Vom Imperium zum Nationalen Königtum: Vergleichende Studien über die publizistischen Kämpfe Kaiser Friedrichs II. und König Philipps des Schönen mit der Kurie [Reprint 2019 ed.] 9783486768558, 9783486768541

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German Pages 241 [244] Year 1933

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Table of contents :
VORWORT
INHALT
VERZEICHNIS DER IN ABKÜRZUNG ANGEFÜHRTEN WERKE
PROBLEM UND METHODE
I . DIE WIRKUNGEN KAISER FRIEDRICHS II. IM 13. JAHRHUNDERT
II. DIE PUBLIZISTIK UND DIE ÖFFENTLICHKEIT IM DIENSTE DER OPPOSITION GEGEN DIE KURIE
III. DIE ENTWICKLUNG DER POLITISCHEN IDEEN
RÜCKBLICK
1. EXKURS
2. EXKURS
Verzeichnis der angeführten amtlichen Schriftstücke, Flugschriften usw
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Vom Imperium zum Nationalen Königtum: Vergleichende Studien über die publizistischen Kämpfe Kaiser Friedrichs II. und König Philipps des Schönen mit der Kurie [Reprint 2019 ed.]
 9783486768558, 9783486768541

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VOM IMPERIUM ZUM

NATIONALEN KÖNIGTUM Vergleichende Studien über die publizistischen Kämpfe Kaiser Friedrichs II. und Konig Philipps des Schönen mit der Kurie

VON

H E L E N E WIERUSZOWSKI

M Ü N C H E N UND BERLIN 1933 V E R L A G VON R . O L D E N B O U R G

B E I H E F T 30 D E R H I S T O R I S C H E N

ZEITSCHRIFT

A l l e R e c h t e , e i n s c h l i e ß l i c h des Ü b e r s e t z u n g s r e c h t e s , v o r b e h a l t e n D R U C K VON R . O L D E N B O U R G , MÜNCHEN UND BERLIN

F R I E D R I C H MEINECKE MEINEM VEREHRTEN

LEHRER

IN D A N K B A R K E I T

VORWORT.

Diese Studien verdanken ihre Entstehung dem Forscher und Lehrer, dem sie gewidmet sind. — Im Jahre 1924, kurz vor dem Erscheinen seiner „Idee der Staatsräson" äußerte Friedrich Meinecke den Wunsch, es möchte einmal den Ursprüngen der machiavellistischen ratio status in der Staatstheorie des späteren Mittelalters nachgegangen werden. Ich wagte es, die Aufgabe zu übernehmen. Aber bei den Vorarbeiten merkte ich bald, daß der Erkenntnis der ideenpolitischen Entwicklung nicht damit gedient sein würde, wenn aus der umfangreichen Traktatenliteratur des 14. und 15. Jahrhunderts diejenigen Aussprüche zusammengestellt würden, die eine Deutung im Sinne Meineckes zuließen. Denn der aristotelische oder averroistische Naturalismus, der sich bei dem bedeutenden Marsilius und einigen anderen findet und der nach einem bekannten Worte Campanellas als der Vater des Machiavellismus anzusprechen ist, war wohl nie viel mehr als eine Geheimlehre, die sich hinter die herrschende thomistisch-theologische Anschauung zu verstecken suchte. Jedenfalls machte er nie den Versuch, die von ihm erkannten Wahrheiten auf die Öffentlichkeit wirken zu lassen. Wie die Lehre des Kopernikus lange Zeit vor ihrem berufenen und erfolgreichen Künder dem dialektisch umfassenden Geist eines mittelalterlichen Denkers entsprang und wieder verschwand, fast ohne Spuren zu hinterlassen, so bahnten auch die Einsichten Einzelner in die naturhafte Zweckgebundenheit des Staates den Forderungen der politischen Wirklichkeit nicht den Weg in die Staats- und GeseÜschaftslehre der Zeit. Hingegen fand ich in früherer Zeit, im Jahrhundert des wiedererstandenen Aristotelismus, Versuche, der Idee des Staatswohls in der Öffentlichkeit den Boden zu bereiten. Darum wandte ich dieser Zeit mein Hauptaugenmerk zu.1) Aus äußeren Gründen mußte ich diese *) Meinecke weist auf die von mir übernommene Aufgabe hin: Die Idee der Staatsräson in der neueren Geschichte, München und Berlin, 1924, 35, Anm. 4. An gleicher Stelle führt er einige vormachiavellistische Stimmen auf. Ergänzungen finden sich bei A. Dempf, Sacrum Imperium, München und Berlin 1929, 547, 555. Dem von mir lange empfundenen esoterischen Charakter des vormachiavellistischen Naturalismus hat übrigens Dempf zum erstenmal den Namen gegeben (a. a. O. 404 und 432).



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Studien einige Jahre liegen lassen. Als ich sie wieder aufnahm, war die Forschung um wichtige Untersuchungen, besonders aber um eine bedeutende Biographie Kaiser Friedrichs II. bereichert worden. So stellte ich mir die Aufgabe, dem äußeren und inneren Zusammenhang in den publizistischen Auseinandersetzungen der beiden Herrscher nachzugehen, die im 13. Jahrhundert um das Recht des weltlichen Staates mit der Kurie zu ringen hatten. Methode und unmittelbares Forschungsziel haben sich dem ursprünglichen Plan gegenüber geändert. Die von Meinecke gestellte Kernfrage nach dem Ursprung des modernen Staatsgedankens im Mittelalter ist aber trotzdem die Richtschnur dieser Studien geblieben. Die Vorbereitung, der Arbeit wurde mir erleichtert durch ein Stipendium der Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft, der ich dafür an dieser Stelle meinen aufrichtigen Dank ausspreche. Herr Geheimrat Paul Kehr gestattete mir freundlichst die Benutzung der Hilfsmittel der Monumenta Germaniae. Für wertvolle wissenschaftliche Hinweise danke ich Prof. Eduard Sthamer in Berlin, Prof. Wilhelm Levison in Bonn und Prof. Ernst Kantorowicz in Frankfurt a. Main. Besonderen Dank weiß ich dem Herrn Generaldirektor der Pr. Staatsarchive, Prof. Albert Brackmann, für die Aufnahme meiner Arbeit in diese Sammlung, dann aber auch für die wiederholte, stets bereite Förderung und Hilfe, mit der er mir bei allen Arbeiten dieser letzten Jahre beigestanden hat. — Schließlich danke ich meinem Vater, Prof. Alfred Wieruszowski in Köln, der mich beim Lesen der Korrekturen unterstützte. Bonn, im Juli 1933.

H. W I E R U S Z O W S K I .

INHALT.

Seite

P r o b l e m und M e t h o d e

n

I. D i e W i r k u n g e n K a i s e r F r i e d r i c h s II. i m 13. J a h r h u n d e r t 1. Die Stellung Kaiser Friedrichs II. innerhalb der kirchenfeindlichen Bewegung seines Jahrhunderts 2. Das Bild Kaiser Friedrichs II. bei den Trägern der Opposition gegen die Kurie um die Wende des Jahrhunderts 3. Die Kampfschriften Kaiser Friedrichs II. in den Kanzleien des 13. und 14. Jahrhunderts

30 42 58

II. D i e P u b l i z i s t i k u n d die Ö f f e n t l i c h k e i t i m D i e n s t e d e r O p p o s i t i o n gegen die K u r i e 1. Allgemeine Charakteristik der Publizistik der beiden Herrscher 2. Charakteristik der Publizistik Philipps des Schönen nach Verfasserschaft und Vorbild 3. Juristen im Dienste der publizistischen Tätigkeit 4. Begriff und Umfang der Öffentlichkeit 5. Mittel der Propaganda a) Neue Formen b) Die ständischen Versammlungen c) Die politische Rede III. D i e E n t w i c k l u n g d e r p o l i t i s c h e n

84 89 108 116 121 124 136

Ideen

1. 2. 3. 4.

Gottesgnadentum und Herrscherweihe Die Souveränität des weltlichen Herrschers D a s Eigenrecht d«s weltlichen Staates Der Herrscher und. die Kirche a) Der neue Kirchenbegriff und das Widerstandsrecht der Gläubigen b) Der Herrscher und die Gesamtkirche. Reformgedanken . c) Der Herrscher und die Landeskirchen Rückblick

141 150 164 175 176 186 197 212

Exkurs I : Über ein angebliches Zeugnis für die Benutzung staufischer Dokumente in der Kanzlei Philipps des Schönen Exkurs I I : Über die Verwandtschaft der Colonna und Montenero . . Verzeichnis der angeführten amtlichen Schriftstücke, Flugschriften usw. Register

215 219 222 232

VERZEICHNIS DER IN ABKÜRZUNG ANGEFÜHRTEN WERKE.

Archiv (Neues Archiv) = (Neues) Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde. Berger, Saint Louis = Elie Berger, Saint Louis et Innocent I V . Etude sur les rapports de la France et du Saint Siège (Einleitung zu: Les Régistres d'Innocent IV. Bibliothèque des écoles françaises d'Athènes et de Rome, 2. sér. I 6 1884). Bouquet, Recueil = Recueil des historiens des Gaules et de la France. Paris. Boutaric, France = E. Boutaric, L a France sous Philippe le Bel, Paris 1861. Boutaric, Notices = Notices et extraits de documents inédits relatifs à l'histoire de France sous Philippe de Bel (Notices et extraits des manuscrits de la Bibliothèque impériale X X 2, 1862, 83—237). Burdach, Rienzo = K. Burdach, Rienzo und die geistige Wandlung seiner Zeit. Berlin 1913—1928 (Vom Mittelalter zur Reformation III, 1). Carlyle = R . W . and A. J. Carlyle, A history of mediaeval politicai theory in the west I — V , Edinburgh-London 1903—1928. Const. = Monumenta Germaniae histórica. Legum Sectio I V . Constitutiones et acta publica imperatorum et regum, I — V , Hannoverae 1893—1913Denifle, Archiv = Archiv für Literatur- und Kirchengeschichte des Mittelalters, hrsg. von H. Denifle, I — V I I , 1885 ff. Dt. Ztschr. = Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Dupuy = P. Dupuy, Histoire du différend d'entre le pape Boniface V I I I et Philippes le Bel, roy de France, Paris 1655. Ep. pont. = Monumenta Germaniae histórica. Epistolae saeculi X I I I e regestis pontificum Romanorum selectae I, II, Berolini 1883—87. Finke, Bonifaz = H. Finke, Aus den Tagen Bonifaz' VIII., Münster 1902. Gierke = O. Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht I — I V , Berlin 1868—1913. Goldast, Monarchia = M. Goldast, Monarchia Romani imperii I — I I I , Hannoverae 1611—13. Graefe = Fr. Graefe, Die Publizistik in der letzten Epoche Kaiser Friedrichs II., Heidelberg 1909. Hauck K.-G. = A . Hauck, Kirchengeschichte Deutschlands I — I V , 3. u. 4. Aufl. 1906—14. V, i . Aufl. 1920. Hist. litt. = Histoire littéraire de la France, Paris.



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Holtzmann, Nogaret = R . Holtzmann, Wilhelm von Nogaret, Rat und Großsiegelbewahrer Philipps des Schönen von Frankreich, Freiburg 1. Br. 1898. Huill.-Bréh. = J . L. A. Huillard-Bréholles, Historia diplomatica Fridericill. I—VI, Parisiis 1852—61. Huill.-Bréh., Pierre = J . L . A. Huillard-Bréholles, Vie et correspondence de Pierre de la Vigne, Paris 1861. H. Z. = Historische Zeitschrift. Kantorowicz = E . Kantorowicz, Kaiser Friedrich II., Berlin 1927. Kantorowicz, Erg.-Bd. = E. Kantorowicz, Kaiser Friedrich II. Ergänzungsband, Quellennachweise und Exkurse, Berlin 1931. Langlois = Ch. V. Langlois, Saint-Louis, Philippe de Bel, les derniers Capétiens directs, Paris 1 9 1 1 (E. Lavisse, Histoire de France I I I 2). Lizerand = G. Lizerand, Le Dossier de l'affaire des templiers, Paris 1923. Matth. Par. = Matthaei Parisiensis monachi Sancti Albani Chronica maiora ed. by H. R . Luard I—VII, London 1872—1883 (Rerum Britannicarum medii aevi scriptores 57). Mém. Ac. Belg. = Mémoires de l'Académie royale des sciences . . . de Belgique. MIÖG = Mitteilungen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung, Innsbruck. Mirbt, Publizistik = K . Mirbt, Die Publizistik im Zeitalter Gregors VII., Leipzig 1894. Mirbt, Quellen = K. Mirbt, Quellen zur Geschichte des Papsttums und des römischen Katholizismus, 4. Aufl., Tübingen 1924. Möhler = L. Möhler, Die Kardinäle Jakob und Peter Colonna. Ein Beitrag zur Geschichte des Zeitalters Bonifaz' VIII., Paderborn 1914 (Quellen und Forschungen aus dem Gebiete der Geschichte 17). Not. et extr. = Notices et extraits des manuscrits de la Bibliothèque impériale, Paris. P. d. V. = Petri de Vineis epistolarum libri V I ed. J . R. Iselius I, II, Basileae 1740. Rayn. Ann. = C. O. Baronius, O. Raynaldus, Annales ecclesiastici, Lucae 1738-59. Reg. Bon. = Les Régistres de Boniface V I I I éd. par G. Digard etc., Paris 1884—1931 (Bibliothèque des écoles françaises d'Athènes et de Rome, 2. sér. IV). Reg. Imp. = J . F. Böhmer, Regesta Imperii V. Die Regesten des Kaiserreichs unter Philipp, Otto IV., Friedrich II. . . . Hrsg. von J . Ficker, Innsbruck 1881/82. Reg.Pont. = A.Potthast, Regesta Pontificum Romanorum,Berolini 1874/75. Renan, Politique = E . Renan, Etudes sur la politique réligieuse du règne de Philippe le Bel, Paris 1899 (darin: Guillaume de Nogaret, légiste aus: Histoire littéraire de la France 27, 1877 und Pierre Dubois aus: Histoire littéraire de la France 26, 1873). Rymer, Foedera = ïoedera, conventiones, literae . . . inter reges Angliae et alios quosvis imperatores . . . accur. Th. Rymer, I, Hagae, 1745.



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S. Berl. Ak. — Sitzungsberichte der Preußischen Akademie der Wissenschaften, Berlin. Scholz = R . Scholz, Die Publizistik zur Zeit Philipps des Schönen und Bonifaz' VIII., Leipzig 190g (Kirchenrechtliche Abhandlungen 6/8). SS. = Monumenta Germaniae histórica. Scriptores. SS. rer. Brit. = Rerum Britannicarum medii aevi scriptores. SS. rer. Germ. = Scriptores rerum Germanicarum in usum scholarum ex monumentis Germaniae historicis separatim editi. SS. rer. Ital. = Rerum Italicarum scriptores praecipui ed. L . A. Muratori, Mediolani 1738—51. Steinen, Kaisertum = W. v. d. Steinen, Das Kaisertum Friedrichs II. nach den Anschauungen seiner Staatsbriefe, Berlin-Leipzig 1922. Vehse = O. Vehse, Die amtliche Propaganda in der Staatskunst Kaiser Friedrichs II., München 1929. Wenck = K . Wenck, Philipp der Schöne von Frankreich, seine Persönlichkeit und das Urteil der Zeitgenossen, Marburg 1905. Winkelmann, Acta = E. Winkelmann, Acta imperii inédita saeculi X I I I . x, 2, Innsbruck 1880—85. Winkelmann, Jahrbücher = E . Winkelmann, Jahrbücher der deutschen Geschichte. Kaiser Friedrich II. 1, 2, Leipzig 1889—97.

PROBLEM UND METHODE.

Das 13. Jahrhundert ist so reich an Gegensätzen der kirchlichen und religiösen Anschauungen, wie wohl kein anderes im Mittelalter. Ein Jahrhundert, in dem das Papsttum und die hierarchische Kirche nicht nur die vollendete Theorie ihrer Allmacht verkünden durften, sondern einen Grad tatsächlicher Gewalt erreichten, wie ihn sich einst ein Gregor VII. kaum erträumt hatte, und in dem nebenher die Häresie als erbitterte Feindin dieser Kirche die üppigsten Blüten trug. Als Zeitgenossen und Gegenpole der beiden gewaltigsten Papstherrscher, Innocenz III. und Bonifaz VIII., die die Eckpfeiler dieses Machtgebäudes am Anfang -und Ende des Jahrhunderts bildeten, erstanden der katholischen Christenheit die beiden reifsten und fruchtbarsten Künder und Nachschöpfer der christlichen Urlehre und der asketischen Idee: der eine, Franz von Assisi, indem er sie gelebt hat in Selbstverleugnung und Armut, in vollkommener Gotteshingabe und brüderlicher Liebe, der andere, Dante Alighieri, indem er sie schaute und nachschuf in unerhört großen Bildern und seine Vision von der spiritualen Kirche einordnete in den Zusammenhang eines metaphysisch gedeuteten Geschichtsablaufs. So wenig wie der Traum einer Wiederherstellung des Reichs durch die reformatio spiritualis ecclesiae und die renovatio evangelica in Erfüllung gehen konnte, die Beatrice dem Dichter verhieß, so wenig vermochte Bonifaz VIII. jenes Phantasma der päpstlichen Weltherrschaft, das ihm zeitweise in einer Art Ekstase vorschwebte, zur Verwirklichimg zu bringen. Am Tag von Anagni zerrann der Traum für immer. Ein Jahr vorher hatte Bonifaz dem Anspruch der päpstlichen plenitudo potestatis die abschließend eherne Form der Bulle „Unam Sanctam" gegeben. Es ist oft genug bemerkt worden, daß diese Bulle nichts unerhört Neues der Welt verkündet hat, daß sie nur die Erfüllung dessen brachte, was seine Vorgänger in einheitlicher Linie mit großartiger Konse-



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quenz erstrebt hatten. ) Gleichwohl ist ein wesentlicher Unterschied zwischen den Anfängen des päpstlichen Weltherrschaftsstrebens bei Gregor V I I . und der Blütezeit dieses Gedankens im 1 3 . Jahrhundert nicht zu verkennen. 2 ) Wenn in der Epoche des großen Kirchenstreites die Kurie mit ihren Eingriffen in das Weltliche noch durchaus der Reform der Kirche dienen zu können glaubte oder dies jedenfalls behaupten konnte, so w a r es jetzt nicht mehr möglich der Welt solche Ziele vorzutäuschen. Z w a r machten die Päpste der späteren Periode für ihre Forderungen die potestas indirecta ratione peccati 3 ) oder die mit ihrem /ont verbundene ober- und schiedsrichterliche Gewalt geltend; dennoch konnte über ihre wahren, in einer großen einheitlichen Linie und nach einem einzigen Ziel hintreibenden Absichten kein Zweifel mehr bestehen, seit sie in die Geschicke einzelner Staaten entscheidend eingegriffen hatten und — seit Innocenz I V . ') Auf diese prinzipielle Übereinstimmung weisen vor allem hin: Huill.-Bréh., Introd. D X X I X f f . und Finke, Bonifaz V I I I . , 1 5 1 ff. F. arbeitet besonders sorgfältig die Gründe heraus, warum nicht Innocenz I I I . sondern Bonifaz V I I I . als der eigentliche Vertreter der Anschauung von der päpstlichen Machtvollkommenheit gilt. — Ich verweise für die folgende Bemerkung zur Geschichte des päpstlichen Weltherrschaftsgedankens im 13. Jahrhundert ganz im allgemeinen auf die Werke von Hauck, Finke, Burdach, Scholz, Haller, die im folgenden wiederholt zitiert werden, und auf die einschlägigen Kapitel in den Darstellungen des katholischen Kirchenrechts. Ferner sei hier noch genannt die ausgezeichnete Einleitung von Jean Rivière zu seinem Buch: Le Problème de l'église et de l'état au temps de Philippe le Bel, Louvain, Paris 1926 (Spicilegium sacrum Lovaniense, Fase. 8) und von Einzeldarstellungen die bekannten von A. Hauck, Der Gedanke der päpstlichen Weltherrschaft bis auf Bonifaz V I I I . , Leipzig 1904, und J . B. Sägmtlller, Die Idee von der Kirche als Imperium romanum (Theol. Quartalschrift Bd. 80, 50—81). Im Zusammenhang mit der Geschichte der Staatstheorien im Mittelalter wurden die bekannten Werke von Gierke, Bernheim, Carlyle benutzt. 2

) Eine gute Zusammenstellung der wichtigsten Zitate aus den päpstlichen Registern, die die Entwicklung des papalen Machtgedankens zeigen, liefern die Brüder Carlyle in ihrem großen Werk: A History of mediaeval politicai theory in the West, Vol. V Part I I c. 1—4. Neben den bekannten und berühmten Dekretalen Innocenz' I I I . („Venerabilem", „ N o v i t " usw.) nenne ich hier vor allem noch die Bulle Gregors I X . vom 23. Oktober 1236 „ S i memoriam beneficiorum" mit der Herleitung der weltlichen Hoheitsrechte der Kurie aus der Konstantinischen Schenkung (Ep. pont. I nr. 703) und das große Schreiben Innocenz' IV. gegen Kaiser Friedrich II. vom Frühjahr 1246 „Aeger cui lenia" (Winkelmann, Acta I I nr. 1035). s ) Bonifaz V I I I . hat sich mit besonderer Vorliebe auf die potestas indirecta gestützt; vgl. Finke, 156ff.

— 13 — — auch als Finanzmacht auftraten. Hier war ihre angreifbarste, ihre verwundbarste Stelle. Hier konnte eine Opposition, die etwas erreichen wollte, ihre überzeugendsten Angriffspunkte finden. Seit die Kirche in den Zusammenhang des römischen Weltreiches aufgenommen worden war und ihre Entwicklung zu einem politisch-rechtlichen Institut endgültige Formen angenommen hatte, mußte sie die Opposition derjenigen gegen sich haben, die an die Verwirklichung eines christlichen Gottesstaates nach den Lehren des Urchristentums glaubten.4) Der Aufbau ihrer hierarchischen Verfassung und ihre Einbeziehung in das mittelalterliche Feudalsystem hat die Verweltlichung dann zu einer Tatsache gemacht, die nicht nur die prinzipiellen Gegner dieser Institution sondern auch ihre unbedingten Anhänger erschrecken mußte.5) Während einzelne Stimmen von je den Ruf nach Reform erhoben hatten, sind die Massen zu allererst durch den sogenannten Investiturstreit — der Name ist zweifellos zu eng für diese erste große Auseinandersetzung zwischen Staat und Kirche — aufgewühlt worden. Durch das demagogische Vorgehen Gregors VII. selbst wurden die Laien zur Erhebung gegen ihre Priester aufgefordert und zu einer Kritik angeregt, die bei den Personen nicht Halt machte, bald auch das Amt selbst angriff und leicht in Unabhängigkeitsgelüste vom Priester und von der Kirche umschlagen konnte. So wurde der Boden bereitet für die Lehren der Ketzersekten. Aber auch da, wo der Kirchenstreit nur mit der Feder ausgefochten wurde, blieb es nicht bei Zweifeln an der Unfehlbarkeit, moralischen Vorbildlichkeit und an der Berechtigung bestimmter Maßnahmen einzelner Kirchenfürsten. Die Skepsis und die Kritik wagten sich auch an bisher unbestritten anerkannte Größen, wie die kirchlichen Rechtssatzungen und die traditionelle Auslegung der Heiligen Schrift.6) Aber auch nachdem dfe Hitze des Streites sich gelegt hatte, klingen Haß, Spott und Verachtung der Gläubigen gegen Habgier, Herrschsucht, Ämterkauf des Klerus in den Versen der Spiel*) Vgl. Joh. Haller, Papsttum und Kirchenreform I, Leipzig 1903, 10 f. Der Begriff der Verweltlichung ist nicht von vorne herein eindeutig bestimmbar, sondern abhängig von der Deutung, die man dem mittelalterlichen Kirchengedanken geben will. H. Schmalenbach, Das Mittelalter. Sein Begriff und Wesen, Leipzig 1926, i3off., gibt einen Überblick über mehrere dieser Auffassungen, vor allem über die H. von Eickens und E . Troeltschs, die in gewissem Sinne Pole darstellen. «) Vgl. Mirbt, Publizistik 613, 625ff.

— 14 — leute und Troubadours durch das ganze folgende Jahrhundert. Die Carmina Burana sind voll von diesen Stimmen.7) Trotzdem war im 12. Jahrhundert die kirchliche Gesinnung des Abendlandes noch nicht erschüttert: es ist die Zeit der großen Kreuzzugbewegung und -begeisterung, der Missionierung des Nordens und Ostens. Die Opposition gegen die Kirche als Institution, die zu Schisma oder Abfall hätte führen können, kündigte sich erst an in der ungeheuren Erweiterung des Gesichtskreises durch die Kreuzzüge, in dem Emporblühen der Städte, dem Beginn einer großartigen Laienkultur, einem neuen freieren und sich allmählich von Meinungszwang und Autoritäten loslösenden Bildungs-, Wissens- und Forschungstrieb, aber auch in einer selbständigeren religiösen Betätigung der Laien.8) Der entscheidende Bruch liegt um die Wende des 12. und 13. Jahrhunderts. Er entsteht in Deutschland durch die verhängnisvolle Wahl des Jahres 1198 und die Haltung der Kurie in diesem Streit. Ein Blick in die Sammlung politischer Sprüche Walters von der Vogelweide und des Freidank genügt um die Verheerung festzustellen, die die deutsche Politik Innocenz' III. in dieser Zeit in den Gemütern angerichtet hat. Außer den alten Lastern der Habsucht, Geldgier, Ämterjagd, beklagt Walter in leidenschaftlichen Versen den moralischen Tiefstand an der höchsten Stelle der Christenheit, in den alle mitgerissen werden, die mit der Kurie zu tun haben, und den Verlust jener sittlichen Oberleitung, an die sich die Gläubigen bisher hätten halten können.9) Über die furchtbaren praktischen Folgen dieser Verhältnisse im Reich hat der schwäbische Chronist Burchard von Ursberg mit beißender Ironie geurteilt. Das Schisma, so führt er aus, erzeugte in jedem Bistum, in jeder Pfarrkirche schwere Entzweiung, die ') Vgl. die Gedichte Nr. X I I — X X in der Benediktbeurer Hs. der C.B.,hrsg.in d. Bibl.d.lit. Vereins Stuttgart, Bd. 16, 1 8 4 7 , 1 0 0 . Dazu auch die Zusammenstellung bei Arturo Graf, Roma nella memoria e nella immaginazione del medio evo, Torino 1923, Bd. I, 3off. 8 ) Darüber vgl. die entsprechenden Kapitel bei Hauck, ferner die Darstellungen von H. Reuter, Geschichte der religiösen Aufklärung im Mittelalter, Bd. I Kap. 3 u. 4, E . Troeltsch, Die Soziallehren der christlichen Kirchen u. Gruppen, 3. Aufl., Tübingen 1923, 386ff., und neuerdings Ch. H. Haskins, The Renaissance of the 12. Century, Cambridge (Mass.) 1927, bes. Kap. I X f f . •) Walter v. d. Vogelweide, hrsg. v. W. Wilmanns, 2. Ausg., Halle 1905, vgl. bes. die Sprüche 94 S. 1 2 7 ! und Freidanks Bescheidenheit, hrsg. von H. Bezzenberger, Halle 1872, vgl. bes. d. Abschn. „Von Rom" v. 148, 4—154, 17. Vgl. jetzt auch E . Nitz, Die Beurteilung d. röm. Kurie in d. dt. Lit. des 13. u. d. ersten Hälfte des 14. Jhs., Diss. Berlin 1930.

— 15 — dann in Rom ausgetragen werden mußte gegen klingenden Entgelt.10) Schon während des ersten großen Kirchenstreites hatten sich die furchtbaren Wirkungen gezeigt, die die Exkommunikation des Herrschers in Verbindung mit dem Verbot an seine Untertanen, mit dem Gebannten zu verkehren, die Absetzung und Entbindung von dem Treueid für das Staatsgefühl mit sich gebracht hatten, und die Berechtigung dieser Maßnahmen war von der kaiserlichen Partei auf das heftigste bestritten worden.11) Auch jetzt spricht weniger scharf zwar, aber deutlich genug der kölnische Verfasser des Dialogus inter clericum et laicum den Zweifel an der Berechtigung der Kirche aus, die Untertanen vom Treueid gegen den Herrscher, die Vasallen von dem Eid gegen ihre Lehnsherren loszubinden.12) Wie in Deutschland die Doppelwahl, so wirkten in England die Lehnsabhängigkeit von der Kurie und die sich immer steigernde AussaugungspoHtik durch Steuererhebungen und Pfründenvergabungen an Italiener, die die nationalen Impulse der Stände und des ganzen Volkes wachrief. Matthäus Paris, der bedeutende englische Geschichtsschreiber, beklagt das Erlöschen des Glaubensfeuers und der echten christlichen Gesinnung13), und seine Chronik ist voll von Warnungen, Drohungen, ja Schmähungen gegen die Kurie, die durch ihr Gebaren die universale christliche Kirche in ihrem Bestand gefährde. Denn wenn die allgemeine Bedrückung aller zunähme, sei zu fürchten, daß ein allgemeiner Abfall eintreten werde (ne immineret generalis discessio) ! 14 ) Jedermann hätte — dieses ist seine Ansicht, und man darf ihr glauben — gegen Kaiser Friedrich II. als den offenbaren Feind der Kirche Partei ergriffen, wenn nicht die avaritia Romana die devotio der Völker abgestoßen hätte.16) Dieselbe Stimmung stellt er 10 ) Vgl. die Chronik des Burchard v. Ursberg, 2. Aufl., hrsg. von O. Holder-Egger und B. v. Simson, 1916 (SS. rer. Germ.) ad ann. 1198, S. 82. 11 ) Vgl. Mirbt, a. a. O., Abschn. II, bes. Teil II, 2 1 3 « . la ) Hrsg. v. G. Waitz als Appendix I V zur Chronica regia Col., 1880 (SS. rer. germ.), 319. Die Frage des Laien lautet: Poterat nos Papa iuramento absolvere, quod nos iuste, licite ac debite prestitimus ? w ) Matth. Par. III, 389: Temporibus illis ingruentibus igniculus fidei coepit nimis refrigescere . . . Expiravit Caritas, libertasecclesiastica emarcuit, religio viluit subpeditata et facta est filia Sion quasi meretrix effrons non habens ruborem. 14 ) Eb. III, 108: . . . quia omnium esset universalis oppressio, potest timeri ne immineret generalis discessio. 15 ) Eb. II, 608. Die Beispiele aus der Chronik lassen sich beliebig vermehren, vgl. auch J . Haller, a. a. O. 27 n. 2.



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auch für Frankreich fest. ) Matthäus, der gerne übertrieb, hat doch darin gewiß richtig gesehen, daß ein allgemeiner Abfall von der offiziellen Kirche im Gange war.17) Sogar die deutschen Fürsten sprechen es in einem offiziellen Brief an den Papst Gregor IX. aus, daß zu fürchten sei ein orbis scandalum, ex quo imminet catholicae fidei periculum, vor allem aber eine Spaltung in ihren eigenen Reihen wegen des dem Reiche geschworenen Eides.18) Der furchtbare Kampf zwischen Kaisertum und Papsttum und seine Begleiterscheinungen: die Aufpeitschung der öffentlichen Meinung gegen die Stellvertreter Christi, aber auch die Haltung dieser selbst gegen den Kaiser untergruben vollends die Stellung des Papsttums und der Kirche. Denn während die Päpste glaubten, die Menschen in nie erreichtem Umfange zu beherrschen, büßten sie bei den Gläubigen auch den letzten Schimmer von christlicher Gesinnung und christlichem Verhalten ein, als sie das Land des Kaisers während seines Kreuzzuges überzogen19), dann die Verbindung gegen ihn mit den lombardischen Ketzern eingingen und nach der Absetzung des Kaisers zum Kreuzzuge gegen ihn sammeln und aufrufen ließen, als sie während der Vernichtungskämpfe gegen die Hohenstaufen in Italien die furchtbare Spaltung zwischen Guelfen und Ghibellinen erweiterten und durch die Begünstigung der Franzosen ungeheuer verschärften. Schon um die Mitte des Jahrhunderts konnten in Deutschland ein Bettelmönch einen Libellus de Innocentio quarto P. M. antichristo20) schreiben und in Italien die Anhänger und Schüler 14 ) Vgl. die Rede der Gesandtschaft Ludwigs I X . vor Innocenz IV., a. 1247, bei Matth. Par. V I , 99ff., auch in dem Auszug der SS. 28, 252 ff. " ) Vgl. das von Klerus und Adel von England an die Kardinäle gerichtete Schreiben des Jahres 1247 bei Matth. Par. IV, 597. 18 ) Huill.-Br6h. V, 399 f. Dieser Brief ist außerordentlich charakteristisch für die Gewissensnot, in die die Kurie die geistlichen Fürsten brachte vgl. Kantorowicz, 456. 19 ) Der Ursberger Chronist bricht über den Angriff des Papstes auf das Land des im heiligen Krieg abwesenden Kaisers in die Worte aus: Quis talia facta recte considerans non deploret et detestetur, que iudicium videntur et quoddam portentum et prodigium ruentis ecclesiae ? (a. a. O., 125). Andere ähnliche Urteile bei Winkelmann, Jahrbücher II, 78 f. Dort auch die empörten Verse des Freidank wegen der Verhängung des Interdikts über Jerusalem. Vgl. auch a. gl. O. 209 über die öffentliche Meinung nach dem Frieden von S. Germano, die in weiten Kreisen dem Kaiser günstig war. Über die verderbliche Wirkung dieser Kämpfe vgl. auch Hauck, K.-G. IV, 492, 885. 20 ) Hrsg. von E. Winkelmann, Fratris Arnoldi de correctione ecclesiae epistula et anonymi de Innocentio I V libellus. Berlin 1865. Die Deutung

— 17 — Joachims von Fiore die Kurie für antichristlich erklären 21 ), worin ihnen später auch die strenge Richtung der Franziskaner, die Spiritualen, und die Sekte des F r a Dolcino folgten. 2 2 ) J a , die apokalyptische Vision der großen Hure hat über zwei Menschenalter vor Dante schon Matthäus Paris auf die Kurie angewandt (meretrix vulgaris et effrons). 23 ) In dieser Haßgesinnung gegen die römische Hierarchie bildet das 1 2 . Jahrhundert eine Einheit. A n seinem Ende lauten die Klagen nicht anders als am Anfang. Man stelle nur Freidanks Verse: „Zwei swert in einer scheide / verderbent lihte beide / als der bäbest riches gert /, so verderbent beidiu swert" 2 4 ), neben die Worte Dantes: ,,. . . e giunta la s p a d a / dieser Schriften, denen noch ein drittes Stück anzureihen ist, das Winkelmann, Acta I I nr. 48 abdruckt, bei Hauck, K.-G. IV, 856, und vollständige Übersetzung bei Graefe, Publizistik 240 ff. — Schon in dem Schriftwechsel zwischen Papst und Kaiser 1239 wird Antichrist als Schmähwort gebraucht: Der Papst bemerkt über Friedrich: gaudet se nominari preambulum Antichristi, Ep. Pont. I nr. 750 S. 653; vgl. Kantoj-owicz, 455 u. Erg.-Bd. 199. Das Schreiben des Kaisers aber, das dies Wort gegen den Papst schleudert (Huill.-Br6h. V, 348ff.), ist wahrscheinlich nur eine Stilübung; vgl. Graefe 46 f. — Vgl. auch unten, 37. 21 ) Vgl. A. Dempf, Sacrum imperium, München u. Berlin 1929, 332ff., über den Jeremiaskommentar, eine pseudojoachimische Schrift, s. unten 49, Anm. 51. 22 ) K . Balthasar, Geschichte des Armutstreites im Franziskanerorden bis zum Konzil von Vienne, München 1 9 1 1 , 22öf. Die joachimisch gesinnten Spiritualen hofften auf die Niederwerfung des gegenwärtigen Papstes und seiner gesamten Kirchenordnung, die sie als häretisch betrachteten, und auf die Aufrichtung der ecclesia spiritualis. Über die Bedeutung der Antichristvorstellung im Kampf zwischen Papst und Kaiser handelt Burdach, Rienzo, 398ff., 3 1 5 ! , und Kantorowicz, 555ff. 2S ) I I I , 389, IV, 100, und an vielen andern Stellen. Auch der bedeutende Spiritualenführer Ubertin von Casale, der vielfach Vorbild für Dante gewesen ist, gebraucht dieses Bild in seinem 1305 geschriebenen Werk „Arbor vitae crucifixae", vgl. F. X . Kraus, Dante, Berlin 1897, 740, und zwar auch als Symbol für die verfallene Kirche (meretrix et impudica Babylon). Nach einer mündlichen Auskunft von A. Dempf liegt da eine formelhafte Tradition aus älteren Apokalypsekommentaren vor. Überhaupt wurden apokalyptische Bilder und Prophezeiungen schon sehr früh zur Geißelung schädlicher Zustände an der Kurie verwendet; vgl. Gabriele Rossetti, Sullo spirito antipapale, che produsse la Riforma, London 1832, 2/3. 24 ) A. a. O. v. 152, 12 f. Als Parallele dazu führt Graefe, 267 einen Satz aus dem oben genannten, von Winkelmann, Acta I I nr. 48 abgedruckten Stück an, das man eben wegen der Verwandtschaft dieses Satzes mit der Sprache Freidanks einem deutschen Sektierer zuweist. Der Satz lautet: in unius vagine c a s u l a . . . duo gladii non conveniunt habitare (Acta Imp. II, 53). Beiheft d. H. Z. 30

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col pasturale e l'un con l'altro insieme / per viva forza mal convien che vada /; pero che giunti l'un l'altro non teme."26) Und doch hat sich um die Wende des 13. Jahrhunderts dem etwas tiefer blickenden Beschauer die Lage erheblich verschärft. Es sind nicht mehr nur einzelne kühne und vorgeschrittene Geister, die ihre Stimmen zu erheben wagen und der Volksmeinung Ausdruck geben: die Spaltung der Welt in die feindlichen Lager der Laien und Kleriker, die Walther v. d. Vogelweide am Anfang des Jahrhunderts vorausgesehen und vor der der einsichtige Engländer gewarnt hatte, sie war am Ende des Jahrhunderts vollendete Tatsache geworden, von Papst Bonifaz VIII. öffentlich zugegeben und in den Anfangsworten der berühmten Bulle: „Clericis laicos infestos oppido tradit antiquitas, quod et praesentium experimenta temporum manifeste declarant" eindeutig und endgültig fixiert.26) Aber wie anders war mm der Stand der Laien in diesem Kampf 1 Man vergleiche die kühne Sprache derDisputatio inter clericum et militem, entstanden zur Zeit des ersten großen Zwistes Philipps des Schönen mit der Kurie (etwa 1296)27), mit dem eben genannten Dialog aus der Zeit der Doppelwahl in Deutschland, wo der Zweifel des Laien an den Kampfmethoden der Kirche nur zaghaft zum Ausdruck kommt. Nim sind die Rollen vertauscht, es mehren sich die Klagen auf seiten der Kleriker über die Gleichgültigkeit, die Feindschaft und die scharfen Vorstöße der Laien in den Kompetenzkreis der Kirche, wie die geistliche Gerichtsbarkeit und die Steuerfreiheit des Klerus. Man lese das Memorandum, das im Namen der französischen Kirchen das Generalkapitel des Zisterzienserordens an Bonifaz VIII. richtete mit den beweglichen Klagen über die Bedrückimg, die die Kirche durch die moderni principes zu leiden 25

) Purg. X V I , 109—112, vgl. auch Andere romfeindliche Stellen außer dem 32. Gesang des Purg., wo der Verfall und die VerweltJichung der Kirche symbolisch dargestellt sind: Inf. X I X , 9off„ n s f f . , Parad. X X , 55—60 (Folgen der konstantinischen Schenkung), X V I I I , I 2 l f f . , X X V I I I , 22 ff.; vgl. auch den Brief Dantes an die Kardinäle (Le Opere di Dante, Testo critico della Soc. Dantesca Italiana, Firenze 1921, 431 ff., Ep. X I ) u. Monarchia III, 10 u. II, 1 1 . 26

) Vgl. den Abdruck der Bulle bei Mirbt, Quellen, 208, nr. 369. Die zitierte Stelle ist dem Dekret des Gratian entnommen, vgl. Langlois, 132. Schon in dem oben besprochenen Memorandum, das die Gesandtschaft Ludwigs I X . an der Kurie vortrug, wird festgestellt, daß die Laien dem Klerus nur noch gehorchen aus Angst vor dem König, Matth. Par. VI, 100. 27 ) Abgedruckt bei Goldast, Monarchia I, i 3 f f . Über die Datierung Scholz 337 ff.

