der Kirche, durch eine breit angelegte Kirchenaustrittsbewegung die Kirche zu entvölkern, waren nicht zuletzt deswegen so erfolgreich, weil die staatliche Gesetzgebung über den Kirchenaustritt mit bürgerlich-rechtlicher Wirkung diesen erheblich erleichtert hat.

II. Die staatliche Regelung des Kirchenaustritts Das Kirchenaustrittsrecht der DDR ist geordnet in Art. 47 der Verfassung der DDR vom 7. Oktober 1949, der Verordnung über den Austritt aus Religionsgemeinschaften öffentlichen Rechts vom 13. Juli 1950 (= KAVO)9 und der 1. Durchführungsbestimmung zur Verordnung über den Austritt aus Religionsgemeinschaften öffentlichen Rechts vom 20. März 195210. Alle Gesetze, Verordnungen und Bestimmungen, die dem entgegenstehen, sind gemäß Art. 144 der Verfassung der DDR aufgehoben11. 1. Erklärungsberechtigte. Zur Abgabe der Kirchenaustrittserklärung berechtigt ist jeder Religionsmündige. Dies ergibt sich aus dem weiter geltenden Gesetz über die religiöse Kindererziehung vom 15. Juli 192111a. Danach ist religionsmündig, wer das 14. Lebensjahr vollendet hat; denn nach der Vollendung des 14. Lebensjahres steht dem Kinde die Entscheidung darüber zu, zu welchem religiösen Bekenntnis es sich halten will (§ 5, Abs. 1). Für Kinder unter zwölf Jahren wird der Austritt auch gegen seinen Willen von dem Erziehungsberechtigten erklärt. Für ein Kind, das das 12. Lebensjahr vollendet hat, kann der Austritt nicht gegen seinen Willen erklärt werden (§ 5, Abs. 2).

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GBl. S. 660. GBl. S. 324. 11 Vgl. § 1, Abs. 2 der VO vom 13. Juli 1950 und § 3 der 1. DVO vom 20. März 1952. Danach sind nicht nur die alten Kirchenaustrittsbestimmungen, die den von den Organen der DDR erlassenen Bestimmungen entgegenstehen, aufgehoben, sondern auch die nach 1945 neu geschaffenen, also das Gesetz über den Austritt aus öffentlich-rechtlichen Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften für Mecklenburg vom 28. November 1947 (Reg.-Bl., S. 319) und das Gesetz über den Austritt aus den Religionsgesellschaften öffentlichen Rechts vom 18. Juni 1947 für Sachsen-Anhalt (GBl. I S. 112), abgeändert durch Gesetz vom 6. Oktober 1947 (GBl. I S. 158). 11a RGBl. S. 939. 10

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2. Erklärungsbehörde. a) Die Austrittserklärung hatte ursprünglich bei dem für den Wohnsitz des Austretenden zuständigen Gericht zu erfolgen12. Die nach dem Inkrafttreten der Verfassung der DDR entsprechend den Regelungen in einigen Ländern noch bei den Standesämtern eingereichten Austrittserklärungen waren an die zuständigen Amtsgerichte weiterzugeben13. Bis zum 1. August 1950 bei den Standesämtern eingereichte Austrittserklärungen waren so zu behandeln, als ob sie am Tage des Eingangs beim Standesamt beim Amtsgericht eingereicht worden wären14. b) Hierin trat eine Änderung ein durch die Verordnung über die Übertragung der Angelegenheiten der Freiwilligen Gerichtsbarkeit vom 15. Oktober 195215. Nach § 3 dieser Verordnung sind die Staatlichen Notariate für alle Beurkundungen und Beglaubigungen zuständig, die bisher durch gesetzliche Vorschriften den Gerichten übertragen waren (Ziffer 1), wozu auch die Entgegennahme und Behandlung von Erklärungen über den Austritt aus einer Religionsgemeinschaft gehören (Ziffer 13). Im gleichen Sinne lauten die Bestimmungen der Verordnung über die Errichtung und Tätigkeit des Staatlichen Notariats vom 15. Oktober 195216. Allein vor dem Staatlichen Notariat kann also künftig die Kirchenaustrittserklärung persönlich abgegeben oder als Einzelerklärung in öffentlich beglaubigter Form eingereicht werden17. 3. Erklärungsform. Der Kirchenaustritt ist entweder persönlich mündlich beim Staatlichen Notariat zu erklären oder bei ihm als Einzelerklärung in öffentlich beglaubigter Form einzureichen18. Die Beglaubigung kann durch ein Staatliches Notariat19, ein freies Notariat20 oder den Beauftragten für das Personenstandswesen21 erfolgen. 12

Art. 47 Verfassung der DDR; § 1, Abs. 1 KAVO. § 2, Abs. 1 KAVO. 14 § 2, Abs. 2 KAVO. 15 GBl. S. 1057. 16 GBl. S. 1055. 17 Damit ist ein wichtiges psychologisches Hemmnis beseitigt, das manche Gläubigen abhielt, den Kirchenaustritt zu vollziehen. Das Gericht als Behörde der Freiwilligen Gerichtsbarkeit wird häufig von juristisch nicht geschulten Personen fälschlich in enge Verbindung mit seiner Rechtsprechungsfunktion, insbesondere in Strafsachen, gebracht. 18 Vgl. § 1, Abs. 1 KAVO mit § 68 des Gesetzes über das Verfahren des Staatlichen Notariats (Notariatsverfahrensordnung) vom 16. November 1956 (GBl. I S. 1288). 19 Ein solcher Fall könnte sich zum Beispiel ergeben, wenn das zuständige Staatliche Notariat gerade nicht erreichbar ist. Heinz Kempfer, Aus der Praxis der Staatlichen Notariate: Neue Justiz 9 (1955), S. 598 f., möchte allerdings in diesem Falle nicht Beglaubigung durch ein Notariat, sondern Austrittserklärung bei einem unzuständigen Notariat annehmen. Er schlägt dazu vor: „Das unzuständige Notariat beurkundet den Kirchenaustritt, trägt ihn bei sich in das alphabetische Namensverzeichnis ein und übersendet dann die Urschrift mit zwei Durchschlägen an das zuständige Notariat. Hier erfolgt noch einmal Eintragung in das Namensverzeichnis, Herstellung der Ausfertigung und Übersendung an den Antragsteller sowie Beglaubigung der Abschrift und Übersendung an das Kirchensteueramt.“ 13

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4. Mitteilung an die Kirchenbehörde. Die Staatlichen Notariate haben das zuständige Pfarramt oder die zuständige Synagogengemeinde bzw. das Kirchensteueramt von der abgegebenen Kirchenaustrittserklärung umgehend zu unterrichten22. Besteht keine Klarheit über das zuständige Pfarramt oder die zuständige Synagogengemeinde, ist die Mitteilung an die dem Staatlichen Notariat zunächst gelegene kirchliche Dienststelle zu richten23. Diese hat die Kirchenaustrittserklärung an die zuständige Stelle weiterzuleiten24. Anfragen der Religionsgemeinschaften, ob bestimmte Personen ihren Austritt erklärt haben, sind so rasch als möglich zu beantworten25. 5. Wirkung. – a) Zeitpunkt des Wirksamwerdens. – Die Austrittserklärung wird sofort wirksam26. Aber die Verpflichtung zur Entrichtung der Kirchensteuer endet erst mit dem Ablauf des Kalendervierteljahres, in dem der Austritt erfolgt27. b) Befreiung von Leistungen. – Durch die Abgabe der Kirchenaustrittserklärung wird der Austretende von Leistungen befreit, die auf der persönlichen Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft beruhen28. Insbesondere endet die Verpflichtung zur Entrichtung der Kirchensteuer29. Leistungen, die nicht auf der persönlichen Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft beruhen, werden hiervon nicht berührt30. 20 Nach § 3, Abs. 2 der VO über Einrichtung und Tätigkeit des Staatlichen Notariats bleiben die Befugnisse der Notare, die bei Inkrafttreten dieser Verordnung ernannt waren, unberührt. Kempfer a. a. 0. bestreitet den freiberuflichen Notaren das Recht, für die Beurkundung von Kirchenaustrittserklärungen eine Gebühr zu erheben; diese Auffassung entspricht zweifellos der „sozialistischen Gesetzlichkeit“. 21 Die Standesbeamten haben die Austrittserklärung entgegenzunehmen, zu beglaubigen und unverzüglich an das Staatliche Notariat des Kreises weiterzuleiten. Dieses hat dem betreffenden Bürger den Eingang seiner Erklärung zu bestätigen (§ 68 des Gesetzes über das Verfahren des Staatlichen Notariats; § 3, Abs. 1 KAVO; vgl. auch § 9 des Gesetzes über das Personenstandswesen vom 16. November 1956: GBl. I S. 1283). 22 § 1, Abs. 1 der DVO vom 20. März 1952. 23 § 1, Abs. 2 der DVO vom 20. März 1952. 24 Vgl. die Rundverfügung des Justizministers vom 26. Juni 1951 betreffs Austritt aus den Religionsgemeinschaften des öffentlichen Rechts (Amtsblatt der Evangelischen Kirche in Deutschland 1951, S. 194). 25 Siehe vorige Anmerkung. 26 § 2, Abs. 1 der DVO vom 20. März 1952. 27 § 2 Abs. 2 der DVO vom 20. März 1952. 28 § 2 Abs. 3 der DVO vom 20. März 1952. 29 § 2 Abs. 2 der DVO vom 20. März 1952. Erwin Jacobi, Staat und Kirche nach der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik: Zeitschrift für evangelisches Kirchenrecht 1 (1951), S. 121, bemerkt: „Die Rechtswirkung ist nur die bürgerliche, daß der Austretende nicht mehr verpflichtet ist, zu den Lasten der Religionsgemeinschaft beizutragen; die Frage, ob die Religionsgemeinschaft selbst eine Austrittsmöglichkeit innerkirchlich anerkennt, bleibt unberührt“. 30 § 2 Abs. 3 der DVO vom 20. März 1952.

Zu den staatlichen Erwerbsbeschränkungen für kirchliche juristische Personen, besonders in Preußen und seinen Nachfolgestaaten seit dem Erscheinen des BGB I. Die geschichtlichen Grundlagen Die Kirche als sakramental konstituierte Gemeinschaft ist wesenhaft sichtbar. Sie bedarf zur Erhaltung ihrer Organisation und zur Erfüllung ihrer Sendung irdischer Mittel. Sie beansprucht daher für sich als Ganzes wie für den Heiligen Stuhl das angeborene Recht, frei und unabhängig von der staatlichen Gewalt irdische Güter zur Erreichung der ihr eigenen Zwecke zu erwerben, zu besitzen und zu verwalten (c. 1495 § 1 CIC). Das gleiche Recht steht den einzelnen kirchlichen Gebietskörperschaften und anderen kirchenamtlich errichteten juristischen Personen zu (c. 1495 § 2 CIC). Dieser Anspruch der Kirche begegnete immer wieder tatsächlichen und rechtlichen Widerständen seitens der weltlichen Gewalt, entweder weil – gestützt auf die Lehre von Häretikern – der Kirche jede Vermögensfähigkeit rundweg abgesprochen wurde oder weil häufiger – die Ansammlung großer Vermögensmassen durch Kirchen, Klöster und geistliche Anstalten als wirtschaftliche Gefahr betrachtet wurde. Die Veräußerungsbeschränkungen, welche die Kirche mit dem 5. Jahrhundert beginnend für ihre Güter festlegte und welche nicht nur die Übertragung des Eigentums, sondern jede Verschlechterung der Vermögenslage außer bei urgens necessitas und evidens utilitas und um der christiana caritas willen verboten, trugen der Kirche den Namen der „Toten Hand“ ein, die das einmal erworbene Vermögen festhält und nicht mehr herausgibt, so daß es für den allgemeinen Verkehr wenigstens in gewisser Hinsicht abstirbt. Die vollständige Steuerfreiheit, welche die Kirche seit dem 3. Laterankonzil (1179) für ihre Güter beanspruchte (immunitas realis; cc. 4, 7 X 3, 49), mußte, wenn es gelang, sie durchzusetzen, den staatlichen Finanzen empfindlichen Abbruch tun. Um diese unerwünschten Folgen der Vermögenssteigerung kirchlicher juristischer Personen zu verhüten, wurden zuerst in den Städten und bald auch in den Territorien seit dem 13. Jahrhundert Gesetze geschaffen, die den Vermögenserwerb, besonders den Grunderwerb kirchlicher juristischer Personen erschwerten, indem sie ihn an eine Genehmigung banden, oder beschränkten, indem sie ihn nur innerhalb einer bestimmten Grenze zuließen, und damit den Übergang von Vermögen in die Tote Hand behinderten (leges de non amortizando). Während die älteren Amortisationsgesetze sich in der Hauptsache gegen den Immobiliarerwerb und gegen den Regularklerus richteten, betrafen die

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späteren auch den Mobiliarerwerb und den Säkularklerus. In England1, Frankreich2, Spanien3, Portugal4 und Österreich5, aber auch in den deutschen Territorien6 lassen sich zahllose mittelalterliche Amortisationsgesetze nachweisen. Die Reformation brachte hierin keine Wende. Die folgende Gesetzgebung ist jedoch dadurch gekennzeichnet, daß sich in den protestantischen Territorien die Amortisationsgesetze nicht selten einseitig oder wenigstens betont gegen den Vermögenserwerb der katholischen Kirche richten. Bei der protestantischen Kirche war lukrativer Erwerb ohnehin selten, und deshalb gab es von ihrer Seite keinen nennenswerten Widerstand gegen staatliche Erwerbsbeschränkungen. Andernorts wurde die Amortisationsgesetzgebung auf alle juristischen Personen ausgedehnt, da bei dem Vermögenserwerb anderer als kirchlicher juristischer Personen sich wenigstens teilweise die gleichen Mißstände zeigten. Unter dem Regierungssystem des Absolutismus kamen die Amortisationsgesetze zu ihrer vollen Entfaltung, sowohl was ihre Zahl als auch die minutiöse Genauigkeit der gesetzlichen Regelung angeht7. Die katholischen Staaten und auch die geistlicher Fürsten erließen begreiflicherweise häufig die schärfsten Amortisationsgesetze; denn in ihren Gebieten war die von staatlicher Seite als wirtschaftliche Gefahr betrachtete Möglichkeit des Überganges großer Vermögensmassen in die Hände der Kirche, ihrer Orden und Anstalten naturgemäß viel leichter gegeben als in Ländern mit geringen katholischen Bevölkerungsanteilen. Der Liberalismus, der die allgemeine Freizügigkeit und auch die Freiheit des Vermögenserwerbs proklamierte, vermochte seine Herkunft aus dem freisinnigen Besitzbürgertum nicht zu verleugnen und ließ sich darum nicht zu einer Abschaffung der die kirchliche Erwerbsfreiheit beschränkenden Bestimmungen herbei. Er lieferte sogar die materielle Grundlage der neueren Amortisationsgesetzgebung in Deutschland mit den sog. deutschen Grundrechten von 1848, in deren Art. 9 1

U.C. Wiggins, Property laws of the State of Ohio affecting the Church, Kan. Dissertation. Washington 1956, p. 21 – 36, 40 s., 44. 2 Mourmant, Les précédents de l’edit d’Août 1749 concernant les gens et les acquisitions de mainmorte. Paris 1900. 3 Campomanes, Tratado de la regalia de amortisation. Madrid 1765. 4 A. E. Reuter, Königtum und Episkopat in Portugal im 13. Jahrhundert. Berlin 1928, S. 12 f. 5 H. Ritter v. Srbik, Die Beziehungen von Staat und Kirche in Österreich während des Mittelalters. Innsbruck 1904, S. 167 ff.; Koerperich, Les Lois sur la Mainmorte dans les PaysBas catholiques. Louvain 1922. 6 W. Kahl, Die deutschen Amortisationsgesetze. Tübingen 1879; J. Hashagen, Laieneinfluß auf das Kirchengut vor der Reformation: Historische Zeitschrift 126 (1922) S. 380 ff.; A. Störmann, Die städtischen Gravamina gegen den Klerus am Ausgange des Mittelalters und in der Reformationszeit. Münster 1916, S. 110 ff.; E. Mack, Die kirchliche Steuerfreiheit in Deutschland seit der Dekretalengesetzgebung. Stuttgart 1916, S. 217 ff. 7 K. Holder, Beiträge zur Geschichte der Amortisationsgesetzgebung unter der Regierung der Kaiserin M. Theresia (1740 – 80): AfkKR 84 (1904) S. 283 – 298.

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es heißt: „Für die tote Hand sind Beschränkungen des Rechts, Liegenschaften zu erwerben und über sie zu verfügen, im Wege der Gesetzgebung aus Gründen des öffentlichen Wohles zulässig.“ Diese Bestimmung ist in die Verfassungsurkunden einer Reihe von deutschen Staaten übergegangen8. Dem ungeheuren staatlichen Aufwand entsprach nicht der Erfolg. Man wich auf kirchlicher Seite auf andere Wege des Vermögenserwerbs aus. „In der Umgehung der Amortisationsgesetze war man überall erfinderisch“9. Obwohl durch den Wegfall der Steuerfreiheit das wesentliche staatswirtschaftliche Motiv der Amortisationsgesetze bereits gefallen war, verstand sich die Mehrzahl der Staaten nicht zu ihrer Aufhebung. Diese Anhänglichkeit an überholte Formen der Bevormundung erklärt sich aus der Beobachtung, daß die Amortisationsgesetze wesentlicher Bestandteil eines Verständnisses des Verhältnisses von Kirche und Staat sind, das die Kirche dem Staat einzuordnen und unterzuordnen strebt. Man leitete die Befugnis des Staates, Amortisationsgesetze zu erlassen, besonders aus dessen ius circa sacra her. Der Staat habe die Pflicht, dafür zu sorgen, „daß keine Kirche in Abirrung von ihren transcendentalen Aufgaben ihre Güter einer Reihe fremdartiger und staatgefährdender Zwecke widme, daß nicht der Reichtum in der Kirche durch massenhafte und unwirtschaftliche Anhäufung sich als Selbstzweck erweise, daß er nicht im Zusammenhalte mit gewissen Privilegien der Kirche, z. B. der Steuerfreiheit, oder gewissen Kirchensatzungen, z. B. dem Verbote der Immobiliarveräußemng gemeinschädlich wirke, daß ferner die Kirche sich nicht auf Kosten hilfsbedürftiger Anverwandten der Zuwendungen und durch moralische Pflichtverletzungen gegen jene bereichere und dgl. mehr“10. Was zunächst als Abwehr gegen ein drohendes wirtschaftliches Übergewicht der Kirche gedacht war, wurde auch nach Beseitigung dieser Gefahr beibehalten, weil der Staat in der Pflicht zur Genehmigung kirchlichen Vermögenserwerbs seine beanspruchte Hoheit über die Kirche auslebte. Darin besteht zwischen dem landesherrlichen Kirchenregiment, dem Staatskirchentum und der Staatskirchenhoheit – als Phasen des Verhältnisses von Kirche und Staat verstanden – kein grundsätzlicher Unterschied. Vor dem Erscheinen des Bürgerlichen Gesetzbuches vom 18. August 1896 (RGBl. S. 195) gab es11 Amortisationsgesetze in zehn deutschen Staaten, nämlich in Preußen, Bayern, Württemberg, Baden, Hessen, Sachsen-Weimar, Sachsen-Meiningen, Sachsen-Altenburg, Sachsen-Coburg-Gotha und den Reichslanden ElsaßLothringen, dagegen keine Amortisationsgesetze in sechzehn deutschen Staaten, von denen aber vier verfassungsmäßig die Zulässigkeit der Amortisationsgesetzgebung ausgesprochen hatten. Durch die etwa fünfzig als unmittelbare Quellen des geltenden Rechts in Betracht kommenden Gesetze war entweder der Immobiliarund der Mobiliarerwerb juristischer Personen beschränkt oder nur einer von beiden, 8

Vgl. Kahl, Die deutschen Amortisationsgesetze, S. 59. Kahl, Die deutschen Amortisationsgesetze, S. 24. 10 Kahl, Die deutschen Amortisationsgesetze, S. 5. 11 Nach Kahl, Die deutschen Amortisationsgesetze, S. 61 ff. 9

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teils der Erwerb ohne Rücksicht auf seine Entgeltlichkeit oder Unentgeltlichkeit, teils nur der unentgeltliche Erwerb oder der entgeltliche Erwerb12. Ebenso verschieden wie die Reichweite der Erwerbsbeschränkungen waren die Wege, um dieses Ziel zu erreichen. Einzelne Gesetze machten die Wirksamkeit der obligatorischen Verpflichtungs- und der dinglichen Entäußerungsgeschäfte von staatlicher Genehmigung abhängig. In anderen war nur die Veräußerung an die Tote Hand verboten oder ihre Wirksamkeit an die staatliche Genehmigung geknüpft, der Erwerb verboten oder seine Wirksamkeit durch die staatliche Genehmigung bedingt oder zur Annahme von Zuwendungen diese Genehmigung verlangt. Wieder andere Gesetze erklärten die betr. juristische Person für unfähig zu erwerben. In einzelnen Rechtsgebieten war der Erwerb von Grundstücken aus unbelastetem Titel bzw. gegen Reichung einer Pfründe oder infolge eines Zuschlags bei Zwangsversteigerungen zwar gestattet, zugleich aber bestimmt, daß die Wiederveräußerung desselben binnen einer gewissen Frist wieder zu erfolgen habe, sei es schlechthin, sei es, daß die staatliche Erlaubnis zum Behalten nicht erteilt wurde13. Dabei richteten sich die Amortisationsgesetze teils nur gegen die katholische Kirche, teils gegen alle Religionsgesellschaften, entweder nur gegen kirchliche juristische Personen oder gegen alle juristischen Personen.

II. Die Regelung des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche und die Ausführungsgesetze 1. Das Bürgerliche Gesetzbuch entstand in einer Zeit, da die staatliche Kirchenhoheit noch ungebrochen war. Sie war besonders einschneidend im Bereich des kirchlichen Vermögensrechtes gewesen. Wegen der Kontinuität des Verhältnisses von Kirche und Staat ist es nicht verwunderlich, daß die den kirchlichen Belangen im allgemeinen nicht unfreundlich gegenüberstehende Kodifikation hinsichtlich des Vermögenserwerbs kirchlicher juristischer Personen keinen grundsätzlichen Wandel brachte. Art. 86 des EGzBGB vom 18. August 1896 (RGBl. S. 604) ließ die Amortisationsgesetzgebung der Länder grundsätzlich bestehen und überließ auch ihre zukünftige Regelung den Bundesstaaten. Eine Rechtseinheit wurde nur insofern herbeigeführt, als eine Beschränkung oder Genehmigungspflicht nicht eintreten sollte, wenn der Gegenstand 5000 Reichsmark nicht übersteigt. Nach der herrschenden Meinung war bei Versagung der Genehmigung ein höherer Erwerb bis zum Betrage von 5000 Reichsmark gültig, wenn der Gegenstand teilbar war und dies dein Willen der Beteiligten bzw. des Zuwendenden entsprach14. Mit dieser gesetzlichen Neuregelung war immerhin ein Schutz gegen allzu kleinliche Auf12

G. A. E. Bogeng, Erwerbsbeschränkungen juristischer Personen nach Deutschem Reichs- und Landes-Privatrecht. Berlin und Leipzig 1908, S. 29. 13 Bogeng, Erwerbsbeschränkungen, S. 29 f. 14 Enneccerus-Nipperdey, Allgemeiner Teil des bürgerlichen Rechts 1. Halbband. Tübingen 1952, S. 411 A. 14.

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sichtsmaßnahmen der Bürokratie gewährt. Die Erwerbsfreiheit der Kirche konnte jedoch nicht durchgesetzt werden. 2. Die deutschen Bundesstaaten regelten in den Ausführungsgesetzen zum EGzBGB und BGB ihre Amortisationsgesetzgebung neu15 bzw. führten aufgrund der Ermächtigung des Art. 3 EGzBGB eine solche jetzt erst ein16. Eine Reihe deutscher Staaten verzichtete dagegen auf Amortisationsgesetze17. Die Amortisationsbestimmungen der einzelnen Staaten weichen im allgemeinen nicht allzu sehr voneinander ab. In vielen Fällen besteht wörtliche Übereinstimmung zwischen mehreren Staaten. In Kürze soll auf einige Grundzüge der in Ausführung des EGzBGB ergangenen Amortisationsgesetzgebung hingewiesen werden18. (1) Die staatliche Genehmigung wurde in der Regel für den Vermögenserwerb durch alle juristischen Personen vorgeschrieben. Es waren indes gewisse Ausnahmen vorgesehen, die in manchen Staaten die Regel entwerteten. In Preußen (und ähnlich in Waldeck-Pyrmont sowie in Sachsen-Altenburg) wurden von der Pflicht, zum Erwerbe von Grundstücken im Werte von mehr als 5000 Reichsmark die Genehmigung der staatlichen Aufsichtsbehörde einzuholen, die Familienstiftungen, die juristischen Personen, deren Rechtsfähigkeit auf einem neben dem BGB be15 Preußen v. 20. September 1899 Art. 6 und 7: GS. S. 177; Bayern v. 9. Juni 1899 Art. 7, 9, 10: Beilage zum GVBl. 1899 Nr. 28 v. 12. Juni 1899 S. 1 – 82; Baden v. 17. Juni 1899 Art. 8: GVBl. S. 229 und landesherrliche VO zur Ausführung des BGB v. 11. November 1899 § 13: GVBl. S. 521; Hessen v. 17. Juli 1899 Art. 12 – 15; RegBl. S. 133; Sachsen-Weimar v. 5. April 1899 §§ 18 und 19; Reg.B1. S. 123; Sachsen-Altenburg v. 4. Mai 1899 §§ 9 – 13: GS. 1899 Stück V Nr. 23 v. 25. Mai 1899 S. 31; Reuß j. L. v. 10. August 1899 §§ 12 und 13: GS. 1899 Nr. 580 S. 1; Württemberg v. 28. Juli 1899 Art. 140: Reg. Bl. S. 423. 16 Mecklenburg-Strelitz v. 9. April 1899 §§ 25 – 28: Officieller Anzeiger S. 49; Mecklenburg-Schwerin v. 9. April 1899 §§ 26 – 29; Reg.-Bl. S. 57; Schwarzburg-Sondershausen v. 19. Juli 1899 Art. 15: GS. 1899 Stück VI Nr. 13 S. 29; Schwarzburg-Rudolstadt v. 11. Juli 1899 Art. 30 und 31: GS. 1899 Stück 18 S. 51; Waldeck-Pyrmont v. 11. Dezember 1899 Art. 5 und 6: Reg.-Bl. S. 137; Lübeck v. 30. Oktober 1899 §§ 31und 15: Sammlung Lübeckischer Verordnungen und Bekanntmachungen 66 (1899) S. 150. 17 Anhalt, Braunschweig, Bremen, Hamburg (traf Bestimmungen nur für ausländische juristische Personen: Ausführungsgesetz v. 14. Juli 1899 § 28: Amtsblatt S. 341), Lippe, Oldenburg, Reuß ä. L., Sachsen-Coburg-Gotha, Sachsen-Meiningen, Königreich Sachsen. In dem früheren Lande Sachsen wird neuerdings von Verwaltungsdienststellen § 52 des Bürgerlichen Gesetzbuches für das Königreich Sachsen vom 2. Januar 1863 als noch heute geltende Grundlage einer möglichen Erwerbsbeschränkung juristischer Personen betrachtet. Nach § 52 SächsBGB können bei der Begründung juristischer Personen besondere Bestimmungen hinsichtlich des Umfanges ihrer Rechtsfähigkeit getroffen werden. Dies würde die Zulässigkeit von Erwerbsbeschränkungen für juristische Personen auch unter dem Gesichtspunkt, die Ansammlung von Vermögenswerten in der Toten Hand zu verhindern, einschließen. Allein, es ist sehr zweifelhaft, ob § 52 SächsBGB als noch in Geltung stehend anzusehen ist, vgl. Siebenhaar-Stegmann, Kommentar zum SächsBGB I S. 95. 18 Eine ins Einzelne gehende Übersicht des Rechtszustandes, wie er hinsichtlich der durch Art. 86 EGzBGB umgrenzten Materie in den einzelstaatlichen Ausführungsgesetzen geschaffen wurde, gibt Bogeng, Erwerbsbeschränkungen, S. 174 ff.

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stehenden Reichsgesetze beruht, sowie die juristischen Personen des öffentlichen Rechts, welche nach den für sie geltenden Gesetzen ohne die staatliche Genehmigung Grundeigentum erwerben können, ausgenommen. Sparkassen, die durch staatliche Verleihung Rechtsfähigkeit erlangt hatten, konnten ein von ihnen beliehenes Grundstück im Zwangsversteigerungsverfahren ohne die Genehmigung erwerben. Damit war der Kreis der von dem Gesetz betroffenen juristischen Personen stark eingeengt. In Lübeck wurden von der Pflicht, die Genehmigung für Schenkungen und letztwillige Zuwendungen einzuholen, die Vereine, denen die Rechtsfähigkeit vom Lübeckischen Staate selbst verliehen worden war, und die Lübeckischen öffentlichen Wohltätigkeitsanstalten sowie alle Stiftungen mit Sitz in Lübeck ausgenommen. Ähnliches galt in Preußen, Schwarzburg-Sondershausen und Waldeck-Pyrmont für Familienstiftungen. In Bayern wurden von der Amortisationsgesetzgebung nur die geistlichen Gesellschaften betroffen; allein die Englischen Fräulein wurden ihr nicht unterworfen. In Württemberg trafen die Erwerbsbeschränkungen nur die juristischen Personen mit religiösen, karitativen, Unterrichts- und Erziehungszwecken. (2) Von der Ermächtigung des Art. 87 EGzBGB, den Erwerb aus Schenkungen und Zuwendungen von Todes wegen durch Mitglieder klösterlicher Verbände mit lebenslänglichen oder auf unbestimmte Zeit abgelegten Gelübden von staatlicher Genehmigung abhängig zu machen, eine Beschränkung, die mittelbar auch die klösterlichen juristischen Personen traf, machten nur Lübeck (§ 14), Sachsen-Altenburg (§ 14), Reuß j. L. (§ 14), Schwarzburg-Sondershausen (Art. 14, 59) und Schwarzburg-Rudolstadt (Art. 29) Gebrauch. Thüringen übernahm diese Bestimmungen in § 17 seiner Ausführungsverordnung zum BGB vom 16. Mai 1923 (GS. S. 288). (3) In der Regel wurde die staatliche Genehmigung nur für den unentgeltlichen Erwerb unter Lebenden oder von Todes wegen vorgeschrieben. Württemberg und die beiden Mecklenburg verzichteten in diesen Fällen auf die Einholung einer Genehmigung. (4) Die staatliche Genehmigung für den Grunderwerb im Werte von mehr als 5000 Reichsmark wurde vorgeschrieben in Preußen19, Bayern, den beiden Mecklenburg (für Lehen- und Landgüter), Sachsen-Altenburg, Waldeck-Pyrmont und Württemberg. In Württemberg war die Genehmigung nicht erforderlich, wenn der Erwerb zum Zwecke der Erbauung einer Kirche erfolgte. Verschiedentlich war vorgesehen, daß die Genehmigung nicht versagt werden durfte, wenn sich der Erwerber verpflichtete, das Grundstück oder das Recht daran binnen einer vom Gesetz bestimmten oder von der Genehmigungsbehörde zu bestimmenden Frist wieder zu veräußern, so in Württemberg bei unentgeltlicher Zuwendung von Grundstücken oder Rechten an solchen sowie bei Erwerb durch Verpfründungsvertrag, in den beiden Mecklenburg bei Erwerb im Wege der Zwangsversteigerung. 19

Vgl. dazu AfkKR 82 (1902) S. 130 f.

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(5) Während juristische Personen mit Sitz in dem betreffenden Bundesstaat oder in einem anderen Bundesstaat des Deutschen Reiches nur für den Erwerb von Grundstücken im Werte von mehr als 5000 Reichsmark eine Genehmigung einzuholen hatten, wurde für ausländische juristische Personen im Einklang mit Art. 88 EGzBGB in manchen Fällen die Genehmigung für jeden Erwerb von Grundstücken gefordert ohne Rücksicht auf den Wert, so in Preußen, Bayern, Hamburg, SachsenAltenburg und Waldeck-Pyrmont, in Hessen insoweit, als nicht die Gegenseitigkeit verbürgt war. Das Recht der Ausführungsgesetze zum BGB wurde mehrfach erläutert und fortgebildet durch Ministerialerlasse20 und gerichtliche Entscheidungen21. Das durch den Krieg 1914 – 1918 bedingte Zurückweichen der staatlichen Gewalt vor den Ansprüchen der Kirche und eine gewisse Nachgiebigkeit der Verwaltung änderten an den Erwerbsbeschränkungen grundsätzlich nichts. Die preußischen Gesetze vom 13. Mai 1918 (GS. S. 53) Art. 11 Abs. 1 und vom 5. Januar 1922 (GS. S. 3) beseitigten die Notwendigkeit staatsaufsichtlicher Genehmigung nur für die Veräußerung von Grundeigentum.

III. Die neue Lage unter dem Staatskirchenrecht der Weimarer Reichsverfassung 1. In der Zeit des Rechtsstaates 1919 – 1933 a) Das neue kirchenpolitische System Ein grundsätzlich anderes Verhältnis der Kirchen zum Staat wurde durch die Reichsverfassung von Weimar vom 11. August 1919 (RGBl. S. 1383) herbeigeführt. Sie brachte die Befreiung der Kirchen vom Staate, ohne in eine radikale, traditionsverachtende und unrealistische Trennung zu verfallen. Ein schiedliches und friedliches Nebeneinander im Geiste der Toleranz und der positiven Wertung von Religion und Kirchen schien am besten geeignet, den Kirchen und dem Staat den erforderlichen Lebensraum zu sichern und ein gedeihliches Wirken zum Wohle des Volkes zu ermöglichen. Jedoch gelang es nicht, den Verfassungsbestimmungen über Religion und Religionsgesellschaften einen völlig eindeutigen, jeden Zweifel ausschließenden Wortlaut zu geben. Daß man nicht alle Bande zwischen Kirchen und Staat zerschnitt, war von dem Gedanken der staatlichen Kirchenhoheit beherrschten 20 So in Preußen vom 31. Januar 1903: AfkKR 83 (1903) S. 288; vom 26. August 1904: AfkKR 85 (1905) S. 136 f.; vom 10. November 1904: AfkKR 85 (1905) S. 364 f.; vom 19. Juni 1914: AfkKR 95 (1915) S. 312 f. 21 Vgl. Kammergericht vom 7. Juli 1902: AfkKR 82 (1902) S. 599 ff.; 83 (1903) S. 545. – Der Wert von 5000 RM ist nicht der Reinwert nach Abzug aller Schulden (bei Erbschaften), sondern der Bruttowert der zugewendeten Gegenstände (RGZ 76 S. 384). Sind aber dem bedachten kirchlichen Institut rechtswirksame Auflagen oder sonstige Erschwerungen auferlegt, so sind diese von dem objektiven Wert der Zuwendung abzuziehen (RGSt 42 S. 359).

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Politikern, Wissenschaftlern, Richtern und Verwaltungsbeamten der Ansatzpunkt, neuerdings eine staatliche Kirchenhoheit in das kirchenpolitische System von Weimar hineinzutragen. Man konnte die Verbindung von Kirchen und Staat nicht anders denn als Aufsicht des Staates über die Kirchen begreifen. Insbesondere weigerte man sich in diesen Kreisen entschieden, den Öffentlichkeitscharakter der Kirchen als aus ihrer Sendung sich ergebend anzuerkennen, leitete ihn vielmehr von der staatlichen Verleihung her. Eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, die nicht der staatlichen Beaufsichtigung unterlag, erschien ihnen denkunmöglich. In Wahrheit bildeten die Art. 124, 135 – 137, 146 WRV zumal für die katholische Kirche den Anbruch einer neuen Zeit. Das eben war der im guten Sinne revolutionäre Ansatz, von Weimar, daß man die Kirchen aus ihrer von Eifersucht und Mißtrauen eingegebenen und von einem unzulänglichen dogmatischen Verständnis der Kirchen beherrschten Beaufsichtigung durch den Staat entließ. Der Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV als der Kernsatz des neuen Verhältnisses von Kirchen und Staat bestimmte: „Jede Religionsgesellschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes.“ Mit diesem Satze wird das freie Selbstbestimmungsrecht der Kirchen zu dem überragenden Prinzip des neuen Verhältnisses zwischen Kirchen und Staat erhoben. Mit ihm sind eine besondere Kirchenhoheit und eine daraus resultierende Staatsaufsicht über die Kirchen unvereinbar. Ebenso sind damit die Kirchen bedrückende Ausnahmegesetze unverträglich. So ist denn auch das „für alle geltende Gesetz“ von der herrschenden Meinung als das für jedermann geltende, das allgemeine Gesetz im Gegensatz zum Ausnahmegesetz verstanden worden22. In bezug auf die Religionsgesellschaften ist das für alle geltende Gesetz nichts anderes als das allgemeine Vereinsrecht23. Alle Ausnahmegesetze, die sich allein gegen die Religionsgesellschaften oder gegen einzelne von ihnen richteten, waren damit als verfassungswidrig erklärt, weil und insofern sie hinsichtlich des allgemeinen Vereinsrechts Ausnahmen waren. b) Die Frage der Weitergeltung der Amortisationsgesetze im Lichte der WRV Da nach Art. 178 Abs. 2 S. 1 WRV die bisherigen Gesetze und Verordnungen des Reichs in Kraft blieben, soweit ihnen nicht die neue Verfassung entgegenstand, blieb Art. 86 EGzBGB in Geltung. Denn die Erwerbsbeschränkungen für juristische 22 G. Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs14. Berlin 1933, S. 636 (Anm. 5 zu Art. 137 WRV). 23 J. Schmitt, Kirchliche Selbstverwaltung im Rahmen der Reichsverfassung: VdGG 44. Heft. Paderborn 1926, S. 95; J. Mausbach, Über die öffentliche Rechtsstellung der Kirche im Deutschen Reich: Kirchliche Selbstverwaltung im Rahmen der Reichsverfassung, hrsg. von J. Schmitt, VdGG 44. Heft. Paderborn 1926, S. 136 f.; G. J. Ebers, Staat und Kirche im neuen Deutschland. München 1931, S. 292 f.; derselbe, Religionsgesellschaften (Art. 137, 138, 140, 141): Nipperdey, Die Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung II. Berlin und Mannheim 1930, S. 399; H. Liermann, Kirche und Staat in der Bundesrepublik Deutschland: ÖAfKR 5 (1954) S. 217.

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Personen nach Art. 86 EGzBGB waren, sofern sie alle juristischen Personen ohne Ausnahme trafen, ein für alle geltendes Gesetz im Sinne des Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV. Das gleiche traf auf jene Landesgesetze zu, die alle juristischen Personen den Amortisationsgesetzen unterwarfen. Daß Amortisationsgesetze, die alle juristischen Personen gleichmäßig treffen, Ausnahmegesetze sind, die gegen den verfassungsmäßigen Grundsatz der Gleichheit (Art. 109 Abs. 1 WRV) verstoßen, wird man solange nicht behaupten dürfen, als der Gleichheitsgrundsatz nicht ausdrücklich als sowohl für physische wie für juristische Personen verbindlich erklärt wird. Dies ist in der WRV nicht geschehen. Da der Gleichheitsgrundsatz unter der Überschrift: Die Einzelperson steht, mußte es strittig bleiben, ob er auch für juristische Personen galt24. Anders war die Lage bei jenen landesrechtlichen Amortisationsgesetzen, die den Vermögenserwerb von bestimmten Arten juristischer Personen oder gar bloß der Religionsgesellschaften beschränkten. Sie stellten keine für alle geltenden Gesetze dar und waren darum mit dem verfassungsrechtlich garantierten freien Selbstbestimmungsrecht der Religionsgesellschaften nicht zu vereinbaren; sie waren nichtig und unzulässig25. Dies traf sicher auf die Amortisationsbestimmungen in Bayern und Württemberg zu und wurde auch überwiegend anerkannt. Auch Art. 7 des preußischen AGzBGB stellt nicht eines der für alle geltenden Gesetze dar, in deren Rahmen den Kirchen Selbstverwaltung zusteht, sondern ist ein typisches Ausnahmegesetz, denn er fordert die Genehmigung zum Grunderwerb nicht für alle juristischen Personen, sondern dank der zahlreichen Ausnahmen hauptsächlich nur für die Vereine mit idealen Zwecken und Religionsgesellschaften26. Was für Preußen gesagt ist, gilt auch für jene Staaten, deren Amortisationsbestimmungen dem Art. 7 PreußAGzBGB gleichen oder ähneln.

c) Das Verhalten der Staatsorgane zu der Amortisationsgesetzgebung Der Gesetzgebung des Reiches und der Länder oblag die Pflicht, das Recht des Reiches und der Länder der durch die Weimarer Reichsverfassung geschaffenen neuen Lage anzupassen, d. h. im Hinblick auf das Verhältnis zu den Religionsgesellschaften die Reste des überwundenen Staatskirchentums zu beseitigen und Ernst zu machen mit dem Selbstbestimmungsrecht der Kirchen – auch in bezug auf das Vermögensrecht, insbesondere den Vermögenserwerb und den Grunderwerb.

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Vgl. W. Appelt, Geschichte der Weimarer Verfassung. München 1946, S. 303. A. Lilienthal, Die Staatsaufsicht über die Religionsgesellschaften nach Art. 137 der Reichsverfassung. Berlin 1925, S. 45; Ebers, Staat und Kirche, S. 394; E. Kern, Staat und Kirche in der Gegenwart. Hamburg-Berlin-Bonn 1951, S. 59. 26 Ebers, Staat und Kirche, S. 396. 25

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In Bayern zog man verhältnismäßig früh die rechte Folgerung. In Art. 2 Abs. 2 und Art. 10 § 4 des Bayerischen Konkordates mit dem Heiligen Stuhl vom 29. März 1924 (AAS 17, 1925, p. 41ss.; GVBl. 1925 S. 53) wurde bestimmt, daß Orden und religiöse Kongregationen in bezug auf den Erwerb von Vermögen. keiner besonderen staatlichen Beschränkung oder Aufsicht unterliegen und daß die Kirche das Recht habe, neues Besitztum zu erwerben und als Eigentum zu haben. Damit waren Art. 7 bis 10 BayerAGzBGB aufgehoben und die Erwerbsbeschränkungen für die inländischen juristischen Personen der Kirche beseitigt27. In zwei Entschließungen des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vom 1. Juli 1927 und vom 19. September 192728 wurde festgestellt, daß nach Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV die Religionsgesellschaften öffentlichen Rechts nur den allgemeinen Beschränkungen unterliegen, die für alle Körperschaften des öffentlichen Rechts gelten, und daher die sonderrechtlichen Beschränkungen des Art. 75 der Kirchengemeindeordnung vom 24. September 1912 (GVBl. S. 911) gegenüber den Kirchengemeinden nicht mehr wirksam sei. Zum Erwerb von Grundstücken bedürfe deshalb auch die Gesamtgemeinde München nicht mehr der staatsaufsichtlichen Genehmigung nach Art. 75 Abs. 1 Ziff. 1 der Kirchengemeindeordnung. Gegenüber den Kirchenstiftungen griffen jedoch unbilligerweise auch weiterhin die Bestimmungen über die Staatsaufsicht Platz29. Die Auslegung des „für alle geltenden Gesetzes“ in den genannten Erlassen als des für alle Körperschaften des öffentlichen Rechts geltenden Gesetzes stellt einen schwerwiegenden Irrtum dar. Sie übersieht den Unterschied, der zwischen den Kirchen einerseits und den Körperschaften des öffentlichen Rechts im allgemeinen anderseits besteht. Zwar steht in Art. 137 Abs. 5 S. 1 WRV, daß die Religionsgemeinschaften, die es bisher waren, Körperschaften des öffentlichen Rechts bleiben. Aber es war bereits vor der Weimarer Reichsverfassung bekannt, daß der Begriff der Körperschaft des öffentlichen Rechts auf die Kirchen nicht univok und adäquat verwendet werden konnte, weil sie in keiner Weise der – einer besonderen Körperschaftsaufsicht unterliegenden – mittelbaren Staatsverwaltung zugerechnet werden dürfen, die doch für diesen Begriff in recto wesentlich ist30. Schon von daher war es ausgeschlossen, das für alle geltende Gesetz auf das für alle Körperschaften geltende Gesetz einzuengen. Das gleiche ergibt sich aber auch aus der Entstehungsgeschichte der Formulierung in der Weimarer Nationalversammlung und ihrer Ableitung von dem historischen Vorbild des Frankfurter Verfassungstextes

27 Vgl. Roedel-Paulus, Reichskirchenrecht und neues bayerisches Kirchenrecht. München und Berlin 1934, S. 53 f.; Kern, Staat und Kirche, S. 64. 28 A. Roedel, Das bayerische Kirchenrecht. München und Berlin 1930, S. 108. 29 Dazu kritisch J. Heckel, Kirchliche Autonomie und staatliches Stiftungsrecht in den Kirchengemeinden der Ev.-Luth. Landeskirche in Bayern r. d. Rh.: Sonderdruck aus dem Korrespondenzblatt für die ev.-luth. Geistlichen in Bayern. Nördlingen 1932, S. 26 und 35 f. 30 Vgl. W. Weber, Die Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts. München und Berlin 1943, S. 13 f., 81; Ebers, Staat und Kirche, S. 201, 207 f.

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von 184931. Die unrichtige Auffassung geht auf eine Entscheidung des Reichsschiedsgerichtes vom 9. September 1924 zurück32, die schon bald von der Wissenschaft als unhaltbar dargetan wurde33. Das Land Baden beseitigte die Beschränkungen der Kirche beim Erwerb von Vermögen durch § 7 des Gesetzes vom 7. April 1927 über die Verwaltung des Kirchenvermögens34. Darin heißt es wörtlich: „Die Erwerbung, Veräußerung und Belastung von Vermögen – auch von Grundstücken – durch die Religionsgesellschaften oder ihre Unterorganisationen sowie die Veränderung des Grundstocks bedürfen keiner besonderen staatlichen Genehmigung; die Vorschriften des Stiftungsgesetzes bleiben unberührt.“ Eine ähnlich freiheitliche Regelung wurde auch in dem Lande Anhalt getroffen. War dort noch am 29. April 1904 ein Gesetz betr. die Genehmigung zu Zuwendungen an juristische Personen und die Beaufsichtigung von Stiftungen erlassen worden35, so hieß es in Ziff. 5 des Abkommens zwischen dem Lande Anhalt und der Evangelischen Landeskirche Anhalts vom 18./20. März 1930: „Erwerb, Veräußerung und dingliche Belastung kirchlichen Grundeigentums bedürfen der im Artikel 11 Ziffer 1 des Gesetzes, die Synodalordnung betreffend, vom 12. März 1879 (Nr. 515 der GS.) vorgeschriebenen staatlichen Genehmigung nicht“.36 In Württemberg fand man sich nur zögernd zur Anerkennung der neuen Lage auf dem Gebiete des Staatskirchenrechts herbei. Bei den Beratungen des württembergischen Gesetzes über die Kirchen vom 3. März 1924 (RegBl. S. 93) wurde zwar anerkannt, daß Art. 140 WürttAGzBGB, der nur juristische Personen mit religiösen, karitativen, Unterrichts- und Erziehungszwecken traf, im Rahmen der neuen Reichsverfassung unhaltbar sei; die Regelung wurde jedoch späterer Gesetzgebung vorbehalten37. Tatsächlich wurden in Art. 128 des neuen württembergischen Ausführungsgesetzes zum BGB vom 29. Dezember 1931 (Regbl. S. 545) zwar die Amortisationsgesetze aufrechterhalten, aber sie wurden nicht mehr auf die juristischen Personen beschränkt, die religiöse oder wohltätige Zwecke oder Zwecke des Unterrichts und der Erziehung verfolgen, sondern auf alle juristischen Personen ausgedehnt, deren Hauptzweck nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist. Die Wertgrenze für die Genehmigungspflicht zum Erwerbe von landwirtschaftlich oder gärtnerisch genutzten Grundstücken wurde auf 10 000 Mark 31

Schmitt, Kirchliche Selbstverwaltung, S. 18 ff.; K. Beyerle, Weimarer Erinnerungen zu Art. 137 der Reichsverfassung: Kirchliche Selbstverwaltung im Rahmen der Reichsverfassung, hrsg. von J. Schmitt, VdGG 44. Heft. Paderborn 1926, S. 157 ff. 32 Reichsbesoldungsblatt Nr. 55 vom 31. Oktober 1924 S. 327 f. 33 Schmitt, Kirchliche Selbstverwaltung, S. 99. 34 GVBl. 1927 S. 97; vgl. H. Lenz, Die Kirche und das weltliche Recht. Köln 1956, S. 342. 35 GS. 1904 S. 123, bes. §§ 1 und 4. 36 Gesetz über die Ablösung der Staatsleistungen an die Evangelische Landeskirche Anhalts vom 15. April 1930 (GS. S. 13). 37 Ebers, Staat und Kirche, S. 394 f. A. 5.

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(bisher 5000 Mark) festgesetzt. Für den Erwerb zum Zwecke der Erbauung einer Kirche bedurfte es auch künftighin keiner Genehmigung (Art. 128 Abs. 1). Die Genehmigung durfte nur versagt werden, wenn aus dem Erwerbe volkswirtschaftliche Nachteile oder Gefahren zu besorgen waren (Abs. 2). Sie war nicht erforderlich, wenn die juristische Person – unter bestimmten Voraussetzungen – das Grundstück bei einer Zwangsversteigerung erwarb (Abs. 3). Gegen die Ablehnung der Genehmigung wurde der Rechtsweg vor dem Verwaltungsgerichtshof eröffnet (Abs. 4). Die im Landtag heftig umstrittene Vorschrift brachte gegenüber dem bisherigen Zustand eine Reihe beträchtlicher Verbesserungen38. Die Ausdehnung der Amortisationsbestimmungen auf alle Idealvereine leistet jedoch dem Selbstbestimmungsrecht der Religionsgesellschaften innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes noch nicht Genüge. In Preußen war man am wenigsten geneigt, die neue Lage des Staatskirchenrechts zur Kenntnis zu nehmen und das Freiheitsrecht der Kirchen auch auf dem Gebiete des Vermögenserwerbs anzuerkennen. Die preußischen Staatsorgane gingen, wie sie allgemein am System der Staatskirchenhoheit mit seinen staatlichen Aufsichts- und Mitwirkungsrechten festhielten, von der Weitergeltung der Art. 6 und 7 des PreußAGzBGB aus. Die von Autoren wie Josef Schmitt und Godehard Josef Ebers vorgetragene Auffassung, daß Art. 7 AGzBGB wegen Verstoßes gegen Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV hinfällig sei, soweit er den Vermögenserwerb der Kirchen betrifft39, konnte sich nicht durchsetzen. Es zeigte sich in der Wissenschaft wie in der Staatspraxis mit der Verschiebung der politischen Kräfte in der Nachrevolutionszeit die Neigung, „der Verfassung zum Trotz vorrevolutionäres Recht weiterhin zu erhalten, auch wenn es sich mit dem Verfassungstext nur schlecht vertrug“40. Diese bedenkliche Neigung trat klar hervor, als es darum ging, das Staatskirchenrecht des Landes nach den Grundsätzen des neuen Reichsverfassungsrechtes zu gestalten. Die beiden preußischen Gesetze über die Kirchenverfassungen der evangelischen Landeskirchen vom 8. April 1924 (GS. S. 221) und über die Verwaltung des katholischen Kirchenvermögens vom 24. Juli 1924 (GS. S. 585), die noch ganz den alten Geist der staatlichen Kirchenhoheit atmen, haben bei der Aufzählung der genehmigungspflichtigen Beschlüsse der kirchlichen Organe bzw. des Kirchenvorstandes in den Art. 6 und 7 bzw. Art. 15 die früheren Bestimmungen über die Notwendigkeit der staatlichen Genehmigung für den Erwerb von Grundeigentum nicht deswegen ausgelassen, weil sie mit Art. 137 Abs. 3 WRV unvereinbar erschienen, sondern weil, wie der Motivbericht angibt, die für alle juristischen Personen bestehenden, mithin auch für die Religionsgesellschaften geltenden gesetz38

Vgl. O. Schmid, Das württembergische Ausführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch und zu anderen Reichsjustizgesetzen vom 29. Dezember 1931 (RegBl. S. 545). Stuttgart 1932, S. 123. 39 Schmitt, Kirchliche Selbstverwaltung, S. 98 f.; Ebers, Staat und Kirche, S. 396. 40 Beyerle, Weimarer Erinnerungen zu Art. 137 der Reichsverfassung, S. 153.

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lichen Beschränkungen der Toten Hand eine Hervorhebung dieses Erfordernisses in den neuen Gesetzen entbehrlich machten41. Man ging also über die Wende des Jahres 1919 hinweg, als ob nichts geschehen wäre. Die gleiche Beurteilung zeigt sich in den durch die Währungsverhältnisse mehrfach notwendig gewordenen Gesetzen und Verordnungen über die Wertgrenze, von der an der Erwerb von Grundstücken und die Annahme von Zuwendungen genehmigungspflichtig sein sollte. Die ursprüngliche Wertgrenze von 5000 Reichsmark wurde durch das Gesetz über die Erhöhung von landesrechtlich festgelegten Geldbeträgen vom 28. März 1922 (GS. S. 77) § 4 auf 50 000 Reichsmark erhöht, durch das Gesetz vom 8. April 1924 (GS. S. 201) auf 3000 Goldmark gesenkt und durch die Verordnung über die Überleitung preußischen Landesrechts aus den bisherigen Währungsverhältnissen in die neuen Währungsverhältnisse vom 2. Juli 1926 (GS. S. 192) § 3 aufgrund des § 4 der Zweiten Verordnung zur Durchführung des Münzgesetzes vom 12. Dezember 1924 (RGBl. I S. 775) auf 5000 Reichsmark festgesetzt. Die Verordnung über die Genehmigung von Grunderwerb durch außerpreußische juristische Personen vom 25. März 1920 (GS. S. 85) und die Verfügung vom 28. April 1920 (MinBlPrInnVerw. S. 139) bestimmten, daß die Genehmigung für juristische Personen, die in einem anderen Bundesstaat ihren Sitz haben, vom Regierungspräsidenten, in Berlin vom Polizeipräsidenten erteilt wird. Das preußische Beispiel machte Schule. Das am 16. Mai 1923 erlassene thüringische Ausführungsgesetz zum BGB (GS. S. 288) folgte in den über die Erwerbsbeschränkungen juristischer Personen handelnden §§ 16 und 18, was die Schenkungen und Zuwendungen von Todes wegen angeht, im ganzen dem preußischen Vorbild. Die Verordnung über die Überleitung des thüringischen Landesrechts aus den bisherigen Währungsverhältnissen in die neuen Währungsverhältnisse vom 3. August 1926 (GS. S. 365) § 3 setzte die Wertgrenze, die 1923 eine Million Mark betragen hatte, auf 5000 Reichsmark und den Strafrahmen für Vergehen auf 10 000 Reichsmark fest. Auch die preußische Ministerialbürokratie ging wie selbstverständlich von der unveränderten Anwendbarkeit der Amortisationsbestimmungen auf kirchliche juristische Personen aus. In dem Erlaß G I Nr. 1331 G II des preußischen Ministers für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung vom 8. Oktober 1925 (ZBlUV. 6. 312) behielt sich der Minister die Genehmigung vor, soweit es sich um den Erwerb von Grundstücken durch die evangelischen Landeskirchen, die Kirchenprovinzen der altpreußischen Union, die bischöflichen Stühle, Bistümer und Kapitel handelte oder soweit der Wert des zu erwerbenden Grundstücks den Betrag von 50 000 Reichsmark überstieg. Für die übrigen Fälle übertrug er die Erteilung der Genehmigung den Regierungspräsidenten, in Berlin dem Polizeipräsidenten zu selbständiger Entscheidung. Zuständig war der Regierungspräsident, in dessen Bezirk die juristische Person ihren Sitz hat. Allerdings sollten aufgrund des Erlasses G I Nr. 1332 41 So der Erlaß des Preuß. Ministers für Wiss., Kunst und Volksbildung vom 9. November 1925: ZB1UV. S. 347; vgl. Ebers, Staat und Kirche, S. 395.

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G II vom gleichen Tage (ZBlUV. S. 312) diese Behörden hierdurch nicht der Pflicht enthoben sein, zunächst an den Minister zu berichten, wenn bei der Beurteilung des Falles grundsätzliche oder allgemeine politische Gesichtspunkte in Frage kommen. Offenbar betrieb die preußische Bürokratie das Genehmigungsverfahren mit peinlicher Gründlichkeit. Insbesondere die Nachforschungen, ob nicht durch eine geplante Zuwendung berechtigte Interessen bedürftiger Verwandter verletzt wurden, wurden mit so minutiöser und zeitraubender Genauigkeit unternommen, daß einerseits unberechtigte Hoffnungen bei entfernten Verwandten erweckt und anderseits Zuwendungswillige von der geplanten Zuwendung abgeschreckt wurden. Um diesen unerwünschten Folgen der Genehmigungsbedürftigkeit zu steuern, wurden in dem Erlaß verschiedener preußischer Minister vom 19. Oktober 1922 betreffend das Verfahren bei Prüfung der Anträge auf Genehmigung von Zuwendungen an juristische Personen (MinBlPrInnVerw. S. 1038) Verwaltungsgrundsätze aufgestellt, welche den Umfang der Nachforschungen über bedürftige Verwandte im Falle einer geplanten Zuwendung an eine juristische Person beschränkten. Der Versuch, die kirchlichen juristischen Personen unter die in Art. 7 § 1 Abs. 2 PreußAGzBGB erwähnten juristischen Personen des öffentlichen Rechts einzureihen, welche nach den für sie geltenden Gesetzen ohne die in Abs. 1 bezeichnete Genehmigung Grundeigentum erwerben können, der von evangelischer Seite unternommen wurde, mußte scheitern. Denn es handelt sich dabei um Stadt- und Landgemeinden, für die in den sie rechtlich ordnenden älteren Gesetzen eine Genehmigung zum Grunderwerb nicht vorgeschrieben war. In diesen Rechtszustand wollte das PreußAGzBGB nicht ändernd eingreifen42. Die preußischen Gerichte entwickelten keine von der Auffassung der übrigen Staatsorgane abweichende Rechtsprechung. Mehrfach erklärte das Kammergericht, das Aufsichtsrecht des Staates über die Kirchen sei ein Ausfluß seines Kirchenhoheitsrechtes, das sich auf die seinem Herrschaftsgebiete angehörigen, durch sein Gesetz als Rechtssubjekte anerkannten Religionsgesellschaften erstrecke und weder durch das BGB noch durch die WRV beseitigt sei43. Die Grundbuchrichter verweigerten trotz Ebers’ Darlegungen44 die Eintragung, wenn die staatliche Genehmigung für den Grunderwerb der kirchlichen juristischen Personen fehlte, für die ein Erlaß des preußischen Ministers für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung vom 23. Dezember 192545 bestimmte Angaben als unentbehrlich bezeichnet hatte. Das preußische Gesetz über den Verkehr mit Grundstücken vom 10. März 1923 (GS S. 25) bestimmte in den §§ 1 und 2, daß alle Rechtsgeschäfte, die die Veräu42 So der Erlaß des Preußischen Ministers für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung vom 9. November 1925 (ZBlUV. S. 347) und Beschluß 1 x 615.26 des Kammergerichts vom 1. Oktober 1926 (Preußisches Pfarrarchiv 15 S. 211). 43 Das Recht 27 (1923). Sonderbeilage: Deutschlands oberstrichterliche Rechtsprechung S. 39 Nr. 160. 44 Staat und Kirche, S. 396; Religionsgesellschaften, S. 417 f. 45 AfkKR 106 (1926) S. 257.

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ßerung eines Grundstückes oder eines Grundstücksteiles oder die Bestellung oder die Übertragung eines Erbbaurechts oder die Bestellung eines Nießbrauchs an einem Grundstück oder einem Grundstücksteile zum Gegenstand haben, zu ihrer Rechtswirksamkeit der behördlichen Genehmigung bedürfen. Die Genehmigung ist nach § 3 nicht erforderlich bei Rechtsgeschäften des Reichs, der Länder, von Gemeinden oder anderen Körperschaften oder Anstalten des öffentlichen Rechts, zu denen die Kirchengemeinden und höheren kirchlichen Verbände gehören. In seiner Ausführungsbestimmung vom 27. Februar 1923 (Volkswohlfahrt 1923 Nr. 6 S. 140) stellte der Minister für Volkswohlfahrt zugleich im Namen des Justizministers klar, daß die genannten juristischen Personen von der Genehmigung befreit sind, weil man nach dem Wesen dieser Personen die Beachtung der von dem Gesetz bezweckten allgemeinen Interessen voraussetzen darf. Auch sie sind verpflichtet, den volkswirtschaftlichen Absichten des Gesetzes Rechnung zu tragen, und die Aufsichtsbehörden haben auf die Erfüllung dieser Pflichten zu halten und etwaigen Verstößen entgegenzutreten46. Die Genehmigungsfreiheit nach diesem Gesetz ließ natürlich die aufgrund anderer gesetzlicher Bestimmungen bestehende Genehmigungspflicht unberührt. 2. Unter dem nationalsozialistischen Regime 1933 – 1945 Der Eintritt von Mitgliedern der NSDAP in die Reichsregierung am 30. Januar 1933 schien zunächst keine Änderung in der Haltung des Staates zu den Kirchen zur Folge zu haben. Der Reichskanzler gab mehrfach beruhigende Zusicherungen und trat schon bald in Verhandlungen mit dem Heiligen Stuhl über den Abschluß eines Konkordates ein. Das am 20. Juli 1933 abgeschlossene Reichskonkordat (AAS 25, 1933, p. 389ss; RGBl. II S. 679), über dessen Durchführung am 12. September 1933 ein Reichsgesetz erging (RGBl. I S. 625), sah in Art. 13 vor, daß die juristischen Personen der katholischen Kirche die Rechtsfähigkeit behalten bzw. erlangen nach den allgemeinen Vorschriften des staatlichen Rechts. Damit waren im Einklang mit Art. 124 und 137 WRV die Beseitigung und der Verzicht auf Wiedereinführung besonderer Beschränkungen und damit auch der Bestimmungen über Erwerbsbeschränkungen kirchlicher juristischer Personen, wie sie im Bayerischen Konkordat bereits vereinbart worden waren, reichsvertraglich gesichert47. Die ausdrückliche Aufhebung der beschränkenden Gesetze schien nur mehr eine Frage der Zeit. Die reichsgesetzliche Gestaltung des Verhältnisses des Staates zu den Kirchen war am Anfang durchaus entgegenkommend. Das Reichsgesetz vom 22. Februar 1934 (RGBl. I S. 123) verlängerte die Hinausschiebung der Besteuerung der Toten Hand aufgrund des § 10 des Grunderwerbssteuergesetzes vom 22. 12. 1928 bis auf 46 Vgl. dazu Kirchliches Amtsblatt des Evangelischen Konsistoriums der Provinzen Nieder- und Oberschlesien 70 (1923) S. 110. 47 Roedel-Paulus S. 24.

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weiteres. Die Reichssteuergesetze vom 16. Oktober 1934 (RGBl. I S. 1005, 1031, 1035, 1052, 1056, 1058) erklärten die Zuwendungen an inländische Kirchen, inländische Stiftungen, Gesellschaften, Vereine oder Anstalten, die ausschließlich kirchliche Zwecke verfolgen, sofern ihnen die Rechte juristischer Personen zustehen, sowie Zuwendungen zu ausschließlich kirchlichen Zwecken innerhalb des Deutschen Reiches oder seiner Schutzgebiete für erbschaftssteuerfrei und bewiesen im ganzen eine nicht unfreundliche Haltung. Das Entgegenkommen des nationalsozialistischen Staates gegenüber den christlichen Kirchen war jedoch nicht von langer Dauer. Die radikalen Kirchengegner gewannen immer mehr die Oberhand in den Staatsorganen. Die Beziehungen des Staates zu der katholischen Kirche brachen fast völlig ab. Für die evangelischen Kirchen schienen die Zeiten des ärgsten Staatskirchentums wiedergekommen. Wenn sich der ständig schärfer werdende Kirchenkampf auch verhältnismäßig wenig in der Gesetzgebung niederschlug und vorzugsweise durch Verwaltungsmaßnahmen geführt wurde, was deshalb so folgenschwer war, weil die Zuständigkeit und Prüfungsbefugnis der Verwaltungsgerichte in kirchlichen Angelegenheiten planmäßig und radikal eingeschränkt, später sogar die Verwaltungsgerichtsbarkeit selbst beschränkt oder ganz eingestellt wurde48, so lassen sich doch eine Reihe von einschneidenden Gesetzen, Verordnungen und Erlassen namhaft machen, die von der offenkundigen oder versteckten Absicht eingegeben waren, die Kirchen aus dem öffentlichen Leben abzudrängen und ihren Einfluß auf das Volk zu vermindern49. Es mußte bereits befremden, daß das preußische Gesetz zur Änderung des PreußAGzBGB vom 16. Februar/17. Mai 1934 (GS. S. 301), das dem Art. 7 § 1 Abs. 3 PreußAGzBGB eine neue Fassung gab, keine Notiz von der durch das Reichskonkordat geschaffenen neuen Lage auch hinsichtlich des Vermögenserwerbs durch juristische Personen der katholischen Kirche nahm. Ebensowenig machte der Reichsminister des Inneren von der ihm durch das Gesetz vom 12. September 1933 erteilten Ermächtigung Gebrauch, die zur Durchführung des Reichskonkordats erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften zu erlassen. Zu den befremdlichen Versäumnissen traten bald auch andere Maßnahmen auf den verschiedensten Gebieten, welche gewisse Privilegierungen der Kirchen beseitigten und ihre hoheitliche Rechtsstellung abzubauen begannen50. Insbesondere zielten gesetzliche Bestimmungen auf die Beschränkung des Vermögenserwerbs der Kirchen. Denn das eigene Vermögen war geeignet, den Kirchen Unabhängigkeit zu sichern und ihre erzieherische und fürsorgerische Tätigkeit zu gewährleisten. 48 K. Hesse, Der Rechtsschutz durch staatliche Gerichte im kirchlichen Bereich. Göttingen 1956, S. 12. 49 Vgl. dazu N. Hilling, Die kirchenpolitische Gesetzgebung des Nationalsozialismus 1933 – 1945: AfkKR 124 (1950) S. 3 – 23; R. Jestaedt, Das Reichskonkordat vom 20. Juli 1933 in der nationalsozialistischen Staats- und Verwaltungspraxis: AfkKR 124 (1950) S. 335 – 430. 50 Vgl. Weber, Die Körperschaften, S. 80.

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Zwar handelt es sich bei den zu erwähnenden Bestimmungen nicht um ausdrückliche Ausnahmegesetze gegen die Religionsgesellschaften. Aber die Absicht ist unschwer zu erkennen, den Kirchen Abbruch zu tun, besonders auch dann, wenn Ermessensentscheidungen vorgesehen waren, die bei der Gesamteinstellung des Regimes und der weitverbreiteten Furcht im allgemeinen nur ungünstig für die Kirchen ausfallen konnten. Eine scharfe Beschränkung des Verkehrs auch der kirchlichen juristischen Personen mit land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken brachte die Grundstückverkehrsbekanntmachung in der Fassung vom 26. Januar 1937 (RGBl. I S. 32) mit der Ergänzungsverordnung vom gleichen Tage (RGBl. S. 34), der Ausführungsbestimmung ebenfalls vom gleichen Tage (RGBl. I S. 38) und der die letztere aufhebenden Ausführungsverordnung vom 22. April 1937 (RGBl. I S. 534). Nach. § 2 des Gesetzes (neuer Wortlaut: RGBl. I S. 35) bedurfte die Auflassung eines Grundstücks oder die Bestellung eines dinglichen Rechts, das zum Genuß der Erzeugnisse eines Grundstücks berechtigt, zu ihrer Wirksamkeit der Genehmigung der zuständigen Behörde. Das gleiche galt für jede Vereinbarung, die den Genuß der Erzeugnisse (also durch Pacht- und pachtähnliche Verträge) oder die Verpflichtung zur Übereignung eines Grundstückes zum Gegenstande hat. Das Genehmigungserfordernis bezog sich nach § 1 des Gesetzes auf alle Verträge, bei denen es sich um ein land- oder forstwirtschaftliches Grundstück im Umfange von zwei ha aufwärts handelt. Durch § 2 der Ausführungsverordnung vom 22. April 1937 wurde aber die Grundstücksgröße für die Länder Hamburg, Oldenburg, Thüringen und Württemberg sowie eine Anzahl preußischer Regierungsbezirke auf ein ha, für die Länder Baden, Hessen, das Saarland und den bayerischen Regierungsbezirk Pfalz sogar auf ein halbes ha herabgesetzt. Genehmigungsfrei waren somit Verträge über land- und forstwirtschaftliche Grundstücke unter der festgelegten Größe und, unabhängig von der Größe, Verträge über nicht landwirtschaftliche und forstwirtschaftliche Grundstücke. Der Rechtsweg vor die Gerichte wurde nicht eröffnet, sondern – nach § 7 des Gesetzes – nur eine Beschwerde zugelassen, deren Entscheidung z. B. in Württemberg durch den Wirtschaftsminister nach Anhörung der Landesbauernschaft erfolgen sollte51. Die Genehmigung des meist vorangehenden Verpflichtungsgeschäftes umschloß auch das Erfüllungsgeschäft. Zuständig für die Erteilung der Genehmigung war in der Regel der Landrat bzw. bei kreisfreien Städten der Bürgermeister. Für die kirchlichen juristischen Personen wurde in einem Runderlaß des Reichs-und Preußischen Ministers für die kirchlichen Angelegenheiten vom 23. März 193752 bestimmt, daß der genannte Minister sich die Entscheidung über die Genehmigung vorbehalte53. Wegen der aufgetretenen Mißverständnisse ver51 Verordnung des Wirtschaftsministers von Württemberg zur Durchführung der Grundstücksverkehrsbekanntmachung vom 8. Februar 1937 (Kirchliches Amtsblatt für die Diözese Rottenburg 15, 1937, S. 405). 52 Deutsche Justiz 1937 S. 799. 53 Vgl. dazu auch W. Haugg, Das Reichsministerium für die kirchlichen Angelegenheiten. Berlin 1940, S. 13, 41.

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deutlichte der Runderlaß vom 30. November 193754 den erstgenannten Runderlaß dahin, daß er nur jene Fälle des Grunderwerbs betreffe, die unter die Grundstückverkehrsbekanntmachung fallen und bei denen es sich gleichzeitig um die staatliche Genehmigung des Grunderwerbs gemäß Art. 7 AGzBGB handelt. Die Erweiterung der Zuständigkeit des Kirchenministers hatte nur die Absicht, in allen Fällen einer Genehmigung nach Art. 7 des PreußAGzBGB eine weitere Genehmigung nach der GVB zu ersparen. Der Minister begründete im wesentlichen seine Zuständigkeit neu für den gleichzeitig unter die GVB fallenden Grunderwerb der Kirchengemeinden im Wert zwischen 5000 und 50 000 Reichsmark. Er erteilte die Genehmigung in diesen Fällen nicht nach der GVB, sondern seine Genehmigung nach Art. 7 des PreußAGzBGB erübrigte jene aufgrund des § 3 Abs. 1 Ziff. 4 der GVB55. Bei Grundstückserwerb im Werte von weniger als 5000 Reichsmark, der unter die GVB fiel, verblieb es bei der Genehmigung der für die Erteilung der Genehmigung nach der GVB zuständigen Stelle56. Die wesentliche Änderung gegenüber dem früheren Rechtszustand lag vor allem darin, daß die Verträge der kirchlichen Anstalten und Körperschaften des öffentlichen Rechts nicht mehr wie in § 2 Ziff. 1 der Grundstücksverkehrsbekanntmachung vom 15. März 1918 (RGBl. 1 S. 123) von der Genehmigungspflicht befreit waren, sondern nur die in § 3 des Gesetzes aufgezählten, und daß vor Erteilung oder Versagung der Genehmigung der zuständige Kreisbauernführer, also der Vertrauensmann der NSDAP, zu hören war (§ 2 Abs. 5). Die letzte Vorschrift gab den Anlaß zu einer Entscheidung des Landeserbhofgerichts in Celle vom 15. April 193757. Gegen den Verkauf einer Parzelle von einem Erbhof zum Zwecke eines Kirchenneubaues hatte der Kreisbauernführer Einspruch erhoben mit der Begründung, wichtige Gründe, die nach dem Reichserbhofgesetz erforderlich waren, um Erbhofland zu veräußern, seien ausschließlich solche, die in den Erfordernissen des Hofes liegen oder das Deutsche Reich betreffen. Gegen diesen Einspruch führte der Kirchenvorstand die Entscheidung des Landeserbhofgerichts in Celle herbei. Dieses wies den Einspruch des Kreisbauernführers gegen den Beschluß des Anerbengerichts zurück und verwarf seine Begründung. Das Gesetz sehe eine derartige Einschränkung nicht vor. Das Vorliegen eines wichtigen Grundes sei vielmehr nach der Gesamtheit aller Umstände des Einzelfalles zu beurteilen, wobei auch die Belange des Eigentümers und Dritter, insbesondere auch die Notwendigkeit der Befriedigung der religiösen Bedürfnisse der Bevölkerung von Bedeutung seien. Der Fall zeigt, 54

Archiv für evangelisches Kirchenrecht 2 (1938) S. 24. Vgl. dazu Dieckmann, Wann bedarf ein unter die Grundstücksverkehrsbekanntmachung vom 26. Januar 1937 fallendes Rechtsgeschäft der Kirchen der Genehmigung des Reichsministers für die kirchlichen Angelegenheiten: Deutsche Justiz 1941 S. 186. 56 In Österreich waren zufolge Erlasses des Ministeriums für innere und kulturelle Angelegenheiten alle Rechtsgeschäfte über den geplanten Erwerb von Grund und Boden seitens kirchlicher Rechtssubjekte aller Art zwecks Entscheidung, ob die staatliche Zustimmung zu erteilen oder zu versagen ist, dem Ministerium vorzulegen (Pfarramtsblatt 18, 1939, S. 387). 57 AfkKR 117 (1937) S. 522 f. 55

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daß wenigstens in Einzelfällen die Gerichte einen Schutz vor rigoroser Anwendung der gesetzlichen Vorschriften boten. Weitere Beschränkungen des Verkehrs mit Grundstücken, die freilich ebenfalls nicht allein die Kirchen trafen, brachten die verschiedenen Gesetze zur Neuordnung des Bauerntums wie die Erbhofgesetze58 und neue Grundstücksverkehrsbestimmungen59, aber auch so scheinbar abgelegene Bestimmungen wie das Gesetz über die Aufschließung von Wohnsiedlungsgebieten vom 22. September 1933 (RGBl. I S. 659) in der Fassung vom 27. September 1938 (RGBl. I S. 1246), die Verordnung über das Vorkaufsrecht nach dem Reichssiedlungsgesetz vom 15. April 1937 (RGBl. I S. 546) und die Erste Durchführungsverordnung zum Gesetz über die Sicherung der Reichsgrenze und über Vergeltungsmaßnahmen vom 17. August 1937 (RGBl. I S. 905) und sogar die Verordnung zur Sicherung der Preisüberwachung bei Grundstücken vom 8. Juli 1938 (RGBl. I S. 850). Durch alle diese gesetzgeberischen Maßnahmen wurde der Erwerb von Grundstücken für kirchliche Zwecke immer mehr unmöglich gemacht60. Dies ist auch zu erschließen aus einer Verfügung des Reichsministers für die kirchlichen Angelegenheiten vom 15. November 193861. Offenbar weil die Erlangung der staatlichen Genehmigung zum Grunderwerb immer schwieriger wurde, waren kirchliche Stellen dazu übergegangen, die von ihnen zu erwerbenden Grundstücke schon zu bebauen oder zu verändern, bevor die erforderliche staatliche Genehmigung beantragt war; sie hatten dann die Genehmigung zu den Rechtsgeschäften mit dem Hinweis zu erlangen gesucht, daß andernfalls die erfolgten Aufwendungen vergeblich gewesen seien. Der Minister wies nachdrücklich auf die Unwirksamkeit eines ohne Genehmigung erfolgenden Grundstückserwerbs hin. Die Staatsbehörden könnten bei der Entscheidung über die Erteilung der Genehmigung nicht darauf Rücksicht nehmen, ob Aufwendungen für das Grundstück gemacht seien, die bei Versagung der Genehmigung nutzlos wären. Ähnlich scharfe Maßnahmen wie gegen den Grunderwerb kirchlicher juristischer Personen wurden – ohne gesetzliche Neuregelung – hinsichtlich der Schenkungen und Zuwendungen von Todes wegen an kirchliche juristische Personen ergriffen.

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Reichserbhofgesetz vom 29. September 1933 (RGBl. I S. 685); Erbhofrechtsverordnung vom 21. Dezember 1936 (RGBl. I S. 1069); Verordnung zur Fortbildung des Erbhofrechts vom 30. September 1943 (RGBl. I S. 549). 59 Erlaß des Führers über die Einschränkung des Verkehrs mit landwirtschaftlichen Grundstücken im Kriege vom 28. Juli 1942 (BGBl. I S. 481); Verordnung zur Einschränkung des Eigentumswechsels an landwirtschaftlichen Grundstücken im Kriege vom 17. März 1943 (BGBl. I S. 144). 60 W. Weber, Die staatskirchenrechtliche Entwicklung des nationalsozialistischen Regimes in zeitgenössischer Betrachtung: Rechtsprobleme in Staat und Kirche. Festschrift für Rudolf Smend. Göttingen 1952, S. 385. 61 AfkKR 118 (1938) S. 550.

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Die in dem Runderlaß des Reichs- und Preußischen Ministers des Innern vom 1. Juli 1942 (MBl. IV S. 1396) getroffene Zuständigkeitsregelung ermächtigte die Regierungspräsidenten und in Berlin den Polizeipräsidenten, fortan auch die Genehmigung von Zuwendungen unter Lebenden und von Todes wegen an juristische Personen im Namen des Preußischen Staatsministeriums zu treffen. Ausgenommen hiervon blieben die Zuwendungsfälle, die ihrem Zweck nach zum Geschäftsbereich des Reichs- und Preußischen Ministers für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung gehören. In den Fällen grundsätzlicher oder besonderer politischer Bedeutung war jeweils vor der Entscheidung die Weisung des nach dem Zweck der Zuwendung zuständigen Ministers einzuholen. Über die bei dem Genehmigungsverfahren zu beobachtenden Grundsätze erging am 14. März 1943 ein Runderlaß des Reichs- und Preußischen Ministers des Innern (MBl. IV S. 457)62, der deutlich den Stempel der gegen die Kirchen gerichteten Ausnahmebestimmung trägt. Es ist bei der Deutung des Erlasses im Auge zu behalten, daß der nationalsozialistische Staat immer prononzierter sich als Weltanschauungsstaat verstand, der aus dem Totalitätsanspruch der nationalsozialistischen Weltanschauung kein Hehl machte und dem Öffentlichkeitsanspruch der christlichen Kirchen mit steigender Feindseligkeit begegnete. Nach dem Erlaß ist Gegenstand der Entscheidung des Genehmigungsverfahrens im einzelnen Falle, ob vom Standpunkt des Allgemeininteresses die Annahme der Zuwendung durch den Bedachten gebilligt werden könne. Es sei daher besonders zu prüfen, „ob angesichts der von der bedachten Person verfolgten Zwecke die Stärkung ihrer Entfaltungsmöglichkeit nicht dem öffentlichen Interesse zuwiderläuft, ob die juristische Person nicht Mittel anhäuft, die das durch jene Zwecke billigerweise zu bestimmende Maß überschreiten“. Besonders deutlich trat die Absicht des Erlasses in der Bestimmung zutage, daß zur Feststellung, ob die Wertgrenze von 5000 Reichsmark erreicht sei, der Wert zweier oder mehrerer Zuwendungen zusammenzurechnen sei, „wenn seitens des nämlichen Zuwendenden verschiedene, dem Wesen nach gleichartige juristische Personen bedacht sind“, und daß bei zwei oder mehreren zeitlich auseinanderliegenden Zuwendungen ein und desselben Zuwendenden an ein und dieselbe juristische Person, die einzeln für sich unter der Wertgrenze von 5000 Reichsmark bleiben, eine einheitliche Schenkung anzunehmen sei, „wenn die mehreren Erwerbsvorgänge nach der Gesamtheit der Umstände wirtschaftlich als einheitlicher Erwerb anzusehen sind, was vielfach dann angenommen werden kann, wenn die Zuwendungen innerhalb einer verhältnismäßig kurzen Zeit erfolgt sind“. Als weiteres Erschwernis war die Vorschrift gedacht, daß für die Feststellung, ob eine in Grundstücken bestehende Zuwendung den Wert von 5000 Reichsmark übersteige, der Verkehrswert, nicht der Einheitswert des Grundstückes maßgebend

62 Jetzt bei W. Weber, Verwaltungsgesetze der ehemals preußischen Gebiete mit dem ergänzenden Recht der neuen Länder. München und Berlin 19513, S. 1145 ff.

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sei und daß bei der Ermittlung des Wertes eines Grundstücks die auf ihm ruhenden Lasten nicht abgerechnet werden dürfen. Wenn jemand in der gleichen Urkunde mehrere juristische Personen in verschiedenen Genehmigungsbezirken bedenke, müsse im Interesse einer gleichartigen Behandlung ein Einvernehmen zwischen den beteiligten Genehmigungsbehörden herbeigeführt werden. Die Genehmigungspflicht liege auch dann vor, wenn unter Ausnutzung von Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts durch ein Rechtsgeschäft – vielleicht zu Verschleierungszwecken – der einer unentgeltlichen Zuwendung entsprechende wirtschaftliche Erfolg herbeigeführt werde, ohne daß nach außen die eigentliche Form der Schenkung gegeben sei. Der Erlaß wurde von kirchlicher Seite als das empfunden, was er seiner Absicht nach war: eine Kampfmaßnahme gegen die Kirchen, denen eine wichtige Erwerbsquelle abgeschnitten werden sollte. Daß mit dieser einschneidenden Rechtsänderung vor allem kirchliche juristische Personen getroffen werden sollten, machte das an alle deutschen Kirchenbehörden gerichtete Schreiben aus dem Reichsministerium für die kirchlichen Angelegenheiten vom 13. April 194363 deutlich. In ihm wurde erklärt, daß die Nr. 3 des Runderlasses des Innenministers auch dann zur Anwendung kommen werde, wenn kirchliche juristische Personen seitens des nämlichen Geschenkgebers gleichzeitig beschenkt oder bedacht werden64. Die von dem Bischöflichen Generalvikariat Trier versuchte enge Auslegung des Erlasses, daß als dem Wesen nach gleichartige juristische Personen wohl z. B. zwei oder mehrere katholische Kirchengemeinden, nicht aber etwa eine Kirchengemeinde und eine juristische Person des Privatrechts anzusehen seien65, dürfte wohl rein vom Wortlaut des Erlasses her möglich sein, entsprach aber aller Wahrscheinlichkeit nach nicht den Absichten der Urheber und fand auch in dem eben erwähnten Schreiben aus dem Kirchenministerium keine Stütze, das nur davon sprach, daß die einzelnen Rechtsträger verschiedener Konfessionen untereinander nicht als gleichartige juristische Personen angesehen werden, und hat sich auch in der Anwendung nicht durchgesetzt. Der Anlaß für den erwähnten scharfen Erlaß des Innenministers dürfte in mehreren Rechtssachen gelegen sein, in denen die Gerichte trotz der ins Feld geführten weltanschaulichen Argumente gegen einen Vermögenserwerb der Kirche eine für die beteiligten kirchlichen juristischen Personen günstige Entscheidung trafen. Mehreren dieser Entscheidungen lag der § 48 Abs. 2 des Gesetzes über die Errichtung von Testamenten und Erbverträgen vom 31. Juli 1938 (RGBl. I S. 973) zugrunde. § 48 Abs. 2 TestG erklärte letztwillige Verfügungen für nichtig, die in einer dem gesunden Volksempfinden gröblich widersprechenden Weise gegen die 63

Kirchlicher Amtsanzeiger für die Diözese Trier 87 (1943) S. 47. Vgl. auch Hilling, Die kirchenpolitische Gesetzgebung, S. 21 A. 1. 65 Kirchlicher Amtsanzeiger für die Diözese Trier 87 (1943) S. 54.

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Rücksichten verstoßen, die ein verantwortungsbewußter Erblasser gegen Familie und Volksgemeinschaft zu nehmen hat. Diese dehnbare Bestimmung war zwar – wie Abs. 3 des gleichen § 48 – nach der Absicht ihrer Verfasser in erster Linie zur Verhütung letztwilliger Verfügungen an die Kirchen gedacht, indes war diese Absicht nicht ausgesprochen. Solange das „gesunde Volksempfinden“ nicht rechtlich definiert war und die Kirchen, fast das gesamte Volk umfassend, ihre öffentliche und hoheitliche Stellung behaupteten, konnte schwerlich eine letztwillige Zuwendung allein deswegen für nichtig erklärt werden, weil sie der Kirche gemacht war. Auf diesen Standpunkt stellten sich auch die Gerichte. In dem Urteil des Oberlandesgerichts Köln vom 31. Januar 193966 in einem Rechtsstreit zwischen einem gesetzlichen und dem Testamentserben, in dem u. a. zur Begründung der Nichtigkeit des Testaments Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB und Verstoß gegen die gesunde Volksanschauung wegen größerer Zuwendungen an Kirchen und Krankenhäuser vorgebracht worden war, wurde erklärt, Vermächtnisse an kirchliche Einrichtungen und Priester könnten nicht sittenwidrig sein, weil keine Beschränkung der Testierfreiheit in dieser Richtung vorliege. Dies könne auch nicht aus Art. 6 § 1 PreußAGzBGB gefolgert werden, denn Genehmigungsbedürftigkeit sei nicht gleich Sittenwidrigkeit. „Da der Gesetzgeber letztwillige Verfügungen zugunsten der Kirche zuläßt und ihre Ausführung nur an eine Genehmigung knüpft, können sie nicht sittenwidrig sein.“ Das Reichsgericht nahm aufgrund der eingelegten Revision zum Urteil des OLG Köln Stellung und äußerte sich am 15. Februar 194067 zustimmend: „Dieser Rechtsstandpunkt ist –wenigstens in seinem Ergebnis – nicht zu beanstanden.“ Ähnlich war die Rechtsauffassung des Kammergerichts. In seiner Entscheidung vom 2. April 194268 erklärte das Kammergericht, die letztwillige Zuwendung eines Grundstücks an eine staatlich anerkannte Religionsgesellschaft verstoße nicht grundsätzlich gegen § 48 Abs. 2 TestG. Die Prüfung, ob mit einer letztwilligen Zuwendung gegen die zu nehmenden Rücksichten verstoßen werde, könne nicht deshalb von vornherein unterlassen werden, weil die Verfügung zugunsten kirchlicher Stellen erging. Insbesondere sei das Erfordernis der staatlichen Genehmigung nicht gleichbedeutend mit einem Verbot; es solle vielmehr die Zuwendungen nur in den Fällen verhindern, in denen nach Ansicht der Genehmigungsbehörde schutzwürdige Belange der Familie oder der Volksgemeinschaft gefährdet werden. Bei dieser Prüfung seien dann ähnliche Erwägungen wie im Rahmen des § 48 Abs. 2 TestG anzustellen. Eine neue Rechtsauffassung entwickelte jedoch das Landgericht Aachen, die den Absichten der nationalsozialistischen Machthaber mehr entsprach. In einem Beschluß vom 2. April 194269 erklärte das LG Aachen, aufgrund von Art. 6 § 1 66

AfkKR 121 (1941) S. 92. RGZ 163, 57. 68 Deutsches Recht 1942 S. 937. 69 AfkKR 122 (1947) S. 478 ff. 67

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PreußAGzBGB bedürfe die Schenkung einer Sache an mehrere juristische Personen schon dann der Genehmigung, wenn der Wert der ganzen Sache den Betrag von 5000 Reichsmark übersteige. Diese Entscheidung wurde durch Beschluß des Kammergerichts vom 3. Juli 1942 aufgehoben. Das Kammergericht stellte sich – im Einklang mit früheren Entscheidungen70 – auf folgenden Standpunkt: Verschenkt jemand nacheinander oder gleichzeitig verschiedene Gegenstände an verschiedene Personen, so sind das, auch wenn die Schenkungen in einer notarischen Verhandlung zusammengefaßt werden, mehrere rechtlich voneinander getrennte Rechtsgeschäfte, die hinsichtlich ihrer Genehmigungsbedürftigkeit gesondert betrachtet werden müssen. Ein solcher Fall sei auch dann gegeben, wenn, wie hier, ein Grundstück an zwei juristische Personen je zu einer Miteigentumshälfte verschenkt wird. Denn auch das seien zwei selbständige Schenkungen, und der Gegenstand jeder einzelnen Schenkung sei nicht das ganze Grundstück, sondern eine Miteigentumshälfte. Es widerspreche nicht dem Sinn der gesetzlichen Vorschrift, die nur den Schenkungserwerb jeder einzelnen juristischen Person von einer bestimmten Wertgrenze an beschränken wolle, wenn die beiden hier zu beschenkenden Kirchengemeinden jede für sich zur Hälfte Miteigentümer eines Grundstückes im Werte von 9500 Reichsmark werden. Von einer Umgehung des Gesetzes könne nur dann die Rede sein, wenn anzunehmen wäre, daß die Vornahme der Schenkung an zwei Kirchengemeinden lediglich den Zweck hätte, in Verbindung mit weiteren – geheimen – Abmachungen, wonach die eine Gemeinde ihre Grundstückshälfte auf die andere Gemeinde weiter übertragen sollte, die letztere zur alleinigen Eigentümerin und Schenknehmerin zu machen. Dafür lägen in diesem Falle keine ausreichenden Anhaltspunkte vor. Gegen diese Entscheidung des Kammergerichts stellte der Oberreichsanwalt am 1. Februar 1943 Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens beim Reichsgericht. Der Große Senat für Zivilsachen beim Reichsgericht mit dem Präsidenten des Reichsgerichts, Bumke, als Vorsitzenden machte sich den abstrakten, aber rechtlich einwandfreien Standpunkt des Kammergerichts nicht zu eigen und hob am 31. März 1943 den Beschluß des Kammergerichts auf. In der Begründung wurde ausgeführt, die beiden Kirchengemeinden seien nicht bloß von der Schenkerin gleichzeitig bedacht worden, sondern die Zuwendung sei auch in einem Vertrage geschehen, der nach seinem Inhalt von allen Beteiligten nur im ganzen gewollt war. Beiden Kirchengemeinden zusammen sei ein wirtschaftlich einheitlicher Gegenstand geschenkt worden, dessen Einheit nach dem erkennbaren Willen der Vertragsparteien auch in den Händen der Beschenkten gewahrt bleiben sollte. Die Erwerber endlich seien zwar rechtlich zwei gesonderte juristische Personen, bilden jedoch Glieder ein und derselben katholischen Kirche, der ersichtlich im Sinne der Schenkerin die Zuwendung im ganzen zugedacht sei und deren Zwecken sie im ganzen dienen solle und gegebenenfalls auch dienen werde. „Bei dieser besonderen Sachlage ist eine Zerlegung der Zuwendung nach den beiden Miteigentumsanteilen 70

Vgl. AfkKR 82 (1902) S. 599 ff.; 83 (1903) S. 545.

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für ihre Genehmigungsbedürftigkeit nicht angebracht, mag die Verfügende auch wirklich freie Eigentümerin der Liegenschaft auf Grund Kaufs gewesen sein und von Anfang an beabsichtigt haben, diese den beiden Kirchengemeinden … gemeinsam zukommen zu lassen, so daß es einer Aufklärung der in dieser Hinsicht bestehenden Zweifel nicht bedarf.“ Diese Beispiele der oberstrichterlichen Rechtsprechung in bezug auf den Vermögenserwerb durch kirchliche juristische Personen machen deutlich, daß sich der vorerwähnte Runderlaß des Innenministers bemühte, die in der Rechtsprechung aufgezeigten Lücken der den Vermögenserwerb der Kirchen behindernden Gesetzgebung zu schließen. Die letzterwähnte Entscheidung des Reichsgerichts steht offensichtlich schon unter dem Einfluß der unter Nr. 3 des Runderlasses aufgestellten Grundsätze. Die Folge der kirchenfeindlichen Maßnahmen des nationalsozialistischen Regimes auf dem Gebiete des Vermögensrechts war, daß der Erwerb von größeren Vermögensmassen auf dem Wege der Schenkung und der letztwilligen Verfügung für die Kirchen überaus erschwert und vor allem die Genehmigung zum Grunderwerb für kirchliche Zwecke kaum noch zu erhalten waren. So heißt es in einer Anordnung des Bischöflichen Generalvikariats Trier vom 26. September 194671, in der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft seien Genehmigungen zum Erwerb von Grundstücken durch Kirchengemeinden und kirchliche Anstalten seitens der staatlichen Verwaltungsbehörden „fast regelmäßig versagt oder nur mit Einschränkungen erteilt“ worden, „die im Endergebnis einer Ablehnung gleichkamen“. Die rigorosen Erwerbsbeschränkungen der kirchlichen juristischen Personen sind natürlich nicht isoliert zu sehen. Sie waren auch keineswegs die gefährlichste Maßnahme der nationalsozialistischen Kirchenfeinde. Aber sie waren ein bedeutsames Element in der Tendenz, „die Kirchen einem Schrumpfungsprozeß auszusetzen, ihre Lebensmöglichkeiten aktiv einzuengen und sie mit ihrem Wirken aus dem öffentlichen Leben des Volkes überhaupt abzudrängen“72.

IV. Die Entwicklung seit 1945 1. In der Bundesrepublik Durch den Zusammenbruch des nationalsozialistischen deutschen Einheitsstaates im Jahre 1945 schien den Kirchen die Freiheit zurückgegeben. Waren sie doch die einzigen organisierten Mächte gewesen, die dem Nationalsozialismus innerhalb Deutschlands bis zu seiner Niederlage Widerstand geleistet hatten und aus der Katastrophe ungebrochen hervorgegangen waren. Tatsächlich wurde das Staatskir71

Kirchlicher Amtsanzeiger für die Diözese Trier 90 (1946) S. 112. Weber, Die staatskirchenrechtliche Entwicklung S. 385. Vgl. auch die Verfügung des Evangelischen Konsistoriums der Provinz Sachsen vom 17. März 1938 betr. kirchlichen Grundbesitz (Kirchliches Amtsbl. S. 38 f. – Archiv für evangelisches Kirchenrecht 2, 1938, S. 181 f.), die gegen die Angriffe auf den Grundbesitz der Kirchen Stellung nahm. 72

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chenrecht der Weimarer Republik weitgehend wiederhergestellt, sowohl was das Reichsrecht als auch was das Landesrecht angeht. Dies geschah negativ durch die Beseitigung nationalsozialistischen Unrechts in den Gesetzen des Alliierten Kontrollrats und der Länder, positiv durch die Setzung neuen Rechts vor allem in den Länderverfassungen. Später schaltete sich auch der Bundesgesetzgeber wieder in die Regelung staatskirchenrechtlicher Fragen ein. a) Das Kontrollratsgesetz Nr. 37 vom 30. Oktober 1946 Art. I a (KRABl. S. 220) hob Abs. 2 § 48 des Testamentsgesetzes von 1938 auf, ließ aber befremdlicherweise den gleichfalls nationalsozialistischen Geist verratenden Abs. 3 bestehen. Bereits vor der Aufhebung war der Weiterbestand der gesetzlichen Bestimmung zweifelhaft gewesen und zum Teil entschieden verneint oder sogar für aufgehoben erklärt worden73. Das Kontrollratsgesetz Nr. 45 vom 20. Februar 1947 (KRABl. S. 256) hob die Erbhofgesetze und die Grundstückverkehrsbekanntmachung samt den zugehörigen Gesetzen, Ausführungsvorschriften, Verordnungen und Erlassen auf und führte neue Bestimmungen über landwirtschaftliche und forstwirtschaftliche Grundstücke ein. Dadurch wurden diese Grundstücke wieder freies, den allgemeinen Gesetzen unterworfenes Grundeigentum. Aufgrund des Art. 11 Abs. 1 S. 2 des Gesetzes ergingen in den einzelnen Zonen und Ländern zahlreiche Gesetze und Verordnungen im Rahmen des Gesetzes und zur Durchführung seiner Bestimmungen. Diese Gesetze und Verordnungen behalten gemäß Art. IV und V des Kontrollratsgesetzes Nr. 45 die Notwendigkeit behördlicher Genehmigung grundsätzlich für jede Auflassung eines land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücks oder die Bestellung eines Nießbrauchs an einem solchen Grundstück oder eine Belastung bei74. Unter den genehmigungsfreien Rechtsgeschäften mit Grundstücken sind im allgemeinen die Rechtsgeschäfte der Körperschaften des öffentlichen Rechts, wie es dem Rechtszustand bis 1937 entsprach, nicht aufgezählt. Allein das württembergisch-hohenzollernsche Gesetz über Grundstücksverkehr und Landbewirtschaftung vom 2. Mai 1949 (RegBl. S. 143) sieht in § 3 Abs. 1 Ziff. 9 vor, daß die Genehmi73 W. Meiss, Zur Frage der Weitergeltung des § 48 Abs. 2 des Testamentgesetzes und der Erbregelungsverordnung vom 4. Oktober 1944: Süddeutsche Juristen-Zeitung 1 (1946) S. 65 f.; ebenda S. 78 und S. 253; auch Neue Juristische Wochenschrift 2 (1949) S. 58. 74 Vgl. z. B. für die Länder der ehemaligen britischen Besatzungszone: Verordnung Nr. 84 der Brit. Mil.-Reg. (Amtsblatt der Mil.-Reg. Brit. Kontrollgebiet Nr. 18 S. 500 – VOBl. BZ 1947 S. 25); für Hessen: Durchführungsverordnung vom 11. Juli 1947 (GVBl. S. 44, ber. 74) mit Änderungen durch die zweite Durchführungsverordnung vom 31. März 1949 (GVBl. S. 35) sowie zweite Verordnung über die Genehmigungsfreiheit im Verkehr mit land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken vom 1. November 1949 (GVBl. S. 165); für Bayern: Verordnung Nr. 127 zur Durchführung des Kontrollratsgesetzes Nr. 45 vom 22. Mai 1947 (GVBl. S. 180, ber. S. 248); für Baden: Landesverordnung über Grundstücksverkehr vom 11. Dezember 1948 (GVBl. S. 217, ber. GVBl. 1949 S. 178, geändert durch Gesetz vom 13. Dezember 1951: GVBl. 1952 S. 29); für Württemberg-Baden: Verordnung Nr. 166 zur Ausführung des Kontrollratsgesetzes Nr. 45 vom 16. Juli 1947 i. d. F. vom 13. Januar 1950 (RegBl. S. 3).

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gung nach Art. IV bis V des Kontrollratsgesetzes Nr. 45 nicht erforderlich ist „für Rechtsgeschäfte der kirchlichen, gemeinnützigen und mildtätigen Körperschaften des öffentlichen Rechts über Grundstücke unter 50 ar“. Nach Abs. 3 (eingefügt durch § 12 des zweiten Ausführungsgesetzes vom 13. Juni 1950: RegBl. S. 252) sind Rechtsgeschäfte der genannten juristischen Personen jedoch ohne Rücksicht auf die Größe des Grundstücks genehmigungspflichtig, wenn sich auf dem Grundstück die Hofstelle oder ein wesentlicher Teil der Hofstelle befindet. Indes wurden die Versagungsgründe auf wenige wichtige und in der Sicherung der Volksernährung liegende beschränkt sowie im Einklang mit Art. VIII des Kontrollratsgesetzes die Nachprüfung der Verweigerung einer angesuchten Genehmigung auf Anrufung durch eine Partei den Gerichten übertragen. Welcher Auslegung freilich Art. IV KRG Nr. 45 fähig war, läßt ein Beschluß des 2. Zivilsenats des OLG Köln vom 16. März 1949 erkennen75. Die untere Landwirtschaftsbehörde und das Amtsgericht hatten einem Vertrag, der die Übertragung einer Ackerparzelle von 33,78 ar aus einem etwa 100 Morgen großen Hof an eine Kirchengemeinde gegen die Verpflichtung, Seelenmessen lesen zu lassen, vorsah, die Genehmigung versagt. Die Beschwerde der Kirchengemeinde wurde von dem OLG abgewiesen. In der Begründung wird ausgeführt, die Übereignung eines landwirtschaftlichen Grundstücks sei von der Landwirtschaftsbehörde aufgrund pflichtgemäßen Ermessens im Hinblick auf das öffentliche Interesse zu genehmigen oder zu versagen. Die in Art. IV Ziff. 4 KRG Nr. 45 und Art. III Ziff. 5 MRVO Nr. 84 aufgeführten Versagungsgründe seien nur Beispiele und keineswegs die einzigen, die zu einer Versagung der Genehmigung führen könnten. Maßgebend sei, ob die Genehmigung ganz allgemein im öffentlichen Interesse liegt. Dies sei im vorliegenden Fall zu verneinen. Die Grundstücksübertragung erfolge ohne Gegenleistung. Sie sei auch nicht notwendig, um das Lesen der Seelenmessen sicherzustellen. Ein reiner Vermögenszuwachs der Kirchengemeinde, die die Parzellen durch Verpachtung nützen würde, liege nicht im öffentlichen Interesse. Diese von dem OLG vertretene Rechtsauffassung bedeutet eine so erhebliche Einengung der Genehmigungsfähigkeit, daß sie schwerlich dem Wandel der Rechtsauffassung, wie er durch den Übergang vom totalitären Staat zum demokratischen Rechtsstaat gekennzeichnet ist, gerecht wird. Wenn Art. IV Ziff. 4 KRG Nr. 45 und Art. III Ziff. 5 MRVO Nr. 84 Versagungsgründe ausdrücklich aufstellen, dann ist anzunehmen, daß im Gegensatz zu § 37 Abs. 2 REG die Freiheit des Individuums in der Gestaltung seiner Rechtsverhältnisse die Regel und die Beschränkung dieser Freiheit durch Versagung einer vorgeschriebenen behördlichen Genehmigung die Ausnahme ist, die dort Platz greift, wo ein gesetzlich bestimmtes öffentliches Interesse entgegensteht, nicht aber da, wo – bei Fehlen eines öffentlichen Interesses für die Genehmigung – ein gesetzlicher Versagungsgrund nicht vorliegt. Der Zweck des neuen Landwirtschaftsrechts ist die Sicherung der landwirtschaftlichen Erzeugung. Diesem Zweck dienen die aufgezählten Versagungs75

Justizministerialblatt für das Land Nordrhein-Westfalen 3 (1949) Nr. 10 S. 109.

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gründe. Ein in anderer Richtung liegendes öffentliches Interesse kann gegen die grundsätzliche Genehmigungspflicht der Behörden nicht aufkommen und keinen Grund für die Versagung der Genehmigung abgeben. Es wäre also im vorliegenden Falle zu prüfen, ob einer der gesetzlich aufgeführten Versagungsgründe der Erteilung der Genehmigung entgegensteht. Es ist nicht richtig, einer ländlichen katholischen Kirchengemeinde mit eigenem Landbesitz die „Wirtschaftsfähigkeit“ abzusprechen, zumal der Begriff der „Wirtschaftsfähigkeit“ im neuen Landwirtschaftsrecht weiter ist als der Begriff der „Bauernfähigkeit“ im Erbhofrecht, wonach auch Nichtlandwirte durchaus bauernfähig sein konnten. Es ist auch nicht richtig, daß das Verbot eines groben Mißverhältnisses des Grundstückwertes zum Gegenwert in Art. IV Ziff. 4 b KRG Nr. 45 auch unentgeltliche Grundstücksübertragungen mit einschließe; die Vorschrift bezweckt nur die Ausschaltung der Vereinbarung von Überpreisen. Die Ansicht des OLG Köln kann darum nicht geteilt werden; die von ihm gegebene Begründung seines Beschlusses ist in keiner Weise überzeugend76. In den wiederhergestellten alten bzw. nach der rechtlichen Auflösung Preußens durch Kontrollratsgesetz Nr. 46 vom 25. Februar 1947 entstandenen neuen deutschen Ländern galt das überkommene – auch das in der nationalsozialistischen Zeit gesetzte – Landesrecht grundsätzlich weiter. Soweit nicht die Militärregierung bzw. der Kontrollrat eingriff, waren der nationalsozialistische Ursprung und Gehalt einer Bestimmung nicht überall ein Grund zu ihrer Beseitigung. Dennoch kam es im allgemeinen auch in den Ländern zu einer gewissen Eliminierung durch den Nationalsozialismus geschaffenen gesetzgeberischen Unrechts. Das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus setzte bereits in seiner Entschließung vom 21. Mai 194677 die Ministerialentschließung vom 30. April 1941, die der Veräußerung von Grund an kirchliche Rechtsträger entgegengetreten war, außer Kraft. Der Kultusminister von Nordrhein-Westfalen teilte in einem Schreiben vom 17. Juli 1947 an das Erzbischöfliche Generalvikariat in Köln78 mit, daß er sich wieder die in den Ministerialerlassen vom 18. Oktober 1925 und 9. November 1925 der Zentralinstanz vorbehaltenen Genehmigungen vorbehalten habe. In dem Erlaß vom 12. Dezember 194779 ermächtigte er die Regierungspräsidenten zur Erteilung der nach Art. 6 und 7 § 1 PreußAGzBGB erforderlichen staatlichen Genehmigung zur Annahme von Schenkungen und Zuwendungen von Todes wegen sowie zum Erwerb von Grundstücken im Werte bis zu 50 000 Mark durch die katholischen und evangelischen Kirchengemeinden und Gemeindeverbände. b) Die rechtliche Neuordnung des Verhältnisses von Kirchen und Staat erschöpfte sich jedoch nicht in der Wiederherstellung des früheren Zustands (die 76

Vgl. dazu Notar Dr. Pikalo, Zülpich, a.a.O. Amtsblatt der Erzdiözese München-Freising 1946 S. 85. 78 Kirchlicher Anzeiger für die Erzdiözese Köln 1947 S. 195. 79 Kirchlicher Anzeiger für die Erzdiözese Köln 1948 S. 50. 77

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übrigens nicht auf allen Gebieten gelang). Die Kirchen haben sich in der Zeit des Kirchenkampfes innerlich und äußerlich von der staatlichen Kirchenhoheit oder besser ihren Resten emanzipiert. Der Staat verkehrte seine Schutzfunktion in das genaue Gegenteil. Die staatskirchliche Tradition in der staatlichen Bürokratie ist zumindest weitgehend abgerissen. Es hat daher keinen Sinn mehr, im heutigen Staatsgefüge von staatlicher Kirchenhoheit zu sprechen80. Eine Reihe der neuen Länderverfassungen – besonders jene der Länder Bayern, Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen – lassen deutlich erkennen, daß die Kirchen heute zu einer öffentlichen Macht geworden sind. An die Stelle der Einordnung in den Staat ist die Nebenordnung zum Staat getreten. Die Kirchen sind in die Mitverantwortung für das soziale Ganze eingetreten81, und ihr Wirken für die Gewinnung letzter Grundlagen ist für den Staat heute von wesentlicher Bedeutung82. Die Weiterverwendung des Begriffes der öffentlichen Körperschaft auf die Kirchen muß sich darüber im klaren sein, daß dieser Begriff auf die Kirchen nur sehr inadäquat zutrifft83. Die Berücksichtigung der Kirchen in den verschiedensten öffentlichen Gremien (des Rundfunks, der Fürsorge, der Erziehung, in Bayern sogar im Senat) zeigt, daß die neue Stellung der Kirche auch zur Kenntnis des Gesetzgebers gelangt ist. Dies gilt auch für das Gebiet des Vermögensrechts. Ein Musterbeispiel hierfür ist das hessische Gesetz über Erwerbsbeschränkungen für juristische Personen und Ausländer vom 13. August 1948 (GVBl. S. 96). Während sich das Gesetz im allgemeinen an seine Vorgänger anschließt, heißt es bedeutsam in § 3, daß eine Genehmigung nicht erforderlich sei bei Schenkungen oder Zuwendungen von Todes wegen an juristische Personen des öffentlichen Rechts, an Wohlfahrtsorganisationen und weltanschauliche Vereinigungen, an kirchliche Organisationen, vorausgesetzt, daß sie in Deutschland ihren Sitz haben und daß die beiden letzteren Gruppen juristische Personen sind. Ähnlich ist es beim Grunderwerb. § 5 des Gesetzes hält die Genehmigungspflicht für den Grunderwerb juristischer Personen, die in Deutschland ihren Sitz haben, bei Grundstücken im Werte von mehr als 5000 Deutsche Mark aufrecht. § 7 erklärt jedoch den Grunderwerb für genehmigungsfrei u. a. bei Wohlfahrtsorganisationen, weltanschaulichen Vereinigungen, Kongregationen, die als juristische Person in Deutschland ihren Sitz haben, und allen juristischen Personen des öffentlichen Rechts. Damit waren die Erwerbsbeschränkungen durch Amortisationsgesetze für kirchliche juristische Personen in Hessen als dem ersten deutschen Bundesstaate durch gesetzliche Aufhebung beseitigt. c) Leider entspricht der grundlegend veränderten Lage der Kirchen zum Staat, die dadurch gekennzeichnet ist, daß die Selbständigkeit der Kirchen innerhalb der 80

W. Weber, Die Gegenwartslage des Staatskirchenrechts: Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Heft 11. Berlin 1954, S. 158 f.; H. Peters, ebenda, S. 188. 81 Hesse, Rechtsschutz, S. 36. 82 Hesse, Rechtsschutz, S. 59. 83 H. v. Mangoldt, Das Bonner Grundgesetz. Berlin und Frankfurt a. M. 1953, S. 663.

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öffentlichen Ordnung bedeutend vertieft worden ist84, nicht der Wortlaut des Bonner Grundgesetzes vom 23. Mai 1949 (BGBl. S. 1). In Art. 140 GG ist ein Grundbestand bundeseinheitlichen Staatskirchenrechts geschaffen worden. Durch ihn wurden die Art. 136, 137, 138, 139 und 141 der WRV Bestandteil des Bonner Grundgesetzes. Der gleichbleibende Verfassungstext ist jedoch von seinen ungeschriebenen Voraussetzungen her in schwerwiegender Weise umgewertet und daher einer gewandelten Auslegung bedürftig85. Die „Geltungsfortbildung“86 der übernommenen verfassungsrechtlichen Normen macht vor dem „für alle geltenden Gesetz“ des Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV – GG Art. 140 nicht halt. Der Begriff kann in der Gegenwart nichts anderes mehr besagen als das für die Nation als Rechts- und Kulturgemeinschaft unentbehrliche Gesetz87. Die kirchliche Hoheit findet ihre Grenze künftighin erst da, wo ihr eigenes Recht die Grundlagen des staatlichen und gesellschaftlichen Lebens zu erschüttern geeignet wäre88. Eine besondere staatliche Kirchenaufsicht ist mit der heutigen Rechtsstellung der Kirchen weniger denn je zu vereinbaren. Die aus dem Begriff der Körperschaft des öffentlichen Rechts gefolgerte besondere staatliche Aufsicht kann nur für jene juristischen Personen zugelassen werden, die, weil sie in den staatlichen Bereich fallende und vom Staate delegierte öffentliche Aufgaben erfüllen, adäquat unter diesen Begriff fallen. Dies ist nun anerkanntermaßen für die Kirchen nicht mehr der Fall89. Mit der besonderen staatlichen Aufsicht fällt aber auch die Genehmigungsbedürftigkeit kirchlichen Vermögenserwerbs. Auch aus Art. 19 Abs. 3 GG in Verbindung mit Art. 2 GG ergibt sich, daß Erwerbsbeschränkungen kirchlicher juristischer Personen fortan unzulässig sind. Art. 19 Abs. 3 GG lautet: „Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.“ Die alten liberalen Grundrechte sind also nach dem Grundgesetz nicht nur Individualrechte, sondern zugleich Rechte der juristischen Personen. Zwar zählt Art. 19 Abs. 3 GG die Grundrechte nicht auf, die auch für die inländischen juristischen Personen gelten, sondern überläßt es den Beteiligten, festzustellen, welche Grundrechte ihrem Wesen nach auf juristische Personen anwendbar sind. Diese Feststellung dürfte aber gerade bei dem Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 GG) und bei der Gewährleistung des freien Vermögenserwerbs (Art. 14 und 15 GG) nicht

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Weber, Gegenwartslage, S. 169. W. Weber, Weimarer Verfassung und Bonner Grundgesetz. Göttingen 1949, S. 14; v. Mangoldt, Das Bonner Grundgesetz, S. 661, 663; Peters S. 191; Liermann, Kirche und Staat, S. 214 f. 86 Hesse, Rechtsschutz, S. 28 ff. 87 Hesse, Rechtsschutz, S. 74. 88 Liermann, Kirche und Staat, S. 218. 89 Peters S. 187 ff.; Weber, Gegenwartslage, S. 170; Liermann, Kirche und Staat, S. 215; Hesse, Rechtsschutz, S. 66. 85

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schwierig sein90. Ihrem Wesen nach auf juristische Personen anwendbar sind jedenfalls jene Grundrechte, die nicht notwendig die menschliche Individualität voraussetzen. Dies ist bei dem freien Vermögenserwerb zweifellos der Fall. Die in der Weimarer Reichsverfassung ungelöst gebliebene Frage, ob die Freiheit des Vermögenserwerbs wie andere Freiheitsrechte der Person auch juristischen Personen zukomme, ist damit im Bonner Grundgesetz eindeutig zugunsten der inländischen juristischen Personen entschieden. Der Gesetzgeber hat dann auch bald die notwendige Folgerung gezogen. Das Gesetz zur Wiederherstellung der Gesetzeseinheit auf dem Gebiete des bürgerlichen Rechts vom 5. März 1953 (BGBl. I S. 33) hob in Art. 2 Abs. 1 des Zweiten Teiles den Art. 86 des EGzBGB und die landesgesetzlichen Vorschriften, die in Ausübung des darin enthaltenen Vorbehalts ergangen sind, auf, soweit sie den Erwerb von Rechten durch juristische Personen mit dem Sitz im Inland von einer staatlichen Genehmigung abhängig machen. Art. 2 Abs. 3 des genannten Gesetzes hob Art. 87 des EGzBGB und damit die in seiner Folge ergangenen landesgesetzlichen Vorschriften, welche die Annahme von Schenkungen und Zuwendungen von Todes wegen durch Mitglieder religiöser Orden oder ordensähnlicher Kongregationen mit lebenslänglichen Gelübden von staatlicher Genehmigung abhängig machten, auf. Durch Art. 1 Ziff. 6 des gleichen Gesetzes wurde auch das Gesetz über die Errichtung von Testamenten und Erbverträgen vom 31. Juli 1938 mit Ausnahme des § 51 beseitigt. Seitdem sind kirchliche juristische Personen mit dem Sitz in der Bundesrepublik auch hinsichtlich des Erwerbs von Rechten, die einen Wert von 5000 Deutsche Mark übersteigen, nicht mehr beschränkt. Auch Schenkungen und Zuwendungen von Todes wegen an Mitglieder religiöser Orden und ordensähnlicher Kongregationen bedürfen keiner staatlichen Genehmigung mehr. Damit ist die Zeit der Amortisationsgesetze in der Bundesrepublik zu Ende. Ihre Aufhebung fiel den Kirchen als die langersehnte Frucht verschiedener günstiger Konstellationen zu. Sie bedeutet die endliche Wiedergutmachung eines alten Unrechts. Daß sie erst jetzt möglich war, zeigt, daß die Erwerbsfreiheit der Kirche im staatlichen Recht eine Funktion ihres öffentlichrechtlichen Gesamtstatus ist. Weil der Staat der Bundesrepublik den Kirchen nicht mehr als Oberherr, aber auch nicht in feindseliger Kühle oder indifferenter Neutralität, sondern als freundschaftlich gesinnter Partner begegnet91, mußte eine der Würde der Kirchen abträgliche und ihr Wirken hemmende gesetzliche Regelung fallen. Ein letzter Schritt in dieser Richtung wird hoffentlich bald mit dem vom Deutschen Bundestag zu beschließenden Grundstückverkehrsgesetz getan werden, des-

90 v. Mangoldt, Das Bonner Grundgesetz, S. 121; Liermann, Kirche und Staat, S. 213. Vgl. auch A. Hamann, Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 1949. Berlin 1956, S. 174. 91 Vgl. dazu R. Smend, Staat und Kirche nach dem Bonner Grundgesetz: Zeitschrift für evangelisches Kirchenrecht 1 (1951) S. 4 – 14.

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sen revidierten Entwurf der Stellvertreter des Bundeskanzlers am 7. Januar 1958 dem Präsidenten des Bundestags zuleitete. Die Bundesregierung legte im November 1957 dem Bundesrat den Entwurf eines Gesetzes über Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur und zur Sicherung land- und forstwirtschaftlicher Betriebe (Grundstücksverkehrsgesetz) vor92. Der Bundesrat nahm in seiner 185. Sitzung am 29. November 1957 zu dem Entwurf Stellung93. Hatte die Bundesregierung in § 4 ihres Entwurfs die Genehmigungsfreiheit bei rechtsgeschäftlicher Veräußerung nur in dem Falle vorgesehen, wenn der Bund, ein Land, eine Gemeinde oder ein Gemeindeverband an dem Rechtsgeschäft beteiligt ist, so schlug der Bundesrat vor, die Genehmigungsfreiheit auf die mit den Rechten einer Körperschaft des öffentlichen Rechts ausgestatteten Religionsgesellschaften und die ihren Aufgaben dienenden Anstalten und Stiftungen (so der Vorschlag Bayerns) sowie auf die Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts, die ausschließlich allgemein kirchlichen, gemeinnützigen oder mildtätigen Zwecken zu dienen bestimmt sind, auszudehnen. Denn bei ihnen allen sei die Gewähr gegeben, daß der Grundbesitz nach sozialen und agrarwirtschaftlichen Gesichtspunkten verwaltet werde. Außerdem handle es sich hier um die Wiedergutmachung eines nationalsozialistischen Unrechts94. In der Stellungnahme der Bundesregierung zu den Änderungsvorschlägen und Empfehlungen des Bundesrats wird der Empfehlung nicht widersprochen95. Es ist also zu hoffen, daß der Bundestag – trotz der vom Deutschen Bauernverband nach Pressemeldungen vorgetragenen Bedenken gegen die Freistellung der Gemeinden, Gemeindeverbände sowie der kirchlichen, gemeinnützigen und mildtätigen Zwecken dienenden Körperschaften des öffentlichen Rechts – das Gesetz in einer Fassung beschließt, wie sie der Stellung der Kirchen in der Öffentlichkeit entspricht. 2. In der Deutschen Demokratischen Republik In der sowjetisch besetzten Zone Deutschlands bzw. in der Deutschen Demokratischen Republik verlief die Entwicklung des Verhältnisses der Kirchen zum Staat durchaus anders als in den drei westlichen Besatzungszonen bzw. in der Bundesrepublik. Die Kontrollratsgesetzgebung erlangte auch in der sowjetischen Besatzungszone Geltung. Der staatliche Aufbau ging auch hier nach dem Zusammenbruch von 1945 grundsätzlich von unten nach oben vor sich. Die Verfassungen der Länder folgten in den die Religion und Religionsgesellschaften betreffenden Artikeln im allgemeinen, abgesehen von gewissen Verschärfungen in Richtung auf die Trennung des Staates von den Kirchen, dem Wortlaut der entsprechenden Artikel der Weimarer 92

Deutscher Bundestag 3. Wahlperiode Drucksache 119 S. 2 ff. Ebenda S. 31 ff. 94 Ebenda S. 32 f. 95 Ebenda S. 39. 93

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Reichsverfassung96. Bemerkenswert ist, daß im Lande Brandenburg durch Verordnung der Provinzialverwaltung Mark Brandenburg vom 9. Februar 1946 (VBl. 1946 S. 101) eine Teilablösung vorgenommen wurde97. Die kraft öffentlichen Rechts geschuldeten Leistungen der Gemeinden an Kirchengemeinden und umgekehrt fielen fort (Art. 3). Die am 31. Januar 1933 den Zwecken der evangelischen oder katholischen Kirche gewidmeten Gebäude und Grundstücke gingen in das Eigentum der nutznießenden kirchlichen Stelle über, womit freilich den Kirchen die Baulast für diese Gebäude aufgebürdet wurde (Art. 4). Die Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik vom 7. Oktober 1949 (GBl. S. 5) übernahm in dem Abschnitt Religion und Religionsgemeinschaften ebenfalls weitgehendst die Bestimmungen der Art. 135 – 141 WRV. Es ist aber auch hier auf den Bedeutungswandel überkommener Formulierungen aufmerksam zu machen, wenn sie in der Verfassung einer Volksdemokratie, wie es die DDR ist, stehen98. Die Kirchen bleiben nach Art. 43 Abs. 3 und 4 Körperschaften des öffentlichen Rechts. Die Übernahme dieses Begriffes aus der WRV, der dem Trennungsprinzip, wie es in der Verfassung der DDR ausgeprägter als in der WRV hervortritt, widerspricht, ist wohl durch die Achtung vor der Vergangenheit der Kirchen und ihrer engen Verbindung mit dem deutschen Volk bestimmt, darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß der Sinn dieser Bestimmung sich gegenüber 1919 mit dem Wandel der Wirklichkeit von Staat und Kirchen entscheidend verändert hat99. In der DDR als einem zumindest auf dem Wege zum Sozialismus befindlichen Staat können die Kirchen als Träger öffentlicher Aufgaben, wie es vom Sinne des Begriffes der Körperschaft des öffentlichen Rechts gefordert ist, nicht in Frage kommen. Man weiß dort keinen Ort für die Kirchen als öffentliche Korporation100. Gerade jene Züge der Körperschaft des öffentlichen Rechts, die in der Weimarer Nationalversammlung zu der inneren, sachlichen Begründung der Übertragung dieses Begriffs auf die Kirchen angeführt wurden – daß sie das öffentliche Interesse berührt; daß sie gemeinnützigen Charakter und eine soziale Bedeutung hat; daß der Staat sie als eine befreundete Macht behandelt, mit der er Dienste austauscht und deren Leistungen für Volk und Vaterland er anerkennt –101, werden in der DDR von staatlicher Seite ignoriert. Dies hat zur Folge, daß einerseits die Kirchen da, wo von Körperschaften des öffentlichen Rechts in Gesetzen die Rede ist, in der Regel nicht mit gemeint sind und anderseits aber auch die historischen Verflechtungen der 96

Vgl. Kern, Staat und Kirche, S. 87 f. W. Weber, Die Ablösung der Staatsleistungen an die Religionsgesellschaften. Stuttgart (1948), S. 14 f.; Kern, Staat und Kirche, S. 88, 119; Herder-Korrespondenz 5 (1951); S. 410. 98 Th. Maunz, Deutsches Staatsrecht5. München und Berlin 1956, S. 271. 99 E. Jacobi, Staat und Kirche nach der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik: Zeitschrift für evangelisches Kirchenrecht 1 (1951) S. 125. 100 Smend, Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Heft 11 S. 239. 101 Mausbach, Über die öffentliche Rechtsstellung der Kirche, S. 141. 97

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Kirchen mit dem Staat aufgrund ihres Körperschaftscharakters – wie die Einziehung der Kirchensteuer durch die staatlichen Finanzbehörden und die Gewährung des staatlichen Verwaltungszwanges – rückgängig gemacht werden. Wenn es demnach überhaupt noch einen Sinn hat, daß die Kirchen als Körperschaften des öffentlichen Rechts anerkannt werden, dann allein den, daß ihnen vorläufig auch weiterhin eine gewisse, ihrer geschichtlichen Bedeutung Rechnung tragende Privilegierung gewährleistet wird102, der keine positive Staatsaufsicht mehr gegenüberstehen dürfte103. Dagegen wird sich nicht einwenden lassen, daß es in der DDR auch noch andere vom Staat anerkannte juristische Personen des öffentlichen Rechts gibt, die nicht in den Staatsorganismus eingefügt und auch nicht mit unmittelbarer oder mittelbarer Staatsverwaltung betraut sind104 und daß in der DDR auch gesellschaftliche Massenorganisationen – wie der FDGB – anerkannt sind, die nicht juristische Personen und doch mit der Durchführung öffentlicher Aufgaben betraut sind105. Denn mit dem Vordringen eines einartigen Rechts, das die herkömmliche Unterscheidung in öffentliches und privates Recht aufhebt106, wird auch die Unterscheidung zwischen juristischen Personen des öffentlichen und des Privatrechts problematisch. Das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften wird in Art. 43 Abs. 2 DDRV gewährleistet „nach Maßgabe der für alle geltenden Gesetze“. Diese vertraute Formel wird im Rahmen der DDRV als der Verfassung eines Staates mit antifaschistisch-demokratischer Ordnung im Aufbau des Sozialismus nicht anders verstanden werden können denn als die Unterstellung unter die Vereinsgesetzgebung, womit jedenfalls Sondergesetze gegen Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften als verfassungswidrig gekennzeichnet sind107. Es gelten mithin in den Nachfolgestaaten der deutschen Länder bzw. (seit dem 23. Juli 1952) in den Bezirken der DDR die alten gesetzlichen Bestimmungen über Erwerbsbeschränkungen juristischer Personen weiter und werden auch weiter gehandhabt. Neben die Amortisationsgesetze sind – auch in den Gebieten, die, wie Sachsen, keine den Vermögenserwerb der juristischen Personen beschränkenden Gesetze erlassen hatten – neue Bestimmungen getreten, die der schrittweisen Durchsetzung der sozialistischen Ordnung der Gesellschaft und des Eigentums dienen. Nach der zur Durchführung des Gesetzes Nr. 45 des Kontrollrats ergangenen Anordnung vom 23. Februar 1949 (ZVBl. I S. 191) § 5 soll die Genehmigung zur 102

Jacobi, Staat und Kirche, S. 125. Jacobi, Staat und Kirche, S. 127. 104 E. Jacobi, Zur Scheidung von privatem und öffentlichem Recht in der DDR: Rechtsprobleme in Staat und Kirche. Festschrift für R. Smend. Göttigen 1952, S. 155. 105 Jacobi, Zur Scheidung S. 154 f. 106 Steiniger, Zur Systematik des Rechts der antifaschistisch-demokratischen Ordnung: Neue Justiz 5 (1951) S. 158 ff. 107 Jacobi, Staat und Kirche, S. 122. 103

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Auflassung eines Grundstücks oder zur Nießbrauchbestellung an ihm und zum Abschluß der entsprechenden Verträge, zur Gebotsabgabe in der Zwangsversteigerung sowie zur Verpachtung versagt werden, wenn sie die Bildung eines landoder forstwirtschaftlichen Besitzes zur Folge hätte, der den Umfang einer Familienwirtschaft dauernd übersteigt, oder wenn das Rechtsgeschäft zur Vergrößerung eines den Rahmen einer Familienwirtschaft bereits übersteigenden Besitzes führen würde, wie die Ausführungsbestimmung zu der Anordnung vom 10. März 1949 ergänzend hinzufügt (ZVBl. I S. 193). Für die Feststellung, ob das Rechtsgeschäft, dessen Genehmigung beantragt wird, zur Bildung eines den Umfang einer Familienwirtschaft übersteigenden Grundbesitzes führen würde, sind alle in Deutschland gelegenen Grundstücke des Antragstellers zu berücksichtigen (§ 6). Der weiteren Überführung des Grundeigentums in die Hand des Volkes dient auch die Verordnung über die Gründung von Vereinigungen volkseigener Güter vom 25. Januar 1951 (GBl. S. 47). Sie sieht in § 13 Abs. 1 vor, daß der Vereinigung volkseigener Güter bei allen entgeltlichen und unentgeltlichen Veräußerungen von landwirtschaftlichen Grundstücken und Grundstücksteilen ein gesetzliches Vorkaufsrecht (Vorerwerbsrecht) zusteht, das im Range allen anderen gesetzlichen oder rechtsgeschäftlichen Vorkaufsrechten vorangeht. Bei der Anwendung all dieser gesetzlichen Bestimmungen durch die Behörden der DDR ist zu bedenken, daß ein mit den Fragen des Staatskirchenrechts vertrauter Behördenapparat kaum noch zur Verfügung steht und daher eine weitgehende Unsicherheit in der Behandlung der einschlägigen Gegenstände herrscht, wie auch die wissenschaftliche Beschäftigung mit Problemen des Verhältnisses von Staat und Kirche fast völlig aufgehört hat. Eine besondere Bedeutung für die Nationalisierung des Grundeigentums und für die Erwerbsbeschränkungen juristischer Personen haben die in den Jahren 1948 und 1949 ergangenen Gesetze der Länder der DDR über den Verkehr mit Grundstücken. Diese Gesetze verfolgen zwei Ziele. Einmal soll ein Grundstückserwerb verhindert werden, dem wichtige staatliche Interessen entgegenstehen oder bei dem Gefahr besteht, daß das Grundstück in einer dem Gemeinwohl abträglichen Weise verwertet werden soll, und zweitens soll eine Möglichkeit geschaffen werden, den volkseigenen Grundbesitz durch Ausübung eines gesetzlichen Vorkaufsrechtes zu vergrößern. So steht nach § 2 Abs. 1 des entsprechenden thüringischen Gesetzes vom 4. Mai 1948 (RegBl. I S. 63) den Stadt- und Landkreisen sowie den Gemeinden an Grundstücken ihres Bereichs bei genehmigungspflichtigen Veräußerungen und Zwangsversteigerungen ein gesetzliches Vorkaufsrecht zu, das den Vorrang vor allen anderen eingetragenen oder gesetzlichen Vorkaufsrechten hat. § 2 Abs. 5 des einschlägigen sächsischen Gesetzes vom 15. Juli 1949 (GVBl. S. 433) geht noch weiter. Macht nämlich der Vorkaufsberechtigte sein Vorkaufsrecht geltend und verweigert der Veräußerer die Auflassung des Grundstücks oder bewilligt er nicht innerhalb eines Monats nach Aufforderung die Eintragung des Vorkaufsberechtigten im Grundbuch, so können die Auflassung, die Eintragungsbewilligung sowie

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die sonstigen für den Eigentumsübergang erforderlichen Erklärungen durch Beschluß der Landesregierung Sachsen ersetzt werden. Der Beschluß ist mit Rechtsmitteln nicht anfechtbar. Das Vorkaufsrecht entfällt nur bei einem effektiven Grundstückstausch oder Erwerb durch die nächsten Angehörigen des Eigentümers. Wenn Träger des Volkseigentums Vertragspartner sind, braucht es ebenfalls nicht eingeräumt zu werden. Jede Veräußerung eines bebauten oder unbebauten Grundstückes bedarf nach § 1 Abs. 1 des thüringischen Gesetzes zu ihrer Wirksamkeit der Genehmigung der zuständigen Verwaltungsbehörde. Von der Genehmigungspflicht sind allein ausgenommen – wie es der Absicht des Gesetzes entspricht – die in § 1 Abs. 3 aufgezählten Organe und Institutionen: das Land, ein Stadt- oder Landkreis, eine Gemeinde, eine Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts, wenn sie an der Veräußerung als Veräußerer oder Erwerber beteiligt sind. Unter diesen Organen und Institutionen sind allein jene zu verstehen, die damals Träger öffentlichen (jetzt: volkseigenen) Vermögens waren; heute würde man statt der Einzelaufzählung von „Rechtsträgern des Volkseigentums“ sprechen. Rechtsinstitutionen, die nicht Träger öffentlichen (jetzt: volkseigenen) Vermögens sind, waren in Abs. 3 nicht gemeint. Aus § 1 Abs. 5 ergibt sich, daß diese Auslegung richtig ist. Abs. 5 stellt ausdrücklich fest, daß auch bei Verträgen, an denen Träger des politischen und gesellschaftlichen Lebens in der DDR beteiligt sind, wie die Parteien und der FDGB, eine Genehmigung erforderlich ist. Da Religionsgesellschaften nicht Träger von Volkseigentum (frühere Bezeichnung: öffentlichen Eigentum) sein können, da sie weiter nicht besser gestellt sein können als die tragenden Organisationen der DDR, ist es klar, daß die Religionsgesellschaften nicht Körperschaften im Sinne dieses Gesetzes sind und nach Sinn und Zweck des Gesetzes und bei der völligen Trennung von Kirche und Staat auch Verträge, an denen Religionsgesellschaften beteiligt sind, der Genehmigungspflicht unterliegen. Das Genehmigungserfordernis für den Erwerb von Grundstücken oder durch Zuwendungen, wie es die Gesetzgebung der DDR nunmehr lückenlos vorschreibt, gewinnt dadurch besonderes Gewicht, daß sich die rechtliche Ordnung der DDR gegenüber der Verwaltungsgerichtsbarkeit sehr zurückhaltend verhält108, worauf schon die Ablehnung der Generalklausel hindeutet109. Der Rechtsschutz des Bürgers gegenüber der Verwaltung fällt in der DDR in erster Linie der aktiven Verwaltung, in zweiter Linie den Volksvertretungen, also zuvörderst der Volkskammer und den Land- bzw. Bezirkstagen zu, und erst in dritter Linie ist eine – nicht ausschließliche und nicht umfassende – Kontrolle gegen rechtswidrige Maßnahmen der Verwaltung durch die Verwaltungsgerichtsbarkeit nach dem Enumerationsprinzip

108 Jacobi, Zur Scheidung S. 148, 162; vgl. H. Loening, Kampf um den Rechtsstaat in Thüringen: Archiv des öffentlichen Rechts 75 (1949) S. 56 – 102. 109 Jacobi, Zur Scheidung, S. 158 f.

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vorgesehen110. So ist § 9 des Gesetzes über die Verfassung der Gerichte in der DDR vom 2. Oktober 1952 (GBl. S. 983) zu verstehen, der bestimmt: „Vor die Gerichte der DDR gehören alle Straf- und Zivilsachen, für die nicht durch Gesetz die Zuständigkeit von Gerichten für bestimmte Sachgebiete oder von Verwaltungsbehörden begründet ist. Andere Angelegenheiten gehören von die Gerichte nur, soweit es durch besonderes Gesetz bestimmt ist.“ Die Gesetze eröffnen gegen die Versagung der Genehmigung bei Grundstücksveräußerungsverträgen den Weg vor die Verwaltungsgerichte nur in den Fällen, in denen die Verwaltungsbehörden durch Gesetzesbefehl angewiesen sind, die Genehmigung zu erteilen; in allen anderen Fällen steht nur der Weg vor die Verwaltungsbehörden offen111. In diesem Sinne entschied das Oberlandesgericht Halle am 3. Juli 1952112, daß der Rechtsweg für die – dem öffentlichen Recht angehörigen – Rechtsbeziehungen zwischen einer Kirchengemeinde und einer staatlichen Verwaltung nicht gegeben sei. Der Entmächtigung der Verwaltungsgerichte folgte rasch ihre völlige Beseitigung. Nach dem Gesetz über die weitere Demokratisierung des Aufbaus und der Arbeitsweise der staatlichen Organe in den Ländern der DDR vom 23. Juli 1952 (GBl. S. 613) sind die Verwaltungsgerichte als Landesorgane weggefallen113. Sie wurden nicht durch gesamtstaatliche Verwaltungsgerichte ersetzt.

110

Jacobi, Zur Scheidung, S. 147. Vgl. sächs. Gesetz zur Änderung und Ausführung des Gesetzes über die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom 14. Oktober 1949 (GVBl. S. 658); thüringische Ausführungsverordnung zu dem Gesetz über den Verkehr mit Grundstücken vom 18. Februar 1949 (RegBl. IS. 11). 112 Neue Justiz 6 (1952) S. 587 f.; vgl. Oberstes Gericht der DDR vorn 4. März 1953: ebenda 7 (1953) S. 419. 113 Vgl. H.-U. Hochbaum, Staats- und verwaltungsrechtliche Gesetze der Deutschen Demokratischen Republik. Berlin 1958, S. 75, 93 ff.; R. Lange, Rechtsidee und Rechtsideologie in West und Ost. Tübingen 1958, S. C 16. 111

Entstehung und Rechtscharakter der Vereinbarung zwischen dem Bischof von Mainz und dem Oberregierungspräsidenten von Hessen-Pfalz vom 15./17. April bzw. 5. Oktober 1946 zur Errichtung der Katholisch-Theologischen Fakultät an der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz I. Entstehung 1. Die Vereinbarung vom 15./17. April 19461 Bereits kurze Zeit nach der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht und der Besetzung des Deutschen Reiches durch die Alliierten waren unter den Lehrern des Bischöflichen Priesterseminars zu Mainz2 Bestrebungen im Gange, die der wissenschaftlichen Ausbildung der Theologiestudierenden dienende Philosophisch-Theologische Lehranstalt im Priesterseminar gegenüber dem Seminar und der Seminarleitung zu verselbständigen. Ein zu diesem Zweck ausgearbeitetes Statut für eine zu bildende Seminarfakultät erhielt zwar wegen gewisser Widerstände nicht als ganzes die Genehmigung des Diözesanbischofs, aber die Dekansverfassung des insofern verselbständigten Lehrkörpers konnte durchgesetzt werden. Bald wurden die Erörterungen um die Verselbständigung der PhilosophischTheologischen Lehranstalt im Priesterseminar überschattet von den Gedanken, Plänen und Arbeiten an dem Aufbau einer Universität in Mainz. Aus der Verpflichtung gegen das abendländische Bildungsideal, der betonten Anknüpfung an die Tradition der im vorigen Jahrhundert eingegangenen alten Mainzer Universität3

1

Diese Vereinbarung ist in AfkKR 128 (1957/58) 402 f. abgedruckt (Anm. d. Schriftleitung). 2 Vgl. dafür A. Theiner, Geschichte der geistlichen Bildungsanstalten (Mainz 1835) 107 – 109; J. B. Holzammer, Die Bildung des Klerus in kirchlichen Seminarien oder an Staatsuniversitäten (Mainz 1900); L. Lenhart, Das Mainzer Priesterseminar als Brücke von der alten zur neuen Mainzer Universität (1804 – 1946) (Mainz 1947); denselben, Die erste Mainzer Theologenschule des 19. Jahrhunderts (1805 – 1830) (Mainz 1957). 3 Vgl. dafür J. R. Dieterich/K. Bader, Beiträge zur Geschichte der Universitäten Mainz und Gießen (Gießen 1907); L. Just, Die alte Universität Mainz 1477 – 1798 (Wiesbaden 1957); A. Ph. Brück, Die Mainzer theologische Fakultät im 18. Jahrhundert (Wiesbaden 1955).

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und der Existenz einer kirchlichen akademischen Lehranstalt in Mainz4 ergab sich die allmählich immer klarer erkannte Notwendigkeit, die zu errichtende Mainzer Universität mit einer Katholisch-Theologischen Fakultät – neben einer Evangelisch-Theologischen Fakultät – auszustatten. Der stärkste und tatkräftigste Befürworter der Errichtung einer solchen Fakultät war auf kirchlicher Seite der damalige Dekan der Philosophisch-Theologischen Lehranstalt in dem Bischöflichen Priesterseminar, der nachmalige erste gewählte Rektor der Johannes Gutenberg-Universität, Prof. Dr. August Reatz. Er war Mitglied der Vorbereitenden Kommission zur Gründung einer Universität in Mainz und arbeitete dort zielbewußt auf die Errichtung einer Katholisch-Theologischen und zugleich einer Evangelisch-Theologischen Fakultät hin. Der Bischof von Mainz, Dr. Albert Stohr, förderte die Gründung der Universität nachdrücklich und sagte die Überführung seiner Philosophisch-Theologischen Lehranstalt, die Genehmigung des Heiligen Stuhles vorausgesetzt, als Katholisch-Theologische Fakultät an die Universität zu. Gemäß dieser Absicht begann er Verhandlungen mit dem Heiligen Stuhl und den staatlichen Behörden. In Schreiben vom 12. Dezember 1945 und vom 26. Februar 1946 schlug der Bischof dem Heiligen Stuhl mit ausführlicher Begründung die Errichtung einer Theologischen Fakultät an der zu gründenden Mainzer Universität, die an die Stelle der Lehranstalt in dem Priesterseminar treten sollte, vor. Die Briefe trafen wegen der damaligen Schwierigkeiten der Postbeförderung mit erheblicher Verzögerung in Rom ein, so das zweite Schreiben erst Ende März 1946. Das Päpstliche Staatssekretariat teilte dem Bischof unter dem Datum des 10. Februar 1946 mit, der Papst habe die Frage der Errichtung einer Theologischen Fakultät an der Universität in Mainz der zuständigen Kongregation, der SC Stud.5, zur Prüfung überwiesen. Dieses Schreiben war am 24. Mai 1946 – dem Tage, an dem der Bischof ein römisches Schreiben vom 19. April 1946 beantwortete – noch nicht in Mainz eingegangen. Es sei hier bemerkt, daß alle in der Frage der Errichtung der Katholisch-Theologischen Fakultät der Mainzer Universität ergangenen Schreiben des Päpstlichen Staatssekretariates die Unterschrift von Domenico Tardini, dem Prostaatssekretär für die außerordentlichen Angelegenheiten, tragen, eines ausgenommen6. 4 Bei der Entscheidung des Oberregierungspräsidenten von Hessen-Pfalz für Mainz als Ort der geplanten Gründung einer Universität waren die Rücksicht auf die ehrwürdige Mainzer Universitätstradition und die Tatsache des Bestandes einer kirchlichen Lehranstalt mitbestimmend. Vgl. A. Reatz, Aus der Gründungszeit der Johannes Gutenberg-Universität: Mainzer Almanach. Beiträge aus Vergangenheit und Gegenwart (Mainz a. Rh. 1957) 9; H. Böckmann, Die Katholisch-theologische Fakultät der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz (SS 1946 – WS 1953/54): Jahrbuch der Vereinigung „Freunde der Universität Mainz“ 1954 (Mainz o. J.) 10. 5 C. 256. 6 Zu D. Tardini vgl. B. Wall, Der Vatikan (Stuttgart o. J.) 88 f., 171 – 174. Das Schreiben vom 29. Juli 1946 ist von Silvius Sericano, Subsecretarius S. Congregationis pro NN. EE. E. 0., unterschrieben.

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Unterdessen waren die Vorbereitungen zur Gründung der Universität weit vorgeschritten. Am 27. Februar 1946 hatte die französische Besatzungsmacht die Universität Mainz ermächtigt, ihre Tätigkeit am 1. März 1946 aufzunehmen7. Ohne im Besitz einer päpstlichen Antwort zu sein, hatte der Bischof von Mainz deshalb unter dem Druck der Zeitnot Verhandlungen mit den städtischen und staatlichen Stellen, vor allem dem Oberregierungspräsidenten von Hessen-Pfalz, Eichenlaub, aufgenommen, die auf eine Vereinbarung zur Errichtung einer Katholisch-Theologischen Fakultät an der neuen Universität hinzielten. Den Verhandlungen wurde der Entwurf einer Vereinbarung zugrundegelegt, den der Dekan der Philosophisch-Theologischen Lehranstalt im Priesterseminar, Prof. Dr. August Reatz, ausgearbeitet hatte. Diesen Entwurf leitete der Bischof von Mainz unter dem 10. April 1946 dem Heiligen Stuhl zur Prüfung zu. Bevor jedoch eine stellungnehmende und richtungweisende Antwort des Heiligen Stuhles eingegangen war, sah sich der Bischof vor die Notwendigkeit gestellt, die Verhandlungen zum Abschluß zu bringen, falls die Katholisch-Theologische Fakultät bereits bei Eröffnung der Universität bestehen sollte. Die aufgrund der vorangegangenen Besprechungen getroffene Vereinbarung wurde von dem Oberregierungspräsidenten von Hessen-Pfalz am 15. April 1946 unterzeichnet, während der Bischof von Mainz durch gesondertes Schreiben vom 17. April 1946 seine Zustimmung erklärte. Die Genehmigung der französischen Besatzungsmacht wurde erteilt. Als die neue Universität am 22. Mai 1946 eröffnet wurde, stand die Katholisch-Theologische Fakultät fest eingefügt in die Körperschaft der Universität da8. Inzwischen war am 7. Mai 1946 in Abwesenheit des Mainzer Bischofs ein Schreiben des Päpstlichen Staatssekretariates vom 19. April 1946 eingetroffen. Zur Zeit der Absendung des Schreibens in Rom lag der Kurie weder der Entwurf der Vereinbarung vor noch war sie von ihrem bereits erfolgten Abschluß unterrichtet. Das Päpstliche Staatssekretariat teilte dem Bischof von Mainz auf Weisung des Papstes mit, daß der Heilige Stuhl ihn ermächtige, Verhandlungen mit den weltlichen Behörden zwecks Errichtung einer Katholisch-Theologischen Fakultät an der Mainzer Universität aufzunehmen. Der Bischof wird aufgefordert, für die Anerkennung der kirchlichen Rechte in möglichst weitem Umfange besorgt zu sein, vor allem was das positive, nicht nur negative Bestimmungsrecht bei der Bestellung der Professoren angeht. Die Fakultät solle womöglich ihren Sitz in dem weiterbestehenden Priesterseminar haben. Die sich aus Art. 21 n. 5 der Apostolischen Konstitution „Deus scientiarum Dominus“ vom 24. Mai 19319 herleitende Verpflichtung zur Einholung des Nihil obstat des Heiligen Stuhles vor Erteilung der kanonischen Sendung an die Professoren solle bei der Errichtung der Fakultät anerkannt und 7 Verfügung Nr. 44 des Administrateur Général betr. Wiedereröffnung der Universität Mainz: Journal Officiel 1. Jg. Nr. 17 vom 8. März 1946 S. 136. 8 Reatz , Aus der Gründungszeit der Johannes Gutenberg-Universität 13 – 15. 9 AAS 23 (1931) 241 – 284.

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festgelegt werden. Bei der erstmaligen Besetzung der Lehrstühle der neuen Fakultät sollen die bisherigen Seminarprofessoren berücksichtigt und an die Universität übernommen werden. Das Staatssekretariat sprach das Vertrauen aus, daß der Bischof nach diesen Richtlinien verfahren und, wie er selbst in seinem Schreiben vom 12. Dezember 1945 vorgeschlagen hatte, die getroffene Vereinbarung dem Heiligen Stuhl zur Genehmigung vorlegen werde. Der Heilige Vater, der die wichtige Sache mit besonderem Eifer betreibe, erteile seinen apostolischen Segen. Am 24. Mai 1946 wurde die bischöfliche Antwort abgefaßt, jedoch erst am 29. Mai 1946, wie sich aus einem Schreiben des Bischofs vom 1. August 1946 ergibt, dem P. Ivo Zeiger in Kronberg, dem damaligen Sitz der Apostolischen Nuntiatur in Deutschland, übergeben. Der Bischof wies darauf hin, daß er am 10. April 1946 den Entwurf der Vereinbarung zwischen ihm und dem Oberregierungspräsidenten von Hessen-Pfalz dem Heiligen Stuhl zugeleitet habe. Da die Universität am 15. Mai 1946 eröffnet werden sollte, habe er nicht länger auf römische Weisungen warten können und die Vereinbarung abschließen müssen. Den Text lege er seinem Schreiben bei. Der Bischof hob das Entgegenkommen hervor, das er bei dem Oberregierungspräsidenten und dem ernannten Rektor der Universität, Prof. Dr. Josef Schmid, gefunden habe. Er erwähnte aber auch die Schwierigkeiten, die von einer nicht namentlich genannten Persönlichkeit der französischen Besatzungsbehörden in Baden-Baden gemacht wurden. So erkläre es sich, daß nicht alles verlangt, geschweige denn erreicht werden konnte, was der Heilige Stuhl forderte. Zeitweilig habe er, der Bischof, vor der Alternative gestanden, entweder von bestimmten Forderungen abzugehen oder auf die Errichtung einer Katholisch-Theologischen Fakultät an der Universität zu verzichten. Hinsichtlich der Ernennung der Professoren habe man sich das Badische Konkordat10 zum Vorbild genommen. Die in Art. 3 der Vereinbarung erreichte Lösung gehe über das Badische Konkordat hinaus und sei für die Kirche günstiger. Zwar sei damit kein positives Bestimmungsrecht des Bischofs festgesetzt, aber der bischöfliche Einfluß auf die Bestellung der Professoren könne in diesem Stadium des Verfahrens viel wirksamer ausgeübt werden, als wenn – wie an den übrigen deutschen Universitäten – dem Bischof vom Staat nur eine Persönlichkeit präsentiert werde, die er entweder annehmen oder ablehnen müsse. Die Frage nach der Zuständigkeit zur Aufstellung der Vorschlagsliste sei dahin zu beantworten, daß dieses Recht der Fakultät zustehe. Der Gedanke, die Fakultät in dem Gebäude des Priesterseminars unterzubringen, stehe im Gegensatz zu der Idee der Universität und vereitele die Einwirkung der Theologie auf die übrigen Wissenschaften. Der Forderung nach Sicherstellung der Beachtlichkeit der Konstitution „Deus scientiarum Dominus“ bei der Berufung der Professoren, wie sie in Art. 19 des Reichskonkordats11 samt Schlußprotokoll vor10 Konkordat zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Freistaate Baden vom 12. Oktober 1932 mit Zusatzprotokoll vom 7./10. November 1932: AAS 25 (1933) 177 – 195; Bad. GVBl. 1933 S. 20. Gemeint ist Art. X des Konkordats mit Schlußprotokoll. 11 Konkordat zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Deutschen Reich vom 20. Juli 1933: AAS 25 (1933) 389 – 414; BGBl. II 1933 S. 679.

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gesehen sei, suche Art. 5 der Vereinbarung nachzukommen. Über das römische Verlangen nach Einholung des Nihil obstat vor Erteilung der Missio canonica zeigte sich der Bischof verwundert und erklärte, dies sei in ganz Deutschland nirgends üblich, bat aber um Belehrung, falls er sich in dieser Angelegenheit irre. Die vom Heiligen Stuhl gewünschte Übernahme der Seminarprofessoren an die Universität sei glücklich erfolgt. Die Notwendigkeit päpstlicher Genehmigung der Vereinbarung habe in den Text des Vertrages nur mittelbar aufgenommen werden können. Er habe nicht mehr erreichen können, als daß in die Präambel die Worte Eingang fanden, die Katholisch-Theologische Fakultät der Universität Mainz werde „unter Zustimmung des Bischofs von Mainz nach Maßgabe der Vorschriften des kanonischen Rechts“ wiedereröffnet. Dadurch habe man ausdrücken wollen, daß die Zustimmung des Bischofs von Mainz als in dem Sinne und in den Grenzen des kanonischen Rechts erteilt zu verstehen sei. Hätte man in dem Text ausdrücklich von der Notwendigkeit der vorgängigen Einwilligung des Heiligen Stuhles gesprochen oder die Wirksamkeit der Vereinbarung für abhängig von der nachfolgenden Genehmigung desselben erklärt, so wäre das ganze Vertragswerk ins Wanken gekommen. Es sei viel, ja fast alles erreicht, was die Rechte der Kirche angeht. Sodann teilte der Bischof die Eröffnung der Universität und die erfolgte Berufung von vier weiteren Professoren an die Theologische Fakultät mit. Am Schluß des Schreibens bat er um die Gewährung des Promotionsrechtes an die neue Fakultät. Unterdessen hatte das Päpstliche Staatssekretariat am 8. Mai 1946 die Antwort auf den Brief des Bischofs vom 10. April 1946, dem der Entwurf der Vereinbarung beigegeben war, abgefaßt. Es wurde erneut darauf gedrungen, daß das Erfordernis der Einholung des römischen Nihil obstat vor Erteilung der Missio canonica docendi durch den Diözesanbischof in den Entwurf der Vereinbarung aufgenommen werde. Da die Errichtung einer Theologischen Fakultät dem Apostolischen Stuhl vorbehalten sei, sollen die Worte „unter Zustimmung des Bischofs von Mainz“ entfernt oder durch die anderen „unter Zustimmung der zuständigen kirchlichen Autorität“ ersetzt und eine Bemerkung, die der Unterstellung der Fakultät unter die Vorschriften der Konstitution „Deus scientiarum Dominus“ Rechnung trägt, aufgenommen werden. Falls der mit dem Entwurf übereinstimmende Vertrag bereits unterschrieben worden sei, müsse er, nachdem er im Sinne der römischen Weisungen geändert worden sei, dem Heiligen Stuhl, der allein in dieser Angelegenheit billig urteilen könne, zur Genehmigung vorgelegt werden. Die Bitte um Erteilung des Rechtes zur Verleihung akademischer Grade, welcher der Heilige Stuhl wohlwollend gegenüberstehe, könne erst erfüllt werden, nachdem Statuten und Studienplan der Fakultät der SC Stud. zur Prüfung vorgelegt und von ihr genehmigt worden seien. Im ganzen ist auch dieses Schreiben, das eine Reihe von Ausstellungen macht, in einem freundlichen Ton gehalten. Der Bischof, der spätestens in dem letzten Drittel des Monats Juni 1946 in den Besitz dieses Schreibens kam, zögerte mit seiner Erwiderung bis zum 1. August 1946, in der Erwartung, eine Antwort auf seinen Brief vom 24. Mai 1946 zu erhalten. Als eine solche bis zu dem genannten Tag nicht eingegangen war, richtete er

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ein Schreiben an das Päpstliche Staatssekretariat, in dem zunächst der Empfang der Briefe vom 10. Februar und 19. April 1946 bestätigt wurde. Hinsichtlich der aufgrund der römischen Ausstellungen erforderlichen Aufnahme neuer Verhandlungen mit den zivilen und militärischen Behörden zeigte er sich wenig zuversichtlich. Mit besonderer Eindringlichkeit bat er noch einmal um die Erteilung des Promotionsrechtes und wies auf die durch die Verzögerung der päpstlichen Ermächtigung entstehenden Ungelegenheiten hin Er fügte dem Schreiben die Statuten der Fakultät und den Studienplan zur Vorlage bei der SC Stud. bei; er habe beide nur für die nächste Zeit und in Anbetracht der Notwendigkeiten der gegenwärtigen Stunde genehmigt. Auch dieser Brief des Bischofs, mit dessen Abfassung er so lange gewartet hatte, kreuzte sich unglücklicherweise wieder mit einem römischen Schreiben. Inzwischen – am 5. Juli 1946 – war nämlich das unter dem Datum des 24. Mai 1946 stehende Schreiben des Bischofs bei dem Päpstlichen Staatssekretariat eingetroffen. Die Antwort erging unter dem 29. Juli 1946. Darin wird für die Gründe, die den Bischof zu der Unterzeichnung der Vereinbarung bestimmten, Verständnis gezeigt. Noch einmal aber wird die alleinige Zuständigkeit des Heiligen Stuhles für diese causa maior hervorgehoben, womit wohl auf die Notwendigkeit, die Genehmigung der Vereinbarung in Rom einzuholen, angespielt wird. Die Briefe des Päpstlichen Staatssekretariates vom 19. April und 8. Mai 1946 seien dahin zu verstehen gewesen, daß sie den Bischof von Mainz zu Verhandlungen mit den staatlichen Stellen und zur Unterzeichnung des Abkommens ermächtigten, jedoch unter der Voraussetzung, daß die vom Heiligen Stuhl vorgebrachten Änderungswünsche berücksichtigt und ihm die endgültige Genehmigung des Vertrages vorbehalten würden. Diese Bedingungen scheinen indes nicht erfüllt worden zu sein. Vor allem habe man nicht ohne Verwunderung bemerkt, daß in Art. 1 des mit dem Schreiben vom 24. Mai 1946 übersandten Textes der Vereinbarung die wichtigen Worte „nach Maßgabe des kanonischen Rechts“ ausgelassen waren, die in dem der Kurie übersandten Entwurf gestanden hatten. Hinsichtlich der Apostolischen Konstitution „Deus scientiarum Dominus“ sei zu bemerken, daß deren Vorschriften auch kraft des geltenden Konkordatsrechtes zu beachten seien. Das Reichskonkordat, das für die Diözese Mainz Geltung habe, spreche im Schlußprotokoll zu Art. 19 S. 2 ausdrücklich von dieser Konstitution, und auch das Badische Konkordat lasse daran keinen Zweifel; dieses erwähne in Art. IX außer dem CIC auch die erwähnte Konstitution. Art. 4 dieser Konstitution behalte die kanonische Errichtung und höchste Leitung jeder kirchlichen Universität und Fakultät der SC Stud. vor, Art. 5 fordere die Genehmigung der Satzung und des Studienplanes jeder Universität und Fakultät durch die SC Stud. und Art. 21 n. 5 binde die Erteilung der Missio canonica an einen zu ernennenden Professor an die vorgängige Einholung des Nihil obstat des Heiligen Stuhles. Dies alles werde dem Bischof mitgeteilt, damit er danach handeln könne, d. h. Schritte unternehme, die Vereinbarung in dem Sinne dieser Bestimmungen abzuändern. Der Heilige Stuhl bedauere, das Recht zur Verleihung akademischer Grade nicht eher gewähren zu können, bis alles in Überein-

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stimmung mit dem kanonischen Recht und besonders der Apostolischen Konstitution „Deus scientiarum Dominus“ gebracht worden sei. So entgegenkommend und vornehm dieses Schreiben des Heiligen Stuhles gehalten ist, so unmißverständlich geht daraus hervor, daß man in Rom nicht gewillt war, von gewissen Forderungen abzugehen, deren Erfüllung zur Sicherung des kirchlichen Charakters der Lehr- und Forschungstätigkeit der neuen Theologischen Fakultät für unerläßlich angesehen wurde. Ohne Berücksichtigung dieser Richtlinien war eine Genehmigung der Vereinbarung nicht zu erwarten. Dem Bischof blieb nichts anderes übrig, als an Hand der klar formulierten römischen Wünsche um eine Änderung oder Ergänzung der Vereinbarung nachzusuchen. 2. Die Ergänzungsvereinbarung vom 5. Oktober 194612 Das Schreiben des Päpstlichen Staatssekretariates vom 29. Juli 1946, in dem die römischen Ansprüche an eine genehmigungswürdige Vereinbarung präzisen Ausdruck gefunden hatten, ging am 30. September 1946 in Mainz ein. Der Dekan der Katholisch-Theologischen Fakultät, Reatz, hatte bereits nach Erhalt des Schreibens vom 8. Mai 1946 hinsichtlich der in diesem gewünschten Änderungen Rücksprache mit den zuständigen Stellen, also wohl Regierungspräsident und Rektor der Universität, genommen. Er traf dort auf ein gewisses Bedenken in bezug auf das Erfordernis der Einholung des römischen Nihil obstat vor Erteilung der Missio canonica an die Dozenten der Theologie, wovon eine unter den damaligen Verhältnissen untragbare Verzögerung der Berufungen befürchtet wurde. Im übrigen bedürfe jede Abänderung der Vereinbarung einer erneuten Genehmigung der französischen Behörden in Baden-Baden. Dieser Fühlungnahme im Juni 1946 folgten nach Eintreffen des Schreibens vom 30. September 1946 weitere Verhandlungen, die bereits am 5. Oktober 1946 zu dem überraschend schnellen und erfolgreichen Abschluß eines Zusatzabkommens mitsamt der Genehmigung der Besatzungsmacht führten. Obwohl es in der Ergänzungsvereinbarung heißt, „in Ergänzung“ der ersten Vereinbarung werde einiges „nachgetragen“, handelt es sich nicht um eine bloße Vervollständigung, sondern – wenigstens in der Absicht des Heiligen Stuhles – um eine Abänderung der ersten Vereinbarung in gewissen, freilich nicht sehr erheblichen Einzelheiten. Man kam in der Ergänzungsvereinbarung im großen und ganzen den in den römischen Schreiben vom 8. Mai und 29. Juli 1946 vorgetragenen Wünschen nach. Die Bemerkung, die Katholisch-Theologische Fakultät werde „unter Zustimmung der zuständigen kirchlichen Autorität“ wiedereröffnet, trägt der römischen Empfindlichkeit hinsichtlich der causa maior der Errichtung einer Theologischen Fakultät Rechnung. Die fallengelassene Wendung „nach Maßgabe des kanonischen Rechts“ erscheint wieder im Text. Die gewünschte Bezugnahme auf das Reichskonkordat und vor allem auf die Konstitution „Deus scientiarum 12 Den Wortlaut dieser Ergänzungsvereinbarung s. unten IV. Staatl. Erlasse Nr. 13 (Anm. d. Schriftleitung).

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Dominus“ ist aufgenommen, letztere sogar an zwei Stellen. Zwar wird die Notwendigkeit der Einholung des römischen Nihil obstat vor Erteilung der Missio canonica nicht ausdrücklich erwähnt; sie ist jedoch in der durch die Ergänzungsvereinbarung eingefügten Verweisung des Art. 5 der Vereinbarung auf die genannte Konstitution, die dieses Erfordernis aufstellt, einschlußweise enthalten. Der Bischof konnte mit dem Erreichten zufrieden sein. Noch am gleichen Tage, am 5. Oktober 1946, meldete der Bischof den Abschluß der Ergänzungsvereinbarung dem Heiligen Vater. Gemäß seinen Wünschen sei er erneut in Verhandlungen mit den Zivil-und Militärbehörden eingetreten. Einiges sei klarer und genauer formuliert worden. Die Genehmigung der französischen Besatzungsbehörden sei bereits erteilt worden. Er bitte nun den Heiligen Vater, die Genehmigung des Vertragswerkes möglichst rasch und sicher zu ihm gelangen zu lassen und zugleich das Recht zur Erteilung akademischer Grade zu gewähren. Der Papst entsprach dem Wunsche und erteilte unter Berücksichtigung der Ergänzungsvereinbarung der Vereinbarung die Genehmigung. Das Päpstliche Staatssekretariat teilte dem Bischof von Mainz diese Entscheidung unter dem Datum des 5. Dezember 1946 mit. Desgleichen benachrichtigte es ihn davon, daß die SC Stud. die Statuten und den Studienplan der Fakultät vorläufig bestätige und die Professoren zum Lehren ermächtige. Sie wahre sich jedoch das Recht, Statuten und Studienplan nach den Richtlinien der Apostolischen Konstitution „Deus scientiarum Dominus“ und den dazu ergangenen „Ordinationes“ abzuändern und zu ergänzen. Die Übersendung der Reskripte mit dem Nihil obstat für die einzelnen Professoren werde erfolgen; inzwischen erlaube die SC Stud. ihnen wegen des Notstandes das Lehren, damit der Lehrbetrieb aufgenommen werden könne. Mit der Genehmigung der Vereinbarung zusammen mit ihrer Ergänzung durch den Heiligen Vater war das Vertragswerk auch auf der kirchlichen Seite rechtskräftig geworden.

II. Der Abschluß von Vereinbarungen zwischen Bischof und Staat in der Geschichte und nach geltendem kirchlichen Recht Der Abschluß der Vereinbarung zwischen dem Bischof von Mainz und dem Oberregierungspräsidenten von Hessen-Pfalz zur Errichtung einer KatholischTheologischen Fakultät an der Johannes Gutenberg-Universität wirft zunächst zwei Fragen auf, einmal, ob in der Geschichte ähnliche Vereinbarungen zwischen Bischöfen und staatlichen Behörden abgeschlossen worden sind, auch wenn sie sich auf andere Gegenstände beziehen, sodann, welche rechtlichen Befugnisse dem Bischof in dieser Hinsicht nach dem geltenden Recht zustehen.

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1. In der Geschichte Bei der Beantwortung der Frage nach etwaigen geschichtlichen Vorbildern der Mainzer Vereinbarung beschränke ich mich auf den deutschsprachigen Raum und die Neuzeit. Es ist nicht meine Absicht, an dieser Stelle, Vollständigkeit zu erzielen. An charakteristischen Beispielen sollen der Werdegang und die Bedeutung solcher Verträge kurz dargestellt werden. Denn die Tatsache des Abschlusses von Vereinbarungen dieser Art ist nicht zu bestreiten13. a) Bayern Das für über zweihundert Jahre grundlegende Konkordat zwischen Herzog Wilhelm V. von Bayern und den bayerischen Bischöfen der Salzburger Kirchenprovinz (Salzburg, Chiemsee, Freising, Regensburg, Passau) aus dem Jahre 1583 wurde auf Betreiben und unter Beihilfe der römischen Kurie abgeschlossen14. Zahlreiche Abkommen geringerer Bedeutung wurden zwischen Herzog und Bischöfen allein

13 Die kanonistische Literatur der Gegenwart übergeht die Angelegenheit im allgemeinen schweigend. Einige Hinweise finden sich bei H. Wagnon, Concordats et droit international. Fondement, élaboration, valeur et cessation du droit concordataire: Universitas Catholica Lovaniensis, Dissertationes ad gradum magistri in Facultate Theologica vel in Facultate Iuris Canonici consequendum conscriptae, Series II, Tomus 29 (Gembloux 1935) 114 A. 2. Er erwähnt 16 Verträge für Portugal, von denen zwei die Genehmigung des Heiligen Stuhles erlangten, den Vertrag Karls V. mit dem Bischof von Lüttich aus dem Jahre 1542, der nicht bestätigt wurde, und einen Vertrag zwischen dem Herzoghaus von Lucques und der Verwaltung der kirchlichen Güter, den Leo XII. im Jahre 1826 bestätigte. Die anderen Verträge des vorigen Jahrhunderts wurden nicht genehmigt, einige ausdrücklich abgelehnt. R. Naz weist in seinem Artikel Concordat im DDC III (1942) 1357 außerdem auf den Vertrag zwischen dem Herzog Amadeus VIII. von Savoyen und den Bischöfen der Provinz Tarentaise aus dem Jahre 1432 und eine Vereinbarung zwischen dem Kanton Luzern und den Bischöfen von Basel und Lugano aus dem vorigen Jahrhundert hin, die mittelbar die Genehmigung des Heiligen Stuhles erlangte. A. Mercati, Raccolta di Concordati su materie ecclesiastiche tra la Santa Sede e le Autorità Civili (Rom 1919), bemerkt in seinem Vorwort (Avvertenza) X, daß er auch einige Vereinbarungen aufgenommen habe, die zwischen der lokalen kirchlichen Autorität und der staatlichen abgeschlossen worden sind und die Approbation des Heiligen Stuhles gefunden haben. 14 Zauner, Corpus juris publici Salisburgensis (Salzburg 1792) 94 – 124; F. Wimmer, Bibliographie des bayerischen Concordates von 1583, in: M. v. Deutinger, Beyträge zur Geschichte des Erzbistums München und Freising V (München 1854) 181 – 208; E. Mayer, Die Kirchen-Hoheitsrechte des Königs von Bayern (München 1884) 42 – 64; S. Riezler, Geschichte Baierns VI (Gotha 1903) 269 ff.; L. v. Pastor, Geschichte der Päpste seit dem Ausgang des Mittelalters. IX: Geschichte der Päpste im Zeitalter der katholischen Reformation und Restauration: Gregor XIII. (1572 – 1585) (Freiburg i. Br. 1923) 514; G. PfeilschifterBaumeister, Der Salzburger Kongreß und seine Auswirkung 1770 – 1777. Der Kampf des bayr. Episkopats gegen die staatskirchenrechtliche Aufklärung unter Kurfürst Max III. Joseph (1745 – 1777), Verhandlungen zu einem ersten bayr. Einheitskonkordat: Veröffentlichungen der Görres-Gesellschaft 52. Heft (Paderborn 1929) 5.

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getroffen15. Daher nimmt es nicht wunder, wenn die alten Kanonisten unter den Quellen partikulären bayerischen Kirchenrechts einerseits die concordata Ducum Bavariae cum finitimis Episcopis inita, anderseits die recessus singulares cum iisdem circa sacra mixta aufführen16. b) Österreich In Österreich wurde am 6. November 1592 ein Konkordat zwischen Kaiser Rudolf II. und Bischof Urban von Passau geschlossen17. Von einer päpstlichen Einflußnahme ist nichts bekannt. Das gleiche gilt von dem Vertrag zwischen dem Haus Österreich und dem Bistum Basel vom 18. August 1620 und dem Bistum Konstanz vom 23. April 162918. c) Schweiz Am 19. Februar 1806 schloß Ignaz von Wessenberg, der Generalvikar des Bistums Konstanz19, im Auftrag seines Bischofs einen Vertrag mit dem Kleinen Rat von Luzern. Am 1. März 1806 erfolgte die Ratifikation durch den Bischof Karl Theodor von Dahlberg, am 29. März 1806 die Annahme durch den Kleinen Rat. Weder dem Nuntius noch dem Papst wurde eine Mitteilung gemacht, obwohl sich der Bischof bewußt war, daß der Vertrag nur durch päpstliche Genehmigung rechtskräftig werden konnte. Jedoch drangen Meldungen über den Vorgang nach Rom. Bereits in einem Breve vom 21. Februar 1807 wurden mittelbar einzelne Teile des Konkordates verurteilt. Die formelle Verwerfung erfolgte durch das Breve „Iam alias“ vom 28. Februar 1807. Darin wird ausgeführt, das Konkordat widerstrebe den Kirchengesetzen. Der Bischof habe die Rechte und gesetzlichen Gewalten der Kirche niedergetreten und preisgegeben. Er wird aufgefordert, seine Zustimmung 15 Vgl. z. B. L. A. Warnkönig, Die staatsrechtliche Stellung der katholischen Kirche in den katholischen Ländern des deutschen Reiches besonders im achtzehnten Jahrhundert (Erlangen 1855) 134 f., 216 ff., 228 ff. 16 Z. B. M. Schenkl, Institutiones Juris Ecclesiastici communis, 10. Auflage (Landshut 1830) I 230 f. 17 Th. Wiedemann, Geschichte der Reformation und Gegenreformation im Lande unter der Enns II (Prag 1880) 394 – 467, besonders 449 – 457; E. Tomek, Kirchengeschichte Österreichs II: Humanismus, Reformation und Gegenreformation (Innsbruck-Wien 1949) 424. 18 J. J. Moser, Staats-Recht des Fürstlichen Hoch-Stiffts Costanz wie auch der Fürstlichen Abbtey Reichenau (Leipzig 1740) 48 ff.; F. Geier, Die Durchführung der kirchlichen Reformen Josephs II. im vorderösterreichischen Breisgau: Kirchenrechtliche Abhandlungen Heft 16 und 17 (Stuttgart 1905) 211 – 224; Warnkönig, Die staatsrechtliche Stellung der katholischen Kirche in den katholischen Ländern des deutschen Reichs besonders im achtzehnten Jahrhundert 253 – 260. 19 Über ihn vgl. C. Gröber in LThK 10 (1938) 835 – 839 (Lit.). Zu seinem Herrn Karl Theodor von Dalberg vgl. die mit der Angabe der gesamten neueren Literatur ausgestattete Studie von G. Schwaiger, Die Kirchenpläne des Fürstprimas Karl Theodor von Dalberg: MThZ 9 (1958) 186 – 204.

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zu dem Konkordat zurückzuziehen und es für ungültig zu erklären sowie in schärfster Weise gegen seinen Generalvikar vorzugehen. Dalberg nahm seinen Generalvikar in Schutz und entschuldigte die Konzessionen an die Regierung mit den schwierigen Zeitverhältnissen, versprach aber, das Konkordat nicht vollziehen zu lassen. Die Notwendigkeit der päpstlichen Genehmigung wurde ebensowenig bestritten wie das bischöflichen Recht zum Abschluß von Verträgen mit dem Staat. Trotz Fortdauer der kirchlichen Verwerfung hielt der Kleine Rat von Luzern an dem Vertrag fest20. d) Preußen In Preußen schloß der Kölner Erzbischof Ferdinand August Spiegel nach vorangegangenen Verhandlungen und nicht ohne staatlichen Druck am 19. Juni 1834 in Berlin ein geheimes Abkommen mit der preußischen Regierung über die Behandlung der Mischehen21. Darin wurde der kirchliche Standpunkt schmählich zugunsten der Forderungen der Regierung verlassen. Spiegel war der Meinung, die dem Vertrage zugrundeliegende Auslegung des Breve „Literis altero abhinc anno“ vom 25. März 1830 entspreche dem Willen des Papstes. Den erkannten Mangel an eigener Zuständigkeit zum Abschluß einer Konvention dieses Inhalts hoffte er durch spätere Vorlage des Vertrages zur Genehmigung heilen zu können. Spiegel war stets entschlossen, der Kurie Mitteilung von dem Abschluß der Vereinbarung zu machen, jedoch verlangte der preußische Unterhändler, diese solle solange aufgeschoben werden, bis die Ausführung der Konvention sich durchgesetzt hatte und die als Gegenleistung gedachten Maßregeln des Staates, vor allem auf dem Gebiet der geistlichen Gerichtsbarkeit, eingeleitet waren. Auf diese Weise sollte der Heilige Stuhl vor vollendete Tatsachen gestellt und so wenigstens seine Duldung leichter erwirkt werden22. Auf Befehl des Königs verstand sich Spiegel dazu, die Bischöfe

20 Die Verwerfung des Wessenbergischen Concordats durch den apostolischen Stuhl: AfkKR 26 (1891) 205 – 218; J. Beck, I. Heinrich v. Wessenberg, 2. Ausgabe (Karlsruhe 1874) 148 ff. 21 Darlegung des Verfahrens der Preußischen Regierung gegen den Erzbischof von Köln. Vom 25. November 1837 (Berlin 1838): Beilagen 9 ff., 15 f. Vgl. H. Bastgen, Die Verhandlungen zwischen dem Berliner Hof und dem Heiligen Stuhl über die konfessionell gemischten Ehen: Veröffentlichungen der Görresgesellschaft zur Kirchen- und Papstgeschichte der Neuzeit II. Bd. (Paderborn 1936) 161 f. 22 H. Schrörs, Die Kölner Wirren (1837). Studien zu ihrer Geschichte (Berlin-Bonn 1927) 109 ff., 148 ff., 171; H. Bastgen, Erzbischof Graf Spiegel von Köln und der Heilige Stuhl: RQ 39 (1931) 507 – 605, besonders 549 ff.; L. Kaas, Die geistliche Gerichtsbarkeit der katholischen Kirche in Preußen in Vergangenheit und Gegenwart mit besonderer Berücksichtigung des Wesens der Monarchie: Kirchenrechtliche Abhandlungen Heft 84/87 (Stuttgart 1915/16) I 434 f.; A. Schnütgen , Beiträge zur Ära des Kölner Erzbischofs Graf Spiegel: Annalen des Historischen Vereins für den Niederrhein 110 (1927) 1 – 59, 119 (1931), 121 – 163, besonders 155 f; F. H. Fonk, Das staatliche Mischehenrecht in Preußen vom allgemeinen Landrecht an (Bielefeld 1961) 108 – 116.

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seiner Kirchenprovinz für die Abmachung zu gewinnen23. Als der Heilige Stuhl durch die Rücktrittserklärung des sterbenden Trierer Bischofs, Hommer, von der Vereinbarung Kenntnis erhielt, gab er zu verstehen, daß die Konvention unwirksam sei und forderte zum Kampf für die Durchsetzung des kirchlichen Mischehenrechtes auf24. Ferner sind zwischen dem preußischen Staat und den Bischöfen im Laufe des 19. Jahrhunderts eine erhebliche Zahl von Verträgen vor allem über die Besetzung fiskalischer Patronatsstellen abgeschlossen worden25. Die Abkommen sind wenigstens zum größten Teil der Kurie mitgeteilt und von dieser weder gebilligt noch verworfen, jedoch toleriert worden26. e) Württemberg Besonders instruktiv sind Werdegang und Schicksal der württembergischen Konvention vom 12./16. Januar 185427. Sollten die zwischen katholischer Kirche und Staat in Württemberg bestehenden Streitfragen nach dem Willen des Königs und dem Wunsch der Kurie zunächst durch unmittelbare Verhandlungen der beiderseitigen höchsten Gewalten entschieden werden, so entschloß man sich dann, mit dem Bischof von Rottenburg, Lipp, zu verhandeln und die Genehmigung der Kurie einzuholen. Die Notwendigkeit der päpstlichen Sanktion für eine dauernde Regelung stand auch der staatlichen Seite von Anfang an fest28. Jedoch äußerte der Rottenburger Generalvikar, Oehler, Bedenken gegen eine Vereinbarung mit der Regierung, weil der Heilige Stuhl möglicherweise eine Regelung der gesamten Beziehungen zwischen Staat und Kirche ins Auge gefaßt habe und weil ohne päpstliche Billigung der Verhandlungsgrundlagen endgültige Beschlüsse nicht gefaßt werden könnten29. Die Verhandlungen wurden in den letzten Monaten des 23 Bastgen, Die Verhandlungen zwischen dem Berliner Hof und dem Heiligen Stuhl über die konfessionell gemischten Ehen 162 ff. 24 Schrörs, Die Kölner Wirren 468 f. 25 J. Heckel, Die Besetzung fiskalischer Patronatsstellen in der Evangelischen Landeskirche und in den katholischen Diözesen Altpreußens: ZSavRG, Kan. Abt. 15 (1926) 200 – 325; derselbe, Die Besetzung katholischer Pfarrstellen fiskalischen Patronats in den Delegaturen Brandenburg-Pommern und Preußen links der Elbe und Havel: ZSavRG, Kan. Abt. 16 (1927) 116 – 180; J. Wenner, Reichskonkordat und Länderkonkordate, 5. Auflage (Paderborn 1949) 9. 26 E. R. Huber, Verträge zwischen Staat und Kirche im Deutschen Reich: Abhandlungen aus dem Staats- und Verwaltungsrecht sowie aus dem Völkerrecht 44. Heft (Breslau 1930) 94 A. 11. 27 A. Hagen, Staat und katholische Kirche in Württemberg in den Jahren 1848 bis 1862: Kirchenrechtliche Abhandlungen Heft 105/108 (Stuttgart 1928) 2 Bde., I 124 – 162, II 236 – 240; H. Brück, Geschichte der katholischen Kirche in Deutschland im 19. Jahrhundert (Mainz 1896) III 136 ff. 28 Hagen, Staat und katholische Kirche in Württemberg in den Jahren 1848 bis 1862, I 124 – 126. 29 Hagen, Staat und katholische Kirche in Württemberg in den Jahren 1848 bis 1862, I 127.

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Jahres 1853 geführt. Der Bischof gab seinen Widerstand gegen die weitgehenden Wünsche der Regierung auf in der Absicht, die Übereinkunft möglichst rasch dem Heiligen Stuhl vorlegen zu können30. Als das Abkommen, ein echtes Kompromißwerk mit allen Licht- und Schattenseiten, am 12. bzw. 16. Januar 1854 unterzeichnet wurde, bestand auf beiden Seiten darüber Einverständnis, daß die Vereinbarung nur unter der auflösenden Bedingung der päpstlichen Genehmigung geschlossen worden sei31. Der Abschluß der Vereinbarung wurde der Kurie sowohl durch König Wilhelm als auch durch Bischof Lipp gemeldet, der Text des Übereinkommens selbst dem Papst durch den Abgesandten der Regierung überreicht32. Das Schicksal der Übereinkunft stand jedoch von Anfang an unter keinem guten Stern. Unter dem 5. Januar 1854 hatte der Wiener Nuntius ein Schreiben an Bischof Lipp gerichtet, in dem er dem Bischof geraten hatte, das Übereinkommen noch vor der Unterzeichnung dem Heiligen Stuhl zwecks besserer Wahrung der kirchlichen Interessen und zur Vermeidung einer Kompromittierung zur Genehmigung vorzulegen33. Die Gegnerschaft des Wiener Nuntius, deutscher Bischöfe und Laien einerseits, der Wunsch der Kurie, ein Konkordat umfassenden Inhalts abzuschließen anderseits genügten, um den rasch urteilenden Papst gegen die Übereinkunft einzunehmen34. Was Kardinalstaatssekretär Antonelli bereits am 30. März 1854 gegenüber dem württembergischen Abgesandten verlauten ließ35, wurde durch ein Schreiben vom 20. Juli 1854 bestätigt: Die Übereinkunft erhielt nicht die päpstliche Genehmigung, sondern wurde für nichtig erklärt, weil Bischof Lipp ohne die erforderliche päpstliche Ermächtigung gehandelt habe36. Die Vorlage der Vereinbarung an den Heili30

Hagen, Staat und katholische Kirche in Württemberg in den Jahren 1848 bis 1862, I 137. Hagen, Staat und katholische Kirche in Württemberg in den Jahren 1848 bis 1862, I 138. 32 Hagen, Staat und katholische Kirche in Württemberg in den Jahren 1848 bis 1862, I 148 f. 33 Hagen, Staat und katholische Kirche in Württemberg in den Jahren 1848 bis 1862, I 148. 34 Hagen, Staat und katholische Kirche in Württemberg in den Jahren 1848 bis 1862, I 144 f., 148 f., 150 f., 159. 35 Hagen, Staat und katholische Kirche in Württemberg in den Jahren 1848 bis 1862, I 151. Der Kardinalstaatssekretär bekundete seine Absicht, ein Schreiben an den Minister der Auswärtigen Angelegenheiten in Stuttgart des Inhalts zu richten, die Übereinkunft zwischen Regierung und Bischof sei null und nichtig, weil der Bischof ohne Instruktion gehandelt hatte. Man könne den Bischöfen nicht das Recht zur Einführung von Privatkonkordaten zugestehen und müsse gleich bei der ersten Gelegenheit dem drohenden Mißbrauch vorbeugen. Auf den Einwand des Abgesandten, es ließen sich auch andere Konkordate von Bischöfen mit den Fürsten in Deutschland nachweisen, entgegnete der Kardinalstaatssekretär, in diesen Fällen sei entweder eine päpstliche Autorisation vorhergegangen und eine päpstliche Ratifikation nachgesucht worden oder es handle sich um apokryphe, für die Kurie bedeutungslose Dokumente. 36 Hagen, Staat und katholische Kirche in Württemberg in den Jahren 1848 bis 1862, I 155. Der Text des Schreibens bei Hagen II 204 f. Es heißt dort: Peraltro il S. Padre considerando che il menzionato atto sottoscritto da Monsignore Lipp non puo avere alcun vigore perche mancava a quel Prelato la necessaria autorizzazione per trattare da parte della S. Sede, mi ha ingiunto di trasmettere a Vostra Eccelenza alcuni fogli, sulle basi dei quali potrebbe la S. Sede venire ad una convenzione con il Reale Governo di Wurtemberg. 31

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gen Stuhl zur nachträglichen Billigung war keine Heilung des Fehlers und kein vollwertiges Äquivalent für die entrissene Führung der Verhandlungen37. Der eigentliche Stein des Anstoßes war jedoch nicht die Kompetenzüberschreitung des Bischofs, die man unter Umständen wie anderswo geduldet hätte38, sondern der Inhalt der Vereinbarung39. Dazu spielten taktische Erwägungen verschiedener Art in Rom eine Rolle40. Die Kurie zielte unter Ausschaltung des Bischofs auf unmittelbare Verhandlungen mit der Regierung ab41. f) Hessen-Darmstadt Als die württembergische Übereinkunft vom 12./16. Januar 1854 noch dem Papst zur Genehmigung unterbreitet war, schrieb der Ministerpräsident der Regierung von Hessen-Darmstadt, Dalwigk, an den Bischof von Mainz, Wilhelm Emanuel Freiherrn von Ketteler, daß er bereit sei, bezüglich einer befriedigenden Neuordnung der kirchlichen Verhältnisse mit dem Bischof in Unterhandlungen zu treten, denen die württembergische Konvention unter Berücksichtigung der römischen Wünsche als Grundlage dienen sollte42. Der Bischof stimmte dem Vorschlag zu und drängte auf Einleitung der Verhandlungen. Dalwigk zog Verhandlungen mit dem Landesbischof solchen mit der Kurie vor. Er hoffte, daß es durch Verhandlungen mit dem – zu ihm in guten Beziehungen stehenden – Bischof von Mainz leichter gelingen werde, die Schwierigkeiten zu überwinden und eine befriedigende Verständigung zu erreichen als durch unmittelbare Verhandlungen mit dem Papst, weil der Bischof der Kurie die Kenntnis des Landes und seiner besonderen Verhältnisse voraus hatte, während der Papst wegen seiner universellen Stellung zu größerer Vorsicht genötigt sei und daher weniger Rücksicht auf besondere Verhältnisse nehmen könne43. Außerdem wollte er vermeiden, die offenen oder verborgenen Vorurteile der andersgläubigen Mehrheit der Landesbewohner durch Verhandlun-

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Hagen, Staat und katholische Kirche in Württemberg in den Jahren 1848 bis 1862, I 156. Hagen, Staat und katholische Kirche in Württemberg in den Jahren 1848 bis 1862, I 157

Hagen, Staat und katholische Kirche in Württemberg in den Jahren 1848 bis 1862, I 157. Hagen, Staat und katholische Kirche in Württemberg in den Jahren 1848 bis 1862, I 157 f. 41 Hagen, Staat und katholische Kirche in Württemberg in den Jahren 1848 bis 1862, I 157 f., 160 – 163. 42 F. Vigener, Ketteler. Ein deutsches Bischofsleben des 19. Jahrhunderts (München-Berlin 1924) 252; O. Pfülf , Bischof von Ketteler (1811 – 1877). Eine geschichtliche Darstellung (Mainz 1899) 3 Bde., I 356 f. 43 Erinnerungsblätter an Freiherrn Reinhard von Dalwigk zu Lichtenfeld von einem alten Diplomaten (Mainz 1881) 116 f. Zur Einstellung der deutschen Staaten im allgemeinen und Hessen-Darmstadt im besonderen gegenüber einem Konkordat vgl. K. Walter, Hessen-Darmstadt und die katholische Kirche in der Zeit von 1803 – 1830: Quellen und Forschungen zur hessischen Geschichte 14 (Darmstadt 1933) 9 ff. 40

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gen mit dem Papst zu reizen44. Immer aber ging Dalwigk davon aus, daß das Ergebnis der beiderseitigen Verhandlungen dem Heiligen Stuhl zur Genehmigung zu unterbreiten sei45. Der Wiener Nuntius, Viale Prelà, mit dem sich die Darmstädter Regierung in diesem Sinne in Verbindung setzte, ermunterte Dalwigk brieflich zur Verständigung mit dem Bischof. Der Papst werde sicher alles genehmigen, was Ketteler verabrede46. Ohne eine päpstliche Äußerung erlangt zu haben, trat Ketteler Mitte Mai in Verhandlungen mit der Regierung ein47. Der Übergang von der einseitigen staatlichen Gesetzgebung über kirchliche Angelegenheiten zu förmlich verabredeten, verbrieften, wenn auch geheimen Zugeständnissen stellte einen Bruch der bisherigen staatskirchenrechtlichen Grundanschauung der Darmstädter Regierung dar48. Auf der Grundlage der Abänderungswünsche Kettelers zu der Württemberger Konvention wurden während des Monats Juli des Jahres 1854 die Verhandlungen zwischen Lennig, dem Mainzer Generalvikar, als dem bischöflichen und Ministerialrat von Rieffel als dem staatlichen Vertreter in Mainz geführt. Am 1. bzw. 11. August war das Werk vollendet, am 23. August wurde es unterzeichnet49. Beide Teile verpflichteten sich ausdrücklich, an der Übereinkunft festzuhalten. Der Vertrag sollte wirksam bleiben, bis der Abschluß der württembergischen Verhandlungen mit Rom weitere Besprechungen zwischen Ministerium und Bischof über eine „gleichmäßige, definitive“ Ordnung der katholisch-kirchlichen Angelegenheiten gestatten würde50. Die Genehmigung der „vorläufigen“ Übereinkunft war dem Heiligen Stuhl ausdrücklich vorbehalten worden51. Ketteler sandte den Wortlaut der Übereinkunft sofort an die Nuntien in Wien und München, seinen Metropoliten und die Bischöfe der Kirchenprovinz. Aber die durch Erläuterungen Lennigs gestützte Bitte um päpstliche Bestätigung blieb sechs Wochen lang ohne Antwort52. Einflußreiche und angesehene deutsche Bischöfe wie Geissel und Blum traten bei dem Papst und dem Wiener Nuntius gegen die Mainzer Konvention auf53. Am 8. Oktober 1854 teilte der Wiener Nuntius Ketteler mit, die Kurie habe die Konvention deshalb noch nicht genehmigt, weil eine Übereinkunft über die kirchlichen Angelegenheiten der oberrheinischen Kirchenprovinz nur in Rom abgeschlossen werden sollte. Gegen diesen Bescheid erhob Ketteler bei dem 44

Pfülf, Bischof von Ketteler I 357. Pfülf , Bischof von Ketteler I 357; H. Brück, Die oberrheinische Kirchenprovinz von ihrer Gründung bis zur Gegenwart, mit besonderer Berücksichtigung des Verhältnisses der Kirche zur Staatsgewalt (Mainz 1868) 367. 46 Vigener, Ketteler 253. 47 Vigener, Ketteler 253. 48 Vigener, Ketteler 254. 49 Vigener, Ketteler 257 f.; Pfülf , Bischof von Ketteler I 360. 50 Vigener, Ketteler 258. 51 Pfülf, Bischof von Ketteler I 360; Brück, Die oberrheinische Kirchenprovinz 369, 547 – 550. 52 Vigener, Ketteler 261. 53 Vigener, Ketteler 261 f.; Pfülf, Bischof von Ketteler I 365. 45

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Nuntius Einspruch. Die Kurie erklärte sich bereit, mit Ketteler über die Konvention zu verhandeln54. Anfang November 1854 begab sich Ketteler nach Rom. Es kam für ihn darauf an, wenigstens die Tolerierung der Übereinkunft zu erlangen. Trotz des schleppenden Ganges der Verhandlungen, die er vor allem mit dem Kardinal Brunelli führte, war der bis Anfang April währende Aufenthalt Kettelers in Rom nicht umsonst. Die Konvention wurde nicht verworfen, sondern unter bestimmten Einschränkungen geduldet. Unmittelbar nach seiner Rückkehr wurden ihm die römischen Verbesserungswünsche zugeleitet, jedoch ohne die Zusicherung, daß die Annahme der römischen Verbesserungswünsche durch die hessische Regierung auch die Annahme der verbesserten Übereinkunft durch die Kurie nach sich ziehen werde55. Am 19. April 1856 erklärte die Regierung, daß diese im wesentlichen genehmigt würden56. Für Ketteler und die Regierung war die Übereinkunft von 1854 durch jene von 1856 ersetzt, obwohl sie nicht förmlich ausgefertigt und unterzeichnet wurde57. Am 9. Juni 1856 wurde die umgestaltete Vereinbarung dem Heiligen Stuhl zur Genehmigung eingereicht. Aber auch die veränderte und verbesserte Konvention wurde von dem Papst nie bestätigt, immerhin geduldet58. Es ist darauf hinzuweisen, daß die Mainzer Konvention von 1854 bereits eine Bestimmung für eine etwaige Wiedererrichtung einer Katholisch-Theologischen Universitätsfakultät enthielt. Für den Fall, daß beabsichtigt würde, die KatholischTheologische Fakultät wieder in Wirksamkeit treten zu lassen und mit ihr ein Konvikt für die Theologiestudierenden zu verbinden, sollte nach Art. VII der Konvention eine vorgängige Vereinbarung zwischen der Großherzoglichen Staatsregierung und dem Bischof erfolgen, und zwar, was bezeichnend ist, weil es die Richtung der bischöflichen Wünsche zeigt, über das Verhältnis des Bischofs zu den Lehrern der Fakultät wie zu dem Konvikt. Über der Mainzer Konvention waltete auch später kein günstiger Stern. Im Parlament und in der Presse wurde sie heftig angegriffen. Um der politischen Opposition gegen das der katholischen Kirche gerecht gegenüberstehende Ministerium Dalwigk den Wind aus den Segeln zu nehmen, teilte Ketteler am 20. September 1866 dem Großherzog seinen Entschluß mit, auf die Konvention Verzicht zu leisten59.

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Vigener, Ketteler 263; Pfülf, Bischof von Ketteler I 365. Vigener, Ketteler 263 – 265; Pfülf, Bischof von Ketteler I 368 ff. Vgl. dazu E. Friedberg in Zeitschrift für Kirchenrecht 8 (1868) 345 ff.; C. J. Reidel, Die katholische Kirche im Großherzogtum Hessen. Die Gesetze für Kirche und Schule (Paderborn 1904) 85 ff. 56 Vigener, Ketteler 275; Pfülf , Bischof von Ketteler I 376. 57 Vigener, Ketteler 277. 58 Vigener, Ketteler 278. 59 Brück, Die oberrheinische Kirchenprovinz 437 f., 502. 55

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g) Nassau In ganz anderer Weise ging der Bischof von Limburg, Blum, bei seinen Verhandlungen mit der Regierung von Nassau in den Jahren 1856 bis 1861 vor. In keinem Augenblick versäumte er es, die Kurie von seinen und der Regierung Schritten zu unterrichten und ihre Zustimmung einzuholen. Bereits das die Verhandlungen einleitende Promemoria der Regierung und seine Antwort sandte er der Kurie zu. Diese war anfangs entschlossen, dem Bischof eine Instruktion für sein Verhalten zu geben. Statt einer solchen wurde ihm die Grundlage einer zwischen dem Heiligen Stuhl und den Regierungen von Nassau, Baden und Württemberg abzuschließenden Konvention mitgeteilt. Der Bischof von Limburg machte dazu seine Bemerkungen und ließ sie der Kurie zugehen. Der auch von dem Kardinalstaatssekretär Antonelli ermunterte Bischof überreichte dem nassauischen Regierungspräsidenten die Punktationen zu einer Konvention und schlug vor, diese von dem nassauischen Ministerresidenten und dem päpstlichen Nuntius in Wien beraten zu lassen. Das Ergebnis der Beratungen sei dem Papst und dem Herzog zur Genehmigung vorzulegen. Auf diese Weise werde sowohl dem Wunsche des Heiligen Stuhles als auch der Abneigung des Herzogs, mit Rom in unmittelbare diplomatische Verhandlungen einzutreten, Rechnung getragen. Dieser Vorschlag wurde jedoch nicht angenommen. Als es mehrere Jahre später wieder zur Aufnahme der Verhandlungen kam, ließ der Bischof keinen Zweifel daran, daß ein abzuschließendes Abkommen unter dem Vorbehalt der päpstlichen Genehmigung stehe. Unter dieser Voraussetzung nahm er die herzoglichen Vorschläge über einen modus vivendi vom 28. April 1861 an. Am 25. Mai 1861 erging die ausführende Kabinettsordre an die herzoglichen Behörden. Der Bischof sandte eine lateinische Übersetzung der getroffenen Vereinbarung bzw. der Weisung des Herzogs an die Behörden nach Rom, wofür er am 15. August 1861 ein belobigendes päpstliches Breve empfing60. Die Geschichte zeigt, zusammengefaßt, folgendes Bild. 1. In früheren Jahrhunderten haben Bischöfe unangefochten Übereinkommen mit Regierungen und Herrschern über Kirche und Staat eines Landes bzw. einer Diözese gemeinsam betreffende Fragen getroffen. 2. Die päpstliche Bestätigung war jedenfalls bei Überschreitung der Grenzen des gemeinen Rechts, von Notfällen abgesehen, unerläßlich. Ihr Fehlen machte die Übereinkunft grundsätzlich unwirksam. In vielen Fällen wurde zwar die päpstliche Genehmigung nicht erteilt, aber die Übereinkunft wenigstens toleriert. In anderen Fällen wurde die Vereinbarung ausdrücklich verworfen. 3. Der Heilige Stuhl forderte nicht nur die Vorlage der getroffenen Vereinbarung zur Genehmigung, sondern auch die Einholung einer Ermächtigung zur Einleitung von Verhandlungen mit den staatlichen Behörden und gewöhnlich auch die Unter60 Brück, Die oberrheinische Kirchenprovinz 425 – 444, 550 – 552; derselbe, Geschichte der katholischen Kirche III 143 ff.

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richtung über ihren Verlauf. Er gab Richtlinien für den Inhalt des zu schließenden Abkommens und verlangte Änderungen nach seinen Wünschen. 4. Im allgemeinen stand der Heilige Stuhl Vereinbarungen von Bischöfen mit dem Staat zurückhaltend, wenn nicht mißtrauisch gegenüber. Er fürchtete eine Verkürzung der primatialen Rechte und ein Bündnis von Bischof und Staat gegen den Heiligen Stuhl oder zum Schaden der Freiheiten der Kirche. Die Stellung der Bischöfe gegenüber dem Staat war vor allem in der Zeit des Polizeistaates nicht stark. Leicht konnte durch allzu große Nachgiebigkeit des nicht selten von dem Herrscher und dem Staat abhängigen Bischofes den Rechten der Kirche Eintrag geschehen. Die gelegentliche Verheimlichung derartiger Konventionen war nicht dazu angetan, das Mißtrauen der Kurie zu vermindern. 2. Nach dem geltenden Recht a) CIC Aus dem CIC läßt sich nichts gegen die Annahme herleiten, daß die Diözesanbischöfe für das Gebiet ihrer Diözese und im Rahmen ihrer Zuständigkeit Vereinbarungen mit dem Staat abschließen können. Die Bischöfe sind ordentliche und unmittelbare Hirten in den ihnen anvertrauten Diözesen61. Sie haben das Recht und die Pflicht, die Diözesen in geistlicher und zeitlicher Hinsicht mit gesetzgebender, richterlicher und vollziehender Gewalt nach Maßgabe des kanonischen Rechtes zu leiten62. Kraft ihrer ordentlichen Amtsvollmacht63 müssen sie alles anordnen und durchführen, was zum Heil ihrer Untergebenen erforderlich oder dienlich ist. Ihre einzigen Schranken sind dabei das göttliche und das päpstliche Recht. Sie dürfen regelmäßig nicht dem gemeinkirchlichen Recht zuwiderhandeln64. Im besonderen dürfen sie nicht in dem Papst vorbehaltene Sachen eingreifen. Dazu gehören an erster Stelle die causae maiores. Unter causae maiores versteht man jene gewichtigeren Angelegenheiten kirchlicher Wirksamkeit, deren Erledigung und Entscheidung durch die Natur der Sache oder durch positives Gesetz dem Papst vorbehalten sind65. Zwar ist der Begriff der causae maiores sehr umfassend, keineswegs fest abgegrenzt und auch veränderlich66, aber er ist doch nicht uferlos, sondern durch Geschichte und Praxis einigermaßen bestimmbar. Durch die Natur der Sache ist dem Papst alles vorbehalten, was seine

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C. 334 § 1. C. 335 § 1. 63 C. 329 § 1. 64 Vgl. aber cc. 15, 81. 65 C. 220. 66 J. B. Sägmüller, Lehrbuch des katholischen Kirchenrechts I, 4. Auflage (Freiburg i. Br. 1925 – 1934) 467 A. 3. 62

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Primatialstellung als Oberhaupt der Gesamtkirche betrifft67. Vereinbarungen von Bischöfen mit dem Staat über das gegenseitige Verhältnis der Belange, der Zuständigkeit und der Grenzen von Staat und Kirche sind, solange das gemeine Recht nicht berührt wird, nicht durch die Natur der Sache dem Papst vorbehalten. Ihr Wesen besteht darin, Staat und Kirche eines bestimmten Gebietes gemeinsam betreffende Fragen einvernehmlich zu regeln. Diese Regelung fällt in den ordentlichen Zuständigkeitsbereich des Bischofs als des Diözesanoberhirten eigenen Rechtes. Dazu ist die päpstliche Mitwirkung grundsätzlich entbehrlich. Erst wenn das gemeine Recht der Kirche angetastet wird oder Auswirkungen auf die Gesamtkirche zu gewärtigen sind, ist die Beteiligung des Papstes in der Regel erforderlich. Durch positive Gesetze sind dem Papst eine stattliche Anzahl von Sachen vorbehalten68. Von den im Zusammenhang mit der Mainzer Vereinbarung stehenden Gegenständen sind dem Papst vorbehalten die Errichtung katholischer Universitäten und Theologischer Fakultäten69, die Genehmigung ihrer Statuten70 und die Verleihung des Promotionsrechtes71. Durch positive Gesetze ist dem Papst nur der Abschluß von Konkordaten, nicht von Verträgen geringeren Ranges vorbehalten72. Über den Umkreis der causae maiores hinaus kann der Papst alle Sachen an sich ziehen (affectio papalis), wodurch die Gewalt der Untergebenen gebunden wird73. Es bleibt mithin ein gewisser Spielraum, innerhalb dessen der Abschluß von Vereinbarungen der Bischöfe mit dem Staat möglich ist. Die ordnungsgemäße Leitung der Diözese kann sogar Verhandlungen und Vereinbarungen mit dem Staat unentbehrlich machen. Die einvernehmliche Regelung schwebender Fragen beugt dem Erlaß einseitiger Staatsgesetze vor und gewährt der Kirche die Gelegenheit der Einflußnahme auf den Inhalt der Regelung. Verträge von Bischöfen mit dem Staat müssen sich jedoch im Bereich der bischöflichen Zuständigkeit in persönlicher, sachlicher und örtlicher Hinsicht halten74. Der Heilige Stuhl hat denn auch dem 67

C. 218. Vgl. Sägmüller, Lehrbuch des katholischen Kirchenrechts I 467 ff. 69 C. 1376 § 1. 70 C. 1376 § 2. 71 C. 1377. 72 Dabei verstehe ich unter Konkordaten völkerrechtliche Verträge zwischen souveränen Mächten. Mit Recht macht Wagnon, Concordats et droit international 115 A. 2 gegen F. M. Cappello geltend, daß die cc. 255, 263 n. 1 nicht herangezogen werden können, um den Bischöfen jedes Recht zu bestreiten, irgendeinen Vertrag mit dem Staat abzuschließen. Die beiden Kanones beziehen sich nur auf die vom Heiligen Stuhl abgeschlossenen Konkordate. 73 J. Haring, Die affectio papalis: AfkKR 109 (1929) 127 – 177. 74 Dieser Ansicht von einer beschränkten Zuständigkeit der Bischöfe zum Eingehen von Abmachungen mit dem Staat sind z. B. Ph. Hergenröther in Kirchenlexikon III, 2. Auflage (1884) 816; Wagnon, Concordats et droit international 114 f.; Sägmüller, Lehrbuch des katholischen Kirchenrechts I 58; R. Naz in DDC III 1357; Huber, Verträge zwischen Staat und Kirche 87 f., 94; G. Vromant/L. Bongaerts, Ius Missionariorum I, 2. Auflage (Bruxelles-Bruges-Paris 1959) 105. Wagnon sieht jedoch der Ausübung des Rechtes enge Grenzen gezogen. 68

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Mainzer Bischof niemals grundsätzlich das Recht, Verhandlungen mit dem Staat zu führen, bestritten, sondern seinen Anspruch, die einzugehende Vereinbarung zu genehmigen, auf den Charakter des zu verhandelnden Gegenstandes als einer causa maior (c. 1376 § 1) gestützt. Die Aberkennung jedes Rechtes der Bischöfe, Verträge mit dem Staat zu schließen, liegt nicht im Interesse der Kirche. Mancher Staat, der nicht fähig oder willens ist, ein Übereinkommen mit der Kurie zu suchen, findet sich bereit, sich mit den Bischöfen der in seinem Gebiet gelegenen Diözesen vertraglich zu einigen. Denn der Abschluß eines Konkordates steht mehr im Rampenlicht der Öffentlichkeit und weckt darum leichter die politischen und weltanschaulichen Leidenschaften auf als das Treffen einer Übereinkunft mit dem Episkopat oder einzelnen Bischöfen eines Landes. Dem Bischof ist es möglich, Abkommen unter Bedingungen zu schließen, auf die sich die Kurie aus grundsätzlichen Erwägungen oder wegen ihrer paradigmatischen Bedeutung nicht einlassen mag, die aber unter den gegebenen Verhältnissen eine Verbesserung der Lage der Kirche darstellen. Bei dem Abschluß von Verträgen zwischen Bischöfen und Staat ist vorausgesetzt, daß der Heilige Stuhl um seines höchsten Aufsichtsrechts willen von dem Eintritt in die Verhandlungen, ihrem Fortgang und ihrem Ergebnis unterrichtet wird. Abweichungen vom gemeinkirchlichen Recht bedürfen in der Regel päpstlicher Genehmigung. Eine analoge Anwendung des c. 81 erscheint in Einzelfällen, vor allem bei Notstand oder drohendem schweren Schaden gemäß c. 2205 § 2, als vertretbar. Dem entspricht es, daß in neuester Zeit Vereinbarungen zwischen den Bischöfen eines Landes und der Regierung getroffen worden sind, ohne daß der Heilige Stuhl diese verworfen hätte; sie wurden toleriert75. Denn die bischöfliche Gewalt sei durch das gemeine kirchliche Recht genau umschrieben, und es sei gerade das Ziel von Vereinbarungen zwischen Staat und Kirche, Abänderungen gegenüber dem gemeinen Kirchenrecht zu treffen. Vereinbarungen für das ganze Gebiet eines Staates fielen unter die causae maiores. Die Verträge, die der Bischof noch unterzeichnen könnte, ohne seine Befugnisse zu überschreiten, würden für den Staat kaum von Interesse sein. Auch Huber macht darauf aufmerksam, daß die Kurie dazu neigt, allen Verträgen mit dem Staat Bedeutung für die Gesamtkirche beizumessen und den Abschluß daher selbst vorzunehmen. Vromant/Bongaerts erkennen das Recht zum Abschluß von Vereinbarungen geringeren Grades den Apostolischen Vikaren und Präfekten zu. Auch sie behalten den Abschluß von Verträgen mit dem Gesamtstaat – wie Vermeersch/Creusen – dem Heiligen Stuhl vor. Außerdem wird die Benachrichtigung des päpstlichen Vertreters verlangt. 75 Hier ist vor allem das Abkommen zwischen den polnischen Bischöfen und der Regierung vom 14. April 1950 zu erwähnen, das im Auftrage der polnischen Bischöfe von dem Sekretär der polnischen Bischofskonferenz und zwei Diözesanbischöfen unterzeichnet wurde. Das zunächst – auch vom „L‘Osservatore Romano“ – dementierte Abkommen wurde später bestätigt. Das Päpstliche Staatssekretariat hat keine Stellung dazu genommen. Das Abkommen wird also von der Kurie toleriert. Vgl. Herder-Korrespondenz 4 (1949/50) 412 – 415; 11 (1956/57) 168, 218 f.; 13 (1958/59) 100 – 104 Die Verhältnisse in Ungarn sind weniger klar. Vgl. Herder-Korrespondenz 11 (1956/57) 220, 514 f.; 12 (1957/ 58) 260 f.

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b) IOpers Das aus dem CIC gewonnene Ergebnis findet – mit gewissen Modifikationen – seine Bestätigung in dem Personenrecht für die Katholiken der orientalischen Riten76. Dort wird den Patriarchen ausdrücklich zugestanden, was in der lateinischen Kirche für die Bischöfe angesichts des Schweigens des CIC erschlossen werden muß. Die Patriarchen77 können mit vorheriger Einwilligung des Heiligen Stuhles und mit Zustimmung ihrer ständigen Synode78 Verträge mit der staatlichen Autorität abschließen, die nicht im Widerspruch zu dem gemeinen Recht oder dem vom Heiligen Stuhl für den betreffenden Ritus erlassenen Sonderrecht stehen. Sie können so abgeschlossene Verträge erst nach Einholung der Genehmigung des Heiligen Stuhles zur Ausführung bringen79. Die Befugnis zum Eingehen von Abkommen mit dem Staat steht nur den Patriarchen zu. Der Kreis der dafür in Frage kommenden Persönlichkeiten ist also nicht groß80. Vor Beginn und nach Abschluß der Verhandlungen ist der Vertrag der Kontrolle der Kurie zu unterstellen. Die ständige Synode hat ein Beispruchsrecht in der Form eines Zustimmungsrechtes. Auch für den Patriarchen ist das päpstliche Recht unantastbar. Selbstverständlich haben die von den Patriarchen eingegangenen Abkommen keinen völkerrechtlichen Charakter81. Die Bestimmung sucht der historischen Rechtsstellung der Patriarchen und den schwierigen politischen Verhältnissen der Länder, in denen die orientalischen Katholiken zum größten Teil leben, gerecht zu werden82.

III. Rechtscharakter Aus Geschichte und geltendem Recht läßt sich nichts gegen die Möglichkeit von Verträgen zwischen Bischof und Staat herleiten. Es gilt nun, die Vereinbarung 76

AAS 49 (1957) 433 – 603. Can. 216 – 314. 78 Can. 288 – 296. 79 Can. 281. 80 Vgl. E. Eichmann/K. Mörsdorf, Lehrbuch des Kirchenrechts I, 9. Auflage (MünchenPaderborn-Wien 1959) 385. 81 K. Mörsdorf in LThK IV, 2. Auflage (1960) 456. Die Bezeichnung der Vereinbarungen als Konkordate bei K. Mörsdorf, Streiflichter zum neuen Verfassungsrecht der Ostkirche: MThZ 8 (1957) 250 wäre wohl besser unterblieben. 82 Zur Erklärung vgl. A. Wuyts, Il diritto delle persone nella nuova legislazione per la Chiesa orientale: OrChrP 24 (1958) 175 – 201, hier 190; M. M. Wojnar, The Code of Oriental Canon Law. De ritibus orientalibus and de personis: The Jurist 19 (1959) 212 – 245, 277 – 299, 413 – 464, hier 423; V. J. Pospishil, Code of Oriental Canon Law. The Law of Persons (Ford City, Pa., 1960) 139. 77

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zwischen dem Bischof von Mainz und dem Oberregierungspräsidenten von HessenPfalz, die insoweit also nicht abnorm ist, in ihrer Rechtsnatur zu analysieren. 1. Vertragsnatur Das Abkommen zwischen dem Bischof von Mainz und dem Oberregierungspräsidenten von Hessen-Pfalz bezeichnet sich in der Präambel als „Vereinbarung“. Dieses Wort ist als farblos bekannt83. Die von einigen Juristen vertretene wesentliche Verschiedenheit zwischen Vereinbarung und Vertrag84 kann jedenfalls in dem vorliegenden Fall nicht behauptet werden. Hier sind Staat und Kirche übereingekommen, eine bestimmte Frage, die beide Seiten, freilich in verschiedener Hinsicht, berührt, nämlich die Förderung der wissenschaftlichen Theologie im Rahmen der Universität und die Ausbildung der Priester des Bistums Mainz, einvernehmlich zu regeln. Zu diesem Zweck wurde die Vereinbarung abgeschlossen. Beide Seiten nahmen auf die Gestaltung des Inhalts des beabsichtigten Rechtsverhältnisses Einfluß85. Nach dem Willen der beiden beteiligten Stellen handelt es sich dabei um einen Vertrag, d. h. „die Vereinigung mehrerer zu einer übereinstimmenden Willenserklärung, wodurch ihre Rechtsverhältnisse bestimmt werden“86. Es ist ohne weiteres klar, daß es sich bei der Vereinbarung zwischen dem Bischof und dem Oberregierungspräsidenten um einen öffentlichrechtlichen Vertrag handelt. Öffentlichrechtlich ist ein Vertrag, wenn er auf die Begründung, Veränderung oder Aufhebung eines Rechtsverhältnisses des öffentlichen Rechtes gerichtet ist87. Ein Rechtsverhältnis ist öffentlichrechtlich, wenn es einen Gegenstand des öffentlichen Interesses regelt, was darin zum Ausdruck kommt, daß ein öffentlichrechtlicher Verband an dem Rechtsverhältnis notwendig beteiligtes Rechtssubjekt ist88.

83 H. Liermann, Das evangelische Konkordat: AÖR N. F. 13 (1927) 400 f., weist an einem Beispiel aus der Zeit der Weimarer Republik nach, daß nicht die Bezeichnung, sondern der Inhalt entscheidet, ob im gegebenen Fall ein Vertrag oder eine bloße Vereinbarung vorliegt. Vgl. auch W. Steffen, Der öffentlichrechtliche Vertrag im heutigen Recht, Jur. Diss. Königsberg (Würzburg 1938) 23 – 26. 84 K. Binding, Die Gründung des Norddeutschen Bundes: Festgabe der Leipziger Juristenfakultät für Bernhard Windscheid (Leipzig 1888) 69 f.; derselbe, Zum Leben und Werden der Staaten (München-Leipzig 1920) 191 ff.; G. Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte (Freiburg i. Br. 1892) 193 ff.; H. Triepel, Völkerrecht und Landesrecht (Leipzig 1899) 49 ff. Vgl. auch G. A. Walz, Die „Vereinbarung“ als Rechtsfigur des öffentlichen Rechts: AÖR N. F. 14 (1928) 161 – 232. 85 Vgl. Steffen , Der öffentlichrechtliche Vertrag im heutigen Recht 30. 86 F. C. von Savigny, System des heutigen Römischen Rechts, 8 Bde., (Berlin 1840/49) III 309. Vgl. auch F. Fleiner, Institutionen des Deutschen Verwaltungsrechts, 8. Auflage (Tübingen 1928) 211. 87 Steffen, Der öffentlichrechtliche Vertrag im heutigen Recht 10. 88 G. Jedlicka, Der öffentlich-rechtliche Vertrag im Verwaltungsrecht, Jur. Diss. Zürich (Zürich 1928) 21.

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2. Der gemeinsame Rechtsboden Daß zwischen Staat und Kirche ein Vertrag geschlossen werden konnte, setzt voraus, daß die beiden Partner vertragsfähig sind. Die Vertragsfähigkeit ist bedingt durch die Gleichordnung, d. h. hier die gleichmäßige Unterwerfung unter die zu schaffende bzw. geschaffene vertragliche Regelung. Sie wird erkannt durch den Vergleich der Vertragspartner mit der Rechtsnorm, der sie sich durch den Abschluß des Vertrages in gleichem Maße unterwerfen. Die Norm, die der Willenseinigung der Parteien die gewünschten Rechtsfolgen beilegt, heißt tragende Rechtsnorm89. a) Ausschluß des Völkerrechts Der gemeinsame Rechtsboden, auf dem sich der Bischof von Mainz und der Oberregierungspräsident von Hessen-Pfalz begegneten, war nicht das Völkerrecht. Es liegt also kein Konkordat vor. Denn Konkordate sind völkerrechtliche Verträge, wenn auch besonderer Art90. Völkerrechtliche Verträge können nur zwischen souveränen Mächten geschlossen werden91. Die Partner der Vereinbarung waren jedoch nicht souverän. Zu der Zeit, da die Vereinbarung getroffen wurde, gab es keinen zum Abschluß völkerrechtlicher Verträge berechtigten deutschen Vertragspartner. Deutschland war zwar nach dem Zusammenbruch von 1945 als Staat bestehengeblieben92. Doch dieser Staat hatte keine eigene staatliche Spitze mehr. Deshalb hatte er im Verkehr mit anderen Staaten, auf der Ebene des Völkerrechts, seine Handlungsfähigkeit zunächst völlig eingebüßt93. Deutschland war völkerrechtlich unter eine Art Vormundschaft gestellt94. Die Alliierten hatten sich das Recht zuerkannt, alle Fragen zu regeln, welche die Beziehungen Deutschlands mit anderen Mächten betreffen95. Als 89 R. Kohl, Die Möglichkeit öffentlichrechtlicher Verträge im Verwaltungsrecht, Jur. Diss. Freiburg i. Br. (Bruchsal 1934) 7, 10. 90 A. Verdroß, Völkerrecht, 2. Auflage (Wien 1950) 147; C. Schmitt, Verfassungslehre, 3. Auflage (Berlin 1957) 174. 91 F. von Liszt, Das Völkerrecht, 12. Auflage von M. Fleischmann (Berlin 1925) 247 f. 92 W. Grewe, Ein Besatzungsstatut für Deutschland. Die Rechtsformen der Besetzung (Stuttgart 1948) 75 ff.; E. Kaufmann, Deutschlands Rechtslage unter der Besatzung (Stuttgart 1948) 9 ff.; U. Scheuner, Die staatsrechtliche Kontinuität in Deutschland: Deutsches Verwaltungsblatt 1950 S. 481 – 485; F. A. von der Heydte in StL II, 6. Auflage (1958) 698 – 703; G. Dahm, Völkerrecht I (Stuttgart 1958) 92 f. 93 Grewe, Ein Besatzungsstatut für Deutschland 78; Kaufmann, Deutschlands Rechtslage unter der Besatzung 11. 94 Grewe, Ein Besatzungsstatut für Deutschland 149, 201 f. 95 G. Sauser-Hall, L’occupation de l’Allemagne par les Puissances Alliées: Schweizerisches Jahrbuch für internationales Recht 3 (1946) 42. Vgl. auch W. Grewe, Von der Kapitulation zum Deutschlandvertrag: Außenpolitik 3 (1952) 414 – 427. Über die Stellung der Alliierten zu den Konkordaten vgl. M. Virally, Die internationale Verwaltung Deutschlands vom 8. Mai 1945 bis 24. April 1947 (Baden-Baden 1948) 97, 100 f.; Sauser-Hall, L‘occupation de

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dem Inhaber der sequestrierten Regierungsgewalt oblag dem Kontrollrat der Abschluß von Verträgen mit auswärtigen Mächten. Die Verträge wurden von ihm im Namen des deutschen Gesamtstaates abgeschlossen und berechtigten und verpflichteten für die Dauer der Besetzung diesen unmittelbar96. Der Regierungspräsident ist nach deutschem Staatsrecht der verantwortliche Leiter einer staatlichen Mittelbehörde, bei der regelmäßig alle Aufgaben der inneren Verwaltung eines Bezirks konzentriert sind97. Der Oberregierungspräsident von Hessen-Pfalz war trotz erheblich erweiterter Befugnisse nicht der völkerrechtlich legitimierte Repräsentant eines Staates, sondern ein Organ der von den Alliierten allmählich wieder aufgebauten deutschen Selbstverwaltung mit staatlichen Aufgaben. Zum Abschluß von völkerrechtlichen Verträgen war er nicht befugt. Aus dem Begriff des Konkordates als eines völkerrechtlichen Vertrages zwischen dem Heiligen Stuhl und einem Staat ergibt sich, daß bis zum Wiedererstehen deutscher Staatlichkeit wenigstens bis zur Länderebene der Abschluß eines Konkordates durch deutsche Repräsentanten grundsätzlich nicht möglich war. Auf der kirchlichen Seite ist allein der Papst souverän, nicht der Bischof. Nur der Papst, im Ausnahmefall auch das Allgemeine Konzil98, ist zum Abschluß von völkerrechtlichen Verträgen zwischen der Gesamtkirche und den Staaten, d. h. Konkordaten99, befugt100. Die Vertragsfähigkeit des Bischofs ist durch das kirchliche Verfassungsrecht eingeschränkt, und zwar mit Wirkung nach innen und nach außen. Da weder der einzelne Bischof noch der Episkopat eines Landes völkerrechtliche Vertragsfähigkeit besitzt, haben die von ihnen mit der staatlichen Gewalt abgeschlossenen Verträge keinen völkerrechtlichen Charakter101. b) Ausschluß des Verwaltungsrechts Im innerstaatlichen Bereich ist der Staat nicht darauf angewiesen, seine Obliegenheiten einseitig durch Normsetzung und -vollziehung zu erledigen102. Er kann l’Allemagne par les Puissances Alliées 63; H.-J. Becker Zur Rechtsproblematik des Reichskonkordats, 2. Auflage (München 1956) 57 f. 96 Grewe, Ein Besatzungsstatut für Deutschland 149, 201 f. 97 W. Schaack in StL VI, 6. Auflage (1961) 773. Vgl. auch R. Gutknecht, Die Rechtsstellung des Regierungspräsidenten: Verwaltungsarchiv 53 (1962) 240 – 254. 98 C. 228 § 1; Wagnon, Concordats et droit international 116 A. 1; G. May , Das Verhältnis von Papst und Bischöfen auf dem Allgemeinen Konzil nach dem CIC: TThZ 70 (1961) 223 ff. 99 Zum Begriff vgl. StL IV, 6. Auflage (1959) 1215; RGG III, 3. Auflage (1959) 1771; LThK VI (1934) 133 – 139; LThK VI, 2. Auflage (1961) 454. 100 Cc. 255, 263 n. 1. 101 Vgl. K. Mörsdorf in LThK VI, 2. Auflage (1961) 456. 102 Die Gegner des öffentlichrechtlichen Vertrages sind selten geworden. Ich erwähne für die Vergangenheit: O. Mayer, Zur Lehre vom öffentlich-rechtlichen Vertrage: AÖR 3 (1888) 1 – 86 und W. Burckhardt, Der Vertrag im Privatrecht und im öffentlichen Recht: Festgabe zur Feier des fünfzigjährigen Bestehens der Schweizerischen Bundesgerichte, dargebracht von der

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auch in gewissem Umfang103 eine einvernehmliche Regelung erstreben104. Dies geschieht durch die sogenannten verwaltungsrechtlichen Verträge, Verwaltungsverträge oder Verwaltungsabkommen105. Es wurde darauf hingewiesen, daß die Stellung des öffentlichrechtlichen Vertrages von dem Wirkungsgrad der Staatsgewalt und von der erreichten organischen Durchdringung von Staat und Gesellschaft abhängig ist. Je mehr Staat und Gesellschaft in organischer Beziehung verflochten sind, um so größere Geltung erhält auch der öffentlichrechtliche Vertrag106. Im Unterschied zu dem von Otto Mayer so genannten „Verwaltungsakt auf Unterwerfung“, bei dem eine Mitwirkung des einzelnen zum Zustandekommen des rechtlichen Erfolges unerläßlich ist, der aber trotzdem obrigkeitlicher Ausspruch einer Behörde ist und bleibt, läßt sich der Staat bei dem Vertrag auf Verhandlungen mit dem einzelnen ein und gesteht ihm einen Einfluß auf die Gestaltung des Inhalts des beabsichtigten Rechtsverhältnisses zu107. Der gemeinsame Rechtsboden ist das staatliche Recht108. Der Zweck ist – anders als bei der zur Regelung allgemeiner Juristischen Fakultät der Universität Bern (Bern 1924). Von den zahlreichen Abhandlungen seien erwähnt: Th. Buddeberg, Rechtssoziologie des öffentlich-rechtlichen Vertrages: AÖR N. F. 8 (1925) 85 – 161; M. Layer, Zur Lehre vom öffentlich-rechtlichen Vertrag. Eine Studie aus dem österreichischen Verwaltungsrecht (Graz-Leipzig 1916); W. Apelt, Der verwaltungsrechtliche Vertrag. Ein Beitrag zur Lehre von der rechtswirksamen Handlung im öffentlichen Rechte (Leipzig 1920); E. Ruppert, Der öffentlich-rechtliche Vertrag im Verwaltungsrecht, Jur. Diss. Würzburg (Würzburg 1935); G. Jedlicka, Der öffentlich-rechtliche Vertrag im Verwaltungsrecht, Jur. Diss. Zürich (Zürich 1928); R. Speiser, Über öffentlich-rechtliche Verträge im Verwaltungsrecht, Jur. Diss. Basel, Masch. (Basel 1921); W. Reusch, Der Vertrag im Verwaltungsrecht, Jur. Diss. Frankfurt a. M. (Bruchsal 1929); H. Seidel, Zur Lehre vom öffentlich-rechtlichen Vertrage, Jur. Diss. Breslau (Breslau 1927). Eine besonders gelungene Darstellung bietet E. Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts I: Allgemeiner Teil, 8. Auflage (München-Berlin 1961) 249 ff. 103 Darüber besteht keine Einigkeit. Vgl. etwa Layer, Zur Lehre vom öffentlich-rechtlichen Vertrag 21, Jedlicka, Der öffentlich-rechtliche Vertrag im Verwaltungsrecht 111 und Steffen, Der öffentlichrechtliche Vertrag im heutigen Recht 48 ff. Zu den Gefahren des „Paktierens“ vgl. H. Huber, Staat und Verbände: Recht und Staat in Geschichte und Gegenwart 218 (Tübingen 1958) 27. 104 Buddeberg, Rechtssoziologie des öffentlich-rechtlichen Vertrages 154; Kohl, Die Möglichkeit öffentlichrechtlicher Verträge im Verwaltungsrecht 7 f. 105 Die Bezeichnungen sind nicht einheitlich, und es werden damit auch sachliche Verschiedenheiten verbunden. Vgl. etwa die Terminologie von R. Oeschey, Die Rechtsgrundlage der bayerischen Kirchenverträge: Bayerische Verwaltungsblätter 74 (1926) 273, 275 f. und Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts I 250. Der Ausdruck Verwaltungsabkommen bleibt im allgemeinen Vereinbarungen zwischen verschiedenen Ländern vorbehalten. Vgl. aber H. Schneider, Staatsverträge und Verwaltungsabkommen zwischen deutschen Bundesländern: Die öffentliche Verwaltung 10 (1957) 646, der es für denkbar hält, daß Verwaltungsabkommen zwischen gleichgeordneten Verwaltungsträgem ein und desselben Landes geschlossen werden. 106 Buddeberg, Rechtssoziologie des öffentlich-rechtlichen Vertrages 154. 107 Steffen, Der öffentlichrechtliche Vertrag im heutigen Recht 27 ff. 108 Insoweit richtig Liermann, Das evangelische Konkordat 392 f.; P. Schoen, Die Rechtsgrundlage der Verträge zwischen Staat und Kirche: AÖR 21 (1932) 349. Ausführlich Schneider, Staatsverträge und Verwaltungsabkommen zwischen deutschen Bundesländern

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Verhältnisse berufenen Norm – die Gestaltung individueller Verhältnisse109. Verwaltungsverträge binden nur die Verwaltung, nicht die Gesetzgebung des Staates110. Die Vereinbarung zwischen dem Bischof von Mainz und dem Oberregierungspräsidenten ist kein Verwaltungsvertrag. Denn sie wurde in der Absicht abgeschlossen, nicht nur die staatliche und kirchliche Verwaltung, sondern auch die staatliche und kirchliche Gesetzgebung und Rechtsprechung zu binden. In ihr wurde nicht nur die behördliche Behandlung von Verwaltungsangelegenheiten vereinbart111, sondern Recht geschaffen, das einseitiger Änderung entrückt ist. Insofern Verwaltungsverträge subordinationsrechtlicher Natur sind, sind sie für Vereinbarungen zwischen Staat und Kirche gar nicht geeignet112. c) Das öffentliche Recht einer Koordinationsrechtsordnung Kirche und Staat sind einander gleichgeordnete Mächte. Ein Vertrag, der Kirche und Staat in gleicher Weise binden soll, kann seine Rechtskraft weder dem von der Kirche noch dem vom Staat erzeugten Recht entnehmen. Er muß auf einem beiden gemeinsamen Rechtsboden stehen113. Der gemeinsame Rechtsboden wird dadurch geschaffen, daß Kirche und Staat willenseinig werden, sich als voneinander unabhängige, gleichberechtigte Rechtssubjekte anzuerkennen und eine Rechtsordnung zu vereinbaren, die ihre Beziehungen zueinander normiert114. Kirche und Staat, die beide zur Erzeugung öffentlichen Rechtes befähigt und berechtigt sind115, kommen darin überein, daß zwischen ihnen eine Koordinationsrechtsordnung bestehen soll; zwischen ihnen geschlossene Verträge sind Grund und Inhalt dieser Koordinati646: Der Abschluß von Verwaltungsabkommen beruht auf der Organisations- und Verwaltungshoheit. Wer Verwaltungsvorschriften erlassen kann, darf auch in seinem Bereich Abkommen über den Inhalt seiner Verwaltungsvorschriften mit einem nicht über- oder untergeordneten Verwaltungsträger treffen. 109 Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts I 251 f. 110 Steffen, Der öffentlichrechtliche Vertrag im heutigen Recht 20 f.; Ruppert, Der öffentlich-rechtliche Vertrag im Verwaltungsrecht 19. 111 Vgl. Schneider, Staatsverträge und Verwaltungsabkommen zwischen deutschen Bundesländern 646. Zum Inhalt eines Verwaltungsabkommens kann alles gemacht werden, was eine Landesbehörde im Wege von Verwaltungsvorschriften regeln darf. 112 Huber, Verträge zwischen Staat und Kirche im Deutschen Reich 77; U. Scheuner, Die staatskirchenrechtliche Tragweite des niedersächsischen Kirchenvertrages von Kloster Loccum: ZevKR 6 (1957/58) 11 f. 113 Schoen, Die Rechtsgrundlage der Verträge zwischen Staat und Kirche 340. 114 Schoen , Die Rechtsgrundlage der Verträge zwischen Staat und Kirche 341 f. Vgl. auch Buddeberg, Rechtssoziologie des öffentlich-rechtlichen Vertrages 123. Nach ihm entspringt die Rechtsverbindlichkeit des Vertrages nicht dem Gesetz, sondern sie ruht in dem „Gemeinwillen“ desjenigen Rechtskreises, als, dessen Funktion der Vertrag auftritt. Der Vertrag besitzt rechtsschöpferische Kraft. 115 Huber, Verträge zwischen Staat und Kirche im Deutschen Reich 48; Scheuner, Die staatskirchenrechtliche Tragweite des niedersächsischen Kirchenvertrages von Kloster Loccum 19.

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onsrechtsordnung. Indem sich Kirche und Staat als gleichgeordnet anerkennen und auf dieser Grundlage Verträge schließen, sind sie durch die so gebildete gemeinsame Rechtsüberzeugung gebunden. „Der Wille zur Verpflichtung entscheidet“116. Kirche und Staat schaffen also in der Koordinationsrechtsordnung den Rechtsboden selbst, auf dem die abzuschließenden Verträge ruhen117. Das staatlich-kirchliche Zwischenrecht ist das Recht einer öffentlichen Koordinationsrechtsordnung. Auf diesem Rechtsboden steht die Vereinbarung zwischen dem Bischof von Mainz und dem Oberregierungspräsidenten von Hessen-Pfalz. Wenn man auch heute weniger denn je der Meinung folgen kann, Konkordate seien keine völkerrechtlichen Verträge, sondern Verträge einer Koordinationsrechtsordnung118, so steht doch nichts im Wege, die Vereinbarungen einzelner Bischöfe mit dem Staat so zu kennzeichnen. Der Bischof als das eigenberechtigte Haupt einer Diözese entbehrt zwar, wie gesagt, der völkerrechtlichen Vertragsfähigkeit. Aber er ist fähig, Vertragspartner des Staates in einem Koordinationsrechtssystem zu werden. Zwischen Kirche und Staat besteht ohne Rücksicht, um welche Stufe der kirchlichen Gliederung es sich handelt, kein Verhältnis der Über- oder Unterordnung, sondern der Neben- und Gleichordnung119. Indem der Staat mit dem Bischof kontrahiert, erkennt er dessen Koordination an und bezeugt seinen Willen zu rechtlicher Bindung120. Die Vereinbarung zwischen dem Bischof von Mainz und dem Oberregierungspräsidenten von Hessen-Pfalz zählt daher zu jenem besonderen Typus des koordinationsrechtlichen Vertrages, der nach eigenen Grundsätzen, die sich aus der besonderen Artung des Verhältnis von Kirche und Staat ergeben, zu behandeln ist121 und einen Vertrag sui generis ähnlich wie die evangelischen Kirchenverträge darstellt122. Die Verbindlichkeit dieser koordinationsrechtlichen Verträge eigener Art 116 117

65 f.

Huber, Verträge zwischen Staat und Kirche im Deutschen Reich 79. O. Friedrich, Der evangelische Kirchenvertrag mit dem Freistaat Baden (Lahr 1933)

118 Schoen, Die Rechtsgrundlage der Verträge zwischen Staat und Kirche 340 ff.; Huber, Verträge zwischen Staat und Kirche im Deutschen Reich 78 u. ö. 119 Vgl. Friedrich, Der evangelische Kirchenvertrag mit dem Freistaat Baden 65; Huber, Verträge zwischen Staat und Kirche im Deutschen Reich 58. 120 Huber, Verträge zwischen Staat und Kirche im Deutschen Reich 81. 121 Huber, Verträge zwischen Staat und Kirche im Deutschen Reich 84; Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts I 254. 122 W. Weber in RGG III, 3. Auflage (1959) 1552 sieht in den evangelischen Kirchenverträgen Verträge sui generis. Ähnlich U. Scheuner in StL III, 6. Auflage (1959) 173 und K. Mörsdorf in LThK VI, 2. Auflage (1961) 283. Wichtig auch die seinerzeit bahnbrechenden Ausführungen von R. Oeschey, Die Rechtsgrundlagen der bayerischen Kirchenverträge: Bayerische Verwaltungsblätter 74 (1926) 241 – 256, 273 – 280, 289 – 298. Er geht von dem Begriff des Verwaltungsvertrages aus, den er sorgfältig von dem verwaltungsrechtlichen Vertrag unterscheidet. Die bayerischen Protestantenverträge seien Verwaltungsverträge, deren charakteristisches Merkmal darin besteht, daß sie Recht aus Normensystemen gestalten wollen, über deren einem nicht der staatliche, über denen beiden kein gemeinsamer Gesetzgeber steht. Sie setzen verschiedene Herrschaftsträger voraus, denn sie gehen über die Grenzen der jeweiligen Rechtsordnung hinaus. Verwaltungsverträge setzen Staaten oder staatsartige Ge-

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beruht nicht auf einem Satz des positiven Rechtes. Indem Kirche und Staat zur Regelung der zwischen ihnen bestehenden Fragen zu der Rechtsform des Vertrages greifen, bekunden sie ihren Willen zu rechtlicher Bindung. Die Verbindlichkeit des Vertrages beruht auf seiner apriorischen Natur123. 3. Vertragsparteien Der Abschluß eines öffentlichrechtlichen Vertrages stellt bestimmte Voraussetzungen an die Partner. Die Organe, welche die vertragliche Willenserklärung abgeben, müssen zur Vertretung der Körperschaft berechtigt und dürfen zu einer amtlichen Handlung dieser Art nicht absolut unzuständig sein124. Partner der Mainzer Vereinbarung waren der Bischof von Mainz auf der Seite der Kirche und der Oberregierungspräsident von Hessen-Pfalz auf der Seite des Staates. Die rechtliche Zulässigkeit des zwischen ihnen geschlossenen Vertrages beurteilt sich nach dem inneren Recht der beiden Verbände125. a) Der Bischof von Mainz (1) Die Diözese Mainz als Körperschaft des öffentlichen Rechts Es wurde bereits oben ausgeführt, daß ein Bischof nach der kirchlichen Rechtsordnung grundsätzlich befähigt ist, Verträge mit der staatlichen Gewalt im Rahmen seiner Zuständigkeit abzuschließen. Von dem staatlichen Recht ist der Bischof als alleinberechtigter Vertreter der Diözese anerkannt. Diese hat in Deutschland den Charakter einer Körperschaft des öffentlichen Rechts126. Mit der Anwendung des Begriffes der öffentlichrechtlichen Körperschaft auf die Kirche bilde als Parteien voraus, sie unterscheiden sich dem Wesen nach nicht von Staatsverträgen. Vgl. auch Schneider, Staatsverträge und Verwaltungsabkommen zwischen deutschen Bundesländern 646. Scheuner, Die staatskirchenrechtliche Tragweite des niedersächsischen Kirchenvertrages von Kloster Loccum 19 f., legt dar, daß es sich in der Sicht des Staates bei den evangelischen Kirchenverträgen um staatsrechtliche Verträge handelt, denen die Verfassung in Respektierung der kirchlichen Selbständigkeit bindende Wirkung als Vereinbarung gibt, so daß der Gesetzgeber sie nicht aus einseitiger Setzung zu ändern oder aufzuheben vermag. Zwischen der rechtlichen Sicht von Kirche und Staat bestehe ein gewisser Zwiespalt. Beide aber vermöchten sich zu begegnen in der Zurechnung jener Vereinbarungen zu einer Zone des öffentlichen Rechts in einem weiteren Sinn, in der die Einigung für beide beteiligte Rechtsbereiche als bindend respektiert wird. 123 Buddeberg, Rechtssoziologie des öffentlich-rechtlichen Vertrages 111; Steffen, Der öffentlichrechtliche Vertrag im heutigen Recht 15; Huber, Verträge zwischen Staat und Kirche im Deutschen Reich 79, 81; K. Stern, Zur Grundlegung einer Lehre des öffentlich-rechtlichen Vertrages: Verwaltungsarchiv 49 (1958) 127 ff. 124 Apelt , Der verwaltungsrechtliche Vertrag 214. 125 Huber, Verträge zwischen Staat und Kirche im Deutschen Reich 86. Vgl. W. Weber in RGG III, 3. Auflage (1959) 1552. 126 Art. 137 Abs. 5 WRV in Verbindung mit Art. 140 GG und Art. 13 RK.

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und ihre Gliederung wird u. a. ihre Fähigkeit, öffentlichrechtliche Verträge abzuschließen, anerkannt127. Zwar liegt nur der kleinere Teil des Mainzer Diözesangebietes in dem Bezirk des damaligen Regierungspräsidiums Hessen-Pfalz. Indes handelt es sich dabei um den Teil, der die Bischofsstadt und den Bischofssitz enthält. Vom staatlichen Recht aus gesehen bestand daher kein Hindernis, mit dem Bischof von Mainz einen Vertrag der geschilderten Art abzuschließen. (2) Päpstliche Ermächtigung und Genehmigung (aa) Päpstliche Ermächtigung Wenn auch einem Diözesanbischof grundsätzlich das Recht zusteht, Verträge mit der staatlichen Gewalt abzuschließen, so ist doch zu beachten, daß dies nur im Rahmen seiner durch den CIC festgelegten persönlichen, sachlichen und räumlichen Zuständigkeit geschehen kann. Im Falle der Mainzer Vereinbarung lag der Vertragsgegenstand außerhalb der sachlichen Zuständigkeit des Diözesanbischofs. Der Bischof von Mainz war auf Grund seiner Rechtsstellung als Residenzialbischof nicht befugt, in Verhandlungen mit dem Staat einzutreten, die das Ziel der Errichtung einer Katholisch-Theologischen Fakultät an der Universität in Mainz hatten. Denn die Gründung einer Theologischen Fakultät ist nach c. 1376 § 1 dem Heiligen Stuhl, näherhin der SC Stud., vorbehalten. Es liegt hier eine jener causae maiores vor, hinsichtlich deren die Gewalt untergeordneter Hoheitsträger ausgeschaltet ist128. Der Bischof von Mainz erkannte die Rechtslage in mehreren Schreiben an den Heiligen Stuhl an, so in den Briefen vom 12. Dezember 1945 und vom 10. April 1946. Auch der Heilige Stuhl wies mehrmals eindringlich auf seine alleinige Zuständigkeit hin, wie sich aus den Schreiben vom 8. Mai und 29. Juli 1946 ergibt. Der Bischof konnte deshalb nur mit päpstlicher Ermächtigung129 Verhandlungen zu dem Zweck der Errichtung einer Katholisch-Theologischen Universitätsfakultät, die zwar eine staatliche Einrichtung ist, aber vornehmlich kirchlichen Zwecken dient und in ihrer Funktion wichtigen kirchlichen Mitwirkungsrechten unterliegt, aufnehmen. Seine fehlende Zuständigkeit mußte dieserhalb ergänzt werden. Der Heilige Stuhl ermächtigte den Bischof in Schreiben vom 19. April und 8. Mai 1946 zu Führung und Abschluß der Verhandlungen mit den staatlichen Stellen. In der Ermächtigung zu Verhandlungen mit dem Ziel der Errichtung einer KatholischTheologischen Fakultät an einer staatlichen Universität liegt zugleich der Verzicht auf die Geltendmachung der an sich bestehenden ausschließlichen kirchlichen 127 Scheuner, Die staatskirchenrechtliche Tragweite des niedersächsischen Kirchenvertrages von Kloster Loccum 24. 128 Vgl. c. 220. 129 Ich verstehe unter Ermächtigung eine fähigkeitsverleihende Verfügung im Sinne von K. Kormann, System der rechtsgeschäftlichen Staatsakte. Verwaltungs- und prozeßrechtliche Untersuchungen zum allgemeinen Teil des öffentlichen Rechts (Berlin 1910) 90.

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Hoheit über die Theologischen Fakultäten gegenüber der neu zu errichtenden Fakultät nach Maßgabe der zu treffenden Vereinbarung. Die Vereinbarung wurde jedoch bereits am 15. April 1946, also vor Erteilung und Eingang der Ermächtigung, von dem Mainzer Bischof unterzeichnet. Der Bischof war gezwungen zu handeln, wenn er nicht das ganze Unternehmen der Errichtung einer Katholisch-Theologischen Fakultät an der Mainzer Universität gefährden wollte. Der Mangel der Ermächtigung bei Unterzeichnung der Vereinbarung ist jedoch für die Rechtswirksamkeit derselben unschädlich. Die an sich gegebene Unzuständigkeit des Bischofs wurde durch die verspätet erteilte Ermächtigung geheilt. Die Apostolische Nuntiatur130 wurde von dem Vorgehen des Bischofs laufend unterrichtet. Der Briefwechsel mit dem Heiligen Stuhl lief über sie. Besonders der an der Nuntiatur beschäftigte P. Ivo Zeiger nahm an dem Fortgang der Verhandlungen lebhaften Anteil und stand voll und ganz hinter dem Unternehmen. Die wohlwollende Einstellung der Nuntiatur war für die Aufnahme der bischöflichen Schritte an der Kurie ohne Frage von wesentlicher Bedeutung. (bb) Päpstliche Genehmigung Die päpstliche Ermächtigung zum Eintritt in die Verhandlungen bis zur Unterzeichnung verlieh dem Vertrag, was den kirchlichen Partner angeht, noch keine Rechtswirksamkeit. Dazu bedurfte es noch der Genehmigung131 des unterzeichneten 130 Die aus Berlin zunächst nach Kronberg und später nach Eichstätt verlegte Apostolische Nuntiatur in Deutschland wurde von der Kurie nach wie vor als rechtlich weiter existierend betrachtet. Zwar waren sowohl der Nuntius, Orsenigo, als auch der Geschäftsträger, Colli, verstorben und machten die Verhältnisse die Ernennung eines Nachfolgers unmöglich, da keine Regierung bestand, bei der ein vatikanischer Vertreter hätte beglaubigt werden können. Aber der Heilige Stuhl organisierte, damit die direkten Beziehungen der Kurie zu den deutschen Bischöfen erhalten blieben, die Mission des Bischofs A. Muench, der vorher Militärvikar bei der USA-Armee war. Seit Juli 1946 amtierte er als Apostolischer Visitator, später als Regens der Apostolischen Nuntiatur und schließlich, als die Botschafter fremder Mächte nicht mehr bei den ehemaligen Oberkommissaren auf dem Petersberg, sondern wieder bei dem deutschen Staatsoberhaupt akkreditiert wurden, seit März 1951 als Nuntius. Vgl. dafür Herder-Korrespondenz 1 (1946/1947) 395 f., 5 (1950/1951) 19, 6 (1951/1952) 562 sowie W. Haugg, Staat und Kirche in Nordrhein-Westfalen (Berlin-Neuwied-Darmstadt 1960) VI. Die von dem Mainzer Bischof hervorgehobene und auch von dem Heiligen Stuhl anerkannte Notwendigkeit, nach dem Tode Orsenigos einen neuen Gesandten des Heiligen Stuhles in Deutschland zu haben, wurde durch die langwierigen Verhandlungen mit den Besatzungsmächten, um die erforderliche Erlaubnis zu erhalten, vereitelt, wie das Päpstliche Staatssekretariat in seinem Schreiben vom 8. Mai 1946 an den Bischof von Mainz erwähnte. 131 Zu der Genehmigung vgl. Kormann, System der rechtsgeschäftlichen Staatsakte 88 f.; Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts I 193, 218, 247. Im vorliegenden Fall meinte der Heilige Stuhl mit dem Wort „approbatio“ die (nachträgliche) Genehmigung. Dafür spricht der Wortlaut des Schreibens des Päpstlichen Staatssekretariats vom 29. Juli 1946, wo von „definitiva adprobatio“ die Rede ist, sowie die Bemerkung in den Schreiben vom 8. Mai und 29. Juli 1946, wonach damit gerechnet wird, daß der Bischof den Vertrag bereits unterschrieben habe, was voraussetzt, daß der unterzeichnete Vertrag dem Heiligen Stuhl zur Gutheißung vorzulegen ist.

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Vertrages durch den Papst, die sich auf die Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit der bischöflichen Willenserklärung erstreckt. Sie wurde erst erteilt, nachdem der Vertrag durch die Ergänzungsvereinbarung vom 5. Oktober 1946 gewisse Änderungen erfahren hatte. Die Gewährung der Approbation durch den Heiligen Vater, die dem Bischof von Mainz in dem Schreiben des Päpstlichen Staatssekretariates vom 5. Dezember 1946 kundgemacht wurde, verlieh dem Vertrag von kirchlicher Seite die Rechtswirksamkeit. Sie hatte konstitutive Bedeutung und war nicht nur innerdienstlich, sondern dank des in c. 1376 § 1 ausgesprochenen Vorbehaltes auch nach außen für die Erlangung der Rechtswirksamkeit unentbehrlich. Sie läßt sich in ihrer Bedeutung mit der Ratifikation völkerrechtlicher Verträge132 vergleichen. b) Der Oberregierungspräsident von Hessen-Pfalz Auf der staatlichen Seite wurde die Vereinbarung von dem Oberregierungspräsidenten von Hessen-Pfalz abgeschlossen. Der in der Präambel der Vereinbarung neben diesem genannte Rektor der Mainzer Universität war entgegen dem Wortlaut nicht vertragschließende Partei, sondern hat nur als Sachverständiger zu gelten, der von der staatlichen Seite beigezogen wurde. Dementsprechend wurde die Vereinbarung nur von dem Oberregierungspräsidenten, nicht auch vom Rektor unterzeichnet. (1) Zuständigkeit Die bedingungslose Kapitulation der deutschen Wehrmacht am 8. Mai 1945 war ein rein militärischer Akt. Eine Übertragung politischer Machtbefugnisse oder gar der deutschen Staatsgewalt und Souveränität auf die Alliierten fand dadurch nicht statt133. Der Zusammenbruch hat nicht den deutschen Staat, sondern nur seine Verfassung im wesentlichen vernichtet134. Die technisch-neutralen Bestandteile der Verfassung und das deutsche Recht im ganzen blieben in Geltung135. Die weiterbestehende deutsche Staatsgewalt hatte zunächst keinen deutschen Träger mehr. Sie war nicht der Substanz, aber der Ausübung nach auf die Besatzungsmächte übergegangen. Deutschland entbehrte seit 1945 im innerstaatlichen ebenso wie im zwischenstaatlichen Leben der rechtlichen Handlungsfähigkeit136. Es lag eine völkerrechtliche Sequestration der deutschen Staatsgewalt durch fremde Mächte vor137. Die Besatzungsmächte übten sowohl die militärische Besatzungshoheit als 132

Dafür Liszt, Das Völkerrecht 252 – 254. Grewe, Ein Besatzungsstatut für Deutschland 21. 134 Grewe, Ein Besatzungsstatut für Deutschland 75; Kaufmann, Deutschlands Rechtslage unter der Besatzung 9. 135 Grewe, Ein Besatzungsstatut für Deutschland 76 f. 136 Grewe, Ein Besatzungsstatut für Deutschland 78. 137 Grewe, Ein Besatzungsstatut für Deutschland 80 – 82, 142 ff. 133

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auch die deutsche Staatshoheit aus138. Ihre Rechtsstellung als Träger der deutschen Staatsgewalt war die der Treuhänderschaft139. Die Befehlshaber der Besatzungszonen waren befugt, zonales und territoriales Recht zu setzen, soweit nicht durch bestehendes Reichsrecht oder durch von dem Kontrollrat neugeschaffenes gesamtdeutsches Recht die Zuständigkeit der Länder für diese Materie nachträglich ausgeschlossen war140. Allmählich entstanden, im Aufbau von unten, wieder deutsche Behörden und Ämter, denen in steigendem Maße die Befugnisse auf den Gebieten der Gesetzgebung, der Rechtsprechung und der Verwaltung übertragen wurden. In den in der französischen Besatzungszone, zu der Mainz seit dem 10. Juli 1945 zählte, gebildeten Verwaltungseinheiten übten eingesetzte deutsche Verwaltungen unter der Kontrolle der französischen Militärregierung im Rahmen der ihnen zugestandenen begrenzten Befugnisse Funktionen der Staatsgewalt aus141. Dazu gehörte auch die Rechtssetzungsbefugnis142. Die Besatzungsmächte wirkten jedoch durch ein System von Genehmigungen und Einspruchsrechten in den deutschen Bereich hinein143. Der Oberregierungspräsident von Hessen-Pfalz144 hatte bis zum 15. Oktober 1946 die Befugnis zum Erlaß von Rechtsvorschriften mit Gesetzeskraft145. Ihm 138

Grewe, Ein Besatzungsstatut für Deutschland 82 f. Grewe, Ein Besatzungsstatut für Deutschland 87; Kaufmann, Deutschlands Rechtslage unter der Besatzung 19, 27 f.; Sauser-Hall, L‘occupation de l‘Allemagne par les Puissances Alliées 36 ff. 140 Grewe, Ein Besatzungsstatut für Deutschland 94 f. Letzteres ist bestritten. Vgl. A. Süsterhenn und H. Schäfer, Kommentar der Verfassung für Rheinland-Pfalz mit Berücksichtigung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (Koblenz 1950) 12 f.; Virally, Die internationale Verwaltung Deutschlands vom 8. Mai 1945 bis 24. April 1947 S. 108, 125. S. aber auch Grewes Ausführungen S. 104 ff. über das Notgesetzgebungsrecht der Länder. 141 J. Umminger in StL II, 6. Auflage (1958) 709. 142 Virally, Die internationale Verwaltung Deutschlands vom 8. Mai 1945 bis 24. April 1947 S. 125. 143 G. Edelmann, Der Einfluß des Besatzungsrechts auf das deutsche Staatsrecht der Übergangszeit (1945 – 1949), Jur. Diss. Frankfurt/M. (o. 0. 1955) 51 f. 144 Er wurde bereits im Mai 1945 durch die damals dort anwesende amerikanische Militärregierung eingesetzt. Die amerikanische Militärregierung bildete am 10. Mai 1945 aus dem Saargebiet, der Pfalz und dem Regierungsbezirk Rheinhessen das Oberpräsidium SaarlandPfalz-Südhessen. Durch Erlaß der französischen Militärregierung vom 25. Juli 1945 wurde das Saarland aus dem Gebiet Mittelrhein-Saar herausgelöst und verwaltungsmäßig verselbständigt. Auch die Regierungsbezirke Koblenz und Trier schieden aus dem Verband des Oberpräsidiums Mittelrhein-Saar aus und wurden selbständige deutsche Verwaltungseinheiten. Das bisherige Oberregierungspräsidium Mittelrhein-Saar führte ab 31. Juli 1945 die Bezeichnung Pfalz-Hessen, die ab 29. August 1945 in Hessen-Pfalz umgeändert wurde. Am 3. Januar 1946 wurden die Regierungsbezirke Trier, Koblenz sowie die gleichfalls zu der französischen Besatzungszone gehörenden nassauischen Kreise Ober- und Unterwesterwald, Unterlahn und St. Goarshausen als Regierungsbezirk Montabaur zum Oberpräsidium Rheinland-Hessen-Nassau vereinigt. Durch die Verordnung Nr. 57 des französischen Oberkommandierenden vom 30. August 1946 wurde aus Hessen-Pfalz und Rheinland-Hessen-Nassau das Land Rheinland-Pfalz mit der Hauptstadt Mainz gebildet. Vgl. dafür A. Süsterhenn in StL 139

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waren nach Auffassung der französischen Besatzungsmacht für das ihm unterstellte Gebiet die Befugnisse der früheren Reichsregierung und der obersten Reichsbehörden übertragen und sogenannte Präsidialdirektoren für die Leitung der einzelnen Ressorts beigegeben worden146. In der Herrschaftsgewalt des Oberregierungspräsidenten wurde freigegebene deutsche Staatsgewalt – auf der Ebene des Staatsrechts – ausgeübt147. Kraft dieser Rechtssetzungsbefugnis schloß der Oberregierungspräsident die Vereinbarung mit dem Bischof von Mainz. Denn das Recht zum Abschluß von öffentlichrechtlichen Verträgen einer Koordinationsrechtsordnung zwischen Staat und Kirche steht mit der Kompetenz zur Regelung einer Materie im Zusammenhang; derjenige Verband, der die Kompetenz zur Gesetzgebung hat, hat auch das Recht zum Abschluß von Verträgen über die Gegenstände seiner Gesetzgebung, wenn nicht die Verfassung eine abweichende Bestimmung enthält148. (2) Genehmigung der Besatzungsmacht Der Oberregierungspräsident hatte für die Vereinbarung die Genehmigung der französischen Besatzungsmacht einzuholen. Denn abgesehen von ihrem selbständigen Verordnungsrecht auf allen Gebieten des Lebens hatten die Besatzungsmächte das Recht, die deutschen Gesetze jeden Inhaltes zu genehmigen149. Dabei wurde nicht selten auch Einfluß auf ihren Inhalt genommen150. Die besatzungsrechtliche Zustimmung hatte jedoch nur Bedeutung für das Verhältnis der Besatzung zu den deutschen Gesetzgebungsorganen, nicht für die Beziehung zwischen diesen und der deutschen Bevölkerung. Das Genehmigungsverfahren war ein Akt nicht der rechtlichen, sondern der politischen Normenkontrolle. Eine Publikation der Genehmigung war nicht erforderlich151.

VI, 6. Auflage (1961) 904 f. und Süsterhenn/Schäfer, Kommentar der Verfassung für Rheinland-Pfalz 13. 145 Süsterhenn/Schäfer, Kommentar der Verfassung für Rheinland-Pfalz 480. 146 Süsterhenn/Schäfer, Kommentar der Verfassung für Rheinland-Pfalz 13. 147 F. A. von der Heydte in StL II, 6. Auflage (1958) 700 f. 148 Huber, Verträge zwischen Staat und Kirche im Deutschen Reich 90. Ähnlich Schneider, Staatsverträge und Verwaltungsabkommen zwischen deutschen Bundesländern 646 und Jedlicka, Der öffentlich-rechtliche Vertrag im Verwaltungsrecht 39. 149 Kaufmann, Deutschlands Rechtslage unter der Besatzung 81. 150 Virally, Die internationale Verwaltung Deutschlands vom 8. Mai 1945 bis 24. April 1947 S. 125. 151 Edelmann, Der Einfluß des Besatzungsrechts auf das deutsche Staatsrecht der Übergangszeit 54.

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4. Gegenstand Der Gegenstand öffentlichrechtlicher Verträge ist regelmäßig eine Aufgabe der öffentlichen Verwaltung. Die Parteien verpflichten sich im allgemeinen zu gegenseitigen Leistungen, wenn auch die Vereinbarung einer rein einseitigen Leistung begrifflich möglich ist152. Der Inhalt der Verträge des Staates mit der Kirche sind grundsätzlich geistliche und gemischte Angelegenheiten. Es sollen die beiderseitigen Zuständigkeiten abgegrenzt und Fragen des gemeinsamen Gebiets geregelt werden153. Das Lehramt der katholischen Theologie, das von einer Theologischen Fakultät wahrgenommen wird, ist an sich eine geistliche Sache154. Dafür ist die Kirche allein zuständig155. Jedoch hat der Staat, der den Trennungsgedanken grundsätzlich überwunden hat, wie es in Deutschland der Fall ist156 ein Interesse sowohl an der Pflege der theologischen Lehre an sich als auch an der wissenschaftlichen Ausbildung der künftigen Geistlichen. Es liegt ihm daran, daß die theologische Forschung und Lehre sowie die wissenschaftliche Unterweisung der Theologiestudierenden in dem Rahmen seiner Bildungseinrichtungen betrieben werden. Da der Staat auf diesem Gebiet absolut unzuständig ist, kann er ohne irgendwie geartete kirchliche Mitwirkung nicht zu dem gewünschten Ziel gelangen. Gegenüber der Kirche kann der Staat nicht alles, was er will. Er kann ihr gegenüber auf dem Gebiet der eigenen kirchlichen Angelegenheiten nicht einseitig befehlend auftreten. Jedoch sind an sich mehrere Weisen kirchlicher Mitwirkung bei der Gründung einer Theologischen Fakultät an einer staatlichen Universität denkbar. Die Mitwirkung der Kirche hätte, durch einfache Zustimmung zu der staatlichen Errichtung der Fakultät durch Gesetz geschehen können. Ob der Heilige Stuhl mit dieser Lösung einverstanden gewesen wäre, ist zu bezweifeln. Es entspricht dem heutigen Verständnis der Kirche, daß der Staat den Weg des Vertrages beschritt157. Dieser Vertrag ist ein System gegenseitiger staatlicher und kirchlicher Leistungen und Zugeständnisse. Der Staat errichtete an seiner Universität eine Katholisch152

Apelt, Der verwaltungsrechtliche Vertrag 24 – 26. Vgl. U. Scheuner in StL III, 6. Auflage (1959) 173; W. Weber in RGG III, 3. Auflage (1959) 1552. 154 Zu diesem Begriff vgl. c. 726. 155 Cc. 1322, 1327, 1352, 1376. 156 Für die neue Lage nach 1945 vgl. etwa R. Smend, Der Niedersächsische Kirchenvertrag und das heutige deutsche Staatskirchenrecht: Juristenzeitung 11 (1956) 50 – 53; Die Gegenwartslage des Staatskirchenrechts, Berichte von Ulrich Scheuner/Adolf Schüle/Werner Weber und Hans Peters, Verhandlungen der Tagung der deutschen Staatsrechtslehrer zu Marburg am 16. und 17. Oktober 1952: Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Heft 11 (Berlin 1954) 153 – 260. 157 Vgl. die bedeutsamen Ausführungen von K. Müller, Der Loccumer evangelische Kirchenvertrag als Spiegel der staatskirchenrechtlichen Lage in der Bundesrepublik: Die öffentliche Verwaltung 14 (1955) 423, 425. 153

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Theologische Fakultät und ermöglichte dadurch die Pflege und Förderung der theologischen Wissenschaft und die Ausbildung vor allem der Priester und Religionslehrer im Bistum Mainz im Rahmen einer Universität und mit staatlichen Mitteln. Er räumte dem Bischof weitgehende Mitwirkungsrechte bei der Ernennung der Professoren und Dozenten der Katholisch-Theologischen Fakultät und, in geringerem Umfang, bei der Besetzung zweier Professuren der Philosophischen Fakultät ein. Er erklärte sich mit der Genehmigung des theologischen Studienplanes durch den Bischof und mit der Abnahme der theologischen Abschlußprüfung durch eine bischöfliche Kommission einverstanden. Die Kirche gestattete die Ausübung der theologischen Forschung und Lehre durch Priester, die in den Staatsdienst treten, und die wissenschaftliche Ausbildung ihres geistlichen Nachwuchses an einer staatlichen Anstalt. Der Bischof von Mainz verzichtete auf die Ausübung des ihm an sich zustehenden, durch Gesetz anerkannten Rechtes, eine Philosophisch-Theologische Lehranstalt zur wissenschaftlichen Ausbildung seiner Theologiestudierenden zu unterhalten, solange die Universität bzw. ihre Katholisch-Theologische Fakultät in der Lage sein würde, diese Aufgabe zu leisten. Damit verbunden ist der Verzicht auf das Recht zur Bestimmung der Professoren; ihm blieb nur ein begrenztes Ablehnungs- und Beanstandungsrecht der von der Fakultät ausgewählten und von dem Kultusminister berufenen theologischen Lehrer. 5. Form Für die Eingehung öffentlichrechtlicher Verträge ist eine bestimmte Form nicht allgemein vorgeschrieben158. Die schriftlich eingegangene Vereinbarung ist daher ohne Zweifel wirksam159. Die Vereinbarung zwischen dem Bischof von Mainz und dem Oberregierungspräsidenten von Hessen-Pfalz wurde schriftlich getroffen. Hinsichtlich der Unterzeichnung ist zwischen der Hauptvereinbarung und der Ergänzungsvereinbarung ein Unterschied. Die Hauptvereinbarung wurde durch den Oberregierungspräsidenten unterzeichnet, der den Bischof um Einverständniserklärung bat. Der Bischof erklärte zwei Tage nach der Unterzeichnung durch den Oberregierungspräsidenten in einem getrennten Schreiben sein Einverständnis. Die Ergänzungsvereinbarung dagegen wurde von beiden Kontrahenten zur gleichen Zeit und am gleichen Ort unterzeichnet. Dazu trat die Erklärung der Genehmigung durch die französische Besatzungsmacht.

158 Ruppert, Der öffentlich-rechtliche Vertrag im Verwaltungsrecht 14. Steffen, Der öffentlichrechtliche Vertrag im heutigen Recht 53, hält selbst stillschweigende Willenserklärungen im öffentlichen Recht für nicht ausgeschlossen. Anders Apelt, Der verwaltungsrechtliche Vertrag 33; Jedlicka, Der öffentlich-rechtliche Vertrag im Verwaltungsrecht 114. 159 Vgl. Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts I 256.

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6. Veröffentlichung Die Veröffentlichung kann nicht als zwingendes Erfordernis eines öffentlichrechtlichen Vertrages angesehen werden. Zahlreiche öffentlichrechtliche Verträge wurden und werden nicht veröffentlicht160. Auch die Mainzer Vereinbarung wurde nicht veröffentlicht, weder in den „Amtlichen Mitteilungen des Oberregierungspräsidiums Hessen-Pfalz“ noch in dem „Journal Officiel“. Unerläßlich ist nur die Bekanntmachung an die Stellen, die von den Bestimmungen des Vertrages betroffen und mit seiner Durchführung befaßt sind. Diesem Erfordernis geschah bei der Vereinbarung insofern Genüge, als der Vertrag in Anwesenheit des Rektors der Universität geschlossen und auf kirchlicher Seite den Beteiligten, wie dem Regens des Priesterseminars, zur Kenntnis gebracht wurde. 7. Wirkungen a) Vertragswirkung Der öffentlichrechtliche Vertrag schafft zwischen den Parteien ein Rechtsverhältnis. Die in dem öffentlichrechtlichen Vertrag zum Ausdruck kommende gegenseitige übereinstimmende Willenserklärung der Parteien bedeutet eine Willensbildung, welche die Beteiligten an dem Vertragsinhalt festhält und über die sie sich nicht hinwegsetzen können. Die Vertragsparteien haben einen Anspruch gegeneinander auf Innehaltung der eingegangenen Verpflichtung und Erfüllung der zugesagten Leistung161. Somit begründet die Vereinbarung zwischen dem Bischof von Mainz und dem Oberregierungspräsidenten von Hessen-Pfalz für beide Vertragschließenden subjektive Rechte und Pflichten. Der Vertrag ist nach Treu und Glauben zu erfüllen162. Die Erfüllung der Verpflichtungen kann von der Gegenpartei jedoch nur Zug um Zug gegen Erfüllung der eigenen Verpflichtungen gefordert werden163.

160 Schneider, Staatsverträge und Verwaltungsabkommen zwischen deutschen Bundesländern 644 f. mit Anmerkungen. Dort wird bemerkt, daß lediglich ein kleiner Teil der Vereinbarungen in allgemein zugänglichen Verkündungsblättern veröffentlicht worden ist und daß der Mangel der Veröffentlichung dazu geführt hat, daß die Länderregierungen selbst über den Bestand an vertraglichen Abmachungen nicht genau im Bilde zu sein scheinen. Daten der Verträge und Ort der erfolgten Veröffentlichung fehlen vielfach. Für das Völkerrecht vgl. Liszt, Das Völkerrecht 256. 161 Apelt, Der verwaltungsrechtliche Vertrag 206 f.; Jedlicka, Der öffentlich-rechtliche Vertrag im Verwaltungsrecht 115 f. 162 Steffen, Der öffentlichrechtliche Vertrag im heutigen Recht 54; Friedrich, Der evangelische Kirchenvertrag mit dem Freistaat Baden 62. 163 L. Bittner in StL V, 5. Auflage (1932) 10.

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b) Transformation Der Abschluß eines Vertrages ist nicht Gesetzgebung, keine Normsetzung für die Untergebenen der Vertragschließenden, sondern Begründung subjektiver Rechte und Pflichten zwischen den zwei Rechtsverbänden, die unabhängig nebeneinander stehen; er bringt nur eine Bindung zwischen den Vertragsparteien, nicht für deren Untergebene mit sich. Er gibt aber jeder Partei das Recht, von der anderen zu verlangen, daß sich ihre Organe und Untertanen so verhalten, wie es dem Vertrag entspricht164. Durch den Vertrag soll also nicht nur Recht zwischen den Parteien, sondern objektives Recht geschaffen werden, soweit der Inhalt des Vertrages geeignet ist, Rechtsnorm zu werden165. Es ist deshalb regelmäßig, d. h. soweit der Inhalt des Vertrages normativen Charakter erhalten kann und soll, die Umwandlung oder Transformation der Vertragsbestimmungen in kirchliche bzw. staatliche Normen, namentlich Gesetze, erforderlich. Nur so ist die Realisierung des Vertrages möglich166 Hier können die für völkerrechtliche Verträge geltenden Bestimmungen in analoger Weise angewendet werden. Soweit ein völkerrechtlicher Vertrag des innerstaatlichen Vollzuges in der Weise bedarf, daß Verwaltungsanordnungen ergehen, die das Vertragsrecht in objektive verwaltungsrechtliche Vorschriften umwandeln, genügt die Kundmachung des Vertrages an die Staatsorgane und Untertanen, die es angeht. Die Kundmachung erzeugt die Bindung dieser Organe und Untertanen167. Soweit ein völkerrechtlicher Vertrag des innerstaatlichen Vollzuges durch den Erlaß von Gesetzen bedarf, ist – außer der für die Ratifikation des Vertrages unerläßlichen Zustimmung des Parlaments – der Erlaß eines Gesetzes durch das gesetzgebende Organ erforderlich168. Zustimmung zu dem Vertrag und Umformung in objektives Recht werden vielfach nicht nur in einem Akt verbunden, sondern auch in einer Erklärung umschlossen, nämlich in der Erklärung, daß der Vertrag als Staatsvertrag bestätigt wird169. Dieses Verfahren wird auch bei Verträgen zwischen Staat und Kirche über Gegenstände der Gesetzgebung angewandt170 Die gleichen Grundsätze wie im Völkerrecht gelten für Verträge zwischen Staat und Kirche171. Sie bedürfen grundsätzlich zum innerstaatlichen und innerkirchli164 Huber, Verträge zwischen Staat und Kirche im Deutschen Reich 96; L. Bittner in StL V, 5. Auflage (1932) 10. 165 Vgl. Friedrich, Der evangelische Kirchenvertrag mit dem Freistaat Baden 68. 166 Huber, Verträge zwischen Staat und Kirche im Deutschen Reich 101. 167 Huber, Verträge zwischen Staat und Kirche im Deutschen Reich 102. 168 Huber, Verträge zwischen Staat und Kirche im Deutschen Reich 103 f.; C. Schmitt, Ratifikation völkerrechtlicher Verträge und innerstaatliche Auswirkungen der Wahrnehmung auswärtiger Gewalt (1929), in: Verfassungsrechtliche Aufsätze aus den Jahren 1924 – 1954 (Berlin 1958) 126. 169 Huber, Verträge zwischen Staat und Kirche im Deutschen Reich 104. 170 Huber, Verträge zwischen Staat und Kirche im Deutschen Reich 105. 171 Huber, Verträge zwischen Staat und Kirche im Deutschen Reich 108

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chen Vollzug der Umformung in objektives Recht durch Gesetz oder durch Verwaltungsanordnung. Ob ein Gegenstand im Wege der Gesetzgebung oder der Verwaltung zu regeln ist, ergibt sich aus der Verfassung des Verbandes172. Die Mainzer Vereinbarung betrifft auf staatlicher Seite Gegenstände der Gesetzgebung und der Verwaltung. Für die Errichtung einer Universität ist in dem gemeinrechtlichen Rechtsgebiet, wozu die ehemals nichtpreußischen Teile des jetzigen Landes Rheinland-Pfalz gehören, grundsätzlich die staatliche Exekutive zuständig173. Das gleiche gilt für die Errichtung einer Fakultät. Indes lassen sich neuerdings auch Fälle nachweisen, in denen sowohl die Errichtung einer Hochschule wie einer Fakultät durch Gesetz erfolgte174. Die Zusicherung des Bestandes des Priesterseminars erfolgt herkömmlicherweise durch Gesetz175. Die Vorschriften über die unter kirchlicher Mitwirkung sich vollziehende Ernennung, Zulassung und Abberufung der Dozenten an den Theologischen Fakultäten und über die Erteilung des Hochschulunterrichts stellen materiellgesetzliche Vorschriften dar und werden durch Gesetz geregelt176. Die Berücksichtigung kirchlicher Bedenken bei der Ernennung von Professoren der Philosophischen Fakultät ist auf dem Verwaltungswege zu ordnen177. Die Umformung des Vertragsrechtes in objektives Recht vollzog sich bei der Vereinbarung zwischen dem Bischof von Mainz und dem Oberregierungspräsidenten von Hessen-Pfalz nicht sofort und uno actu, sondern nacheinander und auf verschiedene Weise. Die Errichtung der Katholisch-Theologischen Fakultät an der Mainzer Universität geschah durch Anordnung der französischen Militärregierung178. Die Übernahme von fünf Professoren der Philosophisch-Theologischen Lehranstalt des Mainzer Bischofs an diese Fakultär erfolgte durch Verwaltungsanordnung bzw. beamtenrechtliche Anstellung. Die Beachtung der kirchlichen Mitwirkungsrechte bei der Berufung weiterer Professoren wurde durch die Mitteilung der Vereinbarung an den Rektor der Universität sichergestellt. Der Staat ist verpflichtet, die Universität zu veranlassen, ihre Satzung für die durch die Vereinbarung geschaffenen Bestimmungen offen zu halten, und die Satzung nur zu genehmigen, wenn sie im Einklang mit diesen Vorschriften steht. Dieser Pflicht wird im allgemeinen durch die Be172

Huber, Verträge zwischen Staat und Kirche im Deutschen Reich 108. W. Thieme, Deutsches Hochschulrecht (Berlin-Köln 1956) 115 f. 174 Vgl. Thieme, Deutsches Hochschulrecht 116, 187. 175 Für Hessen vgl. Gesetz, die Vorbildung und Anstellung der Geistlichen betreffend, vom 5. Juli 1887, besonders Art. 6 (Reidel, Die katholische Kirche im Großherzogtum Hessen 220). S. auch Art. IX S. 3 BadK, Art. 20 Abs. 2 RK. 176 Art. 3 BayK, Art. 12 PrK, Art. X BadK, Art. 19 RK, Art. 4 § 1 BayK, Art. IX BadK; Huber, Verträge zwischen Staat und Kirche im Deutschen Reich 115 f. 177 Huber, Verträge zwischen Staat und Kirche im Deutschen Reich 114. 178 Verfügung Nr. 44 vom 27. Februar 1946 des Administrateur Général betreffend Wiedereröffnung der Universität Mainz: Journal Officiel 1 (1946) 136. Der Administrateur Général war nur zum Erlaß von Verfügungen und Anweisungen befugt. Gesetzgebende Gewalt hatte allein der Oberbefehlshaber (Virally, Die internationale Verwaltung Deutschlands vom 8. Mai 1945 bis 24. April 1947 S. 57). 173

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kanntgabe der Vereinbarung an den Rektor genügt werden. Der Bestand der Katholisch-Theologischen Fakultät in ihrer besonderen Eigenart sowie des Priesterseminars als kirchlicher Anstalt wurde durch Art. 39 Abs. 1 S. 3 und Art. 42 der Verfassung von Rheinland-Pfalz vom 18. Mai 1947 (VOB1. S. 209) garantiert. Wenn die Transformation von Vorschriften, die an sich generelle Regelungen für unbestimmt viele Fälle darstellen und darum Gegenstände der materiellen Gesetzgebung sind, nicht durchweg auf dem Wege der Gesetzgebung erfolgte, so ist dieser Mangel kein Hindernis für ihre Wirksamkeit. Denn die durch Gewohnheitsrecht geschehende Umwandlung steht der durch Gesetzgebung gleich179. Auf der kirchlichen Seite, wo der Unterschied zwischen Gesetz und Verwaltungsanordnung nicht in gleicher Weise ausgebildet ist wie im staatlichen Bereich, erfolgte die Umwandlung der die Pflichten der Kirche, ihrer Organe und Angehörigen betreffenden Teile der Vereinbarung in kirchliches Recht spätestens durch Art. 35 und 36 der Diözesanstatuten des Bistums Mainz vom Jahre 1957180. Da die Umformung sich naturgemäß nur auf die Teile des Vertrages erstreckt, die Pflichten der Kirche beinhalten181, ergibt sich, daß die Darlegung fast des gesamten Vertrages in den Diözesanstatuten streckenweise nur den Charakter eines Referates hat. Denn die Kirche kann nicht in dem System des staatlichen Rechtes verbindliche Normen schaffen182. Dank der Transformation setzt die Vereinbarung für die Diözese Mainz staatliches und partikuläres kirchliches Recht. c) Auslegung Für die Auslegung der Mainzer Vereinbarung ist wie bei Staatsverträgen der Wortlaut maßgebend. Bei der Erklärung eines unklaren Wortlautes ist der aus dem Geist und Zweck der Vertragsbestimmung und aus der Berücksichtigung des Vertragsganzen hergeleiteten Auslegung der Vorrang vor der buchstäblichen Auslegung zu geben183. Im Rückgang auf Veranlassung und Entstehung einer Vorschrift ist der Wille beider Parteien zu erforschen184. Eine authentische Auslegung kann nur durch ein neues Abkommen der Vertragsparteien erfolgen185. Eine einseitige Auslegung, die nicht die Zustimmung der anderen Vertragspartei findet, ist nicht verbindlich.

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Huber, Verträge zwischen Staat und Kirche im Deutschen Reich 109. Diözesanstatuten des Bistums Mainz (Mainz 1957) 20 f. 181 Huber, Verträge zwischen Staat und Kirche im Deutschen Reich 112. 182 Huber, Verträge zwischen Staat und Kirche im Deutschen Reich 113. 183 L. Bittner in StL V, 5. Auflage (1932) 10. 184 Steffen, Der öffentlichrechtliche Vertrag im heutigen Recht 1. 185 L. Bittner in StL V, 5. Auflage (1932) 11. 180

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d) Lösung von Streitigkeiten Da Kirche und Staat oberste Verbände und einem Dritten nicht unterworfen sind, der für die Erfüllung der Vertragspflichten zu sorgen und Streitigkeiten zu schlichten oder zu entscheiden vermöchte, gibt es keinen rechtlich übergeordneten Hüter und Wahrer der Verträge zwischen Staat und Kirche186. Insofern der Bestand der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität durch Art. 39 Abs. 1 S. 3 und das Recht der Kirche zur Errichtung und Unterhaltung von Priesterseminaren durch Art. 42 der Landesverfassung von Rheinland-Pfalz garantiert sind, können Eingriffe in diese Verfassungsgarantien in einer Verfassungsstreitigkeit geltend gemacht werden. Art. 130 Abs. 1 der Landesverfassung gesteht auch jeder Körperschaft des öffentlichen Rechts, die sich in ihren Rechten beeinträchtigt glaubt, die Befugnis zu, eine Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes darüber zu beantragen, ob ein Gesetz, eine Gesetzesvorlage oder die Handlung eines Staatsorgans verfassungswidrig ist. Auf diese Weise ist ein Verfassungsstreit zwar nicht über den Vertragsinhalt als solchen, aber über den Verfassungsinhalt, der sich dieserhalb materiell mit dem des Vertrages deckt, zulässig. Vor den übrigen Gerichten können nicht Rechte aus der Vereinbarung selbst, wohl aber aus den durchführenden Normen geltend gemacht werden. Insofern ist es richtig, daß Verträge zwischen Staat und Kirche ihre rechtliche Garantie allein in sich selbst tragen187. 8. Rechtsbeständigkeit Staat und Kirche sind verpflichtet, die der Vereinbarung entsprechenden Vorschriften aufrechtzuerhalten und entgegenstehende Bestimmungen nicht zu erlassen, solange der Vertrag gilt188. a) Abänderung Eine Abänderung des Vertrages kann nur durch eine neue Vereinbarung der beiden Partner erfolgen. Dafür ist auf der staatlichen Seite seit der Einsetzung einer Landesregierung in Rheinland-Pfalz und der Wiederherstellung des parlamentarischen Systems regelmäßig das Zusammenwirken von Regierung und Parlament erforderlich189. Auf der kirchlichen Seite bedarf jede Änderung der vom Heiligen Stuhl in spezieller Weise genehmigten Vereinbarung der ausdrücklichen Zustimmung der Kurie, wie der Bischof von Mainz richtig in Ziffer 1 seines Schreibens 186

Huber, Verträge zwischen Staat und Kirche im Deutschen Reich 84. Huber, Verträge zwischen Staat und Kirche im Deutschen Reich 85. 188 Friedrich, Der evangelische Kirchenvertrag mit dem Freistaat Baden 68. 189 S. unten. Vgl. W. Weber, Rechtsfragen der kirchlichen Hochschulen: ZevKR 1 (1951) 355: „Die Regierung allein oder gar ein einzelner Ressortminister sind nicht legitimiert, mit der Kirche eine Vertragsänderung zu vereinbaren, und zwar weder durch ausdrückliche Absprache noch durch konkludentes Handeln oder stillschweigendes Tolerieren.“ 187

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vom 11. Januar 1955 an den Kultusminister des Landes Rheinland-Pfalz ausführte. Die seinerzeit von der Fakultät beantragte Umwandlung des Lehrstuhles für Christliche Archäologie und Kunstgeschichte in ein Ordinariat für Dogmatik unter besonderer Berücksichtigung der (philosophischen) Propädeutik erfolgte denn auch erst dann, als die SC Stud. unter dem 19. November 1955 ihre Zustimmung gegeben hatte. Eine Einschaltung des Parlaments war in diesem Falle nicht erforderlich, weil sich an der Zahl der Planstellen der Fakultät nichts änderte und das Budgetrecht des Landtages nicht berührt wurde. Ändert der Staat oder die Kirche die der Durchführung des Vertrages dienenden Vorschriften ab oder hebt sie auf, so liegt ein Vertragsbruch vor190 Das ergehende Staats- oder Kirchengesetz wäre jedoch gültig191. b) Kündigung Die Willensmeinung der Kontrahenten eines öffentlichrechtlichen Vertrages geht dahin, daß der Vertrag unkündbar sei192. Die Mainzer Vereinbarung ist demgemäß auf unbestimmte Dauer geschlossen. Eine Kündigung ist nicht vorgesehen. c) Auflösende Bedingung Auch im öffentlichen Recht gibt es gegenseitige Rechtsgeschäfte, die unter einer (aufschiebenden oder) auflösenden Bedingung geschlossen werden193. Das Wesen der auflösenden Bedingung besteht darin, daß das Rechtsverhältnis, das bis dahin wirksam bestanden hat, mit dem Eintritt des ausgemachten Umstandes zu existieren aufhört, ohne daß die Auflösung zurückbezogen würde194. Die auflösende Bedingung bringt eine gewisse Unsicherheit in das Rechtsgeschäft hinein. Während des Schwebezustandes bleibt es ungewiß, ob die eingetretenen Rechtswirkungen von Dauer sein werden195. Ihr Zweck ist, einen oder beide Vertragspartner vor einem befürchteten oder möglichen schädigenden Ereignis zu schützen. Der in der Vereinbarung von dem Mainzer Bischof ausgesprochene Verzicht auf eine eigene Philosophisch-Theologische Lehranstalt und die dadurch bedingte 190 Friedrich, Der evangelische Kirchenvertrag mit dem Freistaat Baden 68. Die Ansicht von Vromant/Bongaerts, Ius Missionariorum I 106, daß die von den Bischöfen abgeschlossenen Verträge immer den allgemeinen Bestimmungen des kanonischen Rechts unterworfen bleiben und daß der Papst sie durch den Erlaß eines entgegengesetzten Gesetzes ohne Vertragsbruch unwirksam machen könne, trifft nur für solche Vereinbarungen zu, die nicht von dem Papst bestätigt sind. Die spezielle päpstliche Bestätigung enthält die Anerkennung des Vertragscharakters, der eine einseitige Änderung ohne Vertragsverletzung nicht zuläßt. 191 Friedrich, Der evangelische Kirchenvertrag mit dem Freistaat Baden 68. 192 Vgl. Apelt, Der verwaltungsrechtliche Vertrag 204. 193 Kormann, System der rechtsgeschäftlichen Staatsakte 146. 194 Apelt, Der verwaltungsrechtliche Vertrag 196 – 198. 195 Apelt, Der verwaltungsrechtliche Vertrag 199.

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Übertragung der wissenschaftlichen Ausbildung der Mainzer Theologiestudierenden an die Universität sind mit einer auflösenden Bedingung verbunden. Die Bedingung ist der Bestand der Mainzer Universität samt der Katholisch-Theologischen Fakultät. Sollte sich daran etwas Grundlegendes ändern, also entweder die Universität oder die Katholisch-Theologische Fakultät an der Universität aus irgendeinem Grunde geschlossen werden, so tritt der alte, d. h. vor dem Abschluß der Vereinbarung bestehende Rechtszustand wieder in Kraft. Dieser besteht darin, daß der Bischof das von Art. 5 des hessischen Gesetzes vom 5. Juli 1887 anerkannte, von Art. 20 Abs. 1 RK und nunmehr auch von Art. 42 der Verfassung von Rheinland-Pfalz bestätigte Recht hat, eine eigene bischöfliche Philosophisch-Theologische Lehranstalt zur Ausbildung des katholischen Klerus der Diözese Mainz in seinem Priesterseminar zu unterhalten. Erst recht gilt dies, wenn die Universität oder die Katholisch-Theologische Fakultät nicht nur geschlossen, sondern aufgehoben wird. d) Erlöschen Ein zweiseitiger Vertrag fällt regelmäßig bei Untergang eines Vertragspartners dahin, sofern nicht die Pflichten ausdrücklich von seinem Rechtsnachfolger übernommen werden196. Bei Auflösung des Landes Rheinland-Pfalz oder Aufhebung der Diözese Mainz bedürfte es also grundsätzlich einer ausdrücklichen Erklärung des Nachfolgestaates bzw. der neuen Diözese, daß sie in die durch die Vereinbarung begründeten Pflichten eintreten. Indes gibt es von dieser Regel Ausnahmen, die wie im Völkerrecht197 so auch im öffentlichen Recht zugelassen werden müssen. Zu diesen gehören in erster Linie die Verträge zwischen Kirche und Staat. Es wurde mit Recht darauf hingewiesen, daß im Unterschied zu den übrigen völkerrechtlichen Beziehungen bei Konkordaten die Beziehung wesentlich zu den Bewohnern und zu dem Gebiet, nicht in erster Linie zu dem Staat besteht. Sie beziehen sich auf die in dem Sukzessionsgebiet lebende Kirche oder Diözese und gehören darum zu dem tatsächlichen Bestande jenes Gebietsteiles, sind mit ihm verwurzelt und verbunden und können von ihm nicht getrennt werden. Sie teilen deshalb das Schicksal des Landes. Ohne daß es eines Neuabschlusses bedarf, werden sie Verträge des erwerbenden oder des neuerrichteten Staates198. Was für die Konkordate behauptet wird, darf wegen der durchgehenden Analogie auch für Verträge zwischen dem Staat und Bischöfen in Anspruch genommen werden.

196 P. Guggenheim, Lehrbuch des Völkerrechts. Unter Berücksichtigung der internationalen und schweizerischen Praxis, I (Basel 1948) 109 f. 197 Guggenheim, Lehrbuch des Völkerrechts I 110. 198 Huber, Verträge zwischen Staat und Kirche im Deutschen Reich 142, 144, 147.

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Auch der öffentlichrechtliche Vertrag unterliegt der clausula rebus sic stantibus199. Ihre Anwendung ist nicht nur dann zulässig, wenn die Aufrechterhaltung und weitere Durchführung des Vertrages die Vertragsschließenden oder einen von ihnen in ihrem bzw. seinem Bestand bedrohen würde200, sondern auch in dem Fall, daß sich nach Vertragsabschluß die Umstände so wesentlich und entscheidend ändern, daß den Parteien die Erfüllung des Vertrages nach den Grundsätzen der Billigkeit nicht mehr zugemutet werden kann, da nach der Natur des Geschäftes angenommen werden muß, daß sich die Parteien nicht gebunden haben würden, wenn sie eine solche Veränderung der Umstände vorausgesehen hätten201. Grundsatz muß freilich bleiben, daß nur ein zwingendes öffentliches Interesse den Rücktritt gestattet202. Hier wird alles davon abhängen, welcher Geist die Partner erfüllt und mit welcher Gesinnung sie sich gegenüberstehen203.

