178 53 61MB
German Pages 388 [392] Year 1997
Vom Klassizismus zur Spätromantik
KUNSTHALLE M A N N H E I M
Die Zeichnungen und Aquarelle des 19. Jahrhunderts der Kunsthalle Mannheim In sechs Bänden herausgegeben von
Manfred Fath Band 1/2 Monika
Schulte-Arndt
Vom Klassizismus zur Spätromantik Zeichnungen und Aquarelle 1770-1860 Band 3 Hans Dickel
Caspar David Friedrich in seiner Zeit Zeichnungen der Romantik und des Biedermeier Band 4 Pia Müller-Tamm
Nazarenische Zeichenkunst Band 5 Walter Stephan Laux
Ideal und Idyll Zeichnungen und Aquarelle 1850-1890 Band 6 Walter Stephan Laux
Salon und Secession Zeichnungen und Aquarelle 1880-1918
Vom Klassizismus zur Spätromantik Zeichnungen und Aquarelle
1770-1860
Bearbeitet von
Monika Schulte-Arndt
Akademie Verlag
Titelbild: Wilhelm von Kobell: Maria Josepha Kobell (Abb. 157 in diesem Band)
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme
Städtische Kunsthalle :
Die Zeichnungen und Aquarelle des 19. Jahrhunderts der Kunsthalle Mannheim : in sechs Bänden / [Kunsthalle Mannheim]. H r s g . von Manfred Fath. - Berlin : Akad. Verl. Bd. 1/2. Vom Klassizismus zur Spätromantik : Zeichnungen uns Aquarelle 1770-1860 / bearb. von M o n i k a SchulteArndt. - 1997 I S B N 3-05-002991-9 brosch.
© Akademie Verlag G m b H , Berlin 1997 Gedruckt auf chlorfrei gebleichtem Papier. D a s eingesetzte Papier entspricht der amerikanischen N o r m A N S I Z.39.48 - 1984 bzw. der europäischen N o r m I S O T C 46. Alle Rechte, insbesondere die der Ü b e r s e t z u n g in fremde Sprachen, vorbehalten. Kein Teil dieses Buches darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages in irgendeiner F o r m durch Photokopie, Mikroverfilmung oder irgendein anderes Verfahren - reproduziert oder in eine von Maschinen, insbesondere von Datenverarbeitungsmaschinen, verwendbare Sprache übertragen oder übersetzt werden. Satz: Akademie V e r l a g / H a n s Herschelmann Repros: Rink, Berlin D r u c k : G A M Media, Berlin Bindung: Buchbinderei Stein, Berlin Printed in the Federal Republic of G e r m a n y
Vorwort
Fritz Wiehert, der erste Direktor der Kunsthalle, hat sich bei seiner Konzeption für den Aufbau einer Sammlung für die am 5. Dezember 1909 als Museum eröffnete Mannheimer Kunsthalle nicht nur auf Malerei und Skulptur beschränkt, sondern von Anfang an auch exemplarische graphische Werke in seine Ankaufsüberlegungen mit einbezogen. Bereits im Frühjahr 1910 führte er in einem Gutachten aus, daß das „wahre Wesen" eines Künstlers „nicht allein in abgerundeten und in jeder Hinsicht fertig durchgearbeiteten Werken", sondern eindrucksvoller aus Studien zu uns sprechen würde. Persönlich interessierte ihn vor allem der unmittelbare Charakter der Zeichnung, weil sich darin der Wille, die Anschauung und die Eigenart eines Künstlers am besten ablesen ließen. So ist es aus seiner Sicht auch verständlich, daß für ihn eine Galerie unvollständig war, wenn sie sich von vornherein der „Möglichkeit beraubt, die Skizzenkunst zu pflegen", weil diese „den Reiz höchster Unmittelbarkeit" ausstrahlt und „das Werden und Wachsen des künstlerischen Ausdrucks mit bestrickender Lebendigkeit" zeigt. Neben den künstlerischen und ästhetischen Erwägungen, die für den Aufbau eines graphischen Kabinetts parallel zur Gemälde- und Skulpturensammlung sprachen, gab es für Fritz Wiehert aber auch noch ganz praktische Gründe. Wegen seiner beschränkten Ankaufsmittel war für ihn diese Abteilung eine wichtige Möglichkeit zur Abrundung und Ergänzung, besonders in den Bereichen, die er mit Gemälden oder Skulpturen nicht oder nur unzureichend darstellen konnte. Obwohl er in der Graphik die Sammlung etwas breiter anlegen konnte, strebte er auch hier keine Vollständigkeit in der Darstellung künstlerischer Entwicklungen an, sondern konzentrierte sich auf den Erwerb herausragender Werke der Zeichen- und Aquarellkunst, aber auch der Druckgraphik.
A m 11. März 1911, knapp zwei Jahre nach der Eröffnung der Kunsthalle als Museum, konnte Fritz Wiehert das Graphische Kabinett mit einer Ausstellung internationaler Graphik des 19. Jahrhunderts einweihen. Seither wurde die Sammlung immer wieder durch Erwerbungen von Einzelblättern oder Mappenwerken erweitert. Wegen der geringen Ankaufsmittel erfolgte der Ausbau der graphischen Sammlung allerdings nicht systematisch oder konsequent. Zufälle spielten hier häufig ebenso eine Rolle wie die speziellen Neigungen der Direktoren oder Kustoden, wie sich an bestimmten Schwerpunkten in der Sammlung deutlich erkennen läßt. Mit ihrem Bestand von rund 33.000 Blättern alter und neuer Graphik, darunter vielen Meisterwerken der Zeichen- und Aquarellkunst des 19. U n d 20. Jahrhunderts, gehört die graphische Sammlung heute zu den wichtigen Abteilungen der Kunsthalle. Sie ist bisher allerdings durch Kataloge und Publikationen nur unzureichend erschlossen. Wegen der großen Zahl der im Kabinett befindlichen Meisterwerke gehört es zu den dringenden Anliegen des Museums, die Bestände in wissenschaftlichen Bestandskatalogen und Verzeichnissen zu publizieren. Ein Anfang wurde mit den Handzeichnungen und Aquarellen des 19. Jahrhunderts gemacht, deren Bearbeitung jetzt abgeschlossen ist. Innerhalb der graphischen Sammlung der Mannheimer Kunsthalle nimmt der umfangreiche Komplex an Handzeichnungen und Aquarellen des 19. Jahrhunderts wegen der großen Zahl von Blättern herausragender Qualität eine bedeutende Stellung ein. Aus diesem Grund war es ein besonderes Anliegen, diesen Bestand zum frühest möglichen Zeitpunkt zu publizieren. In einem auf sechs Bände angelegten wissenschaftlichen Katalog konnte er seit 1986 erschlossen und der Forschung, aber auch dem interessierten Publikum zugänglich gemacht werden. Der erste Band
V
der Reihe konnte im November 1988 erscheinen. Als letzte Publikation folgen nun die Bände 1 und 2, die zu einem Doppelband zusammengefaßt sind. Unter dem Titel „Vom Klassizismus zur Spätromantik. 1 7 7 0 - 1 8 6 0 " werden die Zeichnungen und Aquarelle aus den Jahren zwischen 1770 und 1860 behandelt, sofern sie nicht in den bereits erschienenen Bänden „Caspar David Friedrich und seine Zeit" und „Nazarenische Zeichenkunst" berücksichtigt wurden. Die wissenschaftliche Bearbeitung dieses Doppelbandes erfolgte durch Monika Schulte, die in ihrem Einleitungstext erstmals auch eine Ubersicht über die Geschichte der graphischen Sammlung der Mannheimer Kunsthalle und die Entwicklung ihrer Sammlungsschwerpunkte gibt. O b w o h l das in diesem Band zusammengefaßte Material sehr disparat und auch von unterschiedlicher künstlerischer Qualität ist, hat seine oft schwierige und mühevolle Bearbeitung eine Reihe interessanter Erkenntnisse, u. a. zur Mannheimer Kunst der Zeit um 1800, gebracht und das Werk einiger bisher unbekannter oder nur wenig bekannter Künstlerpersönlichkeiten deutlicher in Erscheinung treten lassen. Mit dem Erscheinen des letzten Bandes liegt der wissenschaftliche Ansprüche erfüllende Bestandskatalog der Handzeichnungen und Aquarelle des 19. Jahrhunderts aus dem Besitz der Mannheimer Kunsthalle nach einer Bearbeitungszeit von nahezu 10 Jahren nun komplett vor und vermittelt einen Eindruck vom Reichtum, aber auch von der hohen Qua-
VI
lität der hier aufbewahrten graphischen Blätter. Parallel zur wissenschaftlichen Bearbeitung der Bestände wurden alle Arbeiten - sofern notwendig - restauriert und mit neuen Passepartouts versehen. Das aufwendige und anspruchsvolle Projekt der Publikation unserer Zeichnungen und Aquarelle des 19. Jahrhunderts konnte nur mit großzügiger finanzieller Unterstützung des J . Paul Getty Trusts in Los Angeles, der Fritz Thyssen-Stiftung in Köln und privater Stifter realisiert werden, von denen Sophia und Dr. Erhard Ziegler sowie Heinrich Vetter besonders genannt seien. N u r so war es überhaupt erst möglich, die Bearbeiter der einzelnen Katalogbände zu beauftragen und ihnen die Möglichkeit zu geben, die mit z. T. aufwendigen und schwierigen Recherchen verbundene Bearbeitung der Bestände durchzuführen. Publiziert wurden die Kataloge zunächst im Verlag V C H / A c t a Humaniora in Weinheim, dann im Akademie Verlag, Berlin, in dem seit 1992 die geistes- und sozialwissenschaftlichen Werke der VCH-Verlagsgruppe erscheinen. Die Reihe wird dort von Herrn Dr. Gerd Giesler verlegerisch betreut, dem ich an dieser Stelle für die langjährige gute Zusammenarbeit danken möchte. Eingeschlossen in diesen Dank sind alle Mitarbeiter des Verlages und der Kunsthalle Mannheim, die am Zustandekommen dieses Bandes und des gesamten Bestandskataloges beteiligt waren.
Manfred Fath
Inhalt
Vorwort
V
Einleitung Katalog
1
7
Benutzerhinweise Abbildungen Literatur
8
159
367
Künstlerverzeichnis der Bände I-VI
377
VII
Künstler
B A B O , LAMBERT VON BAER, ERNST
MIND, GOTTFRIED
1-7
BALBACH, OTTMAR
M O H N , VICTOR PAUL
15
BOLT, JOHANN FRIEDRICH BRAKMANN
171
M I V I L L E , J A K O B CHRISTOPH
8-14
M O L I T O R , M A R T I N VON
16
DEURER, LUDWIG
18-22
DORNER, JOHANN JAKOB
MÜLLER, RUDOLF
23 24,25 26
E N G E L , C A R L , GEN. VON DER R A B E N A U ERHARD, JOHANN CHRISTOPH
176-193
194
NAUWERCK, LUDWIG GOTTLIEB C A R L
DYCKERHOFF, FRIEDRICH CHRISTOPH
27, 28
Pocci,
F R A N Z VON
196,197
P R E L L E R , F R I E D R I C H D. Ä . QUAGLIO I I . , LORENZO
198 199,200
36-38 RAHMANN, KARL
39-48
201
RAMBERG, JOHANN HEINRICH
49-66 67
203,204
R E I N H O L D , F R I E D R I C H PHILIPP
205
68, 69
G E N E L L I , BUONAVENTURA
70-84
R H O M B E R G , JOSEPH A N T O N
GÉNIOLE, ALFRED ANDRÉ
85
R O H D E N , F R A N Z VON
REINHOLD, HEINRICH
86, 87
H A C K E R T , J A C O B PHILIPP
88
W I L H E L M F R E I H E R R VON HARTLAUB, C A R L
HILDEBRANDT, EDUARD
K L E N Z E , L E O VON
92-97
98/1-98/54
K O B E L L , FERDINAND
99-106
K O B E L L , F R A N Z INNOCENZ
K O C H , JOSEPH A N T O N
154-165 166,167
KÖNIG, FRANZ NIKLAUS KRAUS, G E O R G MELCHIOR KRÜGER, FRANZ
107-151
152,153
K O B E L L , W I L H E L M VON
209
210-214
ROWLANDSON, THOMAS
218
SCHILBACH, J O H A N N H E I N R I C H
168
T H Ü R M E R , JOSEPH
229-248
249-254
W A G E N B A U E R , M A X JOSEPH WELKER, ERNST
219 220-227
228
UNBEKANNTE KÜNSTLER VERHAS, T H E O D O R
215
216,217
SCHWANTHALER, L U D W I G VON
91
KLEIN, JOHANN ADAM
KOBELL II., JAN
89
90
206-208
R O H D E N , J O H A N N M A R T I N VON ROTTMANN, CARL
H A L L E R VON H A L L E R S T E I N , CHRISTOPH J A C O B
202
R E I N H A R T , J O H A N N CHRISTIAN
FÜSSLI, J O H A N N H E I N R I C H
GÉNISSON, JULES VICTOR
195
29-35
F E O D O R , IWANOWITSCH K A L M Ü C K
FÜSSLI, H E I N R I C H
175
MOSBRUGGER, FRIEDRICH
D E U R E R , P E T E R FERDINAND
FRIES, ERNST
174
M O R G E N S T E R N , CHRISTIAN
17
FLAXMAN, J O H N
172
173
255-259
260
WITTMER, JOHANN MICHAEL
261
169
170
IX
Zur Geschichte der Graphischen Sammlung
„Es ist eine allgemein anerkannte Tatsache, daß das Wesen eines Künstlers sich nicht allein in abgerundeten und in jeder Hinsicht fertig durchgearbeiteten Werken ausspricht. So sehr dem fertigen Werke auch die Absicht einer definitiven Aussprache zu Grunde liegen mag, unsere Erkenntnis vom Willen, von der Anschauung und Eigenart eines Künstlers erfährt außerordentliche Bereicherungen gerade durch solche Leistungen des Talentes, in denen der suchende Charakter noch stark zu Tage tritt, durch Studien, Skizzen, Übungen, kurz durch Äußerungen, in denen es dem Ausdruck suchenden Künstler mehr auf die Festlegung seines Prinzips als auf die Abschließung seiner Kunstschöpfung angekommen ist", schrieb Friedrich Wiehert im Frühjahr 1910, wenige Monate, nachdem er zum Leiter der eben begründeten, völlig neu aufzubauenden Kunsthalle in Mannheim ernannt worden war. „Diese Äußerungen haben den Reiz höchster Unmittelbarkeit, sie sind so intim wie Tagebücher und zeigen Werden und Wachsen des künstlerischen Ausdrucks mit bestrickender Lebendigkeit. Nicht selten geht dem Künstler ja sogar die Frische der Anschauung während der Ausarbeitung des abgeschlossenen Bildwerkes gänzlich verloren, und sein wahres Wesen spricht zu uns lediglich aus den Studien. Eine Galerie wird daher immer unvollständig sein, wenn sie sich von vornherein der Möglichkeit beraubt, die Skizzenkunst zu pflegen." 1 Daß Wiehert sich bei der Einrichtung des neuen Hauses nicht auf die Bereiche Malerei und Skulptur beschränken wollte, machen diese Sätze unmißverständlich deutlich. Ihm ist der Aufbau eines Graphischen Kabinetts von gleicher Wichtigkeit gewesen, und tatsächlich konnte er dann auch im März 1911 eine solche Sammlung als eigenständige Abteilung eröffnen. 2 Wegen ihres spontanen, fragmentarischen Charakters sah er die Arbeiten auf Papier als eine ideale, Lebendigkeit garantierende Abrundung der
beiden anderen Sammelgebiete an. Es lag für ihn nicht zuletzt wegen der beschränkten Ankaufsmittel daher nahe, wie bei der Malerei und Plastik auch im Bereich der Zeichenkunst die Schwerpunkte in der französischen und deutschen Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts zu setzen. 3 Nur im Bereich der Druckgraphik - die er gleichfalls für eine „notwendige und äußerst reizvolle Ergänzung" künstlerischen Schaffens hielt, „dem kleinen Essay, dem lyrischen Gedicht oder den Werken der Kammermusik vergleichbar" 4 , - verlegte Wiehert die zeitliche Grenze bis in das 16. Jahrhundert zurück. Er erwarb schon bald als „sehr geeignete Paradigmata meisterlicher Griffelkunst" Kupferstiche, Radierungen und Holzschnitte von Künstlern wie Albrecht Dürer, Hans Beham, Hendrick Goltzius, Rembrandt, Cornelis Bega und Claude Lorrain. 5 Rasch erweiterten er und Gustav Hartlaub (zunächst sein Stellvertreter, dann Nachfolger im Amt) den Bestand an Graphik Alter Meister auf rund 3 000 Blätter, wobei sie nicht etwa rein historischem Interesse folgten und dabei - dem archivalischen Konzept alter Kabinette entsprechend - auf Vollständigkeit und Seltenheit zielten, sondern allein künstlerische Kriterien gelten lassen wollten. 6 Daß sie beim Aufbau dieses Sammlungsgebietes nicht auf einst Vorhandenes zurückgreifen konnten, muß sie wehmütig gestimmt haben, waren doch schon im späten 18. Jahrhundert mit der Verlegung der Residenz Karl Theodors die gesamten kurfürstlichen Kunstschätze und damit auch das ansehnliche, rund 60 000 Blätter umfassende Kupferstichkabinett von Mannheim nach München abgewandert. Doch ganz ohne Tradition stand die Graphische Sammlung an ihrem Beginn nicht da. Einen gewissen Grundstock für ihren Aufbau bildeten Nachlässe und Legate, die seit den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts an die Stadt Mannheim gelangt waren. Teile
1
davon konnte Wiehert übernehmen und - soweit sie in sein Erwerbungskonzept paßten - dem neuen Haus eingliedern. Für das Kabinett waren dies Komplexe aus dem Vermächtnis James Emden (1883), der D y ckerhoff-Stiftung und vor allem aus dem umfangreichen Kuntzschen Nachlaß (1873), der neben 114 G e mälden auch rund 860 Zeichnungen, Aquarelle und Drucke von der Hand des Großherzoglichen H o f m a lers Carl Kuntz (1770-1830) und dessen Söhnen Rudolph (1797-1848) und Ludwig (1803-1876) umfaßte. 7 Zu diesen Stiftungen sollte schließlich Jahre später, 1922, eine weitere Sammlung treten, die den von Wiehert angelegten Bestand älterer Graphik auf eindrucksvollste Weise bereicherte: das mit ungeheurem Ehrgeiz aufgebaute Kupferstichkabinett Anton von Kleins. 8 Dieser, 1746 in Molsheim bei Straßburg geboren und seit 1768 in Mannheim ansässig, gehörte zu den interessantesten und vielseitigsten Persönlichkeiten seiner Stadt. Als Schriftsteller, Gelehrter, Dichter und Dramaturg, als Kunstförderer, Verleger und Herausgeber von Zeitschriften spielte er, den seine Biographen als einen durchaus widersprüchlichen, intriganten und ehrgeizigen Höfling schildern, eine bedeutsame Rolle im Kunst- und Kulturleben Mannheims. Von besonderem Interesse war und ist seine beachtliche Sammlung von Gemälden, Handzeichnungen, illustrierten Büchern und Kupferstichen, die „die reisenden Künstler und Kenner in Menge" herbeilockte und selbst „die Neugierde gekrönter Häupter" überraschte. Sie „enthielt nicht nur eine beträchtliche Anzahl der trefflichsten Manieren vor aller Schrift; sondern auch Seltenheiten, welche selbst den berühmtesten fürstlichen Kabinetten abgingen". 9 Die zu Recht so hochgelobte Kupferstichsammlung bestand (und besteht auch heute noch) aus rund 12 400 Einzelblättern und 8 000 Drucken in 76 Buchbänden. Ihr Schwerpunkt liegt mit rund 5 300 Graphiken bei der deutschen Schule, die mit Werken von Albrecht Dürer, Hans Burgkmair, Lucas Cranach, Albrecht Altdorfer und Hans Baidung Grien bis hin zu Daniel Chodowiecki und Bernhard Rode vertreten ist und darüber hinaus ein beachtliches Konvolut von Arbeiten Mannheimer Stecher enthält. Für die niederländische Schule mit 2 500 Blättern seien als wichtigste Namen Hans Bol, Hendrick Goltzius, Gerard de Lairesse, Rembrandt und Paulus Potter erwähnt. Unter den französischen Künstlern mit 2 160 Drucken ragen Arbeiten von Jacques Callot, Jean-Baptiste Le Prince, François Janinet und der Kupferstecherfamilie Audran hervor. Bei den Italienern mit rund 1 800 Gra-
2
phiken sind vor allem Marc Antonio Raimondi, Giorgio Ghisi, Stefano della Bella, Giovanni Battista Piranesi sowie Vater und Sohn Tiepolo hervorzuheben, und unter der englischen, mit 480 Blättern am schwächsten vertretenen Schule finden sich Stechernamen wie Francesco Bartolozzi, Paul Sandby und William Hogarth. 1 0 Kleins Sammlung, eine typische, auf Breite und Vollständigkeit angelegte Kollektion vergangener Jahrhunderte, wurde 1810 für 52 800 Gulden vom badischen Großherzog Karl Friedrich angekauft - und zwar als Entschädigung zugunsten Mannheims für die oben erwähnten Kunstverluste des späten 18. Jahrhunderts. 1922 unterstellte man sie als Dauerleihgabe des Badischen Staates an die Stadt offiziell der Direktion der Kunsthalle und überführte sie zehn Jahre später von ihrem bisherigen Standort, dem Schloß, in deren Gebäude am Friedrichsplatz. 1 1 Eine über die bloße Inventarisierung hinausgehende Bestandsaufnahme nahm man 1925 in Angriff (und schloß sie leider nicht ab); dabei wurden die alten Klebebände, in denen Klein auf herkömmliche Weise die Graphiken gesammelt hatte, aufgelöst und die Drucke, nach Schulen und Künstlern geordnet, in Kästen gelagert. Im Unterschied zum Kupferstichkabinett, das als eine historische, in sich abgeschlossene Sammlung nicht mehr durch Ankäufe erweitert wurde und werden soll, stellt sich der Graphikbestand des 19. und 20. Jahrhunderts seit jeher als aktiver Teil der Museumsarbeit dar. Wie erwähnt, sah Wiehert den Sinn dieser Abteilung in einer zeitlichen und inhaltlichen Ergänzung der Gemälde und Skulpturen seiner Kunsthalle. E r gab damit die Richtung an, der man in den kommenden Jahrzehnten tatsächlich auch weiterhin folgte. Die Aufmerksamkeit galt zunächst der deutschen Zeichen- und Aquarellkunst seit 1850, dann der französischen Druckgraphik des 19. Jahrhunderts, die - schon bald in Blättern von Theodore Géricault, Honoré Daumier, Camille Corot, JeanFrançois Millet, Edouard Manet, Paul Cézanne und Henri Toulouse-Lautrec beispielhaft vertreten - heute zu den Glanzpunkten der Sammlung zählt. In den Folge) ahren wandte man sich verstärkt der deutschen Kunst des ausgehenden 18. und frühen 19. Jahrhunderts zu. So wurde zwischen 1915 und 1928, also in der Zeit der kunsthistorischen Wiederentdeckung jener Epoche, parallel zu einer kleinen Sammlung von Ölgemälden Steinles, Settegasts, Führichs und Schnorr von Carolsfelds ein beachtlicher Komplex von rund 100 Zeichnungen der Nazarener und deren Nachfolger erworben. Als es darüber hin-
aus gelang, dem Kabinett umfangreiche Konvolute von Zeichnungen Caspar David Friedrichs (1916) und John Flaxmans (1923) zu sichern, war die Zeichenkunst der Romantik zu einem Schwerpunkt geworden. 12 Der Aufbau eines weiteren, den Charakter der Mannheimer Sammlung prägenden Bestandes geht ebenfalls auf die Anfänge der Galeriegeschichte zurück. Seit 1914, einsetzend mit der damals in der Kunsthalle präsentierten Ausstellung „Zeichnungen und Plastiken neuzeitlicher Bildhauer", verfolgten Wiehert und Hartlaub energisch den Ankauf von graphischen Arbeiten zeitgenössischer Bildhauer. Sie erwarben Zeichnungen und Drucke von Künstlern wie Karl Albiker, Ernst Barlach, Ernesto de Fiori, Georg Kolbe, Wilhelm Lehmbruck, Gerhard Mareks, Auguste Rodin sowie Edwin Scharff und begründeten damit ein Sammlungsgebiet, das auch in den folgenden Jahrzehnten bis in die Gegenwart hinein intensiv gepflegt wurde und wird. Bis 1933 gelangte ferner eine Vielzahl exemplarischer Graphiken des Expressionismus, der Neuen Sachlichkeit sowie der konstruktiven und konkreten Kunst in das Museum, gedacht nun als Ergänzung für die Gemälde der Moderne, die seit 1916 mit allem Nachdruck erworben wurden. 1 3 Auf welch bedeutenden Umfang in den ersten beiden Jahrzehnten der Bestand der graphischen Arbeiten von aktuellen Bildhauern und Malern trotz der allgemeinen Verschlechterung der Wirtschaftslage angewachsen war, zeigt ein Blick in das Inventarbuch: Mit rund 2 800 Nummern wies die Sammlung zu Beginn der dreißiger Jahre fast die Hälfte der bis heute eingetragenen Graphiken auf. 14 Dann aber nahm diese hoffnungsvolle Entwicklung ein jähes Ende. Mit der nationalsozialistischen Machtergreifung wurde Gustav Hartlaub 1933 als einer derjenigen Museumsdirektoren aus dem Amt gedrängt, die sich durch „ihre Tätigkeit, im Dienste zersetzender und zerstörender Kräfte, besonders am deutschen Volk versündigt" hätten. Seine Ausstellungs- und Ankaufspolitik habe alles gefördert, so wurde hetzend polemisiert, „was an Inhalt und Form verneinend war". 1 5 Uber diesen bedauernswerten menschlichen Verlust hinaus hatte die Mannheimer Galerie in jenen Jahren wie alle Museen moderner Kunst aber auch schwere substantielle Einbußen zu beklagen. In zwei barbarischen „Säuberungsaktionen" am 8. Juli und 28. August 1937 beschlagnahmten die Nationalsozialisten mehr als 600 Werke der „Verfallskunst" und fügten der Sammlung damit Verluste zu, die sich später nur zu einem
Teil ausgleichen lassen sollten. Neben Gemälden und Skulpturen wurden 493 Zeichnungen, Aquarelle, Drucke und Mappenwerke geraubt und anschließend zum Kauf angeboten oder vernichtet. 16 Verloren gingen - um hier nur die umfangreicheren Konvolute zu nennen - Graphiken von Barlach und Beckmann, Dix und Grosz, Heckel, Hofer, Kirchner und Kokoschka, von Nolde, Pechstein, Schlemmer und Schmitt-Rottluff. Als „Ersatz" für die konfiszierten Arbeiten ließ man der Kunsthalle 29 800 Reichsmark sowie drei Zeichnungen deutsch-römischer Landschaftsmaler zukommen (vgl. Kat.-Nr. 88, 203 und 233 des vorliegenden Kataloges). Nach dem Zweiten Weltkrieg, den das Graphische Kabinett dank der rechtzeitigen Auslagerung zunächst im Schwetzinger Schloß, dann in einem Salzbergwerk bei Heilbronn ohne weitere Verluste überstand, bildeten sich unter den Direktoren Walter Passarge (1936-1959), Heinz Fuchs (1959-1983) und Manfred Fath (seit 1984) weitere Schwerpunkte der Sammlungstätigkeit heraus. Zum einen sind die Künstler-Mappenwerke zu nennen, die in bisher 310 Exemplaren Bildfolgen von Antes bis Zadkine bieten. Zum andern muß auf das umfangreiche Konvolut von Druckgraphik Picassos hingewiesen werden, das durch eine 1970 erfolgte Schenkung des aus Mannheim gebürtigen Kunsthändlers Daniel-Henry Kahnweiler auf immerhin 71 Blätter erweitert werden konnte. Und schließlich seien die Ankäufe von Graphiken deutscher informeller Maler wie Ernst Wilhelm Nay, Wols, Emil Schumacher, Otto Greis, Karl Otto Götz und Karl Fred Dahmen erwähnt, mit denen Heinz Fuchs und Manfred Fath den von ihnen konsequent aufgebauten Gemäldebestand des Informel auf eindrucksvolle Weise ergänzen konnten. Die Graphische Abteilung der Kunsthalle gehört zu den kleinen bis mittelgroßen Sammlungen. Eingerechnet die Drucke des Kupferstichkabinetts und die Mappenwerke, bewahrt sie rund 33 000 Blätter auf. Diesen sonst in Schränken und Kästen „unsichtbar" gehüteten Bestand der Öffentlichkeit bekannt zu machen, dienten zunächst Kataloge, die Ausstellungen hauseigener Arbeiten auf Papier begleiteten ( „Zwanzig Jahre Graphisches Kabinett", 1929; „Studien, Entwürfe, Konzepte. Graphik von Bildhauern", 1979; „Neue Sachlichkeit", 1981). Darüber hinaus legten Heinz Fuchs und Joachim Heusinger von Waldegg 1983 einen 233 Nummern aufführenden Auswahlkatalog aus dem Graphikbestand des 19. und 20. Jahrhunderts vor. 17 Eine umfassende, systematische Erschließung aber stand noch aus. Sie wurde Mitte der
3
achtziger Jahre von Manfred Fath in die Wege geleitet. Das Ziel war eine auf sechs Bände angelegte, von verschiedenen Autoren zu bearbeitende Reihe, die die Zeichnungen und Aquarelle des 19. Jahrhunderts behandeln sollte. Bis 1993 sind vier dieser Bestandskataloge erschienen. 18 Ihren Abschluß findet diese Reihe mit der vorliegenden, zuletzt in Angriff genommenen und zum Doppelband 1/2 zusammengefaßten Publikation „Vom Klassizismus zur Spätromantik". In ihr werden die Zeichnungen und Aquarelle aus der Zeit von 1770 bis 1860 vorgestellt. Zwei bedeutende Komplexe waren allerdings bereits aus diesem Bestand herausgelöst und gesondert veröffentlicht worden: die Werke Caspar David Friedrichs und seiner Künstlerkollegen (Band 3) sowie die Zeichenkunst der Nazarener (Band 4). So blieben 315 Arbeiten, die zeitlich in einem langen, neun Jahrzehnte umfassenden Abschnitt entstanden sind. Sie wurden von 79 Künstlern unterschiedlichsten Ranges und mannigfacher Stilrichtungen gezeichnet und erweisen sich inhaltlich von breiter Vielfalt. Dem Sammlungskonzept entsprechend finden sich vor allem deutsche, aber auch englische und französische Graphiker, wobei die Werke der nationalen Zeichner die der ausländischen an Menge bei weitem übertreffen. Große Namen stehen neben unbekannten, Meisterwerke neben Belanglosem. Die im Mannheimer Kabinett gesammelte Zeichenkunst setzt mit dem Klassizismus ein. Ihn vertreten wenn auch jeweils nur mit einigen Blättern - so bedeutende Künstler wie Johann Heinrich Füssli (Kat. 68, 69) und John Flaxman (Kat. 39-48), Joseph Anton Koch (Kat. 166, 167), Jacob Philipp Hackert (Kat. 88) und Johann Christian Reinhart (Kat. 203, 204) mit ihren heroischen Ideallandschaften. Die Pfälzer Ferdinand (Kat. 99-106) und Franz von Kobell (Kat. 107-151) sowie der Historienmaler Johann Michael Wittmer (Kat. 261) ergänzen das Bild dieser von klassischen Formidealen geprägten Epoche, als deren späte Vertreter die Weimarer Künstler Friedrich Preller d. Ä. (Kat. 198) und Buonaventura Genelli (Kat. 7 0 - 8 4 ) sowie die in Karlsruhe tätigen Maler Ottmar Baibach (Kat. 15) und der Russe Feodor (Kat. 3 6 - 3 8 ) gelten. Koch und Reinhart gehörten zu den Wegbereitern einer neuen, von romantischem Empfinden geprägten Landschaftskunst. In R o m bildete sich um sie ein innerster Zirkel jüngerer deutscher Landschafter wie Johann Martin von Rohden (Kat. 215), Ernst Fries (Kat. 4 9 - 6 6 ) , die Brüder Friedrich Philipp (Kat. 205) und Heinrich Reinhold (Kat. 206-208), Johann Chri-
4
stoph Erhard (Kat. 2 9 - 3 5 ) und Johann Adam Klein (Kat. 92-97). Beliebte Bildmotive waren Ansichten aus den Alpen - besonders aus dem Salzkammergut - , vor allem aber die faszinierenden Landschaften Italiens. In der Sammlung der Kunsthalle finden sich rund vierzig Aquarelle und Zeichnungen jener Epoche, die die antiken Bauwerke Roms, die Kargheit der Campagna, die malerischen Bergstädtchen der Sabiner Berge und die Sehenswürdigkeiten Latiums schildern. Andere im Mannheimer Kabinett vertretene Maler jener Zeit haben ihre bestimmenden Eindrücke nicht im fernen Italien empfangen. Sie entdeckten, ähnlich wie die holländischen Künstler des 17. Jahrhunderts, die landschaftlichen Schönheiten ihrer eigenen Heimat und führten sie als bildwürdige Themen in Malerei und Zeichenkunst ein. Zu ihnen gehört Max Joseph Wagenbauer, dessen frische, naturwahre Darstellungen Süddeutschlands in der von Johann von Dillis geprägten Tradition der Münchner Landschaftskunst stehen (Kat. 255-259). U n d auch Johann Jakob Dorner (Kat. 24, 25) und Wilhelm von Kobell, der sich von einem lebendig-spontanen Schilderer zu einem nüchternen, im Realismus des Biedermeier befangenen Beobachter seiner unmittelbaren Umgebung entwickeln sollte (Kat. 154-165), sind in diesem Zusammenhang zu nennen. Die stilistische Spannweite der hier versammelten Arbeiten ist groß. Sie reicht von den Fingerübungen eines Zeichners bis hin zu bildmäßigen Kompositionen. Die schlichte, anspruchslose Bleistiftstudie und die flüchtig notierte Ideenskizze finden sich ebenso wie das sorgfältig durchgearbeitete Aquarell, das dem weniger kaufkräftigen Kunstinteressierten ein preiswerter Ersatz für ein Ölgemälde gewesen sein mag. Für solche bildmäßigen Arbeiten können Genellis Campagna-Szene (Kat. 70), Dorners realistischer Hochstauffen-Prospekt (Kat. 25), Hackerts und Kochs ideale Landschaften (Kat. 88, 166), Morgensterns Bozener Panorama (Kat. 175), Lorenzo Quaglios bayerische Alpenidylle (Kat. 199), Reinharts monumentale Baumlandschaft (Kat. 203) und Wittmers antikische Historiendarstellung stehen (Kat. 261). Dieser Breite in Stil und Ausführung entspricht die Fülle der behandelten Themen. Alle Bildgattungen sind vertreten: Zeichnungen von Pflanzen und Tieren reihen sich an Studien von Figuren und Kostümen. Bildnisse und Selbstporträts sind in gleicher Weise vorhanden wie Arbeiten aus den Bereichen der Karikatur, der Genre- und Sittenschilderung. Auch Zeichnungen vorbereitenden Charakters fehlen nicht. Sie sind in ansehnlicher Zahl zu nennen als Entwürfe für
Illustrationen, für Wand- und Deckendekorationen und für skulpturale Werke. Während sich die Allegorie und das Historienbild - die doch in der Hierarchie der Fächer an erster Stelle standen - in der Mannheimer Sammlung nur mit wenigen Stücken belegen lassen, spielt die Landschaftsdarstellung eine herausragende Rolle. Anschaulich läßt sich deren stilistische Entwicklung von der überhöhten Ideallandschaft eines Koch, Reinhart und Hackert hin zur realistischdetailverliebten, biedermeierlich-spätromantischen Heimatschilderung eines Wilhelm von Kobell und Theodor Verhas nachvollziehen.
Bei meinen Recherchen wurde ich freundlicherweise von vielen Kolleginnen und Kollegen mit Hinweisen und Auskünften unterstützt. Ich möchte ihnen ebenso sehr danken wie Petra Kuhlmann-Hodick für Vorarbeiten zur Datenaufnahme, Christa Becker und Jochen Kronjäger für die Durchsicht des Manuskripts, Gabriele Tschudi und Petra Neff für die konservatorische Betreuung der Graphiken und Margita Wickenhäuser für deren photographische Aufnahmen.
Anmerkungen 1 B e t r i e b s - G u t a c h t e n v o m F r ü h j a h r 1910: Archiv der M a n n heimer Kunsthalle, R u b r i k 26.1, A k t e Nr. 642. D i e K u n s t halle war am 5. 12. 1909 als M u s e u m eingeweiht worden; Wiehert ( 1 8 7 8 - 1 9 5 1 ) hatte man bereits am 1. September des Jahres berufen. Z u r G e s c h i c h t e der Kunsthalle und ihrer G e m ä l d e s a m m l u n g vgl. M a n f r e d F a t h in: F a t h / S y k o r a 1995, S. 5 - 1 5 . Zur Graphischen Sammlung der Kunsthalle: Gustav Hartlaub in: M a n n h e i m 1929, S. 1 - 3 ; H e i n z F u c h s in: M a n n h e i m 1983, S. 5 - 8 ; J o a c h i m Heusinger von Waldegg in: Städtische Kunsthalle M a n n h e i m 1983, S. 98; R o land D o r n in: Barcelona 1988, S. 1 5 - 1 8 ; J o c h e n K r o n j ä g e r in: M o s k a u 1992, S. 4 - 7 ; Pia Müller-Tamm, Vortragsmanuskript 1994. 2 D i e E r ö f f n u n g fand am 11. 3. 1911 statt; vgl. die gedruckte „Tages-Ordnung zur Sitzung des Bürger-Ausschusses" der Stadtgemeinde M a n n h e i m v o m 14. 10. 1912, S. 45: Archiv der Kunsthalle M a n n h e i m , R u b r i k 40, A k t e Nr. 570. 3 Z u m Sammlungskonzept Wicherts vgl. Fath in: F a t h / S y k o ra 1995, S. 8. 4 B e t r i e b s - G u t a c h t e n v o m F r ü h j a h r 1910 (vgl. A n m . 1), S. 22. 5 Verwaltungsbericht des Stadtrats der G r o ß h e r z o g l i c h Badischen Hauptstadt M a n n h e i m für 1912. Bericht der K u n s t halle, S. 5: Archiv der Kunsthalle, R u b r i k 26, A k t e Nr. 19. 6 Gustav Hartlaub ( 1 8 8 4 - 1 9 6 3 ) leitete die Kunsthalle im Ersten Weltkrieg, w ä h r e n d der A b w e s e n h e i t W i c h e r t s , z u nächst k o m m i s s a r i s c h , in den J a h r e n 1 9 2 3 - 1 9 3 3 dann hauptamtlich: Fath in: F a t h / S y k o r a 1995, S. 9 - 1 2 . 7 Fath in: F a t h / S y k o r a 1995, S. 7; Kronjäger in: M o s k a u 1992, S. 4; zur Kuntzschen Stiftung vgl. das publizierte „ H a u p t Verzeichniss der Carl Kuntz'schen Kunst-Sammlung. E i g e n t h u m der H a u p t s t a d t M a n n h e i m in V e r w e n d u n g und V e r w a h r u n g des K u n s t - V e r e i n s " , M a n n h e i m 1 8 7 4 . E i n e wissenschaftliche Bearbeitung hat das Werk von Carl K u n t z durch Lieselotte Benedict 1981 erfahren; L. Benedict bereitet eine Publikation auch der Arbeiten von R u d o l p h und Ludwig K u n t z vor.
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ler und K u n s t s a m m l e r . I n : M a n n h e i m e r M o r g e n v o m 1 9 . 2 . 1986. So heißt es 1818 in einer Lebensbeschreibung Kleins: zit. n. Tenner 1966, S. 100. Schreiben der D i r e k t i o n der Kunsthalle vom 31. 3. 1959 mit einer N e n n u n g der nach N u m m e r n aufgelisteten „Schulen": Archiv der Kunsthalle M a n n h e i m , R u b r i k 9a, A k t e 273.
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Tenner 1966, S. 101. Zur U b e r g a b e des Kupferstichkabinetts an die Stadt vgl. eine v o m 13. 7. 1922 datierte Briefabschrift „ Ü b e r n a h m e der staatlichen S a m m l u n g e n im M a n n h e i m e r Schloß in die städtische Verwaltung": Archiv der Kunsthalle Mannheim, R u b r i k 9a, A k t e Nr. 273. Z u r U b e r f ü h r u n g des K a b i n e t t s in die K u n s t h a l l e vgl. den Brief des Oberbürgermeisters Heimerich v o m 30. 4. 1932: Archiv der Kunsthalle, R u b r i k 9a, A k t e Nr. 273.
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Z u m B e s t a n d der F r i e d r i c h - Z e i c h n u n g e n : D i c k e l 1991. Z u m Bestand der Nazarener-Zeichnungen: Müller-Tamm 1993.
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Vgl. dazu Fath in: F a t h / S y k o r a 1995, S. 9f. Z u r Geschichte der Kunsthalle bis 1933 vgl. Hille 1994; z u m Schicksal des H a u s e s u m 1 9 3 3 / 1 9 3 7 : B u d e r e r in: M a n n h e i m 1 9 8 7 / 1 9 8 8 , sowie Fath in: F a t h / S y k o r a 1995, S. l l f .
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zit. n. Buderer in: M a n n h e i m 1 9 8 7 / 1 9 8 8 , S. 17. M a n n h e i m 1 9 8 7 / 1 9 8 8 , S. 46ff. mit einer genauen Auflistung der Verluste. Mannheim 1983. Walter Stephan Laux: Ideal und Idyll. Zeichnungen und A q u a r e l l e 1 8 5 0 - 1 8 9 0 . W e i n h e i m 1988 ( = B d . 5); D e r s . : Salon und Secession. Zeichnungen und Aquarelle 1 8 8 0 1918. Weinheim 1989 ( = B d . 6); Hans Dickel: Caspar D a vid Friedrich in seiner Zeit. Zeichnungen der R o m a n t i k und des Biedermeier. Weinheim 1991 ( = B d . 3); Pia M ü l l e r - T a m m : N a z a r e n i s c h e Z e i c h e n k u n s t . B e r l i n 1993 ( = Bd. 4).
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8 Zu A n t o n v o n Klein und seiner S a m m l u n g vgl. T e n n e r 1966, S. 9 8 - 1 0 5 ; Hans Weckesser: Jesuitenpater, Schriftstel-
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Katalog
Künstler Der Katalog ist alphabetisch nach Künstlern aufgebaut; die Reihenfolge der besprochenen Werke eines Künstlers wurde chronologisch angelegt. Anonyme Blätter finden sich unter Unbekannte Künstler. Namen von Künstlern, die mit Zeichnungen oder Aquarellen in der Mannheimer Graphischen Sammlung vertreten sind und die in einem der Teilbände des Bestandskataloges besprochen werden, sind im Text durch Kapitälchen hervorgehoben: A C H E N B A C H , A L BIKER, A L T .
Eine Liste der Künstler des vorliegenden Bandes findet sich auf S. IX, ein Verzeichnis der Künstler sämtlicher Bände der Reihe auf S. 377f.; angegeben sind jeweils die Bandnummer (in römischen Ziffern) und die Katalognummer (in arabischen Ziffern).
nach den Maßen, die in Zentimetern angegeben erscheinen, wobei Höhe vor Breite steht, gemessen am linken und unteren Blattrand; nach den Bezeichnungen auf Vorder- und Rückseiten, wobei die kommentarlos wiedergegebenen, kursiv gesetzten Signaturen für authentisch gehalten werden; nicht eigenhändige Beschriftungen erscheinen mit dem Zusatz „von fremder Hand". Bei den in Abkürzungen angeführten Literaturhinweisen (deren Aufschlüsselung das Literaturverzeichnis bietet) handelt es sich um aktuelle Buch- und Katalogpublikationen, in denen das betreffende Blatt behandelt wird. Grundlegende Nachschlagewerke, die über biographische Daten der Künstler Auskunft geben (wie das Künstler-Lexikon Thieme/Beckers), wurden nicht eigens angeführt.
Inventar Daten Der Katalog beschreibt die Nummern nach der Datierung: Sie bezieht sich auf die Darstellung der Recto-Seite und resultiert aus der vom Blatt ablesbaren Entstehungszeit oder aus der in der Literatur bzw. von der Autorin vorgenommenen zeitlichen Einordnung; nach der Technik, wobei die Federzeichnungen allein nach dem Farbton bestimmt wurden, ohne materiell nach Sepia, Bister und anderen Tinten zu unterscheiden; nach dem Papier, das in (geripptes) Bütten und (ungeripptes) Velin unterschieden ist und dessen Wasserund Sammlerzeichen, mit Ausnahme der Kunsthallenstempel, angegeben sind;
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Der Bestand der Graphischen Sammlung der Kunsthalle wird seit der Revision im Jahr 1924 mit fortlaufender Nummer inventarisiert. Der Buchstabe G kennzeichnet die seit 1924 gültige Inventarnummer der Graphischen Sammlung; A.I. steht für die vor jenem Jahr geltende, alte Inventarisierung. Im Rahmen der jetzt erfolgten wissenschaftlichen Bearbeitung wurde eine Reihe von Blättern nachinventarisiert.
Abbildungen Die den Katalognummern zugeordneten Seitenverweise beziehen sich auf den Abbildungsteil im Anschluß an den Katalog.
LAMBERT JOSEPH LEOPOLD FREIHERR VON B A B O * 26. Oktober 1790 Mannheim f 20. Juni 1862 Weinheim
Der in Mannheim geborene Kunstliebhaber und Dilettant Lambert von Babo studierte zunächst Rechtswissenschaften in Heidelberg, hörte im Anschluß daran naturwissenschaftliche Vorlesungen an der Berliner Universität und arbeitete dann im Mustergut Möglin unter Albrecht Thaer, dem bedeutendsten Theoretiker und Praktiker der Landwirtschaft jener Zeit. Nach seiner Rückkehr in die Heimat ließ er sich zuerst in Ladenburg, dann in Weinheim nieder, wo er bis zu seinem Tod 1862 als Landwirt tätig war. Babo ist künstlerisch vielseitig begabt gewesen. Er trat nicht nur als Musiker und Komponist, sondern auch als Maler, Zeichner und Radierer hervor. Bekannt wurde er durch seine Graphikfolgen Ansichten aus der Schweiz und vom Bodensee, Triumph der Königin Luise von Preußen und Erinnerungen aus dem Neckarthale.
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Abb. S. 191
Neckargerach und die Minneburg, um 1817 Schwarze Kreide und Bleistift, grau laviert, auf Velin 21,5 x 26 cm Bezeichnet unten links in Bleistift Minneburg (eigenhändig?) Inv. G 1225 [A.I. 1286] Erworben vom Antiquariat Max Sasse, Karlsruhe, am 20. 3. 1919
Immer wieder haben die Künstler der Romantik die Burgen und Ruinen der Neckarlandschaft zum Gegenstand ihrer Werke gemacht. Zu diesen malerischen, vom vergangenen Glanz sprechenden Uberresten des Mittelalters zählt auch die Minneburg, die sich oberhalb von Guttenbach erhebt. Sie wurde mehr als einmal zum Bildmotiv gewählt, wie die Veduten von Carl Philipp Fohr (1813/14: Heidelberg 1968, Nr. 12 mit Abb., und die Vorzeichnung dazu: Darmstadt 1995— 96/München 1997, Kat.-Nr. 52 mit Abb., sowie ebd. Nr. 51 mit Abb.) und Maximilian von Ring (vor 1829: Freiburg 1993/94, Nr. 61 mit Abb.) sowie die graphi-
schen Reproduktionen in den Beschreibungen von Heunisch (1836, S. 179) und Geib (1847, nach S. 62) bezeugen. Mit der vorliegenden Zeichnung, einem differenziert in grauen Tönen lavierten Blatt, hat sich Lambert von Babo in die Reihe der genannten Künstler gestellt. Wie sie gibt auch er den Blick nach Südwesten wieder, wobei er sich für einen Standort auf den Hängen oberh a l k j e s Ortes Neckargerach entschieden hat. Dessen Kirche St. Afra rückt er als dominierendes Zentrum in die Mitte der Darstellung. Er zeigt am jenseitigen Neckarufer die auf einem steilen Ausläufer des Schloßberges aufragenden Ruinen der Minneburg, einer in der Mitte des 13. Jahrhunderts errichteten Burganlage, die 1622 von Tillys Truppen erobert worden war und dann dem Verfall preisgegeben wurde. Deutlich erkennbar gibt Babo die hohe Giebelwand des Palas sowie die Uberreste des hohen Bergfrieds und der mächtigen Geschütztürme wieder. Die Mannheimer Zeichnung diente dem Künstler als Vorlage für eine Radierung (19,5 x 25,2 cm, rechts unten mit dem Monogramm LB sign.: Hamburg, Kunsthalle, Inv.-Nr. 26091); sie nahm er in seinen Zyklus der Erinnerungen aus dem Neckarthale auf (mit insgesamt neun Ansichten vom Eingang in das Birkenauer Tal, von Neckargemünd, Neckarsteinach, Mosbach, Zwingenberg, Hirschhorn und Heidelberg). Ein Blatt aus dieser Reihe - die Darstellung des Birkenauer Tales - ist mit der Datierung 1817 versehen (Hamburg, Kunsthalle, Inv.-Nr. 26086). In dieser Zeit werden auch die übrigen Graphiken des Neckar-Zyklus entständen sein (für die bisher eine Datierung um 1810/15 angenommen wurde: Nagler et al. 1860-63, Bd. II, Nr. 963; Thieme/Becker, Bd. II, S. 301).
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Abb. S. 192
Hornberg, um 1817 Schwarze Kreide, grau laviert, auf Velin 2 1 , 3 x 2 5 , 9 cm Bezeichnet unten links in Bleistift Hornberg (eigenhändig?) Inv. G 1224 [A.I. 1285] Erworben vom Antiquariat Max Sasse, Karlsruhe, am 20. 3. 1919 Lit.: Heidelberg 1965, Nr. 11
Wie die Minneburg (Kat.-Nr. 1) hat auch die mittelalterliche Festung Hornberg die Landschaftsmaler der
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Romantik zu Darstellungen gereizt. Genannt seien hier nur Carl Philipp Fohr (mit den mindestens sechs Ansichten seit 1812: Darmstadt 1995-96/München 1997, Kat.-Nr. 3 9 ^ 4 ) , Amalie Christine Karoline Fürstin zu Fürstenberg (mit einem Aquarell von 1813: Theilmann/Ammann 1978, Nr. 17 mit Abb.), Maximilian von Ring (mit einer vor 1829 entstandenen Ansicht: Freiburg 1993/94, S. 96 mit Abb.) und die Illustrationen bei Heunisch 1836 (S. 142) und Geib 1847 (nach S. 70). Es handelt sich um eine im frühen 12. Jahrhundert erstmals erwähnte Anlage, landschaftlich überaus reizvoll auf steilem Bergvorsprung unmittelbar am Neckar (bei Neckarzimmern) gelegen. 1517 geriet sie in den Besitz des „letzten Ritters" Götz von Berlichingen, der zentralen Figur im gleichnamigen Drama Goethes. Seine Nachkommen veräußerten sie zu Beginn des 17. Jahrhunderts an die Freiherrn von Gemmingen. Wenige Jahrzehnte später, 1688, wurde die Burg im Pfälzischen Erbfolgekrieg weitgehend zerstört. Auch Lambert von Babo ist eine Ansicht von Hornberg zu verdanken - vermutlich wie Kat.-Nr. 1 im Zusammenhang mit der 1817 veröffentlichten Folge der Erinnerungen aus dem Neckarthale geschaffen. Wie bei der Holzstich-Reproduktion in Heunischs Topographie Badens (1836) und wie bei den Blättern von Fohr und Ring wird dem Betrachter auch hier die besonders malerische Ansicht von Süden vor Augen geführt. Der Blick gleitet vom Neckartal den terrassierten, mit Reben bepflanzten Berg hinauf zur Vorburg und zum sogenannten Mantelbau, einem schlichten, zweigeschossigen Gebäude, das seit dem späten 17. Jahrhundert als Wohnhaus der Besitzer dient. Dahinter ragen die Ruinen der Burg mit der von Wachtürmen besetzten Ringmauer, dem hohen Bergfried und dem steilen Staffelgiebel des zerstörten Palas auf. Unterhalb des Berghanges erkennt man links am Bildrand die Häuser des Dorfes Steinbach und in der Ferne den Lauf des Neckars.
Abb. S. 193
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Burgansicht Tempera mit Wachsfirnis auf grobem Velin (Schöpfkante unten und rechts) 23 x 31,4 cm Inv. G 1218 [A.I. 1279] Erworben vom Antiquariat Max Sasse, Karlsruhe, am 20. 3. 1919
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FREIHERR VON BABO
Das in dunklen Oliv-, Ocker- und Brauntönen gehaltene Blatt führt eine kleine Burganlage vor Augen, die sich auf einer felsigen, mit Buschwerk bewachsenen Anhöhe erhebt. Die in Fach- und Bruchsteinmauerwerk ausgeführten, offensichtlich um einen Innenhof gruppierten Gebäude werden von einer Mauer umzogen; eine niedriger gelegene Toranlage ermöglicht den Zugang zu ihnen. Der Hang des Burgberges fällt zum rechten Bildrand hin steil ab. Dort gleitet der Blick des Betrachters über Baumkronen und Gebüsch hin zum ruhigen Spiegel eines großen Sees. Babo malte das Blatt als Gegenstück zu Kat.-Nr. 4.
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Abb. S. 193
Burg Mammertshofen Tempera mit Wachsfirnis auf grobem Velin (Schöpfkante unten und rechts; rechte untere Ecke ausgerissen) 23,2 x 31,7 cm (in der Mitte gemessen) Inv. G 1219 [A.I. 1280] Erworben vom Antiquariat Max Sasse, Karlsruhe, am 20. 3. 1919
Die Darstellung einer bescheidenen Burganlage, weitgehend zerstört und mit einfachsten Mitteln instand gesetzt, malte Babo als Gegenstück zu Kat.-Nr. 3. Es handelt sich um die Burg Mammertshofen, in der Schweiz südwestlich von Arbon (Bodensee) gelegen. Von der einstigen Befestigung sind nur die kleine, über einen Graben führende Brücke, die Umfassungsmauer mit ihrem spitzgiebligen Tordurchlaß und der Sockel des einst mächtigen, aus Findlingen im frühen Mittelalter errichteten Bergfrieds erhalten geblieben. Wie ein Adlernest klebt ein mit Brettern verschalter, auch schon hinfälliger „Neubau" auf dem Bergfried. Im Hintergrund der Burg scheint die Wasserfläche des Bodensees auf; an dessen Ufer erkennt man rechts in der Ferne die Ortschaft Arbon. (Für die Identifizierung sei der Deutschen Burgenvereinigung, Marksburg, gedankt.)
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A b b . S. 194
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A b b . S. 195
Anhöhe im Herbst, 1831
Erlaufsee bei Mariazell
Aquarell auf grobem Velin 24,4 x 32,7 cm Verso unten rechts in Feder Heidelberg 19t Nov: 31.Inv. G 1221 [A.I. 1282] Erworben vom Antiquariat Max Sasse, Karlsruhe, am 20. 3. 1919
Bleistift auf Bütten 18,8 x 27,2 cm Bezeichnet unten Mitte Erlaphsee nächst Mariazell, unten rechts 64 Inv. G 1222 [A.I. 1283] Erworben vom Antiquariat Max Sasse, Karlsruhe, am 20. 3. 1919
Wie die rückseitige Beschriftung besagt, schuf B a b o das vorliegende Aquarell in der U m g e b u n g von H e i delberg am 19. N o v e m b e r 1831. E r wählte ein gänzlich unspektakuläres M o t i v zum Gegenstand seines anspruchslosen Bildes, das er als Pendant zu Kat.Nr. 6 konzipierte. In einem äußerst knapp gefaßten Ausschnitt führt er dem Betrachter einen sanft nach links ansteigenden Hügelhang vor Augen, dessen B e wuchs sich herbstlich verfärbt hat. Zwischen den bereits kahlen O b s t b ä u m e n leuchten die hellen Stämme und das gelbe Laubwerk vereinzelter Birken; einen farblichen Kontrast setzt das dunkle G r ü n des Tannenwaldes auf der H ö h e des Hügels.
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Wann B a b o diese Ansicht aus der Obersteiermark zu Papier gebracht hat, ließ sich bisher nicht klären. Wenig schwungvoll und durchaus befangen wirkt seine Zeichnung, die den kleinen, etwa 4 k m nordwestlich vom Wallfahrtsort Mariazell gelegenen Erlaufsee wiedergibt. Von einer welligen, nur mit vereinzelten Baumgruppen bewachsenen Uferwiese im Vordergrund gleitet der Blick des Betrachters nach Westen über den langgestreckten See, den bewaldete Berge einfassen. Bäume und Buschwerk rahmen die K o m position in konventioneller Weise; rechts sind die spitzen Giebel zweier Häuser zu erkennen.
A b b . S. 194
Anhöhe im Winter, 1831/1832
ERNST BAER
Aquarell auf grobem Velin 24,5 x 32,7 cm Inv. G 1220 [A.I. 1281] Erworben vom Antiquariat Max Sasse, Karlsruhe, am 20. 3. 1919
* 28. Januar 1794 Mahlberg/Baden t 19. September 1843 Freiburg/Br.
Das als Gegenstück zu Kat.-Nr. 5 geschaffene Blatt in kühlen blaugrauen und grünen Farben zeigt denselben Hügel im gleichen Bildausschnitt, doch nicht im Herbst, sondern während des Winters aufgenommen. Schneereste zwischen kahlen, dunklen Baumstämmen und ein grauer, erneuten Schneefall ankündigender H i m m e l unterstreichen die Trostlosigkeit der Szenerie.
E r n s t Baer, Sohn eines Geheimen Hofrates und Landesphysikus in Mahlberg, trat 1815 im Anschluß an sein juristisches Studium in den großherzoglich-badischen Staatsdienst ein. „Da ich aber von Kindheit an große Neigung und, wie ich mir schmeicheln darf, auch Geschick und Talent zur Mahlerey in mir verspürte", heißt es in einem Antrag auf Beurlaubung, den er 1817 an seinen Landesherrn richtete, „so habe ich mich entschlossen, noch in diesem J a h r nach Wien zu reisen, um ... auf der dortigen Mahleracademie mich einem gründlicheren Studium dieser K u n s t zu w i d m e n " (zit. n. M o t z 1976, S. 125). D a dem Gesuch stattgegeben wurde, konnte Baer noch im selben J a h r seine künstlerische Ausbildung in Wien beginnen. E r wandte sich der Historienmalerei zu und konzentrierte sich bei der Wahl seiner T h e m e n nahezu ausschließ-
BAER
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lieh auf das Mittelalter - auf eine Zeit, die ihn derart faszinierte, daß er sich sogar eine Handschrift von altertümlich-gotisierendem Charakter aneignete. Seinen Dienst nahm Baer 1823 wieder auf. E r zog als Garnisonsauditor nach Konstanz und schloß sich dort dem Maler G e o r g Wilhelm Issel an, dessen besonderes Interesse der Erhaltung mittelalterlicher Kunst und Architektur galt. 1828 übernahm Baer eine Ratsstelle beim Hofgericht in Freiburg, w o er bis zu seinem Tod im J a h r 1843 lebte.
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A b b . S. 1 9 6 , 1 9 7
Studienblatt mit Motiven aus Antike und Mittelalter, nach 1840 Feder in Braun auf Velin 34,7 x 17,4 cm (unregelmäßige Ränder) Bezeichnet unten rechts in Bleistift 93 Verso in brauner Feder Anklageschrift in gotisierenden Schriftzügen und zahlreiche Studien sowie links oben 37. Inv. G 1223 [A.I. 1284] Erworben vom Antiquariat Max Sasse, Karlsruhe, am 20. 3. 1919 Lit.: Heidelberg 1965, Nr. 12; Barcelona 1988, S. 144 mit Abb. S. 145
Das auf beiden Seiten mit zahllosen Motiven bedeckte Studienblatt, in der Literatur bisher dem badischen Künstler Lambert von BABO zugeschrieben, ist unzweifelhaft dem Werk Ernst Baers einzugliedern. Es fügt sich nahtlos den stilistisch und inhaltlich unmittelbar verwandten Federzeichnungen zweier umfangreicher Konvolute ein, die die Kunsthalle Karlsruhe bewahrt (Inv.-Nr. V I I I 1057 und 1 9 5 2 / 1 9 - 1 9 5 2 / 6 9 : T h e i l m a n n / A m m a n n 1978, Nr. 8 9 - 1 0 1 ) . Auf dem vorliegenden Blatt verwob der Künstler die verschiedenartigsten Figuren und Bildmotive zu einem filigranen Linienwerk. O h n e jede zeichnerische Abgrenzung und ohne Beachtung eines einheitlichen Größenmaßstabes setzte er dicht an dicht die Ansichten von Bergstädten und mittelalterlichen Burgen, von Eremitenhöhlen und Kirchenfassaden neben die Darstellungen von Reiterschlachten, Ritterrüstungen und Bildnissen antiker Helden, mittelalterlicher M ö n che und tanzender Skelette. D i e Blattrückseite zeigt inmitten dieser Studien, die vermutlich die Produkte blühender Phantasie, vielleicht aber auch Nachzeichnungen aus den damals
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BAER
sehr verbreiteten K o s t ü m w e r k e n sind, eine in altertümlicher Schrift festgehaltene Anklage gegen Simon Ellenbogen aus Altdorf. D e r Wortlaut dieser Schrift, die der Künstler möglicherweise im Zusammenhang mit seiner juristischen Tätigkeit verfaßte, lautet: Vortrag in Untersuchungssache gegen Simon Ellenbogen von Altdorf wegen Betrug. Nach der Angabe des Bauers Johann Kiefer von Marbach kaufte ihm der Hebräer Simon Ellenbogen aus Altdorf im Frühjahr 1840 für 34 f l 30 Groschen (?) Lumpen ab, die im Kaufhaus zu Villingen abgewogen und vom Käufer in Empfang genommen wurden. Letzterer stellte über den Kaufpreis zahlbar in 14 Tagen eine Handschrift aus, weil aber die Zahlung im zugesagten Termin nicht erfolgte, giengjoh. Kiefer mit seinem Sohn gleichen Namens, im folgenden Sommer nach Altdorf und mahnte seinen Schuldner, der ihn aber vertröstete und nur abschlägliche 4 fl bezahlte. Derselbe setzte hierüber eine Quittung auf, die Joh. Kiefer alt mit 3 Kreuzen unterzeichnete, während sein Sohn den Namen dazu schrieb. Ellenbogen hielt sein Versprechen wieder nicht und Kiefer begab sich deswegen nochmals nach Altdorf und erinnerte ihn wiederholt an die Zahlung des Restes. Ellenbogen behauptete nun, vollständige Zahlung geleistet zu haben und Quittung darüber zu besitzen, diese auch beim verklagte, Bürgermeister, bei dem Kiefer ihn nunmehr vorlegte. D i e auf ein Geschehen des Jahres 1840 sich beziehende und daher auch erst nach diesem Zeitpunkt verfaßte Anklageschrift bietet einen Anhaltspunkt für die Datierung der Studien. D a diese Skizzen den Textb l o c k wie ein ornamentaler R a h m e n eng umschließen, wird Baer sie erst nach der Niederschrift der Klage, also nach 1840, gezeichnet haben. I m übrigen bewahrt die Karlsruher Kunsthalle drei vergleichbare Blätter Baers, auf denen ebenfalls je ein juristischer Text von zahlreichen Skizzen unterschiedlichster Art gerahmt, teilweise auch wie ein Gespinst überzogen wird (Inv.-Nr. V I I I 1 0 5 7 / 3 7 , 1057/138, 1057/152).
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A b b . S. 198
Ansicht einer mittelalterlichen Stadt Feder in Braun auf Bütten 10,1 x 16,1 cm Inv. G 1226 [A.I. 1287 a] Erworben vom Antiquariat Max Sasse, Karlsruhe, am 20. 3. 1919
D i e kleinformatige Federzeichnung zeigt in einem kargen Umrißstil, der nur an wenigen Stellen durch schraffierte Schattenlagen ins Räumliche gesteigert erscheint, die Ansicht einer mittelalterlichen Stadt. H i n ter einer hohen, mit Laufgängen, Tor- und Wachtürmen bewehrten Stadtmauer ragen dichtgedrängt zahlreiche T ü r m e und die spitzgiebeligen D ä c h e r von gotischen Häusern empor. G a n z offensichtlich hat der Künstler bei seiner Darstellung die Silhouette N ü r n bergs vor Augen gehabt - ohne sie allerdings korrekt wiederzugeben. So erinnert nicht nur die Stadtmauer mit dem runden T o r t u m unmittelbar an Nürnbergs Befestigung. A u c h das hohe B a u w e r k im Bildzentrum läßt an einen für diese Stadt charakteristischen Turm, den Luginsland, denken (der sich tatsächlich auf dem Burggelände erhebt). D i e doppeltürmige Kirche am rechten Bildrand schließlich mag St. Lorenz, die Kirche an der linken Seite St. Sebald darstellen; die zahlreichen anderen T ü r m e hingegen sind nicht mit N ü r n b e r g e r Bauwerken in Verbindung zu bringen. Ähnlich trocken und schematisch wirkt die in der Karlsruher Kunsthalle befindliche Zeichnung Baers mit der (Phantasie-?)Ansicht einer mittelalterlichen Stadt (Inv.-Nr. 1952/59).
am unteren Blattrand der Versoseite von Kat.-Nr. 8). E n g ineinander verschachtelte Häuser, von einem Campanile überragt, ziehen sich den Hang des Berges hinan, der hinter dem Platz aufsteigt und in einem Felsmassiv gipfelt. Zweifellos handelt es sich bei diesem kleinformatigen, mit sprödem Federstrich festgehaltenen Blatt nicht um eine wirklichkeitsgetreue Wiedergabe, sondern um eine Schöpfung der Phantasie - u m eine Variante übrigens einer sehr ähnlichen, nur in Details abgewandelten Platzanlage, die Baer auf einem in der Karlsruher Kunsthalle aufbewahrten Blatt entworfen hat (Inv.-Nr. 1952/52). D i e Versoseite trägt eine 1842 datierte Beitragsquittung des Freiburger Kunstvereins für Ernst Baer. O b der Künstler in Ermangelung eines geeigneten Papiers sich seine Zahlung auf der Rückseite dieser bereits angefertigten - also vor dem 1. 7. 1842 geschaffenen Zeichnung bestätigen ließ oder ob er das vorhandene Quittungsblatt für seine - dann nach dem 1. 7. 1842 zu datierende - Stadtansicht benutzte, muß dahingestellt bleiben.
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A b b . S. 199
Junge Frau vor einer Klosteranlage 10
A b b . S. 198
Ansicht einer italienischen Stadt, um 1842 Feder in Braun auf Velin, WZ Lilie (angeschnitten) 11,2 x 16,9 cm Bezeichnet verso No 3. Herr Baer; Hofgerichts Rath / Den Empfang der zweiten Hälfte des Beitrags / zum Kunstverein mitfl 5 u. xr für 1842 bescheint (sie!) / Freiburg den l.ten Juli 1842. / der Cassier / Stutz Inv. G 1227 [A.I. 1287 b] Erworben vom Antiquariat Max Sasse, Karlsruhe, am 20. 3. 1919
Wie eine aufwendige Theaterkulisse präsentiert sich dem Betrachter ein intimer, malerischer Platz inmitten eines italienischen Bergstädtchens. Ihn rahmen seitlich eine vierbogige Säulenvorhalle sowie mehrere hohe, mit Renaissance-Erkern geschmückte W o h n häuser; seine Stirnseite bilden ein reicher, von einem R u n d b o g e n hinterfangener Wandbrunnen und die Fassade einer schlichten Kapelle (vgl. dasselbe M o t i v
Feder in Braun auf Velin; WZ J. H. 20,3 x 15 cm Verso in schwarzer Feder unvollendete Ansicht einer Burg Inv. G 1228 [A.I. 1288] Erworben vom Antiquariat Max Sasse, Karlsruhe, am 20. 3. 1919
M i t dem für Ernst Baer charakteristisch harten Strichbild ist auf diesem Blatt ein zweifellos der Phantasie entsprungenes Architekturensemble festgehalten. D e r Betrachter sieht sich einer offenbar süddeutsch-alpenländischen Klosteranlage gegenüber, die italienischen Vorbildern nachempfunden ist. In hügeligem Gelände gelegen und umgeben von Bauernhäusern, wird sie v o n einem hohen Turm überragt; eine rundbogige Säulenvorhalle, in architektonisch unklarer Verbindung dem Kirchenschiff vorgelagert, ermöglicht den Zutritt zu ihr. Als geradezu sentimental wirkende Staffagefigur wandelt im Vordergrund der Darstellung ein junges Mädchen in mittelalterlichem Gewand und mit aufgelöstem, langem Haar über die Wiesen, einen eben gepflückten Blumenstrauß in den H ä n d e n haltend.
BAER
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Eine unmittelbar verwandte K o m p o s i t i o n Baers, die vor einem ähnlich konzipierten Kirchenbau statt des Mädchens einen gewappneten Ritter wiedergibt, befindet sich in der Karlsruher Kunsthalle (Inv.Nr. 1952/64). A u f der Rückseite des Blattes skizzierte Baer mit wenigen Linien die Ansicht einer stark befestigten Burg.
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A b b . S. 200, 201
Karikaturistisches Skizzenblatt, um 1842 Feder in Braun auf Velin, Schöpfkante unten 21 x 16,7 cm Verso in brauner Feder Darstellung eines schreibenden Mönches Inv. G 1229 [A. I. 1289] Erworben vom Antiquariat Max Sasse, Karlsruhe, am 20. 3. 1919 U m die Fassade eines repräsentativen, in freier A n l e h nung an klassizistische Architektur entworfenen G e bäudes gruppieren sich karikaturistisch aufgefaßte Gestalten, in unterschiedlichem Maßstab und teils in ganzer Figur, teils als Halbfigur oder auch nur im Kopfprofil wiedergegeben. Es handelt sich um Krieger in mittelalterlicher Rüstung, behelmt bzw. mit Waffenschild versehen, und um Grenadiere und O f f i ziere des 18. Jahrhunderts. G r o t e s k e Züge weisen nicht nur ihre derben Gesichter, sondern auch ihre unförmigen K ö r p e r mit den dicken Bäuchen und krummen Beinen auf (sehr verwandte Erfindungen zeigen die in der Karlsruher Kunsthalle bewahrten Skizzenblätter Baers Nr. 1952/32 sowie V I I I 1057/2). D i e Blattrückseite gibt - wie so viele andere Darstellungen Baers (Karlsruhe, Kunsthalle, Inv.-Nr. V I I I 1057/1, 1057/8, 1 0 5 7 / 9 2 , 1 0 5 7 / 1 0 6 , 1057/117, 1057/ 1 4 3 , 1 0 5 7 / 1 5 9 ) - eine Szene aus dem klösterlichen L e ben wieder. Als Hauptmotiv der kleinen, bewußt an spätmittelalterlicher Malerei sich orientierenden Zeichnung erscheint im Bildzentrum ein M ö n c h , der in seiner kargen Zelle vor einem gotischen Schreibpult sitzt und einen Text verfaßt. Anregungen scheint er der Bibel zu entnehmen, die er in der herabhängenden Linken hält; eine weitere Quelle seiner Inspiration soll die zu ihm niederfliegende, vom göttlichen Lichtstrahl hinterfangene Taube bezeichnen. E i n geöffnetes B u t zenscheibenfenster erlaubt den Ausblick auf Giebel und Fialen einer gotischen Kirche.
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BAER
D i e Zeichnung blieb unvollendet. Während Haupt und Schulter des M ö n c h s äußerst sorgfältig und in dichter, die Kupferstichtechnik nachahmender K r e u z schraffur ausgearbeitet sind, wurden der K ö r p e r des Geistlichen und der Innenraum mit nur flüchtigen Federstrichen skizziert; mit Bleistift lediglich angedeutet blieb das Schreibpult. A m rechten R a n d der Darstellung finden sich zwei Skizzen gotisierender Altäre mit Kreuzigungsszenen - Skizzen, die bis auf geringfügigste A b w e i c h u n gen mehreren Altarentwürfen auf einem Blatt in der Karlsruher Kunsthalle entsprechen und zweifellos gleichzeitig mit ihnen geschaffen worden sind (Inv.Nr. 1952/54). A u f die vermutliche Entstehungszeit aller dieser E n t w ü r f e verweist eine gleichfalls auf dem Karlsruher Blatt eingetragene Wäscherechnung, die v o m 16. 8. 1842 datiert.
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A b b . S. 202
Stadtansicht Bleistift und Feder in Braun auf Bütten 23,6 x 17,4 cm Bezeichnet oben links (um 90° gedreht) in Bleistift 29 Inv. G 1230/1 [A.I. 1287 c/1] Erworben vom Antiquariat Max Sasse, Karlsruhe, am 20. 3. 1919 Lit.: Eberlein, Zeitschrift für bildende Kunst NF 31, 1920, Abb. S. 272
A u f dem vorliegenden Blatt und den beiden zugehörigen Darstellungen Kat.-Nr. 13b und 13c zeichnete Baer mit spröden, sich auf die Angabe von K o n t u r e n beschränkenden Linien die Ansicht einer befestigten Stadt. Von einem Standort auf dem freien, mit Bäumen bestandenen Gelände außerhalb der Bastion schweift sein B l i c k über das Stadtzentrum mit den hohen, von Wohlstand zeugenden Häusern, die von mehreren mittelalterlichen und barocken T ü r m e n überragt werden. U m welche Stadtsilhouette es sich handelt, k o n n te nicht ermittelt werden.
13b
Abb. S. 202
Stadtansicht
OTHEMAR BALBACH * 20. August 1810 Karlsruhe t 22. April 1897 Karlsruhe
Bleistift und Feder in Braun auf Bütten Inv. G 1230/2 [A.I. 1287 c/2] Erworben vom Antiquariat Max Sasse, Karlsruhe, am 20. 3. 1919
Der badische Bildhauer Othemar Balbach hatte zwischen 1838 und 1843 (?) seine Ausbildung unter Ludw i g v o n SCHWANTHALER an d e r M ü n c h n e r A k a d e m i e
Vgl. die Bemerkungen zu Kat.-Nr. 13a. Linke Seite der Stadtsilhouette.
13c
Abb. S. 202
Stadtansicht Bleistift und Feder in Braun auf Bütten Bezeichnet oben links (um 90° gedreht) in Bleistift 30 Inv. G 1230/3 [A.I. 1287 c/3] Erworben vom Antiquariat Max Sasse, Karlsruhe, am 20. 3. 1919
Vgl. die Bemerkungen zu Kat.-Nr. 13a. Rechte Seite der Stadtsilhouette.
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Abb. S. 203
Studienblatt Feder in Schwarz auf Bütten 6,5 x 10,4 cm Bezeichnet (quer zur Darstellung, in Bleistift) Ziffern und 3 Monat Arbeit Verso Darstellung einer Reiterschlacht und (radierte, kaum leserliche) Schriftzüge Inv. G 1231 [A.I. 1290] Erworben vom Antiquariat Max Sasse, Karlsruhe, am 20. 3. 1919
Das locker und mit breiter Feder skizzierte Blatt zeigt auf der Vorderseite zwei nackte, nur mit Helm und Speer bewehrte Krieger und zwei Soldaten in antikisierenden Rüstungen. Auf der Versoseite entwickelte Baer mit freien Federstrichen die dramatische Komposition einer Reiterschlacht, die in ihrer heftigen Bewegtheit mit einer in der Karlsruher Kunsthalle bewahrten Kampfszene seiner Hand zu vergleichen ist (Inv.-Nr. VIII 1057/65).
erhalten. 1844 kehrte er in seine Heimatstadt Karlsruhe zurück. Dort war er als Medailleur und Stempelschneider, seit 1858 dann auch als Lehrer für Bildhauerei an der Technischen Hochschule tätig und schuf neben Bildnisbüsten und Münzstempeln zahlreiche Reliefs mit mythologischen Szenen, die dem klassizistischen Formideal folgten.
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Abb. S. 204
Rückkehr des Odysseus, 1842 Bleistift auf grobem Velin 24,1 x 28,7 cm Monogrammiert in Bleistift unten rechts auf der Treppenwange OB (ligiert) 1842; auf dem alten Untersatzpapier links Rückkehr des Odysseus. Orig composition von Ottmar Balbach., rechts Geschenk des H. Balbach. / 5. 5. 46. Inv. G 481 [A.I. 619] Geschenk vom Direktor der Großherzoglichen Gemäldegalerie Mannheim, Hermann Eichfeld, am 31. 3. 1916
Zeit seines Lebens hat sich Balbach mit der Gestalt des Odysseus beschäftigt (vgl. die bei Theilmann/Ammann 1978, Nr. 116, 118a, 119c, 123 aufgeführten Zeichnungen). Auch 1842 bildete dieses Thema den Gegenstand seines Interesses. Damals schuf er die vorliegende Komposition, die in ihrem Verzicht auf Tiefenräumlichkeit für eine Ausführung im Relief konzipiert scheint. Die geschilderte Szene folgt keinem genau bestimmbaren Ereignis des Heldengedichts. Odysseus, nach seiner vieljährigen, abenteuerlichen Irrfahrt unerkannt in seinen Palast zurückgekehrt, ist nicht, wie das Epos es berichtet, alt und im abgerissenen Bettlergewand, sondern in der Blüte seiner Jahre und gekleidet in Chiton und Himation wiedergegeben. Er betritt auch nicht, wie überliefert, zunächst den Festsaal seines Palastes. Er steigt vielmehr die Stufen zum Frau-
BALBACH
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engemach hinab. D o r t sitzt Penelope tief in Gedanken versunken, das Weberschiffchen in der Linken, vor ihrem Webstuhl, an dem sie drei Jahre - vorgeblich das Leichentuch für ihren Schwiegervater Laertes fertigend - die unerwünschten Freier ferngehalten hatte. Viele Jahre später griff Baibach das T h e m a , das als Sinnbild für Gattentreue zu begreifen ist, erneut auf. E r wiederholte die Mannheimer Zeichnung fast w ö r t lich für ein A l b u m , das badische und im G r o ß h e r zogtum Baden lebende Künstler 1877 anläßlich des 25jährigen Regierungsjubiläums von G r o ß h e r z o g Friedrich I. gestiftet hatten. Seine Zeichnung bildete die Nr. 77 des 99 Titel umfassenden Albums; sie befindet sich in der Kunsthalle Karlsruhe (Inv.-Nr. P.K.I 6 7 5 - 7 - 7 7 : T h e i l m a n n / A m m a n n 1978, S. 699ff., und Nr. 112 mit A b b . S. 228).
JOHANN FRIEDRICH B O L T
E i n Kachelofen, ein Waschbecken mit Handtuch, eine Pendeluhr und eine Portiere scheinen eher eine bürgerliche Stube zu bezeichnen als etwa das Bühnenbild für eine Inszenierung (wie denn auch die drei Akteure kaum gemeinsam in einem Stück auftreten würden). Vermutlich genießen die Schauspieler ihre Pause: links ein Herkules, der, wohl die epische D i c h t k u n s t verkörpernd, satirischerweise nicht als starker Held, sondern als kleingewachsener M a n n dargestellt wird, sein Löwenfell dennoch mit W ü r d e tragend, aber ohne Maske und Keule erscheinend, die auf dem B o d e n liegen; in der Mitte ein R o k o k o s c h ä f e r mit schleifengeschmücktem Hirtenstab, die idyllische Pastoraldichtung vertretend, und rechts ein M a n n im T ü r k e n kostüm, sich gestikulierend an den Herkules wendend und gegen einen Tisch gelehnt, auf dem sein Turban und seine Maske zu erkennen sind. B o l t hat die Szene offenbar als E n t w u r f für eine im Kupferstich zu vervielfältigende Illustration geschaffen, wie die eingezeichneten Linien für eine Bildunterschrift unterhalb der Darstellung nahelegen. U m welche Illustration es sich handelt, konnte bisher nicht geklärt werden.
* 22. März 1769 Berlin t 10. September 1836 Berlin
D e r Kupferstecher und Zeichner J o h a n n Friedrich B o l t kam 1769 in Berlin zur Welt und erhielt dort seine künstlerische Ausbildung bei Daniel Berger. B e kannt wurde er durch seine zahlreichen, von Daniel C h o d o w i e c k i beeinflußten Buchillustrationen und Bildnisstiche, die ihrer Gewissenhaftigkeit und G e nauigkeit wegen für die Berliner Lokalforschung von großer Bedeutung sind.
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A b b . S. 205
Hinter den Kulissen Pinsel in Braun über Bleistift, mit gezeichnetem Rahmen in Schwarz, auf Bütten 24,3 x 17,4 cm Inv. G 2258 Erworben von der Kunsthandlung Max Ziegert, Frankfurt a.M., 1925
D i e sorgfältige Pinselzeichnung führt eine Szene offenbar hinter den Kulissen eines Theaters vor Augen:
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BOLT
BRAKMANN (biographische Daten ließen sich nicht ermitteln)
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A b b . S. 2 0 6
Mit Bäumen bestandener Hügel Aquarell über Bleistift auf Bütten 20,6 x 29,2 cm Bezeichnet auf dem alten Untersatzpapier unten rechts in Graphit und in Bleistift je einmal Brakmann Inv. G 2089 [A.I. 6.10128] Aus dem Vermächtnis James Emden, Mannheim, vom 7. 11. 1883
Das Aquarell des nicht nachweisbaren Künstlers gibt in bräunlichen und blaugrünen Farben den knappen Ausschnitt einer schlichten Landschaft wieder. E i n flacher Hügel trägt einen lichten Baumhain; seinen B o d e n scheint Heidekraut zu bedecken, und an seinem F u ß zieht sich ein breiter Sandweg entlang.
LUDWIG DEURER * 16. Mai 1806 Mannheim t 30. Dezember 1847 Mannheim
Ludwig Deurer, in M a n n h e i m als Sohn des Historienund Porträtmalers Peter Ferdinand DEURER geboren, wurde zunächst von seinem Vater im Zeichnen unterrichtet. N a c h Beendigung seiner Schulzeit bezog er 1824 die Akademie in N ü r n b e r g , u m dort und in der Werkstatt Johann Adam KLEINS die Tiermalerei zu studieren. Schon im folgenden J a h r setzte er seine Ausbildung an der M ü n c h n e r Kunstakademie fort, w o er in den Klassen von Julius SCHNORR VON CAROLSFELD und Peter von CORNELIUS Aufnahme fand. A u c h nach seinem Studium blieb er in M ü n c h e n . Als Historien-, Landschafts- und Genremaler richtete er sich 1832 ein eigenes Atelier ein - ohne größeren wirtschaftlichen Erfolg offenbar, denn schon 1836 sah er sich zu dem bitteren Entschluß gezwungen, die familieneigene Posthalterei in Mannheim zu übernehmen und seine künstlerische Tätigkeit hintanzustellen. Bis zu diesem Zeitpunkt ist Deurer zweimal in Italien gewesen. E i n e erste Reise hatte er während seiner Studienzeit im S o m m e r 1828 unternommen; ein zweiter R o m - A u f e n t h a l t fiel in die Jahre 1834/36. Zehn Jahre später zog es ihn ein drittes Mal in den Süden: 1844/45 ist er wieder in R o m nachweisbar, w o er den Nachlaß seines verstorbenen Vaters Peter Ferdinand D e u r e r zu regeln hatte. D e n damals gefaßten Entschluß, zur M a lerei zurückzukehren, konnte der Künstler allerdings nicht mehr verwirklichen: E r starb 1847 in M ü n c h e n an Scharlach. A u ß e r den nachfolgend aufgeführten Zeichnungen besitzt die Mannheimer Kunsthalle als eine weitere Arbeit Ludwig Deurers das Ölgemälde Kreuzfahrer vor Jerusalem (1836; Inv.-Nr. M 177).
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A b b . S. 207
Im Tal der Egeria, 1828 Bleistift auf Velin, WZ 897 (oben links, angeschnittenes Zeichen oben rechts) 27,85 x 42 cm Bezeichnet unten links Rom. Im Juli 1828./An der Grotte des Numa Pompilius im Thale der Nymphe Egeria Verso oben links EB 4471 Inv. G 5967 Erworben von der Kunsthandlung J. P. Schneider jr., Frankfurt a.M., am 20. 5. 1987 Lit.: Wagner 1995, S. 93f. und Nr. 261 Das v o m Bach A l m o n e durchflossene Tal der Egeria liegt an der Via Appia Pignatelli im hügeligen Gelände südöstlich von R o m , unweit der kleinen (inzwischen säkularisierten) Kirche San U r b a n o . Es führt seinen N a m e n nach einem antiken N y m p h ä u m in der Villa des Herodes Atticus, das man der N y m p h e Egeria, der Gattin und klugen Beraterin des sagenhaften r ö mischen Königs N u m a Pompilius, zugeschrieben hat - keineswegs zu Recht, wie man inzwischen weiß, denn tatsächlich ist das Heiligtum der Quellgöttin (und nicht etwa des Königs, wie Deurer es fälschlich in seiner Beschriftung angibt) am Caelius, einem der sieben Hügel R o m s , zu suchen. Das Tal erfreute sich bei den deutsch-römischen Landschaftsmalern als Ausflugsziel großer Beliebtheit, war es doch damals noch „voll der interessantesten alten Ruinen namentlich mit 2 noch recht gut erhaltenen Bacchustempeln im schönsten antiken G e schmack und mit seinen ganz Claude-Lorrainschen A n s i c h t e n " , wie der Maler Louis M a y e r 1830 schrieb (zit. n. K u h n 1989, S. 79). „Nirgends so ächte C a m p a gnabilder als d o r t " , ergänzte Victor H e h n 1876. „Grau, formlos, trostlos, erloschen... Alles das würde die reine Verzweiflung sein, wenn nicht der H i m m e l , die Luft, die Perspective Alles verklärte und aus dem tiefen Elend in die Region edler Trauer, süß elegischer Schwermuth und erhabener G r ö ß e e m p o r h ö b e " (zit. n. Marbach 1966, S. 227). Von dieser Stimmung haben sich viele Künstler bezaubern lassen und Landschaftsstudien gezeichnet: etwa F r a n z Ludwig Catel (Krafft/Schümann 1969, Nr. 1067 mit A b b . ) , G e o r g von Dillis (Schmidt 1922, Landschaftsmalerei, A b b . 60), Friedrich PRELLER D. Ä. (Heidelberg, Kurpfälzisches Museum, unveröffentl. Skizzenbuch von 1829: Z 5066, fol. 6), J o h a n n Wilhelm SCHIRMER ( T h e i l m a n n / A m m a n n 1978, Nr. 3282 mit A b b . ) , Friedrich von Gärtner (München 1981,
DEURER
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Nr. 33 mit A b b . ) und G e o r g K ö b e l ( R u h m e r et al. 1969, S. 214f. mit Abb.). Auch Ludwig D e u r e r hat diese Gegend 1828 während seines ersten Rom-Aufenthaltes besucht. Damals schuf er das vorliegende Blatt, das als die reifste Arbeit jener Jahre anzusehen ist. Mit zarten, fedrigen Strichen hielt er in einer weiten Uberschau die Ansicht fest, die sich ihm am Bachufer des A l m o n e in nördlicher Richtung bot. D i e hinter Bäumen und B u s c h werk verborgene G r o t t e der N y m p h e deutete er vorn links an. I m Hintergrund zeichnete er die pittoreske, bis heute unverändert erhaltene Gebäudegruppe der Vaccheria la Caffarella, die aus einer Mühle und dem Ziegelbau einer antiken Grabkapelle besteht. A m rechten Bildrand erscheinen die letzten Bäume des B o s c o Sacro, eines heiligen Eichenhains, der ursprünglich einen großen Teil des Hügels bedeckte, schon im frühen 19. Jahrhundert jedoch bis auf geringe Reste verschwunden war. Übrigens scheint diese Gegend es dem Künstler besonders angetan zu haben: Während seines zweiten Italienaufenthaltes suchte er sie nochmals auf, um weitere Landschaftsstudien zu zeichnen (Wagner 1995, Nr. 5 3 2 , 5 3 3 ) .
A b b . S. 161
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Die Höhlen der Cervara, 1835 Aquarell und Bleistift auf Bütten; WZ RP (?, monogrammiert) 29,2 x 43,7 cm Bezeichnet unten links in Bleistift Campagna di Roma. / Aus einer Hole der Cervara. 30. Juli 1835. Verso unten rechts 23/35 Inv.-Nr. G 6297 Erworben von der Kunsthandlung H. W. Fichter, Frankfurt a.M., am 26. 4. 1995, aus dem Nachlaß des Künstlers Lit.: Fichter 1995, S. 70 mit Abb.; Wagner 1995, Nr. 538
Einen kulturgeschichtlich besonders interessanten O r t hielt Deurer auf diesem großformatigen, in differenzierten Braun-, O c k e r - und G r ü n t ö n e n zart aquarellierten Blatt fest. Es handelt sich u m die G r o t t e n von Cervara, malerische Tuffsteinbrüche, die im O s t e n R o m s , ungefähr 2 km oberhalb von P o n t e M a m m o l o , am A n i o - U f e r liegen. Sie dienten damals den Hirten als schützender Unterschlupf, und auch Johann Christian REINHART (Kat.-Nr. 203, 204), der
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DEURER
als Jäger häufig die Campagna durchstreifte, hat sich immer wieder zum Übernachten in diese H ö h l e n zurückgezogen. D a ß sie durch ihn bald auch von den deutsch-römischen Landschaftsmalern als ein höchst pittoreskes Bildmotiv entdeckt wurden, lag nahe. Seit den zwanziger Jahren des 19. Jahrhunderts galt die Gegend dann als eines der beliebtesten Ziele römischer Künstlerausflüge. „Jubelnd mit Gesang und G e schrei gings nach Maria Maggiore zum Tore hinaus ... bis nach den Steinbrüchen", beschrieb J o h a n n Carl Baehr eine derartige Unternehmung. „Wir ritten durch die großen Steingewölbe und kamen auf eine kleine Wiese. Wie eine Säule stand ein Felsen in der Mitte derselben, und ein kleiner B a c h mit Bäumen rauschte an ihr vorbei. Wir legten uns u m den Felsen herum, ließen die Esel grasen, nahmen ein kleines Frühstück, und jeder ging seinen Weg u m zu zeichn e n . . . " (zit. n. Eichler 1977, S. 82). I m m e r mehr scheint in den Folgejahren die Studienarbeit in den Hintergrund getreten zu sein, immer üppiger wurden die Festgelage, und die geselligen Lustbarkeiten steigerten sich zu persiflierten antiken Triumphzügen und Olympiaden, zu geheimnisvollen Sibyllenbefragungen und zu einem befreienden Lanzenwerfen nach der ausgestopften Figur eines Kunstkritikers. D i e Zahl der teilnehmenden Künstler und schaulustigen R ö m e r wuchs außerordentlich rasch. Zählte man 1838 etwa 150 Anwesende, so feierten 1854 schon rund 30 000 Menschen gemeinsam das inzwischen berühmte, als Attraktion in Reisehandbüchern und Journalen beschriebene Cervara-Fest, das bis zum E n d e des 19. Jahrhunderts regelmäßig begangen wurde und verschiedentlich den Gegenstand von Zeichnungen und Ölgemälden bildete (Eichler 1977, S. 90, 11 Off. und A b b . 1 3 - 2 5 ) . A u c h Ludwig D e u r e r hat zweimal (jeweils im Mai 1835 und 1836) an dem Ausflug teilgenommen. D a ß er die H ö h l e n auch unabhängig davon besucht hat, bezeugt u. a. das vorliegende Blatt, das v o m 30. Juli 1835 datiert (weitere seiner Cervara-Studien: Wagner 1995, Nr. 536, 537, 539, 541, 542). Es zeigt den Künstler ebenso wie zuvor schon die Maler Carl M o r g e n stern und Wilhelm von Harnier, Camille C o r o t und J o h a n n Christian REINHART, Carl U r b a n Keller und Julius SCHNORR VON CAROLSFELD f a s z i n i e r t v o n d e r
zerklüfteten Tuffsteinformation dieser Landschaft (Eichler 1977, A b b . 5 - 1 2 , 2 5 ) . D i e großen H ö h l e n e i n gänge im rötlichbraun schimmernden Felsgestein mit seinem rankenden Pflanzenbewuchs öffnen sich vor dem Hintergrund der sanft geschwungenen Ausläufer der M o n t i Tiburtini. Eine bis ins letzte durchgeführte
Aquarellierung scheint dem Künstler nicht von Wichtigkeit gewesen zu sein. Dies verdeutlicht die vordere Bildzone, wo der helle Papierton stehenblieb und nur zarte Bleistiftlinien Buschwerk und Felsformationen andeuten.