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habe. ) Daß allen Ernstes um die Wende des 13. Jahrhunderts in Frankreich auch schon die Trennung von der römischen Kirche geplant wurde, lehrt die Beobachtung eines Parteigängers Bonifaz' VIII.: Die Franzosen seien den Papa de Italia leid, sie glaubten, es sei an der Zeit, daß ein ultramontanus, einer von den französischen Prälaten, den päpstlichen Stuhl besteige, da diese nicht in dem Maße wie die Italiener anxii ad pecuniam seien, und daß er in partibus ultramontaneis die kirchliche Freiheit besser genießen könne als diesseits der Alpen.29) Ein Mönch und Magister der Theologie, auch Zeitgenosse des Bonifaz, prophezeite der Kurie die Übersiedlung nach Frankreich und eine Gefangenschaft von vierzig Jahren.30) Das Echo, das die Aktion Philipps gegen das Papsttum im französischen Volke auslöste, bedeutend genug, selbst wenn ein Teil davon auf zwangsmäßige Beeinflussung zurückgeführt werden muß, läßt keinen Zweifel darüber bestehen, wie diese Stimmen zu deuten sind. Das Nationalgefühl des französischen Volkes, das an und mit dem großen politischen Aufstieg des französischen Königtums im 13. Jahrhundert mächtig gewachsen war, strömte in die große Laienbewegung gegen die Mißbräuche der Kirche ein. 28

) Dieses Memorandum teilt aus einer Hs. der Abtei Dunes m i t Kervyn d e Lettenhove in Mém. Ac. Belg. 25, 22f. n r . 7. Zu diesen Klagen vgl. den Bericht eines Chronisten von Limoges über die Bedrückung der Kirche zur Zeit Ludwigs des Heiligen (!) zum J a h r e 1258 bei Bouquet, Recueil 21, 767 (Maius Chron. Lemov.): A b anno 1247 usque ad a n n u m 1260 . . . Ecclesia, domina gentium, cui divinitus decima f u i t concessa, hoc modo f a c t a est decimalis et sub t r i b u t o , nec est qui consolator eam, vgl. Langlois 68f. » ) Finke, Bonifaz, Quellen, S. L X X X V I I I , dazu im T e x t S. 150. 30 ) F i n k e teilt die Prophezeiung aus d e m Codex Vindobonnensis m i t , a. gl. 0 . 1 5 0 , Anm. 3: Audivi tarnen Parisius tempore Bonifatii a quodam illustri viro, qui e r a t antiquus religiosus e t magister i n theologia, quod ecclesia R o m a n a d e b e a t transferri i n Galliam a t ibi morari X L annos. — Die obige Zusammenstellung der zeitgenössischen Stimmen macht selbstverständlich auf Vollständigkeit nicht im entferntesten Anspruch. Es sollten hier n u r einige n a c h der Bedeutung, dem Stand, der Nationalität der Persönlichkeit wichtige gehört werden. Die politische Spruchdichtung besonders in F r a n k reich m ü ß t e noch viel Stoff liefern. Literarische Erzeugnisse, wie der R o m a n de la Rose, i m ganzen eine gute Quelle f ü r die kulturellen Zustände i m Frankreich dieser Zeit, wären hingegen n u r m i t Vorsicht heranzuziehen, d a es hier doch vor allem auf die Wirklichkeitsnähe solcher Stimmen a n k o m m t , und gesellschaftliche Satiren, wie wir sie hier und in den Romans d u Renard vor uns haben, immer weit übers Ziel hinausschießen. Das Wichtigste bei Langlois, 405 ff., dazu Scholz, 457f.

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Im Grunde hat diese nationale französische Bewegung kein anderes Vorzeichen als die gleichzeitige englische: sie bewegt sich in den Fragen des Glaubens und der kirchlichen Gesinnung durchaus auf dem Boden der offiziellen katholischen Lehre, nimmt aber im Verhalten zu Rom die Richtung auf nationalkirchliche Ziele. Ein neues Moment gibt nun aber der französischen Entwicklung die entscheidende Wendung. Das französische Königtum selbst (die moderni principes, von denen jenes Schreiben des Zisterzienserabtes spricht), ergreift die Zügel der Bewegimg, hält sie im Rahmen der staatlichen Ordnung, indem sie sie von sich aus organisiert und leitet, und macht sie für den Ausbau und die Verstärkung des monarchischen Prinzips fruchtbar. König Philipp der Schöne von Frankreich war neben dem englischen Eduard I. der erste Herrscher, der diese Verbindung mit den ständischen und nationalen Strömungen zu rein staatlichen Zwecken bewußt einging. Sein Sieg über das Papsttum aber war nur die Ernte der Frucht, die das 13. Jahrhundert gesät hatte; denn es vollendete sich damit die Entwicklung, die sein großer Vorgänger Kaiser Friedrich II. mit seinem Kampf gegen die Überspannung des päpstlichen Weltherrschaftsgedankens eingeleitet hatte: die Loslösung des Staates von der Kirche. Die Persönlichkeit Kaiser Friedrichs II. hat wie keine andere sein Jahrhundert erfüllt. Nie noch hat ein mittelalterlicher Herrscher seit Karl d. Großen eine so ungeheure Wirkung auf Mit- und Nachwelt ausgeübt. Nicht viel mehr als ein Menschenalter nach seinem Tode kam der Kapetinger Philipp IV. auf den Thron von Frankreich. Die geistigen und politischen Spannungen, die seit dem Anfang des Jahrhunderts zu entscheidenden Auseinandersetzungen zwischen weltlicher und kirchlicher Gewalt hindrängten, wirkten in seiner Zeit verstärkt weiter. Zehn Jahre nach seinem Regierungsantritt gerät Philipp in schweren Konflikt mit der Kurie, der nicht anders als der Kampf Friedrichs außer mit allen Mitteln der Diplomatie und der Gewalt auch sehr ausgiebig mit der Feder und dem Wort ausgefochten wurde. Soweit nun dieser Wortkrieg um Prinzipien, um Lebensfragen der staatlichen Gewalt und nicht um rein politische Augenblicksprobleme entbrannte, zwingt die Abwehr der dem Papsttum innewohnenden Tendenz zur Weltherrschaft dem König die gleichen Waffen in die Hand wie einst dem Kaiser. Die Ähnlichkeit der Kampflage ist selbstverständlich der Aufmerksamkeit der Forscher nicht entgangen, und nicht gering ist die Zahl derjenigen, die auf Parallelen und auf die Frucht-



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barkeit eines Vergleichs hingewiesen haben.31) Am eindringlichsten der ausgezeichnete Kenner der Geschichte Philipps des Schönen, Langlois: Il serait très intéressant, de comparer la littérature antipapiste du temps de Philippe le Bel à celle de Frédéric II., il y a des analogies frappantes et peut-être des imitations." Den methodischen Weg zu einem solchen Vergleich zeigen Huillard-Bréholles und Scholz mit der überaus wertvollen Beobachtung, daß in einem Register des Trésor des chartes aus dem Besitz eines Kanzlers Philipps, Pierre d'Etampes, sich sl ) Meines Wissens zuerst Huill.-Bréh., Pierre, 233Î. Die Parallele ergibt sich für ihn aus dem von ihm fälschlich angenommenen Bestreben der beiden Herrscher, eine vom Papst unabhängige Kirche zu gründen. Über die meiner Meinung nach nicht sinngemäße Auslegung einer Mahnschrift an den König aus dem Jahre 1303, s. u. Exkurs I. Wichtig ist, daß H.-B. auch Übereinstimmungen im Stil der Manifeste beider Herrscher sieht, eb. 234. — J . B . Sägmüller hat in seiner Untersuchung über die Tätigkeit und Stellung der Kardinäle bis Papst Bonifaz V I I I . , Freiburg 1896, und in seiner durch dieses Buch hervorgerufenen Kontroverse mit K. Wenck die Aufassung vertreten, daß Philipp IV. sich in einem Schreiben an die Kardinäle Bonifaz'VIII. an den Wortlaut eines Briefes Friedrichs II. an die Kardinäle Gregors I X . gehalten habe. Darüber Näheres noch weiter unten, 99. Wenn Wenck auch an der These S.s stark zweifelt, so macht er doch selber auf die Aufgabe der Forschung, dem Einfluß der Streitliteratur Friedrichs nachzuspüren, aufmerksam (Gött. Gel. Anz., J g . 162, 1900, 168 in einer Besprechung der S.schen Untersuchungen). Und in dieser Hinsicht sind die Bemerkungen Sägmüllers besonders in der Tüb. Theol. Quartalschrift 1898, 621 ff. jedenfalls sehr zu beachten. Wenn K . Burdach in seiner Einleitung zum Briefwechsel des Cola di Rienzo immer wieder auf die Gedanken Friedrichs I I . als des großen politischen Anregers zurückgreift, auf der andern Seite auch die Publizistik aus dem Kreise des französischen Königs sehr stark berücksichtigt da, wo es sich um die Vorbereitung der Gedanken des römischen Tribunen handelt, so ergeben sich Zusammenhänge ganz von selbst, die seiner Anregung zu danken sind. Durch seinen Hinweis auf die ghibellinische Tradition in den Manifesten der Colonna ist auch die Brücke zur Publizistik des französischen Königs geschlagen (a. a. O. 58). — Weiter wiesen den Weg : F. Graefe in seinem Buch über die Publizistik des Kaisers (S. 269) und R. Scholz in seinem Werk über die Publizistik Philipps des Schönen (S. 25 und im Nachtrag zu dieser Stelle S. 521, wo er selbst eine Untersuchung wie die hier in Angriff genommene verspricht. Sie ist aber dann wohl zurückgestellt worden). Ganz kurz, aber mit sicherer Richtungsangabe (Wirkung nach Böhmen und Frankreich) H. Niese, Zur Geschichte d. geist. Lebens am Hofe Kaiser Friedr. II., H. Z. 108, 1912, 540. Vgl. auch E . Kantorowicz, Erg.-Bd. 1 1 3 u. 246, und G. Ladner inMIÖG. 1932, Erg.-Bd. 12, 95, Anm. i . — Schließlich sei noch der Bemerkungen Langlois' gedacht (a. a. O. 132 u. Anm. 1), die für meine Fragestellung von ganz besonderer Bedeutung geworden sind. Der wichtigste Satz wird im Text zitiert.



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neben Schriftstücken aus der Kampfperiode Philipps mit der Kurie ein Stück aus dem Briefbuch des Petrus de Vinea findet.82) In die gleiche Richtung weist auch die Überlegung, daß Manifeste des Kaisers, von denen eine große Anzahl an den französischen Hof gelangt war, doch sehr wahrscheinlicher Weise zur Zeit Philipps noch dort vorhanden und im Archiv aufbewahrt gewesen sein müssen. Eine Untersuchung, die sich mit einem Vergleich in der angegebenen Richtung befaßt, hätte es also mit einer doppelten Problemstellung zu tun. Es käme einmal darauf an, festzustellen, ob die Kanzlei des französischen Königs die kaiserlichen Manifeste in irgendeiner Form benutzt hat. Die zweite Aufgabe bestände darin, die Publizistik der beiden Herrscher nach ihrem sachlichen Gehalt zu vergleichen. Die gesamte Problemstellung erfordert jedoch zunächst die Darlegung der Grundlagen, auf denen ein literarischer Zusammenhang überhaupt erst als möglich erscheint und der Vergleich vom Standpunkt des Forschers aus gerechtfertigt wird. Es sollen darum in einem ersten Kapitel die Fragen nach der Stellung Kaiser Friedrichs innerhalb der gegenkirchlichen Strömungen seines Jahrhunderts, nach dem Bild des Kaisers in der Vorstellung König Philipps und seiner Zeitgenossen und schließlich nach der Überlieferung der staufischen Manifeste beantwortet werden. Lassen sich diese Vorfragen nun einigermaßen einwandfrei lösen, so unterliegt das Problem der faktischen Benutzung der staufischen Manifeste durch die Kanzlei Philipps so starken sachlichen Schwierigkeiten und Einschränkungen, daß es eine voll befriedigende Lösung überhaupt nicht finden kann. Man kann es wohl — das sei hier vorweggenommen — aus allgemeinen Erwägungen heraus positiv lösen, aber die Beweise sind im einzelnen nicht so zahlreich und so unanfechtbar, wie man es zur Klärung der Zusammenhänge wünschen möchte. Denn die Frage nach literarischer Benutzung oder Nachahmung kann ja nur durch genauen sprachlichen und stilistischen Vergleich beantwortet werden, und eben ein solcher Vergleich kann in diesem Falle nicht durchaus erfolgreich sein aus einem sachlichen und einem formalen Grund: Die Manifeste und amtlichen Schriftstücke, in denen der Kampf mit der Kurie ausgefochten wird, enthalten nur ganz selten längere theoretische Auseinandersetzungen. Meistens äußert sich das, was man als politische Ideen ansprechen darf, gleichsam zufällig und ganz willkürlich 32)

Huill.-Brfeh., Pierre, 233 n. 2 und Scholz, 226.

— 23 — eingestreut zwischen Auseinandersetzungen über politische Tagesfragen. Oder sie erscheinen verhüllt in das Gewand, das der Herrscher aus seiner Gegenwartslage heraus seinen Taten und Worten umzulegen beliebt. Da sich nun die Kämpfe der beiden Herrscher unter den verschiedensten Voraussetzungen und Begleitumständen abspielen und von zum Teil gegensätzlichen politischen Anschauungen getragen werden, so ist der Rahmen, der die Ideen einfaßt, zu verschieden, als daß größere Partien hätten übernommen werden können. Möglich aber bleibt trotzdem, daß sich die Kanzlei Philipps im Tenor eines Schriftstückes einem kaiserlichen Schreiben anpaßte und einzelne Ausdrücke, Bilder, Sprachfiguren übernahm. Hier aber muß das zweite, formale Bedenken eingeschaltet werden. Die Sprache öffentlicher Erlasse, publizistischer Schriften, Flugblätter usw. ist zu allen Zeiten bis zu einem gewissen Grad stereotyp, formelhaft, mit bestimmten, immer wiederkehrenden Wortgebilden durchsetzt. Besonders stark aber im Mittelalter, wo die Sprache sehr stark von der Bibel beherrscht wird. Für die Sprache der amtlichen Schriftstücke, die aus der sizilischen Kanzlei Kaiser Friedrichs stammen, hat man überdies noch einwandfrei die Herkunft aus dem Sprachgebrauch der Kurie feststellen können. Im späteren 13. Jahrhundert wird die italienische Kanzleisprache, die sowohl die der Päpste wie die der Staufer ist — von Unterschieden natürlich abgesehen —, die Sprache der Höfe und Kanzleien und ganz besonders die Sprache der politischen Propaganda.33) Ein Vergleich des amtlichen Stils der französischen Kanzlei mit dem der Kurie ergäbe sicher eine ebenso große Reihe von Parallelen wie der entsprechende mit Manifesten der sizilischen Kanzlei. Es folgt daraus, daß sprachliche Ubereinstimmungen zwischen Erzeugnissen der sizilischen und der französischen Kanzlei mit Hinblick darauf kritisch geprüft werden müssen, ob sie wirklich auf eine einmalige und originale Formulierung und nicht auf allgemeinen formelhaften Gebrauch zurückzuführen sind. Aus den Einschränkungen, die der rein sprachliche und stilistische Vergleich erfahren muß, ergibt sich die Notwendigkeit, ihn der sachlichen Fragestellung unterzuordnen, d. h. die sprachliche Form der Gedanken zusammen mit deren Gehalt zu untersuchen und die Frage nach einem literarischen Zusammenhang aus dem objektiven Sachverhalt des Ganzen heraus einer Lösung 3S ) Über die stilistischen Zusammenhänge soll weiter unten ein A b schnitt handeln. Hier sei nur vorläufig auf die unten zitierte Arbeit von Vehse und auf Niese a . a . O . verwiesen.

— 24 — näherzubringen. Auch die Charakteristik der französischen Publizistik nach Verfasserschaft und literarischem Vorbild soll nur das Material bieten, aber aus den oben angeführten Gründen nicht die Frage endgültig mit ja oder nein beantworten. Das übrige zweite und außerdem das ganze dritte Kapitel dieser Studien sind ganz dem sachlichen Vergleich gewidmet und enthalten eine vergleichende Charakteristik der Publizistik in ihrem Verhältnis zur Öffentlichkeit und nach ihrem Gedankengehalt. Seine innere Berechtigung im Sinne einer geistesgeschichtlichen Darstellung erhält dieser Vergleich aber nur dann, wenn er die Wandlungen aufzuweisen vermag, die die politische Welt des Mittelalters in der Zeit nach dem Tode Kaiser Friedrichs II. durchgemacht hat. Eine Charakteristik dieser Veränderung muß hier selbst unter der Gefahr, Ergebnisse der Gesamtuntersuchimg vorwegzunehmen, kurz versucht werden, und zwar vor allem um den Titel zu rechtfertigen, unter dem die folgenden Studien zusammengefaßt sind. Denn es genügt nicht, an die wohlbekannte Tatsache zu erinnern, daß das Imperium in dem politischen Leben des Abendlandes und des Orients, soweit er mit hineingezogen wurde, nicht mehr die führende Rolle spielte, seit es in den Erschütterungen des staufischen Endkampfes und des Interregnums die furchtbare Einbuße an Macht und Ansehen erlitten hatte, und daß es abgelöst wurde durch die in raschem Aufstieg begriffenen Nationalstaaten. Es muß außerdem betont werden, daß diese große Wandlung auch ihren Niederschlag in der politischen Theorie gefunden hat. Zum erstenmal in der Publizistik des Mittelalters gilt die theoretische Auseinandersetzung nicht allein dem Kampf um die Vormachtstellung der weltlichen oder geistlichen Gewalt in der Welt, wobei die weltliche fast immer als die kaiserliche gedacht wird, sondern dem Kampf um die Souveränität und Selbständigkeit eines sich auf nationaler Grundlage konsolidierenden Staatswesens allen etwa hemmend wirkenden Mächten gegenüber. Dem Gedanken des Universalstaates, der den wichtigsten Bestandteil der mittelalterlichen Weltanschauung und Kulturphilosophie beider Lager, des kurialen wie des imperialen, ausgemacht hatte34), erstehen in Frankreich prinzipielle und entschlossene 8< ) Die Lehre von der Weltmonarchie entwickelt O. v. Gierke sehr überzeugend aus dem mittelalterlichen Einheitsgedanken, der in beiden Weltordnungen der weltlichen wie der geistlichen wiederkehre (III, 54off.). Unter den Argumenten der Theoretiker erscheint uns das historische durch die Herleitung des römisch-deutschen Reiches aus der römischen Weltmonarchie für die mittelalterliche Kulturlehre am wichtigsten. Der groß-

— 25 — Gegner. Daß einige kühne Köpfe unter den Getreuen des französischen Königs in ihren patriotischen Phantasien der Macht Frankreichs gleich darauf die Weltherrschaft zutrauen, und des Königs Politik ernsthaft um die Erlangung der Kaiserwürde ringt, spielt daneben eine geringere Rolle. Denn es ist für die Entwicklung des modernen Staatsbegriffs von ungeheurer Wichtigkeit, daß die Lehre ausgesprochen wurde, der Einheit der Menschheit brauche durchaus nicht die äußere Einheit ihres staatlichen Daseins zu entsprechen, im Gegenteil verlange ihre Natur eine Vielheit von politischen Gebilden.35) Und da sich dieser moderne Staats- und Nationalbegriff entwickelt im Einklang mit der Bildung eines Nationalstaates in der politischen Wirklichkeit, und die Männer, die ihn lehren, zum Teil selber an diesem Staatsbau mitarbeiten, so hat die neue Lehre vor der alten, durch die Tradition und den Segen der Kirche geweihten, die nahe Beziehung zur lebendigen Politik, d. h. die auf Wechselwirkung beruhende Kraft einer ins Leben tretenden Idee voraus. Und gerade diese Kraft, die in der Möglichkeit der Verwirklichung besteht, fehlt der Idee des Weltkaisertums seit dem Tode Kaiser Friedrichs so vollkommen und unersetzbar, daß unter den späten Wortführern dieser Idee selbst ein Dante ihr nur noch das Grablied zu singen vermochte. Denn alle Versuche sie in der Form des römischen Kaisertums wieder ins Leben zu rufen, scheiterten. Sie scheiterten deshalb, weil ein Heinrich VII., ein Ludwig in Italien, der Heimat des Imperiums, nicht mehr festen Fuß zu fassen vermochten gegenüber der vereinigten päpstlichen, neapolitanischen und französischen Macht. Sie scheiterten aber vor allem darum, weil sich keine wirkliche Persönlichkeit, keine große politische Begabung hinter diese Lehre mehr stellte. In dem letzten, mit großer Zähigkeit geführten Streit eines mittelalterlichen Kaisers mit der Kurie, wurde zwar noch einmal in echt mittelalterlichem Geist das Problem aufgeworfen und mit allen Mitteln philosophischer und kanonistischer Gelehrsamkeit von den ersten Denkern der Zeit besprochen, ob die geistliche Gewalt des artigste Vertreter dieser Lehre ist ohne Frage Dante. Den Kaisergedanken, der sich in der Monarchia und der Commedia verschieden äußert, dort in logischem Beweisverfahren, hier als Sehnsucht und Traum, analysiert sehr fein F . Kern, Humana Civilitas. Eine Danteuntersuchung, Leipzig 1913, 7 ff. Über die Unterscheidung der Welthoheit vom römisch-deutschen „Landkaisertum" bei den Staatsmännern und Staatsgelehrten vgl. ebd. 40. aE) Vgl. Gierke, III, 544. Näheres weiter unten bei der Behandlung der politischen Ideen. Hier vgl. noch H. Kelsen, Die Staatslehre des Dante AI., Wien u. Leipzig 1905, 27 ff.



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Papstes oder die weltliche des Kaisers in der Weltherrschaft das Übergewicht haben solle. Es blieb aber bei der rein theoretischen Erörterung durch die Räte und Minoriten am Hofe Ludwigs des Bayern.' Und selbst ein Occam stellt schon neben den Gedanken des weltbeherrschenden Imperiums das Recht der nationalen Staaten.36) Schließlich bedeutet das Ergebnis dieses großen Kampfes, das kurz als die endgültige Ablehnung der päpstlichen Herrschaft über das Reich und die Wahrung des alten Rechtszustandes im Reich zu kennzeichnen ist37), doch auch nichts anderes als den Sieg des nationalen und des ständischen Prinzips. Die Rechte, die zu Rhens und zu Frankfurt mit so viel Schwung von den Kurfürsten und Ständen vertreten werden, beziehen sich auf das eigentliche „Reich" und einige Einzelrechte des Kaisers in Ländern außerhalb des Reichsgebietes, haben dagegen mit dem Imperium im staufischen Sinne, dem Anspruch des römischen Kaisers auf tatsächliche Beherrschimg der Christenheit nichts mehr zu tun. Sieht man also in den Kämpfen Ludwigs des Bayern mit der Kurie mit Recht die Fortsetzung der staufischen Kämpfe, insofern sie sich auf die Zurückweisung der päpstlichen Herrschaftsansprüche über das Weltliche beziehen, so muß doch betont werden, daß auf Grund der ganz veränderten realpolitischen Verhältnisse das Imperium nur noch als der traditionelle Gegenspieler der Kurie in einem Traumbild der Vergangenheit eine Rolle spielen konnte. Die Verteidigung der Rechte des weltlichen Staates aber verlangte mehr als nur die Abwehr angemaßter Ansprüche, sollte sie auf die Dauer wirksam fortschreiten, nämlich die theoretische Erfassung und Ausbildung des Staatsbegriffes und die Erkenntnis der spezifischen staatlichen Aufgaben. Sie hielt gleichen Schritt mit der allmählichen Loslösung des politischen Lebens von den überstaatlichen Bindungen des Mittelalters und war nur da möglich, wo ein Staat im modernen Sinne wirklich im Entstehen war. Der Erbe und Nachfolger eines Friedrichs II., der mit dem Imperium zusammen das Königreich Sizilien als einen der ersten Staaten regierte, der 36) Vgl. Hauck K.-G. V, 561, und S. Riezler, Die literarischen Widersacher der Päpste zur Zeit Ludwigs des Bayern, Leipzig, 1874, 269. Occam war im Gegensatz zu Lupoid von Bebenburg kein unbedingter Anhänger der Universalmonarchie: „Zuweilen stand der Erdkreis nach Recht und Gerechtigkeit unter dem Regiment eines einzigen, zuweilen mehrerer Fürsten. Nach der Verschiedenheit und den Bedürfnissen der Zeit ist denn auch Verschiedenheit der Regierungsformen für nützlich zu halten." (Übersetzung von Riezler aus dem 1. Buch des 2. Traktats.) " ) Hauck K . - G . V, 556 und 578ff.

— 27 — diesen Namen mit Recht trägt, konnte darum nicht ein Herrscher mit nach rückwärts gerichteten Zielen sein: es war der kühne Vertreter des nationalen französischen Königtums und der machtstaatlichen Interessen einer aufblühenden Nation: König Philipp der Schöne von Frankreich. Hier noch einige Bemerkungen über das Material, das diesen Studien zugrunde gelegt wurde. Um den Vergleich fruchtbar zu machen für die Kenntnis der Ideen des 13. Jahrhunderts überhaupt, genügte es nicht, nur die Publizistik heranzuziehen, die unmittelbar von den Kanzleien oder den Herrschern nahestehenden Persönlichkeiten ausgegangen ist. Es wird darauf hingewiesen werden, wie stark sich Friedrichs Manifeste in England und Frankreich auswirkten und wie die antirömischen, gallikanischen Bewegungen in diesen Ländern sich dem Kampfe Friedrichs mit der Kurie anschlössen. Die Flugschriften, Memoranden, an der Kurie gehaltenen Gesandtschaftsreden der „universitates" Englands und Frankreichs, die fast ausnahmslos von Matthäus Paris allein überliefert sind — einem für diese Entwicklung erstaunlich weit geöffneten Geist, ohne den wir von der Opposition der Stände gegen die Kurie nur äußerst wenig wüßten38) —, ergänzen die fast nur auf die monarchischen Interessen abgestimmten Manifeste des Stauferkaisers und tragen zum Verständnis der in der Publizistik Philipps äußerst wirksam vertretenen gallikanischen Theorien bei. Auf der anderen Seite würde ein wichtiges Bindeglied zwischen der Publizistik der beiden Herrscher fehlen, wenn die Manifeste der Colonna aus dem Jahre 1297 außer acht gelassen würden.39) Denn ihnen war durch die Bindung ihres Geschlechtes an die Staufer während des großen Endkampfes Friedrichs die Opposition gegen die Kurie traditionsmäßige Einstellung, die Verteidigung ihrer Sache durch Verbreitung von Streitschriften in der weitesten Öffentlichkeit nicht weniger ein der Praxis des Stauferkaisers entlehntes Kampfmittel als die Sprache, die teilweise dem sizilischen Kanzleistil nahesteht. In dem literarischen Kampf Philipps gegen Bonifaz leiten die Colonnadenkschriften die Kampagne ein und dienen ganz offensichtlich später, als der Kampf in sein zweites Stadium trat, als Vorbild und Maßstab für die Räte und Kanzlisten des Königs. Die Schriftstücke der Kanzlei Philipps sollen hier zum ersten Male im Zusammenhang auf ihren politischen Ideengehalt unterS8 ) Hierzu die Studie von H. Plehn, Der politische Charakter des Matheus Parisiensis, Leipzig 1897. 3 ') Für ihre Bedeutung verweise ich auf Burdach (vgl. Anm. 31) und auf die weiter unten zitierten Arbeiten von Denifle und Möhler.



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sucht werden. Karl Wenck, der ausgezeichnete Kenner jener Zeit, der der so schwer faßbaren Persönlichkeit Philipps des Schönen eine interessante Studie gewidmet hat40), zog mit Erfolg Urkunden, Ordonnanzen, Briefe des Königs, die Protokolle seiner Kanzlei zur Erforschung seiner Staatsauffassung heran. Zu den folgenden Studien wurden nun auch noch die Registerbände im Trésor des Chartes zu Paris einer erneuten Durchsicht unterzogen und daraus noch ergänzendes Material gewonnen. Polemische Schriftstücke gegen die Kurie, die von Philipp direkt ausgehen, sind im ganzen selten, zur Ergänzung stehen aber die auf den offiziellen Versammlungen des Klerus und der Großen gehaltenen Reden und Entschließungen, die Schreiben an Papst und Kardinäle ferner die Denkschriften Nogarets und Plaisians zur Verfügung. Die amtlichen Schriftstücke sollen hier durchaus im Vordergrunde stehen, denn sie sind, wie die Manifeste Friedrichs II. im Drange der politischen Ereignisse in die Welt geschleudert worden, sie allein tragen das Gepräge politischer Notwendigkeit, die den Ideen Leben verleiht. Dazu kommen dann die Flug- und Bittschriften, zum Teil dem königlichen Advokaten Pierre Dubois zuzuschreiben, die die Meinung weiter Kreise zu den Tagesfragen lebhaft wiedergeben. Die zum Teil scholastisch aufgebauten, in These und Antithese sich abwickelnden politischen Traktate der Rechtsgelehrten, die der königlichen Partei angehörten, tragen zwar durchweg aktuellen Charakter — der lebendigste und brauchbarste ist hier die berühmte Disputatio inter clericum et militem — sind aber schon so oft und so ausgezeichnet analysiert worden z. B. von Riezler, Gierke, Scholz, Rivière, daß sie hier nur mehr ergänzend herangezogen zu werden brauchen.41) Überhaupt soll hier so weit wie möglich auf zusammenhängende Analysen, die ja auch für die Manifeste Friedrichs in den Ar40) Als Marburger Rektoratsrede unter dem Titel : Philipp der Schöne von Frankreich, seine Persönlichkeit und das Urteil seiner Zeitgenossen, Marburg 1905. 41 ) Siegm. Riezler, Die literarischen Widersacher der Päpste zur Zeit Ludwigs des Bayern, 131 ff., Gierke III, 5 i o f f . Die Werke von Scholz, den Brüdern Carlyle (hier kommt der 5. Bd. in Frage), Rivière wurden schon genannt. Kurze Analysen finden sich ferner auch bei F . X . Kraus, Dante. Leipzig 1897, 679ff., in der Einleitung zu Dantes Monarchia von C. Sauter, Freiburg 1913, 41 ff. und bei H. Kelsen, Die Staatslehre des Dante Alighieri 18 ff. Unter bestimmten Gesichtspunkten, die von dem Thema seines Buches abhängen, sind die französischen Publizisten auch behandelt von A. Dempf, Sacrum Imperium, Teil I I I , K a p . I. — Monographien werden weiter unten genannt werden.

— 29 — beiten Graefes und Vehses vorliegen, verzichtet, vielmehr das gesamte politische Gedankengut unter wenige Gesichtspunkte gebracht werden, etwa in der Art, wie es W . v. d. Steinen für die Staatsanschauungen Friedrichs II. getan hat. 4 2 ) So läßt sich eine Übersicht gewinnen über die politischen Ideen des 1 3 . J a h r hunderts, wie sie sich im Kampf mit dem Papsttum herauskristallisiert haben. 4S ) Für die politischen Gedanken Kaiser Friedrichs II. sind vor allem wichtig die schon genannten Werke von E. Kantorowicz und F. Graefe, ferner die Untersuchung von Vehse, die außer den schon im Text erwähnten Analysen auch Zusammenstellungen über Stil, Aufbau, Ideen, Wirkung der Manifeste enthält. Nur den politischen Ideen gewidmet ist schließlich das kleine, aber sozusagen eine Systematik der kaiserlichen Weltanschauung enthaltende Buch von v. d. Steinen, Das Kaisertum Friedrichs II. nach den Anschauungen seiner Staatsbriefe. Außerordentlich reich ist für die Erschließung der politischen Gedankenwelt des Kaisers der schon erwähnte Einleitungsband Burdachs zum Rienzo-Briefwechsel, nur etwas mühselig zu benutzen wegen der Zerstreutheit des Materials, das aber ein ausgezeichnetes, systematisches Register zugänglich macht (670 ff.). Weniger ergiebig ist gerade für eine Zusammenfassung der politischen Gedanken das Werk der Brüder Carlyle, weil die betreffenden Abschnitte über Kaiser Friedrich I I . weniger eine Übersicht über seine Staatsanschauungen, als eine zusammenhängende Darstellung seines Kampfes mit dem Papsttum geben (5, P. 2, ch. I I I u. IV). — Die Manifeste und Staatsschriften Kaiser Friedrichs I I . wurden in den bekannten Drucken der M. G. Constitutiones II, der Historia diplomatica von Huillard-Bréholles und den Acta Imperii sei. von E . Winkelmann benutzt. Für die amtliche Publizistik Philipps des Schönen fehlt noch eine moderne Ausgabe. Man ist auf das Werk von P. Dupuy, Histoire du Différend d'entre le Pape Boniface V I I I et Philippes le Bel roy de France, Paris (hier nach der Ausgabe von 1655 benutzt) angewiesen. Die meisten Stücke konnte ich mit den Originalen vergleichen. Als Ergänzung herangezogene Werke wie die von Boutaric, Picot, Lizerand, Scholz werden weiter unten genannt.

I.

DIE WIRKUNGEN KAISER FRIEDRICHS II. IM 13. JAHRHUNDERT.

1. DIE STELLUNG KAISER FRIEDRICHS II. INNERHALB DER KIRCHENFEINDLICHEN BEWEGUNG SEINES JAHRHUNDERTS. Die Wege, die von Rom weg oder wenigstens zur Abwehr gegen die Grenzüberschreitungen der Kirche führen, laufen in drei völlig voneinander unabhängigen, wenn auch manchmal sich kreuzenden Richtungen, die am klarsten darzustellen sind an den Zielen, die sie verfolgen. Diese Ziele erscheinen von den Ergebnissen einer jahrhundertelangen Entwicklung aus gesehen als Umsturz der hierarchischen Kirche und Gründung neuer Glaubensgemeinschaften, zweitens als die Verwirklichung der sog. gallikanischen Kirchenfreiheiten und drittens als Begründung und Ausbau eines autonomen nationalen Königtums. In den ersten Weg münden alle die Pfade und Pfädchen ein, auf denen die Sektierer und Häretiker sich bewegen, die beiden größten der Katharer und Waldenser mit all ihren Abzweigungen, aber auch die anderen Reformeiferer und -anhänger, die eschatologisch gerichteten Antichrist- und Friedensreichkündiger.1) Sie alle wachsen mit der Zeit in eine leidenschaftliche Feindschaft gegen die offizielle Kirche hinein, so daß die Reformwünsche allmählich immer mehr zurücktreten hinter ausgesprochen schismatischen Bestrebungen : die lombardischen Waldenser machen wirklich den Versuch, eine Gegenkirche zu gründen.2) Die meisten x ) Über die deutschen Häretiker und Sektierer vgl. Hauck, K . - G . I V Kap. 10, ferner H. Grundmann, Studien über Joachim v . Fiore. Leipzig 1927, Kap. 4 : Das Fortleben der joachimischen Ideen. Für Italien sei genannt G. Volpe, Movimenti religiosi e setti ereticali nella società medievale italiana, Firenze 1926. Ganz allgemein unterrichtet H . Reuter, a. a. O. Bd. I I Buch V . 2 ) Die Häresie ist in Italien in alle Schichten eingedrungen und hat es zur Bildung ganzer Ketzergemeinden gebracht. Politisch ist sie besonders

— 31 — dieser Sekten waren nicht weniger staats- als kirchenfeindlich eingestellt, jedenfalls drohten sie die bestehende soziale und wirtschaftliche Ordnung zu stören und aufzulösen.3) Und darum ist hier nicht der Ort ihnen nachzugehen. Denn es soll hier nicht die Rede sein von antikirchlichen Bewegungen überhaupt, sondern nur von solchen, die zugleich der Entwicklung des Staatsgedankens positive Kräfte zuführen. Gerade dieses aber läßt sich ohne Einschränkung nur von den beiden anderen der eben gekeimzeichneten Richtungen sagen. Der Sinn der gallikanischen Kirchenfreiheiten ist es unbedingt, die Einheit des Staates im Inneren zu fördern, indem die Stellung des Herrschers innerhalb seiner Landeskirche gehoben und der Klerus des Landes mit dessen Interessen enger verbunden wird. Und der dritte Weg, der zur selbständigen, selbstverantwortlichen Stellung des Herrschers in seinem Lande hinführt, dient ganz immittelbar der Verselbständigung des Staatsgedankens. Deutlich verlaufen die Linien dieser Entwicklung in England und Frankreich. Der Investiturstreit hatte das Eigenkirchenrecht der geistlichen und weltlichen Großen in den christlichen Staaten zwar keineswegs ganz verschwinden lassen, ihm aber doch den entscheidenden Stoß versetzt. Das Hauptbestreben der Kurie ging ja dahin, die wichtigsten Rechte an den Kirchen in ihrer Hand zu monopolisieren und die alten Kirchenherren zurückzudrängen. Das Ergebnis dieser Bemühungen mußte eine vollständige Zentralisation aller kirchlichen Institute an der Kurie, die Entnationalisierung des Klerus der Einzelstaaten, seine völlige Entfremdung von den Aufgaben und Interessen des eigenen Landes mit sich bringen. Für die Kurie aber handelte es sich nicht nur darum, den gesamten abendländischen Klerus unmittelbar von sich abhängig zu machen, sondern ebenso stark ging ihr Wunsch dahin, die Einkünfte der Kirchen nach Möglichkeit nach Rom zu ziehen. in der ilorentinischen Stadtgeschichte bedeutsam geworden, vor allem im Jahre 1245, als die Häretiker in Florenz mit der Mehrheit der ilorentinischen kaiserfreundlichen Bürgerschaft einen Sieg über die Päpstlichen erkämpften; vgl. R. Davidsohn, Geschichte von Florenz II, Berlin 1908, 304ff. A. gl. O. (298 ff.) auch über ihre soziale Zusammensetzung und Bedeutung in Florenz. Über die lombardischen „ A r m e n " G. Volpe, a. a. O. 68 ff., die sozialen Elemente in der Ketzerbewegung Italiens ebd. 97ff. s ) Vgl. Troeltsch, a. a. O. 379/80. Außerordentlich wichtig sind die Troeltschschen Ausführungen über den Sektentypus im Gegensatz zum Kirchentypus (ebd. 358ff.). Beide wurzeln im Urchristentum, schlagen aber soziologisch die entgegengesetzte Entwicklung ein. Besonders deutlich wird der Unterschied an der Rolle, die die Askese bei beiden spielt.

— 32 — Die kirchliche Zentralisation und der päpstliche Fiskalismus zeigen sich im 13. Jahrhundert schon als die ärgsten Feinde einer gesunden landeskirchlichen Entwicklung, mochten sie sich nun äußern in Beeinflussung der Bischofs- und Abtwahlen, in dem Versuch der Päpste, eine oberrichterliche Gewalt auszuüben, die Besetzung der meisten geistlichen Stellen an sich zu bringen durch ein ausgedehntes System von Provisionen und in dem Anspruch auf Besteuerung des gesamten kirchlichen Vermögens. Zugrunde liegt allen diesen Forderungen die Theorie von dem päpstlichen Universaleigentum an allem Kirchengut.4) Diese Ansprüche bedrohten nicht nur den Bestand des Staates an und für sich, nicht nur die Barone und andere weltliche Großen in ihren Patronatsund Eigentumsrechten, sondern auch die kirchlichen Institute selber. Die hohen geistlichen Würdenträger waren ja selbst Besitzer- von Eigenkirchen. Die Steuern, die Rom auferlegte, ursprünglich nur als Abgaben für die Kreuzzüge und die Eroberung des Hl. Landes gedacht, drückten unerträglich vor allem auf die Abteien und niederen Pfründen, und die Vergabung der geringeren geistlichen Stellen an Landesfremde, meist Italiener, rief, am stärksten in England, leidenschaftlichen nationalen Widerspruch wach. In England, wo die Opposition zu dieser Zeit am selbständigsten und am heftigsten war, fanden die gegen Rom gerichteten Bestrebungen einen vorläufigen Abschluß in der Zusicherung der Reform durch die Provisionen von Oxford, die die eigenkirchlichen Interessen der Barone sichern sollten.6) Aber so lange ihre Sache abhängig war von einem so schwachen und unberechenbaren Herrscher wie Heinrich III., konnte ihr Widerstand keinen dauernden Erfolg haben, selbst nicht unter einem Führer wie Simon von Montfort. Erst als Eduard I. sich mit seiner ganzen Herrscherpersönlichkeit für die Interessen den nationalen Kirche einzusetzen begann, wurden die Grundlagen zu den anglikanischen Kirchenfreiheiten gelegt.8 a) — In Frankreich, wo die *) Vgl. die systematischen Darstellungen bei R. Holtzmann, Französische Verfassungsgeschichte, München 1910, 298 ff., und J . Hätschelt, Englische Verfassungsgeschichte, München 1913, 163 ff. Petitions of the Barons at the Parliament of Oxford bei W . Stubbs, Select Charters . . . of English constitutional history, Oxford 1905, 384 u. 390. Genannt ist hier nur das Königtum als Gegner; in Wirklichkeit aber handelt es sich um den königlich-päpstlichen Kondominat, der zugunsten der eigenund nationalkirchlichen Interessen zurückgedrängt werden sollte, vgl. Hatschek, a. a. O. 165. 6a ) Vgl. die Zusammenfassung bei .Hatschek a. a. O., 308/09 und Ch. B6mont, Simon de Montfort, Paris 1884, 231/32.