9. Verhältnis der Vereinbarung zu der Verfassung von Rheinland-Pfalz a) Weitergeltung (1) Nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen Nach einem in dem Rechtsbewußtsein der Kulturmenschheit verwurzelten Grundsatz gilt bei der Neuentstehung von Staaten das bisher bestehende, vorgefundene Recht solange weiter, bis es aufgehoben wird204. Der neue Staat nimmt alles innerhalb der Grenzen des untergegangenen Staates bisher geltende Recht auf, soweit es nicht notwendig durch die neue Ordnung der staatlichen Verhältnisse zerstört ist oder ein ausdrücklicher Akt der Aufhebung ihm die Geltung nimmt205. Die Anerkennung des vorgefundenen Rechtes erfolgt in der Regel stillschweigend206. Da die Vereinbarung zwischen dem Bischof von Mainz und dem Oberregierungspräsidenten von Hessen-Pfalz sich der neuen staatlichen Ordnung in 199 Ausführlich Apelt, Der verwaltungsrechtliche Vertrag 217 – 225. Vgl. auch Steffen, Der öffentlichrechtliche Vertrag im heutigen Recht 55; Jedlicka , Der öffentlich-rechtliche Vertrag im Verwaltungsrecht 123 – 125. 200 So E. Kaufmann, Das Wesen des Völkerrechts und die Clausula rebus sic stantibus (Tübingen 1911). Ähnlich Huber, Verträge zwischen Staat und Kirche im Deutschen Reich 128 ff. 201 Verdroß, Völkerrecht 142. 202 Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts I 257. 203 Richtig Friedrich, Der evangelische Kirchenvertrag mit dem Freistaat Baden 68 f. 204 W. Schätzel, Die neue rheinisch-pfälzische Verfassung: Deutsche Rechtszeitschrift 2 (1947) 245. 205 G. Jellinek, Allgemeine Staatslehre, 3. Auflage (Bad Homburg vor der Höhe 1960) 278 f. 206 Jellinek, Allgemeine Staatslehre 279.

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Rheinland-Pfalz und besonders der Gestaltung des Verhältnisses von Staat und Kirche nahtlos einfügt, eine Aufhebung aber nicht erfolgt ist, gilt sie bereits nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen weiter. (2) Nach Art. 137 Abs. 1 der Verfassung von Rheinland-Pfalz Art. 137 Abs. 1 der Landesverfassung bestimmt: „Das in Rheinland-Pfalz geltende Recht bleibt in Kraft, soweit diese Verfassung nicht entgegensteht.“ Vor Inkrafttreten der Landesverfassung geschaffenes Recht verliert also nur dann seine Kraft, wenn es der Verfassung entgegensteht. Das mit der Verfassung übereinstimmende Recht bleibt bestehen. Dies gilt selbstverständlich auch für das der Verfassung konforme bisherige Staatskirchenrecht207. Bei diesem kann zwischen Gesetzesrecht und Vertragsrecht kein Unterschied gemacht werden. Durch Art. 137 wird daher nicht nur das in Rheinland-Pfalz geltende staatskirchenrechtliche Gesetzesrecht, sondern auch das Vertragsrecht aufrechterhalten. Dazu gehört für die Diözese Mainz, soweit sie im Lande Rheinland-Pfalz liegt, vor allem das Reichskonkordat208. Da es jedoch gleichgültig ist, welcher Herkunft dieses Recht ist, ob es sich um reichsrechtliche oder landesrechtliche Vorschriften oder um das in der Zeit zwischen dem 8. Mai 1945 und dem 18. Mai 1947 von deutschen Stellen gesetzte Recht handelt, bleibt auch die Vereinbarung vom 15./17. April bzw. 5. Oktober 1946 auf Grund dieser Bestimmung in Kraft. b) Überleitung (1) Nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen Wenn auch im allgemeinen bei Wegfall eines Vertragspartners Verträge ihre Kraft verlieren, so gilt doch, wie gesagt, Besonderes für die staatsvertraglichen Verpflichtungen, die dem Gebiet oder der religiös-politischen Struktur des Staatsvolkes inhärieren. Diese bleiben für den Nachfolgestaat weiterbestehen209. Es wechseln nur die Träger der Funktionen. In dem Falle der Mainzer Vereinbarung ist an die Stelle des Oberregierungspräsidenten von Hessen-Pfalz die Landesregierung von Rheinland-Pfalz getreten. Durch die Verordnung Nr. 57 des französischen Oberkommandierenden vom 30. August 1946 wurden die beiden Verwaltungsbezirke Hessen-Pfalz und Rheinland-Hessen-Nassau zu dem Land Rheinland-Pfalz mit der Hauptstadt Mainz zusammengeschlossen210. In Neustadt blieb das Oberregierungspräsidium Pfalz weiterbestehen, nachdem zuvor der Regierungsbezirk Mainz durch die Anordnung Nr. 12 des französischen Oberkommandierenden vom 207

Süsterhenn/Schäfer, Kommentar der Verfassung für Rheinland-Pfalz 188. Süsterhenn/Schäfer, Kommentar der Verfassung für Rheinland-Pfalz 189. 209 Süsterhenn/Schäfer, Kommentar der Verfassung für Rheinland-Pfalz 191; Huber, Verträge zwischen Staat und Kirche im Deutschen Reich 142 – 144. 210 Journal Officiel 1. Jgg. Nr. 35 vom 30. 8. 1946 S. 291. 208

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8. Oktober 1946 dem Oberpräsidium Rheinland-Hessen-Nassau unterstellt worden war211. Das Land war nunmehr in die Regierungsbezirke Koblenz, Trier, Montabaur, Rheinhessen und Pfalz eingeteilt. Es wurde eine vorläufige Landesregierung gebildet, die durch Erklärung des französischen Oberkommandierenden vom 4. Dezember 1946 (VOB1. 1947 S. 1) ermächtigt wurde, bis zum Inkrafttreten der Verfassung Verordnungen mit Gesetzeskraft zu erlassen. Nach der Volksabstimmung über die Landesverfassung vom 18. Mai 1947, mit der die Wahl des ersten Landtages verbunden war, wurde eine Landesregierung auf parlamentarischer Grundlage gebildet, deren zunächst noch beschränkte Machtbefugnisse später erweitert wurden212. Dieser neue Staat Rheinland-Pfalz, der durch seine Landesregierung vertreten wird, ist jetzt der staatliche Vertragspartner der Mainzer Vereinbarung. An die Stelle des Oberregierungspräsidenten von Hessen-Pfalz ist nicht etwa der Regierungspräsident von Rheinhessen, zu dessen Gebiet Mainz gehört, als Vertragspartner der Vereinbarung mit dem Bischof von Mainz getreten. Denn der Oberregierungspräsident schloß die Vereinbarung nicht in seiner Eigenschaft als Leiter der Bezirksregierung als einer staatlichen Mittelbehörde, sondern als höchster vorhandener Vertreter deutscher Staatlichkeit. Nach dem Wiederaufbau eines Staatswesens auf dem Gebiet des damaligen Oberpräsidiums mußte dieser Staat in den Vertrag eintreten. Das Land Rheinland-Pfalz ist der Rechtsnachfolger der Gebiete, aus denen es gebildet wurde. Wenn das Land die Gebiete und Hoheitsrechte seiner Bestandteile übernommen hat, dann gilt das gleiche von der Nachfolge in die Rechte und der Haftung für die Verbindlichkeiten213. Dazu gehören auch die durch die Vereinbarung begründeten Rechte und Verbindlichkeiten. (2) Nach Art. 138 der Verfassung von Rheinland-Pfalz Art. 138 der Verfassung von Rheinland-Pfalz bestimmt: „Soweit in Gesetzen oder Verordnungen auf Vorschriften und Einrichtungen verwiesen ist, die durch diese Verfassung aufgehoben sind, treten an ihre Stelle die entsprechenden Vorschriften und Einrichtungen dieser Verfassung.“ Durch diesen Artikel soll der Übergang der Befugnisse der früheren Gesetzgebungs- und Verwaltungsorgane auf die nach der Verfassung zuständigen Organe festgestellt werden. Davon werden auch die Behörden erfaßt, die zwischen dem 8. Mai 1945 und dem 18. Mai 1947 tätig waren214. Der Ausdruck „Gesetze oder Verordnungen“ umgreift alles Recht, das für eine Weitergeltung in Frage kommt, auch die Rechtsvorschriften, die vom 8. Mai 1945 bis zum 18. Mai 1947 erlassen wurden. An die Stelle des Oberregierungspräsidialbezirkes Hessen-Pfalz als ehedem oberster deutscher Verwaltungseinheit ist das Land Rheinland-Pfalz, an die 211

Journal Officiel S. 345. Vgl. Süsterhenn/Schäfer, Kommentar der Verfassung für Rheinland-Pfalz 26. 213 Scheuner, Die staatsrechtliche Kontinuität in Deutschland 485. 214 Süsterhenn/Schäfer, Kommentar der Verfassung für Rheinland-Pfalz 482.

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Stelle des Oberregierungspräsidenten von Hessen-Pfalz als seinerzeit höchsten Inhabers deutscher staatlicher Gewalt in der damaligen französischen Besatzungszone ist der Ministerpräsident bzw. die Regierung des Landes Rheinland-Pfalz215 und an die Stelle des Präsidialdirektors für Unterricht und Kultus bei dem Oberregierungspräsidenten ist der Staatsminister für Unterricht und Kultus getreten. Die Befugnisse des Oberregierungspräsidenten hinsichtlich der Verwaltung und Beaufsichtigung der Universität Mainz im besonderen sind auf den Kultusminister übergegangen. Nach heutiger Verfassungslage ist die Mainzer Vereinbarung als Staatsvertrag zu bezeichnen, dessen Abschluß parlamentarischer Beratung und Abstimmung bedarf216. Vertragspartner sind jetzt der Bischof von Mainz als Vertreter der Diözese Mainz und die Landesregierung von Rheinland-Pfalz als Vertreter des Landes Rheinland-Pfalz. Zwischen ihnen sind etwa erforderliche Verhandlungen über die Auslegung oder Abänderung der Vereinbarung zu führen. Abänderungen, die Gesetzgebungsmaterien berühren, bedürfen nunmehr der Zustimmung des Landtages und des Erlasses eines Gesetzes, durch das die abgeänderte Vertragsbestimmung in Landesrecht umgeformt wird. Die Mainzer Vereinbarung steht mithin auf gleicher Stufe wie die evangelischen Kirchenverträge, die der vertragschließende Staat, wenn Gegenstände der Gesetzgebung erfaßt werden, dem Parlament vorlegt und durch Gesetz bestätigt, während die Ratifikation Sache des Regierungschefs ist217. c) Garantie des Bestandes der Katholisch-Theologischen Fakultät Der Bestand der Katholisch-Theologischen Fakultät an der Johannes GutenbergUniversität, deren Errichtung und Ausgestaltung das Hauptergebnis der Vereinbarung zwischen dem Bischof von Mainz und dem Oberregierungspräsidenten von Hessen-Pfalz darstellt, ist durch Art. 39 Abs. 1 S. 3 der Verfassung von RheinlandPfalz garantiert. Er lautet: „Die theologischen Fakultäten an den staatlichen Hochschulen bleiben erhalten.“ Hier ist der wesentliche Inhalt des Vertrages bei der Transformation in innerstaatliches Recht als Verfassungsgesetz stabilisiert worden, ohne daß dadurch der Vertrag selbst in den Rang eines Verfassungsbestandteiles erhoben worden wäre218. Damit ist den theologischen Fakultäten der stärkstmögliche Schutz gewährt. Verfassungsändernde Gesetze bedürfen nach Art. 129 Abs. 1 der Landesverfassung einer Mehrheit von zwei Dritteln der gesetzlichen Mitglie215

Vgl. die Regierungserklärung des Ministerpräsidenten Dr. W. Boden vom 5. Dezember 1946 (VOBl. 1947 S. 2), vor allem die Stelle über die Mainzer Universität (S. 5). 216 Art. 101 und 107 – 115 der Landesverfassung. Dazu E. Schunck, Die Verfassung für Rheinland-Pfalz vom 18. Mai 1947: Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart N. F. 5 (Tübingen 1956) 178 ff. 217 Scheuner, Die staatskirchenrechtliche Tragweite des niedersächsischen Kirchenvertrages von Kloster Loccum 20; derselbe in StL III, 6. Auflage (1959) 173; Schneider, Staatsverträge und Verwaltungsabkommen zwischen deutschen Bundesländern 647. 218 Vgl. Schmitt, Verfassungslehre 174.

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derzahl des Landtages oder der Mehrheit der Stimmberechtigten bei dem Volksentscheid. Der Verfassungssatz enthält ein Gebot, die theologischen Fakultäten – in Frage kommen nur die theologischen Fakultäten der beiden großen Konfessionen – nicht aufzuheben. Da in Rheinland-Pfalz jeweils nur eine theologische Fakultät für jedes der beiden Bekenntnisse besteht, ergibt sich daraus, daß es sich nicht nur um eine institutionelle219, sondern auch um eine Bestandsgarantie220 handelt221. d) Verzicht auf die Ausübung des Rechts zur Errichtung einer kirchlichen Hochschule für die Ausbildung der Geistlichen Art. 42 der Landesverfassung erkennt den Kirchen und Religionsgemeinschaften das Recht zu, zur Ausbildung ihrer Geistlichen und Religionsdiener eigene Hochschulen, Seminarien und Konvikte zu errichten und zu unterhalten. Die Leitung und Verwaltung, der Lehrbetrieb und die Beaufsichtigung dieser Lehranstalten ist selbständige Angelegenheit der Kirchen und Religionsgemeinschaften. Der Bischof von Mainz hat sich in der Vereinbarung verpflichtet, das Recht zur Errichtung einer eigenen kirchlichen Philosophisch-Theologischen Lehranstalt für die wissenschaftliche Ausbildung der Theologiestudierenden der Diözese Mainz solange nicht auszuüben, als die Universität und ihre Katholisch-Theologische Fakultät in der Lage sind, diese Aufgabe wahrzunehmen222. Der durch das hessische Gesetz von 1887 begründete und nun durch Art. 42 der Landesverfassung bestätigte Rechtszustand ist durch den freiwilligen, vertraglich festliegenden Verzicht des 219 Zu diesem Begriff vgl. C. Schmitt, Freiheitsrechte und institutionelle Garantien in der Reichsverfassung (1931), in: Verfassungsrechtliche Aufsätze aus den Jahren 1924 – 1954 (Berlin 1958) 140 ff., 157 ff.; denselben, Grundrechte und Grundpflichten (1932), ebenda 181 ff., 213 ff. Die institutionelle Garantie gewährleistet zwar nicht die die öffentlichrechtliche Einrichtung betreffende Gesetzgebung im einzelnen, aber doch im Zusammenhang mit den dazu gehörigen Konnex- und Komplementärinstituten und Normierungen. So besagt die Garantie der Katholisch-Theologischen Fakultät zugleich auch die Gewährleistung der kirchlichen Mitwirkungsrechte bei der Bestellung und Abberufung der theologischen Lehrer, ohne die sie nicht gedacht werden kann, der Lehrfreiheit im Rahmen der dogmatischen Bindung, der wissenschaftlichen Selbstverwaltung, kurz alles dessen, was typisch und wesentlich für die Institution ist. 220 Die Status-quo-Garantie will im Hinblick auf einen bestimmten Stichtag, den Tag des Inkrafttretens der Verfassung, eine bestimmte Rechtslage festlegen (Schmitt, Freiheitsrechte und institutionelle Garantien in der Reichsverfassung 155). Die Katholisch-Theologische Fakultät soll in ihrem wesentlichen Bestande an Lehrstühlen usw. erhalten bleiben. 221 Thieme, Deutsches Hochschulrecht 132. 222 Wenn es bei Süsterhenn/Schäfer, Kommentar der Verfassung für Rheinland-Pfalz 201, heißt, die Ausbildung der Geistlichen und Religionsdiener werde über die in Art. 39 Abs. 1 S. 3 der Landesverfassung geschützte theologische Fakultät hinaus auch an kirchlichen Instituten zugelassen und es werde den Kirchen und Religionsgemeinschaften auch die Errichtung und Unterhaltung eigener Ausbildungsinstitute gestattet, so kann dies für die wissenschaftliche Ausbildung des Mainzer Diözesanklerus keine Geltung beanspruchen.

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Bischofs auf die Ausübung seines Rechtes geändert. Dies war das entscheidende Zugeständnis der Kirche in der Vereinbarung223. Als Ergebnis der Untersuchung des Rechtscharakters der Mainzer Vereinbarung aus dem Jahre 1946 läßt sich nunmehr folgendes feststellen: (1) Die Mainzer Vereinbarung ist ein öffentlichrechtlicher Vertrag einer Koordinationsrechtsordnung zwischen Kirche und Staat im Range eines Staatsvertrages. Sie hat Materien der Gesetzgebung und der Verwaltung zum Inhalt. (2) Vertragsparteien waren der Bischof von Mainz als Vertreter der Diözese Mainz auf kirchlicher Seite und der Oberregierungspräsident von Hessen-Pfalz als Vertreter des Oberregierungspräsidialbezirkes Hessen-Pfalz auf der staatlichen Seite. Die Partner waren legitimiert, die Vereinbarung mit bindender Wirkung für Kirche und Staat einzugehen. Im Zuge der staatlichen Neuordnung bzw. des staatlichen Wiederaufbaues ist an die Stelle des Oberregierungspräsidialbezirkes Hessen-Pfalz das Land Rheinland-Pfalz, an die Stelle des Oberregierungspräsidenten von Hessen-Pfalz die Landesregierung von Rheinland-Pfalz getreten. (3) Der Vertrag wurde in staatliche und kirchliche Rechtsvorschriften transformiert. Sein wesentliches Ergebnis, die Errichtung einer Katholisch-Theologischen Fakultät an der Johannes Gutenberg-Universität zu Mainz, ist durch die Verfassung mit einer institutionellen und einer Status-quo-Garantie ausgestattet worden. Die Bestimmungen des Vertrages binden die kirchliche und staatliche Hoheitsgewalt in allen ihren Funktionen. (4) Die Vereinbarung wurde für unbegrenzte Dauer geschlossen und ist unkündbar. Wie jeder Vertrag unterliegt sie der clausula rebus sic stantibus. Die Vereinbarung ist mit einer auflösenden Bedingung verbunden, die dem kirchlichen Vertragspartner die Einsetzung in den vor Abschluß des Vertrages bestehenden Rechtszustand zusichert. (5) Die Auslegung der Vereinbarung geschieht unter Berücksichtigung des erklärten Willens beider Kontrahenten. Ihre Abänderung bedarf grundsätzlich eines neuen Übereinkommens der beiden Parteien, dessen Abschluß auf der staatlichen Seite nach den für Staatsverträge maßgebenden Bestimmungen zu geschehen hat.

223 Vgl. Weber, Rechtsfragen der kirchlichen Hochschulen 346; denselben, Der gegenwärtige Status der theologischen Fakultäten und Hochschulen: Tymbos für Wilhelm Ahlmann (Berlin 1951) 319.

Der Kirchenaustritt in der Bundesrepublik Deutschland Die Wichtigkeit einer Einrichtung läßt sich nicht immer von der Zahl ihrer augenblicklichen Benutzer ableiten. Die Höhe dieser Zahl hängt von verschiedenen, meist äußeren Faktoren ab, die sich rasch ändern können. Diese Regel zeigt sich deutlich bei dem Kirchenaustritt mit bürgerlicher Wirkung. Die Zahl derer, die in der Bundesrepublik Deutschland die Kirche verlassen, ohne sich einer anderen Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft anzuschließen, ist nicht hoch1. Aber der Vergleich mit früheren Zeiten, etwa den Jahren nach dem ersten Weltkrieg und nach der Konsolidierung des Nationalsozialismus in Deutschland2, oder dem unter sowjetischer Herrschaft stehenden Teil Deutschlands3 macht deutlich, daß das Bild einer festen Verwurzelung des Volkes in seiner Kirche ein trügerischer Schein ist. Politische Verhetzung und staatlicher Druck können die Lage in relativ kurzer Zeit wesentlich verändern. So ist es angebracht, die Aufmerksamkeit auf die Einrichtung des Kirchenaustritts mit bürgerlicher Wirkung in der Bundesrepublik Deutschland zu richten. Zu ihrem Verständnis ist ein Blick auf die Stellung der Kirche zu dem „Kirchenaustritt“ ebenso unentbehrlich wie eine kurze Rückschau auf die wesentlichen Phasen der Entwicklung4.

1 Vgl. die Zahlen in LThK VI, 2. Auflage (1961) 194 – 197 und RGG III, 3. Auflage (1959) 1344 – 1348 sowie die dort angegebenen Fundstellen der kirchlichen Statistiken. 2 RGG III, 3. Auflage (1959) 1345. 3 Vgl. meine Untersuchung in ThprQS 108 (1960) 290 – 294. 4 Die Rechtsquellen für Vergangenheit und Gegenwart sind außer in den einschlägigen Gesetz- und Verordnungsblättern des Staates und der Kirchen zum großen Teil gesammelt von A. B. Schmidt, Der Austritt aus der Kirche. Eine kirchenrechtliche und kirchenpolitische Abhandlung (Leipzig 1893) 303 – 388, F. Giese, Staat und Kirche im neuen Deutschland. Systematische Übersicht über die quellengeschichtliche Entwicklung des Verhältnisses zwischen Staat und Kirche in Reich und Ländern seit dem Umsturz im November 1918: Jahrbuch des öffentlichen Rechts 13 (1925) 249 – 357 und H. Liermann, Kirchen und Staat: Veröffentlichungen des Instituts für Staatslehre und Politik e. V. Mainz, Band 5, 2 Teile (München 1954, 1955). Daneben sind zu vergleichen J. Wenner, Kirchenvorstandsrecht, 2. Auflage (Paderborn 1954); W. Haugg, Staat und Kirche in Nordrhein-Westfalen (Berlin-Neuwied-Darmstadt 1960) 207 f. Die Untersuchung wurde am 1. September 1962 abgeschlossen.

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I. Die Kirchengliedschaft 1. Nach katholischer Lehre a) Merkmale Durch die gültige Wassertaufe wird der Mensch eine Person in der Kirche Christi5. Durch das sakramentale Geschehen, bei dem Gott der Hauptwirkende ist, wird der Mensch in die Kirche hineingestellt6. Als Person in der Kirche erhält der Getaufte grundsätzlich alle Rechte und Pflichten eines Christen. Zur vollen Kirchengliedschaft des mündigen Christen gehören indes drei Wesensmerkmale, nämlich außer dem Empfang der sakramentalen Taufe das Bekenntnis des rechten Glaubens und die Unterstellung unter die hierarchische Führung der Kirche, im besonderen den Papst als den obersten Hirten und das sichtbare Haupt der Kirche7. b) Apostasie und Exkommunikation Die mit der Taufe gegebene Bindung an die Kirche ist in bestimmter Hinsicht unwiderruflich. Sie kann weder durch Abfall von dem Glauben oder Aufkündigung des Gehorsams noch durch „Ausschluß“ aus der Kirche völlig rückgängig gemacht werden. (1) Apostasie Wenn ein Getaufter den Glauben preisgibt, indem er entweder völlig von dem christlichen Glauben abfällt oder die eine oder andere kraft göttlichen und katholischen Glaubens anzunehmende Wahrheit hartnäckig leugnet8, oder – ohne Abfall vom Glauben – die Gemeinschaft mit der Kirche verläßt, indem er den Papst nicht als Oberhaupt anerkennt oder keine Verbindung mit den dem Papst untergebenen Gliedern der Kirche halten will9, bleibt er der Kirche unterworfen, und ihre Gesetze verpflichten ihn weiterhin10.

5

C. 87 CIC. Vgl. Eugen IV., Decretum pro Armenis (1439): D 696. 7 Pius XII., Enc. Mystici Corporis Christi vom 29. Juni 1943: AAS 35 (1943) 202 f. = D 2287. Dazu L. Boisvert, Doctrina de membris Ecclesiae iuxta documenta magisterii recentiora a Concilio Vaticano primo ad Encyclicam „Mystici Corporis“ (Montréal 1961). Vgl. auch F. Arnold, Die Zugehörigkeit zur katholischen Kirche nach kirchlichem Recht: ÖAfKR 3 (1952) 168 – 177. 8 Apostasie oder Häresie, c. 1325 § 2. 9 Schisma, c. 1325 § 2 10 C. 12. 6

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(2) Exkommunikation Völlig verschieden von der Trennung eines Apostaten, Häretikers oder Schismatikers von der Kirche ist die einstweilige Absonderung eines Kirchengliedes aus der tätigen Gemeinschaft der Gläubigen wegen eines kirchlichen Vergehens anderer Art als jenes der genannten Personen, die der Kirchenbann und – in Annäherung – die persönliche Gottesdienstsperre bewirkt11. Der mit einer dieser Strafen Belegte geht nicht eines der Wesensmerkmale der Kirchengliedschaft verlustig, er bleibt im vollen Sinne Glied der Kirche12. Aber die meisten Gliedschaftsrechte werden ihm entzogen oder in der Ausübung gehemmt, so daß er im wesentlichen ein passives Glied der Kirche ist, das seine Pflichten erfüllen muß, aber seine Rechte grundsätzlich nicht gebrauchen darf. So verschieden die Rechtsstellung des Abtrünnigen und des Gebannten hinsichtlich der Kirchengliedschaft nun sein mag, so ähnlich ist sie hinsichtlich des Unvermögens, durch eigenen Entschluß oder kirchliche Maßnahme eine so radikale Trennung von der Kirche herbeizuführen, daß diese ihnen gegenüber keinen hoheitlichen Anspruch auf Gehorsam mehr erheben könnte. Der Willensakt des Menschen und die Strafgewalt der Kirche vermögen das in sakramentalen Zeichen geschehene Gotteswerk nicht unwirksam zu machen. Über die in dem Taufcharakter begründete wurzelhafte Zugehörigkeit zur Kirche und Unterordnung unter die Hoheit der Kirche hat weder der Getaufte noch die Kirche Macht13. c) Kirchenaustritt Da eine völlige Trennung von der Kirche, die keinen irgendwie gearteten Zusammenhang mit ihr beläßt, undenkbar ist, ergibt sich, daß auch der Versuch, eine 11

Cc. 2257 – 2267, 2268 – 2277. Vgl. hierzu das Urteil des preußischen Oberverwaltungsgerichts, betr. die Kirchensteuerpflicht der Exkommunizierten, vom 12. Oktober 1937: AfkKR 125 (1951 – 1952) 429 – 439. Ein Gebannter ist und bleibt Katholik auch im Sinne des preußischen Staatsrechts, das hierin dem Kirchenrecht folgt. Einen anderen Weg zur Befreiung von der Kirchensteuerpflicht als den Austritt aus der Kirche nach dem Gesetz vom 30. November 1920 (GS. 1921 S. 119) gibt es nicht. 13 Vgl. Trid. sess. VII de bapt. can. 4, 7, 8: D 860, 863, 864. S. auch die Ausführungen von J. Pinsk, Aus Gott geboren, in: Ich lebe und ihr lebet, hrsg. von der Akademischen BonifatiusEinigung (Paderborn 1937) 19: „So unsinnig es also ist, etwa aus der Menschheit auszutreten, so unsinnig ist es auch, aus der Kirche auszutreten. Diese Bindung unterliegt als Bindung im Sein nicht mehr dem menschlichen Willen. Der Mensch kann auch in diesem Fall nur ,so tun, als ob‘ er nicht mehr zur Kirche gehöre. Die wahre Wirkung dieses ,so tun, als ob‘ ist keineswegs die Aufhebung der Gemeinschaft mit der Kirche, sondern nur der Verzicht auf die Gnade, den Segen, die Früchte, die aus der Gemeinschaft dem Menschen zuwachsen sollen … In dem entsetzlichen Zwiespalt zwischen dem Willen des Getauften, der von Gott, Christus und der Kirche los will, und dem Sein, mit dem er ewig in dieser Bindung bleibt, vollzieht sich jene innere Verzerrung und Zerreißung des Menschen, die mit zur Qual und Strafe, der Sünde immanenten Strafe, zur Hölle gehört.“ 12

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solche Trennung durch den Kirchenaustritt genannten Akt zu bewirken, erfolglos ist. Einen metaphysisch wirksamen Kirchenaustritt gibt es nicht. Aber es erhebt sich die Frage, wie sich die Kirche zu einer derartigen Handlung ihrer Glieder stellt. (1) Bewertung Die Kirche hat nie Bestimmungen oder Bedingungen für den Austritt aus der Kirche als solcher oder den Übertritt zu einer anderen Religionsgemeinschaft festgesetzt. Derartige Vorschriften stünden im Widerspruch zu dem dogmatischen Selbstverständnis der Kirche. Die staatlichen Kirchenaustrittsvorschriften dissimuliert die Kirche. Das gemeine kanonische Strafrecht kennt kein Delikt des Kirchenaustritts als selbständigen Strafbestand. Der Kirchenaustritt läßt sich auch nicht eindeutig in die Deliktsformen der Apostasie, der Häresie und des Schismas einordnen. Seine Eigenart ergibt sich aus der besonderen öffentlichrechtlichen Stellung der Kirche in Deutschland und der Tatsache, daß er grundsätzlich unmittelbare Wirkungen nur im Bereich des Staatskirchenrechts nach sich zieht. Der Akt des Kirchenaustritts als solcher, ohne Rücksicht darauf, aus welcher Gesinnung er erfolgt, ist ein öffentliches Lossagen von der Kirche, also in jedem Falle eine dem Schisma zuzuordnende Trennung von der kirchlichen Einheit. Wer seinen Austritt aus der Kirche, und zwar auch vor einer staatlichen Behörde, erklärt, bekennt offen, daß er katholisch getauft ist und der katholischen Kirche angehört, bekundet aber, daß er nicht mehr katholisch sein will14. Erfolgt die förmliche öffentliche Lossagung von der Kirche in Verbindung mit einer erkennbaren Verleugnung kraft göttlichen und katholischen Glaubens festzuhaltender Heilswahrheiten, so ist der Austritt zugleich Apostasie oder Häresie15. (2) Bestrafung Entsprechend der Regel des c. 2200 § 2 wird der Kirchenaustritt von den Trägern der kirchlichen Hoheitsgewalt im allgemeinen als Delikt gegen den Glauben und die Einheit der Kirche aufgefaßt und mit den entsprechenden Strafen16 geahndet werden müssen. Ob der nicht eindeutig unter die Tatbestände des gemeinen kanonischen Strafrechts einzureihenden Eigenart der Kirchenaustrittserklärung treffen die Diözesanstatuten der Erzdiözese Köln folgende Bestimmung. Ein Katholik, der aus politischen oder steuerlichen Gründen oder wegen anderer äußerer Rücksichten, obwohl 14 A. Hagen, Die kirchliche Mitgliedschaft (Rottenburg a. N. 1938) 60. Daraus zieht Hagen den Schluß, die Kirche zähle die Ausgetretenen zu den Apostaten (S. 57). Es ist richtig, daß sie im äußeren Bereich wie Apostaten zu behandeln sind. Diese Behandlung entspricht der kirchlichen Tradition (S. 58 f.). 15 E. Eichmann/K. Mörsdorf, Lehrbuch des Kirchenrechts III, 9. Auflage (Paderborn 1960) 415. 16 C. 2314. Vgl. Hagen, Die kirchliche Mitgliedschaft 57 ff.

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er innerlich am Glauben festhält, vor dem weltlichen Gericht seinen Austritt aus der Kirche erklärt, verfällt ohne weiteres der vom Ordinarius verhängten und diesem zur Lossprechung vorbehaltenen Exkommunikation. Verbindet sich mit dem Austritt aus der Kirche innerer Glaubensabfall oder Abfall zum Irrglauben, so tritt die in c. 2314 angedrohte, dem Heiligen Stuhl in besonderer Weise vorbehaltene Exkommunikation ein17. d) Rekonziliation18 (1) Ordentlicher Weg (a) Zuständigkeit Für das katholische Kirchenrecht engt sich die Frage nach der Wiederversöhnung der Ausgetretenen auf die Frage nach der Zuständigkeit zur Lossprechung von der zugezogenen Zensur ein. Die auf der Apostasie (Häresie, Schisma) stehende Zensur ist im inneren Bereich dem Heiligen Stuhl in besonderer Weise zur Lossprechung vorbehalten19. Zuständig ist die Heilige Pänitentiarie20. Der Zweck dieses Vorbehaltes ist, die Lossprechung im inneren Bereich zu erschweren, damit sie im äußeren Bereich nachgesucht werde21. Da für die Behandlung im inneren Bereich grundsätzlich nur geheime Fälle geeignet sind, der Kirchenaustritt aber regelmäßig im äußeren Bereich in Erscheinung tritt, dürfte eine Behandlung des Kirchenaustritts im inneren Bereich in normalen Verhältnissen nicht häufig sein22. Im äußeren Bereich hat – neben dem selbstverständlich auch hier zuständigen Heiligen Stuhl – der Ortsoberhirt Lossprechungsvollmacht23. In Todesgefahr24 und in dringenden Fällen25 ist der Beichtvater zur Lossprechung befugt. Bei der Lossprechung im Dringlichkeitsfalle ist innerhalb eines Monats Rekurs an den zuständigen Oberen einzulegen. Die Lossprechung durch den Beichtvater hat grundsätzlich nur Wirkung für den inneren Bereich26. Um der Lossprechung auch im äußeren Bereich Wirkung zu verschaffen, wird der Beichtvater den Pönitenten dazu bestimmen, daß entweder der Pönitent persönlich oder

17

Kölner Diözesansynode 1954 (Köln a. J.) 236 Nr. 610 § 2. Vgl. noch Hagen, Die kirchliche Mitgliedschaft 63, 64 f. 18 L. Tien, De reconciliatione apostatarum a fide cum ecclesia (Turin 1960). 19 C. 2314 § 2. 20 C. 258. 21 Hagen, Die kirchliche Mitgliedschaft 98. 22 Vgl. Hagen, Die kirchliche Mitgliedschaft 96 f. 23 C. 2314 § 2. 24 Cc. 882, 2252. 25 C. 2254. 26 C. 2251.

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mit seiner Erlaubnis der Beichtvater die geschehene Lossprechung dem zuständigen Pfarrer mitteilt27. Bei Personen unter vierzehn Jahren entfällt die Lossprechung von der Zensur28. (b) Vorgehen Die Lossprechung kann nur erfolgen, wenn der Ausgetretene bestimmte Forderungen erfüllt. Er muß Reue zeigen und versprechen, in Zukunft treu zum christlichen Glauben und zur katholischen Kirche zu halten. Er muß das Ärgernis nach Kräften wiedergutzumachen suchen, Schaden ersetzen und den Kirchenaustritt zurücknehmen. Ist er einer nichtkatholischen Religionsgemeinschaft beigetreten, muß er den Austritt aus ihr erklären. Mancherorts ist eine Bewährungsfrist von bestimmter Dauer vorgeschrieben29. Sodann muß der Rückkehrwillige den Irrtum abschwören vor dem Ortsoberhirten oder dessen Delegaten und zwei Zeugen30 und das Glaubensbekenntnis ablegen31. Danach erst erfolgt die Lossprechung durch den bevollmächtigten Priester. Anschließend kann der Losgesprochene das Bußsakrament bei einem beliebigen Priester empfangen. In der Diözese Mainz ist dem Gesuch um Rekonziliation eine Mitteilung über die Vorlage der amtsgerichtlichen Bescheinigung des Austritts aus der nichtkatholischen Religionsgemeinschaft beizufügen. Über die Rekonziliation ist ein Protokoll in doppelter Ausfertigung aufzunehmen und von allen Beteiligten zu unterzeichnen; eine Ausfertigung wird an das Bischöfliche Ordinariat gesandt, die andere bleibt bei den Pfarrakten32. Die kirchlichen Behörden haben die Wiederaufnahme (Rekonziliation) den staatlichen und gemeindlichen Steuerbehörden mitzuteilen; sie haben ferner die in die Kirche wiederaufgenommenen Lohnsteuerpflichtigen anzuhalten, den Religionsvermerk auf der Lohnsteuerkarte berichtigen zu lassen33.

27

Vgl. J. Pfab, Reversion und Konversion (Freiburg i. Br. 1961) 31. C. 2230. 29 ABl. München-Freising 1948 S. 171; Münchener Diözesan-Synode (München 1951) 86: Bewährungsfrist von einem halben Jahr. Befreiung ist, abgesehen von schwerer Krankheit, nur in außergewöhnlichen Fällen möglich. 30 C. 2314 § 2. 31 Vgl. M. Brandenburg/P. Krause, Die Geschäftsverwaltung des katholischen Pfarramtes im Gebiete des preußischen Landrechts mit Berücksichtigung des Reichskonkordats vom 20. Juli 1933 (Berlin 1934) 190 f. 32 Diözesanstatuten des Bistums Mainz (Mainz 1957) 107. 33 § 2 Abs. 4 der Kirchensteuerordnung für die Diözese Mainz (Diözesanstatuten 144). 28

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(2) Außerordentlicher Weg Nach einem zum ersten Mal im Jahre 1921 den deutschen Bischöfen gewährten Indult der Heiligen Pänitentiarie34 sind die deutschen Bischöfe ermächtigt, die in ihrer Diözese approbierten Beichtväter zu delegieren, ihre Pönitenten mit Wirkung für den inneren und äußeren Bereich von den wegen Apostasie, Häresie oder Schisma zugezogenen Zensuren loszusprechen. Eine rechtsförmige Abschwörung erfolgt nicht, aber es soll wenigstens eine geheime Abschwörung vor dem Beichtvater der Lossprechung vorausgehen. Die vorgeschriebenen Verpflichtungen sind aufzuerlegen. Der Pönitent ist zu ermahnen, den etwa vor der weltlichen Behörde erklärten Austritt aus der Kirche zur Wiedergutmachung des Ärgernisses zurückzunehmen, soweit das ohne schweren Nachteil geschehen kann. Wo ein Widerruf vor der staatlichen Behörde nicht zulässig ist, genügt die Zurücknahme des Austritts gegenüber der Kirche, die bereits in der Mitteilung der erfolgten Rekonziliation liegt35. Von dieser Vollmacht darf nur Gebrauch gemacht werden, wenn der Ausgetretene sich nicht einer anderen Religionsgemeinschaft angeschlossen hat36. Nicht alle deutschen Bischöfe haben von der ihnen erteilten Ermächtigung Gebrauch gemacht, andere haben sie wieder zurückgezogen37. Die Vollmacht kann nur anläßlich der sakramentalen Beichte ausgeübt werden. Der Pönitent schwört im Beichtstuhl vor dem Beichtvater mit einer beliebigen Formel ab; das Sprechen des Glaubensbekenntnisses ist ausreichend. Im Gegensatz zu c. 2251 ist ein auf Grund des Indultes der Heiligen Pänitentiarie Losgesprochener nicht nur berechtigt, sich im äußeren Bereich als losgesprochen zu verhalten, sondern er ist tatsächlich mit Wirkung für beide Bereiche losgesprochen. Der Beweis der erfolgten Lossprechung wird durch die Aussage des Beichtvaters geführt, der jedoch zu dieser Mitteilung der Erlaubnis des Pönitenten bedarf. Die Ausstellung einer Bescheinigung durch den Beichtvater ist als zulässig zu betrachten38. e) Konversion Die Konversion setzt nach katholischem Kirchenrecht an sich den förmlichen Austritt aus der nichtkatholischen Religionsgemeinschaft nicht voraus. Denn die Kirche ignoriert die fremde Organisation und richtet ihre Aufmerksamkeit lediglich 34

AfkKR 114 (1934) 140 f. Vgl. dazu Brandenburg/Krause, Die Geschäftsverwaltung des katholischen Pfarramtes im Gebiete des preußischen Landrechts 191 f.; Hagen, Die kirchliche Mitgliedschaft 105 ff. 35 Hagen, Die kirchliche Mitgliedschaft 111. 36 Pfab, Reversion und Konversion 9. 37 Für die Erzdiözese Breslau vgl. Brandenburg/Krause, Die Geschäftsverwaltung des katholischen Pfarramtes im Gebiete des preußischen Landrechts 84 ff., 190. Für die Erzdiözese München-Freising: Diözesan-Synode 1950 S. 86 f. Vgl. auch Eichmann/Mörsdorf I 417 f. Kein Gebrauch wurde z. B. in Mainz gemacht. 38 Pfab, Reversion und Konversion 30.

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auf den häretischen Glauben oder auf die Trennung von der kirchlichen Einheit39. Jedoch ist der Austritt aus der anderen Religionsgemeinschaft in der vom Staat vorgeschriebenen Form praktisch notwendig, weil ein staatlich wirksamer Übergang von einer Religionsgemeinschaft zu einer anderen einen staatlich wirksamen Austritt zur Voraussetzung hat40. Um bloß äußerlichen Konversionen vorzubeugen, verlangt die Kirche einen gründlichen Unterricht im katholischen Glauben, eine Prüfung der Motive und eine gewissenhafte Teilnahme am kirchlichen Leben schon in der Vorbereitungszeit41. Der eigentliche Akt des Übertritts besteht im Abschwören der Häresie und Ablegen des Glaubensbekenntnisses vor zwei Zeugen, worauf die Lossprechung von der Zensur wenigstens ad cautelam erfolgt42. Abschwörung und Lossprechung von der Zensur entfallen bei Personen unter vierzehn Jahren. Die erforderlichen Ummeldungen obliegen entweder dem Konvertiten43 oder der kirchlichen Behörde44. 2. Nach protestantischem Verständnis a) Doppelte Mitgliedschaft In den protestantischen Gemeinschaften muß entsprechend dem reformatorischen Kirchenbegriff zwischen der metajuristischen Gliedschaft in der Kirche Jesu Christi und der juristischen Mitgliedschaft in der betreffenden christlichen Kirche unterschieden werden. Die Taufe prägt nur den character indelebilis der Gliedschaft 39

Hagen, Die kirchliche Mitgliedschaft 116. Hagen, Die kirchliche Mitgliedschaft 119. Vgl. z. B. ABl. Berlin 1961 S. 33: Der Eintritt in die katholische Kirche kann erst erfolgen, nachdem der Austritt aus der bisherigen Religionsgesellschaft gemäß dem staatlichen Gesetz erklärt worden ist. 41 Hagen, Die kirchliche Mitgliedschaft 120. Nach Art. 104 Abs. 1 der Mainzer Diözesanstatuten (S. 59) sind Konvertiten durch geeigneten Unterricht zunächst mit den katholischen Wahrheiten in Lehre und Praxis genügend bekannt zu machen (etwa 25 Unterrichtsstunden); dabei ist der Ernst ihres Entschlusses zu prüfen. 42 Hagen, Die kirchliche Mitgliedschaft 120 – 122. 43 Art. 104 Abs. 6 der Mainzer Diözesanstatuten schreibt vor, daß der Konvertit zu veranlassen ist, bei den in Frage kommenden weltlichen Behörden (Amtsgericht, Meldeamt, Finanzamt) die Konversion rechtswirksam zu bestätigen. 44 Nach Art. 2 Abs. 4 der Mainzer Kirchensteuerordnung (S. 144) teilt die Kirchengemeinde die Aufnahme den staatlichen und gemeindlichen Steuerbehörden mit. In die Kirche aufgenommene Lohnsteuerpflichtige sind anzuhalten, den Religionsvermerk auf der Lohnsteuerkarte berichtigen zu lassen. In der Erzdiözese München-Freising haben die Pfarrämter und Seelsorgestellen mit eigener Matrikelführung jede in ihrem Bereich vollzogene Rekonziliation und Konversion nicht nur der oberhirtlichen Stelle, sondern auch dem für den Wohnsitz des Betreffenden zuständigen Einwohnermeldeamt, Finanzamt und dem katholischen Kirchensteueramt zu melden (ABl. München-Freising 1951 S. 303). Vgl. auch die Bekanntmachung des Generalvikariats Aachen über die Register der Konvertiten und Rekonziliierten vom 25. November 1961 (AfkKR 130, 1961, 498 f.). 40

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in der Kirche Jesu Christi, nicht aber den character indelebilis der rechtlichen Mitgliedschaft in einer rechtlich verfaßten Kirche. Der character indelebilis der Taufe ergreift nur die Gliedschaft im geistlichen Bereich, aber er wirkt insofern in die rechtliche Sphäre hinüber, als er einer juristischen Vorbedingung für Rechte und Pflichten in der Kirche einen unzerstörbaren Charakter verleiht: der Taufe als ianua ac fundamentum kirchlicher Rechte und Pflichten45. Auch bei einer durch eine gültige Taufe vermittelten Gliedschaft in der Kirche Jesu Christi steht die rechtliche Mitgliedschaft in der jeweiligen konkreten Kirche grundsätzlich zur Disposition sowohl der Kirche selbst als auch des einzelnen Gliedes46. b) Wirkung des Kirchenaustritts Das Band zu einer bestimmten rechtlich verfaßten Kirche kann radikal gelöst werden. Dies geschieht zum Beispiel durch Verlegung des Wohnsitzes in das Gebiet einer anderen evangelischen Landeskirche47. Im besonderen ist denkbar, daß sich jemand durch den Austritt aus einer christlichen Kirche von der rechtlich verfaßten Kirche lossagt. Der Kirchenaustritt muß in den protestantischen Gemeinschaften grundsätzlich auch als innerkirchliches Recht anerkannt werden48. Der Kirchenaustritt in den von dem staatlichen Recht vorgeschriebenen Formen bedeutet radikale Lösung von der betreffenden Kirche auch nach innerkirchlichem Recht49. Der Austritt aus einer evangelischen Landeskirche wirkt gegenüber allen evangelischen Landeskirchen. Der aus einer evangelischen Landeskirche Ausgetretene fühlt sich, sofern ein Übertritt unterbleibt, von nun an allen anderen evangelischen Landeskirchen gegenüber als Dissident, ebenso wie auch ihn alle evangelischen Landes45

H. Liermann, Die kirchliche Mitgliedschaft nach geltendem evangelischen Kirchenrecht: ZevKR 4 (1955) 389; derselbe in RGG III, 3. Auflage (1959) 1493. Nach H. Mirbt, Kirchenmitgliedschaft und staatliches Recht: Deutsche Rechtswissenschaft 5 (1940) 71, ist erst aus der Anerkenntnis der zentralen protestantischen Grundsätze als Bekenntnis zu der einzelnen Kirche und der Teilnahme an dem kirchlichen Leben, nicht schon aus der Taufe allein, der Schluß zu ziehen auf die Erklärung, sich als im Rechtssinne zu dieser Kirche gehörig zu betrachten. 46 Liermann, Die kirchliche Mitgliedschaft nach geltendem evangelischen Kirchenrecht 390. 47 Liermann, Die kirchliche Mitgliedschaft nach geltendem evangelischen Kirchenrecht 392. Vgl. E. Freiherr von Dellingshausen, Der Erwerb der Kirchenangehörigkeit im Deutschen Reich (Teildruck), Jur. Diss. Jena (Würzburg 1933) 51 ff. 48 Liermann, Die kirchliche Mitgliedschaft nach geltendem evangelischen Kirchenrecht 393. Deshalb besteht die Möglichkeit kirchlicher Kirchenaustrittsgesetze, wie z. B. heute noch in Bremen. Vgl. auch H. Liermann in RGG III, 3. Auflage (1959) 1343. 49 Liermann, Die kirchliche Mitgliedschaft nach geltendem evangelischen Kirchenrecht 393. P. Mikat, Grundfragen des staatlichen Kirchenaustrittsrechtes: Festschrift Hermann Nottarp (Karlsruhe 1961) 209 f., weist allerdings mit Recht auf die Gefahr der Verwischung hin, die entsteht, wenn im Bereich der evangelischen Kirche die Wirkung der Austrittserklärung vor staatlichen Stellen zugleich auch auf den kirchlichen Rechtsbereich ausgedehnt wird. Es entsteht dann der falsche Eindruck, als handele es sich um einen einheitlichen, das Verhältnis des Kirchenmitglieds zu seiner Kirche im ganzen erfassenden Akt.

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kirchen als Dissidenten betrachten. Er bedarf daher bei einer Verlegung seines Wohnsitzes in das Gebiet einer anderen Landeskirche nicht eines nochmaligen Austritts in der gesetzlichen Form des neuen Heimatstaates. Denn er ist kein Konfessionsangehöriger der evangelischen Landeskirche seines neuen Heimatstaates50. Durch den Austritt aus der rechtlich verfaßten Kirche, aus der Kirche als juristischer Körperschaft erfolgt nur dann eine Lösung von der (geistlichen) Kirche Jesu Christi, wenn mit dem Austritt die Aufgabe des christlichen Glaubens verbunden ist51. Umgekehrt kann auch die Kirche eine radikale Trennung von dem bisherigen Kirchenglied aussprechen, ohne daß dadurch die Gliedschaft in der Kirche Jesu Christi verlorengeht52. Die protestantischen Gemeinschaften sehen ihre Gewalt über den Ausgetretenen grundsätzlich als erloschen an53. Der Ausgetretene verliert durch den Austritt das Recht zur Teilnahme am Abendmahl, die Befähigung zum Patenamt und den Anspruch auf die Trauung und ein kirchliches Begräbnis. Ebenso erlöschen das kirchliche Wahlrecht und andere kirchliche Rechte54. In der Bayerischen Evangelisch-Lutherischen Kirche55 werden die Pfarrämter verpflichtet, nach Einlauf der standesamtlichen Mitteilung des Kirchenaustritts nach Möglichkeit festzustellen, aus welchen Gründen der Austritt erklärt wurde, ob die gesetzlichen Bestimmungen über den Austritt erfüllt sind und ob ein Anschluß an eine andere Religionsgemeinschaft geschehen ist. Die erhobenen Angaben werden in dem Verzeichnis der Austritte eingetragen, das von den Pfarrämtern zu führen ist. Von dem Austritt ist das Pfarramt des Geburtsortes in Kenntnis zu setzen, wenn möglich auch das Pfarramt, durch das die Konfirmation vollzogen wurde. Die genannten Pfarrämter haben den Austritt in ihrem Tauf- und Konfirmandenbuch zu vermerken. Auf die Ausfertigung eines Tauf- oder Konfirmandenzeugnisses haben Ausgetretene keinen Anspruch. Wird ein berechtigter Grund glaubhaft gemacht, 50

Schmidt, Der Austritt aus der Kirche 240 f. Liermann, Die kirchliche Mitgliedschaft nach geltendem evangelischen Kirchenrecht 386, 393; derselbe in RGG III, 3. Auflage (1959) 1494. Vgl. auch R. Smend, Zum Problem des kirchlichen Mitgliedschaftsrechtes: ZevKR 6 (1957/58) 124. Nur unter der Voraussetzung, daß der Austretende die Loslösung von der evangelischen Glaubensgemeinschaft überhaupt erstrebt, ist zutreffend, was Schmidt, Der Austritt aus der Kirche 240, schreibt: „Er tritt durch das Mittelglied des Austritts aus seiner Landeskirche aus der evangelischen Religionsgemeinschaft als solcher … Er löst sich mit dem in der Absicht fernerer Religionslosigkeit vollzogenen Austritt aus einer evangelischen Rechtskirche von der weitumfassenderen evangelischen Bekenntniskirche.“ 52 Liermann, Die kirchliche Mitgliedschaft nach geltendem evangelischen Kirchenrecht 393 f. 53 Schmidt, Der Austritt aus der Kirche 4. 54 Beschluß über die Abschnitte IX bis XII der Ordnung des kirchlichen Lebens der VELKD vom 8. Dezember 1954 (ABl. der VELKD 1955 S. 10 ff. = ABl. der EKD 1955 S. 100 ff., hier S. 101). 55 Austritt aus der Kirche, Eintritt und Wiederaufnahme in die Kirche. Vom 31. Mai 1958 (ABl. der EKD 1958 S. 254 ff.). 51

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kann ein Tauf- oder Konfirmandenzeugnis ausgestellt werden, jedoch ist auf dem Zeugnis der Austritt aus der Kirche zu vermerken. Dem Kirchenvorstand ist von dem Austritt Mitteilung zu machen. Von der Bekanntgabe eines Kirchenaustrittes von der Kanzel ist abzusehen. c) Übertritt und Wiederaufnahme In der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands56 bestehen für Übertritt und Wiederaufnahme die folgenden Vorschriften57. Ein Getaufter, der einem anderen christlichen Bekenntnis angehört, wendet sich, wenn er zur evangelisch-lutherischen Kirche übertreten will, an den Pastor der Gemeinde, in der er wohnt. Der Pastor unterweist ihn in der Lehre der lutherischen Kirche unter besonderer Berücksichtigung der Unterscheidungslehren und bereitet ihn dadurch auf die Zulassung zum Abendmahl vor. Der so Unterwiesene erklärt dem Pastor vor der Gemeinde oder vor Kirchenältesten, daß er in die evangelisch-lutherische Kirche übertreten will und nimmt an der Feier des Abendmahles teil. Damit ist der Übertritt zur evangelisch-lutherischen Kirche vollzogen. Falls der Pastor meint, aus seelsorglicher Verantwortung nach Anhören des Kirchenvorstands die Willenserklärung nicht annehmen zu können, so kann sich der Zurückgewiesene an den Dekan (Propst, Superintendent) wenden. Wer sich von der evangelisch-lutherischen Kirche durch Austritt losgesagt hat, kann auf seinen Antrag wieder aufgenommen werden. Die Wiederaufnahme erfolgt in der Gemeinde seines Wohnsitzes nach Beratung im Kirchenvorstand durch den Pastor. Gegen Ablehnung kann der Zurückgewiesene beim Dekan Einspruch erheben. Widerspricht der Kirchenvorstand durch ausdrücklichen Beschluß der Auffassung des Pastors, so geht die Entscheidung auf den Dekan über. Der Wiederaufnahme soll eine längere Wartezeit vorausgehen, die dem Wiederaufzunehmenden Gelegenheit gibt, sich erneut am Leben der Gemeinde, vor allem am Gottesdienst, zu beteiligen. Die Kirche wird ihm während dieser Zeit durch seelsorgerliche Einzelgespräche oder durch eine Unterweisung im christlichen Glauben zu einer echten Entscheidung für ein christliches Leben helfen. Die Wiederaufnahme erfolgt in Verbindung mit Beicht und Absolution und schließt die Wiederzulassung zum Abendmahl ein. Mit ihr gewinnt der Wiederaufgenommene auch alle anderen kirchlichen Rechte zurück. Ein Erwachsener, der vor seinem Austritt noch nicht konfirmiert war, wird nach vorangegangenem Unterricht zum Abendmahl zugelassen. Bei der Wiederaufnahme von Kindern unter zwölf Jahren genügt die Erklärung der Eltern oder Erziehungsberechtigten. Die Kinder sind der christlichen Unterweisung zuzuführen. 56

Dazu vgl. E. WoIf, Ordnung der Kirche (Frankfurt a. M. 1961) 447 ff. Beschluß über die Abschnitte IX bis XII der Ordnung des kirchlichen Lebens der VELKD vom 8. Dezember 1954 (ABl. der EKD 1955 S. 100 ff.). 57

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Die Gemeinde hält für die Aufgenommenen Fürbitte. Dazu hat die Bayerische Evangelisch-Lutherische Kirche folgende ausführende Bestimmungen erlassen58. Der Eintritt in die Kirche ist vor dem Pfarramt des Wohnsitzes oder zuständigen Aufenthaltsortes persönlich zu erklären. Wer bisher einer anderen Religionsgemeinschaft angehört hat, muß über den Austritt aus dieser eine Bestätigung des Standesamtes vorlegen. Von jeder Anmeldung zum Eintritt ist dem Kirchenvorstand Mitteilung zu machen und ihm Gelegenheit zur Äußerung zu geben. Die Aufnahme soll erst nach dieser Mitteilung vollzogen werden. Vor dem Übertritt eines Getauften, der einem anderen christlichen Bekenntnis angehört hat, ist dieser in der Lehre der lutherischen Kirche unter besonderer Berücksichtigung der Unterscheidungslehren zu unterweisen. Die Aufnahme vollzieht in der Regel der Geistliche, der den Unterricht erteilt hat. Mit der Aufnahmehandlung ist der Übertritt zur evangelisch-lutherischen Kirche vollzogen. Der ordnungsgemäß vollzogene Eintritt in die Kirche ist auch für das staatliche Recht wirksam (Art. 2 Abs. 2 des Kirchensteuergesetzes). Wer sich von der evangelisch-lutherischen Kirche durch Austritt losgesagt hat und wieder aufgenommen werden will, hat ein schriftliches Gesuch zu stellen, in dem die Gründe des Austritts und des Wiederaufnahmeantrages darzulegen sind. Vor der Wiederaufnahme ist der Kirchenvorstand zu hören. Ihr soll eine längere Wartezeit vorangehen59. Sie gibt dem Wiederaufzunehmenden Gelegenheit, sich erneut am Leben der Gemeinde, vor allem am Gottesdienst, zu beteiligen. Die Wiederaufnahme wird in der Regel in der Gemeinde vollzogen, welcher der Wiederaufzunehmende angehören will. Die Wiederaufnahme findet in einer gesonderten Feier60 in der Kirche oder in der Sakristei in Anwesenheit von mindestens zwei Zeugen aus der Gemeinde, die dem Kirchenvorstand angehören sollen, statt. Die Wiederaufnahme soll in Verbindung mit Beicht und Absolution erfolgen und schließt die Wiederzulassung zum Abendmahl ein. Die Handlung kann auch in einem öffentlichen Gottesdienst vorgenommen werden. Ein Erwachsener, der vor seinem Austritt noch nicht konfirmiert war, wird nach vorangegangenem Unterricht zum Abendmahl zugelassen. Die Kinder sind der christlichen Unterweisung zuzuführen. Eintritt und Wiederaufnahme sind in dem vorgeschriebenen Verzeichnis einzutragen. Der Eintritt ist außerdem dem Einwohnermeldeamt und dem Kirchensteu58

ABl. der EKD 1958 S. 255 f. In der Lippischen Landeskirche muß ebenfalls dem Wiedereintritt eine Bewährungsfrist von mindestens einem Vierteljahr vorausgehen. Die Frist kann jedoch in besonders gelagerten Fällen verkürzt werden. Vgl. den Beschluß der 18. ordentlichen Landessynode betr. Wiederaufnahme in die Kirche (GVBl. der Lippischen Landeskirche 4, 1948, 61) und Art. 38 des Kirchengesetzes über die Ordnungen des Lebens in der Gemeinde vom 23. November 1954 (GVBl. 4, 1955, 140 f.). 60 Vgl. dafür die Gottesdienstliche Ordnung für die Wiederaufnahme von Personen, die aus der Kirche ausgetreten waren (ABl. für die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern 45, 1958, 65 f.). 59

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eramt sowie dem Standesamt zur Eintragung in den Personenstandsbüchern mitzuteilen. Die Mitteilung an das Standesamt ist von dem Eintretenden bzw. von dem Erziehungsberechtigten zu unterzeichnen und von dem Pfarramt zu bestätigen. Wenn der Pfarrer aus seelsorgerlichen oder anderen Gründen den Eintritt oder die Wiederaufnahme in die Kirche ablehnt, kann der Zurückgewiesene die Entscheidung des Landeskirchenrates herbeiführen.

II. Überblick über die geschichtliche Entwicklung, vor allem in Preußen Die Möglichkeit, mit bürgerlicher Wirkung aus der Kirche auszuscheiden, besteht erst seit verhältnismäßig kurzer Zeit. Ihre Wurzeln sind die reformatorische Lehre von der Kirche und der aufklärerische Begriff der Gewissensfreiheit61. 1. Der religiöse Einheitsstaat des Altertums und Mittelalters Der Staat der christlichen Kaiser und der christliche Staat des Mittelalters hatten die Einheit der Religion zur Grundlage. Alle Untertanen waren auch von Staats wegen auf die christliche Religion verpflichtet; diese war Zwangsreligion. Die Störung der religiösen Einheit galt als Verletzung auch der staatlichen Ordnung. Die Trennung von der einen Kirche war nicht gestattet. Apostasie und Häresie wurden als staatliche Delikte bestraft62. 2. Der christliche Staat im Zeichen von Toleranz und Parität Die Glaubensneuerung Martin Luthers zerstörte die religiöse Einheit in Deutschland. In ihrem grundlegenden Ansatz der subjektiven Kritik der amtlichen Kirchenlehre ist die ganze folgende Entwicklung des Verhältnisses von Staat und Kirche und damit auch des Kirchenaustrittsrechtes beschlossen. Die Konsequenz des reformatorischen Gedankens wurde jedoch noch lange Zeit durch staatliche Zwangsmittel hintangehalten. Die Neuerung Luthers brachte zwar die begrenzte Möglichkeit oder die Notwendigkeit des Übergangs von der alten Kirche zu dem neuen Glauben, nicht aber die unbedingte Freiheit, auch den umgekehrten Weg zu gehen. „Die Reformation hat Freiheit des Glaubens weder gebracht noch auch nur erstrebt. Was sie brachte, 61 H. Fürstenau, Das Grundrecht der Religionsfreiheit nach seiner geschichtlichen Entwicklung und heutigen Geltung in Deutschland (Leipzig 1891). 62 Vgl. die Ketzergesetze bei C. Mirbt, Quellen zur Geschichte des Papsttums und des römischen Katholizismus, 4. Auflage (Tübingen 1924) 80 – 83 und die Konstitutionen Friedrichs II. vom 22. November 1220, März 1224 und März 1232 (ebenda 186 – 188).

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ist nicht Glaubensfreiheit, sondern Glaubenszweiheit“63. In dem Augsburger Religionsfrieden von 155564 wurde bestimmt, daß die unmittelbaren Reichsstände das Recht haben, zwischen den beiden Konfessionen, der katholischen und der protestantischen, zu wählen; die Freiheit, eine dritte Konfession zu wählen, wurde ausdrücklich ausgeschlossen. Die Untertanen mußten der Religion ihres Landesherrn folgen. Falls sie dies ablehnten, durften sie auswandern65. „Das öffentliche Nebeneinander verschiedener Bekenntnisgenossen mit ihren kultischen Einrichtungen war eine noch unvollziehbare Vorstellung. Der Gedanke eines religiös geschlossenen Gebietes, eines in religiöser Beziehung vorhandenen territorium clausum, ist immer noch der alleingültige und alleinmögliche. Nur daß er sich in den Territorien, deren Landesherren sich der Reformation angeschlossen hatten, jetzt auf die reine Lehre des Evangeliums, die Lehre der reformatorischen, d. h. Augsburgischen Christenheit bezog“66. Das Recht, das Bekenntnis frei zu wählen, war also in doppelter Hinsicht eingeschränkt: es bestand nur für eine kleine Schicht von Personen und gewährte nur die Möglichkeit des Übertrittes zu einer der beiden anerkannten christlichen Konfessionen. Im 17. Jahrhundert kam der Toleranzgedanke auf. Sein rechtlicher Ausdruck ist der Westfälische Friede von 1648, näherhin der Osnabrücker Friede67. Darin wurden die Reformierten den Anhängern der Augsburgischen Konfession gleichgestellt. Andere Religionen blieben verboten. Den Reichsständen blieb das Recht des Übertrittes und das ius reformandi erhalten. Den Untertanen war auch jetzt grundsätzlich nicht der Weg eröffnet, aus der territorialen Zwangskirche auszuscheiden, außer unter Verzicht auf Heimat und Wohnung. Jedoch mußte der Landesherr den Angehörigen eines fremden Bekenntnisses die Religionsübung in dem Umfang und in der Form belassen, wie sie dieselbe an irgendeinem Tage des Normaljahres 1624 besessen hatten; solche, die in dem Normaljahr keinen Besitzstand hatten, konnte er dulden und mußte ihnen dann den Besuch eines auswärtigen Gottesdienstes oder einer Hausandacht sowie einer auswärtigen Schule gestatten. Der Übertritt von 63 G. Anschütz, Die Religionsfreiheit, in: Handbuch des Deutschen Staatsrechts, hrsg. von G. Anschütz und R. Thoma, II (Tübingen 1932) 676. 64 A. von Druffel/K. Brandi, Beiträge zur Reichsgeschichte: Briefe und Akten zur Geschichte des 16. Jahrhunderts IV (München 1896) 722 – 744; K. Zeumer, Quellensammlung zur Geschichte der Deutschen Reichsverfassung in Mittelalter und Neuzeit (Leipzig 1904) 282 – 311. Vgl. N. Paulus, Religionsfreiheit und Augsburger Religionsfriede: Historisch-politische Blätter 149 (1912) 356 ff., 401 ff. 65 H. Bergfried, Ausschluß und Austritt aus der Kirche in Preußen nach dem geltenden Kirchen- und Staatsrecht, Jur. Diss. Köln (Emsdetten 1933) 7; U. Scheuner, Die Auswanderungsfreiheit in der Verfassungsgeschichte und im Verfassungsrecht Deutschlands: Festschrift Richard Thoma (Tübingen 1950) 204 ff. 66 R. Oeschey, Der Erwerb der Kirchenmitgliedschaft nach dem Staatskirchenrecht des Deutschen Reichs: Archiv des öffentlichen Rechts N. F. 16 (1929) 11. 67 Zeumer, Quellensammlung zur Geschichte der Deutschen Reichsverfassung in Mittelalter und Neuzeit 332 379; M. Pfliegler, Dokumente zur Geschichte der Kirche, 2. Auflage (Innsbruck-Wien-München 1957) 328 – 334. Vgl. F. Dickmann, Der Westfälische Frieden (Münster 1959) 70 ff.

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einer Konfession zu einer anderen war hinfort da gestattet, wo die andere in dem genannten Jahr ein exercitium religionis besaß68. Die politischen Veränderungen des 18. und 19. Jahrhunderts und der Einfluß der Aufklärung führten allmählich den paritätischen Staat herauf. Zum Wesen der Parität gehört die Freiheit jeder Konfession, ihre Lehre zu verkündigen, zu ihrer Annahme zu bewegen und die Menschen ihrer Gemeinschaft zuzuführen. Der Übertritt von einer Religionsgemeinschaft zu einer anderen muß ohne Benachteiligung ermöglicht werden. Dementsprechend wurde es seit dem Ende des 18. Jahrhunderts in den deutschen Staaten gestattet, durch förmliche Erklärung gegenüber dem Vorstand der bisherigen Religionsgemeinschaft oder dem Vorstand der neuen Religionsgemeinschaft oder beiden oder vor der staatlichen Behörde von einer christlichen Religionsgemeinschaft zu einer anderen überzutreten. Zwar nicht geistesgeschichtlich, aber positivrechtlich liegen die Wurzeln der deutschen Religionsfreiheit in dem altpreußischen Staatskirchenrecht69. Das sogenannte Woellnersche Religionsedikt aus dem Jahre 178870 gewährte für die preußische Monarchie eine bedingte Gewissensfreiheit und einen Bekenntniswechsel „aus innerer, eigener, freier Überzeugung“. Das Allgemeine Landrecht für die Preußischen Staaten von 179471 sicherte in § 2 II 11 ALR jedem Einwohner des Staates für seine Person volle Glaubens- und Gewissensfreiheit zu. Folgerichtig wurde in § 40 II 11 ALR jedem Staatsbürger, den die Gesetze für fähig erkennen, für sich selbst zu urteilen, die Wahl der Religionspartei, zu welcher er sich halten will, freigestellt. Aber auch diese so gewährte Religionsfreiheit war in ihrem Umfang noch beschränkt. Zunächst einmal war das Verbot des „Proselytenmachens“ in § 43 II 11 ALR eine dehnbare Bestimmung und eindeutig gegen die katholische Kirche gerichtet. Sodann verstand man unter Religionsfreiheit nur die Freiheit, zwischen den bestehenden Religionsgemeinschaften zu wählen, nicht aber das Recht, überhaupt keiner Religion anzugehören. Darum wurde auch in den §§ 41 und 42 II 11 ALR nur der Übertritt von einer Religionsgesellschaft zu einer anderen, nicht dagegen der Austritt ohne nachfolgenden Übertritt geregelt. Die Religionsfreiheit besagt 68

68 Vgl. A. Scharnagl, Art. Toleranz in StL V, 5. Auflage (1932) 396. Anschütz, Die Religionsfreiheit 677 ff. Es sind jedoch die Vorbehalte zu beachten, die H. Rost und H. Sacher in dem Art. Gleichberechtigung in StL II, 5. Auflage (1927) 757 mit Recht gegenüber der verwaltungsmäßigen Durchführung der gesetzlichen Bestimmungen in Preußen anbringen. 70 C. L. H. Rabe, Sammlung preußischer Gesetze und Verordnungen I, 7 (Halle 1823) 726 ff. Dazu vgl. F. Valjavec, Das Woellnersche Religionsedikt und seine geschichtliche Bedeutung: Historisches Jahrbuch 72 (1952) 386 ff.; H. Conrad, Religionsbann, Toleranz und Parität am Ende des alten Reiches: Römische Quartalschrift für christliche Altertumskunde und Kirchengeschichte 56 (1961) 189 f.; Bergfried, Ausschluß und Austritt aus der Kirche in Preußen nach dem geltenden Kirchen- und Staatsrecht 8. 71 P. Hinschius, Das Preußische Kirchenrecht im Gebiete des Allgemeinen Landrechts. Abdruck von Theil II Titel 11 (Berlin–Leipzig 1884). Dazu vgl. J. Löhr, Das Preußische Allgemeine Landrecht und die Katholischen Kirchengesellschaften: VdGG 31. Heft (Paderborn 1917); Conrad, Religionsbann, Toleranz und Parität am Ende des alten Reiches 194 f. 69

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also noch immer nicht mehr als das Recht, zwischen den anerkannten christlichen Religionsgemeinschaften sich entscheiden zu können. So stellt auch die Regelung des Allgemeinen Landrechts noch eine Nachwirkung der Idee der Zwangskirche dar, weil der Gesetzgeber von der selbstverständlichen Voraussetzung ausging, daß jeder Untertan einer christlichen Konfession angehören müsse72. Schließlich bestand die Freiheit der Vereinigung zu Religionsgesellschaften insofern überhaupt nicht, als nach § 10 II 11 ALR die „Verbindung mehrerer Einwohner zu Religionsübungen“ nur mit staatlicher Genehmigung, deren Erteilung Ermessenssache war, erfolgen durfte73. Nicht nur gesetzlich, auch praktisch war die Trennung von den staatlich anerkannten Religionsgesellschaften unmöglich. Denn die christlichen Kirchen führten die Personenstandsregister. Wer keiner christlichen Kirche angehörte, dem fehlte infolge mangelnder Beurkundungsmöglichkeit der Personenstand überhaupt74. 3. Der religiös neutrale Staat Der Gedanke, daß jemand überhaupt keiner Religionsgemeinschaft angehöre, war bis in das 19. Jahrhundert hinein unvorstellbar. Es blieb daher lange umstritten, ob der Kirchenaustritt ohne nachfolgenden Anschluß an eine andere Religionsgemeinschaft möglich sei75. Erst der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts sich anbahnende religiös neutrale Staat gewährte seinen Bürgern die Möglichkeit, gar keiner Konfession anzugehören. Dieser Entwicklung liegt die Ausdehnung des Begriffes der Religionsfreiheit zugrunde, unter der man nun nicht mehr bloß das Recht der freien Wahl zwischen den anerkannten christlichen Bekenntnissen, sondern auch des Übergangs zu nicht anerkannten Religionsgemeinschaften oder gar zur vollen Religionslosigkeit verstand. In Preußen bezeichnet die durch das Patent über die Bildung neuer Religionsgesellschaften76 notwendig gewordene Verordnung vom 30. März 1847 betreffend die Geburten, Heiraten und Sterbefälle77 – freilich noch unbewußt und ungewollt – einen Wendepunkt. In § 17 der Verordnung kommt zum ersten Mal der Begriff „Austritt aus der Kirche“ vor. Die Austrittserklärung war vor dem Richter des Ortes persönlich zu Protokoll abzugeben, und zwar 72 H. Roquette, Bekenntnis und Kirche. Eine kirchenrechtliche Studie: Archiv des öffentlichen Rechts N. F. 15 (1928) 244. 73 Anschütz, Die Religionsfreiheit 679. 74 Bergfried, Ausschluß und Austritt aus der Kirche in Preußen nach dem geltenden Kirchen- und Staatsrecht 8. 75 H. Liermann in RGG III, 3. Auflage (1959) 1343. 76 Vom 16. März 1847 (GS. S. 121). 77 GS. S. 125. Vgl. Roquette, Bekenntnis und Kirche 244. Dort wird darauf hingewiesen, daß die Regelung des Austritts aus der Kirche zeitlich zusammenfällt mit der Trennung von Kirche und Staat, die mit der Verordnung vom 6. April 1848 (GS. S. 87) beginnt. Durch diese Verordnung wurden allen Religionen die gleichen staatsbürgerlichen Rechte verliehen. Der Staat wurde – grundsätzlich – konfessionslos.

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zweimal mit einem zeitlichen Zwischenraum von mindestens vier Wochen. Nach § 16 konnten Personen, die aus der Kirche ausgetreten waren und noch keiner vom Staate genehmigten Religionsgemeinschaft angehörten, unabhängig von den Personenstandsregistern der Kirchen die bürgerliche Beglaubigung ihrer Geburts-, Heirats- und Sterbefälle durch die Ortsgerichte vornehmen lassen. Trotz Einführung einer gesetzlichen Austrittsmöglichkeit und Erleichterung der Lage der Ausgetretenen denkt jedoch auch diese Verordnung nicht an einen Austritt mit nachfolgender Konfessionslosigkeit. Sie geht vielmehr stillschweigend davon aus, daß der Ausgetretene sich wieder einer Religionsgemeinschaft anschließt. Der paritätische Staat wollte eben noch grundsätzlich ein christlicher Staat sein. Jeder Bürger sollte einer Kirche angehören. Immerhin bestand seit dieser Zeit grundsätzlich die Möglichkeit, bekenntnislos zu bleiben78. Endgültige Klarheit wurde jedoch erst durch das als Schlag gegen die katholische Kirche gedachte Gesetz betreffend den Kirchenaustritt vom 14. Mai 187379 geschaffen. Wichtige Wegbereiter zu ihm waren zwei Gesetze des Norddeutschen Bundes. Das Freizügigkeitsgesetz von 186780 bestimmte, daß Aufenthalt, Niederlassung, Gewerbebetrieb und Grundeigentumserwerb nicht mehr wegen des Glaubensbekenntnisses verweigert werden sollten. Das Gesetz betreffend die Gleichberechtigung der Konfessionen in bürgerlicher und staatsbürgerlicher Beziehung von 186981 hob alle Beschränkungen auf, die aus der Verschiedenheit des Bekenntnisses hergeleitet wurden. Das erwähnte preußische Kirchenaustrittsgesetz schrieb vor, daß der Austritt aus einer Kirche mit bürgerlicher Wirkung durch Erklärung des Austretenden in Person vor dem Richter seines Wohnsitzes erfolgte (§ 1). Der Erklärung mußte ein hierauf gerichteter Antrag auf Annahme einer Austrittserklärung vorhergehen, der mindestens vier Wochen und höchstens sechs Wochen vor der Erklärung bei dem Amtsgericht des Wohnsitzes zu stellen und von dem Richter der zuständigen Kirchengemeinde zuzustellen war (§ 2). Die Erklärung wurde zu gerichtlichem Protokoll aufgenommen und erlangte Wirkung mit dem Ablauf des auf die Austrittserklärung folgenden Kalenderjahres. Die Befreiung von Leistungen, die auf der persönlichen Kirchen- oder Kirchengemeindezugehörigkeit beruhten, trat mit dem Schluß des auf die Austrittserklärung folgenden Kalenderjahres ein. Zu den Kosten eines außerordentlichen Baues hatte der Ausgetretene noch bis zum Ablauf des zweiten, auf die Austrittserklärung folgenden Kalenderjahres beizutragen (§ 3). Für das Verfahren wurden nur Abschriftgebühren und Barauslagen berechnet. 78 Bergfried, Ausschluß und Austritt aus der Kirche in Preußen nach dem geltenden Kirchen- und Staatsrecht 8 f.; Roquette, Bekenntnis und Kirche 243 f. Vgl. auch E. Fehse/ H. Engelhard, Die preußischen Kirchensteuern (Berlin 1938) 85. 79 GS. S. 207. Dazu P. Hinschius, Die preußischen Kirchengesetze des Jahres 1873 (Berlin 1874) 167 – 197; P. Liedgens, Der Austritt aus der Kirche in Preußen und seine rechtlichen Wirkungen, Jur. Diss. Greifswald (Greifswald 1918). 80 BGBl. S. 55. 81 BGBl. S. 292.

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Mit dem Gesetz von 1873 war die gesetzliche Voraussetzung für ein Dissidententum geschaffen. Eine Lücke dieses Gesetzgebungswerkes wurde reichsrechtlich ergänzt durch das Personenstandsgesetz vom 6. Februar 187582. In ihm wurde die Einrichtung staatlicher Personenstandsregister angeordnet, die ausschließlich vom Staat zu führen waren. Die Unabhängigkeit des Ausgetretenen von der Kirche war damit gesichert83. Das preußische Beispiel wurde bald von einer Reihe deutscher Staaten nachgeahmt. Auch inhaltlich lehnen sich viele Kirchenaustrittsgesetze an das preußische an. Da das Reich nach der Reichsverfassung von 1871 für Religionsangelegenheiten nicht zuständig war, blieb die Regelung des Kirchenaustrittsrechtes der Gesetzgebung der Bundesstaaten überlassen. Das preußische Kirchenaustrittsgesetz von 1873 erschwerte durch sein umständliches Verfahren den Kirchenaustritt erheblich. Die kirchenfeindliche Revolutionsgesetzgebung beseitigte die Erschwerungen durch das Gesetz vom 13. Dezember 191884. Danach war der Kirchenaustritt zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder in öffentlich beglaubigter Form zu erklären. Sogleich mit der Abgabe bzw. dem Eingang der Erklärung bei dem Amtsgericht traten ihre Wirkungen ein85. Von der Steuerpflicht wurde der Ausgetretene insoweit befreit, als die Leistungen nach dem Schluß des laufenden Kalendervierteljahres fällig wurden86. Das Gesetz vom 30. November 192087 ist bestrebt, die Interessen aller an dem Kirchenaustritt Beteiligten zu berücksichtigen. Auch nach der Weimarer Reichsverfassung vorn 11. August 191988 waren die Einzelstaaten für die rechtliche Regelung des Kirchenaustrittes zuständig. Diese ersetzten bald die älteren Bestimmungen. Der Austritt war nunmehr in der Regel vor dem (leicht erreichbaren) Standesbeamten oder vor dem (mit Fachkräften besetzten) Amtsgericht oder – seltener – vor der allgemeinen Verwaltungsbehörde oder der Religionsgemeinschaft zu erklären. Die Erklärung hatte entweder schriftlich in öffentlich beglaubigter Form oder mündlich zu Protokoll zu erfolgen; sie mußte persönlich bzw. für Kinder unter vierzehn Jahren durch die Erziehungsbe82

RGBl. S. 23. Vgl. dafür E. Wohlhaupter in StL IV, 5. Auflage (1931) 108 – 112. Bergfried, Ausschluß und Austritt aus der Kirche in Preußen nach dem geltenden Kirchen- und Staatsrecht 9. 84 GS. S. 199. 85 Nach der Forderung des Toleranzantrages des Zentrums aus den Jahren 1900 – 1902 (AfkKR 82, 1902, 1 ff.; 84, 1904, 513 ff.) sollten die bürgerlichen Wirkungen des Austrittes aus der bisherigen Religionsgesellschaft an die Erklärung vor dem Amtsgericht gebunden sein. Das Zentrum trat auch für eine reichseinheitliche Regelung des Kirchenaustritts ein. Vgl. A. B. Schmidt, Neue Beiträge zum Austritt aus der Kirche: Festschrift Emil Friedberg (Leipzig 1908) 74 ff. 86 Bergfried, Ausschluß und Austritt aus der Kirche in Preußen nach dem geltenden Kirchen- und Staatsrecht 10. 87 GS. S. 119. 88 RGBl. S. 1383. 83

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rechtigten abgegeben werden. Von der Austrittserklärung war den kirchlichen Behörden von Amts wegen Mitteilung zu machen und dem Ausgetretenen eine Bescheinigung auszustellen. In der Regel traten die bürgerlichen Wirkungen sofort ein; die dauernde Befreiung von allen Leistungen, die auf der persönlichen Zugehörigkeit zu der Religionsgemeinschaft beruhen, wurde im allgemeinen von dem Ablauf einer bestimmten Frist abhängig gemacht. Die Kirchenaustrittsbestimmungen galten – im Gegensatz zum älteren Recht – jetzt durchweg auch für den Übertritt zu einer anderen Kirche oder Religionsgemeinschaft89. In der Zeit des Dritten Reiches wurden rigorose Vorschläge zur Erleichterung und Vereinheitlichung des Kirchenaustritts gemacht und eine staatsgesetzliche Regelung des Kircheneintritts gefordert90. Die Vorschläge wurden nicht verwirklicht. Die nach 1945 erlassenen Vorschriften brachten keine Verschlechterung für die Kirche. In manchen der aus verschiedenen Bestandteilen zusammengesetzten neuen Bundesländer sind landeseinheitliche Kirchenaustrittsgesetze in Vorbereitung. Zusammenfassend läßt sich die Entwicklung des Kirchenaustrittsrechtes in Deutschland dahingehend charakterisieren, daß der Kirchenaustritt in steigendem Maße verstaatlicht und erleichtert, die Gewissensfreiheit gegenüber möglichen Beeinträchtigungen sorgfältiger geschützt und die Zuständigkeit von Staat und Kirche schärfer abgegrenzt wurden. Zunächst war nämlich der Kirchenaustritt in manchen Ländern noch in der Hand der Kirche. Der Staat stellte wohl die gesetzlichen Normen für die bürgerliche Wirksamkeit des Kirchenaustritts auf, trat aber selbst bei dem Austritt nicht in Erscheinung91. Nach der Umwälzung des Jahres 1918 wurde die Verstaatlichung überall, mit Ausnahme von Bremen92 und Mecklenburg93, durchgeführt. Man lernte hinsichtlich der Wirkungen genauer zwischen staatlichem und kirchlichem Bereich unterscheiden. Die Folge war, daß der Nachdruck des Kirchenaustritts auf die bürgerliche Seite gelegt wurde94. War das persönliche Erscheinen anfangs streng vorgeschrieben, so wurde es später allgemein

89 Gotthold, Das Recht des Kirchenaustritts: Reichsverwaltungsblatt 56 (1935) 632. Damit dürfte Schmidts Desiderat (Der Austritt aus der Kirche 269) erfüllt sein. Für den Sonderfall Hessen-Darmstadt vgl. zu Hessen. 90 W. Haugg, Vom Kirchenein- und -austritt: Deutsche Rechtswissenschaft 3 (1938) 378 f.; maßvoll: Gotthold, Das Recht des Kirchenaustritts 630 – 634. Vgl. auch O. Dörner, Der Austritt aus den Religionsgesellschaften: Deutsches Gemein- und Wirtschaftsrecht N. F. 3 (1938) 265 – 269. 91 Hagen, Die kirchliche Mitgliedschaft 67. 92 Schmidt, Der Austritt aus der Kirche 231 f. Dazu Bremisches Kirchengesetz betreffend den Austritt aus der evangelischen Kirche vom 13. November 1922 (Allgemeines Kirchenblatt für das evangelische Deutschland 72, 1923, 31 f.). 93 Schmidt, Der Austritt aus der Kirche 211 f.; Dörner, Der Austritt aus den Religionsgesellschaften 268; Gotthold, Das Recht des Kirchenaustritts 631 A. 2. 94 Hagen, Die kirchliche Mitgliedschaft 69.

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oder für bestimmte Fälle aufgegeben95. Die rechtlichen Wirkungen ließ man im allgemeinen rascher eintreten, die Befreiung von den Lasten der Kirchenzugehörigkeit erfolgte früher96.

III. Rechtsgrundsätze der staatlichen Regelung des Kirchenaustritts 1. Schutz der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit Der Staat sieht in dem Kirchenaustritt mit bürgerlicher Wirkung ein Postulat der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit, auch kurz Gewissensfreiheit oder Religionsfreiheit genannt. Die Glaubens- und Bekenntnisfreiheit umfaßt im einzelnen drei Freiheiten: einmal die individuelle Freiheit, zu glauben oder nicht zu glauben, die Glaubensüberzeugung zu offenbaren oder nicht zu offenbaren; ferner die individuelle Freiheit, sich einer Religionsgemeinschaft anzuschließen oder nicht anzuschließen; schließlich die individuelle Freiheit der privaten und öffentlichen Glaubensübung, im besonderen der Teilnahme an religiösen Feiern einschließlich der Freiheit, für eine religiöse Überzeugung oder eine religiöse Gemeinschaft zu werben97. Das Grundrecht der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit wird durch Art. 4 Abs. 1 des Bonner Grundgesetzes vom 23. Mai 1949 (BGBl. S. 1) gewährleistet. Es heißt dort: „Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.“ Die Notwendigkeit staatlichen Schutzes der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit durch die Ermöglichung des Kirchenaustritts ergibt sich aus der Stellung der Kirchen und mancher Religionsgemeinschaften als Körperschaften des öffentlichen Rechts. In Deutschland haben die Kirchen und Religionsgemeinschaften den überkommenen Status von Körperschaften des öffentlichen Rechts gemäß Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 5 WRV behalten. Wenn sich auch die Kirchen als öffentlichrechtliche Körperschaften nur bedingt mit den in den Staatsorganismus eingegliederten und Staatsaufgaben erfüllenden übrigen öffentlichrechtlichen Körperschaften vergleichen lassen, so haben sie doch das Merkmal, um dessentwillen ein Ausscheiden aus ihnen ermöglicht werden muß, mit diesen gemeinsam: Der Staat verleiht ihnen gewisse Vorrechte, und die Kirchen treten mit obrigkeitlicher Macht und hoheitlichem Zwang auf. Die Kirchen und Religionsgemeinschaften haben diese Gewalt nur gegenüber ihren Mitgliedern. Der Staat sieht darauf, daß 95 Bereits Schmidt, Der Austritt aus der Kirche 283, kritisierte, daß die Möglichkeit einer schriftlichen Austrittserklärung weder der Bedeutung des Aktes entspreche noch der Behörde, sofern nicht beglaubigte Schriftstücke vorgelegt werden, die unbedingt erforderliche Sicherheit gebe. 96 Hagen, Die kirchliche Mitgliedschaft 71 ff. 97 Dafür vgl. W. Geiger in StL III, 6. Auflage (1959) 972.

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diese Mitgliedschaft jedenfalls in ihrem Bestand (wenn auch nicht durchweg in ihrer Begründung) freiwillig ist; niemand darf gezwungen werden, einer Religionsgemeinschaft weiterhin anzugehören, der er nicht mehr angehören will. Eine Person mit Zwangsmitteln an einen religiösen Verband zu binden, dessen Bekenntnis und Gesetz diese Person ablehnt, erscheint dem Staat als ein Verstoß gegen die Glaubens- und Bekenntnisfreiheit, die gegen staatliche Beeinträchtigung zu schützen er sich angelegen sein läßt. Da die öffentlichen Korporationsrechte der Religionsgemeinschaften, kraft deren in gewissem Umfang ein äußerer Zwang auf die Bekenntnisgenossen ausgeübt werden kann, sich nach staatlicher Auffassung von dem Staat herleiten, sieht er sich genötigt, jene Mitglieder der Religionsgemeinschaften vor der Einwirkung dieses Zwanges zu bewahren, die sich ihm nicht mehr unterwerfen wollen. Sie dürfen aus der betreffenden Religionsgemeinschaft ausscheiden. Insofern kann man sagen, daß Art. 4 Abs. 1 GG auch den freien Austritt aus Religionsgemeinschaften garantiert98. Zu bestimmen, wer Mitglied einer Religionsgemeinschaft ist, überläßt der Staat hinsichtlich der Aufnahme grundsätzlich der Religionsgemeinschaft selbst. Der Erwerb der Kirchenmitgliedschaft erfolgt allein nach dem inneren Recht des Verbandes. Bei dem Eintritt in die Religionsgemeinschaft fallen kirchliche und staatliche Wirkungen zusammen. Hier sind die staatlichen Interessen gewahrt, wenn die Mitgliedschaft nach außen erkennbar ist99. Der Staat hält es aber für unvereinbar mit dem von ihm garantierten Grundrecht der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit, daß die Mitgliedschaft unwiderruflich sein soll. Das Mitglied der Religionsgemeinschaft soll seine Überzeugung ändern können. Der Staat duldet nicht, daß die Religionsgemeinschaften ihre Mitglieder in solcher Weise an dem Widerruf hindern, daß dieser in dem Bereich des staatlichen Rechts keine Wirkungen zeitigt. Er verlangt, daß der Widerruf wenigstens in der Reichweite möglich ist, die erforderlich ist, um sich von dem aus der Eigenschaft der Religionsgemeinschaften als Körperschaften des öffentlichen Rechts herzuleitenden obrigkeitlichen Gebieten, das nach seiner Meinung auf staatlicher Verleihung beruht und Wirkungen in dem Bereich des staatlichen Rechts hat, zu befreien. Der Staat hindert nicht, daß nach dem kirchlichen Satzungsrecht trotz des vor der staatlichen Behörde erfolgten Austritts die Bindung des Mitglieds erhalten bleibt. Aber vor seinem Forum soll der aus der Religionsgemeinschaft Ausscheidende nicht mehr als Mitglied dieser Religionsgemeinschaft gelten. In der Tat ist unbestreitbar: Wenn dem Begriff der Glaubens-und Bekenntnisfreiheit erst einmal ein solcher Umfang gegeben ist, daß sie auch die Freiheit des 98

Mikat, Grundfragen des staatlichen Kirchenaustrittsrechtes 216; H. J. Scholler, Die Freiheit des Gewissens (Berlin 1958) 185. Vgl. auch H. Rieder, Staat und Kirche nach modernem Verfassungsrecht (Berlin 1928) 135. 99 G. J. Ebers, Staat und Kirche im neuen Deutschland (München 1931) 357. Vgl. aber C. I. Roesler, Die kirchenrechtliche und staatsrechtliche Bedeutung der Taufe, Jur. Diss. Zürich (Weinfelden 1925) 19, 40 ff., 54.

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Abfalls von der einmal übernommenen Glaubensüberzeugung einschließt, dann muß der Staat diese Gewissensentscheidung respektieren und für seinen Bereich die rechtlichen Konsequenzen daraus ziehen, d. h. er muß denjenigen, der einer Religionsgemeinschaft nicht mehr angehören will, vor dem von seiner Hoheitsgewalt abgeleiteten Zwang der Religionsgemeinschaft schützen und von dem in seinem Rechtsbereich bestehenden Bindungen zu der Religionsgemeinschaft befreien. Das Grundrecht der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit braucht nur gegenüber Religionsgemeinschaften geschützt zu werden, die Träger vom Staat verliehener obrigkeitlicher Befugnisse sind. Daher ordnet der Staat nur den Austritt aus den Religionsgemeinschaften öffentlichen Rechts. Religiöse und weltanschauliche Vereinigungen privatrechtlichen Charakters bedeuten keine Gefahr für das erwähnte Grundrecht; sie unterstehen dem bürgerlichen Recht, näherhin den Bestimmungen des allgemeinen Vereinsrechts, die den freien Austritt jederzeit gestatten100. 2. Anerkennung des Selbstverwaltungsrechtes der Kirchen Jede staatliche Ordnung der kirchlichen Mitgliedschaft im dogmatischen und kirchenrechtlichen Sinne ist mit den Grundsätzen des Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 1 und 3 WRV unvereinbar101. Der Staat kann sich nur mit den Wirkungen der Zugehörigkeit zu einer Kirche oder Religionsgemeinschaft in dem Bereich des staatlichen Rechts befassen102. Hinsichtlich des Eintritts in eine Kirche oder Religionsgemeinschaft hat sich bisher die Notwendigkeit nicht ergeben, staatsgesetzliche Bestimmungen zu erlassen. Dementsprechend ist die Festsetzung der sachlichen Voraussetzungen für die Aufnahme in eine Kirche oder Religionsgemeinschaft dem jeweiligen Verbande als eigene Angelegenheit zur Ordnung überlassen103. Das innerkirchliche Recht ist die Grundlage der Zugehörigkeit zu der 100 §§ 39 und 54 BGB in Verbindung mit §§ 723 f. BGB. Vgl. Mikat, Grundfragen des staatlichen Kirchenaustrittsrechtes 197 f. und F. Haller, Das Württembergische Gesetz über die Kirchen vom 3. März 1924. Unter Berücksichtigung der Gesetzesbegründung, der Landtagsverhandlungen und der einschlägigen Bestimmungen der Reichsverfassung bearbeitet (Stuttgart 1924) 38. 101 Rieder, Staat und Kirche nach modernem Verfassungsrecht 129. Vgl. auch J. Noll, Das katholische Pfarramt. Sein Geschäftsgang und Interessenkreis, 2. Auflage (Wiesbaden 1927) 374. 102 Mikat, Grundfragen des staatlichen Kirchenaustrittsrechtes 204. 103 Rieder, Staat und Kirche nach modernem Verfassungsrecht 130 f.; Oeschey, Der Erwerb der Kirchenmitgliedschaft nach dem Staatskirchenrecht des Deutschen Reichs 7 ff. Vgl. auch die Entscheidungen des Preußischen Oberverwaltungsgerichtes vom 27. November 1928 (Bd. 83, S. 192) und vom 12. Oktober 1937 (Bd. 101, 5. 104 f.). Mirbt, Kirchenmitgliedschaft und staatliches Recht 74 f., fragt, ob es nicht folgerichtig und zweckentsprechend sei, wie die bürgerliche Wirkung des Austritts aus einer Religionsgemeinschaft auch diejenige des Eintritts von einer ausdrücklichen Erklärung abhängig zu machen, die in jenem Alter abzugeben wäre, an das die staatliche Rechtsordnung die volle Fähigkeit zur Teilnahme am Rechtsver-

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Religionsgesellschaft auch als staatlich anerkanntem Rechtsverband. Die Kirchenmitgliedschaft wird nach kirchlichem, von dem Staat anerkannten Recht erworben, und dieses Recht wirkt bei dem Vorliegen der von der Kirche bestimmten Voraussetzungen notwendig die Kirchengliedschaft auch in dem Bereich des staatlichen Rechts104. Ähnlich wie die erstmalige Aufnahme in eine Kirche oder Religionsgemeinschaft wird auch die Wiederaufnahme nach erfolgtem Austritt von dem Staat regelmäßig als rein kirchliche Angelegenheit angesehen. Soll der Wiedereintritt bürgerliche Wirkungen haben, so ist jedoch den entsprechenden Behörden von den Pfarrämtern Mitteilung zu machen105. Da sich der Staat nur mit den Ausstrahlungen der Kirchenzugehörigkeit in den Bereich des staatlichen Rechts befaßt, kann die staatliche Gesetzgebung nur über die bürgerlichen, d. h. staatskirchenrechtlichen Wirkungen106 des Austritts aus der Kirche befinden. Sie bestehen vor allem in der Befreiung von den durch Staatskirchenrecht begründeten Lasten107. Jedoch ist zu beachten, daß dank der Notwendigkeit, die religiösen und kirchlichen Verhältnisse der Staatsbürger zu berücksichtigen, sich gewisse Folgen des Kirchenaustritts auch außerhalb des Rahmens der Kirchenaustrittsgesetze ergeben können. Der Ausgetretene ist nunmehr für den Staat nicht mehr Mitglied der betreffenden Kirche oder Religionsgemeinschaft, und zwar in jeder Hinsicht, vor jeder staatlichen Stelle108. Der Staat hält sich nicht für befugt, auch die kirchlichen Wirkungen des Kirchenaustritts zu regeln. Daher gibt es trotz der Regelung des Kirchenaustritts durch Staatsgesetz eine Kompetenz des Kirchengesetzes für diesen Gegenstand109. Die staatliche Ermöglichung des Kirchenaustritts nimmt den Kirchen und Religionsgemeinschaften nicht das Recht, für ihren – den innerkirchlichen – Bereich dem Kirchenaustritt jede Gültigkeit zu versagen oder ihn zu mißbilligen und mit Kirkehr knüpft; er fordert also in der Konsequenz seiner Gedanken ein Kircheneintrittsgesetz. Darauf ist zu erwidern, daß der Vorschlag das Wesen der Taufe verkennt, die keineswegs eine bloß „vorläufige Verbindung“ mit der Kirche darstellt. Ähnliche Gedanken wie Mirbt trägt Haugg, Vom Kirchenein- und -austritt 379, vor. 104 Oeschey, Der Erwerb der Kirchenmitgliedschaft nach dem Staatskirchenrecht des Deutschen Reichs 42. Wie groß in der Frage nach der Begründung der Kirchenmitgliedschaft die Gegensätze auf protestantischer Seite sind, ist bekannt. Ich verweise hier nur auf die Ausführungen bei P. Schoen, Kirchenmitgliedschaft und Kirchengemeindemitgliedschaft nach den neuen evangelischen Kirchenverfassungen: Verwaltungsarchiv 30 (1925) 113 – 160; F. Mess, Wer gehört der Kirche an?: Archiv des öffentlichen Rechts N. F. 10 (1926) 1 – 123; Wolf, Ordnung der Kirche 573 ff. 105 Hagen, Die kirchliche Mitgliedschaft 43. 106 So richtig Roquette, Bekenntnis und Kirche 250 A. 106. 107 Vgl. die Entscheidung des Kammergerichts (Bd. 31 A, S. 31). 108 Hagen, Die kirchliche Mitgliedschaft 74. 109 Roquette, Bekenntnis und Kirche 245 f.; Rieder, Staat und Kirche nach modernem Verfassungsrecht 135 (mit Entscheidungen preußischer Gerichte). Erst recht ist der Ausschluß nach der Ansicht des Staates eine rein interne Angelegenheit der Religionsgemeinschaften (Rieder, Staat und Kirche nach modernem Verfassungsrecht 137).

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chenstrafen bzw. kirchlichen Zuchtmitteln zu belegen. Die Religionsgemeinschaften sind in dem Raum „ihrer Angelegenheiten“ (Art. 140 GG mit Art. 137 Abs. 3 WRV) der Geltung der Grundrechte nicht unterworfen110. Zu den eigenen Angelegenheiten der Religionsgemeinschaften gehört aber in besonderer Weise die Ordnung des Mitgliedschaftsrechtes. Daher ist es dem Staat verwehrt, über die eigentliche kirchliche Mitgliedschaft nach dem dogmatischen Verständnis der Kirchen und die daraus sich ergebende kirchliche Rechtsstellung zu befinden. Die verfassungsmäßige Schranke des Art. 140 GG mit Art. 137 Abs. 3 WRV legt fest, daß sich die Wirkungen des staatlich geregelten Kirchenaustritts nur bis zu der Grenze der in dem Wesen der Kirche begründeten eigenen kirchlichen Angelegenheiten erstrecken dürfen111. Solange sich die Stellungnahme der Religionsgemeinschaften zu dem Kirchenaustritt in dem Rahmen der eigenen Angelegenheiten hält, nimmt der Staat davon keine Notiz. Ob die Religionsgemeinschaften ein Ausscheiden kennen und zulassen oder ob sie ein solches nicht kennen und verbieten, ist dem Staat so lange gleichgültig, als kirchliche Bestimmungen und etwaige Strafdrohungen den Bereich der eigenen kirchlichen Angelegenheiten nicht überschreiten. Mit den ihnen von Natur eigenen, geistigen und geistlichen Mitteln dürfen die Religionsgemeinschaften das Ausscheiden eines Mitglieds zu verhindern suchen. Die Kirche kann also mit geistlichen Strafen112 oder Zuchtmitteln113 gegen den Ausgetretenen vorgehen. Die öffentliche Bekanntgabe von Personen, die aus der Kirche ausgetreten sind, ist zulässig. Voraussetzung ist dabei, daß die Bekanntgabe in objektiver Weise geschieht und eine Verletzung der allgemeinen Strafrechtsnormen vermieden wird114. Anders dagegen, wenn sich die Religionsgemeinschaften äußerer, nicht arteigener Mittel zu diesem Zweck bedienen, wenn sie von hoheitlichen Befugnissen und Mitteln Gebrauch machen, die – nach staatlicher Ansicht – von dem Staat verliehen sind. In diesem Falle sind die Grundrechte und damit das Recht der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit auch für die Religionsgemeinschaften beachtlich115. Dann versagt 110

Mikat, Grundfragen des staatlichen Kirchenaustrittsrechtes 216. Mikat, Grundfragen des staatlichen Kirchenaustrittsrechtes 207, 208 f. 112 Vgl. Kölner Diözesansynode von 1954 Nr. 610 § 2. 113 Vgl. Lebensordnung der VELKD von 1954 Abschnitt XI, 2. 114 Der Reichs- und preußische Minister des Innern hatte am 18. Februar 1937 (RMBliV S. 294) jede öffentliche Bekanntgabe von Personen, die aus der Kirche ausgetreten sind, verboten. Im besonderen wurde es untersagt, die Namen solcher Personen von der Kanzel herab zu verlesen, Zuwiderhandlungen wurden mit Gefängnisstrafe nicht unter einem Monat oder mit Geldstrafe von 150 bis 15 000 RM bedroht. Nach einem Schreiben des bayerischen Staatsministers der Justiz vom 11. April 1951 ist dieser Runderlaß aufgehoben (Pfarramtsblatt 1951 S. 226 f.). Vgl. zu der Frage auch E. Kern, Staat und Kirche in der Gegenwart (HamburgBerlin-Bonn 1951) 122. – Daß der Amtsverlust, der über einen abtrünnigen Geistlichen verhängt wird (vgl. c. 188 n. 4), auch materielle Wirkungen zeitigt, ist selbstverständlich. Auch dieses gehört zu den eigenen Angelegenheiten der Religionsgemeinschaften. Der Staat hat auf Ersuchen seine Hilfe – etwa zur Räumung des Pfarrhauses – zur Verfügung zu stellen. 115 Mikat, Grundfragen des staatlichen Kirchenaustrittsrechtes 217. 111

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der Staat seine Hilfe und verwehrt den Religionsgemeinschaften die Anwendung dieser Befugnisse und Mittel. Gegen Personen, die nach seinen Gesetzen aus einer Religionsgemeinschaft ausgeschieden sind, darf diese Religionsgemeinschaft in keiner Weise mehr von den auf staatlicher Verleihung beruhenden Hoheitsrechten Gebrauch machen. Das Bemühen der Religionsgemeinschaft, ein Mitglied in ihrem Verband zu halten, findet seine Grenze an der Freiheit des Mitglieds, den hoheitlichen Zwang gegen sich gelten zu lassen oder sich ihm durch den Kirchenaustritt zu entziehen116.

3. Wahrung der Rechtssicherheit Zwar hängen die allgemeinen bürgerlichen oder staatsbürgerlichen Rechte heute nicht mehr von der Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft ab. „Die bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten werden durch die Ausübung der Religionsfreiheit weder bedingt noch beschränkt“ (Art. 140 GG mit Art. 136 Abs. 1 WRV). „Der Genuß bürgerlicher und staatsbürgerlicher Rechte sowie die Zulassung zu öffentlichen Ämtern sind unabhängig von dem religiösen Bekenntnis“ (Art. 140 GG mit Art. 136 Abs. 2 WRV; vgl. Art. 33 Abs. 3 GG). Trotz dieser Grundsätze bestehen mannigfache Beziehungen zwischen Staat und Kirchen, aus denen sich Rechte und Pflichten ergeben, die sachnotwendig nach einer Differenzierung bei der Auswahl der Personen verlangen, die sie beanspruchen dürfen oder zu erfüllen haben. Will der Staat nicht die Bedeutung der Religion überhaupt verkennen und verleugnen, so ist er gezwungen, von dem religiösen Bekenntnis seiner Bürger Kenntnis zu nehmen und seine Einrichtungen so auszugestalten, daß nicht nur kein unzulässiger Gewissensdruck auf die Angehörigen eines bestimmten Bekenntnisses ausgeübt wird, sondern daß sie in möglichst weitem Umfange von dem Geist dieses Bekenntnisses geprägt sind. Aus dieser Pflicht des Staates, die Religionszugehörigkeit seiner Bürger zu berücksichtigen, ergibt sich, daß auch nach heutigem Staatsrecht die Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft gleich welcher Art nicht nur Wirkungen in dem Raum des jeweiligen religiösen Verbandes, sondern auch in dem Bereich des allgemeinen staatlichen Rechtes hat117. Von der Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft hängen gewisse Rechte ab, die vor allem für das öffentliche Leben von Bedeutung118, aber auch in der privaten 116

Vgl. K. Hesse, Der Rechtsschutz durch staatliche Gerichte. Zugleich ein Beitrag zur Frage des rechtlichen Verhältnisses von Staat und Kirche in der Gegenwart: Göttinger Rechtswissenschaftliche Studien Band 19 (Göttingen 1956) 70, 96 f.; Anschütz, Die Religionsfreiheit 682. 117 Mikat, Grundfragen des staatlichen Kirchenaustrittsrechtes 204; Schmidt, Der Austritt aus der Kirche 20. 118 Th. Reiß, Der Austritt aus der Kirche nach dem geltenden bayerischen Staatskirchenrecht, Jur. Diss. Würzburg Masch. (Würzburg 1924) 12; Mikat, Grundfragen des staatlichen Kirchenaustrittsrechtes 211 f. Vgl. – beispielsweise – die Erlasse des preußischen Ministers für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung betreffend die Erteilung von Religionsunterricht

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Sphäre wirksam sind119. Ferner sind mit der Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft gewisse Pflichten verbunden, die unter Mitwirkung staatlicher Organe verwirklicht werden120. Hier ist an erster Stelle die Pflicht zur Entrichtung der Kirchensteuer zu nennen121. Der Staat muß Klarheit darüber haben, wer bestimmte Rechte wahrzunehmen berechtigt und bestimmte Pflichten zu erfüllen gehalten ist. Die Abhängigkeit bestimmter Rechte und Pflichten von der Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft veranlaßt den Staat, um des in dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3, Art. 28 Abs. 1 GG) enthaltenen Postulats der Rechtssicherheit willen die Entstehung und das Erlöschen dieser Rechte und Pflichten an für den Rechtsverkehr erkennbare und registrierbare Vorgänge zu knüpfen122. Ein derartiger Vorgang ist der Kirchenaustritt; er stellt eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung dar, die mit der Abgabe oder mit dem Eintreffen bei der staatlichen Stelle abgeschlossen ist123. Der Kirchenaustritt hat für alle Beziehungen, bei denen nach staatlichem Recht die Religionszugehörigkeit einer Person wesentlich ist, Bedeutung124. Um der Rechtssicherheit willen wird auch der Rechtsweg vor den staatlichen Verwaltungsgerichten zur Entscheidung von Fragen der staatskirchenrechtlichen Seite der Kirchenmitgliedschaft, der Mitgliedschaft zu einer Kirche oder Religionsgemeinschaft als einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, für zulässig erachtet werden müssen125. durch Lehrer, die von einer anderen Konfession übergetreten sind, vom 13. Mai 1929 (AfkKR 110, 1930, 249 f.) und betreffend die Erteilung von Religionsunterricht durch Lehrer, die ihren Austritt aus der Kirche widerrufen haben, vom 24. Januar 1934 (AfkKR 114, 1934, 193), sowie die beiden Entscheidungen des Badischen Staatsgerichtshofes vom 23. Januar 1950 (ZevKR 1, 1951, 334 f.) und des Oberverwaltungsgerichtes Lüneburg vom 28. Juni 1954 (ZevKR 4, 1955, 220 ff.). 119 Z. B. kann eine Person, die aus der Kirche ausgetreten ist, nicht Empfänger von Geldzuwendungen sein, deren Bezug stiftungsgemäß an die Zugehörigkeit zu einer Kirche geknüpft ist (Schmidt, Der Austritt aus der Kirche 246). Vgl. auch die Entscheidungen des Amtsgerichtes Varel vom 26. November 1946 (ZevKR 1, 1951, 202), des Amtsgerichtes Gera vom 24. November 1949 (ZevKR 1, 1951, 202 f.), des Landgerichtes Flensburg vom 22. August 1951 (ZevKR 1, 1951, 428 f.), des Amtsgerichtes Hannover vom 17. Oktober 1952 (ZevKR 3, 1953/54, 217). 120 Reiß, Der Austritt aus der Kirche nach dem geltenden bayerischen Staatskirchenrecht 12. 121 H. Liermann in RGG III, 3. Auflage (1959) 1343; R. Bäumlin in RGG V, 3. Auflage (1961) 984; A. Fellmeth, Das kirchliche Finanzwesen in Deutschland (Karlsruhe i. B. 1910) 154; H. Lenz, Die Kirche und das weltliche Recht (Köln 1956) 179; Schmidt, Der Austritt aus der Kirche 295. 122 Mikat, Grundfragen des staatlichen Kirchenaustrittsrechtes 212; Ebers, Kirche und Staat im neuen Deutschland 358. 123 Hagen, Die kirchliche Mitgliedschaft 71. 124 Gotthold, Das Recht des Kirchenaustritts 631. 125 C. H. Ule, Verwaltungsprozeßrecht, 2. Auflage (München–Berlin 1961) 28.

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Zwar würde dem Interesse der Rechtssicherheit auch dann Genüge geleistet, wenn die Entgegennahme des Kirchenaustritts den Kirchen und Religionsgemeinschaften des öffentlichen Rechts übertragen würde. Diese würden in diesem Falle in staatlicher Funktion auftreten, denn die Austrittserklärung betrifft nicht ihren eigenen, sondern den staatlichen Organisationsraum. Diese Übertragung wäre jedoch für die Kirchen, die einen Austritt als für ihren Bereich unwirksam ansehen, eine erhebliche Belastung und Zumutung. Denn eine solche Regelung würde nach außen hin die – auf den staatlichen Rechtsbereich – begrenzte Bedeutung des von dem Staat geregelten Kirchenaustritts verwischen, und es entstünde der Eindruck, als ob die der Kirchenbehörde gegenüber abzugebende Austrittserklärung nicht nur Bedeutung für die in der Sphäre des staatlichen Rechts begründeten Rechte und Pflichten habe, sondern die Mitgliedschaft in der betreffenden Kirche überhaupt beseitige126.

IV. Die geltenden Bestimmungen im Bund und in den Ländern 1. Im Bund Zwar existiert kein Kirchenaustrittsgesetz des Bundes, aber mit dem Kirchenaustritt zusammenhängende Fragen sind in dem Personenstandsgesetz und dem Gesetz über die religiöse Kindererziehung geregelt. a) Personenstandsgesetz Das Personenstandsgesetz wurde am 18. Mai 1957 neugefaßt (BGBl. I S. 518) und am 8. August 1957 in der Neufassung bekanntgemacht (BGBl. I S. 1125). Nach diesem Gesetz ist zu der Eintragung der rechtlichen Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einer Kirche, Religionsgesellschaft oder Weltanschauungsgemeinschaft127 in das Heiratsbuch128, das Familienbuch129, das Geburtenbuch130 und das 126

Mikat, Grundfragen des staatlichen Kirchenaustritts rechtes 213. Eine Eintragung kann nur erfolgen, sofern die Kirche, Religionsgesellschaft oder Weltanschauungsgemeinschaft die Rechtsform einer Körperschaft des öffentlichen Rechts oder eines rechtsfähigen Vereins hat oder ihr Bestand nachgewiesen wird (§ 117 Abs. 1 der Dienstanweisung für die Standesbeamten und ihre Aufsichtsbehörden). Eine religiöse Überzeugung ohne rechtliche Bindung kann nicht eingetragen werden. Vgl. H. Feneberg/A. Simader, Personenstandsgesetz mit Ausführungsverordnung, Handkommentar (München 1958) § 11 Erl. 1 e. 128 § 11 Abs. 1 Ziff. 1 PStG. Vgl. G. Pfeiffer/H. G. Strickert, Personenstandsgesetz, Kommentar (Berlin 1961) § 11 Anm. 1 und 8. 129 § 12 Abs. 2 Ziff. 1 und § 14 Ziff. 8 PStG. 130 § 21 Abs. 1 Ziff. 1 PStG. Der Wechsel der rechtlichen Zugehörigkeit wird in dem Geburtenbuch nicht eingetragen (Feneberg/Simader, Personenstandsgesetz §§ 21, 22 Erl. 1 e). 127

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Sterbebuch131 das Einverständnis des Anzeigenden132 erforderlich. Dementsprechend wird die rechtliche Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einer Kirche, Religionsgesellschaft oder Weltanschauungsgemeinschaft in die Geburtsurkunde133, die Heiratsurkunde134 und die Sterbeurkunde135 nur aufgenommen, wenn die Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit in dem betreffenden Buch eingetragen ist. Der Wechsel der rechtlichen Zugehörigkeit oder die Nichtzugehörigkeit zu einer Kirche, Religionsgesellschaft oder Weltanschauungsgemeinschaft kann bei Personen, die einer Kirche, Religionsgesellschaft oder Weltanschauungsgemeinschaft angehört haben, erst eingetragen werden, nachdem der Austritt aus der Kirche, der Religionsgesellschaft oder Weltanschauungsgemeinschaft nachgewiesen worden ist136. Der Nachweis des Austritts erfolgt durch eine Bescheinigung der für die Entgegennahme der Austrittserklärung zuständigen Behörde137. Ebenso kann der Eintritt in eine Kirche, Religionsgesellschaft oder Weltanschauungsgemeinschaft nur eingetragen werden, nachdem der Eintritt nachgewiesen worden ist138. Der Eintritt bzw. Wiedereintritt wird nachgewiesen durch eine

131 § 37 Abs. 1 Ziff. 1 PStG. Entscheidend ist das religiöse Bekenntnis im Zeitpunkt des Todes (§ 283 der Dienstanweisung für die Standesbeamten und ihre Aufsichtsbehörden). 132 Nach Art. 140 GG mit Art. 136 Abs. 3 WRV ist niemand verpflichtet, seine religiöse Überzeugung zu offenbaren; die Behörden haben nur das Recht, nach der Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft zu fragen, soweit davon Rechte und Pflichten abhängen oder eine gesetzlich angeordnete statistische Erhebung dies erfordert. In die Personenstandsbücher wird daher die rechtliche Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einer Kirche, Religionsgesellschaft oder Weltanschauungsgemeinschaft nur eingetragen, wenn die Beteiligten einverstanden sind. Für Zwecke der Bevölkerungsstatistik müssen die Beteiligten jedoch diese Angaben auf jeden Fall machen; über sie werden aber besondere Aufzeichnungen geführt, die nur für statistische Zwecke verwandt werden (Pfeiffer/Strickert, Personenstandsgesetz § 1 Anm. 21). 133 § 62 Ziff. 3 PStG. 134 § 63 Ziff. 1 PStG. 135 § 64 Ziff. 1 PStG. 136 § 69 a Abs. 1 S. 1 PStG. Zur Geschichte dieser Bestimmung vgl. Pfeiffer/Strickert, Personenstandsgesetz § 69 a Anm. 1. Grundsätzlich kommt nur die Eintragung im Familienbuch in Frage, da nur hierfür in § 14 Ziff. 8 PStG ausdrücklich vorgesehen ist, daß der Wechsel der rechtlichen Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einer Kirche, Religionsgesellschaft oder Weltanschauungsgemeinschaft eingetragen wird. Im Heiratsbuch wird der Wechsel als Randvermerk beigeschrieben, so lange ein Familienbuch noch nicht angelegt ist (§ 426 der Dienstanweisung für die Standesbeamten und ihre Aufsichtsbehörden). Dagegen wird der Geburtseintrag hinsichtlich der Eltern nicht mehr fortgeführt, so daß der Wechsel nicht mehr vermerkt wird (Feneberg/Simader, Personenstandsgesetz § 69 a Erl. 1; Pfeiffer/Strickert, Personenstandsgesetz § 69 a Anm. 3). 137 Hierfür sind die in den Ländern geltenden Vorschriften zu beachten (§ 117 Abs. 2 der Dienstanweisung für die Standesbeamten und ihre Aufsichtsbehörden). 138 § 69 a Abs. 1 S. 2 PStG.

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Bescheinigung der zuständigen kirchlichen Behörde, in der Regel also des Pfarramtes139. Einträge über die rechtliche Zugehörigkeit oder die Nichtzugehörigkeit einer Person zu einer Kirche, Religionsgesellschaft oder Weltanschauungsgemeinschaft in einem Personenstandsbuch dürfen nur für Zwecke der Bevölkerungsstatistik verwendet werden140. Von den Standesbeamten und in den Fällen der §§ 18, 19 und 34 PStG von den dort genannten Stellen werden Zählkarten ausgefüllt, in die (1) bei der Beurkundung der Geburt Angaben über die rechtliche Zugehörigkeit oder die Nichtzugehörigkeit zu einer Kirche, Religionsgesellschaft oder Weltanschauungsgemeinschaft der Eltern des Kindes, (2) bei der Beurkundung des Sterbefalls Angaben über die rechtliche Zugehörigkeit oder die Nichtzugehörigkeit zu einer Kirche, Religionsgesellschaft oder Weltanschauungsgemeinschaft des Verstorbenen, (3) bei der Beurkundung der Eheschließung Angaben über die rechtliche Zugehörigkeit oder die Nichtzugehörigkeit zu einer Kirche, Religionsgesellschaft oder Weltanschauungsgemeinschaft der Eheschließenden aufgenommen werden141. Soweit diese Angaben nicht aus den Einträgen in den Personenstandsbüchern hervorgehen, sind die Anzeigenden oder die Eheschließenden auskunftspflichtig142. Der Standesbeamte führt über die in den Zählkarten enthaltenen Angaben Namenslisten, die wie die Personenstandsbücher aufzubewahren sind143. Auskünfte über die rechtliche Zugehörigkeit oder die Nichtzugehörigkeit zu einer Kirche, Religionsgesellschaft oder Weltanschauungsgemeinschaft dürfen nur den Kirchen, Religionsgesellschaften oder Weltanschauungsgemeinschaften erteilt werden, denen diese Personen angehören144. Daneben haben die kirchlichen Behörden das Recht, Einsicht in die Personenstandsbücher, Durchsicht dieser Bücher und Erteilung von Personenstandsurkunden im Rahmen ihrer Zuständigkeit und von Personen zu verlangen, auf die sich der

139 Feneberg/Simader, Personenstandsgesetz § 69 a Erl. 1 b. Vgl. Auszug aus dem Personenstandsgesetz vom 8. August 1957 mit Anweisung des Bischöflichen Generalvikariates Trier: AfkKR 129 (1959 – 1960) 217. 140 § 69 a Abs. 2 S. 1 PStG. 141 § 69 a Abs. 2 S. 2 PStG. 142 § 69 a Abs. 2 S. 3 PStG. Diese Bestimmung entspricht Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 136 Abs. 3 WRV. Vgl. auch § 2 des Gesetzes über die Statistik der Bevölkerungsbewegung und die Fortschreibung des Bevölkerungsstandes vom 4. Juli 1957 (BGBl. I S. 694). 143 § 69 a Abs. 2 S. 4 PStG. 144 § 69 a Abs. 2 S. 5 PStG. Vgl. Pfeiffer/Strickert, Personenstandsgesetz § 69 a Anm. 6.

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Eintrag bezieht, sowie von deren Ehegatten, Vorfahren und Abkömmlingen; der Zweck ist anzugeben145. Zu den Rechten der kirchlichen Behörden auf Auskünfte über die rechtliche Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit bestimmter Personen und auf die dreifache Weise der Benutzung der Personenstandsbücher liegt jetzt ein bemerkenswerter Beschluß des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 19. Februar 1962 vor146. b) Religionsmündigkeitsalter Das staatliche öffentliche Recht des Kirchenaustritts macht die Fähigkeit zur Abgabe der Kirchenaustrittserklärung von der Erreichung des Religionsmündigkeitsalters abhängig. Soweit in den Kirchenaustrittsgesetzen keine eingehenden Bestimmungen getroffen sind, richtet sich der Kirchenaustritt Minderjähriger nach

145 § 61 Abs. 1 S. 1 und 2 PStG. Der öffentliche Gebrauch der Personenstandsregister ist eingeschränkt. Es kommen nur die drei angegebenen Arten der Benutzung – Einsichtnahme in die Personenstandsbücher, Durchsicht derselben und Erteilung von Personenstandsurkunden – in Betracht. Auf andere Weise können die Personenstandsbücher auch von Behörden nicht benutzt werden. – Der Rahmen der Zuständigkeit der Behörden (§§ 152, 142 Abs. 2 b der Dienstanweisung für die Standesbeamten und ihre Aufsichtsbehörden) ist durch ihre behördlichen Aufgaben bestimmt. – Behörden im Sinne dieser Vorschrift sind neben den staatlichen und kommunalen Behörden auch die kirchlichen Behörden sowie die Organe derjenigen Religionsgesellschaften oder Weltanschauungsgemeinschaften, die Körperschaften des öffentlichen Rechts sind. Sie brauchen ein rechtliches Interesse nicht nachzuweisen, haben aber den Zweck anzugeben. – Vgl. zur Erklärung Pfeiffer/Strickert, Personenstandsgesetz § 61 Anm. 2; Feneberg/Simader, Personenstandsgesetz § 61 Erl. 1 a. 146 Kirchlicher Anzeiger für das Bistum Hildesheim 1962 S. 147 – 153. Nach diesem Beschluß wird der Standesbeamte der Stadt Braunschweig angehalten, dem katholischen Propstei-Pfarramt St. Nicolai zu seelsorgerischen und kirchensteuerlichen Zwecken 1. Einsicht in die Personenstandsurkunden zu gewähren, die Angehörige der katholischen Kirche betreffen, nämlich in die Geburtsurkunden, wenn im Geburtenbuch die rechtliche Zugehörigkeit eines Elternteiles zur katholischen Kirche eingetragen ist, in die Heiratsurkunden, wenn im Heiratsbuch die rechtliche Zugehörigkeit eines Eheschließenden zur katholischen Kirche eingetragen ist, in die Sterbeurkunden, wenn im Sterbebuch die rechtliche Zugehörigkeit des Verstorbenen zur katholischen Kirche eingetragen ist, 2. sowie in den Fällen, in denen die Religionszugehörigkeit nicht in den Personenstandsurkunden eingetragen ist, dem PropsteiPfarramt auf entsprechende Anfrage Auskunft aus den Namenslisten darüber zu erteilen, ob einzelne Personen, auf die sich die Anfrage bezieht, der katholischen Kirche angehören oder nicht, und zwar auch in den Fällen, in denen sich die Anfrage auf Eheleute bezieht, von denen ein Teil nicht der katholischen Kirche angehört. Das Recht einer Kirchenbehörde auf Auskunft betrifft nach dem eindeutigen Wortlaut des § 69 a nicht nur die Zugehörigkeit zu der anfragenden Kirche, sondern auch die Nichtzugehörigkeit zu dieser Kirche. Die Personen, die sich mit der Eintragung ihrer Kirchenzugehörigkeit in die Personenstandsurkunden nicht einverstanden erklärt haben, müssen also nicht nur damit rechnen, daß ihre Kirchenzugehörigkeit der Kirche offenbar wird, der sie angehören. Sie müssen auch in Kauf nehmen, daß allen anderen Kirchenbehörden von dem Standesbeamten offenbart wird, daß die betreffende Person der anfragenden Kirche nicht angehört.

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dem an sich eine familienrechtliche Frage regelnden Reichsgesetz über die religiöse Kindererziehung (= RKEG) vom 15. Juli 1921147. Nach diesem Gesetz kann ein Kind bereits nach Vollendung des vierzehnten Lebensjahres ohne Zustimmung seiner Eltern oder sonstigen gesetzlichen Vertreter aus der Kirche austreten und in eine andere Kirche übertreten oder bekenntnislos bleiben (§ 5 RKEG)148 Für Kinder bis zum vierzehnten Lebensjahr gilt folgendes. Der Austritt der Eltern aus der Kirche zieht nicht ohne weiteres den Austritt des Kindes nach sich. Dazu ist die Abgabe einer besonderen Erklärung erforderlich149. Hat das Kind das zwölfte Lebensjahr vollendet, so kann es nicht gegen seinen Willen in einem anderen Bekenntnis als bisher erzogen (§ 5 RKEG), darf also auch der Kirchenaustritt nicht gegen seinen Willen erklärt werden. Der Austritt eines zwölfjährigen Kindes kann daher nur mit Zustimmung des Kindes erfolgen. Diese Zustimmungserklärung darf nur das Kind persönlich abgeben. Stellvertretung, auch durch die Erziehungsberechtigten, ist unzulässig150. Eltern, die in der Personensorge für das Kind nicht beschränkt sind, bestimmen über dessen religiöse Erziehung, also auch über den Kirchenaustritt, in freier Einigung. Die Einigung ist jederzeit widerruflich und wird durch den Tod eines Ehegatten gelöst (§ 1 RKEG). Die Austrittserklärung ist infolgedessen entweder von beiden Elternteilen abzugeben oder nur von einem Elternteil, der in diesem Falle die Zustimmung des anderen Teiles nachzuweisen hat. Für den Fall, daß eine Einigung nicht oder nicht mehr besteht, gelten die allgemeinen Bestimmungen des BGB über das elterliche Sorgerecht (§ 2 Abs. 1 RKEG)151. Während bestehender Ehe kann jedoch von keinem Elternteil ohne die Zustimmung des anderen bestimmt werden, das Kind solle in einem anderen als dem zur Zeit der Eheschließung gemeinsamen Bekenntnis oder in einem anderen Bekenntnis als bisher erzogen werden (§ 2 Abs. 2 RKEG). Für den Fall der mangelnden Einigung bei Änderungsentscheidungen kann die Entscheidung und Vermittlung des Vormundschaftsgerichtes angerufen werden (§ 2 Abs. 3 RKEG). Der Austritt eines Kindes aus der Kirche kann also während bestehender Ehe nur erklärt werden, wenn beide Elternteile übereinstimmen oder wenn eine Entscheidung des Vormundschaftsge-

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RGBl. I S. 939. Das unübersehbare Schrifttum vor allem in Zeitschriften und die zahllosen Entscheidungen niederer, mittlerer und hoher Gerichte können hier nicht angeführt werden. Ich beabsichtige, an anderem Ort über das Gesetz im Lichte der Rechtsentwicklung zu handeln. 148 Anderer Meinung ist Rieder, Staat und Kirche nach modernem Verfassungsrecht 135. Zur Geschichte vgl. Schmidt, Der Austritt aus der Kirche 82 – 122. 149 Hagen, Die kirchliche Mitgliedschaft 71 f. 150 Vgl. bereits die Entscheidung des Preußischen Oberverwaltungsgerichtes vom 9. April 1915 (Bd. 69, S. 290). An anderen Stellen ist die Entscheidung anfechtbar. 151 Dazu H. Glässing, Kann der Vormundschaftsrichter die Erstbestimmung der Religion des Kindes vornehmen?: Zeitschrift für das gesamte Familienrecht, Ehe und Familie im privaten und öffentlichen Recht 9 (1962) 350 – 352 (mit Lit.).

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richtes vorliegt. Für das uneheliche Kind erklärt die Mutter den Austritt, da ihr die Personensorge zusteht. Steht die Personensorge für das Kind einem Vormund oder Pfleger zu, so gilt folgendes. Hat neben einem Vormund oder Pfleger auch der Vater oder die Mutter das Sorgerecht, so geht bei einer Meinungsverschiedenheit darüber, in welchem Bekenntnis das Kind erzogen werden soll, die Meinung des Vaters oder der Mutter vor, sofern ihnen nicht das Recht der religiösen Erziehung auf Grund des § 1666 BGB entzogen worden ist (§ 3 Abs. 1 RKEG). Hat ein Vormund oder Pfleger allein das Sorgerecht, so bedarf er zur Bestimmung der religiösen Erziehung des Kindes und damit auch zum Kirchenaustritt der Genehmigung des Vormundschaftsgerichtes. Dieses hat die Eltern und erforderlichenfalls Verwandte, Verschwägerte und die Lehrer des Kindes zu hören, in jedem Fall aber das Kind, wenn es das zehnte Lebensjahr vollendet hat. Weder der Vormund noch der Pfleger können eine bereits erfolgte Bestimmung über die religiöse Erziehung des Kindes ändern (§ 3 Abs. 2 RKEG). Jedem Elternteil kann bei Mißbrauch die Sorge für die religiöse Erziehung des Kindes nach § 1666 BGB entzogen werden. In diesem Fall schreitet das Vormundschaftsgericht von Amtes wegen ein (§ 7 RKEG). Nach den allgemeinen Vorschriften des BGB (§§ 1671, 1672 BGB) richtet es sich, wer bei geschiedener Ehe oder bei dauerndem Getrenntleben der Eltern mit der Personensorge auch das Recht der Bestimmung über die religiöse Erziehung des Kindes hat152. Zur Kritik des Gesetzes ist zutreffend bemerkt worden, daß das Recht zur Bestimmung des religiösen Bekenntnisses ein Teil des allgemeinen elterlichen Erziehungsrechtes ist, das erst mit der erreichten Volljährigkeit endet. Durch die Festsetzung der religiösen Reife auf das vollendete vierzehnte Lebensjahr nimmt der Staat den Eltern eines der wichtigsten Erziehungsgebiete. Denn die Eltern können zwar auch nach vollendetem vierzehnten Lebensjahr ihr Kind zur Ausübung der Religion anhalten, aber nur solange es in der betreffenden Religionsgemeinschaft bleibt. Jedem Zwang kann sich das Kind durch die Austrittserklärung entziehen153. Ein vierzehnjähriger Mensch hat nicht die für einen solchen Schritt erforderliche Reife; er handelt unter dem Druck schülerhafter Vorurteile154. Es besteht die Gefahr einer Beeinflussung der religionsmündigen Kinder von dritter Seite unter Ausschaltung der Erziehungsberechtigten155. Daß der beschränkt Geschäftsfähige, der, von verschiedenen Ausnahmen abgesehen, im Rechtsverkehr keine Handlung allein

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Vgl. W. Weber in RGG V, 3. Auflage (1961) 957. Reiß, Der Austritt aus der Kirche nach dem geltenden bayerischen Staatskirchenrecht 71 f. Vgl. auch Kern, Staat und Kirche in der Gegenwart 121. 154 Schmidt, Der Austritt aus der Kirche 273. 155 Gotthold, Das Recht des Kirchenaustritts 633. 153

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vornehmen kann, gerade die den Kirchenaustritt bewirkende Willenserklärung bereits mit vierzehn Jahren abgeben darf, ist nicht gerechtfertigt156. Die Einschränkung des Rechtes, über das eigene religiöse Bekenntnis zu bestimmen, auf Jugendliche nach vollendetem achtzehnten Lebensjahr, wie sie zur Zeit der Geltung der Weimarer Reichsverfassung in Anhalt157 und nach 1945 auf Grund einer bestimmten Auslegung der Verfassung von Bayern158 und RheinlandPfalz159 versucht wurde, dürfte nicht haltbar sein160. c) Nichtigkeit und Anfechtbarkeit Trotz des öffentlichrechtlichen Charakters der Kirchenaustrittserklärung sind die Vorschriften des BGB über Nichtigkeit und Anfechtbarkeit entsprechend anzuwenden. Die Austrittserklärung eines Geisteskranken (im Sinne des § 104 Ziff. 2 BGB) und eines wegen Geisteskrankheit Entmündigten (§ 104 Ziff. 3 BGB) sowie einer im Zustande der Bewußtlosigkeit oder vorübergehender Störung der Geistestätigkeit befindlichen Person (§ 105 Abs. 2 BGB) ist daher nichtig. Eine Abgabe der Austrittserklärung durch den gesetzlichen Vertreter bzw. – bei beschränkt Geschäftsfähigen – mit dessen Zustimmung hat mit Rücksicht auf den höchstpersönlichen Charakter der Erklärung als ungültig zu gelten161. 2. In den Ländern Eine bundeseinheitliche Regelung des Kirchenaustritts besteht nicht. Die Kirchenaustrittsgesetze sind Gesetze der einzelnen Länder. Der Kirchenaustritt kann jedoch ohne Rücksicht auf die Staatsangehörigkeit erfolgen162.

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Ebenda 634. Gesetz über den Austritt aus Religionsgesellschaften vorn 31. März 1920 (GS. S. 49) § 3. Nicht anders das Gesetz über den Austritt aus der Kirche vom 11. Juli 1932 (GS. S. 24). Vgl. Hagen, Die kirchliche Mitgliedschaft 46 A. 132. 158 Art. 137 Abs. 1 (GVBl. S. 333). 159 Art. 35 Abs. 1 (VOBl. S. 209). 160 Vgl. H. Nawiasky/H. Lechner, Die Verfassung des Freistaates Bayern vom 2. Dezember 1946, Ergänzungsband zu dem Handkommentar 1948 Nawiasky/Leusser (München 1953) 133. 161 Gotthold, Das Recht des Kirchenaustritts 633. 162 Haugg, Vom Kirchenein- und -austritt 378 A. 1. 157

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a) Bayern In Bayern war nach der Revolution von 1918163 der Kirchenaustritt durch § 17 Abs. 3 der Verfassung vom 14. August 1919164 geregelt worden. Durch Art. 186 Abs. 1 der neuen bayerischen Verfassung vom 2. Dezember 1946165 wurde die bayerische Verfassung von 1919 in vollem Umfang aufgehoben. Da die neue Verfassung keine Bestimmungen über den Kirchenaustritt enthält, bestand zunächst eine Gesetzeslücke. Die früheren Normen wurden jedoch gewohnheitsrechtlich angewandt166. Die Gesetzeslücke wurde durch das Kirchensteuergesetz (= KStG) vom 26. November 1954167 geschlossen. Nach dem Art. 2 Abs. 2 des Kirchensteuergesetzes bemißt sich der Eintritt in die Kirche oder eine sonstige Religionsgemeinschaft des öffentlichen Rechts nach dem Satzungsrecht der betreffenden Kirche oder Religionsgemeinschaft. Für den Austritt gilt folgendes. Der Kirchenaustritt ist bei dem Standesamt des Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthaltsortes zu erklären (Art. 2 Abs. 3 KStG). Das Standesamt muß zunächst seine örtliche Zuständigkeit feststellen, dann die nötigen Unterlagen prüfen, vor allem die Religionsmündigkeit untersuchen, und, falls der Kirchenaustritt auch oder nur für Dritte erklärt wird, feststellen, ob eine Berechtigung hierzu vorliegt, schließlich auf Vollständigkeit der Erklärung von Amtes wegen bedacht sein168. Die Austrittserklärung kann mündlich zu Protokoll des Standesbeamten oder schriftlich erfolgen. Die schriftliche Austrittserklärung bedarf der öffentlichen Beglaubigung. Dafür gilt § 129 BGB entsprechend, d. h. die Erklärung muß schriftlich abgefaßt und die Unterschrift des Erklärenden von der zuständigen Behörde169 oder 163

Für den Zustand vorher vgl. E. Eck, Die Begründung der kirchlichen Mitgliedschaft nach kanonischem und bayrischem Rechte, Jur. Diss. Würzburg (Würzburg 1900) 114 ff., 123 ff.; Schmidt, Der Austritt aus der Kirche 12 ff. 164 GVBl. S. 531. Dazu erging die Bekanntmachung zum Vollzug des § 17 Abs. III Verfassungsurkunde des Freistaates Bayern vom 30. Oktober 1919 (GVBl. S. 784), die durch die gemeinsame Bekanntmachung der Staatsministerien der Justiz, des Innern und für Unterricht und Kultus vom 16. Januar 1922 (GVBl. S. 15 = Bay BS I S. 306) ersetzt wurde. 165 GVBl. S. 333. 166 Nawiasky/Lechner, Die Verfassung des Freistaates Bayern 116. Die Standesämter verfuhren nach der bisherigen Übung; für die Entgegennahme der Erklärung und die Ausstellung einer Bescheinigung wurden Gebühren nach dem bayerischen Kostengesetz erhoben. Vgl. G.–A. Vischer, Aufbau, Organisation und Recht der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern I (München 1953) 49. A.A. ist das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 4. Mai 1962 (Pfarramtsblatt 1962 S. 379 ff.). 167 GVBl. S. 305. 168 Ziffer 3 der Bekanntmachung vom 16. Januar 1922. Vgl. Reiß, Der Austritt aus der Kirche nach dem geltenden bayerischen Staatskirchenrecht 35. 169 Standesamt und die in Ziffer 1 der Bekanntmachung vom 16. Januar 1922 angeführten Behörden: eine Ortspolizeibehörde oder eine Bezirkspolizeibehörde, in München die Polizeidirektion, in Nürnberg und Fürth der Stadtrat.

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einem zuständigen Beamten oder Notar beglaubigt sein. Die öffentliche Beglaubigung wird durch die gerichtliche oder notarielle Beurkundung der Erklärung ersetzt (Art. 2 Abs. 3 KStG). Dem Ausgetretenen ist sowohl bei der schriftlichen wie bei der mündlichen Erklärung die Entgegennahme der Austrittserklärung schriftlich zu bestätigen170. Die Standesämter haben den Austritt eines Umlagepflichtigen oder seines Ehegatten aus einer das Besteuerungsrecht ausübenden Religionsgemeinschaft unverzüglich dem Finanzamt des Wohnsitzes und dem bisher zuständigen gemeinschaftlichen Steuerverband (Kirchensteueramt) schriftlich mitzuteilen171. Außerdem haben sie auch dem Pfarramt eine Mitteilung über den Austritt zu übersenden172. Der Kirchenaustritt wird mit der Unterzeichnung der Austrittserklärung vor dem Standesbeamten bzw. mit dem Eingang der schriftlichen Erklärung wirksam173. Der Ausgetretene wird mit dem Wirksamwerden des Austritts von allen persönlichen Leistungen, die auf seiner Zugehörigkeit zu einer Religionsgesellschaft beruhen, frei. Im besonderen erlischt sofort die Pflicht zur Leistung von Umlagen174.

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36.

Reiß, Der Austritt aus der Kirche nach dem geltenden bayerischen Staatskirchenrecht

171 Ausführungsvorschriften des Staatsministeriums für Unterricht und Kultus im Benehmen mit dem Staatsministerium der Finanzen zum Vollzug des Kirchensteuergesetzes vom 23. Dezember 1955 zu Art. 2 (GVBl. 1956 S. 4). 172 Ziffer 3 der Bekanntmachung vom 16. Januar 1922. 173 Dies geht wohl aus Art. 2 KStG hervor, wo jede einschränkende oder aufschiebende Bestimmung fehlt. Vgl. auch Reiß, Der Austritt aus der Kirche nach dem geltenden bayerischen Staatskirchenrecht 67 f. Diese Regelung ist nicht glücklich. Zwischen dem formell erklärten ersten Entschluß, aus der Kirche auszutreten, und der rechtswirksamen Austrittserklärung sollte eine Bedenkfrist liegen. Sie ist notwendig, um übereilten Entschließungen vorzubeugen, Mißverständnisse aufzuklären und die Gelegenheit einer nochmaligen Beratung zu gewähren. Die Bedenkfrist muß lang genug sein, um eine Entwicklung in diesem Sinne zu ermöglichen. Erfolgt innerhalb eines angemessenen Zeitraumes keine Austrittserklärung, müßte der Antrag als zurückgenommen gelten (Schmidt, Der Austritt aus der Kirche 284 f.). 174 Die Freiheit von der Pflicht zur Leistung von Umlagen tritt mit dem Ende des Kalendermonates ein, in dem der Austritt erklärt wurde. Dies geht aus den Ausführungsvorschriften zum Vollzug des Kirchensteuergesetzes zu Art. 6 hervor, wonach in dem Falle, daß in einem Kalenderjahr die Umlagepflicht weniger als zwölf Monate dauert, die Kircheneinkommensteuer aus der Maßstabsteuer für das volle Kalenderjahr berechnet, aber nur mit je ein Zwölftel für jeden Kalendermonat erhoben wird, in dem die Umlagepflicht bestanden hat. – Auch diese Art der rechtlichen Behandlung der Folgen des Kirchenaustritts ist nicht begrüßenswert. Der Staat hat die Pflicht, die Interessen und die verfassungsmäßigen Grundeinrichtungen der Kirche zu wahren. Dazu gehört, daß er dafür Sorge trägt, daß das kirchliche Budget nicht durch den plötzlichen Austritt einer größeren Zahl von Mitgliedern aus dem Gleichgewicht gerät. Die Einhaltung einer bestimmten Aufkündigungsfrist ist deshalb im Hinblick auf das kirchliche Budget notwendig (Schmidt, Der Austritt aus der Kirche 296). – Zur Kirchensteuer in Bayern vgl. Art. 2 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1, Art. 17 Abs. 3, Art. 22 Abs. 1 KStG und Art. 42 Abs. 1 und 2 des Stiftungsgesetzes vom 26. November 1954 (GVBl. S. 301).

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Das Standesamt erhebt für die mit der Entgegennahme der Austrittserklärung verbundene Amtshandlung eine Gebühr175. b) Baden-Württemberg Das Bundesland Baden-Württemberg, das auf Grund einer am 9. Dezember 1951 durchgeführten Volksabstimmung gebildet wurde176, hat verschiedene Bestimmungen über den Kirchenaustritt in seinen Teilen. (1) Württemberg In dem ehemaligen Land Württemberg, den heutigen Regierungsbezirken Nordwürttemberg und Südwürttemberg-Hohenzollern, ausgenommen die Landkreise Hechingen und Sigmaringen, besteht folgende Rechtslage. Das Kirchenaustrittsrecht ist vorzüglich in dem heute noch geltenden177 württembergischen Gesetz über die Kirchen vom 3. März 1924 (= WKG)178 samt der Ministerialverfügung (= Vf.) vom 31. März 1924179 enthalten. Für den Austritt aus einer Religionsgesellschaft sind nach der Verordnung des Kultministeriums über die neueren Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts vom 14. Juli 1928180 die §§ 11 – 13, 15 und 16 WKG sinngemäß anzuwenden. (a) Erklärungsberechtigte Zu der Erklärung, aus einer Kirche oder Religionsgesellschaft austreten zu wollen, ist berechtigt, wer das vierzehnte Lebensjahr vollendet hat (§ 11 Abs. 1 WKG). Ein Gefangener, der aus seiner Religionsgemeinschaft austreten will, wird

175 Ministerialentschließung des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vom 9. September 1946 Nr. II 33412, Kostengesetz vom 17. Dezember 1956 (Bay BS III S. 242) in der Fassung vom 22. Januar 1960 (GVBl. S. 2) und Verordnungen über den Erlaß des Kostenverzeichnisses zum Kastengesetz vom 27. Dezember 1956 (Bay BS III S. 446). Vgl. auch Mikat, Grundfragen des staatlichen Kirchenaustrittsrechtes 220. 176 Vgl. dafür C. Bauer und G. Dürig in StL I, 6. Auflage (1957) 830 – 834, 838 – 840. 177 KABl. Rottenburg 20 (1950) S. 53. 178 Reg. Bl. S. 93; geändert durch die Gesetze vom 17. Februar 1927 (Reg. Bl. S. 117), 14. April 1928 (Reg. Bl. S. 93), 4. September 1951 (Württembergisch-Hohenzollernsches Reg. Bl. S. 101) und 1. April 1952 (Württembergisch-Badisches Reg. BI. S. 33). Zu dem Gesetz im allgemeinen vgl. C. Sartorius, Die Entwicklung des öffentlichen Rechts in Württemberg in den Jahren 1920 – 1924: Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart 13 (1925) 393 – 403, bes. 396 f. 179 Reg. Bl. S. 239 i. d. F. vorn 9. August 1928 (Reg. 131. S. 305). Dazu auch Runderlaß des Innenministeriums für das Land Württemberg-Hohenzollern: Staatsanzeiger für das Land Württemberg-Hohenzollern Nr. 4 vom 29. 9. 1950. 180 Reg. Bl. S. 216.

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auf den gesetzlich vorgeschriebenen Weg verwiesen181. Die gesetzliche Vertretung Bekenntnisunmündiger bei der Abgabe der Austrittserklärung und die Fähigkeit zur Abgabe der Erklärung zu regeln, war auch nach dem Gesetz über die religiöse Kindererziehung vom 15. Juli 1921 Sache der Landesgesetzgebung182. In Württemberg ist diese Regelung in einläßlicher Weise erfolgt. Einer Austrittserklärung bedarf es nur, wenn das bekenntnisunmündige Kind bereits in die Schule aufgenommen ist. Solange es noch nicht in die Schule aufgenommen ist, können die Eltern sein Bekenntnis ändern, ohne daß es einer Austrittserklärung bedarf (§ 13 Abs. 6 WKG). Es bedarf somit einer förmlichen Austrittserklärung nicht, wenn sich die Eltern beim Schuleintritt des Kindes für ein anderes Erziehungsbekenntnis entscheiden, als es bei der Taufe bestimmt worden war. Den Eltern steht es frei, auch für nicht schulpflichtige Kinder eine förmliche Austrittserklärung abzugeben183. Für ein Kind unter vierzehn Jahren können die Eltern184 den Austritt aus der Kirche erklären, soweit sie zur Sorge für die Person des Kindes berechtigt sind185. Zu der Erklärung ist die Einwilligung des Kindes186 erforderlich, wenn es das zwölfte Lebensjahr vollendet hat (§ 13 Abs. 1 WKG). Die Erklärung ist unwirksam187, wenn sich die Änderung des Erziehungsbekenntnisses nach Feststellung des Vormundschaftsgerichtes als ein Mißbrauch des

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§ 89 Abs. 4 der Verordnung Nr. 170 der Landesregierung des ehemaligen Landes Württemberg-Baden über den Strafvollzug vom 16. Juli 1947 (Reg. Bl. S. 133). 182 Haller, Das Württembergische Gesetz über die Kirchen 44. 183 Begründung. Vgl. Haller, Das Württembergische Gesetz über die Kirchen 47. 184 Die Mutter und der eheliche Vater (§§ 1591 ff. BGB), nicht aber der Stiefvater oder die Stiefmutter oder Pflegeeltern (Haller, Das Württembergische Gesetz über die Kirchen 44). 185 Da in der Regel beide Ehegatten das Recht und die Pflicht haben, für die Person des Kindes zu sorgen, so kann bei Lebzeiten beider Ehegatten der Austritt für ein solches Kind im allgemeinen nur von beiden gemeinschaftlich oder von einem Elternteil mit Einwilligung des anderen erklärt werden. Will ein Elternteil allein den Austritt für ein Kind erklären, so hat er darzutun, daß der andere Elternteil gestorben ist, oder durch Vorlegung einer wirksamen Entscheidung des Vormundschaftsgerichtes nachzuweisen, daß er zur Änderung des Erziehungsbekenntnisses berechtigt ist, oder darzutun, daß dem Erklärenden allein die Sorge für die Person des Kindes zusteht (§ 13 Abs. 3 WKG; § 4 Abs. 1 Vf. vom 31. März 1924). Dafür und für weitere Einzelheiten vgl. Haller, Das Württembergische Gesetz über die Kirchen 44 f. 186 § 13 Abs. 1 S. 2 und Abs. 3 WKG entspr. § 5 S. 2 und § 2 Abs. 2 und 3 des Gesetzes vom 15. Juli 1921. Wie der Nachweis der Einwilligung zu erbringen ist, darüber ist nichts näheres bestimmt. In welchem Zeitpunkt eine Entscheidung des Vormundschaftsgerichtes nach § 2 Abs. 3 des Gesetzes wirksam wird, ist nach dem Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (§§ 53 und 60 Abs. 1 Ziff. 6) zu beurteilen (Begründung) (Haller, Das Württembergische Gesetz über die Kirchen 45). 187 Die Unwirksamkeit des Bekenntniswechsels tritt erst mit der Feststellung des Vormundschaftsgerichtes ein, da den Schulbehörden nicht die Entscheidung darüber eingeräumt ist, ob ein Mißbrauch des Erziehungsrechtes vorliegt (Begründung) (Haller, Das Württembergische Gesetz über die Kirchen 46).

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Erziehungsrechtes darstellt, der das geistige Wohl des Kindes gefährdet (§ 13 Abs. 2 WKG mit Berufung auf § 1666 Abs. 1 BGB). Solange die Eltern gemeinschaftlich zur Sorge für die Person des Kindes berechtigt sind, kann der Standesbeamte die Erklärung eines Elternteiles nur entgegennehmen, wenn dieser die Einwilligung des anderen Elternteiles nachweist oder eine wirksame Entscheidung des Vormundschaftsgerichtes vorlegt, die ihn zu der Änderung des Erziehungsbekenntnisses ermächtigt (§ 13 Abs. 3 WKG). Der Vormund oder Pfleger des Kindes bedarf zu der Erklärung der Genehmigung des Vormundschaftsgerichtes; die Genehmigung darf nur erteilt werden, wenn sie nicht gegen die Bestimmung über das religiöse Erziehungsrecht (§ 3 des Gesetzes über die religiöse Kindererziehung vom 15. Juli 1921) verstößt (§ 13 Abs. 4 WKG)188. (b) Vorverfahren vor der Kirchengemeinde Die Absicht des Kirchenaustritts ist mindestens einen Monat189 vor der Erklärung der Kirchengemeinde mitzuteilen, in deren Bezirk190 der Austretende seinen Wohnsitz oder in Ermangelung eines württembergischen Wohnsitzes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (§ 12 Abs. 1 S. 1 WKG). Die Mitteilung ist von dem Austretenden selbst191 mündlich oder schriftlich an den Vorsitzenden der Kirchengemeindevertretung192 oder den von ihr bestellten besonderen Vertreter zu richten (§ 12 Abs. 1 S. 2 WKG)193. 188 Da der Standesbeamte in der Regel nicht in der Lage ist, das Zusammentreffen der Voraussetzungen, die den Vormund oder Pfleger zur Abgabe der Erklärung berechtigen, zu beurteilen, beschränkt Abs. 4 die Befugnis des Vormundes oder Pflegers zur Abgabe der Austrittserklärung schlechthin durch das Erfordernis der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung. Hat das Kind das zwölfte Lebensjahr vollendet, so hat das Vormundschaftsgericht nach § 5 des Gesetzes von 1921 vor der Genehmigung auch die Einwilligung des Kindes festzustellen. Abs. 4 kommt in Betracht, wenn der zuletzt gestorbene Elternteil eine Änderung des Erziehungsbekenntnisses bestimmt hat, ohne den förmlichen Austritt des Kindes aus seiner bisherigen Kirche herbeizuführen (Begründung). Vgl. § 4 Abs. 2 und 3, § 5 Vf. vom 31. März 1924 (Haller, Das Württembergische Gesetz über die Kirchen 46). 189 Nach §§ 187, 188 Abs. 1 BGB ist bei der Berechnung dieser Frist der Tag nicht mitzuberechnen, an dem die Mitteilung an die Kirchengemeinde erfolgt ist. Soll am 1. September die Austrittserklärung vor dem Standesbeamten abgegeben werden, so muß die Mitteilung an die Kirchengemeinde spätestens am 31. Juli gemacht werden (Haller, Das Württembergische Gesetz über die Kirchen 42). 190 Gemeint ist das Kirchspiel des Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthaltes (Haller, Das Württembergische Gesetz über die Kirchen 42). 191 Das heißt, der Austretende muß seine Absicht persönlich mündlich oder durch ein von ihm persönlich unterzeichnetes Schriftstück mitteilen (Haller, Das Württembergische Gesetz über die Kirchen 42). 192 Sind mehrere Kirchengemeinden zu einer Gesamtkirchengemeinde vereinigt, so ist auch der Vorsitzende der Vertretung der Gesamtkirchengemeinde neben den Vorsitzenden der Vertretungen der Einzelgemeinden zuständig; es haben jedoch in diesem Falle die Kirchen-

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Der Vertreter der Kirchengemeinde194 ist verpflichtet, dem Austretenden binnen drei Wochen195 eine Bescheinigung196 über den Empfang der Mitteilung zu übermitteln (§ 12 Abs. 2 S. 1 WKG). Die Bescheinigung darf nicht aus dem Grund versagt werden, weil der Austretende seine Zugehörigkeit zu der Kirche nicht nachzuweisen197 vermag (§ 12 Abs. 2 S. 2 WKG). Für die Beobachtung des § 12 Abs. 2 WKG haben die kirchlichen Behörden zu sorgen. Wird die Bescheinigung über den Empfang der Mitteilung von dem Vertreter der Kirchengemeinde nicht oder nicht rechtzeitig erteilt, so steht dem Austretenden die Beschwerde an die vorgesetzte kirchliche Behörde, nötigenfalls an das Kultministerium zu198. Da nach Abs. 3 die Erstattung der vorgeschriebenen Mitteilung an die Kirchengemeinde dem Standesbeamten nicht nur durch eine Bescheinigung der Kirchengemeinde, sondern auch durch Zustellungsurkunde nachgewiesen werden kann, hat der Austretende auch die Möglichkeit, einen Gerichtsvollzieher mit der Zustellung der Mitteilung an die Kirchengemeinde zu beauftragen199. Ein steuerlicher Nachteil kann dem Austretenden nach § 28 Abs. 3 WKG aus der Verzögerung der Ausstellung einer Bescheinigung nicht erwachsen200. Die Mitteilung an die Kirchengemeinde ist wirkungslos, wenn die Austrittserklärung nicht binnen drei Monaten nachfolgt (§ 12 Abs. 3 WKG). Der Standesbe-

gemeinden die Möglichkeit, die Zuständigkeit für den gesamten Bezirk der Gesamtkirchengemeinde einem Organ zu übertragen (Begründung). Vorsitzender der Kirchengemeindevertretung ist der Ortsgeistliche. Wo mehrere Geistliche angestellt sind, ist es der erste Geistliche. Vorsitzender des Gesamtkirchengemeinderats ist der hierfür besonders bezeichnete Geistliche (Haller, Das Württembergische Gesetz über die Kirchen 42). 193 An die Stelle des Vertreters der Kirchengemeinde tritt bei Anwendung des § 12 auf die Religionsgesellschaften der zuständige Prediger der Religionsgesellschaft. Vgl. § 4 Abs. 2 der Verordnung des Kultministeriums über die neueren Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts vom 14. Juli 1928 (Reg. Bl. 216). 194 Das Pfarramt des gegenwärtigen Wohnsitzes. Vgl. KABl. Rottenburg 20 (1950) S. 53. 195 Der Tag ist nicht mitzurechnen, an dem die Mitteilung an die Kirchengemeinde erfolgt. Die Frist endigt mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche, der durch seine Benennung dem Tag entspricht, an dem die Mitteilung stattgefunden hat (Haller, Das Württembergische Gesetz über die Kirchen 43). 196 Die Bescheinigung ist dem Austretenden auf seine Kosten (§ 16 Abs. 1 S. 3 WKG) zuzusenden, nicht von ihm abzuholen (Begründung) (Haller, Das Württembergische Gesetz über die Kirchen 43). 197 Die Unfähigkeit, seine Zugehörigkeit zu der Kirche nachzuweisen, ist in der Bescheinigung zugleich mit der Tatsache festzustellen, daß er seinen Austritt angemeldet hat. Auch hat der Austretende auf Verlangen nachzuweisen, daß er seinen Wohnsitz oder in Ermangelung eines württembergischen Wohnsitzes seinen gewöhnlichen Aufenthalt in dem Bezirk der Kirchengemeinde hat (Haller, Das Württembergische Gesetz über die Kirchen 43). 198 Haller, Das Württembergische Gesetz über die Kirchen 43. 199 § 2 Abs. 1 Vf. vom 31. März 1924. Weiteres bei Haller, Das Württembergische Gesetz über die Kirchen 43. 200 Haller, Das Württembergische Gesetz über die Kirchen 43.

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amte hat zu prüfen, ob seit der Mitteilung mindestens ein Monat (§ 12 Abs. 1 WKG) und nicht mehr als drei Monate (§ 12 Abs. 3 WKG) verstrichen sind201. (c) Erklärungsbehörde Die Kirchenaustrittserklärung ist vor dem Standesbeamten abzugeben (§ 11 Abs. 1 WKG). Zuständig ist der Standesbeamte, in dessen Bezirk der Austretende seinen Wohnsitz202 oder in Ermangelung eines württembergischen Wohnsitzes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (§ 11 Abs. 2 WKG). Der Standesbeamte hat sich selbstverständlich über die Person des Austretenden Gewißheit zu verschaffen, aber auch er kann die Entgegennahme der Erklärung nicht deshalb ablehnen, weil die Zugehörigkeit des Austretenden zu der Kirche zweifelhaft ist; er kann den Nachweis, daß der Austretende der betreffenden Kirche angehört, nicht fordern203. Der Austretende hat in solchen Fällen sein rechtliches Interesse an der Beurkundung der Austrittserklärung auf Verlangen darzulegen204. (d) Erklärung Die Erklärung ist regelmäßig von dem Austretenden persönlich mündlich zu Protokoll des Standesbeamten abzugeben (§ 11 Abs. 1 WKG)205. Wer wegen körperlicher Gebrechen nicht vor dem Standesbeamten erscheinen kann, was von dem Standesbeamten in geeigneter Weise nachzuprüfen ist, kann die Erklärung schriftlich in öffentlich beglaubigter Form206 bei ihm einreichen (§ 11 Abs. 3 WKG)207. Der Standesbeamte darf die Austrittserklärung nur unter zwei Voraussetzungen entgegennehmen (§ 12 Abs. 3 WKG). Erstens muß der Austretende den urkundlichen Nachweis erbringen, daß die Kirchengemeinde die vorschriftsmäßige Mitteilung rechtzeitig (mindestens einen Monat vor der Austrittserklärung (§ 12 Abs. 1 WKG) erhalten hat. Dieser Nachweis ist regelmäßig auch zu erbringen, wenn der Austritt für ein bekenntnisunmündiges Kind erklärt wird (§ 13 Abs. 5 WKG). Nur 201

§ 2 Abs. 1 Vf. vorn 31. März 1924. Wohnsitz ist, wie der Verweis auf § 27 ausdrückt, der Wohnsitz im Sinne der Steuergesetze. § 1 Abs. 2 S. 2 Vf. vorn 31. März 1924 läßt jemanden seinen Wohnsitz da haben, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die auf die Absicht einer Beibehaltung derselben schließen lassen (Haller, Das Württembergische Gesetz über die Kirchen 41). 203 § 2 Abs. 2 und 3 Vf. vom 31. März 1924. 204 Begründung. Vgl. Haller, Das Württembergische Gesetz über die Kirchen 43. 205 Die in § 11 Abs. 1 geforderte persönliche Erklärung schließt die Vertretung in der Erklärung des Willens – mit der Ausnahme des § 11 Abs. 3 – ebenso aus wie – mit der Ausnahme des § 13 – die Vertretung im Willen. Im übrigen sind auf die Willenserklärung im Sinne des § 11 die Grundsätze der §§ 116 – 119, 123 und 133 BGB anwendbar (Haller, Das Württembergische Gesetz über die Kirchen 41). 206 Zur öffentlichen Beglaubigung sind außer den Amtsgerichten, den öffentlichen Notaren und den Bezirksnotaren als öffentliche Notare auch die Ortsvorsteher und Ratsschreiber zuständig (Haller, Das Württembergische Gesetz über die Kirchen 41). 207 Vgl. auch § 8 Vf. vom 31. März 1924. 202

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dann braucht dieser Nachweis für das bekenntnisunmündige Kind nicht erbracht zu werden, wenn der Vater oder die Mutter den Austritt zu gleicher Zeit für sich und das Kind erklärt (§ 13 Abs. 5 WKG)208. Zweitens dürfen seit der Mitteilung der Absicht, aus der Kirche auszutreten, an die Kirchengemeinde nicht mehr als drei Monate verstrichen sein. Sind mehr als drei Monate verstrichen, hat die Mitteilung an die Kirchengemeinde erneut zu erfolgen. (e) Benachrichtigung der Kirchengemeinde Der Standesbeamte hat die Kirchengemeinde unverzüglich von der Abgabe der Austrittserklärung zu benachrichtigen (§ 12 Abs. 4 S. 1 WKG). Dem Austretenden ist auf Verlangen eine Bescheinigung über die Erklärung des Austritts zu erteilen (§ 12 Abs. 4 S. 2 WKG)209. (f) Wirkungen Die persönlich zu Protokoll des Standesbeamten abgegebene Erklärung (§ 11 Abs. 1 WKG) wird mit der Unterzeichnung wirksam. Die in öffentlich beglaubigter Form bei dem Standesbeamten eingereichte Erklärung wird in dem Zeitpunkt wirksam, in dem der Standesbeamte sie entgegennimmt (§ 11 Abs. 3 WKG). Hinsichtlich der Steuerpflicht wird der Eintritt wie der Austritt mit dem Beginn des folgenden Rechnungsjahres wirksam (§ 28 Abs. 1 WKG)210. Der Austritt befreit den Ausgetretenen von Leistungen, die auf seiner persönlichen Zugehörigkeit zu einer Religionsgesellschaft beruhen. Im besonderen erlischt die Steuerpflicht (§ 28 Abs. 1 WKG). Dies gilt auch dann, wenn der Vertreter der Kirchengemeinde die in § 12 Abs. 2 WKG vorgeschriebene Bescheinigung nicht binnen der gesetzlichen Frist (drei Wochen) erteilt. Der Pflichtige kann in diesem Falle, da das Kirchenaustrittsverfahren grundsätzlich nicht möglich ist211, die Ent-

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Wenn Eltern zusammen mit Kindern austreten, ist die Austrittserklärung vor dem Standesbeamten auch für jedes beteiligte Kind abzugeben. Die Eltern werden es mitunter versäumen, die beteiligten Kinder in der vorgängigen Mitteilung an die Kirchengemeindevertretung ausdrücklich zu erwähnen. Für solche Fälle trifft Abs. 5 S. 2 eine Sonderbestimmung, um unnötige Weiterungen abzuschneiden (Begründung). Vgl. § 4 Abs. 4 Vf. vom 31. März 1924 (Haller, Das Württembergische Gesetz über die Kirchen 46). 209 Vgl. §§ 9 und 10 Vf. vom 31. März 1924 (Haller, Das Württembergische Gesetz über die Kirchen 43). 210 Die Vorschrift, die dem bisher geltenden Umlagenrecht entspricht, ist deshalb geboten, weil die kirchlichen Gemeinden nicht der Gefahr ausgesetzt werden dürfen, daß die im Voranschlag in Rechnung gestellten Einnahmen durch den Austritt von Mitgliedern während des Steuerjahres vermindert werden (Begründung). Ähnlich bestimmt § 39 Abs. 2 BGB wegen der Beitragspflicht an bürgerlichrechtliche Vereinigungen, daß deren Satzung bestimmen kann, daß der Austritt nur am Schluß eines Geschäftsjahres oder erst nach Ablauf einer Kündigungsfrist zulässig sein soll (Haller, Das Württembergische Gesetz über die Kirchen 77). 211 Vgl. § 12 Abs. 3 WKG.

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richtung der Kirchensteuer verweigern, wie wenn er mit dem Ablauf der Frist aus der Kirche ausgetreten wäre (§ 28 Abs. 3 WKG)212. Der Austritt aus der Kirche braucht beim Kirchensteuerlohnabzug vom Arbeitgeber nur berücksichtigt zu werden, wenn die Lohnsteuerkarte von der Gemeindebehörde entsprechend ergänzt worden ist213. Benützt ein aus der Kirche Ausgetretener weiterhin die Einrichtungen der Kirche, aus der er seinen Austritt erklärt hat, so kann er wie ein Angehöriger derselben weiter besteuert werden (§ 28 Abs. 2 WKG)214. (g) Rücktritt Ist der Ausgetretene in eine andere Kirche bzw. Religionsgesellschaft aufgenommen worden oder in seine Kirche zurückgetreten, so hat der Standesbeamte auf seinen Antrag oder auf Antrag der beteiligten Kirche bzw. Religionsgesellschaft dem Protokoll über die Erklärung des Austritts und der Austrittsbescheinigung einen Vermerk über die (Wieder-)Aufnahme beizufügen (§ 15 Abs. 1 WKG). Der Vermerk hat die Bescheinigung bzw. den Antrag der Religionsgesellschaft zu erwähnen. Die (Wieder-)Aufnahme ist dem Standesbeamten durch eine Bescheinigung der Kirche bzw. Religionsgesellschaft215 nachzuweisen (§ 15 Abs. 2 WKG)216. 212 Wenn die Bescheinigung über die Mitteilung der Austrittsabsicht (§ 12 Abs. 2 WKG) nicht rechtzeitig erteilt wird und die Austrittserklärung infolge dieses Verzuges erst nach Beginn des neuen Rechnungsjahres abgegeben werden kann, so darf dem Austretenden hieraus kein Nachteil erwachsen; er kann in einem solchen Fall die Entrichtung der Kirchensteuer für das neue Rechnungsjahr verweigern (Begründung) (Haller, Das Württembergische Gesetz über die Kirchen 77 f.). 213 Ziffer 6 der Württembergisch-Badischen Verwaltungsanordnung betr. die Übertragung der Verwaltung der katholischen Kirchenlohnsteuer auf die staatlichen Finanzbehörden vom 15. April 1952 (Staatsanzeiger Nr. 30/1952). Für Württemberg-Hohenzollern vgl. die Verwaltungsanordnung vom 10. April 1952 (Staatsanzeiger Nr. 8/1952). 214 Hier werden – entsprechend einer Bestimmung der bisherigen israelitischen Kirchenverfassung (§ 3 Abs. 5) – die Kirchen zu der Bestimmung ermächtigt, die Steuerpflicht des Ausgetretenen fortdauern oder wieder aufleben zu lassen, wenn der Ausgetretene das in Abs. 2 beschriebene Verhalten zeigt. Es wird damit nicht etwa der Austritt als nichtig behandelt, sondern entgegen dem Grundsatz des § 27 Abs. 1 – der Kreis der Steuerpflichtigen erweitert. Die Steuerpflicht tritt somit erst mit der Weiterbenützung wieder ein. Als solche ist eine fortdauernde, nicht schon eine einmalige Benützung anzusehen (Begründung) (Haller, Das Württembergische Gesetz über die Kirchen 77). 215 Darunter sind nicht nur die Kirchen im Sinne des § 1 Abs. 1 S. 2 WKG, sondern auch sonstige Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts und nichtöffentlichrechtliche Religionsgesellschaften zu verstehen. Vgl. § 11 Abs. 2 Vf. vom 31. März 1924. 216 Die §§ 11 – 13 WKG unterscheiden nicht zwischen dem Austritt aus der Kirche ohne Anschluß an eine Religionsgesellschaft und dem Übertritt zu einer anderen Religionsgesellschaft. Personen, die nur zum Zweck des Bekenntniswechsels austreten, werden unter Umständen auf die Feststellung Wert legen, daß sie auch fernerhin einer Religionsgesellschaft angehören. Der Ausgetretene kann nach § 15 WKG diese nachträgliche Feststellung verlangen, und zwar ohne Unterschied, ob er zu einer anderen Kirche, einer sonstigen Religionsgesellschaft des öffentlichen Rechts oder einer nichtöffentlichrechtlichen Religionsgesell-

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Der Rücktritt zur Kirche braucht beim Kirchensteuerlohnabzug vom Arbeitgeber nur berücksichtigt zu werden, wenn die Lohnsteuerkarte von der Gemeindebehörde entsprechend ergänzt worden ist. Beginn und Umfang der Kirchensteuerpflicht nach kirchenrechtlichen Vorschriften werden dadurch nicht berührt217. (h) Übertritt Will ein Mitglied einer Kirche zu einer anderen Kirche übertreten, so ist diese verpflichtet, vor der Aufnahme die Vorlegung einer Austrittsbescheinigung218 des Standesbeamten zu verlangen, es sei denn, daß der Übertritt in Todesgefahr219 erfolgt (§ 14 WKG)220. (i) Gebührenfreiheit Für die Tätigkeit des Standesbeamten und die in § 12 genannten Bescheinigungen sind Gebühren oder Sporteln nicht zu erheben. Für die Erteilung einer weiteren Austrittsbescheinigung des Standesbeamten ist die Gebühr zu entrichten, die für Auszüge aus den Standesregistern erhoben wird. Postgebühren trägt der Austretende (§ 16 Abs. 1 WKG)221. (k) Dienstaufsicht Die Tätigkeit des Standesbeamten wird von dem Amtsgericht beaufsichtigt. § 11 Abs. 2 und 3 des Gesetzes über die Beurkundung des Personenstandes und die schaft übergetreten ist (Begründung). Vgl. § 11 Vf. vom 31. März 1924 (Haller, Das Württembergische Gesetz über die Kirchen 48). 217 Ziffer 6 der Württembergisch-Badischen Verwaltungsanordnung vom 15. April 1952; Württembergisch-Hohenzollernsche Verwaltungsanordnung vom 10. April 1952. 218 Vgl. § 10 Vf. vom 31. März 1924. 219 Die hierfür vorgesehene Ausnahme entspricht der bisherigen Übung der christlichen Kirchen. Durch diese Ausnahme von der besonderen Vorschrift des § 14 werden die Bestimmungen über den Austritt aus der Kirche (§§ 11 – 13) nicht berührt. Der formlose Übertritt hat somit, auch wenn er in Todesgefahr erfolgt, nicht die Wirkung der rechtsgültigen Austrittserklärung. Für Kinder, die noch nicht in die Schule aufgenommen sind, gilt § 14 nicht; dies ergibt sieh ohne weiteres aus § 13 Abs. 6 (Begründung) (Haller, Das Württembergische Gesetz über die Kirchen 47). Bei Aufnahme in Todesgefahr ist alsbald an das Bischöfliche Ordinariat und an das evangelische Pfarramt zu berichten (KABl. Rottenburg 20, 1950, S. 53). 220 Zur Geschichte dieser Bestimmung ist die Begründung des Gesetzes zu vergleichen. § 14 WKG verpflichtet die Kirchen, ihren Organen entsprechende Anweisungen zu geben und für deren Beobachtung zu sorgen (Begründung) (Haller, Das Württembergische Gesetz über die Kirchen 47). 221 Jede vermögensrechtliche Erschwerung des Kirchenaustritts soll vermieden werden. Daher ist die Erhebung von Gebühren oder Sporteln für die Tätigkeit des Standesbeamten, des Vertreters der Kirchengemeinden und des Oberamtes ausgeschlossen. Ausgenommen sind die Mehrfertigungen der Austrittsbescheinigung des Standesbeamten. Auf Beglaubigungen nach § 11 Abs. 3 WKG bezieht sich § 16 WKG nicht (Begründung). Vgl. § 14 Vf. vom 31. März 1924 (Haller, Das Württembergische Gesetz über die Kirchen 48).

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Eheschließung vom 6. Februar 1875 (RGBI. S. 23)222 findet Anwendung223. Die Einsicht des von dem Standesamt geführten Registers und der Akten ist den Geistlichen und anderen Religionsdienern für ihre dienstlichen Zwecke kostenfrei zu gestatten224. (2) Baden In Baden ist für den Kirchenaustritt das Ortskirchensteuergesetz vom 30. Juni 1922 (= OKStG)225 maßgebend. Zur Erklärung des Kirchenaustritts sind alle Personen, die das vierzehnte Lebensjahr vollendet haben, berechtigt (Art. 19 Abs. 1 OKStG). Für Personen unter vierzehn Jahren kann die Erklärung des Austritts von denjenigen abgegeben werden, welche deren religiöse Erziehung zu ändern berechtigt sind (Art. 19 Abs. 2 OKStG). Die Erklärung des Austritts aus einer Kirche muß, um bürgerliche Wirkung zu haben, von dem Austretenden vor der Bezirksverwaltungsbehörde seines Wohnortes oder vor einem zur Aufnahme öffentlicher Urkunden allgemein zuständigen Beamten abgegeben werden, und zwar, wenn derselbe das vierzehnte Lebensjahr zurückgelegt hat, in Person. Die nicht vor der Bezirksverwaltungsbehörde abgegebene Erklärung ist dieser vorzulegen (Art. 19 Abs. 1 OKStG). Sie erfolgt vor der Bezirksverwaltungsbehörde mündlich, vor dem Urkundsbeamten entweder zu Protokoll mit eigenhändiger Unterschrift des Austretenden oder durch Beglaubigung der Echtheit der Unterschrift bei schriftlicher Erklärung. Die Bezirksverwaltungsbehörde übersendet alsbald eine Abschrift der Austrittserklärung an die das örtliche Kirchenvermögen verwaltende Behörde (Art. 19 Abs. 3 OKStG). Die Austrittserklärung wird sofort wirksam226. Mit dem Kirchenaustritt erlöschen die auf der persönlichen Zugehörigkeit zu einer Religionsgesellschaft beru222

Jetzt, in der Fassung vom 8. August 1957 (BGBl. I S. 1125), kommen die §§ 45, 47 und 50 in Betracht. 223 § 16 Abs. 2 WKG entspricht Art. 257 AGBGB. Nach § 11 Abs. 2 und 3 PStG von 1875 war das Amtsgericht befugt, den Standesbeamten neben Verhängung von Geldstrafen auf Antrag der Beteiligten zu einer Amtshandlung anzuweisen, deren Vornahme er abgelehnt hatte (Begründung) (Haller, Das Württembergische Gesetz über die Kirchen 48). Jetzt vgl. die §§ 45, 47 und 50 PStG. 224 § 15 Vf. vom 31. März 1924 (Haller, Das Württembergische Gesetz über die Kirchen 49). 225 GVBl. S. 501 in der Fassung des Gesetzes vom 28. Mai 1940 (GVBl. S. 64), in Südbaden der Gesetze vom 28. Juni 1951 (GVBl. S. 119) und vom 28. Februar 1952 (GVBl. S. 48), in Nordbaden der Gesetze Nr. 1044 vom 22. November 1949 (Reg. Bl. S. 222) und Nr. 410 vom 21. Januar 1952 (Reg. Bl. S. 3). Vgl. W. Burger (Hrsg.), Das Erzbistum Freiburg in Vergangenheit und Gegenwart. Ein kirchliches Heimatbuch (Freiburg i. Br. 1927) 112 f. 226 Dies scheint sich aus Art. 19 Abs. 3 OKStG zu ergeben.

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henden Verpflichtungen, im besonderen die Steuerpflicht (Art. 17 Abs. 1, Art. 18 Abs. 2 OKStG). Die Kirchensteuerpflicht endigt jedoch erst drei Monate nach dem Monatsersten, der auf den Austritt folgt (Art. 18 Abs. 2 OKStG). Die Bezirksverwaltungsbehörde erteilt dem Austretenden auf Verlangen eine Bescheinigung über die erfolgte Erklärung des Austritts (Art. 19 Abs. 3 OKStG). Die Austrittserklärung ist hinsichtlich der kirchlichen Steuerpflicht unwirksam, wenn nach Abgabe derselben die Einrichtungen der Kirche, welcher der Betreffende bis dahin angehört hat, durch diesen selbst oder durch Personen, deren religiöse Erziehung derselbe zu ändern berechtigt ist, weiter benützt werden (Art. 19 Abs. 4 OKStG). Durch diese Bestimmung soll verhindert werden, daß jemand Vorteile von den Einrichtungen der Kirche zieht, zu deren Unterhalt beizutragen er sich weigert. (3) Landkreise Hechingen und Sigmaringen In den beiden Landkreisen Hechingen und Sigmaringen gilt das preußische Kirchenaustrittsgesetz vom 30. November 1920 weiter227. c) Hessen In Hessen228 ist zwischen den früher preußischen Teilen des Landes und dem ehemals zu dem Großherzogtum Hessen-Darmstadt gehörigen Gebiet zu unterscheiden. In den früher preußischen Teilen gilt das preußische Kirchenaustrittsgesetz vom 30. November 1920 (GS. 1921 S. 119) weiter, das bei der Darstellung des Kirchenaustritts in dem Lande Nordrhein-Westfalen zur Darstellung kommen wird. In dem ehemals zu dem Großherzogtum Hessen-Darmstadt gehörigen Gebiet ist das Gesetz, die bürgerlichen Wirkungen des Austritts aus einer Kirche oder Religionsgemeinschaft betreffend, vom 10. September 1878229, das auf den Prinzipien des preußischen Rechts beruht, maßgebend. Die Bestimmungen des Gesetzes über den Austritt aus einer Kirche oder den Übertritt zu einer Kirche sind auch für den Austritt aus einer mit Korporationsrechten versehenen Religionsgemeinschaft230 bzw. für den Übertritt zu einer solchen zu beachten (Art. 6). Die Voraussetzungen und der Umfang der bürgerlichen Wirkungen des Austrittes aus einer nicht mit Korporationsrechten versehenen Religionsgemeinschaft sind dagegen nach den Satzungen derselben und nach den allgemeinen bürgerlichen Gesetzen über Vereine zu beurteilen (Art. 7). Religions227

Mikat, Grundfragen des staatlichen Kirchenaustrittsrechtes 198. Dazu vgl. J. Weier in StL IV, 6. Auflage (1959) 64 – 66, 71 f. 229 Reg. Bl. S. 113. Vgl. Schmidt, Der Austritt aus der Kirche 46 ff. 230 Vgl. das Gesetz, die rechtliche Stellung der Kirchen und Religionsgemeinschaften im Staate betreffend, vom 23. April 1875 (Reg. Bl. S. 247). 228

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gemeinschaften, die nicht mit Korporationsrechten versehen sind, werden also hinsichtlich des Austritts wie Privatvereine behandelt231. Auf den Austritt aus der israelitischen Religionsgemeinde ohne gleichzeitigen Austritt aus dem Judentum findet das Gesetz keine Anwendung (Art. 5)232. Der Austritt aus einer Kirche hat nur dann bürgerliche Wirkungen, wenn er unter Beobachtung der in diesem Gesetz bezeichneten Formen stattgefunden hat (Art. 1). Im Falle des Austritts ohne nachfolgenden Übertritt zu einer anderen Religionsgemeinschaft müssen daher immer die Formen der gerichtlichen Austrittserklärung gewahrt werden (Art. 3 Abs. 1). Dagegen hat der Übertritt aus der einen Kirche zu einer anderen die bürgerlichen Wirkungen schon dann, wenn er in den für die Aufnahme in die letztere festgesetzten oder herkömmlichen kirchlichen Formen erfolgt ist, jedoch mit der Maßgabe, daß der Übertretende, wenn er von der Beitragspflicht zu den finanziellen Lasten seines bisherigen Verbandes befreit werden will, noch die in diesem Gesetz (Art. 3 Abs. 2 – 4) vorgeschriebene Form zu beobachten hat (Art. 2)233. Der Austritt aus der Kirche ist von dem Austretenden in Person bei dem Gericht seines Wohnortes (Einzelrichter) zu Protokoll zu erklären (Art. 3 Abs. 1). Der Entgegennahme dieser Austrittserklärung muß jedoch ein hierauf gerichteter Antrag vorausgehen. Dieser ist durch das Gericht dem Vorstand der Kirchengemeinde, welcher der Antragsteller angehört, unverzüglich bekannt zu machen (Art. 3 Abs. 2). Erst nach Ablauf von vier Wochen seit jener Antragstellung – die eine Überlegungsfrist für den Antragsteller ist – kann die protokollarische Aufnahme der Austrittserklärung erfolgen. Ist dieselbe innerhalb von höchstens sechs Wochen seit der Antragstellung nicht abgegeben, so ist die letztere als nicht geschehen zu betrachten (Art. 3 Abs. 3). Eine Abschrift des Protokolls über die Austrittserklärung ist dem Vorstand der bisherigen Kirchengemeinde des Ausgetretenen auszufertigen und dem Ausgetretenen eine gerichtliche Bescheinigung seines Austrittes zu erteilen (Art. 3 Abs. 4). Die Austrittserklärung hat die Wirkung, daß der Austretende zu Leistungen, die auf der persönlichen Kirchen- oder Kirchengemeindezugehörigkeit beruhen, nicht mehr verpflichtet wird (Art. 4 Abs. 1 S. 1). Diese Wirkung tritt, falls der Austritt in der ersten Hälfte des Kalenderjahres erfolgt, mit dem Schluß des Jahres, sonst aber mit dem Schluß des auf die Austrittserklärung folgenden Kalenderjahres ein (Art. 4 231

K. Köhler, Kirchenrecht der evangelischen Kirche des Großherzogtums Hessen (Darmstadt 1884) 61. 232 Dafür vgl. Gesetz, den Austritt aus den israelitischen Religionsgemeinden betreffend, vom 10. September 1878 (Reg. Bl. S. 116). Zur Erklärung vgl. Schmidt, Der Austritt aus der Kirche 49 ff. 233 Dazu Schmidt, Der Austritt aus der Kirche 246 f. Die Praxis im Großherzogtum Hessen neigte der Auffassung zu, daß der Übertretende mit Erfüllung der seitens des Gesetzes vom 10. September 1878 geforderten Form sofort von der Beitragspflicht gegenüber seiner bisherigen Religionsgemeinschaft befreit werde. Gegen diese Auffassung bestehen Bedenken (Schmidt, Der Austritt aus der Kirche 256).

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Abs. 1 S. 2)234. Zu den Kosten eines außerordentlichen Baues, dessen Notwendigkeit vor Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Austritt aus der Kirche erklärt wird, festgestellt ist, hat der Austretende bis zum Ablauf des zweiten auf die Austrittserklärung folgenden Kalenderjahres ebenso beizutragen, als wenn er seinen Austritt nicht erklärt hätte (Art. 4 Abs. 1 S. 3). Abweichend von diesen Bestimmungen wurde am 29. Mai 1951 in einem Erlaß der Oberfinanzdirektion Frankfurt/Main vorgeschrieben235, daß in den Landesteilen des früheren Volksstaates Hessen die Steuerpflicht beim Kirchenaustritt nach Ablauf von drei Monaten endet, nachdem der Kirchenaustritt beim Amtsgericht erklärt worden ist. Die Frist von drei Monaten wird von dem Beginn des Monats an berechnet, der auf den Eingang der Austrittserklärung beim Amtsgericht folgt. Leistungen, die nicht auf der persönlichen Kirchen- oder Kirchengemeindeangehörigkeit beruhen, werden durch den Austritt nicht berührt (Art. 4 Abs. 2). Für Kinder unter vierzehn Jahren kann die Anzeige des Austritts aus einer Kirche oder Religionsgemeinschaft in den Formen dieses Gesetzes von denjenigen Personen vollzogen werden, denen die Bestimmung über die religiöse Erziehung der betreffenden Kinder zusteht (Art. 8 Abs. 1)236. Für Beschwerden wegen Heranziehung zu kirchlichen Leistungen nach Erklärung des Austritts auf Grund der Art. 4 und 9 des Gesetzes finden die Bestimmungen Anwendung, die für Beschwerden wegen Heranziehung zu den Umlagen oder Ausschlägen der politischen Gemeinden gelten (Art. 10 S. 1). d) Rheinland-Pfalz Das Land Rheinland-Pfalz237 ist aus bayerischen, hessischen und preußischen Gebietsteilen zusammengesetzt. Dementsprechend ist auch das Kirchenaustrittsrecht verschieden. In dem ehemals preußischen Gebiet gilt das preußische Kirchenaustrittsgesetz vom 30. November 1920 (GS. 1921 S. 119) weiter. Für den einst hessischen Lan-

234 Vgl. Schmidt, Der Austritt aus der Kirche 253. Vgl. auch F. Ott, Das Besteuerungsrecht der Religionskörperschaften in Hessen (Mainz 1929) 67 ff., 115. 235 Wenner, Kirchenvorstandsrecht 267. 236 Die Bestimmung des Art. 8 Abs. 2 – Pflicht aus der Kirche ausgetretener Kinder zur Teilnahme am schulischen Religionsunterricht oder zum Besuch eines anderswo erteilten Religionsunterrichtes – ist heute durch Art. 58 S. 1 der hessischen Verfassung vom 11. Dezember 1946 (GVBl. S. 229) hinfällig. Daß Ausgetretene, deren Kinder – zwar nicht mehr wegen Art. 8 Abs. 2 dieses Gesetzes, aber tatsächlich und aus anderen Gründen – an dem Religionsunterricht der Kirche teilnehmen, die sie – die Eltern und die Kinder – verlassen haben, zu den finanziellen Lasten der verlassenen Kirche, deren Religionsunterricht die Kinder besuchen, herangezogen werden können (Art. 9), erscheint auch heute vertretbar. 237 Dazu vgl. A. Süsterhenn in StL VI, 6. Auflage (1961) 904 f., 909 – 913.

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desteil ist das hessische Gesetz vom 10. September 1878 (Reg. Bl. S. 113) maßgebend. In dem ehemals bayerischen Gebiet gilt das alte bayerische Recht nach dem Stand vom 8. Mai 1945. Es handelt sich dabei um § 17 Abs. 3 der Bayerischen Verfassungsurkunde vom 14. August 1919238 mit der Ministerialbekanntmachung vom 16. Januar 1922239. Danach kann der Austritt aus einer Religionsgemeinschaft mündlich oder schriftlich (durch eine gerichtlich oder notariell beglaubigte Urkunde) bei dem Standesamt des Wohnsitzes oder des Aufenthaltsortes erklärt werden. Nichtigkeit und Anfechtbarkeit der Austrittserklärung sind nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts zu beurteilen. Der Standesbeamte ist zur Entgegennahme einer Austrittserklärung nur dann zuständig, wenn es sich bei der zu verlassenden Religionsgesellschaft um eine solche im Sinne des Art. 43 der Landesverfassung von Rheinland-Pfalz vom 18. Mai 1947240 handelt, welche die Stellung einer Körperschaft des öffentlichen Rechts und das Besteuerungsrecht hat. Bei den übrigen Religionsgesellschaften richtet sich der Austritt nach dem bürgerlichen Vereinsrecht241. e) Nordrhein-Westfalen In Nordrhein-Westfalen242 ist der Kirchenaustritt noch immer durch das preußische Gesetz, betreffend den Austritt aus den Religionsgesellschaften öffentlichen Rechts, vom 30. November 1920 (= PrKAG)243 geregelt. (1) Erklärungsberechtigte Zur Abgabe der Erklärung, aus der Kirche austreten zu wollen, ist jeder geschäftsfähige Erwachsene und jedes Kind mit vollendetem vierzehnten Lebensjahr berechtigt244. Eine Vertretung kraft Vollmacht ist bei der Austrittserklärung nicht 238

GVBl. S. 531. GVBl. S. 15. 240 VOBl. S. 209. 241 Vgl. den Erlaß der Vereinigten protestantischen Kirche der Pfalz betr. Austritt aus einer Religionsgemeinschaft vom 9. April 1953 (ABl. der EKD 1953 S. 212) mit der Wiedergabe der Ansicht der Bezirksregierung der Pfalz über die Auslegung des § 17 Abs. 3 der Bayerischen Verfassungsurkunde von 1919. 242 Dazu vgl. E. Meuthen in StL V, 6. Auflage (1960) 1089 – 1092, 1097 – 1100. 243 GS. 1921 S. 119. Es beruhte auf Art. 76 der Preußischen Verfassung vom 30. November 1920 (GS. S. 543). Ihm ging voraus das Gesetz betreffend die Erleichterung des Austritts aus der Kirche und aus den jüdischen Synagogengemeinden vom 13. Dezember 1918 (GS. S. 199). Vgl. K. Birenheide, Der Austritt aus der evangelischen Kirche in Preußen und seine Wirkung auf den Bekentnisstand, Jur. Diss. Marburg (Marburg 1934) 20 ff.; G.-M. Pfender, Kirchenaustritt und Kirchenaustrittsbewegung in Preußen, Jur. Diss. Breslau (Breslau 1930) 34 ff. 244 § 5 S. 1 des Gesetzes über die religiöse Kindererziehung von 1921. 239

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zulässig (§ 1 Abs. 1 S. 2 a. E. PrKAG)245. Der Kirchenaustritt ist eine höchstpersönliche Angelegenheit. (2) Erklärungsbehörde Die Erklärung ist vor dem Amtsgericht des Wohnsitzes des Erklärungsberechtigten abzugeben (§ 1 Abs. 1 S. 1 PrKAG). Die einem örtlich unzuständigen Gericht gegenüber abgegebene Austrittserklärung ist nichtig246. (3) Erklärungsform Die Erklärung kann in zweifacher Form erfolgen. Entweder sie wird persönlich und mündlich zu Protokoll des Gerichtsschreibers gegeben, das von dem Austretenden eigenhändig zu unterschreiben ist, oder sie wird als Einzelerklärung in öffentlich beglaubigter Form eingereicht. Die Beglaubigung betrifft die Echtheit der Unterschrift. Im letzteren Falle ist es gestattet, daß Ehegatten sowie Eltern und Kinder den Austritt in derselben Urkunde erklären (§ 1 Abs. 1 S. 2 PrKAG). (4) Reuefrist Die rechtlichen Wirkungen der Austrittserklärung treten einen Monat nach dem Eingang der Erklärung bei dem Amtsgericht ein. Bis dahin kann die Erklärung zurückgenommen werden. Die Rücknahme hat entweder persönlich zu Protokoll des Gerichtsschreibers oder durch Einzelerklärung in öffentlich beglaubigter Form zu erfolgen (§ 1 Abs. 2 PrKAG). Diese Überlegungsfrist soll übereilte Erklärungen verhindern. (5) Benachrichtigung der Kirchenbehörde Das Amtsgericht hat sowohl von der Abgabe als auch von der Zurücknahme der Austrittserklärung unverzüglich den Vorstand der Religionsgesellschaft, welcher der Erklärende angehört, zu benachrichtigen (§ 1 Abs. 3 PrKAG). Denn die Austrittserklärung ist, auch wenn sie gegenüber dem Staat abgegeben wird, in erster Linie an die Kirche gerichtet; die Kirche allein wird dadurch in Mitleidenschaft gezogen247. Die Mitteilung in dem ersten Falle in Verbindung mit der Reuefrist 245 Das heißt, daß der Mann nicht für seine Frau und nicht für die bekenntnismündigen Kinder handeln kann (Hagen, Die kirchliche Mitgliedschaft 71). Unhaltbar ist heute die Entscheidung des OVG vom 9. April 1915 (Pfarrarchiv 8 S. 170 ff.), wonach ein eheliches Kind, dessen Vater bereits vor der Geburt aus der Kirche ausgetreten ist, mit der Geburt die Rechtsstellung eines aus der Kirche Ausgetretenen erlangt. 246 Beschluß des OLG Celle vom 18. März 1949 (Niedersächsische Rechtspflege 3, 1949, 213 f., auszugsweise auch ZevKR 2, 1952/53, 111 f.). 247 Hagen, Die kirchliche Mitgliedschaft 70.

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dient dazu, der Kirche die Möglichkeit einer Einflußnahme auf das zum Austritt entschlossene Kirchenglied zu eröffnen248. Die Unterlassung der Benachrichtigung hat jedoch keine Nichtigkeit der Austrittserklärung zur Folge. (6) Wirkungen Die Austrittserklärung bewirkt die dauernde Befreiung des Ausgetretenen von allen Leistungen, die auf der persönlichen Zugehörigkeit zu der Religionsgesellschaft beruhen (§ 2 Abs. 1 S. 1 PrKAG). Leistungen, die nicht auf der persönlichen Zugehörigkeit zu einer Religionsgesellschaft beruhen, werden durch die Austrittserklärung nicht berührt. Dazu gehören im besonderen Leistungen, die entweder kraft besonderen Rechtstitels auf bestimmten Grundstücken haften oder von allen Grundstücken des Bezirks oder von allen Grundstücken einer bestimmten Klasse in dem Bezirk ohne Unterschied des Besitzers zu entrichten sind (§ 2 Abs. 2 PrKAG)249. Ausgetretene sind nicht evangelisch im Sinne der Steuergesetze250. Das Amtsgericht hat dem Ausgetretenen demnächst eine Bescheinigung über den vollzogenen Austritt zu erteilen (§ 1 Abs. 3 PrKAG), welcher der Zeitpunkt des Beginns der Wirkungen zu entnehmen ist. Die rechtlichen Wirkungen der Austrittserklärung treten einen Monat nach dem Eingang der Erklärung bei dem Amtsgericht ein (§ 1 Abs. 2 PrKAG). Die Befreiung von der Zahlung der Kirchensteuer tritt mit dem Ende des laufenden Steuerjahres, jedoch nicht vor Ablauf von drei Monaten nach Abgabe der Erklärung ein (§ 2 Abs. 1 S. 2 PrKAG)251. 248

Brandenburg/Krause, Die Geschäftsverwaltung des katholischen Pfarramtes im Gebiete des preußischen Landrechts 189. 249 Wie § 2 Abs. 2 PrKAG von 1920 bereits § 3 PrKAG von 1873, vgl. Hinschius, Die preußischen Kirchengesetze des Jahres 1873 S. 183 f. A. 9 – 11; RGZ vom 16. Juni 1890 (Juristische Wochenschrift 304 Nr. 20), 6. Mai 1901 (Gruchots Beiträge Bd. 46 S. 120 ff.) und 10. Juni 1901 (Juristische Wochenschrift 585 Nr. 28). S. auch Schmidt, Der Austritt aus der Kirche 251. 250 OVG vom 15. Mai 1908 (Pfarrarchiv 1 S. 178 ff.). 251 Die Steuerpflicht erlischt durch den Austritt aus der Kirche im allgemeinen mit dem Ende des laufenden Steuerjahres, also mit dem auf den Tag des Austritts folgenden 31. März. Beträgt jedoch der Zeitraum vom Tage des Austritts bis zum nächsten 31. März weniger als drei Monate, so tritt die Befreiung erst drei Monate nach dem Tage der Abgabe der Austrittserklärung oder, genauer, mit Ablauf des Monats, in den das Ende der Dreimonatsfrist fällt, ein. Die Dreimonatsfrist beginnt mit dem Tage der Abgabe der Austrittserklärung, nicht mit dem Tage, an dem nach § 1 Abs. 2 des Gesetzes ihre rechtliche Wirkung eintritt (OVG vom 1. April 1930: Pfarrarchiv 19 S. 72 ff.). Eine Erstreckung auf das Ende des nächsten Rechnungsjahres – in dem Falle, daß zwischen dem Zeitpunkt der Erklärung und dem Ende des Rechnungsjahres weniger als drei Monate liegen – findet nicht statt (OVG vom 16. Juni 1936: Pfarrarchiv 24 S. 345 ff.). Der Sinn der Regelung ist die Sicherung der öffentlichen Haushalte der Kirchengemeinden, die nicht durch plötzliche Wirkung der Kirchenaustritte im Laufe eines Rechnungsjahres erschüttert werden können. Die Fristen des § 2 des Gesetzes sind nicht zu verwechseln mit der Frist des § 1 des gleichen Gesetzes. Nur § 2 regelt die Befreiung von den Kirchensteuern (W. Koch/H. Gefaeller, Die Kirchensteuer in Preußen und im Saarland nebst Darstellung der Umlage und der Pfarrbesoldung in der Evangelischen Kirche der alt-

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Durch § 1 der zweiten Durchführungsverordnung zum Gesetz über die Erhebung von Kirchensteuern im Lande Nordrhein-Westfalen vom 8. Dezember 1950252 ist für die Kirchensteuer, die als Zuschlag zur Einkommensteuer (Lohnsteuer) erhoben wird, das Kalenderjahr an die Stelle des Rechnungsjahres getreten. Die Abgabenbefreiung infolge Kirchenaustrittes tritt demnach (von dem in § 2 Abs. 1 S. 2 a. E. PrKAG erwähnten Ausnahmefall abgesehen) für diesen Teil der Diözesankirchensteuer mit dem auf den Tag des Austritts folgenden 31. Dezember ein. Für die Erhebung von Zuschlägen zu den Grundsteuermeßbeträgen253 ist das Rechnungsjahr als Steuerjahr bestehen geblieben. Für diesen Teil der Diözesankirchensteuer tritt die Befreiung (abgesehen von dem Ausnahmefall in § 2 Abs. 1 S. 2 a. E. PrKAG) erst mit dem auf den Tag des Austritts folgenden 31. März ein254. (7) Gebührenfreiheit Für das Austrittsverfahren vor dem Amtsgericht werden Gerichtskosten nicht erhoben. Zu der Beglaubigung der Erklärungen und zu der Bescheinigung über den Austritt wird kein Stempel berechnet (§ 3 PrKAG). (8) Anwendung auf den Austritt aus Synagogengemeinden Die Bestimmungen des Gesetzes finden auch auf den Austritt aus der einzelnen Synagogengemeinde Anwendung (§ 4 Abs. 1 PrKAG). Ein Jude, der aus einer Synagogengemeinde ausgetreten ist, wird nur dann Mitglied einer anderen Synagogengemeinde, wenn er ihrem Vorstande seinen Beitritt schriftlich erklärt (§ 4 Abs. 2 PrKAG). (9) Übertritt Bei Übertritt von einer Kirche zu einer anderen ohne gerichtliche Austrittserklärung erlischt die Steuerpflicht nicht255. Der Übertritt begründet jedoch die Steuerpflicht gegenüber der Kirchengemeinde des neuen Bekenntnisses sogleich preußischen Union, Berlin 1938, 120 f.). Vgl. auch L. Groener/D. Zorn, Das Besteuerungsrecht der katholischen Kirchengemeinden, Gemeindeverbände und Diözesen in Preußen unter Berücksichtigung des Gesetzes zur Änderung des Kirchensteuer- und Umlagerechts der katholischen Kirche vom 3. Mai 1929 (Köln 1929) 46. 252 GVBl. S. 207. 253 Vgl. dafür § 1 Abs. 1 Buchstabe c des Gesetzes über die Erhebung von Kirchensteuer im Lande Nordrhein-Westfalen vom 15. Februar 1950 (GVBl. S. 32). Dazu jetzt: Gesetz über die Erhebung von Kirchensteuern im Land Nordrhein-Westfalen. Vom 30. April 1962 (GVBl. S. 223). § 18 Abs. 1: Dieses Gesetz tritt am 1. Januar 1963 in Kraft. Die Ermächtigungsvorschriften des § 17 treten mit der Verkündung des Gesetzes in Kraft. 254 Schreiben des Finanzministers von Nordrhein-Westfalen an das Erzbistum Köln vom 25. April 1951 (Wenner, Kirchenvorstandsrecht 226 f.). 255 OVG vom 25. Oktober 1932 (Pfarrarchiv 21 S. 166 ff.; AfkKR 113, 1933, 233 ff.).

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ohne Rücksicht darauf, ob die Steuerpflicht gegenüber der Kirchengemeinde des bisherigen Bekenntnisses noch besteht oder erloschen ist256. Es ist also bei Übertritt aus einer Kirche in eine andere ohne gerichtliche Austrittserklärung Doppelbesteuerung möglich257. (10) Wiedereintritt Aus der Kirche Ausgetretene, die sich bei der Personenstandsaufnahme oder anderem Anlaß als Kirchenglied bezeichnen, können rechtlich nicht zur Kirchensteuer veranlagt werden, da derartige Eintragungen allein nicht als ein den Eintritt in die Kirche darstellender und begründender Willensakt angesehen werden können258. Der Wiedereintritt ist vielmehr durch eine amtliche Bescheinigung der zuständigen kirchlichen Behörde nachzuweisen259. In dem ehemaligen Land Lippe-Detmold260, das seit dem 21. Juli 1947 zu Nordrhein-Westfalen gehört261, wurden durch § 18 Abs. 3 des Gesetzes über die Erhebung von Kirchensteuern im Land Nordrhein-Westfalen vom 30. April 1962262 die Vorschriften des Lippischen Gesetzes, betreffend den Austritt aus einer Religionsgemeinschaft, vom 16. Mai 1919263 aufgehoben und die Vorschriften des preußischen Kirchenaustrittsgesetzes auf diesen Landesteil ausgedehnt.

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Koch/Gefaeller, Die Kirchensteuer in Preußen und im Saarland 121. Zeitweilige Entlastung – bis zur Beendigung der bisherigen Leistungspflicht – ist dem Ermessen der neuaufnehmenden Religionsgemeinschaften überlassen (vgl. Schmidt, Der Austritt aus der Kirche 299). Vgl. aber Fehse/Engelhard, Die preußischen Kirchensteuern 86. 258 OVG vom 16. Dezember 1930 (Koch/Gefaeller, Die Kirchensteuer in Preußen und im Saarland 268). 259 Vgl. Brandenburg/Krause, Die Geschäftsverwaltung des katholischen Pfarramtes im Gebiete des preußischen Landrechts 192; Runderlasse des preußischen Ministers des Innern vom 15. August 1932 (AfkKR 112, 1932, 613) und vom 31. Juli 1933 (AfkKR 114, 1934, 193). Vgl. Fehse/Engelhard, Die preußischen Kirchensteuern 86. 260 E. Kittel, Geschichte des Landes Lippe. Heimatchronik der Kreise Detmold und Lemgo. Mit einem Beitrag von Rolf Böger: Band 18 der Reihe „Heimatchroniken der Städte und Kreise des Bundesgebietes“ (Köln 1957); Die katholische Kirche in Lippe. Vergangenheit und Gegenwart. Festschrift zur Hundertjahrfeier der Gemeinde Detmold und zum 60jährigen Bestehen des Dekanates (Paderborn 1952); W. Neuser, Die Lippische Landeskirche: Deutsches Pfarrerblatt 53 (1953) 385 – 387, 414 – 417; J. Freisen, Staat und katholische Kirche in den deutschen Bundesstaaten usw. I: Kirchenrechtliche Abhandlungen 25. und 26. Heft (Stuttgart 1906) 29 – 282. Für einen Hinweis bin ich H. H. Dechanten A. Reineke in Detmold dankbar. 261 E. Meuthen in StL V, 6. Auflage (1960) 1092; Kitte 1, Geschichte des Landes Lippe 282 ff. 262 GVBl. S. 223. 263 GS. S. 972 in der Fassung des Gesetzes vom 19. September 1927 (GS. S. 253). Für den Zustand vorher vgl. Schmidt, Der Austritt aus der Kirche 72 f., 231. 257

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f) Saarland Im Saarland264 ist gemäß der zweiten Verordnung über die Einführung preußischer staatsgesetzlicher Vorschriften über kirchliche Angelegenheiten im Saarland vom 24. März 1938265 das preußische Gesetz betreffend den Austritt aus den Religionsgesellschaften öffentlichen Rechts vom 30. November 1920 am 1. April 1938 in Kraft getreten266. g) Schleswig-Holstein Auch in Schleswig-Holstein267 gilt das preußische Kirchenaustrittsgesetz vom 30. November 1920 weiter268. Hinsichtlich der Beendigung der Veranlagung und Erhebung der Kirchensteuer durch das Finanzamt wurde bestimmt269, daß diese bei Austritt des Steuerpflichtigen aus der evangelischen oder katholischen Kirche mit Ablauf des laufenden Kalenderjahres, in dem der Austritt erklärt worden ist, eintritt. In Lübeck gilt seit dem Übergang an Preußen entsprechend der Verordnung zur Überleitung des Staatskirchenrechts in den auf Preußen übergegangenen Gebietsteilen vom 10. Januar 1938270 das preußische Gesetz über den Kirchenaustritt. h) Niedersachsen (1) In Niedersachsen271 steht für die ehemals preußischen Teile das preußische Kirchenaustrittsgesetz vom 30. November 1920 in Geltung272. Die anderen Gebietsteile haben eigene Regelungen.

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Dazu vgl. P. Fischer in StL VI, 6. Auflage (1961) 1035 – 1038, 1043 – 1046. RGBl. I S. 350. 266 Vgl. Mikat, Grundfragen des staatlichen Kirchenaustrittsrechtes 198. Zum früheren Rechtszustand vgl. Haugg, Vom Kirchenein- und -austritt 377. 267 Dazu vgl. A. Scharff und H. J. Varain in StL VI, 6. Auflage (1961) 1126 – 1128, 1133 f. 268 Mikat, Grundfragen des staatlichen Kirchenaustrittsrechtes 198. Dieses ist unter „geltendem Recht“ zu verstehen, von dem in § 10 Abs. 2 der Durchführungsverordnung zum Gesetz zur Vereinfachung der Kirchensteuererhebung vom 15. Juni 1955 (GVBl. S. 133) die Rede ist. 269 § 6 Abs. 2 Buchstabe b und § 10 Abs. 2 Teil 2 der DVO vom 15. Juni 1955. 270 GS. S. 17. Für den früheren Rechtszustand vgl. das Gesetz, betreffend den Austritt aus der römisch-katholischen Kirchengemeinde im Lübeckischen Staate, vom 14. März 1904 (GVBl. S. 86). Dazu Schmidt, Neue Beiträge 83 ff. 271 Dazu K. Brüning in StL V, 6. Auflage (1960) 1054 – 1056, 1060 – 1063. 272 Kirchengesetz über die Erhebung von Kirchensteuern in der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers vom 16. Juni 1952 in der Fassung vom 10. August 1953 (ABl. der EKD 1953 S. 292 ff.) § 5; Kirchensteuerdurchführungsverordnung vom 13. August 1953 (ABl. der EKD 1953 S. 296 ff.) zu § 5. Vgl. Mikat, Grundfragen des staatlichen Kirchenaustrittsrechtes 198. 265

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(2) In dem früheren Großherzogtum Oldenburg273 gilt das Gesetz betreffend den Austritt aus den Religionsgesellschaften öffentlichen Rechts (= RAG) vom 18. Mai 1922274. Nach diesem Gesetz ist der Austritt aus einer Religionsgesellschaft öffentlichen Rechts bei dem Amtsgericht des Wohnsitzes zu erklären. Die Erklärung muß zu Protokoll des Gerichtsschreibers erfolgen oder als Einzelerklärung in öffentlich beglaubigter Form eingereicht werden. Ehegatten sowie Eltern und Kinder können den Austritt in derselben Urkunde erklären. Bei der Erklärung findet eine Vertretung kraft Vollmacht nicht statt (§ 1 Abs. 1 RAG). Die rechtlichen Wirkungen der Austrittserklärung treten einen Monat nach dem Eingang der Erklärung bei dem Amtsgericht ein. Bis dahin kann die Erklärung in der im Abs. 1 vorgeschriebenen Form zurückgenommen werden (§ 1 Abs. 2 RAG). Das Amtsgericht hat von der Abgabe und der etwaigen Zurücknahme der Austrittserklärung unverzüglich den Vorstand der Religionsgesellschaft, der der Erklärende angehört, zu benachrichtigen und demnächst dem Ausgetretenen eine Bescheinigung über den vollzogenen Austritt zu erteilen (§ 1 Abs. 3 RAG). Die Austrittserklärung bewirkt die dauernde Befreiung des Ausgetretenen von allen Leistungen, die auf der persönlichen Zugehörigkeit zu der Religionsgesellschaft beruhen. Die Befreiung tritt ein mit dem Ende des laufenden Steuerjahres, jedoch nicht vor Ablauf von drei Monaten nach Abgabe der Erklärung (§ 2 Abs. 1 RAG). Leistungen, die nicht auf der persönlichen Zugehörigkeit zu einer Religionsgesellschaft beruhen, insbesondere Leistungen, die entweder kraft besonderen Rechtstitels auf bestimmten Grundstücken haften oder von allen Grundstücken einer gewissen Klasse in dem Bezirk ohne Unterschied des Besitzers zu entrichten sind, werden durch die Austrittserklärung nicht berührt (§ 2 Abs. 2 RAG). Für das Verfahren werden Gerichtskosten nicht erhoben. Zu der Beglaubigung der Erklärungen und zu der Bescheinigung über den Austritt wird kein Stempel berechnet (§ 3 RAG). (3) In Braunschweig275 ist nach dem Gesetz über den Austritt aus der Kirche (= KAG) vom 23. Januar 1919276 die Austrittserklärung bei dem Amtsgericht des Wohnsitzes persönlich zu Protokoll des Gerichtsschreibers zu erklären (§ 2 KAG).

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Dafür Schmidt, Der Austritt aus der Kirche 57, 358, 214 ff. GBl. S. 903. Vgl. J. Wehage, Die rechtliche Stellung der katholischen Kirche im Landesteil Oldenburg unter besonderer Berücksichtigung der geschichtlichen Entwicklung, Jur. Diss. Göttingen (Vechta 1928) 37 f., 38 A. 2. – Die Abhängigkeit des Gesetzes von dem preußischen Vorbild ist offenkundig. 275 Für den früheren Zustand vgl. Schmidt, Der Austritt aus der Kirche 55 – 57, 212 ff., 361; H. Seeeland, Die katholische Kirche im Herzogtum Braunschweig (Hildesheim 1909) 96 ff., 213 f. 276 GVSlg. S. 31. 274

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Die Kirchensteuerpflicht endet mit dem Ablauf des Steuerjahres, in dem der Austritt vollzogen wurde, jedoch nicht vor Ablauf von drei Monaten nach Abgabe der Austrittserklärung277. (4) In Schaumburg-Lippe278 gilt immer noch das Gesetz betreffend den Austritt aus der Kirche (= KAG) vom 21. März 1896279. Nach diesem Gesetz muß der Austritt aus einer Kirche, wenn er eine Befreiung von den Lasten des bisherigen Verbandes bewirken soll, durch Erklärung des Austretenden vor dem Amtsgericht seines Wohnortes erfolgen (§ 1 Abs. 1 KAG). Zuständig zur Entgegennahme der Austrittserklärung ist der mit Versehung der Geschäfte der freiwilligen Gerichtsbarkeit betraute richterliche Beamte (§ 1 Abs. 2 KAG). Der Aufnahme der Austrittserklärung muß ein hierauf gerichteter Antrag vorangehen. Der Antrag kann mündlich zu Protokoll oder schriftlich erfolgen (§ 2 Abs. 1 KAG). Wird der Antrag für vollständig befunden, so ist er durch das Amtsgericht dem Vorstand der Kirchengemeinde, welcher der Antragsteller angehört, ohne Verzug bekannt zu machen (§ 2 Abs. 2 KAG). Die Aufnahme der Austrittserklärung selbst findet nicht vor Ablauf von vier Wochen und spätestens innerhalb sechs Wochen nach Eingang des Antrages zu gerichtlichem Protokoll, also mündlich und persönlich, statt (§ 3 Abs. 1 KAG). Abschrift des Protokolls ist dem Vorstande der Kirchengemeinde zuzustellen. Dem Austretenden ist auf Verlangen eine Bescheinigung über den Austritt zu erteilen (§ 3 Abs. 2 KAG). Die Austrittserklärung bewirkt, daß der Ausgetretene zu Leistungen, die auf der persönlichen Kirchengemeindeangehörigkeit beruhen, nicht mehr verpflichtet ist. Diese Wirkung tritt jedoch erst mit dem Schluß des auf die Austrittserklärung folgenden Kalenderjahres ein (§ 4 Abs. 1 KAG)280. Zu den Bau- und Reparaturkosten kirchlicher und geistlicher Gebäude sowie zu den Kosten einer Friedhofsanlage, deren Notwendigkeit vor Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Austritt aus der Kirche erklärt wird, festgestellt ist, hat der Austretende bis zum Ablauf des zweiten 277

§ 5 des Kirchengesetzes über die Erhebung von Kirchensteuer in der Braunschweigischen evangelisch-lutherischen Landeskirche vom 5. August 1957 (ABl. der EKD 1957 S. 321 ff.); Kirchensteuer-Durchführungsverordnung vom 5. August 1957 (ABl. der EKD 1957 S. 325 ff.) zu § 5. 278 Zur früheren Rechtslage vgl. Schmidt, Der Austritt aus der Kirche 72 f. 279 Schaumburg-Lippische Landesverordnungen 17. Bd. Jgg. 1896 Nr. 5 (Bückeburg 1898) 177. Das preußische Vorbild ist auch hier unverkennbar. Aber der Austritt wird gegenüber Preußen erschwert. Das von § 1 Abs. 1 KAG aufgestellte Erfordernis der Volljährigkeit ist durch das RKEG § 5 entfallen. 280 Nach § 6 Ziff. IV der Kirchensteuerordnung der Evangelisch-lutherischen Landeskirche in Schaumburg-Lippe vom 5. März 1950 in der Fassung vom 5. Dezember 1958 und 29. Mai 1959 (ABl. der EKD 1959 S. 299 ff.) wird bei Austritt aus der Kirche die Kirchensteuer, sofern der Austritt mindestens sechs Monate vor Ende des Kirchensteuerjahres vollzogen ist, noch bis zum Ende des laufenden Steuerjahres erhoben, andernfalls bis zum Ende des nächsten.

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auf die Austrittserklärung folgenden Kalenderjahres ebenso beizutragen, als wenn er seinen Austritt aus der Kirche nicht erklärt hätte (§ 4 Abs. 2 KAG). Leistungen, die nicht auf der persönlichen Kirchengemeindeangehörigkeit beruhen, insbesondere Leistungen, die entweder kraft besonderen Rechtstitels auf bestimmten Grundstücken haften oder von allen Grundstücken einer gewissen Klasse in dem Bezirk ohne Unterschied des Besitzers zu entrichten sind, werden durch die Austrittserklärung nicht berührt (§ 4 Abs. 3 KAG). Die Bestimmung des § 5, daß der Ausgetretene vom Tage des erfolgten Austritts an einen Anteil an den verfassungsmäßigen Rechten der Kirche, aus der er ausgetreten ist, nicht mehr in Anspruch nehmen kann, ist wegen des autonomen Rechtes der Kirchen, die kirchlichen Folgen der Austrittserklärung vor den staatlichen Behörden festzulegen, bedenklich281. Als Kosten des Verfahrens werden nur Abschriftsgebühren und bare Auslagen in Ansatz gebracht (§ 7 KAG). i) Hamburg In Hamburg282 ist die Verordnung über den Austritt aus Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts vom 29. Januar 1942283 durch das Gesetz über den Austritt aus Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts (= RAG) vom 5. März 1962284 ersetzt worden. Die Erklärung, aus einer in der Freien und Hansestadt Hamburg bestehenden Religionsgesellschaft des öffentlichen Rechts austreten zu wollen, kann von Personen abgegeben werden, die das vierzehnte Lebensjahr vollendet haben und nicht geschäftsunfähig sind. Für Personen unter vierzehn Jahren und für Geschäftsunfähige kann der gesetzliche Vertreter, dem die Sorge für die Person obliegt, den Austritt erklären. Eine Vertretung kraft Vollmacht ist nicht zulässig (§ 2 RAG). Die Erklärung ist gegenüber dem zuständigen Standesbeamten abzugeben (§ 1 RAG). Für die Entgegennahme der Erklärung ist der Standesbeamte zuständig, in dessen Amtsbezirk der Austretende seinen Wohnsitz hat. Austrittswillige, die ihren Wohnsitz nicht in Hamburg haben, können die Austrittserklärung vor dem Stan281

Vgl. Mikat, Grundfragen des staatlichen Kirchenaustrittsrechtes 208. Dazu vgl. E. von Lehe und K. M. Hettlage in StL III, 6. Auflage (1959) 1164 – 1166, 1169 – 1172. S. auch B. Schwentner, Die Rechtslage der katholischen Kirche in den Hansestädten Hamburg, Bremen und Lübeck (Hamburg 1931) 1 – 38. 283 VOBl. S. 3. Sie hob das hamburgische Gesetz betreffend den Austritt aus einer staatlich anerkannten religiösen Gemeinschaft vom 15. Dezember 1919 (ABl. S. 2117) auf. Zugleich setzte sie in den auf Grund des Gesetzes über Groß-Hamburg und andere Gebietsbereinigungen vom 26. Januar 1937 (RGBl. I S. 91) auf das Land Hamburg übergegangenen Gebietsteilen das preußische Gesetz betreffend den Austritt aus den Religionsgemeinschaften öffentlichen Rechts vom 30. November 1920 außer Kraft (§ 6). 284 GVBl. I S. 65. Vgl. auch die Verordnung über Gebührenfreiheit bei Erklärungen über den Austritt aus Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts vom 5. Dezember 1961 (GVBl. I S. 372). 282

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desbeamten des Standesamts Hamburg-Mitte abgeben, wenn es ihnen nicht möglich ist, den Austritt nach dem Recht ihres jetzigen Wohnsitzes wirksam zu erklären (§ 4 Abs. 1 RAG). Die Erklärung ist mündlich oder schriftlich abzugeben. Über die mündliche Erklärung ist eine Niederschrift aufzunehmen. Die schriftliche Erklärung muß öffentlich beglaubigt sein. Ehegatten sowie Eltern und Kinder können sich in derselben Urkunde erklären (§ 3 RAG). Der Standesbeamte hat die Religionsgesellschaft, welcher der Austretende angehört hat, und die Stelle, welche die Kirchensteuer erhebt, von der Abgabe der Erklärung unverzüglich zu benachrichtigen. Er hat ferner dem Austretenden auf Antrag eine Bescheinigung über den Austritt zu erteilen, sobald die Erklärung wirksam geworden ist (§ 4 Abs. 2 RAG). Mündliche Erklärungen werden drei Monate nach der Unterzeichnung der Niederschrift, schriftliche drei Monate nach ihrem Eingang wirksam. Bis zu diesem Zeitpunkt können sie in der Form des § 3 RAG widerrufen werden. Von einem etwaigen Widerruf hat der Standesbeamte die Stellen zu benachrichtigen, denen er die Abgabe der Erklärungen nach Abs. 2 angezeigt hat (§ 4 Abs. 3 RAG)285. Der Austritt bewirkt die dauernde Befreiung des Austretenden von allen Leistungen, die auf der persönlichen Zugehörigkeit zu der Religionsgesellschaft beruhen. Die Befreiung tritt ein mit dem Ablauf des Kalendervierteljahres, in dem der Austritt wirksam wird (§ 5 RAG)286. k) Bremen Bremen287 nimmt, was die Regelung des Kirchenaustritts angeht, eine Sonderstellung gegenüber den übrigen Bundesländern ein. Der Staat schreibt nur die Möglichkeit und bürgerliche Wirkung des Kirchenaustritts vor. Die Ausgestaltung des Verfahrens ist dagegen den Religionsgesellschaften überlassen.

285 Nach § 3 Abs. 1 der Austrittsverordnung von 1942 war der Austritt bei mündlicher Erklärung mit der Unterzeichnung der Niederschrift vollzogen. Die schriftliche Erklärung wurde einen Monat nach dem Eingang bei dem Standesbeamten wirksam; bis dahin konnte sie in der Form des § 2 der Verordnung widerrufen werden. Für den Beginn und die Einhaltung der Frist genügte es, wenn die Erklärung bei einer Dienststelle der Gemeindeverwaltung der Hansestadt einging. Demgegenüber ist die neue gesetzliche Regelung für die Kirchen günstiger. 286 Vgl. dafür die Kirchensteuerordnung der Evangelisch-lutherischen Kirche im Hamburgischen Staate in der Fassung vom 12. März 1959 (ABl. Der EKD 1959 S. 110 ff.) § 11 (gemäß dem neuen Gesetz zu ändern). 287 Vgl. dazu H. Maas in StL II, 6. Auflage (1958) 162 – 164, 167 – 169. S. auch Schwentner, Die Rechtslage der katholischen Kirche in den Hansestädten Hamburg, Bremen und Lübeck 39 – 69.

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Nach § 3 Abs. 2 der bremischen Steuerordnung für die Religionsgemeinschaften und Weltanschauungsvereinigungen vom 9. November 1922288 erlischt die Steuerpflicht mit Ablauf des Kalenderjahres durch eine spätestens drei Monate vorher gegenüber der Religionsgesellschaft abzugebende Erklärung des Austritts aus der Religionsgesellschaft. Die Erklärung ist bei einer von der Religionsgesellschaft zu bestimmenden Stelle zu Protokoll zu geben. Die Religionsgesellschaft kann daneben noch andere Formen der Erklärung zulassen. Demgemäß hat die Bremische Evangelische Kirche am 23. Februar 1961 ein Gesetz über den Austritt aus der Evangelischen Kirche erlassen289. Der Austritt aus der Evangelischen Kirche gilt als wirksam vollzogen, wenn die Austrittserklärung nach den Bestimmungen dieses Gesetzes erfolgt (§ 1). Die Austrittserklärung kann mündlich oder schriftlich abgegeben werden. Die Erklärung ist in Person abzugeben, eine Stellvertretung ist unzulässig (§ 2). Mündlich wird der Austritt gegenüber dem zuständigen Bediensteten der Kirchenkanzlei oder seinem Vertreter zu Protokoll erklärt. Der Austretende hat sich über seine Person und seine Zugehörigkeit zur Evangelischen Kirche auszuweisen. Das über die Austrittserklärung aufzunehmende Protokoll wird von dem Bediensteten und dem Austretenden unterzeichnet. Für einzelne Gebiete kann der Kirchenausschuß der Bremischen Evangelischen Kirche eine Dienststelle errichten und ihren Leiter mit der Entgegennahme von Austrittserklärungen beauftragen (§ 3 Abs. 1). Schriftlich wird der Austritt gegenüber dem Kirchenausschuß der Bremischen Evangelischen Kirche erklärt. Die Unterschrift des Austretenden ist von einem deutschen Notar, im Ausland von einem deutschen Konsul zu beglaubigen (§ 3 Abs. 2). Bei der Austrittserklärung von Kindern ist das Reichsgesetz über religiöse Kindererziehung vom 15. Juli 1921 zu beachten (§ 3 Abs. 3). Über den Austritt wird gebührenfrei eine Bescheinigung ausgestellt (§ 3 Abs. 4). Der wirksame Austritt aus der Evangelischen Kirche bewirkt die Befreiung des Ausgetretenen von der Kirchensteuerpflicht. Die Befreiung tritt mit dem Ende des laufenden Kalenderjahres, jedoch nicht vor Ablauf von drei Monaten nach Abgabe der Erklärung ein (§ 4 Abs. 1). Der Ausgetretene verliert mit dem wirksam vollzogenen Austritt alle Rechte eines Gliedes der Evangelischen Kirche, insbesondere das Recht auf kirchliche Amtshandlungen (§ 4 Abs. 2)290. 288 GBl. S. 607 mit Änderungen vom 7. März 1923 (GBl. S. 137), 28. Februar 1932 (GBl. S. 43) und 3. März 1932 (GBl. S. 51). 289 ABl. der EKD 1961 S. 128. 290 Nach der Verordnung betreffend das Verfahren gegenüber aus der Evangelischen Kirche Ausgetretenen vom 28. März 1961 (ABl. der EKD 1961 S. 129) dürfen kirchliche Amtshandlungen an aus der Evangelischen Kirche Ausgetretenen von den Pastoren grundsätzlich nicht vollzogen werden (§ 1). Beim Begehren einer Amtshandlung hat sich der Pastor von der Zugehörigkeit des Antragstellers zur Evangelischen Kirche zu überzeugen. Ergeben sich Zweifel über die Zugehörigkeit, so ist die Evangelische Kirchenkanzlei oder, falls es sich um eine nicht im Gebiet der Bremischen Evangelischen Kirche wohnende Person handelt, das Pfarramt des Heimatortes um eine Auskunft zu ersuchen (§ 2). Kirchliche Amtshandlungen im

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Die Wiederaufnahme eines Ausgetretenen in die Evangelische Kirche kann jederzeit in Person mündlich bei einem Pastor der Bremischen Evangelischen Kirche beantragt werden. Der Pastor hat nach einem Gespräch mit dem Antragsteller baldmöglichst seine Stellungnahme mit dem Antrag weiterzuleiten. Die Wiederaufnahme in die Evangelische Kirche wird durch den Kirchenausschuß nach seinem Ermessen ausgesprochen (§ 5)291. Kirchenaustrittserklärungen gegenüber der katholischen Kirche292 werden in den alten bremischen Gemeinden bei dem Gemeindebüro der Katholischen Gemeinde293 zu Bremen, in den früher preußischen, jetzt bremischen Gemeinden bei dem zuständigen Pfarramt abgegeben. Die Kirchenaustrittserklärung kann persönlich oder schriftlich abgegeben werden. Stellvertretung ist unzulässig. Bei persönlicher Erklärung müssen Ausweispapiere (Paß oder Geburts- und Eheschließungsurkunden) vorgelegt werden. Schriftlich eingereichte Austrittserklärungen bedürfen einer notariellen Beglaubigung der Unterschrift. Die Kirchenaustrittserklärung bewirkt die Befreiung von der Kirchensteuer mit dem Ende des Kalenderjahres, in dem der Kirchenaustritt erklärt wurde, ohne Rücksicht darauf, ob der Zeitraum zwischen dem Zeitpunkt der Erklärung und dem Ende des Kalenderjahres weniger als drei Monate beträgt. Erklärt also jemand im Dezember seinen Kirchenaustritt, so erlischt die Kirchensteuerpflicht am 31. Dezember des gleichen Jahres, ebenso wie bei einem anderen, der seinen Kirchenaustritt in einem früheren Monat erklärte. Der katholischen Kirche ist mit dieser Ordnung des Austritts kein Dienst erwiesen. Denn ihre Organe werden durch das Austrittsverlangen eines Katholiken in die Verlegenheit gebracht, bei einer von der Kirche selbst verbotenen und unter Strafdrohung gestellten Handlung jedenfalls materiell mitwirken zu müssen294.

Sinne dieser Verordnung sind: die Taufe, die Konfirmation, die Trauung und die Bestattung (§ 3). 291 Nach der Verordnung vom 28. März 1961 gilt ein Ausgetretener, der seine Wiederaufnahme in die Evangelische Kirche beantragt hat, so lange als ausgetreten, bis der Kirchenausschuß seine Wiederaufnahme ausgesprochen hat (§ 4). Vgl. auch Ziffer 3 des Merkblattes zur Beachtung beim Vollzug kirchlicher Amtshandlungen, Zusammenstellung der geltenden Bestimmungen, hrsg. vom Kirchenausschuß der Bremischen Kirche am 1. Juli 1955 (Beilage zu den Gesetzen, Verordnungen und Mitteilungen der Bremischen Evangelischen Kirche 1955 Nr. 2). 292 Für diese Angaben schulde ich dem H. H. Dechanten H. Helms, Pfarrer von St. Marien in Bremen-Blumenthal, aufrichtigen Dank. 293 Vgl. die Verfassungsurkunde der Katholischen Gemeinde in Bremen vom 12. Dezember 1929 (AfkKR 110, 1930, 560 – 566). 294 Vgl. Pfender, Kirchenaustritt und Kirchenaustrittsbewegung in Preußen 68 mit Anm. 103.

Das Verhältnis der Katholisch-Theologischen Fakultät der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz zu dem Diözesanbischof nach der Vereinbarung zwischen Kirche und Staat vom 15./17. April bzw. 5. Oktober 1946 I. Rechtsgrundlage 1. Vertrag und Landesverfassung a) Vertrag Die Existenz der Katholisch-Theologischen Fakultät der Mainzer Universität beruht auf einer Vereinbarung, die zwischen dem Bischof von Mainz einerseits, dem Oberregierungspräsidenten von Hessen-Pfalz und dem Rektor der Universität andererseits eingegangen wurde. Der Vertrag wurde nach vorhergegangenen Verhandlungen am 15. April 1946 von dem Oberregierungspräsidenten als dem zur damaligen Zeit obersten Repräsentanten wiedererstehender deutscher Staatsbehörden in dem betreffenden Teil der Französischen Besatzungszone unterzeichnet. Der Bischof von Mainz erklärte am 17. April 1946 in einem gesonderten Schreiben sein Einverständnis. Die Besatzungsmacht gab ihre Zustimmung. Auf Grund römischer Weisungen an den Bischof von Mainz wurde am 5. Oktober 1946 zwischen den gleichen Partnern eine Ergänzungsvereinbarung getroffen1. Der Heilige Stuhl, der nach c. 1376 § 1 CIC für die Errichtung einer Theologischen Fakultät zuständig ist und der dieses Recht auch in dem vorliegenden Fall eindeutig für sich in Anspruch nahm, hatte in Schreiben vom 19. April und 8. Mai 1946 den Bischof von Mainz ermächtigt, Verhandlungen mit den staatlichen Stellen zu führen, sich selbst aber die Approbation der zu treffenden Vereinbarung vorbehalten. Ihre Erteilung hin1

Die Ergänzungsvereinbarung bringt Nachträge zu zwei Artikeln der Hauptvereinbarung, die sich jedoch nicht nahtlos in deren Text fügen. Daß die Nachträge den ursprünglichen Text nicht ersetzen sollen, geht aus dem Wortlaut klar hervor: „In Ergänzung obengenannter Vereinbarung … wird nachgetragen.“ In dem Nachtrag zu Art. 5 der Vereinbarung wird erklärt: „Hier wird … eingefügt.“ Beide Nachträge werden mit dem Wörtchen „zu“ („zu 1“, „zu 5“) eingeführt. So wird zweifach gesagt, daß die ehemalige Katholisch-Theologische Fakultät wiedereröffnet wird, nach der Vereinbarung „unter Zustimmung des Bischofs von Mainz“, in der Ergänzung „unter Zustimmung der zuständigen kirchlichen Autorität“, wozu noch bedeutsame Einfügungen in der Ergänzung treten. In jedem Fall gehören Vereinbarung und Ergänzung zusammen und sind als einheitliches Ganzes zu würdigen.

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sichtlich der Vereinbarung vom 15./17. April bzw. 5. Oktober 1946 durch den Papst wurde dem Bischof von Mainz durch ein Schreiben des Päpstlichen Staatssekretariats vom 5. Dezember 1946 mitgeteilt. Auf die zahlreichen mit dem Abschluß des Vertrages verbundenen staats-, kirchen- und konkordatsrechtlichen Fragen werde ich an anderer Stelle eingehen. Die vorliegende Untersuchung geht von dem bestehenden Vertrag aus und sucht aus ihm das rechtliche Verhältnis der Fakultät zu dem Ordinarius loci zu bestimmen. b) Landesverfassung Über ein Jahr nach dem Abschluß der Vereinbarung trat die Verfassung des neuentstandenen Landes Rheinland-Pfalz vom 18. Mai 1947 (VOB1. S. 209) in Kraft. Nach ihrem Art. 39 Abs. 1 S. 3 bleiben die theologischen Fakultäten an den staatlichen Hochschulen erhalten. Die Bestimmung sichert den Bestand der durch die Vereinbarung geschaffenen Katholisch-Theologischen Fakultät2. Da im Lande Rheinland-Pfalz nur je eine theologische Fakultät für die beiden großen christlichen Bekenntnisse besteht, ergibt sich daraus, daß es sich nicht nur um eine institutionelle, sondern um eine Bestandsgarantie handelt3. 2. Kirchliches Recht a) „Nach Maßgabe der Vorschriften des Kanonischen Rechts“ (1. Nachtrag der Ergänzung) Während Art. 1 der Vereinbarung nur schlicht erklärt, die ehemalige KatholischTheologische Fakultät der Mainzer Universität werde wiedereröffnet, fügt der Nachtrag entsprechend dem Verlangen des Heiligen Stuhles4 die bedeutungsvollen Worte „nach Maßgabe der Vorschriften des Kanonischen Rechts“ bei. Eines ist ohne weiteres klar: Eine ausnahmslose Unterstellung der neu zu errichtenden Fakultät unter alle Vorschriften des kirchlichen Rechts kann dadurch nicht beabsich2 Nicht die Vereinbarung – im ganzen oder in ihren Teilen – wurde durch Art. 39 Abs. 1 S. 3 in der Verfassung verankert (gegen L. Link, Die Katholisch-Theologische Fakultät: Sonderdruck der Staats-Zeitung Rheinland-Pfalz, enthaltend die zum 10. Jahrestag der Wiederbegründung der Johannes Gutenberg-Universität erschienenen Aufsätze, [Mainz 1956] 57), sondern ihr Ergebnis, die Existenz der Katholisch-Theologischen Fakultät. Der Vertrag als solcher ist nicht verfassungsrechtlich gesichert. 3 W. Thieme, Deutsches Hochschulrecht (Berlin-Köln 1956) 132. 4 Die in Frage stehenden Worte hatten in dem dem Hl. Stuhl übersandten Entwurf der Vereinbarung gestanden, gehören aber nicht zu dem am 15./17. April 1946 vereinbarten Text (daher unrichtig F. S. Schuller, Das grundsätzliche Verhältnis von Kirche und Staat nach dem Reichskonkordat vom 20. Juli 1933: AfkKR 128 [1957 – 1958] 402). Das Päpstliche Staatssekretariat bemerkte in seinem Schreiben vom 29. Juli 1946 an den Bischof von Mainz „non sine aliqua admiratione“, daß in dem ihm von dem Bischof übersandten Text der Vereinbarung die betreffenden Worte des Entwurfes fehlten.

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tigt sein. Dies widerspräche der Eingliederung der Fakultät in die Korporation der staatlichen Universität und dem Abschluß einer Vereinbarung zwischen Kirche und Staat mit ins einzelne gehenden Bestimmungen über kirchliche Mitwirkungsrechte. Wären alle Angelegenheiten der Fakultät allein nach kirchlichem Recht zu entscheiden, so wäre sie keine Einrichtung des Staates mehr; diese eine Wendung würde jede weitere vertragliche Regelung überflüssig machen. Die erwähnten Worte können sich einmal auf die vorhergehende Bemerkung beziehen, die Fakultät werde eröffnet „unter Zustimmung der zuständigen kirchlichen Autorität“. Es wird dann erklärt, daß sich die Zuständigkeit zur Erteilung der Zustimmung auf der kirchlichen Seite nach dem kanonischen Recht bestimmt und damit der päpstliche Vorbehalt des c. 1376 § 1 CIC anerkannt wird. Der Heilige Stuhl hat im Laufe der Verhandlungen seine alleinige Zuständigkeit zur Errichtung einer Theologischen Fakultät mehrfach hervorgehoben und die Ersetzung bzw. Ergänzung der Worte „unter Zustimmung des Bischofs von Mainz“ durch die anderen „unter Zustimmung der zuständigen kirchlichen Autorität“ gefordert5. Im Hinblick auf geschichtliche Vorgänge in Deutschland und speziell in der Mainzer Diözese wird dieses Verhalten verständlich6. Die genannten Worte können sich aber auch, was wahrscheinlicher ist, auf das Verhältnis des kirchlichen Rechts zu dem deutschen Universitätsrecht und dem durch die Vereinbarung geschaffenen Recht im allgemeinen beziehen. Angesichts der Tatsache, daß die Katholisch-Theologische Fakultät an einer staatlichen Universität errichtet wird, deren Verhältnisse durch das deutsche staatliche Hochschulrecht festgelegt sind, und mit Rücksicht auf die weitere Tatsache, daß die Errichtung durch eine Vereinbarung mit dem Staat erfolgt, soll die Geltung des kanonischen Rechts überall dort gesichert werden, wo nicht das durch die Vereinbarung begründete oder von ihr anerkannte Recht etwas Gegenteiliges gebietet. Danach ist für die Mainzer Theologische Fakultät grundsätzlich das staatliche Hochschulrecht maßgebend. Abweichungen davon können sich nur aus der Vereinbarung vom 15./17. April bzw. 5. Oktober 1946 herleiten. Innerhalb des so abgesteckten Raumes ist ergänzend das kanonische Recht anzuwenden. Dieses Verständnis der Worte „nach Maßgabe des Kanonischen Rechts“ kann sich auf die Beobachtung stützen, daß die Vereinbarung an zwei Stellen auf das allgemeine Universitätsstatut Bezug nimmt (Art. 2 und 3) und sich an drei Stellen auf die an den übrigen deutschen staatlichen Theologischen Fakultäten bestehenden Verhältnisse beruft (Art. 5, 7 und 8). Die Darstellung des Rechts der Theologischen Fakultät in den Diözesanstatuten des Bistums Mainz7, die sich textlich und sachlich weitgehend an die Vereinbarung 5

Schreiben vom 8. Mai und 29. Juli 1946 an den Bischof von Mainz. So wurde beispielsweise die Katholisch-Theologische Fakultät in Gießen ohne päpstliche Genehmigung errichtet und nur von dem Bischof von Mainz bestätigt. Vgl. A. Lutterbeck, Geschichte der katholisch-theologischen Facultät zu Gießen (Gießen 1860) 27 f. 7 Diözesanstatuten des Bistums Mainz (Mainz 1957) Art. 35 (S. 20). 6

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anlehnt, hat nur die Bedeutung eines Referates. An dem durch die Vereinbarung geschaffenen Recht ändert sie nichts. b) „Im Sinne des Reichskonkordats“ (1. Nachtrag der Ergänzung) Nicht leicht zu erkennen ist, welchen Sinn die Worte des zweiten Absatzes des ersten Nachtrages der Ergänzungsvereinbarung haben sollen: „Die Vereinbarung erfolgt im Sinne des Reichskonkordats.“ Das Land Hessen, in dem das Bistum Mainz bis zum Jahre 1945 gänzlich, heute zum größeren Teil liegt, hat nicht wie andere deutsche Länder ein konkordatäres Übereinkommen mit dem Heiligen Stuhl getroffen. Jedoch wurde und wird das bisher konkordatsfreie Gebiet von dem Reichskonkordat umschlossen (Art. 2 Abs. 1 S. 1 RK). Möglicherweise war dem Heiligen Stuhl an einer Anerkennung der Geltung des Reichskonkordats in dem Gebiet, in dem die Diözese Mainz liegt, durch die deutschen Regierungsstellen nach dem Zusammenbruch zu einem möglichst frühen Zeitpunkt etwas gelegen. In Schreiben des Päpstlichen Staatssekretariats an den Bischof von Mainz wird auf die Geltung des Reichskonkordats in der Diözese Mainz ausdrücklich hingewiesen8. Jedoch ist das Reichskonkordat hinsichtlich der neu zu errichtenden KatholischTheologischen Fakultät an der Universität Mainz wenig ergiebig. Denn Art. 19 RK mit seinen Vorschriften über die Katholisch-Theologischen Fakultäten an den staatlichen Hochschulen berücksichtigt nur den Bestand an Fakultäten vom 20. Juli 1933. Die Mainzer Fakultät fällt deshalb nicht – anders als die Tübinger Fakultät – unter das im Reichskonkordat vereinbarte Recht9. Die an sich mögliche Einbeziehung der neuen Mainzer Theologischen Fakultät in die Bestimmungen und den Schutz des Art. 19 des Reichskonkordats hätte Verhandlungen zwischen dem Alliierten Kontrollrat als dem Inhaber der sequestrierten deutschen Regierungsgewalt und dem Heiligen Stuhl vorausgesetzt. Solche sind nicht erfolgt. Unter diesen Umständen kann die Wendung, die Vereinbarung erfolge „im Sinne des Reichskonkordats“, nichts anderes bedeuten, als sie erfolge „nach dem Muster, dem Modell und Beispiel des Reichskonkordats“. Die in dem Reichskonkordat getroffene Regelung des Verhältnisses von Theologischen Fakultäten an den staatlichen Hochschulen zur kirchlichen Behörde soll vorbildlich auch für Mainz sein. Es wird eine Generalklausel aufgestellt, wonach die Klärung der Fragen, die durch die Errichtung einer Katholisch-Theologischen Fakultät an der staatlichen Mainzer Universität aufgeworfen und nicht ausdrücklich oder eindeutig in der Vereinbarung geregelt werden, in der Richtung der in dem Reichskonkordat gefundenen Lösung zu geschehen hat. Die Bestimmungen des Reichskonkordats 8

Schreiben vom 19. April und 29. Juli 1946. Vgl. Thieme 129 f. 140; E. H. Fischer, Theologieprofessor, Theologische Fakultät und Kirche. Das akademische Lehramt der katholischen Theologie im Rahmen des deutschen Konkordatsrechtes: Kirche und Überlieferung, Festschrift für Joseph Rupert Geiselmann zum 70. Geburtstag am 27. Februar 1960, hg. von J. Betz und H. Fries (Freiburg-Basel-Wien 1960) 343 f. 9

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über das Verhältnis der staatlichen Theologischen Fakultäten zur Kirche und ihrem Recht sind für die Mainzer Theologische Fakultät exemplarisch. Gemäß dem Reichskonkordat richtet sich nun das Verhältnis der KatholischTheologischen Fakultäten „zur kirchlichen Behörde“ nach den in den einschlägigen Konkordaten und dazugehörigen Schlußprotokollen festgelegten Bestimmungen unter Beachtung der einschlägigen kirchlichen Vorschriften (Art. 19 S. 2 RK). Diese Bestimmungen sind Art. 3 und 4 des Bayerischen Konkordats, Art. 12 mit Schlußprotokoll des Preußischen Konkordats und Art. IX und X mit Schlußprotokoll des Badischen Konkordats. Zugleich versprach die Reichsregierung, es sich angelegen sein zu lassen, für sämtliche in Frage kommenden katholischen Fakultäten Deutschlands eine der Gesamtheit der einschlägigen Bestimmungen entsprechende einheitliche Praxis zu sichern (Art. 19 S. 3 RK). Das Reichskonkordat verweist also für das Verhältnis der Katholisch-Theologischen Fakultäten zu der kirchlichen Behörde auf das in den Länderkonkordaten vereinbarte Recht, das im wesentlichen übereinstimmt. Abnorme Besonderheiten haben der gemeinsamen und einheitlichen Regelung zu weichen. Die kirchlichen Vorschriften, deren Beachtung zugesichert wird, kommen nur subsidiär zum Zug; sie verdienen insoweit Beachtung, als die Länderkonkordate auf eine Regelung verzichtet oder ausfüllungsbedürftige Lücken gelassen haben10. Das heißt, angewendet auf die Mainzer Situation: Das Verhältnis der Katholisch-Theologischen Fakultät der Mainzer Universität zur kirchlichen Autorität richtet sich nach der Vereinbarung vom 15./17. April bzw. 5. Oktober 1946, die, soweit sie nicht ausdrücklich abweicht, entsprechend dem durch das System der deutschen Konkordate begründeten Recht auszulegen ist. Vereinbartes Recht geht vor innerkirchlichem Recht. Das kirchliche Recht findet auf die Fakultät im Rahmen der Vereinbarung Anwendung, d. h. wo ausdrücklich auf es verwiesen oder wo eine Lücke auszufüllen ist. Dieses Verständnis der Worte „im Sinne des Reichskonkordats“ wird durch die analoge Auslegung des c. 3 CIC und des Art. 11 der Apostolischen Konstitution „Deus scientiarum Dominus“ vom 24. Mai 1931 (AAS 23, 1931, 241 – 284), auf die das Schlußprotokoll zu Art. 19 RK hinweist, gestützt. c) „Unter besonderer Berücksichtigung der Apostolischen Konstitution Deus scientiarum Dominus und der entsprechenden Ausführungsbestimmungen (Schlußprotokoll zum Reichskonkordat zu Art. 19 Per. II)“ (1. Nachtrag der Ergänzung) Als Grundlage der einschlägigen kirchlichen Vorschriften, deren Beachtung in dem Verhältnis der Katholisch-Theologischen Fakultäten zur kirchlichen Autorität in Art. 19 RK zugesichert wurde, hatte das Schlußprotokoll zu Art. 19 S. 2 RK die 10 W. Weber, Das Nihil obstat. Beiträge zum Verhältnis von Staat und katholischer Kirche: Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft 99 (1939) 213 f.

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Apostolische Konstitution Deus scientiarum Dominus, der wohl die anschließenden Ordinationes als integrierender Bestandteil zuzurechnen sind, und die Instruktion der Studienkongregation vom 7. Juli 193211 genannt. Wie der zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Bischof von Mainz geführte Briefwechsel erkennen läßt, war dem Heiligen Stuhl viel daran gelegen, die Beachtlichkeit der erwähnten Konstitution und ihrer Ausführungsbestimmungen sicherzustellen12. Die angezogenen römischen Anordnungen stehen zu der Vereinbarung in demselben Verhältnis wie zu den Länderkonkordaten, d. h. sie haben subsidiäre Geltung. Die Worte „unter besonderer Berücksichtigung“ haben die gleiche Bedeutung wie die Wendung „unter Beachtung“ in Art. 19 RK. Sie gewährleisten die Beobachtung der kirchlichen Vorschriften in dem Raum, der durch die Vereinbarung festgelegt ist. Die von der Vereinbarung getroffene Regelung selbst wird durch die Konstitution nicht berührt. Die subsidiäre Geltung der Konstitution Deus scientiarum Dominus gegenüber dem mit dem Staat vereinbarten Recht ergibt sich auch aus mehreren Äußerungen der Ausführungsbestimmungen. Von der geforderten Anpassung der Studieneinrichtungen an die Konstitution sagt die Instruktion vom 7. Juli 1932 a. E., sie solle geschehen „ad normam Const. Apost. art. 11, quantum fieri potest“, also mit der doppelten Einschränkung, daß nicht gegen die geltenden Vereinbarungen mit dem Staat verstoßen wird und daß die jeweiligen örtlichen Verhältnisse und andere Umstände beachtet werden. Am Eingang der Instruktion wird erklärt, daß die staatlichen Theologischen Fakultäten Deutschlands Gewinn aus der Konstitution schöpfen sollen „quin ex altera parte earum condicio labefactetur“, also ohne Eingriff in ihren Charakter als Teile einer staatlichen Korporation, und daß sie weiter einen Weg finden mögen, „qua et Sanctae Sedis desideriis satisfiat et ipsarum Facultatum condicio perseveret“, also einen Weg des Ausgleichs, wie er durch die Länderkonkordate vorgezeichnet ist. Die von den Fakultäten zu vollziehende Anpassung soll nach der Instruktion vor allem hinsichtlich der Lehrtätigkeit erfolgen, was die Fakultäten innerhalb des ihnen zustehenden Selbstverwaltungsrechtes ohne Einschaltung der staatlichen Behörden tun können. Damit stimmt überein, daß die Instruktion mehrfach auf die Statuten der Universitäten verweist (Art. II et IV, 11 Die Instruktion ist amtlich nicht veröffentlicht. Eine deutsche Übersetzung gibt N. Hilling in AfkKR 125 (1951 – 1952) 262 – 267. 12 Die Schreiben vom 8. Mai und 29. Juli 1946 schärfen die Geltung dieser Vorschriften ein und verlangen die Aufnahme eines Hinweises auf sie in die Vereinbarung. Der römische Einfluß ist in der Ergänzung vom 5. Oktober 1946 an der Zitierweise („Schlußprotokoll zum Reichskonkordat zu Art. 19 P e r. II“ statt „Satz 2“) zu erkennen. Worauf es dem Heiligen Stuhl bei der Erwähnung der Konstitution Deus scientiarum Dominus ankam, ist aus dem Schreiben des Staatssekretariats an den Bischof von Mainz vom 29. Juli 1946 zu erkennen. Es sind dies vor allem der Art. 4, wonach die kanonische Errichtung und höchste Leitung jeder Theologischen Fakultät der SC Stud. vorbehalten ist, Art. 5, wonach die Statuten und der Studienplan jeder Fakultät der Approbation dieser Behörde bedürfen, und Art. 21 n. 5, wonach vor Erteilung der Missio canonica durch den Bischof das Nihil obstat des Heiligen Stuhles einzuholen ist.

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VI et VII). Es wurde bereits richtig bemerkt, daß es dem Heiligen Stuhl auf eine Durchsetzung der Konstitution in bezug auf die Studien- und Prüfungsordnung, gewisse grundsätzliche Forderungen der Promotionsordnung und der Lehrmethode ankommt, während er sich ansonsten mit der Geltendmachung der dem Ortsbischof vertragsgemäß zustehenden Rechte gegenüber der Fakultät begnüge13. Der Wortlaut der Ergänzungsvereinbarung – wie der Vereinbarung selbst – läßt erkennen, daß das Konkordat des Heiligen Stuhles mit dem Freistaat Baden vom 12. Oktober 193214 als Vorbild gedient hat. Den Worten „nach Maßgabe der Vorschriften des Kanonischen Rechts“ in der Ergänzung entsprechen die Worte „unter besonderer Beachtung des Codex luris Canonici“ in Art. IX S. 1 des Badischen Konkordats, den Worten „unter besonderer Berücksichtigung der Apostolischen Konstitution Deus scientiarum Dominus und der entsprechenden Ausführungsbestimmungen“ der Ergänzung die Worte „(unter besonderer Beachtung) der Constitutio Apostolica Deus scientiarum Dominus vom 24. Mai 1931 mit den dazu ergangenen Ausführungsbestimmungen“ des gleichen Artikels des Badischen Konkordats. Im Gegensatz zum Badischen Konkordat, nach dem die Theologische Fakultät der Universität Freiburg im Breisgau „mit den zur Zeit des Vertragsabschlusses geltenden Rechten“ bestehen bleibt, fehlt in der Mainzer Vereinbarung und ihrer Ergänzung eine solche, wenn auch reichlich allgemein gehaltene Klausel, welche die Fakultät vor willkürlichen Eingriffen von kirchlicher oder staatlicher Seite schützt. Jedoch die Tatsache allein, daß diese Fakultät an einer staatlichen Universität errichtet wird, spannt sie in einen rechtlichen Rahmen, der die Gewähr ihrer relativen Unabhängigkeit bietet.

3. Bestätigung des Heiligen Stuhles Da die Errichtung einer Theologischen Fakultät eine causa maior (c. 220 CIC) ist, für die der Heilige Stuhl allein zuständig ist (c. 1376 § 1 CIC), konnte der Bischof von Mainz Verhandlungen mit diesem Ziel nur aufnehmen und zu Ende führen, wenn der Heilige Stuhl seine Zustimmung gab. Durch Schreiben des Päpstlichen Staatssekretariats vom 19. April und 8. Mai 1946 wurde der Bischof zu Führung und Abschluß der Verhandlungen mit den staatlichen Behörden ermächtigt. Nachdem der Bischof entsprechend dem Willen des Heiligen Stuhles, der einige Lücken in der Vereinbarung vom 15./17. April 1946 unmißverständlich gerügt und ihre Schließung verlangt hatte, die Ergänzungsvereinbarung vom 5. Oktober 1946 getroffen hatte, bat er am gleichen Tage den Papst um die Approbation der beiden zusammengehörigen Übereinkommen. Durch ein Schreiben des Staatssekretariats vom 5. Dezember 1946 wurde dem Bischof mitgeteilt, der Heilige Vater erteile die Approbation der Vereinbarung „attentis additamentis atque immutationibus per conventionem diei 5 Octobris in aliam diei 15 Aprilis allatis“. 13 14

Fischer 344. AAS 25 (1933) 177 – 194.

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In der Bestätigung der Vereinbarung, wozu später noch die Bestätigung der Satzung der Fakultät und ihrer Studienordnung sowie die Gewährung des Rechtes zur Verleihung akademischer Grade im Namen der Kirche kamen, liegt die kirchliche Anerkennung der Mainzer Theologischen Fakultät.

II. Wissenschaftliche Bildungsstätte des Klerus der Diözese Mainz 1. Überleitung der Bischöflichen Lehranstalt in die Theologische Fakultät In den nach dem Zusammenbruch auftauchenden Universitätsplänen im Raume des heutigen Landes Rheinland-Pfalz war die Errichtung einer Katholisch-Theologischen Fakultät, vor allem dank der Initiative des Dekans der damaligen Mainzer Diözesanlehranstalt, des Prof. Dr. A. Reatz, von Anbeginn vorgesehen, ohne Rücksicht darauf, ob Mainz15 oder Trier16 der Standort werden sollte. Als man sich für Mainz entschieden hatte, konnten vor allem zwei Gründe für die Aufnahme einer Katholisch-Theologischen Fakultät in eine neu zu gründende Universität geltend gemacht werden, ein praktischer und ein grundsätzlicher. Die Philosophisch-Theologische Lehranstalt in dem Bischöflichen Priesterseminar zu Mainz setzte zwar nicht rechtlich, aber tatsächlich die Tradition der Theologischen Fakultät17 der alten Mainzer Universität18 fort19. Die Theologieprofessoren der Lehranstalt kamen nach Vorbildung und Leistung als Kern einer neu zu errichtenden Katholisch-Theologischen Fakultät an der geplanten Universität in Betracht. Sodann erlebte die Idee der Einheit der Wissenschaften und ihrer Krönung durch die Theologie nach dem beispiellosen militärischen, politischen und geistigen Zusammenbruch des Jahres 1945 einen starken Auftrieb. Eine Welle religiöser Erneuerung schien durch das Land zu gehen. Der Ausschluß der Glaubenswissenschaft aus dem Organismus der Universität widerspricht dem Gedanken der universitas littera-

15 Vgl. A. Reatz, Aus der Gründungszeit der Johannes Gutenberg-Universität: Mainzer Almanach. Beiträge aus Vergangenheit und Gegenwart (Mainz a. Rh. 1957) 5 – 19, vor allem 9. 16 Vgl. E. Hegel, Errichtung und feierliche Eröffnung der Theologischen Fakultät Trier: Trierer Theologische Zeitschrift 60 (1951) 140. 17 Vgl. A. Ph. Brück, Die Mainzer theologische Fakultät im 18. Jahrhundert: Beiträge zur Geschichte der Universität Mainz Band 2 (Wiesbaden 1955). 18 Vgl. L. Just, Die alte Universität Mainz von 1477 bis 1798. Ein Überblick. Mit einem Anhang: Quellen zur Geschichte der Universität in der Zeit nach der Restauration von 1784: Beiträge zur Geschichte der Universität Mainz Band 4 (Wiesbaden 1957). 19 Vgl. L. Lenhart, Das Mainzer Priesterseminar als Brücke von der alten zur neuen Mainzer Universität (1804 – 1946) (Mainz 1947); derselbe, Die erste Mainzer Theologenschule des 19. Jahrhunderts (1805 – 1830) (Mainz 1957).

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rum20. Der gelehrte und weitblickende Mainzer Bischof, Dr. Albert Stohr, selbst ein früherer Universitätslehrer, förderte nicht nur die Universitätspläne nachdrücklich, sondern erklärte sich auch bereit, seine Philosophisch-Theologische Lehranstalt in dem Bischöflichen Priesterseminar, die päpstliche Genehmigung vorausgesetzt, aufzugeben und, was die theologische Abteilung angeht, in eine Theologische Universitätsfakultät überzuführen. Nach Art. 1 der Vereinbarung tritt dementsprechend die Katholisch-Theologische Fakultät „an (die) Stelle“ der Mainzer Bischöflichen Philosophisch-Theologischen Lehranstalt zur Ausbildung des katholischen Klerus; diese hatte ihre staatliche Rechtsgrundlage in Art. 5 des hessischen Gesetzes vom 5. Juli 188721 und war durch Art. 20 Abs. 1 RK anerkannt worden. Die Bischöfliche PhilosophischTheologische Lehranstalt in dem Priesterseminar wird aufgehoben, der philosophisch-theologische Lehrbetrieb an dem Priesterseminar eingestellt. Als Ersatz dafür tritt die Katholisch-Theologische Fakultät an der Universität ins Leben. Die philosophisch-theologische Ausbildung der katholischen Theologiestudierenden des Bistums Mainz wird an die Universität verlegt. Nach Art. 2 der Vereinbarung werden an der Theologischen Fakultät zehn ordentliche Lehrstühle geschaffen, nämlich für Dogmatik und Dogmengeschichte, Moraltheologie, Kirchengeschichte und Patrologie, Neues Testament, Altes Testament, Kirchenrecht, Apologetik und Religionswissenschaft, Christliche Anthropologie und Sozialethik, Praktische Theologie sowie für Christliche Archäologie und Kunstgeschichte. Fünf der Lehrstühle wurden mit den von der Bischöflichen Lehranstalt übernommenen Gelehrten besetzt. Der zur Zeit an der Bischöflichen Lehranstalt amtierende Dekan wurde im Sinne des Universitätsstatuts für zwei Jahre bestätigt. 2. Vereinbarung über die Besetzung zweier Lehrstühle in der Philosophischen Fakultät Da der Bischof von Mainz gemäß Art. 1 der Vereinbarung auf seine gesamte Philosophisch-Theologische Lehranstalt verzichtete, die auch die nach c. 1365 § 1 20

Vgl. die programmatische Erklärung des Art. 4 der Statuten der Universität vom 28. Februar 1946 (Journal Officiel 2 [1946] 567). 21 Gesetz, die Vorbildung und Anstellung der Geistlichen betreffend, vom 5. Juli 1887 (Carl J. Reidel, Die katholische Kirche im Großherzogtum Hessen. Die Gesetze für Kirche und Schule gesammelt und erläutert, Paderborn 1904, 217 – 222). Weshalb die Vereinbarung nur auf Ziff. 3 des Art. 5 des angezogenen Gesetzes abstellt, ist unerfindlich. Die genannte Ziffer nennt als Voraussetzung der Zulassung und Fortführung einer kirchlichen Anstalt zur wissenschaftlichen Ausbildung der Geistlichen, daß die an dem Seminar anzustellenden Lehrer die wissenschaftliche Befähigung besitzen, an einer deutschen Staatsuniversität in der Disziplin zu lehren, für welche die Anstellung erfolgt. Vielleicht wollte man die wissenschaftliche Befähigung der Lehrer und damit das wissenschaftliche Niveau der Anstalt angesichts der vorgesehenen Übernahme der Lehrer an die Universität hervorheben. Jedenfalls kommt als Grundlage des Mainzer Seminars vor der Aufhebung der Lehranstalt der gesamte Art. 5 des Gesetzes in Betracht.

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CIC und Art. 14 Ziff. 1 Buchst. c RK vorgeschriebene philosophische Ausbildung der künftigen Geistlichen leistete und in der die Philosophie keine geringe Rolle spielte, und die ganze wissenschaftliche Ausbildung der Studierenden der Universität anvertraute, mußte der Staat auch für eine den besonderen Erfordernissen katholischer Theologiestudierender angepaßte Studienmöglichkeit in der Philosophie Sorge tragen. Der Wortlaut des Art. 1, wonach die Katholisch-Theologische Fakultät der Ersatz für die Bischöfliche Philosophisch-Theologische Lehranstalt ist, hätte erwarten lassen, daß die Theologische Fakultät die gesamte Ausbildung der Theologiestudierenden übernimmt und mithin auch die philosophische Unterweisung in ihr erfolgt. Diesen Weg, der sich freilich mit der traditionellen – neuerdings lebhaft umstrittenen – Abgrenzung der Fakultäten und ihrer Sachgebiete schwer vereinbaren läßt, ist man in Mainz nicht gegangen. Es wurde vielmehr vereinbart, daß „die zur wissenschaftlichen Ausbildung der katholischen Theologiestudierenden notwendigen beiden Lehrstühle in der Philosophischen Fakultät (je ein Lehrstuhl für scholastische Philosophie und für Geschichte)“ mit Persönlichkeiten zu besetzen sind, die nach dem Urteil des Bischofs bzw. Bistumsverwesers für eine einwandfreie Ausbildung der Theologiestudierenden geeignet sind (Art. 4 der Vereinbarung). Es wird damit nicht die Errichtung von zwei Lehrstühlen in der Philosophischen Fakultät eigens für die Bedürfnisse der katholischen Theologiestudierenden verheißen, sondern nur die Besetzung zweier in der Fakultät bestehender Lehrstühle mit Persönlichkeiten, welche über die erwähnte Eignung verfügen, zugesichert. Ein Monopol für die philosophische Ausbildung der katholischen Theologiestudierenden wird der Philosophischen Fakultät nicht eingeräumt. Ähnliche Vorsorge ist in dem ehemaligen Preußen22 durch einseitige staatliche Regelung, in Bayern23 und Baden24 durch die Konkordate getroffen worden, die aber keine Neuerung bringen. Art. 4 der Vereinbarung ist zum Teil wörtlich nach dem Schlußprotokoll des Badischen Konkordats stilisiert. Beide Male wird bestimmt, daß je ein Lehrstuhl für Philosophie und Geschichte besteht, der mit je einer 22 Der preußische Staat hatte an den drei Universitäten Bonn, Breslau und Münster in der Philosophischen Fakultät je eine katholisch und evangelisch zu besetzende Professur für Philosophie und für Neuere und Mittlere Geschichte eingerichtet, in Bonn und Breslau in der Juristischen Fakultät auch je eine katholisch und evangelisch zu besetzende Professur für Kirchenrecht (Thieme 136; E. Wende, Grundlagen des preußischen Hochschulrechts, Berlin 1930, 18). 23 Nach Art. 4 § 2 BayK soll an den philosophischen Fakultäten der beiden Universitäten München und Würzburg wenigstens je ein Professor der Philosophie und der Geschichte angestellt werden, gegen den hinsichtlich seines katholisch-kirchlichen Standpunktes keine Erinnerung zu erheben ist. Vgl. H. Meyer, Christliche Philosophie? Mit einem Nachwort: Der Sinn der Konkordatsprofessuren (München 1952). 24 Das Schlußprotokoll zu Art. IX BadK sieht vor, daß der Badische Staat im Hinblick auf die in Art. VII geforderte philosophisch-theologische Ausbildung dafür Sorge tragen wird, daß an der Universität Freiburg je eine Professur für Philosophie und Geschichte besteht, die mit je einer Persönlichkeit besetzt wird, welche für die einwandfreie Ausbildung der Theologiestudierenden geeignet ist. Vgl. dazu E. Föhr, Das Konkordat zwischen dem Heiligen Stuhle und dem Freistaate Baden vom 12. Oktober 1932 (Freiburg i. Br. 1933) 48.

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Persönlichkeit besetzt wird, die für eine einwandfreie Ausbildung der Theologiestudierenden geeignet ist. Die Vereinbarung erklärt näherhin, daß diese Lehrstühle in der Philosophischen Fakultät bestehen und daß es sich bei dem philosophischen Lehrstuhl um einen solchen für scholastische Philosophie handelt. Das Urteil über die Eignung wird in der Vereinbarung ausdrücklich dem Bischof bzw. dem Bistumsverweser anheimgestellt. 3. Theologiestudierende Wenn auch in Art. 4 der Vereinbarung von „katholischen Theologie-Studierenden“ allgemein gesprochen wird, so ergibt sich doch aus der Tatsache, daß die Katholisch-Theologische Fakultät der Universität an die Stelle der wissenschaftlichen Ausbildungsstätte des Bischofs von Mainz tritt, sowie aus der Erwähnung der Mainzer Bischöflichen Prüfungskommission in Art. 7 der Vereinbarung, daß die Lehrtätigkeit der Theologischen Fakultät vor allem der wissenschaftlichen Ausbildung des Mainzer Diözesanklerus zu dienen bestimmt ist. Dieser Zweck schließt naturgemäß Theologiestudierende anderer deutscher oder auch ausländischer Diözesen nicht aus. Der § 1 der Fakultätsstatuten spricht daher ohne Einschränkung davon, der Fakultät obliege „in erster Linie die wissenschaftliche Ausbildung der in das Priesterseminar Mainz aufgenommenen sowie der übrigen mit der Genehmigung des zuständigen Bischofs an der Universität immatrikulierten Theologiestudierenden“. Die Erwähnung einer Genehmigung des zuständigen Bischofs zur Immatrikulation, ein Erfordernis, das sich nur auf die das Priestertum anstrebenden Studenten bezieht, soll und kann nicht andere Studenten, die diesem Erfordernis nicht genügen, von der Immatrikulation für die Katholisch-Theologische Fakultät ausschließen. Hier können keine anderen Anforderungen gestellt werden, als sie an den übrigen Fakultäten üblich sind, abgesehen von der für das Theologiestudium erforderlichen Kenntnis des Lateinischen und Griechischen. Selbst ein anderes religiöses Bekenntnis ist kein Hinderungsgrund. 4. Auflösende Bedingung Der Verzicht des Bischofs von Mainz auf eine eigene kirchliche PhilosophischTheologische Lehranstalt und die Übertragung der wissenschaftlichen Ausbildung des Mainzer Diözesanklerus an die Universität ist mit einer auflösenden Bedingung versehen. Die Bedingung ist der – jetzt durch Art. 39 Abs. 1 S. 3 der Landesverfassung garantierte – Bestand bzw. die Funktionsfähigkeit der Universität und der Katholisch-Theologischen Fakultät. Sollte sich daran etwas ändern, also entweder die Universität oder die Katholisch-Theologische Fakultät aus irgendeinem Grunde „geschlossen“ werden, so tritt nach Art. 9 der Vereinbarung der „alte Rechtszustand“ wieder in Kraft, d. h. in einem solchen Fall hat der Bischof von Mainz wieder das von Art. 5 des hessischen Gesetzes vom 5. Juli 1887 gewährte, von Art. 20 Abs. 1 RK und nunmehr auch von Art. 42 der Landesverfassung anerkannte Recht,

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eine kircheneigene Philosophisch-Theologische Lehranstalt zur wissenschaftlichen Ausbildung des katholischen Klerus zu unterhalten. Der Schließung der Universität oder Fakultät ist die rechtlich weitergehende Aufhebung, nicht aber eine Änderung geringerer Art, gleich zu erachten. Die Anbringung einer solchen Sicherungsklausel, die auf ausdrücklichen Wunsch des Mainzer Bischofs hin geschah, leitet sich wohl aus den Erfahrungen mit dem totalen Staat her. In der nationalsozialistischen Zeit wurden die Theologischen Fakultäten in München, Innsbruck und Salzburg geschlossen. Vielleicht war bei der Formulierung „aus irgendeinem Grunde“ auch die Erinnerung an das Ende der Theologischen Fakultät der alten Mainzer Universität in der Zeit der französischen Okkupation und Annektion und an das Eingehen der KatholischTheologischen Fakultät an der Universität Gießen lebendig. So wurde Vorsorge getroffen für den Fall, daß der Staat nicht mehr fähig oder willens sein sollte, die wissenschaftliche Ausbildung der katholischen Theologiestudierenden an seiner Anstalt und mit seinen Mitteln zu gewährleisten.

III. Besetzung der Lehrstühle Der Bischof von Mainz konnte die wissenschaftliche Ausbildung seiner Theologiestudierenden einer staatlichen Universität und Fakultät ohne Bedenken anvertrauen, weil der Staat ihm wirksame Garantien für eine Ausbildung im Geiste der Kirche gab. Diese Garantien beziehen sich vor allem auf die mit der wissenschaftlichen Unterweisung befaßten Personen. Bei ihrer Anstellung und für ihre etwa notwendig werdende Beanstandung sind dem Bischof Rechte zugestanden, die über das in dem bisherigen deutschen Vertragssystem übliche Maß an kirchlichem Einfluß hinausgehen. 1. Erstellung der Vorschlagsliste Bei der erstmaligen Besetzung der Lehrstühle der Theologischen Fakultät durch die Übernahme von fünf Lehrern der Bischöflichen Lehranstalt kam das vorgesehene Verfahren nicht zur Anwendung. Hinfort aber erfolgt die Besetzung der theologischen Lehrstühle – nach Art. 3 S. 1 der Vereinbarung – „gemäß dem allgemeinen Universitätsstatut“. Dieses25 sieht in § 30 Abs. 1 vor, daß die Fakultät für die sachgemäße Besetzung der Lehrstühle selbst Sorge zu tragen hat. Ausschlaggebend ist dabei nach Abs. 2 die wissenschaftliche Leistung und Lehrbefähigung 25 Statut über die Organe der Verwaltung und die Berufung der Professoren der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz vom 10. September 1949 (ABl. des Min. f. Unt. u. Kultus von Rhld.-Pfalz 1 [1949] 197) mit Änderungen vom 13. 3. 1952 (ebenda 4 [1952] 58) und 15. Dezember 1953 (ebenda 6 [1954] 4). Vgl. § 8 des Landesgesetzes über die Verfassung und Verwaltung der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz vom 6. März 1961 (GVBl. 1961 S. 47).

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des zu Berufenden. Von außen herangetragene Wünsche dürfen die Auswahl nicht beeinflussen. Die Fakultät stellt laut § 31 Abs. 1 eine Liste auf, die mehrere, in der Regel drei, für die Wiederbesetzung des Lehrstuhls geeignete Persönlichkeiten enthält. Jede Persönlichkeit ist in einem ausführlichen Gutachten nach wissenschaftlicher Leistung und Lehrbefähigung zu würdigen. Jedem Ordinarius steht es frei, außerdem ein Sondervotum beizufügen. Gegenüber weitergehenden Wünschen ist damit für diese Stufe des Berufungsverfahrens die Freiheit der Fakultät von Einflüssen, die außerhalb der Fakultät stehende Personen etwa auszuüben suchen, gesichert und so das nach deutschem Hochschulrecht grundsätzlich unentbehrliche Selbstergänzungsrecht der Fakultät gewahrt. 2. Genehmigung der Liste durch den Bischof von Mainz Bevor die Vorschlagsliste und etwaige Sondervota den in § 31 Abs. 2 und 3 des Statuts der Universität vorgeschriebenen Weg über Rektor und Senat zum Minister für Unterricht und Kultus nehmen können, bedürfen sie gemäß Art. 3 S. 2 der Vereinbarung26 der „Genehmigung des Bischofs von Mainz“, die von der Fakultät einzuholen ist. Das Erfordernis der bischöflichen Genehmigung für die von der Theologischen Fakultät dem Rektor der Universität einzureichende Vorschlagsliste ist von weittragender Bedeutung. Diese der Fakultät auferlegte Pflicht unterscheidet die in Mainz vereinbarte Weise der kirchlichen Mitwirkung bei der Berufung von Theologieprofessoren an einer staatlichen Fakultät grundlegend von der an den übrigen deutschen Universitäten festgelegten. Kann beispielsweise an den ehedem preußischen Fakultäten das Berufungsverfahren ohne Einschaltung der kirchlichen Behörde bis zu dem vertraulichen und bedingten Angebot des Lehrstuhls an den Ausersehenen vorantrieben werden27, so ist in Mainz die Mitwirkung der kirchlichen Behörde dem Gang des Berufungsverfahrens über Rektor, Senat und Minister vorgeschaltet. Ohne die vorliegende Genehmigung des Bischofs kann das Beru26 Zwar spricht die Vereinbarung nur in bezug auf die durch Mehrheitsbeschluß zustandegekommene Vorschlagsliste der Fakultät von der Notwendigkeit der Genehmigung. Aber offensichtlich ist diese auch für etwaige Sondervota einzuholen. Aus der alleinigen Nennung der Vorschlagsliste der Fakultät ist selbstverständlich erst recht nicht der Schluß zu ziehen, Sondervota seien in der Theologischen Fakultät nicht zulässig. Eine solche Folgerung widerspräche Art. 3 S. 1 der Vereinbarung, wonach die Neubesetzung der theologischen Lehrstühle gemäß dem allgemeinen Universitätsstatut erfolgt. Dort sind Sondervota in § 31 Abs. 1 S. 3 für zulässig erklärt. 27 Das Schlußprotokoll zu Art. 12 Abs. 1 S. 2 PrK sieht vor, daß die der Anstellung vorangehende Berufung, d. h. das Angebot des betreffenden Lehrstuhls durch den Minister für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung, in vertraulicher Form und mit dem Vorbehalt der Anhörung des Diözesanbischofs geschieht. Gleichzeitig wird der Bischof benachrichtigt und um seine Äußerung ersucht, für die ihm eine ausreichende Frist gewährt wird. Die Berufung wird erst veröffentlicht, nachdem der Bischof dem Minister erklärt hat, daß er Einwendungen gegen die Lehre und den Lebenswandel des Berufenen nicht zu erheben habe

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fungsverfahren nicht seinen Lauf nehmen; die Liste kommt über die Fakultät nicht hinaus. Erfolgt bei allen übrigen staatlichen Theologischen Fakultäten Deutschlands die Befragung des Bischofs durch den höchsten Leiter der staatlichen Unterrichtsverwaltung, so geschieht sie in Mainz grundsätzlich28 durch die Fakultät. Wird dort der Bischof nur hinsichtlich der einen für die Berufung in Aussicht genommen bzw. berufenen Persönlichkeit gehört, so ist in Mainz die Anhörung auf sämtliche durch die Vorschlagsliste benannten Persönlichkeiten ausgedehnt. Der Raum, innerhalb dessen die Fakultät Vorschläge machen kann, ist dadurch verengt29. Die kirchliche Mitwirkung bei der Anstellung der Professoren ist erweitert. Das Berufungsverfahren wird regelmäßig verlängert. Die Genehmigung bzw. Ablehnung der Vorschlagsliste durch den Bischof muß, ohne daß dies in der Vereinbarung eigens gesagt ist, in analoger Anwendung der entsprechenden Vorschriften der deutschen Länderkonkordate30 innerhalb einer angemessenen Frist erfolgen. Wird die Liste genehmigt, kann das Berufungsverfahren seinen ordnungsgemäßen Gang über Rektor und Senat der Universität zu dem Minister für Unterricht und Kultus nehmen. Werden gegen eine oder mehrere der auf der Liste stehenden Persönlichkeiten begründete Bedenken erhoben, so ist die Liste nach Streichung der beanstandeten Namen mit anderen Vorschlägen von neuem dem Bischof zur Genehmigung vorzulegen. Verzichtet die Fakultät auf den Ersatz einer beanstandeten Persönlichkeit durch eine andere, so bedarf die Liste keiner erneuten Genehmigung und kann unter Auslassung des Beanstandeten dem Rektor eingereicht werden. Die für eine Verweigerung der Genehmigung ausreichenden und zulässigen Gründe werden in der Vereinbarung nicht angegeben. Der als Generalklausel gemeinte Verweis auf das Reichskonkordat in der Ergänzungsvereinbarung vom 5. Oktober 1946 läßt jedoch erkennen, daß für die Ablehnung nur die in dem deutschen Konkordatssystem üblichen Gründe31 maßgebend sein können. Der Bi28 Nur für den Fall, daß eine Berufung ausnahmsweise ohne Berücksichtigung der Vorschlagsliste erfolgen sollte, was nach § 31 Abs. 4 des Statuts der Universität Mainz grundsätzlich möglich ist, wird nach Art. 3 der Vereinbarung das Einvernehmen mit dem Bischof von Mainz bzw. dem Bistumsverweser durch die staatliche Behörde hergestellt. 29 Vgl. die Kritik, welche H. Ch. Mahrenholz, Die Mitwirkung der evangelischen Kirche bei der Besetzung der Lehrstühle in den evangelisch-theologischen Fakultäten: ZfevKR 5 (1956) 270 f. an der bisher für die protestantische Seite gleichlautenden Bestimmung übt. – Der Bischof von Mainz schrieb am 24. Mai 1946 durchaus zutreffend an den Heiligen Stuhl, daß die in Art. 3 der Vereinbarung erreichte Lösung über die des Badischen Konkordats, das der Kirche in dieser Hinsicht bekanntlich am weitesten entgegenkommt, hinausgehe und für die Kirche günstiger sei. Zwar sei damit kein positiver Einfluß des Bischofs auf die Bestellung der Professoren festgesetzt, aber der Einfluß des Bischofs könne in diesem Stadium weit wirksamer ausgeübt werden, als wenn ihm nur eine Persönlichkeit vom Staat vorgeschlagen wird, die er entweder annehmen oder ablehnen müsse. 30 Schlußprotokoll zu Art. 12 Abs. 1 S. 2 PrK: „ausreichende Frist“; Schlußprotokoll zu Art. X Abs. 1 S. 1 BadK: „ausreichende Frist“. 31 Vgl. Schlußprotokoll zu Art. 12 Abs. 1 S. 2 PrK; Schlußprotokoll zu Art. X Abs. 1 S. 1 BadK.

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schof kann danach nur Bedenken geltend machen, die sich gegen Lehre und Lebenswandel eines Vorgeschlagenen richten. Ein Urteil über die wissenschaftliche Leistung und die Lehrbefähigung steht dem Bischof nicht zu32. Dies ergibt sich aus dem Verweis des Art. 3 S. 1 der Vereinbarung auf das Universitätsstatut, nach dessen §§ 30 Abs. 1, 31 Abs. 1 die Würdigung der wissenschaftlichen Leistung und Lehrbegabung einer Persönlichkeit Sache der Fakultät ist, und des ersten Nachtrages der Ergänzungsvereinbarung auf das Reichskonkordat, dessen Art. 19 S. 3 die frühzeitig als Anomalie erkannte weitergehende Regelung in Art. X Abs. 1 und Schlußprotokoll des Badischen Konkordats beseitigt hat33. Die Richtigkeit der hier vorgetragenen Auffassung wird durch Art. 6 der Vereinbarung bestätigt, wo der kirchlichen Behörde ein Recht zur Beanstandung eines im Amte befindlichen Professors nur hinsichtlich der „Lehre oder Haltung“, nicht hinsichtlich der Lehrbegabung, eingeräumt wird34. Zwischen Ablehnung und Beanstandung besteht wenigstens grundsätzlich Kongruenz. Dem Abgelehnten und der Fakultät steht die Möglichkeit des Rekurses an den Heiligen Stuhl offen35. Wie sich aus Art. 3 S. 3 und Art. 4 der Vereinbarung ergibt, ist die Sedisvakanz kein Hindernis für die Besetzung eines Lehrstuhls. Der Bistumsverweser, d. h. in der Regel der Kapitelsvikar, kann die erforderlichen Erklärungen abgeben. Das gleiche gilt für einen etwa eingesetzten Apostolischen Administrator36. 32 Deshalb braucht die einzureichende Vorschlagsliste eine wissenschaftliche Würdigung der Vorgeschlagenen nicht zu enthalten. 33 Vgl. Weber, Das Nihil obstat 216. „Diese Fakultäten sind staatliche Lehr- und Forschungseinrichtungen. Ihr Status verträgt es zwar, daß dem zuständigen Bischof eine Mitbestimmung hinsichtlich der Lehre und des priesterlichen Lebenswandels der an ihnen mit der Theologenausbildung befaßten Hochschullehrer eingeräumt wird. Deren wissenschaftliche und pädagogische Eignung aber maßgebend zu beurteilen, kann nur Sache der staatlichen Wissenschaftsverwaltung sein, wofern nicht der in Art. 19 RK auch von der Kirche ausdrücklich bekräftigte staatliche Charakter der Fakultäten der Auflösung preisgegeben werden soll“ (ebenda 217). Weil das Urteil über Lehrbefähigung und wissenschaftliche Leistung der kirchlichen Mitbestimmung nicht unterliegt, darf das Genehmigungserfordernis für die Vorschlagsliste nicht dahin verstanden werden, daß der Bischof auch über die Reihenfolge der auf der Liste stehenden Namen befinden dürfe. Die Reihenfolge der Namen ist jedenfalls grundsätzlich eine Rangfolge der wissenschaftlichen und pädagogischen Befähigung, worüber allein die Fakultät und gegebenenfalls der Senat zu befinden haben. – Die Bemerkung des Bischofs von Mainz in seinem Schreiben vom 24. Mai 1946 an den Heiligen Stuhl, man habe sich hinsichtlich der Bestellung der Professoren das Badische Konkordat zum Muster genommen, kann aus den angegebenen Gründen nicht für die dort zum ersten und einzigen Mal in dem deutschen Konkordatssystem erscheinende Beurteilung der Lehrbegabung durch den Bischof gelten. 34 Art. X Abs. 2 BadK sah eine Beanstandung „der Lehre oder des Lebenswandels oder der Lehrbefähigung“ durch den Erzbischof vor. Die Gründe für eine Ablehnung und für eine Beanstandung decken sich also. Ähnlich Schlußprotokoll zu Art. 12 Abs. 1 S. 2 PrK. Art. 3 § 2 BayK gibt nur bei der Beanstandung Gründe (Lehre und sittliches Verhalten) an und entspricht insofern Art. 6 der Vereinbarung. 35 Vgl. Fischer 353. 36 Vgl. Fischer 345. Die Erwähnung des Bistumsverwesers stammt aus Art. X BadK.

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3. Berufung und Anstellung Die von dem Mainzer Bischof genehmigte Vorschlagsliste zur Besetzung eines Lehrstuhls in der Katholisch-Theologischen Fakultät wird dem Rektor eingereicht und von diesem dem Senat vorgelegt. Wenn der Fakultätsvorschlag offensichtlich den formalen Anforderungen, wozu die kirchliche Genehmigung gehört, nicht entspricht, ist der Rektor berechtigt, ihn mit entsprechender Begründung an die Fakultät zurückzugeben (§ 31 Abs. 2 des Universitätsstatuts). Die ordnungsgemäße Vorschlagsliste der Fakultät leitet der Rektor mit seiner und der Stellungnahme des Senats dem Minister für Unterricht und Kultus zu, der einen Namen auswählt (§ 31 Abs. 3 S. 1). In Fällen, in denen eine Einigung zwischen dem Vorschlag der Universität und der Ansicht des Ministers nicht erzielt wird, ist die Entscheidung eines Schlichtungsausschusses einzuholen (§ 31 Abs. 3 S. 2 und 3). Berufung, Anstellung und Zulassung nehmen die staatliche Behörde bzw. die Fakultät allein vor. Jeder planmäßige Professor ist hauptamtlicher Landesbeamter im staatsrechtlichen Sinn37. Eine erneute Befragung der kirchlichen Behörde erfolgt nicht. 4. Erteilung der Missio canonica „Sämtliche an der Katholisch-Theologischen Fakultät tätigen Dozenten bedürfen“ – nach Art. 5 der Vereinbarung und dem Nachtrag der Ergänzungsvereinbarung – „gemäß den kirchlichen Bestimmungen, insbesondere denen der Apostolischen Konstitution Deus scientiarum Dominus, und dem an den katholisch-theologischen Staatsfakultäten bestehenden Brauch der Missio canonica.“ Während die bischöfliche Genehmigung ausdrücklich nur für die Neubesetzung theologischer Lehrstühle verlangt wird38, gilt das Erfordernis der Ausstattung mit der Missio canonica für alle Dozenten. Es trifft also die planmäßigen Professoren, die Honorarprofessoren, die außerplanmäßigen Professoren und Privatdozenten, die Lehrbeauftragten und Lektoren in gleicher Weise. Die einschlägigen kirchlichen Bestimmungen sind c. 1328 CIC39, Art. 21 n. 5 der Konstitution Deus scientiarum Dominus40, Art. 5 n. 5 der „Ordinationes“ zu der genannten Konstitution41 und

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H. Peters, Die Besonderheiten der beamtenrechtlichen Stellung der katholischen Theologieprofessoren an den deutschen Universitäten: Festschrift Eduard Eichmann (Paderborn 1940) 403. 38 Ein zuzulassender Privatdozent oder eine mit einem Lehrauftrag zu versehende Persönlichkeit bedarf jedoch nach allgemeinen Grundsätzen ebenfalls des Nihil obstat des zuständigen Bischofs. Vgl. Fischer 345 f. 39 Dieser Kanon steht in der Einleitung zu dem Titel „De divini verbi praedicatione“, der sich mit dem Religionsunterricht, den Predigten und den Missionen befaßt. 40 Die Aufnahme in das Professorenkollegium einer kirchlichen oder kirchlich anerkannten Universität oder Fakultät setzt die Erteilung der Missio canonica – nach vorheriger Einholung des Nihil obstat des Heiligen Stuhles – voraus. 41 Die Missio canonica wird von dem Großkanzler erteilt.

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Art. II n. 3 der Instruktion vom 7. Juli 193242. Damit, daß die Ausstattung mit der Missio canonica neben der Nichtbeanstandung ausdrücklich als zusätzliches Erfordernis einer akademischen Lehrtätigkeit festgesetzt wird, nimmt die Mainzer Katholisch-Theologische Fakultät eine Sonderstellung unter den staatlichen deutschen Fakultäten ein und unterscheidet sich die Vereinbarung von den deutschen Konkordaten. Diese erwähnen neben dem Erfordernis des kirchlichen Nihil obstat die davon sachlich verschiedene Missio canonica nicht43. Zwar ist mit der Erklärung des Bischofs, daß gegen die Anstellung eines in Aussicht genommenen Hochschullehrers Bedenken nicht bestehen, die Missio canonica an sich – d. h. abgesehen von einer besonderen Intention, die Gewährung der Missio canonica mit der Erklärung des Nihil obstat zu verbinden – noch nicht erteilt. Jedoch ist der Bischof, der das Vorliegen von Bedenken verneint, verpflichtet, die Missio canonica zu erteilen, denn die Befragung des Bischofs – in Mainz: die Vorlage der Liste zur Genehmigung – erfolgt in der Absicht, sicherzustellen, daß dem Vorgeschlagenen die Missio canonica erteilt werden wird. Die Art und Weise, wie die – nicht an eine bestimmte Form gebundene44 – Erteilung der Missio canonica an die Theologieprofessoren an den deutschen staatlichen Fakultäten geschieht, ist nicht einheitlich. Teils wird sie nach der staatlichen Ernennung in einem eigenen Verwaltungsakt ausdrücklich gewährt, teils wird auf einen besonderen Übertragungsakt verzichtet, wohl weil die Erklärung des Nihil obstat einschlußweise mit der Gewährung der Missio canonica verbunden wird45. In Mainz läßt sich neben der Genehmigung der Vorschlagsliste der Fakultät durch den Bischof ein eigener Akt der Ausstattung mit der Missio canonica nicht nachweisen. Der Bischof scheint mit der Genehmigung der Liste einschlußweise zu erklären, jener der vorgeschlagenen Persönlichkeiten die Missio canonica erteilen zu wollen, welche die Berufung auf den Lehrstuhl annimmt und von dem Staat angestellt wird. Die Konstitution Deus scientiarum Dominus fordert vor der Erteilung der Missio canonica durch den Großkanzler die Einholung des Nihil obstat des Hei1igen Stuhles (Art. 21 n. 5). Die Diözesanstatuten des Bistums Mainz machen sich diese Bestimmung zu eigen und sehen die Einholung des römischen Nihil obstat vor Erteilung der Missio canonica für jeden Dozenten vor (Art. 35 Abs. 3). Der Heilige Stuhl hat in seinen Weisungen für den Bischof von Mainz anläßlich der zu der Errichtung der Katholisch-Theologischen Fakultät führenden Verhandlungen die 42 Die Missio canonica (Ordinationes Art. 5 § 5) wird von dem Bischof erteilt und entzogen, entsprechend den in den Konkordaten festgesetzten Vorschriften (Art. 12 PrK a. E.; Art. 3 §§ 1 und 2 BayK). Beide Konkordate erwähnen aber die Missio canonica nicht, sondern nur das bischöfliche Nihil obstat. 43 Die Mainzer Regelung geht noch über die im Schlußprotokoll zu Art. X Abs. 1 S. 1 BadK getroffene Abmachung hinaus, wonach der Erzbischof vor dem Berufungs- und Zulassungsverfahren benachrichtigt und um seine Äußerung ersucht wird. 44 Vgl. Fischer 349. 45 H. Flatten, Missio canonica: Verkündigung und Glaube. Festgabe für Franz Xaver Arnold (Freiburg i. Br. 1958) 140 f.