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Abb. S. 208
Olevano, 1844 Bleistift auf Velin 23,3 x 16 cm Inv. G 6007 Erworben von der Kunsthandlung H. W. Fichter, Frankfurt a.M., im Januar 1988, aus dem Nachlaß des Künstlers Lit.: Wagner 1995, Nr. 893
Während seiner dritten Italienreise besuchte Ludwig Deurer im August 1844 auch Olevano Romano, ein kleines, etwa 50 km östlich von Rom gelegenes Bergdorf in den Monti Prenestini. Es war schon seit den 90er Jahren des 18. Jahrhunderts als Malerparadies bekannt und entwickelte sich dann seit den Besuchen Johann Christian REINHARTS und Joseph Anton KOCHS, Franz H O R N Y S und Friedrich OLIVIERS (seit 1803) zu einem der beliebtesten Studienorte der deutsch-römischen Künstler. Auch Deurer war von der wilden, kaum zugänglichen Schönheit der dortigen Landschaft gefesselt, zu deren Attraktionen die schroffen Kalksteinfelsen und die Weinberge, die Olivenhaine und vor allem die Serpentara, ein mit Eichen, Ginster, Wacholder und wilden Rosen bewachsener Wald, zählen (vgl. Belloni 1970 mit der Malergeschichte von Olevano). „Das ist ein wahres Zauberland, gewiß einer der schönsten und bedeutendsten Punkte Italiens, und dennoch wird er fast von keinem der Fremden, die Italien in unzähliger Menge bereisen, besucht, denn nicht einmal ein Gasthof ist im Ort... Überhaupt ist die ganze Gegend dort so phantastisch, daß man es in Deutschland gar nicht glauben würde, wenn man Zeichnungen davon sähe. Man ist nämlich im Sabinergebirge, alle Orte liegen ganz oben auf Felsen wie Schwalbennester, mit alten Schlössern und Burgen; oft muß man stundenlang auf schmalem Fußpfad, wo nur das Maultier zu brauchen ist, die nackten Felsen hinauf, um dahin zu gelangen", schwärmte 1817 Franz H O R N Y (zit. n. Haufe 1965, S. 215).
Während seines Aufenthaltes in Olevano zeichnete Deurer eine ganze Reihe von Stadtansichten und Landschaftsstudien, denen auch das vorliegende Blatt zuzurechnen ist (Wagner 1995, Nr. 887-893; unsere Kat.-Nr. 21). Für seine Darstellung wählte der Künstler einen Standort am Fuße des steilen südlichen Bergkammes, über dessen Gipfel die Colonna-Burg und das Dorf aufwachsen. In Froschperspektive - und damit in gewollter Überhöhung - zeigt er den Ort mit den alles überragenden Turmruinen und mit der kleinen, den Berghang dominierenden Kirche Sta. Margherita. Vegetation und Felsformationen umriß er unter Vernachlässigung der Details mit lockeren, freien Strichen, und ebenso großzügig angelegt erscheinen die summarischen, auf geschlossene Helldunkelflächen zielenden Parallelschraffuren, die die Plastizität der kubischen Häusergruppen betonen.
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Abb. S. 209
Häuser in Olevano, 1844 Bleistift auf Velin 15,8 x 2 3 , 2 5 cm Verso am rechten Blattrand in Bleistift Skizze zu Bäumen und Buschwerk Inv. G 6008 Erworben von der Kunsthandlung H. W. Fichter, Frankfurt a.M., im Januar 1988, aus dem Nachlaß des Künstlers Lit.: Wagner 1995, Nr. 892
Ebenfalls im August 1844 zeichnete Deurer das vorliegende Blatt, das eine pittoreske Häusergruppe in Olevano wiedergibt (Kat.-Nr. 20). Dem Betrachter fällt als besonders charakteristisches Gebäude ein schmales, hohes Haus mit zwei übereinanderliegenden, weiten Bogenfenstern und einer durch vier Rundbögen gegliederten Loggia auf. Genau dieses Gebäude, das mit seiner malerischen Fassade noch heute die Häuserfront oberhalb des Vicolo San Rocco beherrscht, findet sich auch in den Olevano-Ansichten von Joseph Anton K O C H (um 1820/22: Lutterotti 1985, Nr. Z 580 mit Abb. 202), Franz H O R N Y (1821: Bernhard 1973, Nr. 612 mit Abb., sowie 1822: Hannover/Lübeck 1990/91, Nr. 59 mit Abb.) und Victor Emil Janssen (1834: Lübeck 1969, Nr. 77 mit Abb.).
DEURER
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22
Abb. S. 207
Civitella, 1844 Bleistift auf Velin 44,2 x 49,5 cm Bezeichnet unten links Civitella den 10. Sep. 44. Inv. G 5968 Erworben von der Kunsthandlung J. P. Schneider jr., Frankfurt a.M., am 20. 5. 1987 Lit.: Wagner 1995, Nr. 922
Nur wenige Kilometer nördlich von Olevano liegt Civitella, das heutige Bellegra, ein „Städtchen hoch auf steilen Kalkfelsen gebaut, finster wie diese, ein wahres Adlernest in die blaue Luft ragend" (so eine von 1830 datierende Beschreibung des Malers Louis Mayer: zit. n. Kuhn 1989, S. 77). Auch auf Ludwig RICHTER, der sich rühmte, diesen Ort für die Künstler entdeckt zu haben, „machte diese bleiche Steinmasse immer einen geheimnisvollen, unheimlichen Eindruck" (Richter 1982, S. 101, 136). Er ist von dem armseligen Dorf und seiner höchst malerischen Lage genauso fasziniert gewesen wie die ihm nachfolgenden deutsch-römischen Landschaftsmaler. So verwundert es nicht, daß Civitella ebensooft der Gegenstand von Landschaftsstudien wurde wie die umliegenden Bergnester Subiaco, Rocca S. Stefano und Olevano Romano - man denke nur an die Werke von Joseph Anton KOCH, Ernst FRIES, Johann Christoph ERHARD, Friedrich MOSBRUGGER, Carl Friedrich von Rumohr, August LUCAS und Victor Paul MOHN (Kat.-Nr. 173). Auch Ludwig Deurer zeichnete im September 1844 in dieser landschaftlich außerordentlich reizvollen Gegend, wie die Kat.-Nr. 20, 21 und dieses Blatt bezeugen. Es gibt die Sicht nach Nordosten auf die Ausläufer des steilen, schroffen Kalksteinmassivs von Civitella wieder. Den zerklüfteten Gipfel des linken Hügels, des Monte Croce, bekrönt die kleine (inzwischen zerstörte und durch ein einfaches Kreuz ersetzte) Kapelle S. Sisto. Rechts davon erkennt man am abschüssigen Hang die Uberreste des sog. Zyklopenwalles, einer aus dem zweiten vorchristlichen Jahrhundert stammenden Felsenmauer, die ursprünglich Teil eines Kultbaues gewesen ist. Ein schlichtes, zum Dorf Civitella gehörendes Haus erhebt sich auf dem rechten, steil ansteigenden Hügel.
20
DEURER
PETER FERDINAND DEURER * 5. Januar 1777 Mannheim f 9. Januar 1844 München
Peter Ferdinand Deurer, Sohn eines Mannheimer Ökonomen und Schriftstellers, hatte bereits mehrere Jahre Unterricht an der Zeichnungsakademie seiner Vaterstadt und bei dem damals in Mannheim lebenden Zweibrücker Hofmaler Johann Christian von Mannlich erhalten, als er um 1800 die Akademien von Düsseldorf und Kassel bezog. In seine Heimatstadt zurückgekehrt (um 1802), war er vor allem mit Wanddekorationen für Villen in Heidelberg und Leimen beschäftigt. Da er sich 1799 große Verdienste um die Rettung der mannheimisch-zweibrückischen Kunstsammlung vor den französischen Truppen des Generals Bernadotte erworben hatte, verlieh man ihm als Anerkennung den Titel eines Kurfürstlich-Bayerischen Hofmalers und ernannte ihn 1811 zum Inspektor, 1816 dann zum Leiter der Gemäldegalerie in Augsburg. 1824 bat der Künstler um seine Entlassung aus dem Staatsdienst und übersiedelte wenig später nach Rom, um sich dort vor allem intensiv mit dem Werk Raffaels auseinanderzusetzen und zahlreiche Kopien nach dessen Arbeiten zu schaffen. Nur wenige Reisen sollten ihn noch nach Deutschland führen; ein letzter Besuch im Sommer 1843 in Mannheim galt seinem Sohn Ludwig DEURER. Auf der Rückreise nach Italien machte er Station bei seiner Tochter Elisabeth in München, wo er unerwartet am 9. Januar 1844 einem Leberleiden erlag. Zum Besitz der Mannheimer Kunsthalle zählt außer der nachfolgend genannten Zeichnung als weitere Arbeit des Künstlers das Ölbild Neapolitanischer Fischer (Inv.-Nr. M 178).
23a
Abb. S. 210
Vestatempel und Neptunsgrotte in Tivoli (I) Bleistift, weiß gehöht, auf grobem Velin, Schöpfkante links, oben und rechts; W Z PM 34,7 x 44,6 cm (unregelmäßiger Rand) Bezeichnet unten rechts Doppelblatt I (von fremder Hand) Verso unten links P. F. Deurer (von fremder Hand) und La Crotta di Nettuno a Fivoli (von nochmals anderer, fremder Hand), unten rechts Russisch grüne Mappe (von fremder Hand) Inv. G 5954
Erworben von der Kunsthandlung H. W. Fichter, Frankfurt a.M., im April 1987 Lit.: Barcelona 1988, S. 38f. mit Abb. S. 39; Moskau 1992, S. 38, Nr. 10 mit Abb. S. 39
Neben den Studien nach Raffael, Tizian und Correggio fertigte Deurer auch Zeichnungen nach der Natur. Es ist eine Reihe von Landschaften aus Italien erhalten geblieben, die sich ebenso wie das vorliegende Blatt durch klare, präzise Umrißlinien und dichte, überaus plastisch wirkende Binnenschraffuren auszeichnen. Wie so viele Maler der Zeit versäumte auch Deurer es nicht, mit dem antiken Vestatempel in Tivoli eines der Urmotive römischer Vedutenkunst zeichnerisch festzuhalten. Zum beherrschenden Gegenstand seiner Darstellung machte er allerdings nicht den Rundtempel - so, wie es etwa Ernst FRIES in Zeichnungen vom Oktober 1826 tat (Karlsruhe, Kunsthalle, Inv.Nr. VIII 1388: Theilmann/Ammann 1978, Nr. 1064 mit Abb.; Hamburg, Kunsthalle, Inv.-Nr. 47335). Ihn faszinierte offensichtlich der Kontrast zwischen der antiken Architektur in ihrer vollendeten Harmonie und Eleganz einerseits und der wildromantischen Landschaft mit den schroffen Felswänden, der w u chernden Vegetation und den Wasserfällen andererseits. Diesen künstlerisch außerordentlich reizvollen Gegensatz in seiner ganzen pittoresken Schönheit aufs Papier zu bringen ist seine Absicht gewesen - und nicht nur seine allein, wie die unmittelbar vergleichbaren Darstellungen eines Johann Christian REINHART (Nürnberg 1966, Nr. 128 W 3 mit Abb.; Bernhard 1973, Nr. 1298 mit Abb.), Ernst Fries (Bernhard 1973, Nr. 406 mit Abb.) und Friedrich Nerly (Krafft/Schümann 1969, Nr. 1192 mit Abb.) anschaulich machen. „Was einst die Augen eines Mäcen, Horaz und Virgil erfreute, hat alle Stürme der Zeiten und allen Wechsel der Dinge glücklich überlebt, übt noch heute wie damals seine Macht auf Sinn und Gemüth und erregt nicht nur Gefallen, sondern auch Ehrfurcht", notierte Hermann Friedländer 1820 bei seinem Besuch in Tivoli (II, S. 281). Für seine großformatige, auf zwei Blättern (s. auch Kat.-Nr. 23b) gezeichnete Ansicht entschied sich Deurer für einen Standort in der Villa Gregoriana, einem 1835 nach englischem Muster von Papst Gregor XVI. angelegten Landschaftspark. Er zeigt den Blick vom mittleren Belvedere hin zur Sirenenund Neptungrotte am gegenüberliegenden Hang des steilen Taleinschnitts, in den sich der Anio ergießt. Oberhalb der felsigen Schlucht erkennt man gewölbte Substruktionen (links), ferner einzelne Häuser von
Tivoli (Mitte), dann das kleine, gegen Ende der Römischen Republik errichtete Tempelgebäude und daneben, mit flüchtigen Strichen nur angedeutet, den rechteckigen Sibyllentempel. Hoch entrückt ragt der Rundbau über den zerklüfteten Felsen auf, denen kräftige, vielfach gegeneinander verkantete, sich stellenweise zu tiefer Dunkelheit verdichtende Schraffuren körperhafte Plastizität verleihen. Deurers Zeichnung läßt allerdings vermissen, was den Anblick des Vestatempels von diesem Standpunkt aus ursprünglich so berühmt gemacht hatte. Gemeint ist das großartige Naturschauspiel des herabstürzenden Wasserfalls, wie es in den frühen zwanziger Jahren Heinrich REINHOLD (Gera 1988, Nr. 183 mit Abb.), Ludwig R I C H T E R (Jensen 1978, Nr. 75 mit Abb.) und Ernst Fries (Theilmann/Ammann 1978, Nr. 1070 mit Abb.) geschildert haben. Deurers Blatt gibt im Gegensatz zu diesen Darstellungen nur eine kleine (mit weißer Kreide optisch aufgehellte) Kaskade wieder - und zeigt doch die Realität! 1826 nämlich hatte Papst Leo XII. nach einer schrecklichen Hochwasserkatastrophe den Anio kanalisieren lassen - und damit den Naturgewalten an diesem Ort „die Schau gestohlen" und zugleich den Künstlern ein überaus imposantes Motiv genommen.
23b
Abb. S. 210
Vestatempel und Neptunsgrotte in Tivoli (II) Bleistift, weiß gehöht, auf grobem Velin, Schöpfkante links, unten und rechts; WZ PM 36,5 x 45 cm (unregelmäßiger Rand) Bezeichnet unten links Doppelblatt II (eigenhändig?) Verso unten links Deurer (unterstrichen; eigenhändig?)) und La Grotta di Nettuno a Tivoli (in anderer Schrift) Inv. G 5955 Erworben von der Kunsthandlung H.W. Fichter, Frankfurt a.M., im April 1987 Lit.: Barcelona 1988, S. 38f. mit Abb. S. 41; Moskau 1992, S. 38, Nr. 10
Vergleiche die Bemerkungen zu Kat.-Nr. 23a.
DEURER
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JOHANN JAKOB DORNER D. J . * 7. Juli 1775 München t 14. Dezember 1852 München
J o h a n n J a k o b D o r n e r ist schon als kleines Kind von seinem Vater, dem kurfürstlichen H o f m a l e r J o h a n n J a k o b D o r n e r d. A., in die Kunst eingeführt worden. D e r Vater machte ihn vor allem auf die holländische Landschaftsmalerei des 17. Jahrhunderts aufmerksam. Sie sollte sein Schaffen entscheidend prägen und ihn die heimatlichen Gegenden als darstellenswerte Bildmotive entdecken lassen. Wie J o h a n n G e o r g von D i l lis, Wilhelm von KOBELL und M a x J o s e p h WAGENBAUER gehört auch D o r n e r d. J . zu den Malern, die erstmals die Schönheiten der oberbayerischen Landschaften, das Brauchtum und alltägliche Leben der Bauern und Hirten zum Gegenstand ihrer Gemälde machten. Prächtige Hochgebirgsszenerien und weiträumige F l u ß - und Seenlandschaften bilden ebenso wie enggefaßte Ansichten von Waldstücken und Brückenstegen, zerklüfteten Schluchten und Wasserfällen, armseligen Gehöften und verfallenen Mühlen die Motive seiner Gemälde, Zeichnungen, Aquarelle und druckgraphischen Werke. 1843 beendete ein Schlaganfall das Kunstschaffen D o r n e r s , der seit 1808 in M ü n c h e n das A m t eines Galerieinspektors innehatte. N e u n Jahre später starb der Künstler.
A b b . S. 162
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Hohlweg, 1824 Schwarze Kreide und Aquarell auf Velin 29,8x31,9 cm Bezeichnet unten rechts in Bleistift Dorner Juny 1824. Verso in Bleistift oben rechts (von fremder Hand) / Dorner 143, unten links XZ 27 und J. Dorner darunter Johann Jacob Dorner (jeweils von verschiedenen Händen) sowie ausradierte Ziffern Inv. G 2333 Erworben vom Antiquariat Paul Graupe, Berlin, 72. Auktion, 5.-7. 5. 1927 Lit.: Mannheim 1929, Nr. 204
Fern von allem gesucht Pittoresken und Idyllischen hat D o r n e r auf diesem rasch skizzierten Blatt einen enggefaßten Landschaftsausschnitt in aller schlichten Naturwahrheit wiedergegeben. Seine mit zartblauen,
22
D O R N E R D. J .
grauen und grünen Aquarellfarben angelegte und durch Einfassungslinien gerahmte Kreidezeichnung zeigt als ein gänzlich unspektakuläres M o t i v einen zerfahrenen H o h l w e g , der in einer K r ü m m u n g über eine Senke zwischen zwei unbefestigten Sandhängen hinwegführt und sich dann den Blicken des Betrachters entzieht. A n ihm liegt in der Ferne ein G e h ö f t , dessen D a c h gerade noch hinter einer Bodenwelle sichtbar wird. A u f einem Gatter oberhalb der rechten B ö s c h u n g hat sich ein M a n n zur Rast niedergelassen; er scheint die schweren Wolken zu betrachten, die sich am H i m m e l zusammengezogen haben und ein U n wetter ankündigen. D e r Einfluß, den die holländische Landschaftskunst des 17. Jahrhunderts auf D o r n e r ausgeübt hat, gibt sich in dieser intimen, in ihrer Frische bestechenden Skizze unmittelbar zu erkennen - man denke nur an die so verwandt erscheinenden Dünenlandschaften eines Philips Wouwerman, Pieter M o l y n und Cornelis van Poelenburgh ( M ü n c h e n / B o n n 1993, Nr. 3 1 - 3 4 ) .
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A b b . S. 163
Aussicht vom Mönchsberg gegen den Hochstauffen, 1840 Schwarze Tusche und Aquarell über Bleistift auf Bütten 31,5 x 42,2 cm Bezeichnet unten rechts in TuscheJ Dorner (JD ligiert)/ 1840. Verso angefangene Bleistiftskizze (Turm der vorderseitig dargestellten Befestigung), unten rechts in Tusche (wohl eigenhändig) Aussicht vom Mönchsberg / gegen den Hohenstaufen Inv. G 380 [A.I. 522] Erworben von der Kunsthandlung F. A. C. Prestel, Frankfurt a.M., am 12. 11. 1915 Lit.: Prestel, Versteigerungskatalog 1915, Nr. 19 mit Abb.; Mannheim 1929, Nr. 33 I m Gegensatz zu der spontanen Naturskizze Kat.Nr. 24 erweist sich die vorliegende, in kräftig grünbraunen T ö n e n gehaltene und nicht gerade schwungvolle Landschaftsdarstellung deutlich als eine im Atelier und nicht vor O r t geschaffene K o m p o s i t i o n . Trocken und kleinteilig wirkt der Zeichenstil des Bildes, das in herkömmlicher Tiefenstaffelung gegliedert ist: dunkel schiebt sich der verschattete, mit Gebüsch bewachsene Vordergrund vor den Betrachter; zur Mitte hin öffnet sich die K o m p o s i t i o n auf eine sonnenbeschienene Weide mit malerischer Architektur-
Staffage; eine Bergkette begrenzt in der Ferne den weiten Hintergrund. Wiedergegeben ist die oft gerühmte Aussicht vom Salzburger Mönchsberg nach Südwesten (und nicht eine Südliche Landschaft, wie bisher in der Literatur angegeben). Über den steil abfallenden Hang der Richter-Höhe hinweg schweift der Blick des Betrachters über die Ebene um Piding hin zum Alpenrand mit dem Vorderstauffen, dem alles überragenden Hochstauffen und dem Gipfel des Zwiesel. Genrehafte Staffagefiguren beleben das sanft hügelige und baumbestandene Gelände: Ziegen suchen grasend ihr Futter; zwei Landleute ziehen mit Hund und Lasteseln heimwärts; ein Bauer trägt schwer an seiner aufgeschulterten Heukiepe; ein Paar in ländlicher Tracht hat sich eben zur Rast unter einer Eiche niedergelassen. Als ein weiteres malerisches Versatzstück ist einer der alten Befestigungstürme der Richter-Höhe zu erkennen - den übrigens schon Ferdinand O L I V I E R mehrfach im Bild festgehalten hat (1814/1817/1823 im Mittwoch der Lithographienfolge Sieben Gegenden aus Salzburg und Berchtesgaden: Grote 1938, S. 216ff. mit Abb. 133; ferner 1824 im Ölbild Blick vom Mönchsberg auf den Untersberg: Grote 1938, Abb. 123, und in der vor 1820 geschaffenen Vorzeichnung dazu: Grote 1938, S. 206 mit Abb. 122). Von Ferdinand Olivier ist darüber hinaus eine 1817 datierte Zeichnung erhalten, die - etwas näher am südlichen Abhang der Richter-Höhe aufgenommen - ebenfalls den Blick gegen den Stauffen schildert (Staatliche Galerie Dessau, Inv.-Nr. Z 37: Ludwigshafen 1990/91, Kat.-Nr. 37 mit Abb. S. 46/47).
FRIEDRICH CHRISTOPH D Y C K E R H O F F 14. Mai 1815 Mannheim t 29. September 1887 Baden-Baden
Friedrich Dyckerhoff entstammte einer alten westfälisch-niederrheinischen Familie, die zahlreiche Baumeister hervorgebracht hat. 1815 kam er in Mannheim als Sohn des großherzoglich badischen Baukondukteurs und Malers Jakob Friedrich Dyckerhoff zur Welt. Er studierte in Heidelberg und Karlsruhe und schlug wie sein Vater die Laufbahn eines Ingenieurs und Bauinspektors ein; neben dem eigentlichen Beruf
widmete auch er sich der Malerei. Friedrich Dyckerhoff „hatte im Künstlerischen mehr Begabung und Wille zum Schaffen als in seinem Beruf, (er) aquarellierte Landschaften", heißt es in einer biographischen Notiz (Deutsches Geschlechterbuch 92, 1936, S. 51). Dyckerhoff starb 1887 in Baden-Baden.
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Abb. S. 211
Gebirgsbach, 1873 Schwarze Kreide auf Velin 37,1 x 29,9 cm Bezeichnet unten rechts FD (ligiert) 73, auf dem alten Untersatzpapier (eigenhändig?) Motiv aus dem OberEn gadin Inv. G 5191 Erworben aus dem Nachlaß von Hanna KronbergerFrentzen, Mannheim, 1972
Der Betrachter scheint mitten in einem Gebirgsbach zu stehen, der talwärts ihm entgegenströmt. Steil steigen die felsigen, mit Nadelbäumen und Gebüsch bewachsenen Ufer zu beiden Seiten an. In der Ferne ragen hohe, schneebedeckte und in hellen Sonnenschein getauchte Gipfel auf - Berge, die, wie die alte Beschriftung besagt, im Oberengadin zu finden sind. Flackerndes Sonnenlicht streift auch die dunklen Tannen am Bachrand.
C A R L W I L H E L M JACOB E N G E L , GEN. E N G E L VON DER RABENAU 28. Oktober 1817 Londorf/Oberhessen t 31. März 1870 Rödelheim bei Frankfurt a.M.
Die Heimat Carl Engels war das hessische Londorf in der Landschaft Rabenau, nach der er sich später seinen Beinamen gab. Seine erste künstlerische Ausbildung erhielt er 1832/34 in der Zeichenschule zu Darmstadt; ihr schloß sich der Besuch der Düsseldorfer Kunstakademie an. Großen Einfluß auf ihn übte dort sein Lehrer, der Historienmaler Theodor H I L D E BRANDT, aus. In weit stärkerem Maße aber prägten die
DYCKERHOFF
23
Genremaler
Johann
Peter
Hasenclever,
Adolph
SCHROEDTER, J a k o b DIELMANN u n d J a k o b B e c k e r d e n
jungen Künstler; sie führten ihn zur Genremalerei, die ihre Themen speziell im hessischen Volks- und Bauernleben fand. Im Herbst 1836 wandte sich Engel nach München, um seine Ausbildung an der dortigen Akademie zu vervollkommnen. Sechs Jahre später ließ er sich in Rödelheim nieder, wo er bis zu seinem Tod 1870 lebte.
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Abb. S. 164
Bauernmädchen und Bauernburschen bei einer Ruine, um 1840/1870 Feder und Pinsel in Schwarz, Aquarell und Deckfarbe über Bleistift auf Velin 3 2 , 2 x 4 1 , 1 cm Verso unten links Sammlerstempel Heinrich Stiebel (Lugt 1921, S. 243, Nr. 1367) Inv. G 1491 [A.I. 1557] Erworben von der Kunsthandlung F. A. C . Prestel, Frankfurt a.M., im N o v e m b e r 1920 Lit.: Prestel, Versteigerungskatalog 82, 1920, Nr. 593; Mannheim 1929, Nr. 86; Stolle 1987, S. 289, Nr. Z 33 mit Abb. S. 152
Seit der zweiten Hälfte der dreißiger Jahre schuf Engel vor allem Genrebilder mit Szenen aus dem hessischen Volks- und Bauernleben. Ganz besonders scheint ihn das Gebiet der Rabenau im Umland von Londorf, seinem Geburtsort, fasziniert zu haben. Zahlreich sind seine naturgetreu aufgefaßten Zeichnungen und Gemälde, die in biedermeierlicher Idylle das bodenständige Leben, die Trachten, Sitten und Gebräuche der Menschen dieser Gegend zum Thema haben. Ihr dokumentarischer Wert für die Kulturgeschichte der Rabenau, besonders aber für die hessische Trachtenforschung, ist nicht zu unterschätzen. Dies gilt auch für das Mannheimer Blatt. In grauen, blauen, grünen und lila Farben aquarelliert, mit kräftigen Lichtern in Orangetönen aufgehellt, zeigt es eine Gruppe von Bauernmädchen und jungen Burschen, die sich zu einer Rast niedergelassen haben. Die drei Mädchen tragen die traditionelle Rabenauer Tracht mit den beidseitig geknöpften Miedern, den weiten Röcken und dem eigentümlichen Kopfputz: dem sog. Stülpehen (von der in der Mitte sitzenden Frau getra-
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ENGEL
gen) und dem Schleier (mit dem die hintere sich geschmückt hat). Hinter ihnen steht ein junger Mann, wiedergegeben im charakteristischen blauen Tuchrock und in Kniehosen, mit dem Rücken an einem Baum lehnend; seine Kappe hält das Mädchen vor ihm in den Händen. Ein zweiter Bursche, mit einer Tonpfeife in der Linken, ruht neben ihm am Boden. Die Gruppe hat sich für ihre Rast, wie es scheint, die wenige Kilometer nördlich von Gießen auf hohem Basaltkegel gelegenen Ruinen der Burg Staufenberg ausgesucht. Von dort aus schweift der Blick in die Weite der Lahn-Ebene, wo links im Tal der O r t Kirchberg und rechts, durch eine spitzbogige Fensteröffnung hindurch, die Burg Gleiberg sichtbar werden. Auf dem Weg, der vom D o r f hinauf zur Burgruine führt, nähern sich weitere festlich gekleidete Jugendliche. O b Engel, der mehr als einmal die im Lebens- und Jahreslauf verankerten Feiern wie Geburtstag, Taufe, Hochzeit und Kirmes zum Gegenstand seiner Genrebilder machte (Stolle 1987, Kat.-Nr. 5 9 - 6 1 , 6 4 - 6 7 ) , auch auf unserem Blatt ein besonderes festliches Ereignis schildern wollte? Man hat an den in Hessen typischen Brauch der Bergzusammenkünfte gedacht, an ein kirmesartiges Volkstreffen also, das am H i m melfahrtstag auf Burgbergen und herausgehobenen Höhen begangen wurde (Stolle 1987, S. 290; Löber 1965, S. 88ff.). Wie der Stempel auf der Rückseite besagt, befand sich das Blatt im Besitz von Heinrich Stiebel (1851 geb. und in Frankfurt ansässig), dessen Sammlung von historischen und topographischen Frankfurt-Darstellungen 1920 durch die Kunsthandlung Prestel versteigert wurde. Der Künstler griff die in unserem Blatt entwickelte Komposition übrigens nochmals auf. Er verwendete sie als Grundlage für ein weniger detailreiches, im Hinblick auf den Bildaufbau konzentrierteres Ölgemälde in Frankfurt (Städelsches Kunstinstitut, Inv.Nr. S G 629: Stolle 1987, Nr. 68) und für eine Zeichnung in Stuttgart (Staatsgalerie, Inv.-Nr. C 22/15: Gauss 1976, Nr. 229).
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A b b . S. 212
Eltern mit Kind Bleistift auf Velin 20,8 x 25,5 cm Bezeichnet unten rechts Engel fec Verso unten links in Bleistift zwei Figurenstudien Inv. G 1551 [A.I. 1616] Erworben von der Kunsthandlung Max Ziegert, Frankfurt a.M., am 3. 6. 1921 Lit.: Stolle 1987, S. 280, Nr. Z 8 mit Abb. S. 135
Wiederholt hat Engel Familienbildnisse gemalt - un prätentiöse Darstellungen allesamt, die in ihrer durchaus genrehaften Auffassung die Geborgenheit und H a r m o n i e einer bürgerlichen Familie z u m Ausdruck bringen wollen (Stolle 1987, Nr. 7, 8, 13, 42, 43, 47, Z 14, Z 52). O f t erscheinen die Porträtierten in ihrer persönlichen häuslichen Atmosphäre, und auch die Familienszene auf dem vorliegenden Blatt spielt sich im privaten Bereich ab. D i e anspruchslose Bleistiftskizze gibt ein junges Elternpaar auf einem Sofa wieder, das selbstvergessen mit seinem kleinen, auf dem S c h o ß des Vaters sitzenden Kind spielt. A u f der Rückseite des Blattes skizzierte Engel mit flüchtigen Strichen zwei weibliche Gestalten.
J O H A N N CHRISTOPH ERHARD * 21. Februar 1795 Nürnberg t 20. Januar 1822 Rom
J o h a n n C h r i s t o p h Erhard, Sohn eines N ü r n b e r g e r Silberdrahtfabrikanten, erhielt den ersten künstlerischen Unterricht in der Zeichenschule seiner Vaterstadt. M i t vierzehn Jahren trat er in die Werkstatt des Kupferstechers Ambrosius Gabler ein, der ihn nicht nur in den druckgraphischen Techniken unterwies, sondern mit N a c h d r u c k auch auf den Realismus der holländischen Landschaftskunst im 17. Jahrhundert und auf die Notwendigkeit des Naturstudiums aufmerksam machte. Diese Lehre fiel bei Erhard - wie auch bei seinem Mitschüler und engen Freund J o h a n n Adam KLEIN auf fruchtbaren B o d e n . Von Anfang an ist es die N a -
tur gewesen, die ihn faszinierte und die er in aller Wirklichkeitstreue und ohne idealisierende Ü b e r h ö hung wiedergab. Zart und klar, scharf akzentuiert in ihrem Liniengefüge treten seine gezeichneten oder radierten Landschaftsansichten dem Betrachter vor A u gen. Geradezu vorbildhaften Charakter besaßen sie nicht nur für den Freund Klein. A u c h Ludwig RICHTER erwarb alle ihm erreichbaren Radierungen Erhardts; er stellte sie noch über die Werke der holländischen Landschafter. „Seine Art war mir verständlicher als Waterloo, B o t h und Swanevelt", bekannte der Dresdner Maler. „Alles und jedes wußte er mit feinster Charakteristik hinzustellen, aus jedem Striche leuchtete ein liebevolles Verständnis der Natur, ein treues Nachempfinden jeder Schönheit und Eigentümlichkeit bei reizend lebendiger Behandlung. So wollte auch ich die N a t u r studieren..." (zit. n. Richter 1982, S. 66). I m J u n i 1816 folgte Erhard seinem Freund Klein nach Wien, w o die beiden Künstler die schon in N ü r n b e r g betriebenen gemeinsamen Naturstudien und K u n s t wanderungen wiederaufnahmen. D o c h hemmten bald schwere Depressionen die künstlerische Produktivität Erhards. Sie verstärkten sich, verbunden mit fortschreitendem körperlichem Verfall, in R o m , w o h i n er im H e r b s t 1819 mit Heinrich REINHOLD gezogen war und w o er rasch Aufnahme in den Kreis u m J o s e p h A n t o n KOCH und Franz HORNY gefunden hatte. Verzweifelt über seine vermeintliche Unfähigkeit, versuchte der junge Künstler E n d e 1820, sich das L e b e n zu nehmen. Seine Freunde brachten ihn in das Bergdorf Olevano, w o sie sich Erholung für ihn erhofften. D i e seelische Zerrüttung war jedoch nicht aufzuhalten. A m 18. Januar 1822 schoß Erhard sich eine Kugel in den K o p f ; zwei Tage später erlag er seinen Verletzungen.
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A b b . S. 213
In der Brühl, 1816 Bleistift auf Velin; WZ Krone über Weintraube 20,3 x 29,8 cm Bezeichnet unten rechts In der Brühl. Inv. G 1089 [A.I. 1147] Erworben von der Kunsthandlung C. G. Boerner, Leipzig, am 29. 7. 1918
ERHARD
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Im Juli 1816 war Erhard gemeinsam mit Johann Adam K L E I N von Wien aus zur sogenannten Brühl (bei Mödling) aufgebrochen. Außerordentlich reizvoll gelegen, gehört diese Gegend zu einem weiträumigen Naturpark, den Fürst Johann I. von und zu Liechtenstein zwischen 1808 und 1818 angelegt hatte. Hier boten sich den beiden Künstlern die schönsten Landschaftsmotive. Auch das Mannheimer Blatt, eine unvollendete Bleistiftzeichnung, ist dort entstanden. Sie gibt ein enges Tal wieder, eingeschnitten zwischen steilen, spärlich bewachsenen Felshängen und in starken Windungen verlaufend. Ein ausgefahrener, unbefestigter Weg und ein schmaler Bach folgen ihm. Dieser Weg überquert im Vordergrund auf einer einfachen Bohlenbrücke das Wasser; eine Bäuerin mit aufgeschulterter Last zieht auf ihm dahin. In der Ferne werden, flüchtiger skizziert, hinter Bäumen die Dächer eines Gehöftes, der sogenannten Jordansmühle, sichtbar; rechts in der Bildecke deuten rasch gezogene Linien einen abgestellten Leiterwagen an. Erhard hat den Blick in das Tal weitere Male festgehalten (Hamburger Kunsthalle, Inv.-Nr. 23160 und 23173; Leipzig, Museum der bildenden Künste, Inv.Nr. J. 6517: Abb. bei Freitag-Stadler 1975, S. 23). Hervorzuheben ist das Leipziger Blatt. Es wurde von einem Standort aufgenommen, der nicht weit entfernt von dem der Mannheimer Darstellung liegt. Die Bohlenbrücke ist bereits überschritten; sie befindet sich nicht mehr im Blick des Betrachters. Auf dem Weg zieht statt der Frau ein schwerbepackter Bauer dahin, ihm folgen zwei Kühe. Die Jordansmühle rechts am Bildrand, zu Füßen eines schroffen Felshanges, ist nähergerückt. Diese Darstellung vervielfältigte Erhard 1818 in einer Radierung, die sämtliche Einzelheiten wiederholt, jedoch die beiden Kühe durch einen weiteren Bauern ersetzt (Der Schiebkärrner mit dem Hunde: Golz, Erhard, o. J., Tf. 14). Auch von Johann Adam Klein lassen sich drei damals geschaffene Ansichten der Brühl nachweisen (zwei in den Stadtgeschichtlichen Museen Nürnberg: FreitagStadler 1975, Nr. 232, 233 mit Abb., eine in der Residenz-Galerie Salzburg).
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ERHARD
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Abb. S. 214,215
Die Schaumburg bei Aschach, wohl 1818 Bleistift auf Velin; WZ GM-, am rechten Blattrand beschnitten 15,8x21,2 cm Bezeichnet oben rechts Die Schaumburg den 5 Ju ... (beschnitten) / bey Aschach, unten rechts Erhard Verso in brauner Feder Darstellung von Bauern mit Pferden und Wagen, bezeichnet unten links in Bleistift Erhard; rechts darunter 297 Inv. G 1087 [A. 1.1145] Erworben von der Kunsthandlung C. G. Boerner, Leipzig, am 29. 7. 1918
Die Vorderseite des Blattes zeigt eine Ansicht der Schaumburg (auch Schaunberg genannt), einer ausgedehnten, zwischen Aschach und Eferding (bei Linz) auf steil abfallendem Höhenzug errichteten Burganlage. Leider ist die ehemals vorhandene Beschriftung der Zeichnung mit Monats- und Jahresangabe durch eine spätere Beschneidung verlorengegangen, und so kennen wir ihr genaues Entstehungsdatum nicht. Die Vermutung liegt nahe, daß Erhard sie im Sommer 1818 geschaffen hat. Im Juli jenes Jahres war er gemeinsam mit Ernst W E L K E R von Wien aus aufgebrochen, um über Linz nach Salzburg zu reisen. Dort wollten die beiden Künstler sich mit Johann Adam K L E I N und den drei Brüdern Gustav, H E I N R I C H und FRIEDRICH PHILIPP REINHOLD ZU einer Alpenwanderung treffen (Schwarz 1927, S. 157; vgl. unsere Kat.Nr. 206). Während der in Linz verbrachten Tage wird Erhard wie gewohnt die Gegend durchstreift und Landschaftsstudien, darunter eben das vorliegende Blatt, gezeichnet haben. Die Schaumburg ist ein historisch und auch wehrtechnisch bedeutungsvolles Baudenkmal, das 1161 erstmals urkundlich erwähnt wird. Seit dem 17. Jahrhundert war es dem Verfall preisgegeben; von seiner ursprünglichen Größe zeugen als ansehnliche Uberreste noch die Ruinen der Hauptburg mit den Torbauten, dem Palas, der Kapelle und dem fünfeckigen Bergfried. Erhard wählte einen Standort im Südwesten, wo der mächtige, mit einem vorkragenden Wehrgang versehene Turm aus dem 14. Jahrhundert besonders markant ins Blickfeld rückt. Wirklichkeitsgetreu stellte er die hölzerne Grabenbrücke, den Torbau, die zinnenbekrönte Ringmauer und den Bergfried dar, und auch die in einem Kreuz gipfelnde Giebelwand der Burgka-
pelle zeigte er am rechten unteren Blattrand. Im übrigen erweist sich seine mit raschen Strichen festgehaltene Skizze als ein wichtiges Bilddokument für die Baugeschichte der Burg, gibt sie doch den Bergfried, der 1825 teilweise einstürzte, in noch unzerstörtem Zustand wieder. Die undatierte Studie von zwei Wagengespannen auf der Blattrückseite schuf Erhard während seines Aufenthaltes in Wien (1816-1819) - zweifellos auf einem der vielen Ausflüge, die er gemeinsam mit seinem Freund Johann Adam Klein in die nähere Umgebung unternahm. Wie drei unmittelbar zu vergleichende Blätter Kleins (Freitag-Stadler 1975, Nr. 73, 74, und Bernhard 1973, Bd. 1, S. 713 mit Abb.) zeigt die Darstellung die typischen Fuhrwerke österreichischer Kohlenbauern: zwei von Pferden gezogene Frachtwagen, in denen damals die Holzkohle aus dem Schneeberg- und Traisengebiet in die Wiener Vorstädte gebracht wurde. Einen der Wagen mit ihren bauchigen Flechtwänden bereitet eben ein Fuhrmann für den Verkauf der Kohle vor: Er entfernt die langen Ruten, mit denen er für den Transport die Seitenwände seines Fuhrwerks erhöht hatte. Mit dieser Arbeit ist der zweite, rechts am Bildrand dargestellte Kohlenbauer schon fertig. Nur vereinzelte Ruten ragen noch aus dem Geflecht der Wagenwände heraus; der Rest liegt aufgeschichtet am Boden. Der Mann hat sein Pferd ausgespannt und scheint auf Kundschaft zu warten. In gelassener Haltung zeigt er sich in der charakteristischen Tracht mit der knielangen Lederhose und den hohen Stulpenstiefeln, dem breitkrempigen Hut und einem Leinenhemd. Erhard hat die Darstellung mit Bleistift angelegt. Seine Absicht, sie mit Tusche besonders sorgfältig auszuführen, brachte er allerdings nicht zu Ende: Die Ausarbeitung mit der Feder beschränkt sich auf das rechte Gespann und in Ansätzen auf den rutenziehenden Kohlenbauern. Daß der Künstler solche Fuhrwerke als besonders malerische Staffage auch gerne in seinen Landschaften verwendete, sei nebenbei bemerkt (1817, Eingang in das Guttensteiner Thal\ Hamburg, Kunsthalle, Inv.Nr. 23164; 1817, Der Schneeberg vom Klosterthal aus: Apell 1866, Nr. 15 III; Golz, Erhard, o. J., Tf. o. Nr.).
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Abb. S. 215,216
Mann am Tafelklavier, 1816/1819 Feder in Braun und Bleistift auf Velin 14,1 x 18,1 cm Bezeichnet oben links in Feder Aus einem Studienbucbe/ meines seel: Freundes/']. C. Erhard Verso in Feder und Pinsel in Braun über Bleistift Darstellung eines kleinen Hundes vor einer Haustür Inv. G 1092 [A.I. 1150] Erworben von der Kunsthandlung C. G. Boerner, Leipzig, am 29. 7. 1918 Lit.: Barcelona 1988, S. 44 mit Abb. S. 45; Moskau 1992, S. 160, Nr. 109 mit Abb.
Das Blatt stammt aus einem Skizzenbuch Erhards, wie die nach seinem Tod erfolgte Beschriftung von fremder Hand besagt. Es handelt sich um eine typische Studie, bei der nur das Detail, nicht die gesamte Komposition für den Künstler von Wichtigkeit gewesen ist. Wir sehen einen jungen Mann im konzentrierten Spiel am Tafelklavier. Bis in die letzte Einzelheit hinein hat Erhard den Stuhl und den Rock des Pianisten ausgearbeitet und mit der Feder nachgezeichnet, dabei durch enge, strichelnde Schraffuren das Lichtund Schattenspiel auf dem Gewand fast überdeutlich nachvollziehend. Daß der Zeichner zunächst offenbar eine andere, mehrfigurige Familienszene im Sinn gehabt hat, machen erste abweichende Bleistift-Skizzierungen deutlich. So sind vor dem Fenster, oberhalb des Instruments, die flüchtigen Umrisse einer weiblichen Gestalt zu erkennen, und auch links hinter dem Pianisten sieht man eine junge Frau, die sich offenbar mit ihrem Arm auf die Rückenlehne seines Stuhles stützt; ein kleines Kind hockt zu ihren Füßen. Wie der mit Kat.-Nr. 30 unmittelbar verwandte Zeichenstil mit der kleinteiligen, strichelnden Linienführung schließen läßt, hat Erhard diese Studie wohl während seines Aufenthaltes in Wien geschaffen. Die ebenfalls nicht vollendete, in Details aber sorgfältig durchgearbeitete und zum Teil lavierte Zeichnung auf der Rückseite des Blattes gibt im knappen Ausschnitt den malerischen Winkel eines Hofes wieder. Ein wuchernder Weinstock umrankt die rundbogige Haustür, Blumentöpfe stehen in einem kleinen Fenster, ein Tuch ist achtlos über das Weinspalier geworfen, Knüppel, Töpfe, Schüsseln, Bretter und ein Weidenkorb lehnen in buntem Durcheinander an der Hauswand, und ein kleiner schwarzer Hund hockt auf einem Hackklotz neben dem Eingang.
ERHARD
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O b Erhard mit dieser Studie eine Erinnerung an die Wohnung in Wien hat schaffen wollen, in die er gemeinsam mit J o h a n n A d a m KLEIN 1816 gezogen war? D i e Freunde hatten sich damals im Gartenhaus des Gräflich von C h o t e k s c h e n Sommerpalais (Kaiserstraße 26) eingerichtet, in dessen verwildertem Garten sie eine Fülle von Studienmotiven fanden (einen Ausblick aus dem Atelier in den Garten zeichnete Klein 1817: Wien, Historisches Museum, Inv.-Nr. 95656). B e i m Einzug in das Haus hatte Klein im übrigen eine Adreßkarte radiert (Jahn 1863, Nr. 179; A b b . bei Schwemmer 1966, o. S.). Sie zeigt vor einer Staffelei eine Zeichenmappe mit N a m e n und Anschrift auf deren Deckblatt; Malstock und Palette als charakterisierende Attribute sowie ein schwarzer Spitz vervollständigen das Bild. Es ist derselbe H u n d , der uns auf dem Mannheimer Blatt begegnet und der kurz zuvor schon einmal von Klein porträtiert worden war (am 6. J u n i 1816 auf der Fahrt nach Wien: J a h n 1863, Nr. 335; A b b . bei G o l z , Klein, o. J . , T f . 15).
D i e (nicht eigenhändige) Beschriftung unten rechts nennt 20 G u t e G r o s c h e n als Kaufpreis für die Zeichnung.
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A b b . S. 218
Torre di Quinto, 1819/1821 Bleistift auf Velin 17,8x24,6 cm Bezeichnet unten rechts in der Campagna di Roma, Torre del quinto, gez. v. Erhard Inv. G 1094 [A.I. 1151] Erworben von der Kunsthandlung C. G. Boerner, Leipzig, am 29. 7. 1918 Lit.: Barcelona 1988, S. 42 mit Abb. S.43; Moskau 1992, S. 160, Nr. 110 mit Abb.
A b b . S. 2 1 7
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Landhaus hinter einem Obstgarten, wohl 1818 Feder in Schwarz und Bleistift auf Velin; WZ (angeschnitten) C&I 24,4 x 38,4 cm Bezeichnet in Bleistift unten rechts 20 Ggr., oben rechts 14. Inv. G 1088 [A. I. 1146] Erworben von der Kunsthandlung C. G. Boerner, Leipzig, am 29. 7. 1918 Lit.: Bernhard 1973, Nr. 244 mit Abb.
D i e mit Feder und spitzem Bleistift fein gezeichnete, an beiden Seiten aber unvollendet gebliebene Darstellung gibt ein stattliches, von einem großen Obstgarten umgebenes Bauernanwesen wieder. Es liegt am Rande eines Gebirges, wie der links im Hintergrund aufragende H ö h e n z u g erkennen läßt. Unsere Vermutung, daß die Zeichnung während der Wanderung Erhards durch das Salzkammergut im S o m m e r 1818 entstand (vgl. dazu Kat.-Nr. 30), ergibt sich aus einem Vergleich mit einem motivisch eng verwandten Aquarell, das der Künstler damals geschaffen hat. Es zeigt ein G e h ö f t in gleichen architektonischen F o r m e n vor dem in der Ferne aufsteigenden Untersberg bei Salzburg (Hamburg, Kunsthalle, Inv.-Nr. 23150). Das
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schlichte Sujet, das von keinem besonderen Interesse zu sein scheint, mag Erhard als eine ganz persönliche Erinnerung (etwa an eine der unterwegs aufgesuchten Herbergen?) für die eigenen Mappen gezeichnet haben.
ERHARD
I m O k t o b e r 1819 war Erhard zur ersehnten Reise nach Italien aufgebrochen. Ihn begleitete der Landschaftsmaler Heinrich REINHOLD, den er in Wien kennengelernt und zum Freund gewonnen hatte. N a c h ihrer Ankunft in R o m unternahmen die beiden Künstler, denen sich bald auch J o h a n n Adam KLEIN und Ernst WELKER anschlössen, ausgedehnte Wanderungen in die Campagna, u m Landschaftsstudien zu zeichnen. Von der Gegend u m die Torre di Q u i n t o sind sie wohl ebenso beeindruckt gewesen wie L u d wig RICHTER. „Welche wunderbare Stille hier", schrieb der Dresdner Maler in Erinnerung an einen Besuch 1823. „Schauend und nachzeichnend empfand ich so recht in tiefster Seele die unsägliche Schönheit dieser weiten, einsamen Gefilde, über welchen ein H a u c h tiefsten Friedens schwebt. D i e Tiber zog in großen Windungen, von keinem Schiff oder B o o t belastet, ihren Wasserspiegel durch die unbebauten Matten, und in zart bewegten Linien hoben und senkten sich rotbraune, sonnenverbrannte Hügelketten bis an den F u ß der steilen Sabinerberge, welche in einer Entfernung von sechs und zehn Stunden den H o r i z o n t begrenzten. H i e und da stand ein Turm aus dem M i t telalter, ein antikes Grabmal oder andere uralte Trümmer, oder eine aufsteigende Rauchsäule in weiter Ferne deutete auf Hirtenfamilien . . . " (zit. n. Richter 1982, S. 87).
Von dieser Einsamkeit und Stille ist gegenwärtig nichts mehr zu spüren. Siedlungen und Sportstätten, Industriebauten und eine Ausfallstraße bestimmen den heutigen Charakter der Gegend, und die antiken Ruinen sind weitgehend verschwunden. Dies gilt auch für die Torre di Quinto: Nur geringe Reste blieben von dem hohen, über einem antiken Grabmal sich erhebenden Turm aus dem 11. Jahrhundert erhalten, der am nördlichen Stadtrand von Rom am Viale di Tor di Quinto/Ecke Via E Caprilli liegt. Sein Aussehen zu Beginn des 19. Jahrhunderts überliefert uns Erhards Zeichnung. Sie zeigt das Bauwerk mit seinem Zinnenkranz noch in voller Höhe, über zerklüftetem Kalksteinfelsen aufragend. Eindringlich führt sie im Bild die von Ludwig Richter mit Worten geschilderte sonnenverbrannte, öde Landschaft vor Augen. Einzig ein zweirädriger Ochsenkarren, der in seinen winzigen Ausmaßen den Eindruck der Verlassenheit eher unterstreicht als mildert, ist auf dem Landweg nach Norden, auf dem heutigen Viale di Tor di Quinto also, auszumachen. Daß den Künstler die hier entwickelte Komposition nicht vollkommen befriedigt hat, machen zwei Blätter deutlich, die aufs engste mit der Mannheimer Darstellung zusammenhängen. Sie stimmen mit ihr bis in kleinste Details überein, erweitern aber den Bildausschnitt und führen in unterschiedlichen Stadien den Vordergrund aus. Die eine (bisher Heinrich Reinhold zugeschriebene) Zeichnung befindet sich in deutschem Privatbesitz (Gera 1988, Nr. 67 mit Abb.). Auf ihr ist der Landweg zu einer serpentinenartigen Krümmung nach vorn verlängert worden; links am Bildrand ragt ein felsiger, mit Gestrüpp bewachsener Abhang auf. Das andere Blatt wiederholt diese Komposition bis in alle Einzelheiten und fügt darüber hinaus als belebende Staffage einen auf dem Weg nach Rom galoppierenden Jäger hinzu (Hamburg, Kunsthalle, Inv.-Nr. 23197). Denselben Standort wie Erhard wählte um 1830 auch Joseph Anton KOCH, als er Ochsentreiber auf dem Weg in die Campagna zeichnete (Torre del Quinto mit Reitern: Lutterotti 1985, Nr. Z 186 mit Abb. 212), und auch Jacob Philipp HACKERT hatte schon 1781 den antiken Turm als malerisches Motiv einer weiträumigen Campagna-Ansicht eingesetzt (Nordhoff/Reimer 1994, Nr. 770 mit Abb. 373).
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Abb. S. 219
Ponte Salario, 1819/21 Bleistift auf Velin 23,7 x 30,9 cm Verso in Bleistift flüchtige Skizze des Ponte Salario; bezeichnet v. Erhard gez./von den Gebrüdern Reinbold gekft/ 1847/ F. W. Fink (von der Hand Friedrich Wilhelm Finks) Inv. G 1090 [A.I. 1148] Erworben von der Kunsthandlung C. G. Boerner, Leipzig, am 29. 7. 1918 Lit.: Eberlein, Zeitschrift für bildende Kunst NF 31, 1920, Abb. S. 270; Bernhard 1973, Nr. 256 mit Abb.; Bailey 1987, S. 23
Die Via Salaria, der alte Salzhandelsweg vom Meer ins Landesinnere, überquerte auf dem Ponte Salario den Aniene kurz vor der Einmündung des kleinen Flusses in den Tiber. Nichts störte die Stille und Einsamkeit dieser kargen Gegend am nördlichen Stadtrand von Rom: „Auf eine Stunde weit", heißt es noch 1910 in einer Beschreibung, „ist außer den hellen Wärterhäuschen keine menschliche Wohnung zu sehen und oft auch kein menschliches Wesen außer einem zerlumpten alten Weibchen, das auf den Weiden längs der Straße Zichorie und andere wilde Salatkräuter sammelt" (Noack 1910, S. 33). Die Strenge und Odnis dieser Landschaft mit ihren Ruinenresten, den einsamen Gehöften und der dürren Vegetation hat Erhard außerordentlich fasziniert und zu einer Reihe von Ansichten mit dem antiken Ponte Salario als Hauptmotiv angeregt. Sie sind sämtlich vom südlichen Flußufer aufgenommen und geben den Blick auf die - nach vielen Zerstörungen und Wiederherstellungen 1867 dann endgültig abgerisseneBrücke nach Nordosten bzw. nach Osten wieder. Zu nennen sind ein im April 1820 gemaltes Aquarell im Kunstmuseum Düsseldorf (Inv.-Nr. 24/78; Abb. u. a. in Rom 1981, Nr. 15) und eine von annähernd gleichem Standort festgehaltene, 1821 datierte Zeichnung in Oxford (Ashmolean Museum: Bailey 1987, Nr. 22 mit Abb.), eine eng mit diesen Darstellungen zusammenhängende, 1820 geschaffene Radierung (Die Brükke mit dem Thurm: Apell 1866, Nr. 65; Abb. in Essen 1980, S. 19; die Vorzeichnung dazu, mit veränderter Staffage: Hamburg, Kunsthalle, Inv.-Nr. 23208), eine sorgfältig ausgeführte, durchaus bildmäßig komponierte Zeichnung in Leipzig (Museum der bildenden Künste, Inv.-Nr. I. 6516) und schließlich das Mannheimer Blatt.
ERHARD
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Letzteres, eine unvollendet gebliebene Bleistiftstudie, arbeitete der Künstler nur im Mittelgrund detailliert und sorgfältig aus: Dort zeigt er in der Weite der Landschaft das antike Bauwerk, bis in die Einzelheiten deutlich erkennbar. Auf der vorderen Bildebene hingegen skizzierte er mit wenigen flüchtigen Strichen einen zwischen Felsen zur Brücke hinführenden Hohlweg, auf dem ein Bauer seinen Esel vorwärtstreibt. Ein Blick auf die oben genannten Salario-Darstellungen Erhards macht unmißverständlich deutlich, daß unser Blatt als Vorbereitung für die Leipziger Zeichnung entstanden ist. Alle Details des Mittel- und Hintergrundes finden sich dort in gleicher Weise wieder; unterschiedlich ist allein der Bildvordergrund. Die flüchtigen Andeutungen unserer Zeichnung hat der Künstler auf der Leipziger Darstellung in aller Erzählfreude ausgebreitet: Schafe weiden auf den Wiesen, zwei Bauern ziehen den Weg zur Brücke entlang, und ein reisender Händler mit seinem Lastesel (nicht also ein Eselreiter) tritt in der vorderen Bildzone an eine junge, am Wegrand rastende Bäuerin heran (eine Studie zu dieser Gruppe in Hamburg, Kunsthalle, Inv.Nr. 23086). Wiederholt ist der Ponte Salario von deutsch-römischen Künstlern dargestellt worden. Genannt sei hier zunächst Jacob Wilhelm Mechau, der 1793 die Straßenbrücke vom selben Standort wie Erhard aufs Papier gebracht und mit der lagernden Gruppe und den weidenden Tieren schon wesentliche, Erhards Leipziger Zeichnung bestimmende Kompositionselemente vorgegeben hat (Malerisch-radierte Prospecte von Italien von Dies, Reinhart und Mechau. Nürnberg 1793, 3. Lieferung; vgl. auch Rom 1994, Nr. 115 mit Abb.). Zu erwähnen sind ferner Friedrich Weinbrenner (Karlsruhe, Kunsthalle: Theilmann/Ammann 1978, Nr. 4376 mit Abb.), Ludwig R I C H T E R (Dresden, Staatliche Kunstsammlungen, Kupferstichkabinett, Inv.Nr. C 1908-1019: Bernhard 1973, Nr. 1369 mit Abb.), Johann Martin von R O H D E N (Hamburg, Kunsthalle, Inv.-Nr. 1935/20: Pinnau 1965, Nr. Z 84) und nicht zuletzt Johann Adam K L E I N (Essen 1980, Nr. 120 mit Abb.), der das Bauwerk von derselben Stelle festhielt wie Erhard auf der Oxforder Darstellung. Auf der Rückseite des Mannheimer Blattes skizzierte Erhard mit dünnen, kaum erkennbaren und sehr flüchtigen Strichen noch einmal und ohne kompositioneile Änderungen das Motiv der Vorderseite. Wie die darunter gesetzte Aufschrift schließen läßt, war unsere Zeichnung nach dem Tode Erhards 1822 in den Besitz seiner Freunde Gustav, H E I N R I C H und
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PHILIPP R E I N H O L D gelangt. Ersterer, der seine Brüder um mehrere Jahre überlebte, veräußerte sie 1847 an den Wiener Lithographen Friedrich Wilhelm Fink (1796-1861), einen Mann, der als Konservator an der Albertina Erhard wohl noch persönlich gekannt und daher ein besonderes Interesse am Erwerb einer Zeichnung von dessen Hand gehabt hatte (Sörrensen 1913/14, S. 288; Lugt 1921, Nr. 928). FRIEDRICH
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Abb. S. 220
Bei der Porta San Giovanni, 1819/21 Bleistift auf Bütten 17,6 x 22,3 cm Verso bezeichnet in Bleistift bei Porta St. Giovanni (von fremder Hand?) Inv. G 1091 [A.I. 1149] Erworben von der Kunsthandlung C. G. Boerner, Leipzig, am 29. 7. 1918
In Rom, vor der Porta San Giovanni (laut rückseitiger Aufschrift), zeichnete Erhard die motivisch durchaus anspruchslose Darstellung. Er wählte in diesem Falle nicht die 1574 errichtete Toranlage selbst und auch nicht deren antiken Vorgängerbau, die dicht benachbarte Porta Asinaria, zum Gegenstand seines Bildes, wie er das auf zwei Blättern in Hamburg getan hat (Kunsthalle, Inv.-Nr. 23196 und 1915/55). Ihn reizte vielmehr die ganz unspektakuläre Ansicht eines unbefestigten, vom Tor in die Campagna hinausführenden Hohlweges zwischen steilen Hängen, zu dessen linker Seite sich ein zweistöckiges, in seiner Häßlichkeit und Baufälligkeit skurril anmutendes Gebäude erhebt. Verlassen liegt der zerfahrene Weg im hellen Licht der niedrigstehenden Sonne, und nur ein einsamer Eselreiter zieht in die Landschaft hinaus. Ein motivisch und stilistisch unmittelbar verwandtes Blatt Erhards mit der Darstellung einer schlichten Vigna bei der Porta Pia in Hamburg (Kunsthalle, Inv.-Nr. 23244).
F E O D O R IWANOWITSCH KALMÜCK 1763 in der Nähe der russisch-chinesischen Grenze f 27. Januar 1832 Karlsruhe
Abenteuerlich war das Leben des kalmückischen Malers Feodor Iwanowitsch, der in der Nähe der russisch-chinesischen Grenze geboren und als kleines Kind von Kosaken geraubt wurde. Man brachte ihn nach St. Petersburg, wo sich Katharina II. seiner annahm. 1773 schenkte die Kaiserin den Jungen der Landgräfin Karoline von Hessen-Darmstadt, die in jenem Jahr am russischen Hof weilte; ein Jahr später zog Feodor als Page nach Karlsruhe zur Erbprinzessin Amalie von Baden, der Tochter der inzwischen verstorbenen Landgräfin. Er ließ bald ein ausgeprägtes zeichnerisches Talent erkennen und wurde auf die Zeichenschule gegeben. Friedrich Weinbrenner zählte dort zu seinen engsten Freunden. Ihn traf er in Rom wieder, wohin er 1791 zur Fortsetzung seiner Studien gezogen war. Ausgedehnte Reisen führten Feodor seit 1797 nach Griechenland und England (als Zeichner von Lord Thomas Elgin), nach Holland und Frankreich. Erst 1806 kehrte der Künstler nach Karlsruhe zurück, wo er rasch Karriere machte und 1806 zum großherzoglichen Hofmaler ernannt wurde. Noch einmal besuchte er 1810 für kurze Zeit Rom und Paris. Feodor, der in der Literatur auch Fedor, Theodore, Lord Elgin's Calmuck und Feodor Ivannoff genannt wird, starb 1832 in Karlsruhe. Seine künstlerische Hinterlassenschaft ist weit verstreut; sie läßt einen geschickten, wenn auch wenig schwungvollen Zeichner erkennen, der zeitlebens dem Klassizismus verpflichtet blieb.
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Abb. S. 165
Bildnis eines jungen Russen, um 1790
Dargestellt ist ein junger Mann von gedrungener Gestalt in aufrechter, selbstbewußter Haltung, der sich wohl als der Schreiber des umseitigen Brieftextes unmittelbar an den Betrachter bzw. den Adressaten wendet. An zeitgenössische russische Trachten lassen sein Säbel und der blaue Umhang, seine schwarze Hose und die dunklen Stiefel, das gelbe Hemd mit der breiten roten Schärpe und nicht zuletzt die hohe rote, mit dunklem Pelzbesatz geschmückte Mütze denken (vgl. etwa die Darstellung dieser Tracht auf einem Münchner Bilderbogen, in: Zur Geschichte der Kosthüme, München o. J., II, Nr. 900). Offensichtlich hat sich Feodor in diesem Bildnis selbst porträtiert. Er ist nicht groß und von untersetzter Statur gewesen, und er hat zeitlebens seine heimatliche Tracht getragen, wie Porträtdarstellungen und literarische Uberlieferungen belegen: „In dem Straßenbilde der Residenz (Karlsruhe) wurde Iwanow mit seinem fremdartigen Äußeren und Gebaren bald eine bekannte Erscheinung; schon durch die ungewohnte Kleidung - ,halb kalmückisch, halb deutsch' - fiel er auch in einer Zeit, die an Originalen reicher war als die heutige, dem ehrsamen Bürger im altväterlichen Gewände von weitem auf" (Obser 1930, S. 21). Ebenso wie die Gestalt und die Tracht des etwa dreißigjährigen Mannes lassen auch dessen Gesichtszüge mit den weit auseinanderstehenden Augen und den schweren Lidern an ein Porträt Feodors denken. Man vergleiche das Selbstbildnis von 1792, in dem Feodor sich ebenfalls im Alter von dreißig Jahren präsentiert und das - abgesehen von der Barttracht - große Ähnlichkeiten mit unserer Darstellung erkennen läßt (Veite 1973, S. 56ff. und Abb. 2). Die Rückseite der vorliegenden Zeichnung trägt einen kurzen, vermutlich von Feodor selbst verfaßten Brieftext: Liebe Freundin/ Ihr lieber Brief überraschte mich sehr angenehm/ und war mir ein neuer Beweiß Ihrer mir so/ schätzbaren Freundschaft auch mitten/ im Vergnügen Denk meine liebe Marie an mich? Gott, wie sehnlich wünsche ich mich/ an Ihre Seite, Kopf und Hertz ist voll.-/ Wie glücklich noch (?) einige Tage auf dem Land zubringen zu können.
Aquarell über Bleistift auf Bütten; WZ (Ornament, bis auf Reste weggeschnitten) 21 x 16,1 cm (rechter und linker Rand beschnitten) Bezeichnet auf dem alten Untersatzpapier in Bleistift Feodor Verso in Bleistift Brieftext Inv. G 6349 [A.I. OZ 2.5.-c] Alter Bestand
IWANOWITSCH KALMÜCK
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Abb. S. 221
Huldigung an die drei Grazien, zwischen 1801 und 1832 Feder über Bleistift, laviert, auf Velin; W Z J Whatman/ 1801 24,6 x 42,8 cm (Maße der Darstellung: 13,7 x 35,3 cm) Bezeichnet auf dem alten Untersatzpapier in Bleistift Feodor/ 1765-1832 Inv. G 6351 [A.I. O Z 2.5-a] Alter Bestand
Die sorgfältig durchgearbeitete und als Gegenstück zu Kat.-Nr. 38 konzipierte Zeichnung ist mit dem Bleistift angelegt und in den Figurengruppen als den wichtigsten Partien mit der Feder nachgezogen. Ihr kompositioneller Aufbau folgt unübersehbar bildhauerischen Gesetzen: Einem Relieffries gleich bewegen sich die Figuren auf einer schmalen Bildbühne im Vordergrund. Nur eine hochgelegene Gebäudegruppe in klassisch-antiken Formen links im Hintergrund gemeint ist zweifellos die Akropolis von Athen, wie der Künstler sie sich rekonstruiert vorstellte - vermittelt den Eindruck von räumlicher Tiefe. Das Zentrum der Komposition bildet die lebensgroße Skulpturengruppe der drei Grazien, aufragend über einem niedrigen, mit Kränzen und einer Lyra geschmückten Sokkel. Mädchen und Frauen ziehen von rechts heran und bringen als Opfergabe Blüten in kleinen Körben herbei. Ihnen entsprechen auf der Gegenseite Männer in unterschiedlichem Alter, als Krieger und als Philosophen charakterisiert, die von musizierenden und Weihegeschenke tragenden Knaben begleitet werden. Der Künstler umgab die Darstellung mit einem gezeichneten Rahmen; außerhalb der unteren Bildkante skizzierte er mit dünnen Linien noch einmal die zentrale Figurengruppe. Das Wasserzeichen des Papiers läßt auf eine Datierung der Zeichnung nach 1801 schließen.
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Abb. S. 221
Der Wettstreit zwischen Apoll und Pan, zwischen 1801 und 1832 Feder über Bleistift, laviert, auf Velin 24,6 x 43 cm (Maße der Darstellung: 13,4 x 34,5 cm) Inv. G 6350 [A.I. O Z 2.5-b] Bezeichnet auf dem alten Untersatzpapier in Bleistift Alter Bestand
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IWANOWITSCH KALMÜCK
Feodor
Dem vorliegenden Blatt (einem zweifellos gleichzeitig entstandenen Gegenstück zu Kat.-Nr. 37) liegt eine Szene aus der griechischen Mythologie zugrunde, von der Ovid in den Metamorphosen berichtet (XI, 150-193). Es handelt sich um den Wettstreit zwischen Apoll und Pan, ausgetragen auf dem Berg Tmolos und entschieden von der Gottheit dieses Ortes. Zu den Zuhörern zählt auch der zufällig anwesende König Midas von Phrygien. Dieser ist von dem Syrinx-Spiel Pans bezaubert und erkennt dem Herausforderer Apolls den Sieg zu. Tmolos hingegen reicht dem Gott der Dichtkunst und Musik den Kranz: „Allen behagte der Spruch, das Urteil des heiligen Berges;/ ungerecht ward es genannt und getadelt nur von der einen/ Stimme, der Stimme des Midas. Da duldet der Herrscher von Delos/ nicht, daß das törichte Ohr seine menschliche Formung behielte,/ sondern er zieht es lang, erfüllt es mit weißlichen Haaren,/ nimmt seinen Wurzeln den Halt und läßt beweglich es werden" (XI, 172-177). Feodor schildert den Augenblick des weisen Urteilsspruchs: Im Zentrum der Komposition lagert Tmolos an einem Felsen; ihm zu Füßen zwei Quellnymphen, die für den am Fuße des Berges entspringenden Fluß Pactolus stehen. Der Berggott zeigt auf Apoll als den Sieger des Wettstreits, der mit Lyra und Plektron wiedergegeben ist. Ihn bekränzt eine der drei Musen, die sein Gefolge bilden. Auf der Gegenseite hockt Pan, zu seinen Füßen die „Flöte aus den wachsverbundenen Rohren", mit der er sein „leichtes Liedchen" gespielt hat (XI, 154). Midas hat den Arm um seine Schultern gelegt. Der König trägt als charakteristische Tracht die phrygische Mütze, unter der die langen Eselsohren herauswachsen - ein Schmuck, den der Törichte noch nicht bemerkt zu haben scheint. Das Gefolge des Ziegengottes allerdings macht sich gegenseitig in einer Mischung aus Schrecken und Belustigung auf diese Verwandlung aufmerksam. Ein sorgfältig gezeichneter Rahmen umgibt die Darstellung; außerhalb des unteren Bildrandes skizzierte Feodor mit kaum sichtbaren Strichen eine Figurengruppe. Auch Moritz von SCHWIND hat diesen ungleichen musikalischen Wettstreit wiederholt zum Gegenstand von Darstellungen gemacht: Genannt seien eine Zeichnung in Darmstadt (um 1838/40, Hessisches Landesmuseum, Inv.-Nr. Hz 194: Karlsruhe 1984, Nr. 86 mit Abb.), ein Aquarell in Dresden (um 1842, Staatliche Kunstsammlungen, Kupferstichkabinett: Weigmann 1906, S. 211) und ein Deckenbild in der Kunsthalle Karlsruhe (der Entwurf um 1842: Theilmann/Ammann 1978, Nr. 3924 mit Abb.).
J O H N FLAXMAN 6. Juli 1755 York t 7. Dezember 1826 London J o h n Flaxman wurde 1755 in Y o r k geboren. D u r c h seinen Vater, der eine Gipsgießerei betrieb und mit der Familie 1756 nach L o n d o n übergesiedelt war, wurde dem kränklichen und verwachsenen Knaben die schulische Ausbildung vermittelt und erster Unterricht im Zeichnen und Modellieren erteilt. 1770 bezog er die R o y a l A c a d e m y und trat schon bald als erfolgreicher Bildhauer (vor allem v o n Grabmälern) und Entwerfer (besonders für die Firma Wedgwood & Bentley) hervor. 1787 unternahm Flaxman gemeinsam mit seiner Frau A n n eine Studienreise nach Italien, die sieben Jahre dauerte und ihn mit den wichtigsten Kunstlandschaften, Sammlungen und M o n u m e n t e n des Landes bekannt machte. In R o m gelang es ihm, K o n t a k t zu einflußreichen englischen Kunstsammlern aufzunehmen und von ihnen Aufträge für Bildhauerarbeiten und Illustrationszyklen - zu Werken von Homer, Dante und Aischylos - zu erhalten. Es sind vor allem diese Umrißzeichnungen, die Flaxman in ganz E u r o pa berühmt gemacht haben, die er selbst aber für w e niger bedeutend als seine skulpturalen Arbeiten erachtete. 1794 kehrte der Künstler nach England zurück. E r setzte seine überaus erfolgreiche Laufbahn fort und schuf - neben der 1810 aufgenommenen T ä tigkeit als Professor für Bildhauerei an der L o n d o n e r Akademie - bis zu seinem Tod weitere Zeichnungsfolgen und eine große Anzahl von Grabdenkmälern, Porträts und dekorativen Reliefs.
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A b b . S. 166
Die Witwe (The Widow), um 1787/1794 Pinsel in Braun über Bleistift, laviert, auf Velin 17,4 x 12,6 cm Bezeichnet unten rechts in Bleistift (eigenhändig?) The Widow, unten links zwei Blindstempel FxM (C. Fairfax Murray) Verso in Bleistift (eigenhändig?) The widow Inv. G 1873 [A.I. 2036/9] Erworben vom Antiquariat Joseph Baer & Co., Frankfurt a.M., am 3. 5. 1923, aus dem Flaxman-Sammelband von C. Fairfax-Murray Lit.: Mannheim 1929, Nr. 7
Mütterliche Liebe und Fürsorge hatten sich seit dem späten 18. Jahrhundert zu einem neuen, wichtigen M o t i v der bildenden Kunst entwickelt. A u c h Flaxman wandte sich diesem T h e m a immer wieder zu und brachte es in anrührender Weise zur Darstellung. Ja, er übertrug es in die Grabmalsplastik und schuf mit seinem berühmten M o n u m e n t für Harriet Susan Viscountess Fitzharris ein Werk, das auf die nachfolgende Bildhauerkunst Englands außerordentlichen Einfluß gewinnen sollte ( 1 8 1 6 / 1 7 , Christchurch Priory, Hampshire: Irwin 1979, A b b . 196, 197). D i e Zeitgenossen erkannten die dort zur Anschauung k o m m e n de liebevolle Verbundenheit zwischen der Mutter und ihren Kindern als etwas Neues und Einmaliges in der damaligen Skulptur - und eben diese Innigkeit zeichnet auch den Mannheimer Grabmalsentwurf aus. Das eindrucksvolle Blatt gibt eine junge Frau wieder, vor einem urnengeschmückten Mal sitzend und den trauernd abgewandten K o p f gegen die Rechte stützend. Sie umfaßt zwei kleine, vor ihr stehende Kinder, die sie trostsuchend umarmen und ratlos zu ihr aufsehen bzw. das Gesicht an sie schmiegen. Inhaltlich, kompositionell und stilistisch auf das engste verwandt zeigt sich die Darstellung mit einer N a turstudie, die Flaxman während seines Italienaufenthaltes 1 7 8 7 - 1 7 9 4 schuf und die eine junge italienische Bäuerin mit ihren beiden Kindern in zärtlicher U m a r mung wiedergibt ( L o n d o n 1976, Nr. 58 mit Abb.). Ubereinstimmungen finden sich nicht nur im A u s drucksgehalt, sondern auch im Aufbau der Gruppe insgesamt und in der monumentalen, an die Kunst Michelangelos erinnernden Figurenauffassung. Sie lassen an eine Entstehung unserer Darstellung im gleichen Zeitraum denken. D e n Bildgedanken der Mannheimer Zeichnung wandelte Flaxman übrigens mehrfach auf einem ebenfalls in die römischen Jahre zu datierenden Blatt ab, das sich in L o n d o n befindet und in mehreren Varianten eine trauernde, an einer U r n e stehende Mutter mit ihren Kindern vor Augen führt (Britisches Museum, Inv.-Nr. B M 1888.5.3.42; Hinweis von R o l a n d D o r n , Mannheim).
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Abb. S. 167
Satan stachelt Beelzebub auf, um 1791 Feder und Pinsel in Braun über Bleistift, laviert, auf Bütten; WZ C. PATCH 20,8 x 44,5 cm Unten links Blindstempel FxM (C. Fairfax Murray) Bezeichnet (von fremder Hand) verso in Bleistift Satan calling of his Legion und Skizze zu Oath on Mount Hermon Inv. G 1871 [A. I. 2036/7] Erworben vom Antiquariat Joseph Baer und Co., Frankfurt a.M., am 3. 5. 1923, aus dem Flaxman-Sammelband von C. Fairfax Murray Lit.: Mannheim 1929, Nr. 8
des Himmels anzustacheln (es ist also nicht, wie die Beschriftung auf der Blattrückseite irreführend angibt, der allgemeine Kampfaufruf Satans an die Engel wiedergegeben, wie ihn etwa William Blake: Hamburg 1975, Nr. 144, und Johann Heinrich Füssli: Schiff 1973, S. 200 und Abb. 889, darstellten und wie ihn Flaxman selbst auf zwei kompositionell ganz anders konzipierten Blättern im Britischen Museum zur Anschauung brachte: BM 1900-8-24-176 und BM 19008-24-176). Datiert hat Flaxman die Mannheimer Zeichnung nicht. Ein Vergleich mit seinen Werken aus der Zeit des Italienaufenthaltes - besonders mit seinen Studien nach Michelangelo (Irwin 1979, Abb. 44) - legt jedoch den Schluß nahe, daß sie seinen frühen, in Rom geschaffenen Arbeiten zuzurechnen ist. Auf der Rückseite des Blattes hielt Flaxman eine flüchtige, kaum erkennbare Ideenskizze zum Schwur vom Hermonberge fest (Kat.-Nr. 46).
„I have been making several sketches from our honoured bard Milton", heißt es 1791 in einem Schreiben Flaxmans (zit. n. Irwin 1979, S. 226, Anm. 54). Es war an William Hayley gerichtet, der an einer Biographie John Miltons schrieb und sich für die geplante Veröffentlichung Illustrationen seines Freundes Flaxman erhoffte. Zu einer Aufnahme dieser Zeichnungen in die Publikation Hayleys kam es allerdings nicht. Dennoch ließ Flaxman von dem Thema nicht ab. Auch weiterhin sollte für ihn das Werk dieses bedeutenden englischen Dichters von anregender Wirkung bleiben: Er modellierte dessen Büste (Irwin 1979, S. 104), zeichnete weitere Illustrationen (Wark 1970, S. 32ff. mit Abb.) und schuf noch in seinem letzten Lebensjahr ein Relief, das eine Szene aus Miltons Verlorenem Paradies zum Gegenstand hat (Irwin 1979, S. 105f. mit Abb.).
Feder und Pinsel in Braun über Bleistift, laviert, auf Velin (Unterkante unregelmäßig beschnitten) 15,9x20,6 cm Unten links Blindstempel FxM (C. Fairfax Murray) Inv. G 1869 [A.I. 2036/5] Erworben vom Antiquariat Joseph Baer und Co., Frankfurt a.M., am 3. 5. 1923, aus dem Flaxman-Sammelband von C. Fairfax Murray Lit.: Mannheim 1929, Nr. 10
Auch die Mannheimer Zeichnung ist in diesem Zusammenhang zu sehen. Sie gehört zu den über viele Jahre hinweg entstandenen Illustrationen zu Miltons Verlorenem Paradies (London 1667). Ihren Gegenstand bilden die Eingangsverse des ersten Buches, die Satan mit seinen Engeln nach dem Sturz in die Hölle vorführen. Flaxman hielt sich eng an die literarische Vorlage und zeigte Satan mit seiner gefallenen Schar im wirbelnden Flammenmeer, vom Donner Gottes gerührt und zerschmettert. Er wählte den Augenblick, in dem der geflügelte Böse, umgeben von den Leibern der Gestürzten und umlodert von Feuerwogen, eben aus seiner Betäubung erwacht. „Das Haupt emporgehoben aus der Flut, mit funkensprühndem Aug" (Verse 193, 194; zit. n. Milton 1984, S. 11), wendet sich Satan dem angstvoll zu ihm hochblickenden Beelzebub zu, um ihn aufbegehrend zur Wiedereroberung
1792 hatte der in Rom lebende Engländer Thomas Hope, ein großzügiger Gönner und Bewunderer Flaxmans, dem Künstler den Auftrag erteilt, Illustrationen zu Dantes Göttlicher Komödie zu liefern. Er wollte diese Zeichnungen für eine niedrige Privatauflage im Kupferstich vervielfältigen lassen, um sie - wie wir aus einem Brief von Ann Flaxman wissen - „persönlich wegzugeben an die wenigen Auserwählten, die er auf Grund ihres Geschmackes und ihrer Verdienste als ihrer wert" erachtete (zit. n. Hamburg 1979, S. 106). 1793 hatte Flaxman die insgesamt 110 Zeichnungen vollendet, und auch die nach diesen Vorlagen von Tommaso Piroli gestochenen Kupferplatten lagen im gleichen Jahr dem Auftraggeber vor. 1794 erschien die erste, offenbar sehr kleine Ausgabe dieses
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Abb. S. 222
Die Barke mit dem Engel, 1792/93
Werkes in Rom; eine englische Übersetzung wurde 1807 in London erstmals veröffentlicht und vom Publikum begeistert aufgenommen. Die für Hope ausgearbeiteten Zeichnungen werden gegenwärtig in der Houghton Library, Harvard College, verwahrt; die vorbereitenden Studien befinden sich zum größten Teil in der Sammlung Rosenwald und im Fitzwilliam Museum in Cambridge (Hamburg 1979, S. 118). Zu den zahlreichen Vorstudien zählt auch die Mannheimer Skizze. Sie bezieht sich auf den zweiten Gesang des Purgatoriums. Als strahlendes Licht nimmt Dante den Engel Gottes wahr, der den Nachen mit den Seelen zum Ufer des Läuterungsberges leitet. Der Engel „kam dann zum Strand/ mit solchem leichten und geschwinden Boote,/ daß keine Spur davon im Meer entstand./ Auf seinem Buge stand der Himmelsbote,/ so voller Lust, als sei's ihm eingeschrieben,/ und drinnen saßen mehr als hundert Tote./ ,Als Israel aus Ägypten war getrieben!'/ so sangen unisono sie, desgleichen,/ was dann in jenem Psalme noch geschrieben./ Er machte dann des heiligen Kreuzes Zeichen,/ woraufhin jeder sich zum Strand gewandt ..." (Verse 40-51; zit. n. Dante 1994, S. 164f.). Die vorliegende Zeichnung mit der Darstellung des himmlischen Segens bereitet die vierte der insgesamt 38 Illustrationen Flaxmans zum Purgatorium vor. Sie entspricht in ihrer Bildidee im wesentlichen der Endfassung, ist jedoch seitenverkehrt konzipiert. Hoch aufgerichtet, sich dem Betrachter beinahe frontal zuwendend (und nicht wie in der Piroli-Ausführung im Profil gezeigt), erhebt der Engel die rechte Hand zum Segensgestus. Er steht auf dem Nachen, den er mit seinen Schwingen an das Ufer getrieben hat. Mit emporgerissenen Armen, sich ein letztes Mal nach ihrem Steuermann umsehend (und damit in heftigerer Bewegung als in der endgültigen Fassung wiedergegeben), springen die zu läuternden Seelen an den Strand.
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Abb. S. 223
Die Kranken besuchen (Visit the Sick), 1796/1807 Feder in Schwarz über Bleistift, laviert, auf Bütten (Unterkante unregelmäßig beschnitten); WZ W 13,4 x 29,5 cm Unten links Blindstempel FxM (C. Fairfax Murray) Inv. G 1867 [A.I. 2036/3] Erworben vom Antiquariat Joseph Baer & Co., Frankfurt a.M., am 3. 5. 1923, aus dem Flaxman-Sammelband von C. Fairfax Murray Lit.: Mannheim 1929, Nr. 3 mit Abb.
1796 überreichte Flaxman seiner Frau Ann Denman ein eigenhändiges Manuskript zum Geburtstag, das den Titel The Knight of the Blazing Cross (Der Ritter vom Strahlenden Kreuz) trug und als ein ganz persönliches Geschenk nicht zur Veröffentlichung bestimmt war. Unmittelbar beeinflußt von den Schriften des schwedischen Mystikers Emanuel Swedenborg, erzählt er darin in Wort und Bild die Geschichte eines Ritters, der zum „Mitstreiter von Glaube, Hoffnung und Nächstenliebe" wird und dessen „allumfassende Wohltätigkeit" sich in den Taten der Barmherzigkeit erfüllt (so die Vorbemerkung des Künstlers). Kraftund phantasievoll sind die kleinen Skizzen, die die Verse illustrierend begleiten (Morris 1915, S. 23ff. mit Abb.; Hamburg 1979, Nr. 147). Mit der Bebilderung seines Gedichts war für Flaxman die Beschäftigung mit diesem Thema nicht aufgegeben. Er zeichnete bis 1807 eine weitere Folge von Taten der Nächstenliebe - Blätter, die den Einfluß von Masaccio und Michelangelo verraten und die kompositionell aufs engste mit den oben genannten, 1796 entstandenen Skizzen in Verbindung stehen. Aber auch diesen Zyklus wollte er nicht veröffentlicht wissen, wie wir einem Bericht Ludwig Schorns entnehmen können. 1826 hatte der Kunsthistoriker den Maler in London aufgesucht und dessen Arbeiten bewundert. „Ganz vorzüglich", so Schorn, „gefielen mir die Blätter, welche die sieben Werke der Barmherzigkeit in zusammenhängenden Gruppen darstellten. In der Art, mit welcher er sie vorzeigte, lag der Ausdruck der unbefangensten Bescheidenheit; er wollte sie nur als Versuche betrachtet wissen, seine Überzeugung zu bestätigen, und lehnte deßhalb auch ab, was ich ihm vorschlug: daß er sie radiren und herausgeben möchte" (Schorn 1827, Nr. 31, S. 123). Erst nach dem Tod des Künstlers sollte es zu einer Publikation kommen. F. C. Lewis übertrug unter
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Hinzufügung eines weiteren Blattes die sieben Zeichnungen in Aquatintatechnik, und die Erben Flaxmans gaben sie unter dem Titel The Acts of Mercy in einem großformatigen Band 1831 in London heraus (ein Exemplar in London, Britisches Museum, Inv.Nr. 245::".b.2::\; ein weiteres in London, University College). Die acht Tafeln stellen leibliche und geistliche Werke der christlichen Nächstenliebe dar: Unwissende belehren (Blatt 1), Hungrige speisen (Blatt 2), Nackte bekleiden (Blatt 3), Kranke pflegen (Blatt 4), Zweifelnden raten (Blatt 5), Leidende trösten (Blatt 6), Witwen und Waisen versorgen (Blatt 7) und Gefangene besuchen (Blatt 8). Den bislang bekannten Entwürfen und endgültigen Fassungen dieser Kompositionen im Britischen Museum und im University College London, in der Sammlung David Irwin und in der Huntington Collection (San Marino) sind als weitere Studien Kat.-Nr. 43 sowie das vorliegende Blatt hinzuzufügen. Die lavierte, im Querformat gehaltene Federzeichnung, die in ihrer beeindruckenden Monumentalität unmittelbar an Flaxmans Werke der römischen Jahre denken läßt, diente als Vorlage für die vierte Darstellung des Zyklus. Sie stellt die barmherzige Tat des Krankenbesuchs dar. Im Bildzentrum erkennt man einen Menschen mit verbundenem Kopf, auf dem Rücken liegend und die Hände im Gebet faltend. Andächtig wendet er sich einer vor ihm sitzenden Frau zu, die ihm mit erhobener, von göttlicher Inspiration sprechender Hand christlichen Trost spendet. Zu Häupten des Kranken ist eine zweite Frau in tiefer Verzweiflung zusammengebrochen. Zu einer anderen, noch konzentrierteren Lösung des Themas fand Flaxman in zwei für Grabmäler gedachten Entwürfen (London 1976, Nr. 41).
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Abb. S. 223
Die Leidenden trösten, 1796/1807 Feder in Schwarz über Bleistift, laviert, auf Bütten (allseitig unregelmäßig beschnitten); WZ W 11,1 x 29,8 cm Oben links und unten rechts Blindstempel FxM (C. Fairfax Murray) Verso in Bleistift Aktstudie Inv. G 1868 [A.I. 2036/4] Erworben vom Antiquariat Joseph Baer & Co., Frankfurt a.M., am 3. 5. 1923, aus dem Flaxman-Sammelband von C. Fairfax Murray L i t : Mannheim 1929, Nr. 4; Mannheim 1983, S. 28 mit Abb. S. 29
Die querformatige, auf große Formen zielende Komposition wurde nicht in die publizierte Folge der Acts of Mercy aufgenommen (Kat.-Nr. 42), scheint aber unzweifelhaft in ihren Zusammenhang zu gehören. Stilistisch und formal steht sie deren Blättern überaus nahe. Zwischen trauernd und ergeben am Boden liegenden Figuren - links ein in der Formerfindung besonders überzeugender Kauernder im alles verhüllenden Umhang, rechts ein Paar mit zwei Kindern - hockt ein bärtiger Greis. Seine Linke weist (wie die der Besuchenden in Kat.-Nr. 42) im Inspirationsgestus gen Himmel, mit der Rechten stützt er sich auf ein Buch, wohl die Bibel. Er scheint die Leidenden mit Worten aus der Heiligen Schrift zu trösten - und so liegt es nahe, in der Zeichnung eine Alternativlösung für das sechste Blatt der Folge, Go to the House of Mourning / Die Leidenden trösten, zu sehen (die in Manchester, Whitworth Art Gallery bewahrte Vorlage für die veröffentlichte Fassung ist abgebildet in: Hamburg 1979, Nr. 156). Die Versoseite trägt die Studie eines weiblichen Aktes mit erhobenen Armen sowie das Fragment einer flüchtigen Landschaftsskizze.
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Abb. S. 224
Grabmalsentwurf, um 1803 Feder und Pinsel in Braun über Bleistift, laviert, auf Velin 16,1 x 12,4 cm In der Mitte Blindstempel FxM (C. Fairfax Murray) Inv. G 1872 [A.I. 2036/8] Erworben vom Antiquariat Joseph Baer & Co., Frankfurt a.M., am 3. 5. 1923, aus dem Flaxman-Sammelband von C. Fairfax Murray Lit.: Mannheim 1929, Nr. 6
Das vorliegende Blatt und der Entwurf Kat.-Nr. 39 verweisen auf den plastisch arbeitenden Künstler John Flaxman, der 1810 zum ersten Professor für Bildhauerei an der Royal Academy gewählt und damit auch offiziell als der führende Bildhauer Englands anerkannt worden war. Porträts, Statuen, Bildnisbüsten, dekorative Reliefs, öffentliche Monumente und Grabdenkmäler machen den Inhalt seiner intensiven bildnerischen Tätigkeit aus, die der Künstler selbst als weitaus wichtiger erachtete als seine so berühmt gewordenen Illustrationszyklen. Bis zu seinem Tod
schuf Flaxman über fünfzig Grabmonumente - wobei er in der Regel nur einige wenige Grundmuster verwendete und diese zu immer neuen Variationen umwandelte. Meist bereitete er sie zeichnerisch vor und modellierte daraufhin kleine Tonskizzen, um in einem nächsten Schritt die figürlichen Teile in halber Lebensgröße zu formen. Diese ließ er dann von Handwerkern seines Ateliers in das endgültige Maß übertragen und in Marmor ausführen. Den Vorarbeiten Flaxmans für ein plastisches Werk zuzurechnen ist auch die bis ins letzte Detail durchdachte Mannheimer Zeichnung. Es handelt sich um den Entwurf für ein Wandgrab. Auf einer von Blattkonsolen getragenen Platte sitzt, im Profil nach rechts gewandt, eine antikisch gekleidete junge Frau, die ihren Kopf trauernd in ihre linke Hand schmiegt. Hinter ihr ragt eine schlanke Säule auf, deren korinthisches Kapitell herabgestürzt ist und auf diese Weise eindringlich von Tod und Vergänglichkeit spricht. Eine runde Kartusche zwischen den Blattkonsolen ist für die Aufnahme der Inschrift oder des Verstorbenen-Porträts gedacht. Die Komposition variiert eine Erfindung, die Flaxman wiederholt aufgegriffen hat, wie die trauernden oder in Andacht versunkenen Einzelfiguren der Grabmäler für die Familie Baring (1806), für den vierten Duke of Dorset (1815-1819) und für einen unbekannten Richter zeigen (Irwin 1979, Abb. 173; Whinney/Gunnis 1967, Tf. 15b; Wark 1970, Nr. 43). Vor allem auf das 1803 geschaffene Wandgrab für William Miles (Irwin 1979, Abb. 176) ist in diesem Zusammenhang aufmerksam zu machen: Verwandt erscheinen nicht allein der architektonische Aufbau insgesamt, sondern auch die antikische Sitzfigur und das Motiv der zerstörten Säule, deren Kapitell am Boden liegt. Die Vermutung, daß unser Blatt einen Vorentwurf für das MilesWandgrab darstellt, ist daher nicht von der Hand zu weisen.
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Abb. S. 224
Die Erfindung des Spiegels (Invention of Looking Glasses), um 1815 Pinsel in Braun über Bleistift, laviert, auf Velin 17,4 x 26 cm Bezeichnet unten rechts in Feder Invention of looking glasses; oben rechts in Bleistift 22; unten links Blindstempel FxM (C. Fairfax Murray) und in Bleistift 9 Inv. G 1865 [A.I. 2036/1] Erworben vom Antiquariat Joseph Baer & Co., Frankfurt a.M., am 3. 5. 1923, aus dem Flaxman-Sammelband von C. Fairfax Murray Lit.: Mannheim 1929, Nr. 5
Im zeichnerischen Werk Flaxmans findet sich eine Reihe von spontanen, unmittelbar nach dem Leben gezeichneten Studien - anspruchslose Genreszenen insgesamt, die dem Künstler oftmals als motivische Fundgrube für spätere Arbeiten gedient haben. Sie zeigen Frauen beim Waschen und Wassertragen, kleine Kinder beim Spielen und junge Mädchen beim Lesen, Tanzen und Seilspringen (Irwin 1979, Abb. 58,59, 108, 158-160; Wark 1970, Nr. 72; Hamburg 1979, S. 90, Abb. 25; London 1976, Nr. 55, 62-68, 70). Und sie machen vor allem anschaulich, wie bedeutungsvoll das Naturstudium für Flaxman gewesen ist. Dies gilt auch für das Mannheimer Blatt mit der Wiedergabe von drei Kindern, die eben beim Spiel und ganz absichtslos den Spiegel „erfunden" haben. Nicht auf allegorische Weise wird diese Entdeckung veranschaulicht, sondern mit einer dem Leben abgelauschten Genreszene. Sie zeigt ein Mädchen, das vor ihren Freundinnen hockt und ihnen eine runde, spiegelnde Metallscheibe entgegenhält. In ihr erblicken sich die beiden, und wie erstaunt sie über ihre unverhoffte Entdeckung sind, bringen ihre ängstliche Haltung und ihre erschrockenen Mienen unmißverständlich zum Ausdruck. Offenbar hat dieses Motiv den Künstler besonders gereizt, denn er griff es wiederholt auf. In der Darstellung Venus und Cupido (Wark 1970, Nr. 70) ist es die Göttin, die sich über den Rand eines Brunnens beugt und sich in der blanken Wasserfläche betrachtet, und in der lavierten Federzeichnung Girls at the Mirror weicht eine junge, von ihrer Freundin umarmte Frau überrascht vor ihrem unerwarteten Spiegelbild zurück (London, Britisches Museum, Inv.-Nr. BM 1888.5.3.97; Hinweis von Roland Dorn, Mannheim).