— 33 — Barone nicht in prinzipiellen Gegensatz zu ihrem König getreten waren, haben sich seit dem Jahre 1235 öfters Ligen gebildet, die aber unter einem anderen Gesichtspunkt zu beachten sind als die ständischen Bewegungen in England: sie waren gegen den Klerus des eigenen Landes gerichtet.6) Es organisieren sich hier zum erstenmal weltliche Große, um die Sonderstellung der Geistlichen, vor allem die gerichtliche, und ihre Übergriffe in die weltliche Hoheitssphäre zu bekämpfen, ein Angriff, den ja in England schon Heinrich II. siegreich durchgeführt hatte, und der sich in Frankreich in vielen Einzelgefechten bis in die Zeit Philipps des Schönen fortsetzte. Wie Ludwig IX. sich dazu stellte, ist nicht bekannt. Jedenfalls hat er unter dem Eindruck der Absetzung Friedrichs II. und, mitgerissen von der Kampfeslust seiner Barone, aus sich heraus gegen dieselben Mißstände der Kurie Front gemacht, die in England die Stände auf den Plan getrieben hatten, und ist zweimal energisch bei Innozenz IV. vorstellig geworden.7) Und wenn die Ordonnanz, pragmatische Sanktion genannt, die auf den Namen Ludwigs gefälscht wurde, auch erst in der Mitte des 15. Jahrhunderts kurz nach den Abmachungen Frankreichs mit der Kurie zu Bourges entstanden ist8), so treffen die kirchlichen Mißstände, die hier zutage treten und die man jetzt auf eben diese Zeit, das 15. Jahrhundert, zu beziehen *) Vgl. Langlois, 59 f. ') Ebd. 65ff. und vor allem Berger, Saint Louis S. C L X X V f f . , s. auch unten, 202 f. 8 ) Holtzmann, Verf.-Gesch., 300; J . Haller, Papstum u. Kirchenreform, 202; Langlois, 64 ff. Die Fälschung ist bekanntlich aufgedeckt worden von P. Scheffer-Boichhorst in MIÖG. VIII, 1886, 353—396 (auch in Ges. Schriften I, Berlin 1904, 255ff.). Die Beweisführung bleibt bestehen für die formalen und für die äußeren Gründe (Ges. Schriften, 248ff. und 288ff.), nicht aber für die sog. inneren Gründe, d. h.: die Zustände, die in der pragm. Sankt, verworfen und durch sie verbessert werden, sind unter der Regierung des hl. Ludwig schon vorhanden gewesen, und zwar in der gleichen Stärke wie zur Zeit der Fälschung. Scheffer-B. tut die von Matth. Par. berichteten Übelstände und die deshalb erfolgenden Gesandtschaften und Beschwerden in einer einzigen Anm. (S. 265) ab (die Gesandtschaftsrede hält er für eine Fälschung, darüber weiter unten, 203, Anm. 196), die Darstellung von Berger scheint er nicht gekannt zu haben, und schließlich sind die Bemerkungen über den § 5 der Pragmatica, die Erhebungen der Kirchenzehnten, hinfällig. Zusammenfassend ist zu sagen, daß das von den Gesandten Ludwigs d. Hl. an der Kurie vorgetragene authentische Memorandum von 1247 (Matth. Par. V I , 99—112) keinen wesentlichen Punkt ausläßt, der nicht später auch in der Fälschung erscheint. Vgl. Langlois. 68. Beiheft d. H. Z. 30

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— 34 — hat, doch schon auf die Mitte des 1 3 . ausnahmslos zu. Ludwig I X . aber hat die Ligen der Barone, die bis zum Jahre 1 2 5 7 immer wieder auftauchen, später ihrem Schicksal überlassen, ebenso wie er es nicht verhindern konnte oder wollte, daß die päpstliche Ausbeutungspolitik auch nach dem Tode Innocenz' IV. ihren Fortgang nahm: seine orientalische Politik machte ihn jahrzehntelang von der Kurie finanziell abhängig.9) Erst seinem Enkel Philipp dem Schönen war es vorbehalten, die Kraft, die hinter dem ständischen nationalen Kirchengedanken steckte, in seinem und des Staates Interessen auszunutzen. E s ist nach dem kurzen Uberblick über die nationalkirchliche Bewegung in Frankreich und England — die Verhältnisse in den übrigen Ländern wären erst noch zu untersuchen — nicht zu verkennen, daß die Bewegung erst dann Erfolg, d. h. dauernde Wirkung im Sinne einer Wendung zum Neuen hatte, wenn eine wirkliche Herrscherpersönlichkeit in sie eingriff, ihre Ziele in irgendeiner Form in ihre politischen Pläne mit einspannte, ihr eine bestimmte politische Richtung gab. Die Anteilnahme der Stände am öffentlichen Leben stand ja noch in ihren ersten Anfängen, die Opposition gegen die Kirche hatte zunächst fast ausschließlich abwehrenden und rückwärtsgerichteten Charakter. Man dachte weniger daran, neue Einrichtungen zu treffen, als vielmehr die Zustände der Vergangenheit wieder herzustellen. Größere Planmäßigkeit scheint in den Versuchen vieler oberitalienischer Kommunen vorgeherrscht zu haben, die den wirtschaftlichen Bedürfnissen eines kleinen Gemeinwesens besonders abträglichen Privilegien der Geistlichen einzuschränken. Die Einsicht, daß den weitgehenden Eingriffen der päpstlichen Legaten in die Rechtssphäre der Städte eine energische Abwehr entgegenzusetzen sei, führte zur Aufnahme kirchenfeindlicher Bestimmungen in die städtischen Statuten. Die erbitterten Kämpfe mit der Kirche, die den Städten aus dieser Abwehrstellung erwuchsen und vielfach zu Exkommunikation und Interdikt mit all ihren kirchlichen und bürgerlichen Folgeerscheinungen führten, lockerten entscheidend die Bindung an die Kirche und vor allem ihr oberstes Haupt. Kirchlicher Indifferentismus gab den Ketzersekten aus breiten Kreisen der Bürgerschaft außergewöhnlich großen Zulauf und machte sich auch bei den städtischen Behörden in Form einer für die Kirche aufreizenden Duldung geltend. Außerordentlich gefährdet erscheint die Stellung der Kirche schon in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts in Oberitalien Langlois, 69 ff.

— 35 — und in Tuskien durch diese Vorstöße der städtischen Behörden gegen die Vorrechte der Geistlichen, die Steuerfreiheit der Priester und die geistliche Gerichtsbarkeit. Nur die chaotischen Kampfzustände der Kommunen untereinander haben, wie es scheint, einen allgemeinen Abfall von dauernderem und ernsterem Charakter verhindert. Daß ein Herrscher, dessen oberstes Ziel die Bekämpfimg, ja Vernichtung der Kirche gewesen wäre, in den aufsässigen Kommunen die besten Bundesgenossen gefunden hätte, allerdings nur, wenn es ihm gelungen wäre, ihre inneren Streitigkeiten auszugleichen und sie bis zu einem gewissen Grade seinen Zwecken dienstbar zu machen, ist wohl nicht zu bestreiten. Kaiser Friedrich II. aber, von dem man diese Haltung am ersten erwarten würde, hat in seinem berüchtigten Krönungsedikt, in dem er die Ketzer preisgab, die Aufnahme kirchenfeindlicher Bestimmungen in die städtischen Statuten mit strengen Strafen belegt. Und diese Haltung, die er bis ins letzte Jahrzehnt seiner Regierung bewahrte, beweist deutlicher als alle anderen Argumente, daß er den Kampf mit der Kirche nur gezwungen aufgenommen hat, daß er nicht den Ehrgeiz hatte, der kirchenfeindlichen Bewegung seinen Namen zu leihen, geschweige denn sie weiterzuführen.10) Als er nun aber doch schließlich in dem ia ) Außerordentlich überzeugend ist hier die Darstellung Fickers in Böhmers Regesta Imperii T. V, Vorbemerkungen X X V I I I f f . im Zusammenhang seiner Kritik an der Böhmerschen, dem Kaiser außerordentlich ungünstigen Beurteilung. Wie er den Nachweis führen kann, daß der Kaiser im Kampf mit dem Papsttum die Initiative nicht ergriffen, den großen Endkampf nicht gewollt und mit allen Mitteln auch noch nach 1245 versucht habe, den Frieden unter großen Opfern zu erzwingen, so bekämpft er auch die Ansicht derer, die meinten, der Kaiser sei gescheitert, weil er seiner Zeit weit voran gewesen und in seinem Kampfe sozusagen allein gestanden habe. Wer die Geschichte der italienischen Kommunen am Anfang des 13. Jahrhunderts kennt, der muß der Meinung Fickers in allen Punkten zustimmen, die in kurzem charakterisiert ist durch den Satz, „daß der Kaiser den bezüglichen, der Kirche feindlichen Zeitbestrebungen, mochten sie der eigenen Geistesrichtung noch so sehr entsprechen, wenigstens äußerlich nur sehr zögernd nachgab, daß er da zu engerem Anschluß mehr durch das Vorgehen seiner Gegner gedrängt wurde, als daß er selbst ihn von vornherein gesucht habe" (S. X X V I I I ) . Unzweideutig war ja wohl Friedrichs Haltung in der ersten Zeit seiner Regierung, besonders als er das Krönungsgesetz erließ, dessen Bedeutung immer hauptsächlich in den Bestimmungen gegen die Ketzer gesehen wird, das aber nicht weniger deshalb zu beachten ist, weil es sich gegen statuta und statutarii kirchen- nicht glaubensfeindlicher Gesinnung richtet (Const. II, 107/08, c. i j . Bei der Friedensmission des Kardinals Hugo von Ostia in Reichsitalien 1221 spielte die Inkraftsetzung dieser Bestimmungen eine wichtige Rolle, vgl. Winkelmann, Jahrbücher I 172.

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— 36 — großen Endkampf mit dem Papsttum die mit der Kirche verfeindeten Städte wenigstens zum Teil auf seine Seite zieht, da macht er sich nur die allgemeine günstige Zeitlage zunutze, hört endlich auf die Stimmen der Zeit. Freilich hat dann seine machtvolle Persönlichkeit die Führerschaft in einer Weise an sich gerissen, daß die Nachwelt und auch die Forschung eben in dieser Führerschaft den eigentlichen Quell der Bewegung zu finden meinte. Der Zeitpunkt, in dem diese Wendung geschah und eine neue Epoche in dem Verhältnis von Staat und Kirche einleitete, wird bezeichnet durch die große Enzyklika von 1 2 3 9 , den ersten flammenden Aufruf des Kaisers an alle weltlichen Fürsten zur gemeinsamen Abwehr kirchlicher Grenzüberschreitungen. 11 ) Von jetzt an w a r Friedrich Haupt, Seele und Vorbild jeder Opposition gegen das Papsttum, derjenigen sowohl, die es wagte, aktiven Widerstand zu leisten, wie derjenigen, die die reformatio ecclesiae Im Verfolg der guelfisch-ghibellinischen Parteiungen haben in Toskana besonders Florenz und Pisa ihren Haß gegen die Politik der Kirche durch Einschränkungen der geistlichen Prärogative Ausdruck gegeben. Für die Zustände des Jahre 1217/18, als der Kardinal in diesen Städten den stärksten Widerstand fand, sind besonders charakteristisch die feindliche Haltung der Behörden gegen die Prärogative der Geistlichen und die absolute Gleichgültigkeit gegen die kirchlichen Strafen, vor allem die Exkommunikation, vgl. R . Davidsohn, Geschichte von Florenz II, 1, 53 ff., über radikale Maßnahmen der Stadt in den 50 er Jahren ebd. II, 1, 454 ff., allgemein IV, 1, 2 ff. — E s wäre doch notwendig, den Zusammenhängen der verschiedenen Erscheinungsformen in der antikirchlichen Bewegung der Zeit einmal näher nachzugehen. Man wird dann ganz von selber Friedrich II. aus seiner scheinbaren Isoliertheit in dieser Beziehung herauslösen. Bei der Behandlung der siz. Kirchenpolitik vor allem muß außer auf die Praxis der normannischen Vorfahren auf die Privilegienfeindschaft der oberitalienischen Städte hingewiesen werden. Kantorowicz' Darstellung scheint mir in dieser Hinsicht den Ansprüchen einer alle wirkenden Kräfte berücksichtigenden Geschichtsschreibung nicht ganz zu genügen. K . spricht gar nicht von diesen Anfängen einer „gallikanischen" Bewegung in den italienischen Kommunen, sondern bezeichnet als Rebellion sowohl das dem Kirchenglauben feindliche Ketzertum wie die gemäßigte politische Bewegung gegen die Kirche, die von den städtischen Behörden ausging. In seinen Ketzergesetzen hat Friedrich allerdings keinen wesentlichen Unterschied zwischen ihnen gemacht. Grundsätzlich aber sind diese beiden Richtungen streng voneinander zu trennen, und Friedrichs spätere Politik konnte, ohne sich einer Verbindung mit den Ketzern schuldig zu machen, an jene gemäßigte, politische in den Städten anknüpfen. " ) Const. I I nr. 215 (Fassung' an den Erzbischof von Salzburg) und Huill.-Br6h. V, 295 (Fassung an den Grafen Richard von Cornwallis), vgl. die Analyse bei Graefe, 17 ff.



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in Gedanken und Träumen, wenn auch nur in einer künftigen Epoche der Kirche erhofften. 1 2 ) So haben die Barone in Frankreich das berühmte Reformmanifest Friedrichs von 1 2 4 6 in ihrem Protestschreiben an die Kurie benutzt 1 3 ), und so hat, wie schon 1 2 2 9 ein französischer Troubadour 1 4 ), später der Bettelmönch A r nold in jenem „Libellus de Innocentio I V antichristo" Friedrich I I . als den berufenen Reformator der Kirche angerufen, der das neue Reich der Wahrheit und des Friedens heraufführen solle. 15 ) In England haben weite Kreise des Volkes Friedrichs Widerstand gegen die Kurie gutgeheißen, und es ist bezeichnend, daß man dort aus dem Namen Friedrichs ein neues W o r t abgeleitet h a t : „fretherizare", das bedeuten soll „sich wie Friedrich benehmen", d. h. „sich gegen die Kurie auflehnen" oder „ihr ungehorsam sein". 1 8 ) Friedrichs Verhalten zur Kirche — Widerstand sowohl wie Verbesserungsgedanken — blieb bestimmend für sein Bild noch nach seinem Tode. 12 ) Einen kurzen, guten Überblick über die politischen Wirkungen gibt Vehse, 197 ff. Über die Träume und Zukunftshoffnungen nach Friedrichs Tod vgl. Friedr. Kampers, Kaiserprophetien und Kaisersagen im Mittelalter, München 1895, 125 ff. Daß die Hoffnungen einen realen Hintergrund in den Keformgedanken der Manifeste des Kaisers und seiner Umgebung hatten, bemerkt Kampers nicht. w ) Matth. Par. IV, 593: Multos tarnen perterruit huius tenor epistolae [der Barone], credebatur hec consensu Friderici eroanasse maxime cum huius clausula finalis concordet epistolae Fretherici, quam multis misit principibus, in cuius fine sie dicit [folgt die übernommene Stelle aus dem Manifest], vgl. die Gegenüberstellung bei Graefe, 233. Dazu auch weiter unten Teil I I I . M ) Guilhelm Figueira bei Fr. Diez, Leben und Werke der Troubadours, 2. Aufl., Leipzig 1882, 455ff. Dazu F . Wittenberg, Die Hohenstaufen im Munde der Troubadours. Diss. Münster 1908, bes. 64 ff. " ) S. o. 16, Anm. 20. Diesen Glauben hatten auch die Häretiker der Stauferstadt Schwäbisch-Hall, von denen die Stader Annalen berichten, SS. 16, 372, vgl. Hauck, K.-G. IV, 852, und Graefe, 237 ff. w ) Matth. Par. IV, 560, auch SS. X X V I I I , 280 38 : Dixerat enim Papaillis aliquod responsum expectantibus: R e x Anglorum qui iam recalcitrat et fretherizat suum habet consilium; ego vero meum habeo quod et sequar. Matthäus legt dieses Wort dem Papst in den Mund. Es ist aber •wohl kein Zweifel, daß es in England in Gebrauch war. Vielleicht auch nur im literarischen Kreise um Matthäus, also im Kloster St. Alban, vgl. die Wortbildung in seiner Chronik „Frethericales" (IV, 321 u. ö.). Herr Prof. Strecker machte mich freundlichst auf die analogen Bildungen aus dem Namen Nero aufmerksam : Nerone neronior (z. B. in einem Brief Peters von Aragon, E . Martine und U. Durand, Thesaurus novus aneedotorum, Paris 1717, I I I , 33) und neronizare.

— 38 — Man wird aber der Bedeutung des Kaisers auch im Zu-, sammenhang dieser Gedanken nicht gerecht und die Wirkungskraft seiner Ideen nicht richtig einschätzen können, wenn man vergißt, daß Friedrich nicht nur der römische Kaiser, sondern auch der Herrscher von Sizilien gewesen ist, eines Staates, dessen Entwicklung und Ordnung die Schule seines eigenen politischen Denkens und seiner politischen Tatkraft geworden ist. Der Rahmen des Imperiums, wenn auch der ihm innewohnenden Idee nach so weit gespannt, wie die christliche Welt reichte, bot einer wirklichen politischen Tätigkeit außerordentlich wenig Raum; fruchtbare neue Gedanken konnten hier nicht keimen, geschweige denn als Einrichtungen ins Leben treten, sie verfingen sich im Netz der traditionellen mittelalterlichen Bindungen. Die neuen Ideen, die in den antipäpstlichen Manifesten Friedrichs die Polemik wie frischer Lufthauch beleben, konnten nur aus der positiven Arbeit und Beschäftigung mit den höchsten und geringsten Aufgaben eines Staates geboren werden.17) Man hat Friedrich den ersten absoluten Herrscher, seinen sizilischen Staat das erste moderne Staatsgebilde genannt.18) Man wird diese Behauptung einschränken müssen. Denn die Forschungen Belows haben gezeigt, daß nicht nur in Frankreich und England, sondern auch in den deutschen Territorien am Anfang des 13. Jahrhunderts die Entstehung des Landesfürstentums durch den Übergang der Hoheitsrechte von den Lehnsgewalten auf die Fürsten im Gange war. 19 ) Trotzdem bleibt jene Behauptung in gewissem Sinne berechtigt, denn an drei Stellen hat die sizilische Entwicklung einen Vorsprung vor den anderen Staaten gewonnen: in der Kodifikation der Gesetze, die man in dieser Zeit als einzigartig bezeichnen kann, in einer Wirtschafts- und Finanzpolitik, die unter dem Drucke des großen Kampfes mit der Kurie alle Kräfte des Staates rücksichtslos und unterschiedslos anzuspannen wußte und schließlich in der Einordnung der Kirche in das sizilische Staatswesen. Diese Einordnung nennt Below die bedeutendste Verwirklichung von Ansprüchen des Staates in den Fragen der geistlichen Ge17

) Vgl. die gute Formulierung bei Kantorowicz, 197: „Auch er wäre wohl zerflattert als ein hohes Schemen . . . hätte er n i c h t . . . wieder zurückgefunden" usf. 1S ) Vor allem und zuerst J . Burckhardt, Die Kultur der Renaissance in Italien, Kap. I. 19 ) G. v. Below, Die Anfänge des modernen Staats . . . in Territorium und Stadt, 2. Aufl., München 1923, 161 ff. Vgl. auch die Arbeiten von H . Spangenberg, Vom Lehnsstaat zum Ständestaat, München u. Berlin 1 9 1 2 u. Territorialwirtschaft u. Stadtwirtschaft, München u. Berlin 1932.

— 39 — richtsbarkeit, des Regalienrechts, der Besteuerung des Kirchenguts und der Einschränkung der Veräußerung von Grundbesitz an die Kirche.20) Die sizilische Kirchenpolitik Friedrichs ist der reale Boden, der dem theoretischen Anspruch auf staatliche Autonomie in allen, also auch den kirchlichen Angelegenheiten des Staates Rückhalt und lebendige Kraft verleiht, ohne welche Ideen wirkungslos verfliegen. Ihren Widerhall verdanken diese Ideen daneben auch der großartigen, stilistisch vollendeten Sprache, in die die sizilische Kanzlei Friedrichs sie zu kleiden verstand. Entscheidender aber als die Kirchenpolitik, die ein sichtbares Abrücken von dem Ideal der Kirche ankündigt, ist die Veränderung der geistigen Grundhaltung, des wissenschaftlichen Denkens, deren Wurzeln — wie schon erwähnt — viel früher liegen, die aber dadurch, daß sie sich zum erstenmal und an dem höchsten Herrscher des mittelalterlichen Abendlandes vollzog und erwies, aus der Studierstube in das öffentliche Leben trat und wirkender Faktor auch des Staatslebens wurde. Diese Veränderung tritt nun nicht etwa darin in Erscheinung, daß der Kaiser in seinen letzten Lebensjahren den Kampf mit der Kirche mit bis dahin unerhörter Hartnäckigkeit und Rücksichtslosigkeit geführt hat: sein Nachfolger Philipp war ihm darin ebenbürtig, wenn nicht überlegen, und das, was wir über dessen Persönlichkeit und geistige Interessen wissen, zeigt doch nirgendwo die Veränderung, in der das mittelalterliche Denken begriffen war. Symptomatisch waren bei Friedrich II. auch nicht in erster Linie die Neigung zum antiken Rom und die zum Teil vielleicht authentischen „ketzerischen" Aussprüche21), die in einer Zeit, wo die Häresie alle Bevölkerungskreise ergriffen hatte, gar nichts so Unerhörtes bedeuteten, sondern die ganz neue Art, der Welt der Erscheinungen, den Menschen und der Natur, entgegenzutreten. Der Kaiser geht an die Dinge des sinnlichen und geistigen Erkenntniskreises heran ohne das gewohnte Rüstzeug der kirchlichen Dogmen, die auch dem Erkenntnisprozeß eine aprioristisch bestimmte 20 ) Ebd. 185. Bezeichnend ist auch noch folgendes Urteil: „Die allgemeine Front gegenüber der Kirche zeigt der sizilische Staat jedoch viel früher als die deutschen Landesherrn, und Friedrich II. führt ihr gegenüber eine Sprache, die von deutschen Landesherrn das ganze Mittelalter hindurch nicht vertreten worden ist" (S. 186). 21 ) Über die sog. Ketzereien Friedrichs vgl. jetzt am besten Kantorowicz, 553/54, und Erg.-Bd. 229. K. betont mit Recht, daß das Wesentliche an diesen Aussprüchen, die man zum Teil auch jedem andern Häretiker hätte nachsagen können, nicht diese Aussprüche selber waren, sondern die Tatsache, daß man sie dem Kaiser überhaupt nachsagen konnte.

— 40 — Richtung gaben, vor allem aber ohne die Absicht, den Erkenntnisgegenstand zu symbolisieren, sondern einzig beseelt von dem Wunsch, dem sachlichen Wesen der Dinge näherzutreten.22) Daß sich diese geistige Haltung, deren freie Richtimg sich in einer erstaunlichen Vorurteilslosigkeit und Aufgeschlossenheit erweist, auch auf die Betrachtung des menschlichen Gemeinschaftslebens und seiner Formen erstreckt, kann von vorneherein angenommen werden, auch wenn die hierhin zielenden Äußerungen seiner Staatsbriefe in den traditionellen Kirchenton mit einstimmen. Denn auch die berühmte Einleitung zu den sizilischen Konstitutionen, die den Ursprung der weltlichen Herrschaft aus der göttlichen Vorsehung einerseits, der Zwangsläufigkeit der Dinge andrerseits, ableitet, fällt an sich nicht aus dem Rahmen der mittelalterlichen Staatsanschauung heraus. Die necessitas rerum ist eben die von Gott gewollte Ordnung in der Welt, und nur mit großer Vorsicht darf hier schon von der Einwirkung naturrechtlicher Anschauungen gesprochen werden.23) Wirksamer aber, als theoretische Ausführungen hätten sein können, war der vor aller Welt offenbare Wille, dem Staat mit aller Macht zu seinem Recht zu verhelfen, war, wo es das Recht des Staates galt, die rücksichtslose, über alle geheiligten Privilegien hinwegschreitende selbst- und zielbewußte Persönlichkeit des Herrschers. Die necessitas, das Gebot der Stunde beherrschen ihn so vollständig, als ob er die Staatsraison schon bewußt wie spätere absolutistische Herrscher zu seiner Göttin erhoben hätte. Sieht man mit Friedrich v. Bezold in den italienischen Stadtrepubliken die ersten 22 ) Vgl. die schöne Darstellung bei Kantorowicz, 308—339. Ganz besonders interessieren in diesem Zusammenhang die den ganzen Kosmos umfassenden Fragen, die der Kaiser an Michael Scotus richtete.

**) Die naturrechtliche Deutung bringt ziierst Burdach, der allerdings damit nicht durchkommt, sondern Widersprüche konstruieren muß, wo keine sind (Rienzo, bes. 307 ff.), vgl. Steinen, Kaisertum, 22 u. 35. Zur Deutung der Stelle „ipsa rerum necessitate cogente nec minus divine provisionis instinctu" (Proömium zu den siz. Konstitutionen, Huill.-Br6h. IV, 3) ist besonders lehrreich die Kontroverse zwischen E . Kantorowicz und A . Brackmann, entstanden aus des letzteren Kritik der K.schen Darstellung in der H. Z., 140, 1929, 539 ff., (Kaiser Friedrich II. in mythischer Schau), vgl. dazu Kantorowicz, Erg.-Bd. 98. Hier und weiter unten habe ich mich der Ansicht Brackmanns angeschlossen und den Begriff necessitas gedeutet als göttliche Zwangsregelung der im Stande der Erbsünde befindlichen Menschheit, möchte aber doch schon hier darauf hinweisen, daß der Begriff necessitas später zur Rechtfertigung einer allen kirchlichen Grundsätzen widersprechenden Realpolitik dienen mußte, darüber weiter unten, 167 ff.

— 41 — Staatsgebilde, in denen „die Politik von jeder religiösen und moralischen Bevormundung freigesprochen und allein der vieldeutigen Norm der salus publica unterworfen" wurde, so darf man darüber doch nicht vergessen, daß gleichzeitig auch in dem monarchisch regierten Sizilien und in den italienischen Reichsvikariaten der Schritt zur „Entheiligung des Staates" getan wurde24), ja daß es eben die mit fast unumschränkter Gewalt eingesetzten und ganz von dem Zug friderizianischen Selbstbewußtseins und geistiger Traditionslosigkeit ergriffenen Statthalter waren, die diese Richtung in Italien befestigten und verbreiteten.25) Ist Friedrich II. in seinen literarischen Äußerungen über die Entstehung des weltlichen Staates und sein Verhältnis zur Kirche über die bisher auf Seiten der staatlichen Partei vertretenen Meinungen nicht wesentlich hinausgekommen, fehlen vor allem in seiner Umgebung noch vollständig die wissenschaftlich geschulten Köpfe, die seinen wahren politischen Ein- und Absichten die weltanschauliche Grundlage und den theoretischen Aufbau gegeben hätten, so ist doch die Wirkimg, die von ihm ausging, auch in dem theoretischen Niederschlag des staatlichen Säkularisationsprozesses nicht zu verkennen. Jetzt konnte beispielsweise der gewaltige Aufschwung, den die juristischen und philosophischen Wissenschaften auf den Universitäten während der Regierung des Staufers, zum Teil durch diesen, gemacht hatten, auch einer neuartigen systematischen Behandlung staatstheoretischer Gegenstände zugute kommen. Die Kenntnisse des römischen und kanonischen Rechtes, der aristotelischen Philosophie und Staatslehre führten ganz von selber zu einer positiveren Betrachtung und Bewertung des Staates und seiner Bedürfnisse, als sie unter dem alleinigen Einfluß der kirchlich bestimmten augustinischen Staatslehre möglich war.26) Thomas v. Aquin erkannte in direkter Fortführung der aristotelischen Staatslehre im Staat eine von der Natur vorgebildete, mit dem göttlichen Willen übereinstimmende M ) Fr. v. Bezold, Republik und Monarchie in der ital. Literatur des 15. Jahrhunderts in: Aus Mittelalter und Renaissance, München 1918, 247. " ) S. E . Salzer, Über die Anfänge der Signorie in Oberitalien, Berlin 1900, 14/15, 25 ff. M ) Die Politik des Aristoteles ist im Gegensatz zu mehreren naturwissenschaftlichen Schriften des Stagiriten dem Abendland noch nicht durch die Übersetzungstätigkeit am sizilischen Hof, sondern erst später durch Wilhelm von Morbeke (1260) bekannt geworden, vgl. B . Geyer in Überweg, Grundriß d. Gesch. d. Philosophie II, xi. Aufl. 1928, 348, und Ch. H. Haskins, Studies in the history of mediaeval science, Cambridge (Mass.) 1924, 223 ff.

— 42 — 27

Lebensform. ) Man muß sich erinnern, daß Thomas im sizilischen Staat Kaiser Friedrichs und unter seiner geistigen Atmosphäre herangewachsen ist.28) Es ist nun gewiß kein Zufall, daß nicht nur der radikalste Verteidiger der päpstlichen plenitudo potestatis, Aegidius Romanus, sondern auch ein energischer Vertreter des weltlichen Staatsgedankens, Johann von Paris, ein Schüler des Thomas gewesen ist.29) Im ganzen ist eine stärkere Rationalisierung der Gedankenwelt sicher auch durch den Einfluß des schon am Hofe Friedrichs II. bekannten Lehrgebäudes des arabischen Philosophen Averroes in der geistigen Umgebung des französischen Königs deutlich zu bemerken. Die Erkenntnis und hohe Bewertung der „natürlichen Wahrheiten" in diesem Lehrsystem und überhaupt die Freude an der wirklichkeitsnahen Erfassung der Welt, die zuerst am Hofe Friedrichs eine Heimat gefunden, fördern die allmähliche Klärung des Staatsbegriffs im Sinne einer Loslösung von kirchlich-überweltlichen Zielen, die sein eigentliches Wesen verdunkelt hatten.30)

2. D A S B I L D K A I S E R F R I E D R I C H S II. B E I D E N T R Ä G E R N D E R OPPOSITION G E G E N D I E K U R I E UM D I E W E N D E D E S 13. J A H R H U N D E R T S . E s ist die Tragik im Herrscherschicksal Kaiser Friedrichs, daß nach seinem Tode sein Name nicht genannt wurde in Verbindung mit seinen Friedenstaten, seinem Gesetzeswerk für Sizilien und seiner Rechtsordnung für das Reich, seinen Verwaltungserfolgen und seinen anderen großen Kulturanregungen. E r selbst hatte sich mit der Iustitia identifiziert und seine göttliche Sen2 ' ) Vgl. vor allem O. Schilling, Die Staats- u. Soziallehren des hl. Th. v. Aquin, 2. Aufl., München 1930, 76 ff. 2B ) A. Dempf, Sacrum Imperium, 382 glaubt, daß dem hl. Thomas für sein Ideal von Herrschertüchtigkeit und Regierungskunst kein anderer vorgeschwebt habe als Friedrich II., „der erste politische Mensch der Neuzeit, der tatsächlich die ganze Regierungskunst als menschliche Höchstleistung ausgeübt hat". Man muß wohl annehmen, daß Thomas den Kaiser, dem so viele seines Geschlechts gedient hatten, aus Familientradition und aus der eigenen Jugend her kannte. 29 ) Finke, Bonifaz, 172, nennt ihn den ersten Vertreter des neueren Staatsgedankens. 30 ) Über die Wirkungen des Averroismus in Richtung auf eine Säkularisierung des Denkens und der Wissenschaft vgl. H. Reuter, a. a. O. II, 162 ff., auf die Staatsanschauungen im Kreise Philipps des Schönen ebd., 174.

— 43 — dung in der Verkündung und Verwirklichung einer vollkommenen Gerechtigkeit gesehen, er hatte mit Cäsar, mit Augustus, Justinian um die Palme ringen wollen. 31 ) Alles das hat wohl seine dauernden Wirkungen gehabt, die sich im einzelnen auch verfolgen lassen. 32 ) Aber nicht seine Kulturtaten haben seinem Namen den tönenden Klang in seinem Jahrhundert und noch darüber hinaus gegeben, sondern sein Kampf mit dem Papsttum. Dieser Kampf ist wesenhaft vorhanden in all den Prophezeiungen, Legenden, Sagen vom bergentrückten, wiedererstehenden Kaiser: erlebt fort, er kommt wieder, um die Pfaffen zu vertreiben, sei es als Antichrist, sei es als Heiland oder Messias. Auch dann als Wiedererstandener hat er ein Richteramt zu verwalten : er soll das Strafgericht an der Kirche, an den Geistlichen, vollziehen und dann eine neue Kirche wiederaufrichten im Geiste der Urlehre Christi. 33 ) 31 )

Vgl. Kantorowicz, 208 ff. Das Weitergreifen der sizilischen Gesetzgebungs- und Verwaltungsform auf die anderen Länder ist bisher noch wenig erforscht. Einen Überblick über bisher gemachte Ansätze gibt Kantorowicz, Erg.-Bd. 113/114. Hier nur einige Bemerkungen über unmittelbare Zusammenhänge auf dem Gebiete der Gesetzgebung: Das große Gesetzeswerk für das Königreich Sizilien, zu Melfi, 1231, verkündet, später noch erweitert und ergänzt, hat auf die Zeitgenossen merkwürdig wenig Eindruck gemacht: außerhalb Siziliens fand es bei den Chronisten keine Beachtung, vgl. Winkelmann, Jahrbücher II, 271 Anm. 1. In um so größerem Ansehen stand es bei den Nachkommen. Von den Angiovinen übernommen, die sich in Urkunden, Novellen usw. darauf beriefen, behielten es auch nach der Teilung des Königreichs die Aragonesen bei: Ferdinand I. von Neapel bestätigt 1472 seinen Gebrauch. Wenn auch erweitert und in einigen Teilen beträchtlich verändert, blieb das Gesetzbuch Kaiser Friedrichs im Königreich in Geltung, bis es durch den Code Napoléon abgelöst wurde, vgl. B. Capasso, Sulla storia delle constituzioni di Federico II, 492 ff. (Atti délia Accademia Pontaniana, IX). Über die Wirkung der sizilischen Konstitutionen auf das Gesetzbuch Kaiser Karls IV. s. Kantorowicz, a. a. O. — Im Deutschen Reiche erfuhren Erneuerung — diese Zusammenstellungen umfassen nur das 13. Jahrhundert — die Ketzergesetze (Rudolf I., 1278, Const. III Nr. 203/04), das Gesetz betreffend die geistliche Gerichtsbarkeit vom Jahre 1218 Okt. 22 (1279, ebd. Nr. 233), das Privileg In favorem principum eccl. (Rudolf I., 1275, ebd. Nr. 82, und Adolf v. Nassau, 1292, ebd. Nr. 492). Vor allem aber ist der Mainzer Landfriede von 1235, der bedeutendste Versuch einer umfassenden Rechtsordnung für das Reich im M.A., Grundlage aller Landfriedensordnungen geworden, vgl. K . Hampe, Deutsche Kaisergeschichte, 2. Aufl., Leipzig 1912, 253, der besonders auch auf die Einwirkung sizilischer Einrichtungen und Rechtsvorstellungen auf das Gesetz hinweist. Es wurde erneuert 1281 (Const. III. Nr. 279—81) und 1298 (ebd. IV, Nr. 33). 32 )

33 )

Vgl. F. Kampers, a. a. O. 131.

— 44 — Eigentlich hat nur das Strafgericht in diesen Prophezeiungen und Sagen feste Gestalt angenommen in Schilderungen, die an den wirklichen Geschehnissen wenigstens einen Anhaltspunkt hatten. Aber was an die Stelle der zerstörten Kirche treten, wie die reformatio vor sich gehen soll, das sind Träume, Phantasien — man lese nur die Prophezeiung zum Jahre 1348 nach.34) Einiges davon ist durch die Reformation des 16. Jahrhunderts zur Wirklichkeit geworden, und es ist nichts so bezeichnend, als daß während der heftigsten Kampfzeiten Luthers gleichzeitig mit dem Defensor pacis des Marsilius von Padua und der Monarchie Dantes das Briefbuch des sog. Petrus de Vinea unter dem Titel einer der schlimmsten Schmähschriften gegen die Kurie erschienen ist: es enthält im ersten Buch die großen Kampfmanifeste Friedrichs gegen die Kurie.35) Das ganze 13. Jahrhundert und mindestens die erste Hälfte des folgenden noch überschattet die Gestalt Friedrichs nicht als des aufbauenden Staatsorganisators und Gesetzgebers, des ersten politischen Menschen des Mittelalters, wie man ihn genannt hat, als des großen Kulturförderers, als den ihn auch einzelne Gegner anerkannten, sondern als des immutator mirabUis, des furchtbaren Verwandlers und Zerstörers der Welt38), i4 ) Die Chronik des Johann von Winterthur hrsg. v. Fr. Baethgen, Berlin 1924, 280 (SS. rer. Germ. Nova Series III). 8t ) Vgl. Huill.-Bréh., Pierre, Avant-Propos I X und n. 1. Der Titel lautet: Querimonia Friderici I I imperatoris, qua se a Romano pontífice et cardinalibus immerito persecutum et imperio dejectum esse ostendit, a doctissimo viro domino Petro de Vinea eiusdem Friderici I I cancellario anno M C C X X X conscripta. Das Buch erschien in Hagenau 1529. Der Titel ist eine leichte Abwandlung der Überschrift der papstfeindlichen Flugschrift, die das erste Stück des ersten Buches und damit der Briefsammlung überhaupt bildet. Zu dieser Ausgabe vgl. K . Hampe, Kaiser Friedrich II. in der Auffassung der Nachwelt, Berlin 1925, 24. Hier auch Belege für die begeisterte Parteinahme der Reformatoren für den Kaiser, wonach auch Hutten mit dem Plan eines Druckes des Briefbuchs umging, und die Erstausgabe von 1529 mit einer Einleitung versehen war, in der der Inhalt „ganz im reformatorischen Sinn" ausgebeutet war. Das Büchlein ist nach Huill.-Bréh. sehr selten. M

) Frethericus Stupor mundi et immutator mirabilis, Matth. Par. in SS. 28, 3 1 9 1 7 . Zu bemerken ist aber, daß Matth. Par. diesen letzten Ausdruck auch für Innocenz I I I . verwendet, ebd. 399, also — und das geht ja aus seiner Gesamthaltung zum Kaiser hervor — in dem selben Sinn wie wir den Ausdruck etwa verwenden würden für den genialen Herrscher, der eine welthistorische Wende bedeutet. Seine Feinde aber nannten ihn „Wandler" im antichristlichen Sinn, vgl. Steinen, Kaisertum, 44. Charakteristisch ist vor allem die Anwendung von Daniel 7, 25: E t sermones

— 45 — und fast immer erscheint zugleich mit ihm sein Gegenpol, sein Widerspiel: die von ihm verfolgte oder bestrafte Geistlichkeit, die von ihm zerstörte oder gereinigte Kirche. War zu Lebzeiten des Kaisers die Einstellung zu ihm in gewissem Grade immer abhängig gewesen von dem Verhältnis des jeweilig Urteilenden und Schauenden zur Kirche, besonders zu dem jeweils regierenden Papste, so änderte sich dies nach seinem Tode. Sein Büd, dem Kampfe der Parteien entrückt, zeigt fast nur noch die Züge des Glaubensfeindes, des Jenseitsverächters, des Ketzerkaisers. Karl Hampe hat in seiner Studie „Kaiser Friedrich II. in der Auffassung der Nachwelt" feststellen können, „daß bei den Deutschen um die Wende des 13. und 14. Jahrhunderts die von den geschichtlichen Lehrbüchern der Franziskaner und Dominikaner bestimmte Auffassung von dem Kaiser als dem meineidigen Ketzer, dem Freund der Sarazenen und griechischen Schismatiker, der die Kirche ungerecht verfolgt usw., sich durchgesetzt hat". 37 ) Nur in Italien hat sich eine wirklichkeitstreuere Erinnerung an den Kaiser erhalten: seine umfassende und überragende Persönlichkeit lebte in Kreisen der ghibellinischen Sinnesart, im Florenz der von ihm entfesselten Parteikämpfe, im Rom der Colonna im Geheimen fort. Viele knüpften an sein Andenken die Hoffnung auf Niederwerfung des päpstlichen Absolutismus, die Vertreibung der Franzosen aus Italien und die Wiederaufrichtung eines friedebringenden Kaisertums. Dante, der sich doch auch das allgemeine Urteil über die Glaubensfeindlichkeit des Kaisers angeeignet hat, ist doch auf der anderen Seite das hervorragende Beispiel für das Weiterleben des Kaisers in der Gesinnung der ghibellinischen Politiker und Zukunftsträumer.38) Es läge zunächst nahe, die Anerkennung der großen Herrschereigenschaften Friedrichs, wie wir sie sogar bei den Guelfen contra Excelsum Ioquetur et sanctos Altissimi conteret, et putabit, quod possit mutare tempora et leges . . . , vgl. Kantorowicz, 479, Erg.-Bd., 208/09. « ) S. iof. ,8 ) Vgl. Hampe, a. a. O. 63 Anm. 33 u. F. X . Kraus, Dante, 696/97: „ E s kann niemand, der die Monarchie oder die letzten Gesänge des Purgatorio gelesen, leugnen, daß der gesamte politische Gedankengang des Dichters sich im Zusammenhang der Anschauungen bewegt, welche das staufische Haus, welche insbesondere Friedrich II. und sein Kanzler Pier della Vigne vertreten hatten." Gute Beobachtungen in dieser Richtung bieten auch die Anmerkungen von W . v. d. Steinen zu Dantes Monarchia in: Heilige und Helden des Mittelalters, Breslau 1926. Es handelt sich vor allem hier um geistige Beziehungen, s. z. B. Dantes Standpunkt zu der Frage des kirchlichen Besitzes (S. 114). Vgl. jetzt auch meinen Aufsatz: Der Geichsgedanke bei Dante in Deutsches Dante-Jahrb. 14, 1932, i85ff., bes. 201.