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Aufnahme einer diesbezüglichen Bestimmung in die Vereinbarung mehrfach verlangt46. Auf diesen Druck hin wurde Art. 5 der Vereinbarung am 5. Oktober 1946 durch den Zusatz „insbesondere denen der Apostolischen Konstitution Deus scientiarum Dominus“ hinter „gemäß den kirchlichen Bestimmungen“ ergänzt. Die von den deutschen Bischöfen als Neuerung empfundene Forderung nach Einholung des Nihil obstat in Rom wurde in jüngster Zeit wieder urgiert47. Gegen diese innerkirchliche Bindung der Entscheidungsfreiheit des Bischofs bestehen unter zwei Voraussetzungen keine Bedenken. Einmal kann der Heilige Stuhl an die Gewährung des Nihil obstat keine anderen Anforderungen stellen, als sie in den Vereinbarungen mit dem Staat vorgesehen sind. Die Verweigerung des Nihil obstat aus Gründen, die nicht in Lehre und Lebenswandel liegen, würde den Bischof nicht berechtigen, die Ablehnung einer vorgeschlagenen Persönlichkeit auszusprechen. Sodann darf das römische Nihil obstat weder gegenüber der Fakultät noch gegenüber der staatlichen Behörde in Erscheinung treten. Diese haben es nur mit der Genehmigung bzw. Ablehnung des Bischofs von Mainz zu tun48. Nach dem Mainzer Verfahren ist das römische Nihil obstat bereits vor der Genehmigung der Vorschlagsliste der Fakultät durch den Bischof einzuholen. Denn mit der Genehmigung ist jedenfalls die sichere Zusage einer künftigen Erteilung der Missio canonica, wenn nicht die Erteilung selbst, verknüpft.

5. Kirchliche Mitwirkung bei der Besetzung von zwei Lehrstühlen in der Philosophischen Fakultät Nach Art. 4 der Vereinbarung sind die zur wissenschaftlichen Ausbildung der katholischen Theologiestudierenden notwendigen beiden Lehrstühle für Philosophie und Geschichte in der Philosophischen Fakultät mit Persönlichkeiten zu besetzen, „die nach dem Urteil des Bischofs (bzw. Bistumsverwesers) für eine einwandfreie Ausbildung der Theologiestudierenden geeignet sind“. Damit ist ein kirchliches Mitwirkungsrecht bei der Besetzung von zwei Lehrstühlen in der Philosophischen Fakultät begründet, das seine Rechtfertigung darin findet, daß der Bischof seine bisherige Philosophisch-Theologische Lehranstalt, in der die Philo46 Schreiben des Päpstlichen Staatssekretariats vom 19. April, 8. Mai und 29. Juli 1946. In dem Schreiben des Staatssekretariats vom 5. Dezember 1946 wurde mitgeteilt, die SC Stud. verspreche, dem Bischof von Mainz die Reskripte mit dem Nihil obstat für die einzelnen Professoren zu senden, denen sie inzwischen wegen der Dringlichkeit das Dozieren erlaube. In dem Schreiben vom 10. Juli 1947 unterrichtete die SC Stud. den Bischof davon, daß kein Einwand erhoben werde („Nihil obstare“), wenn die namentlich genannten Herren das Lehramt übernehmen. 47 Der Bischof von Mainz zeigte sich in seinem Schreiben vom 24. Mai 1946 an den Heiligen Stuhl über das römische Verlangen nach vorgängiger Einholung des Nihil obstat verwundert und erklärte, dies sei in Deutschland nirgends üblich. Er bat jedoch um Belehrung, falls er sich in dieser Angelegenheit irre. – Vgl. Fischer 353 A. 98. 48 Vgl. Thieme 146.

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sophie einen beachtlichen Raum einnahm, aufgegeben hat und daß zwischen Kirche und Staat ein dreijähriges philosophisch-theologisches Studium der katholischen Theologiestudierenden vereinbart worden ist. Die Zustimmung des Bischofs ist für die Besetzung der zwei Lehrstühle unerläßlich. Dadurch, daß die Eignung von dem „Urteil des Bischofs“ abhängig gemacht wird, ist das Einverständnis des Bischofs verlangt, so daß gegen den Willen des Bischofs keine der beiden Professuren besetzt werden kann. Die beiden Professoren erhalten keine Missio canonica, sondern bedürfen nur des kirchlichen Nihil obstat. Einwände des Bischofs gegen die zu berufenden Persönlichkeiten können sich auch hier gegen Lehre und Lebenswandel richten, nicht nur gegen die Lehre allein. Denn die zur Ausbildung katholischer Theologiestudierender verlangte Eignung setzt eine religiös gegründete und sittlich gefestigte Persönlichkeit voraus, die sich nicht nur in ihrer Lehrtätigkeit von Widerspruch gegen die Lehre der Kirche freihält, sondern auch in ihrer sittlichen Haltung zumindest kein Ärgernis erregt. Die Befragung des Bischofs bei der Besetzung der beiden Lehrstühle in der Philosophischen Fakultät erfolgt nicht durch die Fakultät, sondern durch die staatliche Behörde. Dabei wird dem Bischof nicht die Liste vorgelegt, sondern nur der Name der für die Besetzung in Aussicht genommenen Persönlichkeit mitgeteilt.

IV. Beanstandung von im Lehramt befindlichen Professoren Die Eignung der Theologieprofessoren für ihr Amt muß nicht nur bei dem Amtsantritt vorliegen, sondern während der ganzen Dauer ihrer Tätigkeit gewahrt bleiben. Dementsprechend ist in Art. 6 der Vereinbarung bestimmt, daß die Regierung „im Einvernehmen mit dem Bischof“ von Mainz „geeignete Abhilfe“ treffen wird, falls „ein Dozent der Theologie durch seine Lehre oder Haltung für die Kirche oder den Staat untragbar werden“ sollte. Mit „Dozent der Theologie“ sind alle an der Theologischen Fakultät irgendwie in der Lehre tätigen Persönlichkeiten in die Vorschrift einbezogen. Die Worte „Lehre oder Haltung“ geben die Gründe an, derentwegen die Beanstandung eines Dozenten ausgesprochen werden kann. Für die hinsichtlich der „Lehre“ verlangte Rechtgläubigkeit können engere Grenzen nicht gezogen werden, als sie etwa in c. 1393 § 2 CIC aufgezeigt werden. Der reichlich allgemeine Ausdruck „Haltung“ ist auf die verpflichtenden Normen des christlichen Sittengesetzes und der geistlichen Standespflichten zu deuten; er schließt im allgemeinen ein längeres, gewohnheitsmäßiges Verhalten ein. Damit die staatliche Behörde erkennen kann, ob die kirchlichen Einwendungen im Rahmen der Vereinbarung liegen, und damit sie in der Lage ist, die zu treffenden Maßnahmen abzuwägen, ist die Angabe wenigstens eines stichhaltigen Grundes, auf den sich die Beanstandung stützt, unerläßlich. Dies ist auch „im Sinne des Reichskonkordats“49. 49 Art. 19 S. 2 RK im Verhältnis zu Art. 12 Abs. 1 S. 2 und Schlußprotokoll PrK, Art. 3 § 2 BayK und Art. X Abs. 2 BadK.

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Die Wendung „untragbar werden“ läßt erkennen, daß der gemeinte Verstoß gegen Lehre oder Lebenswandel sehr schwer sein muß, um als triftiger Grund für eine beachtliche kirchliche Beanstandung und den Entzug der Missio canonica gelten zu können50. Auffällig ist, daß die Mainzer Vereinbarung im Unterschied zu den konkordatären Abmachungen auch für den Fall Vorsorge trifft, daß ein Dozent der Theologie für den Staat untragbar wird. Wenn es auch schwerfällt, sich in einem freiheitlichen, demokratischen Rechtsstaat eine Situation vorzustellen, in der ein Dozent der katholischen Theologie durch seine Lehre oder Haltung eine unerträgliche Belastung für den Staat wird, ohne zugleich gegen die kirchliche Disziplin zu verstoßen, so sichert die Vorschrift doch in solchen Fällen dem Staat die Initiative bei dem Vorgehen gegen den Dozenten. Die von der Regierung zu treffende „geeignete Abhilfe“ wird in der Regel nicht darüber hinauszugehen brauchen, für einen dem Lehrbedürfnis entsprechenden Ersatz zu sorgen51. Auch wenn dies nicht gesagt ist, ist doch ohne weiteres klar, daß, sofern nicht die Voraussetzungen für ein staatliches Disziplinarverfahren vorliegen, die Abhilfe unbeschadet der beamtenund korporationsrechtlichen Stellung des beanstandeten Lehrers zu erfolgen hat52. Die nachträgliche Beanstandung ist entweder ausdrücklich oder stillschweigend mit dem Entzug der Missio canonica verbunden. Anders als nach einer gemäß Art. 6 der Vereinbarung unter Angabe stichhaltiger Gründe sich vollziehenden Beanstandung kann die Missio canonica nicht entzogen werden. Verzicht auf die Geltendmachung von Bedenken und Pflicht zur Erteilung der Missio canonica sind durch die Vereinbarung und die darin angezogene, durch das Konkordatsrecht normierte deutsche Rechtspraxis ebenso untrennbar miteinander verbunden wie Beanstandung und Entzug der Missio canonica. Eine Trennung des einen Gliedes von dem anderen wäre rechtswidrig. Art. 6 der Vereinbarung ist unter Verwendung von Art. 3 § 2 BayK („Verhalten“), Art. X Abs. 2 BadK („Lehre“, „im Einvernehmen mit dem Erzbischof“) und Schlußprotokoll zu Art. 12 Abs. 1 S. 2 PrK („Abhilfe“) formuliert.

50 Vgl. Schlußprotokoll zu Art. 12 Abs. 1 S. 2 PrK („in seiner Lehrtätigkeit oder in Schriften der katholischen Lehre zu nahe treten oder einen schweren oder ärgerlichen Verstoß gegen die Erfordernisse des priesterlichen Lebenswandels begehen“); Art. 3 § 2 BayK („wegen seiner Lehre oder wegen seines sittlichen Verhaltens aus triftigen Gründen beanstandet werden“); Art. X Abs. 2 BadK („im Falle einer … ernstlichen Beanstandung der Lehre oder des Lebenswandels oder der Lehrbefähigung“). Die Gründe zur Beanstandung eines im Amte befindlichen Professors müssen schwerwiegender sein als die Bedenken bei Aufnahme der Lehrtätigkeit. Vgl. Peters 412; Weber, Das Nihil obstat 227 f. 51 So Schlußprotokoll zu Art. 12 Abs. 1 S. 2 PrK und Art. X Abs. 2 BadK. Ähnlich Art. 3 § 2 BayK. 52 Vgl. Peters 413 f.; Weber, Das Nihil obstat 230 f.; Thieme 146.

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V. Studienplan, Prüfungen, Promotionsrecht und Statuten 1. Studienplan Nach Art. 7 der Vereinbarung ist dem Bischof von Mainz die Genehmigung des theologischen Studienplanes vorbehalten. Daraus ist zu schließen, daß die für die Gestaltung und Regelung des theologischen Unterrichts zuständige Fakultät53 auch den Studienplan aufzustellen hat. Allein das Gremium der für die wissenschaftliche Ausbildung der Theologiestudierenden verantwortlichen Lehrer, d. h. der Professoren der Theologischen Fakultät, ist in der Lage, eine dem inneren Zusammenhang der theologischen Disziplinen gerecht werdende, ausgewogene und didaktisch günstige Verteilung der Lehrgegenstände auf die Jahre des Studiums vorzunehmen. Das Genehmigungserfordernis bietet dem Bischof die Gelegenheit, seinen berechtigten Wünschen hinsichtlich der Gestaltung des Lehrplanes Ausdruck zu verleihen und insofern Einfluß auf das Lehrprogramm zu nehmen. Dabei wird der Bischof, ähnlich wie in Art. 4 § 1 BayK und Art. IX BadK vorgesehen, verlangen können, daß die Bedürfnisse des priesterlichen Berufes und der Seelsorge berücksichtigt werden. Dies ist für einen Studienplan selbstverständlich, von dem der gleiche Art. 7 der Vereinbarung erklärt: „Er wird durch die kirchlichen Bestimmungen geregelt und entspricht dem an den deutschen Hochschulen üblichen theologischen Bildungsgang.“ Einläßliche Bestimmungen über den Studienplan finden sich in den Art. 29 – 34 der Konstitution Deus scientiarum Dominus, den Art. 18 – 34 der Ordinationes und Art. VIII der Instruktion vom 7. Juli 1932. Es ist bekannt, daß die das Studium betreffenden Vorschriften der genannten Konstitution unter Mitarbeit deutscher Gelehrter und mit Rücksicht auf den in Deutschland üblichen Studiengang zustandegekommen sind. Das besagt nicht, daß von ihnen nicht beachtenswerte Anregungen für die Gestaltung des Studiums auch an den deutschen Hochschuleinrichtungen herzuleiten sind. Die Wendung, der Studienplan „entspricht dem an den deutschen Hochschulen üblichen theologischen Bildungsgang“, zeigt, daß man in Mainz nicht neue Wege gehen, sondern an der bewährten Ausbildung der deutschen Fakultäten und Hochschulen festhalten wollte. Die Mainzer Fakultät soll in bezug auf die Studienordnung von den übrigen deutschen Fakultäten nicht abweichen. Unberücksichtigt bleibt dabei, daß zwischen den Studienordnungen dieser Fakultäten nicht unerhebliche Unterschiede bestehen, durch die jedoch der gemeinsame Grundzug echt wissenschaftlicher Unterrichtsgestaltung nicht in Frage gestellt wird. Art. 7 der Vereinbarung hat sich Art. IX BadK zum Vorbild genommen. Fordert das Badische Konkordat, daß die Studienordnung an der Theologischen Fakultät in Freiburg „im Einverständnis mit dem Erzbischof“ aufgestellt wird, so verlangt die Mainzer Vereinbarung die „Genehmigung des Bischofs von Mainz“. Muß die Studienordnung nach dem Badischen Konkordat „den kirchlichen Vorschriften gemäß“ sein, so wird

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Vgl. Fischer 362.

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der Studienplan an der Mainzer Fakultät „durch die kirchlichen Bestimmungen geregelt“. Die der bischöflichen Genehmigung vorgelagerte Approbation des Studienplanes durch die SC Stud.54 tritt gegenüber der Fakultät nicht in Erscheinung. 2. Prüfungen An Prüfungen sind in Art. 7 der Vereinbarung die Semestralexamina und die Abschlußprüfung nach dem 10. Semester vorgesehen. An beiden sind die Professoren der Theologischen Fakultät beteiligt, jedoch in verschiedener Weise. Die Semestralexamina werden stets nur von den Professoren der Fakultät abgenommen. Die Abschlußprüfung dagegen erfolgt vor einer bischöflichen Kommission, also einer kirchlichen Stelle. In diese „sollen“ auch die Professoren der Theologischen Fakultät berufen werden. Mit der Ausgestaltung und Abnahme der theologischen Abschlußprüfung durch kirchliche Organe wird mittelbar ein Einfluß auf das Lehrprogramm der Theologischen Fakultät ausgeübt. Wessen Aufgabe es ist, die Prüfungsordnung zu erlassen, wird in der Vereinbarung nicht gesagt. Sie steht jedenfalls für die das Priestertum anstrebenden Studierenden herkömmlich der kirchlichen Behörde zu. Eine Beteiligung der Theologischen Fakultät an ihrer Erstellung ist jedoch wünschenswert, um eine möglichst weitgehende Übereinstimmung mit den Anforderungen der an den nichttheologischen Fakultäten bestehenden oder vom Staat erlassenen Prüfungsordnungen zu gewährleisten. 3. Promotionsrecht Das Recht, im Namen des Staates akademische Grade zu verleihen, erwuchs der Katholisch-Theologischen Fakultät mit ihrer Errichtung im Rahmen der (staatlichen) Mainzer Universität. Da die deutschen Theologischen Fakultäten die akademischen Grade zugleich im Namen des Staates und der Kirche verleihen, bedurfte die Mainzer Katholisch-Theologische Fakultät auch der Verleihung des Promotionsrechtes von seiten der Kirche. Akademische Grade mit kanonischen Wirkungen in der Kirche können nur auf Grund einer vom Heiligen Stuhl erteilten Vollmacht verliehen werden (c. 1377 CIC). Die Erteilung der Vollmacht setzt die Prüfung und Approbation der Statuten und des Studienplanes durch die SC Stud. nach Maßgabe des Art. 5 der Konstitution Deus scientiarum Dominus voraus55. Mit Schreiben vom 54 Art. 5 der Konstitution Deus scientarium Dominus. – Das Päpstliche Staatssekretariat teilte dem Bischof von Mainz am 5. Dezember 1946 mit, die SC Stud. approbiere – „licet … summa pro ratione“ – Statuten und Studienplan der Theologischen Fakultät sowie die Professoren der Fakultät. Sie behalte sich aber das Recht vor, Statuten und Studienplan abzuändern und zu vervollkommnen, soweit es nach der Konstitution Deus scientiarum Dominus und den Ordinationes gut scheine. 55 Schreiben des Päpstlichen Staatssekretariats vom 8. Mai 1946 an den Bischof von Mainz.

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22. Februar 1947 teilte das Päpstliche Staatssekretariat dem Bischof von Mainz mit, daß der Präfekt der SC Stud. es in einem Schreiben vom 14. Februar 1947 gebeten habe, den Bischof von Mainz zu benachrichtigen, daß die SC Stud. der Theologischen Fakultät das Recht zur Erteilung akademischer Grade verleihe, sofern sie nur die Bestimmungen der Konstitution Deus scientiarum Dominus und der Ordinationes genau beachte. 4. Statuten Eine Pflicht, die Statuten der Fakultät dem Bischof von Mainz zur Genehmigung vorzulegen, wird in der Vereinbarung nicht festgelegt. Nach c. 1376 § 2 CIC muß jedoch eine katholische Universität oder Fakultät ihre eigenen, vom Heiligen Stuhl bestätigten Statuten haben. Die Approbation der von dem Bischof eingereichten Statuten der Mainzer Theologischen Fakultät wurde dem Bischof in dem Schreiben des Päpstlichen Staatssekretariats vom 5. Dezember 1946 mitgeteilt.

VI. Verhältnis zu dem Priesterseminar 1. Wortgebrauch Der kuriale Wortgebrauch versteht unter Seminarien im allgemeinen die Anstalten für die Erziehung und Ausbildung des geistlichen Nachwuchses. Dabei ist zu unterscheiden zwischen dem kleinen oder Knabenseminar, das die Gymnasialbildung vermittelt, und dem großen oder Priesterseminar, das zugleich dem philosophisch-theologischen Studium und der religiös-aszetisch-praktischen Ausbildung der Studierenden dient (cc. 1352 – 1372 CIC). Der deutsche Wortgebrauch versteht davon abweichend regelmäßig unter Priesterseminar eine kirchliche Anstalt, die der aszetisch-praktischen Ausbildung der Theologiestudierenden dient, während die wissenschaftliche Ausbildung an den philosophisch-theologischen Hochschulen bzw. den Universitäten erfolgt. Mancherorts wird noch zwischen Priesterseminar im engsten Sinn als Stätte der praktischen Schlußausbildung zum Priestertum (nach Beendigung des wissenschaftlichen Studiums) und Konvikt als Stätte der geistlichen und wirtschaftlichen Betreuung der an einer Fakultät oder Hochschule Studierenden unterschieden56. Dieser deutsche Wortgebrauch findet sich zum Beispiel in Art. IX BadK und Art. 20 RK57

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Vgl. E. Eichmann/K. Mörsdorf, Lehrbuch des Kirchenrechts II9 (München-PaderbornWien 1958) 396 f. 57 Anders Art. 12 Abs. 2 PrK: „ein Seminar zur wissenschaftlichen Vorbildung der Geistlichen“.

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und ist auch in Art. 8 der Vereinbarung festzustellen. Er hat gerade im Bereich der Oberrheinischen Kirchenprovinz eine lange Geschichte58.

2. Gewährleistung des Bestandes Für das Mainzer Priesterseminar bestimmt Art. 8 der Vereinbarung: „Das Priesterseminar besteht als bischöfliche Anstalt59 für die aszetische und praktische Ausbildung sowie als Konvikt60 der Theologie-Studierenden weiter in dem Rang und in der Art, wie dies in anderen deutschen Bistümern üblich ist (Reichskonkordat Art. 20 Abs. 2).“ Die Aufhebung der Philosophisch-Theologischen Lehranstalt in dem Priesterseminar61 und ihre Ersetzung durch die Katholisch-Theologische Fakultät an der Universität tastet den Bestand des Priesterseminars in dessen übrigen Funktionen nicht an. Es bleibt als rein kirchliche Anstalt für die aszetische und praktische Ausbildung der Studierenden aller Semester und als Konvikt derselben bestehen. Das Recht zur Errichtung und Unterhaltung von Seminarien und Konvikten ist auch durch den – unglücklich formulierten – Art. 42 der Verfassung von Rheinland-Pfalz anerkannt.

3. Aszetische und praktische Ausbildung Der Zweck des weiterbestehenden Priesterseminars ist die „aszetische und praktische Ausbildung“ der Theologiestudierenden, d. h. einerseits die Anleitung zum Streben nach christlicher Vollkommenheit, andererseits die Hinführung zur 58

Vgl. etwa die Verordnung der bei der Oberrheinischen Kirchenprovinz beteiligten Regierungen, das landesherrliche Schutz- und Aufsichtsrecht über die katholische Kirche betreffend, vom 30. Januar 1830, § 26, wo bestimmt wird, daß die Kandidaten des geistlichen Standes „nach vollendeten theologischen Studien im Priesterseminar zum Praktischen der Seelsorge ausgebildet“ werden (Reidel 38). Dieser Sprachgebrauch setzt die Existenz einer eigenen Fakultät, damals der Gießener Fakultät, oder Hochschule voraus. 59 Der Ausdruck „Anstalt“ erinnert an Art. 6 des Gesetzes, die Vorbildung und Anstellung der Geistlichen betreffend, vom 5. Juli 1887 (Reidel 220). Danach sind die Kirchen befugt, „Anstalten zur theologisch-praktischen Vorbildung der künftigen Geistlichen zu unterhalten“. Sie tragen im Unterschied zu dem in Art. 5 erwähnten Seminar nicht den Charakter einer Lehranstalt. Dies ergibt sich u. a. aus den verschiedenen Voraussetzungen der Zulassung. Von einem Lehrplan ist bei den „Anstalten“ nicht die Rede, bestimmte Anforderungen an die wissenschaftliche Befähigung der Lehrer werden nicht gestellt. 60 Vgl. dafür Art. 7 des Gesetzes vom 5. Juli 1887 (ebenda). 61 Versteht man unter Priesterseminar mit dem kurialen Sprachgebrauch eine kircheneigene Einrichtung zur wissenschaftlichen philosophisch-theologischen Ausbildung des geistlichen Nachwuchses, so ist zutreffend, was W. Weber, Rechtsfragen der kirchlichen Hochschulen: ZfevKR 1 (1951) 346 schreibt: „Das bischöfliche Seminar in Mainz ist mit der Gründung der Mainzer Universität in dieser als Fakultät aufgegangen.“ Vgl. auch derselbe, Der gegenwärtige Status der theologischen Fakultäten und Hochschulen: Tymbos für Wilhelm Ahlmann (Berlin 1951) 319.

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Ausübung des Gelernten in der Seelsorge. Beides kann an sich neben der wissenschaftlichen Ausbildung hergehen. Dies gilt von der aszetischen Ausbildung unbeschränkt. Die praktische Ausbildung hingegen wird vorwiegend der Zeit nach der Ablegung der theologischen Abschlußprüfung vorbehalten. Beide Seiten der von dem Priesterseminar gewährten Ausbildung stehen der wissenschaftlichen Ausbildung gegenüber, die der Katholisch-Theologischen Fakultät an der Universität übertragen ist. Selbstverständlich hat sowohl die aszetische wie die praktische Ausbildung ein wissenschaftliches Fundament; sie muß im Einklang mit den Ergebnissen der Wissenschaft stehen. Aber das Priesterseminar sucht mit seiner Tätigkeit nicht die Wissenschaft zu fördern, sondern ihre Ergebnisse auf die Praxis anzuwenden. Wenn das Priesterseminar keine wissenschaftlichen Aufgaben bei der Ausbildung des Priesternachwuchses hat, so ergibt sich, daß es weder eine Philosophisch-Theologische Lehranstalt im Sinne des Art. 20 Abs. 1 RK noch eine Theologische Hochschule ist.

a) Keine Philosophisch-Theologische Lehranstalt im Sinne des Art. 20 Abs. 1 RK In dieser Hinsicht ist der Verweis auf Art. 20 Abs. 2 RK in Art. 8 der Vereinbarung aufschlußreich. Während Art. 20 Abs. 1 RK von dem Recht der Kirche, philosophisch-theologische Lehranstalten zur Ausbildung des Klerus zu errichten, spricht, befaßt sich Abs. 2 des gleichen Artikels mit der ausschließlichen kirchlichen Zuständigkeit zur Errichtung, Leitung und Verwaltung der Priesterseminare und kirchlichen Konvikte. Die philosophisch-theologischen Lehranstalten werden von den Priesterseminaren und Konvikten sorgfältig unterschieden, denn die einen sind Stätten wissenschaftlicher Arbeit, die anderen Stätten praktischer Tätigkeit. Die Priesterseminare können deshalb nicht als philosophisch-theologische Lehranstalten angesprochen werden. In die Reihe der Priesterseminare in diesem Sinne des Art. 20 Abs. 2 RK soll nach Art. 8 der Vereinbarung das Mainzer Priesterseminar nach der Überführung seiner Lehranstalt an die Universität eingereiht werden. Wenn dies geschieht, dann besteht es weiter „in dem Rang und nach der Art, wie dies in anderen deutschen Bistümern üblich ist“. Zum Vergleich bietet sich die Regelung in der Erzdiözese Freiburg an, in deren Metropolitanverband das Bistum Mainz steht und dessen Vereinbarung mit dem Staat – das Badische Konkordat – für die Mainzer Vereinbarung in vieler Hinsicht vorbildlich geworden ist. Dort besteht neben dem Konvikt in Freiburg das Priesterseminar in St. Peter im Schwarzwald. Für die wissenschaftliche Vorbildung der Geistlichen ist nach Art. IX S. 1 BadK die Theologische Fakultät an der Universität in Freiburg bestimmt. „Für die Ausbildung der Kandidaten zum Priestertum“ ist nach S. 3 des gleichen Artikels der Erzbischof berechtigt, Konvikte und ein Priesterseminar zu unterhalten und in seinem Namen zu leiten. Wenn die wissenschaftliche Ausbildung ohne Einschränkung der Theologischen Fakultät obliegt,

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kann dem Priesterseminar ein Anteil daran nicht zukommen62. Durch die in dem Priesterseminar erfolgende aszetische und praktische Ausbildung darf also in die der Theologischen Fakultät übertragene und vorbehaltene wissenschaftliche Ausbildung nicht eingegriffen werden. Die in einem Schreiben des Mainzer Bischofs an den Kultusminister des Landes Rheinland-Pfalz vom 8. Januar 1951 vorgetragene Auffassung, für das 11. und 12. Semester des Theologiestudiums würden deshalb „theologische Übungen und Vorlesungen“ in dem Priesterseminar gehalten, weil der Studienplan der Theologischen Fakultät nur zehn statt der von c. 1365 CIC verlangten zwölf Semester vorsehe, ist dahingehend zu erklären, daß nach dem von dem Bischof gutgeheißenen und von der SC Stud. approbierten Studienplan die Ausbildung in der wissenschaftlichen Theologie nach einem zehnsemestrigen Studium abgeschlossen ist und mit einer Prüfung beendet wird. Das folgende Jahr ist entsprchend „dem an den deutschen Hochschulen üblichen theologischen Bildungsgang“ (Art. 7 der Vereinbarung) der praktischen Ausbildung und Einübung des Gelernten vorbehalten. Inwiefern dafür eine „Berufung von Professoren“ und „Erteilung von Lehraufträgen63 in Frage kommen kann, soll hier dahingestellt bleiben64. b) Keine Theologische Hochschule Trägt das Priesterseminar nicht den Charakter einer Philosophisch-Theologischen Lehranstalt im Sinne des Reichskonkordats, so kann es noch weniger als wissenschaftliche Theologische Hochschule bezeichnet werden. 62 Vgl. Thieme 120: „Dieses Recht (sc. Konvikte und ein Priesterseminar zu unterhalten) ist jedoch ausdrücklich auf die Ausbildung der Kandidaten beschränkt. Die eigentliche wissenschaftliche Ausbildung ist dagegen anderen Anstalten, insbesondere der Freiburger Katholisch-Theologischen Fakultät vorbehalten.“ 63 Wenn es auch heute der Kirche nicht verwehrt ist, „Professoren im Kirchendienst“ zu ernennen, so ist es doch unzulässig, den Professortitel an Inhaber von Ämtern zu verleihen, die in ihrer Aufgabe und Leistung und damit in ihrer Bedeutung nicht mit dem staatlichen Professor vergleichbar sind. Denn auch heute noch wird – wenigstens grundsätzlich – vom Staat bestimmt, was ein Professor ist (Thieme 257). 64 In dem genannten Schreiben vom 8. Januar 1951, das der Bischof von Mainz „zwecks authentischer Interpretation des Artikels 8“ der Vereinbarung vom 15./17. April 1946 an den Kultusminister richtete, wird dieses Recht „für die Lehrtätigkeit in diesen beiden Semestern im Priesterseminar … gemäß Artikel 20 des Reichskonkordats“ für den Bischof in Anspruch genommen. Die Erwiderung der Hauptabteilung Kultus des Ministeriums für Justiz und Kultus vom 10. März 1951 ging auf den in der „Feststellung“ des Bischofs von Mainz gebrauchten Ausdruck der authentischen Interpretation nicht ein, sondern erklärte nur: „Wir treten der in Ihrer ,Feststellung‘ enthaltenen Darstellung der Rechtslage hinsichtlich des Mainzer Priesterseminars im Hinblick auf Art. 42 der Verfassung des Landes Rheinland-Pfalz bei.“ Dies kann nur die Bestätigung des in Art. 42 der Landesverfassung anerkannten Rechts der Kirchen und Religionsgemeinschaften, Seminarien und Konvikte zur Ausbildung ihrer Geistlichen und Religionsdiener unter ausschließlicher Leitung der Kirche errichten und unterhalten zu dürfen, bedeuten. Weitergehende Rechte werden nicht zugestanden.

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aa) Merkmale einer wissenschaftlichen Hochschule Eine wissenschaftliche Hochschule hat bestimmte Merkmale, die sie von anderen Ausbildungseinrichtungen unterscheidet. Das grundlegende und entscheidende Kennzeichen einer wissenschaftlichen Hochschule ist nach deutschem Verständnis die Einheit von Forschung und Lehre65. Dabei stehen diese beiden Aufgaben nicht selbständig nebeneinander, sondern die akademische Lehre nährt sich von der Forschung, und die Forschung drängt auf Kundmachung in der Lehre66. Die Lehraufgabe der wissenschaftlichen Hochschule ist rein wissenschaftlich, nicht praktisch orientiert67. Zu diesem inneren Merkmal der wissenschaftlichen Hochschule treten regelmäßig bestimmte äußere Kennzeichen68. Wenn auch das verfassungsrechtliche Leitbild wissenschaftlicher Hochschulen seit der Anerkennung der kirchlichen Hochschulfähigkeit nicht mehr ohne weiteres für die kirchlichen Hochschulen verbindlich ist69, so muß doch um des Schutzes der öffentlichen Autorität der deutschen Hochschulen willen70 die institutionelle Verbindung von Forschung und Lehre auch für die kirchlichen Ausbildungseinrichtungen, die den Namen einer Hochschule beanspruchen, als unerläßlich gefordert werden. Die Merkmale einer wissenschaftlichen Hochschule, die diese von anderen hochschulmäßig arbeitenden Unterrichtsveranstaltungen ohne die privilegierten Formen und die inhaltlichen Forderungen und Vorrechte der staatlichen und staatlich anerkannten wissenschaftlichen Hochschulen unterscheiden71, sind bei dem Mainzer Priesterseminar nicht gegeben. Vor allem fehlt ihm gemäß Art. 8 der Vereinbarung die unerläßliche institutionelle Verknüpfung von Forschung und Lehre. 65

Vgl. z. B. H. J. Wolff, Die Rechtsgestalt der Universität: Arbeitsgemeinschaft für Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen Heft 52 (Köln und Opladen 1956) 7. 66 Vgl. A. Köttgen, Deutsches Universitätsrecht (Tübingen 1933) 98; derselbe, Das Grundrecht der deutschen Universität. Gedanken über die institutionelle Garantie wissenschaftlicher Hochschulen: Göttinger Rechtswissenschaftliche Studien Band 26 (Göttingen 1959) 29. 67 Köttgen, Deutsches Universitätsrecht 101. 68 Die Westdeutsche Rektorenkonferenz hat auf ihrer 11. Tagung am 12./13. Februar 1959 von dem Votum ihrer Kommission für Hochschulrecht über Begriff und Anerkennung wissenschaftlicher Hochschulen zustimmend Kenntnis genommen (Mitteilungen des Hochschulverbandes VII [1959] 77 – 82). Danach ist der Begriff der wissenschaftlichen Hochschule verfassungsrechtlich sanktioniert. Gesetzgebung und Verwaltung können über den Begriff nicht nach ihrem Ermessen verfügen. Zum äußeren Bild einer wissenschaftlichen Hochschule gehören vor allem ein eigentümliches Statusrecht der Dozenten und Studenten, korporative Selbständigkeit, akademische Selbstverwaltung und Rektoratsverfassung, Promotions- und Habilitationsrecht sowie ein Vorschlagsrecht bei Ergänzung des Lehrkörpers. Der wissenschaftliche Charakter einer Hochschule ist davon abhängig, daß sie ohne Vorbehalt in den Dienst der Wissenschaft, d. h. der Forschung und Lehre gestellt ist. 69 Köttgen, Grundrecht 3 A. 1, 77. 70 Vgl. W. Weber, Der Professortitel als außerakademische Auszeichnung: Deutsches Verwaltungsblatt 67 (1952) 592. 71 Vgl. Wende 9.

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Das Priesterseminar will nicht der Wissenschaft, sondern der Praxis dienen. Es beschränkt sich auf die praktische Ausbildung der an der Universität wissenschaftlich vorgebildeten Kandidaten. Die Bezeichnung des Priesterseminars als „Theologische Hochschule für die wissenschaftliche Ausbildung im 11. und 12. Semester“ in Art. 36 Abs. 1 der Mainzer Diözesanstatuten ist daher unzutreffend72. Obwohl das Priesterseminar keine Philosophisch-Theologische Lehranstalt und keine wissenschaftliche Hochschule ist, so steht doch nichts im Wege, es als eine Lehranstalt in einem allgemeinen Sinne zu bezeichnen. Es ist den berufsbildenden Fachschulen an die Seite zu setzen. bb) Verzicht des Bischofs von Mainz auf eine eigene Hochschule Der Bischof von Mainz hat in Art. 1 der Vereinbarung auf die Ausübung des ihm zustehenden und durch Art. 5 des hessischen Gesetzes vom 5. Juli 1887, Art. 20 Abs. 1 RK und – seit 18. 5. 1947 – Art. 42 der Landesverfassung anerkannten Rechts auf Errichtung und Unterhaltung einer eigenen Lehranstalt bzw. Hochschule zur wissenschaftlichen Ausbildung seines Diözesanklerus mit Rücksicht auf den Bestand der Katholisch-Theologischen Fakultät an der Landesuniversität verzichtet. Wenn dort gesagt ist, daß die Theologische Fakultät „an Stelle“ der Lehranstalt in dem Priesterseminar wiedereröffnet wird, dann ergibt sich daraus, daß neben der Fakultät für eine eigene kirchliche Lehranstalt kein Platz mehr ist. Die gleiche Rechtslage läßt Art. 9 der Vereinbarung erkennen. Wenn der alte Rechtzustand, der dem Bischof von Mainz die Unterhaltung einer eigenen kirchlichen Lehranstalt zur wissenschaftlichen Ausbildung des Diözesanklerus gestattete, erst und nur dann „wieder in Kraft“ treten soll, wenn die Universität oder die Katholisch-Theologische Fakultät „geschlossen werden“ sollte, dann ist klar, daß dieser „alte Rechtszustand“ zur Zeit – d. h. solange die Theologische Fakultät und die Universität in der Lage sind, die ihnen zugedachte Aufgabe zu erfüllen – einem neuen Rechtszustand gewichen ist, der darin besteht, daß der Bischof von Mainz daran gehindert ist, für die wissenschaftliche Ausbildung seiner Theologiestudierenden eine kircheneigene Lehranstalt zu unterhalten. Das grundsätzlich bestehende und staatlich 72 Dieser Ansicht scheint auch die Staatsregierung zu sein. In dem erwähnten Schreiben vom 10. März 1951 wird der Wunsch des Bischofs, die beiden in dem Priesterseminar verbrachten Semester von staatlicher Seite als „Hochschulsemester“ anzuerkennen, wie folgt beantwortet: „Einer besonderen staatlichen Anerkennung des 11. und 12. theologischen Semesters bedarf es jedoch mit Rücksicht auf Art. 14 Abs. 2, 1 c des Reichskonkordats und Art. 42 a.a.O. nicht.“ In Art. 14 Abs. 2, 1 c RK wird gefordert, daß katholische Geistliche, die in Deutschland ein geistliches Amt bekleiden oder eine seelsorgerliche oder Lehrtätigkeit ausüben wollen, auf einer deutschen staatlichen Hochschule, einer deutschen kirchlichen akademischen Lehranstalt oder einer päpstlichen Hochschule in Rom ein wenigstens dreijähriges philosophisch-theologisches Studium abgelegt haben. Der Verweis auf diese Bestimmung wird in dem Zusammenhang dahin verstanden werden müssen, daß dem Konkordatserfordernis durch das zehnsemestrige Studium an der Universität Mainz bereits Genüge geleistet ist. Der weitere Verweis auf Art. 42 der Landesverfassung bezeichnet noch einmal die von der Verfassung anerkannte Autonomie der Kirche bei der Ausbildung des Klerus.

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anerkannte Recht zur Errichtung und Unterhaltung einer kirchlichen PhilosophischTheologischen Lehranstalt kann im Bistum Mainz solange nicht ausgeübt werden, als der durch Vertrag festgelegte und daher nicht beliebig zurücknehmbare Verzicht des Bischofs von Mainz auf eine solche Lehranstalt anhält. Für Mainz liegt jetzt eine der Vereinbarungen vor, die nach Art. 20 Abs. 1 RK das kirchliche Recht zur Errichtung philosophisch-theologischer Lehranstalten einschränken können73. Daß diese Auffassung die einzig haltbare ist, ergibt sich auch aus der Überlegung, welches Interesse der Staat denn daran haben sollte, eine Theologische Fakultät zu errichten, die keine regelmäßigen Hörer hat oder der die Hörer jederzeit wieder – durch Errichtung einer kirchlichen Lehranstalt – entzogen werden können. Die Absicht, die den Staat bei der Errichtung der Katholisch-Theologischen Fakultät bewegte, war doch, wenn man von der öffentlichen Notwendigkeit der Wissenschaftspflege absieht, den Studierenden der katholischen Theologie, zuerst und vor allem des Bistums Mainz, die Gelegenheit zu bieten, im Rahmen einer alle Wissensgebiete umfassenden Einrichtung, wie es eine Universität ist, die erforderlichen wissenschaftlichen Kenntnisse zu erwerben. Nur wenn der Bischof von Mainz sich dazu verstand, auf eine konkurrierende Einrichtung zu verzichten, konnte der Staat bereit sein, die notwendigen Mittel zur Verfügung zu stellen. Hier ist es am Platz, an die klugen Bemerkungen über das aequilibrium staatlicher und kirchlicher Rechte und Pflichten in den Konkordaten und damit auch in der dazu in Analogie stehenden Mainzer Vereinbarung zu erinnern74. Auf Mainzer Verhältnisse angewandt: Es stehen sich die Garantie der Theologischen Fakultät zu Mainz und die Einräumung begrenzter kirchlicher Mitwirkungsrechte an ihr auf der einen Seite und die Ausbildung der Mainzer Theologiestudierenden an dieser Fakultät und der Verzicht auf konkurrierende kirchliche Hochschuleinrichtungen auf der anderen Seite gegenüber. „Nimmt man aus diesem zusammenhängenden Gefüge das weg, was die Kirche konzedierte, dann entzieht man auch den korrespondierenden staatlichen Gewährungen den Boden.“

73 Wenn es bei A. Süsterhenn/H. Schäfer, Kommentar der Verfassung für Rheinland-Pfalz mit Berücksichtigung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (Koblenz 1950) 201 zu Art. 42 der Landesverfassung heißt, die Ausbildung der Geistlichen und Religionsdiener werde über die in Art. 39 Abs. 1 S. 3 geschützte theologische Fakultät hinaus auch an kirchlichen Instituten zugelassen und es werde den Kirchen und Religionsgemeinschaften auch die Errichtung und Unterhaltung eigener Ausbildungsinstitute gestattet, so kann dies jedenfalls nicht für die wissenschaftliche Ausbildung des Mainzer Diözesanklerus Geltung beanspruchen. Es mag nur beiläufig erwähnt werden, daß eine Verfassungsbestimmung, die eine völlige Freigabe der Hochschulfähigkeit auch an Orden, Kongregationen und religiöse Genossenschaften vorsieht (nach der Erklärung von Süsterhenn/Schäfer 201), starken verfassungs- und hochschulrechtlichen Bedenken begegnet. 74 Weber, Der gegenwärtige Status 322 f.

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VII. Würdigung Zusammenfassend kann festgestellt werden, daß die Errichtung der KatholischTheologischen Fakultät der Johannes Gutenberg-Universität zu Mainz eine mutige Tat der sich ihrer wissenschaftlichen Aufgabe bewußten Kirche und des von der Unentbehrlichkeit der theologischen Wissenschaft überzeugten Staates war. Die Entschlußkraft des Mainzer Bischofs Stohr, die überragende geistige Freiheit und Weisheit des Papstes Pius XII. und das Bewußtsein der Verantwortung für das Erbe der Vergangenheit und die Aufgaben der Gegenwart, das die staatlichen Behörden auszeichnete, haben zusammengewirkt, daß in Mainz eine Universität mit den klassischen Fakultäten entstand. Dem Doppelcharakter einer Katholisch-Theologischen Fakultät an einer staatlichen deutschen Universität ist in sachentsprechender Weise Rechnung getragen. Die Beziehungen zwischen Universität, KatholischTheologischer Fakultät und Staatsministerium für Unterricht und Kultus auf der einen Seite, dem Bischof von Mainz und der Studienkongregation auf der anderen Seite sind dank des Entgegenkommens beider Vertragspartner zufriedenstellend geregelt. Im wesentlichen entspricht das Verhältnis der Katholisch-Theologischen Fakultät zu der kirchlichen Autorität dem durch die deutschen Konkordate, besonders das Badische Konkordat, festgelegten System, das sich wegen seiner gerechten und der Tradition folgenden Bestimmungen als eine glückliche Abgrenzung des staatlichen und kirchlichen Einflußbereichs bewährt hat. Die dem Bischof von Mainz eingeräumten Mitwirkungsrechte bei der Besetzung der Lehrstühle und der Bestellung der Dozenten sind zwar im Vergleich mit den übrigen deutschen staatlichen Theologiefakultäten erweitert. Aber die Erweiterung greift nicht in wesentliche Strukturen des deutschen Hochschulrechts ein und gefährdet nicht die Stellung der Mainzer Katholisch-Theologischen Fakultät im Rahmen der Universitätskorporation. Abschließend kann die durch die Vereinbarung vom 15./17. April bzw. 5. Oktober 1946 begründete Rechtslage dieser Fakultät als gelungener Ausdruck der Koordination von Kirche und Staat und ihrer Zusammenarbeit auf dem wichtigen Felde der Wissenschaftsförderung und der Priesterbildung bezeichnet werden.

Der Vertrag des Landes Rheinland-Pfalz mit den evangelischen Landeskirchen vom 31. März 1962 I. Entstehung Am 31. März 1962 hat das Land Rheinland-Pfalz einen Staatsvertrag mit den auf seinem Gebiet wirkenden evangelischen Landeskirchen der Pfalz, von Hessen und Nassau und des Rheinlandes abgeschlossen. Sein Abschluß ist keine isolierte Erscheinung, sondern steht in einer Reihe mit Verträgen anderer Länder der Bundesrepublik mit evangelischen Landeskirchen und fügt sich reibungslos in das gegenwärtige Verhältnis von Staat und Kirche in der Bundesrepublik Deutschland und dem Lande Rheinland-Pfalz. 1. Die kirchenpolitische Lage in der Bundesrepublik Deutschland a) Im allgemeinen (1) Verfassungslage Die kirchenpolitische Lage in der Bundesrepublik Deutschland ist vor allem durch die Aufgabe der staatlichen Kirchenhoheit und die Anerkennung der Andersartigkeit und Eigenständigkeit der Kirchen durch den Staat gekennzeichnet. Die Wurzeln dieses Verhältnisses der Koordination liegen in der Weimarer Reichsverfassung vom 11. August 1919 (RGBl. S. 1383), seine Ausgestaltung zu freundschaftlicher Zusammenarbeit ist die Folge des kirchlichen Widerstandes und der kirchlichen Selbstbehauptung in der Zeit des Mißbrauchs der Staatsgewalt sowie der Übernahme öffentlicher Verantwortung durch die Kirchen während der Lähmung des Staatswesens. Die Emanzipation der Kirchen und ihr Eintritt in die Verantwortung für das soziale Ganze kann und will der Staat nicht mehr rückgängig machen. Obwohl das Bonner Grundgesetz vom 23. Mai 1949 (RGBl. S. 1) wichtige kirchenpolitische Artikel der Weimarer Reichsverfassung übernommen hat, ist die Verfassungslage doch eine ganz andere geworden. Die gleichen Worte bezeichnen einen gewandelten Sachverhalt. Weil sich das Recht, besonders das Verfassungsrecht, nicht von seinen geschichtlichen Geltungsbedingungen ablösen läßt, muß sich, wenn sich das Lebensverhältnis von Staat und Kirche wandelt, auch ihr

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Rechtsverhältnis wandeln; bei gleichbleibendem Wortlaut eines Rechtssatzes erfolgt ein Wandel des Inhalts1. Die Stellung der Kirchen zum Staat in der Gegenwart ist durch drei Entwicklungslinien gekennzeichnet: die Emanzipation der Kirchen vom Staat, die gleichzeitige Behauptung ihres öffentlichen Status und die erfolgreiche Geltendmachung ihres Anspruches auf öffentliches Wirken2. Freiheit und Selbstverwaltungsrecht der Kirchen sind zu Selbstverständlichkeiten geworden. Der Status der Kirchen ist nicht mehr bloß der staatlich anerkannter Autonomie, sondern ursprünglicher Eigenständigkeit und Andersartigkeit. Dabei hat diese Entwicklung nicht zu einer Entfernung und Entfremdung von Staat und Kirchen geführt. Der Öffentlichkeitsanspruch der Kirchen, der aus ihrem Öffentlichkeitsauftrag erwächst, wird vom Staat anerkannt. Eine neue Zuordnung der Kirche zu Staat und öffentlichem Leben hat sich vollzogen3. Der Staat beteiligt die Kirchen an der Mitverantwortung für das öffentliche Wohl. Die Kirchen erfüllen wichtige öffentliche Aufgaben4. (2) Vertragskirchenrecht Der Wandel des Verhältnisses von Staat und Kirche gegenüber der Zeit der Weimarer Republik zeigt sich eindrucksvoll darin, daß damals der Staat trotz der erkannten und praktizierten Vertragsfähigkeit der Kirchen jedenfalls die sogenannten äußeren Kirchenangelegenheiten immer noch einseitig durch Staatsgesetz 1 K. Hesse, Der Rechtsschutz durch staatliche Gerichte im kirchlichen Bereich. Zugleich ein Beitrag zur Frage des rechtlichen Verhältnisses von Staat und Kirche in der Gegenwart (Göttingen 1956), 29 – 32; derselbe, „Partnerschaft“ zwischen Kirche und Staat. Zur heutigen staatskirchenrechtlichen Lage in der Bundesrepublik: Monatsschrift für Pastoraltheologie 49 (1960), 388; vgl. auch E. R. Huber, Bedeutungswandel der Grundrechte: Archiv des öffentlichen Rechts N. F. 23 (1933), 1 – 3, 26 – 29; H. Ridder, Staatliche Wiederaufbaupflichten gegenüber den Domkapiteln und bischöflichen Stühlen in ehemals preußischem Gebiet: Archiv des öffentlichen Rechts 80 (1955/56), 141; R. Smend, Staat und Kirche nach dem Bonner Grundgesetz: ZevKR 1 (1951), 4; J. Heckel, Kirchengut und Staatsgewalt. Ein Beitrag zur Geschichte und Ordnung des heutigen gesamtdeutschen Staatskirchenrechts: Rechtsprobleme in Staat und Kirche. Festschrift für Rudolf Smend (Göttingen 1952), 109. 2 Hesse, Rechtsschutz 36; derselbe, Partnerschaft 386. 3 Vgl. R. Smend, Der Niedersächsische Kirchenvertrag und das heutige deutsche Staatskirchenrecht: Juristenzeitung 11 (1956), 51. Es ist freilich eine merkwürdige Ironie der Geschichte, daß der Protestantismus heute begeistert feiert, was er vor sechzig Jahren als ultramontane Zielsetzung in schärfster Weise verurteilte, nämlich die Stellung der Kirche als dem Staat koordinierte Größe, die Ausstattung der Kirche mit der Macht einer öffentlichen Korporation und zugleich mit der Freiheit eines Privatvereins. Vgl. etwa W. Kahl, Die Bedeutung des Toleranzantrages (Halle/S. 1902) und Everling, Parität als Schlagwort und als Prinzip, Vortrag gehalten auf der XIX. Generalversammlung des Evangelischen Bundes in Graudenz am 10. Oktober 1906 (Leipzig 1906). 4 Vgl. Hesse, Partnerschaft 387 f.

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zu ordnen unternahm, während ihm heute diese Möglichkeit nicht mehr zur Verfügung steht; er muß den Weg des Vertrages beschreiten. Von dieser Notwendigkeit des Paktierens her ist es gerechtfertigt, die gegenwärtige Epoche des Verhältnisses von Staat und Kirche als die „Epoche des Vertragskirchenrechts“5 zu bezeichnen. Die wesentlichen Wirkungen des Vertragskirchenrechts sind darin gelegen, daß sich Kirche und Staat durch Verträge gegenseitig stärker binden, als sie es durch gesetzgeberische Akte könnten, daß der egalitäre und nivellierende Zug, den das Staatskirchenrecht der Weimarer Zeit angenommen hatte, eliminiert wird und daß zwischen der als eigenständig anerkannten Kirche und dem Staat eine neue Nähe fruchtbarer Zusammenarbeit ermöglicht wird6. Zwar wurden auch unter der Geltung der Weimarer Reichsverfassung Verträge zwischen Staat und Kirche geschlossen. Es sei erinnert an die Verträge mit Braunschweig7, Bayern8, Preußen9 und Baden10. Die epochemachende Bedeutung der bayerischen Protestantenverträge soll nicht übersehen werden; an ihnen hauptsächlich entzündete sich die wissenschaftliche Diskussion, die zu der heute erreichten Klärung des Wesens dieser Verträge führte11. Jedoch ist das Vertragskirchenrecht der Gegenwart, jedenfalls was die Verträge mit den evangelischen Kirchen angeht, über jenes der Weimarer Zeit nach Form und Inhalt hinausgeschritten. Die mit den evangelischen Kirchen in der Gegenwart ge-

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S. Grundmann, Das Verhältnis von Staat und Kirche auf der Grundlage des Vertragskirchenrechts: ÖAfKR 13 (1962), 294. 6 Grundmann, Verhältnis 297 ff.; derselbe, Die Ordnung des Verhältnisses von Staat und Kirche auf der Grundlage des Vertragskirchenrechts: Deutsches Pfarrerblatt 60 (1960), 147 f. 7 Vertrag zwischen dem Freistaat Braunschweig und der braunschweigischen evangelischlutherischen Landeskirche vom 8. August 1923 (Allgemeines Kirchenblatt für das evangelische Deutschland 1923 S. 239). 8 Vertrag zwischen dem Bayerischen Staate und der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern rechts des Rheins vom 15. November 1924 (GVBl. 1925 S. 61) und mit der Vereinigten protestantisch-evangelisch-christlichen Kirche der Pfalz (Pfälzische Landeskirche) vom gleichen Tage (GVBl. 1925 S. 65). Siehe jetzt auch W. Weber, Die deutschen Konkordate und Kirchenverträge der Gegenwart. Textausgabe mit den amtlichen Begründungen sowie mit Ergänzungsbestimmungen, vergleichenden Übersichten, Schrifttumshinweisen und einem Sachverzeichnis (Göttingen 1962). 9 Vertrag des Freistaates Preußen mit den Evangelischen Landeskirchen vom 11. Mai 1931 (GS. S. 107). 10 Vertrag zwischen dem Freistaat Baden und der Vereinigten Evangelisch-protestantischen Landeskirche Badens vom 14. November 1932 (GVBl. 1933 S. 32). 11 Vgl. etwa F. Steiner, Die Verträge des Bayerischen Staates mit der Evangelisch-Lutherischen Kirche rechts des Rheins und der Pfälzischen Landeskirche: Juristische Dissertation (Würzburg 1928), 6 – 15; O. Friedrich, Der evangelische Kirchenvertrag mit dem Freistaat Baden mit einer Einführung und Erläuterungen (Lahr 1933), 60 ff.; R. Oeschey, Die Rechtsgrundlage der bayerischen Kirchenverträge: Bayerische Verwaltungsblätter 74 (1926), 241 – 256, 273 – 280, 289 – 298; H. Liermann, Das evangelische Konkordat: Archiv des öffentlichen Rechts N. F. 13 (1927), 381 – 431.

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schlossenen Kirchenverträge unterscheiden sich in bemerkenswerter Weise von den Kirchenverträgen der Weimarer Zeit. Erstens waren die Protestantenverträge der Weimarer Zeit Folgeerscheinungen der vorangegangenen entsprechenden Konkordate, so in Bayern, Preußen und Baden12. Die katholische Kirche hatte bei den Vertragsabschlüssen mit dem Staat die Initiative, wobei nicht vergessen werden darf, daß die breite Öffentlichkeit des deutschen Protestantismus den Abschluß der Konkordate, vor allem jenes mit Preußen, jahrelang heftig bekämpft hatte13 ; umgekehrt hat sich gegen den Abschluß der evangelischen Kirchenverträge keine katholische Stimme erhoben14. Die evangelischen Kirchenverträge standen nicht für sich allein, sondern sie dienten der Verwirklichung des Paritätsgrundsatzes15, der von den katholischen Parlamentariern und Regierenden sehr ernst genommen und von protestantischer Seite scharf urgiert wurde16. Entsprechend dieser Zielsetzung waren die evangelischen Kirchenverträge in Inhalt und Wortlaut weitgehend ihren Vorbildern, den Konkordaten mit der katholischen Kirche, angeglichen, was nicht selten den erbitterten Protest gewisser protestantischer Kreise herausforderte. Während die Kirchenleitungen bestrebt waren, nicht hinter den Rechten zurückzubleiben, die der Staat der katholischen Kirche zugestanden hatte, erhob sich in bestimmten Teilen des Kirchenvolkes Widerstand gegen angeblich „unevangelische“ Bestimmungen17. Die auch heute noch vorgebrachte Klage, diese Verträge seien für die evangelischen Kirchen ungünstiger ausgefallen als die Konkordate mit der katholischen Kirche18, ist deswegen fehl am 12 S. Grundmann, Kirche und Staat nach geltendem deutschem Staatskirchenrecht: Informationsblatt für die Gemeinden in den niederdeutschen lutherischen Landeskirchen 10 (1961), 103. 13 J. Kübel, Der Vertrag der evangelischen Landeskirchen mit dem Freistaat Preußen (Berlin-Steglitz 1931), 21 f.; Preußisches Pfarrarchiv 16 (1928), 19; 18 (1930), 18 f., 114 f. 14 Vgl. etwa die sachlichen Ausführungen von C. Booß, Katholische Konkordate und evangelische Kirchenverträge unter besonderer Berücksichtigung des evangelischen Memelabkommens von 1925: AfkKR 107 (1927), 33 – 44. 15 Kübel, Vertrag 25; Grundmann, Verhältnis 295; U. Scheuner, Die staatskirchenrechtliche Tragweite des niedersächsischen Kirchenvertrages von Kloster Loccum: ZevKR 6 (1957/58), 12; W. Thieme, Der Vertrag von Kloster Loccum. Zur Neuordnung des Verhältnisses von Staat und Evangelischen Landeskirchen in Niedersachsen: Deutsches Verwaltungsblatt 70 (1955), 273. 16 Steiner, Verträge 4 f., ist der Meinung, daß das Bayerische Konkordat allein ohne die Protestantenverträge kaum Aussicht auf Annahme im Landtag gehabt hätte. Er weist aber energisch die Ansicht zurück, als ob die bayerische Regierung die Protestantenverträge nur geschlossen habe, um mit ihrer Hilfe das Konkordat im Landtag durchzubringen. Abgesehen von der Anregung der evangelischen Kirchen, die Staatsregierung möchte gleichzeitig mit dem Konkordat auch die Rechtsverhältnisse zwischen Staat und evangelischer Kirche vertraglich regeln, war die bayerische Staatsregierung in Würdigung des Paritätsgrundsatzes von der Notwendigkeit eines Vertragsschlusses mit den evangelischen Kirchen überzeugt. 17 Steiner, Verträge 27 – 31, verweist auf die Hochschul- und die Schulbestimmungen. 18 Grundmann, Verhältnis 295; derselbe, Kirche und Staat 103.

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Platze, weil die verschiedene dogmatische Grundlage des Protestantismus die einfache Übernahme von Einrichtungen und Befugnissen, die dem katholischen Glauben und Kirchenverständnis wesensgemäß sind, nicht zuläßt19. Zweitens konnte man sich auf seiten des Staates und der Wissenschaft zur Weimarer Zeit nicht allgemein dazu verstehen, den evangelischen Kirchenverträgen den gleichen rechtlichen Rang zuzuerkennen wie den Konkordaten mit der katholischen Kirche. Man sah in ihnen teilweise nicht Staatsverträge, sondern Verwaltungsabkommen, die nach den Grundsätzen von Treu und Glauben zu halten seien20. Dabei mochte die Erinnerung an die eben erst vollzogene Überwindung des staatlichen Kirchenregiments nachwirken. Im Gegensatz zu den in der Weimarer Zeit abgeschlossenen Kirchenverträgen sind die evangelischen Kirchenverträge der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg „ohne 19 E. Ruppel, Der Vertrag zwischen Staat und Kirche in Niedersachsen: Informationsblatt für die Gemeinden in den niederdeutschen lutherischen Landeskirchen 4 (1955), 111, weist darauf hin, daß die evangelische Kirche hinsichtlich der sogenannten politischen Klausel seit 1929 auf dem Standpunkt gestanden habe, daß die schematische Übertragung von Gesichtspunkten aus dem Konkordat auf die anders gelagerten Verhältnisse in der evangelischen Kirche eben keine Parität sei. Zu den Schulbestimmungen des Reichskonkordats bemerkt K. Müller, Der Loccumer evangelische Kirchenvertrag als Spiegel der staatskirchenrechtlichen Lage in der Bundesrepublik: Die öffentliche Verwaltung 8 (1955), 425, in ihnen habe die katholische Kirche Zugeständnisse erlangt, die nicht mehr Gegenstand eines Paritäts- oder Kompensationsinteresses der evangelischen Kirche sein konnten. 20 Liermann, Konkordat 393 ff., sah den gemeinsamen Rechtsboden dieser Verträge in dem staatlichen Recht. Aber auch er hob schon hervor, daß die Verträge den Staat in allen seinen Funktionen einschließlich der Gesetzgebung binden. P. Schoen, Die Rechtsgrundlagen der Verträge zwischen Staat und Kirche und der Verträge der Kirchen untereinander: Archiv des öffentlichen Rechts 21 (1932), 349 ff., erblickte in den Verträgen zwischen den deutschen Ländern und ihren evangelischen Landeskirchen Koordinationsrechtsordnungen, deren Rechtsboden die Kontrahenten sich selbst geschaffen haben. J. Heckel, Der Vertrag des Freistaates Preußen mit den evangelischen Landeskirchen vom 11. Mai 1931. Zu seiner Ratifikation am 29. Juni 1931: Theologische Blätter 11 (1932), 197, kennzeichnete die vertraglich begründete Rechtsordnung als eine für Staat und Kirche als koordinierte Partner verbindliche Ordnung eigenen Gepräges. Oeschey, Rechtsgrundlagen 273 ff., grenzte die evangelischen Kirchenverträge scharf von den verwaltungsrechtlichen Verträgen ab. Sie sind Verwaltungsverträge oder Staatsverwaltungsverträge; sie weisen Inhalt, Wirkung und Behandlung auf, als handle es sich in den evangelischen Kirchentümern um Herrschaftsträger ursprünglicher Art. Steiner, Verträge 9 ff., hob hervor, daß die evangelischen Kirchen keine souveränen Herrschaftsträger und darum die mit ihnen geschlossenen Verträge grundsätzlich anders zu beurteilen sind als die Konkordate mit der katholischen Kirche. Nach seiner Meinung können sich die Landeskirchen nur in ihrer Eigenschaft als Körperschaften des öffentlichen Rechts rechtsgeschäftlich dem Staat gegenüber betätigen. Verträge zwischen beiden Partnern gehören dem staatlichen öffentlichen Recht an, näherhin dem innerstaatlichen Verwaltungsrecht. Der Ausdruck Staatsverwaltungsverträge für die bayerischen Protestantenverträge habe nicht den Sinn von Staatsverträgen, sondern von verwaltungsrechtlichen Verträgen des bayerischen staatlichen Rechts. Der Staat könne infolgedessen die Protestantenverträge durch Gesetz aufheben oder abändern. J. Duske, Zum evangelischen Kirchenvertrage mit dem preußischen Staate: Preußisches Pfarrarchiv 20 (1932), 4, kennzeichnete die Kirchenverträge als Verträge eigener Art, auf die aber völkerrechtliche Grundsätze entsprechend anzuwenden sind.

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Anlehnung an das Konkordatsrecht und mit alleiniger Blickwendung auf die Verhältnisse der evangelischen Landeskirchen ausgestaltet“ worden21. Einmal gingen ihnen keine Konkordate mit der katholischen Kirche voran und es folgten ihnen auch keine nach. Ja, man wird weitergehen und sagen müssen, daß entweder auf der staatlichen Seite gar keine Bereitschaft vorhanden war, die katholische Kirche hier paritätisch zu behandeln, weil die den Staat regierenden Parteipolitiker aus politischen Gründen das Bündnis mit dem Protestantismus suchten und dieses gegen die katholische Kirche ausspielen wollten, oder daß der staatliche Partner nur zum Abschluß einer Vereinbarung bereit gewesen wäre, welche die bestehende Rechtslage der katholischen Kirche verschlechtert hätte. Insofern kann man sagen, die katholische Kirche sei an einem Vertragsabschluß „desinteressiert“ gewesen22. Es ist jedoch eine unbestreitbare Tatsache, daß die evangelische Seite mit ihren seit Kriegsende abgeschlossenen Kirchenverträgen aktiver und bestimmender an der Neuformulierung staatskirchenrechtlicher Grundverhältnisse mitgewirkt hat als die katholische Kirche23. Sodann sind die evangelischen Kirchenverträge der neuesten Zeit in Stoffauswahl und Wortlaut nicht von einem Konkordat abhängig; sie zeigen vielmehr inhaltlich und textlich durchaus eigenständige protestantische Note, wobei freilich die evangelische Natur „fast eher aus den Auslassungen als aus den Setzungen der Vereinbarung deutlich“ wird24. Schließlich sind die evangelischen Kirchenverträge heute allgemein als Staatsverträge anerkannt und genießen insofern den gleichen rechtlichen Rang wie die Konkordate25 ; sie sind von diesen darin unterschieden, daß sie keinen völkerrechtlichen oder quasivölkerrechtlichen Charakter haben und beanspruchen. Es ist dabei unerheblich, wie man den Wandel der Auffassung erklären mag, ob man ihn als das Ergebnis genauerer wissenschaftlicher Untersuchung ansieht oder ob man ihn in dem veränderten Selbstverständnis der evangelischen Landeskirchen begründet 21

Scheuner, Tragweite 1 f.; Grundmann, Verhältnis 295 f. Müller, Kirchenvertrag 421. 23 U. Scheuner, Kirche und Staat in der neueren deutschen Entwicklung: ZevKR 7 (1959/ 60), 272. 24 Scheuner, Tragweite 35. So fehlt z. B. jede Berührung der Ehefrage. Die Ehe gehört nach protestantischer Auffassung in ihren entscheidenden Zügen vor das Forum der staatlichen Gesetzgebung. „Ihr Fehlen in einem evangelischen Kirchenvertrage ist daher ein durchaus typischer Vorgang.“ – In der Schulfrage legt sich der Protestantismus nicht auf eine bestimmte Art der Schule als ideale Schulform fest. Vgl. G. Niemeier in RGG V, 3. Auflage (1961), 1562 f. 25 Scheuner, Tragweite 11 f., 19 f., erklärt, die evangelischen Kirchen schlössen ihre Verträge mit dem Staat in förmlicher Gestalt als staatsrechtliche Vereinbarungen, denen die Verfassung in Respektierung der kirchlichen Selbständigkeit bindende Wirkung gebe. Die vertragliche Einigung zwischen Kirche und Staat habe ihren Platz nicht im staatlichen Recht allein, sondern in der weiteren, auch das kirchliche Recht umspannenden Sphäre des öffentlichen Rechts. Vgl. denselben in StL III, 6. Auflage (1959), 171 – 177; W. Weber in RGG III, 3. Auflage (1959), 1592 – 1595; K. Mörsdorf in LThK VI, 2. Auflage (1961), 283. 22

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findet oder ob man der Meinung ist, hier werde einfach die Ernte des Kirchenkampfes eingebracht.

b) Die einzelnen evangelischen Kirchenverträge Für die verfassungsrechtliche Lage auf dem Gebiete der Kulturhoheit ist die Tatsache bezeichnend, daß – von Ausnahmen abgesehen26 – fast alle evangelischen Kirchenverträge der Nachkriegszeit mit den deutschen Ländern, nicht mit dem Gesamtstaat abgeschlossen worden sind. Im kulturpolitischen Bereich liegt nun einmal nach dem Bonner Grundgesetz das Schwergewicht entschieden bei den Ländern27. Landespolitik und Landesinteressen spielen bei dem Abschluß der evangelischen Kirchenverträge eine gewichtige Rolle. Dabei genießt der Protestantismus den Vorteil, daß evangelische Kirchenverträge regelmäßig eine breiteste parlamentarische Mehrheit finden und ihre Förderer in allen politischen Richtungen haben, was bei den Konkordaten mit der katholischen Kirche gewöhnlich nicht der Fall ist. Die Bedeutung der neueren evangelischen Kirchenverträge besteht darin, daß sie nicht nur, wie die Kirchenverträge der Weimarer Zeit, Vereinbarungen über eine Reihe von Einzelpunkten enthalten, sondern daß sie eine Gesamtkonzeption des Verhältnisses von Staat und Kirche zum Gegenstand haben28. Diese etwa mit dem Stichwort „Partnerschaft“ umrissene Gesamtkonzeption prägt alle Einzelbestimmungen; sie bringt nicht nur neue Formulierungen, sondern neue Formen der Begegnung zwischen Staat und Kirche hervor. (1) Der niedersächsische Kirchenvertrag (= NKV) Die Reihe der nach dem zweiten Weltkrieg abgeschlossenen evangelischen Kirchenverträge in der Bundesrepublik wurde durch den niedersächsischen Kirchenvertrag von Kloster Loccum eröffnet; er ist nicht nur zeitlich der erste, sondern in jeder Hinsicht vorbildlich für die folgenden Kirchenverträge geworden. Den Anlaß zu dem Vertragsabschluß bildeten staatliche und kirchliche Wünsche, die sich in mehrfacher Hinsicht begegneten. Im Vordergrund stand dabei die ungleiche finanzielle Ausstattung der evangelischen Kirchen in Niedersachsen durch das Land. Aus der Fühlungnahme über eine Neuverteilung der staatlichen Zuwendungen an die fünf Landeskirchen entwickelte sich ein umfassendes Gespräch

26 Vertrag der Bundesrepublik Deutschland mit der Evangelischen Kirche in Deutschland zur Regelung der evangelischen Militärseelsorge vom 22. Februar 1957 (RGBl. II S. 702). 27 Scheuner, Tragweite 36. 28 Hesse, Partnerschaft 394.

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zwischen Staat und Landeskirchen, das sich im Dezember 1954 zur beiderseitigen Absicht, einen Vertrag abzuschließen, verdichtete29. Der Vertrag des Landes Niedersachsen mit der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers, der Evangelisch-reformierten Kirche in Nordwestdeutschland, der Braunschweigischen evangelisch-lutherischen Landeskirche, der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Oldenburg und der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Schaumburg-Lippe, nach dem Ort der Unterzeichnung auch „Loccumer Vertrag“ genannt, wurde am 19. März 1955 unterzeichnet. Am 18. April 1955 stimmte der niedersächsische Landtag dem Vertrag zu und beschloß das Gesetz zu dem Vertrag (GVBl. S. 159). In geringen zeitlichen Abständen stimmten auch die Synoden der Landeskirchen dem Vertrag zu. Der Vertrag wurde am 22. April 1955 ratifiziert und trat am 23. April 1955 in Kraft30. Der Loccumer Kirchenvertrag ist der erste Vertrag, der nach 1945 in umfassender Weise das Verhältnis von evangelischer Kirche und Staat zu regeln versucht und die Bilanz der staatskirchenrechtlichen Entwicklung der letzten zwanzig Jahre zieht31. Seine überregionale Bedeutung liegt einmal darin, daß er ein echt protestantischer Kirchenvertrag mit protestantischer Thematik und Terminologie ist, sodann darin, daß er sich um eine Neuformulierung des Verhältnisses von Staat und Kirche für die Gegenwart bemüht32, ein Bemühen, das als „deutende Positivierung“, „ja beinahe … authentische Auslegung des geltenden Staatskirchenrechts“33 bezeichnet wird. Man sieht in ihm „die Eröffnung freier Bahn für die Normierung und Einleitung eines grundsätzlich neuen Verhältnisses von Staat und Kirche“34. Das Anliegen des niedersächsischen Kirchenvertrages ist nicht eine Verständigung über eine Reihe von Einzelpunkten im Rahmen eines vorgegebenen Systems des Verhältnisses von Staat und Kirche (wie in den Kirchenverträgen der Weimarer Epoche), sondern die Gesamtkonzeption des Verhältnisses von Staat und Kirche, in der die Einzelpositionen nur konkretisierende Momente sind. Der Loccumer Vertrag begründet in erster Linie „eine neue grundsätzliche Lage von Staat und Kirche im Verhältnis zueinander“. „In ihm wird der Fortschritt von einem Staatskirchenrecht der einzelnen Rechtstitel zu einem mehr einen bestimmten Gesamtstatus der Partner begründenden besonders deutlich.“35 29

Scheuner, Tragweite 14 f. Müller, Kirchenvertrag 422. 31 Thieme, Vertrag 273. 32 Scheuner, Tragweite 1, 20 f. Als solche neuen Prägungen erkennt Scheuner die Formeln der Präambel von der „gemeinsamen Verantwortung für den evangelischen Teil der niedersächsischen Bevölkerung“, dem „Wunsche, das freundschaftliche Verhältnis zwischen Land und Landeskirchen zu festigen und zu fördern“, der „freiheitlichen Ordnung des Verhältnisses von Staat und Kirche“ und der „Übereinstimmung über den Öffentlichkeitsauftrag der Kirchen und ihre Eigenständigkeit“. 33 Smend, Kirchenvertrag 50. 34 Smend, Kirchenvertrag 50. 35 Smend, Kirchenvertrag 51. 30

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Indem die staatlichen Rechte gegenüber den Kirchen abgebaut, zugleich aber die Rechte der Kirchen gegenüber dem Staat gewahrt werden und das freundschaftliche Verhältnis von Staat und Kirche eindrucksvoll betont wird, ergibt sich klar, daß der Abbau des staatlichen Einflusses auf die Kirchen nicht die Trennung der Weimarer Zeit fortsetzen, sondern die öffentliche Stellung der eigenständig gewordenen Kirchen anerkennen will36. Der Staat erkennt die Kirchen nicht mehr nur in ihrem staatsrechtlichen Stellenwert als öffentlichrechtliche Korporationen, sondern in ihrem eigensten Selbstverständnis, vor allem in ihrem „Öffentlichkeitsauftrag“ an37. Ja, der Staat sieht es als seine Aufgabe an, der Kirche bei der Durchführung ihres geistlichen Auftrages zu helfen38. So wegweisend der Loccumer Vertrag für die Entwicklung des Verhältnisses von Staat und evangelischer Kirche sein mag, so ernst sind aber auch die Bedenken, die von der Warte des Prinzips de Parität gegen ihn erhoben werden müssen. Es ist richtig ausgeführt worden, daß eine unzulässige imparitätische Behandlung der Kirchen vorliegt, wenn der Staat mit einer Kirche einen Vertrag schließt und der anderen Kirche trotz Ersuchens einen entsprechenden Vertragsabschluß verweigert39. Dazu ist zu bemerken, daß der Staat dem Grundsatz der Parität nicht durch irgend einen Vertragsschluß mit der anderen Kirche genügt, sondern nur durch der Abschluß eines Vertrages, der dieser anderen Kirche das Ihre gibt, d. h. der in seinem Inhalt der Eigenart, also dem Bekenntnis und dem Recht dieser Kirche angemessen ist. Die Bereitschaft des Staates, irgend einen, wenn auch materiell gleichen Vertrag mit der anderen Kirche zu schließen, ist also solange nicht ausreichend, die Parität (wieder) herzustellen, als der Wille zu differenzierender Behandlung der einschlägigen Materien fehlt. Der Loccumer Vertrag löst sich aus der Gewohnheit der zwanziger Jahre, in denen Konkordate und Kirchenverträge parallel abgeschlossen wurden40. Schon der Abschluß des niedersächsischen Kirchenvertrages hätte dazu führen müssen, daß die katholische Kirche paritätische Behandlung verlangte. Protestantische Kreise hätten jedenfalls nicht geschwiegen, wenn ein Land den umgekehrten Weg gegangen wäre und allein mit der katholischen Kirche paktiert hätte. Es sei an die lautstarke Forderung nach einer gleichzeitigen und gleichwertigen Abmachung 36

Thieme, Vertrag 273. Smend, Kirchenvertrag 52. 38 Thieme, Vertrag 274. 39 E. Beulke, Bonner Grundgesetz und die Parität der Kirchen: ZevKR 6 (1957/58), 152. Vgl. auch Th. Maunz, Toleranz und Parität im deutschen Staatsrecht: Münchener Universitätsreden N. F. Heft 5 (München o. J.). 40 Scheuner, Tragweite 35. – Daß das gerade von protestantischen Kreisen so angefochtene und heute mißachtete Reichskonkordat aus dieser Linie herausfiel, lag nicht etwa am Widerstand der katholischen Kirche, sondern findet seine Erklärung in der Tatsache, daß maßgebende Kreise des damaligen Protestantismus sich in dem engen Bündnis mit dem damaligen Staat und dem Aufbau einer „Reichskirche“ weit günstiger gestellt sahen als durch den Abschluß eines Kirchenvertrages mit dem Reich. 37

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mit den evangelischen Kirchen für den Fall eines Konkordates Preußens mit dem Heiligen Stuhl in den zwanziger Jahren erinnert. Der preußische Landtag forderte damals das Staatsministerium auf, unverzüglich in Verhandlungen mit den evangelischen Kirchen einzutreten über Verträge, welche die paritätische Behandlung mit der katholischen Kirche sicherstellen41. Aus Pressemeldungen war indes in den ersten Monaten des Jahres 1963 zu erfahren, daß seit längerer Zeit Verhandlungen zwischen dem Lande Niedersachsen und der katholischen Kirche schweben, die sich dem Ende nähern. Es kann hier dahingestellt bleiben, wie die Verhandlungen im einzelnen verlaufen sind. Eine dem Loccumer Kirchenvertrag gleichwertige Vereinbarung mit der katholischen Kirche dürfte sich jedenfalls von dem evangelischen Kirchenvertrag nicht unerheblich unterscheiden. Denn Lehre und Recht der katholischen Kirche bedingen, freilich in gewissen Grenzen, andere Regelungen mancher das Verhältnis von Staat und Kirche berührender Angelegenheiten als Bekenntnis und Ordnung der evangelischen Kirchen. In einem Vertrag mit der katholischen Kirche müßte z. B. die Schulfrage anders gelöst werden als in dem Loccumer Vertrage. Mit der einfachen Kenntnisnahme des niedersächsischen Schulgesetzes vom 14. September 1954 (GVBl. S. 89) kann sich die katholische Kirche nicht zufrieden geben. Die paritätische Behandlung verlangt hier die Berücksichtigung der katholischen Belange, zu denen die Bekenntnisschule und eine entsprechende Lehrerbildung gehören. Man geht wohl nicht fehl in der Annahme, daß es gerade dieser Punkt ist, in dem sich die Landesregierung nicht zu einer paritätischen, d. h. entsprechend den sachlichen Notwendigkeiten differenzierenden Behandlung der katholischen Kirche verstehen mochte, und dadurch wurde der Abschluß eines den Ausgleich zwischen den Bekenntnissen herstellenden Vertrages verzögert. Aber nicht nur die Weigerung, einen zumutbaren Vertrag auch mit der katholischen Kirche zu schließen, verstößt gegen den genannten Grundsatz, sondern auch der Inhalt des Loccumer Kirchenvertrages gibt Anlaß zu der Frage, ob die dem religiös neutralen Staat pflichtmäßige Gleichbehandlung der Kirchen gewahrt ist. Daß der niedersächsische Kirchenvertrag in manchen seiner Aussagen und Bestimmungen eine nicht nur scheinbare Infragestellung42, sondern eine schmerzliche Verletzung des Grundsatzes der Parität bedeutet, erscheint unübersehbar. Die Anwendung des Grundsatzes der Parität ist keineswegs auf Verhältnisse beschränkt, wo die Beziehung zwischen Staat und Kirche durch eine Summe von einzelnen vergleichbaren Rechtsverhältnissen, Privilegien, Belastungen usw. geregelt ist, deren jedes seine Parallele bei der anderen Konfession hat. So bereitwillig zuzugeben ist, daß die konfessionellen Eigentümlichkeiten Unterschiede in der Behandlung der Kirchen bedingen, so wenig kann anerkannt werden, daß in einem 41 42

Duske, Zum evangelischen Kirchenvertrage 3 f.; Kübel, Vertrag 13 f. Smend, Kirchenvertrag 52 f.

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„Staatskirchenrecht positiver Nähe“ (Smend), wie es durch den niedersächsischen Kirchenvertrag ausgebildet worden ist, die Vergleichbarkeit weithin aufhöre. Wenn die in dem Loccumer Kirchenvertrag vollzogene „entschiedene Annäherung“ (Smend) mit dem Grundsatz der Parität vereinbar sein soll, dann nur unter der Voraussetzung, daß dieser Kirchenvertrag nur der Schrittmacher war für die gleiche Annäherung an die durch den Paritätsgrundsatz geschützte katholische Kirche. Was rechtlicher Erfassung und Ordnung fähig ist und damit Gegenstand einvernehmlicher Regelung sein kann, das ist nicht „inkommensurabel“ und bleibt deshalb dem Grundsatz der Parität unterworfen. Es ist mit Recht festgestellt worden, daß einer unterschiedlichen Behandlung der großen christlichen Kirchen allein unter dem Gesichtspunkt des unterschiedlichen Interesses des Staates an der Existenz und dem Wirken der verschiedenen Kirchen der Grundsatz der religiösen Neutralität des Staates und der gewohnheitsrechtliche Grundsatz der Parität entgegenstehen. Eine diskriminierende Behandlung einer Kirche durch den Staat ausschließlich aus Gründen besonderen staatlichen Interesses, ohne daß sachliche Unterschiede eine solche unterschiedliche Behandlung rechtfertigen, ist unzulässig43. Auf dem Gebiet der eigenen Angelegenheiten ist eine ungleiche Behandlung dann verfassungswidrig, wenn sie willkürlich ist. In allen anderen Angelegenheiten ist jeder Unterschied in der Rechtsstellung, der auf das Bekenntnis abstellt, und jede Beeinträchtigung der Interessen, der wegen der Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einem Bekenntnis erfolgt, verfassungswidrig44. Es mag durchaus zutreffen, daß das Land Niedersachsen an den evangelischen Kirchen, die den weit überwiegenden Teil der Bevölkerung des Landes umfassen, weit mehr Interesse hat als an der katholischen Kirche45. Der Unterschied der Zahl darf aber keinen Unterschied der Behandlung hervorrufen. Wenn der niedersächsische Staat daher eine „gemeinsame Verantwortung“ mit den evangelischen Kirchen für den evangelischen Teil der niedersächsischen Bevölkerung anerkennt, dann kann diese Aussage nur dann mit der Parität vereinbart werden, wenn die gleiche Gemeinsamkeit der Verantwortung mit der katholischen Kirche für den katholischen Teil der Bevölkerung des Landes bejaht wird. Ein „freundschaftliches Verhältnis“ soll der niedersächsische Staat nicht nur zu den protestantischen Landeskirchen pflegen, sondern auch mit der katholischen Kirche herzustellen suchen. „Regelmäßige Begegnungen“ zwischen der Landesregierung und den katholischen Bischöfen sind auch der katholischen Kirche zuzusagen.

43

Beulke, Parität 143 f. Beulke, Parität 150 f. 45 Im Jahre 1958 lebten in Niedersachsen 1 277 637 Katholiken unter 6 503 212 Einwohnern. Vgl. J. König in LThK VII, 2. Auflage (1962), 959. 44

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Schließlich ist auch vom Grundsatz der Eigenständigkeit und Selbständigkeit der Kirchen ein Einwand gegen eine Bestimmung des NKV zu erheben. Wenn Art. 2 Abs. 2 NKV die evangelischen Landeskirchen verpflichtet, untereinander eine enge Zusammenarbeit aufzunehmen, um ihre Anliegen gegenüber dem Staat einheitlich zu vertreten, gemeinsame Bevollmächtigte zu bestellen und eine Geschäftsstelle am Sitz der Landesregierung einzurichten, (und eine ähnliche Bestimmung in Art. 3 Abs. 2 des schleswig-holsteinischen Kirchenvertrages steht,) so begegnet dies doch gewissen Bedenken. Es kann nicht Aufgabe einer Vereinbarung zwischen Staat und Kirche sein, die Zusammenarbeit protestantischer Kirchen zu gewährleisten und zu fördern, die allein Sache der Kirchen ist und bleiben muß; staatliche Zusammenschließungsmaßnahmen und Zwangseinungen sollten endgültig der Vergangenheit angehören. Die einheitliche Vertretung der kirchlichen Anliegen gegenüber dem Staat muß die Sorge der Kirchen bleiben, die nach Lehre und Bekenntnis zu entscheiden haben, wo und wieweit sie dem Staat einheitlich gegenübertreten können. Der Staat, der eine Vereinbarung mit solchen Vorschriften eingeht, setzt sich dem Verdacht einseitiger Parteinahme und der Begünstigung einer Konfesssion aus. Deshalb konnten solche Vorschriften weder im hessischen noch im rheinland-pfälzischen Kirchenvertrag Aufnahme finden. Vertragsbestimmungen, durch die der Staat der Kirche Rechte einräumt, unterliegen stets dem spezialisierten Gleichheitssatz. Will man sie nicht als nichtig wegen Verfassungswidrigkeit ansehen, so muß doch der nicht begünstigten Kirche zunächst das Recht auf tatsächliche Gleichbehandlung und, auf ihren Wunsch, auch das Recht auf förmliche Begründung einer gleichen Rechtsstellung zugesprochen werden46. Gerade im Falle des niedersächsischen Kirchenvertrages, der in so ausgesprochener Weise die Nähe des Staates zu den evangelischen Kirchen betont, sich gleichsam Arm in Arm mit ihnen zeigt, kann die verletzte Parität nicht mehr bloß durch tatsächliche Gleichbehandlung, sondern nur durch ein förmliches Abkommen wiederhergestellt werden. (2) Der schleswig-holsteinische Kirchenvertrag (= SHKV) Als zweiter evangelischer Kirchenvertrag seit dem Ende des zweiten Weltkriegs wurde der Kirchenvertrag zwischen dem Lande Schleswig-Holstein auf der einen Seite, der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Schleswig-Holsteins, der Evangelisch-lutherischen Kirche in Lübeck und der evangelisch-lutherischen Landeskirche Eutin am 23. April 1957 abgeschlossen. Der Landtag stimmte dem Vertrag am 23. Mai 1957 zu und beschloß gleichzeitig das Gesetz zu dem Vertrag (GVBl. S. 73). Der Vertrag ist am 29. Juni 1957 in Kraft getreten. Der schleswig-holsteinische Vertrag lehnt sich offenkundig an das niedersächsische Vorbild an; Abweichungen in Einzelheiten fallen nicht ins Gewicht.

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Beulke,Parität 153.

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(3) Der Detmolder Vertrag Am 6. März 1958 wurde in Detmold ein Kirchenvertrag zwischen dem Lande Nordrhein-Westfalen und der Lippischen Landeskirche unterzeichnet. Der Landtag stimmte dem Vertrag am 28. Mai 1958 zu und beschloß am gleichen Tage das Gesetz zu dem Vertrag (GVBl. S. 205). Der Vertrag trat am 4. Juni 1958 in Kraft. Im Unterschied zu den übrigen Kirchenverträgen nahm sich der Detmolder Vertrag nicht den Loccumer Vertrag zum Vorbild, sondern ging von dem Preußischen Kirchenvertrag aus dem Jahre 1931 aus. Dabei trug man aber den neuen Entwicklungen im Verhältnis von Staat und Kirche Rechnung47. Wegen seiner geringeren Bedeutung bleibt der Detmolder Kirchenvertrag bei dem in der Folge durchgeführten Vergleich mit den übrigen Kirchenverträgen unberücksichtigt. Eine Vereinbarung zur Ablösung der Ansprüche der Landeskirche auf räumliche Unterbringung der Kirchenverwaltung schloß das Land Nordrhein-Westfalen am 26. November 1959 mit der Lippischen Landeskirche ab. Der Landtag stimmte am 26. März 1960 zu und beschloß das Gesetz zu dem Vertrag (GVBl. S. 46). Die Vereinbarung trat am 9. April 1960 in Kraft. (4) Der hessische Kirchenvertrag (= HKV) Schon wenige Monate nach dem Abschluß des Loccumer Vertrages bot die hessische Landesregierung den Kirchenleitungen der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, der Evangelischen Landeskirche von Kurhessen-Waldeck und der Evangelischen Kirche im Rheinland ein Vertragsgespräch an, das jedoch vorwiegend auf finanzielle und vermögensrechtliche Fragen beschränkt bleiben sollte. Sie beabsichtigte zunächst, auch die katholische Kirche in das Gespräch einzubeziehen; aber es stellte sich bald heraus, daß die Diözesen zu Vertragsverhandlungen nicht legitimiert und nur an einem begrenzten Verwaltungsabkommen über die Pfarrbesoldungszuschüsse und die staatlichen Baulastverpflichtungen interessiert waren48. Auch die Verhandlungen mit den evangelischen Kirchen kamen nur schleppend in Gang; den Kirchenleitungen war an einer umfassenden Regelung im Sinne des 47 A. von Hanstein, Der Detmolder Kirchenvertrag vom 6. 3. 1958: ZevKR 6 (1957/58), 299 – 315. 48 Der unter ausdrücklicher Billigung des Heiligen Stuhles am 9. März 1963 in Wiesbaden abgeschlossene Vertrag der katholischen Bistümer in Hessen mit dem Land Hessen regelt nur finanzielle Fragen. Der Vertrag faßt die bisherigen staatlichen Zuwendungen an die Kirche zu einer einheitlichen Staatsleistung unter Anbringung einer Gleitklausel zusammen, erkennt die Steuerhoheit der Kirche an und bringt die Ablösung der staatlichen Baulastverpflichtungen, von einigen Ausnahmen abgesehen. In Zukunft auftretende Meinungsverschiedenheiten über die Auslegung des Vertrages wollen die Vertragspartner auf freundschaftliche Weise beseitigen.

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Loccumer Modells gelegen. Am 16. Juli 1957 einigte man sich auf eine Zwischenlösung, einen Vorvertrag über die Staatsleistungen, der durch Briefwechsel zustande kam und zu gegebener Zeit in einen Staatskirchenvertrag übernommen werden sollte und tatsächlich in Art. 5 bis 7 HKV übernommen worden ist. Die Verhandlungen über den von den Kirchenleitungen eingereichten Vertragsentwurf wurden erst im Laufe des Jahres 1958 ernsthaft aufgenommen. In wenigen Sitzungen erarbeitete man bis zum Juni 1959 einen Vertragstext, der die Zustimmung der Kirchenleitungen und der Landesregierung fand. Der Vertrag wurde am 18. Februar 1960 in Wiesbaden unterzeichnet. Der hessische Landtag stimmte am 10. Juni 1960 dem Vertrag zu und beschloß das Gesetz zu dem Vertrag (GVBl. S. 54). Der Vertrag trat am 5. Juli 1960 in Kraft49. Der hessische Kirchenvertrag nimmt sich den niedersächsischen und schleswigholsteinischen Kirchenvertrag zum Vorbild, greift die in ihnen gezogenen Linien auf und bildet die Verträge in bestimmten Einzelheiten fort. Die Mitwirkung des Staates bei der Bildung und Veränderung von Kirchengemeinden beschränkt sich auf die Publikation der Organisationsurkunden (Art. 4 S. 1 HKV). Die kirchliche Ämterhoheit ist in die vertragliche Sicherung der Freiheitsrechte einbezogen (Art. 1 Abs. 3 HKV). Die Ordnung der vermögensrechtlichen Beziehungen ist bei der Ablösung der Baulastverpflichtungen und der Verrentung der Katasterzuschüsse großzügiger gehandhabt worden als in Niedersachsen und Schleswig-Holstein50. (5) Der rheinland-pfälzische Kirchenvertrag (= KV) Der vorläufig letzte in der Reihe der evangelischen Kirchenverträge ist der Kirchenvertrag zwischen dem Lande Rheinland-Pfalz und den in seinem Gebiet wirkenden evangelischen Landeskirchen51. Auch hier ist das niedersächsische Vorbild 49 Für diese Entstehungsgeschichte vgl. W. Jung, Der Hessische Kirchenvertrag vom 18. Februar 1960: ZevKR 7 (1959/60), 289 f. 50 Jung, Kirchenvertrag 290, 293 f.; G. Krüger-Wittmack, Der Staatsvertrag mit dem Land Hessen: Kirche in der Zeit 15 (1960), 97 f. 51 Die Regierungsvorlage – das Landesgesetz zu dem Vertrag, der Vertrag und die Begründung zu Gesetz und Vertrag – findet sich in: Landtag Rheinland-Pfalz, IV. Wahlperiode, Drucksachen Abteilung II Nr. 453. Der Vertrag des Landes Rheinland-Pfalz mit den Evangelischen Landeskirchen in Rheinland-Pfalz vom 31. März 1962 und das Landesgesetz zu dem Vertrag vom 3. November stehen im GVBl. S. 173, die Bekanntmachung über das Inkrafttreten des Vertrages vom 22. November 1962 im GVBl. S. 191. Die Protokolle bzw. Berichte über die Beratungen im Landtag und seinen Ausschüssen finden sich in folgenden Drucksachen: Stenographischer Bericht über die 58. Sitzung des Landtages Rheinland-Pfalz im Landtagsgebäude zu Mainz am 23. Mai 1962: Landtag Rheinland-Pfalz, IV. Wahlperiode, Drucksachen Abteilung I Nr. 58 S. 1823; Stenographischer Bericht über die 63. Sitzung des Landtages Rheinland-Pfalz im Landtagsgebäude zu Mainz am 9. Oktober 1962: Landtag Rheinland-Pfalz, IV. Wahlperiode, Drucksachen Abteilung I Nr. 63 S. 2019; Schriftlicher Bericht des Kulturpolitischen Ausschusses über die Sitzung vom 21. September 1962, des Haushalts- und Finanzausschusses über die Sitzung vom 27. September 1962 und des

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wirksam gewesen. Es war also richtig, den niedersächsischen Kirchenvertrag als „einen Vorgang von großer und fruchtbarer Prägekraft, geeignet, der Entwicklung für eine lange Zeit als Richtpunkt zu dienen“, zu bezeichnen52. Eine Neuordnung des Verhältnisses von Kirche und Staat hat ja „überall die gleichen Aufgaben der Liquidation unhaltbarer Staatshoheitsverhältnisse, der Bereinigung vermögensrechtlichen Gemenges, der Entwirrung und Vereinfachung der finanziellen Beziehungen, der Zusammenfassung der wichtig bleibenden Freiheitsrechte und der Klärung des Einflusses der Kirche in denjenigen öffentlichen Bereichen, in denen sie mit dem Staat ,gemeinsame Verantwortung‘ trägt“53. Grundsätzlich neue Elemente sind daher in dem rheinland-pfälzischen Kirchenvertrag nicht aufgetreten. Eine besondere Nähe des rheinland-pfälzischen Kirchenvertrages zu bestimmten Formulierungen des hessischen Kirchenvertrages ist unverkennbar. Dies erklärt sich daraus, daß zwei der vertragschließenden Kirchen bereits bei dem hessischen Kirchenvertrag beteiligt waren und die Verhältnisse diesseits und jenseits des Rheins jedenfalls nicht grundsätzlich verschieden sind. 2. Die Verhältnisse in Rheinland-Pfalz Zum Verständnis des rheinland-pfälzischen Kirchenvertrages ist die Kenntnis der politischen und kirchenpolitischen Verhältnisse des Landes Rheinland-Pfalz unerläßlich. a) Land und Landeskirchen (1) Land Ähnlich wie in Niedersachsen54 liegt in Rheinland-Pfalz ein neues, nach dem zweiten Weltkrieg entstandenes Staatsgebilde vor. Ungleich den niedersächsischen Verhältnissen ist jedoch dieses neue Land nicht durch Vereinigung verschiedener Länder, sondern durch ziemlich willkürliche Zusammenfügung von Landesteilen entstanden. Nach dem Zusammenbruch von 1945 bildete die amerikanische Militärregierung am 10. Mai 1945 aus dem Saargebiet, der Pfalz und dem Regierungsbezirk Rheinhessen das Oberpräsidium Saarland-Pfalz-Südhessen. Am 10. Juli 1945 lösten die Franzosen die Amerikaner in dem Gebiet Mittelrhein-Saar als Besatzungsmacht ab. Durch Erlaß der französischen Militärregierung vom 25. Juli 1945 wurde das Saarland aus dem Gebiet Mittelrhein-Saar herausgelöst und verwaltungsmäßig verselbständigt. Auch die Regierungsbezirke Koblenz und Trier schieden aus dem Verband des Oberpräsidiums Mittelrhein-Saar aus und wurden Rechtsausschusses über die Sitzung vom 4. Oktober 1962: Landtag Rheinland-Pfalz, IV. Wahlperiode, Drucksachen Abteilung II Nr. 523 S. 3947. 52 Scheuner, Tragweite 1. 53 Müller, Kirchenvertrag 427. 54 Vgl. K. Brüning und B. Lessing in StL V, 6. Auflage (1960), 1054 – 1066.

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selbständige deutsche Verwaltungseinheiten. Das bisherige Oberregierungspräsidium Mittelrhein-Saar führte ab 31. Juli 1945 die Bezeichnung Pfalz-Hessen, die ab 29. August 1945 in Hessen-Pfalz umgeändert wurde. Am 3. Januar 1946 wurden die Regierungsbezirke Trier, Koblenz und Montabaur zum Oberpräsidium Rheinland-Hessen-Nassau vereinigt. Die Verordnung Nr. 57 des französischen Oberkommandierenden vom 30. August 1946 bildete endlich aus Hessen-Pfalz und Rheinland-Hessen-Nassau das Land Rheinland-Pfalz mit der Hauptstadt Mainz55. Dieses buntscheckige Land wählte am 17. November 1946 auf Grund der Verordnung Nr. 67 vom 8. Oktober 1946 die beratende Versammlung. Diese verabschiedete am 25. April 1947 den Verfassungsentwurf. Am 18. Mai 1947 fand die Volksabstimmung über den Entwurf statt, verbunden mit der Wahl des ersten Landtages gemäß der Landesverordnung vom 27. März 194756. Regierung und Verwaltung sahen sich in dem aus Bestandteilen der Länder Bayern, Preußen und Hessen zusammengesetzten Lande erheblichen Schwierigkeiten gegenüber, die sich aus der Mannigfaltigkeit des weitergeltenden Landesrechtes herleiteten. Zumal auf dem Gebiet des Staatskirchenrechts bestand eine schwer überschaubare Rechtsverschiedenheit, die zu Rechtsunsicherheit und Rechtsungleichheit führen mußte. Denn das Verhältnis von Kirche und Staat war in den Ländern, aus deren Bestandteilen Rheinland-Pfalz zusammengesetzt ist, sehr verschieden geordnet. Während in Bayern und Preußen vertragliche Regelungen mit der katholischen Kirche und den evangelischen Kirchen bestanden, war es in Hessen zu einer solchen Vereinbarung nicht gekommen. Auch die übrige Gesetzgebung, z. B. über die Verwaltung des Kirchenvermögens, war in den einzelnen Gebieten sehr unterschiedlich.

(2) Landeskirchen In dem Lande Rheinland-Pfalz wirken drei evangelische Kirchen, nämlich die Vereinigte Protestantisch-Evangelisch-Christliche Kirche der Pfalz (Pfälzische Landeskirche), die Evangelische Kirche im Rheinland und die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau. Alle drei Kirchen sind Unionskirchen57. Eine Übereinstimmung mit den Landesgrenzen ist bei keiner der drei Kirchen gegeben. Jedoch liegt die Pfälzische Landeskirche fast ganz in dem Lande. Trotz der an das Landeskirchentum zu richtenden Fragen bleibt auch in der Gegenwart die Landeskirche für den Typus deutschen Kirchentums entscheidend: „Von ihr stammt der Charakter als Volkskirche, die im Grundsatz alle Glaubensverwandten 55

A. Süsterhenn in StL VI, 6. Auflage (1961), 904 f. E. Schunck, Die Verfassung für Rheinland-Pfalz vom 18. Mai 1947: Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart N. F. Bd. 5 (Tübingen 1956), 159 f. Die Verfassung für Rheinland-Pfalz steht im VOBl. 1947 S. 209. 57 J. Beckmann in RGG VI, 3. Auflage (1962), 1138 – 1140; A. Adam/J. Beckmann, ebenda, 1140 – 1146. 56

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des Territoriums umfaßt und sich dadurch vom bloß denominationellen freien Kirchenwesen abhebt; ferner das Territorialprinzip, das den zuziehenden Glaubensverwandten in die Landeskirche einbezieht und dadurch jedenfalls im Verhältnis lutherischer und unierter Landeskirchen die Bildung konfessioneller, nicht mehr territorial abgegrenzter Kirchengebilde verhindert; endlich aber die öffentlich-rechtliche Stellung, die sich die Kirchen über die Umwälzungen von 1918 und 1945 bewahrt haben und die ihre Stellung im öffentlichen Leben und die volle Erfüllung ihres Öffentlichkeitsanspruchs gewährleistet“58. b) Der Abschluß des Vertrages Das Vertragswerk ist, wie der Kultusminister von Rheinland-Pfalz in der 58. Plenarsitzung des Landtages am 23. Mai 1962 zur ersten Beratung eines Landesgesetzes zu dem Vertrag vom 31. März 1962 des Landes Rheinland-Pfalz mit den Evangelischen Landeskirchen in Rheinland-Pfalz ausführte, „das Ergebnis eines langjährigen, mitunter nicht ganz leichten, aber allezeit im Geiste freundschaftlichen Verständnisses getragenen Bestrebens nach einer abgewogenen und gerechten Lösung, von Verhandlungen, die auf dieser Basis und in diesem Geist von den Vertragspartnern geführt wurden“.

(1) Motive Der Kultusminister erklärte bei der ersten Beratung des Landesgesetzes, auf seiten des Staates sei für den Abschluß des Kirchenvertrages die Absicht maßgebend, „die Beziehungen des Landes zu den Landeskirchen mit Rücksicht auf die grundlegenden staatsrechtlichen Veränderungen in der Bundesrepublik Deutschland einer Neuordnung zuzuführen, die den gewandelten Anschauungen über das Verhältnis Staat-Kirche Rechnung tragen soll“. Danach war die Neubildung des Landes Rheinland-Pfalz der entscheidende Anlaß für die Bemühung um eine Vereinbarung mit den im Lande wirkenden evangelischen Kirchen. Wie schon erwähnt, muß das erst im Jahre 1946 mit ziemlicher Willkür geschaffene Land RheinlandPfalz ein lebhaftes Interesse daran haben, seinen Bestand, der von gewissen Kreisen außerhalb und innerhalb des Landes immer wieder angefochten wird, rechtlich und tatsächlich zu festigen. Eine so erklärte Betätigung der Selbständigkeit und Eigenstaatlichkeit, wie es der Abschluß eines Staatsvertrages ist, kann der Konsolidierung dienen. Die beteiligten Kirchen erkennen nicht nur den Staat durch ihr Kontrahieren an, sondern werden dadurch auch in gewisser Hinsicht an dem Bestand des Staates interessiert. Es gilt hier das gleiche wie in Niedersachsen: „Ein Vertrag des Landes mit allen Landeskirchen mußte diese in eine gemeinsame Partnerschaft zum Lande und damit in eine enge Interessengemeinschaft untereinander zusammenführen. Solche Überwindung der partikularen Existenz der niedersächsischen Landeskir58

U. Scheuner in RGG IV, 3. Auflage (1960), 223.

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chen konnte die Landeseinheit über die Grenzen der Teilgebiete hinweg festigen helfen“59. Die Begründung zu dem Gesetz erklärt, rechtlich und politisch verfolge der neue Staatsvertrag zwei große Ziele: „1. die Einschränkung und den Abbau der staatlichen Rechte gegenüber den Kirchen im Zuge der neuzeitlichen Entwicklung des Staatskirchenrechts unter Aufgabe überholter Anschauungen vom Wesen des Staates und der Kirche, 2. die einheitliche Gestaltung des Verhältnisses des Staates zu allen drei Landeskirchen, die bisher an unterschiedliche, teilweise erheblich voneinander abweichende Grundsätze und Regelungen gebunden waren“. Das Land Rheinland-Pfalz erkennt danach die neue Lage des Verhältnisses von Staat und Kirche an. Mit dieser Lage, die durch die Verantwortung der ihrer Eigenständigkeit bewußten Kirche für den Dienst an der Öffentlichkeit gekennzeichnet ist, sind einseitig begründete staatliche Aufsichts- und Kontrollrechte nicht mehr vereinbar. Der Staat, der eine Zuordnung der Kirche zu sich begehrt und begrüßt, sucht den Verkehr mit den Kirchen möglichst zu vereinfachen und zu vereinheitlichen. Er will alle Kirchen gleich behandeln. Die dieser Absicht entgegenstehenden, allein historisch erklärbaren und nicht sachlich begründeten Unterschiede der Grundsätze und Regelungen sind daher aufzugeben. Es geht also auch in Rheinland-Pfalz wie in den übrigen Ländern, die Kirchenverträge mit den evangelischen Kirchen abgeschlossen haben, um die Neuformung und Vereinheitlichung des Rechts. Dabei wird hervorgehoben, daß für die evangelische Kirche im Regierungsbezirk Rheinhessen zum erstenmal eine umfassende Regelung des Verhältnisses der Kirche zum Staat im Wege des Vertrages erfolgt. Weder das frühere Großherzogtum noch der spätere Volksstaat Hessen, zu dem Rheinhessen vor dem Entstehen von Rheinland-Pfalz gehörte, hatte mit den Kirchen Verträge dieser Art abgeschlossen. In der Regierungsbegründung wird dann weiter ausgeführt, welche Vorstellungen auf staatlicher Seite über die Grundzüge des neuen Verhältnisses von Staat und Kirche bestehen. Es wird erklärt, daß die von der Regierung als verbindlich anerkannten Kirchenverträge mit Bayern und Preußen auf der Weimarer Reichsverfassung und den durch die sog. Korrelatentheorie geprägten Rechtsanschauungen fußen, die heute nach übereinstimmender Auffassung keine Geltung mehr beanspruchen können. Hieraus ergaben sich für die Rechtsanwendung und Verwaltungspraxis der Kirchen und des Staates manche Zweifel und Unklarheiten, die durch den neuen Vertrag beseitigt werden sollen. Der neue Vertrag soll den gewandelten Anschauungen der evangelischen Kirchen über ihre Eigenständigkeit Rechnung tragen. Er soll zugleich die Rechtsstellung der Landeskirchen grundlegend und einheitlich klären und die Beziehungen zwischen Staat und Kirche in einem den Anforderungen der Gegenwart entsprechenden Sinne vereinfachen und 59

Müller, Kirchenvertrag 421; ähnlich Smend, Kirchenvertrag 52.

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erleichtern. Durch die Festsetzung einer einheitlichen Staatsleistung auf finanziellem Gebiet soll die staatliche Verwaltung entlastet werden. Im ganzen soll nach der Regierungsbegründung das Vertragswerk in zahlreichen wichtigen Bereichen das Verhältnis von Kirche und Staat klären und den Vertragschließenden auch für die Zukunft die Möglichkeit geben, neu auftretenden Bedürfnissen Rechnung zu tragen, Zweifelsfragen zu klären und notwendig werdende Verhandlungen auf wesentliche Anliegen zu beschränken. So werde einer lebensfremden Erstarrung der beiderseitigen Beziehungen vorgebeugt. So konnte der Abgeordnete Schneider (FDP) in der ersten Beratung des Vertragsgesetzes erklären: „Wir sind dankbar dafür, daß durch den Vertrag eine Klarstellung des Verhältnisses zwischen Kirche und Staat auch im Bereich der evangelischen Kirchen nun Platz gegriffen hat und daß damit eine Vereinheitlichung des Rechts für die drei Landeskirchen verbunden ist, denn in der Vergangenheit war es immer in gewissem Umfange schwierig, zu Ergebnissen zu kommen, weil man eben vom Staate aus mit drei Kirchenleitungen Abmachungen treffen mußte. Durch den Vertrag tritt eine Vereinfachung ein, die auch vom Staate her besonders zu begrüßen ist.“ Auf seiten der Kirchen dürften der Wunsch nach vertraglicher Einigung mit dem Staat an sich und das Verlangen nach einheitlicher rechtlicher Sicherung ihrer Rechte ausschlaggebend für den Abschluß gewesen sein. Die drei Kirchen können an der Existenz des Bundeslandes Rheinland-Pfalz nicht vorübergehen. Angesichts der mannigfachen Berührungspunkte zwischen Land und Landeskirchen mußte diesen an einer Vereinheitlichung ihrer Beziehungen zu dem Land gelegen sein. Die Zusammenarbeit der drei Kirchen bei den Vertragsverhandlungen und ihr Zusammenschluß als kirchlicher Partner des Staatsvertrages werden ohne Zweifel das Bewußtsein der Zusammengehörigkeit der Kirchen stärken. Da die drei Kirchen insgesamt der kirchliche Vertragspartner sind, können Änderungen des Vertrages nur erfolgen, wenn das Land auf der einen Seite und die drei Kirchen auf der anderen Seite damit einverstanden sind. (2) Verhandlungen Der Plan, das Verhältnis des Landes Rheinland-Pfalz zu den evangelischen Landeskirchen auf vertraglicher Grundlage neu zu regeln, scheint zuerst auf der Seite des Staates aufgetaucht zu sein. Der Ministerrat von Rheinland-Pfalz beschäftigte sich zum erstenmal in seiner Sitzung vom 17. April 1956 mit der Frage des Abschlusses von Verträgen mit den evangelischen Landeskirchen und billigte auf Grund eines Berichtes des Kultusministers Finck die Absicht. Der Kultusminister wurde von dem Ministerrat beauftragt, die Arbeit an den Verträgen fortzusetzen, und er wurde gleichzeitig ermächtigt, diese Absicht der Landesregierung den beteiligten evangelischen Landeskirchen mitzuteilen, um sie durch entsprechende Verhandlungen an den Vorarbeiten zu beteiligen.

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Es erfolgten verschiedene Besprechungen zwischen dem Kultusminister und den Kirchenpräsidenten sowie ein Schriftwechsel der Kirchenleitungen mit dem Kultusministerium. Dem Plan, an dem der Staatsregierung viel gelegen war, einen gemeinsamen Vertrag des Landes mit allen drei Landeskirchen abzuschließen, stimmten die Vertreter der Landeskirchen in der Konferenz vom 24. November 1959 in Mainz zu. Eine Kommission, die aus Vertretern der einzelnen Ministerien und der drei Kirchenleitungen bestand, nahm bald nach der Konferenz vom 24. November 1959 die Arbeit auf und erarbeitete in zwölf Sitzungen einen Text nebst Schlußprotokoll, der am 30. November 1961, also nach vollen zwei Jahren, zu dem sogenannten Kommissionsentwurf führte. Dieser wurde von dem Ministerpräsidenten mit Schreiben vom 7. Dezember 1961 den drei Kirchenpräsidenten zur Kenntnis- und Stellungnahme zugeleitet. Im Namen und Auftrag der an dem Abschluß des Staatsvertrages beteiligten Landeskirchen setzte der Präsident der Pfälzischen Landeskirche unter dem 7. Februar 1962 den Ministerpräsidenten von der inzwischen durchgeführten Beratung des Kommissionsentwurfs in den Synoden der drei Kirchen und von der Tatsache in Kenntnis, daß dem Kommissionsentwurf „im Grundsatz zugestimmt und eine Ermächtigung zur Unterzeichnung ausgesprochen worden“ sei. Gleichzeitig brachten die Kirchen zu den einzelnen Artikeln des Entwurfs Änderungswünsche vor, die – nach Ermächtigung der staatlichen Mitglieder der Kommission durch den Beschluß des Ministerrats vom 9. Februar 1962 zur Beratung dieser kirchlichen Änderungswünsche und zur Formulierung des Vertragswerkes bis zur Unterschriftsreife – in einer abschließenden Sitzung am 21. Februar 1962 erörtert wurden und zu dem Vertrage vom 31. März 1962 führten. Auf Antrag des Kultusministers vom 8. März 1962 stimmte das Kabinett am 27. März 1962 dem Abschluß des Vertrages nebst Schlußprotokoll und zweifachem Briefwechsel zu und ermächtigte den Ministerpräsidenten zur Unterzeichnung. (3) Unterzeichnung Der Vertrag wurde am 31. März 1962 in der Staatskanzlei zu Mainz unterzeichnet. Die Landesregierung wurde durch den Ministerpräsidenten, die Pfälzische Landeskirche und die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau wurden durch ihre Präsidenten, die Evangelische Kirche im Rheinland durch ihren Präses vertreten. Bei der Unterzeichnung des Vertrages wurden übereinstimmende Erklärungen zu einer Reihe von Artikeln des Vertrages abgegeben, die als Schlußprotokoll integrierender Bestandteil des Vertrages sind, ebenso wie der zweimalige, das Datum des 31. März 1962 tragende Briefwechsel zu den Art. 14 und 22 des Vertrages zwischen dem Ministerpräsidenten von Rheinland-Pfalz und den drei Kirchenleitungen.

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(4) Zustimmung des Parlaments und Transformation Gemäß den für den Abschluß von Staatsverträgen allgemein60 und evangelischen Kirchenverträgen im besonderen61 geltenden Bestimmungen erfolgte die parlamentarische Behandlung des Kirchenvertrages. In dem Landtag von Rheinland-Pfalz fand die erste Beratung eines Landesgesetzes zu dem Vertrag vom 31. März 1962 am 23. Mai 1962 statt. Die Vorlage wurde dann an den Kulturpolitischen Ausschuß, der als federführend bestimmt wurde, den Haushalts- und Finanzausschuß und den Rechtsausschuß überwiesen. Alle drei Ausschüsse empfahlen dem Landtag einstimmig die Annahme des vorgelegten Landesgesetzes. Der Landtag nahm die zweite und dritte Beratung am 9. Oktober 1962 vor; er stimmte am Ende der dritten Beratung dem Vertrag einstimmig zu und beschloß die Transformation seiner Bestimmungen in ein Landesgesetz. Das Gesetz wurde am 3. November 1962 durch den Ministerpräsidenten verkündet und trat mit dem auf die Verkündung folgenden Tage in Kraft. Die Kirchensynoden gaben ihre Zustimmung zu dem Vertrag und beschlossen das entsprechende Kirchengesetz in der Pfälzischen Landeskirche am 27. Juni 1962 (ABl. S. 199, vgl. ABl. der EKD 1963 S. 138), in der Evangelischen Kirche im Rheinland am 31. August 1962 (KABl. S. 219, vgl. ABl. der EKD 1963 S. 46) und in der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau am 13. November 1962 (ABl. S. 147, vgl. ABl. der EKD 1963 S. 25). (5) Ratifikation und Inkrafttreten des Vertrages Art. 31 des Vertrages bestimmt, daß der Vertrag ratifiziert wird und die Ratifikationsurkunden in Mainz ausgetauscht werden; der Vertrag tritt mit dem Tage des Austausches in Kraft. Dementsprechend wurden die Ratifikationsurkunden am 22. November 1962 in Mainz ausgetauscht. Am gleichen Tage ist der Vertrag in Kraft getreten. Der Ministerpräsident machte das Inkrafttreten unter dem Datum des 22. November 1962 bekannt.

60 Nach Art. 101 der Landesverfassung von Rheinland-Pfalz (= LV) bedarf ein Staatsvertrag der Zustimmung des Landtags, damit er auch innerstaatlich in Kraft gesetzt wird und damit er gegenüber den Staats- und Gemeindebehörden sowie den Staatsbürgern Verbindlichkeit erhält. 61 Evangelische Kirchenverträge werden von den bevollmächtigten Vertretern der Kirchen unterzeichnet; sie werden den Synoden zur Annahme vorgelegt und nach der Annahme als Kirchengesetz verkündet. Am Schluß des Verfahrens steht die Ratifikation, womit die Verträge in Kraft treten. Vgl. Scheuner, Tragweite 20.

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II. Verhältnis zu anderen Kirchenverträgen und Gesetzen 1. Andere Kirchenverträge Wie in Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Hessen62 gingen auch in Rheinland-Pfalz die beiden Vertragspartner davon aus, daß der Preußische Kirchenvertrag (PrKV) vom 11. Mai 1931 (GS. S. 107) fortgilt und Bestandteil der vertraglichen Verpflichtungen des Landes Rheinland-Pfalz in Nachfolge des Landes Preußen ist. Das gleiche wird vom Vertrag des Bayerischen Staates mit der Pfälzischen Landeskirche (BayKV) vom 15. November 1924 (GVBl. S. 65) gesagt. Die Fortgeltung der genannten Verträge ergibt sich auch aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen und aus der Verfassung von Rheinland-Pfalz. Das Land Rheinland-Pfalz ist der Rechtsnachfolger der Gebiete, aus denen es gebildet ist. Wenn das Land die Gebiete und Hoheitsrechte seiner Bestandteile übernommen hat, dann gilt dasselbe von der Nachfolge in die Rechte und der Haftung für die Verbindlichkeiten63. Mit Recht wird darauf hingewiesen, daß die staatsvertraglichen Verpflichtungen, die dem Gebiet oder der religiös-politischen Struktur des Staatsvolkes inhärieren, für den Nachfolgestaat weiterbestehen64. Durch Art. 137 Abs. 1 LV, wonach das in Rheinland-Pfalz geltende Recht in Kraft bleibt, soweit die Verfassung nicht entgegensteht, wird nicht nur das in Rheinland-Pfalz geltende Gesetzesrecht, sondern auch das Vertragsrecht aufrechterhalten. Dazu gehören auch die genannten Kirchenverträge65. Die Präambel des rheinland-pfälzischen Kirchenvertrages erklärt daher, die weiterbestehenden Kirchenverträge sollen „im Sinne ungehinderter Entfaltung kirchlichen Lebens und seiner Freiheit von jeder Bevormundung“ fortgebildet und „zur einheitlichen Gestaltung des Verhältnisses von Kirche und Staat“ neugefaßt werden. Im gleichen Sinne äußerte sich Kultusminister Orth vor dem Kulturpolitischen Ausschuß des Landtags. Gegenüber dem Preußischen Kirchenvertrag von 1931, dessen Gewinn für die Kirchen man vor allem in der Erweiterung ihrer Autonomie und Verwaltungshoheit, in der Feststellung der Dotation und in der Regelung des Verhältnisses zu den theologischen Fakultäten erblickte66, seien in dem vorliegen62 Präambel NKV, vgl. Scheuner, Tragweite 16; Präambel SHKV; Präambel HKV, vgl. Krüger-Wittmack, Staatsvertrag 96. 63 U. Scheuner, Die staatsrechtliche Kontinuität in Deutschland: Deutsches Verwaltungsblatt (1950), 485. 64 Vgl. A. Süsterhenn/H. Schäfer, Kommentar der Verfassung für Rheinland-Pfalz mit Berücksichtigung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (Koblenz 1950), 189. 65 Süsterhenn/Schäfer, Kommentar 191. Deshalb kann ich der Behauptung von S. Grundmann nicht zustimmen, der bayerische Vertrag mit der Pfälzischen Landeskirche sei durch die Loslösung der Pfalz von Bayern hinfällig geworden (ZSavRG, Kan. Abt. 48, 1962, 498, 499). 66 HeckeI, Vertrag 199. Vgl. Kübel, Vertrag 21 – 26.

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den Staatsvertrag mit den evangelischen Landeskirchen die Bestimmungen über die teilweise in der Landesverfassung enthaltenen Mitwirkungsrechte der Kirchen im Religionsunterricht an öffentlichen Schulen neu aufgenommen worden. Außerdem regele der Vertrag die Mitwirkung der Kirchen bei der Anstellung der Professoren und Dozenten für evangelische Theologie an den Pädagogischen Hochschulen. Der außerordentlich günstige Bayerische Kirchenvertrag von 1924 konnte durch den neuen Vertrag nicht überboten, sondern nur in Einzelheiten geringfügig modifiziert werden. 2. Gesetze Nach Art. 30 KV treten gleichzeitig mit dem Inkrafttreten dieses Vertrages entgegenstehende Bestimmungen außer Kraft, besonders das preußische Staatsgesetz betreffend die Kirchenverfassungen der Evangelischen Landeskirchen vom 8. April 1924 (GS. S. 221). Seine Aufhebung wird sich, wie die Regierungsbegründung ausführt, in den Regierungsbezirken Koblenz, Montabaur und Trier bemerkenswert auswirken und zu einer erheblichen Entlastung der staatlichen Verwaltung im Kultusbereich führen. Nicht ganz so bedingungslos heben Art. 23 Abs. 2 NKV, Art. 29 Abs. 2 SHKV und Art. 24 Abs. 1 und 2 HKV67 das preußische Gesetz auf. Zwar waren gewisse drückende Bestimmungen dieses Gesetzes bereits durch den Preußischen Kirchenvertrag von 1931 außer Kraft gesetzt und andere als obsolet behandelt worden. Aber der Genehmigungs-, Einsichts- und Einspruchsvorbehalte des Staates waren genügend übriggeblieben, um sie als unverträglich mit der neuen Lage des Verhältnisses von Staat und Kirche zu erkennen. Wenn die Kirchen nicht nur selbständige und autonome Körperschaften, sondern eigenständige geistliche Gemeinschaften mit einem aus göttlicher Offenbarung sich herleitenden Öffentlichkeitsauftrag sind, dann darf ihre ursprüngliche Rechtssetzungsund Rechtsanwendungsbefugnis nicht staatlicher Kontrolle unterworfen werden, sondern muß sich frei entfalten können.

III. Inhalt Der rheinland-pfälzische Kirchenvertrag besteht aus vier Teilen, nämlich aus 31 Artikeln, einem Schlußprotokoll und zwei Briefwechseln. Er behandelt in den 31 ArtikeIn folgende Gegenstände: die Glaubens- und Bekenntnisfreiheit (Art. 1), das Selbstverwaltungsrecht und die öffentliche Korporationsqualität der Kirchen (Art. 2), die Pflege der Beziehungen zwischen Landesregierung und Kirchenleitungen (Art. 3), die Vorlage kirchlicher Vorschriften (Art. 4), 67

Dazu Jung, Kirchenvertrag 293.

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die Mitteilung kirchlicher Beschlüsse (Art. 5), die Staatsleistungen (Art. 6), die Übertragung von Eigentum (Art. 7), die Baulast (Art. 8), das kirchliche Eigentum (Art. 9), das staatliche Bedenkenäußerungsrecht (Art. 10), die Vorbildung der Mitglieder der Kirchenleitung und höherer kirchlicher Verwaltungsbehörden (Art. 11) sowie der Pfarrer (Art. 12), das Verfahren vor den Kirchengerichten und das kirchliche Disziplinarverfahren (Art. 13), die Evangelisch-Theologische Fakultät der Johannes Gutenberg-Universität (Art. 14), die Ausbildung der Religionslehrer (Art. 15), die Erteilung von Religionsunterricht (Art. 16), kirchliche Privatschulen (Art. 17), die Religionsausübung der Schüler (Art. 18), das öffentliche Schulwesen (Art. 19), den Religionsunterricht (Art. 20), die Anstaltsseelsorge (Art. 21), die Kirchensteuer (Art. 22 und 23), kirchliche Sammlungen (Art. 24), die Denkmalspflege (Art. 25), die Gebührenbefreiungen für die Kirche (Art. 26), die kirchlichen Friedhöfe (Art. 27), das Patronatsrecht (Art. 28). Es folgen eine Schlichtungsklausel (Art. 29) und Bestimmungen über das Inkrafttreten (Art. 30 und 31). Das aus Erklärungen bei der Unterzeichnung erwachsene umfangreiche Schlußprotokoll bezieht sich auf die Art. 1, 2, 4, 6, 11, 13, 14, 15, 20, 22, 23 und 29. Die beiden an das Schlußprotokoll angefügten Briefwechsel erläutern das Schlußprotokoll zu Art. 14 Abs. 2 und zu Art. 22 Abs. 2. Trotz des reichen Inhalts ist der Kirchenvertrag keine Kodifikation des gesamten geltenden Staatskirchenrechts; man hat sich auch in Rheinland-Pfalz im allgemeinen auf die „vertragsreifen Fundamentalmaterien“68 beschränkt. Die mannigfaltigen Gegenstände des Vertrages stehen nicht auf einer Ebene nebeneinander, sondern gehören, in geschichtlicher Betrachtung des Verhältnisses von Kirche und Staat, verschiedenen Phasen der Entwicklung dieses Verhältnisses an. Die Bestimmungen lassen sich entsprechend den drei Stufen der staatskirchenrechtlichen Entwicklung gliedern69. Danach entsprechen der ersten Stufe die Abgrenzung staatlicher Hoheitsrechte und die Auseinandersetzung um die kirchlichen Leistungsansprüche, die sich aus Staatskirchentum und Säkularisation herleiten. Auf der zweiten Stufe, der Stufe der Trennung, wird der Kirche ein Status liberaler Freiheit der Bewegung und des Wirkens gesichert. Der Staat fördert aber die Kirche nicht positiv; er steht ihr desinteressiert gegenüber. Auf der dritten Stufe gelangt die Kirche zu voller Unabhängigkeit. Die Kirche selbst wendet sich Welt und Staat zu. Sie nimmt das Recht zu Hilfe, Mahnung und Intervention in Anspruch. Der Staat erkennt ihre Öffentlichkeitsaufgabe und ihren Öffentlichkeitsanspruch an und sucht eine neue Nähe zur Kirche. Indes ist zu beachten, daß, wenn es auch möglich ist, die Bestimmungen des rheinland-pfälzischen Kirchenvertrages systematisch auf die drei Stufen zu verteilen, der Vertrag als solcher – wie seine Vorbilder und Vorgänger – auf der dritten 68 69

Heckel, Vertrag 198. Vgl. Smend, Kirchenvertrag 50.

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Stufe der Entwicklung steht und von daher die Bestimmungen, die anderen Stufen zugeordnet werden, zu verstehen und zu erklären sind. 1. Staatliche Kontrollrechte und kirchliche Leistungsansprüche Die erste Schicht des Staatskirchenrechts und darum auch des Vertragskirchenrechts besteht aus Auseinandersetzungen verschiedener Art zwischen Staat und Kirche70. Es handelt sich dabei vorwiegend um Kontrollrechte, die der Staat beansprucht, und um Leistungsansprüche, welche die Kirche stellt. Auch in dem rheinland-pfälzischen Kirchenvertrag stehen manche Einzelregelungen über staatliche Rechte und kirchliche Besitzstände. Aber wie im niedersächsischen Kirchenvertrag71 tragen diese Bestimmungen auch im rheinland-pfälzischen Kirchenvertrag ein umgekehrtes Vorzeichen. Sie wollen nicht grundsätzlich den status quo festhalten, sondern ihn im Zeichen der Vereinfachung und Entflechtung möglichst weitgehend aufheben. In jeder Einzelheit soll die neue Gesamtkonzeption möglichst deutlich sichtbar gemacht werden. a) Recht und Organisation (1) Vorlage kirchlicher Vorschriften über vermögensrechtliche Vertretung In Art. 4 KV verpflichten sich die Kirchen, kirchliche Gesetze, Verordnungen und Satzungen, welche die vermögensrechtliche Vertretung der Kirchen, ihrer öffentlich-rechtlichen Verbände, Anstalten und Stiftungen betreffen, dem Minister für Unterricht und Kultus vorzulegen, der Einspruch erheben kann, wenn eine geordnete vermögensrechtliche Vertretung nicht gewährleistet ist. Der Einspruch ist innerhalb eines Monats vom Tage der Vorlegung an zulässig. Über den Einspruch entscheidet auf Antrag der Kirchen ein Schiedsgericht. So ist das staatliche Placet zu kirchlichen Gesetzen so weitgehend wie nur möglich eingeschränkt; der einzige verbliebene Fall dürfte höchstwahrscheinlich nie vorkommen. Und selbst in diesem unwahrscheinlichen Fall unterwirft der Staat seinen Einspruch der Entscheidung einer objektiv prüfenden Behörde. Es geht bei dieser Vorlagepflicht nicht um die Gesetze über die kirchliche Vermögensverwaltung insgesamt, sondern nur um die Bestimmungen über die Vertretung kirchlicher juristischer Personen, also über das rechtsgeschäftliche Handeln der Organe der juristischen Personen mit Wirkung für und gegen diese. Die Bestimmung dient dem Schutz der Öffentlichkeit.

70 71

Smend, Staat und Kirche 5. Vgl. Smend, Kirchenvertrag 50.

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Die Regierungsvorlage erklärt dazu, daß Art. 4 im wesentlichen die Bestimmungen des Art. 2 PrKV übernimmt, die er den Anschauungen und Bedürfnissen der Gegenwart anpaßt, wobei er das Verwaltungsstreitverfahren durch ein Schiedsgerichtsverfahren ersetzt. Für die Pfalz und Rheinhessen ist diese Bestimmung neues Recht. Obwohl der Schritt von Art. 2 des preußischen Gesetzes von 1924 zu Art. 2 PrKV erheblich größer war als der Schritt von dem PrKV zu dem KV, so ist doch die Ersetzung des Verwaltungsstreitverfahrens durch das Schiedsgerichtsverfahren ein charakteristisches Zeichen der Ebenbürtigkeit der beiden Kontrahenten. Zu dem in Art. 4 Abs. 2 KV festgelegten Einspruchsrecht des Kultusministers erklärt das Schlußprotokoll, es bestehe Übereinstimmung darüber, daß die in Abs. 1 genannten Vorschriften erst in Kraft gesetzt werden, wenn die Einspruchsfrist abgelaufen, auf das Einspruchsrecht verzichtet, der Einspruch zurückgenommen oder vom Schiedsgericht für unbegründet erklärt worden ist. Ist eine Entscheidung des Schiedsgerichts binnen zwölf Monaten nach Erhebung des Einspruchs nicht ergangen, so sind die Kirchen nicht gehindert, die Vorschriften vorläufig in Kraft zu setzen. Über die Zusammensetzung des Schiedsgerichts bestimmt das Schlußprotokoll zu Art. 4 Abs. 3 KV, es setze sich aus je einem Vertreter der vom Einspruch betroffenen Kirche und der Landesregierung zusammen und werde von einem Vorsitzenden geleitet, der die Befähigung zum Richteramt nach dem Deutschen Richtergesetz besitzt. Der Vorsitzende wird von der Kirche und der Landesregierung von Fall zu Fall gemeinsam berufen. Kommt eine Einigung über die Person des Vorsitzenden nicht zustande, so wird dieser von dem Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz. bestellt. Eine ähnliche Bestimmung enthalten Art. 10 NKV, Art. 12 SHKV und Art. 3 HKV. Ein (von den Vertragschließenden zu benennendes) Schiedsgericht zur Entscheidung von Streitigkeiten bei Einspruch sieht jedoch nur Art. 12 Abs. 2 SHKV vor. Nach Art. 10 Abs. 2 NKV entscheidet über den Einspruch auf Klage der Kirche das für Niedersachsen in zweiter Instanz zuständige Verwaltungsgericht, nach Art. 3 Abs. 2 HKV das zuständige Oberlandesgericht72. Schon an diesem Unterschied zeigt sich, daß der rheinland-pfälzische Kirchenvertrag im allgemeinen die den Kirchen günstigste Vorschrift der vorhergehenden drei Kirchenverträge übernommen hat. Die Konkordate mit der katholischen Kirche sehen keine staatliche Kontrolle der kirchlichen Gesetzgebung vor. Der Staat erkennt in Art. 1 § 2 BayK das Recht der Kirche an, im Rahmen ihrer Zuständigkeit Gesetze zu erlassen und Anordnungen zu treffen, die ihre Mitglieder binden; er wird die Ausübung dieses Rechtes weder hindern noch erschweren. 72

Vgl. Krüger-Wittmack, Staatsvertrag 96.

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Das Deutsche Reich erkennt in Art. 1 Abs. 2 RK das Recht der katholischen Kirche an, innerhalb der Grenzen des für alle geltenden Gesetzes ihre Angelegenheiten selbständig zu ordnen und zu verwalten und im Rahmen ihrer Zuständigkeit für ihre Mitglieder bindende Gesetze und Anordnungen zu erlassen. (2) Bildung von Kirchengemeinden sowie Errichtung von kirchlichen Anstalten und Stiftungen In Art. 5 Abs. 1 KV verpflichten sich die Kirchen, Beschlüsse über die Bildung und Veränderung ihrer Kirchengemeinden und der aus ihnen gebildeten Verbände spätestens mit Ausfertigung der Organisationsurkunde dem Minister für Unterricht und Kultus mitzuteilen. Eine Genehmigung oder ein Einspruch des Staates ist nicht mehr erforderlich bzw. statthaft. Der Staat begnügt sich mit der Bekanntgabe des von den Kirchen in eigener Hoheit vollzogenen Aktes. Bei Errichtung kirchlicher Anstalten und Stiftungen mit eigener Rechtspersönlichkeit wirken nach Art. 5 Abs. 2 KV Kirche und Staat nach Richtlinien zusammen, die von den Vertragschließenden vereinbart werden. Art. 5 KV tritt an die Stelle von Art. 4 S. 2 PrKV, wonach die staatliche Mitwirkung bei der Bildung und Veränderung von Kirchengemeinden und anderen öffentlich-rechtlichen Verbänden nach Richtlinien erfolgt, die mit den Kirchen vereinbart werden. Art. 4 des preußischen Gesetzes von 1924 sah staatliche Genehmigung vor. Eine ähnliche Bestimmung enthalten Art. 11 NKV, Art. 13 SHKV und Art. 4 HKV, wobei in Niedersachsen die Mitteilung acht Wochen, in Schleswig-Holstein einen Monat vor Ausfertigung der Organisationsurkunde zu erfolgen hat. Der KV folgt hier dem für die Kirchen günstigsten hessischen Vorbild, das keine Frist für die Vorlage festsetzt73. Im NKV kann der Staat immerhin „Bedenken“ vorbringen, welche die Kirche zur Überprüfung ihrer Beschlüsse veranlassen. Der rheinland-pfälzische KV stellt auch in dieser Hinsicht die Kirchen günstiger als der NKV. Indes wird man auch in Rheinland-Pfalz nur deswegen von der ausdrücklichen Festlegung eines staatlichen Rechtes zur Äußerung von Bedenken haben absehen können, weil man stillschweigend davon ausging, daß die Kirchen ihre Organisation in einer den kirchenrechtlichen Vorschriften entsprechenden und den berechtigten staatlichen Interessen genügenden Weise ausgestalten werden. In anderen 73

Vgl. Krüger-Wittmack, Staatsvertrag 96. In Hessen sind Beschlüsse über die Bildung und Veränderung von Kirchengemeinden und kirchlichen Verbänden erst nach ihrer Bekanntgabe in den kirchlichen Amtsblättern dem Staat einzureichen, der sich schon seit Jahren darauf beschränkte, die kirchlichen Organisationsurkunden im Staatsanzeiger zu veröffentlichen. Vgl. Jung, Kirchenvertrag 290 f.

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Ländern, etwa in Nordrhein-Westfalen74, bleiben die staatlichen Rechte nachdrücklich gewahrt. Für die katholische Kirche bestimmen Art. IV Abs. 1 BadK, Art. 3 PrK und Art. 12 RK übereinstimmend, daß die staatliche Mitwirkung bei der Bildung und Veränderung von Kirchengemeinden nach Richtlinien erfolgt, die mit den Diözesanbischöfen vereinbart werden. In Rheinland-Pfalz können diese Richtlinien eine Genehmigung des Staates nunmehr nicht mehr vorsehen. Art. 154 Abs. 5 der Mainzer Diözesanstatuten von 1957 läßt einen begründeten Einspruch des Ministeriums gegen die Errichtung neuer Kirchenstiftungen zu. (3) Bedenkenäußerung bei Besetzung kirchlicher Ämter Art. 10 KV enthält die sogenannte politische Klausel75. Mit ihr sucht sich der Staat der Loyalität der maßgebenden Kirchenführer zu versichern. Nach Art. 10 Abs. 1 KV wird in das Amt des leitenden Geistlichen einer Kirche, dessen Besetzung nicht auf einer Wahl oder Berufung durch eine Synode beruht, niemand berufen werden, von dem nicht die zuständigen kirchlichen Stellen durch Anfrage bei der Landesregierung festgestellt haben, daß Bedenken politischer Art gegen ihn nicht bestehen. Wird dagegen das Amt auf Grund einer Wahl oder Berufung durch eine Synode besetzt, so zeigt die Kirche der Landesregierung die Vakanz an und teilt ihr später die Person des neuen Amtsträgers mit. Die Regierungsbegründung bemerkt zu dieser politischen Klausel mit Recht, daß ihre Bedeutung schon in Art. 7 des Preußischen Kirchenvertrages beschränkt war, wie sich aus dem Schlußprotokoll ergibt, wonach eine Ernennung im Sinne dieses Artikels nicht vorliegt, wenn der Vorsitz der Behörde mit einem synodalen Amt als solchem verbunden ist. Heute werden fast alle geistlichen Ämter der evangelischen Kirchen durch Synoden oder ähnliche Wahlkörperschaften besetzt, so daß die staatliche Mitwirkung praktisch entfällt. Es ist auch richtig bemerkt worden76, daß der Vertrag von 1931 auf den Vorsitz in einer Behörde der Kirchenleitung oder einer höheren kirchlichen Verwaltungsbehörde abstellte, während nunmehr der Tatsache Rechnung getragen wird, daß infolge des Kirchenkampfes und gemäß dem neueren Verständnis des kirchlichen Organisationswesens in weiten Kreisen des deutschen Protestantismus die Inhaber 74 Vgl. die Vereinbarung über die staatliche Mitwirkung bei der Bildung und Veränderung katholischer Kirchengemeinden im Lande Nordrhein-Westfalen vom 8., 18., 20., 22., 25. Oktober 1960: Kirchlicher Anzeiger für die Erzdiözese Köln 101 (1961), 109 – 111. 75 Dazu K. Mörsdorf, Das neue Besetzungsrecht der bischöflichen Stühle unter besonderer Berücksichtigung des Listenverfahrens (Bonn-Köln-Berlin 1933); W. Weber, Die politische Klausel in den Konkordaten (Hamburg 1940); J. H. Kaiser, Die politische Klausel der Konkordate (Berlin-München 1949); J. H. Kaiser in RGG V, 3. Auflage (1961), 445 f. 76 RuppeI, Vertrag 110; Scheuner, Tragweite 28 f.

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des leitenden geistlichen Amtes als die maßgebenden Amtsträger anzusehen sind77; an ihnen hat der Staat hauptsächlich Interesse, weil sie die Kirche repräsentieren und namens der Kirche sprechen. Aber gerade diese Persönlichkeiten werden regelmäßig von der politischen Klausel wegen ihrer Bestellung durch die Synoden nicht erfaßt. Es hat sich als untunlich erwiesen, daß nach vollzogener Wahl eines Landesbischofs das Ergebnis nicht sofort bekanntgegeben, sondern erst bei der Staatsregierung angefragt werden muß, ob politische Bedenken bestehen. Deshalb wird künftig in den Fällen, in denen die leitenden geistlichen Amtsträger durch Synoden bestellt werden, die Vakanz und dann das Ergebnis der Wahl der Landesregierung mitgeteilt. In der Zwischenzeit zwischen Eintritt der Vakanz und Wahl bietet sich die Gelegenheit einer – freilich nicht rechtsverbindlichen – Fühlungnahme zwischen Staat und Kirche78. Wer als der „leitende Geistliche einer Kirche“ anzusehen ist, ergibt sich aus den Kirchenverfassungen. In der Vereinigten protestantisch-evangelisch-christlichen Kirche der Pfalz (Pfälzische Landeskirche), deren Verfassung vom 19. Oktober 1920 stammt79, ist die Kirchenregierung die oberste Stelle zur Leitung und Verwaltung der Landeskirche im Auftrag der Landessynode (§ 81 Abs. 1). Aufgabe der Kirchenregierung ist die oberste Leitung und Verwaltung der Landeskirche und die Wahrung und Weiterbildung der gesamten kirchlichen Ordnung im Rahmen der Verfassung und der Kirchengesetze (§ 89 Abs. 1). Sie besteht aus dem Kirchenpräsidenten, seinem Stellvertreter, dem dienstältesten geistlichen und weltlichen Rat des Landeskirchenrats und sieben Mitgliedern der Landessynode (§ 81 Abs. 2). Der Kirchenpräsident wird von der Landessynode gewählt. Die Wahl bedarf einer Mehrheit von zwei Dritteln der gesetzlichen Mitgliederzahl der Synode (§ 82 Abs. 1). In der Evangelischen Kirche von Hessen und Nassau wird nach der Kirchenordnung vom 17. März 194980 das Leitende Geistliche Amt von dem Kirchenpräsidenten in Gemeinschaft mit seinem Stellvertreter und den Pröpsten, also einem Kollegium, wahrgenommen (Art. 44 Abs. 1). Der Kirchenpräsident hat jedoch den 77 Das Schwergewicht der kirchlichen Ämterordnung hat sich in jüngster Zeit auf das Bischofsamt verlagert. Vgl. Thieme, Vertrag 275; H. Liermann, Das evangelische Bischofsamt in Deutschland seit 1933: ZevKR 3 (1953/1954), 1 – 29, besonders 11 ff., 22 f. 78 Regierungsbegründung zu Art. 7 NKV. Vgl. Scheuner, Tragweite 28 A. 90. – Art. 29 BayKV sah vor, daß vor der Wahl des pfälzischen Kirchenpräsidenten durch die Landessynode deren Präsident mit der Bayerischen Staatsregierung in Verbindung tritt, um sich zu versichern, daß gegen die für die Wahl in Betracht kommenden Kandidaten Erinnerungen politischer Natur nicht obwalten. Die Antwort der Staatsregierung hatte unverzüglich zu erfolgen. 79 Verfassung der vereinigten protestantisch-evangelisch-christlichen Kirche der Pfalz (Pfälzische Landeskirche). Vom 19. Oktober 1920: Allgemeines Kirchenblatt für das evangelische Deutschland 70 (1921), 39 – 67; Gesetz zur Änderung der §§ 58, 59 und 63 der Kirchenverfassung. Vom 24. Mai 1951: ABl. der EKD 1951 S. 146 = ABl. Pfalz S. 78. 80 Ordnung der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau vom 17. März 1949: ABl. der EKD 1949 S. 94 = ABl. Hessen und Nassau 1949 S. 27.

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Vorsitz im Leitenden Geistlichen Amt (Art. 47 Abs. 1 und 2). Der Auftrag des Leitenden Geistlichen Amtes ist der Hirten- und Wächterdienst für die Gemeinden und Pfarrer der Kirche (Art. 44 Abs. 3). Der Kirchenpräsident und sein Stellvertreter werden von der Kirchensynode für die Dauer von acht Jahren gewählt (Art. 46 Abs. 1 und 3). Der Kirchenpräsident führt auch den Vorsitz in der Kirchenleitung (Art. 40). Die Kirchenleitung hat im Auftrag der Kirchensynode die Kirche zu leiten, zu vertreten und zu verwalten (Art. 41). In der Evangelischen Kirche im Rheinland ist nach der Kirchenordnung vom 2. Mai 195281 das Präsidium der Landessynode berufen, im Auftrage der Landessynode die Evangelische Kirche im Rheinland nach der Kirchenordnung, den Kirchengesetzen und den von der Landessynode aufgestellten Grundsätzen zu leiten (Art. 192 Abs. 1). In Ausübung dieser Befugnisse führt das Präsidium der Landessynode die Bezeichnung „Kirchenleitung“ (Art. 192 Abs. 2). Die Kirchenleitung vertritt die Evangelische Kirche im Rheinland im Rechtsverkehr (Art. 195). Die Kirchenleitung besteht aus dem Präses der Landessynode als Vorsitzendem, aus weiteren sieben ordinierten Theologen und aus acht Gemeindegliedern, welche die Wählbarkeit zum Presbyter besitzen (Art. 196). Der Präses führt die Dienstbezeichnung „Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland“ (Art. 198 Abs. 4). Alle Mitglieder der Kirchenleitung werden auf die Dauer von acht Jahren gewählt (Art. 197 Abs. 2). In allen drei vertragschließenden Kirchen ist demnach der Kirchenpräsident bzw. Präses als „Leitender Geistlicher der Kirche“ zu betrachten. Da die Berufung ins Amt in allen Fällen durch die Synode erfolgt, entfällt das staatliche Recht zur Äußerung von politischen Bedenken. Als Bedenken im Sinne des Art. 10 Abs. 1 KV gelten nach Art. 10 Abs. 2 KV nur staatspolitische, nicht dagegen kirchliche oder parteipolitische Bedenken. Dies war schon im Preußischen Kirchenvertrag82, den Konkordaten entsprechend83, festgestellt worden. Bei etwaigen Meinungsverschiedenheiten hierüber wird – im Sinne des Art. 29 KV – die Landesregierung auf Wunsch die Tatsachen angeben, aus denen sie die Bedenken herleitet. Die Feststellung bestrittener Tatsachen wird auf Antrag einer von Staat und Kirche gemeinsam zu bestellenden Kommission übertragen, die zu Beweiserhebungen und Rechtshilfeersuchen nach den für die Verwaltungsgerichte geltenden Vorschriften befugt ist. Auch hierin folgt der KV dem Vorbild des PrKV. Daß eine solche Kommission vorgesehen ist, zeigt, wie weitgehend die politische Klausel entschärft ist und wie behutsam und zurückhaltend der Staat sein verbliebenes Recht wahrzunehmen gedenkt. In dieser Entschärfung und Zurück81 Kirchenordnung der Evangelischen Kirche im Rheinland. Vom 2. Mai 1952: ABl. der EKD 1952 S. 167 = ABl. Rheinland S. 57. 82 Abs. 2 des Schlußprotokolls zu Art. 7 PrKV. 83 Art. 14 § 1 BayK; Art. 6 Abs. 1 PrK. Vgl. Art. III Ziff. 2 BadK; Art. 14 RK.

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haltung dokumentiert sich der Geist des Vertrauens und der Rücksichtnahme zwischen Kirche und Staat. Art. 10 KV entspricht Art. 7 NKV, Art. 9 SHKV und Art. 9 HKV. Für die katholische Kirche gelten die Art. 14 § 1 BayK, Art. 6 und 7 PrK, Art. III Abs. 1 und 2 BadK mit Schlußprotokoll und vor allem Art. 14 Abs. 1 und Abs. 2 Ziff. 2 RK. Danach ist auch heute noch regelmäßig vor der Bestellung der Bischöfe die Staatsregierung des zuständigen Bundeslandes anzufragen, ob Bedenken allgemeinpolitischer Natur gegen die in Aussicht genommenen Persönlichkeiten bestehen. Die katholische Kirche ist damit ungünstiger gestellt als die evangelischen Kirchen. (4) Vorbildung Die staatlichen Vorschriften über die Vorbildung der Geistlichen gehen auf die Zeit des Kulturkampfes zurück. Am 11. Mai 1873 wurde das Gesetz über die Vorbildung und Anstellung der Geistlichen erlassen, das den Zweck hatte, der Geistlichkeit Selbständigkeit auf dem Boden nationaler Bildung zu gewährleisten und sie vom Episkopat unabhängig zu machen84. Die Kirchen beider Bekenntnisse haben sich jedoch daran gewöhnt, in diesem Bildungs- und Nationalitätszensus „Garantien einer sorgsamen Vorbildung der Geistlichen zu suchen, während das Erfordernis der eigenen Nationalität ein auch in anderen Staaten weit verbreitetes Erfordernis darstellt“85. In Art. 11 Abs. 1 KV verpflichten sich die Kirchen, einen Geistlichen als Vorsitzenden oder Mitglied einer Behörde der Kirchenleitung oder einer höheren kirchlichen Verwaltungsbehörde, ferner als Leiter oder Lehrer an einer der praktischen Vorbildung der Geistlichen gewidmeten Anstalt nur anzustellen, wenn er Deutscher im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG ist86, ein zum Studium an einer deutschen Universität berechtigendes Reifezeugnis besitzt und ein mindestens dreijähriges theologisches Studium an einer deutschen staatlichen Hochschule zurückgelegt hat. Ein Nichtgeistlicher braucht nur Deutscher zu sein ohne die übrigen Erfordernisse (Art. 11 Abs. 2 KV). Bei staatlichem und kirchlichem Einverständnis kann von allen in Art. 11 Abs. 1 und 2 KV genannten Erfordernissen abgesehen werden; insbesondere kann das Studium an anderen als deutschen staatlichen Hochschulen anerkannt werden (Art. 11 Abs. 3 KV). Die Personalien der in Art. 11 Abs. 1 und 2 KV genannten Amtsträger werden dem Minister für Unterricht und Kultus mitgeteilt (Art. 11 Abs. 4 KV).

84

G. Franz, Kulturkampf (München o. J.), 234. Scheuner, Tragweite 28. 86 Dazu W. Schätzel, Das deutsche Staatsangehörigkeits-Recht, 2. Auflage (Berlin 1958). 85

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Art. 11 lehnt sich an Art. 8 PrKV an, stellt aber die Kirche günstiger, insofern er auch das Studium an außerdeutschen deutschsprachigen und deutschen kirchlichen Hochschulen ausdrücklich anerkennt. Für die Anstellung der Pfarrer gelten die in Art. 11 Abs. 1 Buchst. a – c KV genannten Erfordernisse, d. h. also deutsche Staatsangehörigkeit, Reifezeugnis und Triennium87. Aber auch hier findet Art. 11 Abs. 3 KV Anwendung, d. h. es kann von allen drei Erfordernissen bei staatlichem und kirchlichem Einverständnis abgesehen werden (Art. 12 KV). Art. 12 stimmt mit Art. 9 Abs. 1 PrKV überein. Das Schlußprotokoll zu Art. 11 Abs. 1 Buchst. c KV erläutert die Studienvorschrift. Danach wird das theologische Studium an kirchlichen Hochschulen nach Maßgabe der kirchlichen Ausbildungsvorschriften anerkannt. Derzeit sind dies die Hochschulen in Berlin, Bethel, Neuendettelsau und Wuppertal. Das an einer österreichischen staatlichen und an einer deutschsprachigen schweizerischen Universität zurückgelegte theologische Studium wird auf Wunsch der beteiligten Kirchen entsprechend den Grundsätzen, die für andere geisteswissenschaftliche Fächer gelten, als dem theologischen Studium an einer deutschen staatlichen Hochschule gleichberechtigt anerkannt88. Die in Art. 19 des Vertrages zwischen dem Bayerischen Staate und der Pfälzischen Landeskirche vorgesehene Möglichkeit, eine mit Erlaubnis dieser Kirche an außerdeutschen Fakultäten verbrachte Zeit auf das vorgeschriebene Studium anzurechnen, bleibt unberührt. Art. 11 und 12 KV entsprechen den Art. 8 und 9 NKV, Art. 10 und 11 SHKV und Art. 10 und 11 HKV. Ähnliche Vorschriften für die Vorbildung der katholischen Geistlichen stellen Art. 13 § 1 BayK, Art. 9, 10 und 12 PrK mit Schlußprotokoll, Art. VII und VIII BadK mit Schlußprotokoll und Art. 14 Abs. 2 RK auf. (5) Patronatsrecht Der Patronat ist ein Inbegriff von Rechten und Pflichten, die dem Stifter einer Kirche, einer Kapelle oder eines Benefiziums und seinen Rechtsnachfolgern zustehen. Das wichtigste Recht des Patrons ist das Präsentationsrecht, die wichtigste Pflicht das Tragen der Baulast. Ähnlich wie in der katholischen Kirche ist auch in den evangelischen Kirchen seit langer Zeit ein Abbau des Patronats festzustellen. Der Staat selbst ist an der Aufhebung des Patronats entweder unter dem Gesichtspunkt der Trennung von 87 Art. 19 Buchst. c BayKV sah ein mindestens auf vier Jahre zu bemessendes Studium der Geistlichen vor. 88 Dies entspricht dem Schlußprotokoll zu Art. 8 Abs. 1 Buchst. c PrKV, wobei die deutschen kirchlichen Hochschulen und die deutschsprachigen schweizerischen Universitäten neu hinzugekommen sind. Vgl. Kübel, Vertrag 55.

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Staat und Kirche oder unter dem Gesichtspunkt der Verwaltungsvereinfachung und finanzieller Entlastung interessiert. Art. 83 der preußischen Verfassung vom 30. November 1920 (GS. S. 543) bestimmte: „Auf Antrag eines Beteiligten ist ein bestehendes Patronat aufzuheben, sobald die vermögensrechtlichen Verpflichtungen abgelöst sind. Das Gesetz regelt das Verfahren und stellt die Grundsätze für die Ablösung auf.“ Art. 10 PrKV sah vor, daß die Pfarrstellen fiskalischen Patronats im Gebiet der Evangelischen Kirche der altpreußischen Union bis zu einer neuen Vereinbarung nach Benehmen zwischen Staats- und Kirchenbehörde besetzt werden, soweit nicht die Besetzung einem anderen zusteht. Art. 63 der hessischen Verfassung vom 12. Dezember 1919 setzte fest: „Die ehemals landesherrlichen, die standesherrlichen und grundherrlichen Patronate sind, soweit sie nicht nachweislich Privatpatronate sind, aufgehoben. Die Aufhebung oder Ablösung der Privatpatronate erfolgt durch besonderes Gesetz bis spätestens 31. Dezember 1924.“ Das – mit Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV in Widerspruch stehende – Gesetz ist nicht ergangen. Nunmehr sucht Art. 28 KV eine Bereinigung auf dem Gebiete des Patronates vorzunehmen, die auf die berechtigten Interessen der Beteiligten tunlichst Rücksicht nimmt. Nach Art. 28 KV werden die landesrechtlichen Vorschriften über nicht mit Lasten verbundene Patronate, soweit sie staatliche Normen sind, aufgehoben. Dasselbe gilt für die mit Lasten verbundenen Patronate, sobald die Beteiligten sich über die Ablösung der Lasten geeinigt haben, die Ablösung auf Grund landesgesetzlicher Regelung stattfindet oder der Patron von den Lasten freigestellt wird. Art. 28 KV übernimmt wörtlich Art. 21 HKV. Die Regierungsbegründung zu Art. 21 HKV erklärt mit Recht (wie die Regierungsbegründung zu Art. 21 NKV), daß die noch bestehenden Patronatsrechte, soweit sie staatliche Normen sind, gegen Art. 137 Abs. 3 S. 2 WRV verstoßen. Art. 28 KV ersetzt Art. 10 PrKV und Art. 19 Ziff. 1 und Art. 20 Abs. 1 des preußischen Staatsgesetzes vom 8. April 1924. Der „Rückzug des Staates aus dem Patronatsrecht“ erweitert die Ämterhoheit der Kirche. Durch die Aufhebung der landesrechtlichen Vorschriften über Patronate, soweit sie staatliches Recht sind, wird das Patronatsrecht ganz der Verfügung der Kirche überlassen89. Die Kirche aber hat seit langem unmißverständlich zu verstehen gegeben, daß sie den Patronat für antiquiert hält90. Art. 28 S. 2 KV er89

Müller, Kirchenvertrag 424. Vgl. S. Reicke in RGG V, 3. Auflage (1961), 159; J. Harder, Die katholischen und evangelischen Staatspatronate in Deutschland: AfkKR 127 (1955 – 1956), 6 – 68, 313 – 396; H. Werle, Kirchenpatronat und staatliche Gesetzgebung im 19. und 20. Jahrhundert. Ein Beitrag aus dem Gebiet der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau: Jahrbuch der hessischen Kirchengeschichtlichen Vereinigung 13 (1962), 27 – 66. 90

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möglicht es der Kirche, auch solche Patronate aufzuheben, die nicht auf staatlichen Normen beruhen. Eine ähnliche Bestimmung wie Art. 28 KV enthalten Art. 21 NKV, Art. 26 SHKV und Art. 21 HKV. Das BayK ließ nur die staatlichen Patronatsrechte aus besonderen kanonischen Rechtstiteln unberührt (Art. 14 § 3 S. 2). Das PrK sah vor, daß die Präsentation auf Grund eines vorgenannten Staatspatronats durch die Staatsbehörde erst nach Benehmen mit dem Ortsoberhirten geschehen sollte (Art. 11). Nach dem Zusatzabkommen vom 1. September 1933 (AfkKR 115, 1935, 465 f.) sollte in Zukunft jeder Staatspatronat, für den sich kein kanonischer Titel nachweisen ließ, wegfallen. Ebenso ließ auch das BadK nur die auf Privatrechtstiteln beruhenden Patronate bestehen (Art. IV Abs. 2). Das gleiche gilt nach Art. 14 Abs. 1 RK auch für das nicht von Länderkonkordaten umfaßte Gebiet des Deutschen Reiches, also für die Diözesen Mainz und Rottenburg. b) Finanzen und Vermögen Wie in den vorhergehenden Kirchenverträgen so ist auch in dem rheinlandpfälzischen Kirchenvertrag eine Bereinigung auf dem Gebiete der Finanzen und des Vermögens erfolgt. Die vermögensrechtlichen Beziehungen zwischen Staat und Kirche werden entflochten und vereinfacht. Die Staatsleistung an die Kirchen wird neu festgesetzt und mit einer Gleitklausel versehen. Die Eigentumsverhältnisse an kirchlichen Zwecken gewidmeten Gebäuden werden bereinigt, die Baulastpflichten geklärt. (1) Staatsleistungen Art. 6 KV befaßt sich mit der Staatsleitung an die Kirchen. Unter einer Staatsleistung versteht man die „Gewährung eines Vermögensvorteils irgendwelcher Art“91. Man unterscheidet positive und negative Staatsleistungen. Negative Staatsleistungen sind die den Kirchen, ihren juristischen und physischen Personen kraft Gesetzes gewährten Befreiungen von Steuern und Abgaben. Die positiven Staatsleistungen sind meist auf Geldzahlung gerichtet. Vom Gegenstand her gliedern sich die Staatsleistungen in Aufwendungen zur Unterhaltung der kirchenregimentlichen Behörden, Aufwendungen zur Ausbildung, Besoldung und Versorgung der Geistlichen, Unterhaltung kirchlicher Bauten sowie Leistungen für die Unterhaltung der Geistlichen und den Kultus auf Grund besonderer Rechtstitel, Leistungen aus stiftungsgebundenen Staatsnebenfonds. Dazu kommen die Leistungen für die Unter91 O. Koellreutter, Die Beiträge des Staates zu den kirchlichen Verwaltungskosten. Ein Rechtsgutachten: Archiv des öffentlichen Rechts N. F. 15 (1928), 1 – 32, hier 17.

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haltung der theologischen Fakultäten, die Ausbildung von Religionslehrern, Kirchenmusikern und Kirchenjuristen, die Sorge für den Religionsunterricht an den öffentlichen Schulen und die Unterhaltung der Anstalts- und Militärseelsorge92. Nach Art. 138 Abs. 1 WRV in Verbindung mit Art. 140 GG können die Länder die Ablösung der auf Gesetz, Vertrag oder besonderen Rechtstiteln beruhenden Staatsleistungen an die Kirchen nach vom Reich (Bund) aufgestellten Grundsätzen betreiben. Solche Ablösungen auf vertraglicher Grundlage sind in einer Reihe von Ländern geschehen, „aber nicht im Sinne einer Trennungsdoktrin, die den Beziehungen zwischen Kirche und Staat abschließend ein Ende setzt, sondern um dem Bedürfnis nach einer Vereinfachung und dem Wunsche der Kirchen nach einer Anpassung der Leistungen an die Gegenwartslage und überhaupt der allgemeinen Tendenz zu einer großzügigen Erfüllung der kirchlichen Erwartungen zu genügen“93. Der rheinland-pfälzische Kirchenvertrag faßt – nach dem Vorbild des Loccumer Kirchenvertrags – die verschiedenen Leistungen des Landes zu einer einzigen und einheitlichen Staatsleistung zusammen. Art. 6 Abs. 1 KV setzt ab 1. Januar 1962 als Staatsleistung an die evangelischen Kirchen, näherhin als Dotation für kirchenregimentliche Zwecke, als Zuschüsse für Zwecke der Pfarrbesoldung und -versorgung sowie als katastermäßige Zuschüsse94 einen Gesamtbetrag von jährlich 10 716 000 DM fest. Die Staatsleistung wird nicht wie in Art. 16 NKV und Art. 18 SHKV der Aufgliederung der Landeskirchen überlassen, sondern wie in Art. 5 Abs. 2 HKV für die einzelnen Landeskirchen getrennt ausgewiesen. Von der Staatsleistung entfallen nach Art. 6 Abs. 2 KV auf die Pfälzische Landeskirche 4 757 300 DM, auf die Evangelische Kirche im Rheinland 3 095 000 DM, auf die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau 2 863 700 DM. Das Schlußprotokoll zu Art. 6 Abs. 1 KV sieht vor, daß die Staatsleistung mit einem Zwölftel des jährlichen Betrages jeweils monatlich im voraus an die Kirchen gezahlt wird. Ein Verwendungsnachweis gemäß § 64 a der Reichshaushaltsordnung wird nicht gefordert, womit eine Verwaltungsvereinfachung verbunden ist. Die Staatsleistung ist mit einer Gleitklausel versehen. Die der Erhaltung des inneren Wertes der Staatsleistung dienende Gleitklausel geht von der Besoldung eines bestimmten Landesbeamten aus und sieht nach Maßgabe dieser Besoldung die Erhöhung bzw. Verminderung der Staatsleistung vor. „In dieser beweglichen Verrentung mit Anschluß an die eigenen Besoldungsaufwendungen des Staates

92

Dafür W. Weber in RGG VI, 3. Auflage (1962), 316 f. A.a.O. 317. Vgl. W. Weber, Die Ablösung der Staatsleistungen an die Religionsgesellschaften (Stuttgart 1948). 94 Katastermäßige Zuschüsse sind Geld- und Sachleistungen des Landes an einzelne Kirchengemeinden, die sich vorwiegend aus der organisatorischen Trennung zwischen Staat und Kirche ergeben haben und in Katastern zusammengefaßt wurden. Vgl. Begründung zu Art. 17 NKV. In Niedersachsen werden aber nach Art. 17 Abs. 3 und 4 NKV die katastermäßigen Zuschüsse nicht in die Staatsleistung einbezogen, sondern abgelöst. 93

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kommt durchaus treffend der ursprüngliche Charakter dieser Leistung als Staatszuschuß für die personalen Aufgaben der Kirchen zum Ausdruck.“95 Die Staatsleistung wird in dem Verhältnis erhöht oder vermindert, in dem sich die Besoldung eines Landesbeamten der Eingangsgruppe des höheren Dienstes (zur Zeit Besoldungsgruppe A 13) in Höhe von 16 032 DM ab 1. Januar 1962 verändert. Bei diesem Betrag ist zugrunde gelegt das Mittel zwischen dem Anfangs- und Endgrundgehalt der Besoldungsgruppe, der Ortszuschlag der Tarifklasse II, Ortsklasse B, für einen Beamten mit zwei zuschlagpflichtigen Kindern und der Kinderzuschlag für zwei zuschlagpflichtige Kinder im Alter vom vollendeten 6. bis zum vollendeten 14. Lebensjahr. Art. 6 KV bringt, wie die Regierungsbegründung ausführt, in der für Kirche und Staat gleich wichtigen Frage der gerechten und gleichmäßigen Behandlung der finanziellen Aufwendungen einen besonders erheblichen und erfreulichen Fortschritt, indem er die bisherigen Staatsleistungen zur Dotierung der Kirchenleitungen und zur Besoldung und Versorgung der Pfarrer den heutigen Bedürfnissen anpaßt, die Leistungsfähigkeit der Vertragspartner berücksichtigt und vor allem die Pfarrbesoldungszuschüsse für alle drei Landeskirchen gleich und einheitlich regelt, die bisher auf dem überkommenen Landesrecht der Länder Bayern, Preußen und Hessen beruhten. Dabei darf nicht übersehen werden, daß die Pfarrbesoldungszuschüsse bisher im allgemeinen vom Staat als freiwillige Leistungen betrachtet wurden und außerhalb vertraglicher Sicherung standen96. Indem das vor der nationalsozialistischen Diktatur geltende bayerische Verfahren übernommen wird, einen bestimmten und unveränderlichen Anteil des durch das örtliche Stelleneinkommen jeweils nicht gedeckten Fehlbetrages der Pfarrbesoldung auf den Staat zu übernehmen, wird nicht nur in der Pfalz – abgesehen von einem von der Pfälzischen Landeskirche freiwillig zugestandenen Abschlag von 10 % – der dort längst notwendige Ausgleich erzielt, sondern – in paritätischer Weise – auch die von der rheinischen Kirche und der Kirche in Hessen und Nassau längst angestrebte berechtigte Besserstellung erzielt. Gleichzeitig werden nachteilige Rechtsfolgen beseitigt, die zum Teil noch auf nationalsozialistischem Unrecht beruhten. Die Kirchen und der Staat haben, gemäß der Regierungsbegründung, auf diesem Gebiet ein besonders weitgehendes Verständnis für die beiderseitigen Interessen und Notwendigkeiten gezeigt. Bei den Verhandlungen bestand auch Übereinstimmung darüber, daß der Staat die finanzielle Anwendung, die über die Leistungen der anderen Bundesländer erheblich hinausgeht, nur übernehmen und aufrechterhalten kann, wenn in Zukunft Forderungen auf Erhöhung der Staatsleistung aus anderen Gründen, insbesondere etwa wegen der Vermehrung der Seelenzahl und 95

Scheuner, Tragweite 30. Vgl. Scheuner, Tragweite 29 f.; Kübel, Vertrag 39. – Preußisches Pfarrbesoldungsgesetz vom 3. Juli 1931 (GS. S. 125); Bayerisches Gesetz über die Ergänzung des Einkommens der Seelsorgegeistlichen vom 7. April 1925 (GVBl. S. 137), i. d. F. vom 3. 5. 1928 (GVBl. S. 323); Art. 10 Abs. 1 BayKV. 96

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der Pfarrstellen, Vergrößerung der Kirchlichen Aufgaben und Anfall neuer Arbeitsgebiete, Vermehrung der Planstellen usw. in den Kirchenleitungen, nicht mehr gestellt werden. Es wird dabei mit Recht bemerkt, daß dieser Gedanke offensichtlich den anderen Kirchenverträgen der Neuzeit zugrunde liegt. Die Ausführungen des Abgeordneten Haas (SPD) in der zweiten und dritten Beratung des Landesgesetzes sind zutreffend: „Damit erfahren die staatlichen Zuschüsse für die drei Landeskirchen im Rahmen des Möglichen und Notwendigen eine gleiche und einheitliche Festlegung, die den Kirchen eine gewisse Sicherheit und Beständigkeit gewährleistet. Durch diese zeitlich unbefristete Regelung wird die finanzielle Eigenständigkeit und Eigenverantwortung der drei Landeskirchen in keiner Weise berührt oder angetastet.“ Art. 6 KV ist deshalb für die Zukunft von weitreichender Bedeutung. Für die staatliche Verwaltung ist besonders die Tatsache wichtig, daß in Zukunft langwierige Arbeiten bei der Vorbereitung der jährlichen Haushaltspläne des Landes und der Kirchen wegfallen und die immer wieder angesprochenen Rechtsfragen der Verbindlichkeit der Pfarrbesoldungszuschüsse und ihrer Höhe, der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts usw. wegfallen. Die Staatsleistungen an die katholische Kirche sind in den Konkordaten nicht zu einem einheitlichen Gesamtzuschuß zusammengefaßt worden, sondern zerfallen, etwa in Bayern (Art. 10 BayK), in viele Einzelposten. Das PrK regelt in Art. 4 Abs. 1 nur die Dotation der Diözesen und Diözesananstalten, wobei nach dem Schlußprotokoll bei der Bemessung der Dotation von dem derzeitigen Stande der Aufwendungen des preußischen Staates für vergleichbare persönliche und sächliche Zwecke ausgegangen wird, in Zukunft hierin eintretende Änderungen aber berücksichtigt werden sollen. Der Zuschuß für die Seelsorgegeistlichen wird in Art. 10 § 1 Buchst. k BayK (und Art. VI Abs. 5 mit Schlußprotokoll BadK) berührt. Für die Ablösung der Staatsleistung bleibt nach Art. 6 Abs. 3 KV die bisherige Rechtslage, also Art. 140 GG mit Art. 138 Abs. 1 WRV, maßgebend. Im Schlußprotokoll zu Art. 6 Abs. 3 KV verpflichtet sich das Land RheinlandPfalz ähnlich wie Schleswig-Holstein (Art. 18 Abs. 2 SHKV) und Hessen (Schlußprotokoll zu Art. 5 Abs. 5 HKV), eine Ablösung nicht ohne Zustimmung der Kirchen durchzuführen. In der Verfassung von Rheinland-Pfalz ist eine Ablösung der Staatsleistungen nicht vorgesehen. Nach Art. 45 LV bleiben die auf Gesetz, Vertrag oder besonderen Rechtstiteln beruhenden bisherigen Leistungen des Staates, der politischen Gemeinden und Gemeindeverbände an die Kirchen und sonstigen Religionsgemeinschaften sowie an ihre Anstalten, Stiftungen, Vermögensmassen und Vereinigungen aufrechterhalten. Damit werden die Leistungen des Staates und der Gemeinden an die Kirchen und Religionsgemeinschaften garantiert.

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Art. 6 KV entspricht Art. 16 NKV97, Art. 18 SHKV und Art. 5 HKV98. Art. 18 RK sieht vor, daß für die Ausarbeitung der für eine Ablösung aufzustellenden Grundsätze rechtzeitig ein freundschaftliches Einvernehmen zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Reich herbeigeführt wird. Damit ist einer einseitigen Ablösung der für die katholische Kirche zu erbringenden Leistungen ein Riegel vorgeschoben. Nach Art. 26 KV gelten auf Landesrecht beruhende Gebührenbefreiungen für das Land, auch soweit sie die Befreiung von Beurkundungs- und Beglaubigungsgebühren gewähren, auch für die Kirchen, die Kirchengemeinden und ihre öffentlich-rechtlichen Verbände, Anstalten und Stiftungen. Diese Gleichstellung der Kirchen, Kirchengemeinden und ihrer öffentlich-rechtlichen Verbände, Anstalten und Stiftungen mit dem Lande führt, wie die Regierungsbegründung hervorhebt, zu einer nicht unerheblichen Entlastung der kirchlichen Etats. Art. 26 KV findet seine Entsprechung in Art. 15 NKV, Art. 17 SHKV und Art. 22 HKV99. Ein Äquivalent in einem Konkordat existiert nicht. (2) Vermögensauseinandersetzung Bisher gab es zahlreiche Gebäude und Grundstücke, die in staatlichem Eigentum standen, aber kirchlichen Zwecken dienten, während umgekehrt der Staat die Baulast an kirchlichen Gebäuden trug. Der rheinland-pfälzische Kirchenvertrag sieht – wie seine Vorgänger – eine Entflechtung dieser Verhältnisse vor. In Art. 7 Abs. 1 KV überträgt das Land das Eigentum an staatlichen Gebäuden nebst Einrichtungsgegenständen und Grundstücken, die ausschließlich evangelischen ortskirchlichen Zwecken gewidmet sind, den Kirchen oder, wenn darüber Einverständnis zwischen Kirchen und Kirchengemeinden hergestellt ist, den Kirchengemeinden. Bei Vorliegen besonderer Umstände kann im Einzelfall etwas anderes vereinbart werden. Das Land überträgt nach Art. 7 Abs. 2 KV das Eigentum an den Grundstücken Domplatz 4 und 5 in Speyer nebst den darauf stehenden Gebäuden an die Pfälzische Landeskirche. Art. 7 KV führt, wie die Regierungsbegründung richtig erklärt, hinsichtlich der Eigentumsverhältnisse zu einer Übereinstimmung der Eigentumslage mit den tatsächlichen Gebrauchs- und Nutzungsverhältnissen; dabei bleiben begründete Ausnahmefälle auch in Zukunft unberührt.

97

Dazu Müller, Kirchenvertrag 426 f. Dazu Krüger-Wittmack, Kirchenvertrag 97. 99 Dazu Jung, Kirchenvertrag 293. 98

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Art. 7 KV entspricht Art. 17 Abs. 1, 2 und 5 NKV, Art. 19 SHKV und Art. 6 HKV100. Eine ähnliche Vermögensauseinandersetzung mit der katholischen Kirche ist bisher nicht erfolgt. Das RK (Schlußprotokoll zu Art. 17), das BayK (Art. 10 § 3), das PrK (Art. 4 Abs. 2 und Art. 5 Abs. 2) und das BadK (Art. V Abs. 2) sehen vor, daß staatliche Gebäude oder Grundstücke, die Zwecken der Kirche gewidmet sind, diesen nach wie vor überlassen bleiben. Nach Art. 8 Abs. 1 KV sollen die Verpflichtungen des Landes zur baulichen Unterhaltung kirchlicher Gebäude abgelöst werden. Ausgenommen hiervon bleibt die Konstantinsbasilika in Trier. Das Motiv der geplanten Ablösung ist die Vereinfachung der kirchlichen und staatlichen Verwaltung. „Kirchliche Gebäude“ im Sinne des Art. 8 Abs. 1 KV sind nur kircheneigene Gebäude. Landeseigene Gebäude in kirchlicher Nutzung werden nach Art. 7 KV in kirchliches Eigentum übergeführt. Art. 8 Abs. 2 KV sieht vor, daß die Ablösung der fiskalischen Baulast durch Verträge des Landes mit den berechtigten Kirchengemeinden im Einvernehmen mit der zuständigen Kirchenleitung nach Richtlinien vollzogen wird, die zwischen Kirche und Staat vereinbart werden. Hier wird also die Möglichkeit zu einer allmählich vorzunehmenden Ablösung der fiskalischen Baulast an kirchlichen Gebäuden eröffnet. Da die Richtlinien der Ablösung zwischen Kirche und Staat „vereinbart“ werden, hat es die Kirche in der Hand, ob die Ablösung zustande kommt oder nicht. Die evangelische Kirche in Hessen und Nassau äußerte dabei, wie die Regierungsbegründung erwähnt, den Wunsch, die in mehreren Kirchengemeinden ihres Bereiches bestehenden staatlichen Baulasten nicht sofort zur Aufhebung zu bringen. Insofern stellt der rheinlandpfälzische Kirchenvertrag diese Landeskirche günstiger als Art. 7 HKV, wonach die Baulastverpflichtung mit Wirkung vom 1. April 1957 abgelöst wird. Auch dieses Beispiel einer optimalen Erfüllung der kirchlichen Wünsche durch die Landesregierung von Rheinland-Pfalz erweist, wie unangebracht die von dem hessischen Kirchenpräsidenten Niemöller im Laufe der Verhandlungen getane Äußerung war, man müsse darüber wachen, daß die evangelische Kirche in Rheinland-Pfalz nicht schlechter gestellt werde als in Hessen. Art. 8 KV entspricht Art. 17 Abs. 3 und 4 NKV, Art. 20 SHKV und Art. 7 HKV101.

100 101

Für Einzelheiten vgl. Jung, Kirchenvertrag 291. Für Einzelheiten vgl. Jung, Kirchenvertrag 291.

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(3) Kirchensteuer Die Fragen der Erhebung und Verwaltung der Kirchensteuer sind in dem rheinland-pfälzischen Kirchenvertrag besonders sorgfältig und ausführlich geregelt. Auch hier ist die für die Kirchen optimale Lösung erreicht worden. Die Art. 22 und 23 KV befassen sich mit der Kirchensteuer. Sie sollen – gemäß der Regierungsbegründung – auf besonderen Antrag der Kirchen, für welche die Steuererhebung nach Regelung der Staatsleistungen zukünftig erhöhtes Gewicht erhält, eine Reform des Kirchensteuerrechts im Sinne einer größeren Freiheit der Kirchen einleiten und gewährleisten. Die in den Anlagen zu den Artikeln vorgeschlagene Lösung werde in Zukunft die Behandlung der Kirchensteuerfragen in der beiderseitigen Verwaltungspraxis günstiger gestalten und wesentlich erleichtern. Nach der Ratifizierung des Staatsvertrages solle das Landesgesetz vom 19. Januar 1950 (GVBl. S. 12) entsprechend dem Vertrage berichtigt und ergänzt werden. Die Kirchen und Kirchengemeinden sind nach Art. 22 Abs. 1 KV berechtigt, auf Grund eigener Steuerordnungen Kirchensteuern einschließlich Kirchgeld zu erheben. Das Land gewährleistet die Erhebung der Kirchensteuern nach Maßgabe dieses Vertrages und des staatlichen Kirchensteuerrechts. Die Bestimmung entspricht Art. 137 Abs. 6 WRV in Verbindung mit Art. 140 GG und Art. 43 Abs. 3 LV, wonach die Kirchen und Religionsgemeinschaften, die öffentlich-rechtliche Körperschaften sind, auf Grund der ordentlichen Steuerlisten Steuern erheben dürfen. Art. 22 Abs. 1 KV entspricht weiter Art. 12 Abs. 1 NKV102 und Art. 17 Abs. 1 HKV103, wobei, wie in Hessen, das Recht zur Erhebung von Kirchgeld eigens erwähnt wird. Die Regierungsbegründung zu Art. 17 HKV hebt ausdrücklich hervor, daß das Besteuerungsrecht der Kirche vom Staat delegiert sei. Nur in zwei Fällen werden staatliche Aufsichtsrechte im Kirchensteuerrecht wirksam, nämlich bei den Kirchensteuerordnungen und bei den eine bestimmte Höhe überschreitenden Kirchensteuersätzen. Die Kirchensteuerordnungen und ihre Änderungen und Ergänzungen sowie Beschlüsse über die Kirchensteuersätze bedürfen laut Art. 22 Abs. 2 KV der staatlichen „Anerkennung“. Art. 12 Abs. 2 NKV, Art. 14 Abs. 3 SHKV und Art. 17 Abs. 2 HKV fordern eine „Genehmigung“ der Kirchensteuerordnungen und Kirchensteuersätze, von Schleswig-Holstein abgesehen, das Kirchensteuergesetze nicht der staatlichen Genehmigung, sondern nur dem staatlichen Einspruch nach Art. 14 Abs. 2 und 3 SHKV unterstellt. Das Wort „Anerkennung“ ist an sich schwächer als das Wort „Genehmigung“ in § 5 des Landesgesetzes über die Erhebung von Kir102

Art. 12 Abs. 1 NKV erkennt die Berechtigung zur Erhebung von Kirchensteuern „nach Maßgabe der landesrechtlichen Bestimmungen“, und zwar „von den Angehörigen der Kirchen“, an. 103 Art. 17 Abs. 1 HKV spricht ebenfalls nur von den „landesrechtlichen Bestimmungen“.

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chensteuern im Lande Rheinland-Pfalz vom 19. Januar 1950 sowie in Art. 12 Abs. 2 und 4 NKV, Art. 14 Abs. 3 und 4 SHKV und Art. 17 Abs. 2 HKV. Die Regierungsbegründung erklärt die Ersetzung des im Kirchensteuergesetz verwendeten Begriffes „Genehmigung“ durch den Begriff „.Anerkennung“ in dem Vertrag mit dem Hinweis auf das heutige Staatskirchenrecht, dem die frühere Staatsaufsicht fremd ist. Dem Staate stehe aber unstreitig die Entscheidung darüber zu, ob er die Kirchensteuerordnungen und die Beschlüsse über die Kirchensteuersätze für seinen Bereich anerkennt. Nach dem Schlußprotokoll zu Art. 22 Abs. 2 KV richtet sich das Anerkennungsverfahren vorbehaltlich späterer anderweitiger Regelung nach den Vorschriften des Landesgesetzes über die Erhebung von Kirchensteuern im Lande Rheinland-Pfalz vom 19. Januar 1950 (GVBl. S. 12) und der Landesverordnung zur Durchführung des Landesgesetzes über die Erhebung von Kirchensteuern im Lande Rheinland-Pfalz vom 30. Januar 1950 (GVBl. S. 49) in ihrer jeweiligen Fassung104. Das staatliche Ermessen bei der Anerkennung der Kirchensteuerordnungen und der Kirchensteuersätze ist durch die Feststellung der Voraussetzungen, bei deren Vorliegen die Anerkennung gewährt werden muß, eingeschränkt. Die Anerkennung der Kirchensteuerordnungen und ihrer Änderungen und Ergänzungen kann nicht versagt werden, wenn sie den Bestimmungen dieses Vertrages, dem staatlichen Kirchensteuerrecht und den allgemeinen Besteuerungsgrundsätzen entsprechen sowie die Einheitlichkeit der Kirchensteuerordnungen der Kirchen nicht beeinträchtigen. Die Anerkennung der Beschlüsse über die Kirchensteuersätze kann nicht versagt werden, wenn die Höhe der Steuersätze dem von den Kirchen darzulegenden Bedarf entspricht und wenn die Leistungsfähigkeit der Steuerpflichtigen im Rahmen der steuerlichen Gesamtbelastung nicht überfordert wird. Die Höhe der Steuersätze entspricht in der Regel dem von den Kirchen darzulegenden Bedarf, wenn der Steuersatz des Vorjahres nicht überschritten wird. Die Leistungsfähigkeit der Steuerpflichtigen ist in der Regel nicht überfordert, wenn die Höhe der Steuersätze die der Mehrheit der Landeskirchen im Bundesgebiet nicht übersteigt105. 104

Vgl. Schlußprotokoll zu Art. 17 Abs. 2 HKV. Diese Vorschriften übernehmen Art. 14 Abs. 2 SHKV, wobei der Satz ausgelassen ist, „daß die Höhe der Kirchensteuern das Einkommensteueraufkommen nicht in einem mit den Interessen des Staates unvereinbaren Maße vermindert“, und Art. 14 Abs. 3 SHKV. Nach Art. 17 Abs. 4 HKV gelten die Beschlüsse über die Kirchensteuersätze als genehmigt, wenn sie den Bedingungen entsprechen, die mit den Kirchenleitungen vereinbart werden. Abs. 1 des Schlußprotokolls zu Art. 17 Abs. 4 HKV, wonach ein Landes- oder Ortskirchensteuerbeschluß, durch den die Steuer als einheitlicher Zuschlag zur Einkommensteuer erhoben wird, als genehmigt gilt, wenn der Zuschlag den im Vorjahr erhobenen Hundertsatz nicht übersteigt, hat ebenfalls auf das Schlußprotokoll zu Art. 22 Abs. 2 KV eingewirkt. Art. 12 Abs. 4 NKV sieht als „wesentliche Änderung“ (Regierungsbegründung) gegenüber dem bisherigen Rechtszustand vor, daß durch Vereinbarungen von Landesregierung und Kirchenleitungen festgelegt werden soll, unter welchen Bedingungen die Kirchensteuersätze einer Einzelge105

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Hält das Land Rheinland-Pfalz einen Grund für die Versagung der Anerkennung für gegeben, so hat es vor seiner Entscheidung mit den beteiligten Kirchen Verhandlungen mit dem Ziele einer Verständigung zu führen106. Gemäß dem an das Schlußprotokoll zu Art. 22 Abs. 2 KV anknüpfenden Briefwechsel besteht Übereinstimmung der Vertragschließenden darüber, daß bei gleichbleibendem Steuersatz eine Vermutung für den entsprechenden Bedarf der Kirchen gegeben ist, so daß die Kirchen unter diesen Voraussetzungen nicht jährlich neu ihren Bedarf darzulegen brauchen. Durch die Worte „in der Regel“ soll aber gewährleistet bleiben, daß die Vertragschließenden in besonderen Ausnahmefällen unter Berücksichtigung des Bedarfs in eine Überprüfung der Steuersätze eintreten können. Insbesondere besteht Übereinstimmung darüber, daß solche Ausnahmefälle im allgemeinen nur angenommen werden können, wenn sich die der Besteuerung zugrunde liegenden Verhältnisse wesentlich ändern. Ändern sich also die Besteuerungsgrundlagen bei den Steuern vom Einkommen oder Vermögen, so wird der Kirchensteuersatz den veränderten Verhältnissen angepaßt, wenn dies geboten erscheint. Die Vertragschließenden werden unter diesen Voraussetzungen insbesondere in Verbindung treten, wenn sich erstens bei der Kirchensteuer, die als Zuschlag zur Einkommensteuer (Lohnsteuer) oder zur Vermögenssteuer erhoben wird, die Steuertarife oder Steuersätze ändern, zweitens bei der Kirchensteuer, die nach Maßgabe der Grundsteuermeßbeträge erhoben wird, die Grundsteuermeßzahlen oder die Besteuerungsgrundlagen der Grundsteuer durch eine neue Einheitsbewertung des Grundbesitzes ändern. Die Vertragschließenden gehen davon aus, daß etwaige Verhandlungen über die Höhe der Kirchensteuersätze im Sinne der Freundschaftsklausel des Art. 29 KV geführt werden. Nach Art. 22 Abs. 3 KV werden sich die Kirchen für die Bemessung der Kirchensteuern, die von den Finanzämtern veranlagt und erhoben werden, über einen einheitlichen Steuersatz verständigen. Mit dieser Bestimmung soll offenbar ärgerniserregenden Unterschieden vorgebeugt werden. Dem Art. 22 Abs. 3 KV entspricht Art. 12 Abs. 3 NKV, Art. 14 Abs. 2 S. 2 SHKV und Art. 17 Abs. 3 HKV. Art. 23 KV bringt der Kirche die vertragliche Sicherung staatlicher Verwaltung und Vollstreckung der Kirchensteuern. Bisher bestand nur die Vorschrift der §§ 3 und 4 des Landesgesetzes über die Erhebung von Kirchensteuern im Lande Rheinland-Pfalz vom 19. Januar 1950.

nehmigung durch die Landesregierung nicht mehr bedürfen. Für die Landeskirchensteuer, die als Zuschlag zur Einkommensteuer erhoben wird, ist eine Vereinbarung in Aussicht genommen, wonach die Genehmigung nicht erforderlich ist, wenn der Kirchensteuersatz in allen Landeskirchen der gleiche ist und grundsätzlich 10 % nicht übersteigt. 106 Art. 14 Abs. 4 SHKV gewährt bei Versagung der Genehmigung die Klage bei einem von den Vertragschließenden zu benennenden Schiedsgericht; dabei gelten Art. 12 Abs. 2 S. 3 und Abs. 3 entsprechend.

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Art. 23 Abs. 1 KV sieht vor, daß auf Antrag der Kirchen die Veranlagung und Erhebung der Kirchensteuern, die als Zuschlag zur Einkommensteuer (Lohnsteuer), zur Vermögenssteuer oder nach Maßgabe des Einkommens erhoben werden, den Finanzämtern als eine Art „Auftragsverwaltung“ zu übertragen ist. Soweit die Einkommensteuer durch Steuerabzug vom Arbeitslohn in rheinland-pfälzischen Betriebsstätten erhoben wird, sind die Arbeitgeber zu verpflichten, auch die Kirchensteuer nach den genehmigten Steuersätzen einzubehalten und abzuführen. Die Festlegung der Entschädigung für die Veranlagung und Erhebung der Kirchensteuern bleibt einer besonderen Vereinbarung der Vertragschließenden vorbehalten. Die Finanzämter erteilen den von den Kirchen benannten Stellen Auskunft über die ihnen zur Veranlagung und Erhebung übertragenen Kirchensteuern. Diese Bestimmungen des Art. 23 Abs. 1 KV, welche die Einziehung der Kirchensteuer durch den Staat der Disposition der Landesgesetzgebung entziehen, entsprechen Art. 13 Abs. 1 NKV107, Art. 15 Abs. 1 SHKV und Art. 18 Abs. 1 HKV. Nach Art. 23 Abs. 2 KV ist auf Antrag der Kirchen die Veranlagung und Erhebung der Kirchensteuern, die nach Maßgabe der Grundsteuermeßbeträge oder des Grundbesitzes erhoben werden, den Gemeinden zu übertragen. In Fällen, in denen diese Kirchensteuern nach den Grundsteuermeßbeträgen bisher durch die Finanzämter veranlagt und erhoben werden, verbleibt es bei dem bisherigen Verfahren, soweit die Kirchenbehörden nichts anderes beantragen. Diese Vorschrift des Art. 23 Abs. 2 KV entspricht Art. 13 Abs. 2 NKV108 und Art. 15 Abs. 2 SHKV. Das Schlußprotokoll zu Art. 23 Abs. 1 und 2 KV bestimmt, daß den Kirchen und Kirchengemeinden die Unterlagen, deren sie aus steuerlichen Gründen bedürfen, insbesondere die Angaben über die Konfessionszugehörigkeit, auf Anforderung von den zuständigen Landes- oder Gemeindebehörden mitzuteilen sind. Die Finanzämter erteilen den von den Kirchen benannten Stellen Auskunft über die Besteuerungsmerkmale ihrer Kirchenangehörigen und gewähren Einsicht in die Lohnsteuerkarte, soweit sie für die Heranziehung zu den Kirchensteuern bedeutsam ist. Das Steuergeheimnis ist zu wahren. Die Gemeindebehörden verfahren für ihre Steuern entsprechend. Dies entspricht Art. 14 Abs. 7 SHKV mitsamt § 14 der Zusatzvereinbarung zu Art. 14 Abs. 7 und dem Schlußprotokoll zu Art. 18 Abs. 1 HKV. Nach Art. 23 Abs. 3 KV ist die Vollstreckung der Kirchensteuern auf Antrag der Kirchen den Finanzämtern bzw. den Gemeinden zu übertragen, die mit der Veranlagung und Erhebung der Kirchensteuern betraut sind. Kirchgeldbescheide, die den Voraussetzungen des Kirchensteuergesetzes entsprechen, können nach dem Landesverwaltungsvollstreckungsgesetz vollstreckt werden; Vollstreckungshilfe wird gewährt. 107 108

Dazu Müller, Kirchenvertrag 425; Scheuner, Tragweite 31. Die Übertragung auf die Gemeinden setzt deren Zustimmung voraus.

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Art. 23 Abs. 3 KV entspricht Art. 13 Abs. 3 NKV109, Art. 14 Abs. 6 SHKV110 und Art. 18 Abs. 2 HKV. Das BayK (Art. 10 § 5), das BadK (Art. IV Abs. 4) und das RK (Schlußprotokoll zu Art. 13) erkennen das Recht der katholischen Kirche, Steuern zu erheben, an. Einläßlichere Vereinbarungen fehlen. Art. 159 Abs. 2 der Mainzer Diözesanstatuten sieht vor, daß, sofern staatliche Mithilfe bei der Erhebung der Kirchensteuer in Anspruch genommen wird, die Kirchensteuerordnung, die der Ordinarius erläßt, im Einvernehmen mit den staatlichen Stellen aufgestellt wird. (4) Kirchliche Sammlungen „Für die Kirche ist die Erfüllung von Werken der Nächstenliebe durch die Gabe des einzelnen Kirchengliedes wesentlicher Teil christlicher Religionsausübung, so daß sie für sich das unverkürzte Recht beansprucht, jederzeit zu solchen Gaben aufzurufen“111. Art. 24 Abs.1 KV erkennt die Berechtigung der Kirchen an, von ihren Angehörigen freiwillige Gaben zu sammeln. Solche Sammlungen bedürfen keiner Genehmigung. Daß es sich dabei um Gaben für kirchliche Zwecke handeln muß, wie die Regierungsbegründung erklärt, ist selbstverständlich. Nach Art. 24 Abs. 2 KV kann jede Kirche alljährlich in ihrem Gebiet eine Haussammlung ohne besondere staatliche Ermächtigung veranstalten. Die Zeit der Sammlung wird im Benehmen mit dem Minister des Innern festgesetzt. Art. 24 Abs. 2 KV entspricht dem Art. 6 Abs. 2 des preußischen Staatsgesetzes vom 8. April 1924. Art. 24 KV nimmt auf, was in Art. 14 NKV (die Haussammlung allerdings nur „zum Besten ihrer bedürftigen Gemeinden“), Art. 16 SHKV und Art. 19 HKV bestimmt ist. Die Konkordate kennen keine vergleichbare Abrede. (5) Denkmalsschutz Der Staat, der gemäß Art. 40 Abs. 3 S. 1 LV die Denkmäler der Kunst und der Geschichte in seine Obhut und Pflege nimmt, begnügt sich auf dem Gebiet des Denkmalsschutzes mit einem Recht auf Anhörung und überläßt der Kirche die schützende und pflegende Tätigkeit. In Art. 25 KV verpflichten sich die Kirchen, ihre denkmalswerten Gebäude nebst den dazugehörigen Grundstücken und sonstigen historisch bedeutsamen Ge109

Die Übertragung auf die Gemeinden setzt deren Zustimmung voraus. In Schleswig-Holstein bestimmt das Land die Vollstreckungsbehörde. 111 Müller, Kirchenvertrag 424. Vgl. die Regierungsbegründung zu Art. 14 NKV.

110

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genständen nach ihren Kräften zu erhalten und zu pflegen, Veräußerungen oder Änderungen sowie die innere Ausgestaltung nur im Benehmen mit der staatlichen Denkmalspflege vorzunehmen und dafür zu sorgen, daß die Kirchengemeinden und die der kirchlichen Aufsicht unterstehenden Verbände entsprechend verfahren. Art. 25 KV ist an die Stelle von Art. 6 Abs. 1 Ziff. 1 des preußischen Staatsgesetzes vom 8. April 1924 getreten, wonach Beschlüsse der kirchlichen Organe bei der Veräußerung von Gegenständen mit geschichtlichem, wissenschaftlichem oder Kunstwert der Genehmigung der Staatsbehörde bedurften, und entspricht Art. 20 NKV, Art. 25 SHKV112 und Art. 20 HKV. Eine ähnliche Bestimmung fehlt in den Konkordaten. (6) Kirchliche Friedhöfe Wenn auch heute die Anlegung und Unterhaltung von Friedhöfen in erster Linie Aufgabe der politischen Gemeinden ist113, so legen doch viele christliche Gemeinden Wert auf die Beschaffung eines eigenen kirchlichen Friedhofes, der jedenfalls grundsätzlich für die Bestattung der Angehörigen des gleichen Bekenntnisses bestimmt ist. Dieser Sachlage trägt Art. 27 KV Rechnung; er sichert das Recht der Kirchen an den bestehenden Friedhöfen und zur Neuanlegung von Friedhöfen. Die im Eigentum der Kirchengemeinden stehenden Friedhöfe genießen nach Art. 27 Abs. 1 KV den gleichen staatlichen Schutz wie die Kommunalfriedhöfe. Nach Art. 27 Abs. 2 KV sind die Kirchengemeinden berechtigt, neue Friedhöfe anzulegen. Dabei steht das Vorhandensein eines kommunalen Friedhofs der Neuanlegung eines kirchlichen Friedhofs nicht entgegen. Die Anlegung oder Veränderung der Benutzung von Begräbnisstätten und die Gebührenordnung für ihre Benutzung bedürfen nach Art. 27 Abs. 3 KV der Genehmigung der zuständigen staatlichen Behörde. Nach Art. 27 Abs. 4 KV werden die Friedhofsgebühren auf Antrag im Verwaltungsvollstreckungsverfahren eingezogen. Das Land bestimmt die Vollstreckungsbehörde. Eine ähnliche Bestimmung – abgesehen von Art. 27 Abs. 3 KV – findet sich nur in Art. 22 SHKV, der offenbar als Vorlage gedient hat. Die Konkordate schweigen über das Friedhofsrecht.

112

Art. 25 S. 4 SHKV statuiert, wie die Regierungsbegründung bemerkt, grundsätzlich die Geltung staatlicher Vorschriften auch im kirchlichen Bereich und sieht vor, daß kirchliche Vorschriften im Benehmen mit dem Lande zu erlassen sind. 113 Vgl. J. Gaedke in RGG II, 3. Auflage (1958), 1141 – 1143.

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2. Kirchliche Freiheitsrechte a) Im allgemeinen Auf der zweiten Entwicklungsstufe des Verhältnisses von Staat und Kirche distanziert sich der Staat von der Kirche; der konfessionell neutrale Staat räumt jedoch den Kirchen einen Status liberaler Freiheit ein. Staat und Kirche stehen sich innerlich fremd gegenüber, aber die Kirche wird unabhängig vom Staat. Die Freiheitsrechte dieser Stufe sind der Kirche unentbehrlich und auch heute die selbstverständliche Voraussetzung fruchtbarer Entfaltung. Ihre Aufnahme in den Kirchenvertrag ist nicht überflüssig. Denn die Einbeziehung in den Vertrag entzieht sie der Disposition der verfassungsändernden Gesetzgebung114. Kirchenverträge haben manchmal ein längeres Leben als Landesverfassungen. Aber die Ergebnisse dieser Stufe des Staatskirchenrechts stehen für die neueren evangelischen Kirchenverträge nicht mehr im Vordergrund. Sie werden vorausgesetzt, aber in einen neuen Zusammenhang gestellt, der auf ihren bisherigen Sinn verändernd einwirkt115. Die Absicht, die alten Kirchenverträge „im Sinne ungehinderter Entfaltung kirchlichen Lebens und seiner Freiheit von jeder Bevormundung fortzubilden“, trifft sich mit dem Wunsch, „das freundschaftliche Verhältnis zwischen dem Land und den Kirchen zu festigen und zu fördern“ und mit der „Anerkennung der Eigenständigkeit der Kirchen und ihres Öffentlichkeitsauftrages“. So ist der Trennungsgedanke überwunden durch den Gedanken der Zusammenarbeit, die Gleichgültigkeit der Förderung gewichen. Die Stellung der Kirche im Staat ist heute der „Status einer öffentlichrechtlich anerkannten Eigenständigkeit und freundschaftlichen Zusammenarbeit“116. b) Im einzelnen (1) Bekenntnisfreiheit Nach Art. 1 KV gewährt das Land Rheinland-Pfalz der Freiheit, den evangelischen Glauben öffentlich zu bekennen und auszuüben, den gesetzlichen Schutz. Art. 1 KV übernimmt damit Art. 1 PrKV, wo die in Art. 135 WRV zugesicherte Bekenntnis- und Kultusfreiheit „in einer dem Wesen der evangelischen Kirche entsprechenden Weise“ (Regierungsbegründung) anerkannt wurde, und fügt ihm das Wort „öffentlich“ ein. Damit geht er über Art. 1 Abs. 1 NKV117, Art. 1 SHKV und Art. 1 Abs. 1 HKV118 hinaus. Der Zusatz deckt sich, wie die Regierungsbe114

Müller, Kirchenvertrag 423. Smend, Kirchenvertrag 51. 116 Scheuner , Kirche und Staat 267. 117 Dazu Müller, Kirchenvertrag 424. 118 Im Hinblick auf die Erfahrungen des Kirchenkampfes haben sich die am HKV beteiligten Kirchen bei Vertragsschluß durch Briefwechsel bestätigen lassen, daß die Gewährlei115

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gründung ausführt, mit dem Wunsch der Kirchen und entspricht überdies der in Art. 41 Abs. 1 S. 2 LV zum Ausdruck kommenden verstärkten Freiheitsgarantie auch gegenüber der Öffentlichkeit. Art. 1 KV erkennt mithin die von Art. 4 Abs. 1 und 2 GG und Art. 8 Abs. 1 und 3 LV gewährleistete Freiheit des Glaubens und des Kultes an und sagt ihr den Schutz im Rahmen der bestehenden Gesetze zu. Das Wort „gewährt“ in Art. 1 KV scheint auf kirchlicher Seite das Bedenken hervorgerufen zu haben, als ob die Freiheit, den evangelischen Glauben öffentlich zu bekennen und auszuüben, kein ursprüngliches Recht der Kirchen und ihrer Mitglieder sei, sondern ihnen vom Staat zuerkannt werde. Daher wird im Schlußprotokoll zu Art. 1 KV erklärt, die Vertragschließenden seien sich darüber einig, daß Art. 1 KV im Hinblick auf die Entstehungsgeschichte von Art. 1 PrKV dahin zu verstehen sei, daß das Land den evangelischen Kirchen die Freiheit gewährleistet, den evangelischen Glauben öffentlich zu bekennen und auszuüben, und ihnen und ihren Angehörigen hierfür den gesetzlichen Schutz gewähren wird. Gewährleistungen der Bekenntnisfreiheit finden sich in Art. 1 §§ 1 und 3 BayK, Art. 1 PrK, Art. I BadK und Art. 1 Abs. 1 RK. (2) Kirchliche Selbständigkeit Gemäß Art. 2 Abs. 1 KV ordnen und verwalten die Kirchen ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes. Sie haben nach Art. 2 Abs. 2 KV – als Ausfluß dieser Selbständigkeit – das Recht, ihre Ämter ohne Mitwirkung des Staates oder der bürgerlichen Gemeinden zu verleihen oder zu entziehen. Art. 2 Abs. 1 und 2 KV entsprechen Art. 1 Abs. 2 S. 1 NKV (aber keine Erwähnung der kirchlichen Ämterhoheit), Art. 2 Abs. 1 SHKV (ebenfalls keine Erwähnung der kirchlichen Ämterhoheit) und Art. 1 Abs. 2 und 3 HKV. Diese Gewährleistung der kirchlichen Selbständigkeit nimmt die auf Art. 137 Abs. 3 WRV in Verbindung mit Art. 140 GG zurückgehenden Grundsätze der Landesverfassung über die Rechtsstellung der Kirchen (Art. 41) als Vertragsrecht auf und gewährt den Kirchen dadurch erhöhte Rechtssicherheit. In Art. 41 Abs. 2 S. 2 und 3 LV fehlen die Worte „innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes“ und „entziehen“. Jedoch bedeutet dies sachlich keine Verschiedenheit. Abgesehen davon, daß der Vertrag keine Verfassungsänderung herbeiführen konnte und wollte, ist doch ohne weiteres klar, daß die Schranken des für alle geltenden Gesetzes auch dann in der Verfassungsgewährleistung enthalten sind, wenn dies nicht gesagt ist. Es kommt nicht auf die Anbringung, sondern auf die Auslegung dieser „sinnvariierenden Formel“ (Heckel) an. Der „Gehaltsver-

stung der Glaubensfreiheit die karitative Betätigung einschließt. Vgl. Jung, Kirchenvertrag 290.

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lust“119 der Formel, die „den Vorbehalt der vom Staat kraft seines Berufs zu sichernden Sphäre“ (Smend) bedeutet, ist unbestreitbar. Es hat sich fast ein allgemeiner Konsens herausgebildet, das für alle geltende Gesetz sei das „für die Gesamtnation als politische, Kultur- und Rechtsgemeinschaft unentbehrliche Gesetz“120. Die Anerkennung des für alle geltenden Gesetzes durch die Kirchen ist das Pendant ihres Anspruches auf öffentliches Wirken. Die Kirchen können sich über das für die Einheit der Gesamtnation unentbehrliche Gesetz nicht hinwegsetzen, „ohne sich in Widerspruch mit den Rechtsanschauungen der Nation als einer gerade unter ihrem Einfluß geformten Kultur- und Rechtsgemeinschaft zu setzen, ohne die innere Berechtigung zu verlieren, Mitträger und Mitgestalter der öffentlichen Ordnung zu sein“121. Die Erwähnung des für alle geltenden Gesetzes in einem Kirchenvertrag hat daher seine innere Berechtigung und grundsätzliche Bedeutung. Sie ist „der Ausdruck loyaler Partnerschaft, der gemeinsamen Verantwortlichkeit für die gute öffentliche Ordnung, des sich Stellens der Welt und dem Staat gegenüber“122. Die Selbständigkeit der katholischen Kirche bei Ordnung und Verwaltung ihrer eigenen Angelegenheiten anerkennen Bayern in Art. 1 § 2 BayK und das Deutsche Reich in Art. 1 .Abs. 2 RK. Im PrK und BadK (außer in Art. IV Abs. 3 für Vermögensangelegenheiten) fehlen entsprechende Zusicherungen. Die Ämterhoheit der Kirche wird in Art. 14 BayK, Art. 10 PrK, Art, IV Abs. 1 und 2 BadK und Art. 14 Abs. 1 RK, von den konkordatären Einschränkungen abgesehen, anerkannt. Die in Art. 14 § 3 BayK, Art. 9 Abs. 3 und Art. 10 Abs. 2 PrK und Art. VII Abs. 2 und VIII Abs. 2 BadK vorgesehene Mitteilung der Personalien vor allem der Pfarrer ist weithin dank Verzichts des Staates aufgegeben worden. (3) Öffentliche Korporationsqualität Art. 2 Abs. 3 KV erkennt die Kirchen, die Kirchengemeinden und die aus ihnen gebildeten Verbände als Körperschaften des öffentlichen Rechts, kirchlichen Dienst als öffentlichen Dienst an. Hier wird Art. 43 Abs. 2 LV, der Art. 137 Abs. 5 WRV folgt, in Vertragsrecht umgewandelt. Die Anerkennung der öffentlichen Korporationsqualität steht auch in Art. 1 Abs. 2 S. 2 NKV, Art. 2 Abs. 2 S. 1 SHKV und Art. 1 Abs. 4 HKV.

119

Müller, Kirchenvertrag 424. So J. Heckel, Das staatskirchenrechtliche Schrifttum der Jahre 1930 und 1931: Verwaltungsarchiv 37 (1932) 284. Vgl. Smend, Kirchenvertrag 52; Scheuner, Tragweite 26; Hesse, Partnerschaft 392; denselben, Rechtsschutz 70 ff. 121 Hesse, Parität 195. 122 Hesse, Parität 195; vgl. denselben, Partnerschaft 395. 120

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Die manchmal etwas geringschätzig behandelte öffentliche Korporationsqualität der Kirchen ist doch auch heute noch die unentbehrliche Weise, in der sie am Rechtsverkehr teilnehmen. Alle Anerkennung des „Öffentlichkeitsauftrages“ der Kirchen kann nichts helfen, wenn die Kirchen in die Formen des bürgerlichen Rechtes verbannt bleiben und vom Felde des öffentlichen Rechtes ausgeschlossen werden. Die hervorgehobene Stellung der Religionsgemeinschaften als Körperschaften des öffentlichen Rechts drückt sich etwa in folgendem aus123. Die Verleihung der Rechte der Körperschaft des öffentlichen Rechts schließt die Anerkennung der Rechtsfähigkeit ein. Die maßgebenden Organe der Religionsgemeinschaften mit Korporationsqualität haben in gewisser Hinsicht den Charakter von öffentlichen Behörden. Die großen Religionsgemeinschaften weisen öffentliche Organisationsformen staatlicher Art auf. Die Mitgliedschaft ist durch das Kirchenaustrittsrecht gekennzeichnet. Gesetze und Anordnungen der Religionsgemeinschaften haben bindende Kraft für ihre Mitglieder. Die Legitimation und Zuständigkeit der kirchlichen Organe ist nach kirchlichem Recht zu beurteilen. Dienstherreneigenschaft und Beamtenwesen werden anerkannt, Die Religionsgemeinschaften haben Steuerrecht. Die öffentliche Korporationsqualität der katholischen Kirche gewährleisten Art. 2 Abs. 2 BayK (für die Orden und religiösen Kongregationen), Art. V Abs. 1 BadK (ebenso) und Art. 13 RK (für die katholischen Kirchengemeinden, Kirchengemeindeverbände und Diözesanverbände, die Bischöflichen Stühle, Bistümer und Kapitel, die Orden und religiösen Genossenschaften sowie die unter Verwaltung kirchlicher Organe gestellten Anstalten und Stiftungen). Der Halbsatz „Kirchlicher Dienst ist öffentlicher Dienst“ (Art. 2 Abs. 3 KV) ist, wie die Regierungsbegründung hervorhebt, auf einstimmigen und wiederholt betonten Wunsch der Kirchen angefügt worden. Die Feststellung stammt aus Art. 1 Abs. 2 S. 2 NKV, von wo sie in Art. 2 Abs. 2 S. 2 SHKV und Art. 1 Abs. 4 HKV übergegangen ist, Von den Kirchen wurde eine Klarstellung gewünscht, weil der öffentliche Charakter des kirchlichen Dienstes dem Verständnis der staatlichen Verwaltung und Rechtsprechung zunehmend undeutlich wurde, seitdem der kirchliche Dienst im allgemeinen Dienstrecht im Hinblick auf die kirchliche Autonomie immer mehr ausgeklammert wurde124. Die Formel ist, wie sich aus der Regierungsbegründung ergibt, bei der Landesregierung auf erhebliche Bedenken gestoßen. Trotzdem wurde sie nicht abgelehnt, obwohl von staatlicher Seite darauf hingewiesen wurde, daß aus dieser Gleichstellung mit Rücksicht auf den Grundsatz der 123 Vgl. E. Ruppel, Die Behandlung der Religionsgesellschaften als Körperschaften des öffentlichen Rechts in der neueren Gesetzgebung: Archiv für evangelisches Kirchenrecht 5 (1941) 7 – 22; F. T. Hollôs, Staatskirchenrecht: Erlanger wissenschaftliche Beiträge, Juristische Reihe Nr. 1 (Erlangen 1948) 54 ff.; W. Weber, Die Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts, 1. und 2. Auflage, (München und Berlin 1940 und 1943); Süsterhenn-Schäfer, Kommentar 206. 124 Müller, Kirchenvertrag 424.

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Gleichbehandlung des öffentlichen Dienstes auch vielleicht nicht gewollte Nachteile für die kirchlichen Dienstverhältnisse erwachsen können. Es bestand aber in den Verhandlungen Übereinstimmung zwischen den Verhandlungspartnern, daß der kirchliche Dienst ein öffentlicher Dienst eigener Art ist125. Das Schlußprotokoll zu Art. 2 Abs. 3 letzter Halbsatz KV erläutert die Bestimmung dahin, daß das Land dem Charakter des kirchlichen Dienstes als öffentlichen Dienstes in seiner Gesetzgebung und Verwaltung Rechnung tragen wird. Auf kirchlicher Seite sieht man die Bedeutung der Anerkennung des kirchlichen Dienstes als öffentlichen Dienstes darin gelegen, daß die Kirchen Beamte haben und das Dienstrecht der Pfarrer nach Art des öffentlichen Dienstrechtes ordnen können126. Eine entsprechende Bestimmung fehlt in den Konkordaten mit der katholischen Kirche. In Ausfüllung des körperschaftlichen Status der Kirche127 ergibt sich ein weiteres wichtiges Recht. Im Verfahren vor den Kirchengerichten und im förmlichen Disziplinarverfahren gegen Geistliche und Kirchenbeamte sind die Kirchengerichte und die kirchlichen Disziplinarbehörden berechtigt, Zeugen und Sachverständige zu vereidigen, und die Amtsgerichte verpflichtet, Rechtshilfeersuchen stattzugeben (Art. 13 Abs. 1 KV). Dies gilt nicht bei Verfahren wegen Verletzung der Lehrverpflichtung (Art. 13 Abs. 2 KV). Der Staat erkennt damit die kirchliche Gerichtsautonomie erneut an128. Art. 13 KV übernimmt erweiternd Art. 14 und 16 des preußischen Staatsgesetzes vom 8. April 1924. Gemäß Schlußprotokoll zu Art. 13 Abs. 1 KV muß der den Eid Abnehmende die Befähigung zum Richteramt nach dem Deutschen Richtergesetz besitzen129. Die Regierungsbegründung erklärt noch ausdrücklich, daß als kirchliche Gerichte auch kirchliche Disziplinargerichte zu gelten haben130. Entsprechendes bestimmen Art. 19 NKV131, Art. 24 SHKV und Art. 12 HKV. Die kirchliche Gerichtshoheit ist in den Konkordaten mit der katholischen Kirche nicht ausdrücklich anerkannt.

125 Die Regierungsbegründung zu Art. 1 NKV führt aus, daß die Feststellung „(Der kirchliche Dienst) bleibt öffentlicher Dienst“ bestätigt, was sich an sich bereits aus der Eigenschaft der Kirchen als Körperschaften des öffentlichen Rechts ergibt. Gegenüber Zweifeln an der Rechtslage kirchlichen Dienstes schien hier eine Klarstellung notwendig. Die Feststellung besage nicht, daß der kirchliche Dienst öffentlicher Dienst im Sinne des staatlichen Dienstrechtes ist. Ähnlich die Regierungsbegründung zu Art. 2 SHKV und zu Art. 1 HKV. 126 Ruppel, Vertrag 109. 127 Müller, Kirchenvertrag 424. 128 Krüger-Wittmack, Staatsvertrag 96. 129 Vgl. § 19 der Zusatzvereinbarung zu Art. 24 Abs. 1 SHKV und Schlußprotokoll zu Art. 12 Abs. 1 HKV. 130 Vgl. Regierungsbegründung zu Art. 24 SHKV und zu Art. 12 HKV. 131 Aber hier ist nicht das Verfahren vor den Kirchengerichten berücksichtigt.

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(4) Kirchliches Vermögen Wirtschaftliche Unabhängigkeit ist eine Voraussetzung für die freie Wirksamkeit der Kirche. „Selbständigkeit und öffentlicher Status der Kirche bleiben unvollkommen, wenn ihr nicht die Gewährleistung der für den Dienst der Kirche unentbehrlichen materiellen Güter und Mittel zur Seite steht. Solange es möglich ist, die Selbständigkeit der Kirche durch Entziehung oder Vorenthaltung dieser Mittel auszuhöhlen, bleibt die verfassungsrechtliche Sicherung ihrer Position Theorie, ist ihr Dienst nicht frei, ist ihr Wirken dadurch in Frage gestellt, daß es kein unabhängiges Wirken mehr ist“132. In Art. 9 Abs. 1 KV werden den Kirchen, Kirchengemeinden und den aus ihnen gebildeten Verbänden sowie den kirchlichen Anstalten, Einrichtungen, Stiftungen und Vereinen ihr Eigentum und andere Rechte an ihrem Vermögen im Umfang des Art. 138 Abs. 2 WRV133 in Verbindung mit Art. 140 GG und des Art. 44 LV gewährleistet. Das Grundrecht, das (wie schon in Art. 6 Abs. 1 PrKV) nunmehr in eine Vertragsbestimmung übernommen ist, will das Kirchengut in seiner öffentlichen Funktion für die Kirche gegenüber Versuchen des Staates schützen, aus dem Öffentlichkeitscharakter jenes Vermögens einen Rechtstitel für einen Zugriff auf das Kirchengut abzuleiten134. Art. 9 Abs. 1 KV entspricht Art. 18 Abs. 1 NKV, Art. 23 Abs. 1. SHKV und Art. 8 Abs. 1 HKV135. Gewährleistungen des Vermögens der katholischen Kirche enthalten Art. 10 § 4, Art. 2 Abs. 2 S. 2 BayK, Art. 5 Abs. 1 PrK, Art. V Abs. 1 BadK und Art. 17 RK. Nach Art. 9 Abs. 2 KV werden die Landesbehörden bei der Anwendung enteignungsrechtlicher Vorschriften auf die kirchlichen Belange Rücksicht nehmen. Wenn die Kirchen in Fällen der Enteignung oder der Veräußerung kirchlicher Grundstücke gleichwertige Ersatzgrundstücke zu erwerben beabsichtigen, werden ihnen die Landesbehörden bei der Erteilung von Genehmigungen, die nach besonderen Bestimmungen des Grundstückverkehrs vorgeschrieben sind, im Rahmen der geltenden gesetzlichen Bestimmungen entgegenkommen. Obwohl, wie die Regierungsbegründung erklärt, Art. 9 Abs. 2 KV nach den Ausführungen des Ministeriums für Landwirtschaft, Weinbau und Forsten mit Rücksicht auf das Grundstücksverkehrsgesetz vom 28. Juli 1961 (BGBl. I

132

Hesse, Partnerschaft 393. Dafür E. R. Huber, Die Garantie der kirchlichen Vermögensrechte in der Weimarer Verfassung (Tübingen 1927). 134 Heckel, Kirchengut 128. 135 Der HKV spricht von „evangelischen Anstalten und Stiftungen“. 133

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S. 1091)136 und das Bundesbaugesetz vom 23. Juni 1960 (BGBl. I S. 341)137 gegenstandslos geworden ist, haben die Kirchen einstimmig an dieser Bestimmung des Kommissionsentwurfs festgehalten. Art. 9 Abs. 2 KV entspricht Art. 18 Abs. 2 NKV, Art. 23 Abs. 2 SHKV und Art. 8 Abs. 2 HKV. In den Konkordaten mit der katholischen Kirche fehlt eine ähnliche Vorschrift. (5) Schulwesen Das Schulwesen war nicht Gegenstand des PrKV, wohl aber des BayKV. Die nach 1945 geschlossenen evangelischen Kirchenverträge nehmen auch Schulbestimmungen auf, was regelmäßig deswegen keine Schwierigkeiten bereitet, weil sich Staat und Kirche in der Bejahung der Gemeinschaftsschule finden138. (aa) Christliche Grundlage Art. 19 KV erklärt, daß die allgemeinbildenden öffentlichen Schulen auf christlicher Grundlage beruhen. Er entspricht damit Art. 29 LV, der nur Bekenntnisschulen und christliche Simultanschulen als öffentliche Schulen kennt. Aber die Errichtung und Unterhaltung von Bekenntnisschulen ist damit nicht vereinbart und vertraglich gesichert. Mit der Bemerkung, daß in Erziehung und Unterricht auf die Empfindungen Andersdenkender Rücksicht zu nehmen ist, ist das selbstverständliche Gebot der Toleranz umschrieben. Weitergehende Forderungen wurden von den evangelischen Kirchen nicht angemeldet. Abgesehen von anderen Gründen, mochte man auf seiten der Kirchen wohl der Mahnung eingedenk sein, zum Inhalt eines Kirchenvertrages nur zu machen, was (nach protestantischen Maßstäben gemessen) von grundlegender Bedeutung ist und außerdem für eine lange Zukunft eine vertragliche Regelung erträgt und ihrer bedarf, während jede inhaltliche Überspannung nach einiger Zeit zu offenem oder verdecktem Bruch führen muß139. Die Regierungsbegründung zu Art. 19 KV erklärt, der Art. 19 entspreche in seiner Formulierung voll den von den 136 Vgl. K. Haegele, Die Beschränkungen im Grundstücksverkehr, 2. Auflage, (BadenBaden 1962) 40 (Randnote 60). 137 Vgl. W. Kister/G. Schulte, Bundesbaugesetzt mit Reichsverordnungen, ergänzenden Vorschriften und Wertzahl-Tabelle, Handausgabe mit erläuternden Anmerkungen und Verweisen, 2. Auflage, (Siegburg 1961) 29 f., 38, 127; H. Bodensteiner/W. Spatz, Die Gemeinde und das Bundesbaugesetz (München 1961) 13; H. Knaup/H. Ingenstau, Bundesbaugesetz mit Kommentar 2. Auflage, (Düsseldorf 1961) 23, 39; J. Wolff, Bundesbaugesetz, Textausgabe mit Erläuterungen (Stuttgart 1960). 138 Scheuner, Kirche und Staat 265, bemerkt, daß im Zusammenhang mit der Verlagerung des Schwerpunktes im Staatskirchenrecht auf die Länder nun auch im Interesse des Staates gestaltete Schulartikel ihren Einzug in die evangelischen Kirchenverträge halten. 139 Heckel, Vertrag 198.

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Kirchen vorgetragenen Wünschen und finde seine Stütze in den Art. 28 S. 3, 33 und 41 Abs. 1 LV. Die evangelischen Kirchen sicherten sich mit dieser Haltung, vor allem mit dem Verzicht auf die vertragliche Gewährleistung der Bekenntnisschulen, den Beifall der SPD. Der Abgeordnete Schmidt (SPD) erklärte in der ersten Beratung, die Sozialdemokraten seien erfreut darüber, daß die evangelische Kirche, in Erkenntnis der Tatsache, daß Verfassungsrecht politisches Recht ist und daß die Gestaltung des Verfassungsrechtes im letzten den politischen Kräften überlassen bleiben muß, darauf verzichtet habe, trotz naheliegender Versuchung die Schulartikel der Landesverfassung in den Kirchenvertrag einzubringen. Dasselbe hob in der zweiten Beratung der Abgeordnete Haas (SPD) lobend hervor. In dem Verzicht der drei evangelischen Landeskirchen, die Schulartikel der Landesverfassung in den Vertrag aufzunehmen, sehe er eine klare Abgrenzung kirchlicher und politischer Zuständigkeiten. Durch Art. 19 KV finden sowohl die evangelische Bekenntnisschule als auch die christliche Gemeinschaftsschule ihre kirchliche Anerkennung. Kritischer war die Einstellung der FDP. Der Abgeordnete Schneider (FDP) begrüßte es zwar in der ersten Beratung ebenfalls besonders, daß in dem Kirchenvertrag nicht Art. 29 LV wiederholt worden sei. Aber auch die Fassung, die der Vertrag jetzt in dem Art. 19 gefunden hat, bedürfe noch einer gewissen Klarstellung und Interpretation in der Ausschußarbeit. Er vermisse in der Begründung zur Vorlage zu dem Art. 19 KV einen Verweis auf den Art. 38 LV, wonach bei der Gestaltung des höheren Schulwesens das klassisch-humanistische Bildungsideal neben den anderen Bildungszielen gleichberechtigt zu berücksichtigen ist. Durchaus mit Recht kritisierte Schneider die Feststellung, die Schule beruhe „auf christlicher Grundlage“. Es gebe kein allgemein christliches Bekenntnis und deshalb könne man nur schwer von einer allgemein christlichen Grundlage sprechen. Das sei nur möglich, wenn man den Begriff sehr allgemein fasse. In der Praxis könnten sich bei der Verwirklichung des Art. 19 bestimmte Schwierigkeiten ergeben, „es sei denn, er sagt …, daß unser Schulwesen in Rheinland-Pfalz – und diese Feststellung wird akzeptiert – nach dem gegenwärtigen Stand auf christlicher Grundlage beruht und deshalb organisatorische oder andere Änderungen nicht mehr erforderlich sind, daß also das Schulwesen in Rheinland-Pfalz dem entspricht, was die evangelische Kirche in diesem Falle von den Schulen in Rheinland-Pfalz erwartet“. Der Abgeordnete Wallauer (FDP) konnte in der zweiten Beratung im Namen seiner Fraktion Ausdruck geben, daß über die Auslegung des Art. 19 KV, „der die christliche Grundlage unserer Schulen feststellt und damit auch die – wenn ich einmal so sagen darf – von den Kirchen gewissermaßen akzeptierte staatliche Schulpolitik bezeichnet“, Klarheit bestehe. Der Artikel besage – auch nach den Erklärungen der Landesregierung – nur die Fixierung des bestehenden Zustandes in dem Sinne, daß die beiden konfessionellen Schulmöglichkeiten und die christliche Simultanschule erhalten bleiben sollten.

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Demgegenüber muß festgehalten werden, daß die evangelischen Kirchen zwar in dem Kirchenvertrag die Bekenntnisschule als „auf christlicher Grundlage“ beruhend anerkennen, daß der Kirchenvertrag aber keine vertragliche Garantie der Bekenntnisschule bedeutet. Da auch die Simultanschule „auf christlicher Grundlage“ beruhen soll, steht jedenfalls der Kirchenvertrag einer Umwandlung der Bekenntnisschulen in Simultanschulen nicht entgegen. So bedauerlich es ist, daß sich die evangelischen Kirchen in Rheinland-Pfalz nicht bereitfanden, die Bekenntnisschule vertraglich zu sichern, so schmerzlich ist die vertragliche Anerkennung der Gemeinschaftsschule in Niedersachsen, welche die Regierungsbegründung zu Art. 5 NKV als „Übereinstimmung von Land und Kirchen bei der Neuordnung des niedersächsischen Schulwesens“ bezeichnet. Die Zurückhaltung des niedersächsischen Kirchenvertrages auf dem Gebiet der Erziehung und Kultur erklärt sich aus dem protestantischen Charakter der Vereinbarung und dem politischen Hintergrund des Loccumer Vertrages140; bekanntlich suchte die niedersächsische Regierung mit ihrem vom weltanschaulichen Liberalismus genährten Schulprogramm den Protestantismus als Verbündeten gegen die katholischen Forderungen auf dem Schulsektor zu gewinnen. Art. 5 NKV setzt die Verbindlichkeit des umstrittenen niedersächsischen Schulgesetzes vom 14. September 1954 (GVBl. S. 29) voraus, wodurch bekanntlich die Bekenntnisschule ausgehöhlt und praktisch vernichtet wurde. Die in Art. 5 Abs. 1 NKV erwähnten §§ 2, 3 und 5 des genannten Gesetzes erklären, die öffentlichen Schulen seien „grundsätzlich christliche Schulen“; in ihnen werden die Schüler „ohne Unterschied des Bekenntnisses und der Weltanschauung“ gemeinsam erzogen. Als geistige Grundlage werden das Christentum, das abendländische Kulturgut und das deutsche Bildungserbe angegeben. Das Zugeständnis der Einsichtnahme der Kirchenbehörden in den evangelischen Religionsunterricht und eines Einflusses auf die Richtlinien, Lehrpläne und Lehrbücher für den evangelischen Religionsunterricht geht über Art. 7 Abs. 3 S. 2 GG nicht hinaus. Die in Art. 5 Abs. 2 NKV in Aussicht gestellte Vereinbarung über evangelische Privatschulen ist am 10. September bis 14. November 1957 zustandegekommen. Die Nachgiebigkeit der evangelischen Kirchen gegenüber staatlichen Wünschen ist, vom Standpunkt des Christentums aus betrachtet, bedauerlich. Es lassen sich aber auch andere Bedenken erheben. „Systematisch und vertragstechnisch ist die Bezugnahme auf ein Gesetz, das weiter zur Disposition der Landesgesetzgebung steht, nicht befriedigend. Bei dem besonderen Einflußanspruch der Kirche auf den Religionsunterricht (Art. 7 GG) wäre es angemessen gewesen, die Vorschriften des Schulgesetzes über den Religionsunterricht einigermaßen vollständig in den Vertrag zu übernehmen“141. Angesichts der besonderen religiösen Verhältnisse in Schleswig-Holstein ist die von den dortigen Landeskirchen ausgesprochene Anerkennung der Gemeinschaftsschulen eher verständlich als in Niedersachsen. Nach Art. 6 Abs. 1 SHKV 140 141

Scheuner, Tragweite 32; vgl. aber Ruppel, Vertrag 111. Müller, Kirchenvertrag 425.

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sind sich die Vertragschließenden im Hinblick auf die Zugehörigkeit des größten Teils der Schüler und Lehrer des Landes zum christlichen Glauben darin einig, daß die in Art. 6 Abs. 3 der Landessatzung für Schleswig-Holstein genannten Gemeinschaftsschulen christlichen Grundcharakter haben. In ihnen werden nach Abs. 2 die Schüler ohne Unterschied des Bekenntnisses und der Weltanschauung zusammengefaßt. In Erziehung und Unterricht ist auf die Empfindungen Andersdenkender Rücksicht zu nehmen. Die Regierungsbegründung erklärt dazu, Abs. 2 S. 1 und 2 bringe zum Ausdruck, daß der christliche Grundcharakter an der Eigenschaft der öffentlichen Schulen als Gemeinschaftsschulen nichts ändere. Bei der Besetzung der Lehrerstellen soll, unbeschadet der Art. 3 Abs. 3, Art. 7 Abs. 3 S. 3 und. Art. 33 .Abs. 2 und 3 GG, nach Möglichkeit die bekenntnismäßige Zusammensetzung der Schülerschaft berücksichtigt werden142. In seinem Schreiben vorn 21. Mail951 erklärte der Bischof für Holstein, zugleich im Namen der Kirchenleitungen in Lübeck und Eutin, daß Art. 6 Abs. 1 SHKV weder eine Änderung noch Ergänzung des Art. 6 Abs. 3 der Landessatzung darstelle; er bezwecke ebensowenig eine Veränderung des überkommenen Charakters der schleswig-holsteinischen Schule in ihrer heutigen Gestalt, sondern stelle nur die mehrfach bekundete übereinstimmende Auffassung der Vertragschließenden über diesen Zustand fest. Art. 6 Abs. 1 SHKV beinhalte auch nicht, daß der Unterricht in den sogenannten Gesinnungsfächern, wie z. B. Deutsch, Geschichte und Philosophie, nur von Lehrern, die einer christlichen Konfession angehören erteilt werden dürfe. Art. 6 Abs. 2 S. 3 SHKV begründe kein Vorrecht von Bewerbern oder Lehrern bei der Besetzung eines Lehramtes oder bei Beförderungen auf Grund ihrer Konfession und demzufolge auch keinen numerus clausus für eine konfessionelle oder weltanschauliche Minderheit. Die umstrittene Paritätsklausel des Art. 6 Abs. 2 SHKV wurde weder in den HKV143 noch in den rheinland-pfälzischen Kirchenvertrag übernommen. Wie dünn die „christliche Grundlage“ ist, von der – mit geringfügigen Unterschieden – sowohl der NKV als auch der SHKV wie der HKV sprechen, geht aus letzterem mit erfreulicher Klarheit hervor. Art. 15 Abs. 1 HKV sagt, daß die öffentlichen Schulen Gemeinschaftsschulen „auf christlicher Grundlage“ sind. In ihnen werden die Schüler ohne Unterschied des Bekenntnisses und der Weltanschauung zusammengefaßt. In Erziehung und Unterricht sollen auch die geistigen und sittlichen Werte der Humanität zur Geltung kommen. Auf die Empfindungen Andersdenkender ist Rücksicht zu nehmen.

142

Dies wird von der Regierungsbegründung dahin erläutert, es solle nicht eine konfessionalistische Proportionsrechnung bei der Besetzung von Lehrerstellen eingeführt werden, sondern nur im Rahmen der von Fall zu Fall gegebenen Möglichkeiten und unbeschadet der einschlägigen Bestimmungen des Grundgesetzes der ganz überwiegend evangelischen Zusammensetzung von Schüler- und Lehrerschaft Rechnung getragen werden. 143 Jung, Kirchenvertrag 292.

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Auf kirchlicher Seite sah man im Vermeiden der Formulierung „auf allgemein christlicher Grundlage” einen bedeutungsvollen Fortschritt zu einer positiven Unterrichtsgestaltung144. In Wahrheit ist schon die Feststellung dessen, was „christlich“ ist, infolge der bekenntnismäßigen Unterschiede überaus schwierig, ja wegen des Fehlens eines Lehramtes im Protestantismus unmöglich. Die „christliche Grundlage“ läßt innerhalb des Protestantismus Gegensätze fundamentaler Art zu, die von dem Desinteresse an der Persönlichkeit Christi und der Leugnung zentraler Dogmen bis zu pietistischer Orthodoxie und Festhalten an der Verbalinspiration reichen. Die Formel ist deshalb praktisch unbrauchbar zur Sicherung des christlichen Gehaltes der Volksschule und darum fast wertlos. Sie ist außerdem durch die Konkurrenz mit den „geistigen und sittlichen Werten der Humanität“ schwer bedroht. Diese Gestaltung des Schulwesens entspricht indes der hessischen Verfassung vom 11. Dezember 1946 (GVBl. S. 229). Nach ihrem Art. 56 Abs. 2 werden an allen hessischen Schulen die Kinder aller religiösen Bekenntnisse und Weltanschauungen in der Regel gemeinsam erzogen (Gemeinschaftsschule). Das Nähere regelt nach Art. 56 Abs. 7 das Gesetz. Dieses muß Vorkehrungen dagegen treffen, daß in der Schule die religiösen und weltanschaulichen Grundsätze verletzt werden, nach denen die Erziehungsberechtigten ihre Kinder erzogen haben wollen. Daß die evangelischen Kirchen sich in einem Kirchenvertrage zur Anerkennung der sozialistischen Schulpolitik in Hessen bereitfanden, zeigt den Rückzug des Protestantismus aus dem Bemühen um eine wirklich christliche Gestaltung des Schulwesens an. Die Behauptung, hier werde, „weit über den Rahmen des NKV hinaus“, der „Grundsatz der Partnerschaft auf dem Gebiet des Schulwesens“ verwirklicht145, erscheint nicht überzeugend. Das BayK sichert die Erhaltung und Errichtung von katholischen Bekenntnisschulen (Art. 6). Im PrK blieb die Schulfrage ausgeklammert. Auch das BadK schweigt darüber. Dagegen gewährleistet das Reichskonkordat die Beibehaltung und Neueinrichtung katholischer Bekenntnisschulen (Art. 23). (bb) Gelegenheit zur Erfüllung der religiösen Pflichten An allen Schulen in Rheinland-Pfalz wird nach Art. 18 KV im Benehmen mit den zuständigen kirchlichen Aufsichtsbehörden den Schülern ausreichend Gelegenheit zur Erfüllung kirchlicher Pflichten gegeben. Dies entspricht einem Bildungsideal, das in jedem Falle vom Christentum bestimmt ist (Art. 29 LV), und dem Bildungsziel der Gottesfurcht (Art. 33 LV). Art. 18 geht auf Art. 6 des Bayerischen Kirchenvertrages mit der Pfälzischen Landeskirche (zu vergleichen mit Art. 7 § 2 BayK) zurück. Nunmehr haben auch 144 145

Krüger-Wittmack, Staatsvertrag 96. Jung, Kirchenvertrag 292.

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die beiden anderen Kirchen das Recht, von den Schulbehörden die Berücksichtigung der religiösen Pflichten der Schüler zu erreichen. Die Bestimmung hat kein Gegenstück in den übrigen Kirchenverträgen. Das Land Rheinland-Pfalz hat, wie diese Vorschrift von neuem erweist, in ungewöhnlichem Entgegenkommen den evangelischen Kirchen die Vorteile aus dem PrKV und dem BayKV gewährt. (cc) Privatschulen Nach Art. 17 KV haben die Kirchen das Recht, Privatschulen einzurichten. Das Land wird diese Schulen nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften genehmigen, anerkennen und fördern. Art. 17 verbürgt den Kirchen das ihnen bereits durch Art. 30 Abs. 1 mit Art. 28 und Art. 46 LV gewährleistete Recht, Privatschulen zu errichten, in vertraglicher Form. Die allgemeinen Voraussetzungen für die Genehmigung von Privatschulen ergeben sich aus Art. 7 Abs. 4 und 5 GG. Die Förderung der Privatschulen, zu der sich das Land in Art. 17 KV verpflichtet, wird hauptsächlich in finanzieller Unterstützung nach Maßgabe der staatlichen Gesetze zu sehen sein. Die §§ 28 – 33 des Landesgesetzes über die Privatschulen in Rheinland-Pfalz vom 31. Dezember 1957 (GVBl. 1958 S. 15) sowie die §§ 20 – 25 der ersten Landesverordnung zur Durchführung des Privatschulgesetzes vom 27. Oktober 1959 (GVBl. S. 225) regeln die öffentliche Finanzhilfe für die Privatschulen. Der rheinland-pfälzische Kirchenvertrag geht auch in bezug auf die Privatschulen über seine Vorgänger hinaus. Art. 5 Abs. 2 NKV sah besondere Vereinbarungen der niedersächsischen Landesregierung und der Kirchenbehörden über evangelische Privatschulen vor. Eine solche Vereinbarung ist am 10. September bis 14. November 1957 getroffen worden (MBl. S. 970). Nach Art. 7 SHKV haben die Kirchen das Recht, Privatschulen einzurichten. Das Land wird diese Schulen, sofern sie die dazu allgemein146 erforderlichen Voraussetzungen erfüllen, genehmigen und ihnen die Anerkennung gewähren. Das Land wird diesen Schulen die gleiche Rechtsstellung gewähren wie allen anderen Privatschulen. Der hessische Kirchenvertrag enthält keine Bestimmung über Privatschulen. Art. 9 § 1 BayK sieht die Zulassung von Privatschulen klösterlicher Verbände unter den allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen vor. Dasselbe steht in Art. 25 Abs. 1 RK. 146

Dies erklärt die Regierungsbegründung mit dem Hinweis auf Art. 7 Abs. 4 GG.

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(6) Religionsunterricht (aa) Ordentliches Lehrfach Nach Art. 20 Abs. 1 KV ist der Religionsunterricht ordentliches Lehrfach an allen Volks-, Berufs-, Berufsaufbau-, Berufsfach-, Mittel- und höheren Schulen. Das Schlußprotokoll zu Art. 20 Abs. 1 KV erklärt, daß als Berufsaufbauschulen im Sinne dieses Absatzes nur Vollzeitschulen gelten. Mit dieser Bestimmung wird das Verfassungsrecht über den Religionsunterricht (Art. 7 Abs. 3 S. 1 GG und Art. 34 LV) vertraglich verstärkt und durch die Aufzählung der Kreis der Schulen klargestellt, an denen der Religionsunterricht ordentliches Lehrfach ist. Art. 20 Abs. 1 KV entspricht Art. 6 Abs. 3 S. 1 SHKV, wo jedoch nur allgemein von „öffentlichen Schulen“ gesprochen wird, und Art. 15 Abs. 2 S. 1 HKV, wo von „allen allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen“ die Rede ist. Der niedersächsische Kirchenvertrag begnügt sich in Art. 5 Abs. 1 hinsichtlich des Religionsunterrichts mit dem Verweis auf § 5 des Gesetzes über das öffentliche Schulwesen, wonach der Religionsunterricht an den öffentlichen Schulen mit Ausnahme der Fachschulen ordentliches Lehrfach ist, und verheißt für die Zukunft eine Vereinbarung über die Einsichtnahme in den evangelischen Religionsunterricht und über Richtlinien, Lehrpläne und Lehrbücher für den evangelischen Religionsunterricht. Garantien des Religionsunterrichtes als eines ordentlichen Lehrfaches enthalten Art. 7 § 1 (an allen Volksschulen), Art. 4 § 3 BayK (an allen höheren Lehranstalten und Mittelschulen), Art. Xl Abs. 1 BadK (an den badischen Schulen) und Art. 21 RK (in den Volksschulen, Berufsschulen, Mittelschulen und höheren Lehranstalten). (bb) Einsichtnahme der Kirchen Daß die Kirchen nach Art. 20 Abs. 2 KV das Recht haben, ins Benehmen mit der staatlichen Aufsichtsbehörde in die Erteilung des Religionsunterrichts Einsicht zu nehmen, worüber die näheren Bestimmungen von den Kirchen mit dem Land vereinbart werden, entspricht Art. 7 Abs. 3 S. 2 GG und Art. 34 S. 2 und 6 LV. Das Recht zur Einsichtnahme wird auch von Art, 5 Abs. 1 NKV und Art. 15 Abs. 2 S. 2 HKV zugesagt. Das Schlußprotokoll zu Art. 15 Abs. 2 HKV läßt sich über dieses Recht aus. Danach werden die den Kirchen zustehenden Befugnisse durch die Organe ausgeübt, die nach den Ordnungen, Gesetzen oder Satzungen der Kirche dafür zuständig sind. Mit der Ausübung können im Einvernehmen mit den staatlichen Schulaufsichtsbehörden auch die Schulräte und Religionslehrer beauftragt werden. Im eigenen Pfarrbezirk kann der Ortspfarrer die der Kirche zustehenden Rechte nicht ausüben. Hier war wohl die Furcht vor dem Gespenst der

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geistlichen Schulaufsicht wirksam. Die obersten Kirchenbehörden teilen die Namen der Beauftragten und der Stellvertreter den zuständigen staatlichen Schulaufsichtsbehörden mit. Wenn der Beauftragte während der planmäßigen Religionsstunden den Unterricht einer Schulklasse besuchen will, so hat er sich rechtzeitig mit der staatlichen Schulaufsichtsbehörde ins Benehmen zu setzen. Auch nach Art. 6 Abs. 5 SHKV behält die Kirche – unbeschadet des staatlichen Aufsichtsrechtes – das Recht der Einsichtnahme in den evangelischen Religionsunterricht der öffentlichen Schulen. Sie übt dieses Recht durch den zuständigen Schulaufsichtsbeamten aus, sofern dieser der evangelisch-lutherischen Kirche angehört und die Befähigung zur Erteilung von Religionsunterricht besitzt. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor oder verzichtet der Betreffende auf die Beauftragung, so bestellt das Land im Einvernehmen mit der Kirche andere Schulaufsichtsbeamte oder geeignete Lehrkräfte der entsprechenden Schulart. Sowohl der NKV (Art. 5 Abs. 1 NKV mit Schulgesetz § 5 Abs. 2) wie der SHKV lassen erkennen, daß man auf staatlicher Seite bemüht war, die Kontrolle auch über die Erteilung des Religionsunterrichtes, um die Übereinstimmung mit den Lehren und Ordnungen der Kirche festzustellen, möglichst in die Hand staatlicher Organe legen zu lassen. Die Einsichtnahme der kirchlichen Oberbehörden in den Religionsunterricht wird der katholischen Kirche in Art. 8 § 1 BayK, Art. XI Abs. 2 und Schlußprotokoll BadK und Art. 21 RK zugesichert. (cc) Ausbildung der Religionslehrer In Art. 15 Abs. 1 KV verspricht das Land, dafür zu sorgen, daß an der Johannes Gutenberg-Universität, den Pädagogischen Hochschulen und an den sonstigen Ausbildungsstätten den Studierenden, welche die Lehrbefähigung in evangelischer Religion anstreben, die wissenschaftliche Vorbildung geboten wird, die sie fachlich und methodisch zur Erteilung des Religionsunterrichts befähigt. Damit werden, wie die Regierungsbegründung erklärt, die wissenschaftlichen und pädagogischen Voraussetzungen für die Heranbildung eines den kirchlichen Anforderungen entsprechenden Lehrerstandes sichergestellt. Art. 15 Abs. 1 KV entspricht Art. 4 Abs. 1 S. 1 NKV, Art, 5 Abs. 1 S. 1 SHKV und Art. 14 Abs. 1 S. 1 HKV. Nach Art. 15 Abs. 2 KV wird den Kirchen bei der Anstellung der hauptamtlichen Professoren und Dozenten für evangelische Theologie an den Pädagogischen Hochschulen und sonstigen Ausbildungsstätten Gelegenheit zur Äußerung gegeben. Dies entspricht Art. 4 Abs. 1 S. 2 NKV147, Art. 5 Abs. 2 S. 1 SHKV und Art. 14 Abs. 1 S. 2 HKV148. 147 Dazu bemerkt die Regierungsbegründung, daß die Dozenten für evangelische Religionspädagogik an den Pädagogischen Hochschulen meist aus dem Pfarrdienst stammen, so daß

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Bereits Art. 36 Abs. 3 S. 3 LV sieht vor, daß der Religionsunterricht an den Lehrerbildungsanstalten nur von Lehrkräften erteilt wird, die dazu die Genehmigung von der betreffenden Kirche oder Religionsgemeinschaft erhalten haben. Gemäß dem Schlußprotokoll zu Art. 15 Abs. 2 KV werden Lehraufträge für evangelische Theologie im Benehmen mit den Kirchen erteilt. An den Pädagogischen Hochschulen ist Gelegenheit zu kirchenmusikalischer Ausbildung zu geben. Zu dieser letzten Bestimmung ist Abs. 2 des Schlußprotokolls zu Art. 14 Abs. 1 HKV zu vergleichen. Im Bereich der katholischen Kirche trifft nur Art. 5 § 2 BayK Vorsorge für die sachgerechte Ausbildung der Religionslehrer an Volksschulen. Der Wechsel von einer Pädagogischen Hochschule des Landes zu einer anderen gilt nicht als Anstellung im Sinne des Abs. 2 (Art. 15 Abs. 3 KV). Dies entspricht Art. 4 Abs. 1 S. 3 NKV, Art. 5 Abs. 2 S. 2 SHKV und Art. 14 Abs. 1 S. 3 HKV. (dd) Erteilung der Lehrbefähigung und Bevollmächtigung Zur Erteilung des Religionsunterrichts sind Lehrbefähigung und Bevollmächtigung erforderlich. Art. 16 KV regelt, wie die Regierungsbegründung erklärt, in vertragsmäßiger Garantie derselben Verfassungsgrundsätze mit Rücksicht auf die Tatsache, daß es sich beim Religionsunterricht an öffentlichen Schulen sowohl um eine staatliche als auch um eine kirchliche Angelegenheit (eine res mixta) handelt, die Zulassung der Lehrer für den Religionsunterricht an allen Schulen, den Widerruf ihrer Bevollmächtigung und die Aufstellung der Studien- und Prüfungsordnungen. Der rheinland-pfälzische Kirchenvertrag lehnt sich hier eng an den hessischen Kirchenvertrag an. Die Lehrbefähigung für den Religionsunterricht wird vom Staat erteilt (Art. 16 Abs. 1 KV). Dies entspricht Art. 14 Abs. 2 S. 3 HKV. Die Bevollmächtigung erfolgt – entsprechend Art. 34 S. 5 LV – durch die zuständige vertragschließende Kirche (Art. 16 Abs. 2 KV). Auch dies entspricht Art. 14 Abs. 2 S. 4 HKV. Eine etwas andere Regelung besteht in Schleswig-Holstein und in Niedersachsen. Nach Art. 5 Abs. 3 S. 2 SHKV wird die Lehrbefähigung für den Religionsunüber ihre Auswahl schon bisher Kontakt zwischen Land und Kirchen bestand. Da der Religionsunterricht „in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften“ zu erteilen ist, erscheine es angemessen, das Zusammenwirken zwischen Land und Kirchen bei der Anstellung dieser Dozenten förmlich zu vereinbaren. Die Kirchen sollen wie bei der Anstellung von Professoren an der Theologischen Fakultät Göttingen durch die Möglichkeit gutachtlicher Äußerungen beteiligt werden. Diese Anpassung entspreche auch dem Rang der Pädagogischen Hochschulen. 148 Vgl. die (der niedersächsischen ähnliche) Regierungsbegründung.

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terricht vom Staat im Einvernehmen mit dem Vertreter der Kirche erteilt. Nach Art. 4 Abs. 2 S. 2 NKV wirkt bei der Feststellung der Lehrbefähigung für den Religionsunterricht der Vertreter der Kirche mit. Die Regierungsbegründung erklärt dazu, daß neben dieser Mitwirkung – an der Prüfung in evangelischer Religion bei den Lehramtsprüfungen – eine besondere kirchliche Bevollmächtigung der Religionslehrer nicht stattfindet. Die Kirche kann die Bevollmächtigung entziehen. Eine Angabe von Gründen ist nicht vorgesehen. Mit dem Widerruf der Bevollmächtigung endet die Berechtigung, Religionsunterricht zu erteilen (Art. 16 Abs. 3 KV). Auch dies entspricht Art. 14 Abs. 2 S. 5 HKV. Nach Art. 20 Abs. 3 KV gilt für Geistliche, die ein kirchliches Amt innehaben, auf Grund ihres kirchlichen Amtes die staatliche Genehmigung zur Übernahme des evangelischen Religionsunterrichtes als erteilt. Für kirchlich ausgebildete Religionslehrer (Katecheten), denen ihre Kirche die Befähigung zur Erteilung von Religionsunterricht zuerkannt hat, wird die staatliche Genehmigung zur Übernahme des evangelischen Religionsunterrichtes in einem Verfahren erteilt, das zwischen den Kirchen und dem Land in einer besonderen Vereinbarung geregelt wird. In Art. 6 Abs. 6 SHKV wird dagegen bestimmt, daß Geistliche und sonstige kirchliche Lehrkräfte für die Erteilung des Religionsunterrichtes an öffentlichen Schulen des staatlichen Lehrauftrages bedürfen. Sie unterstehen in Ausübung dieses Lehrauftrages der staatlichen Schulaufsicht. Nach Art. 15 Abs. 3 HKV gilt für die Geistlichen und die kirchlich ausgebildeten Religionslehrkräften (Katecheten), denen ihre Kirche die Befähigung zur Erteilung von Religionsunterricht zuerkannt hat, die staatliche Genehmigung zur Übernahme des evangelischen Religionsunterrichtes als erteilt149. Das Schlußprotokoll zu Art. 20 Abs. 3 KV legt fest, daß die Entziehung des staatlichen Unterrichtsauftrages im Einzelfall im Benehmen mit der zuständigen kirchlichen Oberbehörde erfolgt. Das Erfordernis der missio canonica für Religionslehrer stellen Art. 5 § 2 BayK, (mittelbar) Art. XI Abs. 2 mit Schlußprotokoll BadK und Art. 22 RK auf. Entsprechend den Art. 34 S. 3 und Art. 36 Abs. 3 S. 1 LV sind nach Art. 20 Abs. 4 KV Lehrpläne und Lehrbücher für den Religionsunterricht im Einvernehmen mit der zuständigen Kirche zu bestimmen. Das gleiche steht in Art. 15 Abs. 4 HKV und Art. 6 Abs. 4 S. 2 SHKV. Dies ist, wie die Regierungsbegründung zum SHKV richtig erklärt, eine praktische Folgerung aus der Übernahme der verfassungsrechtlichen Bestimmungen des Art. 7 Abs. 3 S. 1 und 2 GG. Ähnliches bestimmt Art. 21 RK.

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Dazu § 3 Abs. 2 des Lehrerbildungsgesetzes vom 12. November 1958 (GVBl. S. 172).

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(ee) Studien- und Prüfungsordnungen Die Studien- und Prüfungsordnungen für das Fach der evangelischen Religion werden im Einvernehmen mit den Kirchen aufgestellt (Art. 16 Abs. 4 KV). So auch Art. 14 Abs. 4 HKV. Bei der Prüfung in dem Fach der evangelischen Religion kann ein Vertreter der zuständigen Landeskirche mitwirken; die Landeskirche ist einzuladen (Art. 16 Abs. 5 KV). Die Bestimmung berücksichtigt das Erfordernis, daß der Religionsunterricht „in Übereinstimmung mit den Lehren und Satzungen der betreffenden Kirche“ (Art. 34 S. 2 LV) zu erteilen ist. Ebenso Art. 4 Abs. 2 S. 2 NKV, Art. 5 Abs. 3 S. 1 SHKV („als stimmberechtigtes Mitglied des Prüfungsausschusses“)150 und Art. 14 Abs. 2 S. 1 und 2 HKV. Eine ähnliche Vorschrift enthält für den Bereich der katholischen Kirche nur Art, 5 § 4 BayK (eine Vertretung der kirchlichen Oberbehörden in den Prüfungskommissionen „mindestens für die Prüfung aus der Religionslehre“). (7) Evangelisch-Theologische Fakultät Lebhaft umstritten vor und nach Abschluß des Kirchenvertrages waren und sind die Bestimmungen, welche die Rechtsstellung der Evangelisch-Theologischen Fakultät an der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz regeln151. (aa) Garantie des Bestandes Nach Art. 14 Abs. 1 KV bleibt die Evangelisch-Theologische Fakultät an der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz als Stätte der theologischen Forschung und Lehre und für die wissenschaftliche Vorbildung der Pfarrer bestehen. Damit wird neben die Institutions- und Bestandsgarantie des Art. 39 Abs. 1 S. 3 LV152 die vertragliche Sicherung gesetzt. Ähnliche Garantien enthalten Art. 11 Abs. 1 PrKV, Art. 3 Abs. 1 NKV, Art. 4 Abs. 1 SHKV und Art. 13 Abs. 1 HKV. Der Bestand der katholisch-theologischen Fakultäten wird in Art. 3 BayK, Art. 12 Abs. 1 PrK, Art. IX BadK und Art. 19 RK gewährleistet. 150 Art. 5 Abs. 3 S. 1 SHKV sichert die Teilnahme des kirchlichen Vertreters bei der ersten Prüfung für das Lehramt an Volksschulen, Abs. 4 bei der zweiten Prüfung für das Lehramt an Volksschulen und bei der Prüfung für das Lehramt an Mittelschulen, an berufsbildenden Schulen und an höheren Schulen. 151 Vgl. F. Baumgärtel, Entmündigung der evangelisch-theologischen Fakultäten? Ein Staatsvertrag in Rheinland-Pfalz: Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr. 72, 26. März 1963, S. 2; dazu die Entgegnung von D. H. Stempel in FAZ Nr. 88, 16. April 1963, S. 7. 152 Vgl. W. Thieme, Deutsches Hochschulrecht (Berlin-Köln 1956) 131, 132.

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Das Schlußprotokoll zu Art. 14 Abs. 1 KV erklärt, daß an der EvangelischTheologischen Fakultät der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz zur Zeit folgende Lehrstühle bestehen: zwei Ordinariate für Altes Testament, zwei Ordinariate für Neues Testament, zwei Ordinariate für Kirchen- und Dogmengeschichte, zwei Ordinariate für Systematische Theologie, zwei Ordinariate für Praktische Theologie, ein Ordinariat für Religions- und Missionswissenschaft, ein Ordinariat für Christliche Orientalistik. Außerdem bestehen Lehraufträge für Kirchenrecht, Kirchenmusik und Territorialkirchengeschichte. Vor der Genehmigung weiterer Lehraufträge wird den Kirchen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. (bb) Besetzung der Lehrstühle Mit der Besetzung der Lehrstühle an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Johannes Gutenberg-Universität befassen sich drei verschiedene Stellen des rheinland-pfälzischen Kirchenvertrages, die jedoch nicht miteinander in Einklang stehen. Art. 14 Abs. 2 KV bestimmt, daß vor der Besetzung eines Lehrstuhles den Kirchen Gelegenheit zur Äußerung über die in der Vorschlagsliste enthaltenen Persönlichkeiten gegeben wird. Das nähere Verfahren legt das Schlußprotokoll zu Art. 14 Abs. 2 KV wie folgt fest. Die Besetzung der Lehrstühle der Evangelisch-Theologischen Fakultät erfolgt nach den allgemeinen landesrechtlichen Bestimmungen und der Universitätssatzung153. Bevor die Fakultät die Vorschlagsliste an den Minister für Unterricht und Kultus weiterleitet, soll sie mit den Kirchen in Verbindung treten. Diese vertrauliche Fühlungnahme der Fakultät mit den Kirchen, die der Evangelisch-Theologischen Fakultät nahegelegt wird („soll“), wurde bisher schon in Heidelberg, Tübingen und Münster geübt und bedarf an sich keiner formellen Vereinbarung mit der Kirche154. In Mainz ist sie nun vertraglich festgelegt. Abs. 1 des Schlußprotokolls zu Art. 14 Abs. 2 KV berücksichtigt einen Vorschlag von Mahrenholz155. Die Vorschrift ist zu begrüßen. So erfährt die Fakultät als erste Stelle, daß gegen einen vorzuschlagenden Professor von seiten der Kirchen theologische Bedenken bestehen. Die eigentliche Mitwirkung der Kirchen wird jedoch durch den Minister für Unterricht und Kultus ausgelöst. Der Minister für Unterricht und Kultus holt – nach 153 Statut über die Organe der Verwaltung und die Berufung der Professoren der JohannesGutenberg-Universität in Mainz vom 10. September 1949 (ABl. des MfUuK von RheinlandPfalz S. 197); Landesgesetz über die Verfassung und Verwaltung der Johannes-GutenbergUniversität in Mainz vom 6. März 1961 (GVBl. S. 47). Ein neues Statut der Universität wird vorbereitet. 154 H. C. Mahrenholz, Die Mitwirkung der evangelischen Kirche bei der Besetzung der Lehrstühle in den evangelisch-theologischen Fakultäten: ZevKR 5 (1956) 249. 155 Mahrenholz, Mitwirkung 271 A. 162.

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Schlußprotokoll zu Art. 14 Abs. 2 KV – vor jeder Anfrage der zu berufenden Persönlichkeit die Stellungnahmen der Landeskirchen zu der Vorschlagsliste der Fakultät, die in der Regel drei Namen enthält (§ 31 Abs. 1 des Statuts der Universität), ein. Werden in bezug auf Lehre und Bekenntnis der Vorgeschlagenen Bedenken geltend gemacht, so werden die Kirchen diese in einem theologischen Gutachten begründen. Auch Abs. 2 des Schlußprotokolls zu Art. 14 Abs. 2 KV folgt einem Vorschlag von Mahrenholz156. Man richtet sich bei der Einholung der Stellungnahme der Kirchen zu der Vorschlagsliste nicht nach dem preußischen, sondern dem süddeutschen System. Danach findet die Befragung der Kirchen statt, bevor sich der Minister durch das Angebot des Lehrstuhls bindet. Die Mitteilung der vorgebrachten Bedenken an die Fakultät ist nicht vorgesehen, aber auch nicht verboten; sie ist in jedem Falle angebracht. Zur Erteilung der venia legendi an habilitierte Persönlichkeiten, zur Ernennung von außerplanmäßigen oder Honorarprofessoren ist eine Mitwirkung der Kirchen durch Befragung nicht vorgesehen. Das im ganzen nicht unbillige Verfahren, welches das Schlußprotokoll vorsieht, erfährt jedoch eine einschneidende Verschlechterung durch die Erläuterung, die ihm gegeben wird. Nach dem an das Schlußprotokoll zu Art. 14 Abs. 2 KV anschließenden Briefwechsel zwischen dem Ministerpräsidenten von Rheinland-Pfalz und den drei Kirchenpräsidenten der beteiligten Kirchen ist die Bestimmung hinsichtlich des Gutachtens dahin zu verstehen, daß das theologische Gutachten von den kirchlich dafür zuständigen Organen als Ablehnung der Theologie des Vorgeschlagenen im Blick auf Bekenntnis und Lehre der Kirchen dem Minister für Unterricht und Kultus mitgeteilt wird, ohne daß es im einzelnen einer theologischen Begründung bedarf. Der Minister wird das theologische Gutachten der Kirchen nicht durch Einholung anderer theologischer Gutachten – sei es von seiten der Fakultät, sei es von seiten anderer theologischer oder kirchlicher Stellen – in Zweifel ziehen, sondern danach seine Entscheidung ohne weitere Stellungnahme treffen. Danach brauchen die Kirchen keine Beweise für ihre Beanstandung zu geben. Wenn das Gutachten keiner näheren theologischen Begründung bedarf, ist es entwertet und verdient nicht mehr seinen Namen. Der Minister ist an das so entwertete und zu einer bloßen Stellungnahme herabgewürdigte Gutachten der Kirchen gebunden, er darf nicht versuchen, durch Einholung anderer Gutachten sich selbst eine eigene Meinung zu bilden. Dadurch wird das kirchliche „Gutachten“ zum kirchlichen Machtspruch. Daß eine von dem Gutachten der Kirchen abweichende Stellungnahme des Ministers erfolgt, ist zwar möglich, aber wenig wahrscheinlich. Denn dies könnte nur unter Anführung von Gründen geschehen, die den Einspruch der Kirchen als unbegründet erscheinen lassen. Unbegründet könnte wiederum der Einspruch der Kirchen nur dann erscheinen, wenn den von ihnen angeführten 156

Mahrenholz, Mitwirkung 271.

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Gründen bessere Gegengründe entgegengesetzt werden. Aber eben eine Begründung soll der kirchliche Einspruch nicht benötigen. Bei dieser Sachlage kann man sich nur schwer der Ansicht entziehen, hier liege ein Vetorecht der Kirchen zwar nicht de iure, aber de facto vor (Baumgärtel). Die in dem Schriftwechsel sich kundgebende Auffassung des Schlußprotokolls rief die Evangelisch-Theologische Fakultät der Johannes Gutenberg-Universität auf den Plan. Sie erhob am 23. Mai 1962 in scharfer Weise Protest. Sie sah einen Widerspruch zwischen dem Schlußprotokoll und dem Schriftwechsel, der ihre Lehrfreiheit bedroht und einschränkt. Während es nach dem Schlußprotokoll den Anschein hat, als handele es sich bei dem theologischen Gutachten der Kirchen um eine ausführliche wissenschaftliche Begründung einer Ablehnung und als sei diese zwar als Meinungsäußerung der Kirchenleitung für den Minister beachtenswert, keineswegs aber verbindlich, gewinnt man in dem Schriftwechsel die Überzeugung, daß eine eingehende theologische Begründung nicht erforderlich und die Stellungnahme der Kirchen für den Minister maßgebend seien157. Es wird als ein Antasten des protestantischen Grundprinzips der Freiheit der theologischen Forschung von einer Kirchenlehre angesehen, wenn den Kirchen bei der Besetzung von Lehrstühlen ein Vetorecht eingeräumt wird, das heißt, „wenn von der bei den zuständigen landeskirchlichen Organen zur Zeit herrschenden Theologie die Besetzung der Lehrstühle gesteuert wird und wenn diese die Grenzlinie ziehen, die auf Grund dieses Staatsvertrags und auf Grund der Tatsache des Nichtexistierens einer fixierten, rechtlich auswertbaren Kirchenlehre beliebig weit nach ,vorn‘ verlegt werden kann“ (Baumgärtel). Die Kirchenleitungen konnten sich dem Gewicht der von der EvangelischTheologischen Fakultät gegen den Briefwechsel vorgebrachten Einwände nicht entziehen. Die Evangelisch-Theologische Fakultät der Johannes Gutenberg-Universität und die drei Kirchenpräsidenten traten in Verhandlungen über die Auswirkung des Kirchenvertrages, seines Schlußprotokolls und des Schriftwechsels auf das Verfahren bei der Besetzung der Professuren an der Fakultät ein. Als Ergebnis einer Besprechung vom 20. Juli 1962 wurde folgendes als das bei der Besetzung der Lehrstühle einzuschlagende Verfahren festgestellt. Bevor die Evangelisch-Theologische Fakultät eine Vorschlagsliste zur Besetzung eines Lehrstuhles an den Kultusminister weiterleitet, soll sie mit den Kirchen in Verbindung treten. Sollte ausnahmsweise zwischen Kirchen und Fakultät über die Vorschlagsliste eine Verständigung nicht erzielt werden, so können die Kirchen die im vorange157 Hinsichtlich der Stellung der Kirchen zu den Fakultäten konnte noch beim preußischen Kirchenvertrag bemerkt werden, daß die Kirchen ein dezisives Votum nie begehrt hätten (Heckel, Vertrag 203; E. Richter, Das Mitwirkungsrecht der evangelischen Kirche bei der Besetzung theologischer Lehrstühle, Jur. Diss. [Marburg 1934] 35 ff.). Inzwischen ist das Selbstbewußtsein der protestantischen Kirchenführer gewachsen. – Für die Einzelheiten der Regelung des PrKV vgl. Schlußprotokoll zu Art. 11 Abs. 2 PrKV. Dazu KübeI, Vertrag 60 – 69.

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gangenen Verständigungsverfahren nicht ausgeräumten Bedenken gegen Bekenntnis und Lehre des zu Berufenden dem Minister in einem angemessen begründeten theologischen Gutachten zur Kenntnis bringen. Die Kirchen stellen dieses Gutachten gleichzeitig der Evangelisch-Theologischen Fakultät zu. Der Minister entscheidet darauf im Rahmen seines Ermessens. In dieser Vereinbarung stecken die Kirchen ihre Stellung zurück. Zunächst wird als Regelfall angenommen, daß die Fühlungnahme zwischen Fakultät und Kirchen zu einer Einigung führt, d. h, daß entweder die Kirchen ihr Einverständnis mit den auf der Vorschlagsliste stehenden Persönlichkeiten erklären oder die Fakultät die Liste entsprechend den von den Kirchen vorgetragenen Bedenken ändert. Sollte eine Einigung wider Erwarten nicht erzielt werden, können die Kirchen ihre Bedenken gegen Bekenntnis und Lehre der zu berufenden Persönlichkeit dem Minister zur Kenntnis bringen; aber dies hat in einem – der Wichtigkeit der Sache – angemessenen theologischen Gutachten, also unter ausführlicher Begründung, zu geschehen. Die Fakultät erhält eine Abschrift des Gutachtens, allerdings merkwürdigerweise nicht von dem Ministerium, sondern von den Kirchen, und wird damit in die Lage versetzt, zu den vorgebrachten Bedenken Stellung zu nehmen oder andere gutachtliche Äußerungen einzuholen. Davon, daß der Minister daran verhindert sei, seinerseits andere theologische Gutachten einzuholen, ist nicht mehr die Rede. Der Minister entscheidet nach seinem Ermessen, d. h. er ist an das theologische Gutachten der Landeskirchen nicht gebunden. Er kann aus triftigen Gründen davon abweichen und die Persönlichkeit, gegen die Bedenken vorgebracht worden sind, dennoch berufen. Dieses Ergebnis der Besprechung zwischen Fakultät und Kirchenleitungen, das einen gerechten Ausgleich der beiderseitigen Interessen bringt, wäre geeignet, das Verhältnis von Fakultät und Kirchenleitungen zu stabilisieren; indes fehlt ihm die rechtliche Bindungskraft. Zwar ist in dem Protokoll der Ratifikation des Kirchenvertrages eine Erklärung der vertragschließenden Kirchen über diese Vereinbarung niedergelegt und hat der anwesende Ministerpräsident keine Einwendungen erhoben, vielmehr versichert, die Landesregierung werde bei künftigen Berufungen danach verfahren; doch sind die Vereinbarung und die Erklärungen nicht Bestandteil des Vertrages und daher rechtlich unverbindlich. In den Beratungen des Landtags spielten der Art. 14 KV und die zu ihm gehörigen Bestimmungen des Schlußprotokolls sowie der anschließende Briefwechsel eine bedeutende Rolle. Keiner der Redner zeigte sich geneigt, auf die nicht in das Vertragswerk aufgenommene Vereinbarung vom 20. Juli 1962 zu verzichten. Der rheinland-pfälzische Kultusminister gab im Kulturpolitischen Ausschuß des Landtags bekannt, daß das Ergebnis der Besprechung zwischen Fakultät und Kirchenpräsidenten am 20. Juli 1962 Gegenstand einer Aussprache zwischen den

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Vertretern der Landeskirchen und der Landesregierung war. Als Ergebnis dieser Aussprache sei festgestellt worden, daß seitens des Landes Rheinland-Pfalz keine Bedenken gegen die Vereinbarung zwischen der Fakultät und den Landeskirchen beständen, weil es sich hier um eine Verständigung zwischen Kirche und Fakultät im Hinblick auf die Interpretation des Art. 14 Abs. 2 KV einschließlich des Schlußprotokolls und des Schriftwechsels bezüglich der Abwicklung des Vertrages handele. Die Frage der Rechtsverbindlichkeit der Vereinbarung vom 20. Juli 1962 wurde in den Ausschüssen des Landtags mehrfach gestellt. Aus der Mitte des Kulturpolitischen Ausschusses wurde die Frage aufgeworfen, welche rechtliche Bedeutung der Vereinbarung vom 20. Juli 1962 im Rahmen des Staatsvertrages zukomme. Nach eingehender Diskussion, an der sich auch die Vertreter der Landesregierung beteiligten, war sich der Ausschuß darin einig, daß diese Vereinbarung vom 20. Juli 1962 kein Bestandteil des in Gesetzesform gebilligten Staatsvertrages sei, jedoch die Wirkung einer rechtlichen Verpflichtung habe, d. h. daß damit der Staat für sein zuständiges Organ erkläre, daß er beabsichtige, nach dieser Vereinbarung zu verfahren. Der Rechtsausschuß des Landtags befaßte sich sehr gründlich mit Art. 14 Abs. 2, dem Schlußprotokoll und dem Schriftwechsel zu diesem Artikel sowie der Vereinbarung zwischen den drei Landeskirchen und der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Johannes Gutenberg-Universität vorn 20. Juli 1962. Der Ausschuß war einstimmig der Auffassung, daß die Berufung der Professoren an die Evangelisch-Theologische Fakultät der Johannes Gutenberg-Universität gemäß der Vereinbarung vorn 20. Juli 1962 erfolgen soll. Da diese Vereinbarung nicht zu einem Bestandteil des Vertrages gemacht werden kann, vergewisserte sich der Ausschuß, daß diese Vereinbarung zu einer rechtlichen Verpflichtung und Bindung wird. Er faßte einstimmig den Beschluß, er gehe hinsichtlich des Art. 14 Abs. 2 davon aus, daß das Berufungsverfahren im Sinne der Vereinbarung zwischen den drei Evangelischen Landeskirchen in Rheinland-Pfalz und der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Johannes Gutenberg-Universität vom 20. Juli 1962 erfolge. Denselben einstimmigen Beschluß hatte der Kulturpolitische Ausschuß des Landtags gefaßt. Auch im Plenum des Landtags wurden die Bestimmungen des Kirchenvertrages über die Besetzung der Lehrstühle an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Johannes Gutenberg-Universität mehrfach berührt und teilweise kritisch beurteilt. Es zeigte sich deutlich die Absicht, der außerhalb des Vertragswerkes stehenden Vereinbarung vom 20. Juli 1962 den Vorrang vor dem einen integrierenden Bestandteil des Vertrages bildenden Briefwechsel zu Art. 14 Abs. 2 KV zu geben. Der Abgeordnete Haas (SPD) erklärte in der zweiten Beratung, besondere Schwierigkeiten in der Durchführung des Vertrages könnten sich aus der knappen Formulierung des Art. 14 Abs. 2 KV ergeben. Sowohl das Schlußprotokoll als auch

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der Briefwechsel ließen die erforderliche Klarheit vermissen. Die begrüßenswerte Vereinbarung vom 20. Juli 1962 werde hoffentlich alle eventuell möglichen Auslegungsschwierigkeiten beseitigen. Er und seine Parteifreunde betrachteten diese Vereinbarung als bindende Grundlage für das Verfahren bei der künftigen Besetzung von Lehrstühlen der Evangelisch-Theologischen Fakultät und glaubten, daß sie sich in der Wertung dieser Vereinbarung hinsichtlich ihrer Verbindlichkeit für alle Beteiligten auch in Übereinstimmung befänden mit den Erklärungen der Landesregierung und mit den Feststellungen der Ausschüsse, die sich mit dem vorliegenden Gesetzestext befaßt haben. Der Abgeordnete Wallauer (FDP) legte in der zweiten Beratung in einer weit ausholenden, sachkundigen Rede die kritische Sonde an die mit der EvangelischTheologischen Fakultät sich befassenden Bestimmungen des Kirchenvertrages an. Nachdem er ausgeführt hatte, daß der Landtag über ein Vertragswerk berate und beschließe, das aus vier Teilen bestehe, dem eigentlichen Vertragstext, dem Schlußprotokoll und zwei Briefwechseln, erklärte er: „Aber es ist doch so, daß wir über ein Vertragswerk beschließen und ihm unsere Zustimmung geben, das zu einem quantitativ kleinen, aber seinem Inhalt nach bedeutsamen Teile auch jetzt noch, indem wir es beschließen …, etwas enthält, was wir nicht wollen. Das ist das, was in dem zweiten Briefwechsel vom 31. März 1962 zum Art. 14 Abs. 2 des Schlußprotokolls … zum Ausdruck kommt, wo nämlich eine Interpretation des Schlußprotokolls auch jetzt noch gegeben wird, die, ich will nicht sagen das Gegenteil, aber doch etwas anderes enthält, als was im Vertrag selbst und was im Schlußprotokoll steht.“ Wallauer hob scharf heraus, daß in dem Schlußprotokoll für die Geltendmachung von Bedenken ein theologisch begründetes Gutachten verlangt wird, während in dem Briefwechsel nur von der Ablehnung der Theologie des Vorgeschlagenen die Rede ist, ohne daß dies im einzelnen einer theologischen Begründung bedürfe. „Und dann sagt die Ziffer 2 dieses Briefwechsels etwas, wovon im Schlußprotokoll des Vertragstextes überhaupt nichts steht, nämlich daß der Minister das theologische Gutachten nicht durch Einholung anderer theologischer Gutachten – sei es von seiten der Fakultät, sei es von seiten anderer theologischer oder kirchlicher Stellen – in Zweifel ziehen, sondern danach seine Entscheidung ohne weitere Stellungnahme treffen wird.“ Wallauer geißelte den Widerspruch, der darin besteht, daß laut Schlußprotokoll ein Gutachten erstattet werden soll, daß aber nach dem Briefwechsel dieses Gutachten im einzelnen keiner theologischen Begründung bedarf und daß in der außerhalb des Vertragswerkes stehenden Vereinbarung vom 20. Juli 1962 wiederum ein angemessen begründetes theologisches Gutachten vorgesehen ist. Letzteres sei allein angemessen. Diese Versionen stünden nicht miteinander in Übereinstimmung. Der Versuch einer Harmonisierung, den ein Vertreter des Justizministeriums im Rechtsausschuß des Landtages unternommen habe, sei nicht gelungen. Bestünden zwischen den verschiedenen Bestandteilen des Vertragswerkes keine Unterschiede, dann wäre die Vereinbarung vom 20. Juli 1962 nicht notwendig gewesen. „Sie war aber notwendig, um Divergenzen auszuräumen.“ Um die Gefahren zu

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erläutern, die in einem nach Maßgabe des Briefwechsels getätigten Berufungsverfahren liegen, legte Wallauer den Fall der Berufung Harnacks nach Berlin dar. Das rheinland-pfälzische Vertragswerk sollte so etwas unmöglich machen. Das könne jedoch nur geschehen, wenn nach der Vereinbarung vom 20. Juli 1962 verfahren werde. „Es ist schon so, … wir beschließen heute und geben unsere Zustimmung zu einem Gesetz, dessen einer Teil – der Briefwechsel vom 31. März zum Art. 14 und seinem Schlußprotokoll – sozusagen stillgelegt wird und stillgelegt werden muß, wenn der von uns gewünschte Effekt erreicht werden soll. Wir geben andererseits einer Vereinbarung unsere Zustimmung, die formalrechtlich nicht zu unserem Gesetzeswerk gehört, die außerhalb des Gesetzeswerkes steht, die zwar in dem Bericht der beiden Ausschüsse genannt wird, die auch publiziert und zu der auch erklärt werden soll, daß man sich nach ihr richten wolle und richten müsse.“ Das sei die besondere juristische und politische Lage, der man sich bei diesem Staatsvertrag gegenübersehe. Niemand sei entschlossen, den Staatsvertrag wegen des Briefwechsels zu Art. 14 abzulehnen; aber es seien Versuche gemacht worden, eine andere Lösung zu erreichen, Die Professoren Ulrich Scheuner in Bonn und Werner Weber in Göttingen, die von der Fakultät um ihre Meinung angegangen wurden, äußerten sich in dem Sinne, es wäre besser, klarer und eindeutiger, wenn der Briefwechsel vom 31. März 1962 aus dem Vertrag eliminiert werden könnte und wenn die Kirchen sich dazu bereit erklären würden, noch einmal in Verhandlungen einzutreten, um den Kirchenvertrag ohne den Briefwechsel vorzulegen. Man habe das aber den Kirchen nicht zumuten wollen, und er, Wallauer, habe Verständnis dafür. „Aber wenn schon diese Regelung, die sich in dem Mit- und Nacheinander ihrer einzelnen Teile als recht kompliziert darstellt, so bleiben soll, wie sie getroffen ist, dann muß man wenigstens, um die Bedeutung dieser Dinge für die Zukunft sicherzustellen und um davor zu warnen, in späteren Zeiten und in einem bestimmten Falle – es kommt immer auf den besonderen Fall einer Berufung an, d. h. den Theologen an, der Professor werden soll – zu einem solchen Verfahren zurückzukehren, wie es zuerst beabsichtigt war.“ Noch einmal stellte Wallauer jedoch abschließend fest: „Es wäre richtig gewesen, wenn man es bei dem Schlußprotokoll und dem Vertragstext belassen und auf den Briefwechsel verzichtet hätte.“ Die Regierung vermochte diesen sachlichen Ausführungen Wallauers kein stichhaltiges Argument entgegenzusetzen. Der Widerspruch zwischen den verschiedenen, die Berufung der Professoren an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Johannes Gutenberg-Universität regelnden Bestimmungen konnte nicht ausgeräumt, sondern nur überbrückt werden, indem man sich über die Beachtlichkeit der am 20. Juli 1962 zwischen Fakultät und Kirche getroffenen Abrede einig wurde. Es muß aber bei aller berechtigten Kritik auf etwas anderes aufmerksam gemacht werden, worauf auch der pfälzische Kirchenpräsident Stempel hinwies, daß nämlich auch ohne die Vereinbarung vom 20. Juli 1962 die Kirchen in dem neuen Staatsvertrag gegenüber der Vereinbarung über die Berufung von Hochschullehrern

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der Evangelisch-Theologischen Fakultät vom 22. April 1947158 auf sehr weitgehende Rechte gegenüber der Fakultät verzichtet haben. Die Kirchen haben das Recht preisgegeben, die Vorschlagsliste zu genehmigen, und sie haben auf das Recht verzichtet, einen Hochschullehrer wegen seiner Lehre oder seines Wandels zu beanstanden. Im allgemeinen ist das Mitwirkungsrecht der evangelischen Landeskirchen bei der Besetzung der Lehrstühle der evangelisch-theologischen Fakultäten auf ein den Staat nicht bindendes Äußerungsrecht bei der Anstellung eines Hochschullehrers beschränkt. Sie haben kein Recht zur Einlegung eines Veto und zur nachträglichen Beanstandung159. Die Mainzer Vereinbarung sah dagegen die kirchliche Mitwirkung bei der Berufung der Ordinarien und Extraordinarien (§ 3) und bei der Erteilung von Lehraufträgen (§ 1 Abs. 2) vor. Die Vorschlagsliste bedurfte der Genehmigung durch alle drei Landeskirchen, so daß gegen den Willen auch nur einer eine Berufung nicht erfolgen konnte. Nachträglich beanstandet werden konnten nur die planmäßigen Professoren (§ 4), und zwar wegen ihrer Lehre und wegen ihres Lebenswandels. Diese in Angleichung an das Vertragsrecht mit der katholischen Kirche den evangelischen Kirchen gewährten einschneidenden Rechte haben zu scharfen Protesten geführt. Man sah die von der reformatorischen Position gesetzten Grenzen überschritten. „Einmal: Die Rechte des Staates sind eingeschränkt durch eine bindende Mitpräsentation des Berufenen durch die Kirche, ohne die der Staat keine Anstellung vornehmen kann. Zum anderen: Der evangelischen Kirche ist in dem Recht, die Lehre eines Hochschullehrers nachträglich beanstanden zu können, die Kompetenz der absoluten Lehrautorität eingeräumt, die zu ihrem Kirchenrecht in Widerspruch steht. Und schließlich: Das Vorschlagsrecht der Fakultät ist in der Bindung an eine kirchliche Genehmigung verkürzt, und zwar nicht auf Grund eigenen Entschlusses der Fakultät, sondern durch ein von außen auferlegtes Statut. Das Lehrbeanstandungsrecht der Kirche erschüttert die Grundsätze der Autorität der Fakultät in kirchlichen Lehrfragen und der kirchlich-evangelischen Lehrfreiheit ihrer Mitglieder“160. Verglichen mit der Rechtslage vor dem Abschluß des rheinland-pfälzischen Kirchenvertrages, ist durch diesen eine weitgehende Angleichung der Rechtslage der Mainzer Evangelisch-Theologischen Fakultät an die der übrigen deutschen evangelisch-theologischen Fakultäten vollzogen worden. Der niedersächsische Kirchenvertrag sichert die Erhaltung der Theologischen Fakultät an der Universität Göttingen zu (Art. 3 Abs. 1 NKV). Vor der Anstellung 158 Weber, Konkordate 291 f. Vgl. meine Untersuchung: Das Verhältnis der KatholischTheologischen Fakultät der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz zu dem Diözesanbischof nach der Vereinbarung zwischen Kirche und Staat vom 15./17. April bzw. 5. Oktober 1946: Im Dienste des Rechtes in Kirche und Staat, Festschrift Franz Arnold, Kirche und Recht, Band 4 (Wien 1963) 171 – 196. 159 Mahrenholz, Mitwirkung 231. 160 Mahrenholz, Mitwirkung 270 f.

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eines ordentlichen oder außerordentlichen Professors an der Theologischen Fakultät wird der zuständigen kirchlichen Verwaltungsbehörde Gelegenheit zu gutachtlicher Äußerung gegeben (Art. 3 Abs. 2 NKV). Dies wird von § 2 der Zusatzvereinbarung dahin erläutert, daß ein Gutachten in bezug auf Bekenntnis und Lehre des Anzustellenden vom Landeskirchenamt der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers, im Falle der Besetzung des Lehrstuhls für Reformierte Theologie vom Landeskirchenrat der evangelisch-reformierten Kirche in Nordwestdeutschland erfordert werden wird. Die Landesregierung wird, bevor die Berufung, d. h. das Angebot eines Lehrstuhls ergeht, die zuständige kirchliche Verwaltungsbehörde um ihr Gutachten ersuchen, wofür ihr eine ausreichende Frist gewährt werden wird. Die kirchliche Verwaltungsbehörde kann nur dann Bedenken erheben, wenn sie durch Beratung mit Vertretern der übrigen Kirchen festgestellt hat, daß ihre Bedenken überwiegend geteilt werden. Das Ergebnis wird in dem Gutachten angegeben werden. Bei einer ohne Widerspruch der Fakultät beabsichtigten Berufung wird die kirchliche Verwaltungsbehörde vor der Beratung mit den Vertretern der übrigen Kirchen durch Vermittlung der Landesregierung in eine vertrauliche mündliche Fühlungnahme mit der Fakultät eintreten, auf Wunsch der kirchlichen Verwaltungsbehörde oder der Fakultät unter Beteiligung eines der evangelischen Kirche angehörenden Vertreters der Landesregierung. Ähnlich ist die Lage in Schleswig-Holstein (Art. 4 SHKV und § 3 der Zusatzvereinbarung) und Hessen (Art. 13 HKV und Schlußprotokoll zu Art. 13 Abs. 2), wo man aber die Abweichung vom PrKV, die in § 2 der Zusatzvereinbarung des NKV verabredet worden ist, nicht mitgemacht hat161. Die Besetzung der Lehrstühle in den katholisch-theologischen Fakultäten zeigt infolge der auf göttlichem Recht beruhenden Amts- und Lehrautorität der Bischöfe notwendig ein anderes Bild als auf evangelischer Seite. Sie ist in Art. 3 BayK, Art. 12 Abs. 1 mit Schlußprotokoll PrK, Art. X mit Schlußprotokoll BadK und Art. 19 RK geregelt. (8) Anstaltsseelsorge Die Abhaltung von Gottesdiensten in staatlichen Anstalten und die Ausübung der Seelsorge an ihren Insassen ist ein alter Berührungspunkt zwischen Staat und Kirche. Nach Art. 21 Abs. 1 KV werden die Kirchen in Krankenhäusern, Strafanstalten sowie sonstigen Anstalten und Einrichtungen des Landes zu seelsorgerischen Besuchen und kirchlichen Handlungen zugelassen. Die Frage des Bedürfnisses, auf die Art. 141 WRV in Verbindung mit Art. 140 GG abstellt, bleibt außer Ansatz. Wird in diesen Anstalten eine regelmäßige Seelsorge eingerichtet und werden hierfür Pfarrer hauptamtlich eingestellt, so wird der Pfarrer von dem Träger der Anstalt im Einvernehmen mit der Kirche oder von der Kirche im Einvernehmen mit dem Träger der Anstalt berufen. 161

Vgl. Jung, Kirchenvertrag 292.

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Die Regierungsbegründung erklärt hierzu, daß die Möglichkeit für die Kirchen neu ist, selbst Geistliche im Einvernehmen mit dem Träger der Anstalt als Anstaltsseelsorger zu berufen und zu besolden, ohne daß diese aus dem Kirchendienst auszuscheiden brauchen. Hier war das Vorbild des HKV wirksam. Bei Anstalten anderer Träger wird nach Art. 21 Abs. 2 KV das Land dahin wirken, daß die Anstaltspfleglinge entsprechend seelsorgerisch betreut werden. In Art. 21 Abs. 1 und 2 KV liegt eine vertragliche Ausgestaltung der Verfassungsbestimmungen des Art. 141 WRV in Verbindung mit Art. 140 GG und des Art. 48 LV vor. Art. 21 Abs. 2 KV lehnt sich an Art. 11 Abs. 2 BayKV an. Art. 21 Abs. 3 KV stellt das Rechtsverhältnis der vom Land allgemein bestellten Geistlichen gegenüber der Kirche klar. Die vom Land bestellten Geistlichen unterstehen – unbeschadet der Disziplinargewalt des Landes – der geistlichen und disziplinären Aufsicht der zuständigen Kirche, soweit es sich um Ausübung der durch die Ordination erworbenen Rechte handelt. Das Land wird einen Geistlichen, sobald er die durch die Ordination erworbenen Rechte verloren hat, zu pfarramtlichem Dienst in staatlichen Einrichtungen nicht mehr zulassen. Dem rheinland-pfälzischen Kirchenvertrag haben bei der Regelung der Anstaltsseelsorge seine Vorgänger als Vorbild gedient. Niedersachsen und SchleswigHolstein kennen nur den im Einvernehmen mit der Kirche vom Staat bestellten Anstaltspfarrer, Hessen kennt auch den im Einvernehmen mit dem Träger der Anstalt von der Kirche angestellten Pfarrer. Nach Art. 6 S. 2 NKV wird, wenn in Anstalten des Landes eine regelmäßige Seelsorge eingerichtet wird und hierfür Pfarrer hauptamtlich eingestellt werden, der Pfarrer vom Land im Einvernehmen mit der Kirche bestellt. Die Kirche wird in solchem Falle, soweit erforderlich, eine Anstaltsgemeinde errichten und dem Pfarrer das Pfarramt der Anstaltsgemeinde übertragen. Die nicht landeseigenen Anstalten bleiben vom NKV unberücksichtigt162. Besonders eng ist der Anschluß des KV an Art. 8 SHKV und Art. 16 HKV. Nach Art. 8 Abs. 1 SHKV werden die Kirchen in den Anstalten des Landes zu seelsorgerlichen Besuchen und kirchlichen Handlungen schlechthin zugelassen, Bei der Genehmigung von Anstalten anderer Unternehmen wird das Land „tunlichst“ dahin wirken, daß die Anstaltspfleglinge entsprechend seelsorgerlich betreut werden. Nach Abs. 2 wird, wenn in den vom Land betriebenen Anstalten eine regelmäßige Seelsorge eingerichtet wird und hierfür Geistliche haupt- oder nebenamtlich angestellt werden, der Geistliche vom Land im Einvernehmen mit der zuständigen Kirche bestellt. Die Kirche wird in einem solchen Falle dem Geistlichen, unbeschadet seines Dienstverhältnisses mit dem Land, die pfarramtlichen Aufgaben übertragen. Nach Abs. 3 unterstehen die vom Land bestellten Geistlichen, unbeschadet der Disziplinargewalt des Landes, der geistlichen und disziplinären Aufsicht der zuständigen Kirche, soweit es sich um die Ausübung der durch die Ordination er162

Vgl. Müller, Kirchenvertrag 425.