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Die Mannheimer Zeichnung ist nicht datiert. Die Zartheit und Zittrigkeit ihres Liniengefüges rücken sie in die Nähe von Blättern, die Flaxman in den Jahren um 1815 geschaffen hat (Wark 1970, Nr. 39; Hamburg 1979, S. 147, Abb. 64; Irwin 1979, Abb. 207).
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Abb. S. 225
Der Schwur vom Hermonberge (Oath on Mount Hermon), um 1821 Feder und Pinsel in Braun über Bleistift, laviert, auf Velin (linke Blattkante unregelmäßig beschnitten) 17,3 x 26,1 cm Bezeichnet unten links in Tinte Oath / On Mount Hermon, darunter in Bleistift 2 und Enoch; oben rechts 2; unten links Blindstempel FxM (C. Fairfax Murray) Inv. G 1870 [A.I. 2036/6] Erworben vom Antiquariat Joseph Baer und Co., Frankfurt a.M., am 3. 5. 1923, aus dem Flaxman-Sammelband von C. Fairfax Murray Lit.: Mannheim 1929, Nr. 11
Abgesehen von den Illustrationen zu Werken Homers, Hesiods, Aischylos' und Dantes (Kat.-Nr. 41), schuf Flaxman auch Zyklen und eigenständige Kompositionen, die biblische Themen zum Inhalt haben (Kat.-Nr. 47, 48). Hervorzuheben unter diesen stets ohne Auftrag, nur für sich und den engen Freundeskreis gezeichneten Darstellungen sind die Blätter, die um die Gestalt des Urvaters Henoch kreisen. Schon während seines Aufenthaltes in Rom hatte Flaxman 1792 das Blatt Enoch raised to Heaven gezeichnet (1. Mose 5,24; Irwin 1979, Abb. 139). Erneut beschäftigte ihn das Thema, als 1821 die erste englische Ubersetzung einer 1773 in Äthiopien wiederentdeckten Fassung des Buches Henoch erschien. Er brachte damals - wie übrigens auch sein Freund William Blake (Brown, Burlington Magazine 77, 1940, S. 8 0 - 8 5 ) eine Gruppe von Zeichnungen zu Papier, die Teile dieses außerordentlich phantastischen und legendenhaften Werkes illustrieren (Wark 1970, S. 41 ff. mit Abb.; Hamburg 1979, Nr. 162,163 mit Abb.). Auch das Mannheimer Blatt gehört zu diesen Illustrationen. Es bezieht sich auf das 6. Kapitel des apokryphen Textes, das - ausgehend vom 1. Buch Mose ( 6 , 1 4) - den Schwur der Gottessöhne vor deren beabsichtigter Verbindung mit den schönen Töchtern der Menschen schildert: „Wir wollen alle einen Eid
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schwören und alle einander durch Verwünschung verpflichten, diesen Plan nicht aufzugeben, vielmehr (diesen Plan) zur That werden zu lassen", heißt es dort. „Da schwuren sie alle zusammen und verpflichteten einander dazu durch Verwünschungen. Und es waren im ganzen zweihundert, und sie stiegen herab auf den Ardis, das ist der Gipfel des Berges Hermon ...", und sie „nahmen sich Weiber, und ein jeder wählte sich eine aus ..." (zit. n. Flemming/Radermacher 1901, S. 26f.). Während zwei Zeichnungen Flaxmans in London (University College: Hamburg 1979, Nr. 162 mit Abb.) und San Marino (Huntington Collection: Wark 1970, Nr. 25 mit Abb.) das Niederfahren der Engel zu den Menschentöchtern vor Augen führen, zeigt das Mannheimer Blatt mit dem Schwur auf dem Hermon den Augenblick unmittelbar davor: In kühnem Schwung gleiten die schwebenden Gottessöhne aufeinander zu, um sich die Hände zum Bund zu reichen. Eine nur mit flüchtigen Linien umrissene und kaum erkennbare erste Ideenskizze zu unserer Darstellung bringt die Versoseite von Kat.-Nr. 40. Weiterentwikkelt hat Flaxman den Bildgedanken dann in einer lavierten Federzeichnung, die bereits die Details der Gesamtkomposition festlegt (London 1976, Nr. 27). Zwei in unterschiedlichem Grade ausgearbeitete Variationen dieses Bildentwurfs bietet schließlich ein Blatt im Britischen Museum (Inv.-Nr. BM 1900.8.24.180; Hinweis von Roland Dorn, Mannheim). Die untere dieser beiden Alternativskizzen interessiert in unserem Zusammenhang besonders kommt sie doch der Mannheimer Zeichnung als der Endfassung am nächsten.
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Abb. S. 226
Die Jakobsleiter (Jacobs Ladder), nach 1804 (?) Feder und Pinsel in Braun über Bleistift, laviert, auf Velin 20 x 15,4 cm Bezeichnet unten Mitte in Bleistift (eigenhändig?) Jacobs Ladder, unten rechts 77, unten links Blindstempel FxM (C. Fairfax Murray), Inv. G 1874 [A.I. 2036/10] Erworben vom Antiquariat Joseph Baer Sc Co., Frankfurt a.M., am 3. 5. 1923, aus dem Flaxman-Sammelband von C. Fairfax Murray Lit.: Recklinghausen 1959/60, Nr. 257 mit Abb.; Mannheim 1983, S. 26 mit Abb. S. 27
Die Vermutung liegt nahe, daß die Darstellung nicht als eine eigenständige Komposition, sondern im Rahmen einer biblischen Illustrationsfolge entstanden ist. Zu denken ist in diesem Zusammenhang an die Beschäftigung Flaxmans mit dem schwedischen Mystiker und Theosophen Emanuel Swedenborg (1688-1772), dessen Ideen der Künstler anhing und zu dessen Hauptwerk Arcana Coelestia er eine Reihe von Darstellungen fertigte (London 1976, Nr. 35-38; Irwin 1979, Abb. 156; Hamburg 1979, Nr. 160, 161). Ihnen ließe sich das Mannheimer Blatt mit seiner Veranschaulichung des Jakobstraumes, den Swedenborg in den Artikeln 3697-3713 auslegt, problemlos anschließen. Es bezieht sich auf das 1. Buch Mose (28, 11-15), in dem von Jakobs Traum als einer Vision des Himmels die Rede ist: ... „und (Jakob) kam an einen Ort, da blieb er über Nacht; denn die Sonne war untergegangen. Und er nahm einen Stein des Orts und legte ihn zu seinen Häupten und legte sich an dem Ort schlafen./ Und ihm träumte; und siehe, eine Leiter stand auf der Erde, die rührte mit der Spitze an den Himmel, und siehe, die Engel Gottes stiegen daran auf und nieder;/ und der Herr stand obendarauf und sprach: Ich bin der Herr, Abrahams, deines Vaters, Gott und Isaaks Gott; das Land, darauf du liegst, will ich dir und deinem Samen geben." Flaxman zeigt nicht - wie das so viele Maler vor ihm und auch sein Freund William Blake getan haben (Hamburg 1975, Nr. 102 mit Abb.) - den in Bethel Träumenden, und auch auf eine Veranschaulichung des schutzverheißenden Gottes verzichtete er. Er gibt allein eine ins Endlose führende Treppe mit auf- und niedersteigenden Engeln wieder. Wie Blake ließ er die „Leiter" sich in sanften Kurven gen Himmel schwingen. Und auch er verlieh seinen Engeln, die den Menschen Gnaden bringen und Gott deren Bitten vortragen, dieselbe ätherische Anmut, wie sie die Gestalten seines englischen Künstlerfreundes auszeichnet. Unsere Zeichnung ist nicht datiert. Sie steht in ihrer Zartheit, in der Sparsamkeit der Lavierung und in der Reduzierung der Linien auf die Konturen Kat.-Nr. 48 nahe, die Flaxman in den Jahren nach 1804 geschaffen hat. Im übrigen legt - unter Fortfall der obersten Figur eine kleinformatige, mit raschen Strichen festgehaltene Bleistiftskizze im Britischen Museum die Mannheimer Komposition bereits fest (London, BM 18885-3-138; Hinweis von Roland Dorn, Mannheim).
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Abb. S. 227
Führe uns nicht in Versuchung (Lead us not into Temptation), nach 1804 Feder und Pinsel über Bleistift, braun laviert auf Velin; WZ J. WHATMAN/ 1804 47,4 x 24,6 cm Bezeichnet oben in Feder LEAD US NOT INTO TEMPTATION, unten links Blindstempel FxM (C. Fairfax Murray) Verso in Bleistift figürliche Skizze; unten Mitte bezeichnet (von fremder Hand) John Flaxman Inv. G 1866 [A.I. 2036/2] Erworben vom Antiquariat Joseph Baer & Co., Frankfurt a.M., am 3. 5. 1923, aus dem Flaxman-Sammelband von C. Fairfax Murray Lit.: Mannheim 1929, Nr. 9
Erst 1835, also neun Jahre nach dem Tod Flaxmans, erschien in London eine Mappe unter dem Titel Eight Illustrations of The Lord's Prayer from the Designs of the late John Flaxman, R. A. Drawn on Stone hy Richard Lane, A. R. A. Es handelt sich um Lithographien nach acht lavierten Zeichnungen, die in symbolhaft und monumental aufgefaßten Figurengruppen das Vaterunser illustrieren (nicht also in detailreichen Genreszenen, wie sie 1824 Joseph Führich und 1856 Ludwig RICHTER als Bebilderungen des Gebets geschaffen haben: Geller 1958; Stubbe 1968, I, Nr. 92-100). Die Mannheimer Zeichnung bezieht sich - wie schon die Beschriftung verdeutlicht- auf die Worte Und führe uns nicht in Versuchung. Zu sehen sind drei Frauen, die eine Treppe hinaufsteigen: Mit ausgestrecktem Arm weist die erste ihren Gefährtinnen den Weg zum „Höheren", während die mittlere mit beiden Armen die dritte Frau an sich zieht und vor Bösem zu bewahren sucht. Das Unheil wird vom Teufel verkörpert, der am Fuße der Treppe kauert, lockend einen prallen Geldbeutel hochhebt und als weiteres Sinnbild für irdische, vergängliche Macht eine Krone in der Rechten hält. Eine Schlange als traditionelles Symbol für das Übel schlechthin windet sich um sein linkes Bein. In vielen, zum Teil sehr kleinen Ideenskizzen hat Flaxman die Komposition des Mannheimer Blattes vorbereitet (London 1976, Nr. 25). Sie sollte allerdings nicht ohne nochmalige Änderungen lithographiert werden: Die endgültige Fassung, die in ihrem Detailreichtum
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deutlich reduziert und insgesamt weniger kraftvoll erscheint, zeigt den Teufel nun mit der Krone in der erhobenen Linken und dem Beutel in der an den Körper gepreßten rechten Hand. Wie sich aus dem Wasserzeichen des Papiers ergibt, kann unsere Zeichnung, die wie so viele Blätter Flaxmans nicht datiert ist, erst in den Jahren nach 1804 geschaffen worden sein. Die mit zarten Strichen notierte Bleistiftskizze auf der Blattrückseite gibt kaum erkennbar eine Variante der lithographierten Komposition zu den anschließenden Worten des Gebets But Deliver Us from Evil (vgl. dazu als weitere Entwürfe die Zeichnung in der Sammlung Christopher Powney: Hamburg 1979, Nr. 154 mit Abb., sowie das Blatt in The Art Museum, Princeton University: Irwin 1979, Abb. 138).
ERNST FRIES * 22. Juni 1801 Heidelberg t 11. Oktober 1833 Karlsruhe
Den ersten Zeichenunterricht erhielt der damals neunjährige Ernst Fries, Sohn eines Heidelberger Bankiers und Kunstsammlers, durch Friedrich Rottmann, der als Universitätszeichenmeister in Heidelberg lehrte. Seinen Studienaufenthalten in der Werkstatt des Karlsruher Hofmalers Carl Kuntz (1815), an der Münchner Akademie (1818) und in Darmstadt bei dem Architekten Georg Moller (1818/19) schlössen sich mehrere Reisen an. Sie führten ihn an den Rhein und die Mosel, in den Taunus und an die Bergstraße, nach Süddeutschland, ins Salzburger Land, nach Tirol und in die Schweiz. Zahlreich sind die topographisch überaus getreuen Landschaften und Stadtveduten, die Fries damals schuf und die als Vorlagen für Stiche und Lithographien topographischer Mappenwerke dienten. Im Herbst 1823 brach der junge Künstler gemeinsam mit seinem Darmstädter Freund Johann Heinrich SCHILBACH zu einer mehrjährigen, für angehende Künstler beinahe obligatorischen Reise nach Italien auf. Ende November des Jahres hatte er Rom, sein Ziel, erreicht, wo er bald Aufnahme in den Kreis um Joseph Anton K O C H , Martin von R O H D E N und Johann Christian R E I N H A R T fand. Intensiv sollte er nun
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seine Zeit nutzen. Davon zeugen die vielen genau beobachteten, hell durchlichteten und malerisch immer freier werdenden Landschaftsstudien, die er während seiner ausgedehnten Wanderungen durch Italien zeichnete. Von entscheidender Bedeutung ist die Begegnung mit Camille Corot gewesen, den er 1826 in Civita Castellana kennenlernte und dem er wichtigste Impulse für seine künstlerische Weiterentwicklung verdankte. Im Sommer 1827 kehrte Fries nach Deutschland zurück. Er ließ sich zunächst in Heidelberg, dann (Ende 1829) in München nieder und wertete nun viele seiner italienischen Studien für Ölgemälde und bildmäßige Federzeichnungen aus. Seine Ernennung zum großherzoglich-badischen Hofmaler zog ihn zwei Jahre später nach Karlsruhe. Dort starb Ernst Fries am 11. Oktober 1833 durch Selbstmord im Fieberwahn. Außer den nachfolgend aufgeführten Zeichnungen besitzt die Mannheimer Kunsthalle als weitere Werke des Malers eine 1820 geschaffene Lithographie ( H o f des Heidelberger Schlosses gegen den Eingang; Inv.Nr. G 3009), eine 1825 entstandene Ölskizze (Sturm am Palatin in Rom; Inv.-Nr. M 476) und eine Folge von Landschaften, die - von Friedrich Eisenlohr und Ludwig Kuntz lithographiert - 1834 unter dem Titel XX Skizzen von Ernst Fries zum Gebrauch als Vorlegeblätter für Landschaftszeichner in Karlsruhe erschien (Inv.-Nr. G 1299).
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Abb. S. 228, 229
Die Alte Brücke in Heidelberg,
1818 Bleistift auf Velin; WZ (angeschnitten) F 12,9 x 18,6 cm Bezeichnet unten links E. Fries fc. 1818 Verso in Bleistift Architekturstudie (oben beschnitten); unten links 24. Inv. G 4 8 0 [A.I. 618] Geschenk vom Direktor der Großherzoglichen Gemäldegalerie Mannheim, Hermann Eichfeld, am 31. 3. 1916 Lit.: Mannheim 1919, S. 27; Eberlein, Zeitschrift für bildende Kunst N F 31, 1920, Abb. S. 274; Gravenkamp 1925, Nr. 53; Gravenkamp, Cicerone 1925, S. 1074 mit Abb. S. 1071; Heidelberg 1927, Nr. 31; Bott 1978, S. 58-60 und Kat.-Nr. 6; Mannheim 1983, S. 75 mit Abb.
Als Eisgang und Hochwasser 1784 die hölzerne Konstruktion der Alten Brücke in Heidelberg zerstört hatten, entschloß die Stadt sich zu einer nun massiven, steinernen Wiederherstellung. Sie war vier Jahre später abgeschlossen. Das neue, nach Plänen von Mathias Mayer errichtete Bauwerk sollte nicht nur wegen seiner bedeutenden technischen Qualitäten, sondern auch wegen seiner Schönheit und des reizvollen Zusammenklanges mit der malerischen Umgebung zu Ruhm gelangen: Davon legen zahlreiche, vor allem in der Romantik entstandene Ansichten beredtes Zeugnis ab (vgl. etwa die Zusammenstellung bei Prückner 1988, S. 107ff.). Auch Ernst Fries ist von der Brücke fasziniert gewesen. Er machte sie 1818, wohl bald nach seiner Rückkehr aus München, zum Motiv der vorliegenden Zeichnung. Als Standort hatte er sich eine damals noch vorhandene Sandbank im Neckar ausgesucht. Mit feinen, präzisen Strichen hielt er den Blick nach Westen auf das flach gewölbte Bauwerk fest, das die Stadt mit dem nördlichen Ufer und dem Heiligenberg verbindet. Deutlich hob er die auf dem zweiten Brückenpfeiler aufgestellte, 1788 von Franz Conrad Linck geschaffene Statue des Kurfürsten Carl Theodor hervor - auf die Wiedergabe ihres Pendants am nördlichen Brükkenende, eines Minerva-Standbildes, verzichtete er jedoch ebenso wie auf die Darstellung der drei letzten Brückenbögen. Wichtig ist ihm hingegen die Ansicht der Stadt und des Torbaues mit den barockisierten Rundtürmen gewesen, und auch Details wie die in der Ferne ankernden Segelschiffe und die über die Brücke ziehenden Menschen und Wagen führte er als belebende Staffage dem Betrachter vor Augen. Auf der Rückseite der Zeichnung skizzierte Fries ein Motiv, das für die Romantik von besonderem Reiz gewesen sein muß (und das wegen einer späteren Beschneidung des Blattes nur noch zur Hälfte sichtbar ist): den Schlußstein mit der Darstellung eines schwebenden, kranzhaltenden Engelpaares, der das gotische Portal vom Ruprechtsbau des Heidelberger Schlosses schmückt (im gleichen Jahr zeichnete auch Johann Christoph E R H A R D das Tor: Staatliche Museen zu Berl i n - Preußischer Kulturbesitz, Kupferstichkabinett und Sammlung der Zeichnungen, Inv.-Nr. 34/3932: Wien 1990, Nr. 88 mit Abb.). Ob Fries diese Skizze gleichzeitig mit der Darstellung der Alten Brücke geschaffen hat oder ob er sie ein Jahr später im Zusammenhang mit seinen Heidelberger Schloßveduten zeichnete, muß dahingestellt bleiben (1820 als Lithographien bei Mohr und Winter in Heidelberg erschienen: Bott 1978, S. 143).
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Abb. S. 229
Blick von der Höhe auf Wellmich mit Burg Maus und dem Rheintal, 1819/1821 Bleistift auf Bütten; WZ GF 28,3 x 44,9 cm Bezeichnet unten rechts Welmig Verso unten Mitte E. Fries Inv. G 3049 Erworben von der Kunsthandlung C. G. Boerner, Leipzig, am 25.5. 1938 Lit.: Boerner, Versteigerungskatalog 199, 1938, Nr. 177; Bott 1978, Nr. 12
1819 war - neben Carl R O T T M A N N und anderen jungen Künstlern - auch Ernst Fries von dem Heidelberger Verleger Joseph Engelmann beauftragt worden, Vorlagen für eine geplante Folge von Landschaftsradierungen zu zeichnen. Unter dem Titel Malerische Ansichten des Rheins, der Mosel, des Haardt und Taunusgebiirges sollten diese Blätter, zu einer Mappe zusammengestellt, Reisenden als Andenken verkauft werden (Bott 1978, S. 25f.). Im Juni des Jahres brach der junge Künstler zu einer ersten Studienreise an den Rhein auf, die ihn von Darmstadt über Rüdesheim, Assmannshausen, Lorch und Bacharach nach Kaub führte; eine zweite Wanderung an Rhein und Mosel zur Fortsetzung der Landschaftsaufnahmen schloß sich 1821 an. Schon im darauffolgenden Jahr konnte die Mappe erscheinen; von ihren insgesamt 72 Motiven gehen 19 auf Zeichnungen von Ernst Fries zurück. Die auf dem vorliegenden Blatt wiedergegebene Ansicht von Wellmich befindet sich allerdings nicht darunter; sie ist aber zweifellos im Zusammenhang mit diesen Arbeiten entstanden. Nur flüchtig deutete Fries die umgebende Landschaft an. In erster Linie interessierten ihn die mittelalterlichen Architekturen als die eigentlichen touristischen Sehenswürdigkeiten, die er mit scharfem, spitzen Bleistift präzise wiedergab. Im Zentrum des Bildes ist als beherrschendes Motiv der Turm von St. Martin zu sehen, der die Häuser von Wellmich, einem kleinen, nur wenige Kilometer nördlich von St. Goarshausen gelegenen Ort, überragt. Genau und detailliert werden seine Eckund Mittellisenen, seine Bogenblenden und Fensteröffnungen vor Augen geführt. Das gilt auch für den türmchenbesetzten Helm, der in der hier wiedergegebenen Gestalt übrigens nur bis 1830, bis zu einer durchgreifenden Restaurierung, existiert hat.
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Ü b e r den Turm hinweg öffnet sich der Blick auf das Rheintal; links in der Ferne ist St. G o a r auszumachen. Zwei mittelalterliche Bauwerke auf steil ansteigenden Uferhängen bilden die seitlichen Rahmungen der K o m p o s i t i o n . Links erkennt man Burg Maus, eine bedeutende Anlage aus der Mitte des H . J a h r h u n derts, die bei der Sicherung der rechtsrheinischen B e sitzungen Triers eine wichtige R o l l e gespielt hatte. M i t dem vierstöckigen Wohnturm, dem Palas und den h o hen Wehrgängen sind die baulichen Einzelheiten korrekt so geschildert, wie sie sich vor der umfassenden Wiederherstellung im frühen 20. Jahrhundert dem B e trachter präsentiert haben. Von dokumentarischem Interesse für uns sind allerdings nicht nur der Kirchturm und die Wiedergabe der unrestaurierten Burg. Auch die Darstellung am rechten Bildrand erweist sich als bedeutungsvoll für die Lokalgeschichte. D o r t sieht man einen mit B o g e n friesen geschmückten, zweistöckigen Turm - ein B a u werk, das ursprünglich zur mittelalterlichen Stadtbefestigung von Wellmich gehörte und heute nur noch in geringsten Resten vorhanden ist. U m des k o m p o s i tioneilen Gleichgewichts willen hat Fries es hier mit der topographischen Treue allerdings nicht ganz so genau genommen. Setzte er doch den Turm auf einen deutlich zu hohen, an diesem O r t tatsächlich nicht vorhandenen Felsen, um auf diese Weise das eigentlich bescheidene B a u w e r k in seiner Gesamtwirkung zu steigern (zur Örtlichkeit vgl. D e h i o 1985, S. 1123f.).
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Torre de' Schiavi, 1823 Bleistift auf Bütten, WZ PM 21,40x37,45 cm Bezeichnet unten rechts Torre delli Schiavi Verso unten links 358 und 30x Inv. G 3328 Erworben von F. Baumert, Karlsruhe, am 9. 10. 1942 Lit.: Leverkusen 1974, o. S., o. Nr.; Bott 1978, Nr. 28; Barcelona 1988, S. 50 mit Abb. S. 51; Moskau 1992, S. 136, Nr. 94
I m Anschluß an seine Lehr- und Wanderjahre war Fries in Begleitung seines Darmstädter Freundes J o hann Heinrich SCHILBACH im H e r b s t 1823 nach Italien aufgebrochen. Ihr Reiseziel R o m erreichten die Maler am 13. N o v e m b e r des Jahres. N o c h im selben M o n a t
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zog Fries zu Landschaftsstudien hinaus in die C a m p a gna, „wo zwar fast kein B a u m meilenweit zu sehen ist", wie er in einem Tagebuch schreibt, „aber in Ferne, Gründen und Farben die schönsten Studien zu machen sind ... A u f solchen Touren, w o ich ... den ganzen Tag draußen in lieblicher Luft zeichnete, war mir immer am w o h l s t e n " (zit. n. Gravenkamp 1925, S. 38). Zu seinen vielen dort vor der N a t u r festgehaltenen Studien zählt auch die Mannheimer Zeichnung mit der Darstellung der Torre de' Schiavi. Es handelt sich um eine der besonders pittoresken Ruinengruppen in der Campagna, die mehr als einmal das Interesse der Künstler gefunden hat (erwähnt seien J o h a n n Christian REINHART, 1792: Feuchtmayr 1975, Nr. A 49, A b b . 366; Friedrich Weinbrenner, um 1792/97: Theilm a n n / A m m a n n 1978, Nr. 4396; Karl LINDEMANNFROMMEL, 1858: T h e i l m a n n / A m m a n n 1978, Nr. 2281 mit A b b . , und Salomon C o r r o d i : Sotheby's 1992, Nr. 181 mit Abb.). D e r teilweise eingestürzte R u n d bau liegt am östlichen Stadtrand von R o m an der nach Palestrina führenden Via Prenestina, damals inmitten der freien Landschaft aufragend, heute von W o h n b a u ten umgeben. Wie die umliegenden, von Fries ebenfalls dargestellten Ruinen gehört er zu den Resten einer prachtvollen, im dritten nachchristlichen Jahrhundert errichteten Villenanlage der Gordiani und hat ursprünglich als Mausoleum oder Kultstätte, im M i t telalter dann als Kirche gedient. Seinen N a m e n führt er nach der römischen Familie Dello Schiavi, die im 17. Jahrhundert in den Besitz des Geländes gelangt war. Das vorliegende Blatt zeigt, ebenso wie die Ansichten von Heidelberg und Wellmich (Kat.-Nr. 49, 50), daß der junge Künstler erstaunlich früh über eine vollendete Technik verfügte. Es führt darüber hinaus beispielhaft Kompositionsprinzipien vor Augen, die viele seiner Zeichnungen geprägt haben: die summarische Behandlung des Vordergrundes in großen und weichen Linien, die Konzentration auf ein zentrales, in den Mittelpunkt gerücktes und detailgenau geschildertes Hauptmotiv und ferner der Verzicht auf stimmungssteigernde, die Szenerie belebende Figurenstaffage. Eine weitere Ansicht der Torre de' Schiavi hielt Fries in einem 1823/25 zu datierenden Skizzenbuch fest (Vorsatzblatt; Kurpfälzisches Museum Heidelberg, Inv.-Nr. Z 391).
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Abb. S. 231
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Abb. S. 232
Massa, 1825
Rom, 1826
Bleistift auf Velin; W Z ligiertes Monogramm (FFPf) 20,3 x 27,8 cm Bezeichnet unten rechts Massa 29. May 2.5., oben rechts 12 Verso in Bleistift Skizze einer Brücke Inv. G 3324 Erworben von F. Baumert, Karlsruhe, am 9. 10. 1942 Lit.: Gauss 1976, Nr. 273; Bott 1978, Nr. 50
Bleistift auf Velin 20,4 x 27,8 cm Bezeichnet rechts unten Rom den 28ten Febr. 1826., oben rechts 32 Inv. G 3329 Erworben von F. Baumert, Karlsruhe, am 9. 10. 1942
Im März 1825 war Fries von R o m aus zunächst nach Florenz, dann weiter nach Carrara und Massa gezogen, wo er wenige Wochen später eintraf. Mehrere Monate verlebte er in der Gegend um den kleinen, seiner Marmorbrüche wegen weltberühmten O r t an der Riviera di Levante und schuf während dieser Zeit auf seinen Ausflügen zahlreiche Landschaftsstudien (Gravenkamp 1925, Nr. 129-141; Wechssler 1975, Nr. 6 1 - 6 3 , 65, 6 8 - 7 0 ; Bott 1978, Nr. 48, 52, 59). Auf unserer Zeichnung hielt der Künstler einen Blick auf Massa Vecchia fest, den älteren Teil des Ortes mit dem Kastell der Malaspina auf dem Gipfel des Hügels. Seine Aufmerksamkeit galt in erster Linie der mittelalterlichen Festung und einigen Gebäuden am westlichen Berghang. Die Häuser im Vordergrund hingegen interessierten ihn kaum, sie deutete er mit summarischen Strichen lediglich in ihren Konturen an. Auch die Berge der Apuanischen Alpen im Hintergrund skizzierte er nur flüchtig, die Umrisse mit großzügig zusammenfassenden, nicht im Detail modellierenden Parallelschraffuren ausfüllend. Von anderen, den Blick nach Westen bietenden Standorten zeichnete Fries übrigens die alte Burg in jenen Wochen noch weitere Male (Hamburg, Kunsthalle, Inv.-Nr. 47343, und Karlsruhe, Kunsthalle, Inv.Nr. V I I I 1392: Theilmann/Ammann 1978, Nr. 1038 mit Abb.). Auf der Rückseite des Blattes erkennt man die rasch hingeworfene Ansicht einer flach gewölbten, zwei kastellartige Gebäude miteinander verbindenden Brükke, deren Scheitelpunkt ein Bildstock krönt. Bei der Flüchtigkeit der Darstellung muß eine genaue Identifizierung dahingestellt bleiben.
Auch während des Winters 1825/26, den er wieder in R o m verbrachte, setzte Fries seine Studien vor der Natur fort. Zu den damals entstandenen Landschaften und Stadtansichten (Gravenkamp 1925, Nr. 109-110, 114-118) ist auch unsere Bleistiftzeichnung zu zählen. Es handelt sich um eine ausgesprochen bildmäßig wirkende Darstellung, die im Vergleich mit früheren Werken eine stilistische Entwicklung hin zum Malerischen erkennen läßt. Das Strichbild insgesamt erscheint freier und großzügiger, die Linien sind weicher und kreidiger geworden. Differenziert eingesetzte Schraffuren zeichnen die atmosphärischen Lichterscheinungen mit ihren Helligkeiten und dunklen Schatten eindringlich nach und schließen Landschaft und Natur, antike Plastik und mittelalterliche Architektur zu einem überzeugend einheitlichen Ensemble zusammen. Fries wählte für seine Zeichnung einen Standort in den Farnesichen Gärten auf dem kaiserlichen, dem Forum Romanum benachbarten Palatin, auf dem die Herrscher ihre großartigen Paläste hatten errichten lassen. Mit dem Ende des römischen Reiches war auch dieser vormals so glanzvolle O r t in Vergessenheit geraten. Die Natur überwucherte die einstige Pracht, die Bauten verfielen - und zeugten geradezu sinnbildhaft von der Vergänglichkeit und Hinfälligkeit aller irdischen Macht. „Wer deutet uns diese Ruinen der Kaiserpaläste, zu deren Herrlichkeit Augustus den Grund legte und von den folgenden Cäsaren so vieles beigetragen ward! Wer zeigt uns die Spuren von N e ros goldnem Hause und dem Palaste Domitians, die vielleicht schon unter den letzten römischen Kaisern gesucht wurden! Als R o m in die Hände der Barbaren fiel, ward vollends dieser Hügel und alles was er trug, das Hauptziel ihrer Wuth und Zerstörungslust, und diese namenlosen Trümmer, mit denen er übersäet ist, zeugen voll stummer Beredtsamkeit noch heute von jener unseligen Zeit der Verheerung und jener früheren und schöneren ihres Glanzes", schrieb 1820 Hermann Friedländer über diese Gegend. „Anziehend ist
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übrigens noch ein Platz (in den Farnesischen Gärten), auf welchem, vom Gesträuch umsponnen, viele Reste von Säulen, Friesen und Sarkophagen zerstreut liegen. In der Mitte desselben dient ein großes umgewälztes Stück eines Architravs als Tisch und rings umher gestellte Säulenkapitäler als Sitze. Hier im Schatten der immergrünen Eichen und Lorbeern haben vor einiger Zeit die preußischen Künstler den Geburtstag ihres Königs gefeiert..." (Friedländer 1820, II, S. 19f.). Ganz offensichtlich hat Fries genau diesen reizvollen und geschichtsträchtigen Ort in der vorliegenden Zeichnung festgehalten. Zwischen Bäumen und Strauchwerk gleitet der Blick des Betrachters nach Osten über das Tal hinweg auf den Caelius hin zur Kirche SS. Giovanni e Paolo; die ersten Anhöhen der Sabiner Berge sieht er in der Ferne. Im Vordergrund liegen malerisch verstreut die Fragmente antiker Skulptur. Die Aufmerksamkeit gilt - neben den Säulenkapitellen - in erster Linie dem großen, ins Bildzentrum gerückten Bruchstück mit der Reliefdarstellung einer Viktoria und eines Tropaions. Es ist bei aller Lockerheit und Freiheit der Linien überaus genau wiedergegeben, und so läßt es sich denn auch der römischen Bauplastik genau zuordnen. Wie eine Reihe weiterer (heute im römischen Palazzo Farnese, auf dem Palatin selbst und im Neapeler Nationalmuseum aufbewahrter), gleichfalls nur fragmentiert erhaltener Reliefs gehörte es ursprünglich zum Gebälk der Aula Regia, d. h. des Thronsaales, der von Kaiser Domitian in den Jahren 90/91 n. Chr. auf dem Palatin erbaut worden war (Blanckenhagen 1940, S. 64ff. mit Abb.; im übrigen sollte das Fragment bereits zwei Jahre nach seiner Darstellung auf unserem Blatt zum Gegenstand der archäologischen Forschung werden: 1828 publizierten C. Thon und N. Ballanti es in ihrer Untersuchung zum Domitians-Palast: Taf. 6; Ralf Grüssinger, Heidelberg, sei für die Identifizierung der antiken Skulptur gedankt). Mit den Ruinen des Palastes des Septimius Severus aquarellierte Fries in jenen Tagen, am 23. und 24. Februar 1826, eine weitere Palatin-Ansicht (Kurpfälzisches Museum Heidelberg, Inv.-Nr. Z 438: Wechssler 1975, Nr. 76 mit Abb.; die Vorstudie dazu in Karlsruhe, Kunsthalle: Theilmann/Ammann 1978, Nr. 1041 mit Abb.). Und schon im Jahr zuvor hatte er von dort den Blick auf die beiden Kirchen San Bernardo alle Terme und Santa Maria degli Angeli in einer Ölskizze festgehalten (Sturm am Palatin; Kunsthalle Mannheim, Inv.-Nr. M 476).
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Abb. S. 233
Papigno, 1826 Bleistift auf Velin; W Z CS im Lorbeerzweig und 614 29,3 x 36,3 cm Bezeichnet unten links Papigno, unten rechts E. Fries (eigenhändig?) Verso unten links 20 (von fremder Hand) Inv. G 3582 [A.I. O . Z.2.2.] Kuntzsche Stiftung vom 4. 11. 1873; nachinventarisiert bei der Inventarüberprüfung am 29. 10. 1947 Lit.: Gravenkamp 1925, Nr. 178; Leverkusen 1974, o. S., o. Nr.
Mitte April 1826 machte sich Fries in Gesellschaft von Ernst W E L K E R und Edouard Bertin zu einer Wanderung durch Latium und Umbrien auf. Der Weg führte die Künstler über Veji, Ronciglione und Viterbo an den Lago di Bolsena; Orvieto, Terni, Civita Castellana (Kat.-Nr. 57) und Corchiano (Kat.-Nr. 58) waren weitere Stationen der Reise, die bis zum Juni des Jahres dauerte. Daß auch der kleine Ort Papigno von Fries aufgesucht wurde, bezeugt das vorliegende Blatt ebenso wie weitere Landschaftsansichten. Sie zeichnete Fries zwischen dem 12. und 14. Mai im Städtchen selbst und in der näheren Umgebung (Gravenkamp 1925, Nr. 174-177; Theilmann/Ammann 1978, Nr. 1044 mit Abb.; Bernhard 1973, S. 411,420 mit Abb. und jeweils falscher Transkription; ein Blatt in der Mappe XX Skizzen von Ernst Fries zum Gebrauch als Vorlegeblätter für Landschaftszeichner, lithographirt von L. Kuntz und Fr. Eisenlohr, Karlsruhe 1834). Ihn scheint der malerische, wenige Kilometer südöstlich von Terni auf dem Weg zu den berühmten Wasserfällen des Velino gelegene Ort besonders fasziniert zu haben. Für die Mannheimer Skizze, eine Gesamtansicht Papignos von Süden, hatte Fries einen Standort auf der bergan führenden Via del Velino ausgesucht. Dort bot sich ihm ein besonders schöner Blick auf die eng ineinander verschachtelten Häuser, die sich auf steilem, in das Nera-Tal vorspringendem Kalksteinsporn drängen und von der Chiesa Santissima Annunziata überragt werden. Mit zartesten Linien zeichnete er in der Ferne die Konturen der Umbrischen Apenninen nach, die jenseits des Nera-Beckens den Horizont begrenzen, und umriß mit kristallinisch klaren, präzisen Strichen die kubischen Hausformen. Dabei führte er nur Teile des Architekturensembles in allen Einzelheiten aus: Lediglich auf die westlich über steilem Hang
aufwachsende Gebäudegruppe und auf die am Wegrand liegenden Häuser und Schuppen erstreckt sich die malerische Modellierung mit Licht und Schatten. Schon im Jahr zuvor hatte sich Fries in dieser Gegend aufgehalten. Dies bezeugen mehrere Studien im italienischen Skizzenbuch von 1823/25 (Heidelberg, Kurpfälzisches Museum, Inv.-Nr. Z 391, Blatt 10-13, besonders Blatt 12 verso) und eine in das Frühjahr 1825 zu datierende Darstellung des Nera-Tals bei Papigno (Wechssler 1975, Nr. 60). Auch auf Landschaftsdarstellungen anderer Künstler begegnet das malerische Dorf als Bildmotiv. So gaben Julius SCHNORR VON CAROLSFELD ( 1 8 1 7 : R o m 1 9 8 1 , N r . 1 2 4 m i t A b b . ) u n d Leo von
KLENZE ( 1 8 3 0 : L i e b / H u f n a g l
1 9 7 9 , S. 1 8 1 ,
Nr. Z 169, Z 170 mit Abb.) Papigno von demselben Standort wieder, den Fries für das Mannheimer Blatt gewählt hatte, und nicht weit davon entfernt hielt sich Johann Heinrich SCHILBACH auf, als er seine Zeichnung von Papigno schuf (1823/28: Hamm/Darmstadt/Gießen 1984, Nr. 17 und Abb. S. 61).
Porträt der Domenica Sapora (Bernhard 1973, S. 420 mit Abb.) - die junge, verträumt vor sich hinblickende Frau in halber Figur und im Dreiviertelprofil wieder. Sie erscheint in der so oft von den Künstlern der Zeit dargestellten Festtracht der römischen Bäuerinnen: im engen Miederkleid mit dem eingesteckten Brusttuch und dem charakteristischen, viereckig gefalteten und flach auf dem Kopf aufliegenden Schleiertuch. Seine Aufmerksamkeit konzentriert der Zeichner ganz auf die Physiognomie, deren plastische Formen er durch sorgfältige Kreuz- und Parallelschraffuren, weich verwischte Flächen und Weißhöhungen herausarbeitete. Weniger wichtige Partien wie die Kleidung ließ er demgegenüber zurücktreten; sie skizzierte er mit raschen, summarisch zusammenfassenden Linien und großzügig gesetzten Schraffuren.
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Abb. S. 235
Zwei Italienerinnen, wohl 1826 55
Abb. S. 234
Catarina Neri, 1826 Bleistift und schwarze Kreide (ehemals weiß gehöht) auf stark hadernhaltigem Bütten 28,6 x 21,25 cm Bezeichnet unten links in Bleistift Catarina Neri. / den Uten May 1826. Verso Mitte in Bleistift Ernst Fries (von fremder Hand) Inv. G 2992 Erworben von der Kunsthandlung C. G . Boerner, Leipzig, am 19. 6. 1937 Lit.: Boerner, Versteigerungskatalog 195, 1937, Nr. 36; Leverkusen 1974, o. S., o. Nr.; Barcelona 1988, S. 46f. mit Abb.; Moskau 1992, S. 136, Nr. 92 mit Abb. S. 137
Sein eigentliches Interesse hatte Ernst Fries stets der Landschaftsdarstellung zugewandt; dies war das Gebiet, auf dem er sich in erster Linie auszeichnete. Daneben aber widmete er sich während seines gesamten künstlerischen Schaffens immer auch der Porträtkunst, wie die nicht geringe Zahl von überlieferten Bildnissen seiner Verwandten, Freunde und Bekannten bezeugt. Zu solchen Studien gehört das Bildnis der Catarina Neri, das der Künstler im Mai 1826 während seines Aufenthaltes in Papigno (Kat.-Nr. 54) aufs Papier gebracht hat. Es gibt - unmittelbar verwandt mit dem schönen, von ihm am gleichen Tag festgehaltenen
Bleistift auf dünnem Velin 25,1 x 19,2 cm Bezeichnet verso unten links 6. und 149 Inv. G 3395 Erworben von E Baumert, Karlsruhe, am 2. 8. 1943
Zu den immer wieder aufgegriffenen Motiven in der Kunst der deutsch-römischen Maler gehört das italienische Landvolk mit seinen schönen, malerisch gekleideten Menschen (vgl. Kat.-Nr. 177,179,181-193). Von ihnen ist auch Ernst Fries fasziniert gewesen. Seine Zeichnung gibt zwei junge Frauen in der bäuerlichen Tracht Latiums wieder. Sie sind in ein Gespräch vertieft: Versonnen, mit aufgestütztem Kopf lauscht die sitzende Frau den Worten der vor ihr Stehenden. Die ausgesprochen szenische Auffassung der Darstellung könnte an die Modellstudie für eine Staffage denken lassen (vgl. etwa Wechssler 1975, Nr. 72) - nachzuweisen ist ein späterer Rückgriff des Künstlers auf diese Gruppe allerdings nicht. Die nicht datierte Zeichnung schließt sich, wie die langgezogenen, weichen Konturlinien und die differenzierten Schraffuren deutlich machen, stilistisch eng an das Bildnis der Catarina Neri an (Kat.-Nr. 55). Fries wird sie wohl ebenfalls 1826 und vermutlich während seiner Wanderung durch Umbrien und Latium geschaffen haben.
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Abb. S. 236
Brücke über einen Fluß bei Civita Castellana, 1826 Bleistift auf Velin 27,8 x 39,2 cm Bezeichnet unten rechts E. Fries (eigenhändig?) Verso unten links 19 Inv. G 3584 [A.I. O.Z.2.2.] Kuntzsche Stiftung vom 4. 11. 1873; nachinventarisiert bei der Inventarüberprüfung am 29. 10. 1947 Lit.: Gravenkamp 1925, Nr. 181; Leipzig 1926, Nr. 120; Leverkusen 1974, o. S., o. Nr.; Bott 1978, Nr. 76a; Moskau 1992, S. 136, Nr. 93 mit Abb. S. 137
Eine der letzten Stationen auf der Wanderung der Künstlerfreunde durch Latium und Umbrien im Frühjahr 1826 (vgl. Kat.-Nr. 54, 55, 58) ist Civita Castellana gewesen, etwa 50 km nördlich von Rom an der Via Flaminia gelegen. Der Ort erhebt sich, wie Ferdinand Gregorovius in seinen Wanderjahren durch Italien schildert, „auf einer Felsenfläche, deren schroffe, rötliche, von Schlinggewächs umrankte Wände als natürliche Mauern dienen, während der Fluß Treja um sie her fließt. Schön gebaute, zum Teil alte Brücken führen von mehreren Seiten über den Fluß ... Die tiefe, prachtvolle, oft sehr enge Felsschlucht, die die Treja durchrissen hat, bietet mannigfaltige und wahrhaft überraschende Ansichten dar, die den Maler entzücken müßten" (Gregorovius 1937, S. 43). Die Freunde trafen Mitte Mai dort ein; sie blieben bis zum Ende des Monats, wie mehrere datierte Landschaftzeichnungen von Ernst Fries belegen (Bott 1978, Nr. 76-86). Der Künstler begegnete in Civita Castellana dem französischen Landschaftsmaler Camille Corot. Dieses Treffen sollte außerordentliche Bedeutung für ihn im Hinblick auf seine Kunst, speziell auf das malerische Erfassen luministischer Gesamtwirkungen, haben. Dokumentiert ist die Begegnung durch ein von Fries gezeichnetes Porträt Corots (Dresden, Kupferstichkabinett, Inv.-Nr. C 1963-835; Abb. bei Bernhard 1973, S. 409). Und auch zwei aufs engste zusammenhängende Blätter der beiden Maler sprechen von einer unmittelbaren Beziehung: eine vom mai 1826 datierende Zeichnung Corots (Robaut 1965, Nr. 2507 mit Abb.) und eine Ansicht, die Ernst Fries am 17ten May 1826 aufs Papier brachte (Düsseldorf 1965/66, Nr. 50, Abb. 14; Bott 1978, Nr. 76). Beide Darstellungen sind zweifellos gleichzeitig und am identischen Standort
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festgehalten worden. Sie geben den Blick auf eine rundbogige Brücke, den Ponte Cellio, wieder. Fries hat von seiner Zeichnung mit dem vorliegenden Blatt eine Wiederholung in gleicher Technik und fast übereinstimmenden Maßen geschaffen. Er zeigt uns ein flaches, steiniges Flußbett, das sich tief zwischen schroffe Felswände eingegraben hat. Von der nur flüchtig angedeuteten vorderen Bildzone leitet er unseren Blick am Ufersaum entlang zum Hauptmotiv der Darstellung: zur außerordentlich detailliert und mit fest aufgesetztem Stift wiedergegebenen Brücke. Sie hebt sich kräftig vor dem hellen, mit zarten Strichen behandelten Hintergrund und den ebensowenig ausgearbeiteten seitlichen Felsenpartien ab; ein Bauer mit geschultertem Heubündel überschreitet sie soeben. Für die Eigenhändigkeit unseres Blattes, das den Bildausschnitt etwas weiter faßt als die Düsseldorfer Zeichnung, spricht die freie Zeichenweise (etwa bei den Schraffuren und Detailformen) ebenso wie die souveräne Strichführung, die nichts von ängstlicher Kopistenmanier erkennen läßt (vgl. auch Kat.-Nr. 58). Nicht nur Corot und Fries haben die Brücke im Bild festgehalten. 1778 zeichnete sie vom selben Standort auch Jakob Philipp HACKERT (Nordhoff/Reimer 1994, Nr. 745 mit Abb. 358), und 1794 wurde sie, wieder von gleicher Stelle aus, von Jakob Wilhelm Mechau zum Motiv einer Radierung gemacht (Abb. bei Fichter 1994, S. 91; der Titel der Radierung nennt übrigens mit Ponte Cellio ihren Namen).
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Abb. S. 237
Corchiano, 1826 Bleistift und schwarze Kreide auf Velin, Schöpfkante am oberen, rechten und unteren Bildrand; WZ J. WHÄTMAN 1804 43,3 x 34 cm Bezeichnet unten Mitte in Bleistift Corchiano, unten rechts E. Fries (eigenhändig?) Verso unten 22 Inv. G 3585 [A.I. O.Z.2.2.] Kuntzsche Stiftung vom 4. 11. 1873; nachinventarisiert bei der Inventarüberprüfung am 29. 10. 1947 Lit.: Gravenkamp 1925, Nr. 184; Leipzig 1926, Nr. 119; Mannheim 1929, Nr. 19; Leverkusen 1974, o. S., o. Nr.; Bott 1978, Nr. 81a
Zu diesen Blättern zählt auch eine am 26. Mai entstandene Darstellung in Bleistift und schwarzer Kreide, die das über schroffen Tuffsteinfelsen aufwachsende Dorf aus der Untersicht und damit in geradezu dramatischer Überhöhung wiedergibt (Frankfurt, Städelsches Kunstinstitut, Inv.-Nr. H 309). Eine Wiederholung dieser Frankfurter Zeichnung in derselben Technik und in fast identischen Maßen schuf Fries mit dem vorliegenden Blatt. Es läßt gegenüber der Vorlage nur geringfügige Unterschiede - etwa im Baumschlag und in den Schraffuren - erkennen. Seinen Standort hatte der Künstler am Grunde der wilden, kaum zugänglichen Schlucht des Rio Fratta gesucht, über deren Nordwand sich Corchiano erhebt. Zweifellos ist es der Kontrast zwischen der urwaldhaften, wild wuchernden Naturszenerie und der kubisch-kristallinen Struktur des Architekturensembles gewesen, der den Künstler fasziniert hat.
Unmittelbar im Anschluß an seine Wanderungen durch Latium und Umbrien unternahm Fries noch im Juni 1826 eine weitere größere Reise, die bis Mitte September des Jahres dauerte. Die Rekonstruktion ihres Verlaufs wird durch eine Reihe von Landschaftszeichnungen möglich, die der Künstler häufig mit genauen Angaben zu Ort und Datum versehen hat. Danach führte der Weg ihn zunächst über Terracina nach Neapel, von dort aus über Eboli nach Paestum. Ende Juni ist Fries wieder in der Gegend um Neapel, seit Mitte Juli am Golf von Salerno nachweisbar. Zu den zahlreichen Landschaftsstudien, die er damals geschaffen hat, gehören auch die Blätter Kat.-Nr. 59-61 im Besitz der Mannheimer Kunsthalle. Am 26. Juni hatte Fries auf dem Weg nach Eboli haltgemacht im Kloster La Trinita di Cava bei Cava de' Tirreni, nicht weit von Vietri im Gebirge gelegen. Er zeichnete mehrere Ansichten dieser berühmten Benediktinerabtei, die zu Beginn des 11. Jahrhunderts gegründet worden ist (Theilmann/Ammann 1978, Nr. 1056, 1057). Zu ihnen zählt auch das vorliegende, die Umgebung des Klosters schildernde Blatt. Gravenkamp hat es ohne nähere Begründung dem Werk des Künstlers abgeschrieben - zu Unrecht, wie wir meinen. Zeigt es doch die für Fries charakteristische Konzentration der Darstellung auf das Bildzentrum, die ihm eigentümliche Konturierung von Bäumen und Büschen und die für ihn typische Art der gleichmäßigen Parallelschraffuren - Merkmale, die einen Zweifel an der Eigenhändigkeit nicht aufkommen lassen sollten.
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Eine flüchtige, die Details nur andeutende Vorzeichnung für unser Blatt befindet sich in Stuttgart (Staatsgalerie, Inv.-Nr. C 75/2513; Abb. bei Gauss 1976, Nr. 1667 und Tf. CCIX).
Auf seiner Wanderung durch Latium und Umbrien im Frühjahr 1826 (vgl. Kat.-Nr. 54, 55, 57) besuchte Fries auch Corchiano, ein pittoreskes, nur wenige Kilometer nordwestlich von Civita Castellana gelegenes Dorf. Er hat sich dort Ende Mai 1826 aufgehalten, wie mehrere datierte Ansichten dieses Ortes und seiner Umgebung bezeugen (Gravenkamp 1925, Nr. 182-185; Wechssler 1975, Nr. 89 mit Abb.; Theilmann/Ammann 1978, Nr. 1046 mit Abb.; ein Blatt in der Mappe XX Skizzen von Ernst Fries zum Gebrauch als Vorlegeblätter für Landschaftszeichner, lithographirt von L. Kuntz und Fr. Eisenlohr, Karlsruhe 1834).
Abb. S. 233
La Trinità di Cava, 1826 60 Bleistift auf Velin 29,4x39,1 cm Bezeichnet unten links Trinita bei Cava, unten rechts Ernst Fries (eigenhändig?) Verso unten links 21 Inv. G 3583 [A.I. O.Z.2.2.] Kuntzsche Stiftung vom 4. 11. 1873; nachinventarisiert bei der Inventarüberprüfung am 29. 10. 1947 Lit.: Gravenkamp 1925, o. S. (im Kapitel der irrtümlich Fries zugeschriebenen Zeichnungen); Leipzig 1926, Nr. 121; Leverkusen 1974, o. S., o. Nr.
Abb. S. 238
Haus am Golf von Neapel, 1826 Bleistift auf Bütten, Ränder beschnitten 14 x 18,9 cm Bezeichnet unten rechts Neapel den 30ten Juni (die Jahreszahl beschnitten: als 1826 zu lesen) Verso unten links E. Fries und Ernst Fries/ Ausschnitt etwas größer. 4 Seiten festkleben (von verschiedenen Händen), unten rechts 8922 (ausradiert, aber noch lesbar) Inv. G 2993 Erworben von der Kunsthandlung C. G. Boerner, Leipzig, am 19. 6. 1937 Lit.: Boerner, Versteigerungskatalog 195, 1937, S. 4, Nr. 27 mit Taf. X; Barcelona 1988, S. 48f. mit Abb. S. 49
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Am 30. Juni 1826, während seiner Reise an den Golf von Neapel (Kat.-Nr. 59, 51), schuf Ernst Fries diese Zeichnung. Er hat sie mit der Ortsangabe Neapel versehen - einer nur im weiteren Sinne genauen Bezeichnung, denn wiedergegeben ist zweifellos ein Motiv aus Sorrent, am Golf von Neapel gelegen. Hoch über der Bucht erhebt sich auf mächtigen Substruktionen ein einfaches Haus in kubischen Formen, zu dem ein steiler, von einer dichtbewachsenen Pergola geschützter Weg hinaufführt. Weit in der Ferne erstreckt sich das Meer, auf dem Schiffe segeln; im Hintergrund ragt der Vesuv auf. Von diesem außerordentlich malerischen Motiv ist übrigens nicht nur Ernst Fries fasziniert gewesen. Schon Franz Louis Catel hatte es entdeckt und 1822 für eines seiner zahlreichen italienischen Vedutenund Sittenbilder verwendet ( G o l f von Neapel mit Fruchthändler, Öl/Eisenblech, 22 x 31 cm; Staatliche Museen zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz, Nationalgalerie, Inv.-Nr. S.W. 36; Abb. in Berlin 1976, S. 80).
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Abb. S. 168
Süditalienische Landschaft (Meerbusen von Sorrent), 1826 Aquarell über Bleistift auf Bütten 22,45 x 42,6 cm Bezeichnet verso in Bleistift unten Mitte No 237 und 1/21 Inv. G 3043 Erworben vom Antiquariat Wilhelm Köberlin, München, am 18. 2. 1938 Lit.: Kiel 1960, Nr. 29
Wie Kat.-Nr. 60 und eine Reihe weiterer Landschaften malte Fries dieses Aquarell im Sommer 1826 während seines Aufenthaltes am Golf von Neapel (Wechssler 1975, Nr. 94-97 mit Abb.; Gravenkamp 1925, Nr. 214-219, 223,228,232). Die von transparenter Leuchtkraft erfüllte Darstellung führt dem Betrachter das weiträumige Panorama der Bucht von Sorrent vor Augen. Rechts am Bildrand liegt auf steiler Uferböschung der Ort; flach und unbewegt erstreckt sich vor ihm das Meer, auf dem ein einzelnes Fischerboot schwimmt; am Horizont ragen die Ausläufer der Monti Lattari auf. Wie bei vielen Zeichnungen des Künstlers spielt die vordere Bildpartie auch auf dem vorliegenden Aquarell keine Rolle.
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Erst im Mittelgrund zog er mit breiten Pinselstrichen eine schmale, hellblaue Farbschicht über das Papier. In zartem Kontrast setzen sich dagegen die in warmen Ockertönen gehaltene Steilküste und das in fein abgestuftem Braunrot wiedergegebene Gebirge ab. Die Farben liegen über einer knappen, nur die groben Umrisse der Komposition fixierenden Bleistiftskizze. Sie sind - Ausdruck einer mehr zeichnerischen denn malerischen Haltung - deutlich an den Gegenstand gebunden, gehen auch in der Ferne nicht ineinander über, sondern lassen die Formen in ihrer Kleinteiligkeit erkennbar bleiben. Von besonderem ästhetischen Reiz und aufschlußreich für die Arbeitsweise des Künstlers zeigt sich das unvollendete Blatt am rechten Bildrand, wo die Vorzeichnung noch nicht von der Aquarellierung bedeckt ist.
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Abb. S. 169
Tivoli, 1826 Aquarell und Bleistift auf Bütten 18,4 x 31 cm Bezeichnet unten links in Bleistift Ernst Fries.- / Tivoli 21. Oct. 1826 Verso unten links 244. Inv. G 2298 Erworben 1927 vom Kunstauktionshaus Dr. Fritz Nagel, Stuttgart Lit.: Heidelberg 1927, Nr. 99; Mannheim 1929, Nr. 20; Kiel 1960, Nr. 30; Leverkusen 1974, o. S., o. Nr.
In der zweiten Septemberhälfte 1826 war Fries von seiner Süditalienreise nach Rom zurückgekehrt. Nur wenige Tage hielt es ihn dort. Noch im selben Monat machte er sich in Gesellschaft des Landschaftsmalers Edouard Bertin auf nach Olevano, Subiaco und Tivoli. Auch während dieses mehrwöchigen Ausfluges schuf er zahlreiche graphische Blätter und Aquarelle (Gravenkamp 1925, Nr. 262-288). Drei dieser außerordentlich qualitätvollen Darstellungen, die ihn auf dem Höhepunkt seiner künstlerischen Entwicklung zeigen, besitzt die Mannheimer Kunsthalle (Kat.Nr. 62-64). Eines dieser Blätter ist das von intensiver Farbigkeit erfüllte Aquarell, das eine Wegkapelle bei Tivoli wiedergibt. Vor dem bergigen Hintergrund der Monti Tiburtini in ihren kühlen grünen und blauen Schattierungen stehen in starkem Farbgegensatz Bildstock und Brunnenhaus, Weg und Felsen, für die der Maler
warme Ocker- und Brauntöne gewählt hat. Auffallend - und nicht eben kennzeichnend für die Aquarelltechnik überhaupt, dafür aber charakteristisch für den Zeichner Ernst Fries - ist die hier zu beobachtende Vorliebe für plastisch geschiedene Detailformen. Sie zeigt sich besonders deutlich an der jungen, den Weg hinabschreitenden Bäuerin, deren Tracht in intensivem Blau und Rot kontrastierend vor dem dunklen Grün des bewaldeten Tales steht. Eine Ansicht desselben Motivs, vom gleichen Standort aufgenommen, aquarellierte 1835 auch August LUCAS (München, Privatbesitz; Abb. bei Bernhard 1973, S. 854).
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Abb. S. 239
Ahornbäume im Garten der Villa d'Este, 1826 Bleistift auf Velin 21,2 x 30,1 cm Bezeichnet unten rechts Ahorn Bäume / Villa d'Este 22 Oct. /
1826
Verso in Bleistift 421.; in roter Kreide 5 /; Ernst Fries (von fremder Hand) Inv. G 3327 Erworben von F. Baumert, Karlsruhe, am 9. 10. 1942
Mit dem Terrassengarten der um 1560/80 von Kardinal Ippolito d'Este errichteten Villa d'Este in Tivoli war im Manierismus ein Kunstwerk geschaffen worden, das mit seiner wunderbaren Einheit von Architektur, Landschaft und Wasser zu den berühmtesten Attraktionen von Latium gehört. Mit dem Erlöschen der Familie d'Este 1803 verwahrlosten Schloß und Park, dessen prachtvolles, sich nun frei und ungehindert ausbreitendes Baum- und Buschwerk die Maler immer wieder fasziniert und zu Darstellungen angeregt hat - genannt seien hier lediglich Philipp VEIT, Johann Adam KLEIN, Carl BLECHEN, August LUCAS und Friedrich PRELLER D. Ä. Auch Ernst Fries, der sich im September und Oktober 1826 in Tivoli aufhielt, hat nicht nur den Vestatempel, die Neptunsgrotte, die Ruinen der Villa Adriana und die Wasserfälle des Anio als die spektakulären Sehenswürdigkeiten der Stadt gezeichnet (vgl. Kat.-Nr. 23a, 23b, 233), sondern auch die vielbewunderten Zypressen und Ahornbäume des Parks aufs Papier gebracht (Bernhard 1973, Nr. 408 mit Abb.; Theilmann/Am-
mann 1978, Nr. 1061 mit Abb.; Wechssler 1975, Nr. 115 mit Abb.; Gravenkamp 1925, Nr. 272). Für die Darstellung des vorliegenden Blattes entschied er sich für einen Standort an der Ostseite der Gartenanlage, dicht unterhalb der Kirche La Carita. Sein Blick ist über die Parkmauer hinweg hoch zur Apsis des romanischen Bauwerks gerichtet, das hinter üppigen Bäumen - damals Ahornbäumen, wie die Beschriftung besagt, heute Steineichen und Pinien - auftaucht. In der Ferne sind die Häuser von Tivoli zu erkennen. Das Interesse des Künstlers galt bei dieser Naturstudie nicht etwa den exakt zu erfassenden Einzelformen der Bäume - wie sie beispielsweise Johann Christian REINHART immer wieder beschäftigt haben (Kat.Nr. 203). Viel wichtiger ist für ihn das Herausarbeiten der plastischen Erscheinung insgesamt gewesen. Es ging ihm darum, eine Gruppe von Bäumen als körperhaftes Ganzes darzustellen und auch Details wie die Blätter nicht als isolierte Formen wiederzugeben, sondern als geschlossene Laubmasse, gleichsam als Zeichen für organisch quellendes Leben vor Augen zu führen. Eine besondere Erwähnung verdient die Notierung 5 / ( 5 florin) auf der Rückseite der Zeichnung. Es handelt sich um eine wiederholt auf Arbeiten von Fries vorkommende Preisnotierung. Sie läßt den Schluß zu, daß der Künstler das Blatt zum Verkauf bestimmte und demnach als ein Werk ansah, das mit Nachfrage rechnen konnte (Bott 1978, S. 63). Schon Jean-Honoré Fragonard hatte die wuchernde Vegetation des Parks in Verbindung mit der Kirchenansicht gereizt. 1760 machte er sie zum Thema von zwei Rötelzeichnungen (Besançon, Collection PierreAdrien Paris: Lamb 1966, S. 26f. mit Abb. 150, 151). Und auch Johann Martin von ROHDEN (um 1820: Berlin, Staatliche Museen zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz, Kupferstichkabinett, Inv.-Nr. SZ 88; Pinnau 1965, Nr. Z 138) und Friedrich OLIVIER (1818/23: Dresden, Kupferstichkabinett, Inv.-Nr. C 1937-453; Abb. bei Glaesemer 1985, S. 174) zeichneten die romanische Apsis von La Carita hinter den hohen Parkbäumen.
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Abb. S. 240
Ponte Lucano, 1826 Bleistift auf Velin 19,9x29,7 cm Bezeichnet unten rechts Ponte Lugano. 26 Octo 1826. / Ernst Fries. Verso unten links 23, unten Mitte 447, unten rechts 3 Inv. G 3454 Bei der Inventarüberprüfung am 29. 10. 1947 aufgefunden und nachinventarisiert Lit.: Gravenkamp 1925, Nr. 278; Leverkusen 1974, o. S., o. Nr.
Auf seiner Wanderung im Oktober 1826 nach Tivoli (Kat.-Nr. 62, 63) zeichnete Fries auch den Ponte Lucano, auf dem kurz vor der Stadt die Via Tiburtina den Anio überquert. Der Künstler hielt den Blick fest, der sich ihm nach Süden bot. Die Brücke, die in der Mitte des ersten Jahrhunderts n. Chr. errichtet wurde und den Namen ihres Erbauers, des Zensors M. Plautius Lucanus, trägt, rückte er diagonal ins Bildzentrum. Mit weichen, oftmals nur raschen Strichen umriß er die Formen des fünfbogigen, deutliche Verfallsspuren zeigenden Ubergangs, das Spiel von Licht und Schatten mit großzügigen Schraffuren wiedergebend. Hinter der Brücke, die eben eine Bäuerin überschreitet, ragt ein zylindrisches, in seiner Form an das antike Rundgrab der Caecilia Metella erinnerndes Bauwerk auf. Es handelt sich um das einstige Grabmal der Gens Plautia, vermutlich ebenfalls von M. Plautius Lucanus erbaut und im Mittelalter von den Römern zu einem stark befestigten, mit einem Zinnnenkranz versehenen Brückenkopf umgestaltet. Daneben erkennt man ein einfaches Landhaus, die sogenannte Osteria di Ponte Lucano, die immer noch - wenn auch in baulich veränderter Gestalt - betrieben wird. Fries skizzierte es ebenso flüchtig wie den Uferrand im Vordergrund, die seitlichen Bildpartien und den Umriß des fernen Monte Lecinone. Von einem unmittelbar benachbarten Standort aus brachte der Maler die Brücke und den Grabturm ein weiteres Mal aufs Papier. Auf dieser in Berlin bewahrten Pinsel- und Bleistiftzeichnung, einer dramatischen Gewitterlandschaft, ist der Blick über die Brücke hinweg nach Nordosten wiedergegeben, wo am Horizont vor den Bergen der Ort Tivoli hell im Licht aufleuchtet (Staatliche Museen zu B e r l i n - Preußischer Kulturbesitz, Kupferstichkabinett, Inv.-Nr. SZ 36; Gravenkamp 1925, Nr. 36). Der Ponte Lucano hat wiederholt die Künstler zu Wiedergaben gereizt. Schon 1786 malte ihn Jacob
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Philipp H A C K E R T vom selben Standort, den Fries dann für seine Mannheimer Darstellung wählen sollte (Nordhoff/Reimer 1994, Nr. 142 mit Farbabb. 17), und auch Albert Berg aquarellierte eine Ansicht des Bauwerks an jener Stelle (Fichter 1995, S. 104 mit Abb. S. 105). Albert Christoph Diez (1795) und Wilhelm Friedrich Gmelin (Anfang des 19. Jahrhunderts) hingegen hielten die Brücke von der gegenüberliegenden Seite aus fest (Rom 1994, Kat.-Nr. 98, 111 mit Abb.).
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Abb. S. 241
Landschaft mit Ruinen, 1829 Feder in Braun und Bleistift, laviert, auf Bütten 16,1 x 21,35 cm Bezeichnet unten rechts in Feder München den 24ten Nov. 1829 Inv. G 3326 Erworben von F. Baumert, Karlsruhe, am 9. 10. 1942 Lit.: Bott 1978, Nr. 151
Die bildmäßig und ausgesprochen malerisch aufgefaßte Komposition gibt die zerborstenen Überreste eines Aquäduktes in der Campagna wieder. Die Trümmer des antiken Bauwerks bilden das Grundgerüst für armselige Behausungen aus Bretterwänden und verfallenem Mauerwerk. „Ein merkwürdiges Leben ist jetzt in der alten Stadt Rom, wo die armen Leute wohnen... Mitten in alte Ruinen und heidnische Tempel sind Wohnungen hineingebaut; oft wie in Felslöchern wohnen sie", berichtete 1874 der Maler Hans T H O M A . „ E S ist ganz ergreifend, dies Menschenleben auf den Trümmern des alten, einst so herrlichen Roms. Noch stehen die Säulen, wahre Kunstwerke, verwittert da; die Mauern der Kaiserpaläste hat sich eine Bettlerwelt zur Wohnung gemacht!" (Zit. n. Haufe 1965, S.439f.) Fries arbeitete seine Darstellung sorgfältig aus. Uber die dünne Bleistiftvorzeichnung legte er eine großflächige, in ihren Tonwerten abgestufte Lavierung, die die allgemeinen Lichtverhältnisse umschreibt. Die sonnenbeschienenen Partien sparte er aus; als „Farbe" setzte er an diesen Stellen den hellen Papiergrund ein. Mit zügigen, fließenden Federstrichen fuhr er die Konturen von Architektur und Vegetation nach und markierte die dunkelsten Schattenzonen noch einmal mit kräftigen Parallelschraffuren.
D e r Künstler hat das Blatt in seiner nachitalienischen Zeit, im N o v e m b e r 1829 in München, geschaffen um eine unmittelbar vor der N a t u r genommene Studie handelt es sich demnach nicht. Es schließt sich vielmehr einer Werkgruppe an, die nicht nur durch ähnliche T h e m e n (nämlich italienische Motive), sondern auch durch eine einheitliche, von Fries bis dahin nicht benutzte Technik - das Lavieren und Zeichnen mit der Feder - gekennzeichnet ist (vgl. etwa B o t t 1978, Nr. 1 4 4 , 1 4 7 , 1 5 4 - 1 5 6 ) .
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A b b . S. 2 4 2
Tempio della Pace (MaxentiusBasilika), 1831/1833 Bleistift auf Velin; WZ J. WHATMAN / TURKEY MILL / 1831 21,9x38,9 cm Bezeichnet unten links Tempio della Pace, unten rechts E. Fries (eigenhändig?) Verso unten links 18 Inv. G 3586 [A.I. O.Z.2.2.] Kuntzsche Stiftung vom 4. 11. 1873; nachinventarisiert bei der Inventarüberprüfung am 29. 10. 1947 Lit.: Gravenkamp 1925, o. S. (im Kapitel „Irrtümlich zugeschriebene Zeichnungen"); Leverkusen 1974, o. S., o. Nr.
„ R o m ist das große offene G r a b der Geschichte. Nirgends liegen die Schichten und Lager mehrtausendjähriger Zeiten so deutlich und bedeutsam über einander zu Tage, wie hier. Wie in den Urgebirgen der Erde den Wanderer die Steine anreden, tiefzerklüftete W ä n de ihm das Innere aufschließen ..., so hier die über offene Berge von Trümmern zusammengestürzten und aufgerissenen T r ü m m e r " , berichtete der G e r m a nist Friedrich von der Hagen 1821 aus R o m nach Hause (Nette o. J., S. 97). Als eine Veranschaulichung dieses Satzes mögen nicht nur die vielen Ansichten der Ewigen Stadt stehen, die Fries gezeichnet hat ( G r a venkamp 1925, Nr. 9 4 - 9 8 , 114, 115, 147-153, 1 6 1 - 1 6 4 ; B o t t 1978, Nr. 3 0 - 3 4 ; unsere Kat.-Nr. 51, 53), sondern auch die vorliegende Darstellung. Sie gibt den Tempio della Pace (Maxentius-Basilika bzw. Konstantins-Basilika) wieder. Dieses Bauwerk, zwischen 306 und 310 n. Chr. von Kaiser Maxentius als Gerichts- und Geschäftshalle auf dem F o r u m R o manum errichtet, hat mehr als einmal das Interesse des Künstlers gefunden, wie eine Zeichnung in Privatbe-
sitz (Gravenkamp 1925, Nr. 95), eine Darstellung in der Staatlichen Graphischen Sammlung M ü n c h e n (München 1979/80, Nr. 28 mit A b b . ) sowie das M a n n heimer Blatt belegen. D i e großartige Aussicht, die sich ihm von den Farnesischen Gärten des Palatins hinunter auf das F o r u m R o m a n u m bot, konzentrierte Fries auf die eindrucksvolle Ruinenarchitektur der Basilika. Detailliert arbeitete er die drei nördlichen, tonnengewölbten und kassettierten Seitenschiffbögen der monumentalen Halle aus und verlieh ihnen durch betonte Licht- und Schattengebung gesteigerte Räumlichkeit. D i e barocke Fassade von Sta. Francesca R o m a n a rechts am Bildrand deutete er dagegen nur mit wenigen lockeren Strichen an. Es bleibt unverständlich, warum Gravenkamp diese Zeichnung - ohne weitere Begründung übrigens dem Werk des Malers abschreibt. Wie so oft hat Fries auch hier die räumliche Distanz zum Hauptmotiv der Darstellung dadurch geschaffen, daß er auf die Ausarbeitung des Vordergrundes verzichtete. Bis auf die Andeutung von B a u m - und Buschkonturen ließ er diese Bildzone leer und ungestaltet, auch kam es ihm nicht auf eine Belebung der Szenerie durch stimmungssteigernde Staffage an. U n d wie so oft interessierte ihn nur ein ganz bestimmter Bildausschnitt aus einem weiten Panorama. D a das Papier des Mannheimer Blattes laut Wasserzeichen erst 1831 (oder später) hergestellt worden ist, kann E r n s t Fries die Darstellung nicht vor O r t geschaffen haben. Sie gehört vielmehr zu einer Gruppe von Zeichnungen mit italienischen Motiven, die der Künstler erst in Deutschland und w o h l auf der Grundlage von älteren, vor der N a t u r entstandenen Studien gezeichnet hat (vgl. Kat.-Nr. 65).
H E I N R I C H FÜSSLI DER JÜNGSTE * 15. April 1755 Horgen/Zürichsee t 1. Mai 1829 Zürich
Heinrich Füssli gehörte einer bedeutenden Schweizer Künstler- und Gelehrtenfamilie an. Seiner Ausbildung, die er bei seinem O n k e l , dem Maler und Zeichner J o h a n n Caspar Füssli, erhalten hatte, folgte 1770 eine siebenjährige Tätigkeit als Porzellanmaler. A n -
FÜSSLID.J.
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schließend war Füssli mit der Kolorierung von Caspar Wolfs 1776 erschienener Folge von Schweizer Prospekten beschäftigt. Er machte damals die für seine künstlerische Entwicklung entscheidende Bekanntschaft mit den Schweizer Landschaftern Johann Ludwig Aberli, Balthasar-Anton Dunker und Sigmund Freudenberger, die mit ihren unmittelbar vor der Natur studierten, der heimatlichen Umgebung entnommenen Bildthemen europäischen Ruhm genossen. 1779 ging der junge Künstler nach Paris und fand dort rasch Zugang zum Kreis um den Porträtstecher, Landschaftsmaler und Künstlerpädagogen Johann Georg Wille. Seinen Lebensunterhalt verdiente er als Privatlehrer und als Vorlagenzeichner für das Tafelwerk Galerie du Palais Royal. Die Rückkehr in die Schweiz erfolgte 1793. In jenem Jahr begründete Füssli in Zürich eine Kunsthandlung, in der er seine kolorierten Landschaftszeichnungen und -radierungen, Ansichtsserien und auch die von ihm verfaßten Anfangsgründe im Landschaftszeichnen nehst einer Anleitung zum Illuminieren vertrieb.
Abb. S. 243
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Schweizer Bauernkate, um 1770/1779 Feder in Grau über Bleistift, laviert, auf Bütten 10,7 x 15,5 cm Bezeichnet (eigenhändig?) verso in Bleistift oben rechts Füssli Inv. G 531 [A. I. 663] Erworben vom Kunstantiquariat Franz Meyer, Dresden, am 29.5. 1916
Wie das motivisch eng verwandte Blatt von Franz Nikolaus K Ö N I G (Kat.-Nr. 168) beruft sich auch diese Federzeichnung auf die holländische Kunst des 17. Jahrhunderts mit ihrer Vorliebe für die realistisch aufgefaßten, heimatlichen Gegenden - und damit für die entschiedene Abwendung von der spätbarocken Landschaftskunst mit ihrer Weiträumigkeit und der meist formelhaften Wiedergabe der Naturdetails. Eindringlich, aber nicht penibel in Einzelheiten sich verlierend, sondern mit Sinn für den Gesamteindruck führt die Zeichnung ein schäbiges, armseliges Bauernhaus vor Augen. Sein Walmdach ist mit Stroh gedeckt; eine Holzstiege führt zum hochgelegenen, notdürftig mit Brettern verschalten Vorbau des Eingangs. Die Wände, an denen Efeu bis in das Dach hochklettert,
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FÜSSLI
sind schadhaft; am Bretterzaun, der wucherndes Gebüsch vom Grundstück fernhält, lehnt ein zerschlissener Korb. In welcher Landschaft dieses Haus zu finden ist, läßt der Künstler offen. Sie hat offenbar ebensowenig sein Interesse gefunden wie die nur schematisch, mit stacheligem Federduktus angedeuteten Einzelformen der Natur. Der Bildausschnitt ist so eng gefaßt und von einem so tief gelegenen Augenpunkt aufgenommen, daß rechter und oberer Blattrand die Umrisse des Gebäudes beschneiden und es damit einen rahmenden Hintergrund nicht mehr gibt. Die anspruchslose, vor der Natur entstandene Studie, die wie eine private Notiz, nicht wie eine bildmäßig ausgearbeitete, zum Verkauf bestimmte Zeichnung wirkt, ist weder datiert noch signiert. Sie trägt auf der Rückseite jedoch den alten handschriftlichen Vermerk Füssli. Gemeint ist offenbar Heinrich Füssli der Jüngste, und tatsächlich liegt eine Zuschreibung des Mannheimer Blattes an diesen Künstler nahe. Wie die Schweizer Landschaftsmaler Aberli, Dunker und Freudenberger hatte sich Füssli bevorzugt seiner Heimat zugewandt und zahlreiche landschaftliche Ansichten gezeichnet und radiert (vgl. das motivisch sehr ähnliche, stilistisch allerdings ausgereiftere Blatt in Zürich, Kunsthaus, Inv.-Nr. 1938/192). Unsere Darstellung, die eine noch etwas unsichere Hand - vor allem in der Perspektive und in der Pinseltechnik mit ihrer gegenstandsbezogenen, hart abgesetzten Lavierung - erkennen läßt, wird in die künstlerischen Anfänge Heinrich Füsslis, in die Zeit vor seiner ParisReise, zu setzen sein (für freundliche Hinweise danke ich Hein-Thomas Schulze Altcappenberg, Berlin, und Bernhard von Waldkirch, Zürich).
JOHANN H E I N R I C H FÜSSLI * 6. Februar 1741 Zürich f 16. April 1825 auf dem Landsitz Putney Hill bei London
Johann Heinrich Füssli wurde von seinem Vater, dem Maler, Kunstgelehrten und Ratsschreiber Johann Caspar Füssli, für die geistliche Laufbahn bestimmt. Früh schon trat er mit den bedeutendsten Gelehrten und Künstlern seines Landes - unter ihnen Jean-Jacques Rousseau, Johann Jakob Bodmer, Johann Caspar La-
vater, Johann Georg Sulzer und Salomon Gessner - in freundschaftliche Verbindung und ließ sich von ihnen in Kunsttheorie, Kunstgeschichte und klassische Weltliteratur einführen. Seine unbeugsam aufklärerische Haltung im überaus reaktionären Zürich zwang ihn schon sehr bald nach seiner Ordination (1761) zum Verlassen der Heimat. Über Berlin wandte sich Füssli nach London (1764), wo ihn Sir Joshua Reynolds in der Absicht bestärkte, Maler zu werden. Kunststudien führten ihn 1770 für acht Jahre nach Genua, Florenz, Venedig und Rom, wo er nicht nur in der Skulptur des klassischen Altertums, sondern vor allem in den Werken Michelangelos seine prägenden Vorbilder finden sollte. Nach London zurückgekehrt, gelang es Füssli bald, sich einen festen Platz in der dortigen Kunst- und Geisteswelt zu erobern. 1790 wählte man ihn zum Vollmitglied der Royal Academy, neun Jahre später erfolgte seine Berufung zum Professor of Painting. Der künstlerische Ruhm Füsslis gründet sich vorrangig auf seine gemalten Literaturinterpretationen, unter denen die Bilder zur Shakespeare Gallery - einer von mehreren führenden englischen Malern gemeinsam erstellten Serie von Gemälden zu den Dramen des Dichters - und der von ihm selbst ersonnene und ausgeführte Zyklus Milton Gallery besonders hervorzuheben sind.
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Abb. S. 244
Michelangelo-Paraphrase, 1772 Feder in Braun über Bleistift auf Bütten, WZ (angeschnitten) Tiersymbol (?) im Kreis 19,4 x 13,8 cm Bezeichnet unten rechts in Bleistift a Venezia Verso in der Mitte M. V. und M. W. Inv. G 2284 Erworben von der Kunsthandlung G. & L. Bollag, Zürich, 1926 Lit.: Mannheim 1929, Nr. 1; Schiff 1964, S. 127; Schiff 1973, Nr. 678 mit Abb.; Mannheim 1983, S. 24 mit Abb. S. 25; Barcelona 1988, S. 52f. mit Abb.; Moskau 1992, S. 138f., Nr. 95 mit Abb.
Nach anfänglicher, von der klassizistischen Kunsttheorie Johann Joachim Winckelmanns beeinflußter Ablehnung Michelangelos entdeckte Füssli in Italien das Werk dieses großen Künstlers als überwältigendes Vorbild für sein eigenes Schaffen. So zeichnete er in Florenz nach den Skulpturen der Medici-Kapelle in
San Lorenzo (Schiff 1973, Nr. 680-682), und in Rom faszinierten ihn die Deckenmalereien in der Sixtinischen Kapelle, die er genau kopierend oder auch frei paraphrasierend zum Gegenstand seiner Studien machte (Schiff 1973, Nr. 667-679, 683,1171-1173). Auch die Mannheimer Federzeichnung zeugt von Füsslis Bemühen, in das Werk seines großen Ideals einzudringen und dessen Motive und Figurentypen in seine Kunst zu integrieren. Das Blatt, das zwei übereinander angeordnete Gestalten wiedergibt und laut Aufschrift in Venedig (also 1772) gezeichnet wurde, ist eine ganz eigene, doch unübersehbar im Geiste Michelangelos entstandene Schöpfung Füsslis. Deren - allerdings bizarr verfremdete - Formen lassen sich ohne Mühe aus Elementen einzelner Figuren an der Sixtina-Decke ableiten. So mag der Künstler die im Profil gesehene, sich im Liegen halb aufstützende Männergestalt in phantasierender Erinnerung an den trunkenen Noah geschaffen haben, und die lesende Sibylle scheint eine Verschmelzung zu sein aus den Propheten Daniel (Buch) und Jeremia (Geste des Nachdenkens) mit der Frauengestalt der Jesse-Gruppe an einer der Stichkappen (Haltungsmotiv). Wie überzeugt übrigens Füssli von seiner Figurenerfindung gewesen ist, zeigt die Tatsache, daß er sie noch einmal aufgegriffen hat. Im dritten Band der von ihm illustrierten Publikation Jean Gaspard Lavaters Essai sur la Physiognomie findet sich - wenn auch mit geringfügiger Änderung des Sitzmotivs - die lesende Sibylle in wörtlicher Wiederholung wieder (1. Auflage La Haye 1786, S. 82: Schiff 1973, Nr. 785; 2. Auflage London 1792, S. 90: Schiff 1973, Nr. 969).
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Abb. S. 245
Vorlesung, 1790/1800 Feder und Pinsel in Braun und Schwarz über Bleistift, laviert und weiß gehöht, auf Bütten 20,4 x 32,4 cm Verso mit Feder und Pinsel in Braun und Schwarz über Bleistift, weiß gehöht, Figurenstudien; Sammlerstempel am rechten Blattrand (um 90° gedreht) Baroness Norths' Collection of Drawings by H Fuselli & c (Lugt 1921, Nr. 1947) Inv. G 2285 Erworben von der Kunsthandlung G. & L. Bollag, Zürich, 1926 Lit.: Mannheim 1929, Nr. 2; Schiff 1973, Nr. 1182 mit Abb.
FÜSSLI
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Bei der schlichten, auf der Vorderseite des Blattes festgehaltenen Darstellung einer familiären Vorlesestunde handelt es sich nicht um eine eigene Schöpfung Füsslis, sondern um die freie Wiederholung einer barokken Komposition. Füssli fand seine Vorlage in der Radierung Achtzig Jahr, die 1675 in Conrad Meyers Werk Nützliche Zeitbetrachtung (Zürich) erschienen war und das Motto trug: Alter Vater setzt euch nider, Muter schiket euch zu ihm: Höret an, euch zu ergetzen, Gottes honigsüsse Stimm. Auf einer schmalen, rückseitig mit gerafften Wandteppichen verhängten Bühne sieht man links als besonders eindrucksvolle, an Schöpfungen Michelangelos und Rembrandts erinnernde Gestalt den Vater, einen bärtigen Greis in weitem Mantel, das Haupt mit einem Barett bedeckt. Er sitzt auf einem thronartigen Stuhl und stützt, dem Zuhören ganz hingegeben, den Kopf schwer gegen die Rechte. Ein Jüngling liest ihm aus der Bibel vor. Den Worten lauscht ebenso konzentriert auch die alte Mutter, die mit vorgeneigtem Oberkörper und gesenktem Kopf gleichsam sinnbildhaft gespannte Konzentration veranschaulicht. Der mit zupackendem, teilweise geradezu manieriert wirkendem Federstrich festgehaltenen Darstellung verleiht eine ungleichmäßige Lavierung räumlich-plastisches Volumen. Sie steigert sich in der linken Bildecke zu tiefem Dunkel, das die Gestalt des lauschenden Mannes vollkommen einhüllt und gleichnishaft dessen Versunkenheit in die Welt der Religion verstärkt spürbar macht. Wie ein Vergleich der vorliegenden Darstellung mit der barocken, durchaus genrehaft aufgefaßten Szene zeigt, steigerte Füssli seine Vorlage ins zeitlos Monumentale. Er konzentrierte sich ausschließlich auf den wesentlichen Bildinhalt und verzichtete auf alle erzählerischen Details. Statt der ausführlich geschilderten biblischen Szenen und der Gebotstafeln an den Zimmerwänden gab er lediglich den schlichten Wandbehang wieder, und ausschmückendes Beiwerk wie der gedeckte Tisch am Sessel des Greises fehlt ebenso wie das Mobiliar an der Rückseite des Raumes. Im übrigen hat Füssli mit den Szenen Siebenzig Jahr und Neunzig Jahr noch zwei weitere Radierungen aus der Publikation Meyers paraphrasierend wiederholt (Schiff 1973, Nr. 1181,1786 mit Abb.). Auf der Rückseite des Blattes entwarf der Künstler mit raschen Federstrichen über einer flüchtigen Figurenskizze (Bleistift) eine Szene von offenbar sadistischer Erotik. Er zeigt eine Frau mit hochgereckter, zum Schlag erhobener Rechter, die sich einem nackten, wie zur Folter auf den Rücken hingestreckten
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GENELLI
Mann zuwendet. Daneben erscheint die grotesk anmutende Rückenstudie einer schreitenden Frau in ballonartig aufgeblähtem Krinolinenrock und bizarr „geometrisierter" Frisur mit hochgekräuseltem Lokkenkranz und straff über den Hinterkopf gespanntem, an den Schultern festgesteckten Schleiertuch. Beide Motive - extravagante Frauenmode ebenso wie die sadistische Quälerin - sind charakteristisch für Füssli: Sie finden sich in einem wesentlichen Teil seines inoffiziellen Werks wieder (Hamburg 1974/75, S. 16ff.; vgl. etwa Schiff 1973, Nr. 1061,1063,1067-71, 1446,1578,1782).
BUONAVENTURA GENELLI 28. September 1798 Berlin t 13. N o v e m b e r 1868 Weimar
Buonaventura Genelli entstammte einer aus Italien eingewanderten Künstlerfamilie. Sein Elternhaus und seine Ausbildung an der Berliner Akademie (1814-1819) prägten seine klassizistische Kunstanschauung ebenso stark wie der zehnjährige Aufenthalt in Rom (1822-1832). Vorbildhaft ist dort für ihn die Kunst der Renaissance und des Manierismus gewesen, und neben seinem großen Ideal Asmus Jakob Carstens waren es Joseph Anton KOCH, Johann Christian REINHART, Peter von
CORNELIUS, Friedrich Müller
und Martin von ROHDEN, an denen er sich orientierte. 1832 wandte sich Genelli nach Leipzig, um dort das Römische Haus des Verlegers Hermann Härtel mit mythologischen Fresken auszuschmücken. Da dieser Auftrag wegen eines Zerwürfnisses mit dem Besteller nicht zustande kam, zog der Künstler 1836 nach München. Die nächsten zwei Jahrzehnte verbrachte er dort wenig erfolgreich und daher in schwierigen finanziellen Verhältnissen. Erst 1856 sollte sich seine Lage ändern. In dem Kunstsammler Adolf Friedrich Graf von Schack fand er einen Bewunderer und Förderer, der ihn mit Auftragsarbeiten beschäftigte. Ihm blieb der Maler auch nach seiner 1859 erfolgten Berufung nach Weimar verbunden. Genellis damals schon längst nicht mehr zeitgemäßes Werk zeigt sich im Hinblick auf Stil und Inhalt noch ganz dem klassizistischen Ideal verpflichtet. Es umfaßt neben wenigen, in erster Linie für Schack gemalten Ölbildern vor allem Kom-
positionszeichnungen, Figurenstudien für die Gemälde, poetische Zyklen {Aus dem Leben eines Wüstlings, Das Leben einer Hexe, Aus dem Leben eines Künstlers) und Illustrationen zu literarischen Vorlagen (Homers Ilias und Odyssee, Dantes Göttlicher Komödie und Shakespeares Sommernachtstraum). Die Kunsthalle Mannheim besitzt außer den im folgenden aufgeführten Zeichnungen als weitere Werke des Künstlers die Mappen Aus dem Leben eines Wüstlings (Lithographien von Georg Koch nach Zeichnungen Genellis, herausgegeben von Max Jordan, Leipzig 1866) und Aus dem Leben eines Künstlers (24 Kupferstiche nach den Zeichnungen Genellis, Leipzig: Alphons Dürr, 1867).
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Abb. S. 170
Römische Campagnaszene, 1835 Feder über Bleistift, aquarelliert, auf Velin (auf Japanpapier aufgezogen); WZ J. Whatman 40 x 70,7 cm Inv. G 1533 [A.I. 1412] Erworben von der Kunsthandlung C. G. Boerner, Leipzig, am 10. 6. 1921. Als Vorbesitzer ist 1898/99 Julius Gensei, Leipzig, bekannt. Lit.: Marshall 1898/99, Sp. 557/558 mit Abb. Sp. 551/552; Mannheim 1929, Nr. 13; Ebert 1971, S. 71 und Anm. 100 mit dem Hinweis auf Ebert 1959, Nr. 1173; Barcelona 1988, S. 54f. mit Abb. S. 55; Moskau 1992, S. 40 mit Abb. 13
„Sie erhalten hierbei die Zeichnung - Römische Landleute wie sie einen Orangen-Baum transportiren vorstellend - ich sah einmal bei der Villa Pamphili eine solche Gruppe sich ungefähr so bewegen", erklärte Genelli im Februar 1835 in einem Begleitbrief zu vorliegendem Aquarell, das er dem Handelskammersekretär Julius Gensei in Leipzig übersandte (Faksimile des Briefes bei Marshall 1898/99, Sp. 557/558). Die genrehafte Darstellung zeigt einen zweirädrigen, mit Laub und Bändern geschmückten Karren, an dessen Deichsel zwei Büffel gejocht sind. Ein auf dem Gefährt stehender Bauer treibt das linke, offensichtlich störrische Tier mit seinem Fuß und einem langen Stock an; ein zweiter Mann, mit einer Hacke in der Linken, läuft nebenher. Er blickt über die Schulter zurück auf den Wagen, auf dem vier festlich gekleidete Frauen um einen kleinen, in einen Kübel gepflanzten Orangenbaum sitzen.
Genelli wußte offenbar nicht, aus welchem Anlaß dieser bunte, ausgelassene Trupp über die Felder zog. Ein kompositionell und inhaltlich überaus verwandtes Gemälde von Leopold Robert kann darüber Aufschluß geben (1827 entstanden; Abb. bei Benedite, um 1918, S. 53). Es schildert einen ländlichen Festzug zum Gottesdienst der Madonna dell' Arco, einer lokalen Marienfeier. Der hannoversche Diplomat in Rom, August Kestner, berichtete 1808 höchst anschaulich von dieser Feier. Vor und nach der nur kurzen Messe gab sich das Volk dem ausgelassensten Vergnügen hin: „Gruppen von zehn, zwanzig, dreißig Menschen, jung und alt, geputzt und lumpig, bekleidet, halbnackt, tanzen die Tarantella, oft mehrere Stunden weit von der Kirche durch den Staub her, kommen in Schweiß gebadet an und können des wilden Springens zum Tamburin und Gesänge doch immer nicht genug haben... Tausende von Menschen fahren in Wagen, Kutschen, halben Wagen, Kariolen, Brettwagen mit Pferden, Maultieren herein... Die Leute im Wagen schwingen ihre grünen Zweige, Kränze und Stäbe, und die Kutscher und Bedienten mischen ihre wilden Töne mit denen der Herrschaften" (zit. n. Jörns 1964, S. 65f.). Eine abgewandelte Fassung der Komposition wird in Leipzig aufbewahrt (Federzeichnung; Museum der bildenden Künste; Abb. bei Marshall 1912, S. 30, und Ebert 1971, S. 73). Sie übernimmt das Gespann mit dem Treiber wörtlich, verzichtet aber auf die Wiedergabe der Frauen, des Orangenbaums (an dessen Stelle ein Marmorblock liegt) und des nebenherlaufenden Bauern. Statt dessen erscheinen rechts am Bildrand Teile einer ruinösen Architektur und im Bildvordergrund die Gestalt des Künstlers selbst, der, am Boden hingelagert und eine Zeichenmappe haltend, die Szene beobachtet.