— 46 — Salimbene und Giovanni Villani finden39), mindestens aber eine Doppelseitigkeit des Urteils wie bei Dante auch in einem Kreise vorauszusetzen, der durch seine Vergangenheit wie kein anderer befähigt und bestimmt war, die große ghibellinische Tradition fortzusetzen: bei den römischen Colonna und ihrer Umgebimg.40) Ihre politische Haltung könnte eine Gewähr dafür sein. Denn tatsächlich hat trotz aller von persönlichen Interessen bestimmten Schwankungen und Wendungen die ghibellinische Richtung in ihrer Politik schließlich die Oberhand behalten: Ihre Verbindung mit König Friedrich von Sizilien, dem Enkel Manfreds, ist doch wohl der wesentliche Grund zu dem unstillbaren Zorn des Papstes Bonifaz gegen sie und dem daraus entstandenen unversöhnlichen Kampf des Geschlechtes gegen die Kurie auf der Seite des französischen Königs gewesen.41) Man kann es ferner für einen Beweis ihrer ghibellinisch-kaiserlichen Gesinnung halten, daß der deutsche Verfechter des Kaisergedankens, der Kleriker Alexander von Roes, zugleich mit dem ebenfalls kaiserfreundlichen Traktat des Jordanes von Osnabrück seine Schrift „De translatione imperii" dem Haupte des Geschlechtes, dem Kardinal Jakob, widmete.42) Einen Freund des Kaisertums „in den maßvollen Formen ,s )

Hampe, a. a. O. 16. In heftigen Worten ruft Papst Bonifaz die Erinnerung an die Beteiligung der Colonna am staufischen Kampf gegen das Papsttum wach, z. B. in der Bulle „In excelso throno" 1297, Mai 10, Dupuy, S. 29, Reg. Bonif. nr. 2388,1, 962: qualiter quondam Ioannes de Columpna . . . Oddo de Columna . . . tempore felicis recordationis Gregorii I X Papae praedecessoris nostri fuerunt dure ac graviter ipsam Ecclesiam persecuti cum damnate memorie Frederico olim Romanorum imperatore supradicte ecclesie publico persecutore et hoste . . . Ähnliche Worte, nur etwas milder in der Form, äußerte Bonifaz in einer Rede vor dem Konsistorium am gleichen Tag, an dem die Verdammungsbulle veröffentlicht wurde. Diese Rede ist überliefert in der Vita des Erzbischofs Boemund von Trier der Gesta Trevirorum, SS. 24, 477—480. Über das Verhältnis der Rede zu der Bulle und die Echtheitsfrage vgl. Finke, Bonifaz 116 ff. Die hier auf Kaiser Friedrich bezügliche Stelle (S. 477) enthält nicht den schmähenden Ausdruck der Bulle: damnatae memoriae, vgl. Möhler, 4. 40)

41)

Finke, Bonifaz, 121, und Möhler, 53 ff. Jetzt zu benutzen in der Ausgabe von Herbert Grundmann in Quellen zur Geistesgeschichte des Mittelalters und der Renaissance, hrsg. von W. Goetz, II, Leipzig 1930. Uber die Widmung (S. 11), deren Deutung wegen verschiedener Fehler Schwierigkeiten macht, W. Schraub, Jordannes von Osnabrück und Alexander von Roes, Heidelberg 1910, igii. und zuletzt W. Levison, Zu Alexander von Roes in Neues Archiv, 49, 1930, 202—205. 42)

— 47



des römischen Großen" nennt Heinrich Finke den Kardinal.43) Daß aber die Bejahung des ghibellinischen Standpunktes und die Weiterführung der ghibellinischen Politik nicht identisch zu sein brauchte mit der Anerkennung derjenigen Persönlichkeit, die ihr Führer und ihr Vorkämpfer war, das zeigt eben jene Schrift des Alexander von Roes, die in Friedrich II. die Ursache für das sinkende Ansehen und die schwindende Macht des Reiches sah und in seinem Sturz das Strafgericht Gottes erkannte.44) Diese Anschauung weist von ferne in die Gedankenwelt eines bestimmten mystisch-religiösen Kreises45), dem der Kardinal Jakob schon lange nahegestanden hatte und in den letzten Jahren seines Lebens dann 4S

) Bonifaz, 109. **) . . . et ita sub Suevorum imperio potestas et auctoritas imperialis augeri desiit et vehementius decrescere incepit. Cuius detrimenti causam et occasionem ego relinquo Gelphis et Gibbelinis disputandum. Verumptamen qualis Fredericus ultimus fuerit, propheta insinuat ubi dicit: Percussisti caput de domo impii, denudasti fundamentum . . . (Habacuc, 3, 13), Grundmann, 30/31. Alexander fügt dem Bibelspruch dann noch eine jener im Volke umlaufenden Prophezeiungen hinzu, daß nämlich aus dem Samen dieses Friedrich ein sündiger Sproß, Friedrich mit Namen, erstehen werde, qui clerum in Germania et etiam ipsam Romanam ecclesiam humiliabit et tribulabit vehementer (ebd.). Der Verfasser scheint jedoch selber nicht viel von solchen Prophezeiungen zu halten. Auch der Verfasser der Noticia saeculi, der nach der Meinung der meisten Forscher mit Alexander identisch ist (Grundmann, 5, Anm. 1), äußert eine ähnliche Ansicht über Friedrich, wenn man die betreffende Stelle so interpretiert, wie es Schraub tut (S. 86). Die Lesart, die Wilhelm in seiner Ausgabe der Noticia bietet (MIÖG 19, 1898, 664), gibt keinen rechten Sinn. Um einen Widerspruch innerhalb der Noticia selbst — von Alexander abgesehen — zu umgehen, muß man sich wohl mit der Fassung Schraubs einverstanden erklären. Danach lautet die Stelle: . . . invenimus, quod ab illo tempore, in quo Fridericus I I consecratus fuit ab Honorio I I I anno domini MCCXX, in quo in statu pot(ent)issimo Romanum tenuit imperium, usque ad ultimum concilium, cui Gregorius X . praesidit, anni circiter L defluxerunt, infra quos adeo Romanum decreverat imperium, quod eius vix habebatur memoria. **) Allerdings tritt eine Neigung zum Spiritualentum im Traktat des Alexander nicht ausgesprochen hervor, wie Schraub mit Recht bemerkt; im Gegenteil scheint A. sich über die umlaufenden Prophezeiungen eschatologischer Natur lustig zu machen, s. Anm. 44. Hingegen ist die Beschäftigung mit den Zukunftshoffnungen der Spiritualen dem Verfasser der Noticia saeculi offenbar eher Herzenssache, da sich der Verfasser für seine Antichristerwartungen auf die pseudojoachimische Schrift De semine scripturarum beruft, vgl. Wilhelm, a. a. O., 673. Eben wegen dieser geistigen Verschiedenheit will Schraub nicht an die Identität der Verfasserschaft glauben, 102 ff. Auch mir erscheint die Kluft hier ziemlich groß, immerhin wäre eine Anpassung an die im Kreise seines Gönners herrschenden An-

— 48 — ist.48)

ganz beigetreten Gemeint sind die Franziskaner strenger Observanz, die Spiritualen oder Fraticellen, die mit dem evangelischen Armutsideal ihres Stifters die mystisch-eschatologischen Lehren des Joachim de Fiore verbanden. Ihre Anhänger, die in praktischer und gedanklicher Abkehr von der hierarchischen Kirche nur der Erwartung des Untergangs dieses und dem Kommen des künftigen Reiches lebten, hatten in Friedrich den Antichrist erkannt, der noch vor der großen Weltwende kommen sollte. Er werde — so glaubte man — noch einmal die Herrschaft über die Welt führen — nach manchen, zusammen mit einem falschen Papst — , dabei aber die Kirchen, vor allem die Orden vernichten, den Glauben zerstören und durch den allgemeinen Zusammenbruch der bestehenden sündigen Welt das dritte Reich des Evangelium aeternum einleiten. Diese Vorstellung von dem Antichrist in der Gestalt Friedrichs ist einer von den drei Punkten, die in den Schriften der Jünger des Joachim de Fiore immer wiederkehren.47) Schon in dem mit apokalytischen Bilsichten, mögen sie Alexander persönlich auch phantastisch und unglaubwürdig erschienen sein, doch durchaus möglich. 4 ') F. Ehrle, Die Spiritualen, ihr Verhältnis zum Franziskanerorden und zu den Fraticellen in Denifle, Archiv I, 545 u. 556ff., und IV, 32ff., dazu Finke, Bonifaz VIII., 114, und Möhler, 201 ff. Die Nachrichten über diese Beziehungen in früherer Zeit stammen von Salimbene, der Jakob Colonna, als er noch jung war und keine Würden bekleidete, mit den Heiligtümern Ravennas bekannt machte (Chron. in SS. 32, 169). Über die Beziehungen des Kardinals zu dem Ordensgeneral Johann von Parma berichtet Salimbene zum Jahre 1284 (ebd. 550), dazu Möhler, 7/8 und 202/03. 47 ) K . Balthasar, Geschichte des Armutstreites, 134, Anm. 2. Hier mögen einige Beispiele folgen aus joachimischen Schriften, die ja erst durch neue Editionen der Forschung wirklich zugänglich gemacht werden müssen: Commentarius super Iesaiam prohetam, Venetiis, Lazarus de Soardis, 1517 (vgl. H. Grundmann, Studien über Joachim von Floris, Leipzig 1927, 1. Exkurs: Die Venediger Drucke, 193ff.): Prophezeiungen auf Kaiser Friedrichs Wiedererscheinen als Antichrist finden sich S. 4r, 47 V, 591. Hier überall ist Friedrich das 7. Haupt des Drachen der Apokalypse: ipse quidem erit Caput draconis septimum antichristi preambulum vicarium Christi emulum et mahometicis nationibus coherendum, dazu Kampers, Kaiserprophetien, 116. Ferner aus den „Irrlehren" des Petrus Olivi in dem Bericht über den Prozeß bei E . Baluze, Miscellanea, Lucae 1761, II, 267, Art. 45 (offenbar wörtlicher Auszug aus der Hauptschrift des P. O., der Postille zur Apokalypse, vgl. Balthasar, a. a. O., 146, Anm. 2): Friedrich, dem außer dem Imperium 6 Königreiche zufallen werden, wird einen häretischen Papst einsetzen und damit das Reich des Antichrist einleiten, vgl. Balthasar, a. a. O., 147. Schließlich aus dem großen Werk des Ubertin von Casale, Arbor vitae crucifixae, verfaßt 1305, hier benutzt in der Bonner Inkunabel, Venedig

— 49 — d e m überhäuften Rundschreiben Gregors I X . des Jahres 1 2 3 9 4 8 ) , wie in den furchtbaren Schmähschriften, die aus dem Lager des erbittertsten Kaisergegners, des Kardinals Rainer von Viterbo, stammen 49 ), sind „alle Prophetenflüche und eschatologisch deutbaren Stellen aus Jeremias und Jesaias zusammengetragen, um Friedrich biblisch-exegetisch als den wirklichen Antichrist zu beweisen". 5 0 ) Den Verfasser dieser Pamphlete darf man nach einer ansprechenden Vermutung Dempfs vielleicht mit dem Verfasser des pseudojoachimischen Jeremiaskommentars gleichsetzen und in einem der beiden Genossen des Johann von Parma suchen, eben desselben Ordensgenerals der spiritualen Richtimg, zu dem der Kardinal J a k o b die innigsten Beziehungen pflegte. 5 1 ) Der Einfluß der spiritualistischen Geschichtsmetaphysik auf den Vorstellungskreis der Colonnesen hat vielleicht das ursprüngliche Ghibellinentum in ihnen etwas verwischt. 52 ) Jedenfalls kann A. de Bonettis, 1485, Buch V, Kap. 8: Fredericus cum suis complicibus ecclesiam dei atrociter persequens (S. 229V), vgl. F. X . Kraus, Dante, 740, und J . Chr. Huck, Ubertin vonCasale und dessen Ideenkreis. Ein Beitrag zum Zeitalter Dantes, Freiburg 1903, 59. Über die Beziehungen Dantes zu Ubertin weiter unten. Über die aus dem gleichen eschatologischen Mystizismus entstandenen Vatizinien (Entstehungszeit, Hss-Verhältnisse usw.) unterrichtet am besten O. Holder-Egger, Italienische Propheten des 13. Jahrhunderts, Neues Archiv 15, 1890, 143 ff., und 30, 1915, 321 ff., dazu Fr. Kampers, Kaiserprophetien usw., 108 ff. Eine außerordentlich reizvolle Darstellung des geistesgeschichtlichen Zusammenhangs dieser Vorstellungen bieten das 7. und 8. Kap. von A. Dempf, Sacrum Imperium, s. auch unten, Anm. 51. 48 ) „Ascendit de man bestia", Epist. pont. I nr. 750, teilweise Übersetzung und Analyse bei Graefe, 29 ff. 49 ) Graefe, 100 ff. u. 119 ff. Es handelt sich um die Flugschriften „Confusa est mater" (Winkelmann, A c t a l nr. 723, S. 568), „Iuxta vaticinium" (Winkelmann, ebd. II, nr. 1037 (I), S. 709—716), „Aspidis o v a " (Winkelmann, ebd. II, nr. 1037 (II), S. 717—721), alle 1245 vor der Eröffnung des Konzils von Lyon abgefaßt. eo ) Dempf, a. a. O. 331. ei ) S. oben, Anm. 46. Der Jeremiaskommentar war nach dem Zeugnis Salimbenes im Kreise Johanns von Parma schon 1248 bekannt, der Jesaiaskommentar muß ungefähr zwei Jahrzehnte später entstanden sein. Das diesen Büchern mit den eben zitierten Flugschriften gemeinsame geistige Merkmal findet Dempf in der selbständigen Ausdeutung der Bibel durch die Anwendung auf die eigene Gegenwart und in dem Minoriten Leonhard, dem einzigen, der sich nach den Worten Salimbenes auf diese Art der joachimschen Methode verstand, den gemeinsamen Verfasser, ebd. 331/32. 52 ) Finke, Bonifaz, 108, spricht von dieser eigentümlichen Verbindung von Ghibellinentum und spiritualistischer Geschichtsmetaphysik Beiheft d. H. Z. 30.

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— 50 — er dazu beigetragen haben, das vorherrschende Bild des Kaisers bei ihnen noch stärker zu schwärzen, die Züge des Glaubensfeindes so zu verschärfen und zu vertiefen, daß das Antlitz des Antichrists daraus hervorschauen konnte. Es erscheint deshalb nicht verwunderlich, daß die Kardinäle sich in dem Kampfe, den sie von der gleichen Stellung aus zu führen hatten, in der einst der Kaiser gestanden, ihn, auf den sie sich als auf ihren geistigen Führer hätten berufen können, nicht ein einziges Mal erwähnen. Bezeichnend ist es in diesem Zusammenhang, daß die erste Denkschrift der Colonna gegen Bonifaz VIII., die sich in gleichem Sinne an die Öffentlichkeit wandte, wie es einst die Kanzlei des Kaisers getan, von drei Fraticellen, darunter dem berühmten Jacopone da Todi, unterschrieben war.53) Und wenn die Colonna, wie noch gezeigt wetden soll, in einer späteren Denkschrift sich nicht nur inhaltlich, sondern auch in der Sprache an staufische Manifeste anlehnen: das Bild des Kaisers steht nicht in ghibellinischem Geiste wieder auf. Der fanatische Ketzerhaß und der mystische Endglaube der zukunftssicheren Fraticellen hatte es ein für allemal zerstört. — Unter dem gewaltigen Eindruck des Lyoner Urteilsspruches hat auch die öffentliche Meinung in Frankreich schon zu seinen Lebzeiten den Kaiser einen Feind der Kirche genannt54) und damit diejenige Anschauung vorbereitet, die dann mit dem erfoigá i s von einer Erscheinung, „wie sie selten die Kirchengeschichte selbst in diesen Zeiten der Extreme bietet". —

Die geistige Haltung des

Jakob

Colonna darf man nicht etwa mit der Dantes vergleichen, der wohl Symbole, Bilder, Sprachwendungen aus der spiritualistischen Eschatologie übernimmt, nicht aber die Geschichtsmetaphysik und ihre historisch-politische Deutung, z. B. auf den von Dante gehaßten Philipp von Frankreich.

Über Dantes

Stellung zu Joachim unterrichtet am besten der Aufsatz von H. Grundmann im Deutschen Dante-Jahrb. 14, 1932, 210—256; dort auch Angaben über die Beziehungen Dantes zu den Spiritualenführem seiner Zeit P. Olivi und Ubertin de Casale (234ff.). 6S) Die Manifeste der Colonna aus dem Kampf jähre 1297 sind abgedruckt von Denifle, Archiv V, 493—529. Den Namen der Minoriten sind die Worte beigefügt: specialiter vocati et rogati, vgl. Möhler, 203. M ) Trotz der gemäßigten und unermüdlich vermittelnden Haltung Ludwigs des Heiligen und der teilweise aktiven Anhängerschaft vieler einflußreicher Barone und weiter Laienkreise an Friedrich II. findet man die Bezeichnung „Feind der Kirche" in irgendeiner Form fast in allen zeitgenössischen Chroniken nach 1245, denn das Lyoner Urteil in der Bulle Innozenz'IV. vom 17. Juli 1245 (Const. II, 5o8ff.) hat sie fast ausnahmslos beeinflußt, vgl. K . Hampe, Kaiser Friedrich II. in der Auffassung der Nachwelt, Anm. 10 (S. 61).

— 51 — reichen Vordringen der Armutsanhänger und ihrer Schriften in Frankreich um die Mitte des 1 3 . Jahrhunderts 5 6 ) sich zu apokalyptischen Vorstellungen von Friedrichs Wiederkehr als Antichrist oder dessen Wegbereiter und der kommenden Zerstörung der Kirche durch ihn verdichtete. Eine von den Prophezeiungen auf das J a h r 1 2 6 1 , in dem der Weltumsturz geschehen sollte durch die Losbindung und das Erscheinen des Satans, wird in einer französischen Handschrift vom E n d e des 1 3 . Jahrhunderts rückschauend umgedeutet auf die kirchenmörderische Tätigkeit des Staufers. 58 ) Ob nun solche religiösen Strömungen sich auch am Hofe Philipps des Schönen breitgemacht haben und ob sie auch die von allen Seiten gut verbürgte Frömmigkeit des Königs in etwa färbten, läßt sich nicht sagen. Philipp greift zwar einmal in den Armutsstreit ein, indirekt, indem er die gefährdete Stellung des damaligen franziskanischen Ordensgenerals spiritualer Richtung, Raymund Gaufridi, stärkte 57 ), aber dieser Eingriff trägt rein politischen Charakter. 58 ) E h e r könnte man von einer 66 ) Vgl. Langlois, 400, und Balthasar, Geschichte des Armutsstreites, 135 und i69ff., § 13. Vor allem wirkten Gerard von Borgo San Donino, dessen Hauptschrift, der Introductorius in Evang. aeternum, freilich schon 1255 in Frankreich verboten wurde, Hugo von Digne und später der in Frankreich als Heiliger verehrte Petrus Olivi. Ausführlich unterrichtet über ihn F. Ehrle, Petrus Johannis Olivi, sein Leben und seine Schriften in Denifle, Archiv III, 409 ff. Olivis Postille zur Apokalypse, wohl die bedeutendste Zusammenfassung der joachimischen Lehren nach deren Urheber, spielt in der Beghinenbewegung Südfrankreichs zu Anfang des 14. Jahrhunderts eine große Rolle, Ehrle, a. a. O., 456. S6 ) Abgedruckt von Boutaric, Notices, 236: . . . sub fine sexti signaculi manifeste apparebit Antichristus et nephande generationis Gog et Magog cum eo; et qui ante dixerunt Antichristum venturum decepti fuerunt. . .; et tunc vero solutus fuit Satanas in Federico imperatore, qui violavit et conculcavit sacra . . . 67 ) Der König verschaffte ihm nämlich die Würde eines Magisters der Theologie. Balthasar, a. a. O., 183, begründet diese Titelverleihung mit den Bedürfnissen des Ordens nach einem Leiter, der sich in dem Gewirr von Lehrmeinungen zurecht zu finden imstande war. Gaufridi ist offenbar wissenschaftlich nicht hervorgetreten. 58 ) Doch fühlten sich offenbar manche unter den Spiritualen zum König hingezogen wegen seiner Feindschaft zu Bonifaz V I I I . Ubertin von Casale preist im Anschluß an die Postille des Petrus Olivi Philipp den Schönen und die Colonna als die Streiter für die Sache Gottes gegen den mystischen Antichrist Bonifaz, vgl. Balthasar, a. a. O., 195 f. In den Streitschriften aus dem Kreise Philipps des Schönen ist der literarische Einfluß der Spiritualen in den Anklagepunkten gegen Bonifaz spürbar, da wo der

4*

— 52 — Sympathie Nogarets für die Fraticellen sprechen, weil er dem Arzt Arnold von Villanova, einem der literarischen Vorkämpfer der spiritualistischen Bewegung, in seiner bedrängten Lage vor der Pariser Fakultät erfolgreich zu Hilfe kam.59) Auch mögen die ihm später eng verbundenen Colonna-Kardinäle versucht haben, ihm die Lehre der Spiritualen zu vermitteln.60) Alle dem aber darf man nicht zu großen Wert beilegen. Der weltabgekehrte Charakter der Lehre kann an dem so stark realistisch und juristisch gerichteten Hof des französischen Königs und besonders bei dem von Grund auf unmystisch angelegten Staatsmann Nogaret nicht viel Entgegenkommen gefunden haben. Dessen Haß gegen das Papsttum war sicher viel weniger religiös als politisch und blutsmäßig begründet.61) Danach sollte man sogar annehmen, daß er eine der communis opinio entgegengesetzte, zum mindesten im innersten Herzen gehegte Sympathie für den Herrscher gefühlt habe, der es gewagt hatte, die Schäden des Papsttums öffentlich zu geißeln. Man könnte auch noch weiter gehen und fragen: Muß man nicht bei Nogaret, und auch sonst in den politischen Schriften der Kampftage auf der Seite des Königs den Namen des Staufers suchen in einem Zusammenhang, der ihn als Vorkämpfer und geistigen Führer in dem Kampf für die staatliche Autonomie erscheinen ließe ? Wer aber das Übergewicht der religiösen Vorstellungen und die zwangsmäßige Macht der traditionellen kirchlichen Verzicht Cölestins auf die Tiara seinem Nachfolger zur schweren Sünde angerechnet wird: Es heißt da, daß das matrimonium spirituale zwischen der Kirche und ihrem sponsus, dem Papst, nicht zerrissen werden dürfe. Der daraus entstehende geistliche Ehebruch sei der Grund für die Ungültigkeit der päpstlichen Abdankung. Dies ist das Hauptargument der Spiritualen gegen den „gran" rifiuto", vgl. Möhler, 114. Es findet sich u. a. in der Rede Nogarets „Fuerunt pseudoprophetae", Dupuy, 57, wo dieser Vergleich in alle Einzelheiten hinein durchgeführt wird. Vielleicht übernahm Nogaret wie so vieles andere auch dieses Argument von den Colonna, bei denen es in den späteren Schriften auch vorkommt, Möhler, a. a. O. 5>) In der Appellation von der Pariser Fakultät an die Kurie beruft sich Arnold von Villanova auf den Beistand des W. v. Nogaret, vgl. P. H. D e n i f l e - A . Chatelain, Chartularium Universitatis Parisiensis II, 1, Paris 1891, 86ff., vgl. Langlois, 402. 60 ) el)

S. oben, 27 und unten, Teil II, 94ff.

Die Familie Nogarets gehörte den katharischen Ketzern der Languedoc an und verschiedene seiner Vorfahren waren der Inquisition zum Opfer gefallen, vgl. Holtzmann, Nogaret, 9/10. Renan, Politique, 3, weiß nur von dem Ketzertod des Großvaters. Holtzmann bringt aber genügend Belege dafür, daß der Vater und wahrscheinlich auch die Mutter diesem Schicksal unterlagen.

— 53 — Grundbegriffe selbst in dieser Zeit der Lockerung kennt, wird sich nicht wundern, daß dem nicht so war. Das Absetzungsurteil von Lyon bestimmte das Urteil über den Kaiser in der Publizistik gleicherweise bei den Gegnern wie bei den Freunden der Kirche. In dem ganzen amtlichen Schrifttum des Königs erscheint der Name des Kaisers überhaupt nur ein einziges Mal, und da im Rahmen eines Gesamturteils, das sich in nichts von der allgemein herrschenden Meinung der Zeit abhebt. 62 ) Wilhelm von Nogaret, der Haupthelfer und Berater, ja die eigentliche Seele des leidenschaftlichen Kampfes gegen die Kurie, richtet unmittelbar nach der Wahl Clemens' V . zum Papst im Jahre 1 3 0 5 eine Mahnschrift an den König und fordert ihn auf, in seinem Eifer für die gerechte Sache der Kirche und des Glaubens nicht nachzulassen, damit es ihm nicht gehe wie den sündigen Königen der Weltgeschichte, die Gott wegen schwerer Sünden bestraft habe: . . . distruxit . . . sie prineipes J u d a sie reges gentiles sie imperatores Romanorum sie quendam regem Francorum ®2) Auch in der übrigen politischen Publizistik aus der Zeit Philipps des Schönen ist nicht oft von Friedrich II. die Rede. Dubois denkt offenbar u. a. an den Stauferkaiser, wenn er in einem Memorandum an König Philipp, das die Aufforderung enthält,"sich um die deutsche Kaiserkrone zu bewerben, den Kurfürsten in Form eines fingierten Briefs vorhält, sie hätten so oft Unwürdige und Feinde der Kirche gewählt: Vos autem multos tales iam successive elegistis, qui ecclesiam Romanam non solum deffendere recusarunt, immo etiam impugnarunt (das Memorandum wurde aus der Pariser Hs. abgedruckt von Boutaric, Notices, nr. 30 und danach in Const. IV, 209 ff., nr. 245). — Ferner bespricht der Verfasser des Traktats De potestate Papae (Rex pacificus) das Problem, ob unter andern Herrschern auch der Staufer Friedrich rechtmäßig oder unrechtmäßig abgesetzt wurde: Quod autem dicitur de Friderico, quem deposuit Innocentius IV Papa, dico quod verum est et de illo imperatore concedo quod Papa est eius dominus temporalis (Dupuy, 678). Stimmen, die sich erheben, um die Gegenwart mit ihren kirchenmörderischen Tendenzen in Parallele zu ähnlichen Zuständen der Vergangenheit zu setzen, insbesondere zu den Leiden, die sie durch den Staufer Friedrich erlitten habe, weiter unten 54, Anm. 65. Ebenso über die Anspielungen Bonifaz' VIII. auf jene Kämpfe der Kirche mit dem Staufer in den Verdammungsbullen und der Rede gegen die Colonna, wo er dem verhaßten Geschlecht seine ghibellinische Vergangenheit vorwirft, oben, Anm. 40. Hier sei nur noch auf eine merkwürdige Äußerung des Papstes hingewiesen, wo er, um die besondere Freveltat König Philipps gegen die Kirche hervortreten zu lassen, die aufsässigen Herrscher vor ihm milder beurteilt: An Lotarius gloriosus contra Nicolaum papam sie errexit calcaneum ? aut contra Innocentium Fridericus ? an rex Francorum maior est illis ? (Bulle „Nuper ad audientiam" 1303, Aug. 15, Dupuy, 168, Reg. Bon. VIII, III, 893/94, nr. 5383.

— 54 — Ludovicum sic imperatorem Fridericum.83) Diese Sünden sind in den ersten fünf Punkten der Schrift von Nogaret aufgezählt als Abweichung von der göttlichen Wahrheit, Vernachlässigung des eigenen guten Rufes, Unbeständigkeit beim Werke Christi, Heuchelei im Glauben und Eifer zu Gott, Vernachlässigung der fürstlichen Stellung, die ihren Trägern größere Verpflichtung auferlege als allen anderen Menschen. Unter den Sündern werden mit Namen genannt der fränkische Ludwig, das heißt Ludwig der Fromme, und Kaiser Friedrich II. Nogaret beurteilt also den Kaiser nach dem Gesichtspunkt, daß sein Sturz verdient war, weil er sich an Christus, dem Glauben und seinen Herrscherpflichten vergangen habe. Sein Urteil stimmt also, was die Gesamtanschauung der kaiserlichen Persönlichkeit angeht, mit dem seiner Zeit überein. Nur daß er — charakteristisch für den Staatsmann Nogaret — die Vernachlässigung der Herrscherpflichten betont und daß er von einer Verfehlung gegen den Glauben und die Gebote Christi, nicht wie üblich von einer solchen gegen die Kirche spricht. Die Erklärung dafür liegt auf der Hand. Es wäre gefährlich gewesen, an Friedrichs Kampf mit der Kirche zu erinnern, weil sich da leicht eine Parallele zu König Philipps Situation — nach der Gewalttat von Anagni! .— ergeben hätte. Der Vergleich lag ohnehin so nahe, daß er sich dem aufmerksamen Zeitbeobachter ganz von selber aufdrängte, und er ist sicher öfter gezogen worden, als es uns die literarische Überlieferung erkennen läßt.64) Der Chronist Gottfried von Paris erinnert kurz nach dem Tode Philipps dessen Sohn und Nachfolger Ludwig warnend an die bösen Herrscher, die wie Friedrich II., Manfred, Konradin die Kirche hatten zerstören wollen, und im gleichen Sinne an den Vater des Königs: Hé roy Loys, pense à ton père!65) Nogaret ,s)

Abgedruckt bei Holtzmann, Nogaret, Beilagen II, 253c:. In einer allgemeinen Aufforderung zur Unterstützung der Stellung Bonifaz' V I I I . in Italien im Kampfe gegen Friedrich I I I . von Sizilien stellt Matthäus Colonna (!), Propst von St. Omer, einen solchen Vergleich an: Piscatoris navicula suo exordio Semper pacifica . . . mare navigans procellis variis agitata nunc fluctuât sicut hactenus dampnatae memoriae Frederici quondam imperatoris temporibus f l u c t u a v i t . . ., abgedr. aus den Papieren der Abtei Dunes von K e r v y n de Lettenhove in Mém. Ac. Belg., 28, 1853, 22. Der Aufruf ist vom Jahre 1297, s. auch die nächste Anm. Zu 'dampnatae memoriae' vgl. oben, Anm. 40. ,4)

66) Avisements pour le roy Loys, Gedicht für den jungen König Ludwig X . in Bruchstücken mitgeteilt von Bouchon in: Coli, des Chron. nat. franç., T . 9, 1827, Chronique métrique de Godefroy de Paris . . . Préface, S. I I : „ E n t e n t où leur pensée ira / De ceux qui conseillent détruire / Saint église que dois construire / Roys ote toi de tout effroi / Pense à Konradin et

— 55 — mußte vermeiden, daß aus seiner Schrift, die sicher nicht für den König allein, sondern auch für dessen Hof bestimmt war, an dem sich zahlreiche Geistliche befanden, ähnliche Vergleiche hätten hervorspringen können.66) Denn es handelt sich bei dem Prozeß, dessen Durchführung Nogaret dem König so dringend ans Herz legt, doch in erster Linie darum, ihn so zu führen, daß der König als der wahre Verteidiger des katholischen Glaubens und der Kirche gegen den häretischen und falschen Papst vor der Welt erschien. Nach Nogaret ist der König von Gott als seinem höchsten Herrn dazu bestellt, über der Reinheit des Glaubens zu wachen und den Zustand der Kirche zu beaufsichtigen.67) Darum hebt der Mahner von dem dunklen Hintergrunde der Ketzerei und des Unglaubens der abgesetzten Herrscher um so leuchtender die Pflicht des Königs hervor, als pugil fidei, champion de la foi das Schwert im Kampfe zu führen. Die Welt sollte in ihm den würdigen Enkel des hl. Ludwig erkennen, des Königs, den auch die Kirche als den Retter des Papsttums, der Kirche und des Glaubens in den Stürmen der staufischen Zeit zu preisen pflegte.68) SelbstverständMainfroi / E t Frederic comment morurent / Pour ce que l'Eglise corurent / Pour leur griès et leur torfais / Honteusement furent mors fais. / Hé roy Loys, pense à ton père ! Die Zusammenstellung Friedrichs mit Manfred und Konradin findet sich auch bei Ubertin von Casale, a. a. O., V 8 S. 229V. Die ernste Warnung des Gottfried vor Unrechttun gegen die Kirche entspricht seiner konservativen Haltung überhaupt, die in seiner Chronik deutlich zutage tritt, z. B. da, wo er die schwächliche Haltung des Klerus dem Könige gegenüber rügt. Bouquet, Recueil 22, 91, vgl. E. Renan, De diverses pièces rélatives au différend de Philippe de Bel avec la Papauté in: Hist. litt. 27, 1877, 374. ••) Über die Stimmung vieler bedeutender Männer geistlichen und weltlichen Standes nach dem Tage von Anagni, die offenbar recht bedenklich war, gibt eine wahrscheinlich von Nogaret verfaßte Mahnschrift interessante Auskunft (ed. Boutaric, Notices, 150 ff.; s. Exkurs I). • 7 ) S. unten, Teil III, 4, i86ff. •8) Vgl. einen Traktat zur Verteidigung Bonifaz' VIII. (abgedr. bei Finke, Bonifaz, Quellen, L X I X ff.) : Nam dicemus, quod in domo Francie zelus Christiane fidei et reverencia sancte matris ecclesie et liberacio eius pastorum de m a n i b u s i m p e r a t o r u m et aliorum persequencium eos temporibus retroactis potissime viguit et refulsit in tantum, ut domus illa . . . capud christianorum et zelatrix ac defensatrix fidei orthodoxe ubique diceretur et predicaretur. E x tali nomine ergo et ex tali fama reges modérai gentis Francorum, suorum predecessorum vestigia non sequentes, in tantum sunt in superbia elati, quod . . . nolunt aliquem super se recognoscere (S. L X X X V I ) . Mit der Rettung früherer Päpste vor verfolgenden Kaisern muß außer der Flucht Alexanders III. zu Ludwig V I I . von

— 56 — lieh mußte da der Kaiser als der Gegenpol auftreten. Denn alle die Eigenschaften und Taten, die Nogaret von seinem König verlangt: das Lyoner Absetzungsurteil hatte sie dem Kaiser abgesprochen, ja die Sünden, die es ihm aufrechnete, wie Sakrileg, Häresie usf., stellen das genaue Gegenteil dieses Ideals dar.69) Und noch mehr: Der Kaiser hatte sich diesem Spruch nicht nur nicht unterworfen, sondern er hatte den Kampf mit der Kirche wieder aufgenommen und mit allen Mitteln fortgeführt. Dadurch hatte er das Urteil bestätigt und für immer in der Nachwelt befestigt. Sicher aber war die Haltung König Philipps und seiner Räte dem Stauferkaiser gegenüber nicht nur von dessen Persönlichkeit und seiner Stellung zur Kirche bestimmt, sondern auch von den allgemeinen politischen Ideen des französischen Königtums seit der Zeit des hl. Ludwig.70) Besonders ihr Verhältnis zum imperialen Gedanken, zum Imperium überhaupt, mag ihr Urteil über den Kaiser wesentlich beeinflußt haben. So kann man aus der schroff nationalistischen Haltung Philipps einem Kaiser wie Heinrich VII. gegenüber, der noch einmal den imperialen Gedanken zur vollen Geltung und das Reich in seiner alten Macht wiederherstellen wollte, die Folgerung ziehen, daß Philipp den staufischen Reichsgedanken in Bausch und Bogen ablehnte. Und erst recht den Kaiser, der wie kein anderer in seinen Manifesten diesen Gedanken ausgebaut und verherrlicht hatte. Sich öffentlich auf sein machtvolles Auftreten gegenüber dem Papsttum berufen oder mit Hinweis auf ihren Ursprung, Gedanken aus seinen Kampfschriften aufnehmen, hätte als Einverständnis mit dem System des Imperiums gedeutet werden können. Denn auch des Königs praktische Politik, die einen mächtigen Impuls zur Erweiterung und Überschreitung der bisherigen Staatsgrenzen genommen hatte, ist vorzugsweise gegen das Imperium an allen Punkten der gemeinsamen Grenzlinie gerichtet.71) Außerdem — und dies ist nicht sein geringster EhrFrankreich dem Verfasser der Schrift vor allem die militärische Hilfeleistung Ludwigs des Heiligen für Innozenz I V . nach dem Konzil zu Lyon vorgeschwebt haben, vgl. Berger, Saint Louis, C L X X X V I f . War der Verfasser nicht so genau unterrichtet, so konnte er auch ganz allgemein die Aufnahme dieses Papstes in Frankreich im Sinne haben. — Auch Bonifaz selber spielt mehrmals auf die Glaubenstreue und Zuverlässigkeit der französischen Könige gegen die Kurie in der Vergangenheit an, z. B. in den Bullen „Ausculta fili" und „Verba delirantis" (Dupuy, 52 u. 65). • 9 ) Das Absetzungsdekret: Reg. Imp. V, nr. 7552, Const. II, nr. 400, 508 ff., s. auch oben, 50. 70 ) Vgl. weiter unten, 157 ff. n ) Vgl. die betreffenden Kap. bei F. Kern, Die Anfänge der franz. Ausdehnungspolitik bis zum Jahre 1308, Tübingen 1910.