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worbenen Rechte handelt. Das Land wird einen Geistlichen, der die durch die Ordination erworbenen Rechte verloren hat, zu pfarramtlichem Dienst in staatlichen Einrichtungen nicht mehr zulassen. Nach Art. 16 Abs. 1 HKV werden die Kirchen in den öffentlichen Anstalten des Landes zur Vornahme seelsorgerischer Besuche und kirchlicher Handlungen zugelassen, allerdings mit Beschränkung auf die Anstalten, „in denen eine seelsorgerische Betreuung üblich ist“. Wird in diesen Anstalten eine regelmäßige Seelsorge eingerichtet und werden hierfür Pfarrer hauptamtlich angestellt, so wird der Pfarrer von der Kirche im Einvernehmen mit dem Träger der Anstalt oder von dem Träger der Anstalt im Einvernehmen mit der Kirche bestellt. Nach Abs. 2 wird das Land bei Anstalten anderer Unternehmen dahin wirken, daß die Anstaltspfleglinge entsprechend seelsorgerisch betreut werden können. Nach Abs. 3 unterstehen die vom Land bestellten Geistlichen unbeschadet der Disziplinargewalt des Landes der geistlichen und disziplinären Aufsicht der zuständigen Kirche, soweit es sich um die Ausübung der durch die Ordination erworbenen Rechte handelt. Das Land wird einen Geistlichen, der die durch die Ordination erworbenen Rechte verloren hat, zu pfarramtlichem Dienst in staatlichen Einrichtungen nicht mehr zulassen. Für den Bereich der katholischen Kirche ist die Anstaltsseelsorge in Art. 11 BayK und Art. 28 mit Schlußprotokoll RK geregelt. 3. Anerkennung der Eigenständigkeit und des Öffentlichkeitsauftrages der Kirche Auf der dritten Stufe der Entwicklung des Verhältnisses von Staat und Kirche, auf der wir heute stehen, gesteht der Staat der Kirche nicht mehr bloß Autonomie, selbständige Ordnung und Verwaltung ihrer eigenen Angelegenheiten zu, sondern er erkennt ihre unabgeleitete Eigenständigkeit und Andersartigkeit an. Dies bedingt den Rückzug aus den staatlichen Kontrollrechten. Der Staat nimmt auch den Auftrag der Kirche für das öffentliche Wohl zur Kenntnis, ja, er bejaht ihr Wächteramt in der Öffentlichkeit und sucht ihr bei der Erfüllung ihrer Sendung zu helfen, sie zu schützen und zu fördern. Aus Achtung vor der einzigartigen geistlichen und historischen Stellung der Kirchen trachtet er danach, in ein Verhältnis vertrauensvoller und freundschaftlicher Zusammenarbeit mit den Kirchen zu gelangen. Der Kultusminister von Rheinland-Pfalz äußerte im Kulturpolitischen Ausschuß des Landtages, das Vertragswerk bringe zum Ausdruck, daß das Verhältnis zwischen Kirchen und Staat in einer Zuordnung, d. h. in einer unmittelbaren Partnerschaft bestehe. Bei dem Unterzeichnungsakt sprachen die Kirchen den Wunsch aus, das Verhältnis von Staat und Kirche „im Sinne einer echten und ausgesprochenen Partnerschaft fortzubilden und zu verstärken und zur Entflechtung der beiderseitigen Aufgaben beizutragen“. Der Kirchenpräsident der Pfälzischen Landeskirche wies auf die von der Synode der Rheinischen Kirche ausgesprochene Bitte hin, „den

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Ausgangspunkt des Vertrages in einer auf gegenseitiger Achtung und Unabhängigkeit begründeten Partnerschaft von Staat und Kirche im Sinne der neueren evangelischen Kirchenverträge festzuhalten und keine weiteren kirchlichen Privilegien anzustreben“. Der Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz erklärte bei der Unterzeichnung des Vertrages, es habe sich „ein grundlegender Wandel in den Beziehungen zwischen Kirche und Staat“ vollzogen. „Heute erblickt der Staat seine vornehmste Aufgabe darin, die kirchliche Eigenständigkeit, die er als vorgegeben ansieht, anzuerkennen und zu respektieren und den Kirchen alle Freiheiten und Hilfen zu gewähren, die sie benötigen, um den ihnen aufgetragenen hohen Dienst auszuüben und ihre Aufgaben erfüllen zu können.“ Der Kultusminister sagte in der ersten Beratung des Vertragsgesetzes: „Was wir mit dem Vertragswerk wollen, ist ein enges Vertrauensverhältnis von Kirche und Staat oder umgekehrt, wenn Sie wollen, von Staat und Kirche zum Wohle der uns von Gott gemeinsam anvertrauten Menschen.“ Der Kirchenvertrag soll das in der Landesverfassung ausgesprochene Recht der Kirchen auf ungehinderte Entfaltung und Freiheit von jeder staatlichen Bevormundung verankern. „In ihm kommt zum Ausdruck, daß das Verhältnis zwischen Kirche und Staat in einer Zuordnung, ja ich möchte sagen in einer Partnerschaft, besteht, und daß der Staat die Freiheit und Unabhängigkeit der Kirchen für ihr öffentliches Wirken in vollem Umfang respektiert.“ In diesem Sinne erklärte der Abgeordnete Haas (SPD) in der zweiten Beratung des Vertragsgesetzes: „Der vorliegende Vertrag … dient nicht in erster Linie der Institution des Staates oder der Institution der Kirche, sondern hier will der Staat rechtlich und finanziell sicherstellen, daß die Kirche ihren ureigensten Auftrag an ihren Angehörigen erfüllen kann. Dieser Auftrag berührt die Existenz und Grundlage des Staates um so mehr, je starker sich die Kirche in ihrer religiösen und sittlichen Erziehungsarbeit auch den diesseitigen Nöten, Sorgen und Belastungen ihrer Gläubigen in einem Umfang zugewandt hat, wie es in der Vergangenheit nur selten der Fall war.“ a) Abbau bisheriger staatlicher Aufsichts- und Mitwirkungsrechte Die als eigenständige öffentliche Ordnungsmacht anerkannte Kirche kann grundsätzlich nicht mehr staatlichen Kontrollrechten unterworfen werden. Der rheinland-pfälzische Kirchenvertrag bestätigt den beobachteten „Rückzug des Staates von seiner Kirchenhoheit“163. Der Staat hat ernst gemacht mit seinem in der Präambel des Vertrages ausgesprochenen Entschluß, der „Freiheit (sc. des kirchlichen Lebens) von jeder Bevormundung“ zu dienen. 163 E.-W. Fuß, Kirche und Staat unter dem Grundgesetz: Die öffentliche Verwaltung 14 (1961) 739.

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Die vom Staat gewährleistete Freiheit ist jedoch nicht mehr nur negativ ausgerichtet, indem sie die Kirche vor staatlicher Einwirkung sichern will, sondern positiv bestimmt, insofern der Staat den Beruf der Kirche anerkennt und für seine Auswirkung Raum schaffen will164. Bisherige staatliche Aufsichts- und Mitwirkungsrechte werden entweder aufgehoben oder soweit wie möglich beschränkt. Wo sie jetzt noch ausgeübt werden, geschieht dies nicht mehr auf Grund einseitiger Setzung des Staates, sondern kraft der Einräumung durch die Kirche. Die Aufnahme der staatlichen Kontrollrechte in den Kirchenvertrag macht deutlich, daß es keine Kontrollrechte mehr gibt, die nicht von der Kirche bewilligt sind165. Nur kirchliche Vorschriften über die vermögensrechtliche Vertretung sind künftig noch dem Minister für Unterricht und Kultus vorzulegen (Art. 4 KV). Beschlüsse über die Bildung und Veränderung der Kirchengemeinden werden dem Minister nur mitgeteilt (Art. 5 KV). Die politische Klausel findet nur auf die Besetzung des leitenden geistlichen Amtes Anwendung und ist, weil die Fälle synodaler Bestellung ausgenommen sind, praktisch bedeutungslos (Art. 10 KV). Die Anforderungen an die führenden Geistlichen und Pfarrer sind zwar erhalten geblieben, aber da bei Einverständnis von Staat und Kirche auf sie verzichtet werden kann (Art. 11 und 12 KV), werden sie die Kirche kaum drücken. Die Denkmalspflege ist den Kirchen überlassen (Art. 25 KV). Das Patronatsrecht wird der Disposition der Kirche anheimgestellt (Art. 28 KV). Die Genehmigungen im Bereich des Friedhofswesens (Art. 27 KV) wollen nicht die kirchliche Selbständigkeit beschränken, sondern die Einheitlichkeit und Gleichmäßigkeit der Benutzung von Begräbnisplätzen und der Gebührenordnungen sicherstellen. Auch für RheinlandPfalz trifft das Urteil zu: „Die Kirche ist auch in ihrer Vermögenswirtschaft mündig geworden“166. Die große Vereinfachung, Bereinigung und Entbürokratisierung, die der Kirchenvertrag durch den Abbau der meisten staatlichen Kontrollrechte vornimmt, ist nicht nur als verwaltungs- und rechtstechnische „Entrümpelung“ des Verhältnisses von Staat und Kirche, als eine Entlastung der Kirche von bürokratischer Hemmung und des Staates von nutzloser Verwaltungsarbeit gemeint, sondern als „grundsätzlicher Abbau der ältesten Schicht des Staatskirchenrechts, der für das neue, der dritten Stufe des Staatskirchenrechts entsprechende Verhältnis von Staat und Kirche Raum schaffen soll“167. In diese Linie gehört auch die Aufhebung des preußischen Gesetzes über die Kirchenverfassungen der evangelischen Landeskirchen vom 8. April 1924 mitsamt den darin enthaltenen staatlichen Rechten (Art. 30 KV).

164

Smend, Kirchenvertrag 52. Müller, Kirchenvertrag 423; Hesse, Partnerschaft 394. 166 Thieme, Vertrag 275. 167 Smend, Kirchenvertrag 51.

165

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Die Ausführungen des Abgeordneten Haas (SPD) in der zweiten Beratung des Vertragsgesetzes waren durchaus sachkundig: ,,Staat und Kirche als zwei selbständige und voneinander unabhängige, gleichgeordnete, aber doch andersartige Körperschaften, versuchen in diesem Staatsvertrag, ihre wechselseitigen Beziehungen zu regeln. Eine vom Staat abhängige Kirche und ein von der Kirche abhängiger Staat böten keine Voraussetzungen und keinen Raum für solche Verhandlungen und Vereinbarungen. Mit einer Staatskirche älterer Art hätte man einen solchen Kirchenvertrag weder abschließen können noch abzuschließen brauchen. Erst der Wegfall des landesherrlichen Kirchenregiments im Jahre 1918 schuf die Voraussetzungen, die Möglichkeit und zugleich auch die Notwendigkeit zu solchen Staatsverträgen. Nur diese gegenseitige Unabhängigkeit sichert die Freiheit der vertragschließenden Partner. Sie stellt die Voraussetzungen und die Grundlagen der geistigen Freiheit schlechthin dar und liefert zugleich einen wertvollen Beitrag zu ihrer Erhaltung.“ b) Bestätigung der öffentlichen Stellung der Kirche Es ist heute anerkannt, daß die öffentliche Stellung der Kirchen nicht ein bloßes Bündel historisch überkommener zufälliger Privilegien ist, sondern ein grundsätzlich gerechtfertigter öffentlicher Status ist168. Die öffentliche Stellung der Kirchen wird von dem rheinland-pfälzischen Kirchenvertrag in zweifacher Weise, in einer traditionellen und in einer modernen, anerkannt. Die traditionelle Bestätigung vollzieht sich in der Gewährung des gesetzlichen Schutzes für das öffentliche Bekenntnis und die öffentliche Ausübung des evangelischen Glaubens im Lande Rheinland-Pfalz (Art. 1 KV), in der Anerkennung als Körperschaften des öffentlichen Rechts (Art. 2 KV), in der Staatsleistung an die Kirchen (Art. 6 KV), im Schutz ihres Vermögens (Art. 9 KV), in der Stellung der kirchlichen Gerichte (Art. 13 KV), in der Erhaltung der Evangelisch-Theologischen Fakultät (Art. 14 KV), in der Berechtigung zur Erhebung von Kirchensteuern (Art. 22 KV). Die moderne Bestätigung geschieht in der Präambel des Vertrages, wo von der „Anerkennung“ des „Öffentlichkeitsauftrages“ der Kirchen die Rede ist. Der „Öffentlichkeitsauftrag“ ist ein entscheidender Begriff des neuesten Staatskirchenrechts169. Er ist in gewisser Hinsicht die Übersetzung des Missionsbefehls Christi an seine Jünger in die Sprache des Staatskirchenrechts, er besagt die aus göttlicher Stiftung sich herleitende Sendung der Kirche für die Welt. Die Anerkennung des „Öffentlichkeitsauftrages“ der Kirchen in der Präambel des rheinland-pfälzischen Kirchenvertrages170 bedeutet nicht nur, daß auch nach der Auffassung des Staates der Dienst der Kirchen über die private Sphäre hinausragt, sondern – in Verbindung 168

Hesse, Partnerschaft 395. Müller, Kirchenvertrag 423. 170 Ebenso NKV, SHKV und HKV. 169

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mit der Anerkennung der „Eigenständigkeit“ der Kirchen – daß die Kirchen ein ursprüngliches und unantastbares Recht auf öffentliche Wirksamkeit haben. Die Kirchen arbeiten nicht deshalb in der Öffentlichkeit, weil sie dadurch hoffen, größere Resonanz zu finden, sondern weil sie kraft ihrer Natur an die Öffentlichkeit gewiesen sind. Eine Einengung ihrer Tätigkeit auf Kult und kultische Verkündigung ist damit ausgeschlossen. Aus dem Öffentlichkeitsauftrag ergibt sich der Öffentlichkeitsanspruch. Der Öffentlichkeitsanspruch wird als Anspruch auf Durchdringung des gesamten öffentlichen Lebens mit christlichem Geist verstanden171, als die Forderung der Kirchen als geistlicher Gemeinschaften, in freier Einwirkung auf die Öffentlichkeit ihr Wächteramt auszuüben und ihre Verkündigung in den modernen Formen des öffentlichen Lebens vorzunehmen172. Verschieden von dem geistlich verstandenen Öffentlichkeitsanspruch ist die heute in vielfacher Weise erfolgende Heranziehung der Kirchen im staatlichen und öffentlichen Bereich. Hier werden die Kirchen vorn Staat als einflußreiche und geistig bedeutsame Erscheinung des öffentlichen Lebens berücksichtigt173. c) Hervorhebung des freundschaftlichen Verhältnisses von Kirche und Staat und Zusicherung der Zusammenarbeit Die Anerkennung des Öffentlichkeitsauftrages der Kirchen durch den Staat ist keine leere Deklamation. Schon der Vertragsschluß mit den Kirchen zeigt, wieviel es sich der Staat kosten läßt, die Kirchen herauszuheben und zur Erfüllung ihres Auftrages instand zu setzen Der Staat sieht in den Kirchen nicht lästige Konkurrenten, sondern schätzt, ja, er begehrt ihren Dienst und trachtet nach freundschaftlicher Zusammenarbeit mit ihnen. Der Staat gewährleistet nicht mehr nur den Freiheitsraum, innerhalb dessen sich das Leben und Wirken der Kirchen entfalten kann, sondern er zeigt sich von der Bedeutsamkeit und dem Wert kirchlicher Wirksamkeit überzeugt. Er erkennt das Wirken der Kirche positiv an, statt es, wie bisher, nur desinteressiert freizustellen174. Zwar ist in dem rheinland-pfälzischen Kirchenvertrag nicht von der gemeinsamen Verantwortung für den evangelischen Teil der Bevölkerung die Rede wie in dem niedersächsischen Kirchenvertrag. Dir Formel von dem „Bewußtsein den gemeinsamen Verantwortung für den evangelischen Teil der niedersächsischen Bevölkerung“, die in der Präambel des niedersächsischen Kirchenvertrages steht, hat weder in den schleswig-holsteinischen Kirchenvertrag noch in den hessischen Kirchenvertrag Aufnahme gefunden. In der Tat erscheint diese Wendung unpassend und verletzend, solange nicht mit der katholischen Kirche eine entsprechende Formulierung vereinbart wird. Sie übersteigert die Nähe des Staates zu den evangeli171

Fuß, Kirche und Staat 740. Scheuner, Kirche und Staat 268. 173 Scheuner, Kirche und Staat 268. 174 Smend, Kirchenvertrag 52. 172

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schen Kirchen und gefährdet damit die Stellung des Staates als „neutrale Ordnungsmacht“. Die Formel ist mit dem Grundsatz der Parität unverträglich und bedeutet eine Zurücksetzung anderer Bekenntnisse. Das hat man wohl auch in Kiel empfunden, der Hauptstadt eines Landes, in dem der protestantische Teil der Bevölkerung ein noch größeres Übergewicht hat als in Niedersachsen. Darum mußte die Wendung im hessischen und rheinland-pfälzischen Kirchenvertrag fehlen. Wie sich Staat und Kirchen heute gegenüberstehen, zeigt die Formel, die man die „zukunftsreichste Formulierung“ des niedersächsischen Kirchenvertrages genannt hat175 und die wörtlich in den rheinland-pfälzischen Kirchenvertrag übergegangen ist, die Formel von dem Wunsche, „das freundschaftliche Verhältnis zwischen Land und Landeskirchen zu festigen und zu fördern“. Ist bereits der Vertragsabschluß nach dem Wortlaut der Präambel „geleitet von dem Wunsch, das freundschaftliche Verhältnis zwischen dem Land und den Kirchen zu festigen und zu fördern“176, so sieht die „Partnerschaftsklausel“ des Art. 3 KV vor, daß die Landesregierung und die Kirchenleitungen zur Pflege ihrer Beziehungen regelmäßige Begegnungen anstreben, sich vor der Regelung von Angelegenheiten, welche die beiderseitigen Interessen berühren, miteinander ins Benehmen setzen und sich jederzeit zur Erörterung solcher Fragen zur Verfügung stellen werden. Hier wird das Gespräch zwischen Staat und Kirche institutionalisiert177. Art. 3 KV entspricht, wie die Regierungsbegründung ausführt dem beiderseitigen Wunsch der Vertragschließenden nach einem ständigen Gedankenaustausch über die Gesamtheit der sie interessierenden Fragen und Angelegenheiten. Die Möglichkeit alsbaldiger Aussprache, auch über das gegenseitige Verhältnis, soll die freundschaftlichen Beziehungen fördern. Eine ähnliche Bestimmung findet sich in Art. 2 Abs. 1 NKV, Art. 3 Abs. 1 SHKV und Art. 2 NKV. Das „freundschaftliche Verhältnis“ zwischen Staat und Kirchen umgreift alle die Bereiche, in denen Staat und Kirche zusammenarbeiten, wie im Schulwesen, an der Evangelisch-Theologischen Fakultät, in der Anstaltsseelsorge, der Rechtshilfe und der Erhebung der Kirchensteuern. Weil zwischen Staat und Kirchen Vertrauen besteht, konnte die Klärung zahlreicher Einzelpunkte des Kirchenvertrages späteren Vereinbarungen überlassen werden. Vereinbarungen zwischen Staat und Kirchen sind vorgesehen über die Bildung kirchlicher Anstalten und Stiftungen (Art. 5 Abs. 2 KV), über die Übertragung staatlichen Eigentums an die Kirchen in besonderen Fällen (Art. 7 Abs. 1 KV), über die Ablösung der fiskalischen Baulast (Art. 8 Abs. 2 KV), über die Studien- und 175

Scheuner, Tragweite 23. So auch NKV, SHKV und HKV. 177 Vgl. Müller, Kirchenvertrag 423; Jung, Kirchenvertrag 290. In Hessen waren die regelmäßigen Begegnungen von der Besatzungsmacht eingerichtet worden. 176

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Prüfungsordnungen für das Fach evangelische Religion (Art. 16 Abs. 4 KV), über die Einsichtnahme der Kirchen in den Religionsunterricht (Art. 20 Abs. 2 KV), über die staatliche Genehmigung zur Übernahme evangelischen Religionsunterrichtes durch Katecheten (Art. 20 Abs. 3 KV), über die Festlegung der Entschädigung für die Veranlagung und Erhebung der Kirchensteuern (Art. 23 Abs. 1 KV). Zur Entscheidung eines staatlichen Einspruchs gegen kirchliche Vorschriften ist ein Schiedsgericht vorgesehen (Art. 4 Abs. 2 KV). Schwierigkeiten bei der Anwendung der politischen Klausel sollen durch eine von Staat und Kirche gemeinsam zu bestellende Kornmission behoben werden (Art. 10 Abs. 2 KV). Bei staatlichem und kirchlichem Einverständnis kann von bestimmten Erfordernissen zur Übernahme kirchlicher Ämter abgesehen werden (Art. 11 Abs. 3 und Art. 12 KV). Bei der Besetzung der Lehrstühle an der Evangelisch-Theologischen Fakultät ist tunlichst Einvernehmen zwischen allen an der Besetzung Beteiligten herzustellen (Art. 14 mit Schlußprotokoll KV). Art. 29 KV sieht ganz allgemein die Beseitigung in Zukunft auftretender Meinungsverschiedenheiten „auf freundschaftliche Weise“ vor. Art. 29 KV übernimmt die Freundschaftsklauseln aus Art. 12 PrKV und Art. 24 Abs. 2 BayKV. Danach werden die Vertragschließenden eine etwa in Zukunft zwischen ihnen entstehende Meinungsverschiedenheit über die Auslegung einer Bestimmung dieses Vertrages auf freundschaftliche Weise beseitigen. Ähnliche Bestimmungen enthalten Art. 22 NKV, Art. 28 SHKV und Art. 23 HKV. Zum ersten Mal erschien in dem hessischen Kirchenvertrag eine merkwürdige Bestimmung, die bisher noch in keinem Kirchenvertrage, geschweige denn in einem Konkordate, festzustellen gewesen war und der doch angeblich „entscheidende Bedeutung“ beigemessen wird178. Im Schlußprotokoll zu Art. 23 HKV heißt es: „Falls das Land in einer Vereinbarung der katholischen Kirche über den vorliegenden Vertrag hinausgehende weitere oder andere Rechte oder Leistungen gewähren sollte, wird es den Inhalt dieses Vertrages einer Überprüfung unterziehen, so daß die Grundsätze der Parität gewahrt werden.“ Diese Vorschrift steht nun wörtlich auch im Schlußprotokoll zu Art. 29 KV. Dadurch soll die paritätische Behandlung der Kirchen durch den Staat in der Zukunft sichergestellt werden. Der Staat verpflichtet sich zu einer Revision des Kirchenvertrages, falls er der katholischen Kirche „über den vorliegenden Vertrag hinaus weitere oder andere Rechte oder Leistungen gewähren sollte“. Die Worte „weitere Rechte oder Leistungen“ besagen, daß die Art der Rechte und Leistungen dieselben sind, daß aber die Höhe und das Ausmaß der zugestandenen Rechte und Leistungen verschieden sind. Die Worte „andere Rechte und Leistungen“ bedeuten, daß Rechte und Leistungen verschiedener Art zugestanden werden, als in den evangelischen Kirchenvertrag aufgenommen sind. In jedem Falle, da der katholischen Kirche solche Zugeständnisse gemacht werden, verpflichtet sich der Staat, von sich aus in eine Überprüfung des 178 Der hessische Staatskirchenvertrag: Informationsblatt für die Gemeinden in den niederdeutschen lutherischen Landeskirchen 9 (1960) 163.

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evangelischen Kirchenvertrages einzutreten, die das Ziel hat, die evangelischen Kirchen mit der katholischen Kirche gleichzustellen. Hier verspricht also der Staat, und zwar zum erstenmal ausdrücklich in einem Kirchenvertrage, den Grundsatz der Parität zugunsten der evangelischen Kirchen zu beachten. Niemals bisher ist ein solches Zugeständnis der katholischen Kirche gemacht worden. Es fragt sich, ob die spektakuläre Klausel über das Mißtrauen und die Konkurrenzangst, die aus ihr sprechen, einen rechtlichen und praktischen Wert hat. Der Grundsatz der Parität ist ein ungeschriebenes Grundgesetz des deutschen Rechtslebens. Er bindet die staatliche Gewalt in allen ihren Funktionen. Auch ohne schriftliche Fixierung bestimmt er vor allem die Gesetzgebung und die Regierung des Staates. Die Aufnahme der Paritätsklausel in den Kirchenvertrag macht die paritätische Behandlung der evangelischen Kirchen zwar nicht justiziabel, gibt ihnen aber ein Anrecht auf Eintritt in Verhandlungen mit dem Land in der Absicht, die etwa verletzte Parität wiederherzustellen. So beachtenswert die rechtliche Bedeutung der Klausel ist, so gering dürfte ihr praktischer Wert sein. Daß in Hessen jemals eine Besserstellung der katholischen Kirche gegenüber den evangelischen Kirchen zu erwarten sei, dürfte angesichts der herrschenden politischen Verhältnisse wohl keiner der Unterzeichner des hessischen Kirchenvertrages angenommen haben. Hier ist nicht für die paritätische Behandlung der evangelischen Kirchen, sondern der katholischen Kirche zu fürchten. Umgekehrt besteht kein Anlaß, um die Wahrung der Parität in Rheinland-Pfalz besorgt zu sein. Länder mit stärkeren katholischen Bevölkerungsanteilen, wie Bayern, Nordrheins Westfalen und Rheinland-Pfalz, sind dafür bekannt, mit welcher Peinlichkeit dort katholische Politiker über die paritätische Behandlung der evangelischen Kirchen wachen. Als beispielsweise (in Übereinstimmung mit Art. 2 Abs. 9 PrK und Art. 11 Abs. 1 RK) das Bistum Essen gegründet wurde und dadurch höhere Zuwendungen an die katholische Kirche erforderlich wurden, stellte das Land Nordrhein-Westfalen der Evangelischen Kirche im Rheinland Mittel zur Verfügung, die ihr die Errichtung eines zweiten Predigerseminars in Bad Kreuznach ermöglichten179. Eine Bestimmung, die dem Schutz des Grundsatzes der Parität zugunsten der evangelischen Kirchen dient, erscheint unangebracht in zwei Kirchenverträgen, an die man die Frage stellen muß, ob sie nicht ihrerseits gegen den Grundsatz der Parität zuungunsten der katholischen Kirche verstoßen. Dies gilt vor allem für den hessischen Kirchenvertrag. Denn er wurde mit einem Lande abgeschlossen, das sich nicht nur weigert, das von dem Bundesverfassungsgericht als rechtsverbindlich bestätigte Reichskonkordat anzuerkennen und auszuführen, sondern das es auch ablehnt, mit der katholischen Kirche einen Vertrag zu schließen, der nach Form und Inhalt für diese Kirche annehmbar ist.

179

Scheuner, Tragweite 36 A. 111; derselbe, Kirche und Staat 271 A. 128.

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Man hat mit Recht bemerkt, daß die nach dem ersten Weltkrieg abgeschlossenen evangelischen Kirchenverträge parallel zu den Konkordaten abgeschlossen wurden, ja, daß diese Verträge samt und sonders nur Folgeerscheinungen der vorangegangenen entsprechenden Konkordate waren und lediglich der Verwirklichung des Paritätsprinzips dienten180. Man hätte noch hinzufügen können, daß die wichtigsten evangelischen Kirchenverträge regelmäßig von Ländern abgeschlossen wurden, in deren Regierungen katholische Politiker maßgebend beteiligt waren. Am offensichtlichsten ist dies in Bayern, das bekanntlich die Reihe der großen evangelischen Kirchenverträge eröffnete. Dem entspricht auf der anderen Seite nach 1945 nicht ein Abschluß von Konkordaten parallel zu den Kirchenverträgen in den Ländern, die fast völlig von protestantischen Politikern regiert werden. In Niedersachsen, Hessen und Schleswig-Holstein war auch nicht andeutungsweise etwas von einer Bereitschaft zum Abschluß von Konkordaten, die für die katholische Kirche annehmbar wären, parallel zu den Kirchenverträgen zu spüren, Die Frage, wie hier die Parität gewahrt werden soll, wird bisher nirgends gestellt, geschweige denn beantwortet. Wenn im Hinblick auf die preußischen Verhältnisse nach Abschluß des preußischen Konkordats bemerkt wurde, seit dem Abschluß des Konkordats habe sich die evangelische Kirche in einem Zustand minderen Rechtes befunden181, so ist zu fragen, ob dies nicht auch für die katholische Kirche wenigstens in jenen Teilen des Landes Rheinland-Pfalz gilt, die nicht von dem preußischen und bayerischen Konkordat umschlossen sind. Denn das Reichskonkordat ist jedenfalls hinsichtlich des Vermögensrechtes kein genügender Ersatz für ein Länderkonkordat. Dazu kommen eine Reihe neuer Bestimmungen, wie die Institutionalisierung des Gesprächs zwischen Staat und Kirchen, die eine ernste lmparität zwischen der katholischen Kirche und den evangelischen Kirchen begründen. Angesichts gewisser zum Abschluß des NKV geäußerter Ansichten über das Verhältnis von Staat und Kirche im allgemeinen und über den Grundsatz der Parität im besonderen gelangt der in das Grundgesetz aufgenommene Art. 137 Abs. 1 WRV: „Es besteht keine Staatskirche“ zu unerwarteter Aktualität. Die konfessionelle Überparteilichkeit des Staates, „der einzige Festpunkt, den das Grundgesetz eindeutig fixiert hat“182, muß unbedingt gewahrt werden. Die Annahme, daß das neue Verhältnis von Staat und Kirche, von dem so viel geredet und geschrieben wird, auf die evangelische Kirche beschränkt bleiben soll, ist mit der konfessionellen Überparteilichkeit des Staates unverträglich. Es steht zu hoffen, daß die Einsicht in die Wichtigkeit paritätischer Behandlung der großen Kirchen für den konfessionellen Frieden im Lande und das Wohl des Staates bei den maßgebenden Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens wächst und rasch Früchte zeitigt183. 180

Grundmann, Verhältnis 295. Kübel, Vertrag 25. 182 Fuß, Kirche und Staat 740. 183 Die Untersuchung wurde am 20. 6. 1963 abgeschlossen, 181

Koordination von Staat und Kirche in der Demokratie1 Das Buch stellt eine Dissertation der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Frankfurt am Main dar. Sie ist auf Anregung und unter Förderung von Helmut Ridder und Walter Mallmann entstanden. Der Verfasser bezweckt nichts Geringeres als eine Theorie einer koordinationsrechtlichen Ordnung der Beziehungen zwischen Staat und Kirche aufzustellen. Dabei beschränkt er sich auf die Erörterung einer koordinationsrechtlichen Regelung der Beziehungen zwischen dem freiheitlich-demokratischen Staat und der katholischen Kirche. Er will die Struktur des Mit- und Nebeneinanders von Kirche und Staat klären, die Zulässigkeit des Paktierens miteinander auf Grund von Verfassung und Glaubenslehre prüfen und die reale Praktikabilität einer Koordinationsordnung untersuchen. Der erste Teil handelt über die allgemeinen Grundsätze einer kirchlich-staatlichen Koordinationsordnung. In dessen erstem Kapitel geht der Verfasser die Frage des Geltungsprinzips, d. i. des übereinstimmenden Willens von Kirche und Staat, an. Im zweiten Kapitel sucht Albrecht die obersten Grundsätze für die Entscheidung der Konflikte zwischen Kirche und Staat zu klären. Er findet dabei an erster Stelle das Vertragsprinzip, das ihm jedoch zu formal erscheint, um eine Lebenssituation zu regulieren. Der katholische Ordo-Gedanke im Sinne thomistischer Theologie und Philosophie kann nach Albrecht nicht Grundlage für eine dauerhafte Ordnung des Staat-Kirche-Verhältnisses sein, wenn der staatliche Partner der weltanschaulich neutrale Staat der Gegenwart ist. Der Verfasser beantwortet indes nicht die Frage, ob diese Konzeption nicht einfach sachlogisch, also auch ohne eine Glaubensentscheidung einleuchtend ist. Inwiefern dadurch die persönliche Glaubensfreiheit des einzelnen tangiert wird, wie Albrecht behauptet, müßte entfaltet werden. Albrecht schließt sich den in der letzten Zeit zahlreicher werdenden Stimmen an, die den völkerrechtlichen Charakter der Konkordate bestreiten oder bezweifeln (S. 55). Aber indem er einräumt, daß es partikuläres völkerrechtliches Vertragsrecht geben kann, gibt er auch zu, daß Divergenzen zwischen völkerrechtlichen Verträgen im allgemeinen und Konkordaten die Zugehörigkeit letzterer zum Völkerrecht nicht ernsthaft berühren können. Das dritte Kapitel befaßt sich mit dem politischen Vorbehalt in der von dem Verfasser so genannten Koexistenztheorie und in den sonstigen Konkordatstheorien. 1 Alfred Albrecht, Koordination von Staat und Kirche in der Demokratie. Eine juristische Untersuchung. Freiburg – Basel – Wien: HerderVerlag. 1965. 310 S. Brosch.

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Der Verfasser verwahrt sich gegen die Ablehnung des politischen Vorbehalts durch die Vertreter der vertragsrechtlichen Auffassung. Damit geht er aber gegen das von ihm vertretene Koordinationsprinzip an, weil er dem Staat eine Überordnung einräumt. Er bescheinigt Krüger, Weber und Wengler, die die kirchlich-staatliche Koordinationsordnung in das Verfassungsrecht einordnen und einen politischen Vorbehalt zugunsten der staatlichen Seite aufstellen, daß sich ihre Auffassung mit der seinigen in dem Prinzip der induktiven Erfassung der Ordnungsprinzipien treffe. Immerhin bringt Albrecht an ihren Theorien Kritik an: „Der Konflikt zwischen dem Prinzip der vertragsrechtlichen Stabilisierung des Verhältnisses von Kirche und Staat und der unabweisbaren Relevanz der politischen Dynamik wird in einer Weise gelöst, die die Normativität der konkordatären Ordnung sehr gefährdet“ (S. 93). Mit Recht weist er darauf hin, daß die Gestaltungskonflikte, die die Geschichte kennt, regelmäßig nicht den von Krüger ihnen zugelegten Charakter von unüberwindlichen Entwicklungen haben, sondern daß es sich um Entscheidungen politischer Akteure handelt. Albrecht stellt seinerseits als Kriterium und Ausgleichsfaktor zwischen Kontinuität und Dynamik den Vorbehalt der demokratischen Legitimität auf. „Die politische Problematik der Gestaltungskonflikte wird mit diesem Vorbehalt der demokratischen Legitimität anerkannt. Er sichert das legitime politische Interesse des freiheitlich-demokratischen Staates, auf das dieser nicht verzichten kann. Gleichzeitig bewahrt er das vertragliche Prinzip, indem er einfache politische Willensänderungen des Staates und Willkürakte ausschließt. So wird der Einbruch in die starre und in dieser Starrheit für politische Verträge über eine von der politischen Dynamik erfaßte Materie unmögliche vertragsrechtliche Absicherung des Status der Kirche auf eine klar umrissene qualifizierte Ausnahmesituation beschränkt; Bewahrung und Entwicklung werden in einer zweckentsprechenden Synthese verbunden“ (S. 96). Im zweiten Teil seines Werkes bespricht Albrecht die Rechtsmöglichkeit einer Einigung von Kirche und Staat auf eine koordinationsrechtliche Ordnung ihrer Beziehungen. Er stellt sich die Frage, ob sich Kirche und Staat in den sie gemeinsam berührenden Angelegenheiten auf das Koordinationsprinzip festlegen können. Staat und Kirche erkennen, meint Albrecht, heute deutlicher als manchesmal zu früheren Zeiten ihre Grenzen; dabei ist freilich von den ideologisierten totalitären Staaten abgesehen. Denn: „Die Folge eines Totalitarismus ist immer ein durchgehender Monismus auf allen Gebieten des Lebens“ (S. 101). Der repräsentative Staat jedoch steht in der Gesellschaft und empfängt von ihr seine materialen Werte; damit ist die Einigungsmöglichkeit grundsätzlich gegeben. Der Verfasser tritt in eine sorgfältige Untersuchung der Frage ein, wie die Kirche zu dem Koordinationsprinzip stehe. Er sieht richtig, wenn er der Meinung ist, daß das Paktieren der Kirche mit dem Staat über res spirituales und res mixtae eine Konzession ist; die Kirche darf Konkordate schließen, sie muß es von ihrem Wesen her nicht tun. Sie darf „von ihrer theologisch begründeten, der weltlichen Macht übergeordneten Position auf die politische Ebene der Gleichrangigkeit hinabsteigen, um sich unter

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Wahrung ihrer unverzichtbaren Verantwortung für das Seelenheil mit der staatlichen Gewalt politisch zu arrangieren“ (S. 111). Zum Verständnis dieser Möglichkeit dient die Unterscheidung von Innehabung und Ausübung eines Rechtes. Der kirchliche Vertragspartner verzichtet auf den Gebrauch seiner Rechtsmacht, nicht auf die rechtliche Befugnis selbst. „Der Papst kann daher frei über die Art und Weise bestimmen, wie er seine unverzichtbare Rechtsmacht gebraucht, mit welchen Mitteln er die Zwecke der Kirche verfolgt. Wenn er der Auffassung ist, es sei im Hinblick auf die Situation des Verhältnisses von Kirche und Staat erforderlich und opportun, der weltlichen Macht gegenüber auf den Gebrauch bestimmter Rechte zu verzichten, um die Lage der Kirche zu verbessern, oder der weltlichen Gewalt eine bestimmte Art und Weise ihres Gebrauches zuzusichern, so darf er diese Regierungsentscheidung treffen. Er darf sie, wenn es erforderlich ist, auch vertraglich verfestigen. Ja, er hat nach kanonistischer Auffassung nicht nur die rechtliche Befugnis, sondern ex iure divino sogar die Pflicht, seine Rechte in dieser zweckrationalen Weise auszuüben“ (S. 112). Die kirchliche Anerkennung des Koordinationsprinzips sieht Albrecht in zweifacher Weise eingeschränkt, nämlich durch den Vorbehalt des Seelenheils und durch die Unmöglichkeit eines Verzichtes auf die Substanz der potestas spiritualis (S. 114). Die Erklärung dieser beiden Beschränkungen fällt indes auch dem gewandten Albrecht nicht ganz leicht. Ich bezweifle, ob man formulieren kann, die Kirche dürfe sich durch die Weltbindung niemals in eine Rechtslage bringen, in der sie eine ihr iure divino zustehende Befugnis nicht mehr oder nicht mehr so ausüben könne, wie sie das für die Erfüllung ihres Auftrages für erforderlich erachte (S. 115). Der Kompromißcharakter der ausgehandelten Vertragsnormen besteht ja gerade darin, daß die Kirche nachgibt, daß sie gegenüber einem malum maius ein malum minus hinnimmt, wie es z. B. in dem Recht der Nomination der Bischöfe durch das Staatsoberhaupt liegt. Für notwendig erachtet die Kirche grundsätzlich, daß der gesamte Besetzungsvorgang beim Bischofsamt in ihrer Hand liegt, also sowohl die Auswahl der Person als auch die Übertragung des Amtes. Aber wegen gewisser Umstände und im Hinblick auf andere Vorteile wird eben eine an sich nicht erwünschte Regelung in Kauf genommen, die der Kirche zwar nicht ideal, aber tragbar erscheint. Richtig ist, was Albrecht S. 116 schreibt: „Die Koordinationsentscheidung hat notwendig das Wohl der Kirche zu sehen. Wenn sie unter den gegebenen Umständen zu Ergebnissen führen würde, die ihrem Zweck entgegengesetzt sind, wenn also die Entscheidung den Zwecken der Kirche mehr schädlich als nützlich sein würde, dann verliert sie ihre Verbindlichkeit.“ Indem die Kirche in einer bestimmten Materie paktiert und in dieser Weise paktiert, gibt sie jedoch zu verstehen, daß der Nutzen überwiegt. Ohne eine grundlegende Veränderung der Verhältnisse, die die Berechtigung zur Inanspruchnahme der clausula rebus sic stantibus gibt, kann nicht später als schädlich bezeichnet werden, was früher für nützlich gehalten wurde. Richtig schreibt Albrecht weiter, die Koordinationsentscheidung sei kirchenrechtlich nicht denkbar als rechtsverbindliche Dezimierung der virtuellen Allzu-

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ständigkeit des Papstes zur autoritativen Ordnung des Verhältnisses von Kirche und Staat in den geistlichen Angelegenheiten, sondern nur als „das Rechtsversprechen, die Ordnungsmacht in einer bestimmten Art und Weise auszuüben, mit der Folge, daß bei Nichtbeachtung dieser Bindung der Vorwurf des rechtswidrigen Verhaltens erhoben werden darf“ (S. 117). Man wird endlich auch den Satz recht verstehen können, in dem Albrecht das etwas odiose Wort „Privileg“ verwendet. Er schreibt: „Der Staat, der durch das Übereinkommen Einflußmöglichkeiten im Bereich der res spirituales oder der res spirituales annexae erlangt, übt im Sinne der kirchlichen Auffassung immer ein ihm unter bestimmten Vorbehalten vertragsrechtlich zur Praktizierung (also nicht der Substanz nach) überlassenes kirchliches Recht als Privileg aus“ (S. 119). Der Ton liegt bei dieser Äußerung auf dem Wort „vertragsrechtlich“; damit ist das sog. „Privileg“ der freien Disposition des kirchlichen Gesetzgebers entzogen. Es wird mit dem Begriff der vertragsrechtlichen Privilegierung nur das kirchliche Konzedieren ausgedrückt, nicht aber eine Abschwächung der vertragsrechtlichen Verbindlichkeit behauptet. „Es wird damit nur der sich aus der katholischen Lehre über das Verhältnis von Kirche und Staat ergebenden Rechtsauffassung, daß die Kirche in diesen Angelegenheiten befehlen könnte, terminologisch Rechnung getragen“ (S. 121). Der Verfasser macht sich die Auseinandersetzung mit der hierokratischen These nicht leicht. Er verzichtet auf billige Vereinfachungen, welche den Angriff auf sie erleichtern sollen. Man wird ihm zustimmen müssen, wenn er das Hauptgewicht bei der Widerlegung auf die Zweckargumentation legt (S. 127). Albrecht wendet sich anschließend dem Thema „Staat und Koordinationsprinzip“ zu. Er möchte die völkerrechtliche Eigenständigkeit der Kirche auf die gesamtkirchliche Willensbildung einschränken und damit den Raum freimachen für eine Einflußnahme des Staates auf die innerstaatliche Aktivität der Kirche. „Die Anerkennung als Völkerrechtssubjekt und eine gleichzeitige Einflußnahme des anerkennenden Staates auf die Tätigkeit der Kirche innerhalb seines Territoriums widersprechen sich keinesfalls. Denn durch eine staatskirchenrechtliche Regelung, die das Verhältnis des Staates zur Gebietsherrschaftsmacht staatsgesetzlich bestimmt, wird die völkerrechtliche Souveränität der Kirche als Weltkirche und Weltmacht nicht beeinträchtigt, weil ja dadurch weder die Gesamtkirche völkerrechtlich unzulässig als innerstaatlicher Verband behandelt noch die anerkannte eigenständige Willensbildung beeinträchtigt wird“ (S. 133). Unannehmbar sind die Ausführungen Albrechts zu der Frage der theologischen Eigenständigkeit der Kirche und dem Gebietsherrschaftsmonopol des Staates (S. 135 ff.) Albrecht sieht die Kirche in ihrer Andersartigkeit und Eigenständigkeit mitnichten der Staatsgesetzgebung entzogen. Das sei eine theologische Behauptung, die staatsrechtlich erst relevant werden könne, wenn sie von der demokratischen Mehrheit angenommen werde. Diese Meinung Albrechts rührt an die weitergehende, auf letzte weltanschauliche Fundamente zurückführende Frage, ob die Mehrheit, u. U. die qualifizierte Mehrheit in einer Demokratie

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„alles“ kann oder nicht. Wer die Bindung an Gott und Naturrecht als unzulässige Präformierung und Beschränkung des Mehrheitswillens, als ein Moment undemokratischer Transzendenz ansieht, der kann sich freilich den Folgerungen Albrechts nicht entziehen. Dann ist jedoch die Frage angebracht, ob zwischen Totalitarismus und säkularisierter Demokratie noch ein wesentlicher Unterschied gefunden werden kann. In Deutschland glauben die Vertreter der (von der Meinung Albrechts abweichenden) Auffassung, daß gewisse Grundsätze vorkonstitutionell, der Mehrheitsentscheidung radikal entzogen sind, daran, daß zu diesen grundsätzlich von allen anerkannten Gegebenheiten auch die Eigenständigkeit der Kirche gehört. Die Schrift Albrechts, aber auch die sich mehrenden Äußerungen anderer Autoren zeigen, daß die Vermutung eines Konsensus in dieser entscheidenden Frage nicht (mehr) zu Recht besteht. Indes muß auch Albrecht zugeben, daß kein Staat ohne ein Wertgefüge als Grundlage seiner Rechts- und Sozialordnung stabil und aktionsfähig sein kann (S. 142). Ich bin überzeugt, daß alle Bürger über diese Notwendigkeit übereinstimmen; die Unterschiede, ja Gegensätze zeigen sich erst bei der Bestimmung des Inhalts dieses allgemein vorausgesetzten Wertgefüges. Auch Albrecht gibt zu, daß die Gestaltung der Kirchenfreiheit nicht im Belieben der Staatsgewalt steht. „Sie ist einmal infolge der Glaubensfreiheit durch das Selbstverständnis der Kirche und sodann durch ihre öffentliche Aufgabe in dem freiheitlich-demokratischen Prozeß der Bildung und Propagierung von Werten festgelegt“ (S. 142). Indem man zugibt, daß die Kirche Werte vertritt und schafft, vollzieht man bereits eine Entscheidung, die, wenn Albrecht konsequent wäre, dem demokratischen Mehrheitsbeschluß nicht vor-, sondern nur nachgeordnet werden dürfte. Daran vermögen Sätze wie die folgenden nichts zu ändern: „Die Kirche hat keine systemtranszendent begründete originäre Rechtsstellung. Eine Argumentation, welche die Rechtsstellung der Kirche unmittelbar auf das theologische Selbstverständnis der Kirche stützt und von der Staatsgewalt die Beachtung eines bestimmten Status der Kirche als Befolgung eines göttlichen Gebotes verlangt, ist im freiheitlich-demokratischen Staat nicht möglich. Das theologische Wesen der Kirche ist nur als Auffassung der aus freiem Willen gläubigen Bürger relevant, weil es Inhalt einer Glaubensentscheidung ist, die die staatliche Gewalt durch ihre Verpflichtung auf die Garantie der Glaubensfreiheit zu respektieren hat, nicht als Wille Gottes“ (S. 143). Mit diesen Äußerungen wird die Tatsache verkannt, daß die Demokratie, die Albrecht im Auge hat, zu weit über neun Zehnteln aus Bürgern besteht, die sich als Christen bezeichnen. Diese fundamentale Tatsache kann nicht um der angestrebten Reinheit des Systems willen ignoriert werden. Zum Begriff der Glaubensfreiheit, der bei Albrecht eine große Rolle spielt und aus dem er weittragende Konsequenzen ableitet, ist zu fragen, ob es begriffsnotwendig ist, ihm die Bedeutung und Ausdehnung zu geben, die Albrecht ihm gibt. Bekanntlich hat sich der Inhalt des Begriffs im Laufe der Geschichte gewandelt. Heute besagt er u. a. die Möglichkeit, den Glauben auch ohne Angabe von Gründen jederzeit zu wechseln oder überhaupt jeden (religiösen) Glauben aufzugeben. Mir

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erscheint es denkbar, daß es Schranken gegen den Mißbrauch der Glaubensfreiheit durch den einzelnen geben könnte. Von wachsender Bedeutung sind heutzutage Ausführungen über die Zulässigkeit des Koordinationsprinzips für den Staat. Es wäre viel gewonnen, wenn sich auf der Seite der sog. Liberalen die Auffassung Albrechts durchsetzen könnte, wonach es dem Sinnprinzip des freiheitlich-demokratischen Staates entspricht, seine Autorität nur insoweit einzusetzen, als es zur Verwirklichung der Staatszwecke unvermeidbar ist (S. 156). Die Anerkennung des Koordinationsprinzips bringt eine Beschränkung der Souveränität mit sich. Letztere Beschränkung wird nach Albrecht durch den politischen Vorbehalt, daß die koordinationsrechtlich vereinbarte Ordnung dauernd demokratisch legitimiert sein muß, demokratisch vertretbar gemacht (S. 157). Der Verfasser überprüft sodann an den spezifischen Strukturkonsequenzen des Koordinationsprinzips die Zulässigkeit des letzteren (S. 160 ff.). Er unterscheidet Glaubensfreiheit als Ausdruck eines weltanschaulichen Relativismus und Glaubensfreiheit als weltanschauungsneutrales politisches Ordnungsprinzip (S. 178). Die Kirche könne die Glaubensfreiheit als Freiheitssicherung, gerichtet gegen die politische Macht als Glaubensmacht, anerkennen (S. 179). Die Entwicklung auf dem 2. Vatikanischen Konzil hat diese Meinung offensichtlich bestätigt. Der Begriff des Öffentlichkeitsanspruches wird von Albrecht zu eng gefaßt; es wird namentlich das Spezifische des kirchlichen Öffentlichkeitsanspruches, das ihn von allen anderen an der gesellschaftlichen Wertbildung und Wertpropagierung beteiligten geistigen Mächten unterscheidet, nicht erkannt (S. 200 ff.). Es sei hier auf meine Rezension des Buches von Conrad in dieser Zeitschrift2 verwiesen. Der Staat hat in neuesten Kirchenverträgen mit der evangelischen Kirche eben das getan, was er nach Albrecht nicht tun kann, nämlich die Kirche in ihrem theologischen Selbstverständnis anerkennen. Der Satz: „Auf die göttliche Ordnung der Ehe verpflichtet ist der einzelne, nicht der Staat als Institution“ (S. 202) ist vom katholischen Standpunkt aus unrichtig. Es gibt keine doppelte Moral. Wenn das staatliche Eherecht nicht der göttlichen Ordnung der Ehe folgt, dann steht es wider sie. Neutralität ist angesichts der Notwendigkeit der Entscheidung, vor die das göttliche Gebot stellt, nicht möglich. Werden im Staat nicht katholische Auffassungen kodifiziert, dann eben protestantische, wie es im deutschen Eherecht beispielsweise in weitem Umfang der Fall ist. Es ist nicht einzusehen, weshalb die katholische Kirche auf den Anspruch institutioneller Sicherung ihrer Ehelehre verzichten soll (S. 202 f.), nachdem der Protestantismus seine Ansicht, jedenfalls in Deutschland, durchgesetzt hat. Die obligatorische Zivilehe wird gerade nicht, wie Albrecht glauben möchte, als „reines Ordnungsprinzip in einer pluralen Gesellschaft“ (S. 203) verstanden, sondern tritt mit dem diktatorischen Anspruch auf zeitliche Priorität, ja Alleinherrschaft auf.

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TrThZ 74 (1965) 116 – 121.

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Im dritten Teil seines Werkes wendet sich Albrecht der rechtlichen Verwirklichung des Koordinationsprinzips zu. Er bietet hier eine Art allgemeinen Teils der Verträge zwischen Kirche und Staat. Zu den Ausführungen des Verfassers im dritten Teil seiner Untersuchung wären manche Anmerkungen zu machen. In dem Streit zwischen Monismus und Dualismus hinsichtlich des Abschlusses von Verträgen zwischen Kirche und Staat entscheidet sich Albrecht für die dualistische These (S. 214 ff.). Zu den von Albrecht mehrfach (z. B. S. 230, 240) angezogenen Abkommen von Ecclesiae peculiares mit dem Staat wäre manches nachzutragen. Die Auslegung, die Albrecht der Allocutio Benedikts XIV. vom 21. November 1921 gibt (S. 260 ff.), halte ich für richtig. Der Papst hat nicht daran gedacht, ganz allgemein die politische Diskontinuität als Beendigungsgrund anzuerkennen. Das Schicksal des napoleonischen Konkordats beispielsweise zeigt, wie indifferent Konkordate gegen den Wechsel der Regierungsform sind. „Ob der Staat diese oder jene Regierungsform hat, ist der Kirche prinzipiell völlig gleichgültig. Es kommt für sie immer nur darauf an, daß der Staat, gleich welche Regierungsform er hat, die Kirche nicht daran hindert, ihre Mission frei auf dem seiner Souveränität unterstehenden Gebiet auszuüben“ (S. 263). Bei der Aufzählung von Tatbeständen, die zu echten Gestaltungskonflikten der Partner führen können (S. 264 ff.), wird man in einzelnen Punkten anderer Ansicht sein können als der Verfasser. Die Geschichte läßt erkennen, daß Probleme, die die Konkordate aufgeben, allzu häufig nicht juristisch, sondern politisch entschieden werden. Auch auf diesem Gebiet zeigt es sich, daß die Weltanschauung nicht selten eine Entscheidung stärker prägt als das Recht. Zustimmen wird man, wenn Albrecht bezüglich der Wirksamkeit von Konkordaten schreibt: „Die Wirksamkeit der Koordinationsordnung besteht im ständigen Gelingen des Ausgleichs widerstreitender Interessen. Das Wirksamkeitsproblem ist daher das Problem der Konstanz des anfänglichen Ordnungswillens und der Bereitschaft zu neuen Kompromissen in Konfliktssituationen“ (S. 302 f.). Und weiter unten: „Das Wirksamkeitsproblem darf nur aufgefaßt werden als ein Problem der Stabilisierung des allgemeinen Interesses an der friedlichen Koexistenz von Kirche und Staat. Die Konstanz des Interesses an diesem obersten Ordnungsprinzip ist die Bedingung für eine dauernde Wirksamkeit der kirchlich-staatlichen Übereinkommen. Ohne gegenseitige Achtung, ohne eine dauernde Gesinnung der Partnerschaft ist eine kirchlich-staatliche Koordinationsordnung unwirksam“ (S. 303). Zusammenfassend ist zu sagen, daß das Buch Albrechts ein Werk von erheblicher Dichte ist. Der Verfasser hat sich mit dieser Abhandlung als ein scharfsinniger, mit der Gesamtproblematik des Verhältnisses von Kirche und Staat bestens vertrauter Jurist erwiesen. Er geht keiner Frage aus dem Wege und scheut sich nicht, auf neuen Pfaden zu wandeln. Der Verfasser verfügt über eine große Fähigkeit zur Deduktion und starke systematische Begabung. Obwohl die Abhandlung keine leichte Lektüre darstellt, liest man sie mit Genuß an der Präzision und Eindringlichkeit der Darstellung.

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Albrecht hat sich auch in die theologischen Gebiete hineingearbeitet, die im Zusammenhang mit seinem Thema stehen. Einer seiner hauptsächlichen theologischen Gewährsmänner ist Karl Rahner. Bei aller Anerkennung der großen Bedeutung dieses von machtvollen Organisationen und einflußreichen Personen geförderten, von einem exakt arbeitenden Propagandaapparat überall bekannt gemachten, sehr vielseitigen Theologen, darf nicht übersehen werden, daß er in manchen Punkten eine extreme Stellung einnimmt. Es ist daher zu bedauern, daß neben der merkwürdig monoton geprägten, entscheidend von Rahner beeinflußten neuen Auflage des Lexikons für Theologie und Kirche auch ein bedeutsamer theologischer Artikel im Staatslexikon der Görres-Gesellschaft, auf den sich Albrecht oft beruft, von Rahner geschrieben und dementsprechend ausgefallen ist. Störend wirken in dem Buch die zahlreichen Druckfehler. Ich lasse eine Liste folgen, ohne Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben: @ S. 23: Ordo ist masculini generis. @ S. 24 A. 4 (25): Bourges statt Bourries. @ S. 30 A. 27: Golther statt Golder; Erscheinungsort und -jahr: Stuttgart 1874. @ S. 46 A. 7: Concordata statt concordati. @ S. 48: Nicht: Pius IX., sondern: Pius X. @ S. 51 A. 22: AAS 5 (1913) statt 1933. @ S. 103: synallagmatische Verträge. @ S. 107: societas perfecta. @ S. 110: Prinzip der Regierungsfreiheit. @ S. 123 A. 74: obligatio decentiae; wieder (statt wider); ad nutum. @ S. 126 A. 85: muß es in dem Zitat aus Fellermeiers Buch heißen: „Da nun …“ (statt: nur). @ S. 139: im eminenten Sinne. @ S. 152: wertoffenen pluralen Gesellschaft. @ S. 153: Funktion. @ S. 159: aggressiv. @ S. 161 A. 149: fehlt Angabe der Seitenzahl. @ S. 163: das ihr in einer noch günstigen Situation. @ S. 164: allgemein durchgesetzt. @ S. 168: gelte (ohne n). @ S. 172: insbesondere.

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@ S. 178: Zelo Domus Dei. @ S. 179 A. 178: Bündnisses. @ S. 180: Vordergrund. @ S. 183: iure divino. @ S. 186 A. 192: directa. @ S. 193: paktiert. @ S. 195: besser: Mitwirkung der staatlichen Gewalt (statt: menschlichen Gewalt). @ S. 196 A. 222: ecclesia peculiaris. @ S. 207: Rechtsetzungsverfahren. @ S. 208 A. 2: Triepel. @ S. 212: unrichtig: Art. XII des bayerischen Konkordats vom 11. 3. 1933 (!). @ S. 215: die Inhaber der Staatsgewalt; zu respektierender Entscheidung. @ S. 218: ein Befehl. @ S. 233: Sorgfaltspflichten. @ S. 242: justitiabel. @ S. 245: Rechtsverbindlichkeit der kirchlichen … Entscheidung für das Koexistenzprinzip. @ S. 250: nach kirchlichem … Recht. @ S. 252: staatlichen Recht; uno actu. @ S. 257 unten sind zwei Zeilen vertauscht. @ S. 259: R. Naz. @ S. 260: exstitisse. @ S. 261: Identität. @ S. 263: kanonistischen Lehre. @ S. 269: wurde … begründet. @ S. 270: Paziszent. @ S. 271: nach: „einseitigen staatlichen“ fehlt das Hauptwort. @ S. 282: neuerworbene Gebiete. @ S. 284: mutuo consensu. @ S. 286: causas. @ S. 290: verneint.

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@ S. 298: res spirituales annexae. @ S. 301: 15. 7. 1801. @ S. 303: Man kann sagen; Ordnungsprinzip. @ S. 306: Kirche und Staat müßten.

Die Errichtung von zwei mit Katholiken zu besetzenden Professuren in der Philosophischen Fakultät der Universität Straßburg im Jahre 1902/1903 I. Gründung der Universität Straßburg 1. Elsaß-Lothringen im Deutschen Reich a) Staatsrechtliche Lage Der Friede zu Frankfurt vom 10. Mai 18711 brachte Elsaß-Lothringen2 an Deutschland zurück3. Das Gebiet wurde „Reichsland“; man unterstellte es der Souveränität aller deutschen Fürsten und Städte und ließ es von einem preußischen Oberpräsidium verwalten4. Der Bundesrat hatte einen ständigen Ausschuß für Elsaß-Lothringen. Im Reichskanzleramt bestand eine Abteilung für Elsaß-Lothringen. Am 1. Januar 1874 trat die Reichsverfassung in Elsaß-Lothringen in Kraft. Von nun an gab es eine elsaß-lothringische Landesgesetzgebung, die jedoch vom Bun-

1 Text: RGBl. S. 223; Das Elsaß von 1870 – 1932. Herausgegeben im Auftrage der Freunde des †Abbé Dr. Haegy von J. Rossé/M. Stürmel/A. Bleicher/F. Deiber/J. Keppi. IV, Colmar 1938, 251 – 259. Vgl. Das Elsaß von 1870 – 1932, I, Colmar 1936, 55 – 57; M. Spahn, ElsaßLothringen, Berlin 1919, 252. Die Ratifikationen wurden am 20. Mai 1871 (RGBl. S. 240) ausgetauscht. – Bereits Art. 1 des Präliminarfriedens von Versailles vom 26. Februar 1871 legte den Verzicht Frankreichs auf Elsaß-Lothringen fest (RGBl. S. 216). Die Ratifikationen wurden am 2. März 1871 ausgetauscht. 2 E. Bruck, Das Verfassungs- und Verwaltungsrecht von Elsaß-Lothringen, 3 Bde., Straßburg 1908 – 1910; O. Fischbach, Das öffentliche Recht des Reichslandes Elsaß-Lothringen (Das Oeffentliche Recht der Gegenwart XXVI), Tübingen 1914; R. Wackernagel, Geschichte des Elsaß, Basel 1919; R. Reuß, Histoire d’Alsace, Paris 192019 ; Ein Altelsässer (Straßburg i. E.), Art. Elsaß-Lothringen: StL I, 19265, 1660 – 1668; Das Reichsland Elsaß-Lothringen 1871 – 1918. Herausgegeben im Auftrag des Wissenschaftlichen Instituts der Elsaß-Lothringer im Reich an der Universität Frankfurt/M., 4 Bde., Berlin 1931 – 1936; Das Elsaß von 1870 – 1932, 4 Bde., Colmar 1936 – 1938; L. Sittler, Geschichte des Elsaß, 2 Bde., Colmar 1938 – 1940; F. L‘Huillier, Histoire de l’Alsace („Que sais-je?“ n. 255), Paris 19653 ; K.-H. Janßen, Art. Elsaß-Lothringen: StL II, 19586, 1169 – 1175. 3 Gesetz betreffend die Vereinigung von Elsaß-Lothringen mit dem Deutschen Reiche vom 9. Juni 1871 (RGBl. S. 212; Das Elsaß IV 264 f.) 4 Spahn, Elsaß-Lothringen 255, 269; Das Elsaß I 107 – 110.

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desrat und Reichstag ausgeübt wurde5. Im Jahre 1874 errichtete man auch den Landesausschuß als Vorstufe einer Volksvertretung; er besaß nur das Recht, Stellungnahmen abzugeben6. Das Verfassungsgesetz vom 4. Juli 18797 verschaffte dem Land einen etwas freieren Status, namentlich durch den Landesausschuß. Der Reichskanzler Otto von Bismarck8 machte die elsaß-lothringische Abteilung des Reichskanzleramtes wie die anderen Abteilungen zu einem Staatssekretariat und verlegte dieses nach Straßburg als Grundstock des Ministeriums eines Bundesstaates. An der Spitze des Ministeriums stand der Staatssekretär. Die verschiedenen Abteilungen wurden von Unterstaatssekretären geleitet. Sie wurden vom Kaiser ernannt und abberufen. Die Verantwortlichkeit des Kanzlers für die Amtsführung des Staatssekretärs übertrug man auf einen Statthalter, der seinen Sitz am Orte des Ministeriums hatte. Der Statthalter erhielt einige landesherrliche Befugnisse, die bisher der Kaiser ausgeübt hatte (§§ 1 – 8). Der Landesausschuß, der seit 1877 die ersten Beschlußrechte besaß, bekam nun die wichtigsten konstitutionellen Vollmachten (§§ 12 – 21), „damit er an die Stelle des Reichstages wie der Statthalter an die des Kanzlers und selbst schon des Kaisers zu treten vermochte“.9 Dem Lande wurde auch eine beratende Stimme im Bundesrat gegeben (§§ 7, 8). Einen Schritt weiter ging das Verfassungsgesetz vom 31. Mai 191110 ; es gewährte dem Land eine Teilautonomie. Elsaß-Lothringen wurde nicht selbständiger und gleichberechtigter Bundesstaat, sondern blieb Reichsland. Das Reich war Träger der Souveränität. Als dessen Beauftragter übte der Kaiser die Staatsgewalt aus (Art. II § 1). Das Land hatte drei Stimmen im Bundesrat (Art. I). Die Exekutive lang in Händen des Kaisers. Er übte sie durch den Statthalter aus (Art. II §§ 2 – 4). Ein Landtag mit zwei Kammern wurde errichtet (Art. II §§ 5 – 23). Landesgesetze wurden fürderhin vom Kaiser mit Zustimmung des Landtages erlassen (Art. II § 5 Abs. 1). In der ersten Kammer saßen u. a. die Bischöfe von Straßburg und Metz, 5

RGBl. 1872 S. 208; 1873 S. 161; Das Elsaß I 109. Kaiserlicher Erlaß vom 29. Oktober 1874 (Ges. Bl. S. 37; RGBl. 1877 S. 492). Vgl. Spahn, Elsaß-Lothringen 280; Das Elsaß I 110; Fischbach, Das öffentliche Recht 10. 7 Gesetz betreffend Verfassung und Verwaltung Elsaß-Lothringens vom 4. Juli 1879 (RGBl. S. 175; Das Elsaß IV 265 – 270). Vgl. Das Elsaß I 113 – 116; Fischbach, Das öffentliche Recht 11 – 14. 8 M. Lenz, Geschichte Bismarcks, München-Leipzig 19144 ; E. Marcks, Bismarck. Eine Biographie. 1815/51, Stuttgart 195121 E. Eyck, Bismarck. Leben und Werk, 3 Bde., ErlenbachZürich 1941 – 1944; A. O. Meyer, Bismarck. Der Mensch und der Staatsmann, Leipzig 1949; C. de Grundwald, Bismarck, Paris 1949; E Eyck, Bismarck und das Reich, Zürich-Stuttgart 1954; W. Mommsen, Stein, Ranke, Bismarck. Ein Beitrag zur politischen und sozialen Bewegung des 19. Jahrhunderts, München 1954. 9 Spahn, Elsaß-Lothringen 291. 10 Gesetz über die Verfassung Elsaß-Lothringens vom 31. Mai 1911 (RGBl. S. 885; Das Elsaß IV 278 – 284; Fischbach, Das öffentliche Recht 434 – 438). Vgl. Das Elsaß I 132 – 135, 136 – 141; L. Brentano, Elsässer Erinnerungen, Berlin 19184 – 6, 140; Spahn, Elsaß-Lothringen 352; Fischbach, Das öffentliche Recht 14 – 16. 6

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zwei Vertreter des Protestantismus und ein ordentlicher Professor der Straßburger Universität (Art. II § 6 Abs. 1). Während des Ersten Weltkrieges auftauchende Bestrebungen, Elsaß-Lothringen unter deutsche Länder aufzuteilen oder ihm volle Souveränität zu geben, kamen nicht zur Ausführung11. Der Frieden zu Versailles vorn 28. Juni 1919 brachte ElsaßLothringen an Frankreich zurück12. Inmitten der politischen und staatsrechtlichen Wandlungen blieben die religiösen und staatskirchenrechtlichen Verhältnisse in Elsaß-Lothringen13 im allgemeinen stabil. Das Konkordat vom 15. Juli 1801, die Organischen Artikel vom 8. April 1802 und das Gesetz vom 26. März 1852 betreffend die protestantische Kirchenverfassung wurden für Elsaß-Lothringen von Deutschland am 13. September 1870 anerkannt14. Auch Frankreich entschied sich am 24. Januar 1925 für das Weiterbestehen des Konkordatszustandes in Elsaß-Lothringen15. Es herrscht dort seit der Rückgliederung im Jahre 1918, die Jahre der deutschen Besetzung 1940 – 1944 ausgenommen, der staatskirchenrechtliche Zustand, der durch das Konkordat vom 26. Messidor des Jahres 9 zusammen mit den Organischen Artikeln bezeichnet ist16. b) Politische Verhältnisse Die Einverleibung von Elsaß-Lothringen in das Deutsche Reich stand nicht unter günstigen Vorzeichen. Das unter dem Übergewicht Preußens17 leidende Deutsch11 Spahn, Elsaß-Lothringen 363; Das Elsaß IV 320 – 332, 334 – 336, 341 – 353; Das Elsaß I 391 – 420, 422 – 437; Ch. Schmidt, Die geheimen Pläne der deutschen Politik in Elsaß-Lothringen (1915 – 1918), Paris 1923; L‘Huillier, Histoire de l’Alsace 109. 12 Text: Das Elsaß IV 381 – 390. Vgl. Das Elsaß I 471 – 487, 551; L‘Huillier, Histoire de l’Alsace 110 f. 13 A. Schnütgen, Das Elsaß und die Erneuerung des katholischen Lebens in Deutschland (Straßburger Beiträge zur neueren Geschichte IV), Straßburg i. E. 1913; O. G. Fischbach, Das Staatskirchenrecht Elsaß-Lothringens, I. Band: I. Teil: Gemeinsamer Teil für alle Kulte. II. Teil: Katholischer Kultus, Straßburg 1917; A. Truttmann, Kirchengeschichte des Elsasses, Kehl a. Rh. 19252 ; Das Elsaß III 363 – 409; A. M. Burg, Histoire de l’Eglise d’Alsace, Colmar 1946. 14 Das Elsaß III 376 f.; IV 554 f.; AfkKR 24, 1870, 306; A. Erler, Das Napoleonische Konkordat im Elsaß und in Lothringen. Ein kirchenrechtlicher Beitrag zur Geschichte des Kulturkampfes: AfkKR 122, 1942 – 1943, 237 – 278; Fischbach, Das öffentliche Recht 372 – 396; Fischbach, Das Staatskirchenrecht Elsaß-Lothringens I 11, 20 f., 50, 69, 135, 145 f., 152, 167. 15 Das Elsaß I 651 – 656, 677 f.; III 382 – 391; IV 553 f.; Erler, Das Napoleonische Konkordat 275 – 277. 16 A. Freiherr von Campenhausen, Staat und Kirche in Frankreich (Göttinger Rechtswissenschaftliche Studien 41), Göttingen 1962, 60 – 64. 17 O. Hintze, Die Hohenzollern und ihr Werk, Berlin 19168 ; derselbe, Gesammelte Abhandlungen III: Geist und Epochen der preußischen Geschichte, Leipzig 1943; H. J. Schoeps, Zur Geschichte Preußens im 19. Jahrhundert, Düsseldorf 1955; G. Böing, Art. Preußen: StL VI, 19616, 475 – 482.

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land wirkte auf die Bevölkerung des Reichslandes wenig anziehend. Während der fast fünfzigjährigen Zugehörigkeit zum Deutschen Reich ist es nicht gelungen, die Elsässer und Lothringer wirklich innerlich für Deutschland zu gewinnen18. Der Gegensatz der Bevölkerung Elsaß-Lothringens zu der deutschen Herrschaft ließ zwar im Laufe der Jahre nach, hörte aber nie ganz auf. Viele Elsässer und Lothringer strebten nach Autonomie, nicht wenige blieben im Herzen französisch gesinnt19. Die deutsche Verwaltung zeichnete sich im allgemeinen20 weder durch besonderes Geschick noch durch angebrachte Rücksichtnahme aus21. Sie betrieb eine zielbewußte Germanisierungspolitik. In deren Dienst suchte sie namentlich die staatlichen Bildungseinrichtungen zu stellen22. 2. Vorgeschichte und Gründung der Universität a) Vorgeschichte In Straßburg wurde im Jahre 1621 eine Universität errichtet23, die vier Fakultäten zählte, eine evangelisch-theologische24, eine juristische, eine medizinische und eine philosophische. Diese Universität war völlig durch das protestantische Bekenntnis bestimmt. Katholiken konnten sich an ihr nicht entfalten. Die Stadt Straßburg galt als Hochburg des Protestantismus25. 18

Zusammenfassend: Das Elsaß I 15 – 468. Vgl. L’Huiller, l’Histoire de l’Alsace 86 – 110. Schmidt, Die geheimen Pläne 58 – 61 und passim; Spahn, Elsaß-Lothringen 257 – 365; Brentano, Elsässer Erinnerungen; O. Lenel, Die Universität Straßburg 1621 – 1921. Gedenkrede, Freiburg i. Br. 1921, 20 – 23. 20 Eine Ausnahme bildete der Statthalter Feldmarschall Edwin von Manteuffel. Vgl. Brentano, Elsässer Erinnerungen 11, 13, 15, 16 f.; Spahn, Elsaß-Lothringen 290 – 302; L‘Huillier, Histoire de l‘Alsace 98. 21 Brentano, Elsässer Erinnerungen 26 – 34; Das Elsaß I 15 – 468. 22 Brentano, Elsässer Erinnerungen 51. 23 A. Schricker, Zur Geschichte der Universität Straßburg. Festschrift zur Eröffnung der Universität Straßburg am 1. Mai 1872, Straßburg 1872; O. Mayer, Die Kaiser-WilhelmsUniversität Straßburg. Ihre Entstehung und Entwicklung (Wissenschaftliches Institut der Elsaß-Lothringer im Reich. Elsaß-Lothringische Hausbücherei 3), Berlin-Leipzig 1922, 7; E. Klostermann, Vierhundert Jahre Straßburger Universität, Münster/W. 1924, 6 f.; P. Wentzcke, Die alte Universität Straßburg: Elsaß-Lothringisches Jahrbuch 17, 1938, 37 – 112; Chr. Hallier, Art. Straßburg II. Universität: RGG VI, 19623, 412 – 415; Wackernagel, Geschichte des Elsaß 325 f.; Brentano, Elsässer Erinnerungen 49; Lenel, Die Universität Straßburg 4 – 9. 24 Chr. Hallier, Art. Elsaß: RGG II, 19583, 439 – 441; derselbe, Art. Straßburg II. Universität: ebenda VI, 19623, 412 – 415; J. Adam, Evangelische Kirchengeschichte der Stadt Straßburg bis zur Französischen Revolution, Straßburg 1922, 385 – 387. 25 A. Krüger, Die geschichtliche Entwicklung der Verfassung der Kirche Augsburgischer Konfession von Elsaß-Lothringen von 1789 – 1852. Mit zahlreichen bisher unveröffentlichten Dokumenten und Briefen. Jur. Diss. Heidelberg, Berlin 1913; J. Adam, Evangelische Kirchengeschichte der elsässischen Territorien bis zur Französischen Revolution, Straßburg 1928 19

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Eine Wendung zugunsten der Katholiken trat erst nach der Eroberung durch Frankreich ein. Im Jahre 1683 erhielt Straßburg ein Jesuitenkolleg25a. Dieses wurde mit dem Priesterseminar vereinigt. An der seit 1685 bestehenden philosophischen und theologischen Fakultät lehrten teilweise bedeutende Wissenschaftler26. Im Jahre 1701 bzw. 1702 wurde auch die bischöfliche Universität von Molsheim27 nach Straßburg verlegt28. Der protestantische Charakter der städtischen Universität blieb jedoch erhalten29. Im Sturm der Französischen Revolution30 brach die Universität zusammen31. Die evangelisch-theologische Fakultät blieb bestehen und behielt sogar ihre Güter32. Im Jahre 1808 bzw. 1818 wurde eine Akademie gegründet, die eine lose Zusammenfassung der fünf Fakultäten (zu den vier bisherigen war die naturwissenschaftliche

Reg.; G. Anrich, Straßburg und die Calvinische Kirchenverfassung: Universität Tübingen 25, 1928, 12 – 31; Chr. Hallier, Das Kirchenwesen Straßburgs als Glied des deutschen Luthertums im 16. und 17. Jahrhundert: Elsaß-Lothringisches Jahrbuch 9, 1930, 209 – 227; H. Strohl, Le protestantisme en Alsace, Strasbourg 1950; Adam, Evangelische Kirchengeschichte der Stadt Straßburg; Chr. Hallier, Art. Elsaß: RGG II, 19583, 437 – 441; Truttmann, Kirchengeschichte des Elsasses 211 – 221, 222 – 224, 228 f., 230 – 242, 265 – 268. 25a Adam, Evangelische Kirchengeschichte der Stadt Straßburg 424; Mayer, Die KaiserWilhelms-Universität Straßburg 7; Burg, Histoire de l‘Eglise d‘Alsace 220. 26 Klostermann, Vierhundert Jahre 8; Burg, Histoire de l’Église d’Alsace 242 – 245. 27 J. Gass, Album von Molsheim, Straßburg 1911; K. Hahn, Das Aufkommen der Jesuiten in der Diözese Straßburg und die Gründung des Jesuitenkollegs in Molsheim: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins N. F. 25, 1910, 146 – 294; M. Barth, Die Seelsorgetätigkeit der Molsheimer Jesuiten von 1580 bis 1765: Archiv für elsässische Kirchengeschichte 6, 1931, 325 – 400; 28, 1961, 850 – 855. 28 E. C. Scherer, Frankreich und der elsässische Klerus im 18. Jahrhundert: Archiv für elsässische Kirchengeschichte 3, 1928, 255 – 300, hier 265 f.; Wackernagel, Geschichte des Elsaß 305, 325 f.; K. Schwartz, Das Elsaß unter französischer Herrschaft im 17. und 18. Jahrhundert, in: Geschichte des Elsaß, II: Von 1500 bis zur Französischen Revolution (1789), herausgegeben von L. Sittler, Kolmar i. E. 1941, 172, 183. 29 Klostermann, Vierhundert Jahre 8, 10; Wackernagel, Geschichte des Elsaß 326 – 333, 346; Schwartz, Das Elsaß 175 f. 30 P. de la Gorce, Histoire religieuse de la Révolution, 5 Bde., Paris 1909 – 1923; A. Mathiez, La Révolution et Église, Paris 1910; A. Latreille, L’Église catholique et la Révolution française, 2 Bde., Paris 1946 – 1950; J. Leflon, La crise révolutionnaire 1789 – 1846 (Histoire de l’Église depuis les origines jusqu’à nos jours 20), Paris 1951, 15 – 158. 31 Mayer, Die Kaiser-Wilhelms-Universität Straßburg 9; Brentano, Elsässer Erinnerungen 50; J. Ficker, Die Kaiser-Wilhelms-Universität Straßburg und ihre Tätigkeit. Rede bei der Gedenkfeier der Reichsgründung gehalten am 18. Januar 1922 (Hallische Universitätsreden 17), Halle/S. 1922, 5; Klostermann, Vierhundert Jahre 10. 32 Verhandlungen der zweiten Kammer des Landtags für Elsaß-Lothringen. I. Sitzungsperiode 1911/13: 14. Januar bis 30. Mai 1913. Stenographische Berichte. Band 91 der ganzen Drucksachen-Sammlung, Straßburg 1913, 3832; Th. Gérold, La Faculté de théologie et le Séminaire protestant de Strasbourg (1803 – 1872), Strasbourg-Paris 1923.

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getreten) bzw. Fachschulen bildete33. Die staatliche evangelisch-theologische Fakultät war rechtlich von dem kirchlichen Séminaire Protestant unabhängig34. Mit dem Einmarsch der Deutschen im Jahre 1870 lösten sich die Schulen zunächst auf. Später sammelten sich die Theologen und Mediziner wieder und richteten einen Unterrichtsbetrieb ein35. b) Gründung Schon während des deutsch-französischen Krieges war die Forderung nach Errichtung einer Universität in Straßburg erhoben worden36. Sie wurde von mehreren Seiten lebhaft unterstützt und fand auf seiten des Deutschen Reiches Zustimmung37. Die geplante Universität „sollte die geistige Werbeschule für den deutschen Gedanken und die deutsche Gesinnung werden“38. Heinrich von Treitschke39 sprach sich am 20. Mai 1871 im Reichstag dafür aus40, und am 24. Mai 1871 wurde ein Antrag des Abgeordneten Dr. Wehrenpfennig angenommen, der den Reichskanzler 33 Mayer, Die Kaiser-Wilhelms-Universität Straßburg 10 – 12; Ficker, Die Kaiser-Wilhelms-Universität Straßburg 6 f.; Lenel, Die Universität Straßburg 11; Klostermann, Vierhundert Jahre 11. 34 Klostermann, Vierhundert Jahre 11; Strohl, Le protestantisme en Alsace 342 f. 35 Mayer, Die Kaiser-Wilhelms-Universität Straßburg 12 f.; Lenel, Die Universität Straßburg 12. 36 L. Dehio, Die Kaiser Wilhelms Universität Straßburg, in: Das Reichsland Elsaß-Lothringen 1871 – 1918. Band III: Wissenschaft, Kunst und Literatur in Elsaß-Lothringen 1871 – 1918. Herausgegeben im Auftrage des Wissenschaftlichen Instituts der Elsaß-Lothringer im Reich an der Universität Frankfurt von G. Wolfram, Frankfurt/M. 1934, 2; Ficker, Die KaiserWilhelms-Universität Straßburg 7 f.; Lenel, Die Universität Straßburg 12. 37 Lenel, Die Universität Straßburg 12 – 14; Klostermann, Vierhundert Jahre 14. 38 So über die deutschen Pläne der Abg. Müller (Thann) in der Sitzung des elsaß-lothringischen Landtags vom 9. April 1913: Verhandlungen 91, 3833. Vgl. Schmidt, Die geheimen Pläne 62, 67, 68 f., 71, 72; L‘Huillier, Histoire de l’Alsace 101; Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Deutschen Reichstages. I. Legislatur-Periode. – I. Session 1871. II. Band. Von der Vierunddreißigsten bis Siebenundfünfzigsten und Schlußsitzung am 12. Juni 1871, Berlin 1871, Abg. Dr. von Treitschke (S. 816), Abg. Windthorst (S. 823 – 825), Abg. Dr. Löwe (S. 831), Abg. Dr. Lamey (S. 833), Abg. Dr. Wehrenpfennig (S. 896 – 898), Abg. Dr. Wagener (S. 906 – 908), Abg. Dr. Köchly (S. 910). 39 E. Leipprand, Heinrich von Treitschke im deutschen Geistesleben des 19. Jahrhunderts, Stuttgart 1935; W. Bußmann, Treitschke. Sein Welt- und Geschichtsbild, Göttingen 1952; derselbe, Heinrich von Treitschke als Politiker: Historische Zeitschrift 177, 1954, 249 – 279; G. Böing, Das Verhältnis von Staat und Kirche bei Heinrich von Treitschke im Zusammenhang der Entwicklung seiner religiösen und politischen Anschauungen. Phil. Diss. Freiburg i. Br. 1956; F. Herre, Art. Treitschke: StL VII, 19626, 1028 – 1030. 40 39. Sitzung des Deutschen Reichstages vom 20. Mai 1871: Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Deutschen Reichstages. I. Legislatur-Periode. – I. Session 1871. II. Band. Von der Vierunddreißigsten bis Siebenundfünfzigsten und Schlußsitzung am 12. Juni 1871, Berlin 1871, 816; O. Mittelstädt, Reden von Heinrich von Treitschke im Deutschen Reichstage 1871 – 1884, Leipzig 1896, 15. Nach Treitschke sollte die Universität „nicht eine Landesuniversität“ werden, sondern zu „einer deutschen Universität“ werden.

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aufforderte, „baldmöglichst“ eine deutsche Universität in Straßburg zu errichten41. Überraschend schnell ging man an die Ausführung des Planes. Mit der Aufgabe der Einrichtung betraute der Kaiser am 22. Juni 1871 den religiös liberalen, antiklerikalen, preußisch gesinnten früheren badischen Staatsminister Freiherrn von Roggenbach42. Ihm zur Seite stand ein junger Hilfsarbeiter am Oberpräsidium, der gleichzeitig Professor an der Juristischen Fakultät war, Friedrich Althoff43. Am 28. April 1872 erging ein kaiserlicher Erlaß, der die Stiftungsurkunde der Straßburger Universität enthielt44, und am gleichen Tage wurde das Gesetz beschlossen, das die Universität errichtete45. Schon am 1. Mai 1872 wurde die Universität eröffnet46. Sie war gut ausgestattet und gewann bald Ansehen ob ihrer Leistungen47. 41 42. Sitzung des Deutschen Reichstages vom 24. Mai 1871: Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Deutschen Reichstages. I. Legislatur-Periode. – I. Session 1871. II. Band. Von der Vierunddreißigsten bis Siebenundfünfzigsten und Schlußsitzung am 12. Juni 1871, Berlin 1871, 896 – 911, besonders 911. Vgl. Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Deutschen Reichstages. I. Legislatur-Periode. – I. Session 1871. III. Band. Anlagen zu den Verhandlungen des Reichstages Nr. 1 – 199. Nebst Anhang: Petitionsverzeichnisse 1 – 11, Berlin 1871, Nr. 144: Antrag Dr. Thomas und Dr. Köchly S. 375 f.; Nr. 155 II: Verbesserungs-Antrag zur Nr. 144 der Drucksachen (Antrag Thomas – Köchly) Dr. Wehrenpfennig S. 408. Vgl. Mayer, Die Kaiser-Wilhelms-Universität Straßburg 14 – 16; Dehio, Die Kaiser Wilhelms Universität Straßburg 2; G. Anrich, Freiherr von Roggenbach und die Gründung der Universität Straßburg, in: Bericht über die dritte Zusammenkunft der Losen Vereinigung der ehemaligen Straßburger Dozenten und Studenten. Frankfurt am Main/3. und 4. Mai 1930. Herausgegeben vom Wissenschaftlichen Institut der Elsaß-Lothringer im Reich an der Universität Frankfurt 1930, Frankfurt/M. 1930, 10 – 23, hier 13. 42 Mayer, Die Kaiser-Wilhelms-Universität Straßburg 16; Anrich, Freiherr von Roggenbach 14 – 16; Dehio, Die Kaiser Wilhelms Universität Straßburg 2; Klostermann, Vierhundert Jahre 14 f.; S. Hausmann, Die Kaiser-Wilhelms-Universität Straßburg: Sonderabdruck aus Straßburger Universitäts-Taschenbuch, Sommer-Semester 1893, Straßburg 1893, 5 f. 43 Anrich, Freiherr von Roggenbach 19; Brentano, Elsässer Erinnerungen 58; Klostermann, Vierhundert Jahre 15. 44 GBl. S. 165. Vgl. Mayer, Die Kaiser-Wilhelms-Universität Straßburg 23 f.; Brentano, Elsässer Erinnerungen 50 f. 45 GBl. S. 166. Vgl. Fischbach, Das öffentliche Recht 369. – Statut der Universität vom 24. Februar 1875 i. d. F. vom 21. Oktober 1908 (GBl. S. 91); Name „Kaiser-Wilhelms-Universität“ durch kaiserlichen Erlaß vom 22. Juni 1879 (GBl. S. 60). – Vgl. Fischbach, Das öffentliche Recht 370 f. 46 H. Hoseus, Die Kaiser-Wilhelms-Universität zu Straßburg, ihr Recht und ihre Verwaltung. Eine Festschrift zum 1. Mai 1897 der Universität Straßburg gewidmet von ihrem ehemaligen Kurator, Straßburg 1897, 8; Anrich, Freiherr von Roggenbach 20 f.; Mayer, Die Kaiser-Wilhelms-Universität Straßburg 24 – 27. 47 Brentano, Elsässer Erinnerungen 54; Ficker, Die Kaiser-Wilhelms-Universität Straßburg passim; Lenel, Die Universität Straßburg 18 f.; Klostermann, Vierhundert Jahre 16 f.; G. Anrich, Die Kaiser-Wilhelms-Universität Straßburg in ihrer Bedeutung für die Wissenschaft 1872 – 1918. Rede, gehalten in der Gedenkfeier der Straßburger Wissenschaftlichen Gesellschaft in der Aula der Universität Heidelberg, Berlin-Leipzig 1923; Klostermann, Die Rückkehr der Straßburger Dozenten 1918/19 und ihre Aufnahme. Rede bei der Gedenkfeier der Reichsgründung gehalten am 18. Januar 1932 (Hallische Universitätsreden 54) Halle/S. 1932; E. Schwarz, Die Kaiser-Wilhelms-Universität Straßburg und ihre Bedeutung für Deutschland:

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Die Universität war der Leitung und Aufsicht des Reichskanzleramtes unterstellt48. Der Untergebene des Reichskanzlers war der Kurator in Straßburg. Seit 1879 trat an die Stelle des Reichskanzlers der Kaiserliche Statthalter in ElsaßLothringen49. Die ordentlichen Professoren ernannte der Kaiser, die außerordentlichen der Statthalter nach Vorbereitung durch den Kurator50. Friedrich Althoff51 wußte seinen Einfluß auf die Universität in Straßburg, an der er selbst jahrelang gelehrt hatte, auch von Berlin aus zu erhalten52. 3. Die konfessionellen Verhältnisse a) Fehlen einer katholisch-theologischen Fakultät Die Straßburger Universität erhielt zwar eine evangelisch-theologische Fakultät, die an die im Jahre 1818/19 errichtete Fakultät anknüpfen konnte53, nicht aber eine katholisch-theologische. Dies erklärt sich aus der kirchenpolitischen Frontstellung Preußens und anderer deutscher Staaten sowie des Deutschen Reiches selbst gegen die katholische Kirche54. Freiherr von Roggenbach hatte, dem ursprünglichen Wunsche des Fürsten Bismarck entsprechend, eine katholisch-theologische Fakultät vorgesehen55. Sie kam jedoch infolge der kirchenpolitischen Lage nicht zustande. Bereits seit 1869 herrschte in Preußen „latente Kulturkampfstimmung“ (Heribert Raab). Sie kam zum Ausbruch in der Aufhebung der Katholischen Abteilung im Gesammelte Schriften I: Vergangene Gegenwärtigkeiten, Berlin 1938, 266 – 277; derselbe, Das Ende der Straßburger Universität: ebenda 259 – 265. 48 Mayer, Die Kaiser-Wilhelms-Universität Straßburg 39; Dehio, Die Kaiser Wilhelms Universität Straßburg 2, 16 – 18. 49 Mayer, Die Kaiser-Wilhelms-Universität Straßburg 37; Fischbach, Das öffentliche Recht 362, 369. 50 Mayer, Die Kaiser-Wilhelms-Universität Straßburg 38; Dehio, Die Kaiser Wilhelms Universität Straßburg 19; Fischbach, Das öffentliche Recht 370. 51 Brentano, Elsässer Erinnerungen 57 – 65, 115 – 117, 128 – 130; Dehio, Die Kaiser Wilhelms Universität Straßburg 20 – 24; A. Sachse, Friedrich Althoff und sein Werk, Berlin 1928; Ludwig Freiherr von Pastor 1854 – 1928. Tagebücher – Briefe – Erinnerungen. Herausgegeben von W. Wühr, Heidelberg 1950, 212, 251, 464, 595, 765; F. Schmidt-Ott, Erlebtes und Erstrebtes 1860 – 1950, Wiesbaden 1952, Reg.; F. Schnabel, Art. Althoff: Neue Deutsche Biographie I, Berlin 1953, 222 – 224; G. Schreiber, Friedrich Althoff und die deutsche Wissenschaftspolitik: Aus den letzten Dezennien deutscher Forschung. Festschrift für E. Telschow zum 65. Geburtstag, Stuttgart 1956, 15 – 22; E. Schwinge, Welt und Werkstatt des Forschers, Wiesbaden 1957, 198 – 206. 52 Brentano, Elsässer Erinnerungen 116 f. 53 Chr. Hallier, Art. Straßburg II. Universität: RGG VI, 19623, 413 f.; Anrich, Die KaiserWilhelms-Universität Straßburg 5 – 7; Dehio, Die Kaiser Wilhelms Universität Straßburg 4 – 6; Strohl, Le protestantisme en Alsace 360 f., 424 – 436, 443 – 450, 464 – 470. 54 Spahn, Elsaß-Lothringen 279. 55 Anrich, Die Kaiser-Wilhelms-Universität Straßburg 7; Dehio, Die Kaiser Wilhelms Universität Straßburg 3; Klostermann, Vierhundert Jahre 15 f.

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preußischen Kultusministerium am 8. Juli 187156, in der im Dezember 1871 erfolgenden Vorlage des am 11. März 1872 beschlossenen Schulaufsichtsgesetzes, in der Einfügung des sog. Kanzelparagraphen in das Strafgesetzbuch am 10. Dezember 1871 und in anderen Zwischenfällen, die im Zusammenhang mit der altkatholischen Bewegung standen57. Der Kulturkampf machte sich auch in Elsaß-Lothringen mit harten Maßnahmen gegen die Kirche und die Katholiken bemerkbar58. Erschwerend kam hinzu, daß gegenüber der Bewegung des Altkatholizismus gerade eine erhebliche Zahl von katholischen Theologen staatlicher Fakultäten versagt hatte59. Unter diesen Umständen war eine Bereitschaft der Römischen Kurie, an der Errichtung einer katholisch-theologischen Fakultät an einer staatlichen Universität mitzuarbeiten, nicht zu erwarten. Auch der Straßburger Bischof, Andreas Räß60, und der einheimische Klerus waren einer Zusammenarbeit mit dem Staat zu dem genannten Zweck jedenfalls zu diesem Zeitpunkt nicht geneigt. b) Protestantische Prägung Die Verhältnisse, unter denen die Straßburger Universität entstand, erklären es, daß sie von Anfang an protestantisch geprägt war61. Die Straßburger akademische 56 O. Pfülf, Der Wirkliche Geh. Ober-Regierungsrat Josef Linhoff, der letzte Veteran der „Katholischen Abteilung“, Freiburg i. Br. 1901; A. Schnütgen, Art. Katholische Abteilung: StL III, 19295, 40 – 42. 57 F. X. Schulte, Geschichte des Kulturkampfes in Preußen, Essen 1882; J. und K. Bachem, Die kirchenpolitischen Kämpfe in Preußen gegen die katholische Kirche, Frankfurt/M. 1910; J. B. Kißling, Geschichte des Kulturkampfes im Deutschen Reiche, 3 Bde., Freiburg i. B. 1911 – 1916; R. Ruhenstroth-Bauer, Bismarck und Falk im Kulturkampf, Heidelberg 1944; H. Bornkamm, Die Staatsidee im Kulturkampf, München 1950; G. Franz, Kulturkampf. Staat und katholische Kirche in Mitteleuropa, München 1954; R. Morsey, Bismarck und der Kulturkampf: Archiv für Kulturgeschichte 39, 1957, 232 – 270; H. Raab, Art. Kulturkampf: StL V, 19606, 181 – 185. 58 L. Pfleger, Art. Elsaß: LThK III, 1931, 644; Das Elsaß IV 558 – 560, 567 f.; Truttmann, Kirchengeschichte des Elsasses 414 f.; L’Huillier, Histoire de l’Alsace 94. 59 J. H. Reinkens, Ursprung, Wesen und Ziel des Altkatholizismus, Heidelberg 1882; W. Beyschlag, Der Altkatholizismus, Halle/S. 1882; J. Rieks, Die Angriffe auf den Altkatholizismus in dem bayerischen, preußischen und badischen Abgeordnetenhause, Heidelberg 1884; J. F. von Schulte, Der Altkatholizismus, Gießen 1887; C. L. Goetz, Die geschichtliche Stellung und Aufgabe des deutschen Altkatholizismus, Leipzig 1896; derselbe, Zur Union der reformierten Kirchen des Abend- und Morgenlandes: Zeitschrift für Kirchengeschichte 18, 1898, 297 – 301; M. Kopp, Die altkatholische Bewegung der Gegenwart, Bern 19112 ; derselbe, Der Altkatholizismus in Deutschland (1871 – 1912), Kempten 1913; K. Kehrmann, Die altkatholische Kirche, in: Die Rheinprovinz 1815 – 1915. Hundert Jahre preußischer Herrschaft am Rhein. Herausgegeben von J. Hansen, 2 Bde., Bonn 1917, II 217 – 233; K. Algermissen, Art. Altkatholizismus: LThK I, 19572, 398 f.; W. Küppers, Art. Altkatholiken: RGG I, 19573, 295 – 299. 60 (L. Pfleger), Art. Räß: LThK VIII, 1936, 637; L. Lenhart, Art. Räß: LThK VIII, 19632, 996; Burg, Histoire de l’Église d’Alsace 149, 282 f., 293 ff., 299 f., 303 ff., 306, 312, 315, 318 f., 323. 61 Das Elsaß I 28.

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Tradition war maßgebend durch das reformatorische Element, wie es namentlich durch die evangelisch-theologische Fakultät repräsentiert wurde62, bestimmt63. Das Deutsche Reich, in das Elsaß-Lothringen eintrat, war ebenfalls überwiegend protestantisch64. Es hatte ein protestantisches Kaisertum. Sein Kanzler war ein überzeugter Gegner der katholischen Kirche65. Das für die Verwaltung des Reichslands weithin maßgebende Preußen66 war die protestantische Vormacht im Reich. Die Behörden des Deutschen Reiches in Elsaß-Lothringen waren ganz überwiegend von Protestanten besetzt67. Ähnlich wie man in Schlesien nach seiner Eroberung durch Preußen den Katholiken ob ihrer Anhänglichkeit an das katholische Österreich mit Argwohn begegnete68, betrachtete man die Katholiken von Elsaß-Lothringen wegen ihrer wirklichen oder vermeintlichen Zuneigung zu Frankreich mit Mißtrauen69. Aus all diesen Gründen verwundert es nicht, daß die vom Deutschen Reich errichtete Universität des Reichslands als protestantisch erschien70. Von den Zeitgenossen wurde dies empfunden und ausgesprochen. Der bekannte Verwaltungsrechtler Otto Mayer71, der selbst an der Straßburger Universität lehrte, stellte rückschauend von der Universität fest: „… Eine gewisse protestantische Farbe hing ihr von selbst an durch die Macht der alten Erinnerungen, durch die 62 Dehio, Die Kaiser Wilhelms Universität Straßburg 28; Ficker, Die Kaiser-WilhelmsUniversität Straßburg 6, 10, 16, 29; Lenel, Die Universität Straßburg 5, 11, 12. 63 Spahn, Elsaß-Lothringen 279. 64 A. Wahl, Deutsche Geschichte von der Reichsgründung bis zum Ausbruch des Weltkriegs (1871 – 1914), 2 Bde., Stuttgart 1926 – 1929; F. Hartung, Deutsche Geschichte vom Frankfurter Frieden bis zum Vertrag von Versailles 1871 – 1919, Bonn-Leipzig 19303 ; J. Ziekursch, Politische Geschichte des neuen deutschen Kaiserreichs, 2 Bde., Frankfurt/M. 1925 – 1927. 65 S. von Kardorff, Bismarck, Berlin 19302, 65 ff.; H. Sacher, Art. Bismarck: StL I, 19265, 928 – 944, besonders 940 – 944; K. Kluxen, Art. Bismarck: StL II, 19586, 53 – 60. 66 H. Sacher/A. Vogels/M. H. Schnitzler, Art. Preußen: StL IV, 19315, 383 – 407; A. Lauscher, Art. Preußen und das Reich: ebenda 407 – 413; G. Böing, Art, Preußen: StL VI, 19616, 475 – 482. 67 L. Pfleger, Art. Elsaß: LThK III, 1931, 644 schreibt rückschauend: „Die deutsche Regierung leistete durch Bevorzugung der Protestanten bei Beamtenernennungen dem Protestantismus Vorschub.“ – In einer Ausarbeitung von deutscher Seite: Das kirchliche Problem in Elsaß-Lothringen. Rückblicke und Vorschläge im Anschluß an die Geheimschrift der ArmeeAbteilung Falkenhausen, Armee-Oberkommando Nr. 42 000: „Elsaß-Lothringen im Kriege“, Berlin 1916 (Schmidt, Die geheimen Pläne 56 – 70) wird über die „Anstellung von fast ausschließlich protestantischen Beamten in den Reichslanden“ auch in untergeordneten Stellen geklagt (S. 57). Vgl. Spahn, Elsaß-Lothringen 281 f. 68 J. Bachem, Preußen und die katholische Kirche, Köln 18875, 20, 32, 39 – 41, 42, 45. 69 Brentano, Elsässer Erinnerungen 24 f.; Schmidt, Die geheimen Pläne 58. 70 J. Clauß, Das katholische Kirchenwesen in Elsaß-Lothringen, in: Das Reichsland ElsaßLothringen 1871 – 1918. Band II (zweiter Teil): Verfassung und Verwaltung von Elsaß-Lothringen 1871 – 1918. Zweiter Teil. Herausgegeben im Auftrage des Wissenschaftlichen Instituts der Elsaß-Lothringer im Reich an der Universität Frankfurt von G. Wolfram, Berlin 1937, 485 – 503, hier 492. 71 H. Eyrich, Art. Mayer: StL V, 19606, 629 f.

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Bedeutung ihrer alleinstehenden evangelisch theologischen Fakultät, welche viel eher als die anderen mit starken Fäden alte Verbindungen im Lande wieder anzuknüpfen vermochte. Und vor allem teilte sie das Schicksal der deutschen Universitäten überhaupt, bei welchen ein Überwiegen des Protestantismus allenthalben zu Tage getreten war.“72 Ludwig Dehio, der Sohn des bedeutenden Kunsthistorikers Georg Dehio, der ebenfalls Professor an der Straßburger Universität war, schrieb: „In einem überwiegend katholischen Lande setzte sich der Lehrkörper der Hochschule fast ausschließlich aus Protestanten und Juden zusammen und stand innerlich den katholischen Erziehungsidealen fremd gegenüber.“73 c) Benachteiligung der Katholiken Das schreiende Mißverhältnis der Zahl katholischer Universitätslehrer zu dem Anteil der Katholiken an der Landesbevölkerung wurde wiederholt mit eindrucksvollen Ziffern belegt74. Im Reichstag wurde das Thema in den Verhandlungen vom 18. Dezember 1874, 19., 23. November und 11. Dezember 1875 aufgegriffen75. Im 72

Mayer, Die Kaiser-Wilhelms-Universität Straßburg 90. Dehio, Die Kaiser Wilhelms Universität Straßburg 19. 74 Verhandlungen 91, 2770 f.; 3849. Vgl. den Immediatbericht des Statthalters Fürst Hohenlohe an Kaiser Wilhelm II. vom 28. September 1901 und die Denkschrift Althoffs für den Statthalter vom 15. Oktober 1901 bei R. Morsey, Zwei Denkschriften zum Fall „Martin Spahn“ (1901). Ein Beitrag zur preußisch-deutschen Wissenschaftspolitik: Archiv für Kulturgeschichte 38, 1956, 244 – 257, hier 248, 251; Dehio, Die Kaiser Wilhelm Universität Straßburg 22 f.; Clauß, Das katholische Kirchenwesen 492. 75 35. Sitzung des Deutschen Reichstages vom 18. Dezember 1874, Abg. Dr. Westermayer: Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Deutschen Reichstages. 2. LegislaturPeriode. – II. Session 1874/75. II. Band. Von der Zweiunddreißigsten Sitzung am 16. Dezember 1874 bis zur Siebenundfünfzigsten Sitzung am 30. Januar 1875, Berlin 1875, 832 f.; 11. Sitzung des Deutschen Reichstages vom 19. November 1875, Abg. Guerber, Duncker, Dr. Reichensperger: ebenda, III. Session 1875/76. I. Band. Von der Eröffnungs-Sitzung am 27. Oktober bis Einunddreißigsten Sitzung am 18. Dezember 1875, Berlin 1876, 185 – 187, 191, 192; 14. Sitzung des Deutschen Reichstages vom 23. November 1875, Abg. Dr. Oncken, Dr. Reichensperger, Herzog, Dr. Bamberger, Dr. Beseler, Dr. Löwe: ebenda 273 – 278; 25. Sitzung des Deutschen Reichstags vom 11. Dezember 1875, Abg. Dr. Westermayer, Dr. Oncken, Windthorst, Winterer, Duncker, Dr. Reichensperger: ebenda 552 – 559, 566. Vgl. Hoseus, Die Kaiser-Wilhelms-Universität zu Straßburg 13. – Der Abg. Dr. Reichensperger erklärte u. a.: „In dieser Beziehung … ist es für mich doch einigermaßen signifikativ, daß auf der Straßburger Universität unter 75 Professoren nur 8 Katholiken lehren. Der Herr Abgeordnete Duncker hat es dem ,Zufalle‘ beigemessen. Meine Herren, so lange ich in den Kammern zu sitzen die Ehre habe, habe ich immer solche Verstöße gegen die Parität dem Zufall beimessen gehört. Es ist aber doch absonderlich, wenn ein solcher Zufall sogar häufig wiederkehrt; da nimmt er doch fast die Gestalt eines Gesetzes an, und ich glaube, auch hier waltet ein gewisses Gesetz ob; freilich kein Naturgesetz, auch kein Staatsgesetz, aber ein Gesetz, dessen Wurzeln ich nicht näher zu bezeichnen brauche. Der Herr Abgeordnete hat dann weiter gesagt, wir Deutsche kennten keine katholischen Universitäten. Darin muß ich ihm leider Recht geben; wohl aber kennen wir in Deutschland protestantische Universitäten. Wie mag es nun kommen, daß es auf der einen Seite ganz richtig ist, einer Universität einen konfessionellen Typus, einen konfessionellen Charakter zu geben, auf der anderen Seite aber auf Grund der Forderungen der 73

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elsaß-lothringischen Landesausschuß brach sich die Entrüstung bei der Beratung des Etats von 1897 Bahn76. Ebenso erhoben sich im Landtag von Elsaß-Lothringen im Jahre 1913 kritische, ja anklagende Stimmen77. In der Sitzung vom 9. April 1913 sagte der Abgeordnete Müller (Thann): „Der Geschichtsschreiber der Universität Freiburg gehört nicht zu den Ultramontanen. Als aber zum erstenmal Protestanten an die stiftungsgemäß katholische Universität berufen wurden, tat er den Ausspruch: Sobald sie bei uns sein werden, werden sie uns völlig ausschalten, denn sie haben die Majorität im deutschen Lande. Ist dieser Ausspruch nicht vielfach zur Wirklichkeit geworden? Die Frage, um die es sich hier handelt, ist nicht bloß eine lokale, es ist eine überaus universale Frage. Es ist die Frage, ob wir Katholiken überhaupt an unseren Universitäten noch eine Heimstätte haben oder nicht.“78 Müller verteidigte in der gleichen Sitzung die Berufung einiger katholischer Gelehrter an die Straßburger Universität durch die Reichsregierung, die im Einvernehmen mit der Landesregierung gehandelt habe, als den Versuch, „die Verhältnisse an der Straßburger Universität zugunsten der Aufgaben dieser Universität im Lande zu reformieren“. Dies sei ihr Recht und ihre Pflicht gewesen. „Es handelte sich um nichts anderes als um die Aufhebung des tatsächlichen konfessionellen Charakters unserer Universität, eines konfessionellen Charakters, der allerdings nicht uns Katholiken zugute kam.“79 Die zur Begründung der universitären und staatlichen Berufungspolitik vorgebrachten Argumente waren immer zwei, einmal die geringe Zahl wissenschaftlich tätiger Katholiken, dann der Grundsatz der Auswahl allein nach wissenschaftlicher Tüchtigkeit80. Darauf gab der Abgeordnete Müller (Thann) in der Sitzung des elsaßlothringischen Landtags vom 9. April 1913 folgende Antwort: „Aber, so sagt man, die Auswahl ist – von der allein maßgebenden wissenschaftlichen Voraussetzung aus auf unserer Seite gering! … Wer die Verhältnisse an den Universitäten näher kennt, dem wird es schwer, dabei nicht bitter zu werden. Ja, ist denn die Auswahl bei den Berufungen überhaupt so groß? Und welchen Zufälligkeiten ist ein Lehrkörper bei diesen Berufungen ausgesetzt, die mit den angeblich allein maßgebenden, rein wissenschaftlichen Voraussetzungen wahrlich in einem sehr losem Zusammenhange stehen! Und wenn man uns heute vorwirft, daß unter den Katholiken die Auswahl besonders gering sei, dann sage ich vorerst eines: Sorgen Sie dafür, daß es uns möglich wird, ihnen (sic) eine solche Auswahl zu bieten, wie wir es wünschen. Machen Sie es unseren jungen Leuten möglich, vorwärts zu kommen! Ich habe selbst junge Leute hier gekannt, die gerade auf dem Gebiet der Philosophie Tüchtiges zu leisten versprachen, die zu den tüchtigsten unserer Straßburger Stumodernen Wissenschaft gerade den Katholiken eine Universität zu versagen! Dieses Räthsel wird uns hoffentlich noch gelöst werden“ (S. 192). 76 Mayer, Die Kaiser-Wilhelms-Universität Straßburg 92. 77 Verhandlungen 91, 2734, 3849 f. 78 Verhandlungen 91, 3849. 79 Verhandlungen 91, 3832. 80 Hoseus, Die Kaiser-Wilhelms-Universität zu Straßburg 13.

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denten gehörten, und sie haben nicht an eine Habilitation denken können, da ihnen die Mittel und, wie sie fest überzeugt waren, die Aussicht fehlten.“81 Der Abgeordnete Pfleger fragte in der nämlichen Sitzung: „Ja, meine Herren, wo ist denn eigentlich der freie Wettbewerb, wenn eine gewisse Clique von Katholikengegnern den Anhängern unserer Weltanschauung systematisch den Weg versperrt, um sie vom geistigen Wettkampf an der Universität fernzuhalten? Bis jetzt ist es faktisch den Katholiken nur durch Zufall gelungen, an einer Universität angestellt zu werden.“82 Das Übergewicht des Protestantismus ergab sich also nicht nur aus der Geschichte und den Verhältnissen, sondern war das Ergebnis einer zähen und zielbewußten Hochschulpolitik protestantischer und freisinniger Kreise. Die Klagen über Benachteiligung des einheimischen83 und katholischen Elements84 bei Berufungen an die Straßburger Universität rissen denn auch während der ganzen Dauer der deutschen Herrschaft über Elsaß-Lothringen nicht ab. Der bekannte Stadtpfarrer Winterer von Mühlhausen erklärte: „Es besteht an der Universität Straßburg ein förmlicher Ausschluß der katholischen Gelehrten.“85 Auch aus Äußerungen von Protestanten geht hervor, daß einflußreiche protestantische Kreise bestrebt waren, die Straßburger Universität möglichst „katholikenrein“ zu halten. Es sei an dieser Stelle nur das Zeugnis des Hochschulreferenten im preußischen Kultusministerium, des Ministerialdirektors Friedrich Althoff86 angeführt. Althoff schrieb am 15. Oktober 1901 an den Statthalter Fürsten zu Hohenlohe-Langenburg in Straßburg, „es gibt wohl keine zweite deutsche Universität, in deren Lehrkörper das katholische Element unter ähnlichen Verhältnissen so schwach vertreten ist wie in Straßburg“87. Es halte schwer, „auf die Parität der Universität Straßburg keine Satire zu schreiben“88. Althoff schrieb dann weiter: „Es erscheint wirklich an der Zeit, auf eine Änderung dieser befremdlichen und den Beziehungen der Universität zum Lande keineswegs förderlichen Sachlage ernstlich Bedacht zu nehmen. Dazu muß man sich aber vor allem über die Frage klar werden, wie es dazu kommen konnte, daß die Verhältnisse sich an der Universität Straßburg in solcher Weise gestalteten. Zur Beantwortung dieser Frage reicht der Hinweis auf die zweifellos vorhandene wissenschaftliche Rückständigkeit der Katholiken nicht aus, wie sich aus der schon erwähnten Tatsache ergibt, daß ähnliche 81

Verhandlungen 91, 3841 f. Verhandlungen 91, 3851. 83 Verhandlungen 91, 2770, 3826 f. Vgl. Anrich, Die Kaiser-Wilhelms-Universität Straßburg 4; Dehio, Die Kaiser Wilhelms Universität Straßburg 25. 84 Verhandlungen 91, 3827 f., 3832, 3833 f., 3849; Dehio, Die Kaiser Wilhelms Universität Straßburg 19; Mayer, Die Kaiser-Wilhelms-Universität Straßburg 92 f. 85 Mayer, Die Kaiser-Wilhelms-Universität Straßburg 93. 86 Die einzelnen Stadien der Verwaltungslaufbahn Althoffs finden sich bei R. Lüdicke, Die Preußischen Kultusminister und ihre Beamten im ersten Jahrhundert des Ministeriums 1817 – 1919. Im amtlichen Auftrage bearbeitet, Stuttgart-Berlin 1918, 29 f. angegeben. 87 Morsey, Zwei Denkschriften 251. 88 Ebenda 251. 82

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Mißverhältnisse an anderen deutschen Universitäten nicht bestehen. Der Hauptgrund ist vielmehr darin zu suchen, daß die Fakultäten in Straßburg in den zwei letzten Jahrzehnten sich aus der von der Regierung leider ausnahmslos durchgeführten Übung, sie bei Besetzung von Professuren zu befragen, eine Art von unbedingtem Vorschlags- und Präsentationsrecht zugelegt und daß sie dieses in dem Gefühl der Unabhängigkeit von jeder Staatsaufsicht einseitig und ohne alle Rücksicht auf die Verhältnisse des Landes ausgeübt haben. Es ist nicht meine Aufgabe, auf diese auch für das Wohl der Universität selbst sehr bedenklichen Zustände näher einzugehen und hierbei an die Warnungen zu erinnern, welche unsere berufensten Staatsmänner und hervorragendsten Universitäts-Professoren von jeher gegen eine derartige ,Republikanisierung der Staatsaufsicht‘, bei der die Regierungen nur noch ,als Vollstrecker des Fakultätswillens‘ und nicht mehr als Wahrer von Kronrechten erscheinen, erhoben haben. Umso erfreulicher ist es aber, daß die Elsaß-Lothringische Regierung diesen Weg im vorliegenden Falle endlich einmal verlassen und damit zugleich die Parität auf einem Lehrgebiete angebahnt hat, für das, ebenso wie für die philosophischen Disziplinen, naturgemäß der konfessionelle Standpunkt von besonderer Bedeutung ist.“89 Althoff sprach sich dafür aus, in Straßburg dafür zu sorgen, „daß allmählich die konfessionelle Mischung im Lehrkörper der Universität eine den Verhältnissen des Landes und der Studentenschaft einigermaßen angemessenere wird und daß katholische Gelehrte bei gleicher Tüchtigkeit nicht außer allem Betracht in Berufungsfällen bleiben“90. Gegenüber dem elsässischen Landtagsabgeordneten Eugen Müller erklärte Althoff: „Ich bin Protestant, aber ich bin kein Kulturkämpfer. Was an der Straßburger Universität getrieben wird, das ist Kulturkampf. Sagen Sie den Herren in Straßburg, daß es eine politische Kurzsichtigkeit ohnegleichen ist und eine schreiende Ungerechtigkeit, wie man die Katholiken an der Straßburger Universität behandelt hat.“91 Ein ähnliches Urteil liegt von Ludwig Dehio vor. Er bemerkte: „Es kann nicht geleugnet werden, daß der Geist des Kulturkampfes hier vielleicht länger als anderwärts unter der Asche fortglimmt.“92 Die Haltung, der sich katholische Gelehrte in Straßburg gegenüber sahen, war übrigens in jener Zeit in den meisten deutschen Universitäten zu finden, namentlich an den preußischen. Es bestand ein regelrechtes System der Zurücksetzung katholischer Gelehrter. Der gewiß der Sympathie für die katholische Kirche unverdächtige Kurt Roßmann urteilte über die Verhältnisse in Preußen: „Es lag aber in der Überlieferung dieses Staates, daß seine Beamtenhierarchie gleichsam erblich gebunden war. Daraus resultierte, daß die wichtigsten Ämter in den Händen von Protestanten schon aus Traditionsgründen verblieben. Diese Praxis mußte eine 89

Ebenda 251 f. Ebenda 257. 91 Verhandlungen 91, 2734, 3835; Mayer, Die Kaiser-Wilhelms-Universität Straßburg 93. Vgl. eine ähnliche Äußerung Althoffs bei G. Schreiber, Deutsche Kulturpolitik und der Katholizismus (Schriften zur deutschen Politik 1 und 2), Freiburg i. Br. 1922, 44. 92 Dehio, Die Kaiser Wilhelms Universität Straßburg 23. 90

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ständige Quelle des Ärgernisses für die katholische Minderheit bilden.“93 In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde die beabsichtigte Imparität Preußens in mehreren Schriften aufgedeckt und mit Zahlen und Beispielen eindrucksvoll belegt. Auch heute kann man diese unwiderlegbaren Fakten nur mit Erschütterung lesen94.

II. Errichtung der katholisch-theologischen Fakultät 1. Motive Die Universität Straßburg erhielt erst im Jahre 1903 nach langwierigen Verhandlungen zwischen der deutschen Regierung und der Römischen Kurie eine katholisch-theologische Fakultät95. Ihre Gründung war überwiegend von politischen Überlegungen eingegeben96. Die deutsche Regierung betrieb die Errichtung einer katholisch-theologischen Fakultät in der Hauptsache zu dem Zweck, um den Klerus der wissenschaftlichen Ausbildung in dem Bischöflichen Seminar zu entziehen und stärker in deutschem Sinne beeinflussen zu können97. Die Sorge um die Hebung des 93

K. Roßmann, Wissenschaft, Ethik und Politik. Erörterung des Grundsatzes der Voraussetzungslosigkeit in der Forschung. Mit erstmaliger Veröffentlichung der Briefe Theodor Mommsens über den „Fall Spahn“ und der Korrespondenz zu Mommsens öffentlicher Erklärung über „Universitätsunterricht und Konfession“ aus dem Nachlaß Lujo Brentanos (Schriften der Wandlung 4), Heidelberg 1949, 68. Vgl. auch das umfangreiche Material bei H. Rost, Die Parität und die deutschen Katholiken (Zeit- und Streitfragen der Gegenwart 3), Köln 1914. Dort S. 46 – 59: Die Parität an den Hochschulen. „Einen schweren Stand hatten die deutschen Katholiken seit langem an den Universitäten und sonstigen Hochschulen. Gelehrte mit katholischer Überzeugung wurden entweder überhaupt nicht zugelassen, oder sie konnten sich nur unter sehr erschwerenden Umständen habilitieren. Als Privatdozenten kamen sie nur langsam vorwärts. Die Professorenringe, die eine starke Abneigung gegen den Katholizismus beseelt, ließen Katholiken nicht in ihre Kreise, obwohl es an hervorragenden Kräften unter den deutschen katholischen Gelehrten nie gefehlt hat und obgleich auf dem Wege des Nepotismus mancher Dozent an einen hervorragenden Posten gelangt ist, für welchen seine Fähigkeiten nicht im geringsten ausgereicht haben“ (S. 46). 94 F. C. Movers, Denkschrift über den Zustand der katholisch-theologischen Facultät an der Universität zu Breslau seit der Vereinigung der Breslauer und Frankfurter Universität bis auf die Gegenwart, Leipzig 1845; (H. Floß), Denkschrift über die Parität an der Universität Bonn mit einem Hinblick auf Breslau und die übrigen Preußischen Hochschulen. Ein Beitrag zur Geschichte deutscher Universitäten im neunzehnten Jahrhunderte. Nebst Beilagen, Freiburg i. Br. 1862; Die Parität in Preußen, insbesondere an den preußischen Hochschulen: Historischpolitische Blätter für das katholische Deutschland 50, 1862, 500 – 519; Bachem, Preußen und die katholische Kirche passim; vgl. Schreiber, Deutsche Kulturpolitik und Katholizismus 34 – 45. 95 C. Bornhak, Die Begründung der katholisch-theologischen Fakultät in Straßburg: ElsaßLothringisches Jahrbuch 12, 1933, 249 – 269; Das Elsaß III 450 – 470. 96 Dehio, Die Kaiser Wilhelms Universität Straßburg 22. 97 Morsey, Zwei Denkschriften 244 f.; F. Meinecke, Straßburg-Freiburg-Berlin 1901 – 1919. Erinnerungen, Stuttgart 1949, 8 f.; Die neue päpstliche Fakultät in Straßburg: Deutscher Merkur 25, 1894, 273.

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wissenschaftlichen Niveaus des elsässischen Klerus spielte erst in zweiter Linie eine Rolle, und sie war auch nicht ganz begründet. Die Behauptung, die der Statthalter Fürst Hohenlohe-Langenburg98 in seinem Immediatbericht an Kaiser Wilhelm II. vom 28. September 1901 aufstellte, „die bisherige Erziehung und wissenschaftliche Ausbildung der Studierenden der katholischen Theologie in den bischöflichen Seminaren“ sei „eine sehr mangelhafte und undeutsche“99, trifft nicht zu. Das Straßburger Priesterseminar war durchaus wissenschaftlich leistungsfähig100. 2. Verhandlungen Als Statthalter von Elsaß-Lothringen (1885 – 1894) hatte Fürst Chlodwig von Hohenlohe-Schillingsfürst101 „vorsichtige Verhandlungen“ mit Rom bezüglich der Errichtung einer katholisch-theologischen Fakultät an der Straßburger Universität begonnen. Als Reichskanzler (1894 – 1900) setzte er sie mit vermehrtem Eifer, von Friedrich Althoff lebhaft unterstützt, fort. Sein Verbindungsmann nach Rom war der Professor und Politiker Baron Georg von Hertling102. Es ist Althoff gewesen, der den bei der Neubegründung der Straßburger Universität im Jahre 1872 bereits gefaßten, wegen des Kulturkampfes nicht verwirklichten Plan der Errichtung einer katholisch-theologischen Fakultät im Jahre 1898 wieder aufgegriffen und „in fünfjährigem aufreibendem Kampfe zum siegreichen Ende geführt“103 hat. Die Phasen dieses Kampfes brauchen hier nicht dargestellt zu werden104. Die beteiligten Verbände, Gruppen und Personen waren das Deutsche Reich mit Kaisertum, Reichskanzler, Statthalter, Ministerialbürokratie und politischen Parteien, die katholische Kirche mit Papst, Römischer Kurie und Kardinalstaatssekretär und die Bevölkerung des Elsaß mit Bischof und Klerus.

98 Mayer, Die Kaiser-Wilhelms-Universität Straßburg 88 f., 102 f.; Spahn, Elsaß-Lothringen 330. 99 Morsey, Zwei Denkschriften 247. 100 J. Sachs, Das Straßburger Priesterseminar. Ein Wort zu seiner Ehrenrettung, in: J. Sachs, Hochschulfragen, Regensburg 1910, 87 – 93; Das Elsaß III 441 – 450. 101 Mayer, Die Kaiser-Wilhelms-Universität Straßburg 78; Spahn, Elsaß-Lothringen 303. 102 G. von Hertling, Erinnerungen aus meinem Leben, 2 Bde., München-Kempten 1919 – 1920; E. Deuerlein, Verlauf und Ergebnis des „Zentrumsstreites“ (1906 – 1919): Stimmen der Zeit 156, 1954 – 55, 103 – 126; Graf H. Lerchenfeld, Art. Hertling: StL II, 19275, 1168 – 1175; Ad. Dyroff, Art. Hertling: LThK IV, 1932, 1007 – 1009; E. Deuerlein, Art. v. Hertling: StL IV, 19596 61 – 64; J. M. Hausladen, Art. Hertling: LThK V, 19602, 282; Mayer, Die Kaiser-Wilhelms-Universität 98 f. 103 Sachse, Friedrich Althoff 132; Das Elsaß III 450 f. 104 Vgl. Sachse, Friedrich Althoff 129 – 141; Roßmann, Wissenschaft, Ethik und Politik 45 – 52; Mayer, Die Kaiser-Wilhelms-Universität Straßburg 97 – 104; Das Elsaß III 450 – 453; Hertling, Erinnerungen II 205 ff.

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Das Zentrum105 war dem Plan grundsätzlich geneigt106. Ihm kommt ein wesentlicher Anteil an seiner Durchführung zu. In Rom war man nach den bitteren Erfahrungen, die man mit dem preußischen Staat, namentlich im Mischehenstreit107 und im Kulturkampf108, gemacht hatte, mißtrauisch gegenüber dem Plan, den Klerus der Diözese Straßburg einer staatlichen theologischen Fakultät anzuvertrauen109. Die mangelnde Bereitschaft der Römischen Kurie war nicht zuletzt auch eine Folge „des fanatischen Widerspruchs des elsaß-lothringischen Klerus“ gegen das Projekt110. Wenn die maßgebenden römischen Stellen nach jahrelangen, immer wieder unterbrochenen und immer wieder aufgenommenen Verhandlungen schließlich doch zur Zustimmung bewogen werden konnten, so war dies in der Hauptsache der positiven Einstellung des Straßburger Bischofs, Adolf Fritzen111, und dem Verhandlungsgeschick von Hertlings zuzuschreiben. Die Hauptschwierigkeit war die Frage der Art der Ernennung und eventuellen Abberufung der Professoren der Fakultät. Ursprünglich wurde, gelegentlich vom Papst selbst, der Gedanke ausgesprochen, die Ernennung müsse vom Bischof ausgehen. Später verlangte man für den Bischof wenigstens das Präsentationsrecht112. Auf beides mochte sich die Regierung nicht einlassen. Selbst wenn sie dazu bereit gewesen wäre, so weit zu gehen, wie die Kirche es wünschte, hätte der Druck der sog. Öffentlichkeit sie zum Rückzug gezwungen. Nicht zuletzt infolge der ge105 K. Bachem, Vorgeschichte. Geschichte und Politik der Deutschen Zentrumspartei, 9 Bde., Köln 1927 – 1932; J. Schauff, Die deutschen Katholiken und die Zentrumspartei, Köln 1928; K. Buchheim, Ultramontanismus und Demokratie. Der Weg der deutschen Katholiken im 19. Jahrhundert, München 1963; R. Morsey, Art. Zentrum: LThK X, 19652, 1350 – 1352. 106 Das Elsaß III 451 f. Vgl. den Immediatbericht des Statthalters Fürst Hohenlohe an Kaiser Wilhelm II. vom 28. September 1901 (Morsey, Zwei Denkschriften 247). 107 H. Schrörs, Die Kölner Wirren (1837). Studien zu ihrer Geschichte, Berlin-Leipzig 1927; H. Bastgen, Forschungen und Quellen zur Kirchenpolitik Gregors XVI., Paderborn 1929; derselbe, Die Verhandlungen zwischen dem Berliner Hof und dem Heiligen Stuhl über die konfessionell gemischten Ehen, Paderborn 1934; J. Grisar, Das Kölner Ereignis nach den Berichten italienischer Diplomaten: Historisches Jahrbuch 74, 1955, 727 – 739; E. HegeI, Art. Kölner Ereignis: LThK VI, 19612, 394 f. 108 J. Heckel, Die Beilegung des Kulturkampfes in Preußen: ZSavRG, Kan. Abt. 19, 1930, 215 – 353; N. Miko, Art. Kulturkampf: LThK VI, 19612, 673 – 675. 109 Mayer, Die Kaiser-Wilhelms-Universität 99; Das Elsaß III 451. 110 So der Statthalter Fürst Hohenlohe in seinem Immediatbericht an Kaiser Wilhelm II. vom 28. September 1901 (Morsey, Zwei Denkschriften 247). Vgl. Die neue päpstliche Fakultät in Straßburg 294; Das Elsaß III 452 f. 111 L. Pfleger, Art. Fritzen: LThK IV, 1932, 206; F. Reibel, Die Bischöfe von Straßburg seit 1802, Straßburg 1958, 42; Mayer, Die Kaiser-Wilhelms-Universität 99; F. Reibel, Art. Fritzen: LThK IV, 19602, 393; Truttmann, Kirchengeschichte des Elsasses 428, 430 f.; Das Elsaß III 451. 112 Sachse, Friedrich Althoff 135; Bornhak, Die Begründung der katholisch-theologischen Fakultät in Straßburg 252; Roßmann, Wissenschaft, Ethik und Politik 50; Wühr, Ludwig Freiherr von Pastor 365; Das Elsaß III 454.

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schickten Vorleistungen, welche die Regierung unter dem Einfluß Friedrich Althoffs erbracht hatte und von denen weiter unten die Rede sein wird, kamen die Verhandlungen schließlich doch zu einem befriedigenden Ende. 3. Abschluß der Konvention Das Abkommen zur Errichtung der katholisch-theologischen Fakultät wurde am 5. November 1902 von dem Kardinalstaatssekretär Rampolla113 als dem Vertreter des Heiligen Stuhls und dem Freiherrn von Hertling als dem Bevollmächtigten des Deutschen Reiches abgeschlossen und in den Verhandlungen des Bundesrats in der Form gleichlautender, am 5. Dezember 1902 zwischen dem Kardinalstaatssekretär und dem Preußischen Gesandten beim Heiligen Stuhl, Wolfram Freiherrn von Rotenhan114, ausgetauschter Noten über den Abschluß einer Konvention betreffend die Errichtung einer katholisch-theologischen Fakultät an der Kaiser-Wilhelms-Universität in Straßburg veröffentlicht115. Der Status der neuen Fakultät wich nicht wesentlich von jenem der katholisch-theologischen Fakultäten zu Bonn116 und Breslau117 ab, kam aber dem Diözesanbischof bei Ernennung und Abberufung der Professoren weiter entgegen118. Die Fakultät wurde am 22. Oktober 1903 errichtet119. Sie gelangte rasch zu Ansehen und Blüte120. Der Klerus der Diözese Metz121

113 W. Koch, Art. Rampolla: LThK VIII, 1936, 625 f.; A. Posch, Art. Rampolla: LThK VIII, 19632, 985 f. 114 Fr. Hanus, Die Preußische Vatikangesandtschaft 1747 – 1920, München 1954, 390 – 393; Das Elsaß III 454. 115 Reichsanzeiger vom 23. Dezember 1902; ZBABl. ElsL. 1902 291 f.; AfkKR 83, 1903, 116 f.; GBl. EL 1903 S. 57 (Ergänzungsverordnung zum Universitätsstatut vom 24. Februar 1875); A. Mercati, Raccolta di Concordati su materie ecclesiastiche tra la Santa Sede e le Autorità Civile I: 1098 – 1914, Città del Vaticano 19542, 1090 f.; L. Schöppe, Konkordate seit 1800. Originaltext und deutsche Übersetzung der geltenden Konkordate (Dokumente XXXV), Frankfurt/M. – Berlin 1964, 98 f. Vgl. die Landesausschußverhandlungen 2. Sitzungsperiode 30. Session 1903 S. 706 f.; Das Elsaß III 454 f.; Sachse, Friedrich Althoff 139; Hanus, Die Preußische Vatikangesandtschaft 395; Roßmann, Wissenschaft, Ethik und Politik 51 f. 116 A. Lauscher, Die katholisch-theologische Fakultät zu Bonn, Düsseldorf 1920; H. Schrörs, Geschichte der katholisch-theologischen Fakultät zu Bonn 1818 – 1831, Köln 1922. 117 E. Kleineidam, Die katholisch-theologische Fakultät der Universität Breslau 1811 – 1945, Köln 1962. 118 Mayer, Die Kaiser-Wilhelms-Universität Straßburg 100 f. 119 Clauß, Das katholische Kirchenwesen in Elsaß-Lothringen 493; Das Elsaß III 455 – 460. 120 Chr. Hallier, Art. Straßburg II. Universität: RGG VI, 19623, 414; Chr. Wittmer, Art. Straßburg 1 Stadt und Klöster: LThK IX, 19642, 1105; Dehio, Die Kaiser Wilhelms Universität Straßburg 28; Ficker, Die Kaiser-Wilhelms-Universität Straßburg 21 f. 121 E. Morhain, Art. Metz: LThK VII, 19622, 377 – 380.

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blieb von der Wirksamkeit der Fakultät ausgeschlossen122 und erhielt seine Ausbildung weiterhin in dem Großen Seminar der Bischofsstadt123.

III. Abkommen über die Errichtung je eines mit einem Katholiken zu besetzenden Lehrstuhls für Geschichte und Philosophie in der philosophischen Fakultät 1. Motive a) Auf seiten der Römischen Kurie Die Römische Kurie machte die Besetzung je eines Lehrstuhls für Philosophie, Geschichte und kanonisches Recht mit einem Katholiken zur Bedingung ihres Einverständnisses mit der Errichtung einer katholisch-theologischen Fakultät in Straßburg124. Soweit erkennbar, ließ man sich bei dieser Forderung ausschließlich von der Notwendigkeit, für die Ausbildung der Studierenden der katholischen Theologie zu sorgen, leiten. Andere Gesichtspunkte scheinen in Rom keine Rolle gespielt zu haben.

b) Auf seiten des deutschen Katholizismus Die deutschen Katholiken erhoben die Forderung nach Besetzung von Lehrstühlen in der philosophischen Fakultät mit Katholiken nicht nur mit Rücksicht auf die notwendige Ergänzung der theologischen Studien der Priesteramtskandidaten durch philosophische und historische Vorlesungen, sondern auch aus Paritätserwägungen125. Die katholischen Kräfte des Reichslandes bejahten die unbedingte Notwendigkeit der katholischen Besetzung der zwei genannten Professuren ebensosehr wegen der geplanten Verlegung der wissenschaftlichen Ausbildung der Priester an die Universität wie um der geistigen Selbstbehauptung des katholischen Volksteiles willen. Der Abgeordnete Pfleger begründete in der Sitzung des elsaß-lothringischen Landtags vom 9. April 1913 die Forderung nach Besetzung eines philosophischen und historischen Lehrstuhls mit katholischen Gelehrten nicht nur mit den Bedürfnissen der Theologiestudierenden, sondern mit dem Recht und der Freiheit der 122

Ficker, Die Kaiser-Wilhelms-Universität Straßburg 22; Das Elsaß III 454. Mayer, Die Kaiser-Wilhelms-Universität Straßburg 99; Dehio, Die Kaiser Wilhelms Universität Straßburg 22, 24; Schmidt, Die geheimen Pläne 71 f.; Spahn, Elsaß-Lothringen 323, 339. 124 Hertling, Erinnerungen II 227, 252, 276 f. 125 H. Rost/H. Sacher, Art. Gleichberechtigung: StL II, 19275, 754 – 761; A. Scharnagl, Art. Parität: LThK VII, 1935, 980 – 983; M. Heckel, Parität: ZSavRG, Kan. Abt. 80 (1963) 261 – 420. 123

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katholischen Studierenden aller Fakultäten, Vertreter ihrer Weltanschauung auf den in Frage kommenden Lehrstühlen zu hören. Die katholischen Gelehrten müßten „ebenbürtig mit den antikatholischen Vertretern der Wissenschaft behandelt werden. Denn nicht die Wissenschaft ist katholisch oder antikatholisch, christlich oder nichtchristlich, gerade so wenig wie sie deutsch oder französisch oder sonst etwas ist, sondern derjenige, der sie vertritt und doziert“. Die Katholiken forderten kein Privileg, sondern Freiheit und Gleichberechtigung mit den Vertretern anderer Weltanschauungen126. „Wir werden kämpfen und nicht ruhen, bis die Daseinsberechtigung und die Gleichberechtigung, die man uns Katholiken abspricht, errungen ist.“127 Pfleger erklärte, „wir hätten die Professuren für die allgemeine Bildung, die wir verlangen, auch dann für uns verlangt, wenn wir keine katholisch-theologische Fakultät hätten. Wir verlangen das als gutes Recht, das uns vom Standpunkt des freien und gleichberechtigten Staatsbürgers aus geschuldet ist“128. Ebenso hob der Abgeordnete Müller (Thann) in der Sitzung des elsaß-lothringischen Landtags vom 9. April 1913 die doppelte Begründung der beiden konfessionellen Professuren hervor. Er stellte sogar in stärkerem Maße auf die Bedürfnisse der Nichttheologiestudierenden ab129. Er machte aber auch das Interesse der Wissenschaft geltend, das die Vertretung des katholischen Standpunktes gebiete130. c) Auf seiten der staatlichen Behörden Auf seiten der staatlichen Behörden dachte man in erster Linie daran, durch die katholische Besetzung zweier Professuren in der philosophischen Fakultät der Errichtung der katholisch-theologischen Fakultät den Weg zu ebnen131. Daneben war aber auch ein durch Paritätsrücksichten bestimmtes Motiv wirksam; man konnte und wollte der überwiegend katholischen Bevölkerung des Reichslandes nicht nur protestantische Universitätslehrer vorsetzen. Charakteristisch ist die Haltung der maßgebenden Persönlichkeiten bei der ganzen Angelegenheit, des preußischen Hochschulreferenten, Friedrich Althoffs, und des Statthalters des Reichslandes, des Fürsten Hohenlohe-Langenburg. Sie sahen gewiß in der katholischen Besetzung zweier Lehrstühle der philosophischen Fakultät in erster Linie ein Mittel, die Römische Kurie für die Errichtung der katholisch-theologischen Fakultät zu gewinnen. Daneben war aber die Absicht wirksam, Philosophie und Geschichte auch von katholischen Gelehrten vorgetragen zu sehen, vor allem mit Rücksicht auf die katholischen Studenten aller Fakultäten. 126

Verhandlungen 91, 3828. Verhandlungen 91, 3829. 128 Verhandlungen 91, 3851. 129 Verhandlungen 91, 3838 – 3840. 130 Verhandlungen 91, 3841. 131 Hertling, Erinnerungen II 289; Chr. Hallier, Art. Straßburg II. Universität: RGG VI, 19623, 414. 127

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In seinem Immediatbericht an Kaiser Wilhelm II., den der Statthalter mit dem Datum des 28. September 1901 verfaßte und der sich auf Vorarbeiten Friedrich Althoffs stützte, stellte der Fürst die ihn bewegenden Gründe deutlich heraus. Man wollte die beiden katholischen Professoren berufen, um den Seminaristen Gelegenheit zu geben, deren Vorlesungen zu besuchen, und auf diese Weise einen Übergang zu der geplanten Fakultät schaffen132. Weiter wollte man durch die Berufung katholischer Professoren für Geschichte und Philosophie an die Straßburger Universität das Zentrum noch mehr als bisher für den Plan der Errichtung einer katholisch-theologischen Fakultät gewinnen und hoffte, „daß die durch das Zentrum repräsentierte öffentliche Meinung der Katholiken in Deutschland auf die Dauer nicht ohne Einfluß auf die Kurie bleiben würde“133. Der Statthalter verwies auf die Stimmung im Lande: „Seit langen Jahren ist dies ein oft zum Ausdruck gebrachter Wunsch eines großen Teiles der Katholiken im Lande und auch des Zentrums, welche für die Lehrfächer der Philosophie und Geschichte auch Professoren katholischen Bekenntnisses ernannt wissen wollen, damit in diesen beiden Disziplinen den Anschauungen ihrer Religion mehr Rechnung getragen werde als bisher, und namentlich den Studierenden der katholischen Theologie Gelegenheit geboten werde, bei Dozenten ihres Bekenntnisses diese Disziplinen zu hören.“134 Der Biograph Friedrich Althoffs hat die diesen bewegenden Motive klar herausgestellt. Als die Verhandlungen über die Errichtung der katholisch-theologischen Fakultät in Straßburg ins Stocken geraten waren, suchte Althoff das alte Ziel auf einem neuen Wege zu erreichen. „Er wollte nichts versäumen und der Kurie zeigen, wie ernst es der deutschen Regierung um die Erfüllung aller Vorbedingungen für die lebensvolle Wirksamkeit einer katholisch-theologischen Fakultät in Straßburg sei. Es war nun bereits in den vorgängigen Verhandlungen mit deutschen Bischöfen festgestellt worden, daß der universitäre Unterricht der katholischen Theologen die Anstellung katholischer Professoren für Geschichte und Philosophie, sei es in der theologischen oder in der philosophischen Fakultät, verlange; und dieser Standpunkt erschien der Regierung auch im Hinblick auf die bei den Universitäten Bonn und Breslau bereits bestehenden Verhältnisse berechtigt. Althoff trat daher der Errichtung einer katholischen Geschichtsprofessur und einer katholischen Philosophieprofessur in Straßburg näher. Der Reichskanzler Fürst zu Hohenlohe-Schillingsfürst hatte schon im Sommer 1900 darauf hingewiesen, daß ein solches Vorgehen die günstige Stimmung des Zentrums für die Errichtung der katholisch-theologischen Fakultät verstärken würde und damit ein stärkerer Rückhalt

132

Morsey, Zwei Denkschriften 248. Ebenda 247. 134 Ebenda 247 f. Für die Forderung des Zentrums vgl. die A. 75 angegebenen Quellen, besonders die Rede des Abg. Dr. Reichensperger in der 14. Sitzung des Deutschen Reichstags vom 23. November 1875, in welcher erwähnt wurde, daß in Straßburg nicht wie in Bonn ein Lehrstuhl für Philosophie und Geschichte mit katholischen Gelehrten besetzt würde (S. 274). 133

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gegenüber den feindlichen Einflüssen bei der Kurie gewonnen werden würde. Althoff führte die einschlägigen Verhandlungen.“135 Aber es war für Althoff nicht nur der zugleich sachliche wie taktische Gesichtspunkt maßgebend, den Studierenden an einer etwa errichteten katholischtheologischen Fakultät die historisch-philosophische Ergänzung ihrer Studien zu sichern, sondern auch die Rücksicht auf die Parität. „Ihm, wie übrigens auch dem Statthalter in Elsaß-Lothringen Fürsten Hohenlohe-Langenburg erschien es als ein Gebot der Billigkeit und zugleich der Klugheit, die Zahl der katholischen Professoren an der Universität Straßburg in einem zu vier Fünfteln katholischen Lande zu verstärken. Unter den 111 Dozenten der drei weltlichen Fakultäten waren nur 11 katholische, 83 protestantische, 15 jüdische und 2 ohne Religionsbekenntnis. Unter 44 Ordinarien dieser Fakultäten waren nur 2 Katholiken, dagegen 4 Juden, und unter den 35 Extraordinarien nur 4 Katholiken, dagegen 5 Juden. Die Tatsache erklärt sich daraus, daß die Unterrichtsverwaltung in den letzten zwei Jahrzehnten lediglich den Fakultätsvorschlägen gefolgt war, die auf die Verhältnisse im Lande keine Rücksicht genommen hatten.“136 Der eigenwillige preußische Hochschulreferent fand diese Lage unbefriedigend und ungerecht. Althoff ging von der Anschauung aus, daß die Universität nicht reine Forschungseinrichtung sei, sondern zugleich eine Lehreinrichtung, die der Bevölkerung zu dienen habe und in ihr verwurzelt sein müsse, daß es aus diesem Gesichtspunkte heraus berechtigt sei, bei gleichen Leistungen auf das Bekenntnis der die Studierenden stellenden Bevölkerung Rücksicht zu nehmen, eine Anschauung, in der er sich allerdings mit dem Zentrum begegnete. Aber Althoff war weit entfernt davon, jemals prozentualen Paritätsbemessungen Raum zu geben. Nicht um Zentrumswünsche zu erfüllen, sondern um der Gerechtigkeit willen hat er daher dann und wann – namentlich ist dies bei der Universität des katholischen Münsterlandes beobachtet worden – einem Gelehrten katholischen Glaubens vor einem gleichwertigen evangelischen den Vorzug gegeben, auch wenn das Lehrgebiet, etwa Mathematik oder Naturwissenschaften u. dgl., mit der Konfession an sich nichts zu tun hatte137. Dieses Bild der Anschauungen und Überlegungen Friedrich Althoffs wird durch seine eigenen Äußerungen bestätigt. Althoff ließ in seiner Denkschrift an den Statthalter Fürsten Hohenlohe keinen Zweifel daran, daß für die Besetzung einzelner Professuren in der philosophischen Fakultät zwei Gesichtspunkte maßgebend waren, nämlich die Rücksicht auf den Paritätsgrundsatz und auf das Vorhandensein einer katholisch-theologischen Fakultät an diesen Universitäten. Eingehend auf die Immediateingabe der philosophischen Fakultät zu Straßburg schrieb er: „Sie (sc. die philosophische Fakultät) hat dabei namentlich diejenigen konfessionellen Professuren im Auge, welche in Bonn und Breslau bestehen. Für diese Universitäten ist nämlich durch die Statuten und andere Allerhöchste Erlasse bestimmt, daß an 135

Sachse, Friedrich Althoff 136. Ebenda 136. 137 Ebenda 129. 136

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denselben je eine Professur der mittleren und neueren Geschichte, der Philosophie und des Kirchenrechts stets mit einem katholischen Lehrer besetzt werden soll. Die Immediateingabe ist aber im Irrtum, wenn sie diese konfessionellen Einrichtungen ausschließlich darauf zurückführt, daß an den genannten Universitäten zugleich eine katholisch-theologische Fakultät besteht und daher im Interesse der Ausbildung katholischer Priester eine derartige Fürsorge geboten sei. Entscheidend war dafür vielmehr, wie sich aus den amtlichen Materialien der bezüglichen Bestimmungen zweifellos ergibt, die Erwägung, daß für diese Professuren ,eine konfessionell gesonderte Besetzung aus inneren Gründen als gerechtfertigt anzuerkennen und auf den paritätischen Universitäten Bonn und Breslau zur Anwendung zu bringen ist‘, oder, wie dies an einer anderen Stelle der Materialien ausgedrückt ist, der Wunsch, ,zur Beruhigung der katholischen Untertanen‘ beizutragen. Daß daneben und in zweiter Linie auch die Rücksicht auf die katholisch-theologischen Studierenden in Betracht kam, ist zwar niemals ausdrücklich gesagt, darf indes nach der Natur der Sache als selbstverständlich angenommen werden. Nun ist aber die Immediateingabe weiter im Irrtum, wenn sie annimmt, daß für Straßburg von einer derartigen Rücksicht nicht die Rede sein könne, weil dort eine katholisch-theologische Fakultät nicht bestehe. Das Letztere ist allerdings richtig. Aber es besteht in Straßburg eine andere katholisch-theologische Bildungsanstalt, das bischöfliche grand séminaire, dessen Zöglinge jetzt in den bezeichneten Fächern von Priestern unterrichtet werden, die weder in wissenschaftlicher noch nationaler Beziehung die geringsten Garantien bieten, während mit größter Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, daß sie, wenn an der Universität einwandfreie Katholiken für die Vertretung jener Fächer vorhanden wären, bei diesen ihre Ausbildung suchen und erhalten würden: der Notwendigkeit, tüchtige und einwandfreie Universitätslehrer in dieser Weise zu beachten, wird sich kein Bischof auf die Dauer entziehen können.“138 Aus diesen beiden Motiven, der Errichtung einer katholisch-theologischen Fakultät den Weg zu bereiten und den konfessionellen Verhältnissen im Lande Rechnung zu tragen, schritt Althoff schon vor Beendigung der Verhandlungen mit der Römischen Kurie zur Besetzung je einer Professur für Geschichte und Philosophie mit einem Katholiken. Als die Konvention über die Gründung einer katholisch-theologischen Fakultät an der Universität Straßburg abgeschlossen bzw. ausgeführt wurde, waren die beiden mit Katholiken zu besetzenden Professuren der philosophischen Fakultät bereits vertragsentsprechend vorhanden139.

2. Verhandlungen Die Forderung, die Besetzung zweier Lehrstühle in der philosophischen Fakultät mit Katholiken verbindlich zuzusagen, war angesichts der Verhältnisse in Deutschland und an der Straßburger Universität schwerer zu erfüllen als die Be138 139

Morsey, Zwei Denkschriften 252 f. Mayer, Die Kaiser-Wilhelms-Universität 102; Hertling, Erinnerungen II 287, 289.

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gründung der theologischen Fakultät selbst. Die staatliche Seite, auch Friedrich Althoff, war anfangs dagegen, daß sich der Staat durch Vertrag dazu verpflichtete, zwei Professuren in der philosophischen Fakultät mit Katholiken zu besetzen. Man gab der den Staat rechtlich nicht bindenden Verwaltungsübung den Vorzug. Aber damit war die kirchliche Seite nicht zufrieden. a) Vorbereitende Gutachten Während der Verhandlungen über die Errichtung der katholisch-theologischen Fakultät im Jahre 1901 hatte die Römische Kurie einen Vorschlag unterbreitet, den Althoff zum Gegenstand ausgedehnter Beratungen machte. Er holte über das der Regierung vorgelegte „Projet pour l‘érection d‘une faculté catholique de théologie à l’université de Strasbourg“ mit der dazugehörigen „Note confidentielle“ Gutachten von 31 deutschen Universitätsprofessoren aus der Spitzenklasse deutscher Gelehrter, welche die Fächer Rechtswissenschaft, Geschichte, Philosophie, katholische und evangelische Theologie vertraten, ein. Conrad Bornhak faßte sie im Auftrag Althoffs zu einem Obergutachten zusammen. Den Gutachtern wurde die Frage gestellt, ob der römische Vorschlag vom Standpunkt der deutschen Universität aus annehmbar sei oder nicht140. Die Antworten auf den Plan im allgemeinen können in diesem Zusammenhang auf sich beruhen bleiben. Die hier interessierende Note confidentielle hatte folgenden Wortlaut: „Conjointement avec l’établissement de la Faculté de Théologie, un professeur catholique de Philosophie et un professeur catholique d’Histoire seront nommés à la Faculté de Philosophie.“141 Auf sie liefen die folgenden Stellungnahmen ein. Alois Knöpfler, Professor für Kirchengeschichte in München142, hielt die geforderten konfessionellen Professuren in der philosophischen Fakultät für „überaus begrüßenswert“, Heinrich Schroers, Professor für Kirchengeschichte in Bonn143, für berechtigt. Franz Xaver Kraus, Professor für Kirchengeschichte in Freiburg im Breisgau144, war der gleichen Ansicht und verwies auf „die systematische Zurücksetzung der Katholiken“, fand aber „jede bischöfliche Einwirkung unerträglich“. Wilhelm Kahl, Professor der Rechte in Berlin145, hielt „die staatliche Verpflichtung für bedenklich“; man solle die Entscheidung der Verwaltungspraxis überlassen, noch besser beide Professoren in die 140

Bornhak, Die Begründung der katholisch-theologischen Fakultät in Straßburg 253. Ebenda 256. 142 A. Bigelmair, Art. Knöpfler: LThK VI, 1934, 64 f.; derselbe, Art. Knöpfler: LThK VI, 19612, 359 f. 143 W. Neuß, Art. Schrörs: LThK IX, 1937, 335 f.; A. Franzen, Art. Schrörs: LThK IX, 19642, 497. 144 E. Hauviller, Franz Xaver Kraus, Ein Lebensbild aus der Zeit des Reformkatholizismus, Colmar i. E. 1904, 59 – 64, 139 – 144; J. Sauer, Art. Kraus: LThK VI, 1934, 233 f.; H. Schiel, Art. Kraus: LThK VI, 19612, 596. 145 H. Liermann, Art. Kahl: RGG III, 19593, 1088 f.; G. May, Art. Kahl: LThK V, 19602, 1240. 141

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theologische Fakultät versetzen. Christian Meurer, Professor der Rechte in Würzburg146, meinte, der katholische Professor stehe unwissenschaftlich in fremden Diensten, man solle daher die konfessionellen Professoren in die theologische Fakultät übernehmen, „damit die Studenten der anderen Fakultäten davor bewahrt blieben“. Adolf von Harnack, Professor der evangelischen Theologie in Berlin147, warnte ebenfalls vor der Errichtung besonderer konfessioneller Professuren in der philosophischen Fakultät. Wie die Kirche würden auch andere Gruppen das gleiche für sich beanspruchen148. Das Obergutachten Bornhaks bejahte die Besetzung je eines Lehrstuhls für Geschichte und Philosophie in der philosophischen Fakultät mit Katholiken, lehnte aber eine vertragliche Vereinbarung darüber ab. Im einzelnen führte es aus: „Die in der Note confidentielle geforderte Errichtung einer katholischen Philosophie- und Geschichtsprofessur erscheint gerechtfertigt, da die Universität auch eine Stätte der allgemeinen Bildung ist, und die künftigen katholischen Priester sich diese nur bei den Lehrern holen können, die auf dem Boden ihrer Glaubens- und Lebensanschauung stehen. Solche konfessionelle Professuren sind auch keineswegs ein derartiges novum et inauditum, wie der neueste Mommsen’sche Entrüstungsrummel vermuten lassen könnte, sondern werden schon durch das preußische Statutarrecht vielfach erfordert. Selbstverständlich wird durch die konfessionelle Besetzung von zwei Professuren die Prüfung der wissenschaftlichen Befähigung in keiner Weise ausgeschlossen. Dagegen empfiehlt es sich nicht, der Anregung Folge zu geben, die beiden Professuren in die theologische Fakultät zu verpflanzen. Sie würden dann notwendig mit Priestern besetzt werden, und dem Studenten der katholischen Theologie ginge der Zusammenhang mit der allgemeinen weltlichen Bildung, den ihm die Universität gewähren soll, wieder verloren. Vollkommen ausgeschlossen erscheint es aber, daß der Staat zur Errichtung der konfessionellen Professuren sich der Kirche gegenüber verpflichtet. Das mag der Verwaltungspraxis überlassen bleiben, allenfalls auch in den Statuten festgelegt werden, jedenfalls kann es sich immer nur um einen einseitigen Staatsakt handeln. Sonst übernimmt der Staat eine Verpflichtung, die er gar nicht erfüllen kann. Das zeigt gerade der Fall Spahn in Verbindung mit der Hoensbroechschen Enthüllung. Der Staat würde seiner Verpflichtung nicht genügen, wenn er einen Professor ernennt, der formell der Rechtsgemeinschaft der katholischen Kirche angehört, einen sogenannten Taufscheinkatholiken, der Ernannte müßte auch fortgesetzt in der Glaubensgemeinschaft dieser Kirche stehen. Damit wäre aber der Kirche eine fortgesetzte Kontrolle über Lehre und außerdienstliches Verhalten der beiden Professoren eingeräumt, der Staat müßte auf Erfordern der Kirche jederzeit neue Professoren ernennen, die den kirchlichen Ansprüchen genügen, kurz der Staat käme in

146

H. Liermann, Art. Meurer: RGG IV, 19603, 922 f. W. Schneemelcher, Art. Harnack: RGG III, 19593, 77 – 79. 148 Bornhak, Die Begründung der katholisch-theologischen Fakultät in Straßburg 256 f.

147

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eine Lage, in der er nur die Wahl hätte zwischen Selbstentwürdigung und Vertragsbruch.“149 b) Abschluß Trotz heftigen Widerstandes kam es schließlich zu einem vertraglichen Übereinkommen zwischen dem Deutschen Reich und der katholischen Kirche. In ihm fanden die in der Note confidentielle vorgetragenen Wünsche der Kurie Berücksichtigung. Die Zusage der Regierung wurde jedoch in die Vereinbarung über die Errichtung der katholisch-theologischen Fakultät selbst nicht aufgenommen. Die Konvention vom 5. Dezember 1902 erklärte in Art. 1, die wissenschaftliche Ausbildung der angehenden Kleriker der Diözese Straßburg werde „durch die katholisch-theologische Fakultät“ erfolgen, die an der dortigen Kaiser-Wilhelms-Universität zu errichten sei. In ihr war von dem philosophischen und historischen Studium der Theologiestudierenden und den mit der Lehre in Philosophie und Geschichte Betrauten nicht die Rede. Die Regelung dieser Frage blieb einer Note überlassen, die jedoch integrierender Bestandteil des Vertrages ist150. Die Note trägt allein die Unterschrift des Barons von Hertling und das Datum des 20. November 1902. In ihr wurden im Anschluß an § 1 der Konvention der Wirkungskreis der Fakultät gegenüber dem Großen Seminar abgegrenzt und in Erklärung des § 2 von deutscher Seite zugesagt, je einen katholischen Professor für Philosophie und Geschichte in der philosophischen Fakultät zu ernennen151. Das Abkommen über die Besetzung zweier Lehrstühle in der philosophischen Fakultät wurde zunächst noch geheim gehalten, in erster Linie wohl wegen der Befürchtung feindseliger Reaktionen in der Öffentlichkeit152. Die Universität erfuhr von der Abmachung erst im Jahre 1912, als ein Nachfolger für den nach München berufenen Clemens Baeumker gefunden werden mußte153. Der Text der deutschen Note, welche die Besetzung der beiden Professuren mit Katholiken zusagte, wurde durch den Staatssekretär Freiherrn Zorn von Bulach in der Sitzung des elsaß-lothringischen Landtags vom 17. Januar 1917 verlesen. Er lautet: „Le Gouvernement Impérial, prenant en juste considération les besoins des élèves de la Faculté de Théologie Catholique, estime qu’il est de son devoir naturel de faire nommer à la Faculté de Philosophie de l’Université de Strasbourg un Professeur d’Histoire et un Professeur de Philosophie appartenant à la religion catholique.“154 Im Landtag von 149

Ebenda 263. Mayer, Die Kaiser-Wilhelms-Universität Straßburg 115 A. 27; Schöppe, Konkordate 99. 151 Verhandlungen 91, 2753; Sachse, Friedrich Althoff 140. 152 Die katholisch-theologische Fakultät hatte jedoch Kenntnis davon. Vgl. Verhandlungen 91, 2720 f., 2734, 2744, 2357 f., 3566, 3827, 3837, 3847. 153 Verhandlungen 91, 2754; Mayer, Die Kaiser-Wilhelms-Universität 101. 154 Verhandlungen 91, 2753; Mayer, Die Kaiser-Wilhelms-Universität 115 A. 27; Fischbach, Das Staatskirchenrecht Elsaß-Lothringens I 140. – Ich bin Sr. Eminenz dem H. H. 150

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Elsaß-Lothringen wurde das Thema aufgegriffen und leidenschaftlich erörtert155. Staatssekretär Freiherr Zorn von Bulach fand es „natürlich …, daß in einem Lande, wo zwei Drittel der Bevölkerung katholisch sind, sobald die wissenschaftlichen Studien im großen Seminar für Philosophie und Geschichte abgeschafft werden, daß dann die Kurie die Bedingungen stellen konnte, über die Art und Weise, wie die Neueinrichtung zu erfolgen hatte“156. Er gab der Überzeugung Ausdruck, daß weder die Wissenschaft noch die Prosperität und Zukunft der Universität Straßburg Gefahr laufen würden, „wenn zwei katholische Professoren beständig für die Fächer zu ernennen sind“157. 3. Rechtlicher Gehalt a) Begründung Die deutsche Note, welche die Besetzung zweier Lehrstühle in der philosophischen Fakultät mit Katholiken zusagt, gibt als einzigen Grund für diese Bindung die Ausbildungsbedürfnisse der Studierenden der katholischen Theologie an. Andere Gründe werden nicht erwähnt. Dies hängt wohl damit zusammen, daß die Einrichtung bekenntnisgebundener Lehrstühle in engster Verbindung mit der Errichtung der katholisch-theologischen Fakultät erfolgte, insofern sie von der Kurie zur Bedingung ihrer Zustimmung zu letzterer gemacht worden war. Angesichts dieser Entstehung war die Angabe weiterer Gründe nicht geboten. Solche werden jedoch durch die erwähnte Formulierung nicht ausgeschlossen. Nach der Note erachtet es die kaiserliche Regierung für ihre „natürliche Pflicht“, die zwei Lehrstühle mit katholischen Gelehrten zu besetzen. Sie sieht also darin keine außergewöhnliche, von außen aufgezwungene Maßnahme, sondern eine sachlich begründete Selbstverständlichkeit. Sie ergibt sich aus dem inneren Zusammenhang und der gegenseitigen Verwiesenheit von katholischer Theologie und Philosophie bzw. der Unentbehrlichkeit des Studiums einer gesunden Philosophie für das Studium einer rechten Theologie158. Das Studium der Geschichte hat eine wesentliche allgemeinbildende und propädeutische Funktion für den Studenten der katholischen Theologie und kann nicht leicht entbehrt werden. Der Theologe Kardinal Pizzardo für die Mitteilung des Textes der Note aus dem Archiv der SC Stud. (Posiz. n. 559/23) zu Dank verpflichtet. 155 Verhandlungen 91, 2707 f., 2720 f., 2734 f., 2743 f., 2752 – 2754, 2757 – 2759, 2770 f., 2775, 3566 – 3568, 3827 – 3853. 156 Verhandlungen 91, 2754. 157 Verhandlungen 91, 2754. 158 Mattes, Das Studium der Philosophie an den katholisch-theologischen Fakultäten: ThQ 29, 1847, 365 – 413; E. Kaderavek, Über die Einführung der christlichen Philosophie an den philosophischen Fakultäten: Die Katholische Bewegung in unseren Tagen. Monatsschrift für kirchliche und kirchenpolitische Fragen, Wissenschaft und Kunst. N. F. 1, Würzburg-Wien 1888, 356 – 374; H. R. Schlette, Zum Verhältnis von Philosophie und Theologie, in: Was ist Theologie? Herausgegeben von E. Neuhäusler und E. Gößmann, München 1966, 9 – 24.

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braucht gleichsam ein historisches und ein philosophisches Auge, um seine Wissenschaft sachgerecht und förderlich betreiben zu können. Historie lernt man nur in der Schule des Historikers159.

b) Innere Möglichkeit Der Gedanke, Fächer, bei deren Vertretung sich die Weltanschauung eines Gelehrten unentrinnbar geltend macht, durch Professoren bestimmter Bekenntnisse vertreten zu lassen, ist in sich folgerichtig. Auf diese Weise wird die Voraussetzung geschaffen, daß die für die Nation repräsentativen Geistesmächte durch Wissenschaftler ihrer Überzeugung an der Universität in Erscheinung treten. Um die Vertretung anderer Standpunkte als des katholischen an den deutschen Universitäten brauchte man zur Zeit des Kaiserreiches nicht besorgt zu sein. Dafür, daß der liberale, der freisinnige, der protestantische Standpunkt an ihnen zu Wort kam, bedurfte es rechtlicher Gewährleistungen nicht. Denn die übergroße Mehrzahl der deutschen Universitätslehrer war ihnen verpflichtet. Ganz anders aber war es um die Vertretung des katholischen Standpunktes bestellt. Infolge der Kohäsion der deutschen Universitätslehrer, ihres Strebens, Gelehrte gleichen Geistes an die von ihnen aufgegebenen Stellen berufen zu sehen, infolge der Tatsache, daß in den meisten Hochschulverwaltungen der Unterrichtsministerien katholischer Einfluß kaum vorhanden war, und schließlich infolge der weiteren Tatsache, daß sich im Widerstand gegen die Katholiken Kräfte und Persönlichkeiten zusammenfanden, die sich sonst kühl oder gar ablehnend gegenüberstanden, ergab sich die Notwendigkeit, ein Minimum von Lehrstühlen weltanschaulich relevanter Fächer katholischen Gelehrten offenzuhalten. Wer eine derartige Professur zu übernehmen bereit ist, wird keiner Bedingung unterworfen als einer solchen, die er selbst frei bejaht und die im Augenblick seiner Entscheidung Bestandteil seiner Gewissensüberzeugung ist. Der Philosoph oder Historiker, der gläubiger Katholik ist, bejaht den katholischen Glauben, die katholische Kirche, das kirchliche Lehramt und seine Funktion. Die Voraussetzungen, die für die Übertragung eines solchen Lehrstuhls verlangt werden, sind ihm nicht fremd und werden ihm nicht von außen aufgenötigt, sind vielmehr selbstverständlicher geistiger Besitz und innerer Lebensraum des betreffenden Gelehrten. Der Sinn dieser Lehrstühle ist nicht Aufzwingung eines kirchlichen Systems auf einen freien Geist, sondern Koinzidenz von Glauben und Wissen in einer freien Persönlich-

159 G. Pfeilschifter, Die Kirchengeschichte, in: Einführung in das Studium der katholischen Theologie, herausgegeben von der Theologischen Fakultät der Universität München, Kempten 1921, 61 – 80; A. Ehrhard, Die „Historische Theologie“ und ihre Methode, in: Festschrift S. Merkle, Düsseldorf 1922, 117 – 136; H. Jedin, Zur Aufgabe des Kirchengeschichtsschreibers: TrThZ 61, 1952, 65 – 78; O. Köhler, Der Gegenstand der Kirchengeschichte: Historisches Jahrbuch 77, 1958, 254 – 269.

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keit160. Einer der hervorragendsten Inhaber eines katholisch zu besetzenden Lehrstuhls, der Historiker Aloys Schulte161, „hat entschieden bestritten, daß aus dem nunmehr einmal als nötig und gerecht erwiesenen Vorbehalt von Lehrstühlen für Katholiken sich Verpflichtungen und Bindungen für deren Inhaber ergeben könnten, die dem Streben nach voller Objektivität und der Verkündigung dessen, was man im unbeeinflußten Forschen als wahr und richtig erkannte, hinderlich waren“162. Bedeutende protestantische Gelehrte haben die grundsätzliche Unbedenklichkeit der Straßburger Regelung vom Standpunkt der Wissenschaft anerkannt. Otto Mayer sah keinen Widerspruch, das Bekenntnis auch bei der Besetzung mancher Lehrstühle außerhalb der theologischen Fakultät zu berücksichtigen. Er schreibt: „Möglich ist es aber nun diesen Gedanken auszudehnen auf Lehrstühle anderer Fakultäten, deren Fächer irgendwie in einem Zusammenhang stehen mit der Theologie oder für die weitere Ausbildung der Theologie studierenden in Betracht kommen sollen: auch diese sucht man dann an der konfessionellen Gebundenheit Teil nehmen zu lassen.“163 Ebensowenig erblickte Friedrich Paulsen164 in dem bekenntnismäßigen Vorbehalt bei einigen Lehrstühlen der philosophischen Fakultät einen Verstoß gegen die Wissenschaftlichkeit. Er schrieb mit Bezug auf die Straßburger Verhältnisse: „Einen Angriff auf die Freiheit der Wissenschaft kann ich darin an sich nicht erblicken, es ist lediglich die Anerkennung einer Thatsache, daß die geschichtliche Welt, von verschiedenen Standorten gesehen, ein verschiedenes Gesicht zeigt.“165 c) Bekenntnisgebundenheit der Lehrer Die Zusage der Regierung bezieht sich auf die Zugehörigkeit der beiden Professoren zur katholischen Religion. Mit dieser Formulierung wird auf das Glaubensbekenntnis und die Kirchengliedschaft der Gelehrten abgestellt. Dabei wird stillschweigend vorausgesetzt, daß die Zugehörigkeit zum katholischen Glauben nicht rein nominell ist, sondern der Überzeugung entspricht. Denn es kommt der Kirche bei der Bestimmung nicht darauf an, die Zahl der ihr Steuer zahlenden Personen an der Universität zu vermehren; es ist ihr vielmehr daran gelegen, Gelehrte auf den in Frage stehenden Lehrstühlen zu wissen, deren Lehre für die wis160 G. Freiherr von Hertling, Das Prinzip des Katholizismus und die Wissenschaft, Freiburg i. Br. 1899; M. Honecker, Katholizismus und Wissenschaft: Görres-Gesellschaft zur Pflege der Wissenschaft im katholischen Deutschland, Zweite Vereinsschrift 1933, Köln 1933; H. Meyer, Christliche Philosophie?: MThZ 2, 1951, 390 – 430; derselbe, Der Sinn der Konkordatsprofessuren: MThZ 3, 1952, 54 – 62; A. Hartmann, Kirchliches Lehramt und Freiheit des Denkens: Stimmen der Zeit 157, 1955/56, 361 – 377. 161 M. Braubach, Art. Schulte, Aloys: LThK IX, 19642, 515 f. 162 M. Braubach, Aloys Schulte – Kämpfe und Ziele: Historisches Jahrbuch 78, 1959, 82 – 109, hier 104 f. 163 Mayer, Die Kaiser-Wilhelms-Universität 94. 164 Der Große Herder VII, 19555, 165. 165 F. Paulsen, Die deutschen Universitäten und das Universitätsstudium, Berlin 1902, 192.

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senschaftliche Ausbildung von Studierenden der katholischen Theologie geeignet ist. Die Zugehörigkeit zu der katholischen Religion hat also den Zweck, die Eignung der Lehre zu garantieren. Soll der mit der Ernennung der beiden katholischen Professoren verfolgte Zweck erreicht werden, dann muß das anfängliche Erfordernis auch während der ganzen Dauer der Lehrtätigkeit vorhanden sein. Diese Forderung bindet nicht den Professor, sondern den Staat. Ist die Eignung eines Professors zur Erfüllung der ihm zugedachten Aufgabe nicht mehr gegeben, muß der Staat für einen dem Lehrbedürfnis entsprechenden Ersatz sorgen. Der Grundsatz der Gewissensfreiheit verbietet, daß dem Professor aufgrund der Änderung seiner Gesinnung Nachteile in beamten- und korporationsrechtlicher Hinsicht erwachsen. d) Aufgabe der philosophischen Fakultät Unter Voraussetzung des akademischen Selbstergänzungsrechtes ist die philosophische Fakultät durch die Zusage der Regierung zu einer entsprechenden Mitwirkung bei Erfüllung derselben im Berufungsverfahren verpflichtet. Die Fakultät hat auf der üblicherweise einzureichenden Dreierliste Gelehrte zu präsentieren, die der Vereinbarung Genüge leisten. Die Beteiligung einer kirchlichen Stelle an dem Berufungsverfahren ist weder vorgesehen noch erforderlich, kann aber doch wohl nicht als unzulässig angesehen werden, falls sie aus freien Stücken und ohne rechtliche Bindung nachgesucht wird. Denn ob ein Lehrer bzw. eine Lehre für den beabsichtigten Zweck der Teilnahme an der Ausbildung katholischer Theologen geeignet ist, darüber kann grundsätzlich in kompetenter Weise nur der zuständige Diözesanbischof urteilen. Otto Mayer hat zu dieser Vorschrift einen im ganzen zutreffenden Kommentar gegeben. Er schreibt: „Irgend welche Einflußnahme zur näheren Bestimmung der für diese Lehrstühle zu ernennenden Katholiken sind der Kirche nicht zugestanden worden (sic). Das ist ja auch in Preußen nicht der Fall. Damit ist nicht gesagt, daß es der Kirche hier nur darum zu tun wäre, einen Machteinfluß zu Gunsten ihrer Angehörigen der Universität fühlbar zu machen. Durch die Bedingung, daß der Professor Katholik sein müsse, versichert sie sich, daß er wenigstens eine katholische Erziehung genossen habe, und damit die Wahrscheinlichkeit eines besseren Verständnisses für ihre Auffassungsweise. Die Redlichkeit der Vertragserfüllung fordert auch, daß der Staat keinen wähle, von dem er wissen muß, daß er ihr geradezu als bedenklich oder gefährlich erscheinen werde; der Begriff ,Katholik‘ muß doch auch in diesem Sinne einen gewissen Wert haben. Die Beseitigung eines der Kirche nachträglich mißfällig gewordenen Professors dieser philosophischen Lehrstühle hat für den Staat die Schwierigkeit, daß er durch dessen erworbene Rechtsstellung gebunden ist und es den akademischen Anschauungen widerspräche, wollte er sich durch besondere Abreden in dieser Hinsicht freie Hand vorzubehalten suchen.“166

166

Mayer, Die Kaiser-Wilhelms-Universität 101 f.

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Was die Regierung in Straßburg zu Beginn des 20. Jahrhunderts zugestand, war an den anderen deutschen Universitäten mit katholisch-theologischer Fakultät längst üblich167, fiel also aus dem Rahmen des deutschen Hochschulrechts nicht heraus. 4. Abgehen von dem Abkommen Nach dem Übergang von Elsaß-Lothringen an Frankreich im Jahre 1918 wurde die Zusage der Regierung des Deutschen Reiches, zwei Lehrstühle in der philosophischen Fakultät zu Straßburg mit katholischen Gelehrten zu besetzen, nicht mehr beachtet. Die Professuren für Philosophie und Geschichte werden ohne Rücksicht auf das religiöse Bekenntnis der Gelehrten besetzt. Die katholisch-theologische Fakultät bestreitet hinfort die philosophische Ausbildung der Theologiestudierenden mit ihren eigenen Kräften168.

IV. Besetzung der Lehrstühle Die Berücksichtigung des Wunsches nach der Bestellung eines katholischen Professors für Kirchenrecht wurde rasch erledigt. Die erstmalige Berufung zweier Katholiken auf die beiden Lehrstühle für Geschichte und Philosophie verlief nur bei dem Lehrstuhl für Philosophie reibungslos. Zu einem aufsehenerregenden „Fall“ wurde dagegen die Besetzung der Geschichtsprofessur mit einem katholischen Gelehrten. 1. Kirchenrecht Verhältnismäßig leicht ließ sich die Frage der Vertretung des kanonischen Rechtes durch einen katholischen Gelehrten lösen. Man konnte hier auf das preu167 P. Hinschius, Das Kirchenrecht der Katholiken und Protestanten in Deutschland. System des katholischen Kirchenrechts mit besonderer Rücksicht auf Deutschland, IV, Berlin 1888, 676 A. 3; K. Müller, Zur Geschichte der katholischen Professuren an der Universität Tübingen. 1907, in: Aus der akademischen Arbeit. Vorträge und Aufsätze, Tübingen 1930, 272 – 289; E. Wende, Grundlagen des preußischen Hochschulrechts, Berlin 1930, 18; A. Hagen, Staat, Bischof und geistliche Erziehung in der Diözese Rottenburg (1812 – 1834), Rottenburg 1939, 5 f., 17 f., 72 f., 77 – 81, 118, 120, 128, 147 f., 156 f.; H. Gerber, Der Wandel der Rechtsgestalt der Albert-Ludwigs-Universität zu Freiburg i. Br. seit dem Ende der vorderösterreichischen Zeit. (Entwicklungsgeschichtlicher Abriß.), 2 Bde., Freiburg i. Br., 1959, I 46, 85 f., 118; W. Thieme, Deutsches Hochschulrecht, Berlin-Köln 1956, 136; J. Mayer, Geschichte der sogenannten Konkordatsprofessuren: Klerusblatt 46, 1966, 201 – 207. 168 Schreiben des Dekans der katholisch-theologischen Fakultät der Universität Strasbourg vom 16. März 1966; Schreiben des Direktors der Services d‘Archives du Bas-Rhin in Strasbourg vom 1. Juli 1966. – Das Elsaß III 455 A. 6a besaß keine Kenntnis, ob die Bestimmung bezüglich der beiden Lehrstühle nach dem Ersten Weltkrieg abgeschafft wurde.

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ßische Modell zurückgreifen. An den Universitäten zu Bonn und Breslau war statutenmäßig festgelegt, daß in der juristischen Fakultät wenigstens einer der ordentlichen Professoren katholisch sein sollte, der katholisches Kirchenrecht lehrte169. Damit sollte zwei Bedürfnissen abgeholfen werden. Die katholischen Rechtsstudenten sollten Gelegenheit erhalten, das Fach Kirchenrecht bei einem Lehrer ihres Glaubens zu hören, und die katholischen Theologiestudierenden konnten ebenfalls die für ihre Ausbildung unentbehrlichen kirchenrechtlichen Vorlesungen eines solchen Gelehrten unbedenklich besuchen. Auch in Straßburg mußten beide Gesichtspunkte berücksichtigt werden. In der juristischen Fakultät der Straßburger Universität waren zwei Ordinarien für Kirchenrecht tätig. Beide waren Protestanten. Der Kurator Hamm erteilte, schon vor Errichtung der katholisch-theologischen Fakultät und ohne äußeren oder inneren Zusammenhang mit dieser, noch einem katholischen Professor den Lehrauftrag für Kirchenrecht, um auch den katholischen Standpunkt zur Geltung kommen zu lassen170. Nach Errichtung der katholisch-theologischen Fakultät, die eine Professur für Kirchenrecht besaß, hielt man es für überflüssig, künftighin eigens einen katholischen Professor für Kirchenrecht in der juristischen Fakultät bereitzustellen171. 2. Geschichte Im Sommer 1901 wurde der Lehrstuhl für neuere Geschichte an der Straßburger Universität durch Berufung Konrad Varrentrapps172 nach Marburg frei. Der zweite Lehrstuhl für Geschichte war von einem Gelehrten jüdischer Abstammung, Harry Bresslau173, besetzt. Mit Rücksicht auf die evangelisch-theologische Fakultät konnte man sich nicht entschließen, den vakanten Lehrstuhl mit einem Katholiken zu besetzen. Es wurde daher die gleichzeitige Ernennung eines protestantischen und eines katholischen Professors der Geschichte vorgeschlagen174. Vorgesehen waren der von der Fakultät für die Besetzung des freien Lehrstuhles an dritter Stelle vorgeschlagene Protestant Friedrich Meinecke175 und der Bonner katholische Extraordinarius Martin Spahn176. 169 R. Sohm, Kirchenrecht, in: W. Lexis, Die deutschen Universitäten, 2 Bde., Berlin 1893, I 398; F. X. Heiner, Kirchenrecht: ebenda 268; G. Kaufmann, Geschichte der Universität Breslau 1811 – 1911, in: Festschrift zur Feier des hundertjährigen Bestehens der Universität Breslau, 2 Bde., Breslau 1911, I 167 f.; J. Nickel, Die katholisch-theologische Fakultät: ebenda II 152; F. von Bezold, Geschichte der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität von der Gründung bis zum Jahr 1870, Bonn 1920, 286. 170 Mayer, Die Kaiser-Wilhelms-Universität 95. 171 Mayer, Die Kaiser-Wilhelms-Universität 102. 172 Anrich, Die Kaiser-Wilhelms-Universität Straßburg 21 173 Der Große Herder II, 19565, 325. 174 Vgl. die Ausführungen des Statthalters Fürst Hohenlohe an Kaiser Wilhelm II. vom 28. September 1901 (Morsey, Zwei Denkschriften 249). 175 K. Kupisch, Art. Meinecke: RGG IV, 19603, 830; Meinecke, Straßburg-Freiburg-Berlin 8 – 14.

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Die Berufung Spahns nach Straßburg hatte schon seit dem Ende der neunziger Jahre des 19. Jahrhunderts gleichsam in der Luft gelegen. Wir sind darüber durch die Briefe unterrichtet, die Spahn an seinen väterlichen Freund, den Prälaten Friedrich Schneider177 in Mainz, gerichtet hat178. Bevor es dazu kam, waren jedoch viele Widerstände zu überwinden. Bereits bei seiner Habilitation in Berlin hatte Spahn mit erheblichen Schwierigkeiten zu kämpfen. Sie rührten einzig und allein von der Tatsache her, daß er Katholik war. Am 20. Mai 1898 schrieb Spahn aus Berlin an den Prälaten Schneider in Mainz: „Für mich selbst liegen die Dinge doch recht ungünstig. Mittwoch habe ich mit Althoff verhandelt. Lenz steift sich darauf, daß Katholizismus und freie Wissenschaft unvereinbar seien, an dieser aber als der Grundlage der Berliner Universität festgehalten werden müßte. Ich werde mich nun trotzdem hier anmelden; auch Schroers schrieb mir, daß ich es unbedingt auf eine offizielle Abweisung ankommen lassen müßte. Althoff hat Lenz gedroht, daß die Regierung meine Abweisung mit der Ernennung eines katholischen Ordinarius beantworten würde. Er meint, die Abweisung würde nicht erfolgen, aber meines Bleibens dennoch nicht hier sein. Ich solle mich nachher nach Straßburg oder Bonn übertragen lassen. Hier wäre meine Aufgabe nur noch, dem Prinzip der Gleichberechtigung zur Anerkennung zu verhelfen. Wir werden sehen!“179 Seine CochläusBiographie180 half mit, ihm die Bahn zu ebnen. Am 30. Mai 1898 konnte er an Prälat Schneider schreiben: „Ich habe die Gelegenheit benutzt, um mit Professor Lenz ein endgiltiges Wort zu sprechen und siehe da! unter den größten Lobsprüchen auf meinen Cochläus hat er mir erklärt, daß ich seiner Unterstützung bei der Habilitation sicher sei. Ich werde mich noch diese Woche melden.“181 Am 29. Juli 1898 konnte er berichten: „In zwei Worten die Nachricht, daß nunmehr seit heute Nachmittag auch die Antrittsvorlesung vorüber ist und ich somit dem Lehrkörper der Universität als Privatdozent angehöre.“182 Die genannten Schwierigkeiten waren Spahn erwachsen, obwohl er keineswegs von allen Katholiken als kirchlich zuverlässig angesehen wurde183. Als Beispiel 176

R. Morsey, Art. Spahn, Martin: LThK IX, 19642, 934. A. Ph. Brück, Friedrich Schneider (1836 – 1907). Ein Beitrag zur deutschen Geistesgeschichte des 19. Jahrhunderts: Archiv für mittelrheinische Kirchengeschichte 9, 1957, 166 – 192. 178 Die Briefe Martin Spahns an Friedrich Schneider befinden sich in dem Archiv des Bischöflichen Priesterseminars zu Mainz. Den Hinweis auf sie verdanke ich meinem Kollegen Prof. Dr. Dr. Anton Brück, Mainz. 179 Archiv des Bischöflichen Priesterseminars zu Mainz. – Zu M. Lenz vgl. F. Rachfahl, Max Lenz und die deutsche Geschichtswissenschaft: HZ 123, 1921, 189 ff.; F. Graefe, Max Lenz zum Gedächtnis (Schriften der Historischen Gesellschaft zu Berlin 4), Berlin 1935; Rost, Die Parität und die deutschen Katholiken 53 f. 180 M. Spahn, Johannes Cochläus, Berlin 1898. 181 Archiv des Bischöflichen Priesterseminars zu Mainz. Vgl. Der Tag Nr. 569 Ausgabe A vom 21. Dezember 1901. 182 Archiv des Bischöflichen Priesterseminars zu Mainz. 183 Mayer, Die Kaiser-Wilhelms-Universität Straßburg 96. 177

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dieser Zweifel an seiner katholischen Einstellung sei das Verhalten des Geschichtsschreibers der Päpste, des Freiherrn Ludwig von Pastor184, angeführt. Am 26. Januar 1898 hatte Martin Spahn an den Prälaten Schneider in Mainz geschrieben: „Pastor schrieb mir letzthin, auf meine Anfrage (sc. betreffend eine Stelle in Janssens Geschichtswerk) Auskunft erteilend, zugleich aber jede weitere Korrespondenz ablehnend. Er habe den Glauben an mich verloren.“185 Diese Einstellung Pastors zu Spahn lassen auch Eintragungen in seinen Tagebüchern erkennen186. Auch der Fürst Hohenlohe-Langenburg äußerte Zweifel, „ob er (sc. Spahn) den eine entschiedene Parteistellung einnehmenden Katholiken als Dozent genehm sei“187. Conrad Bornhak sah in Spahn gar einen „vorurteilslosen Historiker“, „der sich selbst über meine persönliche Auffassung hinaus in die Bahnen einseitig protestantischer Geschichtsauffassung fortreißen ließ“188. Das Wort „Straßburg“ erscheint schon vor Abschluß seiner Habilitation in den Briefen Martin Spahns. Am 5. Mai 1898 schrieb er aus Winkel im Rheingau an den Prälaten Schneider in Mainz, er erwarte einen Brief seines Vaters, der ihm anzeigen solle, ob er nach Straßburg fahren müsse. „Wann? Warum? ist mir noch unbekannt.“189 Am 12. Juni 1898 bemerkte er zu Prälat Schneider: „Ob die Stätte meines Wirkens nachher Berlin oder Straßburg sein wird, steht noch dahin, ist mir aber auch gleichgültig.“190 Am 22. Juli 1899 schrieb er seinem Freunde Schneider: „Wüßte ich nur, wie die nächste Zukunft sich gestaltet! Da in Straßburg die Entscheidung sich dauernd hinauszögert, so bleibt überhaupt meine Thätigkeit in Schwebe. Weder kann ich bis dahin eine größere Arbeit in Angriff nehmen noch weiß ich, für wen ich meine nächste Vorlesung ausarbeiten soll, – für Berlin als Privatdozent, für Straßburg als Professor.“191 Am 8. November 1898 gab er seiner Enttäuschung, daß er wohl nicht werde nach Straßburg berufen werden, in einem Briefe an Prälat Schneider Ausdruck: „Die mich einigermaßen betrübende Nachricht betreffs Straßburgs dürfte richtig sein. Ich hatte mich seit dem Juni in den Gedanken gelebt, in den Reichslanden meine Thätigkeit entfalten zu können. Und der Gedanke beglückte mich; denn dort ist für einen deutschgesinnten Katholiken viel und Schönes zu thun. Auch hätte ich dort einen Kreis lieber Gesinnungsgenossen gehabt192. Man hat die Güte, mich jetzt auch für das frei gewordene Münster zu nennen; selbst von Bonn sprach man mir kürzlich, daß (sic) in 3 oder 4 Seme184 I. Ph. DengeI, Art. Pastor: LThK VII, 1935, 1018 – 1020; F. Graß, Art. Pastor: LThK VIII, 19632, 155; H. Hohlwein, Art. Pastor: RGG V, 19613, 144. 185 Archiv des Bischöflichen Priesterseminars zu Mainz. 186 Wühr, Ludwig Freiherr von Pastor 298 f., 326, 364, 365, 366, 379, 396, 490, 491. 187 Morsey, Zwei Denkschriften 249. 188 Bornhak, Die Begründung der katholisch-theologischen Fakultät in Straßburg 252. 189 Archiv des Bischöflichen Priesterseminars zu Mainz. 190 Archiv des Bischöflichen Priesterseminars zu Mainz. 191 Archiv des Bischöflichen Priesterseminars zu Mainz. Teilweise bei Brück, Friedrich Schneider 186. 192 Bis hierher auch bei Brück, Friedrich Schneider 186

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stern wieder frei wird. Eines von all dem wird wohl werden, da man kaum jemanden außer Meister und mir hat und Meister leider nicht sehr geschätzt wird. Aber Straßburg wäre mir doch das liebste gewesen, und ich würde den Verzicht auf es besonders schwer empfinden, wenn man einen Ultramontanen beriefe, der dort nur Unheil anstiften würde.“193 Am 25. Dezember 1898 schrieb Spahn aus Leipzig an Prälat Schneider: „So täuscht sich Bachmann über die Lage in Straßburg, wie mir scheint, völlig: durch einen Zufall kam ich dahinter, daß man dort nicht das will, was er erwartet.“194 Spahn wurde zunächst nach Bonn als Extraordinarius berufen. Noch aus Leipzig schrieb er am 31. März 1901 an Schneider: „Bonn ist mir durchaus terra incognita geworden, und ich empfinde das Terrain als ein wenig unheimlich. In der Mitte der Ungläubigen ließ sich so sorglos leben! Aber der rechte Weg wird sich wohl finden; insbesondere vertraue ich Schroers, der mich aufs innigste begrüßt hat.“195 Spahn richtete sich aber in Bonn rasch ein. Am 8. Juli 1901 schrieb er aus Bonn an den Prälaten Schneider: „Es geht mir in Bonn so über Erwarten gut, die Beziehungen zu den Kollegen und deren Familien sind so angenehme, daß ich von Herzen froh darüber sein darf.“196 In Bonn erreichte ihn dann der Ruf nach Straßburg, dem er Folge leistete. Auch dort gewann er rasch Boden unter den Füßen. Aus Straßburg schrieb er im November 1901 an Schneider: „Von hier kann ich Ihnen nur Gutes schreiben. Die Fakultät nahm mich kühl, aber keineswegs gehässig auf; überall sagte man mir, daß meine Person außer dem Parteikampf stände, die ersten gesellschaftlichen Beziehungen wärmeren Tons entspinnen sich bereits. Die Studenten behandeln mich mit Achtung. Ich habe ein Privatkolleg von 20 – 25 Zuhörern, ein Publikum von 60 bis 70, alte Generäle darunter, ein Seminar von 8 wackeren Studenten (der Kollege für neuere Geschichte hat, obwohl ein anerkannter Seminarleiter, nur 7). Auch einige Seminaristen und Geistliche hören bei mir; man erzählt mir, das Mißtrauen sei in Straßburg vom 1. Tage meines Hierseins an geschwunden.“197 Daß die Berufung Spahns nach Straßburg in der Hauptsache oder auch nur maßgeblich durch die Rücksicht auf die Stellung seines Vaters in der Zentrumspartei geschehen sei, wie behauptet wurde, ist nicht nachweisbar. Bei der Berufung von Martin Spahn kam es „gar nicht auf die Person an, sondern auf die Sache, auf

193

Archiv des Bischöflichen Priesterseminars zu Mainz. Archiv des Bischöflichen Priesterseminars zu Mainz. 195 Archiv des Bischöflichen Priesterseminars zu Mainz. Auch bei Brück, Friedrich Schneider 186 f. 196 Archiv des Bischöflichen Priesterseminars zu Mainz. 197 Archiv des Bischöflichen Priesterseminars zu Mainz. Auch bei Brück, Friedrich Schneider 187. 194

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die Berufung eines für die katholische Kirche einwandfreien, bewährten wissenschaftlichen Forschers und Lehrers“198. Mit der Berufung Spahns nach Straßburg fanden sich nicht alle ab. Die philosophische Fakultät in Straßburg legte am 9. September 1901 gegen die Doppelbesetzung der Professur für mittlere und neuere Geschichte mit einem Protestanten und einem Katholiken unmittelbar beim Kaiser Protest ein. Sie bat den Kaiser, „von der Errichtung eines konfessionell gebundenen Lehrstuhles für mittlere und neuere Geschichte abzusehen und die Berufung Spahns nicht zu bestätigen“199. Der Kaiser antwortete nach Berichterstattung durch Althoff in einer Depesche an den Statthalter vom 17. November 1901 ablehnend und vollzog die Ernennung200. In dem für die Veröffentlichung bestimmten Telegramm drückte er seine Befriedigung aus, daß der lang gehegte Wunsch der Elsaß-Lothringer in Erfüllung gegangen sei und er damit die grundsätzliche Gleichbehandlung katholischer Gelehrter beweisen könne201. Der Kaiser konnte sich bei seiner Entscheidung auf den bereits erwähnten Immediatbericht seines Statthalters in den Reichslanden stützen, der sich seinerseits des Einverständnisses des Berliner Hochschuldezernenten versichert hatte. Der Statthalter Fürst Hohenlohe-Langenburg hielt in seinem Immediatbericht an den Kaiser vom 28. September 1901 die gegen die Person des Dozenten Spahn gerichteten Einwände der philosophischen Fakultät für „hinfällig“202. Friedrich Althoff sah die Errichtung einer dritten Professur für Geschichte in Straßburg durch ein Lehrbedürfnis geboten und in ihrer Besetzung mit einem Katholiken nicht „eine ungehörige Konzession an ultramontane Zumutungen“, sondern einen „Akt ausgleichender Gerechtigkeit“203. Über die Immediateingabe der Straßburger philosophischen Fakultät schrieb er das vernichtende Urteil: „Die Errichtung einer dritten Professur für mittlere und neuere Geschichte an der Universität Straßburg und die Berufung des Professors Dr. Spahn in diese Professur sind Maßnahmen, welche die vollste Billigung verdienen. Alles, was die philosophische Fakultät von Straßburg dagegen anführt, ist gänzlich haltlos, und es wird wohl kaum jemals vorgekommen sein, daß eine Fakultät es wagt, über den Kopf ihrer vorgesetzten Behörde hinweg

198 Sachse, Friedrich Althoff 129. Die Deutung, die Bornhak der in seiner Abhandlung: Die Begründung der katholisch-theologischen Fakultät in Straßburg 251 angeführten Äußerung Althoffs gibt, dürfte unzutreffend sein. Aus ihr ergibt sich nicht die Rücksichtnahme auf den Zentrumsabgeordneten Peter Spahn, dessen Sohn Martin Spahn war, sondern auf den katholischen Bevölkerungsanteil, der von der Zentrumspartei politisch vertreten wurde. 199 Roßmann, Wissenschaft, Ethik und Politik 20. 200 Sachse, Friedrich Althoff 137; Mayer, Die Kaiser-Wilhelms-Universität 95 f. 201 Mayer, Die Kaiser-Wilhelms-Universität Straßburg 96; Hertling, Erinnerungen II 287; Roßmann, Wissenschaft, Ethik und Politik 20. 202 Morsey, Zwei Denkschriften 249. 203 So in der Denkschrift an den Statthalter Fürst Hohenlohe vom 15. Oktober 1901 (Morsey, Zwei Denkschriften 251).

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sich mit einer so unbegründeten Vorstellung an die Allerhöchste Stelle zu wenden.“204 Mit dem Vollzug der Ernennung war die Angelegenheit jedoch nicht erledigt. In Anschluß daran brach ein vom deutschen Liberalismus inszenierter Sturm los. Theodor Mommsen205 veröffentlichte am 15. November 1901 in den liberalen „Münchener Neuesten Nachrichten“ eine Erklärung zu der angeblich bedrohten Freiheit der voraussetzungslosen Wissenschaft206. Er war zu ihr veranlaßt worden durch Lujo Brentano207, der damals Rektor der Münchener Universität war. Dieser wiederum folgte einer Anregung von G. Keyßner, einem Redakteur der „Münchener Neuesten Nachrichten“208. Der Straßburger Archäologe Adolf Michaelis209 suchte in der Hamburger Zeitschrift „Der Lotse“ vom 23. November 1901210 die Eingabe der philosophischen Fakultät an den Kaiser zu rechtfertigen und schlug gehässige Töne gegen Althoff an211. Journalistisch einflußreiche liberale und protestantische Kreise entfesselten auf der Grundlage dieser beiden Artikel einen regelrechten antikatholischen Feldzug. Der Zorn entlud sich namentlich gegen Friedrich Althoff, der sich durch seine eigenwillige Berufungspolitik viele Feinde an den Universitäten gemacht hatte. Aber Althoff setzte sich zur Wehr, von Conrad Bornhak unterstützt, und es entspann sich eine anhaltende, heftige Pressefehde212. Die Reaktion der deutschen Professoren war geteilt. Zustimmung kam vor allem aus dem Süden. Aber sie hielt sich in verhältnismäßig engen Grenzen. Eine „echte Solidarität“ mit Brentano und Mommsen bestand nicht. Bemerkenswert ist dabei, daß Mommsen gerade bei den preußischen Universitäten nicht nur keine einstimmige Billigung, sondern vielfache Opposition gefunden hat213. Edgar Loening214 204

Ebenda 256. K. Kupisch, Art. Mommsen: RGG IV, 19603, 1091. 206 Hochschulnachrichten XII, 2, 1901, 25 f.; Roßmann, Wissenschaft, Ethik und Politik 28 – 30; K. Wippermann, Deutscher Geschichtskalender für 1901. Sachlich geordnete Zusammenstellung der politisch wichtigsten Vorgänge im In- und Ausland, II, Leipzig 1902, 261 – 271. 207 Brentano, Elsässer Erinnerungen 127 – 129; F. Klüber, Art. Brentano, Lujo: LThK II, 19582, 670 f.; F. Fürstenberg, Art. Brentano, Lujo: RGG I, 19573, 1400. 208 Roßmann, Wissenschaft, Ethik und Politik 21 – 28, 141 f. 209 Anrich, Die Kaiser-Wilhelms-Universität Straßburg 24. 210 Der Lotse. Hamburgische Wochenschrift, Heft 8 vom 23. November 1901, 225 – 231. 211 Roßmann, Wissenschaft, Ethik und Politik 21, 32. 212 Bornhak, Die Begründung der katholisch-theologischen Fakultät in Straßburg 252; Morsey, Zwei Denkschriften 244 f.; Roßmann, Wissenschaft, Ethik und Politik passim, besonders 30 – 45, 143 – 157. 213 Roßmann, Wissenschaft, Ethik und Politik 75. Die Zustimmungsadresse von 31 Bonner Professoren war „eher das Gegenteil einer Solidaritätskundgebung zu einem Manifest“: P. E. Hübinger, Das Historische Seminar der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Bonn. Vorläufer – Gründung – Entwicklung. Ein Wegstück deutscher Universitätsgeschichte. Mit einem Beitrag von W. Levison (Bonner Historische Forschungen 20), Bonn 1963, 193 f. 214 R. Wittram, Art. Dorpat II. Universität: RGG II, 19583, 252. 205

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schrieb am 24. November 1901 an Lujo Brentano mit Bezug auf die Universität Halle215, daß sich fast alle Kollegen gegen eine Zustimmung zu der Erklärung Mommsens ausgesprochen hätten. „Für die meisten war der Umstand entscheidend, daß die hiesige Universität nach ihren Statuten streng confessionell ist. Bis auf den untersten Diener herab können hier nur Protestanten angestellt werden … Es erschien den Collegen deshalb nicht möglich, gegen die Errichtung einer confessionellen Professur für Geschichte in Straßburg zu protestieren, solange wir hier noch in den Banden des strengsten Confessionalismus liegen.“216 In dem Beifall der meisten Straßburger Professoren zu der Erklärung Mommsens „vereinte sich … der Stolz der Reichsuniversität, die sich von dem despotischen preußischen Geheimrat gedemütigt fühlte, mit dem Glauben an eine absolute und fessellose Wissenschaft“217. Aber gerade der Begriff der voraussetzungslosen Wissenschaft wurde lebhaft kritisiert218. Otto von Gierke219 schrieb am 22. November 1901 an Lujo Brentano über die Mommsensche Erklärung: „Überhaupt ist die radikale Fassung der Mommsenschen Erklärung, gerade weil sie sich nicht speziell gegen die Ultramontanen wendet, sondern unparteiisch zu sein strebt, in meinen Augen geschichtswidrig und etwas phrasenhaft. ,Voraussetzungslosigkeit‘ ist ein ideales Ziel der Wissenschaft, aber keine Wirklichkeit. Unsere eifrig ,protestantischen‘ Historiker und unsere ,nationalen‘ Geschichtsschreiber sind von dem Ziel auch sehr weit entfernt. Es ist aber nach meinen Erfahrungen Heuchelei, wenn wir so thun wollen, als sei von den Fakultäten selbst bei Berufungen für die mit dem öffentlichen Leben zusammenhängenden Fächer niemals auf die religiöse und politische Stellung Rücksicht genommen.“220 Friedrich Meinecke bemerkte zurückschauend zu dem Mommsenschen Begriff der voraussetzungslosen Wissenschaft: „Mir war schon damals bei dem Schlagworte nicht ganz wohl, und ich bin dann früh weitergegangen und sehe in den Voraussetzungen, unter denen wir forschen, nicht nur eine Hemmung, mit der wir ernst zu ringen haben, sondern auch eine seelische Kraftquelle, die wir nicht entbehren können.“221 3. Philosophie Ohne Komplikation verlief die Ernennung eines katholischen Philosophen. Althoff ließ sich durch die „Beunruhigungen und Agitationen“, wie er die Kampagne gegen die Ernennung Spahns bezeichnete, nicht einschüchtern. Er war vielmehr dafür, „ganze Arbeit“ in Straßburg zu machen und „baldigst auf die Errichtung einer 215

E. Wolf, Art. Halle, Universität: RGG III, 19593, 34 – 38. Roßmann, Wissenschaft, Ethik und Politik 157. 217 Dehio , Die Kaiser Wilhelms Universität Straßburg 24. 218 Paulsen, Die deutschen Universitäten 193. 219 H. Conrad, Art. v. Gierke: StL III, 19596, 966 – 968. 220 Roßmann, Wissenschaft, Ethik und Politik 151. 221 Meinecke, Straßburg-Freiburg-Berlin 12. 216

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weiteren Professur auch für Philosophie Bedacht zu nehmen und diese mit einem ebenso dogmatisch einwandfreien und wissenschaftlich bewährten katholischen Gelehrten, wie der Professor Spahn es ist, zu besetzen“222. Auf einer Konferenz, die am 6. Dezember 1901 im Auswärtigen Amt zu Berlin stattfand und auf der die bei den Verhandlungen um die Errichtung der katholisch-theologischen Fakultät zu Straßburg nächstbeteiligten Personen anwesend waren, wurde beschlossen, „die Mittel für eine katholische Professur der Philosophie an der Universität Straßburg in den Etat einzustellen, die Professur aber nicht eher zu besetzen, als bis die Verhandlungen mit der Kurie erledigt seien“223. Als Wilhelm Windelband224 nach Heidelberg ging, benannte die philosophische Fakultät auf Vorschlag von Friedrich Althoff bzw. auf Ersuchen des Ministers225 im Jahre 1903 den auch von Windelband als Nachfolger gewünschten Bonner Philosophen Clemens Baeumker226 für den Lehrstuhl der Philosophie227. Die Fakultät hatte zu diesem Zeitpunkt von dem Abkommen mit Rom keine Kenntnis228. Erst nachdem Baeumker im Jahre 1912 nach München berufen und für ihn ein Nachfolger bestellt werden mußte229, erfuhr sie davon230. Staatssekretär Freiherr Zorn von Bulach erklärte in der Sitzung des elsaßlothringischen Landtags vom 17. Januar 1913, daß, da zur Zeit der Errichtung der katholisch-theologischen Fakultät die beiden Professuren in der philosophischen Fakultät mit Katholiken besetzt waren, keine Veranlassung bestanden habe, von dieser Bedingung für die Errichtung der katholisch-theologischen Fakultät zu sprechen231.

222 In der Denkschrift für den Statthalter Fürst Hohenlohe von 15. Oktober 1901 (Morsey, Zwei Denkschriften 256). 223 Sachse, Friedrich Althoff 138. 224 W. Czapiewski, Art. Windelband: LThK X, 19652, 1177. 225 Verhandlungen 91, 3836. 226 M. Grabmann, Art. Baeumker: LThK II, 1931, 50; A. Scholz, Art. Baeumker: LThK II, 19582, 70 f.; J. Klein, Art. Baeumker : RGG I, 19573, 843. 227 Mayer, Die Kaiser-Wilhelms-Universität 97; Dehio, Die Kaiser Wilhelms Universität Straßburg 23; Fischbach, Das Staatskirchenrecht Elsaß-Lothringens I 140 f.; Das Elsaß III 452. 228 Verhandlungen 91, 2734, 2757 f.; Dehio, Die Kaiser Wilhelms Universität Straßburg 23; Das Elsaß III 451. 229 Verhandlungen 91, 3842 f. 230 Verhandlungen 91, 2734 f., 2753 f., 2358, 3567 f. 231 Verhandlungen 91, 2754.

Mit Katholiken zu besetzende Professuren für Philosophie und Geschichte an der Universität Freiburg nach dem Badischen Konkordat vom 12. Oktober 1932 I. Die kirchenpolitische Lage in Baden vor Abschluß des Konkordats 1. Das Ringen der badischen Katholiken um Gleichberechtigung Das Land Baden hatte bis zum Jahre 1918 ein protestantisches Herrscherhaus und einen Landtag sowie eine Regierung, die im wesentlichen von einem antikatholischen Liberalismus1 beherrscht waren. Angesichts einer solchen Konstellation war es für die katholische Mehrheit der Bevölkerung unmöglich, sich in gebührender Weise in Politik, Kultur und Wirtschaft zur Geltung zu bringen. Die Revolution und die Errichtung der demokratischen Republik führten hierin teilweise eine Wendung herbei. Dank des politischen Einflusses der Zentrumspartei2 konnte der katholische Volksteil bis zu einem gewissen Grad den Rückstand in der Beteiligung an dem öffentlichen und kulturellen Leben aufholen. Indes bedurfte es steter Anstrengung und unermüdlicher Wachsamkeit, um den im Namen der Gleichberechtigung errungenen geringfügigen Gewinn an Boden zu behaupten. Dies galt vor allem für die Verhältnisse an den wissenschaftlichen Hochschulen. Als im Jahre 1926 die vier Koalitionsparteien im Badischen Landtag, Zentrum, Deutsche Volkspartei, Demokratische Partei und Sozialdemokratische Partei, paritätische Berücksichtigung bei Besetzung der Ämter und loyale Durchführung dieses Gesichtspunktes auch an den Hochschulen gegenüber katholischen Bewerbern vereinbarten, schrieb der Zentrumsabgeordnete Eugen Baumgartner, daß das Zentrum dieserhalb „allen Grund zu lebhaften Beschwerden“ hatte und daß die Forderungen

1 J. Schofer, Mit der alten Fahne in die neue Zeit. Politische Plaudereien aus dem „Musterländle“. Freiburg i. Br. 1926, passim; A. Remmele, Baden vom Absolutismus zum Volksstaat. Karlsruhe 1931, 27 – 32; P. Enderle, Dr. Joseph Schofer. „Der ungekrönte Großherzog von Baden“. Karlsruhe 1957, 93 – 111; 115 – 120; 124 – 147 u. ö.; vgl. auch J. Freisen, Verfassungsgeschichte der katholischen Kirche Deutschlands in der Neuzeit. Aufgrund des katholischen Kirchen- und Staatskirchenrechts dargestellt. Berlin-Leipzig 1916, 165 – 194. 2 Vgl. K. A. Schulte (Hrsg.), Nationale Arbeit. Das Zentrum und sein Wirken in der deutschen Republik. Berlin–Leipzig 1929.

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„mehr als berechtigt“ seien.3 In der Tat gab es nur wenige katholische Professoren an den Universitäten in Freiburg und Heidelberg sowie an der Technischen Hochschule in Karlsruhe. Als der Zentrumsabgeordnete Honikel am 3. Februar 1933 auf die Adresse von 54 protestantischen Professoren hinwies, die bei der Behandlung des Evangelischen Kirchenvertrages dem Landtag eingereicht worden war, bemerkte er dazu: „Ich bezweifle, ob es möglich gewesen wäre, für das katholische Konkordat auch nur eine geringe Anzahl von Unterschriften aufzubringen.“4 Das Bemühen des katholischen Volksteils, seinen Rückstand aufzuholen, fand keineswegs den Beifall der Andersgläubigen. Die Personalpolitik der Kabinette, an denen das Zentrum beteiligt war, wurde von den Parteien und der Presse argwöhnisch beobachtet und auf das genaueste durchleuchtet. Die protestantischen Abgeordneten im Landtag ließen keine Gelegenheit vorübergehen, auf Fälle vermeintlicher Zurücksetzung von Protestanten bei der Besetzung von Staatsstellungen hinzuweisen. Zumal in der Zeit, als die Verhandlungen über ein Konkordat mit dem Apostolischen Stuhl im Gange waren, war die angeblich bedrohte Parität ein häufiges Thema der parlamentarischen Debatten.5 So sprach der deutsch-nationale Abgeordnete Schmitthenner am 16. März 1932 in bezug auf die Anstellung der Beamten von der Besorgnis der protestantischen Bevölkerung, „daß die evangelischen Belange nicht in streng paritätischer Form gewahrt werden könnten.6 Der Abgeordnete Berggötz vom Evangelischen Volksdienst beklagte am 19. April 1932 den angeblich fehlenden Proporz zwischen Lehrern und Schülern an der Oberrealschule in Überlingen und anderswo7, am 4. Mai 1932 dasselbe im Verhältnis von Aufsehern und Gefangenen in den Strafanstalten.8 Am 10. November 1932 richteten die Abgeordneten Brühler und Genossen von der DNVP eine Anfrage an die Regierung betreffend die Besetzung zweier Direktorenstellen an 3 Zentrumspolitik auf dem Badischen Landtag vom November 1925 bis Juli 1928. Hrsg. im Auftrag der Badischen Zentrumsfraktion. Freiburg i. Br. 1928, 6; vgl. E. Föhr, Kulturkämpferei und Kulturpolitik. Karlsruhe 1925; P. Enderle, Dr. Joseph Schofer, 209 – 221. 4 Verhandlungen des Badischen Landtags. Amtliche Niederschrift. 17. öffentliche Sitzung vom 3. Februar 1933. Sp. 873 – 922, hier 881. 5 Verhandlungen des Badischen Landtags. IV. Landtagsperiode (28. Oktober 1929 bis 27. Oktober 1933). 3. Sitzungsperiode (28. Oktober 1931 bis 10. November 1932), vom Landtag selbst amtlich herausgegeben und bestehend in einem Protokollheft (Repertorium nebst einem Band Niederschriften) und einem Beilagenheft. Protokollheft Band II enthaltend die amtlichen Niederschriften (1. Sitzung bis Schluß). Heft 567a der Drucksachen-Sammlung des Badischen Landtags, Karlsruhe 1932; vgl. auch A. Remmele, Staatsumwälzung und Neuaufbau in Baden. Ein Beitrag zur politischen Geschichte Badens 1914/24. Karlsruhe 1925, 175 f. 6 Verhandlungen des Badischen Landtags. Amtliche Niederschrift über die 8. öffentliche Sitzung vom 16. März 1932. Sp. 341 – 412, hier 384. 7 Verhandlungen des Badischen Landtags. Amtliche Niederschrift über die 16. öffentliche Sitzung vom 19. April 1932. Sp. 825 – 870, hier 866 f. 8 Verhandlungen des Badischen Landtags. Amtliche Niederschrift über die 26. öffentliche Sitzung vom 4. Mai 1932. Sp. 1497 – 1568, hier 1547.

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Karlsruher höheren Lehranstalten mit nichtevangelischen Bewerbern.9 Am 25. Januar 1933 beklagte sich der Abgeordnete Kroenlein vom Evangelischen Volksdienst über die verhältnismäßig größere Zahl katholischer Philologen an den höheren Lehranstalten und sprach dabei von den „großen Gefahren“, „denen unsere evangelische Jugend ausgesetzt ist.“10 Die Regierung konnte jedoch in allen Fällen überzeugend nachweisen, daß keine Bevorzugung katholischer Bewerber vorlag. 2. Das Projekt des Konkordats Angesichts der Atmosphäre des Mißtrauens und der Gereiztheit gegen die Katholiken, die systematisch erzeugt worden war, ist es nicht verwunderlich, daß das Projekt eines Konkordats zwischen dem Land Baden und dem Apostolischen Stuhl, das Ende der zwanziger Jahre dieses Jahrhunderts auftauchte, auf erbitterten Widerstand stieß. Daran vermochte der gleichzeitig vorgesehene Abschluß eines Kirchenvertrages mit der Evangelischen Landeskirche in Baden nichts zu ändern.11 Die Gegnerschaft gegen die katholische Kirche, vor allem gegen die Römische Kurie, war in Baden von alters her tief eingewurzelt und weit verbreitet. Der badische Liberalismus war stets besonders aggressiv und radikal, wie nicht zuletzt der Verlauf des Kulturkampfes in Baden zeigt.12 Er war nicht auf den protestantischen Volksteil beschränkt, sondern besaß auch Anhänger unter der katholischen Bevölkerung, vor allem unter den Beamten. Die mehrheitlich liberale Lehrerschaft wurde allein durch den „Alarmruf“ „Die badische Simultanschule ist in Gefahr“ gegen das Konkordat eingenommen.13 Dazu kam die konfessionelle Abneigung gegen die Katholiken, die die an sich stark zersplitterten Protestanten einte.14 In taktisch kluger Weise versuchte man auf protestantischer Seite, ein gemeinsames Interesse von Katholiken und Protestanten an dem Abschluß von Konkordat und Kirchenvertrag

9 Verhandlungen des Badischen Landtags. Amtliche Niederschrift über die 37. öffentliche Sitzung vom 10. November 1932. Sp. 2269 – 2292, hier 2279. 10 Verhandlungen des Badischen Landtags. Amtliche Niederschrift. 9. öffentliche Sitzung vom 25. Januar 1933. Sp. 457 – 520, hier 474 f. (Kroenlein) und 489 (Föhr). Vgl. H. Rehberger, Die Gleichschaltung des Landes Baden 1932/33. Heidelberg 1966 (Heidelberger Rechtswissenschaftliche Abhandlungen N. F. 19. Abhandlung) 50, 51. 11 Vgl. E. Föhr, Das Konkordat zwischen dem Heiligen Stuhle und dem Freistaate Baden vom 12. Oktober 1932. Italienischer und deutscher Text nebst Anlagen. Herausgegeben und mit Einführung und Anmerkungen versehen. Freiburg i. Br. 1933, 7 f.; derselbe, Geschichte des Badischen Konkordats. Freiburg i. Br. 1958, 10 – 19. 12 Th. Wacker, Das erste Friedenswerk im badischen Kulturkampf. Die Beilegung des Examensstreites. Freiburg i. Br. 1882; Fr. Dor, Prälat Dr. Franz Xaver Lender. Ein Lebensbild. Bühl (Baden) 21918, 117 – 159; J. Schofer, Erinnerungen an Theodor Wacker. Karlsruhe 1921; derselbe, Sperrgesetz und Sperrlingslos. Ein Ausschnitt aus dem badischen Kulturkampf. Karlsruhe 1930. 13 Vgl. z. B. Freiburger Zeitung vom 15. September 1932, 1. 14 Vgl. z. B. Breisgauer Zeitung vom 3. Dezember 1931.

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zu bestreiten und die letzteren gegen erstere zu mobilisieren.15 Die Nationalsozialisten lehnten schon aus ihrem Haß gegen das Weimarer „System“ und gegen das Zentrum ein Übereinkommen mit dem Apostolischen Stuhl ab. In der Sozialdemokratie summierten sich protestantische Ressentiments und kirchenfeindliche Einstellung sowie Angst vor dem Verlust von Wählerstimmen zum Widerstand gegen das Konkordat. Die Kommunisten waren aus ihrer grundsätzlichen Ablehnung der Religion gegen jede öffentliche Stellung der Kirchen und erst recht gegen jedes Paktieren des Staates mit diesen.16 Aber sogar sie behandelten den Evangelischen Kirchenvertrag glimpflicher als das Konkordat. Auf kirchlicher Seite war man sich der im Lande bestehenden feindseligen Stimmung gegen die katholische Kirche und der Schwierigkeiten, die dem Abschluß einer Vereinbarung mit dem Apostolischen Stuhl entgegenstanden, bewußt und ging nur zögernd auf den vor allem von der Römischen Kurie vorgebrachten Wunsch nach einer vertraglichen Abmachung ein.17 In Rom wußte man jedoch, daß auch die Regierung in Karlsruhe ein Interesse daran haben mußte, mit dem Apostolischen Stuhl ins Gespräch zu kommen. Denn manche gemeinsamen Angelegenheiten bedurften dringend der Klärung. Der Apostolische Stuhl gab seinem Standpunkt unmißverständlich Ausdruck und wies auf die Folgen hin, die die Weigerung, eine vertragliche Abmachung einzugehen, haben müsse. In der Antwort auf das Schreiben des Erzbischofs von Freiburg, Karl Fritz, vom 10. April 1926, in dem dieser den Abschluß eines Konkordats des Heiligen Stuhles mit Baden nicht für opportun hielt, bemerkte Kardinalstaatssekretär Pietro Gasparri am 2. Juni 1926, der Heilige Stuhl werde sich künftig bei der Besetzung von Ämtern in der Erzdiözese Freiburg nicht mehr wie bisher an das alte Recht halten, sondern sich angesichts der politischen Umwälzungen des Jahres 1918 für berechtigt ansehen, das ius commune, das heißt den Codex Iuris Canonici, anzuwenden.18 Indes gab das Ergebnis der Wahlen zum badischen Landtag am 27. Oktober 1929 den Konkordatsplänen Auftrieb. Die neue Regierung erhob den Abschluß eines Konkordats zu einem ihrer politischen Programmpunkte.19 15

Vgl. z. B. Freiburger Zeitung vom 7. Januar 1932, 1. Vgl. Verhandlungen des Badischen Landtags. IV. Landtagsperiode (28. Oktober 1929 bis 27. Oktober 1933). 1. Sitzungsperiode (28. Oktober 1929 bis 27. Oktober 1930), vom Landtag selbst amtlich herausgegeben und bestehend in einem Protokollheft (Repertorium nebst einem Band Niederschriften) und einem Beilagenheft. Beilagenheft enthaltend die Beilagen 1 – 158. Heft 563 der Drucksachen-Sammlung des Badischen Landtags, Karlsruhe 1930. Nr. 126 vom 19. März 1930; H. Rehberger, Die Gleichschaltung, 50, 51. 17 E. Föhr, Geschichte, 11, 12; A. Beer, Erzbischof Dr. Conrad Gröber. Ein Lebensbild. Konstanz 1958, 60 – 64; H. Köhler, Lebenserinnerungen des Politikers und Staatsmannes 1878 – 1949. Unter Mitwirkung von Fr. Zilken hrsg. von J. Becker. Stuttgart 1964, 322 f. 18 Privatarchiv Föhr; vgl. E. Föhr, Geschichte, 9. 19 Badische Landtagswahl am 27. Oktober 1929 auf Grund amtlichen Materials mit 2 Karten. Bearbeitet und herausgegeben vom Badischen Statistischen Landesamt. Karlsruhe 1930. Das Verzeichnis der bei dieser Wahl gewählten Abgeordneten findet sich ebenda 92 – 105 sowie in: Handbuch für den Badischen Landtag IV. Landtagsperiode 1929 – 1933. Im 16

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II. Die Fertigstellung des Entwurfs eines Konkordats Die Vorgeschichte und der Abschluß des Badischen Konkordats sind von kompetenter Seite dargestellt worden.20 Es braucht daher hier nicht der gesamte Verlauf der Entstehung desselben geschildert, sondern nur auf die Frage der Professuren für Philosophie und Geschichte an der Universität Freiburg eingegangen zu werden. 1. Die Aufnahme des die beiden Professuren betreffenden Passus in den Entwurf Bei der Besprechung, die am 18. November 1929 im Konradihaus zu Konstanz zwischen dem Apostolischen Nuntius in Deutschland, Eugenio Pacelli, dem Prälaten Ludwig Kaas, dem Prälaten Josef Schofer und dem Abgeordneten Ernst Föhr über ein eventuell abzuschließendes Konkordat zwischen dem Apostolischen Stuhl und dem Land Baden stattfand, herrschte darüber Klarheit, daß unter anderem die katholisch-theologische Fakultät an der Universität Freiburg Gegenstand der Abmachung sein müsse.21 Der Entwurf (E 1) des badischen Ministers des Kultus und Unterrichts, Adam Remmele, vom 20. Oktober 1930 sah denn auch in Art. IX eine Garantie der katholisch-theologischen Fakultät an der Universität Freiburg vor. Der Entwurf der badischen Zentrumsfraktion (E 2) unterschied sich in diesem Punkt nicht.22 Der Referenten-Entwurf (E 3) vom März 1931 stimmte ebenfalls damit überein.23 Das blieb auch so in dem Entwurf, den der neue badische Kultusminister24 Eugen Baumgartner Ende des Jahres 1931 vorlegte.25 Der Entwurf vom 11. Februar 1932 geht nicht weiter, ebensowenig die am 23. Juni 1932 im Kabinett beschlossene Fassung.26 In keinem dieser Entwürfe findet sich ein Wort über die beiden, für die Ausbildung der Theologiestudierenden bestimmten, in der philosophischen Fakultät der Universität Freiburg bestehenden Professuren für Philosophie und Geschichte. Mit diesen hatte es folgende Bewandtnis. Nach langem Drängen des katholischen Volksteils und des Erzbischofs von Freiburg waren im Jahre 1893 ein Lehrstuhl für Geschichte und im Jahre 1903 ein Lehrstuhl für Philosophie, die mit Katholiken zu besetzen waren, an der Universität Freiburg errichtet worden.27 Auftrag des Landtags zusammengestellt und bearbeitet von K. Groß. O. O. und o. J., 142 – 168; vgl. E. Föhr, Geschichte, 14. 20 E. Föhr, Geschichte, passim. 21 Privatarchiv Föhr. 22 Privatarchiv Föhr; vgl. E. Föhr, Geschichte, 18, 19 f. 23 Privatarchiv Föhr; vgl. E. Föhr, Geschichte, 21. 24 Seit dem 18. September 1931. 25 Privatarchiv Föhr; vgl. E. Föhr, Geschichte, 24, 29 – 32. 26 Privatarchiv Föhr; vgl. E. Föhr, Geschichte, 32. 27 G. Goetz, Die schulrechtlichen Bestimmungen der neuen und neuesten europäischen Konkordate in ihrer Beziehung zur jeweiligen staatlichen Schulgesetzgebung. (Theol. Diss. Freiburg i. Br.). Regensburg 1936, 162; E. Will, Das Konkordat zwischen dem Heiligen Stuhl

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Damit hatte die badische Regierung ein Desiderat erfüllt, das beispielsweise der protestantische Freiburger Historiker Georg von Below als vollauf berechtigt anerkannt hatte.28 Baden war damit dem in Preußen29 und Bayern30 gegebenen Beispiel gefolgt. Man wird annehmen müssen, daß in Baden nicht anders wie in Preußen und Bayern der Verwaltungsbrauch31 schon vor Abschluß des Konkordats in Gewohnheitsrecht erwachsen war. Die Frage der vertraglichen Sicherung dieses Gewohnheitsrechtes tauchte erst in der Endphase der Formulierung des Konkordatstextes auf. Die entscheidende Einfügung ist in der Sitzung des Erzbischöflichen Ordinariats Freiburg vom 1. Juli 1932 erfolgt.32 Der Erzbischof Konrad Gröber hatte diese außerordentliche Sitzung eigens zum Zwecke der Erarbeitung einer Stellungnahme zu dem Konkordatsentwurf einberufen. In gemeinsamer Beratung des Erzbischofs mit den Wirklichen Geistlichen Räten33 wurden die einzelnen Artikel des geplanten Konkordats durchgesprochen, Bedenken und Beanstandungen zu Protokoll genommen. Zu Art. X Abs. 2 wurden zwei Änderungen gewünscht. Nach den Worten „des Erzbischofs“ sollten die Worte „oder des Kapitularvikars“ eingefügt werden, wie ja auch in Abs. 1 beide Amtsträger genannt waren. Nach den Worten „an der katholisch-theologischen Fakultät“ sollten die Worte „oder eines für die katholischen Theologiestudierenden an der philosophischen Fakultät der Universität Freiburg i. Br. angestellten Lehrers“ aufgenommen werden. Hier wird zum ersten Mal während der Konkordatsverhandlungen die Einbeziehung der herkommensmäßig mit Katholiken zu besetzenden Professuren in das Konkordat gewünscht, und zwar von kirchlicher Seite. Welche der an der Ordinariatssitzung beteiligten Per-

und dem Freistaat Baden vom 12. Oktober 1932. (Jur. Diss. Freiburg i. Br.). Freiburg i. Br. 1953 (Masch.), 149, gibt für letzteren das Jahr 1901 an. 28 G. v. Below, Die katholische Kirche und die preußischen Universitäten. Internationale Monatsschrift für Wissenschaft, Kunst und Technik 6 (1912) 291 – 338; derselbe, Konfessionelle Professuren. Der Tag. Illustrierter Teil. Nr. 209 vom 6. September 1913. Ausgabe A (mit Nachrichten-Teil), 1 f.; derselbe, Die konfessionellen Professuren. Der Tag. Nr. 229 vom 30. September 1913. Ausgabe A. 3. 29 G. May, Mit Katholiken zu besetzende Professuren an der Universität Breslau von 1811 bis 1945. Ein Beitrag zu dem Ringen um Parität in Preußen. ZRGKan 53 (1967) 155 – 272; 54 (1968) 200 – 268. 30 A. M. Koeniger, Die neuen deutschen Konkordate und Kirchenverträge mit der preußischen Zirkumskriptionsbulle. Bonn–Köln 1932 (Kanonistische Studien und Texte Bd. 7) 128; 211; J. Mayer, Geschichte der sogenannten Konkordatsprofessuren. Klerusblatt 46 (1966) 201 – 207. 31 Als solchen bezeichnet die Praxis richtig L. Link, Die Besetzung der kirchlichen Ämter in den Konkordaten Pius‘ XI. Bonn 1942 (Kanonistisdie Studien und Texte Bd. 18 und 19) 138. 32 Privatarchiv Föhr; Ordinariats-Archiv, Kirche und Staat, Das Badische Konkordat 1932/ 3, 29/138, 29/141; vgl. E. Föhr, Geschichte, 38. 33 Nach einem Schreiben Ernst Föhrs vom 27. April 1971 nahmen an der Sitzung die sechs Mitglieder des Domkapitels und zwei Ordinariatsräte teil.

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sönlichkeiten den Vorschlag gemacht hat, ist unbekannt.34 Der vorgeschlagene Text berücksichtigt die beiden katholischen Professoren in der philosophischen Fakultät nur in negativer Hinsicht, das heißt im Hinblick auf ein mögliches Versagen in Lehre, Lebenswandel oder Lehrbefähigung derselben. Die Existenz der in Frage kommenden Professuren selbst wird nicht unmittelbar garantiert, sondern vorausgesetzt. Ihre Inhaber werden nach dem Textvorschlag des Ordinariats einer Aufsicht des Erzbischofs unterworfen. Dieser soll das Recht der Beanstandung haben, und zwar im gleichen Umfang und nach denselben Rücksichten wie gegenüber den Theologieprofessoren. Ebenso soll der Staat die gleiche Pflicht wie bei der Beanstandung eines Theologieprofessors haben; er muß für einen den Lehrbedürfnissen entsprechenden Ersatz sorgen. Ein Mitwirkungsrecht des Erzbischofs bzw. des Kapitelsvikars bei Berufung, Zulassung oder Anstellung der in Frage kommenden katholischen Professoren in der philosophischen Fakultät wurde von dem Erzbischof bzw. dem Erzbischöflichen Ordinariat nicht verlangt. In dieser Hinsicht begehrte man also keine Gleichstellung mit den Theologieprofessoren. Die Lehrer an der philosophischen Fakultät, die hier gemeint sind, werden als „für die katholischen Theologiestudierenden“ angestellt bezeichnet. Es ist also in dem Vorschlag des Ordinariats für die Begründung der Existenz der beiden Professuren allein auf die Ausbildungsbedürfnisse der Theologen, nicht auf weitergehende Paritätserwägungen abgestellt. Dies war in der Tat der Gesichtspunkt, unter dem sich die Aufnahme einer derartigen Bestimmung in das Konkordat rechtfertigte. Es kann jedoch keinem Zweifel unterliegen, daß damit eine Beschränkung der Lehrtätigkeit der beiden Professoren auf die Theologiestudierenden weder beabsichtigt war noch erschlossen werden kann, und muß als selbstverständlich gelten, daß sie wie alle Angehörigen der philosophischen Fakultät auch und sogar zuerst den Studierenden dieser Fakultät zur Verfügung stehen sollten. Unmittelbar an diesen Entwurf anschließend sind die Änderungsvorschläge des Erzbischofs beziehungsweise des Erzbischöflichen Ordinariats unter dem Datum des 7. Juli 1932 noch einmal zusammengefaßt. Als letzter Satz des Art. X Abs. 2 taucht nun neu der folgende auf: „Der badische Staat wird dafür Sorge tragen, daß an der Universität Freiburg eine katholische Weltanschauungsprofessur für Philosophie und Geschichte errichtet bleibt, die mit einer für die Ausbildung der Theologiestudierenden geeigneten Persönlichkeit besetzt wird.“ Nach dem neuen Textvorschlag sollte der Status quo bezüglich der beiden in Rede stehenden Professuren in der philosophischen Fakultät der Universität in dem Konkordat ausdrücklich anerkannt werden und eine formelle vertragliche Garantie erhalten. Unglücklich ist freilich der hier zum erstenmal während der Konkordatsverhandlungen auftauchende Ausdruck „Weltanschauungsprofessur“, der später, obwohl er in den endgültigen Konkordatstext keine Aufnahme fand, noch lange herumgeisterte. Im ei34 In dem Entwurf, der in dem Archiv des Erzbischöflichen Ordinariats Freiburg liegt, findet sich hinter den Worten „katholisch-theologischen Fakultät“ am Rand, mit der Handschrift Erzbischof Gröbers eingetragen, der Zusatz: „oder für die katholischen Theologen in der philosophischen Fakultät“.

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gentlichen Sinne sind nämlich Weltanschauungsprofessuren mit Theologen besetzte Lehrstühle an Universitäten ohne theologische Fakultät, die das Lehrangebot nach der Seite einer bestimmten Religion ergänzen wollen. Nur im uneigentlichen Sinne können die mit Katholiken zu besetzenden Lehrstühle der Philosophie und Geschichte als Weltanschauungsprofessuren bezeichnet werden.35 Die in Freiburg bestehenden, mit Katholiken zu besetzenden Lehrstühle für Philosophie und Geschichte fallen in die zweite Kategorie. In dem neuen Text ist das in dem ersten Vorschlag des Ordinariats enthaltene Recht des Erzbischofs, die beiden Professoren für Philosophie und Geschichte beanstanden zu können, fallengelassen. Die bedenkliche Gleichstellung von Lehrern der philosophischen Fakultät mit denen der theologischen hinsichtlich des Verhältnisses zu der kirchlichen Behörde war damit eliminiert. Der Entwurf vom 7. Juli enthält mithin gegenüber jenem vom 1. Juli entscheidende Verbesserungen.

2. Die Verhandlungen der Staatsregierung mit dem Apostolischen Stuhl Vom 5. bis 11. August 1932 fanden zwischen Kultusminister Baumgartner und Kardinalstaatssekretär Pacelli mündliche Verhandlungen über das Konkordat in Rom statt. An ihnen nahmen auch der Freiburger Erzbischof Gröber und der Vorsitzende der Zentrumsfraktion im badischen Landtag, Föhr, teil.36 Die katholischen Professuren in der philosophischen Fakultät fanden in dem dabei redigierten, im Probedruck mit dem Datum des 11. August 1932 versehenen Text entgegen dem Vorschlag des Erzbischofs beziehungsweise des Erzbischöflichen Ordinariats in Art. X keine Erwähnung. Aber das einmal vorgebrachte Anliegen geriet nicht in Vergessenheit. Es tauchte jetzt vielmehr als auf Art. IX (wissenschaftliche Ausbildung der Geistlichen) bezogene Erläuterung in dem neu angefügten Schlußprotokoll zu dem Konkordat auf und hatte folgenden Wortlaut erhalten: „Im Hinblick auf die in Artikel VII geforderte philosophisch-theologische Ausbildung wird der Badische Staat dafür Sorge tragen, daß an der Universität Freiburg je eine Professur für Philosophie und Geschichte besteht, die mit je einer Persönlichkeit besetzt wird, welche für die einwandfreie Ausbildung der Theologiestudierenden geeignet ist. In considerazione della formazione filosofico-teologica, prevista nell’ articolo VII, lo Stato del Baden provvederà che nell’ Università di Friburgo vi siano una cattedra di filosofia e una di storia assegnate a titolari adatti alla retta formazione degli studenti di teologia cattolica.“ Aus diesem Text ergibt sich mehreres. Einmal hatten der Apostolische Stuhl und die Staatsregierung sich die Anregung des Erzbischofs bzw. des Erzbischöflichen Ordinariats Freiburg, die beiden für die Ausbildung der Theologiestudierenden erforderlichen Professuren in der philosophischen Fakultät 35 M. Meinertz, Weltanschauungsprofessur. StL 5V 1157 – 1159 (Lit.); M. Honecker, Weltanschauungsprofessuren. LThK X 815. 36 E. Föhr, Geschichte, 39 f.

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der Universität Freiburg in die Konkordatsregelung einzubeziehen, zu eigen gemacht. Ob Erzbischof Gröber mit dem Wunsch, diese Vorschrift eingefügt zu sehen,37 an den Apostolischen Stuhl oder an den Kultusminister oder an beide zugleich herangetreten ist, läßt sich nicht mehr ausmachen. In jedem Falle zeigten sich beide Seiten von der Notwendigkeit oder Nützlichkeit überzeugt, eine derartige Bestimmung in den Text des Konkordats aufzunehmen, was deswegen bemerkenswert ist, weil vorauszusehen war, daß diese Erweiterung des Textes die parlamentarische Behandlung des Konkordats nicht erleichtern werde. Indem man jedoch die beiden Professuren in der philosophischen Fakultät aus Art. X herausnahm, vermied man den (falschen) Anschein, als sei ihre Rechtsstellung gegenüber dem Erzbischof jener der katholischen Theologieprofessoren gleich. Damit wurde die in gewisser Hinsicht gefährliche Aufnahme einer Bestimmung über diese Professuren in das Konkordat nicht unerheblich entschärft. Außerdem hatten die bevollmächtigten Unterhändler die Bestimmung aus dem eigentlichen Vertragstext herausgenommen und in das Schlußprotokoll verwiesen. Die Schlußprotokolle von Verträgen enthalten bekanntlich „materielle und formelle Erläuterungen und Zusätze zur Haupturkunde“, vor allem „nähere Bestimmungen über die Ausführung der einzelnen Artikel“38. Durch diese Plazierung gaben die Vertragspartner zu verstehen, daß sie in der Garantie einer bestimmten Besetzung zweier Professuren an der philosophischen Fakultät der Universität Freiburg nicht eine gegenüber dem Vertragstext neue Vorschrift, sondern nur eine Folgerung aus ihm, näherhin aus der Festsetzung einer pflichtgemäßen philosophischen Ausbildung der Theologiestudierenden (Art. VII), sahen. Dieses Verständnis der Vorschrift wurde eigens hervorgehoben durch die Einfügung der Worte: „im Hinblick auf die in Artikel VII geforderte philosophisch-theologische Ausbildung“. Zugleich besaß diese Umstellung aber taktischen Wert. Denn man mochte hoffen, daß die Erklärungen des Schlußprotokolls weniger die Aufmerksamkeit der kritischen Öffentlichkeit finden würden als der eigentliche Vertragstext. Dabei war der rechtlichen Bedeutung der so plazierten Bestimmung nichts vergeben. Denn den Ausführungen des Schlußprotokolls kommt die gleiche Rechtskraft zu wie jenen der Haupturkunde.39 Schließlich hatte man das unglückliche, unzutreffende und aufreizende Wort „Weltanschauungsprofessuren“ durch die treffende Bezeichnung „je eine Professur für Philosophie und Geschichte“ ersetzt. Mit dieser terminologischen Verbesserung war, so konnte angenommen werden, ein weiterer Stein des Anstoßes aus dem Weg geräumt. Um die Formulierung des Schlußprotokolls wurde in Rom lebhaft gerungen. In dem Entwurf, der sich in dem Archiv des Erzbischöflichen Ordinariats Freiburg befindet,40 ist zu Art. VII Abs. 1 bemerkt: „Im Hinblick auf die in Artikel VII 37 38

228. 39 40

Vgl. E. Föhr, Geschichte, 40. L. Bittner, Die Lehre von den völkerrechtlichen Vertragsurkunden. Berlin-Leipzig 1924, Vgl. L. Bittner, Die Lehre von den völkerrechtlichen Vertragsurkunden, 225. Ordinariats-Archiv, Kirche und Staat, Das Badische Konkordat 1932/3, 29/138.

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geforderte philosophisch-theologische Ausbildung wird der badische Staat dafür Sorge tragen, daß an der Universität Freiburg die beiden Weltanschauungsprofessuren für Philosophie und Geschichte erhalten bleiben und mit für die philosophische Ausbildung der Theologiestudierenden geeigneten Persönlichkeiten besetzt werden.“ Die Worte „philosophische“ bis „geeigneten“ sind mit Handschrift geschrieben. Dafür ist am Schluß – nach „besetzt werden“ – eingefügt: „die für die Ausbildung der Theologiestudierenden geeignet sind“. Es ist die Handschrift Erzbischof Gröbers. Er hat auch am Rande hinzugefügt: „Wer hat darüber zu entscheiden?“, nämlich über die Eignung der beiden Professoren der philosophischen Fakultät. Es kam nun darauf an, wie sich das Kabinett und die Parteien zu dem veränderten Entwurf des Konkordats stellten. In einem Schreiben an das badische Staatsministerium vom 18. August 1932 gab Minister Baumgartner einen Bericht über seine Verhandlungen mit Kardinalstaatssekretär Pacelli.41 Wesentliche Änderungen, so führte er aus, an dem in den Koalitionsverhandlungen und in der Sitzung des Staatsministeriums vom 23. Juni 193242 festgestellten Entwurf des Konkordats seien nicht erfolgt. Die vorgenommenen Änderungen seien nur redaktioneller und interpretativer Natur. Im Schlußprotokoll seien jeweils die aus den Vertragsbestimmungen selbst sich ergebenden Interpretationen und Ausführungsbestimmungen, wie sie vom Heiligen Stuhl oder ihm gewünscht wurden, enthalten. Die im Schlußprotokoll zu Art. IX vereinbarte Bestimmung sei eine Folge der im Konkordat selbst zwingend gegebenen Vorschrift, daß die Theologiestudierenden an der Universität Freiburg eine mindestens dreijährige Ausbildung in den philosophischtheologischen Fächern erhalten müssen. Es sei darum berechtigt, daß für die Ausbildung der Theologiestudierenden an der Freiburger Universität je eine Professur für Philosophie und Geschichte bestehe, die mit je einer Persönlichkeit besetzt werde, die für eine einwandfreie Ausbildung der Theologiestudierenden geeignet sei. Diese Bestimmung entspreche auch dem seit Jahrzehnten in Freiburg bestehenden, seinerzeit vom Landtag beschlossenen Zustand.

3. Die Beratung der Staatsregierung mit den Parteien Am 25. August 1932 berieten das badische Staatsministerium und die Führer der drei Koalitionsparteien sechs Stunden lang über den vereinbarten Entwurf des Konkordats.43 Die badische Regierung bestand zu jener Zeit aus einer Koalition von Zentrum, Sozialdemokratischer Partei und Deutscher Volkspartei. Die Aussprache verlief nicht ohne Schwierigkeiten. Es wurden vier Gravamina vorgebracht, von denen eines das Schlußprotokoll zu Art. IX betraf. Die Deutsche Volkspartei lehnte diese Bestimmung rundweg ab. Die Sozialdemokratie war dagegen willens, sie zu 41

Privatarchiv Föhr; vgl. E. Föhr, Geschichte, 41. Vgl. E. Föhr, Geschichte, 36. 43 E. Föhr, Geschichte, 41 f.; H. Rehberger, Die Gleichschaltung, 41. 42

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akzeptieren.44 Das Zentrum war zur Preisgabe der Abrede nicht bereit. In einem Schreiben vom gleichen Tage an den Kardinalstaatssekretär45 rechnete der Vorsitzende der badischen Zentrumspartei, Föhr, nicht ernstlich mit Nachverhandlungen. Für den Fall, daß es doch dazu kommen sollte, empfahl er dem Heiligen Stuhl ein Entgegenkommen bei der Formulierung des Art. IV Abs. 3, dafür aber Gegenforderungen auf dem Gebiet der Schule,46 eventuell auch Ansprüche auf Errichtung von Weltanschauungsprofessuren an der Universität Heidelberg und der Technischen Hochschule Karlsruhe zu stellen. Föhr legte also das Schwergewicht eindeutig auf die Fragen der Kultur und war zu Opfern bei den Vermögensangelegenheiten bereit. Minister Baumgartner unterbreitete in einem Schreiben vom 26. August 1932 die Änderungswünsche der Koalitionspartner dem Heiligen Stuhl. Der Vorsitzende der badischen Zentrumspartei, Föhr, kommentierte in seinem Brief vom 27. August 1932 an den Kardinalstaatssekretär dieses Schreiben.47 Er empfahl dem Heiligen Stuhl erneut, hinsichtlich des Schlußprotokolls zu Art. IX und XI unnachgiebig zu bleiben, bei Art. IVAbs. 3 und Art. III Abs. 2 Entgegenkommen zu zeigen. Aus taktischen Gründen solle der Heilige Stuhl Ergänzungsforderungen zu Art. IX und XI stellen. Dann werde man wohl eine Einigung auf der Basis der römischen Verhandlungen erreichen. Es gehe darum, daß die anderen Parteien sagen könnten, sie hätten noch etwas erreicht und weitergehende Forderungen abgelehnt. Dieser Brief zeigt die parlamentarische Erfahrung Föhrs und zugleich das niedrige Niveau parteipolitischen Finessierens. Der Kardinalstaatssekretär folgte in seinem Antwortschreiben an den Kultusminister vom 31. August 1932 gänzlich den Empfehlungen Föhrs.48 Er war zum Entgegenkommen in den angegebenen Punkten bereit, lehnte aber die Streichung der Bestimmungen des Schlußprotokolls zu Art. IX und XI ab. Zugleich beantragte er Weltanschauungsprofessuren für Heidelberg und Karlsruhe sowie die Aufnahme einer Vorschrift zum Schutz der Glaubensüberzeugung und des religiösen Empfindens der katholischen Schüler. Damit hatten die beiden Kontrahenten Forderungen angemeldet, die neue Verhandlungen als notwendig erscheinen ließen, falls es nicht gänzlich um das Konkordat geschehen war. Denn im September 1932 traten ernste Schwierigkeiten auf. Die Deutsche Volkspartei versuchte über die Sozialdemokratische Partei das Konkordat zu Fall zu bringen.49 Als Punkt, an dem der Hebel angesetzt wurde, wählte 44

Vgl. E. Föhr, Geschichte, 41. Privatarchiv Föhr. 46 Die Verfassung vom 21. März 1919 hatte die Frage, ob der Religionsunterricht ein Pflichtfach sei, ungelöst gelassen (§ 19 Abs. 2 und 3); vgl. K. Glockner, Badisches Verfassungsrecht. Mit Erläuterungen herausgegeben. Karlsruhe 21930, 119 – 123. 47 Privatarchiv Föhr; vgl. E. Föhr, Geschichte, 42. 48 Privatarchiv Föhr; vgl. E. Föhr, Geschichte, 42. 49 Freiburger Zeitung vom 15. September 1932 S. 1; vgl. E. Föhr, Geschichte, 42. 45

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man die Bestimmung bezüglich der zwei Professuren in der philosophischen Fakultät. Der sozialdemokratische Fraktionsführer, Staatsrat Leopold Rückert,50 forderte in einem Schreiben an den Kultusminister Baumgartner vom 2. September 1932 unter anderem, im Schlußprotokoll die Bemerkungen zu Art. IX und XI zu streichen.51 Damit hatte die Sozialdemokratische Partei sich im Hinblick auf die Frage der konfessionellen Professuren der Deutschen Volkspartei angeschlossen. Die Konkordatsverhandlungen schienen in eine Sackgasse geraten zu sein. In einer Besprechung am 5. September 1932 erklärte Föhr dem Staatsrat Rückert, einen Verzicht des Heiligen Stuhls auf das Schlußprotokoll zu Art. IX halte er nicht für erreichbar. Rückert hingegen machte die Zustimmung seiner Partei zum Konkordat von der Streichung des Schlußprotokolls zu Art. IX abhängig. Ohne dieses könne er vielleicht Stimmenthaltung der Sozialdemokraten erreichen.52 Die sozialdemokratische Presse unterstützte Rückerts Standpunkt. Der Sozialdemokrat Harpuder bezeichnete es am 15. September 1932 als eine „unannehmbare vertragliche Bindung“, wenn man den Versuch mache, den Staat zur Errichtung und Erhaltung von konfessionell gebundenen Philosophie- und Geschichtsprofessuren zu verpflichten; ein gleichzeitig geplantes evangelisches Konkordat würde dazu Parallelbestimmungen bringen. Falls dies überhaupt notwendig oder nützlich sei, könne es zwar vom Staat beschlossen oder abgelehnt werden, dürfe aber nicht in ein Konkordat aufgenommen werden.53 Auch der Heilige Stuhl beharrte auf seiner Forderung und ging von der vertraglichen Sicherung der beiden umstrittenen Professuren nicht ab. Kardinalstaatssekretär Pacelli erklärte in einem Schreiben vom 10. September 1932 an Föhr, er stimme diesem in der Ansicht bei, daß das Schlußprotokoll zu Art. IX nicht gestrichen werden könne.54 Am 16. September 1932 fand wiederum eine Sitzung des Staatsministeriums mit den Führern der drei Koalitionsparteien statt.55 Es wurden geringfügige Änderungen in der Formulierung der Art. IV Abs. 3, XI und des Schlußprotokolls zu Art. XI vorgenommen. Daraufhin genehmigte das Staatsministerium, also auch der der Deutschen Volkspartei angehörende Finanzminister Mattes und Rückert als Vertreter der SPD, den Vertrag im ganzen. Die Angehörigen der Deutschen Volkspartei stimmten aber auch jetzt wieder gegen das Schlußprotokoll zu Art. IX. Die sozial50

Nach § 52 Abs. 2 der badischen Verfassung konnte der Landtag nach Bedarf dem Staatsministerium Mitglieder ohne eigenen Geschäftsbereich, Staatsräte genannt, mit Sitz und Stimme beiordnen. Sie waren gleichsam Minister ohne Portefeuille; vgl. J. A. Zehnter, Die Badische Verfassung vom 21. März 1919. Mit einer Vorgeschichte und Anmerkungen versehen. Mannheim-Berlin-Leipzig 1919, 115; K. Glockner, Badisches Verfassungsrecht, 279 f. 51 Privatarchiv Föhr; vgl. E. Föhr, Geschichte, 43. 52 Schreiben Föhrs an den Kardinalstaatssekretär vom 6. September 1932. Privatarchiv Föhr; vgl. E. Föhr, Geschichte, 43. 53 Volksstimme vom 15. September 1932; Volksfreund vom 16. September 1932 S. 4. 54 Privatarchiv Föhr; vgl. E. Föhr, Geschichte, 43. 55 E. Föhr, Geschichte, 43; H. Rehberger, Die Gleichschaltung, 41 f.

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demokratische Landtagsfraktion beschloß alsbald nach der Sitzung des Staatsministeriums, dem Konkordat zuzustimmen. Die Fraktion der Deutschen Volkspartei stellte ihre Abstimmung zu dem Vertragswerk noch zurück. In dem Schreiben vom 17. September 1932 an den Kardinalstaatssekretär, in dem Föhr diesen Bericht gab,56 zeigte er sich zuversichtlich. Selbst wenn die Deutsche Volkspartei wegen des Schlußprotokolls zu Art. IX ihre endgültige Zustimmung versagen sollte, sei im Landtag eine große Mehrheit, 53 von 88 Stimmen, gesichert. Der Heilige Stuhl dürfe allerdings jetzt nicht mehr auf irgendwelchen Änderungen bestehen. Der Vertrag stelle in der jetzigen Fassung das Maximum dessen dar, was erreicht werden könne. Der Apostolische Stuhl gab sich zufrieden. Am 12. Oktober 1932 wurde das Konkordat in Hegne bei Konstanz von den Vertragspartnern unterzeichnet.57 Die Hoffnung Föhrs, es werde sich eine verhältnismäßig breite parlamentarische Mehrheit für das Konkordat finden,58 sollte sich jedoch bald als unbegründet herausstellen. Am 25. Oktober 1932 mußte Föhr dem Kardinalstaatssekretär berichten,59 daß die bevorstehenden Landtagsverhandlungen über das Konkordat schwierig sein würden. Die sozialdemokratische Landtagsfraktion sei von ihrer Parteileitung gezwungen worden, dem Konkordat die Zustimmung zu versagen; es sei damit zu rechnen, daß sich die Sozialdemokraten der Stimme enthalten. Er hoffe auf eine erfolgreiche Abstimmung durch Stichentscheid des dem Zentrum angehörenden Landtagspräsidenten. In Deutschland würden die Interessen der Kirche nur vom Zentrum wahrgenommen. Soweit andere Parteien gelegentlich mitgingen, geschehe es nur aus Furcht, Stimmen an das Zentrum zu verlieren. Ohne das Zentrum wären alle Errungenschaften für die Kirche in Deutschland nicht zu halten und auch ein abgeschlossenes Konkordat von geringer Bedeutung, weil es dann vom staatlichen Vertragspartner gebrochen würde.60 Die Befürworter des Konkordats unter den Parteien schmolzen also immer mehr zusammen. Die Sozialdemokratie schwenkte hauptsächlich aus wahltaktischen Gesichtspunkten von ihrer früheren Bejahung des Konkordats ab.61 Unter dem Druck der Konkurrenz der Kommunisten und angesichts der wachsenden politischen und wirtschaftlichen Not im Volk war die Bereitschaft zu einem Vertragsabschluß mit den Kirchen geschwunden. Auf der Sitzung vom 24. Oktober 1932 in Karlsruhe beschlossen Parteiausschuß und Landtagsfraktion der SPD, dem Kon-

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Privatarchiv Föhr; vgl. E. Föhr, Geschichte, 43 f. E. Föhr, Geschichte, 44. 58 Nach § 29 Abs. 3 der badischen Verfassung bedurften alle Staatsverträge zu ihrer Gültigkeit der Gesetzesform. Das Konkordat hatte also noch die Hürde des Landtags zu nehmen. 59 Privatarchiv Föhr. 60 Vgl. dazu die jüngste rückschauende Betrachtung von E. Föhr, In memoriam Brüning. Anzeiger für katholische Geistlichkeit 80 (1971) 169 – 174. 61 H. Rehberger, Die Gleichschaltung, 42 f. 57

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kordat und dem Kirchenvertrag „die Zustimmung zu versagen“.62 Die Schwenkung der Sozialdemokratie war der Deutschen Volkspartei, die sowieso nur mit halbem Herzen bei der Sache war, der willkommene Anlaß, um sich ihrerseits einer Angelegenheit zu entziehen, die bei den Liberalen unpopulär, ja ihnen peinlich war. Am 8. November 1932 schrieb Föhr dem Kardinalstaatssekretär, die Deutsche Volkspartei betrachte aufgrund der Haltung der Sozialdemokratie das Vertragswerk als gescheitert und werde daher die Parteiinstanzen nicht mehr damit befassen, aber sich wenigstens der Stimme enthalten.63

III. Die parlamentarische Behandlung 1. Die Ausgangslage Mitte November wurden das Konkordat und der Kirchenvertrag64 in dem badischen Landtag eingebracht. Von den parlamentarischen Verhandlungen interessiert hier nur die Behandlung der Bestimmung betreffend die beiden mit Katholiken zu besetzenden Lehrstühle in der philosophischen Fakultät. In der Regierungsbegründung des Schlußprotokolls zu Art. IX65 wurde die Verpflichtung der Regierung, für das Vorhandensein von zwei für die Ausbildung der Theologiestudierenden geeigneten Professuren in der philosophischen Fakultät Freiburg zu sorgen, mit dem Hinweis auf Art. VII gerechtfertigt. Da dort „die zwingende Vorschrift“ enthalten sei, daß die Studierenden der katholischen Theologie „ihre philosophischen Studien“ an der Universität betreiben müssen, „wenigstens soweit die übergroße Mehrheit derselben in Betracht kommt“, so müsse der Staat „naturgemäß auch die Garantie geben, daß diese philosophische Ausbildung durch Lehrkräfte erfolgt, die für die einwandfreie Ausbildung der Theologiestudierenden geeignet sind“. Aus diesem Grunde seien auch „seit Jahrzehnten“ an der Universität Freiburg „solche Professuren für Philosophie und Geschichte errichtet und mit solchen Persönlichkeiten besetzt worden“. Mit dem Beginn der parlamentarischen Verhandlungen über das Konkordat setzte eine wilde Kampagne der Gegner ein.66 Am 16. November 1932 berichtete Föhr dem Kardinalstaatssekretär67, im Lande tobe der reine Kulturkampf wegen des 62

Volksfreund Nr. 249 vom 26. Oktober 1932 S. 2; vgl. E. Föhr, Geschichte, 46. Privatarchiv Föhr; vgl. E. Föhr, Geschichte, 47 64 Badischer Landtag. Sitzungsperiode 1931/32 (sic) Nr. 4a. Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag des Freistaates Baden mit der Verein. Ev.-prot. Landeskirche Badens. 14. 11. 1932. 65 Badischer Landtag. Sitzungsperiode 1932/33 Nr. 4. Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag (Konkordat) des Freistaates Baden mit dem Heiligen Stuhl. 7. 11. 1932, 31 f. 66 E. Föhr, Geschichte, 49. 67 Privatarchiv Föhr; vgl. E. Föhr, Geschichte, 44 – 49; H. Rehberger, Die Gleichschaltung, 42. 63

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Konkordats. Am heftigsten wüteten die Kommunisten und die Demokraten (Staatspartei), letztere im Bund mit dem Badischen Lehrerverein. Dieser war unter anderem von linksstehenden Katholiken gegen das Konkordat eingenommen worden. So hatte der katholische Kulturphilosoph Ernst Michel in einem Vortrag, den er am 21. Januar 1931 in Mannheim vor dem Badischen Lehrerverein gehalten hatte, scharf gegen Konkordate und angebliche kuriale Machtansprüche, die den freien selbständigen Wirkbereich der katholischen Laien zugunsten der amtskirchlichen Autorität zu enteignen suchten, polemisiert. Der bayerische Staat habe mit seinem Konkordat gegenüber dieser Autorität kapituliert. Indem er neben den theologischen Professoren auch die sogenannten katholischen Philosophie- und Geschichtsprofessoren weitgehend der kirchlichen Autorität unterstelle, übersehe er, daß christliche Philosophie und Wissenschaft nur kraft eines selbständigen Einsatzes christlicher Glaubenskräfte im Bereich wissenschaftlicher und philosophischer Erkenntnis betrieben werden könne. Der Staat habe die Pflicht, die Freiheit des katholischen Volkes gegen ungerechtfertigte Ansprüche der Amtskirche, insbesondere der Kurie, zu schützen.68 Die Ausführungen des mißvergnügten Intellektuellen Michel verraten zwar geringe rechtliche, wissenschaftstheoretische und fundamentaltheologische Kenntnisse. Aber sie vermochten, wie der ihm gezollte Beifall der Anwesenden und die Berichterstattung in der Presse erkennen ließen, Emotionen gegen das geplante Konkordat und vor allem gegen gewisse auf die Universität bezügliche Bestimmungen wachzurufen, die von Dauer waren und das Vertragswerk beinahe zum Scheitern gebracht hätten. Der Haushaltsausschuß des badischen Landtags nahm die beiden Verträge am 23. November 1932 an.69 Am 26. November 1932 bezeichnete Föhr in einem Schreiben an den Kardinalstaatssekretär70 die Annahme des Konkordats im Plenum des Landtags als unsicher. Das Zentrum stehe allein. Die Bemühungen, den Evangelischen Volksdienst über das Angebot einer Regierungsbeteiligung in Baden für die Zustimmung zum Konkordat zu gewinnen, in die sich auch der frühere Reichskanzler Heinrich Brüning einschaltete71, mißlangen.72 Der Evangelische Volksdienst war verärgert, daß sein Antrag vom 11. November 1931 nicht durchgedrungen war.73 Dieser sah für die 68

Neue Badische Landeszeitung vom 23. Januar 1931 S. 2. Badischer Landtag. Sitzungsperiode 1932/33 Nr. 4b, 4c. Anträge des Haushaltsausschusses auf Zustimmung zu den Gesetzentwürfen zu Konkordat und Kirchenvertrag. 70 Privatarchiv Föhr; vgl. E. Föhr, Geschichte, 49 f. 71 Brief von Heinrich Brüning an Wilhelm Simpfendörfer vom 27. November 1932. Privatarchiv Föhr. 72 Brief von Wilhelm Simpfendörfer an Heinrich Brüning vom 2. Dezember 1932. Privatarchiv Föhr. 73 Verhandlungen des Badischen Landtags. IV. Landtagsperiode (28. Oktober 1929 bis 27. Oktober 1933). 3. Sitzungsperiode (28. Oktober 1931 bis 10. November 1932), vom Landtag selbst amtlich herausgegeben und bestehend in einem Protokollheft (Repertorium nebst einem Band Niederschriften) und einem Beilagenheft. Beilagenheft enthaltend die 69

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Berufung auf die Lehrstühle an der evangelisch-theologischen Fakultät der Universität Heidelberg die „ausdrückliche Zustimmung des evangelischen Kirchenpräsidenten“ vor, eine Forderung, die im protestantischen Volksteil selbst große Erregung ausgelöst hatte und die deshalb auch vom Zentrum nicht urgiert werden konnte. Am 30. November 1932 berichtete Föhr dem Kardinalstaatssekretär,74 die Hetze gegen das Konkordat habe ungeheure Ausmaße angenommen. Trotzdem scheine die Annahme gesichert. Auf der Seite der Konkordatsgegner standen die Demokraten (6), der Evangelische Volksdienst (3), die Deutsch-Nationalen (4), die Nationalsozialisten (8), die Kommunisten (5) und die Sozialdemokraten (18 Abgeordnete). Die SPD hatte sich nach schweren inneren Kämpfen75 am 27. November 1932 endgültig auf die Ablehnung des Konkordats festgelegt.76 Das Zentrum betrachtete diesen Beschluß des außerordentlichen Parteitages der SPD getreu seiner Ankündigung77 als Bruch des Koalitionsvertrages. Die SPD schied aus der Regierung aus, die damit ihre Mehrheit im Landtag verlor.78 Die Stützung der Regierung durch die drei Abgeordneten der Wirtschaftspartei vermochte die Zahl der Abgeordneten, die voraussichtlich für die Annahme des Konkordats stimmen würden, nur auf 44 von 88 zu erhöhen.79 Die erste Lesung der beiden Kirchenverträge begann am 30. November 1932.80 Sie beanspruchte fünf Sitzungen.

Beilagen 1 – 128. Heft 569 der Drucksachen-Sammlung des Badischen Landtags. Karlsruhe 1932. Nr. 2. 74 Privatarchiv Föhr. 75 Volksfreund Nr. 264 vom 12. November 1932 S. 1; Nr. 265 vom 14. November 1932 S. 1. 76 Volksfreund Nr. 277 vom 28. November 1932 S. 1; vgl. E. Föhr, Geschichte, 50; H. Rehberger, Die Gleichschaltung, 43 – 45. 77 Badischer Beobachter Nr. 327 vom 26. November 1932, 2. 78 Vgl. E. Föhr, Geschichte, 50. Nach § 53 Abs. 2 der badischen Verfassung hatten die abberufenen oder zurückgetretenen Minister die Geschäfte bis zur Bildung eines neuen Ministeriums weiterzuführen. 79 Zentrum 35, Deutsche Volkspartei 6, Wirtschaftspartei 3 Abgeordnete; vgl. H. Rehberger, Die Gleichschaltung, 17 f.; E. Föhr, Geschichte, 50; Badische Landtagswahl am 27. Oktober 1929 auf Grund amtlichen Materials mit 2 Karten. Bearbeitet und herausgegeben vom Badischen Statistischen Landesamt. Karlsruhe 1930, 18 – 29. 80 Verhandlungen des Badischen Landtags. IV. Landtagsperiode (28. Oktober 1929 bis 4. März 1933). 4. Sitzungsperiode (11. November 1932 bis 4. März 1933), vom Landtag selbst amtlich herausgegeben und bestehend in einem Protokollheft (Repertorium nebst einem Band Niederschriften) und einem Beilagenheft. Protokollheft Band II enthaltend die amtlichen Niederschriften (1. Sitzung bis Schluß). Heft 570a der Drucksachen-Sammlung des Badischen Landtags. Karlsruhe 1933.

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2. Der Verlauf der Lesungen In der 2. öffentlichen Sitzung am 30. November 193281 erstattete Föhr Bericht über das Konkordat.82 Von seinen Ausführungen interessieren hier nur die Bemerkungen über die beiden Professuren. Zu Art. IX des Konkordats setzte er ein mit der staatlichen Forderung eines philosophisch-theologischen Studiums für die Studierenden der katholischen Theologie. Unter dem philosophischen Studium seien „vor allen Dingen“ Philosophie und Geschichte zu verstehen. „Da hierfür keine besonderen Professuren in den theologischen Fakultäten bestehen, staatlicherseits dem Theologen dieses Studium aber vorgeschrieben wird“, ergebe sich „als logische Konsequenz“ die Pflicht des Staates, an der Universität Freiburg je eine Professur für Philosophie und Geschichte „zu unterhalten“, die mit Persönlichkeiten besetzt werden, die für die einwandfreie Ausbildung der Theologiestudierenden geeignet seien. Diese „Pflicht“ ergebe sich als „Konsequenz“ aus Art. VII. Sie werde im Schlußprotokoll zu Art. IX „ausdrücklich ausgesprochen“.83 Föhr ging also über die Regierungsbegründung nicht hinaus. Eine tiefer eindringende Betrachtung, wie sie auf der Bühne des Parlaments freilich entweder nicht möglich, nicht tunlich oder nicht notwendig war, hätte noch manche Frage an diese Vorschrift stellen können. So hätte man beispielsweise fragen können, worin die geforderte Eignung „für die einwandfreie Ausbildung der Theologiestudierenden“ gelegen ist. Sie stellt sicher bestimmte Ansprüche an die Lehre. In dieser Hinsicht wird negativ zu sagen sein, daß die betreffenden Gelehrten keine Lehren vertreten dürfen, die geeignet sind, den Glauben der katholischen Kirche zu zerstören und die Disziplin der Kirchenglieder zu untergraben, und positiv verlangt werden müssen, daß die betreffenden Gelehrten in ihren Unterrichtsveranstaltungen die spezifischen Bedürfnisse der wissenschaftlichen Ausbildung von Theologiestudierenden berücksichtigen. Sie sollen die philosophisch-historischen Grundlagen eines fruchtbaren Theologiestudiums schaffen. Ebensowenig geht aus dem Wortlaut des Konkordats hervor, ob die verlangte Eignung das katholische Bekenntnis der betreffenden Professoren einschließt. Sofern ein Nichtkatholik in der Lage ist, sich genügende Kenntnisse über die Ausbildungsziele katholischer Theologiestudierender zu verschaffen und deren Bedürfnisse in seinen Vorlesungen und Übungen Rechnung zu tragen, erscheint die Besetzung eines Konkordatslehrstuhles mit einem Nichtkatholiken vom Text des Konkordats her an sich nicht undenkbar.84 Bei der Beantwortung der Frage der Besetzung der beiden Professuren in der philosophischen Fakultät ist aber das Ba81 Verhandlungen des Badischen Landtags. Amtliche Niederschrift über die 2. öffentliche Sitzung vom 30. November 1932. Sp. 45 – 130. 82 E. Föhr, Geschichte, 51. 83 Sp. 70. 84 Ebenso L. Link, Die Besetzung der kirchlichen Ämter, 138 f.

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dische Konkordat nicht allein maßgebend. Es ist vielmehr daran zu erinnern, daß diese Professuren auch deswegen geschaffen wurden, um den katholischen Gelehrten wenigstens ein Minimum an Lehrstühlen in den weltanschaulich relevanten Fächern in der philosophischen Fakultät der Universität Freiburg zu verschaffen und dem weit überwiegend katholischen Charakter des Landes auch in den Reihen der Universitätslehrer eine gewisse Geltung zu verschaffen. Der Paritätsgesichtspunkt ist dem Wunsch, für die philosophisch-historische Ausbildung der Theologiestudierenden Vorsorge zu treffen, mindestens ebenbürtig, wenn nicht überlegen. Die Parität kann aber auf keine andere Weise denn durch die Besetzung der beiden Lehrstühle mit katholischen Wissenschaftlern gewahrt werden. Der Anspruch auf Parität geht gerade nicht nur auf die Bereitstellung von Unterrichtsveranstaltungen in Philosophie und Geschichte, die zum Glauben der katholischen Kirche nicht in Gegensatz geraten, sondern erstreckt sich auch auf die rechtlich gleichwertige Existenz von Gelehrten, die praktizierende Katholiken sind. Es sollte verhütet werden, daß sich wieder Zustände herausbilden, die einem katholischen Philosophen oder Historiker geraten sein lassen, sich vom katholischen Glauben und der katholischen Kirche mehr oder weniger zu distanzieren, weil erst diese Haltung eine echte Chance eröffnet, auf einen Universitätslehrstuhl für Philosophie oder Geschichte berufen zu werden. Die Konkordatslehrstühle, mögen sie noch so gering an Zahl sein, halten auf der einen Seite gläubigen Gelehrten eine zwar geringe, aber doch reale Möglichkeit, einen Lehrstuhl zu erhalten, offen und widerlegen auf der anderen Seite das Vorurteil, Treue zu Glauben und Kirche und wissenschaftlichkritische Haltung seien unvereinbar. Ob das Eignungserfordernis auch Auswirkungen auf den Lebenswandel hat, ist aus dem Wortlaut des Badischen Konkordats nicht auf den ersten Blick zu erkennen. Aus der Überlegung, daß Lehre und Leben eine Einheit bilden oder doch bilden sollen, aus der Erfahrung, daß in der Regel das eine nicht ohne Rückwirkung auf das andere bleibt, aus der Praxis und der Auffassung der beteiligten kirchlichen und staatlichen Behörden, schließlich aus dem Vergleich mit ähnlichen Bestimmungen in anderen deutschen Ländern dürfte zu schließen sein, daß dauernde grobe, öffentlich bekannte und ärgerniserregende Verstöße gegen die Grundgebote christlicher Sittlichkeit die Eignung für „die einwandfreie Ausbildung der Theologiestudierenden“ in Frage stellen können. Schließlich ist zu fragen, was zu geschehen hat, wenn einer der beiden Gelehrten seine Eignung verliert. Darauf ist zu antworten: dasselbe, was in Preußen und in Bayern in einem solchen Fall üblich ist. Das heißt: Auch in Baden hat die Staatsregierung für geeignete Abhilfe zu sorgen. Denn wenn ein „Konkordatsprofessor“ die verlangte Eignung verliert, dann ist dem Erfordernis des Schlußprotokolls zu Art. IX, der Badische Staat werde für das Bestehen einer mit einer geeigneten Persönlichkeit besetzten Professur „Sorge tragen“, nicht mehr Genüge geleistet. Der Staat verheißt ja nicht nur die rechtliche Existenz einer derartigen Professur, sondern auch ihr tatsächliches Funktionieren. Ist letzteres nicht mehr gegeben, muß er für einen entsprechenden Ersatz sorgen.

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All diese Fragen spielten jedoch in der parlamentarischen Behandlung des Konkordats keine Rolle. Die Parteien konzentrierten sich auf vordergründigere, aber publikumswirksamere Aspekte der Materie. Der deutsch-nationale Abgeordnete Schmitthenner beklagte in seiner langen Rede85 lebhaft die vermeintliche Imparität der beiden Verträge.86 Er fand sie unter anderem in dem Schlußprotokoll zu Art. IX. Der katholischen Kirche habe der Staat „zwei besondere Weltanschauungsprofessuren zugebilligt“, während die evangelische Kirche „keine entsprechende Gegenleistung erhalten“ habe. Der Kultusminister hatte indes diese Behauptung schon im vorhinein widerlegt, indem er erklärte, was „im Wesensunterschied selbst begründet“ sei, könne nicht als Imparität bezeichnet werden; man müsse „der inneren Struktur der zu behandelnden Dinge in allererster Linie Rechnung tragen“87. In dem vorliegenden Fall war der Unterschied zwischen den Erfordernissen der wissenschaftlichen Ausbildung katholischer und protestantischer Theologiestudierender zu beachten. Das Studium der katholischen Theologie setzt ein zweijähriges pflichtmäßiges Studium der Philosophie voraus. Eine vergleichbare Vorschrift fehlt auf protestantischer Seite. Dort ist das Studium der Philosophie kein zwingendes Ausbildungserfordernis. Zwar steht auch in dem Evangelischen Kirchenvertrag die Klausel, daß die Bestellung zum Mitglied der Evangelischen Kirchenregierung und des Evangelischen Oberkirchenrats sowie zum dauernden Inhaber eines Pfarramtes „ein mindestens dreijähriges philosophisch-theologisches Studium an einer deutschen staatlichen Hochschule“ voraussetze (Art. V Abs. 1 Buchst. c), und im Schlußprotokoll zu Art. V Abs. 3 ist davon die Rede, daß das an einer österreichischen Universität oder an den Universitäten zu Basel, Zürich und Bern zurückgelegte „philosophisch-theologische Studium“ entsprechend den Grundsätzen, die für die deutschen Universitäten gelten, gleichberechtigt sei. Danach scheint es, als erschöpfe sich die Ausbildung der Studierenden der evangelischen Theologie nicht in dem theologischen Studium, sondern verlange auch ein philosophisches Studium. Aber einmal ist dieses, wie erwähnt, nicht obligatorisch, und zum anderen dürfte die gleiche Formulierung in dem Konkordat und dem Evangelischen Kirchenvertrag eher dem Paritätsgesichtspunkt und der Optik als einem wirklichen Erfordernis ihre Entstehung verdanken. Jedenfalls hat sich die evangelische Kirche Badens keine Sicherung bezüglich jener Professuren der philosophischen Fakultät Heidelberg ausbedungen, deren Lehrveranstaltungen für die philosophische Ausbildung ihrer Theologiestudierenden evtl. in Frage kommen. Dieser Verzicht dürfte außer dem soeben angegebenen noch andere Gründe haben. Einmal ist die Universität Hei-

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Sp. 105 – 128, hier 112, 114. Vgl. für diese Behauptung: O. Friedrich, Der evangelische Kirchenvertrag mit dem Freistaat Baden mit einer Einführung und Erläuterungen herausgegeben. Lahr (Baden) 1933, 121 – 129. 87 Sp. 104; vgl. auch die relativ maßvollen Ausführungen des Heidelberger Professors W. Jellinek, Zum badischen Konkordat. Kölnische Zeitung Nr. 636 vom 20. November 1932. 86

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delberg,88 an der die evangelisch-theologische Fakultät besteht, für die die Badische Landeskirche zuständig ist, nach Herkommen und Tradition des 19. Jahrhunderts auch heute noch überwiegend protestantisch geprägt. Wie die Verhältnisse liegen, werden die Fächer, die für eine philosophische Ausbildung der evangelischen Theologiestudierenden unter Umständen in Betracht kommen, fast immer von Protestanten vertreten. Bei der starken Neigung der Lehrstuhlinhaber, ihre Linie und Richtung fortgesetzt zu sehen, werden sie auch bei der Vorbereitung der Berufung ihrer Nachfolger ihren Einfluß dahin ausüben, daß ihnen geistig verwandte Persönlichkeiten berufen werden. Die evangelische Kirche konnte daher getrost die Zukunft der immanenten Gesetzlichkeit des Berufungswesens überlassen und von der rechtlichen Garantie der evangelisch-kirchlichen Eignung der Inhaber der fraglichen Lehrstühle absehen. Sodann ist, entsprechend der großen Spannweite protestantischer Lehre, der Raum, innerhalb dessen eine Philosophie für einen evangelischen Christen vertretbar ist, außerordentlich ausgedehnt.89 Der Begriff einer Philosophia perennis verfällt im Protestantismus dem Spott.90 Unter diesen Umständen ist der Verzicht auf die Verbürgung einer bestimmten Besetzung von Professuren in der philosophischen Fakultät für den Protestantismus nicht nur charakteristisch und systemgerecht, sondern notwendig. In der dritten öffentlichen Sitzung des Landtags vom 30. November 193291 gab der Abgeordnete Kroenlein im Namen des Evangelischen Volksdienstes eine Erklärung ab, die des engen Horizonts dieser politischen Gruppierung würdig war.92 Sie brachte gegenüber den Ausführungen Schmitthenners nichts Neues, außer daß sie die Situation noch stärker verzeichnete. Die Verzerrung lag darin, daß der Volksdienst behauptete, es seien zwei Professuren der philosophischen Fakultät „zugunsten der katholischen Kirche der letzten Entscheidung des Kultusministers entzogen“, woran die hämische Bemerkung geknüpft war, dies sei „bei der Eigenart der Katholischen Kirche für den Staat nicht ohne weiteres selbstverständlich“. In Wirklichkeit gibt es bei Besetzungen von Professuren nicht mehrere Entscheidungen, sondern nur eine, eben die des Kultusministers, der den Lehrstuhl anbietet und die Ernennung vollzieht. Daß der Kultusminister sich vorher über die Eignung der in Frage kommenden Persönlichkeit unterrichtet, mindert seine Entscheidungsbefugnis in keiner Weise. Die Art und Weise, in der sich der Minister Gewißheit über die Eignung verschafft, ist ihm überlassen. Ein Beispruchsrecht des Erzbischofs von Freiburg ist jedenfalls durch das Konkordat nicht begründet worden. 88 L. Mohler, Art. Heidelberg I. Universität: LThK IV 873 f.; R. Hauser, Art. Heidelberg 1) Univ.: LThK 2V 65 – 67; H. Bornkamm, Art. Heidelberg, Universität: RGG 3111 123 – 127. 89 G. Patzig, Art. Philosophie, Begriff und Wesen. RGG 3V 349 – 356; G. Ebeling, Theologie und Philosophie I. Problemstrukturen, II. Historisch, III. Dogmatisch: RGG 3VI 782 – 830; G. Gawlick; Art. Wahrheit II. Philosophisch: RGG 3VI 1518 – 1525. 90 G. Patzig, Art. Philosophia perennis: RGG 3V 349. 91 Verhandlungen des Badischen Landtags. Amtliche Niederschrift über die 3. öffentliche Sitzung vom 30. November 1932. Sp. 133 – 194. 92 Sp. 162/163.

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In der vierten öffentlichen Sitzung des Landtags am 1. Dezember 193293 ging der Abgeordnete Hofheinz von der Deutschen Demokratischen Partei gegen die Verträge an.94 „Die größten Bedenken“ brachte er „gegen die nun auch vertragsrechtliche Bindung zweier Professuren an der philosophischen Fakultät, nämlich für mittelalterliche Geschichte und für Philosophie“ vor. Bisher sei schon in der Praxis „weitgehend Rücksicht genommen“ worden. Nunmehr aber lege man „,Rechtsansprüche‘ der Kirche“ fest, „durch die für alle Zeiten in eine freie Fakultät gebundene Professuren hineingebaut werden“. Das lehnten er und seine politischen Freunde ab. Auch wegen der von protestantischer Seite „begreiflicherweise“ erhobenen Paritätsfrage wäre es erwünscht gewesen, „diese Angelegenheit in anderem Sinn zu lösen“95. Hofheinz verriet nicht, wie er die Begriffe „freie Fakultät“ und „gebundene Professuren“ verstanden wissen wollte. Der letzte Ausdruck ist jedenfalls für die beiden zur Verhandlung stehenden Lehrstühle unzutreffend. Der katholische Professor der Philosophie oder der Geschichte unterliegt keiner anderen Bindung als der Protestant und der Dissident, nämlich der Bindung seines Gewissens. Daher besteht auch bezüglich der Freiheit der wissenschaftlichen Forschung und Lehre kein Unterschied zwischen dem einen und den anderen und ist für beide in gleicher Weise Platz in der philosophischen Fakultät. In der fünften öffentlichen Sitzung des Landtags vom 1. Dezember 193296 sprach der deutsch-nationale Abgeordnete Brühler noch einmal von der mangelnden Parität der Kirchenverträge,97 ohne indes die Gedanken seiner Vorredner vertiefen zu können. Das Konkordat konnte in der ersten Lesung angesichts der Stimmengleichheit von Befürwortern und Gegnern nur durch den Stichentscheid98 des Landtagspräsidenten Duffner, der dem Zentrum angehörte, gerettet werden.99 Die Abstimmung verlief so, wie Föhr es vorausgesehen hatte. Doch der Sturm der zweiten Lesung nach acht Tagen stand noch bevor.100 Am 2. Dezember 1932 teilte Föhr dem Kardinalstaatssekretär mit,101 daß alle Versuche, außer der Deutschen Volkspartei und der Wirtschaftspartei andere politische Gruppen für die Verträge zu gewinnen, vergeblich gewesen seien. Bei allen 93 Verhandlungen des Badischen Landtags. Amtliche Niederschrift über die 4. öffentliche Sitzung vom 1. Dezember 1932. Sp. 197 – 242. 94 Sp. 212 – 237. 95 Sp. 227. 96 Verhandlungen des Badischen Landtags. Amtliche Niederschrift über die 5. öffentliche Sitzung vom 1. Dezember 1932. Sp. 245 – 300. 97 Sp. 262 – 270. 98 Nach § 48 Abs. 1 der badischen Verfassung beschloß der Landtag mit einfacher Mehrheit der Stimmen; bei Stimmengleichheit gab die Stimme des Präsidenten den Ausschlag. 99 E. Föhr, Geschichte, 51; H. Rehberger, Die Gleichschaltung, 46. 100 Nach § 49 der Verfassung bedurften Gesetze einer zweimaligen, durch eine Zwischenzeit von mindestens einer Woche getrennten Beratung und Abstimmung; von der Frist konnte nur abgesehen werden, wenn nicht mehr als 15 Abgeordnete widersprachen. 101 Privatarchiv Föhr; vgl. H. Rehberger, Die Gleichschaltung, 45 f.

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habe der antirömische Affekt den Ausschlag gegeben. Auf protestantischer Seite sei man gern bereit, den Vertrag mit der Evangelischen Kirche zu opfern, wenn es nur gelänge, das Konkordat mit dem „Antichrist“ zu zerschlagen. Bei der zweiten Lesung des Gesetzes, die für den 9. Dezember 1932 angesetzt sei, könne der Ausfall einer einzigen Stimme die Ablehnung zur Folge haben. Das Zentrum habe um des Konkordats willen die 14 Jahre währende Koalition mit den Sozialdemokraten aufgekündigt und dabei eine Gefährdung der bisherigen politischen Beständigkeit in Kauf genommen. Eine schmerzliche Erfahrung sei es, daß vereinzelt Katholiken öffentlich für die Deutsch-Nationalen (so der Freiherr von Stotzingen) oder gar für die Nationalsozialisten (so der Pfarrer Senn) einträten. Föhr stand mit dieser Schilderung der Lage nicht allein. In der sechsten öffentlichen Sitzung am 9. Dezember 1932102 warf der Abgeordnete Haas vom Zentrum gewissen protestantischen Kreisen Intoleranz vor und erklärte, ihm scheine es fast, „daß jene Kreise aus einem gewissen Geist heraus den Katholiken das Konkordat nicht gönnen und deshalb eher, als daß sie dieses annehmen, den Vertrag mit der Evangelischen Landeskirche opfern“103. Am 9. Dezember 1932 wurde das Gesetz zu dem Konkordat und dem Kirchenvertrag in zweiter Lesung mit 44 gegen 42 Stimmen angenommen. Dieses Ergebnis war der Tatsache zu verdanken, daß zwei Abgeordnete der Opposition bei der Abstimmung fehlten.104 Eine Dringlichkeitserklärung nach § 23 Abs. 3 der Verfassung kam nicht zustande.105 Die Verkündung des Gesetzes konnte daher nach § 57 Abs. 2 S. 2 und § 23 Abs. 3 der Verfassung erst nach drei Monaten erfolgen. Am 10. Dezember 1932 teilte Föhr dem Kardinalstaatssekretär telegraphisch und brieflich106 die Annahme des Konkordats mit. Die Protestanten hätten lieber christliche Interessen preisgegeben als dem Vertrag mit Rom ihre Zustimmung gegeben. Die Haltung der badischen Sozialdemokratie in der Konkordatsfrage schlug Wellen bis nach Hessen. Der Mainzer Bürgermeister Kraus, der Mitglied der badischen Sozialdemokratie war, lehnte in einer Erklärung vom 10. Dezember 1932107 die „rein parteitaktische und parteiagitatorische Behandlung ernster Lebensfragen“ und den Geist „parteipolitischer Unfreiheit und Unduldsamkeit und staatspolitischer Verantwortungslosigkeit“ in der Sozialdemokratie ab und trat aus der Partei aus.

102 Verhandlungen des Badischen Landtags. Amtliche Niederschrift. 6. öffentliche Sitzung vom 9. Dezember 1932. Sp. 301 – 356. 103 Sp. 316. 104 E. Föhr, Geschichte, 51 f.; H. Rehberger, Die Gleichschaltung, 46 105 E. Föhr, Geschichte, 52; H. Rehberger, Die Gleichschaltung, 46 f. 106 Privatarchiv Föhr. 107 Privatarchiv Föhr; vgl. E. Föhr, Geschichte, 50.

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IV. Die Entwicklung nach der Annahme des Konkordats 1. Die Eingabe der philosophischen Fakultät der Universität Freiburg Die Annahme des Konkordats bedeutete nicht auch das Aufhören des Kampfes gegen dasselbe. Selbst manche katholische Priester standen dem Erreichten verständnislos gegenüber. Am 30. Dezember 1932 leitete der Rektor der Universität Freiburg dem Kultusminister eine Eingabe der philosophischen Fakultät zu. Die Besetzung der beiden in dem Konkordat angesprochenen Lehrstühle, die bisher allein freier staatlicher Entscheidung unterlag, so hieß es darin, sei nunmehr Gegenstand einer vertraglichen Abmachung geworden, die den Tätigkeitsbereich, die Rechtslage und das Vorschlagsrecht der Fakultät so stark tangiere, daß sie entsprechende Vorstellungen erheben und ihr Bedauern ausdrücken müsse, nicht vor Abschluß des Konkordats gehört worden zu sein. Der Text des Schlußprotokolls könne (irrtümlich) dahin ausgelegt werden, der Kirche sei eine förmliche und rechtliche Einflußnahme oder ein Einspruchsrecht eingeräumt worden, ähnlich wie es für die Mitglieder der katholisch-theologischen Fakultät festgesetzt sei. Die Fakultät bitte daher um eine authentische Erklärung, daß die Aufgabe der beiden Lehrstuhlinhaber weder auf die Ausbildung von Theologen beschränkt noch wesentlich durch diese Sonderaufgabe bestimmt sei und daß der Kirche kein Mitbestimmungs- und Einspruchsrecht zustehe.108 Auf kirchlicher Seite maß man dieser Eingabe keine besondere Bedeutung zu. Am 4. Februar 1933 schrieb Erzbischof Gröber an Pater Robert Leiber, den vertrauten Mitarbeiter des Kardinalstaatssekretärs Pacelli:109 „Zu meinem Bedauern hörte ich, daß von Universitätskreisen beim badischen Kultusministerium Schritte unternommen worden sind gegen jenen Artikel, der von den Weltanschauungsprofessuren handelt. Leider hat diesen Schritt auch der Theologieprofessor und derzeitige Rektor der Universität Sauer110 unterschrieben. Nun läuft zur Zeit unsere Eingabe in Rom, um Sauer zum Prälaten erheben zu lassen. Ich meine, das Beste wäre auch in diesem Falle: Si dilata! Hätten Sie die Freundlichkeit, Se. Eminenz davon zu unterrichten. Quertreibereien gegen das Konkordat oder Teile desselben verdienen die Prälatur vorerst nicht. Es tut mir um Sauer leid, weil er wissenschaftlich eine Auszeichnung wohl verdienen würde.“111 Irgendwelche Folgen hatte der Schritt der philosophischen Fakultät anscheinend nicht.112 108

E. Will, Das Konkordat, 149. Über diesen vgl. R. Leiber, Reichskonkordat und Ende der Zentrumspartei. StdZ 86 (1960) 213 – 223. 110 Über diesen vgl. A. M. Schneider, Joseph Sauer. Historisches Jahrbuch 62 – 69 (1949) 970 – 983; A. Allgeier, Prälat Joseph Sauer. FDA 69 (1950) 7 – 14; J. Kollwitz, Sauer. LThK 2IX 347. 111 Ordinariats-Archiv Freiburg, Nachlaß Erzbischof Gröber, Fasz. 1, Konkordat, Badisches 1932/33. 109

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2. Die Ratifikation des Konkordats Inzwischen hatte sich die politische Lage im Reich und in Baden durch die Machtübernahme der NSDAP113 grundlegend geändert. Am 8. März 1933 war der nationalsozialistische Landtagsabgeordnete Robert Wagner als Reichskommissar für Baden eingesetzt worden,114 am 11. März 1933 wurde das Staatsministerium abgesetzt.115 Eine seiner letzten Handlungen war der Austausch der Ratifikationsurkunden der Kirchenverträge gewesen.116 Am 18. März 1933 sprach sich Erzbischof Gröber in einem Schreiben an Kardinalstaatssekretär Pacelli117 zwar nicht optimistisch, aber einigermaßen gelassen, jedenfalls was die Lage in Baden anging, aus. „Soviel ich bisher erfahren konnte, wird auch die neue Regierung sich auf den Boden des Konkordates stellen, was schon daraus hervorgeht, daß Verhandlungen, die durch den Wandel in der Regierungsform für einige Tage abgebrochen waren, nunmehr in der nächsten Woche wieder aufgenommen werden sollen. Es handelt sich dabei um die Verkirchlichung des Oberstiftungsrates, der bisher eine gemischt kirchlich-staatliche Behörde gewesen ist. Auch mündlich hat der derzeitige Reichskommissär dem Abgeordneten Föhr gegenüber erklärt, daß die Nationalsozialisten das Konkordat nicht antasten werden.“ Für den Optimismus Gröbers boten die Handlungen der nationalsozialistischen Regierung Badens kaum eine Grundlage.118 Er sollte in der Zukunft bitter enttäuscht werden.

112

E. Will, Das Konkordat, 150. Vgl. M. Hagemann, Der Weg ins Verhängnis. München 1946. 114 H. Rehberger, Die Gleichschaltung, 97 – 102. 115 Ebenda 102 – 106; O. Ebbecke, Die Deutsche Erhebung in Baden. Karlsruhe 1933, 10 – 14; K. Person, Der Badische Landtag und die badische Regierung im Jahre 1933. In: K. J. Rößler, Der badische Landtag. Freiburg i. Br. 1949, 41 – 55. 116 H. Rehberger, Die Gleichschaltung, 102 f., 116; E. Föhr, Geschichte, 55; derselbe, Das Konkordat, 10. 117 Ordinariats-Archiv Freiburg, Nachlaß Erzbischof Gröber, Fasz. 1, Konkordat, Badisches 1932/33; vgl. H. Rehberger, Die Gleichschaltung, 132, 137 f. 118 Vgl. H. Rehberger, Die Gleichschaltung, 118 – 125. 113

Zur Frage der staatlichen Anerkennung eines päpstlichen Adelstitels Gutachten im Auftrag des Amtsgerichts Kiel zu Rechtsfragen der Verleihung des päpstlichen Adels* Mir sind die Fragen gestellt, ob der Großvater des Antragstellers W. G., C. F. G., nach kirchlichem Recht den erblichen Barontitel erworben hat und, falls dies zutrifft, wann der Erwerb erfolgt ist sowie ob er, um nach staatlichem Recht wirksam zu sein, der staatlichen Anerkennung bedurfte.