Abb. S. 171
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Ares im Bade, 1837/1838 Feder in Grau, braun laviert, auf Velin; WZ (angeschnitten) J. WHATMAN 27,2 x 31,5 cm Bezeichnet unten rechts B. Genelli fect. Inv. G 1216 [A.I. 1277] Erworben vom Antiquariat Max Sasse, Karlsruhe, am 20. 3. 1919
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1837 erhielt Genelli von der Stuttgarter Verlagsbuchhandlung Cotta den Auftrag, zwölf Illustrationen zu Homers Ilias zu zeichnen; wenig später wurde die Bestellung um zwölf Blätter für die Odyssee erweitert. Der Künstler fügte seinerseits noch ein Titelblatt und jeweils zwölf Tafeln zu den beiden Epen hinzu, so daß die gesamte Folge 49 Darstellungen umfaßte. Sie war 1838 vollendet und erschien 1840 in gekürzter, 1844 (sowie 1866,1874,1883) in vollständiger Fassung; mit ihr stellte sich Genelli erstmals einem größeren Publikum vor (Crass 1981, S. 13-21). Bei unserer bis ins letzte Detail ausgearbeiteten Zeichnung handelt es sich um einen Entwurf für die IliasUlustrationen. In Anlehnung an die Verse 904/905 des 5. Gesanges gibt Genelli eine Szene aus dem Trojanischen Krieg wieder, die Ernst Förster in der 1866 erschienenen Cotta-Ausgabe (Tafel VI) wie folgt kommentiert: „Ares war den hartbedrängten Troern zu Hülfe gekommen und seinen Geschossen erlagen die Griechen. Da erhob sich, von Athene erregt, Diomedes noch einmal zum Kampf mit unsterblichen Göttern und verwundete mit der Göttin Hülfe den Kriegsgott an der Hüfte, daß er kampfunfähig zum Olympos zurückkehren mußte. Auf Befehl des Zeus von Pänon geheilt, tritt Ares ins Bad, wo ihm Hebe die schuldigen Dienste leistet." Auf zwei Figuren beschränkte der Künstler die Darstellung, die er - in der Tradition John FLAXMANS - im Umrißstil entwarf: Hebe, die Göttin der Jugendschönheit, ist mit erhobener Wasserurne an Ares herangetreten; ihr zur Seite ein Greif, der den Griechen als Wesen göttlicher Macht und Würde galt. Vor ihr sitzt Ares am Rande eines Wasserbeckens; seine Kriegsrüstung - Helm, Schwert, Schild und Mantel hat er auf ein Podest im Hintergrund abgelegt. Die im Stich (von Hermann Schütz) publizierte Komposition zeigt manche Änderungen in den Details. So wandelte Genelli Teile der Rüstung in Anordnung und Form geringfügig ab; auch gab er anstelle des Vogelgreifs im ausgeführten Bild eine am Boden stehende Wasserkanne wieder, und statt der für unsere Zeichnung gewählten Frontalansicht Hebes entschied er sich schließlich für die Darstellung der Göttin im Profil.
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Abb. S. 246
Liegender und zeigender weiblicher Akt, 1839/1840 Bleistift, gewischt, auf dünnem Velin 14,5x21,2 cm Inv. G 2460 Erworben von der Kunsthandlung F. A. C. Prestel, Frankfurt a.M., am 18. 10. 1928
Im Februar 1840 vollendete Genelli eine 18 Blätter umfassende (und nicht mehr nachweisbare) Zeichnungsfolge mit dem Titel Aus dem Leben eines "Wüstlings (vgl. dazu Crass 1981, S. 37-43). Sie hat die Vergegenwärtigung eines genußsüchtigen, frevelhaften und übermütigen Menschen zum Thema, der sich selbst aus der Gesellschaft ausschließt. Eine zweite Fassung von nur neun Darstellungen entstand 1847; sie befindet sich heute in Frankfurt a.M. (Städelsches Kunstinstitut). Eine dritte Folge gilt ebenfalls als verschollen. Eine vierte Version schließlich schuf Genelli 1850. Von dem Leipziger Verleger Heinrich Brockhaus erworben, wurde sie 1866 (in Lithographien von Georg Koch) veröffentlicht. Sie entspricht bis auf drei Blätter (Tafel IV, X, XV) der ersten, 1840 gezeichneten Folge (so Max Jordan im Vorwort zur BrockhausAusgabe). Die Mannheimer Studie gehört zu den überaus zahlreichen Vorarbeiten, die Genelli für seine Zeichnungsfolge geschaffen hat. Sie bezieht sich auf das Blatt Der Wüstling begegnet dem Leichenzug seiner Gemahlin, das die Tafel VIII in der Brockhausschen Publikation bildet. Genelli selbst hat eine Erläuterung dieser Szene gegeben: „Von der Jagd heimkehrend, dem Zuge vorangehend, begegnet der Wüstling vor der Mauer eines Städtchens einem Leichenzuge, den er alsbald für den seiner Gemahlin erkennt. Er kann dem Zuge nicht mehr ausweichen; vermummte Träger haben die Bahre niedergesetzt. Theils Reue empfindend, theils sie heuchelnd, wirft er sich vor den in Trauer gehüllten Verwandtinnen der Erblichenen auf ein Knie, sich die Brust entblößend und diesen Damen, welche ihn unter Thränen mit Verachtung und Vorwürfen überhäufen, seinen Degen reichend. Weiter im Hintergrunde erblickt man Pferde und Maulthiere, die sich mit der Beute der Jagd den Hohlweg hinabarbeiten. Jäger blasen ein munteres Lied." Eine dieser anklagenden Frauen und die Tote selbst, flach auf die Bahre hingestreckt, die Arme über der
Brust gekreuzt, sind hier dargestellt. Den Künstler überzeugte diese bereits 1840 gefundene Lösung, denn er verwendete sie Jahre später (1866) für die lithographierte Brockhaus-Publikation.
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Abb. S. 247
Frauenakt, 1860 Bleistift, mit weißer Kreide gehöht, auf bräunlichem Tonpapier 60,3 x 23,2 cm Bezeichnet (von fremder Hand) verso unten Mitte B. Genelli, unten rechts Ausschnitt in d. Höbe i J - 5 5 7/2, darüber 42/1 und 17 bl sowie ein unleserliches Wort Inv. G 2979 Erworben 1937 von der Kunsthandlung „Das Kunsthaus" (Herbert Tannenbaum), Mannheim
Die Aktstudie einer aufrecht stehenden Frau entstand als Vorarbeit für ein großformatiges, einem vielteiligen Wandbild ähnliches Gemälde. Es handelt sich um das Ölbild Herkules Musagetes bei Omphale, das der Münchner Kunstsammler Adolf Friedrich Graf von Schack 1859 bei Genelli in Auftrag gegeben hatte (Ruhmer et al. 1969, S. 154ff. und Taf. 17). Zwischen April und Dezember 1860 zeichnete der Künstler zur Vorbereitung der etwa 90 Figuren umfassenden Darstellung eine Vielzahl von Entwürfen und Studien; das Gemälde konnte er im März 1862 vollenden. Szenen aus dem Leben Ganymeds, Amor-Darstellungen sowie der Brautzug des Bacchus und der Ariadne rahmen das Hauptbild des wandfüllenden Gemäldes. Wiedergegeben ist dort mit den Worten Genellis „eine Laube ..., deren Dach von vier Karyatiden, die Jahreszeiten vorstellend, getragen wird; in der Mitte derselben steht ein Springbrunnen, auf dessen Rand Herkules (als Herkules Musagetes) sitzt und der vor ihm sitzenden Omphale (vielleicht von seinen Taten) vorsingt. Neben dem Helden sitzt der ihn begeisternde Phantasus. Der Königin fächelt Zephir mit seinen Schwingen Kühle zu. Pan, ein Satyr und Amoren umgeben sie. Auf der anderen Seite der Laube, Omphale gegenüber, sitzt Bacchus, bei ihm eine Amorin, Bacchantinnen und eine Zentaurin. Aus dem hinter der Laube stehenden Baum, um den sich ein Weinstock windet, hat sich die Bewohnerin desselben hevorgemacht, dem Gesänge lauschend; neben ihr in den Zweigen sitzt Komus" (zit. n. Ruhmer et al. 1969, S. 155).
Die erwähnten Vorstudien betreffen u. a. auch die Karyatiden der Laube. Bisher sind zwölf einschlägige Blätter bekannt, die in Wien, München, Berlin und Frankfurt a.M. aufbewahrt werden (Ruhmer et al. 1969, S. 157ff., Nr. t-z, a l - e l ) . In diese Reihe muß die vorliegende Zeichnung aufgenommen werden. Die äußerst sorgfältig ausgeführte, mit weißer Kreide gehöhte Darstellung bezieht sich auf die Stützfigur im Vordergrund links. Nackt, fröstelnd die Arme vor der Brust kreuzend (dabei mit der Linken einen Gewandzipfel fassend) und das linke Bein anziehend, verkörpert sie den eben nicht immer warmen Frühling. Genelli hat diese Personifikation beinahe wörtlich in sein Gemälde übernommen; seine einzige Änderung betrifft die „Bekleidung" der Gestalt, deren Blöße nun ein dünner, über den Rücken fallender Schleier bedeckt.
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Abb. S. 248
Kentaurenkampf, 1862/1864 Bleistift auf Velin (auf Japanpapier aufgezogen) 22,7 x 30 cm (max.: Blatt unregelmäßig beschnitten) Inv. G 3349 Als Geschenk der Galerie Friedrich Kaltreuther, Mannheim, im Januar 1943 erworben
Wie Kat.-Nr. 75 entstand die figurenreiche Szene eines Kentaurenkampfes als Vorarbeit für das Ölgemälde Bacchus flieht vor Lykurg, das Adolf Friedrich Graf von Schack 1862 bei Genelli bestellt hatte (Ruhmer et al. 1969, S. 164-166 und Taf. 16). Der Künstler bereitete das groß angelegte, dramatisch bewegte Werk mit einer Vielzahl von Akt- und Kompositionsstudien vor; im November 1864 konnte er es vollenden (Ruhmer et al. 1969, S. 166-171). Das Bild schildert in Anlehnung an Homers Ilias (VI, 133-137) die Flucht des Bacchus und seines Gefolges vor Lykurgos. Mit gezücktem Schwert, im Schutze der Siegesgöttin, kämpft der Thrakerkönig auf seinem vierspännigen Streitwagen gegen den Gott, der auf dem Rücken eines Kentauren die Flucht ergreift. Wildes Schlachtengetümmel mit Kriegern, Kentauren und Najaden, Panthern, Pferden und Elefanten umgibt die beiden. Schwer bedrängt, suchen die fliehenden Bacchanten Rettung im Meer, dessen Fluten Thetis, begleitet von den Nereiden, zur Hilfe entsteigt.
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Zu den erwähnten Studien gehört auch die vorliegende Zeichnung. Sie bereitet den Bildausschnitt in der rechten oberen Ecke vor, wo auf ansteigendem Gelände eine thyrsosschwingende, auf einem Elefanten reitende Mänade und drei Kentauren mit ihren Pfeilen und Bögen zwei niederstürzende Krieger des Thrakerkönigs überrennen. Offenbar hat Genelli von der Darstellung, die er unverändert in die Ausführung übernahm, eine Pause angefertigt; dafür sprechen die kräftig nachgezogenen Konturlinien ebenso wie die geschwärzte Rückseite des Blattes.
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Abb. S. 249
Kampfszene mit Panthern, 1862/1864 Bleistift auf Velin, Papier links ergänzt und auf einem Unterlegblatt (Bütten) montiert 34 x 45,2 cm (max.: Blatt unregelmäßig beschnitten) Inv. G 3383 Als Geschenk von Heinrich Wambsganß, Mannheim, im März 1943 erworben Lit.: Barcelona 1988, S. 56f. mit Abb. S. 57; Moskau 1992, S. 40, Nr. 11 mit Abb.
Wie Kat.-Nr. 74 gehört die Gruppe Kämpfender zu den Studien, mit denen Genelli sein figurenreiches, zwischen 1862 und 1864 entstandenes Gemälde Bacchusflieht vor Lykurg vorbereitete. Die Studie, die der Künstler ohne Änderungen in die Ausführung übernahm, gibt die thrakischen Krieger am rechten Bildrand wieder, die sich mit ihren Schilden und Schwertern gegen die angreifenden Kentauren und Mänaden und auch gegen die Tiere des Bacchus, die Panther, zur Wehr setzen. Um das Hauptmotiv des stehenden Mannes, der sich mit seinen Waffen vor einem Panther zu schützen versucht, scharen sich weitere Kämpfer in gleichsam kontrapunktisch gegenläufigen Bewegungen. Die Staffelung liegender Figuren im Vordergrund und stehender Krieger im Hintergrund verleiht der Komposition eine erstaunliche Tiefe. In der Beschränkung auf die Konturlinien und wenige gewischte Schatten erweist sich Genelli einmal mehr als hervorragender Kenner menschlicher Anatomie.
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Abb. S. 250
Krieger mit Siegesgöttin, 1862/1864 Bleistift, gewischt, auf Velin (mit Japanpapier unterlegt) 35,4 x 23,1 cm Inv. G 3384 Als Geschenk von Heinrich Wambsganß, Mannheim, im März 1943 erworben
Auch diese Zeichnung zählt zu den vielen Vorarbeiten Genellis für das großformatige, zwischen 1862 und 1864 geschaffene Gemälde Bacchus flieht vor Lykurg (vgl. dazu Kat.-Nr. 74). Sie zeigt die eine der beiden Hauptgruppen der Komposition: den Thrakerkönig Lykurg, der unter dem Schutz der Siegesgöttin mit gezücktem Schwert den fliehenden Bacchus verfolgt. Wie die geschwärzte Rückseite des Blattes vermuten läßt, hat Genelli offenbar von dieser Kompositionsstudie, die er ohne Veränderungen in das Ölbild übernahm, eine Pause hergestellt (vgl. auch Kat.-Nr. 74).
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Abb. S. 247
Armstudie, 1864/1866 Bleistift, gewischt und weiß gehöht, auf starkem bräunlichem Tonpapier 33 x 15,2 cm Bezeichnet oben rechts Kopf und Hals / im Schatten Verso unten (von fremder Hand) Bonaventura Genelli Inv. G 2458 Erworben von der Kunsthandlung F. A. C. Prestel, Frankfurt a.M., am 18. 10. 1928
1864 bestellte Adolf Friedrich Graf von Schack bei Genelli die großformatige Ausführung eines bereits in Zeichnung und Aquarell vorbereiteten „Theatervorhanges" als Ölgemälde. Die Komposition war in der Tat als Bühnenvorhang konzipiert: So wird das Hauptbild, eine allegorische Darstellung, von Ornamentstreifen mit Emblemen und szenischen Medaillons und von einem figuralen Sockelfries gerahmt. Am 30. Oktober 1866 konnte der Künstler das Werk seinem Auftraggeber nach München senden. Genelli selbst gab eine Beschreibung der Allegorie, in der die Kräfte des Lichtes den Kräften der Finsternis gegenübergestellt sind: „In der Mitte dieses Vorhanges sieht man ein von Genien getragenes Gewebe, auf
dem die folgenden Worte stehen: ,Der Leidenschaften wüstes Heer,/ dem Schoß der alten Nacht entstammt,/ die stille Schar der Tugenden,/ vom Licht geboren, lichtumflammt,/ der Nemesis, des Fatums Walten,/ ihr schauet hier in Traumgestalten.' Unter diesem flatternden Tuche sitzt auf dunklem Gewölk die Nacht, umgeben von ihren Töchtern, den Leidenschaften: Stolz, Faulheit, Schlemmerei, Wollust, Neid und Zorn. Uber dem erwähnten Tuche ist dargestellt das Licht (Hemera), umgeben von den Kindern desselben: Hoffnung, Glaube, Liebe, Mäßigung, Stärke, Gerechtigkeit und Weisheit. Alle diese Gestalten sind singend, in den Anblick des Lichts, ihrer Mutter versenkt, gedacht. Dem Beschauer zur Linken sitzt das Fatum - dem Beschauer zur Rechten Nemesis" (zit. n. Ruhmer et al. 1969, S. 172f.). Die Mannheimer Studie ist den vielen bisher bekannt gewordenen Vorarbeiten zu dieser Komposition zuzurechnen (Ruhmer et al. 1969, S. 172-177, und Taf. 18; vgl. auch Kat.-Nr. 78). Sie diente dem Künstler zur Klärung der Armhaltung der „Weisheit", die links von der Gestalt des Lichtes steht und zu ihr hochblickt, den linken Fuß aufsetzend, in dem herabhängenden rechten Arm als ihr traditionelles Attribut ein Buch haltend (zwei weitere Studien zur „Weisheit" werden in Berlin aufbewahrt: Ruhmer et al. 1969, S. 175, r - m l : Nr. 111,112).
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Abb. S. 247
Zwei weibliche Akte, 1864/1866 Kreide, weiß gehöht, auf beigefarbenem Tonpapier 47,7 x 39,7 cm Bezeichnet (von fremder Hand) verso unten Mitte in Bleistift B. Genelli/ 1798-1868 und Genelli, unten rechts 29 Inv. G 2981 Erworben 1937 in der Kunsthandlung „Das Kunsthaus" (Herbert Tannenbaum), Mannheim Lit.: Ruhmer et al. 1969, S. 177, Nr. rl (?)
Neben Kat.-Nr. 77 und den bei Ruhmer et al. (1969, S. 177, Nr. r l , s l ) aufgeführten Blättern zählt auch diese sorgfältig gezeichnete, mit weißer Kreide gehöhte Aktstudie zu den Arbeiten, die der Ausführung des 1864 von Adolf Friedrich Graf von Schack bestellten „Theatervorhanges" vorausgingen. Genelli übernahm sie ohne Änderungen in das Ölgemälde. Die vordere, in Rückenansicht dargestellte Figur - die Verkörperung der Faulheit - lagert am Boden und
lehnt sich mit dem Kopf gegen die Knie der „Nacht". Ihr gegenüber ruht die „Schlemmerei", in Vorderansicht wiedergegeben, sich bequem in ein Kissen zurücklehnend und eine Weinschale zum Munde führend. Möglicherweise ist die vorliegende Zeichnung identisch mit einer bei Ruhmer et al. (1969, S. 177, Nr. r l ) aufgeführten Studie, die sich laut Hans Ebert (1961, Bd. E, Nr. 547) 1902 in Berliner Privatbesitz (C. Geisberg) befunden hat. Die Ubereinstimmungen in Technik und Bildmotiv, in den Maßen und der Farbe des Papiers legen diesen Schluß nahe.
Abb. S. 251
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Zwei männliche Akte, 1867 Bleistift, gewischt und weiß gehöht, auf bräunlichem Tonpapier; WZ FRERES DE CA 46,6 x 40,4 cm Bezeichnet unten rechts (von fremder Hand?) 15 Verso (von fremder Hand) unten Mitte B. Genelli, unten rechts Genelli, darüber 22/1 Inv. G 2980 Erworben 1937 von der Kunsthandlung „Das Kunsthaus" (Herbert Tannenbaum), Mannheim Lit.: Barcelona 1988, S. 58f. mit Abb. S. 59; Moskau 1992, S. 40, Nr. 12
In seinem letzten Lebensjahr griff Genelli mit der Darstellung Bacchus unter den Musen ein Thema auf, das ihn in Entwürfen schon in Rom und später dann in Leipzig und München immer wieder beschäftigt hatte. Ursprünglich als Deckenbild für den Gartensaal des Leipziger Römischen Hauses konzipiert, wurde die Komposition 1867/68 vom Künstler für den Grafen Schack als großformatiges Ölgemälde ausgeführt (Ruhmer et al. 1969, S. 178ff.). „Vor Bacchus und den ihn umgebenden Musen tanzen Silen und Amor zu den Paukenschlägen des sie umschwirrenden Komus. In den Zweigen eines Baumes ruht Zephir ...", erläuterte Genelli die zentrale Darstellung. In den Zwickeln des Bildes, so der Künstler weiter, „sieht man, grau in grau gemalt, Bacchus, der bei der Stadt Tanagra einen mädchenräuberischen Triton erschlägt. Die sich gegenüber befindende Komposition stellt Bacchus auf einem Zentauren reitend dar, wie er den König Lykurgos erschlägt. Die dritte Gruppe zeigt, wie Bacchus den aus dem Himmel geworfenen Vulkan auf einem geflügelten Esel
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wieder zu den Göttern zurückführt. Die vierte Komposition stellt Bacchus und Ariadne dar" (zit. n. Ruhmer et al. 1969, S. 178f.). Wie alle Ölgemälde bereitete der Künstler auch dieses Werk äußerst sorgfältig mit zahlreichen Figurenstudien vor. Dies gilt nicht nur für die Hauptszene, sondern auch für die vier Zwickel, zu denen die Darstellung Bacchus führt Vulkanus zu den Göttern zurück gehört (im Kupferstich veröffentlichte Max Jordan sie in Satura. Compositionen von Buonaventura Genelli. In Umrissen gestochen von H. Merz, H. Schütz und A. Spieß, Leipzig 1871, Tf. 12). Mehrere Aktstudien, die sich auf diese Szene beziehen, sind bisher bekannt geworden (Ruhmer et al. 1969, S. 180ff., Nr. r, dl, pl) - hinzugefügt werden muß ihnen als eine weitere Vorarbeit auch die Mannheimer Zeichnung (vgl. auch Kat.-Nr. 80). Das detailliert ausgeführte, weiß gehöhte und ohne Änderungen in die Ausführung übernommene Blatt gibt die beiden Hauptfiguren der Rückführungsszene wieder, die Max Jordan wie folgt beschreibt: „Wegen seiner Lahmheit war Vulcan von Juno, seiner Mutter, nach der Geburt vom Olymp verstoßen worden. Um sich für diesen Schimpf zu rächen, sendete er ihr einen goldenen Thron mit unsichtbaren Fesseln, durch welche sie auf dem Sitz der Herrscherwürde zur Gefangenen gemacht wurde. Den Bitten der Götter, sie zu befreien, widerstand Vulcan lange mit hartnäckigem Sinn, bis es Bacchus endlich gelang, ihn mit seinem süßen Trank zu berauschen und ihn so zur Aussöhnung mit der Mutter nach dem Olymp zurückzuführen." (Jordan 1871, Einleitung) Bacchus schwebt gen Himmel, seinen rechten Arm hoch über den Kopf hebend (und in der Ausführung eine Weinrebe packend), in der herabhängenden Linken als das „siegreiche Mittel begütigender Überredung" (Jordan) einen vollen Weinschlauch haltend. Ihm zur Seite läßt sich Vulkanus (auf dem nicht dargestellten Esel) emportragen, einen Weinkelch zum Munde führend und mit der Linken einen Schmiedehammer als sein traditionelles Attribut packend.
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GENELLI
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Abb. S. 246
Reitender männlicher Akt, 1867 Bleistift, gewischt, auf dünnem Velin 1 2 , 4 x 2 0 , 2 cm Bezeichnet oben rechts in roter Kreide W Inv. G 2459/1 Erworben von der Kunsthandlung F. A. C. Prestel, Frankfurt a.M., am 18. 10. 1928
Wie Kat.-Nr. 79 gehört diese Aktstudie zu den Vorbereitungen Genellis für das 1867/68 entstandene, großformatige und von Zwickeldarstellungen eingefaßte Gemälde Bacchus unter den Musen. Sie bezieht sich wie eine Gruppe weiterer Studien (Ruhmer et al. 1969, S. 180ff., Nr. q, el, f l , j l ) auf das Zwickelfeld Bacchus erschlägt König Lykurgos (im Kupferstich veröffentlichte Max Jordan es in Satura. Compositionen von Buonaventura Genelli. In Umrissen gestochen von H. Merz, H. Schütz und A. Spieß, Leipzig 1871, Tf. 13). „Unter den Feinden des Dionysos und seines begeisterten Cultus", beschreibt Max Jordan diese Eckdarstellung, „ertheilt die Sage dem rauhen Thrakerkönig Lykurg eine hervorragende Rolle. Der Kampf mit demselben, den Genelli in einer andern figurenreichen Composition [Bacchus besiegt den Lykurg, um 1824; Abb. bei Ebert 1971, S. 49: d. Vf.] mit dem ganzen Aufgebot seiner dithyrambischen Phantasie geschildert hat, ist hier in einer einfachen Scene, gleichsam in künstlerischer Abbreviatur dargestellt." (Jordan 1871, Einleitung) Auf unserem Blatt zeichnete Genelli eine Aktstudie zur Figur des Bacchus (Dionysos), der auf einem (hier nicht wiedergegebenen) Kentauren reitet und mit seinem Thyrsosstab weit zum Schlag gegen Lykurg ausholt. Der Künstler übernahm diese Erfindung wörtlich in sein Gemälde. Beim Erwerb durch die Mannheimer Kunsthalle waren die vorliegende Studie und Kat-Nr. 81 auf einem Blatt Papier zusammenmontiert. Dieser Bogen ist möglicherweise identisch mit einem bei Ruhmer et al. (1969, S. 181, Nr. j l ) genannten Blatt, das sich laut Hans Ebert (1961, Bd. E, Nr. 76) ehemals in Berliner Privatbesitz (Alexander Flinsch) befand. Die Ubereinstimmungen in den Maßen, im Bildmotiv und in der Technik legen diesen Schluß nahe.
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Abb. S. 246
Liegender männlicher Akt, 1867 Bleistift, gewischt, auf dünnem Velin 11,1 x 20,6 cm Inv. G 2459/2 Erworben von der Kunsthandlung F. A. C. Prestel, Frankfurt a.M., am 18. 10. 1928 Lit.: Ruhmer et al. 1969, S. 181, Nr. jl (?)
Vgl. die Bemerkungen zu Kat.-Nr. 80. Genelli verwendete die Studie, die den niedergestürzten, sich mit erhobenem (hier nicht dargestellten) Schild schützenden König Lykurg zeigt, ohne weitere Änderungen für sein Gemälde Bacchus unter den Musen.
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Abb. S. 247
Männliche Aktstudie Bleistift, gewischt, auf dünnem Velin 31,8 x 25,4 cm Inv. G 3385 Als Geschenk von Heinrich Wambsganß, Mannheim, im März 1943 erworben
Die Aktstudie eines athletischen, kräftig an einem Tau ziehenden Mannes ist den Vorarbeiten Genellis für die undatierte Darstellung Sisyphus fesselt den Tod zuzuordnen (Abb. bei Eben 1971, S. 119; vgl. auch S. 223 mit Anm. 172). Sie betrifft die Gestalt des Sisyphus, der mit aller Anstrengung dem jungen, vor ihm auf die Knie gebrochenen und gefesselten Todesgott nun auch noch die Flügel zusammenbindet. „Sisyphus, der schlaue König von Ephyra, der schon der Ilias als ein Typus der List und Verschlagenheit geläufig ist ..., wußte selbst den Todesgott zu überlisten, den Zeus gegen ihn aussandte, weil Sisyphus an ihm Verrath geübt. Mit gebundenen Händen liegt der allgewaltige Todesgott dem klugen Uberwinder ohnmächtig zu Füßen, die tödliche Fackel ist ihm entsunken und Sisyphus beugt sich über ihn hin, dem Besiegten auch die Flügel zu fesseln," erklärte Max Jordan die Szene, die er in einer von Genelli kompositioneil, nicht aber inhaltlich veränderten Fassung veröffentlichte (Satura. Compositionen von Buonaventura Genelli. In Umrissen gestochen von H. Merz, H. Schütz und
A. Spieß, Leipzig 1871, Tf. 15. Diese Fassung ist seitenverkehrt konzipiert, auch liegt der besiegte Todesgott hingestreckt auf dem Boden, und statt in einem antikischen Innenraum spielt das Geschehen unter freiem Himmel).
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Abb. S. 252
Kniendes Mädchen Feder in Braun über Bleistift, laviert, auf kräftigem Velin 30,2 x 21,9 cm Inv. G 1217 [A.I. 1278] Erworben vom Antiquariat Max Sasse, Karlsruhe, am 5. 4. 1919 Lit.: Mannheim 1983, S. 73 mit Abb.
In welchem Zusammenhang Genelli die in fein abgestuften Brauntönen lavierte Studie eines jungen Mädchens schuf, ließ sich nicht feststellen. Die in ein zeitlos antikisches Gewand gekleidete Figur scheint in felsigem Gelände (durch zarte Bleistiftlinien angedeutet) zu knien. Sie stützt den linken Arm auf das aufgesetzte linke Bein; in der erhobenen Rechten hält sie den Zipfel eines Tuches oder Gewandes.
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Abb. S. 253
Die Harmonie bezaubert Amor und Psyche Feder in Schwarz über Bleistift auf Velin 47,2 x 61,8 cm Bezeichnet unten rechts in Feder B. Genelli fect.; unten links in Bleistift (von fremder Hand?) Harmonie mit Amor und Psyche Inv. G 3386 Als Geschenk von Heinrich Wambsganß, Mannheim, im März 1943 erworben
Die in den Metamorphosen des Lucius Apuleius (4,28-6,24) erzählte Geschichte von Amor und Psyche ist eines der bevorzugten Themen der bildenden Kunst gewesen - die berühmteste Darstellung hat zweifellos Raffael in der Villa Farnesina geschaffen. Diese Fresken waren es denn auch, an denen Genelli sich orientierte, als er 1832 Deckenbilder für das Rö-
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mische Haus des Verlegers Hermann Härtel in Leipzig entwarf. Unter den damals entstandenen (aber im Fresko nicht ausgeführten) Entwurfszeichnungen befindet sich die Darstellung Die Harmonie beseligt Amor und Psyche durch Musik (Rotterdam, Museum Boymanns-van-Beuningen: Rotterdam 1964, Kat.Nr. 49-52 mit Abb.; Abb. auch in Ebert 1971, S. 67). Den in dieser Zeichnung entwickelten Bildgedanken hat Genelli dann später in mehreren, sich kaum voneinander unterscheidenden Kompositionen aufgegriffen - darunter auch in unserem Blatt. „Harmonia, nach der geläufigsten mythologischen Auffassung die Tochter des Ares und der Aphrodite", beschrieb Jordan die Szene, „ist hier dem Sinne ihres Namens gemäß als Genius seliger Vereinigung gedacht. Auf Wolken des Himmels thronend, singt sie an höchste Empfindungen hingegeben zur Leier, und was ihr süßes Lied ausströmt, vollzieht sich in den Lauschern, die sie umlagern: wie Eros und Psyche im Genüsse gottschauender Poesie einander nahen und umschlingen, so vermählt sich Göttergeist und Menschenseele in dem idealsten Ausdruck der Empfindung, in Musik, und die Muse wird Priesterin der Liebe ..." (Jordan 1871, Einleitung) Die Mannheimer Darstellung hat als unmittelbare Vorlage für eine Umrißzeichnung gedient, die 1871 durch Max Jordan im Stich veröffentlicht wurde (Satura. Compositionen von Buonaventura Genelli. In Umrissen gestochen von H. Merz, H. Schütz und A. Spieß, Leipzig 1871, Tf. 24). Zu den oben erwähnten weiteren Fassungen dieses Themas gehört ferner ein Aquarell, das Genelli als Andenkenblatt schuf identisch wohl mit der Darstellung in der Sammlung Georg Schäfer (Nürnberg 1966, Nr. 62 V 2 mit Taf. 62), deren Vorzeichnung in Berlin aufbewahrt wird (Nationalgalerie; Abb. bei Bernhard 1973, Nr. 467). Ein weiteres und kaum verändertes Blatt befindet sich in Leipzig (Museum der bildenden Künste: Ebert 1971, Abb. 108), eine damit fast wörtlich übereinstimmende Bleistiftfassung (eine Vorzeichnung?) in Kiel (Stiftung Pommern: Kiel 1978/79, Kat.-Nr. 78 mit Abb.). Schon Peter von CORNELIUS hatte um 1820/30 eine in der Komposition allerdings Unterschiede aufweisende - Darstellung dieses Themas erarbeitet: Das in Düsseldorf bewahrte Blatt zeigt Amor und Psyche vor der leierspielenden, auf einem fliegenden Schwan sitzenden Harmonie bzw. Poesie (Kunstmuseum: Ricke-Immel 1980, Kat.-Nr. 234 mit Abb. 372).
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GÉNIOLE
ALFRED ANDRÉ GÉNIOLE 1. Januar 1813 Nancy t 12. Januar 1861 Paris
Der Graphiker, Genre-, Landschafts- und Porträtmaler Alfred André Géniole kam 1813 in Nancy zur Welt. Seine Werke, die er seit 1839 ausstellte, behandeln in scharf beobachteten Szenen das Alltagsleben der Femmes de Paris, schildern Landschaftsansichten aus Spanien und verspotten - in Karikaturen für den Charivari und die Silhouette - den Typus der Emanzipierten. Géniole starb 1861 in der Irrenanstalt von Paris.
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Abb. S. 254
Mutter und Kind, 1833 Bleistift auf starkem Velin 13,4 x 11,2 cm Bezeichnet unten rechts in Bleistift A. Geniole Verso Mitte in Bleistift A Geniole / Paris (?) 18. Jt (für Juillet) 1833 Inv. G 1542 [A.I. 1607] Erworben von der Kunsthandlung F. A. C. Prestel, Frankfurt a.M., am 21. 5. 1921 Lit.: Prestel, Versteigerungskatalog 83, 1921, Nr. 200
Die flott und sicher gezeichnete Darstellung gibt eine weite Landschaft wieder - flüchtig angedeutet links durch einen Hausgiebel hinter dichtem Gebüsch, rechts durch eine Baumgruppe - , in der eine vornehme Dame mit ihrem kleinen Sohn spaziert. Ihr langes, schulterfreies Kleid mit den gebauschten Puffärmeln und dem schleifenverzierten Reifrock, ihr spitzenbesetztes Schultertuch und der zierliche, mit Bändern und einem Schleier geschmückte Schutenhut entsprechen der aktuellen Mode der dreißiger Jahre. Zärtlich legt sie ihre Linke auf den Kopf des kleinen Jungen neben ihr, der wie ein kleiner Herr mit Rock, Weste und gestreiften langen Hosen herausgeputzt ist.
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JULES V I C T O R GENISSON
Trauerzug
24. Februar 1805 St. Omer t 10. Oktober 1860 Brügge
D e r belgische Architektur- und Historienmaler Jules Victor Genisson studierte an der Akademie in A n t werpen unter den Professoren Mathieu van B r e e und Philippe van Bree. I m Anschluß an ausgedehnte R e i sen durch Frankreich, England, Deutschland und Italien ( 1 8 2 9 - 1 8 3 4 ) ließ er sich in L ö w e n nieder. Sein Werk umfaßt vor allem Innenansichten großer Kirchengebäude, deren Genauigkeit im Detail und in der perspektivischen Konstruktion seinerzeit gerühmt wurde.
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A b b . S. 255
Tusche und Aquarell über Bleistift auf Velin 15,1 x 14,8 cm Verso in Bleistift Architekturskizze, Profil eines Mannes sowie Schriftzüge Inv. G 2088 [A.I. OZ 6.10127] Aus dem Vermächtnis James Emden, Mannheim, vom 7. 11. 1883
Aus dem Dunkel einer gotischen Vorhalle (eines K l o ster- oder Stiftsgebäudes) öffnet sich der B l i c k auf das Langhaus und die beiden T ü r m e einer spätromanischen Kirche. E i n Trauerzug mit dem Sarg des Toten nähert sich von rechts dem Seitenportal der Kirche; ein Reiter sprengt von links heran.
A b b . S. 255
Innenansicht einer Kirche Bleistift auf Bütten 25,3 x 25,5 cm Bezeichnet unten rechts Gennisson Inv. G 2087 [A.I. OZ 6.10126] Aus dem Vermächtnis James Emden, Mannheim, vom 7. 11. 1883
A u c h auf vorliegender Zeichnung, die allein um eine exakte, perspektivisch genaue Wiedergabe der A r c h i tektur und nicht u m das Einfangen stimmungshafter Atmosphäre bemüht ist, gab der Künstler das Innere einer gotischen, gegen E n d e des 15. Jahrhunderts errichteten Kirche wieder. U m welches Bauwerk es sich handelt, muß dahingestellt bleiben. Geschildert ist der B l i c k von der Vierung in das südliche Querhaus mit seinem angrenzenden Kapellenkranz. Ein logenartiger, mit einem Teppich geschmückter E r k e r und eine hohe Balustrade mit Arkaden an der südlichen Q u e r schiffwand, ein barocker Altar an der Ostseite und ein Epitaph am nördlichen Eckpfeiler notierte der K ü n s t ler ebenso wie - wenn auch nur skizzenhaft andeutend - einen Priester, der die K o m m u n i o n erteilt, sowie vereinzelte Gläubige, die dieser Handlung beiwohnen.
J A C O B PHILIPP HACKERT * 15. September 1737 Prenzlau/Uckermark t 28. April 1807 S. Piero di Careggi bei Florenz
D i e Anfangsgründe in der Zeichen- und Landschaftskunst erlernte J a c o b Philipp H a c k e r t bei seinem Vater, dem Porträtmaler Philipp Hackert, und bei seinem O n k e l , einem Berliner Dekorationsmaler. 1755 bezog er für einige Jahre die Akademie in Berlin, u m sich im Landschaftsfach ausbilden zu lassen. Mehrere Reisen ( 1 7 6 2 / 6 4 nach P o m m e r n , Rügen und Schweden; 1765/68 nach Paris und in die N o r m a n d i e ) schlössen sich an. 1768 übersiedelte der Künstler gemeinsam mit seinem Bruder J o h a n n Gottfried nach R o m ; Aufenthalte in Neapel (1770), auf Sizilien (1777), in O b e r i t a lien und der Schweiz (1778) folgten. D i e künstlerische Produktion der Brüder ist enorm gewesen. In enger Zusammenarbeit schufen sie Tierund Jagdstücke, Ideallandschaften und topographisch getreue Veduten, die vor allem bei den Italienreisenden als Erinnerungsbilder gewinnbringenden Absatz fanden. Seit 1782 arbeitete Philipp H a c k e r t für K ö n i g Ferdinand IV. von Neapel; 1786 wurde er offiziell zum H o f m a l e r ernannt. Mit dem Ausbruch der R e v o lution verließ der Künstler die süditalienische Residenz und wandte sich zunächst nach Livorno, dann
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nach San Piero di Careggi. Den Höhepunkt seines Ruhmes hatte er längst überschritten. Sein Alterswerk zeugt von zunehmendem Schematismus und nüchterner Formelhaftigkeit; es wurde als phantasielos und unmalerisch verspottet und geriet bald in Vergessenheit. Johann Wolfgang von Goethe schloß sich solcher Kritik nicht an. Er blieb seit seiner italienischen Reise dem Maler in Freundschaft und künstlerischer Wertschätzung eng verbunden und setzte ihm nach dessen Tod mit einer Lebensbeschreibung ein literarisches Denkmal (Philipp Hackert: Biographische Skizze, meist nach dessen eigenen Aufsätzen entworfen, Tübingen 1811).
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Abb. S. 256
Landschaft mit Pan und tanzenden Nymphen, um 1780/1790 Feder und Pinsel in Braun über Bleistift, laviert, auf Bütten 22,2 x 27,1 cm Unten links Stempel JD (nicht bei Lugt) Bezeichnet auf der Rückseite des (inzwischen abgelösten) Untersatzblattes: Hackert: Tivoli/ Landschaft mit Pan und tanzenden Nymphen/früher Besitz E. Fohn - Rom/ Erwerb durch Tausch am 14. VI. 1939/ aus Olevano/ Hetsch/ Abt. B.K. Inv. G 3275 Am 29. 11. 1941 aus der ehemaligen Sammlung Sofie und Emanuel Fohn als „Entschädigung" für 1937 beschlagnahmte Kunstwerke von der Reichskulturkammer Berlin erhalten Lit.: Barcelona 1988, S. 60f. mit Abb.; Schulz-Hoffmann 1990,1, Nr. 8; Moskau 1992, S. 140, Nr. 96 mit Abb.
Die klassisch-ideale Landschaftsmalerei Claude Lorrains (1600-1682) sollte für die europäische Zeichenkunst und Malerei von außerordentlicher, geradezu vorbildhafter Bedeutung werden. Immer wieder griffen die Künstler, vor allem in der Epoche des Klassizismus, auf sie zurück. Auch Jacob Philipp Hackert schuf neben seinen realistischen, nach der Natur geschilderten Veduten eine Vielzahl von klassischen Ideallandschaften, die ohne Lorrain nicht denkbar sind. Zu diesen südlich-idyllischen Arkadien-Kompositionen gehört auch die lavierte Federzeichnung in Mannheim. Dem Blick öffnet sich ein felsiges Tal mit stillem Flußlauf, der in die bergige Ferne führt. Hoch über den steilen Hängen links wächst hinter Gebüsch und Bäumen ein kleiner Rundtempel auf - geradezu ein Leitmotiv der idealen Landschaftsmalerei, das unmit-
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telbar auf den berühmten und immer wieder dargestellten Vesta-Tempel in Tivoli anspielt (Kat.-Nr. 23a, 23b). Den klassischen Kompositionsprinzipien folgend, fassen schroffe, überwucherte Felsen als Versatzstücke die Darstellung auf beiden Seiten ein. Wirkungsvoll rahmen sie die vordere Bildbühne mit dem flachen, vorn dunkel verschatteten Flußufer. An ihm vergnügen sich, dem idealen Charakter der Darstellung entsprechend, der arkadische Hirtengott Pan, bocksbeinig und flöteblasend, sowie musizierende und tanzende Nymphen, den Betrachter in die Welt der antiken Mythologie versetzend. Das Mannheimer Blatt ist nicht datiert. Es könnte, wie ein Vergleich mit Hackerts Zehn Aussichten von dem Landhause des Horaz (1780: Köln 1984, Nr. 29) nahelegt, in den achtziger Jahren geschaffen worden sein. Für diese Vermutung spricht die gezielte, effektvolle Lichtführung ebenso wie der lockere, freie Feder- und Pinselduktus. Vor allem aber ist auf das Gemälde Landschaft mit Motiven aus Tivoli hinzuweisen, das Hackert 1774 geschaffen hat (Nordhoff/Reimer 1994, Nr. 82 mit Abb. 34): eine Ideallandschaft, mit der die Mannheimer Zeichnung im Hinblick auf Komposition und bestimmende Bildelemente aufs engste verwandt ist. Sogar die figürliche Staffage findet sich im Vordergrund des Gemäldes - allerdings in durchaus realistischer, für Hackerts Stil in den siebziger Jahren noch typischer Auffassung: Nicht Pan und die Nymphen, sondern italienische Landleute sind es, die sich dort ergehen. Das Blatt gehörte ursprünglich zur römischen Sammlung Sofie und Emanuel Föhns. Das Künstlerpaar hatte es 1939 hergegeben, um dafür zahlreiche von den Nationalsozialisten 1937 als „entartet" beschlagnahmte, zum Verkauf freigegebene Kunstwerke eintauschen zu können. 1941 wurde es von der Reichskulturkammer als „Entschädigung" für konfiszierte Gemälde und Graphiken der Mannheimer Kunsthalle übergeben (vgl. Kat.-Nr. 203,233).
(auf der Vorderseite) das Profilbildnis eines 14jährigen K n a b e n in einfachem Bauernkittel sowie die Ansicht eines kleinen, von Gebüsch umstandenen Aussichtsturmes mit großen Fenstern und einem hohen, spitzen H e l m ; ferner (auf der Rückseite) die Darstellungen einer frontal dem Betrachter zugewandten K u h und eines nach links gerichteten Schweinekopfes.
CHRISTOPH J A C O B W I L H E L M FREIHERR H A L L E R VON HALLERSTEIN * 9. Juli 1771 Hilpoltstein bei Nürnberg t 10. Juli 1839 Nürnberg
N a c h beendetem Rechtsstudium bezog Haller von Hallerstein die Kunstschulen von N ü r n b e r g und Stuttgart, u m sich in der Malerei ausbilden zu lassen. Reisen führten ihn in die Schweiz und nach Dresden (1799). Es schloß sich ein mehrjähriger Aufenthalt in Berlin an, w o der Künstler vor allem Bildnisminiaturen schuf und in Hofkreisen Zeichenunterricht erteilte ( 1 8 0 0 - 1 8 0 6 ) . I m Anschluß an eine längere Reise nach Paris kehrte Haller von Hallerstein 1813 in seine Heimat N ü r n b e r g zurück. E r war dort als Konservator der Gemäldegalerie in der Moritzkapelle tätig und unterrichtete außerdem als Lehrer für Perspektive an der Kunstgewerbeschule. Seine künstlerische P r o d u k tion, sehr groß und von nicht immer gleicher Qualität, umfaßt neben Porträtdarstellungen auch Landschaftszeichnungen und Radierungen (Genreszenen, Bildnisse, Allegorien, Landschaften, Gebrauchsgraphik).
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Studienblatt mit Knabe und Turm Feder in Braun auf Bütten 17,9x22,9 cm Bezeichnet (von fremder Hand) unten rechts in Bleistift Haller von Hallerstein Verso in Bleistift Darstellung einer Kuh und eines Schweinekopfes, bezeichnet unten links in Bleistift Buchberg, unten rechts in brauner Feder Bube von 14 Jahren./ an der niederösterreichisch mährischen Gränze, unten rechts in Bleistift (radiert) L Inv. G 532 [A.I. 664] Erworben vom Kunstantiquariat Franz Meyer, Dresden, am 29. 5. 1916 Lit.: Mannheim 1929, Nr. 72
A u f dem anspruchslosen, durchaus dilettantische Züge aufweisenden Studienblatt notierte sich Haller von Hallerstein verschiedene Motive, die wohl während einer Wanderung an der österreichisch-mährischen G r e n z e sein Interesse gefunden hatten. E s sind
C A R L HARTLAUB (biographische Daten ließen sich nicht ermitteln)
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Südliche Küstenlandschaft (Terracina), 1884 Aquarell auf festem Velin 19,7x25,5 cm Bezeichnet unten rechts in brauner Tusche C. Hartlaub f 1884 Verso oben links Schwind, unten rechts Carl Hartlaub Inv. G 4773 Erworben als Geschenk von Dr. Jenssen, Weinheim, 1967 Das kleinteilig und vedutenhaft starr wirkende Aquarell gibt die vielgerühmte Ansicht von Terracina, der auf steilem Kalkfelsen am M e e r erbauten Grenzstadt zwischen Mittel- und Süditalien, wieder. Von hochgelegenem Standort - am Rande eines unbefestigten, von üppiger Vegetation gesäumten Weges, der von der Altstadt zum Kastell hinaufführt - blickt der Betrachter über die D ä c h e r hinweg, die vom hohen, im 13. Jahrhundert errichteten G l o c k e n t u r m der Kathedrale S. Cesáreo und dem mittelalterlichen W o h n t u r m Torre Frumentaria überragt werden. In der Ferne kann er das M e e r und am H o r i z o n t die Berge von Ischia ausmachen. D i e von Hartlaub gewählte Ansicht ist überaus beliebt gewesen und von den Malern mehr als einmal geschildert worden: Genannt seien hier nur die Darstellungen von Friedrich Eisenlohr (1828: Bernhard 1973, S. 2 2 4 mit A b b . ) und Carl ROTTMANN ( 1 8 3 0 / 3 1 : Bierhaus-Rödiger 1978, Nr. 2 2 4 - 2 2 6 mit Abb.).
F R E I H E R R H A L L E R VON HALLERSTEIN '
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EDUARD HILDEBRANDT * 9. September 1818 Danzig t 25. Oktober 1868 Berlin
Eduard Hildebrandt, Sohn eines Stubenmalers in Danzig, erlernte zunächst den Beruf seines Vaters, bevor er sich 1838 nach Berlin wandte. D o r t ist er bis 1840 als Schüler des Marinemalers Wilhelm Krause, dann des Pariser Malers Eugène Isabey nachweisbar ( 1 8 4 2 - 1 8 4 3 ) . A m Beginn einer Reihe ausgedehnter Reisen, die ihn um die ganze Welt führten, stand eine Fahrt nach Skandinavien, England und Schottland (1840). Ihr folgten Reisen nach N o r d - und Südamerika ( 1 8 4 4 / 4 5 ) , wiederum nach England und Schottland (1847), zu den Kanarischen Inseln, nach Portugal und nach Spanien. D e n Süden bereiste Hildebrandt in k ö niglichem Auftrag 1851 (Italien, Ägypten, Palästina, Türkei und Griechenland). Es schlössen sich eine Nordlandreise und schließlich 1862 bis 1864 eine Reise um die Welt an, über die der Künstler einen dreibändigen Bericht veröffentlichte (herausgegeben von Ernst Kossak, Berlin 1867) und die er in mehreren hundert, v o m Publikum überaus geschätzten A q u a rellen festhielt.
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A b b . S. 258
Niagara im Herbst, 1844/1845 Aquarell auf festem Velin 26 x 36,3 cm Bezeichnet unten links in Bleistift E. H., rechts unten in Bleistift E. Hildebrandt Inv. G 2061 [A.I. O.Z. 6.99] Aus dem Vermächtnis James Emden, Mannheim, vom 7. 11. 1883
1844 hatte der preußische König Friedrich Wilhelm IV. auf Empfehlung Alexander von H u m b o l d t s den Künstler nach N o r d - und Südamerika gesandt. Hildebrandt schuf während dieser zwei Jahre dauernden Reise etwa zweihundert Aquarelle und Ö l s k i z z e n nicht nur Studien von ethnographischem und naturkundlichem Interesse, sondern auch Ansichten der von ihm aufgesuchten O r t e R i o de Janeiro, Albany, Baltimore, B o s t o n , Buffalo, Philadelphia und N e w York.
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HILDEBRANDT
A u c h die Niagara-Fälle gehören in die Reihe dieser Landschaftsaufnahmen, die v o m Publikum wegen ihrer ungewöhnlichen Sujets gefeiert wurden. Hildebrandt zeigt auf dem vorliegenden, in herbstlich-warmen T ö n e n gehaltenen Aquarell die Hauptansicht der Wasserfälle, deren hoch aufspritzende Gischt sich mit den Wolken des Himmels zu verbinden scheint. Auf einer felsigen Landzunge rechts im Bild haben sich unter herbstlich gefärbten Laubbäumen einige M e n schen versammelt, um dem grandiosen Naturschauspiel zuzusehen.
J O H A N N ADAM K L E I N * 25. November 1792 Nürnberg t 21. Mai 1875 München
Mit acht Jahren erhielt J o h a n n Adam Klein, Sohn eines Weinhändlers, in N ü r n b e r g seinen ersten Zeichenunterricht bei dem Landschaftsmaler G e o r g C h r i stoph Gottlieb von Bemmel, der ihn mit dem Realismus der holländischen Malerei des 17. J a h r h u n derts bekannt machte. 1802 schlössen sich drei weitere Studienjahre in der Städtischen Zeichenschule an. Von entscheidendem Einfluß auf den jungen Künstler erwies sich der Eintritt (1805) in die Werkstatt des N ü r n b e r g e r Kupferstechers Ambrosius Gabler, der in erster Linie äußerst getreue Illustrationen zu wissenschaftlichen Werken lieferte und seinen Schüler immer wieder auf das Naturstudium hinwies. Diese E n t wicklung zum Realismus wurde dann nicht zuletzt durch das Werk Wilhelm von KOBELLS nachhaltig verstärkt, das Klein durch den N ü r n b e r g e r Kunsthändler und Verleger J o h a n n Friedrich Frauenholz kennenlernte. N a c h Beendigung der Lehre zog J o h a n n Adam Klein 1811 nach Wien, w o seine Zeichenkunst zur vollen Entfaltung k o m m e n sollte. Wie die mit ihm befreundeten Maler T h o m a s Ender und J o h a n n Christoph ERHARD vertrat auch er nun entschieden einen bedingungslosen, auf absoluter Wahrheit beruhenden R e a lismus in der Kunst. Landschaftsdarstellungen und vor allem Genrestücke mit Fuhrwerken, Vieh, Bauern und Soldaten wurden zu den immer wieder durchgespielten T h e m e n seiner Bildwelt. Dies gilt auch für die Zeichnungen und Aquarelle, die er während seiner
Reisen nach Ungarn (1814,1816), Salzburg (1818) und Italien (1819-1821) aufs Papier brachte. Mit dem Abschluß der Wander- und Studienzeit und der Rückkehr aus Rom in das enge, kleinstädtische Nürnberg (1821), aber auch mit dem Tod seiner beiden künstlerisch so anregenden Freunde Erhard und Frauenholz (1822) fand die Entwicklung Kl eins ihr frühzeitiges Ende. Sein Werk verflachte zunehmend und erschöpfte sich bald in stereotypen Wiederholungen früherer Arbeiten. Daran konnte auch die Übersiedlung nach München (1839) nichts mehr ändern. Die künstlerische Anerkennung blieb aus; vereinsamt, krank und mittellos starb Klein im Alter von 82 Jahren. Außer den im folgenden aufgeführten Blättern besitzt die Mannheimer Kunsthalle als weiteres Werk des Graphikers die 1811 entstandene Radierung Der Knabe als Soldat (Inv.-Nr. G 3013).
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Abb. S. 259
Am Brunnen, 1811 Bleistift auf beigefarben getöntem Bütten 11,9 x 15,85 cm Bezeichnet unten rechts den 9. Mai 1811 Inv. G 648 [A.I. 774] Erworben vom Antiquariat Emil Hirsch, München, am 17. 7. 1916
Die Darstellung gehört zu den frühen, noch während der Lehrzeit bei Ambrosius Gabler in Nürnberg entstandenen Arbeiten Kleins. Sie gibt einen jungen Mann im zeitgenössischen Kostüm, also in langen Hosen und mit langschößigem Rock über Gilet und schleifenverziertem Halstuch, wieder, der sich zur Rast an einem niedrigen Röhrenbrunnen niedergelassen hat. Ob der Künstler hier einen seiner Malerfreunde porträtierte, mit denen er wiederholt Wanderungen in die Umgebung von Nürnberg unternahm? Man könnte an Georg Christoph Wilder denken, einen Mitschüler in der Werkstatt Gablers, den Klein schon einmal dargestellt hatte: Das 1810 geschaffene Blatt zeigt den jungen Künstlerkollegen, mit der gleichen charakteristischen, blumengeschmückten Schirmmütze, beim fleißigen Studium vor der Natur (Leipzig, Museum der bildenden Künste, Inv.-Nr. NJ 805; Abb. bei Bernhard 1973, Bd. 1, S. 691).
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Abb. S. 260
Aussicht gegen Baden auf dem Schloß Rauheneck, 1813 Bleistift und Feder in Braun auf Velin 22,6 x 28,5 cm Bezeichnet oben links JAKlein del 1813 (in Bleistift, JAK ligiert) und Aussicht gegen Baaden auf dem Schloss Rauheneck (in Feder), oben rechts in Bleistift 6. Verso in Bleistift 22564/DC und 1191/f. 5 und 157 a Inv. G 1191 [A.I. 1248] Erworben von der Kunsthandlung C. G. Boerner, Leipzig, am 3. 2. 1919 Lit.: Boerner, Lagerliste 36, 1917, Nr. 103; Schmidt 1922, Landschaftsmalerei, Abb. 69; Mannheim 1929, Nr. 78; Salzburg 1959, Nr. 73; Heidelberg 1965, Nr. 164; Barcelona 1988, S. 62, mit Abb. S. 63; Moskau 1992, S. 52, Kat.-Nr. 20 mit Abb. S. 53
Schon bald nach seiner Ankunft in Wien (1811) hatte Klein die nähere Umgebung erkundet und in überaus wirklichkeitsgetreuen Landschaftszeichnungen aufgenommen. Zu diesen in Döbling und Sievering, in Laxenburg und bei Baden entstandenen Darstellungen gehört auch das vorliegende, im August 1813 geschaffene Blatt. Es gibt die weite Aussicht wieder, wie sie sich dem Betrachter von Rauheneck aus bietet, einer westlich von Baden am Eingang zum Helenental gelegenen Höhenburg. Die 1138 urkundlich erstmals erwähnte, von den Herren von Rauheneck errichtete Anlage erlebte eine wechselvolle, von Zerstörung und Wiederaufbau gezeichnete Geschichte, die mit der Verwüstung durch die Türken 1529 ihr eigentliches Ende fand; seit dieser Zeit ist sie verlassen. Ihre nicht unbedeutenden Uberreste bestehen aus den Ruinen des Palas, der Kapelle, der Umfassungsmauern und des hohen, im 13. Jahrhundert erbauten Bergfrieds. Auf seiner Wanderung hielt Klein nicht nur diesen dreiseitigen Turm in einer Ansicht fest (Freitag-Stadler 1975, Kat.-Nr. 65 mit Abb.), sondern zeichnete damals auch die vorliegende Darstellung mit dem weithin reichenden Blick von den Ruinen hinunter auf das im Tal liegende Städtchen Baden. Enorme Tiefenwirkung erreichte er durch die Staffelung von flüchtig skizziertem, das Auge nicht weiter beschäftigendem Vordergrund, detailliert ausgearbeiteter mittlerer Bildzone und in der Ferne sich auflösendem Hintergrund. Verstärkt wird der Eindruck von Räumlichkeit durch eine gezielte (eine Aquarellierung oder Lavierung vorbereitende?) Lichtführung mit dunklen Schraffurzonen und hellbeschienenen Flächen.
KLEIN
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Erwähnung verdient die wohl v o m Künstler selbst notierte Preisangabe 5 / ( 5 florin) auf der Blattrückseite. Sie läßt darauf schließen, daß er die Zeichnung zum Verkauf bestimmt und daher als eine Arbeit angesehen hat, die mit Nachfrage rechnen konnte. D i e gegenüberliegende Burg Rauhenstein, die zusammen mit Rauheneck den Eingang zum Helenental zu kontrollieren hatte, zeichnete Klein übrigens ebenfalls (Freitag-Stadler 1975, Kat.-Nr. 64).
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A b b . S. 261
Merkwürdiger Felsen auf den Ruinen von Arnstein, 1813 Bleistift auf Velin (ehemals laviert) 22,8 x 27,7 cm Bezeichnet oben links no 10., oben rechts JAKlein del 1813. (JAK ligiert; ehemals weitere Beschriftung Merkwürdiger Felsen auf den Ruinen von Arnstein bei Rastenmark) Verso in Bleistift Ruine. Bezeichnet oben rechts 47, unten links 22565/DC (sowie ehemals oben rechts St. Pangratz zu Alland) Inv. G 1190 [A. I. 1247] Erworben von der Kunsthandlung C. G. Boerner, Leipzig, am 3. 2. 1919 Lit.: Boerner, Lagerliste 36, 1917, Nr. 102; Mannheim 1929, Nr. 76; Moskau 1992, S. 52, Nr. 21
Ziele der im August 1813 unternommenen Wanderung Kleins in der U m g e b u n g von Baden sind nicht nur die Ruinen von Rauheneck (Kat.-Nr. 93), R a u henstein und Merkenstein gewesen (Freitag-Stadler 1975, Nr. 64, 66). D e r Künstler besuchte damals auch Arnstein, w o er die vorliegende Darstellung zeichnete. D i e aus dem 12. Jahrhundert stammende Burg erhebt sich auf den Ausläufern des nach Westen hin steil abfallenden Wexenberges (bei Raisenmarkt). Von ihr blieben nach der Zerstörung durch die T ü r k e n (1529) lediglich Ruinen des Burgtores, Quadermauerwerk v o m Palas sowie an einer über dem Absturz aufragenden Felsnadel das stockwerkhohe Fragment eines bergfriedartigen Rundturms erhalten. Diese markante Felsformation mit den Mauerresten rückte Klein links ins Bild; aufgetürmte Felsbrocken entsprechen ihr am rechten Blattrand. Dazwischen öffnet sich der weite Blick in das Tal hinunter auf die Berglandschaft des Wienerwaldes. A u f der Rückseite des Blattes skizzierte Klein die Uberreste von St. Pankratius, einem gotischen, in den
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KLEIN
Ruinen der ehemaligen Schwarzenburg errichteten Wehrkirchenbau auf dem Pankraziberg, westlich von Baden bei Alland gelegen.
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A b b . S. 172
Reiter im Gespräch, 1817 Aquarell über Bleistift auf Velin 22,4 x 28,6 cm Bezeichnet oben links in Tusche über Bleistift 1817 den 21. October in Streitdorf, bei Wien. JAKlein (JAK ligiert) Inv. G 1105 [A.I. 1162] Erworben von der Kunsthandlung C. G. Boerner, Leipzig, am 29. 7. 1918 Lit.: Schmidt 1922, Biedermeier, Abb. 2; Mannheim 1929, Nr. 77; Kiel 1960, Nr. 46; Moskau 1992, S. 52, Kat.-Nr. 22 mit Abb. S. 53 Von großem Einfluß auf die künstlerische E n t w i c k lung Kleins sind nicht nur der Unterricht bei A m b r o sius Gabler und die holländische Landschaftsmalerei des 17. Jahrhunderts mit ihren ausgeprägt realistischen Tendenzen gewesen. A u c h das Werk Wilhelm von KOBELLS spielte eine wichtige R o l l e für den j u n gen Künstler. D a v o n zeugt nicht zuletzt das vorliegende Aquarell. Klein malte es während seines zweiten Wiener Aufenthaltes, im O k t o b e r 1817, als er wieder einmal seinen Freund G e o r g Pischinger, G u t s verwalter der Herrschaft Streitdorf bei Hellabrunn, besuchte. U n t e r grauem, regenverhangenem und nur in einem schmalen Streifen blaßblau aufleuchtenden H i m m e l erstreckt sich die hügelige Gegend südlich von Wien. Sie bildet den farblich in Graubraungrün gehaltenen Hintergrund für die Begegnung eines Herrenreiters mit einem Bauern - für ein Bildmotiv also, das undenkbar ist ohne die gleichartigen Darstellungen, die Wilhelm von Kobell seit den späten neunziger Jahren des 18. Jahrhunderts in allen Variationen und in großer Anzahl geschaffen hat. A u f einem Schimmel sitzend, in einen braunen, langschößigen R o c k , in graue H o s e n und Zylinder gekleidet, wendet sich der Reiter an den Landmann. Dieser steht links vor ihm, ehrerbietig die Kappe in der R e c h t e n haltend und mit der Linken seinen Stecken vor sich auf den B o d e n setzend. Erzählerische Details beleben die Szenerie: ein G e h ö f t links am Bildrand und ein D o r f rechts im Hintergrund sowie - nur skizzenhaft angedeutet - ein H i r t e mit seiner Schafherde in den Wiesen hinter dem
Bauern und schließlich eine weitere, das Hauptmotiv der Darstellung wiederholende Begegnung zwischen Reiter und Fußgänger auf einem hügelan führenden Weg. Das Aquarell ist unvollendet geblieben. D e r Farbauftrag fehlt an den beiden seitlichen Blatträndern. B e sonders deutlich läßt sich daher an diesen Stellen die künstlerische Technik erkennen: N i c h t auf nassem Papier und mit zügigen Pinselstrichen, sondern auf t r o k kenem Untergrund hat Klein die Farben aufgetragen, dabei sorgsam alle mit dem Bleistift vorgezeichneten, bis in feinste Schattennuancen angegebenen Details kolorierend.
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A b b . S. 173
Pferdemarkt, um 1820/1825 Aquarell über Bleistift auf bräunlichem Tonpapier 21 x 28,6 cm Bezeichnet unten rechts in Bleistift J. A. Klein (von fremder Hand?) Verso in Bleistift und Weißhöhung Variante der Darstellung auf der Vorderseite; unten links in Bleistift 33 Inv. G 649 [A.I. 775] Erworben vom Antiquariat Emil Hirsch, München, am 17. 7. 1916 Lit.: Mannheim 1929, Nr. 75; Kiel 1960, Nr. 47; Mannheim 1983, S. 81 (mit Abb.)
D e r N ü r n b e r g e r Lehrer Ambrosius Gabler, so berichtet J o h a n n A d a m Klein in seiner Autobiographie, „bemerkte bald meine vorherrschende Neigung zum Tierzeichnen und schickte mich oft ins Freie, um Studien von Tieren und landschaftlichen Gegenständen nach der N a t u r zu zeichnen, und ich ging fleißig auf den Viehmarkt und auf die Futterplätze der Stadt" (zit. n. Schwemmer 1966, S. 10). Dieses frühe, klug geförderte Interesse hat sich nie verloren und wurde im übrigen auch durch den künstlerischen Einfluß Wilhelm von KOBELLS wach gehalten - dafür sprechen die überaus zahlreichen, immer wieder variierten Darstellungen von Pferden und Rindern, von Ziegen und Hunden, die Klein bis an sein Lebensende gezeichnet und aquarelliert hat. A u c h das vorliegende Blatt zeugt von der besonderen Vorliebe des Künstlers für ländliche Szenerien. H i e r ist es ein Pferdemarkt, der dem Betrachter vor Augen geführt wird. D e r potentielle Käufer sitzt auf einem scheuenden, den K o p f hochreißenden Pferd, das ein
M a n n mit dem G r i f f in die Zügel zu bändigen sucht; vor ihm steht links ein bäuerlich in einen weiten U b e r wurf gekleideter Händler, der ihm etwas zuzurufen scheint. Unbeteiligt am Geschehen rechts ein Reiter; neben ihm als Idyll am Rande eine Stute, die ihr F o h len säugt. D i e mit freien, lockeren Zügen festgehaltene Pinselzeichnung ist auf braungraue Farbtöne abgestimmt, wobei die orangerote J a c k e des Käufers und das kobaltblaue Cape des Reiters kalkuliert als belebende Kontraste eingesetzt wurden. Das farblich fein abgestufte, zum Teil in dünnen Lasuren aufgetragene und den Papiergrund nicht gänzlich abdeckende Aquarell ist undatiert geblieben. E i n Vergleich mit den reizvoll frischen Pinselzeichnungen aus den frühen zwanziger Jahren läßt die Vermutung zu, daß Klein es bald nach seiner R ü c k k e h r aus Italien in N ü r n b e r g geschaffen hat (Freitag-Stadler 1975, Nr. 334, 3 7 3 , 3 8 5 , 3 8 6 ) . Auf der Versoseite erkennt man schwach die U b e r r e ste einer nur flüchtig skizzierten K o m p o s i t i o n , in der Klein mit geringfügigen Änderungen die Darstellung der Vorderseite wiederholte.
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A b b . S. 174
Milchwagen, 1855 Aquarell über Bleistift, Weißhöhung, auf hellbräunlichem Tonpapier 12,2 x 16 cm Bezeichnet oben rechts in Bleistift JAKlein (JAK ligiert) del.
17 Dec 55
Verso unten links in Bleistift J. A. Klein (von fremder Hand) und 46 Inv. G 395 [A.I. 539] Erworben vom Kunstantiquariat Franz Meyer, Dresden, am 6. 12. 1915
E i n ausgeprägter Wirklichkeitssinn durchzieht die gesamte künstlerische Produktion Kleins. Realistische Landschaftsdarstellungen (Kat.-Nr. 93, 94) und genau beobachtete ländliche Szenerien (Kat.-Nr. 95, 96), ethnographische Darstellungen und vor der N a t u r gezeichnete Studien machen den Hauptteil seines L e benswerkes aus. D a z u gehören die zahlreichen Wiedergaben von Fuhrwerken aller Art: von Lastwagen und Kutschen, von Fouragewagen und Karren - und eben auch von Milchwagen, wie das Mannheimer Aquarell zeigt (weitere Studien Kleins mit demselben Sujet: Freitag-Stadler 1975, Nr. 285 mit A b b . ; J a h n
KLEIN
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1863, Nr. 342). Schon in Wien, so erzählt der Künstler in seinen Lebenserinnerungen, habe ihn der lebhafte Verkehr auf den Hauptstraßen und Marktplätzen interessiert: „(ich) zeichnete davon, was ich habhaft werden konnte, in mein Studienbuch, welches nach meiner Gewohnheit nie in der Tasche fehlen durfte" (zit. n. Schwemmer 1966, S. 11). Auch in den folgenden Jahrzehnten hielt er an dieser Gewohnheit fest. 1855 schuf er das vorliegende Aquarell eines vierrädrigen, gelben Leiterwagens, dessen Kutschbock ein zurückklappbares, graues Verdeck und ein Spritzleder schützen und auf dessen Ladefläche als Fracht Milchkannen transportiert werden.
L E O VON KLENZE * 28. Februar 1784 Bockelah (bei Schladen/Harz) f 27. Januar 1864 München
Leo von Klenze, 1784 als Sohn eines begüterten Beamten im Forsthaus Bockelah bei Schladen geboren, bezog mit sechzehn Jahren die Berliner Universität. Er studierte zunächst Jura, wandte sich dann aber unter dem Einfluß von Friedrich Gilly und Aloys Hirt der Architektur zu. Seine Ausbildung erhielt ihren letzten Schliff in Paris; ihr schloß sich 1803 die Ernennung zum Hofarchitekten König Jeromes in Kassel an. 1814 lernte Klenze in Paris den Kronprinzen Ludwig von Bayern kennen, der ihn bald nach München berief. Bis zu seinem Tode 1864 wirkte der Künstler dort als kulturpolitisch äußerst einflußreicher Hofbauintendant und schuf mit dem Königsplatz und der Pinakothek, mit dem Königsbau und dem Festsaalbau der Residenz, mit der Ludwigstraße und dem Herzog-Max-Palais eine Reihe von Monumentalbauten, die dem Münchner Stadtbild bis in die Gegenwart sein unverwechselbares Gesicht geben. Bemerkenswert ist neben dieser architektonischen Tätigkeit auch das malerische und zeichnerische Schaffen Klenzes: Etwa 30 Gemälde - italienische und griechische Architekturveduten sowie Idealrekonstruktionen antiker Stätten - und viele freie, nicht an bauliche Projekte gebundene Zeichnungen und Reiseskizzen zeugen von seiner Begabung auch auf dem Gebiet der bildenden Kunst.
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KLENZE
98/1-98/54
Dekorationsmotive nach Entwürfen Leo von Klenzes Inv. G 1559/1-54 [A.I. 1624] Erworben am 14. 6. 1921 vom Antiquariat Karl W. Hiersemann, Leipzig, aus dem Nachlaß Leo von Klenzes Lit.: Hiersemann, Katalog 491, 1921, Nr. 794
Die figürlich-ornamentalen Dekorationsentwürfe erwarb die Mannheimer Kunsthalle als Teil des KlenzeNachlasses von dem Leipziger Kunsthändler Karl W. Hiersemann. Die Blätter waren - in der Regel einzeln, gelegentlich auch paarweise und nach keinem erkennbaren System geordnet - zum Zeitpunkt ihres Ankaufs auf 57 numerierten Pappbögen montiert und zu einer Mappe zusammengestellt. Wie sich aus einem gedruckten Inhaltsverzeichnis auf der Mappeninnenseite ergibt, ist die Folge nicht komplett erhalten geblieben; es fehlen die Bögen 4, 7, 8, 13 und 38. Aus konservatorischen Gründen mußten die noch vorhandenen 54 Zeichnungen von den Unterlegpappen abgenommen werden. Sie erhielten eine neue Numerierung, die sich an inhaltlichen Zusammenhängen zu orientieren suchte (die ursprüngliche Tafelzählung wurde in Klammern hinzugesetzt). Eine solche inhaltliche Bestimmung der - übrigens sämtlich undatierten und nie mit bezeichnenden Eintragungen versehenen - Ornamententwürfe ist allerdings nicht in allen Fällen gelungen. Da im Zweiten Weltkrieg viele Bauwerke Klenzes und damit auch die von ihm entworfenen Raumdekorationen zerstört wurden und weil nur wenige seiner Architekturen monographisch behandelt sind, stellte sich eine genaue Zuordnung dieser Zeichnungen als nicht eben einfach heraus. Im Vergleich mit den originalen Bauentwürfen (bzw. deren Pausen in der Graphischen Sammlung München, im Münchner Stadtmuseum, in Nymphenburg: Verwaltung der bayerischen Schlösser, Gärten und Seen sowie in der Architektursammlung der Technischen Hochschule München) ließ sich gut die Hälfte der vorliegenden Zeichnungen exakt bzw. mit annähernder Genauigkeit ganz bestimmten Innendekorationen zuweisen. Auf welche Bauwerke die übrigen Entwürfe zu beziehen sind, ja, ob sie überhaupt zur Ausführung kamen, muß einstweilen dahingestellt bleiben. Nicht zu beantworten ist vorerst auch die Frage der Zuschreibung. Die stilistische Spannweite der Blätter
erweist sich als außerordentlich groß. Sie reicht von sicheren, mit spitzem Bleistift angelegten Entwürfen in reinem Umrißstil (die noch am ehesten Klenze selbst zuzuordnen sind: Blatt 1, 5, 7,14,16-19, 21-38, 41, 42) bis zu malerisch wirkenden, überaus plastisch aufgefaßten Federzeichnungen mit Tuschlavierungen. Da Klenze die Innendekorationen seiner Bauten wohl selbst entworfen, aber natürlich zur detaillierten Ausarbeitung und Ausführung weitergegeben hat, ist zu vermuten, daß es sich bei unseren Zeichnungen z. T. um Studienblätter der beteiligten Handwerker, Maler und Stukkateure handelt.
98/1
Abb. S. 262
Entwurf für das Herzog-Max-Palais in München, 1822/1830 Schwarze Kreide, Bleistift und Pinsel in Hellbraun auf Bütten; WZ S E und Anker, dessen Schaft in einer 4 endet 57,3 x 44,8 cm
98/2-22
Dekorationsentwürfe für den Königsbau der Münchner Residenz, 1830/1835 Als südlichen Abschluß des Residenzkomplexes hatte König Ludwig I. von Bayern zwischen 1826 und 1835 durch Leo von Klenze den sog. Königsbau mit den herrscherlichen Prunkappartements errichten lassen. Klenzes Entwürfe galten nicht nur der Architektur selbst. Sie betrafen auch das gesamte Dekorationssystem der etwa dreißig Innenräume, für das er seine Ideen seit dem Sommer 1830 entwickelte. Abgeschlossen war diese Entwurfsarbeit, die von verschiedenen Handwerkern, Malern und Stukkateuren umgesetzt wurde, im Oktober 1835, als Ludwig I. den Palast bezog. Die Raumausstattung des Königsbaues ist im Zweiten Weltkrieg nahezu vollständig verlorengegangen.
98/2 Für Herzog Maximilian von Bayern-Birkenfeld errichtete Leo von Klenze zwischen 1828 und 1830 an der Ludwigstraße einen großzügigen Palast mit den Appartements für das Prinzenpaar, mit Theater- und Ballsaal, mit Reithalle und Zirkus. Uberaus reich ließ er die Fußböden, Wände und Decken dieses Gebäudes, das 1936 abgebrochen worden ist, nach eigenen Entwürfen von Malern und Bildhauern ausgestalten (Hederer 1981, S. 253ff.). Auf der linken Bildseite als ein zusammenhängendes Dekorationsgefüge die Hälfte eines Plafonds oder einer Wand mit Rahmenleiste: Rankenornament mit Greif und Amoretten. Auf der rechten Blattseite Details aus dem links entwickelten Dekorationsschema: Kopf, Maske und drei Amoretten mit Pfeilen bzw. Schmetterling (Taf. 48) Bei diesem Blatt scheint es sich um einen Entwurf für die Kassettendecke im Tanzsaal des Palais zu handeln. Dort finden sich unmittelbar verwandte Putten in Laub-Tondi, ausgeführt „von dem Professor Zimmermann" (Klenze 1835, Taf. V).
Abb. S. 263
Geflügelte Chimäre im Sprung nach rechts (Taf. 20/a) Bleistift und Pinsel in Rotbraun auf Velin; WZ Posthorn 18,7x29,7 cm Unten links (radiert) 57.
Entwurf für den Servicesaal des Königs: Die geflügelten Chimären schweben - als Pendants paarweise angeordnet - oberhalb der ornamentalen Rahmungen für die Wandbilder mit Szenen aus den homerischen Hymnen. Wie sich aus dem 1842 erschienenen Dekorationswerk ergibt, führten Johann Georg Hiltensperger und Georg Schilling „nach des Architekten Zeichnungen und Angabe" diese Malereien aus (Decoration 1842, Text zu Taf. III, IV; Hojer 1992, S. 69ff. mit Abb. S. 70). Unmittelbar verwandt ist der folgende Entwurf Nr. 98/3.
KLENZE
71
98/3
A b b . S. 263
Geflügelte Chimäre im Sprung nach rechts (Taf. 26) Bleistift und Pinsel in Rotbraun auf Bütten; WZ S E und Anker, dessen Schaft in einer 4 endet 40,4 x 56,8 cm Unten links (radiert) 66.
Zu diesem mit dem vorigen E n t w u r f unmittelbar verwandten Blatt vgl. die B e m e r k u n g unter Nr. 98/2.
98/4
98/6
A b b . S. 265
En face hockender Greif (Taf. 29) Bleistift und Pinsel in Rotbraun und Braungrau auf Bütten 43,1 x 25,6 cm Unten links (radiert) 69.
A b b . S. 263
Zwei en face sitzende Greifen, die Köpfe einander zugewandt (Taf. 28) Bleistift und Pinsel in Rotbraun auf Bütten; WZ S E und Anker, dessen Schaft in einer 4 endet 30,2x46,1 cm Unten links (radiert) 68.
Links wohl ein E n t w u r f für den Servicesaal des K ö nigs, w o derartige Greifen die Giebel der ädikulaartigen U m r a h m u n g e n für die szenischen Wandbilder bekrönen (Decoration 1842, Taf. III). Rechts vermutlich ein E n t w u r f für den Speisesaal: Gemeint sind die Greifen in den ornamentierten Zwickeln zwischen den rundbogigen anakreontischen Deckenbildern (Decoration 1842, Taf. V I ; H o j e r 1992, S. 103ff. und A b b . S. 105).
98/5
A b b . S. 264
Weibliche Halbfigur en face, geflügelt, in Blattwerk und Ranken mit Füllhorn endend; (um 90° nach links gedreht) Rankenmotiv; Sphinx im Profil, auf Rankenwerk hockend (Taf. 2) Bleistift auf Bütten; WZ S E und Anker, dessen Schaft in einer 4 endet 46 x 54,7 cm Unten links (radiert) 41.
72
D i e weibliche Halbfigur ist ein E n t w u r f für den Servicesaal des Königs, w o verwandte G r o t e s k e n in den Eckfeldern der kassettierten D e c k e erscheinen ( D e c o ration 1842, Taf. IV; H o j e r 1992, S. 69ff. mit A b b . S. 71)
KLENZE
E n t w u r f für das Ankleidezimmer des Königs: D o r t begegnen derartige Greifen als „Karyatiden" der Volutenstäbe, die die Wandfelder voneinander trennen ( H o j e r 1992, S. 94ff. mit A b b . S. 61).
98/7
A b b . S. 266
Größeres Dekorationsfeld mit Rankenwerk und hermenförmiger Viktoria, Maske und Kranz in den Händen haltend (Taf. 9) Schwarze Kreide auf Japanpapier (aufgezogen auf hellem, mit Ornamentwerk bezeichneten Bütten) 67 x 48,6 cm E n t w u r f für das Ankleidezimmer des Königs: G e meint sind die Zwickel des Lünettenfeldes - mit der Darstellung des Aristophanes beim Tanz mit einer Muse - an der N o r d w a n d (Decoration 1842, Taf. X I ; H o j e r 1992, S. 94ff. mit A b b . S. 95).
98/8
A b b . S. 265
Sitzender Adlergreif, nach links gewandt (Taf. 35) Schwarze Kreide und Pinsel in Rotbraun auf Bütten; WZ Anker, dessen Schaft in einer 4 endet 47,9 x 29,5 cm
Entwurf für das Empfangszimmer des Königs: Dort erscheint der Adlergreif, als Pendant zum Greifen auf Blatt 98/9 angeordnet, im rotgrundigen, pilasterartigen Arabeskenstreifen zu Seiten der historischen Wandbilder. Die Malereien wurden von „Gajani und Anderen" ausgeführt (Decoration 1842, Taf. IX; H o jer 1992, S. 82ff. und A b b . S. 57).
98/11
Abb. S. 267
W e i b l i c h e H e r m e m i t F l ü g e l n , en f a c e u n d als K a r y a t i d e g e d a c h t (Taf. 37) Schwarze Kreide und Pinsel in Braungrau auf Velin (rechte untere E c k e herausgeschnitten, auf Velin mit dem W Z S. Egger aufgezogen) 47,2 x 27,8 cm (in der Mitte gemessen)
Sitzender Adlergreif, nach rechts gewandt (Taf. 36)
Wohl ein Entwurf für das Empfangszimmer des K ö nigs: vgl. die bekrönenden Hermenfiguren auf dem Gebälk der pompejanischen Illusionsarchitektur (Hojer 1992, Abb. S. 57).
Schwarze Kreide und Pinsel in Braungrau auf Velin (auf Velin aufgezogen) 46,9 x 27,9 cm Unten links Rest von radierten Ziffern
98/12
Entwurf für das Empfangszimmer des Königs: vgl. die Bemerkung unter Nr. 98/8.
Zwei E m b l e m e , gebildet aus antikisierenden Trinkschalen, Musikinstrumenten u n d Waffen (Taf. 42)
98/9
98/10
Abb. S. 267
Abb. S. 268
L i e g e n d e r Adlergreif i m Profil nach links; h o c k e n d e r Adlergreif im Profil nach rechts; liegende Sphinx im Profil nach rechts; a u f s t e i g e n d e r A d l e r g r e i f n a c h rechts g e w a n d t (Taf. 33) Bleistift und Pinsel in Rotbraun auf Bütten; W Z S E und Anker, dessen Schaft in einer 4 endet 46,3 x 60,9 cm Unten links (radiert) 73.
Der Adlergreif oben links könnte als Entwurf für das Empfangszimmer des Königs entstanden sein: Dort sieht man als bekrönende Akroterfiguren auf dem Gebälk der pompejanischen Illusionsarchitektur solche lagernden Wesen (Hojer 1992, Abb. S. 57).
Abb. S. 268
Schwarze Kreide und Bleistift auf Bütten 4 1 , 8 x 2 8 , 9 cm U n t e n links (radiert) 142.
Entwurf für das Empfangszimmer des Königs. Zwischen pilasterartigen Arabeskenstreifen befanden sich Wandbilder mit Darstellungen aus den Tragödien des Aischylos; diese Tafeln waren geschmückt mit figürlichen Ornamenten, darunter auch hängenden Emblemen aus Geräten, Waffen und Gefäßen. Die ornamentale Malerei führten „Gajani und andere" aus (Decoration 1842, Text zu Taf. IX; Hojer 1992, S. 82ff. und Abb. S. 58).
98/13
Abb. S. 269
G e f l ü g e l t e C h i m ä r e im Profil nach links; D o g g e i m S p r u n g n a c h rechts; h o c k e n d e r G r e i f als E c k f ü l l u n g (Taf. 27) Bleistift, Pinsel und Feder in Rotbraun auf Bütten; W Z S E und Anker, dessen Schaft in einer 4 endet 46 x 60,2 cm Unten links (radiert) 67.
KLENZE
73
Bei der Chimäre handelt es sich um einen Entwurf für den Speisesaal; dort erscheinen derartige Wesen an der kassettierten Decke, in den spitzwinklig zulaufenden Feldern oberhalb der rundbogigen Lünettenbilder. Ausführende Künstler sind die Maler Hermann Anschütz und Conti gewesen (Decoration 1842, Taf. V und VI; Hojer 1992, S. 103ff. und Abb. S. 104,105).
98/14
Abb. S. 270
E m b l e m aus H e l m u n d S c h w e r t ( u m 90° nach links gedreht); f ü n f delphinartige F a b e l w e s e n (Taf. 43) Bleistift auf Bütten; W Z S E und Anker, dessen Schaft in einer 4 endet 58,9 x 4 5 , 8 cm Unten links Rest von radierten Ziffern
Die Delphine sind wahrscheinlich Entwürfe für den Speisesaal gewesen. Sie finden sich dort in sehr verwandter Art (vgl. auch Blatt 98/15) an der kassettierten Decke, in den spitzwinklig zulaufenden Feldern oberhalb der rundbogigen Lünettenbilder. Als ausführende Maler werden Hermann Anschütz und Conti genannt (Decoration 1842, Text zu Taf. V). Bei dem Waffenemblem könnte es sich um einen Entwurf für den Scheitel des Kreuzgratgewölbes über dem obersten Absatz des östlichen Stiegenhauses handeln (Hojer 1992, Abb. S. 45 oben).
98/15
Abb. S. 269
Vier delphinartige F a b e l w e s e n (zwei dieser Tiere, auf Velin, laviert, sind ausgeschnitten und aufgeklebt; Taf. 47) Schwarze Kreide und Bleistift auf Bütten; W Z S E 29,4 x 43,4 cm Unten links (radiert) 145.
Vgl. die Bemerkungen unter Nr. 98/14.
74
KLENZE
98/16
Abb. S. 270
L i n k e Seite einer s y m m e t r i s c h angelegten D e k o r a t i o n : R a n k e n w e r k mit schreitender S p h i n x (Taf. 50) Bleistift und Feder in Braun auf Velin (Konturen und Binnenlinien zur Übertragung durchlöchert) 40,9 x 66,4 cm
Eine diesem Entwurf sehr verwandte Figuration konzipierte Klenze für den Speisesaal: vgl. den Entwurf in München, Stadtmuseum, Sammlung Lang I/Bl. 76. S. auch die Zeichnung des Architekten für das Gebälk des Speisesaals: Hojer 1992, Abb. S. 104 unten.
98/17
Abb. S. 271
D r e i z u s a m m e n m o n t i e r t e B l ä t t e r mit O r n a m e n t e n (Taf. 49): A m o r , auf e i n e m D r a c h e n reitend, dessen U n t e r l e i b in R a n k e n w e r k übergeht Bleistift, Feder und Pinsel in Rotbraun auf Velin 17,2 x 37,9 cm
Aufgezogen auf das obere Drittel eines Büttenbogens (WZ S E), der in der Mitte die folgende Darstellung trägt: Vogelgreif mit e i n e m U n t e r k ö r p e r aus Rankenwerk Bleistift und Pinsel in Rotbraun auf Bütten 52,8 x 40 cm
Den Vogelgreif entwarf Klenze für die Bibliothek der Königin, wo das Fabelwesen im Lünettenfeld der Nordwand begegnet (Photographie in Nymphenburg: Verwaltung der bayerischen Schlösser, Gärten und Seen, Neg.- Nr. 7508). Auf das untere Drittel dieses Büttenbogens ist ein weiteres Blatt montiert:
Geflügelte männliche Halbfigur mit Unterkörper in Blatt- und Rankenwerk, eine Chimäre packend Bleistift, Feder und Pinsel in Rotbraun 22,1 x 40 cm
98/18
98/20
A b b . S. 273
Antikisierende Vase (linke Seite ausgeführt, rechte nur skizziert; Taf. 57) Bleistift auf Velin (auf Bütten aufgezogen, Konturen und Binnenlinien zur Übertragung durchlöchert) 46,9 x 23,5 cm
A b b . S. 272
Viktoria mit Siegeskränzen in den erhobenen Armen, en face, Unterkörper in Akanthusblätter und -ranken übergehend (Taf. 11) Bleistift auf Bütten (Konturen und Binnenlinien zur Übertragung durchlöchert); WZ S E und Anker, dessen Schaft in einer 4 endet 50,5 x 36,2 cm Unten links (radiert) 99.
E n t w u r f für die D e c k e des Tanzsaales, deren Kassettenfelder mit derartigen Viktorien geschmückt waren (vgl. Klenzes Federzeichnung in M ü n c h e n , Staatliche Graphische Sammlung, Inv.-Nr. 26536; H o j e r 1992, S. 160ff.).
Vermutlich handelt es sich u m einen (wohl für die Übertragung auf die Wand durchlöcherten) E n t w u r f für den Salon der Königin. D o r t zog sich unterhalb des Plafondsimses ein Fries von rechteckigen „Tafelbildern" entlang, auf denen im Wechsel Landschaften und griechische Vasen zu sehen waren (Decoration 1842, Taf. XV; H o j e r 1992, S. 134ff. mit A b b . S. 136).
98/21
A b b . S. 273
Links weibliche geflügelte Halbfigur en face, Unterkörper in Blatt- und Rankenwerk übergehend; rechts in einer Ranke sitzende weibliche Figur, eine Girlande präsentierend (Taf. 10) Bleistift, Feder in Rot auf Velin (auf Papier aufgezogen) 26,1 x 47,6 cm
98/19
A b b . S. 272
Geflügelte weibliche Halbfigur en face, ihre Hände an die Brust legend; leierspielende weibliche Figur, in den Leib einer Chimäre übergehend, im Profil nach links gewandt; geflügelte, bekränzte und eine antikisierende Vase in Händen haltende weibliche Figur mit Delphinkörper, im Profil nach links (Taf. 14) Bleistift, Pinsel und Feder in Rot auf Bütten: WZ S E und Anker, dessen Schaft in einer 4 endet 46,1 x 61,1 cm Unten links (radiert) 40.
Rechts ein E n t w u r f für die figurengeschmückten O r namentranken, die im Schreibzimmer der Königin die Wandfelder unterhalb des Gesimses umziehen ( P h o tographie in N y m p h e n b u r g : Verwaltung der bayerischen Schlösser, Gärten und Seen, N e g . - N r . 19290; H o j e r 1992, S. 145ff.). D i e weibliche Halbfigur links ist möglicherweise für die D e c k e des Empfangssalons im Festsaalbau gedacht gewesen, wie der Vergleich mit einer Federzeichnung Klenzes nahelegt (München, Staatliche Graphische Sammlung, Inv.-Nr. 26523).
98/22 B e i der geflügelten weiblichen Halbfigur mag es sich um einen E n t w u r f für den Schlafsaal der Königin handeln: In den Arabeskenstreifen zwischen den G e m ä l den der N o r d v o u t e findet sich eine durchaus verwandte Hermenfigur als Karyatide ( H o j e r 1992, S. 139ff. mit A b b . S. 140).
A b b . S. 274
Nach rechts aufsteigender Adlergreif im Rankengewinde (Taf. 52) Bleistift, laviert, auf Bütten; WZ S E und Anker, dessen Schaft in einer 4 endet 30,2 x 43,6 cm
KLENZE
75
Hier könnte es sich um einen Entwurf für Supraporten im Königsbau handeln. Vgl. den Entwurf aus Klenzes Baubüro in München, Stadtmuseum, Sammlung Lang 1/ Bl. 8.
Vier Studien zu aufsteigenden heraldischen Löwen (Taf. 21)
98/23-24
Bleistift und Pinsel in Rotbraun auf Velin; W Z S. Egger und Posthorn 41,3 x 28,1 cm U n t e n links (radiert) 59.
Dekorationsentwürfe für den Festsaalbau der Münchner Residenz, 1832/1842 Mit dem Königsbau waren die Umgestaltungen der Münchner Residenz noch nicht abgeschlossen. Zwischen 1832 und 1842 ließ Ludwig I. im Nordosten des Schloßkomplexes durch Leo von Klenze einen Neubau von hohem repräsentativen Anspruch, den sog. Festsaalbau, errichten. Als Rahmen für Staatsfeierlichkeiten gedacht, umfassen seine beiden Trakte u. a. die Räume für die Schönheitengalerie, den Schlachtensaal, den Thronsaal und die Kaisersäle (zu denen der sog. Barbarossasaal gehört: Kat.-Nr. 220-227). Auch für dieses Projekt schuf Klenze eine Fülle von Entwürfen, die nicht nur die Architektur selbst, sondern auch die Dekorationen der Wände, Decken und Fußböden betrafen und die den ausführenden Handwerkern als Vorlage dienten.
98/23
Abb. S. 274
Emblem aus geflügeltem Seepferd, Dreizack und Ruderblatt (um 90° nach links gedreht); Tropaion aus Panzer und Waffen (Taf. 41) Bleistift und Pinsel in Braungrau auf Velin; W Z Wappenschild mit dem bayerischen Löwen vor dem Rautenschild und mit der Umschrift „Königreich Bayern" 27,5 x 38,8 cm Unten links (radiert) 141.
Die Zeichnung des Tropaions könnte sich auf die Trophäenreliefs beziehen, die man im Thronsaal an der Ostwand, in den Feldern unterhalb der Decke, sah (Photographie in Nymphenburg: Verwaltung der bayerischen Schlösser, Gärten und Seen, ohne Neg.Nr.).
76
KR F N 7 F
98/24
Abb. S. 275
Vermutlich war der bekrönte Löwe in der rechten unteren Bildecke als Entwurf für das königliche Wappen oberhalb des Herrschersitzes im Thronsaal gedacht (Photographie in Nymphenburg: Verwaltung der bayerischen Schlösser, Gärten und Seen, Nr. 6488; s. a. Hederer 1981, Abb. 159).
98/25-26
Dekorationsentwürfe für die Alte Pinakothek in München, 1822/1836 Bereits 1822 hatte Klenze von König Max Joseph den Auftrag erhalten, für den großen, durch die Uberführung der Mannheimer und Zweibrückener Galerien nochmals enorm angewachsenen Gemäldebestand ein neues Museum in München zu erbauen. Der Grundstein wurde erst 1826 unter Ludwig I. gelegt, zehn Jahre später konnte man die Einweihung der Pinakothek feiern. Die Hauptsäle dieses klar gegliederten Gebäudes waren prachtvoll ausgestattet: Die Wände erhielten eine Damastbespannung, die Gewölbe schmückten reiche, nach Ideen Klenzes gestaltete Stuckornamente, die Loggien waren mit Fresken nach Entwürfen von Peter von C O R N E L I U S ausgemalt. Diese außerordentlich prachtvolle Innendekoration ging im Zweiten Weltkrieg vollständig zugrunde.
98/25
A b b . S. 275
R e c h t e Seite e i n e r s y m m e t r i s c h a n g e l e g t e n Dekoration: R a n k e n w e r k mit A m o r (als H a l b f i g u r ) u n d t o t e m , an d e n F ü ß e n a u f g e h ä n g t e m V o g e l (Taf. 54) Bleistift, Feder und Pinsel in Rotbraun auf Bütten; WZ S E und Anker; dessen Schaft in einer 4 endet 47,4 x 57,5 cm Unten links Rest von radierten Ziffern Vermutlich gibt das Blatt (wie auch Blatt 9 8 / 2 6 ) einen E n t w u r f für die Stuckdekoration im IV. Saal der Pinakothek wieder: vgl. die Federzeichnung Klenzes in München, Staatliche Graphische Sammlung (Inv.Nr. 26456; s. auch Böttger 1972, A b b . 1 7 1 , 1 7 2 ) . Ä h n liche Erfindungen begegnen auch in der Eremitage in St. Petersburg, an der D e c k e des Saales Rembrandts: vgl. die um 1848 entstandene Zeichnung Klenzes in M ü n c h e n , Technische Hochschule, Architektursammlung: Nachlaß Klenze, Signatur 3 / 1 / 1 3 . 2 .