— 57 — geiz gewesen — wollte er das Kaisertum für Frankreich mit Beschlag belegen: er erstrebte es bei der Vakanz des Reiches von 1308 für seinen Bruder Karl von Valois7ä), und in diesem Versuch kann man wohl eine Fortsetzung der Bestrebungen Karls von Anjou und der guelfischen Partei sehen, die das Kaiserreich Karls des Großen kraft Erbrecht für die französische Dynastie verlangt hatten.73) Alle Schläge, die nach dem Tode Friedrichs II. gegen die Stauferdynastie und die italienischen Ghibellinen geführt worden waren, hatten ja die Unterstützung französischen Geldes und französischer Waffen gefunden, zuletzt, als es galt, den sizilischen Aufstand zu bekämpfen, wenige Jahre vor dem Regierungsantritt Philipps des Schönen.74) Auf der andern Seite ist aber auch nicht zu übersehen, daß Philipp der Schöne schon vor seinem Regierungsantritt, d. h. während des aragonesischen Abenteuers seines Vaters insgeheim mit Peter von Aragon, dem Bruder seiner Mutter, verhandelt hatte und unmittelbar nach dem Tode des Vaters das Unternehmen in Aragonien abbrach. Wenck will sogar die Ursache dieses Verhaltens in der persönlichen Abneigung des Prinzen gegen Karl von Anjou und in der Liebe und Bewunderung zu seinem Oheim suchen.75) Es Hegt sicher nicht außer dem Bereich der Möglichkeit, daß der französische König auch dem großen Verwandten seines Oheims und seiner Herrscherbegabung Verehrung zollte. Auf die öffentliche Haltung des Königs hat sie dann aber keinen Einfluß gehabt. 72 ) Darüber Kern, a. a. O., 298 ff. Pierre Dubois, der rührigste Publizist Philipps des Schönen, beruft sich in einer diesbezüglichen Denkschrift auf den hl. Ludwig, der die Kaiserkrone auch gerne angenommen hätte (Const. IV, nr. 245, S. 209, und Boutaric, Notices, nr. 30, S. 186). Dazu meint aber Kern (a. a. O., 71), dieser Gedanke habe den König nur gestreift, der erste wirkliche Versuch sei erst von Philipp dem Schönen für seinen Bruder Karl gemacht worden. — Über die Politik König Philipps dem Reiche gegenüber gibt Langlois, 3 1 1 ff., einen kurzen, guten Überblick. 7S ) Dagegen richtet sich ja der ganze Traktat des Alexander von Roes (hrsg. von H. Grundmann, bes. 18 u. 26/27), s - W . Schraub, Jordan von Osnabrück und Alexander von Roes, 74 ff., und F. Kern, a. a. O., 87 ff. 74 ) F . Gregorovius, Geschichte der Stadt Rom, Bd. V , 1865, 482 ff., und vor allem O. Cartellieri, Peter von Aragon und die sizilische Vesper. Heidelberg 1904, i88ff, auch Langlois, 114. Das abenteuerliche und so unglücklich unternommene Unternehmen Philipps III. gegen Aragonien ist die traurigste Frucht dieser Einmischungspolitik.

" ) Vgl. Wenck, 42.

— 58 — Zusammenfassend darf man sagen: Das Bild Kaiser Friedrichs II. in der Auffassung der Gegner Bonifaz' VIII., d. h. der Colonna, des französischen Königs und seiner Räte, hat seinen Ursprung zu Lebzeiten des Kaisers in der haßerfüllten Gesinnung der Guelfen in den lombardischen Städten und der Kurialen in der Umgebung der Päpste, die seine Feinde waren. Aller menschlichen Formen entkleidet ward es dann aufgenommen in den Vorstellungskreis eines metaphysisch-historischen Umwandlungsprozesses der Welt und entnahm seine mystisch-starren Züge der apokalyptischen Gestalt des Antichrist oder seiner Vorläufer. So mögen es die in die joachimisch-spiritualistischen Gedankengänge eingeweihten Colonna-Kardinäle und die Ihren geschaut haben. Einfacher und den Bedürfnissen des politischen Augenblicks angepaßt Philipp der Schöne und sein Kreis. — Doch wurde hier schon angedeutet, was weiterhin noch zur Darstellung kommen wird: Daß trotz der düsteren Umkleidung der kaiserlichen Gestalt in den religiösen Vorstellungen der Nachwelt seine Kämpfe und seine Gedanken in seinen Schriften fortwirkten, weil sie der geschichtlichen Entwicklung der Zukunft angehörten.

3. D I E K A M P F S C H R I F T E N K A I S E R F R I E D R I C H S II. IN DEN K A N Z L E I E N D E S 13. UND 14. J A H R H U N D E R T S . Die Nachwirkung der staufischen Kämpfe und der Ideen, die dabei zur Reife kamen, läßt sich am leichtesten und sichersten verfolgen an der Überlieferung der Kampfschriften, in denen sie ihren Niederschlag fanden. Wenn es möglich ist, eine feste Brücke schriftlicher Tradition zwischen den beiden Zeitabschnitten der Auseinandersetzung mit der Kurie zu schlagen, so ist damit die Grundlage für die Lösung aller hierher gehörenden Probleme geschaffen. Vollkommen ausschalten darf man für die Uberlieferungsfrage in Frankreich die erzählenden Quellen. Denn da sie sich im allgemeinen nur sehr schwach mit den Ereignissen des Imperiums beschäftigen, überliefern sie —mit wenigen Ausnahmen — im Gegensatz zu den gleichzeitigen Geschichtsschreibern Deutschlands, Italiens, Englands keine Stücke aus dem politischen Briefwechsel des Kaisers mit der Kurie, sei es durch wörtliche oder durch inhaltliche Wiedergabe.76) Und überhaupt kommt diese Art der Überlieferung wenig oder gar nicht in Betracht für die Frage, die hier beantwortet werden soll, nach der praktisch-poli'«) Vgl. Vehse, 236/7.

— 59 — tischen Wirkung der kaiserlichen Manifeste in der Nachwelt. Allein das Sammeln und Aufbewahren der Originale in Archiven und die Verbreitung von Abschriften in den Kanzleien der Höfe und den Schreibschulen, den Stätten sprachlicher und stilistischer Formtradition, kann für die Bewahrung und lebendige Übertragung der Gedanken von Bedeutung gewesen sein. Es muß darum versucht werden, diesen Verbreitungskreis genau zu umschreiben, um festzustellen, in welchem Umfang und in welcher Form die Manifeste Kaiser Friedrichs II. der Kanzlei Philipps zur Verfügimg standen.77) Es gehörte zu der praktischen Politik Kaiser Friedrichs, die großen Nachrichten seiner Siege, seine kaiserlichen Erlebnisse, Enttäuschungen, Feindschaften, Haß- und Racheausbrüche der allgemeinsten Öffentlichkeit vorzulegen. Diese seine literarischen Manifestationen sandte er als Rundschreiben je nach dem Gegenstand außer an den Papst an einzelne Fürsten, Große und Vertraute, ferner an ganze Korporationen wie das Kardinalskollegium, alle Fürsten des Abendlandes, das deutsche Fürstenkollegium, die universitates der Barone und Großen einzelner Königreiche, an eine bestimmte Stadt oder an die Gesamtheit eines Landes, manchmal auch ganz allgemein an die Öffentlichkeit. Ganz besonders stark sind Könige und Große in England und Frankreich in Friedrichs politische Kreise hineingezogen worden mit einer für die beiden Länder ungefähr gleichen Anzahl von Manifesten, die in England mehr mahnend und drohend vor den Umtrieben der Kurie, in Frankreich mehr freundschaftlich werbend um Bundesgenossenschaft und Vermittlung wirken sollten. Dreizehn Schreiben sind an Ludwig IX. persönlich gerichtet und davon sieben nach dem Konzil von Lyon, als die Friedensvermittlungen Ludwigs bei der Kurie zur Lebensfrage für Friedrich wurden. In der ") Die Frage nach der Überlieferung der Manifeste Kaiser Friedrichs IIist befriedigend nur dann zu lösen, wenn einmal eine allen wissenschaftlichen Anforderungen genügende Ausgabe des Briefbuchs des Petrus de Vinea vorliegt, auf Grund deren dann die Historia diplomatica Friderici II neu bearbeitet werden müßte, vgl. G. Ladner in der weiter unten genannten Arbeit. Hier muß ich mich mit den Angaben von Huillard-Brfeholles, von Weiland in den Const. II, Winkelmann in den Acta Imp. und Ficker in den Regesten begnügen. Ein nach dem bisher vorliegendem Material vollständiges Verzeichnis der als Manifeste anzusprechenden Kanzleistücke hat O. Vehse angefertigt. Es enthält Empfänger, Regest, Druckort des betr. Stückes, ohne freilich die Überlieferung zu berücksichtigen. Dazu steht die bisher gedruckte Literatur zur Verfügung. Anderes hschr. Material zu einer künftigen Ausgabe im Apparat der M. G. ist vorerst noch nicht zugänglich.



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Spannung dieser Lage richtete der Kaiser drei wichtige Schreiben an die universitas und die Großen Frankreichs : das große Protestschreiben vom September 124578), dann seine Wiederholung und Verstärkung in einem Rundschreiben an die französische universitas, das, im gleichen Jahr von einer kaiserlichen Gesandtschaft ins Land gebracht, die Aufforderung an Ludwig enthielt, eine Versammlung seiner Großen zu berufen, und ein Memorandum, das wahrscheinlich als Instrument für diese Versammlungen dienen sollte und ausführlich den Hergang des Zwistes zwischen Kaiser und Kurie darlegte.79) So starken Resonanzboden fand die Propaganda Friedrichs gegen Innozenz IV. in Frankreich, daß nach dieser Vorbereitung das berühmte Reformmanifest vom Frühjahr 1246 die schon lange gegen die Kirche eingenommene Öffentlichkeit, vor allem die Barone, zu einer viel wirksameren Wiederholung eines schon 1235 ausgesprochenen Protestes gegen die Vorstöße der Geistlichkeit in ihr Herrschaftsgebiet auf den Plan rufen konnte.80) Wenn während der Regierung Philipps des Schönen und im Verlauf seines Streites mit der Kurie immer wieder die gleichen Klagen vorgetragen wurden, die bis in das 6. und 7. Jahrzehnt des 13. Jahrhunderts hinein in antikirchlichen Ligen zum Ausdruck kamen81), so ist doch wohl anzunehmen, daß die Erinnerung an diese Aktionen nicht erloschen war. Man konnte in der Kanzlei Philipps des Schönen wissen, daß sich die Bundesstatuten der Liga von 1246 im Archiv des Königs befanden.82) Es ist ferner außerordentlich wahrscheinlich, daß man sich noch dessen bewußt war, wer den Kampf entfesselt und die Stimmen des Landes zu lautem Widerstand gelöst hatte. Denn auch nach " ) Reg. Imp., nr. 3510, Const. II, 3 6 o f f „ nr. 262, Vehse, nr. 147. ™) Reg. Imp., nr. 3 5 1 1 , 1245, Sept.22, Const. II, nr. 264, Vehse, nr. 148, und Reg. Imp. nr. 3512, Const. II nr. 265, Vehse, nr. 149. Das Verhältnis der beiden Manifeste zueinander, d. h. die Zugehörigkeit von Reg. Imp., nr. 3 5 1 2 zu 3 5 1 1 stellt Vehse (S. 1 1 1 , Anm. 8) im Anschluß an Ficker und Weiland wohl richtig dar, s. Text. 80

) S. oben, 37 und weiter unten 202, Anm. 196.

81

) Bekannt aus der Opposition der Päpste dagegen in zahlreichen Bullen: Reg. pont., nr. 12385/6 (1247, Jan. 3/4), nr. 14644 (1252, Juni 20), nr. 14647 (1252, Juni 25), nr. 14924 (1253, März 21), nr. 1 5 1 9 5 (1254, Jan. 13), nr. 16918 (1257, Juli 7). 82

) Unter J 198, B nr. 84, ist die französische Fassung mit den Spuren vieler Siegeln heute noch da. Sie druckt ab A. Teulet, Layettes du Trésor des chartes II, Paris 1866, nr. 3569, S. 645; auch Huill.-Bréh. VI, 468/9 u. Matth. Par. V I , 591. Die lateinische bei P. Varin, Archives administratives de la ville de Reims, I 2 , Paris 1839, 690.



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dem Jahre 1246 kamen noch einige geharnischte Aufrufe gegen das Papsttum ins Land.83) Leider können wir heute nicht sagen, wie weit die Originale dieser an den König und die Großen Frankreichs gerichteten Kampfmanifeste aufbewahrt wurden und damals noch vorhanden waren, denn heute sind sie bis auf eines in ihren Originalausfertigungen samt und sonders verlorengegangen, sofern sie nicht noch unbekannt in einem Archiv liegen sollten. Vorhanden ist nur im Trésor des Chartes das Original jenes Schreibens, das, für die Gesandtschaft von 1245 bestimmt, die allgemeine Klage über den Mißbrauch der Binde- und Lösegewalt des Papstes vor die universi per regnum Franciae instituti bringt und um die Friedensvermittlung Frankreichs bittet.84) Das vorhin erwähnte Memorandum dagegen ist nur in einer der gleich zu besprechenden Briefsammlungen überliefert. Mehrere der an die gesamten Könige und Fürsten des Abendlandes gerichteten Manifeste sind in verschiedenen Ausfertigungen im Original jetzt noch vorhanden, z. B. die an den Erzbischof von Salzburg gerichtete Fassung des großen Schreibens vom 20. 4.1239 im Wiener Staatsarchiv „Levate in circuito oculos"85) oder die Enzyklika über die Friedensverhandlungen mit der Kurie vom August 1244 in der an den Papst gerichteten Form im Vatikanischen Archiv.86) Die meisten für den König von England bestimmten Manifeste hat Matthäus Paris in seinen Geschichtswerken überliefert, so daß eine ganze Anzahl der allgemeinen Rundschreiben in der Form bekannt sind, wie sie der König oder die Großen Englands empfangen hatten. Ein viel geringeres Interesse an der Publizistik ihrer Zeit haben die französischen Chronisten gezeigt, und so fehlen in der Überlieferung der allgemeinen Rundschreiben die für den französischen König oder die französischen Großen bestimmten Fassungen bis auf eine Ausnahme : die große Enzyklika Friedrichs II. nach seiner Absetzung auf dem Konzil zu Lyon. Und zwar ist diese in der Briefsammlung des Petrus de Vinea erhalten im ersten Buch c. 3, wo die Überschrift in zwei Handschriften lautet : „Fridericus Regi Franciae super sententia depositionis lata contra 83 ) Reg. Imp., nr. 3617, 3590, 3766, 3784, 3798, 3152, 3633. Nur das erste ist an die Großen Frankreichs, alle andern an Ludwig I X . gerichtet. Dazu kommt noch Reg. Imp. nr. 3788 an die Königin Blanche, und die an die europäische universitas gerichteten nr. 3767 und 3559. M

) Reg. Imp. nr. 3 5 1 1 , Const. II 369ff.; unter J 4 1 9 , nr. 1 im Tr. d. ch. ) Reg. Imp. nr. 2431, Const. II, 29off., nr. 215. 8a ) Reg. Imp. nr. 3434, Const. II, 341 ff., nr. 252. 86



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eum per Papam et Cardinales in concilio Lugdunensi."87) So sind auch die Schreiben, in denen sich der Kaiser ausschließlich an den französischen König, die Königin, den Grafen von Toulouse, die Großen des Königreichs wendet, mit Ausnahme des eben erwähnten Originals und eines Schreibens an Ludwig IX. von 1245, das eine englische Chronik aufbewahrt hat,88) allesamt in den Briefsammlungen, die unter dem Namen des Petrus de Vinea gehen, auf uns gekommen. Das führt auf das Briefbuch des Petrus de Vinea als eines wichtigen Angelpunktes unserer Untersuchung über die Zugänglichkeit und Benutzungsmöglichkeit der Manifeste Friedrichs II. Der Wert der mittelalterlichen Formularbücher oder Briefsteller ist in erster Linie in ihrem eigenen Sinn und Zweck zu suchen, indem sie nichts anderes bieten wollen als Sammlungen von Vorlagen und Beispielen für den Kanzleigebrauch und Lehrbücher für den Unterricht in der lateinischen Kunstprosa, sei es zur mündlichen, sei es zur schriftlichenVerwendung. Erst in zweiter Linie sind sie zu werten nach ihrem Inhalt und nach der vorherrschenden Tendenz, zu untersuchen nach dem Schreiber und Adressaten und einem politischen Kreise einzuordnen.89) Es gilt durchaus die feine und verständnisvolle Betrachtung, die v. d. Steinen diesem Problem widmet: noch ein anderer Ehrgeiz wirke in den Manifesten der Zeit Friedrichs II., speziell in seinen eigenen, als der, einfaches Mittel des jeweiligen Zweckes zu sein, nämlich der Ehrgeiz, „zu den vollkommensten Leistungen der Briefkunst gezählt zu werden". So konnte es kommen, „daß ein Diktator von Staatsschriften (eben Petrus de Vinea) für eine Epoche oberster Vertreter schöner Prosa wurde".90) Die persönliche Fassung des Briefes tritt im Mittelalter zurück, er ist nicht häufig immittelbarer Ausdruck des Schreibers, Gedanken und Ziele sind in ein formales Gewand gehüllt, auf eine objektive Ebene gestellt, so daß auch ein anderer als der Schreiber in ähnlicher Situation sie ausschreiben, jeder aber die feingebildeten Stilblüten, Bilder, klug angepaßten Zitate für seine Zwecke verwenden konnte. Die enge Verbindung der Briefkunst, der ars dictandi, mit der Kunst, sich in rhythmischer oder poetischer Form auszudrücken, die Nachbarschaft zur Rhetorik, die Anregung, die auch dem juristischen 87 ) Vgl. die Einl. zu Const. II nr. 262, S. 360/61. Auch eine italienische Chronik, die das Manifest in der gleichen Form wie die Hss. des P. d. V. überliefert, läßt das Manifest an Ludwig I X . gerichtet sein. 88 ) Reg. Imp. nr. 3461, HuiU.-Bréh. V I , 261 f. 89 ) Zu allen folg. Fragen vgl. H. Breßlan, Handbuch der Urkundenlehre, Bd. II, 1, 1915, 226 ff. 90 ) Steinen, Kaisertum Friedrichs, 6 und 7.

— 63 — Schrifttum aus ihrem Studium entspringen konnte, setzen einen nach Möglichkeit allgemeinen und neutralen Charakter dieser Briefe voraus. So ist es zu erklären, daß der kaiserliche Stil sich durchaus an dem kurialen, der Sprache Innocenz' III., heranschulen und daß insbesondere die Kanzleischule des Petrus de Vinea — denn um sie handelt es sich dabei in erster Linie — manche Manifeste der päpstlichen Kanzlei als Vorbilder benutzen konnte.91) Aber er hat sich dann doch selbständig gemacht und sich von dem der Kurie losgelöst, auch hier, wie Vehse bemerkt, kurialen Ansätzen folgend.92) Denn schon die Kanzlei Innocenz' III. hatte die stereotyp gewordene biblische Redeweise seiner Vorgänger mit neuen Elementen formalen und inhaltlichen Charakters vermischt und ihr das Gepräge seiner großen Persönlichkeit aufgedrückt. Noch viel mehr läßt sich dies von den kaiserlichen Manifesten sagen. Für die besondere Betonung des Herrscheramtes und seiner geheiligten Würde gab es keine Vorbilder in der päpstlichen Kanzlei: da wandte man sich an spätantikbyzantinische, arabische und normannische Muster.93) Vor allem waren die Sätze des römischen Rechtes für die tendenziöse Formulierung absolutistischer Gedanken willkommen. Der Wille zur Erhöhung des kaiserlichen Amtes und der Stellung seines Trägers ist dadurch den kaiserlichen Manifesten ebenso stark aufgeprägt wie das Streben nach Weltherrschaft den Enzykliken der beiden Innocenz und Gregors IX. Die formale Loslösung des sizilischen Briefstils von seinen kurialen Vorbildern vollzog sein erster Meister, Petrus de Vinea, wahrscheinlich unter dem Einfluß der Bologneser Diktatorenschule.94) Aber wenn die große Beliebtheit und erstaunlich weite Verbreitung der sizilischen Dictamina zum großen Teil auf den Ruhm zurückzuführen ist, den sie wegen ihrer sprachlichen Vollendung, als Ausdruck eines bestimmten 91 ) Vgl. hier vor allem H. Niese, Zur Geschichte des geistigen Lebens am Hofe Kaiser Friedrichs II., 531 (H. Z. 108, 1912), außerdem Steinen Kaisertum n , Vehse, 167 f. Vgl. jetzt auch G. Ladner in M I Ö G , 1932, Erg.-Bd. 12, 142 f. 82)

Vehse, 174. Vgl. Ladner, a. a. O., 144. Über normanisch-sizilische Formeln in der friderizianischen Kanzlei, eb. 111 ff. 91 ) Niese, a. a. O., 532, nennt Oberitalien, kann aber nach den vorausgegangenen Erörterungen über den Einfluß Bologneser Dichter, Rhetoren uws. auf Petrus nur Bologna meinen, vgl. auch Steinen, Kaisertum xo f. Der große Meister der Bologneser Schule, Boncompagno, scheint das Vorbild gewesen zu sein. Der Aufenthalt des Vinea in Bologna ist nicht einwandfrei zu belegen, vgl. Huill.-Bréh., Pierre, 8 ff. Über d. Verbindung d. siz. Hofes mit der Rechtsschule in Bologna vgl. Kantorowicz, Erg.-Bd., 131. 8S)

— 64 — Formideals ihrer Zeit, genossen, so hat eben doch auch ihr Inhalt daran einen nicht unbeträchtlichen Anteil: denn der Wille und die Gesinnung des Herrschers, in dessen Namen sie in die Welt geschickt wurden, formten den Stil der capuanischen Diktatorenschule, die dem kaiserlichen Hofe die meisten Kanzleibeamten lieferte95), in einer bestimmten Richtung und in einem Geiste, den man vielleicht am ehesten den ghibellinischen nennen darf. Gehalt und Gesinnung der Manifeste konnten ihrer Wirkung eine doppelte Richtung geben: die eine weist nach rückwärts zu dem nicht mehr zu verwirklichenden Kaisertum, die andere weist den Weg in die Zukunft. Die zahlreichen nach Form und Inhalt untereinander so verschiedenartigen Sammlungen, die die politischen Briefe Kaiser Friedrichs enthalten, gehen unter dem Namen und der Verfasserschaft des Protonotars des kaiserlichen Hofes, Großhofrichters und Logotheten des Königreichs Sizilien, Petrus de Vinea.96) Ihm, dem Munde des Kaisers, der vor dem Volke die Worte setzt (Logothet!)97), sprach man nicht nur die Abfassung der meisten von der staufischen Seite ausgegangenen Schreiben zu, sondern auch die Anlage der Sammlung, auf der dann alle weiteren fußen sollten. Es ist aber so gut wie erwiesen, daß die älteste, diesen Namen führende Sammlung erst nach dem Tode des Vinea entstanden ist, und zwar in der Weise, daß man für eine erste primitive Zusammenstellung alles zusammenraffte und abschrieb, was man vorfand, Briefe und Urkunden der Staufer, Stücke aus päpstlichen " ) Der älteste Diktator der capuanischen Diktatorenschule ist wohl Rainald von Capua, nicht wie Hampe wollte, Thomas, der zur kurialen gehörte. Niese, a. a. O., 530 f., vgl. auch über Rainald K. Hampe, Über eine Ausgabe der Capuaner Briefsammlung . . . in Sitz.-Ber. Heid. Ak., 1910, 8, S. 14 ff. Rainald ist Träger der kurialen Stiltradition, da er der päpstlichen Kanzlei entstammte. Niese möchte die Schule übrigens lieber die campanische als die capuanische genannt wissen, s. seine Besprechung der Hampeschen Monographie tüber H . v . Isernia in Gött. Gel.-Anz. 1 9 1 1 , 682/3. Die Literatur ist jetzt gut zusammengestellt bei E . Kantorowicz, Erg.-Bd., 129/130. 66 ) Über Ursprung und Charakter dieser Ämter vgl. Huill.-Br6h., Historia dipl., Introd. C X X X V ff. und C X X X I ff. Der Logothet ist byzantinischer Herkunft und Funktionär der Finanzverwaltung, hat an sich nichts mit der Kanzlei zu tun, s. Niese, Zur Gesch. d. geist. Lebens 532, 533, Anm. 1. " ) So erklärt den Titel Salimbene (SS. 32, 343), der den eigentlichen Sinn des von Petrus bekleideten Amtes damit erfaßt zu haben scheint, s. Niese, a. a. O., und Steinen, Kaisertum, 1 1 ; vgl. auch Kantorowicz, Erg.-Bd. 90, wo reiche Literatur über den Logotheten zu finden ist.

— 65 — Briefstellern und Privatbriefe aus dem Kreise des Petrus de Vinea und anderer Beamte des Kaisers.98) Diesen Briefsteller — denn diesen Charakter trug die Sammlung sofort —, der uns die wichtigsten Dokumente zur Regierungsgeschichte Kaiser Friedrichs überliefert, „verdanken wir dem Umstand, daß das Zeitalter die feurige Beredsamkeit ihres Urhebers in ihnen wieder zu erkennen glaubte und bei der allgemeineren Anwendung schriftlichen Verkehrs im öffentlichen und bürgerlichen Leben . . . das Bedürfnis vorzüglicher Muster nirgend mehr als in seinen Arbeiten befriedigt fand".99) Die ältesten Sammlungen, die von Pertz im Unterschied zu den späteren als „ungeordnete" charakterisiert und bezeichnet werden, dienen also ganz offenbar nur dem Kanzlei- und Schulgebrauch als Muster und Lernstoff.100) Erst nachdem—in den siebziger und achtziger Jahren des 13. Jahrhunderts — aus dem Wust der erhaltenen Briefe und Aktenstücke, d. h. den ungeordneten Sammlungen, ein Teil der Privatbriefe, vor allem aber alle päpstlichen Briefe, kurialen Pamphlete usf. ausgeschieden waren, und das übrige Material nach dem Inhalt in fünf resp. später sechs Bücher geordnet worden war, erhielt das Ganze trotz der Verschiedenheit des Bestandes in den einzelnen Handschriften einen bestimmten politischen Charakter, d. h. staufisches Gepräge.101) Jetzt erst war der Nachwelt die Benutzung der staufischen Manifeste auch zu politischen, propagandistischen Zwecken ermöglicht. Besonders das erste Buch, das die gegen das Papsttum gerichteten Manifeste und Briefe enthält, hat den Charakter einer einzigen großen Kampf- und Anklageschrift gegen die Kurie und konnte darum von den Druckern der Reformationszeit — 88 ) Vgl. G. H. Pertz in Archiv f. ält. dt. Geschichte 5, 1824, 434, G. Hanauer in MIÖG. 21, 1900, 527 und die Literaturangaben bei Breslau, a. a. O., II, 271, n. 4. Neuerdings hat Gerhart Ladner im Zusammenhang mit dem Formularwesen an der sizilischen Kanzlei der Entstehung, Verwendung, Verbreitung und einzelnen Hss.-Klassen des P. d. V. eine umfassende Studie gewidmet: Formularbehelfe in der Kanzlei Friedrichs II. und die Briefe des „Petrus de Vinea" in MIÖG. 1932, Erg.-Bd., 12, 92ff., vgl. bes. Teil II, 146 ff. " ) Pertz, a . a . O . 10 °) Die älteste Hs. dieser Gattung ist die von Pertz, 355 ff., beschriebene der Vatik. Bibl. (Palatina nr. 953), um 1260 entstanden. 101 ) Hanauer, a. a. O., 528. Den Inhalt machen außer Staatsschriften, Mandaten, Privilegien usw. Friedrichs II., Privatbriefe des P. de Vinea und anderer Staatsmänner sowie Schreiben Konrads I V . und Manfreds aus, dann eine Menge von Formeln und Formularen. Ganz vereinzelt sind Briefe der Angiovinen. — In einigen Fällen gab es auch eine Einteilung in mehr als 6 Bücher, vgl. Ladner, a. a. O., 147, Anm. 2.

Beiheft d. H. Z. 30.

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wie schon erwähnt wurde — als Querimonia Friderici II imperatoris, qua se a Romano pontifice . . . persecutum et a imperio dejectum esse ostendit . . . unter dem Namen des Petrus de Vinea der Öffentlichkeit übergeben werden.102) In dieser Form — Ordnung in fünf, meistens sechs Büchern —, die die Benutzung in Kanzleien und Schulen sehr erleichterte, hat der staufische Briefsteller einen wahren Siegeslauf durch die Welt angetreten. Eine ganz ungewöhnliche Anzahl von Handschriften, und zwar die geordneten in der dreifachen Überzahl, die von Aragonien bis Österreich in den Archiven zerstreut sind, zeugt von der durch Form und Inhalt gleichmäßig gerechtfertigten Beliebtheit des Briefbuches.103) Seine Wirkung in den Kanzleien des 13. und in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts verfolgen, heißt den Wirkungen Friedrichs II. als Künder des mittelalterlichen Kaisergedankens und als Begründer des neuen sizilischen Staates nachgehen. Seine erste und politisch wirksamste Verbreitung verdankte der sizilische Stil der persönlichen Tradition durch die zahlreichen Schreiber und Kanzleibeamten, die am Kaiserhofe ihre Ausbildung im Abfassen formgewandter Diktate empfangen hatten.104) Den meisten unter ihnen war Petrus de Vinea der Lehrer gewesen und hatte das staufische Kanzleimaterial zur Verfügung gestanden. In ihren Kreisen hat man wohl auch die Kompilatoren der ersten primitiven, weil durch wahlloses Abschreiben ungesichteter Akten entstandenen BriefSammlungen zu suchen. Manche von diesen Kanzleibeamten gingen in gleicher Eigenschaft in die Dienste der Nachfolger über. Denn auch Konrad IV., Manfred, l 0 2 ) S. oben, 44, auch Hanauer, a. a. O., 528. Die erste umfassende Ausgabe in 6 Büchern ist von S. Schardius, Basel 1566. Die letzte, auch hier benutzte, ist die von Iselius, Basel 1740. I0S ) Gegenüber den 25 Hss. der ungeordneten Gattung, die Huill.Br6h., Pierre, X I I I , kennt, kann Hanauer schon die Zahl 40 nennen. Dem stände dann eine ungefähre Anzahl von 120 geordneten und systematisch eingeteilten gegenüber. Die meisten Hss. gehen unter dem Titel: Petri de Vineis Flores dictaminum oder Summa dictaminum oder Dictamina, Epistulae u.s.f., Hanauer, a. a. O., 527. Für den Umfang der Verbreitung vgl. die Hss .-Beschreibungen bei Pertz, Archiv V 353—447, V I I 890—981, X 449 (Wien. Hs.), X I 499 f. (Luzern, Paris), ferner den Anhang bei Huill.-Brfeh. Pierre, 249 ff. Uber eine aus Katalonien stammende Hs. in der Bibl. von Barcelona berichtet Garufi im Arch. stör. Siciliano, N. S. 25, 181 f. Dazu auch d. Literaturangaben bei Kantorowicz, Erg.-Bd., 126 f., u. Ladner, a. a. O., 147. 104 ) Über die Kanzlei Friedrichs II. als Pflanzschule einer stilistischen und literarischen Tradition jetzt am schönsten E. Kantorowicz, zugleich mit einer Würdigung des Petrus de Vinea (270, 274 und bes. 278 ff.)

— 67 — Konradin haben gelegentlich ihre politischen Aktionen durch Manifeste unterstützt. Die Beherrschung der Form, der prunkvollschweren Rede 105 ), die diese alten Beamten Friedrichs wohl zu vereinigen wußten mit der Kenntnis ghibellinischer Wendungen und Argumentationen, mußte den Trägern und Kündem der ghibellinischen Politik immer weiter zugute kommen. Peter von Prezza, der schon als Kanzleibeamter Friedrichs II. wahrscheinlich Verfasser verschiedener kaiserlicher Kampfschriften gewesen, dann der Reihe nach Beamter Konrads IV., Manfreds, Konradins war, hat sich um die Verbreitung des sizilischen Stils große Verdienste erworben. In dem großen Manifest Manfreds an die Römer trieb er die prunkhafte Formulierung des kaiserlichen Romgedankens auf die Spitze 106 ) und zeigte den sizilischen Stil in etwas gemäßigterer Form in der sog. Protestatio Konradins (1265) 107 ) und in der Adhortatio ad Henricum (1269), einer Mahnschrift an den Markgrafen Heinrich den Erlauchten von Meißen. 108 ) Die Kunst des Diktamens, die Peter von Prezza wahr105 ) Zeitgenossen schon haben die etwas schwülstige, prunkvolle Schwere der Sprache gerügt, vgl. den von G. Hanauer mitgeteilten Ausspruch des Juristen Odofredus in MIÖG. 30, 1909, 653, wo er den dunkeln Stil verspottet: ,,. . . volentes obscure loqui et in supremo stilo, ut faciunt summi doctores et sicut faciebat P. deVineis . . dazu Kantorowicz, Erg.-Bd. 126. i° 8 ) Eine Monographie über Peter von Prezza schrieb Eugen Müller: Peter von Prezza, ein Publizist des Interregnums. Heidelberg 1913. Das in der Diktion äußerst schwierige Manifest Manfreds an die Römer von 1265 (Const. II, nr. 424, S. 558 ff.) übersetzt er wortgetreu (S. 1 ff.), gibt dann eine gute Analyse nach seinem ideengeschichtlichen Gehalt und dem politischen Hintergrund der Gedanken. Lehrreich ist auch der Vergleich mit den politischen Ideen Friedrichs II., besonders mit dem Reformgedanken in „Illos felices" (S. 37). U. a. hält ihn Müller (a. a. O., 99) für den Verfasser der Flugschrift „Collegerunt Pontifices" (Huill.-Brfeh. V, 309 ff. = P. d. V. I, 1) und des großen Manifestes von 1239 (Const. II, 290). Es finden sich in dem Manifest Manfreds verschiedene wörtliche Anklänge an die Flugschrift, vgl. die Gegenüberstellung bei Müller, a. a. O.

i°') Müller, a. a. O., 49 ff. Konradin nimmt mit diesem Manifest Abschied von den deutschen Fürsten, ehe er nach Italien zieht (gedr. bei G. Dönniges, A c t a Henrici VII., Berlin 1839,1, 246 ff.). M. gibt nur ein Referat und eine kritische Würdigung. Die Protestatio enthält im wesentlichen die Klage Konradins über den Verrat der Päpste an der Person Konrads I V . und seiner eigenen. 108 ) Müller, a. a. O., 61 ff. Das Schreiben ist „ein wertvolles Zeugnis für die Beziehungen jener lombardischen Ghibellinenkreise zum thür. Hof" (ebd. S. 62). M. gibt Übersetzung und Analyse. Das lateinische Original in Croqisti e scrittori sincroni Napoletani . . . pubbl. da G. del Re II, Napoli 1868, 687 ff.

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scheinlich seinem großen Namensvetter, jedenfalls der sizilischen Hof- und Kanzleischule zu danken hatte, ist hier ganz in den propagandistischen Dienst des Kaisergedankens gestellt, denn sie folgt dem Zuge der ghibellinischen Politik in alle Richtungen. Vergleiche haben gezeigt, daß Peter wohl auch am Hofe Peters von Aragon, des späteren Herrschers von Sizilien, in der gleichen Eigenschaft wie bei dessen staufischen Verwandten gewirkt hat.109) Außerdem schlägt seine in künstlichen Wortbildern und sprachlichen Spielereien aufgelöste Adhortatio ad Henricum, „ eine der üppigsten Blüten des schwulstigen und geschraubten sizilischen Stils"110), die literarische Brücke von den italienischen Ghibellinen Siziliens und Oberitaliens zu den deutschen Anhängern des staufischen Geschlechts, ab sie ihre Hoffnung auf Friedrichs II. Enkel, nämlich Friedrich den Freidigen, Sohn Albrechts von Thüringen und der Kaisertochter Margareta, setzten.111) — Von Peter von Prezza hat der Magister Heinrich von Isernia mit der ghibellinischen Gesinnung auch den sizilischen Kanzleistil übernommen — seine Briefsammlung ist dessen Zeuge — und ihn über den thüringischen Hof zu Ottokar II. von Böhmen gebracht, dessen Tochter die Gattin eben des jungen Stauferkandidaten Friedrich werden sollte.112) Mit ihm i»») Müller, a. a. O., 103, führt die stilistischen Ähnlichkeiten zwischen der Adhortatio und einem Schreiben Peters an Karl v. Anjou vom Jahre 1282 an (Martine et Durand, Thesaurus novus anecdotorum, I I I 33ff., und SS. rer. Ital. X , 834 ff.), vgl. A. Cartellieri, P. v.Aragon u. d. sizil. Vesper, 147, n. 2. M. hält die Verfasserschaft Peters für sehr gut möglich. — Die Privatbriefe des P. von Prezza sind in Briefsammlungen des P. de Vinea überliefert. Müller, a. a. O., S. 63. m ) Vgl. A. Busson, Friedrich der Freidige als Prätendent der sizilischen Krone u. Johann von Procida in Hist. Aufsätze dem Andenken G. Waitz gewidmet, Hannover, 1886, 324 ff. Ein Brief Friedrichs des Freidigen an König Enzio vom Jahre 1270 (Neues Archiv, 33, 1908, 53öff.) sticht so stark von den „schablonenhaften und geschäftsmäßigen Urkunden" der Thüringer Kanzlei ab, daß man mit Müller (S. 101/02) an einen mit dem staufischen Kanzleistil vertrauten Verfasser denken möchte, am liebsten an Petrus von Prezza selbst, von dem man annehmen könnte, er habe sich von Oberitalien, wohin er nach der Schlacht von Tagliacozzo mit anderen Freunden geflüchtet war, an den thür. Hof begeben. U2 ) Über ihn K. Hampe, Beiträge zur Geschichte der letzten Staufer. Ungedr. Briefe aus der Samml. d. Mag. Heinrich von Isernia. Leipzig 1910. Heinrich ist erst durch Peter v. Prezza ein Stauferfreund geworden, Hampe, 33. Vorher war er im Dienste der Kurie und er und seine Familie auf der Seite der staufischen Gegner zu finden gewesen. Über seinen Aufenthalt in Böhmen Hampe, ebd. 52 ff., und Burdach, Rienzo, 17.

— 69 — haben noch andere Sizilianer die staufische Stilkunst am böhmischen Hof heimisch gemacht113), vor allem Henricus Italicus, in dessen Formularbuch ein großer Teil des 6. Buches des Petrus de Vinea übergegangen ist. 114 ) Schon in der Kanzlei Wenzels II. (um 1300) machte sich der sizilische Einfluß in den Formeln der Belehnungsurkunden fühlbar.116) Noch viel stärker aber trat er unter Karl IV. hervor, dessen Regierung überhaupt mit der sizilischen Kaiser Friedrichs manche Tendenzen gemeinsam hat; z. B. die deutlich auf Zentralisierung und Bürokratisierung der Justiz und Verwaltung hinzielenden im böhmischen Gesetzbuch Karls, der sog. Majestas Carolina. Es überrascht darum nicht, daß man hier neben dem vollständigen Ketzergesetz Friedrichs auch die Einleitung zu den Konstitutionen von Melfi findet. 116 ) Die beiden bedeutenden Kanzler Karls IV., Johann von Neumarkt und Johann von Gelnhausen, in der sizilischen Tradition der Vorgänger aufgewachsen, vereinigen ja in sich wie die Kanzler Friedrichs II. die Bemühungen um ein formvollendetes Diktat mit starken literarischen Bestrebungen und besitzen nun in dem Briefbuch des staufischen Logotheten ein geeignetes Lehrbuch, das von beiden zu Kanzlei- wie zu Lehrzwecken viel benutzt wurde.117) Sammlungen, die direkt auf den Ur-Petrus de Vinea zurückgingen, haben ferner in Wien am Hof Rudolfs von Habsburg den Anschluß der habsburgisch-österreichischen Kanzlei an die staufische geschaffen. Italienische Notare haben einen nach lls

) Vgl. Hampe, a. a. O., 55, und Ladner, a. a. O., 194. ) Ladner, a. a. O., 194. Dort auch über Ausgaben des Formularbuches und Literatur darüber. Die frühere Identifizierung der beiden Notare Heinrich ist längst widerlegt, vgl. zuletzt Hampe, a. a. O., 7/8. lle ) Auf die Verbindungsfäden zwischen Italien und der Kanzlei Böhmens unter Ottokar II. und Wenzel II. sowie auf den Einfluß der sizilischen Stilistenschule, besonders des P. d. Vinea hat Burdach in Anschluß an ältere Literatur an vielen Stellen gehandelt, vgl. d. Anm. 1 zu S. 16, a. a. O. Noch größeren Nachdruck als B. legt auf die Entlehnungen der Kanzlei Wenzels H. Niese in seiner Besprechung der eben gen. Schrift Hampes in Gött. Gel. Anz. 1 9 1 1 , 683. Außer H. v. Isernia wird noch der Notar Angelus von Pontecorvo genannt. 11«) Vgl. E. Werunsky, Die Majestas Carolina in Zs. d. Sav.-Stiftg. f. Rechtsgesch., Germ. Abt., 9, 68 u. 82. S. auch oben, 43, Anm. 32. 114

U7 ) Bei der Vergleichung des Collectarius perpetuarum formarum des J . v. Gelnhausen, mit der gedr. Sammlung des P. d. Vinea bei Iselius fand H. Kaiser, Zu den Quellen der Summa cancellariae Karoli IV, Neues Archiv 25, 1900, 2 i 7 f f . , 12 übefnommene Stücke. Einige von ihnen stehen schon in der um einige Jahre früheren Summa cancellariae des J . v. Neumarkt. Über diesen bes. Burdach, 12 ff.