I. Die Ausgangslage Die tatsächlichen Vorgänge, die hier zur rechtlichen Begutachtung anstehen, sind die folgenden. Die Eltern des am 27. Juni 1946 in Kiel geborenen W. G. sind in dem bei dem früheren Standesamt II Kiel geführten Geburtenbuch Nr. 279/1946 ursprünglich als „Baron“ bzw. „Baronin“ eingetragen worden. Das Amtsgericht Kiel ordnete indes durch Beschluß vom 19. Dezember 1949 an, daß diese Bezeichnungen zu streichen seien. Der Standesbeamte hat daraufhin zu dem Geburtseintrag einen entsprechenden Randvermerk eingetragen. Der Antragsteller W. G. hält indes den Randvermerk für sachlich unrichtig und begründet diese Meinung wie folgt. Seinem Großvater sei im Juli oder August 1918 vom Papst „der erbliche Barontitel“ verliehen worden. Er verweist dafür auf das Genealogische Handbuch des Adels, Adelige Häuser, A Bd. VII, Limburg a. d. L. 1965, S. 373 und auf die von dem Standesamt I München ausgestellte Sterbeurkunde seines Großvaters Nr. 1675/1928. Er beantragt eine Entscheidung des Amtsgerichts Kiel, daß der zu seinem Geburtseintrag des früheren Standesamtes Kiel II, jetzt Kiel-Mitte, Nr. 279/1946 hinzugefügte Randvermerk sachlich unrichtig ist und ein entsprechender Vermerk zum Geburtseintrag erfolgen soll. Der Großvater des Antragstellers, Dr. jur. C. F. G., wurde am 5. März 1880 in Gerchsheim, Bezirksamt Tauberbischofsheim in Baden, geboren. Im Unterschied von der Sterbeurkunde des C. F. G. gibt die Geburtsurkunde seines Sohnes als Geburtsort Fügen, Bezirk Schwaz in Tirol, als Geburtsdatum den 16. November 1897 an. Eine Anfrage bei dem Gemeindeamt Fügen konnte die Abweichung nicht klä* Das Gutachten trägt das Datum vom 31. Juli 1972.

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ren, da Unterlagen aus dieser Zeit bei dem Amt nicht mehr vorhanden und Aufzeichnungen bzw. Vermerke betr. den C. F. G. in der Heimatrolle nicht zu finden sind. Das Dekanal-Pfarramt Fügen teilte ebenfalls mit, daß der Name in den amtlichen Matriken nicht vorkommt. Aus verschiedenen Gründen, die hier nicht darzulegen sind, liegt die Vermutung nahe, daß die ersterwähnten Angaben die richtigen sind. C. F. G. starb am 3. September 1928 in München. Er war verheiratet mit I. O. A. H. geb. Baronin U., die am 23. August 1891 auf Schloß Hohenburg, Bezirk Voitsberg in Österreich, geboren wurde. Aus dieser Ehe ging der am 24. August 1920 in Innsbruck geborene F. B. O. V. Ä. G. hervor, der sich am 30. Mai 1945 mit der am 17. Mai 1921 in Kiel geborenen Hildegard M. M. Sch. vermählte. Dieser Ehe entstammt der am 27. Juni 1946 in Kiel geborene W. W. F. G., der Antragsteller. Zur Bewertung der von dem Antragsteller vorgebrachten Begründung seines Antrags und der von ihm vorgelegten Beweismittel ist folgendes zu beachten. Der Antragsteller unterbreitet zwar mehrere Schriftstücke, in denen sein Großvater als „Baron“ und seine Eltern als „Baron“ und „Baronin“ bzw. „von“ bezeichnet werden, nicht aber das päpstliche Reskript, in dem C. F. G. der Adel verliehen wurde. Dieses allein vermöchte einen Beweis für die behauptete Verleihung des übertragbaren Adels an den Erwähnten zu erbringen. Andere Schriftstücke sind höchstens Hinweise auf die erfolgte Verleihung, ohne daß sich aus ihnen etwas für die Übertragbarkeit des Adels ergibt. Im besonderen ist zu bedenken, daß die vom Antragsteller herangezogene Sterbeurkunde des C. F. G. zwar die Bezeichnung „Baron“ enthält, daß aber aus ihr nicht ersichtlich ist, ob es sich dabei um den persönlichen oder den übertragbaren Adel handelt. Ebenso führt das Genealogische Handbuch des Adels, Adelige Häuser, A Bd. VII S. 373 den C. F. G. wohl als päpstlichen Baron mit dem Verleihungsdatum 12. Juli 1918 an; aber auch aus ihm ist kein Schluß zu ziehen, ob es sich um den persönlichen oder den übertragbaren Adel handelt, abgesehen davon, daß auch diese Zusammenstellung eine private Sammlung ohne Beweiswert ist. Da aus den von dem Antragsteller angebotenen Hinweisen kein Beweis für die erfolgte Verleihung des päpstlichen Adels an den C. F. G. und noch weniger für die Übertragbarkeit desselben auf die Nachkommen herzuleiten war, mußten Nachforschungen über die tatsächlichen Vorgänge angestellt werden, die nunmehr zu einem Ergebnis geführt haben.

II. Die Verleihung des päpstlichen Adels an C. F. G. Durch Vermittlung der Apostolischen Nuntiatur in Bonn-Bad Godesberg erhielt ich aus dem Archiv des Päpstlichen Staatssekretariats eine beglaubigte Fotokopie des Konzeptes des Reskriptes, mit dem dem Dr. C. F. G. der Titel eines persönlichen Barons verliehen wurde1. Selbstverständlich konnte nur der Entwurf des Reskriptes 1

Sec. Brev., 1918, Iulius, Pars Utraque, ff. 287 r, v.

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beigebracht werden. Denn die Originalausfertigung ist dem Bedachten zugestellt worden. Aber der Entwurf ist wortgetreu und hat wörtlich als Vorlage für die dem C. F. G. zugestellte Urkunde gedient, wie sich schon aus der ihm beigesetzten Unterschrift des Kardinalstaatssekretärs Gasparri ergibt. Die Verleihungsurkunde stellt ein Breve dar. Es ist ausgefertigt von dem Sekretariat der lateinischen Briefe (can. 264 CIC), einer Behörde der Römischen Kurie, und in lateinischer Sprache abgefaßt, beginnt mit den Worten „Benedictus PP. XV“ und ist, wie üblich, unterzeichnet von dem Kardinalstaatssekretär, Pietro Gasparri. Das Datum der Ausstellung ist der 11. Juli 1918. Dieses ist bezeichnenderweise in dem Register von einer anderen Hand geschrieben, und zwar in kalligraphischer Schrift neben den Text des in schwer leserlicher und teilweise abgekürzter Schrift geschriebenen Entwurfes gesetzt, stammt also vermutlich von dem Schreiber der Originalausfertigung der Verleihungsurkunde. In dem Breve wurde der C. F. G. aufgrund der Bitte des Erzbischofs von München und Freising wegen seiner Verdienste in religiöser und karitativer Hinsicht zum päpstlichen Baron ernannt (his te litteris auctoritate nostra Baronem facimus atque renuntiamus tibique concedimus ut in publicis privatisque tabulis, diplomatibus et apostolicis etiam litteris quibusque Baro dici et appellari licite possis ac valeas). Zugleich mit dem Titel wurden ihm auf Lebenszeit (donec vitam vivas) die Ehren und Privilegien etc. verliehen, deren sich Männer, die mit diesem Adelstitel geschmückt sind, erfreuen. Aus der Verleihungsurkunde ergibt sich aber auch ebenso zweifelsfrei, daß dem C. F. G. der Titel und die Rechte eines Barons nur für seine Person verliehen wurden und nicht auf seine Nachkommen übergingen. Letzteres wird noch ausdrücklich ausgeschlossen durch die Wendung „quin tamen idem titulus ad posteros tuos jure transmissionis competat“ und durch den Zusatz „Titulus personalis Baronis“ vor der Unterschrift des Kardinalstaatssekretärs. Letzteres ist offenbar ein Kanzleivermerk. Der Eintrag in dem Register der kurialen Behörde genügt freilich allein noch nicht, um die rechtswirksame Verleihung des Titels an den C. F. G. sicherzustellen. Er gibt vielmehr Anlaß zu mehreren Fragen. Es ist davon auszugehen, daß das Recht des Papstes, kirchliche Orden und Titel zu verleihen, unbestritten war und ist und auch zu der Zeit bestand, als der Papst nicht Souverän eines selbständigen Staates war, also von 1870 bis 1929. Denn die päpstlichen Titel müssen nach richtiger Ansicht als vorn Papst in seiner Eigenschaft als Inhaber der höchsten kirchlichen Gewalt gewährt angesehen werden2. Aufgrund der Verträge, die im Jahre 1929 zwischen dem Apostolischen Stuhl und dem Königreich Italien geschlossen wurden, entstand daher keine grundsätzlich neue Lage. Immerhin brachten sie größere Klarheit und Sicherheit in die Verhältnisse. Das Konkordat zwischen dem Apostolischen Stuhl und dem Königreich Italien vom 2 Anderer Auffassung sind A. V. Müller, Papst und Kurie, ihr Leben und Arbeiten, Gotha 1921, 25, und Br. B. Heim, Wappenbrauch und Wappenrecht in der Kirche, Olten o. J. (1947), 58.

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11. Februar 1929 erkannte in Art. 42 das Recht des Papstes zur Nobilitierung an und verpflichtete sich zur Anerkennung der von dem Papst verliehenen Adelstitel. Es ist nun bezeichnend, daß die Frage des päpstlichen Adels nicht in den Lateranverträgen im engeren Sinne, die völkerrechtliche Verträge zwischen zwei souveränen Staaten darstellen, sondern in dem Konkordat, das eine Vereinbarung zwischen einem Staat und dem Papst als Haupt der katholischen Kirche, unabhängig von seiner weltlichen Macht, ist, geregelt wurde3. Das dürfte die oben vorgetragene Ansicht über die Eigenschaft, in welcher der Papst den Adel verleiht, stützen. Übrigens führt eine von dieser Auffassung verschiedene Meinung zu keinem anderen Ergebnis. Nach ihr behielt der Papst in der Zeit, in der er seiner weltlichen Souveränität beraubt war, doch kraft Art. 3 des Garantiegesetzes die Ehrenrechte katholischer Souveräne, zu denen unbestritten das Recht der Nobilitierung gehörte4. Die Normen für die Verleihung des päpstlichen Adels sind in verschiedenen Gesetzen verstreut und stammen zumeist noch aus der Zeit des Kirchenstaates. Es ist nicht erforderlich, ihnen hier nachzugehen. Nur so viel sei bemerkt, daß der Papst die Adelstitel principe, duca, marchese, conte, visconte, barone und nobile verlieh5. Der regierende Papst scheint keine Verleihungen mehr vorzunehmen. Der von dem Papst verliehene Adel war entweder persönlich oder übertragbar6. Der persönliche Adel kommt nur dem zu, dem er verliehen wird, und erlischt mit seinem Tode. Der übertragbare Adel geht auf die legitimen Abkömmlinge des Geadelten über. Der dem C. F. G. verliehene Adel gehört zu der ersten Art. Die Verleihung des Adels ist ein päpstlicher Gnadenakt und gehört systematisch in die Lehre von den Reskripten. Reskripte können in forma gratiosa oder in forma commissoria ausgestellt werden, d. h. unmittelbar oder mittelbar. Erstere werden sofort rechtskräftig, letztere erst mit dem Vollzug (can. 38 CIC). Es war nicht festzustellen, ob die Urkunde über die Verleihung des Adels dem C. F. G. unmittelbar zugestellt oder durch eine kirchliche Person ausgehändigt wurde. Bei der Ausstellung in forma gratiosa hat C. F. G. den Titel eines päpstlichen Barons am 11. Juli 1918 erworben, bei jener in forma commissoria mit dem Zeitpunkt des Vollzugs.

3

G. Sabini, L‘ordinamento dello stato nobiliare italiano nella vigente legislazione, Rom 1933, 83 f. 4 Sabini, L‘ordinamento 82 f. Vgl. dazu auch C. Bornhak, Deutsches Adelsrecht, Leipzig 1929, 144. 5 Fr. Marchesi, Il Concordato Italiano dell‘ 11 febbraio 1929, Napoli 1960, 277. 6 Vgl. Müller, Papst und Kurie 25.

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III. Die Anerkennung des päpstlichen Adels in Baden und im Deutschen Reich Da Kirche und Staat selbständige Rechtsordnungen darstellen, ist eine nach kirchlichem Recht wirksame Verleihung eines Adelsprädikats noch nicht ohne weiteres nach staatlichem Recht wirksam. Der Staat behält sich regelmäßig die Anerkennung von Adelsverleihungen, die unter einer anderen Rechtsordnung erfolgen, vor. Unter der Voraussetzung, daß C. F. G. im Augenblick der Verleihung des persönlichen Adels im Besitz des badischen Staatsbürgerrechtes war, bedurfte er nach § 21 des VI. Badischen Konstitutions-Edikts vom 4. Juni 18087 zur Anerkennung seines Adels eines Hoheitsaktes des Großherzogs von Baden8. Ein solcher ist nicht nachweisbar. Bis zum Erbringen eines Nachweises muß daher davon ausgegangen werden, daß der C. F. G. nicht berechtigt war, in Baden und damit im Deutschen Reich den ihm wahrscheinlich wirksam verliehenen päpstlichen Adelstitel zu führen. Unschädlich für die Führung desselben war dagegen die Tatsache, daß die Eintragung der Verleihung in die Adelsmatrikel Badens unterblieb. Denn die durch Verordnung des Ministeriums der Auswärtigen Angelegenheiten vom 3. Juli 1815 (Reg. Bl. S. 81) vorgeschriebene Eintragung in die Adelsmatrikel hatte keine konstitutive Wirkung, war vielmehr nur Voraussetzung für die Ausübung der Adelsrechte, insbesondere für die Führung der Adelsbezeichnung, und diente Beweiszwecken9; aber auch für diese Zwecke konnte die Eintragung nicht wirksam werden, weil die Anlegung der Adelsmatrikel nicht voll zur Durchführung kam. Es bestand keine abgeschlossene Adelsmatrikel in Baden. Nach einem Schreiben des Badischen Generallandesarchivs vom 7. März 1972 wurden in der Mitte des 19. Jahrhunderts Vorarbeiten zu der Anlage einer Adelsmatrikel durchgeführt. Es kam jedoch nur zur Aufstellung einer Adelsregistratur durch das Ministerium des Großherzoglichen Hauses, die aus Einzelakten besteht10. Für die Familie G. sind nach dieser Auskunft Akten nicht feststellbar. Völlig bedeutungslos für den vorliegenden Fall ist schließlich der Versuch des Vereins badischer Grundherren, nach dem Zusammenbruch von 1918 eine neue badische Adelsmatrikel auf privater Grundlage aufzubauen11. Ohne Wert für die erforderliche Anerkennung des G. verliehenen päpstlichen Adels ist die Tatsache, daß nach Ausweis des „Badischen Staatsanzeigers“ dem 7 Vollständige Sammlung der Großherzoglich Badischen Regierungsblätter, von deren Entstehung 1803 bis Ende 1825, I, Carlsruhe, Baden 1826, 488 f. 8 E. Walz, Das Staatsrecht des Großherzogtums Baden: Das öffentliche Recht der Gegenwart Bd. V, Tübingen 1909, 23 f.; E. Rebmann/E. Gothein/E. v. Jagemann (Hrsg.), Das Großherzogtum Baden in allgemeiner, wirtschaftlicher und staatlicher Hinsicht dargestellt I, 2. Auflage, Karlsruhe 1912, 734; M. Rensch, Der adelige Name nach deutschem Recht. Jur. Diss. Greifswald, Berlin o. J. (1931), 74. 9 Rensch, Der adelige Name 72 f. 10 Vgl. auch A. Lederle, Das Adelsrecht im ehemaligen Großherzogtum Baden: Archiv für Sippenforschung und alle verwandten Gebiete 20, 1943, 173 – 175. 11 E. Frh. v. Rotberg, Die badische Adelsmatrikel: Deutsches Adelsblatt 43, 1925, 606.

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Päpstlichen Geheimkämmerer Dr. F. G. in Charlottenburg im Jahre 1918 die Erlaubnis erteilt wurde, das Kommandeurkreuz mit Stern des päpstlichen Silvesterordens anzunehmen12. Denn diese Ehrung ging der Verleihung des Adels an C. F. G. voraus und steht mit ihr nicht in Zusammenhang. Mit ihr war auch nicht die Nobilitierung verbunden13. Diese Auszeichnung ist in dem Verleihungsschreiben vom 11. Juli 1918 ebenso erwähnt wie G.s Eigenschaft als päpstlicher Kammerherr. Am 31. Dezember 1917 war der Dr. F. G. aus der Diözese Brixen in die Zahl der Camerieri segreti di Spada e Cappa soprannumerari di S. S. aufgenommen worden14. Übrigens empfing G. in der Folge noch eine weitere päpstliche Ehrung. Am 21. März 1921 erhielt nach den „Acta Apostolicae Sedis“ der Baron F. von G. aus der Erzdiözese München und Freising das Komturkreuz des Gregoriusordens15. Beachtenswert bei den G. verliehenen Auszeichnungen ist die jeweils verschiedene Wohnsitzdiözese des Empfängers.

IV. Die Lage nach der WRV Da die päpstliche Verleihung des Titels eines Barons an F. C. G. im staatlichen Recht unwirksam blieb, braucht an sich dem Schicksal des Titels nicht weiter nachgegangen zu werden. Denn jede irgendwie begründete Übertragung der Adelsbezeichnung an Abkömmlinge setzt die im staatlichen Bereich rechtlich wirksame Aufnahme derselben in den Namen voraus. Es sei aber kurz auf folgendes hingewiesen. Der persönliche Adel war auch im staatlichen Recht bekannt und wurde besonders in Württemberg sehr häufig verliehen16. In Bayern erstreckte er sich auf die Ehefrau, in Württemberg nicht. In keinem Falle wurde er auf die Abkömmlinge übertragen. Das Adelszeichen – z. B. „Baron“ – war vor dem Erlaß der Weimarer Reichsverfassung (= WRV) Standeszeichen und Namensbestandteil zugleich, indes Namensteil eigener Art mit einer gewissen Unabhängigkeit von dem Familiennamen17.

12

Badischer Staatsanzeiger 1918 Sp. 490. Zum Silvesterorden vgl. LThK IX, 1937, 562. Nach dem Dekret „Multum ad excitandos“ Papst Pius‘ X. vom 7. Februar 1905 bestand der Silvesterorden aus drei Stufen: 1. Ritter vom Großen Kreuz, 2. Commendatores, 3. Equites (ASS 37, 1904/05, 565 – 571). 14 AAS 10, 1918, 351. Zu den päpstlichen Kammerherrn vgl. LThK V, 1933, 766 f. 15 AAS 13, 1921, 206. Zum Gregoriusorden vgl. LThK IV, 1932, 690. 16 L. Gaupp, Staatsrecht des Königreichs Württemberg, Freiburg, Tübingen 1884, 49; Bornhak, Deutsches Adelsrecht 63 f. 17 So richtig H. Frh. Schenck zu Schweinsberg, Zur rechtlichen Bedeutung der Adelszeichen. Jur. Diss. Gießen, Gießen 1927, 15, 21. 13

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Das Adelsprädikat war nach richtiger Auffassung kein Bestandteil des Familiennamens18. Mit dem Zusammenbruch des Kaiserreiches und den Umwälzungen in den deutschen Ländern trat für den Adel eine neue Situation ein, der hier im einzelnen nicht nachgegangen zu werden braucht. Nur soviel sei gesagt: Nach Art. 109 Abs. 3 WRV waren öffentlich-rechtliche Vorrechte oder Nachteile der Geburt oder des Standes aufzuheben. Adelsbezeichnungen galten nur als Teil des Namens und durften nicht mehr verliehen werden. Die WRV beseitigte mithin die öffentlichrechtliche Seite der Adelsbezeichnungen, beließ jedoch die privatrechtliche, als Namensteil. Sie verbot weiterhin die Verleihung von Adelsbezeichnungen im Deutschen Reich. Die Verleihung ausländischen Adels konnte und wollte sie nicht verbieten, aber eine solche konnte im Deutschen Reich nicht wirksam werden, weil die erforderliche Genehmigung zur Änderung des Namens durch Aufnahme der Adelsbezeichnung wegen des Verbots der Verleihung von Adelsbezeichnungen nicht erteilt werden durfte19. Die WRV gewährleistete aber die Weiterführung der bei ihrem Inkrafttreten vorhandenen Adelsbezeichnungen als Teile des Namens, und zwar im gesamten Deutschen Reich. Genau genommen waren die Adelsbezeichnungen jedoch nicht eigentlich Teile des Namens, sondern wurden nur als solche behandelt20. Das Adelszeichen wurde auch nach Inkrafttreten der WRV nicht Bestandteil des Familiennamens; es blieb vielmehr ein Teil des Namens in seiner Gesamtheit und dem Familiennamen gegenüber selbständig21. Die WRV ließ auch das Recht des mit dem persönlichen Adel Ausgestatteten auf die Adelsbezeichnung bestehen. Die Adelsbezeichnung war jedoch bei ihm Teil seines persönlichen Namens, nicht seines Familiennamens und wurde daher nicht auf die Abkömmlinge übertragen22. Das Bayerische Oberste Landesgericht hat richtig, wenn auch mit teilweise unzutreffender Begründung entschieden, daß Art. 109 WRV nicht zur Folge hat, daß die Adelsbezeichnung eines mit dem persönlichen Adel Ausgezeichneten als Namensbestandteil auf dessen Nachkommen übergeht23. Unter der WRV bestand in der Literatur im allgemeinen Übereinstimmung darüber, daß die Adelsbezeichnung beim persönlichen Adel nicht auf andere Personen 18 W. Röhn, Das Verhältnis des Adelsprädikats zum Familiennamen. Jur. Diss. Leipzig, Borna-Leipzig 1913, 40. 19 E. Müller, Standesvorrechte und Adelsname im geltenden Recht, zugleich ein Beitrag zur Systematik des Namensrechts: Mitteilungen der Zentralstelle für Deutsche Personen- und Familiengeschichte E. V. zu Leipzig. Quellen und Darstellungen aus dem Gebiete der Genealogie und verwandter Wissenschaften 32. Heft, Leipzig 1926, 69; W. Rademacher, Das Recht des Artikels 109 Absatz 3 der Reichsverfassung vom 11. August 1919. (Zugleich ein Beitrag zum alten und neuen Adelsrecht.) Jur. Diss. Hamburg, Borna-Leipzig 1927, 85 (aber 87!). 20 Bornhak, Deutsches Adelsrecht 100. 21 Richtig Schenck zu Schweinsberg, Zur rechtlichen Bedeutung des Adelszeichens 33. 22 Rensch, Der adelige Name 178; Müller, Standesvorrechte 37. 23 Zeitschrift für Rechtspflege in Bayern 18, 1922, 102 – 104.

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übergeht. Die vereinzelt vorgenommene Umdeutung der Adelsbezeichnung bei dem persönlichen Adel in einen Bestandteil des Familiennamens mit voller Übertragungsfähigkeit auf die nach dem 14. August 1919 geborenen Kinder24 verkehrt den Sinn der einschlägigen Bestimmungen der WRV in das Gegenteil und ist deshalb unhaltbar25.

V. Die heutige Rechtslage Zu der gegenwärtigen Rechtslage sei kurz bemerkt, daß Art. 109 Abs. 3 S. 2 WRV heute noch geltendes Recht zwar nicht mit Verfassungsrang, aber als einfaches Gesetz ist. Das heißt: Die vor Inkrafttreten der WRV am 14. August 1919 erworbenen Adelsprädikate bleiben als Bestandteile des Namens erhalten. Persönliche Adelstitel erlöschen mit dem Tod ihres Trägers. Für die im Zusammenhang mit dem vorliegenden Fall erörterte Möglichkeit, daß C. F. G. die österreichische Staatsangehörigkeit erworben hätte, gilt folgendes. Die Führung einer Adelsbezeichnung durch fremde Staatsangehörige ist nach dem Heimatrecht der betreffenden Person zu beurteilen. Staatsangehörige der Länder, in denen der Adel abgeschafft ist und die betreffenden Personen nicht das Recht behalten haben, die Adelsbezeichnung als Bestandteil des Namens weiterzuführen (wie z. B. in Österreich), sind dazu auch in Deutschland nicht berechtigt (§ 264 Abs. 3 S. 1 Dienstanweisung für die Standesbeamten und ihre Aufsichtsbehörden), und zwar auch dann nicht, wenn sie später die deutsche Staatsangehörigkeit erworben haben26. In Österreich erloschene Adelsbezeichnungen leben auch durch Einbürgerung in Deutschland nicht wieder auf27. Die Folgerungen aus den vorgebrachten Tatsachen und Überlegungen zu ziehen, ist nicht Sache dieses Gutachtens.

24 Beispiele bei Müller, Standesvorrechte 46; Schenck von Schweinsberg, Zur rechtlichen Bedeutung des Adelszeichens 47 f. 25 Vgl. Könnecke, Namensfragen im modernen Adelsrecht: Verwaltungsarchiv 28, 1921, 264 – 278; hier 272; C. Bornhak, Abschaffung des Adels und Adelshandel: Gesetz und Recht. Zeitschrift für allgemeine Rechts- und Staatskunde 22, 1921, 205 f. 26 G. Pfeiffer/H.-G. Strickert, Personenstandsgesetz. Kommentar, Berlin 1961, § 1 Anm. 14. 27 OLG Bremen StAZ 54, 133; Bay OLG StAZ 54, 250; B VerwG StAZ 60, 74.

Die Errichtung von Stiftungslehrstühlen für katholische Theologie an den Universitäten Frankfurt am Main und Gießen Einführung Um die Vertretung der katholischen Theologie war es an den staatlichen Hochschulen in Hessen immer schlecht bestellt. Im vorigen Jahrhundert wurde versucht, für die Länder Kurhessen und Nassau in Marburg1 und für das Großherzogtum Hessen in Gießen2 eine katholisch-theologische Fakultät zu errichten bzw. zu unterhalten. Beide Projekte standen unter keinem guten Stern. Die Marburger Fakultät trat überhaupt nur de iure, nicht de facto ins Leben, die Gießener Fakultät fand nach zwei Jahrzehnten ihr Ende. Seit dieser Zeit gibt es in Hessen keine katholischtheologische Fakultät an einer staatlichen Universität, wohl aber eine evangelisch-

1 Der Katholik 11, 1824, 123; C. Mirbt, Die katholisch-theologische Fakultät zu Marburg. Ein Beitrag zur Geschichte der katholischen Kirche in Kurhessen und Nassau, Marburg 1905; M. Höhler, Geschichte des Bistums Limburg, Limburg/L. 1908, 2 Tle., II, 92 – 96; Fr. Gundlach, Catalogus Professorum Academiae Marburgensis 1527 – 1910, Marburg 1927, 294, 458 – 460; G. Maron, Marburg, Universität 11: RGG IV, 3. Aufl., 1960, 737 f.; A. Brück, Marburg an der Lahn, 2) Universität: LThK VI, 2. Aufl., 1961, 1373 f.; St. Lösch, Prof. Dr. Adam Gengler. 1799 – 1866. Die Beziehungen des Bamberger Theologen zu J. J. I. Döllinger und J. A. Möhler. Ein Lebensbild mit Beigabe von 80 bisher unbekannten Briefen, darunter 47 neuen Möhler-Briefen. Zugleich ein Beitrag zur Gelehrtengeschichte Bambergs im XIX. Jahrhundert (= Veröffentlichungen der Gesellschaft für fränkische Geschichte Reihe IX = Darstellungen aus der fränkischen Geschichte Bd. 17), Würzburg 1963, Reg. 2 A. Lutterbeck, Geschichte der katholisch-theologischen Facultät zu Gießen. Eine allen Theologen Deutschlands gewidmete Denkschrift, Gießen 1860; Zwölf Jahre einer theologischen Fakultät: Der Katholik 431, 1863, 540 – 561; B. Schröder/F. Schwarz, Leopold Schmids Leben und Denken, Leipzig 1871; H. Brück, Geschichte der katholischen Kirche in Deutschland im 19. Jahrhundert III, Mainz 1889, 422 – 428; Fr. Lauchert, Franz Anton Staudenmaier (1800 – 1856) in seinem Leben und Wirken dargestellt, Freiburg i. Br. 1901; Fr. Vigener, Die katholisch-theologische Fakultät in Gießen und ihr Ende: Mitteilungen des Oberhessischen Geschichtsvereins N. F. 24, 1922, 28 bis 96; derselbe, Ketteler. Ein deutsches Bischofsleben des 19. Jahrhunderts, München-Berlin 1924, 182 f., 185, 207, 228; St. Lösch, Die katholisch-theologischen Fakultäten zu Tübingen und Gießen (1830 – 1850): ThQ 108, 1927, 159 – 220; A. Schuchert, Die katholisch-theologische Fakultät an der Universität Gießen: Jahrbuch für das Bistum Mainz I, 1946, 64 – 75; L. Lenhart, Das Mainzer Priesterseminar als Brücke von der alten zur neuen Mainzer Universität (1804 – 1946), Mainz 1947, 17; A. Brück, Art. Gießen: LThK IV, 2. Auflage, 1960, 887 f.

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theologische Fakultät an der Universität Marburg3. Die philosophisch-theologischen Hochschulen in Frankfurt, Königstein und Fulda4 sind kirchliche Einrichtungen. Der hessische Staat hat aber nun an den Universitäten in Frankfurt, Gießen und Marburg gewisse Einrichtungen zum Studium der katholischen Theologie für Religionslehrer geschaffen und so für jede der drei katholischen Diözesen, die zur Gänze oder mit großen Gebietsteilen im Lande Hessen liegen5, in unterschiedlicher Weise Vorsorge für den Erwerb der Befähigung zur Erteilung von Religionsunterricht getroffen. Von ihnen waren die in Frankfurt einigermaßen ausreichend, jene in Gießen und erst recht jene in Marburg dagegen unzureichend. Im ganzen war die Ausstattung der in Frage stehenden Einrichtungen nicht befriedigend. Dies galt, von Marburg abgesehen, wo die evangelisch-theologische Fakultät selbstverständlich auch die protestantischen Religionslehrer ausbildet, für die entsprechenden Einrichtungen der evangelischen Landeskirchen in gleicher Weise. Die Kirchen waren daher bestrebt, die Stätten für die Ausbildung der Religionslehrer an den staatlichen Universitäten personell zu verstärken. Da die hessische Landesregierung zur Errichtung von Theologieprofessuren in dem erforderlichen Umfang nicht zu gewinnen war, fanden sie sich bereit, kirchliche Finanzmittel dafür zur Verfügung zu stellen. Bereits im Jahre 1952 hatte die Diözese Limburg eine Professur für katholische Religionsphilosophie an der Universität Frankfurt gestiftet, die später in den Universitätshaushalt übernommen worden war6. In ähnlicher Weise hatte die Evangelische Kirche von Hessen und Nassau die Kosten für die Errichtung einer Professur für evangelische Theologie an derselben Universität aufgebracht, die dann ebenfalls vom Staat übernommen worden war7. Mit diesen Vorgängen war jedoch den Bedürfnissen nicht vollauf Genüge geleistet. Die Kirchen entschlossen sich daher erneut zu finanziellen Opfern, und zwar zur Bereitstellung von Mitteln zur Errichtung von weiteren Stiftungslehrstühlen für Theologie.

3 W. Zeller, Marburg, Universität: RGG IV, 3. Aufl., 1960, 733 – 737. Die evangelischtheologische Fakultät in Gießen ist nach 1945 nicht wieder eröffnet worden. Vgl. H. Steitz, Gießen, Universität: RGG II, 3. Aufl., 1958, 1571 – 1574, hier 1574. 4 Über sie: M. Baldus, Die philosophisch-theologischen Hochschulen in der Bundesrepublik Deutschland. Geschichte und gegenwärtiger Rechtsstatus (= Neue Kölner Rechtswissenschaftliche Abhandlungen Heft 38), Berlin 1965. 5 Die Stadt Frankfurt liegt in der Diözese Limburg, die Stadt Gießen in der Diözese Mainz, die Stadt Marburg in der Diözese Fulda. 6 A. Hollerbach, Verträge zwischen Staat und Kirche in der Bundesrepublik Deutschland (= Juristische Abhandlungen Bd. III), Frankfurt a. M. 1965, 36. 7 H.-U. Klose, Die Rechtsbeziehungen zwischen dem Staat und den Evangelischen Landeskirchen in Hessen unter besonderer Berücksichtigung des Hessischen Kirchenvertrages vom 18. Februar 1960 (= Neue Kölner Rechtswissenschaftliche Abhandlungen Heft 42), Berlin 1966, 124 A. 266; Hollerbach, Verträge 49.

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Die Errichtung von Stiftungslehrstühlen an staatlichen Universitäten ist ein im deutschen Universitätsleben8 nicht ganz seltener Vorgang. Sie wurde in den letzten Jahrzehnten mehrfach praktiziert. Das Wesen der deutschen Stiftungsprofessur liegt darin, daß eine nichtstaatliche Stelle die Mittel zur Unterhaltung des Lehrstuhls zur Verfügung stellt. Auf diese Weise wird es ermöglicht, die private Initiative bei dem Ausbau der Hochschulen zu beteiligen. Weitergehende Rechte werden dem Stifter nicht eingeräumt. Im besonderen erhält er grundsätzlich keine Befugnisse bezüglich der Besetzung der Professur. Der Inhaber der Stelle unterscheidet sich in seiner beamten- und korporationsrechtlichen Stellung nicht von den übrigen Professoren. Selbstverständlich können Lehrstühle an einer staatlichen Hochschule nur mit Einwilligung des Kultusministers gestiftet werden. Ihm steht für sein Ressort innerhalb der Gesetze und des Haushaltsplanes die Organisationsgewalt zu. Die Errichtung einer Stiftungsprofessur setzt auch die Anhörung, u. U. die Zustimmung, der zuständigen Gremien der Universität voraus.

I. Schenkungsversprechen der Bischöfe von Limburg und Mainz Der Bischof von Limburg gab am 6. November 1970, der Bischof von Mainz am 1. März 1971 ein Schenkungsversprechen betreffend die Errichtung je eines Lehrstuhls für katholische Theologie an der Universität Frankfurt und an der Universität Gießen ab. Im Zusammenhang mit den beiden Versprechen stehen die begleitenden Briefe der Bischöfe vom 6. November 1970 und 1. März 1971. Die beiden Schenkungsversprechen liegen nicht einmal vier Monate auseinander. Dem Mainzer Schenkungsversprechen hat zweifellos das Limburger Schenkungsversprechen als Vorlage gedient. Zwischen beiden besteht weitgehend Übereinstimmung bis in die Formulierungen hinein. Dasselbe gilt für die Schreiben der beiden Bischöfe, die das Schenkungsversprechen begleiteten. Dennoch bestehen zwischen dem Mainzer und dem Limburger Schenkungsversprechen gewichtige Unterschiede, die weiter unten zu würdigen sind. Den Schenkungsversprechen der erwähnten katholischen Bischöfe entsprechen Schenkungsversprechen der Evangelischen Kirche von Hessen und Nassau. Sie datieren vom 26. November 1970 und vom 19. März 1971. Ihr Wortlaut ist bis auf geringfügige Einzelheiten derselbe wie bei den Versprechen der Bischöfe. 8

E. Baumgarten/W. Müller/H. Wenke/H. v. Neppe, Gestalt und Wandlung der Universität (= Schriften der Freien Gesellschaft zur Pflege staatsbürgerlichen Bewußtseins), Hamburg 1963; R. Neuhaus (Hrsg.), Dokumente zur Gründung neuer Hochschulen. Anregungen des Wissenschaftsrates, Empfehlungen und Denkschriften auf Veranlassung von Ländern in der Bundesrepublik Deutschland in den Jahren 1960 – 1966, Wiesbaden 1968; G. Hess, Die deutsche Universität 1930 – 1970 (= Schule in Staat und Gesellschaft. Eine Schriftenreihe für Erziehung und Unterricht in der Schule, für Recht und Verwaltung, Soziologie und Wirtschaft des Bildungswesens), o. O. u. o. J.

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Der Zweck der beiden Versprechen geht aus den begleitenden Schreiben der beiden Oberhirten hervor. Die Bischöfe versprachen sich von der Errichtung der Stiftungslehrstühle vor allem eine Verbesserung des Lehrangebotes für die Studenten und der Ausbildung der Lehrer. Die Vermehrung der akademischen Lehrer würde eine stärkere Differenzierung der Disziplinen gestatten. Der Limburger Bischof dachte auch an das sogenannte Kontaktstudium, das dadurch gefördert werden könne, d. h. die theologische Weiterbildung der Religionslehrer. Der Mainzer Bischof hatte schließlich mit der Stiftung einer Professur für katholische Theologie anscheinend wesentlich dazu beigetragen, daß die hessische Regierung an der Universität Gießen für die Theologie einen eigenen Fachbereich bildete. Aufgrund des Gesetzes über die Universitäten des Landes Hessen vom 12. Mai 19709 und der Verordnung über die Bildung der Fachbereiche an den Universitäten vom 12. März 197110 wurde nämlich in Frankfurt und Gießen je ein Fachbereich „Religionswissenschaften“ gebildet. Der Gegenstand der Schenkungsversprechen waren Geldzahlungen. Die Diözesen Limburg und Mainz versprachen, dem Land Hessen schenkungsweise die finanziellen Lasten zu erstatten, die dem hessischen Staat dadurch entstehen, daß er je eine Professur für katholische Theologie an den Universitäten Frankfurt und Gießen errichtet. Die Diözesen verpflichteten sich, dem Land die für die Besoldung des Stelleninhabers nach der Besoldungsgruppe H 4 erforderlichen Geldmittel zu erstatten, und zwar, was die laufenden monatlichen Zahlungen angeht, monatlich im voraus. Ebenso übernahmen die Diözesen die Erstattung der Entpflichtetenbzw. Versorgungsbezüge. Die Schenkungsversprechen waren befristet. Die Abgeltung der Aufwendungen des Staates für den Inhaber der Professur war für die Dauer von zehn Jahren vorgesehen. Die Schenkungsversprechen galten also für zehn Jahre. Die beiden Diözesen erklärten sich jedoch bereit, im Laufe des zehnten Jahres, für das die Erbringung der Leistungen versprochen wurde, mit der hessischen Regierung in Verhandlungen über eine Fortsetzung der Schenkung einzutreten. Aus diesem Passus ergibt sich, daß evtl. Erwartungen der kirchlichen Seite auf Übernahme der Stiftungsprofessuren in den Landeshaushalt kaum begründet waren. Die Schenkungsversprechen sahen die Möglichkeit einer Kündigung vor. Jeder der beiden Vertragspartner kann den Schenkungsvertrag kündigen, frühestens allerdings erst drei Jahre nach dem Abschluß. Zur Kündigung ist ein „wichtiger Grund“ erforderlich. Als solcher wird in dem Schenkungsversprechen beispielsweise das Nichterreichen des Schenkungszwecks angegeben. Über den Zweck der Schenkungen wurde bereits oben gesprochen. Die Kündigung wird aber erst mit dem Ende des Jahres wirksam, das auf die Kündigung folgt. Auf diese Weise wird sichergestellt, daß eine zeitlich überschaubare Abwicklung der evtl. Aufhebung der Professur bzw. der Einstellung des Lehrprogramms vor sich gehen kann oder daß 9

GVBl. I S. 324 (§§ 20 – 27). GVBl. I S. 74 (§§ 2 und 3).

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die Regierung die Möglichkeit hat, die von der Aufhebung bedrohte Stelle in ihren eigenen Haushalt zu übernehmen. Hinsichtlich der über die Errichtung einer H 4-Professur hinausgehenden Einrichtungen trennen sich die beiden Schenkungsversprechen. Die Diözese Limburg versprach nur, „wohlwollend11 zu prüfen, inwieweit für weiteres Personal und für Sachmittel dem Land die Kostenübernahme zugesagt werden kann“, behielt sich also eine weitergehende Zusage vor. Die Diözese Mainz band sich in stärkerer Weise. Sie stellte dem Fachbereich – also nicht der gestifteten Professur – im Jahr 6000,– DM als „allgemeine Mittel für Lehre und Forschung“ zur Verfügung mit einer Gleitklausel. Da in dem Fachbereich Religionswissenschaften neben katholischer Theologie auch evangelische Theologie betrieben wird, finanziert die Diözese Mainz auch Lehre und Forschung in evangelischer Theologie. Dazu kommt eine weitere Besonderheit in dem Schenkungsversprechen der Diözese Mainz. Das Bistum erklärte sich bereit, „gemeinsam mit der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau“, ebenfalls schenkungsweise, die Kosten für die Unterhaltung einer Dozentur (H 2) zu übernehmen und die Kosten einer Sekretärin (BAT VII) zu tragen. Die Aufschlüsselung der Kosten auf die beiden Träger blieb einer internen Vereinbarung überlassen. Aus dieser Bestimmung ersieht man, daß der lnterkonfessionalismus in Mainz von höchster Stelle ermutigt und mit kirchlichen Mitteln gefördert wird. Das Mainzer Schenkungsversprechen enthält kein Wort über den Charakter und die Besetzung der erwähnten Dozentur. Es wird nicht gesagt, ob auf ihr katholische Theologie oder protestantische Theologie oder gar beides gleichzeitig vorgetragen werden soll. Ebensowenig ergibt sich aus der Urkunde, ob die Stelle etwa abwechselnd mit einem katholischen und einem protestantischen Theologen zu besetzen ist, wobei sich dann sofort die Frage erhebt, ob hinsichtlich der zeitlichen Dauer der jeweiligen Inhaberschaft eine Absprache getroffen worden ist bzw. eine solche überhaupt möglich ist. In dem Brief des Mainzer Bischofs an den hessischen Kultusminister vom 1. März 1971 ist allerdings davon die Rede, daß der Bischof sich vor Ernennung des Dozenten mit der Kirchenleitung darüber verständigen werde, ob ein Bewerber für katholische oder evangelische Theologie in Betracht komme. Danach bleibt es bei jeder Neubesetzung der Stelle dem Übereinkommen des Mainzer Bischofs mit der protestantischen Kirchenleitung überlassen, wie die Stelle besetzt wird, ob mit einem katholischen oder einem protestantischen Theologen. Zeitlich nicht weit ab von der Stiftung eines Lehrstuhls für katholische Theologie an der Universität in Gießen durch das Bistum Mainz liegt ein ähnliches Rechtsgeschäft desselben. Am 8. November 1971 wurde zwischen dem Land Rheinland-Pfalz und der Diözese Mainz ein Vertrag über die Errichtung eines 11 Dieses Wort fehlt in dem entsprechenden Versprechen der Evangelischen Kirche von Hessen und Nassau.

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Lehrstuhls für Allgemeine Pastoraltheologie, Pastoralsoziologie und -psychologie an der katholisch-theologischen Fakultät der Universität zu Mainz abgeschlossen12. Ein wesentlicher Unterschied zu den hessischen Vereinbarungen über die Errichtung von Stiftungslehrstühlen besteht nicht. Allerdings wurde der Lehrstuhl an der Universität in Mainz besser ausgestattet als die Lehrstühle an den Universitäten in Frankfurt und Gießen. Eine Befristung der Kostenerstattung war nicht vorgesehen.

II. Mitwirkungsrechte der zuständigen Diözesanbischöfe In der katholischen Kirche kann niemand im Auftrag der Kirche Theologie lehren, der nicht die missio canonica13 des zuständigen Oberhirten erhalten hat. Die deutschen Konkordate tragen diesem Grundsatz durchweg insofern Rechnung, als der zuständige Diözesanbischof bei der Besetzung theologischer Lehrstellen eine Unbedenklichkeitserklärung abgeben muß14. Es erhebt sich die Frage, wie diese wichtige Angelegenheit bei den erwähnten Stiftungslehrstühlen an den hessischen Universitäten geregelt ist. Die Schenkungsversprechen enthalten keinen Hinweis auf etwaige Mitwirkungsrechte der zuständigen Bischöfe bei der Besetzung der Stiftungsprofessuren. Sie befinden nur über kirchliche Leistungen, nicht über kirchliche Rechte. Aber der hessische Kultusminister hat sich als Äquivalent für die Schenkungen der katholischen Diözesen nicht nur zur Errichtung der in Frage stehenden Lehrstühle verpflichtet, sondern auch den zuständigen Bischöfen eine bestimmte Weise der Mitwirkung bei ihrer Besetzung eingeräumt. Die einschlägigen Schreiben des Ministers lagen mir nicht vor. Ihr Inhalt ergibt sich jedoch aus den Briefen, die den Schenkungsversprechen der Bischöfe beigefügt waren. Der Limburger Bischof bedankte sich in seinem Schreiben vom 6. November 1970 für die am 5. November 1970 erfolgte schriftliche Zusage des hessischen Kultusministers, daß dieser sich vor der Erteilung eines Rufes15 auf die gestiftete Professur und ebenso vor der etwaigen Bestellung eines kommissarischen Verwalters mit dem Bischöflichen Ordinariat Limburg ins Benehmen setzen werde und, falls dieses Bedenken wegen des Be12

AfkKR 141, 1972, 234 – 236. H. Flatten, Missio canonica, in: Th. Filthaut, J. A. Jungmann (Hrsg.), Verkündigung und Glaube. Festgabe für Franz X. Arnold, Freiburg i. Br. 1958, 123 – 141. 14 W. Weber, Das Nihil obstat: Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft 99, 1939, 193 – 244; E. H. Fischer, Theologieprofessor, Theologische Fakultät und Kirche. Das akademische Lehramt der katholischen Theologie im Rahmen des deutschen Konkordatsrechtes, in: J. Betz, H. Fries (Hrsg.), Kirche und Überlieferung. Festschrift für Joseph Rupert Geiselmann zum 70. Geburtstag am 27. Februar 1960, Freiburg, Basel, Wien 1960, 330 – 360; H. Flatten, Das bischöfliche Nihil obstat für Privatdozenten der Theologie nach deutschem Konkordatsrecht, in: W. M. Plöchl, I. Gampl (Hrsg.), Im Dienste des Rechtes in Kirche und Staat. Festschrift zum 70. Geburtstag von Univ.-Professor Prälat Dr. theol. et Dr. jur. Franz Arnold (= Kirche und Recht Bd. 4), Wien 1963, 197 – 218. 15 Zur Berufung: H. Gerber, Hochschule und Staat, Göttingen 1953, 20 – 22. 13

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kenntnisses und der Auswirkungen auf die Lehre erheben sollte, ein Einvernehmen zwischen dem Kultusministerium und dem Bischöflichen Ordinariat herstellen werde. In dem Limburger Fall hatte also der Kultusminister ein schriftliches Versprechen über die Einschaltung der kirchlichen Behörde vor der Besetzung der Professur abgegeben. Bemerkenswert ist, daß als kirchlicher Partner nicht der Bischof, sondern das Bischöfliche Ordinariat, also die Behörde des Bischofs, genannt wird. Damit wird von der bisher üblichen Praxis abgegangen, wonach der Bischof und nur der Bischof, und er persönlich, bei der Besetzung von Theologieprofessuren mitwirkt. Ob diese Abweichung beabsichtigt ist oder nur einer ungenauen Sprechweise zuzuschreiben ist, kann deshalb dahingestellt bleiben, weil das Bischöfliche Ordinariat begriffsnotwendig einen eigenen Willen neben dem Bischof oder gar gegen ihn nicht entfalten kann. Weiter ist bemerkenswert, daß die Mitwirkung der kirchlichen Behörde vor Erteilung des Rufes auf die Professur erfolgt. In den deutschen Konkordaten ist regelmäßig Gleichzeitigkeit von Erteilung des Rufes und Angehen des Bischofs zwecks Abgabe seiner Stellungnahme vorgesehen16. Wird der Bischof schon vor Ergehen der Berufung gefragt, so wird seine Stellung in dem Verfahren gestärkt. Er steht nicht unter dem zumindest gelinden Druck, daß der Ruf schon, wenn auch in vertraulicher Weise, hinausgegangen ist, und er ist daher psychologisch freier, etwa bestehende Bedenken gegen den für die Berufung ins Auge gefaßten Gelehrten vorzubringen. Die Art und Weise der Mitwirkung der kirchlichen Behörde wird mit „Benehmen“ und „Einvernehmen“ angegeben. Wenn der hessische Kultusminister sich verpflichtet, sich vor Erteilung des Rufes mit dem Bischöflichen Ordinariat ins „Benehmen“ zu setzen, dann sagt er damit zu, der kirchlichen Behörde Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, um eine Verständigung über die zu berufende Persönlichkeit zu erstreben. Das Benehmen allein zwingt den Kultusminister jedoch nicht, die Stellungnahme zu berücksichtigen, d. h. diese ist unverbindlich. Nun soll aber die Stellungnahme der kirchlichen Behörde, wie sich aus dem weiteren Text ergibt, nur dann unverbindlich sein, wenn diese keine Bedenken gegen die für die Besetzung der Professur in Aussicht genommene Persönlichkeit erhebt. Erhebt das Bischöfliche Ordinariat dagegen „Bedenken wegen des Bekenntnisses und der Auswirkungen auf die Lehre“, ist ein „Einvernehmen“ zwischen Kultusministerium und Bischöflichem Ordinariat herzustellen. Das bedeutet, daß der Minister sich bemühen kann, die Bedenken der kirchlichen Behörde zu zerstreuen, daß aber die Stellungnahme des Bischöflichen Ordinariats für den Kultusminister insofern verbindlich ist, als er die Berufung nicht aussprechen darf, falls die kirchliche Behörde von ihren Bedenken gegen den in Aussicht genommenen Gelehrten nicht abgeht. Das heißt: Die Zustimmung des Bischofs von Limburg zu der Besetzung der Stiftungsprofessur ist unerläßlich. Anders ausgedrückt: Der Bischof besitzt ein Veto16 Ausnahme: G. May, Das Verhältnis der katholisch-theologischen Fakultät der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz zu dem Diözesanbischof nach der Vereinbarung zwischen Kirche und Staat vom 15./17. April bzw. 5. Oktober 1946, in: Im Dienste des Rechtes in Kirche und Staat 171 – 196.

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recht für die Besetzung der Lehrstelle. Damit ist der kirchlichen Seite eine verhältnismäßig starke Stellung bei dem Besetzungsverfahren eingeräumt. Sie ist sachgemäß, denn sie entspricht dem Verständnis der katholischen Kirche von dem Verhältnis zwischen Theologie und Lehramt und steht im Einklang mit dem deutschen Konkordatssystem. Bei dem von der Mainzer Diözese gestifteten Lehrstuhl für katholische Theologie an der Universität Gießen lag – anders als in Limburg – eine schriftliche Zusage des hessischen Kultusministers bezüglich der Mitwirkung des Mainzer Bischofs bei der Besetzung der erwähnten Professur anscheinend nicht vor, als der Mainzer Bischof sein Schreiben vom 1. März 1971 an den Minister richtete. Der Bischof von Mainz ging aber, wie er in diesem Schreiben ausführte, bei der Abgabe des Schenkungsversprechens davon aus, daß ihm bei der Besetzung der gestifteten Professur dieselben Mitwirkungsrechte eingeräumt würden wie dem Bischof von Limburg. Die Wendung „gehe ich davon aus“ läßt erkennen, daß der Bischof das Schenkungsversprechen an die Einräumung von Mitwirkungsrechten geknüpft wissen wollte, und daß er es nicht abgegeben hätte, falls ihm letztere nicht gewährt worden wären. Wenn der Kultusminister dem Bischof nicht bereits in den Verhandlungen, die dem Schenkungsversprechen vorhergingen, eine dahingehende Zusage gemacht hatte, dann ist eine solche in der Annahme des Schenkungsversprechens, das mit einer solchen Bedingung verknüpft war, durch den Kultusminister zu erblicken. Die Stiftungsprofessur in Gießen wurde also dem gleichen Regime kirchlicher Mitwirkung unterstellt wie jene in Frankfurt. Der Bischof von Mainz schrieb dem Kultusminister am 1. März 1971 weiter, er „gehe ferner davon aus“, daß bei der Ernennung des Dozenten auf die Stiftungsdozentur „dieselbe Regelung“ gelte. Diese Klausel ist erstaunlich. Denn nach den Ausführungen des Bischofs kann der Dozent ein katholischer oder ein protestantischer Theologe sein. Daß bei der Ernennung eines katholischen Dozenten wie bei der Berufung eines Professors verfahren wird („Benehmen“, „Einvernehmen“), ist einleuchtend. Denn wer im Namen der Kirche Theologie lehrt, muß das Vertrauen, rechtlich ausgedrückt die missio canonica des zuständigen Diözesanbischofs haben. Anders ist es jedoch in dem Fall, daß ein protestantischer Dozent ernannt wird. Bei der Bestellung evangelischer Theologen geht die Mitwirkung der protestantischen Kirchenleitungen herkömmlicherweise nicht über die Abgabe eines Gutachtens hinaus17. Ein Vetorecht wurde ihnen bisher nicht eingeräumt. Sollte dies in dem Fall des Gießener Dozenten auf der interkonfessionellen Wechseldozentur geschehen sein? Und sollte diese weitgehende Zusage anläßlich des Stiftungsgeschäftes der katholischen Seite erfolgt sein? Die Mitwirkungsrechte der zuständigen Bischöfe wurden durch Briefwechsel, d. h. durch Verwaltungsvereinbarungen zwischen dem hessischen Kultusminister 17 E.-L. Solte, Theologie an der Universität. Staats- und kirchenrechtliche Probleme der theologischen Fakultäten (= Jus Ecclesiasticum. Beiträge zum evangelischen Kirchenrecht und zum Staatskirchenrecht Bd. 13), München 1971, 182 – 213.

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und den Bischöfen von Limburg und Mainz festgelegt. Verwaltungsvereinbarungen können durch spätere Verwaltungsvereinbarungen, Staatsverträge und Gesetze jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine solche Änderung ist nun durch den Hessischen Bistumsvertrag vom 29. März 197418 erfolgt. Als ich meine Untersuchung über „Die rechtliche Stellung der Einrichtungen zur Ausbildung katholischer Religionslehrer an den staatlichen Hochschulen in dem Land Hessen“ schrieb19, war mir der Wortlaut der Verträge zur Errichtung zweier Stiftungsprofessuren für katholische Theologie an den Universitäten Frankfurt und Gießen von 1970 und 1971 noch nicht bekannt. Gegenüber den Abreden, die bei der Stiftung der Professuren zwischen den zuständigen Diözesanbischöfen und dem hessischen Kultusminister getroffen wurden, stellt die Regelung des Art. 10 des Hessischen Bistumsvertrages von 1974 eine wesentliche Verschlechterung dar. Aus dem Vetorecht des Bischofs ist ein – obendrein mit wesentlichen Erschwernissen behaftetes – Bedenkenäußerungsrecht geworden. Der hessische Kultusminister, der nach den Zusagen bei der Stiftung der Lehrstühle ohne Einwilligung des Bischofs keinen Inhaber oder kommissarischen Verwalter der Professuren berufen oder ernennen konnte, kann nunmehr ohne Rechtsverletzung über das Gutachten des Bischofs hinweggehen. Mit dem Hessischen Bistumsvertrag ist der erste große Einbruch in das deutsche Konkordatssystem der kirchlichen Mitwirkung bei der Bestellung akademischer Lehrer der katholischen Theologie erfolgt. Die Auswirkungen dieser Abmachung bleiben abzuwarten.

Schluß Die katholischen Diözesen Limburg und Mainz waren bisher aufgrund ihrer guten Finanzlage imstande, dem Staat erhebliche Mittel zur Verfügung zu stellen, damit er dem ihm obliegenden Gebot, Stätten zur Ausbildung von Religionslehrern zu schaffen und zu unterhatten, nachkomme. Zur Erbringung dieser Leistungen fanden sich die Bistümer freiwillig bereit. An sich wäre es Sache des Staates gewesen, für die erforderlichen Einrichtungen zu sorgen. Denn wenn der Religionsunterricht ordentliches Lehrfach an den öffentlichen Schulen und insofern eine Unternehmung des Staates ist, dann obliegt es auch dem Staat, die Ausbildung von Lehrern für dieses Fach zu gewährleisten. Daß sich das hochindustrialisierte wohlhabende Land Hessen aus finanziellen Gründen nicht in der Lage gesehen habe, die für die Ausbildung von Religionslehrern notwendige Personal- und Sachausstattung bereitzustellen, ist wenig wahrscheinlich. Vermutlich bestanden in den Parteien, die die Regierung stellen und die Mehrheit im Landtag besitzen, SPD und FDP, Widerstände gegen die Schaffung zureichender Einrichtungen zur Ausbildung in katholischer (und evangelischer) Theologie an den staatlichen Hochschulen. Aber welches auch immer die Gründe gewesen sind, deretwegen die hes18 19

GVBl. I S. 388; Abdruck: AfkKR 143, 1974, 585 – 595. ÖAfKR 26, 1975, 55 – 89.

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sische Regierung nur zögernd und mit unzulänglichen Mitteln an den Aufbau der Einrichtungen, die zum Studium der Theologie erforderlich sind, heranging, die Kirchen – die katholischen Bistümer Limburg und Mainz sowie die Evangelische Kirche von Hessen und Nassau – fanden sich bereit, nachzuhelfen und dem Staat gleichsam unter die Arme zu greifen. Wieweit dabei die Hoffnung mitspielte, die Stiftungslehrstühle über kurz oder lang in den Landeshaushalt übernommen zu sehen, oder ob sogar derartige Aussichten von seiten der hessischen Regierung eröffnet wurden, ist unbekannt. Dieser Vorgang, daß Stiftungslehrstühle nach einiger Zeit vom Staat übernommen werden, ist ja eine bekannte Erscheinung. Bei den 1952 gestifteten Lehrstühlen ist die Übernahme erfolgt. 1970/71 mochten derartige Erwartungen nicht ganz unbegründet sein. 1975 ist ihre Verwirklichung unwahrscheinlich geworden. Die Wirtschaftslage der Bundesrepublik und damit die Finanzverhältnisse der Länder haben sich seit 1970/71 entscheidend verschlechtert. Erfahrungsgemäß erfolgen notwendig gewordene Einsparungen des Staates zuerst im Sektor Kultur. Auch die Kirchen sind von der wirtschaftlichen Stagnation betroffen. Der Rückgang der Einnahmen aus der Kirchensteuer zwingt die Finanzverwaltungen der Bistümer zur Sparsamkeit. Zwar sind die Leistungen für die Stiftungslehrstühle noch nicht bedroht. Aber angesichts der Knappheit an Finanzmitteln wird die Frage nach Effektivität und Nutzen theologischer Lehrstühle und Ausbildungsstätten mit größerer Präzision gestellt werden müssen, als es bisher der Fall war. Es könnte sein, daß die Entwicklung des geistigen und kirchenpolitischen Klimas in der Bundesrepublik und vornehmlich in Hessen das Bedürfnis nach Einrichtungen für das Theologiestudium vermindert. Das Interesse der Lehrer, Religionsunterricht zu erteilen, ist in Hessen verhältnismäßig sehr schwach. Die weit überwiegende Zahl der Lehramtskandidaten legt keinen Wert mehr darauf, diese Befugnis zu erwerben. Sollte diese Entwicklung anhalten, wird die Frage unausweichlich, ob die Kirche weiterhin erhebliche Mittel für Einrichtungen, die nicht hinreichend frequentiert werden, bereitstellen kann.

Anlage 1

Durchschrift Der Bischof von Limburg

Limburg/L., 6. 11. 1970 Az. 1595/70/44

Schenkungsversprechen §1 (1) Die Diözese Limburg verspricht schenkungsweise dem Land Hessen, für die Dauer von 10 Jahren alle finanziellen Lasten abzugelten, die im Zusammenhang mit der Errichtung einer Professur für Katholische Theologie an der Universität Frankfurt/M. dem hessischen Staat gegenüber dem Inhaber der Professur durch dessen Ernennung zum hessi-

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schen Beamten aufgrund gesetzlicher Bestimmungen entstehen. Insbesondere verpflichtet sie sich zu folgenden Leistungen: (2) Die Diözese Limburg/Lahn wird dem Land Hessen die für die Besoldung des Inhabers der Professur nach der Besoldungsgruppe H4 nötigen Geldmittel – soweit es sich um laufende monatliche Zahlungen handelt, monatlich im voraus – an die Landesbesoldungskasse Hessen in Wiesbaden wie folgt erstatten: a)

Grundgehalt, Ortszuschlag, Kinderzuschläge, Beihilfen und gesetzliche Zulagen;

b) die Unterrichtsgeldpauschale, evtl. Vorwegbewilligung von Dienstalterszulagen, von Sondergrundgehältern oder Zuschüssen nach Absprache mit dem Bischöflichen Ordinariat; c) etwaige Abschlagszahlungen auf künftig festzusetzende Gehaltszulagen, die aufgrund allgem. Anordnung an Beamte gezahlt werden; d) die Umzugskosten nach den gesetzlichen Bestimmungen; e) ggf. Trennungsentschädigung; f) ferner alle Leistungen, die aufgrund von Gesetzen, Verordnungen oder Erlassen allen anderen Stelleninhabern der Besoldungsgruppe H 4 HBesG gewährt werden. (3) Die Diözese verpflichtet sich, für die Dauer der Schenkung für Erhöhungen der Bezüge und der o. a. Zuschläge und Zulagen im Rahmen der hessischen Gesetzgebung aufzukommen. (4) Bei einer kommissarischen Verwaltung der Stiftungsprofessur gelten die Absätze 1 – 3 sinngemäß. (5) Im Versorgungsfall zahlt die Diözese Limburg an das Land in monatlichen Raten im voraus zusätzlich zu den in Abs. 1 genannten Zahlungen die Entpflichteten- bzw. Versorgungsbezüge in der gesetzlichen Höhe. Für Abschlagszahlungen auf künftige Versorgungsbezüge gilt Abs. 2 c) entsprechend.

§2 (1) Das Schenkungsversprechen gilt für die Dauer von 10 Jahren. (2) Der Schenkungsvertrag kann von jedem Vertragspartner – frühestens nach 3 Jahren – aus wichtigem Grund gekündigt werden, insbesondere dann, wenn der Schenkungszweck nicht mehr erreicht werden kann. Die Kündigung wird mit Ende des Jahres wirksam, das auf die Kündigung folgt.

§3 Die Diözese erklärt sich bereit, im Laufe des 10. Jahres, für das die Leistungen der im § 1 genannten Beträge versprochen wird (sic!), mit der hessischen Landesregierung in Verhandlungen über eine Fortsetzung der Schenkung einzutreten.

404

Stiftungslehrstühle an den Universitäten Frankfurt am Main und Gießen

§4 Die Diözese Limburg verspricht, wohlwollend zu prüfen, inwieweit für weiteres Personal und für Sachmittel dem Land die Kostenübernahme zugesagt werden kann. (L. S.) (gez.) Dr. Wilhelm Kempf Bischof von Limburg

Anlage 2

Schenkungsversprechen §1 (1) Die Diözese Mainz verspricht schenkungsweise dem Land Hessen, für die Dauer von 10 Jahren alle finanziellen Lasten abzugelten, die im Zusammenhang mit der Errichtung einer Professur für Katholische Theologie an der Universität Gießen dem Hessischen Staat gegenüber dem Inhaber der Professur durch dessen Ernennung zum hessischen Beamten aufgrund gesetzlicher Bestimmungen entstehen. Insbesondere verpflichtet sie sich zu folgenden Leistungen: (2) Die Diözese Mainz wird dem Land Hessen die für die Besoldung des Inhabers der Professur nach der Besoldungsgruppe H 4 nötige Goldmittel (sic!) – soweit es sich um laufende monatliche Zahlungen handelt, monatlich im voraus – an die Landesbesoldungskasse Hessen in Wiesbaden wie folgt erstatten: a) Grundgehalt, Ortszuschlag, Kinderzuschläge, Beihilfen und gesetzliche Zulagen; b) Unterrichtspauschale (sic!), evtl. Vorwegbewilligung von Dienstalterszulagen, von Sondergrundgehältern oder Zuschüssen nach Absprache mit dem Bischöflichen Ordinariat; c) etwaige Abschlagszahlungen auf künftig festzusetzende Gehaltszulagen, die aufgrund allgemeiner Anordnung an Beamte gezahlt werden; d) die Umzugskosten nach den gesetzlichen Bestimmungen; e) ggf. Trennungsentschädigung; f) alle Leistungen, die aufgrund von Gesetzen, Verordnungen oder Erlassen allen anderen Stelleninhabern der Besoldungsgruppe H 4 HBesG gewährt werden. (3) Die Diözese Mainz verpflichtet sich, für die Dauer der Schenkung für Erhöhungen der Bezüge und der o. a. Zuschläge und Zulagen im Rahmen der hessischen Gesetzgebung aufzukommen. (4) Bei einer kommissarischen Verwaltung der Stiftungsprofessur gelten die Absätze 1 – 3 sinngemäß. (5) Im Versorgungsfall zahlt die Diözese Mainz an das Land in monatlichen Raten im voraus zusätzlich zu den in Abs. 1 genannten Zahlungen die Entpflichteten- bzw. Versorgungsbezüge in der gesetzlichen Höhe. Für Abschlagszahlungen auf künftige Versorgungsbezüge gilt Abs. 2c) entsprechend.

Stiftungslehrstühle an den Universitäten Frankfurt am Main und Gießen

405

§2 Das Bistum Mainz stellt dem Fachbereich jährlich DM 6000,– als allgemeine Mittel für Lehre und Forschung zur Verfügung. Dieser Betrag verändert sich um denselben Prozentsatz, um den sich evtl. in späteren Haushaltsjahren die Mittel für Lehre und Forschung für den Fachbereich Religionswissenschaften verändern.

§3 Das Bistum Mainz ist bereit, schenkungsweise gemeinsam mit der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau die Kosten einer Dozentur (H 2) zu übernehmen. Erstattet werden – soweit es sich um laufende monatliche Zahlungen handelt, monatlich im voraus –: a) Grundgehalt, Ortszuschlag, Kinderzuschläge, Beihilfen und gesetzliche Zulagen; b) etwaige Abschlagszahlungen auf künftig festzusetzende Gehaltszulagen, die aufgrund allgemeiner Anordnung an Beamte gezahlt werden; c) die Umzugskosten nach den gesetzlichen Bestimmungen; d) ggf. Trennungsentschädigung; e) alle Leistungen, die aufgrund von Gesetzen, Verordnungen oder Erlassen allen anderen Stelleninhabern der Besoldungsgruppe H 2 HBesG gewährt werden. Die Diözese verpflichtet sich für die Dauer der Schenkung gemeinsam mit der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau für Erhöhungen der Bezüge und der o. a. Zuschläge und Zulagen im Rahmen der hessischen Gesetzgebung aufzukommen. Bei einer kommissarischen Wahrnehmung der Dozentur gelten die Absätze 1 – 3 sinngemäß. Im Versorgungsfall zahlt das Bistum Mainz zusammen mit der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau an das Land in monatlichen Raten im voraus zusätzlich zu den in Abs. 1 genannten Zahlungen die Versorgungsbezüge, im Falle des Ausscheidens das Übergangsgeld in der gesetzlichen Höhe. Für Abschlagszahlungen auf künftige Versorgungsbezüge bzw. Übergangsgelder gilt § 1 Abs. 2 c) entsprechend.

§4 Das Bistum Mainz ist bereit, gemeinsam mit der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau die Kosten einer Sekretärin (BAT VII) zu tragen, die nach landesrechtlicher Regelung entstehen.

§5 (1) Das Schenkungsversprechen gilt für die Dauer von 10 Jahren. (2) Der Schenkungsvertrag kann von jedem Vertragspartner – frühestens nach 3 Jahren – aus wichtigem Grund gekündigt werden, insbesondere dann, wenn der Schenkungszweck nicht mehr erreicht werden kann. Die Kündigung wird mit Ende des Jahres wirksam, das auf die Kündigung folgt.

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Stiftungslehrstühle an den Universitäten Frankfurt am Main und Gießen

§6 Die Diözese erklärt sich bereit, im Laufe des 10. Jahres, für das die Leistungen der im Vertrag genannten Beträge versprochen wird (sic!), mit der Hessischen Landesregierung in Verhandlungen über eine Fortsetzung der Schenkung einzutreten. Mainz, den 1. März 1971

Hermann Volk Bischof von Mainz

Die Rechtsstellung der akademischen Lehrer der katholischen Theologie und die Ausbildung der katholischen Theologiestudierenden an den staatlichen Hochschulen in Bayern nach dem Vertrag zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Freistaat Bayern vom 4. September 1974* Einleitung Der Freistaat Bayern hat in den letzten zehn Jahren eine lebhafte konkordatäre Aktivität1 entfaltet, die zu tiefgehenden Eingriffen in das Konkordat geführt hat, das am 29. März 19242 zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Freistaat Bayern abgeschlossen worden war. Die Notwendigkeit zum Abschluß neuer Vereinbarungen mit dem Heiligen Stuhl ergab sich einmal aus den vielfältigen Änderungen im bayerischen Hochschulwesen. In Regensburg3, Augsburg4, Passau5 und Bayreuth6 wurden Universitäten, in * Die Arbeit wurde am 1. 2. 1976 abgeschlossen. 1 Eine handliche Ausgabe der Materie bis zum Jahre 1971 stellt dar W. Weber (Hrsg.), Die deutschen Konkordate und Kirchenverträge der Gegenwart. Textausgabe mit den amtlichen Begründungen sowie mit Ergänzungsbestimmungen, vergleichenden Übersichten, Schrifttumshinweisen und einem Sachverzeichnis, 2 Bde., Göttingen 1962/71. 2 GVBl. 1925 S. 53; AAS 17, 1925, 41 – 54 (= BayK). Die instruktiven Landtagsverhandlungen finden sich in: Stenographischer Bericht über die Verhandlungen des Bayerischen Landtags. Siebenundzwanzigste öffentliche Sitzung. Nr. 27. Dienstag, den 13. Januar 1925, I. Band S. 741 bis Stenographischer Bericht über die Verhandlungen des Bayerischen Landtags. Neunundzwanzigste öffentliche Sitzung. Nr. 29. Donnerstag, den 15. Januar 1925. I. Bd. S. 872 (Schluß). Literatur zum Bayerischen Konkordat: L. Schöppe (Hrsg.), Konkordate seit 1800. Originaltext und deutsche Übersetzung der geltenden Konkordate (= Dokumente Bd. XXXV), Frankfurt a. M., Berlin 1964, 547 f. 3 Die Universität Regensburg wurde durch Gesetz vom 18. Juli 1962 (GVBl. S. 127) errichtet. Vgl. die Verordnung über die Errichtung der Universität in Regensburg vom 18. Dezember 1963 (GVBl. S. 233). 4 Die Universität Augsburg wurde durch Gesetz vom 18. Dezember 1969 (GVBl. S. 398) errichtet. 5 Die Universität Passau wurde durch Gesetz vom 22. Dezember 1972 (GVBl. S. 470) errichtet. Vgl. die Verordnung über die Errichtung einer Geschäftsstelle für die Universität Passau vom 12. September 1974 (GVBl. S. 489). 6 Die Universität Bayreuth wurde durch Gesetz vom 23. Dezember 1971 (GVBl. S. 472) errichtet.

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Die Rechtsstellung der akademischen Lehrer der katholischen Theologie

Bamberg7 wurde eine Gesamthochschule errichtet. Durch die Neugründungen, aber auch durch verschiedene Strömungen und Tendenzen wurden zahlreiche Bestimmungen des bayerischen Hochschulrechts überholt. Das Hochschulgesetz vom 21. Dezember 19738 brachte eine eingehende Zusammenfassung der Änderungen. Das neue Hochschulrecht zog wiederum Wandlungen im Hochschullehrerrecht nach sich. Am 9. Oktober 19749 wurde die Neufassung des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Lehrer und Assistenten an Hochschulen bekanntgemacht. Diese Entwicklung konnte nicht ohne Auswirkung auf die staatlichen Einrichtungen zur Ausbildung katholischer Geistlicher, die katholisch-theologischen Fakultäten und die Philosophisch-Theologischen Hochschulen10, bleiben. Beispielsweise wurde die Philosophisch-Theologische Hochschule Bamberg in die Gesamthochschule Bamberg eingegliedert und büßte dadurch ihren Charakter als Hochschule ein. Sodann erfuhr die Lehrerbildung in Bayern schwerwiegende Wandlungen. Ihre Organisation hat eine bewegte Geschichte11. Bis 1958 erfolgte die Ausbildung der (Volksschul-)Lehrer an den Instituten für Lehrerbildung. Das Gesetz über die Ausbildung für das Lehramt an Volksschulen vom 14. Juni 195812 verlegte die Ausbildung der Lehrer an die zu schaffenden Pädagogischen Hochschulen der Landesuniversitäten. Sie hatten entweder bekenntnismäßigen oder simultanen Charakter. Bei der Verwendung der Lehrkräfte an den Pädagogischen Hochschulen wurde dem bekenntnismäßigen Charakter Rechnung getragen. Die Bestimmungen der Art. 3 und Art. 5 § 2 S. 3 BayK galten indes nur für die Lehrer in Religionspädagogik und Religionslehre. Von der beabsichtigten Verwendung von Lehrkräften für Philosophie, Psychologie, Pädagogik und Methodik weltanschaulich bedeutsamer Fächer wurde der kirchlichen Oberbehörde lediglich Kenntnis gegeben. In dem Verwaltungsabkommen zwischen dem Heiligen Stuhl und der bayerischen Staatsregierung vom 29./30. August 195813 und der 4. Verordnung des bayerischen 7

Die Gesamthochschule Bamberg wurde durch Gesetz vom 25. Juli 1972 (GVBl. S. 296) errichtet. 8 GVBl. S. 679, ber. 1974 S. 45, geändert durch Gesetz vom 8. August 1974 (GVBl. S. 383) (= BayHSchG). 9 GVBl. S. 765 (= HSchLG). 10 M. Baldus, Die philosophisch-theologischen Hochschulen in der Bundesrepublik Deutschland. Geschichte und gegenwärtiger Rechtsstatus (= Neue Kölner Rechtswissenschaftliche Abhandlungen Heft 38), Berlin 1965. 11 H. Kittel, Die Entwicklung der Pädagogischen Hochschulen 1926 bis 1932, Berlin, Hannover, Darmstadt 1957; R. Broermann, Das Recht der Pädagogischen Hochschulen in der Bundesrepublik Deutschland, Berlin 1961. 12 GVBl. S. 133. Vgl. Th. Maunz, Staatsrechtliche Grundfragen der Lehrerbildung in Bayern, München o. J.; G. May , Die kirchlichen Belange im geltenden bayerischen Schulrecht der allgemeinbildenden Schulen: MThZ 10, 1959, 257 – 275; J. Mayer, Die Berücksichtigung der kirchlichen Belange durch das Bayer. Lehrerbildungsgesetz vom 14. Juni 1958 (= Juristische Beilage zu Klerusblatt Nr. 1 vom 1. Januar 1963), München 1963. 13 Die katholische Schule 1959, 41 f.

Die Rechtsstellung der akademischen Lehrer der katholischen Theologie

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Ministerpräsidenten zur Durchführung des Lehrerbildungsgesetzes vom 16. Januar 195914 wurde die Anzahl der Vorlesungen und Übungen, die Studierende, die später an einer katholischen Bekenntnisschule verwendet werden wollten, an einer Pädagogischen Hochschule mit katholischem Bekenntnischarakter besucht haben mußten, festgelegt. Seit 1958 bestanden nun in Bayern sieben staatliche Pädagogische Hochschulen, die den Universitäten angegliedert waren15. Damit war jedoch die Bewegung im Bereich der Lehrerbildung noch lange nicht zum Abschluß gekommen. Die Tendenz ging auf volle Akademisierung und möglichst weitgehende Beseitigung des bekenntnismäßigen Charakters. Für das Erreichen des letzteren Zieles schufen das Zweite Vatikanische Konzil, namentlich der auf ihm proklamierte sogenannte katholische Ökumenismus16, und die nachkonziliare Bewegung günstige Voraussetzungen. Die sogleich zu erwähnende Entkonfessionalisierung des bayerischen Volksschulwesens17) zog die Entkonfessionalisierung der Lehrerbildung nach sich. Die bayerischen Parteien, nämlich die Christlich-Soziale Union, die Sozialdemokratische Partei und die Freie Demokratische Partei, aber ausgenommen die Nationaldemokratische Partei, einigten sich am 6. Februar 196818 darauf, daß die staatliche Volksschullehrerbildung künftig gemeinsam sein solle. Damit war das Schicksal der bekenntnismäßig geprägten Pädagogischen Hochschulen besiegelt. Am 27. Juli 197019 beschloß der bayerische Landtag ein Gesetz, wonach die Pädagogischen Hochschulen bis zum 1. August 1972 in die Landesuniversitäten einzugliedern seien. Gleichzeitig sollte die innere Struktur der Lehrerbildung nach den Vorstellungen der Reformer einen wesentlichen Wandel erfahren20. Die Lehrer aller Schulen und Stufen sollten künftig gemeinsam, wenn auch in funktioneller Differenzierung, ausgebildet werden. Am 25. Juli 197221 erging das Gesetz zur Eingliederung der Pädagogischen Hochschulen in die Landesuniversitäten und die Gesamthochschule Bamberg. Aus den bisherigen Pädagogischen Hochschulen wurden erziehungswissenschaftliche Fachbereiche bzw. Fakultäten an den Universitäten Augsburg, München, Bayreuth, Erlangen-Nürnberg, Regensburg und Würzburg und an der Gesamthochschule Bamberg. Eine Novellierung des Lehrerbildungsgesetzes wurde notwendig. Am 10. Oktober 197222 gab der bayerische Kultusminister die Neufassung des Gesetzes über die Ausbildung für 14

GVBl. S. 36. Vgl. die beiden Verordnungen zur Durchführung des Lehrerbildungsgesetzes vom 26. und 28. Juli 1958 (GVBl. S. 185). 16 Dekret „Unitatis redintegratio“ vom 21. November 1964 (AAS 57, 1965, 90 – 112). 17 L.-H. Pfahls, Staat, Kirche und Volksschule in Bayern. Jur. Diss. Freiburg i. Br., Freiburg 1971. 18 Weber, Die deutschen Konkordate II, 36 – 38, hier 38. 19 GVBl. S. 326. 20 Vgl. die Mitteilung des bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vom 22. Juli 1971 betr. Grundkonzept der Lehrerbildung (Pfarramtsblatt 44, 1971, 256 – 258). 21 GVBl. S. 292. 22 GVBl. S. 454. 15

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Die Rechtsstellung der akademischen Lehrer der katholischen Theologie

das Lehramt an Volksschulen (Lehrerbildungsgesetz) vom 14. Juni 1958 bekannt. In ihm haben die veränderten Auffassungen bezüglich der Lehrerbildung ihren organisatorischen Niederschlag gefunden. Danach erfolgte die Ausbildung als Lehrer hinfort in einem mindestens sechssemestrigen Studium an den Landesuniversitäten, an der Gesamthochschule Bamberg sowie an der (kirchlichen) Pädagogischen Hochschule Eichstätt oder deren Nachfolgeeinrichtungen. Die Ausbildung umfaßte das Studium der Erziehungswissenschaften und ihrer Nachbarwissenschaften, die berufspraktische Grundausbildung mit Einführung in das Bildungsgut der Volksschule und die musische Bildung, insbesondere Musik- und Leibeserziehung. Aber das Lehrerbildungsgesetz i. d. F. vom 10. Oktober 1972 hatte die Zielvorstellungen bezüglich der gemeinsamen Lehrerbildung noch nicht voll verwirklicht. Dies blieb dem Lehrerbildungsgesetz vom 8. August 197423 vorbehalten. In ihm wurde zum erstenmal die Ausbildung sämtlicher Lehrer aller Arten von Schulen (Grundschule, Hauptschule, Realschule, Gymnasium, berufliche Schulen) gemeinsam geregelt. Das Studium für ein Lehramt an öffentlichen Schulen war künftig grundsätzlich an einer staatlichen wissenschaftlichen Hochschule, Gesamthochschule oder Kunsthochschule im Geltungsbereich des Grundgesetzes durchzuführen. Vorbildung und Ausbildung für ein Lehramt umfaßten das erziehungswissenschaftliche Studium (einschließlich gesellschaftswissenschaftlicher Studien), das wissenschaftliche oder künstlerische Studium von zwei Unterrichtsfächern (einschließlich fachdidaktischer Studien) und entsprechende Schul- bzw. Betriebspraktika sowie den Vorbereitungsdienst. Schließlich wurde das öffentliche Schulwesen Bayerns in erheblichem Umfang umgewandelt, nämlich entkonfessionalisiert. Die eigenständige öffentliche Bekenntnisschule verschwand. Welches der Weg zu diesem Ziel, die treibenden Kräfte und die Rolle der katholischen Bischöfe waren, braucht hier nicht geschildert zu werden24. Es genügt, auf das Ergebnis hinzuweisen. Am 22. Juli 196825 änderte der bayerische Landtag Art. 135 der Verfassung des Freistaates Bayern, der die öffentliche Bekenntnisschule (und eine ihren Erfordernissen entsprechende Lehrerbildung) garantierte. Die öffentliche Bekenntnisschule wurde beseitigt. Es gab hinfort nur noch Gemeinschaftsschulen. Dies war eine Entscheidung von nicht zu überschätzender Tragweite. Die Verfassungsänderung machte eine Novellierung des bayerischen Volksschulgesetzes vom 17. November 196626 erforderlich; sie erfolgte am 13. Dezember 196827. 23

GVBl. S. 383. Ausführlich: Pfahls, Staat, Kirche und Volksschule in Bayern, passim. 25 GVBl. S. 235. Vgl. Elternruf. Werkblatt für die Katholische Elternschaft Bayerns 1968, 41 – 71; G. Hild, Von der Bekenntnisschule zur „christlichen Schule“: Evangelische Kommentare 1968, 340 f.; G. Hirschauer, Der bayerische christliche Schulkompromiß: Vorgänge 1968, 124 – 126; A. Baur, Gemeinsam christlich in der Schule. Anregungen für die Praxis, Donauwörth 1969; W. Hofmann, Das neue Schulrecht der Bayerischen Verfassung und der Kirchenverträge: Bayerische Verwaltungsblätter 15, 1969, 261 – 265. 26 GVBl. S. 402, ber. S. 501. 24

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Die im folgenden erwähnten Verträge zwischen dem Freistaat Bayern und dem Heiligen Stuhl stehen nun in engem sachlichem und zeitlichem Zusammenhang mit den soeben genannten Veränderungen im bayerischen Bildungswesen. Im einzelnen liegen folgende Vereinbarungen vor. Am 2. September 196628 unterzeichneten der damalige Kultusminister, Ludwig Huber, und der Apostolische Nuntius, Corrado Bafile, einen Vertrag, in dem der Heilige Stuhl der Auflösung der Philosophisch-Theologischen Hochschule Freising zustimmte und die bayerische Staatsregierung die entsprechende Ausstattung der katholisch-theologischen Fakultät der Universität München zusagte. Ebenfalls am 2. September 196629 schlossen der Heilige Stuhl und der Freistaat Bayern einen Vertrag, worin der erstere sich mit der Errichtung einer katholisch-theologischen Fakultät an der Universität Regensburg und folgerichtig mit der Auflösung der Philosophisch-Theologischen Hochschule Regensburg einverstanden erklärte. Am 7. Oktober 196830 kam ein weiterer Vertrag zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Freistaat Bayern zustande, in dem Abreden über die Lehrerbildung, die konfessionelle bzw. interkonfessionelle Gestaltung der Volksschulen und die staatliche Förderung der katholischen Privatschulen getroffen wurden. Am 17. September 197031 folgte eine Vereinbarung zwischen denselben Partnern, die die Errichtung eines katholisch-theologischen Fachbereichs an der Universität Augsburg und die Auflösung der Philosophisch-Theologischen Hochschule Dillingen zum Gegenstand hatte. Am 4. September 197432 endlich schlossen der Heilige Stuhl und der Freistaat Bayern einen Vertrag über die theologischen Fakultäten und Lehrstühle, deren Lehrangebot, die Errichtung einer kirchlichen Gesamthochschule, die bekenntnismäßige Gestaltung des Volksschulwesens, den Religionsunterricht, die staatliche Unterstützung der katholischen Privatschulen und die Voraussetzungen für Geistliche und Ordensobere, die in Bayern tätig werden wollen bzw. ihren Sitz haben. Diese Vereinbarung ist die wichtigste und umfangreichste der erwähnten Abmachungen; sie ist der Gegenstand der folgenden Überlegungen und wird als Vertrag 1974 bezeichnet. Der Vertrag 1974 bringt in der Hauptsache eine Änderung und Neufassung jener Artikel des Bayerischen Konkordates, die sich auf das (öffentliche und private) Schulwesen, das Hochschulwesen und die Klerusbildung beziehen. Außerdem derogierte die Vereinbarung einige frühere Abmachungen. So traten mit dem Tag ihres Inkrafttretens die Bestimmungen des Vertrages 1974 an die Stelle des Art. 2 S. 1 27

GVBl. S. 402. GVBl. S. 400; AAS 58, 1966, 1138 – 1140. 29 GVBl. S. 401; AAS 58, 1966, 1135 – 1137. 30 GVBl. S. 398; AAS 61, 1969, 163 – 168. 31 GVBl. S. 523; AAS 62, 1970, 821 – 825. 32 GVBl. S. 541; AAS 66, 1974, 601 – 619; Bayerischer Landtag. 7. Wahlperiode. Drucksache 7/7108. 04. 09. 74; s. AfkKR 143, 1974, 546 – 585. 28

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und des Art. 3 des Vertrages über die katholisch-theologische Fakultät der Universität Regensburg vom 2. September 1966 sowie des Art. 2 S. 1 und des Art. 3 des Vertrages über den katholisch-theologischen Fachbereich der Universität Augsburg vom 17. September 1970. Weiter trat mit dem Geltungsbeginn des Vertrages 1974 auch der Vertrag vom 7. Oktober 1968 zur Änderung und Ergänzung der Art. 5 und 6 BayK außer Kraft. Die Begründung des bayerischen Staatsministeriums zu dem Vertrag 1974 gibt drei Umstände an, die eine Änderung und Ergänzung der vertraglichen Bestimmungen zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Freistaat Bayern erforderlich machten, nämlich einmal die Errichtung der beiden Universitäten Bayreuth und Passau, der staatlichen Gesamthochschule Bamberg und der kirchlichen Gesamthochschule Eichstätt, sodann die Eingliederung der Pädagogischen Hochschulen in die Universitäten und Gesamthochschulen und schließlich die Neuordnung der Lehrerbildung. Die Gelegenheit wurde benutzt, um, wie die „Erläuterungen“ erklären, „eine gründliche Revision des Bayerischen Konkordates“ vorzunehmen. So wurden die Art. 3 bis 8 neugefaßt und der Art. 13 an die veränderten Verhältnisse angepaßt. Der Vertrag 1974 umschließt außer den neugefaßten Artikeln des Bayerischen Konkordates ein ziemlich umfangreiches Schlußprotokoll, das, wie die Begründung der Staatsregierung richtig sagt, „Einzelregelungen untergeordneten Inhalts“ enthält, aber „integrierender Bestandteil des Vertrages“ ist. Der Landtag stimmte daher in seinem Beschluß vom 25. September 1974 ausdrücklich sowohl dem Vertrag als auch dem Schlußprotokoll zu. Der Vertrag 1974 trat grundsätzlich mit dem Austausch der Ratifikationsurkunden am 18. Oktober 1974 in Kraft. Schließlich ist dem Vertrag 1974 ein Notenwechsel zwischen dem Apostolischen Nuntius in Deutschland und dem bayerischen Ministerpräsidenten beigegeben. In ihm bestätigt der bayerische Ministerpräsident im Namen der bayerischen Staatsregierung sein Einverständnis zu der Auslegung, die der Heilige Stuhl einer Reihe von Vorschriften des Vertrages 1974 und des Schlußprotokolls angedeihen läßt. Der Notenwechsel enthält, wie die Begründung der Staatsregierung wiederum richtig bemerkt, keine selbständigen Normen, sondern „authentische Interpretationen der Vereinbarungen oder anderer vorhandener Regelungen, soweit sie einen Ermessensspielraum einräumen“. Das bayerische Gesetz- und Verordnungsblatt hat daher den Notenwechsel nicht abgedruckt. Parallel zu den Verträgen mit der katholischen Kirche gingen Vereinbarungen des Freistaates Bayern mit der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern. Diese hatte am 15. November 192433 einen Vertrag mit dem Bayerischen Staat geschlossen, der nun erweitert bzw. verändert wurde. Am 20. Juni 196734 wurde der Vertrag über die Einbeziehung der evangelisch-theologischen Fakultät an der Universität 33 34

GVBl. 1925 S. 61. GVBl. 1968 S. 35.

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München in den Kirchenvertrag vom 15. November 1924 unterzeichnet. Am 7. Oktober 196835 erfolgte die Änderung einiger Artikel des Kirchenvertrags vom 15. November 1924. Am 12. September 197436 wurde der erwähnte Kirchenvertrag erneut geändert. Zur Errichtung der evangelisch-theologischen Fakultät an der Universität München wurde dagegen kein Vertrag zwischen dem Land Bayern und der evangelischen Landeskirche in Bayern abgeschlossen. Die Fakultät wurde vielmehr aufgrund eines Antrags des Akademischen Senats der Universität München vom 30. Juli 1964 durch Organisationsakt des bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus errichtet. In der Folge wurden im Haushaltsplan 1966 und 1967 jeweils fünf Lehrstühle geschaffen. Die bayerische Staatsregierung hat sich bei dem Abschluß der Vereinbarungen mit der katholischen Kirche und der evangelischen Landeskirche streng paritätisch verhalten. Dafür zeugt vor allem Art. 4 des Vertrages 1974, in dem die Unterhaltung von Lehrstühlen für evangelische Theologie an den Universitäten Passau, Regensburg und Würzburg sowie an der Gesamthochschule Bamberg zugesagt wird. Trotz oder vielmehr gerade wegen dieser peinlich genauen paritätischen Behandlung der evangelischen Kirche durch den bayerischen Staat bestehen zwischen den Verträgen mit der katholischen Kirche und den Abmachungen mit der evangelischen Landeskirche gewichtige Unterschiede. Sie ergeben sich teilweise aus den tiefgehenden Unterschieden von katholischem Glauben und protestantischer Lehre in der Frage der Kirche, teilweise aus den Verhältnissen der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern. So hat die evangelische Kirche beispielsweise von dem Angebot, gewisse Garantien für die Anstellung einzelner Lehrer in der philosophischen Fakultät bzw. dem philosophischen Fachbereich zu erhalten, keinen Gebrauch gemacht.

I. Katholisch-theologische Fachbereiche und Lehrstühle 1. Garantie Der Vertrag 1974 kennt zwei verschiedene Einrichtungen zum Studium der katholischen Theologie an den bayerischen Universitäten und Gesamthochschulen, einerseits katholisch-theologische Fachbereiche und andererseits katholisch-theologische Lehrstühle, die in einem gemeinsamen Institut zusammengefaßt werden. Die Fachbereiche sind eine relativ junge Einrichtung im deutschen Hochschulwesen. Sie sind an die Stelle der früheren Fakultäten getreten. Nach Art. 11 Abs. 1 S. 1 BayHSchG vom 21. Dezember 197337 gliedert sich die Hochschule in den 35

GVBl. S. 401. GVBl. S. 797; Bayerischer Landtag. 7. Wahlperiode. Drucksache 7/7109. 12.09.74. 37 GVBl. S. 679. Vgl. auch für die Fachbereiche die Verordnungen zur Gliederung der Universitäten Augsburg, Erlangen-Nürnberg, (Ludwig-Maximilians-Universität) München, Regensburg und Würzburg vom 11. Oktober 1974 (GVBl. S. 583 – 585). 36

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Zentralbereich und in die Fachbereiche. Nach Art. 24 Abs. 1 dieses Gesetzes ist der Fachbereich die organisatorische Grundeinheit der Hochschule, die gleiche oder verwandte Fachgebiete zu einer Einheit zusammenfaßt. Der Fachbereich erfüllt nach Art. 24 Abs. 2 S. 1 grundsätzlich für sein Gebiet die Aufgaben der Hochschule. Nach Art. 3 § 1 des Vertrages 1974 unterhält nun das Land Bayern sechs katholisch-theologische Fachbereiche, und zwar fünf an Universitäten (Augsburg, München, Passau, Regensburg, Würzburg) und einen an einer Gesamthochschule (Bamberg)38. Nach Art. 3 § 4 des Vertrages 1974 unterhält der bayerische Staat außerdem wenigstens zwei katholisch-theologische Lehrstühle an den Universitäten ErlangenNürnberg und Bayreuth. Es handelt sich dabei um je einen Lehrstuhl für katholische Theologie und für Didaktik des katholischen Religionsunterrichtes. Ihren Inhabern steht ein gemeinsames Institut zur Verfügung. Diese Lehrstühle bilden keinen eigenen Fachbereich, stehen aber auch nicht außerhalb eines jeden Fachbereichs, sondern sind in einem Fachbereich untergebracht, der für das erziehungswissenschaftliche Studium zuständig ist. Als Fachbereiche, die für das erziehungswissenschaftliche Studium zuständig sind, haben zu gelten die Fachbereiche Erziehungswissenschaften, Philosophie, Pädagogik, Sprach- und Literaturwissenschaften, Geschichts- und Kunstwissenschaften sowie Naturwissenschaften. Mit den Bestimmungen über die theologischen Lehrstühle knüpft der Vertrag 1974 an den Vertrag 1968 an. Der Vertrag 1968 zur Änderung und Ergänzung der Art. 5 und 6 BayK hatte in Art. 5 § 2 vorgesehen, daß an allen bisherigen Pädagogischen Hochschulen Institute mit Lehrstühlen für katholische Theologie und für Didaktik des Religionsunterrichtes eingerichtet würden. Der Vertrag 1974 sagt die Unterhaltung der erwähnten katholisch-theologischen Fachbereiche und Lehrstühle zu, d. h. er gewährleistet ihren Bestand. Der Vertrag 1974 enthält mithin in Art. 3 § 1 eine Garantie der bestehenden katholisch-theologischen Fachbereiche, in Art. 3 § 4 eine solche der bestehenden Professuren für katholische Theologie. Mit der Schaffung der erwähnten katholisch-theologischen Fachbereiche waren gewichtige Umschichtungen in der Organisation der Einrichtungen zum Studium der katholischen Theologie in Bayern verbunden. Die Errichtung der katholischtheologischen Fachbereiche an der Universität Passau und der Gesamthochschule Bamberg machte die bisher dort bestehenden staatlichen Philosophisch-Theologischen Hochschulen überflüssig; sie wurden bzw. werden aufgelöst bzw. eingegliedert. Im Unterschied zu den Vorgängen bei der Auflösung der PhilosophischTheologischen Hochschulen Freising, Regensburg und Augsburg wurde ein eigener Vertrag mit dem Heiligen Stuhl über die Auflösung der Philosophisch-Theologischen Hochschule Passau nicht geschlossen. Ebensowenig erfolgte eine gesonderte 38

Das BayHSchG enthält in Art. 41 bis 43 Bestimmungen über die Gesamthochschulen.

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Vereinbarung über die Eingliederung der Philosophisch-Theologischen Hochschule Bamberg in die Gesamthochschule Bamberg. Der Heilige Stuhl erteilte vielmehr die Zustimmung zu beidem in dem Notenwechsel zwischen dem Apostolischen Nuntius in Deutschland und dem bayerischen Ministerpräsidenten vom 4. September 1974, der unter Bezugnahme auf den Vertrag 1974 und die vorausgegangenen Verhandlungen erfolgte. Das Schlußprotokoll des Vertrages 1974 traf Vorsorge für die Zeit, die zwischen der Errichtung der Universität Passau, die bereits am 22. Dezember 197239 erfolgt ist, und ihrer Einrichtung vergeht. Auch die Gesetze, z. B. das BayHSchG40 und das HSchLG41, mußten auf dieses Zwischenstadium Rücksicht nehmen.

2. Bestellung der akademischen Lehrer a) Kirchliche Mitwirkung Die akademischen Lehrer der katholischen Theologie an den staatlichen Hochschulen werden nach dem in der Bundesrepublik Deutschland geltenden Konkordatssystem unter Mitwirkung der kirchlichen Oberen bestellt. Diese haben regelmäßig das Recht, gegen eine in Aussicht genommene Persönlichkeit ein Veto einlegen zu können42. Für Bayern ist an das Konkordat vom 29. März 1924 (Art. 3 § 1) zu erinnern. Diese Bestimmung ist mehrfach praktiziert worden43. Der Vertrag 1974 fügt sich in diese Rechtslage nahtlos ein. Nach Art. 3 § 2 des Vertrages 1974 werden an den (katholisch-)theologischen Fachbereichen vom Staat Professoren erst dann „ernannt“ und „andere Personen, die zu selbständiger Lehre berechtigt sind“, erst dann „zugelassen“ oder „Lehraufträge“ „erteilt“ werden, wenn gegen die in Aussicht genommenen Persönlichkeiten keine Erinnerung von dem zuständigen Diözesanbischof erhoben worden ist. Für die Besetzung der katholisch-theologischen Lehrstühle an den Universitäten Erlangen-Nürnberg und Bayreuth gelten nach Art. 3 § 4 Abs. 2 des Vertrages 1974 Art. 3 §§ 2 und 3 entsprechend. Weder das Bayerische Konkordat von 1924 noch der Vertrag 1974 geben die Gründe an, deretwegen das Vorbringen einer „Erinnerung“ zulässig ist. Indes dürfte 39

GVBl. S. 470. Z. B.: Art. 1 Abs. 2, Art. 40, Art. 73 Abs. 2, Art. 75 Abs. 3, Art. 103 Abs. 3. 41 Z. B.: Art. 2 Abs. 1, Art. 10 Abs. 1. 42 L. Link, Die Besetzung der kirchlichen Ämter in den Konkordaten Pius‘ Xl. (= Kanonistische Studien und Texte Bd. 18 und 19), Bonn 1942, 519 – 539; E. H. Fischer, Theologieprofessor, Theologische Fakultät und Kirche, in: J. Betz/H. Fries (Hrsg.), Kirche und Überlieferung. Festschrift für Joseph Rupert Geiselmann, Freiburg, Basel, Wien 1960, 330 – 366. Vgl. aber G. May, Die rechtliche Stellung der Einrichtungen zur Ausbildung katholischer Religionslehrer an den staatlichen Hochschulen in dem Land Hessen: ÖAfKR 26, 1975, 55 – 89. 43 Z. B.: H. Flatten, Hans Barion †: AfkKR 142, 1973, 71 – 79, hier 72. 40

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sich aufgrund eines Analogieschlusses aus den Gründen, die bei einer Beanstandung – von der weiter unten zu handeln ist – in Frage kommen, ergeben, daß auch die Bedenken bei der erstmaligen Anhörung sich auf den etwa nicht einwandfreien Charakter von Lehre und sittlichem Verhalten beschränken mußten bzw. müssen44. In Art. 3 § 2 des Vertrages 1974 werden nun verschiedene Kategorien von Hochschullehrern aufgezählt. Ihre Bezeichnungen und ihre Rechtsstellung ergeben sich aus dem bayerischen Hochschullehrergesetz i. d. F. vom 9. Oktober 197445. Nach Art. 3 dieses Gesetzes sind Hochschullehrer an wissenschaftlichen Hochschulen die ordentlichen und außerordentlichen Professoren, die Honorarprofessoren, die Privatdozenten, die Hochschul- und Universitätsdozenten sowie die außerplanmäßigen Professoren. Art. 4 Abs. 1 S. 1 HSchLG sieht das entscheidende Kriterium für den Hochschullehrer an einer wissenschaftlichen Hochschule darin, daß er seine Tätigkeit als Forscher und Lehrer „in eigener Verantwortung“ ausübt. Für beamtete Hochschullehrer gelten grundsätzlich die Vorschriften des bayerischen Beamtengesetzes (Art. 5 Abs. 1 HSchLG). Ein Gebilde sui generis ist die Gesamthochschule Bamberg. Sie zählt nicht zu den wissenschaftlichen Hochschulen im Sinne des HSchLG (Art. 2 Abs. 1)46. Indes finden nach Art. 56 f HSchLG die Bestimmungen über die Hochschullehrer an den wissenschaftlichen Hochschulen grundsätzlich auf die Lehrer und Assistenten an der Gesamthochschule Bamberg Anwendung. Die erste Gruppe von Gelehrten, die Art. 3 § 2 des Vertrages 1974 nennt, sind die Professoren. Darunter sind allein die ordentlichen und die außerordentlichen Professoren zu verstehen. Sie sind jene Mitglieder der Hochschulkorporation, die ein wissenschaftliches Fach selbständig und verantwortlich vertreten. Sie werden bei ihrer Berufung zu Beamten auf Lebenszeit ernannt (Art. 16 HSchLG). An zweiter Stelle nennt Art. 3 § 2 des Vertrages 1974 eine Gruppe, die dadurch charakterisiert ist, daß die ihr zugehörigen Gelehrten, ohne ordentliche oder außerordentliche Professoren zu sein, „zu selbständiger Lehre berechtigt sind“. In dem Bayerischen Konkordat von 1924 standen an dieser Stelle die „Dozenten“. Dieser Begriff ist indes zu eng, um alle Personen zu erfassen, die neben den (ordentlichen und außerordentlichen) Professoren (und neben den Inhabern von Lehraufträgen) selbständig lehrend tätig sind. In die Gruppe der selbständig Lehrenden gehören an erster Stelle die Honorarprofessoren. Honorarprofessoren sind Persönlichkeiten, die nicht im Hauptamt dem Lehrkörper einer wissenschaftlichen Hochschule angehören, zur Mitarbeit in Lehre und Forschung geeignet sind und nach ihren wissenschaftlichen Leistungen den Anforderungen entsprechen, die an die Inhaber akademischer Lehrstühle gestellt werden (Art. 22 HSchLG). An zweiter 44 KI. Reppel, Der Staat und die Vorschriften über die Vorbildung der Geistlichen. Jur. Diss. Bonn, Bonn 1966, 94. 45 GVBl. S. 765. 46 Vgl. auch Art. 1 Abs. 2 BayHSchG.

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Stelle gehören zu den selbständig Lehrenden, die nicht ordentliche oder außerordentliche Professoren sind, die Dozenten. Bei ihnen sind wieder drei verschiedene Arten zu unterscheiden, die Privatdozenten, die Hochschul- und Universitätsdozenten sowie die außerplanmäßigen Professoren. Privatdozenten sind Persönlichkeiten, denen nach Erwerb der Lehrbefähigung vom bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus die Lehrbefugnis erteilt worden ist (Art. 29 HSchLG). Hochschul- und Universitätsdozenten sind Gelehrte, die als Privatdozenten durch das Staatsministerium für Unterricht und Kultus unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf zu solchen ernannt werden (Art. 37 HSchLG). Außerplanmäßige Professoren schließlich sind Privatdozenten, denen nach mehrjähriger Bewährung in Lehre und Forschung durch das Staatsministerium für Unterricht und Kultus diese Bezeichnung verliehen worden ist (Art. 34 HSchLG). An dritter Stelle nennt Art. 3 § 2 des Vertrages 1974 die Inhaber von Lehraufträgen. Lehrbeauftragte werden zur Ergänzung der Lehrtätigkeit der Hochschullehrer herangezogen (Art. 43 HSchLG). Sie werden von den Hochschulen bestellt, und zwar auf bestimmte Zeit, in der Regel zunächst für ein Semester (Art. 44 Abs. 1 S. 1 HSchLG). Im Art. 44 Abs. 1 S. 4 HSchLG ist bemerkt, daß für die Erteilung von Lehraufträgen in den theologischen Fachbereichen und an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Passau Art. 75 Abs. 3 BayHSchG entsprechend gelte. Art. 75 Abs. 3 BayHSchG weist ausdrücklich darauf hin, daß bei der Erteilung der Lehrbefugnis an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Passau sowie in den (katholisch-)theologischen Fächern und in den Fächern (katholische) Theologie, Religionspädagogik und Didaktik des (katholischen) Religionsunterrichts der Universitäten oder Gesamthochschulen die Bestimmungen des Art. 3 § 1 und Art. 5 § 1 BayK zu beachten seien, d. h. daß das bischöfliche Erinnerungsrecht seine Stelle habe. Der hier auftretende Begriff der „Lehrbefugnis“ ist die nach erbrachtem Nachweis der Lehrbefähigung erfolgende Ermächtigung zur selbständigen Lehre an einer wissenschaftlichen Hochschule (Art. 75 BayHSchG). Im Bayerischen Konkordat von 1924 ist die Mitwirkung der kirchlichen Oberen bei der Erteilung von Lehraufträgen nicht erwähnt. Der Vertrag 1974 nennt sie dagegen ausdrücklich. Damit ist eine Rechtsunklarheit beseitigt. Die „Erläuterungen“ zu dem Vertrag 1974 erklären, was unter Lehraufträgen im Sinne des Art. 3 § 2 zu verstehen ist. Es handelt sich dabei an erster Stelle um die Übertragung einer Lehrtätigkeit an Personen, die, regelmäßig ohne Hochschullehrer im engeren Sinne und Mitglieder der Hochschulkorporation zu sein, selbständig lehren, um das Lehrprogramm einer Hochschule abzurunden. An zweiter Stelle ist darunter die befristete Betrauung von Assistenten mit der Abhaltung bestimmter Vorlesungen zu verstehen. Dabei ist eigens hervorgehoben, daß die Vertretung eines Professors „für eine Stunde“ nicht unter diese Vorschrift fällt. Zum Verständnis dieser Bestimmungen ist von der Rechtsstellung der wissenschaftlichen Assistenten auszugehen. Die wissenschaftlichen Assistenten sind Mit-

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arbeiter der ordentlichen und außerordentlichen Professoren bei ihrer Tätigkeit in Lehre, Forschung und Verwaltung (Art. 46 Abs. 1 HSchLG). Sie werden nach Anordnung der Leitung jener Einrichtung tätig, der sie zugeordnet sind (Art. 50 S. 1 HSchLG). Assistenten sind also an sich weisungsgebunden und daher zu selbständiger Lehre nicht befugt. Sobald sie jedoch „mit der Abhaltung bestimmter Vorlesungen betraut“ werden, also einen Lehrauftrag erhalten, sind sie zu selbständiger Lehre berechtigt. Damit fallen sie unter die Vorschrift, daß gegen sie eine Erinnerung durch den zuständigen Bischof nicht erhoben worden sein darf. Von dem Prinzip, daß Personen, die in katholischer Theologie selbständig lehren, von dem zuständigen Diözesanbischof eine Unbedenklichkeitserklärung erhalten haben müssen, wird nach den „Erläuterungen“ der bayerischen Staatsregierung zu dem Vertrag 1974 angeblich eine Ausnahme gemacht für den Fall, daß ein Assistent „für eine Stunde“ einen Professor vertritt. Das ist eine in mehrfacher Hinsicht merkwürdige Bestimmung. Einmal dürfte es sehr selten vorkommen, daß ein Professor einen Assistenten wirklich nur für eine einzige Stunde mit seiner Vertretung beauftragt. In der Regel wird er vielmehr bei dringender Verhinderung entweder die Stunde ausfallen lassen47 oder selbst später nachholen. Sodann ist nicht einzusehen, weshalb für den Eintritt des unwahrscheinlichen Falles, daß ein Assistent einen Professor „für eine Stunde“ vertritt, von dem Prinzip abgegangen werden soll. Die Gründe für die Vorschrift, daß selbständig lehrende akademische Lehrer der Theologie das Vertrauen des zuständigen Bischofs besitzen müssen, entfallen nicht dadurch, daß die Quantität der Lehrveranstaltungen eines solchen Lehrers gering ist. Der Grund, weshalb „eine Vertretung für eine Stunde“ nicht unter die Vorschrift fallen soll, ist vielmehr anderer Art. Dabei ist von dem Begriff „Vertretung“ auszugehen. Der Assistent, der einen Professor in dem erwähnten Umfang vertritt, lehrt nicht selbständig, sondern im Auftrag und im Namen des Professors, gegenüber dem er weisungsgebunden ist. Er hat bei seiner „Vertretung“ nicht seine eigene, sondern die Lehre dieses Professors vorzutragen. Wer die Praxis kennt, weiß, daß diesem Erfordernis regelmäßig dadurch Rechnung getragen wird, daß der Professor dem Assistenten sein Vorlesungsmanuskript überläßt bzw. ihn auf ein von ihm veröffentlichtes Lehrbuch verweist. Ein Assistent, der in dieser Weise die „Vertretung“ eines Professors wahrnimmt, ist mithin nicht unter die selbständig lehrenden akademischen Lehrer der Theologie einzureihen und bedarf infolgedessen auch nicht des Nihil obstat des zuständigen Diözesanbischofs. Wenn es so um die „Vertretung“ eines Professors durch einen Assistenten bestellt ist, dann kann es aber auch nicht entscheidend darauf ankommen, ob diese unterrichtliche Tätigkeit nur „für eine Stunde“ oder für mehrere Stunden ausgeübt wird. Solange der Assistent nicht selbständig lehrt, benötigt er die erwähnte Erklärung des Bischofs nicht.

47 Nach Art. 10 Abs. 2 S. 4 HSchLG kann ein beamteter Hochschullehrer seine Vorlesungstätigkeit innerhalb des Semesters ausnahmsweise aus dringenden Gründen für drei aufeinanderfolgende Vorlesungstage unterbrechen.

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b) Verfahren Das Erfordernis, für selbständig lehrende akademische Lehrer der Theologie das Nihil obstat des zuständigen Diözesanbischofs einzuholen, bedingt die Einhaltung eines bestimmten modus procedendi bei ihrer Beauftragung. Der Notenwechsel zwischen dem Apostolischen Nuntius in Deutschland und dem bayerischen Ministerpräsidenten vom 4. September 1974 erläutert das Verfahren, das bei der Bestellung der akademischen Lehrer der katholischen Theologie von der bayerischen Staatsregierung eingehalten wird. Danach werden die Berufung48 erst ausgesprochen und die Lehrbefugnis sowie der Lehrauftrag erst erteilt, wenn zuvor der zuständige Diözesanbischof schriftlich erklärt hat, daß er gegen die in Aussicht genommene Person keine Erinnerung erhebt. Das heißt: Bevor der bayerische Kultusminister eine Berufung ergehen läßt oder die Lehrbefugnis bzw. den Lehrauftrag erteilt, richtet er eine Anfrage an den Bischof der Diözese, in der die Hochschule gelegen ist, an der der betreffende Gelehrte angestellt bzw. zugelassen werden soll, ob gegen ihn eine Erinnerung vorzubringen ist. Das Bedenken kann sich gegen die Lehre oder den Lebenswandel der in Aussicht genommenen Persönlichkeit richten. Falls der Bischof Ausstellungen an dem Kandidaten vorbringt, erfolgt die staatliche Beauftragung nicht. Wenn er keine Einwände hat, kann sie ergehen. In jedem Fall bedarf die Äußerung des Bischofs der Schriftform. Mit dieser Präzisierung ist endgültig geklärt, daß die im Preußischen Konkordat vom 14. Juni 192949 (Schlußprotokoll zu Art. 12 Abs. 1 Satz 2) vorgesehene Gleichzeitigkeit von Berufung und Anfrage beim Bischof in Bayern ausgeschlossen ist. Das Bayerische Konkordat von 1924 legte nicht fest, in welchem Stadium des Berufungsverfahrens die Meinungsäußerung des Diözesanbischofs einzuholen war. Es mußte dies lediglich vor der „Ernennung oder Zulassung“ akademischer Lehrer der Theologie geschehen. Mit dem Vertrag 1974 steht fest, daß die Anfrage bei dem Diözesanbischof vor der Berufung erfolgt und daß die Berufung nicht ergehen kann, bevor die Anfrage nicht positiv beschieden ist, d. h. eine Erinnerung durch den Bischof nicht erhoben wird. In der Tat ist die der Berufung und der Erteilung der Lehrbefugnis bzw. des Lehrauftrags vorangehende Befragung des zuständigen Diözesanbischofs der Sache angemessener als die gleichzeitige Vornahme beider Akte. Sie stärkt die Stellung des Bischofs, schont aber auch in gewisser Hinsicht den in Frage kommenden Gelehrten50. Nach dem Schlußprotokoll zu Art. 3 § 2 des Vertrages 1974 bedeutet die Erklärung des zuständigen Diözesanbischofs, daß gegen den in Aussicht genommenen Kandidaten keine Erinnerung erhoben wird, gleichzeitig das Einverständnis, daß dieser Mitglied des theologischen Fachbereichs wird. 48

Das BayHSchG befaßt sich in Art. 46 und 47 mit den Berufungen. GS. S. 151; AAS 21, 1929, 521 – 541. 50 Vgl. die Zusatzvereinbarung zum Vertrag des Landes Niedersachsen mit den evangelischen Landeskirchen in Niedersachsen vom 19. März 1955 (MBl. S. 438) § 2 Abs. 2 (zu Art. 3 Abs. 2). 49

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Es ist dies eine bedeutsame Klarstellung, die weniger für den Verzicht auf das Erheben einer Erinnerung als für die etwaige Beanstandung von Gewicht ist, wie sogleich gezeigt werden wird. Mitglieder eines Fachbereiches sind nach Art. 25 Abs. 1 BayHSchG jene Mitglieder der Hochschule, die in diesem Fachbereich überwiegend tätig sind, und die Studenten des Fachbereichs. Mitglieder der Hochschule wiederum sind nach Art. 9 Abs. 1 des erwähnten Gesetzes u. a. alle akademischen Lehrer und wissenschaftlichen Mitarbeiter, die hauptberuflich an der Hochschule tätigen Beamten, Angestellten und Arbeiter sowie die Studenten. 3. Beanstandung a) Nach dem Bayerischen Konkordat von 1924 Die Eignung eines akademischen Lehrers der katholischen Theologie für sein Amt bzw. seine Tätigkeit muß nicht nur zu Beginn, sondern während der gesamten Dauer der Inhaberschaft seines Amtes bzw. der Ausübung seiner Tätigkeit gegeben sein. Sie kann jedoch verloren gehen. Der Verlust der Eignung kann – wie die Eignung selbst – allein von dem zuständigen Diözesanbischof festgestellt werden. Dieser muß beurteilen, welche Erfordernisse zur Ausübung des Lehramtes der katholischen Theologie nach Lehre und Recht der Kirche gegeben sein müssen und ob sie bei einem Gelehrten noch vorhanden sind. Die Staatsregierung kann über ein solches Urteil des Bischofs nicht hinweggehen, sie muß es vielmehr respektieren. Im deutschen Konkordatssystem ist daher dem zuständigen Diözesanbischof regelmäßig das Recht zugestanden, einen akademischen Lehrer der katholischen Theologie zu beanstanden. So sah ebenfalls das Bayerische Konkordat von 1924 das Geltendmachen von Bedenken gegen Lehre und Lebenswandel eines im Amt befindlichen akademischen Lehrers vor (Art. 3 § 2). Auch diese Bestimmung ist angewandt worden51. Die Beanstandung konnte freilich nicht aus jedem Anlaß, sondern nur „aus triftigen Gründen“ geschehen. Es waren also schwerwiegende Verstöße gegen die verbindliche Glaubens- und Sittenlehre der Kirche bzw. gegen die sittlichen Pflichten eines katholischen Priesters verlangt, damit der Bischof bei der Staatsregierung vorstellig werden konnte. Außerdem mußte die Beanstandung in einer Weise erfolgen, die der Staatsregierung die Nachprüfung der Triftigkeit der Gründe gestattete, d. h. genau und ausführlich. b) Nach dem Vertrag 1974 Der Vertrag 1974 bringt demgegenüber keine wesentlichen Änderungen. Art. 3 § 3 des Vertrages 1974 regelt die Beanstandung der zu selbständiger Lehre befugten akademischen Lehrer der katholischen Theologie. Sie ist möglich gegenüber allen 51

Klerusblatt 54, 1974, 97.

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in Art. 3 § 2 (und § 4) genannten Personen. Die Beanstandung hat auszugehen von dem zuständigen Diözesanbischof. Sie muß sich auf „triftige Gründe“ stützen, d. h. es müssen schwerwiegende Verstöße gegen kirchliche Normen vorliegen. Ausstellungen, die dieses Erfordernis nicht erfüllen, können die Staatsregierung nicht zu den sogleich zu erwähnenden Maßnahmen veranlassen. Die Beanstandung ist nach wie vor möglich sowohl wegen der „Lehre“ als auch wegen des „sittlichen Verhaltens“ des akademischen Lehrers der Theologie. Für seine „Lehre“ ist grundlegend c. 1324 CIC. Für das „sittliche Verhalten“ des theologischen Lehrers, der (Diözesan-)Priester ist, sind vornehmlich die cc. 124 – 142 CIC einschlägig. Was theologische Lehrer angeht, die Diakone sind, müssen die Vorschriften für die Diakone herangezogen werden52. Für Priester aus dem Ordensstand sind u. U. auch die Normen des Ordensrechtes53 zu beachten. Bei Nichtgeweihten, die als akademische Lehrer Theologie vortragen, ist namentlich den Normen des kirchlichen Eherechtes Aufmerksamkeit zu schenken54. Bei dem Erheben einer Beanstandung sind heute allerdings der größere Freiheitsraum und die erweiterte Toleranzgrenze, die das Zweite Vatikanische Konzil und die nachkonziliare Bewegung der katholischen Theologie und dem katholischen Gläubigen, auch dem Priester, verschafft haben, in Rechnung zu stellen. Für diese Lage ist der Notenwechsel zwischen dem Apostolischen Nuntius in Deutschland und dem bayerischen Ministerpräsidenten vom 4. September 1974 bezeichnend. Er nennt zwei Gründe, die in jedem Falle und notwendig zu der Beanstandung eines akademischen Lehrers der Theologie führen: die Laisierung von Priestern55 und die Wiederverheiratung Geschiedener56. Die Hervorhebung der Laisierung ist ein Hinweis auf die seit dem Abschluß des Zweiten Vatikanischen Konzils entstandene Lage, die durch eine Menge von Laisierungen gekennzeichnet ist, wie sie vordem unvorstellbar war. Die Erwähnung der Wiederverheiratung Geschiedener trägt der Tatsache Rechnung, daß seit einigen Jahren Nichtgeweihte in steigender Zahl in die katholisch-theologischen Fakultäten einrücken. In diesen Fällen ist es nicht dem zuständigen Diözesanbischof überlassen, ob er die Beanstandung aussprechen will; er muß es tun, weil er dazu aufgrund des Vertrages 1974 als einer (auch) innerkirchlichen Rechtsquelle gehalten ist. Allerdings ist diese Vorschrift nicht auszudehnen auf andere Angehörige des Fachbereichs, die nicht den selbständig Lehrenden zuzuzählen sind. Sie können jedenfalls aufgrund Art. 3 § 3 des Vertrages 1974 nicht beanstandet werden. 52 Vor allem das MP Pauls VI. „Sacrum diaconatus“ vom 18. Juni 1967 (AAS 59, 1967, 697 – 704). 53 Namentlich cc. 592 – 612 CIC mit den Novellierungen. 54 Cc. 1012 – 1132 CIC. 55 Die Rückführung eines Priesters in den Laienstand schließt das Urteil ein, daß die Kirche ihn für ungeeignet erachtet, das Priestertum auszuüben (Normae der SC Doctr. Fid. vom 13. Januar 1971 Nr. VI 3: AAS 63, 1971, 303 – 308). 56 Vgl. Fr. Reckinger, Wiederverheiratete Geschiedene eucharistiefähig?: MThZ 24, 1973, 36 – 54; derselbe, „Verjährung“ der ungültigen Ehe?: ebenda 115 – 138.

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Es ist nun bezeichnend, daß der Notenwechsel die beiden Fälle einer notwendigen Beanstandung nicht aus dem Gebiet der „Lehre“, sondern des „sittlichen Verhaltens“ entnimmt. Für ein Fehlverhalten in bezug auf die Lehre, das unbedingt zur Beanstandung führen muß, wird ein Beispiel nicht gebracht. Daß die Bestreitung kirchlicher Lehren, ja die Leugnung von Dogmen notwendig eine Beanstandung zur Folge haben müsse, ist nicht gesagt. Damit ist zwar dem einzelnen Diözesanbischof keine Beschränkung auferlegt hinsichtlich der Kriterien, die er bei einer wegen Fehlverhaltens in der „Lehre“ erfolgenden Beanstandung anwendet. Wohl aber ist die Richtung angedeutet, die Beanstandungen in der Kirche nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil vermutlich nehmen werden. Sie werden in der Regel nicht wegen Abweichung von der verbindlichen Lehre der Kirche vorgebracht werden, sondern wegen Entgleisungen in dem weiten Bereich des „sittlichen Verhaltens“. Diese Verschiebung des Akzents dürfte allerdings der Rechtssicherheit kaum zugute kommen. Es ist noch zu fragen, ob der zuständige Diözesanbischof bei der Beanstandung eines akademischen Lehrers an ein bestimmtes Verfahren gebunden ist. Diese Frage ist zu verneinen. Das einzige, was von ihm verlangt wird, ist, daß er in einem Schreiben an den bayerischen Staatsminister für Unterricht und Kultus darlegt, aus welchen schwerwiegenden Gründen er die weitere Lehrtätigkeit eines akademischen Lehrers der katholischen Theologie für untragbar hält. Um zu einem eindeutigen Urteil zu gelangen, ob die in Art. 3 § 3 des Vertrages 1974 geforderten Voraussetzungen für eine Beanstandung vorliegen, kann sich der zuständige Diözesanbischof selbstverständlich durch seine bischöflichen Kollegen beraten lassen. Dies ist im Interesse eines einigermaßen gleichmäßigen Vorgehens an den katholisch-theologischen Fachbereichen des Landes Bayern (und der übrigen Länder der Bundesrepublik Deutschland) sogar wünschenswert. Für die Hilfe bei der Beanstandung wegen Mängeln der Lehre steht nun den deutschen Bischöfen seit einigen Jahren ein neues Instrument zur Verfügung. Die Deutsche Bischofskonferenz hat am 21. September 197257 eine Regelung des Lehrbeanstandungsverfahrens erlassen, die freilich nicht auf akademische Lehrer der katholischen Theologie an den staatlichen Hochschulen beschränkt ist. Diese Ordnung ist nicht obligatorisch einem Eingreifen des Ortsoberhirten gegen einen Autor, der irrige Lehren verbreitet, vorgeschaltet. Die „Vorbemerkung“ sieht es vielmehr als „Regel“ an, daß der Ortsoberhirt sich selbst ein Urteil bildet und eine Entscheidung trifft. Der Ortsoberhirt kann, aber er muß sich nicht des Lehrbeanstandungsverfahrens als einer Hilfe für seine Urteilsbildung bedienen. Die Eröffnung und die Durchführung eines derartigen Verfahrens haben dementsprechend keine aufschiebende Wirkung gegen Maßnahmen des Ortsoberhirten (§ 3).

57 AfkKR 141, 1972, 524 – 530. Vgl. A. Scheuermann, Die Sorge des Ortsbischofs um die rechte Lehre, in: H. Fleckenstein/G. Gruber/G. Schwaiger/E. Tewes (Hrsg.), Ortskirche – Weltkirche. Festgabe für Julius Kardinal Döpfner, Würzburg 1973, 459 – 477.

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Eine bedeutsame Klärung über die Folgen der Beanstandung ist ebenfalls dem Schlußprotokoll und dem Notenwechsel des Vertrages 1974 zu verdanken. Beanstandete können nämlich dem theologischen Fachbereich nicht mehr angehören, d. h. sie müssen aus ihm ausscheiden. Damit ist eine erfreuliche Rechtssicherheit erreicht. Bisher war der Staat stets in Verlegenheit, was mit einem beanstandeten Theologieprofessor geschehen solle, insbesondere ob er in der Fakultät verbleiben dürfe oder nicht. Der in manchen Fällen beschrittene Weg der Übernahme in die philosophische Fakultät war nicht immer gangbar und hing regelmäßig von der Zustimmung derselben ab. Wenn festgelegt ist, daß beanstandete akademische Lehrer der katholischen Theologie dem Fachbereich fernerhin nicht angehören dürfen, dann ergibt sich daraus, daß sie nicht nur nicht mehr als selbständig lehrende theologische Lehrer, sondern auch nicht in einer anderen Funktion in dem Fachbereich verbleiben dürfen. Damit geht der Vertrag 1974 über die Normen, welche die Glaubenskongregation am 13. Januar 197158 bezüglich der Rückführung von Priestern in den Laienstand erlassen hat, hinaus. Dort ist nur vorgesehen, daß ein laisierter Priester nicht als Lehrer an Seminaren, Fakultäten und ähnlichen Einrichtungen tätig sein kann (Nr. VI 4). Vermutlich hat der universalkirchliche Gesetzgeber das deutsche Hochschulwesen mit seinen Assistenten und Akademischen Räten nicht vor Augen gehabt, als er die in Rede stehenden Vorschriften erließ. Die Entfernung eines akademischen Lehrers der Theologie aus einem katholisch-theologischen Fachbereich reißt in die Mitglieder desselben eine Lücke, die im Interesse der Lehre und der Ausbildung der Studierenden möglichst rasch geschlossen werden muß. Die bayerische Staatsregierung verpflichtet sich in dem Vertrag 1974, im Falle der Beanstandung eines akademischen Lehrers der katholischen Theologie „alsbald“, d. h. umgehend, „auf andere Weise für einen entsprechenden Ersatz zu sorgen“. „Ersatz“ ist ein Neuzugang zum Ausgleich eines Ausfalls. „Entsprechend“ ist ein Ersatz, wenn er den Erfordernissen der Sache gerecht wird. Ein entsprechender Ersatz im Bereich der akademischen Lehrer der katholischen Theologie ist regelmäßig nur dann gewährleistet, wenn für einen Professor ein Professor, für einen Dozenten ein Dozent und für einen Lehrbeauftragten ein Lehrbeauftragter in den Fachbereich eintritt bzw. in diesem tätig wird. Die Beanstandung hat Auswirkungen auf die korporationsrechtliche Stellung des akademischen Lehrers der katholischen Theologie. Er geht der Befugnis, im Namen der Kirche zu lehren, verlustig und verliert die Mitgliedschaft in dem katholischtheologischen Fachbereich. Weitergehende Beschränkungen verbietet die Lehrfreiheit, die von Art. 5 Abs. 3 GG und von Art. 108 der Verfassung des Freistaates Bayern geschützt ist. Es ist eine Auswirkung dieses Schutzes, wenn Art. 3 § 5 des Vertrages 1974 erklärt, daß der beanstandete akademische Lehrer seine „staatsdienerlichen Rechte“ behält. Das heißt: Er verbleibt im Beamtenverhältnis, Titel, 58

AAS 63, 1971, 303 – 308.

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Einkünfte und Wirkungsmöglichkeit als Professor bzw. Dozent bleiben ihm grundsätzlich erhalten.

II. Konkordatsprofessuren Die Ausbildung der Studierenden katholischer Theologie greift über die theologischen Fächer hinaus. Da jede Theologie eine Philosophie impliziert und da das Heilsgeschehen in Christus sich in geschichtlicher Weise vollzieht, kann der Theologe gründlicher Kenntnisse namentlich in Philosophie und Geschichte nicht entraten. Philosophisch denken und geschichtlich arbeiten aber lernt man nur in der Schule des Philosophen und des Historikers. Dem eigentlichen Studium der Theologie geht daher ein vier Semester umfassendes Studium der Philosophie voran59. Dafür müssen entsprechende Einrichtungen vorhanden sein. 1. Errichtung a) Nach dem Bayerischen Konkordat von 1924 Nach Art. 4 § 2 BayK sollte an den philosophischen Fakultäten der beiden Universitäten München und Würzburg „wenigstens“ je ein Professor für Philosophie und für Geschichte angestellt werden, gegen den hinsichtlich seines katholisch-kirchlichen Standpunktes keine Erinnerung zu erheben war. Die Lehrstühle, die diese Gelehrten innehatten, sollen der Einfachheit halber im folgenden als „Konkordatsprofessuren“60 bezeichnet werden. Das wesentliche Erfordernis, das an die Inhaber der Konkordatslehrstühle gestellt war, bestand darin, daß sie persönlich aufgrund von Einsicht und Gewissen den katholischen Glauben und die katholische Kirche bejahten. Was ihre Wissenschaft betraf, unterlagen sie keiner anderen Bindung als die übrigen Professoren. Mitnichten wurde etwa erwartet, daß sie „konfessionelle Wissenschaft“ trieben. Sie sollten vielmehr als gläubige katholische Gelehrte der Wissenschaft selbstlos und ohne äußere Zwecksetzung dienen61. Die „Begründung“ zum Bayerischen Konkordat bezeichnete die erwähnten Lehrstellen als „allgemeine Professuren für katholische Weltanschauung“. Diese Bezeichnung war wenig glücklich. Denn die erwähnten Lehrstühle waren inhaltlich gerade nicht auf die Vertretung „katholischer Weltanschauung“ festgelegt, wie es 59

c. 1365 § 1 CIC. H. Meyer, Der Sinn der Konkordatsprofessuren: MThZ 3, 1952, 54 – 62. 61 G. May, Mit Katholiken zu besetzende Professuren an der Universität Tübingen von 1817 bis 1945. Ein Beitrag zur Ausbildung der Studierenden katholischer Theologie, zur Verwirklichung der Parität an der württembergischen Landesuniversität und zur Katholischen Bewegung (= Kanonistische Studien und Texte Bd. 28), Amsterdam 1975. 60

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etwa die katholische Weltanschauungsprofessur an der Universität Berlin62 war. Sie stellten vielmehr gar nichts anderes als normale Professuren für Philosophie und Geschichte dar. Die Besonderheit lag einzig darin, daß sie vertragsgemäß mit katholischen Gelehrten zu besetzen waren. Die „Weltanschauung“ war also nur für die Auswahl der Kandidaten von Belang. Die „Begründung“ wollte denn auch mit der Bezeichnung dieser Professuren als „allgemeine“ eigens darauf hinweisen, daß sie, was die Adressaten ihrer Lehre anging, für Studierende aller Fakultäten eingerichtet und nicht etwa auf katholische Studierende oder gar nur auf Studierende der katholischen Theologie beschränkt waren. Allerdings verdankten sie historisch und wissenschaftstheoretisch ihre Existenz vornehmlich der Tatsache, daß sich an den beiden Universitäten München und Würzburg theologische Fakultäten befanden. Zu der Ausbildung der katholischen Theologiestudierenden aber gehörte, wie sich die „Begründung“ ausdrückte, nach dem Willen der katholischen Kirche „eine gediegene philosophische Ausbildung“. Außerdem anerkannte die „Begründung“ ein „allgemeines Interesse“, d. h. ein Interesse der Allgemeinheit, also des Volksganzen, an „der Wahrung des bisherigen Zusammenhanges der philosophischen und theologischen Ausbildung an den beiden Universitäten München und Würzburg“. Der „bisherige Zusammenhang“ der philosophischen und der theologischen Ausbildung an den erwähnten Universitäten war aber nicht allein in der Tatsache des Vorhandenseins je einer philosophischen und theologischen Fakultät zu erblicken, sondern auch in der Existenz von katholischen Historikern und Philosophen, deren Lehre grundsätzlich nicht in einen Widerspruch zu der Lehre der Theologen trat. Die Konkordatsprofessuren haben in Bayern63 wie anderswo64 eine lange Vorgeschichte, die hier nicht aufgerollt werden kann. Besonders gut war für die philosophische Ausbildung (im weiteren Sinne) an den fünf staatlichen Philosophisch-Theologischen Hochschulen in Bayern (Freising, Dillingen, Bamberg, Regensburg, Passau) gesorgt. An ihnen bestanden seit alters her Lehrstühle für Philosophie, Geschichte, Philologie und Naturwissenschaft65. Diese Professuren wurden voll in das Mitwirkungsrecht des Bischofs einbezogen. Das heißt: Sie konnten, ebenso wie die theologischen Lehrstühle, erst

62 M. Meinertz, Weltanschauungsprofessur: StL V, 5. Aufl., 1932, 1157 – 1159; M. Honecker, Weltanschauungsprofessuren: LThK X, 1938, 815. 63 J. Mayer, Geschichte der sogenannten Konkordatsprofessuren: Klerusblatt 46, 1966, 201 – 207. 64 G. May, Mit Katholiken zu besetzende Professuren an der Universität Breslau. Ein Beitrag zum Ringen um Parität in Preußen: ZSavRG, Kan. Abt. 53, 1967, 155 – 272; 54, 1968, 200 – 268; derselbe, Mit Katholiken zu besetzende Professuren für Philosophie und Geschichte an der Universität Freiburg nach dem Badischen Konkordat vom 12. Oktober 1932, in: U. Mosiek/H. Zapp (Hrsg.), ius et salus animarum. Festschrift für Bernhard Panzram, Freiburg 1972, 341 – 370. 65 K. Honselmann, Hochschulen, philos.-theol.: LThK V, 2. Aufl., 1960, 405 – 408; W. Sucker, Hochschulen, konfessionelle, in Deutschland II. Kath. Philosophisch-theologische Hochschulen in Deutschland: RGG III, 3. Aufl., 1959, 384.

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besetzt werden, wenn nach vorheriger Anfrage der zuständige Diözesanbischof keine Einwendung gegen den Kandidaten erhoben hatte66. b) Nach den Folgeverträgen Der philosophischen Ausbildung der katholischen Theologiestudierenden wurde auch in den Verträgen, die dem Bayerischen Konkordat folgten, Beachtung geschenkt. Bei der Errichtung der katholisch-theologischen Fakultät der Universität Regensburg wurde in Art. 3 des Vertrages von 1966 bestimmt, daß auf die philosophische Fakultät dieser Hochschule Art. 4 § 2 BayK entsprechende Anwendung finde, d. h. daß in ihr wenigstens je ein katholisch-kirchlich korrekter Professor für Philosophie und für Geschichte vorhanden sein müsse. Hier wurde also die Frage der Konkordatsprofessuren durch Verweisung gelöst. Die Begründung zu dem Vertrag zwischen dem Freistaat Bayern und dem Heiligen Stuhl über die Errichtung der katholisch-theologischen Fakultät in Regensburg sah den Sinn der Konkordatsprofessuren darin, daß eine Ausbildung der Theologiestudierenden gewährleistet wird, „die den Lehrmeinungen der Katholischen Kirche entspricht“. In der Tat soll die Einrichtung der Konkordatsprofessuren die wesentliche Harmonie von Philosophie und Theologie, von philosophischer und theologischer Ausbildung der Theologiestudierenden sicherstellen. Wenn sich Philosophie und Theologie widersprechen, muß dieser Widerspruch, falls er nicht überwunden wird, zu einer inneren Unsicherheit der Theologiestudierenden führen, die keine tragfähige Grundlage für ein gedeihliches Wirken der künftigen Priester bildet. So betrachtet, ist „der Einfluß des Bischofs“ auf die Besetzung der erwähnten Lehrstellen „im Interesse der geordneten Ausbildung seiner Kleriker unabdingbar“. Die Begründung der bayerischen Staatsregierung machte auch darauf aufmerksam, daß nach dem Bayerischen Konkordat vor der Berufung aller Professoren der philosophischen Abteilung der Philosophisch-Theologischen Hochschule das „Einverständnis“ des zuständigen Diözesanbischofs eingeholt werden mußte, während dies fortan nur noch bei zwei Professuren der philosophischen Faklutät an der (neuen) Universität Regensburg der Fall sei; im übrigen sei die philosophische Fakultät „frei von jeder Einflußmöglichkeit“. Mit der Auflösung der PhilosophischTheologischen Hochschule sei also „eine gewisse Einbuße an Rechten der Kirche“ verbunden. Bei der Errichtung des katholisch-theologischen Fachbereichs der Universität Augsburg gingen die Vertragspartner, der Heilige Stuhl und der bayerische Staat, zum erstenmal von dem Verfahren ab, an Universitäten mit theologischer Fakultät in der philosophischen Fakultät Professuren, die mit katholischen Gelehrten zu besetzen sind, zu schaffen. Art. 3 des Vertrages von 1970 sah vor, daß anstelle der in 66

Baldus, Die philosophisch-theologischen Hochschulen 43 f.

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Art. 4 § 2 BayK genannten Professuren in dem katholisch-theologischen Fachbereich selbst je eine Professur für Systematische Philosophie, für Geschichte der Philosophie und für Grenzfragen der Theologie und der Naturwissenschaft errichtet würde. Hier wurden also zum erstenmal einem katholisch-theologischen Fachbereich an einer bayerischen Universität keine Konkordatsprofessuren an die Seite gestellt. Diese Neuerung wurde in der Regierungsbegründung zu dem Vertrag zwar erwähnt, aber nicht begründet. Die dafür gefundene Lösung, Professuren, die – vielleicht von der letzten abgesehen – unzweifelhaft philosophischer Natur sind, in den Fachbereich Katholische Theologie zu setzen, kann nicht als gelungen bezeichnet werden. Damit folgte man, freilich wohl unbewußt, einem schlechten Beispiel, das einst in Tübingen gegeben worden war67. Die Gründe, weshalb bei der Errichtung des katholisch-theologischen Fachbereichs an der Universität Augsburg von dem Modell des Bayerischen Konkordats, das soeben noch bei der Errichtung der katholisch-theologischen Fakultät an der Universität Regensburg Anwendung gefunden hatte, abgegangen wurde, lassen sich, solange die Akten nicht zugänglich sind, nur vermuten. Vielleicht befürchtete man, mit der Aufnahme einer Bestimmung, wie sie Art. 4 § 2 BayK enthält, in den Vertrag Kräften Auftrieb zu geben, die der Kirche und der Staatsregierung feindselig gegenüberstanden. Der Abschluß des Vertrages zur Errichtung des katholischtheologischen Fachbereichs Augsburg fiel ja in eine Zeit, die von Studentenrevolten, Agitation und Hetze erfüllt war68. Der Vertrag 1974 griff dagegen das Konzept der Konkordatsprofessuren wieder auf und brachte eine einheitliche Lösung für alle bayerischen Hochschulen, an denen diese Einrichtung bestand bzw. geschaffen wurde. Einschlägig ist Art. 3 § 5 des Vertrages. Die Änderungen gegenüber dem Bayerischen Konkordat von 1924 sind beträchtlich. Zunächst werden nicht mehr nur an zwei, sondern künftig an sechs Universitäten und an einer Gesamthochschule Konkordatsprofessuren bestehen. Die sechs Universitäten sind Augsburg, Erlangen-Nürnberg, München (Ludwig-MaximiliansUniversität), Passau, Regensburg und Würzburg, die Gesamthochschule ist Bamberg. Diese Vermehrung ergibt sich aus zwei Gründen. Es ist einleuchtend, daß an den Universitäten, die nach Auflösung der Philosophisch-Theologischen Hochschulen theologische Fachbereiche erhalten haben bzw. werden, Konkordatsprofessuren eingerichtet wurden bzw. werden. Dies trifft auf Augsburg, Regensburg und Passau zu. Hier mußten den theologischen Fachbereichen die korrespondierenden Lehrstühle in einem philosophischen Fachbereich an die Seite gestellt wer67

May, Mit Katholiken zu besetzende Professuren an der Universität Tübingen 277 – 280, 398 u. ö. 68 Vgl. z. B.: H. F. Zacher, Lernfreiheit contra Lehrfreiheit?: Mitteilungen des Hochschulverbandes 18, 1970, 106 – 113; Bund Freiheit der Wissenschaft. Pressespiegel: November 1970 – Mai 1971, Frankfurt a. M. 1971; Deutsche Tagespost Nr. 81 vom 9./10. Juli 1971 S. 9; Allgemeine Zeitung (Mainz) Nr. 153 vom 7. Juli 1971 S. 2.

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den, wenn anders dem Erfordernis der „philosophisch-theologischen Studien“ der Geistlichen (Art. 13 § 1 Buchst. c des Vertrages 1974) Genüge geschehen sollte. Ebenso ist begreiflich, daß sich mit der Eingliederung der Philosophisch-Theologischen Hochschule Bamberg in die Gesamthochschule Bamberg und der damit verbundenen Umwandlung der theologischen Abteilung der Hochschule in einen katholisch-theologischen Fachbereich der Gesamthochschule die Notwendigkeit ergab, die zugehörigen philosophischen Professuren zu schaffen. In allen diesen Fällen ließ sich die Bereitstellung philosophischer Lehrstühle, die mit katholischen Gelehrten zu besetzen sind, schon mit der Existenz theologischer Fachbereiche begründen. Diese Begründung ist jedoch nicht möglich in dem Fall der Universität Erlangen-Nürnberg. Denn an ihr besteht kein (katholisch-)theologischer Fachbereich. Indes wird auch an dieser Universität (wie an der Universität Bayreuth) das Studium der katholischen Theologie, wenn auch in einer bescheideneren Weise als an den Universitäten mit katholisch-theologischem Fachbereich, ermöglicht (Art. 4 § 3 des Vertrages 1974). An ihr besteht in einem für das erziehungswissenschaftliche Studium zuständigen Fachbereich „mindestens“ je ein Lehrstuhl für katholische Theologie und für die Didaktik des katholischen Religionsunterrichtes (Art. 3 § 4 des Vertrages 1974). Die beiden Lehrstühle sind lose zusammengefaßt in einem gemeinsamen Institut. Während nun die katholisch-theologischen Fachbereiche in erster Linie für die Ausbildung von Seelsorgern tätig sind (Art. 4 § 1 des Vertrages 1974), haben die Lehrstühle, die in Art. 3 § 4 des Vertrages 1974 genannt sind, den Zweck, Studierende für das Lehramt in katholischer Religion auszubilden, freilich nicht uneingeschränkt, sondern mit den in Art. 4 § 3 des Vertrages 1974 angegebenen Einschränkungen. Um ihretwillen gewährleistet nun Art. 3 § 5 des Vertrages 1974 die Konkordatsprofessuren an der Universität Erlangen, jedoch nicht an der Universität Bayreuth. Denn die Lehrerbildung ist zwar in Bayern seit 1968 grundsätzlich gemeinsam, aber gewisse Vorbehalte zugunsten der Konfessionen wurden doch gemacht. Der konfessionelle Charakter der Lehrerbildung war, wie bereits oben erwähnt, bereits im Jahre 1958 eingeschränkt worden. Der Vertrag 1968 zur Änderung und Ergänzung der Art. 5 und 6 BayK reduzierte zwar die konfessionelle Prägung der Lehrerbildung in Bayern erneut, ließ aber einen Restbestand am Leben. In ihm war vorgesehen, daß an den bisherigen Pädagogischen Hochschulen in München, Augsburg, Bamberg, Nürnberg, Regensburg und Würzburg je eine Professur für Pädagogik und je ein Lehrauftrag oder eine Professur für Philosophie errichtet bzw. erteilt würden, gegen deren Inhaber hinsichtlich ihres katholisch-kirchlichen Standpunktes keine Erinnerung zu erheben war (Art. 5 § 1). Die Einrichtungen zur Lehrerbildung erhielten also fortan Konkordatsprofessuren für zwei weltanschaulich wichtige Fächer, Pädagogik und Philosophie. Nach der Überführung der Lehrerbildung an die Universitäten und Gesamthochschulen konnten diese Lehrstellen nicht einfach verschwinden, wenn anders der Lehrerbildung der Restbestand an konfessioneller Bestimmtheit erhalten bleiben sollte. (Auch) darum bestimmt Art. 3 § 5 des Vertrages 1974, daß an den erwähnten Universitäten und an der Gesamt-

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hochschule Bamberg Konkordatsprofessuren unterhalten werden, und für die Universität Erlangen-Nürnberg ist dies der einzige Grund, weshalb an ihr solche Lehrstühle bereitgestellt werden. Im Lichte solcher Überlegungen erscheint es dann freilich inkonsequent, die Universität Bayreuth von dieser Regelung auszunehmen. Was in Erlangen-Nürnberg recht ist, hätte in Bayreuth billig sein müssen. Die Zahl der Konkordatsprofessuren wird gegenüber dem Vertrag 1968 erhöht. An die Stelle von zwei Professuren treten in dem Vertrag 1974 deren drei. Zu den Professuren für Philosophie und Pädagogik kommt eine solche für Gesellschaftswissenschaften. Dieser Gewinn ist jedoch nur ein scheinbarer. Denn einmal fällt, wie sogleich noch näher zu erläutern ist, die Professur für Geschichte weg. Es wird künftig keine vertragsgemäß mit einem Katholiken zu besetzenden Professuren für Geschichte mehr in den entsprechenden Fachbereichen der Universitäten München, Würzburg und Regensburg geben. Diese Einrichtung läuft mit ihren gegenwärtigen Vertretern aus. An ihre Stelle tritt die Professur für Gesellschaftswissenschaften. Zum anderen entfällt die Doppelung der mit einem Katholiken zu besetzenden Philosophieprofessuren, die eine aufgrund Art. 4 § 2 BayK bzw. Art. 3 des Vertrages von 1966 (Regensburg), die andere aufgrund Art. 5 § 1 des Vertrages 1968. Künftig ist nur eine Professur für Philosophie notwendig mit einem katholischen Gelehrten zu besetzen. Die „Erläuterungen“ erklären richtig, daß durch die Zusammenfassung der Vorschriften für die Konkordatsprofessuren in den philosophischen Fakultäten gemäß Art. 4 § 2 BayK und für die Konkordatsprofessuren in den erziehungswissenschaftlichen Fakultäten und Fachbereichen, den früheren Pädagogischen Hochschulen, gemäß Art. 5 § 1 des Vertrages 1968 an die Stelle von bis zu vier „gebundenen“ Professuren einheitlich deren drei treten. Bemerkenswert ist nun, wo der Vertrag 1974 die Konkordatsprofessuren unterbringt. Da die Fakultäten zerschlagen wurden und eine philosophische Fakultät nicht mehr besteht, mußten diese Stellen „in einem für das erziehungswissenschaftliche Studium zuständigen Fachbereich“ errichtet werden. Diese Formulierung will wohl nicht besagen, daß alle drei Lehrstühle in ein und demselben Fachbereich bestehen müßten, sondern nur ausdrücken, daß sie in Fachbereichen zu schaffen seien, die für das erziehungswissenschaftliche Studium zuständig sind. Diese Lehrstühle dürfen also beispielsweise nicht in einem rechtswissenschaftlichen oder medizinischen Fachbereich ihren Platz haben. Besonderes gilt für die in den ersten Stadien des Aufbaus befindliche Universität Passau. Zur Zeit des Abschlusses des Vertrages 1974 waren der katholisch-theologische Fachbereich und die drei in Art. 3 § 5 genannten Lehrstühle an ihr noch nicht errichtet. Damit war auch die Auflösung der Philosophisch-Theologischen Hochschule Passau noch nicht erfolgt. Diese untersteht daher bis zu ihrer Auflösung weiter den Art. 3 §§ 1 und 2, Art. 4 § 1 BayK (Schlußprotokoll zu Art. 3 § 1).

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2. Fächer a) Nach dem Bayerischen Konkordat von 1924 Das Bayerische Konkordat von 1924 sah die Fächer der Philosophie und der Geschichte für die Besetzung mit korrekt katholischen Gelehrten vor. Es wurde bereits oben darauf hingewiesen, daß die Festlegung dieser Disziplinen sachgemäß ist. Der Vertrag 1966 zur Errichtung der Universität Regensburg behielt sie folgerichtig bei. b) Nach dem Vertrag 1970 Indes ging bereits der Vertrag 1970 zur Errichtung des katholisch-theologischen Fachbereichs Augsburg von diesem Kanon ab. Er behielt die Philosophie, jetzt als Systematische Philosophie bezeichnet, bei, gab aber die Geschichte auf und setzte an ihre Stelle Geschichte der Philosophie und Grenzfragen der Theologie und Naturwissenschaft. Diese Änderung war nicht zufällig. Sie ergab sich einmal aus dem Trend der Zeit und in der katholischen Theologie, der der Geschichte nicht günstig ist, sodann aus der sachlichen Notwendigkeit, sich mit naturwissenschaftlichen Phänomenen theologisch auseinanderzusetzen, und schließlich wohl auch aus der Erinnerung daran, daß an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Dillingen, die im Zusammenhang mit der Errichtung des katholisch-theologischen Fachbereichs an der Universität Augsburg aufgelöst worden war, die Naturwissenschaften – wie an allen bayerischen Philosophisch-Theologischen Hochschulen – durch einen eigenen Lehrstuhl vertreten waren. Die starke Betonung der Philosophie (zwei Lehrstühle) ergibt sich möglicherweise aus der Überlegung, daß dem Theologen gründliche Kenntnisse der Philosophie unentbehrlich sind, vielleicht aber auch nur aus der Absicht, in Augsburg etwas Besonderes, nämlich einen Schwerpunkt Philosophie, zu schaffen.

c) Nach dem Vertrag 1974 Das Augsburger Modell konnte sich jedoch nicht durchsetzen. Der Vertrag 1974 geht von dem Augsburger Fächerkanon wieder ab und bringt etwas ganz Neues. Er nennt nämlich die drei Disziplinen der Philosophie, der Gesellschaftswissenschaften und der Pädagogik, die durch je einen Lehrstuhl vertreten sein müssen, gegen deren Inhaber hinsichtlich ihres katholisch-kirchlichen Standpunktes keine Erinnerung zu erheben ist. Diese Zusammenstellung ergibt sich aus der doppelten Aufgabe der Inhaber der Konkordatslehrstühle, nämlich Priester (bzw. Seelsorger) und Lehrer auszubilden. Die Philosophie als unentbehrliches Fach wurde beibehalten, obwohl sie in der Praxis und teilweise auch im Lehrplan der Ausbildung katholischer Theologiestudierender seit einigen Jahren in den Hintergrund getreten ist und heute nicht gerade

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hoch im Kurs steht. Immerhin ist sie nach wie vor pflichtmäßig zu studieren, und nach den in Wellenbewegungen sich vollziehenden Schwankungen des Interesses der Studierenden und der Studienplanänderungen steht zu erwarten, daß auch für die Philosophie einmal wieder bessere Zeiten kommen werden. Das Zweite Vatikanische Konzil hat die Notwendigkeit des Erwerbs gründlicher Kenntnisse in der Philosophie und in der Geschichte der Philosophie nicht in Zweifel gezogen. Das Dekret „Optatam totius“69 hebt sie im Gegenteil eindringlich hervor (Nr. 15). Ebenso schärft die „Ratio Fundamentalis Institutionis Sacerdotalis“ vom 6. Januar 197070 die philosophische Ausbildung der Theologiestudierenden an mehreren Stellen nachdrücklich ein (Nr. 60, 70 – 75). Die „Neuordnung der theologischen Studien für Priesterkandidaten“, die von der Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz in Stuttgart-Hohenheim vom 4. bis 7. März 1968 verabschiedet wurde71, sieht obligatorische Lehrveranstaltungen in systematischer und historischer Philosophie in den ersten vier Semestern und fakultative Lehrveranstaltungen in den höheren Semestern vor. Der Rückgang der philosophischen Studien ist dem Heiligen Stuhl nicht entgangen, und er hat versucht, ihm zu wehren72. Auch von den Lehrern wird der Nachweis philosophischer Studien gefordert. Das für alle Lehrer obligatorische erziehungswissenschaftliche Studium umfaßt allgemeine Pädagogik, Schulpädagogik, pädagogische Psychologie, Soziologie und Politikwissenschaft sowie pädagogisch ergiebige Themen der Philosophie und der Theologie73. In ihm ist also die Philosophie noch einigermaßen, wenn auch kaum befriedigend vertreten. Die Gesellschaftswissenschaften haben sowohl im Studienplan jedenfalls der deutschen Theologiestudierenden als auch in jenem der angehenden Lehrer einen hervorgehobenen Platz errungen. Der Theologiestudierende kann in der Tat ein Grundwissen in ihnen nicht entbehren. Das Dekret „Optatam totius“ erwähnt sie ausdrücklich (Nr. 20). Die erwähnte „Neuordnung der theologischen Studien für Priesterkandidaten“ sieht ein sechsstündiges pflichtmäßiges Studium der Christlichen Soziallehre vor. Allerdings wird dieses heute wohl an allen katholisch-theologischen Fachbereichen der Universitäten in der Bundesrepublik Deutschland mit eigenen Kräften angeboten. Nach Art. 3 Abs. 1 Ziffer 1 des bayerischen Lehrerbildungsgesetzes sind in das obligate erziehungswissenschaftliche Studium der Lehrer gesellschaftswissenschaftliche Studien „in angemessenem Umfang“ einzu69

AAS 58, 1966, 713 – 727. Sacra Congregatio pro Institutione Catholica, Ratio Fundamentalis Institutionis Sacerdotalis: AAS 62, 1970, 321 – 384. 71 O. O. und o. J. 72 Vgl. das Rundschreiben der Kongregation für das katholische Unterrichtswesen vom 20. Januar 1972 (X. Ochoa, Leges Ecclesiae post Codicem iuris canonici editae IV, Rom 1974, Nr. 4026 col. 6214 – 6219). 73 Schon das Lehrerbildungsgesetz i. d. F. vom 10. Oktober 1972 (GVBl. S. 454) verlangte das Studium der Erziehungswissenschaften und ihrer Nachbarwissenschaften (Art. 3 Buchst. a). 70

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beziehen. Die Aufnahme des Faches Gesellschaftswissenschaften unter die Konkordatsprofessuren ist daher von seiner Bedeutung her gerechtfertigt. Sie läßt sich aber auch wissenschaftstheoretisch begründen. Insofern Naturrecht und Offenbarung bzw. Lehramt der Kirche viele Normen für den Aufbau der Gesellschaft liefern, wird es begreiflich, daß der religiöse und weltanschauliche Standpunkt eines Gelehrten auf seine Lehre unweigerlich einen starken Einfluß ausüben wird. Die Notwendigkeit des Studiums der Pädagogik für angehende Seelsorger und Lehrer braucht schließlich nicht eigens herausgestellt zu werden. Je nach dem Bild vom Menschen, das ein Gelehrter hat, wird seine Lehre von der Erziehung verschieden ausfallen. Der religiöse und weltanschauliche Bezug ist damit ohne weiteres gegeben. Die Rechtslage bezüglich der Konkordatsprofessuren war, wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, vor dem Abschluß des Vertrages 1974 uneinheitlich. In München, Würzburg und Regensburg bestanden andere Verhältnisse als in Augsburg. Dazu kamen die neue Universität Passau und die Gesamthochschule Bamberg, für die eine Regelung gefunden werden mußte. Eine Zusammenfassung und Vereinheitlichung der einschlägigen Bestimmungen war wünschenswert. Der Vertrag 1974 schafft nun einheitliches Recht für die sechs Universitäten und die Gesamthochschule Bamberg, an denen Konkordatsprofessuren bestehen bzw. errichtet werden. Entgegenstehendes Recht entfällt. Die Schlußbestimmungen des Vertrages 1974 legen ausdrücklich fest, daß mit seinem Inkrafttreten Art. 3 des Vertrages 1966 über die katholisch-theologische Fakultät Regensburg außer Kraft trete. Das heißt, daß von diesem Zeitpunkt an die Regelung der Konkordatsprofessuren gemäß Art. 4 § 2 BayK jener in dem Vertrag 1974 weicht. Die Schlußbestimmungen des Vertrages 1974 setzen auch Art. 3 des Vertrages 1970 über den katholisch-theologischen Fachbereich Augsburg außer Kraft. Das bedeutet, daß der bayerische Staat das in Augsburg vorgenommene Experiment, auf Konkordatsprofessuren in der philosophischen Fakultät zu verzichten und an ihrer Stelle vergleichbare Lehrstellen in dem katholisch-theologischen Fachbereich zu schaffen, aufgegeben hat und zu der Einrichtung der Konkordatsprofessuren zurückgekehrt ist. Die drei in Art. 3 des Vertrages 1970 genannten Professuren laufen aus.

3. Kirchliche Mitwirkung bei der Besetzung a) Vor dem Vertrag 1974 Der Text des Bayerischen Konkordates von 1924 hatte nicht eindeutig die Frage beantwortet, ob die kirchlichen Behörden bei der Berufung von Gelehrten auf Konkordatsprofessuren mitwirkten oder nicht. Zwar war in Art. 4 § 2 der Begriff „Erinnerung“ gebraucht, der auch in Art. 3 § 1 bei der Ernennung und Zulassung theologischer Lehrer verwendet wurde. Dies hätte die Vermutung nahelegen können, auch bei der Berufung von Gelehrten auf die Konkordatslehrstühle ergehe eine

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Anfrage an den zuständigen Diözesanbischof. Tatsächlich ist in Bayern so verfahren worden. Der Heilige Stuhl hatte bei den Verhandlungen zum Abschluß des Bayerischen Konkordates auf dem Einholen des Urteils des Diözesanbischofs beharrt. Die bayerische Staatsregierung hat dementsprechend am 29. März 1924 dem Heiligen Stuhl erklärt, daß sie in den bezeichneten Fällen ein Gutachten des zuständigen Bischofs einholen werde74. Die Vertragspartner gingen davon aus, daß der kirchlichen Behörde durch Art. 4 § 2 das Recht eingeräumt worden sei, zu der geplanten Besetzung der beiden Lehrstühle Stellung zu nehmen. Man argumentierte dabei folgendermaßen. Wenn zugesagt wurde, daß ein Professor der Philosophie und ein Professor der Geschichte angestellt werden sollten, gegen die hinsichtlich ihres katholisch-kirchlichen Standpunktes keine Erinnerung zu erheben sei, dann müsse der kirchlichen Behörde Gelegenheit geboten werden, vor der Anstellung in eine Prüfung von Lehre und Wandel der für die Besetzung in Aussicht genommenen Persönlichkeit einzutreten und das Ergebnis der staatlichen Behörde zu übermitteln. Denn eine verbindliche Feststellung über die einwandfreie Haltung eines Kandidaten könne allein der Diözesanbischof als Träger der hoheitlichen Hirtengewalt treffen. Der sachlich günstigste Zeitpunkt für die Einschaltung des Bischofs wurde in der Zeit zwischen Einreichung des Berufungsvorschlages durch die betreffende Fakultät bzw. Universität und Herausgehenlassen der Berufung durch den Kultusminister gesehen. Ein früherer Zeitpunkt hätte unzulässig in das akademische Selbstergänzungsrecht eingegriffen, ein späterer hätte, falls die kirchliche Prüfung negativ ausfiel, erhebliche Komplikationen mit sich gebracht. Der damalige bayerische Kultusminister, Franz Xaver Goldenberger, erklärte zu der Art und Weise, wie der kirchliche Einfluß auf die Besetzung der beiden Professuren auszuüben sei, es werde der betreffenden kirchlichen Behörde, also dem Diözesanbischof, Gelegenheit geboten, zu den von der Staatsregierung in Aussicht genommenen Kandidaten Stellung zu nehmen und den kirchlichen Standpunkt zu vertreten. Die letzte Würdigung und Prüfung und die letzte Entscheidung über die Berufung eines solchen Kandidaten liege aber (zwar nicht im freien, so doch) im pflichtgemäßen Ermessen der Staatsregierung75. Bei Meinungsverschiedenheiten zwischen Bischof und Staatsregierung war es dem Bischof unbenommen, an den Heiligen Stuhl zu berichten. Dieser konnte aufgrund der Freundschaftsklausel des Art. 15 § 1 BayK in einen Meinungsaustausch mit der bayerischen Staatsregierung eintreten, um zu einer friedlichen und freundschaftlichen Lösung der Schwierigkeit zu kommen76. 74

Mayer, Geschichte 206. Verhandlungen des Bayerischen Landtags. V. Tagung 1927/28. Stenographische Berichte Nr. 197 bis 212. 197. Sitzung am 14. Februar 1928 bis zur 212. Sitzung am 27. April 1928. IX. Bd. S. 5 f.; G. Goetz, Die schulrechtlichen Bestimmungen der neueren und neuesten europäischen Konkordate in ihrer Beziehung zur jeweiligen staatlichen Schulgesetzgebung. Kath.-theol. Diss. Freiburg i. Br., Lam/Bayern 1936, 119. 76 Goetz, Die schulrechtlichen Bestimmungen 119. 75

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Für die Professoren an den fünf staatlichen Philosophisch-Theologischen Hochschulen in Bayern, die nichttheologische Fächer vertraten, galt nach Art. 3 BayK bezüglich der Einflußnahme des zuständigen Diözesanbischofs auf ihre Ernennung bzw. Zulassung (und Abberufung) das gleiche wie für die Theologieprofessoren. Das heißt: Professoren wurden nur mit Zustimmung des Bischofs ernannt, Dozenten nur mit seinem Einverständnis zugelassen. Notwendig und zwingend war indes dieses Verständnis des Art. 4 § 2 BayK nicht. Dem Wortlaut der Vorschrift hätte es genügt, wenn der Minister durch Erkundigungen feststellte, daß es sich bei dem für die Berufung in Frage kommenden Gelehrten um eine in katholisch-kirchlicher Hinsicht korrekte Persönlichkeit handelte. Diese Gewißheit konnte grundsätzlich auch ohne Anfrage bei dem Bischof gewonnen werden. Die Befragung des Bischofs war nur regelmäßig das sicherste, d. h. das Risiko eines Irrtums ausschließende Verfahren. In Preußen ist jedenfalls bei der Berufung von Gelehrten auf die mit Katholiken zu besetzenden Lehrstühle der Bischof nicht eingeschaltet worden77. Die erwähnte Weise der kirchlichen Mitwirkung bei der Besetzung der Konkordatsprofessuren wurde in den Folgeverträgen zum Bayerischen Konkordat beibehalten und ausdrücklich bestätigt. Die Regierungsbegründung zu dem Vertrag zur Errichtung der katholisch-theologischen Fakultät an der Universität Regensburg von 1966 erwähnte ausdrücklich, daß sich „aus dem Geiste fairer Partnerschaft“ zwischen Staat und Kirche die Notwendigkeit ergebe, dem Bischof den gebührenden Einfluß auf die Ausbildung seiner Kleriker zu sichern. Dies bedeutete nach der in Bayern herkömmlichen Ansicht für die Konkordatsprofessuren die Einholung seines Einverständnisses zu ihrer Besetzung. Noch deutlicher und genauer sprach sich die bayerische Staatsregierung in Zusammenhang mit dem Abschluß des Vertrages 1968 zur Änderung und Ergänzung der Art. 5 und 6 BayK aus. In der Anlage II zu dem Vertrag vom 7. Oktober 1968 traf der bayerische Ministerpräsident zu Art. 5 § 1 des Vertrages 1968 die Feststellung, daß der Ruf auf einen Konkordatslehrstuhl erst ergehe, nachdem der Diözesanbischof schriftlich erklärt habe, daß er gegen die in Aussicht genommene Persönlichkeit hinsichtlich ihres katholisch-kirchlichen Standpunktes keine Einwendung erhebe. Darüber hinaus gab er die Zusage, dasselbe Verfahren werde bei der Erteilung von Lehraufträgen „im Bereich der genannten Lehrstühle“ zur Anwendung kommen. Diese Erweiterung der kirchlichen Mitwirkung war insofern sachlich gefordert, als der etwaige Entfall der Notwendigkeit, das Einverständnis des Bischofs bei der Erteilung von Lehraufträgen für Philosophie und Pädagogik (im Rahmen der beiden Konkordatslehrstühle) einzuholen, u. U. die Einrichtung der Konkordatslehrstühle zu einem erheblichen Teil entwertet hätte.

77

Vgl. A. Sachse, Friedrich Althoff und sein Werk, Berlin 1928, 128.

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b) In dem Vertrag 1974 Der Vertrag 1974 ging von der bisher in Bayern üblichen Weise, die kirchliche Behörde an der Besetzung der in Frage stehenden Lehrstühle zu beteiligen, nicht ab. Er bestimmt in Art. 3 § 5 lapidar, bei der Besetzung der Konkordatslehrstühle gelte § 2 entsprechend. Das heißt: Diese Professuren können erst besetzt werden, nachdem bei dem zuständigen Diözesanbischof angefragt worden ist, ob gegen die in Aussicht genommenen Kandidaten eine Erinnerung hinsichtlich ihres katholischkirchlichen Standpunktes zu erheben ist, und der Bischof diese Frage schriftlich verneint hat. Die Richtigkeit dieser Interpretation wird in dem Notenwechsel zwischen dem Apostolischen Nuntius in Deutschland und dem bayerischen Ministerpräsidenten zu Art. 3 § 5 ausdrücklich bestätigt. Dagegen ist für die Erteilung der Lehrbefugnis oder eines Lehrauftrages im Bereich der in Frage stehenden Lehrstühle weder in Art. 3 § 5 letzter Satz noch in der Regierungsbegründung noch in dem Notenwechsel zu Art. 3 § 5 eine kirchliche Mitwirkung vorgesehen. Gegen die Angleichung der Mitwirkung der kirchlichen Behörde bei der Besetzung der Konkordatslehrstühle an das Verfahren bei Bestellung der theologischen Lehrer können Bedenken nicht unterdrückt werden. Sie leiten sich einmal aus den Erfahrungen mit der Empfindlichkeit des akademischen Bereichs gegen kirchliche Eingriffe her. Der kirchliche Einfluß sollte in den nichttheologischen Fachbereichen so gering wie möglich gehalten werden, um nicht dem Schlagwort von der Gängelung der (profanen!) Wissenschaften durch die Kirche Nahrung zu geben. Der Verzicht auf die förmliche Anfrage bei dem Diözesanbischof hat den Vorteil, daß die Einschaltung einer kirchlichen Behörde in den Vorgang der Besetzung einer Lehrstelle in einem nichttheologischen Fachbereich vermieden wird. Daß diese Zurückhaltung von großer Bedeutung für den Frieden an der Universität sein kann, liegt auf der Hand und ist durch geschichtliche Erfahrungen erhärtet. Zum anderen ist auf den wesentlichen Unterschied zwischen der Lehre der Theologen und der Nichttheologen hinzuweisen. Die ersteren lehren die Glaubenswissenschaft, und dies im Namen der Kirche. Für sie ist die kirchliche Sendung (missio canonica) sachgemäß, ja unentbehrlich. Die letzteren lehren eine Vernunftwissenschaft, und zwar nicht im Namen der Kirche. Sie benötigen keine missio canonica, ja sie kann ihnen für ihre Fächer gar nicht gegeben werden. Diese unterschiedliche Stellung der Theologen und der Nichttheologen bezüglich der Lehre sollte dann aber auch in einer gestuften Weise, wie sich der Minister ihrer kirchlich korrekten Haltung versichert, zum Ausdruck kommen. Für die ersteren ist das Nihil obstat, mit dem regelmäßig die Erteilung der missio canonica verbunden wird, angebracht. Für die letzteren ist es nicht erforderlich, auch wenn es nicht mit der missio canonica gekoppelt ist.

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4. Beanstandung a) Nach dem Bayerischen Konkordat von 1924 Die Verschiedenheit der Rechtsstellung von Theologieprofessoren und Inhabern der Konkordatsprofessuren zeigt sich vor allem in der Frage der Beanstandung. Das Bayerische Konkordat schweigt hinsichtlich der letzteren über diesen Punkt. Dieses Schweigen bedeutet, daß es eine Beanstandung eines Professors auf einem Konkordatslehrstuhl nicht gibt. Die Parallelität von Art. 4 § 2 mit Art. 3 § 1 BayK, d. h. bei der Anstellung von Konkordatsprofessoren und Theologieprofessoren, hätte verlangt, daß, falls diese beiden Gruppen auch bei der Beanstandung hätten gleichgestellt werden sollen, in Art. 4 eine ähnliche Vorschrift wie in Art. 3 § 2 hätte eingeführt werden müssen. Das ist nicht erfolgt. Mithin stehen sie hinsichtlich dieses Punktes nicht gleich. Daß es kein Beanstandungsrecht des Bischofs bezüglich der Inhaber der Konkordatsprofessuren gibt, läßt sich auch aus der Entstehung des entsprechenden Artikels des Bayerischen Konkordates erhärten. Bei den Beratungen des Bayerischen Landtags im Januar des Jahres 1925 bemerkte der Abgeordnete der DNV, Professor Dr. Friedrich Lent (1882 – 1960)78, „daß durch die Bestimmung in Art. 4 die Freiheit der Weltanschauungsprofessoren, zu lehren, was ihnen recht dünkt, nicht beeinträchtigt wird, da keine Entfernung aus dem Amte und keinerlei Maßnahmen vorgesehen sind, wenn die Erwartung, die man bei ihrer Berufung hatte, nachträglich enttäuscht werden sollte“79. Ähnlich antwortete die bayerische Staatsregierung am 9. Januar 1925 auf die Anfrage des Abgeordneten Dr. Baerwolff vom 16. Dezember 1924, die Unterrichtsverwaltung lege den Art. 4 § 2 BayK nicht dahin aus, „daß diese Professoren während der Dauer ihres Lehrauftrags gegenüber der kirchlichen Oberbehörde sich in einer anderen Stellung befinden als andere katholische Hochschullehrer“80. Der Ministerpräsident Held erklärte am 14. Januar 192581 im Landtag, weder die Lehr- noch die Forschungstätigkeit dieser Professoren werde „irgendeiner anders gearteten Kontrolle unterworfen als die aller anderen Professoren“. Der Heilige Stuhl hat dieser Interpretation nicht widersprochen.

78 L. Rosenberg/K. H. Schwab (Hrsg.), Festschrift für Friedrich Lent zum 75. Geburtstag 6. 1. 1957, München, Berlin 1957. 79 Stenographischer Bericht über die Verhandlungen des Bayerischen Landtags. Neunundzwanzigste öffentliche Sitzung. Nr. 29. Donnerstag, den 15. Januar 1925. I. Band. S. 823 – 872, hier 842. 80 Verhandlungen des Bayerischen Landtags. I. Tagung 1924, II. Tagung 1924/1925. Beilagen-Band I. Beilagen 1 bis 1484, München o. J., Beilage 677 S. 393, Beilage 751 S. 514. Vgl. G. Traub, Zum bayerischen Konkordat, München-Solln 1925, 19; Mayer, Geschichte 206. 81 Stenographischer Bericht über die Verhandlungen des Bayerischen Landtags. Achtundzwanzigste öffentliche Sitzung. Nr. 28. Mittwoch, den 14. Mai 1925. I. Band. S. 769 – 821, hier 811.

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Anders als um die Inhaber der Konkordatsprofessuren an den Universitäten war es freilich um die Professoren der philosophischen Abteilungen der PhilosophischTheologischen Hochschulen bestellt. Sie waren den Professoren der theologischen Abteilungen in jeder Hinsicht gleichgestellt. Sie konnten daher wegen ihrer Lehre oder wegen ihres sittlichen Verhaltens beanstandet werden, und die Staatsregierung mußte dann „auf andere Weise für einen entsprechenden Ersatz sorgen“82. b) Nach dem Vertrag 1974 Der Vertrag 1974 kennt ebensowenig eine Beanstandung der Inhaber der Konkordatsprofessuren wie das Bayerische Konkordat von 1924. Daß Art. 3 § 3 des Vertrages 1974, der die Beanstandung theologischer Lehrer durch den Diözesanbischof regelt, auch auf die Inhaber der Konkordatslehrstühle Anwendung fände, ist in Art. 3 § 5 nicht gesagt. Dieses Schweigen ist genauso sprechend wie jenes in dem Bayerischen Konkordat. Es besagt, daß ein Recht zur Beanstandung nicht besteht. Es wäre den Vertragspartnern ein leichtes gewesen, in Art. 3 § 5 letzter Satz neben dem Verweis auf Art. 3 § 2 (Bestellung) einen solchen auf Art. 3 § 3 (Beanstandung) aufzunehmen, falls sie die Absicht gehabt hätten, die Inhaber der Konkordatsprofessuren dem Beanstandungsregime der Theologieprofessoren zu unterstellen, wie es ja im Art. 3 § 4 Abs. 2 erster Satz des Vertrages 1974 mit den Inhabern der einzelnen theologischen Lehrstühle an den Universitäten Erlangen-Nürnberg und Bayreuth geschehen ist. Aber eben dies ist unterblieben. Damit gibt der Vertrag 1974 zu erkennen, daß die Rechtsstellung der Gelehrten, die Konkordatsprofessuren innehaben, gegenüber dem Bayerischen Konkordat nicht verändert werden sollte. Sie können also nicht wegen ihrer Lehre oder ihres sittlichen Wandels von dem Diözesanbischof beanstandet werden. So weit sind die Vertragspartner bei ihrer Angleichung der Mitwirkung der Kirche an dem Vorgang der Besetzung theologischer und nichttheologischer Stellen auch in dem Vertrag 1974 nicht gegangen. Die Beanstandung eines nichttheologischen Lehrers durch den Diözesanbischof mit bestimmten Folgen für seine korporationsrechtliche Stellung kommt nicht in Frage. Indes zwingt die Gewährleistung der Konkordatsprofessuren, die Art. 3 § 5 des Vertrages 1974 ausspricht, dazu, dem Heiligen Stuhl bzw. dem zuständigen Diözesanbischof in seinem Namen die Befugnis einzuräumen, die Erfüllung der dort gegebenen Garantie zu überwachen und erforderlichenfalls zu urgieren. Es wäre denkbar, daß, falls der Inhaber eines Konkordatslehrstuhls die Erwartungen, die an ihn gestellt werden müssen, in schwerwiegender Weise enttäuscht, so daß er zur Erfüllung der Aufgabe, die ihm zugedacht ist, untauglich wird, der Heilige Stuhl oder der Bischof deswegen bei dem Kultusminister vorstellig wird. Wenn sich der Minister davon überzeugt, daß das Vorbringen des Bischofs begründet ist, ist er gehalten, für entsprechenden Ersatz zu sorgen, d. h. einen möglichst in jeder Hin82 Vgl. K. Rothenbücher, Die bayerischen Konkordate von 1924: Archiv des öffentlichen Rechts N. F. 8, 1925, 324 – 340, hier 337.

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sicht gleichwertigen Lehrer für das in Frage stehende Fach zu bestellen. Denn nur auf diese Weise kann der Zusage des Art. 3 § 5 des Vertrages 1974 Genüge geschehen, daß an den erwähnten Hochschulen je drei Professuren unterhalten werden, „gegen deren Inhaber hinsichtlich ihres katholisch-kirchlichen Standpunktes keine Erinnerung zu erheben ist“.

III. Prinzipien der Lehre Der Vertrag 1974 befaßt sich in Art. 4 §§ 1 – 4 mit den Zielvorstellungen und den Grundsätzen, welche die Lehre der theologischen Lehrer bestimmen müssen. Gegenüber den Inhabern der Konkordatslehrstühle werden derartige Vorschriften nicht aufgestellt. 1. Inhaltliche Zielvorstellungen a) In den katholisch-theologischen Fachbereichen Das Bayerische Konkordat von 1924 hatte in Art. 4 § 1 festgesetzt, daß der Unterricht an den theologischen Fakultäten der Universitäten und an den Philosophisch-Theologischen Hochschulen „den Bedürfnissen des priesterlichen Berufes“ Rechnung tragen müsse. Damit war gefordert, daß die erwähnten Einrichtungen die einwandfreie Ausbildung der Priester zu gewährleisten hatten. Dieses war das einzige Ziel, das ihnen vorgeschrieben wurde. Andere Berufe, die ein theologisches Studium voraussetzten, gab es damals in nennenswertem Maße nicht. Die theologischen Fakultäten und die Philosophisch-Theologischen Hochschulen waren fast ausschließlich Priesterbildungsstätten. Theologiestudium und Vorbereitung auf den Priesterberuf waren beinahe Synonyme. Die Begründung zum Bayerischen Konkordat konnte darum sagen, die theologischen Fakultäten an den Universitäten München und Würzburg seien „Einrichtungen für Heranbildung katholischer Priester“ und auch die fünf staatlichen Philosophisch-Theologischen Hochschulen würden „in der Hauptsache“ „besucht von solchen Studierenden, die sich ebenfalls dem katholischen Priesterstande zuwenden wollen“. Welches die „Bedürfnisse des priesterlichen Berufes“ waren, ergab sich nach Art. 4 § 1 aus den „kirchlichen Vorschriften“. Man wird dabei in erster Linie an die Bestimmungen des CIC zu denken haben, also vornehmlich die cc. 974 § 1 n. 4, 976, 983 n. 2, 1365. Daneben kommen zahlreiche Einzelbestimmungen in Frage, die hier nicht aufgezählt zu werden brauchen. Das Reichskonkordat vom 20. Juli 193383 statuierte in Art. 19, daß sich das Verhältnis der katholisch-theologischen Fakultäten an den staatlichen Hochschulen zu der kirchlichen Behörde nach den in den Länderkonkordaten und den dazugehörigen Schlußprotokollen festgelegten 83

RGBl. II S. 679; AAS 25, 1933, 389 – 413.

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Bestimmungen richte „unter Beachtung der einschlägigen kirchlichen Vorschriften“. Das Schlußprotokoll fügte hinzu, „die Grundlage“ dieser Vorschriften böten „zur Zeit des Konkordatsabschlusses“ „besonders“ die Apostolische Konstitution „Deus scientiarum Dominus“ vom 24. Mai 193184 und die Instruktion vom 7. Juli 193285. Das Reichskonkordat wollte mit seiner Wendung von den „einschlägigen kirchlichen Vorschriften“ in Art. 19 sicherlich auch die Berücksichtigung der Ausbildungsbedürfnisse der katholischen Theologiestudierenden, die das Priestertum anstreben, verpflichtend machen. Die Instruktion vom 7. Juli 1932 ist ja zur Gänze auf die Priesterkandidaten abgestellt. Diese Verhältnisse haben sich in den letzten drei Jahrzehnten grundlegend geändert. Die Entwicklung geht seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs, vor allem aber seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil, kurz gesagt, dahin, daß die Zahl der katholischen Theologiestudenten, die das Priestertum anstreben, fortwährend abnimmt, während die Zahl jener, die als Religionslehrer oder sonstwie im kirchlichen oder außerkirchlichen Dienst als Theologen tätig werden wollen, dauernd zunimmt. Die Ursachen und die Folgen dieser Erscheinung können hier auf sich beruhen. Indes konnten die personelle Umschichtung der Theologiestudierenden und die Anreicherung der Studienziele auf die Beschreibung der Aufgaben, die den Lehrern der katholischen Theologie an den staatlichen Hochschulen gestellt sind, nicht ohne Auswirkung bleiben. Die Verträge von 1966 und 1970 zur Errichtung der katholisch-theologischen Fakultät Regensburg und des katholisch-theologischen Fachbereichs Augsburg ließen sie allerdings noch unberücksichtigt. Um so einläßlicher widmet sich der Vertrag 1974 der Veränderung. Bei ihm ist auch noch zu bedenken, daß bei seinem Abschluß die volle Eingliederung der Lehrerbildung in die Universitäten eine vollendete Tatsache war. Mit den Zielvorstellungen der Lehre in den katholisch-theologischen Fachbereichen und an den katholisch-theologischen Lehrstühlen der staatlichen Hochschulen befaßt sich Art. 4 §§ 1 – 3 des Vertrages 1974. Danach muß die Lehre an den sechs katholisch-theologischen Fachbereichen der Universitäten und der Gesamthochschule bestimmten Ausbildungsbedürfnissen gerecht werden, die nacheinander aufgezählt werden und eine Rangordnung darstellen. Es werden zwei Bildungsziele genannt, die zueinander im Verhältnis der Vorund Nachordnung stehen. Das erste Ziel ist die Ausbildung von Seelsorgern. Innerhalb dieser Ausrichtung der Lehre sind wieder erstrangig die „Bedürfnisse des priesterlichen Berufes“. „Vornehmlich“ auf sie ist das Lehrangebot der katholischtheologischen Fachbereiche abzustellen. Insofern folgt der Vertrag 1974 dem Bayerischen Konkordat von 1924. Für die Erstrangigkeit dieses Bildungszieles spielen Zahlenverhältnisse keine Rolle. Wie hoch oder niedrig die Zahl der Studierenden sein mag, die das katholische Priestertum anstreben, an der Priorität ihrer Ausbildungsbedürfnisse ist nicht zu rütteln. Die Begründung, die die Staatsregie84 85

AAS 23, 1931, 241 – 262. AfkKR 125, 1951/52, 262 – 267.

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rung dem Vertrag 1974 beigegeben hat, nennt folgerichtig die Priesterausbildung nach wie vor den „Hauptzweck“ des Lehrangebotes der theologischen Fachbereiche. Innerhalb des ersten Zieles des Lehrangebotes der katholisch-theologischen Fachbereiche – Ausbildung von Seelsorgern – wird der vorrangigen Ausbildung priesterlicher Seelsorger die Ausbildung nichtpriesterlicher Seelsorger beigesellt. Den Ausbildungsbedürfnissen des priesterlichen Berufes treten zur Seite die Bedürfnisse „anderer seelsorgerischer Dienste nach Maßgabe der kirchlichen Vorschriften“. Mit dieser Erweiterung trägt der Vertrag 1974 der Entwicklung, die sich in der Kirche seit dem Abschluß des Bayerischen Konkordates, vor allem seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil, vollzogen hat, Rechnung. Sie bedeutet an dieser Stelle, daß auch Nichtpriester in seelsorgerischen Diensten und Funktionen Verwendung finden. Bei den „anderen seelsorgerischen Diensten“ ist wohl in erster Linie an die sogenannten Pastoralassistenten86, möglicherweise auch an Diakone87 und andere im Seelsorgsdienst der Kirche stehende Personen88 gedacht. Welches die Bedürfnisse des „priesterlichen Berufes“ und der „anderen seelsorgerischen Dienste“ sind, ergibt sich nach Art. 4 § 1 des Vertrages 1974 – nicht anders wie nach Art. 4 § 1 BayK – aus den „kirchlichen Vorschriften“. Die Hirten der Kirche bestimmen, was Priester und andere in der Seelsorge tätige Personen nötig haben, um ihren Beruf bzw. ihren Dienst in der rechten Weise ausüben zu können. Mittelbar wirken sie damit, wie die Vorschrift zeigt, auf die Lehre in den theologischen Fachbereichen ein. Der Notenwechsel zwischen dem Apostolischen Nuntius in Deutschland und dem bayerischen Ministerpräsidenten nennt zu Art. 4 §§ 1 und 4 des Vertrages 1974 als Beispiel solcher kirchlicher Vorschriften die „Normae quaedam ad Constitutionem Apostolicam ,Deus scientiarum Dominus‘ de Studiis academicis ecclesi-

86

Vgl. Statut des Bischofs von Speyer vom 6. Januar 1971 über den Dienst des Pastoralassistenten bzw. der Pastoralassistentin in der Gemeinde (Pfarramtsblatt 44, 1971, 74 f.); Statut für Pastoralassistenten in der Erzdiözese München und Freising vom 25. Februar 1972 (Amtsblatt für das Erzbistum München und Freising 1972, 78 – 81); Ordnung und Vergütungsordnung für Pastoralassistenten in der Erzdiözese Bamberg vom 6. Dezember 1973 (Pfarramtsblatt 47, 1974, 116 – 119). 87 Vgl. Erlaß des Bischofs von Mainz über Grundordnung für die Ausbildung des Diakons vom 25. März 1968 (Pfarramtsblatt 41, 1968, 129 – 133); Instruktion des Bischöflichen Ordinariates Rottenburg vom 31. August 1968 über die Erneuerung des Diakonats in der Diözese (ebenda 306 – 310); Die Einrichtung des Ständigen Diakonats in der Erzdiözese München und Freising (Amtsblatt für das Erzbistum München und Freising 1971, 318 – 320). 88 Vgl. die Verordnung des Bischofs von Münster vom 5. Juli 1972 über Männer und Frauen als neben- und hauptberufliche Mitarbeiter(innen) im pastoralen Dienst im Bistum Münster (Pfarramtsblatt 45, 1972, 300 – 308); F. Ortner, Die Aufgaben der Laientheologen in der Kirche, Graz 1973.

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asticis recognoscendam“ vom 20. Mai 196889. Diese Bestimmungen wurden damit nicht zum ersten Mal Gegenstand einer Abrede zwischen dem Heiligen Stuhl und dem bayerischen Staat. Bereits der Vertrag 1970 zur Errichtung des katholischtheologischen Fachbereichs an der Universität Augsburg hatte sich auf sie bezogen (Schlußprotokoll). Andere einschlägige Normen sind beispielsweise die „Ratio Fundamentalis Institutionis Sacerdotalis“ vom 6. Januar 197090 und die Instruktion des Sekretariates für die Nichtglaubenden vom 10. Juli 197091. Das zweite Ziel, das den theologischen Fachbereichen der Universitäten und der Gesamthochschule in Bayern gesetzt ist, ist nach Art. 4 § 2 des Vertrages 1974 in der Ausbildung der Religionslehrer gelegen. Diese ist nun erheblich differenziert. Zum Verständnis sind folgende Bemerkungen notwendig92. Das Lehramt an öffentlichen Schulen wird künftig nach Stufen unterschieden. Es gibt deren drei, die Primarstufe, die Sekundarstufe 1 und die Sekundarstufe II. Die Einteilung nach Stufen richtet sich nach den Schülerjahrgängen. Die Primarstufe umfaßt in der Regel die 1. bis 4. Jahrgangsstufe, die Sekundarstufe I in der Regel die 5. bis 10. Jahrgangsstufe, die Sekundarstufe II die 11. bis 13. Jahrgangsstufe. Nach Art. 2 des bayerischen Lehrerbildungsgesetzes vom 8. August 1974 hat nun jedes Lehramt an öffentlichen Schulen einen Schwerpunkt in der Primarstufe oder in der Sekundarstufe I oder in der Sekundarstufe II. Je nach dem gewählten Schwerpunkt baut sich das Studium der angehenden Lehrer auf. Das Studium für das Lehramt in der Primarstufe umfaßt nach Art. 8 des bayerischen Lehrerbildungsgesetzes ein erziehungswissenschaftliches Studium, das Studium der Didaktik der Primarstufe und das Studium eines Unterrichtsfaches. Das Studium für das Lehramt in der Sekundarstufe 1 umfaßt nach Art. 9 ein erziehungswissenschaftliches Studium und das Studium von zwei Unterrichtsfächern. Das Studium in der Sekundarstufe II umfaßt nach Art. 10 ein erziehungswissenschaftliches Studium,

89 Sacra Congr. pro Institutione Catholica, Normae quaedam ad Constitutionem Apostolicam „Deus scientiarum Dominus“ de Studiis academicis ecclesiasticis recognoscendam, Vatikanstadt 1968. 90 AAS 62, 1970, 321 – 384. 91 Ochoa, Leges Ecclesiae IV Nr. 3882 col. 5858 – 5861. 92 C.-H. Evers/J. Rau (Hrsg.), Oberstufenreform und Gesamthochschule, Frankfurt a. M., Berlin, München 1970; Bildungskommission des Deutschen Bildungsrates (Hrsg.), Reform der Sekundarstufe II. Teil A: Versuche in der gymnasialen Oberstufe (= Deutscher Bildungsrat. Materialien zur Bildungsplanung Heft 1), o. O. 1971; Ministerium für Unterricht und Kultus (Rheinland-Pfalz) (Hrsg.), Informationen 12. Februar 1971: Sekundarstufe I. Berichte und Stellungnahmen, Mainz 1971; Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus (Hrsg.), Schulreform in Bayern. Bd. 2: Kollegstufe am Gymnasium, München 1972; G. Bechert/J. Lohmann/H. Magdeburg (Hrsg.), Die Gesamtoberstufe. Materialien zur Reform der Sekundarstufe II (Veröffentlichung des Pädagogischen Zentrums, Berlin), Weinheim, Basel 1973.

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das vertiefte Studium eines Unterrichtsfaches und das Studium eines weiteren Unterrichtsfaches. Die Ausbildung der Religionslehrer muß sich nun auf diese Stufung einstellen. Das Lehrangebot der theologischen Fachbereiche hat an erster Stelle den Bedürfnissen jener Studenten für das Lehramt mit dem Schwerpunkt in der Sekundarstufe I oder mit dem Schwerpunkt in der Sekundarstufe II zu entsprechen, die Katholische Religionslehre als wissenschaftliches Fach studieren und die Befähigung zur Erteilung des katholischen Religionsunterrichtes in der Sekundarstufe I oder II erwerben wollen. An zweiter Stelle muß die Lehre der theologischen Fachbereiche auch auf jene Studenten für das Lehramt mit dem Schwerpunkt in der Primarstufe ausgerichtet sein, die die Befähigung zur Erteilung des katholischen Religionsunterrichtes in der Primarstufe erwerben wollen. An dritter Stelle muß das Lehrangebot der theologischen Fachbereiche schließlich den Bedürfnissen der Studenten für das Lehramt aller Stufen entsprechen, die im Rahmen des erziehungswissenschaftlichen Studiums katholische Theologie studieren. Mit diesen Anforderungen sind eine große Vielfalt und eine erhebliche Differenzierung des Lehrangebotes der katholisch-theologischen Fachbereiche programmiert. b) Bei den katholisch-theologischen Lehrstühlen An den katholisch-theologischen Fachbereichen der Universitäten und der Gesamthochschule muß das Lehrangebot den Bedürfnissen aller denkbaren Kategorien von Religionslehrern an öffentlichen Schulen genügen. Anders steht es um die je zwei katholisch-theologischen Lehrstühle an den Universitäten Erlangen-Nürnberg und Bayreuth, von denen Art. 3 § 4 des Vertrages 1974 spricht. Ihr Lehrangebot ist naturgemäß erheblich eingeschränkt. Es umfaßt nur einen Bruchteil dessen, was an den theologischen Fachbereichen zu finden ist. Deswegen sind die Inhaber der erwähnten Lehrstühle auch nur gehalten, den Kategorien II und III der Studierenden, die in Religionslehre unterrichten wollen, zu entsprechen. Die Ausbildung der übrigen Religionslehrer und erst recht der (priesterlichen oder nichtpriesterlichen) Seelsorger ist ihnen nicht aufgetragen und auch bei ihnen nicht möglich. 2. Übereinstimmung mit den Grundsätzen der katholischen Kirche Art. 4 § 4 des Vertrages 1974 hebt noch eigens hervor, daß die Lehre an den theologischen Fachbereichen und auf den theologischen Lehrstühlen, die den erwähnten Ausbildungsbedürfnissen dient, „in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der katholischen Kirche“ zu erteilen sei. Eine vergleichbare Bestimmung fehlt in dem Bayerischen Konkordat von 1924, wenn auch Art. 5 §§ 1 – 3 sie inhaltlich voraussetzt. Sie konnte entbehrt werden, weil sie sich damals von selbst verstand.

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Es ist zu fragen, was diese Vorschrift bedeutet. Der Begriff „Grundsätze der katholischen Kirche“ ist weit gehalten. Er umfaßt, wenn er wie hier allein steht, sowohl die kirchliche Lehre in Glaube und Sitte als auch die kirchliche Rechtsordnung. Denn beides ist grundlegend für die katholische Kirche. Diese Auslegung kann sich auch auf frühere konkordatäre Vereinbarungen stützen. So spricht beispielsweise das Badische Konkordat vom 12. Oktober 193293 in Art. XI Abs. 2 davon, daß der Religionsunterricht „in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Katholischen Kirche“ erteilt werde. Das Reichskonkordat gestand dagegen in Art. 21 S. 4 den Bischöfen die Befugnis zu, zu prüfen, ob die Schüler an „Volksschulen, Berufsschulen, Mittelschulen und höheren Lehranstalten … Religionsunterricht in Übereinstimmung mit den Lehren und Anforderungen der Kirche erhalten“. Aber gerade diese Formulierung ist erhellend. Aus ihr ergibt sich, daß die „Grundsätze“ der katholischen Kirche nichts anderes als die „Lehren und Anforderungen“ derselben sind. Auch den staatlichen Rechtsquellen ist der Begriff „Grundsätze“ der katholischen Kirche bzw. allgemein der Religionsgemeinschaften vertraut. Art. 135 Abs. 2 a. F. der bayerischen Verfassung vom 2. Dezember 194694 sah für die Bekenntnisschulen einen Unterricht und eine Erziehung „nach den Grundsätzen des betreffenden Bekenntnisses“ vor. Art. 135 n. F. spricht von einer Unterrichtung und Erziehung „nach den Grundsätzen der christlichen Bekenntnisse“. In dem Volksschulgesetz vom 13. Dezember 196895 sind allerdings aus den „Grundsätzen“ die „gemeinsamen Grundsätze der christlichen Bekenntnisse“ geworden, während in Klassen mit Schülern gleichen Bekenntnisses immerhin auch noch nach „den besonderen Grundsätzen dieses Bekenntnisses“ unterrichtet und erzogen werden darf. Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 194996 gewährleistet die Erteilung des Religionsunterrichtes „in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften“. Der akademische Lehrer der katholischen Theologie ist demnach verpflichtet, sich in seinen Unterrichtsveranstaltungen an die Glaubens- und Sittenlehre sowie die Rechtsordnung der Kirche zu halten. Das hier geltend gemachte Prinzip ist an sich eine Selbstverständlichkeit. Es ist mittelbar schon in Art. 3 §§ 2 und 3 des Vertrages 1974 ausgesprochen. Daß es in Art. 4 § 4 noch einmal unmittelbar vorgelegt wird, mag seinen Grund in der gegenwärtigen Lage der katholischen Theologie haben, in der das Selbstverständliche problematisch geworden ist97.

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GVBl. 1933 S. 20; AAS 25, 1933, 177 – 194. GVBl. S. 333. 95 GVBl. S. 402. 96 BGBl. S. 1. 97 Vgl. G. May, Die Katholiken im Heiligen Jahr 1975, Wien 1975, 8 – 14.

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Überraschend ist die Beschränkung, die darin liegt, daß Art. 4 § 4 des Vertrages 1974 die „Übereinstimmung“ mit den „Grundsätzen der katholischen Kirche“ nur für den in Art. 4 §§ 1 – 3 vorgesehenen „Unterricht“ fordert. Damit werden zwei Bereiche von diesem Postulat ausgeklammert, nämlich die Lehrtätigkeit außerhalb des Bereiches der Universität bzw. Gesamthochschule und die literarische Aktivität; sie werden von dieser Vorschrift nicht erfaßt. Indes ist dadurch die Anwendung des Art. 3 §§ 2 und 3 nicht eingeschränkt.

Schluß Der Vertrag, den der Heilige Stuhl und der Freistaat Bayern am 4. September 1974 zur Änderung und Ergänzung des Bayerischen Konkordates von 1924 i. d. F. von 1968 abgeschlossen haben, ist, was die im vorstehenden behandelten Gegenstände angeht, als ausgewogen zu bezeichnen. Er steht in der Kontinuität des Bayerischen Konkordates und folgt dessen Prinzipien, modifiziert aber die Einzelheiten entsprechend der Entwicklung, die sich in den letzten fünfzig Jahren vollzogen hat. Staat und Kirche haben in dem Vertrag 1974 weitgehendes Entgegenkommen bewiesen. Beide Seiten können mit den gefundenen Lösungen zufrieden sein. Der Staat hat seine Vorstellungen von einem der Gegenwart angepaßten System der Ausbildung der Lehrer in die Vereinbarung eingebracht. Die Kirche hat der Verlegung der Lehrerbildung an die Universitäten und Gesamthochschulen zugestimmt. Die Lehrerbildung ist gemeinsam gestaltet, d. h. entkonfessionalisiert worden, aber bestimmte konfessionelle Einrichtungen, deren Notwendigkeit sich aus der christlichen – und das bedeutet: in Konfessionen existierenden – Grundlage der Lehrerbildung ergibt, sind erhalten geblieben. Staatliche Philosophisch-Theologische Hochschulen wird es in Bayern in absehbarer Zeit, nämlich nach dem Verschwinden der Passauer Anstalt, nicht mehr geben. Eine eigengeprägte, traditionsreiche und in der Priesterausbildung bewährte Einrichtung verschwindet mit ihnen. Ob die an ihre Stelle tretenden katholischtheologischen Fachbereiche dasselbe zu leisten vermögen, bleibt abzuwarten. Die Entwicklung der Universitätsstruktur hat dazu geführt, daß die bisherigen Fakultäten durch Fachbereiche abgelöst werden. Das korporationsrechtliche Gewicht der katholisch-theologischen Fachbereiche ist erheblich geringer als das der katholisch-theologischen Fakultäten. Indes ist zu fragen, ob mit dieser Verschiebung nicht der verminderten Bedeutung der Theologie in Universität und Gesellschaft Rechnung getragen wird und zugleich die Theologie ihre Quittung bekommt für ihr Verhalten in den letzten Jahren. Insofern ist diese Veränderung lediglich ein Ausdruck der Wahrheit. In dem Verhältnis der katholisch-theologischen Fachbereiche zu der kirchlichen Behörde ändert sich nichts. Aber es sind bedeutsame Präzisierungen erfolgt, die der

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Rechtssicherheit zugute kommen. Die Konkordatsprofessuren bleiben, wenn auch teilweise umgestellt auf andere Fächer, erhalten. Sie dienen gleichzeitig der Ausbildung der Theologiestudierenden und der angehenden Lehrer. Die Forderungen, die die Kirche angesichts der heutigen Verhältnisse innerhalb ihrer selbst und innerhalb der Gesellschaft an den Staat bezüglich der Gewährleistung einer einwandfreien Ausbildung der Priester, anderer kirchlicher Bediensteter und der Religionslehrer stellen kann, sind erfüllt. In der Zeit der Weimarer Republik konnte Bayern – von manchen begrüßt, von vielen befehdet – in Anspruch nehmen, das für den Heiligen Stuhl günstigste Konkordat eines deutschen Landes abgeschlossen zu haben. Auch in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg hat Bayern der Kirche die mit Abstand beste Position eingeräumt. Der bayerische Staat gibt der Kirche, den katholischen Theologen, den katholischen Gelehrten der Konkordatslehrstühle und nicht zuletzt den katholischen Studierenden eine große Chance für ihr Wirken und Arbeiten. Es wird sich erweisen, ob die katholische Kirche in Bayern die Kraft hat, sie zu nutzen.

Die rechtliche Stellung der Einrichtungen zur Ausbildung katholischer Religionslehrer an den staatlichen Hochschulen in dem Land Hessen Einleitung 1. Entstehung des Kirchenvertrags Am 29. März 1974 wurde zwischen dem Land Hessen einerseits und den Bistümern Fulda, Limburg und Mainz sowie dem Erzbistum Paderborn anderseits ein Vertrag geschlossen1. Er soll zur „Ergänzung“ des Vertrages des Landes Hessen mit den erwähnten Bistümern vom 9. März 19632 dienen. Im folgenden wird diese Vereinbarung als Hessischer Bistumsvertrag bezeichnet. Die Anfänge des Hessischen Bistumsvertrages reichen weit zurück. Bereits im Sommer 1969 lag ein Entwurf der katholischen Bistümer vor. In ihm befand sich keine Bestimmung über die Ausbildung und Einstellung von Religionslehrern. Diese taucht erst vier Jahre später auf. Der Heilige Stuhl bzw. sein Vertreter, der Apostolische Nuntius in Bonn – Bad Godesberg, wurde nicht nur von den Verhandlungen unterrichtet, sondern auch um seine Einwilligung angegangen. Die katholischen Bistümer handelten bei dem Eintritt in die Vertragsverhandlungen „mit Zustimmung des Heiligen Stuhles“ (Präambel). Der Vertrag trat nach Art. 13 in Kraft, „wenn das Land Hessen und die Apostolische Nuntiatur in Bonn – Bad Godesberg im Namen des Heiligen Stuhles ihre Zustimmung zu dem Vertragsinhalt durch einen Notenwechsel erklärt haben“. Durch Abschluß und Inhalt der Vereinbarung wurde also die Kompetenz des Heiligen Stuhles berührt. Der Hessische Landtag3 stimmte dem Vertrag am 4. Sep1 Gesetz zu dem Vertrag zur Ergänzung des Vertrages des Landes Hessen mit den Katholischen Bistümern in Hessen. Vom 4. September 1974 (Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Hessen. Teil I S. 388). 2 GVBl. I S. 102; Bekanntmachung vom 7. August 1963 (ebenda S. 116). Vgl. W. Weber, Die deutschen Konkordate und Kirchenverträge der Gegenwart. Textausgabe mit den amtlichen Begründungen sowie mit Ergänzungsbestimmungen, vergleichenden Übersichten, Schrifttumshinweisen und einem Sachverzeichnis, 2 Bde., Göttingen 1962/71, hier II, 61 – 66. 3 Der Parteitag der F.D.P. in Offenbach am 20. April 1974 empfahl der Landtagsfraktion, die Zustimmung zu dem Vertrag mit den katholischen Bistümern daran zu knüpfen, daß er mit einer Kündigungs- oder Befristungsklausel versehen werde. Ursprünglich hatte der Kreisverband Frankfurt den Antrag gestellt, den Abschluß des Vertrags zu mißbilligen und der Fraktion

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tember 1974 zu und stattete ihn mit Gesetzeskraft aus. Das Gesetz trat am Tage nach seiner Verkündigung in Kraft. Am 23. Oktober 1974 gab der hessische Ministerpräsident bekannt, daß der Hessisches Bistumsvertrag am 16. Oktober 1974 in Kraft getreten sei, nachdem das Land Hessen und die Apostolische Nuntiatur in Bonn – Bad Godesberg im Namen des Heiligen Stuhles die in Art. 13 des Vertrages vorgesehene Zustimmung zu dem Vertragsinhalt durch Notenwechsel erklärt haben4. 2. Inhalt Der Hessische Bistumsvertrag enthält disparate Materien. Die Hauptmasse der Bestimmungen betrifft das Vermögensrecht, und insofern kann davon gesprochen werden, die Vereinbarung werde „in Ergänzung“ des Vertrages von 1963 geschlossen. Denn dieser war fast ausschließlich Fragen des Kirchenvermögens gewidmet. Daneben aber finden sich in dem Hessischen Bistumsvertrag Gegenstände, die in dem Vertrag von 1963 keine Parallele haben. Er befaßt sich nämlich mit der Stellung der kirchlichen juristischen Personen als Körperschaften des öffentlichen Rechts (Art. 1 und 2), mit der Ordnung der Vermögensverwaltung und der Gewährleistung des Eigentums der kirchlichen Stiftungen (Art. 3 – 5), mit der Berechtigung der Kirche, Kirchensteuer zu erheben, und dem dabei anzuwendenden Verfahren (Art. 6 und 7), mit den Kirchensammlungen (Art. 8) und den Gebührenbefreiungen der Kirche (Art. 9), mit der Ausbildung katholischer Religionslehrer an hessischen Universitäten und Gesamthochschulen und deren Einstellung (Art. 10) und mit der Abrede regelmäßiger Begegnungen zwischen der Landesregierung und den Bistümern (Art. 11). Dem Vertrag ist als integrierender Bestandteil ein umfangreiches Schlußprotokoll beigegeben. Die weite Streuung der Gegenstände zeigt schon, daß dieser Vertrag die Stelle eines Konkordats zwischen dem Land Hessen und dem Hl. Stuhl einnimmt. Der Umfang und die Gewichtigkeit der in dem Vertrag geregelten Gegenstände hätten es durchaus gestattet, ja nahegelegt, sie in der Form eines Konkordats zum Ausgleich zu bringen. Aber weder der frühere Volksstaat Hessen5 noch das jetzige Land Hessen waren zu dem Abschluß eines solchen bereit. Den vereinbarten Vorschriften ist der Zug gemeinsam, den Art. 50 der Hessischen Verfassung vom 1. Dezember 19466 dahin formuliert, es sei die Aufgabe von Gesetz oder Vereinbarung, „die staatlichen und kirchlichen Bereiche klar gegeneinander abzugrenzen“. Die hier vorgesehene Abgrenzung ist in dem Hessischen zu empfehlen, ihn abzulehnen. Die Ablehnung bezog sich einerseits auf Staatskirchenverträge als solche, anderseits auf das derzeitige Kirchensteuersystem sowie auf die Mitwirkungsrechte der Kirche bei dem Religionsunterricht und der Ausbildung von Religionslehrern. 4 GVBl. I S. 521. 5 P. Schnitzer, Hessische Konkordatspläne: Sonderdruck aus dem Jahresbericht 1967/68 des Alten Kurfürstlichen Gymnasiums Bensheim, o. O. und o. J. (Bensheim 1968). 6 6 GVBl. I S. 229.

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Bistumsvertrag erfolgt. Dies läßt sich im einzelnen nachweisen. An dieser Stelle soll indes von den mannigfachen Bestimmungen dieser Vereinbarung nur jene ins Auge gefaßt werden, die sich mit der Ausbildung und Einstellung der Religionslehrer befaßt, Art. 10. 3. Rechtsquellen Die Rechtsquellen, die für das Verständnis des Art. 10 des Hessischen Bistumsvertrages in Frage kommen, sind die folgenden. An erster Stelle steht die Hessische Verfassung vom 1. Dezember 1946, vor allem deren Hochschulartikel (Art. 60)7. Art. 60 Abs. 2 HV spricht zwar nur von theologischen Fakultäten an Universitäten und bezieht sich somit an erster Stelle auf die Ausbildung der Geistlichen, ist aber, wie sich zeigen wird, auch für andere theologische Studieneinrichtungen an den staatlichen Hochschulen von Belang. Dazu treten die beiden Gesetze über die Hochschulen8 und die Universitäten9 des Landes Hessen vom 12. Mai 1970 sowie eine nicht unbeträchtliche Zahl anderer rechtlicher Bestimmungen10. Weiter ist heranzuziehen der Vertrag des Landes Hessen mit den evangelischen Landeskirchen vom 18. Februar 196011, der in vielfacher Hinsicht als Vorbild für die beiden Vereinbarungen mit den katholischen Bistümern (1963 und 7 G. A. Zinn/E. Stein, Die Verfassung des Landes Hessen. Kommentar, Erster Band, Bad Homburg v. d. H., Berlin 1954, 300; E.-L. Solte, Theologie an der Universität. Staats- und kirchenrechtliche Probleme der theologischen Fakultäten (= Jus Ecclesiasticum Bd. 13), München 1971, 112. 8 Gesetz über die Hochschulen des Landes Hessen. Vom 12. Mai 1970 (GVBl. I S. 315); geändert durch Gesetz vom 9. März 1971 (GVBl. I S. 59); durch Gesetz vom 18. Mai 1971 (GVBl. I S. 109). 9 Gesetz über die Universitäten des Landes Hessen. Vom 12. Mai 1970 (GVBl. I S. 324). Vgl. H. Kupfer, Informationsverpflichtung für Wissenschaftler? Verfassungsrechtliche Bemerkungen zu § 6 HUG: Wissenschaftsrecht, Wissenschaftsverwaltung, Wissenschaftsförderung 4, 1971, 117 – 140; derselbe, Der Paragraph 6 des hessischen Universitätsgesetzes ist verfassungswidrig: Mitteilungen des Hochschulverbandes 20, 1972, 50 – 53; Thesen zur Reform des Hessischen Universitätsgesetzes, vorgelegt von der Hessischen Professorenkonferenz, der Aktionsgemeinschaft Hessischer Hochschullehrer und dem Landesverband Hessen des Hochschulverbandes: ebenda 20, 1972, 407 – 414; H. Niemeyer, Welche Aufgaben haben die wissenschaftlichen Bediensteten? Auswirkungen des Hessischen Universitätsgesetzes: ebenda 21, 1973, 286 – 292; E. Kaufmann, Nicht die letzte Novellierung in Hessen? Zum Hessischen Universitätsgesetz: ebenda 22, 1974, 375 – 379; Hochschulverband-Landesverband Hessen. Stellungnahme zum Entwurf zur Änderung des Hessischen Universitätsgesetzes, vorgelegt vom Landesverband Hessen des Hochschulverbandes, Wiesbaden 1974. 10 Z. B. Allgemeine Vorschriften für die Studierenden an den Universitäten des Landes Hessen. Vom 29. Oktober 1971 (GVBl. I S. 268). 11 GVBl. I S. 50. Vgl. W. Jung, Der Hessische Kirchenvertrag vom 18. Februar 1960: Zeitschrift für evangelisches Kirchenrecht 7, 1959/60, 289 – 306; H.-U. Klose, Die Rechtsbeziehungen zwischen dem Staat und den Evangelischen Landeskirchen in Hessen unter besonderer Berücksichtigung des Hessischen Kirchenvertrages vom 18. Februar 1960 (= Neue Kölner Rechtswissenschaftliche Abhandlungen Heft 42), Berlin 1966.

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1974) gedient hat. Der Hessische Kirchenvertrag wiederum ist nur recht zu verstehen, wenn er auf dem Hintergrund des Preußischen Kirchenvertrags vom 11. Mai 193112 gelesen wird. Der Preußische Kirchenvertrag war seinerseits eine Parallelbzw. Folgeerscheinung des Preußischen Konkordats vom 14. Juni 192913. Auch dieses muß deshalb herangezogen werden. Für die Mitwirkung der Kirche an der Besetzung der Theologieprofessuren an den staatlichen Hochschulen existiert in Deutschland ein regelrechtes System, das in zahlreichen Verträgen mit der katholischen Kirche und den evangelischen Landeskirchen niedergelegt ist14. 12 Vertrag des Freistaates Preußen mit den Evangelischen Landeskirchen. Vom 11. Mai 1931 (GS. S. 107). 13 Vertrag des Freistaates Preußen mit dem Heiligen Stuhle. Vom 14. Juni 1929 (GS. S. 152). 14 Bayerisches Konkordat vom 29. März 1924 (GVBl. 1925 S. 53) Art. 3; Preußisches Konkordat vom 14. Juni 1929 (GS. S. 152) Art. 12 mit Schlußprotokoll; Badisches Konkordat vom 12. Oktober 1932 (GVBl. 1933 S. 20) Art. X mit Schlußprotokoll; Reichskonkordat vom 20. Juli 1933 (RGBl. II S. 679) Art. 19; Niedersächsisches Konkordat vom 26. Februar 1965 (GVBl. S. 192) Art. 4 und 5 Abs. 1 mit Anlage § 2 Abs. 1 und § 3; Vertrag zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Freistaat Bayern über die Katholisch-Theologische Fakultät der Universität Regensburg vom 2. September 1966 (GVBl. S. 401) Art. 2; Notenwechsel zwischen dem Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen und dem Apostolischen Nuntius vom 20. und 29. Dezember 1967 (ABl. d. KultMin. Nordrhein-Westfalen 1968 S. 87) (Bochum); Vertrag zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Saarland vom 9. April 1968 (ABl. des Saarlandes S. 475); Vertrag über die Änderung des Bayerischen Konkordats vom 7. Oktober 1968 (GVBl. S. 398) Art. 5 § 2; Vereinbarung zwischen der Regierung des Landes BadenWürttemberg und den Kirchenleitungen über die Lehrerbildung vom 4. Februar 1969 (AfkKR 138, 1969, 227); Notenwechsel zwischen dem Ministerpräsidenten des Landes NordrheinWestfalen und dem Apostolischen Nuntius in Deutschland vom 21./22. April 1969 (GVBl. S. 538); Bekanntmachung über den Notenwechsel zwischen dem Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen und dem Apostolischen Nuntius in Deutschland über Lehrstühle für katholische Theologie an Pädagogischen Hochschulen vom 17. Juli 1969 (GVBl. S. 538); Vertrag zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Freistaat Bayern zur Änderung und Ergänzung des Bayerischen Konkordats vom 29. März 1924, geändert durch den Vertrag vom 7. Oktober 1968. Vom 4. September 1974 (GVBl. 1974 S. 541) Art. 3 §§ 2 – 5, Art. 4 § 5. Bayerischer Kirchenvertrag vom 15. November 1924 (GVBl. 1925 S. 61) Art. 2; Preußischer Kirchenvertrag vom 11. Mai 1931 (GS. S. 107) Art. 11 mit Schlußprotokoll; Badischer Kirchenvertrag vom 14. November 1932 (GVBl. 1933 S. 32) Art. VII mit Schlußprotokoll; Niedersächsischer Kirchenvertrag vom 19. März 1955 (GVBl. S. 159) Art. 3 Abs. 2 und Zusatzvereinbarung § 2; Schleswig-holsteinischer Kirchenvertrag vom 23. April 1957 (GVBl. S. 73) Art. 4 Abs. 2 und Zusatzvereinbarung § 3; Vertrag des Landes Nordrhein-Westfalen mit der Lippischen Landeskirche vom 6. März 1958 (GVBl. S. 205) Art. 11 Abs. 2 – 5; Hessischer Kirchenvertrag vom 18. Februar 1960 (GVBl. S. 54) Art. 13 Abs. 2 mit Schlußprotokoll; Rheinland-pfälzischer Kirchenvertrag vom 31. März 1962 (GVBl. S. 173) Art. 14 Abs. 2 mit Schlußprotokoll; Vertrag zwischen dem Freistaat Bayern und der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern über die Evangelisch-Theologische Fakultät der Universität München vom 20. Juni 1967 (GVBl. 1968 S. 35); Vertrag zwischen dem Saarland und der Evangelischen Kirche im Rheinland über die Errichtung eines Lehrstuhls für evangelische Theologie an der Universität des Saarlandes vom 30. November/5. Dezember 1967 (ABl. des Saarlandes 1968 S. 476); Vertrag zwischen dem Freistaat Bayern und der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern zur Änderung des Vertrags zwischen dem Bayerischen Staate und der Evangelisch-Lutheri-

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I. Gewährleistung der wissenschaftlichen Vorbildung in katholischer Theologie und Religionspädagogik Art. 10 HBV gewährleistet „im Bereich der Universitäten des Landes Hessen“ die wissenschaftliche Vorbildung in katholischer Theologie und Religionspädagogik. Es wird also zugesagt, daß an den staatlichen Hochschulen in Hessen überhaupt die Möglichkeit besteht und bestehen wird, katholische Theologie zu studieren. Damit folgt der Bistumsvertrag dem Hessischen Kirchenvertrag. Art. 14 Abs. 1 S. 1 HKV gewährleistet die wissenschaftliche Vorbildung in evangelischer Theologie und evangelischer Religionspädagogik „an den Hochschulen für Erziehung an den Universitäten und entsprechenden Einrichtungen anderer wissenschaftlicher Hochschulen“. Der Unterschied in der Formulierung erklärt sich aus dem Wandel, der sich seit 1960 in dem hessischen Hochschulwesen vollzogen hat15. In Hessen bestehen die Universitäten Frankfurt, Gießen und Marburg sowie die Technische Hochschule Darmstadt, die nach § 2 UG ebenfalls als Universität bezeichnet wird. „Die Universitäten dienen der Wissenschaft in Forschung und Lehre“ (§ 19 Abs. 3 HSchG). Daneben existiert die Gesamthochschule in Kassel16. „Gesamthochschulen sind Bildungseinrichtungen, die die Aufgaben aller oder mehrerer Hochschulen in sich vereinen“ (§ 19 Abs. 2 HSchG). Die Gesamthochschule Kassel vereinigt in sich „Aufgaben der Universitäten, der Fachhochschulen und der Kunsthochschulen“. Sie ist „wissenschaftliche Hochschule“ (§ 1 Abs. 2 GHSchG). Der Hessische Bistumsvertrag gewährleistet unmittelbar lediglich „die wissenschaftliche Vorbildung in katholischer Theologie und Religionspädagogik“, mittelbar freilich auch die für diesen Zweck unerläßlichen Einrichtungen. Aber welcher Art diese sind, war nicht Gegenstand der Abrede. Es ist nur von „hauptamtlich tätigen Professoren und Dozenten“ die Rede, und es wird nur gesagt, daß die Professoren und Dozenten der katholischen Theologie und Religionspädagogik „im Rahmen des Studiums zur Erlangung der Lehrbefähigung für katholischen Religionsunterricht“ tätig sind. Welche Organisationsform diese Lehrveranstaltungen haben, bleibt unklar, d. h. dies steht grundsätzlich zur Disposition der Regierung bzw. des Landtags. Ob dies im Rahmen einer selbständigen Fakultät oder eines selbständigen Fachbereichs, einer interkonfessionellen religionswissenschaftlichen Fakultät oder eines interkonfessionellen theologischen Fachbereichs, einer philoschen Kirche in Bayern vom 15. November 1924. Vom 12. September 1974 Art. 2 – 4 (GVBl. S. 797). 15 Vgl. Gesetz über die wissenschaftlichen Hochschulen des Landes Hessen (Hochschulgesetz). Vom 16. Mai 1966 (GVBl. S. 121). Dazu I. Staff, Das Hessische Hochschulgesetz. Kommentar (= Schule in Staat und Gesellschaft. Eine Schriftenreihe für Erziehung und Unterricht in der Schule, für Recht und Verwaltung, Soziologie und Wirtschaft des Bildungswesens), Neuwied, Berlin 1967. 16 Gesetz über die Errichtung der Gesamthochschule in Kassel. Vom 24. Juni 1970 (GVBl. I S. 387). Vgl. Gesetz zum weiteren Ausbau der Gesamthochschule Kassel. Vom 13. Juli 1971 (GVBl. I S. 190).

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sophischen Fakultät oder in Form von Lehrstühlen, die dem Rektor bzw. Präsidenten einer Hochschule unmittelbar unterstellt sind, geschieht bzw. geschehen wird, läßt sich aus dem Vertrag nicht ohne weiteres entnehmen. Zwar dürfte den Vertragspartnern als regelmäßige Organisationsform des Studiums der katholischen Theologie der in Art. 10 Abs. 1 erwähnte „Fachbereich für Religionswissenschaften“ an einer Universität oder Gesamthochschule vorgeschwebt haben. Aber einmal ist damit über dessen innere Ordnung bzw. konfessionellen Charakter nichts gesagt, und zum anderen ist damit die Organisation der Lehrveranstaltungen in katholischer Theologie in Form eines Fachbereichs nicht zwingend vorgeschrieben. Es bleiben andere Organisationsformen möglich. Wie rasch sich auch scheinbar festgefügte Strukturen in den Universitäten ändern können, dafür bietet die Gegenwart viele Beispiele. Auch eine bestimmte Zahl der Professoren und Dozenten wird nicht gewährleistet. Sie muß nur hinreichend sein, um „im Rahmen des Studiums zur Erlangung der Befähigung zum Lehramt die wissenschaftliche Vorbildung in katholischer Theologie und Religionspädagogik“ zu gewährleisten. Diese Studieneinrichtungen sind in ihrem Bestand nicht durch die Verfassung geschützt. Art. 60 Abs. 2 S. 1 HV enthält eine institutionelle Garantie nur für die theologischen Fakultäten, zu denen die erwähnten Studieneinrichtungen nicht gehören. In Hessen besteht eine einzige theologische Fakultät an einer staatlichen Hochschule, die evangelisch-theologische Fakultät in Marburg. Ebensowenig greift der Schutz des Reichskonkordats zugunsten der in Frage stehenden Einrichtungen ein. Nach Art. 19 RK bleiben die katholisch-theologischen Fakultäten an den staatlichen Universitäten erhalten. Die Vorschrift bezieht sich auf Fakultäten, die bei Abschluß des Konkordats vorhanden waren. Beide Merkmale treffen auf die Veranstaltungen für das Studium der katholischen Theologie an den hessischen staatlichen Hochschulen nicht zu. Der Vertrag läßt offen, an wie vielen Universitäten und Gesamthochschulen des Landes Hessen die Voraussetzungen für das Studium der katholischen Theologie und Religionspädagogik geschaffen werden. Das geforderte Minimum ist eine derartige Einrichtung. Indes läßt der Vertrag erkennen, daß er grundsätzlich damit rechnet, es könnte sich als erforderlich oder wünschenswert erweisen, an mehreren Hochschulen des Landes „die wissenschaftliche Vorbildung in katholischer Theologie und Religionspädagogik“ zu ermöglichen. Denn er faßt den „Wechsel von dem Fachbereich für Religionswissenschaften einer Universität oder Gesamthochschule des Landes zu einem gleichen Fachbereich einer anderen Universität oder Gesamthochschule“ ins Auge. Ein irgendwie gearteter Anspruch auf die das Minimum überschreitende Einrichtung weiterer Ausbildungsmöglichkeiten in katholischer Theologie und Religionspädagogik wird freilich den Bistümern nicht eingeräumt. Sie könnten allenfalls der Regierung gelegentlich der „regelmäßigen Begegnungen“ (Art. 11) Anregungen in dieser Richtung unterbreiten, die diese prüft und nach ihrem Ermessen entscheidet. Eine bestimmte Hochschule des Landes als Träger der Veranstaltung zur Ausbildung katholischer Religionslehrer wird nicht genannt.

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Tatsächlich bestehen an drei Universitäten des Landes Hessen ständige Einrichtungen, um das Studium der katholischen Theologie zu ermöglichen, allerdings von unterschiedlichem Rang und mit verschiedener Ausstattung. Quantitativ und organisatorisch steht die Ausbildungsstätte in Frankfurt an der Spitze. Bis Juli 1971 bestanden in der philosophischen Fakultät der Universität Frankfurt zwei Seminare für evangelische Theologie und für katholische Religionsphilosophie sowie an der Abteilung für Erziehungswissenschaft zwei Seminare für evangelische und katholische Theologie und Didaktik der Glaubenslehre. Im Zuge der Durchführung des neuen Universitätsgesetzes erfolgte 1971 eine Umstrukturierung. Die Fakultäten verschwanden. An ihre Stelle traten die Fachbereiche (§ 7 Abs. 2 UG). Organe der Fachbereiche sind der Dekan und die Konferenz (§ 7 Abs. 3 UG). Der Fachbereich ist „die organisatorische Grundeinheit für Forschung und Lehre“. Er soll „verwandte oder benachbarte Fachgebiete“ umfassen (§ 20 Abs. 1 UG). Innerhalb des Fachbereichs können „Arbeitsgruppen und Betriebseinheiten“ gebildet, verändert und aufgelöst werden (§ 20 Abs. 2 UG). Die ständige wissenschaftliche Betriebseinheit bildet ein Direktorium. Ihm gehören die Hochschullehrer, ein Student, ein wissenschaftlicher und ein weiterer Bediensteter an (§ 27 Abs. 1 UG). Das Direktorium wählt einen Professor zum geschäftsführenden Direktor (§ 27 Abs. 2 UG). Dieser „leitet und verwaltet“ die ständige wissenschaftliche Betriebseinheit nach Maßgabe einer von dem Direktorium beschlossenen Ordnung (§ 27 Abs. 4 UG). Entsprechend diesem Organisationsschema wurde im Jahre 1971 aufgrund der Verordnung über die Bildung der Fachbereiche an den Universitäten vom 12. März 197117 in Frankfurt aus den erwähnten Seminaren der Fachbereich 6 „Religionswissenschaften“ gebildet18. Der Fachbereich umfaßt danach die Fachgebiete Evangelische Theologie, Katholische Theologie und Religionsphilosophie, Evangelische Theologie und Didaktik der Glaubenslehre, Katholische Theologie und Didaktik der Glaubenslehre. Das Lehrpersonal bestand damals aus zwölf Professoren und Dozenten sowie sieben Assistenten und pädagogischen Mitarbeitern. Dem Professor für die Wissenschaft vom Judentum wurde die „Zweitmitgliedschaft“ in dem Fachbereich ermöglicht19. Der Fachbereich „Religionswissenschaften“ ist eingeteilt in die beiden ständigen wissenschaftlichen Betriebseinheiten „Evangelische Theologie“ und „Katholische Theologie“. Ende 1973 wirkten in der Betriebseinheit Katholische Theologie sieben Professoren und ein Dozent. Eine Professur, die für „Katholische Theologie unter besonderer Berücksichtigung der Bibelwissenschaften“, wurde von dem Bistum Limburg gestiftet. Zur Ergänzung des Lehrangebots wurden Lehrbeauftragte bestellt20. Die Betriebseinheit „Katholi17

GVBl. I S. 74. Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main. Vorlesungsverzeichnis für das Wintersemester 1974/75, S. 55 – 58: Fachbereich 6 Religionswissenschaften. 19 Deutsche Tagespost – Römische Warte 12. Jgg. Folge 27 vom 27. Juli 1971 S. 215. 20 Herder-Korrespondenz 28, 1974, 55 f. – Zu dem 1952 gestifteten, 1960/61 in den Universitätshaushalt übernommenen Lehrstuhl für katholische Religionsphilosophie vgl. A. Hollerbach, Verträge zwischen Staat und Kirche in der Bundesrepublik Deutschland (= Juristi18

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sche Theologie“ in Frankfurt ist keine theologische Fakultät. Dafür ist nicht entscheidend die Bezeichnung „Religionswissenschaften“ für den Fachbereich. Dies ist eher eine Verlegenheitslösung, die der gemeinten Sache nicht entspricht. Denn von ihrer Arbeitsmethode her gesehen, gehört die Religionswissenschaft in die philosophische Fakultät bzw. die dieser entsprechenden Fachbereiche. In dem Fachbereich „Religionswissenschaften“ soll doch aber Theologie, also Glaubenswissenschaft, betrieben werden. Entscheidend dafür, daß die Betriebseinheit „Katholische Theologie“ keine katholisch-theologische Fakultät darstellt, ist vielmehr ihre rechtliche Stellung. Die Errichtung einer katholisch-theologischen Fakultät ist dem Apostolischen Stuhl vorbehalten; ihre Satzung bedarf der Bestätigung desselben21. Akademische Grade, die kanonische Wirkungen in der Kirche haben, kann sie nur verleihen, wenn sie dazu von dem Apostolischen Stuhl bevollmächtigt worden ist22. Keines dieser Merkmale ist bei der Betriebseinheit „Katholische Theologie“ in dem Fachbereich „Religionswissenschaften“ an der Universität Frankfurt gegeben. Der Heilige Stuhl wurde an ihrer Errichtung nicht beteiligt. Sie besitzt nicht das Recht, akademische Grade in Theologie zu verleihen. Nur ein Teil der Fächer, die herkömmlich und gegenwärtig zu einer vollausgebauten theologischen Fakultät gehören, sind in der Betriebseinheit „Katholische Theologie“ vertreten. Ab Wintersemester 1974/75 besteht auch an der Technischen Hochschule in Darmstadt die Möglichkeit, katholische Theologie zu studieren mit dem Ziel, Religionslehrer zu werden. Der Fachbereich Religionswissenschaften in Frankfurt richtet nämlich Ausbildungslehrgänge für das Lehramt an beruflichen Schulen gewerblicher Richtung für die Wahlfächer Evangelische Religion und Katholische Religion ein23. Die erwähnte Verordnung vom 12. März 1971 schuf auch an der Universität Gießen einen Fachbereich 7 „Religionswissenschaften“. Er umfaßt nach der Verordnung die Fachgebiete Evangelische Theologie und Didaktik der Glaubenslehre, Katholische Theologie und Didaktik der Glaubenslehre24. An der Universität Marburg wird durch die Erteilung von Lehraufträgen die wissenschaftliche Ausbildung katholischer Religionslehrer, freilich auf schmalster Basis, ermöglicht25. Es besteht dort ein sogenanntes Katholisch-Theologisches Seminar, das aber keine Einrichtung der Universität, sondern eine solche des Bistums Fulda ist. Außerhalb der Fachbereiche werden „Vorlesungen für die Ausbildung von sche Abhandlungen Bd. III), Frankfurt a. M. 1965, 36. Für die parallele Professur auf evangelischer Seite vgl. ebenda 49. 21 C. 1376 CIC. 22 C. 1377 CIC. 23 Kirchliches Amtsblatt für die Diözese Mainz 1974 S. 87 Nr. 247. 24 Justus Liebig-Universität Gießen. Vorlesungsverzeichnis. Sommersemester 1974, S. 50 – 54: Fachbereich 07 Religionswissenschaften; Evangelische Sektion; Katholische Sektion. 25 Deutsche Tagespost Nr. 124 vom 16. Oktober 1973 S. 7.

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katholischen Religionslehrern“ angeboten26. Die Dozenten der katholischen Theologie gehören nicht zu den Mitgliedern der Universität. Das hessische Universitätsgesetz unterscheidet zwischen Mitgliedern und Angehörigen der Universität. Mitglieder sind u. a. die Professoren, die Dozenten und die wissenschaftlichen Bediensteten (§ 4 Abs. 1 UG), Angehörige sind die neben- oder ehrenamtlich an ihr Tätigen, u. a. die Lehrbeauftragten und Gastprofessoren bzw. -dozenten (§ 5 Abs. 1 UG). Die Worte „im Rahmen des Studiums zur Erlangung der Befähigung zum Lehramt“ in Art. 10 Abs. 1 HBV drücken aus, daß die Gewährleistung der wissenschaftlichen Vorbildung in katholischer Theologie und Religionspädagogik auf den Zweck eingeschränkt ist, angehenden Lehrern die Möglichkeit zu verschaffen, die Befähigung zur Erteilung des Fachs katholische Religion in der Schule zu erwerben. Auch in Hessen ist der Religionsunterricht gemäß Art. 7 Abs. 3 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 194927 und Art. 57 HV noch ordentliches Lehrfach in den öffentlichen Schulen. Art. 15 Abs. 2 S. 1 HKV bestätigt den Religionsunterricht als ordentliches Lehrfach an allen allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen. Der Staat hat daher grundsätzlich für die Bereitstellung von Religionslehrern zu sorgen. Das Vorhandensein von Einrichtungen zur Ausbildung der Religionslehrer an den hessischen Universitäten ist mithin ein unabweisbares Bedürfnis. Weitergehende Absichten werden mit der Gewährleistung jedoch nicht verfolgt. Im besonderen dient sie nicht dem Zweck, der Kirche theologisch gebildete Laien zur Verfügung zu stellen oder Geistliche auszubilden. Diese Verengung der Zielsetzung bedeutet eine weitere Absetzung der an den hessischen staatlichen Hochschulen bestehenden Vorbildungseinrichtungen für katholische Theologie von den theologischen Fakultäten. Diese dienen an erster Stelle der Ausbildung des geistlichen Nachwuchses. An dieser Zielsetzung vermögen etwaige ungünstige Zahlenverhältnisse unter den Studierenden nichts zu ändern. Da die „wissenschaftliche Vorbildung“ in katholischer Theologie und Religionspädagogik gewährleistet wird und dies „im Rahmen des Studiums zur Erlangung der Befähigung zum Lehramt“ geschieht, ergibt sich daraus, daß auch der hessische Staat an dem Wissenschaftscharakter der katholischen Theologie festhält. Diese Feststellung ist nicht überflüssig angesichts gewisser Strömungen in der Öffentlichkeit, die ihn bestreiten. Das „Studium zur Erlangung der Lehrbefähigung für katholischen Religionsunterricht“ fällt nicht grundsätzlich aus dem Studium zur Erlangung der Befähigung zum Lehramt heraus. Es ist zwar kein integrierender und noch weniger ein unerläßlicher, wohl aber ein möglicher und zulässiger Bestandteil dieses Studiums. Der Erwerb der Befähigung, Religionsunterricht zu erteilen, bleibt 26 Philipps-Universität Marburg. Personal- und Vorlesungsverzeichnis Wintersemester 1974/75, S. 384 f. 27 BGBl. S. 1.

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wie bei jedem anderen Studienfach der Entscheidung des einzelnen Studierenden überlassen. Außerordentlich befremdlich ist die Tatsache, daß der Hessische Bistumsvertrag von der Existenz der drei in Hessen bestehenden kirchlichen philosophisch-theologischen Hochschulen in Frankfurt28 Fulda29 und Königstein/Ts.30 keinerlei Notiz nimmt. Dies ist um so verwunderlicher, als die nicht gerade kirchenfreundliche Hessische Verfassung immerhin den „kirchlichen theologischen Bildungsanstalten“ verfassungsrechtlichen Schutz gewährt31. Noch weniger werden sie nach dem Vertrag zur Ausbildung katholischer Religionslehrer herangezogen. Diese wird vielmehr an den staatlichen Hochschulen monopolisiert. Welche Wege hier offengestanden hätten, wenn dem staatlichen Partner ein weniger etatistisches Denken zu eigen gewesen wäre, zeigt die Lösung, die das Land Rheinland-Pfalz in dem Verhältnis zwischen der neuen Universität Trier-Kaiserslautern und der theologischen Fakultät Trier gefunden hat. Dort wurde am 28. September 197032 eine Vereinbarung zwischen dem Land und der Diözese Trier „zur Regelung der ersten Stufe des Zusammenwirkens zwischen der Geisteswissenschaftlichen Fakultät Trier der zweiten Landesuniversität Trier/Kaiserslautern und der Theologischen Fakultät Trier“ geschlossen. Danach können die Studierenden der Theologischen Fakultät oder der Geisteswissenschaftlichen Fakultät ohne weiteres die Lehrveranstaltungen der jeweils anderen Fakultät belegen und besuchen sowie deren Studieneinrichtungen benutzen (Art. 1). Die Lehrveranstaltungen der beiden Fakultäten werden aufeinander abgestimmt. Bei der Einrichtung und Besetzung von Lehrstühlen ist eine gegenseitige Rücksichtnahme im Hinblick auf die Ergänzung des Lehrangebots vorgesehen (Art. 2 Abs. 1). Das Studium der katholischen Theologie an der Theologischen Fakultät wird als gleichwertig dem Studium der katholischen Theologie an einer staatlichen Universität für die Zwecke der Ablegung der Staatsprüfung zur Erlangung der Befähigung zum Lehramt an höheren Schulen anerkannt (Art. 3 Abs. 1). Für die Ablegung der Staatsprüfung in dem Fach Katholische Theologie werden Professoren der Theologischen Fakultät als Prüfer in den bei dem Staatlichen Prüfungsamt für das Lehramt an höheren Schulen gebildeten Prüfungsausschuß berufen (Art. 3 Abs. 2). Von einer derartigen Kooperation zwischen staatlicher und kirchlicher Hochschule ist in Hessen nicht die Rede. Der Vertrag kennt nur eine Ausbildung in der katholischen Theologie, die der Staat in eigener Regie betreibt. 28 W. Bulst, Frankfurt am Main. 3) Phil.-theol. Hochschule St. Georgen: LThK IV, 2. Auflage, 1960, 258; M. Baldus, Die philosophisch-theologischen Hochschulen in der Bundesrepublik Deutschland. Geschichte unnd gegenwärtiger Rechtsstatus (= Neue Kölner Rechtswissenschaftliche Abhandlungen Heft 38), Berlin 1965, 66, 69, 164 f., 167 f., 183. 29 Baldus, Die philosophisch-theologischen Hochschulen 30, 33, 51, 55 u. ö. 30 Baldus, Die philosophisch-theologischen Hochschulen 83 – 86 u. ö. 31 Art. 60 Abs. 3 HV. 32 AfkKR 139, 1970, 647 f.

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II. Kirchliche Mitwirkung bei der Anstellung theologischer Lehrer 1. Mitwirkungsberechtigter Der Hessische Bistumsvertrag kennt bei der Anstellung der akademischen Lehrer der Theologie an den staatlichen Studieneinrichtungen eine kirchliche Mitwirkung33. Er folgt darin dem Hessischen Kirchenvertrag. Für die einzige in Hessen bestehende theologische Fakultät, die evangelisch-theologische Fakultät an der Universität Marburg, bestimmt bereits Art. 60 Abs. 2 S. 2 der Hessischen Verfassung, daß „die Kirchen“ vor der Berufung der „Dozenten“ der theologischen Fakultäten zu „hören“ sind. Der Hessische Kirchenvertrag hat diese Vorschrift in Art. 13 Abs. 2 präzisiert. Für die an den Hochschulen für Erziehung bestehenden Einrichtungen zum Studium der evangelischen Theologie sieht Art. 14 Abs. 1 S. 2 HKV vor, daß die hauptamtlichen Professoren und Dozenten für evangelische Theologie „im Benehmen mit der zuständigen Kirche“ zu berufen sind. Durch diese Formulierung soll kein Unterschied zu dem Verfahren bei der Berufung der Professoren der evangelisch-theologischen Fakultät in Marburg begründet werden, wie der folgende Satz „Artikel 13 Absatz 2 findet sinngemäß Anwendung“ beweist. Bei der Mitwirkung der Kirchen an der Besetzung theologischer Lehrstühle an staatlichen Hochschulen kann es keinen ins Gewicht fallenden Unterschied ausmachen, ob diese Lehrstühle in Form einer theologischen Fakultät, eines religionswissenschaftlichen Fachbereichs oder sonstwie organisiert sind. Denn die Mitwirkung setzt nicht bei der Organisationsform an, sondern bei der Eigenart des Faches. Weil Theologie eine Funktion der Kirche ist, kann die Mitwirkung der Kirche an der Besetzung theologischer Lehrstellen nicht entbehrt werden. Als mitwirkungsberechtigt wird nach dem Hessischen Bistumsvertrag der „zuständige Diözesanbischof“ bezeichnet. „Zuständig“ ist der Bischof jener Diözese, in deren Gebiet die betreffende Hochschule gelegen ist. „Diözesanbischof“ ist der 33 W. Weber, Das Nihil obstat: Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft 99, 1939, 193 – 244; H. Peters, Die Besonderheiten der beamtenrechtlichen Stellung der staatlichen Theologieprofessoren an den deutschen Universitäten, in: M. Grabmann/K. Hofmann (Hrsg.), Festschrift Eduard Eichmann zum 70. Geburtstag, Paderborn 1940, 401 – 418; W. Weber, Der gegenwärtige Status der theologischen Fakultäten und Hochschulen, in: Tymbos für Wilhelm Ahlmann, Berlin 1951, 309 – 326; H. Chr. Mahrenholz, Die Mitwirkung der evangelischen Kirche bei der Besetzung der Lehrstühle in den evangelisch-theologischen Fakultäten: Zeitschrift für evangelisches Kirchenrecht 5, 1956, 219 – 273; E. H. Fischer, Theologieprofessor, Theologische Fakultät und Kirche. Das akademische Lehramt der katholischen Theologie im Rahmen des deutschen Konkordatsrechtes, in: J. Betz/H. Fries (Hrsg.), Kirche und Überlieferung. Festschrift für Joseph Rupert Geiselmann zum 70. Geburtstag, Freiburg, Basel, Wien 1960, 330 – 366; H. Flatten, Das bischöfliche Nihil obstat für Privatdozenten der Theologie nach deutschem Konkordatsrecht, in: W. M. Plöch/I. Gampl (Hrsg.), Im Dienste des Rechtes in Kirche und Staat. Festschrift zum 70. Geburtstag von Franz Arnold (= Kirche und Recht Bd. 4), Wien 1963, 197 – 218; W. Weber, Die neuere Entwicklung in der kirchlichen Mitwirkung bei der Besetzung theologischer Lehrstühle an staatlichen Hochschulen: Archiv des öffentlichen Rechts 95, 1970, 408 – 422; Solte, Theologie an der Universität 128 – 213.

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Oberhirt eines Bistums, dem dieses zur Leitung anvertraut ist34. Er übernimmt sein Amt mit der Besitzergreifung35. Unter den Begriff des Diözesanbischofs ist jeder Ortsoberhirt, der eine Diözese selbständig leitet, zu fassen. Sowohl der interimistische Regent eines Bistums, der Kapitelsvikar36, als auch der etwa an die Stelle des Diözesanbischofs tretende Apostolische Administrator wäre im Sinne des Art. 10 des Hessischen Bistumsvertrags mitwirkungsberechtigt. Nur so kann die Funktionsfähigkeit der in Frage stehenden Einrichtungen gewährleistet werden. Eine Vertretung des Diözesanbischofs ist nicht vorgesehen. Sie kann indes dann nicht als unzulässig betrachtet werden, wenn eine langdauernde Verhinderung des Bischofs einen Besetzungsvorgang ungebührlich aufschieben würde. Die für die evangelisch-theologische Fakultät in Marburg zuständige „kirchliche Behörde“ ist die Kirchenleitung der evangelischen Landeskirche von KurhessenWaldeck. Für die übrigen Studieneinrichtungen in evangelischer Theologie sind die Kirchenleitungen der jeweils in Frage kommenden evangelischen Kirchen in Hessen und Nassau, von Kurhessen-Waldeck und im Rheinland zuständig. 2. Erfaßte akademische Lehrer Hinsichtlich der Bestellung der akademischen Lehrer der katholischen Theologie und Religionspädagogik wird in dem Hessischen Bistumsvertrag unterschieden zwischen der „Berufung“ hauptamtlich tätiger Professoren und Dozenten einerseits, der „Erteilung von Lehraufträgen“ und der „Wahrnehmung selbständiger Lehraufgaben durch wissenschaftliche Bedienstete“ andererseits. Wer damit gemeint ist, ergibt sich aus dem hessischen Hochschulrecht. Hochschullehrer im Sinne des hessischen Universitätsgesetzes sind „die hauptberuflich in Lehre und Forschung an der Universität selbständig tätigen Beamten und Angestellten“ (§ 39 Abs. 1 UG), d. h. die Professoren und Dozenten (§ 39 Abs. 2 UG). Die Professoren werden auf Vorschlag des Fachbereichs berufen (§ 40 Abs. 1 UG). Freie und freiwerdende Stellen werden von dem Präsidenten der Universität ausgeschrieben. Der Fachbereich stellt aus den eingehenden Bewerbungen die Berufungsliste auf. Ausnahmsweise darf auch ein Gelehrter vorgeschlagen werden, der sich nicht beworben hat (§ 40 Abs. 3 UG). Der Kultusminister kann, wenn er gegen eine Berufungsliste Bedenken hat, unter Angabe seiner Gründe eine zweite Liste anfordern (§ 40 Abs. 7 UG). Die Dozenten werden ebenfalls auf Vorschlag des Fachbereichs ernannt (§ 41 Abs. 1 UG). Die freie Stelle wird ausgeschrieben, der Fachbereich macht einen Vorschlag zur Ernennung (§ 41 Abs. 2 UG). Der Kultusminister kann bei Bedenken einen weiteren Vorschlag anfordern (§ 41 Abs. 4 UG). Wissenschaftliche Bedienstete sind die Beamten und Angestellten, die wissenschaftliche Dienstleistungen zur 34

C. 334 § 1 CIC. C. 334 §§ 2 und 3 CIC. 36 Ich erinnere daran, daß der Hessische Bistumsvertrag für das Erzbistum Paderborn von dessen Kapitelsvikar unterzeichnet wurde. 35

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Organisation, Vorbereitung und Durchführung von Forschung und Lehre etc. wahrnehmen (§ 45 Abs. 1 UG). Nach § 13 Abs. 6 HSchG werden die Beamten, Angestellten und Arbeiter „nach Anhörung der Hochschuleinrichtungen, in denen sie tätig werden sollen, eingestellt“. Für die Berufung der „hauptamtlich tätigen Professoren und Dozenten“ der katholischen Theologie und Religionspädagogik ist nun die „Mitwirkung des zuständigen Diözesanbischofs“ vorgesehen, ebenso bei der „Erteilung von Lehraufträgen“ und bei der „Wahrnehmung selbständiger Lehraufgaben durch wissenschaftliche Bedienstete“. Die Umschreibung des Personenkreises, bei dessen Anstellung bzw. Beauftragung eine Mitwirkung des Diözesanbischofs als erforderlich vereinbart wird, entspricht dem deutschen Universitätsrecht. Die „Wahrnehmung selbständiger Lehraufgaben durch wissenschaftliche Bedienstete“ ist allerdings eine neue Weise, Angehörige der Hochschule an der Lehre zu beteiligen. Sie besteht darin, daß Personen, die weder Professoren oder Dozenten noch Lehrbeauftragte sind, Lehrveranstaltungen abhalten, für deren Ausgestaltung und Inhalt sie selbst die Verantwortung tragen. Vermutlich ist an wissenschaftliche Assistenten und Akademische Räte bzw. an wissenschaftliche Angestellte in vergleichbarer Stellung gedacht. Die Vereinbarung mit den katholischen Bistümern geht an dieser Stelle über den Vertrag mit den evangelischen Landeskirchen hinaus. Der Hessische Kirchenvertrag sieht für die evangelisch-theologische Fakultät eine gutachtliche Stellungnahme der kirchlichen Behörde nur bei der Anstellung von ordentlichen und außerordentlichen Professoren vor (Art. 13 Abs. 2). Außerplanmäßige Professoren, Dozenten und Lehrbeauftragte werden also ohne kirchliche Mitwirkung ernannt. Art. 11 Abs. 2 des Preußischen Kirchenvertrags hat hier als Vorbild gedient. An den übrigen Ausbildungsstätten für evangelische Theologie ist das „Benehmen“ mit der zuständigen Kirche bei der Berufung der „hauptamtlichen Professoren und Dozenten“ vorgeschrieben (Art. 14 Abs. 1 S. 2), nicht bei der Erteilung von Lehraufträgen. Art. 10 Abs. 1 HBV faßt Berufung von Professoren und Dozenten und Erteilung von Lehraufträgen unter dem Begriff „Anstellung“ zusammen. Als „Anstellung“ im Sinne des Art. 10 Abs. 1 S. 2 und 3 gilt nach Art. 10 Abs. 1 S. 4 jedoch nicht der Wechsel von dem Fachbereich für Religionswissenschaften einer Universität oder Gesamthochschule des Landes zu dem gleichen Fachbereich einer anderen Universität oder Gesamthochschule des Landes. Das bedeutet, daß bei Berufungen und Erteilung von Lehraufträgen innerhalb des Landes eine erneute Mitwirkung des (nunmehr zuständigen) Diözesanbischofs entfällt. Diese Einschränkung ist aus Art. 14 Abs. 1 S. 3 HKV übernommen. Sie dürfte dadurch gesteigerte Bedeutung gewinnen, daß in Hessen jüngst eine Art Verbundsystem der verschiedenen Hochschulen geschaffen wurde. Es besteht der „Landeshochschulverband“ als „kooperativer Hochschulverband“, dessen Mitglieder Gesamthochschulen, Universitäten, Kunsthochschulen und Fachhochschulen sind (§ 1 HSchG). Der Landeshochschul-

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verband hat die Studiengänge und -programme der Hochschulen einschließlich der Prüfungsordnungen abzustimmen, um so u. a. „die gleichzeitige Lehre an verschiedenen Hochschulen des Landes zu ermöglichen“ (§ 2 Abs. 2 Ziff. 1 HSchG).

3. Aufrechterhaltung der derzeitigen Rechtslage Maßgebend für die Art der Mitwirkung bei Berufung bzw. Beauftragung ist nach dem Hessischen Bistumsvertrag die „derzeitige Rechtslage“. Die bisherige Rechtslage war nun formal dadurch gekennzeichnet, daß sie vom Staat ohne vertragliche Mitwirkung der Kirche geschaffen war. Der hessische Vertrag beläßt es inhaltlich bei ihr und führt keine irgendwie geartete Veränderung herbei. Aber was bisher vom Staat aufgrund einseitiger Rechtsetzung praktiziert wurde, wird nunmehr von der Kirche akzeptiert. Damit haben die katholischen Bischöfe in Hessen ein außerordentlich weitgehendes Entgegenkommen bewiesen. Aber diese Rechtslage galt nicht für alle Stellen. Für die im Jahre 1952 gestiftete Professur für Religionsphilosophie an der Universität Frankfurt galt Sonderrecht. Nach § 3 Abs. 2 der Vereinbarung vom 30. Juli 1952 mußte die philosophische Fakultät „vor Einreichung der Vorschlagsliste an das Ministerium das Einvernehmen mit dem Bischöflichen Ordinariat herstellen“. Damit war dem Bischof von Limburg ein Vetorecht zugestanden. Ohne seine Einwilligung konnte kein Inhaber oder kommissarischer Verwalter der Professur berufen oder ernannt werden. Von dieser „bisherigen Rechtslage“ geht die Vereinbarung des Jahres 1974 entscheidend ab. Dasselbe gilt für die 1970 und 1971 errichteten beiden Stiftungsprofessuren in Frankfurt und Gießen.

4. Das Gutachten des Bischofs Welches inhaltlich die „derzeitige Rechtslage“ bei Berufungen und Erteilung von Lehraufträgen in Hessen ist, ergibt sich aus dem Schlußprotokoll zu Art. 10 HBV. Danach wird vor der erstmaligen Anstellung einer Person als Professor oder Dozent im Land Hessen oder vor der erstmaligen Erteilung eines Lehrauftrages in diesem Land ein „Gutachten“ des Bischofs, in dessen Diözese die Gesamthochschule oder die Universität liegt, eingefordert. Daß ein Gutachten des „Bischofs“ eingeholt wird, besagt nicht, daß der Bischof das Gutachten persönlich ausgearbeitet haben muß. Er kann sich dazu selbstverständlich seiner Helfer bedienen. Doch muß er sich einen etwa von diesen erstellten Entwurf zu eigen machen, mit seiner Unterschrift ausfertigen und das Gutachten in seinem Namen erstatten. Wenn der Bischof nur ein „Gutachten“ abgeben darf, dann ergibt sich daraus, daß seine Mitwirkung bei der Anstellung der akademischen Lehrer der Theologie lediglich beratend, nicht entscheidend ist. Er wird als theologischer Sachverständiger vernommen, nicht als kirchlicher Hoheitsträger eingeschaltet. Seine Stellung

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in dem Mitwirkungsverfahren ist damit auf jene der Oberbehörden der evangelischen Landeskirchen zurückgeschraubt. Diese besitzen keine authentische Lehrgewalt und sind daher auch nicht zur verbindlichen Lehrfeststellung und zu verpflichtenden Lehrentscheidungen befugt; sie können mithin wesensgemäß nur gutachtlich zu Lehrfragen Stellung nehmen. Der Hessische Kirchenvertrag sieht darum vor, daß der kirchlichen Behörde vor der Anstellung eines ordentlichen oder außerordentlichen Professors an einer evangelisch-theologischen Fakultät Gelegenheit zu „gutachtlicher Äußerung“ gegeben wird (Art. 13 Abs. 2). Diese Bestimmung folgt wiederum dem Preußischen Kirchenvertrag (Art. 11 und Schlußprotokoll zu Art. 11 Abs. 2). Sie gilt „sinngemäß“ auch für die Berufung der Professoren und Dozenten an den anderen Einrichtungen für das Studium der evangelischen Theologie (Art. 14 Abs. 1 S. 3 HKV). 5. Inhaltliche Reichweite des Gutachtens Das Gutachten des zuständigen Bischofs bezieht sich lediglich auf „die Lehre des Anzustellenden“, d. h. auf die Übereinstimmung seiner theologischen Ansichten mit dem Glauben und der Ordnung der Kirche. Es erstreckt sich nicht auf den Lebenswandel der betreffenden Person, auf sein christliches bzw. priesterliches Zeugnis. Damit folgt der Hessische Bistumsvertrag wiederum dem Hessischen Kirchenvertrag. Die dort vorgesehene Stellungnahme der kirchlichen Behörde bezieht sich – nach dem Muster des Rechts der übrigen evangelisch-theologischen Fakultäten – allein auf „Bekenntnis und Lehre“ des anzustellenden Professors, nicht auf den Lebenswandel (Schlußprotokoll zu Art. 13 Abs. 2 HKV). So hatte es bereits das Schlußprotokoll zu Art. 11 Abs. 2 des Preußischen Kirchenvertrags bestimmt. 6. Rechtliche Tragweite des Gutachtens Das Gutachten des Bischofs wird von dem Hessischen Bistumsvertrag als „Anhörung“ bezeichnet. Mit diesem Ausdruck ist eine Form der Mitwirkung beschrieben, die es der staatlichen Behörde zur Pflicht macht, die Meinungsäußerung des Beispruchsberechtigten einzuholen, nicht aber derselben beizutreten und dementsprechend zu handeln. Der Minister bleibt vielmehr gegenüber dem Vorbringen des Bischofs frei. Wenn das Schlußprotokoll erklärt, die der Anstellung vorangehende Berufung werde „mit dem Vorbehalt der … Anhörung“ geschehen, so ist daraus nichts zu entnehmen, was eine Zusage einschlösse, der Minister werde sich dem Urteil des Bischofs über die in Rede stehende Persönlichkeit anschließen. Der Vorbehalt der Anhörung ist kein Vorbehalt der Zustimmung des Bischofs. Vorbehalten ist nur die Anhörung als solche bzw. der Entschluß, zu dem der Minister aufgrund ihrer gelangt, nicht die Einwilligung des Bischofs. Das eben ist der bezeichnende Unterschied zum Schlußprotokoll des Preußischen Konkordats, dem die Bestimmung an sich nachgebildet ist. Dort ist eindeutig erklärt, daß, wenn der Bischof „begründete Einwendungen“ erhebt, die Anstellung oder Zulassung eines

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derart Beanstandeten „nicht erfolgen“ wird. Zu der Einräumung einer solchen Rechtsstellung an den zuständigen Bischof war die hessische Regierung nicht bereit. Der Minister wird durch das Gutachten des Bischofs nicht gebunden. Er ist nicht verpflichtet, den vorgetragenen Bedenken folgend, die Anstellung zu unterlassen. Es steht vielmehr in seinem Ermessen, ob er den Bedenken entsprechen will. Damit übernimmt der Hessische Bistumsvertrag die Rechtslage, die für die evangelisch-theologische Fakultät in Marburg aufgrund der Hessischen Verfassung und des Hessischen Kirchenvertrags, für die übrigen evangelischen Studieneinrichtungen allein nach dem Hessischen Kirchenvertrag besteht. Durchaus sachgemäß wird Art. 60 Abs. 2 S. 2 HV dahingehend interpretiert, daß die Unterrichtsverwaltung an die Stellungnahme der Kirchen „nicht gebunden“ sei37. Es ist also durchaus denkbar, daß ein Gelehrter berufen wird, der nicht das Vertrauen der Kirchenleitung bzw. die missio canonica des zuständigen Bischofs besitzt. Nun ist dieser Mangel im Bereich der evangelischen Theologie deswegen nicht allzu schwerwiegend, weil die Kirchenleitungen kein Lehramt in Anspruch nehmen38. Anders dagegen in der katholischen Theologie. Diese kann sachgemäß nur in Übereinstimmung mit den hoheitlichen Trägern des kirchlichen Lehramtes betrieben werden. Das Urteil darüber, ob die Lehre eines Theologen dem Glauben der Kirche entspricht, kann maßgeblich nur von den amtlichen Zeugen und Richtern dieses Glaubens, den Bischöfen, abgegeben werden. Dem Spruch des Bischofs muß dann aber auch Folge geleistet werden. Es ist undenkbar, daß ein staatlicher Beamter sich die Entscheidung darüber zuspricht, ob ihm nachzukommen ist oder nicht. Ein solcher Eingriff verletzt die hierarchische Struktur der katholischen Kirche. Was für die evangelischen Landeskirchen zumindest nicht als gänzlich unangemessen bezeichnet werden kann, erweist sich also für die katholische Kirche als völlig unzureichend. Das in dem Hessischen Kirchenvertrag und in dem Hessischen Bistumsvertrag festgelegte Verfahren der Mitwirkung der Kirchen bei der Anstellung theologischer Lehrer behandelt gleich, was von Natur aus ungleich ist. Der wesentliche Unterschied zwischen der Stellung der protestantischen Kirchenleitungen und jener der Träger des katholischen Bischofsamtes bleibt außer Ansatz. Diese Regelung begründet eine schwerwiegende Imparität zwischen katholischer Kirche und protestantischen Landeskirchen. Es ist nicht leicht begreiflich, wie eine derartige Bestimmung die Billigung des Hl. Stuhles finden konnte.

7. Zeitpunkt der Anhörung Die Anhörung des Bischofs erfolgt nach dem Hinausgehen der Berufung. Denn wenn „gleichzeitig“ mit der Berufung der zuständige Bischof „benachrichtigt und um sein Gutachten ersucht“ wird, dann ergibt sich daraus, daß der betreffende Gelehrte die Berufung in den Händen hat, bevor der Bischof angehört worden ist. 37 38

Zinn/Stein, Die Verfassung I, 300. Mahrenholz, Die Mitwirkung 258; Solte, Theologie an der Universität 123 f., 254 – 280.

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Dieser muß sich ja nun erst bemühen, sich über die „Lehre“ des Anzustellenden Kenntnis zu verschaffen, was in erster Linie durch die Heranziehung und Prüfung seiner Veröffentlichungen, in zweiter Linie durch die Erkundigung über seine mündlichen Äußerungen geschehen wird. Dafür benötigt der Bischof eine bestimmte Spanne Zeit, weshalb ihm nach dem Schlußprotokoll „eine ausreichende Frist gewährt werden wird“. Ausreichend ist die Frist, wenn es möglich ist, innerhalb ihrer bei gewöhnlichem Arbeitsgang und bei normaler Durchsichtigkeit der Verhältnisse des Anzustellenden ein begründetes Urteil über seine Lehre, ihren Inhalt und ihre Entwicklungstendenzen, abgeben zu können. Die Vorschrift in dem Hessischen Bistumsvertrag entspricht dem Hessischen Kirchenvertrag (Schlußprotokoll zu Art. 13 Abs. 2). In dem Niedersächsischen Kirchenvertrag (Zusatzvereinbarung zu Art. 3 Abs. 2 Nr. 2)39 war eine sozialdemokratische Regierung zum erstenmal davon abgegangen, Berufung und Anfrage gleichzeitig hinausgehen zu lassen; hier war eine Mitteilung vor der Berufung vorgesehen. Für die katholische Seite zog die Regierung gleich. Nach § 2 Abs. 1 der Anlage zu dem Niedersächsischen Konkordat vom 26. Februar 1965 holt der Kultusminister bei der Besetzung eines Lehrstuhls an der evtl. zu errichtenden katholisch-theologischen Fakultät in Göttingen die Äußerung des Bischofs vor der Berufung ein. Die hessische Regierung mochte sich zu solchem Entgegenkommen nicht verstehen. Der Hessische Bistumsvertrag weicht aber nun an einer Stelle bedeutsam von dem Hessischen Kirchenvertrag ab. In diesem ist zugesagt, daß die Berufung „in vertraulicher Form“, d. h. ohne Veröffentlichung, erfolgen werde. Diese Modalität fehlt in dem Hessischen Bistumsvertrag; Vertraulichkeit bei der Berufung ist nicht versprochen. Der Vertrag enthält natürlich noch viel weniger – im Gegensatz zu dem Preußischen Konkordat – eine Zusicherung, daß die Berufung erst veröffentlicht werden werde, „nachdem der Bischof dem Minister erklärt hat, daß er Einwendungen gegen die Lehre und den Lebenswandel des Berufenen nicht zu erheben habe“. Denn diese Klausel setzt voraus, daß zu der Anstellung des Berufenen die Zustimmung des Bischofs erforderlich ist, wovon in Hessen ja keine Rede sein kann. Die Bestimmung bezüglich Wahrung der Vertraulichkeit ist in doppelter Hinsicht von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Einmal sichert sie dem Bischof eher die Freiheit, etwa vorhandene Bedenken vorzubringen. Wenn der Vorgang der Berufung erst einmal bekannt geworden und in die Öffentlichkeit gedrungen ist, ist es, wie die Verhältnisse liegen, für den Bischof erheblich schwieriger, nein zu sagen, weil dann der Druck der sog. Öffentlichkeit einzusetzen pflegt, die regelmäßig durch jeden noch so begründeten Einspruch des Bischofs, jedenfalls gegen „moderne“ oder „liberale“ Theologen, die Lehrfreiheit bedroht sieht. Wie einseitig die Beherrscher der Massenmedien dabei freilich zu Werke gehen, zeigt sich darin, daß sie eine Gefährdung der Freiheit nur im Vorgehen gegen sog. fortschrittliche Theologen erblicken, nicht aber in der Zurücksetzung sog. konservativer Gelehrter. Wie die Verhältnisse nun einmal liegen, wollen oder können die Bischöfe sich in 39 Zusatzvereinbarung zum Vertrag des Landes Niedersachsen mit den evangelischen Landeskirchen in Niedersachsen. Vom 19. März 1955 (Nds. MBl. S. 438).

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den seltensten Fällen gegen publizistische Bedrängung wehren. In der Regel tun sie den Massenmedien den Willen. Somit nimmt das Fehlen der Vertraulichkeit bei dem Ausgehen der Berufung in gewisser Hinsicht den Charakter eines Druckmittels an. Zum anderen vermag das Angebot eines Lehrstuhls durch den Kultusminister, das „in vertraulicher Form“ ergeht, den zu berufenden Gelehrten zu schützen. Wird er nämlich wirklich wegen der von dem zuständigen Bischof vorgebrachten Einwendungen nicht berufen, so bleibt der Vorgang geheim, und sein guter Ruf wird nicht tangiert. Die Vertraulichkeit wirkt sich hier also als Schutz der in Aussicht genommenen Persönlichkeit aus. Diese Rücksichtnahme ist freilich nur in Zeiten angebracht und vonnöten, wo von einem Bischof erhobene Einwendungen gegen die Lehre eines Theologen sein Ansehen in der Öffentlichkeit, vor allem aber bei den kirchentreuen Katholiken zu trüben geeignet sind. In einer Zeit wie heute, wo derartige Bedenken in jedem Fall in der sog. Öffentlichkeit, teilweise aber auch bei Katholiken das Ansehen eher erhöhen als mindern, ist die Vertraulichkeit bei Berufungen zum Schutz des zu Berufenden regelmäßig nicht mehr erforderlich. Um so mehr bleibt der erste Grund dafür bestehen. 8. Erhebung von Bedenken Der Bischof muß sich, um das von ihm eingeforderte Gutachten abgeben zu können, über die Persönlichkeit und die Lehre des anzustellenden Gelehrten Gewißheit verschaffen. Das weitere Verfahren ist nun gänzlich verschieden, wenn er zu der Erkenntnis kommt, daß gegen den Anzustellenden Einwendungen nicht zu erheben sind, und wenn er dazu neigt, Bedenken gegen ihn vorzubringen. Im ersten Fall geht er allein vor und erstattet das Gutachten, worauf regelmäßig die Anstellung erfolgen dürfte. Im zweiten Fall kann er nicht allein handeln und muß ein Verfahren auf mehreren Ebenen absolvieren. a) Beratung der Diözesanbischöfe Die Erstellung eines negativen Gutachtens durch den Bischof wird in dem Hessischen Bistumsvertrag durch Schwierigkeiten belastet, die im Recht der katholisch-theologischen Fakultäten und Lehrstühle in Deutschland ohne Beispiel sind. Der „zuständige Bischof“ ist nämlich keineswegs allein zuständig, Bedenken gegen die Lehre des Anzustellenden zu erheben. Vielmehr werden hier auf einmal die übrigen Diözesanbischöfe der Bistümer mit Gebietsanteilen im Land Hessen eingeschaltet. Der „zuständige Bischof“ kann Bedenken dann vorbringen, wenn er zuvor die nicht zuständigen Bischöfe angehört hat. Der „zuständige Bischof“ ist also in diesem Fall nicht mehr allein zuständig, und die unzuständigen Bischöfe werden plötzlich zuständig. Falls dem „zuständigen Bischof“ Bedenken gegen die Lehre des betreffenden Gelehrten aufsteigen, muß er mit den anderen Diözesanbischöfen in Hessen in eine Beratung eintreten, um festzustellen, „ob seine Bedenken überwiegend geteilt

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werden“. Die übrigen Bischöfe müssen sich also mit den Materialien vertraut machen und ihr Urteil darüber abgehen. In einem gemeinsamen Gespräch wird über die Stichhaltigkeit der Bedenken des „zuständigen Bischofs“ beraten. Am Ende der Beratung steht eine Abstimmung. Das Ergebnis der Beratung muß in dem Gutachten des „zuständigen Bischofs“ angegeben werden. Nur wenn dem „zuständigen Bischof“ zwei weitere Bischöfe von den insgesamt vier hessischen Bischöfen beitreten, werden seine Bedenken gegen die Lehre des Anzustellenden „überwiegend geteilt“. Wie erklärt sich diese Bestimmung? Erstens daraus, daß sie dem Hessischen Kirchenvertrag nachgebildet ist. Das Schlußprotokoll zu Art. 13 Abs. 2 HKV sieht in Nr. 3 vor, daß die kirchliche Behörde etwaige Bedenken gegen Bekenntnis und Lehre des Anzustellenden erst erheben werde, nachdem sie sich „mit Vertretern der übrigen Kirchen“ beraten und festgestellt habe, „ob ihre Bedenken überwiegend geteilt werden“. Das Ergebnis der Beratung ist in dem Gutachten anzugeben40. Die „übrigen Kirchen“ sind die anderen evangelischen Landeskirchen, die Anteil an dem Land Hessen haben. Bei den evangelischen Landeskirchen hat diese Vorschrift eine relative Berechtigung, weil dort erhebliche Lehrunterschiede bestehen und ein authentisches Lehramt nicht existiert. Diese Gründe entfallen bei der katholischen Kirche. Das wußte ohne Zweifel auch der staatliche Partner. Wenn er sich trotzdem zu der wörtlichen Übernahme der Vorschrift aus dem Hessischen Kirchenvertrag entschloß, dann war dafür vermutlich außer der Absicht, schematische „Parität“ – hier freilich wieder am falschen Platz – zu wahren, noch ein anderes Motiv wirksam. Auf seiten des Staates und mancher theologischer Kreise setzte man wohl starke Hoffnung auf den innerkirchlichen „Pluralismus“, der in den letzten Jahren in der katholischen Kirche aufgekommen ist und der auch die Bischöfe erfaßt hat. Dank dieses „Pluralismus“ gelingt es vielfach, Verstöße gegen die kirchliche Glaubenslehre als Ausdruck theologischer Meinungsvielfalt auszugeben. Das hat zur Folge, daß etwa bestehende Bedenken eines Bischofs gegen die Lehre eines Theologen verhältnismäßig leicht zerstreut werden und daß somit der Fall nicht leicht eintreten dürfte, daß Bedenken eines Bischofs von den anderen „überwiegend“ geteilt werden, jedenfalls solange nicht, wie die gegenwärtigen Verhältnisse in der Kirche anhalten. Bei der pflichtmäßig anzusetzenden Beratung kann der „zuständige Bischof“ durchaus von den nicht zuständigen Bischöfen überstimmt werden. Dann tritt die groteske Situation ein, daß der Oberhirt der Diözese, in der sich die Hochschule mit der Einrichtung zum Studium der katholischen Theologie befindet, Bedenken hegt und u. U. bei dem Minister vorbringt, die von den Oberhirten, die jedenfalls keine Verantwortung für die in Frage stehende Diözese tragen, nicht geteilt werden. Und dies ist dem Minister mitzuteilen. Die Tatsache, daß die an einer hessischen 40 Übernommen aus Schlußprotokoll zu Art. 11 Abs. 2 des Preußischen Kirchenvertrags (Abs. 3). Eine Vereinbarung der kirchlichen Verwaltungsbehörden zum 3. Absatz des Schlußprotokolls zu Art. 11 Abs. 2 des Preußischen Kirchenvertrags bei Weber, Die deutschen Konkordate I, 182 – 184.

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Hochschule ausgebildeten Religionslehrer in ganz Hessen tätig sein werden, genügt zur Begründung dieser merkwürdigen Vorschrift nicht. Denn dann müßte die Meinungsäußerung der „anderen Diözesanbischöfe“ auch und erst recht eingeholt werden, wenn der „zuständige Bischof“ keine Bedenken gegen den Anzustellenden hat. Gerade in diesem Falle wäre ihr Urteil gefragt, weil die Anstellung eines Gelehrten, gegen den keine Bedenken des „zuständigen Bischofs“ bestehen, viel wahrscheinlicher ist als eines anderen, gegen den er Bedenken vorbringt. Kann sich der Bischof irren, wenn er Bedenken erhebt, so ist ein Irrtum ebenso möglich, wenn er keine Bedenken vorbringt. Freilich ist es nicht so, daß der „zuständige Bischof“ nur dann Bedenken gegen die Lehre eines Anzustellenden vorbringen dürfte, wenn ihm die Mehrzahl der anderen Diözesanbischöfe beitritt. Denn es heißt in dem Hessischen Bistumsvertrag nicht, der „zuständige Bischof“ könne nur oder erst Bedenken erheben, wenn bzw. nachdem er Beratung gepflogen und festgestellt habe, „daß“ seine Bedenken überwiegend geteilt werden, sondern er dürfe dies allein unter der Voraussetzung tun, daß er sich beraten und festgestellt habe, „ob“ seine Bedenken überwiegend geteilt werden. Bedingung der Erhebung von Bedenken sind die Beratung mit den übrigen Diözesanbischöfen und die Feststellung ihrer Meinung, nicht ihre Zustimmung. Dieses Verständnis des nicht ganz unmißverständlichen Satzes ergibt sich allein schon daraus, daß überhaupt nur bei einem negativen Gutachten des „zuständigen Bischofs“ die Meinungsäußerungen der anderen hessischen Diözesanbischöfe niedergelegt werden. Umgekehrt zwingen die Bedenken der Mehrheit oder aller übrigen hessischen Diözesanbischöfe den „zuständigen Bischof“ nicht, Bedenken gegen eine anzustellende Persönlichkeit zu erheben. Er bleibt frei, und ohne ihn sind die Bedenken der anderen Bischöfe rechtlich belanglos. Wenn der „zuständige Bischof“ wegen auftauchender Bedenken sich mit den übrigen Bischöfen beraten hat, danach aber von seinen Bedenken abgekommen ist und ein positives Gutachten abgibt, sind in diesem etwa weiterbestehende Bedenken einzelner oder aller übrigen Diözesanbischöfe nicht zu erwähnen. Die hier praktizierte Anwendung des Prinzips der Kollegialität ist also durchaus einseitig. Sie wirkt sich allein zugunsten einer in ihrer Lehre umstrittenen Persönlichkeit aus. Der Wissenschaftscharakter der Theologie sowie der Schutz des Glaubens und der Auszubildenden sind hinter der Rücksicht gegenüber dem theologischen Lehrer zurückgetreten. Gegen diese Ausstellungen vermögen etwaige interne Abreden nicht anzukommen41. Im Gegenteil, sie zeigen das Ungenügen und die Ergänzungsbedürftigkeit der in Frage stehenden Vorschrift auf.

41 Intern besteht eine Abrede, wonach die evangelische Landeskirche von KurhessenWaldeck mit der evangelischen Kirche in Hessen und Nassau in Verbindung treten werde, bevor sie in dem Berufungsverfahren Stellung nimmt (Jung, Der Hessische Kirchenvertrag 292).

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b) Gespräch mit dem Vorsitzenden des Fachbereichs Der Abgabe eines Gutachtens, das Bedenken erhebt, notwendig vorgeschaltet ist nicht nur eine Beratung der hessischen Bischöfe, sondern auch eine Besprechung zwischen dem „zuständigen Bischof“ und dem Vorsitzenden des Fachbereichs. Der „zuständige Bischof“ muß, bevor er sein negatives Gutachten dem Minister unterbreitet, persönlich oder durch einen Vertreter „in eine vertrauliche mündliche Fühlungnahme“ mit dem Dekan oder, wenn dieser nicht katholisch ist, mit dem Prodekan oder dem designierten Dekan des Fachbereichs eintreten. Zu diesem Gespräch ist auf Wunsch des Bischofs oder des Dekans bzw. des Prodekans oder des designierten Dekans ein Vertreter des Kultusministeriums hinzuzuziehen. Das Schlußprotokoll rechnet damit, daß von Dekan, Prodekan oder designiertem Dekan des Fachbereichs jeweils einer katholisch ist. Der Dekan leitet mit Hilfe seines Amtsvorgängers (Prodekan) und des Amtsnachfolgers (designierter Dekan) die Verwaltung des Fachbereichs und führt die Geschäfte desselben (§ 23 Abs. 1 UG). Er ist Vorsitzender der Fachbereichskonferenz (§ 23 Abs. 2 UG). „In allen Angelegenheiten des Fachbereichs“ entscheidet die Fachbereichskonferenz (§ 24 Abs. 1 UG). Sie besteht aus den Professoren, Vertretern der Dozenten, der Studenten und der wissenschaftlichen Bediensteten im Verhältnis 5 : 1 : 3 : 1 sowie aus einem Vertreter der weiteren Bediensteten (§ 24 Abs. 2 UG). Der Hessische Bistumsvertrag übernimmt hier wieder eine Regelung des Hessischen Kirchenvertrages. Nach dem Schlußprotokoll zu Art. 13 Abs. 2 Nr. 3 HKV muß die kirchliche Behörde vor der Erhebung von Bedenken gegen einen Anzustellenden „in eine vertrauliche mündliche Fühlungnahme mit der Fakultät eintreten“, auf Wunsch der kirchlichen Behörde oder der Fakultät „unter Beteiligung eines der evangelischen Kirche angehörenden Vertreters des Ministers für Erziehung und Volksbildung“. Für „Fakultät“ ist außerhalb von Marburg die jeweilige organisatorische Einheit, also z. B. „Fachbereich“, einzusetzen. Dennoch bestehen zu dieser Vorschrift des Hessischen Kirchenvertrages zwei bedeutsame Unterschiede. Nach dem Hessischen Bistumsvertrag tritt der zuständige Bischof in ein Gespräch lediglich mit einer Person, nicht mit der Betriebseinheit „Katholische Theologie“ insgesamt ein. Der Vertrag sieht auch nicht vor, daß der etwa beizuziehende Beamte des Kultusministeriums katholisch sein muß. Aus dem Text ergibt sich nicht, ob dieser Verzicht auf das katholische Bekenntnis des Beamten von kirchlicher oder von staatlicher Seite ausging; beides ist denkbar. Die Kirche könnte sich auf die Erfahrung berufen, daß bei innerkatholischen Streitigkeiten ein nichtkatholischer Beamter u. U. sachlicher und gerechter zu vermitteln weiß als ein abständiger oder progressistisch verfremdeter Katholik. Der Staat könnte im Zweifel gewesen sein, ob stets ein geeigneter katholischer Beamter im Ministerium zur Verfügung stehen werde, was angesichts der massiven Ämterpatronage in dem seit Jahrzehnten von der SPD als Domäne betrachteten Hessen eine durchaus berechtigte Überlegung ist.

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Über Zweck und Inhalt der Aussprache des „zuständigen Bischofs“ mit dem Dekan sagt das Schlußprotokoll des Hessischen Bistumsvertrags nichts. Das Gespräch zwischen dem „zuständigen Bischof“ und dem Dekan des Fachbereichs kann nicht in der Absicht geführt werden, den Fachbereich zur Zurücknahme seines Berufungsvorschlags zu bewegen. Denn die Berufung ist ja zu diesem Zeitpunkt bereits ergangen, der Minister also regelmäßig der Liste des Fachbereichs gefolgt. Wohl aber ist es denkbar, daß versucht wird, dem Dekan die sachliche Berechtigung der bischöflichen Bedenken klarzumachen. Der Minister hat ja die Berufung „mit dem Vorbehalt“ der Anhörung des Bischofs ausgesprochen, d. h. bedingt. Wenn er sich von den Gründen, die nach Ansicht des Bischofs gegen die Berufung sprechen, überzeugen kann, wird er diese zurückziehen. In diesem Fall ist es hilfreich, wenn der Fachbereich von den Motiven, die den Minister zu der Rückgängigmachung bewogen, unterrichtet ist. Das Gespräch zwischen Bischof und Dekan kann freilich auch dazu dienen, dem „zuständigen Bischof“ seine Bedenken auszureden und auf die Abgabe eines negativen Gutachtens zu verzichten. Wenn dies gelingt, ist die Bahn für die Berufung der umstrittenen Persönlichkeit völlig frei, wenn man angesichts der übermächtigen Stellung des Ministers überhaupt von einer Bindung sprechen will. Dieser Aspekt des Gesprächs zwischen dem Oberhirten und dem Dekan ist nicht unbedenklich. Der „zuständige Bischof“ muß sich vor dem Dekan bzw. Prodekan oder designierten Dekan gewissermaßen rechtfertigen. Jede Äußerung des Bischofs wird der Vertreter des Fachbereichs regelmäßig mit einer entgegengesetzten beantworten. Denn er will ja die Entscheidung des Fachbereichs, der die umstrittene Persönlichkeit auf die Berufungsliste gesetzt hat, verteidigen und durchsetzen. Bei dem heute bestehenden sog. Pluralismus der Theologien ist eine Einigung zwischen dem Bischof und dem Vertreter des Fachbereichs nicht leicht zu erwarten. Ob der zugezogene Vertreter des Kultusministeriums die ihm wohl zugedachte Rolle als Vermittler zu spielen vermag, ist unsicher. Nicht selten entpuppt sich der angeblich unparteiische Dritte als parteiischer Zweiter. Außerdem ist es unwürdig, den Bischof in eine Rolle zu bringen, wo er, der authentische und autoritative Lehrer des Glaubens, als Partner eines theologischen Gesprächs erscheint, der erfahrungsgemäß mit der Rede von angeblich neuen Ergebnissen der „Wissenschaft“ rasch in die Enge getrieben werden kann. Kenntnis des Glaubens und klares Urteil über den Glauben gehen ja nicht regelmäßig mit Beschlagenheit in theologischen Detailfragen und noch weniger mit Gewandtheit in der Kunst des Debattierens zusammen. Der Bischof hat auch keine Gewähr, daß die im Schlußprotokoll vorgesehene Vertraulichkeit des Gesprächs mit dem Vertreter des Fachbereichs gewahrt wird. Muß er aber befürchten, daß seine Darlegungen in die Öffentlichkeit getragen werden, dann ist er in seinen Äußerungen erst recht gehemmt. In diesem Punkt ist der Hessische Bistumsvertrag wiederum dem Preußischen Konkordat nicht gefolgt. Dort wird der Bischof zwar verpflichtet, seine Bedenken gegen Lehre oder Lebenswandel des Vorgeschlagenen dem Minister „darzulegen“. Aber diese Verpflichtung steht unter der gewichtigen Einschränkung: „wie weit der Bischof in dieser Darlegung zu gehen vermag, bleibt seinem pflichtmäßigen Er-

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messen überlassen“. Das heißt: Der Bischof entscheidet, wie er seine Bedenken begründet. Damit ist ihm die Freiheit der Entscheidung in jeder Hinsicht gewahrt. Von einem Gespräch mit der Fakultät, in die der zu Berufende aufgenommen werden soll, ist in dem Preußischen Konkordat selbstverständlich keine Rede. Wenn die in dem Schlußprotokoll des Hessischen Bistumsvertrages vorgesehene Fühlungnahme zwischen dem Bischof und dem Vorsitzenden des Fachbereichs die Bedenken des „zuständigen Bischofs“ nicht ausräumen kann, wird er sie in dem Gutachten dem Minister vorlegen. Was dann geschieht, ist in dem Schlußprotokoll nicht angegeben. Ein Gespräch zwischen dem Bischof und dem Minister ist nicht ausgeschlossen. Die erschwerten Bedingungen für das Vorbringen von Bedenken gegen die Lehre eines Anzustellenden legen allerdings den Schluß nahe, daß eine Anstellung regelmäßig nicht erfolgen wird, wenn der „zuständige Bischof“ auf keine Weise von seinen Bedenken abgebracht werden kann. Der Staat kann schwerlich eine Persönlichkeit mit der Lehre in katholischer Theologie betrauen, die nicht das Vertrauen des verantwortlichen Trägers des kirchlichen Lehramts besitzt, wenn er nicht die Existenz dieser Einrichtung selbst in Frage stellen will. Denn kaum ein Bischof wird sich auf die Dauer dazu bereit finden, die Religionslehrer, denen er die missio canonica erteilen soll, von Personen ausgebildet zu sehen, deren Lehre er für bedenklich hält.

III. Beanstandung angestellter theologischer Lehrer Die Möglichkeit einer Beanstandung ernannter Professoren und Dozenten bzw. Lehrbeauftragter ist in dem Hessischen Bistumsvertrag nicht vorgesehen. Auch diese Lücke ergibt sich aus der Anlehnung an den Hessischen Kirchenvertrag. Dieser kennt keine Beanstandung eines im Amte befindlichen Theologieprofessors42. Dieses Fehlen entspricht dem Gesamtstatus der evangelisch-theologischen Fakultäten. Die Beanstandung eines akademischen Lehrers wegen seiner Lehre und gar wegen seines Wandels ist ihm unbekannt. Im protestantischen Bereich vertraut man darauf, daß Fälle, in denen ein Theologieprofessor untauglich wird, an einer evangelisch-theologischen Fakultät oder einer anderen Studieneinrichtung zu lehren, ohne Zutun der kirchlichen Behörde bereinigt werden können, sei es durch Übergang in eine andere Fakultät, sei es durch staatliche Disziplinarmaßnahmen. Für die katholisch-theologischen Fakultäten ist dagegen regelmäßig die Möglichkeit gegeben, daß ein akademischer Lehrer von dem zuständigen Diözesanbischof wegen seiner Lehre oder wegen seines Lebenswandels beanstandet wird43. Es hätte nahegelegen, in den Hessischen Bistumsvertrag die entsprechende Bestimmung des Preußischen Konkordats, dessen man sich ja bei anderen Gelegenheiten zumindest als Formulierungshilfe bedient hatte, aufzunehmen. Nach dem 42 43

Vgl. allgemein Solte, Theologie an der Universität 140. Solte, Theologie an der Universität 162 – 173.

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Preußischen Konkordat ist der zuständige Bischof berechtigt, dem Kultusminister Anzeige zu machen, falls ein akademischer Lehrer der katholischen Theologie in seiner Lehrtätigkeit oder in Schriften der katholischen Lehre zu nahe tritt oder einen schweren oder ärgerlichen Verstoß gegen die Erfordernisse des priesterlichen Lebenswandels begeht. Der entsprechende Passus des Schlußprotokolls des Preußischen Konkordats ist jedoch in den Vertrag mit Hessen nicht übernommen worden. Vermutlich wollte man auch hier völlige Gleichheit mit den Verhältnissen auf protestantischer Seite herstellen. Indes ist an mehreren Stellen gezeigt worden, daß diese nicht überall besteht und daß sie auch den Grundsätzen der Parität nicht entspricht. Nun weiß freilich auch die hessische Regierung um den Zusammenhang von katholischer Theologie und Kirche, wie ja das soeben geschilderte Verfahren bei der Anstellung von Professoren und Dozenten und bei der Erteilung von Lehraufträgen zeigt. Sie kann den Verlust der Eignung, katholische Theologie zu lehren, nicht unbeachtet lassen, und sie kann nicht einen Professor, Dozenten oder Lehrbeauftragten, der sich schwerwiegender Verstöße gegen die katholische Lehre schuldig macht und deswegen von dem „zuständigen Bischof“, womöglich mitsamt den Mitbischöfen, beanstandet wird, weiterhin mit der Ausbildung katholischer Religionslehrer betrauen. Sie muß in einem solchen Fall, ob ausgesprochen oder nicht, ähnlich handeln, wie es in dem Preußischen Konkordat vorgesehen ist, d. h. „Abhilfe leisten, insbesondere für einen dem Lehrbedürfnis entsprechenden Ersatz sorgen“. Der beanstandete akademische Lehrer kann zumindest nicht mehr Lehrveranstaltungen abhalten, die von den künftigen katholischen Religionslehrern obligatorisch oder fakultativ zu besuchen sind, und nicht mehr an Entscheidungen innerhalb der Betriebseinheit „Katholische Theologie“ mitwirken. Daß seine „dem Staatsdienstverhältnis … entspringenden Rechte“ (Preußisches Konkordat) erhalten bleiben, ist selbstverständlich. Wollte die Regierung einen beanstandeten Theologieprofessor in seiner Position halten, würde sie ihre gesamte Studieneinrichtung gefährden. Kein verantwortungsbewußter Bischof kann Religionslehrern die kanonische Sendung erteilen, die von einem akademischen Lehrer ausgebildet sind, der in einem schwerwiegenden Gegensatz zu der Lehre der Kirche steht. Für die Beanstandung sind dieselben Erfordernisse zu beachten wie für das Vorbringen von Bedenken bei der Anstellung. Denn die Beanstandung eines angestellten akademischen Lehrers ist ein Vorgang, der noch gewichtiger ist als das Erheben von Bedenken gegen einen erst anzustellenden. In jedem Fall ist die Beanstandung in Hessen jedoch lediglich wegen Verstößen gegen die katholische Lehre, nicht auch wegen Verletzung der Pflichten eines Priesters oder eines katholischen Christen in dem Lebenswandel möglich. Solange eine Verfehlung innerhalb der Sphäre des persönlichen sittlichen Lebens verbleibt, kann der Bischof nicht bei dem Minister gegen ihn vorstellig werden.