98/27-29
Dekorationsentwürfe für das Museum der schönen Künste (Neue Eremitage) in St. Petersburg, 1839/1851 I m S o m m e r 1839 wurde Leo von Klenze durch Kaiser Nikolaus I. mit der Errichtung eines Museums der schönen Künste in St. Petersburg als einer der großartigsten Bauaufgaben der Zeit betraut. Das Sammlungsgebäude, dessen überaus prächtige Fassadenund Innendekorationen zahlreiche russische und deutsche Bildhauer, Maler und Stukkateure ausführten, wurde 1851 eingeweiht.
98/27
A b b . S. 276
S c h w a n (links) u n d Vogelgreif (rechts) a u f R a n k e n w e r k (Taf. 56)
98/26
A b b . S. 2 7 6
L i n k e Seite e i n e r s y m m e t r i s c h a n g e l e g t e n D e k o r a t i o n : V i k t o r i a , aus B l a t t - u n d
Bleistift, Feder und Pinsel in Rot und Rotbraun auf Bütten; WZ S E und Anker, dessen Schaft in einer 4 endet 47,4 x 61,4 cm Verso in Bleistift ein kauernder weiblicher Akt, gen Himmel blickend
R a n k e n w e r k aufwachsend, nach rechts g e w a n d t u n d einen v o r ihr stehenden A d l e r tränkend; rechts am Bildrand senkrecht h a l b i e r t e r K e l c h k r a t e r (Taf. 55) Bleistift, Feder und Pinsel in Rotbraun auf Bütten; WZ S E und Anker, dessen Schaft in einer 4 endet 46,8 x 56,7 cm Unten links (radiert) 147.
A n der D e c k e des Cabinet des tableaux marqués (Raum G 2 im ersten Stockwerk) finden sich unmittelbar vergleichbare Rankenornamente mit Tieren (Plan Klenzes in München, Technische Hochschule, A r c h i tektursammlung: N a c h l a ß Klenze, Signatur 3 / 1 / 1 4 . 6 ) .
98/28 Vgl. die B e m e r k u n g zu Nr. 9 8 / 2 5 .
A b b . S. 277
H o c k e n d e r , in R a n k e n o r n a m e n t e n d e n d e r G r e i f , i m P r o f i l n a c h links g e w a n d t (Taf. 3) Bleistift auf Velin 30,6 x 40,3 cm Unten links (radiert) 39. Eine Feder- und Bleistiftzeichnung Klenzes in M ü n chen, Staatliche Graphische Sammlung (Inv.Nr. 3 6 2 1 4 ) zeigt Sitzbänke in den Schauräumen des Museums, deren Wangen von paarweise angeordneten, überaus ähnlichen Greifen gebildet werden.
KLENZE
77
98/29
Abb. S. 277
98/32
Abb. S. 279
Schreitendes geflügeltes Fabeltier, dessen Hinterleib in Blattwerk und Ranken übergeht, nach links gewandt (Taf. 25)
Schreitende Sphinx im Profil nach links; (um 180° gedreht) Chimäre, nach rechts aufsteigend (Taf. 6)
Bleistift und Pinsel in Grau auf Japanpapier (aufgezogen auf Bütten mit Resten einer Ornamentzeichnung; WZ S. Egger in München) 50,2 x 62 cm
Bleistift auf Bütten; WZ S E und Anker, dessen Schaft in einer 4 endet 60,4 x 43,1 cm Unten links (radiert) 46.
Wohl ein Entwurf für die Decke des Saales F2 im ersten Stockwerk: vgl. die Zeichnung Klenzes in München, Technische Hochschule, Architektursammlung: Nachlaß Klenze, Signatur 3/1/13.7.
98/30-54
Abb. S. 278
Weibliche geflügelte Halbfigur mit Unterkörper aus Akanthusblattwerk und Ranken, als Karyatide aufgefaßt, nach links gewandt; Maske (Taf. 53) Bleistift, laviert, auf Bütten; WZ S E 30,6 x 43,3 cm Unten links (radiert) 155.
Rankengebilde mit zwei im Blattwerk sitzenden Amoretten; als Details weibliche Büste und Blattmaske (Taf. 51)
98/34
Abb. S. 278
Medusenhaupt; Fruchthorn und Drachen, durch Ranken verbunden (Taf. 1) Bleistift auf Bütten 23,5 x 42 cm
78
KLENZE
Abb. S. 280
Hermenartig aufgefaßte Sphinx en face, in Ranken übergehend; drei Delphine, Leiber in Ranken endend (Taf. 44) Bleistift auf Bütten; WZ S E 42 x 55,7 cm
98/35
98/31
Abb. S. 279
Bleistift und Feder in Rot auf Bütten; WZ S E und Anker, dessen Schaft in einer 4 endet 43,8 x 61 cm Unten links Reste von radierten Ziffern
Nicht zu identifizierende Dekorationsentwürfe
98/30
98/33
Abb. S. 280
Weibliche, aus Blattwerk emporwachsende Halbfigur mit Flügeln, eine links neben ihr hockende Chimäre mit Trauben fütternd; weibliche, aus Blättern aufwachsende und geflügelte Halbfigur mit Harpune, von einer Chimäre angefallen (Taf. 45) Bleistift auf Bütten; WZ Anker, dessen Schaft in einer 4 endet 45,2 x 29,4 cm Unten links Rest von radierten Ziffern
98/36
Abb. S. 281
Männliche Halbfigur, geflügelt, aus Blatt- und Rankenwerk aufwachsend; Rankenornament mit Maske; (um 90° nach rechts gedreht) verschiedene Ornamente als Eck-, Feld- und Giebelfüllungen; dekorativ stilisierte Maske (Taf. 46)
98/39
Abb. S. 283
Geflügelter, efeubekränzter Panther in der Wendung nach links (Taf. 20/b) Bleistift und Pinsel in Braungrau auf Bütten (aufgezogen auf Bütten, Konturen und Binnenlinien zur Übertragung durchlöchert) 28,4 x 27,6 cm Unten links radierte Zahl (5S.)
Bleistift auf Bütten; WZ S E und Anker, dessen Schaft in einer 4 endet 57,9 x 45,9 cm Unten links Rest von radierten Ziffern 98/40
Abb. S. 283
Sitzende Sphinx im Profil nach rechts 98/37
Abb. S. 281
(Taf. 5/a)
Jugendliche männliche Halbfigur im Profil nach rechts, geflügelt, bekränzt und Leier spielend, Unterkörper in Blattwerk übergehend (Taf. 12)
Bleistift auf Velin (auf starkes Papier aufgezogen) 30,2 x 19,8 cm
Bleistift und Pinsel in Graubraun auf Bütten (Konturen und Binnenlinien zur Übertragung durchlöchert); WZ S E und Anker, dessen Schaft in einer 4 endet 51,1 x 39,7 cm Unten links (radiert) 120 (?)
98/41
Abb. S. 283
Sitzende Sphinx im Profil nach links, Schweif in Rankenwerk endend (Taf. 5/b) Bleistift auf Bütten 25 x 27,4 cm Unten links (radiert) 45.
98/38
Abb. S. 282
Blasender Faun mit geflügeltem Pferd am Zügel, aus dem Meer aufsteigend (als Medaillon-Entwurf konzipiert). Als Details (um 90° nach links bzw. rechts gedreht) Köpfe von Ungeheuern und Pferden; Drachen und Seepferd (Taf. 16)
Geflügelter Seepanther, von Schlange umwunden; (um 180° gedreht) geflügelter, dreiköpfiger Höllenhund (Taf. 15)
Bleistift, schwarze Kreide und Feder in Rotbraun auf Bütten; WZ S E und Anker, dessen Schaft in einer 4 endet 46,1 x 58,9 cm Unten links (radiert) 47.
Bleistift auf Bütten; WZ S E und Anker, dessen Schaft in einer 4 endet 60,4x45,1 cm Unten links (radiert) 48.
98/42
Abb. S. 284
KLENZE
79
Abb. S. 284
98/43
Drei bekrönende Eckgruppen: geflügelte Meerjungfrau mit Leier; geflügelter Meerjüngling mit Horn; geflügelter Panther im Kampf mit geflügelter Schlange (Taf. 17) Bleistift, Feder und Pinsel in Rotbraun auf Bütten 44,6 x 25,6 cm Unten links (radiert) 55.
98/47
Geflügelte Chimäre im Profil nach rechts, von einer Schlange in den Hals gebissen (Taf. 23) Schwarze Kreide, gewischt, auf Bütten; WZ S E und Anker, dessen Schaft in einer 4 endet 44,2 x 55,3 cm Unten links (radiert) 63.
98/48 98/44
A b b . S. 2 8 4
Bekrönende Eckgruppen: Vogelwesen im Kampf mit Drachen und geflügelter Schlange; Drachen, einen Vogel bezwingend; geflügelter Drachen im Angriff nach links (Taf. 18) Bleistift, Feder und Pinsel in Rotbraun auf Bütten; W Z S E 44,1 x 28 cm Unten links (radiert) 56.
A b b . S. 2 8 4
Drei Tritonen, die Fabeltiere als Gespanne am Zügel führen; eine fliegende Schlange nach rechts, eine rennende Dogge nach links und eine sitzende Sphinx nach rechts gewandt (Taf. 19) Bleistift, Feder und Pinsel in Rotbraun auf Bütten; W Z S E 47,6 x 30,7 cm Unten links (radiert) 64.
Schwarze Kreide, gewischt, auf Bütten; W Z S E und Anker, dessen Schaft in einer 4 endet 4 6 , 9 x 5 9 , 8 cm Unten links (radiert) 64.
A b b . S. 2 8 3
Geflügelte Chimäre nach rechts gewandt, im Kampf mit Schlangen; links unten als Detail Schwanzende der Chimäre (Taf. 22) Schwarze Kreide, gewischt, auf Bütten; W Z S E und Anker, dessen Schaft in einer 4 endet 46,9 x 59,7 cm Unten links (radiert) 62.
80
KLENZE
A b b . S. 2 8 6
Greifengespann vor zweirädrigem Wagen, von geflügeltem Genius gelenkt; fauchende Löwin, nach links schreitend; springender Bock (Taf. 30) Bleistift, Pinsel und Feder in Rotbraun auf Bütten; W Z S E und Anker, dessen Schaft in einer 4 endet 45,1 x 58,2 cm Unten links Rest von radierten Ziffern
98/50 98/46
A b b . S. 2 8 5
Geflügelte Chimäre im Profil nach links, im Kampf mit Schlange; links oben als Detail Schlangenkopf mit geöffnetem Maul (Taf. 24)
98/49 98/45
Abb. S. 285
Abb. S. 286
Zwei einander gegenüberstehende Chimären im Profil rahmen eine en face hockende Sphinx (Taf. 31) Bleistift und Pinsel in Rotbraun auf Bütten; W Z S E 24,9 x 47,4 cm Unten links Rest von radierten Ziffern
98/51
A b b . S. 2 8 7
Vorderleib einer efeuumwundenen Chimäre im Sprung nach links (Taf. 32) Bleistift und Pinsel in Rotbraun auf Bütten; WZ S E 45 x 29,9 cm Unten links (radiert) 72.
98/52
A b b . S. 2 8 7
Adlergreif, im Angriff nach rechts, linke Tatze hebend (Taf. 34) Bleistift und Pinsel in Rotbraun auf Bütten; WZ S E und Anker, dessen Schaft in einer 4 endet 47,9 x 57 cm Unten links (radiert) 74.
98/53
A b b . S. 288
Zymbelnschlagende Sirene im Flug; Gesimsstück mit einer aus Blattwerk emporwachsenden Jünglingsfigur und einem tubablasenden Kentauren als bekrönenden Figuren (Taf. 39) Bleistift und Pinsel in Rotbraun auf Bütten; WZ S E 46,3 x 29,2 cm Unten links (radiert) 89.
98/54
A b b . S. 288
Männlicher und weiblicher Seekentaur einander gegenüber, als Pendantfiguren aufgefaßt; schnaubender Seedrache nach rechts; Triton mit Ruderblatt und krebsscherengehörnt, nach rechts gewandt (Taf. 40) Bleistift und Pinsel in Grau auf Velin 45,5 x 59,8 cm Unten links Rest von radierten Ziffern Verso in Bleistift Wandaufriß
FERDINAND KOBELL Getauft am 7. Juni 1740 Mannheim f 1. Februar 1799 München
A u f Wunsch seines Vaters, eines kurpfälzischen H o f rats, studierte Ferdinand Kobell zunächst J u r a an der Universität in Heidelberg. D e n ungeliebten Beruf als Sekretär der fürstlichen H o f k a m m e r gab er - ähnlich wie später sein Bruder FRANZ KOBELL - jedoch nach dem E x a m e n auf, u m sich der Malerei widmen zu können. Sein 1762 begonnenes Studium an der M a n n heimer Zeichnungsakademie wurde durch ein Stipendium des Kurfürsten Carl T h e o d o r von der Pfalz ermöglicht, der ihn bald darauf (1764) zum Theaterdekorationsmaler der H o f o p e r ernannte. I m selben J a h r heiratete der Künstler Maria Theresia Lederer, die 1766 als zweites Kind den Sohn WILHELM zur Welt brachte. Zwei Jahre später reiste Ferdinand Kobell nach Paris und trat dort als Schüler in die Werkstatt des Kupferstechers Jean Georges Wille ein. Das Ergebnis dieses Aufenthaltes war nicht nur eine Vervollk o m m u n g seiner Zeichen- und Radiertechnik, sondern auch die Erkenntnis von der Notwendigkeit eines eingehenden Naturstudiums. 1771 erreichte ihn die Berufung zum „Cabinets-Landschafts-Mahler", und in dieser F u n k t i o n folgte er Jahre später (1794) Carl T h e o d o r in die neue Residenz nach M ü n c h e n . E r lebte dort zusammen mit seinem jüngeren Bruder F r a n z und seinem Sohn Wilhelm, die beide gleichfalls als H o f m a l e r des Kurfürsten tätig waren. 1798 wurde Ferdinand Kobell die Leitung der Mannheimer G e mäldegalerie übertragen, die inzwischen aus der ehemaligen kurpfälzischen Residenz nach M ü n c h e n verlagert worden war. Diese Ernennung spricht für das hohe Ansehen, das der Künstler bis zu seinem Tode 1799 genoß. Wichtig für die Entwicklung der deutschen Landschaftskunst sollte die von ihm und Wilhelm seit 1786 für das Mainzer Schloß gemalte Folge von Aschaffenburger Ansichten werden, die neben dem Einfluß der in Italien geschulten holländischen Landschaftskünstler des 17. Jahrhunderts nun auch das intensive Studium der N a t u r erkennen lassen. A u ß e r den nachfolgend genannten Zeichnungen befinden sich als weitere Werke Ferdinand Kobells die u m 1775 entstandenen Ölbilder Landschaft mit Fels-
massiv und Landschaft mit felsigem Weg und Figuren
(Inv.-Nr. L 25, L 26) sowie die Radierung Widmung an Karl von Sickingen (Inv.-Nr. G 1178) im Besitz der Kunsthalle Mannheim.
KOBELL, F.
81
99
Abb. S. 289
Weg zwischen Bäumen, um 1760/1770 Pinsel in Braun auf Bütten 6,8 x 8,4 cm Bezeichnet auf dem alten Untersatzblatt F. Kobell Inv. G 2062 [A.I. 6.101.1] Aus dem Vermächtnis James Emden, Mannheim, vom 7. 11. 1883
Wohl zu den frühen, sorgfältig ausgeführten Landschaftszeichnungen Ferdinand Kobells gehört dieses kleinformatige Blatt in brauner Tinte, das von einem lindgrün getuschten Rahmen umzogen ist. Es zeigt einen schmalen, von Bäumen gesäumten Pfad, der sich über welliges Gelände windet und auf ein Gehöft im Hintergrund zuführt. Dort umfaßt der hohe Spitzgiebel des Hauses wirkungsvoll die winzigen Umrisse zweier Männer, die den Weg entlangziehen. Räumliche Tiefenwirkung ergibt sich nicht nur durch eine feine Abstufung der Lavierungen, die von kräftigem Dunkel in der vorderen Zone zu zarter Lasur in der Ferne reicht. Sie ist auch das Ergebnis einer sorgsamen Ausarbeitung der Einzelheiten im Nahgrund, die den Verästelungen der Krone und der Maserung der Baumrinde ebenso nachgeht wie dem rankenden Efeu am Stamm und die mit zunehmender Entfernung an Tiefenschärfe verliert. Derartige Stilmittel verwendete Kobell mit Vorliebe in den Jahren zwischen 1757 und 1770, und in diesen Zeitraum wird auch unser Blatt einzuordnen sein (vgl. Biedermann 1973, Nr. 4, 8 mit Abb.).
100
Abb. S. 290
Hütte im Wald, um 1780 Schwarze Kreide, gewischt, auf Velin 11,1 x 20,5 cm, das ovale Bildfeld (in der Mitte gemessen) 10 x 14,5 cm Bezeichnet verso (von fremder Hand) unten rechts in grüner Kreide K. Inv. G 2074 [A.I. 6.101.13] Aus dem Vermächtnis James Emden, Mannheim, vom 7. 11. 1883
Bei der in einem querovalen Bildfeld entwickelten Komposition handelt es sich um ein Gegenstück zu
82
KOBELL, F.
der gleichformatigen Darstellung Kat.-Nr. 101. Wiedergegeben ist der enggefaßte Blick auf eine kleine, von Sonnenschein gestreifte Waldlichtung an einem Gewässer, an deren Rand eine Hütte steht. Während scharfe Lichtkontraste die Stämme, Aste und Kronen der mächtigen Eichen im Vordergrund plastisch modellieren, verschwimmen im Hintergrund durch weich verwischte Partien die Umrisse der Bäume zu einer verschleierten Folie. Stilistisch steht unser Blatt einer um 1780 zu datierenden Sepiazeichnung in München nahe; es wird ebenfalls in jenen Jahren entstanden sein (Staatliche Graphische Sammlung, Inv.Nr. 906: Biedermann 1973, Nr. 264 mit Abb. 31).
101
Abb. S. 290
Weg an einem Gebirgssee, um 1780 Schwarze Kreide, gewischt, auf Velin 1 3 x 2 1 cm, das ovale Bildfeld (in der Mitte gemessen) 10 x 14,5 cm Bezeichnet verso (von fremder Hand) unten rechts in grüner Kreide K. Inv. G 2075 [A.I. 6.101.14] Aus dem Vermächtnis James Emden, Mannheim, vom 7. 11. 1883
Die als Pendant zu Kat.-Nr. 100 konzipierte Darstellung gibt nun nicht einen nahsichtigen, enggefaßten Naturausschnitt, sondern den weiträumigen Blick in eine Gebirgslandschaft wieder. Von einem baumbestandenen Uferpfad bietet sich dem Betrachter - und zwei auf dem Weg entlangziehenden Wanderern - die Aussicht über einen ruhig daliegenden See auf das ferne Gebirge. Mittelpunkt des Bildovals ist eine kleine, steil aus dem Wasserspiegel aufragende Insel; Gewitterwolken hängen über ihr, und nur an einigen Stellen bricht das Sonnenlicht durch, das Teile des Uferweges hell beleuchtet.
102
Abb. S. 291
Brücke mit Heuwagen, um 1770/1780 Bleistift auf Velin 11,2 x 17,3 cm Inv. G 2073 [A.I. 6.101.12] Aus dem Vermächtnis James Emden, Mannheim, vom 7. 11. 1883
Das Hauptmotiv dieser rasch und sicher skizzierten Baumlandschaft bildet im Zentrum der Komposition eine kleine, gewölbte Steinbrücke über einem tiefgelegenen Bachbett. Ein Heuwagen hat sie eben verlassen; Fußgänger im Gespräch beleben als weitere Staffage die Szenerie, die in ihrer Anspruchslosigkeit und ausschnitthaften Nahsicht wie eine ungesuchte Momentaufnahme wirkt. Weiche, vielfach gegeneinandergesetzte Bleistiftschraffen deuten den ungestaltet gebliebenen Vordergrund und die buschige Fiederung der Laubmassen an, wobei Aussparungen die Reflexe hellen Sonnenlichts suggerieren. Ähnliche stilistische Merkmale kennzeichnen andere Blätter Ferdinand Kobells, die in die siebziger Jahre einzuordnen sind (Biedermann 1973, Abb. 23).
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Abb. S. 291
Baumlandschaft mit Bach, um 1782 Feder in Schwarz auf Velin 9,7 x 15,2 cm Bezeichnet verso (von fremder Hand) unten rechts in grüner Kreide K. Inv. G 2076 [A.I. 6.101.15] Aus dem Vermächtnis James Emden, Mannheim, vom 7. 11. 1883
Die bildmäßig aufgebaute, bis ins Detail durchgearbeitete Komposition schildert ein Stück Natur, wie Kobell es in seiner pfälzischen Heimat immer wieder gefunden und dargestellt hat. Der Blick des Betrachters folgt einem gewundenen Bach in die Tiefe eines dichten, von flirrendem Sonnenlicht erfüllten Waldes. Die felsigen, von Gebüsch und Farnen bewachsenen Ufer des Wasserlaufes steigen zu beiden Seiten steil an. Von eindrucksvoller Plastizität zeigen sich rechts die
Laubmassen mächtiger alter Bäume, die sich in geradezu körperhafter Fülle vor der dunkleren, in den Konturen durch Kreuzschraffuren „dunstig" verwischten Folie des Waldinneren abheben. In einem Durchblick zwischen den Stämmen erkennt man rechts im Hintergrund die Silhouetten zweier Männer. Die Wahl dieses schlichten, lebendig aufgefaßten Motivs läßt den bedeutenden Einfluß erkennen, den die holländische Landschaftskunst des 17. Jahrhunderts auf Ferdinand Kobell besaß: Nicht zu übersehen ist die Beziehung seiner Darstellung zu den Baumbildern eines Hercules Seghers, Jan Both, Anthonie Waterloo und Jakob van Ruisdael. Dies gilt auch für eine andere Baumlandschaft des Künstlers, die in der Lichtbehandlung und Strichführung eine überaus enge stilistische Verwandtschaft zu unserem Blatt aufweist (Mannheim, Reiss-Museum, Inv.-Nr. G K h 989: Mannheim/München 1993/94, Nr. 11 mit Abb.). Sie trägt die Jahreszahl 1782, und so liegt eine Datierung der vorliegenden Zeichnung in jene Zeit nahe.
104
Abb. S. 292
Ruine, um 1785 Bleistift, gewischt und grau laviert, auf Bütten 37,2 x 24 cm Bezeichnet (eigenhändig?) unten rechts in Bleistift F K Inv. G 2081 [A.I. 6.101.20] Aus dem Vermächtnis James Emden, Mannheim, vom 7. 11. 1883
Mit stumpfem Bleistift und zartgrauer Pinsellavierung hielt Kobell diesen Blick auf eine Ruine fest. Uber einer Gewölbekonstruktion ragen die Reste eines schlanken, aus mächtigen Q u a d e r n errichteten Turmes auf, malerisch von Gräsern, Ranken und Gebüsch überwuchert. Das Sujet und der weiche, verschwommen wirkende Zeichenstil verbinden unsere Darstellung auf das engste mit der Landschaft und Turmruine, die der Künstler 1785 geschaffen hat (Mannheim, Reiss-Museum, Inv.-Nr. G K h 985: Mannheim/München 1993/94, Nr. 14 mit Abb.). Die Datierung des bildmäßig komponierten, mit einem gezeichneten Rahmen umgebenen Blattes in jene Zeit liegt daher nahe.
KOBELL, F.
83
105
Abb. S. 293
Brücke mit Eselreiter, um 1785/1791 Pinsel in Schwarz auf Bütten 9,8 x 8,7 cm Bezeichnet am oberen Rand in Feder Herrn von Dahlberg in Erfurth 6 1/2 Zoll, am linken Rand 7 1/2 Zoll Verso (von fremder Hand) Kobell Inv. G 2064 [A.I. 6.101.3] Aus dem Vermächtnis James Emden, Mannheim, vom 7. 11. 1883
Die von einer Bleistiftlinie gerahmte Darstellung entspricht nicht nur in Technik und Stil, sondern auch in Motiv und kompositionellem Aufbau der Pinselzeichnung Kat.-Nr. 106. Als Variation führt auf vorliegendem Blatt eine Holzbrücke über den Fluß. Uber sie zieht ein Eselreiter mit seinem vorweglaufenden Hund zum anderen Ufer. Statt des Kirchdorfes sieht man in der Ferne einen hohen runden Turm, und als Staffage erscheint auf dem Pfad nun eine Gruppe von drei Männern in lebhafter Unterhaltung. Wie die eingetragenen Längenmaße an den Blatträndern schließen lassen, stellt die Zeichnung offenbar einen Entwurf für eine größere, bildmäßig ausgeführte Komposition dar (sie ließ sich bisher allerdings weder als Ölgemälde noch als Druckgraphik nachweisen). Die Beschriftung Herrn von Dahlberg scheint darüber hinaus den Auftraggeber für diese Arbeit nennen: Gemeint ist sicherlich der Staatsmann und Gelehrte Karl Theodor von Dalberg (1744-1817), der aus der Mannheimer Linie des Dalbergschen Geschlechts stammte. Er war 1772 vom Kurfürsten von Mainz zum Wirklichen Geheimen Rat und Statthalter in Erfurt erhoben worden und hatte dort bis 1787 als Gastgeber und Mäzen sein Haus zum Treffpunkt von Künstlern und Gelehrten gemacht. Aus seiner Jugendzeit wird ihm Ferdinand Kobell bekannt gewesen sein (Deutsches Biographisches Archiv). Die oben erwähnte stilistische Verwandtschaft mit Kat.-Nr. 106 und die Beschriftung legen eine Entstehung unserer Zeichnung in die Jahre um 1785 bis 1791 nahe.
106
Abb. S. 293
Hügellandschaft mit Reiter und Wanderern, um 1791 Pinsel in Schwarz auf Bütten 10,1 x 12,2 cm Bezeichnet am rechten Rand der Darstellung 1 Schuh 3 Zoll, am unteren Rand 1 Schuh 6 Zoll Inv. G 2063 [A.I. 6.101.2] Aus dem Vermächtnis James Emden, Mannheim, vom 7. 11. 1883
Mehr als die Hälfte der mit dem Pinsel gezeichneten Komposition wird von verschattetem Ufergelände eingenommen, das einen rasch strömenden Fluß säumt. Gebüsch und Bäume begleiten den breiten Uferweg, den Fußgänger und ein Reiter benutzen und auf dem sich unter einem Baum eine Familie zur Rast niedergelassen hat. In der Ferne tauchen die Umrisse eines Kirchdorfes auf; den Horizont begrenzt eine Bergkette. Am rechten und unteren Bildrand erscheinen Längenmaße, die weit über die Abmessungen des kleinen Blattes hinausgehen. Sie lassen vermuten, daß es als Entwurf für ein großes Ölbild entstanden ist. Und tatsächlich hat Ferdinand Kobell um 1791 ein Gemälde geschaffen, das bis auf wenige Details - Gestaltung der Stromschnellen im Vordergrund; Ausarbeitung des Berges in der Ferne; Figurengruppe in der Wegbiegung - mit der vorliegenden Zeichnung übereinstimmt (Harvard, Busch-Reisinger-Museum; o. Inv.Nr.: Abb. bei Biedermann 1973, S. 145, Nr. 43). Für eine Datierung unseres Blattes in jene Zeit spricht ferner die enge kompositionelle Verwandtschaft mit einer 1793 datierten Federzeichnung des Künstlers im Reiss-Museum Mannheim (Inv.-Nr. GKh 1039: Mannheim/München 1993/94, Nr. 21 mit Abb.).
FRANZ INNOCENZ JOSEF KOBELL 23. November 1749 Mannheim t 14. Januar 1822 München
Franz Kobell absolvierte zunächst in Frankfurt/Main eine Kaufmannslehre (1762-1766), bevor er sich der Landschaftsmalerei zuwandte. Sein Lehrer war da-
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KOBELL, F. I . J .
mals der ältere Bruder FERDINAND KOBELL, mit dem er die heimatliche U m g e b u n g durchstreifte und eifrig Landschaftsstudien betrieb. D e m Besuch der M a n n heimer Zeichnungsakademie schloß sich eine mehrjährige, durch ein Stipendium des Kurfürsten Carl T h e o d o r von der Pfalz ermöglichte Italienreise an, deren künstlerische und landschaftliche Eindrücke ihn nachhaltig prägen sollten ( 1 7 7 8 - 1 7 8 4 ) . Knapp zehn Jahre später übersiedelte Kobell, der 1780 zum H o f m a l e r ernannt worden war, nach München, der neuen Residenz Carl T h e o d o r s . E r lebte dort in Wohngemeinschaft mit seinem Bruder Ferdinand und dem Neffen WILHELM KOBELL. N u r wenige Gemälde seiner H a n d - arkadische Ideallandschaften in der Tradition Claude Lorrains und Nicolas Poussins sind überliefert; die Zahl seiner graphischen (kaum je datierten) Arbeiten hingegen ist unübersehbar groß. Es handelt sich zum kleineren Teil u m sorgfältig durchgeführte Idealkompositionen, phantasievoll erdacht und in effektvolles Licht getaucht. Zum anderen, bedeutend umfangreicheren Teil sind es skizzenhafte Naturschilderungen, die - meist kleinformatig, anspruchslos im Sujet und rasch mit der Feder festgehalten - durch ihre reizvolle Spontaneität und Frische überzeugen.
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A b b . S. 2 9 4
Landschaft mit Bauernfamilie, um 1774 Feder und Pinsel in Schwarz, laviert, auf Bütten; WZ (angeschnitten): C & 3 0 x 2 8 , 4 cm Bezeichnet verso in Bleistift C. A. Ludewig (verblaßt) Inv. G 1177 [A.I. 1236] Erworben vom Antiquariat Max Ziegert, Frankfurt a.M., am 10. 1. 1919
Schauplatz der idyllischen Szene ist eine sonnenbeschienene Waldlichtung in felsiger Landschaft, durch die ein Gießbach fließt. A u f der abschüssigen, zum Wasser steil abfallenden Wiese hat sich eine Bauernfamilie niedergelassen: auf dem Waldboden lagernd und träumend der Mann, ihr Kind auf dem S c h o ß wiegend die Frau, unter Büschen grasend ein Esel. Schwungvoll und lebhaft erscheint die Strichführung; tiefdunkle, fleckenartige Lavierungen vermitteln den
Eindruck von flirrendem Licht, und mit wellenförmigen, manchmal schlaufenartigen Linien sind die L a u b massen bewegt. E b e n diese Zeichentechnik findet sich wieder auf einem Blatt, das der Künstler 1774 geschaffen hat (Mannheim, Reiss-Museum, Inv.-Nr. G K h 1102: M a n n h e i m / M ü n c h e n 1993/94, Nr. 22 mit Abb.); sie legt eine Datierung unserer Darstellung in jene Zeit nahe. Eine Wiederholung des vorliegenden, bildmäßig komponierten Blattes - das im übrigen von einem gezeichneten, gelblich und rosa getönten R a h m e n u m geben ist - bewahren die Kunstsammlungen zu Weimar auf (Inv.-Nr. K K 15103). D i e unsignierte F e derzeichnung, deren M a ß e beträchtlich von unserer Darstellung abweichen, gilt als ein Werk Friedrich Müllers (zuletzt: Sattel Bernardini/Schlegel 1986, S. 175, Nr. Z 56 mit A b b . und weiterer Lit.). Dieser Künstler lebte bis zu seiner Italienreise 1778 viele J a h re in Mannheim, w o er zunächst als Stipendiat des Herzogs Christian IV. von Zweibrücken an der Zeichenakademie lernte und dann am H o f e Carl T h e o dors als Maler und Poet große Erfolge feierte. Damals wird Müller, der übrigens während seiner Ausbildungszeit (1768) Unterkunft bei FERDINAND KOBELL gefunden hatte, Franz Kobells Werk bis ins Detail kopiert haben - seine ihm eigene Strichführung k o n n te er dabei jedoch nicht verleugnen. Dies zeigt ein Vergleich der lagernden Personen besonders deutlich: Entschieden und sicher wirken die Umrisse und Körperproportionen bei Kobell, wenig kraftvoll, suchend, immer wieder neu ansetzend zeigt sich das Linienbild bei Müller. Dieselbe Unsicherheit offenbart sich in der Partie am linken Rand der Darstellung Müllers, w o Lavierung und Schraffierung die Laubmassen eher verunklären als strukturieren.
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A b b . S. 295
Bergige Landschaft, um 1780 Feder in Schwarz, grau laviert, auf Bütten 9,1 x 14,7 cm Inv. G 2883/d Erworben vom Kunstantiquariat Anton Fischer, München, am 20. 7. 1935
Charakteristisch für die unzähligen, knappe Bildeindrücke fixierenden Skizzen des Künstlers ist das vorliegende Blatt. Es ist mit einem gezeichneten R a h m e n
K O B E L L , F. I . J .
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umzogen und gibt den enggefaßten Ausschnitt einer zerklüfteten und von spärlichem Baumwuchs überzogenen Gebirgslandschaft wieder. Als Maßstab für die Dimensionen hat die kleine Gestalt eines Mannes zu gelten, der am linken Berghang seines Weges zieht. Die Feder- und Pinselzeichnung läßt eine überaus enge Verwandtschaft zu einem kleinen, vor der Italienreise entstandenen Blatt des Künstlers im Mannheimer Reiss-Museum erkennen (Inv.-Nr. G K h 1084: Mannheim/München 1993/94, Nr. 26 mit Abb.). Hier wie dort geben breitflächige Lavierungen und grobe Schraffuren die Dunkelzonen an, während der helle, freigelassene Papierton die vom Sonnenlicht beschienenen Partien bezeichnet.
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Abb. S. 296
Landschaft mit Bäumen und Turm, um 1780 Feder in Braun auf Bütten 8,4 x 10,7 cm Bezeichnet verso (von fremder Hand) unten rechts in Bleistift
-40
Inv. G 2883/m Erworben vom Kunstantiquariat Anton Fischer, München, am 20.7. 1935
Die rechte Hälfte des Bildfeldes wird vom Hang eines bäum- und gebüschbewachsenen Hügels eingenommen, an dessen Fuß ein runder Turm aufragt. N a c h links öffnet sich eine weite Landschaft, wo in der Ferne, wie Versatzstücke wirkend, ein Kastell und dahinter ein steiler Berg auszumachen sind. Die anspruchslose, mit Kat.-Nr. 110 bis 115 in stilistischem Zusammenhang stehende Skizze ist mit breiter Feder und hastigen, nervösen Strichen angelegt. Immer wieder neu ansetzende Schraffuren markieren ihre Schattenpartien; sie entsprechen unmittelbar den Linienstrukturen einer etwa gleichformatigen und vor der Italienreise geschaffenen Federskizze im Mannheimer Reiss-Museum (Inv.-Nr. G K h 1075: Mannheim/München 1993/94, Nr. 25 mit Abb.).
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KOBELL, F. I. J .
110
Abb. S. 296
Landschaft mit Wasserfall, um 1780 Feder in Braun auf Bütten, Schöpfkante links 8,3 x 10,7 cm Bezeichnet verso (von fremder Hand) in Bleistift - SO Inv. G 2883/n Erworben vom Kunstantiquariat Anton Fischer, München, am 20. 7. 1935
Wie in großer Eile skizziert erscheint die Ansicht eines kleinen Wasserfalls: Der Bach stürzt zwischen baumbewachsenen Felsen nieder; Gebirgszüge begrenzen den knappen Landschaftsausschnitt in der Ferne. Die groben Schraffierungen rücken das Blatt stilistisch in engste Nachbarschaft zu Kat.-Nr. 109 und 111 bis 115.
111
Abb. S. 296
Gebirgslandschaft mit See, um 1780 Feder in Braun auf Bütten, Schöpfkante links 9,1 x 10,9 cm Bezeichnet verso (von fremder Hand) in Bleistift - 80 Inv. G 2883/o Erworben vom Kunstantiquariat Anton Fischer, München, am 20. 7. 1935
Zweifellos im selben Zuge wie Kat.-Nr. 109, 110 und 112 bis 115 ist die vorliegende Skizze entstanden: Mit den gleichen raschen Federstrichen wurden hier die Umrisse einer weiten Gebirgslandschaft festgehalten. Im Vordergrund ragt ein Baum auf, der den Blick über einen See hin zum fernen Gebirgskamm verstellt. Die derben Schraffurfelder und der häkchenartige Baumschlag finden sich ähnlich auf einer kleinen, vor der Italienreise geschaffenen Federzeichnung im Mannheimer Reiss-Museum (Inv.-Nr. G K h 1075: Mannheim/München 1993/94, Nr. 25 mit Abb.).
112
A b b . S. 296
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A b b . S. 297
Gebirgige Landschaft mit Felsentor, um 1780
Baumgruppe an einem Bergabhang, um 1780
Feder in Braun auf Bütten, Schöpfkante rechts 8,8 x 11 cm Bezeichnet verso (von f r e m d e r H a n d ) unten rechts in Bleistift
Feder u n d Pinsel in Schwarzbraun, laviert, auf Bütten 6,45 x 9,2 cm Inv. G 2883/s E r w o r b e n vom Kunstantiquariat A n t o n Fischer, M ü n c h e n , am 20. 7. 1935
1Inv. G 2883/p E r w o r b e n v o m Kunstantiquariat A n t o n Fischer, M ü n c h e n , am 20. 7. 1935
Die wohlausgewogene Kompositionsstudie, in u n mittelbarem stilistischen Zusammenhang mit Kat.Nr. 109 bis 111 und 113 bis 115 stehend, gibt einen kleinen Ausschnitt aus einer Gebirgslandschaft wieder. D e r Betrachter, der sich in eine winzige Rückenfigur am vorderen Bildrand versetzen kann, blickt auf ein pittoreskes Felsentor, das zu beiden Seiten von Baumgruppen überragt wird.
Ein mit Bleistift gezogener R a h m e n faßt die rasche Federskizze ein. H i n t e r den nahgesehenen Vordergrund mit seinem baumbestandenen, zur Bildmitte hin abfallenden Bergabhang schiebt sich ohne vermittelnden Ubergang ein flacher, weiter Landstrich mit einer weiteren Baumgruppe. Das schlichte Blatt schließt sich in Stil u n d Komposition eng an Kat.Nr. 109 bis 113 und 115 an.
115
113
Abb. S. 297
Baumbestandene Gebirgslandschaft, um 1780 Feder in Braun, rotbraun laviert, auf Bütten 5,2 x 9,3 cm Bezeichnet verso (von f r e m d e r H a n d ) unten rechts in Bleistift
13 Inv. G 2883/r E r w o r b e n v o m Kunstantiquariat A n t o n Fischer, M ü n c h e n , am 20. 7. 1935
Unmittelbar verwandt mit einer Federskizze des Künstlers im Mannheimer Reiss-Museum (Inv.N r . G K h 1084: M a n n h e i m / M ü n c h e n 1993/94, Nr. 26 mit Abb.) zeigt sich unser Blatt, das den Blick von einer baumbestandenen A n h ö h e über ein weites Tal hin zu einer fernen Gebirgskette wiedergibt. In gleicher Weise wie dort sind auf vorliegender Zeichnung die hellen Licht- und dunklen Schattenzonen durch abgestufte, großzügige Lavierungen akzentuiert, u n d auch die Strichführung mit den groben Schraffuren und dem wellenförmigen Baumschlag läßt auf einen engen Zusammenhang schließen.
A b b . S. 297
Baumbestandene Felslandschaft, um 1780 Feder u n d Pinsel in Schwarz, grau laviert, auf Bütten 6,3 x 9 cm Inv. G 2883/z E r w o r b e n vom Kunstantiquariat A n t o n Fischer, M ü n c h e n , am 20. 7. 1935
Als ebenfalls zur G r u p p e der kleinen, u m 1780 zu datierenden Federskizzen der Kat.-Nr. 109 bis 114 gehörend zeigt sich diese bildmäßige, von einem mit Bleistift gezogenen Rahmen umgebene Komposition. Auf ihr hat Franz Kobell eine felsige Gebirgslandschaft festgehalten, die von einzelnen Busch- u n d Baumgruppen bestanden ist.
KOBELL, F. I. J.
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116
Abb. S. 295
Landschaftsskizze, um 1780 Feder in Braun auf Velin 9,9 x 14,5 cm Bezeichnet (von fremder Hand) verso in Feder Joseph Brulliot von Manheim./ Peter Trillo Inv. G 2883/g Erworben vom Kunstantiquariat Anton Fischer, München, am 20. 7. 1935
Zur Gruppe der kleinformatigen, bildmäßig komponierten Federskizzen der Kat.-Nr. 109 bis 115 gehört auch dieser rasch fixierte Landschaftsentwurf. Überaus flüchtig ist hier eine weite Ebene festgehalten, die sich am Fuße einer aufragenden Bergkette erstreckt. Ein hochgewachsener und ausladender Baum begrenzt als traditionelles Rahmenmotiv das Bildfeld auf der rechten Seite.
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Abb. S. 298
Blick in eine Gewölbehalle mit Obelisk, um 1780 Feder und Pinsel in Schwarz, grau laviert, auf Bütten 5,7 x 8,8 cm Inv. G 2883/y Erworben vom Kunstantiquariat Anton Fischer, München, am 20. 7. 1935
Wohl als ein Produkt der Phantasie und nicht als die Wiedergabe einer realen Ruinenarchitektur ist die kleine, Vergänglichkeit symbolisierende Komposition anzusehen. Der Betrachter blickt in eine flach gewölbte Halle mit aufsteigender Vierung und halbrunder, eingestürzter Apsis. Im Zentrum der Vierung erhebt sich ein Obelisk, dessen Spitze abgebrochen ist. Das Weiß des Papiergrundes bezeichnet die Helligkeit des einfallenden Lichts, das in scharfem Kontrast zu den dunkel lavierten Schattenbereichen steht. Derartig stark gegeneinander abgesetzte Hell-Dunkel-Zonen finden sich auf vorrömischen Zeichnungen Franz Kobells, für die die Ideallandschaft mit antiken Ruinen stehen mag (Mannheim, Reiss-Museum, Inv.Nr. GKh 1188: Mannheim/München 1993/94, Nr. 30 mit Abb.).
88
KOBELL, F. I. J .
118
Abb. S. 299
Zweibogige Brücke über Flußlauf, um 1780 Feder und Pinsel in Schwarz, grau laviert, auf Bütten 9,3 x 6,3 cm Inv. G 2883/1 Erworben vom Kunstantiquariat Anton Fischer, München, am 20.7. 1935
Die bildmäßig aufgebaute, von einem gezeichneten Rahmen eingefaßte Komposition gibt den Blick auf einen kleinen, zwischen Felsen herabstürzenden Wasserlauf wieder. Den Bach überquert eine zweibogige Brücke, auf der zwei Gestalten entlangziehen. Hohe Bäume rahmen die pittoreske Szenerie. Flimmerndes Licht erfüllt das Bild: Wie so oft hat Kobell den weißen Papiergrund stehenlassen, wo Sonnenschein auf den Boden fällt, während er mit breiten Lavierungen die im Schatten liegenden Partien angab. Auch dieses Blatt, das sich stilistisch eng an eine im Mannheimer Reiss-Museum befindliche und um 1780 zu datierende Zeichnung anschließt (Inv.-Nr. GKh 1093: Mannheim/München 1993/94, Nr. 29 mit Abb.), gehört zu den unendlich vielen kleinen Skizzen, die Franz Kobell bis in sein hohes Alter zu Papier gebracht hat.
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Abb. S. 299
Waldlandschaft mit zwei Spaziergängern, um 1780 Feder und Pinsel in Schwarz, grau laviert, auf Bütten, Schöpfkante rechts 9,2 x 6,1 cm Bezeichnet verso (von fremder Hand) unten rechts in Bleistift zusammen/1,50 Inv. G 2883/11 Erworben vom Kunstantiquariat Anton Fischer, München, am 20. 7. 1935
Mit breiter Feder zeichnete Kobell das kleine Blatt und faßte es mit einem Bleistiftrahmen ein. In einem engen Ausschnitt gab er mit flüchtigen Strichen einen dichten Wald wieder, durch den sich ein breiter Weg windet; zwei Spaziergänger erscheinen dort. Die flekkige Lavierung, die den Eindruck von lebhaft beweg-
tem Licht- und Schattenspiel hervorruft, erinnert an Kat.-Nr. 118 und läßt an eine Entstehungszeit des Blattes u m 1780 denken.
einen von Sonnenlicht gestreiften Waldrand, an dem ein Weg entlangführt. Ein Wanderer hat sich dort zur Rast niedergelassen.
120
122
A b b . S. 2 9 9
A b b . S. 300
Baumbestandener Felsvorsprung, um 1780
Südliche Landschaft mit Gewässer und Bäumen, um 1780
Feder und Pinsel in Schwarz, grau laviert, auf Bütten, Schöpfkante rechts und oben 9,6 x 6,2 cm Bezeichnet verso (von fremder Hand) unten rechts in Bleistift zus./l,5 Inv. G 2883/III Erworben vom Kunstantiquariat Anton Fischer, München, am 20. 7. 1935
Feder und Pinsel in Schwarz, rotbraun laviert, auf Bütten, WZ (angeschnitten) Kartusche mit dem Buchstaben D 16,1 x 19,2 cm Verso Bleistiftspuren Inv. G 3051 Erworben von der Kunsthandlung C. G. Boerner, Leipzig, am 25.5. 1938 Lit.: Boerner, Versteigerungskatalog 199, 1938, Nr. 251
D i e fleckenhaft angelegten grauen Lavierungen rufen ähnlich wie bei Kat.-Nr. 118, 119 und 121 den E i n druck von flirrendem L i c h t hervor. Sonnenstrahlen treffen auf einen felsigen Steilhang, der von B ä u m e n bestanden ist und zu dessen F ü ß e n sich links G e b ü s c h ausbreitet. D i e eilig mit breiter Feder festgehaltene und bildmäßig komponierte Zeichnung, die ein R a h men aus dünnen Bleistiftlinien umgibt, läßt im H i n blick auf Lavierung und Schraffur unmittelbar an das Blatt Hohe Bäume in Gebirgslandschaft denken, das F r a n z Kobell wohl um 1780 geschaffen hat ( M a n n heim, Reiss-Museum, Inv.-Nr. G K h 1084: M a n n h e i m / M ü n c h e n 1993/94, Nr. 26 mit Abb.).
Mit geradezu stürmischen Strichen entwarf Kobell diese südlich anmutende Ideallandschaft. D e r B l i c k des Betrachters, der am steilen, mit G e b ü s c h und B ä u men bewachsenen Felsenufer eines ruhigen Gewässers steht, schweift über eine kleine B u c h t hinweg zu einer bebauten Insel. Gebirgszüge in der Ferne säumen das Meer, über dem die Sonne niedersinkt. Als seitliche R a h m u n g ragen links - in durchaus konventioneller Manier - hohe Bäume auf, während im Vordergrund eine menschliche Gestalt sowie denkmalhaft wirkende Architekturreste als belebende Staffage dienen. Hastig zog der Künstler mit groben, breiten Schraffurfeldern die Laubmassen der ausladenden B a u m k r o n e n zusammen und markierte mit ebenso großzügigen F e derstrichen und lavierten Partien die dunklen Schattenzonen. Einen durchaus vergleichbaren Zeichenstil finden wir bei einem im Reiss-Museum befindlichen Blatt, das wohl in die Zeit vor der Italienreise Franz Kobells zu datieren ist (Mannheim, Inv.-Nr. G K h 1084: M a n n h e i m / M ü n c h e n 1993/94, Nr. 26 mit Abb.).
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A b b . S. 2 9 9
Waldweg mit sitzender Figur, um 1780 Feder und Pinsel in Schwarz, grau laviert, auf Bütten, Schöpfkante rechts 9,2 x 6,35 cm Inv. G 2883/IV Erworben vom Kunstantiquariat Anton Fischer, München, am 20. 7. 1935 In engster thematischer und stilistischer Beziehung zu Kat.-Nr. 119 steht dieser kleine, mit einer Bleistiftrahmung umzogene Kompositionsentwurf. E r schildert
KOBELL, F. I. J .
89
Abb. S. 301
123
Gebirgsbach, um 1800 Pinsel in Braun über Bleistift auf Velin 15,1 x 12,8 cm Bezeichnet (von fremder Hand) verso oben rechts in grüner Kreide K. Inv. G 2065 [A.I. 6.101.4] Aus dem Vermächtnis James Emden, Mannheim, vom 7. 11. 1883
Dargestellt ist ein unspektakulärer, enggefaßter Landschaftsausschnitt. Der Betrachter sieht sich einem flachen, über eine Felsstufe herabströmenden Bachlauf gegenüber, dessen Ufer von Steinbrocken eingefaßt wird. Den Blick in die Ferne versperrt ein steiler felsiger Abhang; an seinem Fuß schiebt sich ein Wäldchen mit teilweise bizarr verkrüppelten und abgestorbenen Bäumen bis an den Bachrand. Die sorgfältig ausgearbeitete Pinselzeichnung, deren differenziert abgestufte Lavierung starke Tiefenwirkung erreicht, schließt sich stilistisch und motivisch eng an eine Gruppe von sehr freien Skizzen Franz Kobells an, die im Mannheimer Reiss-Museum aufbewahrt und in die Zeit um 1800 datiert werden (Inv.-Nr. GKh 1120-GKh 1124: Mannheim/München 1993/94, Nr. 38^12 mit Abb.; vgl. auch unsere Kat.Nr. 124-132.
124
Abb. S. 301
Waldrand mit Bach, um 1800 Pinsel in Braun über Bleistift auf Velin 12,5 x 9,1 cm Bezeichnet (von fremder Hand) verso unten links in grüner Kreide K. Inv. G 2066 [A.I. 6.101.5] Aus dem Vermächtnis James Emden, Mannheim, vom 7. 11. 1883
Im Hinblick auf Motiv und Stil unmittelbar verwandt mit Kat.-Nr. 123 und 125 zeigt sich diese ebenfalls detailliert ausgearbeitete Komposition. Auch sie führt die Ansicht eines von Felsen gesäumten Baches vor Augen, der sich am Rand eines Waldes entlangschlängelt. Flimmerndes Licht - wiederum durch den freigelassenen Papiergrund markiert- streift im Vorder-
90
KOBELL, F. I . J .
grund Gebüsch und Baumkronen, während im Hintergrund eine dünn aufgetragene, die Konturen verwischende Tuschelasur aufsteigenden Nebel suggeriert. Die dichten Pinseltupfer, mit denen Kobell die Laubmassen strukturierte, sind charakteristisch für seine um 1800 geschaffenen Sepiazeichnungen (Wichmann 1974, Nr. 12; Mannheim/München 1993/94, Nr. 38,41,42).
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Abb. S. 302
Eichen am Bachufer, um 1800 Pinsel in Braun über Bleistift auf Velin 1 1 , 6 x 2 1 , 4 cm Bezeichnet unten rechts K. Verso (von fremder Hand) in grüner Kreide K. Inv. G 2067 [A.I. 6.101.6] Aus dem Vermächtnis James Emden, Mannheim, vom 7. 11. 1883
Wie bei den beiden auch stilistisch verwandten Kat.Nr. 123 und 124 ist es der Blick auf einen kleinen, am Waldrand entlang fließenden Bach, der den Künstler gereizt hat. Im Mittelpunkt der symmetrisch angelegten Komposition ragen vor der Folie der dunklen Bäume zwei verwitterte Eichen auf. Ihre Stämme werden von der Sonne gestreift, und im hellen Licht liegen auch die steinigen Ufer des Wasserlaufes. Dunstig ist die Atmosphäre dagegen im Hintergrund, wo - ähnlich wie bei Kat.-Nr. 124 - dünne Lasuren die Umrisse der Laubkronen auflösen.
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Abb. S. 302
Fluß zwischen Bergen, um 1800 Pinsel in Braun auf Velin; W Z (angeschnitten) Türke (= Turkey Mill) 1 3 , 6 x 2 1 , 4 cm Bezeichnet oben links in Feder 9. Verso (von fremder Hand) unten rechts in grüner Kreide K. Inv. G 2068 [A.I. 6.101.7] Aus dem Vermächtnis James Emden, Mannheim, vom 7. 11. 1883
In einem kühnen Bildausschnitt führt Kobell mit dieser Pinselzeichnung dem Betrachter eine pittoreske Flußlandschaft vor Augen. D a s H a u p t m o t i v der K o m p o s i t i o n bildet ein steiler, zur Bildmitte hin schroff abfallender Berghang mit einer einzeln aufragenden Felsnadel, die von einer B u r g bekrönt wird. Zwischen U f e r und H a n g führt ein Weg entlang; ihn säumen kleine, am Berghang klebende Häuser. U b e r die ruhige Wasserfläche des Flusses gleitet in der Ferne ein Segelboot. A u s dunkel u m w ö l k t e m Himmel brechen letzte helle Sonnenstrahlen und tauchen die G e gend in flimmerndes Licht. Der enge stilistische Zusammenhang mit den Kat.-Nr. 123 bis 125 spricht für eine Datierung des Blattes u m 1800.
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A b b . S. 303
Kirche hinter Bäumen, um 1800 Pinsel in Braun auf Velin 11,4 x 21,1 cm Bezeichnet verso (von fremder H a n d ) unten rechts in grüner Kreide K. Inv. G 2069 [A.I. 6.101.8] A u s dem Vermächtnis James Emden, Mannheim, vom 7. 11. 1883
D e r Betrachter blickt über die ruhig daliegende Fläche eines Gewässers hinweg auf dessen ansteigendes Ufer, das zur Rechten nur karg bewachsen, auf der ihm gegenüberliegenden Seite dagegen von dichten B a u m und Buschgruppen bestanden ist. Zwischen den Wipfeln tauchen aus diffusem Licht die beiden T ü r m e einer (entfernt an St. Marien in München erinnernden) Kirche auf. Eine differenziert eingesetzte Lavierung, die von zarten Helltönen bis zu tiefem Dunkel reicht, zielt auf räumliche Tiefenwirkung und ruft den Eindruck von Morgennebel hervor, der ersten Sonnenstrahlen weicht.
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A b b . S. 303
Insel im Fluß, um 1800 Pinsel in Braun über Bleistift auf Velin 1 3 , 4 x 2 1 , 2 cm Bezeichnet (angeschnitten) oben links in Feder 12 Verso (von fremder H a n d ) unten rechts in grüner Kreide K. Inv. G 2070 [A.I. 6.101.9] A u s dem Vermächtnis J a m e s Emden, Mannheim, vom 7. 11. 1883
In einem Zuge mit Kat.-Nr. 126 scheint Kobell diese sorgfältige Pinselzeichnung festgehalten zu haben. D i e ausgewogene K o m p o s i t i o n gibt einen breiten Fluß zwischen hohen, schroff abfallenden Bergen wieder. D e n gesamten Vordergrund nimmt allein die durch horizontale Wellenlinien strukturierte Wasserfläche ein (wie sie sehr ähnlich auch auf dem im Mannheimer Reiss-Museum bewahrten Blatt F r a n z Kobells Inv.-Nr. G K h 1121: Mannheim/München 1993/94, Nr. 39 mit Abb., begegnet). Eine kleine, mit Häusern und einer Kirche bebaute Insel ist im Bildmittelgrund, in einer Biegung des Flusses, zu erkennen; H ä u s e r einer Ortschaft drängen sich auf der L a n d z u n g e am rechten Bildrand zusammen.
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A b b . S. 304
Bauernfamilie, um 1800 Pinsel in Braun über Bleistift auf Velin; W Z (angeschnitten) y Mill (= Turkey Mill) 13,4 x 20,4 cm Bezeichnet verso (von fremder H a n d ) unten rechts in grüner Kreide K. Inv. G 2071 [A.I. 6.101.10] A u s dem Vermächtnis James Emden, Mannheim, v o m 7. 11. 1883
D e r Betrachter sieht sich einer sorgfältig arrangierten G r u p p e von Menschen gegenüber. Es sind offenbar die Mitglieder einer großen Bauern- oder Handwerkerfamilie, die hier porträtiert werden. D e r Eindruck einer „ A u f n a h m e " in flirrendem Sonnenlicht stellt sich ein. Dabei werden die Schattenzonen durch die zarten, nuanciert aufgetragenen Lavierungen markiert, während sich strahlende Helligkeit wie so oft auf den Zeichnungen von Franz Kobell -
KOBELL, F. I. J .
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durch die von der Tusche ausgesparten Flächen des weißen Papiergrundes ergibt. Diese A r t der Zeichentechnik verbindet das Blatt mit zahlreichen, u m 1800 geschaffenen Skizzen des Künstlers (vgl. auch unsere Kat.-Nr. 123-128,130).
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und u m 1800 gezeichnete Pinselskizzen in M a n n h e i m (Reiss-Museum, Inv.-Nr. GKh 1120 - GKh 1124: Mannheim/München 1993/94, Nr. 38-42 mit Abb.) und Ludwigshafen (Stadtmuseum, Inv.-Nr. 4902/223, 454/5, 454/400,454/241: L u d w i g s h a f e n 1987, Nr. 4, 6, 7, 9 mit Abb.) hat sich das sehr modern w i r k e n d e Blatt weit von den Darstellungskonzepten des 18. J a h r h u n derts entfernt.
Abb. S. 304
Figurenstudien, um 1800 132 Pinsel in Braun und Bleistift auf Velin 13,1 x 21,1 cm Bezeichnet verso (von fremder Hand) in grüner Kreide K. Inv. G 2072 [A. I. 6.101.11] Aus dem Vermächtnis James Emden, Mannheim, vom 7. 11. 1883
Das Skizzenblatt - mit denselben Stilmitteln w i e Kat.Nr. 129 gefertigt - vereint mehrere, in unterschiedlichem Grad ausgearbeitete und nach der N a t u r gezeichnete Figurenstudien. Handwerker, kleine J u n g e n sowie eine Mutter mit ihrem Kind sind in mannigfachen, z. T. außerordentlich spontan w i r k e n d e n B e w e gungen festgehalten.
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A b b . S. 305
Landschaft mit zwei Figuren, um 1800 Pinsel in Schwarz und Grau, laviert, auf Bütten 15,1 x 20,5 cm Bezeichnet verso (von fremder Hand) unten Mitte in Bleistift oben Inv. G 2477 Erworben von der Kunsthandlung E A. C. Prestel, Frankfurt a.M., am 18. 10. 1928 Lit.: Barcelona 1988, S. 66f. mit Abb.; Moskau 1992, S. 60, Nr. 27 mit Abb.
Die erstaunlich freie Pinselzeichnung gibt eine w e n i g spektakuläre, ja geradezu beliebige Vorgebirgslandschaft wieder: Vor einem dunklen Waldstreifen im Mittelgrund erstreckt sich eine flache Wiese, über die z w e i Menschen gehen. Berge ragen hinter dem Wald auf, u n d ein leicht bewölkter H i m m e l wölbt sich über dem Land. Wie Franz Kobells unmittelbar verwandte
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KOBELL, F. I . J .
A b b . S. 305
Haus am Walde, um 1800 Pinsel in Braun auf Bütten; WZ M 16,1 x 20,9 cm Bezeichnet unten Mitte in Bleistift Unten, unten rechts Kobell Inv. G 2478 Erworben von der Kunsthandlung E A. C. Prestel, Frankfurt a.M., am 18. 10. 1928
In engstem stilistischen u n d zeitlichen Zusammenhang mit Kat.-Nr. 131 steht das vorliegende Blatt: auch hier eine anspruchslose Szenerie, die ohne jede kompositionelle Spannung den knappen Ausschnitt einer Waldlandschaft vor A u g e n führt. Ein schmaler Streifen Ödland im Vordergrund w i r d begrenzt durch die bildparallel verlaufende Kulisse von dunklen, z u m Teil herbstlich kahlen Laubbäumen, die den Blick in die Ferne verstellen. A n der linken Blattseite schiebt sich die Ecke eines schlichten Hauses ins Bild. Eine alte, holzsammelnde Frau belebt als Staffagefigur den ansonsten ungestalteten Vordergrund.
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A b b . S. 306
Zwei Männer im Hohlweg, um 1805 Feder in Schwarz auf Velin 13,7x21,4 cm Bezeichnet verso (von fremder Hand) unten rechts in grüner Kreide K. Inv. G 2077 [A.I. 6.101.16] Aus dem Vermächtnis James Emden, Mannheim, vom 7. 11. 1883
Die bildmäßige, bis in die Details durchgearbeitete Komposition schildert eine hügelige Landschaft. Von beiden Seiten senken sich zur Bildmitte sanfte, mit Baumgruppen und Buschwerk bewachsene Abhänge. Zwischen ihnen führt ein ausgefahrener Hohlweg hinab in ein Tal und entzieht sich dann dem Blick des Betrachters. Zwei den Weg entlanggehende Männer und eine knorrige Eiche beleben die Szenerie. Mit feinen, geradezu stickmusterartig wirkenden Tupfen sind die Laubmassen gestaltet, und auch die modellierenden Schraffuren und die dunklen, den Hintergrund zusammenziehenden Lavierungen zeigen sich von einer Differenziertheit, die in größtem Kontrast zum Stil der spontanen Blätter Kat.-Nr. 131 und 132 steht, jedoch eine besondere Nähe zu einer 1805 datierten Zeichnung im Reiss-Museum verrät (Mannheim, Inv.-Nr. GKh 986: Mannheim/München 1993/ 94, Nr. 50 mit Abb.).
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Budapest (Museum der bildenden Künste, Graphische Sammlung, Kobell Nr. 714), in Stuttgart (Staatsgalerie, Graphische Sammlung, Inv.-Nr. 890: Stuttgart/Kaiserslautern 1985, Nr. 31 mit Abb.), im Mannheimer Reiss-Museum (Inv.-Nr. GKh 1064: Mannheim/München 1993/94, Nr. 53 mit Abb.) - und nicht zuletzt auch in der Kunsthalle Mannheim (Kat.Nr. 141). Im Hinblick auf die Datierung besonders hervorzuheben ist dabei das im Reiss-Museum befindliche Blatt. Es entstand 1807 und läßt einen direkten stilistischen Zusammenhang mit der vorliegenden Darstellung erkennen: Vergleichbar ist die Art, in der die Laubmassen durch steil wellenförmige Linien, durch Tupfer und Häkchen in unterschiedlicher Dichte strukturiert sind, und verwandt die Weise, wie dünne, langgezogene Federstriche die Detailkonturen umziehen und eng nebeneinandergesetzte, parallele Pinselstriche den Eindruck von Spiegelungen auf der Wasseroberfläche hervorrufen.
Abb. S. 307
Gebirgslandschaft, um 1807 Feder und Pinsel in Braun und Grau auf Bütten; WZ & Honig mit angeschnittenem Zeichen 18,7x23,3 cm Inv. G 381 [A.I. 523] Erworben von der Kunsthandlung F. A. C. Prestel, Frankfurt a.M., am 12. 11. 1915 Lit.: Prestel, Versteigerungskatalog 1915, Nr. 53; Barcelona 1988, S. 64f. mit Abb.; Moskau 1992, S. 60, Nr. 26 mit Abb.; Mannheim/München 1993/94, Abb. S. 17
Die noch durchaus konventionelle, den herkömmlichen Kompositionsprinzipien entsprechende Zeichnung, die etwa mit Jacob Philipp HACKERTS Pan mit tanzenden Nymphen zu vergleichen ist (Kat.-Nr. 88), führt eine arkadische Landschaft vor Augen. Wie bei dem klassizistischen, an Claude Lorrain und Nicolas Poussin anknüpfenden Blatt beherrscht auch hier ein mächtiger Felsvorsprung das Bild. Er fällt schroff zu einem flachen Flußufer hin ab, wo - als traditionelles, für ländliche Idylle stehendes Motiv - ein Hirte seine Herde weidet. Der steilen, die Darstellung nach rechts abschließenden Felswand antwortet auf der Gegenseite als wirkungsvolles Rahmenmotiv eine hohe Baumgruppe; in der Ferne ragen Gebirgszüge auf. Inhaltlich und kompositionell unmittelbar verwandt zeigen sich weitere Felslandschaften Franz Kobells in
Abb. S. 306
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Küstenlandschaft, um 1807 Feder und Pinsel in Grau und Gelb auf Bütten 13,5 x 19,1 cm Inv. G 6335 (als alter Bestand nachinventarisiert)
Mit den gleichen Stilmitteln, die Kat.-Nr. 134 auszeichnen, und daher wohl zur selben Zeit hielt Kobell die vorliegende Feder- und Pinselzeichnung fest. Symmetrisch, ohne Spannung aufgebaut, schildert sie den Blick von einem schmalen Uferstreifen auf eine ruhig daliegende Meeresbucht, über die Segelboote hinwegziehen. Am Horizont steht niedrig die Sonne. Einer hohen, als Repoussoir eingesetzten Baumgruppe am rechten Blattrand entspricht auf der Gegenseite eine bizarr abgetreppte, baumbestandene Felsformation.
K O B E L L , F. I . J .
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Abb. S. 306
Steilküste mit Ruinen, um 1810 Feder in Braun auf Bütten 10,6 x 14,5 cm Inv. G 2883/c Erworben vom Kunstantiquariat Anton Fischer, München, am 20. 7. 1935
Eine gezeichnete Rahmenleiste faßt die zweifellos nicht wirklich existierende, sondern erdachte Landschaft ein. Wiedergegeben ist eine felsige Küstenlandschaft: Segel- und Ruderboote gleiten über das wellenbewegte Meer, in das ein steiler, schroff abfallender Felssporn weit hineinragt. Das fast vegetationslose und verschattet vor der unsichtbaren Lichtquelle daliegende Felsmassiv trägt die ruinösen Uberreste einer Befestigungsanlage. Der kleine Maßstab der wenigen, als stimmungstragende Staffage eingesetzten Menschen in den Booten und am Ufer soll die überwältigende Größe der Natur desto spürbarer machen. Der charakteristisch bürstenartig gestrichelte Baumschlag verbindet die Zeichnung mit Blättern, die Franz Kobell zwischen 1808 und 1811 geschaffen hat, und läßt an eine Entstehung in dieser Zeit denken (Mannheim, Reiss-Museum, Inv.-Nr. G K h 1094, G K h 1087, G K h 1073: Mannheim/München 1993/94, Nr. 54, 55, 61 mit Abb.).
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Abb. S. 306
Hirte mit Kühen, um 1814 Feder in Braun auf rotem Bütten 1 3 , 4 x 2 1 , 7 cm Bezeichnet verso (von fremder Hand) rechts in grüner Kreide K. Inv. G 2078 [A.I. 6.101.17] Aus dem Vermächtnis James Emden, Mannheim, vom 7. 11. 1883
Nicht von der heroischen Landschaftskunst eines N i colas Poussin oder Claude Lorrain, sondern von der holländischen Landschaftsmalerei des 17. Jahrhunderts ließ sich Franz Kobell inspirieren, als er diese Federzeichnung schuf. Er zeigt heimatliches Buschund Wiesengelände, auf dem ein Hirte seine kleine Kuhherde weidet. A m Bachrand im Grase liegend und
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KOBELL, F. I. J .
träumend, ist der Hütejunge ebenso Teil der ländlichen Idylle wie die Windmühle in der Ferne, das hölzerne Gattertor am linken Bildrand und die hinter Gebüsch versteckte niedrige Bauernkate. Die charakteristische Markierung der Schattenflächen durch dichte, in den Richtungen immer wieder wechselnde Schraffuren sowie die Modellierung der Laubmassen durch Pinseltupfer und helle Lichtflecken erinnert an Blätter, die Franz Kobell 1814 zeichnete (Reiss-Museum, Mannheim, Inv.-Nr. G K h 1067, G K h 1063: Mannheim/München 1993/94, Nr. 65, 66 mit Abb.).
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Abb. S. 308
Wasserfall im Gebirge, um 1810/1814 Feder in Braun und Rötel auf blauem Bütten 15,1 x 9,3 cm Bezeichnet verso (von fremder Hand) unten rechts in Bleistift 24 Inv. G 2883/a Erworben vom Kunstantiquariat Anton Fischer, München, am 20. 7. 1935
Das Hauptmotiv dieser flüchtigen, mit einer Bleistiftlinie rahmenartig umzogenen Skizze bildet ein Wasserfall. Er stürzt zwischen hohen Felswänden nieder, die zu beiden Seiten des Bildfeldes aufragen. Auf einem Vorsprung des linken, karg bewachsenen Steilhangs hat sich ein Zeichner niedergelassen, um die Schönheit der Landschaft aufs Papier zu bringen. Die Darstellung blieb im wesentlichen auf die Angabe der Konturen beschränkt: Mit schlangenförmigen Linien sind die Umrisse der Berge und Bäume wiedergegeben, und nur an wenigen Stellen wurden die Schattenzonen durch eilige, unsystematische Schraffuren markiert. Ein derartiger Zeichenstil, der auch den zakkenartigen Baumschlag einschließt, verbindet unser Blatt mit Darstellungen, die Franz Kobell in den Jahren um 1810/1814 geschaffen hat (Wichmann 1974, Nr. 17 mit Abb.; Mannheim/München 1993/94, Nr. 63 mit Abb.).
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Abb. S. 308
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Abb. S. 309
Eseltreiber in felsiger Landschaft, um 1810/1814
Gebirgige Meeresbucht, um 1810/1814
Feder in Braun auf blauem Bütten 10,3 x 16,5 cm Bezeichnet verso (von fremder Hand) unten links in Bleistift 272, unten rechts 1 J 0 Inv. G 2883/b Erworben vom Kunstantiquariat Anton Fischer, München, am 20. 7. 1935
Feder in Schwarzbraun auf Bütten 10,4 x 15 cm Bezeichnet (eigenhändig?) unten links in Bleistift G.v.A. Verso (von fremder Hand) in Bleistift 2 Inv. G 2883/f Erworben vom Kunstantiquariat Anton Fischer, München, am 20. 7. 1935
Unser Blatt steht in engster Beziehung zu einer in Münchner Privatbesitz befindlichen und um 1810/ 1814 datierbaren Federzeichnung Franz Kobells (Wichmann 1974, Nr. 17 mit Abb.). Dies gilt für den Zeichenstil mit dem gezackten, spitzigen Baumschlag und den netzartigen Schraffuren ebenso wie für die Motivwahl. Wiedergegeben ist ein enges, von Felsen umschlossenes Tal, durch das ein Bach fließt. Eine hohe, dunkel schattierte Baumgruppe im Bildzentrum und ein Eseltreiber (am linken Seitenrand) dienen als belebende Versatzstücke dieser bildmäßigen K o m p o sition.
Aus den wohlbekannten, in seinen Zeichnungen so oft variierten Bildmotiven setzte Franz Kobell auch diese Ideallandschaft zusammen: Wiederum zeigt er eine schroffe Felswand am rechten Blattrand, die zur Bildmitte hin jäh abfällt und der als kompositionelles Gegengewicht auf der anderen Seite eine aufragende Baumgruppe antwortet (vgl. Kat.-Nr. 134). Im Zentrum der Darstellung wandert der Blick des Betrachters in die Tiefe, wo sich vor hohem Gebirge eine Stadt am Ufer einer Meeresbucht erstreckt. Auch diese Zeichnung gehört zur Gruppe der um 1810/1814 entstandenen Skizzen des Künstlers.
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Abb. S. 309
Felsige Meeresbucht, um 1810/1814 Feder in Schwarzbraun auf Bütten 10,4 x 15,3 cm Bezeichnet (eigenhändig?) unten links in Bleistift G.v.A, Verso (von fremder Hand) unten rechts in Bleistift 3 Inv. G 2883/e Erworben vom Kunstantiquariat Anton Fischer, München, am 20. 7. 1935
An eine italienische Küstenlandschaft erinnert die sorgfältig komponierte, zweifellos erdachte Darstellung. Steile Felswände und hohe Baumgruppen säumen das Ufer einer rechts sichtbaren Meeresbucht. An ihr entlang führt ein breiter Weg diagonal in die Tiefe, wo in der Ferne südlich anmutende Architekturen zu erkennen sind. Die Strichführung verbindet unser Blatt mit einer um 1810/1814 zu datierenden Zeichnung Franz Kobells in Privatbesitz (München: Wichmann 1974, Nr. 17 mit Abb.).
Abb. S. 310
Ruine mit Wandbrunnen, um 1810/1814 Feder in Schwarz auf Bütten 8,7 x 11,3 cm Bezeichnet verso (von fremder Hand) unten links in Bleistift 267, unten rechts 1,20 Inv. G 2883/h Erworben vom Kunstantiquariat Anton Fischer, München, am 20. 7. 1935
Wie der Zeichenstil mit den gezackten Laubkonturen und der ausgeprägten Fiederung der Baumäste erkennen läßt, hat Franz Kobell diese kleine, bis ins Detail durchgeführte Skizze in den Jahren um 1810/1814 geschaffen (vgl. Wichmann 1974, Nr. 17 mit Abb.). Sie gibt eine verfallene Mauer wieder, von Gebüsch überwuchert und gegliedert durch eine kleine dunkle N i sche, einen rundbogig gefaßten Wandbrunnen und ein rechteckiges Tor. In der linken vorderen Bildecke ist die Gestalt eines Sitzenden - vermutlich eines Zeichners - zu erkennen.
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143
Abb. S. 311
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Abb. S. 311
Ruine in bergiger Landschaft, um 1810/1814
Steilküste mit Turmruine, um 1810/1814
Feder in Schwarz auf Bütten 8,5 x 10,7 cm Bezeichnet verso (von fremder H a n d ) in Bleistift unten rechts 1,20 Inv. G 2883/i Erworben v o m Kunstantiquariat Anton Fischer, München, am 20. 7. 1935
Feder in Braun auf Bütten; Schöpfkante unten 7,9 x 10,6 cm Bezeichnet verso (von fremder H a n d ) unten rechts in Bleistift -75 Inv. G 2883/1 Erworben v o m Kunstantiquariat A n t o n Fischer, München, am 20. 7. 1935
Mit den gleichen Stilmitteln wie Kat.-Nr. 138 bis 142 gestaltete Kobell diese bildmäßig komponierte Ideallandschaft. Er entwarf einen von dürren Bäumen gerahmten Ausblick auf eine Burgruine und auf weites, in der Ferne sich erstreckendes Bergland. Seine unruhige, aber sichere Strichführung läßt deutlich das rasche Tempo seiner Arbeitsweise erkennen.
Die äußerst flüchtige und wenig differenzierte Skizze gibt den Ausblick von einem flachen, baumbestandenen Uferstreifen auf eine Meeresbucht mit drei Segelschiffen wieder. Sie wird zur Rechten von einer hohen Steilküste gesäumt, über der eine Turmruine aufragt. Dunkle Wolken und eine niedrig stehende Sonne verstärken den Eindruck von Unwirtlichkeit und Kargheit.
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Abb. S. 311
Landschaft mit antiker Tempelruine, um 1810/1814 Feder in Schwarz auf Bütten 8 , 4 x 1 0 , 5 cm Bezeichnet verso (von fremder H a n d ) unten rechts in Bleistift - S O Inv. G 2883/k Erworben v o m Kunstantiquariat A n t o n Fischer, München, am 20. 7. 1935
Zwischen den Stämmen und lichten, fächerförmig ausgebreiteten Baumkronen eines Uferhaines blickt der Betrachter auf die weite Fläche eines Meeres, aus dem in der Ferne eine kegelartige Berginsel aufragt. Den idealen, an Werke Claude Lorrains erinnernden Charakter dieser südlichen Phantasielandschaft unterstreichen die Reste einer antiken Säulenhalle und eine übergroße Amphore, die am rechten Blattrand zu erkennen sind. Grobe, teilweise gitterartig sich kreuzende Schraffuren markieren die Schattenzonen dieser kleinen, mit zügigen Strichen festgehaltenen Federskizze Franz Kobells. Sie lassen ebenso wie die gezackten Baumkonturen an eine Datierung in die Jahre um 1810/1814 denken (vgl. Wichmann 1974, Nr. 15-17 mit Abb.).
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KOBELL, F. I . J .
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Abb. S. 310
Feldweg zwischen zwei Baumgruppen, um 1810/1814 Pinsel in Braun auf Bütten 8,1 x 14,6 cm Bezeichnet verso (von fremder H a n d ) unten rechts in Bleistift 1,70 Inv. G 2883/q E r w o r b e n v o m Kunstantiquariat A n t o n Fischer, München, am 20. 7. 1935
Schlicht und keineswegs besonders malerisch ist das Bild, das sich dem Betrachter bietet: Es schildert einen unbefestigten Weg, der zwischen Felsen und zwei Baumgruppen in die Ferne führt und sich dann rasch den Blicken entzieht. Eine langgestreckte Gebirgskette steigt am Horizont auf. Die charakteristisch lichten, federartig ausgebreiteten Baumkronen mit dem gezackten und gestrichelten Laubwerk und die grobe, netzartige Schraffierung legen eine Datierung der Zeichnung um 1810/1814 nahe (Vgl. Wichmann 1974, Nr. 15-17 mit Abb.).
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Abb. S. 310
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Abb. S. 310
Baumgesäumter Weg, um 1810/1814
Baumgruppe, um 1810/1814
Feder in Schwarz auf Bütten 6,1 x 9,4 cm Bezeichnet verso (von fremder Hand) unten rechts in Bleistift -30 Inv. G 2883/t Erworben vom Kunstantiquariat Anton Fischer, München, am 20. 7. 1935
Feder in Braun auf Velin 7,3 x 9,6 cm Bezeichnet verso (von fremder Hand) unten rechts in Bleistift
Mit dem gleichen charakteristischen Federstrich, wie ihn die Kat.-Nr. 139 bis 146 aufweisen, ist diese mit Bleistift rahmenartig umzogene Skizze gezeichnet. Sie gibt wohl keine phantasierte Ideallandschaft, sondern eine Szenerie wieder, die der Künstler „vor Ort" festgehalten hat: Auf einer zur Bildmitte hin abfallenden Anhöhe windet sich ein Weg entlang. Er wird von Bäumen gesäumt, zwischen denen der Blick in eine ferne Ebene schweift. Als kompositionelles Gegengewicht ragt am rechten Blattrand ein baumbestandener Berg auf, den eine Burgruine bekrönt.
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Abb. S. 308
Bäume am Felsabhang, um 1810/1814 Feder in Braun auf blauem Bütten 9,2 x 11,1 cm Bezeichnet verso (von fremder Hand) in Bleistift 288 und
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Inv. G 2883/v Erworben vom Kunstantiquariat Anton Fischer, München, am 20. 7. 1935
Mit überaus raschen Strichen hielt Franz Kobell auf dieser kleinen Federskizze eine Gruppe von Laubbäumen fest. Der geradezu ornamentalisierte Baumschlag läßt an Zeichnungen denken, die der Künstler um 1810/1814 geschaffen hat (Wichmann 1974, Nr. 15,16 mit Abb.).
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Abb. S. 311
Baumbestandenes Flußtal vor einem Gebirge, um 1810/1814 Feder in Schwarz auf Bütten 8,6 x 10,8 cm Bezeichnet verso (von fremder Hand) unten rechts in Bleistift 1 Inv. G 2883/w Erworben vom Kunstantiquariat Anton Fischer, München, am 20. 7. 1935
-80
Inv. G 2883/u Erworben vom Kunstantiquariat Anton Fischer, München, am 20. 7. 1935
Zu den kleinen, unter Kat.-Nr. 147 genannten und um 1810/1814 entstandenen Skizzen gehört auch die vorliegende Darstellung. Sie bietet einen nahgesehenen, knappen Landschaftsausschnitt, der von einem baumbewachsenen und zerklüfteten Felsenhang beherrscht wird. Der diagonal über die Bildfläche sich hinziehende Abhang versperrt den Blick in die Tiefe; nur am linken Blattrand öffnet sich an einer kleinen Stelle die Landschaft. Das Motiv und die Komposition lassen engste Ubereinstimmung mit einer Federzeichnung Franz Kobells im Mannheimer Reiss-Museum erkennen (Inv.-Nr. GKh 1075: Mannheim/München 1993/ 94, Nr. 25 mit Abb.).
Dichte Schraffuren modellieren die weite, wohl im Atelier gezeichnete Landschaft, der sich der Betrachter gegenübersieht. Die rechte Bildhälfte nimmt ein Wäldchen ein, das bis an das Ufer eines breiten, in Windungen durch die Ebene fließenden Stromes herangerückt ist; dahinter werden im Mittelgrund ein Kastell und in der Ferne aufragende Berge sichtbar. Der Zeichenstil verbindet das Blatt mit den unter Kat.Nr. 147 aufgeführten und um 1810/1814 zu datierenden Skizzen.
KOBELL, F. I. J .
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A b b . S. 312
Waldweg mit Reiter, um 1810/1815
Kippkarren
Feder in Braun auf blauem Bütten 7,5 x 11,4 cm Inv. G 2883/x Erworben vom Kunstantiquariat Anton Fischer, München, am 20. 7. 1935
Pinsel, Sepia und Tusche über Kreide, braun und grau laviert, auf Bütten, WZ D.W.R. 24,1 x 30,3 cm Bezeichnet unten rechts in Tusche JKobell (JK ligiert) Verso unten links (eigenhändig?) W, unten rechts in Bleistift (eigenhändig?) zweimal der Schriftzug Jan Kobell und geb. 1779 Inv. G 1637 [A.I. 1737] Erworben vom Auktionshaus Rudolf Bangel, Frankfurt a.M., 1921
Wieder ist es ein Waldweg, der das Interesse F r a n z Kobells gefunden hat (vgl. K a t . - N r . 119, 121, 146, 147). D i e s e m Weg, der einen sanft ansteigenden, baumbestandenen Hügel hinanführt, folgt ein Reiter. D i e ausgeprägte Fiederung des Astwerks und der gezackte U m r i ß der B a u m k r o n e n legen eine Datierung der Skizze in die Zeit um 1 8 1 0 / 1 8 1 4 nahe.
JAN KOBELL I I . Getauft am 8. November 1778 Delfshaven t 23. September 1814 Amsterdam
Nicht wie FRANZ, FERDINAND und WILHELM KOBELL der kurpfälzischen Linie, sondern dem niederländischen Zweig dieser großen Malerfamilie gehörte J a n Kobell an. N a c h dem frühen Tod seiner Mutter und seines Vaters H e n d r i k wurde der Junge in einem Waisenhaus in U t r e c h t erzogen und zu dem Tiermaler Willem Rutgaart van der Wall in die Lehre gegeben. 1810 führte ihn eine zweijährige Studienreise nach Paris; im gleichen J a h r ernannte ihn Ludwig Bonaparte, König von Holland, zum Mitglied des Holländischen Instituts für Künste und Wissenschaften in Amsterdam. In Frankreich und Holland erfreuten sich seine unverkennbar am Werk von Paulus Potter orientierten Landschaften und Tierstücke hoher Wertschätzung.
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KOBELL II., J .
D e n Mittelpunkt dieses als Genreszene aufgefaßten Tierstückes bildet ein ausgeschirrtes Zugpferd. Es steht vor einem ungefügen Kippkarren, den ein Bauer entlädt. D e r M a n n hat seine J a c k e und den H u t auf dem A c k e r b o d e n abgelegt; dort schläft, zusammengerollt und letzte Sonnenstrahlen des bewölkten H i m mels genießend, sein H u n d . Zwei Birken hinter dem Bauern, weidende Schafe neben einer Weide, ein grasendes Pferd und im Hintergrund ein G e h ö f t hinter Baumgruppen vervollständigen die herbe ländliche Idylle. Uberaus eng ist die Beziehung unserer Zeichnung zu einer Radierung J a n Kobells (Stadtmuseum Ludwigshafen, Inv.-Nr. 4 5 4 / 4 0 3 g : Ludwigshafen 1987, Nr. 175 mit A b b . S. 142, als eine Arbeit von H e n d r i k Kobell, dem frühverstorbenen Vater des Künstlers, beschrieben). Es handelt sich um eine spiegelbildliche Wiederholung des Hauptmotivs: dargestellt sind ein ausgeschirrtes Pferd neben einem Heuwagen und ein danebenliegender, dösender H u n d .
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A b b . S. 313
Grasende Kuh Schwarze Kreide auf Bütten; WZ VI 30,7 x 26,35 cm Bezeichnet unten rechts JKobell JK ligiert) sowie Reste eines Stempels Verso unten links (eigenhändig?) in Bleistift A 41 Inv. G 3008 Erworben vom Antiquariat Agnes Straub, Berlin, im Oktober 1937
Als motivisch unmittelbar vergleichbar mit WILHELM nach einer Kuh (Kat.-Nr. 160) erweist sich diese Kreidezeichnung einer grasenden Kuh. Mit weichem, malerischen Strich und realistisch genau sind das zottelige Fell, der knochige Körper, das rupfende Maul wiedergegeben.
VON KOBELLS Studie
W I L H E L M VON K O B E L L * 6. April 1766 Mannheim f 15. Juli 1853 München
Der Maler, Zeichner und Radierer Wilhelm von Kobell gilt als das bedeutendste Mitglied der kurpfälzisch-bayerischen Künstlerfamilie. Sein Vater, der Landschaftsmaler FERDINAND KOBELL, erteilte ihm den ersten künstlerischen Unterricht. Es folgte die Ausbildung an der Mannheimer Zeichnungsakademie, wo Egid Verhelst und Franz von Leydensdorf dem angehenden Künstler die Grundlagen seiner später so perfekt beherrschten Radier- und Aquatintatechnik vermittelten. Mit seiner Ernennung zum Hofmaler des Kurfürsten Carl Theodor wandte sich Wilhelm von Kobell 1793 nach München. Zunächst galt sein Interesse der Landschaftskunst, deren Motive er in seiner neuen bayerischen Heimat fand. Die damals geschaffenen Gemälde lassen noch deutlich die Orientierung an den holländischen Meistern des 17. Jahrhunderts erkennen. Sie wich bald einem neuem, von der Verbindung klassizistischer Formenstrenge mit genauer, porträthafter Naturwiedergabe geprägten Stil. 1814 erhielt Wilhelm von Kobell mit der Berufung zum Leiter der Landschaftsklasse an der Münchener Akademie die offizielle Bestätigung für seine künstlerische Bedeutung. Als wenige Jahre später auf Betreiben von Peter von CORNELIUS diese Bildgattung als akademisches Unterrichtsfach aufgelöst wurde, erhielt der Künstler den Abschied (1826). Er blieb ein weithin geschätzter Maler und Radierer. Bis zu seinem Tod 1853 schuf er zahlreiche Genreszenerien, Tierstücke und Landschaften, die in ihrer biedermeierlichen Idyllik großen Anklang beim traditionsgebundenen Münchener Bürgertum und beim bayerischen Adel fanden.
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Abb. S. 314
Reiter mit Handpferd, um 1785 Feder in Braun auf Bütten; obere rechte Ecke ergänzt 24 x 39,3 cm Bezeichnet unten links in lila Tinte Kobell Verso in der Mitte in Bleistift Kobell (von fremder Hand) Inv. G 2835 Als Geschenk von Ferdinand Weber, Mannheim, 1934 erworben
Die in der Figurenauffassung und in den Bewegungen sehr sichere Komposition gibt einen nach links reitenden Mann wieder, der ein Handpferd mit sich führt. Während die Haar- und Barttracht sowie das Kostüm des Reiters auf das holländische 17. Jahrhundert hinweisen, läßt der Zeichenstil mit seinem flüssig bewegten, auf die Konturen konzentrierten Federduktus die unmittelbare Verwandtschaft zu einem Blatt erkennen, das Kobell um 1785 zeichnete. Gemeint ist die Werkzeichnung für eine Aquatintaradierung, die der Künstler nach Johann Heinrich Roos (1631-1685) schuf (Wichmann 1973, Zweiter Nachtrag, Nr. 2 mit Abb.). Die Vermutung liegt daher nahe, daß es sich bei der Mannheimer Darstellung ebenfalls um eine in jener Zeit zu Papier gebrachte Vorzeichnung für die druckgraphische Arbeit nach einem fremden Meister handelt. Zahlreich sind die Beispiele solcher in Radierung und Aquatinta ausgeführten Reproduktionen im graphischen Werk Wilhelm von Kobells, der - ganz dem Zeitgeschmack folgend - seine Vorlagen vor allem unter den niederländischen, gelegentlich auch deutschen und französischen Landschafts- und Genrebildern des 17. Jahrhunderts fand (Goedl-Roth 1974, Nr. 73-148).
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Abb. S. 315
Soldatenszene, um 1787/1796 Feder in Braun, grau laviert, auf Bütten 9 x 11,5 cm Verso Federskizze eines Haus- und Treppengrundrisses Inv. G 1176 [A.I. 1235 b] Erworben von der Kunsthandlung Max Ziegert, Frankfurt a.M., am 10. 1. 1919
KOBELL, W. V.
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Wie die Tierbilder (Kat.-Nr. 160, 163,164) und Landschaften (Kat.-Nr. 165) erfreuten sich auch die Soldatenstücke Wilhelm von Kobells überaus großer Beliebtheit beim Publikum. Zunächst schätzte man seine zahlreichen, seit den neunziger Jahren geschaffenen Schilderungen von Lagerfeuern, Ausritten, Requirierungskommandos und Kosakenzügen. Ihnen folgten 1806/1807 der Schlachtenzyklus für den französischen Marschall Berthier und 1808/1815 die Bilderfolge aus den napoleonischen Feldzügen, die der bayerische Kronprinz Ludwig für den Bankettsaal der Münchner Residenz in Auftrag gegeben hatte. Solche Darstellungen sprachen damals, in der Zeit der kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen den alliierten Truppen und Frankreich (dessen Verbündeter Bayern gewesen ist), einen weiten Interessentenkreis an. Auch die vorliegende, von einem gezeichneten Rahmen bildmäßig eingefaßte Federskizze gehört in diesen Zusammenhang. Wie alle Soldatenstücke Kobells versetzt sie den Betrachter nicht mitten hinein in blutiges Kampfgeschehen mit Verletzten und Toten, sondern berichtet von einem gänzlich unheroischen Augenblick am Rande der Ereignisse. Vor einem Marketenderzelt haben sich französische Soldaten versammelt: Sie musizieren, sie bandeln mit der Marketenderin an, sie unterhalten sich miteinander und brechen zu einem Ausritt auf. Im Mittelgrund sind weitere Zelte auszumachen, in der Ferne erhebt sich der Kirchturm eines kleinen Dorfes. Das nicht signierte Blatt fügt sich im Hinblick auf das ganz unspektakuläre Thema bruchlos in das Frühwerk Wilhelm von Kobells ein. Vor allem ist auf das 1795 datierte und kompositioneil verwandte Aquarell Reiter vor dem Marketenderzelt hinzuweisen (Wichmann 1970, Nr. 321 mit Abb.; vgl. ferner ebenda Nr. 352-355 mit Abb.; Wichmann 1973, Erster Nachtrag, Nr. 13). Auch stilistisch ist es den frühen Federzeichnungen zuzuordnen: man vergleiche die Blätter Vor der Hufschmiede (um 1787; Wichmann 1970, Nr. 68 mit Abb.) und Landschaft mit Jagdgesellschaft (um 1793; Wichmann 1970, Nr. 194 mit Abb.).
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KOBELL, W . V .
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Abb. S. 315
Revolutionsszene, um 1792/1795 F e d e r in B r a u n , grau laviert, auf starkem Velin 8 x 12,7 cm Verso in Bleistift S k i z z e n von Figuren und einem G i e b e l Inv. G 1175 [A.I. 1235 a] E r w o r b e n von der Kunsthandlung M a x Ziegert, F r a n k f u r t a.M., am 10. 1. 1919
Da die ebenso skizzenhaft wie Kat.-Nr. 155 angelegte Komposition entscheidende Details nicht deutlich genug angibt, sind wir bei der Interpretation auf Vermutungen angewiesen. Es scheint, als habe Kobell eine Szene während der Französischen Revolution schildern wollen. Vor der Kulisse großstädtischer Häuser, die eben in Flammen aufgehen, hat sich eine lärmende Menschenmenge versammelt. Die Männer reißen ihre Säbel und Piken hoch und führen als Bekenntnisembleme mehrere auf Stangen aufgesteckte Phrygische Mützen mit sich. Sie geben sich damit als Jakobiner zu erkennen, als Stoßtrupp der radikalen Republikaner also, die zwischen 1792 und 1795 in Paris ihre Schrekkensherrschaft ausübten. Sie haben eben einen Revolutionsgegner an einer Straßenlampe aufgeknüpft, „laternisiert", wie man damals diese Art des Mordens euphemistisch umschrieb. Für ihn zu spät sind Royalisten zur Rettung herbeigeeilt. Einer von ihnen hat eine hohe, an die Laterne angelegte Leiter erklommen und bemüht sich, den Strick des Gehenkten zu lösen; andere Königstreue, unter ihnen ein Berittener, drängen mit ihren Waffen die Revolutionäre vom Ort des barbarischen Geschehens zurück. Als scharfe Kritik an den Greueltaten der revolutionären Volksjustiz steht das Blatt für viele ähnliche Erzeugnisse der deutschen und englischen Bildpublizistik (vgl. Nürnberg 1989, Nr. 338-340). Stilistisch steht es der Federzeichnung Kat.-Nr. 155 überaus nahe und wird gleichfalls in die frühen neunziger Jahre zu datieren sein.