— 70 — „formalen und sachlichen Gesichtspunkten angelegten Petrus de Vinea" nach Wien gebracht, der mit rudolfinischen Bestandteilen durchsetzt als stilistische Vorlage benutzt wurde. Man hat allen Grund anzunehmen, daß das Zurückgreifen auf die hoheitsvolle Sprache der Kanzlei Friedrichs II. unter Rudolf von Habsburg „als Ausdruck und Kennzeichen der teilweisen Erneuerung der alten Reichsidee unter Rudolf" angesehen werden darf. 118 ) Der Einfluß des sizilischen Diktates ist hier in Wien bezeichnenderweise bis auf Rudolf IV. zu verfolgen, der offenbar den Ehrgeiz in sich trug, eine der kaiserlichen ähnliche Stellung zu erringen.119) In der Reichskanzlei macht er sich in den Konstitutionen Heinrichs V I I . und Ludwigs des Bayern fühlbar, der beiden Kaiser, die das Imperium in der alten Form noch einmal verwirklichen wollten und den Kampf mit dem Papsttum noch einmal mit allen Mitteln aufnahmen. 120 ) Und in diesem Zusammenhang darf es auch nicht unerwähnt bleiben, daß einer der vielen falschen Prätendenten auf den Kaiserthron, die sich unter dem Namen Friedrichs in die Herrschaft und die Volksgunst einzuschleichen verl l 8 ) Vgl. G. Ladner, a. a. O., 193 (Zitat) und 194. Die vergleichende Beschreibung der Petrus-de-Vinea-Hss. der Klasse B und besonders die Untersuchung des Cod. Wilhering 60, die Ladner anstellt, hat ergeben, daß die erste rudolfinische Briefsammlung, die des Andreas von Rode, eine Art Fortsetzung des Petrus de Vinea darstellt. Die außerordentlich lehrreichen Resultate der Untersuchung können hier nur ganz allgemein wiedergegeben werden, vgl. Teil III der Ladnerschen Untersuchung. 118 ) Auch Rudolf IV. von Österreich, der von wahnwitzigem Ehrgeiz getrieben war, seine Stellung zu erhöhen und als Landesherr die höchste Souveränität zu erringen, hat die Sprache der staufischen Kanzlei beherrscht, wie v. d. Steinen bemerkt hat (a. a. O., 13). Man lese nur die gefälschten Urkunden und das Privilegium maius daraufhin nach (abgedr. von W. Wattenbach, Die österreichischen Freiheitsbriefe in Archiv f. Kunde österr. Geschichtsquellen, Bd. VIII, 1852, 112 ff.). Rudolf IV. hatte offenbar den Ehrgeiz, mit Friedrich II. verglichen zu werden, und zwar in dem Punkte, der seiner Zeit als der bezeichnendste im Leben des Staufeis galt: Idem voluit in dominio suo cenobiis prelatos instituere et destituere et dixit se esse de Stirpe Neronis qui fuit primus persecutor cleri. . . Ipse . . . . opinabatur se ipsum sapientem velut imperator Fredericus, qui dominicam orationem voluit emendare (Annales Matseenses, SS. IX, 832). Wenn Nero der erste persecutor cleri war, so kann man sich denken, wen Rudolf für den Nachfolger dieses Nero hielt, wenn er hier auch nur als der eigenmächtige Kirchenherr dargestellt wird, der sich in die rein kirchlichen Angelegenheiten mischt. 120) Y g j steinen, Kaisertum, 13. Z. B. spricht die Arenga des Krönungsmanifestes Heinrichs VII., 1312 Juni 29 (Const. IV, 802) stark an die Einl. der siz. Konstitutionen an.

— 71 — suchten, nämlich der Schmied Tile Kolup aus Neuß, auch den Stil der kaiserlichen Regierung in schlechter Nachahmung führte. 1 2 1 ) So verband sich — in lächerlicher ja grotesker Weise — mit den mystischen Kaiserhoffnungen der ldeinen Leute diesmal auch die Vorstellung von einer bestimmten charakteristischen Sprache, die man zweifellos aus einem staufischen Briefsteller kannte. Von Italien ging der Einfluß der sizilischen Diktatoren aus. In Italien blieb er selbstverständlicherweise auch haften, vor allem da, wo die kaisertreue Gesinnung auch nach dem Tode des letzten Staufers noch lebendig büeb. So hat er auf keinen geringeren als Dante gewirkt bei der Abfassung seiner Staatsbriefe. E r ist um so deutücher zu erkennen, als die Sprache dieser Briefe sich scharf unterscheidet von dem sich sonst in streng wissenschaftlichen Deduktionen entfaltenden Prosastil Dantes z. B. in der Monarchia. 122 ) Die Briefe an die Florentiner, an Heinrich VII., an die römischen Kardinäle, gehören mit ihren reichen Bibelzitaten, ihren oft künstlich herbeigeholten Bildern, der Worthäufung durchaus der kurial-sizilischen Stiltradition an, ja sind besonders gute Beispiele für den literarisch unpersönlichen Charakter ihrer Erzeugnisse, und es ist hieraus deutlich verständlich, daß die Verlal ) Vgl. O. Lorenz, Deutsche Geschichte im 1 3 . u. 14. Jahrhundert, B d . II, Wien 1867, 396, und A . Busson, Beitr. z. Kritik d. steyerischen Reimchronik, Sitzungsber. d. A k . d. Wiss., Wien i n B, 1885, 3 9 3 f f . 2 Briefe sind überliefert, der erste an den Herzog v. Brabant und den Grafen v . Holland (Gesta Henrici arch. Trev., S S . 24, 462, c. 6, n. 1) beginnt mit den Worten: Cum creator omnium et dominus ante mundi Constitutionen! . . . Der zweite Brief an den Bischof von Utrecht ist abgedruckt bei Viktor Meyer, Tile Kolup, Wetzlar 1868, 70, nr. 6. Die Gesta Henrici berichten auch noch, daß Tile das Siegel Friedrichs II. nachahmte und Ereignisse aus Friedrichs Feldzügen in seine Briefe einstreute (a. e. a. O., 462). m ) Vgl. Steinen, a. a. O. Ein besonders gutes Beispiel ist der Brief an die Florentiner mit seinen vielen Bibelbildern und -zitaten (Dante, L e Opere ed. Società Dantesca, 4 2 2 ff., nr. 6). F ü r die Monarchia hat v . d. Steinen im 1. Kap. des 2. Buches eine Stilähnlichkeit nachweisen können in der Verwendung von Ps. 2, 1 — 3 , auf den Caesar und das römische Volk (Dante, Die Monarchie, übers, v . W . v . d. Steinen, 1 1 2 ) . In diesem Zusammenhang möchte ich auch auf die Bemerkungen hinweisen, die R . Davidsohn über die sog. Kriegsphraseologie der Florentiner macht (Geschichte von Florenz I V , 1, 258). A n den Übertreibungen und die Wirklichkeit weit hinter sich lassenden Epitheta scheint der „hohe", d. h. der sizilische Stil seinen Anteil zu haben. (Diesen Hinweis verdanke ich E . Kantorowicz.) Vgl. auch die Bemerkung von R . Davidsohn über den Stil des politischen Schriftstellers Brunetto Latini in seinen Briefen und Urkunden, dem „ m a n deutlich die stilistische Beeinflussung durch Pier de la Vigna anmerkt" (a. a. O. I V , 1, 24).

— 72 — fasserschaft Dantes immer wieder angefochten wurde. Auf die Echtheitsfrage kommt es aber in diesem Zusammenhang auch gar nicht an, es genügt, im Kreise der exuliertenflorentinischenGhibellinen diesen Einfluß und dieses Vorbild nachgewiesen zu haben. 123 ) Es ist auch wichtig, sich in diesem Zusammenhang daran zu erinnern, daß Dante sich von der form- und sprachschöpferischen Tätigkeit des Kaisers volle Rechenschaft abgelegt hat. Die nobilitas et rectitudo formae, die auf Dante einen so tiefen Eindruck gemacht hat, bedeutet doch wohl die vollendete Beherrschimg auch des lateinischen Prosastils.124) Auch zur prunkvollen Formulierung von Cola di Rienzos Kaisertraum hat, wie Burdach zeigte, das staufische Stilbeispiel beigetragen.125) Wenn wir nicht wissen, auf welche Weise Dante mit der sizilischen Diktatorenschule in Verbindung getreten ist und welche Vorlage ihm gedient hat, so können wir bei einer anderen Gruppe der italienischen Ghibellinen die Zusammenhänge wenigstens vermuten. Gemeint ist die römische, die in dem Geschlecht der Colonna ihren Mittelpunkt hatte. — Es ist bisher in der Literatur über den Colonnastreit mit Papst BonifazVIII. nicht beachtet worden, daß möglicherweise die drei Protestschreiben des Jahres 1297 nicht einer und derselben Feder entstammen. Die erste von diesen drei Denkschriften führt den Beweis, daß Cölestin nicht abdanken durfte, Bonifaz folglich ein Eindringling und unrechtmäßiger Papst sei, in nüchternen, ungeschmückten Sätzen, einfach durch Aufzählung der Gründe und unter Verwendung scholastischer Begriffe und Deduktionen wie ein wissenschaftlicher Traktat. 128 ) Als Verfasser hat man an den gelehrten Spiritualen123 ) Über die Echtheitsffage der Dantebriefe s. d. Literatur bei Th. Ostermann, Dante in Deutschland, Heidelberg 191g an den einschlägigen, nicht immer leicht auffindbaren Stellen; vgl. Fr. Schneider in Deutsches Dantejahrbuch, N. F., Bd. 3, 1930, 236ff. Die Briefe sind jetzt eigentlich allgemein in ihrer Echtheit anerkannt, vgl. Burdach, Rienzo, 325, Anm. 2. Wichtige Argumente für die Echtheit der Briefe an Heinrich V I I . und an die Florentiner bringt R. Davidsohn, Geschichte von Florenz III, 509, Anm. 1, 430, Anm. 4, 431, Anm. 1. — In diesem Zusammenhang sei auch noch der Bemerkung Giovanni Villanis über Dantes Stilkunst gedacht (Chron. I X , c. 136, ed. Gh. Dragomanni, II, Firenze 1845, 234): fu somma poeta e filosafo e rettorico perfetto tanto in dittare e versificare, come in aringa parlare nobilissimo dicitore. m ) De vulgari eloquentia I, c. 12 (Opere, a. a. O., 330), vgl. K. Hampe, Das Nachleben . . ., 17, u. Kantorowicz, 303. 125 ) A. a. O., S. 322 und 348, und Quellen zur Geschichte Rienzo? Berlin 1928 (Vom Mittelalter zur Reformation II, 2), 42, n. 1. 126 ) Denifle, Archiv V, 509 ff.

— 73 — führer Ubertin von Casale oder an einen der drei Fraticellen gedacht, die das Manifest mit unterschrieben haben. Von diesem und auch von dem zweiten, das eine rein historische Darstellung des Streites und der Verhandlungen mit dem Papst bietet127), unterscheidet sich unverkennbar die dritte Denkschrift128) durch ein ganz anders starkes Pathos, anschauliche Bilder, Verallgemeinerungen, vor allem durch die Arenga, die die Aufmerksamkeit der ganzen Welt auf die Angelegenheit der Colonna und die Mißstände der Kirche lenken sollte. Starke Entlehnungen und Anklänge an zwei Manifeste Friedrichs II., mit die wirkungsvollsten, die aus seiner Kanzlei hervorgegangen sind, die Protestschreiben gegen die Exkommunikation von 1239 u n d die Absetzimg von Lyon lassen an der Tatsache einer direkten Benutzung kaum einen Zweifel. Die dritte Denkschrift beginnt mit dem eindrucksvollen Anruf der Öffentlichkeit: Intendite quesumus... Man halte dagegen den Anfang des großen Protestes von 1239: Levate . . . und die Anfänge anderer Manifeste Friedrichs II., und man wird von der Gleichheit des Tones getroffen, ehe man noch durch Gegenüberstellung der Diktate wörtliche Entlehnungen festgestellt hat.129) Vielleicht sind auch die Vermittler dieser Vorbilder und möglicherweise Verfasser des Manifestes zu bestimmen: zwei Geistliche, Thomas und Richard von Montenero, aus einem Rittergeschlecht, das in der Umgebung von Montecassino und Capua begütert war, Großneffen eines GroßhofJustitiars Friedrichs II., Richard von Montenero, und Enkel von dessen Bruder Thomas, der ebenfalls kaiser" ' ) Denifle, Archiv V, 515 ff. "») E b d . 519 ff. 1M)

M a n i f e s t F r i e d r i c h s II. 1239, April 30, Const. II, 291: t Levate in circuitu oculos vestros, arrigite filii hominum aures vestras!*) Orbis scandalum, dissidia gencium, generale iusticie doleatis exilium exeunte nequicia Babilonis a senioribus p o p u l i . . . Sedete p r i n c i p e s etintellegite p o p u l i causam nostram. A vultu Domini i u d i c i u m v e s t r u m prodeat et occuli vestri videant equitatem. Seimus etenim quod . . . profecto modestiam et innocentiam nostram in iudicii vestri libra preponderare videbitis**).

M a n i f e s t d e r C o l o n n a 1297, Juni 15, Denifle, a. a. O., S. 519: Intendite quesumus voci orationis nostre, imitatores iusticie magistri nec non diseipuli veritatis, ut iustitiam cause nostre . . . et iniquitatem Benedicti Gaetani . . . tarn vos quam reges p r i n c i p e s Orbis et p o p u l i in considerationis rede statera veritate verumtamen v e s t r u m concomitante i u d i c i u m appendatis.

f Für diese und die folgenden Gegenüberstellungen gilt: Gesperrter Druck kennzeichnet gleichen, kursiver Druck ähnlichen Wortlaut.

— 74 — Hoher Richter war. Sie sind bei der Aktion gegen Bonifaz stark beteiligt: Thomas wird in geheimer Mission nach Frankreich zu Philipp dem Schönen geschickt, beide haben mit mehreren anderen ebd., S. 297 (19): Illum habere preterea Christi vicarium . . . indigne {atemur non ob dignitatis iniuriam set ob persone deffectum, qui dispensationes cum fratrum deliberatione maxima concedendas in camera sua more mercatoris cuiuslibet in libra mercationis appendit celatis fratrum cons i l i i s cum quibus secundum ecclesiasticam disciplinam deliberare te netur . .. Manifest Friedrichs XI. 1245, Juli-September Etsi cause Const. II, 362; (2) . . . nusquam tarnen legitur divina sibi vel humana lege concessum, quod transferre p r o l i b i t o p o s s i t imperia aut de puniendis t e m p o r a l i t e r in privacione r e g n o r u m r e g i b u s aut terre principibus iudicare. (3) Vel esto sine preiudicio nostro, quod habeat huiusmodi potestatem, estne istud de p l e n i t u d i n e p o t e s tatisipsius, quod . . . animadvertere possit in quoslibet, quos a s s e r i i sue iurisdictioni subiectos ?

ebd., S. 521 : Porro cum in quibuslibet arduis peragendis maxime in alienationibus rerum ecclesie etiam verus pontifex cardinalium C o n s i l i a petere et sequi consensus nihilo minus consueverit et etiam t e n e a t u r iste pseudoprefectus nec ipsorum Cons i l i a dignatus est petere.

ebd., S. 521: . . . verbis contra talia proponentem iniuriose prolatis super r e g e s et r e g n a i n t e m p o r a l i b u s etiam presidere se g l o r i a n s omnia per se solum p o s s e p r o l i b i t o d e p l e n i t u d i n e p o t e s t a t i s , licet in ipso legitima papalis autoritas non subsistat, a s s e r e r e non f o r m i d a t .

ebd., S. 365 (11): Advertat igitur industria vestra, si predicta sententia . . . — non magis in nostram quam in omnium r e g u m aut quarumlibet dignitatumtempor a l i u m perniciem — debeat observari . . . (Lesart A.***): A nobis incipitur, sed pro certo noveritis quod in aliis r e g i b u s et principibus finietur, a quibus publice g l o r i a n t u r resistentiam aliquam minime f o r m i d a r e . . . *) Mit den Worten „ L e v a in circuitu oculos tuos" apostrophiert auch Bonifaz den französischen König in der Bulle „Ineffabilis amoris". Reg.

— 75 — Geistlichen und Minderbrüdern zusammen das erste Colonnamanifest unterschrieben und teilen das Schicksal des Geschlechts: von Bonifaz VIII. werden sie wegen Beihilfe an der colonnesischen Verschwörung verbannt und ihrer Güter beraubt. Nun waren die Monteneros nicht immer antipäpstlich und ghibellinisch gewesen. Kurz nach dem Tode Konrads IV. hatte der Großhofjustitiar Richard die Partei Karls von Anjou ergriffen, und hatte Manfred diesen Verrat an der staufischen Sache die Familie schwer entgelten lassen. Wenn wir sie jetzt auf der Seite der Colonna finden, so ist diese Stellung wohl die Folge ihrer nahen Verwandtschaft zu diesem Geschlecht, die gerade für sie nützliche Frucht getragen hatte.130) Vielleicht haben sie nach der Exkommunikation, der Absetzung von ihren kirchlichen Ämtern, der Entrechtung und Enteignung, die die Colonna mit ihrem Anhang betroffen hatten, noch einmal einen Appell an die Öffentlichkeit in Vorschlag gebracht, und zwar, da die ersten Manifeste wirkungslos verpufft waren, in wirkungsvollerer Form, in einer stilistischen Umkleidung, die zur Zeit ihres Großvaters und Großonkels so häufig auf die Welt großen Eindruck gemacht hatte. Möglich auch, daß sie Abschriften von Manifesten oder das Briefbuch des Petrus de Vinea in irgendeiner Form in ihrem Besitz hatten. Wie dem auch sei: es ist wichtig genug, den Einfluß des sizilischen Kanzleistils auf Schriftstücke, die aus dem Kreise der römischen Ghibellinen stammen, Bon. nr. 1653. Neben die Arenga des Manifestes von 1239 ist noch zu stellen der zweite Satz des Manifestes über die Heiligsprechung der Elisabeth, der gleich lautet (Winkelmann, A c t a I, 299) und der Anfang eines Rundschreibens von 1249 (Huill.-Br6h. VI, 705/06): Audite gentes per secula ingentem nequiciam a seculis inauditam. Aperite oculos et videte . . . — Das Manifest vom April 1239 steht in der gedr. Sammlung des P. d. V. I, 21, der T e x t weicht hier nur in geringen Varianten von dem neuesten Druck ab. **) Vgl. auch den ähnlichen Ausdruck in dem Manifest Friedrichs von 1249 „Satis nos pungit": Causam itaque nostram in libra vestre considerationis appendite! (Huill.-Brfeh. V I , 712, und P. d. V. I, 18, S. 133). ***) Die hier zuletzt angeführte Stelle aus der 3. Colonna-Denkschrift scheint mir aus mehreren Stellen der Vorlage zusammengesetzt zu sein, wenn es nicht für den Anspruch der Päpste auf die plenitudo potestatis in temporalibus eine feste Formel gab, die hier in verschiedenen Fassungen vor uns läge. Auffallend ist es immerhin, daß die hier angeführte Lesart A nicht aus den Vinea-Hss. stammt, von denen zwei und nach ihnen auch die gedruckte Sammlung die Fassung an den König von Frankreich enthalten (P. d. V. I, 3), sondern aus einer ganz andern Überlieferung, z. B. aus der englischen, s . d . Einl. zu d. Manifest Const. II, 360/61. 1S0 ) Quellen und Literatur über die Monteneros in Zusammenhang mit der Verwandtschaftsfrage sollen in Exkurs I I kritisch behandelt werden.

— 76 — überhaupt festgestellt zu haben, da die Colonna nicht nur im Kampf des französischen Königs mit der Kurie eine große politische Rolle spielen, sondern von einem gewissen Zeitpunkt ab auch den Inhalt und die Sprache der französischen Publizistik bestimmen. Aber auch wo alle Beziehungen geistiger und politischer Art fehlen, erhält sich rein durch die Kanzleiüberlieferung der sizilisch-staufische Stil. Denn die Anjous brachen ja keineswegs mit den Gepflogenheiten der Justiz und Verwaltung aus der staufischen Zeit, im Gegenteil sie setzten sie fort, bauten sie aus. 131 ) Karl von Anjou ließ aus dem staufischen Archiv Akten- und Urkundenmaterial an seinen Hof bringen, weil er für den überkommenen verwickelten Verwaltungsapparat Vorlagen, Beispiele, Belege, vor allem die Gesetze und Verordnungen brauchte.134) Seine eigenen Mandate, Verordnungen, Privilegien tragen keinen besonders ausgeprägten Charakter. Der Vinea-Stil aber taucht in voller Pracht und Gehobenheit wieder auf unter Karl II. und Robert von Anjou, als Bartholomäus von Capua, dessen Vater Justizbeamter Kaiser Friedrichs II. gewesen und der selbst wie Petrus de Vinea Protonotar und Logothet war, die Gesetze dieser Könige mit seinem hochentwickelten, an der lateinischen Literatur geschulten Sprachgefühl formte.133) l a l ) Die Fortsetzung des staufischen Gesetzes- und Verwaltungswerkes durch die Angiovinen bedeutet eine organische E n t w i c k l u n g und Anpassung a n die sozialen Bedürfnisse des Landes, v g l . R . Trifone, LA Legislazione A n g i o v i n a in Società Napolitana di storia patria. D o c u m e n t i per la storia dell' I t a l i a meridionale, I, Napoli 1921, S. X V I . K a r l I. v o n A n j o u bet r a c h t e t selbst seine edicta und constitutiones als eine F o r t s e t z u n g der Gesetzsammlung Friedrichs I I . , v g l . E . Sthamer, D i e Überlieferung der Gesetze K a r l s v o n Anjou in S. Beri. A k . 1922, 164, s. a u c h oben 43, A n m . 32. E r hat es aber geflissentlich vermieden, die Regierungsakten Friedrichs I I . z u zitieren, vgl. E . Sthamer, Studien ü b e r d. sizilischen R e g i s t e r Friedrichs I I . , I I in S. Beri. A k . 1925, 177. l i 2 ) E s g i b t eine Reihe v o n Zeugnissen dafür, d a ß die Register Friedrichs I I . die Regierungszeit K a r l s I. überdauerten und a m H o f e des K ö n i g s f ü r Verwaltungszwecke b e n u t z t wurden. Vielleicht h ä n g t die E n t s t e h u n g der berühmten E x c e r p t a Massiliensia m i t d e m urkundlich bezeugten Transp o r t der Register an den Hof K a r l s zusammen, v g l . E . Sthamer, Studien über die sizilischen Register Friedrichs II., I I in S. Beri. A k . 1925, 177 t-, m i t reichen L i t e r a t u r a n g a b e n . A l s K u r i o s u m sei hier noch erwähnt, d a ß d a s A r c h i v der Angiovinen zeitweise im Hause des P e t r u s de V i n e a zu Neapel aufgehoben wurde, s. Huill.-Bréh., Pierre 64, A n m . 3, und B . Capasso, Sulla casa d i P i e t r o della V i g n a in N a p o l i (Rendiconti della A c c a d e m i a Pontaniana, 1859), 196. i a a ) Vgl. K . Rieder, D a s sizilische Formel- und Ä m t e r b u c h des Bartholomäus v o n C a p u a in Römische Q u a r t a l s c h r i f t 20, 1906, I I , 26. S t ü c k e aus

— 11 — In dem ganzen hier umschriebenen Wirkungskreise der staufischen Kanzlei und des staufischen Briefstellers konnte mit Ausnahme der Staatsbriefe Dantes — wenn auch manchmal nur vermutungsweise — der Weg, den die Uberlieferung genommen, nachgewiesen werden, teils an Persönlichkeiten, die aus der Schule des Petrus de Vinea stammen, teils an Hand der Geschichte der einzelnen Kanzleien. — Diese läßt uns nun auch da nicht im Stich, wo wir rein aus sachlichen Erwägungen heraus auf eine Benutzung der staufischen Manifeste geschlossen hatten: in Frankreich.134) Es ist schon oben darauf hingewiesen worden, daß die an den französischen König und die französische universitas gerichteten Schreiben Kaiser Friedrichs bis auf zwei ausschließlich in Briefstellern überliefert sind, die unter dem Namen des Petrus de Vinea gehen.135) Die Bedeutung dieser Briefsammlungen für das Problem, ob die Kanzlei und die einzelnen, das Wort führenden Räte Philipps des Schönen für ihre Publizistik gegen die Kurie staufische Vorlagen benutzt haben, bestätigt der Kanzleibefund durchaus. Es ist nämlich noch nicht genügend beachtet worden, daß eines von den wenigen Formelbüchern, die, soweit wir wissen, in der Kanzlei Philipps in Gebrauch waren, eine Menge staufisches Material enthielt.136) Es handelt sich um eines der beiden Register des Jean de Caux, Johannes Caleti, wahrscheinlich Kustos des Archivs und königlicher Kleriker unter Ludwig IX. und Philipp III. 137 ) Das Register, von dem uns der Archivar Philipps seinem Ämterbuch (Statuta officiorum) hatte Winkelmann herausgegeben in den Acta Imp. I, 731 — 84. Über die Amtslaufbahn des Barth, vgl. auch Huill.-Bréh., Historia dipi. Introduction C X X X I V , und Trifone, L a Legislazione Angiovina, a. a. O., X I X ff. Für seinen Stil vgl. die Arenga zu dem großen Gesetz Karls II. 1295" Aug. (Trifone, 119), die Gesetze Karls II. 1308 (Trifone, 151), Roberts von Neapel 1 3 1 1 , Mai 7. (Trifone, 155). B. stand der ang. Kanzlei von 1290—1328 vor. Der Vater, Andreas, Fiskaladvokat unter Friedrich II. u. Ratgeber Karls v. Anjou (Rieder, a. a. O., 26), kam in Besitz einiger Güter des P. de Vinea (Huill.-Bréh., Pierre, Pièces justif., nr. 18, S. 318), und zwar durch Schenkung des Papstes Innozenz IV. wegen seiner treuen Gesinnung gegen die Kirche ! Karl II. v. Anjou bestätigt sie nachher dessem Sohne (a. a. O.). 1M

) S. oben, 20 ff. ) S. oben, 61 f. ' ) Huill.-Bréh., Pierre, 259ff., reiht deshalb dies Formularbuch den Briefsammlungen des P. d. V . ein. 137 ) Vgl. M. Ch. Langlois, Formulaires de lettres du 12., 13. et 14. siècle in Not. et extr. 35, 2, 793, vgl. A. Giry, Manuel de Diplomatique, Paris 1894, 764, und neuerdings auch A. de Boüard. Manuel de Diplomatique 1SS 13

— 78 — des Schönen, Pierre d'Etampes, in einer Vorrede zu seinem Inventar des Trésor des chartes berichtet und das mit dem Schlußdatum 1286 versehen war, ist abhanden gekommen.188) Zum Glück aber ist das Inhaltsverzeichnis mit den Uberschriften der Briefe in eben jenem Inventar eingetragen und so erhalten worden.139) Danach setzte sich das Register des Jean de Caux zusammen aus fünf Abteilungen ganz verschiedenen Inhalts140), Kanzleivorlagen für Mandate, Urkunden, Notariatshandlungen, Formulare für Privatbriefe aller Art, Ordonnanzen, politische Briefe französischer Könige, solche, die die italienische Politik Karls von Anjou betreffen, Papstschreiben, vor allem aber im 3. Buch 33 hochpolitische Schreiben und Manifeste Friedrichs II. und der Päpste aus der Zeit des großen Streites (1239—1246), meist an den französischen König und andere französische Empfänger gerichtet.141) Wie alle Briefsammlungen, die der als ungeordnet charakterisierten Klasse angehören, scheint auch diese ein mixtum compositum aus verschiedenartigstem Material des Trésor des chartes, des kgl. Archivs, zu sein nach keinem anderen Gesichtspunkt zusammengestellt als nur dem, möglichst viele und verschiedenartige Beispiele zum Zwecke der brieflichen Rhetorik zusammenzubringen, ganz ohne Rücksicht darauf, ob diese Beispiele française et pontificale, I, Paris 1929, 152 f. Das eine Register, von P. d'Etampes überliefert, (s. nächste Anm.), wird zitiert als Registrum, cuius initium tale est „Incipit cursus", das zweite, von Gerard de Montagu beschriebene, als Liber sine asseribus. Ein drittes Formularbuch (Langlois in Not. et extr. 34, 1, 9 ff.) war unter der Regierung Philipps V. in Gebrauch. 18e ) Die Vorreden zu dem in mehreren Redaktionen hergestellten Inventar finden sich bei A. Teulet, Layettes du Trésor des chartes I, X X V I f., der auf J . Caleti bezügliche Vermerk ebd., vgl. auch Langlois, Not. et extr., 35, 2, 794, und Huill.-Bréh., Pierre, 259. Über die archivalische Tätigkeit des d'Etampes s. Teulet, a. a. O. V I I ff. Er war kgl. Archivar von 1307 bis 1324, vgl. auch Boutaric, France 169. Über den Verbleib des Registers sagt d'Etampes (a. a. O.) „quod quidem registrum habuerat Michael de Bordaneto, nec potuit recuperali tempore mortis suae". 139

) Zum erstenmal vollständig abgedruckt von Langlois, a. a. O., 35, 2, 795 ff., nach den beiden Hss. im Très. d. chartes J J I t und J J I 2 , die Titelangaben der staufischen Schreiben waren aber schon durch das Verzeichnis der wichtigsten Vinea-Hss. bei Huill.-Bréh., Pierre, bekannt (S. 260 ff.), s. oben, Anm. 103. HO) vgl. die Übersicht bei Langlois, a. a. O., 812 f. 141

) 4 andere Schreiben, die Friedrich zum Gegenstand oder zum Subjekt haben, sind im 1 . und 2. Teil vorhanden, betreffen aber nicht den Streit mit der Kurie, vgl. die Übersicht bei Huill.-Bréh., a. a. O., 260.

— 79 — ihrem Inhalt und ihrem politischen Charakter nach zueinander paßten oder nicht. Trotzdem scheint Johann doch nicht ohne jedes historische Interesse für den Stoff seiner Vorlage gewesen zu sein. 142 ) Das beweist außer der Zusammensetzung des 4. Teils, in die er eine Briefsammlung über den Streit der Pariser Universität mit dem Predigerorden geschlossen aufgenommen hatte, vor allem die innere Zusammengehörigkeit der ca. 30 Stücke des 3. Buches, die Friedrichs großen Kampf zum Gegenstand haben. Denn diese Zusammengehörigkeit ist nicht nur gegeben durch den Stoff, sondern auch durch die am gemeinsamen Adressaten erkennbare Tendenz. Denn bis auf vier Schreiben, die an andere oder an alle Fürsten des Erdkreises gerichtet sind und zwei Flugschriften ohne bestimmte Adressaten 143 ), sind die Schreiben gleich, ob sie von päpstlicher oder kaiserlicher Seite stammen, an den französischen König, die Geistlichkeit Frankreichs oder die französische Allgemeinheit gerichtet. Die Tendenz springt ohne weiteres ins Auge. Papst und Kaiser streben an, den französischen König, die französische Geistlichkeit, die öffentliche Meinung in Frankreich für sich zu gewinnen. Möglich, daß eine geschlossene Sammlung von Originalen oder von Abschriften dieser Werbeschreiben vorlag. Nur ein einziger Brief des französischen Königs war beigefügt worden. E s ist keine geschlossene diplomatische Korrespondenz, sondern eben in der Hauptsache eine einseitig gerichtete Sammlung von tendenziösen Schriftstücken, die möglicherweise gleichzeitig mit dem Erscheinen der Schreiben im Archiv angelegt worden war. Verschiedene der in dem Register aufgezählten Schreiben Friedrichs an den französischen König finden sich in den in fünf resp. in sechs Büchern geordneten Handschriften des Petrus de Vinea und sind in die gedruckte Sammlung aufgenommen; andere Stücke können nicht mit Sicherheit identifiziert werden. Das berühmte Reformmanifest vom Frühjahr 1246 war bei Jean de Caux in der uns unbekannten, an den französischen König gerichteten Fassimg vorhanden. 144 ) Ferner befand sich in ihm auch das Protestschreiben gegen die 142

) S. Langlois, a. a. O., 812. ) Nach der sämtliche Titel berücksichtigenden Zahlung von Langlois sind es die Stücke 253, 255, 268, 280 und die Flugschriften 269, 278. 141 ) Unter dem Titel: Item Fridericus regi Francie contra papam et quod intencio sua erat clericos ad hoc inducere, ut tales essent, quales fuerant in ecclesia primitiva (nr. 279, S. 804). Dies Manifest (Reg. Imp., nr. 3541) steht in der gedr. Samml. I, c. 2, hier an alle Fürsten gerichtet. Außer in 2 Hss. der „geordneten" Briefsammlung ist das Manifest noch bei Matth. Paris, also in der Fassung an den engl. König, überliefert. 14S



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Absetzungssentenz von Lyon, das ja dann auch in eben dieser französischen Fassung in die geordnete und gedruckte Sammlung übergegangen ist.145) Ohne hier einer späteren Untersuchung vorgreifen zu wollen, die mit einer genauen Beschreibung und Datierung sämtlicher vorhandenen Handschriften wird arbeiten müssen, soll hier die Vermutung geäußert werden, daß der Petrus de Vinea in seiner systematisch geordneten Form nach Ausscheidung der fremden Stücke, vor allem der päpstlichen Schreiben, wenn nicht in Frankreich, so doch auf Grund von französischen Sammlungen ähnlicher Art, wie sie Jean de Caux benutzt hat, entstanden ist.146) Aber abgesehen von der Überlieferungsfrage, die für unser Problem nur von sekundärer Bedeutung ist, zeigt das Inhaltsverzeichnis des Registers zweierlei: i. daß die Dokumente des großen Kampfes zwischen Friedrich II. und der Kurie in gut zugänglicher Weise aufgehoben und registriert waren, 2. daß sie ein königlicher Archivbeamter der Folgezeit zum praktischen Gebrauch in sein Kanzleibuch eintrug. Er hat diese politischen Manifeste sicher zu keinem anderen Zwecke eingetragen als auch die anderen Briefe und Dokumente, nämlich als Stilvorlagen, deren Reiz durch den politisch und historisch bedeutsamen Inhalt erhöht werden sollte. Sicher hat er nicht daran gedacht, daß dieser Inhalt auch aktuellen und propagandistischen Wert haben könnte. Auch war ja im Jahre 1286 kein Anlaß vorhanden, publizistische Waffen gegen die Kurie zu schmieden. Die offizielle Politik der Kurie, die gerade damals den in Sizilien abgesetzten Peter von Aragon durch Karl von Valois, den Bruder Philipps des Schönen, ersetzen wollte, ging zu dieser Zeit mit dem König Hand in Hand.147) 146 ) Unter dem Titel: Item regi Francie quomodo redarguit papam et processum suum et sententiam multis modis et racionibus iuris contentis in ea (nr. 276, S. 804). Dies Manifest (Reg. Imp. nr. 3495) steht in der gedr. Samml., Buch I, c. 3 unter der Überschrift: Fredericus Regi Franciae super sententia depositionis lata . . ., s. oben, 61 f. 14e ) Auffallend ist auch, daß P. d. V . für das Schreiben I, c. 5, als Adressaten den rex Franciae nennt, während Ficker (Reg. Imp. nr. 3398) zweifelfrei beweisen kann, daß der Adressat in Rom und nach der Anrede „serenitas" wahrscheinlich Kaiser Balduin war. Zu dieser unserer Annahme •würde es freilich nicht passen, daß das Reformmanifest „Illos felices" im Reg. des J . de Caux unter der Adresse des franz. Königs, in der geordneten und gedr. Samml. hingegen unter der aller Fürsten aufgenommen wurde, s. oben, 79, Anm. 144. 147 ) Vgl. Langlois, 291. Nach dem Tode Karls von Anjou war Karl -von Valois der Kandidat der Kurie.



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Anders lagen die Dinge, als der königliche Archivar Pierre d'Etampes, eben jener, der uns über das Register Jean de Caux' berichtet, sein eigenes Registerbuch anlegte. Es ist dasselbe, auf das Huillard-Breholles und Scholz schon wegen der merkwürdigen Zusammenstellung von staufischen Manifesten und Material aus dem französischen Kampf mit der Kurie hingewiesen haben.148) Es war in den ersten Jahren des 14. Jahrhunderts angelegt worden, als der Streit zwischen dem König und der Kurie seinen Gipfelpunkt erreicht hatte. Der Inhalt der Handschrift, in der es überliefert ist, besteht aus folgenden Stücken: eine historische Darstellung der Albigenserkriege von dem Mönch Petrus de VauxCernay, auf die einige undatierte Briefe der Päpste Nikolaus IV. und Martins IV. folgen; dann vierzehn Briefe aus dem ersten Buch des Petrus de Vinea, darunter die große Flugschrift „Collegerunt pontifices", programmatische Schreiben an die Kardinäle und die Römer usw., zwei Briefe aus dem zweiten Buch; dann folgen verschiedene Bullen Bonifaz' VIII. aus der Zeit des Konfliktes mit dem französischen König, das Schreiben der französischen Geistlichkeit an den gleichen Papst und der Barone an die Kardinäle vom 10. April 1302, die Bulle „Verba delirantis fili", dann die vom königlichen Standpunkt aus geschriebene Quaestio in utramque partem, die Bulle Bonifaz' an Johannes Monachus „Litteras tuas", das Protokoll der Versammlung vom 13. und 14. Juni 1303 und schließlich die Bulle „Ausculta fili". 149 ) Es war dies zwar eine auf den ersten Blick unförmige und ungesichtete Masse, bei näherer Betrachtung aber drängt sich eine gewisse gemeinsame Tendenz auf. Wenn man die beiden Register Jean de Caux' und des Pierre d'Etampes vergleicht, so springt der Gegensatz in die Augen: das erste sammelt die verschiedenartigsten Kanzleistücke unter dem Gesichtspunkt des Kanzleigebrauchs und der Stilvorlage für Übungszwecke. Als echter Briefsteller war seine Zusammenstellung im ganzen ohne Rück14s

) S. oben, 21.

149

) Vgl. die Inhaltsangabe bei Scholz, 226 f., die ich durch eigene Einsicht noch etwas genauer geben kann. Scholz gibt z . B . an: P. d. V . I, 1 — 20, es sind aber nur 14 Stücke aus diesem Abschnitt des 1. Buches vorhanden, aber noch 2 aus dem 2. Buche, vgl. die Aufzählung der Briefe und Beschreibung des Inhalts der Hs. bei Huill.-Bréh., Pierre 262 t. Das Register befindet sich im Trésor des chartes unter J J 28 B. Von d'Etampes stammt noch ein zweiter Registerband, urspr. J J 29, jetzt ms. lat. 10919 d. Bibl. nat., der aber fast ausschließlich Dokumente zur Geschichte Philipps des Schönen enthält, jedenfalls keine zur Geschichte der Staufer, vgl. Boutaric, Notices, 168 f. Beiheft d. H. Z. 30.