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IV. Prüfungen und Erteilung der Lehrbefähigung Die Eigenart des Religionsunterrichts an öffentlichen Schulen als eines Fachs, das im Auftrag des Staates wie der Kirche gelehrt wird44, bringt es mit sich, daß der Religionslehrer sowohl die Lehrbefähigung als auch die Lehrberechtigung besitzen muß. Lehrbefähigung ist die wissensmäßige und didaktische Fertigkeit, Religionsunterricht zu erteilen. Lehrberechtigung ist die Befugnis, im Namen der Kirche als Zeuge des Glaubens im Religionsunterricht zu wirken. Die Lehrberechtigung wird in der kirchlichen Rechtssprache als missio canonica bezeichnet45. Die Lehrbefähigung wird nach Art. 10 Abs. 2 S. 2 des Hessischen Bistumsvertrages „vom Staat erteilt“, und zwar aufgrund des Bestehens der einschlägigen Prüfungen. Die Lehrberechtigung gibt dagegen der Bischof. Erst nach Erhalt der „Bevollmächtigung des Bischofs“ sind die Lehrer „berechtigt“, Religionsunterricht zu erteilen (Art. 10 Abs. 2 S. 3). Diese Bestimmungen entsprechen Art. 14 Abs. 2 S. 3 und 4 HKV. Um die Lehrberechtigung verleihen zu können, ist es erforderlich, daß dem Bischof Gelegenheit gegeben wird, sich davon zu überzeugen, daß ein anzustellender Religionslehrer fähig und gewillt ist, einen derartigen Unterricht zu erteilen. Dies geschieht zweckmäßigerweise bei den Examina. Die Vorschriften des Hessischen Bistumsvertrages über die Beteiligung kirchlicher Vertreter an den Prüfungen entsprechen mit gewissen Modifikationen Art. 14 Abs. 2 und 3 HKV. Das deutsche Schulrecht kennt zwei zeitlich aufeinanderfolgende staatliche Prüfungen für das Lehramt, die erste und die zweite Lehrerprüfung bzw. das Referendar- und das Assessorexamen46. Der Hessische Bistumsvertrag sieht vor, daß 44 E. Chr. Helmreich, Religionsunterricht in Deutschland. Von den Klosterschulen bis heute, Hamburg, Düsseldorf 1966; R. Schmoeckel, Der Religionsunterricht. Die rechtliche Regelung nach Grundgesetz und Landesgesetzgebung, Berlin 1964; R. v. Drygalski, Die Einwirkung der Kirchen auf den Religionsunterricht an öffentlichen Schulen (= Göttinger Rechtswissenschaftliche Studien 67), Göttingen 1967. 45 H. Flatten, Missio canonica, in: Verkündigung und Glaube. Festgabe für Franz Xaver Arnold, Freiburg i. Br. 1958, 123 – 141. 46 Gesetz über das Lehramt an öffentlichen Schulen i. d. F. vom 30. Mai 1969 (GVBl. I S. 101); Verordnung über die Erste Staatsprüfung für das Lehramt an beruflichen Schulen gewerblich-technischer Fachrichtung. Vom 25. Juli 1968 (GVBl. I S. 211), geändert durch die Verordnung vom 20. Juni 1969 (GVBl. I S. 121); Verordnung über die pädagogische Ausbildung und die Zweite Staatsprüfung für das Lehramt an beruflichen Schulen. Vom 2. September 1969 (GVBl. I S. 167); Verordnung über die Erste Staatsprüfung für das Lehramt an Grundschulen. Vom 5. November 1969 (GVBl. I S. 207); Verordnung über die Erste Staatsprüfung für das Lehramt an Hauptschulen und Realschulen. Vom 10. November 1969 (GVBl. I S. 214); Verordnung über die Erste Staatsprüfung für das Lehramt an Gymnasien. Vom 1. Dezember 1969 (GVBl. I S. 283); Verordnung zur Änderung der Verordnungen über die Ersten Staatsprüfungen für die Lehrämter. Vom 3. Dezember 1970 (GVBl. I S. 747); Verordnung über die Erste Staatsprüfung für das Lehramt an Sonderschulen. Vom 7. Juni 1971 (GVBl. I S. 157); Verordnung über die Erweiterungsprüfung für Lehrer mit der Befähigung zum Lehramt an Grundschulen, Hauptschulen und Realschulen nach dem Hessischen Besoldungsgesetz, Vom 31. August 1970 (GVBl. I S. 554). Zu diesen Verordnungen sind zahlreiche Änderungen ergangen, die hier nicht im einzelnen aufgezählt zu werden brauchen.

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der Vorsitzende des Prüfungsausschusses bei der Ersten Staatsprüfung für das Lehramt zu der mündlichen Prüfung in katholischer Religion einen Vertreter des zuständigen Bischofs einlädt (Art. 10 Abs. 2 S. 1)47. Der Vertreter des Bischofs wird dadurch nicht Mitglied des Prüfungsausschusses. Er besitzt kein Recht, den Kandidaten mit zu prüfen. Die Prüfung ist eine ausschließlich staatliche Angelegenheit. Wohl aber steht nichts im Wege, daß der Vertreter des Bischofs den oder die Prüfer bittet, bestimmte Fragen an ihn zu richten. Auch bei Erweiterungs-, Ergänzungsund Zusatzprüfungen in katholischer Religion wird von dem Vorsitzenden des Prüfungsausschusses ein Vertreter des zuständigen Bischofs eingeladen (Art. 10 Abs. 4)48. Anders ist es bei der Zweiten Staatsprüfung für das Lehramt. Hierzu wird kein Vertreter des Bischofs eingeladen. Doch muß der Prüfende bei dem Prüfungsgespräch über das Fach Katholische Religion außer der Lehrbefähigung für Katholische Religion auch die kirchliche Bevollmächtigung besitzen (Art. 10 Abs. 3)49. Dadurch erscheint er befähigt, die kirchliche Zuverlässigkeit der Lehre des Prüflings zu beurteilen. Die Studien- und Prüfungsordnungen für das Fach Katholische Religion an allen Schulformen und -stufen werden vom Staat, d. h. den Universitäten bzw. Gesamthochschulen und dem Kultusministerium, aufgestellt. Näherhin werden die Studienordnungen von den Fachbereichen erlassen (§ 21 Abs. 5 UG). Diese sind auch für die Erstellung der akademischen Prüfungsordnungen (§ 22 Abs. 2 UG) zuständig. Auch Habilitationen und Promotionen und die Verleihung akademischer Grade beschließen die Fachbereiche (§ 21 Abs. 3 UG), die Habilitations- und Promotionsordnungen werden von ihnen erlassen (§ 22 Abs. 2 UG). Akademische Grade in katholischer Theologie verleihen können nur katholischtheologische Fakultäten. Da die in Hessen vorfindlichen staatlichen Einrichtungen zum Studium der katholischen Theologie keine theologischen Fakultäten sind, kann an ihnen nur der Dr. phil. erworben werden. Die Erarbeitung der Studien- und Prüfungsordnungen für das Fach Katholische Religion an allen Schulformen, also nicht der Promotions- und Habilitationsordnungen, geschieht „im Benehmen mit den Bistümern“ (Art. 10 Abs. 5)50, d. h. mit 47

Nach Art. 14 Abs. 2 S. 2 HKV werden bei den Prüfungen in evangelischer Religion vor den wissenschaftlichen Prüfungsämtern die Kirchen durch ein Mitglied der evangelischtheologischen Fakultät (Marburg) bzw. durch einen Professor oder Lehrbeauftragten für Theologie (Frankfurt a. M.) vertreten. Das Schlußprotokoll behielt eine Regelung für die Hochschulen für Erziehung vor. 48 Ähnlich Art. 14 Abs. 3 HKV. 49 Ebenso Schlußprotokoll zu Art. 14 Abs. 2 HKV. Vgl. demgegenüber § 10 Abs. 2 der Verordnung über die pädagogische Ausbildung und die Zweite Staatsprüfung für das Lehramt an Grundschulen, für das Lehramt an Hauptschulen und Realschulen und für das Lehramt an Sonderschulen. Vom 9. Oktober 1970 (GVBl. I S. 683): „Wird Religion als Prüfungsfach gewählt, so soll ein Mitglied des Prüfungsausschusses die Befähigung für dieses Fach besitzen.“ 50 Ähnlich Art. 14 Abs. 4 HKV: „im Benehmen mit den Kirchen“. § 5 Abs. 1 der Verordnung über das Verfahren bei der Einführung von Schulbüchern vom 12. Januar 1970 (GVBl. I

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ihrer Beteiligung, aber ohne daß ihre Einwilligung rechtlich erfordert wäre. Als „Ziel“ des Benehmens wird „eine freundschaftliche Verständigung“ angegeben. Diese Bestimmung, die in anderen Ländern leicht als Selbstverständlichkeit beiseite geschoben werden mag, gewinnt in Hessen angesichts der in dem dortigen Bildungswesen anzutreffenden Tendenzen gesteigerte Bedeutung. Es kann jedoch keinem Zweifel unterliegen, daß auch hier der Staat eindeutig in der Vorhand ist. Im Konfliktsfall entscheidet die Regierung auch ohne kirchliche Einwilligung. Im Unterschied von der für die akademischen Lehrer der Theologie getroffenen Regelung ist bei den Religionslehrern ausdrücklich der Entzug der Lehrberechtigung vorgesehen. Wenn der Bischof die Bevollmächtigung widerruft, endet die Berechtigung, Religionsunterricht zu erteilen (Art. 10 Abs. 2 S. 4). Über die Gründe, die den Bischof zu dem Widerruf berechtigen, äußert sich der Vertrag nicht. In jedem Fall zureichend ist ein Verstoß gegen die katholische Lehre durch den Religionslehrer. Aber auch Ärgernis erregender Lebenswandel, der die Glaubwürdigkeit der Lehre des Religionslehrers zu untergraben geeignet ist, legitimiert den Bischof zum Widerruf der erteilten Bevollmächtigung. Das Vorgehen des Bischofs gegen einen Religionslehrer kann in einer gewissen Analogie zu der Behandlung von Verfassungsfeinden durch den Staat gesehen werden. Wer durch seine Lehre die freiheitliche demokratische Grundordnung untergräbt, verwirkt das Recht, weiterhin an einer öffentlichen Schule zu unterrichten. Wer sich trotz eines Lippenbekenntnisses zu der Verfassung verfassungsfeindlich verhält, kann grundsätzlich nicht anders behandelt werden.

Schluß Der Hessische Bistumsvertrag gewährleistet erfreulicherweise die Ausbildung von Religionslehrern an den staatlichen Hochschulen des Landes Hessen. Die kirchliche Mitwirkung bei der Anstellung der Religionslehrer wird gesichert. Das Erfordernis der missio canonica für die Erteilung katholischen Religionsunterrichts ist anerkannt. Dagegen ist die Ordnung der kirchlichen Mitwirkung bei der Bestellung der akademischen Lehrer der Theologie unbefriedigend. Der zuständige Bischof besitzt kein entscheidendes Recht bei der Anstellung der Professoren und Dozenten. Er hat auch keinerlei Befugnisse, die ihm die rechtliche Gewähr böten, daß in diesen Einrichtungen in kirchlichem Sinn gelehrt wird. Deren Bindung an die Kirche ist schwach. Die Tendenz zur Minimalisierung des kirchlichen Charakters der Theologie ist unverkennbar. Die für Hessen getroffene Regelung fällt weiter aus dem Rahmen des gesamtdeutschen Mitwirkungsrechts der katholischen Bischöfe bei der Besetzung theologischer Lehrstühle heraus. Wie andere Länder dieselbe Angelegenheit regeln, dafür S. 61) verlangt für die Einführung von Religionslehrbüchern das „Einvernehmen mit den zuständigen Kirchenbehörden“.

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ist das Saarland ein Beispiel. Dieses Land besitzt keine katholisch-theologische Fakultät an seiner einzigen Universität in Saarbrücken. Das Land schloß am 9. April 1968 einen Vertrag mit dem Heiligen Stuhl über die Errichtung eines Lehrstuhls für katholische Theologie an der Universität des Saarlandes51. Danach wird an dieser ein Lehrstuhl für katholische Theologie errichtet, dessen Besetzung nach Art. 12 Abs. 1 und Schlußprotokoll des Preußischen Konkordats erfolgt. Das bedeutet, daß die Art der Mitwirkung, die bei der Anstellung von Professoren der katholisch-theologischen Fakultäten stattfindet, auf den Lehrstuhl für Theologie in Saarbrücken übertragen wird. Auch das Land Baden-Württemberg hat in seiner Vereinbarung vom 4. Februar 196952 eine Regelung gefunden, die der Sache erheblich besser Genüge leistet als die hessische. Danach erfolgt nämlich die Berufung der Dozenten für Theologie und Religionspädagogik „im Einvernehmen mit den zuständigen Kirchenleitungen“. „Vor erfolgtem Einvernehmen“ werden überhaupt keine Berufungsverhandlungen aufgenommen (Nr. 2). Dadurch ist sichergestellt, daß der Bischof von Rottenburg oder Freiburg mit einem evtl. Veto jederzeit durchdringt. Die Normen, die der Hessische Bistumsvertrag für die Mitwirkung des zuständigen Bischofs bei der Anstellung akademischer Lehrer der katholischen Theologie festsetzt, werden schließlich der Wesensart katholischer Theologie nicht gerecht. Was den Kirchenleitungen der evangelischen Landeskirchen genügen mag53, kann für die katholischen Bischöfe nicht ausreichen. Die schematische – übrigens nicht immer folgerichtig durchgehaltene – Übernahme von Vorschriften, die für den protestantischen Bereich erlassen und angemessen sind, die aber dem Wesen und der Eigenart der katholischen Kirche nicht entsprechen, ist mit den Prinzipien der Parität nicht vereinbar. Fast alle übrigen Länder haben der verschiedenen Stellung von Theologie und Kirchenleitung in der katholischen Kirche und in den evangelischen Landeskirchen Rechnung getragen. Wenn es zu einer gewissen Angleichung kam, dann – wie in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz – durch Einräumung weitergehender Rechte an die evangelischen Kirchenleitungen. Verträge zwischen Kirche und Staat sind Systeme gegenseitiger Konzessionen. Wenn der staatliche Partner des Hessischen Bistumsvertrages darauf bestanden hätte, daß seine Vorstellungen einer Regelung der Anstellung der Theologieprofessoren von der Kirche übernommen würden, und wenn er diese Übernahme zur Bedingung für die Gewährung wichtiger Konzessionen auf anderen Gebieten gemacht hätte, dann hätte die Zustimmung der Kirche zu diesen Normen eine gewisse Berechtigung. Wie sich aus der Genesis des Vertrages ergibt, ist aber der in Frage stehende Gegenstand erst spät in die Vertragsverhandlungen eingeführt worden, und zwar nicht von der hessischen Regierung, sondern von kirchlicher Seite. Darum ist 51 Ein paralleler Vertrag wurde am 30. November/5. Dezember 1967 mit der Evangelischen Kirche im Rheinland abgeschlossen (ABl. des Saarlandes 1968 S. 476). 52 Weber, Die deutschen Konkordate II, 20 f. 53 Vgl. aber Solte, Theologie an der Universität 182 – 202.

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die Aufnahme einer derart ungenügenden Regelung doppelt befremdlich. Sie wäre besser unterblieben. Dafür gibt es Vorbilder54. Die einseitige Verfügung mit Zustimmung des Betroffenen, die bisher bestand, wäre dem Vertrag vorzuziehen gewesen. Sie hätte die Verantwortlichkeit für die unbefriedigende Regelung klar bei dem Staat belassen. Der Wille des Staates allein verpflichtete in diesem Fall die Kirche; die rechtliche Bindung beruhte nicht auf der übereinstimmenden Willenserklärung von Staat und Kirche. Die neue Regelung bedeutet eine wesentliche Verschlechterung der bisherigen Rechtslage. Es ist bekannt, daß der Heilige Stuhl gegen die Regelung der Mitwirkung des zuständigen Bischofs bei der Berufung auf theologische Professuren an den Fachbereichen für Religionswissenschaften ernste Bedenken gehegt hat. Er ist jedoch mit ihnen nicht durchgedrungen, hat sie dann zurückgestellt und dem Vertrag seine Zustimmung erteilt. Auch in dem Fall des Hessischen Bistumsvertrags hat es sich wieder gezeigt, daß der Heilige Stuhl weiser ist als einzelne Bischöfe, daß er aber nicht mehr die Kraft besitzt, dem Drängen derselben zu widerstehen.

54 Die Vereinbarung des Berliner Senats mit dem Bistum Berlin vom 2. Juli 1970 schweigt über die Besetzung der Lehrstühle für katholische Theologie an Berliner staatlichen Hochschulen (Art. III). Die parallele Vereinbarung mit der evangelischen Kirche sieht dagegen eine (unverbindliche) gutachtliche Stellungnahme des Evangelischen Konsistoriums vor (Art. III) (Weber, Die deutschen Konkordate II, 47 – 60, 158 – 174). Vgl. abschließendes Protokoll vom 2. Juli 1970 über Besprechungen zwischen Vertretern des Bischöflichen Ordinariats Berlin und des Senats von Berlin über die Regelung gemeinsam interessierender Fragen, Berlin 1970, 21, 41 f.; R. Herzog, Die Berliner Vereinbarung zwischen Staat und Kirchen: Zeitschrift für evangelisches Kirchenrecht 16, 1971, 268 – 286.

Verträge deutscher Bischöfe mit der Bundesrepublik Deutschland und den deutschen Bundesländern Ein wenig beachtetes Phänomen in dem System des Vertragskirchenrechts Deutschlands1 sind die Vereinbarungen von Bischöfen mit dem Staat2. Derartige Verträge sind in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg in großer Zahl geschlossen worden3. Bald geht ein einzelner Diözesanbischof, bald gehen mehrere oder alle Diözesanbischöfe solche Vereinbarungen ein. Fast alle Verträge wurden mit einzelnen Bundesländern, nur sehr wenige mit der Bundesrepublik Deutschland abgeschlossen. Mit Ausnahme von Bremen, Hamburg und Schleswig-Holstein waren alle übrigen Bundesländer an wenigstens einer Vereinbarung beteiligt. Im folgenden seien die wichtigsten dieser Vereinbarungen aufgeführt.

I. Der Bestand an Verträgen 1. Mit der Bundesrepublik Die beiden ersten Abkommen mit der Bundesrepublik Deutschland sind Folgeerscheinungen des verlorenen Krieges und der Vertreibung der deutschen Bevölkerung aus den deutschen Gebieten östlich der Oder-Neiße-Linie. Am 16. April 1951 und am 27. Juni/29. Juli 19584 wurde jeweils eine Vereinbarung zwischen der Bundesrepublik Deutschland einerseits, der Evangelischen Kirche in Deutschland 1

Zu diesem Begriff: S. Grundmann, Das Verhältnis von Staat und Kirche auf der Grundlage des Vertragskirchenrechts: ÖAKR 13, 1962, 281 – 300; K. Hesse, Freie Kirche im demokratischen Gemeinwesen. Zur Gegenwartslage des Verhältnisses von Staat und Kirche in der Bundesrepublik: ZevKR 11, 1964/65, 337 – 362; A. Hollerbach, Verträge zwischen Kirche und Staat in der Bundesrepublik Deutschland (= Juristische Abhandlungen, Bd. III), Frankfurt a. M. 1965; derselbe, Die neuere Entwicklung des Konkordatsrechts: JöR NF 17, 1968, 117 – 163. 2 D. Scheven, Staatskirchenverträge mit den katholischen Bistümern? Zum hessischen Kirchenvertrag vom 9. März 1963: JZ 1964, 643 – 646. 3 Vgl. die Aufstellung bei Hollerbach, Verträge, 20 – 40; W. Weber (Hrsg.), Die deutschen Konkordate und Kirchenverträge der Gegenwart. Textausgabe mit den amtlichen Begründungen sowie mit Ergänzungsbestimmungen, vergleichenden Übersichten, Schrifttumshinweisen und einem Sachverzeichnis, 2 Bde., Göttingen 1962/71. Einige der erwähnten Verträge sind nicht veröffentlicht. Sie haben mir jedoch dank des Entgegenkommens des H. H. Apostolischen Nuntius in Bonn/Bad Godesberg fast ausnahmslos zur Einsicht vorgelegen. 4 Hollerbach, Verträge, 58.

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und den katholischen Bistümern in dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland anderseits über die Zahlung von Zuschüssen zur Versorgung der vertriebenen und verdrängten Seelsorger, Kirchenbeamten und Kirchenangestellten sowie ihrer Hinterbliebenen getroffen. Es handelt sich hierbei um einen Personenkreis, der außerhalb des Gesetzes vom 11. Mai 1951 (BGBl. I S. 307) zu Art. 131 des Grundgesetzes stand. Das Land Preußen hatte in Art. 4 Abs. 1 Preußisches Konkordat die Dotation der preußischen Diözesen und Diözesananstalten festgesetzt und ihre Verteilung einer besonderen Vereinbarung vorbehalten. Darauf stützte sich der Antrag, den die katholischen Bischöfe im Jahre 1957 an die Bundesregierung stellten. Sie beantragten, auf Grund Art. 4 Abs. 1 S. 2 PrK eine Dotation für die zur Zeit in der Bundesrepublik ansässigen kirchlichen Verwaltungen der ostdeutschen Diözesen jenseits der Oder-Neiße-Linie zu zahlen. Die Bundesregierung erklärte sich dazu bereit. Eine entsprechende Vereinbarung kam im Frühjahr 1958 zustande5. Ungefähr gleichzeitig mit einer Anzahl evangelischer Landeskirchen schloß die Bundesregierung im Jahre 1965 mit den katholischen Bistümern einen Vertrag über die Ausübung der Seelsorge in dem Bundesgrenzschutz6. 2. Mit den Bundesländern Die Verträge der Bischöfe mit den Bundesländern sind nach Form, Inhalt und Bedeutung sehr verschieden. a) Statusverträge Die erste Stelle unter den Verträgen von Bischöfen mit Bundesländern nehmen jene ein, die der katholischen Kirche in dem betreffenden Land einen mehr oder weniger ausgestalteten Gesamtstatus einräumen. Der Abschluß solcher Vereinbarungen erwies sich als wünschenswert in jenen Ländern, die sich nicht bereitfanden, ein Konkordat mit dem Heiligen Stuhl einzugehen. Bisher sind derartige Abkommen mit den Ländern Hessen und Berlin geschlossen worden, wobei hinsichtlich Berlins in mehrfacher Hinsicht gewichtige Einschränkungen zu machen sind. Nach Art. 50 Abs. 1 der Hessischen Verfassung sind die Bereiche von Staat und Kirche durch „Gesetz oder Vereinbarung“ gegeneinander abzugrenzen. Der Begriff „Vereinbarung“ ist sehr allgemein und schließt jedwede Art von Verträgen zwischen Kirche und Staat ein. Kurze Zeit nach dem Abschluß des Niedersächsischen Kirchenvertrags, des sog. Loccumer Vertrags (19. 3. 1955)7, lud die hessische Lan5

Hollerbach, Verträge, 28. Vereinbarung über die katholische Seelsorge im Bundesgrenzschutz vom 29. Juli/1. August 1965 (GMBl. 1965, S. 377). Vgl. Hollerbach, Verträge, 28. 7 Weber, Konkordate I, 212 – 231. Das Schrifttum ist verzeichnet bei H. Quaritsch/ H. Weber (Hrsg.), Staat und Kirchen in der Bundesrepublik. Staatskirchenrechtliche Aufsätze 6

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desregierung die Kirchenleitungen der auf hessischem Gebiet liegenden evangelischen Landeskirchen zu einem Gespräch zwecks Abschluß eines Kirchenvertrags ein. Angeblich hatte sie ursprünglich die Absicht, auch die katholische Kirche an dem Gespräch zu beteiligen. Es habe sich indes bald herausgestellt, daß die katholischen Bistümer zu Verhandlungen über einen Vertrag nicht legitimiert gewesen seien und ihnen lediglich an einem Verwaltungsabkommen über die Sicherung der Pfarrbesoldungszuschüsse und der Verrentung der staatlichen Baulastverpflichtungen gelegen gewesen sei8. So wurde allein mit den evangelischen Landeskirchen in Hessen der umfassende Kirchenvertrag vom 18. Februar 19609 abgeschlossen. Damit war eine ernste Imparität zwischen den evangelischen Landeskirchen und der katholischen Kirche begründet. In zwei Verträgen in den Jahren 1963 und 1974 mit den katholischen Bistümern in Hessen wurde versucht, der katholischen Kirche eine paritätische Stellung einzuräumen10. Der Vertrag von 1974 sagt von sich selbst, er sei in „Ergänzung“ des Vertrages von 1963 geschlossen worden. „Ergänzung“ besagt hier nicht, daß in dem Vertrag von 1963 geregelte Gegenstände komplettiert werden, sondern daß zu den in ihm behandelten Materien weitere treten, so daß das bruchstückhaft geregelte Verhältnis von Kirche und Staat ausgebaut und vervollständigt wird. Diese Verträge sind in gewisser Hinsicht ein Gegenstück zu den evangelischen Kirchenverträgen. Der zweimalige Abschluß eines Vertrages des Landes Hessen mit den hessischen Bistümern ist jedoch mit Sicherheit nicht „auf eine veränderte Stellung der Bistümer gegenüber dem Heiligen Stuhl“ zurückzuführen, wie gelegentlich vermutungsweise ausgesprochen worden ist11. Hinsichtlich des Umfangs der in ihnen geregelten Gegenstände stehen die beiden Vereinbarungen mit Hessen in der neueren deutschen Geschichte einzigartig da. Nirgendwo sind bisher so viele und so gewichtige Materien in Verträgen mit Bistümern behandelt worden. Überall wurden vielmehr zu diesem Zweck Vereinbarungen mit dem Heiligen Stuhl geschlossen. Die beiden Verträge zusammen begründen für die katholische Kirche in Hessen eine Art Gesamtstatus. Ähnliche, aber noch erheblich ungünstigere Verhältnisse wie in Hessen bestehen für die katholische Kirche in Berlin. Nach vierjährigen Verhandlungen wurde am

1950 – 1967 (= Dokumentationen zum öffentlichen Recht Bd. 1), Bad Homburg v. d. H., Berlin, Zürich 1967, 499. 8 W. Jung, Der Hessische Kirchenvertrag vom 18. Februar 1960: ZevKR 7, 1959/60, 289 – 306, hier 289; H.-U. Klose, Die Rechtsbeziehungen zwischen dem Staat und den Evangelischen Landeskirchen in Hessen unter besonderer Berücksichtigung des Hessischen Kirchenvertrages vom 18. Februar 1960 (= Neue Kölner Rechtswissenschaftliche Abhandlungen, Heft 42), Berlin 1966, 76 f. 9 Weber, Konkordate I, 272 – 290. 10 Vertrag zwischen dem Land Hessen und den katholischen Bistümern in Hessen vom 9. März 1963 (Weber, Konkordate II, 61 – 66); Vertrag zwischen dem Land Hessen und den katholischen Bistümern in Hessen vom 29. März 1974 (Kirchliches Amtsblatt für die Diözese Mainz 1974, S. 72). 11 Scheven, Staatskirchenverträge, 643.

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2. Juli 197012 ein Protokoll zwischen dem Regierenden Bürgermeister und einem Vertreter des Bischöflichen Ordinariats unterzeichnet. In ihm werden Fragen des Religionsunterrichts, des Erwerbs der Befähigung, Religionsunterricht zu erteilen, der Ausbildung katholischer Religionslehrer, der Unterhaltung katholischer Privatschulen, der Erwachsenenbildung, theologischer Lehrstühle an den Hochschulen, der Anstaltsseelsorge, der Seelsorge bei der Bereitschaftspolizei, des Feiertagsschutzes, der Kirchensteuer, des Denkmalschutzes, der kirchlichen Friedhöfe und der Staatsleistungen einvernehmlich geregelt. Der Katalog der Gegenstände zeigt, daß dieses Protokoll die Stelle eines nicht zustande gekommenen Landeskonkordats einnimmt. Indes handelt es sich, formal gesehen, bei dem Protokoll im wesentlichen um Absichtserklärungen, um „ein System des vereinbarten je einseitigen Handelns“13. b) Verträge über Einzelfragen Die zweite Stelle unter den Vereinbarungen zwischen Bundesländern und Diözesanbischöfen nehmen jene Verträge ein, die einzelne, manchmal mehrere einzelne Fragen betreffen. (1) Theologische Lehrstühle und Fakultäten Im Zusammenhang mit dem Niedersächsischen Konkordat stehen die niedersächsischen Vereinbarungen über die Einrichtungen zum Erwerb der Lehrbefähigung in Religion an den Pädagogischen Hochschulen in Hildesheim14 und Osnabrück15. 12

Abschließendes Protokoll über Besprechungen zwischen Vertretern des Bischöflichen Ordinariats Berlin und des Senats von Berlin über die Regelung gemeinsam interessierender Fragen vom 2. Juli 1970 (Weber, Konkordate II, 47 – 60); Abschließendes Protokoll vom 2. Juli 1970 über Besprechungen zwischen Vertretern des Bischöflichen Ordinariats Berlin und des Senats von Berlin über die Regelung gemeinsam interessierender Fragen, Berlin 1970. Vgl. R. Herzog, Die Berliner Vereinbarung zwischen Staat und Kirchen: ZevKR 16, 1971, 268 – 286. 13 J. Niemeyer, Die Bedeutung des Berliner Verhandlungsergebnisses, in: Abschließendes Protokoll 39 – 43, hier 40. 14 Vereinbarung zwischen dem Land Niedersachsen und dem Bistum Hildesheim über Angelegenheiten der Pädagogischen Hochschule in Hildesheim vom 26. Februar 1965 (Weber, Konkordate II, 112 f.). 15 Briefwechsel zwischen dem Niedersächsischen Ministerpräsidenten und dem Bischof von Osnabrück über eine zu schließende Vereinbarung betr. den Erwerb der Lehrbefähigung in katholischer Religion an der Pädagogischen Hochschule in Osnabrück vom 19./26. Februar 1965 (Weber, Konkordate II, 113 – 115); Vereinbarung zwischen dem Lande Niedersachsen und dem Bistum Osnabrück über die Errichtung eines Lehrstuhles für katholische Religionslehre an der Pädagogischen Hochschule Osnabrück vom 26. Oktober/7. November 1967 (AfkKR 137, 1968, 294 f.).

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Die Vereinbarung zwischen der Regierung des Landes Baden-Württemberg und den Kirchenleitungen über die Lehrerbildung vom 4. Februar 196916 zeigt mehrere Besonderheiten. Einmal wurde sie gemeinsam und gleichzeitig mit den katholischen Bischöfen und den protestantischen Landesbischöfen abgeschlossen. Zum anderen machte das Land bei der Berufung ungewöhnlich weitgehende Zusagen (Art. 2 Abs. 2). In Bayern vollzog sich mit der Auflösung der Philosophisch-Theologischen Hochschule in Freising ein singulärer Vorgang. Die Aufhebung wurde veranlaßt durch den Entschluß des derzeitigen Erzbischofs von München und Freising, das Priesterseminar von Freising nach München zu verlegen. Diese Entschließung zwang den Staat, Verhandlungen mit dem Heiligen Stuhl über das weitere Schicksal der Freisinger Hochschule aufzunehmen. Denn ohne Priesterseminar am Ort konnte, wie die Regierungsbegründung zu dem Vertrag richtig ausführt, die Hochschule ihren Zweck nicht mehr erfüllen. Der Vertrag zwischen Bayern und dem Heiligen Stuhl vom 2. September 196617, der das Schicksal von Freising besiegelte, war also allein durch das Vorgehen des Münchener Erzbischofs erforderlich geworden. Er machte seinerseits wieder eine Vereinbarung zwischen diesem und der bayerischen Regierung notwendig. Gemäß Art. 3 des Vertrags zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Freistaat Bayern wurde am 18. August 196918 eine Vereinbarung getroffen, wonach die Erzdiözese München und Freising mit dem Zeitpunkt der Auflösung (1. 9.1969) einverstanden war. Die Errichtung einer staatlichen Universität in Trier führte am 28. September 197019 zu dem Abschluß eines Vertrages zwischen dem Land Rheinland-Pfalz und der Diözese Trier, in dem die Zusammenarbeit zwischen der Universität und der (kirchlichen) Theologischen Fakultät in Trier geregelt wurde. Die Vervollständigung der katholisch-theologischen Fakultät an der Universität Mainz durch die Errichtung eines Stiftungslehrstuhls bedingte den Abschluß der Vereinbarung vom 8. November 197120.

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AfkKR 138, 1969, 227 f. Weber, Konkordate II, 22 – 25. 18 Nicht veröffentlicht. 19 Vereinbarung zwischen dem Land Rheinland-Pfalz und der Diözese Trier vom 28. September 1970 über das Zusammenwirken zwischen der Geisteswissenschaftlichen Fakultät der Universität Trier/Kaiserslautern und der Theologischen Fakultät Trier (AfkKR 139, 1970, 647 f.). 20 Vertrag zwischen dem Land Rheinland-Pfalz und der Diözese Mainz vom 8. November 1971 über die Errichtung eines Lehrstuhls für Allgemeine Pastoraltheologie, Pastoralsoziologie und -psychologie an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Mainz (AfkKR 141, 1972, 234 – 236). 17

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(2) Religionslehrer und Religionsunterricht Am 18. Februar 195621 wurden zwischen der Unterrichtsverwaltung des Landes Nordrhein-Westfalen und den nordrhein-westfälischen Diözesen drei Vereinbarungen abgeschlossen. Sie haben miteinander gemeinsam, daß sie Durchführungsvorschriften zu den Bestimmungen des Ersten Gesetzes zur Ordnung des Schulwesens im Land Nordrhein-Westfalen vom 8. April 1952 enthalten. Die erste Vereinbarung regelt gemäß § 32 Abs. 4 des erwähnten Gesetzes die Erteilung des staatlichen Unterrichtsauftrags an Geistliche, die zweite gemäß § 32 Abs. 5 die Erteilung des Religionsunterrichts durch kirchlich ausgebildete Katecheten, die dritte gemäß § 33 Abs. 4 die kirchliche Einsichtnahme in den Religionsunterricht. Die Vereinbarungen wurden 1970 auf den neuesten Stand gebracht22. Seit einiger Zeit gewinnen in mehreren Bundesländern die sog. Gestellungsverträge für Religionslehrer immer mehr an Beliebtheit. Zu ihrer Regelung wurde eine Reihe von Abkommen getroffen23. Das Bischöfliche Ordinariat Limburg schloß am 26.3./8.4 195924 eine Verwaltungsvereinbarung mit dem Land Hessen zur Regelung der Rechtsverhältnisse von Geistlichen, die als hauptamtliche Religionslehrer an berufsbildenden Schulen im Lande Hessen unterrichten. Über die Erteilung und die Vergütung des Religionsunterrichts an Volksschulen ging Rheinland-

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Vereinbarungen zwischen dem Land Nordrhein-Westfalen und den katholischen Bistümern über die Erteilung des staatlichen Unterrichtsauftrages, die Verwendung von Katecheten und die kirchliche Einsichtnahme in den Religionsunterricht vom 18. Februar 1956 (AfkKR 127, 1955/56, 506 – 514). 22 Vereinbarung zwischen der Unterrichtsverwaltung des Landes Nordrhein-Westfalen und den nordrhein-westfälischen Diözesen vom 21. Dezember 1970 betr. Religionsunterricht (AfkKR 140, 1971, 249 – 266). 23 Vereinbarung zwischen dem Lande Rheinland-Pfalz und seinen katholischen Bistümern vom 1. April 1964 über den Abschluß von Gestellungsverträgen für Religionslehrer (AfkKR 133, 1964, 168 – 172); Vereinbarung zwischen dem Land Hessen und den hessischen Bistümern über die Gestellung von hauptamtlichen geistlichen Religionslehrern an berufsbildenden Schulen, Gymnasien und Pädagogischen Fachinstituten vom 1. Dezember 1966 (AfkKR 136, 1967, 187 – 191); Vereinbarung zwischen dem Land Niedersachsen und den katholischen Bistümern Paderborn, Hildesheim, Münster, Osnabrück und Fulda vom 19. September 1967 über einen Gestellungsvertrag über die Abstellung katechetischer Lehrkräfte für den katholischen Religionsunterricht an den öffentlichen Schulen (AfkKR 137, 1968, 287 – 294); Vereinbarung zwischen dem Saarland und den Bistümern Trier und Speyer vom 2./13./16. Oktober 1969 über Gestellungsverträge zur Erteilung des katholischen Religionsunterrichts (AfkKR 138, 1969, 613 – 617); Vereinbarung zwischen dem Land Hessen und den Bistümern Paderborn, Limburg, Fulda und Mainz über die nebenberufliche Erteilung katholischen Religionsunterrichts an öffentlichen Schulen vom 8. Januar/2./5./10./16. April 1973 (AfkKR 142, 1973, 197 – 201). Am 19. Juni/1. September 1974 schlossen die rheinland-pfälzischen Diözesen eine Vereinbarung mit dem Lande Rheinland-Pfalz, in dem die Vereinbarung über Gestellungsverträge vom 1. April erneut – nach der Änderung vom 1. August 1967 – geändert wurde (ABl. Mainz 1974, S. 101). 24 Hollerbach, Verträge, 36.

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Pfalz am 26. August 196425 eine Vereinbarung ein. Die hessischen Bistümer einigten sich am 30.8./23. 9. 196626 mit dem Land Hessen über das Verfahren bei der Genehmigung von Lehrbüchern für den Religionsunterricht in Hessen. Das Land Hessen schloß am 8.1./2.4./5.4./10.4./16.4. 197327 eine Vereinbarung mit den katholischen Bistümern über die nebenberufliche Erteilung katholischen Religionsunterrichts an öffentlichen Schulen des Landes Hessen. Zwischen den bayerischen Bistümern und dem Freistaat Bayern wurde am 12.9./23 10. 197328 eine Vereinbarung über die pauschale Vergütung des lehrplanmäßigen Religionsunterrichts durch Geistliche, Katecheten und sonstige Religionslehrer an öffentlichen Schulen getroffen. (3) Seelsorge bei der Polizei und in Vollzugsanstalten Das Land Nordrhein-Westfalen schloß im Jahre 196229 mit den katholischen Bistümern sowie (gesondert) mit den evangelischen Landeskirchen einen Vertrag über die Wahrnehmung der Seelsorge in der Polizei. Das Land Hessen traf mit den Bistümern Limburg und Mainz am 21.2./27.2./10. 4. 196730 eine Vereinbarung über die katholische Seelsorge an den hessischen Vollzugsanstalten durch hauptamtliche Geistliche. (4) Bildung und Veränderung von Kirchengemeinden Das Land Nordrhein-Westfalen vereinbarte sich im Oktober 196031 mit den katholischen Bistümern über die staatliche Mitwirkung bei der Bildung und Veränderung katholischer Kirchengemeinden.

25 Vereinbarung zwischen dem Lande Rheinland-Pfalz und seinen katholischen Bistümern vom 26. August 1964 über die Erteilung des katholischen von Religionsunterrichts an Volksschulen durch Geistliche und Katecheten und über seine Vergütung (AfkKR 133, 1964, 487 – 492). 26 Nicht veröffentlicht. 27 AfkKR 142, 1973, 197 – 201. 28 Nicht veröffentlicht. 29 Vereinbarung zwischen dem Land Nordrhein-Westfalen und den nordrhein-westfälischen Bistümern vom 2./3./4. Juli 1962 über die Wahrnehmung der katholischen Polizeiseelsorge (Kirchlicher Anzeiger für die Erzdiözese Köln 1962, S. 287). 30 Nicht veröffentlicht. 31 Vereinbarung über die staatliche Mitwirkung bei der Bildung und Veränderung katholischer Kirchengemeinden vom 8./18./20./22./25. Oktober 1960 (Weber, Konkordate I, 96 – 99).

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(5) Kirchensteuer Das Land Berlin einerseits schloß am 6. 12. 1968/6. 2. 196932 mit der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg und dem Bistum Berlin anderseits eine Verwaltungsvereinbarung über die Verwaltung der Kirchensteuer durch die Berliner Finanzbehörden. Das Land Niedersachsen schloß gemäß Art. 14 Abs. 3 des Konkordats von 1965 mit den niedersächsischen Diözesen eine Vereinbarung33 und eine Zusatzvereinbarung34 über Fragen der Kirchensteuer. (6) Staatsleistungen Am 10. Juli 195435 kam es zu einer Vereinbarung zwischen dem Land Nordrhein-Westfalen einerseits und dem Erzbischöflichen Stuhl und dem Metropolitankapitel in Köln anderseits über die Übertragung von Grundstücken an die Kirche und die Wiederaufbaupflichten des Staates. Eine ähnliche Vereinbarung wurde 1958 für Paderborn und Münster abgeschlossen36. Das Land Niedersachsen schloß am 29. August 195737 mit dem Bischof, dem Domkapitel und der Domkirche von Hildesheim einen Vertrag über die Ablösung finanzieller Leistungen des Landes. Am 23. Mai 195838 kam eine Vereinbarung zwischen dem Bischof und dem Domkapitel in Hildesheim und der katholischen Kirchengemeinde Hl. Kreuz in Dorstadt sowie dem Allgemeinen Hannoverschen Klosterfonds zustande. Zwischen dem Erzbistum München und Freising und dem bayerischen Staat wurde am 28. September 195539 ein Vertrag über die Erfüllung von Pflichten des Staates aus Art. 10 § 1 Buchst. e und g des Bayerischen Konkordats abgeschlossen. Vom 1./29. Juli 195840 datiert die Vereinbarung zwischen dem Freistaat Bayern und den sieben katholischen Diözesen in Bayern über Leistungen des Staates an die katholische Kirche vom 1. April 1958 bis 31. März 1963. Die hessischen Bistümer

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Nicht veröffentlicht. Vereinbarung des Landes Niedersachsen und der Bistümer Hildesheim, Osnabrück, Münster, Fulda und Paderborn vom 12./20. November 1971 zu Art. 14 des niedersächsischen Konkordates (AfkKR 141, 1972, 586 – 588). 34 Zusatzvereinbarung zu der Vereinbarung zu Art. 14 des Konkordats zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Land Niedersachsen vom 21. Oktober 1969 (Weber, Konkordate II, 124 f.). 35 Hollerbach, Verträge, 37. 36 Hollerbach, Verträge, 38. 37 Nicht veröffentlicht. 38 Nicht veröffentlicht. 39 Hollerbach, Verträge, 34. 40 Hollerbach, Verträge, 35. 33

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einigten sich am 9. März 196341 mit dem Land Hessen über die an sie zu erbringenden Staatsleistungen. Am 19. Mai 196142 schlossen der Bischöfliche Stuhl und das Domkapitel in Würzburg einen Vertrag mit dem Freistaat Bayern über eine Ablösung nach Art. 10 § 1 Buchst. e und g Halbsatz 1 des Bayerischen Konkordats. Am 31.8./30.9./22.10. 196443 schloß die Diözese Eichstätt einen Vertrag mit dem Freistaat Bayern über eine Teilablösung der auf Art. 10 § 1 Buchst. g Abs. 1 BayK beruhenden Staatsleistungen. Die Vereinbarung über die Leistungen des bayerischen Staates an die katholische Kiche vom 1./29. 7. 1958 wurde am 18.3/9. 4. 196444 durch eine neue ersetzt. Der Freistaat Bayern schloß 196345 und 197146 zwei Abkommen mit den sieben katholischen Diözesen über die staatliche Baupflicht.

II. Rechtscharakter, Vertretung, Zuständigkeit und Dauer 1. Rechtscharakter Die Vereinbarungen der Diözesanbischöfe mit der Bundesrepublik Deutschland und den Bundesländern sind Verträge im eigentlichen Sinn des Wortes, welchen Namen sie auch tragen mögen. Der Abschluß eines Vertrages begründet Rechte und Pflichten zwischen den vertragschließenden Parteien. Jede Partei erwirbt das Recht, von der anderen zu verlangen, daß sie sich vertragsgemäß verhalte und die ihr unterstehenden Personen zu vertragsgemäßem Verhalten anleite, und jede Partei übernimmt die Pflicht, sich vertragsgemäß zu verhalten und die ihr unterstehenden Personen zu vertragsgemäßem Verhalten anzuleiten. Die Partner eines abgeschlossenen Vertrages sind gehalten, das Vertragsrecht in Recht ihrer jeweiligen Rechtsordnung zu transformieren und so den Vertrag in das Rechtsleben überzuführen. Die Bischofsverträge sind ausnahmslos öffentlich-rechtliche Verträge47 weil sie Gegenstände des öffentlichen Rechts regeln. Als solche stehen sie jedoch nicht alle 41

Weber, Konkordate II, 61 – 66. Hollerbach, Verträge, 34. 43 Hollerbach, Verträge, 34. 44 Vereinbarung zwischen dem Freistaat Bayern und den sieben katholischen Diözesen in Bayern vom 18. März/9. April 1964 über Staatsleistungen (AfkKR 133, 1964, 166 – 168). Vgl. Hollerbach, Verträge, 34 f. 45 Vereinbarung zwischen dem Freistaat Bayern und den sieben katholischen Diözesen in Bayern über die Erfüllung der staatlichen Baupflicht an Pfarrgebäuden vom 5./6./28. Februar 1963 (AfkKR 132, 1963, 225 – 227). Vgl. Hollerbach, Verträge, 35. 46 Vereinbarung vom 19. März/13./17./25. Mai/9./16./18. Juni 1971 zwischen dem Freistaat Bayern und den Sieben katholischen Diözesen in Bayern zur Änderung der Baupflichtrichtlinien (AfkKR 140, 1971, 613 – 615). 47 K. H. Friauf, Zur Problematik des verfassungsrechtlichen Vertrages: Archiv des öffentlichen Rechts 88, 1963, 257 – 313; Fr. Haueisen, Unterschiede in den Bindungswirkungen von Verwaltungsakt, öffentlich-rechtlichem Vertrag, gerichtlichem Vergleich und Urteil. Dogma42

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auf derselben Ebene. Die Verträge, die die Bischöfe mit Staatsregierungen abgeschlossen haben, sind vielmehr entweder Staatsverträge oder Verwaltungsabkommen. Diese Unterscheidung ist im Verfassungsrecht verankert. Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland erwähnt in Art. 59 Abs 2 S. 2 ausdrücklich die Verwaltungsabkommen und unterscheidet sie von den Staatsverträgen. Staatsverträge sind Vereinbarungen, die Rechte Dritter berühren, insbesondere in die Rechtsstellung der Bürger eingreifen, die also, um wirksam zu werden, der Rechtsetzung durch das gesetzgebende Organ bedürfen. Der Abschluß von Staatsverträgen ist ein Ausfluß der allgemeinen Herrschaftsbefugnis des Staates. In einem Staatsvertrag geht ein Land als ein mit Herrschaftsbefugnis ausgestatteter Gesamtverband Bindungen gegenüber der Kirche ein. Der Staatsvertrag bindet die Partner in Gesetzgebung und Verwaltung. Staatsverträge bedürfen daher immer der Zustimmung des Parlaments. Dies bestimmen mit geringfügigen Unterschieden die Verfassungen der meisten Länder48. Solange die parlamentarische Zustimmung aussteht, wird der Vertragsschluß in Schwebe gehalten. Die Staatsverträge verpflichten den einzelnen Bürger nicht unmittelbar, sondern nur mittelbar, nämlich durch die auf Grund der Staatsverträge erlassenen Gesetze und Verordnungen49. Zu den meisten Staatsverträgen erging ein Zustimmungs- und Transformationsgesetz des Landtags. Zustimmung und Transformation sind auseinanderzuhalten. Erstere bewirkt die vertragliche Bindung des Landes, letztere die gesetzliche Bindung der Bürger. Die Zustimmung des Parlaments zu dem Vertrag und der Erlaß des Gesetzes, zu dem sich das Land in dem Vertrag verpflichtet, durch das Parlament sind zwei verschiedene Akte. Die Zustimmung ist nicht Vertragsschluß, sondern Einwilligung zu dem durch die Regierung abgeschlossenen Vertrag. Sie ist nicht Normsetzung, sondern besitzt rechtsgeschäftlichen Charakter. Die Transformation des Vertrags in objektives Recht für die Landesbewohner ist dagegen Normsetzung. Die Transformation einer Vereinbarung in Landesrecht durch einen Beschluß des Parlamentes kommt nur bei Materien in Frage, die normativen Charakter erhalten können. Das staatliche Gesetz, das den Kirchenvertrag bestätigt, transformiert nur jenen Teil der Vereinbarung in staatliches Recht, der Pflichten des Staates, der Staatsorgane und der Staatsbürger und Pflichten der Kirche im Staat zum Gegenstand hat50. In der Praxis werden die Zustimmung des Parlaments zu dem Abschluß tische Bedeutung und praktische Auswirkungen: Neue Juristische Wochenschrift 16, 1963, 1329 – 1336. 48 Art. 50 Baden/WürttV, Art. 72 Abs. 2 BayV, Art. 43 HambV, Art. 103 Abs. 2 HessV, Art. 26 Abs. 2 NiedersächsV, Art. 66 Nordrhein-WestfälV, Art. 101 Rheinland-PfälzV, Art. 97 SaarlV, Art. 25 Abs. 2 Schleswig-HolstV. 49 Fr. Möller, Die Mitwirkung des Parlaments beim Abschluß von Staatsverträgen, insbesondere ihre parlamentarische Behandlung in der Bundesrepublik Deutschland, Großbritannien, den Vereinigten Staaten und Frankreich: Die öffentliche Verwaltung 16, 1963, 168 – 171. 50 Vgl. E. R. Huber, Verträge zwischen Staat und Kirche im Deutschen Reich (= Abhandlungen aus dem Staats- und Verwaltungsrecht sowie aus dem Völkerrecht, 44. Heft), Breslau 1930, 112 f.

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des Vertrags und die Transformation in staatliches Recht regelmäßig in einem Akt des Parlaments verbunden. Folgende Vereinbarungen zwischen Ländern und Bischöfen erfuhren ein Zustimmungs- und Transformationsgesetz des Landtags: die nordrhein-westfälische Vereinbarung über die Domkurien von Paderborn und Münster vom 28. Januar 1958, die beiden hessischen Verträge vom 9. März 1963 und vom 29. März 1974 und die niedersächsische Vereinbarung vom November 1971 über Kirchensteuerfragen. Letztere wurde durch Gesetz vom 22. Juni 1972 in Landesrecht transformiert. Ein Verwaltungsabkommen ist eine gegenseitige übereinstimmende Willenserklärung über eine Angelegenheit der öffentlichen Verwaltung mit dem Ziel, eine öffentlich-rechtliche Wirkung zu erreichen. In den Verwaltungsabkommen zwischen Ländern und Bischöfen einigen sich kirchliche und staatliche Behörden über die Behandlung von Verwaltungsangelegenheiten. Der Abschluß von Verwaltungsabkommen ist ein Ausfluß der Verwaltungshoheit. Was die Regierung nach staatlichem Recht durch Verwaltungsvorschriften regeln kann, das darf Gegenstand eines Verwaltungsabkommens sein. Verwaltungsabkommen dürfen Rechte Dritter nicht tangieren. Für ihren Abschluß ist ein gesetzlich geregeltes Verfahren nicht vorgeschrieben. Verwaltungsabkommen unterliegen nicht den Bestimmungen der Länderverfassungen über Staatsverträge. Im besonderen wirkt bei ihrem Abschluß der Landtag nicht mit. Für manche dieser Verwaltungsabkommen, wie für die nordrhein-westfälische Vereinbarung über die Polizeiseelsorge vom Juli 1962 (Art. 13) oder die Vereinbarung zur Errichtung eines Lehrstuhls für Pastoraltheologie an der Universität Mainz vom 8. November 1971 (Nr. VIII), wird ausdrücklich bestimmt, daß sie mit der Unterzeichnung wirksam werden. Verwaltungsabkommen sind die meisten Verträge zwischen den Ländern und den Bischöfen, also beispielsweise die nordrhein-westfälischen Vereinbarungen über den Religionsunterricht von 1956, der Vertrag zwischen drei hessischen Bischöfen vom 26. März/8. April 195951, die nordrhein-westfälische Vereinbarung über das Verfahren bei der Bildung und Veränderung katholischer Kirchengemeinden vom Oktober 1960, die nordrhein-westfälische Vereinbarung über die Polizeiseelsorge von 1962, die rheinland-pfälzische Vereinbarung über den Religionsunterricht vom 26. August 1964, die rheinland-pfälzische Vereinbarung über Gestellungsverträge von 1964, die bayerische Vereinbarung über Staatsleistungen von 1964, die Vereinbarung über katholische Seelsorge im Bundesgrenzschutz von 1965, die hessische Vereinbarung über Gestellungsverträge von 1966, die niedersächsische Vereinbarung über die Errichtung eines Lehrstuhls für katholische Religionslehre an der Pädagogischen Hochschule Os51

Er bezeichnet sich selbst als „Verwaltungsvereinbarung“. – Vgl. auch die (so bezeichnete) Verwaltungsvereinbarung über die Erteilung des evangelischen Religionsunterrichts in öffentlichen Schulen durch kirchliche Lehrkräfte zwischen dem Land Schleswig-Holstein und den evangelisch-lutherischen Kirchen in Schleswig-Holstein vom 16./21./31. Oktober/ 23. November 1972 (Amtsblatt der Evangelischen Kirche in Deutschland 1973, S. 151).

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nabrück von 1967, die niedersächsische Vereinbarung über Gestellungsverträge von 1967, die saarländische Vereinbarung über Gestellungsverträge von 1969, die baden-württembergische Vereinbarung über die Lehrerbildung vom 4. Februar 1969, die Berliner Vereinbarung von 1970, die rheinland-pfälzische Vereinbarung über die Errichtung eines pastoraltheologischen Lehrstuhls an der Universität Mainz von 1971, der Kooperationsvertrag zwischen dem Land Rheinland-Pfalz und der Diözese Trier vom 28. September 1970, die bayerische Vereinbarung von 1971 zur Änderung der Baupflichtrichtlinien und die hessische Vereinbarung über die nebenamtliche Erteilung des Religionsunterrichts von 1973. Die verwaltungsrechtlichen Vereinbarungen als subordinationsrechtliche Verträge zu bezeichnen, ist kaum sinnvoll. Denn jedenfalls in bezug auf die vertragliche Regelung besteht eben begrifflich keine Über- und Unterordnung, sondern Gleichordnung. Staatsverträge und Verwaltungsabkommen unterscheiden sich auch hinsichtlich der Publizität. Staatsverträge müssen stets publiziert und als Gesetze verkündet werden, weil nur auf diese Weise ihr Inhalt zu Landesrecht erhoben werden kann. Bei den verwaltungsrechtlichen Verträgen genügt es dagegen zum innerkirchlichen und innerstaatlichen Vollzug, daß sie den in Frage kommenden kirchlichen bzw. staatlichen Organen und den betroffenen Kirchengliedern bzw. Staatsbürgern bekanntgegeben werden. Dies geschieht regelmäßig in den staatlichen und kirchlichen Amtsblättern. Die rheinland-pfälzische Vereinbarung über Gestellungsverträge vom 1. April 1964 beispielsweise sah die Veröffentlichung in den Amtsblättern der kirchlichen Oberbehörden und in dem Amtsblatt des Ministeriums für Unterricht und Kultus vor (§ 17). Ebenso wurde der Gestellungsvertrag mit dem Saarland 1969 in dem amtlichen Verkündigungsblatt des Ministers für Kultus, Unterricht und Volksbildung sowie in den Amtsblättern der Diözesen Trier und Speyer veröffentlicht. Zahlreiche Verwaltungsabkommen sind indes nicht veröffentlicht.

2. Vertretung Alle erwähnten Verträge sind Vereinbarungen von Bischöfen mit Staatsregierungen. Die Bischöfe handeln als bevollmächtigte Repräsentanten ihrer Diözesen, die Staatsregierungen als solche der Länder. Staatsverträge können nur von dem Regierungschef, d. h. dem Ministerpräsidenten, abgeschlossen werden. Verwaltungsabkommen werden regelmäßig von dem zuständigen Minister oder, wenn mehrere Ressorts berührt werden, von den zuständigen Ministern abgeschlossen. Sie können aber auch von dem Ministerpräsidenten abgeschlossen werden, der sich durch einen Minister vertreten läßt. Regelmäßig treten Bischöfe und Ministerpräsidenten bzw. Minister in eigener Person bei dem Abschluß der Verträge in Erscheinung. Es gibt jedoch eine Reihe von Ausnahmen. Zwischen den einzelnen Vereinbarungen bestehen Unterschiede der Gewichtigkeit. Im allgemeinen bestimmt die inhaltliche Bedeutung der Verträge

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die Personen, die im Namen der betreffenden Gebietskörperschaften handelnd auftreten. Im folgenden seien einige Beispiele erwähnt. Bei Abschluß der Vereinbarung zwischen Bayern und den bayerischen Diözesen über Baupflichtrichtlinien im Jahre 1963 vertrat der Kultusminister den Staat und vertraten die Diözesanbischöfe die Kirche. Die Vereinbarung zwischen dem Land Rheinland-Pfalz und der Diözese Trier über die theologische Fakultät Trier 1970 unterzeichneten der Kultusminister und der zuständige Bischof von Trier. Den Vertrag über die Errichtung eines weiteren Lehrstuhls an der katholisch-theologischen Fakultät Mainz 1971 schlossen ebenfalls der Kultusminister für das Land und der Diözesanbischof für die Diözese Mainz. Die Vereinbarung zwischen der Unterrichtsverwaltung des Landes Nordrhein-Westfalen und den nordrhein-westfälischen Bistümern 1970 wurde für das Land von dem Kultusminister, für die Bistümer jedoch von den Generalvikaren unterzeichnet. Da der Generalvikar der Vertreter des Bischofs für die allgemeine Verwaltung, ja dessen alter ego ist52, bietet sich seine Vertretung beim Abschluß minder gewichtiger Verträge mit dem Staat ohne weiteres an. Für das Saarland wurde bei Abschluß des Gestellungsvertrags 1969 der Kultusminister tätig, der sich aber durch einen Beamten vertreten ließ, die Bistümer handelten durch ihre Generalvikare. Bei dem Abschluß der hessischen Vereinbarung über die Gestellung von Religionslehrern 1966 wurde das Land Hessen vertreten durch den Ministerpräsidenten, der aber mit der Unterzeichnung den Kultusminister beauftragte, während die Bistümer durch die Generalvikare vertreten waren. Bei dem Abschluß des niedersächsischen Gestellungsvertrages 1967 traten sich der Kultusminister und die Bischöfe von vier Bistümern sowie der Generalvikar des Paderborner Erzbischofs gegenüber. Die Vereinbarung mit Hessen über den Religionsunterricht vom Jahre 1973 nennt als Vertreter des Landes Hessen den Ministerpräsidenten, der sich seinerseits durch den Kultusminister vertreten ließ, der aber selbst nicht unterzeichnete, und als Vertreter der Diözesen den Bischof, der durch den Generalvikar handelte. Die rheinland-pfälzische Änderungsvereinbarung über den Abschluß von Gestellungsverträgen von 1974 unterzeichneten die Staatssekretärin im Kultusministerium und die Generalvikare der beteiligten Bistümer. Der Erzbischöfliche Stuhl und das Metropolitankapitel an der Hohen Domkirche in Paderborn wurden bei dem Vertrag von 1958 durch einen Domkapitular, der Bischöfliche Stuhl und das Kathedralkapitel an der Hohen Domkirche in Münster durch den Dompropst vertreten. Mitunter war ein Bistum federführend für andere. Bei den Abkommen der katholischen Bistümer mit der Bundesrepublik von 1951 und 1958 wurden die Diözesen durch den Erzbischof von Köln vertreten. Dieser war zu jener Zeit Vorsitzender der Fuldaer Bischofskonferenz. Die niedersächsische Vereinbarung zur Kirchensteuer 1971 wurde von dem Kultusminister für das Land, von dem Bischof von Hildesheim für seine Diözese und auf Grund einer Bevollmächtigung für die übrigen Diözesen Niedersachsens unterzeichnet. Das Bischöfliche Ordinariat 52

Cc. 368 – 371 CIC.

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Limburg schloß die Verwaltungsvereinbarung über die Religionslehrer an Berufsschulen von 1959 zugleich im Namen und Auftrag der Bischöflichen Ordinariate Fulda und Mainz ab (§ 3 Abs. 1). Der Mainzer Domkapitular Berg vertrat die hessischen Bistümer bei Abschluß der Vereinbarung über die Genehmigung von Lehrbüchern für den Religionsunterricht von 1966. Die bayerischen Bistümer wurden bei dem Abschluß der Vereinbarung von 1973 über die Vergütung des Religionsunterrichts durch das Katholische Schulkommissariat in Bayern vertreten. Die Unterzeichnung der Vereinbarungen zeigt hinsichtlich des Zeitpunktes erhebliche Verschiedenheiten. Staatsverträge werden regelmäßig von den staatlichen und kirchlichen Partnern gleichzeitig, d. h. an ein und demselben Tage, unterzeichnet. Es sei beispielsweise an die hessischen Verträge von 1963 und 1974 erinnert. Die niedersächsische Vereinbarung über Kirchensteuerfragen 1971 wurde jedoch am 12. November von dem Kultusminister und erst am 20. November von dem Bischof von Hildesheim unterzeichnet. Bei Verwaltungsabkommen ist die gleichzeitige Unterzeichnung durch den staatlichen und die kirchlichen Partner nicht die Regel. Sie wurde zwar beispielsweise bei der baden-württembergischen Vereinbarung vom 4. Februar 1969 und bei dem rheinland-pfälzischen Kooperationsvertrag vom 28. September 1970 praktiziert. In anderen Fällen lagen indes zwischen der Unterzeichnung durch den staatlichen und die kirchlichen Vertreter mehrere Tage oder Wochen oder sogar Monate. Die niedersächsische Vereinbarung über Gestellungslehrer wurde am 19. September 1967 durch den Kultusminister, in der Zeit vom 26. September bis 4. Oktober 1967 von den in Frage kommenden Bischöfen unterzeichnet. Bei der bayerischen Vereinbarung über die Baupflichtrichtlinien 1971 lagen das erste (19. März) und das letzte Datum (29. Juni) um über ein Vierteljahr auseinander, ebenso bei der hessischen Vereinbarung über den Religionsunterricht an öffentlichen Schulen (8. Januar bis 16. April). Die (zeitliche) Reihenfolge der Unterzeichnung ist nicht festgelegt. In der Regel unterzeichnet zuerst der staatliche, danach der kirchliche Partner. Eine Umkehrung der Reihenfolge der Unterzeichnung ist beispielsweise bei der bayerischen Vereinbarung über Staatsleistungen von 1964 (18. März: die Bischöfe, 9. April: der Kultusminister), bei der Vereinbarung über die katholische Seelsorge im Bundesgrenzschutz von 1965 (29. Juli: Kardinal Frings, 12. August: Bundesinnenminister) und bei der hessischen Vereinbarung über Gestellungslehrer von 1966 zu beobachten (27. Oktober: Generalvikar von Limburg, 1. Dezember: Kultusminister). In der Notwendigkeit, daß jede Diözese durch eine eigene Unterschrift ihren Eintritt in die Vereinbarung vollzieht, ist die Gebietshoheit des Ortsoberhirten bezeugt. Nur er selbst kann sein Bistum verpflichten, kein anderer Bischof und grundsätzlich auch kein gremiales Organ von Bischöfen.

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3. Zuständigkeit Ein Land kann über Gegenstände, die seiner Gesetzgebung und seiner Verwaltungshoheit unterstehen, auch Verträge schließen. An der Zuständigkeit der Regierung, mit kirchlichen Organisationen Vereinbarungen zu treffen, besteht kein Zweifel. Die evangelischen Landeskirchen53 sind in ihrem Bereich autonome und gewissermaßen souveräne Verbände. Ihre Satzungsgewalt ist grundsätzlich weder durch Zusammenschlüsse mit anderen Landeskirchen desselben oder eines verwandten Bekenntnisses noch durch übernationale oder ökumenische Organe beschränkt. Beim Abschluß von Kirchenverträgen sind sie unbehindert. Im Bereich der katholischen Kirche sind die Verhältnisse komplizierter. Jeder Vertrag eines Trägers kirchlicher Hoheitsgewalt mit einem Inhaber staatlicher Autorität schafft (nach gehöriger Transformation) kirchliches Recht. Je nach der Art des erzeugten Rechts bedarf es zum Abschluß eines Vertrages der Gesetzgebungs- oder der Verwaltungshoheit. Es geht nicht an, jeden Abschluß eines Vertrages als Ausfluß der Gesetzgebungsgewalt und als Gesetzgebung zu bezeichnen. Dies ist nur der Fall, wenn in dem Vertrag Normen erzeugt werden, die alle Merkmale an sich tragen, die Gesetzen zukommen. Das aber ist nicht notwendig der Fall. Wenn sich z. B. der Hl. Stuhl mit der Regierung eines Landes über die Besetzung vakanter Bischofsstühle einig wird, dann liegt hier zweifellos kein Akt der Gesetzgebung vor, sondern der (freiwilligen) Verwaltung. Ähnliche Abkommen sind auch bei anderen Gegenständen und auf einer niedrigeren hierarchischen Stufe denkbar. In dem gesatzten kirchlichen Recht existiert keine Norm, die das Recht, Verträge mit Inhabern staatlicher Autorität schließen zu dürfen, einem bestimmten Träger kirchlicher Hoheitsgewalt zuspricht und andere davon ausschließt. Grundsätzlich ist jeder Inhaber hoheitlicher Hirtengewalt berechtigt, im Rahmen seiner Zuständigkeit derartige Vereinbarungen einzugehen. Auch synodale Organe, gremiale Zusammenschlüsse von Hoheitsträgern und ad hoc zusammentretende Vereinigungen derselben kommen grundsätzlich als Partner von Verträgen mit dem Staat in Betracht. Das Paktieren mit dem Staat ist nun einmal – bei allem Wandel in der Form – eine Lebensnotwendigkeit für die Kirche. Die Träger kirchlicher Hoheitsgewalt sind nicht ohne eine elementare Befugnis, ihr zu entsprechen, denkbar. Durch einen jeden derartigen Vertrag kann selbstverständlich kirchliches Recht jeweils nur für den territorial oder personal bestimmten Teilbereich der Kirche geschaffen werden, über den dem kirchlichen Hoheitsträger bzw. den vereinten Oberhirten Gewalt zusteht. Das gesatzte Recht ist jedoch für die Frage, ob, in welchem Umfang und unter welchen Voraussetzungen unter dem Papst stehende Hoheitsträger Verträge mit dem Staat schließen können, nicht allein maßgebend. Die Praxis des Heiligen Stuhles, die seit unvordenklichen Zeiten gewohnheitsrechtlich verfestigt ist, geht 53

U. Scheuner, Landeskirche: RGG IV, 3. Aufl., 1960, 222 f.

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dahin, daß jeder Vertrag mit dem Staat entweder von dem Heiligen Stuhl abgeschlossen oder von ihm genehmigt, zumindest jedoch toleriert54 werden muß. Ohne eine irgendwie geartete positive Stellungnahme des Heiligen Stuhles zu den Bischofsverträgen hat keine solche Vereinbarung Bestand. Die ausdrückliche Verwerfung eines derartigen Vertrages durch den Heiligen Stuhl beendet seine rechtliche Existenz. An erster Stelle kommen für solche Verträge die Residenzialbischöfe als die typischen Ortsoberhirten der ordentlichen Kirchenverfassung in Frage, allerdings mit bedeutsamen Einschränkungen. Die bischöfliche Gewalt ist keine umfassende und höchste. Sie ist territorial und inhaltlich, u. U. auch personal begrenzt und untersteht auch hinsichtlich ihrer eigenen Angelegenheiten der Aufsicht des Papstes. Dieser kann außerdem jederzeit unmittelbar in die Diözesen eingreifen. Bei der Ausübung seiner Gewalt ist der Bischof an das übergeordnete, vor allem also an das päpstliche Recht gebunden (c. 335 § 1 CIC). Im Rahmen ihrer so bestimmten Zuständigkeit können die Bischöfe Verträge abschließen. Sie können sich auch vereinen, um eine Vereinbarung einzugehen, die auf die von ihnen regierten Diözesen Bezug hat. Das kollektive Handeln der Oberhirten ist ja in der postkonziliaren Kirche in weitestem Umfang üblich geworden. An erster Stelle ist hier auf die Bischofskonferenzen hinzuweisen. Diese sind seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil eine eigene hierarchische Instanz zwischen den Diözesanbischöfen und dem Heiligen Stuhl geworden55. Ihre Zuständigkeit ist in den letzten Jahren durch die Zuweisung zahlreicher Materien zur Entscheidung fortwährend gewachsen. Im Rahmen ihrer Kompetenz sind sie befugt, Verträge mit dem Staat abzuschließen. Dabei sind die Voraussetzungen zu beachten, die allgemein für den Erlaß rechtsverbindlicher Entscheidungen durch die Bischofskonferenzen gelten. Das heißt vor allem, daß der Beschluß der Bischofskonferenz von einer Zweidrittelmehrheit getragen und von dem Apostolischen Stuhl bestätigt sein muß. An zweiter Stelle kommen auch die Bischöfe eines Landes – bei bundesstaatlichem Aufbau eines Staates – als Partner einer abzuschließenden Vereinbarung in Frage. An dritter Stelle ist an die Bischöfe des Gesamtstaates zu denken. Sobald aber die von einem Einzelbischof, mehreren Residenzialbischöfen oder einer Bischofskonferenz angestrebte vertragliche Regelung einer Angelegenheit kraft ihres sachlichen Gewichts oder wegen ihrer Endgültigkeit Auswirkungen auf 54

Die im vorigen Jahrhundert von Preußen mit einzelnen Bischöfen abgeschlossenen Verträge über die Besetzung der fiskalischen Patronatsstellen (J. Heckel, Die Besetzung fiskalischer Patronatsstellen in der Evangelischen Landeskirche und in den katholischen Diözesen Altpreußens: ZRG-KA 15, 1926, 200 – 325, hier 236, 275, 277, 278, 281, 288, 289, 290, 295, 299; derselbe, Die Besetzung katholischer Pfarrstellen fiskalischen Patronats in den Delegaturen Brandenburg-Pommern und Preußen links der Elbe und Havel. Zugleich ein Beitrag zur staats- und kirchenrechtlichen Entwicklung dieser Gebiete: ebenda 16, 1927, 116 – 180, hier 161) wurden von dem Heiligen Stuhl „weder gebilligt noch verworfen, aber immerhin toleriert“ (Huber, Verträge, 94 A. 11). 55 G. May, Die Deutsche Bischofskonferenz nach ihrer Neuordnung: AfkKR 138, 1969, 405 – 461.

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die Gesamtkirche haben kann, ist der Hl. Stuhl allein zuständig. Die Bestimmung des c. 220 CIC, wonach die Angelegenheiten größeren Gewichtes, die causae maiores, dem Papst vorbehalten sind, steht nach wie vor in Geltung. Aber eine Sache wird nicht schon dadurch, daß sie auf dem Weg der Vereinbarung zwischen Kirche und Staat geregelt werden soll, zur causa maior, für die allein der Heilige Stuhl zuständig wäre. Sie kann allerdings wegen ihrer Auswirkungen auf die Gesamtkirche zur causa maior werden. Indes hat sich der Katalog der Gegenstände, die herkömmlich als causae maiores galten, durch die stärkere Verlagerung von Verantwortung auf niedere Instanzen vermindert, ist der Umfang der dem Papst reservierten Gegenstände eingeschränkt worden. Sachbereiche, die früher allein dem Hl. Stuhl vorbehalten waren und daher als causae maiores angesprochen werden mußten, sind heute untergeordneten Autoritäten teilweise oder gänzlich überlassen worden. So ist beispielsweise die Besetzung der Dignitäten in den Domkapiteln nicht mehr dem Heiligen Stuhl vorbehalten56. Der liturgische Vorbehalt des c. 1257 CIC ist stark eingeschränkt worden; die Bischofskonferenzen sind heute teilkirchliche Gesetzgeber im Bereich der Liturgie. Allerdings ist für den Erlaß endgültiger Normen regelmäßig die Genehmigung des Heiligen Stuhles einzuholen57. So wird man heute eine erweiterte Zuständigkeit der Bischöfe, Verträge mit dem Staat abschließen zu können, annehmen müssen. Wenn aber auch grundsätzlich die Bischöfe selbst in gewissem Umfang als Partner von Verträgen mit dem Staat auftreten können, so ist doch entsprechend der hierarchischen Verfassung der Kirche bei dem Abschluß derartiger Vereinbarungen stets eine irgendwie geartete Zustimmung des Heiligen Stuhles zu fordern. Die Verbundenheit der Bischöfe untereinander und mit dem Papst sowie ihre Verantwortung für die Gesamtkirche, die von dem Zweiten Vatikanischen Konzil stark betont wurden58, lassen nicht zu, daß sie eine so eminent wichtige Angelegenheit wie die Ordnung ihrer Beziehungen zum Staat regeln, ohne daß dem Inhaber des Primats als dem Haupt des Bischofskollegiums und dem Bürgen der kirchlichen Einheit Gelegenheit gegeben wird, bei dem Vertragsschluß übergeordnete Prinzipien autoritativ zur Geltung zu bringen. Dabei ist selbstverständlich vorausgesetzt, daß sich die vertragschließenden Bischöfe im Rahmen des gemeinen Rechts (und des etwa päpstlich gesetzten Sonderrechts) halten müssen. Denn nach wie vor ist die 56 MP „Ecclesiae Sanctae“ vom 6. August 1966 (AAS 58, 1966, 757 – 787) n. 18, § 1. Für früher: c. 396, § 1 CIC. 57 G. May, Umfang und Grenzen des Gebrauches der Landessprache in der Liturgie nach der Gesetzgebung des Zweiten Vatikanischen Konzils: ÖAKR 18, 1967, 16 – 94; derselbe, Die sogenannte Handkommunion. Ein Beitrag zur Praxis der kirchlichen Rechtsetzung in der Gegenwart, Berlin 1970; derselbe, Die Prinzipien der jüngsten kirchlichen Gesetzgebung über die Aufbewahrung und die Verehrung der heiligsten Eucharistie, Rheinhausen 1971; derselbe, Die liturgische Musik in den Kathedralen, Abteikirchen und ecclesiae maiores nach dem Vatioanum II. Zur liturgisch-musikalischen Rechtslage, in: J. Overath, (Hrsg.), Magna Gloria Domini, Rom 1972, 13 – 39. 58 Dogmatische Konstitution über die Kirche „Lumen gentium“, Nr. 22 und 23; Dekret über die Hirtenaufgabe der Bischöfe in der Kirche „Christus Dominus“, Nr. 4 – 6.

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Ersetzung des gemeinen Rechts durch Partikularrecht eine causa maior und folglich dem Papst vorbehalten. Es geht nicht an, etwa aus der Ermächtigung der Diözesanbischöfe, grundsätzlich von dem gemeinen Recht befreien zu können59, die Befugnis herzuleiten, dem gemeinen Recht entgegenstehendes Partikularrecht schaffen (und infolgedessen auch durch Vertrag begründen) zu können. Denn die ihnen übertragene Dispensgewalt ist Verwaltungshoheit, nicht Gesetzgebungshoheit. Sie berechtigt dazu, in Einzelfällen das gemeine Recht aufzuheben, nicht aber allgemein und für Dauer an dessen Stelle partikuläres Recht zu setzen60. Verträge mit dem Staat, die gemeines Recht durchbrechen, sind daher nach wie vor dem Heiligen Stuhl zum Abschluß oder – falls dahingehende Verhandlungen von Bischöfen mit päpstlicher Einwilligung eingeleitet werden – zur Genehmigung vorbehalten. 4. Dauer Die meisten Verträge werden auf unbestimmte Zeit abgeschlossen, einige sind befristet. Bei den befristeten Vereinbarungen ist regelmäßig automatische Verlängerung vorgesehen, wenn sie nicht innerhalb eines bestimmten Zeitraums vor Ablauf der Frist gekündigt werden. Die Kündigungsfristen sind verschieden lang. Die rheinland-pfälzische Vereinbarung über Gestellungsverträge vom 1. April 1964 wurde auf unbestimmte Zeit abgeschlossen. Sie kann von jedem Vertragspartner mit dreijähriger Frist zum Ende eines Schuljahres schriftlich gekündigt werden (§ 16 Abs. 2). Die bayerische Vereinbarung über Staatsleistungen vom 18. März/9. April 1964 wurde für die Zeit von zehn Jahren abgeschlossen (1. Januar 1964 bis 31. Dezember 1973). Sie verlängert sich jeweils um ein Jahr, wenn sie nicht spätestens sechs Monate vor ihrem Ablauf von einem der Vertragspartner schriftlich gekündigt wird (Nr. 8). Die rheinland-pfälzische Vereinbarung über den Religionsunterricht vom 26. August 1964 wurde für zwei Jahre abgeschlossen. Sie verlängert sich jeweils um das folgende Kalenderjahr, falls sie nicht bis zum 30. September des laufenden Jahres von einer Kirchenbehörde oder von dem Ministerium für Unterricht und Kultus schriftlich gekündigt wird (§ 17 Abs. 2). Die hessische Vereinbarung über die Gestellung von Religionslehrern vom 27.10./1. 12. 1966 wurde auf unbestimmte Zeit abgeschlossen. Sie kann von jedem Vertragspartner mit einer Frist von drei Jahren zum Ende eines Schuljahres schriftlich gekündigt werden (§ 16 Abs. 2). Die niedersächsische Vereinbarung über Gestellungsverträge von 1967 trat am 1. August 1967 in Kraft und galt bis zum 31. Juli 1969, also für zwei Schuljahre. Ihre Geltung verlängert sich jeweils um ein Jahr, wenn sie nicht späte59

Dekret „Christus Dominus“, Nr. 8 Buchst. b; MP „De Episcoporum muneribus“ vom 15. Juni 1966 (AAS 58, 1966, 467 – 471). 60 Über mißbräuchliche Verwendung der Dispensgewalt: G. May, Bemerkungen zu der kirchlichen Gesetzgebung nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil unter besonderer Berücksichtigung von Liturgie und Kirchenmusik, in: H. Lonnendonker (Hrsg.), In Caritate et Veritate. Festschrift für Johannes Overath, Saarbrücken 1973, 67 – 99.

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stens drei Monate vor Ende des Schuljahres gekündigt wird (§ 7 Abs. 2). Die saarländische Vereinbarung über Gestellungsverträge von 1969 wurde auf unbestimmte Zeit abgeschlossen. Sie kann von jedem Vertragspartner mit einer Frist von drei Jahren zum Ende eines Schuljahres gekündigt werden (§ 25 Abs. 2). Die rheinlandpfälzische Vereinbarung über einen Stiftungslehrstuhl von 1971 schreibt sich Geltung zu, solange der Lehrstuhl besteht. Sie kann von jedem der beiden Vertragspartner aus wichtigem Grund gekündigt werden, frühestens jedoch nach drei Jahren. Wird der Vertrag aus einem von dem Land zu vertretenden Grund gekündigt, so erlöschen die Verpflichtungen der Diözese Mainz aus dem Vertrag mit dem Ende des Jahres, in dem die Kündigung ausgesprochen wird (Nr. VII Abs. 1). Die hessische Vereinbarung über den Religionsunterricht von 1973 wurde auf unbestimmte Zeit abgeschlossen. Sie kann von jedem Vertragspartner mit einer Frist von sechs Monaten zum Ende eines Schuljahres gekündigt werden (§ 8 Abs. 2). Bei manchen Verwaltungsabkommen und bei den Staatsverträgen ist eine Kündigung nicht vorgesehen. Die ihnen damit gewährte höhere Bestandskraft schließt selbstverständlich eine Beseitigung nicht aus. Die Verträge erlöschen regelmäßig, wenn die Rechtspersönlichkeit der Partner untergeht, wenn die Unmöglichkeit der Erfüllung feststeht oder wenn die Berufung auf die Klausel Rebus sic stantibus erfolgt. Letztere ist berechtigt, wenn unabweisliche Erfordernisse des Gemeinwohls den Rücktritt von dem Vertrag notwendig machen. Diesem vorhergehen müßte jedoch regelmäßig der Versuch, durch eine Änderung des Vertrages denselben zu retten61. Jene Vereinbarungen, deren Inhalt der Ausführung von Gesetzen dient, sind dann als erloschen zu betrachten, wenn die Gesetze, an die sie sich anschließen, aufgehoben oder abgeändert werden62.

III. Verhältnis zum Konkordatsrecht 1. Im allgemeinen Konkordate63 sind Verträge zwischen dem Heiligen Stuhl und Ländern. Es ist selbstverständlich, daß Änderungen von Konkordaten dem Heiligen Stuhl vorbe-

61 In dem niedersächsischen Gestellungsvertrag 1967 ist vorgesehen, daß „notwendige Vertragsänderungen“ durch die Vertragschließenden vereinbart werden (§ 7). In der Vereinbarung über die Theologische Fakultät Trier verpflichteten sich die Vertragschließenden, auf Antrag eines Teils „unverzüglich in Verhandlungen über die Fortbildung, Ergänzung oder Änderung des Inhalts dieser Vereinbarung einzutreten“ (Art. 7). 62 H. Quaritsch, Kirchenvertrag und Staatsgesetz. Zum Problem der Einwirkung nachträglicher Verfassungs- und Gesetzesänderungen auf die von Staat und evangelischen Kirchen geschlossenen Verträge, in: H. P. Ipsen (Hrsg.), Hamburger Festschrift für Friedrich Schack zu seinem 80. Geburtstag am 1. Oktober 1966, Hamburg 1966, 125 – 141. 63 H. Wagnon, Concordats et droit international, Gembloux 1935; G. Catalano, Problematica giuridica dei concordati, Milano 1963; G. Lajolo, I Concordati moderni. La natura

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halten sind. Anders steht es bei dem Abschluß von Vereinbarungen, die in Konkordaten geregelte Gegenstände betreffen, das konkordatäre Recht jedoch nicht antasten. Durch die Konkordate wird partikuläres Kirchenrecht geschaffen, allerdings vereinbartes Kirchenrecht und durch päpstliche Rechtsetzung erzeugtes Kirchenrecht. Die Bischöfe des von dem Konkordat umfaßten Gebiets sind an dieses gebunden und dürfen es nicht durchbrechen. Wohl aber können und müssen sie sich innerhalb seiner bewegen und handeln, und dies schließt gegebenenfalls ein, daß sie in dem von dem Konkordat gezogenen Rahmen auch Verträge abschließen. Ob diese das Konkordat nur durchführen oder auch ergänzen, spielt solange keine Rolle, als das Konkordatsrecht nicht durchbrochen wird. Freilich hat der Hl. Stuhl ein Interesse daran, zu beobachten, was mit dem von ihm abgeschlossenen Konkordat geschieht, ob es beispielsweise durchgeführt wird oder nicht und wie die Durchführung aussieht. Mit dem Vertragsabschluß ist ihm ja ein Anspruch auf Durchführung erwachsen. Er selbst ist ebenfalls zur sachgemäßen Durchführung berechtigt und verpflichtet. Aber er ist nicht gehalten, die Durchführung selbst in die Hand zu nehmen. Er kann sie vielmehr nach Maßgabe der Kirchenorganisation den untergeordneten Organen überlassen. Diese bedürfen dafür regelmäßig einer Ermächtigung durch den Heiligen Stuhl. Nur auf diese Weise bleibt die Verantwortung des Heiligen Stuhles für die Durchführung des Konkordats gewahrt. Eine Reihe von Vereinbarungen der Bischöfe sind dazu bestimmt, der Ausführung von Gesetzen zu dienen. Zahlreiche Bischofsverträge aber dienen der Durchführung von Grundsätzen oder Bestimmungen der Konkordate. Es erscheint nicht nur unbedenklich, das Mittel des Bischofsvertrags anzuwenden, um konkordatäre Bestimmungen durchzuführen, sondern eine solche Arbeitsteilung ist auch angebracht. Nachdem die höhere Autorität die Prinzipien und Grundbestimmungen vereinbart hat, wofür sie wegen ihres weiteren Blicks vorzüglich geeignet ist, bleibt es der niederen Autorität überlassen, die Details vertraglich zu regeln, wozu sie durch die praktische Erfahrung und den täglichen Umgang mit den in Frage stehenden Materien regelmäßig bestens legitimiert erscheint. 2. Im einzelnen Einen zahlenmäßig großen Teil der Vereinbarungen zwischen Ländern und Bischöfen bilden Verträge über den Religionsunterricht und die Religionslehrer. Diese Vereinbarungen stellen sich jedenfalls teilweise als Durchführungsvorschriften zu Bestimmungen des Reichskonkordats dar. Art. 21 RK sichert den kirchlichen Oberbehörden das Recht der Einsichtnahme in den Religionsunterricht zu. Art. 22 RK sieht eine Verständigung zwischen dem Bischof und der Landesregierung bei der Anstellung katholischer Religionslehrer vor. Die nordrhein-westfälischen Vergiuridica internazionale dei Concordati alle luce di recente prassi diplomatica. Successione di Stati-Clausola „rebus sic stantibus“, Brescia 1968.

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einbarungen von 1956 beispielsweise sind typische Durchführungsbestimmungen zu diesen Vorschriften. Ihr Erlaß wird durch das in Art. 21 RK geforderte „Einvernehmen mit der kirchlichen Oberbehörde“ bzw. „Einvernehmen mit der Schulbehörde“ und die in Art. 22 RK vorgesehene „Verständigung zwischen dem Bischof und der Landesregierung“ nahegelegt. Dennoch behielt der Heilige Stuhl die Kontrolle über diese Verträge. Er nahm für sie das Recht, die Zustimmung zu erteilen, in Anspruch, vermutlich deswegen, weil eine Vereinbarung zwischen Bischöfen und Regierung über die Weise, wie die Kirche dem Mangel an vom Staat angestellten Religionslehrern abhelfen kann, eine allgemeine, für unbestimmt viele Fälle geltende Regelung des Verhältnisses der „Gestellungslehrer“ zum Staat ist und insofern unter die erwähnte Vorschrift des Reichskonkordats fällt. Wenn auch die Verständigung zwischen Bischof und Landesregierung zu erfolgen hat, so ist doch der Vorgang als solcher von dem Reichskonkordat festgesetzt und unterliegt deshalb jedenfalls der Aufsicht der Vertragspartner. Mag die Bundesrepublik sich auf Grund der in dem Grundgesetz vorgenommenen Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern (Art. 73 – 75 GG) nicht mehr für befugt halten, den Landesregierungen dieserhalb Vorschriften zu machen, so ist doch in der Kirche eine vergleichbare Umschichtung der Zuständigkeiten nicht erfolgt. Der Heilige Stuhl bleibt berechtigt, in Durchführung des Art. 22 RK abzuschließende Vereinbarungen zu genehmigen. Mit der Erteilung des Religionsunterrichts im Zusammenhang stehen Verträge, die theologische Lehrstühle zum Gegenstand haben. Die Mainzer katholisch-theologische Fakultät trat 1946 „unter Zustimmung der zuständigen kirchlichen Autorität“, d. h. des Heiligen Stuhles, ins Leben64. Sie untersteht diesem auch weiterhin, soweit sie kirchlichen Zwecken dient und dies mit ihrem staatlichen Charakter vereinbar ist. Die Errichtung eines weiteren Lehrstuhls an der Fakultät bedeutet eine gewichtige Änderung derselben, wie sie durch den Vertrag 1946 geschaffen worden war. Sie bedarf daher ebenso der Zustimmung des Heiligen Stuhles wie die Gründung der Fakultät selbst. Aber es ist nicht erforderlich, sie im Außenverhältnis zu erwähnen, wie dies bei Errichtung der Fakultät geschah. So ist man auch verfahren. Von großer Tragweite für das Verhältnis von Kirche und Staat sind sodann die Vereinbarungen, die sich mit der Neufestsetzung von Staatsleistungen bzw. mit

64 Vereinbarung vom 15./17. April 1946 (AfkKR 128, 1957/58, 402 f.); vom 5. Oktober 1946 (AfkKR 131, 1962, 265). Vgl. G. May, Entstehung und Rechtscharakter der Vereinbarung zwischen dem Bischof von Mainz und dem Oberregierungspräsidenten von Hessen-Pfalz vom 15./17. April bzw. 5. Oktober 1946 zur Errichtung der Katholisch-Theologischen Fakultät an der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz: AfkKR 131, 1962, 15 – 66; denselben, Das Verhältnis der Katholisch-Theologischen Fakultät der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz zu dem Diözesanbischof nach der Vereinbarung zwischen Kirche und Staat vom 15./17. April bzw. 5. Oktober 1946, in: W. M. Plöchl/J. Gampl (Hrsg.), Im Dienste des Rechtes in Kirche und Staat. Festschrift Franz Arnold, Wien 1962, 171 – 196.

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deren Ablösung65 befassen. Es ist durchaus zutreffend ausgeführt worden, daß die Regelung der Staatsleistungen weit über das Gebiet der Finanzen hinaus grundsätzliche Bedeutung für das Verhältnis von Kirche und Staat besitzt und insofern als causa maior anzusprechen ist66. Staatsleistungen wurden denn auch bisher stets durch Verträge mit dem Heiligen Stuhl geregelt67. Den Bischöfen fehlte daher innerkirchlich die Zuständigkeit, über diesen Gegenstand einen abschließenden Vertrag einzugehen. Sie bedurften dazu der Ermächtigung des Heiligen Stuhles. Die Verträge über die Domkurien von Köln, Münster und Paderborn, mit Hessen und mit den Bistümern München und Freising, Eichstätt und Würzburg haben die Teilablösung von Staatsleistungen zum Gegenstand. Vorschriften über die in den erwähnten Verträgen vorgenommenen Ablösungen enthalten das Bayerische Konkordat, das Preußische Konkordat und das Reichskonkordat sowie die Zirkumskriptionsbullen „De salute animarum“ für Preußen und „Provida sollersque“ für die Staaten der Oberrheinischen Kirchenprovinz. In allen diesen Fällen handelt es sich um partikuläres Kirchenrecht, das mit dem Papst vereinbart war. Verträge, die das vom Papst vereinbarte Kirchenrecht betreffen, konnten die Bischöfe nur mit Genehmigung des Heiligen Stuhls schließen. Die Veränderung der Rechtslage wird besonders deutlich in Hessen. Der Vertrag mit Hessen 1963 berührt zweifellos Gegenstände, die herkömmlich durch Verträge mit dem Heiligen Stuhl geregelt wurden. In Betracht kommt vor allem das Preußische Konkordat. In Art. 4 Abs. 1 des Preußischen Konkordats war die Dotation der Diözesen und Diözesananstalten festgesetzt, in Art. 4 Abs. 2 die Überlassung von Gebäuden an die Kirche geregelt worden. Art. 4 Abs. 1 Satz 2 des Preußischen Konkordats sah eine besondere Vereinbarung für die Verteilung der in Art. 4 Abs. 1 Satz 1 zugesagten Dotation der Diözesen und Diözesananstalten vor. Daß diese Vereinbarung mit dem Heiligen Stuhl abgeschlossen werden sollte, ergibt sich aus dem Text des Konkordats nicht zwingend. Das Schlußprotokoll behielt ihren Abschluß als „Ausführungsmaßnahme“ dem Staatsministerium vor. Daß sein Partner auf kirchlicher Seite die Diözesanbischöfe sein konnten, wird nicht ausgeschlossen. Art. 4 Abs. 3 des Preußischen Konkordats ließ bezüglich der Ablösung der Staatsleistungen gemäß Art. 138 Abs. 1 WRV die bisherige Rechtslage der Diözesandotation bestehen. Der Vertrag des Landes Hessen mit den hessischen Bistümern des Jahres 1963 regelte nun die Dotation der Diözesen und Diözesananstalten neu (Art. I). Zugleich nahm er eine Teilablösung der Baulastverpflichtungen des Staates vor (Art. II und III). Der Heilige Stuhl hat dem Vertrag zugestimmt und sich damit einschlußweise einverstanden erklärt, daß Art. 4 Abs. 1 und 2 des Preußischen

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W. Weber, Die Ablösung der Staatsleistungen an die Religionsgesellschaften, Stuttgart 1948; W. Hofmann, Ablösung oder Anpassung der Kultusbaulast des Staates?: ZevKR 10, 1963/64, 369 – 381. 66 Scheven, Staatskirchenverträge, 644. 67 G. J. Ebers, Staat und Kirche im neuen Deutschland, München 1930, 226 ff.

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Konkordats für den Bereich des ehemals preußischen Bestandteiles des Landes Hessen durch eine bischöfliche Vereinbarung ersetzt wurde. Nach Art. 18 RK muß für die Ablösung von Staatsleistungen „rechtzeitig zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Reich ein freundschaftliches Einvernehmen herbeigeführt werden“. Ein solches Einvernehmen ist bisher weder mit dem Deutschen Reich noch mit der Bundesrepublik Deutschland hergestellt worden. Hessen hat seine Ablösung ohne jede Fühlungnahme mit dem Bund durchgeführt. Allerdings hat der Heilige Stuhl durch seine Beteiligung an dem Vertrag dieses Vorgehen stillschweigend gebilligt. Es kann daher nicht unter Berufung auf das Außerachtlassen des in Art. 18 Abs. 1 RK vorgesehenen Verfahrens bei der Ablösung von Staatsleistungen die Nichtigkeit des Vertrags behauptet werden68. Der Apostolische Nuntius hatte zwar versucht, die Bundesregierung einzuschalten. Er unterrichtete am 10. Dezember 1962 das Auswärtige Amt davon, daß die hessischen Bistümer einen Vertrag mit Hessen u. a. über die Ablösung von Staatsleistungen schließen wollten. Der Heilige Stuhl sehe kein Hindernis, ausgenommen Art. 18 Abs. 1 RK. Der Nuntius bat das Auswärtige Amt, die Angelegenheit zu prüfen und ein freundschaftliches Einvernehmen gemäß Art. 18 Abs. 1 RK herbeizuführen. Das war ein Angebot des Heiligen Stuhles an die Bundesregierung, in Verhandlungen mit dem Heiligen Stuhl gemäß Art. 18 Abs. 1 RK einzutreten. Das Auswärtige Amt ging indes darauf nicht ein. Es erklärte am 28. Januar 1963 nichtssagend, es begrüße die Absicht der Vertragspartner in Hessen „in der Annahme, daß die zu treffenden Absprachen eine beide Teile befriedigende Regelung ermöglichen“. Mit dieser Ablehnung hatte jedenfalls der Heilige Stuhl Art. 18 Abs. 1 RK Genüge getan. Die Verträge Bayerns mit München, Würzburg und Eichstätt von 1955, 1961 und 1964 lehnen sich an Art. 10 § 1 Buchst. e und g des Bayerischen Konkordats an und vollziehen eine Teilablösung. Auch hier stellte sich die Frage, wie eine Ablösung ohne Vorliegen der nach Art. 18 Abs. 1 RK einvernehmlich festzulegenden Grundsätze vor sich gehen solle. Die Apostolische Nuntiatur teilte dem Auswärtigen Amt am 11. April 1964 mit, die Diözese Eichstätt beabsichtige, einen Vertrag mit dem Freistaat Bayern über eine Teilablösung der auf Art. 10 § 1 Buchst. g Abs. 1 BayK beruhenden Staatsleistungen zu schließen. Da die Materie nach Art. 18 Abs. 1 RK ein Einvernehmen zwischen dem Heiligen Stuhl und der Bundesregierung erfordere, bitte die Apostolische Nuntiatur um das Einverständnis der Bundesregierung. Das Auswärtige Amt begrüßte in der Verbalnote vom 21. Juli 1964 die Absicht der Ablösung „in der Annahme, daß die zu treffende Absprache eine beide Teile befriedigende Regelung ermögliche“. Der Vertrag wurde dann am 31. 8./30. 9./22. 10. 1964 unterzeichnet. § 5 enthielt den Genehmigungsvorbehalt des Apostolischen Stuhles. Die Apostolische Nuntiatur erklärte am 26. November 1964 ihr Einverständnis. Von dem Angebot irgendwelcher Verhandlungen zwischen dem Heiligen Stuhl und der Bundesregierung zur Herbeiführung eines Einverneh68 Fr. Pitzer, Der Vertrag des Landes Hessen mit den katholischen Bistümern in Hessen: Die öffentliche Verwaltung 16, 1963, 862 f.

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mens über die Grundsätze der Ablösung war in dem Schreiben des Nuntius vom 11. April 1964 nicht mehr die Rede, was freilich nach dem Verhalten der Bundesregierung auf die erste Offerte verständlich ist. In dem Vertrag vom 28. Februar 1963 sind dagegen die Ansprüche der Kirchengemeinden nicht abgelöst worden, sondern die Bistümer haben das Land nur von seiner Verpflichtung gegenüber den Kirchengemeinden freigestellt und sich bereit erklärt, auf eine Entlassung des Landes aus den Verbindlichkeiten gegenüber den Kirchengemeinden innerkirchlich hinzuwirken69. Anders war anscheinend die kirchliche Rechtsauffassung. Am 9. Februar 1963 unterrichtete der Apostolische Nuntius das Auswärtige Amt von der Absicht der bayerischen Bistümer, einen Vertrag mit dem Freistaat Bayern über die Erfüllung der staatlichen Baupflicht an Pfarrgebäuden abzuschließen und dadurch eine Teilablösung vorzunehmen. Der Nuntius bat das Auswärtige Amt, sein Einverständnis zu erklären, „falls es dieses für erforderlich hält“. Der Antrag auf Versorgung der verdrängten und heimatvertriebenen Kirchenbeamten wurde, wie erwähnt, ebenfalls auf Art. 4 Abs. 1 PrK gestützt. Er hätte vom Heiligen Stuhl als dem Vertragspartner des Preußischen Konkordats ausgehen können. Es muß aber auch als zulässig angesehen werden, daß die Diözesanbischöfe stellvertretend für die Destinatäre der Dotation handelten. Sie nahmen dabei die Verantwortung für den Unterhalt der in ihren Diözesen sich aufhaltenden Priester wahr oder handelten aus ihrer Pflicht zur Solidarität mit allen Gliedern der katholischen Kirche in Deutschland. Ebenso ist die Berechtigung der Bischöfe, Vereinbarungen mit dem Staat zu treffen, die die Versorgung der verdrängten und heimatvertriebenen Geistlichen und Kirchenangestellten sicherstellen sollen, nicht zu bezweifeln. Bei den Verhandlungen über die Dotation der ostdeutschen Kirchenverwaltungen wurde der Heilige Stuhl am Ende eingeschaltet. Die Bundesregierung unterrichtete am 26. Februar 1958 die Apostolische Nuntiatur durch eine Verbalnote von ihrer Bereitschaft, dem Antrag der katholischen Kirche in der Bundesrepublik zu willfahren und eine Dotation für die in der Bundesrepublik befindlichen ostdeutschen Kirchenverwaltungen zu zahlen. Mit den Staatsleistungen gehört zum kirchlichen Vermögensrecht die Kirchensteuer. Das Reichskonkordat hatte das Recht der Kirche, Steuern zu erheben, gewährleistet (Schlußprotokoll zu Art. 13). Das Niedersächsische Konkordat garantierte es von neuem (Art. 14 Abs. 1). Es sah ausdrücklich den Abschluß einer Vereinbarung zwischen der Landesregierung und den Diözesen zur näheren Regelung vor (Art. 14 Abs. 3). Am 12. und 20. November 1971 wurde eine solche getroffen. Grundlegend für die Vermögensfähigkeit der kirchlichen Verbände ist ihre Rechtsfähigkeit. Das Preußische Konkordat sah vor, daß „die staatliche Mitwirkung bei der Bildung und Veränderung von Kirchengemeinden“ „nach Richtlinien“ erfolgt, „die mit den Diözesanbischöfen vereinbart werden“ (Art. 3 S. 2). Das 69

Scheven, Staatskirchenverträge, 646.

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Reichskonkordat wiederholte diese Bestimmung (Art. 12 S. 2). Die nordrheinwestfälische Vereinbarung über die staatliche Mitwirkung bei der Bildung und Veränderung katholischer Kirchengemeinden 1960 wurde dann in Durchführung des Art. 3 S. 2 des Preußischen Konkordats und Art. 12 S. 2 des Reichskonkordats abgeschlossen, wie in der Präambel eigens erklärt wird. Mit der Polizeiseelsorge wird dagegen ein konkordatsfreier Raum betreten. Sie ist nicht in dem herkömmlichen Begriff der Anstaltsseelsorge enthalten. Diese umfaßt Krankenhäuser, Strafanstalten und sonstige Häuser der öffentlichen Hand (Art. 28 RK) bzw. Straf-, Pflege-, Erziehungs- und Krankenanstalten (Art. 11 BayK). In dem nordrhein-westfälischen Vertrag über die Polizeiseelsorge liegt daher eine typische Vereinbarung vor, die in den Zuständigkeitsbereich der Diözesanbischöfe fällt und Konkordatsrecht nicht tangiert. Wenn die Bischöfe die Seelsorge bei der Polizei organisieren, handeln sie auf Grund ihrer ordentlichen Gewalt als Leiter ihrer Diözesen. Die Mitwirkung des Heiligen Stuhles bei dem Abschluß einer darauf gerichteten Vereinbarung ergibt sich allein aus dessen Anspruch, grundsätzlich alle Verträge mit dem Staat genehmigen zu müssen.

IV. Mitwirkung des Heiligen Stuhles 1. Im allgemeinen Das Erfordernis der Mitwirkung des Heiligen Stuhles bei dem Abschluß von Vereinbarungen zwischen Ländern und Bischöfen steht fest. Die Art der Mitwirkung kann jedoch verschieden sein. Die geringfügigste Weise besteht darin, daß der Heilige Stuhl von den beteiligten Bischöfen über die Absicht, in Verhandlungen mit der Staatsregierung einzutreten, unterrichtet und während der Verhandlungen auf dem laufenden gehalten wird. Hierbei kann sich der Heilige Stuhl rein rezeptiv verhalten oder durch Vorschläge und Weisungen an die Bischöfe die Verhandlungen beeinflussen. Stärker ist seine Beteiligung, wenn er die Bischöfe auffordert, die Initiative zum Abschluß einer Vereinbarung zu ergreifen, oder wenn er den Antrag von Bischöfen, Schritte unternehmen zu dürfen, die auf den Abschluß eines Vertrages gerichtet sind, genehmigt. In beiden Fällen sind die Bischöfe ermächtigt, Vertragsverhandlungen einzuleiten. Bei dieser Ermächtigung können die Gegenstände, die in dem Vertrag geregelt werden sollen, festgelegt oder noch offengelassen werden. Die endgültige Bestimmung des Vertragsinhalts erfolgt vielfach erst im Laufe der Verhandlungen und ist von dem Heiligen Stuhl zu genehmigen. Regelmäßig wird der Heilige Stuhl schon in der ersten Phase zu verstehen geben, was seiner Ansicht nach bei den Verhandlungen von kirchlicher Seite erreicht werden soll und konzediert werden kann. Eine weitere Stufe der Mitwirkung des Heiligen Stuhles wird erreicht, wenn die in Verhandlungen stehenden Bischöfe die jeweils ausgehandelten Regelungen dem Heiligen Stuhl zur Billigung vorlegen. Auf diese Weise wird gewährleistet, daß der Heilige Stuhl nicht nach Abschluß der Ver-

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handlungen vor vollendete Tatsachen gestellt wird, wenn er seine Genehmigung zu dem Vertragswerk geben soll, mit all den unangenehmen Folgen, die eine solche Schaffung eines fait accompli für alle Beteiligten haben kann. Die Erteilung der Genehmigung zur Unterzeichnung ist eine weitere Weise, wie der Heilige Stuhl bei dem Zustandekommen von Bischofsverträgen mitwirken kann. Die letzte Stufe besteht darin, daß das Inkrafttreten der Vereinbarung von der Zustimmung des Heiligen Stuhles abhängig gemacht wird. Die hier angesprochene Zustimmung ist eine Approbation im strengen Sinn70, d. h. ein formelles rechtliches Gültigkeitserfordernis, eine Voraussetzung für das rechtswirksame Zustandekommen des Vertrages. Das Erfordernis der Zustimmung des Heiligen Stuhls hebt indes den Vertrag nicht auf die Ebene des Völkerrechts. Er bleibt auf der Basis der innerstaatlichen Koordinationsrechtsordnung. Die Notwendigkeit der Zustimmung des Heiligen Stuhls ändert auch nichts daran, daß der kirchliche Partner des Vertrags die katholischen Bistümer sind. Der Heilige Stuhl wird nicht Partner des Landes71. Wenn ein Vertrag zwischen dem Staat und den Bistümern abgeschlossen wird, der der Zustimmung des Heiligen Stuhls bedarf, wird die Bindung der beiden Partner gewiß nur durch die Mitwirkung eines Dritten, eben des Heiligen Stuhls, erreicht. Aber dieser ist nicht „dritter Partner“, wie irrigerweise behauptet wurde72. Die Zustimmung eines übergeordneten Oberen kann auf zweifache Weise erteilt werden, als Einwilligung und Genehmigung. Einwilligung und Genehmigung müssen grundsätzlich als gestaltende Verwaltungsakte mit konstitutiver Wirkung angesehen werden. Die erstere wird vor der Vornahme des Vertragsschlusses, die letztere nach ihr erteilt. Die Einwilligung erscheint bei dem Abschluß von Verträgen regelmäßig in der besonderen Form der Ermächtigung. Diese verleiht eine Fähigkeit, im Unterschied zu der Erlaubnis, die ein Dürfen beinhaltet. Die Notwendigkeit der Einwilligung beläßt der Oberbehörde die Entscheidung darüber, ob überhaupt ein Vertrag abgeschlossen werden soll. Ohne die Ermächtigung besitzt der Vertrag keine rechtliche Verbindlichkeit für beide Seiten. Wird sie nach Abschluß des Vertrages erteilt, ist anzunehmen, daß der Vertrag ex nunc wirksam wird. Das Erfordernis der Genehmigung setzt die Oberbehörde instand, den fertigen Vertrag in seinem gesamten Umfang und nach allen Seiten hin zu prüfen. Die Rechtswirkungen treten erst mit der Genehmigung ein. Solange sie fehlt, ist die Willenserklärung jenes Partners, der 70 Vgl. H. Socha, Die rechtliche Bedeutung der hoheitlichen Bestätigung klösterlicher Satzungen, in: A. Scheuermann/G. May (Hrsg.) lus sacrum. Klaus Mörsdorf zum 60. Geburtstag, München, Paderborn, Wien 1969, 421 – 439. 71 Die Bistümer sind daher auch gemeint, wenn nach Art. VII des Vertrags mit Hessen 1963 etwa in Zukunft auftretende Meinungsverschiedenheiten über die Auslegung einer Bestimmung des Vertrages durch die „Vertragschließenden“ auf freundschaftliche Weise beseitigt werden sollen. Dabei kann durchaus wieder die Notwendigkeit entstehen, die Genehmigung des Heiligen Stuhles einzuholen. 72 Scheven, Staatskirchenverträge, 645.

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ihrer bedarf, unvollständig73. Der Heilige Stuhl hat es in der Hand, durch öffentliche Verwerfung eines ohne seine Zustimmung abgeschlossenen Bischofsvertrages diesen um seine Wirkung zu bringen. Wenn der Heilige Stuhl mit seiner Genehmigung die Vereinbarung autoritativ bekräftigt hat, haben die Bischöfe nicht mehr das Recht, sie im Einvernehmen mit dem staatlichen Partner allein, ohne Beteiligung des Heiligen Stuhles, zu ändern oder aufzuheben. Änderung oder Aufhebung bedarf vielmehr ebenso seiner Genehmigung. Das Erfordernis der Genehmigung eines öffentlich-rechtlichen Vertrags durch eine vorgesetzte Behörde ist übrigens auch im staatlichen Bereich wohlbekannt. Die Genehmigung der Aufsichtsbehörde ist für die Rechtswirksamkeit des Vertrags erforderlich. Auf diese Weise vermag die Aufsichtsbehörde mittelbar Einfluß auch auf den Inhalt des Vertrags zu nehmen74. 2. Im einzelnen a) Autorisation des Heiligen Stuhles Die meisten der oben erwähnten Vereinbarungen von Bischöfen mit Staatsregierungen wurden mit ausdrücklicher Ermächtigung und Genehmigung des Heiligen Stuhles geschlossen. Allerdings wird die Zustimmung des Heiligen Stuhles zu der Tatsache des Vertragsschlusses und zu dem Inhalt der Vereinbarung nicht in jedem Fall in dem Vertragstext erwähnt. (1) Innerhalb des Vertragstextes Die Erwähnung der päpstlichen Ermächtigung zum Eintreten in Vertragsverhandlungen und zum Abschluß einer Vereinbarung zeigt, daß das Erfordernis, diese einzuholen, auf Grund der kirchlichen Rechtsordnung nach innen und außen besteht. Die beiden Partner geben durch die Nennung zu erkennen, daß sie um seine Notwendigkeit wissen. Anfangs wurde die vorgängige Ermächtigung des Heiligen Stuhles zu dem Eingehen des Vertrages nicht erwähnt, sondern nur die Genehmigung der vorliegenden Vereinbarung. Am 8. Juli 1954 beauftragte der Apostolische Nuntius gemäß den Anweisungen des Heiligen Stuhls den Erzbischof und das Metropolitankapitel von Köln, mit der Regierung von Nordrhein-Westfalen eine Vereinbarung über die Regelung der Eigentumsverhältnisse der Grundstücke für eine erzbischöfliche Residenz und die

73 Eine gewisse Analogie bietet das Verfahren zur Überprüfung der Beschlüsse von Plenarund Provinzialkonzilien. Diese dürfen erst verkündet werden und erlangen mithin Rechtskraft, nachdem sie von dem Heiligen Stuhl geprüft und bestätigt sind (c. 291, § 1 CIC). 74 E. Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts. 1. Bd.: Allgemeiner Teil, 8. Aufl., München, Berlin 1961, 256.

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Domkurien abzuschließen, wie sie in dem Entwurf vom 27. Juni 1954 dem Heiligen Stuhl vorgelegt wurde. Das war eine formelle Ermächtigung. § 7 des Vertrags zwischen dem Erzbistum München und Freising und dem bayerischen Staat vom 28. September 1955 sieht vor, daß die Vereinbarung erst rechtskräftig wurde, „wenn die gegenseitige Zustimmung zu diesem Vertragsinhalt zwischen der Bayerischen Staatsregierung und der Apostolischen Nuntiatur durch einen Notenwechsel erfolgt ist“. Die bayerische Regierung bat am 3. November 1955 den Apostolischen Nuntius um die Erklärung seines Einverständnisses. Diese Erklärung erfolgte am 5. November 1955. Hier wurde eine formelle Genehmigung des Heiligen Stuhles eingeholt. Das in diesem Fall angewendete Verfahren griff in der Folgezeit bei zahlreichen Vereinbarungen zwischen Ländern und Bischöfen Platz. In § 8 des nordrhein-westfälischen Domkurienvertrages von 1958 hieß es präzise: „Dieser Vergleich wird vorbehaltlich der Genehmigung des Heiligen Stuhles und der Bestätigung durch ein Landesgesetz abgeschlossen. Er tritt mit dem Tage in Kraft, an dem beiden Parteien die Erklärung der Gegenseite zugegangen ist, die in ihrem Rechtsbereich hierfür erforderlichen Voraussetzungen seien erfüllt.“ Der Kultusminister des Landes Nordrhein-Westfalen gab am 20. Mai 1958 bekannt, am 20. Mai 1958 sei die letzte der in § 8 Satz 2 der Vereinbarung vorgesehenen Erklärungen zugestellt worden und die Vereinbarung damit an diesem Tage in Kraft getreten75. Tatsächlich hatte der Heilige Stuhl nicht nur die fertig vorliegende Vereinbarung genehmigt. Vielmehr erteilte er bereits dem Textentwurf vom 10. Dezember 1957 seine Genehmigung. Daraufhin gab der Apostolische Nuntius am 31. Dezember 1957 den kirchlichen Partnern „die Autorisation zum Abschluß und zur Unterzeichnung der Vereinbarung“. An demselben Tage machte er der Landesregierung davon Mitteilung. Der Ministerpräsident war mit diesem Verfahren allerdings nicht ganz einverstanden. Er schrieb am 22. Januar 1958 dem Nuntius: „Wenn auch der Wortlaut des § 8 wegen des Ausdrucks ,vorbehaltlich‘ eine Genehmigung erwarten läßt, die erst nach Unterzeichnung der Vereinbarung erteilt wird, darf ich aus der Verbalnote doch entnehmen, daß rechtliche Vorbehalte aus dem Zeitpunkt jener Genehmigung nicht hergeleitet werden sollen, falls nur der Text der unterzeichneten Vereinbarung mit dem Text des obengenannten Entwurfs (sc. vom 10. 12. 1957) übereinstimmt.“ Auch der Vertrag zwischen dem Bischof und dem Domkapitel zu Hildesheim und der katholischen Pfarrgemeinde Hl. Kreuz in Dorstadt sowie dem Allgemeinen Hannoverschen Klosterfonds vom 23. Mai 1958 enthielt in § 9 Abs. 1 einen Genehmigungsvorbehalt. Am 4. März 1959 unterrichtete die Apostolische Nuntiatur die Landesregierung von Niedersachsen, daß die Genehmigung des Heiligen Stuhles erteilt worden sei. In dem Vertrag mit der Diözese Würzburg vom 19. Mai 1961 findet sich in § 7 der Genehmigungsvorbehalt des Heiligen Stuhles. Die bayerische 75 Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Nordrhein-Westfalen, Ausgabe A, 1958, S. 281.

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Regierung bat die Apostolische Nuntiatur um die Erklärung des Einverständnisses. Diese wurde am 4. Juli 1961 abgegeben. Die beiden Verträge der hessischen Bischöfe mit dem Land Hessen von 1963 und 1974 heben dagegen sowohl Ermächtigung als auch Genehmigung des Heiligen Stuhles im Text hervor. In beiden Vereinbarungen wird in der Präambel erwähnt, der Vertrag werde „mit Zustimmung des Heiligen Stuhles“ geschlossen. Art. VIII bzw. Art. 13 behält das Inkrafttreten des Vertrages der Erklärung der Zustimmung des Landes Hessen und der Apostolischen Nuntiatur „im Namen des Heiligen Stuhles“ vor. Der Ministerpräsident von Hessen machte am 7. August 1963 bekannt, daß die Apostolische Nuntiatur dem Vertrag zugestimmt habe und der Vertrag zwischen dem Land und den hessischen Bischöfen am 31. Juli 1963 in Kraft getreten sei76. Dasselbe geschah 197477. Das Inkrafttreten des Vertrages wurde nicht generell, sondern regelmäßig nur bei besonders gewichtigen Vereinbarungen von der erklärten Zustimmung des Heiligen Stuhles abhängig gemacht. In anderen Fällen begnügte man sich mit der einfachen Erwähnung des Einverständnisses des Heiligen Stuhles. So gedenkt die Vereinbarung zwischen dem Land Rheinland-Pfalz und den katholischen Bistümern vom 26. August 1964 über die Erteilung des katholischen Religionsunterrichts an Volksschulen in der Präambel der Ermächtigung des Heiligen Stuhles zu ihrem Abschluß und seiner Einwilligung zu ihrem Inhalt mit den Worten „handelnd mit Zustimmung des Heiligen Stuhles“. Die Vereinbarung des bayerischen Staates mit der Diözese Eichstätt vom 31.8./ 30.9./20. 10. 1964 dagegen enthält wieder in § 5 den Genehmigungsvorbehalt. Die Apostolische Nuntiatur erklärte am 26. November 1964 das Einverständnis des Heiligen Stuhles. Das doppelte Erfordernis der vorgängigen Ermächtigung zu dem Eintritt in Vertragsverhandlungen und der Genehmigung der unterzeichneten Vereinbarung tritt deutlich zutage in der Vereinbarung über die katholische Seelsorge im Bundesgrenzschutz zwischen der Bundesregierung und den katholischen Bischöfen in der Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Kardinal Frings, vom 29.7./12. 8. 1965. Dort heißt es in der Präambel, die Bischöfe schlossen die Vereinbarung „nach Zustimmung des Heiligen Stuhls“. § 20 sieht das Inkrafttreten vor, „wenn die Apostolische Nuntiatur im Namen des Heiligen Stuhls gegenüber der Regierung der Bundesrepublik Deutschland ihre Bestätigung zu dem Vertragsinhalt durch eine Note gegeben hat“. Diese Note erging am 13. September 1965. Die Vereinbarung zwischen dem Land Hessen und den hessischen Bistümern über die Gestellung von hauptamtlichen geistlichen Religionslehrern vom 1. Dezember 1966 enthält die allmählich stereotyp werdende Formel „handelnd mit Zustimmung des Heiligen Stuhles“, unterscheidet also nicht zwischen den Verhand76 77

Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Hessen, 1963, S. 116. GVBl. I, S. 521.

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lungen vorausgehender und ihnen nachfolgender Zustimmung des Heiligen Stuhles. Es ist anzunehmen, daß der Heilige Stuhl sich im vorhinein über die angestrebte Regelung unterrichten ließ. Da Bedenken nicht vorlagen und der Spielraum der Verhandlungen von vornherein abgesteckt war, verzichtete er wohl auf eine Prüfung des Verhandlungsergebnisses. Da das Inkrafttreten der Vereinbarung nicht von der nachgängigen Zustimmung des Heiligen Stuhles abhängig gemacht wurde, trat sie ohne eine solche, und sogar rückwirkend, in Kraft. Bei dem Eingehen der Vereinbarung über die Seelsorge an Vollzugsanstalten in Hessen vom 21.2./27.2./10. 4. 1967 handelten die Bischöfe von Limburg und Mainz ebenso „mit Zustimmung des Heiligen Stuhles“ wie die niedersächsischen Bischöfe bei dem Abschluß des niedersächsischen Gestellungsvertrags vom 19. September 1967. Die saarländische Vereinbarung vom Oktober 1969 über Gestellungsverträge zur Erteilung des katholischen Religionsunterrichts und die Vereinbarung mit Hessen über den Religionsunterricht 1973 übernahmen die erwähnte Formel. Nicht immer läßt der Wortlaut eines Vertrages ohne weiteres erkennen, daß zu seinem Abschluß die Zustimmung des Heiligen Stuhles vorgelegen hat. Die nordrhein-westfälische Vereinbarung über die Polizeiseelsorge vom Juli 1962 enthält in der Präambel die Wendung: „vertreten durch die gemäß kanonischem Recht dazu befugten Ordinarien“. Der Sinn dieser Worte ist, auszudrücken, daß die Vereinbarung mit Zustimmung des Heiligen Stuhles abgeschlossen wurde, weil nach der Rechtsauffassung des Heiligen Stuhles ein ohne sein Zutun abgeschlossener Bischofsvertrag dem kanonischen Recht widerspräche. (2) Außerhalb des Vertragstextes Nicht selten wird die Zustimmung des Heiligen Stuhles zu dem Vertrag von Bischöfen mit dem Staat in dem Text desselben nicht erwähnt. Als vom Heiligen Stuhl autorisiert müssen gelten die zu dem Niedersächsischen Konkordat gehörigen Vereinbarungen zwischen den niedersächsischen Bischöfen und der Landesregierung über die Pädagogischen Hochschulen in Hildesheim und Osnabrück aus den Jahren 1965 und 1967 sowie der Briefwechsel vom Februar 1965. Ihr Inhalt war angeblich nicht geeignet, in das Konkordat aufgenommen zu werden. Diese Nebenabreden, die dem Landtag teilweise als Anlagen zu dem Konkordat mitgeteilt wurden, erfolgten im Einverständnis mit dem Heiligen Stuhl. In den Texten ist diese Zustimmung jedoch nicht niedergelegt. Auch die Vereinbarung der niedersächsischen Landesregierung vom 10. Dezember 1968 über Fragen der Kirchensteuer war von Art. 14 Abs. 3 des Niedersächsischen Konkordats vorgesehen und insofern autorisiert worden. Der Heilige Stuhl war mit ihrem Inhalt einverstanden, obwohl dieses Einverständnis in dem Vertrag nicht festgehalten ist. Dasselbe gilt für die Zusatzvereinbarung vom 21. Oktober 1969. Der Abschluß „einer gesonderten Vereinbarung“ zwischen dem Freistaat Bayern und der Erzdiözese München und Freising, der am 18. August 1969 erfolgte, war in Art. 3 des Vertrags zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Freistaat Bayern über die

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Auflösung der Philosophisch-Theologischen Hochschule Freising autorisiert worden, auch wenn das in der Vereinbarung nicht ausdrücklich hervorgehoben wird. Über die Verhandlungen, die zu dem Abschluß des Berliner Protokolls vom 2. Juli 1970 führten, wurde der Heilige Stuhl auf dem laufenden gehalten. Er hat auch intern sein Einverständnis erklärt. Zu dem Vertrag über die Errichtung einer Stiftungsprofessur an der katholisch-theologischen Fakultät in Mainz vom 8. November 1971 gab der Heilige Stuhl seine Zustimmung durch Schreiben vom 28. August 1971. Die Vereinbarung selbst erwähnt sie nicht. b) Fehlende Autorisation des Heiligen Stuhles Einige Vereinbarungen wurden ohne Autorisation des Heiligen Stuhles abgeschlossen. Bei den einen war er unterrichtet, bei anderen nicht. (1) Mit Wissen des Heiligen Stuhles Der Heilige Stuhl wußte um den Abschluß der Vereinbarung von 1969 zwischen dem Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg einerseits, den Bischöfen von Freiburg und Rottenburg sowie den protestantischen Landesbischöfen in Württemberg und Baden anderseits. Aber er konnte aus mehreren Gründen nicht als Kontrahent auftreten. Einmal sind Landesbischöfe evangelischer Landeskirchen keine ebenbürtigen Partner neben dem Heiligen Stuhl. Der Repräsentant der katholischen Gesamtkirche steht auf einer anderen Ebene als die Leitungsorgane protestantischer Gemeindeverbände. Zum anderen tritt der Heilige Stuhl bei Verträgen mit dem Staat diesem grundsätzlich allein gegenüber. Er tut sich nicht mit heterodoxen Gemeinschaften zusammen. Schließlich fand der Heilige Stuhl die damalige Verabredung inhaltlich als nicht ausreichend. Er wollte durch seine Zustimmung nicht eine Regelung sanktionieren, die Präzedenzwirkung hätte haben können. Fünf Jahre später war freilich die Entwicklung in der Kirche so weit gediehen, daß der Heilige Stuhl in dem Hessischen Bistumsvertrag von 1974 Abreden zustimmte, die weit hinter jenen in Baden-Württemberg zurückblieben. Über die Verwaltungsvereinbarung zwischen dem Land Berlin und dem Bistum Berlin von 1968/69 betreffend die Kirchensteuer wurde der Heilige Stuhl informiert. Eine Autorisation oder Bestätigung hat er nicht ausgesprochen. (2) Ohne Wissen des Heiligen Stuhles Eine Reihe von Vereinbarungen wurde durch Bischöfe abgeschlossen, ohne daß der Heilige Stuhl davon informiert wurde. Er gab teilweise in deutlich gehaltenen Schreiben zu verstehen, daß er in diesem Übergehen eine Verletzung geltenden Rechts erblicke.

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Der Vertrag des Bistums Limburg mit Hessen vom 20. Juli 1952 zur Errichtung eines Stiftungslehrstuhls in Frankfurt/M.78 erfolgte ohne jede Beteiligung des Heiligen Stuhles. Wie sehr dieser den Vorgang als eine ihm vorbehaltene Sache ansieht, erkennt man aus der Tatsache, daß in einem vergleichbaren Fall, nämlich zur Errichtung eines Lehrstuhls für katholische Theologie an der Universität Saarbrücken, am 9. April 1968 ein Vertrag zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Saarland abgeschlossen wurde79. Die Vereinbarung zwischen dem Bischof, dem Domkapitel und der Domkirche von Hildesheim und dem Land Niedersachsen vom 29. August 1957 über Ablösung finanzieller Leistungen des Landes wurde ebenfalls ohne Wissen und erst recht ohne vorgängige Autorisation des Heiligen Stuhles geschlossen. Nachträglich machte das Generalvikariat Hildesheim der Apostolischen Nuntiatur Mitteilung und bat um Genehmigung. Der Heilige Stuhl wies, wie aus dem Schreiben der Apostolischen Nuntiatur vom 18. Dezember 1957 an den Bischof von Hildesheim hervorgeht, in seiner Antwort darauf hin, daß der Bischof von Hildesheim „den vorgeschriebenen Weg nicht eingehalten“ und „besonders in Ermangelung der notwendigen Autorisation nicht für einen besonderen Vorbehalt der Rechte des Heiligen Stuhles – etwa durch eine der Vereinbarung angefügte Klausel – Sorge getragen habe“. Wegen der schwierigen Situation habe aber der Papst „die erbetene Sanation gewährt und der Vereinbarung seine Zustimmung erteilt“. Aus diesem Schreiben ergibt sich, daß der Heilige Stuhl in der Einholung seines Einverständnisses zu dem Abschluß von Verträgen mit dem Staat nicht nur ein (mit Nichtigkeitssanktion bewehrtes) Formerfordernis, sondern eine Rechtspflicht der Bischöfe gegenüber dem Papst sieht. Das Abkommen über die verdrängten Kirchenbeamten von 1951 bzw. 1958 mit der Bundesrepublik Deutschland wurde ebenfalls ohne Wissen des Heiligen Stuhles geschlossen. Vermutlich hätte er sich aber daran nicht beteiligen wollen, weil es gleichzeitig mit der Evangelischen Kirche in Deutschland und den katholischen Bistümern eingegangen wurde. Zumindest zu der damaligen Zeit hätte es der Heilige Stuhl abgelehnt, an der Seite eines nicht gleichberechtigten Partners dem Staat als Kontrahent gegenüberzutreten. Über die Vereinbarung zwischen dem Freistaat Bayern und den sieben bayerischen Diözesen vom 1./29. Juli 1958 und die Verwaltungsvereinbarung über Religionslehrer an Berufsschulen vom 26.3./8. 4. 1959 zwischen Hessen und dem Bistum Limburg war der Heilige Stuhl wiederum nicht unterrichtet. Ebenso kam ihm die nordrhein-westfälische Vereinbarung über die katholischen Kirchengemeinden vom Oktober 1960 erst nach Abschluß zur Kenntnis. Auch der rheinland-pfälzische Gestellungsvertrag vom 1. April 1964 wurde ohne Information des Heiligen Stuhles abgeschlossen. Durch den Abschluß der gewichtigen Vereinbarung zwischen dem Freistaat Bayern und den sieben Bistümern vom 18. März/19. April 1964 über 78 79

Hollerbach, Verträge, 36. Weber, Konkordate II, 142 f.

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Staatsleistungen wurde der Heilige Stuhl wiederum vor vollendete Tatsachen gestellt. Auch der Vertrag mit Hessen vom 30.8./23. 9. 1966 über die Religionslehrbücher war vom Heiligen Stuhl nicht autorisiert. Er ist freilich ein Beispiel für ein Abkommen, das eine verhältnismäßig so geringfügige Sache zum Gegenstand hat, daß es sich kaum lohnt, den Heiligen Stuhl selbst zu bemühen. Freilich wäre seine Unterrichtung angebracht gewesen. Von dem Trierer Kooperationsvertrag vom 28. September 1970 erfuhr der Heilige Stuhl ebenfalls erst nachträglich. Auch die Vereinbarungen über den Religionsunterricht zwischen dem Land NordrheinWestfalen und den katholischen Diözesen vom 18. Februar 1956 und vom 21. Dezember 1970 wurden dem Heiligen Stuhl erst aus dem kirchlichen Amtsblatts80 bekannt. Von dem Abschluß der Vereinbarung zwischen Bayern und den bayerischen Diözesen über die Vergütung des Religionsunterrichtes vom 12. 9./23. 10. 1973 hat der Heilige Stuhl nichts gewußt. Es zeigt sich, daß das Erfordernis der Zustimmung des Heiligen Stuhles zu Verträgen von Bischöfen mit dem Staat von deutschen Diözesen im Norden und im Süden nicht ganz selten mißachtet wurde, häufiger von bayerischen als von anderen Bistümern, und zwar meist dann, wenn die Federführung zu einem Vertrag bei dem Erzbischof von München und Freising lag. Dieses Übergehen des Heiligen Stuhles reicht bis in die jüngste Zeit. Es ist nicht bekannt, ob der Heilige Stuhl in allen Fällen des Verstoßes gegen das geltende Recht bei den zuständigen Ortsoberhirten vorstellig geworden ist. Sicher ist dagegen, daß er auf dem Erfordernis, seine Zustimmung vor Beginn der Verhandlungen und zu den ausgehandelten Bestimmungen einzuholen, besteht.

V. Ergebnisse Die vorstehenden Ausführungen lassen sich folgendermaßen zusammenfassen. 1. Vorbehalt des Heiligen Stuhles Der Heilige Stuhl hält nach wie vor an dem Grundsatz fest, daß der Abschluß von Verträgen mit den Staatsregierungen ihm zusteht, und zwar wenigstens in der Weise, daß ohne seine irgendwie geartete Zustimmung keine Vereinbarung Bestand hat. Dabei spielt es grundsätzlich keine Rolle, ob es sich um die vertragliche Regelung eines einzelnen Punktes oder mehrerer Gegenstände handelt81. Die Ver80

Kirchlicher Anzeiger für die Erzdiözese Köln, 1971, S. 185. Die beiden kleinen Vereinbarungen, die der Heilige Stuhl am 4. Januar 1932 mit dem Freistaat Anhalt abschloß, zeigten die Entschlossenheit des Heiligen Stuhles, die Kirchenpolitik in jedem Fall in der Hand zu behalten, auch wenn es sich nur um geringfügige Materien wie hier (Pensionslasten für katholische Schulen und Staatsleistungen an die Kirchengemeinden) handelte, und den Abschluß von Verträgen der Bischöfe mit dem Staat zu vermeiden. 81

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tragsfähigkeit der Bischöfe ist mithin durch die gewohnheitsrechtliche Übung des Heiligen Stuhles mit Wirkung nach innen und außen eingeschränkt. Der Heilige Stuhl besteht jedoch nicht darauf, jeden Vertrag mit dem Staat selbst abschließen zu wollen. Er ist bereit, untergeordneten Instanzen dafür Freiheit zu lassen, freilich innerhalb des Rahmens, den er zuvor abgesteckt hat. Wenn der Heilige Stuhl einmal eine Vereinbarung mit dem Staat über bestimmte Gegenstände getroffen hat, dann sind diese Gegenstände insoweit der Zuständigkeit untergeordneter hierarchischer Instanzen entzogen. Ihre Kompetenz zum Abschluß von Vereinbarungen kann sich nur innerhalb des Rahmens entfalten, der durch den Vertrag mit dem Heiligen Stuhl festgelegt ist, und auch bei der Ausfüllung dieses Rahmens bedürfen sie der Zustimmung desselben. Denn die etwa von ihnen zu schaffenden Durchführungsbestimmungen greifen zumindest in das Recht des Heiligen Stuhles, zusammen mit dem staatlichen Partner den Vertrag authentisch zu interpretieren, ein. Dieser Eingriff aber setzt eine Ermächtigung voraus. 2. Zulässigkeit von Bischofsverträgen Der Heilige Stuhl ist in manchen Fällen bereit, den Abschluß von Bischofsverträgen zu tolerieren, zu gestatten oder sogar zu veranlassen, wenn er selbst nicht paktieren kann oder will. Er kann nicht selbst als Vertragspartner auftreten, wenn der Staat nicht zu dem Abschluß einer Vereinbarung mit dem Papst bereit ist. Er will nicht selbst einen Vertrag abschließen, der ihm entweder zu große Konzessionen inhaltlicher Art abforderte82 oder der ihn Seite an Seite mit Vertretern untergeordneter Verbände heterodoxer Religionsgemeinschaften aufzutreten zwänge oder dessen Materie allzu geringfügig ist. Den Bischöfen ist es leichter möglich, gemeinsam mit protestantischen Kirchenführern als Partner eines Vertrages mit dem Staat aufzutreten, wie dies in Deutschland sowohl auf der Ebene des Bundes83 als auch der Länder84 geschehen ist. Der Heilige Stuhl muß darauf bedacht sein, daß die Verträge, die er abschließt, einen gewissen Standard nicht unterschreiten. Denn von jedem Vertrag geht eine Präzedenzwirkung aus. Werden in einer Vereinbarung weitergehende Zugeständnisse gemacht als in einer anderen oder als bisher üblich war, dann können sich bei künftigen Verhandlungen leicht Partner auf diese Vereinbarung berufen und für sich dieselben oder womöglich noch größere Konzessionen fordern. Auf diese Weise wird die abschüssige Bahn einer gefährlichen Minimalisierung betreten. Werden solche Verträge dagegen nur von Bischöfen eingegangen, so ist der Heilige Stuhl jedenfalls nicht unmittelbar dafür verantwortlich. Er kann auf seine Prinzipien verweisen, die durch Bischofsverträge nicht tangiert werden. Der Heilige Stuhl pflegt stärker auf dem Grundsätzlichen zu bestehen. Er muß die Wirkung von Verträgen in einem Land auf andere bedenken. Er 82

Das Berliner Protokoll von 1970 z. B. enthält fast nur Minimalvereinbarungen. Hollerbach, Verträge, 58. 84 Hollerbach, Verträge, 58 f. 83

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rechnet mit langen Zeiträumen und zieht daher regelmäßig einen vertragslosen Zustand dem Abschluß eines übereilten oder ungünstigen Vertrags vor. Auch das Subsidiaritätsprinzip scheint auf eine gewisse Einschaltung von Bischöfen bei dem Aufbau eines Vertragssystems zwischen Kirche und Staat zu weisen. Konkordate müssen die Grundfragen des Verhältnisses von Kirche und Staat regeln. Die in ihnen vereinbarten Prinzipien müssen so klar und einläßlich sein, daß ihrer Durchführung keine schwerwiegenden Hindernisse in den Weg treten. Ist dies geschehen, könnte der Heilige Stuhl in jenen Gebieten, wo es sowohl die Verlässigkeit des staatlichen Partners als auch die Eignung der kirchlichen Hierarchie rechtfertigen, eine Ermächtigung aussprechen, die es gestattet, daß die Einzelregelungen in Form von Vereinbarungen zwischen der Regierung und den Bischöfen ergehen. Bischofsverträge sind regelmäßig zur Klärung von Detailfragen ohne prinzipielle Bedeutung ebenso geeignet wie zur (vertraglichen) Durchführung und Ergänzung von Gegenständen, die in Konkordaten in allgemeiner Weise geregelt wurden. Diese Verteilung der Arbeit entspricht der hierarchischen Verfassung der Kirche und wahrt die unterschiedliche Kompetenz der einzelnen Instanzen. Ansätze zu dieser Praxis enthalten Art. 3 und 11 des Preußischen Konkordats und Art. 12 des Reichskonkordats. Die auf solche Weise entstehenden Vereinbarungen sind grundsätzlich im Inhalt und Bestand von den Konkordaten als der übergeordneten Rechtsquelle abhängig.

3. Autorisation und Genehmigung Bei dem Abschluß von Verträgen der Bischöfe mit dem Staat nimmt der Heilige Stuhl grundsätzlich das doppelte Recht in Anspruch, die Bischöfe zu der Aufnahme von Verhandlungen zu ermächtigen und das unterschriftsreife oder unterschriebene Vertragswerk zu genehmigen. Bei allen Staatsverträgen und bei bedeutenderen Verwaltungsabkommen legt er Gewicht darauf, daß sein Recht, der Vereinbarung zuzustimmen, in dem Vertragstext selbst in der Form verankert wird, daß das Inkrafttreten der Vereinbarung von seiner Genehmigung abhängig gemacht wird. In anderen Fällen begnügt er sich mit einer meist in der Präambel vorfindlichen allgemeinen Aussage, daß seine Zustimmung zu dem Abschluß des vorliegenden Vertrages eingeholt worden sei. Bei bestimmten Vereinbarungen tritt der Heilige Stuhl in dem Text überhaupt nicht in Erscheinung. Die Nichterwähnung der Einholung seiner Zustimmung kann darauf beruhen, daß diese nur intern, d. h. ohne Veröffentlichung, eingeholt und erteilt wurde, daß der Heilige Stuhl zwar unterrichtet wurde, sich aber nicht, weder zustimmend noch ablehnend, äußerte oder daß er übergangen wurde. In letzterem Fall hat der Heilige Stuhl das Recht, die Vereinbarung zu verwerfen. Es ist aber in Deutschland kein Fall bekannt geworden, wo er von dieser Befugnis Gebrauch gemacht hätte. Der Vorbehalt der Prüfung, der Ermächtigung und der Genehmigung von Verträgen, die Bischöfe mit den Staatsregierungen abschließen, ist berechtigt und

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grundsätzlich unentbehrlich. Zahlreiche Bischöfe und Bischöfliche Ordinariate sind im Umgang mit dem Recht unerfahren, teilweise geradezu fahrlässig. Es fehlt ihnen vielfach der Blick für die Tragweite und die Auswirkungen von Abmachungen und Formeln. Da sie Konflikte scheuen, neigen sie zu Kompromissen, und zwar nicht selten zu voreiligen, bedenklichen und schädlichen Kompromissen. Es fehlen ihnen regelmäßig Übersicht und Weite des Blicks in gleichem Maße. Sie denken an den Augenblick, nicht an die Zukunft. Ihr Verständnis für Kontinuität ist gewöhnlich schwach ausgebildet. Kenntnisse in der Geschichte gehen ihnen meist ab. Das Bewußtsein der Verantwortung für die Gesamtkirche, die in manchen Dokumenten des Zweiten Vatikanischen Konzils mit starken Worten hervorgehoben wird, ist wenig lebendig. Alle diese Mängel treten bei dem Heiligen Stuhl, jedenfalls wie er bis 1958 war, kaum hervor. Er hat sich in der Vergangenheit regelmäßig als Hort der Weisheit und Zentrum der Geduld bewährt. In der Gegenwart macht sich allerdings die Konnivenz gegenüber unerleuchteten bischöflichen Vorstellungen störend bemerkbar. Festigkeit und Konsequenz sind dem Heiligen Stuhl in bedenklichem Umfang abhanden gekommen. Dennoch sind die Erfahrungen des Heiligen Stuhls für die Bischöfe bei Verhandlungen mit dem Staat auch heute unentbehrlich. In der Ansprache, die der Bischof von Mainz, Kardinal Volk, anläßlich der Unterzeichnung des Vertrages mit Hessen am 29. März 1974 in Wiesbaden hielt, dankte er dem Apostolischen Nuntius „für seine jederzeit verständnisvolle und hilfreiche Mitwirkung“85. 4. Gefahren Der Staat dürfte gerade in den deutschen Verhältnissen nicht ganz selten dem Abschluß von Verträgen mit Bischöfen den Vorzug vor dem Aushandeln von Konkordaten geben. Der Aufwand für den staatlichen Partner ist geringer, wenn er mit den Diözesen als wenn er mit dem Heiligen Stuhl einen Vertrag schließt. Es bedarf keiner Verhandlungen mit dem diplomatischen Vertreter eines Völkerrechtssubjektes. Ein Vertrag mit den Diözesen ist unauffälliger als ein solcher mit dem Heiligen Stuhl. Die Worte „Rom“ und „Papst“ wecken auch heute in Deutschland vielfach Emotionen auf und rufen Aversionen hervor, die für das parlamentarische Schicksal von Konkordaten fürchten lassen. Ein Bischofsvertrag dürfte vor allem dem Protestantismus im allgemeinen leichter akzeptabel sein als ein Konkordat. Die Ähnlichkeit zwischen dem Vertragspartner auf protestantischer Seite, den evangelischen Landeskirchen, erscheint größer, wenn mit den im Land befindlichen Bistümern als wenn mit der universalen Macht des Heiligen Stuhles eine Vereinbarung getroffen wird. Vermutlich denkt die staatliche Seite auch daran, daß die Änderung von Bischofsverträgen leichter zu erreichen sei als von Konkordaten.

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Glaube und Leben Nr. 15 vom 14. April 1974, S. 8.

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Die Gefahren dieser vom Staat vielleicht bevorzugten Form der Vereinbarung sind jedoch nicht zu übersehen. In der Regel dürften Bischöfe bequemere Partner von Vertragsverhandlungen sein als der Heilige Stuhl. Sie sind auf das friedliche Zusammenleben mit dem Staat unmittelbar angewiesen und daher eher zu Konzessionen geneigt. In begreiflicher Ungeduld werden die Bischöfe auch regelmäßig leichter für den Abschluß von Einzelvereinbarungen zu gewinnen sein als der Heilige Stuhl, der eher zuwarten kann, bis die Zeit für eine umfassende Regelung reif ist. Verträge über Einzelgegenstände aber bringen die Gefahr mit sich, daß die Ausgewogenheit des Verhältnisses zwischen Kirche und Staat in Frage gestellt wird. Die Isolierung einer Materie, z. B. der Schule oder des Vermögens, kann das labile Gleichgewichtssystem erschüttern, das regelmäßig zwischen Kirche und Staat besteht. Konkordate mit umfassenden Regelungen gestatten es dagegen, das Geben auf dem einen Gebiet mit dem Nehmen auf einem anderen zu kompensieren. Die evangelischen Kirchen mögen zwar für den Augenblick eine gewisse Genugtuung empfinden, daß dem Staat beispielsweise in Hessen auf katholischer Seite „nur“ die Bistümer und nicht der Heilige Stuhl als Vertragspartner gegenüberstehen. Aber diese vordergründige Befriedigung ist mit schwerwiegenden Nachteilen in der Sache verbunden. Denn Abschluß, Rang und Bestandskraft der Konkordate waren es in der Vergangenheit, die in erheblichem Maß den evangelischen Kirchen den Gedanken des Paktierens mit dem Staat erst nahelegten und ihren Verträgen wenigstens teilweise die Dignität gaben. Der Aufbau eines Koordinationssystems ist wesentlich der Konkordatspraxis zu verdanken, und es ist durchaus denkbar, daß ein etwaiger Rückfall in das System der Subordination, für den es an Anzeichen nicht fehlt, mit dem Abgehen von der Übung, konkordatäre Gesamtvereinbarungen abzuschließen, in ursächlichem Zusammenhang steht.

Die Konkordatspolitik des Heiligen Stuhls von 1918 bis 1974 I. Die Ära der Konkordate unter Pius XI. und Pius XII. 1. Bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges a) Ausgangslage, Motive und allgemeine Charakteristik Der Erste Weltkrieg endete mit einer tiefgehenden Erschütterung des Gefüges der Staaten und Völker. Die Friedensschlüsse in den Jahren ab 1918 brachten keinen gesicherten Frieden unter den Nationen, weil ihnen zu wenig Gerechtigkeit und Weisheit innewohnte. Die Grenzziehungen stimmten vielfach nicht mit den ethnographischen Gegebenheiten überein. Minderheiten wurden weiter unterdrückt. Im Innern zahlreicher Länder wurden Gärung und Unruhe zum Dauerzustand. In den meisten Staaten Europas, die nach dem Ersten Weltkrieg als parlamentarische Demokratien begannen, kamen bald autoritäre Regimes zur Macht. Die Haltung gegenüber der Kirche war im allgemeinen in ersteren durch Labilität, in letzteren durch Willkür gefährdet. Die Kirche befand sich regelmäßig in einer schwachen Position und war auf den guten Willen des staatlichen Partners angewiesen. Die Verfassungsurkunden fast aller Länder enthielten zwar eine Garantie der Freiheit des Bekenntnisses und der Religionsausübung. Aber der Text der Verfassung läßt regelmäßig nicht ohne weiteres erkennen, wie das Verhältnis von Kirche und Staat in der Praxis aussieht. Zuviel hängt von ihrer Auslegung und Anwendung, von den geistigen Kräften, vor allem von der Religiosität des Volkes und der Geistesmacht der Kirche in dem betreffenden Land ab. Die rechtliche Ordnung der Beziehungen von Kirche und Staat ist nur ein Ausschnitt aus der Wirklichkeit dieses Verhältnisses. Sie macht Modelle und Maßstäbe verbindlich, nach denen das Gegenüber von Kirche und Staat gestaltet werden soll, und nur insofern dies geschieht, ist das Verhältnis von Kirche und Staat ein Rechtsverhältnis. Die staatskirchenpolitische Lage darf nicht als die staatskirchenrechtliche Lage angesehen werden. Die Verfassung läßt regelmäßig innerhalb eines bestimmten Rahmens verschiedene Formen des Verhältnisses von Staat und Kirche zu. So stand die verfassungsrechtliche Gewährleistung der Religionsfreiheit in vielen Ländern in scharfem Gegensatz zu der Rechtswirklichkeit. Nicht einmal als privates Freiheitsrecht war sie in manchen Staaten selbstverständlich. Soweit es sich um Rechtsstaaten handelte, konnte der Kirche an der Preisgabe einer maßvollen Verflechtung in den Staat deswegen nicht gelegen sein, weil diese ihr günstige Wirkmöglichkeiten in der Gesellschaft sicherte. Die

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Qualität einer Körperschaft des öffentlichen Rechts erschien der Kirche als verhältnismäßig am besten angemessene Weise, wie sie in der Sphäre des (staatlichen) Rechts ihre Mission erfüllen kann. Eine Anzahl von Ländern entschied sich für die verfassungsrechtliche Trennung von Kirche und Staat. Die Durchführung derselben unterlag jedoch stärksten Unterschieden. Der Begriff „Trennung von Kirche und Staat“ ist überhaupt vieldeutig und deswegen ohne erläuternden Zusatz zur Beschreibung der Verhältnisse im Bereich des Religionsrechts in einem Land unbrauchbar. Die Trennung kann befürwortet werden, um die Kirche von dem Druck des Staates zu befreien, aber auch um sie als Trägerin der Religion zu schwächen. Die Trennung, die ein Rechtsstaat vornimmt, sucht zwar die Beziehungen zu den Religionsgesellschaften nach Möglichkeit zu beenden, verbietet aber nicht die Wirksamkeit derselben; sie schließt nicht einmal die formelle rechtliche Anerkennung einer oder mehrerer Kirchen sowie den Abschluß von Verträgen mit diesen aus. Die Trennungsgesetzgebung vieler Länder nahm sich freilich bewußt oder unbewußt das französische Gesetz vom 9. Dezember 19051 zum Vorbild, das gewiß nicht von Wohlwollen gegenüber der katholischen Kirche eingegeben war. Auf der anderen Seite kann ein staatskirchliches Einheitssystem eine schwere Belastung für eine Kirche werden, sie kompromittieren, ja lähmen. Auch ein Konkordat, das an sich dem Ausgleich zwischen kirchlichen und staatlichen Interessen sowie der Herstellung oder Förderung eines einträchtigen Zusammenwirkens von Kirche und Staat dient, muß sich nicht unbedingt günstig für das kirchliche Leben auswirken. Es hängt zuviel von den mannigfachen Gestaltungskräften und Machtfaktoren innerhalb eines Landes ab, ob ein Rechtsverhältnis zwischen Kirche und Staat der Religion Nutzen oder Schaden bringt. Der CIC hatte die Beziehungen von Kirche und Staat grundsätzlich nicht behandelt und sie nur infolge des Sachzusammenhanges gelegentlich berührt. Das mit den Staaten vereinbarte Recht, auch jenes, das dem CIC widersprach, war aufrechterhalten worden (c. 3 CIC). Die Verhältnisse in den religiös neutralen Staaten wurden, z. B. hinsichtlich der Ehe, in gewissem Umfang berücksichtigt. Die Neuordnung der kirchlichen Verhältnisse in vielen Ländern war nach dem Ersten Weltkrieg eine gebieterische Notwendigkeit. Die Landkarte Europas war, namentlich im Osten und Südosten, tiefgreifend verändert worden. Aus der Konkursmasse des zaristischen Rußlands und der Doppelmonarchie ÖsterreichUngarn war eine große Zahl neuer Staaten entstanden. In anderen Ländern waren territoriale Wandlungen und Wechsel der Staatsformen vor sich gegangen. Die Inflation hatte schwerwiegende finanzielle Umschichtungen zur Folge. Der Apostolische Stuhl suchte die Verhältnisse vor allem durch die Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit den Staaten und durch den Abschluß von Vereinbarungen mit ihnen in den Griff zu bekommen. In der Ansprache im Konsistorium vom 21. November 19212 erklärte Papst Benedikt XV. (1914 – 1922), daß viele 1 2

Giacometti, Quellen 272 – 286. AAS 13 (1921) 521 f.

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ältere Konkordate wegen der staatlichen Veränderungen der letzten Jahre ihre Kraft und Anwendbarkeit verloren hätten. Ein Konkordat habe dann als erloschen zu gelten, wenn die Rechtspersönlichkeit eines Staates nicht mehr identisch sei mit dem Partner, der es seinerzeit mit dem Heiligen Stuhl geschlossen hatte. Die Kirche sei aber bereit, mit den Regierungen in Verhandlungen einzutreten, allerdings ohne Beeinträchtigung ihrer Würde und Freiheit. Damit gab der Papst seine Bereitschaft zu erkennen, neue Konkordate abzuschließen, die den veränderten Verhältnissen Rechnung trügen. Tatsächlich löste die Allokution Benedikts XV. eine Welle von Konkordaten und anderen Verträgen aus, so daß es berechtigt ist, von einer Konkordatsära zwischen den beiden Weltkriegen und darüber hinaus zu sprechen. Der Apostolische Stuhl verfolgte mit dem Abschluß von Konkordaten in erster Linie die Absicht, die Freiheit des religiösen Lebens und die Kirche überhaupt zu sichern, indem er den Staat rechtlich band. Ihm war weiter daran gelegen, daß der Staat die Stellung der Kirche und ihre Ordnung anerkannte. Das Recht des CIC mußte verbreitet und durchgeführt werden. Dies war nicht ohne eine tolerante Haltung der Staaten möglich. Ebenso war eine zufriedenstellende Regelung der res mixtae wie Schule, Religionsunterricht, Ehe, Vereins- und Ordenswesen sowie Vermögen nur in Abstimmung mit dem Staat zu verwirklichen. Erstrangig war dem Heiligen Stuhl dabei die Gewährleistung der religiösen Erziehung der Kinder, vor allem durch die Garantie der Errichtung katholischer Schulen. Sodann mußte die kirchliche Zirkumskription und Organisation den veränderten politischen und staatsrechtlichen Verhältnissen angepaßt werden. Die Grenzziehungen der Friedensverträge hatten zudem zahlreiche neue Minderheitenprobleme geschaffen, die für die Kirche in diesen Ländern die Gefahr schwerer Konflikte mit den nationalistisch gesinnten völkischen Mehrheiten, die den Staat beherrschten, in sich schlossen. Nicht wenige der Konkordate der Nachkriegszeit dienten daher dem religiösen Schutz dieser Minderheiten. Der Heilige Stuhl suchte regelmäßig Vorstöße und Wünsche von Regierungen bezüglich Abmachungen in Einzelpunkten in Verhandlungen über ein möglichst umfassendes Konkordat umzumünzen. Wenn auch die ausgehandelte Regelung häufig nicht befriedigend oder der Inhalt eines Vertrages schmal war, so schien dem Heiligen Stuhl allein die Tatsache, daß er mit einem Staat zum Abschluß einer Vereinbarung gekommen war, ein Gewinn. Denn tatsächlich bestand in nicht wenigen Ländern eine grundsätzliche Abneigung gegen jeden Vertragsabschluß mit der Kirche. Auf dem erreichten Stand konnte bei günstiger Gelegenheit weitergebaut werden. Auf der anderen Seite suchten neue Staaten ihre eben erst gewonnene Existenz durch Verträge mit dem ältesten Souverän Europas zu festigen und zu heben. Das Ansehen des Heiligen Stuhles war seit dem Verlust des Kirchenstaates nicht nur unerschüttert, sondern durch die Wirksamkeit bedeutender Päpste sogar gestiegen. Auch der Heilige Stuhl wollte die neuen Staaten mit seinen Mitteln konsolidieren helfen und hoffte, damit dem Frieden zu dienen. Das liturgische Gebet für das Land z. B. bekräftigte die Verbundenheit von Kirche und Staat und bekundete das Inter-

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esse der Kirche an dessen Wohl. Die Staaten waren weiter an einer überschaubaren und dauerhaften Organisation der katholischen Kirche in ihrem Land, an der Dekkung der kirchlichen Sprengel mit den Staatsgrenzen, an der Einsetzung loyaler Bischöfe und an der Ausbildung eines in nationaler Hinsicht zuverlässigen Klerus interessiert. Vor allem die neuen Staaten legten großen Wert darauf, daß nicht Gebiete oder Klöster in ihrem Land auswärtigen Oberhirten oder Oberen unterstellt wurden bzw. blieben. Der CIC als eine übersichtliche, präzise Quelle des Rechtes der Kirche erleichterte es den Staaten, sich auf den Abschluß von Verträgen mit der Kirche einzulassen. Sie wußten, wozu sie sich verpflichteten, und die Interpretation und die Ausführung konkordatärer Normen wurden erheblich erleichtert. Konkordate sind Systeme gegenseitiger Konzessionen von Kirche und Staat. In der Mehrzahl der Fälle ist die Kirche in höherem Maß der empfangende Teil als der Staat. Daher mieden nach dem Ersten Weltkrieg im allgemeinen die Länder, deren Trennungsprinzip aus einer kirchenfeindlichen Ideologie hervorging, den Abschluß von Konkordaten. Solche wurden regelmäßig von Staaten abgeschlossen, die der Kirche eine öffentlich-rechtliche Stellung zuerkannten. Die in den Konkordaten enthaltenen Normen sind, je für sich betrachtet, Partikularkirchenrecht, bilden aber, im Zusammenhang gesehen, dank ihrer Wiederholung das Substrat eines gemeinen Rechtes, des ius concordatarium über bestimmte Gegenstände. Das Konkordatsrecht der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen war verhältnismäßig homogen; die von ihm verwendeten Rechtsformen und Rechtsinstitute zeigten eine weitgehende Übereinstimmung. Diese Ähnlichkeit leitete sich aus zwei Wurzeln her. Einmal ging die Kirche bei Verhandlungen von dem kanonischen Recht aus, das soeben glücklich kodifiziert worden war, hatte also grundsätzlich stets die gleiche Ausgangsbasis. Zum anderen war die Präzedenzwirkung bei dem Abschluß von Konkordaten stark ausgebildet. Gewöhnlich dienten vorhergehende Konkordate in größerem oder geringerem Umfang als Vorlage für nachfolgende. Im einzelnen suchte sich die Kirche mit den Konkordaten ein Minimum jener Garantien und Prärogativen, die ihr nach dem kanonischen Recht zukommen, zu sichern. Verträge wiederholten daher vielfach Grundsätze und Gewährleistungen, die schon in der Verfassung des betreffenden Landes ausgesprochen waren. Entscheidendes Gewicht legte die Kirche auf die Unabhängigkeit bei der Besetzung ihrer Ämter vom Staat. Zahlreiche Konkordate stipulierten folgerichtig die freie Ernennung der Bischöfe durch den Papst (c. 329 § 2 CIC). Der jeweiligen Staatsregierung wurde (teilweise an Stelle eines früheren Nominationsrechtes) regelmäßig das Recht eingeräumt, vor der Bestellung der Residenzialbischöfe und der Koadjutoren mit dem Recht der Nachfolge Bedenken allgemeinpolitischer Natur geltend zu machen (sog. politische Klausel). Die Konkordate Pius‘ XI. enthielten sodann in der Regel Bestimmungen über die Besetzung der Kanonikate und Pfarreien, Schulen und theologische Fakultäten, die Aufsicht der Bischöfe über die religiössittliche Erziehung der Jugend, Freiheiten und Rechtsfähigkeit der Orden. Das

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Lehren im Namen der Kirche wurde von dem Besitz der missio canonica3 abhängig gemacht. Den Geistlichen wurde bei Ausübung ihres Amtes ein besonderer Rechtsschutz zugesichert. Pastorale Gesichtspunkte veranlaßten den Heiligen Stuhl, in manchen Fällen das Verbot parteipolitischen Engagements von Geistlichen zuzugestehen. Das Recht von Minderheiten auf religiöse Unterweisung in ihrer Muttersprache wurde gewährleistet 4. In vielen Konkordaten wurde die rechtliche Fähigkeit der kirchlichen juristischen Personen, Vermögen zu erwerben, zu besitzen und zu verwalten, anerkannt. In manchen Fällen verwiesen Konkordate auf einzelne Kanones des CIC oder namentlich genannte andere kirchliche Normen. In der Hauptsache wurde jedoch auf die Vorschriften des CIC oder des kirchlichen Rechts (bzw. die kirchlichen Grundsätze) im allgemeinen verwiesen, etwa in der Weise, daß die auf kirchliche Personen oder Sachen bezüglichen und in dem Konkordat nicht eigens behandelten Fragen nach kirchlichem Recht geregelt werden sollten. In die Verträge wurde schließlich vielfach die Bestimmung aufgenommen, daß die beiden Beteiligten bei Meinungsverschiedenheiten in gemeinsamem Einvernehmen eine freundschaftliche Lösung herbeiführen werden. Dadurch wurden Rücktritt und Bruch erschwert und gleichzeitig die Tür für Neuverhandlungen offengehalten. Man kann sagen, daß seit dem Ersten Weltkrieg das Konkordat in steigendem Maße als die angemessene Form, das Verhältnis von Kirche und Staat zu ordnen, empfunden wurde. Der Landesepiskopat wurde bei den Verhandlungen vom Heiligen Stuhl regelmäßig konsultiert, und seine Vorstellungen und Wünsche wurden nach Möglichkeit berücksichtigt. Ausgewählte Vertreter des Episkopats waren unmittelbar an den Verhandlungen beteiligt. Der Heilige Stuhl trachtete in der Regel danach, die Ratifikation abgeschlossener Konkordate im Vatikan vorzunehmen. Rückschauend ist festzustellen, daß die Konkordate ihren Zweck nur unzureichend erfüllten. Die Verhältnisse und die Entwicklung sind ihrem Bestand und ihrer Durchführung zum erheblichen Teil nicht günstig gewesen. Die meisten wurden durch den Zweiten Weltkrieg und seine Folgen zunichte gemacht. Der Heilige Stuhl hat sich bei ihrem Abschluß im allgemeinen wohlunterrichtet über die Verhältnisse in den einzelnen Ländern gezeigt. Gelegentlich scheint er allerdings die Macht der kooperationswilligen Kräfte überschätzt zu haben. Dennoch war die Konkordatspolitik richtig und notwendig. Der Heilige Stuhl dokumentierte mit ihr, daß er in den Beziehungen zu den Staaten nicht den Standpunkt des Alles oder Nichts verfocht, sondern in Anerkennung der Realitäten zu Kompromißlösungen bereit war. Der Vertragsabschluß als solcher bezeugte vor aller Welt den Anspruch und die Befugnis des Heiligen Stuhles, die katholische Kirche zuoberst und entscheidend zu repräsentieren. Die Konkordate stärkten auch das Selbstbewußtsein der Katholiken, die sich von dem Oberhaupt der Kirche umsorgt und geschützt, von der Regierung 3

H. Flatten, Missio canonica, in: Th. Filthaut/J. A. Jungmann (Hrsg.), Verkündigung und Glaube. Festgabe für Franz X. Arnold (Freiburg i.Br. 1958) 123 – 141. 4 Th. Grentrup, Religion und Muttersprache (Münster/Westf. 1932) 458 – 524; W. Hasselblatt, Reichskonkordat und Minderheitenschutz, in: Nation und Staat 6 (1932/33) 690 – 695.

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des Landes ernst genommen sahen. Sie haben Marken gesetzt, die nicht ausgelöscht werden können; sie haben der Kirche eine unbestreitbare Rechtsbasis verschafft und in vielen Fällen Schlimmeres verhütet. Die Trennungsgesetzgebung der Staaten und die Konkordatspolitik des Heiligen Stuhles haben, von unterschiedlichen Ausgangspunkten her, die Systeme des Staatskirchentums und der Staatskirchenhoheit überwunden und der Kirche die Autonomie gebracht, für deren Ordnung der CIC als ein, im ganzen gesehen, treffliches Instrument zur Verfügung stand. b) Die einzelnen Konkordate (1) Mit den neuen Staaten Die neuen Staaten im Osten und Südosten Europas waren aus außen- und innenpolitischen Gründen mehrheitlich zu Vereinbarungen mit dem Apostolischen Stuhl bereit. Indes standen dem Abschluß von Verträgen regelmäßig auch Hindernisse entgegen, nämlich der Laizismus, der überspannte Nationalismus und die ablehnende Haltung nichtkatholischer Religionsgemeinschaften, vor allem der Orthodoxen. Am 30. Mai 1922 schloß Pius XI. ein Konkordat mit dem überwiegend nichtkatholischen Lettland5, und zwar zunächst für drei Jahre, jedoch mit stillschweigender Verlängerung von Jahr zu Jahr bei sechsmonatiger Kündigungsfrist. In Riga wurde ein exemtes Erzbistum errichtet. Dem Erzbischof wurde ein beim Amtsantritt abzuleistender Treueid vorgeschrieben, eine Vorschrift, die in den folgenden Konkordaten wiederkehren sollte. In Polen, wo die Landesgrenzen bis Ende 1924 umstritten waren, konnte der Verfassungsauftrag, in einem Konkordat mit dem Heiligen Stuhl das künftige Verhältnis von Kirche und Staat zu regeln, erst am 10. Februar 1925 erfüllt werden6. Das polnische Konkordat organisierte die Kirche in diesem Land neu (fünf Kirchenprovinzen des lateinischen Ritus mit 21 Bistümern, eine Kirchenprovinz des byzantinischen Ritus und eine Erzdiözese des armenischen Ritus) und ordnete namentlich Fragen der Ämterbesetzung, des Religionsunterrichts und des Kirchenvermögens. Gegenüber Polen bewies der Heilige Stuhl besonders weites Entgegenkommen. Art. 19 Abs. 2 S. 2 des Konkordats schloß alle Geistlichen von dem Pfarramt aus, deren Tätigkeit die Sicherheit des Staates gefährdete. Damit war der

5 A. Van Hove, Le Concordat entre le Saint-Siège et le gouvernement de Lettonie (3. novembre 1922), in: NRTh 50 (1923) 132 – 143; A. Giannini, Il Concordato con la Lettonia, in: L’Europa Orientale 5 (1925) 653 – 658. 6 A. Süsterhenn, Das polnische Konkordat vom 10. Februar 1925. Jur. Diss. Köln (Köln 1928); Fr. Grübel, Die Rechtslage der römisch-katholischen Kirche in Polen nach dem Konkordat vom 10. Februar 1925 (Leipzig 1930); H. Bednorz, Le Concordat de Pologne de 1925. Nomination aux Sièges Épiscopaux et aux Paroisses. Commentaire avec comparaison aux autres Concordats d‘après-guerre (Paris 1938); R. Soban´ski, Das erste polnische Plenarkonzil – seine Bedeutung für den Integrationsprozeß der Bevölkerung Polens zwischen den beiden Weltkriegen, in: ÖAfKR 26 (1975) 143 – 158.

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polnischen Regierung ein damals einzig dastehendes Recht bei der Ernennung der Pfarrer zugestanden7. Am 10. Mai 1927 kam es zum Abschluß eines Konkordats mit Rumänien8, das aber wegen des Widerstands orthodoxer Kreise erst 1929 ratifiziert wurde. Die katholische Kirche in dem Land sollte in je einer Kirchenprovinz für den griechischen und den lateinischen Ritus mit je vier Suffraganbistümern sowie einem geistlichen Oberhaupt für die Armenier organisiert werden. Wie in Polen legte auch hier der Staat besonderes Gewicht auf die nationale Zuverlässigkeit der Pfarrer (Art. XII § 2). Die beiden vertragschließenden Parteien behielten sich– eine Ausnahme – das Recht vor, das Konkordat nach einer sechs Monate vorhergehenden Anzeige zu kündigen (Art. XXIII Abs. 2). Am 27. September 1927 fand Litauen zu einem Vertrag mit dem Heiligen Stuhl9. Er gab der Kirche ausgedehnte Rechte im Schulwesen, übertrug den Geistlichen die Führung der Standesregister und stattete die kanonische Eheschließung mit bürgerlicher Wirksamkeit aus. Den Gläubigen wurde die seelsorgliche Betreuung in der Muttersprache zugesichert. Über die Auslegung des Konkordats kam es jedoch zu anhaltenden Reibereien. Die Regierung der Tschechoslowakei zeigte sich gegen die katholische Kirche regelmäßig unfreundlich und verfolgte gegen sie eine Politik der Nadelstiche. Die Hus-Feier 1925 hätte beinahe zum Abbruch der diplomatischen Beziehungen geführt. Am 2. Februar 1928 wurde ein magerer Modus vivendi abgeschlossen10. Er befaßte sich mit der Diözesanzirkumskription und der Ernennung der Bischöfe. Das Abkommen beseitigte eine Reihe von Differenzpunkten und sah Verhandlungen für die Zukunft vor. Die Durchführung der Bestimmungen des Modus vivendi begegnete beträchtlichen Schwierigkeiten. Erst sieben Jahre nach seinem Abschluß erfüllte die Regierung die Hauptbedingung, von der der Heilige Stuhl die Abgrenzung der Diözesen (Art. 1) abhängig gemacht hatte, die Rückgabe der in der Slowakei liegenden Kirchengüter. Mehr konnte bis zum Zerbrechen des Staates 1938/39 nicht erreicht werden.

7 Vgl. R. Jacuzio, Il diritto di opposizione riservato al governo nella nomina dei parrocci, in: Il Diritto concordatario 2 (1937) 56 – 58. 8 I. Mateiu, Valoarea Concordatului incheiat cu Vaticanul (Sibiu 1929); L. Honoré, Une Église servante de l’État. L’Église orthodoxe roumaine, in: NRTh 56 (1929) 56 – 66; N. N., De concordato inter Sanctam Sedem et Rumaniam, in: Apollinaris 3 (1930) 581 – 600. 9 L. Maser, Das Konkordat zwischen dem Apostolischen Stuhle und der Republik Litauen vom 27. September 1927 in rechtsvergleichender Betrachtung. Jur. Diss. Köln (Lippstadt 1931); A. Ottaviani, Concordatum Lithuanicum, in: Apollinaris 1 (1928) 53 – 64, 140 – 149. 10 I. Pasquazi, Modus vivendi inter Sanctam Sedem et Rempublicam Cechoslovachiae, in: Apollinaris 1 (1928) 149 – 155; N. N., Der „Modus vivendi“ in der Tschechoslowakei, in: Ecclesiastica 13 (1933) 353 – 356; Fr. Kop, Modus vivendi. Ny´neˇ jsˇi stav jeho provedeni (Prag 1937); E. Hoyer, Das Schicksal des tschechoslowakischen Modus vivendi, in: M. Grabmann/ K. Hofmann (Hrsg.), Festschrift Eduard Eichmann zum 70. Geburtstag (Paderborn 1940) 373 – 400; D. Faltin, La crisi della Chiesa in Ceco-Slovacchia e il Modus vivendi del 1927. L‘opera del Card. Pietro Ciriaci, in: Divinitas 9 (1965) 600 – 605.

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Eine umfassende Regelung brachte dagegen das Konkordat mit Österreich vom 5. Juni 193311. Art. 30 Abs. 3 der Bundesverfassung erhob bestimmte Artikel des Konkordates zu Bestandteilen der Verfassung und verlieh ihnen damit Verfassungscharakter. Teilweise entspricht es dem kurz darauf abgeschlossenen Konkordat mit dem Deutschen Reich. Das Konkordat verhieß die Errichtung des Bistums Innsbruck-Feldkirch und der Gefreiten Prälatur Burgenland (Art. III § 2) und suchte durch vorsichtige Förderung und das Versprechen finanzieller Unterstützung freier katholischer Schulen die Voraussetzung für die Entwicklung der öffentlichen katholischen Bekenntnisschule zu schaffen (Art. III §§ 3 und 4). Für die Durchsetzung der vereinbarten Bestimmungen fehlten jedoch der Regierung die Mehrheit und die Macht. Vor allem die Unterstellung der kirchlich geschlossenen Ehen unter das kanonische Recht (Art. VII) rief den vereinten erbitterten Widerstand des Liberalismus, des Marxismus und des Nationalsozialismus hervor. Langwierige Verhandlungen führten 1935 zum Abschluß eines umfangreichen Konkordats mit Jugoslawien12. Aber der Widerstand der orthodoxen Serben13 war so heftig, daß es die Regierung, nachdem es die Kammer angenommen hatte, fallenließ, indem sie darauf verzichtete, es vor den Senat zu bringen. In ihm fanden sich die wichtigen Generalklauseln, daß mit dem Inkrafttreten des Konkordats entgegenstehende Normen des Königreichs Jugoslawien außer Kraft treten (Art. XXXV) und daß im Konkordat nicht behandelte Gegenstände nach dem geltenden kanonischen Recht zu behandeln seien (Art. XXXVII Abs. 1). (2) Mit europäischen Trennungsländern Die Trennungsideologie war gewöhnlich ein Reservat der politischen Linken. Infolgedessen kam es in den europäischen Trennungsländern zu einer Vereinbarung mit dem Heiligen Stuhl regelmäßig erst dann, wenn in ihnen politisch anders orientierte Regierungen an die Macht kamen. Gegenüber Frankreich verfolgte der Heilige Stuhl seit Beginn des Pontifikats Benedikts XV. eine Politik des Nachgebens und der Zugeständnisse, die in gewisser Hinsicht das Trennungsregime überwand. Auch hatte sich das Trennungsgesetz als undurchführbar erwiesen. Seit dem Ende des Ersten Weltkriegs schwächte sich der Elan des Laizismus ab. Seit der 11 A. Van Hove, Le concordat entre le Saint-Siège et l’Autriche, in: NRTh 61 (1934) 785 – 803, 897 – 913; R. Köstler, Das neue österreichische Konkordat, in: Zeitschrift für öffentliches Recht 15 (1935) 1 – 33; ders., Das österreichische Konkordats-Eherecht (Wien 1937); G. Stutzinger, Das österreichische Konkordat vom 5. Juni 1933. Jur. Diss. Köln (Köln 1936); J. Hollnsteiner, Das österreichische Konkordat in seiner kirchen- und staatsrechtlichen Bedeutung, unter besonderer Berücksichtigung der eherechtlichen Bestimmungen (Leipzig, Wien 21937); E. K. Winter, Christentum und Zivilisation (Wien 1956) 370 – 402. 12 J. Massarette, Um das Konkordat in Jugoslawien, in: ThprQS 90 (1937) 733 – 735; A. Giannini, Un concordato mancato (Il Concordato Jugoslavo del 1935), in: L’Europa Orientale 22 (1942) 245 – 269. 13 Serbien hatte am 24. Juni 1914 ein Konkordat mit dem Heiligen Stuhl geschlossen, das aber wegen des Krieges nicht ausgeführt worden war.

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Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen (1920) fragte der Heilige Stuhl bei der französischen Regierung vor der Ernennung eines Bischofs an, ob gegen den Kandidaten politische Einwendungen bestünden14. In den kongruenten Erklärungen des französischen Staatsrats vom 13. Dezember 1923 und der Enzyklika Pius’ XI. „Maximam gravissimamque“ vom 18. Januar 1924 über die Diözesanvereine15 konnte man eine stillschweigende Vereinbarung über das dornige Problem der kirchlichen Vermögensverwaltung sehen. Der Staatsrat erklärte am 3. Februar 1925, die französische Regierung und der Heilige Stuhl seien sich einig über die Aufrechterhaltung des Konkordats von 1801 im Elsaß und in Lothringen16. Im Jahre 1926 kam es zum Abschluß zweier inhaltlich unerheblicher, aber atmosphärisch bedeutsamer Akkords mit Frankreich17. In ihnen wurden die liturgischen Vorrechte festgelegt, die den Vertretern Frankreichs in den Ländern zukamen, in denen Frankreich das religiöse Protektorat noch innehatte oder in denen dieses in jüngster Zeit abgeschafft worden war. In Portugal, das 1918 wieder diplomatische Beziehungen mit dem Apostolischen Stuhl aufgenommen hatte, begann unter der Diktatur Carmonas eine Annäherung zwischen Kirche und Staat. Das Dekret vom 18. Juli 1926 hob einige der gehässigsten Bestimmungen des Trennungsgesetzes von 1911 auf. Die Verfassung vom 19. März 1933 war stark von katholischem Gedankengut beeinflußt. Sie proklamierte in ein und demselben Artikel die katholische Religion als Staatsreligion, das Prinzip der Religionsfreiheit, den Grundsatz der Trennung und die Aufrechterhaltung diplomatischer Beziehungen mit dem Heiligen Stuhl (Art. 46). So stand dem Abschluß von Verträgen mit dem Heiligen Stuhl kein ernsthaftes Hindernis mehr entgegen. Der Akkord vom 15. April 192818 ordnete die Hierarchie in Portugiesisch-Indien neu und löste die Frage des Patronats, jener vom 11. April 1929 regelte die Verhältnisse in der Diözese Meliapôr. Italien war seit seiner Einigung immer mehr zu einem Land mit feindlicher Trennung von Kirche und Staat geworden (staatliche Schulen ohne Religionsunterricht, Aufhebung der theologischen Fakultäten an den staatlichen Universitäten, 14

Vgl. das Aide-Mémoire des Kardinalstaatssekretärs Gasparri vom Mai 1921, in: Revue des Sciences religieuses 4 (1924) 248 f. 15 Giacometti, Quellen 383 – 386. 16 A. Erler, Das Napoleonische Konkordat im Elsaß und in Lothringen, in: AfkKR 122 (1947) 236 – 278; R. Metz, Un cas intéressant d’application du droit concordataire: La nomination d’un coadjuteur avec droit de succession à l’évêché de Strasbourg, in: L’Année Canonique 6 (1959) 179 – 186; ders., Les incidences concordataires de la démission de l’Evêque de Strasbourg, in: Revue de droit canonique 17 (1967) 273 – 297; ders., Les nominations épiscopales en France et plus spécialement dans les diocèses concordataires de Strasbourg et de Metz, in: ebd. 18 (1968) 97 – 121 17 C. Crispolti, Gli accordi franco-vaticani sugli onori liturgici in Oriente, in: Rassegna Italiana 19 (1927) 226 – 230. 18 A. Correja de Silva, Concordatum Lusitanicum, in: Apollinaris 1 (1928) 280 – 295; E. Hocedez, Convention entre le S. Siège et la République du Portugal, in: NRTh 55 (1928) 519 – 525.

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Zwangszivilehe). Seit dein Ende des Ersten Weltkrieges ging indes eine langsame Annäherung zwischen dem Land und dem Heiligen Stuhl vonstatten. Im Januar 1919 bildete sich mit Duldung des Heiligen Stuhles eine katholische Partei; damit war der Grundsatz des „Non expedit“ aufgegeben. In der Enzyklika „Pacem Dei munus“ vom 23. Mai 1920 ließ Benedikt XV. das für die katholischen Staatsoberhäupter geltende Verbot, dem Quirinal einen amtlichen Besuch zu machen, fallen. Das faschistische Regime empfahl sich der Kirche durch zahlreiche kirchenfreundliche Gesetze und Maßnahmen in bezug auf Schule und Ehe, Klerus und Kirchenvermögen. So war der Weg geöffnet für eine umfassende Ausräumung des Konfliktstoffes zwischen Kirche und Staat. Im Jahre 1929 kam es zu der Lösung der Römischen Frage in den Lateranverträgen. Am 11. Februar 1929 wurden drei Vereinbarungen unterzeichnet: der Staatsvertrag, das Finanzabkommen (als Anlage IV zu dem Staatsvertrag) und das Konkordat19. Am 27. Mai 1929 wurden sie in innerstaatliches Recht transformiert. In dem Staatsvertrag erkennt der italienische Staat die katholische Religion als „einzige Staatsreligion“ an (Art. 1). Ebenso wird die Souveränität des Heiligen Stuhles bestätigt (Art. 2) und ihm ein eigenes Gebiet, die Città del Vaticano, garantiert (Art. 3). Die Neutralität der Vatikanstadt wird festgestellt (Art. 24). Die Person des Papstes ist heilig und unverletzlich (Art. 8). Das aktive und passive Gesandtschaftsrecht des Heiligen Stuhles wird anerkannt (Art. 12). Der Heilige Stuhl erklärt endgültig und unwiderruflich die Römische Frage für erledigt und erkennt das Königreich Italien mit Rom als Hauptstadt an (Art. 26). In dem Finanzabkommen wird die Zahlung einer Entschädigung für die Verluste, die dem Papst durch die Ereignisse von 1870 entstanden waren, vereinbart. Das Konkordat ergänzt den Vertrag und bringt eine einläßliche Regelung der Kirche und Staat berührenden Angelegenheiten (45 Artikel). Der Staat gewährlei19 L. Laghi/G. Andreucci, Il trattato lateranense. Commentato (Florenz 1929); N. N., De Concordato inter S. Sedem et Italiam, in: Apollinaris 2 (1929) 458 – 494; H. Ferrand, La question Romaine et les Accords de Latran, in: Revue Apologétique 48 (1929) 569 – 591; A. Hagen, Die Rechtsstellung des Heiligen Stuhles nach den Lateranverträgen (Stuttgart 1930); K. Strupp, Die Regelung der römischen Frage durch die Lateranverträge vom 11. Februar 1929, in: Zeitschrift für Völkerrecht 15 (1930) 531 – 622; Z. Giacometti, Zur Lösung der römischen Frage, in: Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft 90 (1931) 8 – 50; A. Giannini, Il cammino della Conciliazione (Mailand 1946); W. von Bergen, Der Einfluß der Lateranverträge auf die staatliche Gesetzgebung Italiens mit besonderer Berücksichtigung des Eherechts (Düsseldorf 1954); A. C. Jemolo, Chiesa e Stato in Italia dal Risorgimento ad oggi (Turin 1955); G. Migliori, Codice concordatario (Mailand 31959); F. Pacelli, Diario della Conciliazione con verbali e appendice documenti (Città del Vaticano 1959); U. Del Giudice, I Patti Lateranensi (Rom 1960); F. M. Marchesi, Il concordato italiano dell‘ 11 febbraio 1929 (Neapel 1960); A. Martini, Studi sulla Questione Romana e la Conciliazione (Rom 1963); R. Motsch, Die Konkordatsehe in Italien (Frankfurt a.M., Berlin 1965); W. Gamber, Die Konkordatsehe in Italien, in: K. Siepen/J. Weitzel/P. Wirth (Hrsg.), Ecclesia et Ius. Festgabe für Audomar Scheuermann zum 60. Geburtstag dargebracht von seinen Freunden und Schülern (München, Paderborn, Wien 1968) 393 – 404; P. Ciprotti, Atti della Commissione mista dei delegati della Santa Sede e del Governo Italiano per predisporre l‘esecuzione del Concordato (11 aprile – 25 novembre 1929) e altri documenti connessi (Mailand 1968); G. Salvernini, Stato e Chiesa in Italia (Mailand 1969).

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stet der katholischen Kirche ihre besondere Stellung in Italien und die damit in Verbindung stehenden Rechte. Der Kirche wird die freie Ausübung der geistlichen Gewalt, des öffentlichen Gottesdienstes und der Jurisdiktion in kirchlichen Angelegenheiten zugesichert. Der heilige Charakter Roms wird anerkannt und geschützt (Art. 1 Abs. 1). Die Freiheit der Besetzung von Bischofsstühlen und anderen Ämtern wird hergestellt (Art. 19, 24, 25). Kein Geistlicher kann eine Anstellung oder ein Amt bei dem italienischen Staat oder einer von ihm abhängigen öffentlichen Anstalt bzw. Körperschaft erlangen oder behalten ohne die Unbedenklichkeitserklärung des Diözesanoberhirten. Abgefallene oder mit einer Zensur belegte Priester dürfen auf keinen Fall im Unterricht oder in einem Amt oder einer Anstellung Verwendung finden, wo sie unmittelbar mit dem Publikum in Berührung kommen (Art. 5). Dem von dem kanonischen Recht geregelten Sakrament der Ehe werden die bürgerlichen Wirkungen zuerkannt. Die Fälle der Ungültigkeit der Ehe und der Dispens von der nichtvollzogenen Ehe bleiben der Zuständigkeit kirchlicher Gerichte und Behörden vorbehalten. Allein die Verfahren bei der Trennung von Tisch und Bett werden von den Zivilgerichten geführt (Art. 34). Der katholische Religionsunterricht wird als „Grundlage und Krönung“ des öffentlichen Unterrichts bezeichnet und nunmehr auch für die höheren Schulen vorgesehen (Art. 36). Der Staat verheißt eine Änderung seiner Gesetzgebung, um sie mit den Lateranverträgen in Übereinstimmung zu bringen (Art. 29). Die Kirche hat ihrerseits beträchtliche Zugeständnisse gemacht. Eine Revision der Umschreibung der Bistümer und ihre Verringerung werden vorgesehen (Art. 16 und 17). Bei der Bestellung von Bischöfen besitzt die Regierung das Recht, politische Erinnerungen vorzubringen (Art. 19). Bei der Ernennung von Pfarrern wird ihr das Recht, Bedenken zu äußern, eingeräumt. Besonders weitgehend erscheint die ihr ebenfalls zugestandene Befugnis, beim Auftauchen von Gründen, die das Verbleiben eines Pfarrers auf seiner Stelle als schädlich erscheinen lassen, dem Ortsoberhirten Mitteilung machen zu dürfen, der innerhalb dreier Monate im Einvernehmen mit der Regierung zweckentsprechende Maßnahmen zu ergreifen hat (Art. 21). Allen Geistlichen wird die parteipolitische Betätigung untersagt (Art. 43 Abs. 2). Der Heilige Stuhl verpflichtet sich zur Kondonation gegenüber allen Besitzern von Kirchengut (Art. 28). Bemerkenswert ist das Zugeständnis, daß der Staat im Falle schlechter Vermögensverwaltung im Einvernehmen mit der kirchlichen Behörde zur Sequestration der Temporalien der Pfründe schreiten darf (Art. 26 Abs. 2). Die Lateranverträge beendeten den jahrzehntelangen Gegensatz der Kirche zu dem geeinten Italien und waren für beide Seiten ein ehrenvoller Friedensschluß. Sie befriedigten das nationale Wollen des Volkes und sicherten der Kirche ihre Wirkungsmöglichkeit. Die Verträge brachten eine Lösung, die, wie es in der Präambel des Trattato heißt, der Gerechtigkeit und Würde beider Parteien entspricht. Sie waren im allgemeinen ausgewogen, trugen der katholischen Tradition des Volkes Rechnung, ohne die Rechte des Staates oder anderer Religionsgemeinschaften zu verletzen, und erfüllten die staatlichen Ansprüche, ohne der Freiheit der Kirche zu nahe zu treten. Der Heilige Stuhl erstrebte keine Restauration, sondern einen Neu-

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beginn. Darin sah er die Garantie der Dauerhaftigkeit. Er schickte sich in den Verzicht auf den Kirchenstaat, der überfällig war, und machte sich entschlossen daran, seine universale Mission von dem Gebiet eines Zwergstaates aus durchzuführen. Dies war die einzige verbliebene Möglichkeit, die für die Erfüllung seiner Aufgabe erforderliche Unabhängigkeit jedenfalls in normalen Verhältnissen sicherzustellen. In der Folge kam es zwar zu manchen Reibereien zwischen Kirche und Staat, die regelmäßig in Ein- und Übergriffen des faschistischen Regimes ihre Ursache hatten. Indes ließ es Mussolini nicht zu einem langanhaltenden Konflikt kommen, sondern strebte stets nach einem für beide Seiten annehmbaren Ausgleich. (3) Mit lateinamerikanischen Staaten Die wirtschaftlichen und sozialen Mißstände sowie die labilen politischen Verhältnisse in den meisten Ländern machten Lateinamerika seit geraumer Zeit zum Gegenstand besonderer Sorge des Heiligen Stuhles. Das regelmäßig traditionell katholische Volk konnte sich vielfach gegen freimaurerische und kirchenfeindliche Oligarchien nicht durchsetzen. So erklärt sich die überraschende Tatsache, daß verhältnismäßig selten der Abschluß befriedigender Abkommen des Heiligen Stuhles mit lateinamerikanischen Staaten gelang, die entweder ein Konkordatssystem begründet oder die im vergangenen Jahrhundert abgeschlossenen Konkordate fortgebildet hätten20. Eine Ausnahme bildet allein Kolumbien, mit dem zwischen 1918 und 1928 mehrere Verträge, am bedeutendsten das Missionsabkommen vom 5. Mai 1928, geschlossen wurden. Dem ununterbrochenen Kulturkampf in Guatemala setzte erst das Übereinkommen von 1928 ein Ende. Mit Peru kam es ebenfalls 1928 zu einer Vereinbarung über die Ernennung der Bischöfe21. Mit Ecuador wurde nach den kirchenfeindlichen Dekreten der zwanziger Jahre am 24. Juli 1937 ein Modus vivendi abgeschlossen22. Die Regierung garantierte die Unterrichtsfreiheit. Staat und Kirche verbündeten sich, um die Indios zu missionieren und sie in jeder Hinsicht zu fördern. Dem Klerus wurde jede politische Tätigkeit untersagt. (S. auch Kap. 24.) (4) Deutschland Das Deutsche Reich mußte den Ersten Weltkrieg mit schweren territorialen Einbußen bezahlen. Die katholische Kirche in Deutschland verlor durch den Frieden von Versailles die Bistümer Straßburg und Metz, den größten Teil von Gnesen20 F. B. Pike, The Conflict between Church and State in Latin America (New York 1964); J. L. Mecham, Church and State in Latin America. A History of Politico-Ecclesiastical Relations. Revised Edition (Chapel Hill 1966); C. H. Hillekamps, Staat und Kirche in Südamerika, in: Hochland 58 (1966) 409 – 419. 21 F. B. Pike, Church and State in Peru and Chile since 1840: A study in contrasts, in: American Historical Review 73 (1967) 30 – 50. 22 J. I. Larrea, La Iglesia y el Estado en el Ecuador (Sevilla 1954).

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Posen und Kulm sowie einen beträchtlichen Teil von Breslau. In dem von Deutschland abgetrennten Freistaat Danzig wurde 1922 eine Apostolische Administratur, 1925 ein exemtes Bistum geschaffen. Das Deutsche Reich ging von der konstitutionellen Monarchie zu der parlamentarischen Demokratie über. Am 11. August 1919 trat die in Weimar von der Nationalversammlung beschlossene Verfassung in Kraft (WRV). Sie begründete im Unterschied zu den Verhältnissen in dem Deutschen Reich von 1871 eine Zuständigkeit des Gesamtstaates für die Regelung des Verhältnisses von Kirche und Staat und von Kirche und Schule (Art. 10 Ziff. 1 und 2). Die Grundsatzgesetzgebung des Reiches über Kirche und Schule sicherte der Kirche für ganz Deutschland ein bestimmtes Maß an Freiheit und Wirkmöglichkeit. Das kirchenpolitische System der WRV ist das einer organisatorischen Trennung mit gleichzeitiger Kooperation von Kirche und Staat. Die Grundlage der Stellung der Religionsgesellschaften in der Weimarer Verfassung ist die Religionsfreiheit (Art. 135, 136, 137, 140, 141). Den Trennungsgedanken enthält Art. 137 Abs. 1 und 7; ihm entspricht Art. 138 Abs. 1. Der Art. 137 Abs. 1 erklärt, daß keine „Staatskirche“ bestehe. Damit war das (protestantische) Landeskirchentum ein für allemal aufgehoben, zugleich aber die grundsätzliche Säkularität, Neutralität und Parität des Staates ausgesprochen. Die WRV hat das Trennungsprinzip als institutionelle Garantie für den Schutz des Staates vor der Kirchengewalt und der Kirche vor dem Staatseingriff konzipiert und sieht in ihm das Mittel zur Herstellung einer freiheitlichen Ordnung des Ausgleichs. Die Kirchen blieben indes Körperschaften des öffentlichen Rechts, anderen Religionsgemeinschaften konnte dieser Status verliehen werden (Art. 137 Abs. 5). Damit wurde die Bedeutung der Kirchen und Religionsgemeinschaften für das Leben des Volkes anerkannt und ihnen die Fähigkeit zuerkannt, Träger öffentlicher Kompetenzen und Rechte zu sein. Die Gewährung des Selbstbestimmungsrechtes an die Religionsgesellschaften (Art. 137 Abs. 3) schützte die Freiheit des gesamten kirchlichen Wirkens in der Welt, soweit es von der Kirche als zu „ihren Angelegenheiten“ gehörig angesehen wird. Art. 137 Abs. 3 garantierte den Religionsgemeinschaften einen Freiheitsraum, innerhalb dessen sie eine eigenständige Rechtsmacht (z. B. Kirchengewalt) und mittels ihrer eine eigenständige Rechtsordnung begründen konnten. Mit dem von der Reichsverfassung geschaffenen System des Verhältnisses von Staat und Kirche waren Kirchenhoheitsrechte des Staates nicht mehr verträglich, wurden freilich von der Regierung und Verwaltung mancher Länder weiter praktiziert. Die öffentliche Bekenntnisschule, die den deutschen Katholiken als eine Lebensfrage galt, wurde grundsätzlich gewährleistet (Art. 146). Der Religionsunterricht blieb an allen Volksschulen, die bekenntnisfreien ausgenommen, ordentliches Lehrfach (Art. 149). Die Kirchenartikel der WRV waren das Beste, was angesichts der politischen Machtverhältnisse zu erreichen war. Dennoch konnte in der ganzen Zeit der Weimarer Republik die gegenseitige Fremdheit von Kirche und Staat nicht, überwunden werden. Immerhin wurde 1920 an Stelle der bisherigen preußischen Gesandtschaft eine Botschaft des Deutschen Reiches beim Heiligen Stuhl eingerichtet. Die

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deutschen Katholiken verbanden mit ihr große Hoffnungen. Die Rechtsverbindlichkeit der aus dem 19. Jahrhundert stammenden Konkordate und Konventionen mit dem Heiligen Stuhl war unsicher geworden. Die Gebietsveränderungen infolge des Friedensschlusses erforderten eine Anpassung der Diözesangrenzen. Aus diesen Gründen sowie um die von der Reichsverfassung gebotenen Möglichkeiten auszuschöpfen und in konkrete Zusicherungen umzusetzen, wobei vor allem die Sorge um die katholische Bekenntnisschule beherrschend war, trachtete die Kirche danach, ein Konkordat mit dem Reich abzuschließen. Auch die Weimarer Republik war grundsätzlich daran interessiert. Das Reich suchte gegen die Front der Siegermächte moralischen und politischen Rückhalt bei dem Heiligen Stuhl. Die Reichsregierung versprach sich zeitweise (1921) von einem Reichskonkordat eine stabilisierende Wirkung auf die Reichsgrenzen, die durch Annexionsgelüste im Osten und Separationswünsche im Westen bedroht waren. Aber die Parteienkonstellation im Reichstag ließ es über Entwürfe zu einem Reichskonkordat nicht hinauskommen. Die liberalen und die protestantischen Kräfte ebenso wie die kirchenfeindlichen Elemente in der SPD versagten sich einem Vertragsabschluß. Namentlich die Hürde des zuvor zu erlassenden Reichsschulgesetzes konnte nicht genommen werden. Der Heilige Stuhl resignierte jedoch angesichts dieser Lage nicht. Er nutzte vielmehr das mit dem föderalistischen Staatsaufbau gegebene Spannungsfeld zwischen Reich und Ländern, um eine mehrgleisige Konkordatspolitik zu betreiben. Die weitreichende Eigenständigkeit der Länder in der Kulturpolitik gab Länderkonkordaten sogar einen Vorrang vor einem Reichskonkordat. Sowohl von kirchlicher wie von staatlicher Warte aus war das Land Bayern als Schrittmacher für solche Vereinbarungen besonders geeignet. Der Heilige Stuhl wollte zuerst mit Bayern zu einem Abschluß kommen, weil er hier am ehesten auf ein verhältnismäßig günstiges Konkordat hoffen konnte, das dann als Vorbild für die anderen deutschen Länder dienen sollte. Der Freistaat Bayern sah in dem Abschluß eines Konkordates ein Mittel, auf betonte Weise seine (bedrohte) Eigenstaatlichkeit herauszustellen. Am 24. März 1924 konnte das für die Kirche vorteilhafte Konkordat mit Bayern abgeschlossen werden23. Es wirkte jedoch namentlich wegen der staat-

23 C. Mirbt, Das bayerische Konkordat vom 29. März 1924, in: Neue Kirchliche Zeitschrift 36 (1925) 371 – 411; Fr. X. Kiefl, Kritische Randglossen zum Bayerischen Konkordat unter dem Gesichtspunkt der modernen Kulturideale und der Trennung von Staat und Kirche (Regensburg 1926); I. A. Brein, Der publizistische Kampf um das bayerische Konkordat vom 29. März 1924 und die Verträge mit den evangelischen Kirchen, in: HJ 47 (1927) 547 – 554; A. Geiger, Bekenntnisschule und Religionsunterricht nach dem Bayerischen Konkordat. Jur. Diss. Würzburg (Coburg 1928); H. Zenglein, Religionsunterricht und Religionslehrer nach dem Bayerischen Konkordat 1924. Jur. Diss. Würzburg (Haßfurt a.M. 1928); Chr. Schwarzmeier, Das Bayerische Konkordat vom 29. 3. 1924 und der CIC. Jur. Diss. Masch. Würzburg (Würzburg 1929); H. Rust, Die Rechtsnatur von Konkordaten und Kirchenverträgen unter besonderer Berücksichtigung der bayerischen Verträge von 1924. Jur. Diss. München (München 1964).

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lichen Konzessionen in der Schulfrage auf die Öffentlichkeit mehrheitlich eher abschreckend als anziehend. Das Konkordat mit Preußen vom 14. Juni 192924 fiel inhaltlich mager aus, insofern in ihm Abreden über Schule, Ehe und Orden fehlten. Für die von protestantischer Seite angeheizte Atmosphäre bezeichnend ist die Tatsache, daß bei den Verhandlungen und bei der Fassung des Textes die Bezeichnung Concordatum mit Absicht vermieden wurde. Dennoch war das Preußische Konkordat als Politikum von Bedeutung. 1932 kam es zu zwei Verträgen mit dem Freistaat Anhalt25 und zum Abschluß des Badischen Konkordats vom 12. Oktober 193226. Obwohl in Baden alles andere als ein kirchliches Maximalprogramm zur Verhandlung stand, fand das Konkordat nur eine denkbar schwache parlamentarische Mehrheit. Die übrigen deutschen Staaten schlossen keine Konkordate mit dem Heiligen Stuhl. In ihnen regelte sich das Verhältnis von Staat und Kirche nach den gesetzlichen Bestimmungen, z. B. in Württemberg durch das umfassende Gesetz vom 3. März 1924. Die drei Länderkonkordate suchten vor allem auf jenen Gebieten eine Neuordnung zu schaffen, die durch die Änderung der Grenzen, der Staatsform und der Verfassung sowie durch die Kodifikation des Kirchenrechts berührt waren. Sie gewährleisteten die auf ältere Rechtstitel zurückgehenden Ansprüche der Kirche (Dotation der Bistümer, Neuerrichtung von Bistümern und Pfarreien) und das Interesse des Staates an bestimmten Voraussetzungen für die kirchlichen Amtsträger 24 O. Zschucke, Der Vertrag zwischen dem Freistaate Preußen und dem Heiligen Stuhle, in: Deutsche Juristen-Zeitung 34 (1929) 1097 – 1100; J. V. Bredt, Das preußische Konkordat, in: Preußische Jahrbücher 217 (1929) 137 – 150; J. Danziger, Beiträge zum preußischen Konkordat vom Jahre 1929. Jur. Diss. Breslau (Breslau 1930); R. Leiber, Das Preußische Konkordat, in: StdZ 118 (1930) 17 – 31; A. Perugini, Inter Sanctam Sedem et Borussiae Rempublicam sollemnis Conventio seu Concordatum, in: Apollinaris 5 (1932) 38 – 53; E. Wende, C. H. Becker. Mensch und Politiker (Stuttgart 1959) 268 – 292; R. Morsey, Zur Geschichte des Preußischen Konkordats und der Errichtung des Bistums Berlin, in: Wichmann-Jahrbuch für Kirchengeschichte im Bistum Berlin 19/20 (1965/66) 64 – 89; D. Golombek, Die politische Vorgeschichte des Preußenkonkordats (1929) (= Veröffentlichungen der Kommission für Zeitgeschichte bei der Katholischen Akademie in Bayern. Reihe B: Forschungen 4), Mainz 1970. 25 N. Hilling, Die beiden Vereinbarungen zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Freistaat Anhalt vom 4. Januar 1932, in: AfkKR 115 (1935) 457 – 463. 26 A. Van Hove, Le Concordat entre le Saint-Siège et l‘État libre de Baden, in: NRTh 60 (1933) 769 – 782; E. Föhr, Das Konkordat zwischen dem Heiligen Stuhle und dem Freistaate Baden vom 12. Oktober 1932 (Freiburg i.Br. 1933); E. Will, Das Konkordat zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Freistaat Baden vom 12. Oktober 1932. Jur. Diss. Freiburg i.Br. (Freiburg i.Br. 1953); E. Föhr, Geschichte des Badischen Konkordats (Freiburg i.Br. 1958); G. May, Mit Katholiken zu besetzende Professuren für Philosophie und Geschichte an der Universität Freiburg nach dem Badischen Konkordat vom 12. Oktober 1932, in: U. Mosiek/ H. Zapp (Hrsg.), ius et salus animarum. Festschrift für Bernhard Panzram (Freiburg 1972) 341 – 370.

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(Staatsbürgerschaft, Triennium) sowie an der Besetzung der Bischofsstühle und Domkapitel. Mit Ausnahme von Bayern blieb das Bischofswahlrecht der Domkapitel in den deutschen Ländern erhalten, allerdings beschränkt auf einen Dreiervorschlag des Heiligen Stuhles. Die Mitwirkung der Kirche bei der Besetzung der Professuren an den katholisch-theologischen Fakultäten der staatlichen Universitäten und der Religionslehrerstellen wurde eingehend geregelt. Größere Zugeständnisse an die Kirche enthielt nur das Bayerische Konkordat in der Garantie der konfessionellen Volksschule und Lehrerbildung (Art. 5 und 6) sowie in der Zuerkennung des Rechtes an die Orden, (evtl. als öffentlich anerkannte) Privatschulen zu unterhalten (Art. 9). In das Badische und Preußische Konkordat wurde eine Regelung der Schulfrage entgegen den Wünschen der Kirche nicht aufgenommen, immerhin aber in einem Zusatz bzw. einem dem Vertragswerk zugehörenden Briefwechsel die Beobachtung und Durchführung der Schule und Religionsunterricht betreffenden Bestimmungen der Reichsverfassung zugesagt. In Preußen wurden neben Köln die Kirchenprovinzen Paderborn und Breslau geschaffen, die Bistümer Aachen und Berlin sowie die Freie Prälatur Schneidemühl neu errichtet. Die Konkordate Bayerns, Preußens und Badens zogen den Abschluß inhaltlich ähnlich gestalteter evangelischer Kirchenverträge nach sich. Konkordate und Kirchenverträge sicherten den öffentlichen Status der Kirchen vertraglich, hoben sie damit aus dem Kreis der übrigen Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts heraus und legten den Grund zu einem Verhältnis der Koordination von Kirche und Staat. So entstand in Deutschland ein neuer Typ des Verhältnisses von Kirche und Staat, jener der „vertrags- oder konkordatsgesicherten autonomen Trennungskirche“ (Ulrich Stutz). Eine neue Phase der Kirchenpolitik setzte ein, als am 30. Januar 1933 Adolf Hitler deutscher Reichskanzler wurde. In seiner Regierungserklärung vom 23. März 1933 bezeichnete er die beiden Konfessionen als „wichtigste Faktoren zur Erhaltung unseres Volkstums“ und verpflichtete sich, die mit ihnen abgeschlossenen Verträge zu respektieren und ihre Rechte nicht anzutasten. Insbesondere verhieß er, den christlichen Konfessionen in Schule und Erziehung „den ihnen zukommenden Einfluß einzuräumen und sicherstellen“ zu wollen. Hitler ließ alsbald die Absicht erkennen, mit der katholischen Kirche zu einer Vereinbarung zu kommen. Unter Rückgriff auf Vorarbeiten seit den Jahren 1920/21 wurde am 20. Juli 1933 das Reichskonkordat in der Vatikanstadt unterzeichnet27. Am 10. September 1933 27

A. Roth, Das Reichskonkordat vom 20. 7. 1933 (München 1933); A. Van Hove, Le Concordat entre le Saint-Siège et le Reich allemand, in: NRTh 61 (1934) 158 – 185; R. Oeschey, Das Reichskonkordat vom 20. Juli 1933, in: Bayerische Gemeinde- und Verwaltungszeitung 44 (1934) 526 – 532; R. Buttmann, Das Konkordat des Deutschen Reichs mit der römischkatholischen Kirche vom 20. Juli 1933, in: H. Frank (Hrsg.), Nationalsozialistisches Handbuch für Recht und Gesetzgebung (München 21935) 407 – 424; J. Schmitt, Ablösung der Staatsleistungen an die Kirchen unter Berücksichtigung der Weimarer Verfassung, des Reichskonkordats und der drei Länderkonkordate, in: AfkKR 115 (1935) 3 – 52, 341 – 388; G. Ohlemüller, Reichskonkordat zwischen Deutschland und dem Vatikan vom 20. Juli 1933. Urkunden und geschichtliche Bemerkungen (Berlin 21937); K. Krüger, Kommentar zum

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wurden die Ratifikationsurkunden ausgetauscht. Durch Gesetz vom 12. September 1933 wurde der Reichsinnenminister ermächtigt, die zur Durchführung des Konkordats erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften zu erlassen. Sie sind niemals ergangen. Das Reichskonkordat ließ die Konkordate mit Bayern, Preußen und Baden bestehen und ergänzte sie, erfaßte aber darüber hinaus auch jene deutschen Länder, in denen es bisher an einer Vereinbarung fehlte (Art. 2). Damit wurden jenen Katholiken, die in einer hoffnungslosen Minderheitssituation waren, von Reiches wegen gewisse Sicherungen geschaffen. Die Garantien der WRV für Bekenntnis- und Kultusfreiheit wie für die Autonomie der Kirche wurden nunmehr vertraglich befestigt (Art. 1). Die Ausübung der geistlichen Tätigkeit der Priester wurde unter besonderen Schutz gestellt (Art. 5 und 6). Die Seelsorge in den öffentlichen Anstalten wurde gewährleistet (Art. 28). Die katholischen Verbände wurden in bestimmtem Rahmen geschützt (Art. 31). Der deutsche Episkopat wurde als Partner einer abzuschließenden Vereinbarung mit der Reichsregierung in Art. 31 Abs. 3 genannt. Damit wurde ein zukunftsträchtiger Weg beschritten. Indes versäumte man, die zwischen den deutschen Bischöfen und der Reichsregierung vereinbarten Auslegungsgrundsätze betreffs dieses Artikels in unanfechtbarer Weise zu einem integrierenden Bestandteil des Vertragswerkes zu machen. Die entscheidenden Zugeständnisse des Staates liegen in den Art. 21 – 25, wo die kirchlichen Forderungen hinsichtlich des Religionsunterrichtes sowie der Bekenntnis- und Privat-

Reichskonkordat (Berlin 1938); H. G. Germann, Fünf Jahre Reichskonkordat mit der römischen Kirche (Berlin o. J.); W. Weber, Das Nihil obstat, in: Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft 99 (1939) 193 – 244; W. Hausmann, Reichskonkordat und Weimarer Verfassung, in: Nationalsozialistische Monatshefte 10 (1939) 145 – 149; M. Maccarrone, Il nazionalsocialismo e la Santa Sede (Rom 1947); G. Schreiber, Deutsche Kirchenpolitik nach dem ersten Weltkrieg, in: HJ 70 (1951) 296 – 333; F. von Papen, Der Wahrheit eine Gasse (München 1952) 313 – 318; E. H. Fischer, Die politische Klausel des Reichskonkordates und ihre rechtliche Tragweite, in: ThQ 134 (1954) 352 – 376; W. Groppe, Das Reichskonkordat vom 20. Juli 1933. Eine Studie zur staats- und völkerrechtlichen Bedeutung dieses Vertrages für die Bundesrepublik Deutschland (Köln 1956); H. J. Becker, Zur Rechtsproblematik des Reichskonkordats (München 21956); E. Deuerlein, Das Reichskonkordat (Düsseldorf 1956); F. Schuller, Das grundsätzliche Verhältnis von Staat und Kirche nach dem Reichskonkordat vom 20. 7. 1933, in: AfkKR 128 (1957/58) 13 – 79, 346 – 404; R. Morsey, Zur Vorgeschichte des Reichskonkordats aus den Jahren 1920 und 1921, in: ZSavRG, Kan. Abt. 44 (1958) 237 – 267; ders. (Hrsg.), L. Kaas, F. von Papen, Briefe zum Reichskonkordat, in: StdZ 167 (1960/ 61) 11 – 30; A. Kupper (Hrsg.), Staatliche Akten über die Reichskonkordatsverhandlungen (= Veröffentlichungen der Kommission für Zeitgeschichte bei der Katholischen Akademie in Bayern Reihe A: Quellen. Bd. 2) (Mainz 1969); L. Volk (Hrsg.), Kirchliche Akten über die Reichskonkordatsverhandlungen 1933 (= Veröffentlichungen der Kommission für Zeitgeschichte bei der Katholischen Akademie in Bayern Reihe A: Quellen Bd. 11) (Mainz 1969); ders., Das Reichskonkordat vom 20. Juli 1933. Von den Ansätzen in der Weimarer Republik bis zur Ratifizierung am 10. September 1933 (= Veröffentlichungen der Kommission für Zeitgeschichte bei der Katholischen Akademie in Bayern Reihe B: Forschungen Bd. 5) (Mainz 1972).

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schulen im wesentlichen erfüllt wurden28. Der Religionsunterricht sollte ordentliches Lehrfach in den öffentlichen Schulen einschließlich der Berufsschulen sein (Art. 21). Die Beibehaltung und Neueinrichtung katholischer Bekenntnisschulen wurde unter gewissen Bedingungen gewährleistet (Art. 23). Den Privatschulen der Orden wurde Gleichberechtigung zugesagt (Art. 25). Der Heilige Stuhl stellte seinerseits in Aussicht, „auf Grund der in Deutschland bestehenden besonderen Verhältnisse“ und angesichts der in dem Reichskonkordat enthaltenen Garantien Bestimmungen zu erlassen, die Geistlichen und Ordensleuten parteipolitische Betätigung untersagen (Art. 32). Dieser „Entpolitisierungsartikel“ war die conditio sine qua non der Reichsregierung für den Abschluß des Reichskonkordates. Hitlers Ziel war die Entpolitisierung des Klerus, um auf diese Weise den politischen Katholizismus zu Fall zu bringen. Er traf sich mit der Absicht des Heiligen Stuhles, die Seelsorger aus pastoralen Gründen von parteipolitischem Engagement fernzuhalten. Gegenstände kirchlicher Zuständigkeit, die in dem Vertrag nicht behandelt wurden, regelten sich „für den kirchlichen Bereich“ nach dem geltenden kanonischen Recht (Art. 33 Abs. 1). Hinsichtlich des Eherechts war die deutsche Regierung zu keiner Konzession bereit (Art. 26). Im ganzen war mit dem Reichskonkordat ein maßvolles und dauerhaftes System des Ausgleichs und der Zusammenarbeit zwischen Kirche und Staat geschaffen. Es ist in seinen wesentlichen Bestimmungen auf den demokratischen Verfassungsstaat der Weimarer Republik zugeschnitten. Nur wenige Vorschriften ergeben sich aus der Entwicklung zum totalitären Einparteiensystem, in der sich das Deutsche Reich befand (Art. 16, 31, 32). Der Heilige Stuhl trachtete danach, das Reichskonkordat den jüngsten Kirchenverträgen – mit Italien und Österreich – möglichst weit anzunähern und auf diese Weise zu einem in den Grundlinien einheitlichen Konkordatstyp zu gelangen. Der Nachteil des Reichskonkordats war darin gelegen, daß es von dem leitenden Staatsmann vielleicht nicht ehrlich gemeint war und jedenfalls nicht ernst genommen wurde. Der Vertrag wurde – ähnlich wie die Länderkonkordate – von Anfang an und in steigendem Maß durch die staatliche Seite umgangen, umgedeutet, verletzt und gebrochen29. Die Rechte, die der Kirche durch Verfassung 28 E. Dackweiler, Reichskonkordat und katholische Schule, in: Juristische Wochenschrift 62 (1933) 2487 – 2490; Meyer-Lülmann, Reichskonkordat und Schule, in: Der Gemeindetag 27 (1933) 446 – 448; Schulte, Die Schulartikel des Reichskonkordats, in: Reichsverwaltungsblatt und Preußisches Verwaltungsblatt 54 (1933) 821 – 824; J. Schröteler, Das katholische Schulideal und die Bestimmungen des Reichskonkordats, in: StdZ 126 (1934) 145 – 154; Fr. Pitzer, Die Bekenntnisschule des Reichskonkordats. Eine rechtsgeschichtliche Studie und zugleich ein Beitrag zum Schulrecht (Köln, Berlin 1967). 29 E. Rosa, „Condizione concordataria“ o persecuzione in Germania?, in: La Civiltà Cattolica 89 (1938) IV, 305 – 318; W. Weber, Das Reichskonkordat in der deutschen Rechtsentwicklung, in: Zeitschrift der Akademie für Deutsches Recht 5 (1938) 532 – 536; R. Jestaedt, Das Reichskonkordat vom 20. Juli 1933 in der nationalsozialistischen Staats- und Verwaltungspraxis unter besonderer Berücksichtigung des Artikels 1, in: AfkKR 124 (1949/50) 335 – 430; W. Corsten (Hrsg.), Kölner Aktenstücke zur Lage der katholischen Kirche in Deutschland 1933 – 1945 (Köln 1949); W. Conrad, Der Kampf um die Kanzeln (Berlin 1957); A. Kupper, Zur Geschichte des Reichskonkordats, in: StdZ 163 (1958/59) 278 – 302, 354 – 375; D. Al-

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und Konkordate gewährt worden waren, wurden weitgehend ausgehöhlt, wobei man mehr auf den Wegen der Verordnung und der Verwaltungspraxis, weniger dem der Gesetzgebung vorging. Die Freiheit der kirchlichen Betätigung wurde in schwerer Weise beeinträchtigt. Das Ziel war der totalitäre nationalsozialistische Weltanschauungsstaat. Wenn es in dieser Zeit nicht zu einer (zeitweise von dem Reichskirchenminister Hanns Kerrl betriebenen) Aufhebung der Konkordate und zu einer völligen Trennung von Kirche und Staat kam, dann sind die Gründe darin gelegen, daß das Regime die Aufsicht über die Kirche unter dem bestehenden System wirksamer durchführen zu können und immer noch gewisse innen- und außenpolitische Rücksichten nehmen zu sollen meinte. Mit ähnlichen, teilweise weit schlimmeren Verfolgungsmaßnahmen ging es in den okkupierten und annektierten Ländern vor. In dem von Deutschland besetzten Teil Polens, dem sog. Generalgouvernement, setzte eine wütende Kirchenverfolgung ein, die den Klerus dezimierte. Das polnische Konkordat, das österreichische Konkordat, der Modus vivendi mit der Tschechoslowakei und das napoleonische Konkordat in Elsaß-Lothringen wurden als erloschen betrachtet. Bezüglich Österreichs stellte sich die Reichsregierung auf den Standpunkt, das österreichische Konkordat sei durch den Anschluß der „Ostmark“ an das Deutsche Reich entfallen, weil das Land als selbständiger Staat untergegangen sei und seine Stellung als Völkerrechtssubjekt verloren habe. In Österreich herrsche nunmehr „ein konkordatsloser Zustand“30. In dem Reichsgau Wartheland wurde die Kirche aIs privater Verein behandelt. Eine Ausdehnung des Reichskonkordats auf die neuerworbenen Gebiete wurde abgelehnt. Der Heilige Stuhl versuchte auf diplomatischem Wege auf die nationalsozialistische Regierung einzuwirken, wandte sich aber, als der Notenwechsel ohne Wirkung blieb, an die Öffentlichkeit. In der Enzyklika „Mit brennender Sorge“ vom 4. März 1937 brandmarkte Papst Pius XI. die staatlichen Ein- und Übergriffe31. Trotz der geschilderten feindseligen Maßnahmen waren die Konkordate nicht völlig nutzlos. Ihre Existenz hat in mancher Hinsicht hemmend auf die Unterdrücker gebrecht (Hrsg.), Der Notenwechsel zwischen dem Heiligen Stuhl und der Deutschen Reichsregierung, 2 Bde. (= Veröffentlichungen der Kommission für Zeitgeschichte bei der Katholischen Akademie in Bayern Reihe A: Quellen Bd. 1 und 10) (Mainz 1965/69); B. Schneider/ P. Blet/A. Martini (Hrsg.), Die Briefe Pius‘ XII. an die deutschen Bischöfe 1939 – 1944 (= Veröffentlichungen der Kommission für Zeitgeschichte bei der Katholischen Akademie in Bayern Reihe A: Quellen Bd. 4) (Mainz 1966); B. Stasiewski (Hrsg.), Akten deutscher Bischöfe über die Lage der Kirche 1933 – 1945, I: 1933 – 1934 (= Veröffentlichungen der Kommission für Zeitgeschichte bei der Katholischen Akademie in Bayern Reihe A: Quellen Bd. 5) (Mainz 1968); F. Pauly, Zur Kirchenpolitik des Gauleiters J. Bürckel im Saargebiet (März – August 1935), in: Rheinische Vierteljahrsblätter 35 (1971) 414 – 453. 30 Kl. Scholder, österreichisches Konkordat und nationalsozialistische Kirchenpolitik 1938/ 39, in: ZevKR 20 (1975) 230 – 243. 31 S. Hirt (Hrsg.), Mit brennender Sorge. Das päpstliche Rundschreiben gegen den Nationalsozialismus und seine Folgen in Deutschland (Freiburg i.Br. 1946); R. Leiber, „Mit brennender Sorge“. März 1937 bis März 1962, in: StdZ 169 (1961/62) 417 – 426.

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wirkt, der Kirche die eine oder andere Position zur Verkündigung des Evangeliums, wenn auch geschmälert, erhalten und selbst noch in den Konzentrationslagern einen gewissen Einfluß ausgeübt. Die Bindung des Staates an die Konkordate machte einerseits seine Unterdrückungsmaßnahmen auch auf der Ebene des Völkerrechts sichtbar und veranlaßte ihn zu gewissen Rücksichtnahmen, bot andererseits dem Heiligen Stuhl die Grundlage für Interventionen. Die Tatsache, daß der Heilige Stuhl durch den Abschluß des Konkordats die nationalsozialistische Regierung als Vertragspartner anerkannt hatte, konnte nicht mehr rückgängig gemacht werden. Durch den Abschluß des Konkordats hatte die Reichsregierung die Kompetenz des Heiligen Stuhles über die katholische Kirche in Deutschland in einer völkerrechtlichen Vereinbarung als legitim anerkannt. Jede Verletzung des Konkordats beeinträchtigte die Glaubwürdigkeit des nationalsozialistischen Regimes. 2. Während des Zweiten Weltkrieges Der heraufziehende Zweite Weltkrieg unterbrach begreiflicherweise den Abschluß von Konkordaten mit den kriegführenden Staaten. Nur mit Ländern, die im Windschatten der Weltpolitik lagen oder sich aus dem gewaltigen Ringen heraushalten konnten, wurden einige Verträge abgeschlossen. In dem Portugal Salazars wurde die Kirche vorsichtig gefördert. Am 7. Mai 1940 schloß das Land ein inhaltreiches Konkordat und einen Missionsvertrag mit dem Heiligen Stuhl ab32, das als „Konkordat der Trennung von Staat und Kirche“ (Salazar) bezeichnet wurde. Das Konkordat baute das bestehende System der Abgrenzung und Zusammenarbeit von Kirche und Staat in freier Vereinbarung und gegenseitiger Achtung aus. Die Rechtspersönlichkeit der katholischen Kirche wird anerkannt, die Aufrechterhaltung diplomatischer Beziehungen vereinbart (Art. I). Eine Reihe von Gewährleistungen sichert das Wirken und das Vermögen der Kirche (Art. II-VIII). Die Geistlichen genießen besonderen Schutz und gewisse Immunitäten (Art. XI–XV). Der Religionsunterricht ist in den öffentlichen Schulen des Landes Pflichtfach, und deren gesamter Unterricht muß an den Prinzipien des christlichen Glaubens orientiert sein (Art. XXI). Privatschulen dürfen von der Kirche errichtet werden (Art. XX). Das Eheschließungsrecht ist von dem Prinzip der fakultativen Zivilehe beherrscht (Art. XXII-XXV). Der Staat unterstützt die Mission in den überseeischen Gebieten (Art. XXVII-XXVIII). Das Missionsabkommen 32 A. Perugini, De novis Conventionibus Lusitanis, in: Apollinaris 13 (1940) 205 – 217; Ph. Aguirre, Ecclesia et Status in Lusitania secundum recens concordatum, in: Periodica 29 (1940) 289 – 302; A. Giannini, Il concordato Portoghese, in: Rivista di Studi Politici Internazionali 10 (1943) 3 – 28; L. Scheucher, Die Glaubens- und Gewissensfreiheit in Portugal, in: ÖAfKR 7 (1956) 211 – 231; B. J. Wenzel, Portugal und der Heilige Stuhl (Lissabon 1958); Th. Kreppel, Die Trennung von Staat und Kirche in Portugal. Das Konkordat zwischen Portugal und dem Heiligen Stuhl als Beispiel einer neuen Ordnung von Kirche und Staat. Jur. Diss. Frankfurt/M. (Frankfurt a.M. 1962); L. Renard, Salazar. Kirche und Staat in Portugal (Essen 1968).

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sieht die Zulassung ausländischer Missionare in den portugiesischen Kolonien vor (Art. 2). Die Missionsgesellschaften werden von der Regierung unterstützt (Art. 9 – 14). Das freie Wirken der Missionen wird gewährleistet (Art. 15). Mit diesen beiden Vereinbarungen schienen Friede und Zusammenarbeit zwischen Kirche und Staat in Portugal und dessen überseeischen Besitzungen auf lange Zeit gesichert. Die Auswirkungen des Zweiten Weltkrieges waren bei ihrem Abschluß nicht zu übersehen. Der Abschluß des Konkordats von 1940 führte zu der Neufassung des (nunmehrigen) Art. 45 der Verfassung am 11. Juni 1951. Schlimme Zeiten durchlebte in den dreißiger Jahren die Kirche in Spanien. Die republikanische Verfassung vom 9. Dezember 1931 nahm eine feindselige Haltung gegen Religion und Kirche ein. In den folgenden Jahren brach ein regelrechter Kirchenkampf aus. Die spanische Regierung erklärte 1933, sie betrachte das Konkordat von 1851 als hinfällig. Gegen Mißwirtschaft und Terror erhoben sich Teile der Armee. Mehrere Jahre tobte ein erbitterter Bürgerkrieg. Der Staatschef Franco suchte den katholischen Charakter des Landes wiederherzustellen33. Die kirchenfeindlichen Gesetze und Maßnahmen wurden beseitigt. Am 7. Juni 1941 schloß die spanische Regierung mit dem Heiligen Stuhl ein Abkommen über die Ausübung des Privilegs der Präsentation bei der Besetzung von Bischofsstühlen34. Danach stellt der Apostolische Nuntius im Einvernehmen mit der Regierung eine Liste von sechs geeigneten Persönlichkeiten auf und übermittelt sie dem Heiligen Stuhl. Dieser unterbreitet der Regierung unter Würdigung der Liste, aber ohne Bindung an sie einen Dreiervorschlag. Aus ihm nominiert der Staatschef einen Kandidaten, sofern er nicht Einwendungen allgemeinpolitischer Natur erhebt. Ein Konkordat wurde vorgesehen. Ein sehr ins einzelne gehender Vertrag über Fragen des Kirchenvermögens kam am 25. Januar 1940 mit Haiti zustande. Mit Kolumbien schloß der Heilige Stuhl am 22. April 1942 ein Abkommen35. Den größten Teil nimmt die Regelung von Fragen des Eherechts ein (Art. 4 – 10), die weitgehend mit dem kanonischen Recht übereinstimmt. Der zivile Standesbeamte wohnt der kirchlichen Eheschließung bei, ohne daß seine Anwesenheit eine unerläßliche Bedingung für die Zuerkennung der bürgerlichen Wirkungen an die Ehe ist. Das Vorschlagsrecht der Regierung bei der Ernennung von Bischöfen ist durch das Recht, Bedenken „politischer Natur“ zu äußern, ersetzt (Art. 1). Damit war das herkömmliche Patronatsrecht beseitigt.

33 J. Soto de Gangoiti, Relaciones de la Iglesia Católica y el Estado Español (Madrid 1940); ders., La Santa Sede y la Iglesia Católica en España (Madrid 1942). 34 R. S. de Lamadrid, El convenio entre el Gobierno español y la Santa Sede, in: Boletin de la Universidad de Granada 13 (1941) 371 – 385; A. Giannini, La convenzione tra la S. Sede e la Spagna per la provvista delle diocesi, in: ll Diritto Ecclesiastico 53 (1942) 137 – 145. 35 J. A. Eguren, Derecho concordatario colombiano (Bogotá 1960).

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3. In der Nachkriegszeit Die Auswirkungen des Zweiten Weltkriegs waren viel umfassender und tiefergreifend als jene des Ersten Weltkriegs. Die Landkarte Europas wurde erneut erheblich verändert. In Asien und Afrika hörte das Kolonialzeitalter auf. Im Inneren vieler Staaten gingen beträchtliche Änderungen vor sich, die auch das Religionsrecht betrafen. Die enge Verbindung zwischen Kirche und Staat wurde in zahlreichen Ländern aufgelöst oder zumindest gelockert. Die Zahl der Länder mit staatskirchlichen Einheitssystemen nahm fortwährend ab. Das gilt vor allem für die Länder mit überwiegend christlicher Bevölkerung. Die konkordatäre Ordnung in .Osteuropa brach völlig zusammen. Die Konkordatspolitik der Kirche trat in eine neue Phase ein36.

a) Das Schicksal der Konkordate in den sozialistischen Ländern Die für Religion und Kirche verhängnisvollste Auswirkung des Zweiten Weltkriegs waren das Vordringen der von der bolschewistischen Partei beherrschten Sowjetunion, der stärksten Militärmacht Eurasiens, bis an die Elbe und die Aufrichtung eines kommunistischen Regimes in China, dem volkreichsten Staat der Erde. Die Religion ist für den Kommunismus ein wissenschaftlich unhaltbares Vorurteil. Dieser Auffassung entspricht die Kirchenpolitik der sozialistischen Staaten. Sie hat den Hauptzweck, das als unabwendbar angesehene Absterben der Religion zu beschleunigen, indem die Wirkmöglichkeiten der Kirche eingeschränkt oder unterbunden werden. In letzter Linie zielen die sozialistischen Regimes darauf hin, die Kirche als Hüterin des religiösen Glaubens, aber auch als Garantin bürgerlicher Freiheit Stück um Stück auszuschalten. Der Staatsapparat tritt offen oder verdeckt in den Dienst der antireligiösen und antikirchlichen Bestrebungen der kommunistischen Partei. Er bedient sich zweier Mittel: verlockender Angebote auf der einen Seite, Behinderungen, Verbote, der Gewalt und des Terrors auf der anderen Seite. Ein Nachlassen der Unterdrückung bzw. Verfolgung entspringt immer nur taktischen Gesichtspunkten und wird veranlaßt durch Druck von außen oder Unruhe im Innern. Der Unterschied zwischen Verfassungsrecht und Verfassungswirklichkeit ist nirgends größer als in den sozialistischen Ländern. Unverbrüchlich ist nicht die Verfassung, sondern der geschichtliche Entwicklungsprozeß. Die Verfassung bezeichnet nur den bei ihrer Annahme erreichten Entwicklungsstand der Umwälzung. Grundrechte in unserem Sinne sind in der Sowjetideologie systemunmöglich.

36 J. Salomon, La politique concordataire des États depuis la fin de la deuxième guerre mondiale, in: Revue Générale de Droit International Public 59 (1955) 570 – 623.

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Zwischen den einzelnen sozialistischen Ländern bestehen Unterschiede in der Weise und in der Schnelligkeit des Vorgehens. Im allgemeinen ist festzustellen, daß der der Kirche verbliebene Freiheitsraum um so größer ist, je näher die betreffenden Staaten dem freien Westen liegen. Verhältnismäßig am meisten Bewegungsfreiheit besitzt – oder nimmt sich – die katholische Kirche in Polen37 und wird der orthodoxen Kirche in Rumänien38 und Bulgarien39 zugebilligt. Trostlos ist dagegen die Lage in der Tschechoslowakei40. Der „marxistische Josephinismus“ dieses Landes läßt der Kirche nur noch einen schmalen Lebensraum und winzige Gestaltungsfreiheit. Nicht viel günstiger ist die Situation in Ungarn41. Das Vorbild der sozialistischen Länder auch in der Kirchenpolitik ist grundsätzlich die Sowjetunion. Dort besteht seit 1918 die feindselige Trennung der Kirche vom Staat und der Schule von der Kirche42. Der Wirkungsbereich der Kirche ist auf den Kult eingeschränkt. Dementsprechend führten die Verfassungen der sog. Volksdemokratien Rumänien, Bulgarien, Ungarn, Tschechoslowakei, Albanien und Jugoslawien die Trennung von Kirche und Staat durch. Sie geschah regelmäßig in bewußtem Gegensatz zu der weithin noch volkskirchlichen Grundlage der Religion in diesen Ländern. Das mit der Trennung von Kirche und Staat proklamierte Prinzip der Religions- und Gewissensfreiheit kam nirgends der katholischen Kirche zugute. Sie wurde vielmehr 37 Kl. Weber, Der moderne Staat und die katholische Kirche. Laizistische Tendenzen im staatlichen Leben der Dritten Französischen Republik, des Dritten Reiches und der Volksrepublik Polen (Essen 1967). 38 G. Rosu/M. Vasiliu/ G. Crisan, Church and State in Romania, in: Vl. Gsovski (Hrsg.), ˇ . Draskovic, Church and State behind the Iron Curtain (New York 1955) 253 – 299; F. Popan/C Orthodoxie in Rumänien und Jugoslawien (Wien 1960); G. Podskalsky, Kirche und Staat in Rumänien, in: StdZ 185 (1970) 198 – 207. 39 G. Podskalsky, Kirche und Staat in Bulgarien, in: StdZ 189 (1972) 112 – 124. 40 F. Cavalli, Governo Comunista e chiesa cattolica in Cecoslovacchia (Rom 1950); L. Neˇ mec, Episcopal and Vatican Reactions to the Persecution of the Catholic Church in Czechoslovakia (Washington 1953); ders., Church and State in Czechoslovakia (New York 1955); V. Chalupa, Situation of the Catholic Church in Czechoslovakia (Chicago 1960); E. Schmied, Die rechtliche Stellung der Kirche in der Tschechoslowakei, in: Jahrbuch für Ostrecht 1 (1960) 129 – 136; K. Rabl, Die tschechoslowakische Verfassungsurkunde vom 11. Juli 1960 in Theorie und Praxis, in: Jahrbuch des öffentlichen Rechts N. F. 12 (1963) 353 – 416. 41 A. Bedö/H. Kálnoky/L. Le Nard/G. Torzsay-Biber, Church and State in Hungary, in: V. Gsovski (Hrsg.), Church and State behind the Iron Curtain (New York 1955) 69 – 157; L. Mezöfy, Staat und Kirche in Ungarn, in: Jahrbuch für Ostrecht 3 (1962) 249 – 271; A. Emmerich/J. Mord, Bilanz des ungarischen Katholizismus (München 1969). 42 E. Jacobi, Staat und Kirche in der Sowjetunion, in: Wissenschaftliche Zeitschrift der Karl-Marx-Universität Leipzig. Gesellschafts- und sprachwissenschaftliche Reihe 4 (1954 – 55) 325 – 344; W. de Vries, Kirche und Staat in der Sowjetunion (München 1959); J. Chrysostomus, Kirche und Staat in Sowjetrußland. Das Schicksal des Moskauer Patriarchates vini 1917 – 1960, in: Jahrbücher für Geschichte Osteuropas N. F. Bd. 11 (1963) 13 – 36; G. Schweigl, Il nuovo Statuto della Chiesa russa et Part. 124 della Costituzione sovietica (Roma 1965); G. Zananiri, Le Saint Siège et Moscou (Paris 1967); D. Konstantinow, Die Kirche in der Sowjetunion nach dem Krieg. Entfaltung und Rückschläge (München, Salzburg 1973).

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schärfer verfolgt als alle anderen Religionsgemeinschaften. Die Kirche verlor ihren öffentlich-rechtlichen Status und wurde nach Möglichkeit völlig aus dem öffentlichen Leben verdrängt. Überall besteht das Bestreben, sie auf die Vornahme von Kultfunktionen zu beschränken und an jeder anderen Einwirkung auf die Menschen, vor allem die Jugend, zu hindern. Gleichzeitig wurde die Kirche in umfassendem Maß der Kontrolle unterworfen. In allen sozialistischen Staaten bestehen Behörden für kirchliche Angelegenheiten, die sich in massiver Weise in die Besetzung der kirchlichen Ämter einmischen, die Ausbildung des Klerus beaufsichtigen und die Zahl und Kapazität der Ausbildungsstätten bestimmen. Wo sich mehrere Religionsgemeinschaften gegenüberstehen, sucht die Regierung sie gegeneinander auszuspielen, wobei jedoch in jedem Falle der Hauptgegner in der katholischen Kirche gesehen wird. In der einzelnen Kirche trachtet sie danach, verschiedene Gruppen gegeneinander aufzubringen, dadurch Spaltung in die Kirche hineinzutragen und auf diese Weise um so wirksamer ihren Einfluß auf sie geltend zu machen. Die Verbindung der Bischöfe mit dem Heiligen Stuhl wurde entweder unterbunden oder unter Kontrolle gestellt, die diplomatischen Beziehungen wurden abgebrochen und die Konkordate gekündigt, jenes mit Litauen am 1. Juli 1940, mit Polen am 12. September 1945, mit Rumänien am 17. Juli 1948. Ohne amtliche Lossagung setzte sich die Tschechoslowakei über den Modus vivendi hinweg und brach 1950 die diplomatischen Beziehungen mit dem Heiligen Stuhl ab, Jugoslawien 1952. Solange die Religion noch nicht ausgerottet ist, sucht sich der Kommunismus ihrer Anhänger, vor allem ihrer Geistlichen, und ihrer Einrichtungen für seine Zwecke zu bedienen. Um dieses Nutzens willen ist er sogar bereit, die Kirchen in gewissem Umfang zu unterstützen. Obwohl die sozialistischen Staaten fast überall die Machtmittel besitzen, um beinahe jede gewünschte Maßnahme gegen die Kirche durchzusetzen, ist ihnen doch an der (wenn auch erpreßten) Zustimmung der Kirche zu ihren Anordnungen gelegen. Die Kommunisten wissen, daß der sicherste Weg zu einer Gewinnung der Katholiken eines Landes über Rom führt. Außerdem erwarten sie von dem Abschluß eines Konkordats, daß sie die Sympathie mancher katholischer Kreise außerhalb des Landes gewinnen können. Falls es ihnen nicht gelingt, mit dem Heiligen Stuhl zu einer Abmachung zu gelangen, wenden sie sich an die Bischöfe. Versagen sich auch diese, gehen sie die Priester an. So erklären sich sowohl die wiederholten Versuche, zu Vereinbarungen mit dem Heiligen Stuhl zu kommen, als auch die Serie von Abkommen mit dem Episkopat in den fünfziger Jahren. Die Regierungen der Tschechoslowakei und Jugoslawiens streckten 1949 bzw. 1952 Fühler in Richtung auf ein Konkordat aus. Der Heilige Stuhl lehnte gegenüber der Tschechoslowakei ab, weil er jede Vereinbarung angesichts der Lage für aussichtslos ansah, zeigte sich aber gegenüber Jugoslawien entgegenkommend. Die Kontakte führten jedoch nicht zum Abschluß eines Vertrages, weil Jugoslawien nicht bereit war, auf kirchliche Minimalforderungen einzugehen. Die polnische Regierung wollte sich nicht an den Heiligen Stuhl wenden. Sie erhoffte sich die Erreichung ihrer Ziele von Verhandlungen mit dem Episkopat

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des Landes. Am 14. April 1950 und 8. Dezember 1956 schloß sie ein Abkommen mit den polnischen Bischöfen43. Diese Verträge sind keine Konkordate, sondern Verwaltungsabkommen auf der Ebene des innerstaatlichen öffentlichen Rechts. Ihr Inhalt weicht stark von dem der Konkordate ab, die vor dem Auftreten des Sozialismus abgeschlossen wurden. Der Staat versuchte in ihnen die Kirche in den Dienst seiner politischen und ökonomischen Zielsetzungen zu stellen. Die Bischöfe bewiesen um der angestrebten Entspannung willen weites Entgegenkommen. Die Regierung aber hielt ihre ohnehin geringfügigen Zusagen nicht ein. Zumal im Schulwesen wurden alle verheißenen oder gemachten Konzessionen wieder zurückgenommen. Die in Ungarn, Rumänien und der Tschechoslowakei geschlossenen Abkommen sind erheblich ungünstiger für die Kirche als das polnische. In Ungarn machte der Episkopat in der Vereinbarung vom 30. August 1950 große Zugeständnisse. Er verpflichtete sich zur Unterstützung der Politik der Regierung. Diese versprach, für eine Dauer von 18 Jahren Zuschüsse an die Kirche zu leisten. Der Abschluß des Übereinkommens vermochte die weitere Zerstörung des kirchlichen Lebens nicht zu verhindern. In Rumänien unterzeichnete eine Versammlung progressiver Geistlicher das von der Regierung vorgelegte Abkommen vom 15. März 1951. In der Tschechoslowakei legte ein Teil des Klerus ein Bekenntnis zu dem Gesetz vom 14. Oktober 1949 ab, das einseitig die Lage der Kirche regelte. b) Konkordate mit den freien Ländern Das Verhältnis des Heiligen Stuhles zu den freien Ländern war nach dem Krieg im allgemeinen nicht ungünstig. Mit einer beträchtlichen Zahl von Staaten, vor allem in Afrika und Asien, nahm der Heilige Stuhl in der Nachkriegszeit diplomatische Beziehungen auf. Dagegen gelang es nicht, mit ihnen eine ähnliche Konkordatsära wie nach dem Ersten Weltkrieg zu eröffnen. In vielen Ländern stand der materielle Neuaufbau nach den Verwüstungen des Krieges im Vordergrund. In den neuen Staaten Afrikas und Asiens waren die Katholiken regelmäßig zu schwach, um den Abschluß einer Vereinbarung mit dem Heiligen Stuhl durchsetzen zu können, abgesehen von den inneren Wirren und Existenznöten vieler dieser Gebiete. Der frische Nationalismus und das empfindliche Selbstgefühl der jungen afrikanischen Staaten sträuben sich gegen die Lösung anstehender Fragen zwischen Kirche und Staat durch Vereinbarungen und bestehen auf ihrer einseitigen Regelung durch Gesetz. Die meisten Staaten üben scharfe Kontrolle über die äußeren Angelegenheiten der Kirche aus. Der Staat behält sich die letzte Zuständigkeit zur Entscheidung in den gemischten Angelegenheiten vor. Die Mehrheit dieser Länder hat bisher kein eigentliches staatskirchenrechtliches System entwickelt. Die Beziehungen der Religionsgemeinschaften zum Staat beruhen noch weitgehend auf Improvisa43 L. Pérez Mier, El acuerdo entre el episcopado polaco y el gobierno de Varsovia, in: Revista Española de Derecho Canónico 6 (1951) 185 – 255; Ost-Probleme 9 (1957) 237; K. Hartmann, Über die Verständigung zwischen Kirche und Staat in Polen, in: Außenpolitik 8 (1957) 571 – 582.

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tion. Die Labilität und Unsicherheit der politischen Verhältnisse empfehlen sowohl dem staatlichen als dem kirchlichen Partner, den Abschluß von Verträgen zu meiden, deren Bindungskraft den oft abrupten Veränderungen entgegenträte und dadurch Spannungen und Konflikte hervorrufen könnte. Man begnügt sich mit der Aufnahme diplomatischer Beziehungen, wodurch anstehende Fragen rasch und unkompliziert gelöst werden sollen. In anderen Ländern bestanden die traditionellen Gründe fort, die ein Konkordat mit dem Heiligen Stuhl nicht zustande kommen ließen. So enthalten z. B. die brasilianischen Verfassungsurkunden vom 18. September 1946 (Art. 31 Nr. 3) und vom 24. Januar 1967 (Art. 9 Nr. 2) wie jene vom 16. Juli 1934 (Art. 17 Nr. 3) die Bestimmung, daß keine Vereinbarung mit einer Kirche oder Kultgemeinschaft abgeschlossen werden dürfe. Gewisse Strömungen in Frankreich, wieder in einen konkordatären Zustand mit dem Heiligen Stuhl zu kommen, vermochten sich nicht zu konkreten politischen Handlungen zu verdichten. Wo dennoch Konkordate geschlossen wurden, zeigen sie eine stärkere Individualität als die früher eingegangenen. Die katholischen Länder Südeuropas – Italien, Spanien und Portugal – hatten nach erbitterten Kämpfen die traditionelle enge Verbindung zwischen Kirche und Staat wiederhergestellt. In Italien bewährten sich nach Kriegsende die Lateranverträge. Sie überdauerten den Sturz des Faschismus und des Königtums und wurden von Art. 7 der republikanischen Verfassung vom 27. Dezember 1947 bestätigt44. Sie haben dadurch eine unmittelbare Verfassungsgarantie erhalten. Mit Portugal schloß der Heilige Stuhl am 18. Juli 1950 einen Akkord über die Besetzung der Bischofsstühle in Portugiesisch-Indien45. In ihm verzichtete die Regierung auf das dem Präsidenten zustehende Privileg der Präsentation und stellte den HI. Stuhl von der Verpflichtung frei, für bestimmte Bischofsstühle Bischöfe portugiesischer Nationalität zu ernennen. Hier wurde eine Entwicklung eingeleitet, die von dem Zweiten Vatikanischen Konzil fortgeführt wurde. Einem Höhepunkt konkordatärer Vereinbarungen strebte die Entwicklung in Spanien zu. Das Verfassungsgesetz vom 17. Juli 1945 stellte Bekenntnis und Ausübung der katholischen Religion als der Religion des Staates unter amtlichen Schutz (Art. 6 Abs. 1). Den nichtkatholischen Religionsgemeinschaften wurde private Ausübung des Kultes zugestanden (Art. 6 Abs. 2). Mit dieser Ordnung kehrte Spanien zur Einheit von Nation und Religion zurück, die seiner Tradition entspricht. In Spanien ist die katholische Religion ein Teil der Kultur. Das Wirken 44

L. Lener, I patti lateranensi e la nuova Italia, in: La Civiltà Cattolica 101 (1950) II, 609 – 621; ders., I precedenti legislativi e storici dell‘articolo 7 della costituzione, in: ebd. III, 248 – 260; G. B. Arista, La Costituzione Italiana (Rom 31963) 61 ff, 348 ff. 45 J. Damizia, Annotationes ad conventionem inter S. Sedem et Rempublicam Lusitaniam, in: Apollinaris 23 (1950) 261 – 263; J. M. Lourenço, Portugal e la Santa Sé, in: Revista Española de Derecho Canónico 6 (1951) 171 – 183; A. da Silva Rego, Le patronage portugais de l’Orient (Lissabon 1957); B. J. Wenzel, Portugal und der Heilige Stuhl. Das portugiesische Konkordats- und Missionsrecht. Ein Beitrag zur Geschichte der Missions- und Völkerrechtswissenschaft (Lissabon 1958).

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der protestantischen Religionsgemeinschaften wandte sich folgerichtig regelmäßig gegen beides. So hielt sich die Regierung für berechtigt, ihnen jede Agitation zu verwehren. Damit war die Bahn für das vorgesehene Konkordat abgesteckt. Der Akkord vom 16. Juli 1946 regelte die Besetzung der nichtkonsistorialen Ämter46. Danach wird die Hälfte der Dignitäten der Kapitel nach Nomination des Staatsoberhauptes aus einem Dreiervorschlag des zuständigen Bischofs besetzt. Vor der Ernennung der Pfarrer hat die Regierung das Recht, Bedenken allgemeinpolitischer Natur zu erheben. Am 5. August 1950 wurde eine Konvention über die Militärseelsorge unterzeichnet47. Diese und weitere kleinere Verträge waren aber nur die Einleitung zu dem großen Konkordat vom 27. August 195348. Es ist die Krönung der Konkordatspolitik Pius‘ XII. Die katholische Religion bleibt nach dem Konkordat „die einzige Religion der spanischen Nation“ mit allen Rechten, die ihr nach göttlichem und kanonischem Recht zustehen (Art. I). Für die Ernennung der Residenzialbischöfe und bischöflichen Koadjutoren gelten die Vorschriften des Abkommens vom 7. Juni 1941 weiter (Art. VII). Der befreite Gerichtsstand des Klerus wird mit gewissen Modifikationen anerkannt (Art. XVI). Der Staat verpflichtet sich zu bedeutenden finanziellen Zuwendungen an die Kirche (Art. XIX). Die nach den Bestimmungen des kanonischen Rechtes geschlossene Ehe hat volle Gültigkeit im staatlichen Bereich (Art. XXIII). Nichtigkeits- und Trennungssachen obliegen den kirchlichen Gerichten (Art. XXIV). In allen Schulen ist der Unterricht in Übereinstimmung mit der katholischen Lehre zu erteilen (Art. XXVI). Der katholische Religionsunterricht ist Pflichtfach in den Schulen jeder Ordnung (Art. XXVII). In den Organen der öffentlichen Meinungsbildung wird der Kirche Raum zur Darlegung und Verteidigung der religiösen Wahrheit gewährt (Art. XXIX). Die Freiheit der kirchlichen Universitäten und Hochschulen sowie die Möglichkeit zur Errichtung von Schulen jeglicher Art werden gewährleistet (Art. XXX und XXXI).

46 L. Pérez Mier, El Convenio español para la provisión de beneficios no consistoriales, in: Revista Española de Derecho Canónico 1 (1946) 729 – 775. 47 M. García Castro, El Convenio entre la Santa Sede y el Estado español sobre la jurisdicción castrense y asistencia religiosa a las fuerzas armadas, in: Revista Española de Derecho Canónico 5 (1950) 1107 – 1171; 6 (1951) 265 – 301, 701 – 771. 48 A. Giannini, Il Concordato con la Spagna, in: Il Diritto Ecclesiastico 64 (1953) 417 – 449; P. Mikat, Das spanische Konkordat, in: Kirche in der Welt 6 (1953) 323 – 328; S. Pappalardo, Inter Sanctam Sedem et Hispaniam sollemnes conventiones. Adnotationes, in: Monitor Ecclesiasticus 79 (1954) 247 – 288; M. Useros Carretero, A propósito de la neutralidad confessional del Estado y el Concordato español, in: Revista Española de Derecho Canónico 9 (1954) 225 – 239; E. F. Regatillo, Il valore del nuovo Concordato spagnuolo per la vita religiosa della Spagna, in: La Civiltà Cattolica 106 (1955) II, 378 – 392; III, 265 – 276, 499 – 507; R. Bidagor, Das Konkordat zwischen dem Heiligen Stuhl und Spanien, in: ÖAfKR 6 (1955) 3 – 13, 173 – 188; 7 (1956) 5 – 17; I. Martín Martínez, Concordato de 1953 entre España y la Santa Sede (Madrid 1961); E. F. Regatillo, El Concordato español de 1953 (Santander 1961); S. Alvárez-Menendez, El Concordato Español de 1953, in: Angelicum 41 (1964) 63 – 86; L. Gutiérrez Martín, El privilegio de nombramiento de obispos en España (Rom 1967); J. Pérez Alhama, La Iglesia y el Estado español (Madrid 1967).

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Durch das Konkordat hatte die Kirche in Spanien eine Position von imponierender Geschlossenheit erlangt. Das spanische Konkordat trug noch einmal der katholischen Tradition des spanischen Volkes Rechnung und schuf ein System des Verhältnisses von Kirche und Staat in einem katholischen Land, das theoretisch fast ideal genannt werden muß. Eine weitergehende Begünstigung der katholischen Kirche und eine intensivere Zusammenarbeit des Staates mit ihr ist schwer denkbar. Dennoch kann man in Spanien von einem System des Staatskirchentums nur mit Einschränkungen sprechen. Denn das Konkordat proklamierte zwar die katholische Religion als Staatsreligion, nicht aber eine Staatskirche. Der katholischen Kirche wird vielmehr die freie Ausübung ihrer Hoheitsgewalt eigens garantiert (Art. II). Ihre Selbständigkeit ist in Spanien unvergleichlich größer als die des Protestantismus in den skandinavischen Ländern. Außerdem tastet das Konkordat die individuelle Bekenntnisfreiheit in ihrem Wesenskern nicht an. Das Konkordat stellt nicht eine Kapitulation des Staates vor der Kirche dar, sondern den im Interesse beider Teile unternommenen Versuch, die möglichst enge Einheit zwischen Kirche und Staat zu verwirklichen. Das spanische System des Verhältnisses von Kirche und Staat, wie es durch das Konkordat ausgebaut wurde, beruht auf dem Grundsatz, daß die katholische Religion als die einzig wahre allein objektives Recht auf Existenz und gesellschaftliche Freiheit besitzt und daß folglich die Anhänger der anderen Religionen nur Anspruch auf Schutz ihres (irrenden) Gewissens haben. Die Propagierung des Irrtums dagegen bedeutet eine Gefahr für den Glauben der Katholiken und für die öffentliche Sittlichkeit und ist daher zu unterbinden. Der Staat hat die Pflicht, die katholische Kirche als die Hüterin und Verkündigerin der Wahrheit zu schützen und zu unterstützen. Das Konkordat bemüht sich, der Kirche die rechtlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen zu schaffen, die für die Ausübung ihrer Sendung notwendig oder nützlich sind. Das Beispiel der islamischen Staaten mit ihren Einheitssystemen war bei dem Abschluß des Konkordats ebenso wirksam wie die Erinnerung an den Bürgerkrieg, der angesichts der Schreckensherrschaft in dem republikanischen Teil Spaniens und der Greueltaten der Republikaner gegen die Kirche streckenweise den Charakter eines Kreuzzugs angenommen hatte. Die Entkatholisierung des Landes, die die republikanische Regierung versucht hatte, galt als Verrat an der nationalen Tradition. Für den Abschluß des Konkordats waren auch einige Erwägungen bestimmend, die sich später als Fehleinschätzungen erwiesen. Beide vertragschließenden Parteien täuschten sich zwar nicht über die religiöse Lage im spanischen Volk. Sie wußten um die Verbreitung sozialistischen, kommunistischen und anarchistischen Gedankenguts, sie kannten die religiöse Lethargie und Antipathie weiter Kreise. Sie übersahen nicht, daß es in Spanien eine beträchtliche Zahl von Menschen gibt, die zugleich katholisch und antiklerikal sind bzw. sein wollen, und daß sich der vor allem an den Universitäten verbreitete Liberalismus nicht mit einer mächtigen Stellung der Kirche abfindet. Wenn sie sich trotzdem nicht abhalten ließen, der katholischen Religion und Kirche eine so hervorragende Stellung einzuräumen, dann geschah dies deswegen, weil sie auf die Kraft der Kirche vertrauten, ihre

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Sendung überzeugend und werbend zur Entfaltung zu bringen, wenn ihr nur die äußeren Voraussetzungen dafür geschaffen werden. Sie sahen aber nicht voraus, daß ein Jahrzehnt genügen würde, um die Kirche entscheidend zu schwächen, und zwar von innen her, nicht von außen. Sie bauten auf die Stabilität der Kirche und ihre stabilisierende Funktion für Gesellschaft und Staat. Sie ahnten nicht, daß diese Festigkeit zum erheblichen Teil auf Faktoren beruhte, die mit einem Pontifikatswechsel hinweggefegt werden konnten. Die vertragschließenden Parteien unterschätzten wohl auch die publizistische Kraft des Protestantismus, die auch bei noch so geringen zahlenmäßigen Verhältnissen in vollem Umfang eingesetzt wird, die Stimmung der sog. Weltöffentlichkeit, die maßgebend vom Protestantismus bestimmt ist, und die Geneigtheit vieler mehrheitlich protestantischer Staaten, vor allem der USA, für ihre Glaubensbrüder in katholischen Ländern zu intervenieren. Das Konkordat wurde zum Anlaß, Spanien wirtschaftlich, kulturell und politisch zu isolieren. Die unermüdlich vorgetragenen Angriffe des Weltprotestantismus gegen das Konkordat konnten auf die Dauer nicht ohne Wirkung bleiben; sie mußten allmählich auch die Widerstandskraft mancher Politiker und Bischöfe untergraben, denen die Verteidigung des Konkordats pflichtmäßig oblag. Schließlich zeigte es sich, daß die mit dem Abschluß des spanischen Konkordats verbundene Hoffnung, es könne als Modell für die übrigen katholischen Länder dienen, sich nicht erfüllte. Mit einer sogleich zu erwähnenden Ausnahme blieb es ein Einzelfall. Mit lateinamerikanischen Staaten, denen Pius XII. stets seine gesteigerte Sorge entgegenbrachte, kam es in drei Fällen zu Vertragsschlüssen. Am 29. Januar 1953 wurde ein Missionsabkommen mit Kolumbien unterzeichnet. Die Regierung sagte der Mission Schutz und Unterstützung zu, u. a. bei der Bildung eines einheimischen Klerus (Art. 7). Am 16. Juni 1954 schloß die Dominikanische Republik mit dem Heiligen Stuhl ein umfangreiches Konkordat, das sich weitgehend an jenes mit Spanien anlehnt49. Die katholische Religion bleibt Staatsreligion (Art. I). Das Patronatsrecht ist fallengelassen (Art. V). Die Tätigkeit ausländischer Geistlicher und Ordensleute im Land wird sichergestellt (Art. X). Es sollte das bis heute (1974) letzte, grundsätzlich alle Fragen gemeinsamen Interesses regelnde Vertragswerk werden. Am 21. Januar 1958 folgte gemäß Art. XVII des Konkordats ein Abkommen über die Militärseelsorge. Mit Bolivien kam am 4. Dezember 1957 ein Missionsabkommen50, am 29. November 1958 ein Vertrag über die Militärseelsorge51 zustande. Den Missionaren wurde neben dem Werk der Evangelisierung auch die 49 J. Damizia, Annotationes ad sollemnes Conventiones inter S. Sedem et Rempublicam Dominicanam, in: Apollinaris 27 (1954) 243 – 276; A. Giannini, Il concordato Dominicano, in: Il Diritto Ecclesiastico 65 (1954) 288 – 298; P. Mikat, Zur neuesten Konkordatspraxis des Heiligen Stuhles. Das Konkordat zwischen dem Heiligen Stuhl und der Dominikanischen Republik, in: Die Kirche in der Welt 8 (1955) 177 – 182. 50 J. Damizia, Annotationes ad conventionem inter Apostolicam Sedem et Bolivianam Rempublicam, in: Apollinaris 31 (1958) 220 – 227; F. Cavalli, La recente convenzione missionaria tra la Santa Sede e la Bolivia, in: La Civiltà Cattolica 109 (1958) I, 502 – 516. 51 A. Pugliese, Adnotationes, in: Apollinaris 34 (1961) 309 – 312.

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Sorge um die Förderung der zeitlichen Wohlfahrt der Eingeborenen aufgetragen (Art. VII). In den Vereinbarungen mit der Dominikanischen Republik (Art. XIX) und mit Bolivien vom 4. Dezember 1957 (Art. XIV) wurde anders als bisher die kirchliche Liebestätigkeit betont berücksichtigt. Peru kam dem Auftrag der Verfassung vom 9. April 1933 bzw. 5. September 1940, ein Konkordat mit dem Heiligen Stuhl abzuschließen (Art. 234), nicht nach. Schließlich erfüllte sich noch in Deutschland ein langgehegter Wunsch Pius‘ XII. Die Nachfolgestaaten Preußens in der Bundesrepublik gingen nach dem Krieg, wenn auch teilweise nach langem Zögern, von dem Fortbestand des Preußischen Konkordats aus. Ebenso hielten Bayern und Baden-Württemberg an der Weitergeltung der einschlägigen Konkordate fest52. In Ergänzung des Preußischen Konkordats schlossen nun das Land Nordrhein-Westfalen und der Heilige Stuhl am 19. Dezember 1956 einen Vertrag zur Errichtung des Bistums Essen53. Dadurch sollte die Seelsorge im Ruhrgebiet zusammengefaßt und einheitlich geleitet werden.

II. Die Vereinbarungen unter Johannes XXIII. und Paul VI. 1. Die Bedeutung des Zweiten Vatikanischen Konzils für das rechtliche Verhältnis von Kirche und Staat Der Tod Pius‘ XII. bedeutete das Ende einer Epoche in der Regierung und Politik der Kirche. Das folgenschwerste Ereignis in dem Pontifikat Johannes’ XXIII. war zweifellos die Einberufung eines Allgemeinen Konzils. Das Zweite Vatikanische Konzil hatte für das Verhältnis von Kirche und Staat im allgemeinen sowie für die 52 Art. 182 der Bayerischen Verfassung vom 2. Dezember 1946 erklärt, die Verträge mit den christlichen Kirchen vom 24. Januar 1925 blieben in Kraft. Art. 35 Abs. 2 der Verfassung des Saarlandes vom 15. Dezember 1947 erkennt die zu Recht bestehenden Verträge und Vereinbarungen mit den Kirchen an. Art. 23 der Verfassung von Nordrhein-Westfalen vom 28. Juni 1950 erkennt die Verträge mit den Kirchen, die im früheren Freistaat Preußen geschlossen wurden, als geltendes Recht an. Art. 8 der Verfassung von Baden-Württemberg vom 11. November 1953 erklärt, Rechte und Pflichten aus Verträgen mit den Kirchen blieben unberührt. Vgl. A. Erler, Die Konkordatslage in Deutschland, in: Süddeutsche Juristen-Zeitung 1 (1946) 197 – 200; M. Gebhart, Die Rechtslage des Reichskonkordates und der Länderkonkordate nach 1945. Jur. Diss. München (München 1951 Masch.); O. Born, Das Problem der Weitergeltung des Reichskonkordats und der Länderkonkordate nach dem Zusammenbruch des Reiches im Jahre 1945. Jur. Diss. Münster (Münster 1953 Masch.); G. Ostermann, Die Fortgeltung des Badischen Konkordates von 1932. Jur. Diss. Köln (Köln 1962); A. Herzig, Die Systematik und Problematik des konkordatären Rechts in Nordrhein-Westfalen. Jur. Diss. Köln (Köln 1965); K. Orywall, Die Geltung der neueren Konkordate und Kirchenverträge im Saarland. Jur. Diss. Köln (Köln 1969). 53 E. Hegel, Kirchliche Vergangenheit im Bistum Essen (Essen 1960) 275 – 295; W. Haugg, Staat und Kirche in Nordrhein-Westfalen (Berlin, Neuwied, Darmstadt 1960); P. Mikat, Das Verhältnis von Kirche und Staat im Lande Nordrhein-Westfalen in Geschichte und Gegenwart (= Veröffentlichungen der Arbeitsgemeinschaft für Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen 129) (Köln, Opladen 1966); J. Bauer, Das Verhältnis von Staat und Kirche im Land Nordrhein-Westfalen. Jur. Diss. Münster (Münster 1968).

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Politik des Heiligen Stuhles im besonderen gewichtige Auswirkungen54. Es sei hier nur auf drei entscheidende Aussagen des Konzils verwiesen. Die Erklärung „Dignitatis humanae“ über die Religionsfreiheit forderte die religiöse Freiheit des einzelnen und der Gemeinschaften im Staat ohne Rücksicht auf die Wahrheitsfrage. Die Religionsfreiheit ist danach ein Grundrecht des Menschen, das sich aus der Menschenwürde, dem der Menschennatur eigenen Streben nach Erkenntnis der Wahrheit, der verschiedenen Aufgabe von Kirche und Staat sowie dem Zweck des Staates, dem Gemeinwohl zu dienen, herleitet. Die Rechtsordnung muß dieses Menschenrecht zum bürgerlichen Recht machen (Art. 2 und 3). Der Staat hat daher grundsätzlich allen Religionen freie Möglichkeit des Wirkens zu gewährleisten. Die einzige Schranke dieser Freiheit ist die Gefährdung der öffentlichen Ordnung (iustae exigentiae ordinis publici: Art. 4; iustus ordo publicus: Art. 2; auch Art. 7). Von dem System der Staatsreligion nahm die Erklärung nur als einer auf besonderen Umständen beruhenden Tatsache Kenntnis, ohne es zu empfehlen. Falls es eingeführt sei, müsse allen Bürgern und Gemeinschaften das Recht auf religiöse Freiheit zuerkannt und gewahrt werden (Art. 6). Damit schien das Ideal des katholischen Staates aufgegeben worden zu sein. Zwar findet sich in Art. 1 der angezogenen Erklärung die clausula salvatoria, die traditionelle Lehre über die sittliche Pflicht der Menschen und der Gemeinschaften gegenüber der wahren Religion und der einzigen Kirche Christi bleibe unberührt. Aber dieser abstrakte Verweis auf eine Lehre, die selbst nicht dargelegt wird, vermag gegen die konkreten Aussagen der erwähnten Artikel nicht aufzukommen. Sie sind von großer Tragweite für das in einigen Ländern bestehende Verhältnis rechtlicher Nähe von Kirche und Staat geworden. Die Pastoralkonstitution „Gaudium et spes“ über die Kirche in der Welt von heute hob hervor, daß die Kirche an kein politisches System gebunden, aber grundsätzlich zum Zusammenwirken mit einem jeden bereit sei. Sie bediene sich zwar des Zeitlichen, soweit es ihre Sendung erfordere, setze aber ihre Hoffnung nicht auf Privilegien, die ihr von der staatlichen Autorität angeboten werden. Sie werde sogar auf die Ausübung gewisser legitim erworbener Rechte verzichten, wenn es feststehe, daß ihr Gebrauch die Glaubwürdigkeit ihres Zeugnisses in Frage stelle oder veränderte Lebensbedingungen eine andere Regelung erforderten 54 A. Schwan, Katholische Kirche und pluralistische Politik. Politische Implikationen des II. Vatikanischen Konzils (= Recht und Staat in Geschichte und Gegenwart 330) (Tübingen 1966); P. Mikat, Kirche und Staat in nachkonziliarer Sicht, in: K. Aland/W. Schneemelcher (Hrsg.), Kirche und Staat. Festschrift für Bischof D. Hermann Kunst D.D. zum 60. Geburtstag am 21. Januar 1967 (Berlin 1967) 105 – 125; H. Barion, „Weltgeschichtliche Machtform“? Eine Studie zur Politischen Theologie des II. Vatikanischen Konzils, in: H. Barion/E. W. Böckenförde/E. Forsthoff/W. Weber (Hrsg.), Epirrhosis. Festgabe für Carl Schmitt, I (Berlin 1968) 13 – 59; D. Grimm, Die Staatslehre der katholischen Kirche nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil, in: Civitas. Jahrbuch für Sozialwissenschaften 8 (1969) 11 – 30; P. Mikat, Nachkonziliare Überlegungen zum gewandelten Verhältnis von Staat und Kirche, in: Militärseelsorge 14 (1972) 206 – 227; J. Wössner (Hrsg.), Religion im Umbruch. Soziologische Beiträge zur Situation von Religion und Kirche in der gegenwärtigen Gesellschaft (Stuttgart 1972).

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(Art. 76). Diese Aussagen, die an sich selbstverständlich sind, stießen auf eine weitverbreitete Mentalität, die in der Entblößung der Kirche von irdischen Sicherungen und zeitlichen Mitteln eine Chance für die bessere Verbreitung des Glaubens sah. Sie gaben das Signal für eine in vielen Ländern sich bildende Bewegung, die sich von der Preisgabe rechtlicher Positionen eine Vertiefung und größere Effizienz des Dienstes der Kirche erwartet. Das Dekret „Christus Dominus“ über die Hirtenaufgabe der Bischöfe schließlich äußerte den Wunsch, daß in Zukunft staatlichen Obrigkeiten keine Rechte oder Privilegien mehr eingeräumt würden, Bischöfe zu wählen, zu benennen, vorzuschlagen oder zu bezeichnen. Die staatlichen Obrigkeiten wurden gebeten, auf die erwähnten Rechte, die sie gegenwärtig kraft Vertrages oder durch Gewohnheit besitzen, im Benehmen mit dem Apostolischen Stuhl zu verzichten (Art. 20). Mit dieser Einladung wurde eine Entwicklung fortgesetzt, die lange vor dem Konzil begonnen hatte55, die aber in Spanien wegen der besonderen Verhältnisse in aufsehenerregender Weise durchbrochen worden war. So gewichtig die erwähnten und andere einschlägige Äußerungen und Weisungen des Zweiten Vatikanischen Konzils für das Verhältnis von Kirche und Staat sind, so wenig darf für das Verständnis der Änderungen, die sich auf diesem Gebiet seit dem Konzil vollziehen, die Entwicklung übersehen werden, die etwa seit dem Beginn der sechziger Jahre in der katholischen Kirche selbst vor sich geht. Denn die Einheit, die Lebendigkeit und der missionarische Elan der Kirche bestimmen ihre Ausstrahlung auf die Gesellschaft und entscheiden damit regelmäßig über ihren Einfluß auf den Staat und sein Wirken. Namentlich im demokratischen Staat ist die Kirche darauf angewiesen, über ihre Glieder auf den Staat einzuwirken, um ihr den Freiheitsraum und die Unterstützung zu gewähren, deren sie für ein gedeihliches Wirken bedarf. Die Bedeutung der Kirche in dem pluralistischen demokratischen Staat hängt zum entscheidenden Teil von der geistlichen Substanz, der inneren Kraft und der Glaubwürdigkeit ab, die sie zu entfalten und auszustrahlen vermag. Die erwähnten Eigenschaften der katholischen Kirche sind aber in fortwährendem, raschem Rückgang begriffen. Der Glaube, die Grundlage der Kirche und all ihrer Aktivität, wird seit Jahren aus den eigenen Reihen angefochten und in Frage gestellt. Zahllose Katholiken sind infolgedessen verunsichert, lebendiger Glaubensüberzeugung bar und zu einem wirksamen Glaubenszeugnis unfähig. Die Autorität von Papst und Bischöfen ist stark geschwächt. Der Klerus ist weithin orientierungslos und gespalten. Die Disziplin in der Kirche ist erheblich zurückgegangen. Kirchliche Gesetze werden ungescheut übertreten und durch summierten Ungehorsam aus dem Weg geräumt. In weiten katholischen Kreisen breiten sich Diesseitsgläubigkeit und antihierarchische Gesinnung aus. Im Namen des Pluralismus etablieren sich die gegensätzlichsten Ansichten zu beinahe allen Gegenständen in 55 Art. 1 des Konkordats mit Kolumbien vom 22. April 1942; Art. I des Akkords mit Portugal vom 18. Juli 1950; Art. V des Konkordats mit der Dominikanischen Republik vom 16. Juni 1954.

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der Kirche. Die Träger des Lehramtes widersprechen sich in wichtigen Punkten. Viele Theologen ignorieren die authentische Lehre der Kirche. Die Freigabe der Meinungsvielfalt unter den Katholiken durch das Zweite Vatikanische Konzil (Pastoralkonstitution „Gaudium et spes“ Art. 43) läßt eine Einheitlichkeit des öffentlichen Handelns der Katholiken kaum mehr zu und stellt auch die Funktionsfähigkeit der kirchlichen Autorität in dem Bereich des Politischen in Frage. Die Gegenstände, in denen die Kirche einmütig auftritt, vermindern sich stetig. Eine Zusammenfassung der Kräfte der Kirche wird immer schwieriger. Infolge der Erschlaffung und Uneinigkeit innerhalb der Kirche geht der Einfluß der Katholiken auf die Gesellschaft fortwährend spürbar zurück. Die Zersetzungserscheinungen im Innern machen die Kirche zu einem immer schwächeren Pol in dem Partnerschaftsverhältnis mit dem Staat. Sie erleichtern es den Kräften, die der Kirche ablehnend gegenüberstehen, sie zu ignorieren oder Hierarchen und Theologen gegeneinander auszuspielen. Dagegen zeigen sich die wohlwollenden Regierungen besorgt, ob die Kirche ihrer Aufgabe in der Bildung der Sitten und in der Erziehung der Menschen weiterhin gerecht zu werden vermag. Nach dem Beispiel anderer christlicher Religionsgemeinschaften, vor allem des deutschen Protestantismus und der russischen Orthodoxie, engagieren sich in jüngster Zeit auch gewisse Teile der Hierarchie politisch, nicht selten mit erheblicher Einseitigkeit. Unter den Gliedern der Kirche entstehen schwärmerische Zusammenschlüsse, die gegen die Verklammerung mit dem „autoritären“ oder „kapitalistischen“ Staat angehen, gleichzeitig aber die Auslieferung der Kirche an den sozialistischen Staat befürworten, sich mit sozialistischen und kommunistischen Kadern verbünden und wirkliche oder angebliche Freiheitsbewegungen in europäischen und außereuropäischen Ländern unterstützen. Manche Gruppen stellen in einem sektiererischen Spiritualismus alle Bindungen zwischen Kirche und Staat in Frage und fordern die Aufhebung geltender Konkordate. Die politische Uneinigkeit der Katholiken nimmt zu, was die Katholiken in Ländern, in denen sie eine Minderheit darstellen, regelmäßig zur Einflußlosigkeit verurteilt. Die christlichen Politiker verfügen weithin nicht mehr über klare Weisungen der Kirche. Alles in allem ist festzustellen, daß die Kraft der katholischen Kirche in den letzten Jahren stark zurückgegangen ist. Die gekennzeichneten Erscheinungen sind geeignet, die bestehenden Rechtspositionen der Kirche von innen her zu gefährden. Eine Kirche, die den Ansprüchen, die an sie gestellt werden müssen, und den Verheißungen, die von ihr ausgehen, nicht mehr entspricht, verliert in den Augen von Bürgern, die mit den demokratischen Regeln messen, die Berechtigung, eine hervorgehobene Stellung im Gefüge der Gesellschaft einzunehmen. Es ist richtig festgestellt worden, „daß in der Demokratie jedes Recht verjährt, wenn es nicht durch lebendige politische Kräfte erhalten und erneuert wird“ (Hans Maier). Wo die geistliche Kraft der Christen nachläßt, brechen erfahrungsgemäß über kurz oder lang sogar Verfassungsgarantien für die Kirche zusammen. Die Kirche ist eine wesentlich öffentliche Potenz mit unverzichtbaren Forderungen an den Staat. Je mehr sich aber die Stärke des Glaubens und das sittliche Niveau in der

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Kirche vermindern, je mehr die Zahl praktizierender Katholiken sinkt, um so weniger Verständnis finden ihre „Privilegien“ im Bereich des öffentlichen Rechts. Der Staat wird ebenso zu Verträgen auf die Dauer nur mit einem Verband bereit sein, der im Leben des Volkes eine bedeutende Funktion innehat. Für den Abschluß von Konkordaten bestehen daher zur Zeit und für eine unabsehbare Zukunft keine günstigen Voraussetzungen. In dieser Hinsicht ist die Lage in den freien Ländern und den sozialistischen Staaten nicht sehr verschieden. Konkordate sind grundsätzlich auf Dauer angelegte Vereinbarungen zwischen Kirche und Staat. Die Gegenwart ist dieser Dauer nicht günstig. Die meisten freien Länder zeigen in steigendem Maße krisenhafte Erscheinungen, erleben einen fortwährenden raschen Wechsel des Rechts und teilweise sogar der Institutionen, schauen unsicher in die Zukunft. Angesichts dieser Labilität besteht für den staatlichen Partner eine verständliche Scheu, sich für längere Zeit festzulegen bzw. baldige neue Verhandlungen ins Auge zu fassen. Bei wirklicher Notwendigkeit, zu einem Übereinkommen zu gelangen, begnügt man sich regelmäßig mit Einzelvereinbarungen, die ein Minimum an inhaltlicher Regelung enthalten. An die Stelle der Konkordate treten neue Möglichkeiten des Zusammenwirkens von Kirche und Staat, z. B. durch ständige oder jeweils vereinbarte Kontakte. Das Bestreben nach institutioneller Gestaltung des Verhältnisses von Staat und Kirche weicht in gewissem Umfang dem Sichbegnügen mit funktioneller Zuordnung. An die Stelle der Zuweisung und Abgrenzung von Rechten und Kompetenzen tritt weithin die kurz- bis mittelfristig vereinbarte Zusammenarbeit. Die sozialistischen Staaten meinen, eine umfassende Vereinbarung mit einem zum Aussterben verurteilten Gebilde, wie es die Kirche nach ihrer Ansicht ist, nicht nötig zu haben. Wozu sie sich allenfalls bereit finden, das sind vertragliche Regelungen von Teilfragen, von denen sie sich einen taktischen Vorteil versprechen. Die Hoffnungen auf einen allmählichen Abbau der Religionsfeindschaft in den sozialistischen Ländern haben sich bisher nicht erfüllt. „Die grimmige Feindschaft gegen die Religion ist das Beständigste am Marxismus“ (Alexander Solschenizyn). Der Heilige Stuhl legt freilich nach wie vor regelmäßig größten Wert auf das Zustandebringen von Vereinbarungen mit den Staaten und zeigt dabei seine bewährte Flexibilität. Er schließt Abkommen auch mit Staaten, die atheistisch oder nichtchristlich sind, und findet sich zum Abschluß von Vereinbarungen geringer inhaltlicher Reichweite bereit. Die pluralistische Struktur der rechtsstaatlichen Demokratien wird ohne Vorbehalte anerkannt. Dennoch besteht zumindest in Teilen der Kirche eine weitverbreitete Konkordatsmüdigkeit. Das gesteigerte Selbstbewußtsein der Bischöfe findet seinen Ausdruck in der von manchen Kreisen erhobenen Forderung, daß künftig an die Stelle von Konkordaten leicht kündbare Einzelvereinbarungen treten sollen, die von den Bischöfen ausgehandelt und dem Heiligen Stuhl allenfalls zur Bestätigung vorgelegt werden.

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2. Die einzelnen Vereinbarungen a) Die „Protokolle“ mit sozialistischen Staaten Mit den sozialistischen Staaten vor allem Osteuropas sucht die vatikanische Diplomatie seit Johannes XXIII. unter schweren Opfern und mit erheblichen Vorleistungen einen Ausgleich anzubahnen56. Über erste Kontakte bei internationalen Versammlungen werden Gespräche vereinbart, von denen man hofft, daß sie sich in der vertraglichen Lösung wenigstens dieser oder jener Lebensfrage der Kirche niederschlagen. Auf der anderen Seite suchen seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil und der Wahl Montinis zum Papst die sozialistischen Regierungen Kontakt mit dem Heiligen Stuhl, um auf diesem Weg Einfluß auf die Kirche zu gewinnen und die Katholiken in ihrem Machtbereich leichter an ihren Kurs binden zu können. Zum erstenmal kam am 15. September 1964 zwischen einem sozialistischen Staat, Ungarn, und dem Heiligen Stuhl ein „Protokoll“ zustande57. In ihm wurden der Regierung die politische Klausel und der Treueid der Bischöfe zugestanden. Es wurde 1968 durch eine zweite Vereinbarung ergänzt. Am 25. Juni 1966 folgte ein „Protokoll“ mit Jugoslawien58. Die Regierung erkannte darin die Zuständigkeit des Heiligen Stuhles bei der Ausübung seiner Jurisdiktion über die katholische Kirche in Jugoslawien in geistlichen, kirchlichen und religiösen Fragen – unbeschadet der inneren Ordnung des Staates – an. Der Heilige Stuhl sicherte die Beschränkung der Tätigkeit der Geistlichen auf das religiös-kirchliche Gebiet zu und mißbilligte jede Form politischer Gewalttätigkeit. Die staatliche Seite beabsichtigte mit diesen Bestimmungen, den kroatischen Klerus von den nationalen Bestrebungen des Volkes fernzuhalten und den Heiligen Stuhl als Bundesgenossen gegen die aufbegehrenden Kroaten zu gewinnen. In dem Protokoll wurde auch der Austausch eines Gesandten beim Heiligen Stuhl und eines Apostolischen Delegaten (nicht eines Nuntius) in Jugoslawien vereinbart, wobei letzterem über c. 267 § 2 CIC hinaus die Aufgabe zukommt, Kontakt mit der Regierung zu pflegen. Jugoslawien nahm indes die diplomatischen Beziehungen mit dem Heiligen Stuhl 1970 wieder auf. Diese „Pro56

N. N., Konkordatsexperimente im Ostblock, in: Ost-Probleme 17 (1965) 194 – 200; G. Simon, Die katholische Kirche und der kommunistische Staat in Osteuropa (= Berichte des Bundesinstituts für ostwissenschaftliche und internationale Studien 31/1971) (Köln 1971); H. Stehle, Die Ostpolitik des Vatikans 1917 – 1975 (München 1975). 57 M. Csizmás, Staat und Kirche in Ungarn seit 1945, in: Ungarn zehn Jahre danach. 1956 – 1966. Ein wissenschaftliches Sammelwerk, hrsg. von W. Frauendienst im Auftrage des Deutsch-Ungarischen Kulturkreises (Mainz 1966) 285 – 322; S. Orbán, Das Abkommen zwischen Staat und Kirche in der Volksrepublik Ungarn, in: Jahrbuch für Geschichte der UdSSR und der volksdemokratischen Länder Europas 9 (1966) 27 – 54. 58 Illyricus, Erstmals Zeit zum Atemholen. Die Entspannung zwischen Kirche und Staat in Jugoslawien, in: Wort und Wahrheit 20 (1965) 132 – 137; L’Attività della Santa Sede nel 1966 (Città del Vaticano 1967) 1272 – 1274; Kirche und Staat in Bulgarien und Jugoslawien. Gesetze und Verordnungen in deutscher Übersetzung. Unter Mitwirkung mehrerer Fachgenossen hrsg. von R. Stupperich (= Schriftenreihe des Studienausschusses der EKU für Fragen der Orthodoxen Kirche 3) (Witten 1971).

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tokolle“ stellen Vereinbarungen auf der niedrigsten Stufe diplomatischer Aktivität und geringsten inhaltlichen Umfangs dar. Sie sind erste tastende Schritte auf einem unsicheren Weg. Die Lage der Kirche innerhalb des Landes hat sich durch ihre Unterzeichnung in Ungarn kaum, in Jugoslawien nur geringfügig verbessert, und auch die erzielten Erleichterungen sind ständig von einem Kurswechsel bedroht. Kontakte des Heiligen Stuhls mit anderen sozialistischen Ländern sind noch nicht bis zur Unterzeichnung von „Protokollen“ gediehen. In Polen ist die Regierung stark an einem Übereinkommen mit dem Heiligen Stuhl interessiert, mit dem sie hofft, den unbequemen Primas, Kardinal Wyszyn´ski, überspielen und zum Stillehalten bringen zu können59. Die polnischen Bischöfe wünschen indes kein Arrangement mit der Regierung, das durch voreilige Konzessionen erkauft ist. Ohne den Abschluß eines Vertrages, aber in Übereinstimmung mit dem Staat ordnete Paul VI. in der Apostolischen Konstitution „Episcoporum Poloniae“ vom 28. Juni 1972 die Organisation der katholischen Kirche in dem Gebiet jenseits der Oder-Neiße-Linie. Es wurden vier neue Diözesen (Oppeln, Landsberg, StettinKammin, Köslin-Kolberg) errichtet, das Bistum Ermland der Kirchenprovinz Warschau, das Bistum Danzig der Kirchenprovinz Gnesen eingegliedert. Aufgrund jahrelanger, mehrmals unterbrochener Verhandlungen wurden Ende Februar 1973 vier neue Bischöfe in Prag geweiht. Eine schriftliche Vereinbarung wurde nicht veröffentlicht. Im Mai 1973 winkte der Heilige Stuhl ab, als die Regierung der Tschechoslowakei neue Gespräche anbot, weil sie ihm aussichtslos erschienen. Die beherrschende Macht der sozialistischen Länder, die Sowjetunion, lehnt nach wie vor institutionelle Beziehungen zum Heiligen Stuhl ab, weil sie die Religionspolitik allein nach eigenem Gutdünken führen will. b) Der Modus vivendi mit Tunesien Zum ersten Mal kam am 27. Juni 1964 mit einem Land, in dem der Islam Staatsreligion ist (Art. 1 der Verfassung vom 25. Juli 1957), ein Vertrag mit dem Heiligen Stuhl zustande, der Modus vivendi mit Tunesien60. Der Vertrag will den Katholiken die Betätigung ihres Glaubens sichern. Öffentliche Ausübung des Gottesdienstes und Verkündigung in der Öffentlichkeit werden jedoch nicht gewährleistet. Die Kirche wird einem strengen Polizeiregime unterworfen. Ob der Vertrag mit seinen demütigenden Bedingungen (Aufhebung des Erzbistums Karthago) und den großen Opfern, die die katholische Kirche in ihm gebracht hat, zukunftsträchtig für ähnliche Vereinbarungen mit anderen afroasiatischen Staaten werden kann, ist unsicher. 59

K. Hartmann, Staat und Kirche nach dem Machtwechsel in Polen, in: Osteuropa 22 (1972) 119 – 129; S. Lammich, Die Rechtsstellung der römisch-katholischen Kirche in der Volksrepublik Polen, in: ÖAfKR 23 (1972) 3 – 15. 60 S. Sanz Villalba, El „modus vivendi“ entre la Santa Sede y la República de Túnez, in: Revista Española de Derecho Canónico 20 (1965) 49 – 56; F. Romita, Adnotazioni, in: Monitor Ecclesiasticus 90 (1965) 15 – 32.

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c) Die Konkordatsänderungen in den Staaten mit Vorzugsstellung der katholischen Kirche Die Einheit des staatskirchlichen Systems ist heute überall in Europa mehr oder weniger erschüttert oder gefährdet. Säkularismus und Pluralität untergraben die Fundamente, auf denen Staatsreligionen und Staatskirchen ruhen. Die Zahl der Länder mit Koordinations- und Trennungssystemen nimmt zu. Die Existenz einer Staatskirche setzt ja regelmäßig eine religiös homogene Bevölkerung mit einer durchgehend positiven Einstellung zu Religion und Kirche voraus. Diese Voraussetzung ist heute bei keiner Kirche der sog. westlichen Welt mehr gegeben. Ihre Mitglieder sind zum erheblichen Teil nicht mehr gesinnungsmäßig in ihr verwurzelt. Ihre Theologen und Geistlichen bilden infolge schwerwiegender Gegensätze in Theologie und Glaube keine Einheit mehr. Das religiöse Fundament der staatskirchlichen Ordnung ist zwar in den katholischen Ländern Südeuropas breiter und stabiler als in den protestantischen Ländern Skandinaviens61, zeigt jedoch gefährliche Risse und wird durch die Entwicklung der Kirche seit dem Konzil fortwährend weiter untergraben. Daß diese Ordnung mit verfassungsrechtlichen Mitteln noch auf lange Dauer gestützt werden kann, ist nicht wahrscheinlich. Eruptive Veränderungen durch jäh ausbrechende Leidenschaften sind in manchen Ländern nicht auszuschließen. Die Politik Pauls VI. zielt auf eine Lockerung der Bande, die zumal auf der Iberischen Halbinsel zwischen Kirche und Staat bestehen, und auf Preisgabe jener Vergünstigungen der Kirche, die wachsender Kritik begegnen. Sie trifft sich mit dem seit Jahren währenden Drängen der Mehrheit der spanischen Bischöfe auf Revision des Konkordats. Der Staat hat dem Wunsch widerstrebend nachgegeben und ist in Verhandlungen mit dem Heiligen Stuhl eingetreten. Die Revision des Konkordats soll „Unabhängigkeit voneinander, gegenseitige Respektierung und die notwendige Zusammenarbeit“ gewährleisten. Im einzelnen soll die Kirche auf gewisse Privilegien, wie die Vertretung im Ständeparlament, im Staatsrat und im Rat des Königreichs sowie die strafrechtliche Vorzugsstellung des Klerus, die Regierung auf ihr Nominationsrecht bei der Ernennung der Bischöfe verzichten. Die spanische Regierung hatte sich dem, was sie als Willensäußerung des Zweiten Vatikanischen Konzils ansah, schon frühzeitig gebeugt. Am 10. Januar 1967 wurde Art. 6 Abs. 2 der Charta der Spanier geändert und das Prinzip der Religionsfreiheit in wörtlicher Anlehnung an die Erklärung „Dignitatis humanae“ proklamiert. Am 26. Juni 1967 wurde das Gesetz über die Religionsfreiheit angenommen. Nach dem Tode General Francos wurde am 28. Juli 1976 ein Vertrag unterzeichnet, in dem Spanien auf das Vorschlagsrecht des Staatschefs (Königs) bei der Besetzung der 61 E. Berggrav, Norwegen: Krise zwischen Kirche und Staat, in: Frankfurter Hefte 9 (1954) 695 – 698; P.-O. Ahrén, Staat und Kirche in Schweden, in: ZevKR 10 (1963) 22 – 45; L. St. Hunter (Hrsg.), Scandinavian Churches (London 1965); G. Garonson, Reform des Staatskirchenrechts in Schweden, in: ZevKR 15 (1970) 60 – 76; G. Weitling, Kirche und Volk in Dänemark. Kirchliche Gesetzgebung und kirchliches Leben in Dänemark im 19. und 20. Jahrhundert, in: ÖAfKR 22 (1971) 85 – 109.

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Bischofsstühle, der Heilige Stuhl auf das strafrechtliche Privileg des Klerus (Art. XVI des Konkordats von 1953) verzichtete. Die Verhandlungen für die Revision des Konkordats werden beschleunigt fortgeführt. Eine ähnliche Entwicklung wie in Spanien ging in Portugal vor sich. Das Gesetz über die Religionsfreiheit vom 21. August 1971 und Art. 45 der am 23. August 1971 revidierten Verfassung sichern allen Religionsgemeinschaften Rechtsgleichheit zu. Das Konkordat und das Missionsabkommen sind in die Diskussion geraten. Der Sturz des autoritären Staates im Jahre 1974 hat eine Entwicklung eingeleitet, die mit Sicherheit darauf hinzielt, die Stellung der katholischen Kirche zu schwächen. In der Konvention vom 15. Februar 1975 gab der Heilige Stuhl in Abänderung des Art. XXIV des Konkordates vom 7. Mai 1940 den Grundsatz der zivilen Unscheidbarkeit kirchlich geschlossener Ehen preis. In Italien sind seit geraumer Zeit Verhandlungen über die Revision einiger Artikel des Konkordats im Gange62. Ohne Abstimmung mit dem Heiligen Stuhl wurde entgegen Art. 34 des Konkordats 1970 die bürgerliche Ehescheidung eingeführt. Der dagegen angesetzte Volksentscheid ergab eine schwere Niederlage der Katholiken. Ende 1976 einigten sich die italienische Regierung und der Heilige Stuhl auf ein Dokument, welches das Konkordat der italienischen Verfassungswirklichkeit und dem Geist des Zweiten Vatikanischen Konzils anpassen will. Die katholische Religion soll danach nicht mehr Staatsreligion sein. Die einschränkenden Bestimmungen gegen abtrünnige Priester sollen fallengelassen werden. Die Verpflichtungen, die sich für den Staat aus dem heiligen Charakter Roms ergeben, sollen aufgehoben werden. Im Freistaat Irland (Eire), dessen Verhältnis zur Kirche unproblematisch war und einer konkordatären Sicherung nicht bedurfte, wurde 1972 durch Volksabstimmung die Streichung der sogenannten Kirchenklausel der irischen Verfassung (Art. 44) beschlossen, die der katholischen Kirche eine Sonderstellung als „Hüterin des Glaubens, zu dem sich die Mehrheit der Bevölkerung bekennt“, einräumte. d) Jüngste Konkordate und Vereinbarungen mit freien Ländern Der Heilige Stuhl hat auch in jüngster Zeit mit zahlreichen Staaten Verträge abgeschlossen. Die meisten behandeln indes nur Einzelfragen, kein einziger bietet eine umfassende Regelung des Gesamtkomplexes der Kirche und Staat berührenden Gegenstände. In vielen Vereinbarungen werden bestehende Verträge abgeändert oder ausgebaut, wobei die Anpassung in den meisten Fällen ein Zurückstecken der kirchlichen Rechtsposition bedeutet, die durch frühere Konkordate erlangt 62

P. Ciprotti, Divorzio e art. 34 del Concordato italiano, in: Apollinaris 40 (1967) 483 – 488; Ch. Rousseau, Italie et Saint-Siège. Problème de la révision du concordat du 11 février 1929, in: Revue Générale de Droit International Public 39 (1968) 451 – 453; S. Lener, Sulla revisione del Concordato, in: La Civiltà Cattolica 120 (1969) II, 432 – 446; III, 9 – 21; IV, 214 – 217.