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A b b . S. 316
Maria Josepha Kobell, um 1789 Pinsel in Grau auf Bütten, WZ Wappen im Kreis mit Krone 26,4 x 19,4 cm Inv. G 2241 Aus dem Nachlaß des Künstlers erworben von Frau M. von Ranke-Kobell, München, 1925 Lit.: Mannheim 1950, S. 32, Nr. 146; München/Mannheim 1966, S. 47, Nr. 9, Abb. 9; Wichmann 1970, S. 179, Nr. 107 mit Abb.; Leverkusen 1974, o. S., mit Abb.; Mannheim 1983, S. 36 mit Abb. S. 37; Stuttgart 1984, S. 333, Nr. 129; Moskau 1992, S. 58 mit Abb. S. 59; Mannheim/München 1993/94, Abb. S. 22 I m m e r wieder hat Wilhelm von Kobell in seinen j u n gen Jahren die Angehörigen seiner Familie gezeichnet. W i r kennen eine Reihe von Bildnissen des Vaters und der Mutter (Kat.-Nr. 158), des O n k e l s und der G e schwister, seiner Frau und der Tochter. Sie alle legen nicht nur Zeugnis ab von seiner großen Begabung als Porträtist, sondern lassen auch den festen Zusammenhalt der Kobells spüren, die sich nur ungern voneinander trennten. „Die ganze Familie ist alle Abende im Garten oder im W o h n z i m m e r vereint", heißt es in einem 1794 verfaßten Brief Agid Kobells, eines B r u ders des Malers, „und einige kleine Streitigkeiten ausgenommen, sind wir recht vergnügt. Wilhelm ist der Alte. Jeder Augenblick, den er anders als mit Pinsel und Farben durchlebt, ist für ihn ein V e r l u s t . . . " (zit. n. Wichmann 1970, S. 15). D a ß der Maler viele seiner individuell aufgefaßten, meist überaus lebendigen Familiendarstellungen während solcher häuslichen Treffen festhielt, ist anzunehmen. A u c h das bezaubernde, noch ganz in der Tradition des R o k o k o stehende Porträt der Schwester Maria J o s e p h a wird bei einer derartigen Gelegenheit entstanden sein. Das junge Mädchen, das 1776 in M a n n heim zur Welt g e k o m m e n ist, erscheint hier im Alter von etwa dreizehn Jahren. Es sitzt, nach links gewandt, an einem Tisch und lehnt leicht das K i n n gegen den aufgestützten A r m . Versonnen richtet es den Blick über die Schulter hinweg unmittelbar auf den Betrachter. Dieser so unkonventionellen, wenig repräsentativen Haltung entspricht das legere K o s t ü m mit dem weichen, breitkrempigen H u t über den langfallenden L o c k e n , dem gerüschten Umschlagtuch und den aufgerollten Kleiderärmeln. Unterstrichen wird der bürgerlich-private Charakter der Darstellung nicht nur durch die zurückhaltende, sich auf differenzierte G r a u t ö n e beschränkende Farbskala, sondern auch durch den lockeren, freien Pinselduktus.
Von seiner Schwester, die 1805 die E h e mit J o s e p h Freiherrn von Pfetten schloß und 1847 in M ü n c h e n starb, schuf Kobell in jenen Jahren übrigens noch weitere Bildnisse. Sie sind von ähnlicher Intimität und Frische erfüllt und in diesem Punkt durchaus zu vergleichen mit früheren und gleichzeitigen Familienszenerien eines Daniel C h o d o w i e c k i (Wichmann 1970, Nr. 104, 1 0 5 , 1 0 7 , 2 5 0 , 2 8 0 ) .
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A b b . S. 317
Maria Theresia Kobell mit ihrem Sohn Franz Ferdinand, um 1789 Schwarze Kreide auf Bütten 1 2 x 1 1 cm Inv. G 2242 Aus dem Nachlaß des Künstlers erworben von Frau M. von Ranke-Kobell, München, 1925 Lit.: Wichmann 1973, Zweiter Nachtrag, Nr. 9 mit Abb. Zur Folge der Familienporträts (Kat.-Nr. 157), die Wilhelm von Kobell um 1789, also wohl kurz vor seiner Abreise nach München, als Erinnerungsbilder für sich festhielt, gehört auch die vorliegende Kreidezeichnung. Wiedergegeben ist in einem scheinbar unbeobachteten Augenblick Maria Theresia Kobell, geb. Lederer, die Mutter des Künstlers. Sie sitzt an einem Tisch und hält ihren jüngsten Sohn Franz Ferdinand auf dem Schoß, der sich schläfrig an sie schmiegt. In Gedanken versunken richtet sie den B l i c k auf den B o d e n . Sie trägt - wie auf anderen von ihrem Sohn gezeichneten Bildnissen (Wichmann 1970, Nr. 104, 264, 270) - eine bauschige, ballonartige H a u b e mit gefältetem und bändergeschmücktem Rand, die unter dem N a m e n D o r m e u s e seit 1790 in M o d e war. I m Vergleich mit Kat.-Nr. 157 wirkt das recht anspruchslose Doppelbildnis weniger überzeugend. U n b e h o l f e n und ängstlich erscheinen die dichten, vielfach gegeneinander verkanteten Parallelschraffuren, die den Hintergrund weder modellierend noch räumlich klärend ganzflächig abdecken. Zu übersehen ist auch nicht die zeichnerische Unsicherheit in der rechten Schulter- und Armpartie der Mutter sowie in deren Kopfproportionen.
KOBELL, M . J .
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Abb. S. 317
Studien nach einem Knaben, um 1800 Feder in Braun über Bleistift auf Velin 20,2 x 16,4 cm Bezeichnet unten links in Feder 45 Verso über das Blatt verteilt Bleistiftspuren und unleserliche Schriftzüge; unten links in Bleistift N629, unten rechts (durchgestrichen, von fremder Hand) oben und Kobell Inv. G 2244 Aus dem Nachlaß des Künstlers erworben von Frau M. von Ranke-Kobell, München, 1925 Lit.: Mannheim 1950, S. 32, Nr. 149; Wichmann 1970, Nr. 551 mit Abb.
Das vorliegende Studienblatt vereint zwei rasch skizzierte Brustbildnisse eines etwa fünf Jahre alten Jungen. Oben im Dreiviertelprofil, darunter in der reinen Seitenansicht wiedergegeben, scheint der Knabe mit lebhaftem Interesse einem aufregenden Geschehen zu folgen. Die Gesichtszüge hat der Künstler mit flotten, zügigen Federstrichen aufs Papier gebracht; den offenen Rock und die geknöpfte Weste deutete er hingegen mit nur wenigen Linien an.
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Abb. S. 318
Studie nach einer Kuh, um 1801 Aquarell über Bleistift auf Velin 23,5 x 31 cm Inv. G 2964 Erworben vom Graphischen Kabinett Günther Franke, München, am 11. 12. 1936 (aus dem Nachlaß des Künstlers) Lit.: Mannheim 1950, S. 34, Nr. 158; Wichmann 1970, Nr. 663 mit Abb.
Überaus genau am Naturvorbild orientierte sich Wilhelm von Kobell, als er diese Studie eines Rindes schuf. Das Fell des graubraunen, einfarbigen Tieres gab er in differenziert abgestuften, von grau bis gold changierenden Tönen wieder und schilderte mit gleicher Sorgfalt die kurzen, in dunkler Spitze endenden Hörner und die charakteristische falbe Farbe um das Maul. Er führte die Studie nicht bis ins letzte Detail aus: Die Vorderbeine der Kuh legte er zwar mit Bleistift an, aquarellierte sie aber nur andeutungsweise.
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KOBELL, M . J .
Wie so viele andere vor der Natur gezeichneten Figuren- und Tierstudien hat der Künstler auch dieses Blatt als Vorbereitung für eine bildmäßige Komposition geschaffen (vgl. etwa Wichmann 1970, Nr. 425 und 426 als Vorstudien zu Nr. 427; Nr. 725 als Vorarbeit zu Nr. 726; Nr. 1204,1205,1206 als Studien zu Nr. 1207). Er verwendete es für sein großformatiges Aquarell Weidende Kühe vor Hochgebirgslandschaft, das um 1801 datiert wird und sich in der Schweinfurter Sammlung Georg Schäfer befindet (Wichmann 1970, Nr. 664 mit Abb.). Mit Darstellungen dieser Art, mit den Bildern von Hunden, Ziegen, Schafen, Rindern und Pferden, fand Kobell rasch die Aufmerksamkeit beim Publikum und avancierte bald zum gefragtesten Tiermaler seiner neuen bayerischen Heimat.
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Abb. S. 318
Studie nach Bauernbuben, um 1803 Aquarell und Bleistift auf Bütten; linker Blattrand unregelmäßig beschnitten 13,9 x 20,4 cm Verso in Bleistift unvollendete Nachzeichnung von Kopf und Hut des linken Knaben; rechts daneben in Bleistift (von fremder Hand) 4m/06, unten Mitte N629 und Kobell Inv. G 2243 Aus dem Nachlaß des Künstlers erworben von Frau M. von Ranke-Kobell, München, 1925 Lit.: Mannheim 1950, S. 32, Nr. 153; Wichmann 1970, Nr. 716 mit Abb.
Um eine unmittelbar vor der Natur genommene Studie handelt es sich gewiß auch bei diesem zarten, in hellbraunen, gelbroten, zitronengelben und blauen Tönen gehaltenen Aquarell. Beobachtet sind hier zwei kleine Hütebuben. In die zeittypische Tracht des bayerischen Oberlandes gekleidet und breitkrempige, weiche Hüte tragend, sitzen sie barfuß nebeneinander auf dem Boden und sind offenbar in ein Gespräch vertieft. Motive solcher Art haben den Künstler immer wieder gefesselt; er setzte sie wiederholt in seine genreartigen Landschafts- und Tierkompositionen ein (Wichmann 1970, Nr. 124, 225-227, 399, 717-719, 722-723; Wichmann 1973, Zweiter Nachtrag, Nr. 15, 18, 29; München/Mannheim 1966, Nr. 77).
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A b b . S. 319
Skizzen nach tanzenden Bauernmädchen, um 1809 Bleistift, weiß gehöht, auf blaugrauem Bütten (Schöpfkante rechts) 21,3 x 35 cm Bezeichnet oben rechts in Bleistift 40 Verso A F. Inv. G 2983 Erworben vom Graphischen Kabinett Günther Franke, München, am 28. 5. 1937 (aus dem Nachlaß des Künstlers) Lit.: Wichmann 1970, Nr. 937 mit Abb.
Großformatige Skizzenblätter mit einer Vielzahl von sorgfältigen, zum Teil mit weißer Kreide effektvoll ausgearbeiteten Figurenstudien finden sich häufig im zeichnerischen Werk Wilhelm von Kobells (Wichmann 1970, Nr. 820, 8 9 0 - 8 9 1 , 912, 1011; W i c h m a n n 1973, Erster Nachtrag, Nr. 33). Ihnen ist auch das vorliegende Blatt zuzurechnen, auf dem der Künstler seine Beobachtungen während eines dörflichen Festes notierte. N e b e n Kopfstudien zeichnete er mehrere Bauernmädchen in ihrem ein wenig hölzernen, nicht eben graziösen Tanz, die Hände über den K o p f erhoben, in die H ü f t e gestützt oder einen Schürzenzipfel fassend. D i e jungen Frauen tragen die malerische Feiertagstracht, wie sie um die Wende v o m 18. zum 19. Jahrhundert im Ampergebiet, u m Starnberg und um Fürstenfeldbruck gebräuchlich war: einen dunklen Wollrock mit heller Schürze und ein rotes oder blaues, vorn mit Bändern verschnürtes Mieder, das der sog. Stecker - ein versteifter und weit bis an den Hals reichender Brustlatz aus B r o k a t - zierte. Getreu sich an die Wirklichkeit haltend, vergaß Kobell auch nicht den enggewickelten Halsflor aus schwarzem Baumwolltuch, der mit einer großen Schnalle aus Silberfiligran zusammengehalten wurde. Studien dieser Art dienten dem Künstler zur Vorbereitung seiner zahlreichen Trachtendarstellungen und idyllischen Genreszenen aus dem bäuerlichen Milieu, die als Spiegel einer vermeintlich noch intakten, friedlichen Heimat hochgeschätzt und gern gekauft wurden. O b Wilhelm von Kobell die Figuren auch des vorliegenden Blattes in Aquarell- oder Ölfarben ausführte, ließ sich bisher nicht ermitteln; gewiß aber scheint ihm eine Szenerie wie das um 1830 entworfene Tanzfest (Wichmann 1970, Nr. 1485) vor Augen gestanden zu haben.
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A b b . S. 314
Studie nach einem Pferd, um 1825 Bleistift auf Bütten; WZ Bourboniscbe Lilie 13,1 x 18 cm Bezeichnet unten rechts Wilhelm Kobell Inv. 2080 [A.I. 6.101.19] Aus dem Vermächtnis James Emden, Mannheim, vom 7. 11. 1883
Befreit v o m D r u c k der langjährigen Arbeit an den großen Schlachtenbildern mit ihrer dramatischen A k tion kriegerischer Ereignisse ( vgl. Kat.-Nr. 155, 156), wandte sich Wilhelm von Kobell wieder intensiv der Landschaftsmalerei und den Reiterdarstellungen zu. E r schuf nun kleinformatige, kompositionell beruhigte Bilder, die in Bürgerkreisen und beim Adel gleichermaßen begehrt waren. Besonders das in stillem Verharren aufgefaßte Pferdeporträt in miniaturhafter Landschaft wurde zum bevorzugten T h e m a des Künstlers. Als durchaus charakteristisch für diese immer wieder variierten K o m positionen kann auch unsere Zeichnung gelten. In geradezu denkmalhafter Ü b e r h ö h u n g nimmt das Pferd das Zentrum der Darstellung ein. Es steht ruhig, im Profil nach rechts gewandt, und überragt h o c h g e h o ben, geradezu schwebend, eine flache, auf das untere Blattdrittel reduzierte landschaftliche Szenerie. Ä u ßerst klar erscheint der durchgegliederte B a u seines Leibes mit dem Spiel der Muskeln und dem Glanz des Felles. Aus der v o m Maler gewählten Froschperspektive resultiert das krasse Größenverhältnis zwischen dem Tier und der ihm als Folie hinterlegten Landschaft: Monumental erscheint das dem Betrachter nahegerückte Pferd, winzig klein, wie Puppenspielzeug wirken die Bäume und Häuser sowie zwei Reiter in der Ferne. O f f e n b a r diente das Mannheimer Blatt dem Künstler als graphische Vorbereitung für ein Aquarell, ein Ö l bild oder eine Radierung. E i n e Ausführung der hier angelegten K o m p o s i t i o n kennen wir bisher allerdings nicht. Mehrere nah verwandte, um 1825 entstandene Reiterstücke Wilhelm von Kobells können uns jedoch die anschauliche Vorstellung einer Endfassung dieses Entwurfs vermitteln (Wichmann 1970, Nr. 670, 1318, 1 3 2 4 , 1 3 2 7 - 1 3 3 3 , 1399; G o e d l - R o t h 1974, Nr. 16, 67).
KOBELL, M . J .
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Abb. S. 319
Studie nach einem Schimmel, 1833 (?) Schwarze und weiße Kreide auf blaugrauem Bütten 26,2 x 38,7 cm Bezeichnet in Bleistift unten links WK Verso in grüner Kreide K. Inv. G 2079 [A.I. 6.101.18] Aus dem Vermächtnis James Emden, Mannheim, vom 7. 11. 1883
In der sorgfältigen Ausführung entspricht die vorliegende Zeichnung dem Entwurf Kat.-Nr. 163. Wiederum nimmt das Pferd das Zentrum des Bildfeldes ein. Es erscheint im Dreiviertelprofil nach links, mitten in einer Bewegung verharrend, und richtet aufmerksam, mit hochgestellten Ohren, den Blick zur Seite. Die Vermutung liegt nahe, daß Wilhelm von Kobell auch diese Einzelstudie für eines seiner zahlreichen Pferdeund Jagdstücke verwendete. Man könnte an die Szenerie Nach der Jagd am Bodensee denken, in der sich eine Reitergesellschaft um einen in Aussehen und Haltung durchaus vergleichbaren Schimmel gruppiert (1833; München, Städtische Galerie im Lenbachhaus: Wichmann 1970, Nr. 1542).
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Abb. S. 175
Blick auf Kloster Tegernsee und den See, um 1838 Aquarell über Bleistift, weiß gehöht, auf Velin 18,2 x 24,3 cm Bezeichnet verso Mitte in Bleistift Anonym, darunter 7567/ DZ, darunter Tegernsee, unten links (beschädigt und nur in Resten zu lesen) mit Feder G... ing Inv. G 671 [A.I. 800] Erworben von der Kunsthandlung C. G. Boerner, Leipzig, am 28. 10. 1916
Mit dem Umzug nach München war die oberbayerische Landschaft zum zentralen Thema der Arbeit Kobells geworden. Seit 1793 entstanden viele hundert Zeichnungen, Aquarelle und eine bedeutende Anzahl von Gemälden, in denen der Künstler die Schönheiten der Voralpen und oberbayerischen Seen topogra-
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KOBELL, M . J .
phisch getreu und detailreich vor Augen führte. Von porträthafter Genauigkeit und oft geradezu naiv wirkender Anschaulichkeit schildern sie die Wälder, Wiesen und Höhen zwischen Ammer-, Starnberger- und Tegernsee. Wie ein Sonntagsgarten präsentiert sich auch das Mannheimer Aquarell mit seiner Tegernsee-Landschaft. Der Blick des Betrachters, dessen Standort auf einer Höhe am Nordostufer des Sees anzunehmen ist, richtet sich nach Süden auf die bewaldeten Hänge des Hirschberges und über den ganz am linken Bildrand erkennbaren Einschnitt des Tales nach Kreuth. Im Mittelgrund ist das ehemalige Benediktinerkloster zu erkennen, das um 747 gegründet und im späten 17. Jahrhundert umgestaltet, 1803 durch die Säkularisierung aufgehoben und 1824 zur königlichen Sommerresidenz ausgebaut worden war. Puppenhaft klein erscheinen im Bildvordergrund die beiden modisch gekleideten Spaziergänger, und wie einer Spielzeugschachtel entnommen wirken auch die um das Schloß sich gruppierenden Häuser. Die Atmosphäre ist von durchsichtiger Klarheit, scharf heben sich jenseits des spiegelglatten Wassers die Grate der - übrigens topographisch genau wiedergegebenen - Berge voneinander ab. Minutiös sind alle Details zur Anschauung gebracht, und sogar der Tannenbestand der fernen Berghänge ist in der für Kobell typischen kommaartigen Strichelmanier angegeben. Hell leuchten die Farben, unter denen die kühlen grünen und blauen Töne beherrschend hervortreten. Wiederholt begegnen Ansichten des Tegernsees im Werk des Künstlers. Unter ihnen ist ein 1838 datiertes, im Format fast identisches Aquarell als unmittelbar verwandt besonders hervorzuheben (Münchner Stadtmuseum, Slg. Maillinger, Inv.-Nr. IV/415: Wichmann 1970, Nr. 1590 mit fälschlichem Titel; der Entwurf dazu in: Hamburger Kunsthalle, Inv.-Nr. 41513: Wichmann 1970, Nr. 1589). Mit ihm stimmt unser Blatt bis auf unwesentliche Details überein. Die Unterschiede in der figürlichen Staffage des Vordergrundes und in der Anordnung der Boote auf dem Wasser sprechen ebenso für die Eigenhändigkeit der Mannheimer Wiederholung wie die künstlerische Handschrift insgesamt. Beide Aquarelle gehen zurück auf das bereits 1833 vom Künstler gemalte Ölbild Blick auf den Tegernsee vom Weg zur Neureuth (München, Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Inv.-Nr. L 344: Wichmann 1970, Nr. 1515). Übrigens hatte schon Johann Georg von Dillis eine Ansicht des Schlosses und Sees vom gleichen Standort aufgenommen; sie wurde um 1802 von Simon Warn-
berger radiert und erschien im Verlag des Mannheimer Kunsthändlers Dominik Artaria (Lessing 1951, S. 26 mit Abb.).
JOSEPH ANTON K O C H * 27. Juli 1768 Obergiblen bei Elbigenalp/Tirol t 12. Januar 1839 R o m
Seiner schon früh erkannten, außergewöhnlichen künstlerischen Begabung verdankte Joseph Anton Koch, der 1768 in Tirol als Sohn armer Häuslersleute zur Welt gekommen war und als Hütejunge zum Unterhalt seiner Familie beitragen mußte, eine Freistelle an der Hohen Carlsschule in Stuttgart. Dort trat er 1785 zunächst in die Kupferstecherklasse ein und wurde dann durch den Landschaftsmaler Adolf Friedrich Harper und den Historienmaler Philipp Friedrich von Hetsch unterrichtet. Die militärisch strenge Zucht und geistige Gängelung dieser Ausbildungsstätte brachten ihn ähnlich wie Schiller in schärfsten inneren Widerstand. Er floh 1791 aus Stuttgart und wandte sich zunächst nach Straßburg und in die Schweiz, 1794 nach Italien. Im folgenden Jahr ließ Koch sich in Rom nieder, wo er bald zu den geschätztesten Mitgliedern der deutsch-römischen Kolonie gehörte. Er verließ die Stadt, mit Ausnahme eines dreijährigen Aufenthaltes in Wien (1812-1815), zeit seines Lebens nicht mehr. Unmittelbar beeinflußt vom dortigen Künstlerkreis, besonders aber von Asmus Jakob Carstens, befaßte er sich mit zeichnerischen Entwürfen zu den Dichtungen „Ossians" und Dantes, zur Mythologie und zur Bibel; die Beschäftigung mit der klassischen Dichtkunst fand ihren Höhepunkt in der Ausmalung des Dante-Zimmers im römischen Casino Massimo (1825-1828). Von überragender Bedeutung aber sind die Landschaftskompositionen Kochs. Man erkannte als besondere Leistung seinen auf große Form und ernste Auffassung gerichteten idealen historischen Stil und feierte ihn als den Erneuerer der klassischen Landschaftsmalerei des 17. Jahrhunderts. Trotz allgemeiner Anerkennung, trotz großer Ausstellungserfolge und intensiven Schaffens lebte Koch in bedrängten finanziellen Verhältnissen und wurde in den letzten Lebensjahren zunehmend von der Gicht geplagt. Im Sommer
1838 erlitt er einen Schlaganfall, von dem er sich nicht erholte; er starb am 12. Januar 1839 in Rom. Außer den im folgenden genannten Zeichnungen besitzt die Mannheimer Kunsthalle fünfzehn Radierungen Kochs aus dem Zyklus der Römischen Ansichten (Inv.-Nr. G 1561/1-15: Andresen 1866, Bd. 1, Nr. 1-2, 15-20) sowie einen weiteren Abzug von Blatt 8 aus derselben Folge (Inv.-Nr. G 6128).
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Abb. S. 176
Blick auf die Jungfrau von der Bustiglenalp mit Maler und Hirten, 1792/1794 Feder in Grauschwarz, aquarelliert, auf Bütten 31,1 x 45,25 cm Inv. G 2050 Erworben von Carola Münch, Auerbach, am 23. 9. 1924 Lit.: Mannheim 1929, Nr. 16 mit Abb.; Berlin 1939, S. 53, Nr. 139 mit Abb.; Innsbruck 1939, Nr. 5; Lutterotti 1940, S. 268f„ Nr. 542 mit Abb. 104; Bern 1947, Nr. 30; München/ Berlin/Hamburg 1956, Nr. 154; Salzburg 1960, Nr. 113; Bernhard 1973, S. 759 mit Abb.; N e w York/Toronto 1981, Nr. d 21 mit Abb.; Mannheim 1983, S. 35 mit Abb.; Lutterotti 1985, S. 351, Nr. Z 542 mit Abb. 83; Stuttgart 1989, S. 135f., Nr. 19 mit Abb. 81; Moskau 1992, S. 70, Nr. 38 mit Abb.
Der Flucht aus Stuttgart schlössen sich zwischen 1792 und 1794 Wanderjahre an, die den Künstler nach Straßburg und in die Schweiz führten. Wie so viele seiner Zeitgenossen schwärmte auch er von der überwältigenden Größe der Alpen, die als Inbegriff des Erhabenen für die Göttlichkeit der Natur angesehen wurden. Die Landschaften der Schweiz waren für ihn nach eigenem Urteil „in jedem Betracht die schönsten und auffallendsten. Sie beinahe allein gewähren die entgegengesetztesten Gegenstände, welche das menschliche Herz zu bewegen fähig sind" (zit. n. Lutterotti 1985, S. 33). Auf seinen Streifzügen durch die Schweizer Bergwelt gelangte Koch im Sommer 1794 auch in die Jungfrau-Region, „fraß Rahm mit am Feuer gebratenem Käse und stolperte gleich einem Gemsenjäger auf den Bergen herum", wie er später berichtete (zit. n. Lutterotti 1985, S. 33). Wie intensiv dieses Naturerlebnis auf ihn gewirkt hat, lassen mehrere Aquarelle und Federzeichnungen ahnen, die er damals schuf (Lutterotti 1985, Z 158, Z 159, Z 438, Z 564, Z 581, Z 582, Z 938).
KOCH
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Ihnen ist auch das vorliegende Blatt zuzurechnen, eine großflächig aquarellierte, von warmen graubraunen Farben hin zu kühlen blaugrünen Tönen im Mittelund Hintergrund übergehende Federzeichnung. Sie gibt das hügelige, mit Baumgruppen bestandene Hochweideland wieder, das sich zwischen der Bustiglenalp unterhalb der Kleinen Scheidegg und der Gletscherregion der Jungfrau mit dem Silberhorn erstreckt. Anders als etwa Kochs realistisch aufgefaßte, staffagelose und auf einen knappen Ausschnitt beschränkte Studie Das Jungfrau-Massiv (Dresden, Staatliche Kunstsammlungen, Inv.-Nr. C 1899-10: Lutterotti 1985, Z 158 mit Abb. 87) zeigt sie sich als eine wohl auf Naturbeobachtung beruhende, doch bis ins Einzelne durchdachte, bildmäßig aufgebaute Komposition. Sie läßt an eine Entstehung nicht vor Ort, sondern im Atelier denken. Betont erscheint das Jungfrau-Massiv ins Zentrum gerückt; die abfallende Kammlinie des Gebirgszuges wird durch einen großen Baum im Vordergrund verdeckt, der als Rahmenmotiv das Bildfeld nach rechts begrenzt. In seinem Schatten sitzt ein junger Künstler über der Arbeit. Koch hat ihn als Rückenfigur entworfen - und damit einen seit der Antike gebräuchlichen Kunstgriff angewandt, um dem Betrachter nicht nur einen Maßstab für die Dimensionen an die Hand zu geben, sondern darüber hinaus ihn einzuladen, in dessen Rolle zu schlüpfen und mit ihm in staunender Andacht das Naturerlebnis zu genießen. Angesichts der Erhabenheit der Bergwelt wird er - und damit der Betrachter auf die eigene Nichtigkeit und damit zugleich auf die Unendlichkeit Gottes verwiesen. Ob sich Koch in diesem Bild selbst porträtierte - so wie er dies vermutlich auch in der Schweizer Gebirgslandschaft mit wanderndem Maler getan hat (Bern, Kunstmuseum, Inv.-Nr. A 7657: Lutterotti 1985, Z582)? Diese Vermutung liegt nahe: Erscheint doch der Künstler vollkommen realistisch und bildnishaft im zeitgenössischen Kostüm, während die beiden Hirten, die ihm über die Schulter zuschauen, ganz anders, nämlich dem idealen Bildcharakter entsprechend in antikisierender Gewandung, wiedergegeben sind.
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Abb. S. 320
Ruinen der Kaiserpaläste in Rom mit Mönchszug, um 1810 Feder in Braun über Bleistift auf Bütten; verso grüne Farbspritzer 15,5 x 21,6 cm Bezeichnet unten links in Bleistift Koch fec. Verso oben links Sammlerstempel vHS (Lugt 1921, Nr. 2519) Inv. G 1160 [A.I. 1219] Erworben von der Kunsthandlung F. A. C. Prestel, Frankfurt a.M., am 25. 11. 1918 Lit.: Prestel, Versteigerungskatalog 70, 1918, Nr. 324 und Taf. 36; Leipzig 1926, Nr. 205; Mannheim 1929, Nr. 17; Lutterotti 1940, S. 269, Nr. 543 und Abb. 199; Bern 1947, Nr. 131; Lutterotti 1985, S. 351, Nr. Z 543; Barcelona 1988, S. 68f. mit Abb. S. 69; Moskau 1992, S. 70, Nr. 37 mit Abb.
Wohl angeregt durch seinen Freund Johann Christian REINHART, der gemeinsam mit Albert Christoph Dies und Jacob Wilhelm Mechau 1792/1798 eine Folge von 72 Mahlerisch-radierten Prospecten aus Italien veröffentlicht hatte, entschloß sich 1810 auch Joseph Anton Koch, eine Mappe mit Römischen Ansichten herauszugeben (Lutterotti 1985, S. 403f. mit weiterer Lit.). Das Werk, das er nach seinen eigenen Zeichnungen auch selbst radierte, sollte ihm als Brotarbeit seine Existenz sichern - eine Hoffnung, die sich als trügerisch erwies. Dem Unternehmen war kein geschäftlicher Erfolg beschieden, und schon nach Fertigstellung des zwanzigsten Blattes entschloß sich Koch, es aufzugeben. Bei den in diesem Zusammenhang geschaffenen Radierungen handelt es sich um Veduten aus Rom sowie um meisterhaft komponierte Ansichten von der Campagna und der Gegend um Olevano. Als Studienarbeiten für sie blieben zahlreiche, zum Teil schon Jahre zuvor entstandene Zeichnungen nach der Natur erhalten. Dies gilt auch für Blatt 8 der Folge, das die Ruine del Palazzo de' Cesari in Roma wiedergibt (Andresen 1866, Bd. 1, S. 26, Nr. 8; Lutterotti 1985, Abb. 236). Es geht auf zwei Entwürfe zurück: auf eine schon um 1805/1806 geschaffene Bleistiftzeichnung in Wien (Bibliothek der Akademie der bildenden Künste, Inv.-Nr. 6362: Lutterotti 1985, Z 831) und auf das Mannheimer Blatt, das sicherlich erst kurz vor der druckgraphischen Reproduktion, also um 1810, entstanden ist. Im Hinblick auf die Landschaftsmotive und die Architekturszenerie stimmen alle drei Darstellungen weitgehend überein. Sie geben den Blick von der ho-
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KOCH
hen Freitreppe der Kirche S. Gregorio Magno auf den mit Pinien bestandenen Palatin und die Ruinen der Kaiserpaläste wieder (vgl. auch die Beschriftung Kochs auf der Wiener Zeichnung dalla Scala di San Gregorio). Beträchtliche Unterschiede hingegen lassen sich bei der Figurenstaffage feststellen. Auf dem Wiener Blatt, das sich als eine Studie vor der Natur ganz auf die vedutenhafte Architekturschau beschränkt, bleibt der Vordergrund frei von Figuren; nur im Mittelgrund, vor dem Hang des Palatins, ist klein und flüchtig ein Paar angedeutet. In der Mannheimer Darstellung - einer reinen Umrißzeichnung, die noch nichts von den malerischen Tonwerten der druckgraphischen Arbeit ahnen läßt spielt der Architekturprospekt dagegen eine weniger dominante Rolle. Er tritt in seiner Bedeutung zugunsten der Figurenstaffage zurück, die den Raum der vorderen Bildzone füllt. Die Komposition zeigt einen aus der Tiefe heranziehenden Mönchszug, dem sich links eine Bettlerin mit ihrem Kind in den Weg geworfen hat. Am Fuße des Hügels galoppieren drei Reiter, und in der rechten Bildecke gibt eine junge Mutter mit ihrem Kind an der Hand einem bettelnden Mönch das erbetene Geldstück. Der Künstler zeigt ihn, ebenso wie die um Almosen flehende Frau, mit verhülltem Haupt - und gibt damit einen versteckten Hinweis auf das aktuelle Zeitgeschehen: Hatten sich doch damals, in der wirtschaftlichen Not während der französischen Besetzung Roms (seit 1808), viele Menschen auch höheren Standes gezwungen gesehen, für ihr Leben auf schmachvolle, daher nur schamhaft versteckt zu betreibende Weise zu sorgen. Alle im vorliegenden Blatt ausgearbeiteten Motive sind in die Radierung übernommen. Geringfügig abgewandelt wurden nur Details: So gewinnt der Mönchszug durch eine stärkere Größendifferenzierung an Tiefe, und links im Mittelgrund tauchen die Silhouetten von zwei weiteren Bettlern auf. Wie der Stempel auf der Versoseite besagt, gehörte die Zeichnung zum Besitz Adolf von Heydecks (17871856). Der Dessauer Maler und Radierer hatte sie vermutlich während einer seiner Reisen, die ihn 18131820 und 1837 nach Italien führten, von Koch erworben (Lugt 1921, S. 472, Nr. 2519). Die antiken Bauten auf dem Palatin machte der Künstler übrigens zum Gegenstand von zwei weiteren Werken: Gemeint sind Blatt 18 der Römischen Ansichten (Andresen 1866, Bd. 1, Nr. 18) und das 1804 geschaffene Gemälde Die Ruinen der Kaiserpaläste in Rom (Lutterotti 1985, S. 283, Nr. G 7; zuletzt: Stuttgart 1989, Nr. 67 mit Abb. und weiterer Lit.).
FRANZ NIKLAUS K Ö N I G * 6. April 1765 Bern t 27. März 1832 Bern
Der als Maler, Kupferstecher, Lithograph, Musiker und Schriftsteller überaus vielseitig begabte Franz Nikiaus König wurde als Sohn eines Flachmalers, d. h. eines Schilder- und Ornamentmalers, geboren. Nach erstem Unterricht im väterlichen Betrieb wechselte er in die Werkstatt Sigmund Freudenbergers, des damals bedeutendsten Berner Kleinmeisters. 1786 eröffnete er ein eigenes Atelier für Flachmalerei, widmete sich jedoch gleichzeitig auch der Porträt- und Landschaftskunst. Die Herausgabe einer Schweizertrachten-Folge (seit 1801) war ein großer Erfolg; seine allerdings nie glänzende - wirtschaftliche Existenz sicherten ihm darüber hinaus Genrebilder mit volkstümlichen Szenen aus dem Berner Oberland. Doch auch mit Zeichenunterricht, mit der Herstellung von Panoramen und mit kunstgewerblichen Arbeiten wie Lichtschirmen und Transparentgemälden verdiente er sein Geld. Keins dieser Werke verrät ein besonders herausragendes Talent. Dies gilt jedoch nicht von den spontanen Skizzen und getreuen Naturstudien aus dem bäuerlichen Milieu, die der Maler auf ausgedehnten Wanderungen durch seine Heimat schuf. Sie fanden mit Recht Anerkennung. „Was (König) aber am allerbesten und in den höchsten Preisen verkaufen könnte", heißt es in einem 1803 veröffentlichten Bericht, „sind seine Studien, deren er mehrere Folio-Bände und eine Menge Portefeuilles vollgepfropft besitzt. Diese entäußert er aber nicht, sondern sammelt immerfort vom ersten Blatt bis zum letzten" (zit. n. Bourquin 1965, S. 2).
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Abb. S. 177
Bauernhaus, um 1820/1832 Feder in Grau, aquarelliert, auf Bütten; W Z C (angeschnitten) 12,1 x 20,3 cm Bezeichnet verso unten links in Bleistift 60, und Nicolaus König gez. (eigenhändig?) Inv. G 391 [A.I. 536] Erworben vom Kunstantiquariat Franz Meyer, Dresden, am 6. 12. 1915
KÖNIG
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Zu den intimen, vor der Natur geschaffenen Skizzen Königs zählt auch die Mannheimer Federzeichnung, die ohne das Vorbild der holländischen Landschaftskunst mit ihrer schlichten, an der heimatlichen Wirklichkeit orientierten Naturauffassung kaum denkbar erscheint (vgl. Kat.-Nr. 67). Zum Hauptmotiv dieses kleinen, auf einen grün-grau-braunen Farbakkord abgestimmten Aquarells hat der Künstler ein heruntergekommenes Schweizer Bauernhaus gemacht. Mit lockerem Federstrich und betonter Licht- und Schattenmodellierung hielt er die armselige Hütte fest, die in ihrer ganzen Verfallenheit für ihn von großem pittoresken Reiz gewesen sein muß. Er rückte sie in den Vordergrund eines nahsichtigen, engbegrenzten Landschaftsausschnittes, der ohne die herkömmliche figürliche Staffage und die traditionelle seitliche Bildrahmung auskommt. Bäume und Buschwerk, Holzstöße und ein Brunnen sowie in der Ferne die Dächer weiterer Bauernhäuser beschreiben wirklichkeitsgetreu die ländliche Gegend. Eingesunken, an vielen Stellen nur notdürftig instand gesetzt zeigt sich das Strohdach, die hölzerne Galerie ist offenbar weggebrochen, und die schiefe Fassade mutet wie Flickwerk an. Das Blatt trägt kein Entstehungsdatum. König scheint es jedoch in seinem letzten Lebensjahrzehnt gezeichnet zu haben. Diese Vermutung stützt sich auf den Vergleich mit einem 1821 datierten Aquarell (Bourquin 1963, S. 58 mit Anm. 60 und Abb. 24). Überraschend und nicht zu übersehen ist die enge Beziehung zwischen diesen beiden Darstellungen mit ihrer motivischen Anspruchslosigkeit und ihrer lichtvollen, atmosphärischen Stimmung. Zur selben Zeit ist wohl auch Königs kleinformatige, stilistisch und thematisch verwandte Federzeichnung Schweizer Bauernhaus geschaffen worden (Hamburg, Kunsthalle, Inv.-Nr. 1915/178).
G E O R G M E L C H I O R KRAUS * 26. Juli 1737 Frankfurt am Main t 5. November 1806 Weimar
Der Maler und Radierer Georg Melchior Kraus kam 1737 in Frankfurt als Sohn eines Gastwirts zur Welt. Er erhielt seinen ersten künstlerischen Unterricht
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KRAUS
durch Johann Heinrich Tischbein d. Ä. in Kassel und studierte dann zwischen 1761 und 1766 in Paris. Der Versuch, in Frankfurt eine Malschule zu gründen, sowie Reisen in die Schweiz und nach Norddeutschland gingen seiner seit 1774 nachweisbaren Tätigkeit für den weimarischen Hof voraus. 1776 wurde Kraus mit der Leitung der herzoglichen Freien Zeichenschule in Weimar betraut. Dieses Amt übte der Künstler, der zum engen Kreis um Goethe zählte, dreißig Jahre lang, bis zu seinem Tode 1806, aus.
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Abb. S. 321
Selbstbildnis mit Turban, um 1770 Schwarze Kreide auf Bütten; WZ (angeschnitten) bourbonische Lilie 40,8 x 36,6 cm Bezeichnet unten Mitte in Bleistift (von fremder Hand) innerer Kreis ist das Mas Verso (Blatt gedreht) in Bleistift Frauenporträt; bezeichnet unten Mitte in Bleistift (von fremder Hand) Georg Melchior Kraus Inv. G 3015 Erworben vom Antiquariat Ackermann und Sauerwein, München, im November 1937
Bei dem Brustbildnis des Malers - en face und leicht nach links gewandt - handelt es sich um ein Selbstporträt von beachtlicher Qualität. Individuell und lebensnah aufgefaßt, zeigt es sich von durchaus privatem Charakter: Nicht in eleganter Gesellschaftskleidung (wie auf dem etwa gleichzeitigen, im Schloßmuseum Weimar befindlichen Ölgemälde: Abb. bei Schenk zu Schweinsberg 1930, Tf. 2), sondern im Hausrock, mit bloßem Hals und offenem Hemdkragen stellt Kraus sich dar; und nicht etwa die gepuderte Perücke, sondern ein helles Tuch, zum bauschigen Turban geknotet, bedeckt seinen Kopf. Den Blick richtet der Künstler, der sich hier als etwa dreißigjährigen Mann porträtiert, versonnen in unbestimmte Ferne. Die in ein Oval komponierte, von einem gezeichneten Rahmen umzogene Darstellung wirkt überaus malerisch: Große Partien der Kreidezeichnung sind zart verwischt, so daß sich der Eindruck von flächigen Lavierungen ergibt, und im Bereich des Gesichts, für das besondere zeichnerische Mühe aufgewandt wurde, erzielen feine Hell-Dunkel-Übergänge den Eindruck von weicher, körperhafter Plastizität.
Auf der Rückseite des Blattes skizzierte Kraus in bedeutend kleinerem Maßstab das Bildnis einer Frau, das er jedoch nicht vollendete.
ten Bäumen sichtbar wird; vor dem Haus liegt ein Teich mit einem Entenhaus. Die geradezu impressionistisch anmutende, von hellem, klaren Licht erfüllte Darstellung läßt an Zeichnungen Krügers aus den zwanziger Jahren denken (Vier Windhunde an einem Weidenbaum: Abb. bei Weidmann 1927, S. 63).
FRANZ KRÜGER * 10. September 1797 Großbadegast bei Kothen t 21. Januar 1857 Berlin
GOTTFRIED M I N D Franz Krüger, Sohn eines Amtmanns in dem Dorf Großbadegast, besuchte zwischen 1812 und 1814 die Berliner Akademie, bildete sich vor allem aber autodidaktisch durch Pferdestudien in den königlichen Marställen der preußischen Hauptstadt. Sein Ruhm als bedeutendster Militär- und Porträtmaler Berlins brachte ihm 1825 die Ernennung zum Professor und ordentlichen Mitglied der Akademie der Künste ein. Besondere Popularität erlangte Krüger durch seine figurenreichen Paradebilder; sie bestachen die Zeitgenossen durch die überaus getreue Porträtierung beinahe sämtlicher Berliner Größen. Mehrere Reisen (1836,1845,1847,1850/51) führten den Künstler nach St. Petersburg, wo er auf Empfehlung des preußischen Königs Zutritt zum Zarenhof erlangte und wo man ihn mit der Berufung zum Mitglied der dortigen Akademie auszeichnete. Krüger starb 1857 als hochangesehener Maler, der seine zahlreichen Aufträge nur noch mit Hilfe einer Werkstatt bewältigen konnte.
Getauft am 25. September 1768 Bern t 7. November 1814 Bern
Da der Tier- und Genremaler Gottfried Mind, der verkrüppelt und schwachsinnig auf die Welt gekommen war, zeichnerisches Talent hatte erkennen lassen, wurde er zu dem Berner Landschaftsmaler und Radierer C. H. Legel in die Lehre gegeben. Nach dem Abschluß seiner Studien arbeitete der junge Zeichner als Schüler und Gehilfe in der Werkstatt von Sigmund Freudenberger, einem überaus erfolgreichen, sich an Naturnähe und Lebenswahrheit orientierenden Künstler, der seit 1773 in Bern ansässig war.
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Abb. S. 178
Pflanzenstudie 170
Abb. S. 322
Gutshaus, um 1820/1830 Bleistift auf Velin 10,1 x 17,6 cm Bezeichnet unten rechts Krüger Inv. G 1448 [A.I. 1512] Erworben vom Auktionshaus Rudolf Bangel, Frankfurt a.M., auf der Auktion Sayn-Wittgenstein, 15./17. 6. 1920 Lit.: Bangel, Auktionskatalog 1002, 1920, Nr. 479
Das mit raschen, sehr sicheren Strichen skizzierte Blatt gibt ein barockes Gutshaus wieder, dessen Mittelrisalit zwischen mächtigen, nur locker angedeute-
Aquarell über Bleistift auf hellblauem Velin 8,9 x 11,7 cm Bezeichnet unten rechts G. Mind Verso in Bleistift skizziertes Blattwerk Inv. G 533 [A.I. 665] Erworben vom Kunstantiquariat Franz Meyer, Dresden, am 29. 5. 1916
Die liebevoll beobachtete, anspruchslose Aquarellstudie in zarten, graugrün und hellgelb gehaltenen Tönen gibt eine Zaunwinde wieder. Die langen Ranken mit den herzförmigen, langgestielten Blättern haben eine niedrige Buschpflanze, deren Rosettblätter nur noch an der Krone sichtbar werden, fast vollkommen überzogen.
KRÜGER
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Auf der Rückseite des Blattes notierte Mind äußerst flüchtig Laub- oder Rebenwerk, das sich an einem Zaun entlangrankt.
J A K O B CHRISTOPH MIVILLE * 18. November 1786 Basel t 29. Juni 1836 Basel
Der Landschaftsmaler, Radierer und Lithograph Jakob Christoph Miville, als Sohn eines wohlhabenden Seidenfärbers in Basel geboren, zog 1804 im Anschluß an den Unterricht bei den Landschaftsmalern Peter Birmann (Basel) und Johann Caspar Huber (Zürich) für zwei Jahre nach Rom. Dort schloß er sich eng an Johann Christian R E I N H A R T an. Da sich nach seiner Rückkehr in die Schweiz keine Aussicht auf ein berufliches Fortkommen bot, folgte der Maler 1809 der Einladung eines Adligen nach Moskau, um dort seine Kunst auszuüben. Das Projekt zerschlug sich, und so trat Miville in den Dienst des russischen Grafen Orloff, den er als Landschaftsmaler auf Reisen von Finnland bis an das Kaspische Meer begleitete (1810-1814). Zwei Jahre später kehrte der Künstler nach Basel zurück und schuf dort zahlreiche Kompositionen mit Motiven aus Rußland. Im Herbst 1819 verließ er seine Heimatstadt wieder, um in Rom arbeiten zu können (bis 1821). 1826 übernahm er in Basel das Amt eines Zeichenlehrers, das er bis zu seinem Tode 1836 innehatte.
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Abb. S. 323
Gebirgslandschaft, um 1820/1830 Bleistift, Feder in Schwarz und Pinsel in Braun und Grau auf Bütten; W Z volutenartige Blattranke 20,9 x 32,4 cm Bezeichnet unten rechts in Feder J. Miville f . Basel, oben links Sammlerstempel (angeschnitten) Verso in Feder und Pinsel in Schwarz und Grau Darstellung einer Landschaft mit Flußufer, Bäumen und Gebirge Inv. G 383 [A.I. 525] Erworben von der Kunsthandlung F. A. C. Prestel, Frankfurt a.M., am 12. 11. 1915 Lit.: Prestel 1915, Nr. 63
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MIVILLE
Bei der mit Bleistift angelegten, in Partien mit der Feder nachgezogenen Darstellung auf der Vorderseite des Blattes sieht sich der Betrachter einer idealen Italienlandschaft gegenüber. Gebüsch und Bäume rahmen seitlich die erhöht und im Schatten liegende Felszone des Vordergrundes. Von ihr gleitet der Blick über einen Fluß und eine baumbestandene Insel hinweg; er trifft im Mittelgrund auf ein kleines Bergstädtchen über schroffen Abhängen. Ein steiler Gebirgszug am Horizont, zusammen mit dem bewegten Wolkenhimmel die Szenerie ins durchaus Dramatische steigernd, rückt auf der linken Blattseite mit seinen kahlen Felsabstürzen dicht an den Mittelgrund heran. Anders auf der rechten Bildhälfte: Dort ziehen die zurückweichenden Gebirgshänge und der breite, gewundene Flußlauf den Blick des Betrachters weit in die Ferne. Die eher flüchtig skizzierte Federzeichnung auf der Blattrückseite führt ebenfalls eine südliche Ideallandschaft vor Augen. Vor der Kulisse eines steilen Gebirgsmassivs entfaltet sich eine baumreiche Flußlandschaft mit einem in der Bildmitte herabstürzenden Wasserfall (vergleichbar der um 1820/30 entstandenen Federzeichnung Mivilles Landschaft mit Hirtenstaffage und Olevano im Hintergrund: Basel 1991, Nr. 103 mit Abb. 12). Von geringer Bedeutung ist dem Maler die vordere Bildzone gewesen, die er nur mit einer dunklen Lavierung markierte und ansonsten ungestaltet ließ. Beide Kompositionen folgen noch ganz der barocken, malerisch-effektvollen Landschaftsauffassung in der Tradition Claude Lorrains und Nicolas Poussins. Insbesondere ist jedoch auf das Werk Joseph Anton K O C H S hinzuweisen, das seit dem zweiten Rom-Aufenthalt (1819-1821) große Bedeutung für Miville gewinnen sollte und auch die beiden Darstellungen des Mannheimer Blattes unmittelbar beeinflußte. Vor allem die Orientierung der Rectoseite an Kochs 1821 entstandener Federzeichnung Landschaft bei Rocca di S. Stefano mit Hirten (Stuttgart 1989, Nr. 120 mit Abb. 199) weist auf die Verbindung der beiden Künstler hin. Sie liefert darüber hinaus einen Anhaltspunkt für die Datierung der Mannheimer Zeichnung in die Jahre, die der zweiten Rom-Reise folgten und die der Maler in Basel mit der Verarbeitung seiner italienischen Eindrücke zu größeren Landschaften und heroischen Kompositionen verbrachte (vgl. als gleichzeitige und unmittelbar verwandte Werke Mivillles Der Gang nach Emmaus: Lanz 1954, Anm. 273 und Abb. 17; Landschaft mit dem Hl. Hieronymus in der Einöde: Basel 1991, Nr. 105 mit Abb. 9; Heroische Landschaff. Lanz 1954, S. 146, R1 mit Abb. 15; und
vor allem die Landschaft vano im Hintergrund: Abb. 12).
mit Hirtenstaffage und OleBasel 1991, Nr. 103 mit
VICTOR PAUL M O H N • -• 17. November 1842 Meißen t 17. Februar 1911 Berlin
Victor Mohn, der 1860 die Dresdner Kunstakademie bezog, ist einer der Lieblingsschüler von Ludwig RICHTER gewesen. Enge Freundschaft verband ihn mit Carl Wilhelm Müller und Albert VENUS, die ihn 1866 auf eine zweijährige, durch ein Stipendium der sächsischen Prinzessin Amalie ermöglichte Italienreise begleiteten. 1874 wurde Mohn zum Professor für Landschaftsmalerei an der Dresdner Akademie ernannt. Fast zehn Jahre später, 1883, übersiedelte er nach Berlin, wo er mehrere Aufträge zur Ausgestaltung öffentlicher Bauwerke erhielt (Königin-Augusta-Schule, Dreifaltigkeitskirche). Neben diesen Arbeiten schuf der Künstler, der 1905 zum Professor der Königlichen Kunstschule in Berlin berufen wurde, nicht nur zahlreiche Illustrationen für Kinderlieder-, Abenteuerund Märchensammlungen, sondern publizierte auch die erste Biographie seines Lehrers Ludwig Richter.
der Kunsthalle Mannheim, Inv.-Nr. G 2501: Laux 1988, Kat.-Nr. 124). Im Sommer jenes Jahres besuchten die Freunde Olevano, Ariccia, Tivoli und auch Civitella, wohin so viele ihrer Künstlerkollegen zu Landschaftsstudien gezogen waren und wo sich vierzig Jahre zuvor auch ihr Lehrer Ludwig RICHTER aufgehalten und gezeichnet hatte. Der kleine Ort Civitella (heute Bellegra genannt; vgl. Kat.-Nr. 22) „mit seinem Kirchlein bedeckt den schmalen Felsenrücken, der sich nördlich senkrecht und auf den andern Seiten mehr oder weniger steil absenkt, bis sich das öde Kalkgestein in die grünen Waldgründe verliert" (Richter 1982, S. 136). Den Blick aus diesen Wäldern hin auf die fernen kargen Kalksteinberge hielt Mohn auf dem vorliegenden Blatt, einer zarten und sehr sicher gezeichneten, bildmäßig komponierten Darstellung, fest. Er zeigt eine Gruppe von lastenschleppenden Bauern, die auf einem von Bäumen gesäumten Weg in ein Tal hinuntersteigen; vor ihnen erhebt sich der schroffe Berg, dessen Gipfel Civitella krönt. Wenig später zeichnete übrigens auch Venus die Gegend um Civitella, wo er im Oktober 1 8 6 6 - wie er eigens auf der Darstellung vermerkt - „mit Mohn und Carl" herumgestreift war (Kunsthalle Mannheim, Inv.-Nr. G 686: Laux 1988, Nr. 186).
MARTIN VON MOLITOR 173
Abb. S. 322
Auf dem Weg nach Civitella, 1866 Bleistift auf Bütten 1 4 , 6 x 2 2 , 4 cm Bezeichnet unten rechts Civitella 9 Sept. 66 Erworben von der Kunsthandlung H. W. Fichter, Frankfurt a.M., am 26. 4. 1995 aus dem Nachlaß des Künstlers Lit.: Fichter 1995, S. 130 mit Abb.
Bald nach ihrer Ankunft in Italien 1866 hatten sich Mohn, Carl Müller und Albert VENUS in Albano niedergelassen, von wo aus sie lange Wanderungen durch die Campagna und in das Sabinergebirge unternahmen (vgl. die Zeichnung Mohns Castel Gandolfo in
• 20. April 1759 Wien t 16. April 1812 Wien
Der Landschaftsmaler, Zeichner und Stecher Martin von Molitor hatte als Schüler Johann Christian Brands die Wiener Akademie bezogen. 1784 ernannte man ihn zum Mitglied dieses Instituts, im darauffolgenden Jahr erging an ihn die Ernennung zum Nachfolger seines Lehrers als Professor. Molitor lehnte die Berufung jedoch ab, um ungehindert reisen zu können. Er widmete sich ganz der Landschaftsmalerei und schuf u. a. topographische Ansichten für die seit 1802 erscheinende Folge der Prospekte aus dem Tirol.
MOHN
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Abb. S. 324
Höhlenlandschaft Pinsel in Braun über Bleistift auf festem Velin 14,1 x 12,5 cm Bezeichnet unten rechts in Tusche Molitor Verso unten links in Tusche J. A. Boerner, darunter A, unten rechts in Bleistift Ersatz Mappe VIII; auf dem alten Untersatzkarton in Bleistift unten links Molitor, unten Mitte 346, oben rechts (um 180° gedreht) 4 Inv. G 2091 [A.I. 6.10130] Aus dem Vermächtnis James Emden, Mannheim, vom 7. 11. 1883
Das Blatt, das sich durch die für Molitor charakteristisch weiche und malerische Behandlung auszeichnet, schildert den Blick aus einer dunklen Felsenhöhle hinaus in die blendende Helligkeit. Mit getupften, summarisch zusammenfassenden Pinselflecken sind die rankenden, das Gestein überwuchernden Gewächse und das Geröll wiedergegeben (vgl. als unmittelbar verwandt die beiden Berglandschaften Molitors im Museum Boymans-van Beuningen: Rotterdam 1964, Kat.-Nr. 100, 101 mit Abb.). Ebenso leicht hingetuscht erscheint das Paar, das sich an einem Felsbrocken im Innern der Höhle niedergelassen hat und dessen Silhouette sich scharf gegen das einfallende Licht abhebt. Die Beschriftung auf der Blattrückseite bezieht sich auf den Nürnberger Kunsthändler Johann Andreas B o e r n e r ( 1 7 8 5 - 1 8 6 2 : L u g t 1 9 2 1 , N r . 2 6 9 , 2 7 0 ) , in d e s -
sen Besitz sich die vorliegende Zeichnung einmal befunden hat.
bereiste als einer der ersten Künstler Norwegen, um in dieser wilden, einsamen Natur Studien zu zeichnen. Wie für viele andere junge Maler seiner Zeit ist auch für ihn die holländische Landschaftskunst des 17. Jahrhunderts, vor allem aber das Naturstudium selbst von größter Wichtigkeit gewesen. Dies zeigen seine im Norden geschaffenen Bilder ebenso wie die Werke, die seit 1829, dem Jahr seines Umzugs nach München, entstanden sind. In ihrer malerischen und kompositionellen Freiheit und in ihrer Wirklichkeitsnähe geben sie ihn neben Johann Jakob DORNER, Max J o s e p h WAGENBAUER, W i l h e l m v o n KOBELL u n d G e -
org von Dillis als einen der bedeutenden Vertreter des frühen Realismus zu erkennen. Von München aus brach Morgenstern jedes Jahr in die nähere und fernere Umgebung zu Studienreisen auf, und auch die Alpen, Norddeutschland und Helgoland, das Elsaß und der Rhein, Osterreich und Italien zählten zu seinen Zielen und lieferten ihm die Motive für seine Landschaftsdarstellungen.
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Abb. S. 325
Wirtshaus des Selvaner auf dem Ritten in Tirol, um 1841/1849 Aquarell und Gouache über Bleistift auf grauem Velin 38,6 x 52 cm Bezeichnet unten links Wirtbsbaus des Selvaner auf Ritten in Tyrol., darunter CM+ (ligiertes Monogramm Morgensterns) Verso in Bleistift unten Mitte Morgenstern, unten links Dr. G. B., oben links (in schwarzer Tusche) X 467 Inv. G 3016 Erworben im Dezember 1937 von der Kunsthandlung „Das Kunsthaus" (Herbert Tannenbaum), Mannheim Lit.: Hollstein 8t Puppel, Versteigerungskatalog 102, 1932, Nr. 195; Mauß 1969, S. 185, Nr. 230
CHRISTIAN ERNST BERNHARD MORGENSTERN * 29. September 1805 Hamburg t 27. Februar 1867 München
Im Anschluß an eine handwerkliche Lehrzeit bei den drei Brüdern Suhr, die eine Werkstatt für Panoramamalerei in Hamburg besaßen, trat Christian Morgenstern, Sohn eines Hamburger Miniaturmalers, 1824 seine eigentliche Ausbildung bei Siegfried Bendixen an. 1827 bezog er die Kopenhagener Akademie und
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MORGENSTERN
Wiederholt (1841,1843,1844, 1849) hat sich Morgenstern in Tirol aufgehalten und bei einer dieser Gelegenheiten auch Bozen besucht, wie eine 1844 datierte und mit Ortsangabe versehene Landschaftsstudie bezeugt (Mauß 1969, S. 151, Nr. 121). O b unser Blatt mit dem Bozener Panorama ebenfalls in jenem Jahr entstanden ist oder ob Morgenstern es während einer anderen Tirol-Reise zeichnete, muß dahingestellt bleiben. Die rasch skizzierte Darstellung, in einer Mischtechnik aus Aquarell und Gouache farblich wenig über-
zeugend gefaßt, zeigt das Wirtshaus des Selvaner, frei auf hügeligem Wiesengelände des Ritten gelegen. Dieses landschaftlich überaus reizvolle Hochplateau, seit dem späten 18. Jahrhundert als Sommerfrische vielbesucht, erhebt sich nördlich von Bozen über dem Eisacktal. Die Aussicht von dort auf die umliegenden Gebirgsketten Südtirols wurde oft gepriesen - und einen dieser weiten Blicke, das Panorama nach Südosten, hielt Morgenstern in dieser Zeichnung fest. Ein einfacher Schuppen, lagernde Holzstämme, weidende Pferde und rechts die Toreinfahrt zu einem zweiten Bauernhaus beleben die vordere Bildpartie; im Mittelgrund wird das wolkenverhangene Hochplateau des Schiern sichtbar, und am fernen Horizont ragen die zerklüfteten Gipfel des Rosengartens auf. Griffelspuren an vielen Stellen des Blattes lassen darauf schließen, daß Morgenstern seine Darstellung für eine Wiederholung durchgepaust hat. Uberhaupt scheint er von der Gegend um den Ritten besonders fasziniert gewesen zu sein, wie zwei weitere (als verschollen geltende und daher nicht überprüfbare) Ansichten deutlich machen, die er dort geschaffen hat (Wirthsbaus auf dem Ritten bei Bozen, Prospekt von Ritten bei Bozen: Mauß 1969, S. 47, Nr. 138,140). Wie sich aus der Provenienz und aus der Ubereinstimmung in den Maßen, in der Beschriftung und in der Technik ergibt, ist das Mannheimer Aquarell mit dem bei Mauß (1969, S. 185) unter der Nr. 230 aufgeführten und nicht lokalisierten Blatt zu identifizieren.
FRIEDRICH MOSBRUGGER
rühmten Bauwerke Roms, die alltäglichen Szenen aus dem Volksleben in gleicher Weise wie die Händler und Marktleute, die Bettler und Räuber, die Handwerker und Bauern in ihren pittoresken Trachten. So entstand ein umfangreiches, mit Feder und Bleistift notiertes Studienmaterial, das der Künstler für seine geplanten Ölbilder verwenden wollte. 1830 zog Mosbrugger nach St. Petersburg, wo er sich vom Zarenhof und der Aristokratie lukrative Aufträge erhoffte. Doch schon wenige Wochen nach seiner Ankunft erlag der Künstler einem Nervenfieber. Außer den nachfolgend aufgeführten Zeichnungen besitzt die Mannheimer Kunsthalle als ein weiteres Werk des Künstlers die Lithographie Selbstbildnis mit Bettelkindern (Inv.-Nr. G 6322).
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Abb. S. 326
Ganzfigur eines Herrn im Umhang, vor 1827 Bleistift auf Velin 14,3 x 10,3 cm Inv. G 6315 [A.I. O.Z.2.3./8]
Die noch sehr ungelenke und zweifellos vor der Italienreise Mosbruggers gezeichnete Ganzfigurenstudie gibt einen Herrn in schwungvoll drapiertem Umhang und hohem Hut wieder, der zu seinen Kniehosen lange Gamaschen trägt. Er verschränkt die Arme vor der Brust und wendet sich, im verlorenen Profil gezeigt, nach rechts (vgl. Kat.-Nr. 178).
* 19. September 1804 Konstanz f 17. O k t o b e r 1830 St. Petersburg
177 Friedrich Mosbrugger entstammt einer badischen Kunsthandwerker- und Malerfamilie. Ersten künstlerischen Unterricht erteilte ihm sein Vater, der württembergische Hofmaler Wendelin Mosbrugger. 1822 nahm er sein Studium an der Münchner Kunstakademie auf und wandte sich der Historien-, Genre- und Porträtmalerei zu. Fünf Jahre später brach Mosbrugger zu einer - seinerzeit für junge Künstler beinahe obligatorischen - Reise nach Italien auf. Unermüdlich hielt er dort fest, was ihm vor die Augen trat: die mittelitalienischen Landschaften ebenso wie die be-
Abb. S. 327
Knabe, ein kleines Mädchen auf den Schultern tragend, vor 1827 Bleistift auf Velin 18,4 x 11,7 cm Inv. G 6316 [A.I. O.Z.2.3./8]
Auch diese Studie muß zum Frühwerk des Künstlers gerechnet werden. Mit einigen Verzeichnungen (vgl. das linke Bein des Jungen, den Ansatz des rechten
MOSBRUGGER
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Armes, die unklare Verbindung von Kopf und Körper) gibt sie einen Jungen in abgerissener Kleidung wieder, der auf seinen Schultern ein kleines Mädchen trägt.
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Auch diese Ganzfigurenstudie ist in ihrer Steifheit und mit ihren zeichnerischen Fehlern den oben aufgeführten Jugendarbeiten des Künstlers zuzurechnen. Sie gibt einen wohl in Italien gesehenen Straßenhändler wieder, der unter seinem angewinkelten A r m zwei Besen an sich drückt und in der rechten Hand und auf dem Rücken offenbar Bündel von Schwämmen trägt.
Abb. S. 327
Ganzfigur eines Herrn im Umhang, vor 1827
Abb. S. 326
Junger Neapolitaner, um 1827
Bleistift auf Velin 14,3 x 10,3 cm Inv. G 6317 [A.I. O.Z.2.3./8]
Bleistift auf Velin 14,3 x 10,3 cm Inv. G 6320 [A.I. O.Z.2.3./9]
Auf dem vorliegenden Blatt ist offensichtlich derselbe Mann wie auf Kat.-Nr. 176 porträtiert: Wir sehen ihn nun von seiner linken Seite, die Hand in die Tasche seines langen Uberrockes vergrabend und das rechte Bein (das stark verzeichnet ist) ein wenig vorsetzend.
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Abb. S. 327
Bäuerin mit Spinnrocken, um 1827
Zeichnerische Mängel (vgl. etwa die zu kurzen Beine und Füße, auch die zu großen Hände und den insgesamt unproportionierten Körper) geben die Arbeit als eine Studie zu erkennen, die Mosbrugger noch zu Beginn seines Italienaufenthaltes geschaffen hat. Dargestellt ist ein junger Neapolitaner, nach rechts schreitend und lebhaft gestikulierend. Gekleidet ist er in Kniehosen, Bluse und Schürze, als Schmuck dienen ihm ein geknotetes Halstuch und die für die Gegend charakteristische beutelartige Mütze.
Bleistift auf Velin 14,3 x 10,2 cm Inv. G 6318 [A.I. O.Z.2.3./9]
182 Unbeholfen und schwunglos wirkt auch diese Ganzfigurenstudie, die Mosbrugger wohl bald nach seiner Ankunft in Italien gezeichnet hat und die eine Bäuerin in italienischer Tracht wiedergibt. Die Frau wendet sich nach rechts und hält unter ihrem linken A r m einen Spinnrocken, den Faden mit beiden Händen zwirbelnd.
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Abb. S. 326
Besenhändler, um 1827 Bleistift auf Velin; W Z 270 14,3 x 10,3 cm Inv. G 6319 [A.I. O.Z.2.3./9]
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MOSBRUGGER
Abb. S. 326
Sitzender Mann mit Stab, um 1827 Bleistift auf Velin 14,3 x 10,3 cm Inv. G 6321 [A.I. O.Z.2.3./9]
Als eine frühe Arbeit Mosbruggers ist zweifellos auch diese wenig überzeugende Ganzfigurenstudie anzusehen, die einen bärtigen Müßiggänger wiedergibt. Dieser hat sich neben einer Säule auf einem Steinsockel niedergelassen, umfaßt einen langen Stab und wendet sich dem Betrachter mißtrauisch zu.
Abb. S. 328
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Bildnis eines italienischen Jünglings, 1827/1829 Bleistift auf Velin; W Z 270 26,7 x 19,6 cm Inv. G 6323 [A.I.: O.Z.2.3./2]
„Am meisten hat man den Lazzaroni Unrecht gethan, wenn man sie in den Ruf eines faulen, allen Lastern ergebenen, nichtswürdigen Gesindels brachte", bemerkte Hermann Friedländer 1820 in seinem Reisebericht aus Neapel. „Ihre auf 40 000 sich belaufende Anzahl bildet den untersten Theil der arbeitenden Klasse. Sie sind Lastträger, Ruderer, Verkäufer von Eßwaaren, und zu jeder Arbeit brauchbar und willig, die ihnen einige Quattrini einbringt. Allerdings hört man oft von Diebstählen, die sie begehen; sie stehlen Euch, wie man mich zu Rom gewarnt, das Schwarze aus dem Auge; allein ebenso oft erfährt man Beispiele von Treue, Ergebenheit und wahrhaftem Edelmuth" (Friedländer 1820, S. 247). Von einem dieser Lazzaroni ließ sich auch Mosbrugger fesseln. Der junge Mann lehnt in entspannter Haltung an einer halbhohen, schadhaften Mauer. Verträumt wendet er den Kopf zur Seite, den Blick verloren ins Unbestimmte richtend. Lässig ist seine Kleidung, die kurze Jacke hängt leger über seiner linken Schulter. Zeichnerische Unsicherheit, etwa in der Wiedergabe der Füße, verrät auch diese Studie noch. Das sorgfältig ausgearbeitete Blatt zählt zu den zahlreichen Figurenstudien, die Mosbrugger während seiner Italienreise 1827-1829 zu Papier gebracht hat (vgl. Bringmann/von Blanckenhagen 1974, Nr. F356-F429, F434-F456). Der Künstler zeichnete es mit einem sehr feinen, dünn zugespitzten Bleistift und verlieh ihm durch dichte, zarte Schraffurlagen lebendige Körperlichkeit.
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Abb. S. 330
Bildnis eines italienischen Knaben, 1827/1829 Bleistift auf Velin 27,6 x 20,9 cm Inv. G 6325 [A.I. O.Z.2.3./1]
Die anfänglichen zeichnerischen Schwächen hat Mosbrugger auf diesem Blatt, dem zarten und einfühlsamen Brustbildnis eines italienischen Knaben, überwunden. Ernst, beinahe wehmütig ist der Ausdruck des Kindes, das seinen Kopf leicht zur Seite neigt und unter dem großen breitrandigen Hut träumerisch den Blick schweifen läßt.
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Abb. S. 331
Bildnis einer jungen Italienerin, 1827/1829 Bleistift auf Velin; W Z 270 15,5 x 11,7 cm Inv. G 6326 [A.I. O.Z.2.3./4]
Abb. S. 329
Neapolitanischer Lazzarone, 1827/1829 Bleistift auf Velin; W Z J Whatman / 1825 26,2 x 19,5 cm Inv. G 6324 [A.I. O.Z.2.3./3]
Anders als in Kat.-Nr. 183 zeichnete Mosbrugger hier nicht eine im Freien beobachtete, zwanglos wirkende Szenerie, sondern wählte eine Situation, wie ein Maler sie sich mit Bedacht im Atelier arrangiert. Sein Modell ist ein einfacher Neapolitaner, ein Lazzarone, der auf einem schlichten, mit einer Decke gepolsterten Stuhl hockt. Sein linkes Bein setzt er auf einen kleinen, zum gängigen Atelierbestand gehörenden Würfel auf und verschränkt Arme und Hände in einer komplizierten, dem übenden Zeichner durchaus Schwierigkeiten bietenden Haltung.
Wie so viele nach dem Süden gereiste Künstler haben auch Mosbrugger die schönen Italienerinnen mit ihren malerischen Trachten fasziniert (vgl. Kat.-Nr. 55, 56). „Olivendunkle Gesichter vom schönsten Oval!" schwärmte Ferdinand Gregorovius 1858 von den Frauen der Campagna. „Phantastisch aussehend wie die Weiber Arabiens; dicke Korallenschnüre oder gol-
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dene Ketten schlingen sich um den Hals, schwere goldene Ohrgehänge schmücken sie: ein weißes oder braunes Kopftuch mit langen Fransen umwölbt als tief herabhängender Schleier madonnenhaft Haupt und Nacken; der Busen ruht in einem weißen, in zahllose Falten zusammengezogenen, doch weiten und losen Hemde, das eine niedrige purpurrote Büste umschließt" (Gregorovius 1937, S. 157f.). Hier zeigt Mosbrugger eine dieser jungen Frauen: wie von Gregorovius beschrieben, mit Ohrringen und einer Halskette geschmückt, gekleidet in die charakteristische Tracht und den Kopf mit einem weißen, flach aufliegenden Schleiertuch bedeckt. Ein weiteres Porträt der jungen Italienerin schuf der Künstler mit Kat.-Nr. 187.
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Abb. S. 331
Bildnis einer jungen Italienerin, 1827/1829 Bleistift auf Velin 15,4 x 11,7 cm Inv. G 6327 [A.I. O.Z.2.3./4]
Das sorgfältig durchgearbeitete Halbfigurenbildnis einer jungen Italienerin ist offenbar im Zusammenhang mit Kat.-Nr. 186 entstanden. Es gibt dieselbe Frau in ihrer festtäglichen Tracht und mit dem charakteristischen Schmuck wieder. Sie wendet sich auf diesem Blatt nach links und richtet den Blick aus dem Bild heraus in unbestimmte Ferne.
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Abb. S. 331
Bildnis einer jungen Italienerin, 1827/1829 Bleistift auf Velin 18,8 x 13 cm Inv. Nr. G 6328 [A.I. O.Z.2.3./5]
Wie in den Kat.-Nr. 186 und 187, 189 porträtierte Mosbrugger auch auf dieser Zeichnung eine junge Italienerin in der bäuerlichen Festtagstracht. Sorgfältig
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MOSBRUGGER
modellierte er mit feinsten, differenziert abgestuften Schattenlagen die plastischen Formen heraus; mit groben Schraffuren markierte er den Hintergrund.
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Abb. S. 331
Bildnis einer jungen Italienerin, 1827/1829 Bleistift auf Velin 18,7 x 12,9 cm Inv. G 6329 [A.I. O.Z.2.3./5]
Zu den weiblichen Porträtstudien Kat.-Nr. 186-188, die Mosbrugger in Italien aufs Papier brachte, gehört auch das vorliegende Blatt. Wiedergegeben ist eine junge, in das Festtagskostüm der römischen Bäuerinnen gekleidete Frau, die dem Betrachter den Rücken zuwendet und dabei über ihre linke Schulter aus dem Bild herausblickt. Seine Aufmerksamkeit richtete der Künstler in erster Linie auf die Gesichtszüge der Dargestellten; ihm weniger wichtige Partien, wie den linken Arm der Frau, skizzierte er mit nur flüchtigen Strichen.
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Abb. S. 332
Bildnis eines jungen Italieners, 1827/1829 Bleistift auf Velin 18 x 14,2 cm Inv. G 6332 [A.I. O.Z.2.3./6]
Einen hohen, bändergeschmückten Hut auf dem Kopf, die ärmellose Jacke locker über die Schultern gelegt, zeigt sich der auf diesem Blatt dargestellte junge Mann in leichter Körperwendung nach rechts.
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A b b . S. 332
Brustbildnis eines jungen Italieners, 1827/1829 Bleistift auf Velin 18 x 14,2 cm Inv. G 6333 [A.I. O.Z.2.3./6]
Eine im Ausdruck sehr lebendige Studie schuf der Künstler mit dieser Zeichnung eines italienischen Jünglings. D e m Betrachter sich frontal zuwendend, den K o p f aber leicht neigend und den Blick nach unten richtend, scheint der junge M a n n zu lächeln. E r trägt einen hohen H u t ; seine weite Bluse steht über der Brust offen.
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A b b . S. 332
Bildnis eines Tiroler Knaben, wohl 1829 Bleistift auf Velin; WZ 270 18,1 x 14,2 cm Inv. G 6330 [A.I.: O.Z.2.3./7]
Wohl auf der Rückreise von Italien nach Deutschland zeichnete Mosbrugger die sorgfältige Halbfigurenstudie eines Tiroler Jungen. E i n breitkrempiger H u t bedeckt die lockigen Haare des Kindes, dessen kragenlose Bluse von dem charakteristischen, mit H e r z e n und Edelweiß geschmückten Brustlatz der Lederhose zusammengehalten wird. G a n z unsentimental, aber sehr einfühlsam hat der Künstler den versonnenen A u s druck und die Weichheit der Gesichtszüge festgehalten; von geringerem Interesse hingegen sind für ihn O b e r k ö r p e r und A r m e des Dargestellten gewesen.
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A b b . S. 332
Bildnis eines Tirolers, wohl 1829 Bleistift auf Velin 18 x 14,2 cm Inv. G 6331 [A.I. O.Z.2.3./7]
W i e K a t . - N r . 192 wird auch diese Zeichnung 1829 auf der Rückreise Mosbruggers nach Deutschland entstanden sein. Gekleidet in die typische Tiroler Tracht mit dem hohen, blumengeschmückten H u t , der Halsbinde und dem verzierten Brustlatz, wendet sich der Dargestellte frontal dem Betrachter zu, richtet dabei aber K o p f und B l i c k schräg zur linken Seite. A u c h hier verwandte der Künstler wieder alle Sorgfalt auf die Wiedergabe der Physiognomie; O b e r k ö r p e r und A r m e hingegen sind eher flüchtig behandelt, und ihre Plastizität ist lediglich durch grobe Parallelschraffuren angedeutet.
RUDOLF MÜLLER 24. Juni 1802 Basel t 22. Februar 1885 Rom
D e r in Basel geborene Landschaftsmaler R u d o l f M ü l ler ist Autodidakt gewesen. Eine enge Freundschaft verband ihn mit dem Schweizer Maler Friedrich H o r ner, der ihn auf mehreren Reisen nach Neuenburg (1822), Paris, München, Neapel (um 1835) und durch Griechenland (zwischen 1835 und 1838) begleitete. Erst 1848 kehrte Müller, der sich zehn Jahre zuvor in R o m niedergelassen hatte, nach Basel zurück. D o r t hielt es ihn jedoch nicht; er zog wieder nach R o m , w o er 1885 starb.
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A b b . S. 179
Südliche Landschaft Aquarell über Bleistift, Weißhöhungen, auf Velin 1 5 , 3 x 2 1 , 9 cm Bezeichnet unten links mit Feder R. Muller Verso Mitte in Bleistift No. 26 Inv. G 397 [A.I. 541] Erworben vom Kunstantiquariat Franz Mever, Dresden, am 6.12.1915 Lit.: Barcelona 1988, S. 70 mit Abb. S. 71
D i e in kräftigen Farben gehaltene Landschaft scheint der Künstler in der Campagna gemalt zu haben: U n t e r sommerlichem Wolkenhimmel erstreckt sich eine öde
MÜLLER
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Gegend, die ein breiter Fluß (der Tiber?) in vielen Windungen durchzieht. Vereinzelt beleben Turmruinen die braungraue Hügellandschaft, eine Rauchsäule steigt im Hintergrund auf, am Flußufer grast eine Viehherde, und in der Ferne schimmert eine Gebirgskette in violettblauen Tönen. Motivisch, stilistisch und farblich läßt das vorliegende Aquarell enge Verwandtschaft mit einer CampagnaLandschaft Rudolf Müllers im Basler Kupferstichkabinett erkennen (Inv.-Nr. 1883.6: Basel 1991, Nr. 110 mit Abb.). Sie bezieht sich auf die charakteristische Gestaltung des Wolkenhimmels, auf die Durchbildung der Felsformationen und nicht zuletzt auf Details wie die Rauchfahnen und die Durchführung der Pflanzen im Bildvordergrund.
FRANZ G R A F VON P O C C I
LUDWIG G O T T L I E B C A R L
* 7. März 1807 München t 7. Mai 1876 München
NAUWERCK * 5. September 1772 Ratzeburg t 25. Juni 1855 Neustrelitz
Der Kammersekretär und Geheime Hofrat Ludwig Gottlieb Carl Nauwerk hat sich als dichtender und zeichnender Dilettant hervorgetan; bekannt wurde er allein durch seine Zeichnungen zu Goethes Faust, die er 1810 vollendet und zwischen 1823 und 1830 als Lithographienfolge veröffentlicht hat.
Abb. S. 333
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Familienszene, 1804 Bleistift auf Bütten 12,5 x 19,7 cm Bezeichnet unten links in Bleistift Wachsmann A. del. d. 8. ]uny 04.; unten rechts C. Nauwerk del. d. 18. Octbr. 04. Verso unten links in Bleistift 19 WaSx./CC.; oben rechts in Bleistift Aststudie Inv. G 1552 [A.I. 1617] Erworben von der Kunsthandlung Max Ziegert, Frankfurt a.M., am 3. 6. 1921 Lit.: Mannheim 1929, Nr. 121; Barcelona 1988, S. 72 mit Abb. S. 73; Moskau 1992, S. 90, Nr. 55 mit Abb.
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NAUWERCK
Wie sich aus der Beschriftung des Blattes ergibt, handelt es sich nicht um eine eigenständige Erfindung Nauwerks. Der Künstler wiederholte vielmehr in durchaus befangener Strichführung eine Komposition, die 1804 der schlesische Zeichner und Kupferstecher Anton Wachsmann (um 1765-um 1836) wenige Monate zuvor gezeichnet hatte. Sie gibt eine zwanglose kleine Gesellschaft jener Zeit wieder, die sich im Garten um einem Tisch versammelt hat. Aufmerksam lauscht man einem jungen Mann, der, an einem Baum lehnend, der Runde aus einem Buch vorliest. Es wird für eine Mahlzeit gedeckt, und ein kleiner, auf den Hinterpfoten hockender Hund vervollständigt die familiäre Idylle.
Franz Graf von Pocci, Sohn eines aus Italien stammenden Obersthofmeisters, ließ sich in seiner Heimatstadt München zum Juristen ausbilden, nahm aber gleichzeitig auch Unterricht bei dem Maler und Lithographen Joseph Schlotthauer und bei dem Erzgießer Johann Baptist Stiglmayer. Wie sein Vater trat er nach kurzer juristischer Praxis in den Dienst der Wittelsbacher: Seit 1830 amtierte er als Zeremonienmeister des Hofes, von 1847 bis 1864 als Hofmusikintendant und ab 1864 als Oberstkämmerer. Seine künstlerische Produktion, die die Studienzeit und Tätigkeit als Hofbeamter begleitete, war außerordentlich reich und sehr breit angelegt. Sie läßt den begabten Maler, Lithographen, Radierer und Zeichner, aber auch den talentierten Volksschriftsteller und Komponisten erkennen, der sich selbst als Dilettanten und Gelegenheitskünstler gesehen hat. Berühmt wurde er vor allem als Autor von Kasperlegeschichten, Puppenkomödien und Schattenspielen, als Illustrator zahlreicher Kinder-, Lieder- und Volksbücher sowie als Zeichner von Karikaturen in den Münchner Bilderbögen und Fliegenden Blättern.
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Abb. S. 334
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Petrus an der Himmelstür
Bauernmädchen, 1861
Aquarell auf Velin 20,7 x 34 cm Bezeichnet (eigenhändig?) verso unten links in Bleistift 661 und 20. Inv. G 661 [A.I. 790] Erworben vom Antiquariat J . Halle, München, am 26. 10. 1916
Aquarell über Bleistift auf Velin 25,3 x 19,4 cm Bezeichnet unten rechts in Bleistift 23/9 61 Verso unten rechts in Bleistift 6 Inv. G 2017 Erworben vom Antiquariat Emil Hirsch, München, am 10. 9. 1924
In seinem Werk hat Pocci sich immer wieder mit dem Tod auseinandergesetzt. Wir kennen von ihm nicht nur viele Dichtungen und Lieder, das Drama Gevatter Tod (1855) und eine Reihe von graphischen Totentänzen, sondern auch mehr als hundert Einzelblätter, die sich alle mit diesem Thema beschäftigen. In immer neuen Situationen schilderte er den Knochenmann und ließ ihn als Lokomotivführer und Räuber, als Kinderfrau und Landsknecht, als Arzt, Bergführer und Bankier sein Amt ausüben (vgl. hierzu Holland 1890, S. 35ff., 41f., 67; Nürnberg 1930, Nr. 316-342). Auch unser durchaus naiv erzähltes Blatt - eine in kräftigen Blau-, Orange- und Gelbtönen aquarellierte und mit dunklen Pinselzügen (wie so oft bei Pocci) konturierte Darstellung - ist diesem Themenkomplex zuzuordnen. Im weitgeöffneten Tor zum Paradies steht der Apostel Petrus, in der volkstümlichen Auffassung als Himmelswächter gezeigt. Ihn charakterisieren Heiligenschein und zwei Schlüssel, die hier nicht in ihrer traditionellen Bedeutung als Sinnbilder der kirchlichen Binde- und Lösegewalt eingesetzt sind, sondern den Zugang zum Himmel bedeuten sollen. Petrus versteckt sie hinter seinem Rücken und verwehrt entschieden einem Besucher den Einlaß. Es ist der Tod, der ihm gegenübersteht, als Jäger verkleidet, den federgeschmückten Hut und seine Sense in der Linken. Er hat - so bringt es die entschiedene Geste des Apostels zum Ausdruck - im Reiche dessen, der alles Leben spendet, nichts zu suchen! Hinter dem Bittsteller und offenbar neben einem kreuzgeschmückten Grab sitzt ein Engel, den Kopf wartend auf die Hand gestützt. Es wird dessen Begleiter, der Seelenengel der Toten, sein, der wohl ebenfalls darauf hofft, in den Himmel aufgenommen und erlöst zu werden.
In welchem Zusammenhang das vorliegende, in blauen, grünen und braunroten Farben gehaltene Aquarell einzuordnen ist, wissen wir bisher nicht. Es könnte etwa als Vorlage für eine der vielen textgebundenen Illustrationen Poccis gedient haben. Vielleicht ist es aber auch der großen Zahl von eigenständigen Einzelblättern seiner Hand zuzurechnen, wofür die sorgfältige Aquarellierung und die Datierung sprechen würden. Das durchaus unprätentiöse Ganzfigurenporträt reiht sich nahtlos in die Bettler-, Armeleute- und Bauernbildnisse ein, wie sie die Porträtkunst seit dem späten 18. Jahrhundert hervorgebracht hat (vgl. hierzu Hardtwig 1984; unsere Kat.-Nr. 161, 200, 240-242, 244). Wiedergegeben ist vor einer bäum- und buschbestandenen Kulisse ein kleines Bauernmädchen bei der Feldarbeit oder beim Rinderhüten, wie der lange Stecken (oder ist es eine Hacke?) in ihren Händen verrät. In schlichtem Kleid, mit umgebundener Schürze und um den Hals geknotetem Tuch steht es barfuß vor dem Betrachter, ihn abwartend, beinahe mißtrauisch ins Auge fassend. Vorsichtige Distanz, ja Abwehr drückt auch die verkrampfte Haltung aus, mit der das Kind den Stecken packt.
FRIEDRICH PRELLER D. Ä . 25. April 1804 Eisenach t 23. April 1878 Weimar
Der Maler und Radierer Friedrich Preller d. Ä., 1804 als Sohn eines Zuckerbäckers geboren und in Weimar aufgewachsen, erhielt seinen ersten künstlerischen Unterricht an der Zeichenschule seiner Heimatstadt.
PRELLER D. Ä .
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D i e Unterstützung durch Goethe und den Großherz o g Carl A u g u s t von Sachsen-Weimar-Eisenach ermöglichte ihm Studienjahre in Dresden (1821-1823), Antwerpen (1824-1826), Mailand (1826) und R o m (1828-1831), w o die Begegnung mit J o s e p h A n t o n KOCH, J o h a n n Christian REINHART und Buonaventura GENELLI ihn nachhaltig prägte und zur Bestätigung seiner am klassizistischen Ideal ausgerichteten Kunstauffassung wurde. 1831 kehrte Preller nach Weimar zurück. Er trat dort 1834 das A m t als Leiter der Zeichenschule an. Sein künstlerisches Schaffen umfaßt Historiengemälde, Wandbilderzyklen mit literarischen Themen und Landschaften; es erhielt vielfache Anregungen durch ausgedehnte Reisen nach Rügen (1837,1839,1847), N o r w e g e n (1840), ins Riesengebirge (1849), nach Tirol (1850) und Italien (1826-1831, 1859-1861,1869,1875-1876).
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A b b . S. 335
Klassische Ideallandschaft, um 1830 Feder und Pinsel in Braun über Bleistift auf Bütten; W Z im Kreis ein Vogel über drei Kugeln mit der Initiale G 18,2 x 25,6 cm Bezeichnet verso unten rechts in Bleistift Preller, 7 und t-u, Sammlerstempel Th. Stettner (Lugt 1921, Nr. 2370) Inv. G 650 [A.I. 776] Erworben vom Antiquariat Emil Hirsch, München, am 17. 7. 1916 Lit.: Mannheim 1929, Nr. 203
Vor dem Betrachter erstreckt sich eine weite, sanft hügelige Gegend mit malerischen B a u m - und Buschgruppen, mit zwei einsamen Wanderern vorn und einer klassischen Architekturstaffage in der Ferne. Herkömmlich sind die bestimmenden K o m p o s i t i o n s elemente dieser südlichen Ideallandschaft: die A b f o l g e von dunkel verschattetem Vordergrund und hellem Horizont, der schräg in die Bildtiefe führende Weg, die diagonale Staffelung der Baumgruppen und nicht zuletzt die effektvolle Lichtführung. D a s nicht datierte Blatt wird Prellers Werken zuzurechnen sein, die während des ersten Italienaufenth a l t e s u n t e r d e m E i n f l u ß REINHARTS u n d KOCHS e n t -
standen. Unter ihnen hervorzuheben ist die Landschaft bei Subiaco, die Preller 1828 gezeichnet hat und die unserer Darstellung stilistisch sehr nahe steht (Heidelberg, Kurpfälzisches Museum, Inv.-
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QUAGLIO I I .
Nr. Z 5021). A u c h eine Reihe von klassischen Ideallandschaften, die der Künstler in seinen Skizzenbüchern zwischen 1827 und 1831 entworfen hat, zeigt eine unmittelbare Verwandtschaft im Hinblick auf den Bildaufbau insgesamt und auf den stark abkürzenden Zeichenstil (vgl. die Skizzenbücher in Heidelberg, Kurpfälzisches Museum, S K Z 5073, fol. 26, 28, 31, 32; S K Z 5066, fol. 20, 21v; S K Z 5070, fol. 8, 14, 20,26). Wie der Stempel auf der Rückseite besagt, befand sich das Blatt im Besitz des 1856 geborenen Gelehrten und passionierten Graphiksammlers T h e o d o r Stettner, der als Professor für klassische Philologie in München und Ansbach lebte.
LORENZO Q U A G L I O I I . * 19. Dezember 1793 München t 15. März 1869 München
L o r e n z o Q u a g l i o entstammte einer traditionsreichen bayerischen Künstlerfamilie. Er wurde zunächst von seinem Vater, dem Münchner Hoftheatermaler J o s e p h Q u a g l i o , und von seinem älteren Bruder Angelo im Zeichnen unterrichtet, wandte sich dann aber 1809 an die Kunstakademie seiner Heimatstadt. Erfolge stellten sich rasch ein. L u d w i g I. von Bayern erwarb einige seiner Bilder, verlieh ihm eine lebenslängliche Staatspension und z o g ihn 1835/36 zur A u s m a l u n g des Schlosses Hohenschwangau heran. Berühmt geworden ist Q u a g l i o durch seine überaus zahlreichen, auf raschen A b s a t z zielenden Genrebilder aus dem oberbayerischen Volks- und Alltagsleben. Treffende Typencharakterisierungen kennzeichnen sie ebenso wie idyllische Landschaftsschilderungen und stellen sie den Arbeiten von Heinrich Bürkel und Peter von H e s s an die Seite. Bis zu seinem Tode 1869 lebte Q u a g l i o in seiner Vaterstadt, die er nur zu Wanderungen durch seine bayerische Heimat und zu Reisen an den Rhein und in die Schweiz, nach Norddeutschland und Osterreich verließ.
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Abb. S. 180
Am Gattertor, 1821/1823 Aquarell und Bleistift auf Karton mit Goldrand, eingelassen in Kartonrahmen mit Ornamentleiste in Aquarell und Goldbronze Bild mit Goldrand 27,1 x 22,9 cm; Rahmenkarton 35,8 x 33,2 cm Bezeichnet (von verschiedenen Händen) unten Mitte in Bleistift zweimal Lorenz Quaglio, unten rechts N. 265 Inv. G 2271 Erworben von der Kunsthandlung „Das Kunsthaus" (Herbert Tannenbaum), Mannheim, 1926 Lit.: Mannheim 1929, Nr. 79; Paluch 1983, S. 7, 16, 73 mit Nr. 103 und Abb. 103; Barcelona 1988, S. 167-169 mit Abb.
Das vorliegende, farblich sehr intensive Blatt variiert eine der so oft von Quaglio dargestellten „Begegnungen auf dem Lande" (vgl. Paluch 1983, Nr. 146, 203, 354, 447, 473, 538, 542, 549, 570, 577, 580, 585). Die idyllische Szene spielt an einem topographisch genau bestimmbaren Ort: Auf einer Alm bei Bayrischzell (Wendelstein) treffen zwei junge Sennerinnen an einem Holzgatter auf einen feschen Jäger, der ihnen mit Rucksack, Gewehr und Wanderstab entgegentritt. Der Mann blickt auf die hübsche Frau im Mittelpunkt des Bildes, deren posierende Haltung, verschämter Augenaufschlag und vorsichtiges Lächeln doch manche Erwartungen ausdrücken. Ein lastenschleppender Junge, der sich am Wegesrand niedergelassen hat, und eine zweite Sennerin sind neugierige Beobachter dieser vielversprechenden Szene (Quaglio griff die Figur des Knaben in der Kreidelithographie eines rastenden Bauernbursche von 1826 wieder auf: Paluch 1983, Nr. 190 mit Abb.). Uberaus wirklichkeitsnah sind im übrigen nicht nur die Gebirgslandschaft und mit den Miesbacher Trachten auch die Kostüme der vier Personen wiedergegeben. Realistische Lebenswahrheit prägt auch die Darstellung des Jägers: Er ist mit dem Forstgehilfen Kaspar Bauer aus Schliersee zu identifizieren, den Quaglio ein weiteres Mal in einem 1821 geschaffenen (und damit unser Aquarell zeitlich einordnenden) Skizzenblatt in gleicher Haltung porträtiert hat (Staatliche Graphische Sammlung München, Inv.Nr. 22798: Paluch 1983, Nr. 101 mit Abb.). Eine in allen wesentlichen Details übereinstimmende Vorstudie zu unserem Aquarell wird in München bewahrt (Städtische Galerie im Lenbachhaus, Inv.Nr. 2480: Paluch 1983, Nr. 102 mit Abb.). Daß der Maler diese Komposition auch in Ölfarben ausgeführt
hat, ergibt sich aus dem 1823 von Georg von Dillis erarbeiteten Inventarium der im Koeniglichen Lustschlosse zu Tegernsee aufgestellten Gemälde: Dort erscheint unter der Nr. 169 Quaglios Bild Ein Gebirgsjäger spricht mit zwey ihm entgegenkommenden Alpenmädchen, rechts sitzt ruhend ein junger Bursche mit einer Kraxe am Wege (verschollen: Paluch 1983, Nr. VI 09).
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Abb. S. 336
Sitzender Bauer, um 1820/1830 Bleistift auf Velin 25,1 x 21,6 cm Inv. G 2086 [A.I. 6.101.25] Aus dem Vermächtnis James Emden, Mannheim, vom 7. 11. 1883
Die mit feinen Bleistiftstrichen festgehaltene Zeichnung gehört zu den vielen alpenländisch-bäuerlichen Figurenstudien, die Quaglio auf Wanderungen durch die Heimat schuf, um sie als Motive für seine im Atelier gemalten Genrebilder zu verwenden. Sie gibt einen Bauern oder Handwerker in Schürze und offenem Rock, in geflickter Hose und mit einem breitkrempigen Hut wieder, der sich zur Rast auf einen Stuhl niedergelassen hat. Sein Kopf mit den wettergegerbten, freundlichen Gesichtszügen erscheint als Detailstudie am rechten Bildrand ein weiteres Mal. Die Darstellung ist nicht datiert, doch legt der Vergleich mit einem durchaus verwandten, 1824 gezeichneten Blatt Quaglios eine Entstehungszeit in die zwanziger Jahre nahe (Glentleiten 1978, Nr. 8 und Abb. S. 54).