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sieht auf den Inhalt geschehen, wenn der Sammler auch einzelne Abteilungen wegen ihrer historischen Bedeutung zusammengelassen hatte. Bei Pierre d'Etampes hingegen steht doch offenbar auch bei der Anlage des Ganzen das inhaltliche Interesse im Vordergrund. Der Kampf zwischen Kirche und weltlichem Herrscher wird hier in mehrere seiner Phasen hinein verfolgt; die Stimmen der gallikanischen Kirche, der die Nation vertretenden Stände und ein gelehrtes Gutachten über die strittige Frage in Form eines Traktats werden zur Beleuchtung des königlichen Standpunktes angeführt. Vielleicht ist es auch kein Zufall, daß das Buch mit der Geschichte der Bekämpfung der häretischen Bewegung in Südfrankreich beginnt. Es handelt sich ja auch da um einen erbitterten Kampf mit der offiziellen Kirche und paßt darum gut in den inneren Zusammenhang des Ganzen. Man gewinnt aus der Aufnahme des historischen Werkes und des politischen Traktats den Eindruck, daß auch die Briefe, Bullen, Manifeste nicht in erster Linie nach formalen Gründen ausgewählt worden sind, wenn auch die erste Serie von Papstbriefen inhaltlich mit dem übrigen nichts zu tun hat und durch das Fehlen von Adressaten und Datum als reine Briefformeln charakterisiert ist. 150 ) Jedenfalls überwog das historische und politische Interesse die stilistisch-rhetorischen Zwecke. 151 ) Das Beispiel des Pierre d'Etampes zeigt, daß die nüchtern und realistisch denkenden Kanzleibeamten Philipps des Schönen den Inhalt des Petrus de Vinea, vor allem das erste Buch im Zusammenhang mit dem aktuellen Streit zwischen Kirche und Staat inhaltlich hoch bewerteten. Daß ghibellinische Träume und Hoffnungen, die sich sonst, wie wir gesehen haben, an die Verwendung des staufischen Briefbuchs knüpften, hier, in Frankreich, nicht mit im Spiel sind, braucht nicht erst erwähnt zu werden. Herrscht doch eine gleich erbitterte Kampfstimmung gegen das Imperium wie gegen das Sacerdotium, sobald nur der Schatten des universalen Herrschaftsgedankens die Souveränität des französischen Königs zu bedrohen schien. Im Frankreich Philipps des Schönen, wo der König es wagen durfte, die Stimmen der Nation zu einem gemeinsamen Schlachtruf gegen den höchsten Vertreter der Christenheit zu sammeln, wo ein einzelner Günstling des Königs die Stirne haben konnte, dem toten Papste einen Ketzer160

) Scholz, 226. ) Langlois, a. a. O., 816, betont ausdrücklich den Charakter dieser Sammlung als einer historischen, ebenso wie den des Registers 29, und nicht eines Formelbuches. 161

— 83 — prozeß anzuhängen, um der gerechten Strafe wegen Vergewaltigung eben dieses Oberhauptes zu entgehen, da erinnerte man sich der Schreiben des staufischen Kaisers und seines Kanzlers hauptsächlich aus dem Grunde, weil deren kühne, scharfe und bibelgewaltige Sprache der Erbitterung über die Überspannung des päpstlichen Weltherrschaftsgedankens und der neuen, positiven Bewertung des weltlichen Staates treffenden Ausdruck gab. — Es ist eine weitere Frage, die im folgenden einer Lösung nähergebracht werden soll, ob die staufischen Manifeste als Vorbilder für die französische antipäpstliche Publizistik benutzt und ausgeschrieben worden sind. Aus der Zusammensetzung der Registerbücher läßt sich eine solche Benutzung jedenfalls nicht erschließen. Doch ließ sich mit ihrer Hilfe die Voraussetzung zu dieser Lösung schaffen, die um so nötiger erscheint, als die Persönlichkeit des Kaisers in der Vorstellung der politischen und religiösen Gegner des Papstes Bonifaz mit den schwärzesten Zügen des Kirchenfeindes und Glaubensverächters, des Antichrist und Zerstörers der Weltordnung ausgestattet, ja zugedeckt worden war. Daß trotz der leidenschaftlich-feindseligen Ablehnung durch die Nachwelt die literarischen Zeugnisse seines Herrscherdaseins und seines größen Kampfes weiterwirkten durch die lebendige Kraft seiner Sprache, hat die Geschichte des staufischen Stils, des staufischen Briefstellers gezeigt.

6*

II.

DIE PUBLIZISTIK UND DIE ÖFFENTLICHKEIT IM DIENSTE DER OPPOSITION GEGEN DIE KURIE.

i . ALLGEMEINE CHARAKTERISTIK DER PUBLIZISTIK DER BEIDEN HERRSCHER. Die Verbreitung allgemeiner Überzeugungen auf eine größere Menge Menschen, die in irgendeinem Sinne eine Einheit bilden, ist von je ein wirksames Mittel der Politik gewesen. Umfang und Einfluß der öffentlichen Meinung wachsen im Laufe der Geschichte mit der Politisierung der Menschheit, d. h. mit dem Übergreifen der öffentlichen Angelegenheiten auf das Privatleben. Im Mittelalter kann man von dem wirklichen Vorhandensein einer öffentlichen Meinung erst von dem Augenblick ab reden, wo der Kampf zwischen Imperium und Sacerdotium aus dem latenten Stadium in einen politischen Kampf um die Macht in der Welt eingetreten war.1) In dem fast 5 Jahrzehnte währenden ersten gewaltigen Streit zwischen den beiden Mächten ist die öffentliche Meinung ein äußerst wichtiger Faktor der Politik geworden. Abgesehen davon, daß Gregor VII. die Massen zum Handeln, zur Selbsthilfe aufrief, tragen beide Parteien in mehr oder minder leidenschaftlichen literarischen Ergüssen der Öffentlichkeit ihre Meinung mit umfassender Begründung vor und fordern sie damit zu selbständigem Urteil und eigner Stellungnahme auf. Gewiß darf man für diese und auch für die folgende Zeit den Umfang des Wirkungskreises nicht nach heutigen Maßen messen. Bei der zunehmenden Verweltlichung, um nicht zu sagen Politisierung des Lebens im 13. Jahrhundert, spielen aber die politische Propaganda und ihr Objekt, die öffentliche Meinung, als Ursache und als Wirkung eine nicht zu unterschätzende Rolle. Je mehr der furchtbare Machtkampf der staatlichen Gewalten mit dem Papsttum sich zum prinzipiellen Kampf um die Stellung der Kirche in der Welt und um die Ideale der abendländischen ChristenVgl. Hauck, K.-G. III, 958, und Mirbt, Publizistik, 2, ferner auch Vehse, 2/3.

— 85 — heit auswuchs, haben die streitenden Mächte in wachsendem Wettlauf der Meinungen um die Anerkennung in der Öffentlichkeit werben müssen. Es ist eine bekannte Tatsache, daß die Kurie für diesen Kampf weit besser vorbereitet war als die staatliche Partei sowohl was die eigentlichen Kanzleiverhältnisse, wie was die Organisation der Propaganda angeht. Aber es ist ja auch schon erwähnt worden, wie schnell und glücklich die kaiserliche Kanzlei am sizilischen Hof sich die Mittel der päpstlichen Propaganda angeeignet hatte und wie selbständig sie sie ausgestaltete.2) Dazu ist Neues nicht mehr zu sagen, seit die Arbeiten von Niese, Graefe, Vehse und Kantorowicz die Publizistik Friedrichs II. nach ihrem formalen und gedanklichen Gehalt ausgeschöpft haben. Auch die allgemeine Charakteristik, die Vehse der kaiserlichen Propaganda widmet, kann ohne Einschränkung übernommen werden. Er bemerkt nämlich zusammenfassend am Schluß seines Buches über die amtliche Propaganda Kaiser Friedrichs II., daß diese an „originalen Lösungsversuchen und Ideen wie an interessanten literarischen Persönlichkeiten vielleicht ärmer" sei, „den anderen Epochen aber an innerer Geschlossenheit manches voraus" habe.8) Auch in ihrer historischen Bedeutung charakterisiert Vehse sie zutreffend als symptomatisch für die innere Festigung des weltlichen Staates, „der hier zum ersten Male in der Geschichte des Mittelalters in einer von der Zentrale aus geleiteten Propaganda auch als geistige Macht seinem politischen Gegner gegenübertritt".4) Ihre historische Bedeutung liegt aber ferner noch in ihrem Anteil daran, daß diese geistige Stimme des weltlichen Staates sich in der Folgezeit immer wieder erfolgreich erhoben hat. Denn die Einbeziehung der öffentlichen Meinung wird jetzt ständiges Mittel im Abwehrkampf gegen die Kurie, und es geht eine ununterbrochene Entwicklungslinie von der amtlichen Propaganda Friedrichs II. über die Manifeste Manfreds und der Colonna zu der Publizistik Philipps des Schönen und den berühmten Appellationen und Protestmanifesten Ludwigs des Bayern, dem der große geistige Revolutionär, Marsilius von Padua, seine Feder leihen wird. Gerade das von Vehse hervorgehobene Merkmal der inneren Geschlossenheit fällt für die Propaganda Friedrichs II. ins Gewicht, wenn man sie mit der späterer Herrscher vergleicht. Das 2) 3)

S. oben, 63 t.

S.238. *) A . a . O .



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findet zweifellos seinen Grund darin, daß hinter dieser Publizistik die einzigartige Persönlichkeit des Herrschers stand, gleich ob sie durch den eigenen oder durch den Mund seines Kanzlers und Logotheten sprach. Dabei verschlägt es nichts, ob es bei einer künftigen Sichtung der Vinea-Briefe möglich sein wird, den Kaiser noch öfter als seinen eigenen Diktator festzustellen, als es bisher gelungen ist.5) Die Kundgebungen gingen als die des Kaisers aus, und es ist als sicher anzunehmen, daß die prunkvollgehobene Sprache des Vinea-Stils dem inneren Wesen sowohl wie der zu Schau getragenen Haltung des Herrschers entsprochen habe.6) Die selbständige Bedeutung des Kanzlers soll dabei in keiner Weise verkannt werden. Aber wenn er gerade diesem Herrscher diente, war entweder seine Art jenem wesensmäßig verwandt oder hatte sich ihr in bewundernswerter Weise angepaßt. Und diese enge Zusammenarbeit umfaßte ganz selbstverständ5) Ed. Sthamer, Eigenes Diktat des Herrschers in den Briefen der siziIischen Kanzlei des 13. Jahrhunderts (Festschrift für AI. Cartellieri, Weimar 1927), 141 ff., stellt für ein einziges Schreiben den Kaiser als seinen eigenen Diktator fest. e ) Vgl. Kantorowicz, 276. „ W a s in diesen Briefen Friedrich II., WEIS Petrus de Vinea ist, wird sich niemals entscheiden lassen und beider Einheit bestimmte auch die Sprachform der andern kaiserlichen Kanzlisten.'* Dazu auch Erg.-Bd., J27, wo K . ganz energisch und in Übereinstimmung mit Haskins der Meinung entgegentritt, die feierliche Sprache des Vinea-Stils sei nicht dem innersten Wesen des Kaisers gemäß gewesen. Es •wurde schon vorher (s. oben 67, Anm. 105) ein Zitat des Odofredus angeführt, um zu zeigen, daß das „obscure loqui" als ein Attribut des P . d. V. galt. Die Meinung ging in die Literatur über, vgl. d. Gedicht von K . F. Meyer „ D a s kaiserliche Schreiben", wo Petrus über den Gram des Kaisers „würdevolle Purpurfalten" wirft. Auch Hampe (Kaiser Friedrich II. in der Auffassung der Nachwelt, 57) vertritt die Ansicht, daß „das feierliche Barock der kaiserlichen Erlasse dem innersten Wesen des Herrschers nicht voll entsprochen habe" und die aus der Kanzlei hervorgegangenen Briefe „wenigstens der Form nach und in manchen Einzelheiten nicht schlechthin für Friedrichs Eigenart in Anspruch genommen werden" dürften. Fedor Schneider schließt sich dieser Auffassung an in dem Aufsatz: Kaiser Friedrich II. und das Elsaß (Elsaß-lothring. Jahrb., Bd. 9, 1930, 131): „der Erweis, daß der Geist des Kaisers in diesen Erlassen lebt, ist nicht zu bringen; im Gegenteil, das Problem lautet auch jetzt schon: Petrus de Vinea", siehe auch Schneiders Frankfurter Rektoratsrede: Kaiser Friedrich II. und der Staat, Frankfurt 1930, 13/14. Ich möchte mich in dieser Frage auf die Seite Kantorowicz-Haskins stellen mit der Einschränkung, daß der Kanzler manche eigene Note in die Formulierung der Gedanken gebracht hat und daß erst die Sichtung der staufischen Briefbücher, die unter seinem Namen gehen, wirkliche Klarheit bringen wird.

— 87 — iich auch alle übrigen Kanzleibeamten, von denen uns ja nur wenige wie Walter von Okra und Peter von Prezza dem Namen nach bekannt sind. Zwar wird es die Aufgabe des künftigen Bearbeiters des Vinea-Briefbuchs sein, die verschiedenen Diktatoren voneinander zu sondern; er wird aber ferner auch auf der andern Seite das einheitliche geistige Band hervortreten lassen müssen, das sie alle zusammenhält.7) Es war doch wohl so, daß Friedrich in seinem Herrschaftsbereich der Bestimmende sein und bleiben wollte, daß er da niemanden duldete, der politisch selbständig dachte, und daß, wen er als sein Geschöpf aus dem Staube gezogen, nie den Schöpfer überwachsen und dauernd überragen durfte. Sollte nicht in dieser Gefahr mit ein Grund zum späteren Sturz des Kanzlers gesucht werden?8) Für die Publizistik hat dies Moment der persönlichen Eifersucht auf die Macht doch wohl die Bedeutung, daß man die Schreiben politischer Natur, die der Kanzlei des Kaisers entsprangen, dem Inhalt und der allgemeinen Formulierung nach wirklich dem geistigen Bereich des Kaisers einbeziehen darf. Ein etwas anderes, wenn auch nicht gegensätzliches Bild ergibt sich bei der Prüfung der analogen Verhältnisse für die Kanzlei Philipps des Schönen. — Auf den ersten Blick erscheinen sie völlig entgegengesetzt. Denn die Chronisten seiner Zeit fällen übereinstimmend das Urteil, der König sei zwar weise und gut gewesen, habe sich aber allzusehr von seinen Ratgebern leiten lassen und trage daher an allen schlimmen Taten seiner Regierung, wie an dem Vorgehen gegen die Grafen von Flandern, am Attentat gegen Bonifaz VIII., an der Münzverschlechterung und an den furchtbar drückenden Steuern nicht allein und nicht die größte Schuld.9) Dagegen hat Karl Wenck neuerdings das Verständnis für die Herrscherpersönlichkeit Philipps erschlossen, indem er des Königs große Willensstärke und energische Ausdauer bei politischen Unternehmungen, die hohe persönliche Auffassung von seiner Herrscherwürde erweisen konnte.10) Für die Auffassung, daß den König die Verantwortung für seine Regierungshandlungen allein trifft, kann sich Wenck auf einen gut über') Vgl. Steinen, Kaisertum, 13. 8) Neuerdings brachte Fedor Schneider einen sehr interessanten Beleg für den Einfluß des Vinea auf den Kaiser, den der Kanzler freilich in diesem Falle restlos zu seinen eigenen Gunsten auszunutzen wußte, vgl. „Nachlese in Toscana" in Quellen und Forschungen aus it. Bibl. 1931, 80 ff. 9)

")

Wenck, 30 ff., bringt die Belege. S. oben, 91.



88



lieferten Ausspruch des Königs selber stützen.11) Ferner spricht für sie, daß der König nie einen Ratgeber oder Beamten, der ihm und dem Königtum gute Dienste erwiesen, fallen gelassen hat 12 ): ein sicheres Zeichen dafür, daß das, was geschah, mit seiner Einwilligung vor sich ging. Sogar der Geschichtsschreiber Giovanni Villani, der sonst wie die anderen die Nachgiebigkeit Und Schwäche des Königs rügt, sagt, daß die Tat von Anagni der Tatkraft des Königs zuzuschreiben sei.13) Nach alledem kann es nicht mehr zweifelhaft sein, daß König Philipp den Geist seiner Politik selbst bestimmte und den Ton angab, nach dem in seinem Namen gesprochen und geschrieben wurde. Besonders die einheitliche Linie, die in der Kirchenpolitik eingehalten wurde, wobei es nicht ohne Vergewaltigung der freien Meinung und der romtreuen Geistlichen abging, scheint der König selber angegeben zu haben. So waren die Flöte, Nogaret, Plaisian, Marigny doch wohl nur die ausführenden Organe König Philipps des Schönen und seiner „persönlichen aber keineswegs impulsiven, sondern in der Regel in engerem Rate wohl erwogenen Politik". Trotzdem läßt sich der Unterschied in der Art und Weise wie der Kaiser und wie der französische König ihren Willen auf ihre Beamten übertrugen, nicht verkennen. Nicht nur, daß Philipp seine Helfer in der Ausführung seines Willens frei gewähren ließ, er duldete doch auch, was bei Friedrich unausdenkbar gewesen wäre, daß sie ihre persönlichen Angelegenheiten mit der großen Politik vermischten, wie Nogaret seinen Protest gegen die kirchliche Exkommunikation mit dem Prozeß gegen das Andenken Papst Bonifaz' VIII. Während Friedrich nach dem Tode des deutschen Ordensmeisters Hermann von Salza in der Hauptsache nur noch den einen mächtigen Ratgeber und Minister gehabt hat, nämlich Petrus De Vinea, hat Philipp zu verschiedenen Zeiten verschiedene Ratgeber und allmächtige Minister gehabt, von denen doch jeder wieder seine persönlichen Motive, seine eigene Meinung, seine eigene Sprache mitbrachte und durchsetzte. Vielleicht spielt bei dieser Verschiedenheit auch noch ein grundsätzlicher Unterschied in der Herrscherstellung eine Rolle. Der Kaiser hatte vor der Öffentlichkeit das Übergewicht des Imperiums vor allen Reichen des Abendlandes aufrechtzuerhalten und diesen Nimbus des Weltherrschers gegen die von allen Seiten anstürmenn) Nach dem Bericht Wilhelm Baldricbs (abgedr.: Bibl. d. l'Ec. des chartes 58, 1897, 10—14) soll der König vor seinem Tode gesagt haben: quod ipsemet erat causa mali consilii sui, vgl. Wenck., 38. 12 ) 1S )

Wenck, 37, und Renan, Politique, 69. Wenck, 28.

— 89 — den Mächte zu behaupten. Das gibt seiner Sprache das einheitlich Charakteristische. Bei dem König handelte es sich darum, gewisse realpolitische Ziele zu erreichen, und dazu war jedes Mittel und jeder Vermittler recht. Es war nur nötig, seinen Willen im allgemeinen zu verstehen. Die Ausführung konnte dem jeweiligen Minister überlassen bleiben. Während also die Manifeste Kaiser Friedrichs II. doch im ganzen als Einheit betrachtet werden dürfen, sowohl nach ihrer sprachlichen und stilistischen Beschaffenheit wie nach ihrem Gedankengehalt, so verlangt die Publizistik Philipps des Schönen nach beiden Gesichtspunkten hin eine Sichtung des vorhandenen Materials, mit Rücksicht auf die einzelnen Phasen des Kampfes und die jeweiligen maßgebenden Leiter der königlichen Politik. Eine Grundtatsache muß dabei von vornherein festgehalten werden: eigenes Diktat des Königs läßt sich so wenig wie bei seinen Briefen oder Erlassen auch nicht bei den eigentlichen politischen Manifesten feststellen.14) Und, wo man den Verfasser nicht kennt oder aus irgendwelchen Indizien erschließen kann, ist ebensowenig wie im Falle Friedrichs II. und der staufischen Kanzlei zu unterscheiden, ob die Manifeste vom König selbst oder von einem seiner Minister das Gepräge haben. Von diesen sind zwei oder drei, die wir auch mit Namen kennen, mit ziemlicher Sicherheit als die Verfasser einer Reihe dieser Manifeste zu erkennen. Das übrige ist anonym, läßt sich aber mit Hilfe der umfangreichen Forschungen von Renan, Boutaric, Scholz, Möhler, Holtzmann wenigstens in gewisse Gruppen einteilen. Im folgenden sollen die offiziellen französischen Schriftstücke nach Verfassergruppen und literarischem Vorbild gesichtet werden. Die Traktate der königlichen Partei finden dabei nur insoweit Erwähnung, als sie zur Aufklärung der Verfasserfrage beizutragen vermögen.15)

2. CHARAKTERISTIK DER PUBLIZISTIK PHILIPPS DES SCHÖNEN NACH VERFASSERSCHAFT UND VORBILD. Den Anstoß zum Streit des französischen Königs mit der Kurie gibt bekanntlich die berühmte Bulle Bonifaz' VIII. „Clericis laicos".16) Das darin unter Bannstrafe ausgesprochene Ver14 ) Vgl. Langlois, 120 :, ,rien n'autorise à penser que le prince soit l'auteur, ou même l'inspirateur, des rares pièces, dont le style est vraiment original." 16 ) Über die Gesichtspunkte der Auswahl s. oben, 27f. 1 ' ) Gedr. bei Dupuy, 14 f., in Reg. Bonif., nr. 1567, zuletzt bei Mirbt, Quellen, 208. •

— 90 — bot an die Geistlichkeit aller Länder, irgendwelche Steuern oder Abgaben an Laien zu zahlen, und an alle Fürsten und weltlichen Herren, solche zu erheben, hat in der christlichen Welt großen Eindruck gemacht. Viele Chronisten berichten von dieser Bulle und von der Antwort des Königs von Frankreich auf diese auffallende Herausforderung der weltlichen Macht. 17 ) Denn der König gab nicht etwa nach durch die geforderte Aufhebung der letzten der Kirche auferlegten Abgabe, der sog. malatolta, sondern antwortete in einer damals ganz ungewohnten Weise mit einem Ausfuhrverbot. Mit der Ordonnanz vom 17. August 1296, die verbot, Geld, Waffen, Pferde usw. über die Grenzen des Königreiches zu bringen, beginnt Pierre Dupuy seine berühmte Sammlung der Quellen zur Geschichte des großen Streites. 18 ) Mit Recht, denn wenn das Verbot auch nicht direkt gegen Rom, sondern in erster Linie gegen die Engländer und Flamen gerichtet war, mit denen der König im Krieg lag, so traf sie doch die Kurie insofern sehr fühlbar, als mit diesem Verbot auch die Steuererhebungen der italienischen Bankiers in Frankreich für den Papst gesperrt wurden. Die wenigen Worte der Begründung bilden den Auftakt zu der alsbald einsetzenden theoretischen Verteidigimg der königlichen plenitudo potestatis. Denn Bonifaz gab vorerst noch nicht nach. 19 ) Als Antwort auf das Edikt ließ er eine neue, im Ton so viel heftigere Bulle folgen20), daß man sich nun auf seiten des Königs entschloß, sich ein für alle Male gegen Einmischungen in innere Angelegenheiten des Königreiches zu wehren. Der Entwurf zu einer Antwort auf diese Bulle von einem unbekannten Verfasser ist trotz seines fragmentarischen Zustandes unter den überlieferten die schärfste und beste, weil sachlich schlagendste Verteidigung des Staates und seiner Interessen, ein „festes und würdiges Schriftstück" aus einem Guß. Der Verfasser geht ohne Umschweife auf sein Ziel los. 21 ) Bibelzitate 17 ) Vgl. z. B. Chron. Guill. de Nang. ad a. 1296, Bouquet, Recueil 20, 577, u. Chron. Gir. de Fracheto, a. gl. O., 21, 14. 18 ) S. 13, dazu Langlois, 132. 19 ) Für die Folge der Begebenheiten vgl. die Darstellungen von Langlois, 1 3 1 ff. Boutaric, France, 92 ff. Scholz, Publizistik, 3 ff. und öfter bei Holtzmann, Renan, Drumann, usf. Auch Dupuy, a. a. O., leitet seine Quellensammlung mit einer lateinisch und französisch, natürlich vom königlichen Standpunkt aus geschriebenen, Geschichte des Streites ein. 20 ) In der Bulle „Ineffabilis amoris", 1296 Sept. 21 (Reg. Bon., nr. 1653, Dupuy, 15) wehrt sich der Papst gegen die Ordonnanz vom 17. Aug. und gegen die angeblich falsche Auslegung der Bulle „Clericis laicos". 21 ) Dupuy, 21 ff., Deutung bei Scholz, a . a . O . , 360 ff. Der Entwurf trägt in der Hs. die Überschrift: Pulcherrime responsiones facte pro rege

— 91 — werden nicht zum Schmuck, sondern zur Begründung der Sache angewandt. Die Sätze sind zum Teil kurz, durchweg klar gegliedert. Unverblümt werden die Schäden auf Seiten der Kirche gegeißelt, mit unerbittlicher Logik die Ansprüche und Rechte des Königs und der Nation verteidigt. 22 ) Sachliche Anklänge an Manifeste Friedrichs II. sind schon Langlois aufgefallen28), aber auch in der sprachlichen Formulierung ist wenigstens zweimal direkte Abhängigkeit nicht ausgeschlossen.24) Der Stil des ad bullam precedentem et ad puncta in ea contenta et est totum notabilissimum, licet non sit opus perfectum. 22) Wegen der „Indecenz" der Sprache meint Boutaric, France, 97, das Schreiben sei niemals nach Rom gesandt worden. 2S) A. a. O., 34. Gerade an dies Schriftstück schließt Langlois die Bemerkung, es möchte eine fruchtbare Aufgabe sein, die Publizistik Philipps mit der Friedrichs II. zu vergleichen, s. oben, 21. 34 ) Zu den inhaltlichen Ähnlichkeiten vgl. unten, 178 u. 197. Hier folgen in Gegenüberstellung die verbalen Parallelen: M a n i f e s t F r i e d r i c h s I I . 1239, A n t w o r t auf die Bulle „InefApril 30 fabilis amor", Sept. ? 1296 „Levate in circuitu", Const. II, 298 (23): Vos igitur, dillecti principes, n o n nobis s o l u m s e t e c c l e s i e , que congregatio est o m n i u m Christi f i d e l i u m , condolete . . .

„Antequam essent clerici", Dupuy, 21: Sancta mater ecclesia sponsa Christi n o n s o l u m ex clericis sed etiam e x laicis: imo . . . sicut est unus dominus, unum baptisma, una fides sie a primo iusto usque ad ultimum e x o m n i b u s Christi f i d e l i b u s una est ecclesia.

M a n i f e s t F r i e d r i c h s I I . 1246, Febr. „Illos felices", Wink., Acta II, 50: Porro, qui c l e r i c i censentur nunc patrum*)

elemosinis i m p i n g u a t i

lios opprimunt;

fi-

(ebd. S. 22) : . . .

neclexicìendevotioneprincipum

exerassati, i m p i n g u a t i et dilatati pro modulo suo eisdem principibus assistant . . .

ebd. 50: Sicque de vestris decimis et eleemosynis i m p i n g u a t i tales Christi pauperes . . . vobis se prebent obnoxios . . .**) *) Die Lesart „procerum" setzt Huill-Bréh. VI, 391 statt des nach ihm in den Hss. vorhandenen „pauperum". Winkelmann setzt „ p a t r u m " . **) Auffällig ist besonders im gleichen Zusammenhang der Gebrauch des Wortes „impinguati". Ich finde den Ausdruck auch noch und in der gleichen Verbindung wie in dem Entwurf von 1296 in der Bulle Bonifaz'

— 92 — Entwurfs „Antequam essent clerici" paßt ausgezeichnet zu der Beschreibung, die uns Gottfried von Paris von einer Rede Flotes vor den Ständen von 1302 überliefert, die wir sonst leider nur aus einem einzigen Zitate kennen.25) Danach fiel den Zeitgenossen auf, daß die Sprache sich nicht an die Bibel anlehnte, gut gesetzt, vernünftig und natürlich war und deshalb so großes Aufsehen machte.2?) Zu dieser Beschreibung passen im Stil vor allem durch die Ungeschminktheit der Sprache außer dem eben erwähnten Entwurf noch die Erklärung des Königs vor dem päpstlichen Gesandten in der Frage der Friedensvermittlung zwischen England und Frankreich27), die Fälschung der Bulle „Ausculta fili" beginnend mit den Worten : „Deum time" mit der fingierten Antwort „Sciat tua maxima fatuitas" 28 ) und schließlich die dem Entwurf „Antequam essent clerici" inhaltlich nahe stehende „Disputatio inter clericum et militem".29) In den Kreis der von der Persönlichkeit des Peter Flöte geleiteten Politik fallen auch noch die Aktionen der hohen Geistlichkeit und Barone in den Jahren 1297 und 1302. Das Schreiben des Erzbischofs und der Suffragane der Erzdiözese Reims, das die Kurie vor den Folgen ihrer Kampfhaltung gegen das französische Königtum warnt30), und V I I I . 'Nuper ad audientiam', wo er von dem französischen König sagt: dilatatus, impinguatus, incrassatus recalcitravit dilectus, Dupuy, 167. 2S ) Überliefert von dem Fortsetzer des Guillaume de Nangis, ad a. 1302, ed. H. G£raud I, Paris 1843, 315. Die Hs., die die Rede Flotes auf der Vers, von 1302, Apr. 12, enthielt, ist noch vorhanden, vgl. Scholz, 357, Anm. 1 1 , und E. Renan in Hist. Litt. 27, 372. 3S ) Vgl. die Chronik des Gottfried v. Paris bei Bouquet, Recueil 22, 97, dazu Scholz, 358, Anm. 14. Außer Scholz, 358 f., tritt gegen Renan auch noch Holtzmann für die Verfasserschaft Flotes ein (Nogaret, 25, Anm. 1.) 27 ) Überliefert in dem Schreiben der Bischöfe von Albano und Palaestrina vom April 1297 über die im Auftrag der Kurie geführten Verhandlungen mit Philipp, Dupuy, 28; vgl. auch den in der Chronik des Wilh. Rishanger mitgeteilten Ausspruch des Flöte in SS. rer. Brit. 28, ed. Riley, 1865, 197. 28 ) Dupuy, 44, dazu Scholz, 357. Der Beweis, daß d. Fälschung von Flöte herstammt und in Verbindung steht mit d. Verbrennung der Originalbulle, die wohl auch von Flöte angeregt wurde, wird fast einwandfrei geführt von Holtzmann in Dt. Ztschr., Vjh. II, 1897/98, 27 ff. Bon. V I I I . selbst hielt Flöte für den Fälscher, s. unten, 123, Anm. 122. 29 ) Ed. Goldast, Monarchia I, 1 3 ff. Über die inhaltliche Zugehörigkeit zu den vorigen Stücken s. Scholz, 360 f. 80 ) Dupuy 26/27, undatiert, wohl aus dem Ende d. Jahres 1296, vielleicht auch Febr. 1297, gleichzeitig und gleichen Inhalts mit einem Schreiben des franz. Episkopates, der zu dieser Zeit in Paris versammelt war. Nur daß in dem Reimser Schreiben nicht von der flandrischen Angelegenheit die

— 93 — die Protestschreiben der Stände, Geistlichkeit und Barone aus der Versammlung von 1302 zeigen eine maßvolle, geschicktdiplomatische Haltung des Warnens und Bittens statt des Drohens und Scheltens.31) Aber auch hier kommen die nationalen Interessen unzweideutig zum Ausdruck, wenn auch im Ganzen ängstlicher und gewundener als in den Peter Flöte zugeschriebenen Stücken. Man fühlt deutlich die schwierige Lage vor allem des Klerus heraus, der sich zwischen zwei Stühle versetzt sah, und so finden sich in seinem an den Papst gerichteten Protestschreiben die üblichen kanzleimäßigen Höflichkeits- und Ergebenheitsformeln, Einschränkungen und Vorbehalte, die die Sätze oft bis zur Unübersichtlichkeit entstellen. Kanzleimäßige Umständlichkeit beeinträchtigt aber auch den gesinnungsmäßig so männlichen und energischen Protest der Barone in ihrem Schreiben an die römischen Kardinäle, nachdem sie sich in eben dieser Versammlung geschlossen hinter ihren König gestellt hatten. Eben wegen des etwas schwerfälligen und gewundenen Stils kann man nicht ohne weiteres der Meinung Scholz' beistimmen, daß diese beiden Protestschreiben von 1302 auch von Flöte stammen müssen.32) Immerhin ist auch das französische Schreiben der Barone insofern dem Geiste Flotes verwandt, als es sich von direkten persönlichen Angriffen und Beleidigungen gegen den Papst frei hält. Überhaupt kennzeichnet jene ersten beiden Epochen des Kampfes bis zum Tode Flotes in der Schlacht von Courtrai eine feste und würdige Haltung des französischen Königs und seiner Helfer, die eines Nachfolgers des heiligen Ludwig würdig erscheint und Rede ist, die die in dem allgemeinen Schreiben der Geistlichkeit angeführte Notlage des Königs und des Landes verursacht habe. Langlois, a. a. O., 135, zitiert in Übersetzung aus diesem allg. Schreiben, das ich aber in den gedr. Sammlungen nicht ausfindig machen konnte. Nur die Antwort Bonifaz' V I I I . vom 19. Febr. 1297: Coram illo fatemur (Reg. Pont., nr. 24475, abgedruckt von A. Baillet, Histoire des démeslez du Pape Bon. V I I I . . . Paris 1718, Preuves, 15 ff.) konnte einen Begriff des Inhaltes geben. Das Schreiben wird auch von Kervyn de Lettenhove in Mém. Ac. Belg., 28, 1854, 20, erwähnt. Als Beleg aber bringt n. 4 ein Zitat aus dem Reimser Brief, Dupuy, S. 26! 81 ) Das Schreiben der Geistlichkeit von der Ständevers. April 1302, bei Dupuy, 67 ff., das französisch abgefaßte der Barone ebd., 60 ff. Beide Schreiben jetzt auch in dem großen Quellenwerk von G. Picot, Documents relatifs aux états généraux réunis sous Philippe le Bel, Paris 1901, 5 u. 12 ff. Da die Originale-dieser Schreiben aber verloren sind, druckt P. den Text von Dupuy fast unverändert ab. 8a ) Scholz, 357. Daraus, daß Flöte die Seele dieser Versammlung war und die einleitende Rede hielt, braucht man noch nicht zu schließen, daß er auch die Protokolle redigierte.

— 94 — die, hätte man sie beibehalten, der Kampfaktion eine noch viel wirksamere Stütze in den nationalen und patriotischen Instinkten des Volkes durch den Hinweis auf die bedrohte Existenz und Freiheit des Landes gegeben hätte.33) Der zweite Kreis politischer Streitschriften aus dem antikurialen Lager geht aus von den Manifesten der Colonna gegen Papst Bonifaz VIII. aus dem Jahre 1297. Denn mit dem Einfluß dieser römischen Kardinäle auf den französischen Hof nimmt die Aktion gegen die Kurie eine ganz neue Wendung. Solange Flöte die Politik des Königs leitete, hatten die Colonna die Verbindungen mit Frankreich, die sie schon vor ihrem Streite mit Bonifaz eingegangen waren, nicht so eng gestalten können, wie sie es wünschten. Der König und Flöte hatten ja ihre Sache im Stich gelassen, als der Papst sich den französischen Wünschen geneigt zeigte.34) Der Tod Flotes, der den Übergang der Geschäfte an Wilhelm von Nogaret zur Folge hatte, und die Flucht der Colonna nach Frankreich bringen die große Wendung. Die Kardinäle Peter, Jakob und Graf Stephan treten in die engste Verbindung zum französischen Hof, vor allem zu Nogaret und zu Wilhelm von Plaisian, bei denen zwei von ihnen Wohnung nehmen.35) Ihr Einfluß macht sich sofort bemerkbar, als am 12. März 1303 der französische Staatsrat im Louvre zusammentritt. Die große Rede, die Nogaret, hier zum erstenmal Führer der antipäpstlichen Politik, gegen Papst Bonifaz hält, spielt nun den Streit um die Souveränität des französischen Königs auf ein ganz anderes Gebiet hinüber, auf das persönliche der Amtsführung und der Gläubigkeit des gegenwärtigen Papstes. Von jetzt an durchsetzen diese zwar von der christlichen Herrscherverantwortlichkeit gedeckten, in Wirklichkeit aber von starkem persönlichen Haß gefärbten Anklagen die sachlichen Einwände gegen das papäle Machtsystem bis zur völligen Verdunkelung des eigentlichen Streitgrundes.36) Und gerade dies ist das Merkmal der ss

) Es gibt noch keine Biographie des P. Flöte. Kurze Charakteristik bei Scholz, 355 ff., wo auch die wenige Literatur verzeichnet ist. Von 1295 bis zu seinem Tode, 1 1 . Juli 1302 war er zweifellos die Seele der französischen Politik und ganz vertraut mit den Plänen des Königs in der Angelegenheit des großen Streites, vgl. die Aussage des Petrus Colonna im Verhör von Avignon 1 3 1 1 bei Möhler, 260: . . . Petrus Flotta, qui, omnem tractatum et voluntatem regis contra Bonifatium sciverat et palpaverat, ut asserebatur. a4 ) Vgl. die Aussagen des Petrus Colonna bei Möhler, 260/61, dazu Scholz, 356, und Langlois, 139. 36 ) Möhler, 108. 36 ) DieseWendung wird mit Recht aufs stärkste betont von Möhler,' 110 ff.

— 95 — Colonna-Denkschriften von 1297, die ja zum ersten Male gegen Bonifaz V I I I . die Anklage wegen der erzwungenen Abdankung Cölestins erheben. Bis auf die formale Fassung der Gedanken erstreckt sich der Einfluß der Kardinäle, und das ist für unsere Fragestellung um so wichtiger, als diese Fassimg in der 3. Denkschrift, wie schon erwähnt, starke Anklänge an Manifeste Friedrichs II. aufweist. 37 ) Gleich die erste öffentliche Äußerung Nogarets, die Rede im Staatsrat vom März 1303, gründet die A n klagen gegen Bonifaz, vor allem die auf Häresie, auf die gleichen Punkte, die die Colonna schon 1296 vorgebracht hatten. 38 ) Was die Form angeht, so erinnert die Arenga der Rede mit dem eindrucksvollen und bildhaften Bibelzitat am Anfang so stark an den Anfang der berühmten friderizianischen Flugschrift „Collegerunt pontifices", daß man nicht umhin kann, hier an bewußte Nachahmung zu denken. 39 ) Man ist geneigt zu glauben, daß " ) S. oben, 73 f. 38) Möhler, 114/115. 39) Man vergleiche den allgemeinen Tenor: Flugschrift a. d. Jahre 1240, Rede Nogarets auf der VerHuill.-Bréh. V, 309, u. P. d. V. I, sammlung des Staatsrats, März 1303, 1, S. 73: Dupuy, 56/57, u. Picot, 29: Fuerunt pseudoprophete in populo, Collegerunt pontifices et pharisaei sicut et in nobis erunt magistri menconsilium in unum adversus prindaces, etc. Gloriosus princeps apostocipem et Romanorum imperatorem. lorum Beatus Petrus . . . futurum predixit, quod sicut ante pseudoprophete fuerant, sie et in nobis erant venturi magistri mendaces, introducentes sectas perditionis, per quas via veritatis maculabitur . . . ebd.: Super c a t h e d r a Mosi s e d e n t e s hoc tempore Pharisei*), sic moti sunt contra Romanum prineipem oberrantes, quod actores malitiae facti simul et j u d i c e s , aperte judicium subverterunt.

S e d e t enim in c a t h e d r a Beati Petri mendaciorum m a g i s t e r . . . et cum non sit verus presidens nec m a g i s t e r s e dicit omnium hominum dominum j u d i c e m et m a g i s t r u m .

ebd., 310 u. 75: Die rogo, quid resurgens a mortuis dixit primo diseipulis ille m a g i s t e r omnium m a g i s t r o r u m ? *) Vgl. auch das Schreiben an die Kardinäle 1239, cc. Juni, Huill.-Bréh. V , 348 und P . d . V i n e a I, 31, S. 198: Sed sedensin cathedra perversi dogmatis phariseus unetus olèo nequitie . . . Vgl. auch Huill.-Bréh. V, 1003 (1240).

— 96 — Nogaret durch die Colonna auf die Manifeste der Staufer, in diesem Fall auf den sog. Petrus de Vinea, dessen eindrucksvolle Einleitung ja diese Flugschrift bildet, aufmerksam wurde.40) Auch bei den anderen unmittelbar unter dem Einfluß der Colonna formulierten Schriftstücken der Versammlung vom Juni 1303, den Protokollen der Reden, die dort gehalten wurden, und deren teilweise wörtliche Anlehnung an die Manifeste der Kardinäle Möhler nachgewiesen hat 4 1 ), läßt sich Ähnlichkeit mit der Sprache der staufischen Manifeste nicht verkennen. Sie ist besonders zu beachten, wo ähnliche Vorwürfe und Forderungen gegen den Papst vorgetragen wurden.42) Von der Rede, die Philipp an diesem Tage hielt, meint Möhler, sie sei ihm von den Colonna geradezu in die Feder diktiert wor-

40) Unter dem Titel: s. oben, 44, A n n . 35.

Querimonia Friderici super depositione sua,

41 )

Vgl. die Gegenüberstellungen, 116 u. 117.