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worden waren. In einigen Abkommen tauchen Bezugnahmen auf das Zweite Vatikanische Konzil auf. An die Stelle von institutionellen Garantien treten in steigendem Maß Verbürgungen der Religionsfreiheit für einzelne und Gemeinschaften. Eine der schwierigsten Fragen, denen sich die Staaten Mittel- und Westeuropas bei der Gestaltung des Verhältnisses von Kirche und Staat nach wie vor gegenübersehen, ist gewöhnlich die Regelung des Schulwesens, namentlich die Gewährleistung der Einrichtung von freien (nichtstaatlichen, privaten) Schulen. Das Konzil erblickt in der freien, mit Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten und mit öffentlichen Mitteln unterstützten katholischen Bekenntnisschule die optimale Form der Schule (Erklärung „Gravissimum educationis“ über die christliche Erziehung Art. 9). Dementsprechend ist der Heilige Stuhl bestrebt, sich die Berechtigung der Kirche zur Unterhaltung eigener Schulen und die Finanzierung derselben durch den Staat vertraglich verbürgen zu lassen. Das österreichische Konkordat vom 5. Juni 1933, dessen Weitergeltung anfangs namentlich von den Sozialisten bestritten worden war63, wurde durch eine Reihe von Verträgen fortgebildet, von denen besonders jene erwähnenswert sind, die zur Errichtung der beiden neuen Diözesen Burgenland (1960) und Feldkirch (1964) führten und das kirchliche Schulwesen finanziell sicherten (1962 und 1972)64. Spanien sprach in dem Vertrag vom 5. April 1962 eine großzügige Anerkennung der nichttheologischen Studien an kirchlichen Hochschulen aus65. Am 26. November 196066 schloß der Heilige Stuhl mit Paraguay eine Konvention über die Er-

63 Fr. Jachym, Kirche und Staat in Österreich (Wien 31955); D. Mayer-Maly, Zur Frage der Gültigkeit des Konkordates vom 5. Juni 1933, in: ÖAfKR 7 (1956) 198 – 211; L. Leitmaier, Das verweigerte Konkordat. Staat und Kirche im neuen Österreich, in: Wort und Wahrheit 11 (1956) 169 – 171; J. Schmidt, Entwicklung der katholischen Schule in Österreich (Wien 1958); Br. Primetshofer, Ehe und Konkordat. Die Grundlinien des österreichischen KonkordatsEherechtes 1934 und das geltende österreichische Eherecht (Wien 1960); I. Gampl, Oberster Gerichtshof – Konkordat 1933 – Katholikengesetz, in: ÖAfKR 15 (1964) 126 – 130; A. Kostelecky, Die Anerkennung des österreichischen Konkordates vom 5. Juni 1933 und die Verträge der Republik Österreich mit dem Heiligen Stuhl von 1960 und 1962, in: A. Burghardt/ K. Lugmayer/E. Machek/G. Müller/ H. Schmitz (Hrsg.), Im Dienste der Sozialreform. Festschrift für Karl Kummer (Wien 1965) 431 – 441; I. Gampl, Österreichisches Staatskirchenrecht (= Rechts- und Staatswissenschaften 23) (Wien, New York 1971). 64 S. Sanz Villalba, Las convenciones entre Austria y la Santa Sede del año 1960, in: Revista Española de Derecho Canónico 16 (1961) 531 – 539; J. Damizia, Convenzione fra la Santa Sede e la Repubblica Austriaca al fine di regolare questioni attinenti l‘ordinamento scolastico, in: Apollinaris 35 (1962) 76 – 115. 65 J. Maldonado y Fernández del Torco, El convenio de 5 de abril de 1962 sobre el reconocimiento, a efectos civiles, de los estudios de ciencias no eclesiásticas realizados en España en Universidades de la Iglesia, in: Revista Española de Derecho Canónico 18 (1963) 137 – 198; A. de Fuenmayor, El Convenio entre la Santa Sede y Españia sobre Universidades de Estudios civiles (Pamplona 1966). 66 A. Pugliese, Adnotationes, in: Monitor Ecclesiasticus 87 (1962) 385 – 401.

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richtung eines Militärvikariates. Die Konvention mit Venezuela vom 6. März 196467 bewegt sich im allgemeinen in traditionellen Bahnen. Wie schon in den Konkordaten mit Lettland (Art. XII) und der Dominikanischen Republik (Art. X) wird aber auch in dieser Vereinbarung der Betätigung ausländischer Priester und Laien in der Seelsorge und in den sozialen Diensten Aufmerksamkeit geschenkt (Art. XIII). Das Patronatsrecht wird für die Ernennung von Bischöfen (Art. VI) wie für die Besetzung von Kapitels- und Pfarrstellen (Art. VIII–X) abgeschafft, wobei jedoch bei ersteren in dem Verfahren nach der politischen Klausel im Unterschied zu anderen Ländern ein staatliches Vetorecht begründet wird. Das Protokoll mit Haiti vom 15. August 1966 bestätigte – nach vorausgegangenen Konflikten – den Willen der Regierung, die katholische Kirche gemäß Art. 1 des Konkordats von 1860 besonders zu schützen und ihr freie Ausübung ihrer Seelsorge zu gewährleisten entsprechend dem Konkordat, dem kanonischen Recht und dem Zweiten Vatikanischen Konzil. Ähnlich nimmt der Vertrag mit Argentinien vom 10. Oktober 196668 in der Präambel auf die Grundsätze des Zweiten Vatikanischen Konzils Bezug. Er gab der Kirche Freiheit zur Änderung der Diözesanorganisation im Lande (Art. II) und beseitigte das staatliche Nominationsrecht für die Besetzung der Bischofsstühle (Art. III). Die Vereinbarung mit der Schweiz vom 24. Juli 1968 führte zu der seit langem angestrebten Errichtung des Bistums Lugano für den Kanton Tessin69. Am 12. Juli 1973 wurde ein neues Konkordat mit Kolumbien abgeschlossen, am 2. Juli 1975 wurde es ratifiziert. Es ist dies ein typisch postkonziliares Konkordat mit einem katholischen Land. Der humane und soziale Aspekt kirchlicher Tätigkeit tritt in ihm stark hervor. Der Dienst der Kirche an der menschlichen Person wird eigens erwähnt (Art. V). Die katholische Religion wird nur noch als „Grundelement des Gemeinwohls und der unversehrten Entwicklung der Nation“ anerkannt und die kirchliche Freiheit im Rahmen der Religionsfreiheit der übrigen Konfessionen gewährleistet (Art. I). Die Unabhängigkeit von Kirche und Staat ist stark herausgestellt (Art. II und III). Der Dienst der Kirche und ihre Zusammenarbeit mit dem Staat im Bereich des Erziehungs- und Sozialwesens ist besonders betont (Art. V und VI). Die kanonisch geschlossene Ehe bleibt grundsätzlich allein der Kirche unterstellt, ausgenommen die Trennung von Tisch und Bett (Art. VII–IX). Ausführlich ist die Tätigkeit der Kirche in Unterricht und Erziehung geregelt (Art. X–XIII). Die Ernennung der Bischöfe erfolgt frei durch den Papst, wobei jedoch dem Präsidenten der Republik ein Recht, Bedenken „zivilen oder politischen Charakters“ zu äußern, 67 S. Sanz Villalba, Adnotationes, in: Monitor Ecclesiasticus 90 (1965) 361 – 376; M. Torres Ellul, El Convenio entre la Santa Sede y la República Venezolana, in: Revista Española de Derecho Canónico 21 (1966) 485 – 555. 68 R. De Lafuente, El acuerdo entre la Santa Sede y la República Argentina, in: Revista Española de Derecho Canónico 23 (1967) 111 – 125. 69 H. Kehrli, Interkantonales Konkordatsrecht (Bern 1968); A. W. Ziegler, Kirche und Staat in der Schweiz, in: MThZ 19 (1969) 269 – 287; E. Kussbach, Die Errichtung eines selbständigen Bistums Lugano. Übereinkommen zwischen dem schweizerischen Bundesrat und dem Heiligen Stuhl vom 24. Juli 1968, in: ÖAfKR 21 (1970) 96 – 114.

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eingeräumt wird (Art. XIV). Die Immunität der Geistlichen und Religiosen ist in moderner Form beibehalten (Art. XVIII–XX). Das kirchliche Vermögen ist mit bemerkenswerten Anpassungen an heutige Verhältnisse geschützt (Art. XXIII–XXVI). In rechtsvergleichender Hinsicht nimmt das Staatskirchenrecht der Bundesrepublik Deutschland eine Sonderstellung ein70. Der Zweite Weltkrieg endete mit der Besetzung des Landes durch die siegreichen Alliierten. Die westlichen Besatzungsmächte gewährten den Kirchen im allgemeinen Handlungsfreiheit. Unmittelbar nach Beendigung des Krieges, den die Kirchen als intakte Organisationen überstanden hatten, waren diese als Bürgen einer rechtsstaatlichen Ordnung gesucht und anerkannt. Ihre Stellung in der Öffentlichkeit schien sich zu festigen, eine neue Zuwendung von Kirche und Staat sich anzubahnen. Die Kirchen wurden zunächst in ihre früheren Rechte restituiert, freilich in einigen Ländern mit fühlbaren Einschränkungen namentlich im Schulwesen. In dem positiven Staatskirchenrecht schlugen sich die Erfahrungen der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft nur in relativ bescheidenem Maße nieder. Eine grundsätzliche kirchenpolitische Neuorientierung wurde sowohl in der Bundesrepublik als auch in vielen Bundesländern durch den Widerstand der Sozialisten und Liberalen entweder verhindert oder erschwert. Im Bund wie in den Ländern ging man grundsätzlich von dem Staatskirchenrecht der Weimarer Verfassung aus und modifizierte es nur in Einzelheiten. Gerade die Kompromißhaftigkeit der Weimarer Lösung des Verhältnisses von Staat und Kirche hat sich als wirklichkeitsnah und dauerhaft erwiesen. Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 1949 rezipierte wörtlich die Art. 136 – 139 und 141 WRV und gewährleistete in Art. 4 Bekenntnis- und Kultusfreiheit und in Art. 7 den Religionsunterricht. Ähnlich verfuhren die Verfassungen der Länder. Dabei wurden je nach der parteipolitischen Zusammensetzung der verfassunggebenden Landesversammlungen gewisse Änderungen und Ergänzungen angebracht. Im ganzen räumen die Länder mit überwiegend katholischer Bevölkerung der Kirche eine günstigere Stellung ein als jene mit mehrheitlich protestantischer Bevölkerung. So sind beispielsweise nach der Verfassung des Landes Rheinland-Pfalz vom 18. Mai 1947 die Kirchen anerkannte Einrichtungen für die Wahrung und Festigung der religiösen und sittlichen Grundlagen des menschlichen 70 H. Quaritsch/H. Weber (Hrsg.), Staat und Kirchen in der Bundesrepublik. Staatskirchenrechtliche Aufsätze 1950 – 1967 (Bad Homburg v. d. H., Berlin, Zürich 1967); J. Listl, Das Grundrecht der Religionsfreiheit in der Rechtsprechung der Gerichte der Bundesrepublik Deutschland (= Staatskirchenrechtliche Abhandlungen Bd. 1) (Berlin 1971); E.-L. Solte, Theologie an der Universität. Staats- und kirchenrechtliche Probleme der theologischen Fakultät (= Jus Ecclesiasticum 13) (München 1971); J. Jurina, Der Rechtsstatus der Kirchen und Religionsgemeinschaften im Bereich ihrer eigenen Angelegenheiten (= Schriften zum öffentlichen Recht 180) (Berlin 1972); U. Scheuner, Schriften zum Staatskirchenrecht, hrsg. von J. Listl (Berlin 1973); P. Mikat, Religionsrechtliche Schriften. Abhandlungen zum Staatskirchenrecht und Eherecht, hrsg. von J. Listl, 2 Bde. (Berlin 1974); E. Friesenhahn/ U. Scheuner/J. Listl (Hrsg.), Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland, 2 Bde. (Berlin 1974/75); E. G. Mahrenholz, Kirchen als Korporationen, in: ZevKR 20 (1975) 43 – 76.

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Lebens (Art. 41 Abs. 1). Eine ähnliche Aussage macht die Verfassung des Landes Baden-Württemberg vom 11. November 1953 (Art. 4 Abs. 2). Die Verfassung des Landes Hessen vom 1. Dezember 1946 sieht dagegen eine deutliche Abgrenzung von Kirche und Staat (Art. 50) sowie die Ablösung der Staatsleistungen im Weg der Gesetzgebung (Art. 52) vor. Der Bund besitzt im Unterschied von der Weimarer Verfassung keine Grundsatz-Gesetzgebungskompetenz mehr in kirchenpolitischen Fragen. Dennoch behält er eine Reihe von Gesetzgebungszuständigkeiten, weil die verfassungsrechtlichen Grundlagen des Verhältnisses von Kirche und Staat nach wie vor Bundesrecht sind (Art. 140 GG). Angesichts dieser Rechtslage war es vornehmlich Sache der Länder, im Ausbau und in der Weiterbildung der Ordnung zwischen Kirche und Staat die Initiative zu ergreifen. Wenn von einer grundlegenden Neuordnung des Verhältnisses von Staat und Kirche keine Rede sein kann, so doch von einer neuen Weise der Interpretation der überlieferten Formeln. Infolge des von der WRV verschiedenen verfassungsrechtlichen Rahmens haben die Bestimmungen über die Religionsgemeinschaften einen Bedeutungswandel erfahren. Dieser läßt sich kurz zusammenfassen in den zwei Polen: Ende der Staatskirchenhoheit und Anerkennung eines öffentlichen Gesamtstatus der Kirchen. Die neue Deutung des Verhältnisses zwischen Kirche und Staat in der Rechtslehre haben die Kirchenverträge mit den evangelischen Landeskirchen in Niedersachsen (1955), Schleswig-Holstein (1957) und Hessen (1960) aufgenommen, anerkannt und rechtlich konkretisiert. Anspruch und Aufgabe der Kirchen werden von staatlicher Seite positiv beurteilt und als grundsätzlich förderungswürdig angesehen. Die Mitverantwortung der Kirchen für die Gestaltung der öffentlichen Ordnung, ja für das Schicksal von Staat und Gesellschaft wird bejaht. Die Leistungen der Kirchen für die Erhaltung der sittlichen Grundlagen des menschlichen Lebens, ihr Kampf für Freiheit und Menschenwürde sowie ihre stabilisierende Funktion haben zur Anerkennung ihrer Berechtigung geführt, grundsätzlich zu allen Fragen des Volkslebens von ihrer Warte her Stellung zu nehmen. Die Bejahung überpositiver, vorstaatlicher Rechte und Wirklichkeiten im Grundgesetz verbietet eine staatliche Ingerenz in kirchliche Angelegenheiten, wie sie noch nach der WRV möglich schien, und gibt der Kirche eine Eigenständigkeit und Unabhängigkeit, wie es in dieser Deutlichkeit die WRV nicht tat. Die überkommenen Aufsichts- und Mitwirkungsbefugnisse des Staates werden nahezu gänzlich aufgehoben oder auf vertragliche Grundlage gestellt. Aber der Staat will regelmäßig nicht mehr bloß Bindungen abwerfen, sondern die Kirche zur Erfüllung ihrer Aufgaben freisetzen. Ihre öffentlich-rechtliche Stellung wird vertraglich bestätigt. Das seit 1945 bestehende Verhältnis zwischen Kirche und Staat ist nach herrschender Meinung jenes der Koordination. Kirche und Staat stehen sich als unabhängige Partner eigenen Rechts gegenüber, die aufgrund ihrer gemeinsamen Verantwortung einander berührende Fragen grundsätzlich einvernehmlich regeln. Der Staat ist zwar nicht verpflichtet, gemeinsame Angelegenheiten durch Vertrag mit der Kirche zu ordnen. Aber der Vertrag ist in einem Verfassungssystem, das Eigenständigkeit der Kirche und Säkularität des Staates ausspricht, das adäquate

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Mittel. Der moderne Leistungs- und Sozialstaat hat zudem viele Beziehungen mit der Kirche neu geschaffen oder neu betont. Die Zahl der in den Jahren seit Kriegsende mit den Kirchen abgeschlossenen Verträge ist daher sehr hoch. Die meisten Vereinbarungen wurden zwischen den Bundesländern einerseits und den protestantischen Landeskirchen bzw. dem Heiligen Stuhl oder den Bischöfen eines Landes anderseits, verhältnismäßig wenige vom Bund mit den Zusammenschlüssen von Kirchen getroffen. Bei den Verträgen sind die beiden Gruppen der grundsätzlichen, statusbestimmenden und der Einzelfragen regelnden Vereinbarungen zu unterscheiden. Beträchtlich ist die Zahl der Verwaltungsabkommen mit Bischöfen, z. B. zur Regelung der Gestellung von Religionslehrern oder von vermögensrechtlichen Fragen. Zum erstenmal in der Geschichte des deutschen Staatskirchenrechts ging nach dem Zweiten Weltkrieg die Initiative zu Verträgen zwischen Kirche und Staat in verschiedenen Bundesländern von dem deutschen Protestantismus aus. Im doppelten Unterschied zu der Praxis in der Zeit der Weimarer Republik waren einmal die evangelischen Kirchenverträge nicht bloße paritätische Ergänzungen katholischer Konkordate, sondern aus protestantischen Begriffen und Bedürfnissen entwickelte, eigenständige Vereinbarungen und folgten ihnen zum anderen keine oder keine adäquaten, den Paritätsgrundsätzen Rechnung tragenden Abschlüsse mit der katholischen Kirche. Um so bemerkenswerter ist die Tatsache, daß in einigen dieser Verträge, ebenfalls zum erstenmal in der Geschichte des deutschen Staatskirchenrechts, ausdrückliche Paritätsklauseln erscheinen, die dem Protestantismus die Gleichbehandlung mit der katholischen Kirche verbürgen71. Die katholische Kirche war durch ihr Festhalten an dem Reichskonkordat, dessen rechtswirksames Zustandekommen und dessen Fortgeltung von Linkskreisen bestritten wurden, vor allem durch ihr Bestehen auf den Schulartikeln, die einigen staatlichen Partnern lästig waren72, zunächst am Abschluß neuer Vereinbarungen behindert. Um die Schulbestimmungen gab es in mehreren Bundesländern langanhaltende Konflikte. Das Land Niedersachsen legte ein Schulgesetz vor, das nach Ansicht der Kirche und der Bundesregierung im Widerspruch zu Art. 23 RK stand. Der Streit wurde von der Bundesregierung vor das Bundesverfassungsgericht gebracht. Dieses sollte die Frage entscheiden, ob das Land Niedersachsen dem Bund 71 Schlußprotokoll zu Art. 23 Hess. Kirchenvertrag, Schlußprotokoll zu Art. 28 Rheinlandpfälzischer Kirchenvertrag, Art. VI Hess. Vertrag mit den katholischen Bistümern, Art. 14 Ergänzungsvertrag zum Niedersächsischen Kirchenvertrag. 72 K.-O. Hütter, Bindung der Länder an die Schulbestimmungen des Reichskonkordats von 1933. Rechtsnachfolge oder Funktionsnachfolge. Jur. Diss. Münster (Münster 1964); F. Müller, Landesverfassung und Reichskonkordat. Fragen der Schulform in Baden-Württemberg, in: Baden-Württembergisches Verwaltungsblatt 10 (1965) 177 – 181; P. Feuchte/P. Dallinger, Christliche Schule im neutralen Staat, in: Die Öffentliche Verwaltung 20 (1967) 361 – 374; F. Müller, Schulgesetzgebung und Reichskonkordat (Freiburg, Basel, Wien 1966); F. Pitzer, Die Bekenntnisschule des Reichskonkordats (Köln, Berlin 1967); W. Weber, Die Reichweite der Bekenntnisschulgarantie in Artikel 23 des Reichskonkordats, in: H. Brunotte/K. Müller/ R. Smend (Hrsg.), Festschrift für Erich Ruppel zum 65. Geburtstag am 25. Januar 1968 (Hannover, Berlin, Hamburg 1968) 354 – 374.

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gegenüber verpflichtet sei, sich bei der Gestaltung seines Schulrechts an die Bestimmungen des Reichskonkordats zu halten. Das Bundesverfassungsgericht bejahte in seinem Urteil vom 26. März 195773 sowohl das rechtswirksame Zustandekommen als auch die Weitergeltung des Reichskonkordats, verneinte aber die Befugnis des Bundes, die Länder zur Einhaltung jener Verpflichtungen desselben anzuhalten, deren Gegenstand nach dem Grundgesetz unter die ausschließliche Kompetenz der Länder fällt. Diese unglückliche und widersprüchliche Entscheidung sprach den Ländern mit Rücksicht auf ihre ausschließliche Gesetzgebungszuständigkeit in Fragen des Schulwesens die verfassungsrechtliche Freiheit zu, sich völkerrechtlicher Verbindlichkeiten eigenmächtig zu entledigen. Mit ihr wurde das Reichskonkordat in wesentlichen Teilen entwertet. Immerhin wurde der niedersächsische Schulstreit zum Anlaß, eine vertragliche Lösung der offenen Fragen zu suchen und die Parität in Niedersachsen, die durch den für die protestantischen Landeskirchen sehr günstigen Loccumer Vertrag vom 19. März 1955 nicht mehr gewahrt war, in gewissem Umfang wiederherzustellen. Nach langwierigen Verhandlungen, die von einer leidenschaftlichen antikatholischen Kampagne im Lande begleitet waren, kam es am 1. Juli 1965 zu dem Abschluß des ersten und einzigen Konkordates mit einem Land der Bundesrepublik Deutschland, Niedersachsen74. Es bildete das Preußische Konkordat von 1929 fort, überschritt es aber beträchtlich in Thematik und Aussage. Der Vertrag beseitigte die Zersplitterung des Staatskirchenrechts im Lande und beendete den Konflikt zwischen Kirche und Staat über die Ausgestaltung des Schulwesens. Das Land gewährleistete unter gewissen Bedingungen die Beibehaltung und Neuerrichtung (öffentlicher) katholischer Bekenntnisschulen. Die Kirche erkannte die Gemeinschaftsschule als Regelschule, die Bekenntnisschule als Antragsschule an (Art. 6). Bei wesentlicher Änderung der Struktur des öffentlichen Schulwesens wurde die Eröffnung von Verhandlungen im Geist des Vertrages ins Auge gefaßt (Art. 19 Abs. 2)75. Die Förderung der katholischen Erwachsenenbildung durch den Staat wurde zugesagt (Art. 9). Die Interessen der Kirche an dem Rundfunk wurden berücksichtigt (Art. 10). Mit diesen beiden Bestimmungen ist der Versuch gemacht, neuere Entwicklungen in die übliche Konkordatsmaterie einzubringen. Über die traditionelle Freundschaftsklausel hin73 Der Konkordatsprozeß, hrsg. von F. Giese/F. A. Frhr. v. der Heydte, 4 Bde. (München 1957 – 59); C. J. Hering/H. Lentz (Hrsg.), Entscheidungen in Kirchensachen seit 1946, IV (Berlin 1966) 46 – 94. 74 J. Niemeyer, Kirche und Staat nach dem Konkordat in Niedersachsen, in: Ordo Socialis 13 (1965) 205 – 218; E.-G. Mahrenholz, Das Niedersächsische Konkordat und der Ergänzungsvertrag zum Loccumer Kirchenvertrag, in: ZevKR 12 (1966/67) 217 – 282; E. Ruppel, Konkordat und Ergänzungsvertrag zum Evangelischen Kirchenvertrag in Niedersachsen, in: Deutsches Verwaltungsblatt 81 (1966) 207 – 212; D. Scheven, Das Niedersächsische Konkordat, in: Juristenzeitung 20 (1966) 341 – 347; H.-J. Toews, Die Schulbestimmungen des Niedersächsischen Konkordats (Göttingen 1967). 75 Bereits am 21. Mai 1973 wurde eine Anpassung verschiedener Bestimmungen an veränderte Verhältnisse erforderlich (AAS 65 [1973] 643 – 646). Der Notenwechsel zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Land Niedersachsen vom 22. Dezember 1972 sieht die gänzliche Ablösung des staatlichen Konfessionsschulwesens vor.

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aus ging die Vereinbarung, über alle Fragen des gegenseitigen Verhältnisses „ständigen Kontakt“ herzustellen (Art. 19 Abs. 1). Das Niedersächsische Konkordat zog keine ähnlichen Verträge nach sich. Andere Länder, wie Hessen und Rheinland-Pfalz, fanden sich nur zum Abschluß von Vereinbarungen mit den Bischöfen des Landes bereit. Für den Abschluß von Konkordaten besteht in der Bundesrepublik heute keine günstige Konstellation. Die Errichtung neuer theologischer Fakultäten (Bochum, Regensburg, Augsburg, Passau) bzw. Fachbereiche (Osnabrück) und Lehrstühle (Saarbrücken) an den staatlichen Universitäten sowie die weitgehende Beseitigung des konfessionellen Charakters der öffentlichen Volksschulen und der Lehrerbildung machten eine Anzahl von Verträgen einzelner Bundesländer (Bayern, Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen, Saarland, Niedersachsen) mit dem Heiligen Stuhl notwendig. Die Tendenz, die Bekenntnisschulen und die bekenntnismäßige Lehrerbildung auf die private Ebene zu drängen, ist unverkennbar. Die Art. 23 und 24 des-Reichskonkordats sind durch diese Entwicklung fast gänzlich obsolet geworden. Immerhin haben sich einige Länder zu weitgehender Unterstützung der katholischen Privatschulen bereit gefunden. Der Vertrag mit Bayern vom 4. September 1974 bestätigte die bereits am 7. Oktober 1968 vereinbarte Möglichkeit, in den öffentlichen Volksschulen unter bestimmten Voraussetzungen Klassen und Unterrichtsgruppen für Schüler des katholischen Bekenntnisses zu bilden, in denen sich Unterricht und Erziehung nach den besonderen Grundsätzen des katholischen Bekenntnisses richten (Art. 6 §§ 2 und 3). Der Freistaat Bayern verpflichtete sich, „im Rahmen der allgemeinen Förderung der Privatschulen“ den Schulen katholischer Träger finanzielle und personelle Hilfe angedeihen zu lassen (Art. 8 § 1). Den privaten katholischen Volksschulen und Sonderschulen wurde mit gewissen Einschränkungen der Ersatz des notwendigen Aufwands und der Baukosten zugesagt (Art. 8 §§ 2 und 3). Der Sicherung der Einrichtung und Finanzierung der katholischen Privatschulen diente auch der Akkord mit Rheinland-Pfalz vom 15. Mai 1973. Der Vertrag enthält großzügige Zusagen für staatliche Beiträge zu den Aufwendungen für Baumaßnahmen katholischer Schulträger (Art. 7) und für die Zuweisung staatlicher Lehrer an katholische Privatschulen (Art. 10). Im wesentlichen ähnlich ist die am 21. Februar 1975 zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Saarland über dieselben Gegenstände getroffene Vereinbarung. In jüngster Zeit scheint sich eine neue Phase des Verhältnisses von Kirche und Staat in der Bundesrepublik anzubahnen. Die Kirche geriet in starke Abhängigkeit von den Bewegungen der Gesellschaft. Die gewandelte öffentliche Stimmung wirkt auf die Auslegung der Normen zurück, jetzt aber in einem den Kirchen wachsend ungünstigeren Sinne. Die Interpretation der staatskirchenrechtlichen Bestimmungen ist ja in hohem Maß von den jeweils vorherrschenden und mitunter rasch wechselnden politischen und weltanschaulichen Tendenzen in der Öffentlichkeit abhängig. Etwa seit Beendigung des Zweiten Vatikanischen Konzils werden die öffentliche Stellung sowie der politische, soziale und kulturelle Einfluß der Kirchen in der Bundesrepublik von der Lehre, Parteipolitikern und gewissen Organisationen

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in steigendem Umfang in Frage gestellt. Der Prozeß der Säkularisierung schreitet nach der „Schrecksekunde“ des verlorenen Krieges und dem „Schock der ersten Nachkriegszeit“ (Siegfried Grundmann) mit neuer Intensität fort76. Eine einflußreiche Strömung sieht die Kirchen in zunehmendem Maße in Relation mit anderen sozialen Kräften und reiht sie in die Verbände und Interessengruppen ein. Diese Sicht läßt das Wesen der Kirchen nicht mehr hinreichend zur Geltung kommen. Die institutionellen Beziehungen zwischen Kirche und Staat werden schwächer, sie werden zugunsten einer stärkeren gesellschaftlichen Ausrichtung der beiden Größen abgebaut. Die Kirche muß sich in den Prozeß der Bildung des staatlichen Willens weniger als Institution denn durch die Präsenz ihrer Gläubigen in der Gesellschaft einschalten. In der Rechtsprechung besteht teilweise die Tendenz, in der Religionsfreiheit den negativen Aspekt überzubetonen, d. h. weniger die Freiheit der Religionsübung zu schützen als vielmehr das Recht der Dissidenten auf Nichtübung religiöser Handlungen zu sichern. Im Zuge dieser Entwicklung droht die Religionsübung auf den Kirchenraum und den Bereich der Familie eingeschränkt zu werden. In diese Richtung weisen die Urteile des Bremer Staatsgerichtshofs vom 23. Oktober 196577 und des hessischen Staatsgerichtshofs vom 27. Oktober 196578 über Fragen des Religionsunterrichts und des Gebets in der Schule. Erheblich anders als in den westlichen Besatzungszonen bzw. in der Bundesrepublik Deutschland verlief die Entwicklung des Verhältnisses von Kirche und Staat in der sowjetischen Besatzungszone bzw. in der Deutschen Demokratischen Republik79. Die sowjetische Besatzungsmacht hielt sich zunächst mit Eingriffen in den 76

S. Grundmann, Laizistische Tendenzen im deutschen Staatskirchenrecht?, in: Festschrift Kunst 126 – 133; J. Listl, Staat und Kirche in der Bundesrepublik Deutschland. Wandlungen und neuere Entwicklungstendenzen im Staatskirchenrecht, in: StdZ 191 (1973) 291 – 308; I. Gampl/Chr. Link, Deutsches und österreichisches Staatskirchenrecht in der Diskussion (= Rechts- und Staatswissenschaftliche Veröffentlichungen der Görres-Gesellschaft N. F. 10) (Paderborn 1973); H. Maier, Die Kirchen in der Bundesrepublik Deutschland, in: Internationale katholische Zeitschrift „Communio“ 2 (1973) 547 – 558; 3 (1974) 63 – 74; P. Rath (Hrsg.), Trennung von Staat und Kirche? Dokumente und Argumente (= rororo aktuell) (Reinbek b. Hamburg 1974). Einen „Fremdkörper“ im Verfassungsgefüge des Grundgesetzes nennt den Religionsunterricht E. G. Mahrenholz, Die Kirchen in der Gesellschaft der Bundesrepublik (Hannover 21972) 132. 77 C. J. Hering/H. Lentz (Hrsg.), Entscheidungen in Kirchensachen seit 1946, VII (Berlin [1970]) 260 – 275. 78 Ebd. 275 – 299. 79 E. Jacobi, Staat und Kirche nach der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik, in: ZevKR 1 (1951) 113 – 135; W. Meinecke, Die Kirche in der volksdemokratischen Ordnung der Deutschen Demokratischen Republik (Berlin 1952); U. Krüger, Das Prinzip der Trennung von Staat und Kirche in Deutschland, in: Festschrift für Erwin Jacobi (Berlin 1957) 260 – 286; W. Meinecke, Die Kirche in der volksdemokratischen Ordnung der Deutschen Demokratischen Republik (Berlin 1962); Chr. Meyer, Das Verhältnis zwischen Staatsgewalt und Kirche im Lichte der Glaubens- und Gewissensfreiheit in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands. Rechtswiss. Diss. Mainz (Mainz 1964); H. Bahl, Zum Verhältnis von Staat und Kirche in der Deutschen Demokratischen Republik, in: Wissenschaftliche Zeitschrift der Universität Rostock. Gesellschafts- und sprachwissenschaftliche Reihe 15 (1966) 315 – 323;

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inneren kirchlichen Bereich zurück. Die Verfassung der DDR vom 7. Oktober 1949 übernahm in den Art. 41 – 49 zum großen Teil Formulierungen der Art. 135 – 141 WRV. Diese Bestimmungen wurden aber durch das verschärfte Prinzip der Trennung von Kirche und Staat wesentlich verändert. Die Verfassung gewährleistete die Religionsfreiheit (Art. 41) und erhielt den Religionsgemeinschaften die Eigenschaft von Körperschaften des öffentlichen Rechts mit dem traditionellen Recht, Steuern zu erheben (Art. 43 Abs. 3 und 4). Religionsunterricht durfte von ihnen in den Räumen der Schule erteilt werden (Art. 40, 44). Das Schulwesen aber wurde ausschließlich der Herrschaft des Staates unterstellt (Art. 34 – 40). Ungünstiger als das Verfassungsrecht war die Verfassungswirklichkeit. Durch Gesetze und Verordnungen sowie durch administrative Maßnahmen wurden die Wirksphäre der Kirche immer stärker eingeschränkt und die planmäßige Entchristlichung des Volkes vorangetrieben. Relativ getreuer Ausdruck des heute erreichten Standes der Beziehungen von Kirche und Staat ist die Verfassung der DDR vorn 6. April 1968. Sie gewährleistet Gewissens- und Glaubensfreiheit und Gleichberechtigung aller Bürger ohne Rücksicht auf das religiöse Bekenntnis (Art. 20 Abs. 1) sowie Freiheit des Bekenntnisses und der Religionsübung (Art. 39 Abs. 1). Die Ordnung der Angelegenheiten der Kirchen und Religionsgemeinschaften und die Ausübung ihrer Tätigkeit unterstehen dem Vorbehalt der Verfassung und des Gesetzes (Art. 39 Abs. 2). Die Selbständigkeit der Kirchen in der Ordnung und Verwaltung ihrer Angelegenheiten wird nicht mehr verbürgt. Gegen Eingriffe in ihre innere Sphäre besteht kein verfassungsmäßiger Schutz mehr. Von irgendwelchen Rechten der Kirchen ist keine Rede mehr. Das kirchliche Wirken ist den (willkürlich manipulierbaren) „gesetzlichen Bestimmungen“ der DDR ausgeliefert. Kirchen und Religionsgemeinschaften sind nach der Verfassung von 1968 nicht mehr Körperschaften des öffentlichen Rechts. Sie bewegen sich mithin von nun an allein in dem Bereich des Privatrechts und haben Dienstherrenfähigkeit und Disziplinargewalt verloren. Auch auf den anderen Rechtsgebieten, z. B. dem Strafrecht, werden die der Kirche aus ihrer öffentlichen Stellung erwachsenden Vorrechte beseitigt. Eine Gewährleistung des Religionsunterrichtes fehlt ebenso wie die Sicherstellung der Seelsorge in öffentlichen Anstalten. Eine Verfassungsgarantie des kirchlichen Eigentums besteht nicht mehr. Das Recht der Kirche, Steuern zu erheben, ist hinfällig geworden. Die öffentlichen Leistungen werden nicht mehr erwähnt. Die Verfassung der DDR von 1968 erwähnt indes als einzige Verfassung eines sozialistischen Landes die Vereinbarungen als Mittel zur Regelung des Verhältnisses von Staat und Kirche (Art. 39 Abs. 2). Damit gibt sie zu erkennen, daß sie um die Eigenständigkeit der Kirchen weiß. Anscheinend hat die Führung der DDR begriffen, daß Verträge nützliche Mittel sozialistischer Kirchenpolitik sein können. Zumal an die H. Johnsen, Staat und Kirche in der DDR, in: Im Lichte der Reformation. Jahrbuch des Evangelischen Bundes 10 (1967) 51 – 70; K. Richter, Katholische Kirche in der DDR. Wandel kirchlicher Strukturen unter den Bedingungen einer sozialistischen Gesellschaft, in: Jahrbuch für christliche Sozialwissenschaften 13 (1972) 215 – 245; S. Mampal, Die sozialistische Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik. Text und Kommentar (Frankfurt 1972).

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katholische Kirche hat die DDR noch einige Wünsche, deren Erfüllung nur vom Heiligen Stuhl erlangt werden kann, z. B. eine neue Diözesanzirkumskription. Erste Kontakte mit dem Heiligen Stuhl sind aufgenommen worden. Ein Konkordat mit inhaltlichen Gewährleistungen des Wirkens der Kirche wird jedoch von der DDR vermutlich nicht angestrebt. Die Konkordate mit Preußen und dem Deutschen Reich betrachtet sie als nicht existent. Die Ernennung von Apostolischen Administratoren in der DDR am 23. Juli 1973 erfolgte ohne Vertrag.

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I. Ludwig Kaas wurde am 23. Mai 1881 in Trier geboren. Sein Vater war Peter Kaas; er war von Beruf Wagenschmied, der gleichzeitig eine kleine Landwirtschaft betrieb. Die Mutter Anna, geborene Brockschläger, stammte aus Maikammer. Ludwig Kaas hatte drei Geschwister, zwei Schwestern, Anna und Maria, und einen Bruder, Leo. Die Mutter starb auf tragische Weise an der Mosel, als er 16 Jahre alt war. Er besuchte die Volksschule und das Friedrich-Wilhelm-Gymnasium in Trier, das er Ostern 1900 mit dem Zeugnis der Reife verließ. Im selben Jahr trat er in das Trierer Priesterseminar ein. Nach zwei Semestern sandte ihn der Bischof Michael Felix Korum (1840 – 1921) zum weiteren Studium nach Rom, wo er, als Zögling des Collegium Germanicum, 12 Semester an der Gregorianischen Universität studierte. Am 28. Oktober 1906 wurde er in Rom zum Priester geweiht. Seine theologischen Studien beendete er im folgenden Jahr. Er erwarb in dieser Zeit zwei akademische Grade; am 7. Juni 1904 wurde er in Philosophie, am 22. Juni 1907 in Theologie promoviert. Bis zum Sommer 1909 blieb er in Rom und studierte kanonisches Recht; am 8. Juni 1909 erwarb er den Doktorgrad in diesem Fach. Ab August 1909 war er Kaplan in Kärlich, seit April 1910 Präfekt und Rektor des Waisenhauses Kemperhof in Moselweiß bei Koblenz, später Leiter des dortigen Knabenpensionats sowie Religionslehrer und Subdirektor der Realschule Kemperhof. 1913 bestand er in Trier das Pfarrexamen. Vom Wintersemester 1909/10 bis zum Wintersemester 1913/14 war er an der Universität Bonn immatrikuliert, um in der rechtswissenschaftlichen Fakultät weiteren Studien zu obliegen und vor allem im kirchenrechtlichen Seminar von Ulrich Stutz (1868 – 1938) zu arbeiten. 1910 begann er eine Abhandlung über die kirchliche Gerichtsbarkeit in Preußen, die 1912 den Preis der rechtswissenschaftlichen Fakultät erhielt. Die beiden Bände erschienen 1915/16 im Druck. Die zunächst angestrebte juristische Promotion erfolgte nicht. In den Jahren 1916 bis 1918 bemühte sich Kaas um einen Lehrstuhl in den katholisch-theologischen Fakultäten der Universitäten Münster, Straßburg, Freiburg und Bonn. Im Juli 1919 erhielt er einen Ruf auf den Lehrstuhl für Kirchenrecht in Bonn, aber er nahm ihn nicht an. Kaas war seit 1918 Professor für kanonisches Recht an der Philosophisch-Theologischen Lehranstalt in Trier. Er kam seinen Lehrverpflichtungen nur bis 1922 nach, da ihn die Politik mit Beschlag belegte. Aber die wissenschaftliche Arbeit ruhte während der Jahre seiner politischen Tätigkeit nicht. Er veröffentlichte

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gehaltvolle Untersuchungen zu Fragen des Völkerrechts und des Konkordatsrechts, war Mitglied des „Instituts für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht“. Auf Vorschlag des Breslauer Bischofs Adolf Bertram (1859 – 1945) versah Kaas seit 1920 den Dienst eines kanonistischen Beraters bei dem Apostolischen Nuntius Eugenio Pacelli (1876 – 1958). Aus der Arbeitsgemeinschaft der beiden Männer entwickelte sich ein Vertrauensverhältnis, ja eine Freundschaft, die erst mit dem Tod von Kaas zu Ende ging. Neben seinen akademischen Plänen betrieb Kaas seine Ernennung zum Mitglied des Trierer Kathedralkapitels. Am 1. April 1924 übertrug ihm Bischof Rudolf Bornewasser (1866 – 1951) das achte Kanonikat dieses Gremiums.

II. Kaas war vor 1918 politisch nicht hervorgetreten. Er lehnte die Revolution als unzulässig und überflüssig ab; er sah aber durch sie den Obrigkeitsstaat durch den „Volksstaat“ ersetzt. Es war für ihn als naturrechtlich geschulten Theologen eine selbstverständliche Pflicht, die republikanische Staatsgewalt anzuerkennen, und er hat den katholischen Volksteil wiederholt zur Bejahung der Weimarer Republik aufgerufen und nachhaltig für sie geworben. Am 23. Dezember 1918 stellte das Trierer Zentrumswahlkommittee Kaas als ersten Kandidaten im Wahlkreis 21 TrierKoblenz-Birkenfeld für die Wahl zur verfassungsgebenden Nationalversammlung auf; er wurde am 19. Januar 1919 gewählt. In Weimar arbeitete er vor allem im Verfassungsausschuß der Nationalversammlung mit. Er sprach sich für die Freiheit und die Eigenständigkeit der Kirche in dem religiös neutralen Staat und für die Erhaltung der Bekenntnisschule als öffentlicher Schule aus. Er forderte die Neugliederung des Reiches, was u. a. zu der Formierung eines neuen Bundesstaates oder eines Reichslandes Rheinland-Westfalen führen sollte. Kaas trug die verfassungspolitischen Entscheidungen der Nationalversammlung aus Überzeugung mit; er hat die Weimarer Verfassung bis zum März 1933 stets als ein Werk des Ausgleichs und als einen tragbaren Kompromiß verteidigt. Allerdings hielt er sie für verbesserungsfähig, vor allem im Hinblick auf das Wahlrecht und die Bildung einer stabilen Regierung. Kaas war und blieb Demokrat und Republikaner. Leidenschaftlich warb er für den „Volksstaat“, also ein Gemeinwesen, in dem alle Schichten des Volkes zu ihrem Recht kamen und an der politischen Willensbildung beteiligt waren; die Parteien hielt er für unentbehrlich. Gleichzeitig trat er entschieden ein für den Rechtsstaat, der Autorität besitzt und geltend macht. Seit der Wahl vom 6. Juni 1920 bis zum 14. Oktober 1933 war Kaas Mitglied des Reichstages, zunächst im Wahlkreis Trier-Koblenz-Birkenfeld, seit der Wahl zum siebenten Reichstag über die Reichsliste gewählt. Er arbeitete in mehreren Ausschüssen des Reichstags mit; sein Hauptarbeitsgebiet fand er in dem Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten. Im Plenum des Reichstages ergriff er meist zu Ausführungen über die Außenpolitik des Deutschen Reiches das Wort. Von 1921 bis 1933 war er Mitglied des Preußi-

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schen Staatsrates. Kaas brachte für seine politische Tätigkeit eine Reihe von Vorzügen mit, hervorragende Intelligenz und breites Wissen. Er führte eine gewandte Feder und war ein guter Redner. Er war selbstlos und erstrebte für sich persönlich nichts. Es gibt kein Wort, aber auch kein wie immer geartetes Indiz, daß er zu irgendeinem Zeitpunkt ein Ministeramt angestrebt hätte. Kaas war indes durch die Fülle der Aufgaben, die auf ihn gehäuft wurden, überfordert, was zur Folge hatte, daß er auf keinem Sektor seiner umfangreichen Tätigkeit den Anforderungen in vollem Maße nachkommen konnte. Er fehlte häufig in Sitzungen des Reichstags, des Preußischen Staatsrates und der Fraktion der Zentrumspartei, bei repräsentativen Veranstaltungen und bei Treffen der Partei.

III. Kaas entwickelte sich dank seiner vielfältigen Begabung, seiner Beherrschtheit, seiner Kunst der Menschenbehandlung und seiner Kenntnis fremder Sprachen zu einem erstklassigen Fachmann auf dem Gebiet der Außenpolitik. Er begriff, daß der verlorene Krieg eine Hypothek war, die schwer auf der deutschen Regierung lastete. Er war unter jenen Abgeordneten der Nationalversammlung, die für die Unterzeichnung des Versailler Vertrages stimmten. Die von Joseph Wirth (1879 – 1956) und Walther Rathenau (1867 – 1922) eingeleitete „Erfüllungspolitik“ sah er als die einzig mögliche „Politik der Vernunft“, ja als „Befreiungspolitik“ an; er hat sich zu ihr noch in dem Wahlkampf des Jahres 1933 bekannt. Die Politik des Außenministers Gustav Stresemann (1878 – 1929) unterstützte, ja ermöglichte er zu seinem Teil in loyaler, wenn auch nicht blinder Weise. Das Schlüsselwort der Außenpolitik, wie er sie betrieben sehen wollte, war die Verständigung. Die durch den Ersten Weltkrieg unheilvoll verfeindeten Nationen sollten sich versöhnen, die namentlich durch die Friedensverträge erzeugten oder vermehrten Spannungen sollten durch geduldige Verhandlungen abgebaut werden. Die Verständigung sollte zwischen Deutschland und Frankreich beginnen und danach alle ehemaligen oder jetzigen Gegner des Deutschen Reiches umfassen. Die Versöhnung mit Frankreich war ihm große Opferwert, wie er sie teilweise in den Verträgen von Locarno (1925) erbracht sah. Darüber hinaus dachte Kaas in übernationaler Weite. Europa sollte sich vereinigen, wobei der Anfang mit enger wirtschaftlicher Zusammenarbeit gemacht werden sollte. Die Politik der Verständigung war von Kaas auf lange Sicht geplant. Er rechnete damit, daß sich Erfolge nur langsam einstellen würden. Es war Deutschlands Verhängnis, daß die von radikalen Demagogen aufgepeitschten Massen die von dieser Politik geforderte Geduld nicht aufbrachten, rasche und spektakuläre Erfolge sehen wollten und sich immer mehr von den politischen Kräften, welche die Politik der Verständigung trugen, abwandten. Kaas war Föderalist, d. h. er wollte das Deutsche Reich aufgebaut sehen aus organischen und lebensfähigen politischen Einheiten. Zu diesem Zweck sollte das Rheinland bzw. sollten das Rheinland und Westfalen ein eigener Bundesstaat oder

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ein autonomes Stammesland werden. An der von Konrad Adenauer einberufenen Kölner Versammlung vom 1. Februar 1919, die über die Errichtung einer westdeutschen Republik diskutierte, nahm er teil. Seit den Gesprächen mit der deutschen Delegation für die Friedensvertragsverhandlungen, die im Juni 1919 in Paris stattfanden, legte Kaas jedoch die Frage des Rheinstaates zu den Akten; am 13. Juni 1919 gab er die Parole aus: Das Ganze halt. Der Abtrennung des Rheinlandes vom Deutschen Reich und der Errichtung eines Pufferstaates, wie sie die (von Frankreich unterstützten) Separatisten betrieben, hat Kaas niemals das Wort geredet. Diese Tatsache hinderte die Nationalsozialisten nicht, ihn des Landesverrats zu bezichtigen; ein Telegramm, in dem er mit anderen Trierer Bürgern die Kölner Initiative für einen freien Rheinstaat im Verband des Deutschen Reiches begrüßte, diente als Material für die gegen ihn gerichtete Agitation, er handele in französischem Interesse. In Wirklichkeit war Kaas für die nationalen Erfordernisse keineswegs blind. Er war vielmehr ein deutscher Patriot, der mit treuer Liebe an seinem Vaterland hing, ja es groß und mächtig sehen wollte. Er forderte immer von neuem Gleichberechtigung für Deutschland und hielt von daher die Revision des Vertrags von Versailles, also vor allem den Verzicht auf Reparationen, die Räumung der besetzten Gebiete, die Überprüfung der deutschen Grenze gegenüber Belgien und Polen sowie den Wegfall der Behinderung des Anschlusses von Österreich an das Deutsche Reich, für unerläßlich. Leidenschaftlich verwandte er sich für die (vorzeitige) Rückgliederung des Saargebietes in das Deutsche Reich. Kaas betrachtete Leistungen und Mängel des faschistischen Italien objektiv. An der Herstellung guter Beziehungen zwischen Deutschland und Italien war ihm viel gelegen. Zu der Sowjetunion wünschte er ein ausgeglichenes Verhältnis; den Handel mit ihr sah er als lebensnotwendig für die deutsche Wirtschaft an. Die Mitarbeit im Völkerbund hielt er für eine sittliche Pflicht; in Deutschlands Mitgliedschaft erkannte er ein wichtiges Element aktiver Außenpolitik. In Genf und anderswo warb er für eine Politik der Vernunft und der Gerechtigkeit und trat gegen die Verewigung der Teilung in Sieger und Besiegte (des Ersten Weltkriegs) ein. Unter den Völkern sollte nicht das Prinzip der Macht, sondern des Rechts herrschen. Am Frieden zwischen den Nationen war Kaas alles gelegen; eine andere Politik als die auf Erhaltung des Friedens gerichtete erschien ihm nicht vertretbar. Den Pazifismus hielt er für eine gefährliche Illusion, für die (allgemeine) Abrüstung sprach er sich unermüdlich aus. Mit Bitterkeit stellte er fest, daß dem beinahe wehrlosen Deutschland hochgerüstete Nachbarstaaten gegenüberstanden. Für den Fall, daß die anderen Länder unter keinen Umständen bereit seien, abzurüsten, faßte er eine durch Verhandlungen völkerrechtlich abgesicherte, begrenzte Aufrüstung des Deutschen Reiches ins Auge.

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IV. Wirtschaftspolitisch verfocht Kaas den Gedanken der freien Wirtschaft in sozialer Bindung. Gegen den schrankenlosen Kapitalismus und den freiheitsbeschränkenden Sozialismus stellte er die der Gerechtigkeit für alle Schichten des Volkes verpflichtete berufsständische Ordnung. Er bejahte das Koalitions- und Streikrecht sowie die Mitbestimmung und die Gewinnbeteiligung der Arbeitnehmer. Mit heißem Herzen trat er für den „Aufstieg der Arbeiterklasse“ ein; er sah darin eine Forderung praktischen Christentums. Die Not der Bauern und Winzer veranlaßte ihn, die Senkung der Steuern und die Gewährung von Krediten für sie zu fordern. Mit Sorge sah er die Verelendung vieler Landwirte. Im Mittelstand erblickte er eine besonders wertvolle, kulturell bedeutsame Schicht des Volkes; er wollte ihn erhalten und wirtschaftlich gestärkt wissen. Unaufhörlich appellierte er an den Gemeinsinn aller Schichten des Volkes und warnte vor dem Egoismus der Stände und der Verbände. Kaas war allezeit stark an sozialen Fragen interessiert, für soziale Belange aufgeschlossen und selbst sehr sozial eingestellt. Er hatte das Gedankengut des sozialen Katholizismus, wie es von den Sozialenzykliken der Päpste, dem „Volksverein für das katholische Deutschland“, der Deutschen Zentrumspartei und Männern wie Franz Brandts (1834 – 1914), Franz Hitze (1851 – 1921), Heinrich Brauns (1868 – 1939) und Carl Sonnenschein (1876 – 1929) vertreten wurde, in sich aufgenommen. Er sah die Sozialpolitik als die besonders dem katholischen Teil des Volkes gestellte Aufgabe an und forderte von ihm den Erweis „eines aktiven und vorwärtsdringenden Sozialwillens“. So trat er ein für Sozialreform, Sozialstaat und Sozialgesetze. Er war ein Anhänger der Christlichen Gewerkschaften und stand im Gewerkschaftsstreit – im Gegensatz zu seinem Diözesanbischof – auf seiten der München-Gladbacher Richtung.

V. Kaas war stolz darauf, daß in der Weimarer Reichsverfassung wesentliche kulturpolitische Ziele der Zentrumspartei und des deutschen Katholizismus wie öffentliche Bekenntnisschulen, Religionsunterricht als ordentliches Lehrfach und theologische Fakultäten an den staatlichen Universitäten gesichert werden konnten. Die Schulfrage lag ihm wie wenige andere Gegenstände der Politik am Herzen. Der Weimarer Schulkompromiß befriedigte ihn zwar nicht, erschien ihm aber angesichts der Mehrheitsverhältnisse in der Nationalversammlung als Optimum des Erreichbaren. Die Erhaltung der öffentlichen Bekenntnisschule war nicht nur ein Punkt seines unabdingbaren politischen Programms, sondern eine Forderung seines religiösen Glaubens; er war überzeugt, daß es hier um Sein oder Nichtsein des deutschen Katholizismus ging. Das Scheitern des Entwurfes eines Reichsschulgesetzes, der den Namen des Ministers Walter von Keudell (1884 – 1973) trug, erfüllte ihn mit Bitterkeit gegenüber der Deutschen Volkspartei, der er die Schuld an dem Nichtzustandekommen des Gesetzes gab.

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Kaas sah das kirchenpolitische System der Weimarer Reichsverfassung als relativ gelungen an. Er fand darin eine erträgliche Verbindung von Trennung und Freiheit bei gleichzeitiger Wahrung des organischen Zusammenhangs mit der deutschen Vergangenheit und verwies im einzelnen auf die Gewährleistung des Selbstbestimmungsrechtes der Religionsgemeinschaften, die gleichzeitige Zuerkennung des öffentlich-rechtlichen Status, die Gewährleistung des Besteuerungsrechtes, die grundsätzliche Aufrechterhaltung der Staatsleistungen, die Verbürgung des Religionsunterrichtes und die Garantierung der theologischen Fakultäten. Es war sein stetes Bestreben, zum Wohl des Volkes zwischen Staat und Kirche eine vertrauensvolle Zusammenarbeit bei voller Wahrung der Eigenart und der Selbständigkeit beider zu erreichen. Entsprechend der kirchenpolitischen Linie Benedikts XV., Pius‘ XI. und Pacellis, aber auch aus eigener Überzegung sah er in dem Abschluß von Konkordaten zwischen dem Heiligen Stuhl und den Staaten ein wirksames und angemessenes Mittel zum Ausgleich zwischen Kirche und Staat sowie zur Überführung der einschlägigen Bestimmungen der Weimarer Reichsverfassung in die Rechtswirklichkeit. Das Reichskonkordat, das Pacelli und Kaas vor allem anstrebten, wofür es mehrere Anläufe gab und wofür sie viele Vorarbeiten leisteten, kam in der Zeit der Weimarer Republik nicht zum Abschluß. Dafür war Kaas neben Johannes Linneborn (1867 – 1933) und Albert Lauscher (1872 – 1944) in starkem Maße an den Arbeiten beteiligt, die zu dem Preußischen Konkordat (1929) führten. Kaas war niemals ein starrer Verfechter eines kirchlichen Maximalprogramms, vielmehr stets ein ehrlicher Makler zwischen Kirche und Staat mit dem Blick für das Mögliche und dem entschiedenen Willen zu einem gerechten Ausgleich. In der Frage der Militärseelsorge, die ihn jahrelang beschäftigte, vertrat er sogar entgegen der Position der deutschen Bischöfe den Standpunkt der Regierung, die auf dem Prinzip der Exemtion beharrte.

VI. Politik war Kaas „die Kunst des Erreichbaren“; er wollte sie mit Vernunft und Sachlichkeit betrieben wissen. Er sah die Politik sittlichen Imperativen unterstellt und erwartete von ihrer Mißachtung keinen Segen. Er forderte unbedingte Wahrhaftigkeit, so schmerzlich die Wahrheit auch für das Volk und die eigenen Wähler sein mochte, und er verschmähte es, den Menschen zu schmeicheln sowie Versprechungen zu machen und Illusionen zu erwecken, die nicht in Erfüllung gehen konnten. Haßerfüllte Agitation und emotionsgeladene Demagogie waren ihm in innerster Seele zuwider und fanden in seine politische Tätigkeit keinen Eingang, auch nicht in Wahlkämpfen. Es war stets sein Bemühen, die Gegner argumentativ zu überzeugen, nicht, sie zu erledigen. Ritterlichkeit und Fairneß veranlaßten ihn noch im März 1933, der Sozialdemokratischen Partei patriotischen Sinn zu bestätigen und sie gegen den Verdacht, an dem Reichstagsbrand beteiligt gewesen zu sein, in Schutz zu nehmen.

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Kaas bejahte die politischen Parteien als notwendige Mittel der politischen Willensbildung. Er verstand seine eigene Partei als Volks- und Verfassungspartei, die gleichzeitig ihrer sozialen Verpflichtung und ihrer nationalen Aufgabe eingedenk sein müsse. Ohne sie konfessionell abschließen zu wollen, sah er sie faktisch als im deutschen Katholizismus verankerte „Gesinnungsgemeinschaft“ an. Am 17. Oktober 1932 gab er in Münster als Ziele des Kampfes der Zentrumspartei Recht, Autorität und Freiheit an. Wenn er von dem „autoritären“ Staat sprach, dann war das für ihn der starke Staat, der Autorität besaß und sie geltend machte. Dieser Staat sollte demokratisch sein, ohne in die Auswüchse eines übertriebenen Parlamentarismus, d. h. eines hemmungslosen, eigennützigen Parteiensystems, zu verfallen. Die Herrschaft negativer Mehrheiten im Reichstag hielt er für unerträglich. Die Rede vom totalen oder totalitären Staat stieß auf seinen energischen Widerspruch. Im Unterschied zu den übrigen Parteien setzte er ohne Bedenken den Dienst am Volk über das Interesse der eigenen Partei, ordnete er die Parteipolitik der Staatspolitik unter. Nicht umsonst zitierte er immer wieder das Wort, das Adolf Gröber (1854 – 1919) angeblich in der Weimarer Nationalversammlung gesprochen hatte: „Und wenn die Partei darüber zugrunde geht, das Wohl des Volkes verlangt es.“ Er selbst war stets ein Mann der Mitte und wollte darin auch die Zentrumspartei erhalten sehen. Extremen Positionen war er abhold. Kaas sah die Aufgabe der Deutschen Zentrumspartei darin, um des Wohles von Volk und Staat willen mit allen aufbauwilligen politischen Kräften zusammenzuarbeiten, zwischen Links und Rechts zu vermitteln und gleichzeitig gegen revolutionäre und reaktionäre Strömungen zu kämpfen. Aus dieser Überzeugung heraus bejahte er sowohl das Zusammengehen mit der Sozialdemokratischen Partei und der Deutschen Demokratischen Partei in der sogenannten Weimarer Koalition als auch die Bildung einer gemeinsamen Regierung mit der Deutschnationalen Volkspartei. Zahllose Male forderte er unter dem Schlagwort „Sammlung“ die Zusammenarbeit der staatsbejahenden Parteien auf dem Boden der Verfassung. Im Jahre 1932 wollte er eine Koalition selbst mit der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei eingehen, um diese auf solche Weise zu vernünftiger Arbeit und zur Abstoßung ihres Radikalismus zu bringen. Er war geschmeidig, anpassungsfähig und kompromißbereit, aber er war kein Opportunist. In dem weiten Feld politischen Handelns, in dem nicht unaufgebbare Grundsätze und unverzichtbare sozialethische Prinzipien auf dem Spiel standen, war er um der Funktionsfähigkeit des Staates willen zum Nachgeben bereit. Kaas stand dem Protestantismus unbefangen und unvoreingenommen, entgegenkommend und versöhnlich gegenüber. Er bedauerte die religiöse Schwäche des protestantischen Volksteils, aber auch die andauernde Feindseligkeit gegenüber der katholischen Kirche. Unermüdlich warb er um die Zusammenarbeit der Christen vor allem in Fragen der Kultur- und Kirchenpolitik. Kaas wurde auf dem Reichsparteitag der Zentrumspartei in Köln am 8. Dezember 1928 zu deren Vorsitzendem gewählt. Er hatte diese Position nicht gesucht, sich vielmehr mit allen Kräften gegen ihre Übernahme gewehrt. Daß er sie dann doch annahm, lag darin begründet, daß viele führende Zentrumsleute ihm allein

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zutrauten, die zerstrittene Partei wieder zusammenzuführen. Diese Erwartung hat Kaas erfüllt; es gelang ihm, die Partei zu befrieden. Zu einem guten Parteivorsitzenden fehlten Kaas jedoch die robuste Gesundheit und die volle Arbeitskraft. Der stets anfällige, gelegentlich kranke und einmal sogar schwerkranke Mann war den Belastungen der aufreibenden Parteipolitik in unheilschwangerer Zeit nicht gewachsen. Dazu kam, daß er seine Kraft verzettelte und nicht gänzlich für das verantwortungsschwere Parteiamt zur Verfügung stand. Allzu häufig war er bei Sitzungen und Veranstaltungen der Reichstagsfraktion sowie bei Parteitagen der Zentrumsorganisationen der einzelnen Länder und Provinzen abwesend. Er trat zu selten in der Öffentlichkeit, sei es des Reichstagsplenums, sei es außerhalb desselben, auf. Die politische Kleinarbeit lag ihm überhaupt nicht; er ließ die Zügel schleifen. Kaas fühlte sich je länger, desto mehr den Anforderungen, die das Amt des Parteivorsitzenden an ihn stellte, nicht gewachsen. In richtiger Erkenntnis seiner Überanstrengung und Erschöpfung suchte er wiederholt um Entbindung davon nach. Aber die Parteifreunde wußten ihm sein Vorhaben jedesmal auszureden. Vermutlich fürchteten sie den erneuten Wechsel im Vorsitz mit seinen Unwägbarkeiten; außerdem lehnte Heinrich Brüning (1885 – 1970), der allein als Nachfolger in Frage kam, die Annahme des Amtes ab. Erst am 5. Mai 1933 trat er von dem Vorsitz zurück.

VII. Kaas beobachtete die NSDAP von Anfang an sorgfältig. Die völkische Einstellung maßgebender Nationalsozialisten machte ihn mißtrauisch, ihre antichristliche, vor allem antikatholische Haltung alarmierte ihn. Er sah in der NSDAP undemokratische, rechtsfeindliche Tendenzen am Werk und warf ihr hemmungslose Demagogie und Mangel an Verantwortungsbewußtsein vor. Das Anwachsen von NSDAP (und KPD) seit 1929 war ihm Zeichen einer schweren Erkrankung des deutschen Volkes. Mutig trat er der Hitler-Bewegung entgegen. Vor der Wahl vom 14. September 1930 rief er dazu auf, „die illusionäre Prophetenfahne“ der Nationalsozialisten herunterzureißen. Auf der Tagung der Zentrumspartei in Kassel vom 3. bis 5. Januar 1931 warf er der NSDAP „blutige Ignoranz“ vor. Kaas sah in der eventuellen Auslieferung der gesamten Regierungsmacht an diese Partei eine unermeßliche Gefahr für Deutschland und Europa; von dem „Dritten Reich“ befürchtete er die nationale und internationale Katastrophe. Die unaufhörliche Zunahme der NSDAP ließ Kaas nach Wegen Ausschau halten, die Partei zu verantwortlicher politischer Arbeit zu bringen. Seit November 1931 ist erkennbar, daß er grundsätzlich zu einer Mehrparteienkoalition, die auch die NSDAP umfaßte, bereit war, wie sie von vielen Seiten, darunter auch von prominenten Zentrumsparlamentariern, gefordert oder als wünschenswert erklärt worden war. In einer Koalitionsregierung hätten die Nationalsozialisten nur einen Teil der Macht besessen, sie wären daran gehindert gewesen, ihr Programm rück-

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sichtslos durchzusetzen, sie hätten sich mit den Vertretern der anderen Parteien abstimmen und, konfrontiert mit den sachlichen Aufgaben der Regierung, ihre Befähigung unter Beweis stellen müssen; die Bevölkerung hätte erkannt, daß auch sie keine Wunder wirken konnten, und ihre Anziehungskraft auf die Massen hätte nachgelassen. Diese Überlegungen waren indes auch den Führern der NSDAP, vor allem Adolf Hitler, vertraut, und da sie um ihre Berechtigung wußten, lehnten sie entschieden ein Zusammengehen mit den „Systemparteien“ ab. Nach dem Sturz Brünings forderte Kaas offen die Beteiligung der NSDAP an der Regierung des Reiches. Er dachte einmal an eine Koalition von DNVP und NSDAP, die aber angesichts der parlamentarischen Kräfteverhältnisse von der Duldung der Parteien der Mitte abhängig gewesen wäre, zum anderen an eine große „Sammlung“, die auch die SPD hätte einschließen sollen. Nach der Wahl vom 31. Juli 1932 mit ihrem katastrophalen Ergebnis hielt es Kaas für unmöglich, die NSDAP fortan von der Beteiligung an der Regierung fernzuhalten, falls sie bereit sei, verfassungsmäßig zu regieren. Mit seiner Duldung wurden Gespräche zwischen Politikern der DZP und der NSDAP geführt. Die von manchen genährte Hoffnung auf eine Koalition der beiden Parteien im Reich erfüllte sich jedoch wegen des Widerstands Hitlers nicht. Seit der erneuten Auflösung des Reichtags am 12. September 1932 warb Kaas wiederholt für die (befristete) Bildung einer „Notmehrheit“, worunter wohl eine Koalition von der NSDAP bis zur DZP zu verstehen war. Er verkannte indes damit den Charakter Hitlers, der die totale Macht anstrebte, wozu er demokratische Parteien wie die DZP nicht gebrauchen konnte. Nach der Wahl vom 6. November 1932 und in den folgenden Gesprächen mit dem Reichskanzler und dem Reichspräsidenten gab Kaas zu verstehen, daß die DZP grundsätzlich zur Zusammenarbeit mit der NSDAP, selbst unter einem Kanzler Hitler, bereit sei, allerdings unter der Voraussetzung verfassungsmäßigen Vorgehens. Hitler lehnte jedoch die Bildung einer parlamentarisch verankerten Regierung strikt ab. Als er am 30. Januar 1933 zum Reichskanzler ernannt wurde, bildete er sein Kabinett allein aus Nationalsozialisten und Deutschnationalen; die DZP wollte er um keinen Preis an der Regierung beteiligt sehen, woran das Gespräch, das Kaas mit ihm am 31. Januar 1933 führte, nichts änderte. Die Schritte, die zur Erringung der totalen Macht führen würden, hatte Hitler seit langem überlegt, und er dachte nicht daran, sich darin beirren zu lassen. Den letzten Wahlkampf führte Kaas mutig und sachlich, freilich mit wachsender Besorgnis vor den Absichten der Regierung Hitler-Hugenberg. Noch einmal bekundete er die Bereitschaft der DZP, mit NSDAP und DNVP in einer Koalition zusammenzuarbeiten. Nach der Reichstagswahl vom 5. März 1933, die der NSDAP und der DNVP die absolute Mehrheit der Sitze verschaffte, war von einer Einbeziehung der DZP in die Regierung nicht mehr die Rede. Die beiden verbündeten Fraktionen brachten alsbald den Entwurf eines „Gesetzes zur Behebung der Not von Volk und Reich“, des Ermächtigungsgesetzes, ein. In den Unterredungen, die Kaas, Adam Stegerwald (1874 – 1945) und Albert Hackelsberger (1893 – 1940) am 20. und 22. März 1933 mit Hitler hatten, gab dieser einerseits in mehrfacher Hinsicht

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beruhigende Erklärungen ab, ließ aber andererseits durchblicken, daß er beim Scheitern des Ermächtigungsgesetzes die von ihm geplanten Maßnahmen auf dem Wege über den Staatsnotstand durchsetzen werde. Kaas stimmte dem Ermächtigungsgesetz in erster Linie deswegen zu, weil er darin – gegenüber der weittragenden Verordnung zum Schutz von Volk und Staat vom 28. Februar 1933 – eine Rückkehr zu verfassungsmäßigem Regieren sah. Hitler besaß die Macht, und Kaas war sich gewiß, daß er sie behalten werde, ob mit oder ohne Ermächtigungsgesetz. Den Erlaß des Ermächtigungsgesetzes faßte er als Chance auf, die nicht beschränkte Ausübung der Macht rechtlich zu begrenzen, in der (gesuchten) Zustimmung der Zentrumspartei zu dem Gesetz erblickte er die Möglichkeit, Konzessionen zugunsten rechts- und sozialstaatlicher Prinzipien zu erlangen. Das eventuelle Überschreiten des rechtlich fixierten Rahmens mußte Hitler ins Unrecht setzen und, wie Kaas hoffte, Kräfte wie den Reichspräsidenten und die Reichswehr auf den Plan rufen. In zweiter Linie hielt es Kaas angesichts der ins Ungeheure gestiegenen Not des Volkes für unvertretbar, der Regierung, die deren Behebung versprochen hatte und sich vornahm, Widerstand entgegenzustellen und sich so dem Vorwurf auszusetzen, in einer Schicksalsstunde vor einer gebieterischen vaterländischen Notwendigkeit versagt zu haben. Ein Kausalzusammenhang zwischen seiner und seiner Partei Zustimmung zu dem Ermächtigungsgesetz und dem (von Hitler angeblich zugesagten) Abschluß des Reichskonkordats ist oft behauptet, aber nie bewiesen worden.

VIII. Am 7. April 1933 begab sich Kaas nach Rom, um dort mit dem Staatssekretär Pacelli die neue Lage, die in Deutschland entstanden war, zu besprechen, vor allem bezüglich des Verhältnisses von Staat und Kirche. Er durfte mit Recht annehmen, daß der Kardinalstaatssekretär dringend danach verlangte, sich von einem erstklassigen Kenner der Szene über die veränderte Situation unterrichten zu lassen. In Rom wurde Kaas durch den Vizekanzler Franz von Papen (1879 – 1969) und den Staatssekretär Pacelli in die Arbeiten für den Abschluß des Reichskonkordats eingeschaltet; er diente beiden als Unterhändler, Berater und Formulierungsgehilfe. Darin sah er die Krönung seiner politischen Bemühungen um innere Befriedung und äußeren Aufstieg des Deutschen Reiches. Mit höchster Wendigkeit, Klugheit und Stilisierungskunst arbeitete er an den aufeinanderfolgenden Redaktionen des Konkordatstextes. Von den Verhandlungen, die nach dem Abschluß des Reichskonkordats zu seiner Auslegung und Durchführung aufgenommen wurden, wurde Kaas jedoch auf Betreiben der staatlichen Seite ausgeschlossen; seine politische Rolle war ausgespielt. Fortan blieb Kaas auf die Position eines geheimen Mitarbeiters Pacellis, namentlich in Angelegenheiten, die Deutschland betrafen, beschränkt. Am 20. März 1934 wurde er zum Apostolischen Protonotar de Numero Participantium, am 6. April 1935 zum Kanonikus der Peterskirche in Rom, am

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20. August 1936 zum Sekretär der Kongregation für die Verwaltung dieser Kirche ernannt. Als Verwalter des Vermögens der Peterskirche hatte er die Sorge für die Unterhaltung und die Ausschmückung des riesigen Baus und leitete die Ausgrabungen unter der Basilika. Kaas siedelte in die Vatikanstadt über; am 25. August 1935 erwarb er die Staatsangehörigkeit des Vatikanstaates, ohne seine deutsche Staatsangehörigkeit aufzugeben. Der Versuch seiner Feinde in Trier, ihn ausbürgern zu lassen, scheiterte wegen des Widerspruchs des Auswärtigen Amtes. Die Nationalsozialisten vergaßen den verhaßten Mann nicht; sie sahen in ihm einen Emigranten, der unterirdisch gegen das „Dritte Reich“ arbeitete, und reihten ihn in den Schulbüchern mit Konrad Adenauer unter die Separatisten ein. Durch Josef Müller (1898 – 1979) wurde Kaas in die Kontakte des militärischen Widerstandes gegen Hitler mit den westlichen Alliierten eingeschaltet; mehrfach führte er Gespräche mit dem britischen Botschafter beim Vatikan, Godolphin Francis Osborne d‘Arcy. Nach dem Zusammenbruch des Deutschen Reiches nahmen manche politischen Freunde wieder Verbindung mit ihm auf; Brüning grollte ihm jedoch und blieb unversöhnlich. Zu seinem 70. Geburtstag erhielt er zahlreiche Bekundungen der Achtung und Dankbarkeit, u. a. von Theodor Heuss (1884 – 1963). Den Weg in seine Heimat fand Kaas, innerlich verwundet, nicht mehr. Am 25. April 1952 starb er an einem Darmdurchbruch. Sein Grab befindet sich in der Ottonenkapelle der Grotten der Peterskirche in Rom. Daß persönliche Aufzeichnungen von Kaas über sein Denken und Streben fehlen, ist ein unersetzbarer Mangel für die Beurteilung seiner Persönlichkeit. Aus dem, was bekannt ist, läßt sich folgendes Bild von ihm zeichnen. Kaas war eine komplizierte Persönlichkeit. Er war von einer weit überdurchschnittlichen intellektuellen (und musischen) Begabung. Er hat seine Talente in lebenslangem Fleiß genutzt und ein Übermaß an Arbeit bewältigt. Kaas war ein hervorragender Gelehrter. Er beherrschte die Fächer des Kirchenrechts, des Staatsrechts und des Völkerrechts. Er besaß die Gabe geschliffener Rede und war ein glänzender Stilist. Er liebte die bildende Kunst und die Malerei, verstand etwas davon und sammelte Kunstwerke. Kaas besaß guten Blick für die Realitäten des Irdischen. Er war ein gewiegter Finanzsachverständiger und bildete sich in Rom zum klugen Verwaltungsfachmann aus. Er war mutig und wich dem Kampf nicht aus. Sein ausgeprägtes Gerechtigkeitsempfinden veranlaßte ihn, öffentlich zugunsten der Juden aufzutreten, als die Wellen des Antisemitismus in Deutschland hochschlugen. In eigenen Angelegenheiten war er häufig unschlüssig. Er besaß ursprünglich einen starken Ehrgeiz, aber er lernte, ihn zu beherrschen, zu dienen und sich der Sache unterzuordnen. Er war dankbar und freigebig, treu den Freunden und ehrlich gegenüber den Feinden. Groll und Rachelust waren ihm fremd, zur Versöhnung war er stets bereit. Kaas konnte barsch sein und war leicht erregbar, aber er erzog sich dazu, sich zu beherrschen, vor allem seine Zunge im Zaun zu halten. Kaas war ein gläubiger Christ, ein treuer Sohn der katholischen Kirche und ein frommer Priester. Noch am Morgen des Todestages verrichtete er, von Schmerzen gepeinigt, das Breviergebet.

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Quellen und Literatur Schriften von Ludwig Kaas in Auswahl Die geistliche Gerichtsbarkeit der katholischen Kirche in Preußen in Vergangenheit und Gegenwart mit besonderer Berücksichtigung des Westens der Monarchie, 2 Bde. (= Kirchenrechtliche Abhandlungen 84. u. 85., 86. u. 87. Heft), Stuttgart 1915/16, Nachdruck: Amsterdam 1965. Das Zentrum im neuen Deutschland. Rede in der Zentrums-Versammlung zu Trier am 1. Mai 1919, Trier 1919. Staat und Kirche im neuen Deutschland. Rede, gehalten auf dem Trierer Katholikentag am 12. Oktober 1919, Trier 1919. Kriegsverschollenheit und Wiederverheiratung nach staatlichem und kirchlichem Recht, Paderborn 1919. Außenpolitik des Reiches, in: G. Schreiber (Hrsg.), Politisches Jahrbuch 1925. Politik des Deutschen Reiches, München-Gladbach 1925, 11 – 34; ebenda 1926, München-Gladbach 1927, 11 – 46; ebenda 1927/28, München-Gladbach 1928, 11 – 62. Commission de Constatation et de Conciliation: Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht Bd. I, T1. I, 1929, 132 – 154. Der Völkerbund als deutsche Aufgabe, in: K. A. Schulte (Hrsg.), Nationale Arbeit. Das Zentrum und sein Wirken in der deutschen Republik, Berlin 1930, 119 – 140. Nicht rückwärts – vorwärts! Rede, Berlin 1931. Der Konkordatstyp des faschistischen Italien: Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht Bd. III TI. 1: Abhandlungen, Berlin, Leipzig 1933, 488 – 522. Porta Santa. Mit einem Geleitwort von S. Exz. Prälat Ludwig Kaas, Ökonom der Erzbasilika St. Peter und erklärenden Texten von H. Riedlinger, Luzern 1951. Tagebuch 7.–20. April 1930. Ludwig Kaas †. Aus dem Nachlaß von Prälat Ludwig Kaas hrsg. von R. Morsey, in: Stimmen der Zeit 166, 1960, 422 – 430.

Andere Quellen R. Morsey (Bearb.), Die Protokolle der Reichstagsfraktion und des Fraktionsvorstands der Deutschen Zentrumspartei 1926 – 1933 (= Veröffentlichungen der Kommission für Zeitgeschichte bei der Katholischen Akademie in Bayern Reihe A: Quellen Bd. 9), Mainz 1969. M. Vogt (Bearb.), Das Kabinett Müller II. 28. Juni 1928 bis 27. März 1930, 2 Bde. (= Akten der Reichskanzlei. Weimarer Republik), Boppard a. Rh. 1970. R. Morsey u. K. Ruppert (Bearb.), Die Protokolle der Reichstagsfraktion der Deutschen Zentrumspartei 1920 – 1926 (= Veröffentlichungen der Kommission für Zeitgeschichte Reihe A: Quellen Bd. 33), Mainz 1981. T. Koops (Bearb.), Die Kabinette Brüning I und II. 30. März 1930 bis 10. Oktober 1931, 10. Oktober 1931 bis 1. Juni 1932, 2 Bde. (= Akten der Reichskanzlei. Weimarer Republik), Boppard a. Rh. 1982.

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Literatur E. Zenz, Geschichte der Stadt Trier in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, 3 Bde. (= Schriftenreihe: Ortschroniken des Trierer Landes Bd. 12), Trier 1967 – 1973. G. Mick, Politische Wahlen und Volksentscheide in der Stadt Trier zur Zeit der Weimarer Republik. Phil. Diss. Bonn, Bonn 1969. K. Repgen, Das Ende der Zentrumspartei und die Entstehung des Reichskonkordats, in: Militärseelsorge 12, 1970, 83 – 122. L. Volk, Das Reichskonkordat vom 20. Juli 1933. Von den Ansätzen in der Weimarer Republik bis zur Ratifizierung am 10. September 1933 (= Veröffentlichungen der Kommission für Zeitgeschichte Reihe B: Forschungen Bd. 5), Mainz 1972. R. Morsey, Ludwig Kaas (1881 – 1952), in: R. Morsey (Hrsg.), Zeitgeschichte in Lebensbildern (I). Aus dem deutschen Katholizismus des 20. Jahrhunderts, Mainz 1973, 263 – 273, 311 – 312. R. Morsey, Der Untergang des politischen Katholizismus. Die Zentrumspartei zwischen christlichem Selbstverständnis und „Nationaler Erhebung“ 1932/33, Stuttgart, Zürich 1977. G. May, Ludwig Kaas. Der Priester, der Politiker und der Gelehrte aus der Schule von Ulrich Stutz, 3 Bde. (= Kanonistische Studien und Texte Bd. 33 – 35), Amsterdam 1981/82.

Errichtung und Erweiterung katholisch-theologischer Studieneinrichtungen an staatlichen Hochschulen Überlegungen zu einer jüngst erschienenen Studie*

I. Katholische Theologie als Lebensfunktion der Kirche 1. Der Begriff der Theologie „Katholische Theologie ist die wissenschaftliche Erforschung und Darstellung der im Glauben ergriffenen übernatürlichen Offenbarung und Heilsordnung Gottes sowie der durch sie begründeten katholischen Religion und Kirche“1. Gottes Offenbarung in Jesus Christus ist die Grundlage von Glauben und Kirche, aber auch von Theologie. In der Theologie gehen Glaube und Wissenschaft eine untrennbare Einheit ein, verbinden sich Bekenntnis und Erkenntnis. Theologie ohne Glauben und ohne Bekenntnis ist innerlich und begrifflich unmöglich. Ausdruck dieser * Jörg Kriewitz, Die Errichtung theologischer Hochschuleinrichtungen durch den Staat, Tübingen 1992 (Jus Ecclesiasticum 42). Die Studie folgt weitgehend den von Martin Heckel ausgezogenen Leitlinien. Ich nenne von seinen einschlägigen Veröffentlichungen: Die theologischen Fakultäten zwischen Trennungsprinzip und Freiheitsgarantie, in: Festschrift für Otto Bachof zum 70. Geburtstag am 6. März 1984, hrsg. von Günter Püttner, München 1984, 29 – 45; Zur Errichtung theologischer Fakultäten und Studiengänge im Spannungsfeld von Kulturverfassungsrecht und Staatskirchenrecht, in: Rechtsstaat – Kirche – Sinnverantwortung. Festschrift für Klaus Obermayer zum 70. Geburtstag. Hrsg. von Richard Bartlsperger/Dirk Ehlers/Werner Hofmann/Dietrich Pirson, München 1986, 181 – 191; Die theologischen Fakultäten im weltlichen Verfassungsstaat, Tübingen 1986 (Jus Ecclesiasticum 31); Organisationsstrukturen der Theologie in der Universität, Berlin 1987 (Staatskirchenrechtliche Abhandlungen 18). Als teilweise Gegenpositionen beziehende Schriften nenne ich Ernst-Lüder Solte, Theologie an der Universität. Staats- und kirchenrechtliche Probleme der theologischen Fakultäten, München 1971 (Jus Ecclesiasticum 13); Franz-Georg von Busse, Gemeinsame Angelegenheiten von Staat und Kirche. Religionsunterricht – Kirchensteuer – Anstaltsseelsorge – Friedhofwesen – Theologische Fakultäten/Fachbereiche nach der Bayerischen Verfassung. Rechtswiss. Diss. München, München 1978 (Schriftenreihe Rechtswissenschaftliche Forschung und Entwicklung 3); Christa Sybille Veigel, Der staatskirchenrechtliche Status der theologischen Fakultäten. Jur. Diss. Tübingen, Bönnigheim 1986. 1 Georg May, Die Funktion der Theologie in Kirche und Gesellschaft, in: Die Funktion der Theologie in Kirche und Gesellschaft. Beiträge zu einer notwendigen Diskussion. In Verbindung mit Norbert Greinacher und Peter Lengsfeld hrsg. von Paul Neuenzeit, München 1969, 291 – 309, hier 291.

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Katholisch-theologische Studieneinrichtungen an staatlichen Hochschulen

Bindung ist die Verpflichtung der Theologen, das Glaubensbekenntnis nach der vom Apostolischen Stuhl genehmigten Formel abzulegen (c. 833 n. 7). 2. Kirchlicher Bezug Die Offenbarung wird durch die Zeiten getragen von der Kirche, Glaube und Bekenntnis werden von der Kirche formiert und normiert. Wegen dieses Zusammenhanges ist die katholische Theologie eine Wissenschaft, die durch ihre Bindung an die Kirche, im besonderen an die kirchliche Autorität wesentlich konstituiert wird2. Einmal wird der Begriff der Theologie nach Inhalt und Umfang von der Kirche bestimmt. Die kirchliche Autorität sagt, was Theologie ist und was sie nicht ist3. Zweitens ist katholische Theologie und kann nur sein eine lebensnotwendige Funktion der katholischen Kirche. Niemals kann die Kirche Christi aufhören, sich um Verstehen der Offenbarung, um Einsicht in den Glauben zu bemühen. Ebensowenig kann sie darauf verzichten, die durch die Forschung durchdrungene und aufbereitete Offenbarung in der Lehre darzubieten. Damit ist der kirchliche Ort der Theologie bezeichnet. Insofern die theologische Wissenschaft den Glauben erforscht, nimmt sie teil an der Aufgabe der Kirche, für „die Erkenntnis des Geheimnisses Gottes und Christi“ (Kol 2, 2) besorgt zu sein und jedem, „der Rechenschaft über die Hoffnung fordert“ (1 Petr 3, 15), Rede und Antwort zu stehen. Insofern die theologische Wissenschaft den Glauben vermittelt und weitergibt, ist sie ein Bestandteil der kirchlichen Verkündigung, ist sie Verkündigung des Glaubens der Kirche in wissenschaftlichem Gewand. Nach Johannes Paul II. ist die theologische Wissenschaft eine der „wichtigsten Vollzugsformen und Aufgaben des kirchlichen Lebens“4. Die Internationale Theologenkommission sieht es als die Aufgabe des Theologen an, „kraft kanonischer Sendung der Lehre des Wortes Gottes zu dienen“5. Der wissenschaftliche Charakter seiner Arbeit befreit ihn nicht von der „pastoralen und missionarischen Verantwortung“6. Theologie ist „Ausübung einer Lebensfunktion in und für das Volk Gottes“7. Drittens ist katholische Theologie an Schrift und Tradition als letzte und an die Entscheidungen des 2 Vgl. beispielsweise positiv die Instruktion der Kongregation für die Glaubenslehre über die kirchliche Berufung des Theologen vom 24. Mai 1990 (AAS 82, 1990, 1550 – 1570); Theologie und Kirche. Dokumentation. 31. März 1991. Hrsg. vom Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz, Bonn 1991 (Arbeitshilfen 86), negativ die Instruktion derselben Kongregation über einige Aspekte der „Theologie der Befreiung“ vom 6. August 1984 (AAS 76, 1984, 876 – 909) und über die christliche Freiheit und die Befreiung vom 22. März 1986 (AAS 79, 1987, 554 – 599). 3 Z. B.: Art. 66 – 74 der Apostolischen Konstitution „Sapientia Christiana“ vom 15. April 1979 (AAS 71, 1979, 469 – 499). Die zugehörigen Ordinationes der Kongregation für die katholische Unterweisung stammen vom 29. April 1979 (AAS 71, 1979, 500 – 521). 4 Theologie und Kirche 66 (18. November 1980). 5 Theologie und Kirche 42. 6 Theologie und Kirche 43. 7 Theologie und Kirche 44.

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kirchlichen Lehramtes als nächste Norm gebunden. Welche Bestandteile zur Heiligen Schrift gehören und wie sie zu verstehen ist, was Inhalt der Tradition und wie sie einzuordnen ist, das sagt in verbindlicher Weise die kirchliche Lehrautorität. Das Ergebnis dieser Überlegungen ist daher: Wegen ihrer Zuordnung zum Glauben und Bekenntnis der Kirche gehört die Theologie in den innersten Kernbereich kirchlichen Lebens und Handelns. 3. Das Betreiben von Theologie Das Betreiben von Theologie ist ein Ausfluß des Rechtes der Kirche, die geoffenbarte Wahrheit zu verkündigen (c. 815). Innerhalb des Betreibens von Theologie ist zu differenzieren. Privat Theologie betreiben kann jeder, der dazu Fähigkeit und/ oder Lust hat. Diese Tätigkeit braucht sich die Kirche nicht zuzurechnen lassen und läßt sie sich auch nicht zurechnen. Worum es hier geht, ist nicht private, sondern im Namen der Kirche betriebene Theologie. Von dieser Weise der theologischen Arbeit ist im folgenden allein die Rede. Von der kirchlichen Autorität anerkannte Theologie betreiben kann nur, wer von der zuständigen kirchlichen Autorität dazu ermächtigt ist. Der rechtliche Ausdruck dieses Sachverhalts ist die Missio canonica8. Diese Ermächtigung geht über eine bloße Unbedenklichkeitserklärung9 weit hinaus; sie ist die Übertragung der Befugnis, an der Glaubensverkündigung der Kirche teilzuhaben. Die von der kirchlichen Autorität bevollmächtigten theologischen Lehrer nehmen sogar zu ihrem Teil an den Aufgaben des Lehramtes teil. Sie besitzen zwar keine Lehrgewalt, aber sie lehren im Auftrag der Träger des Lehramtes. Die Inhaber der Lehrgewalt erwarten von den theologischen Lehrern, daß sie ihre Lehre in Verlängerung der Lehre des Lehramtes vortragen10. Der Theologe lehrt nach Johannes Paul II. „im Namen und im Auftrag der kirchlichen Glaubensgemeinschaft“11. Nach der Ansprache Pauls VI. vom 1. Oktober 1966 werden die Theologen, die von der kirchlichen Autorität einen Lehrauftrag erhalten, „in gewisser Weise sogar zu Lehrern der Wahrheit“12. Die Theologie in der Kirche besitzt „eine wahrhaft kirchliche Autorität“, erklärt die Internationale Theologenkommission13. Die Theologen, welche die Missio canonica docendi erhalten, werden dadurch an der Lehraufgabe (munus docendi) des kirchlichen Lehramts beteiligt, sagt die Kongregation für die Glaubenslehre14.

8

Art. 27 § 1 der Apostolischen Konstitution „Sapientia Christiana“. Das Nihil obstat des Art. 27 § 2 der Apostolischen Konstitution „Sapientia Christiana“. 10 Art. 26 § 2 und Art. 70 der Apostolischen Konstitution „Sapientia Christiana“. 11 Theologie und Kirche 69 (18. November 1980). 12 Theologie und Kirche 11. 13 Theologie und Kirche 45. 14 Instruktion über die kirchliche Berufung des Theologen vom 24. Mai 1990 Nr. 22. 9

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II. Theologie unter dem Grundgesetz für die BundesrepublikDeutschland Es stellt sich nun die Frage, wie die katholische Theologie im staatlichen Recht eingeordnet wird. 1. Eigene Angelegenheit der Kirche Nach dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland ordnet und verwaltet jede Religionsgesellschaft ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes (Art. 140 GG/Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV). „Ihre“ Angelegenheiten sind jene, die sich aus dem Wesen der Kirche ergeben. Dazu gehören u. a. erstrangig und unbestritten die Glaubens- und Sittenlehre, deren Erforschung und Verbreitung, das Bekenntnis und das Bekennen, die Verkündigung in jedweder, homiletischer, paränetischer und wissenschaftlicher Gestalt, das Lehramt und seine Ausübung sowie die Teilhabe an derselben. Dies sind ohne jeden Zweifel Wirklichkeiten, die in den innersten Kernbereich einer Religionsgemeinschaft gehören. In diesem Wirkungskreis aber ist die Kirche unabhängig, frei und selbständig. Es muß ihr und ihr allein überlassen bleiben, zu entscheiden, wann, wo und mit welchen Mitteln sie ihr Lehramt und die Teilhabe an demselben ausübt bzw. ausüben läßt, wie es ihr auch überlassen ist, wann, wo und wie sie ihren Gottesdienst abhält. Das Selbstbestimmungsrecht der Kirche duldet keinen irgendwie gearteten Eingriff in ihre ureigenen Angelegenheiten. Eine eigene Angelegenheit der Kirche ist auch die Ausbildung ihrer Diener für Gottesdienst und Verkündigung, für Seelsorge und Liebeserweis15. Denn Inhalt und Ziel, Weise und Dauer der Ausbildung ergeben sich aus dem Glauben und dem Bekenntnis der Kirche. Nur die kirchliche Autorität vermag zu entscheiden, was (vor allem) für die Ausbildung und die Erziehung der Lehrer der Religion und der Verkündiger des Glaubens erforderlich und zuträglich ist. Dementsprechend sind Gegenstand, Niveau, Art und Länge der Ausbildung von Theologen, speziell von Priestern durch kirchliches Recht verbindlich festgelegt16. 2. Die Freiheit der Religion und des Bekenntnisses Die Unterweisung in Fragen der Religion ist Bestandteil des Glaubens und Bekennens. Glauben heißt, alles für wahr halten, was Gott geoffenbart hat und durch seine Kirche zur Annahme vorlegt. Bekennen bedeutet, Zeugnis ablegen von einer Glaubenswahrheit, an die man sich im Gewissen gebunden weiß. Das Erforschen und Lehren des Glaubens in wissenschaftlicher Form ist Betätigung des Glaubens, Bekenntnis einer religiösen Überzeugung und somit Ausübung der Religion. Der 15 16

Vgl. c. 232. Vgl. cc. 232 – 264.

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Dienst als theologischer Forscher und Lehrer unterfällt daher der Bekenntnisfreiheit, die in Art. 4 Abs. 1 GG als unverletzlich erklärt ist. Die Bekenntnisfreiheit ist die Befugnis, einen religiösen Glauben ohne jede Beeinträchtigung im privaten und öffentlichen Leben zu bezeugen und zu betätigen. Weil das Betreiben von Theologie Auswirkung des Glaubens und des Bekenntnisses ist, darf sie auch den Schutz der Bekenntnisfreiheit nach Art. 4 GG für sich beanspruchen.

III. Die theologischen Fakultäten bzw. Fachbereiche an staatlichen Hochschulen als gemeinsame Angelegenheit 1. Gemeinsame Angelegenheit Nun existieren in der Bundesrepublik Deutschland katholisch-theologische Fakultäten bzw. Fachbereiche an staatlichen Universitäten. Sie werden herkömmlich zu den gemeinsamen Angelegenheiten gezählt, ja gelten als ein Musterbeispiel gemeinsamer Angelegenheiten von Kirche und Staat. Gemeinsame Angelegenheiten sind jene, „bei denen ein gemeinschaftliches Zusammenwirken von Staat und Kirche notwendige Voraussetzung für die Wahrnehmung der betreffenden Angelegenheit ist“17. Eben dies ist beim Betreiben katholischer Theologie an Fakultäten bzw. Fachbereichen staatlicher Hochschulen der Fall. Wohlgemerkt: Nicht das Betreiben von Theologie an sich ist eine gemeinsame Angelegenheit, sondern nur das Betreiben von Theologie an einer staatlichen Hochschule. Die viel verwendete Formel, gemeinsame Angelegenheiten seien jene, denen erstrangig oder selbständig eine Zweckbeziehung sowohl zum Staat als auch zur Kirche eigen ist, ist ungenau. Es handelt sich vielmehr darum, daß der Staat im Rahmen seiner Unternehmungen und Anstalten der Kirche die Chance eröffnet, eine ihrer Lebensfunktionen, eben das Betreiben von Theologie, wahrzunehmen. Die Theologie bleibt auch an der staatlichen Hochschule eine eigene Angelegenheit der Kirche, was Methode, Inhalt und Ziel betrifft. Die amtliche Betrauung mit der Erforschung, Vorlegung und Erklärung des Glaubens ist eine rein geistliche und eine rein kirchliche Sache. Die Theologie selbst und ihr Betreiben sind sowenig eine gemischte Sache oder eine gemeinsame Angelegenheit wie der Gottesdienst in Strafanstalten oder die Seelsorge in der Bundeswehr; sie sind und bleiben rein geistliche Sachen. 2. Die Unverfügbarkeit der Theologie Man mag die Existenz theologischer Fakultäten bzw. Fachbereiche an staatlichen Hochschulen mit dem Auftrag des Staates zur Kulturpflege begründen. Da es sich jedoch bei der Theologie um eine Sache handelt, die in keiner Weise zu seinen eigenen Angelegenheiten gehört, kann der Staat ihrer nur teilhaftig werden, wenn 17

Busse, Gemeinsame Angelegenheiten 17 f.

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die Kirche, deren eigene Angelegenheit die Theologie ist, einwilligt. Ein selbständiger Zugriff auf die Theologie ist ihm versagt. Zwar wird versucht, einen solchen zu begründen. Man geht dabei wie folgt vor. Die Pflege, der Schutz und die Förderung der Wissenschaft gehören zum Auftrag des Staates. Die Theologie ist Wissenschaft. Also ist ihre Pflege eine staatliche Aufgabe. Der Fehler in diesem Syllogismus liegt in der äquivoken Verwendung des Begriffes Wissenschaft im Oberund im Untersatz. Im Obersatz wird Wissenschaft als Sammelbegriff für jedes auf Erkenntnis gerichtete methodische Forschen und Lehren gebraucht. Im Untersatz aber ist Wissenschaft als Funktion der Kirche gemeint; sie ist dem staatlichen Zugriff in ihrem ganzen Umfang entzogen. Alle übrigen Wissenschaften vermag der Staat ohne Zustimmung von irgendjemand zu pflegen; die Theologie ist ihm sowohl nach Inhalt und Betreiben zur Gänze unzugänglich. Die Theologie ist dem Staat nicht so verfügbar, wie alle anderen Wissenschaften ihm verfügbar sind. Eine nur von Staates wegen betriebene Theologie ist in sich unmöglich.

3. Das Interesse des Staates an der Theologie Man kann und muß einräumen, daß der Staat ein Interesse an dem Betreiben der Theologie hat. Doch ist es ungenau zu sagen, Staat und Kirche hätten beiderseitig ein Interesse an der Theologie. Für den Staat mag das zutreffen, wenn man Interesse als Nutzenserwartung bestimmt. Für die Kirche muß in anderer Weise von Interesse am Betreiben von Theologie und weit darüber hinaus von einer Lebensäußerung gesprochen werden. Der Staat hat Interesse an dieser Lebensäußerung der Kirche, wie er in ähnlicher Weise Interesse an der Erteilung von konfessionellem Religionsunterricht in der Schule hat. Ebenso unzutreffend sind manche Folgerungen, die aus dem Interesse des Staates an dem Betreiben von Theologie gezogen werden. Dadurch wird die Theologie nicht eine gemeinsame Angelegenheit von Staat und Kirche. Der Staat ist an vielen, vielleicht sogar an den meisten kirchlichen Angelegenheiten in irgendeiner Weise interessiert, und es wird wenige geben, die für ihn gänzlich unbeachtlich sind. So hat der Staat Interesse an der Verkündigung der kirchlichen Glaubensund Sittenlehre an Kinder und Jugendliche. Aber er richtet Religionsunterricht an staatlichen Schulen ein und läßt ihn erteilen nur mit Einwilligung der Kirche. Der Staat hat Interesse auch am Gottesdienst und an der Seelsorge der Kirchen in besonderen Gewaltverhältnissen. Aber er errichtet Stellen für Pfarrer in staatlichen Organisationen und Anstalten nur mit deren Einwilligung. Wenn das staatliche Interesse genügte, um eine kirchliche Angelegenheit zu einer gemeinsamen zu machen, dann könnte er stets und überall eingreifen, und es ist nicht zu erkennen, weshalb dann das Selbstbestimmungsrecht der Kirche (nur) durch das für alle geltende Gesetz eingeschränkt werden darf. Der Staat hat Interesse an dem Betreiben von Theologie an seinen wissenschaftlichen Hochschulen. Entscheidend ist nun, an welcher Theologie ihm gelegen

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ist. Der Staat ist nicht an einer irgendwie betriebenen Theologie interessiert, sondern an einer solchen, die im Namen der Kirche gelehrt wird. Er zielt auf jene Theologie, die eine Lebensäußerung der Kirche und wissenschaftlicher Ausdruck ihres Bekenntnisses ist. Er bekundet also Interesse an einer Tätigkeit, die im unbestreitbaren Eigenbereich der Kirche liegt. Soll es hier zu einer Kooperation kommen, ist die Einwilligung der Kirche unabdingbar. Der Staat mag soviel Interesse an der Präsenz der Theologie an seinen Hochschulen haben, wie er will. Ohne die Zustimmung der Kirche ist diese Präsenz nicht zu verwirklichen. Katholische Theologie ist immer und nur eine Funktion der Kirche, und es ist daher undenkbar, daß sie jemals ohne Beteiligung der kirchlichen Hoheitsträger ausgeübt werden könnte. Die Erhaltung der theologischen Fachbereiche mag so sehr wie möglich ihren Grund in der Verantwortung des Staates für die Förderung der Wissenschaft und die Pflege einer christlich durchwirkten Kultur haben. Die Beziehung der katholischen Theologie zu der katholischen Kirche macht so wesentlich ihr Proprium aus, daß es ohne sie eine katholische Theologie nicht geben kann. 4. Die doppelte Aufgabe der Theologie an staatlichen Hochschulen Die Theologie ist und bleibt eine rein geistliche Sache, auch wenn sie an staatlichen Anstalten betrieben wird. Eine Wissenschaft, die Gott zum Ursprung, Inhalt und Ziel hat, kann in keiner Hinsicht eine selbständig zu bewältigende Aufgabe des säkularen Staates sein. Nun nehmen die theologischen Fachbereiche an den staatlichen Hochschulen (auch) eine staatliche Aufgabe wahr. Genauer gesprochen: Sie vollziehen eine Lebensfunktion der Kirche an staatlichen Einrichtungen und dienen so dem Ziel des Kulturstaates, Wissenschaften jeder Art optimal zu fördern und ihren gegenseitigen Austausch zu ermöglichen. Insofern also kann nur von einer staatlichen Aufgabe gesprochen werden, als der Staat der Kirche die Chance bietet, an seinen Einrichtungen eine ihrer Lebensfunktion auszuüben. Zu der Erfüllung der staatlichen Aufgabe kommt es erst und nur, indem die Theologen ihre kirchliche Aufgabe erfüllen. Die kirchliche Aufgabe ist in dem Sinne primär, die staatliche sekundär, als die zweite ganz und gar von der ersten abhängig ist und nur zustande kommt, wenn die erste ausgeübt wird. Wer mit der Formel argumentiert, der Staat habe den weltlichen, die Kirche den geistlichen Aspekt einer gemeinsamen Angelegenheit zu bestimmen, der muß sich sagen lassen, daß schon die Entscheidung, hier an dieser Stelle, nämlich in einer Hochschuleinrichtung des Staates, Theologie zu betreiben, keine weltliche Angelegenheit, sondern eine gemeinsame Angelegenheit ist. Erst die Einwilligung der Kirche, von dem Angebot des Staates, an seinen Hochschuleinrichtungen Theologie zu betreiben, Gebrauch zu machen, konstituiert die gemeinsame Sache; vorher existiert sie nicht. Es ist dem Staat verwehrt, der Kirche ein Stück ihrer eigenen Angelegenheiten gleichsam zu entreißen und es auf diese Weise zu einer gemeinsamen Angelegenheit zu machen; Usurpation begründet keine Gemeinsamkeit, sondern Dissens.

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IV. Die Errichtung theologischer Fachbereiche an staatlichen Hochschulen 1. Kein Zwang zur Ausübung einer Lebensfunktion der Kirche Bei der Errichtung katholisch-theologischer Fachbereiche an staatlichen Hochschulen sind Berechtigung und Funktion von Staat und Kirche sorgfältig auseinanderzuhalten. Es ist dem Staat unbenommen, nach seinen Gesichtspunkten zu entscheiden, ob er eine Hochschule mit einem theologischen Fachbereich auszustatten beabsichtigt. Ebenso unbestreitbar ist seine Kompetenz, einen solchen Fachbereich zu errichten; denn dieser ist eine staatliche Einrichtung, und als eine solche tritt er durch staatliche Organisationsakte ins Leben und untersteht er staatlichen Normen. Die Errichtung eines theologischen Fachbereichs an einer staatlichen Hochschule ist also eine staatliche Angelegenheit. Was zu bestreiten ist, das ist die Behauptung, der Staat könne dazu schreiten, ohne die Einwilligung der Kirche einzuholen. Die Errichtung eines theologischen Fachbereichs ist wesentlich nichts anderes als ein Angebot an die Kirche, (ihre) theologische Forschung und Lehre an einer staatlichen Hochschule zu betreiben. Nur die Kirche verfügt über die Theologie; es gibt keine außerkirchliche oder unkirchliche Theologie, welche die Kirche sich zurechnen lassen müßte. Das amtliche Betreiben von Theologie ist daher in jedem Falle, sei es im Entstehen, sei es in der Durchführung, von der Einwilligung und bleibenden Zustimmung der kirchlichen Autorität abhängig. Der Staat könnte theologische Fachbereiche aus eigener Macht ohne Einwilligung der Kirche nur errichten, wenn ihm der Gegenstand, die Theologie, verfügbar wäre. Weil es ihm aber versagt ist, über die Theologie zu verfügen, darum kann er nicht Einrichtungen schaffen, deren Inhalt darin besteht, Theologie zu betreiben. Das Angebot des Staates, Theologie an seinen Hochschulen zu betreiben, kann die Kirche annehmen oder ablehnen. Der Staat vermag die Kirche nicht zu zwingen, ihre Lebensfunktion, Theologie zu betreiben, auszuüben, und er ist nicht imstande, ihr aufzuerlegen, wann, wo und wie sie diese ausüben will. Ebensowenig wie er die Kirche bindend veranlassen kann, eine Weihe vorzunehmen oder einen Gottesdienst abzuhalten, kann er sie verpflichten, ihre Theologie an seinen Anstalten zu betreiben. Die Theologie ist eine ureigene Angelegenheit der Kirche, die in der Regie der Kirche bleiben muß, wenn sie ihren Charakter nicht verlieren soll. Es ergibt sich aus ihrem rein religiösen Wesen, daß allein die kirchliche Autorität für die Entscheidung der Frage zuständig ist, wann, wo, wie und in welchem Umfang sie betrieben wird. Nur so bleibt die grundgesetzlich garantierte Glaubens- und Bekenntnisfreiheit gewahrt. Die Kirche kann, aber sie muß nicht von den Freiheitsrechten, die ihr durch die Verfassung verbürgt werden, Gebrauch machen. Wenn der Staat die Kirche zwingen könnte, von ihren verfassungsrechtlich garantierten Rechten Gebrauch zu machen, würde die verfassungsmäßige Gewährleistung desselben illusorisch. Es ist somit ausgeschlossen, daß der Staat der Kirche einen theologischen Fachbereich aufdrängt. Die Mitwirkung der Kirche kann auf keine Weise erzwungen werden. Sie ist stets eine positive, d. h. durch Rechtshandlungen erfolgende.

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Das Sich-Verweigern der Kirche ist keine Mitwirkung. Der normale Weg, um einen Fachbereich Katholische Theologie an einer staatlichen Hochschule zu errichten, ist daher darin gelegen, daß vor der geplanten Errichtung die Einwilligung der zuständigen kirchlichen Autorität eingeholt wird. 2. Kein Zwang zur Erteilung der Missio canonica Wenn der Staat entgegen der soeben vorgetragenen Argumentation einen theologischen Fachbereich ohne kirchliche Mitwirkung errichtet hat, wird er versuchen, ihn durch Berufung und Anstellung theologischer Lehrer funktionstüchtig zu machen. Er benötigt dazu Professoren und Dozenten, die geeignet und gewillt sind, an der Lehraufgabe der Kirche teilzuhaben. Im Namen der Kirche Theologie lehren kann aber nur, wer die Einwilligung und die Ermächtigung der zuständigen kirchlichen Autorität erlangt hat. Diese wird es indes in der Regel ablehnen, zu Lehrern, die an einer gegen ihren Willen errichteten theologischen Studieneinrichtung wirken sollen, sich zu äußern, geschweige denn, ihnen Nihil obstat und Missio canonica zu erteilen. Ohne diese Voraussetzungen kann aber niemand katholische Theologie lehren und kann somit eine Stätte, an der katholische Theologie betrieben wird, nicht zustande kommen. Mögen also immerhin Professoren und Dozenten für den eigenmächtig errichteten Fachbereich berufen oder ernannt werden, so ist die Funktionsfähigkeit des so zustande gekommenen Fachbereichs nicht gegeben. Was diese Gelehrten betreiben, ist keine katholische, sondern allenfalls Staatstheologie. Die Versagung der Erteilung von Nihil obstat und Missio canonica bzw. die Verweigerung der kirchlichen Stellungnahme zu den auf die geschilderte Weise bestellten akademischen Lehrpersonen ist die Konsequenz der kirchlichen Befugnis, zu entscheiden, wo sie ihre Lebensfunktionen ausübt; sie ist kein unzulässiges Kampfinstrument, sondern die Inanspruchnahme des kirchlichen Selbstbestimmungsrechtes. Die Kirche entscheidet, wann, wo und unter welchen Umständen sie geistlich tätig wird. Der Staat kann die Kirche nicht zwingen, zu den in den ohne oder gegen ihren Willen errichteten Einrichtungen lehrenden Personen positiv oder negativ Stellung zu nehmen. Die Ansicht, die Kirche müsse den akademischen Lehrern, die an einen ohne oder gegen ihren Willen errichteten theologischen Fachbereich berufen werden, die Zustimmung zur Wirksamkeit verleihen, beruht auf einem doppelten Irrtum. Sie ist einmal deswegen abzuweisen, weil in der fehlenden Einwilligung zur Errichtung eines theologischen Fachbereichs die (künftige) Weigerung, zu deren Funktionieren mitzuwirken, schon enthalten ist. Es wäre ein widersinniges Angehen gegen die eigene Handlung, wenn die Kirche nachträglich billigen würde, was sie vordem mißbilligt hat. Die Erteilung des Nihil obstat und die damit verbundene Gewährung der Missio canonica sind sodann ein Akt kirchlicher Jurisdiktion. Diese ist ein ureigener Besitz, ihre Ausübung eine wesentliche Lebensäußerung der Kirche. Es ist unvereinbar mit dem Recht der Religions- und Bekenntnisfreiheit, die Kirche zu einem solchen Jurisdiktionsakt zu zwingen. Wenn

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der Diözesanbischof gehalten wäre, den Professoren eines vom Staate ohne oder gegen seinen Willen errichteten theologischen Fachbereichs das Nihil obstat bzw. die Missio canonica zu gewähren, dann könnte der Staat Zwang zur Setzung eines kirchlichen Hoheitsaktes, eben der Verleihung des Nihil obstat bzw. der Missio canonica, ausüben, was gegen Art. 137 Abs. 1 und Art. 137 Abs. 3 i. V. m. Art. 140 GG verstößt. Die Verweigerung der kirchlichen Autorität mag der staatlichen Seite so unbegründet oder mißbräuchlich erscheinen, wie sie will; der Staat vermag darüber weder verbindlich zu urteilen noch sie zu ersetzen. 3. Kein staatliches Angehen gegen Erfordernisse des Haushaltsrechtes Die soeben vorgeführte Argumentation läßt sich in anderer Hinsicht ergänzen. Das staatliche Handeln muß vernünftig und finanziell verantwortbar sein. Das Schaffen von Einrichtungen ist vernünftig, wenn diese in der Lage sind, ihren Zweck zu erfüllen. Gewiß können Funktionen nicht ausgeübt werden, wenn nicht ein Träger derselben vorhanden ist. Aber die Bereitstellung eines Trägers von Funktionen, die nicht ausgeübt werden können, entbehrt jedes Sinnes. Eine Einrichtung, die nur handlungsfähig ist, wenn eine von der errichtenden Institution verschiedene Organisation zur Mitwirkung bereit ist, kann nur unter deren Mitwirkung ins Leben gerufen werden. Theologische Fachbereiche werden errichtet, damit an ihnen Theologie in einer von der Kirche anerkannten Weise betrieben wird. Katholische Theologie kann definitionsgemäß nur im Auftrag und unter der Leitung der kirchlichen Autoritäten betrieben werden. Die kirchliche Mitwirkung bei ihrer Errichtung und ihrer Tätigkeit ist nicht lediglich zweckmäßig, sondern sie ist auch rechtmäßig, ja unerläßlich. Eine Hochschuleinrichtung, die keine Beziehung zur kirchlichen Autorität hat, ist kein katholisch-theologischer Fachbereich. Die Organisationshoheit des Staates bezüglich der katholisch-theologischen Fachbereiche ist nicht unbeschränkt. Ihre Grenze ist das kirchliche Selbstbestimmungsrecht. Es ist dem Staat schlechthin unmöglich, aus eigener Kompetenz eine Funktion der Kirche zu betreiben. Errichtung und Tätigkeit eines theologischen Fachbereichs lassen sich nur gewaltsam trennen. Was zum Funktionieren unabdingbar der kirchlichen Mitwirkung bedarf, kann nicht eingerichtet werden ohne kirchliche Zustimmung. Denn die Schaffung funktionsunfähiger Einrichtungen ist unvernünftig und nicht zu verantworten. Der Staat, der meint, bei der Errichtung katholisch-theologischer Fachbereiche auf die Einwilligung der Kirche verzichten zu können, handelt gegen Einsicht und Verstand. Legislative und Exekutive sind gehalten, mit den ihnen zur Verfügung stehenden Finanzmitteln verantwortungsvoll umzugehen. Für jeden öffentlichen Haushalt gilt das gesetzliche Gebot der sparsamen und wirtschaftlichen Veranlagung der Mittel. Art. 114 Abs. 2 S. 1 GG gibt als Maßstäbe, an denen die Haushalts- und Wirtschaftsführung zu messen sind, „Wirtschaftlichkeit“ und „Ordnungsmäßigkeit“ an. Nach dem Gesetz über die Grundsätze des Haushaltsrechts des Bundes und der

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Länder vom 19. August 1969 (BGBl. I S. 1273) und der Bundeshaushaltsordnung vom 19. August 1969 (BGBl. I S. 1284) dürfen in den Haushaltsplan nur Ausgaben und Verpflichtungsermächtigungen aufgenommen werden, die zur Erfüllung der Aufgaben notwendig sind (§ 5 HGrG und § 6 BHO/LHO)18. Nach § 6 Abs. 1 HGrG und § 7 Abs. 1 BHO/LHO sind bei der „Aufstellung und Ausführung des Haushaltsplans“ die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu beachten19. Eine staatliche Maßnahme hat dann als wirtschaftlich zu gelten, wenn der Einsatz von Finanzmitteln durch den damit erreichten Zweck vollauf gerechtfertigt ist20. Sparsamkeit „heißt nichts anderes als die Vermeidung überflüssiger Kosten, also von Kosten, die zur Zielerreichung nicht erforderlich sind“21. Jeder Haushaltsplan muß auf Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit geprüft werden22. Die Exekutive ist ihrerseits verpflichtet, den Vollzug des Haushalts „wirtschaftlich und sparsam“ zu gestalten23. Der auch im Verwaltungsrecht geltende Grundsatz der Erforderlichkeit verbietet Maßnahmen, die zur Erzielung des angestrebten Erfolges bzw. des angezielten Nutzens überflüssig sind. „Mangelnde Erforderlichkeit ist gleichbedeutend mit mangelnder Sparsamkeit“24. Diese Grundsätze sind nun auf die Errichtung staatlicher Hochschuleinrichtungen für katholische Theologie anzuwenden. Der Staat muß sich (auch) aus haushaltsrechtlichen Gründen vergewissern, daß seine Einrichtungen effektiv und nützlich sein werden. Im Falle eines theologischen Fachbereichs können sie dies nur sein, wenn er von der Kirche angenommen wird; nur dann kann dort katholische Theologie als von der Kirche anerkannte Wissenschaft betrieben werden, nur dann werden ihm die Dozenten und die Studenten nicht fehlen. Es ist unbestritten, daß theologische Fachbereiche zu ihrem Funktionieren auf die Mitwirkung der Kirche angewiesen sind. Ohne die wesensmäßige Beziehung zu den Trägern des kirchlichen Lehramtes kommt eine Stätte, an der katholische Theologie betrieben wird, überhaupt nicht zustande. Für die Kirche besteht auch keinerlei Verpflichtung, ihre künftigen Bediensteten an einen ohne oder gegen ihr Einverständnis errichteten theologischen Fachbereich zu entsenden. Ebensowenig kann sie veranlaßt werden, an diesem ausgebildete Personen in ihren Dienst zu übernehmen. Die Kirche ist 18 Vgl. Friedrich Karl Vialon, Haushaltsrecht. Systematische Einführung. Übersicht über das Haushaltsrecht des Bundes, der Länder und Gemeinden. Kommentar zur Haushaltsordnung (RHO), Berlin-Frankfurt a. M. 1953, 81; Gunter Kisker, Staatshaushalt, in: Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland. Hrsg. von Josef Isensee und Paul Kirchhof. Bd. IV. Finanzverfassung – Bundesstaatliche Ordnung, Heidelberg 1990, 235 – 293. 19 Klaus Grupp, Die „Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit“ im Haushaltsrecht: Juristenzeitung 37, 1982, 231 – 237; Hans Herbert von Arnim, Wirtschaftlichkeit als Rechtsprinzip, Berlin 1988 (Schriften zum Öffentlichen Recht 536). 20 Vgl. Kisker, Staatshaushalt 284 (§ 89 Rn. 111) und 285 (§ 89 Rn. 112). 21 Arnim, Wirtschaftlichkeit als Rechtsprinzip 50. 22 Kurt Heinig, Das Budget, 3 Bde., Tübingen 1948 – 1951, I, 157. 23 Kisker, Staatshaushalt 258 (§ 89 Rn. 53). 24 Arnim, Wirtschaftlichkeit als Rechtsprinzip 54.

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daher in der Lage, auch auf diesem Wege das normale bzw. rentable Funktionieren eines solchen Fachbereiches zu verhindern. Daher muß der Staat vorher erkunden, ob die Kirche seiner Errichtung zustimmt. Er muß sich dieserhalb auch deswegen vergewissern, weil er darauf festgelegt ist, daß die Nutzen-Kosten-Rechnung stimmt. Die Regierung und das Parlament, die einen theologischen Fachbereich errichten, dem Nutzen und Effektivität in gleicher Weise fehlen, der aber laufend Kosten verursacht, verwenden staatliche Mittel für Aufgaben, die überflüssig sind. Damit verstoßen sie gegen wesentliche Grundsätze des Haushaltsrechtes.

V. Die Erweiterung theologischer Fachbereiche an staatlichen Hochschulen 1. Das Bedürfnis nach Erweiterung der Disziplinen Der Staat, der Universitäten errichtet und unterhält, ist verpflichtet, sie funktionsfähig zu halten. Dazu gehört die Ausstattung mit dem erforderlichen Personal und den notwendigen Sachmitteln. Es müssen an einem Fachbereich Katholische Theologie die Lehrstühle vorhanden sein, die sich aus dem Wesen katholischer Theologie ergeben. Wenn sich nun in Kirche, Leben und Theologie das unabweisbare Bedürfnis geltend macht, den künftigen Priestern und Religionslehrern die Kenntnis einer bestimmten Materie zu vermitteln, die bisher an einer theologischen Fakultät nicht oder nicht angemessen vertreten ist, von den vorhandenen Disziplinen auch nicht abgedeckt werden kann und im Rahmen eines Lehrauftrags nicht zu vermitteln ist, dann entsteht für den Staat die Pflicht, den theologischen Fachbereich entsprechend der neu aufgetretenen Notwendigkeit zu ergänzen. Die Bestandsgarantie fordert nunmehr die Errichtung eines neuen Lehrstuhls. Die Anstöße zur Errichtung neuer Lehrstühle können aus mehreren Quellen kommen. Einmal ist es möglich, daß die fortschreitende Entfaltung und Differenzierung der wissenschaftlichen Disziplinen dazu rät, aus einem umfangreichen Fach ein neues auszugliedern. So mag die Vertretung der Sittenlehre durch einen Professor angesichts der Entwicklung des letzten Jahrhunderts nahelegen, die Sozialethik von der Moraltheologie abzuspalten. Sodann ist es denkbar, daß Lehrstühle, deren Inhaber früher und bisher die Vertretung mehrerer verwandter, aber auch wesensverschiedener Disziplinen zugemutet wurde, geteilt werden, weil die betreffenden Professoren sich nicht in der Lage sehen, in einer Anzahl disparater Fächer das zu leisten, was von einem deutschen Universitätsprofessor in Forschung und Lehre erwartet wird. So hat beispielsweise die Liturgiewissenschaft eine Aufwertung in Gestalt der Errichtung eines besonderen Lehrstuhls allein für dieses Fach vielerorts erst in den letzten Jahrzehnten erfahren. Schließlich kann auch die innerkirchliche Entwicklung die Errichtung neuer Lehrstühle nahelegen oder dringend machen. Wenn bestimmte Gebiete des kirchlichen Lebens eine gesteigerte Bedeutung gewinnen und ihre wissenschaftliche Bearbeitung bisher nicht genügend gesichert schien, weil es an Gelehrten mangelte, die sie zum (ausschließlichen) Gegenstand ihrer wissen-

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schaftlichen Bemühungen machen, dann kann sich die Errichtung von Lehrstühlen, die diesem Bedürfnis abhelfen, empfehlen. Man denke etwa an das Gebiet der Spiritualität, für das an keinem einzigen staatlichen katholisch-theologischen Fachbereich eine Lehrstelle besteht. Wenn sich also neue oder bisher übersehene alte Bedürfnisse gebieterisch geltend machen, die nur durch Errichtung von Lehrstühlen befriedigt werden können, muß der Staat dazu schreiten. Diese Verpflichtung kann nur bei unwiderlegbarer finanzieller Notlage zeitweilig unerfüllt bleiben. Es scheint, daß es in manchen Bundesländern schwerer ist, für theologische, namentlich katholisch-theologische Fakultäten die erforderlichen Finanzmittel im Etat bereitzustellen als für andere Universitätsbedürfnisse. Jedenfalls haben sich sowohl die katholische Kirche als auch die evangelischen Landeskirchen veranlaßt gesehen, vom Staat ungenügend ausgestattete theologische Fakultäten bzw. Fachbereiche oder Sektionen durch die Bereitstellung von Finanzmitteln auf Dauer oder für begrenzte Zeit, mit denen neue Lehrstühle errichtet werden sollten, zu vervollständigen bzw. leistungsfähiger zu machen. Ich erwähne dafür die katholischtheologische Fakultät der Universität Mainz25 sowie die (jetzigen) Fachbereiche 6b der Universität Frankfurt26 und 07 der Universität Gießen27. Die Errichtung eines neuen Lehrstuhles an einem katholisch-theologischen Fachbereich einer staatlichen Hochschule ist Sache des Staates und kann folglich nur durch staatlichen Organisationsakt erfolgen.

2. Die Initiatoren Die Initiative zur Errichtung neuer Lehrstühle kann von verschiedener Seite ausgehen. Es kommen vor allem die Kirche, der Fachbereich und der Staat in Frage. Die Kirche kann an den Staat ihren Wunsch herantragen, einen neuen Lehrstuhl in einem katholisch-theologischen Fachbereich zu errichten. Zuständig für eine solche Anregung ist der Diözesanbischof, in dessen Sprengel der Fachbereich besteht. Der Staat wird in einem solchen Falle die Meinungsäußerung des Fachbereiches einholen, der in dieser Weise bereichert werden soll; auf seine Einwilligung zu der geplanten Errichtung ist er jedoch nicht angewiesen. Im Falle der Mainzer Stiftungsprofessur wurde die „Zustimmung“ der katholisch-theologischen Fakultät in Nr. I des einschlägigen Vertrages ausdrücklich erwähnt. Der Antrag kann sodann von dem Fachbereich ausgehen, dem es mit Rücksicht auf die Lage der Wissenschaft, die Zahl der Studenten oder die Setzung von Schwerpunkten wünschenswert erscheint, eine neue Lehrstelle zu besitzen. Es ist selbstverständlich, daß der Fachbereich sich vorher mit dem zuständigen Ortsoberhirten verständigt und seine Zustimmung einholt. Würde er ihn übergehen, handelte er illoyal und verfehlte sich gegen die innerwesentliche Struktur katholischer Theologie. Der Staat selbst mag 25

AfkKR 141, 1972, 234 – 236. AfkKR 144, 1975, 475 f. 27 AfkKR 144, 1975, 476 – 478.

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von seinen Gesichtspunkten aus an der Erweiterung eines katholisch-theologischen Fachbereichs interessiert sein. Er betreibt ja Wissenschaftspolitik, die aber je nach der parteipolitischen Färbung von Regierung und Parlament sehr verschiedenartig ausfallen kann. Die Motive der Personen bzw. Behörden, die für die Neuerrichtung eines Lehrstuhls eintreten, können vielschichtig sein. An erster Stelle kommen die oben genannten Gründe in Frage, und sie besitzen zweifellos großes Gewicht. In Anbetracht der Verhältnisse, die sich in den letzten 30 Jahren entwickelt haben, können jedoch auch andere Beweggründe auftreten. So ist denkbar, daß eine weitere Professorenstelle von dem Fachbereich in der Absicht beantragt wird, dadurch die Theologie (und vielleicht gar die Kirche) in eine bestimmte Richtung zu lenken, die zeitgenössischen Trends oder heterodoxen Anschauungen entspricht, und es ist ebenso denkbar, daß das betreffende Ministerium von derselben Absicht bewegt wird, wenn es den Antrag genehmigt oder ihn gar veranlaßt. Es könnte ja sein, daß die Regierung eines Bundeslandes an einer bestimmten Gewichtung der theologischen Disziplinen und einer gewissen Richtung der theologischen Forschung und Lehre interessiert ist und aus diesem Interesse heraus einem katholisch-theologischen Fachbereich Lehrstühle, die ihrer Tendenz entgegenkommen, aufdrängen möchte. Die Regierung eines Landes, die neue theologische Lehrstühle ohne Einwilligung des zuständigen Diözesanbischofs errichtet, mag dadurch, daß sie sich auf einen Antrag oder ein zustimmendes Votum des in Frage kommenden Fachbereichs stützt, ihren Druck auf den Bischof zu verstärken suchen; erzwingen kann sie seine Zustimmung nicht. Dem Minister ist verwehrt, die beantragte Errichtung einer neuen Stelle zu verfügen, solange die Zustimmung des zuständigen Diözesanbischofs nicht vorliegt, wie sogleich deutlich gemacht werden wird. 3. Die Relevanz der Erweiterung Die Garantie der theologischen Fachbereiche betrifft nicht nur ihren äußeren Bestand, sondern auch ihre innere Verfaßtheit, wozu die wesensgemäße Zuordnung bestimmter Fächer gehört. Die Veränderung der Organisation eines Fachbereichs, in dem katholische Theologie betrieben wird, zeitigt unweigerlich Rückwirkungen auf das Funktionieren der Theologie und kann deswegen nicht ohne Beteiligung des kirchlichen Amtes vonstatten gehen. Das katholische Verständnis von Gott und der Welt, Christus und Offenbarung, Kirche und Mensch muß in der Theologie seinen möglichst adäquaten Ausdruck finden. Art. 72 Buchst. a der Konstitution „Sapientia Christiana“ verlangt eine so geartete Lehre der theologischen Disziplinen, „daß eine organische Darlegung der gesamten katholischen Lehre geboten wird“. Die Summe der theologischen Disziplinen eines Fachbereichs formt ein Gesamtbild desselben, zu dem jede einzelne Disziplin ihren Beitrag leistet. Veränderungen in der Zahl und Art der Disziplinen haben unweigerlich auch einen Wandel des Erscheinungsbildes des Fachbereichs zur Folge. Die maßgebliche Entscheidung darüber, ob ein be-

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stimmter katholischer Fachbereich so aussehen darf, ist dem Träger der kirchlichen Autorität vorbehalten. Die gesamte Theologie bildet eine Einheit, und die einzelnen theologischen Disziplinen stehen in einem inneren Zusammenhang. Sie üben eine Wechselwirkung aufeinander aus, befruchten, ergänzen und korrigieren sich gegenseitig. Der theologische Fachbereich bedarf des gegenseitigen Austauschs und der wechselseitigen Überprüfung der darin vertretenen Disziplinen. Nach Art. 41 § 2 der Konstitution „Sapientia Christiana“ sollen die Disziplinen so geordnet sein, daß sie eine organische Einheit bilden, zur gründlichen und harmonischen Ausbildung der Studenten dienen und die Zusammenarbeit unter den Dozenten erleichtern. Die innere Verwiesenheit der theologischen Disziplinen wird auch in Art. 67 § 2 der Konstitution „Sapientia Christiana“ und Art. 50 der zugehörigen Ordinationes angesprochen. Einheit und Zusammenhang der theologischen Disziplinen ergeben sich aus Offenbarung und Glauben der Kirche, sind also eine Frage des Bekenntnisses. Dafür ist die kirchliche Autorität maßgeblich zuständig. Allein der Bischof kann autoritativ erklären, ob eine bestimmte Forschungsrichtung und Lehreinrichtung, die zu den überkommenen Fächern als neue Disziplin hinzutreten soll, in das Gefüge der Theologie überhaupt oder auch der theologischen Einrichtung, die in seinem Gebiet besteht, paßt oder nicht. Die theologischen Fächer, ihre Zahl und ihre Gewichtung hängen vom Verständnis ab, das die Kirche von Offenbarung, Theologie und kirchlichem Dienst in Seelsorge und Unterricht besitzt, und gehören somit in den Bereich des kirchlichen Selbstbestimmungsrechtes. Jede Errichtung, aber auch jede Aufhebung eines theologischen Lehrstuhls verändert die Gewichtung aller in dem Fachbereich vertretenen Disziplinen und hat Auswirkungen auf das empfindliche Gleichgewicht eines theologischen Fachbereichs. Dies gilt sowohl in sachlicher als auch in personeller Hinsicht. Es kann beispielsweise geschehen, daß dadurch die praktischen Fächer verstärkt und gleichzeitig die historischen und systematischen Disziplinen geschwächt werden. Dementsprechend wird die Bedeutung der einzelnen Stimme bei Abstimmungen im Fachbereichsrat verändert. Eine solche Veränderung muß sich vor Offenbarung und Glaube der Kirche verantworten lassen. Allein der zuständige kirchliche Hoheitsträger vermag zu entscheiden, ob die Neuverteilung der Gewichte tragbar ist oder nicht. Die Theologie ist ein Komplex zusammengehöriger und korrespondierender Disziplinen, die in einem Verhältnis der Ausgewogenheit zueinander stehen müssen. Es gibt in der Theologie Kernfächer und Randfächer, zwischen denen die rechte Proportion herrschen muß. Das betrifft sowohl die Zahl als auch die Ranghöhe der einzelnen Disziplinen. Ein Wuchern der Randfächer kann beispielsweise zur Verkümmerung der Kernfächer führen. Die Begründung zum Badischen Konkordat unterschied bei den Lehrgegenständen grundlegende Fächer, die wesentlich zur Erreichung des Zwecks der Fakultät erforderlich sind, Hilfsfächer, die zur richtigen Behandlung der grundlegenden Fächer notwendig sind, und Spezialfä-

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cher, welche die grundlegenden oder Hilfsfächer gewissermaßen ergänzen und vervollständigen28, wobei hier mit „Fach“ nicht die Disziplin, sondern die Materie gemeint war. In Art. 51 der Ordinationes zu der Konstitution „Sapientia Christiana“ werden die Pflichtfächer der theologischen Fakultät angegeben, wobei zwischen philosophischen, theologischen und Nebenfächern unterschieden wird. Die Abwägung der theologischen Fächer ist wiederum eine Funktion von Offenbarung und Glaube. Deren maßgebliche Bestimmung ist Sache der kirchlichen Autorität. Bei der Errichtung eines neuen Lehrstuhles ist auch das Ziel der Ausbildung der Theologiestudierenden zu bedenken. Das Lehrangebot an einem katholisch-theologischen Fachbereich muß den kirchlichen Vorschriften und Bedürfnissen entsprechen. Zu diesem Zweck werden Studien- und Prüfungsordnungen erlassen, die inhaltlich maßgebend von der kirchlichen Autorität bestimmt und auch für die theologischen Fachbereiche an staatlichen Universitäten verbindlich sind. Denn die Konkordate, die darauf verweisen, sind durch die Transformation innerstaatliches Recht geworden. Bei der Erstellung der Studien- und Prüfungsordnungen sind die Anzahl und die Gewichtung der Fächer, die Anordnung der Aufeinanderfolge und der Umfang des Stoffes zu bedenken. Ihre Berücksichtigung unterliegt nicht dem Belieben, sondern ergibt sich aus dem Wesen der katholischen Theologie, die hierin wiederum an den Aufbau des Heilsgeheimnisses nach katholischem Verständnis gebunden ist. Die Studien- und Prüfungsordnungen sind insofern bekenntnisrelevant. Ihr feingegliedertes Gefüge kann durch die Errichtung einer weiteren Professur gestört werden. Wie die Erfahrung beweist, sind die Inhaber neuer Lehrstühle bestrebt, sich in jedem Falle Hörer zu sichern, sei es, daß sie ohne sachliche Notwendigkeit im Augenblick populäre Gegenstände ihren Lehrveranstaltungen zugrunde legen, sei es, daß sie nach Pflichtstunden streben, die sie, wie die Verhältnisse liegen, nur dadurch gewinnen können, daß die Stundendeputate anderer Fächer gekürzt werden. Zu einem ähnlichen Ergebnis führt die Überlegung, wie die Studenten zu dem (Über-)Angebot von Lehrveranstaltungen durch zu viele Lehrende reagieren werden. Es besteht die Gefahr, daß sie vom Notwendigen zum bloß Interessanten, vom Bleibenden zum nur Aktuellen abwandern und daß so ihre Ausbildung Schaden leidet. Der höchsten kirchlichen Autorität sind derartige Befürchtungen nicht fremd. Die Instruktion der Kongregation für das katholische Bildungswesen vom 22. Februar 1976 will das Prinzip der freien Wahl der zu studierenden Fächer auf einige sorgfältig festzulegende Hilfsdisziplinen und Spezialkurse beschränkt wissen (Nr. 71)29. Die Entscheidung darüber, ob eine derartige Konstellation vorliegt, wie sie soeben beschrieben wurde, fällt weder die theologische Fakultät noch der Staat allein. Über Nutzen oder Notwendigkeit bestimmter Gegenstände für die Ausbildung von Geistlichen und Religionslehrern urteilen kann maßgebend allein der zuständige Diözesanbischof bzw. der Apostolische 28

Die deutschen Konkordate und Kirchenverträge der Gegenwart I, hrsg. von Werner Weber, Göttingen 1962, 126. 29 Leges Ecclesiae post Codicem iuris canonici editae V, hrsg. von Xaverius Ochoa, Rom 1980, Nr. 4434, Sp. 7155 – 7175, hier 7166.

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Stuhl. Denn hier ist der von der Religionsfreiheit umgriffene Innenbereich der Kirche tangiert, und in diesem Bereich setzt sich das hierarchische Prinzip der Kirche durch. Der Staat vermag nicht kraft seiner Organisationshoheit der Kirche eine Form der Theologenausbildung aufzudrängen, die ihrer Vorstellung von Offenbarung, Theologie und kirchlichem Dienst nicht entspricht; damit tritt er dem Selbstbestimmungsrecht der Kirche zu nahe. Die Betrachtung der Prüfungen führt zu demselben Ergebnis. Prüfungen dienen zur Feststellung von Leistungen und Fähigkeiten nach Abschnitten oder nach Beendigung der Ausbildung. Sie gelten als Befähigungsnachweis und verleihen häufig Berechtigungen. Das Prüfungsverfahren bei kirchlichen, universitären und staatlichen Prüfungen setzt das ausgewogene Zueinander der Fächer voraus. Die Bemessung ihrer Anteile, der Zeitpunkt ihrer Beteiligung und die Gewichtung ihrer Ergebnisse ergeben sich aus dem Wesen und Aufbau katholischer Theologie und stehen insofern in innerem Bezug zu Offenbarung und Glaubensbekenntnis. Der Inhaber eines neuen Faches strebt nun in der Regel nach Beteiligung am Prüfungsvorgang und möchte deswegen sein Fach in den Kanon der zu prüfenden Fächer aufgenommen sehen. Dadurch wird nicht nur die Prüfungssituation verändert, sondern auch die Gewichtung der Prüfungsfächer neu verteilt, in der Regel durch Minderung der Anforderungen in den bisher zu prüfenden Fächern. Ob diese Veränderung theologisch und von dem Ausbildungsziel her vertretbar ist, entscheidet die zuständige kirchliche Autorität. Der Fachbereich ist die unterste Selbstverwaltungseinheit der Universität30. In Angelegenheiten von grundsätzlicher Bedeutung berät und entscheidet der Fachbereichsrat31. In diesem Gremium fallen Entscheidungen, die das Profil des Fachbereichs prägen und die auf die wissenschaftliche Arbeit jedes Professors beträchtliche Auswirkungen haben. Die Gewichtung der Stimmen im Fachbereichsrat und ebenso die Verteilung der Stimmen innerhalb der Gruppe der Professoren ist für die Realisierung des Grundrechts der Wissenschaftsfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 GG des einzelnen Professors bedeutsam. Die Errichtung eines neuen Lehrstuhls in einem theologischen Fachbereich eröffnet dessen Inhaber den gleich unmittelbaren Zugang zum Fachbereichsrat wie den bisherigen Professoren. Dadurch wird die Chance des einzelnen Professors schon rein zahlenmäßig gemindert, in den Fachbereichsrat gewählt zu werden, gleichzeitig aber auch werden die Gewichte der Fächer verschoben. Die Beschlüsse des Fachbereichsrates fallen dadurch möglicherweise einseitig aus. Da Professoren mit Rand-, Neben- und Spezialfächern dieselbe Entscheidungskompetenz besitzen wie die Professoren der Haupt- und Kernfächer, besteht die Gefahr, daß letztere überstimmt werden. Dadurch wird der Grundsatz verletzt, daß die Träger der wesentlichen und unentbehrlichen Lehrinhalte auch in der Selbstverwaltung ein entsprechendes Gewicht haben müssen. 30 Vgl. § 80 Abs. 1 des rheinland-pfälzischen Hochschulgesetzes vom 27. März 1987 i. d. F. vom 9. September 1987 (GVB1. S. 249). 31 § 81 Abs. 1 rhpf HSchG.

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Auch hier sind Offenbarung und Glaube, deren wissenschaftliche Durchdringung der Theologie aufgegeben ist, berührt, und darum ist in dieser Angelegenheit die Stimme der kirchlichen Autorität beachtlich. Um effektiv wissenschaftlich arbeiten zu können, sind die akademischen Lehrer in mehr oder minder großem Umfang auf personelle und materielle Hilfe angewiesen. Der einzelne Professor besitzt Teilhaberechte, vor allem in bezug auf die Ausstattung mit Personal und mit Sachmitteln. Die Errichtung einer neuen Professur kann Auswirkungen auf die Bemessung und die Aufschlüsselung derselben haben. Es können sich dadurch so wichtige Faktoren wie die Zuweisung von Personalstellen, die Verteilung von Geldern, die Benutzung von Geräten und die Anschaffung von Literatur ändern. Der dadurch bedingte Wandel muß vor dem Forum von Offenbarung und Glaube bestehen können. Es ist Sache des Bischofs, zu entscheiden, ob die Verschiebung der Hilfsmittel vom Wesen katholischer Theologie her tragbar ist.

4. Die erforderliche Zustimmung des Diözesanbischofs Durch die Errichtung einer neuen Professur nimmt der Staat in Anspruch, über die Lehre der Theologie und die (inhaltliche) Ausbildung der Theologiestudierenden ein verbindliches Urteil zu fällen. Damit sind das Grundrecht der Glaubensfreiheit, das kirchliche Selbstbestimmungsrecht, das Trennungsprinzip und das Neutralitätsgebot tangiert. Die Glaubens- und Bekenntnisfreiheit legt es entscheidend in die Hand der Kirche, wann, wo und wie sie Tätigkeiten entfaltet, die unter den Schutz dieses Grundrechtes fallen. Dazu gehört unzweifelhaft das Betreiben der wissenschaftlichen Theologie. Sobald durch die Organisation und die Ordnung theologischer Wissenschaft der Glaube berührt wird, tritt automatisch die verfassungsrechtliche Gewährleistung der Bekenntnisfreiheit in Funktion. Die Erweiterung des Lehrangebots verändert nun den Inhalt und den Umfang der in dem Fachbereich betriebenen Theologie. Daher ist die kirchliche Autorität allein zuständig, zu entscheiden, ob diese Veränderung erwünscht, tragbar oder unerträglich ist. Die Ausgestaltung einer katholisch-theologischen Fakultät bedarf daher der Zustimmung der zuständigen kirchlichen Autorität. Auch das kirchliche Selbstbestimmungsrecht fordert die Einwilligung der Kirche, wenn die an einer staatlichen Hochschule bestehende theologische Studieneinrichtung ausgebaut werden soll. Die Theologie hört nicht auf, eine eigene Angelegenheit der Kirche zu sein, wenn sie der Errichtung einer theologischen Studieneinrichtung an einer staatlichen Hochschule zugestimmt hat. Ebensowenig wie der Staat der Kirche eine theologische Fakultät aufdrängen kann, vermag er ihr einen (weiteren) Lehrstuhl aufzunötigen. Die Kirche befindet in ihren eigenen Angelegenheiten (also hier: theologische Forschung und Ausbildung ihrer Diener) darüber, wessen sie bedarf und wessen sie nicht bedarf, was ihr frommt und was ihr

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nicht frommt. Der Staat kann nicht besser wissen als die Kirche, was sie benötigt und was nicht. Die Zustimmung des Diözesanbischofs zu der Errichtung einer neuen Stelle in einem theologischen Fachbereich ist ein Fall des Ordnens und Verwaltens der eigenen Angelegenheiten gemäß Art. 140 GG/Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV. Ohne kirchliche Einwilligung ist die Erweiterung des Fachbereichs nicht zu machen. Das Trennungsprinzip verbietet eine Verstärkung oder Vermehrung der Stellen, an denen sich Staat und Kirche verbinden, ohne die beiderseitige Zustimmung. Es ist anerkannt, daß der Staat der Kirche keine theologische Hochschuleinrichtung aufdrängen darf. Was für das Ganze gilt, muß auch für den Teil gelten. Denn das Prinzip der notwendigen Einwilligung ist nicht durch den Umfang beschränkt, sondern durch das Wesen der Einrichtung bedingt. Der Fachbereich als ganzer und jeder seiner wesentlichen Teile – wie es die Lehrstühle sind – steht unter dem Gebot, daß institutionelle Verbindungen zwischen Kirche und Staat nur in beiderseitigem Einverständnis begründet werden dürfen. Wie die kirchliche Autorität bei der vom Staat beabsichtigten Errichtung eines katholisch-theologischen Fachbereichs „hinsichtlich des Stellenplans“ eingeschaltet werden muß32, so auch bei deren vorgesehener Erweiterung. Der Bischof hat nicht nur zu entscheiden, ob er seine Zustimmung zu dem neuen Lehrstuhl gibt oder nicht, sondern auch, ob er seine Umschreibung billigt oder nicht. Denn der Name muß sachgemäß den Bezug zur katholischen Theologie ausdrücken. Schließlich gebietet auch das Neutralitätsgebot, daß sich Staat und Kirche über die Errichtung eines neuen theologischen Lehrstuhls verständigen. Die Verpflichtung zur Neutralität verbietet dem Staat, in einem theologischen Fachbereich ohne kirchliche Mitwirkung Veränderungen vorzunehmen, die Auswirkungen auf die theologische Lehre und somit Bezug auf das Bekenntnis haben. Dem Staat fehlen die Maßstäbe, um zu beurteilen, welche zusätzlichen Stellen für eine theologische Fakultät notwendig oder erwünscht sind. Die einseitige Errichtung einer neuen Professur in einem katholisch-theologischen Fachbereich wird dem Verfassungsgrundsatz der staatlichen Neutralität in religiösen Angelegenheiten nicht gerecht. Ob für ein neues Fach ein theologisches bzw. kirchliches Bedürfnis vorhanden ist, darüber entscheidet letztverantwortlich und -verbindlich die zuständige kirchliche Autorität. Sollte der Staat ohne oder gegen den Willen der Kirche in einem theologischen Fachbereich eine neue Professur errichten, kann der Bischof ebenso verfahren wie bei der Errichtung eines theologischen Fachbereichs, der er nicht zugestimmt hat. Das heißt, er kann sich weigern, sich zu der beabsichtigten Ernennung eines Lehrstuhlinhabers zu äußern. Wenn man dagegen einwendet, das Selbstbestimmungsrecht der Kirche sei insofern gewahrt, als ihr die Entscheidung über die Authenti32 Werner Thieme, Deutsches Hochschulrecht. Das Recht der wissenschaftlichen, künstlerischen, Gesamt- und Fachhochschulen in der Bundesrepublik Deutschland, Köln-BerlinBonn-München 21986, 171.

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zität der Lehre überlassen bleibe, verkennt man, daß damit das kirchliche Selbstbestimmungsrecht ungebührlich eingeschränkt wird. Es ist mit diesem Grundrecht unvereinbar, daß die kirchliche Autorität gezwungen wird, ein Urteil über die Bekenntnistreue eines akademischen Lehrers zu fällen, den sie gar nicht haben wollte. Das weitere Schicksal eines auf solchem Wege zu einem Staatsamt gelangten Professors fällt der staatlichen Behörde zur Last. Wenn der zuständige Bischof sich weigert, überhaupt zu der Eignung eines aufgezwungenen Professors Stellung zu nehmen, kann er sein Amt nicht ausüben; es fehlt ihm die Befähigung, im Namen der Kirche zu lehren. Es ist aber undenkbar, daß in ein und derselben theologischen Studieneinrichtung akademische Lehrer wirken, die das Nihil obstat (und die Missio canonica) des zuständigen Ortsoberhirten erlangt haben, und andere, bei denen das nicht der Fall ist. Eine derartige Divergenz trüge einen Zwiespalt in den Fachbereich hinein, der geeignet wäre, seine Existenz in Frage zu stellen. Das heißt: Ein aufgezwungener Professor kann von Rechts wegen nicht Mitglied des katholischtheologischen Fachbereichs sein.

Schluß 1. Die Sache katholische Theologie und ihr Betreiben von Amtes wegen sind eine wesentliche Lebensfunktion der katholischen Kirche. Katholische Theologie steht und fällt mit ihrer Verbindung zur Kirche, namentlich zum Lehramt der Kirche. Die Teilnahme an der Lehraufgabe der Kirche im Betreiben der Theologie kommt nur zustande durch kirchliche Sendung. Staatsrechtlich gesehen, ist das theologische Forschen und Lehren in diesem Sinne eine genuin kirchliche, sich aus dem Wesen der Kirche herleitende und damit untrennbar verbundene Tätigkeit; sie gehört zu dem notwendigen und unaufgebbaren Kernbereich kirchlichen Wirkens. 2. Das kirchliche Selbstbestimmungsrecht und die Religionsfreiheit, wie sie vom Art. 137 Abs. 3 WRV i. V. m. Art. 140 GG und Art. 4 GG gewährleistet werden, gelten auch für die Theologie und die theologischen Studieneinrichtungen. Überall, wo religiöse, konfessionelle und theologische Sachverhalte ins Spiel kommen, muß der Staat auf ein Urteil verzichten, wenn er nicht gegen das Grundrecht der Religionsfreiheit und die Prinzipien der Trennung und der religiösen Neutralität verstoßen will. Staatliche Setzungen im Bereich der Theologie, die von der Kirche nicht mitgetragen werden, sind in sich widersprüchlich. Der Staat ist verhindert, aus eigenem Recht in die ureigene Angelegenheit der Kirche, welche die Theologie darstellt, einzugreifen. Er kommt immer nur durch kirchliche Konzession zur Theologie. 3. In den katholisch-theologischen Studieneinrichtungen an staatlichen Hochschulen schafft der Staat den Organisationsrahmen für das Betreiben der Theologie. Der Inhalt, mit dem dieser Rahmen gefüllt wird, obliegt zur Gänze der Kirche. Das gilt in erster Linie für die Frage, ob sie sich diesen Rahmen gefallen

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läßt. Sie kann niemals gezwungen werden, ihre Lebensbetätigung in einen solchen Rahmen einzubringen, außer sie ist dazu von sich aus bereit. Ohne Mitwirkung der Kirche entsteht immer nur eine konfessionslose „Theologie“, niemals katholische Theologie. Ohne das Einverständnis beider Seiten kommt auch eine konkrete gemeinsame Angelegenheit nicht zustande. Eine „theologische“ Fakultät, die der Staat ohne Einwilligung der Kirche errichtet, ist keine res mixta, sondern eine res mere saecularis. 4. Wenn der Staat das Recht hätte, theologische Studieneinrichtungen ohne Einwilligung der Kirche zu errichten, dann hätte er auch die Befugnis, die Kirche zu zwingen, an der jeweiligen Stelle ihre Lebensfunktion Theologie zu betreiben, ein Ergebnis, das offensichtlich mit der Religions- und Bekenntnisfreiheit unvereinbar ist. Kein staatlicher Organisationsakt kann die Kirche nötigen, dem Betreiben von (amtlich anerkannter) Theologie an einem bestimmten Ort in einem bestimmten Umfang zuzustimmen. Die Organisationshoheit des Staates hat auch in einem mit kirchlicher Einwilligung errichteten theologischen Fachbereich Grenzen, die vom Glauben der Kirche gezogen werden. Denn die erforderliche Übereinstimmung zwischen Staat und Kirche bezog sich auf die Gestalt, welche der Fachbereich bei seiner Errichtung hatte. Wenn sich die Gestalt ändert, bedarf es erneuter Herstellung des Einvernehmens. Das einseitige Vorgehen beim Ausbau eines theologischen Fachbereichs verletzt das Prinzip der Partnerschaft, das für die gemeinsamen Angelegenheiten von Staat und Kirche konstitutiv ist. Die Errichtung auch nur eines neuen Lehrstuhls hat Auswirkungen auf die Funktionen des Fachbereichs in Forschung und Lehre, Prüfungen und Selbstverwaltung, Graduierung und Berufung. Ob diese Veränderungen tragbar sind, ist bekenntnisrelevant und kann daher nur von der kirchlichen Autorität verbindlich beurteilt werden.

Die Hochschulen Die Kirche hat das Betreiben und die Förderung der Wissenschaften stets als ihre Aufgabe angesehen und das Recht beansprucht, die entsprechenden Einrichtungen zu unterhalten. Der Codex Iuris Canonici unterscheidet in den Kapiteln II und III des Titels III des dritten Buches zwischen katholischen Universitäten und Hochschulen einerseits, kirchlichen Universitäten und Fakultäten anderseits. Beide Gruppen können in freier oder staatlicher Trägerschaft stehen1.

I. Die katholischen Universitäten und Fakultäten 1. Begriff und Rechtsquellen Katholische Universitäten sind Hochschulen, die prinzipiell allen wissenschaftlichen Disziplinen offenstehen und in denen Forschung und Lehre in Harmonie mit dem katholischen Glauben betrieben werden2. Die Grundnormen für die katholischen Universitäten und Hochschulen finden sich in den cc. 807 – 814 und in der Apostolischen Konstitution „Ex corde Ecclesiae“ vom 15. August 19903. Für die katholischen Ostkirchen ist auf die cc. 640 – 645 CCEO zu verweisen.

1 Heribert Schmitz, Studien zum kirchlichen Hochschulrecht (= FzK, Bd. 8), Würzburg 990; ders., Katholische Theologie und Kirchliches Hochschulrecht (= Arbeitshilfen, H.100), Bonn 1992. 2 Ulrich Karpen, Rechtliche Stellung und Chancen einer Privatuniversität unter besonderer Berücksichtigung der Katholischen Universität Eichstätt, in: WissR 23 (1990), S. 123 – 140; Manfred Baldus, Kirche und Universität im kanonischen Recht, in: WissR 24 [1991], S. 193 – 220; James Jerome Conn, Catholic Universities in the United States and Ecclesiastical Authority (= AnGr, Vol. 259), Rom 1991; Peter Krämer, Die katholischen Universitäten, in: AfkKR 160 (1991), S. 25 – 47; Patrick de Pooter, L’université catholique au service de l’Église et de la société, in: Ius Ecclesiae 4 (1992), S. 45 – 78; Ignatius Gramunt, Autonomy and identity of Catholic universities in the United States, ebd., S. 463 – 493; Katholische Universität. Wesen und Aufgabe. Hrsg. von Michael Seybold (= Extemporalia. Fragen der Theologie und der Seelsorge, Bd. 11), Eichstätt 1993; Josef Ammer, Zum Recht der Katholischen Universität. Genese und Exegese der Apostolischen Konstitution „Ex corde Ecclesiae“ vom 15. 8. 1990 (= FzK, Bd. 17), Würzburg 1994; Paul Löwenthal (Hrsg.), L’Université catholique aujourd’hui. Liberté et engagements. Actes du Colloque „Université, Église et société“ organise par le Groupe Martin V et la Chaire Hoover d’éthique économique et sociale de l’Université catholique de Louvain, le 10 décembre 1993, Louvain-La-Neuve 1994. 3 AAS 82 (1990), S. 1475 – 1509. Dazu Nr. 89 DirOec/1993.

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2. Errichtung und Struktur Die Kirche nimmt das Recht in Anspruch, Universitäten und Fakultäten zu errichten und zu leiten (c. 807). Der Name einer „katholischen Universität“ bedarf der Verleihung durch die zuständige kirchliche Autorität (c. 808). Eine katholische Universität kann errichtet oder anerkannt werden vom Heiligen Stuhl, von einer Bischofskonferenz, einem anderen Zusammenschluß der katholischen Hierarchie oder einem Diözesanbischof, mit Zustimmung des letzteren auch von einem klösterlichen Verband oder einer anderen öffentlichen kirchlichen juristischen Person, mit Billigung der zuständigen kirchlichen Autorität auch von anderen kirchlichen Personen oder Laien (c. 809, Art. 3 Ex corde Ecclesiae). Die katholischen Universitäten sind juristische Personen, die in gewisser Hinsicht von dem Ortsoberhirten exemt sind. Sie müssen außer im kirchlichen auch im staatlichen Recht verankert sein, um in ihrer Existenz und in ihrer Tätigkeit gesichert zu sein. Die an ihnen betriebenen Studien, abgelegten Prüfungen und erworbenen Grade müssen als gleichwertig und gleichberechtigend anerkannt sein, wenn diese Hochschulen ihre Aufgaben erfüllen sollen. In der Bundesrepublik Deutschland besteht, verfassungsrechtlich gesehen, die Freiheit, Universitäten in nichtstaatlicher Trägerschaft zu gründen4. Das Zweite Vatikanische Konzil forderte zu intensiver Förderung der katholischen Universitäten und Fakultäten auf5. Paul VI.6 und Johannes Paul II.7 bekräftigten den besonderen Auftrag der katholischen Universitäten. 3. Entwicklung und Bestand Die katholischen Universitäten neuen Stils sind eine Folge der Aufklärung, der Säkularisation und der Trennung von Staat und Kirche8. Die akatholische oder antikatholische Einstellung zahlreicher Professoren, die dieser Gesinnung entsprechende Tätigkeit und die Benachteiligung katholischer Gelehrter veranlaßten katholische Kreise, an die Errichtung eigener Hochschulen zu gehen. Sie bestehen außerhalb Deutschlands in relativ großer Zahl9. Die vor allem im 19. Jahrhundert

4 Christian Flämig, Alternative Stiftungsuniversität?, in: WissR 8 (1975), S. 1 – 29; Werner Thieme, Deutsches Hochschulrecht. 2. Aufl., Köln, Berlin, Bonn, München 1986, S. 101 – 105. 5 Art. 10 VatII GE. 6 Z. B.: AAS 67 (1975), S. 531 – 536. 7 Z. B.: AAS 71 (1979), S. 428 – 431, 1260 – 1264; 80 (1988), S. 764; OssRom v. 26. 4. 1989. 8 Richard Mathes, Löwen und Rom. Zur Gründung der katholischen Universität Löwen unter besonderer Berücksichtigung der Kirchen- und Bildungspolitik Papst Gregors XVI. (= Beiträge zur neueren Geschichte der katholischen Theologie 18), Essen 1975. 9 Ein Verzeichnis der katholischen Universitäten findet sich in AnPont 1998, S. 1744 – 1755. Pius XII. gründete am 27. 7. 1949 die Vereinigung katholischer Universitäten (AAS 42 [1950], S. 387). Vgl. L’université catholique dans le monde moderne. 8e Assemblée générale

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intensiven Bemühungen um Gründung einer katholischen Universität in Deutschland10 waren in jüngster Zeit von Erfolg gekrönt. In Eichstätt wurde die dort bestehende (kirchliche) Philosophisch-Theologische Hochschule im Jahre 1970 von der Bayerischen Bischofskonferenz zur „Kirchlichen Theologischen Hochschule in Bayern“ erklärt und am 8. September 1972 mit der (kirchlichen) Pädagogischen Hochschule Eichstätt und mit Fachhochschulstudiengängen (in „Religionspädagogik und kirchlicher Bildungsarbeit“ sowie in „Sozialwesen“) zur (ersten kirchlichen) Gesamthochschule11 zusammengefaßt. Am 1. April 198012 erhob sie die Kongregation für das katholische Bildungswesen zur katholischen Universität und bestellte den jeweiligen Bischof von Eichstätt zum Großkanzler. Damit ist zum ersten Mal seit der Säkularisation ein derartiges Projekt in Deutschland verwirklicht worden. Allerdings fehlen der Universität noch zahlreiche Fakultäten bzw. Fächer. 4. Aufgaben Die katholischen Universitäten und Fakultäten dienen der Erkenntnis der Wahrheit durch methodisch betriebene Forschung und Lehre im Lichte des Evangeliums und somit der öffentlichen, ständigen und allgemeinen Präsenz des christlichen Geistes in der Welt der Wissenschaft13. Sie bezeugen die Vereinbarkeit, ja die fruchtbare Verbindung von Glauben und Denken (Art. 17 Ex corde Ecclesiae). Sie sollen Menschen hervorbringen, die wissenschaftlich gut gebildet, für die Übernahme wichtiger Ämter in der Gesellschaft und für das Glaubenszeugnis in der Welt geeignet sind (Art. 31 Ex corde Ecclesiae). Die katholische Lehre und die katholische Disziplin müssen alle Tätigkeiten der katholischen Universität – bei Anerkennung von Autonomie, Lehrfreiheit und Gewissensfreiheit – prägen (c. 809, Art. 2 §§ 4 und 5 Ex corde Ecclesiae). Sie muß ihren Beitrag zu dem der Kirche übertragenen Werk der Evangelisierung leisten (Art. 5 § 1 Ex corde Ecclesiae). Die Bischofskonferenzen und die zuständigen Diözesanbischöfe haben das Recht und die Pflicht, darüber zu wachen, daß in den katholischen Universitäten die Grundsätze der katholischen Lehre getreulich beachtet werden (c. 810 § 2).

de la „Catholicarum universitatum internationalis Foederatio“, Université Lovanium, Kinshasa, Congo, 9 – 17 Septembre 1968, Paris 1969. 10 Hans-Jürgen Brandt, Eine katholische Universität für Deutschland? Das Ringen der Katholiken in Deutschland um eine Universitätsbildung im 19. Jahrhundert (= Bonner Beiträge zur Kirchengeschichte, Bd. 12), Köln, Wien 1981. 11 Zu dieser Einrichtung Karl-Heinz Flechsig/Ludwig Huber/Harro Pander, Gesamthochschule – Mittel oder Ersatz für Hochschulreformen?, Stuttgart 1975; Christoph Lüth, Gesamthochschulpolitik in der Bundesrepublik Deutschland. Zur Gesamthochschuldiskussion und Hochschulrahmengesetzgebung (1967 – 1976) (= Hochschulrecht des Bundes, Bd. 5), Bad Honnef 1983; Thieme, Deutsches Hochschulrecht (Anm. 4), S. 312 – 317. 12 PfBl. 53 (1980), S. 126 f.; AfkKR 149 (1980), S. 157 f. Für die staats- und vertragsrechtliche Seite des Vorgangs vgl. AfkKR 149 (1980), S. 296 f. 13 Art. 10 VatII GE, Nr. 4 – 6 und 13 sowie Art. 2 Ex corde Ecclesiae.

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5. Die akademischen Lehrer Die Dozenten an einer katholischen Universität müssen fachwissenschaftlich und didaktisch qualifiziert sein, einwandfrei lehren und einen untadeligen Lebenswandel führen (c. 810 § 1). Die katholische Lehre und die katholische Sittenordnung sind von den katholischen Dozenten getreu anzunehmen und von den übrigen zu beachten (Art. 4 § 3 Ex corde Ecclesiae). Alle Mitglieder der Universität haben deren katholischen Charakter anzuerkennen und zu beobachten (Art. 4 § 4 Ex corde Ecclesiae). Anders kann der besondere Auftrag dieser Hochschule nicht erfüllt werden. Wenn es die Dozenten an einer der für ihre Ernennung maßgebenden Eigenschaften späterhin fehlen lassen, sind sie unter Beachtung des vorgesehenen Verfahrens von ihrer Stelle zu entfernen (c. 810 § 1). 6. Die Vertretung der katholischen Theologie Die katholischen Universitäten zielen nicht zuerst auf die Förderung der Theologie; diese kann sogar im Kreis der an ihr vorhandenen Fakultäten fehlen. Das Zweite Vatikanische Konzil sah für diesen Fall die Errichtung eines theologischen Instituts oder Lehrstuhls vor (Art. 10 VatII GE). Der Codex Iuris Canonici nimmt dies auf und geht darüber hinaus. Die zuständige kirchliche Autorität soll darauf Bedacht nehmen, daß den Besuchern einer katholischen Universität die kirchliche Lehre dargeboten wird. Dies kann geschehen durch die Errichtung einer Fakultät, einer Abteilung (eines Seminars) oder eines Lehrstuhls, an denen Theologie vorgetragen wird (c. 811 § 1, Art. 4 § 5 Ex corde Ecclesiae). In allen katholischen Universitäten müssen Lehrveranstaltungen über jene theologischen Fragen abgehalten werden, die mit den Disziplinen der nichttheologischen Fakultäten im Zusammenhang stehen (c. 811 § 2). Wer immer an einer Hochschule Theologie lehrt, muß einen kanonischen Auftrag (mandatum) der zuständigen kirchlichen Autorität besitzen (c. 812)14. 7. Universitätsseelsorge Der Diözesanbischof muß sich um die Seelsorge aller Mitglieder der Universität kümmern15. Dies kann durch die Errichtung einer Pfarrei oder durch die auf Dauer 14

Heribert Schmitz, Mandat und Nihil obstat des Theologieprofessors, in: ThPQ 139 (1991), S. 265 – 283; Ladislas Orsy, The Mandate to Teach Theological Disciplines: Glosses an Canon 812 of the New Code, in: Theological Studies 44 (1983), S. 476 – 488; John J. Strynkowski, Theological Pluralism and Canonical Mandate, in: Jurist 43 (1983), S. 524 – 533; Rober P. Deely, The Mandate for Those Who Teach Theology in Institutes of High Studies. An Interpretation of the Meaning of Canon 812 of the Code of Canon Law, Rom 1986; Conn, Catholic Universities in the United States (Anm. 2). 15 Vgl. hierzu in diesem Band, oben, Alfred E. Hierold, § 52 Schul- und Hochschulseelsorge, II.

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erfolgende Bestellung von Priestern, Ordensleuten und Laien geschehen. Bei allen, auch den nichtkatholischen Universitäten sollen katholische Zentren geschaffen werden, die der Jugend Hilfe leisten, vor allem in geistlicher Hinsicht (c. 813, Art. 6 Ex corde Ecclesiae).

II. Die kirchlichen Universitäten und Fakultäten 1. Rechtsquellen Das Recht der kirchlichen Hochschulen ist hauptsächlich niedergelegt in den cc. 815 – 82116, der Apostolischen Konstitution „Sapientia Christiana“ vom 15. April 197917 und den zugehörigen „Ordinationes“ der Kongregation für das katholische Bildungswesen vom 29. April 197918. Dazu kommen für die theologischen Fakultäten und Institute bzw. Lehrstühle an den staatlichen Universitäten der Bundesrepublik Deutschland die Dekrete der Kongregation für das katholische Bildungswesen vom 1. Januar 198319, für Österreich das entsprechende Dekret vom 1. November 198320. Für die orientalischen katholischen Kirchen sind die cc. 646 – 650 CCEO einschlägig.

2. Begriff und Aufgaben Nach dem Sprachgebrauch der Apostolischen Konstitution „Sapientia Christiana“ heißen jene Universitäten und Fakultäten „kirchlich“, die vom Apostolischen Stuhl errichtet oder anerkannt sind, die Theologie und die mit ihr verbundenen Wissenschaften pflegen und lehren sowie das Recht besitzen, kraft der Ermächtigung des Heiligen Stuhles akademische Grade zu verleihen (Art. 2). Unter die kirchlichen Universitäten und Fakultäten begreift die Konstitution „Sapientia Christiana“ auch die wissenschaftlichen Hochschulen, Institute und Zentren ein, die durch den Apostolischen Stuhl errichtet oder anerkannt sind und das Recht besitzen, 16

Nach c. 818 gelten die cc. 810, 812 und 813 auch für die kirchlichen Hochschulen. AAS 71 (1979), S. 469 – 499. Vgl. die Beiträge in der Zeitschrift „Seminarium“ 32 (1980), S. 245 – 612. 18 AAS 71 (1979), S. 500 – 521. Vgl. auch Nr. 88 DirOec/1983. 19 AAS 75 (1983), S. 336 – 342. Vgl. Schmitz, Katholische Theologie (Anm. 1), passim; ders., Kath.-Theol. Fakultäten im Spannungsfeld kirchlichen und staatlichen Hochschulrechts, in: AfkKR 154 (1985), S. 433 – 451; ders., Kirchliches Recht für staatliche Kath.-Theol. Fakultäten, in: ThQ 167 (1987), S. 25 – 40; Manfred Baldus, Kirchliche Hochschulen, in: HdbStKirchR2 II, S. 601 – 637; ders., Kirchliche Hochschulen, in: Handbuch des Wissenschaftsrechts. Hrsg. von Christian Fläming u. a., Bd. 2, Berlin 1982, S. 1101 – 1130. 20 AAS 76 (1984), S. 616 – 621. Vgl. Hugo Schwendenwein, Das staatliche theologische Studienrecht in Österreich, in: Festg. Heinemann (70), S. 339 – 354; ders., Die Durchführung des neuen CIC durch die Österreichische Bischofskonferenz, in: ÖAKR 35 (1985), S. 178 – 198. 17

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im Namen desselben akademische Grade zu verleihen21. Dagegen werden Priesterseminare, Ordenslehranstalten und andere theologische Bildungseinrichtungen, die kein Recht zur Verleihung akademischer Grade besitzen, von der Konstitution nicht berührt22. Der Kreis der Disziplinen, die als kirchliche Studien gelten und somit als kirchliche Fakultät oder fakultätsähnliche Einrichtungen errichtet bzw. anerkannt werden können, ist außerordentlich weit gezogen23. Die Aufgaben der kirchlichen Fakultäten sind erstens Forschung, zweitens Lehre, Aus- und Fortbildung und drittens Teilnahme am kirchlichen Heilsdienst in Seelsorge, Verständnis, Schutz und Verbreitung des Glaubens sowie die christliche Durchdringung von Kultur und Gesellschaft24. In der Organisation, dem Niveau von Lehrern und Studenten, den akademischen Graden und der wirtschaftlichen Sicherung sollen die kirchlichen Universitäten und Fakultäten, im allgemeinen – mit der Einschränkung: wenn es möglich und tunlich ist – dem Beispiel der (nichtkirchlichen) Universitäten des in Frage kommenden Gebietes folgen25. Die Fakultäten werden zur Zusammenarbeit untereinander und mit anderen, nichtkirchlichen und sogar nichtkatholischen aufgefordert, soweit dadurch nicht der Eigencharakter beeinträchtigt wird26.

3. Errichtung und Anerkennung Die Kirche beansprucht kraft eigenen Rechtes die Errichtung kirchlicher Universitäten und Fakultäten, um die theologischen und die mit ihnen verknüpften Disziplinen in Forschung und Lehre zu pflegen (c. 815). Die Bischofskonferenzen und die Diözesanbischöfe sollen sich um die Gründung von Hochschuleinrichtungen bemühen, in denen die theologischen und andere, auf die christliche Kultur bezügliche Disziplinen gelehrt werden (c. 821). Kirchliche Universitäten und Fakultäten bedürfen der Errichtung oder wenigstens der Anerkennung des Apostolischen Stuhles (c. 816 § 1), die an bestimmte Voraussetzungen gebunden sind27. Auch Veränderungen in einer Fakultät, wie die Einfügung eines Instituts in dieselbe, bedürfen eines Verwaltungsaktes des Apostolischen Stuhles28.

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Art. 1 OrdSapChr. Die etwa seit Ende des Zweiten Weltkrieges einsetzenden Bestrebungen, die Studieneinrichtung von der geistlich-aszetischen Bildung der Seminare abzusetzen, sind jetzt in Art. 21 SapChrist sanktioniert. 23 Art. 84 – 87 SapChrist, Appendix II zu Art. 64 OrdSapChr. 24 Art. 3 SapChrist, Art. 4 OrdSapChr. 25 Art. 16, 23, 25 § 3, 32 § 1, 48, 58 SapChrist; Art. 11, 16 § 1 OrdSapChr. 26 C. 820, Art. 64 SapChrist, Art. 49 OrdSapChr. 27 Art. 61 SapChrist, Art. 45 – 46 OrdSapChr. 28 Z. B.: AAS 71 (1979), S. 627 f. 22

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4. Bestand a) Theologische Fakultäten und Hochschulen bzw. Lehranstalten Die Zahl der kirchlichen Universitäten und Fakultäten ist groß und nimmt noch zu29. In Deutschland wurden kanonisch errichtet folgende von Diözesen getragene bzw. ihnen zugeordnete kirchliche Hochschulen und Fakultäten: die PhilosophischTheologische Hochschule St. Georgen/Theologische Fakultät S.J. Frankfurt30, die Theologische Fakultät Trier31, die Theologische Fakultät Paderborn32, die Theologische Fakultät der Katholischen Universität Eichstätt33, das Philosophisch-Theologische Studium Erfurt34 und die Theologische Fakultät Fulda35. In WeilheimBierbronnen besteht die Gustav-Siewerth-Akademie als private staatlich anerkannte wissenschaftliche Hochschule mit vier Studiengängen (Philosophie, Philosophie der Naturwissenschaften, Soziologie, Journalistik). In Österreich gibt es von alters her kirchliche theologische Diözesanlehranstalten in Linz, St. Pölten und Klagenfurt. Die Philosophisch-Theologische Hochschule in Linz wurde durch Dekret der Kongregation für das katholische Bildungswesen vom 25. Dezember 1978 ad experimentum für fünf Jahre zur theologischen Fakultät befördert und ist jetzt Päpstliche Theologische Fakultät36. Die St. Pöltener Lehranstalt wurde mit Wirkung vom 10. Februar 1975 zur Philosophisch-Theologischen Hochschule erhoben37. Die Anrechnung der an kirchlichen theologischen Lehranstalten absolvierten Studien findet nach Maßgabe der §§ 13 und 14 des Bundesgesetzes vom 10. Juli 196938 29 Ein Verzeichnis der kirchlichen Universitäten und Fakultäten findet sich AnPont 1998, S. 1756 – 1767. 30 Dekret der SC Stud v. 8. 9. 1932. Vgl. die Satzung der Philosophisch-Theologischen Hochschule/Theologische Fakultät S.J. v. 1. 7. 1970 (Sankt Georgen. Personen- und Vorlesungsverzeichnis Wintersemester 1972/73, Frankfurt o. J., S. 4 – 11). Der hessische Kultusminister verlieh ihr am 31. 3. 1980 mit Wirkung v. 1. 4. 1980 die Eigenschaft einer staatlich anerkannten wissenschaftlichen Hochschule (AfkKR 149 [1980], S. 217). 31 Dekret der SC Stud v. 5. 6. 1950, in: Kirchlicher Amtsanzeiger Trier 94 (1950), S. 111, Nr. 219; Dekret der SC Stud v. 8. 9. 1955, in: AAS 48 (1956), S. 590 f. 32 Dekret der SC Stud v. 11. 6. 1966, in: AAS 58 (1966), S. 1195 f. 33 Dekret der SC InstCath vom 25. 1. 1975, in: AAS 67 (1975), S. 505 f. 34 Statut der Kath.-Theol. Akademie (Bischöfl. Priesterseminar) v. 5. 4. 1952 bzw. Statuten des Phil.-Theol. Studiums im Kath. Priesterseminar Erfurt i. d. F. von 1971. Das Studium wurde am 10. 9. 1990 staatlich anerkannt. Vgl. Konrad Hartelt, Die Anfänge des Phil. Theol. Studiums Erfurt unter rechtlichen Gesichtspunkten betrachtet, in: FS Schmitz, S. 455 – 475. 35 Dekret der SC InstCath v. 22. 12. 1978, in: Ochoa, Leges V, n. 4598 (Sp. 7493); Satzung v. 19. 6. 1984 (KABl. Fulda 1984, S. 47; 1986, S. 49). 36 ÖAKR 30 (1979), S. 389 – 392; Österreichisches Staatskirchenrecht. Gesetze, Materialien, Rechtsprechung. Zusammengestellt von Inge Gampl/Richard Potz/Brigitte Schinkele. Bd. 2, Wien 1993, S. 590 – 594; Hugo Schwendenwein, Österreichisches Staatskirchenrecht (= Münsterischer Komm. zum CIC, Beih. 6). Essen 1992, S. 546 – 574. 37 Statut v. 26. 1. 1975, in: ÖAKR 26 (1975), S. 185 – 193. 38 BGBl. 1969, S. 1526. Vgl. ÖAKR 21 (1970), S. 292 – 300; Österreichisches Staatskirchenrecht, Bd. 2 (Anm. 36), S. 481 – 485.

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statt. In der Schweiz bestehen die Theologische Hochschule in Chur39 und die Theologische Fakultät in Lugano40. Neben den von den Diözesen getragenen theologischen Lehranstalten unterhält eine Reihe von Männerorden und -kongregationen eigene Lehranstalten bzw. Hochschulen41. Unter ihnen verdienen besondere Erwähnung die Hochschule für Philosophie/Philosophische Fakultät S. J. in München42, die Theologische Fakultät Vallendar43, die Theologische Fakultät Benediktbeuern44, die Philosophisch-Theologische Hochschule der Franziskaner und Kapuziner in Münster45, die Hochschule der Gesellschaft des göttlichen Wortes in St. Augustin bei Siegburg, die der theologischen Fakultät der Päpstlichen Universität Anselmianum in Rom affiliiert und eine Sektion dieser Fakultät mit missionstheologischer Spezialisierung ist46. Sie dienten früher regelmäßig ausschließlich der Heranbildung des eigenen Nachwuchses. In den letzten Jahrzehnten lassen sie jedoch in wachsendem Maße Angehörige fremder klösterlicher Verbände oder sogar Personen, die keinem solchen Verband angehören, zu. Auch in Österreich gibt es eine Anzahl von Klosterlehranstalten47. Zur Zeit unterhalten jedoch lediglich jene des Zisterzienserstiftes Heiligkreuz und der Steyler Missionare St. Gabriel den

39 Am 22. 2. 1968 dazu erhoben. Vgl. Louis Carlen, Kirchenrecht in der Schweiz, in: ÖAKR 25 (1974), S. 366 – 375, hier S. 371 und 372; Statuten v. 29. 6. 1994. 40 Istituto Accademico di Teologia; am 20. 11. 1993 kanonisch errichtet (AnPont 1998, S. 1761). 41 Suso Mayer, Die Ordenshochschulen, in: AfkKR 132 (1963), S. 110 – 127; Audomar Scheuermann, Die kirchen- und staatsrechtliche Situation der deutschen Ordenshochschulen, in: AfkKR 136 (1967), S. 391 – 407; G. Meyer, Gründe für die Eigenständigkeit der Ordenshochschulen, in: OK 9 (1968), S. 281 – 290; Georg Muschalek, Studienreform an den Ordenshochschulen der Bundesrepublik, in: StdZ 185 (1970), S. 406 – 420; Manfred Baldus, Die nichtstaatlichen katholischen Hochschulfakultäten in der Bundesrepublik Deutschland, in: WissR 10 (1977), S. 48 – 66; ders., Die deutschen Ordenshochschulen unter besonderer Berücksichtigung eines Diplomgraduierungsrechts nach § 18 HRG, in: OK 19 (1978), S. 163 – 204; Werner Prawdzik, Die Bedeutung und der Beitrag der Ordenshochschulen und der wiss. Institute von Ordensgemeinschaften für den Bildungsauftrag der Ortskirche in Deutschland, in: OK 32 (1991), S. 175 – 190. 42 Dekret der SC Stud v. 8. 9. 1932, in: Personen- und Vorlesungsverzeichnis für das Winter-Semester 1981/82, S. 3. 43 Dekret der Congr. Stud v. 7. 10. 1993. Vgl. OK 35 (1994), S. 86 f. 44 Dekret der Congr. Stud. v. 24. 5. 1992; Satzung v. 16. 6. 1992. Am 16. 4. 1981 erhielt sie die staatliche Anerkennung für den wissenschaftlichen Studiengang Katholische Theologie und am 26. 2. 1981 für ein zweisemestriges Aufbaustudium in Pastoraltheologie. Die endgültige staatliche Anerkennung erfolgte am 1. 4. 1984. 45 Die Hochschule wird getragen von der Sächsischen Franziskanerprovinz, der RheinischWestfälischen Kapuzinerprovinz und der Schlesischen Custodie OFM. Das Studium an ihr wurde am 31. 5. 1974 vom Minister für Wissenschaften und Forschung als gleichwertig anerkannt. 46 Dekret der SC Stud v. 18. 10. 1965, vgl. AAS 58 (1966), S. 250 f., und Dekrete der SC InstCath v. 25. 3. 1972, 24. 6. 1973 und 28. 1. 1978. 47 Österreichisches Staatskirchenrecht, Bd. 2 (Anm. 36), S. 482.

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Lehrbetrieb48. In der Schweiz ist erwähnenswert das Studium der Benediktiner in Einsiedeln49. b) Pädagogische Hochschulen Die Ausbildung der Lehrer für die Volksschulen erfolgte früher gewöhnlich an (staatlichen) Pädagogischen Hochschulen, heute nur noch in Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein. 1958 wurde in Eichstätt eine kirchliche Pädagogische Hochschule errichtet. Damit trat zum erstenmal eine von der Kirche getragene Hochschule ins Leben, die nicht der Heranbildung von Geistlichen bzw. Theologen dient. Sie ist nunmehr in die Katholische Universität Eichstätt integriert. In Österreich erfolgt die Ausbildung der Religionslehrer für Pflichtschulen an Religionspädagogischen Akademien, die mit Pädagogischen Akademien vergleichbar sind und als Privatschulen mit eigenem Organisationsstatut und Öffentlichkeitsrecht geführt werden. Solche bestehen in sechs Diözesen50. c) Fachhochschulen Eine junge Erscheinung auf dem Gebiet des Hochschulwesens sind die Fachhochschulen51. Sie „vermitteln eine praxisbezogene Bildung, die zu sachgemäßer und selbständiger Anwendung wissenschaftlicher Methoden und Erkenntnisse in Beruf und Gesellschaft befähigen soll“. Die katholische Kirche in der Bundesrepublik Deutschland hat sieben Fachhochschulen errichtet52. Sie dienen nur teilweise der Heranbildung von Personen, die in der religiösen Unterweisung und in der Seelsorge tätig sind. Die kirchlichen Fachhochschulen für Sozialwesen und Religionspädagogik sowie für Sozialarbeiter greifen über den traditionellen Bereich theologischer Bildung in das säkulare Gebiet hinaus. Die kirchlichen Fachhochschulen sind in der Regel von keiner vertraglichen Bestandsgarantie umfaßt. An staatlichen Fachhochschulen bestehen keine theologischen Studiengänge. 48 Österreichisches Staatskirchenrecht, Bd. 2 (Anm. 36), S. 597 – 603 (Statut der Theol. Hochschule St. Gabriel); S. 605 (Statut der Phil.-Theol. Hochschule Heiligkreuz). 49 Die Theologische Schule wurde mit Dekret der Congr. Stud v. 24. 5. 1996 an die Theol. Fakultät Sant‘ Anselmo affiliiert mit dem Recht, unter bestimmten Bedingungen den ersten akademischen Grad (Bakkalaureat, Diplomtheologe) zu verleihen. 50 Österreichisches Staatskirchenrecht, Bd. 2 (Anm. 36), S. 274 f., 280 – 296 (Wien). 51 G. Blaß/K. H. Petermann, Auf dem Weg zur Fachhochschule, Bad Honnef 1971; Rudolf Fleck, Die Fachhochschule als neue Rechtsfigur im Hochschulbereich, in: DÖV 1971, S. 590 – 593; Gerhard Rimbach, Zum beruflichen Selbstverständnis der Fachhochschullehrer an den Gesamthochschulen in Nordrhein-Westfalen, in: Die Deutsche Universitäts-Zeitung 1974, S. 981 – 986. 52 Berlin, Freiburg i. Br., Mainz, München, Osnabrück/Vechta, Köln und Saarbrücken. Vgl. Manfred Baldus, Kirchliche Fachhochschulen und staatliches Hochschulrecht, in: EssGespr. 9 (1975), S. 112 – 166.

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5. Rechtlicher Status a) Nach staatlichem Recht Die Kirchen besitzen nach dem Bonner Grundgesetz das Recht der Selbstbestimmung in eigenen Angelegenheiten. Dies gilt in besonderem Maße für die Verleihung ihrer Ämter (Art. 140 GG i.V. m. Art. 137 Abs. 3 WRV). Die Kirchen allein können entscheiden, welche Ausbildung ihre Amtsträger und Bediensteten besitzen müssen. Daher sind sie grundsätzlich frei bei Aufbau und Ausgestaltung der Einrichtungen, welche die Ausbildung für ihre Ämter und Dienste bieten. Außerdem gewährleisten die Verfassungen der deutschen Bundesländer den Kirchen das Recht, eigene Hochschulen zur Ausbildung ihrer Geistlichen zu errichten und zu unterhalten53. In bezug auf die theologischen Ausbildungsstätten der Kirche ist mithin die kirchliche Hochschulfähigkeit verfassungsrechtlich anerkannt. Ein Genehmigungsvorbehalt des Staates kommt hierfür nicht mehr in Frage. Der Staat ist jedoch nur dann bereit, kirchliche Bildungseinrichtungen als wissenschaftliche Hochschulen im Sinne des Hochschulrechts gelten zu lassen, wenn sie den Kriterien, welche für die wissenschaftliche Hochschule als unabdingbar gelten, entsprechen. Als solche sind das Betreiben der Wissenschaft in Forschung und Lehre und das Vorliegen der dazu erforderlichen Voraussetzungen in organisatorischer, personeller und sachlicher Hinsicht anzusehen. Das Prinzip der Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 Abs. 3 GG) ist grundsätzlich auch für kirchliche Hochschulen konstitutiv, allerdings mit der Einschränkung, daß es seine Grenze an dem Bildungsauftrag derselben findet. Eine Aufsicht des Staates über die theologischen Hochschulen zur Ausbildung der Geistlichen besteht nicht. Bei den kirchlichen theologischen Bildungsstätten können sich daher die kirchenrechtlichen Bestimmungen über das Hochschulwesen grundsätzlich frei entfalten. So wird z. B. regelmäßig der Ortsoberhirt zum Großkanzler bestellt. Tatsächlich muß aber dem staatlichen Hochschulrecht in weitem Umfang Rechnung getragen werden. Denn für das erfolgreiche Wirken kirchlicher Hochschulen sind ihre materielle und personelle Ausstattung und ihre rechtliche Gleichstellung mit den entsprechenden Einrichtungen des staatlichen Hochschulwesens, vor allem ihr Rang als wissenschaftliche Hochschulen im Sinne des staatlichen Hochschulrechts, von entscheidender Bedeutung. Die von den deutschen Diözesen unterhaltenen theologischen Anstalten besitzen ausnahmslos den Charakter wissenschaftlicher Hochschulen. Bei allen heute tätigen Ordenshochschulen ist er ebenfalls ausdrücklich anerkannt. Nach § 70 Abs. 1 des Hochschulrahmengesetzes (HRG) der Bundesrepublik Deutschland vom 26. Januar 1976 können Einrichtungen des Bildungswesens, die nach Landesrecht nicht staatliche Hochschulen sind, nach näherer Bestimmung des 53 Art. 150 Abs. 1 BayVerf., Art. 60 Abs. 3 HessVerf., Art. 16 Abs. 2 NWVerf., Art. 42 Rheinl.-PfalzVerf., Art. 36 Abs. 1 SaarVerf. Vgl. Adolf Süsterhenn, Zur staatskirchlichen Stellung kirchlicher Hochschulen unter besonderer Berücksichtigung der Rechtslage in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen, in: TThZ 70 (1961), S. 156 – 169.

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Landesrechts die Eigenschaft einer staatlich anerkannten Hochschule erhalten, wenn die hauptberuflich Lehrenden und die Studienbewerber im wesentlichen dieselben Voraussetzungen erfüllen, die für entsprechende Tätigkeiten einer staatlichen Hochschule gefordert werden und die Angehörigen der Einrichtung an der Gestaltung des Studiums in sinngemäßer Anwendung der Grundsätze des Hochschulrahmengesetzes mitwirken. Nach § 70 Abs. 2 HRG können für kirchliche Einrichtungen nach näherer Bestimmung des Landesrechtes Ausnahmen von einzelnen der in Abs. 1 genannten Voraussetzungen zugelassen werden, wenn gewährleistet ist, daß das Studium einem solchen an einer staatlichen Hochschule gleichwertig ist. Nach § 70 Abs. 3 HRG kann eine staatlich anerkannte Hochschule nach näherer Bestimmung des Landesrechts Hochschulprüfungen abnehmen und Hochschulgrade verleihen. Das an einer staatlich anerkannten Hochschule zurückgelegte Studium ist ein abgeschlossenes Studium im Sinne des Hochschulrahmengesetzes. Die staatliche Anerkennung kirchlicher Hochschulen bedeutet mithin im wesentlichen die amtliche Feststellung der Gleichwertigkeit und der Gleichberechtigung der Studien und der Prüfungen dieser Hochschulen mit denen staatlicher Hochschulen. Kirchliche Hochschulen, die nicht der Ausbildung der Geistlichen dienen, sind lediglich nach Maßgabe der Verfassungen der Länder gewährleistet, welche die Errichtung nichtstaatlicher oder privater Hochschulen zulassen54. Sie bedürfen grundsätzlich einer staatlichen Genehmigung. Lediglich in zwei Fällen liegt eine vertragsrechtliche Anerkennung vor. Art. 5 BayK i. d. F. von 1974 gewährleistet die Errichtung und den Betrieb einer kirchlichen Gesamthochschule mit den wissenschaftlichen Studiengängen Katholische Theologie und Lehramt sowie mit den beiden Fachhochschulstudiengängen „Religionspädagogik und kirchliche Bildungsarbeit“ und „Sozialwesen“. Damit ist zum erstenmal ein Fachhochschulstudiengang an einer kirchlichen Hochschule kirchenvertraglich garantiert worden. In Art. 2 des Vertrags zwischen dem Heiligen Stuhl und Rheinland-Pfalz vom 29. April 1969 gewährleistet das Land die Errichtung und den Betrieb einer kirchlichen Erziehungswissenschaftlichen Hochschule. Die Vorschrift harrt noch der Ausführung. Die kirchlichen Hochschulen, die nicht der wissenschaftlichen Ausbildung des Klerus dienen, unterstehen staatlicher Aufsicht, die sich in jedem Fall darauf erstreckt, zu prüfen, ob die Genehmigungsvoraussetzungen fortbestehen. In der Schweiz bedürfen kirchliche Hochschulen grundsätzlich der staatlichen Anerkennung. Der Große Rat des Kantons Graubünden erließ am 19. Februar 1976 eine Verordnung über die staatliche Anerkennung der Ausweise der Theologischen 54

Art. 138 Abs. 1 S. 3 BayVerf. (staatliche Genehmigung), Art. 30 Rhein1.–PfalzVerf. (staatliche Genehmigung), Art. 61 HessVerf. (Genehmigung des Staates), Art. 34 BremVerf. (in der Regel staatlich). Vgl. Burkhard Tiemann, Private Hochschule und Grundgesetz, in: ZRP 5 (1972), S. 116 f.; Werner Thieme, Privathochschulen in Deutschland – Chancen für die Zukunft?, Göttingen 1988.

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Hochschule Chur. Daraufhin sprach die kantonale Regierung am 20. April 1976 die Anerkennung der Hochschule aus. b) Nach Vertragskirchenrecht Die Berechtigung der Kirche, eigene theologische Lehranstalten frei zu errichten und zu unterhalten, findet ihre Grenze an den Vereinbarungen, in denen sie sich verpflichtet hat, die wissenschaftliche Ausbildung ihrer Geistlichen grundsätzlich staatlichen Anstalten zu überlassen, sofern und solange diese imstande sind, den kirchlichen Bedürfnissen zu genügen. Art. 20 RK erkennt das Recht der Kirche an, für die Ausbildung des Klerus – nicht für andere Zwecke – philosophische und theologische Lehranstalten zu errichten, „soweit nicht andere Vereinbarungen vorliegen“. Solche Abmachungen sind Art. 12 Abs. 2 PreußK, Art. IX BadK, der Briefwechsel zwischen dem Apostolischen Nuntius und dem Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen vom 20./29. Dezember 1967 [Essen] und Art. 4 NiedersK (Hildesheim und Osnabrück). Nach Art. 12 PreußK sind der Erzbischof von Paderborn und die Bischöfe von Trier, Fulda, Limburg, Hildesheim und Osnabrück, nach § 6 Abs. 1 des Vertrages über das Bistum Essen vom 19. Dezember 1956 ist auch der Bischof von Essen berechtigt, ein Seminar zur wissenschaftlichen Vorbildung der Geistlichen zu unterhalten. Von diesem Recht machen indes nur der Erzbischof von Paderborn und die Bischöfe von Trier, Fulda und Limburg, wo kirchliche Fakultäten bestehen, Gebrauch. Der Bischof von Essen hat für die Dauer des Bestehens der Abteilung Katholische Theologie an der Ruhr-Universität zu Bochum auf sein Recht verzichtet. Die Kirche könnte aufgrund der heutigen Verfassungslage in den Diözesen Aachen und Berlin, für die das Preußische Konkordat keine kirchlichen Lehranstalten vorsah, eigene wissenschaftliche Hochschulen errichten. Falls die im Niedersächsischen Konkordat von 1965 vorgesehene Fakultät in Göttingen errichtet wird, verlieren die Bischöfe von Hildesheim und Osnabrück ihr Recht aus Art. 12 Abs. 2 PreußK. Der Erzbischof von Freiburg hat sich damit einverstanden erklärt, daß die theologische Fakultät in Freiburg die einzige Stätte bleibt, an der die Geistlichen seines Sprengels ihre wissenschaftliche Vorbildung erhalten. Die Verträge zur Errichtung des Erzbistums Hamburg vom 22. September 1994 (Art. 8), des Bistums Erfurt vom 14. Juni 1994 (Art. 6) und des Bistums Magdeburg vom 13. April 1994 (Art. 6) sagen die mögliche Anerkennung einer vom jeweiligen Bischof errichteten kirchlichen Hochschule zu. Zwischen der (kirchlichen) Theologischen Fakultät Trier und der (staatlichen) Geisteswissenschaftlichen Fakultät Trier ist durch den Vertrag zwischen dem Land Rheinland-Pfalz und der Diözese Trier vom 28. September 197055 eine enge Zusammenarbeit in Lehre, Studium und Prüfungswesen vereinbart worden. Das Bayerische Konkordat i. d. F. von 1974 erkennt in Art. 13 § 2 das Recht der Ordensgeistlichen an, ihre philosophischen und 55

AfkKR 139 (1970), S. 647.

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theologischen Studien an ihren Ordensschulen zurückzulegen. Art. V § 1 ÖK erkennt die „von den zuständigen kichlichen Stellen errichteten theologischen Lehranstalten“ an56. Damit ist es der Kirche überlassen, diözesane und klösterliche Lehranstalten zu errichten.

6. Die Unterstellung unter die kirchliche Hierarchie Die kirchlichen Universitäten und Fakultäten unterstehen den hierarchischen Autoritäten der Kirche, also an erster Stelle der Kongregation für das katholische Bildungswesen57, der die oberste Leitung zukommt. Jede kirchliche Universität oder Fakultät muß eine Satzung und eine Studienordnung haben, die von ihr genehmigt sind58. Die zweite Autorität, welcher die kirchlichen Universitäten und Fakultäten unterstehen, ist der Großkanzler59. Er besitzt als Repräsentant des Heiligen Stuhls bei der Hochschule und der Hochschule beim Heiligen Stuhl Recht und Pflicht der Förderung und der Aufsicht. Als weitere Autoritäten kommen in Frage der Ordinarius, von dem die Universität oder Fakultät von Rechts wegen abhängig und der normalerweise für die Ernennung und Abberufung des Personals zuständig ist60, der Ortsordinarius61, der auch dann, wenn er nicht Großkanzler ist, nicht völlig aus der (Mit-)Verantwortung für Hochschulen, die in seinem Gebiet bestehen, entlassen wird, sowie die Bischofskonferenz62, der die Förderung der Hochschulen und die Wahrung von Wissenschaftlichkeit und Kirchlichkeit derselben übertragen sind.

56 Vgl. auch §§ 13 und 14 des Bundesgesetzes über katholisch-theologische Studieneinrichtungen v. 10. 7. 1969 (BGBl. S. 1526). 57 C. 816 § 1; Art. 5, 7, 10, 12, 18, 61 – 63, 86, 93 SapChrist. Vgl. Theologie und Kirche. Dokumentation. 31. März 1991 (= Arbeitshilfen, H. 86), Bonn 1991. 58 C. 816 § 2, Art. 7 SapChrist. Ein Beispiel in ÖAKR 30 (1979), S. 391 f. Der Appendix I zu Art. 8 OrdSapChr gibt die hauptsächlichen Gegenstände an, die in einer Satzung Platz finden müssen. 59 Art. 12, 13, 27 SapChrist; Art. 8, 10, 14 Nr. 5, 19, 22 §§ 2 – 3, 35 OrdSapChr. Vgl. Maximilian Hommens, Magnus Cancellarius einer kirchlichen Hochschule (= Dissertationen, Theologische Reihe, Bd. 9), St. Ottilien 1985. Zum Großkanzler der neuerrichteten theologischen Fakultät von Mexiko wurde der jeweilige Vorsitzende der Bischofskonferenz bestellt (AAS 74 [1982], S. 1308). 60 Art. 13 § 1 SapChrist, Art. 9 OrdSapChr. 61 C. 818, Art. 14 SapChrist, Art. 10 OrdSapChr. Das Direktorium über den pastoralen Dienst der Bischöfe legt ihnen die Sorge für in ihrem Gebiet bestehende katholische oder kirchliche Universitäten ans Herz (Directorium de pastorali ministerio Episcoporum, Rom 1973, n. 73). 62 Art. 4, 60 § 2, 61 SapChrist; Art. 5, 45 § 2, 46 Buchst. a OrdSapChr.

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7. Die Leitung durch die akademischen Autoritäten Neben den hierarchischen Autoritäten stehen die eigenen leitenden Organe der Hochschule63. Sie sind normalerweise den Dozenten der Fakultäten zu entnehmen. Personale Autoritäten sind der Rektor (einer Universität), der Präses (einer selbständigen Fakultät oder Einrichtung) und der Dekan (einer Fakultät)64. Kollegiale Autoritäten sind der Universitätsrat und der Fakultätsrat. Die letzteren sind mit allen gewichtigen Entscheidungen zu befassen. Wo eine Fakultät auf Zusammenarbeit mit einem Priesterseminar oder einem Studienkolleg verwiesen ist, sind Leitung und Verwaltung beider Einrichtungen zu trennen65. Die „akademische Gemeinschaft“ einer Universität oder einer Fakultät umfaßt die Autoritäten, die Dozenten, die Studierenden, die Beamten und die Bediensteten66. Sie alle sind in verschiedenem Maße für das Funktionieren der Einrichtung verantwortlich und zur Mitwirkung bei der Erledigung ihrer Aufgaben verpflichtet und berechtigt67. 8. Die akademischen Lehrer Die Dozenten einer kirchlichen Hochschule68 werden in festangestellte und nicht auf Dauer berufene unterschieden. Zu den ersteren gehören namentlich die ordentlichen und die außerordentlichen Professoren. Sie müssen fachwissenschaftliche und didaktische Eignung besitzen sowie sich durch einwandfreie Lehre und untadeliges Leben auszeichnen (c. 818)69. Noch immer wird die Befähigung an einer Hochschule zu lehren, grundsätzlich durch den akademischen Grad des Doktors erworben70. Die Priesterweihe ist für die Dozenten nicht (mehr) verlangt (c. 229 § 3)71. Nichtkatholiken sind nicht von vornherein ausgeschlossen72. 63

Art. 15 – 21 SapChrist, Art. 11 – 14 OrdSapChr. Vgl. c. 443 § 3 n. 3. 65 Art. 21 SapChrist. 66 Art. 11 – 37 SapChrist. 67 Art. 11, 23, 34 SapChrist. 68 Art. 22 – 30 SapChrist, Art. 16 – 23 OrdSapChr. 69 Diese Erfordernisse werden von der Konstitution „Sapientia Christiana“ etwas differenziert. Danach müssen die festangestellten Dozenten Gelehrsamkeit, beispielhaften Lebenswandel, Verantwortungsbewußtsein und Lehrgeschick aufweisen. Ähnliche Anforderungen gelten für die übrigen akademischen Lehrer. Wer ein Fach vertritt, das Glaube und Sitte betrifft, muß sein Amt in Übereinstimmung mit dem authentischen Lehramt der Kirche ausüben (Art. 25 – 27 SapChrist). 70 Art. 50 § 1 SapChrist. Vgl. aber Art. 25 § 1 n. 3 SapChrist. 71 Die DBK faßte auf ihrer Vollversammlung vom 21. bis 24. 2. 1972 in Freising unter Vorsitz von Julius Kardinal Döpfner den Beschluß, daß für alle theologischen Disziplinen in Ausnahmefällen auch Nichtpriester habilitiert und berufen werden können. Die Kongregation für das katholische Bildungswesen bestätigte ihn am 20. 4. 1972 (NKD 25, S. 536 – 539) und in Nr. 9 des Akkommodationsdekrets v. 1. 1. 1983. Das darin vorausgesetzte Regel-AusnahmeVerhältnis ist in manchen Disziplinen und Fakultäten nicht mehr gewahrt. Auch in Österreich 64

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Die Dozenten, die Disziplinen vertreten, welche den Glauben und die Sittlichkeit betreffen, bedürfen für ihre Anstellung der (nach Ablegung des Glaubensbekenntnisses gemäß c. 833 n. 7 zu erteilenden) Missio canonica, in c. 812 in Mandatum umbenannt, alle übrigen der Venia docendi; allein die letztere kann nichtkatholischen Dozenten erteilt werden73. Vor der festen Anstellung oder vor der Beförderung zur höchsten Stufe des akademischen Lehrers oder in beiden Fällen, je nach Maßgabe der Satzung, ist das Nihil obstat des Heiligen Stuhles einzuholen74. Suspendierung, Entfernung und Ausscheiden der Dozenten sind je nach den Umständen möglich bzw. notwendig, wobei ein bestimmtes Verfahren einzuhalten ist75. Die Freiheit der Forschung und der Lehre innerhalb der Grenzen der (vom kirchlichen Lehramt authentisch interpretierten) Offenbarungswahrheit ist gewährleistet76. 9. Die Studierenden Der Zugang zum Studium an kirchlichen Hochschulen steht katholischen Klerikern und Laien, welche die geistigen und sittlichen Voraussetzungen erfüllen, offen77, ist aber auch grundsätzlich Nichtkatholiken möglich78. Das Wohl der Diözese, des klösterlichen Verbandes und der Gesamtkirche ist der Maßstab, den die Diözesanbischöfe und die klösterlichen Oberen anlegen müssen, wenn sie junge Leute, Geistliche und Mitglieder, die durch Charakter, Tugend und Begabung hervorragen, an die kirchlichen Universitäten und Fakultäten schicken (c. 819). Die Studienordnung79 sieht ein dreigestuftes System des Studiums vor, wobei die einzelnen Phasen aufeinander aufbauen. Die einzelnen Disziplinen werden in Hauptund Nebenfächer sowie in Pflicht- und Wahlfächer unterschieden. Ihre Darbietung vollzieht sich in Vorlesungen sowie in Übungen und Seminaren. Am Schluß stehen Prüfungen. 10. Die akademischen Grade Nur eine vom Apostolischen Stuhl errichtete oder anerkannte Universität oder Fakultät kann akademische Grade verleihen, die kanonische Wirkungen in der

und in der Schweiz werden in jüngster Zeit Laien auf Lehrkanzeln katholisch-theologischer Fakultäten berufen. Vgl. ÖAKR 30 (1979), S. 467. 72 Art. 18 OrdSapChr. 73 Art. 26 und 27 SapChrist, Art. 18 OrdSapChr. 74 Art. 27 SapChrist, Art. 19 OrdSapChr. 75 Art. 30 SapChrist, Art. 22 OrdSapChr. 78. 76 C. 218; Art. 39, 70 SapChrist. 77 C. 229 §§ 1 und 2; Art. 31, 32 SapChrist; Art. 24 OrdSapChr. 78 Schreiben des Sekretärs des Hl. Offiziums v. 17. 7. 1961, in: AfkKR 130 (1961), S. 485 f. 79 Art. 40 – 45 SapChrist, Art. 29 – 32 OrdSapChr.

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Kirche haben80. Letztere liegen darin, daß sie ihre Erwerber befähigen, jene kirchlichen Ämter zu übernehmen, für die der jeweilige Grad verlangt ist81. Die kirchlichen Fakultäten verleihen die akademischen Grade des Bakkalaureats, des Lizentiats und des Doktorats82. Das Bakkalaureat beschließt die grundlegende Ausbildung in einem Studiengang. Das Lizentiat steht am Ende eines Spezialstudiums. Das Doktorat wird nach weiteren Studien und nach Anfertigung einer Dissertation verliehen. Nach c. 1338 § 2 ist die (strafweise erfolgende) Entziehung akademischer Grade nicht zulässig. Dadurch ist die Aberkennung derselben als Maßnahme akademischer Disziplin jedoch nicht ausgeschlossen. Hochschuleinrichtungen, die keine Fakultät bilden, können bei Erfüllung der erforderlichen Voraussetzungen auf verschiedene Weise mit einer kirchlichen Fakultät in Beziehung gesetzt werden und dadurch Anteil gewinnen an deren Recht zur Graduierung. Durch Affiliation erwerben sie das Recht, das Bakkalaureat zu verleihen83, Aggregation läßt sie an dem Recht, auch das Lizentiat zu verleihen, teilhaben, Inkorporation verschafft ihnen schließlich auch das Recht, zum Doktor zu promovieren84. Staatliche wissenschaftliche Hochschulen besitzen fast immer das Promotionsrecht85. Katholisch-Theologische Fakultäten an staatlichen Hochschulen verleihen uno actu sowohl einen staatlichen als auch einen kirchlichen Grad. Die Theologischen Fakultäten Salzburg und Innsbruck vergeben zusätzlich den Dr. phil. fac. theol. Die Theologische Fakultät Luzern erhielt von kirchlicher und kantonaler Seite 1970 das Recht zur Verleihung akademischer Grade86. Das Dekret zur kanonischen Errichtung der Theologischen Fakultät Luzern vom 25. Dezember 1973 gab ihr neuerlich das Recht, akademische Grade zu verleihen, und fügte das Recht, Habilitationen vorzunehmen, hinzu87. Die Theologischen Fakultäten Trier88, Paderborn89, Frankfurt90 und Fulda91 sowie die Hochschule für Philosophie/Philoso-

80 C. 817; Art. 2 u. 6 SapChrist; Art. 34 OrdSapChr. Der Päpstlichen Bibelkommission bleibt das Promotionsrecht erhalten. Vgl. das MP „Sedula cura“ v. 27. 6. 1971 (AAS 63 [1971], S. 665 – 669), Art. 14, und das Dekret der Bibelkommission v. 7. 12. 1974 (AAS 67 [1975], S. 153 – 158). 81 Art. 50 § 2 SapChrist, Art. 7 § 1 OrdSapChr. Vgl. cc. 378 § 1 n. 5, 478 § 1. 82 Art. 47 – 51 SapChrist. 83 Art. 62 SapChrist, Art. 47 OrdSapChr. 84 Art. 63 SapChrist, Art. 48 OrdSapChr. 85 Es sei daran erinnert, daß die bis 1945 bestehende staatliche Akademie Braunsberg kein Promotionsrecht besaß. Vgl. Gerhard Reifferscheid, Braunsberg, in: LThK3 II, Sp. 666 f. 86 AfkKR 139 (1970), S. 240 f. 87 AfkKR 143 (1974), S. 137 – 139. 88 Kirchlicher Amtsanzeiger für die Diözese Trier 1950, S. 111; AAS 18 (1956), S. 590. 89 AAS 58 (1966), S. 1195. 90 AfkKR 140 (1971), S. 180; Dekret der SC InstCath v. 18. 10. 1974 (Ausweitung auf alle Hörer). 91 Dekret der SC InstCath v. 22. 12. 1978, in: AfkKR 147 (1978), S. 480 f.

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phische Fakultät S.J. München92 erhielten das selbständige kirchliche Promotionsrecht. Die Ordenshochschule SVD in St. Augustin bei Siegburg besitzt dank des Dekrets der Kongregation für das katholische Bildungswesen vom 5. Oktober 1982 das Recht, den akademischen Grad des Diplomtheologen, aufgrund des Dekrets derselben Kongregation vom 25. März 1972 das Recht, das Lizentiat und das Doktorat in Theologie mit missionswissenschaftlicher Spezialisierung zu verleihen. Die inzwischen geschlossene Hochschule CSSR in Hennef durfte seit dem 1. Oktober 1982 den Grad des Diplomtheologen zuerkennen. Der Fachbereich Katholische Theologie in Eichstätt erhielt durch das Dekret der Kongregation für das katholische Bildungswesen vom 25. Januar 1975 das Recht, die akademischen Grade des Diploms, des Lizentiaten und des Doktors in Theologie zu erteilen sowie Habilitationen vorzunehmen. Die theologische Hochschule Chur erhielt am 1. Januar 1974 das Recht zur Verleihung des Lizentiatsgrades. Der theologischen Fakultät Linz wurde am 25. Dezember 1978 das Recht übertragen, die akademischen Grade des Diploms (oder des Magisters), des Lizentiaten und des Doktors zu verleihen sowie Habilitationen vorzunehmen. Das kirchliche Promotionsrecht wirkt jedoch allein im kirchlichen Bereich, solange es nicht vom Staat anerkannt ist. Ein solcher Legitimationsakt kann in verschiedener Weise und Reichweite ergehen. Der damaligen kirchlichen Gesamthochschule Eichstätt hat der Staat in Art. 5 § 4 BayK i. d. F. von 1974 das Recht zur Verleihung des Doktorgrades sowie zur Habilitation in den wissenschaftlichen Studiengängen übertragen. Für Trier ist eine staatliche Anerkennungserklärung ausgesprochen worden93. Die Theologische Fakultät Paderborn ist gemäß § 118 Abs. 1 des Gesetzes über die Universitäten des Landes Nordrhein-Westfalen i. d. F. d. B. vom 3. August 199394 eine staatlich anerkannte Hochschule im Sinne dieses Gesetzes. Gemäß § 116 Abs. 2 dieses Gesetzes haben die staatlich anerkannten Hochschulen nach Maßgabe der Anerkennung das Recht, Hochschulprüfungen abzunehmen, Hochschulgrade zu verleihen und Habilitationen durchzuführen. Gemäß § 116 Abs. 3 dieses Gesetzes bedürfen die Studien-, Prüfungs- und Habilitationsordnungen der Feststellung der Gleichwertigkeit mit den Ordnungen der staatlichen Hochschulen durch den Minister für Wissenschaft und Forschung. Aufgrund dieser Rechtslage besitzt die Theologische Fakultät Paderborn seither das staatlich verliehene Promotionsrecht95. Bezüglich der Hochschulprüfungen, mit denen ein „berufsqualifizierender Abschluß“ erworben wird, sieht § 18 HRG aus92

Dekrete der SC InstCath v. 7.6. und 25. 10. 1971. Ministerialerlaß v. 22. 8. 1950 (Kirchlicher Amtsanzeiger für die Diözese Trier 1950, S. 115). 94 GV NW S. 532/SGV NW 223. 95 Vorher besaß die Theologische Fakultät Paderborn das Promotionsrecht aufgrund einer allgemeinen Führungsgenehmigung, die auf einem Erlaß des Kultusministers v. 14. 10. 1966 beruhte (vgl. Manfred Baldus, Das Promotionsrecht der kirchlichen Theologischen Fakultät zu Paderborn und das deutsche Hochschulrecht, in: TThZ 77 [19681, S. 324 – 331, hier S. 324, Anm. 4). 93

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drücklich vor, daß der Diplomgrad auch auf Grund einer kirchlichen Prüfung, mit der ein Hochschulstudium abgeschlossen wird, verliehen werden kann96. Die Hochschule St. Georgen erhielt am 10. Juli 198097 das Recht, den Grad eines Diplomtheologen zu verleihen, am 10. Mai 1982 wurde ihr das staatliche Promotionsrecht ohne Einschränkung übertragen. Ebenso erhielt die Hochschule Fulda am 24. Mai 1982 „das Recht zur Promotion in Katholischer Theologie (Doktor der Theologie) mit Wirkung für den staatlichen Rechtsbereich“. Für die Philosophische Hochschule München werden die akademischen Grade des Mag. Art. und des Dr. phil., die aufgrund der vom Kultusministerium erlassenen Akademischen Prüfungsordnung vom 22. September 197598 erworben werden, ohne weiteres staatlich anerkannt. Am 24. Juli 199099 übertrug ihr der Staat das Habilitationsrecht in Philosophie. Die Philosophisch-Theologische Hochschule Benediktbeuern erhielt am 30. Januar 1981100 das Recht, den akademischen Grad eines Diplomtheologen zu verleihen, und durch Gesetz vom 24. Juli 1990 das Promotionsrecht in katholischer Theologie101. Dem Philosophisch-Theologischen Studium zu Erfurt wurde am 10. September 1990 das Recht zur Verleihung des Dr. theol. und des Dr. theol. habil. zuerkannt. Die an der Theologischen Hochschule Chur vorgenommenen Graduierungen (Diplom und Lizentiat) erhielten am 19. Februar 1976 die staatliche Anerkennung. Die kirchlichen theologischen Lehranstalten Österreichs, Linz ausgenommen, besitzen kein Promotionsrecht. Indes kann an ihnen unter bestimmten Voraussetzungen das Diplom erworben werden102. Von ausländischen Hochschulen verliehene akademische Grade bedürfen in Deutschland einer Führungsgenehmigung. In Österreich entfällt bei akademischen Graden, die an päpstlichen Hochschulen in Rom erworben wurden, diese Nostrifikation. Die kirchlichen Fachhochschulen besitzen das Recht zur Graduierung allein aufgrund staatlicher Verleihung. Das kanonische Recht hat bislang keinen vergleichbaren Grad entwickelt. Die Fachhochschulstudiengänge verleihen den Grad eines „Diplom-Religionspädagogen (FH)“.

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Zur Frage der Übertragung staatlicher Diplomierungsrechte an kirchliche Hochschulen vgl. Baldus, Die deutschen Ordenshochschulen (Anm. 41); Dieter J. Tettinger, „Diplom“Erteilung durch Private?, in: WissR 11 (1978), S. 143 – 163. 97 ABl. des Hess. Kultusministers 1980, S. 396; AfkKR 150 (1981), S. 601 f. 98 ABl. des Bayer. Staatsministeriums für Unterricht und Kultus, Teil II, 1975, S. 678 – 702. 99 BayGVB1. 1990, S. 233. 100 ABl. des Bayer. Staatsministeriums für Unterricht und Kultus, Teil II, 1981, S. 46. 101 BayGVB1. 1990, S. 233. 102 § 14 des Bundesgesetzes v. 10. 7. 1969 (Anm. 38). Vgl. Walter Brunner, Die akademischen Grade in Österreich von 1848 bis heute, in: WissR 12 (1979), S. 89 – 107.

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III. Die theologischen Fakultäten (Fachbereiche), Abteilungen und Lehrstühle an staatlichen Hochschulen 1. Der Bestand a) Theologische Fakultäten (Fachbereiche) Die Zahl der vom Staat eingerichteten und unterhaltenen Hochschuleinrichtungen für Theologie ist in der Weltkirche nicht groß103, wohl aber in der Bundesrepublik Deutschland. Hier bestehen einmal folgende (kirchlich anerkannte) katholisch-theologische Fakultäten bzw. Fachbereiche an staatlichen Universitäten: Augsburg, Bamberg, Bochum, Bonn, Freiburg, Mainz, München, Münster, Passau, Regensburg, Tübingen und Würzburg. An der Universität Göttingen ist die Errichtung einer Fakultät vorgesehen (Art. 4 NiedersK). Das Erfurter Studium soll in die neue Universität integriert werden104. In Österreich bestehen katholisch-theologische Fakultäten an den Universitäten Wien, Graz, Innsbruck und Salzburg105. Die theologische Fakultät Innsbruck soll grundsätzlich mit Lehrern aus dem Jesuitenorden besetzt werden (Art. V § 1 Abs. 4 ÖK). In der Schweiz gibt es theologische Fakultäten an der Universität Freiburg i.Ü. und in Luzern. Der Status der ersteren ist geregelt durch das Abkommen zwischen dem Dominikanerorden und der Schweizer Bischofskonferenz einerseits, dem Kanton anderseits, wozu ein Notenaustausch zwischen dem schweizerischen Bundesrat und dem Heiligen Stuhl tritt106.

103 Ein Verzeichnis der theologischen Fakultäten an staatlichen Universitäten findet sich AnPont 1998, S. 1768 – 1772. Für Deutschland vgl. Axel Frhr. von Campenhausen, Theologische Fakultäten/Fachbereiche, in: Handbuch des Wissenschaftsrechts, Bd. 2 (Anm. 19), S. 1019 – 1045; Christa Sybille Veigel, Der staatskirchenrechtliche Status der theologischen Fakultäten. Rechtswiss. Diss., Tübingen 1986; Martin Heckel, Die theologischen Fakultäten im weltlichen Verfassungsstaat (= JusEccl, Bd. 31), Tübingen 1986; Heribert Schmitz, Katholische Theologie in der Universität, in: AfkKR 156 (1987), S. 3 – 33; Jörg Kriewitz, Die Einrichtung theologischer Hochschuleinrichtungen durch den Staat (= JusEccl, Bd. 42), Tübingen 1992; Handbuch der Universitäten und Fachhochschulen Bundesrepublik Deutschland, Osterreich, Schweiz. Red.: Bettina Bartz/Helmut Opitz/Elisabeth Richter. 6. Aufl., München 1993; Alexander Hollerbach, Theologische Fakultäten und staatliche Pädagogische Hochschulen, in: HdbStKirchR2 II, S. 549 – 599. 104 Konrad Hartelt, Philosophisch-Theologisches Studium Erfurt: Status und Zukunft, in: Die Kirchen und die deutsche Einheit. Rechts- und Verfassungsfragen zwischen Kirche und Staat im geeinten Deutschland. Hrsg. von Richard Puza und Abraham Peter Kustermann, Stuttgart 1991, S. 121 – 128. 105 Die wichtigsten Rechtsmaterialien der österreichischen theologischen Fakultäten finden sich in: Österreichisches Staatskirchenrecht, Bd. 2 (Anm. 36), S. 442 – 605. 106 Eugenio Corecco, Der staatskirchenrechtliche Status der theologischen Fakultät an der Universität Freiburg i.Ü., in: Schweizer Rundschau 72 (1973), S. 62 – 80, 95 – 112.

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b) Theologische Sektionen und Lehrstühle Neben den Fakultäten bzw. Fachbereichen bestehen an vielen Universitäten und Hochschulen theologische Abteilungen oder Lehrstühle. Sie dienen hauptsächlich der Heranbildung von Religionslehrern für die verschiedenen Schularten bzw. -stufen. Dies ist in Baden-Württemberg an den Pädagogischen Hochschulen Freiburg, Heidelberg, Karlsruhe, Ludwigsburg, Schwäbisch-Gmünd und Weingarten der Fall. In Bayern unterhält der Staat wenigstens zwei katholisch-theologische Lehrstühle an den Universitäten Erlangen-Nürnberg und Bayreuth. An der Freien Universität Berlin besteht am Fachbereich Philosophie und Sozialwissenschaften II ein Seminar für Katholische Theologie, ein Lehrstuhl für dieses Fach an der (inzwischen in die Universität integrierten) Pädagogischen Hochschule (Protokoll vom 2. Juli 1970 und vom 15. Oktober 1986). In Hessen existieren vier staatliche Einrichtungen zum Studium der katholischen Theologie. An der Universität Frankfurt a. M. besteht der Fachbereich VIb Katholische Theologie, in Gießen der bikonfessionelle Fachbereich 07 mit jeweils mehreren Professoren107, an der Gesamthochschule Kassel findet sich im Fachbereich 1 der Studienbereich Religionswissenschaften mit einigen Theologen, an der Technischen Hochschule Darmstadt wird das Fach Katholische Theologie von Lehrkräften der Universität Frankfurt angeboten, und an der Universität Marburg gibt es ein Katholisch-Theologisches Seminar, das aber keine Einrichtung der Universität, sondern des Bistums Fulda ist. In Niedersachsen ist das Fach Katholische Theologie in dem Erziehungswissenschaftlichen Fachbereich der Universitäten Göttingen (durch nebenamtliche Lehrkräfte) und Hannover sowie an den Universitäten Braunschweig (durch Lehrbeauftragte), Hildesheim und Lüneburg (durch Lehrbeauftragte) vertreten. An der Universität Osnabrück und der Hochschule Vechta besteht je ein Institut für katholische Religionspädagogik und ihre theologischen Grundlage108. In Nordrhein-Westfalen befinden sich theologische Seminare, Institute oder Lehrstühle an der Technischen Universität Aachen sowie an den Universitäten bzw. Universitäten/Gesamthochschulen Bielefeld109, Dortmund, Duisburg, Essen, Köln, Münster, Paderborn, Siegen und Wuppertal. Das Land Rheinland-Pfalz unterhält in den beiden Abteilungen der Universität Koblenz-Landau ein Institut bzw. Seminar Katholische Theologie. An der Universität des Saarlandes ist die Fachrichtung 107 Vgl. Georg May, Die Errichtung von Stiftungslehrstühlen für katholische Theologie an den Universitäten Frankfurt am Main und Gießen, in: AfkKR 144 (1975), S. 464 – 478. 108 Vertrag v. 29. 10. 1993 (AAS 87 [1995], S. 556 – 570). Überholt ist Heinz Mussinghoff, Kath. Theologie in Osnabrück und Vechta – unter besonderer Berücksichtigung der Schwerpunktbildung, in: FS Heinemann (60), S. 267 – 286. 109 An der Universität Bielefeld existiert ein bikonfessionelles und interdisziplinäres Theologisches Institut. Vgl HK 24 (1970), S. 512 – 515; Johannes Baptist Metz/Trutz Rendtorff (Hrsg.), Die Theologie in der interdisziplinären Forschung (= Interdisziplinäre Studien, Bd. 2), Düsseldorf 1971; Axel Frhr. von Campenhausen, Rechtsprobleme bikonfessioneller theologischer Einrichtungen an den staatlichen Universitäten, in: Rudolf von Thadden/Gert von Pistohlkors/Hellmuth Weiss (Hrsg.), Das Vergangene und die Geschichte. FS für Reinhard Wittram zum 70. Geburtstag, Göttingen 1973, S. 461 – 472.

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Katholische Theologie mit mindestens vier Professorenstellen in der Philosophischen Fakultät untergebracht. In Schleswig-Holstein bietet die Universität Kiel die Möglichkeit zum Studium der Katholischen Theologie für Lehramtsbewerber. An der Universität Mannheim existiert ein Seminar für Katholische Theologie, an der Technischen Universität Dresden ein solches Institut. Das gemeinsame Merkmal der Pädagogischen Hochschulen bzw. der Lehrerausbildung der Bundesrepublik Deutschland ist heute ihr interkonfessioneller Charakter. Konfessionell sind lediglich die Lehrstühle für Theologie, Bayern ausgenommen, wo außerdem für die drei Gebiete der Philosophie, der Gesellschaftswissenschaften und der Pädagogik die (katholische) Konfession in gewissem Umfang berücksichtigt wird. An den Universitäten der Bundeswehr in Hamburg und München lehrt ein katholischer Theologe. Die starke Vermehrung der Einrichtungen zur Ausbildung von Religionslehrern an Hochschulen ohne theologische Fakultät, häufig mit schmaler personeller und sachlicher Ausstattung, kann nicht ohne Sorge betrachtet werden. Denn sie verlagert das Studium der Theologie für einen großen Kreis von Personen an nichttheologische Fachbereiche. Auch ist die Frage angebracht, ob für die zahlreichen Stellen genügend qualifizierte Lehrer zur Verfügung stehen. c) Konkordatsprofessuren Für die Theologenausbildung werden herkömmlicherweise zwei Lehrstühle in der philosophischen Fakultät unterhalten, die mit korrekt katholischen Gelehrten besetzt werden110. Es handelt sich dabei um Stellen, die wegen ihrer weltanschaulichen Komponente für die Ausbildung zum kirchlichen Dienst oder zum Lehramt an Schulen von Bedeutung sind. Solche Professuren sind vertraglich vorgesehen in Freiburg und Mainz für Philosophie und Geschichte (Schl. Prot. zu Art. IX BadK, Nr. 4 der Mainzer Vereinbarung vom 15./17. April 1946) sowie für Philosophie, Gesellschaftswissenschaften und Pädagogik in Augsburg, Bamberg, ErlangenNürnberg, München, Passau, Regensburg und Würzburg (Art. 3 § 5 BayK i. d. F. von 1974). In Bayern dienen diese Lehrstühle vertragsgemäß auch der Lehrerbildung111.

110 Georg May, Mit Katholiken zu besetzende Professuren an der Universität Breslau. Ein Beitrag zum Ringen um Parität in Preußen, in: ZRG Kan. Abt. 53 (1967), S. 155 – 272; 54 (1968), S. 200 – 268; ders., Mit Katholiken zu besetzende Professuren für Philosophie und Geschichte an der Universität Freiburg nach dem Badischen Konkordat vom 12. Oktober 1932, in: FS Panzram, S 341 – 370; ders., Mit Katholiken zu besetzende Professuren an der Universität Tübingen von 1917 bis 1945. Ein Beitrag zur Ausbildung der Studierenden katholischer Theologie, zur Verwirklichung der Parität an der württembergischen Landesuniversität und zur Katholischen Bewegung, Amsterdam 1975. 111 Die Verfassungsmäßigkeit bejaht die Entscheidung des BayVerfGH v. 11. 4. 1980 (BayVB1. 1980, S. 462 – 468).

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2. Rechtlicher Status a) Staatsrechtlich und vertragsrechtlich Die theologischen Fakultäten haben einen doppelten Charakter. Sie sind Bestandteile der staatlichen Universitäten, gehören organisatorisch, personalrechtlich und haushaltsrechtlich zum Staat. Zugleich erfüllen sie als Einrichtungen zur Pflege der Theologie in Forschung und Lehre sowie zur wissenschaftlichen Ausbildung von Priestern und Religionslehrern eine primär kirchliche Aufgabe, die durch Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 WRV und Art. 4 Abs. 2 GG geschützt ist112. Entgegen Art. 149 Abs. 3 der Weimarer Reichsverfassung enthält das Bonner Grundgesetz keine Garantie des Bestandes der theologischen Fakultäten. Wohl aber findet sich eine solche in den Verfassungen der Länder Bayern (Art. 150 Abs. 2), Rheinland-Pfalz (Art. 40 Abs. 1 S. 3), Hessen (Art. 60 Abs. 2) und Baden-Württemberg (Art. 10). Die Unterhaltung theologischer Fakultäten an staatlichen Hochschulen der Bundesrepublik Deutschland ergibt sich aus der Verantwortung des Staates für die Pflege der Kultur und für die Förderung der Religion. Die Kirche ist an sich von Staats wegen nicht verpflichtet, sich für die Ausbildung der Geistlichen und der Religionslehrer allein der staatlichen Hochschuleinrichtungen zu bedienen; es bleibt ein Raum für kirchliche Hochschulen. Indes ist sie nach den Konkordaten und Kirchenverträgen gehalten, die ihr vom Staat zur Verfügung gestellten Institutionen zu benutzen. Der Status der theologischen Fakultäten, Fachbereiche und Abteilungen sowie der theologischen Lehrstühle ist fast ausnahmslos durch Konkordate und Kirchenverträge grundlegend bestimmt113. Bei deren Fehlen ist die entsprechende Anwen112

Martin Heckel, Organisationsstrukturen der Theologie in der Universität (= Staatskirchenrechtliche Abhandlungen, Bd. 18), Berlin 1987. 113 Die kirchlichen und kirchenvertraglichen Quellen für die Ausbildung des Klerus bzw. das Studium der Theologie und das kirchliche Hochschulwesen finden sich ziemlich vollständig in dem von der SC InstCath herausgegebenen „Enchiridion Clericorum. Documenta Ecclesiae futuris sacerdotibus formandis“, Vatikanstadt 1975. Das einschlägige Kirchenvertragsrecht ist umfassend bei Joseph Listl (Hrsg.), Die Konkordate und Kirchenverträge in der Bundesrepublik Deutschland, 2 Bde., Berlin 1987, gesammelt sowie im „Archiv für katholisches Kirchenrecht“ abgedruckt. Für Osterreich ist auf Felix Ermacora, Österreichisches Hochschulrecht, 2. Aufl., Wien 1975, und Hugo Schwendenwein, Aktuelle Rechtsfragen theologischer Fakultäten in Osterreich 1969 – 1993, in: FS Schmitz, S. 477 – 495; für die Schweiz auf Dieter Kraus, Schweizerisches Staatskirchenrecht. Hauptlinien des Verhältnisses von Staat und Kirche auf eidgenössischer und kantonaler Ebene (= JusEccl, Bd. 45), Tübingen 1993, S. 352 – 363 zu verweisen. Aus der reichen Literatur seien erwähnt: Werner Weber, Das Nihil obstat. Beiträge zum Verhältnis von Staat und katholischer Kirche, in: Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft 99 (1939), S. 213 – 244; Hans Peters, Die Besonderheiten der beamtenrechtlichen Stellung der katholischen Theologieprofessoren an den deutschen Universitäten, in: FS für Eduard Eichmann. Paderborn 1940, S. 401 – 418; Eugen Heinrich Fischer, Theologieprofessor, Theologische Fakultät und Kirche, in: Kirche und Überlieferung. FS für Josef Rupert Geiselmann, Freiburg i. Br., Basel, Wien 1960, S. 330 – 366; Heinrich Flatten, Das bischöfliche Nihil obstat für Privatdozenten der Theologie nach deutschem

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dung regelmäßig geboten. Im einzelnen bestehen gewichtige Unterschiede in der Rechtsstellung. Eine gemeinsame Vorschrift für alle Fakultäten, zugleich die einzige für Tübingen, ist Art. 19 RK. Für die sechs bayerischen katholisch-theologischen Fakultäten und die Einzellehrstühle an den übrigen Hochschulen sind das Bayerische Konkordat von 1924 und der Vertrag vom 4. September 1974 maßgebend, für die drei Fakultäten in Nordrhein-Westfalen das Preußische Konkordat von 1929, für Freiburg das Badische Konkordat von 1932 und für Mainz die beiden Vereinbarungen von 1946114. Die nach Art. 4 NiedersK evtl. in Göttingen zu errichtende Fakultät folgt dem Preußischen Konkordat. Über die Errichtung eines Lehrstuhls für katholische Theologie an der Universität Saarbrücken wurde am 9. April 1968 ein Vertrag zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Saarland geschlossen. In Österreich garantiert Art. V § 1 des Konkordats von 1933 die Erhaltung der staatlichen katholisch-theologischen Fakultäten. Weitere Abreden bestehen für die theologischen Lehrstühle, die der Lehrerausbildung dienen115. Die Konstitution „Sapientia Christiana“ (Art. 8) und das Akkommodationsdekret vom Konkordatsrecht, in: FS Arnold, S. 197 – 218; Alexander Hollerbach, Verträge zwischen Staat und Kirche in der Bundesrepublik Deutschland, Frankfurt/M. 1965; Johann Georg Fuchs, Zum Verhältnis von Kirche und Staat in der Schweiz, in: EssGespr. 5 (1971), S. 125 – 193; Ernst-Lüder Solte, Theologie an der Universität. Staats- und kirchenrechtliche Probleme der Theologischen Fakultäten, München 1971; Georg May, Verträge deutscher Bischöfe mit der Bundesrepublik Deutschland und den deutschen Bundesländern, in: FS Dordett, S. 417 – 451; ders., Die Rechtsstellung der akademischen Lehrer der katholischen Theologie und die Ausbildung der katholischen Theologiestudierenden an den staatlichen Hochschulen in Bayern nach dem Vertrag zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Freistaat Bayern vom 4. September 1974, in: AfkKR 144 (1975), S. 402 – 443; Reinhard Lettmann, Das bischöfliche „Nihil obstat“ für die Lehrtätigkeit an theologischen Fakultäten staatlicher Universitäten in Deutschland, in: Investigationes theologico-canonicae (= FS für Wilhelm Bertrams), Rom 1978, S. 273 – 289; Ulrich Scheuner, Rechtsfolgen der konkordatsrechtlichen Beanstandung eines katholischen Theologen (= Staatskirchenrechtliche Abhandlungen, Bd. 13), Berlin 1980; Otto J. Voll, Handbuch des Bayerischen Staatskirchenrechts, München 1985, S. 131 – 145; Hugo Schwendenwein, Katholische Universitäten und kirchliche Fakultäten, in: Ecclesia peregrinans. FS Josef Lenzenweger. Hrsg. von Karl Amon u. a., Wien 1986, S. 379 – 389; Bruno Primetshofer, Die Bestellung akademischer Lehrer an katholisch-theologischen Fakultäten Österreichs, in: ÖAKR 39 (1990), S. 153 – 161; Hollerbach, Theologische Fakultäten (Anm. 103). 114 Georg May, Entstehung und Rechtscharakter der Vereinbarung zwischen dem Bischof von Mainz und dem Oberregierungspräsidenten von Hessen-Pfalz vom 15./17. April bzw. 5. Oktober 1946 zur Errichtung der Katholisch-Theologischen Fakultät an der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz, in: AfkKR 131 (1962), S. 15 – 66; ders., Das Verhältnis der Katholisch-Theologischen Fakultät der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz zu dem Diözesanbischof nach der Vereinbarung zwischen Klerus und Staat vom 15./17. April bzw. 5. Oktober 1946, in: FS Arnold, S. 171 – 196; Johannes zu Eltz, Lehrstuhlbesetzung und Beanstandung am Fachbereich Katholische Theologie der Universität Mainz, Mainz 1988. 115 Vgl. für Bayern die Vereinbarungen v. 4. 9. 1974 und 7. 7. 1978, für Baden-Württemberg den Vertrag v. 4. 2. 1969, für Hessen jenen v. 29. 3. 1974, für Niedersachsen Art. 5 NiedersK und Vertrag v. 21. 5. 1973, für Nordrhein-Westfalen den Notenwechsel v. 22. 4. 1969 und den Vertrag v. 26. 3. 1984, für Rheinland-Pfalz den Vertrag v. 29. 4. 1969, für das Saarland jenen v. 12. 11. 1969 und v. 12. 2. 1985.

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1. Januar 1983 (Einleitung) erkennen ausdrücklich an, daß sich das Verhältnis der katholisch-theologischen Fakultäten an den staatlichen Universitäten in der Bundesrepublik Deutschland zu der „kirchlichen Behörde“ nach den Vorschriften der einschlägigen Konkordate richtet. Lediglich in diesem Rahmen kann sich das kirchliche Hochschulrecht entfalten. Allgemein läßt sich sagen, daß der Doppelcharakter der theologischen Hochschuleinrichtungen in allen gemeinsamen Angelegenheiten einvernehmliches Handeln von Staat und Kirche erfordert. Umfang und Schranken der jeweiligen Rechte und Pflichten der beiden Partner bestimmen sich danach, inwieweit die Ausübung der Religion berührt ist. So ist etwa die Rechtslage hinsichtlich der Studien- und Prüfungsordnungen differenziert. Soweit am Abschluß eines Studiengangs eine kirchliche Prüfung steht, ist der Diözesanbischof berechtigt, ihn ohne staatliche Beteiligung zu regeln. Wo dagegen das Studium mit einer Universitäts- oder Staatsprüfung beendet wird, darf der Diözesanbischof die Anforderungen, die vom kirchlichen Standpunkt an die Studiengänge und an die Prüfungen zu stellen sind, formulieren; ihre Berücksichtigung ist den zuständigen universitären Gremien und den Kultusministern aufgegeben116. In jedem Falle ist es dem Staat verwehrt, ohne Einvernehmen mit der zuständigen kirchlichen Autorität Studiengänge einzurichten. Allein der Diözesanbischof kann aufgrund seiner Überschau über die kirchlichen Bedürfnisse bestimmen, ob die Einrichtung von Studiengängen notwendig bzw. tunlich ist, welcher Art dieselben sein müssen oder können und ob die vom kirchlichen Standpunkt an sie zu stellenden Anforderungen gewahrt sind; erst recht kann die staatliche Behörde nicht ohne seine bzw. des Apostolischen Stuhles Zustimmung ihren Abschluß durch den Grad eines Diplomtheologen anordnen, der, weil er auch ein kirchlicher Grad ist, nicht ohne Zustimmung der zuständigen kirchlichen Autorität verliehen werden kann117. b) Kirchenrechtlich Die staatlichen Einrichtungen für katholische Theologie sind in mehrfacher Weise der Lehre und der Ordnung der Kirche verbunden118. Ihre Errichtung und ihre 116

Nr. 7 Vereinbarung Mainz von 1946; Art. 4 §§ 1 und 4 BayK; Art. 19 RK; Art. 5 Vertrag Nordrhein-Westfalen von 1984; Art. 3 Vertrag Saarland von 1985. Vgl. auch das Akkommodationsdekret v. 1. 1. 1983, Nrn. 12 – 15. 117 Max Kirste, Der Diplomstudiengang Katholische Theologie an der Universität in Frankfurt. Eine staatskirchenrechtliche Kontroverse, Münster, New York 1989; Georg May, Errichtung und Erweiterung katholisch-theologischer Studieneinrichtungen an staatlichen Hochschulen, in: FS Schmitz, S. 415 – 440. In dem Rechtsstreit zwischen dem Land Hessen und dem Bistum Limburg um den Diplomstudiengang in katholischer Theologie an der Universität Frankfurt/Main unterlag das Land vor dem Bundesverwaltungsgericht. Vgl. ZevKR 41 (1996), S. 460 – 471. 118 Nach dem Schreiben Pius’ XII. an die deutschen Bischöfe v. 20. 2. 1949 sind die katholisch-theologischen Fakultäten an den staatlichen Universitäten „auch und an erster Stelle kirchliche Fakultäten“ (ABl. München und Freising 1949, S. 67 – 71 [68]). Das Dekret der SC InstCath v. 1. 1. 1983 bezeichnet sie als vom Ap. Stuhl anerkannte kirchliche Fakultäten (Einl.).

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Unterhaltung setzen das Einverständnis der kirchlichen Autorität voraus (c. 816 § 1). Das Amt des Großkanzlers wird von dem zuständigen Ortsoberhirten wahrgenommen119. Als solchem obliegt es ihm u. a., das Nihil obstat bzw. die Missio canonica für die Ausübung des Lehramtes zu erteilen und erforderlichenfalls zu entziehen120. Nur jene Fakultäten können akademische Grade, die kanonische Wirkung haben, verleihen, die vom Apostolischen Stuhl anerkannt sind121. Nicht voll ausgebaute Fachbereiche und solche ohne kirchliches Promotionsrecht dürfen den Dr. theol. überhaupt nicht verleihen. Erst recht kommen für Habilitationen nur (volle) theologische Fachbereiche in Frage122. Die Vorschriften des Codex luris Canonici und die übrigen kirchlichen Bestimmungen über das Hochschulwesen, die Lehre der Theologie und die Ausbildung für den kirchlichen Dienst sind soweit wie möglich zu beachten (Art. IX BadK, Art. 19 RK mit Schl. Prot.; Vereinbarung zwischen dem Bischof von Mainz und dem Oberregierungspräsidenten von HessenPfalz vom 5. Oktober 1946). Die Lehre muß in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der katholischen Kirche stehen (Art. 4 § 4 BayK i. d. F. von 1974) und den Ausbildungsbedürfnissen der Priester und anderer kirchlicher Bediensteter Rechnung tragen (Art. 4 § 1 BayK 1924 i. d. F. von 1974, Art. IX BadK). Die Studienordnung bedarf des Einverständnisses oder der Genehmigung des Bischofs (Art. IX BadK, Nr. 7 der Mainzer Vereinbarung vom 15./17. April 1946). Heute sind die einschlägigen Normen die Apostolische Konstitution „Sapientia Christiana“ sowie die zugehörigen „Ordinationes“ und die Dekrete vom 1. Januar 1983. Die erwähnte Konstitution beansprucht grundsätzlich Geltung auch für die vom Heiligen Stuhl errichteten oder anerkannten kirchlichen Fakultäten, die sich an nichtkirchlichen Universitäten befinden123 und fordert die Wahrung der kanonischen Erfordernisse kirchlicher Fakultäten auch dann, wenn sie in nichtkirchliche Universitäten eingefügt sind124. Die tiefgreifenden Änderungen, die sich in den deutschen und österreichischen staatlichen Hochschulen in den letzten Jahrzehnten vollzogen haben, sind nun nicht ohne Rückwirkungen auf die katholisch-theologischen Fakultäten geblieben. Die Verhältnisse in der Gruppenuniversität125, die das Hochschulrah119

Dekret der SC InstCath v. 1. 1. 1983, Nr. 1. Nihil obstat und Missio canonica sind begrifflich zu unterscheiden. Die Erteilung der letzteren kann mit der Erklärung des ersteren verbunden oder eigens vorgenommen werden. 121 C. 817; Art. 6 SapChrist; Dekret der SC InstCath v. 1. 1. 1983, Nr. 16. 122 Axel Frhr. von Campenhausen, Rechtsprobleme der Habilitation im Fach Theologie, in: Dieter Blumenwitz/Albrecht Randelzhofer (Hrsg.), FS für Friedrich Berber zum 75. Geburtstag, München 1973, S. 127 – 138; Werner Weber, Die Bindung theologischer Habilitationen an theologische Fakultäten oder Fachbereiche, in: Horst Ehmke/Joseph H. Kaiser/ Wilhelm A. Kewenig/Karl Matthias Meessen/Wolfgang Rüfner (Hrsg.), FS für Ulrich Scheuner zum 70. Geburtstag, Berlin 1973, S. 591 – 602. 123 Art. 8 SapChrist. 124 Art. 20 § 2 SapChrist. 125 Vgl. Hans-Heinrich Rupp, „Gruppenuniversität“ und Hochschulselbstverwaltung, in: WissR 7 (1974), S. 89 – 106; Thieme, Deutsches Hochschulrecht (Anm. 4), S. 208 – 216 u. ö.; Schwendenwein, Aktuelle Rechtsfragen (Anm. 113), S. 483, 487 – 489, 492 – 495. 120

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mengesetz vom 26. Januar 1976126 geschaffen hat, stehen sogar zum Teil im Widerspruch zu den kanonischen Normen. Denn die früheren Fakultäten sind durch die Fachbereiche abgelöst worden, deren Rechtsstellung sich wesentlich von jener der ersteren unterscheidet. Die veränderte Organisationsstruktur der Fachbereiche folgt nicht mehr dem Kollegialprinzip, sondern dem Repräsentationsprinzip. In dem für die Entscheidungen maßgebenden Fachbereichsrat wirken Lehrende, Lernende und nichtwissenschaftliche Angestellte grundsätzlich gleichberechtigt mit, also auch Personen, die keine Missio canonica besitzen oder nicht katholisch sind. Die Kirche besitzt die Möglichkeit der Einwirkung auf die Personalstruktur der Fachbereiche in der Hauptsache bei den Professoren. Diese aber bilden nur eine von vier Gruppen im Fachbereichsrat. Es kann darum nicht ausgeschlossen werden, daß die übrigen Gruppenvertreter den bekenntnismäßig zu behandelnden Angelegenheiten verständnislos oder ablehnend gegenüberstehen. Denn sie müssen weder Angehörige der katholischen Kirche sein noch, falls sie dies sind, mit ihrer Kirche in glaubensmäßiger Hinsicht übereinstimmen. Die Beschlüsse dieses Gremiums betreffen nicht nur technische Fragen, sondern auch die kirchlichen Aufgaben der Fachbereiche, man denke etwa an die Studien- und Prüfungsordnungen, aber auch an die Zuweisung und Verwendung von Finanzmitteln. Die Gefahr ist nicht von der Hand zu weisen, daß in den Fachbereichsräten unkirchliche Kräfte sich geltend machen oder gar das Übergewicht erlangen und damit die kirchliche Funktion der Fachbereiche mehr oder weniger in Frage stellen. Außerdem ist die Zuständigkeit der Fachbereiche in der Regel gegenüber den früheren Fakultäten beträchtlich zugunsten der Zentralorgane der Universität gemindert. Damit ist die Gefahr der Fremdbestimmung der katholisch-theologischen Fachbereiche erneut gewachsen. 3. Bestellung und Abberufung der akademischen Lehrer Die wichtigste, aber auch die heikelste Frage der theologischen Hochschuleinrichtungen in staatlicher Trägerschaft ist die Rechtsstellung, näherhin die Anstellung, das Wirken und die evtl. Abberufung der akademischen Lehrer. Die katholischen Theologen sind Inhaber eines konfessionellen Staatsamtes, d. h. sie üben ein staatliches Amt aus, dessen Träger verpflichtet ist, eine kirchliche Aufgabe wahrzunehmen. Sie stehen infolgedessen in der Spannung zwischen Bekenntnisbindung und kirchlichem Selbstbestimmungsrecht einerseits, der Freiheit des Gewissens und der Wissenschaft anderseits; der Schutz des Grundrechtes aus Art. 5 Abs. 3 GG ist für sie notwendig eingeschränkt. Der Staat besetzt die Lehrstellen, aber im Einvernehmen mit der Kirche. Er legt die bildungsmäßigen und beamtenrechtlichen Voraussetzungen ihrer Inhaber fest, überläßt jedoch das Urteil über die kirchlichen Erfordernisse und deren Vorliegen der Kirche. Die kirchliche Autorität besitzt daher weitreichende Mitwirkungsrechte bei der Anstellung und der evtl. Abberufung der akademischen Lehrer der katholischen Theologie an den staatlichen Hochschulen. 126

Vgl. Werner Thieme, Das Hochschulrahmengesetz, in: WissR 9 (1976), S. 193 – 221.

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Sie sind regelmäßig in den einschlägigen Konkordaten und Kirchenverträgen niedergelegt127. a) Gemeinsame Regelung Bei allen Abweichungen in einzelnen Punkten besteht eine gemeinsame Regelung. Die Fakultäten bzw. Fachbereiche unterbreiten bei der Besetzung der theologischen Lehrstellen dem zuständigen Kultusminister Vorschläge. Dieser wählt den zu berufenden Gelehrten aus und gibt, entweder vor dem Hinausgehen der Berufung oder vor der Ernennung, dem zuständigen Diözesanbischof Gelegenheit, Einwendungen gegen die Lehre und den Lebenswandel desselben vorzubringen. In Mainz hat der Fachbereich die gesamte Berufungsliste vor der Weitergabe an den Senat der Universität dem Diözesanbischof zur Genehmigung einzureichen. In Bochum hat sich die Abteilung vor Aufstellung der Vorschlagsliste mit dem Bischof von Essen ins Benehmen zu setzen. Der Bischof erteilt (oder versagt) die Zustimmung zu der beabsichtigten Berufung durch die Erteilung (oder Versagung) des Nihil obstat. Das „Nihil obstat“ ist die Erklärung, daß gegen die vorgeschlagene Person keine Einwendungen bezüglich der Lehre und des Lebenswandels erhoben werden128. Bei der Berufung an eine andere Fakultät und bei der Erweiterung der 127 Art. 19 RK, Art. 3 BayK i. d. F. von 1974, Art. X BadK, Art. 12 Abs. 1 S. 2 PreußK, jeweils mit Schl. Prot.; Briefwechsel zwischen dem Apostolischen Nuntius und dem Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen v. 20./29. 12. 1967; einvernehmliche Interpretation von 1979 und Art. II–IV Vertrag von 1984; Art. 4 Abs. 1 NiedersK; Mainzer Vereinbarungen v. 15./17.4. und 5. 10. 1946; § 2 des Vertrags zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Saarland von 1968, Art. 1 des Vertrags von 1969 sowie Art. 4 und 5 des Vertrags von 1985. Vgl. Josef Simon, Die kirchliche Gebundenheit des staatlichen Amtes der katholischen Theologieprofessoren in Bayern. Jur. Diss München, München 1964; Dieter Lorenz, Wissenschaftsfreiheit zwischen Kirche und Staat (= Konstanzer Universitätsreden 87), Konstanz 1976; Jürgen Müller-Volbehr, Staat und Kirche – Universität und Theologie. Aktuelle Rechtsprobleme der Theologieausbildung an staatlichen Hochschulen, in: ZevKR 24 (1979), S. 1 – 27; Paul Mikat, Staatskirchenrechtliche Bemerkungen zur Nihil-obstat-Problematik, in: AfkKR 148 (1979), S. 93 – 106; Heribert Heinemann, Lehrbeanstandung in der katholischen Kirche (= Canonistica 6), Trier 1981; Ernst Thomas Emde, Die theologischen Fakultäten zwischen wissenschaftlicher Freiheit und kirchlicher Bindung. Zu den Rechtsfolgen der kirchlichen Beanstandung eines katholischen Universitätstheologen, in: AöR 106 (1981), S. 355 – 402; ErnstLüder Solte, Fakultäten, Theologische, in: TRE, Bd. 10, 1982, S. 788 – 795; ders., Staatskirchenrecht und Kirchenkonflikte, in: Richard Puza/Abraham Peter Kustermann (Hrsg.), Eine Kirche – ein Recht? Kirchenrechtliche Konflikte zwischen Rom und den deutschen Ortskirchen (= Hohenheimer Protokolle, Bd. 34), Stuttgart 1990, S. 155 – 185; Martin Kriele, Aktuelle Probleme des Verhältnisses von Kirche und Staat, in: IKZ Communio 19 (1990), S. 541 – 555. 128 Das Dekret der SC InstCath v. 1. 1. 1983 versteht (trotz erheblicher inhaltlicher Unterschiede) das bischöfliche Nihil obstat des deutschen Konkordatsrechtes als Missio canonica (bzw. Mandatum nach c. 812). Das Dekret schärft in Nr. 7 ein, daß der Ortsoberhirt, bevor er einem erstmalig auf Lebenszeit zu ernennenden Professor das Nihil obstat erteilt, gemäß Art. 27 § 2 SapChrist seinerseits den Ap. Stuhl um Gewährung des Nihil obstat angehen muß. Die Vorschrift ist innerkirchlich wirksam, jedoch nicht in das Vertragsrecht aufgenommen.

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Lehrbefugnis in derselben Fakultät ist das Nihil obstat erneut einzuholen und zu erteilen. Die Versagung des Nihil obstat ist zu begründen. In seiner Äußerung hat der Bischof seine Bedenken nach seinem pflichtgemäßen Ermessen niederzulegen. Der Staat hat ihnen grundsätzlich Rechnung zu tragen, d. h. er kann einen Gelehrten, gegen den solche Ausstellungen vorgebracht worden sind, nicht ernennen. Bei der Zulassung von Privatdozenten erfolgt die Befragung des Bischofs entweder durch die Fakultät oder durch das Kultusministerium. Auch andere akademische Lehrer, die nicht Professoren sind, benötigen, falls sie selbständig Lehraufgaben wahrnehmen, vor ihrer Ernennung das Nihil obstat des zuständigen Diözesanbischofs129. In Bayern bedarf nach dem Vertrag zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Freistaat Bayern vom 7. Juli 1978130 zur Änderung des Bayer. Konkordates vom 29. März 1924 sogar jeder Lehrende des Nihil obstat des Diözesanbischofs. Das Wort „zu selbständiger“ in Art. 3 § 2 BayK vom 4. September 1974131 wurde ersetzt durch das Wort „zur“ (Lehre). Werden gegen die Lehre und den Lebenswandel eines akademischen Lehrers triftige Gründe vorgebracht, so muß der Staat Abhilfe leisten, d. h. den beanstandeten Lehrer aus der theologischen Fakultät entfernen132 und für einen entsprechenden Ersatz sorgen. Im übrigen bleibt die beamten- und hochschulrechtliche Stellung des Beanstandeten erhalten. Die genannten Regelungen sind fast überall auf Theologieprofessoren außerhalb katholisch-theologischer Fakultäten/Fachbereiche ausgedehnt worden133. Die Mitwirkung der Kirche bei der Berufung von Dozenten an den Pädagogischen Hochschulen ist, Bayern ausgenommen, auf die Lehrstühle für Theologie beschränkt. Art. 19 Abs. 2 Bad.-Württ. Verf. und ihm folgend die Vereinbarung zwischen der 129 Heinrich Eugen Fischer, Das kirchliche Mitwirkungsrecht bei Ergänzung des Lehrkörpers im katholisch-theologischen Fachbereich, in: Festg. Flatten, S. 361 – 379. 130 AAS 70 (1978), S. 770 – 775. 131 AAS 66 (1974), S. 601 – 619. 132 Das Dekret der SC InstCath v. 1. 1. 1983 hebt in Nr. 6 hervor, daß die Erteilung des Nihil obstat die Erklärung in sich schließt, der betreffende akademische Lehrer könne Mitglied der Fakultät werden, und daß der Widerruf des Nihil obstat bedeutet, er könne dies fernerhin nicht bleiben. Eine derartige Regelung ist bereits im Schlußprotokoll zu Art. 3 §§ 2 und 3 BayK i. d. F. v. 4. 9. 1974 (AAS 66 [1974], S. 601 – 619) vorgesehen. Danach bedeutet die Erklärung des zuständigen Diözesanbischofs, daß gegen den in Aussicht genommenen Kandidaten keine Erinnerung erhoben wird, zugleich das Einverständnis, daß der Kandidat Mitglied des theologischen Fachbereiches wird. Die Anwendung des Art. 3 § 3 („Sollte einer der genannten Lehrer vom Diözesanbischof wegen seiner Lehre oder wegen seines sittlichen Verhaltens aus triftigen Gründen beanstandet werden, so wird der Staat unbeschadet der staatsdienerlichen Rechte alsbald auf andere Weise für einen entsprechenden Ersatz sorgen“) hat daher zur Folge, daß der Lehrer aus dem theologischen Fachbereich ausscheidet. Ferner ist in einem Notenwechsel v. 4. 9. 1974 zwischen dem Apostolischen Nuntius in Deutschland und dem Bayerischen Ministerpräsidenten zu Art. 3 § 3 BayK die folgende einvernehmliche Feststellung getroffen worden: „Priester, die dem Priesterstand nicht mehr angehören, und wiederverheiratete Geschiedene können dem theologischen Fachbereich nicht angehören.“ (Vgl. AfkKR 143 [1974], S. 583). 133 Vgl. auch das zweite Akkommodationsdekret der SC InstCath v. 1. 1. 1983 (AAS 75 [1983], S. 341).

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Regierung des Landes Baden-Württemberg und den Kirchenleitungen vom 4. Februar 1969 i. d. F. von 1975134 sehen vor, daß die Berufung von Dozenten für Theologie und Religionspädagogik erst nach hergestelltem Einvernehmen mit den zuständigen Kirchenleitungen erfolgt. Nach Art. 3 § 4 BayK i. d. F. von 1974 gelten für die Lehrstühle für katholische Theologie und für Didaktik des katholischen Religionsunterrichts an den Universitäten Erlangen-Nürnberg und Bayreuth das Erinnerungsrecht und das Beanstandungsrecht des Bischofs entsprechend. Art. 5 NiedersK i. d. F. vom 21. Mai 1973135 verweist für die Besetzung der Lehrstühle für katholische Religionspädagogik und für Methodik des katholischen Religionsunterrichts an den Pädagogischen Hochschulen sowie für den Fachbereich Katholische Theologie und Religionspädagogik an der Universität Osnabrück auf Art. 12 Abs. 1 PreußK samt Schlußprotokoll und § 3 der Anlage zum Niedersächsischen Konkordat. In Nordrhein-Westfalen gelten nach Art. III des Vertrages von 1984 für die Professoren der katholischen Theologie außerhalb der katholisch-theologischen Fachbereiche die Regelungen von Art. 12 Abs. 1 S. 2 PreußK und zugehörigem Schlußprotokoll. Merkwürdigerweise sieht Art. 1 Abs. 1 mit Schlußprotokoll des Vertrags zwischen dem Heiligen Stuhl und Rheinland-Pfalz vom 29. April 1969 eine verschiedene Weise der Mitwirkung der Kirche bei der Besetzung der Lehrstühle für katholische Theologie und des Lehrstuhls für Religionspädagogik vor. Die Inhaber der ersteren können erst ernannt werden, wenn der zuständige Diözesanbischof gegen die in Aussicht genommenen Personen keine Erinnerung erhebt. Die Vorschlagslisten für die Berufungen auf diese Lehrstühle werden im Einvernehmen mit dem zuständigen Diözesanbischof erstellt. Der Inhaber des letzteren muß lediglich in der Lage sein, sein Fach im Geist der katholischen Lehre zu vertreten, worüber freilich die zuständige kirchliche Oberbehörde das Urteil trifft. Art. 4 des Vertrages des Saarlandes mit dem Heiligen Stuhl vom 12. Februar 1985 sichert die entsprechende Anwendung von Art. 12 Abs. 1 PreußK und Schlußprotokoll auf die Professoren der Fachrichtung katholische Theologie (und sonstige selbständig Lehrende) zu. Ein Recht, Theologieprofessoren an den Pädagogischen Hochschulen nachträglich zu beanstanden, ist dem zuständigen Diözesanbischof nicht allenthalben ausdrücklich eingeräumt worden. Da es aber mit dem Gesamtstatus des Lehrers der katholischen Theologie untrennbar verknüpft ist, ist es auch dort anzunehmen, wo es nicht vertraglich niedergelegt ist. Sein Umfang ist wie bei den akademischen Lehrern der Universitäten zu bestimmen. Der soeben beschriebene Modus des Zusammenwirkens von Staat und Kirche bei der Bestellung und Abberufung von Theologieprofessoren hat sich trotz gelegentlicher Friktionen in der Vergangenheit im ganzen bewährt. Indes sind die Fa134

Vereinbarung zwischen dem Lande Baden-Württemberg und den Kirchenleitungen vom September/Oktober 1975 über die Berufung von Dozenten für Theologie/Religionspädagogik an den Pädagogischen Hochschulen, in: Listl, Konkordate und Kirchenverträge (Anm. 113), Bd. 1, S. 204 f. 135 Vertrag zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Land Niedersachsen v. 21. 5. 1973 zur Änderung des Konkordats v. 26. 2. 1965, in: AAS 65 (1973), S. 643 – 646.

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kultäten und sonstigen Hochschuleinrichtungen für katholische Theologie von dem Zug nach Entkonfessionalisierung und Herabstufung der Verpflichtung auf das Bekenntnis, der sich seit einiger Zeit in Kirche und Gesellschaft zeigt, nicht unberührt geblieben. Die kirchliche Bindung der an staatlichen Hochschulen betriebenen Theologie wird nicht mehr überall als selbstverständlich anerkannt. Die Fälle, in denen katholische Theologen an Universitäten und sonstigen Hochschulen, wegen ihrer Lehre oder wegen ihres Lebenswandels mit der Kirche in Konflikt geraten, sind häufiger geworden. Zwischen den Bischöfen und der Regierung von Nordrhein-Westfalen kam es zu Meinungsverschiedenheiten über die Gründe und die Folgen einer Beanstandung. Im Jahre 1979 einigten sich der Minister für Wissenschaft und Forschung dieses Landes und die Bischöfe von Köln, Paderborn, Aachen, Essen und Münster über die gegenseitigen Rechte und Pflichten bei der kirchlichen Beanstandung von Lehrenden der katholischen Theologie, wie sie sich aus den vertraglichen Grundlagen ergeben136. Dabei wurde u. a. geklärt, daß die Beantragung der Laisierung einen schweren und ärgerlichen Verstoß gegen die Erfordernisse des priesterlichen Lebenswandels darstellt, daß das Ergreifen (staatlicher) Abhilfemaßnahmen nicht von der Entscheidung des Laisierungsantrags oder von dem Ausgang eines (evtl. angestrengten) Lehrbeanstandungsverfahrens abhängig gemacht wird und daß der Beanstandete nicht mehr in der katholisch-theologischen Fakultät lehren oder prüfen darf. Auch in Österreich ist eine entsprechende Mitwirkung „der zuständigen kirchlichen Behörde“ bei der Ernennung und Abberufung der akademischen Lehrer der katholischen Theologie vorgeschrieben. Professoren oder Dozenten an den staatlichen katholisch-theologischen Fakultäten können erst nach erfolgter Zustimmung des zuständigen Diözesanbischofs ernannt bzw. zugelassen werden (Art.V § 3 ÖK). Der Entzug der Missio canonica hat die Folge, daß der Staat den betreffenden akademischen Lehrer seines Lehramtes entheben muß; er wird entweder einer anderen Verwendung im Staatsdienst zugewiesen oder pensioniert (Art. V § 4 ÖK)137. In der Schweiz liegen besondere Verhältnisse vor138. Die Statuten der theologischen Fakultät Freiburg i. Ü. von 1936 lassen diese als staatliche Fakultät erkennen, wobei jedoch das Amt der akademischen Lehrer überwiegend als kirchliches verfaßt ist. Die Berufungsordnung vom 16. Juni 1969/24. Juli 1970 hat diese Struktur umgekehrt. Nach dem Vertrag, den der Regierungsrat von Freiburg und der Generalminister des Dominikanerordens am 24. Dezember 1889 geschlossen haben, ernennt der General die akademischen Lehrer, nachdem die Regierung und der Papst (bzw. die zuständige Kongregation) ihrer Auswahl zugestimmt haben und die Fakultät 136

Listl, Konkordate und Kirchenverträge (Anm. 113), Bd. 2, S. 272 – 295. Erwin Melichar, Austritt eines Theologieprofessors aus seiner Kirche, in: ÖAKR 24 (1973), S. 356 – 361. Vgl. auch das für die österreichischen Staatsfakultäten unter dem 1. 11. 1983 ergangene Akkommodationsdekret der SC InstCath (AAS 76 [1984], S. 616 – 621). 138 Corecco, Der staatskirchenrechtliche Status (Anm. 106), S. 25 – 33; Johann Baptist Villiger, Der lange Weg des Ausbaus der Luzerner Theologischen Fakultät, in: SKZ 138 (1970), S. 289 – 291; AAS 66 (1974), S. 423 – 425. 137

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gehört wurde. Seit Erlaß der neuen Berufungsordnung hat der Entzug der Missio canonica keine unmittelbaren Folgen mehr für deren korporations- und beamtenrechtliche Stellung. Indes muß sie der Staat jedenfalls aus der Fakultät entfernen. An der Theologischen Fakultät Luzern, die am 25. Dezember 1973 von der Kongregation für das katholische Unterrichtswesen zu diesem Rang erhoben wurde, bestimmt sich das Verhältnis der akademischen Lehrer zur kirchlichen Behörde nach der Vereinbarung zwischen dem Bischof von Basel und dem Regierungsrat des Kantons Luzern vom 5. April/14. Mai 1971. Danach hat der Bischof das Recht, sich bereits vor Einleitung des Berufungsverfahrens zu den Anträgen der Fakultät zu äußern und Kandidaten zurückzuweisen. Ebenso ist er berechtigt, unter Einhaltung eines bestimmten Verfahrens Lehrern der Fakultät „aus wichtigen Gründen der Lehre oder der Lebensführung“ die Missio canonica zu entziehen, worauf der Regierungsrat dem Betroffenen die Lehrerlaubnis für katholische Theologie nimmt. b) Hessische Sonderregelung Aus dem gemeinsamen Status der akademischen Lehrer der katholischen Theologie in der Bundesrepublik Deutschland fällt Hessen heraus139. In dem Vertrag vom 29. März 1974140 mit den katholischen Bistümern garantiert das Land Hessen, daß im Bereich der Universitäten und Gesamthochschulen des Landes im Rahmen des Studiums zur Erlangung der Befähigung zum Lehramt die wissenschaftliche Vorbildung in katholischer Theologie und Religionspädagogik erhalten werde. Für die Berufung der hierzu erforderlichen hauptamtlich tätigen Professoren und Dozenten bleibe es hinsichtlich der Mitwirkung des zuständigen Diözesanbischofs bei der derzeitigen Rechtslage (Art. 10 Abs. 1). Diese ist dadurch gekennzeichnet, daß (nur) bei der erstmaligen Anstellung eines Professors oder Dozenten bzw. bei der erstmaligen Erteilung eines Lehrauftrags im Lande Hessen der zuständige Bischof gleichzeitig mit der Berufung um ein Gutachten über die Lehre (nicht über den Lebenswandel) des Anzustellenden ersucht wird. Will der Bischof Bedenken erheben, ist er gehalten, die übrigen Diözesanbischöfe in Hessen zuvor anzuhören; ihre Meinungsäußerung ist dem Gutachten beizufügen. Außerdem muß er mit dem Dekan des in Frage kommenden Fachbereichs in vertraulicher Weise Fühlung nehmen. Von der Möglichkeit einer Beanstandung ist in dem Vertrag keine Rede. Die Weise der kirchlichen Mitwirkung bei der Bestellung der akademischen Lehrer der Theologie, wie sie in Hessen vereinbart wurde, ist unzureichend, weil der zuständige Bischof kein Vetorecht besitzt. Die Bindung der hessischen Einrichtungen zum Studium der katholischen Theologie an die Kirche ist überhaupt zu schwach; dem kirchlichen Charakter der Theologie ist nicht genügend Rechnung getragen. 139

Georg May, Die rechtliche Stellung der Einrichtungen zur Ausbildung katholischer Religionslehrer an den staatlichen Hochschulen in dem Land Hessen, in: ÖAKR 26 ( 1975), S. 55 – 89. 140 AfkKR 143 (1974), S. 585 – 595.

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c) Konkordatsprofessuren Bescheidener sind die kirchlichen Mitwirkungsrechte bei den sogenannten Konkordatsprofessuren. Für Bayern ist ausdrücklich erklärt, daß für die Ernennung, nicht aber für die Beanstandung der Inhaber dieser Lehrstellen die kirchliche Mitwirkung vorgesehen ist (Art. 3 § 5 BayK i. d. F. von 1974).

Listen von Bischofskandidaten in den deutschen Konkordaten und Kirchenverträgen Einleitung Dieser Beitrag beschäftigt sich mit einem bescheidenen Gegenstand, nämlich mit der Zusammenstellung von Namen der Personen, die für die Ernennung zum Diözesanbischof in einem Bistum der Bundesrepublik Deutschland1 als geeignet erachtet werden. Dafür wird in den einschlägigen Konkordaten und Kirchenverträgen2 der Ausdruck Liste gebraucht, der im italienischen Text der Konkordate mit 1

Klaus Mörsdorf, Das neue Besetzungsrecht der bischöflichen Stühle unter besonderer Berücksichtigung des Listenverfahrens (= Kölner Rechtswissenschaftliche Abhandlungen, Heft 6), Bonn 1933; Ludwig Link, Die Besetzung der kirchlichen Ämter in den Konkordaten Papst Pius‘ XI. (= Kanonistische Studien und Texte Bd. 18 u. 19), Bonn 1942, Nachdruck: Amsterdam 1964; Hartmut Zapp, Die Bischofsernennung nach dem geltenden Recht und nach dem Entwurf des „liber II de populo Dei“ von 1977: Concilium 16, 1980, 500 – 504; Martin Kriele, Aktuelle Probleme des Verhältnisses von Kirche und Staat: Internationale katholische Zeitschrift Communio 19, 1990, 541 – 555; Gerhard Hartmann, Der Bischof. Seine Wahl und Ernennung. Geschichte und Aktualität, Graz/Wien/ Köln 1990; Joseph Listl, Die Bistumsgrenzen in Deutschland. Kirchenrechtliche und staatskirchenrechtliche Überlegungen zu ihrer Neuumschreibung, in: Pax et Iustitia. Festschrift für Alfred Kostelecky zum 70. Geburtstag. Hrsg. von Hans Werner Kaluza/Hans R. Klecatsky/Heribert Franz Köck /Johannes Paarhammer, Berlin 1990, 233 – 253; Ernst-Lüder Solte, Staatskirchenrecht und Kirchenkonflikte. Dargestellt am Beispiel von Bischofsernennungen und Lehrstuhlbesetzungen, in: Richard Puza/Abraham P. Kustermann (Hrsg.), Eine Kirche – ein Recht? Kirchenrechtliche Konflikte zwischen Rom und den deutschen Ortskirchen (= Hohenheimer Protokolle Bd. 34), Stuttgart 1990, 155 – 185; Gisbert Greshake (Hrsg.), Zur Frage der Bischofsernennungen in der römisch-katholischen Kirche (= Schriftenreihe der Katholischen Akademie der Erzdiözese Freiburg), München/Zürich 1991; Joseph Listl, Die Besetzung der Bischofsstühle. Bischofsernennungen und Bischofswahlen in Deutschland, in: Anton Ziegenaus (Hrsg.), Sendung und Dienst im bischöflichen Amt. Festschrift der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Augsburg für Bischof Josef Stimpfle zum 75. Geburtstag, St. Ottilien 1991, 29 – 68; Ernst-Lüder Solte, Die Ämterhoheit der Kirchen, in: Joseph Listl/Dietrich Pirson (Hrsg.), Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland, 2., grundleg. neubearb. Aufl., 2 Bde., Berlin 1994/95, I, 561 – 572. 2 Die Konkordatslage bis zum 1. Juli 1987 ist enthalten in Joseph Listl (Hrsg.), Die Konkordate und Kirchenverträge in der Bundesrepublik Deutschland. Textausgabe für Wissenschaft und Praxis, 2 Bde., Berlin 1987. Vgl. auch Joseph Listl, Die Fortgeltung und die gegenwärtige staatskirchliche Bedeutung des Reichskonkordats vom 20. Juli 1933, in: Festschrift für Louis Carlen zum 60. Geburtstag. Hrsg. von Louis C. Morsak und Markus Escher, Zürich 1989, 309 – 334.

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lista wiedergegeben wird3. Man spricht in diesem Zusammenhang von einem Listenverfahren. Die Praxis des Listenverfahrens ist gesetzlich und häufig vertraglich festgelegt. Die Bestellung von Koadjutoren der Bischöfe läuft ohne die Einreichung von Listenvorschlägen ab. Der Heilige Stuhl hat sich mit den Listenverfahren zur Besetzung von Bischofsstühlen wiederholt gesetzgeberisch befaßt. Grundlegend für das Listenverfahren neuer Ordnung war das Dekret „Ratio“ der Konsistorialkongregation vom 25. Juli 19164. Ihm folgten zahlreiche verwandte Dekrete5. Ein Listenverfahren eigener Art wurde am 20. August 1921 durch Dekret der Konsistorialkongregation „Ad proponendos“ für die katholische Kirche des lateinischen Ritus in Polen vorgeschrieben6. Die jüngste Bestimmung für die lateinische Kirche ist c. 377 des CIC/ 1983. Der CIC/1983 sieht hier ein doppeltes Listenverfahren vor. In c. 377 § 2 ist das absolute Listenverfahren geregelt, das unabhängig von einem konkreten Besetzungsfall vor sich geht. Einmal senden die Bischöfe einer Kirchenprovinz wenigstens alle drei Jahre dem Heiligen Stuhl eine Liste von Kandidaten ein. Sodann darf jeder Diözesanbischof für sich ohne zeitliche Befristung eine solche Liste einreichen. In c. 377 § 3 ist das relative Listenverfahren geregelt für die konkrete Besetzung eines Bischofsstuhles. Hier hat der päpstliche Gesandte dem Heiligen Stuhl einen Dreiervorschlag zu unterbreiten. Für die orientalischen Kirchen sei auf die cc. 149, 168, 181 – 185 CCEO verwiesen. Auch dort spielen bei der Wahl der Bischöfe dem Papst einzureichende und von ihm zu genehmigende Listen (elenchus) von Kandidaten eine Rolle (c. 182 CCEO), wenn auch die Bindung an sie weniger streng ist (c. 185 CCEO). Diese gesetzliche Regelung bleibt in diesem Beitrag unberücksichtigt. Hier ist allein auf die lateinische Kirche, näherhin auf die Konkordate und Kirchenverträge mit dem Deutschen Reich und den deutschen Ländern abgestellt. Die Texte sind scheinbar klar und verständlich, werfen aber bei näherem Zusehen eine Reihe von Fragen auf.

I. Die Quellen Für die Untersuchung kommen (in chronologischer Reihung) die folgenden Konkordate und Kirchenverträge des Heiligen Stuhles mit deutschen Ländern bzw. dem Gesamtstaat in Betracht. In der Zeit der Weimarer Republik wurden drei Konkordate mit deutschen Ländern abgeschlossen, das Badische Konkordat vom 12. Oktober 19327, das Bayerische Konkordat vom 29. März 19248 und das Preu3

Z. B.: Art. 14 § 1 Bayerisches Konkordat; Art. 6 Abs. 1 Preußisches Konkordat; Art. III Abs. 1 Badisches Konkordat. 4 AAS 8, 1916, 400 – 404. Vgl. Nikolaus Hilling, Das Dekret der Konsistorialkongregation „Ratio“ vom 25. Juli 1916: AfkKR 97, 1917, 301 – 312. 5 AAS 11, 1919, 124 – 128; AAS 13, 1921, 13 – 16, 222 – 225, 379 – 382. 6 AAS 13, 1921, 430 – 432. 7 GVBl. 1933 S. 19; AAS 25, 1933, 177 – 194.

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ßische Konkordat vom 14. Juni 19299. Das Badische und das Preußische Konkordat erhielten den bestehenden Domkapiteln das Wahlrecht, letzteres verlieh es den Kapiteln der neuzuerrichtenden Diözesen. Danach kam es zum Abschluß des Reichskonkordats vom 20. Juli 193310. Das Reichskonkordat hat die für den Metropolitansitz Freiburg getroffene Regelung bezüglich der Besetzung des Bischofsstuhles als entsprechend anwendbar auf die Bistümer Rottenburg, Mainz und Meißen erklärt (Art. 14 Abs. 1 RK). Nach Beendigung des Zweiten Weltkriegs wurde als erster der Vertrag des Landes Nordrhein-Westfalen mit dem Heiligen Stuhl über die Errichtung des Bistums Essen vom 19. Dezember 195611 abgeschlossen. Die Besetzung des Essener Bischofsstuhles richtet sich, wie sich aus der Präambel des Vertrages ergibt, nach dem Preußischen Konkordat. Danach gelang der Abschluß des Niedersächsischen Konkordats vom 26. Februar 196512. Das Niedersächsische Konkordat verweist für die Besetzung der kirchlichen Ämter ausdrücklich auf das Preußische Konkordat (Art. 3 Abs. 1 Niedersächsisches Konkordat). Nach der Wiederherstellung der deutschen Einheit wurde eine Reihe von Verträgen mit den neuen Ländern abgeschlossen13, nämlich als erster der Vertrag zwischen dem Heiligen Stuhl und den Ländern Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Freistaat Sachsen über die Errichtung des Bistums Magdeburg vom 13. April 199414. Der (der Kürze wegen so genannte) Sachsen-Anhalter Staatsvertrag verweist für die Besetzung des Bischöflichen Stuhles Magdeburg auf Art. 6 des Preußischen Konkordats (Art. 3 Sachsen-Anhalter Staatsvertrag). Bald folgte der Vertrag zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Land Brandenburg sowie dem Freistaat Sachsen über die Errichtung des Bistums Görlitz vom 4. Mai 199415. Der Brandenburgisch-Sächsische Vertrag über die Errichtung des Bistums Görlitz sieht die Besetzung des Bischöflichen Stuhles entsprechend Art. 6 des Preußischen Konkordats vor (Art. 3 Brandenburgisch-Sächsischer Staatsvertrag). Schließlich kam es zum Abschluß des Vertrags zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Freistaat Thü8

GVBl. 1925 S. 53; AAS 17, 1925, 41 – 54. GS. S. 151; AAS 21, 1929, 521 – 541. Vgl. Wolfgang Rüfner, Geltung des Reichskonkordats, des Preußischen Konkordats und des Preußischen Kirchenvertrags im Beitrittsgebiet, in: Bernd Becker/Hans Peter Bull/ Otfried Seewald (Hrsg.), Festschrift für Werner Thieme zum 70. Geburtstag, Köln/Berlin/Bonn/München 1993, 343 – 352. 10 GVBl. II S. 679; AAS 25, 1933, 389 – 414. 11 GVBl. 1957 S. 20; AAS 49, 1957, 201 – 205. 12 GVBl. S. 191; AAS 57, 1965, 834 – 856. 13 Vgl auch Hartmut Johnsen, Die evangelischen Staatskirchenverträge in den neuen Bundesländern – ihr Zustandekommen und ihre praktische Anwendung: ZevKR 43, 1998, 182 – 222. 14 Sächs. GVBl. S. 1045; AAS 87, 1995, 129 – 137; PfABl. 68, 1995, 11 – 13; AfkKR 163, 1994, 221 – 225. Zu den Implikationen bei Neuerrichtung von Diözesen (Art. 11 RK) vgl. Listl, Die Fortgeltung 319 f. 15 Sächs. GVBl. S. 1058; AAS 87, 1995, 138 – 145; PfABl. 67, 1994, 370 f.; AfkKR 163, 1994, 226 – 229. 9

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ringen über die Errichtung des Bistums Erfurt vom 14. Juni 199416. Der Thüringische Staatsvertrag verweist für die Besetzung des Bischöflichen Stuhles Erfurt lediglich auf Art. 6 des Preußischen Konkordats (Art. 3 Thüringer Staatsvertrag). In den alten Ländern der Bundesrepublik wurde nach der Vereinigung mit der DDR ebenfalls eine partielle Neuordnung der Diözesanzirkumskription vorgenommen, und zwar durch den Vertrag zwischen dem Heiligen Stuhl und der Freien und Hansestadt Hamburg, dem Land Mecklenburg-Vorpommern und dem Land Schleswig-Holstein über die Errichtung von Erzbistum und Kirchenprovinz Hamburg vom 22. September 199417. Darin wurde für die Besetzung des Erzbischofsstuhles Hamburg zwar nicht formal auf die Regelung des Preußischen Konkordats abgestellt, weil der Staat Hamburg dessen Geltung in Zweifel zog, aber dieselbe inhaltlich verbindlich gemacht (Art. 6 Abs. 1 Hamburger Staatsvertrag). Danach gelang dem Heiligen Stuhl die Vereinbarung eines umfangreichen Vertrages mit dem Freistaat Sachsen18. Der Sächsische Staatsvertrag vom 2. Juli 1996 verweist für die Besetzung kirchlicher Ämter in den Bistümern Görlitz und Magdeburg auf die Bestimmungen der jeweiligen Verträge über die Bistumserrichtung (Art. 13 Abs. 1 Sächsischer Staatsvertrag), für die Besetzung des Bischöflichen Stuhls DresdenMeißen auf Art. 14 des Reichskonkordats (Art. 13 Abs. 2 Sächsischer Staatsvertrag). Das zugehörige Schlußprotokoll präzisiert Art. 14 Abs. 1 S. 2 RK „in Verbindung mit den dort in bezug genommenen Bestimmungen“. Schließlich erfolgte am 15. Januar 1998 der Abschluß eines Vertrages zwischen dem Apostolischen Stuhl und dem Land Sachsen-Anhalt19. Nach Art. 11 des Einigungsvertrages vom 31. August 1990 ist (auch) das Reichskonkordat im Territorium der einstigen DDR geltendes Recht geworden20. Der Preußische Kirchenvertrag ist dort ebenfalls verbindlich21. Er bindet die neuen Länder im Osten Deutschlands und Berlin22. In fast all diesen Verträgen ist von Listen von Bischofskandidaten die Rede. Das Listenverfahren ist insofern Bestandteil vertraglicher Abmachungen.

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GVBl. Thüringen 1994 S. 790; AAS 87, 1995, 145 – 154; PfABl. 68, 1995, 9 – 11; AfkKR 163, 1994, 230 – 234. 17 AAS 87, 1995, 154 – 164; PfABl. 68, 1995, 40 – 43. 18 Sächs. GVBl. S. 17; AAS 89, 1997, 613 – 650; AfkKR 165, 1996, 603 – 632. Vgl. Klaus Weber/Rolf Raum, Die Besetzung kirchlicher Ämter nach dem katholischen Kirchenvertrag Sachsen vom 2. Juli 1996: AfkKR 165, 1996, 414 – 436. 19 AAS 90, 1998, 470 – 502. 20 Rüfner, Geltung 346. 21 Rüfner, Geltung 350. Zur Geltung des Reichskonkordats und des Preußischen Konkordats innerhalb der DDR und nach deren Auflösung vgl. Listl, Die Fortgeltung 333 f.; derselbe, Die Bistumsgrenzen 251 – 253. 22 Rüfner, Geltung 351.

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II. Die Arten von Listen Es existiert eine beträchtliche Zahl von Arten der Listen. Der Apostolische Stuhl kennt bei den Listenverfahren keine Uniformität, sondern eine beträchtliche Mannigfaltigkeit. Schon die Vielzahl der Listen ist aufschlußreich und aussagekräftig. Erstens sind die dem Heiligen Stuhl einzureichenden und die vom Heiligen Stuhl vorgelegten Listen zu unterscheiden. Listen kommen aus der Ortskirche bzw. aus den Ortskirchen und gehen zur Ortskirche. Zweitens ist zwischen Listen im absoluten und solchen im relativen Listenverfahren zu unterscheiden. Die ersteren sind von der Erledigung des Bischofsstuhles unabhängig, die letzteren sind für den Erledigungsfall vorgesehen. Es ist ersichtlich, daß Listen im relativen Listenverfahren von gesteigerter Bedeutung sind. Alle Verträge kennen das relative, aber nicht alle das absolute Listenverfahren. Im Preußischen Konkordat und in den ihm folgenden Verträgen sind absolute Listen nicht vorgesehen. Der Heilige Stuhl ist jedoch nicht gehindert, ohne Bezugnahme auf das Konkordat und ohne Deckung durch das Konkordat in regelmäßigem oder unregelmäßigem Abstand Listen von Kapiteln und Bischöfen einzufordern. In Österreich ist nur das relative Listenverfahren vorgesehen23. Das absolute Listenverfahren ergänzt die rechtliche Unverbindlichkeit der Vorschläge nach der Seite der tatsächlichen Unverbindlichkeit24. Sodann werden Listen von verschiedenen Personen und Personengruppen erstellt. Listen der Domkapitel stehen neben solchen der Bischöfe. Das unabhängige Nebeneinander von Bischofslisten und Kapitelslisten ist wohlüberlegt, berechtigt und günstig. Dadurch kann ein Ausgleich des je verschiedenen Blickwinkels von Diözesanbischöfen und Domkapiteln erreicht werden. In Österreich sind die Domkapitel an der Einreichung von Listen nicht beteiligt. Daß nur Bischöfe Bischofskandidaten sollen vorschlagen können, ist dagegen bedenklich. Denn sie werden das Maß von sich selbst nehmen und demgemäß diesem Maß nicht entsprechende Priester regelmäßig nicht nennen. Die Liste des Kapitels ist eine solche des Kollegiums. Ihre Aufstellung hat daher in einer Kapitelssitzung durch Mehrheitsbeschluß zu erfolgen25. Die Gewichtung von Kapitelslisten und Bischofslisten ist in den einzelnen Konkordaten verschieden. In den bayerischen Diözesen ist der Vorrang des Kapitels vor den Bischöfen eindeutig. Denn während dieses sowohl am absoluten wie am relativen Listenverfahren beteiligt ist, sind die bayerischen Bischöfe auf die Teilnahme am absoluten Verfahren beschränkt (Art. 14 § 1 Bayerisches Konkordat). Anders ist es im Erzbistum Freiburg und in den Diözesen, die gemäß dem Reichskonkordat dem Badischen Konkordat folgen. Absolutes und relatives Listenverfahren sind hier zwischen Erzbischof (bzw. Bischof) und Domkapitel aufgeteilt. Der Erzbischof (bzw. Bischof) hat dabei einen gewissen Vorrang vor dem Metropolitankapitel 23

AAS 26, 1934, 249 – 283 (Art. IV § 1). Link, Die Besetzung der kirchlichen Ämter 214. 25 Winfried Aymans, Kollegium und kollegialer Akt. Eine rechtsbegriffliche Untersuchung insbesondere aufgrund des Codex Iuris Canonici (= Münchener Theologische Studien. III. Kanonistische Abteilung 28. Bd.), München 1969. 24

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(bzw. Domkapitel). Er reicht dem Heiligen Stuhl alljährlich eine Liste ein, wodurch sich in Rom normalerweise viele Listen häufen. Das Metropolitankapitel (bzw. Domkapitel) reicht nur einmal, eben im Erledigungsfalle, eine Liste ein. Schließlich ist bei den von Bischöfen aufgestellten Listen zwischen jenen, die jeder Bischof für sich, und anderen, die von mehreren bzw. allen Bischöfen gemeinsam verfertigt werden, zu unterscheiden. Der erste Modus findet in den vom Preußischen Konkordat umfaßten Diözesen Anwendung, der zweite in den Bistümern, die dem Bayerischen Konkordat folgen. Die Bischöfe der Freisinger Bischofskonferenz stellen gemeinsam die Triennalliste der dem Heiligen Stuhl vorzuschlagenden Kandidaten auf26. Die bayerischen Domkapitel verfertigen dagegen je für sich die Triennalliste. Im Österreichischen Konkordat ist geklärt, daß die Diözesanbischöfe je als einzelne eine Liste vorlegen (Art. IV § 1 Abs. 2). Dieser Modus ist dem anderen vorzuziehen. Wo immer Mehrheiten verlangt werden, besteht die Gefahr, daß herausragende Persönlichkeiten auf der Strecke bleiben.

III. Gemeinsame Grundsätze Dem Listenverfahren für die Ernennung von Diözesanbischöfen sind einige Grundsätze gemeinsam: 1. Das Listenverfahren dient, soweit es von unten nach oben geht, der Empfehlung von Kandidaten durch Bischöfe und Domkapitel. Die Listen sollen den Heiligen Stuhl über zum Bischofsamt geeignete Personen unterrichten. Sie haben (abgesehen vom Bayerischen Konkordat) nicht den Zweck, dem Heiligen Stuhl Personen zu benennen, aus denen er den Bischof ernennt, sondern ihm Kandidaten namhaft zu machen, aus denen er dem wahlberechtigten Kapitel einen Dreiervorschlag unterbreitet; denn die außerbayerischen Domkapitel besitzen das konkordatär verankerte Recht, die designatio personae vorzunehmen. 2. Die Nennung von Kandidaten und die Einreichung von Listen sind als strenge Pflichten dem recht gebildeten Gewissen des einzelnen auferlegt. Einzig das Wohl der Kirche, die Ehre Gottes und das Heil der Seelen dürfen den Kapiteln und den Bischöfen als Leitlinie dienen. Eigennützige oder fremde Motive haben auszuscheiden. Das Preußische Konkordat fordert kanonische Eignung (Art. 6 Abs. 1 Preußisches Konkordat), ebenso das Badische Konkordat (Art. III Abs. 1 Badisches Konkordat). Die kanonische Eignung bestimmt sich erstrangig nach c. 378 § 1. Bei der Aufstellung der Liste ist auch an die Erfordernisse des Art. 9 Abs. 1 Preußisches Konkordat, Art. VII Badisches Konkordat und Art. 13 § 1 Bayerisches Konkordat zu denken. Das Bayerische Konkordat verlangt Würdigkeit für das Bischofsamt und Eignung für die Leitung der bzw. einer Diözese (Art. 14 § 1 Bayerisches Konkordat). Für die Nennung auf den Kandidatenlisten kommen in erster Linie Priester jener Diözese in Frage, deren Bischofsstuhl zur 26

Mörsdorf, Das neue Besetzungsrecht 112.