K A R L RAHMANN (biographische Daten konnten nicht ermittelt werden)
RAHMANN
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201
Abb. S. 336
Bettelmönch Bleistift auf Bütten 24,8 x 19,5 cm Bezeichnet unten Mitte in Bleistift auf dem alten Untersatzblatt Karl Rahmann Verso kleine Skizze eines Kopfes; unten Mitte in Bleistift
(1831)
Inv. G 2092 [A.I. 6.10131] Aus dem Vermächtnis James Emden, Mannheim, vom 7. 11. 1883
Die starr und unbeholfen w i r k e n d e Zeichnung gibt einen jungen Bettelmönch wieder: Wie der Bart und die Tonsur nahelegen, handelt es sich u m einen A n g e hörigen des Kapuzinerordens. Geradezu kokett schultert er seinen voluminösen Bettelsack; einfache Sandalen an den bloßen Füßen und der Rosenkranz, an der doppelten Gürtung der groben Kapuzenkutte hängend, vervollständigen sein Erscheinungsbild (unmittelbar zu vergleichen ist die 1827/1829 entstandene Mönchsstudie Carl Rottmanns: Bierhaus-Rödiger 1978, S. 214, Nr. 167 mit Abb.).
J O H A N N HEINRICH RAMBERG * 22. Juli 1763 Hannover t 6. Juli 1840 Hannover
Johann Heinrich Ramberg ist vor allem als Zeichner und Illustrator bekannt geworden. Sein Vater, Verwaltungsbeamter in Hannover, leitete seinen ersten M a l und Zeichenunterricht; für die weitere Ausbildung schickte man ihn 1781 auf die Londoner Kunstakademie. Er w u r d e dort durch Benjamin West in der Geschichtsmalerei unterwiesen - seine eigentliche Begabung aber lag, w i e er rasch feststellte, auf dem Gebiet der Zeichnung, speziell der satirischen und karikaturistischen Graphik. Sie erlebte damals, am Ende des 18. Jahrhunderts, vor allem in England eine besondere Blüte, und ihr Einfluß auf den jungen Künstler w a r überaus groß. 1788 kehrte Ramberg nach Hannover zurück, brach aber schon 1790 wieder auf, u m für mehrere Jahre nach Italien zu ziehen. Mit der Beru-
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RAMBERG
fung nach Hannover als H o f m a l e r des Weifenhauses erlangte er 1793 eine feste Lebensstellung; er w u r d e bald zu einem gesuchten Illustrator klassischer und zeitgenössischer Literatur, der namhafte Stecher beschäftigte und mit seinen Graphiken zahlreiche Taschenbücher und Almanache ausstattete. In seinen letzten Lebensjahrzehnten geriet Ramberg mehr und mehr in Vergessenheit. Sein Talent für das humoristische Genre, für Karikatur und Satire, stieß im Deutschland jener Zeit - anders als in England - auf keine Gegenliebe. Verbittert starb R a m b e r g 1840 in seiner Heimatstadt.
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Abb. S. 337
Szene in einer Osteria - Moderne Hexenküche, 1790/1793 Feder in Braun über Bleistift auf Bütten, WZ ...ILLOL 28,1 x 41,6 cm Verso unten bezeichnet (eigenhändig?) Moderne Hexenküche, darunter 298 und Ramberg, unten Mitte Johann Heinrich Ramberg, ferner zweimal der Sammlerstempel Alfred von Wurzbach (Lugt 1921, Nr. 2587) und der Sammlerstempel Stefan von Licht (Lugt 1956, Nr. 789 b) Inv. G 2375 Erworben von der Firma Hugo Helbing, Frankfurt a.M., bei der Auktion am 7. 12. 1927 Lit.: Helbing 1927, Nr. 58; Mannheim 1929, Nr. 15 mit Abb. S. 9; Barcelona 1988, S. 74f. mit Abb. S. 75; Moskau 1992, S. 102f., Nr. 65 mit Abb. S. 103.
Mit einem Stipendium Georgs III., des Königs von England und Hannover, w a r Ramberg 1790 zu einer mehrjährigen Reise durch Italien aufgebrochen. Wie seine im Vatikan gezeichneten Antikenstudien und seine römischen Ruinenlandschaften anschaulich vor Augen führen, ist auch er von den Uberresten des klassischen Altertums fasziniert gewesen. M e h r noch scheint ihn aber die Lebendigkeit des italienischen Volks- und Alltagslebens gefesselt zu haben. In f i g u renreichen, bis ins kleinste Detail ausgeschmückten Szenen nahm er mit spitzem Stift das Treiben der Kleinbürger und das Leben der vornehmen Gesellschaft aufs Korn und schilderte die alltäglichen kleinen Katastrophen mit gleicher Spottlust w i e die Sonntagsvergnügungen und lärmenden Kaffeehaustreffen (Hoffmeister 1877, Nr. 252-262; Stuttmann 1929, Tf. 28, 34, 35; Hannover 1973, Abb. 18a, 19; ForsterH a h n 1963, Nr. 42, 44).
Zu solchen von der zeitgenössischen englischen Karikatur unmittelbar beeinflußten Arbeiten Rambergs gehört auch die Mannheimer Federzeichnung mit ihrem charakteristisch fließenden Linienbild (vgl. Stuttmann 1929, Tf. 7, 9, 14). Bis in alle Einzelheiten ausgeführt und daher möglicherweise für eine Vervielfältigung im Kupferstich (als Einzelblatt oder als Illustration in einem der zeitgenössischen Almanache) bestimmt, läßt sie den Betrachter den Blick in eine Garküche, eine „moderne Hexenküche", werfen. Die „Osteria" hat ihren Platz offenbar in einem Bretterverschlag gefunden, neben einem Fischstand auf einem der zahllosen lebensprallen Märkte Italiens, wie sie etwa Ferdinand Gregorovius beschreibt (1937, S. 298). In trübem, nur durch ein Ollämpchen gespendetem Licht, hinter aufquellenden Dampfschwaden tanzt die „Hexe" - ein halbentblößter, schwitzender Koch ist es hier - um einen eisernen, dreibeinigen Herd, auf dem es in offenem Topf brodelt. Die Szene bleibt im mystischen Ungefähr; zwei Fledermäuse stehen für die „Dämonie" des Ortes. Der eben Spaghetti ins kochende Wasser werfende Hexenmeister wird umringt von zwei Fischhändlern, die lautstark ihre Ware anpreisen, von Kindern, die neugierig der Zauberei zuschauen, und von einer Schwangeren, die abwartend ihre Arme über dem Leib verschränkt. Ihrer Fülle entspricht die enorme Beleibtheit eines Geistlichen, der von der anderen Seite herangetreten ist. Sein karger Einkauf für die Fastenspeise - Wein und Fisch scheint ihn doppelt empfänglich für das verführerische Mahl zu machen. Der Freßlust so offensichtlich zugetan, „teuflische" Völlerei, nicht Askese im Sinn, legt er sehnsüchtig seine Hand auf den leeren Magen. Ein grotesk überzeichnetes Paar der besseren Gesellschaft - wie Ramberg es so oft dargestellt hat - mokiert sich im Vorüberschreiten über das Treiben, und auch ein Köter, in edlem Wettstreit mit den Ausrufern jaulend, beteiligt sich auf seine Weise am Geschehen (auch dies ein immer wieder von Ramberg aufgegriffenes Motiv). Dem rückseitig aufgebrachten Sammlerstempel zufolge hat sich das Blatt im Besitz des Kunsthistorikers Alfred Ritter von Wurzbach-Tannenberg (1845-1915) befunden, bevor es in die Sammlung des Wiener Staatsrates Stefan von Licht (1880-1932), dann in den Handel (Hugo Helbing) und schließlich in den Bestand der Mannheimer Kunsthalle gelangte.
JOHANN CHRISTIAN REINHART t
24. Januar 1761 Hof/Oberfranken 9. Juni 1847 Rom
Johann Christian Reinhart, Sohn eines Archidiakons und Vesperpredigers, studierte zunächst an der Leipziger Akademie bei dem vielseitig begabten, mit Johann Wolfgang von Goethe befreundeten Adam Friedrich Oeser, der ihn in das Gebiet der Zeichenkunst einführte. 1783 setzte er seine Ausbildung in Dresden bei dem Landschaftsmaler Johann Christian K L E N G E L fort, kehrte aber im folgenden Jahr nach Leipzig zurück. Zwischen 1786 und 1789 lebte Reinhart am Hof des Herzogs Georg von Sachsen-Meiningen, mit dem er befreundet war, und wandte sich dann nach Rom. Dort ließ er sich dauerhaft nieder und bildete gemeinsam mit Joseph Anton K O C H und Johann Martin von R O H D E N den allgemein anerkannten Mittelpunkt der deutschen Künstlerkolonie. Seine gezeichneten und gemalten Landschaften zeugen in ihrer heroischen bzw. arkadisch-idyllischen Auffassung von seiner ungebrochenen, niemals aufgegebenen Verbundenheit mit dem klassizistischen Stilideal. Außer den nachfolgenden Blättern besitzt die Mannheimer Kunsthalle als weiteres Werk des Malers die Mappe XX Landschaften, gezeichnet und radirt von C. Reinhart Maler in Rom, Stuttgart (Georg Ebner) o . J . (Inv.-Nr. G 1716-1735).
203
Abb. S. 181
Landschaft mit Bäumen, um 1820 Bleistift und Pinsel in Braun und Grau auf Velin 40,2 x 54,5 cm Bezeichnet ehemals verso oben links in Bleistift Reinhart, ]. Christian Baumlandschaft Sepia aus Olevano früher Besitz: E. Fohn - Rom erworben: 14. VI. 1939 Lichtbild Dr. Hetsch Abt. B. K. Inv. No.; oben rechts 28 TE DOGANA INTERNATIONALE DI CHIASSO Inv. G 3273 Am 29. 11. 1941 aus der ehemaligen Sammlung Sofie und Emanuel Fohn als „Entschädigung" für 1937 beschlagnahmte Kunstwerke von der Reichskulturkammer Berlin erhalten Lit.: Feuchtmayr 1975, S. 91, 359: Nr. Z 218 mit Abb. 313; Barcelona 1988, S. 76f. mit Abb.; Schulz-Hoffmann 1990, I, Nr. 18; Moskau 1992, S. 104, Nr. 66 mit Abb.
REINHART
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D e r Vergleich mit einer Reihe von datierten, motivisch und stilistisch eng verwandten Werken R e i n harts legt eine Entstehung des Mannheimer Blattes in die Jahre um 1820 nahe (Feuchtmayr 1975, Nr. 2 5, Z 98, Z 179, Z 419). Es gehört zu den intimen, nahgesehenen Landschaften, die Reinhart neben seinen klassischen weiträumigen Ideallandschaften gezeichnet hat. Charakteristisch für diese enggefaßten Darstellungen - meist B a u m - und Waldstücke - sind eine stark reduzierte Räumlichkeit und die Uberschneidung der Motive durch die seitlichen B l a t t r ä n d e r Kompositionsprinzipien also, die auf Spannungssteigerung und Monumentalisierung des Bildgegenstandes zielen. Zwei mächtige alte Steineichen sind beherrschend ins Zentrum gerückt, wahre Veteranen, die in ihrem Verfall sinnbildhaft für die Vergänglichkeit auch des Stärksten stehen. Eine von ihnen überspannt niedergestürzt ein felsiges Bachbett. Ihr knorriger Stamm, ihre dichte, geradezu kalligraphisch gezeichnete L a u b k r o n e verhindern jede räumliche Tiefenentwicklung, und die Weite des Himmels wird von einem zweiten, dahinter aufragenden B a u m mit bizarr gespaltenem, ausgehöhltem Stamm überdeckt. Kunstvoll arrangiert, fassen sorgfältig und detailliert wiedergegebene Farne und Gräser, Blattpflanzen und Büsche den Uferrand ein. Das bewußt Kalkulierte des Bildaufbaus wird n o c h mals deutlicher im Zentrum der K o m p o s i t i o n , w o die räumliche Geschlossenheit auf effektvolle Weise durchbrochen ist. Felsen und B a u m bilden dort einen engen, kulissenhaften Rahmen, in dem als „Bild im Bilde" eine weite arkadische Flußlandschaft mit Figurenstaffage aufscheint und die klassische Idealität der Darstellung unterstreicht. Mit der Wahl gerade dieses Motivs, eines „ B a u m - P o r träts" also, hat sich Reinhart übrigens in eine lange Tradition gestellt. Schon die Graphik der holländischen Landschaftskunst im 17. Jahrhundert kennt die Baum-Bilder: Hinzuweisen ist etwa auf Werke von Hercules Seghers, J a n B o t h , A n t h o n i e Waterloo und J a k o b van Ruisdael. Auch J a k o b Philipp HACKERT hat sich intensiv mit dieser T h e m a t i k auseinandergesetzt, wie sein wunderbarer, in den Jahren um 1800 geschaffener Baumzyklus zeigt (Krönig/Wegner 1994, S. 95ff. mit A b b . 3 9 - 5 4 ) . D i e Vermutung, Reinhart habe diese Darstellungen Hackerts gesehen und sich an ihnen orientiert, ist nicht von der H a n d zu weisen. Sie liegt besonders nahe, wenn man eine ebenfalls querformatige Federzeichnung Hackerts mit der Darstellung eines niedergestürzten Baumes zum Vergleich heran-
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REINHART
zieht: Zwischen beiden Blättern ist die thematische und kompositioneile Verwandtschaft überaus eng (vgl. Krönig/Wegner 1994, S. 101 mit A b b . 51). U n s e r e Zeichnung gehörte ursprünglich zur römischen Sammlung Sofie und Emanuel F ö h n s . Das Künstlerpaar hatte sie 1939 hergegeben, u m dafür zahlreiche, von den Nationalsozialisten 1937 als „entartet" beschlagnahmte, zum Verkauf freigegebene Kunstwerke eintauschen zu können. 1941 wurde das Blatt von der Reichskulturkammer als „Entschädigung" für konfiszierte Gemälde und Graphiken der Mannheimer Kunsthalle übergeben (vgl. K a t . - N r . 88, 233).
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A b b . S. 338
Südliche Landschaft, um 1837/1847 Bleistift und Feder in Braun laviert auf Bütten, WZ Vogel auf Sockel aus drei Kugeln in einem Kreis 19,5x26,8 cm Verso in Bleistift Landschaftsskizze; bezeichnet unten links Chr. Reinhardt, darunter 4933/D, links darunter No 13 Inv. G 1430 [A.I. 1483] Erworben von der Kunsthandlung C. G. Boerner, Leipzig, am 2. 7. 1920 Lit: Mannheim 1929, Nr. 202; Feuchtmayr 1975, S. 359, Nr. Z 219; Barcelona 1988, S. 78f. mit Abb.; Moskau 1992, S. 104, Nr. 67 mit Abb.
D i e rasch skizzierte und durch eine dünne Lavierung tonig zusammengezogene Federzeichnung steht noch ganz in der Tradition der idealen Landschaftskunst, wie sie im 17. Jahrhundert durch Claude Lorrain und Nicolas Poussin entwickelt worden ist. D e r Betrachter sieht sich in eine der arkadischen Landschaften versetzt, die Reinhart während seines gesamten Schaffens in immer neuen Variationen und mit stets wiederkehrenden Grundmotiven entworfen hat. U n t e r einem leicht bewölkten H i m m e l erstreckt sich eine weite Campagnalandschaft. In kompositioneller A u s gewogenheit rahmen Baumgruppen die südliche Szenerie, zu der eine antikische Gebäudegruppe und ein stiller See ebenso gehören wie ein Angler und ein Schafhirte mit seiner Herde. D i e Versoseite des Blattes trägt schwache Spuren einer im Bildaufbau verwandten Ideallandschaft. D i e beiden Zeichnungen gehören vermutlich in das letzte Lebensjahrzehnt Reinharts, wie ein vergleichender Blick auf damals entstandene Landschaften
des Künstlers lehrt (Feuchtmayr 1975, Nr. Z 7 mit Abb. 331, Nr. Z 147 mit Abb. 336, Nr. Z 236 mit Abb. 330).
grüne, ins Gelb gebrochene Lichter lassen den Eindruck von seitlich einfallendem Sonnenlicht entstehen, das die Blätter streift.
FRIEDRICH PHILIPP R E I N H O L D
HEINRICH REINHOLD
8. Januar 1779 Gera t 15. Januar 1840 R o m
18. Juli 1788 Gera t 15. Januar 1825 R o m
Der Landschafts-, Historien- und Bildnismaler Friedrich Philipp Reinhold kam in Gera als Sohn des Bildnismalers Johann Friedrich Reinhold zur Welt; er ist
Heinrich Reinhold, Sohn des Bildnismalers Johann Friedrich Reinhold, besuchte gemeinsam mit seinem
d e r ä l t e r e B r u d e r HEINRICH REINHOLDS. E r s t u d i e r t e
ner Kunstakademie, bevor er 1807 nach Wien zog, um dort seine Studien fortzusetzen. 1809 ging er für fünf Jahre nach Paris, wo er im Auftrag Dominique-Vivant Denons als Kupferstecher an einem Werk über die Feldzüge Napoleons tätig war. 1814 kehrte der Künstler nach Wien zurück. Er fand dort Aufnahme in den Kreis der Romantiker um die Brüder OLIVIER, Julius
zunächst (1797-1804) an der Dresdner Kunstakademie und wandte sich dann nach Wien, wohin ihm sein Bruder Heinrich folgte, und wo er sich bis 1811 aufhielt. In jenem Jahr kehrte er nach Gera zurück, um dort als Bildnismaler tätig zu sein. 1813 zog er wieder nach Wien. Seine Beziehung zum dortigen Kreis der Romantiker und Nazarener um die Brüder OLIVIER u n d J u l i u s SCHNORR VON CAROLSFELD w a r e n g ; a u c h
ä l t e r e n B r u d e r FRIEDRICH PHILIPP z u n ä c h s t d i e D r e s d -
SCHNORR VON CAROLSFELD u n d
August
Heinrich;
enge Freundschaft verband ihn mit Johann Christoph
zählte er zum Freundeskreis um Johann Adam KLEIN,
ERHARD, Ernst
E r n s t WELKER u n d J o h a n n C h r i s t o p h
Wanderungen mit den Freunden in die SchneebergGegend und durch die Alpen (vgl. Kat.-Nr. 30) gingen einer gemeinschaftlichen Reise nach R o m voraus, das man 1819 erreichte. In Italien entdeckte Reinhold die Landschaftskunst: „Wenn es auf treue zarte Auffassung einer ausdrucksvollen Gegend ankommt", so bemerkte Julius Schnorr von Carolsfeld 1822, „so wüßte ich keinen andern Landschafter hier, der mir so zu Dank arbeitete wie er" (zit. n. Bernhard 1973, S. 1309). Seine zahlreichen, auf den Streifzügen durch Italien geschaffenen Studien und Olskizzen, die den Einfluß von Joseph Anton KOCH und Martin von ROHDEN verraten, wurden wegen ihrer intensiven N a turbeobachtung und dabei gleichzeitigen Stilisierung nicht nur vom Publikum, sondern auch von den Künstlern seiner Zeit außerordentlich gerühmt. 1825 starb Reinhold an einem Kehlkopfleiden in Rom.
ERHARD. M i t
ihnen unternahm er gemeinsame Wanderungen durch die Wiener Umgebung und die Alpen, wobei er zahlreiche seiner intensiv beobachteten, von den Zeitgenossen hoch geschätzten Naturstudien schuf.
205
Abb. S. 182
Baumstudie Ol auf blauem Tonpapier 19,1 x 14,8 cm Bezeichnet verso unten Mitte in Bleistift (von fremder Hand) Fr Ph Reinhold Inv. G 3059 Erworben von der Kunsthandlung C. G. Boerner, Leipzig, am 25. 5. 1938 Lit.: Boerner, Versteigerungskatalog 199, 1938, Nr. 333
WELKER u n d J o h a n n A d a m
KLEIN.
Spontan und frisch wirkt die kleine, ausschnitthafte Studie: In warmen Grüntönen gehalten, breitet sich die dichte Krone eines hohen Laubbaumes aus; hell-
REINHOLD
125
206
Abb. S. 339
Watzmann von Eigen aus, 1818 Bleistift auf Bütten; figürliches W Z (stark beschnitten) 1 4 x 1 9 , 2 cm Bezeichnet unten links Watzmann von Eigen aus Verso unten links Fr. Nerly (von fremder Hand) Inv. G 3056 Erworben bei C . G . Boerner, Leipzig, am 25. 5. 1938 Lit.: Boerner, Versteigerungskatalog 199, 1938. Nr. 269. Für den Hinweis auf Reinhold als den Zeichner des Blattes sei Mechthild Lücke, Erfurt, gedankt.
Die künstlerische Entdeckung Salzburgs und des Salzkammerguts ist in die Zeit um 1815 zu datieren, als die Wiener Romantiker um Ferdinand OLIVIER und Julius SCHNORR VON CAROLSFELD die Schönheiten der Berglandschaft auf ihren Wanderungen kennenlernten und in zahlreichen Zeichnungen festhielten. Vor allem das Gebirgsmassiv des Watzmanns, südlich von Salzburg in den Berchtesgadener Alpen gelegen, ist immer wieder ein gesuchtes Motiv für die Künstler gewesen - man denke nur an die Darstellungen von Johann Christoph ERHARD, Emst FRIES, Johann Adam KLEIN, Friedrich Loos, August Heinrich und Carl ROTTMANN (vgl. dazu Salzburg 1959; Grote 1938, S. 184ff.). Meist wurde der Blick auf den Berg aus nördlicher bis nordöstlicher Richtung gegeben, um die charakteristische Silhouette mit dem Doppelgipfel und dem Watzmanngletscher schildern zu können. Als Standort war die sog. Kanzel, der berühmte Aussichtspunkt im romantischen Landschaftspark des Schlosses Aigen bei Salzburg, besonders beliebt, und auch Heinrich Reinhold hat, wie die Beischrift vermerkt, von dort aus seine Ansicht auf den Watzmann festgehalten. Er zeichnete die Skizze zweifellos auf der Reise, die er 1 8 1 8 mit seinen Brüdern FRIEDRICH PHILIPP und Gustav, mit Johann Christoph Erhard, Ernst WELKER und Johann Adam Klein nach Salzburg und Berchtesgaden unternommen hatte (Schwarz 1927; vgl. auch sein 1818 geschaffenes Aquarell Der Watzmann, von Aigen bei Salzburg aus, das er aus gleicher Richtung, aber von einem weiter entfernten Standort aus aufgenommen hat: Wien, Graphische Sammlung, Albertina, Inv.-Nr. 25298, Abb. in Gera 1988, S. 337. Hinzuweisen ist auch auf das motivgleiche Aquarell Kleins: Freitag-Stadler 1975, Nr. 279 mit Abb.). Das nicht signierte Blatt gelangte unter dem Namen Friedrich Nerly in den Besitz der Mannheimer Kunst-
126
REINHOLD, H .
halle. Diese Zuschreibung ist jedoch zu revidieren. Nerly hätte den Watzmann erst in den dreißiger Jahren besuchen können, wie seine Biographie lehrt; damals, 1835, verließ er Rom Richtung Norden. Für den gereiften, sehr sicher und dynamisch zeichnenden Künstler ist das vorliegende Blatt jedoch zu unentschieden und spröde im Stil. Hingegen legt ein Vergleich mit Werken von der Hand Heinrich Reinholds nahe, diesem Maler die Watzmann-Zeichnung zuzuordnen. So weist dessen flüchtige Skizze von Civitella (Gera 1988, Nr. 208 mit Abb.) unmittelbar verwandte Konturen von kompakter Form auf, und die fedrigzerfransten Umrisse des Baumes im Zentrum des Mannheimer Blattes begegnen in gleicher Ausprägung bei Reinholds Zeichnungen Genzano und S. Francesco (Gera 1988, Nr. 7, 96 mit Abb.). Nicht zuletzt spricht auch der Charakter des Schriftzuges für die Autorschaft Reinholds: Diese Handschrift begegnet auf vielen Zeichnungen des Malers.
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Abb. S. 339
Borzano, 1819 Bleistift auf Bütten; W Z (nicht erkennbar, weil stark beschnitten) 13,7 x 19,2 cm Bezeichnet oben rechts Borsano d. 14 Jul. Verso unten rechts Nerly (von fremder Hand) Inv. G 3055 Erworben von der Kunsthandlung C . G . Boerner, Leipzig, am 2 5 . 5 . 1938 Lit.: Boerner, Versteigerungskatalog 199, 1938, Nr. 269. Für den Hinweis auf Reinhold als Zeichner des Blattes sei Mechthild Lücke, Erfurt, gedankt.
Die Darstellung gibt - nicht ohne perspektivische Verzeichnungen - einen Blick auf Borzano wieder. Gemeint ist vermutlich das wenige Kilometer südlich von Reggio nell' Emilia am Nordrand der Apenninen gelegene Dorf, das für den nach Bologna und Florenz Reisenden gut zu erreichen ist und das Reinhold auf seinem Weg in den Süden besucht haben kann. Vom erhöhten Standort des Betrachters fällt der Boden zunächst leicht ab, so daß der Blick über die Dächer der nahegelegenen Häuser schweifen kann. Zum Mittelgrund steigt das Terrain wieder an. Dort erhebt sich das kleine, einst von einer nun verfallenen Burg geschützte Dorf, das als Hauptmotiv sorgfältiger ausgeführt wurde.
Auch diese Zeichnung galt bisher als ein Werk Friedrich Nerlys; sie sollte aber gleichfalls dem Landschaftsmaler Heinrich Reinhold zugeschrieben werden (vgl. Kat.-Nr. 206). Stilistische Verwandtschaft zeigt sich mit einer Stadtansicht von Olevano, die Reinhold 1821 festhielt (Gera 1988, Nr. 81 mit Abb.). Von Bedeutung sind darüber hinaus auch Reinholds Studien von Castel Gandolfo, Genzano, S. Francesco und der Landschaft bei Olevano (Gera 1988, Nr. 4, 7, 96, 102, mit Abb.): Sie weisen im Hinblick auf die Bäume und Büsche mit ihren fiedrigen, zerfaserten Konturen, die wie eine helle Negativform vor dem Hintergrund stehen, große Übereinstimmung mit der Mannheimer Skizze auf.
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Abb. S. 339
Bei Otranto, um 1819/1825 Bleistift auf Transparentpaier, auf Velin aufgezogen 13,2 x 20 cm Bezeichnet unten Mitte 324, unten rechts Bey Otranto. Inv. G 3325 Erworben von F. Baumert, Karlsruhe, am 9. 10. 1942
Otranto, in der italienischen Provinz Lecce an der adriatischen Küste gelegen, war im Mittelalter ein bedeutender staufischer Hafen, von dem aus sich die Kreuzfahrer nach Jerusalem einschifften. Nicht die Stadt selbst, sondern nur ein außerhalb der Mauern errichtetes Haus hat der Zeichner wiedergegeben: Es erhebt sich, von einer hohen Substruktion abgefangen, auf einer felsigen, von Bäumen bestandenen Landzunge; rechts ist das Meer zu erkennen, auf dem ein einsames Schiff dahinzieht. Das nicht signierte Blatt galt bisher als eine Arbeit von Ernst FRIES. Für diese Zuordnung spricht allerdings wenig. Viel näher liegt dagegen eine Zuschreibung an Heinrich Reinhold: So findet sich der Wolkenhimmel über Otranto in sehr ähnlicher Weise gebildet auf Reinholds Blatt Aquacetosa (Gera 1988, Nr. 5 mit Abb.), und die kugeligen Büsche und Baumkronen, deren Konturen aus winzigen m-Häkchen bestehen, begegnen vielfach auf Zeichnungen dieses Malers (Gera 1988, Nr. 20, 23, 27, 29, 37, 86, 147, 155 mit Abb.). Schließlich ist auf die charakteristische Ausformung der zarten Schraffuren mit ihrem unregelmäßigen, den Eindruck von Sonnenlicht hervorrufenden Fleckenmuster zu verweisen, die auf den Hausmauern
der vorliegenden Zeichnung ebenso anzutreffen ist wie auf Häuser- und Felswänden anderer Blätter Reinholds (Gera 1988, Nr. 20, 56 mit Abb.).
JOSEPH ANTON RHOMBERG * 24. September 1786 Dornbirn/Vorarlberg f 3. Dezember 1855 München
Joseph Anton Rhomberg, 1786 in Dornbirn als Sohn des Malers Johann Rhomberg geboren, ist 1802 in Wien nachweisbar, wo er für wenige Monate die Kunstakademie besuchte. 1808 wandte er sich nach München und setzte dort bis 1816 seine Studien fort. Großen Einfluß auf ihn gewannen in jenen Jahren seine Lehrer Peter von Langer, Leiter der Akademie, und dessen Sohn Robert, am selben Institut als Professor tätig. Dem ihm damals vermittelten akademischen Klassizismus sollte Rhomberg zeit seines Lebens treu bleiben. Nach einem neuerlichen mehrjährigen Aufenthalt in Wien (1817-1822) ließ der Künstler sich endgültig in München nieder, wo er 1827 zum Lehrer der Zeichenkunst am Polytechnikum ernannt wurde. Parallel zu seinem malerischen Werk - christlich-religiösen Historienbildern, Porträts und Genregemälden entstand das von ihm verfaßte Lehrbuch Vollständiger Unterricht in der Figurenzeichnung, zum, Gebrauch für Schulen und zur Selbstunterweisung. Rhomberg starb 1855 in München.
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Abb. S. 340
Die Heilige Familie, 1818 Feder auf blauem Velin, oben beschnitten 65,1 x 48,4 cm Bezeichnet unten rechts in Feder JAR (ligiert) 1818 dess. invenet; Griffelspuren Verso in Bleistift unten links (eigenhändig?) A Rhomberg f., unten rechts N143 Inv. G 2014 Erworben vom Antiquariat Hess, München, am 1. 9. 1924
Rhomberg, dessen Vorliebe für religiöse Sujets zahlreiche Altarbilder, Ölgemälde, Lithographien und nicht zuletzt die vorliegende Zeichnung bezeugen
RHOMBERG
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(vgl. das Werkverzeichnis bei Helbok 1952, o. S.), wählte für das Mannheimer Blatt die Heilige Familie als Motiv. Er entschied sich damit für einen Bildgegenstand, der seit dem 14. Jahrhundert in immer neuen Variationen gestaltet und mit genrehaften Zügen ausgestattet worden ist. Entweder in einem Innenraum oder in freier Landschaft sich aufhaltend, wurde die Heilige Familie bei gewöhnlichen Alltagsbeschäftigungen wiedergegeben, und oft taucht als Spielgefährte des Jesusknaben - und damit als Verstärkung des genrehaften Gepräges - der kleine Johannes auf. Rhomberg folgt dem altvertrauten Bildschema. Er zeigt eine südliche Landschaft mit einer Weinlaube am linken Bildrand, neben der sich die Familie versammelt hat: Maria sitzend und mit einer Näharbeit beschäftigt, hinter ihr Josef, von seiner Arbeit als Zimmermann ausruhend, und davor der Jesusknabe und Johannes mit dem Kreuzesstab und dem Lamm Gottes als traditionellen Attributen. Rhomberg hat sich wiederholt mit diesem Sujet auseinandergesetzt: vgl. die beiden bei Helbok (1952, o. S.) abgebildeten Zeichnungen in Privatbesitz und die 1815 entstandene Darstellung in Stuttgart (Staatsgalerie, Inv. 4291: Gauss 1976, S. 161). Die an vielen Stellen erkennbaren Griffelspuren lassen darauf schließen, daß der Künstler die Komposition auf ein - bisher nicht nachweisbares - Blatt übertragen hat.
FRANZ VON ROHDEN * 15. Februar 1817 R o m t 28. Dezember 1903 R o m
Franz von Rohden, in Rom als Sohn des JOHANN MARTIN VON ROHDEN g e b o r e n , w a r 1 8 2 7 m i t s e i n e r
Familie nach Kassel gezogen, wo der Vater das Amt als Hofmaler antreten sollte. Im gleichen Jahr wurde der Zehnjährige in die Kasseler Akademie aufgenommen. Er studierte dort bis 1831, dem Jahr der Rückkehr seiner Eltern nach Italien. In Rom setzte er seine Ausbildung unter Joseph Anton KOCH und an der Accademia di San Luca fort. Entscheidend für seinen künstlerischen Werdegang sollte 1835 der Eintritt in die Werkstatt von Friedrich OVERBECK, dem Haupt des katholisch geprägten Nazarenertums, werden.
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ROHDEN, F. v.
Wie Franz von Rohdens Altargemälde und religiösen Tafelbilder verraten, hatte sich bald ein überaus enges Verhältnis zwischen Lehrer und Schüler entwickelt, das die eigenständige künstlerische Entwicklung des jungen Malers außerordentlich hemmte. Bedeutend qualitätvoller, von eigener Handschrift zeigen sich dagegen die Landschaften und Bildnisdarstellungen, die er geschaffen hat. Sie lassen eine starke, auf realistische Erfassung und individuelle Charakterisierung zielende Begabung erkennen. Die Mannheimer Blätter galten bis zur Publikation von Ruth Irmgard Pinnau als Werke Johann Martin von Rohdens. Wie die Autorin überzeugend dargelegt hat, stammen sie aber sicher nicht von seiner Hand (Pinnau 1965, S. 240ff.). Gänzlich uncharakteristisch sind der trocken-befangene, ganz der nazarenischen Kunstauffassung verpflichtete Stil, die mangelnde Beherrschung der perspektivischen Konstruktion, das Kompositionsprinzip der panoramaartigen Überschaulandschaften und nicht zuletzt die übergroßen Papierformate. Unser Vorschlag, die Mannheimer Blätter Franz von Rohden zuzuschreiben, stützt sich auf den Vergleich mit zart lavierten Italienlandschaften dieses Künstlers in Dresden (Staatliche Kunstsammlungen, Kupferstichkabinett, Das Kastell S. Elia: Inv.-Nr. C 1920175; Felsenlandschaft in Süditalien: C 1920-176; Süditalienische Landschaft: C 1920-177): Hier wie dort herrschen eine außerordentlich feine, wie ziseliert wirkende Strichführung, eine kleinteilig-krause, kugelförmige Baum- und Buschkonturierung und schließlich eine nicht zu übersehende Starrheit und Schematisierung in den architektonischen Bildelementen. Nicht zuletzt läßt auch das Bildnis des Vaters, das Franz von Rohden 1846 gezeichnet hat (Abb. bei Pinnau 1965, S. 278), Parallelen zu den Mannheimer Blättern erkennen: So entsprechen die Umrisse von Mütze und Rockkragen mit ihren winzigen, m-förmigen Bögen und der zaunartigen Strichelung ganz den Konturen der Bergketten in der Darstellung der Bucht von Salerno (Kat.-Nr. 211).
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A b b . S. 341
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A b b . S. 342
Castellammare di Stabia, wohl 1832
Die Bucht von Salerno, wohl 1832
Bleistift auf grobem Velin, WZ J] SRP/81810, in der Mitte geknifft 37,6 x 95,3 cm Bezeichnet unten rechts Castel a mare den 18. Decemb und beschriftet mit zahlreichen Farbangaben und Landschaftsnotizen (u. a. am Berghang rechts oben: Felsen hin und wieder, unten: Felsen/ mit grauem Busch/(ein Wort unleserlich). Verso in Bleistift unvollendete Landschaftsskizze sowie M. v. Rohden (von fremder Hand) Inv. G 3060 Erworben von der Kunsthandlung C. G. Boerner, Leipzig, am 25.5. 1938 Lit.: Boerner, Versteigerungskatalog 199, 1938, Nr. 343; Pinnau 1965, S. 241, Nr. ZW 17
Bleistift auf Bütten, WZ Drei Lilien im Ornamentkreis, darunter D. Carm.ne Baccari, in der Mitte geknifft 38,5 x 89,6 cm Bezeichnet unten rechts Sonntag den 6. Tg. in (?) S. mit Pesto sowie mit Notizen zur Beleuchtungssituation (u. a. oberhalb der Bergsilhouette Dunst, unten links größeren Theils mit Schatten fiol, mit groß Beleuchtung wohl rothgrün (...) v. d. Luft (?), unten Mitte Die Wasser sind größtentheils weiß/ und lassen (...) hell) Verso links unten M. v. Rohden/Salerno (von fremder Hand) und Martin von Rohden (von anderer Hand) Inv. G 3061 Erworben von der Kunsthandlung C. G. Boerner, Leipzig, am 25. 5. 1938 Lit.: Boerner, Versteigerungskatalog 199, 1938, Nr. 344; Pinnau 1965, S. 241, Nr. ZW 18; Heidelberg 1965, Nr. 269; Barcelona 1988, S. 80 mit Abb. S. 81
Vor dem Betrachter entfaltet sich das Panorama von Castellammare, einer kleinen, am G o l f von Neapel in der N ä h e des antiken Stabiae gelegenen Hafenstadt. Von der außerordentlich malerischen, an steil abfallenden Küstenfelsen entlangführenden Uferstraße gleitet der B l i c k nach N o r d o s t e n , w o in der Ferne die Häuser des vielbesuchten Sommer- und Badeortes zu erkennen sind. D i e zahlreichen Farbnotizen innerhalb des Bildfeldes legen die Vermutung nahe, daß R o h d e n das Blatt als E n t w u r f für ein (bisher nicht nachweisbares) Ö l g e mälde geschaffen hat. Derartige Angaben kennzeichnen auch seine Darstellung Am Golf von Neapel, eine 1832 entstandene, gleichfalls großformatige Zeichnung (Kat.-Nr. 212). Sie lassen - wie überhaupt die enge stilistische Verwandtschaft - an eine gleichzeitige Entstehung denken. N i c h t zu übersehen sind im übrigen gewisse zeichnerische Mängel, die sich in den perspektivischen Architekturkonstruktionen, in den schematischen Schraffuren und den unsicheren Skizzierungen der Geländeformation am rechten Bildrand offenbaren.
Mit zarten Bleistiftstrichen ist der herrliche B l i c k festgehalten, der sich dem Betrachter am G o l f von Salerno nach Westen hin bietet. A u f schroff abfallenden Felsen erhebt sich oberhalb der Stadt das mächtige langobardische Kastell, den H o r i z o n t begrenzen in der Ferne die H ö h e n der M o n t i del Demanio. Segelschiffe gleiten über das stille Wasser der Bucht, ein F i s c h e r b o o t hat am vorderen Uferrand geankert, und Angler warten auf ihren Fang. A u c h diese Darstellung hängt im H i n b l i c k auf Format, Bildaufbau und Stil eng mit Kat.-Nr. 212 zusammen und wird daher wohl ebenfalls im S o m m e r 1832 geschaffen worden sein. Farbangaben und Bleistiftnotizen zur Beleuchtungssituation deuten auf eine vor der N a t u r gezeichnete Studie, die der Künstler im Atelier als Ölbild auszuführen gedachte. Bedeutend dramatischer, geradezu ideal überhöht wirkt die nach O s t e n hin aufgenommene Ansicht von Salerno, die J a c o b Philipp HACKERT 1770 zu Papier gebracht hat ( K ö l n 1984, Nr. 43 mit Abb.).
D i e von R o h d e n gewählte Ansicht von Castellammare hat wiederholt die Landschaftsmaler zu Bildern inspiriert, wie Werke J a c o b Philipp HACKERTS (1782, Ö l ; Caserta, Palazzo Reale: R o m 1994, Kat.-Nr. 30 mit Abb.), Julius HÜBNERS (1830, Federzeichnung; D ü s seldorf, Kunstmuseum: R i c k e - I m m e l 1980, Nr. 4 3 7 mit A b b . 599) und J o s e p h Rebells (Pinselzeichnung; B r e m e n , Kunsthalle: Inv.-Nr. 1 9 5 5 / 1 3 6 ) deutlich machen.
ROHDEN, F. v.
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A b b . S. 342
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Am Golf von Neapel, 1832 Bleistift auf Bütten, WZ Drei Lilien im Ornamentkreis und links unten Fratelli Camera, in der Mitte geknifft 45,6 x 77,1 cm Bezeichnet links unten Neapel 15. Septemb 1832 und beschriftet mit schwer leserlichen Farbnotizen: u. a. im Himmel fiol grübl (gemeint wohl: violett grünblau) blau grünl nicht heller; auf dem Wasser drunter licht Strich wie Wolken lichter weißf. gelb (?)/ Luft rh. (?) Verso in Bleistift (von fremder Hand und zweimal) M. v. Rohden Inv. G 3062 Erworben von der Kunsthandlung C. G. Boerner, Leipzig, am 25.5. 1938 Lit.: Boerner, Versteigerungskatalog 199, 1938, Nr. 346; Pinnau 1965, S. 241, Nr. ZW 19 Von den H ö h e n Capodimontes gleitet der B l i c k des Betrachters nach Südwesten über Neapel und die Meeresbucht hinweg und trifft am H o r i z o n t auf die gebirgige Halbinsel von Sorrent mit dem hohen M o n te Sant' Angelo. U b e r der ruhig daliegenden B u c h t spannt sich weit ein klarer H i m m e l . Mit hartem, spitzen Bleistift ist diese Darstellung festgehalten. Wie mit dem Lineal gezogen wirken die Umrisse der Architekturen; summarisch zusammenfassende, kräuselige Linien umschreiben die K o n t u r e n von B ä u m e n und Büschen. Eine einzelne Pinie und der A b h a n g des Vesuv begrenzen den linken Bildrand; der Vordergrund und weite Teile der mittleren B i l d z o ne sind ungestaltet geblieben. Das stilistisch und kompositionell mit den Zeichnungen Kat.-Nr. 2 1 0 und 211 unmittelbar zusammenhängende Blatt hat R o h d e n im S o m m e r 1832 gezeichnet. Wiederum hat er sich auf dem Bildfeld zahlreiche Farbnotizen gemacht, die auf eine geplante Ausführung als Ölgemälde schließen lassen.
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A b b . S. 341
Blick auf eine italienische Stadt am Fuße des Gebirges, um 1832 Bleistift auf Bütten 34 x 49 cm Verso bezeichnet unten rechts M. v. Rohden/1778-1868 (von fremder Hand) Inv. G 3063 Erworben von der Kunsthandlung C. G. Boerner, Leipzig, am 25.5. 1938 Lit.: Boerner, Versteigerungskatalog 199, 1938, Nr. 350; Pinnau 1965, S. 241, Nr. ZW 20
Bei dem bisher nicht identifizierten Blick auf eine italienische Stadt am Fuße des Gebirges handelt es sich u m eine Ansicht von Palermo. Das vorliegende Blatt gibt die Stadt von Südwesten wieder, w o auf erhöhter Terrasse der Palazzo Reale, der normannische K ö nigspalast, sichtbar wird. M i t ihm ist durch einen Korridor die 1584 als Triumphbogen für Karl V. errichtete Porta N u o v a verbunden, deren pyramidenförmiges D a c h sich links im Bild deutlich von der Gebäudegruppe dahinter abhebt. Bei dem in der Bildmitte aufragenden obeliskartigen Pfeiler handelt es sich u m eine der vielen z u m Bewässerungssystem gehörenden und für die Gegend charakteristischen Wassersäulen. D e r scharflinige, eher trockene Zeichenstil und der kompositioneile Aufbau mit der kaum gestalteten vorderen Bildzone und dem präzise ausgearbeiteten Mittelgrund verbinden das Blatt mit K a t . - N r . 2 1 0 - 2 1 2 und legen eine Entstehung in die Jahre u m 1832 nahe.
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A b b . S. 343
Blick auf Häuser einer italienischen Stadt, um 1832 Bleistift auf Bütten, WZ Drei Lilien im Ornamentkreis, darunter D. Carm.ne Baccari 29,9 x 29,2 cm Bezeichnet unten am Stamm des Baumes Pappel Verso unten links aus Palermo, unten Mitte /. M. v. Rohden (wohl von fremder Hand) Inv. G 3064 Erworben von der Kunsthandlung C. G. Boerner, Leipzig, am 25.5. 1938 Lit.: Boerner, Versteigerungskatalog 199, 1938, Nr. 351; Pinnau 1965, S. 241, Nr. ZW 21; Bernhard 1973, S. 1425 mit Abb.; Mannheim 1983, S. 67 mit Abb.
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ROHDEN, F. v.
D e r B l i c k v o m Brachland auf eine Gebäudegruppe hinter einer hohen Mauer scheint, wie die Beschriftung auf der Blattrückseite besagt, in Palermo aufs Papier gebracht worden zu sein. Stilistisch ordnet sich die Studie in die Reihe der Zeichnungen Kat.-Nr. 210 bis 213 ein; sie ist w o h l ebenfalls in die Jahre u m 1832 zu datieren.
JOHANN MARTIN VON ROHDEN * 30. Juli 1778 Kassel f 9. September 1868 Rom
J o h a n n Martin von R o h d e n , Sohn eines Kasseler Kaufmanns, erhielt seinen ersten künstlerischen U n terricht an der Malerakademie seiner Vaterstadt. M i t siebzehn Jahren schon brach er nach R o m auf, w o er bis 1799 lebte und sich unter der Anleitung J o h a n n Christian REINHARTS im Aktzeichnen vervollkommnete, erste Gemälde schuf und Landschaften zeichnete. 1 8 0 1 / 0 2 lebte er wieder in Kassel, kehrte dann aber nach R o m zurück. E r verließ die Ewige Stadt nur noch wenige Male, u m Reisen nach Sizilien (1805, 1833) und Deutschland ( 1 8 1 1 / 1 2 , 1 8 2 7 / 2 9 ) anzutreten. R o h d e n gehörte gemeinsam mit J o s e p h A n t o n KOCH, J o h a n n Christian Reinhart und Asmus J a k o b Carstens zu den tonangebenden und überaus geschätzten Mitgliedern der deutschen Künstlerschaft in R o m , und sein qualitätvolles, allerdings verhältnismäßig schmal gebliebenes Œ u v r e fand allgemeine Anerkennung. Es zeichnet sich durch eine realistisch-objektive, niemals pathetisch überhöhte Auffassung aus, die auf jüngere Künstler wie Ernst FRIES, J o h a n n Heinrich SCHILBACH und Johann Christoph ERHARD überaus prägend wirken sollte.
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A b b . S. 344
Das Amphitheater in Syrakus, 1833 Bleistift auf Velin 37,7 x 55,4 cm Bezeichnet unten links Amphitheater/ da Syracuso/ (den 14. May 1833) Verso Rohden (von fremder Hand) Inv. G 5778 Erworben vom Kunstantiquariat Arno Winterberg, Heidelberg, am 20. 4. 1985 Lit.: Winterberg, Versteigerungskatalog 30, 1985, Nr. 1210 mit Abb. D e r Betrachter schaut von einem leicht erhöhten Standort hinunter in das vor ihm liegende Amphitheater von Syrakus, das bedeutendste römische B a u w e r k der antiken Stadt. Es wurde in augusteischer Zeit unmittelbar neben dem griechischen (von Künstlern wie Samuel Birmann, Karl Friedrich Schinkel, J o h a n n G e org von Dillis, Ernst Rietschel und Carl ROTTMANN dargestellten) Theater errichtet und gleichfalls zum großen Teil aus dem anstehenden Felsen ausgehauen. Sein Oval nimmt das gesamte Bildfeld ein. Von der Marmorbrüstung der Arena steigen rechts die Sitzreihen des Zuschauerraumes an; dürre Vegetation überzieht die Ruinen. Weit kann der B l i c k über die karge, öde Landschaft bis hin zum fernen H o r i z o n t schweifen, w o die Uberreste des antiken Aquädukts zu erkennen sind. D i e mit breiten, fast kreidig wirkenden Bleistiftstrichen gezeichnete Landschaftsstudie ist wie alle Werke Rohdens unmittelbar aus der Naturanschauung heraus entstanden. D i e Geschlossenheit des Bildaufbaus und die souverän beherrschte Perspektive, die lichte Atmosphäre und die weiche, plastische Konturierung verleihen ihr bei aller Ausschnitthaftigkeit des H a u p t motivs einen ausgesprochen bildhaften, malerischen Charakter. Vom entgegengesetzten Standort hatte u m 1780 J e a n Pierre-Laurent H o ü e l eine Ansicht des römischen Theaters festgehalten (Frankfurt a.M./Weimar 1994, Nr. 297).
ROHDEN, J . M . v .
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C A R L A N T O N JOSEPH ROTTMANN G e t a u f t am 11. J a n u a r 1797 H a n d s c h u h s h e i m (heute: Heidelberg) t 7. Juli 1850 M ü n c h e n
Carl Rottmann kam 1797 als Sohn des Heidelberger Universitätszeichenmeisters und Radierers Friedrich Rottmann zur Welt. Seinen ersten Unterricht erhielt er gemeinsam mit seinen Altersgenossen und Freunden Carl Philipp Fohr und Ernst FRIES durch seinen Vater; bedeutenden Einfluß auf ihn hatte darüber hinaus der damals in Heidelberg tätige schottische Künstler George Augustus Wallis mit seiner stimmungshaften Landschaftsmalerei. Künstlerisches Ergebnis dieser Jugendjahre waren einige Landschaftsansichten, die Rottmann während einer gemeinsam mit Freunden (darunter auch Ernst Fries) unternommenen Rhein- und Moselreise zeichnete und die für ein geplantes Bildermappenwerk bestimmt waren (vgl. dazu Kat.-Nr. 50). 1821 bezog Rottmann die Münchner Akademie, um Historienmalerei zu studieren. Einem ersten Italienaufenthalt (1826/27) folgte rasch (1828) eine zweite Reise in den Süden. Sie galt Studien für die projektierte Folge von Italienlandschaften, die - als Fresken ausgeführt - den Westtrakt der Hofgartenarkaden in der Münchner Residenz schmücken sollten. Nach Vollendung dieses Gemäldezyklus brach Rottmann 1834/35 nach Griechenland auf, um dort Landschaften von historischer Bedeutung aufzunehmen; sie waren als Fortsetzung des Italienzyklus für den Nordtrakt der Hofgartenarkaden bestimmt. Die Arbeit an dieser Folge zog sich bis 1850 hin; die insgesamt 24 Tafeln zählenden Gemälde (in enkaustischer Technik auf Steingußplatten) kamen nicht am ursprünglich vorgesehenen Ort zur Aufstellung. Sie fanden ihren Platz 1854 in der Neuen Pinakothek in München. Der Künstler erlebte die Präsentation seiner Gemälde, die in ihrem klassizistisch-idealistischen Monumentalstil auf die nachfolgende Landschaftskunst von großer Wirkung sein sollten, nicht mehr. Er starb 1850, bald nach Abschluß der Arbeiten am Griechenlandzyklus, in München.
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ROTTMANN
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Abb. S. 345
Griechische Landschaft, um 1834/1835 Bleistift auf Velin 1 1 , 9 x 2 0 , 6 cm Inv. G 1443 [A.I. 1507] E r w o r b e n v o m A u k t i o n s h a u s R u d o l f Bangel, F r a n k f u r t a.M., am 3. 7. 1920 Lit.: Bangel, A u k t i o n s k a t a l o g 1002, 1920, N r . 730; BierhausR ö d i g e r 1978, S. 425, Nr. A 118
Die Kompositionsskizze führt dem Betrachter eine weite, bergige Landschaft von geradezu monumentalen Charakter vor Augen. Karge Berge säumen eine mächtige Flußschleife; öde und unbewohnt wirkt die Gegend. Burgruinen krönen die höchsten Erhebungen; ihre kaum auszumachenden Konturen sind den Umrissen der Berge angeglichen. Felsbrocken, Baumgruppen und dürftiger Buschbewuchs gliedern den hochgelegenen Vordergrund. Auf eine detaillierte Schilderung der Einzelheiten kam es dem Zeichner dieses rasch notierten Landschaftsentwurfs nicht an; ihn interessierten allein der Bildaufbau und die Verteilung von Licht und Schatten. Die Studie, die Bierhaus-Rödiger (1978, S. 425, Nr. A 118) ohne Angabe von Gründen Carl Rottmann abgeschrieben hat, ist dennoch als ein Werk von dessen Hand anzusehen. Für diese Annahme sprechen nicht nur das für Rottmann typische langgestreckte Querformat und die panoramaartige Gesamtkomposition mit ihrer ungeheuren Weite. Auch die künstlerische Handschrift selbst verweist auf den Münchner Maler. Man vergleiche die kugeligen, summarischen Umrißlinien der niedrigen Baumgruppe am linken Bildrand mit dem entsprechenden, in Kontur, Schraffur und Anordnung überaus ähnlichen Motiv auf Rottmanns Bleistiftentwurf Ruinen Roms (Bierhaus-Rödiger 1978, Nr. 210). Die kurvigen, fast wulstigen Umrisse der markant herausgehobenen Baumgruppe ungefähr in der Mitte des Mannheimer Blattes wiederum finden ihre Entsprechungen auf Rottmanns Bleistiftzeichnungen Salamis, Poros, Landschaft mit Kapelle und Dachstein (Bierhaus-Rödiger 1978, Nr. 453, 592, 641, 648). Und nicht zuletzt ist eine vergleichbare Kleinteiligkeit der Binnenstrukturen mit den punktförmigen Dunkelheiten auf den Darstellungen Nauplia und Sikyon zu entdecken (Darmstadt 1989, Nr. 35, 41). Die beiden letzteren Zeichnungen lassen darüber hinaus eine für Rottmann charakteristische Eigenheit erken-
nen, die auch die Mannheimer Darstellung auszeichnet: Nachdem die Gesamtkomposition mit weichem Bleistift festgehalten war, wurden in einem zweiten Arbeitsgang die wesentlichen Umrißlinien mit spitzem Stift noch einmal markierend nachgezogen. Die genannten Verwandtschaften erlauben eine Einordnung unseres Blattes in die Reihe der Naturstudien, die Rottmann 1834/35 während seiner Reise durch Griechenland geschaffen hat. Eine genaue Lokalisierung der wiedergegebenen Berglandschaft war nicht möglich.
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Abb. S. 183
Golf von Epidauros, um 1843 Aquarell auf Velin 2 3 , 8 x 3 2 , 1 cm Bezeichnet verso Mitte in Bleistift Carl Rottmann, unten links C. Rottmann k.k. Hofmaler, unten rechts Golf von Epidaurus Inv. G 1442 [A.I. 1506] Erworben vom Auktionshaus Rudolf Bangel, Frankfurt a.M., am 3. 7. 1920 Lit.: Bangel, Auktionskatalog 1002, 1920, Nr. 731; Mannheim 1929, Nr. 211; Bierhaus-Rödiger 1978, Nr. A 119
Im Oktober 1843 vollendete Rottmann mit der Ansicht von Epidauros das fünfzehnte Bild des Griechenlandzyklus (157 x 200 cm, München, Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Inv.-Nr. WAF 861: Bierhaus-Rödiger 1978, Nr. 585 mit Abb.). Er hat es in der Zeit zwischen dem Griechenlandbesuch 1834/35 und dem Jahr der Fertigstellung mit Kompositionsskizzen und Aquarellen vorbereitet- mit Entwürfen, die sämtlich nicht das berühmte Theater, sondern die Meeresbucht von Epidauros darstellen. Dies gilt auch für die vorliegende Aquarellzeichnung. Der Künstler wählte einen Blickpunkt relativ nah an der Küste, so wie er das - im Gegensatz zu späteren Fassungen desselben Motivs (Bierhaus-Rödiger 1978, Nr. 352, 583-585, 639, 681) - auch bei der im Herbst 1834 gezeichneten Ansicht in Frankfurt a.M. (Städelsches Kunstinstitut, Inv.-Nr. 1785 a und b: BierhausRödiger 1978, Nr. 350) und bei einer allerersten Vorstudie getan hat (Sotheby's 1992, Nr. 83 mit Abb.). Von erhöhtem, aber nicht geschilderten Standort schaut der Betrachter über die Wipfel eines Waldes auf die ruhig daliegende Bucht, deren Wasserfläche das Licht der durchbrechenden Sonne wie ein Spiegel re-
flektiert. Dramatisch ballen sich die dunklen Wolken am Himmel; sie bilden eine winkelartige Formation, die die untergehende Sonne wie ein Rahmen umgibt und in einer bizarren Spitze nach rechts oben ausläuft. Das glühende Sonnenlicht streift nur noch die Ränder der Baumkronen, die hell aufscheinen; der Wald, die Berge und die Halbinseln der Bucht sind bereits im dunklen Schatten versunken. Die Darstellung ist vom intensiven, orangerot leuchtenden Schein der untergehenden Sonne erfüllt. Von Bedeutung für den Maler erweist sich nicht etwa die geschichtliche Vergangenheit des Ortes, auf die weder Ruinen noch historische Staffage verweisen; wichtig für ihn ist allein das Naturschauspiel mit dem grandiosen Ubergang vom Abend zur Nacht. Erst 1843, so scheint es, entwickelte Rottmann die Idee, die Bucht von Epidauros nicht in heller, heiterer Stimmung wiederzugeben (wie zuvor: Bierhaus-Rödiger 1978, Nr. 350, 352), sondern als leere, überwältigende Abendlandschaft aufzufassen, die den Menschen auf seine Nichtigkeit verweist. So wird auch für das Mannheimer Aquarell an eine Datierung um 1843 zu denken sein. Erika Bierhaus-Rödiger hat unser Blatt, das im übrigen wie der 1843 geschaffene Aquarellentwurf Epidauros (Bierhaus-Rödiger 1978, Nr. 583) ebenfalls aus der Sammlung Sayn-Wittgenstein stammt, ohne nähere Begründung Carl Rottmann abgesprochen und als „Kopie nach Kat.-Nr. 583-585" bezeichnet (S. 425). Von einer exakten Kopie kann allerdings keine Rede sein. Nicht ein Detail der Mannheimer Darstellung stimmt mit den von Bierhaus-Rödiger anerkannten Epidauros-Bildern überein. Vor allem aber unterscheiden sich die gewählten Standorte voneinander. Es scheint demnach, als habe Rottmann auf unserem Blatt nach einer alternativen Lösung für die Vordergrundzone gesucht, während er im Hinblick auf Mittelgrund, Ferne und Wolkenformation zufrieden war und für die endgültige Ausführung keine Veränderung mehr für nötig hielt. Im übrigen weist auch eine stilistische Eigenart auf Rottmann als Maler unseres Blattes hin: die charakteristischen Pinseltupfen im Mittelgrund finden sich in gleicher Form auf dem Aquarell Korinth-Umgebung wieder (Heidelberg, Kurpfälzisches Museum, Inv.-Nr. Z 1423: Bierhaus-Rödiger 1978, Nr. 375 mit Abb.).
ROTTMANN
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THOMAS ROWLANDSON * vermutlich im Juli 1756 London f 22. April 1827 London
Thomas Rowlandson wurde 1756 (oder 1757) in London als Sohn eines Wollhändlers geboren. Da sein Vater schon bald in wirtschaftliche Not geriet, wurde der Junge in die Obhut einer begüterten Tante gegeben, die ihm den Besuch der Royal Academy und anschließend einen Studienaufenthalt in Paris ermöglichte. Nach London zurückgekehrt, setzte Rowlandson sein Studium der Bildnis- und Landschaftsmalerei an der Kunstakademie fort und zeigte in deren Jahresausstellung von 1775 erstmals eines seiner Gemälde. Wegen finanzieller Schwierigkeiten begann er, für einen Londoner Graphikhändler gesellschaftskritische Karikaturen zu zeichnen, die - nie so boshaft und verletzend wie die Arbeiten der Künstlerkollegen Gillray und Cruikshank - die Torheiten und Schwächen der Engländer aufs Korn nehmen. Neben diesen sehr erfolgreichen Bildsatiren schuf Rowlandson eine Fülle von Stadtansichten und Landschaftsdarstellungen, von Seebildern und Genreszenen - mehr als 4 000 Blätter, die zu etwa einem Viertel als Radierungen vervielfältigt wurden. Der Künstler starb nach zweijähriger schwerer Krankheit 1827 in London.
Abb. S. 184
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Bauerntanz, um 1805 Feder über Bleistift, aquarelliert, auf Velin 13,9x21,8 cm Verso in Bleistift Durchzeichnung des Bauerntanzes von der Vorderseite sowie rechts Aquarellflecken in den Farben der Vorderseite; unten rechts (eigenhändig?) Rowl II / fol 117 (?) Inv. G 3455 Lit.: Mannheim 1983, S. 31 mit Abb.
Nicht um eines der so populären gesellschaftskritischen Blätter, sondern um die Schilderung einer friedlichen, von Sommerlicht erfüllten ländlichen Szene handelt es sich bei unserer Zeichnung, die in ihrer Intimität an Werke der holländischen Malerei des 17. Jahrhunderts, aber auch an Arbeiten von Thomas Gainsborough erinnert (vgl. dessen Woodcutter's Return, 1773, und Cottage Door, 1780). Solche Genre-
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ROWLANDSON
darstellungen aus dem dörflichen Milieu finden sich häufig in Rowlandsons Œuvre: Nie bissig, sondern liebevoll, oft mit einem Augenzwinkern schildern sie Bauern beim Viehhandel und bei der Heuernte, beim Schweinehüten und am Brunnen, und ebenso oft geben sie erholungsuchende Städter wieder beim Picknick im Grünen, bei der Einkehr in eine Schenke oder beim Angeln während einer Landpartie. Auf unserem Blatt zeigt der Künstler eine Runde begeistert Tanzender, die nach den Melodien eines grotesk überzeichneten Fiedlers ihre Kreise dreht. Angefeuert wird die Gruppe durch einen gewiß nicht mehr ganz nüchternen Bauern, der im Jubel seine Kappe hochreißt. Dem Treiben schauen amüsiert staunend einige Dorfleute vor einer strohgedeckten Kate zu, die sich im Hintergrund des engbegrenzten, nahgesehenen Bildfeldes unter großen Bäumen duckt. Der Lebendigkeit der Szenerie entsprechen die flotten, bestimmten Federstriche mit ihren kurzen, runden Bögen. Sie rücken das nicht datierte Blatt in engste Nähe zu einer ländlichen Genreszene, die Rowlandson 1805 aquarellierte und die mit den vor einer Kate versammelten Bauern auch inhaltliche Ubereinstimmungen aufweist (A Country Scene with Peasants at a Cottage Door: Hayes 1972, Nr. 114 mit Abb.; vgl. auch: The Cottage Door: Wark 1975, Nr. 187 mit Abb.). Motivisch und kompositionell unmittelbar verwandt mit unserer Darstellung zeigt sich hingegen eine andere, 1804 datierte Federzeichnung, die 1984 im Kunsthandel angeboten wurde (Christie's 1984, Nr. 10 mit Abb.). In seitenverkehrtem Bildaufbau (also in gleicher Weise wie die Durchzeichnung auf der Versoseite unseres Blattes) und bei sorgfältigerer Ausarbeitung führt sie dieselbe Szenerie vor Augen. Unterschiede wie die erweiterte Staffage, die Hinzufügung eines mächtigen Baumes und die Versetzung des Bauernhauses in den Hintergrund ändern nichts an dem engen Zusammenhang zwischen den beiden Blättern, die - wie die Tanzrunde und die vor der Tür sitzende, ihr Kind auf dem Schoß haltende M u t t e r - auch identische Motive zur Anschauung bringen. Die Datierung unserer Zeichnung in die Jahre um 1805 wird unterstützt durch ihre Farbgebung. Warme braunrote Töne, von einem leuchtenden Gelbgrün aufgehellt und durch zartblaue Farbtupfer akzentuiert, herrschen vor und ergeben eine Palette, die Rowlandson zwischen 1805 und 1812 bevorzugt einsetzte (Hartmann 1971, S. 147ff.).
JOHANN H E I N R I C H SCHILBACH f
28. September 1798 Barchfeld/Werra 9. Mai 1851 Darmstadt
Schon früh verwaist, wuchs der als Sohn eines H o f gärtners geborene J o h a n n Heinrich Schilbach bei einem O n k e l in Darmstadt auf. M i t 14 Jahren trat er seine Lehre bei dem dortigen Hoftheatermaler J o h a n n G e o r g Primavesi an, der ihm eine solide handwerkliche Ausbildung z u k o m m e n ließ und ihn immer wieder auf die Notwendigkeit des Naturstudiums hinwies. 1823 brach Schilbach nach Italien auf; Ernst FRIES, den er während seines Studiums in Darmstadt 1818 kennengelernt hatte, begleitete ihn. In R o m schlössen sich die Freunde Ludwig RICHTER und Heinrich REINHOLD an und erhielten bald Zugang zum Kreis u m J o s e p h A n t o n KOCH, Martin von ROHDEN und J o h a n n Christian REINHART. Wie für Fries bedeutete für Schilbach der Aufenthalt in Italien den D u r c h b r u c h zu einem malerisch außerordentlich freien und doch am Naturvorbild orientierten Stil. Seine damals geschaffenen italienischen Landschaften und römischen Veduten stießen auf reges Interesse, sie ließen ihn zu einem gefragten Künstler werden. 1828 bewarb sich Schilbach erfolgreich um die N a c h folge des Darmstädter Hoftheatermalers J o s e f Sandhaas - ein A m t , das sein freies künstlerisches Schaffen allerdings stark beeinträchtigen sollte. Besondere Erholung von seinem B r o t b e r u f bedeuteten ihm daher Studienaufenthalte in der Schweiz (1835), in M ü n c h e n und im Salzkammergut (1843). Sie boten seiner Malerei ganz neue Anregungen und ließen ihn den „Schritt von der R o m a n t i k zu einem beseelten Naturalismus (tun), der dem Impressionismus in manchem sehr nahe k o m m t " (Bergsträsser 1959, S. 69). 1851 starb Schilbach in Darmstadt.
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A b b . S. 185
Heidelberger Schloß, 1823 Aquarell über Bleistift auf Velin 19,4 x 26,5 cm, davon links 1,9 cm angesetzt Bezeichnet unten links in Bleistift JH Schilbach (JH ligiert) und den 28ten ]uly 1823 Inv. G 1374 [A.I. 1425] Erworben vom Antiquariat Joseph Baer & Co., Frankfurt a.M., am 14. 4. 1920 Lit.: Mannheim 1919, S. 25; Barcelona 1988, S. 82f. mit Abb.; Moskau 1992, S. 148, Nr. 101 mit Abb.
Das Heidelberger Schloß, das als kurpfälzische Residenz 1689 und 1693 im Orleansschen Krieg weitgehend zerstört worden und in der Folgezeit dem Verfall preisgegeben war, hat die Maler des ^ . J a h r hunderts immer wieder gefesselt. D e r pittoreske R e i z des Ruinösen, die unvergleichlich schöne Lage hoch über dem N e c k a r und die wild den R u i n e n k o m p l e x überwuchernde Vegetation waren zu einer unverwechselbaren Einheit verschmolzen, die zum Topos der badischen R o m a n t i k schlechthin werden konnte. W i e Carl ROTTMANN und Karl Philipp Fohr, wie J a k o b Wilhelm R o u x und E r n s t FRIES (Kat.-Nr. 49), T h e o d o r VERHAS ( K a t . - N r . 2 5 0 , 2 5 2 , 2 5 3 ) , E u g e n BRACHT, M a x
WOLF, J o h a n n W i l h e l m SCHIRMER und noch viele andere Künstler hat auch Schilbach sich diesem Zauber nicht entziehen können. Unmittelbar vor seiner A b reise nach Italien malte er im S o m m e r 1823 die Ansicht des Schlosses, wie sie sich v o m Abhang der JettenbühlTerrasse aus bietet (Bergsträsser 1959, W V 2 und S. 29f. mit A b b . 5). Zu den vielen vorbereitenden Studien dafür (Bergsträsser 1959, S. 30) gehört gewiß auch das Mannheimer Aquarell. D e r Blick gleitet nach N o r d w e s t e n hinunter auf das Schloß mit dem Krautturm (links), dem Apothekerturm (Mitte), dem G l o c k e n t u r m (rechts) und den R e naissance-Giebeln des Friedrichsbaues. Als Folie für diese beeindruckende Kulisse ragt jenseits des N e k kartales, an dem sich die Häuser von Heidelberg entlangziehen, der Heiligenberg auf; ganz in der Ferne erstreckt sich die Rheinebene. Von geringem Interesse sind die seitlichen Bildpartien und der Vordergrund für den Künstler gewesen. N u r flüchtige Bleistiftlinien deuten dort die B a u m - und Buschstaffage an sorgfältig ausgeführt worden ist diese Bildzone erst im Gemälde, das im übrigen von einem etwas höher gelegenen Standort aufgenommen wurde und zweifellos die Kenntnis von Rottmanns Bild voraussetzt (Bierhaus-Rödiger 1978, Kat.-Nr. 6 mit Abb.). D i e Farbigkeit zeigt sich von heller Transparenz. Vor dem zartblauen H i m m e l und dem lasierend blaugrünen Berghintergrund heben sich die von der Sonne beleuchteten Ruinenreste ab. D i e beschienenen Flächen sind in durchsichtiges O c k e r g e l b getaucht, das strahlend auch durch die Fensteröffnungen der im Schatten liegenden, hellgrau abgetönten Mauern fällt. M i t dem abgestuften G r ü n der B a u m k r o n e n unterhalb des Schlosses im Bildvordergrund schließt sich der farbliche Zusammenklang aufs Harmonischste.
SCHILBACH
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LUDWIG VON SCHWANTHALER * 6. August 1802 München t 14. N o v e m b e r 1848 München
Ludwig von Schwanthaler, Hauptvertreter der klassizistischen Skulptur in Süddeutschland, kam als Sproß einer angesehenen, seit vielen Generationen tätigen Bildhauerfamilie zur Welt. Zwischen 1819 und 1822 studierte der Künstler, ein enger Freund von Franz Graf P o c c i , an der Akademie seiner Heimatstadt, übernahm im darauffolgenden Jahr das Atelier seines verstorbenen Vaters und zog 1826 nach R o m , um bei Bertel Thorvaldsen seine Ausbildung zu vervollkommnen. Krankheit zwang ihn zum Abbruch seines Italienaufenthalts und zur Rückkehr nach München, wo er bald mit ehrenvollen Aufträgen des Königs überhäuft wurde. Uberaus umfangreich und nur mit Hilfe einer großen Werkstatt zu bewältigen war seine Produktion von öffentlichen Denkmälern, dekorativen Skulpturen und figürlichem Bauschmuck. D o c h nicht nur plastische Werke, sondern auch Arbeiten aus den Bereichen der Malerei, des Kunstgewerbes und der Graphik umfaßt das Œuvre des Bildhauers, der 1848 einem schweren Gichtanfall erlag. Wie die große Menge erhaltener Zeichnungen erkennen läßt, hatte Schwanthaler immer wieder zum Stift gegriffen, um freie Kompositionen zu entwerfen und Wandmalereien, Skulpturen und kunstgewerbliche Gegenstände graphisch vorzubereiten.
220-225
Reinzeichnungen der Entwürfe (in jeweils zwei übereinanderliegenden Bildstreifen pro Blatt) zum Kreuzzug Kaiser Friedrich Barbarossas, 1839 Inv. G 3 0 1 1 / a - f Erworben vom Antiquariat Dr. Ernst Hauswedell & Co., Hamburg, im O k t o b e r 1937 Lit.: Hauswedell, Antiquariatskatalog 36, 1937, Nr. 1199
1832 wurde Leo von KLENZE von Ludwig I. beauftragt, die Münchner Residenz umzugestalten und im
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SCHWANTHALER
Nordosten des Schloßkomplexes den sog. Festsaalbau als repräsentativen Rahmen für feierliche Staatsanlässe zu errichten. Eine kaum zu übersehende Fülle von Entwürfen schuf der Architekt in diesem Zusammenhang; sie betrafen nicht nur die Architektur selbst, sondern auch die Grundzüge der Dekorationen für Wände, Decken und Fußböden (vgl. Kat.-Nr. 98/ 2 3 - 2 4 ) . Zur Umsetzung seiner Ideen wurden die namhaftesten Künstler herangezogen: Neben Peter von CORNELIUS u n d J u l i u s SCHNORR VON CAROLSFELD, d e -
nen die Ausmalung der Räume übertragen worden war, arbeitete auch Ludwig von Schwanthaler an diesem Projekt mit. Seine Aufgabe bestand in der Ausgestaltung der Raumfolge mit figürlichen Bildwerken. Neben den Portikusfiguren des Festsaalbaues (1833-1837) und den Statuen der Wittelsbacher A h nen im Thronsaal (1834-1842) zählte dazu auch ein figürlicher Fries in einem der drei Kaisersäle, dem sog. Barbarossasaal (1836-1842). Bei diesem Bilderstreifen handelte sich um ein aus weißem Gips modelliertes, 78 m langes Relief, das die vier Wände unter dem Ansatz der Kassettendecke schmückte. In 14 aufeinanderfolgenden, historischdramatischen Szenen schilderte es die Hauptereignisse des dritten Kreuzzuges, soweit sie sich auf die Person des staufischen Kaisers Friedrich Barbarossa bezogen (Otten 1970, S. 66f.). Die erste Wand umfaßt die Szenen I bis V, die den unmittelbaren Anlaß des Kreuzzuges - die Eroberung Jerusalems - zeigen. Die zweite Wand mit den Szenen V I bis V I I I behandelt Aufrüstung und Ausmarsch des Kreuzheeres zur Befreiung der Heiligen Stadt, und der Reliefstreifen auf der dritten Wand erzählt den mühsamen und hart erkämpften Weg der Ritter nach Jerusalem (Szenen I X - X I I I ) . Auf der vierten Wand schließlich wird vom letzten Sieg des Christenheeres und vom Tod des Kaisers berichtet. Schwanthaler hat dieses im Zweiten Weltkrieg zerstörte plastische Werk graphisch vorbereitet, wie Entwurfszeichnungen seiner Hand belegen. Bekannt gewesen sind bisher die Blätter im Münchner Stadtmuseum (Bleistift; Reinzeichnungen im übergroßen Friesformat; der Entwurf für die erste Wand sign, und 1839 dat. Schwanthaler-Sammlung, Inv.-Nr. S 537, 111/31: 1. Wand; S 538, I V / 5 : 2. Wand; S 539, 111/32: 3. Wand; S 540, 111/33: 4. Wand; vgl. Otten 1970, S. 125) und in der Staatsbibliothek München (Klenzeana, Kasten X , l a und b: erste Kompositionsentwürfe im übergroßen Friesformat; vgl. Hederer 1981, S. 396). Diesen Entwürfen müssen nun auch die Mannheimer Blätter Kat.-Nr. 226 und 227 zugerechnet werden;
Kat.- Nr. 220 bis 225 gehören nicht mehr zum eigentlichen Entwurfsprozeß. Diese letzteren, bis ins Detail durchgearbeiteten Umrißzeichnungen sind ganz auf die Konturen reduziert, es gibt keine Binnenmodulierungen, kein Spiel von Licht und Schatten und keine räumliche Entfaltung. Geschaffen wurden sie als Vorlagen für eine Reproduktion des Frieses, nämlich für die durch Samuel Amsler gestochene und 1840 in Düsseldorf publizierte Folge Ludwig Schwanthaler's Werke. II. Abtheilung. Der Kreuzzug des Kaisers Friedrich Barbarossa. Fries in Gyps im Saalbau der Neuen Königl. Residenz zu München. Nach der Originalzeichnung des Künstlers gestochen unter der Direction des Prof. S. Amsler. Mit historischen Erläuterungen von Karl Schnaase. Die vorliegenden Darstellungen entsprechen den 1839 datierten Reinzeichnungen im Münchner Stadtmuseum bis ins letzte Detail - und damit weitgehend auch der plastischen Ausführung selbst, die nur unwesentlich von den graphischen Entwürfen abweicht.
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Abb. S. 346
Teil I: D i e besiegten F r a n k e n v o r Saladin Teil II: D a s türkische H e e r auf dem Zug nach Jerusalem Feder in Schwarz auf Velin 34,2 x 59,2 cm Zwischen den beiden Bildstreifen ein in zwei Teilen aufgeklebter Schriftzug DER KREUZZUG DES KAISERS FRIEDRICH BARBAROSSA, LUDWIG SCHWANTHALER.-, über der oberen Darstellung /., über der unteren II. Bezeichnet (eigenhändig?) verso in Bleistift unten Mitte Ludwig Schwantbaler, unten rechts 222 Inv. G 3011/a
Teil I: 1187 war das Kreuzfahrerheer auf dem Schlachtfeld bei Tiberias vernichtend von den Truppen des Sultans Saladin geschlagen worden. Mit der Schilderung dieser Niederlage setzt die Relieffolge auf der ersten Wand ein. Neben einem niedergestürzten Kreuzritter bemächtigt sich ein Araber eines herrenlosen Pferdes; brutal tritt er auf den Körper eines Enthaupteten. Ein anderer Söldner packt einen der besiegten Christen am Schopf, um auch ihn zu köpfen. Dieser Gefangene gehört zu den Rittern um den fränkischen König Guido, die vor Saladin geführt worden sind. Der Sultan
selbst thront unter einem zwischen Bäumen aufgespannten Zeltdach auf einer Löwenhaut, in herrscherlicher Haltung und umgeben von Dienern und Kriegern. Teil II: Auf seinem Weg nach Jerusalem folgt das schwer bewaffnete Fußvolk der Sarazenen in zwei eng geschlossenen Reihen seinen beiden berittenen Anführern. Voran schreiten der „richterliche Aga im langen Gewände mit dem Beil (und) die unheimliche Gestalt des Derwisch, andeutend wie die Herrschaft des Koran auf dem wiedereroberten Boden eingerichtet werden soll" (Schnaase 1840, S. 8). An der Spitze des Zuges Musikanten mit Hörnern und Zimbeln.
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Abb. S. 346
Teil I I I : E i n z u g der türkischen E r o b e r e r in Jerusalem Teil IV: Auszug der Christen aus der Heiligen Stadt Feder in Schwarz auf Velin 34,7 x 65,7 cm Bezeichnet über dem oberen Bildstreifen III., über dem unteren IV. Verso (eigenhändig?) in Bleistift unten Mitte Ludwig Schwantbaler, unten rechts 222 Inv. G 3 0 1 1 / b
Teil III: Am 3. Oktober 1187 hielten die Sarazenen ihren Einzug in die Heilige Stadt. Ein Trompeter kündet von dem errungenen Sieg, ein anderer Krieger hat eben das christliche Kreuz herabgerissen und an dessen Stelle den Halbmond aufgepflanzt. Wehklagend breitet ein Mönch seine Arme aus, um Gnade flehend sind Bewohner der Stadt vor den Eroberern auf die Knie gefallen. Teil IV: Milde sind die Bedingungen Saladins gewesen, als es um den Auszug der Christen aus Jerusalem ging. Das Lösegeld, das die Abziehenden zu zahlen hatten, war niedrig - ja, „endlich rührte ihn das Elend der Auswandrer so sehr, daß er ... Geld unter sie vertheilte" (Schnaase 1840, S. 9). Die Darstellung zeigt den Sultan vor den Toren der Stadt, umgeben von seinen Soldaten, die den Fortzug der Bevölkerung auf Eseln und Kamelen bewachen sollen. Aus goldgefüllter Schale
SCHWANTHALER
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spendet Saladin freigebig einem Ritter und der Königin Sibylle mit ihren Kindern, die an ihn herangetreten sind. Sich bereits zum Rückzug abwendend ein Bischof, begleitet von Mönchen mit den kirchlichen Insignien.
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Abb. S. 347
Teil V: Die Einschiffung der Vertriebenen Teil VI: Abschied und Segnung des Kreuzheeres Feder in Schwarz auf Velin 33,9 x 57,1 cm Bezeichnet über dem oberen Bildstreifen V., über dem unteren VI. Verso (eigenhändig?) in Bleistift unten Mitte Ludwig Schwanthaler, unten rechts 222 Inv. G3011/c
Teil V: Die Szene, mit der die Relieffolge auf der ersten Wand endet, gibt die aus dem Heiligen Land vertriebenen Christen beim Erreichen der Küste wieder. Ein entkräftet niedergesunkener alter Mann wird von einer Frau mit Wasser gestärkt; fränkische Ritter mit ihren kreuzgeschmückten Waffen und eine junge, auf einem Esel reitende Mutter besteigen unter türkischer Bewachung die Schiffe, die sie ins Abendland zurückbringen sollen. Teil VI: Dem Aufbruch der abendländischen Kreuzritter zur Befreiung Jerusalems ist die zweite Saalwand gewidmet. Der Reliefstreifen setzt mit dem VI. Bild ein: Links sieht man einen Ritter beim Abschied von seiner Familie und eine Gruppe von Kriegern, die sich von einem Geistlichen den Segen erteilen läßt. Eine Fahnenweihe schließt sich an. Sie leitet über zu einer Szene während des Reichstages zu Mainz (1188): Der Kaiser, begleitet von seinem Sohn und weiteren Fürsten, kniet vor dem päpstlichen Legaten und dem Bischof von Würzburg nieder, um sich das Kreuz auf den Mantel heften zu lassen.
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Abb. S. 347
Teil VII: Auszug der Kreuzritter aus Regensburg Teil VIII: Einschiffung der Kreuzritter in Gallipoli Feder in Schwarz auf Velin 34,2 x 60,6 cm Bezeichnet über dem oberen Bildstreifen VII., über dem unteren VIII. Verso (eigenhändig?) in Bleistift unten Mitte Ludwig Schwanthaler, unten rechts 222 Inv. G 3011/d
Teil VII: Zum Sammelplatz der Kreuzfahrer war Regensburg bestimmt, wo im Frühjahr 1189 Tausende von Rittern, Pilgern und Knechten zusammenströmten, um gemeinsam die Donau entlang weiter nach Wien zu ziehen. Ihren Aufbruch aus Regensburg stellt die VII. Szene dar. Aus dem Stadttor drängt die Menge; ihr voran die geschlossenen Reihen des schwer bewaffneten Fußvolks und, hoch zu Roß und voll gerüstet, die Fürsten und Ritter mit Falken und Hunden. Teil VIII: In Fortführung des vorigen Bildes und als Abschluß der zweiten Wand wird der Kreuzfahrerzug in seinem weiteren Verlauf geschildert: Das Heer mit seinen Rittern und Geistlichen ist im Gefolge des Kaisers und eines Kardinals nach Gallipoli an die Dardanellen gelangt, wo es die Schiffe für den Transport nach Asien erwarten.
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Abb. S. 348
Teil I X : Landung des Kreuzheeres in Asien Teil X : Zug des Heeres über das Gebirge und Gefechte mit türkischen Truppen Feder in Schwarz auf Velin 34,5 x 54,2 cm Bezeichnet über dem oberen Bildstreifen IX., über dem unteren X. Verso (eigenhändig?) in Bleistift unten Mitte Ludwig Schwanthaler, unten rechts 222 Inv. G3011/e
Teil IX: Der Reliefstreifen auf der dritten Saalwand beschreibt den gefahrenreichen Weg der Kreuzritter in das Heilige Land. Er beginnt mit der Szene IX, die die Landung der Schiffe in Asien und den mühsamen Heerzug durch die felsige Berglandschaft schildert. Teil X: In Fortsetzung des vorigen Bildes ziehen die schwer gerüsteten Glaubenskrieger dem Troß voran über das Gebirge, wobei sie immer wieder Kämpfe mit schwärmenden türkischen Truppen auszufechten haben. In einem dieser Scharmützel soll Friedrich von Schwaben, der Sohn des Kaisers, von einem Stein getroffen und verletzt worden sein - und so zeigt die rechte Hälfte der X. Szene einen Sarazenen, der eben im Begriff ist, diesen Stein zu schleudern.
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Abb. S. 348
Teil XI: Friedrich Barbarossa im Kampf mit feindlichen Bogenschützen Teil XII: Einnahme von Philomelium Feder in Schwarz auf Velin 34,5 x 51 cm Bezeichnet über dem oberen Bildstreifen XI., über d e m unteren XII. Verso (eigenhändig?) in Bleistift unten Mitte Ludwig Schwanthaler, unten rechts 222 Inv. G 3011/f
Teil XI: Als eines der zahllosen Reitergefechte auf dem Heerzug durch Asien wird hier ein siegreicher Angriff Kaiser Friedrich Barbarossas und seiner Glaubenskämpfer auf einen Trupp sarazenischer Bogenschützen geschildert. Teil XII: Die Einnahme der Stadt Philomelium durch die Kreuzritter ist Thema der XII. Szene. Links vorn werden Sarazenen im Gefecht um einen Wasserbrunnen besiegt, dahinter - im Bildmittelgrund - fliehen versprengte Türken auf die befestigte Stadt Philomelium zu. Rechts setzt eine Phalanx berittener Christen und schildbewehrter Fußsoldaten über Niedergestürzte dem Feinde nach.
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Abb. S. 349
Entwurf zu Szene XIII: Sieg über Hothbeddin, 1839 Bleistift auf Velin, quadriert 18,2 x 63,4 cm Bezeichnet (eigenhändig?) verso in Bleistift unten Mitte Ludwig Schwantbaler Inv. G 3011/g
Anders als die Zeichnungen Kat.-Nr. 220 bis 225 handelt es sich bei diesem Blatt (und bei Kat.-Nr. 227) nicht um eine unmittelbare Vorlage für das Stichwerk Samuel Amslers. Es ist mit Bleistift angelegt und wirkt in der Strichführung freier, spontaner als die genannten Federzeichnungen. Seine Quadrierung spricht für eine Übertragung der Darstellung. In Fortsetzung von Teil XII schildert diese Szene als letztes Bild des dritten Reliefstreifens eine der entscheidenden Schlachten des Christenheeres. Bei Ikonium hatte Hothbeddin, der Sohn des Sultans Saladin, 1190 die Kreuzritter zum Kampf herausgefordert, die Schlacht jedoch nach blutigen Gefechten verloren. Von links stürmen die christlichen Reiter den fliehenden Sarazenen nach, die sich noch im Rückzug mit Pfeil und Bogen, mit Speeren und Säbeln zur Wehr setzen. Den Sohn des Sultans rettet nach Verwundung und Sturz vom Pferd im letzten Augenblick einer seiner Soldaten.
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Abb. S. 349
Entwurf zu Szene XIV: Schlacht von Ikonium, 1839 Bleistift auf Velin, quadriert 18,6 x 57,2 cm Bezeichnet (eigenhändig?) verso am rechten Rand 625 z Inv. G 3 0 1 1 / h
Vgl. die Bemerkungen zu Kat.-Nr. 226. Die Relieffolge der vierten Wand gliedert sich in die Teile XIV bis XVI, in denen der Kampf von Ikonium, der Aufbruch des Heeres, der Tod des Kaisers und der Leichenzug in Antiochien geschildert werden. Der vorliegende Entwurf gilt Bild XIV mit der Darstel-
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lung des Höhepunkts und entscheidenden Augenblicks in der Schlacht von Ikonium (dem heutigen Konya in Anatolien). Schon schien die Niederlage der Christen besiegelt, als sich „die gewaltige Stimme des Kaisers (erhob):,Christus herrscht, Christus siegt, mir nach, die Märtyrerkrone zu erringen'. (...) Ihm nach die Ritter in neu erwachter Begeisterung, die Feinde weichen dem nicht mehr erwarteten Andränge, ihre Reihen lösen sich" (Schnaase 1840, S. 22). Das Zentrum der Darstellung beherrscht Friedrich Barbarossa mit Kreuzesfahne und Schwert in den Händen, anfeuernd an der Spitze seines Heeres, das den niederbrechenden oder in heilloser Flucht davonstürmenden Sarazenen nachsetzt.
JOSEPH THÜRMER 3. November 1789 München t 13. November 1833 München
Joseph Thürmer wurde seit 1809 in den Fächern Figurenzeichnung und Baukunst an der Akademie seiner Vaterstadt bei Carl von Fischer ausgebildet. Studienreisen führten ihn zwischen 1815 und 1817 nach Tirol und Oberitalien, durch Bayern und an den Rhein; als künstlerisches Ergebnis konnte er 1817 eine Lithographien-Mappe mit Ansichten berühmter Bauwerke in Bayern, Württemberg und dem Rheinland veröffentlichen. Ein Stipendium ermöglichte ihm noch im gleichen Jahr den Aufbruch nach Italien. Mit Ausnahme einer einjährigen Griechenland-Reise (1818/19) lebte Thürmer zehn Jahre in Rom, wo er sich den Landschaftsmalern Johann Heinrich SCHILBACH und Ernst FRIES anschloß. In dieser Zeit radierte er zahlreiche römische und griechische Veduten und legte eine Studienmappe von architektonischen und bauplastischen Detailzeichnungen an, die 1832 in Radierungen veröffentlicht wurden. 1827 erhielt Thürmer einen Ruf als Professor der Baukunst an die Dresdener Akademie; wenige Jahre später ernannte man ihn zum Leiter der dortigen Bauschule. Als überaus geschätzter Architekt starb er 1833 während einer Reise nach München.
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THÜRMER
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Abb. S. 350
Tempel des Saturn auf dem Forum Romanum, 1817/1827 Bleistift auf Velin 26,7 x 32,6 cm Bezeichnet (eigenhändig?) verso 3293/GZ, rechts davon Nr. 6, in der Mitte aufgeklebter Zettel mit der (nicht zeitgenössischen) Beschriftung Joseph Thürmer arck/1817 Rom/1790-1833 München J. Thürmer Inv. G 3067 Erworben von der Kunsthandlung C. G. Boerner, Leipzig, am 25.5. 1938 Lit.: Boerner, Versteigerungskatalog 199, 1938, Nr. 420
Das Interesse Joseph Thürmers an der griechischen und römischen Kunstgeschichte läßt sich in seinem Werk vielfach belegen. Während seines Aufenthaltes im Süden nahm der Architekt nicht nur die Baudenkmäler Athens auf, sondern zeichnete auch die von Christian August Kestner und Otto von Stackelberg entdeckten etruskischen Wandgemälde von Tarquinii und die baugeschichtlich bedeutsamen Architekturen der Ewigen Stadt. Besonders hervorzuheben sind seine Ansichten vom Forum Romanum, dem religiösen, politischen und wirtschaftlichen Zentrum des antiken Rom. So aquarellierte er den Tempel des Antoninus Pius und der Faustina auf dem Forum Romanum (Hamburg, Kunsthalle, Inv.-Nr. 23852) und schuf gemeinsam mit Ernst FRIES 1824 die großformatige Radierung Nord-Westliche Uebersicht von Rom, genommen von dem Thurme des Capitols (ein Abzug in Heidelberg, Kurpfälzisches Museum, Inv.-Nr. S 7567, Abb. bei Fichter 1994, Kat.-Nr. 104; ein von Fries gezeichneter Entwurf dazu in Berlin, Staatliche Museen zu Berlin - Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Inv.Nr. SZ 72: Berlin 1985, Nr. 57 mit Abb.). Ob im Zusammenhang mit diesen Arbeiten auch die vorliegende, nicht datierte Studie entstanden ist? Thürmer zeigt auf dem zarten, mit spitzem Bleistift ausgeführten Blatt die Ruinen des Saturn-Tempels auf dem Forum Romanum - ein beliebtes Motiv, das Maler wiederholt zum Gegenstand ihrer Bilder gemacht haben: etwa Georg von Dillis (1818/19), Friedrich O L I V I E R (1822), Johann Heinrich SCHILBACH (1826) und Jakob Alt (1835/36). Es handelt sich um das Hauptheiligtum des republikanischen Rom, das der Uberlieferung nach im Jahr 498 vor Christus geweiht wurde und als Hort des Staatsschatzes diente. Von ihm blieben lediglich die acht Granitsäulen der Vorhalle erhalten. Sie tragen ionische Kapitelle und stam-
men von einem Neubau des Tempels aus dem 4. nachchristlichen Jahrhundert. Der Betrachter sieht sich auf einen Standort innerhalb des Tempelbezirks versetzt. Er blickte durch die Säulen der Vorhalle nach Nordosten auf die Seitenfassade und die (inzwischen nicht mehr vorhandene) Giebelbekrönung von San Giuseppe dei Falegnami. Rechts erkennt er das 608 n. Chr. errichtete Denkmal für den byzantinischen Kaiser Phokas, eine 13 m hohe, einzeln stehende Säule aus dem 2. nachchristlichen Jahrhundert. Wichtig sind für den Zeichner die bauplastischen Einzelformen des Tempels wie die Kapitelle und die reliefierte Gebälkzone gewesen, die er daher detailliert ausführte. Wenig Aufmerksamkeit schenkte er hingegen der linken und vorderen Bildzone, wo er mit flüchtigen Strichen die Nordwestecke des Bauwerks nur eben andeutete. Die Basen der Säulen konnte er nicht zeigen: waren sie doch damals noch „tief in den Bodensatz der Zeit getaucht" (Jean Paul im Titan, 1800), d. h. noch nicht ausgegraben.