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Besetzung ansteht. Nun dürfte es in vielen Diözesen schwer sein, drei Priester zu finden, die für die Ernennung zum Bischof geeignet sind. Dann bietet sich einmal an, daß die für die Aufstellung der Listen Verantwortlichen sich unter den Priestern der Institute des geweihten Lebens und der Gesellschaften des apostolischen Lebens (cc. 573 – 746) umsehen. Sodann empfiehlt es sich, den Blick in andere Bistümer zu richten. Mit Hilfe entsprechender Erkundigungen kann es gelingen, dort kanonisch geeignete Kandidaten ausfindig zu machen. Die Listen, die vom Heiligen Stuhl kommen, enthalten nur Personen, denen der Heilige Stuhl die Eignung eben durch die Aufnahme in eine Liste zuerkennt. 3. Eine Liste ist die Reihung mehrerer Kandidaten. Ohne eine Mehrheit derselben kann man von einer Liste nicht sprechen. Die Zahl der Personen, die auf die Listen zu setzen sind, welche dem Heiligen Stuhl zugehen, ist nirgendwo angegeben oder festgelegt. Sicher ist nur, daß sie mehrere Personen umfassen müssen. Jedes Kapitel und jeder Bischof können beliebig viele Kandidaten vorschlagen. Die Ernsthaftigkeit, die bei der Aufstellung einer Liste verlangt wird, verbietet jedoch eine uferlose Zahl. Wenn man davon ausgeht, daß der Heilige Stuhl in die Lage versetzt werden soll, aus einem Reservoir von Kandidaten zu schöpfen, und daß die von ihm zurückzusendende Liste drei Namen umfassen muß, wird sich drei als Mindestzahl geeigneter Kandidaten anbieten. Da nirgends nur eine einzige Liste dem Heiligen Stuhl als Grundlage seiner Auswahl dient, könnte dort, wo beim besten Willen nicht mehr als zwei geeignete Kandidaten gefunden werden, eine Zweierliste noch dem Erfordernis entsprechen. Nach der gängigen Praxis empfehlen die Apostolischen Nuntien in der Regel den Domkapiteln, vielleicht auch den Diözesanbischöfen, möglichst viele Namen auf die Listen zu setzen. Dadurch wird zwar die Arbeit des Heiligen Stuhles vermehrt, aber auch der Blick erweitert. Gewiß werden auf der jährlich einzureichenden Liste der Bischöfe von Freiburg, Mainz, Rottenburg und Dresden-Meißen und auf den alle drei Jahre zusammenzustellenden Listen der bayerischen Bischöfe und Kapitel sich manche Namen wiederholen. Doch könnte gerade die mehrfache Aufnahme in eine Liste der Ausdruck der Wertschätzung dieser Person durch den oder die Aufsteller sein. Jedem Bischof bleibt es unbenommen, unabhängig von einer Liste dem Apostolischen Stuhl einen oder mehrere Kandidaten entweder ohne oder mit Rücksicht auf einen bestimmten Bischofssitz zu benennen. 4. Die vorgeschlagenen Kandidaten können an sich in beliebiger Reihenfolge auf der Liste aufgeführt werden. Dies gilt sowohl für die an den Heiligen Stuhl einzureichenden als auch für die von ihm kommenden Listen. Werden die Namen in alphabetischer Ordnung genannt, kann nicht der Eindruck einer Reihung nach Qualität entstehen. Wird dagegen eine andere Abfolge gewählt, könnte der Anschein erweckt werden, die Aufeinanderfolge sei nach Eignung und Wünschbarkeit gestaltet worden. Insbesondere liegt bei der Liste des Heiligen Stuhles die Vermutung nahe, daß die drei Kandidaten in der Reihenfolge: maxime idoneus, magis idoneus und idoneus auf die Liste gebracht werden.

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Doch ist eine solche Stufung rechtlich unerweislich und für die zu tätigende Wahl unerheblich. 5. Was die dem Apostolischen Stuhl vorzulegenden Listen angeht, konkurrieren in den meisten Fällen Listen der Bischöfe und der Domkapitel. Ob der Apostolische Stuhl den Vorschlägen der Diözesanbischöfe oder jenen der Domkapitel größeres Gewicht einräumt, ist aus dem Verfahren selbst weder zu erkennen noch zu erschließen. Ein gewisser Unterschied läßt sich aus der Zahl und Häufung der Listen herleiten. Das Bayerische Konkordat sieht drei Arten von Kandidatenlisten vor: die alle drei Jahre von den bayerischen Diözesanbischöfen gemeinsam aufgestellten Listen, die ebenfalls in jedem dritten Jahr von jedem bayerischen Domkapitel einzeln verfertigten Listen und die im Erledigungsfall von dem Domkapitel der verwaisten Diözese eingereichte Liste. Hier scheint das Übergewicht bei den Listen der Domkapitel zu liegen. Anders ist es in der Regelung des Badischen Konkordates. Dort liegt das stärkere Gewicht infolge der Häufigkeit auf den jährlich vom Diözesanbischof einzureichenden Listen. 6. Über allen Listen steht das Gebot der Geheimhaltung. Die Domkapitel und die Diözesanbischöfe haben die Namen der von ihnen benannten Personen vor anderen, die nicht zum Kapitel gehören, und vor anderen Bischöfen zu verschweigen. Die Liste, die der Papst dem Kapitel übersendet, ist ebenfalls der Öffentlichkeit zu verbergen; ihre Kenntnis darf über das beteiligte Kapitel nicht hinausgelangen. Die Namen der Personen, die auf den Listen des Domkapitels und der beteiligten Diözesanbischöfe stehen, werden auch tatsächlich normalerweise nicht bekannt. Anders steht es um die Dreierliste des Heiligen Stuhles. Die darin benannten Personen bleiben häufig wegen Indiskretionen Beteiligter nicht verborgen. Die Geheimhaltung der Namen ist weise. Denn das Bekanntwerden der Vorschläge führt regelmäßig zu Polemik, die sich meist gegen den Heiligen Stuhl richtet 7. Ein weiteres Prinzip des Listenverfahrens ist die rechtliche Unverbindlichkeit der Vorschläge, die von Bischöfen und Domkapiteln dem Heiligen Stuhl zugehen. Der Papst ist rechtlich nicht gehalten, eine der vorgeschlagenen Personen zum Bischof zu ernennen. Von diesem Grundsatz weicht lediglich das Bayerische Konkordat ab. Die Beschränkung des Heiligen Stuhls bei der Ernennung eines Bischofs auf die jemals in einer Liste genannten Kandidaten gibt der Mitwirkung der bayerischen Bischöfe und Kapitel eine gesteigerte Bedeutung. Die bayerische Regelung bedeutet tatsächlich eine „Bresche“, die in die rechtliche Unverbindlichkeit des Listenverfahrens geschlagen wurde27. Umgekehrt bringt die Nennung auf einer Liste für die vorgeschlagenen Personen keine Rechte oder Anwartschaften mit sich. 8. In den Fällen, in denen die Domkapitel aus einer ihnen vom Heiligen Stuhl zugegangenen Liste den Diözesanbischof zu wählen haben, betätigt der Papst 27

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sein Recht zur Ernennung der Bischöfe in der Form der Bestätigung (confirmatio). Der Bestätigung geht die Prüfung der Eignung voraus. Sie entfällt bei den Wahlen, die aus einem päpstlichen Dreiervorschlag getätigt werden, weil der Papst den Personen, die er auf die Liste gesetzt hat, die Eignung im vorhinein zugesichert hat. In den unter dem Bayerischen Konkordat stehenden Bistümern geschieht die Ernennung durch freie Verleihung.

IV. Die Aufstellung der Kandidatenlisten in den deutschen Bistümern 1. Recht und Pflicht zum Einreichen von Listen Die Befugnis, dem Heiligen Stuhl eine Zusammenstellung von Personen, die für das Bischofsamt geeignet erscheinen, einsenden zu dürfen, ist ein vertraglich festgelegtes Recht28. Die berufenen Vertreter der Ortskirchen werden auf diese Weise an der Auswahl der Personen, die für die Leitung einer Diözese in Frage kommen, beteiligt. Das Recht, eine Liste von Bischofskandidaten einzureichen, ist auch eine Pflicht. Sie hat ihre Grundlage im kirchlichen, staatlichen und vertraglichen Recht. Eine Frist für die Einreichung der Listen ist in den deutschen Konkordaten nicht vorgesehen (anders im Österreichischen Konkordat Art. IV § 1 Abs. 2). Hilfsweise wird auf c. 158 § 1 CIC/1983 zu rekurrieren sein. a) Säumnis Domkapitel und Diözesanbischöfe können mit der Erstellung der Listen zögern oder sie gar unterlassen. Beides kann ohne Schuld oder schuldhaft, ohne Absicht oder mit Absicht erfolgen. In diesem Falle darf und muß der Heilige Stuhl das Kapitel oder die Bischöfe mahnen und an ihre Pflicht erinnern. Denn er hat sich verpflichtet, erst zur Aufstellung seiner Liste bzw. (in Bayern) zur Ernennung zu schreiten, nachdem ihm die Listen der Domkapitel bzw. Bischöfe zugegangen sind; er ist also grundsätzlich gebunden, deren Eingang abzuwarten. Indes kann eine unerträgliche Verzögerung oder die definitive Weigerung, eine Liste einzureichen, nicht zu der dauernden Vakanz des Bischofsstuhles führen. Das Wohl der Kirche und das Heil der Seelen fordern die Besetzung (vgl. c. 151). Hinter diesem Gesichtspunkt hat die Beteiligung Untergebener bei dem Vorgang zurückzutreten. Das heißt: Der Ausfall des Domkapitels bzw. der Bischöfe macht den Heiligen Stuhl frei in der Bestellung. Es greift dann die unwiderlegbare Vermutung Platz, daß die Berechtigten auf die Inanspruchnahme ihres Rechtes für diesmal verzichtet haben.

28 Zu der Begründung der Nichtbeachtung von Art. 14 Abs. 1 S. 2 RK bei der Bestellung des Bischofs von Dresden-Meißen (zu Zeiten des Bestandes der DDR) vgl. Listl, Die Bistumsgrenzen 252, A. 35.

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b) Einmaligkeit Das Domkapitel hat einmal eine Liste von Kandidaten einzusenden, die es zur kanonischen Besetzung des vakanten Bischofsstuhles für geeignet hält. Die Einreichung mehrerer Listen ist mithin nicht zulässig. Dasselbe gilt für die Listen der Diözesanbischöfe. Die nachträgliche Übersendung einer neuen oder (angeblich) verbesserten Liste ist vertragswidrig und unbeachtlich. Ein Reuerecht ist nicht vorgesehen. 2. Beteiligte Personen An der Aufstellung der Listen geeigneter Bischofskandidaten sind in den deutschen Bistümern ausschließlich Domkapitel und Diözesanbischöfe beteiligt. Weitere Personen werden von Rechts wegen nicht herangezogen. a) Durch die Kapitel aa) Bestand In Bayern unterbreitet bei Erledigung eines erzbischöflichen oder bischöflichen Sitzes das beteiligte Kapitel dem Heiligen Stuhl unmittelbar eine Liste von Kandidaten, die für das bischöfliche Amt und für die Leitung der erledigten Diözese geeignet sind (Art. 14 § 1 Bayerisches Konkordat). Jedes bayerische Domkapitel reicht dem Heiligen Stuhl außerdem jedes dritte Jahr eine Liste von Kandidaten ein (Art. 14 § 1 Bayerisches Konkordat). Die Zusammensetzung der bayerischen Domkapitel ist in Art. 10 § 1 Buchst. b Bayerisches Konkordat festgelegt. Im Lande Baden (Erzbistum Freiburg) reicht nach Erledigung des Erzbischöflichen Stuhles das Domkapitel eine Liste kanonisch geeigneter Kandidaten ein (Art. III Abs. 1 S. 1 Badisches Konkordat). Das Freiburger Metropolitankapitel bestand im Jahre 1932 aus dem Dompropst, dem Domdekan und fünf residierenden Domkapitularen (Art. II Abs. 4 Badisches Konkordat). Es hat jetzt zwei Dignitäten und acht Kanonikate29. Das Rottenburg-Stuttgarter Domkapitel besteht aus elf Mitgliedern, wovon eines der Domdekan ist30. Das Preußische Konkordat beließ es hinsichtlich der Zusammensetzung der Domkapitel grundsätzlich bei der Regelung, welche die Zirkumskriptionsbulle „De salute animarum“ vom 16. Juli 1821 getroffen hatte31. Doch wurden in Art. 2 Abs. 7 einige Änderungen getroffen. Das Preußische Konkordat sah nämlich für Aachen und Berlin die Errichtung eines Bischofsstuhles und eines Kathedralkapitels vor (Art. 2 Abs. 2 und 6 Preußisches Konkordat); die Zusammensetzung des letzteren wurde in Art. 2 Abs. 7 geordnet. Das Kathedralkapitel in Aachen besteht aus dem Propst, sechs residierenden und vier nichtresidierenden 29

Satzung vom 11. Oktober 1995 (AfkKR 164, 1995, 483 – 496) (2. Kapitel § 3). Satzung vom 2. Februar 1993 (AfkKR 162, 1993, 243 – 246) Art. 3 Abs. 1. 31 GS. 1821 S. 114. 30

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Kapitularen (Art. 2 Abs. 7 Preußisches Konkordat). Das Kathedralkapitel in Berlin besteht aus dem Propst, fünf residierenden Kapitularen und einem nichtresidierenden Kapitular (Art. 2 Abs. 7 Preußisches Konkordat). Darüber hinaus wurde (von Frauenburg und Breslau wird hier abgesehen) in Hildesheim und Fulda die Zahl der residierenden Domkapitulare auf fünf erhöht (Art. 2 Abs. 7 Preußisches Konkordat). Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde eine Anzahl von Bistümern neu errichtet. Es handelt sich um die Diözesen Essen, Magdeburg, Erfurt, Görlitz und das Erzbistum Hamburg. Sie erhielten ausnahmslos ein Domkapitel. Das Kathedralkapitel in Essen besteht aus dem Propst, sechs residierenden und vier nichtresidierenden Kapitularen (§ 4 Nordrhein-Westfälischer Staatsvertrag). Das Magdeburger Kathedralkapitel ist aus dem Dompropst, vier residierenden und drei nichtresidierenden Domkapitularen zusammengesetzt (Art. 4 Abs. 3 Sachsen-Anhalter Staatsvertrag). Das Görlitzer Kathedralkapitel hat einen Dompropst und fünf residierende Domkapitulare (Art. 4 Abs. 1 Brandenburgisch-Sächsischer Staatsvertrag). Im Erfurter Kathedralkapitel gibt es den Propst, vier residierende und drei nichtresidierende Kapitulare (Art. 4 Abs. 1 Thüringischer Staatsvertrag)32. Dem Hamburger Metropolitankapitel gehören der Dompropst, fünf residierende und drei nichtresidierende Domkapitulare an (Art. 4 Abs. 1 Hamburger Staatsvertrag). bb) Verfahren An der Aufstellung der Liste (und an der Wahl) nehmen einmal die residierenden Domkapitulare teil. Dazu treten jedoch die nichtresidierenden Domkapitulare. Diese Beteiligung ist geradezu die entscheidende Befugnis, die ihnen zukommt. Das Preußische Konkordat stellt für die im Gebiet des (ehemaligen) Preußen liegenden Bistümer fest, daß bei der Aufstellung der Kandidatenliste (und bei der Wahl) die nichtresidierenden Domkapitulare mitwirken (Art. 6 Abs. 2 Preußisches Konkordat). Nichtresidierende Domkapitulare gab es bei Abschluß des Preußischen Konkordates in Köln, Breslau, Paderborn, Trier, Münster, Ermland und Limburg33. Die Domkapitel in Fulda, Hildesheim und Osnabrück besaßen keine nichtresidierenden Domkapitulare. Das Niedersächsische Konkordat fügte den Kathedralkapiteln in Hildesheim und Osnabrück je zwei nichtresidierende Domkapitulare hinzu (Art. 3 Abs. 4 Niedersächsisches Konkordat), die gemäß Art. 6 Abs. 2 des insofern für Niedersachsen übernommenen Preußischen Konkordates bei der Aufstellung der Kandidatenliste (und bei der Wahl) mitwirken (Art. 3 Abs. 5 Niedersächsisches Konkordat). Das Preußische Konkordat richtete nichtresidierende Kapitulare auch in Aachen (4) und Berlin (1) ein (Art. 2 Abs. 7 Preußisches Konkordat), dagegen nicht in Fulda. Sie sind ebenfalls an der Aufstellung der Liste (und an der Wahl) beteiligt. Dasselbe gilt für die neuerrichteten Bistümer. Bei der Aufstellung der 32 33

Satzung vom 23. Juni 1995 (AfkKR 164, 1995, 154 – 158) § 1 Abs. 2. Listl, Die Konkordate und Kirchenverträge II, 731.

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Kandidatenliste (und bei der Wahl) wirken die nichtresidierenden Domkapitulare stets mit (Art. 4 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 Hamburger Staatsvertrag; Art. 4 Abs. 1 Sachsen-Anhalter Staatsvertrag; Art. 4 Abs. 1 mit Art. 3 Thüringischer Staatsvertrag). Art. II Abs. 6 und 7 des Badischen Konkordats sieht die Bestellung von vier nichtresidierenden Ehrendomkapitularen vor, die bei der Aufstellung der Kandidatenliste (und bei der Wahl) gleichberechtigt mitwirken (Art. III Abs. 3 Badisches Konkordat)34. In den Diözesen Mainz, Rottenburg-Stuttgart, Dresden-Meißen und Görlitz sowie in den vom Bayerischen Konkordat umfaßten Bistümern existieren keine nichtresidierenden Domkapitulare, die an der Aufstellung der Liste (und an der Wahl) beteiligt werden könnten. b) Durch Bischöfe aa) Im Fall der Erledigung Das Preußische Konkordat sieht vor, daß nach Erledigung eines Erzbischöflichen oder Bischöflichen Stuhles (im Geltungsbereich dieses Vertrages)35 (sowohl das betreffende Metropolitan- oder Kathedralkapitel als auch) die (alle) Diözesanerzbischöfe und -bischöfe „Preußens“ dem Heiligen Stuhl Listen kanonisch geeigneter Kandidaten einreichen (Art. 6 Abs. 1 Preußisches Konkordat). Jeder Bischof reicht für sich, ohne kollegiale Beschlußfassung oder andersgeartete Abstimmung mit den anderen Bischöfen, eine Liste ein. Als Bischöfe, die nach dem jetzigen Stand der Zirkumskription berechtigt und verpflichtet sind, bei der Erledigung des Bischofsstuhles im Gebiet des ehemaligen Landes Preußen Listen kanonisch geeigneter Kandidaten einzureichen, kommen in Frage: die Bischöfe bzw. Erzbischöfe von Hamburg, Hildesheim und Osnabrück, von Köln, Aachen, Essen, Limburg und Trier, von Paderborn, Fulda, Magdeburg und Erfurt, von Berlin und Görlitz. Der Hamburger Staatsvertrag faßt die berechtigten Bischöfe bündig zusammen. Danach reichen zur Neubesetzung des Erzbischöflichen Stuhles Hamburg (sowohl das Metropolitankapitel Hamburg als auch) die Diözesanerzbischöfe und -bischöfe der Kirchenprovinzen Hamburg, Köln und Paderborn, der Erzbischof von Berlin und der Bischof von Görlitz dem Heiligen Stuhl Listen kanonisch geeigneter Kandidaten ein (Art. 6 Abs. 1 Hamburger Staatsvertrag). bb) Außerhalb des Erledigungsfalls Das Bayerische und das Badische Konkordat beteiligen die Bischöfe im Erledigungsfall nicht an der Besetzung des Bischofsstuhles durch Einsendung einer Liste. Dafür werden die in diesen beiden Konkordaten erfaßten Diözesanbischöfe außerhalb des Falles der Erledigung eines Bischofsstuhles am Listenverfahren beteiligt. Die bayerischen Bischöfe senden alle drei Jahre dem Heiligen Stuhl eine 34 35

Vgl. die Satzung vom 11. Oktober 1995 (AfkKR 164, 1995, 485) 1. Kapitel § 1 Abs. 4. Vgl. Listl, Die Fortgeltung 333 f.

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Liste von Kandidaten ein. Es handelt sich um die Bischöfe von München, Augsburg, Passau, Regensburg, Bamberg, Würzburg, Eichstätt, Speyer (Art. 14 § 1 Bayerisches Konkordat). Der Erzbischof von Freiburg reicht jährlich eine Liste von Kandidaten ein (Art. III Abs. 1 S. 1 Badisches Konkordat). Was für Freiburg gilt, ist auf Mainz, Rottenburg-Stuttgart und Dresden-Meißen anzuwenden (Art. 14 Abs. 1 Reichskonkordat). Im Unterschied zu Preußen (bzw. dessen Nachfolgestaaten) und Bayern wird im Badischen Konkordat lediglich dem eigenen Bischof das Recht zugestanden, jedes Jahr eine Liste geeigneter Kandidaten einzureichen. Darin liegt eine unerfreuliche Verengung.

V. Die Würdigung der von den Kapiteln und Bischöfen eingereichten Listen 1. Allgemeine Regelung In den Konkordaten und Kirchenverträgen ist wiederholt von der Pflicht des Heiligen Stuhles die Rede, die Listen, die ihm von Domkapiteln und Diözesanbischöfen zugehen, zu würdigen, so in Art. 6 Abs. 1 Preußisches Konkordat, Art. III Abs. 1 S. 2 Badisches Konkordat und in Art. 6 Abs. 1 Hamburger Staatsvertrag. Der Vertrag des Heiligen Stuhles mit dem Freistaat Sachsen spricht in der Präambel allgemein von der „Würdigung“ des Vertrages des Freistaates Preußen mit dem Heiligen Stuhl36. Würdigen bedeutet, einem Gegenstand gebührende Aufmerksamkeit und Beachtung schenken, ihn in seine Überlegungen einbeziehen. Mehr ist aus dem Begriff nicht herauszulesen. Die Regierungsbegründung zum Preußischen Konkordat überdehnt den Begriff der Würdigung, wenn sie bemerkt, der Heilige Stuhl habe sich verpflichtet, die Vorschläge des Kapitels und der Diözesanbischöfe „so zu würdigen, daß er die dem Kapitel zu benennenden Personen möglichst aus ihnen entnehmen wird“37. Die Würdigung ist ohne diese Beschränkung festgelegt. Die Regierungsbegründung zum Preußischen Konkordat erklärt denn auch danach richtig, daß der Heilige Stuhl nicht auf die in den Listen genannten Namen beschränkt ist38. Die Listen sind mithin insofern rechtlich unverbindlich. Das bedeutet: Das „Würdigen“ der Listen, zu dem der Heilige Stuhl gehalten ist, kann ihn nicht davon abhalten, einen Dreiervorschlag zu erstellen, auf dem weder die Vorschläge des Domkapitels noch jene der Diözesanbischöfe Platz gefunden haben. Im Österreichischen Konkordat wird ausdrücklich erklärt, daß der Heilige Stuhl an die Listen (der Diözesanbischöfe) nicht gebunden ist (Art. IV § 1 Abs. 2).

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AAS 89, 1997, 613. Listl, Die Konkordate und Kirchenverträge II, 730 f. 38 Listl, Die Konkordate und Kirchenverträge II, 730.

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2. Bayerische Sonderregelung Eine Ausnahme von dieser Rechtslage besteht nur für die bayerischen Diözesen. Der Heilige Stuhl hat sich verpflichtet, nur eine Person zu ernennen, die wenigstens einmal auf einer Liste der bayerischen Domkapitel oder der bayerischen Bischöfe genannt worden war (Art. 14 § 1 Bayerisches Konkordat). Die Regierungsbegründung zum Bayerischen Konkordat erblickte den Wert dieses Zugeständnisses darin, „daß nur ein von einer bayerischen kirchlichen Körperschaft empfohlener Priester auf einen bayerischen Bischofsstuhl gelangen kann“39. Diese Bemerkung ist zutreffend. So viele Änderungen das Bayerische Konkordat in den vergangenen Jahren erfahren hat, der Art. 14 blieb davon unberührt. Es erhebt sich die Frage, ob und wie die bayerische Staatsregierung Gewißheit darüber erlangen kann, daß sich der Heilige Stuhl an diese Einschränkung seines freien Ernennungsrechtes gehalten hat. Denkbar wäre eine Anfrage an den Heiligen Stuhl, auf welcher aus Bayern eingereichten Liste der zum Bischof auserwählte Priester gestanden habe. Man wird eine solche Erkundigung nicht von vornherein als von unzulässigem Mißtrauen eingegeben bezeichnen können. Es sind Umstände denkbar, die bei der Staatsregierung berechtigte Zweifel wachrufen, ob eine bestimmte Person jemals auf einer bayerischen Liste aufgeführt worden sei. Man denke etwa an einen norddeutschen Geistlichen, der mit der bayerischen Mentalität gänzlich unvertraut ist. Der Heilige Stuhl wäre gehalten, eine solche Anfrage wahrheitsgemäß zu beantworten. Diese Verpflichtung ergibt sich aus der in Art. 14 § 1 des Bayerischen Konkordats übernommenen Verbindlichkeit. Freilich dürfte in der Regel das Vertrauen in die Vertragstreue des Heiligen Stuhles genügend tief verankert sein, um eine solche Anfrage als überflüssig erscheinen zu lassen.

VI. Die Liste des Heiligen Stuhls 1. Dreierliste Für die endliche Besetzung des Bischofsstuhls einer Diözese, deren Domkapitel das Recht der Wahl besitzt, ist die Liste entscheidend, die der Heilige Stuhl ihm zur Auswahl übersendet. Die Aufstellung dieser Liste ist ausschließlich eine Angelegenheit des Heiligen Stuhls. Die Beteiligung anderer Personen, Kreise oder Institutionen ist nicht vorgesehen. Innerhalb des Heiligen Stuhls sind vor allem die Bischofskongregation und das Staatssekretariat damit befaßt. Die maßgebende Entscheidung liegt beim Papst persönlich. Jede Liste, die der Heilige Stuhl dem an dem Besetzungsvorgang beteiligten Domkapitel zugehen läßt, muß nach den deutschen Konkordaten und Kirchenverträgen drei Namen enthalten40. Auch in Salzburg 39

Listl, Die Konkordate und Kirchenverträge I, 310. Art. 6 Abs. 1 S. 2 Preußisches Konkordat, Art. III Abs. 1 S. 2 Badisches Konkordat, Art. 6 Abs. 1 Hamburger Staatsvertrag. 40

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(Art. IV § 1 Abs. 3 Österreichisches Konkordat) und in Chur41 wird der Bischof aus einem päpstlichen Dreiervorschlag gewählt. Für die Bistümer, deren Bischofsernennung sich nach dem Badischen Konkordat richtet, gilt eine gewichtige Einschränkung bezüglich (mindestens) einer der drei Personen, die dem Domkapitel vorgelegt werden. Unter den drei Benannten muß nämlich wenigstens ein Angehöriger der Erzdiözese Freiburg bzw. des Bistums Mainz, Rottenburg-Stuttgart und Dresden-Meißen sein (Art. III Abs. 1 S. 3 Badisches Konkordat i.V.m. Art. 14 Abs. 1 Reichskonkordat). Die Forderung, wenigstens einen Angehörigen der Diözese, deren Bischofsstuhl vakant ist, auf die Liste zu setzen, ist bedenklich; sie engt den Kreis der in Frage kommenden Personen ungebührlich ein und begünstigt die Inzucht. Die Fakten reden dieserhalb deutlich. Es ist dem Heiligen Stuhl an sich nicht verwehrt, von sich aus, aus eigenem Antrieb, mehr als drei Personen auf die Liste zu setzen; die Bindung an die Zahl drei bezeichnet die unbedingt einzuhaltende Untergrenze. Doch würde er mit einer solchen Praxis einen verhängnisvollen Weg beschreiten. Zum einen umginge er die ausdrücklichen Bestimmungen der Konkordate, die aus guten Gründen auf einer Dreierliste bestehen. Ein Abgehen vom eindeutigen Wortlaut eines Vertrages ist immer mißlich, auch wenn dabei der anderen Vertragspartei kein Unrecht geschieht. Zum anderen wäre das Weiterschreiten zur Nennung von fünf oder sechs Namen nicht mehr ohne weiteres von der Hand zu weisen. Die beinahe inflationäre Vermehrung der Kandidaten müßte jedoch ihrer Qualität Eintrag tun. Schließlich würde auch der Wahlvorgang des Kapitels, der ja eine Einigung auf einen Kandidaten voraussetzt, erheblich erschwert. Deswegen ist der Heilige Stuhl gut beraten, wenn er es ausnahmslos bei der Dreierliste bewenden läßt.

2. Reihung Die drei Namen werden üblicherweise in der Reihenfolge von Ziffern aufgeführt. Die Reihung der drei Namen ist jedoch keine Rangfolge. Rechtlich gesehen hat der an erster Stelle stehende Kandidat keinen Vorrang vor den beiden folgenden. Es mag sein, daß die zuoberst angeführte Person aus der Sicht des Heiligen Stuhles die am meisten gewünschte ist. Aber das Domkapitel ist in keiner Weise gebunden, ihn zum Bischof zu wählen. Die Wahl des an zweiter oder dritter Stelle Stehenden ist ebenso unanfechtbar wie die des zuerst Genannten. Schließlich ist klar, daß jede der drei Personen, die der Heilige Stuhl auf eine Liste zur Wahl eines Diözesanbischofs setzt, nach seinem Urteil für das Bischofsamt geeignet ist (vgl. c. 378 § 2). Der Heilige Stuhl ist gehalten, nur Personen auf die Liste zu setzen, die für die Bestellung zum Bischof ernsthaft in Frage kommen. Dies muß für jeden einzelnen, also für alle drei gelten. Es wäre nicht in Übereinstimmung mit dem Zweck der Liste, wenn zwei von den auf ihr Genannten nicht 41 Heinz Maritz, Das Bischofswahlrecht in der Schweiz. Unter besonderer Berücksichtigung der Entwicklung im Bistum Basel nach Reorganisation, St. Ottilien 1977.

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ernstlich für den zu besetzenden Bischofsstuhl in Frage kämen und diese Zusammenstellung in der Absicht vorgenommen würde, um die Wahl des dritten um so sicherer zu erreichen. Nach meiner Kenntnis ist eine derartige Zusammenstellung von Namen bisher nicht vorgekommen. Freilich gäbe es kein Rechtsmittel gegen ein solches Vorgehen des Heiligen Stuhles. Denn die Entscheidung über die Eignung eines Kandidaten steht, wie gesagt, beim Heiligen Stuhl, und sie ist durch die Aufnahme in die Liste bereits gefallen. 3. Einmaligkeit In allen Konkordaten ist nur von einer singulären Benennung, d. h. von der einmaligen Zusendung einer Liste von Kandidaten für die Besetzung des bischöflichen Stuhles die Rede. Der Heilige Stuhl hat die Liste einmal, d. h. ein einziges Mal vorzulegen. Die Vorlage einer zweiten (oder dritten) Liste entspricht nicht den konkordatären Vorgaben. Wenn, wie es in den Konkordaten heißt, das Kapitel „aus“ den drei vorgeschlagenen Personen den Erzbischof oder Bischof zu wählen hat, dann ergibt sich, daß andere als diese drei in der einzigen Liste benannten Personen nicht zur Wahl stehen. Von der Pflicht zur einmaligen Benennung dreier Kandidaten gibt es nur zwei Ausnahmen. Erster Fall. Wenn die gewählte Person nach Erhebung politischer Bedenken von seiten der Regierung durch den Heiligen Stuhl nicht zum Bischof ernannt wird, muß dem Domkapitel erneut eine Liste von drei Kandidaten vorgelegt werden. Denn der Heilige Stuhl hat sich verpflichtet, das Kapitel aus einem Dreiervorschlag wählen zu lassen. Zweiter Fall. Wenn kanonische Hindernisse, welche die Eignung des Gewählten in Frage stellen, erst nach erfolgter Wahl bekannt werden, dürfte der Heilige Stuhl die Bestätigung verweigern42. Auch in diesem Falle wäre eine neue Dreierliste vorzulegen, aus der das Kapitel die Wahl vorzunehmen hat.

VII. Wahlrecht und Wahlpflicht Für die unter dem Bayerischen Konkordat stehenden Bistümer ist eine über die Einreichung von Listen geeigneter Kandidaten hinausgehende Beteiligung an der Bestellung eines Diözesanbischofs nicht vorgesehen. Die außerbayerischen Domkapitel haben dagegen das Recht, den Diözesanbischof aus einer päpstlichen Dreierliste zu wählen. Das Wahlrecht ist ein vertraglich gebundenes Privileg43. An diesem Charakter hat der CIC/1983 nichts geändert. Derselbe Personenkreis, der die dem Heiligen Stuhl einzureichende Liste erstellt hat, ist auch berufen, die Wahl vorzunehmen. Die Domkapitel (im engeren Sinne) bestehen aus einem Dignitär oder mehreren Dignitären und mehreren residierenden Domkapitularen. Für den 42 43

Mörsdorf, Das neue Besetzungsrecht 131. Mörsdorf, Das neue Besetzungsrecht 133.

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Wahlvorgang treten an die Seite der residierenden Domkapitulare die nichtresidierenden. Das Wahlrecht ist gleichzeitig Wahlpflicht. Der Diözesanbischof ist aus der vom Heiligen Stuhl übersandten Liste zu wählen. Eine andere Pflicht als die, dem Domkapitel eine Liste mit drei Personen zur Wahl vorzulegen, hat der Heilige Stuhl nicht. Es heißt in den Konkordaten stets, daß das Kapitel den Erzbischof oder Bischof „zu wählen hat“. Damit ist ein rechtliches Müssen ausgesprochen. Die Wahlpflicht fordert nicht bloße Wahlversuche, sondern die erfolgreiche Wahl. 1. Verweigerung der Wahl a) Fälle Unter den heutigen Verhältnissen in der katholischen Kirche Deutschlands kann es nicht von der Hand gewiesen werden, daß ein Domkapitel die Dreierliste des Heiligen Stuhles nicht benutzt, um daraus einen Bischof zu wählen, sondern sie ihm, ohne eine Wahl zu tätigen, zurückgibt. Die Rückgabe der Liste an den Apostolischen Stuhl erscheint aus mehreren Ursachen denkbar. Einmal kann sich das Domkapitel aus irgendwelchen Gründen weigern, überhaupt seiner Rolle in dem mehrstufigen Vorgang der Besetzung eines Bischofsstuhles nachzukommen; es mag nicht (aus der Dreierliste des Heiligen Stuhles) wählen. Damit begibt es sich seines vornehmsten Rechtes und verletzt die ihm obliegende Pflicht. Sodann kann das Kapitel durch die Rückgabe der Liste seine Unzufriedenheit mit den auf der Liste stehenden Namen zum Ausdruck bringen. Seine Vorstellungen über die Person, die den verwaisten Bischofsstuhl besteigen soll, erscheinen ihm unvereinbar mit den Kandidaten, die der Heilige Stuhl ausgewählt hat. Man sollte in diesem Zusammenhang auf die neuen Töne, die jüngst bei der Auslegung des Beanstandungsrechtes des Staates bezüglich eines vom Heiligen Stuhl zur Ernennung vorgesehenen Diözesanbischofs angeschlagen wurden, aufmerken. Hier wird eine solche politische Einwendung für den Fall in Aussicht genommen, daß der Heilige Stuhl „eine Liste mit drei aus der Sicht des Domkapitels sämtlich ungeeigneter Kandidaten vorlegt“. Die Staatsregierung werde bei Beanspruchung ihres Beanstandungsrechtes „die Meinungsbildung innerhalb der Ortskirche im Blick behalten müssen“44. Hier wird die jeweilige, parteipolitisch zusammengesetzte und dementsprechend agierende Regierung gleichsam zum Richter in eventuellen Meinungsverschiedenheiten personeller Art zwischen dem Heiligen Stuhl und der „Ortskirche“ eingesetzt. Bemerkenswert ist an dieser Aussage auch, wie rasch sich die „Ortskirche“ auf das Domkapitel reduziert. Die Beobachtung ist ja oft gemacht worden, daß ins Rampenlicht der Medien tretende Personen als Ausdruck der „Basis“ angesehen werden. Die Autoren überbieten ihre Ausführungen noch dort, wo sie auf die Ernennung von Koadjutoren zu sprechen kommen. Hier müsse die Staatsregierung wegen der fehlenden Mitwirkungsrechte der Kapitel „ein beson44

Weber/Raum, Die Besetzung kirchlicher Ämter 425.

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deres Augenmerk auch auf die Belange der Ortskirche haben“45. Für die Autoren scheint das Domkapitel der gegebene, einzige und kompetente Sachwalter und Vertreter der „Belange der Ortskirche“ zu sein. Wenn dieser Sachwalter ausfällt, tritt der Staat für ihn ein und wacht über die „Belange der Ortskirche“. Grotesker kann man die Rechts- und Sachlage kaum verzeichnen. Der erste, oberste und kompetenteste Sachwalter der Belange der Ortskirche (im Rahmen der Gesamtkirche) ist niemand anderer als der Heilige Stuhl. Die Rechtslage ist eindeutig. Der Heilige Stuhl bestimmt, wer auf die Liste kommt, nicht das Domkapitel. Das Unbehagen über die vom Heiligen Stuhl vorgeschlagenen Personen ist kein Grund, um die Wahl aus der übersandten Liste zu unterlassen und die Liste dem Absender zurückzustellen. Bei der Ernennung von Bischöfen sind nun einmal unterschiedliche Gesichtspunkte zu berücksichtigen. Die Entscheidung bei der Abwägung des Für und Wider in bezug auf die Bischofskandidaten ruht bei dem Bischof der Bischöfe, dem Papst46. Ihm muß sich das Domkapitel fügen. Weiter kann es aus inneren Gründen nicht zu einer Entscheidung innerhalb des Domkapitels gekommen sein. Es erscheint denkbar, daß die Versuche, aus der übersandten Liste eine Wahl vorzunehmen, scheitern, weil die Mitglieder des Kapitels sich nicht einigen können. Selbst die weitmaschigen Bestimmungen des c. 119 n. 2 schließen diesen Fall nicht aus. Die Rückgabe der Liste besagt die Weigerung des Domkapitels, seiner Pflicht aus dem Konkordat nachzukommen. Es verfehlt sich dadurch gegen kirchliches und staatliches Recht; denn das Konkordat ist in beiden Rechtsordnungen gesetzliche Norm. b) Folgen Es ist behauptet worden, daß, wenn ein Domkapitel eine Wahl aus der päpstlichen Dreierliste nicht vornehme, der Heilige Stuhl aufgrund der Freundschaftsklausel in Verhandlungen mit der betreffenden Landesregierung eintreten müsse, an deren Ende „das Recht, eine neue Dreierliste anzufordern“ stehen könne47. Diese Ansicht ist unzutreffend. Die Freundschaftsklausel setzt eine Meinungsverschiedenheit der Vertragspartner über die Auslegung einer Bestimmung des Vertrages voraus (Art. 15 § 1 Bayerisches Konkordat, Art. 13 Preußisches Konkordat, Art. XII Badisches Konkordat, Art. 33 Abs. 2 Reichskonkordat, Art. 13 Hamburger Staatsvertrag). Indes liegt hier gar keine Meinungsverschiedenheit über die Auslegung einer Bestimmung des Vertrages vor; über die Interpretation besteht keine 45

Weber/Raum, Die Besetzung kirchlicher Ämter 433. Georg May, Ego N.N. Catholicae Ecclesiae Episcopus. Entstehung, Entwicklung und Bedeutung einer Unterschriftsformel im Hinblick auf den Universalepiskopat des Papstes (= Kanonistische Studien und Texte Bd. 43), Berlin 1995. 47 Axel Hopfauf, Die Ernennung von Bischöfen nach dem Preußischen Konkordat – Anmerkungen zur Kölner Bischofswahl: Neue Juristische Wochenschrift 42, 1989, 1263 – 1266. 46

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unterschiedliche Ansicht. Beide Vertragsparteien setzen vielmehr keinen Zweifel in die Rechtslage: Das Domkapitel hat zu wählen, der Heilige Stuhl hat zu bestätigen. Die Meinungsverschiedenheit betrifft nicht das Recht, sondern die Person. Das Domkapitel lehnt es ab, aus den ihm vom Heiligen Stuhl benannten Personen eine zu wählen. Für diesen Fall ist die Freundschaftsklausel weder vorgesehen noch anwendbar. Die Weigerung des Domkapitels, mit der Liste zu verfahren, wie es die Vereinbarungen zwischen Kirche und Staat vorsehen, kann nicht dazu führen, daß der vakante Bischofsstuhl unbesetzt bleibt. Sie hat allein zur Folge, daß die Mitwirkung des Domkapitels in diesem Fall unterbleibt. Aus der gebundenen Verleihung des Kirchenamtes wird eine freie. Um in einem solchen Falle zum freien Ernennungsrecht des Papstes zu kommen, ist nicht der Rückgriff auf innerkirchliches Recht (c. 165) erforderlich, sondern lediglich die Anwendung allgemein anerkannter Rechtsgrundsätze. Wenn die Frist, die nach Lage der Dinge für die Ausübung eines Rechtes zumutbar ist, verstrichen ist, tritt Verwirkung48 ein. Verwirkung ist der Verlust eines Rechts als Folge eines gesetz- oder pflichtwidrigen Verhaltens. Als Tatbestandsmerkmale kommen die folgenden in Frage. Der Berechtigte ist in der Lage, sein Recht auszuüben. Er unterläßt die Ausübung des Rechtes überhaupt oder während eines gewissen angemessenen Zeitraumes. Dadurch wird die Lage des Verpflichteten beeinträchtigt. Das Prinzip der Verwirkung folgt aus dem Grundsatz von Treu und Glauben. Dieser besitzt unmittelbare Geltung (auch) im Bereich des öffentlichen Rechts (BverwG 6, 205)49, somit auch im Völkerrecht50. Immer dann, wenn es um die Ausübung eines Rechts gegenüber anderen geht, ist er anwendbar. Das subjektive Recht findet seinen Zweck nicht in sich selbst, sondern dient der Erreichung sozialer Ziele. Angewandt auf unseren Fall: Das Wahlrecht ist dem Domkapitel zugestanden, um bei dem Ziel, der vakanten Diözese ein neues Haupt zu geben, mitzuwirken. Wenn es seine Mitwirkung versagt, ist das unerläßliche Ziel ohne sie zu erreichen. Dies geschieht durch freie Besetzung des Bischofsstuhles. Die Mitwirkung des Domkapitels ist sowieso nur sekundärer Art und grundsätzlich entbehrlich. Der entscheidende Vorgang, die Übertragung des Amtes, liegt in jedem Fall beim Papst.

2. Verlangen nach „Nachbesserung“ der Liste Von der Rückgabe der Liste ist der Fall zu unterscheiden, daß ein Domkapitel lediglich eine oder zwei der drei Personen, die auf der Liste stehen, als „wählbar“ ansieht, sich auf den Standpunkt stellt, es müsse eine Dreierliste „wählbarer“ Per48

Ernst Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts. 1. Bd. Allgemeiner Teil, 10., neubearb. Aufl., München 1973, 172 – 176. 49 Werner Böhmer, Die Verwirkung im öffentlichen Recht: Bayerische Verwaltungsblätter 1956 Heft 5 S. 129 – 132, 173 – 177. 50 Georg Dahm, Völkerrecht, 3 Bde., Stuttgart 1958 – 61, III, 171 f.

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sonen in jedem Falle vorliegen, und die Ersetzung eines Namens oder zweier Namen auf der Liste durch einen anderen oder zwei andere begehrt. Dazu ist Folgendes zu bemerken. Wenn das Domkapitel die Ersetzung eines der drei auf der Liste stehenden Geistlichen durch einen anderen verlangt, dann bekennt es damit mittelbar, daß es die gesamte Liste ablehnt. Denn falls ihm einer von den drei Kandidaten unerwünscht ist, so daß es ihn nicht wählen möchte, kann es ihn übergehen; es bleiben zwei weitere, unter denen es eine Wahl treffen kann. Die Dreierliste wird ja in der Absicht vorgelegt, dem Kapitel Gelegenheit zu geben, zwischen den Kandidaten auszuwählen, d. h. zwei auszuscheiden und sich für den dritten auszusprechen. Deswegen kann die Forderung, den einen Namen auf der Liste durch einen (bestimmten) anderen zu ersetzen, nur dahin verstanden werden, daß das Domkapitel auch keine von den beiden verbleibenden Personen wählen will, sondern den neuen Mann, den es gegen einen auf der Liste stehenden ausgetauscht haben will. Das aber besagt die Ablehnung der gesamten Liste. Wenn das Domkapitel den Ersatz zweier Namen durch andere begehrt, ist die Lage nicht viel anders. Denn wenn ihm zwei von den drei Personen nicht „wählbar“ erscheinen, bleibt ihm immer noch die dritte. Offensichtlich will es aber auch diese Person nicht wählen, d. h. die ganze Liste behagt ihm nicht. Es scheint, daß die vorstehenden Überlegungen nicht bloß theoretische Bedeutung haben. Wenn sich der Apostolische Stuhl auf dieses Tauschgeschäft einläßt, muß er wissen, was er tut. Erstens geht er von seinem vereinbarten Recht ab, ein einziges Mal und einmal für allemal eine Dreierliste vorzulegen. Statt dessen stellt er jetzt vier (oder fünf) Kandidaten zur Auswahl. Zweitens verwandelt sich das Wahlverfahren unter der Hand in eine nur leicht kaschierte Absprache zwischen Domkapitel und Apostolischem Stuhl. Diesem muß klar sein, daß die Ersetzung eines der drei auf der ursprünglichen Liste stehenden Kandidaten durch eine andere (bestimmte) Persönlichkeit bedeutet, daß das Domkapitel keinen der drei auf der originalen Liste befindlichen Geistlichen wählen möchte, sondern eben die Persönlichkeit als Bischof begehrt, die jetzt als Ersatz für eine der drei anfangs die Liste zierenden Person angeboten bzw. gefordert wird. Damit ist das Ende der freien Ernennung der Bischöfe durch den Heiligen Stuhl gekommen. Drittens muß sich der Apostolische Stuhl der Präzedenzwirkung eines derartigen Geschäftes bewußt sein. Der Vorgang, der sich irgendwo in der geschilderten Weise zuträgt, bleibt selbstverständlich nicht geheim. Jedes andere wahlberechtigte Domkapitel kann ihn geltend machen und wiederholen. Damit wird die Normierung der Konkordate unterlaufen, ausgehöhlt und um ihre Wirkung gebracht. Die Initiative, die dem Heiligen Stuhl insofern zukommt, als er (allein) festsetzt, wer auf die Dreierliste kommt und infolgedessen zum Diözesanbischof ernannt werden kann, wird durch ein solches Verfahren zunichte gemacht. Der Heilige Stuhl kann auf diese Weise erpreßt werden. Dazu kommt eine weitere Überlegung. Der Apostolische Stuhl gesteht, indem er dem Begehren des Domkapitels nachkommt, einschlußweise ein, daß seine Auswahl der Personen, die er für den betreffenden Bischofssitz als geeignet ansah, mangelhaft war. Die vorangegangenen Vorschläge, Empfehlungen

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und Recherchen werden auf diese Weise als fragwürdig dargetan. Dem Domkapitel wird dagegen bescheinigt, daß es (angeblich) besser wußte, wer für den zu besetzenden Bischofsstuhl geeignet ist, als der Apostolische Stuhl, der ja die originale Liste zu verantworten hat. Aus diesen Überlegungen kann vor einem solchen Vorgehen auch bloß in einem Einzelfall nur dringend gewarnt werden.

Schluß Der CIC/1983 behält die Ernennung der Bischöfe in der lateinischen Kirche dem Papst vor (c. 377 § 1)51. Auch in den deutschen Bistümern werden somit die Bischöfe vom Papst ernannt. Zur Unterrichtung des Papstes über geeignet scheinende Bischofskandidaten sieht das gemeine Recht ein absolutes und ein relatives Listenverfahren vor (c. 377 §§ 2 und 3). Daran sind lediglich Diözesanbischöfe beteiligt. In den deutschen Konkordaten und Kirchenverträgen ist ein abweichendes Verfahren zur Unterrichtung des Heiligen Stuhles über geeignete Kandidaten für die Ernennung zum Diözesanbischof vertraglich festgesetzt. Danach reichen Diözesanbischöfe und Domkapitel zu diesem Zweck Listen ein. Der Heilige Stuhl beurteilt und bewertet die Listen, ohne an die darin aufscheinenden Namen gebunden zu sein; davon machen allein die im Bayerischen Konkordat erfaßten Diözesen eine Ausnahme. Danach benennt der Papst den außerbayerischen Domkapiteln drei Personen, von denen eine zum Diözesanbischof zu wählen ist. Die Wahl bedarf der Bestätigung durch den Papst. Damit ist der Bischofsstuhl verliehen. In den unter dem Bayerischen Konkordat stehenden Bistümern darf der Papst nur eine Person zum Bischof ernennen, die wenigstens einmal auf einer bayerischen Liste gestanden hat. Das (absolute bzw. relative) Listenverfahren hat sich bei der Besetzung der Bischofsstühle im allgemeinen bewährt. Seine Vorteile liegen in Folgendem. An der Erstellung der Listen ist ein qualifizierter und überschaubarer Personenkreis beteiligt (Diözesanbischöfe und Domkapitel), dem die Kenntnis der an einen Bischof zu stellenden Anforderungen ebenso zuzutrauen ist wie der Überblick über die zur Verfügung stehenden Persönlichkeiten. Die breite Öffentlichkeit bleibt ausgeschaltet, was im Zeitalter der Demagogie und der Massenmedien von unschätzbarem Vorteil ist. Die Behauptung, die Akzeptanz eines Bischofs bei der Bevölkerung nehme in dem Maße zu, in dem örtliche oder heimische Kreise bei seiner Auswahl beteiligt werden, ruht auf einem pseudodemokratischen Fehlschluß. Erst wenn das Vertrauen zum Heiligen Stuhl und seine Autorität so nachhaltig untergraben sind, wie es zumindest in Deutschland seit über 30 Jahren geschehen ist, erhebt sich der Ruf nach stärkerer Beteiligung von Gruppen jener Gläubigen, denen der Bischof vorstehen soll. Die Verbindung von absolutem und relativem Listenverfahren bürgt 51 François Sarrazin, La nomination des évêques dans l’Église latine: Studia Canonica 20, 1986, 367 – 407.

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dafür, daß weder die Ortskirche noch der Heilige Stuhl bei Vakanz eines Bischofsstuhles in Verlegenheit gerät; es kann vielmehr beiderseits auf einen Fonds von Personen zurückgegriffen werden, die als geeignet bezeichnet wurden, einen Bischofsstuhl zu besteigen. Der Mangel, der insofern dem relativen Listenverfahren anhaftet, wird dadurch kompensiert, daß der Kreis der Personen, die dort, wo das relative Verfahren (allein) vorgesehen ist, an der Einreichung von Vorschlägen beteiligt ist, außerordentlich weit gezogen ist und dementsprechend viele Namen dem Heiligen Stuhl unterbreitet werden. Die Nachteile des Listenverfahrens wiegen demgegenüber nicht schwer. Ich sehe sie in Folgendem. Das Listenverfahren ist getragen von einem großen Vertrauen zu den regierenden Bischöfen. Ihnen wird zugetraut, zu wissen, welche Anforderungen an Bischöfe zu stellen sind, und zu erkennen, wer diesen Anforderungen entspricht. Die Vielzahl der Listen, die bei der Vakanz des Bischofsstuhles eines der von der Regelung des Preußischen Konkordats erfaßten Bistümer einzureichen sind, läßt die Frage wach werden, ob die zahlreichen zu ihrer Erstellung befugten Bischöfe imstande sind, die Eignung von Personen für ein bestimmtes, womöglich weit entferntes und unbekanntes Bistum zu beurteilen. Die Listen der bayerischen Bischöfe kommen durch Mehrheitsentscheid zustande. Darin liegt die Gefahr, daß der Durchschnitt oder die herrschende Linie zum entscheidenden Auswahlkriterium wird. Die Verpflichtung aus dem Badischen Konkordat, alle Jahre eine Liste von Bischofskandidaten vorzulegen, erscheint überzogen. So rasch ändert sich das für die Bischofsernennung zur Verfügung stehende Potential von Personen nicht. Die dem Heiligen Stuhl auferlegte Pflicht, in den vom Badischen Konkordat erfaßten Bistümern wenigstens einen Angehörigen derselben auf die Liste zu setzen, erschwert, wie die Erfahrung zeigt, die Besetzung der Bischofsstühle mit auswärtigen Kandidaten. Abschließend ist zu bemerken: Das vorzüglichste Verfahren zur Ermittlung von Bischofskandidaten erbringt kein gutes Ergebnis, falls entsprechend qualifizierte Personen nicht in ausreichender Zahl zur Verfügung stehen.

Das „Hausrecht“ des Pfarrers bzw. des Kirchenrektors Die Gestalt des Pfarrers hat in Vergangenheit und Gegenwart häufig die Aufmerksamkeit kanonistischer Autoren gefunden.1 Die meisten der Schriften, die sich mit ihm befassen, sind für die Praxis bestimmt und widmen der theologischen und rechtlichen Grundlegung der darin beschriebenen Aufgaben und Befugnisse des Pfarrers wenig Aufmerksamkeit. Doch sind auch manche Materien, die für das pfarrliche Wirken von Bedeutung sind, stiefmütterlich behandelt. Dieses Versäumnis gilt im besonderen von dem Gegenstand, dem die folgenden Überlegungen gewidmet sind, von dem sogenannten Hausrecht des Pfarrers oder von seinen sogenannten hausherrlichen Befugnissen. Darunter wird, grob gesagt, in der Regel die Befugnis verstanden, in den Gebäuden und auf den Grundstücken der Kirchengemeinde für Ordnung zu sorgen. Wie sich zeigen wird, darf die so verstandene Ordnungsbefugnis des Pfarrers nicht mit dem Hausrecht des bürgerlichen, des öffentlichen oder des Strafrechts in der staatlichen Rechtsordnung ineinsgesetzt oder verwechselt werden, wenn auch gewisse Berührungen damit bestehen. Die Kirche hat eine eigenständige Macht ihrer Amtsträger ausgebildet, um die Zweckbestim1 Joseph Helfert, Von den Rechten und Pflichten der Pfarrer und deren Gehülfen und Stellvertreter. Nach dem gemeinen und dem besondern Oesterreichischen Kirchenrechte zusammen gestellt, Prag 1832; Eduard Seitz, Recht des Pfarramtes der katholischen Kirche. Ein Handbuch, 4 Bde., Regensburg 1840 – 1854; Johann-Baptist Schefold, Die Parochialrechte, 2 Bde., Stuttgart, Sigmaringen 1846; Peter Baldauf, Das Pfarr- und Decanat-Amt mit seinen Rechten und Pflichten in den k. k. österreichisch-deutschen Ländern, 5 Tle., 3., verm. Aufl., Graz 1846/47; Joseph Sauer, Pfarramtliche Geschäfts-Verwaltung, 2. verb. u. verm. Aufl., Breslau 1868; Karl August Geiger, Dr. A. Müllers Anleitung zum geistlichen Geschäftsstil und zur geistlichen Geschäftsverwaltung. Ein Handbuch für die gesamte Pfarramtsverwaltung in Bayern, 9., vollst. umgearb. Aufl., 2 Tle., Regensburg 1902/03; Joseph Noll, Das katholische Pfarramt. Sein Geschäftsgang und Interessenkreis. Für die praktische Seelsorge … herausgegeben, 2. umgeänd. u. verm. Aufl., Wiesbaden 1927; Hubert Lenz, Der katholische Geistliche im weltlichen Recht, Trier 1932; M. Brandenburg, Die Geschäftsverwaltung des katholischen Pfarramtes im Gebiete des preußischen Landrechts mit Berücksichtigung des Reichskonkordats vom 20. Juli 1933, 5. Aufl., neu bearb. von Paul Krause, Berlin 1934; August Hagen, Pfarrei und Pfarrer nach dem Codex Iuris Canonici, Rottenburg a. Neckar 1935; Georges Michonneau, Le Curé, Paris 1954 (Bibliothèque Ecclesia 1); Heribert Schmitz, Pfarrei und Gemeinde, in: AfkKR 148 (1979) 48 – 71; Marcello Morgante, La parrocchia nel Codice di Diritto Canonico. Commento giuridico-pastorale, Milano 1985; Jean-Claude Périsset, La paroisse. Commentaire des Canons 515 – 572, Paris 1989; Francesco Coccopalmerio, De paroecia, Rom 1991; J. Manzanares (Hg.), La parroquia desde el nuevo derecho canonico, Salamanca 1991; Heribert Schmitz, „Gemeindeleitung“ durch „Nichtpfarrer-Priester“ oder „Nichtpriester-Pfarrer“, in: AfkKR 161 (1992) 329 – 361; La parrocchia, Città del Vaticano 1997.

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mung ihrer Gebäude und Einrichtungen ungestört zu erhalten. In der Praxis ist die Ordnungsbefugnis des Pfarrers von erheblicher und steigender Bedeutung. Je mehr das Verständnis für das Heilige und die Ehrfurcht vor dem Heiligen zurückgehen, um so dringender ist die Kenntnis einer Einrichtung, die dem Schutz des Heiligen zu dienen bestimmt ist. Dazu wollen die folgenden Ausführungen beitragen.

I. Das Hausrecht im staatlichen Recht Überlegungen über das Hausrecht sind in der weltlichen Rechtswissenschaft in beträchtlicher Zahl angestellt worden. Daher empfiehlt es sich, davon auszugehen. Am häufigsten wird das Hausrecht in Zusammenhang mit dem Hausfriedensbruch behandelt.2 1. Begriff Nach einer klassisch gewordenen Definition ist Hausrecht das „Interesse an ungestörter Betätigung des eigenen Willens in der eigenen Wohnung und dem umfriedeten Besitz, an dem freien Schalten und Walten in Haus und Hof“3. Anders ausgedrückt: Das Hausrecht ist die Gesamtheit der rechtlich geschützten Befugnisse, über ein Haus (Wohnung, Grundstück) tatsächlich zu verfügen. Der Kern des Hausrechts besteht nach herrschender Meinung in der Verfügungs- bzw. Bestimmungs- und Bewegungsfreiheit im Raum. Der Inhaber des Hausrechts darf den eigenen Willen in dem umfriedeten Schutzbereich ungestört ausüben. Es steht ihm zu, anderen Personen den Zutritt in sein Haus zu gewähren und zu untersagen sowie 2 Z. B.: Walter Frühling, Das Hausrecht öffentlicher Einrichtungen (zugleich ein Beitrag zur Lehre von der Anstaltspolizei). Rechtswiss. Diss. Göttingen, Göttingen 1963; Ulrich Schmitt, Das öffentlich-rechtliche Hausrecht. Rechtswiss. Diss. Münster, Münster 1965; Joachim Trabandt, Der kriminalrechtliche Schutz des Hausfriedens in seiner geschichtlichen Entwicklung. Rechtswiss. Diss. Hamburg, Hamburg 1970; Edmund Stoiber, Der Hausfriedensbruch im Lichte aktueller Probleme. Rechtswiss. Diss. München, München 1971; Herwig Kageler, Die gemeinsame und beschränkte zivilrechtliche Inhaberschaft des Hausrechts unter besonderer Berücksichtigung der Bestimmung des Rechtsguts des § 123 StGB. Rechtswiss. Diss. Hamburg, Hamburg 1973; Hero Schall, Die Schutzfunktionen der Strafbestimmung gegen den Hausfriedensbruch. Ein Beispiel für die soziologisch fundierte Auslegung strafrechtlicher Tatbestände, Berlin 1974 (Strafrechtliche Abhandlungen NF Bd. 17); Strafgesetzbuch. Leipziger Kommentar. Großkommentar, 10. völlig neu bearb. Aufl., hg. von HansHeinrich Jescheck, Wolfgang Ruß, Günther Willms. 4. Bd.: §§ 80 bis 184c, §§ 123 – 124 (ohne Seitenangabe), Berlin, New York 1988; Strafgesetzbuch. Kommentar. Begründet von Adolf Schönke, fortgeführt von Horst Schröder, 25., neubearb. Aufl., von Theodor Lenckner, Albin Eser, Peter Cramer und Walter Stree, München 1997, 1060 – 1076; Strafgesetzbuch mit Erläuterungen. Bearb. von Karl Lackner und Kristian Kühl, 3., neubearb. Aufl., München 1999, 690 – 697. 3 Franz von Liszt/Eberhard Schmidt, Lehrbuch des deutschen Strafrechts, 26. Aufl., Berlin, Leipzig 1932, 581.

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die Benutzung des Hauses zu ordnen. In der Praxis dient das Hausrecht hauptsächlich dazu, Störungen von unbefugten Personen abzuwehren. Der Inhaber des Hausrechts kann als Herr des Hauses oder Hausherr bezeichnet werden. Man spricht dann von seinen Befugnissen als der hausherrlichen Gewalt. Das Hausrecht kann auf dem Eigentum an dem umfriedeten Raum beruhen. Es kann aber ebensogut den Besitz oder die bloße Inhaberschaft zur Grundlage haben. 2. Hausfrieden Das Hausrecht ist kein selbständiger Wert, sondern ruht auf dem Hausfrieden. Friede besagt die Ungestörtheit vor äußeren Eingriffen in eine eigene Sphäre. Hausfrieden ist dann der Zustand der Unantastbarkeit der räumlichen Eigensphäre einer Person oder des Ungestörtseins im räumlichen Lebensbereich des Hausherrn und der Hausangehörigen. Man könnte das Hausrecht insofern als das Interesse an dem Hausfrieden bezeichnen. Der Hausfrieden ist eine Erscheinungsform der Privatsphäre und gehört als solche zu den Gütern der Persönlichkeit; er ist im Persönlichkeitsrecht enthalten als Teilbereich des Fürsichseins. Der Inhaber der Hausherrschaft ist Träger des Hausfriedens. Der Hausherr besitzt die Befugnis, den Hausfrieden aufrechtzuerhalten und Störungen desselben notfalls im Wege der Selbsthilfe abzuwehren. Das Hausrecht dient somit dem Schutz und dem Frieden sozialer Werte. In der Privatsphäre soll der Einzelne vor der Öffentlichkeit geborgen sein. Jedes zivilrechtliche Recht ist normalerweise auf gerichtlichem Wege durchzusetzen. Doch gibt es Fälle erlaubter Eigenrechtsmacht, wo die Anwendung unmittelbaren Zwangs zulässig ist.

3. Burgfrieden Privatrechtlich genutzte Räume sind von öffentlich-rechtlichen Zwecken dienenden Gebäuden zu unterscheiden. Das in der staatlichen Rechtsordnung beheimatete Hausrecht kann privat- oder öffentlich-rechtlicher Natur sein; es kann sowohl an privaten als auch an öffentlichen Sachen ausgeübt werden. Die historische Wurzel des Hausrechts an öffentlichen Sachen ist nicht der Hausfrieden, sondern der Burgfrieden.4 Dieser Frieden war hoheitlicher Art. Er war stets mit öffentlichen Sachen und einem öffentlichen Zweck verbunden, genoß strafrechtlichen Schutz und konnte gewaltsam durchgesetzt werden. Das öffentlich-rechtliche Hausrecht ist an die Existenz einer öffentlichen Sache gebunden. Öffentliche Sachen dienen öffentlichen Zwecken. Damit eine öffentliche

4 Karl Siegfried Bader, Das mittelalterliche Dorf als Friedens- und Rechtsbereich, Weimar 1957, 94, 98 f., 166, 226; ders., Rechtsformen und Schichten der Liegenschaftsnutzung im mittelalterlichen Dorf, Wien, Köln, Graz 1973, 60, 277, 286.

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Sache entstehen kann, ist eine Widmung5 erforderlich, die den öffentlichen Zweck festlegt, dem sie dienen soll. Durch die Widmung wird eine öffentlich-rechtliche Verfügungsgewalt ins Leben gerufen, die einen Träger der öffentlichen Verwaltung erfordert. Die Verfügungsgewalt über öffentliche Sachen wird als öffentlich-rechtliche Sachherrschaft bezeichnet. Es gibt öffentliche Sachen, die im Gemeingebrauch stehen, und andere, die nicht im Gemeingebrauch stehen. Im deutschen staatlichen Recht sind res sacrae öffentliche Sachen.6 Der Widmungszweck kann nur erreicht werden, wenn die öffentlich-rechtlichen Zwecken dienenden Sachen, vor allem Gebäude, den befriedeten Zustand besitzen. Jeder juristischen Person des öffentlichen Rechts kommt daher der Hausfrieden zu, aus dem das Hausrecht erwächst. In bezug auf öffentliche Gebäude ist das Hausrecht durch deren Zweckbestimmung umschrieben und kann nur in deren Rahmen ausgeübt werden. Das öffentlich-rechtliche Hausrecht dient der Erhaltung der widmungsgemäßen Zweckbestimmung der öffentlichen Sachen, dem ordnungsgemäßen Vollzug der amtlichen Funktionen und der Abwehr von Beeinträchtigungen oder Störungen der Erfüllung dieser Funktionen. Der Inhalt des Hausrechts an öffentlichen Sachen ist die Befugnis des Berechtigten, über das Eintreten anderer Personen in die Räume bzw. das Verbleiben derselben in den Räumen, die seinem Hausrecht unterstehen, gemäß deren Zweckbestimmung verbindlich zu entscheiden. Die willkürliche Entscheidung über Zutritt und Aufenthalt von Personen ist ausgeschlossen.

4. Störungen Dem Schutz des Hausfriedens dienen die §§ 123 und 124 StGB. Wer in die Wohnung, in die Geschäftsräume oder in das befriedete Besitztum eines anderen oder in abgeschlossene Räume, welche zum öffentlichen Dienst oder Verkehr bestimmt sind, widerrechtlich eindringt, oder wer, wenn er ohne Befugnis darin verweilt, auf die Aufforderung des Berechtigten sich nicht entfernt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe belegt (123 Abs. 1).7 Das Betreten des geschützten Raumes ist widerrechtlich, wenn es gegen den Willen des (im Rahmen seiner Zuständigkeit handelnden) Inhabers des Hausrechts geschieht. § 123 erfordert Vorsatz. Die Tat wird nur auf Antrag verfolgt (§ 123 Abs. 2). § 123 StGB erfaßt, wie ersichtlich, auch öffentliche Sachen. Wenn sich eine Menschenmenge öffentlich zusammenrottet und in der Absicht, Gewalttätigkeiten gegen 5 Zu den Rechtswirkungen der Widmung vgl. das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes vom 6. Mai 1987 (Entscheidungen in Kirchensachen seit 1946, 25. Bd., Berlin 1992, 145 – 164 Nr. 28). 6 Ernst Forsthoff, Res sacrae, in: Archiv des öffentlichen Rechts NF 31 (1940) 209 – 254; H.-J. Becker, Res sacrae, in: HRG IV (1990) 925 f. 7 Vgl. Strafgesetzbuch. Kommentar (Anm. 2) 1060 – 1073; Strafgesetzbuch und Erläuterungen (Anm. 2) 690 – 696.

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Personen oder Sachen mit vereinten Kräften zu begehen, in die Wohnung, in die Geschäftsräume oder in das befriedete Besitztum eines anderen oder in abgeschlossene Räume, welche zum öffentlichen Dienst bestimmt sind, widerrechtlich eindringt, so wird jeder, welcher an diesen Handlungen teilnimmt, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe belegt (§ 124).8 § 124 schützt sowohl den Hausfrieden als auch die öffentliche Ordnung und Sicherheit. Im Falle des § 124 bedarf es keines Strafantrags. Das öffentlich-rechtliche Hausrecht hat seine Positivierung vor allem in Verfassungsbestimmungen wie Art. 28 Abs. 1 WRV und Art. 40 Abs. 2 S. 1 GG gefunden. Es kann Rechtfertigungsgründe für das Eindringen in ein Gebäude wider Willen des Inhabers des Hausrechts geben. Notwehr und Notstand brechen das Hausrecht. Aufgrund öffentlichen Rechts bestehen Befugnisse zur Hausdurchsuchung, Beschlagnahme und Verhaftung.

II. Kirchliche Amtsträger als Inhaber der Hausgewalt Nunmehr ist auf das Hausrecht im Rahmen der kirchlichen Rechtsordnung einzugehen. Für die Bezeichnung der Befugnisse des Pfarrers bzw. Kirchenrektors an den heiligen Sachen und Orten empfiehlt sich, wie weiter unten entwickelt und begründet werden wird, die Bezeichnung Hausgewalt; denn sie überschreitet den Bereich des Hausrechts im Verständnis der staatlichen Rechtsordnung. 1. Kirchenrektor Die Hausgewalt des Pfarrers ist im CIC nicht im Recht des Pfarrers, sondern des Kirchenrektors ausgesagt. Dies gilt sowohl für den CIC/1917 als auch für den CIC/ 1983. Der CIC/1917 regelte das Recht des Pfarrers hauptsächlich in den cc. 451 – 470 und jenes des Kirchenrektors in den cc. 479 – 486. Obwohl dessen Stellung von der des Pfarrers wesentlich abwich, wurde der Begriff Rector ecclesiae oft als Oberbegriff für jeden Vorsteher einer Kirche, also den Pfarrer einbegriffen, verwendet.9 Es war also ein doppelter Begriff des Kirchenrektors zu unterscheiden, im engeren und im weiteren Sinne. Klaus Mörsdorf bezeichnete den Rector ecclesiae im weiteren Sinne richtig als einen Priester, „der einer Kirche vorsteht (cc. 804 § 2, 843 § 1), besonders einer Pfarrkirche (vgl. c. 446 § 1) oder einer Filialkirche.“10 Der

8 Vgl. Strafgesetzbuch. Kommentar (Anm. 2) 1073 – 1076; Strafgesetzbuch mit Erläuterungen (Anm. 2) 696 f. 9 Klaus Mörsdorf, Die Rechtssprache des Codex Juris Canonici. Eine kritische Untersuchung, Paderborn 1937, Nachdruck: 1967 (Görres-Gesellschaft zur Pflege der Wissenschaft im katholischen Deutschland. Veröffentlichungen der Sektion für Rechts- und Staatswissenschaft 74. Heft), 165. 10 K. Mörsdorf, Rector ecclesiae: LThK VIII, 2. Aufl., 1963, 1061.

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Rector ecclesiae ist nach ihm „Hausherr seiner Kirche“.11 An anderer Stelle bemerkte er: „Die hausherrlichen Rechte stehen dem Rektor der Kirche zu.“12 Die Rechtslage im CIC/1983 hat sich dieserhalb nicht wesentlich verändert. Auch darin muß ein engerer und ein weiterer Begriff des Rector ecclesiae unterschieden werden. Der engere Begriff ist vor allem aus den cc. 556 – 563 zu erheben. Der weitere Begriff findet sich in den cc. 561, 764, 903, 1177 § 2 und 1215 § 2. Auch in der Vorbereitungsarbeit zum CIC/1983 wurde der Begriff Rector ecclesiae im doppelten, also auch im weiteren Sinne verwendet.13 Der Begriff Hausrecht ist beiden Codices fremd, doch die damit gemeinte Sache ist ihnen vertraut. Für den Kirchenrektor ist auf die cc. 556, 561 und 562 zu verweisen. Die Rechtslehre gebraucht darum unbedenklich die entsprechende Terminologie. Winfried Aymans bezeichnet den Kirchenrektor als Hausherrn der Kirche.14 Ähnlich verfährt Thomas A. Amann.15 Auch Heinrich J. F. Reinhardt spricht an einer Stelle von der hausherrlichen Gewalt des Rector ecclesiae, die er in c. 1213 einbegriffen findet16, an einer anderen vom „Hausrecht“ des Kirchenrektors.17 Zu c. 1223 nennt Reinhardt den Superior competens den Hausherrn der Kapelle.18 Ebenso wird von Hans Paarhammer der Kirchenrektor als „Hausherr der Kirche“ bezeichnet.19 Er fügt bemerkenswerterweise hinzu: „Als Hausherr hat der Kirchenrektor hoheitliche Verantwortung.“20 Man kann daher für die deutsche Kanonistik feststellen, daß Einmütigkeit über die Existenz eines kirchlichen Hausrechts und dessen Träger besteht. Doch spricht sich keiner der Autoren unzweideutig darüber aus, in welcher Rechtsordnung das Hausrecht angesiedelt ist, ob in der kirchlichen oder in der staatlichen.

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Ebd. Klaus Mörsdorf, Lehrbuch des Kirchenrechts auf Grund des Codex Iuris Canonici, II. Bd., 11. verb. u. verm. Aufl., Paderborn 1967, 315. 13 Communicationes 12 (1980) 338. 14 Aymanns-Mörsdorf KanR II, 449. 15 Thomas A. Amann, Kirchenrektor, in: LThK VI, 3. Aufl 1997, 55. 16 Heinrich J. F. Reinhardt, Kommentar zu c. 1213, RNr. 1, in: Klaus Lüdicke (Hg), Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici. Essen seit 1984 (Stand: Oktober 1987). 17 Ders., Kommentar zu c. 1221, RNr. 2, in: Klaus Lüdicke (Hg), Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici. Essen seit 1984 (Stand: Oktober 1987). 18 Ders., Kommentar zu c. 1223, RNr. 1, in: Klaus Lüdicke (Hg), Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici. Essen seit 1984 (Stand: Oktober 1987). 19 Hans Paarhammer, Kommentar zu c. 562, RNr. 1, in: Klaus Lüdicke (Hg), Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici. Essen seit 1984 (Stand: November 1989). 20 Ders., Kommentar zu c. 562, RNr. 4, in: Klaus Lüdicke (Hg), Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici. Essen seit 1984 (Stand: November 1989). 12

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2. Pfarrer Im weiteren Sinne war, wie gesagt, der Pfarrer im CIC/1917 Kirchenrektor und ist er es auch im CIC/1983. Für den CIC/1917 ergab sich dies eindeutig aus den cc. 1162 § 3, 1176 §§ 1 und 3, 1185, 1535 und 1536. So bemerkte Julius Krieg: „Auch der Pfarrer ist heute noch Rector ecclesiae für seine Pfarrkirche.“21 Die Autoren schrieben ihm daher das Hausrecht zu. Nach August Hagen „bewegt sich die Gewalt des Pfarrers im Rahmen der Hausgewalt (potestas domestica seu oeconomica).“22 Klaus Mörsdorf stellte lapidar fest: „Der Pfarrer hat Hausgewalt über die ihm anvertraute Kirche.“23 Er definierte die (von ihm so genannte) „einfache Hausgewalt (potestas domestica)“ als „die Befugnis, die äußere Ordnung einer Hausgemeinschaft zu regeln“, und fügte hinzu, sie sei „gegenständlich auf die Angelegenheiten der Hausordnung beschränkt.“24 Im älteren Schrifttum wurde wiederholt der Begriff der Kirchenpolizei verwendet, um die Ordnungsbefugnis des Pfarrers bzw. des Rector ecclesiae zu beschreiben. So bemerkten Brandenburg und Krause, der Kirchenrektor besitze „die kirchenpolizeilichen Befugnisse“.25 Joseph Noll schrieb: „Die Aufrechterhaltung der Ordnung in und bei der Kirche nennt man Kirchenpolizei.“26 Für den CIC/1983 ergibt sich aus den cc. 561, 764, 903, 1177 § 2 und 1215 § 2, daß der Pfarrer Rector ecclesiae seiner Pfarrkirche ist. Anderseits ist c. 531, der vom Pfarrer spricht, auch auf den Kirchenrektor anzuwenden. Wenn im Folgenden die Rede vom Kirchenrektor ist, dann ist der Begriff stets im weiteren Sinne, also mit Einschluß des Pfarrers, gebraucht. 3. Priester-Solidargemeinschaft Nun besteht heute die Möglichkeit, die pfarrliche Seelsorge durch eine PriesterSolidargemeinschaft ausüben zu lassen.27 Die Mitglieder derselben haben gemeinsam die pfarrlichen Aufgaben wahrzunehmen, die in den cc. 528 – 530 beschrieben sind (c. 543 § 1). Das Konzept geht davon aus, daß jeder Priester der Gemeinschaft 21

J. Krieg, Rector ecclesiae, in: LThK VIII, 1936, 681. Hagen, Pfarrei und Pfarrer (Anm. 1) 38. 23 Mörsdorf, Lehrbuch des Kirchenrechts (Anm. 12)1, 308. 24 Ebd. 25 Brandenburg /Krause, Die Geschäftsverwaltung (Anm. 1) 82. 26 Noll, Das katholische Pfarramt (Anm. 1) 57. 27 Cc. 517 § 1, 542 – 544. Vgl. J.-C. Périsset, De officio parochi coetui presbyterorum in solidum concredito, in: PerRMCL 72 (1983) 357 – 385; ders., De applicatione conceptus „in solidum“ ad novam figuram officii parochi, in: PerRMCL 73 (1984) 191 – 202; J. Miras Pouso, El ejercicio „in solidum“ del ministerio parroquial, in: IusCan 29 (1989) 483 – 502; Peter Schappert, Solidarische Pfarrseelsorge. Möglichkeit und Bewertung in der neuklassischen Kanonistik, St. Ottilien 1991; Herberg Schmitz, Pfarrliche Seelsorge durch PriesterSolidargemeinschaft. Pfarrliche Seelsorge gemäß c. 517 § 1 CIC/1983, in: Münchener Theologische Zeitschrift 49 (1998) 357 – 371. 22

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die dem Pfarrer eigenen Pflichten und Rechte haben soll; sie sind gemäß c. 543 § 1 grundsätzlich gleichberechtigt. Lediglich um der Einheit im Wirken und in der Leitung der Pfarrei soll einer von ihnen besondere Befugnisse besitzen; er heißt Moderator. Er besitzt eine herausgehobene Position gegenüber den solidarisch bestellten Priestern; ihm steht ein gewisses Weisungsrecht zu. Der Moderator ist der alleinige gesetzliche Vertreter der Pfarrei in allen rechtlichen Angelegenheiten; nur er führt die Person der Pfarrei (c. 543 § 2 n. 3). Das Hausrecht als Ordnungsbefugnis innerhalb des Gotteshauses ist unter den negotia iuridica, die eine Außenwirkung haben, grundsätzlich nicht einbegriffen; es steht in engem Zusammenhang mit der Seelsorge und vor allem mit dem Gottesdienst. Da jedem der Priester die cura pastoralis übertragen ist und alle die in den cc. 528 – 530 genannten Pfarrfunktionen zu verrichten haben, kommt jedem von ihnen grundsätzlich gleichberechtigt das Hausrecht zu. In Konfliktsfällen wird dem Moderator ein Letztentscheidungsrecht zugebilligt werden müssen.

4. Vertreter des Pfarrers Das kanonische Recht ist vertretungsfreudig. Dies gilt auch für das Recht des Pfarrers. Sowohl der CIC/1917 (cc. 471 – 478) als auch der CIC/1983 (cc. 545 – 552) kennen den Vicarius paroecialis in seinen verschiedenen Formen. An dieser Stelle ist hauptsächlich jenes Pfarrvikars zu gedenken, der bei Erledigung des Pfarramtes zu bestellen ist. Er trug im CIC/1917 den Namen Vicarius oeconomus (c. 472) und wird im CIC/1983 als Administrator paroecialis (c. 539) bezeichnet. Der interimistische Leiter einer Pfarrei, der Pfarradministrator (c. 539), hat grundsätzlich dieselben Pflichten und Rechte wie der Pfarrer (c. 540 § 1). Er ist somit auch Inhaber des Hausrechts bzw. der Hausgewalt. Dasselbe gilt für den kurzfristig bestellten Vertreter des Pfarrers (c. 541). Analog ist zu argumentieren beim Kirchenrektor. Bei Ausfall oder Abwesenheit des Rector ecclesiae liegt das Hausrecht bzw. die Hausgewalt kraft stillschweigender Übertragung bei dessen gesetzlichem oder bestelltem Vertreter. Ist ein Vertreter nicht vorhanden, geht das Hausrecht bzw. die Hausgewalt für die Dauer des Gottesdienstes auf den Priester über, der den Gottesdienst leitet. Der Inhaber des Hausrechts kann dessen Ausübung anderen Personen übertragen. Es ist dies eine Vertretung im Willen. Die Übertragung der Ausübung des Hausrechts kann allgemein oder für einen Einzelfall erfolgen. Die praktische Notwendigkeit bedingt eine weitgehende Vertretungsbefugnis. Die so bestellten Vertreter sind nicht selbst Inhaber des Hausrechts, sondern Beauftragte und Helfer des Inhabers. Paarhammer bezeichnet bei der Erklärung des c. 561 auch Laien als mögliche „Inhaber der hausherrlichen Gewalt“.28 Es kommen vor allem der Küster 28 Hans Paarhammer, Kommentar zu c. 561, RNr. 3, in: Klaus Lüdicke (Hg), Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici. Essen seit 1984 (Stand: November 1989).

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bzw. Mesner und (in größeren Kirchen) der Kirchenschweizer in Frage. Etwa bestellte Ordnungswächter an den Türen oder im Schiff der Kirche handeln im Auftrag des Kirchenrektors, wenn sie für Anstand, Ordnung und Ruhe sorgen. Gewöhnlich sind die Aufgaben des Mesners in der Stellenbeschreibung des Arbeitsvertrags bzw. in der Dienstanweisung aufgezählt. In der Trierer Ordnung29 heißt es: „Dem Küster ist die Betreuung des Kirchengebäudes, des Inventars und des Kirchplatzes übertragen.“30 Danach wird erklärt: „Der Küster ist weisungsgebunden und dem Dienstvorgesetzten für die Erfüllung seiner Aufgaben verantwortlich.“31 Wer Dienstvorgesetzter des Mesners ist, ergibt sich aus dem Arbeitsvertrag. Anschließend heißt es bedeutsam: „Bei Verstößen gegen Ordnung und Sitte im Gotteshaus ist der Küster berechtigt, in angemessener Weise gegen den Störer vorzugehen.“32 Damit ist die Ausübung des Hausrechts bzw. der Hausgewalt angesprochen. Für die hier interessierende Frage ist die Dienstordnung der Diözese Würzburg33 wenig ergiebig. Dort heißt es: „Der Mesnerdienst besteht in der Hilfe bei liturgischen Handlungen und in der Pflege und Sicherung des Kirchengebäudes und seines Inventars.“34 In der Diözese Würzburg werden als unmittelbare Vorgesetzte des Mesners alternativ genannt: der Kirchenverwaltungsvorstand, der Leiter der Seelsorgestelle oder dessen Vertreter bzw. der mit der Sorge für die betreffende Kirche beauftragte Geistliche (rector ecclesiae).35 In der Allgemeinen Dienstordnung für Sakristane in den nordrhein-westfälischen Diözesen wird dem Küster u. a. die „Sorge für die Wahrung von … Ordnung“ in der Kirche aufgetragen. Danach wird gesagt: „Bei Verstößen gegen die im Gotteshaus zu beachtende Ordnung und Sitte ist der Küster berechtigt, in angemessener Weise gegen den Störer vorzugehen.“36 Im Unterschied zum Hausrecht kann die Hausgewalt, insofern sie das erstere überschreitet, nicht an beliebige Personen übertragen werden. Denn bei ihr geht es nicht lediglich um die Sicherung des störungsfreien Ablaufs von Handlungen, wie sie geweihten Stätten eigentümlich sind, sondern um die (im Rahmen des kanonischen Rechts geschehende) Festsetzung und Wahrung der Ordnung an den heiligen Orten.

29 Allgemeine Dienstanweisung für Küster im Bistum Trier vom 24. Juni 1987, in: PfABl 60 (1987) 309 – 312. 30 Abschnitt I der Allgemeinen Dienstanweisung für Küster im Bistum Trier. 31 Präambel der Allgemeinen Dienstanweisung für Küster im Bistum Trier. 32 Abschnitt I, Nr. 1, Abs. 2, S. 2 der Allgemeinen Dienstanweisung für Küster im Bistum Trier. 33 Dienst- und Vergütungsordnung für Mesner im Bistum Würzburg vom 1. Juni 1997, in: PfABl 70 (1997) 252 – 254. 34 § 1 der Dienst- und Vergütungsordnung für Mesner im Bistum Würzburg. 35 § 5 der Dienst- und Vergütungsordnung für Mesner im Bistum Würzburg. 36 Anton Hellmann, Der Sakristan. Das Handbuch für die Praxis, 3. Aufl., Freiburg i. Br. 1990, 34.

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III. Inhalt und Umfang des Hausrechts bzw. der Hausgewalt in räumlicher Hinsicht 1. Heilige Orte Das Hausrecht bzw. die Hausgewalt des Pfarrers umgreift in erster Linie die heiligen Orte. Heilige Orte sind jene, die zum Gottesdienst oder zur Bestattung der Gläubigen durch Weihung oder Segnung bestimmt sind (c. 1205). Die Wirkung von Weihung und Segnung ist, daß die betroffenen Orte ausschließlich für religiöse Zwecke gewidmet und weltlicher Verwendung entzogen werden. An einem heiligen Ort wird nur zugelassen, was dem Gottesdienst, der Frömmigkeit, der Ausübung und Förderung der Religion dient, und ist alles verboten, was mit der Heiligkeit des Ortes unvereinbar ist. Doch kann ein profaner Gebrauch, der mit der Heiligkeit des Ortes nicht unvereinbar ist, vom Ordinarius in Einzelfällen gestattet werden (c. 1210). Dem Pfarrer bzw. Kirchenrektor fehlt die entsprechende Befugnis. Die kirchliche Autorität kann ihre Vollmachten und Dienste an den heiligen Orten frei ausüben (c. 1213). Sie bedarf dazu keiner irgendwie gearteten Ermächtigung von staatlicher Seite. Heilige Orte können geschändet werden durch frevelhafte, dem heiligen Charakter widersprechende, ärgerniserregende Handlungen. Dadurch werden sie gleichsam verletzt oder entehrt. Das Urteil über den Eintritt der Schändung liegt beim Ortsoberhirten. Die Folge seines Urteils ist, daß darin kein Gottesdienst gehalten werden darf, bis das Unrecht gutgemacht ist (c. 1211).37 a) Gotteshaus An der Spitze der heiligen Orte steht die Kirche, das Gotteshaus.38 Dem Kirchenrektor ist die cura alicuius ecclesiae übertragen (c. 556). Obwohl die Bestimmung vom Rector ecclesiae im engeren Sinne ausgesagt wird, gilt sie aus der Natur der Sache auch für den Pfarrer. Dessen enge Beziehung zur Kirche ergibt sich u. a. daraus, daß er grundsätzlich gehalten ist, seinen dauernden Aufenthalt in dem Pfarrhaus, das nahe der Pfarrkirche ist, zu nehmen (c. 533 § 1). Die Sorge für die Kirche umschließt eine Reihe von Pflichten und Rechten. Die Kirche (samt ihrem Zubehör) ist in brauchbarem und verwendungsfähigem Zustand zu erhalten. Sie ist entsprechend ihrem Zwecke auszustatten. Die Verpflichtungen, die mit der Kirche 37

Diese Bestimmung ist wenig realistisch und deswegen vermutlich weitgehend ineffektiv. Um ihr dennoch eine gewisse Wirksamkeit zu sichern, muß, da das Urteil des Ortsoberhirten zwingend dafür vorgeschrieben ist, ob eine Schändung im Sinne des Gesetzes vorliegt, bis zum Eintreffen desselben der Pfarrer bzw. Kirchenrektor darüber entscheiden, ob der Gottesdienst abzubrechen und weitere Gottesdienste auszusetzen sind. 38 Robert B. Witte, Das katholische Gotteshaus. Sein Bau, seine Ausstattung, seine Pflege im Geiste der Liturgie, der Tradition und der Vorschrift der Kirche, 2. Aufl., Mainz 1951; Helmut Schnizer, Das neue Gesetzbuch und das vergessene Gotteshaus. Ein Epilog auf c (sic) 99 letzter Halbsatz des CIC 1917, in: Helfried Valentinitsch (Hg.), Recht und Geschichte. Festschrift Hermann Baltl zum 70. Geburtstag, Graz 1988, 463 – 486; ders., Eigentum an Kirchen nach den päpstlichen Gesetzbüchern, in: ZRG Kan. Abt. 74 (1988) 519 – 534.

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verbunden sind, müssen sorgfältig erfüllt, ihr Vermögen muß gewissenhaft verwaltet werden. Die gottesdienstlichen Handlungen sind getreu den kirchlichen Bestimmungen vorzunehmen. Fremde Geistliche sind zu kirchlichen Handlungen in der Kirche entweder zuzulassen oder davon abzuhalten. Daraus ergibt sich, daß das sogenannte Hausrecht des Kirchenrektors sich mit dem öffentlich-rechtlichen Hausrecht der staatlichen Rechtsordnung nicht deckt, vielmehr weit darüber hinausgeht. Das öffentlich-rechtliche Hausrecht des staatlichen Rechts hat lediglich den Zweck, die Ordnung zu erhalten und Störungen abzuwehren; es hat keine schöpferische, gestaltende Funktion und verwirklicht nicht den Zweck der öffentlichen Sache, sondern ermöglicht es lediglich, ihn zu verwirklichen. Das sogenannte Hausrecht in der kirchlichen Rechtsordnung dagegen zielt darauf hin, den Zweck der öffentlichen Sache, hier der heiligen Orte, zu verwirklichen. Es ist fraglich, daß dafür der Begriff Hausrecht angemessen ist. Ich halte dafür, daß besser von der Hausgewalt des Kirchenrektors (und Pfarrers) zu sprechen ist. (1) Öffnung Die Kirche ist ein gemeinzugängliches Gebäude. Die allgemeine Zugänglichkeit ist durch ihren Zweck begrenzt; sie soll einer Gemeinde zur Gottesverehrung dienen. Die Kirche ist insofern ein Gebäude mit beschränkter Öffentlichkeit. Aus ihrer Zweckbestimmung ergibt sich die grundsätzliche Notwendigkeit, sie der Gemeinde zugänglich zu machen, d. h. sie muß offengehalten werden. Die Zeiten, in denen eine Kirche geöffnet ist, festzulegen, ist Sache des Kirchenrektors. Er ist dabei an die (meist partikularrechtlichen) kirchlichen Bestimmungen gebunden, die gewöhnlich das Offenhalten wenigstens während einiger Stunden des Tages vorschreiben. Nur aus sehr schwerwiegenden Gründen darf die Kirche außerhalb der Gottesdienstzeiten zugesperrt werden. Seine Sorge für die Kirche gewährt dem Kirchenrektor die Verwahrung der Kirchenschlüssel. Andere besitzen sie und bedienen sich ihrer lediglich mit seinem Willen und nach seiner Weisung. (2) Eintritt Das Offenhalten der Kirche geschieht zu dem Zweck, Besuchern den Zugang zu ermöglichen. Der Eintritt in eine Kirche kann nun verschiedenen Zwecken dienen. In erster Linie geschieht er zu Gottesdienst, Sammlung und Gebet. Die zugelassenen Kirchenbesucher besitzen ein subjektiv-öffentliches Recht auf Eintritt in das Kirchengebäude. Zugelassene Kirchenbesucher in diesem Sinne sind die Kirchenglieder (c. 205), die Christgläubigen. Sie haben das Recht des Zutritts zum Gotteshaus nicht nur zum Zweck der Teilnahme an den amtlichen Gottesdiensten (c. 1214). Es ist ihnen vielmehr grundsätzlich unbenommen, zu Zeiten, in denen keine gottesdienstlichen Veranstaltungen in dem Kirchengebäude abgehalten werden, sich dort zum einsamen Gebet einzufinden oder zum gemeinsamen Gebet zu versammeln. In zweiter Linie werden Kirchen aufgesucht zur Besichtigung und zur

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Bildung. Dieser Eintritt unterliegt strengeren Bestimmungen; er braucht weder frei noch kostenlos zu sein (c. 1221). Der Zugang zur Kirche schließt nicht ohne weiteres den Eintritt in Sakristei, Empore und Turm in sich. Darüber kann der Kirchenrektor besondere Anordnungen treffen. Er kann beispielsweise Kindern das Betreten der Empore verbieten. Die Kirchenverwaltung39 ist an Verfügungen des Kirchenrektors über Sakristei, Turm und Empore nicht beteiligt, weil sie der Seelsorgegewalt entspringen und zugeordnet sind; sie hat am Hausrecht bzw. der Hausgewalt des Kirchenrektors grundsätzlich keinen Anteil. In der Vorbereitung des CIC/1983 war klar, daß der Kirchenrektor, und nur er, ius … moderandi ingressum in ecclesiam hat.40 b) Kirchenstühle bzw. -bänke Auch die Verteilung der Plätze im Gottesdienstraum an die Besucher ist Sache des Kirchenrektors. Hierher gehörige Anordnungen stehen in engem Zusammenhang mit der Seelsorge und dem Gottesdienst. Er darf darauf bestehen, daß jede Person den Platz einnimmt, der ihr rechtmäßig zugewiesen ist. Er bestimmt darüber, wer auf der Orgelempore Platz nehmen darf. Bezüglich der Kirchenstühle ist zwischen den Rechtsverhältnissen, die sich aus dem Eigentumsrecht und dem Gebrauchsrecht herleiten, und Rechtsverhältnissen, die sich aus dem Aufsichtsrecht in der Kirche und speziell während des Gottesdienstes ergeben, zu unterscheiden. Wo immer Gebrauchsrechte an Kirchenstühlen begründet werden, ist die Kirchenverwaltung einzuschalten. Gewöhnlich steht das Eigentum an den Kirchenstühlen der Kirchenstiftung zu. Ihre Benützung wird den Gottesdienstbesuchern heutzutage wohl allerorts unentgeltlich zur Verfügung gestellt. Grundsätzlich haben alle Gottesdienstbesucher den gleichen Anspruch auf einen Platz in den Kirchenstühlen. Für die Dauer des Gottesdienstes entscheidet normalerweise die zeitliche Priorität über die Inbesitznahme. Der Kirchenrektor darf aber bei besonderen Gelegenheiten aus vernünftigen Gründen Kirchenbänke reservieren, beispielsweise für die Angehörigen von Erstkommunikanten und Firmlingen oder für die Hochzeitsgesellschaft bei Eheschließungen. Daß Pfarrangehörigen der Vorzug vor fremden Glaubensgenossen gegeben wird, kann nicht als unbillig gelten.

39 Statuten der Pastoralen Rate und Gremien in Pfarrgemeinde, Pfarrverband, Dekanat, Bistum (Mainz), Mainz 1991; Heribert Emsbach, Rechte und Pflichten des Kirchenvorstandes. Eine Einführung in das Recht des Kirchenvermögens und seiner Verwaltung in den Bistümern des ehemals preußischen Staatsgebiets, 6., akt. Aufl., Köln 1992; Hans Heimerl/Helmut Pree, Handbuch des Vermögensrechts der katholischen Kirche, Regensburg 1993, 409 – 425. 40 Communicationes 12 (1980) 338.

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c) Glockengeläut und Beflaggung Viele Kirchen sind mit einem Turm und mit Glocken ausgestattet. Der Turm ist das weithin erkennbare Wahrzeichen eines Gotteshauses und unterstreicht dessen Hervorhebung von anderen Gebäuden. Die Glocken haben den Zweck, die Gemeinde zum Besuch des Gottesdienstes und zum Gebet einzuladen. Daher steht die Anordnung ihres Gebrauchs dem Kirchenrektor zu. Er entscheidet über Anlaß, Dauer und Zeit des Glockengeläuts. Selbstverständlich ist er hierbei an die kirchlichen Vorschriften gebunden. Wünsche oder Weisungen weltlicher Autoritäten sind grundsätzlich unbeachtlich, solange nicht die kirchlichen Oberen darüber befunden haben. Der Kirchenrektor entscheidet auch über die Beflaggung von Kirche und Pfarrhaus. Hierbei hat er sich ebenfalls an die kirchlichen Bestimmungen und das Herkommen zu halten. d) Ausstattung Das sogenannte Hausrecht oder besser die Hausgewalt des Kirchenrektors erstreckt sich auch auf die Einrichtung und das Zubehör der Kirche; denn ihm ist die cura ecclesiae übertragen, die er zum Nutzen der Gläubigen und im Einklang mit den kirchlichen Bestimmungen auszuüben hat. Es ist mit dem recht verstandenen Hausrecht bzw. der Hausgewalt des Kirchenrektors unverträglich, Bilder oder Statuen in der Kirche ohne seine Einwilligung aufzustellen; denn ihm steht die erstrangige Verantwortung für die Ausstattung des Gotteshauses zu. Für die Anbringung von Inschriften, Gedenktafeln und Grabmälern in der Kirche gilt dies in gleicher Weise. Allerdings kann bei den eben genannten Vorgängen die Beteiligung des pfarrlichen Vermögensverwaltungsorgans erforderlich sein. Man kann die Regel aufstellen: Sobald vermögenswerte Angelegenheiten betroffen sind, ist die Kirchenverwaltung zu ihrem Teil zuständig. Für die Diözese Mainz ist bestimmt: „Der Verwaltungsrat verwaltet das kirchliche Vermögen in der Kirchengemeinde. Er vertritt die Kirchengemeinde und das Vermögen.“41 Ähnlich sind die Bestimmungen für die bayerischen Diözesen.42 Planung, Errichtung, Ausstattung und Unterhalt der Kirchen sowie Beschaffung und Unterhalt der Inneneinrichtung der Kirchen sind ortskirchliche Bedürfnisse, für welche die Kirchenverwaltung zuständig ist.43 Der Kirchenverwaltung obliegen die Verwaltung des Kirchenstiftungsvermögens, die Sorge für die Befriedigung der ortskirchlichen Bedürfnisse und die Erledigung der übrigen der Kirchenstiftung zugewiesenen Aufgaben.44 Anschaffungen, die zur In41

§ 1 Abs. 1 KVVG Mainz. Ordnung für kirchliche Stiftungen in den bayerischen (Erz-)Diözesen i. d. F. vom 1. Juli 1988, in: Amtsblatt für das Erzbistum München und Freising 1988, München 1988, 274 – 306. 43 Art. 11 Abs. V Nr. 1 und 5 der Ordnung für kirchliche Stiftungen in den bayerischen (Erz-)Diözesen. 44 Art. 11 Abs. I der Ordnung für kirchliche Stiftungen in den bayerischen (Erz-)Diözesen. 42

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nenausstattung bestimmt sind, bedürfen somit regelmäßig der Zustimmung sowohl des Verwaltungsrates als auch des Kirchenrektors. Die Gerätschaften für den Gottesdienst sind, was den Erwerb betrifft, ebenfalls im Zusammenwirken von Kirchenverwaltung und Kirchenrektor zu beschaffen. Die Verfügung über ihren Gebrauch steht jedoch dem Kirchenrektor zu; denn hier ist die cura animarum betroffen. Der Kirchenrektor entscheidet auch über den Blumenschmuck, der in der Kirche angebracht wird, weil er ein Zubehör des Gotteshauses und ein Element der Erhebung der Gläubigen ist. e) Film- und Tonaufnahmen Häufig legen Gläubige, vor allem anläßlich der Vornahme der Kasualien, Wert darauf, ein sicht- und hörbares Andenken an diese Handlung zu besitzen. Doch sind sie in der Handhabung technischer Aufnahmegeräte nicht frei. Film- und Tonaufnahmen in Kirchengebäuden dürfen nur mit Erlaubnis des Kirchenrektors gemacht werden. Dieser hat seine Zustimmung danach zu bemessen, daß Weise, Zweck und Verwendung der Aufnahmen einwandfrei sind. Insbesondere ist jede Beeinträchtigung der Andacht der Gottesdienstteilnehmer zu vermeiden. 2. Außergottesdienstliche Gebäude Das Hausrecht bzw. die Hausgewalt des Kirchenrektors erstreckt sich grundsätzlich auf alle der Kirchenstiftung gehörigen Gebäude, also Kirche mit Vorplatz und Umgebung, Pfarrhaus mit Garten, Pfarrsäle und Pfarrzentren, wobei allerdings zu unterscheiden ist, ob sie der cura pastoralis (c. 522 § 1) dienen oder nicht. Über jedwede Verwendung, die zur pfarrlichen Seelsorge gehört, entscheidet der Pfarrer allein. Die Gebäude und Plätze der Pfarrei sind normalerweise zum Gebrauch der Pfarrangehörigen bestimmt und stehen ihnen im Rahmen der Nutzungsordnung zur Verfügung.45 Anders ist es, wenn fremde Gruppen pfarrliche Räume benutzen wollen. In diesen Fällen ist der Verwaltungsrat einzuschalten, weil Vermögensrechte der Pfarrei berührt sind. Gewöhnlich sind Verträge über die Benutzung abzuschließen. Allerdings wird es sich empfehlen, den Pfarrer allgemein zur Erteilung der Benutzungserlaubnis zu ermächtigen. 3. Friedhof Auch der Friedhof ist ein befriedetes Besitztum. Ein kirchlicher (konfessioneller) Friedhof ist ein zur Bestattung der Leichen sowie zu religiösen Versammlungen und Zeremonien bestimmter heiliger Ort. Das Hausrecht bzw. die Hausgewalt des Pfarrers erstreckt sich auch auf einen konfessionellen, pfarrlichen Friedhof. Auf 45 Eine unter oder neben einem Kirchengebäude errichtete Bedürfnisanstalt ist lediglich Gottesdienstbesuchern, evtl. auch Kirchenbesuchern zugänglich.

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einem kommunalen oder fremdkonfessionellen Friedhof steht es dem Betreiber zu. An sich hat der Eigentümer bzw. Unterhalter des Friedhofs für Ordnung und Ruhe zu sorgen. Wenn jedoch ein kirchlicher Beauftragter (Geistlicher oder Laie) einen religiösen Akt (Segnung der Gräber, Begräbnis) vornimmt, ist er befugt, eine Störung der Feier abzuwehren. (Rein) kirchliche Friedhöfe, die von der Kirchenverwaltung verwaltet werden, unterliegen, was die Zulassung Nichtberechtigter zur Beerdigung angeht, den Beschlüssen der Kirchenverwaltung. Vor allem die Zulassung der Bestattung Andersgläubiger auf einem (rein) konfessionellen Friedhof (ohne Simultangebrauch) muß von der Kirchenverwaltung beschlossen werden. Für die Ordnung auf einem Friedhof ist die Friedhofssatzung maßgeblich. Sie hat besonders auf die Wahrung des heiligen Charakters des Ortes zu achten (c. 1243). 4. Prozessionen Prozessionen46 sind eine besondere Art des Gottesdienstes. Es handelt sich dabei um religiöse Umgänge, die von einem heiligen Ort zu einem anderen führen. Der CIC/1983 behandelt sie stiefmütterlich. Es ist Sache des Diözesanbischofs, partikularrechtliche Bestimmungen über die Prozessionen zu erlassen (c. 944 § 2). Bei den Prozessionen ist zu unterscheiden zwischen solchen, die im Gotteshaus stattfinden, und anderen, die ins Freie übertreten. Der Kirchenrektor entscheidet darüber, ob und welche Prozessionen in dem Kirchengebäude abgehalten werden. So waren beispielsweise in der Erzdiözese Breslau an den Sonntagen nach Ostern Auferstehungsprozessionen üblich. Die Führung von Prozessionen und die Vornahme von feierlichen Segnungen außerhalb des Kirchengebäudes sind Funktionen, die dem Pfarrer in besonderer Weise übertragen sind (c. 530 n. 6). Er ist für deren Ordnung verantwortlich und besitzt die entsprechenden Befugnisse. Der Leiter der Prozession besitzt gleichsam kirchenpolizeiliche Befugnisse über ihre Anordnung, Aufstellung und Durchführung. Er bestimmt bei Prozessionen und Bittgängen, welchen Weg sie nehmen, welche Gebete verrichtet werden und welche christlichen Symbole mitgeführt werden. Nach dem Gesetz über Versammlungen und Aufzüge i. d. F. vom 15. November 1978 (BGBl. III S. 2180) ist derjenige, der zu einer öffentlichen Versammlung oder zu einem Aufzug öffentlich einlädt, „Veranstalter“ (§ 2 Abs. 1). Jede Wallfahrergruppe muß einen Aufsichtführenden haben, der für die Verkehrssicherheit und die Beachtung der Verkehrsvorschriften verantwortlich ist.47

46 47

Sabine Felbecker, Die Prozessionen, Altenberge 1995. Amtsblatt für das Erzbistum München und Freising 1999, 159 – 161 (27. Mai 1999).

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IV. Abhaltung und Besuch des Gottesdienstes Zweck und Grenzen der Nutzung von Kirchen ergeben sich aus den cc. 1205, 1210 und 1214. Der erste und oberste Zweck des Gotteshauses ist der Gottesdienst, sei es der amtliche und öffentliche, sei es der private. Die Nutzung für fremde Zwecke bedarf der Einwilligung des Ortsoberhirten. 1. Gottesdienstzeiten Es ist grundsätzlich Sache des Kirchenrektors, die Zeiten, in denen öffentliche Gottesdienste gehalten werden, festzusetzen. Diese Befugnis ergibt sich aus der ihm aufgetragenen Pflicht, für Gottesdienst und Seelsorge bemüht zu sein (cc. 528, 560). In Kirchen, die keine Pfarrkirchen sind, ist dabei gebührende Rücksicht auf den pfarrlichen Dienst zu nehmen (c. 559). Die Befugnis zur Bestimmung der Gottesdienstzeiten gilt in erster Linie für die Feier der heiligen Messe; sie ist das Herzstück katholischen amtlichen Gottesdienstes (cc. 897 – 899). Aber auch die Zeiten anderer Gottesdienste, die für die Teilnahme der Gemeinde offen und bestimmt sind, werden vom Kirchenrektor festgesetzt. Man denke an Andachten und die Ewige Anbetung (cc. 941 – 943).

2. Abhaltung a) Durch den Kirchenrektor bzw. Pfarrer Der Kirchenrektor i. w. S. oder die von ihm bestimmte bzw. zugelassene Person hält den Gottesdienst ab. Der Kirchenrektor i. e. S. verrichtet normalerweise die üblichen liturgischen Feiern in seiner Kirche (c. 559), u. U. auch pfarrliche Funktionen (c. 560). Der Pfarrer ist in jedem Falle der amtliche und ordentliche Liturge seiner Gemeinde. Er hat also in der Regel die erforderlichen Gottesdienste zu halten. Ihm wird das moderari und invigilare der Liturgie zugeschrieben (c. 528 § 2). Damit sind Leitungs- und Aufsichtsfunktionen angezielt. Der Kirchenrektor i. w. S. trifft die Anweisungen, die zur würdigen Feier des Gottesdienstes erforderlich sind. Als dem Hausherrn der Kirche obliegt ihm die Verantwortung für den geziemenden und ungestörten Verlauf des Gottesdienstes. Er sorgt für die Ruhe und Ordnung, die für den ehrfurchtsvollen Ablauf des Gottesdienstes notwendig sind. Der Kirchenrektor entscheidet auch über die Kirchenmusik, die Gesänge und das Orgel- bzw. Instrumentenspiel, die beim Gottesdienst Verwendung finden. b) Durch andere Personen Der Kirchenrektor i. w. S. läßt, entsprechend den geltenden Bestimmungen, Priester zur Zelebration der Messe zu (cc. 561 und 903). Dies ist normalerweise die

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Einzelzelebration. Es ist dem Kirchenrektor verwehrt, einen Priester, der einzeln zelebrieren will, zur Konzelebration zu zwingen.48 Es gibt nur drei Fälle, in denen die Konzelebration pflichtmäßig ist (Bischofskonsekration, Priesterweihe und Chrisammesse). Das Fehlen eines Altardieners ist kein Grund, die Einzelzelebration nicht zuzulassen, ebensowenig die Abwesenheit (auch nur) eines Gläubigen (c. 906). Sowohl dem Pfarrer (c. 528 § 1) wie dem Kirchenrektor i. e. S. (c. 562) wird die Verpflichtung auferlegt, über die Einhaltung der liturgischen Bestimmungen beim Gottesdienst zu wachen. Ihre Ordnungsbefugnis schließt ein, daß sie einem Geistlichen Abweichungen, Abkürzungen und Abänderungen des amtlichen Gottesdienstes verwehren können und müssen. Ebenso dürfen sie auf der vorgeschriebenen liturgischen Bekleidung bestehen. Auch wenn der Kirchenrektor seine Kirche nach dem Willen des Ortsoberhirten bestimmten Gruppen von Gläubigen zum Gottesdienst offenzuhalten hat (c. 560), bleibt er Hausherr der Kirche mit den angegebenen Befugnissen; dies gilt besonders von gewissen „Jugendgottesdiensten“. 3. Predigten, Beichthören und Druckerzeugnisse Der Kirchenrektor entscheidet, wer – gemäß dem geltenden Recht (cc. 762 – 772) – in seiner Kirche die Predigt hält. Priester und Diakone dürfen grundsätzlich überall predigen, jedoch nur mit wenigstens vermuteter Einwilligung des Rektors der Kirche (c. 764). Indes kann die Predigtvollmacht vom zuständigen Ordinarius eingeschränkt oder entzogen sein, und das Partikularrecht kann eine ausdrückliche Erlaubnis des Ordinarius fordern. Laien dürfen – nach näheren Vorschriften der Bischofskonferenz – zur Predigt in einer Kirche oder einem Oratorium zugelassen werden, wenn unter bestimmten Umständen eine Notwendigkeit dies erfordert oder in besonderen Fällen der Nutzen dazu rät, aber sie dürfen nicht die Homilie in der Messe halten (cc. 766 und 767 § 1). Der Pfarrer ist aufgrund seiner Hausgewalt und seiner Verantwortung als Lehrer befugt, einen Prediger zu unterbrechen oder vom Ambo zu verweisen, der irrige oder aufrührerische Reden hält; denn ihm ist die Wahrung der Unversehrtheit der Verkündigung in seiner Pfarrei aufgetragen (c. 528 § 1). Vom Kirchenrektor i. e. S. gilt nichts anderes, wie sich aus dem letzten Satz des c. 562 ergibt. Das Recht zur Verwaltung des Bußsakramentes besitzt jeder Priester, dem die Vollmacht kraft Amtes oder durch Übertragung des Ortsoberhirten zukommt (c. 967 § 2). Doch bedarf ein in dieser Weise ermächtigter Priester zur erlaubten Ausübung seiner Vollmacht normalerweise der (wenigstens vermuteten) Erlaubnis des Kirchenrektors; denn ihm ist die Obsorge für das gesamte gottesdienstliche Leben in seiner Kirche übertragen (c. 561). 48 Georg May, Das Recht auf Einzelzelebration, in: Una Voce-Korrespondenz 27 (1997) 147 – 172.

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Gemäß c. 827 § 4 dürfen in Kirchen und Kapellen Bücher oder andere Schriften, die Fragen der Religion oder der Moral behandeln, nur dann ausgelegt, verkauft oder verteilt werden, wenn sie mit Erlaubnis der zuständigen kirchlichen Autorität herausgegeben oder im nachhinein genehmigt wurden. Der Kirchenrektor hat demgemäß den Schriftenstand zu überprüfen. Er ist berechtigt und verpflichtet, Schriften, die c. 827 § 4 nicht entsprechen, zu entfernen. Darüber hinaus darf er alle Druckerzeugnisse aus dem ihm anvertrauten gottesdienstlichen Gebäude bzw. Raum wegnehmen, die ohne seine (wenigstens stillschweigend gegebene) Zustimmung ausgelegt wurden. Dem Kirchenrektor steht auch zu, die Verteilung bzw. den Verkauf von Schriften, Bildern, Prospekten und Einladungen auf kircheneigenen Grundstücken zu gestatten oder zu untersagen. 4. Fremder Kult Heilige Stätten sind für die Ausübung des katholischen Gottesdienstes bestimmt. Grundsätzlich gilt: Gottesdiensträume dürfen für den fremden, d. h. nichtkatholischen (christlichen) Kult nicht zur Verfügung gestellt werden, andere Räume dagegen wohl, sofern gewisse Bedingungen gewährleistet sind. Das Ökumenische Direktorium49 läßt indes die Benutzung katholischer Gotteshäuser durch nichtkatholische Kirchen und kirchliche Gemeinschaften zu, falls diese keinen Ort oder nicht die notwendige Ausstattung haben, um ihre religiösen Zeremonien würdig zu feiern. Doch ist die Einwilligung des Diözesanbischofs erforderlich.50 Wenn diese vorliegt, wird der Kirchenrektor nicht umhin können, seinerseits das Gottesdienstgebäude für den fremden Kult zu öffnen. 5. Besuch Jeder katholische Christ hat das Recht, dem amtlichen, öffentlichen Gottesdienst der Kirche beizuwohnen. Daher steht ihm der Eintritt in eine Kirche zur Zeit des Gottesdienstes frei (cc. 1214, 1221). Das Zutrittsrecht der Gläubigen zur Ausübung des Gottesdienstes ist ein wesentliches Element des Begriffs der Kirche (c. 1214); dadurch unterscheidet sie sich vom Oratorium. Zu ihm haben andere Gläubige als die Gemeinschaft, zu deren Nutzen es errichtet ist, nur mit Einwilligung des zuständigen Oberen Zutritt (c. 1223). Unter den fideles des c. 1214 sind allein die katholischen Christen zu verstehen; denn sie allein sind berechtigt, den Gottesdienst der Kirche auszuüben (cc. 835 § 4, 837 § 2). Das Recht der Teilnahme am Gottesdienst umfaßt die ganze Zeit der heiligen Feiern. In c. 1221 wird der freie Zugang tempore sacrarum celebrationum festgesetzt. Das heißt: Unpünktliche Besucher sind grundsätzlich einzulassen. Die Türen 49 Päpstlicher Rat zur Förderung der Einheit der Christen, Direktorium zur Ausführung der Prinzipien und Normen über den Ökumenismus vom 25. März 1993. 50 Nr. 137 Ökumenisches Direktorium.

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der Kirche dürfen darum nach Beginn des Gottesdienstes nicht abgeschlossen, zu spät kommende Personen nicht ausgesperrt werden. Gegen vorzeitiges Sichentfernen aus der gottesdienstlichen Feier besitzt der Kirchenrektor keine Handhabe, außer es geschähe mit aufsehenerregendem Getöse oder laut kundgegebenem unberechtigtem Protest. Die Exkommunikation hindert den Eintritt in die Kirche und die Teilnahme am Gottesdienst nicht, solange der mit ihr belegte katholische Christ nicht irgendwelche Dienste dabei ausübt (c. 1331 § 1 n. 1). Ebensowenig tut dies das Interdikt (c. 1332). Das Hausrecht des Kirchenrektors ist jedoch gefragt, sobald Exkommunikation oder Interdikt verhängt oder erklärt sind (cc. 1331 § 2, 1332) und die mit diesen Strafen belegte Person eine besondere Funktion, die als participatio ministerialis anzusehen ist, ausüben will. In diesem Fall ist sie grundsätzlich entweder daran zu hindern oder die liturgische Handlung ist abzubrechen (cc. 1331 § 2 n. 1 und 1332). Nur in Ausnahmefällen, bei schwerwiegendem Grund, darf die gottesdienstliche Feier fortgesetzt werden. 6. Sakramentenspendung Die Sakramente sind denen zu spenden, die rechtmäßig darum bitten. Der Kirchenrektor und darüber hinaus alle Spender von Sakramenten sind gehalten, Personen die Spendung der Sakramente zu verweigern, denen der Empfang durch das Recht verboten ist (c. 843 § 1). Dies gilt in erster Linie von Exkommunizierten und Interdizierten nach Verhängung oder Erklärung der Strafe und anderen hartnäckig in einer offenkundigen schweren Sünde Verharrenden (c. 915). Das Hausrecht gibt darüber hinaus nicht die Befugnis, ein Glied der Gemeinde eigenmächtig von den Sakramenten auszuschließen. 7. Außergottesdienstliche Veranstaltungen Falls der Ordinarius ihn dazu ermächtigt hat (c. 1210), darf der Kirchenrektor außergottesdienstliche Veranstaltungen im Kirchengebäude zulassen. Dabei hat er sich an die dafür geltenden Bestimmungen zu halten. In Österreich ist die Einwilligung zu musikalischen Darbietungen im Kirchengebäude vom Pfarrer als Rektor der Kirche zu erteilen.51 Am 5. November 1987 erließ die Kongregation für den Gottesdienst Richtlinien über die Abhaltung von Konzerten in Kirchen.52 Der Kirchenrektor ist berechtigt, das Programm des geplanten Konzertes zu überprüfen; er ist auch zuständig, die Durchführung des Konzertes zu überwachen.

51

ABl ÖBK 8 (1992) 2 f. (6. November 1992). L‘Osservatore Romano vom 6. Dezember 1987; Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls 81, Bonn 1988. 52

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V. Störungen Der Kirchenrektor ist an erster Stelle dafür verantwortlich, daß an heiligen Orten nichts geschieht, was mit deren Heiligkeit unverträglich ist (c. 1220 § 1). Während des Gottesdienstes und außerhalb des Gottesdienstes müssen an den heiligen Orten Anstand, Ordnung und Ruhe herrschen. Die Befugnis, diese aufrechtzuerhalten, steht dem Kirchenrektor zu. Insbesondere haben sich die Gottesdienstbesucher so zu verhalten, daß die Würde des Gottesdienstes nicht beeinträchtigt wird. Ihre aktive Beteiligung kann jedoch nicht erzwungen werden. Als Hausherr hat der Kirchenrektor keine Zwangs- oder Strafgewalt; auch der Pfarrer besitzt nach richtiger Auffassung grundsätzlich keine iurisdictio pro foro externo. Dennoch ist der Kirchenrektor gegen Störungen des Gottesdienstes und Beeinträchtigungen des heiligen Charakters von Orten nicht wehrlos. 1. Betreten Das Zutrittsrecht der Gläubigen zu Kirchengebäuden ist nicht unbeschränkt. Es kann nur im Rahmen der geltenden Bestimmungen ausgeübt werden (z. B. c.1220 § 1). Zum Eintritt ins Gotteshaus und erst recht zur Teilnahme am Gottesdienst gehört die geziemende Kleidung. Wer in ärgerniserregender Gewandung das Gotteshaus betreten will, kann abgewiesen werden. Der Eintritt in die Kirche und noch mehr die Beteiligung an gottesdienstlichen Feiern setzen die Nüchternheit der Besucher voraus. Wer betrunken im Gottesdienst erscheint, kann vom Betreten der Kirche abgehalten bzw. aus der Kirche gewiesen werden. Der heilige Charakter des Gotteshauses verlangt, daß nichts in es eingeführt wird, was damit unverträglich ist. Dies gilt sowohl für lebendige Wesen als auch für unlebendige Gegenstände. Man denke an Tiere sowie an Fahnen und Wimpel. Der Kirchenrektor entscheidet, was zugelassen wird und was nicht eingeführt werden darf. 2. Verhalten Wer in ein Gotteshaus eintritt, hat sich dessen Zweck und Würde entsprechend zu verhalten. Personen, die sich an heiligen Orten ungeziemend oder störend betragen, dürfen in ihre Schranken verwiesen werden. Die Unziemlichkeit kann in der Körperhaltung oder in (fremder) Beschäftigung hervortreten. So ist beispielsweise einer Frau zu untersagen, im Gotteshaus eine Strickarbeit zu verrichten, oder einem Mann zu verbieten, seine Mahlzeit darin einzunehmen. Jemand, der sich in einer Kirche lediglich zum Ausruhen oder Aufwärmen aufhält, könnte zum Verlassen aufgefordert werden, da er dem Zweck der Kirche zuwiderhandelt. Die Störung des Gottesdienstes kann durch Erregung von Lärm, durch Streit oder durch Unterhaltung geschehen. Gegen Personen, die sich so verhalten, daß daraus die Verachtung des Gottesdienstes zu erkennen ist oder eine empfindliche Störung der Andacht der Gläubigen sich ergibt, dürfen Maßnahmen ergriffen werden. Der Kirchenrektor

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kann mahnen und warnen, rügen und (mit gesetzlichen Sanktionen wie der Anzeige wegen Hausfriedensbruches oder wegen Störung der Religionsübung) drohen. Zu körperlicher Züchtigung ist er nicht befugt. Der Kirchenrektor kann zum Verlassen der Kirche auffordern. Man denke beispielsweise an Personen, die Werbeprospekte für Waren, Firmen und politische Parteien verteilen sowie für nicht anerkannte Frömmigkeitsformen und Erscheinungen werben und sich durch Mahnungen darin nicht stören lassen. Wer vom Inhaber des Hausrechts aufgefordert wird, sich zu entfernen, hat den Raum ohne schuldhafte Verzögerung zu verlassen. Wer rechtmäßig aus der Kirche verwiesen wird und dieser Aufforderung nicht Folge leistet, darf mit angemessener Gewalt daraus entfernt werden. Der Kirchenrektor kann dabei die Gläubigen zu Hilfe rufen. Die gewaltsame Entfernung ist als Notwehroder Nothilfemaßnahme zulässig. Das Herbeirufen der Polizei würde in vielen Fällen zu unzumutbaren Verzögerungen führen oder sich manchmal als undurchführbar erweisen. Ein derartiges Vorgehen ist auch gegen Kleriker oder beauftragte Laien zulässig. Es ist hierbei beispielsweise an c. 1369 zu denken. Wenn ein Prediger unzulässig gegen die Religion oder die Kirche redet, darf ihm der Kirchenrektor das Wort entziehen und ihn vom Ambo herunterholen. In ähnlicher Weise käme ein Verhalten gemäß c. 1373 in Frage. Auch an die cc. 1379 und 1384 ist zu denken. Es gibt bekanntlich die Fingierung der Krankensalbung durch nichtgeweihte Personen. 3. Hausverbot Das Hausrecht schließt die Befugnis ein, Hausverbote zu erlassen. Das Hausverbot hat den Zweck, die widmungsgemäße Verwendung der heiligen Stätten zu gewährleisten und dem Kirchenrektor die ordnungsgemäße Erfüllung seiner Amtspflichten zu ermöglichen. Dazu gehört auch die Überwachung der Einhaltung der liturgischen Bestimmungen. Das Verbot kann sich an jedermann oder einen bestimmten Kreis von Personen oder an einzelne Personen richten. Der Wille, der dem Betreten entgegengesetzt ist, kann in allgemeiner Form oder für den Einzelfall erklärt sein. Der Kirchenrektor könnte beispielsweise ein Hausverbot für Photographen erlassen, die erfahrungsgemäß durch ihr Verhalten den Gottesdienst stören oder der Würde desselben abträglich sind. Ebenso könnte eine Person behandelt werden, die regelmäßig und gewohnheitsmäßig den Gottesdienst stört. Einem Geistlichen, der notorisch die liturgischen Bestimmungen übertritt, kann und muß der Kirchenrektor die Feier von Gottesdiensten verbieten. 4. Strafrecht Das staatliche Strafrecht stützt das Hausrecht des Kirchenrektors. Er ist als Vertreter des Gotteshauses berechtigt, den Antrag auf Strafverfolgung wegen Hausfriedensbruches zu stellen (§§ 123, 124 StGB). Die Störung der Religions-

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ausübung ist nach § 167 StGB strafbar. Ähnliches gilt für die Störung der Bestattungsfeier nach § 167a StGB. Der Kirchenrektor darf auch als Vertreter der Kirche Strafantrag gegen Personen stellen, die sich außerhalb der Kirche und des kirchlichen Grundstücks befindend, die Ruhe oder den Gottesdienst durch Lärm stören. Die Beschädigung oder Störung religiöser Gegenstände oder gottesdienstlicher Sachen ist nach § 304 StGB strafbar. Der Kirchenrektor kann in allen Fällen die Polizei um ihr Eingreifen ersuchen.

Schluß Dem Kirchenrektor ist die Sorge für eine Kirche und evtl. für weitere kirchliche Gebäude anvertraut. Zur Sicherung des Zwecks des Kirchengebäudes und zur Abwehr von Störungen steht ihm das Hausrecht zu. Er besitzt die Vollmacht, im Rahmen der kirchlichen Rechtsordnung Personen den Zutritt in kirchliche Räume zu gestatten und zu versagen. Er kann und soll Besuchern des Gotteshauses und Teilnehmern des Gottesdienstes, welche durch ihr Verhalten die Würde des heiligen Ortes oder des heiligen Dienstes beeinträchtigen, mit entsprechenden Mitteln begegnen. Er kann mahnen und rügen, u. U. vom Besuch oder von der Teilnahme ausschließen. M. a. W.: Er soll den Zweck des Kirchengebäudes vor Störungen bewahren. Man kann diese Gewalt als (kirchliches) Hausrecht und ihren Träger als Hausherrn bezeichnen. Es ergibt sich aus der dem Kirchenrektor von der kirchlichen Rechtsordnung eingeräumten Stellung. Die Einrichtung des Hausrechts ist aus der staatlichen Rechtsordnung bekannt. Dort ist zwischen dem privatrechtlichen und dem öffentlich-rechtlichen Hausrecht zu unterscheiden. Für die öffentlichen bzw. zum Publikumsverkehr bestimmten kirchlichen Gebäude kommt das öffentlich-rechtliche Hausrecht in Frage, das dem Schutz des Widmungszweckes dient. Das Hausrecht des Kirchenrektors ist, wie gezeigt wurde, im geistlichen wie im weltlichen Recht beheimatet. Der Kirchenrektor kann sich somit in der staatlichen Rechtsordnung auf das öffentlich-rechtliche Hausrecht stützen.53 Die Rechtsstellung des Kirchenrektors überschreitet jedoch den Bereich des Hausrechts. Die ihm zugewiesenen Ordnungsbefugnisse sind inhaltlicher Art; sie wollen nicht nur die eigene Sphäre heiliger Orte vor dem Eindringen oder Verwei53

Nach dem Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. Juli 1986 ist das Hausverbot, das die Pfarrkirchenstiftung gegen eine Person verhängte, deren Kinder einen von der Stiftung getragenen Kindergarten besuchen, dem privaten Recht zuzuordnen (Entscheidungen in Kirchensachen seit 1946, 24. Bd., Berlin 1990, 170 – 172 Nr. 34. Ähnlich das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Dezember 1985; ebd., 23. Bd., Berlin 1990, 309 – 316 Nr. 74). Zum Zutrittsrecht betriebsfremder Gewerkschafter in kirchliche Einrichtungen ist zu vergleichen der Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Februar 1981 (Entscheidungen in Kirchensachen seit 1946, 18. Bd., Berlin 1985, 392 – 406 Nr. 68. Ein ähnlicher Fall ist durch Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 8. September 1975 entschieden worden; ebd., 15. Bd., Berlin 1980, 27 – 29 Nr. 7).

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len Unberechtigter schützen, sondern der Erfüllung der kirchlichen Sendung und der Wahrung der kirchlichen Disziplin dienen. Der Kirchenrektor ist kirchlicher Hoheitsträger. Er besitzt Funktionen der einfachen Hirtengewalt, wie sich aus den cc. 561 und 562 eindeutig ergibt. Angesichts dieses Sachverhalts liegt es nahe, das Hausrecht des Kirchenrektors lediglich als einen Ausschnitt aus der umfassenderen Rechtsstellung des Kirchenrektors zu betrachten. Der Kirchenrektor besitzt die Pflicht und die Befugnis, innerhalb des Kirchengebäudes für den geziemenden und würdigen Ablauf der Gottesverehrung zu sorgen. Seine Aufgabe ist also zuerst eine positive; sie ist darauf gerichtet, den Zweck des Kirchengebäudes zu erfüllen. Dies geschieht durch die Ausgestaltung und Erhaltung des Gotteshauses gemäß den kirchlichen Vorschriften, durch die würdige Vornahme der gottesdienstlichen Veranstaltungen sowie durch die Anhaltung der Besucher des Gotteshauses und erst recht der Teilnehmer am Gottesdienst zu einem entsprechenden Benehmen und Verhalten. Zur Bezeichnung der Gesamtvollmacht des Kirchenrektors schlage ich den Ausdruck Hausgewalt vor.

Der Wiedereintritt in eine Religionsgemeinschaft Der Austritt aus einer Religionsgemeinschaft hat vielfältiges Interesse und häufigen literarischen Niederschlag gefunden1. Der Wiedereintritt in eine Religionsgemeinschaft, die jemand durch Austritt verlassen hat, wird dagegen in allen einschlägigen Veröffentlichungen stiefmütterlich behandelt2. In der Gegenwart ge1

Mejer † (Hauck), Konfessionswechsel: RE X, 3. Aufl., 1901, 673 – 676; Hanns Engelhardt, Der Austritt aus der Kirche, Frankfurt a. M. 1972; Axel Frhr. von Campenhausen, Der Austritt aus den Kirchen und Religionsgemeinschaften, in: Ernst Friesenhahn/Ulrich Scheuner i. V. m. Joseph Listl (Hrsg.), Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland, 2 Bde., Berlin 1974/75, I, 657 – 666; Peter Gradauer, Der Kirchenaustritt und seine Folgen: Theologisch-praktische Quartalschrift 132, 1984, 64 – 75; Klaus Lüdicke, Wirtschaftsstrafrecht in der Kirche? Kanonistische Anmerkungen zu einem Kirchenaustritt, in: Vermögensverwaltung in der Kirche. Administrator bonorum. Oeconomus tamquam paterfamilias. Hrsg. von Hans Paarhammer, 2. Aufl., Thaur/Tirol 1988, 275 – 282; Joseph Listl, Die Rechtsfolgen des Kirchenaustritts in der staatlichen und kirchlichen Rechtsordnung, in: Recht als Heilsdienst. Matthäus Kaiser zum 65. Geburtstag. Hrsg. von Winfried Schulz, Paderborn 1989, 160 – 186 = Joseph Listl, Kirche im freiheitlichen Staat. Schriften zum Staatskirchenrecht und Kirchenrecht. Hrsg. von Josef Isensee/Wolfgang Rüfner i. V. m. Wilhelm Rees (= Staatskirchenrechtliche Abhandlungen Bd. 25), Berlin 1996, 648 – 671; Maria José Roca, Der Kirchenaustritt aus der Sicht von Staat, Kirche und Individuum: AfkKR 159, 1990, 427 – 447; Institut für Demoskopie Allensbach, Kirchenaustritte. Eine Untersuchung zur Entwicklung und zu den Motiven der Kirchenaustritte, Allensbach 1992; Franz-Helmut Richter, Handbuch Kirchenaustritt. Wie trete ich aus der Kirche aus: Verfahren – Gebühren – Adressen. Deutschland – Österreich – Schweiz, Aschaffenburg 1993; Institut für Demoskopie Allensbach, Begründungen und tatsächliche Gründe für einen Austritt aus der katholischen Kirche, Allensbach 1993; Sabine Demel, Kirchenaustritt wegen der Kirchensteuer – nur ein kleiner Fehltritt?: Anzeiger für die Seelsorge 1994, 471 – 476; Axel Frhr. von Campenhausen, Der Austritt aus den Kirchen und Religionsgemeinschaften, in: Joseph Listl/Dietrich Pirson (Hrsg.), Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland, 2 Bde., 2., grundlegend neubearb. Aufl., Berlin 1994/95, I, 777 – 785; Udo F. Schmälzle, Die Steuergemeinschaft endet. Es bleibt die Heilsgemeinschaft! Kirchenaustritt als pastorale Herausforderung: Anzeiger für die Seelsorge 1995, 494 – 498; Udo Körner, Austreten: Anzeiger für die Seelsorge 1997, 126 – 128; Joseph Listl, Die Erklärung des Kirchenaustritts, in: Joseph Listl/Heribert Schmitz (Hrsg.), Handbuch des katholischen Kirchenrechts, 2., grundlegend neubearb. Aufl., Regensburg 1999, 209 – 219; Heribert Hallermann, Zu Fragen der Kirchenmitgliedschaft, des Kirchenaustritts und des sogenannten Übertritts aus der Sicht des Katholischen Kirchenrechts: Una Sancta 57, 2002, 84 – 96. Die Lage der Rechtsquellen zum Kirchenaustritt im Jahre 1994 ist angegeben bei Campenhausen, Der Austritt aus den Kirchen 783 – 785. 2 Heribert Heinemann, Die rechtliche Stellung der nichtkatholischen Christen und ihre Wiederversöhnung mit der Kirche (= Münchener Theologische Studien Kanonistische Abteilung 20), München 1964; Peter Meinhold (Hrsg.), Das Problem der Kirchengliedschaft heute (= Wege der Forschung Bd. 524), Darmstadt 1979; Christian Meyer, Bemerkungen zum Kirchenmitgliedschaftsrecht: ZevKR 27, 1982, 225 – 253; Franz Hölzl, Die Sakramente der

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winnt er steigende Bedeutung3. Die folgenden Überlegungen stellen allein auf die katholische Kirche und deren Glieder ab.

I. Die Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft nach staatlichem Recht Das Recht der Mitgliedschaft bzw. Gliedschaft ist eine eigene Angelegenheit der Kirche bzw. der Religionsgemeinschaft. Der Staat geht für den Erwerb der Mitgliedschaft von der religionsrechtlichen Regelung aus. Ein staatliches Kircheneintrittsrecht existiert nicht. Eine eigene Zuständigkeit zu rechtlicher Regelung bezüglich der Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft besitzt der Staat lediglich hinsichtlich jener Wirkungen, die sie im weltlichen Bereich zeitigt. Die Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft wird nach Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV von dieser als eigene Angelegenheit selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes geregelt4. Allerdings erkennt das staatliche Recht nur solche Regelungen an, die mit dem Grundrecht der Glaubens- und

Eingliederung in ihrer rechtlichen Gestalt und ihren rechtlichen Wirkungen vom Zweiten Vatikanischen Konzil bis zum Codex Iuris Canonici von 1983 (= Theorie und Forschung Bd. 67 = Philosophie und Theologie Bd. 7), Regensburg 1988; Axel Frhr. von Campenhausen, Die staatskirchenrechtliche Bedeutung der Kirchenmitgliedschaft, in: Friesenhahn/Scheuner/ Listl, Handbuch des Staatskirchenrechts I, 609 – 614; derselbe, Staatskirchenrechtliche Probleme der Kirchenmitgliedschaft: ebenda I, 645 – 656; derselbe, Entwicklungstendenzen im kirchlichen Gliedschaftsrecht: ZevKR 41, 1996, 129 – 141; Andreas Feige, Kirchenmitgliedschaft in der Bundesrepublik Deutschland. Zentrale Perspektiven empirischer Forschungsarbeit im problemgeschichtlichen Kontext der deutschen Religions- und Kirchensoziologie nach 1945, Gütersloh 1990; Hanns Engelhardt, Einige Gedanken zur Kirchenmitgliedschaft im kirchlichen und staatlichen Recht: ZevKR 41, 1996, 142 – 158; Wolfgang Bock, Fragen des kirchlichen Mitgliedschaftsrechts: ZevKR 42, 1997, 319 – 337; Matthias Haß, Der Erwerb der Kirchenmitgliedschaft nach evangelischem und katholischem Kirchenrecht. Eine Untersuchung der staatskirchenrechtlichen, kirchenrechtlichen und rechtstheologischen Bezüge der Kirchenmitgliedschaft (= Münsterische Beiträge zur Rechtswissenschaft Bd. 109), Berlin 1997; Maria J. Roca, Die Zugehörigkeitserklärung zu einer Religionsgemeinschaft im deutschen Recht. Projektion und vergleichende Analyse mit dem spanischen Recht: ZevKR 43, 1998, 333 – 354; Pastorale und kirchenrechtliche Hinweise des Bistums Bozen-Brixen vom November 1998 zu Aufnahme in die katholische Kirche und Austritt aus der katholischen Kirche: AfkKR 167, 1998, 524 – 528; Ulrich Seelemann, Kirchenmitgliedschaft als Voraussetzung kirchlicher Anstellungsverhältnisse: ZevKR 44, 1999, 220 – 243; Bertram Zotz, Katholisch getauft – katholisch geworden. Kanonistische Kriterien für die Zugehörigkeit zur römischen Kirche (= Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici Beiheft 35), Essen 2002; Dirk Dütemeyer, Dem Kirchenaustritt begegnen. Ein kirchenorientiertes Marketingkonzept, 2., überarb. Aufl. (= Europäische Hochschulschriften Reihe XXIII Theologie Bd. 695), Frankfurt a. M. u. a. 2002. 3 Vgl. Doris Michel-Schmidt, Mein Weg zurück in die Kirche. Wiedereingetretene berichten, Würzburg 2003. 4 BVerfGE 30, 415, hier 422.

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Bekenntnisfreiheit5 vereinbar sind, d. h. die auf den freien Willen der Personen abstellen, diese also nicht ohne Rücksicht auf ihren Willen einer Religionsgemeinschaft eingliedern6. Der Staat sieht als Angehörigen einer Religionsgemeinschaft nur jemanden an, der sich, persönlich oder durch seinen gesetzlichen Vertreter, durch eine äußere, erkennbare Willenserklärung als dieser Gemeinschaft zugehörig bekannt hat. Ohne eine Willensbekundung der betreffenden Person oder ihres gesetzlichen Vertreters steht der Wille, Mitglied zu werden, nicht fest. Eine einseitige, vom Willen des Betroffenen unabhängige Eingliederung in eine Religionsgemeinschaft ist ungültig. Aus dem Grundrecht der Religionsfreiheit ergibt sich mithin das Verbot einer kirchlichen Zwangsmitgliedschaft. Erstmaliger Erwerb der Mitgliedschaft und neuerlicher Erwerb nach Verlust derselben decken sich nicht und sind daher zu unterscheiden.

II. Der Kirchenaustritt nach staatlichem Recht 1. Die Sicht des Staates Das Grundrecht der Religionsfreiheit schließt das Recht ein, sich der Religion zuzuwenden und die Religion bzw. deren Organisation zu verlassen. Für den letzteren Vorgang stellt der Staat das Institut des Kirchenaustritts bereit, das also der staatlichen Rechtsordnung angehört. Obwohl die Regelung der Zugehörigkeit zu einer Kirche eine innere Angelegenheit derselben ist, hat sich der Staat die Gesetzgebung über den sogenannten Austritt aus der Kirche vorbehalten. Doch beschränkt er sich dabei auf die Festlegung der bürgerlichen Wirkungen dieses Aktes. Der Kirchenaustritt hat bürgerliche Wirkung, d. h. im staatlichen Recht. Der Staat ist außerstande, die Mitgliedschaft zur Kirche als einer Glaubensgemeinschaft zu normieren. Nur der ins weltliche Recht hineinragende Verband der Kirche ist der staatlichen Regelung zugänglich. Doch ist nicht zu verkennen, daß mit der Bestimmung, der Ausgetretene sei durch seinen Austritt von allen Leistungen befreit, die auf der persönlichen Zugehörigkeit zu der betreffenden Religionsgesellschaft beruhen, auch in das innerkirchliche Recht eingegriffen wird. Denn dieses kann eben vorsehen, daß eine solche Befreiung durch den Akt des Austritts nicht eintritt. Der Kirchenaustritt ist eine empfangsbedürftige rechtsgestaltende Willenserklärung. Der Austretende erklärt, daß er der Kirche nicht mehr angehören will; er bekundet seinen Willen, vor dem Staat und dessen Rechtsordnung aus der katholischen Kirche austreten zu wollen. Das staatliche Kirchenaustrittsrecht hat unmittelbare Wirkungen lediglich im Bereich des staatlichen Rechtes. Der Ausgetretene ist aus staatlicher Sicht nicht mehr Mitglied der betreffenden Religionsgemein5

Joseph Listl, Das Grundrecht der Religionsfreiheit in der Rechtsprechung der Gerichte der Bundesrepublik Deutschland (= Staatskirchenrechtliche Abhandlungen Bd. 1), Berlin 1971. 6 BVerfGE 19, 206, hier 217.

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schaft. Der Staat legt der Austrittserklärung Wirkung vor seinen Behörden bei. Der aus der Kirche Ausgetretene wird von den staatlichen Behörden nicht mehr als Angehöriger derselben betrachtet und behandelt. Die Rücknahme der Kirchenaustrittserklärung ist in den staatlichen Kirchenaustrittsgesetzen nicht vorgesehen. Die detaillierte Geschichte des Kirchenaustritts ist noch zu schreiben7. Dabei ist auf eine graduelle Verschärfung der Rechtslage zu Ungunsten der Kirche hinzuweisen, vor allem was die zur Entgegennahme des Austritts zuständige Behörde und den Eintritt der Wirkungen des Austritts angeht. Ältere Kirchenaustrittsgesetze sahen nämlich eine Frist bis zum Wirksamwerden der Erklärung vor, um der Kirche Gelegenheit zu bieten, auf den Ausgetretenen einzuwirken, damit er seine Erklärung zurücknehme8. Diese Frist mußte als verfassungswidrig beseitigt werden9. Die Länder der Bundesrepublik Deutschland haben je eigene Kirchenaustrittsgesetze verabschiedet. Aus jüngster Zeit seien erwähnt im Land Rheinland-Pfalz das Landesgesetz über den Austritt aus Religionsgemeinschaften vom 12. Oktober 199510 und im Land Sachsen-Anhalt das Kirchenaustrittsgesetz vom 15. April 199811. Staatliche und kirchliche Behörden kommunizieren beim Kirchenaustritt miteinander. Nach der gemeinsamen Bekanntmachung der bayerischen Ministerien des Kultus und des Inneren vom 6. August 1992 hat der Standesbeamte vom Austritt aus der Kirche folgende Behörden zu verständigen: das zuständige Finanzamt, das Kirchensteueramt (mit Pfarramt), die Meldebehörde und den für die Fortführung des Familienbuches zuständigen Standesbeamten12. Nach dem Landesgesetz über den Austritt aus Religionsgemeinschaften von Rheinland-Pfalz unterrichtet der Standesbeamte die betroffene Religionsgemeinschaft, die Meldebehörde und die Stelle, welche die Kirchensteuer verwaltet, von dem erfolgten Austritt (§ 4 Abs. 2). Gemäß dem Kirchenaustrittsgesetz für Sachsen-Anhalt unterrichtet das zuständige Standesamt die entsprechende Religionsgemeinschaft, die zuständige Meldebehörde und, falls die erklärende Person verheiratet ist oder verheiratet gewesen ist, das Standesamt, welches das Familienbuch bzw. den Heiratseintrag führt (§ 4 Abs. 2). 2. Kirchliche Beurteilung Die staatliche und die kirchliche Rechtsordnung sind grundsätzlich unabhängig voneinander. Die Ebenen des staatlichen Rechtes und des kirchlichen Rechtes sind daher sorgfältig auseinanderzuhalten. Der Staat und die Kirche nehmen zum Kirchenaustritt (und zum Wiedereintritt) eine wesentlich verschiedene Stellung ein. 7 A. B. Schmitt, Der Austritt aus der Kirche, Leipzig 1893; Georg May, Der Kirchenaustritt in der DDR: Theologisch-praktische Quartalschrift 108, 1960, 290 – 294; derselbe, Der Kirchenaustritt in der Bundesrepublik Deutschland: ÖAKR 14, 1963, 3 – 67. 8 Z. B.: das preußische Gesetz vom 30. November 1920 (GS. S. 119) § 1 Abs. 2. 9 BVerfGE 44, 37. 10 GVBl. S. 421. 11 GVBl. S. 178. 12 AllMBl. S. 673.

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Eine Aufkündigung der Gliedschaft in der Kirche ist nach katholischer Lehre und nach Kirchenrecht nicht möglich; es gibt keinen „Austritt“ aus der Kirche. Die durch den Empfang der Taufe begründete Bindung an die Kirche kann nicht rückgängig gemacht werden. In diesem Sinne gilt der Satz: Semel Christianus semper Christianus. Der Staat nimmt zu dieser Sicht keine Stellung. Er hindert die Kirche nicht daran, den Kirchenaustritt zu verbieten und über den Ausgetretenen Strafen zu verhängen. Eine Religionsgemeinschaft ist sogar befugt, jemanden, der nach staatlichem Recht seinen Austritt erklärt hat, weiterhin als ihr Mitglied anzusehen13. Damit ist freilich auf die metajuristische Ebene abgehoben, nicht auf die des Staatskirchenrechts. Dennoch kann sich die Kirche der Tatsache nicht verschließen, daß die Erklärung des Kirchenaustritts nach ihrem objektiven Gehalt die Abwendung oder den Abfall von der Kirche ausdrückt. In der Regel steht der Kirchenaustritt am Ende einer langen Entwicklung der Entfremdung vom Leben der Kirche, vom Glauben der Kirche und von der Sittenlehre der Kirche, d. h. in den meisten Fällen war und ist die Erklärung des Kirchenaustritts der Ausdruck einer Entchristlichung und Entkirchlichung. Doch ist nicht zu übersehen, daß in den letzten Jahrzehnten seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil ein Teil der Kirchenaustritte völlig anders motiviert war und ist als bis dahin. Nicht ganz wenige Austretende begründen ihre Distanzierung von der Kirche mit deren innerem Zerfall und der daraus sich ergebenden Verwendung der Kirchensteuermittel und erklären ausdrücklich, daß sie sich lediglich von der Steuergemeinschaft der katholischen Kirche trennen, daß aber ihre Zugehörigkeit zu der Glaubensgemeinschaft unberührt bleibt14. Nach kirchlicher Auffassung gilt der Austritt als Lossagung von der Kirche. Eine solche liegt jedoch nicht in der Absicht der erwähnten Austretenden, die vielmehr der Kirche die Treue halten wollen. Sie versprechen durchaus glaubwürdig, ihren (sonstigen) kirchlichen Pflichten gewissenhaft nachkommen zu wollen. Sie versuchen, ihre Gewissenslage zu verdeutlichen mit dem Instrument des modifizierten Kirchenaustritts. Der modifizierte Kirchenaustritt war ein Mittel, das in der Austrittserklärung liegende Ärgernis zu beheben oder wenigstens zu vermindern. Er ist jedoch nicht (mehr) möglich. Zusätze zu der Erklärung, die sich auf den innerkirchlichen Bereich beziehen, dürfen seit einiger Zeit nicht mehr angenommen oder wenigstens in die Bescheinigung über den vollzogenen Kirchenaustritt nicht aufgenommen werden15. Die deutschen Bischöfe haben wiederholt zur religiös13 Auch staatliche Gerichte sprechen gelegentlich von dem Wiedereintritt als einer bloßen „Aktivierung der kirchlichen Gliedschaft“, die trotz des Kirchenaustritts weiterbesteht (OVG Lüneburg Beschl. vom 21. November 1985 – Az. 13 OVG B 86/85: ZevKR 31, 1986, 232, 234). 14 Beschluß des Pfälzischen Oberlandesgerichtes Zweibrücken vom 30. Juni 1993 (3 W 33/ 93) zu Zusätzen zur Kirchenaustrittserklärung (ZevKR 39, 1994, 198 – 201). 15 Josef Listl, Verfassungsrechtlich unzulässige Formen des Kirchenaustritts: JZ 1971 S. 345 – 352. Die entgegengesetzte Position vertraten Dietrich Pirson (JZ 1971 S. 608 – 612) und Hermann Weber (NJW 1975 S. 1904 f.). Ausführlich zu der Problematik Campenhausen, Der Austritt aus den Kirchen und Religionsgemeinschaften 664 f.; derselbe, Der Austritt aus den Kirchen und Religionsgemeinschaften 781.

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sittlichen Bedeutung des Kirchenaustritts Stellung bezogen. Über die Sündhaftigkeit des Kirchenaustritts und seine innerkirchlichen Folgen erließen die westdeutschen Bischöfe am 15. Februar 1937 eine Verlautbarung16. Im Erzbistum Köln wurde der Kirchenaustritt mit der Exkommunikation bedroht17. Die Erklärung der Diözesanbischöfe der Bundesrepublik Deutschland zu Fragen des kirchlichen Finanzwesens vom Dezember 196918 knüpft die Teilnahme am sakramentalen Leben der Kirche an die Rückgängigmachung des Kirchenaustritts. 3. Die Terminologie Staatliche Gesetze, die den Wiedereitritt in die Religionsgemeinschaft regeln, existieren nicht. Sie sind aber genauso denkbar wie staatliche Kircheneintrittsgesetze, sofern sie sich auf die Wirkungen für den staatsbürgerlichen Bereich beschränken19. Für den Staat ist der Wiedereintritt nichts anderes als ein (erneuter) Eintritt. Auch die katholische Kirche in Deutschland kennt in der Regel keine detaillierten Regelungen des Wiedereintritts20. Der einschlägige Gegenstand wird gewöhnlich unter dem Titel „Rekonziliation“ behandelt21. Entsprechend schwierig und uneinheitlich ist die Terminologie. Der Ausdruck „Wiedereintritt“ oder „Wiederaufnahme“ ist, dogmatisch und kirchenrechtlich gesehen, unangebracht und mißverständlich, denn die Aufnahme in die Kirche durch Empfang der Taufe ist einmalig und unwiederholbar. „Wiedereintritt“ oder „Wiederaufnahme“ ist nur zur Bezeichnung der im staatlichen Bereich eintretenden Wirkungen der kirchlichen Rekonziliation eines Ausgetretenen geeignet. Der angemessene Ausdruck für die Rückkehr in die kirchliche Gemeinschaft ist „Wiederversöhnung mit der Kirche“. Denn durch den bürgerlichen Kirchenaustritt hat der Christ die Kirche verletzt. Die Verordnung der Diözese Rottenburg-Stuttgart spricht von „Wiederaufnahme in die volle Gemeinschaft der katholischen Kirche“22. Solche Christen, die in der katho-

16 Ludwig Volk (Hrsg.), Akten deutscher Bischöfe über die Lage der Kirche 1933 – 1945, Bd. 4: 1936 – 1939, Mainz 1981, 175. 17 Kölner Diözesansynode 1954, Köln 1954, 230 Nr. 610 § 2. 18 AfkKR 138, 1969, 557 – 559. 19 Axel Frhr. von Campenhausen, Die Zugehörigkeit zu den Kirchen und Religionsgemeinschaften. Staatskirchenrechtliche Probleme der Kirchenmitgliedschaft, in: Friesenhahn/ Scheuner/Listl, Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland I, 644 – 656, hier 648; zurückhaltender derselbe, Die staatskirchenrechtliche Bedeutung des kirchlichen Mitgliedschaftsrechts, in: Listl/Pirson, Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland I, 755 – 775, hier 757. 20 In der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Hannover besteht eine Rechtsverordnung über die Wiederaufnahme Ausgetretener vom 21. Juni 1932 (KABl. S. 89). 21 Erlaß für die Diözese Augsburg vom 21. März 1988 über die Rekonziliation nach Erklärung des Kirchenaustritts (ABl. Augsburg 1988 S. 141 f.); Diözesanstatuten des Bistums Mainz, Mainz 1957, 107 (Wiederaufnahme = Rekonziliation). 22 KABl. Rottenburg-Stuttgart Nr. 13 vom 21. Juni 1995 S. 469 – 471.

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lischen Kirche getauft wurden, von ihr abfielen und nun zu ihr zurückkehren, können auch als Revertiten bezeichnet werden.

III. Das seelsorgliche Anliegen Die katholische Kirche hat seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges Millionen von Mitgliedern durch Kirchenaustritt verloren23. Die Ausgetretenen bleiben der Kirche aufgegeben; sie kann nicht auf sie verzichten. Die Kirche darf niemals die Hoffnung aufgeben, daß Gottes Gnade, im Verein mit der seelsorgerischen Einwirkung, die Entfremdeten wieder zu ihr zurückführt. Die Sorge der Kirche hört deshalb mit dem Kirchenaustritt nicht auf. Es muß ihr Ziel sein, die Ausgetretenen zur Rückkehr in die Kirche bzw. zur Versöhnung mit der Kirche zu bewegen. Die „Wiederaufnahme“ in die Kirche ist daher eine eminent seelsorgliche Aufgabe. Sie ist auch keineswegs aussichtslos. Allen Wiedereintrittshindernissen24 zum Trotz bleibt ein großer Teil der Ausgetretenen für die Kirche ansprechbar25. Auf protestantischer Seite hat man seit langem bemerkt, daß etwas und mehr als bisher getan werden muß, um den Wiedereintritt in die Kirche zu fördern. Dort sind beachtliche Konzepte zur nachgehenden Seelsorge an den Ausgetretenen entwickelt worden26. Ebenso werden beherzigenswerte Vorschläge für deren Rückgewinnung vorgelegt27. Die evangelischen Landeskirchen sind bemüht, den Kontakt zu den Ausgetretenen nicht abreißen zu lassen und sie möglichst zur Rückkehr zu bewegen28. Sie forderten ursprünglich regelmäßig für die Wiederaufnahme vorangehende aktive Beteiligung am Leben der Gemeinde, vor allem am Gottesdienst, ein Gespräch mit dem Pfarrer und religiöse Unterweisung, eine Wartezeit und die Meinungsäußerung des Kirchenvorstands. Die Empfehlungen der Arnoldshainer Konferenz vom 3. April 1987 gingen dahin, die hohen Hürden für die Wiederaufnahme von Ausgetretenen abzubauen29. Die Lebensordnung der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau erklärt ausdrücklich, daß den Ausgetretenen „die Teilnahme am Gottesdienst und an sonstigen Gemeindeveranstaltungen“ offenstehe. „Freundliche Kontakte und offene Gespräche können eine mögliche Rückkehr in die Gemeinde fördern“30.

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Andreas Feige, Kirchenentfremdung/Kirchenaustritte: TRE XVIII, 1988, 530 – 535; Joseph Listl/Renate Köcher, Kirchenaustritt: LThK V, 3. Aufl., 1996, 1510 f.; Detlef Pollack/ Dieter Kraus/Jan Hermelink, Kirchenaustritt: RGG IV, 4. Aufl., 2001, 1053 – 1059. 24 Dütemeyer, Dem Kirchenaustritt begegnen 211 f. 25 Dütemeyer, Dem Kirchenaustritt begegnen 207 – 213. 26 Dütemeyer, Dem Kirchenaustritt begegnen 164 – 174. 27 Dütemeyer, Dem Kirchenaustritt begegnen 213 – 221, 230 – 239, 245 – 248. 28 Dütemeyer, Dem Kirchenaustritt begegnen 96 – 100. 29 ABl. EKD S. 255 f. Nr. 105. 30 Ordnung des kirchlichen Lebens der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau i. d. F. v. 28. März 1995 Nr. VIII Ziff. 3.3 (ABl. S. 125 = ABl. EKD S. 477 – 479 Nr. 152).

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Nach dem Gesetz dieser Kirche vom 17. Juni 200031 geht dem Wiedereintritt ein Gespräch mit dem Pfarrer der Kirchengemeinde des Wohnsitzes, einem anderen Pfarrer oder einem von der Kirchenleitung hierfür Bevollmächtigten voraus. Dieser entscheidet über den Wiedereintritt. In Zweifelsfällen entscheidet der zuständige Kirchenvorstand über den Eintritt (Art. 1). An sich sind also auch im Bereich der evangelischen Kirchen Antrag auf Wiederaufnahme und Annahme desselben verlangt. Doch kann ein solcher Wiederaufnahmeantrag sowohl konkludent gestellt als auch konkludent angenommen werden32; d. h. es gibt einen Wiedereintritt in die Kirche durch schlüssiges Handeln33. Ein aus der Kirche Ausgetretener kann durch sein über einen längeren Zeitraum gezeigtes späteres Verhalten wieder Mitglied der Kirche werden34. Die jahrelange unbeanstandete Zahlung von Kirchensteuern oder die Taufe der Kinder des Ausgetretenen reicht allerdings nach dem (nicht wirksam gewordenen) Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover vom 9. März 1998 – 7 A 1132/97 – nicht aus35. Es ist von staatlicher Seite anerkannt, daß eine ausdrückliche oder gar förmliche Beitrittserklärung nicht erforderlich ist, um Mitglied einer Landeskirche zu werden36. Der Rechtsausschuß der Arnoldshainer Konferenz empfahl am 6. Mai 1999, die Aufnahme bzw. Wiederaufnahme im Bereich der Evangelischen Kirche in Deutschland auch durch anerkannte Eintrittsstellen vornehmen zu lassen37. Diese Anregung ist aufgegriffen worden38. In der Nordelbischen Kirche gibt es seit langem die Möglichkeit, besondere Aufnahmestellen einzurichten39. In Hamburg wurde schon im Jahre 1981 eine Wiedereintrittsstelle, die mit einem Pastor besetzt ist, eingerichtet40. Weitere Stellen bestehen in Berlin, Hannover und Dortmund. Die Kircheneintrittsstellen haben das Ziel, Menschen den Wiedereintritt zu ermöglichen, ohne daß sie den zuständigen Pfarrer, zu dem sie regelmäßig keine Verbindung haben, angehen müssen. Auf katholischer Seite ist 31 Kirchengesetz zur Änderung der Kirchengemeindeordnung und der Lebensordnung zum Kircheneintritt der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau vom 17. Juni 2000 (ABl. S. 233 = ABl. EKD S. 394). 32 Vgl. die insofern zutreffenden Ausführungen des VG Hannover in dem Urteil vom 9. März 1998 (ZevKR 46, 2001, 86 – 96). Eberhard Stammler wurde zum protestantischen Pfarrer ordiniert, obwohl er seinen bürgerlichen Kirchenaustritt nicht rückgängig gemacht hatte (Eberhard Stammler, Kirche ohne Volk? Christen am Ende des Jahrtausends, Zürich 1992, 202). 33 VG Braunschweig (1. Kammer Lüneburg), Urteil vom 26. Januar 1978 – I A 5/76 – (ZevKR 24, 1979, 380 – 386). 34 OVG Lüneburg, Beschluß vom 21. November 1985 – 13 OVG B 86/85 – (ZevKR 31, 1986, 232 – 234). 35 ZevKR 46, 2001, 86 – 96. 36 BVerfGE 30, 415, hier 424. 37 ABl. EKD 1999 S. 404 f. Nr. 125. 38 Dütemeyer, Dem Kirchenaustritt begegnen 230 f. 39 Haß, Der Erwerb der Kirchenmitgliedschaft 221. 40 Rechtsverordnung über die Wiederaufnahme Ausgetretener vom 10. Februar 1981 i. d. F. v. 10. März 1981 (GVBl. NEK S. 81 = ABl. EKD S. 249).

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das Anliegen der Wiederversöhnung bzw. des Wiedereintritts Ausgetretener m. W. noch nicht im gleichen Umfang institutionalisiert. Eine vergleichbare Stelle wurde in Hannover eingerichtet41. Daneben bestehen Einrichtungen zur Beratung Ausgetretener. Die Katholische Glaubensorientierung in St. Michael/München erstellte ein Faltblatt „Die Tür steht offen“, das als Information dienen soll, wie der „Wiedereintritt“ in die katholische Kirche vollzogen werden kann42. Das Bemühen, ausgetretene Christen zum Wiedereintritt in die Kirche zu bewegen, muß von der Erforschung der Motive ausgehen, deretwegen der Austritt erfolgte. Wie es für die staatliche Behörde gleichgültig ist, welche inneren Beweggründe jemand veranlassen, den Kirchenaustritt zu erklären, so ist es für sie auch unbeachtlich, aus welchen Motiven die betreffende Person den Wiedereintritt vornimmt. Der Staat stellt nur auf die rechtliche Zugehörigkeit, nicht auf die Überzeugung des einzelnen ab. Anders steht es um die kirchliche Sicht. Hier ist die Motivation zu ihrem Teil ausschlaggebend für die Wiederversöhnung mit der Kirche. In der Regel ist eine Gemengelage der Motive festzustellen. Der Pfarrer hat im Gespräch zu klären, wie und weshalb es zum Kirchenaustritt kam und welches die Motive für die Rückkehr sind. Der Wiedereintritt muß in jedem Falle auf freiem Willen beruhen, und die Wiederaufnahme muß in ernster Absicht begehrt werden.43 Wie die Verhältnisse liegen, ist Rigorismus unangebracht. Wenn erst einmal der Weg zum Leben der Gemeinde gefunden ist, kann die Seelsorge die erforderliche Nacharbeit leisten.

IV. Die Phasen und der Ritus der Wiederversöhnung Der Wiedereintritt in die Kirche nach staatlichem Recht setzt die Mitwirkung der Kirche voraus; ihm muß die Wiederversöhnung mit der Kirche vorausgehen. Diese vollzieht sich in mehreren Schritten. Das hierarchische Prinzip der katholischen Kirche läßt eine Wiederaufnahme in die volle Gemeinschaft der Kirche durch konkludente Handlung nicht zu, es sei denn die kirchliche Autorität hätte einen solchen Vorgang ausdrücklich zugelassen. Die kirchlichen Ritualien besitzen keine eigenen Riten für die „Wiederaufnahme“ Ausgetretener; aber sie kennen Formulare für die Versöhnung jener Personen mit der Kirche, die bisher – als Getaufte – außerhalb ihrer standen44. Das vorkonziliare Rituale enthielt einen Ritus De recipiendis Neoconversis in sinum Ecclesiae Catholicae, in dem für Personen über 14 Jahren stets Abschwörung, Glaubensbekenntnis, Lossprechung von Zensuren und 41

DT Nr. 99 vom 21. August 2003 S. 6. ABl. MF 1996 S. 205 Nr. 97. 43 Ein ohne genügende Motivation „unter Druck“ erfolgter Wiedereintritt in die Kirche kann für den Arbeitgeber Kirche unbeachtlich sein (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 9. Januar 1997 – 11 Sa 428/96 –: ZevKR 45, 2000, 423 – 427). 44 Für den Wiederaufnahmeritus im deutschen Protestantismus vgl. Dütemeyer, Dem Kirchenaustritt begegnen 219 f. 42

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sakramentale Beicht vorgesehen war45. Das Rituale Romanum kennt im Ordo Initiationis Christianae Adultorum einen Ordo Admissionis valide iam Baptizatorum in plenam Communionem Ecclesiae Catholicae46. Der Ritus betrifft getaufte Nichtkatholiken, die zur Kirche konvertieren. Von ihnen wird keine Abschwörung der Häresie, sondern nur die Ablegung des Glaubensbekenntnisses verlangt47. Dieser Ritus findet auch Verwendung bei der Versöhnung von Ausgetretenen48. Die Aufnahme kann innerhalb und außerhalb der Messe erfolgen. Die Diözese Rottenburg-Stuttgart erarbeitete das Formular eines Wortgottesdienstes zur Feier der Wiederaufnahme in die volle Gemeinschaft der katholischen Kirche49. Die Wiederaufnahme erfolgt danach „in der Regel“ innerhalb einer gottesdienstlichen Feier; diese ist also nicht ausnahmslos und zwingend vorgeschrieben. Die vorkonziliaren Diözesanstatuten enthielten in der Regel eingehende Vorschriften für die Rekonziliation Abgefallener50. Die Wiederversöhnung mit der Kirche ist im äußeren Bereich vorzunehmen. Dazu sind katholische Zeugen beizuziehen. Die Diözese Bozen-Brixen fordert die Anwesenheit zweier Zeugen. Die Diözese RottenburgStuttgart begnügt sich bei der Feier der Wiederaufnahme in die volle Gemeinschaft der katholischen Kirche mit (wenigstens) einem Zeugen. Die Zeugen sind Beweiszeugen. Sie können erforderlichenfalls versichern, daß die Wiederaufnahme rechtmäßig erfolgt ist.

1. Das Angehen des Ortsoberhirten Es ist selbstverständlich, daß der „Wiedereintritt“ in die Kirche nicht eine erneute Vornahme der Wassertaufe verlangt; denn die einmalig gültig gespendete Taufe bleibt unerachtet des Kirchenaustritts bestehen und ist unwiederholbar. Es kann sich nur um die Wiederherstellung eines geordneten Verhältnisses zur Kirche handeln. Diesem Zweck dient das am Anfang stehende Aufnahmeverfahren. Es besteht aus Antrag und Annahme. Beide sind empfangsbedürftige Willenserklärungen. In der Erzdiözese München und Freising sind bestimmte Formulare für

45

Rituale Moguntinum, Regensburg 1928, 68 – 76. Editio typica, Vatikanstadt 1972, 181 – 192. 47 Ökumenisches Direktorium Nr. 19 und 20 (AAS 59, 1967, 581). 48 Die Feier der Eingliederung Erwachsener in die Kirche nach dem neuen Rituale Romanum, Studienausgabe. Hrsg. von den Liturgischen Instituten Salzburg, Trier/Zürich/Einsiedeln/Köln/Freiburg/Wien 1975, 191: Die folgenden pastoralen Richtlinien können auch „für Konvertiten und Revertiten“ benutzt werden. 49 Kirchliches Amtsblatt für die Diözese Rottenburg-Stuttgart Nr. 13 vom 21. Juni 1995 S. 469 – 471. 50 Kölner Diözesan-Synode 1954, Köln 1954, 238 – 243 Art. 625 – 627, 629; Diözesanstatuten des Bistums Aachen, Aachen 1959, 202 f. Art. 450; Synodalstatuten des Bistums Trier, Trier 1959, 139 f. Art. 271 – 273; Synodalstatuten der Diözese Essen 1961, Essen 1962, 136 f. Art. 454 – 458. 46

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Gesuche um Rekonziliation vorgeschrieben51. Für die Vornahme der Rekonziliation ist nicht jeder Geistliche zuständig, sondern normalerweise nur der Pfarrer. Die Wiederaufnahme zu gewähren, liegt jedoch nicht in seiner Hand. Die Zulassung zur Rekonziliation bedarf der Zustimmung des Diözesanbischofs bzw. der Bischöflichen Behörde. Der mit der Rekonziliation Ausgetretener befaßte Pfarrer hat daher den Bischof bzw. die Bischöfliche Behörde um die Vollmacht zur Aussöhnung mit der Kirche zu bitten. In dem Antrag sind die Gründe für den Austritt aus der Kirche und die Motive für den Wiedereintritt in die Kirche anzugeben. Gleichzeitig ist die Vollmacht zu erbitten, den Rücktrittswilligen von der etwa eingetretenen Exkommunikation befreien zu dürfen. Die beiden Vollmachten sind zu unterscheiden, was sich schon daraus ergibt, daß die Vollmacht zur Lossprechung bei solchen, die sich mit Gewißheit keine Beugestrafe zugezogen haben, entbehrlich ist. 2. Die religiöse Unterweisung und die Bewährung In vielen Fällen verfügt der Ausgetretene nicht über hinreichendes Wissen um den Glauben. Manchmal muß man sogar vom Rücktritt aus der Glaubenslosigkeit sprechen. Dann wird die Unterweisung in der Lehre der Kirche unerläßlich. Man bedenke, daß die Wiederaufnahme in die Kirche oder, besser, die Rekonziliation mit der Kirche bedeutsame Rechtsfolgen im Eherecht zeitigt. Die „Vergünstigungen“, die in den cc. 1086 § 1, 1117 und 1124 gewährt werden, sind nunmehr hinfällig. Diese Tatsache muß dem Revertiten bewußt gemacht werden. In der Erzdiözese München und Freising wurde bei allen Rekonzilianden, so verschieden die Fälle auch gelagert sein mögen, auf „Glaubensgespräche“ gedrungen52. Der Kirche ist nicht nur an der Zahl, sondern auch an der Qualität ihrer Glieder gelegen. Sie sollen ihr nicht nur äußerlich zugehören, sondern auch innerlich zugetan sein. Das heißt: Katholische Christen müssen mit Überzeugung zu ihrem Glauben stehen. Das können sie aber nur, wenn sie über entsprechendes Wissen verfügen. Solches soll ihnen die spezielle religiöse Unterweisung vermitteln. Um Gewißheit über die Echtheit und die Nachhaltigkeit des Rückkehrwillens zu gewinnen, scheint zumindest in manchen Fällen die Auferlegung einer Zeit der Bewährung angebracht. In dieser Zeitspanne sollen die Revertiten durch ihr Verhalten bezeugen, daß sie bereit und gewillt sind, am kirchlichen Leben teilzunehmen sowie die religiösen und sittlichen Pflichten eines katholischen Christen zu erfüllen. In der Erzdiözese München und Freising wurde vorgeschrieben, daß Rekonziliationen ausgetretener Katholiken regelmäßig eine Bewährungsfrist von einem halben Jahr vorauszugehen hat. Sie soll dem Pfarramt Gelegenheit bieten, sich von der ernstlichen Sinnesänderung des Revertiten und der Beteiligung am kirchlichen Leben zu überzeugen53. Ob diese Bestimmung in einer Zeit, die durch die Absenkung fast aller Forderun51

ABl. MF 1990 S. 340 Nr. 185. ABl. MF 1977 S. 70 – 73 Nr. 127. 53 ABl. MF 1948 S. 171 f. Nr. 124.

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gen, die an die Kirchenglieder zu stellen sind, gekennzeichnet ist, noch durchführbar ist, erscheint fraglich. Doch ist zu bedenken, daß die allzu große Verbilligung der Wiedergewinnung der vollen Zugehörigkeit zur Kirche deren Wert bei den Menschen psychologisch beeinträchtigen kann. 3. Die Ablegung des Glaubensbekenntnisses Der Rücktrittswillige hat das Glaubensbekenntnis abzulegen. Damit bekundet er, daß er den Glauben der Kirche teilt. Nun existieren mehrere Glaubensbekenntnisse, vor allem das Apostolische54, das Nizäno-Konstantinopolitanische55 und das vom Heiligen Stuhl für die Fälle des c. 833 vorgeschriebene56. In der Diözese Rottenburg-Stuttgart ist in der Feier der Wiederaufnahme in die volle Gemeinschaft der Kirche das Apostolische Glaubensbekenntnis vorgesehen. Indes erscheint dieses in einer Zeit, in der außerhalb der katholischen Kirche zahlreiche christliche Religionsverbände mit unterschiedlichsten Verständnissen des apostolischen Glaubens bestehen, nicht hinreichend, um den Anschluß an den Glauben der katholischen Kirche eindeutig auszudrücken. Dies gilt in verstärktem Maße, wenn der Austritt als Absage an den katholischen Glauben gemeint war. Denn im Apostolischen Glaubensbekenntnis sind jene Wahrheiten, welche die katholische Kirche von den übrigen christlichen Religionsgemeinschaften unterscheiden, nicht enthalten. Es ist daher erforderlich, dem Rückkehrwilligen ein ausführliches Glaubensbekenntnis, etwa das Tridentinische57 oder das Tridentinisch-Vatikanische58, vorzulegen. Für die Erzdiözese Breslau wurde bei der Bevollmächtigung der Beichtväter zur Rekonziliation Ausgetretener (im inneren Bereich) eine treffende Kurzform des Glaubensbekenntnisses vorgeschlagen59. In früheren Zeiten wurde für die Rekonziliation von Apostaten die Abschwörung des Irrtums verlangt60. Sie hatte einen doppelten Zweck. Einmal war sie die Bekundung vor Gott und der Kirche, daß der Rückkehrwillige seiner Vergangenheit absagt und den Irr- oder Unglauben verneint. Zum anderen diente sie, wenn sie in der Öffentlichkeit geschah, der Wiedergutmachung des gegebenen Ärgernisses. Heute wird auf die Abschwörung verzichtet. Zur Begründung dieses Verzichts wird darauf hingewiesen, daß die Ablegung des Glaubensbekenntnisses einschlußweise die Verwerfung des Irrtums enthält. Es ist jedoch nicht einzusehen, weshalb diese 54

DH Nr. 30. DH Nr. 150. 56 AAS 81, 1989, 105, 1169. 57 DH Nr. 1862 – 1870. 58 Codex Iuris Canonici Pii X Pontificis Maximi iussu digestus Benedicti Papae XV auctoritate promulgatus, Vatikanstadt 1965, S. LXVIII-LXXI. 59 AfkKR 114, 1934, 142. 60 E. Magnin, Abjuration: DDC I, 1935, 76 – 92; Heribert Heinemann, Abschwörung 2) von Häresie, Schisma und Apostasie: LThK I, 3. Aufl., 1993, 78. 55

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nicht ausdrücklich geschehen soll. Die Distanzierung von dem bisher begangenen Irrweg wird dadurch deutlich gemacht. Eine Erklärung, etwa des Inhalts: Ich entsage jedem Irrtum, ist auch heutzutage nicht überflüssig. Dazu sollte die Erklärung treten, daß der Revertit seinen Abfall bereut und verspricht, der katholischen Kirche in Zukunft treu zu bleiben. 4. Die Behebung der Exkommunikation Die meisten deutschen Diözesen gehen nach wie vor davon aus, daß durch Kirchenaustritt die Exkommunikation nach c. 1364 verwirkt wird, d. h. sie sehen darin ein Vergehen gegen die Religion und die Einheit der Kirche61. Er ist auch ein Formalakt gemäß c. 111762. Eine Exkommunikation tritt nur ein, wenn die mit ihr bedrohte Straftat schwer sündhaft war. Wenn aber eine schwere Sünde vorliegt und die Strafe eingetreten ist, muß die Zensur behoben und muß von der Sünde losgesprochen werden. Die Behebung der Zensur und die Lossprechung von den Sünden sind zwei sachlich und rechtlich verschiedene Handlungen. Der Pfarrer hat das Bischöfliche Ordinariat um Beseitigung der Kirchenstrafe zu ersuchen. Die Lossprechung von der eingetretenen Strafe erfolgt durch den Ordinarius (c. 1355 § 2)63. Der Bischof könnte die Absolution selbst und persönlich vornehmen, denn bei der Lossprechung von der Beugestrafe muß die betroffene Person nicht anwesend sein, und dies könnte mündlich oder schriftlich erfolgen. Es ist aber angebracht, die Lossprechung von der Exkommunikation durch den Pfarrer vornehmen zu lassen, der die Rekonziliation leitet, damit die einschlägigen Handlungen in einer Hand bleiben und ihr innerer Zusammenhang erkennbar wird. Der Bischof sollte also die Lossprechung nicht selbst vornehmen, sondern lediglich die Vollmacht dazu erteilen. Der Ort der Lossprechung kann das Gotteshaus sein, auch januis clausis, oder das Pfarrhaus oder eine andere geeignete Stätte. Die Lossprechung von der Exkommunikation bildet nach der Ordnung für die Feier der Wiederaufnahme in die volle Gemeinschaft der katholischen Kirche, welche die Diözese RottenburgStuttgart erlassen hat, keinen Bestandteil der gottesdienstlichen Feier. Vielmehr ist der Wiederaufzunehmende vor der Feier der Wiederaufnahme „in geeigneter Form“ darüber zu unterrichten, daß er „durch Erlaß des Bischöflichen Ordinariats“ von der Kirchenstrafe gelöst ist. Diese Weise des Umgangs mit der Exkommunikation verschleiert den Ernst der Verfehlung und verdunkelt den Inhalt der Rekonziliation. 61

August Hagen, Die kirchliche Mitgliedschaft, Rottenburg a. N. 1938, 56 – 60; May, Der Kirchenaustritt in der Bundesrepublik Deutschland 6 f. Ausführlich zu der Problematik Joseph Listl, Die Erklärung des Kirchenaustritts, in: Joseph Listl/Heribert Schmitz (Hrsg.), Handbuch des katholischen Kirchenrechts, 2., grundlegend neubearb. Aufl., Regensburg 1999, 209 – 219, hier 216 f. 62 Z. B.: AfkKR 160, 1991, 141 – 143. 63 Bedeutsamerweise erklärte das Erzbistum München und Freising, daß bei einem mit Zusatz versehenen Kirchenaustritt die Absolution von einer Kirchenstrafe nicht erforderlich sei, weil davon auszugehen sei, daß sie nicht eingetreten sei (ABl. MF 1971 S. 224 f., 22. Juni 1971).

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Die Behebung der Kirchenstrafe ist deren integraler Bestandteil und darf nicht davon losgelöst werden. 5. Empfang des Bußsakramentes Zur fruchtbaren Kirchengliedschaft ist der Stand der heiligmachenden Gnade erforderlich. Das ordentliche Mittel, um ihn zu erlangen, ist die sakramentale Beicht (cc. 916, 987, 988). Im Zusammenhang mit der Wiederaufnahme nach Kirchenaustritt ist daher der Rückkehrwillige – bei angenommenem Eintritt der Exkommunikation nach deren Behebung – auf das Bußsakrament zu verweisen. Für den gültigen bzw. fruchtbaren Empfang des Bußsakramentes sind die dazu notwendigen Erfordernisse zu erbringen. Das heißt: Der Rückkehrwillige muß seinen Austritt ernstlich bereuen und versprechen, in Zukunft ein christliches Leben führen, treu im katholischen Glauben stehen und ihn bekennen zu wollen. Die unbedingt erforderliche Genugtuung besteht in der Rückgängigmachung des bürgerlichen Kirchenaustritts. Wenn ein Ausgetretener zu einer fremden Religionsgemeinschaft übergetreten war, muß er den Austritt aus dieser Religionsgemeinschaft erklären und den Nachweis für den Austritt aus derselben erbringen; denn niemand kann gleichzeitig zwei Religionsgemeinschaften angehören64. Der Empfang des Bußsakramentes muß nicht bei dem Priester erfolgen, der die Rekonziliation vornimmt. Die Wahl des Beichtvaters ist dem Rekonzilianden freigestellt. 6. Protokoll und Eintragung Über die erfolgte Wiederversöhnung ist ein Protokoll anzufertigen und von dem Rekonzilianden, dem Pfarrer und den Zeugen zu unterzeichnen. Die vorgenommene Rekonziliation ist dem Bischöflichen Ordinariat zu melden. Das Protokoll wird daher tunlich in zwei Ausfertigungen verfaßt, von denen eine beim Taufpfarramt verbleibt, die andere dem Bischöflichen Ordinariat zugesandt wird. Die Rekonziliation ist im Verzeichnis der Kirchenaustritte einzutragen, das in jeder Pfarrei zu führen ist. Wenn die Wiederaufnahme nicht im Taufpfarramt erfolgt, ist eine dritte Ausfertigung erforderlich, die dem Taufpfarramt zugestellt wird, damit es die entsprechende Eintragung vornimmt.

64 Der Wechsel zwischen verschiedenen als Körperschaften des öffentlichen Rechts verfaßten Religionsgemeinschaften setzt grundsätzlich den vorherigen formgerechten Austritt aus der bisherigen Religionsgemeinschaft voraus. Vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 13. Mai 1998 – 25 A 871/95 – (ZevKR 44, 1999, 282). Zum „Kirchenübertritt“ vgl. Campenhausen, Der Austritt aus den Kirchen und Religionsgemeinschaften 782 f.; Christian Meyer, Zur Übertrittsregelung in Niedersachsen: ZevKR 24, 1979, 340 – 345.

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V. Das Verfahren in foro interno Die Rekonziliation ist grundsätzlich eine Angelegenheit im äußeren Bereich. Sie berührt die Kirche als sichtbare Gemeinschaft des Glaubens. Das Verfahren der Wiederversöhnung hat daher normalerweise öffentlich, wenn auch in der minimalen Form der Anwesenheit zweier Zeugen, vor sich zu gehen. Doch um Beschämung zu vermeiden und die Versöhnung zu erleichtern, hat die Heilige Pänitentiarie im Jahre 1919 zum erstenmal65 und daraufhin wiederholt66 den deutschen Bischöfen die Vollmacht gewährt, die in ihrer Diözese approbierten Beichtväter zu delegieren, ihre Pönitenten pro utroque foro von den wegen Apostasie, Häresie oder Schisma zugezogenen Zensuren zu absolvieren. Auf die in Rechtsform vorgenommene Abschwörung konnte dabei verzichtet werden, aber es sollte eine geheime Abschwörung vor dem Beichtvater vorausgehen. Der Beichtvater hatte dem Pönitenten die notwendigen Pflichten aufzuerlegen, also vor allem den vor der bürgerlichen Obrigkeit erklärten Austritt zurückzunehmen, sofern das ohne schweren Nachteil geschehen konnte. Im Erzbistum Berlin erhielten alle approbierten Beichtväter die Vollmacht, die gemäß c. 1364 § 1 zugezogene Exkommunikation nach c. 1355 § 2 zu beheben67. Danach kann die Lossprechung von der Sünde des Kirchenaustritts erfolgen. Auch der Bischof von Fulda erteilte am 26. April 1985 den Beichtvätern unbefristet Lossprechungsvollmacht für die Exkommunikation des c. 1364 § 168. Ebenso gab der Erzbischof von Freiburg/Breisgau am 31. Mai 1985 den Beichtvätern die Vollmacht, Pönitenten von der Strafe des c. 1364 § 1 loszusprechen ohne die Pflicht zum Rekurs, wobei die Strafe wieder auflebt, wenn der Pönitent nicht die Kirchenaustrittserklärung widerruft und den Pfarrer im äußeren Bereich von der erteilten Absolution unterrichtet69. Der Bischof von Würzburg endlich gab den Beichtvätern ebenfalls die Vollmacht, von der Strafe des c. 1364 § 1 zu absolvieren ohne die Pflicht zum Rekurs, wenn der Glaubensabfall nicht öffentlich bekannt ist und der Pönitent seine Glaubenshaltung wieder in Übereinstimmung mit der Kirche gebracht hat70. Ob diese Vollmachten heute angesichts der Beichtscheu der meisten katholischen Christen noch benutzt werden, ist ungewiß.

65 So Klaus Mörsdorf, Lehrbuch des Kirchenrechts auf Grund des Codex luris Canonici III, 11., verb. u. verm. Aufl., Paderborn 1979, 426. Mir liegt eine Notiz über den deutschen Bischöfen gegebene Triennalvollmachten vom 2. August 1921 vor (M. Brandenburg/Paul Krause, Die Geschäftsverwaltung des katholischen Pfarramtes im Gebiete des preußischen Landrechts mit Berücksichtigung des Reichskonkordats vom 20. Juli 1933, Berlin 1934, 192). 66 Reskript der Hl. Poenitentiarie an den Erzbischof von Breslau, betr. besondere Rekonziliationsvollmachten für die deutschen Bischöfe, vom 25. Oktober 1933 (AfkKR 114, 1934, 140 f.); für 1970: AfkKR 139, 1970, 156; für 1975: AfkKR 144, 1975, 544. 67 ABl. Berlin 1985 S. 93. 68 KABl. Fulda 1985 S. 30. 69 ABl. Freiburg 1985 S. 149. 70 ABl. Würzburg 1984 S. 118.

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VI. Die Mitteilung an die staatlichen Behörden Für den Wiedereintritt (als staatsbürgerlichen Akt) ist grundlegend, daß der Rücktrittswillige nach außen bekundet, er möchte von nun an (wieder) als Glied der Kirche angesehen werden. Das staatliche Recht kennt weder einen Widerruf des Austritts noch eine Erklärung des Wiedereintritts vor einer staatlichen Behörde. Das heißt: Die staatlichen Behörden legen beim Wiedereintritt die innerkirchliche Regelung zugrunde. Das Urteil darüber, ob jemand wieder in die Kirche aufgenommen, d. h. für den katholischen Bereich: rekonziliiert worden ist oder nicht, steht nur ihr zu71. Der Staat ist in gewissem Umfang daran interessiert, zu erfahren, welche Bürger einer Religionsgemeinschaft angehören. Die Behörden haben das Recht, nach der Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft zu fragen, soweit davon Rechte und Pflichten abhängen oder eine gesetzlich angeordnete statistische Erhebung dies erfordert (Art. 136 Abs. 3 S. 2 WRV i. V. m. Art. 140 GG). Die Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft ist in privatrechtlicher Hinsicht mannigfach relevant. Es sei an das Familienrecht, das Erbrecht und das Arbeitsrecht erinnert. Die Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft ist auch im öffentlichen Recht beachtlich. Man denke an den Religionsunterricht, die Anstaltsseelsorge, die Feiertage und die Kirchensteuer. Nur Personen, die einer Religionsgemeinschaft angehören, können zu deren finanzieller Unterstützung durch Besteuerung von Staates wegen herangezogen werden72. Auch der Einzelne kann ein Interesse daran haben, daß ein staatliches Gericht das Bestehen oder Nichtbestehen seiner Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft feststellt73. Die staatlichen Steuervorschriften enthalten keine Bestimmungen über die rechtliche Zugehörigkeit zur Kirche. Die Beurkundung des Personenstandes und dessen Veränderungen erfolgt in den staatlichen Personenstandsbüchern (Heirats-, Geburten-, Sterbe- und Familienbuch). Die Meldebehörden der Länder der Bundesrepublik Deutschland speichern zur Erfüllung ihrer Aufgaben (auch) die rechtliche Zugehörigkeit ihrer Einwohner zu einer Religionsgemeinschaft im Meldere-

71 Klaus Mörsdorf bemerkte (1964), das Staatsrecht sehe (außer in Württemberg) für den Rücktritt des Ausgetretenen eine Form nicht vor. In staatsrechtlicher Hinsicht genüge es, daß der Zurückkehrende „sich bei der nächsten polizeilichen Personenstandsaufnahme als römisch-katholisch bezeichnet“ (Klaus Mörsdorf, Lehrbuch des Kirchenrechts auf Grund des Codex Iuris Canonici. Begründet von Eduard Eichmann, fortgeführt von Klaus Mörsdorf. I. Bd., 11., verb. u. verm. Auflage, München/Paderborn/Wien 1964, 184). Dabei wird die Mitwirkung des kirchlichen Amtsträgers übersehen. 72 Heiner Marré, Das kirchliche Besteuerungsrecht, in: Listl/Pirson, Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland II, 1101 – 1147, hier 1118 – 1124. 73 VGH Bremen, Urteil vom 30. 12. 1958, in: ZevKR 8, 1961/62 S. 415 = KirchE 4 S. 387; VGH Bremen, Urteil v. 26. 5. 1959, in KirchE 5 S. 27; VG Braunschweig, Urteil v. 28. 3. 1963, in: FamRZ 1963 S. 446; OLG Braunschweig, Beschluß v. 20. 1. 1965, in: FamRZ 1965 S. 228.

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gister. Der Eintrag der Religionszugehörigkeit darf nur aufgrund amtlicher Mitteilung74 erfolgen bzw. geändert werden. Für den Bereich des staatlichen Rechts haben Rekonziliationen die Wirkung eines Eintritts in die katholische Kirche. Deswegen hat das befaßte Pfarramt sie dem Einwohnermeldeamt amtlich mitzuteilen75. Die Angabe der Religion auf dem Meldebogen bei der Meldebehörde allein genügt nicht, um die Mitgliedschaft in dieser Religion vor dem Staat zu erwerben. Die betreffende Person muß sich den Aufnahmemodalitäten der entsprechenden Religionsgemeinschaft fügen. Der Rekonziliierte hat weiter dafür zu sorgen, daß das Finanzamt von seinem Rücktritt amtlich unterrichtet wird. In der Lohnsteuerkarte muß er sich als römischkatholisch eintragen lassen, bei der Steuererklärung dieselbe Konfession angeben. Wenn ein katholischer Christ nach Kirchenaustritt sich z. B. bei der standesamtlichen Trauung und bei Abgabe der Einkommensteuererklärungen als römisch-katholisch bezeichnet, dann kann der Staat allerdings rechtmäßig davon ausgehen, daß er Glied der katholischen Kirche ist. Solange die modifizierte Erklärung des Kirchenaustritts zulässig war, hatte die Erzdiözese München und Freising ein vereinfachtes Verfahren des Wiedereintritts eingeführt. Es war nämlich vorgesehen, daß bei Kirchenaustritten mit Zusatz der Betreffende aufzufordern war, innerhalb einer Frist von zehn Tagen dem Pfarramt gegenüber zu erklären, der mit dem Zusatz versehene Kirchenaustritt werde widerrufen. Wenn der Widerruf erfolgte, teilte das Pfarramt dem Einwohnermeldeamt (nicht dem Standesamt) die Aufnahme des Betreffenden in die katholische Kirche mit dem Datum der Widerrufserklärung mit76. Innerkirchlicher Maßnahmen, wie etwa der Lossprechung vom Kirchenbann, bedurfte es in diesem Falle nicht, weil Unkenntnis über die Folgen des mit Zusatz versehenen Kirchenaustritts angenommen wurde.

74 Als Kirchenaustrittsgesetze noch vorsahen, daß die Erklärung in der Zeit zwischen ihrer Abgabe und ihrem Wirksamwerden widerrufen bzw. zurückgenommen werden konnte, stellte der Widerruf ohne Mitwirkung der kirchlichen Autoritäten die (staatskirchenrechtliche) Kirchenmitgliedschaft wieder her. 75 ABl. MF 1951 S. 303 f.; Erlaß des Ministeriums des Inneren des Landes Sachsen-Anhalt zur Eintragung der rechtlichen Zugehörigkeit zu einer Religionsgesellschaft im Melderegister vom 16. Oktober 1995 (AfIcKR 164, 1995, 546 – 548). Zur Angabe der Religionszugehörigkeit bei der Meldebehörde: OVG Münster, Urteil v. 13. 9. 1955: KirchE 3, S. 126. Wird ein Nebenwohnsitz begründet, ist der Meldepflichtige nach § 7 des Gesetzes über das Meldewesen nicht gehalten, Angaben über seine Religionszugehörigkeit zu machen. Vgl. OLG Karlsruhe, Beschluß v. 3. 8. 1971, in: DVB1. 1972 S. 506 = ZevKR 17, 1972, S. 435 (nur Leitsatz). 76 ABl. MF 1971 S. 224 f. (22. Juni 1971).

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VII. Der Wiedereintritt von Kindern Der Wiedereintritt von Kindern in eine Religionsgemeinschaft richtet sich nach dem Reichsgesetz über die religiöse Kindererziehung vom 15. Juli 1921 (RGB1. S. 939). Der Austritt der Eltern bringt nicht automatisch den Austritt der Kinder mit sich. Für sie ist eine eigene Erklärung verlangt. Wenn Kinder, an deren Stelle die Eltern den Kirchenaustritt erklärt haben, diesen Schritt rückgängig machen wollen, bedürfen sie für den äußeren Bereich einer Rekonziliation. Kinder nichtkatholischer oder von der katholischen Kirche abgefallener Eltern dürfen nur dann in die Kirche aufgenommen werden, wenn wenigstens ein Elternteil (oder der Vormund) damit einverstanden ist. Hat das Kind das 12. Lebensjahr vollendet, so kann es nicht gegen seinen Willen in einem anderen Bekenntnis als bisher erzogen werden (§ 5 S. 2 RKEG). Das heißt: Die Eltern können den Kirchenaustritt oder den Wiedereintritt für das Kind nicht gegen dessen Willen erklären. Nach der Vollendung des 14. Lebensjahres steht dem Kinde die Entscheidung darüber zu, zu welchem religiösen Bekenntnis es sich halten will (§ 5 S. 1 RKEG). War es also vorher rechtmäßig aus der Kirche ausgetreten, so kann es jetzt, ohne jemandes Zustimmung einzuholen, wieder eintreten.

VIII. Schluß Im Kirchenaustritt distanzieren sich Kirchenglieder vor der staatlichen Behörde von der Kirche, der sie sich in der Regel schon lange vorher entfremdet haben. Die Erklärung, der Kirche, was den staatlichen Bereich angeht, nicht mehr angehören zu wollen, löst gewöhnlich auch jede religiöse Verbindung mit der Kirche und ist daher grundsätzlich heilsgefährdend. Doch ihre Entfernung darf nicht endgültig sein. Die Kirche will und soll wachsen, auch an der Zahl ihrer Glieder. Die Gläubigen und vor allem die hauptamtlich im Dienst der Kirche stehenden Personen haben die heilige Pflicht, die Ausgetretenen zur Rückkehr in die Gemeinschaft zu bewegen. Sie kommen dieser Aufgabe nach, indem sie ihnen zur Wiederversöhnung mit der Kirche (Rekonziliation) verhelfen. Dieser Vorgang schließt die Rückgängigmachung des bürgerlichen Kirchenaustritts ein, in der Umgangssprache als Wiedereintritt in die Kirche bezeichnet. Die bisherigen Anstrengungen und Unternehmungen der Kirche zur Erreichung dieses Zieles sind der Wichtigkeit der Sache noch nicht angemessen. Es muß zu denken geben, daß die Zahl der Eintritte bzw. Wiedereintritte in die protestantischen Religionsgemeinschaften in Deutschland viel höher ist als in die katholische Kirche. Die Kirche hat hier einen hohen Nachholbedarf, der nicht auf die lange Bank geschoben werden darf. Die oft geforderte Neuevangelisierung schließt in den Verhältnissen der Bundesrepublik Deutschland das Ringen um Rückkehr der Ausgetretenen in sich.

Anzeige und Anzeigepflicht bei Missbrauchsfällen I. Einleitung Seit geraumer Zeit ist in der Öffentlichkeit vieler Länder der „westlichen“ Welt von sexuellem Missbrauch, Kindesmissbrauch die Rede.1 Die Massenmedien widmen dem Gegenstand begreiflicherweise eine große Aufmerksamkeit. Die Parlamente und die Regierungen greifen die Angelegenheit auf und fragen nach Konsequenzen. Die katholische Kirche in Deutschland wurde aufgeschreckt, als Angehörige der Gesellschaft Jesu zuerst in Berlin mit der Bekanntgabe von Missbrauchsfällen in von ihnen betriebenen Einrichtungen der Erziehung an die Öffentlichkeit traten. Andere Personen und Institutionen der Kirche ahmten das damit gegebene Beispiel nach und warteten mit Enthüllungen auf, die sich weit in die Vergangenheit erstreckten.2 Die Deutsche Bischofskonferenz beeilte sich, die Sache aufzugreifen und neue „Leitlinien“ für den Umgang mit sexuellem Missbrauch Minderjähriger durch Geistliche, Ordensleute und Mitarbeiter im Bereich 1

Aus der Fülle der Literatur führe ich an: Erika Geisler, Das sexuell mißbrauchte Kind. Beitrag zur sexuellen Entwicklung ihrer Gefährdung und zu forensischen Fragen (Beiheft zur „Praxis der Kinderpsychologie und Kinderpsychiatrie“ 3), Göttingen 1959; Günter Weiß, Die Kinderschändung (Kriminologische Schriftenreihe 10), Hamburg 1963; F. G. v. Stockert u. a. (Hrsg.), Das sexuell gefährdete Kind. Vorträge gehalten auf dem 8. Kongreß der Deutschen Gesellschaft für Sexualforschung vom 25. bis 27. Mai 1964 in Karlsruhe (Beiträge zur Sexualforschung 33), 1. Teil, Stuttgart 1965; Rudolf Wyss, Unzucht mit Kindern. Untersuchungen zur Frage der sogenannten Pädophilie (Monographien aus dem Gesamtgebiet der Neurologie und Psychiatrie 121), Berlin/Heidelberg 1967; Peter Theede, Unzucht mit Abhängigen (§ 174 StGB). Eine strafrechtliche und kriminologische Untersuchung (Kriminalwissenschaftliche Abhandlungen 1), Lübeck 1967; Elisabeth Trube-Becker, Gewalt gegen das Kind. Vernachlässigung, Mißhandlung, sexueller Mißbrauch und Tötung von Kindern, 2., überarb. Aufl. (Kriminalistik – Wissenschaft und Praxis 14), Heidelberg 1987; Thomas Wilmer, Sexueller Mißbrauch von Kindern. Empirische Grundlagen und kriminalpolitische Überlegungen (Europäische Hochschulschriften, Reihe II. Rechtswissenschaft 1900), Frankfurt a. M. 1996; Dirk Bange/Günter Deegener, Sexueller Mißbrauch an Kindern. Ausmaß, Hintergründe, Folgen, Weinheim 1996; Gabriele Amann/Rudolf Wipplinger (Hrsg.), Sexueller Mißbrauch. Überblick zu Forschung, Beratung und Therapie. Ein Handbuch, Tübingen 1997; Rudolf Egg (Hrsg.) Sexueller Mißbrauch von Kindern. Täter und Opfer (Kriminologie und Praxis 27), Wiesbaden 1999. 2 Für die Vergangenheit ist zu vergleichen Elisabeth Trube-Becker, Historische Perspektive sexueller Kontakte zwischen Erwachsenen und Kindern bzw. Jugendlichen und die soziale Akzeptanz dieses Phänomens von der Zeit der Römer und Griechen bis heute, in: Amann/ Wipplinger, Sexueller Mißbrauch (Anm. 1), S. 39 – 51.

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der Bischofskonferenz zu erlassen3, welche die „Leitlinien“ von 20024 ablösten. Ich beabsichtige nicht, diese Richtlinien zu untersuchen. An dieser Stelle wird lediglich der Umgang des staatlichen Rechts mit Fällen sexuellen Missbrauchs Minderjähriger behandelt. Die folgenden Ausführungen beziehen sich allein auf die Verhältnisse und die Rechtslage in der Bundesrepublik Deutschland.

II. Die Straftaten Straftaten sind tatbestandsmäßige, rechtswidrige und schuldhafte Handlungen. Für das deutsche Strafrecht5 ist der Unterschied von Verbrechen und Vergehen wesentlich. Verbrechen sind Straftaten, die im Mindestmaß mit Freiheitsstrafe von einem Jahr oder darüber bedroht sind (§ 12 Abs. 1 StGB). Vergehen sind Straftaten, die im Mindestmaß mit einer geringeren Freiheitsstrafe (als einem Jahr) oder mit Geldstrafe bedroht sind (§ 12 Abs. 2 StGB). Der genannte Unterschied zieht weitere Folgen nach sich. Der Versuch eines Verbrechens ist stets strafbar, der Versuch eines Vergehens nur, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt (§ 23 Abs. 1 StGB). Die erfolglose Anstiftung (§ 30 Abs. 1 StGB), die Verabredung einer Straftat, das Sich-bereit-Erklären, die Annahme eines Anerbietens dazu (§ 30 Abs. 2 StGB) sowie die Bedrohung mit einer solchen (§ 241 StGB) sind nur dann strafbar, wenn sie ein Verbrechen betreffen. Ebenso ist der Verlust der Amtsfähigkeit und der Wählbarkeit nur bei Verbrechen möglich (§ 45 StGB). Ein Verbrechen kann nicht durch Strafbefehl geahndet werden (§ 407 StPO). Im Folgenden sollen die Tatbestände, die sexuellen Missbrauch betreffen, kurz vorgestellt werden, damit der Leser weiß, wovon gesprochen wird. „Sexueller Mißbrauch an Kindern ist jede sexuelle Handlung, die an oder von einem Kind entweder gegen den Willen des Kindes vorgenommen wird oder der das Kind aufgrund körperlicher, psychischer, kognitiver oder sprachlicher Unterlegenheit nicht wissentlich zustimmen kann. Der Täter nutzt seine Macht- und Autoritätsposition aus, um seine eigenen Bedürfnisse auf Kosten des Kindes zu befriedigen.“6 3

Amtsblatt Görlitz Nr. 10 vom 17. September 2010, Nr. 63, S. 1 – 9. Leitlinien zum Vorgehen bei sexuellem Mißbrauch Minderjähriger durch Geistliche im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz vom 26. September 2002 (Kirchliches Amtsblatt für das Bistum Trier, 146. Jg., Ausgabe 12 vom 1. Dezember 2002, Nr. 212, S. 244 – 246). 5 Ich verweise zur Kommentierung auf zwei Werke: Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch. Bd. 2/2 §§ 80 – 184 f. StGB. Red. Bernd von Heintschel-Heinegg, München 2005; Heinrich Wilhelm Laufhütte/Ruth Rissing-van Saan/Klaus Tiedemann (Hrsg.), Strafgesetzbuch. Leipziger Kommentar. Großkommentar, 12., neu bearb. Aufl., 6. Bd., §§ 146 – 210, Berlin 2010. 6 Bange/Deegener, Sexueller Mißbrauch an Kindern (Anm. 1), S. 95 – 106, hier S. 105. Vgl. Wilmer, Sexueller Mißbrauch von Kindern (Anm. 1), S. 17 – 56, S. 247 – 277; Paul Plaut, Der Sexualverbrecher und seine Persönlichkeit, Stuttgart 1960; Heinz Reinhardt, Die Bestrafung der Unzucht mit Kindern unter besonderer Berücksichtigung des Verhaltens und der Persönlichkeit des Opfers (Berner kriminologische Untersuchungen 4), Bern/Stuttgart 1967. 4

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Die Sachverhalte, die zur Bestrafung führen können, sind in den folgenden Paragraphen des StGB enthalten.

1. § 174 StGB § 174 StGB gilt dem Schutz junger Menschen vor sexuellem Missbrauch durch Autoritätspersonen. § 174 Abs. 1 Nr. 1 StGB schützt Personen des männlichen und des weiblichen Geschlechts unter 16 Jahren, die jemand zur Erziehung, Ausbildung oder Betreuung anvertraut sind. Darunter fallen z. B. Lehrer, Geistliche und Vorsteher bzw. Helfer in Internaten, Ausbilder, Jugendführer und Trainer. § 174 Abs. 1 Nr. 2 StGB schützt Jugendliche bis zu 18 Jahren und bezieht auch solche ein, die durch ein Dienst- oder Arbeitsverhältnis dem Täter untergeordnet sind, wo also ein Missbrauch der Abhängigkeit vorliegt. § 174 Abs. 1 StGB erfasst sexuelle Handlungen mit körperlichem Kontakt zwischen dem Täter und dem Schutzbefohlenen, § 174 Abs. 2 StGB solche Handlungen ohne Körperkontakt. Die Einwilligung des Betroffenen in die geschlechtliche Beziehung ist unerheblich. Für die Beurteilung der Schwere der Schuld und für die Bemessung der Strafe ist das Alter des Opfers gewichtig. 2. § 176 StGB § 176 StGB schützt Kinder beiderlei Geschlechts bis zu 14 Jahren davor, dass jemand mit ihnen sexuelle Handlungen vornimmt. Wer in einem Obhutsverhältnis zu dem Kind steht, kann auch dadurch schuldig werden, dass er pflichtwidrig unterlässt, die Bestimmung eines Kindes zu sexuellen Handlungen durch einen Dritten zu verhindern. § 176 Abs. 1 – 3 StGB umgreift sexuelle Handlungen mit Körperkontakt, Abs. 4 und 5 solche ohne Körperkontakt. § 176 Abs. 4 Nr. 3 StGB hat in jüngster Zeit gesteigerte Bedeutung gewonnen. Hier wird das Kind vor Handlungen geschützt, die keine sexuellen im Sinne des § 184c StGB sind, die aber seine seelische Entwicklung ungünstig beeinflussen können, also z. B. unzüchtige Reden, Schriften und Bilder. Nach § 176 StGB kann dieses Delikt von einem jeden begangen werden; der Täter muss also nicht eine Autorität für das Kind sein. Sexueller Missbrauch von Kindern (§ 176 StGB) ist lediglich ein Vergehen. Diese Gesetzeslage wird gerügt, doch zu Unrecht. Wollte man alle Missbrauchsfälle als Verbrechen einstufen, würde man der Unterschiedlichkeit der Sachverhalte nicht gerecht. Leichte und leichteste Formen des Missbrauchs können nicht den schweren Formen gleichgesetzt werden. Schwere Missbrauchsfälle sind bereits Verbrechen und brauchen nicht erst zu solchen erhoben zu werden. Es ist aber zu beachten, dass der Versuch zu Taten, die § 176 StGB (ausgenommen Abs. 4 Nr. 3 und 4 und Abs. 5) umfasst, strafbar ist (§ 176 Abs. 6 StGB). Die Abs. 1 und 2 ermäßigen die Strafdrohung für minder schwere Fälle. Strafmildernd kann berücksichtigt werden, dass bei dem Kind kein dauernder seelischer Schaden entstanden ist. Beihilfe zum

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Missbrauch leistet, wer durch Tun oder Unterlassen die Straftaten ermöglicht oder erleichtert. 3. § 176a StGB § 176a StGB hat schweren sexuellen Missbrauch von Kindern zum Gegenstand. Er liegt vor, wenn der Täter innerhalb der letzten fünf Jahre wegen einer Straftat nach § 176 Abs. 1 und 2 rechtskräftig verurteilt worden ist (Abs. 1). § 176a Abs. 1 StGB setzt für den als Wiederholungstat zu beurteilenden sexuellen Missbrauch von Kindern nach § 176 Abs. 1 oder Abs. 2 eine Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr fest. Es dürfen zwischen der abzuurteilenden Tat und der vorhergegangenen Verurteilung nicht mehr als fünf Jahre liegen. Die Fälle des sexuellen Missbrauchs von Kindern (nach § 176 Abs. 1 und 2), die nach § 176a StGB mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu bestrafen sind, werden in Abs. 2 aufgezählt: Beischlaf oder beischlafähnliche Handlungen (Nr. 1), gemeinschaftliche Begehung der Tat (Nr. 2), Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung oder einer erheblichen Schädigung der körperlichen oder seelischen Entwicklung (Nr. 3). In den Fällen des § 176a StGB liegen Verbrechen (§ 12 Abs. 1 StGB) vor. Der Strafrahmen reicht von 2 bis 15 Jahren (§ 38 Abs. 2 StGB) Freiheitsstrafe, in minder schweren Fällen gemäß Abs. 4 2. Alt. von 1 Jahr bis 10 Jahren Freiheitsstrafe.

III. Die Einleitung der Strafverfolgung 1. Das Legalitätsprinzip Das im deutschen Strafrecht geltende Legalitätsprinzip beansprucht, alle zur Kenntnis gelangten, aufklärbaren und beweisbaren Straftaten zur Ahndung zu bringen.7 Aber es gilt nicht in voller Strenge. Das Legalitätsprinzip wird begrenzt und durchbrochen durch zahlreiche Ermächtigungen, die Verfolgung zu unterlassen. Bei Vergehen kann von der Verfolgung abgesehen werden, wenn die Schuld des Täters gering ist und kein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung besteht (§ 153 StPO). Das Legalitätsprinzip verpflichtet die Staatsanwaltschaft auch nicht, nach unbekannt gebliebenen Straftaten zu forschen. Nicht jede Straftat muss bestraft werden, sondern nur jede beweisbare Straftat.

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Für den Strafprozess verweise ich auf die Werke: Löwe-Rosenberg, Die Strafprozeßordnung und das Gerichtsverfassungsgesetz. Großkommentar. 25., neu bearb. Aufl., hrsg. von Peter Rieß, 3. Bd.: §§ 137 – 212b, Berlin 2004; Strafprozessordnung. Gerichtsverfassungsgesetz, Nebengesetze und ergänzende Bestimmungen. Erläutert von Lutz Meyer-Goßner/ M. v. Jürgen Cierniak, 51., neu bearb. Aufl., München 2008.

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2. Der Verfolgungszwang Der Verfolgungszwang ist in unserer Rechtsordnung die Regel, die Nichtverfolgung ist die Ausnahme. Die Verfolgungsbehörden sind also verpflichtet, bei Vorliegen der Verdachtsmomente (§ 160 StPO) einzuschreiten (§ 152 Abs. 2 StPO). Die wichtigste Verfolgungsbehörde ist die Staatsanwaltschaft.8 Sie ist nicht nur Anklagebehörde, sondern auch Ermittlungsbehörde. Die Staatsanwaltschaft ist grundsätzlich verpflichtet, wegen aller verfolgbaren Straftaten einzuschreiten, sofern zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen (§ 152 Abs. 2 StPO). Das „Einschreiten“ ist die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens. Die sogenannten Vorermittlungen liegen vor dem Einschreiten; sie sollen klären, ob ein Einschreiten geboten ist. Das Einschreiten ist an das Vorliegen von „zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkten“ (§ 152 Abs. 2 StGB) gebunden. Man spricht hier von einem Anfangsverdacht. Das Gesetz stellt auf Tatsachen ab, nicht auf Möglichkeiten oder Vermutungen. Ebenso wenig besteht eine Verpflichtung, ohne „tatsächliche Anhaltspunkte“ nach unbekannten Straftaten zu forschen. Die Verpflichtung zum „Einschreiten“ (§ 152 Abs. 2 StPO) umfasst sowohl die Ermittlungen als auch die Erhebung der Klage. Wenn die Staatsanwaltschaft durch eine Anzeige oder auf anderem Wege Kenntnis von dem Verdacht einer Straftat erhält, hat sie den Sachverhalt zu erforschen (§ 160 Abs. 1 StPO). Der Beschuldigte besitzt gegen die Eröffnung, die Fortsetzung oder die Beendigung des Ermittlungsverfahrens keinen Rechtsschutz. Er kann sich auch nicht wehren gegen Verzögerungen oder gegen die Weigerung der Staatsanwaltschaft, ihm die Verdachtsgründe zu offenbaren. Die Erhebung einer öffentlichen Klage kann nur durch die Staatsanwaltschaft erfolgen (§ 152 Abs. 1 StPO).

IV. Die Anzeige der Straftat Die Strafverfolgungsbehörden sind verpflichtet, Straftaten zu erforschen und zu verfolgen, ohne Rücksicht auf eine Strafanzeige. Die Anzeige ist aber regelmäßig die einzige legale Möglichkeit, den Täter zur Rechenschaft zu ziehen.9

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Michael Heghmans, Das Arbeitsgebiet des Staatsanwalts, 3., neu bearb. u. erw. Aufl., Münster 2003; Detlef Burhoff, Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 5., aktualisierte und erweiterte Auflage, Münster 2010. 9 Horst Posselt, Die Strafanzeige: Die neue Polizei 1947, S. 7 – 10, S. 23 – 26, S. 39 – 92; Kurt Weis/Renate Müller-Bagehl, Private Strafanzeigen, in: Kriminologisches Journal 3, 1971, S. 185 – 194; Wolfgang Heinz, Bestimmungsgründe der Anzeigebereitschaft des Opfers. Ein kriminologischer Beitrag zum Problem der differentiellen Wahrscheinlichkeit strafrechtlicher Sanktionierung. Rechtswiss. Diss. Freiburg i. Br./Eutingen a. d. Enz 1972; Josef Kürzinger, Private Strafanzeige und polizeiliche Reaktion (Strafrecht und Kriminologie 4), Berlin 1978.

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1. Begriff und Arten Die Strafanzeige besteht einmal aus der Mitteilung eines Sachverhalts, der nach Ansicht des Anzeigenden Anlass zur Strafverfolgung bietet. Die Strafanzeige beinhaltet sodann die Anregung, zu prüfen, ob ein Ermittlungsverfahren einzuleiten ist. Die Anzeige kann sich auf eine verübte oder eine künftige Straftat richten. Bei der Strafanzeige sind drei Varianten zu unterscheiden. (1) Die Strafanzeige ist die Mitteilung des Verdachts einer Straftat, die mit der Anregung verbunden ist, zu prüfen, ob ein Ermittlungsverfahren einzuleiten ist. (2) Die Strafanzeige kann mit dem Begehren, die Strafverfolgung vorzunehmen, verbunden sein. (3) Die Anzeige kann mit dem Verlangen nach Strafverfolgung, d. i. auf Erhebung der öffentlichen Klage verbunden sein.

2. Inhalt Der Inhalt der Strafanzeige ist vom Gesetz nicht festgelegt. Immerhin muss ein Sachverhalt mitgeteilt werden, der es der Behörde ermöglicht, zu prüfen, ob ausreichende Anhaltspunkte für eine Straftat bestehen. Um eine Anzeige erstatten zu können, genügt es, wenn die Möglichkeit eines strafbaren Verhaltens dargetan wird; Gewissheit über die Straftat ist nicht erfordert, ein Verdacht reicht aus. Wer eine Anzeige erstattet, ist verpflichtet, auf Sachlichkeit und Wahrheit zu achten. Wer wider besseres Wissen jemanden in einer Anzeige verdächtigt, macht sich nach § 164 StGB strafbar. Anzeigen können aus mannigfachen Motiven erstattet werden. Sie können aus Eifer für die Gerechtigkeit und aus Sorge um das Wohl von Opfern sowie in der Absicht, einen Täter unschädlich zu machen, vorgebracht werden. Anzeigen können aber auch aus Groll, Hass und Neid hervorgehen. Häufig sind verspätete Anzeigen ein Racheakt des Opfers oder von Hintermännern, die sich seiner bedienen. Leichtfertig oder ungeprüft erhobene Vorwürfe des Missbrauchs beschädigen auch dann den Betroffenen, wenn sich später herausstellt, dass sie unzutreffend sind. Der Fall ist nicht selten, dass Opfer von Missbräuchen nicht wünschen, dass eine Anzeige erstattet wird.

3. Anzeiger Zur Erstattung einer Strafanzeige ist grundsätzlich jedermann berechtigt. Der Anzeigende braucht weder prozessfähig noch geschäftsfähig zu sein. Bei Erstattung der Anzeige ist Vertretung im Willen und in der Erklärung statthaft. In diesen Fällen ist der Vertretene als Erstatter der Anzeige anzusehen. Die Anzeige kann auch vom Jugendamt vorgenommen werden, das ein Kind vor weiteren Übergriffen schützen will. Dem Anzeiger kann aus plausiblen Gründen Vertraulichkeit zugesichert wer-

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den. Sie besteht darin, dass der Name des Anzeigenden nicht preisgegeben wird. Die versprochene Vertraulichkeit kann jedoch immer nur unter bestimmten Bedingungen gewahrt werden. Die Anzeige kann zurückgenommen werden; doch die Rücknahme ist rechtlich unbeachtlich. Der durch sie begründete Anfangsverdacht wird dadurch nicht aus der Welt geschafft. 4. Adressat der Anzeige Die Strafanzeige kann bei der Staatsanwaltschaft, den Behörden und Beamten des Polizeidienstes und den Amtsgerichten mündlich oder schriftlich angebracht werden (§ 158 Abs. 1 StPO). Diese Vorschrift betrifft Offizialdelikte, die keinen Strafantrag erfordern. Behörden sind nur die unmittelbaren oder mittelbaren Trägerinnen staatlicher Rechte und Pflichten. Jede Behörde der genannten Art ist zuständig für die Entgegennahme der Anzeige, auch wenn sie für die angezeigte Tat weder sachlich noch örtlich zuständig ist. Die in § 158 Abs. 1 StPO genannten Behörden sind gehalten, die Anzeige entgegenzunehmen. Die Strafanzeige verpflichtet die Strafverfolgungsbehörden kraft des Legalitätsprinzips, den Sachverhalt zu prüfen und bei Vorliegen eines Anfangsverdachts ein Ermittlungsverfahren einzuleiten. Die Staatsanwaltschaft ist regelmäßig verpflichtet, wegen aller verfolgbaren Straftaten einzuschreiten, sofern zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen (§ 152 Abs. 2 StPO). Sie darf selbst anonyme oder pseudonyme Strafanzeigen nicht unbeachtet lassen, hat vielmehr zu prüfen, ob sich aus ihnen ein Anfangsverdacht ergibt. Sobald die Staatsanwaltschaft durch eine Anzeige (oder auf anderem Wege) von dem Verdacht einer Straftat Kenntnis erhält, hat sie zu ihrer Entschließung, ob die öffentliche Klage zu erheben ist, den Sachverhalt zu erforschen (§ 160 Abs. 1 StPO).

V. Die Anzeige geschehener Straftaten 1. Zweck Die Anzeige einer bereits geschehenen Straftat hat den Zweck, ein begangenes Verbrechen zu ahnden. Die Ahndung geschieht durch die Bestrafung des Täters. Die Zufügung von Strafen hat den Zweck, die Herrschaft des Rechts zu wahren und den Schutz der Bürger zu gewährleisten. Niemand ist zur Anzeige einer verübten strafbaren Handlung verpflichtet; eine Anzeigepflicht begangener Verbrechen besteht nicht.10 Das Strafgesetzbuch enthält 10 Franz Hahn, Von der Pflicht zur Denuntiation von Verbrechen. Rechtswiss. Diss. Bern, Bern 1839; Robert Heß, Die Anzeigepflicht im Strafrecht (Strafrechtliche Abhandlungen des juristischen Seminars der Universität Breslau, I. Serie, Heft 2), Breslau 1893; Robert Redslob, Die kriminelle Unterlassung (Strafrechtliche Abhandlungen 70), Breslau 1906; Ludwig von

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aber auch keine Aussage, dass eine Anzeigepflicht strafbarer Handlungen nicht existiert. In jedem Falle gilt: Die Nichtanzeige begangener Verbrechen straft das StGB normalerweise nicht. Die Anzeige hängt von dem freien Willen der Person ab, die sich dazu in der Lage sieht. Die Bürger sind verpflichtet, die Entdeckung von Delinquenten nicht zu verhindern; aber sie sind nicht verpflichtet, sie zu entdecken. Die Sorge, dass Straftäter entdeckt werden, obliegt dem Staat. Dafür unterhält er die Polizei und die Staatsanwaltschaft. Der schweigende Mitwisser einer Straftat setzt keine positive Handlung und übernimmt keine besondere Verpflichtung. Die Anzeige bei begangenen Verbrechen ist dem Gewissen des Bürgers überlassen. Die Pflicht zur Anzeige ist aus dem Sittengesetz zu beantworten. Die Anzeige begangener Verbrechen kann Verbrechen nicht mehr hindern, sondern lediglich zu ihrer Ahndung dienen. Insofern die Bestrafung zum künftigen Schutz des Rechtes erforderlich ist, weil der Täter weitere Verbrechen begehen würde, ist sie sittliche Pflicht. 2. Die Pflicht zur Anzeige geschehener Straftaten Von dem eben erwähnten Prinzip gibt es Ausnahmen, die eine Anzeige zur Pflicht machen. Die Anzeigepflichtigkeit bei Straftaten bedarf des Vorbehaltes des Gesetzes. Der Staat kann die Bürger in bestimmten Fällen verpflichten, von Verbrechen, die ihnen bekannt geworden sind, Anzeige zu erstatten. In Sonderfällen bestehen gesetzliche Anzeigepflichten. Eine Reihe von Gesetzen enthalten die Pflicht, Anzeige zu erstatten. Es sei beispielsweise verwiesen auf § 40 Wehrstrafgesetz und auf § 261 StGB (Geldwäsche). Abgesehen von diesen gesetzlichen Anzeigepflichten gilt Folgendes. Die Leiter von Behörden haben keine allgemeine Pflicht, strafbare Handlungen anzuzeigen. Die Erstattung der Anzeige ist in das pflichtgemäße Ermessen des leitenden Beamten gestellt. Straftaten von Behördenbediensteten sind nur dann anzuzeigen, wenn sich eine solche Pflicht aus besonderen Vorschriften oder aus Dienstpflichten ergibt. Solche Bestimmungen sind beispielsweise § 159 StPO und § 183 GVG. Die Unterlassung der Anzeige einer strafbaren Handlung ist dann Verletzung der Pflicht zur Verfolgung, wenn jemand von Amtes wegen gehalten ist, Anzeige zu erstatten. So haben Polizeibeamte die Pflicht, strafbare Handlungen, die ihnen dienstlich zur Bar, Gesetz und Schuld im Strafrecht. Fragen des geltenden deutschen Strafrechts und seiner Reform. Bd. II: Die Schuld nach dem Strafgesetze, Berlin 1907; Ludwig Fischer, Die unterlassene Verbrechens-Anzeige. Rechtswiss. Diss. Erlangen, München 1930; Kurt Meyer, Die unbestraften Verbrechen. Eine Untersuchung über die sog. Dunkelziffer in der deutschen Kriminalstatistik (Kriminalistische Abhandlungen XLVII), Leipzig 1941; Joachim Schwarz, Die unterlassene Verbrechensanzeige. Zugleich ein Beitrag zur Lehre vom Unterlassungsdelikt (Strafrecht Strafverfahren Kriminologie 23), Neuwied 1968; Wolfgang Schöne, Unterlassene Erfolgsabwendungen und Strafgesetz. Zur gesetzlichen Regelung „unechter“ Unterlassungsdelikte, Köln 1974; Friedrich-Christian Schroeder, Die Straftaten gegen das Strafrecht (Schriftenreihe der Juristischen Gesellschaft zu Berlin 96), Berlin 1984.

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Kenntnis gekommen sind, auf den Weg der Strafverfolgung zu geben. Behördenleiter sind verpflichtet, Anzeige zu erstatten, wenn es sich um erhebliche Straftaten handelt, eine disziplinarrechtliche Ahndung nicht ausreicht und das öffentliche Interesse die Strafverfolgung verlangt. Ein Behördenleiter handelt dann pflichtwidrig, wenn das Unterlassen der Anzeige als Missbrauch des Ermessens anzusehen ist. Bei Ermessensmissbrauch liegt Strafvereitelung vor. Ermessensmissbrauch setzt voraus, dass die Strafverfolgung durch ein überwiegendes dienstliches oder allgemeines Interesse gefordert ist. Ermittlungsbeamte von Strafverfolgungsbehörden sind verpflichtet, Straftaten anzuzeigen, die ihnen dienstlich bekannt geworden sind. Wenn ihnen die Kenntnis außerdienstlich, privat zukommt, ist zu unterscheiden. Bei Straftaten, die nicht besonders gravierend sind, besteht keine Pflicht zum Eingreifen, d. h. Anzeige zu erstatten. Anders bei Straftaten, welche die Allgemeinheit in beträchtlichem Umfang berühren. Hier besteht die Pflicht zur Anzeige. Es ist anerkannt, dass besondere Umstände, familiäre Verhältnisse und enge Bindungen die Anzeigepflicht, die sonst bestehen würde, ausschließen können. Es gibt zwar immer wieder Stimmen, die für die Anzeigepflicht aller Verbrechen plädieren, doch sie dringen bisher nicht durch. Die mit einer solchen Verpflichtung verbundenen Schäden sind größer als der zu erwartende Nutzen. Es ist zulässig zu versuchen, andere von der Erstattung einer Anzeige abzubringen. Das Einwirken auf einen anderen, die Anzeige zu unterlassen, ist nicht rechtswidrig, solange es nicht durch strafbare Drohungen, Zwang oder faktische Hindernisse geschieht, wohl aber, wenn ein zur Anzeige verpflichteter Beamter überredet wird, die Anzeige zu unterlassen. 3. Die Unterlassung der Anzeige a) Bewertung Die Anzeige entscheidet in der Regel über Bestrafung oder Nichtbestrafung eines Verbrechens11. Wer die Anzeige eines geschehenen Verbrechens unterlässt, hilft mit, dass es verborgen bleibt; wer sie macht, sorgt dafür, dass es zur Kenntnis der Behörde gelangt und zur Bestrafung kommt. Die Nichtanzeige eines geschehenen Verbrechens kann aber nicht als Teilnahme an dem Verbrechen klassifiziert werden. Es fehlt die Kausalverbindung zwischen der (angeblichen) Teilnahmehandlung und dem verbrecherischen Erfolg. Eine Handlung, die dem Erfolg nachfolgt, ist keine Teilnahmehandlung. Die Nichtanzeige eines Verbrechens ist auch keine Begünstigung. Begünstigung ist die nach Begehung einer Straftat dem Täter oder Teilnehmer geleistete Hilfe zur Sicherung der Vorteile der Tat. Sie wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe geahndet (§ 257 StGB). Auch die Begünstigungshandlung folgt begriffsnotwendig dem Verbrechen nach. Die 11 70 bis 80 % aller Fälle des Missbrauchs, die zur Verurteilung führten, wurden der Polizei durch Anzeigen bekannt (Wilmer, Sexueller Mißbrauch von Kindern [Anm. 1], S. 66).

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Vollendung des Delikts gehört zu den Merkmalen des Tatbestandes der Begünstigung. Positive Handlungen der Begünstigung stehen im Widerspruch zu der Pflicht eines jeden Bürgers, der Verfolgung und der Bestrafung von Verbrechen durch den Staat nicht hindernd in den Weg zu treten. Das Nichtanzeigen, das bloße Schweigen wird jedoch davon nicht erfasst. Begünstigung ist eine positive Tätigkeit, um das Verbrechen zu verbergen und zu verheimlichen. Die Nichtanzeige ist etwas Negatives, ein bloßes Unterlassen, ein Verschweigen. Das Verbot der Begünstigung von Straftaten gebietet nicht die Förderung der Strafverfolgung. Wer dem Täter dagegen vor Begehen der Tat verspricht, keine Anzeige (des geschehenen Verbrechens) zu erstatten, wird in gewisser Hinsicht kausal für die Straftat. Seine Handlung fördert das Begehen des Verbrechens, insofern sie die Zuversicht auf deren Gelingen fördert. b) Gründe gegen die Anzeige geschehener Straftaten Es ist nicht in allen Fällen sittlich geboten, geschehene Verbrechen anzuzeigen. Es sind vielmehr Gründe denkbar, die von der Erstattung einer Anzeige abraten. Bei jeder Anzeige ist zu bedenken, welche Folgen die Anzeige und welche Folgen die eventuelle Bestrafung für Täter und Opfer voraussichtlich haben werden. Wenn jemand die ihm bekannt gewordene Straftat als eine einmalige Entgleisung anzusehen sich berechtigt glaubt, dürfte der Verzicht auf die Anzeige regelmäßig nicht schwer fallen. Denn dann besteht nicht das Bedürfnis, die Allgemeinheit vor dem Täter zu schützen, indem er auf die eine oder andere Weise unschädlich gemacht wird.12 Anders ist es, wenn wiederholt Straftaten vorgekommen sind, womöglich mit mehreren Opfern, und erst Recht, wenn mit weiteren Verfehlungen zu rechnen ist. In solchen Fällen wird die Anzeige pflichtmäßig zu erstatten sein.13 Bezogen auf die Missbrauchsfälle sind die beiden entscheidenden Fragen: Muss das Kind oder müssen andere Kinder vor weiterem Missbrauch geschützt werden? Ist zu diesem

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Ein Drittel der Fälle von Pädophilie sind einmalige Verfehlungen (Wilmer, Sexueller Mißbrauch von Kindern [Anm. 1], S. 110 f.; Bange/Deegener, Sexueller Mißbrauch an Kindern [Anm. 1], S. 133; Hans Joachim Schneider, Viktimologische Aspekte des sexuellen Mißbrauchs von Kindern, in: Egg, Sexueller Mißbrauch von Kindern [Anm. 1], S. 209 – 241, hier S. 212). 13 Nur ein kleiner Teil der Straftaten, die Privatpersonen bekannt werden, kommt zur Kenntnis der Behörden. Der sexuelle Missbrauch von Kindern ist beträchtlich häufiger als die Fälle, die strafrechtlich bekannt geworden sind. Die Dunkelziffer bei Unzucht mit Kindern ist sehr hoch (Meyer, Die unbestraften Verbrechen [Anm. 10], S. 29 f.), vor allem im Feld des sexuellen Mißbrauchs durch Angehörige und Bekannte (Bange/Deegener, Sexueller Mißbrauch an Kindern [Anm. 1], S. 126). Die angestellten Untersuchungen über die Häufigkeit sexuellen Missbrauchs leiden an der Unterschiedlichkeit der Fragestellungen und der Methoden. Die Ergebnisse sind daher sehr verschieden (Bange/Deegener, Sexueller Mißbrauch an Kindern [Anm. 1], S. 41 – 49; S. 123 – 125). Ich schließe mich der Ansicht an, wonach in Deutschland etwa jedes vierte bis fünfte Mädchen und jeder zwölfte Junge „sexuelle Gewalt erlebt“ (Bange/Deegener, Sexueller Mißbrauch an Kindern [Anm. 1], S. 49).

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Zweck die Anzeige notwendig?14 Ebenso kann sich die Unterlassung der Anzeige empfehlen, wenn der befürchteten Wiederholung der Straftat auf andere Weise begegnet werden kann. In einem mir bekannt gewordenen Fall des Missbrauchs von Kindern durch den Vater wurde die Gefahr für die Zukunft durch Scheidung der Ehe gebannt. Die Gründe für die Unterlassung der Anzeige sind die Folgenden. Das Mitleid mit dem Täter oder die Sympathie für ihn und das Gefühl der Solidarität kann davon abhalten, Anzeige zu erstatten. Wer bisher unbescholten gelebt hat, in Ruhe seinem Beruf nachgegangen ist und sich der Achtung seiner Mitbürger erfreut, wird durch die Anzeige, die folgenden Ermittlungen und den anschließenden Prozess mit Bestrafung in schwerer Weise getroffen. Er verliert seine Reputation, vielleicht auch seinen Arbeitsplatz und sein Einkommen. Der Prozess, die Verurteilung und die Bestrafung werfen einen nicht auszutilgenden Makel auf den Täter. Die Folgen von Prozess und Bestrafung treffen auch die Familie und die Angehörigen. Der Gatte und Vater steht jetzt als Verurteilter und Bestrafter vor Frau und Kindern. Die Familie kann zerfallen. Die Kinder werden durch eine Ehescheidung ihrer Eltern beraubt. Die Pflicht der Nächstenliebe gebietet, Unglück von den Mitmenschen fernzuhalten. Ich habe erlebt, dass ein (privater) Musiklehrer bei Schülern, die am Klavier saßen, mit der Hand in das Hosenbein der (kurzen) Hose fuhr. Es war dies in der Zeit des NS, und leicht hätte sich der Musiker bei einer Anzeige im KZ wiederfinden können. Das kanonische Recht riet zum Verschweigen der Wahrheit, wenn man einen Menschen nicht (durch Anzeige und Auslieferung) dem Tode preisgeben wolle.15 Im Christentum wird das Mitleid überboten durch die Verzeihung und die Feindesliebe. Die Verzeihung ist der Entschluss und die Erklärung, einem Täter das von ihm verübte Unrecht nicht anzulasten. Die Feindesliebe vergilt dem Feind das Böse mit Gutem. Der Erzbischof von Brüssel, André-Joseph Léonard, wurde am 1. November 2010 in seiner Kathedralkirche von einem Angreifer überfallen, geohrfeigt und mit einer Torte beworfen. Der Erzbischof verzichtete auf eine Strafanzeige.16 Jemand kann von der Anzeige absehen, weil es sich in seinen Augen um eine geringfügige Gesetzesverletzung handelt. Die verbrecherische Energie ist unbedeutend, der angerichtete Schaden minimal. Eine Anzeige kann auch deswegen unterbleiben, weil das Opfer sich über die Strafbarkeit des Täterverhaltens nicht gewiss ist. Wenn das Opfer eine Anzeige erstattet, muss es damit rechnen, dass sein eigenes Verhalten – sein „Tatbeitrag“ – untersucht wird, wobei es leicht möglich ist, dass ihm selbst sexuelles Fehlverhalten vorgeworfen wird.17 Im Falle des Miss14 „Sorgeberechtigte und Jugendamt sind aber verpflichtet, einen aufgedeckten Mißbrauch zu beenden. Dies muss zwar nicht durch eine Strafanzeige geschehen, es muss aber für einen wirksamen Schutz vor weiterem Mißbrauch Sorge getragen werden“ (Wilmer, Sexueller Mißbrauch von Kindern [Anm. 1], S. 174). 15 C. 22 q. 2 c. 14. 16 Kurier der Christlichen Mitte, Dezember 2010, Nr. 12. 17 Heinz, Bestimmungsgründe (Anm. 9), S. 73.

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brauchs kann das Opfer auch deshalb auf die Anzeige verzichten, weil es selbst Scham über die Tat empfindet oder sich einer Mitschuld an ihr zeiht.18 Dabei zeigt sich ein eigenartiges Phänomen. „Die Anzeigebereitschaft der kindlichen Opfer nimmt mit der Schwere und Häufigkeit des Delikts ab.“19 Eine erhebliche Zahl der Opfer hat dem Missbrauch vorhergehende sexuelle Erfahrungen. Die von den Autoren angegebenen Zahlen schwanken zwischen 2 und 30 Prozent.20 Die Unterlassung der Anzeige kann sich weiter aus der Furcht herleiten, sich Feinde zu machen. Wer Anzeige erstattet, muss damit rechnen, dass andere sein Vorgehen missbilligen, weil sie es für unangebracht halten. Die Angehörigen, die Freunde, die Mitglieder einer Vereinigung können sich auf die Seite des Anzuzeigenden stellen und den Anzeiger ihre Ablehnung, Missbilligung oder ihre bleibende Abneigung spüren lassen. Je nachdem, welche Beziehung zwischen ihnen und dem Anzeiger obwaltet, kann Letzterem materieller oder immaterieller Schaden entstehen. Die Unterlassung der Anzeige kann auch aus Bequemlichkeit geschehen. Man fürchtet die Unannehmlichkeiten und die Beschwerden, die sich aus der Anzeige, der Vernehmung und dem folgenden Strafverfahren (mit Zeugenschaft) ergeben können. Diese Motivation ist gewiss alles andere als untadelig. Doch ist zu bedenken, dass kränkliche oder gebrechliche Menschen um ihr Befinden besorgt sind, wenn sie vor der Polizei oder im Gericht erscheinen müssen. Nicht jeder ist so robust oder unempfindlich, dass er die damit verbundenen Aufregungen, Besorgnisse und eventuelle Vorwürfe ohne weiteres wegsteckt. Auch wer das Gesetz, gegen das ein anderer möglicherweise verstoßen hat, nicht billigt, wird leicht geneigt sein, die Strafanzeige zu unterlassen. Weil er von der Ungerechtigkeit der gesetzlichen Bestimmungen überzeugt ist, lehnt er es ab, einen mutmaßlichen Delinquenten der Justiz auszuliefern. Er mag sich nicht zum „Komplizen“ einer, seines Erachtens ungerechten Bestrafung machen. Eine derartige Konstellation ist nicht nur in einem Unrechtsstaat möglich. Man erinnere sich, dass vor den wiederholten Entschärfungen des deutschen Sexualstrafrechts manche und vielleicht viele Menschen die eine oder andere Bestimmung kritisierten und aufgrund ihrer Missbilligung davor zurückschreckten, Anzeige zu erstatten. Es sei beispielsweise auf die Homosexualität verwiesen. Es kann auch sein, dass jemand eine grundsätzliche Abneigung gegen die Erstattung von Anzeigen hat. Er findet, dass es Sache der Polizei ist, Recht und Gesetz aufrechtzuerhalten und Gerüchten von Rechtsverletzungen nachzugehen. Er will 18 Man rechnet mit einem Fünftel bis zu einem Viertel der Fälle, in denen sich die jugendlichen Opfer „billigend, aktiv oder gar initiativ verhielten“ (Heinz, Bestimmungsgründe [Anm. 9], S. 72). Vgl. Wilmer, Sexueller Mißbrauch von Kindern (Anm. 1), S. 66; Wyss, Unzucht mit Kindern (Anm. 1), S. 34; Thea Schönfelder, Die Initiative des Opfers, in: F. G. v. Stockert u. a. (Hrsg.), Das sexuell gefährdete Kind (Anm. 1), S. 109 – 115. 19 Wilmer, Sexueller Mißbrauch von Kindern (Anm. 1), S. 67. 20 Wilmer, Sexueller Mißbrauch von Kindern (Anm. 1), S. 93.

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sich nicht zum Hilfsorgan der Polizei machen. Die Abwehr ist noch größer, wenn die Anzeige als Denunziation verstanden wird; mit diesem Begriff ist die unehrenhafte Motivation verbunden. Es mag einer auch deswegen die Anzeige unterlassen, weil er von dem daraufhin in Gang gesetzten Verfahren keinen Nutzen für die Gesellschaft und den Täter erwartet. Die Entdeckung des Täters führt nach einem geordneten Beweisverfahren regelmäßig zu seiner Bestrafung. Die Bestrafung mag aus mehreren Gründen als notwendig angesehen werden. Dass sie zur Besserung des Täters führt, ist die Ausnahme. In der Regel geschieht dies nicht. Die Besserung des Täters wird nur erreicht, wenn er freiwillig das von ihm verübte Unrecht anerkennt und für die Zukunft unterlässt. Wenn dies geschehen ist, erübrigt sich die Anzeige. Es ist zu fragen, ob und welcher Schaden entsteht, wenn Verbrechen unentdeckt und ungestraft bleiben. Selbstverständlich muss die Herrschaft von Recht und Gesetz aufrechterhalten werden. Diesem Bedürfnis wird genügt, wenn die Masse der Straftaten aufgedeckt und bestraft wird. Immer, wo das öffentliche Interesse die Bestrafung zwingend gebietet, hat sie zu erfolgen. Wo dies nicht der Fall ist, kann auch nicht von der Notwendigkeit, geschehene Straftaten anzuzeigen, gesprochen werden.

VI. Die Anzeige geplanter Straftaten 1. Pflicht zur Anzeige Dass Verbrechen im Staat verhindert werden sollen, ist eine Rechtspflicht des Staates. Aber damit ist nicht festgelegt, dass jeder einzelne Bürger gehalten ist, an dieser Pflicht teilzuhaben. Eine allgemeine Rechtspflicht des Bürgers, Straftaten zu verhindern, existiert nicht. Die Pflicht, Verbrechen zu verhindern, wird vom Sittengesetz auferlegt. Das Strafrecht enthält keine allgemeine Verpflichtung, bevorstehende Straftaten anzuzeigen. Ausnahmen bilden die in § 138 StGB genannten Straftaten; zu ihrer Verhinderung ist jedermann verpflichtet, und zwar durch rechtzeitige Erstattung der Anzeige. Der Gesetzgeber verlangt die Anzeige lediglich hinsichtlich der schwersten Verbrechen, die in § 138 aufgezählt werden. Die Ausdehnung der Bestimmung auf andere Fälle ist unzulässig. Die Absicht der Bestimmung ist darin gelegen, die Verletzung der geschützten Rechtsgüter durch die Anzeige abzuwenden; der Bedrohte soll gewarnt, die Behörden sollen zur Verhinderung bewegt werden. Die Pflicht zur Anzeige besteht nur, wenn die Möglichkeit zur Abwendung der Straftat besteht. Die jedermann treffende Pflicht, den Strafverfolgungsbehörden Strafanzeige zu erstatten, betrifft nur bevorstehende, nicht vollendete Straftaten. Die Anzeige kann über Existenz oder Nichtexistenz eines Verbrechens entscheiden. Wer die Anzeige eines geplanten Verbrechens unterlässt, sieht zu, wie es zur Ausführung kommt; wer sie vornimmt, trägt dazu bei, dass der Plan misslingt. Die Anzeigepflicht umfasst nach § 138 StGB das Vorhaben und die

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Ausführung einer Straftat. Der Begriff des „Vorhabens“ ist dahin zu verstehen, dass er auch strafbare Vorbereitungshandlungen einschließt. Die „Ausführung“ besagt die Ingangsetzung des strafbaren Geschehens bis zur Vollendung. Nicht anzuzeigen ist der strafbare Versuch oder das Verbrechen selbst. Angezeigt werden soll nicht eine Person, sondern ein verbrecherischer Plan. 2. Nichtanzeige bevorstehender Straftaten Die Strafbarkeit der Nichtanzeige bevorstehender Straftaten ergibt sich allein aus der positiven Bestimmung des § 138 StGB. Die Nichtanzeige bevorstehender Straftaten ist jedoch keine Teilnahme an dem Verbrechen. Als Teilnahme kann nur etwas angesehen werden, was in einem Kausalverhältnis zu dem Verbrechen steht. Die Unterlassung der Anzeige ist aber in keiner Weise kausal für das Verbrechen. Die Nichtanzeige eines bevorstehenden Verbrechens ist auch keine (mittelbare) Beihilfe. Mittelbare Beihilfe hat die Beseitigung eines Hindernisses zum Inhalt, das der Absicht des Täters im Wege steht. Wer Anzeige nicht erstattet, entfernt aber nicht ein Hindernis des Verbrechens, sondern legt nur seiner Begehung kein Hindernis in den Weg. Die Nichtanzeige eines bevorstehenden Verbrechens ist schließlich auch keine Begünstigung. Begünstigung kommt nur in Frage bei bereits begangenen Verbrechen; begünstigende Handlungen setzen das Geschehen des Verbrechens voraus. 3. Freistellung von der Anzeigepflicht Bestimmte Personen bzw. Personengruppen werden von der Pflicht zur Anzeige freigestellt. So besteht grundsätzlich keine Anzeigepflicht für Geistliche hinsichtlich dessen, was ihnen in ihrer Eigenschaft als Seelsorger anvertraut worden ist (§ 139 Abs. 2 StGB).21 Die Bestimmung des § 139 Abs. 2 will das Vertrauen als eine unersetzliche Voraussetzung einer gedeihlichen Seelsorge schützen. Nur „Geistliche“, die „Seelsorger“ sind, dürfen sich auf die Freistellung berufen. Der eine Begriff ruft nach dem anderen. Geistliche sind Inhaber eines geistlichen Amtes. Die Gesetzgebung des CIC/1983 hat die Bestimmung des geistlichen Amtes in dem vom § 139 Abs. 2 StGB gemeinten Sinn nicht erleichtert. Jeder katholische Priester ist gewiss ein „Geistlicher“, aber nicht jeder ist ein „Seelsorger“. Man denke an Priester, die in der kirchlichen Verwaltung oder in der theologischen Lehre tätig sind. Sofern sie in keiner Weise an der unmittelbaren Sorge für Seelen sich betätigen, können sie nicht als Seelsorger angesprochen werden. Unbestreitbar sind Diakone, die im kirchlichen Gemeindedienst eingesetzt sind, Geistliche und Seelsorger. Dabei kann es keinen Unterschied machen, ob sie ihre Diakonatsweihe hauptamtlich und vollberuflich oder nebenamtlich und teilberuflich ausüben. Ge21 Heinrich de Wall, Der Schutz des Seelsorgegeheimnisses und das Seelsorgegeheimnisgesetz der EKD (SeelGG EKD), in: ZevKR 56, 2011, S. 4 – 26.

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meindereferenten und Pastoralreferenten können deswegen nicht als Geistliche angesehen werden, weil sie Priestern und Diakonen nicht in Bezug auf die Verkündigung und die Sakramentenverwaltung gleichgestellt sind. Sie sind Gehilfen der Geistlichen, aber nicht selbst Geistliche. Die Ausweitung der Freistellung von der Anzeigepflicht würde das „Privileg“ als solches gefährden. Die Einengung des Begriffes auf die Amtsträger einer staatlich anerkannten Religionsgemeinschaft ergibt sich nicht zwingend aus dem Wortlaut der Vorschrift. Ungeachtet der Frage, ob auch Religionsdiener einer nicht staatlich anerkannten Religionsgesellschaft i. S. des Art. 140 GG/Art. 137 WRV darunter zu fassen sind, ist unbestritten, dass katholische Priester unter § 139 Abs. 2 StGB fallen. Die befreiende Ausnahme liegt nur vor, wenn der Geistliche die Kenntnis im Zusammenhang mit der Ausübung seelsorgerischer Tätigkeit erlangt. Wenn er in anderer Eigenschaft davon erfährt, greift die Freistellung nicht. Der Begriff der Seelsorge ist umstritten. Man denke daran, dass heute vielfach anstelle von „Seelsorge“ von „Gemeindearbeit“ gesprochen wird. Seelsorge im katholischen Sinne ist immer und nur Sorge um das Heil, dieses allerdings im weiten Sinne verstanden. Eine irgendwie geartete andere Tätigkeit kann vom Begriff der „Seelsorge“ nur dann gedeckt werden, wenn sie aus seelsorglichen Motiven und in seelsorglicher Absicht ausgeübt wird. Die Worte „in seiner Eigenschaft als Seelsorger“ setzen nicht voraus, dass ein „Geistlicher“ ständiger Seelsorger oder Inhaber eines Seelsorgeamtes ist. Es genügt, dass er in einer bestimmten Situation als Seelsorger gefragt ist und tätig wird. Das Erfordernis des „Anvertrautseins“ setzt eine irgendwie geartete Mitteilung voraus, die deswegen erfolgt, weil der Mitteilende im Geistlichen eine Person sieht, zu der er wegen ihrer Eigenschaft als Seelsorger Vertrauen hat. Der Geistliche ist nicht verpflichtet, das verbrecherische Vorhaben, das ihm anvertraut wird, anzuzeigen, und wenn er dies nicht tut, kann er strafrechtlich nicht belangt werden. Es liegt hier ein Rechtfertigungsgrund vor.

VII. Der Strafantrag Der Vollständigkeit halber soll noch kurz auf den Strafantrag eingegangen werden, obwohl der sexuelle Missbrauch von Kindern nicht zu den Antragsdelikten zählt. Die vereinzelten Stimmen, die ihn zu einem Antragsdelikt machen möchten, haben jedenfalls zurzeit keine Aussicht auf Erhörung. Die Verfolgung mancher strafbarer Handlungen ist von dem Willen des Verletzten abhängig. Es gibt Delikte, deren Verfolgung einen Strafantrag des Verletzten voraussetzt. Der Strafantrag beinhaltet das Verlangen nach Strafverfolgung. Das Recht des Strafantrags ist im StGB geordnet. Die allgemeinen Vorschriften betreffend die Antragsbefugnis, die Antragsfrist und die Antragsrücknahme finden sich in den §§ 77 – 77d StGB. Die Delikte, welche nur auf Antrag verfolgt werden, sind im Besonderen Teil des StGB angegeben. § 158 Abs. 2 StPO regelt lediglich den Adressaten und die Form des Strafantrags. Die übrigen Voraussetzungen finden sich in den §§ 77 – 77e StGB.

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1. Inhalt des Strafantrags Der Strafantrag besagt das Verlangen nach Strafverfolgung wegen einer bestimmten geschehenen Tat. Er ist das ausdrückliche Ersuchen des Antragstellers, die Strafverfolgung wegen des von ihm mitgeteilten Sachverhalts aufzunehmen. Während die Strafanzeige an sich lediglich den Hinweis oder die Anregung enthält, einen Sachverhalt strafrechtlich zu prüfen, beinhaltet der Strafantrag den Willen des Antragsberechtigten, die Tat strafrechtlich zu verfolgen. Entscheidend ist also der Verfolgungswille. Der Strafantrag bezieht sich stets auf eine bestimmte Tat. 2. Antragsteller Zur Stellung eines Strafantrags berechtigt ist grundsätzlich der Verletzte, der Träger des Rechtsgutes, das durch die Tat tangiert wurde (§ 77 Abs. 1 StGB). Das Antragsrecht ist weder übertragbar noch vererblich. Der Antragsberechtigte ist frei in seiner Entscheidung, ob er einen Strafantrag stellen will oder nicht; eine Pflicht, einen Strafantrag im Sinne des § 77 StGB zu stellen, besteht nicht. Auf die Stellung eines Strafantrags kann bis zum Ablauf der Antragsfrist (§ 77b StGB) durch Erklärung gegenüber der zuständigen Stelle verzichtet werden. Die Antragsfrist beträgt regelmäßig drei Monate. Sie beginnt zu laufen mit der Kenntniserlangung der Tat und des Täters. Die Zurücknahme des Antrags ist zulässig. Der Strafantrag kann bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens zurückgenommen werden. Den Antrag zurücknehmen – in den vorgesehenen Fällen – kann nur der Antragsteller. Ein zurückgenommener Antrag kann nicht wieder gestellt werden. 3. Adressat des Strafantrags Der Strafantrag kann bei der Staatsanwaltschaft, den Behörden und Beamten des Polizeidienstes und den Amtsgerichten angebracht werden (§ 158 Abs. 1 StPO). Der Antrag ist Bedingung der Strafverfolgung. Der Strafantrag berechtigt die Strafverfolgungsbehörden, die Strafverfolgung in Gang zu setzen bzw. zu halten.

VIII. Das Opfer im Straf- und Zivilprozess 1. Das Opfer als Zeuge Sexualdelikte werden zumeist nicht vor Zeugen begangen. Die Aussage des Opfers ist daher oft das entscheidende oder gar das einzige Beweismittel.22 Selten ist die Beweislage so eindeutig, dass auf die Anhörung des Kindes verzichtet wer22 Sabine Kirchhoff, „Strafanzeige: ja oder nein?“ Sexueller Mißbrauch vor Gericht, in: Amann/Wipplinger, Sexueller Mißbrauch (Anm. 1), S. 823 – 836; Judith Stamm, Das sexuell geschädigte Kind in der Strafuntersuchung, Rechtswiss. Diss. Zürich, Zürich 1967.

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den kann. Dadurch entstehen ernste Schwierigkeiten. Wo sich ein Urteil auf die Aussage einer einzigen Person stützt, kommt es entscheidend darauf an, wie es um die Wahrnehmungsfähigkeit und den Wahrheitswillen dieser Person steht. Eine wahre Aussage kann nur machen, wer die Fähigkeit besitzt, einen Vorgang zu erkennen und zu beurteilen. Beides gehört zusammen. Wahrnehmung und Beurteilung gehen bei der Beobachtung eine Verbindung ein. Einmal vorausgesetzt, dass dem Kind diese Fähigkeit eignet, so ist doch Folgendes zu bedenken.23 Zunächst ist davon auszugehen, dass Aussagen von Kindern über erlittenen Missbrauch in der Regel in der Realität begründet sind, solange die Kinder unbeeinflusst sind.24 Josef Aengenendt schätzt die glaubwürdigen Aussagen von Kindern auf etwa 80 Prozent.25 Allerdings können falsche Aussagen nicht nur durch Lügen zustande kommen, sondern auch durch Irrtum.26 Anders ist es, wenn Kinder in einer Weise nach angeblichen Missbrauchshandlungen befragt werden, die beeinflussend und bestimmend, also suggestiv wirkt.27 Für Aussagen von Kindern spielt der Erwartungshorizont, den Erwachsene aufbauen, eine Rolle. Das Kind kann dadurch leicht in eine bestimmte Richtung gedrängt werden. „Suggestive Aufdeckungsarbeit“ kann „Pseudo-Erinnerungen“ über sexuellen Missbrauch entstehen lassen.28 Man kann nur staunen, mit welcher Naivität oder Unbedenklichkeit Politiker sich von dem angeblichen Wahrheitsgehalt vieler Aussagen überzeugt zeigen. In Wirklichkeit hängt jede Aussage von vielen Faktoren ab. Die Aussagen von Kindern sind häufig nicht konstant; sie wechseln. Die Prozessgegner werden auf Widersprüche in den wiederholten Aussagen hinweisen. Man muss damit rechnen, dass jugendliche Zeugen dazu neigen, „das eigene Verhalten zu beschönigen und zu verschleiern“29. Das Opfer kann versucht sein, seinen eigenen „Tatbeitrag“ zu minimalisieren, zu 23 Max Steller, Forensische Aussagepsychologie. Beurteilung des Realitätsgehalts von Kinderaussagen über sexuellen Mißbrauch, in: Egg, Sexueller Mißbrauch von Kindern (Anm. 1), S. 243 – 258; Geisler, Das sexuell mißbrauchte Kind (Anm. 1), S. 9 – 74; Elisabeth Müller-Luckmann, Über die Wahrhaftigkeit kindlicher und jugendlicher Zeugen in der Hauptverhandlung, in: F. G. v. Stockert (Hrsg.), Das sexuell gefährdete Kind (Anm. 1), S. 100 – 108; Udo Undeutsch, Aussagepsychologie, in: Ponsold, Lehrbuch der gerichtlichen Medizin, Stuttgart 21957, S. 191 – 219; Ilse Matthes, Minderjährige „Geschädigte“ als Zeugen in Sittlichkeitsprozessen. Eine kriminalstatistische Untersuchung an Hand von 715 Gerichtsakten (Schriftenreihe des Bundeskriminalamtes 88), Wiesbaden 1961; Elisabeth Nau, Die Persönlichkeit des jugendlichen Zeugen, in: F. G. v. Stockert (Hrsg.), Das sexuell gefährdete Kind (Anm. 1), S. 27 – 37; Heinz Schnetz, Das Kind als klassischer Zeuge bei Sexualdelikten, Darmstadt 1961; Kinder als Täter, Opfer und Zeugen. Spätbetrüger. Resozialisierungsprobleme. Vorträge gehalten anläßlich der Tagung der Sektion Forensische Psychologie des Berufsverbandes Deutscher Psychologen am 13. und 14. September 1968 in Wiesbaden (Forschungsberichte zur forensischen Psychologie 6), Berlin 1969. 24 Wilmer, Sexueller Mißbrauch von Kindern (Anm. 1), S. 246, S. 249. 25 Josef Aengenendt, Die Aussage von Kindern in Sittlichkeitsprozessen, Bonn 1955, S. 32. 26 Steller, Forensische Aussagepsychologie (Anm. 23), S. 244. 27 Wilmer, Sexueller Mißbrauch von Kindern (Anm. 1), S. 250. 28 Wilmer, Sexueller Mißbrauch von Kindern (Anm. 1), S. 254. 29 Heinz, Bestimmungsgründe (Anm. 9), S. 155.

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verbergen oder zu verleugnen.30 Die gerichtliche Verhandlung kann dazu führen, dass sich ein einmaliger Vorfall dem Kinde nachhaltig einprägt. Angebliche Verfehlungen, die Jahre oder gar Jahrzehnte zurückliegen, begründen Zweifel an der Wahrheit des Berichteten. Besondere Vorsicht ist bei Gruppenaussagen angebracht. Gegenseitige oder einseitige Beeinflussung ist möglich. Das missbrauchte Kind tritt im Strafprozess als Zeuge auf. Damit wird ihm eine Rolle zugemutet, die ihm peinlich ist. Kinder vor Gericht verspüren regelmäßig „eine Art des Ausgeliefertseins“31. Die wiederholte Vernehmung (durch Polizei, Staatsanwaltschaft und Gericht) ist für die Opfer belastend und bedrückend. Vor allem die Befragung nach intimsten Details wird von ihnen häufig als Misstrauen empfunden.32 Das Strafverfahren kann so „zur sekundären Viktimisierung von Opfern beitragen“33. Es besteht ein ernstliches Bedürfnis, Kinder vor den seelischen Beschwernissen der Hauptverhandlung zu schützen.34 Der Verlauf des Strafverfahrens hat das Ziel, eine Straftat nachzuweisen; er ist nicht vordringlich auf das Wohl des Kindes ausgerichtet.35 Das Opfer ist nach § 395 Abs. 1 Nr. 1 StPO zur Nebenklage berechtigt. Die Rechte des Nebenklägers ergeben sich aus den §§ 397 – 402 StPO. 2. Der Angeklagte Viel kommt auf das Verhalten des Angeklagten an.36 Er kann ein umfassendes oder ein Teilgeständnis ablegen oder die Aussage verweigern. In Rechtsgesprächen kann vereinbart werden, dass, wenn der Täter ein umfassendes Geständnis ablegt, das dem Kind die Aussage erspart, eine zur Bewährung ausgesetzte Freiheitsstrafe für angemessen erachtet wird. Wenn der Angeklagte dagegen schweigt oder die ihm zur Last gelegten Taten bestreitet, ist es an dem Kinde, durch seine Aussage die Taten zu beweisen. Es ist verpflichtet, eine Aussage zu machen. Der Angeklagte und sein Verteidiger werden bemüht sein, Zweifel an der Richtigkeit der Aussage des Kindes zu wecken. Mitunter versuchen die Täter, die Kinder als mitschuldig darzustellen, indem auf ihre Beteiligung an oder ihre Einwilligung zu den Taten abgestellt wird. Diese Strategie geht gelegentlich so weit, dass der Angeklagte als Opfer einer Verführung hingestellt wird. Die Möglichkeit, dass ein Kind einen Er30

Heinz, Bestimmungsgründe (Anm. 9), S. 74. Kirchhoff, „Strafanzeige: ja oder nein?“ (Anm. 22), S. 825. 32 Kirchhoff, „Strafanzeige: ja oder nein?“ (Anm. 22), S. 826. 33 Kirchhoff, „Strafanzeige: ja oder nein?“ (Anm. 22), S. 833. 34 Matthias Jäger-Helleport, Konstruktive Tatverarbeitung des sexuellen Mißbrauchs von Kindern im Strafrecht. Normative und empirische Überlegungen zur Bedeutung eines opferorientierten Rechtsgüterschutzes für die Strafverfolgung (Strafrechtliche Abhandlungen NF 148), Berlin 2002; Heinz, Bestimmungsgründe (Anm. 9), S. 71; Schnetz, Das Kind als klassischer Zeuge (Anm. 23), S. 95 – 109; Heghmans, Das Arbeitsgebiet des Staatsanwalts (Anm. 8), S. 349 – 385. 35 Wilmer, Sexueller Mißbrauch von Kindern (Anm. 1), S. 173 – 178. 36 Schnetz, Das Kind als klassischer Zeuge (Anm. 23), S. 83 – 93. 31

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wachsenen verführt, besteht. Die Gerichte veranlassen in diesen Fällen häufig Gutachten, die sich über die Aussagefähigkeit und die Glaubwürdigkeit des Angeklagten und des Kindes aussprechen.37 Die Glaubwürdigkeit der Person gilt als Indiz für die Glaubhaftigkeit der Aussage.38 Die Auffassungen der Sachverständigen gehen aber oft völlig auseinander. So mancher Gutachter macht es sich zu leicht und liefert ein oberflächliches Gutachten ab. Es ist bekannt, dass in Strafprozessen bewusst falsche Aussagen von Zeugen zu Beweisfälschungen und infolgedessen zu einem (objektiv) falschen Urteil führen. 3. Besonderheit Es ist auch die Besonderheit der prozessualen Behandlung von Missbrauchsfällen zu bedenken. Das Gericht als der Herr des Verfahrens ist gehalten, das entscheidungserhebliche Geschehen vollständig zu erforschen. Doch kann der Schutz des Opfers Gerichte veranlassen, von einer umfangreicheren und aufwendigeren Sachaufklärung abzusehen.39 Mangelhafte Sachaufklärung ist nicht ganz selten. Es kommt häufig vor, dass zwei verschiedene Gerichte denselben Sachverhalt unterschiedlich bewerten. Bei dem Straftatbestand des sexuellen Missbrauchs ist die Geneigtheit zum Vorurteil besonders groß und die Vermutung der Unschuld besonders gering. Der Opferschutz kann faktisch bis zur Beseitigung der Unschuldsvermutung führen. Kinder können durch Belehrungen und Mahnungen dazu gebracht werden, einen harmlosen Vorfall zu entharmlosen. Sabine Kirchhoff warnt deshalb davor, unbesehen Strafanzeige zu erstatten.40 Opfer dürfen nicht gegen ihren Willen in ein Strafverfahren gedrängt werden. Je länger die Vorfälle zurückliegen, umso schwieriger ist in der Regel die Beweislage. Insofern ist die Verjährung zum Vorteil für Täter und Opfer. Der Ausdehnung der Verjährungsfrist ist zu widerraten. Wer es gut meint mit den Opfern, wird ihnen die Risiken vor Augen stellen, die ein Strafverfahren mit sich bringt, das lange nach der Tat eingeleitet wird. Man sagt, die Opfer des Missbrauchs hätten ein Interesse an Genugtuung für das, was sie erlitten haben. Zunächst einmal gilt: Geschehenes Unrecht kann nicht ungeschehen gemacht werden. Was vergangen ist, kann nicht zurückgeholt werden. Eine Wiedergutmachung des Geschehenen ist schlechterdings unmöglich. Sodann mag die Bestrafung des Täters bei Erwachsenen Genugtuung hervorrufen, wenn auch gewiss nicht bei allen.41 Beim Kinde kann es durchaus anders sein. Wenn es 37

Wilmer, Sexueller Mißbrauch von Kindern (Anm. 1), S. 194 – 205; Schnetz, Das Kind als klassischer Zeuge (Anm. 23), S. 145 – 154. 38 Stamm, Das sexuell geschädigte Kind (Anm. 22), S. 31. 39 Jäger-Helleport, Konstruktive Tatverarbeitung (Anm. 34), S. 64 – 225. 40 Kirchhoff, „Strafanzeige: ja oder nein?“ (Anm. 22), S. 833. 41 Ich habe erlebt, wie meine Großmutter es ablehnte, einen Exhibitionisten durch Anzeige der Bestrafung zuzuführen.

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zutrifft, dass alle Opfer den Wunsch haben, ihre Widerfahrnisse als schweres Unrecht anzuerkennen, so ist dazu nicht die Durchführung eines Strafverfahrens erforderlich. Es ist in erster Linie Sache des Täters, seine Tat zu gestehen und zu verabscheuen. Gerade umgekehrt kann die Bestrafung des Täters dem Kind eine schmerzliche Wunde verursachen. Das Wissen, einem anderen Menschen schweren Schaden zugefügt und ihn womöglich ins Gefängnis gebracht zu haben, kann ein Trauma im Kind hervorrufen. Viele Anzeigen lösen ja einen Vorgang aus, der bis zur Existenzvernichtung führt. Die Fälle sind nicht ganz selten, in denen Täter durch eine Strafanzeige in den Tod getrieben wurden.

IX. Die Folgen des Missbrauchs 1. Physische und psychische Folgen Für die meisten Kinder ergibt sich nach herrschender Ansicht aus dem sexuellen Missbrauch ein Trauma.42 Als körperliche Schäden kommen Verletzungen, Ansteckung und Schwängerung in Frage. Viel häufiger sind seelische Schäden. Die Opfer zeigen Symptome wie Angst, Depression, Neurose, Schuldgefühle, Zwangsgedanken, sexuelle Störungen wie vorzeitige Erweckung geschlechtlicher Erregbarkeit oder Fixierung des Geschlechtstriebes, Verhaltensprobleme verschiedener Art, Verlust des zwischenmenschlichen Vertrauens, soziale Isolierung.43 Allerdings treten nicht alle Symptome bei jedem Opfer auf. Untersuchungen sollen sogar festgestellt haben, dass eine beträchtliche Gruppe von Opfern kaum oder keine traumatischen Symptome zeigt. Die Spanne reicht von 21 bis 36 Prozent symptomfreier Kinder.44 Dem Opfer ist in jedem Fall die Möglichkeit zur Therapie zu bieten.45 Die Therapie muss dem Kind dazu verhelfen, die Verletzung zu überwinden, indem es erkenntnis- und gefühlsmäßig das Missbrauchserlebnis verarbeitet und sein Selbstwertgefühl zurückgewinnt.46 42 Wilmer, Sexueller Mißbrauch von Kindern (Anm. 1), S. 119 – 163; Bange/Deegener, Sexueller Mißbrauch an Kindern (Anm. 1), S. 59 – 94, S. 171 – 206; Hedwig Wallis, Die Behandlung der kindlichen und jugendlichen Opfer von Sittlichkeitsstraftaten, in: F. G. v. Stockert (Hrsg.), Das sexuell gefährdete Kind (Anm. 1), S. 116 – 123; A. Friedemann, Spätschäden bei Kindern und Jugendlichen, ebd., S. 8 – 26; Jäger-Helleport, Konstruktive Tatverarbeitung (Anm. 34), S. 226 – 309. 43 Schneider, Viktimologische Aspekte des sexuellen Mißbrauchs von Kindern, in: Egg, Sexueller Mißbrauch von Kindern (Anm. 1), S. 217 – 221; Geisler, Das sexuell mißbrauchte Kind (Anm. 1), S. 74 – 89; Wilmer, Sexueller Mißbrauch von Kindern (Anm. 1), S. 119 – 163; Weiß, Die Kinderschändung (Anm. 1), S. 151 – 153. 44 Bange/Deegener, Sexueller Mißbrauch an Kindern (Anm. 1), S. 75; Reinhardt, Die Bestrafung der Unzucht mit Kindern (Anm. 6), S. 67 f. 45 Martina Pitzer, Therapie nach sexuellem Mißbrauch, in: Egg, Sexueller Mißbrauch von Kindern (Anm. 1), S. 259 – 269. 46 Schneider, Viktimologische Aspekte des sexuellen Mißbrauchs von Kindern, in: Egg, Sexueller Mißbrauch von Kindern (Anm. 1), S. 226 f.

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2. Entschädigung Häufig ist in Missbrauchsfällen von Schadenersatz für die Opfer die Rede. Es ist zwischen dem etwaigen materiellen und dem immateriellen Schaden zu unterscheiden. Der materielle Schaden kann in Verletzungen und Nachteilen anderer Art bestehen. Der immaterielle Schaden wird in der seelischen Traumatisierung des Opfers gesehen. Ersetzt werden sollen die Einbuße an personaler Würde und die Verletzung der körperlichen und seelischen Unversehrtheit. Zivilrechtlich stehen dem missbrauchten Kind Ansprüche auf Schadenersatz und auf Schmerzensgeld nach den §§ 823 und 847 BGB zu. Teilweise werden hier exorbitante Geldsummen gefordert.47 Eine finanzielle „Entschädigung“ ist in keinem Falle eine Wiedergutmachung des erlittenen Unrechts. Es ist unwürdig und geradezu peinlich, Sexualvergehen mit Geld gleichsam „kompensieren“ zu wollen. Beides ist inkommensurabel. Ein sexueller Missbrauch kann und soll verarbeitet werden. Dazu ist Hilfe zu leisten. Man muss den Opfern Gelegenheit geben, das ihnen angetane Unrecht auszusprechen. Ihre Erlebnisse können aber nicht in einer Talkshow, sondern nur in einem geschützten Raum aufgearbeitet werden. Hier kann die Religion ihre heilende Macht entfalten, indem sie Unrecht und Schuld als unselige Wirklichkeit einer erbsündigen Welt, Reue und Vorsatz als Ausweis der Umkehr, Vergebung und Verzeihung als Anteil am Erbarmen Gottes verstehen lehrt. Ansprüche auf Schadenersatz können nur gegen die Täter und mitverantwortliche Dritte erhoben werden. 90 Prozent der Fälle tragen sich in Familien, nicht in Einrichtungen zu. Was Mitarbeiter einer Einrichtung tun, kann dieser nur dann zur Last gelegt werden, wenn sie es an den Erfordernissen einer sachgerechten Personalführung fehlen ließ. Sexueller Missbrauch von Kindern und Jugendlichen durch Bedienstete der Kirche kann einen Amtshaftungsanspruch (§ 839 BGB und Art. 34 GG) auslösen. Die Anerkennung des Rechtes auf Schadenersatz ist nicht in jedem Falle unbedenklich. Sie kann sich dahin auswirken, dass sie vorübergehende Nachwirkungen des traumatischen Erlebnisses intensiviert und fixiert.48

X. Strafvereitelung Damit die hier vorgetragenen Gedanken nicht missverstanden werden, ist noch kurz auf die (kriminelle) Strafvereitelung einzugehen. Strafvereitelung betreibt, wer einen Täter in unzulässiger Weise vor den Strafverfolgungsbehörden schützen will. Der Täter wird der ihm drohenden Sanktion entzogen, so dass der Verfolgungsanspruch des Staates nicht durchgeführt wird. Bei der Strafvereitelung ist zwischen 47

Die Jesuiten in fünf Staaten der USA haben sich zur Zahlung von fast 120 Millionen Euro an Opfer sexuellen Mißbrauchs (zwischen 1940 und 1990) verpflichtet (Der 13., 27. Jg., Nr. 4 vom 13. April 2011, S. 3). 48 Nau, Die Persönlichkeit des jugendlichen Zeugen (Anm. 23), S. 36.

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der Vereitelung der Verfolgung (§ 258 Abs. 1 StGB) und der Vereitelung der Vollstreckung (§ 258 Abs. 2 StGB) zu unterscheiden. Der Versuch ist strafbar (§ 258 Abs. 4 StGB). Dienstvorgesetzte begehen Strafvereitelung, wenn die Anzeige einer strafbaren Handlung nach pflichtgemäßem Ermessen erforderlich scheint und nicht erstattet wird. Wer einen anderen zur Strafvereitelung bestimmt, ist als Anstifter, wer ihn bei seiner Handlung unterstützt, ist als Gehilfe zu bestrafen. Strafvereitelung zugunsten eines Angehörigen (§ 11 Abs. 1 Nr. 1 StGB) ist ein persönlicher Strafausschließungsgrund (§ 258 Abs. 6 StGB). Im Zusammenhang mit den Missbrauchsfällen in der Kirche war häufig vom „Vertuschen“ die Rede. Vertuschen ist das unaufrichtige Kaschieren und Frisieren einer Straftat. Es sei auf die oben gemachten Ausführungen über die Erstattung von Anzeigen verwiesen. Wenn mit dem Vorwurf des Vertuschens gesagt sein sollte, dass Straftaten nicht sogleich angezeigt wurden, so ist darauf zu antworten: Die Unterlassung einer nicht pflichtgemäßen Strafanzeige ist kein Vertuschen und erst recht keine Strafvereitelung. Das überlegte und begründete Geheimhalten begangenen Unrechts ist ebenfalls kein unzulässiges Vertuschen.49 Auch der Versuch, den durch Missbrauch entstandenen Schaden zu begrenzen, ist kein Vertuschen der Straftat.

XI. Schluss In den letzten Jahren hat die „Aufarbeitung“ von Missbrauchsfällen an Kindern und Jugendlichen starke Ausmaße angenommen. In den Jahren 2009/10 wurden Verfehlungen an die Presse gegeben, die Jahrzehnte zurückliegen und deren Täter längst verstorben sind. Man fragt sich, was Beschuldigungen bewirken sollen, wenn die Beschuldigten nicht gehört werden können, weil sie nicht mehr am Leben sind. Es wurde eine Hotline eingerichtet. Auf Aufforderung hin haben sich viele Personen gemeldet, die angeblich Opfer von sexuellem Missbrauch geworden sind. Bis Ende 2010 meldeten sich mehr als 8.000 Betroffene bei der Telefonhotline der Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung. Von den Fällen sollen 92 Prozent in vergangenen Jahrzehnten, acht Prozent in der Gegenwart geschehen sein. Die Gefahr des Missbrauchs ist bei den Anrufen deswegen besonders groß, weil im Falle falscher oder erfundener Angaben strafrechtliche Sanktionen regelmäßig nicht zu befürchten sind. Der jüngste Anrufer war acht, der älteste 81 Jahre alt. Die Zahl von Meldungen wirklicher oder angeblicher „Opfer“ sagt nichts über die Tatsächlichkeit strafrechtlich relevanter Verstöße. Sehr viele der Meldungen, die auf die Einladung ergingen, sind unbrauchbar, entweder weil sie strafrechtlich irrelevant sind, oder 49 Es ist zu überprüfen, „ob es der Einzelfall erlaubt, ausschließlich auf die zivilrechtlichen Möglichkeiten zurückzugreifen, um den Mißbrauch zu beenden, weiteren Mißbrauch zu verhindern und das Opfer zu entlasten. Denkbar wäre es, bei einer Bereitschaft des Täters zur Schlichtung und Therapie und Bereitschaft des Opfers bzw. dessen gesetzlicher Vertreter auf eine strafrechtliche Aufklärung der Tat zu verzichten.“ (Wilmer, Sexueller Mißbrauch von Kindern [Anm. 1], S. 281 f.)

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weil sie schlicht unglaubwürdig sind.50 Es ist auch zu fragen, wie viele der Anrufer Trittbrettfahrer sind, d. h. Personen, die sich Leistungen erschleichen wollen, ohne die Voraussetzungen für ihre Zuwendung zu erfüllen. Aber unerachtet dieser Fehlerquellen hat Folgendes zu gelten. 1. Der Staat hat die Pflicht, den Bürgern Sicherheit vor Straftaten zu gewähren und Verbrecher unschädlich zu machen. Das staatliche Eingreifen wird in zahlreichen Fällen durch die Anzeige ausgelöst. Eine Anzeigepflicht bei Verdacht einer Straftat existiert nicht. Privatpersonen trifft auch regelmäßig keine Pflicht, geschehene Straftaten anzuzeigen. Wenn ausnahmsweise die Pflicht zur Anzeige besteht, entbinden die Gesetze der meisten Staaten die nächsten Angehörigen von der Pflicht. Dieser Zustand dient dem Interesse der Opfer. Sie sind auf die Möglichkeit angewiesen, sich vertraulich zu offenbaren, ohne sogleich die Staatsanwaltschaft einzuschalten. Es gibt Kräfte, die den gegenwärtigen gesetzlichen Zustand ändern wollen. Sie sprechen davon, eine strafbewehrte gesetzliche Anzeigepflicht für alle Personen einzuführen, die Kenntnis erlangen von Fällen sexuellen Missbrauchs. Dieser Meinung ist entschieden zu widersprechen. Damit würde man eine Lawine lostreten. Die Zahl der Anzeigen würde unheimlich anschwellen. Schon jetzt werden den deutschen Staatsanwaltschaften angeblich jedes Jahr etwa 15.000 Fälle von sexuellem Kindesmissbrauch angezeigt. Zahlreiche Menschen kämen in Gewissens- und Loyalitätskonflikte. Man bedenke, dass sich 90 Prozent der Missbrauchsfälle in den Familien ereignen und dass die Täter in der Mehrzahl Vertrauenspersonen sind, die das Vertrauen des Kindes ausnutzen. Im Bereich der Sexualdelikte mit Kindern ist die Dunkelziffer besonders hoch. 2. Wenn ein Verdacht auf sexuellen Missbrauch auftritt, ist dem Verdacht durch erfahrene und geschulte Personen nachzugehen. Wenn sich der Verdacht bestätigt, sind Seelsorger, Ärzte und Psychologen heranzuziehen, die durch Untersuchung und Behandlung den Schaden zu heilen suchen. Die Erstattung einer Strafanzeige will überlegt sein. Bei begründetem Verdacht eines sexuellen Missbrauchs ausnahmslos die Staatsanwaltschaft einzuschalten, schafft einen Automatismus, der sich gegen Opfer und Täter in gleicher Weise nachteilig auswirken kann. Innerkirchliche Maßnahmen haben in keiner Weise den Zweck, staatsanwaltliche Ermittlungen zu behindern oder zu verzögern; niemand denkt daran, den Strafanspruch des Staates anzutasten. Um des Opfers und des Täters willen ist aber zu überlegen, ob das, was der Strafanzeige folgt, also Ermittlungen, Erhebung der Anklage, Strafprozess, Verurteilung und Vollstreckung des Urteils, angemessen und hilfreich für die Beteiligten und die Allgemeinheit ist. Es ist kein Unrecht, bei der Erwägung, ob Anzeige erstattet werden soll, den Ruf einer Gemeinschaft oder einer Einrichtung mit zu bedenken. Jede Organisation oder Institution ist bemüht, Skandale zu vermeiden. Die Kirche hat das Recht und die Pflicht, auf ihren guten Ruf 50 Etwa 75 % der zur Anzeige kommenden Fälle werden eingestellt, weil entweder der Missbrauch nicht nachgewiesen werden kann oder verjährt ist (idea-Spektrum, Nr. 11 vom 16. März 2011, S. 26).

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bedacht zu sein. Kirchliche Täter missbrauchen ja nicht nur Kinder, sondern auch ihre Institution, die katholische Kirche. Der begründete Verzicht auf eine Strafanzeige ist kein unzulässiges Vertuschen einer Straftat. 3. Das oberste Ziel bei Missbrauchsvorwürfen muss sein, dass der Missbrauch so rasch wie möglich abgestellt und für die Zukunft verhindert wird. Alles andere ist demgegenüber sekundär. Die Beendigung des Missbrauchs setzt seine Kenntniserlangung voraus. Die Kirche besitzt ein System der Beobachtung und der Kontrolle, das, wenn es funktioniert, zur alsbaldigen Entdeckung unstatthafter Vorfälle führt. Wenn sich Missbräuche über lange Zeit hinziehen, ist dies ein Zeichen, dass die Aufsicht der Bischöflichen Behörde über die kirchlichen Bediensteten versagt. Dekan, Personalreferent, Generalvikar und visitierende Weihbischöfe bzw. Diözesanbischöfe kommen als Mitverantwortliche in Frage. Ein Diözesanpriester vergriff sich zwischen 1994 und 1999 an sieben Kindern unter 13 Jahren. Weitere Vorwürfe aus vorhergehenden Jahren waren verjährt. Ein Ordenspriester missbrauchte zwischen 1992 und 2003 sechs Ministranten in angeblich 155 Fällen. Ein Pfarrer verging sich mehr als zwanzig Jahre lang an Kindern und Jugendlichen, ohne dass von der Bischöflichen Behörde entschieden eingegriffen wurde. Diese Fälle sind ein Skandal und zeigen, dass in der nachkonziliaren Kirche die Disziplin zusammengebrochen ist.51 Für die Verhinderung weiterer Missbrauchsfälle in der Zukunft stehen mehrere Maßnahmen zur Verfügung. Man kann Täter versetzen und auf diese Weise für die Beendigung des Missbrauchs sorgen. Die Beseitigung der Gelegenheit zum Sündigen ist eine uralte und bewährte Weise, Personen, die wegen ihrer Artung eine spezifische Neigung haben, sich zu verfehlen, vor ihrer eigenen Schwäche zu bewahren. Die Möglichkeit, einen straffällig gewordenen Geistlichen, der die Gewähr bietet, es nicht wieder zu werden, zu versetzen und an anderem Ort seelsorglich tätig werden zu lassen, muss erhalten bleiben. Ein ähnliches Verfahren ist auch in anderen Institutionen üblich. Die Prognose in Sittlichkeitsangelegenheiten ist allerdings schwierig.52 Man kann und muss auf die Täter einwirken, dass sie in sich gehen und sich bekehren.53 Die Kirche kennt für Sünder den Weg der Einsicht und 51 Außerordentlich aufschlussreich ist Andreas Späth/Menno Aden (Hrsg.), Die mißbrauchte Republik. Aufklärung über die Aufklärer, London/Hamburg 2010. 52 Jutta Elz, Zur Rückfälligkeit bei sexuellem Kindesmißbrauch. Erste Ergebnisse der Aktenanalyse, in: Egg, Sexueller Mißbrauch von Kindern (Anm. 1), S. 63 – 88. Eine höhere Gefahr des Rückfalls ist bei jenen Tätern gegeben, die keinen körperlichen Kontakt mit dem Opfer hatten (Elz, Zur Rückfälligkeit [siehe oben], S 80 f.). Täter, die Jungen missbrauchen, werden deutlich häufiger rückfällig als solche, die Mädchen missbrauchen, was auf Homosexualität und pädophile Neigung zurückzuführen ist (Norbert Leygraf, Probleme der Begutachtung und Prognose bei Sexualstraftätern, in: Egg, Sexueller Mißbrauch von Kindern [Anm. 1], S. 125 – 136, hier S. 132). 53 Für wenig hilfreich halte ich die medizinische Behandlung von Sexualtätern. Vgl. Friedemann Pfäfflin, Ambulante Behandlung von Sexualstraftätern, in: Egg, Sexueller Mißbrauch von Kindern (Anm. 1), S. 137 – 156; Rainer Goderbauer, Stationäre Behandlung von Sexualstraftätern im Strafvollzug, ebd., S. 157 – 183.

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der Reue, der Besserung und der Erneuerung. Ein wirksames Mittel, um Täter zur Änderung zu führen, können dreißigtägige pflichtmäßige Exerzitien sein (die diesen Namen verdienen). Die Kirche kennt auch den auferlegten Aufenthalt in einem Kloster oder einem anderen geistlichen Hause mit entsprechender Überwachung und Betreuung. Der Täter kann einer pflichtmäßigen Therapie unterworfen werden. Die etwa vorhandene pädophile Neigung kann beherrscht und sogar überwunden werden. 4. Es kann erforderlich sein, bei Missbrauchsfällen Strafanzeige zu erstatten. Wo systematischer sexueller Missbrauch zu erkennen ist, muss der Täter unschädlich gemacht, d. h. in eine Lage versetzt werden, in der er nicht mehr schaden kann. Unverbesserliche Täter sind in jedem Falle dem staatlichen Arm zu überstellen. Völlig verfehlt, ja verwerflich ist es dagegen, Straftaten aus ferner Vergangenheit an die Öffentlichkeit zu bringen. Es ist zu fragen, was von den Aussagen angeblicher Opfer zu halten ist, wenn die Täter nicht mehr unter den Lebenden weilen und sich nicht verteidigen können.54 Wenn ein 53 Jahre altes Opfer Anzeige wegen eines Missbrauchs erstattet, den es als Knabe erlitten hat, dann ist zu fragen, wem mit dieser Anzeige gedient ist. Es ist schlechterdings unerträglich, Vorgänge, die vor mehreren Jahrzehnten geschehen sind, auszugraben und auf diese Weise den guten Ruf, den Frieden und vielleicht die Existenz von Menschen zu bedrohen, die entweder verstorben sind oder längst zu einem tadelfreien Umgang mit anderen gefunden haben. Dem missbrauchten Kind ist alles zu gewähren, was zu seiner seelischen Gesundung erforderlich oder tunlich ist. Es ist möglich, viele derartige Fälle seelsorglich zu erledigen. Wenn ein geeigneter Priester auf Täter und Opfer einwirkt, kann ein befriedigender Ausgleich erreicht werden.

54 Im Bistum Osnabrück wurden 16 Priester des Missbrauchs bezichtigt, von denen elf verstorben waren.

Erstveröffentlichung der Beiträge in chronologischer Reihenfolge Die kirchlichen Belange im geltenden bayerischen Schulrecht der allgemeinbildenden Schulen, in: MThZ 10, 1959, 257 – 275 Der Religionsunterricht im Staatskirchenrecht der sowjetischen Besatzungszone. Ein Beitrag zum Thema „Verfassungsrecht und Verfassungswirklichkeit“, in: ThQ 139, 1959, 270 – 290 Der Kirchenaustritt in der DDR, in: ThPQ 108, 1960, 290 – 294 Zu den staatlichen Erwerbsbeschränkungen für kirchliche juristische Personen, besonders in Preußen und seinen Nachfolgestaaten seit dem Erscheinen des BGB, in: AfkKR 129, 1960, 9 – 43 Entstehung und Rechtscharakter der Vereinbarung zwischen dem Bischof von Mainz und dem Oberregierungspräsidenten von Hessen-Pfalz vom 15./17. April bzw. 5. Oktober 1946 zur Errichtung der Katholisch-Theologischen Fakultät an der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz, in: AfkKR 131, 1962, 15 – 66 Der Kirchenaustritt in der Bundesrepublik Deutschland, in: ÖAKR 14, 1963, 3 – 67 Das Verhältnis der Katholisch-Theologischen Fakultät der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz zu dem Diözesanbischof nach der Vereinbarung zwischen Kirche und Staat vom 15./17. April bzw. 5. Oktober 1946, in: Im Dienste des Rechtes in Kirche und Staat. Festschrift zum 70. Geburtstag von Franz Arnold, hrsg. von W. M. Plöchl/I. Gampl, Wien 1963, 171 – 196 Der Vertrag des Landes Rheinland-Pfalz mit den evangelischen Landeskirchen vom 31. März 1962, in: AfkKR 132, 1963, 61 – 109, 434 – 474 Koordination von Staat und Kirche in der Demokratie, in: TThZ 75, 1966, 176 – 183 Die Errichtung von zwei mit Katholiken zu besetzenden Professuren in der Philosophischen Fakultät der Universität Straßburg im Jahre 1902/03, in: Speculum iuris et ecclesiarum. Festschrift für Willibald M. Plöchl zum 60. Geburtstag, hrsg. von H. Lentze/I. Gampl, Wien 1967, 245 – 281 Mit Katholiken zu besetzende Professuren für Philosophie und Geschichte an der Universität Freiburg nach dem Badischen Konkordat vom 12. Oktober 1932, in: ius et salus animarum. Festschrift für Bernhard Panzram, hrsg. von U. Mosiek/H. Zapp, Freiburg 1972, 341 – 370 Zur Frage der staatlichen Anerkennung eines päpstlichen Adelstitels. Gutachten im Auftrag des Amtsgerichts Kiel zu Rechtsfragen der Verleihung des päpstlichen Adels, in: AfkKR 141, 1972, 483 – 491 Die Errichtung von Stiftungslehrstühlen für katholische Theologie an den Universitäten Frankfurt am Main und Gießen, in: AfkKR 144, 1975, 464 – 478

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Erstveröffentlichung der Beiträge in chronologischer Reihenfolge

Die Rechtsstellung der akademischen Lehrer der katholischen Theologie und die Ausbildung der katholischen Theologiestudierenden an den staatlichen Hochschulen in Bayern nach dem Vertrag zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Freistaat Bayern vom 4. September 1974, in: AfkKR 144, 1975, 402 – 443 Die rechtliche Stellung der Einrichtungen zur Ausbildung katholischer Religionslehrer an den staatlichen Hochschulen in dem Land Hessen, in: ÖAKR 26, 1975, 55 – 89 Verträge deutscher Bischöfe mit der Bundesrepublik Deutschland und den deutschen Bundesländern, in: Convivium utriusque iuris. Alexander Dordett zum 60. Geburtstag, hrsg. von A. Scheuermann/R. Weiler/G. Winkler, Wien 1976, 417 – 451 Die Konkordatspolitik des Heiligen Stuhls von 1918 bis 1974, in: Handbuch der Kirchengeschichte, Bd. VII: Die Weltkirche im 20. Jahrhundert, hrsg. von H. Jedin/K. Repgen, Freiburg/Basel/Wien 1979, 179 – 229 Ludwig Kaas (1881 – 1952), in: Rheinische Lebensbilder, Bd. 10, Köln 1985, 223 – 235 Errichtung und Erweiterung katholisch-theologischer Studieneinrichtungen an staatlichen Hochschulen. Überlegungen zu einer jüngst erschienenen Studie, in: Iuri Canonico Promovendo. Festschrift für Heribert Schmitz zum 65. Geburtstag, hrsg. von W. Aymans/K.-Th. Geringer, Regensburg 1994, 415 – 440 Die Hochschulen, in: Handbuch des katholischen Kirchenrechts, 2., neubearb. Aufl., Regensburg 1999, 749 – 777 Listen von Bischofskandidaten in den deutschen Konkordaten und Kirchenverträgen, in: Dem Staate, was des Staates ist – der Kirche, was der Kirche ist. Festschrift für Joseph Listl zum 70. Geburtstag, hrsg. von J. Isensee/W. Rees/W. Rüfner (= Staatskirchenrechtliche Abhandlungen 33), Berlin 1999, 739 – 760 Das „Hausrecht“ des Pfarrers bzw. des Kirchenrektors, in: Communio in ecclesiae mysterio. Festschrift für Winfried Aymans zum 65. Geburtstag, hrsg. von K.-Th. Geringer/H. Schmitz, St. Ottilien 2001, 363 – 387 Der Wiedereintritt in eine Religionsgemeinschaft, in: Recht in Kirche und Staat. Joseph Listl zum 75. Geburtstag, hrsg. von W. Rees (= Kanonistische Studien und Texte, Bd. 48), Berlin 2004, 185 – 204 Anzeige und Anzeigepflicht bei Missbrauchsfällen, in: In mandatis meditari. Festschrift für Hans Paarhammer zum 65. Geburtstag, hrsg. von St. Haering/J. Hirnsperger/G. Katzinger/W. Rees (= Kanonistische Studien und Texte, Bd. 58), Berlin 2012, 951 – 974