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UNBEKANNTE KÜNSTLER
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Abb. S. 351
Im Park der Villa Ludovisi, 1793 Feder in Braun, grau laviert auf Bütten 22,8 x 16,85 cm Bezeichnet unten links in Feder nella villa Ludovisi a Roma
nicht gesehn zu haben, hieße einen der herrlichsten Plätze in Rom nicht kennen, wo Kunst und Natur in Bund getreten sind", schrieb vor ihrem Untergang Hermann Friedländer 1820 (II, S.102, 104). „Unbeschreiblich schön sind die stillen Gänge zwischen den Lorbeeren, Zypressen und Pinien, die ... dem Frieden und der stillen Schwermuth geweiht sind." Einen Eindruck von diesem Garten gewinnt der Betrachter durch die vorliegende, künstlerisch nicht eben bedeutende Zeichnung. Er steht am Fuße einer flachen Treppe, die auf einen kleinen Platz emporführt, und schaut hoch auf ein kandelaberartiges, von einem Pinienzapfen bekröntes Denkmal inmitten dieses Runds. An einer beschatteten Zypressenallee entlang gleitet sein Blick weiter in die Tiefe des Parks; einen anderen, nach links abzweigenden Weg kann er nicht mehr mit den Augen verfolgen. Alte Pläne der Anlage machen deutlich, daß es sich bei der dargestellten Szenerie wohl nur um den Piazzale della Giostra am nördlichen Parkrand handeln kann, der über ein Tor (dem vermutlichen Standort unseres Zeichners) an der alten Via della Mura da Porta del Popolo a Porta Salara erreichbar gewesen ist. Ihn hatte man als einzigen Platz des Parks mit einem Denkmal geschmückt (vgl. Schiavo 1981, Fig. 23). Wie dieses Monument im 18. Jahrhundert ausgesehen hat, führt uns die Mannheimer Zeichnung anschaulich vor Augen; sie erweist sich damit als ein wichtiges Dokument für die Geschichte dieses Ortes. Im 19. Jahrhundert muß der Platzschmuck entfernt und durch ein anderes Denkmal ersetzt worden sein, denn eine um 1870 aufgenommene Photographie zeigt auf dem Piazzale statt des kandelaberartigen Monuments eine hohe korinthische Säule mit vasenartigem Aufbau (Palma 1983, Fig. 77).
1793
Inv. G 392 [A.I. 536] Erworben vom Kunstantiquariat Franz Meyer, Dresden, am 6. 12. 1915 Lit.: Für freundliche Hinweise zur Geschichte des Parks und zur Lokalisierung des Motivs sei Georg Satzinger, Rom, gedankt
Der Park der berühmten Villa Ludovisi in Rom bildet das Motiv der 1793 datierten, aber nicht signierten Federzeichnung. Die geometrisch angelegte, von Alleen und Wegen durchzogene Barockanlage existiert nicht mehr; sie fiel, wie der Palazzo selbst, dem neuen Stadtviertel Ludovisi zum Opfer, das um 1880 auf ihrem Gelände errichtet wurde. „Die Villa Ludovisi
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Abb. S. 352
Brutus verurteilt seine Söhne zum Tode, um 1800/1810 Aquarell, Feder über Bleistift auf Velin (in der Mitte angestückt; unten links beschnitten); WZ / . Whatman/Turkey Mills 38,2 x 93,9 cm (in der Mitte gem.) Bezeichnet unten rechts Peter von Cornelius inv. Inv.-Nr. G 776 Erworben als Geschenk von Landgerichtsrat Dr. Leser, Mannheim, am 29. 5. 1917 Lit.: Mannheim 1916/17, S. 29, Nr. 189
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Die großformatige Federzeichnung schildert als Versinnbildlichung und Verherrlichung tugendhafter Staatsführung eine Szene aus der Frühgeschichte Roms. Von ihr berichtet neben Plutarch auch Titus Livius (Ab urbe condita II, 3-5): Gegen Lucius Junius Brutus - den Befreier Roms von der Königsherrschaft und ersten Mitkonsul der Republik - hatte sich eine Verschwörung zur Wiederherstellung des Königtums gebildet. An ihr waren auch die beiden Söhne des Konsuls, Titus und Tiberius, beteiligt. Gegen alle familiären Rücksichten und gegen seine Vaterliebe entschloß sich Brutus nach Aufdeckung des Verrats in unerbittlicher patriotisch-republikanischer Pflichterfüllung, ebenso wie die übrigen Aufständischen auch seine beiden Kinder mit dem Tode zu bestrafen. Die Vollstreckung des Urteils bildet das Thema unserer vielfigurigen, friesartig komponierten Zeichnung. „Die Konsuln schritten zu ihrem Sitz, und die Liktoren wurden geschickt, die Hinrichtung zu vollziehen. Sie schlugen die Entblößten mit den Ruten und enthaupteten sie dann mit dem Beil, wobei die ganze Zeit über der Vater, seine Miene und sein Gesicht die Blikke auf sich zog; denn bei dem Akt des staatlichen Strafvollzugs wurden die Gefühle des Vaters sichtbar" (Livius II, 5:8). Das dramatische Ereignis findet auf dem Forum statt. Auf erhöhtem Podest, vor den Reihen der Senatoren, thronen Brutus und der Mitkonsul Tarquinius Collatinus, dessen Familie ebenfalls in den Putsch verwikkelt war. Fassungslos und ungläubig birgt Collatinus das Gesicht in die Falten seiner Toga, während Brutus, die Rechte entschlossen zur Faust ballend, starr auf das Geschehen zu seinen Füßen blickt. Dort haben sich Römer um die Hinrichtungsstätte versammelt. Einige von ihnen wenden sich entsetzt bei der Enthauptung des einen der beiden Jünglinge ab, dessen Leichnam eben fortgetragen wird; andere flehen um Gnade für den noch lebenden zweiten Sohn, der tief gebeugt und bereuend vor seinem Vater steht. Das seit der Renaissance gestaltete Thema - Sinnbild für die republikanische, auf unerschütterlicher Bürgertugend beruhende Verfassung - ist im späten 18. Jahrhundert u. a. von Johann Heinrich Wilhelm Tischbein (zwischen 1783 und 1799), Guillaume Lethière (1788), Angelika Kauffmann (1788), JacquesLouis David (1789) und Heinrich Friedrich Füger (1783 und 1799) aufgegriffen worden (vgl. Hermann Mildenberger in: Stuttgart/Weimar 1994, S. 280-289 mit Abb. der genannten Gemälde). Die auf der Mannheimer Zeichnung zu lesende Signatur ist als eine Fälschung anzusehen (schriftliche Mit-
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teilung von Frank Büttner, 17. 10. 1992). Die Schriftzüge lassen sich nicht der Hand Peter von CORNELIUS' zuweisen - wie denn auch der befangene, zum Teil recht naiv wirkende Zeichenstil mit dem Werk des klassizistischen Künstlers in keinen Zusammenhang zu bringen ist.
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Abb. S. 353
Zwei griechische Mädchen (Niobiden) Schwarze Kreide auf Velin 31,4 x 24,9 cm Inv. G 2097 [A.I. 6.10136] Aus dem Vermächtnis James Emden, Mannheim, vom 7. 11. 1883
Zwei Mädchen in antikischer Kleidung und Haartracht sind in strengem Profil, dicht nebeneinander und als Halbfiguren, wiedergegeben. Während das linke Kind sterbend den Kopf nach hinten sinken läßt und im Fallen von einem Arm gehalten wird, hebt die neben ihr Zurückweichende entsetzt beide Arme hoch. Die sorgfältig durchgearbeitete, zeichnerische Mängel aufweisende Studie zeigt den Ausschnitt aus einer größeren Komposition: Darauf verweist die Hand, die den Oberkörper des zurückfallenden Mädchens umfaßt. Zweifellos handelt es sich dabei um die Hauptszene aus der griechischen Sage von Niobe, der Gemahlin des thebanischen Königs Amphion (Homer, Mas XXIV, 602-617; Ovid, Metamorphosen VI, 146-312). Gemeint ist die Tötung der 14 Kinder Niobes durch Apoll und Artemis: Auf vorliegendem Blatt sind zwei der Töchter zu sehen, die von den RachePfeilen der beiden Götter getroffen werden (vgl. zum Thema, das vor allem im Klassizismus beliebt gewesen ist: Schulte-Arndt 1995, Nr. 272).
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Abb. S. 354
Aquarellist vor dem Ponte Salario, um 1820/1830 Bleistift auf Bütten (Schöpfkante links, unregelmäßig beschnitten); WZ rechts angeschnitten 1 8 , 7 x 2 2 cm Verso in Bleistift Landschaft mit dem Ponte Salario Inv. G 6097 [A.I. O.Z.2.7.I.] Kuntzsche Stiftung vom 4. 11. 1873; 1988 nachinventarisiert Lit.: Barcelona 1988, S. 36 mit Abb. S. 37; Moskau 1992, S. 90, Nr. 55 mit Abb.
Das Arbeiten in freier Natur - also nicht mehr wie zuvor im abgeschlossenen Atelier - bedeutete für die Landschaftsmalerum 1800 eine bereits allgemein übliche Praxis. Die Natur selbst galt nun, neben dem Studium der Landschaftsmalerei des 17. Jahrhunderts, als nachahmenswertestes Vorbild für die Künstler. Sie zogen mit Papier, Zeichenfeder oder -stiften (Bleistift, Kreiden, Kohle), mit Pinsel, Tusche und Aquarellfarben hinaus, um Landschaften der Heimat und der Fremde skizzierend aufzunehmen. Es entstanden spontane, ausschnitthafte Studien von privatem Charakter, bei denen es um die Naturerkenntnis selbst, weniger um die Schaffung von abgeschlossenen, für die Öffentlichkeit bestimmten Werken ging. Daß die Gegenden Italiens von ganz besonderem Reiz für die wandernden Zeichner gewesen sind, beweist die unübersehbare Fülle von graphischen Ansichten dieses Landes. Auch das vorliegende, nicht signierte Blatt gehört zu diesen Werken. Es zeigt einen Aquarellisten in der weiten Campagna-Landschaft. Auf einem winzigen dreibeinigen Schemel hockend, den aufgeklappten Farbkasten auf den Knien balancierend, Pinsel, Malstock und Palette in der Linken haltend, erscheint der Künstler ganz auf seine Arbeit konzentriert. Er hat sich in der Odnis am nördlichen Rand von Rom niedergelassen und wendet sein Interesse dem Panorama der vor ihm liegenden Stadt zu nicht hingegen dem sonst bei den Malern so beliebten Ponte Salario, den man rechts im Hintergrund angedeutet erkennt (vgl. dazu Kat.-Nr. 34). Als Bildmotiv ist der in freier Natur schaffende Zeichner bei den Romantikern überaus beliebt gewesen: Immer wieder porträtierten die Künstler sich selbst oder ihre Malerfreunde bei der Arbeit. Selbstbildnisse beim Skizzieren und Malen vor dem Landschaftsmotiv kennen wir z.B. von Ernst FRIES (1823: Berlin 1994/95, Nr. 6 mit Abb.) und Wilhelm von Kügelgen
(1842: Abb. bei Bernhard 1973, S. 812). Den Freund Friedrich OLIVIER stellte Julius S C H N O R R VON C A R O L S FELD dar (Lübeck 1957, Kat.-Nr. 176, Abb. XIII), Ernst Fries zeichnete 1826 Camille Corot (Abb. bei Bernhard 1973, S. 409: vgl. unsere Kat.-Nr. 57), und Johann Adam K L E I N gab 1810 seinen Freund Wilder, 1818 dann seine Gefährten Ernst W E L K E R und Johann Christoph E R H A R D wieder (Abb. bei Bernhard 1973, S . 691, 706, 707). Welchen Künstler die vorliegende, sehr sicher aufgefaßte und präzise artikulierte Porträtstudie darstellt, muß offen bleiben, und auch der Autor unseres Blattes läßt sich bisher nicht benennen. Eine stilistische Nähe zu vergleichbaren Studien von August L U C A S ist allerdings nicht zu verkennen (vgl. etwa das Bildnis Heinrich Feising, das Lucas 1826 zeichnete: Darmstadt, Hessisches Landesmuseum, Inv.-Nr. H Z 922, Abb. bei Bernhard 1973, S. 835). Auf der Rückseite des Blattes hielt der Zeichner mit wenigen flüchtigen Strichen eine weitere Ansicht des antiken Ponte Salario fest. Als Standort wählte er annähernd den gleichen Platz wie schon 1819/21 Johann Christoph Erhard (Kat.-Nr. 34).
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Abb. S. 351
Eselreiter bei Tivoli, 1831 Bleistift, grau laviert, auf Velin, Schöpfkante links, oben und rechts (unten gerissen) 24,4 x 36,6 cm Bezeichnet unten links in Bleistift Apresso di Tivoli/831; Farbangaben auf dem Gemäuer und den Felsen grünlich, röthlich, gelbroth, grün, rotb Verso in Bleistift Biono (?; von anderer Hand) Inv. G 3274 Am 29. 11. 1941 aus der ehemaligen Sammlung Sofie und Emanuel Fohn als „Entschädigung" für 1937 beschlagnahmte Kunstwerke von der Reichskulturkammer Berlin erhalten Lit.: Schulz-Hoffmann 1990, S. 99f., Nr. 25 mit Abb. S. 95
Ein rundbogig ausgebrochener Türdurchlaß dient als wirkungsvoller Rahmen für die Darstellung eines Eselreiters auf seinem Streifzug durch die Ruinen einer antiken Anlage. Sie liegt, wie die Aufschrift auf der Zeichnung besagt, in der Nähe von Tivoli. Gemeint sind wohl die Uberreste der berühmten, vor den Toren der Stadt gelegenen Villa Adriana, die den Ausflügler zu seinem Besuch gereizt haben. Deren Theater und Tempel, Paläste und Thermen, Rotunden und
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Sportstätten „bilden jetzt", so Hermann Friedländer 1820, „ein unbeschreibliches Ganzes, worin eine wilde, üppige Vegetation herrscht, und herrliche Gruppen von Pinien und Zypressen, Gesträuch und Epheu auf das bezauberndste mit den Ruinen gepaart und verwachsen, malerische Ansichten in Menge gewähren" (Friedländer 1920, II, S. 286f.). Teil dieses großartigen, um 125 n. Chr. von Kaiser Hadrian als repräsentative Sommerresidenz erbauten Komplexes ist die sog. Kleine Therme. Sie besteht aus einer verwirrenden Abfolge ovaler, runder und rechteckiger Säle; ihre ornamentierten, im opus reticulatum gemauerten Wände ragen noch in beträchtlicher Höhe auf. Um eben diese Hallen scheint es sich hier zu handeln. Mehrere Räume hat der Reiter schon besichtigt; sie liegen teils verschattet, teils durch das von oben einfallende Sonnenlicht hell beleuchtet, bereits hinter ihm. Da läßt ihn eine neue Entdeckung innehalten und mit ausgestreckter Rechter überrascht auf seinen Fund aufmerksam machen. Wie die Farbnotizen auf dem Gemäuer und den Felswänden schließen lassen, diente die in differenzierten Grautönen lavierte Zeichnung dem bisher unbekannten Künstler als Vorstudie für ein Gemälde. Sie gehörte ursprünglich zur römischen Sammlung Sofie und Emanuel Föhns. Das Künstlerpaar hatte sie 1939 hergegeben, um dafür zahlreiche, von den Nationalsozialisten 1937 als „entartet" beschlagnahmte, zum Verkauf freigegebene Kunstwerke eintauschen zu können. 1941 wurde das Blatt von der Reichskulturkammer als „Entschädigung" für konfiszierte Gemälde und Graphiken der Mannheimer Kunsthalle übergeben (vgl. Kat.-Nr. 88,203). Eine in der Komposition und in den Architekturmotiven unmittelbar verwandte Darstellung hat Johann Erdmann Hummel um 1796 geschaffen (Kunstmuseum Düsseldorf: Düsseldorf 1965/66, Nr. 76 mit Abb. 2; eine Wiederholung ohne Staffage in den Staatlichen Kunstsammlungen Kassel: Darmstadt 1977, Nr. 65 mit Abb.).
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Abb. S. 355
MONOGRAMMIST A . F. M .
Drei Schneider, 1838 Feder in Schwarz auf Velin; WZ ]. WHATMAN/1833 21,5 x 18,5 cm Bezeichnet unten Mitte in Feder Es sind einmal drei Schneider gewesen / die waren so eben vom Fieber genesen pp / Altes Volkslied., unten links in der Ornamentranke L. J. 38., unten rechts A.F.M., unten Mitte (von anderer Hand) in Bleistift 674 Verso oben rechts 1621/P, unten rechts Erw Bangel/Sayn Wittgenstein!Juni 20 Inv. G 1444 [A.I. 1508] Erworben vom Auktionshaus Rudolf Bangel, Frankfurt a.M., auf der Auktion Sayn-Wittgenstein, 15./17. 6. 1920 Lit.: Bangel, Auktionskatalog 1002, 1920, Nr. 674.
Wie die Beischrift besagt, handelt es sich bei dem vorliegenden Blatt um die Illustration eines deutschen Volksliedes. Gemeint ist zweifellos die Romanze von den Schneidern (auch Schneider-Courage bzw. Drei Schneider und ein Schleck betitelt), die - mit leichten textlichen Varianten - in Hessen und Schwaben gesungen wurde und die Achim von Arnim und Clemens Brentano in ihre berühmte Liedersammlung Des Knaben Wunderhorn aufgenommen hatten. Ironisch schildern die Strophen den Irrtum dreier Schneider, die eine Schnecke für einen Bären halten, mit ihren Waffen Nadel, Pfriem, Elle und Schere dem Tier machtlos gegenüberstehen und sich schließlich dem angsterregenden Ungeheuer ergeben (Erk 1963, S. 448, Nr. 1633; eine veränderte Fassung abgedruckt bei Pinck 1928, II, Nr. 53). Unter dem dichten Blätterdach einer krautigen, schutzbietenden Pflanze ducken sich verschreckt die drei Schneiderlein, die von einem Ziegenbock, einem Hirschkäfer und einer Schnecke bedrängt werden. Der Mutigste von ihnen, der im Zurückweichen seine Schere verliert, greift mit vorgerecktem Stock das harmloseste dieser Tiere an: Heraus mit dir, du Teufels-Viech,/ wenn du willst haben einen Stich!/ Der Schneck der steckt die Hörner 'raus./ Die Schneider zittern, es ist ein Graus (8. und 9. Strophe der Romanze). Nichts ahnend von dem Drama spaziert im Hintergrund ein Paar unter einem Schirm davon. Unbekannt blieb bisher, in welcher Liedersammlung die Illustration veröffentlicht wurde bzw. werden sollte. Auch zum Zeichner A. F. M. konnten keine näheren Daten ermittelt werden. Das Monogramm L. I. könnte sich auf L.Joch beziehen, einen Leipziger
Formschneider, der zur Illustration von belletristischen Werken, darunter den 1844 in Leipzig erschienenen Volksmärchen von Musäus, beigetragen hat (Nagler et al. 1860-63, IV, S. 373, Nr. 1144).
schmücktem Strohhut, pludrigen Kniehosen und Gamaschen gekleidet, das Hifthorn an der Seite, steht vor seiner Angebeteten. Er umfaßt ihre Rechte, drückt sie an die Brust und schaut ihr tief in die Augen.
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Abb. S. 354
Abb. S. 356
Hans und Verene, 1839
Stadttor, um 1840
Bleistift auf Velin 17,5 x 12,8 cm Bezeichnet unten links Hans u Verone II, unten rechts Sorau den 24 Nov./1839 Inv. G 1549 [A.I. 1614] Erworben von der Kunsthandlung Max Ziegert, Frankfurt a.M., am 3. 6. 1921
Feder über Bleistift, laviert, auf Bütten 10,8 x 16,5 cm Bezeichnet (von fremder Hand) verso links unten N. TV., TA, unten Mitte Job. Christ. Erhard Inv. G 1992 Erworben von der Kunsthandlung Schöningh, Osnabrück, am 29. 7. 1924
Ungelenk und befangen in der Linienführung wirkt dieses kleine Genrebild eines unbekannten Künstlers, das ein junges Paar in liebevoller Zuneigung zueinander zeigt. Die Beischrift gibt Aufschluß über die gemeinte Szene: Es handelt sich um eine Illustration aus Johann Peter Hebels Gedicht Hans und Verene, das die Künstler wiederholt zu Darstellungen gereizt hat. So illustrierten Maler wie Carl Roux (1861, Kurpfälzisches Museum Heidelberg, Inv.-Nr. L 325), Sophie Reinhard (vor 1844, mit einer Zeichnung in Karlsruhe, Kunsthalle, Inv.-Nr. VIII 2211: Theilmann/Ammann 1978, Nr. 2901 mit Abb., sowie mit einer Radierung in der Folge Zehn Radierungen zu Hebels alemannischen Gedichten-. Kunsthalle Mannheim, Inv.-Nr. G 1214) und Johann Baptist Tuttiné (1877, Aquarell in Karlsruhe, Kunsthalle, Inv.-Nr. P.K.I 6757-11: Theilmann/Ammann, Nr. 4208 mit Abb.) den vierten Vers dieses Gedichts und schilderten die erste, enttäuschende Begegnung von Hans und Verene am Brunnen. Der Zeichner Max WOLF hingegen wählte für seine bisher nicht identifizierte - Darstellung (um 1850, Kunsthalle Mannheim, Inv.-Nr. G 3028: Laux 1988, Kat.-Nr. 199 mit Abb.) die zweite, in die Erzählung einführende Strophe. Sie berichtet von der Liebe des jungen Burschen zu Verene: „Wahr ist es, sie gefällt mir,/ Wahr ist's, ich hätt' sie gern!/ Das Mädel ist wie Milch und Blut, Hat immer solchen frohen Muth,/ solch frohen Muth/ Hat Augen wie zwei Stern'" (zit. n. der hochdeutschen Übertragung von Robert Reinick, die 1851 in Leipzig erschien). Diese Strophe liegt auch unserer Zeichnung zugrunde. Hans, in romantischer Jägertracht mit bänderge-
Die lavierte Federzeichnung eines unbekannten Künstlers schildert ausschnitthaft das alltägliche Leben am Rande einer befestigten Stadt. Den Zugang zu ihr ermöglicht ein mächtiges, rundbogiges Tor; es führt durch einen hohen, grasbewachsenen und mit Bäumen bestandenen Wall. Ein Fuhrwerk passiert es eben, um in die kopfsteingepflasterten Straßen einzuziehen. Zwei Frauen und ihre Kinder, eine Dienstmagd mit ihren Einkäufen, ein junger Lastenträger und ein vornehmer Herr bilden die Figurenstaffage dieser steifen und unbeholfenen Zeichnung, die - so zeigen es die Kostüme der Dargestellten - um 1840 entstanden sein wird. Die auf der Blattrückseite zu lesende Nennung des vermeintlichen Autors Joh. Christ. Erhard trifft nicht zu; mit dem graphischen Werk dieses Künstlers ist die spröde, wie eine Anfängerarbeit wirkende Zeichnung keinesfalls in Verbindung zu bringen.
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Abb. S. 357
Dudelsackpfeifer Aquarell auf dünnem Velin (oben angestückt, unregelmäßig beschnitten) Pinsel, braune Tusche und Aquarell 22 x 22,4 cm (in der Mitte gemessen) Bezeichnet unten rechts in Bleistift 10 Inv. G 1536 [A.I. 1601] Schenkung von Richard Waldschütz am 18. 4. 1921
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O f f e n b a r in Italien spielt die naiv aufgefaßte, ländliche Liebesidylle. D i e bunt aquarellierte, in ein A c h t e c k komponierte Szene führt einen Hirten in bäuerlicher Tracht des frühen 19. Jahrhunderts vor Augen, der sich vor einer hohen Bretterwand auf einem abgesägten F a ß niedergelassen hat und den Dudelsack bläst. E r spielt sein Lied für eine junge Frau zu seinen F ü ßen, die bewundernd zu ihm aufblickt. D e r H u n d des Mannes liegt dösend am Boden; seine Schafe und Ziegen weiden auf einer Wiese, an deren fernem Rand ein kleines Bauerngehöft zwischen einer Rundkirche und einem Zypressenhain zu sehen ist.
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Der Nachruhm wächst aus dem Blute der gefallenen Helden Aquarell über Bleistift, Feder, mit Deckweiß gehöht, auf Bütten; WZ (beschnitten) rey Koenig Die Figur der Viktoria auf einem als Korrektur aufgeklebten Blatt 31,2 x 19,9 cm Verso in Bleistift unten links 19. ZOH., unten rechts M. v. Schwind Inv. G 1553 [A.I. 1618] Erworben von der Kunsthandlung Max Ziegert, Frankfurt a.M., am 3. 6. 1921
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MONOGRAMMIST O . R .
Stadtansicht, 1844 Bleistift, Aquarell, mit Deckweiß gehöht, auf Velin 7,9 x 13,9 cm Bezeichnet unten Mitte in Bleistift O. R. 1844 Verso unten links in Bleistift 48 Inv. G 399 [A.I. 543] Erworben vom Kunstantiquariat Franz Meyer, Dresden, am 6. 12. 1915
Von leicht erhöhtem Standort und in der N ä h e von zwei vor den Stadtmauern errichteten Sommerhäusern überblickt der Betrachter eine weite, im warmen Sonnenlicht liegende Landschaft. Sie wird gegliedert durch eine dünenartige, sich wie ein Riegel vor den H o r i z o n t schiebende Erhebung, auf der Ruinenreste und die schlanke Silhouette eines Kirchturms angedeutet sind. Goldgelb erstrecken sich die Felder bis hin zu dieser in Violettönen gehaltenen Anhöhe; dahinter scheint hell die Wasserfläche einer B u c h t auf, und weiße Rauchfahnen steigen von mehreren Stellen auf.
Bei dem vorliegenden, in braunen und violetten Farben gehaltenen Blatt handelt es sich um eine allegorische Darstellung des Kriegerruhmes. Sie gibt zwei gefallene Soldaten in mittelalterlicher Rüstung wieder. I m Kampfe besiegt, liegen die Krieger an einem E r d haufen vor einem steinernen, kranzgeschmückten G e denkstein. E i n zerbrochenes Schwert und ein verlorener H e l m versinnbildlichen ebenso die Schlacht und den Tod wie die unheilvoll dunklen Wolken am linken Bildrand. Aus Brustwunden der Niedergestreckten schießt das Blut in scharfem Strahl auf den B o d e n . Es treibt einen bunten, akanthusartigen Blütenkelch aus der Erde, dem eine geflügelte Viktoria mit ihren traditionellen Attributen - dem K r a n z des Siegers und dem Palmwedel des Friedens - entsteigt. N i c h t umsonst waren K a m p f und Tod, so die propagandistische B o t schaft des Blattes, sie dienten vielmehr einem höheren, patriotischen Ziel. Mit dem zeichnerischen Werk von M o r i t z von SCHWIND, auf den als A u t o r die N o t i z auf der R ü c k seite hinweist, kann die Zeichnung nicht in Verbindung gebracht werden. Welcher Künstler sie geschaffen hat, muß dahingestellt bleiben.
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Bäuerin mit Kind Schwarze Kreide, laviert, auf grauem Velin 14 x 15,1 cm Inv. G 2094 [A.I. 6.10133] Aus dem Vermächtnis James Emden, Mannheim, vom 7. 11. 1883
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Eine holländische Bäuerin, die zu ihrer einfachen Tracht mit dem Brusttuch und der dunklen Schürze eine für ihre Heimat charakteristische H a u b e trägt, sitzt neben einem hohen F l e c h t k o r b . Sie unterhält sich mit einem kleinen, vor ihr stehenden Jungen in H o l z pantinen, der dem Betrachter den R ü c k e n zuwendet.
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A b b . S. 359
Sitzender Bauer Bleistift auf Bütten 18,9 x 15 cm Inv. G 2095 [A.I. O.Z. 6.10134] D i e schlichte, manche zeichnerischen Schwächen offenbarende Bleistiftstudie gibt einen M a n n in der einfachen bäuerlichen Kleidung der ersten Jahrhunderthälfte wieder. E r hat sich zur Rast niedergelassen und seinen rechten F u ß von Schuh und Strumpf befreit.
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A b b . S. 355
MONOGRAMMIST A . F.
Czokazinen, 1863 Aquarell und Bleistift auf Karton mit geprägtem Zierrahmen 30,2 x 25,7 cm (Darstellung 16,5 x 12,7 cm, in der Mitte gem.) Bezeichnet unten links mit Pinsel AF (ligiert) 1863 Verso unten Mitte in roter Tinte Czokazinen aus Izsefa, Baranya Comitat., oben rechts in Bleistift 63 ea/do Inv. G 2093 [A.I. 6.10132] Aus dem Vermächtnis James Emden, Mannheim, vom 7. 11. 1883 E i n e Szene aus dem Alltagsleben des südungarischen Volksstammes der Szokazinen führt das Aquarell vor Augen, das auf hellem, mit geprägtem Zierrahmen versehenen K a r t o n gemalt ist. A m Tor des D o r f e s Izsef in der Region Baranya (so die rückseitige A u f schrift) begegnen sich zwei Frauen, barfuß und in malerischer Tracht, und scheinen einige Worte miteinander zu wechseln. E i n kleines Kind, das sich zärtlich einem großen, neben ihm wartenden H u n d zuwendet, steht am Rande.
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Ährenleserin aus Ungarn Bleistift, Aquarell, mit D e c k w e i ß gehöht, auf hellbraunem Tonpapier 26,6 x 20,7 cm Inv. G 487 [A.I. 625] Geschenk vom Direktor der Großherzoglichen Gemäldegalerie Mannheim, Hermann Eichfeld, am 31. 3. 1916
D e r unbekannte Maler porträtierte ein ungarisches Landmädchen bei der Feldarbeit. D i e junge Frau - in rotem, geflicktem R o c k und weißer Bluse, mit brauner Schürze und rotgestreiftem K o p f t u c h - steht vor einer weiten, flachen Landschaft, an deren H o r i z o n t die Silhouette eines Kirchdorfes sichtbar ist. Reife Kornfelder begrenzen den Sandweg, der in die E b e n e führt; an seinem Rand erhebt sich links ein umrankter Bildstock, an dessen Stamm mehrere kreuzgeschmückte Totentafeln (eine mit dem Zahlen 1/8 versehen) lehnen. Nachdenklich hat das Mädchen, das einen F l e c h t k o r b trägt und seine Schürze mit den gesammelten Kornähren rafft, bei dem Andachtsbild haltgemacht.
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Topfflechter Gouache auf festem Bütten (allseitig unregelmäßig beschnitten) 19,4 x 27,1 cm Über das Blatt verteilt kaum noch lesbare Aufschriften (schwarze Kreide): oben links Grund, unten links Topfflechter und unten Mitte schwarz Schatten (?), am rechten Blattrand Schwarz Inv. G 6353 [A.I. O.Z 2.4.]
Einen am B o d e n sitzenden K n a b e n hat sich der unbekannt gebliebene Künstler zum Gegenstand seiner malerisch sorgfältig durchgearbeiteten, im H i n b l i c k auf die Körperproportionen aber durchaus Unsicherheiten verratenden - Figurenstudie gewählt. D e r J u n ge ist einfach gekleidet, trägt einen breitkrempigen, mit schmalem Band geschmückten Schlapphut und hochgeschnürte Sandalen. Eine große Beuteltasche hängt quer über seiner Brust. Zwischen seinen ausgestreckten Beinen hält er fest eingeklemmt einen irdenen, grünglasierten Topf, an dem er zu arbeiten
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scheint. Worin seine Tätigkeit besteht, macht die Beschriftung unten links deutlich: Als Topfflechter überzieht er mit dünnem Draht - von einer am Boden liegenden Rolle abgekniffen - die Außenwand des Tongefäßes, um sie stabiler zu machen (Grimm 1991, Bd. 21, Sp. 857). Sein Werkzeug in der Rechten scheint eine Art Ahle zu sein. Die Studie bereitete offenbar ein Gemälde vor, wie die eingetragenen Vermerke und Farbbenennungen deutlich machen.
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Dame beim Schalmeienspiel Bleistift, weiß gehöht, auf festem Velin 22,2 x 14,2 cm Inv. G 484 [A.I. 622] Geschenk vom Direktor der Großherzoglichen Gemäldegalerie Mannheim, Hermann Eichfeld, am 3 1 . 3 . 1916
„Unterricht im Schalmeienspiel" wäre der treffendere Titel für die idyllische, am Rande eines Parks spielende Szene: An einem Tisch, dessen Stil ganz unpassend Formen des Rokoko mit denen des Frühklassizismus verbindet, lehnt eine junge, in ein Rokokokostüm gekleidete Frau. In ihren Händen hält sie eine Schalmei, bereit zum Spiel. Doch noch lauscht sie aufmerksam dem Lied ihres Lehrers, eines kleinen Vogels, der mit ausgebreiteten Flügeln auf einer Stange vor seinem geöffneten, auf dem Tisch stehenden Käfig hockt. Die unsignierte, wohl in die siebziger Jahre des 19. Jahrhunderts zu datierende Zeichnung wurde bisher Ludwig Kachel dem Jüngeren (1830-1858) zugeschrieben. Doch weder aus zeitlichen noch aus stilistischen Gründen (vgl. die Abbildungen bei Theilmann/ Ammann 1978, Nr. 1653-1665) läßt sich diese historisierende Darstellung dem Karlsruher Maler zuweisen.
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Abb. S. 355
Blumenstrauß Bleistift auf Velin, W Z (beschnitten) 33,7 x 25,3 cm Verso unleserlicher Schriftzug (angeschnitten) Inv. G 2096 [A.I. 6.10135] Aus dem Vermächtnis James Emden, Mannheim, vom 7. 11. 1883
Die Bleistiftzeichnung eines unbekannt gebliebenen Künstlers gibt einen sorgfältig komponierten Strauß aus Hahnenfuß, wilden Stiefmütterchen und einem Lilienstengel wieder.
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Abb. S. 357
Erschöpfter Pilger Aquarell und Bleistift auf festem Velin 42 x 26,4 cm Inv. G 6352 [A.I. O.Z.2.7.2]
Der Betrachter sieht sich einem alten Pilger gegenüber, der ermattet am hohen, steinigen Ufer eines Baches niedergesunken ist. Rosenkranz, die Muscheln auf dem Kapuzenmantel, die kürbisartige Pilgerflasche am Boden und der lange Pilgerstab zählen zu den Attributen des Alten, für den ein kleiner, am Wasserrand auf dem Bauch liegender Junge einen Erfrischungstrunk schöpft. Die wenig überzeugende, ins übertrieben Genrehafte gewendete Komposition des unbekannten Malers blieb unvollendet: Die in grünen, braunen und blauen Tönen gehaltene Aquarellierung erfolgte nur in der Hauptpartie (wobei die Pigmentschicht oberhalb der Pilgergestalt beschädigt ist); am unteren Bildrand fehlt der Farbauftrag über den zarten Bleistiftlinien.
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Studie nach Urs Graf: Bildnis einer Dame Feder in Schwarz über Bleistift auf Bütten 17,3 x 10,9 cm Bezeichnet unten links VG (ligiert), unten Mitte 1516 Verso links efect. (angeschnitten) Inv. G 1441 [A.I. 1505] Erworben vom Auktionshaus Rudolf Bangel, Frankfurt a.M., am 3. 7. 1920
D i e wohl aus dem 19. Jahrhundert stammende N a c h zeichnung einer 1516 datierten, bisher nicht nachweisbaren Darstellung von U r s G r a f gibt eine nach links schreitende Frau in zeitgenössischem K o s t ü m wieder.
Mappenwerke dienten. 1856 verließ Verhas München, um sich endgültig in Heidelberg niederzulassen. E r lebte dort bis zu seinem Tode 1872 als vielbeschäftigter Künstler, der seine beiden bevorzugten T h e m e n die detailgetreue Stadtansicht und die mal realistisch aufgefaßte, mal frei improvisierte Landschaft - überaus variationsreich zu behandeln wußte.
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Atelierbesuch, 1834 Bleistift auf festem Velin 24,7 x 35,6 cm Bezeichnet unten rechts Februar 34. und (von fremder Hand) 900,Verso in Bleistift (hochformatig) Genreszene Inv. G 1815 [A.I. 1955] Erworben von der Kunsthandlung „Das Kunsthaus" (Herbert Tannenbaum), Mannheim, im Dezember 1922 Lit.: Mannheim 1929, Nr. 81
T H E O D O R VERHAS 31. August 1811 Schwetzingen t 1. November 1872 Heidelberg
Wir wissen bisher nur wenig über das Leben von T h e o d o r Verhas, der 1811 als Sohn eines Schwetzinger Buchhalters zur Welt gekommen ist. Seine künstlerische Ausbildung als Landschaftsmaler hat er vermutlich an der Karlsruher Akademie unter Ernst F R I E S begonnen; er setzte sie nach dessen Tod (1833) an der Kunstakademie in M ü n c h e n fort. Von nachhaltiger Bedeutung war dort das Studium unter Heinrich Heinlein, dessen düstere Gebirgsansichten ihn nun ebenso faszinierten wie zuvor schon die Landschaftskunst des holländischen 17. Jahrhunderts und speziell das Werk des Anthonie Waterloo. D i e von M ü n c h e n aus unternommenen Reisen nach Heidelberg und Berchtesgaden (1834), nach Oberitalien und Tirol (1837), an den Rhein (1838) und in die Rheinpfalz (1839) erbrachten eine Fülle von Landschaften und Stadtansichten. Als Erinnerungen an historisch bedeutungsvolle und landschaftlich attraktive Sehenswürdigkeiten geschaffen, fanden sie ihre A b n e h m e r nicht nur unter den Reisenden, sondern auch bei Verlegern und Kunsthändlern, denen sie als Vorlagen für gestochene oder lithographierte Einzelblätter und
U n t e r den zahlreichen Veduten des Künstlers finden sich mehrfach Darstellungen, die in ihrer Vergegenwärtigung kleinstädtischer Behaglichkeit ausgesprochen biedermeierlichen Charakter haben. Zu solchen eher beschaulich-intimen Schilderungen gehört auch das vorliegende Blatt. Es gibt allerdings keine Idylle wieder, sondern zeigt - als seltenes Beispiel im Œuvre von Verhas - eine figürliche Genreszene. Sie gewährt einen B l i c k „hinter die Kulissen", in das Atelier eines Malers. Es ist ein niedriger, karg möblierter R a u m , an dessen Wänden Bilder lehnen und den nicht nur ein schlichter Kanonenofen, sondern in bewußtem Kontrast dazu auch ein anspruchsvolles Stilleben schmückt: eine Allegorie der Künste mit der Büste eines bekränzten Dichters, mit einer Violine, mit Degen und umfangreichen Schriftrollen. D u r c h die offene Ateliertür drängt sich ein etabliert wirkendes Bürgerpaar - unangekündigte Besucher augenscheinlich, denen der Maler sich erschrocken und unvorbereitet zuwendet. Breitbeinig, seiner Kunst den R ü c k e n zukehrend, hat er es sich auf dem Schemel bequem gemacht. E r raucht eine Pfeife und ist mit wenig H e h rem - dem Ausflicken seines R o c k e s - beschäftigt. Was Verhas hier vorführt, ist die ironische Paraphrase einer der zahlreichen programmatischen, vor allem seit dem 17. Jahrhundert beliebten Atelierszenen, die
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das Künstlertum und den Geniekult feiern. E r scheint sich hier selbst auf den A r m genommen zu haben, denn dem Stopfenden - der übrigens als vaterländisches Bekenntnis die „altdeutsche" Tracht mit offenem Kragen und Barett sowie lange Haare trägt - verlieh er ganz offensichtlich seine eigenen Gesichtszüge (vgl. sein u m 1845 entstandenes Selbstbildnis in Karlsruhe, Kunsthalle: M ü n c h n e r Maler 1983, Bd. 4, S. 2 8 6 mit Abb.). N e b e n dem rechten Bildrand (um 180° gedreht) hielt Verhas mit flüchtigen Strichen den U m r i ß eines H u n des fest. Auf der Rückseite des Blattes ist eine weitere G e n r e szene zu sehen. Sie zeigt inmitten einer felsigen, baumreichen Landschaft einen Maler beim Naturstudium, sein Zeichenbrett auf den Knien haltend, den Farbkasten neben sich. E r blickt über seine Schulter zurück und greift in einen K o r b mit Früchten, den ihm eine junge Frau im Herantreten präsentiert.
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Heidelberger Schloß, um 1840 Bleistift, laviert und weiß gehöht, auf bräunlichem Tonpapier 32,4 x 41,2 cm Bezeichnet unten rechts Verhas Verso bezeichnet unten links (von fremder Hand) Theodor Verhas (1812-1872)/ Heidelberg Schloß/ (ausradiert, aber noch erkennbar: Ottheinrichsbau), 25 x 41 cm (von fremder Hand) Inv. G 3249 Erworben von Frau Schubert, Heidelberg, im September 1941 Lit.: Moskau 1992, S. 32, Nr. 7 mit Abb. S. 33
So häufig wie kaum ein anderer O r t - Venedig ausgen o m m e n - ist Heidelberg im Bild festgehalten worden. Seit dem 16. Jahrhundert, vor allem aber seit der R o m a n t i k haben Künstler die verschiedenen Ansichten der Stadt zum Gegenstand ihrer Darstellungen gemacht (vgl. Kat.-Nr. 219). Sie ließen sich von der landschaftlichen Schönheit des engen Neckartales, von den umgebenden Bergen und Wäldern ebenso inspirieren wie von der steinernen N e c k a r b r ü c k e (vgl. Kat.-Nr. 49), der verwinkelten Stadt selbst und insbesondere von den Ruinen des einstigen Residenzschlosses, das seit seiner Zerstörung 1689 weitgehend dem Verfall und der alles überwuchernden Vegetation preisgegeben war. Einer der eifrigsten Heidelberg-Ve-
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dutisten ist T h e o d o r Verhas gewesen. I m m e r wieder und in allen Variationen zeichnete er Ansichten der Neckarstadt für den touristischen Augenblicksbedarf; sie machen einen großen Teil seines künstlerischen Schaffens aus (Heidelberg 1993, K a t . - N r . 1 - 4 3 ; Theilm a n n / A m m a n n 1978, Nr. 4 2 3 0 ^ 2 4 0 ; Gauss 1976, Nr. 1562). Zu diesen Arbeiten zählt auch das vorliegende Blatt, das durch seine ausgewogene K o m p o s i t i o n mit der schmückenden Figurenstaffage, durch seine detailgenaue Durchführung mit der vielfach abgestuften L a vierung und nicht zuletzt durch den grau getuschten R a h m e n durchaus bildmäßigen Charakter besitzt. D e r Betrachter, im noch ungepflasterten, baumbestandenen I n n e n h o f des Schlosses stehend, sieht sich dem imposanten, aus mehreren Gebäuden bestehenden Nordflügel gegenüber. Links, hinter L a u b w e r k verborgen, ist das D a c h des sog. Frauenzimmerbaues zu erkennen. Vor ihm ragt der Friedrichsbau auf, ein zwischen 1601 und 1607 errichteter Palast, dessen überreiche, mit der Ahnenreihe der pfalzgräflich-kurfürstlichen Regenten geschmückte Fassade das Bildzentrum beherrscht. Als Abschluß des Nordflügels schließt sich der Gläserne Saalbau an. Seine dreigeschossige, durch R u n d b o g e n - A r k a d e n aufgebrochene F r o n t wird im O s t e n , am rechten Bildrand also, v o m Treppenturm gerahmt. Vor diesem beeindruckenden Architekturprospekt arbeitet ein Küfer an zwei Weinfässern. Wollte Verhas mit dieser Genreszene an die populäre „Hauptsehenswürdigkeit" des Schlosses - das durch den H o f z w e r g Perkeo berühmt gewordene Riesenfaß - erinnern, das als Weinbehälter seit 1750 im sog. Faßbau untergebracht ist? Wie der Betrachter selbst bewundern zwei Besucherinnen die Schloßgebäude. Ihr modisches K o stüm mit dem langen R e i f r o c k und dem engen L e i b chen, der tiefgezogenen Taille und dem schleifengebundenen Zughut läßt an eine Datierung des Blattes in die Zeit um 1840 denken ( H o t t e n r o t h o. J . , Fig. 258, Nr. 4, Fig. 259, Nr. 1,2, und T f . 27, Nr. 7).
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Abb. S. 362
Zwei Frauen in Krinolinen, um 1850 Bleistift auf festem Velin 6,3 x 6,6 cm Inv. G 1816 [A.I. 1956] Erworben von der Kunsthandlung „Das Kunsthaus" (Herbert Tannenbaum), Mannheim, im Dezember 1922
Bei den geradezu miniaturhaften Darstellungen zweier Damen handelt es sich um Figurenstudien, wie sie in größerer Zahl übrigens auch auf den Seiten eines in Mannheim bewahrten Skizzenbuchs des Künstlers zu finden sind (Reiss-Museum, Inv.-Nr. GKh 2139, unvollständig veröffentlicht durch Danziger-Stockheim 1932, dort fol. 14-16). Verhas, der solche Beobachtungen immer wieder in seinen Stadtansichten als stimmungstragende Staffage einsetzte, zeigt die beiden Frauen in angeregtem Gespräch. Sie sind in weitausladende Krinolinenröcke, Zughüte und spitzenbesetzte Mantillen gekleidet - erscheinen also in Kostümen, die der Mode um 1850 entsprechen (Hottenroth o. J., Fig. 259 und 260, Nr. 22).
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wachsenen Schloßhofes. Vom linken Bildrand überschnitten wird die üppige Renaissance-Fassade des Friedrichsbaus (1601-1607). Im Bildzentrum erscheinen der Gläserne Saalbau mit seinen mehrgeschossigen Rundbogen-Arkaden (1549) sowie der sog. Glokkenturm, ein mittelalterlicher, im 16. Jahrhundert aufgestockter Flankierungsturm. Der Ottheinrichsbau (1556-1559), einer der schönsten Renaissance-Paläste Deutschlands mit reichem, an oberitalienischen Vorbildern orientiertem Fassadenschmuck, schließt sich im rechten Winkel an. A m rechten Seitenrand schließlich ragt die nordwestliche Ecke des Soldatenbaus mit der offenen Brunnenhalle ins Bild. In dieser malerischen Architekturkulisse, die Verhas mit zarten, die Formen schnörkelig umschreibenden und wie schwebend wirkenden Linien festhielt, spazieren die eleganten Touristen. Ihre Kleidung erlaubt Rückschlüsse auf die Entstehung der undatierten Zeichnung: Die langen, volantsbesetzten Krinolinen und die modischen Accessoires der Besucherinnen verweisen ebenso wie die Leibröcke und Zylinder der Herren in die Jahre um 1860 (Hottenroth o. J., Tf. 27, Nr. 9, und Fig. 262, 263). Eine weniger sorgfältig ausgearbeitete und staffagelose, im Format doppelt so große Fassung dieser Darstellung (eine Studie zum Mannheimer Blatt?) befindet sich in Heidelberg (Kurpfälzisches Museum, Inv.-Nr. Z 2880: Heidelberg 1993, Nr. 36 mit Abb. S. 42).
Abb. S. 362
Heidelberger Schloß, um 1860 253 Bleistift, laviert, auf festem Velin 15,6 x 26,2 cm Bezeichnet unten rechts Verhas. f . Verso bezeichnet unten Theodor Verhas (von fremder Hand) Inv. G 2557 Erworben von der Kunsthandlung „Das Kunsthaus" (Herbert Tannenbaum), Mannheim, 1929 Lit.: Barcelona 1988, S. 186 mit Abb. S. 187
Die lebendige Figurenstaffage, die zarte, den Eindruck von mildem Sonnenlicht hervorrufende Lavierung und nicht zuletzt die rocaillebesetzte Rahmenleiste der Zeichnung sprechen dafür, daß auch sie zu den vielen bildmäßigen Ansichten des Schlosses gehört, die Theodor Verhas als Andenkenblätter für Heidelberg-Reisende geschaffen hat (vgl. Kat.-Nr. 250, 253). Der Künstler zeigt den Blick in die Nordostecke des noch ungepflasterten, mit Büschen und Bäumen be-
Abb. S. 363
Heidelberg Feder in Schwarz über Bleistift auf grauem Tonpapier 16,8 x 22,4 cm Bezeichnet unten rechts in Feder Verhas. f . Inv. G 1817 [A.I. 1957] Erworben von der Kunsthandlung „Das Kunsthaus" (Herbert Tannenbaum), Mannheim, im Dezember 1922 Lit.: Mannheim 1929, Nr. 82
Auch diese Darstellung, die mit einem flüchtig skizzierten Rokoko-Rähmchen versehen ist, zählt zu den zahlreichen Heidelberg-Ansichten, die Verhas für Reisende als Souvenirs gezeichnet hat (vgl. Kat.Nr. 250, 252). Bei näherer Betrachtung unterscheidet sie sich von diesen getreu geschilderten Veduten allerdings ganz erheblich.
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Der Künstler gab nämlich die Stadtansicht, wie sie sich ihm von der Ziegelhäuser Landstraße aus bot, keineswegs detailgenau und abbildhaft wieder. Er führt dem Betrachter vielmehr eine Erinnerung an längst vergangene Zeiten vor Augen. In enger Orientierung an den 1620 erschienenen Stich von Matthaeus Merian vergegenwärtigt er die kurpfälzische Residenz auf dem Gipfel ihrer Macht zu Beginn des 17. Jahrhunderts und zeigt die damals herrschenden Kräfte in ihren Symbolen: das Bürgertum in seinen stattlichen Häusern; die Wirtschaftsmacht in der Herrenmühle (am Neckarufer links) und in der Mönchsmühle (am rechten Blattrand); die Kirche im Franziskanerkloster (dem 1803 abgerissenen Gebäude mit dem Dachreiter) und schließlich das Fürstentum in der Kanzlei und der Münze (dem hochgelegenen, mit zwei Dachgauben und einem Erker versehenen Haus rechts am Bildrand), vor allem aber im Schloß, das sich hoch über der Stadt in unzerstörter Schönheit präsentiert (für seine Hinweise sei Frieder Hepp, Heidelberg, gedankt; zum Stich vgl. Hepp 1993 mit Abb. 7).
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Abb. S. 364
Windsor Castle Bleistift, laviert und weiß gehöht, auf bräunlichem Tonpapier 28,7 x 46,5 cm Bezeichnet unten rechts Winsor Castle Verso unten rechts (von fremder Hand) Th. Verkäs, e Inv. G 3304 Geschenk von Ingenieur Göbels, Mannheim, 1942
O b eine seiner Reisen den Künstler tatsächlich auch nach England und Schottland führte, wissen wir bisher nicht. Wohl lassen Zeichnungen seiner Hand mit Veduten von Peterborough, Lichfield, York und Edinburgh an Aufenthalte in diesen Städten denken, doch fehlen bestätigende schriftliche Nachrichten darüber (vgl. die Veduten im Mannheimer Skizzenbuch: Reiss-Museum, Inv.-Nr. GKh 2139; unvollständig publiziert durch Danziger-Stockheim 1932). Die Möglichkeit, daß Verhas diese Ansichten nach Vorlagen fremder Künstler gezeichnet hat, ist demnach ebenfalls in Betracht zu ziehen. Dies gilt auch für die vorliegende Darstellung von Windsor Castle. Vom Standort des Betrachters, einer flachen Viehweide am nördlichen Ufer der Themse, fällt der Blick auf die Residenz der englischen Könige.
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Hinter den hohen Bäumen des Parkgeländes sieht man links die im 17. Jahrhundert erneuerten State Apartments; das Zentrum der Schloßanlage und zugleich den Mittelpunkt der Darstellung bildet der hohe Round Tower, den Edward III. im H.Jahrhundert hatte errichten lassen. Zarte Weißhöhungen als Lichter auf den Gebäuden, fein differenzierte Lavierungen und ein dünner Nebelschleier über der Themse unterstreichen den ausgesprochen malerischen Charakter der Darstellung, die eher den Eindruck einer romantischen Flußlandschaft als den einer Architekturvedute vermittelt.
M A X JOSEPH WAGENBAUER * 28. Juli 1775 Grafing bei München t 12. Mai 1829 München
Max Joseph Wagenbauer, als Sohn eines Marktschreibers in Grafing geboren, erhielt seinen ersten künstlerischen Unterricht an der Münchner Zeichnungsakademie bei Johann Jakob Dorner d. Ä. Da sich ihm nach Abschluß seiner Ausbildung zunächst keine Möglichkeit auftat, als Künstler seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, verdingte sich Wagenbauer zwischen 1797 und 1801 als Reiter bei verschiedenen Dragonerregimentern. 1802 erfolgte seine Berufung zum kurfürstlichen Hof- und Kabinettszeichner, 1815 wurde er zum königlichen Galerie-Inspektor in München ernannt. Neben der Tiermalerei galt sein Interesse vor allem der Landschaftskunst. Davon zeugen seine qualitätvollen Ölbilder ebenso wie seine zarten, spontanen Aquarellstudien, die er (wie auch Johann Georg von Dillis und sein Freund Johann Jakob D O R N E R D. J.) auf ausgedehnten Wanderungen durch die Heimat schuf. Motivisch meist ohne Anspruch und nie auf äußerliche Effekte bedacht, beeindruckend in der farblichen Duftigkeit und Transparenz und immer überzeugend in der Erfassung von Atmosphäre und hellem Licht, spiegeln diese Werke in aller Naturtreue und Schlichtheit die Schönheiten der bayerischen Landschaften wider.
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Abb. S. 186
Bei St. Nikola in Passau, 1805 Aquarell über Bleistift auf Velin, WZ J. Ruse/1802 2 6 , 4 x 4 1 , 1 cm Bezeichnet unten links in brauner Tusche St Nicolas Verso mit dünnen Bleistiftstrichen flüchtig skizzierte Landschaft Inv. G 1200 [A.I. 1256 b] Erworben aus der Sammlung Professor Stieler, München, am 26. 2. 1919 Lit.: Heine 1972, S. 84, Nr. 83; Moskau 1992, S. 28, Nr. 4 mit Abb.
Eine der vielen Reisen durch die Heimat führte Wagenbauer 1805 auch nach Niederbayern und in den Bayerischen Wald. Während seiner Wanderung zeichnete der Künstler eine Reihe von Ansichten der von ihm besuchten Orte, zu denen auch Passau gehört. In dieser Stadt faszinierte ihn offenbar besonders das frühmittelalterliche Chorherrenstift St. Nikola, wie mehrere Aquarellskizzen der Klosteranlage und ihrer unmittelbaren Umgebung deutlich machen (Heine 1972, Nr. 82-85). Diesen Darstellungen ist auch das vorliegende, in transparent blaugrauen Tönen gehaltene und skizzenhaft offene Blatt zuzurechnen. Es zeigt am rechten Bildrand eine kleine, wenige hundert Meter nördlich von St. Nikola gelegene Kirche, die 1564 vom Fürstbischof Urban von Treubach für die nach Passau berufenen Franziskaner erbaut, 1680 bei einem Stadtbrand zerstört und sogleich wiedererrichtet worden ist. Nach der Säkularisierung 1805 verfiel das Gebäude. Es wurde einige Jahrzehnte später (1854-1864) instandgesetzt und als Marianische Votivkirche geweiht. Als nochmals spätere Um- und Anbauten haben hohe, sich eng um Langschiff und Chor legende Geschäftsund Wohnhäuser das ursprüngliche Aussehen des Kirchengebäudes in sehr starkem Maße verändert. Wagenbauer führte das Aquarell - das neben seinen künstlerischen Qualitäten also auch hohen dokumentarischen Wert besitzt - nicht bis ins letzte Detail aus. Dies zeigt sich in der vorderen Bildzone und vor dem Chorpolygon der Kirche, wo der Farbauftrag fehlt, der helle Papiergrund also stehenblieb und nur zarte Bleistiftlinien Buschwerk und Felsen andeuten. Der gewählte Bildausschnitt läßt erkennen, daß sich das Interesse des Künstlers in erster Linie auf die hügelige Landschaft Passaus, weniger auf den Kirchenbau selbst richtete. Mächtige, dunkel abschattierte Geröllund Felsbrocken schieben sich in den Vordergrund
und geben nur an wenigen Stellen den Blick nach Norden auf die Donau frei. Wo heute der Verkehr über den Ludwigsplatz braust, erstreckte sich damals, wie das Aquarell vor Augen führt, die freie Hügellandschaft mit Busch- und Baumgruppen, hinter denen die Häuser der Altstadt von Passau auftauchen. Winzig klein erscheint im Bildmittelgrund ein Spaziergänger, der im hellen Schein der Morgensonne die Kirche betrachtet. Erst in dieser Bildzone entfaltet sich die Farbigkeit - ein für Wagenbauer charakteristischer Kunstgriff, der den Blick des Betrachters in die Ferne ziehen und damit räumliche Tiefe suggerieren soll. Der Künstler hat von der Zeichnung mit all ihren Unfertigkeiten eine genaue Wiederholung geschaffen - so wie er das auch in anderen Fällen noch tat (Heine 1972, Nr. 63,63 v, 64,64v; unsere Kat.-Nr. 257, 259). Diese zweite Fassung weicht von der Vorlage nur geringfügig im Format und in Nuancen der Durcharbeitung ab (München, Staatliche Graphische Sammlung, Inv.-Nr. 15215: Heine 1972, Nr. 82). Die Rückseite unseres Blattes trägt den flüchtig skizzierten Entwurf für eine weitere Landschaftsdarstellung. Die Komposition zeigt einen Berghang, an dem sich ein Weg entlangzieht; sie läßt an die 1802/03 von Wagenbauer festgehaltene Ansicht von Haag denken (Heine 1972, Nr. 37 mit Abb.). Das Aquarell wurde aus der Sammlung des Münchner Professors Stieler - wohl des Genremalers und Akademielehrers Eugen Ritter von Stieler (1845-1929), eines Sohnes von Joseph Karl Stieler - erworben.
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Abb. S. 365
Der Große Arbersee, 1805 Aquarell über Bleistift auf Velin 18,8 x 29,7 cm Bezeichnet verso unten rechts der große Arbersee (eigenhändig?) Inv. G 1199 [A.I. 1256 a] Erworben aus der Sammlung Professor Stieler, München am 26.2. 1919 Lit.: Mannheim 1929, Nr. 34; Heine 1972, S. 88, Nr. 115; Barcelona 1988, S. 88f. mit Abb.; Moskau 1992, S. 28, Nr. 3 mit Abb.
Auch durch den Bayerischen Wald ist Wagenbauer 1805 gewandert, um dessen herbe Landschaft in ihrer ganzen Sprödigkeit festzuhalten. Er schuf damals eine
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Reihe von Ansichten besonders markanter H ö h e n , pittoresker Ruinen und einsamer Gewässer (Heine 1972, Nr. 9 1 - 1 3 2 ) . Eines dieser Blätter, das Mannheimer Aquarell, zeigt den G r o ß e n Arbersee, südöstlich am F u ß e des gleichnamigen höchsten Berges im B a y e rischen Wald gelegen. Hell scheinen im Sonnenlicht einzelne Waldpartien in sonst dunstiger, wie verschleiert wirkender A t m o sphäre auf. Blaugraue und grüne T ö n e bestimmen die Farbigkeit der Darstellung. Ihre durchaus unkonventionelle K o m p o s i t i o n entspricht in ihrer gewollten Sperrigkeit dem unwirtlichen Charakter der wiedergegebenen Landschaft. So führt im Bildvordergrund der von Tannen und abgestorbenen Baumstümpfen gesäumte U f e r w e g um einen Felsen herum und entzieht sich dann dem desorientierten Blick des B e trachters. A u c h verstellen hohe B ä u m e die Aussicht auf den Waldsee, dessen Wasserfläche nur rechts am Bildrand in einem geradezu inszeniert wirkenden Ufereinschnitt auszumachen ist. U n d nicht zuletzt wird der freie Blick in die Ferne durch die tannenbewachsene Wand des G r o ß e n Arbers verhindert, die sich wie ein dunkler Riegel vor den H o r i z o n t schiebt. Hinter dieser geschlossenen Kulisse ragt unvermittelt - und v o m Künstler frei erfunden - ein schroffer, wolkenverhangener und schneebedeckter Gipfel auf ein Hochgebirgsmotiv geradezu, das Wagenbauer zweifellos eingesetzt hat, um die Spannung der Bildkomposition zu steigern und räumliche Tiefe zu suggerieren. Zur Provenienz vgl. die Bemerkung unter Kat.Nr. 255. Eine v o m Künstler selbst geschaffene Lithographie wiederholt diese Darstellung seitenverkehrt und mit nur geringen Abweichungen in den Details (ein E x emplar in München, Staatliche Graphische Sammlung, Inv.-Nr. D 1964:405: Heine 1972, S. 143, Nr. L 44).
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Ettmansdorf bei Schwandorf, 1805 Aquarell über Bleistift auf Velin; W Z John Hayes 26,4 x 35,1 cm Bezeichnet oben links Ettmansdorf bei Schwandorf Inv. G 1202 [A.I. 1256 d] Erworben aus der Sammlung Professor Stieler, München, am 2 6 . 2 . 1919 Lit.: Kiel 1960, Nr. 145; Heine 1972, S. 91, Nr. 141
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Während einer Wanderung durch die O b e r p f a l z im S o m m e r 1805 zeichnete Wagenbauer neben vielen anderen O r t e n auch Ettmannsdorf (Heine 1972, Nr. 1 3 3 - 1 5 7 ; vgl. Kat.-Nr. 258). A u f unserem Blatt hielt er den weiten Blick fest, wie er ihn von einem Steinbruch am H a n g des Dachelberges auf die kleine, westlich von Schwandorf im Naab-Tal gelegene O r t schaft hatte. In seiner Absicht lag es allerdings nicht, eine vedutenhaft getreue Ansicht von Ettmannsdorf zu zeichnen. Ihn interessierte vielmehr die Landschaft selbst, in die eingebettet erst in der weiten Ferne, zum Teil hinter Bäumen versteckt, die Häuser des Dorfes und die weiträumige Klosteranlage aufscheinen. M i t den mächtigen Felsen im Vordergrund, der von flachen Wiesen gesäumten N a a b und der sanft gewellten Hügelkette am H o r i z o n t erstreckt sich diese Landschaft, in differenzierten, duftigen G r ü n t ö n e n angelegt, in ihrer ganzen anspruchslosen Schönheit vor dem Auge des Betrachters. Zur Provenienz vgl. die B e m e r k u n g unter Kat.Nr. 255. Wagenbauer hat auch von diesem Aquarell eine w ö r t liche Wiederholung geschaffen, so wie in anderen Fällen auch (Heine 1972, Nr. 63, 63 v, 64, 64v; unsere K a t . - N r . 2 5 5 , 2 5 9 ) . D i e zweite Fassung weicht von der Vorlage nur geringfügig im F o r m a t ab (München, Staatliche Graphische Sammlung, Inv.-Nr. 15251: Heine 1972, Nr. 140).
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Fronberg bei Schwandorf, 1805 Aquarell über Bleistift auf Velin; WZ John Hayes 1803 24,9 x 35,2 cm Bezeichnet oben rechts Fronberg bei Schwandorf Verso unten rechts 12 (in einem Kreis), oben links N 8 Inv. G 1201 [A.I. 1256 c] Erworben aus der Sammlung Professor Stieler, München, am 2 6 . 2 . 1919 Lit.: Heidelberg 1965, Nr. 351; Heine 1972, S. 91, Nr. 142
In der N ä h e von Ettmannsdorf (Kat.-Nr. 2 5 7 ) zog ein weiteres, ebenfalls wenig spektakuläres Landschaftsmotiv die Aufmerksamkeit Wagenbauers auf sich. G e meint ist der von Westen genommene B l i c k auf den kleinen, im N o r d e n von Schwandorf gelegenen O r t Fronberg, der ihn zu einer Aquarellstudie reizte. D e r Künstler wählte seinen Standort am A b h a n g des sog.
Holzberges, der sich von rechts als dunkler, kaum gestalteter Keil in den Bildvordergrund schiebt. D e r abfallenden Linie dieses verschatteten Hanges antwortet die Diagonale einer Baumreihe; sie senkt sich v o m linken Blattrand hin zur Mitte der Komposition. Eingespannt in diesen flachwinkligen, farblich in dunklen G r a u t ö n e n gehaltenen Bildausschnitt erstreckt sich die weite Landschaft mit ihren Hügelketten, den Flußwiesen und dem gewundenen Lauf der N a a b . D o r t in der Ferne zeigt der Künstler die Häuser des O r t e s und das ansehnliche Renaissanceschloß (dessen Hauptgebäude mit seinen flankierenden Türmen aus dem Beginn des 17. Jahrhunderts stammt), dort erst entwickelt er reichere, in hellem Sonnenlicht aufleuchtende Farbtöne, die den B l i c k des Betrachters auf sich ziehen sollen. Z u r Provenienz vgl. die Bemerkung Nr. 255.
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unter
Kat.-
A b b . S. 189
Alt-Ravensburg, 1806 Bleistift und Aquarell auf Velin 27,1 x 40,9 cm Bezeichnet oben rechts Alt Ravensburg d. 19.ten Aug. Verso oben links N 8 Inv. G 394 [A.I. 538] Erworben vom Kunstantiquariat Franz Meyer, Dresden, am 6. 12. 1915 Lit.: Mannheim 1929, Nr. 35; Groß 1933, Abb. S. 316; Schefold 1956-74, Bd. 2, S. 451, Nr. 6223; Kiel 1960, Nr. 146; Heidelberg 1965, Nr. 347; Eitel 1977, Abb. 27; Mannheim 1983, S. 77 mit Abb.; Heine 1972, S. 94, Nr. 172 und Abb. 26
I m S o m m e r 1806 unternahm Wagenbauer eine Wanderung an den Bodensee und in die bayerischen A l pen, deren Verlauf sich anhand von datierten und mit Ortsangaben versehenen Aquarellen genau rekonstruieren läßt (Heine 1972, Nr. 1 6 9 - 2 1 3 ) . A m 16. A u gust hielt sich der Künstler in Leutkirch (bei Salem) auf und zog dann weiter über Wangen, Ravensburg, Tettnang, Langenargen, Wasserburg und Lindau bis nach Bregenz, w o er am 3. September anlangte und dann den R ü c k w e g nach M ü n c h e n über Füssen und Garmisch, Ettal und Oberammergau antrat. Während dieser Reise, am 19. August, ist auch das Mannheimer Blatt entstanden, ein unvollendet gebliebenes Aquarell in zarten grauen und blaugrünen Farben. Von einer A n h ö h e im O s t e n Ravensburgs schaut
der Betrachter hinunter auf die Stadt. Vor ihm entfaltet sich ein malerisches Panorama unter hohem, klarem H i m m e l . D e r B l i c k gleitet über den dunkel verschatteten H a n g abwärts und fällt auf einen hell im Sonnenlicht liegenden (und im übrigen farblich noch nicht gefaßten) Taleinschnitt mit der sog. Brunnenstube. Dahinter ragen zwei Hügel auf. A u f dem links gelegenen Berg erhebt sich die frühmittelalterliche, in den folgenden Jahrhunderten mehrfach umgebaute Kirche St. Christina; der ihm gegenüberliegende H ü gel wird von der Veitsburg bekrönt, einer romanischen, 1646 durch ein Feuer zerstörten weifischen Festung, auf deren Resten in der Mitte des 18. Jahrhunderts das sog. Schlössle errichtet wurde. A m F u ß e des Burgberges schiebt sich die malerische Altstadt von Ravensburg ins Bild. Sie wird überragt von einem einzeln stehenden, fast 50 m hohen Rundturm, dem sog. Mehlsack, ferner vom Turm des O b e r t o r e s mit seinem charakteristischen Giebel und v o m Blaserturm, von dem einst das Signal des Stadtwächters Uhrzeit und Unglücksfälle verkündete. D e r Künstler hat auch von diesem Aquarell eine Wiederholung geschaffen (vgl. Heine 1972, Nr. 63, 63 v, 64, 64v; unsere Kat.-Nr. 255, 257). Sie weicht von der Vorlage nur geringfügig im F o r m a t und in Nuancen der Durcharbeitung ab (München, Staatliche Graphische Sammlung, Inv.-Nr. 15264: Heine 1972, Nr. 171). Eine v o m gleichen Standort aufgenommene Ansicht Ravensburgs aquarellierte übrigens 1856 auch der Landschaftsmaler T h e o d o r K o t s c h (Eitel 1977, A b b . 61).
ERNST W E L K E R 1. Mai 1788 Gotha t 30. September 1857 Wien
D e r Landschaftsmaler Ernst Welker ist zunächst durch den Bildnis- und Landschaftsmaler, Zeichner und Kupferstecher Christian Müller an der Weimarer Zeichenschule unterrichtet worden. E r setzte seit 1804 seine Ausbildung an der Wiener Kunstakademie fort, w o er Freundschaft mit J o h a n n Adam KLEIN und J o hann Christian ERHARD schloß und mit ihnen Studienwanderungen in die nähere U m g e b u n g unternahm. Wien sollte seine Heimat werden. E r verließ die Stadt
WELKER
155
nur noch zweimal für längere Zeit: 1813, als er während der Befreiungskriege gegen N a p o l e o n in das berühmte Lützow'sche Freikorps eintrat, und in den Jahren 1821 bis 1828, die ihn nach R o m führten. Sein Werk umfaßt vor allem aquarellierte Landschaftsansichten und Stadtveduten, die er während seiner R e i sen entlang der D o n a u und nach Salzburg, in die Steiermark und nach Kärtnen, in die Schweiz und nach Italien zu Papier brachte.
260
A b b . S. 366
An der Donau, 1830/1857 Feder in Braun, grau und graublau laviert, auf Bütten 1 9 , 7 x 3 0 , 4 cm Auf dem Untersatzblatt links in alter Schrift Welcker fec., unten Mitte An der Donau Inv. G 1112 [A.I. 1170] Erworben von J. Frank's Buchhandlung und Antiquariat, Würzburg, am 12. 9. 1918
Das nicht datierte Blatt, mit sicheren Federzügen rasch skizziert, wird nach 1830, nach der Ausbildungszeit und der Italienreise Welkers also, entstanden sein. Es gibt die westlich von Preßburg (heute Bratislava) am Zusammenfluß von D o n a u und M a r c h gelegenen Uberreste der Burg T h e b e n wieder. D i e unter wechselnden Besitzern seit dem 9. Jahrhundert als G r e n z b o l l w e r k gegen O s t e n dienende und immer heiß umkämpfte Befestigung war 1805 von französischen Truppen erobert und gesprengt worden. Ihre Ruinen, so führt es auch Welkers Federzeichnung vor Augen, erheben sich auf dem Gipfelplateau und den steilen Abhängen eines mächtigen Felssockels. Tief unter ihnen treiben vier Kähne die D o n a u hinab, die sich an dieser Stelle, dem „Tor zu U n g a r n " , verengt und die March aufnimmt. Treidler auf dem Leinpfad im Vordergrund ziehen ein (nicht mehr sichtbares) Schiff flußaufwärts nach Westen, w o sich in der Ferne die weite E b e n e des Marchfeldes öffnet (zur Burg vgl. Schweiger-Lerchenfeld 1896, S. 851ff. mit A b b . S. 852).
156
WITTMER
JOHANN MICHAEL W I T T M E R * 15. Oktober 1802 Murnau t 9. Mai 1880 München
D e r aus einer oberbayerischen Malerfamilie stammende J o h a n n Michael Wittmer trat nach dem A b b r u c h einer Goldschmiedelehre 1820 in die M ü n c h n e r A k a demie ein, um dort unter J o h a n n Peter von Langer Historienmalerei zu studieren. 1825 wurde er in die Klasse von Peter CORNELIUS aufgenommen, der ihn kräftig förderte und ihn darüber hinaus an der Ausführung der Fresken in der G l y p t o t h e k und der D e k kenbilder im O d e o n beteiligte. Wie so viele andere junge Maler zog Wittmer 1828 nach Italien. In R o m fand er bald engen Anschluß an J o s e p h A n t o n KOCH, dessen Schwiegersohn er wenige Jahre später wurde. 1833 brach der Künstler wieder auf, um als d o k u m e n tierender Zeichner den bayerischen Kronprinzen M a ximilian nach Sizilien, Griechenland, Konstantinopel und Kleinasien zu begleiten; viele seiner damals geschaffenen Studien verwendete er später für G e n r e und Historienbilder mit orientalischen T h e m e n . Seit den fünfziger Jahren war Wittmer, der zeitlebens der Kunstauffassung des Klassizismus und der Nazarener verpflichtet blieb, nur noch im Bereich der Kirchenkunst tätig.
261
A b b . S. 190
Aesop, 1835 Aquarell über Bleistift auf Velin 35,3 x 56,2 cm Bezeichnet unten links in Feder Michael Wittmer f. 1835 Inv. G 2052 Erworben von Carola Münch, Auerbach, am 23. 9. 1924 Lit.: Andresen 1867, Bd. 2, S. 295
D i e unverkennbar von den heroischen Landschaftsbildern Joseph A n t o n KOCHS beeinflußte K o m p o s i t i on zeigt eine figurenreiche Szenerie in arkadischer Gebirgslandschaft. I m Schutze einer mächtigen Steineiche erhebt sich ein gemauerter Brunnen, auf dessen wasserspeiendem Pfeileraufbau ein kleiner verwachsener M a n n hockt. Es ist der legendäre, historisch nicht nachweisbare Fabeldichter Asop, der - wie die antike Uberlieferung berichtet - als Sklave in Samos lebte,
bis ihm seine beeindruckende Redekunst die Freiheit und die Position eines königlichen Beraters verschaffte. Sein Glück sollte jedoch nicht von langer Dauer sein. Er wurde von Delphischen Priestern, die er verspottet hatte, fälschlich als Tempeldieb angeklagt und hingerichtet. Unsterblichkeit aber verliehen ihm seine Tierfabeln, Sprichwörter, Rätsel und Anekdoten; sie ließen ihn zur Verkörperung volkstümlicher Weisheit schlechthin werden. Mit Nachdruck gestikulierend, den offensichtlich lehrhaften Zug seiner Erzählung mit sprechender G e bärde unterstreichend, wendet sich Asop an seine Zuhörer (ähnlich lebhaft erzählend, von den Figuren und Gegenständen seiner Fabeln umgeben, erscheint der bucklige Dichter auf dem Titelblatt der berühmten Ulmer Aesop-Ausgabe von 1476). Es sind Hirten und Viehtreiber, Bauern, Schäferinnen und Wäscherinnen - Menschen also, denen sein ungeteiltes Interesse galt und deren Witz ihn zu seinen Dichtungen inspirierte. Aufmerksam scheinen sie ihm auch dann zu lauschen, wenn sie - wie die Mutter beim Spiel mit ihrem Kind, der Hirte beim Melken einer Ziege, die junge Frau beim Spülen der Wäsche - mit noch anderen Dingen beschäftigt sind. Beziehungsreiche Details schmücken die in trockener Buntheit gehaltene Dar-
stellung aus. Als des Fabeldichters Freunde aus der Tierwelt erkennt man in den Bäumen ein Eichhörnchen sowie Vögel bei der Aufzucht ihrer Brut, ferner an der Tränke Schafe, Kühe, Ziegen und Pferde, und im Hintergrund ziehen lastentragende Kamele vorüber. Nicht nur als architektonische Staffage, sondern auch als besondere Anspielung hat der Betrachter darüber hinaus den Tempelbau in der Ferne zu lesen: Ist es doch der Legende nach der griechische Gott Apollon gewesen, der Asop unter seinen Schutz genommen und gerächt hat. Und auch die Hermenstatue des Hirtengottes Pan, die rechts im Gebüsch aufragt, fügte Wittmer zweifellos mit Bedacht in seine Komposition ein - als Hinweis nämlich nicht nur auf die bukolische Stimmung der Szene selbst, sondern auch auf den oft derb-komischen Charakter der von Asop erzählten Fabeln. D e r Künstler scheint mit seiner Komposition besonders zufrieden gewesen zu sein, denn 1841 wiederholte er sie in einem Ölgemälde. Dieses Bild gelangte in den Besitz des Bildhauers Bertel Thorvaldsen, der damals gleichfalls in R o m lebte und über seinen Freund Joseph Anton Koch mit Wittmer bekannt geworden war (Thorvaldsen-Museum, Inv.-Nr. B 167: Köln 1977, Nr. C 30 mit weiterer Lit.).
WITTMER
157
Abbildungen
19
DEURER, LUDWIG,
Die Höhlen der Cervara
161
24
162
DORNER, H o h l w e g
25
DORNER, Aussicht vom Mönchsberg gegen den Hochstauffen
163
27
164
E N G E L VON D E R R A B E N A U ,
Bauernmädchen und Bauernburschen bei einer Ruine
36
FEODOR, Bildnis eines jungen Russen
166
40
FLAXMAN, Satan stachelt Beelzebub auf
167
61
168
FRIES, Süditalienische Landschaft (Meerbusen von Sorrent)
62
FRIES, Tivoli
169
70
170
GENELLI, Römische Campagnaszene
GENELLI,
Ares im Bade
1/ i'viiA,
95
172
KLEIN,
Reiter im Gespräch
KLEIN, P f e r d e m a r k t
173
97
174
KLEIN, M i l c h w a g e n
K O B E L L , W I L H E L M VON,
Blick auf Kloster Tegernsee und den See
175
166
176
KOCH, Blick auf die J u n g f r a u von der Bustiglenalp mit Maler und Hirten
168
KÖNIG,
Bauernhaus
177
MIND, Pflanzenstudie
194
MÜLLER, Südliche Landschaft
IBS
199
180
QUAGLIO II., A m G a t t e r t o r
203
REINHART, Landschaft mit Bäumen
181
205
182
REINHOLD, FRIEDRICH PHILIPP, B a u m s t u d i e
217
ROTTMANN,
Golf von Epidauros
184
219
SCHILBACH, Heidelberger Schloß
185
255
186
WAGENBAUER,
Bei St. Nikola in Passau
257
WAGENBAUER, Ettmannsdorf bei Schwandorf
187
258
188
WAGENBAUER, Fronberg bei Schwandorf
259
WAGENBAUER,
Alt-Ravensburg
189
261
190
WiTTMER,
Aesop
191
2
192
BABO,
Hornberg
3
BABO, Burgansicht
4
BABO, Burg Mammertshofen
5
6 194
BABO, Anhöhe im Herbst
BABO, Anhöhe im Winter
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7
BABO, Erlaufsee bei Mariazell
195
8 196
BAER, Studienblatt mit Motiven aus Antike und Mittelalter
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REINHOLD, HEINRICH,
Borzano
339
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209
340
RHOMBERG,
Die Heilige Familie
210
ROHDEN, FRANZ VON,
Castellammare di Stabia
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214
R O H D E N , F R A N Z VON,
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Blick auf Häuser einer italienischen Stadt
343
SI
215
344
ROHDEN, JOHANN MARTIN VON, D a s A m p h i t h e a t e r in S y r a k u s
216
ROTTMANN,
Griechische Landschaft
345
220
SCHWANTHALER,
Die besiegten Franken vor Saladin / Das türkische Heer auf dem Zug
nach Jerusalem
221
346
Einzug der türkischen Eroberer in Jerusalem / Auszug der Christen aus der Heiligen Stadt SCHWANTHALER,
222
SCHWANTHALER, Die Einschiffung der Vertriebenen / Abschied und Segnung des Kreuzheeres
223
SCHWANTHALER, Auszug der Kreuzritter aus Regensburg / Einschiffung der Kreuzritter in Gallipoli
347
225
SCHWANTHALER,
Friedrich Barbarossa im Kampf mit feindlichen
Bogenschützen / Einnahme von Philomelium 348
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226
SCHWANTHALER,
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SCHWANTHALER,
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Entwurf zum Sieg über Hothbeddin
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350
THÜRMER,
Tempel des Saturn auf dem Forum Romanum
229
233
ANONYM, Im Park der Villa Ludovisi
ANONYM, Eselreiter bei Tivoli
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352
ANONYM,
Brutus verurteilt seine Söhne zum Tode
231
ANONYM, Zwei griechische Mädchen (Niobiden) 353
ANONYM, Aquarellist vor dem Ponte Salario
W
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234
Anonym (Monogrammist A.F.M.),
246
ANONYM, Blumenstrauß
243
ANONYM, C z o k a z i n e n
Drei Schneider
248
ANONYM, Studie nach Urs Graf
355
238
236 356
Anonym (Monogrammist O.R.), Stadtansicht
ANONYM,
Stadttor
237
ANONYM, Dudelsackpfeifer
244
ANONYM, Topfflechter
242
ANONYM, Ährenleserin aus Ungarn
247
ANONYM, Erschöpfter Pilger
357
Wm^'i St
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239
ANONYM, Der Nachruhm wächst aus dem Blute der gefallenen Helden
245
ANONYM, Dame beim Schalmeienspiel
240
ANONYM,
241
Bäuerin mit Kind
ANONYM,
Sitzender Bauer
249
VERHAS, A t e l i e r b e s u c h
I
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249
ît
VERHAS, Maler beim Naturstudium (Rückseite)
250
VERHAS, Heidelberger Schloß
361
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Verhas, Zwei Frauen in Krinolinen
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362
Verhas, Heidelberger Schloß
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253
VERHAS, H e i d e l b e r g
363
254
364
VERHAS, Windsor Castle
HR ."• M ¿¿L •
256
WAGENBAUER,
Der Große Arbersee
365
260
366
WELKER,
An der Donau
Literatur
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Osterreichische
Burgen.
8 Bde.
Rohden Wien
373
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Salzburg 1960: Residenzgalerie 1960. Die Alpen. Malerei und Graphik aus sieben Jahrhunderten. Bearb. von H . Buschbeck.
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Künstlerverzeichnis der Bände I-VI
ACHENBACH, OSWALD ALBIKER, K A R L
ERHARD, J O H A N N CHRISTOPH
V, 4
ALT, R U D O L F
V, 5 - 7
ALT, T H E O D O R
FELLNER, FERDINAND
V, 8 , 9
ALTHEIM, W I L H E L M AMIET, C U N O
V I , 13
FEUERBACH, ANSELM FLAXMAN, J O H N
BALBACH, OTTMAR
VI,
BECKER, C H R I S T I A N B E C K E R , PETER
GAUL, AUGUST V, 1 1
VI,
BERNARD, JOSEPH
19-23
VI, 24-26
BLECHEN, CARL
VI, 2 7 - 2 9
I/II, 85
GRAEB, CARL VI, 31,32
VI, 48 IV, 1 6 - 1 8
IV, 1 9
GULBRANSSON, O L A F
I/II, 17
GUYS, CONSTANTIN VI,
I/II, 86, 87
III, 46, 4 7
GRIMAUX, LOUIS
V, 1 2 - 3 3
70-84
VI, 43-47
G L I N K , F R A N Z XAVER
VI, 30
BRÜHLMANN, H A N S
I/II,
GENIOLE, ALFRED A N D R É
GIACOMETTI, AUGUSTO 1/11,16
BOSSERT, O T T O R I C H A R D BRAKMANN
VI, 42
G E N E L L I , BUONAVENTURA
GERSTEL, W I L H E L M
BOLT, J O H A N N FRIEDRICH
BRACHT, EUGEN
I/II, 68, 69
G E N I S S O N , JULES V I C T O R
III, 2
BONE, MUIRHEAD
I/II, 67
FÜSSLI, J O H A N N H E I N R I C H
V, 1 0
BEHMER, MARCUS
I/II, 49-66
FÜSSLI, H E I N R I C H
III, 1
V, 7 8
I V , 1, 2
BECKMANN, J O H A N N
BOEHLE, FRITZ
FRIES, E R N S T
15-18
BARY, R O B E R T E D U A R D
III, 7 - 4 5
FRIEDRICH, EMIL LUDWIG
I / I I , 15
BARLACH, ERNST
IV, 15
F R I E D R I C H , CASPAR D A V I D
I/II, 1 - 7
I/II, 8-14
I/II, 36-38
V, 7 4 - 7 7
I/II, 39-48
FOHR, DANIEL B A B O , LAMBERT V O N
IV, 1 1 - 1 4
F E O D O R , IWANOWITSCH K A L M Ü C K
V I , 14
BAER, ERNST
I/II, 29-35
VI, 1-12
VI, 49 V, 7 9 , 8 0
33-36
BUCHHOLZ, KARL
V, 3 4 - 4 0
HACKERT, JACOB PHILIPP
BURGER, LUDWIG
V, 4 1
H A L L E R VON HALLERSTEIN, C H R I S T O P H J A C O B W I L H E L M
BUSCH, WILHELM
V, 4 2
FREIHERR V O N
I/II, 89
HARBURGER, EDMUND CHAUVIN, AUGUSTE C O R I N T H , LOVIS
HARTLAUB, CARL
V, 4 3
HEIM, HEINZ
V I , 37^TL
C O R N E L I U S , PETER V O N COUTURE, THOMAS
IV, 3 - 1 0
V, 4 4 , 4 5
DAMSTEDT, J O H A N N A D O L P H DEURER, LUDWIG
I/II,
V, 8 2
HELLAND, HENRIK AUGUST
III, 48
HETTNER, HERMANN O T T O
VI, 50-54
I/II, 91
H I R T H DU FRÊNES, R U D O L F H O D L E R , FERDINAND
I/II, 23
DIELMANN, JAKOB FÜRCHTEGOTT
IV, 2 0
HILDEBRANDT, EDUARD
HILDEBRANDT, FERDINAND T H E O D O R
III, 5
18-22
DEURER, PETER FERDINAND D O R N E R , J O H A N N JAKOB
III, 3, 4
V, 8 1
I/II, 90
HEUSS, EDUARD VON D A H L , J O H A N CHRISTIAN CLAUSEN
I / I I , 88
V, 4 6 - 6 8
VI, 55
VI, 56, 57
H O F M A N N , L U D W I G VON
I/II, 24, 25
D R E B E R , H E I N R I C H GEN. F R A N Z D R E B E R DYCKERHOFF, FRIEDRICH CHRISTOPH
HOLZEL, ADOLF
III, 6
I/II, 26
VI, 58
H O R N Y , FRANZ THEOBALD H Ü B N E R , JULIUS
IV, 2 1 - 2 4
III, 50, 51
HUMMEL, CARL MARIA NICOLAUS EICHFELD, H E R M A N N
III, 49
V, 8 3
III, 52
V, 6 9 - 7 3
E N G E L , C A R L , GEN. V O N DER R A B E N A U
I/II, 27, 28
K A L C K R E U T H , L E O G R A F VON
VI, 59-62
377
KAMPF, ARTHUR
VI,
63-65
KANOLDT, EDMUND
OLIVIER, FRIEDRICH
V, 8 4 - 9 3
KAUFFMANN, HERMANN
ORLIK, EMIL
III, 53
KAULBACH, W I L H E L M VON
III, 54
I/II,
KLENZE, L E O VON
I/II,
III, 55
VI,
I/II,
RAHMANN, KARL I/II,
99-106
196,197 I/II,
198
I/II, 199, 200
I/II,
K O B E L L , W I L H E L M VON
I/II,
K O C H , JOSEPH A N T O N
107-151
VI,
166,167
I/II,
I/II,
203,204
R E I N H O L D , FRIEDRICH PHILIPP
I/II,
205
REINIGER, O T T O
I/II,
VI,
KRAUS, G E O R G MELCHIOR
RETHEL, ALFRED
I/II,
I/II, 170; III,
206-208
133
RENOIR, PIERRE AUGUSTE
75-77
I/II, 202
REINHART, JOHANN CHRISTIAN REINHOLD, HEINRICH
168
70-74 VI,
V, 1 2 8
RAMBERG, JOHANN HEINRICH
154-165
I/II,
KÖNIG, FRANZ NIKLAUS
I/II, 201
RAILLARD, THEOPHIL
1/11,152,153
KOLLWITZ, K Ä T H E
132
QUAGLIO II., LORENZO
KOBELL, FRANZ INNOCENZ
KRÜGER, FRANZ
VI,
P O C C I , F R A N Z VON
98/1-98/54
VI, 69
KOLBE, GEORG
IV, 4 7
PLEUER, HERMANN
68
KOBELL, FERDINAND KOBELL II., JAN
IV, 4 4 - 4 6
PRELLER, FRIEDRICH D . Ä .
VI, 66, 67
KLINGER, M A X KNAPP, A .
PETZL, JOSEPH
92-97
KLENGEL, JOHANN CHRISTIAN K L I M T , GUSTAV
OVERBECK, FRIEDRICH
V, 9 5 , 9 6
KLEIN, JOHANN ADAM
3 0 ^ 3
V, 9 4
KERSTING, G E O R G FRIEDRICH KIRCHNER, ALBERT
IV,
V I , 130, 131
VI,
134
IV, 4 8
169
RHOMBERG, JOSEPH A N T O N
56-58
RICHTER, ADRIAN LUDWIG
I/II, 209 V,
129-134
R I E P E N H A U S E N , F R A N Z UND J O H A N N E S LAEUGER, M A X
RODIN, AUGUSTE
V I , 78, 79
LANG, ALBERT
RÖSLER, WALDEMAR
V, 9 7 - 1 0 0
LANGER, RICHARD
VI,
LEIBL, WILHELM
LEUZINGER, JOHANNES LIEBERMANN, M A X
Loos,
FRIEDRICH
V,
LUCAS, AUGUST
IV, 2 5 112-115
CARL
I/II, 216,
V,
VI,
M A R É E S , H A N S VON
V,
MELZER, MORITZ
VI,
MENZEL, ADOLPH
V,
M E T Z , FRIEDRICH
V,
MIND, GOTTFRIED MINNE, GEORGE
V,
112
SCHEIBE, RICHARD
119-121
SCHILBACH, J O H A N N HEINRICH
171 172
VI,
MORGENSTERN, CHRISTIAN MOSBRUGGER, FRIEDRICH
116
SCHMITT, G E O R G PHILIPP SCHMITT, G U I D O
174
I/II, I/II,
I/II, VI,
V I , 145,
SCHIRMER, J O H A N N W I L H E L M
I / I I , 1 7 3 ; V, 1 2 4 I/II,
175
V, 1 4 4
SCHOLZ, JULIUS
194
V,
SCHUBACK, E M I L
I/II,
IV, 2 7 , 2 8
195
III, 70
OERTEL, WILHELM OLIVIER, FERDINAND
378
V,
VI,
125-127
125-129
IV, 2 9
VI,
S C H W I N D , M O R I T Z VON
III, 71
147
SCHWANTHALER, L U D W I G VON
I/II,
SIGNAC, PAUL SLEVOGT, M A X SMITS, J A C O B
V, 1 5 4 VI,
148-151
VI, VI,
152-167
168
220-227
IV, 5 9 - 6 5
SETTEGAST, JOSEPH A N T O N N I K O L A U S SHARLEY, H .
IV, 5 8
V, 1 5 3
SCHULZ, WILHELM
IV, 2 6
118-124
IV, 5 3 - 5 7
145-152
SCHROEDTER, ADOLPH
NEUREUTHER, EUGEN NAPOLEON
OBERLÄNDER, ADOLF
65-69
S C H N O R R VON C A R O L S F E L D , L U D W I G F E R D I N A N D
176-193
NAUWERCK, LUDWIG GOTTLIEB CARL VI,
V, 1 4 3 III,
IV, 5 2
SCHÜTZ I I . , CHRISTIAN G E O R G
NOLDE, EMIL
146
SCHNORR VON CAROLSFELD, JULIUS
117
N A E K E , GUSTAV H E I N R I C H
I/II, 219
142-144
SCHIRMER, AUGUST FERDINAND
I/II,
III, 62, 63
III, 64
140,141 VI,
SCHINNERER, A D O L F
113-115
M O L I T O R , M A R T I N VON
VI,
SCHINDLER, T H E O D O R
M O D E R S O H N - B E C K E R , PAULA
M Ü N C H , EDVARD
IV, 51
SCHADOW, JOHANN GOTTFRIED
116-118
MIVILLE, JAKOB CHRISTOPH
MÜLLER, RUDOLF
III, 61
SAUERWEID, A L E X A N D E R IWANOWITSCH
104-111
I/II,
M O H N , VICTOR PAUL
IV, 5 0
141,142
R U N G E , PHILIPP O T T O
122,123
VI,
217
1/11,218
R U H L , L U D W I G SIGISMUND RUMPF, PHILIPP
I/II, 215
135-140
SANDHAAS, K A R L MAILLOL, ARISTIDE
210-214
139
ROWLANDSON, THOMAS
V, 1 0 3
104-111
LUGO, EMIL
V,
Roux,
83-103
LINDEMANN-FROMMEL, KARL
VI,
ROTTMANN, CARL
III, 59
III, 60
VI,
138
I/II,
ROHLFS, CHRISTIAN
V, 1 0 2
LESSING, C A R L FRIEDRICH
VI,
R O H D E N , J O H A N N M A R T I N VON
V, 1 0 1
IV, 4 9
135-137
R O H D E N , FRANZ VON
80-82
L E N B A C H , F R A N Z VON
VI,
IV, S 1 - S 1 5 6
SPECKTER, O T T O SPIRO, E U G E N
III, 72 VI,
SPITZWEG, C A R L
V E I T , PHILIPP
169
V,
STEINHAUSEN, W I L H E L M
V,
159-161
S T E I N L E , E D V A R D VON
V,
STEPPES, E D M U N D
170,171
STRÄHUBER,ALEXANDER VI,
184-186 I/II,
VUILLARD, EDOUARD
249-254
VI,
192
162-174 III, 73
STÖLZEL,CHRISTIAN ERNST Süs, WILHELM
V,
VERHAS, THEODOR
155-158
VI,
IV, 6 9 - 7 3
VENUS, ALBERT
IV,
66
172-179
WAGENBAUER, M A X JOSEPH WAGNER, O T T O
I/II,
WEISGERBER, ALBERT
VI,
193-196
WEISS, EMIL RUDOLF
VI,
197
WEISSENBRUCH, HENDRIK JAN THÖNY, EDUARD THOMA, HANS
VI, V,
THÜRMER, JOSEPH TRÜBNER, WILHELM
WELKER, ERNST
180
WENGLEIN, JOSEF
1/11,228
WITTMER, JOHANN MICHAEL
181-189
WOLF, MAX
VI,
UNBEKANNTE KÜNSTLER
198
V, 1 8 7 I/II, 261
V, 1 8 8 - 2 1 9
WOUTERS, RIK U H D E , FRITZ VON
VI,
I/II, 260
175-183 VI,
255-259
III, 74, 75
VI,
199
190,191 I / I I , 2 2 9 - 2 4 8 ; IV, 6 7 , 6 8 ; V, 1 - 3
ZILLE, HEINRICH
VI, 200
379