42)

Hier folgen einige Parallelen:

M a n i f e s t F r i e d r i c h s II. 1239, April, „Levate ...,Const. II, 297 (21) : Et ut omnes primates nominis christian! sanctum intentionis nostre propositum et pie d e v o t i o n i s z e l u m in nobis agnoscant et quod non ex o d i i fomite set ex causa iustissima Romanus princeps contra Romanum antistitem commovetur..

P r o t e s t d e s W. v. P l a i s i a n auf d. Vers. 1303, Juni 13/14, Dupuy, 106 u. Picot, 45. Protestor autem Ego dictus G. de PI. miles, quod predicta non propono nec dico propter o d i u m aliquod speciale ipsius Bonifacii, quia non habeo earn odio . . . sed propter z e l u m fidei et propter devocionem, quam habeo ad sanctam Dei ecclesiam et ad sanctam sedem Romanam . . .*)

ebd.: ecce quod sacrosancte Romane ecclesie cardinales per sanguinem Iesu Christi . . . attestamur, ut g e n e r a l e c o n c i l i u m p r e l a t o r u m at aliorwn Christi fidelium d e be a n t evocare . . . in quorum presencia nos ipsi presentes cuneta, que áiximus sumus hostendere et p r o b a r e parati et his etiam duriora.

. . . propter que instanter . . . require vos dominum regem . . . et vos dominos p r e l a t o s , qui columpne fidei estis, et qui de predictis simul cum aliis reverendis patribus s. Eccl. p r e l a t i s catholicis in c o n c i l i o g e n e r a l i congregandis d e b e t i s esse judices, quatinus procuretis et detis operam efficacem ut g e n e r a l e conc i l i u m in loco congruo et securo tempore opportuno congregetur coram quo predicta proponi, procedi et p r o b a r i valeant. . . **)

— 97 — 43

den. ) Ein kurzes Protokoll der Versammlung wurde später in Form eines Manifestes an Fürsten und Stände Europas gesandt. Die Arenga, die es einleitete, erhielt eine doppelte Fassung, von denen die eine für die Fürsten und Stände Europas bestimmte diesmal nicht inhaltlich, dafür aber im grammatischen Aufbau des ebd. (19) :

. . . q u i [Greg. I X . ] d i s p e n s a t i o n s cum fratrum deliberatione maxima concedendas in camera sua more m e r c a t o r i s cuiuslibet in libra m e r c a t o r i s appendit. .. ebd., S. 296 (16) : . . . quin dictus evangelizantis p a c e m C h r i s t i vicarius, sed actor scismatis e t dissensionis amicus c o n t r a traditiones sanctorum patrum . . .

ebd., 293 (7): His etiam omnibus non contenti, u t de nobis prorsus indubitata securitas ecclesie preberetur circa ipsam z e l o summe d e v o t i o n i s accensi et in•centivo perfecte c a r i t a t i s in Deo, a d presenciam . . . ivimus.***)

A n k l a g e p u n k t e gegen Bonifaz V I I I . , vorgetr. v. W . v. Plaisian a m 14. Juni 1303, Dupuy, 103 u. Picot, 39: Item publice predicavit, papam Romanum non posse committere simoniam quod est hereticum dicere . . . Unde publice per quendam usurarium nomine Symonem de prelaturis . . . de absolutionibus et d i s p e n s a t i o n i b u s m e r c a t u r sicut in foro rerum venalium de rebus prophanis consuevit m e r c a r i . ebd.: Item c o n t r a speciale legatum C h r i s t i factum suis propriis filiis dicenhs „ P a c e m relinquo" vobis veniens, toto posse pacem impedii inter Chxistianos et discordias et guerras nititur Seminare. ebd., 35: . . . moti, u t dicebant fervore fidei sincere d e v o c i o n i s affectu et z e l o c a r i t a t i s inditeti . . . dixerunt et asseruerunt.

*) E s darf nicht übergangen werden, daß L u d w i g d. Bayer fast wörtlich Stellen aus den Protesten Philipps d. Schönen und seiner R ä t e übernommen hat, und zwar in die Formulierung der Sachsenhäusener Appellationen v o m Mai 1324, vgl. Const. V , 742, Anm. 1 u. 2 und 743, A n m . 1 u. 2, dazu auch die zweite Fassung eb. 752/53. Unter den Übernahmen ist auch der hier abgedruckte und vielleicht staufisch beeinflußte Anfang der Proteste. **) Die Formel für den Appell an ein allg. Konzil, an den zukünftigen Papst u. s. f. stand wohl von jeher fest: F ü r Friedrich I I . vgl. Const. I I , 289 {Schreiben an die Kardinäle, M ä r z — A p r . 1239) u. Const. II, 508 (Appell vor dem Konzil v. L y o n , 1245); f ü r Phil. d. Schönen vgl. Dupuy, 106, 107/08 u. ö. * • * ) Hier liegt vielleicht eine formelhafte Wendung zur Versicherung d e r Glaubenstreue vor, s. auch oben A n m . 42. 4S ) Das Protokoll ist abgedruckt bei Dupuy, 107, und Picot, 4 7 ! , v g l . d i e Gegenüberstellung zu Stellen der Colonna-Denkschriften bei Möhler, 118. Beiheft d. H . Z. 30.

7

— 98 — ersten Satzes an Sätze in dem Protest Friedrichs gegen den Spruch von Lyon erinnert44), die zweite, für die Kardinäle bestimmte, aber fast wörtlich die Captatio benevolentiae mehrerer ebenfalls an Kardinäle gerichteter Schreiben Friedrichs II. wiederholt.48) " ) M a n i f e s t F r i e d r i c h s II. 1245, Juli-Sept., Const. II, 361: E t s i * * ) cause nostre iusticiam vulgaris fame preloquium . . . ad universitatis vestre noticiam perduxisse credamus . . . (Auf. des Manifestes).

M a n i f e s t P h i l i p p s d. Schönen an alle Fürsten Europas 1303, Juli, Dupuy, 124*). E t s i c a t h o l i c a e f i d e i et universalis ecclesiae matris fidelium, sponsae Christi negotium cunctos . . . contingat. . . nos tarnen . . . peramplius tangit. . .

ebd., 362 (2): Nam etsi nos nostre c a t h o l i c e f i dei debito suggerente manifestissime fateamur . . . nusquam tarnen legitur. . . (folgt die Verteidigung der kaiserlichen plenitudo potestatis auf weltlichen Gebiet). *) Das Protokoll ohne die Arenga wurde an alle Stände Frankreichs verschickt, Dupuy, 109f. u. ö. Vom Protokoll in Verbindung mit der Arenga sind verschiedene Fassungen erhalten, Dupuy, 124/125, die Adressen ebd., 126/127, s. unten, 1 2 1 . **) So lautet der Anfang der Enzyklika in der Fassung A und B, s. Const. II, 360/361. B ist die im Briefbuch des P. de Vinea überlieferte (in 2 codices und in der gedr. Sammlung, Buch I, c. 3), an den König von Frankreich adressierte Fassung. S c h r e i b e n P h i l i p p s d. Schö" ) S c h r e i b e n F r i e d r i c h s II. nen an die Kardinäle 1303, Juli 1, an die Kardinäle 1239, März 10, Dupuy, 219: Huill.-Bréh. V, 282***): Cum sit C h r i s t u s c a p u t ecclesie Ineffabilis f) amoris dulcedine sponetin P e t r i v o c a b u l o suam fundasus et c a p u t e c c l e s i a e Dei Filius veritecclesiamsuprapetram, v o s Dominus Iesus C h r i s t u s amplectens a p o s t o l o r u m s t a t u i t successoet prosequens sponsam suam funres, ut P e t r o pro omnibus minid a v i t in P e t r i v o c a b u l o s u p e r p e t r a m eiusdem beato P e t r o apostrante, vos qui estis candelabra ecclesie supra montem, non sub mo- stolorum principi suis que legitimis successoribus cura comissa veneradio constituti, revera omnibus . . . biles Episcopos, Presbyteros et Diáluceatis . . . cum ad singula . . . equa conos Cardinales ipsius c o l u m n a s participacio vos admittit. . . Eccl. f i d e i c a r d i n e s e t A p o s t o l o r u m c o n s t i t u i t successores. ***) Petr. d. Vinea I, 6. t) Mit den gleichen Worten beginnt die berühmte Bulle Bonifaz' V I I I . gegen den französischen König von 1296 Sept. 2 1 : „Ineffabilis amoris dulcedine" Reg. Bon. nr. 1653.

— 99 — Als den Verfasser der Protokolle muß man sich Wilhelm von Plaisian denken, denn dieser, nicht Nogaret, der seit März im Auftrage des Königs in Italien weilte, ist die Seele der Aktion Schreiben F r i e d r i c h s II. an die Kardinäle 1239, Juni *), Huill.-Bréh. V, 350: vos, qui estis Ecclesie fundamenta, c o l u m n e , rectitudinis assessores, Petri urbis senatores et Orbis c a r d i n e s , non flexistis . . .

S c h r e i b e n P h i l i p p s d . Schönen an die Kardinäle 1303, Juli 1, Dupuy, 126: Ineffabilis [usf., wie oben] . . . s u p r a p e t r a m v o s q u e ipsius c o l u m n a s ecclesiae f i d e i c a r d i n e s et A p o stolorum constituit successores.

S c h r e i b e n F r i e d r i c h s II. an die Kardinäle 1239, März (?) **) Const. II, 289: . . . coram vobis, qui positi tamquam luminaria super montem lucetis in gentibus et velut f i d e i c a r d i n e s regitis domum Dei . . . *) Dies Manifest existiert in 2 Fassungen: Winkelmann, Acta I, 3 i 4 f f . , und die oben zitierte bei Huill.-Bréh., vgl. Graefe, 43 ff. Beide sind als Antwortschreiben auf die große Schmähschrift Gregors I X . „Ascendit de mari bestia" gedacht. Beide enthalten diese auf die Kardinäle bezügliche Stelle. Die von Huill.-Bréh. gedruckte weitere Fassung bei P. d. V. I, 3 1 . **) Von Huill.-Bréh. falsch datiert (1247!), vgl. Reg. Imp., nr. 2428. Das Schreiben Philipps an die Kardinäle ist in 2 Fassungen erhalten, einer ausführlicheren, die aufgenommen wurde in einen in Rom aufgenommenen Notariatsakt (Dupuy, 219) und einer verkürzten (Dupuy, 126). Um die Frage, ob es sich bei diesen sprachlichen Übereinstimmungen um bewußte Anlehnung handelt, ist eine scharfe Kontroverse zwischen Sägmüller und Wenck entstanden (ausgehend von S.sBuch: Die Tätigkeit und Stellung der Kardinäle bis Papst Bonifaz VIII., Freiburg 1896, 219, 213, 237, sind die wichtigsten Äußerungen: S. in Theol. Quart.-Schrift 80, 1898, 612, und Wenck in Gött. Gel. Anz. 1900, I, i68ff.). Die Behauptung, daß die beiden Schreiben unabhängig voneinander seien und nur in der Verwendung der gleichen Bibelstelle übereinstimmten, hat W. insofern zurücknehmen müssen, als nach dem Hinweis S.s auch die Auslegung der Stelle in Petri vocabulo fundare gemeinsam ist. Trotzdem besteht W. darauf, daß es sich hier ebensowenig wie bei dem Atisdruck apostolorum successores um ein sprachliches Sondereigentum der beiden Herrscher handele, sondern um Gemeingut, wie- denn für diesen letzten Ausdruck S. selbst den Ägidius Romanus als Zeugen angeführt hatte (gerunt vices apostolorum, vgl. S. in seinem gen. Buch, 214). Außerdem gehen nach W. die Schreiben Friedrichs und Philipps (dieses in der weiteren Fassung) entscheidend in der Auffassung des Verhältnisses von Papst und Kardinalskollegium auseinander. Bei Friedrich erscheine „Petrus als der Mandatar der Apostel, der Papst folgerichtig nur als der Geschäftsführer der Kardinäle"; bei Philipp jedoch stehe

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vom J u n i 1 3 0 3 gewesen. ) Nachdem er mit mehreren französischen Adeligen am 1 3 . Juni dem König schwere Anklagen gegen Bonifaz und die Bitte um Schutz der Kirche und Einberufung eines Konzils vorgetragen hatte, brachte er am nächsten Tage seine Anklagen, die er tags zuvor schon mündlich dargelegt hatte, nochmals vor, diesmal aber, wie das Protokoll ausdrücklich hervorhebt, aus einem Blatt, das er in der Hand hatte, und das die Anklagen in 29 Punkten formuliert enthielt. 47 ) E s ist anzunehmen, daß auch die anderen Reden und Entschließungen dieser Versammlung im Wortlaut von Plaisian stammen. 48 ) dem Petro pro omnibus ministrante der apostolorum princeps gegenüber und von einer equa participacio sei nicht die Rede (Wenck, a. a. O., 170). Es sei doch nicht wahrscheinlich, daß Ph. und seine Räte bei ihrem geharnischten Vorgehen gegen Rom eine Vorlage im Ausdruck abgeschwächt hätten. Dazu ist zu sagen, daß man die einzelnen Ausdrücke vielleicht nicht so stark werten darf, wie den allgemeinen Tenor der Schreiben, der die gleiche Absicht der Schreiber in gleicher Deutlichkeit erkennen läßt, nämlich die, die römischen Kardinäle durch Schmeicheleien über ihre Stellung und die Notwendigkeit ihrer Mitarbeit in der päpstlichen Regierung, für ihre Herrscher zu gewinnen, Schmeicheleien, die auch als Versprechungen aufgefaßt werden konnten. Sieht man außerdem die Übereinstimmungen im Ausdruck nicht vereinzelt, sondern im Zusammenhang der literarischen Abhängigkeit, die hier schon für einen Teil der politischen Schriften stellenweise nachgewiesen werden konnte, so wird Entlehnung für das Schreiben Philipps an die Kardinäle wahrscheinlich, wenn nicht sicher. 46 ) Vgl. Holtzmann, Nogaret, 56, Möhler, a. a. O., 1 1 7 . Über d. Leben Pl.s vgl. E . Renan, Guillaume de Nogaret in: Politique réligieuse, 150 ff., und A. Henry in: Le moyen âge 5, 1892, 92 ff. 17 ) Dupuy, 102, Picot, a. a. O., 36: et legit, prout in quadam cedula quam tenebat in manibus, continetur... 4a ) Finke, Bonifaz VIII., 231, meint zwar, die Formulierung entstamme dem Geiste Nogarets, da Plaisian selbständig als Schriftsteller nicht hervorgetreten sei. Dagegen läßt sich mit Holtzmann vorbringen, daß Plaisian, sicher mit Einverständnis des Königs, die Forderungen Nogarets bedeutend abgeschwächt habe, wohl um die Zustimmung der Geistlichkeit zu gewinnen (S. 57) und mit Möhler, daß die 29 Anklagepunkte gegen den Papst wahrscheinlich am 13. Juni, dem ersten Versammlungstage, noch nicht formuliert waren, die schriftliche Fixierung also erst nach der ersten Sitzung erfolgt sein kann, wodurch es leicht erklärlich ist, daß PI. die Punkte ablas (Möhler, 117). Gegenüber den 4 Punkten N.s stehen jetzt die 291 Plaisians, vgl. auch die Stilunterschiede der März- und der Junirede, Holtzmann, a. a. O., Exkurs III, S. 244. Gegen die Selbständigkeit Pl.s, wendet sich, ohne die Ausführungen Holtzmanns und Möhlers zu beachten, nur gestützt auf das Urteil Renans (Hist. Litt. 27, 374), Rivière, Le problème de l'église . . ., 127.



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Daß die Formulierung im Einverständnis mit Nogaret geschah, d. h. in dem Geiste, der von jetzt an die Politik des Königs bestimmen sollte, beweist die enge Zusammenarbeit Plaisians mit Nogaret in der ganzen Zeit des Prozesses gegen das Andenken Bonifaz' und in der Templerangelegenheit, ist aber im Anfangsstadium des Kampfes vor allem dadurch gesichert, daß beide Ritter ja in gleicher Weise dem Einfluß der Colonna unterlagen. Obwohl nun gerade durch den Umstand, daß die beiden Legisten bis in die Formulierung ihrer Beweise und Anklagen ihre literarische Abhängigkeit von den Colonna verraten, der persönliche Stil der beiden etwas verdunkelt wird, ist es Holtzmann trotzdem gelungen, die sprachlichen und stilistischen Verschiedenheiten herauszuarbeiten. Die Hauptmerkmale sind danach der Reichtum an biblischen Wendungen und Bibelzitaten und die straffe Disposition des Stoffes bei Nogaret, der Mangel an beidem bei Plaisian.49) Die Unterschiede springen ins Auge, wenn man die Rede Nogarets im Staatsrat des Jahres 1303 mit der Rede Plaisians auf der Reichsversammlung vom Juni des gleichen Jahres vergleicht.50) Offenbar wurden die Rollen vom König später verteilt mit Rücksicht darauf, daß Philipp Nogaret, der ja doch in den Augen des Papstes aufs stärkste belastet war, nicht direkt mit diesem unterhandeln lassen wollte, er andrerseits aber doch gerade die eindrucksvolle, zugleich verwegene und pathetische Rede dieses Mannes bei wichtiger Gelegenheit nicht missen wollte.51) Die außerordentlich geschickte Verwendung der Bibelsprache reiht manche seiner literarischen Ergüsse neben politische Manifeste der staufischen Kanzlei. Nogaret führt auch wohl das Wort in den gemeinschaftlich mit Plaisian erlassenen Verteidigungs«) A. a. Ort. i0 ) S. Anm. 48. So hat Holtzmann, (Nogaret, Exkurs III, 244), sogar erkennen können, daß die Rede Plaisians auf dem Konsistorium zu Poitiers (1308) von Nogaret verfaßt war. Eine zweite Rede Plaisians wurde bisher für ein Produkt der Feder P. Dubois', d. h. ein fingiertes Schreiben dieses Publizisten an den Papst gehalten, vgl. Boutaric, Notices, 170. Dagegen ist jetzt dieses vermeintliche Schreiben (Boutaric, a.a.O., 182 ff.) als eine von Plaisian an den Papst gerichtete Aufforderung zu einer eindeutigen Antwort in der Templerangelegenheit bestimmt worden, vgl. H. Finke, Papsttum und Templerorden I, Münster 1907, 208, und Lizerand, 125, Anm. 2. Auch hier ist es wahrscheinlich, daß N. seinem Kollegen das Material geliefert habe, vgl. Finke, a. a. O. Scholz (369, Anm. 17) erkennt die Hand N.s an den Ähnlichkeiten mit anderen Schriften N.s, z. B . dem Berufungsschreiben zum Konzil von Tours, s. auch Holtzmann, Nogaret, 151, bes. Anm. 2. Vgl. auch unten, 105, Anm. 6 1 . 51

) Holtzmann, 245.



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und Anklageschriften während des Prozesses gegen das Andenken Bonifaz VIII.52) Er dominiert als Persönlichkeit so stark, daß man ihn außer an der Bibelsprache, die er den Beispielen zufolge ohne Zweifel an dem staufischen Briefmaterial geschult, dazu aber auch dem kurialen Stil angeglichen hat, an einem gewissen scharfen und prägnanten Ausdruck, an ironischen und drohenden Wendungen herauserkennen kann.53) Trotzdem werden aus der großen Anzahl anonymer Denk- und Anklageschriften, die in der Prozeßangelegenheit in die Welt hinausgingen, einige mit Unrecht dem Siegelbewahrer des französischen Königs zugeschrieben, nämlich solche, die persönliches Anklage- und Beschwerdematerial der Colonna enthalten. Auf der anderen Seite muß aber auch die enge Zusammenarbeit der Kardinäle mit den französischen Geschäftsträgern in Rechnimg gestellt werden. Aus dem Kreise der Denkschriften, die nach dem Tode Bonifaz' VIII. erschienen, seien hier nur noch wenige, die theoretische Seite des Kampfes berührende genannt. Nach dem Tode Bonifaz' VIII., den die Welt sicher nicht mit Unrecht auf die seelische Erschütterung durch die furchtbare Tat von Anagni schob, mußte die Lage des Königs bei seinen Anhängern und Ratgebern große Besorgnis hervorrufen. Denn die Empörung über das Attentat an dem höchsten Beherrscher der Kirche richtete sich auch gegen den König selbst und gewann nicht nur bei den Freunden der Kirche, den Bischöfen und Prälaten des Königreiches, sondern auch bei den Anhängern des Königs selbst an Boden. Auf diese Situation spielt eine Mahnschrift an54), deren Verfasser kein andrer sein kann als Nögaret selbst.55) Sie ist interessant wegen der propagandistischen Mittel, 52 ) Renan, Politique, 152; vgl. die von beiden gemeinsam verfaßten Schriften in dem Verzeichnis bei Renan, Politique, 235 f. 5")

Vgl. die Charakteristik bei Renan, Politique, 248. Boutaric, Notices, 150 ff. 55) Die Verfasserschaft dieses Schriftstückes ist umstritten. Boutaric, der sie abdruckt (s. Anm. 54), möchte sie dem Wilhelm von Nogaret zuschreiben, da nach seiner Meinung dieser allein das Recht hatte, sich unmittelbar neben dem König als Mittäter zu nennen, von dem gesagt wird, daß er wegen des Attentats von Anagni ebenso wie der König ein unruhiges Gewissen haben müsse: existimant eciam ipsum meque non omnino quietam e t pactam habere conscienciam erga Deum (a. a. O., 151). Dies bestreiten E . Renan, Pierre Dubois, in: Politique riligieuse, 311, Holtzmann, Nogaret, 117, n. 2, und besonders Scholz, a. a. O., 388. Scholz und Renan treten für die Autorschaft Dubois' ein, Scholz meint sogar, daß Dubois möglicherweise schon ein Schriftstück der Art, wie sie die Mahnschrift empfiehlt, bereitgehalten habe (s. Exkurs I): „wenn man unter dem M)

— 103 — die dem König angeraten werden, um seine Ehre und seinen Ruf aus dieser Gefahr zu retten. Vorgeschlagen wird nämlich in dieser Denkschrift die Abfassung einer Flugschrift aus Zeugnissen alter Schriften (testimonium scripturarum antiquarum et fidelium), die Huillard-Bréholles auf die im Trésor des Chartes befindlichen Manifeste Kaiser Friedrich II. deuten wollte.56) War hier das eigentliche Mittel, den Ruf des Königs wieder herzustellen, der Ketzerprozeß gegen den verstorbenen Papst, nur in dunklen Worten angedeutet, so setzt Nogaret sich in einer anderen Mahnschrift kurz nach der Wahl Clemens' V. (1305) mit allen Kräften dafür ein, nachdem er selber schon in seinen verschiedenen Apologien dem Nachfolger Bonifaz' mit dem Damoklesschwert eines solchen Prozesses gedroht hatte.57) Diese zweite Mahnschrift ist ein Meisterstück der Nogaretschen Feder durch die scharfe Disposition und logische Abfolge der Gedanken, durch die Klarheit, mit der er die politische Lage zeichnet und die Eindringlichkeit, mit der er den König an seine Pflichten gegenüber Glauben und Kirche mahnt und mit dem Los glaubensfeindlicher Fürsten schreckt.58) Das Typische der Sprache Nogarets, die Bilder und Zitate aus der Schrift und den Vätern sind hier auf das zum Beweis Nötige beschränkt. Hier spricht er durchaus seine eigne testimonium scripturarum ein politisches Manifest verstehen will", so darf man „diese Worte auf eine bestimmte, noch erhaltene Flugschrift Dubois' beziehen" (S. 390). Scholz denkt da an ein nach dem Tode B.' erschienenes Pamphlet Dubois' 1 Supplication du pueble de France au roy contre le pape Boniface le V I I I e (s. unten, 107). Nun könnte dem Inhalt und dem Stil nach Dubois sehr wohl der Verfasser sein. Die „Geheimnistuerei und Anpreisung wirksamer politischer Mittel" (Scholz, 390) sind ja für ihn charakteristisch. Der Inhalt der Supplication aber scheint mir der Forderung der Mahnschrift in keiner Weise zu entsprechen. Gegen die Verfasserschaft Dubois' spricht m. £ . nach sehr ernsthaft das meque. Hier müßte man doch an einen Ratgeber des Königs denken, der ihm nahestand und mit ihm die Verantwortung trug. Auch ist meque nicht, wie Renan meinte, ein Lesefehler. Obwohl manche Einwände ihre Berechtigung haben, scheint mir die Verfasserschaft Nogarets auch deshalb nicht unmöglich, weil die consciencia auch sonst in seinenVerteidigungsschriften eine große Rolle spielt. Vgl. auch Langlois in der Introduction zu P. Dubois, De recuperatione terre sancte, X , n. 2 : II faut rayer également de la liste une curieuse pièce que M. Renan est seul ( !) à attribuer à Dubois. Boutaric, qui l'a publiée le premier, l'attribue avec plus de raison à Nogaret, s. auch J . B. Schwab in Theologische Quartalschrift 1866, 23—29, und Wenck, 61, Anm. 2. M

) S.Exkurs I. •') Diese 2. Mahnschrift steht bei Holtzmann, Nogaret, Beil. II, 253 f f . »•) S. oben, 53 ff.

— 104 — Sprache, während in den nun folgenden Manifesten wieder der sizilisch-kurialistische Stil durchbricht. Das eine, Begrüßungsschreiben des Königs an Papst Benedikt XI. zu seiner Thronbesteigung, erinnert in der Feierlichkeit der Sprache, in der Fülle der biblischen Bilder und der wirkungsvollen Anwendung von Schriftstellen an das Jerusalemmanifest Kaiser Friedrichs II. mit dem es mehrere Wendungen und Zitate gemeinsam hat.59) Ob Kanzleiarbeit oder von Nogaret stilisiert: jedenfalls hat der Verfasser seine Sprache an dem Briefbuch des Petrus de Vinea geschult. Ebenso verhält es sich mit den großen politischen Manifestationen, die in der Templerangelegenheit die Öffentlichkeit überzeugen sollten, dem Berufungsschreiben zur Ständeversammlung von Tours, die in dieser Sache beschließen sollte60), und den beiden 49

) Dies Begrüßungsschreiben von 1304, Febr. 15, ist gedr. bei Dupuy, 205, übersetzt von P. Funke, Benedikt X I . , Münster 1891, 64 ff. Mit dem Jerusalemmanifest (Const. II, 163 ff.) hat es zunächst schon auf den flüchtigen Blick die in Worten der Bibel ausgedrückte Jubelstimmung über den Wechsel gemeinsam, den Gottes Güte über die bedrängte Menschheit durch ein plötzliches Wunder heraufgeführt hat. Der Anfang des Jer.-Man. „Letentur" wiederholt sich in dem Begr.-Schr. Philipps in einer Reihe sich folgender Sätze. Dieses Schreiben beginnt außerdem mit einem Lukaszitat, der Lobpreisung des Zacharias: visitavit et fecit redemptionem . . . (Luc. I, 68, 69), das in der von Roger v. Wendover überlieferten Fassung des Jer.Man. ziemlich am Schluß noch einmal die Freude über das Wunder zusammenfaßt (Const. II, 166, rechte Spalte, Z. 34 ff.). Aber auch mit einem andern Manifest Friedrichs II. hat das Schreiben Philipps Verwandtschaft, die auch schon durch den Inhalt gegeben ist, nämlich dem, mit dem seinerzeit Friedrich II. die Thronbesteigung Gregors I X . begrüßt hatte (1243 Juli, Huill.-Bréh. VI, 101 ff.). In beiden Schreiben wird geschildert, wie die Christenheit im Schiffchen (navicula), unkundig der Richtung hin und her geschwankt habe, wie die Kirche ihre Witwenschaft (viduitas) beklagen und innúmeras oppressiones ertragen mußte, ehe ihr Trost (consolatio) wurde. Zu bemerken ist dazu, daß, allerdings nach der sehr unbestimmten Angabe Huill.-Bréh. (a. a. O., 101), verschiedene Codices der Bibl. Nat., wohl des P. d. V., das Begr.-Schr. Friedrichs enthalten. In die gedruckte Sammlung wurde es nicht aufgenommen. 60 ) Gedr. von Kervyn de Lettenhove in Mém. Ac. Belg., 25, 1850, 26, nr. 10; ferner bei Boutaric, Notices, 163—165, bei Picot, Doc. rel. aux états généraux. . 490/91, und neuerdings bei Lizerand, 102 ff. (mit Übersetzung ins Franz.). Deutsche Übersetzung bei Holtzmann, Nogaret, 151 ff. Anfangsworte: „Semper progenitores nostri". Das Schreiben war wohl auch von Nogaret, s. Holtzmann, a. a. O., 1 5 1 , Anm. 2. Merkmale sind die von Nogaret so geliebten Bibelzitate, Gemeinsamkeit des Aufbaus mit der Rede N.s vom 12. März und die frappierende Ähnlichkeit des Schlusses mit einer Wendung dieser Rede.

— 105 — ersten Reden, die Wilhelm von Plaisian auf den Konsistorien von Mai und Juni vor dem Papst zu Poitiers gehalten hat und die ebenfalls Nogaret zugeschrieben werden können.61) Wegen der großen Wirkungskraft ihrer Sprache, z. B. wenn die Greueltaten der Templer ausgemalt werden, und wegen des Pathos, mit dem die Stellung des Herrschers erhöht wird bis zur Vergottung, ist schon früher die Sprache des Berufungsschreibens mit dem Stil des Petrus de Vinea verglichen worden.62) Die Auffassung des Gottesgnadentums und der Herrscherpflichten gibt diesen Dokumenten außerdem noch inhaltliche, ja prinzipielle Bedeutung, während die Anklage- und Verteidigungsschriften Nogarets aus diesen Jahren, die in erdrückender Anzahl vorliegen, nur einen geringen Beitrag zu den uns hier beschäftigenden Problemen liefern. Sie sind von ermüdender Langatmigkeit und wiederholen in immer neuen Wendungen die Gründe für die Ereignisse von Anagni, die Unschuld der Beteiligten und den Eifer für die Kirche, während die späteren Flug- und Denkschriften die Berechtigung und Notwendigkeit des Häresieprozesses gegen das Andenken Bonifaz VIII. durch Erweiterungen und Ergänzungen des Anklagematerials verteidigen und die Berufung eines allgemeinen Konzils fordern.63) Trotz gelegentlicher Äußerungen, die die prinzipielle Einstellung zu den staatstheoretischen Fragen beleuchten, verdient aber nur 4 1 ) S. oben, Anm. 50. Holtzmann (Nogaret, Exkurs III) kann für die erste Rede (Mai 1308) seine Untersuchung nur auf eine nicht immer wörtliche Wiedergabe begründen, die in der Chronik von St. Albans, d . h . in: Guill. Rishang. Annales reg. Edw. I, Fragm. I I I , ed. Riley, 492—97 (Rer. Brit. S S . X X V I I I , 2, London 1865), überliefert ist. Eine Analyse der Rede fand dann H . Finke in dem Bericht des Johannes Burgundius an J a y m e II. v. Aragon, den er abdruckt in „ P a p s t t u m und Templerorden", II, i 4 o f f . Ebenda (S. 1 3 5 ff.) auch d. Entwurf der Rede, vielleicht von Nogarets Hand, aus dem Très. d. ch., J 413, Nr. 37, den auch Lizerand, a. a. O., 1 1 0 ff. im Urt e x t und franz. Übersetzung abdruckt. Die zweite Rede vom 14. Juni 1308 (Lizerand, 125 ff. mit franz. Übersetzung und Boutaric, Notices, 182 ff.) trägt trotz einer für P. Dubois charakteristischen Wendung den Charakter des Nogaretschen Stils, vgl. oben, 1 0 1 , Anm. 50. 6 2 ) Huill.-Bréh., Pierre, 234. Mit Recht stellt Huill.-Bréh. an dieser Stelle (Anm. 1) auch ein Schreiben aus einem ganz andern Kreis stilistisch in die gleiche Reihe, nämlich ein Memorandum, das im Namen der französischen Geistlichkeit das Generalkapitel des Zisterzienserordens an Bonifaz V I I I . richtete (1296), veröffentlicht von Kervyn de Lettenhove in Mém. Ac. Belg., 25, 1850, 22, nr. 7, u. 28, 1854, I 5 ( s - oben, 18).

•*) Vgl. die Aufzahlung bei Renan, Politique, 232, und die Ergänzung bei Holtzmann, Nogaret, z. B. für die Schriftstücke des Jahres 1304, allein 15 Stücke vom September dieses Jahres.



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die eine Anklageschrift vom Herbst 1310, von Nogaret und Plaisian gemeinsam verfaßt, Erwähnimg.64) Vor allem wegen des amtlichen Materials, das hier über die Stellung und die Rechte der Ecclesia gallicana beigebracht wird. Auch unter den anonymen Schriften ragen nur wenige durch ihren amtlichen Charakter hervor Nach der Versammlung vom 13./14. Juni zu Paris, die die bekannten Beschlüsse und Beschwerden zutage förderte, schickte Philipp den Prior Petrus de Peredo nach Rom, um seine Klagen vor Bonifaz zu bringen. Als der Prior nach Rom kam, war Bonifaz schon nicht mehr am Leben, und der Gesandte des Königs konnte seine Klagen nun nur noch dem Nachfolger vortragen. Sie betreffen einmal die allgemeinen Schäden der Kirche, wie die Verweltlichung der Priester und die absolutistischen Tendenzen der Kurie, die Ubergriffe in das Gebiet der weltlichen Hoheitssphäre; auf der anderen Seite die besonderen Schäden, gravamina, der gallikanischen Kirche.65) Diesem inhaltlich interessanten Stück gegenüber haben die Denkschriften, die die Colonna nach dem Tode ihres Todfeindes wegen ihrer Wiederherstellung an den französischen König richten, und die Anklageschriften gegen das Andenken Bonifaz66) nicht die prinzipielle Bedeutung der ersten Manifeste aus dem Jahre 1297, die eine Eingabe des Jahres 1304 ausgenommen, der nach den Worten Möhlers etwas von dem Charakter der amtlichen publizistischen Literatur eignet.67) Neben diesen offiziellen Vertretern der antipäpstlichen Politik muß doch noch eine Persönlichkeit zu Worte kommen, die zwar in erster Linie als typischer Vertreter der königstreu gesinnten Beamten- und Juristenkreise gelten muß, aber auch zweifellos mit den politischen Projekten der Regierung so weit vertraut war, daß seinen Schriften der amtliche Charakter nicht ganz fehlt. Wohl möglich, daß ihn der König oder seine Ratgeber **) Dupuy, 317—324; dazu Holtzmann, Nogaret, 190 f. ) Dupuy, 210—214, r 3°3 Okt. 6, dazu Holtzmann, Nogaret, 114. •') Vgl. Möhler, 122 ff. Er behandelt gesondert die Gruppe der Anklageschriften, den Entwurf zu einer Denkschrift, 3 Denkschriften an Philipp den Schönen, eine größere Abhandlung über die Unrechtmäßigkeit des Papsttums Bonifaz' VIII.; dazu auch Scholz, a . a . O . , 354, n. 3, der für 3 Schriftstücke an den Kardinal Peter Colonna als Verfasser denken möchte. Unter diesen 3 Stücken ist auch das Verhaftungsdekret gegen die Templer vom 14. Sept. 1307, jetzt bei Lizerand, a. a. O., 16 ff. mit französischer Übersetzung. Aus der Stilähnlichkeit dieser Stücke, die Scholz zu der Annahme eines gemeinsamen Verfassers aus dem Colonna-Kreise veranlaßt, schließt Scholz, daß die Kardinäle möglicherweise auch auf die Templeraffäre Einfluß hatten. ,7 ) Dupuy, 225—227; dazu Möhler, 130. ts

— 107 — manchmal als Wortführer gebrauchten, weil man in ihm ein geschicktes Organ zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung sah — gemeint ist die Publizistik des Pierre Dubois.88) Seine Verfasserschaft ist für zwei umfangreiche Abhandlungen und neun kleinere politische Flugschriften fast einwandfrei festgestellt, und seine Art und sein Stil wie auch seine Ideen von Forschern wie Boutaric, Renan, Langlois und Scholz erschöpfend charakterisiert. Hier wäre nur noch zu sagen, daß Dubois, wie er seine eignen sehr originellen Ideen entwickelt, so auch eine sehr individuelle Feder führt, die zwar Spuren der logisch-dialektischen Schulung verrät, aber sonst aus dem scholastischen Rahmen der zeitgenössischen Traktatenliteratur herausfällt.69) Im Unterschied zu Nogaret teilt er seinen Stoff nicht scharf ein und gibt seiner Sprache nicht den biblischen Klang, der die Schriften jenes so stark färbt, wenn auch häufige Zitate aus der Bibel, den Kirchenvätern, dem kanonischen Recht den Inhalt beleben. Mit dem beliebten Kanzleistil italienischer Herkunft, wie ihn die Colonna wahrscheinlich der französischen Kanzlei mit dem Hinweis auf das Briefbuch des Petrus de Vinea übermittelt haben, zeigt der Stil Dubois' jedenfalls nicht die geringste Verwandtschaft. — Zu den politischen Kämpfen des französischen Königs mit der Kurie hat Dubois mehrere Male die Stimme erhoben. Das erste Mal mit einer Denkschrift, „Deliberatio super agendis", die gegen die falsche Bulle „Scire te volumus" lauten Protest erhebt und den königlichen Standpunkt mit aller wünschenswerten Deutlichkeit klarlegt70), das zweite Mal in einer französisch verfaßten Bittschrift, in der er sich zum Sprecher des ganzen Volkes macht und den König darum angeht, vor aller Welt zu erklären, daß Bonifaz ein Ketzer gewesen sei.71) Beide Bittschriften sind zweifel48) Über ihn vgl. vor allem die Monographie von Renan, hier benutzt in der Sammlung Politique réligieuse, 253—381; kürzer bei Scholz, 375 ff., wo auch die Literatur, allerdings nur bis zum Jahre 1903, verzeichnet ist. An wichtigeren Darstellungen erschien seitdem aber nur: E. Zeck, Der Publizist Pierre Dubois, Berlin 1911, und eine kurze Charakteristik seiner Schriften und Gedanken bei Rivière, Le problème de l'église et de l ' é t a t . . . 342 ff. und passim. Verzeichnis seiner Schriften bei Renan, a. a. O., 289 ff.

•*) Vgl. Renan, a. a. O., 257 und 378. ?0) Dupuy, 44— 47 : Deliberatio super agendis a Philippo IV. Francorum rege contra epistolam Bon. V I I I . . . „Scire te volumus". Es scheint, daß Renan (a. a. O., 362) die Möglichkeit nicht von der Hand weist, Dubois selbst sei die Redaktion der Bulle und deren Antwort zuzuschreiben, s. unten, 124, Anm. 124. 71 ) Dupuy, 214—219: L a Supplication du peuble de France au roy contre le Pape Bon. V I I I ,s. oben, Anm. 55.



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los die getreuen Dolmetscher einer Stimmving, die in weiten Volkskreisen verbreitet war und die in der Ständeversammlung vom April 1302 ihren offiziellen Ausdruck gefunden hat. Daneben geben sie die politischen Ideen der amtlichen Publizistik getreulich, wenn auch in populärer Fassimg und Begründung wieder. So stellt sich die Publizistik Philipps des Schönen aus der Zeit seiner Kämpfe mit der Kurie dar als eine Musterkarte von außerordentlicher Buntheit, der die Persönlichkeiten selber nicht weniger als die von ihnen vertretenen Interessen inhaltlich wie formal die besonderen Farben verliehen haben. Ein Gemeinsames fehlt aber auch hier nicht und ist nicht nur beschlossen in der — wie anfangs erwähnt — letztlich vom König ausgehenden politischen Richtung, sondern in dem Geist patriotischer Gesinnung und dem Streben nach nationaler Konsolidierung, das dem Frankreich Philipps des Schönen sein eigenes Aussehen verleiht.

3. J U R I S T E N IM D I E N S T D E R PUBLIZISTISCHEN TÄTIGKEIT. Die Ziele, die die Politik Philipps von Frankreich verfolgte, und die Gesinnung, die ihm aus bestimmten Kreisen des Volkes antwortete, waren gewiß nicht neu, sondern hatten sich allmählich und folgerichtig entwickelt während der Regierung seiner Vorgänger Philipp August und Ludwigs IX. Daß sie aber in einer Publizistik zum Ausdruck kamen, die einmal wissenschaftlich auf der Höhe der Zeit stand, daneben aber auch der praktischen Politik dienen konnte, dafür lag der Grund in der neuen Bildung und in dem neuen Stand, denen jene Männer erwachsen waren, die dem König in seinem Streit zur Seite standen. Scholz hat bemerkt, daß die Publizistik Philipps des Schönen schon in der äußeren Form von ihren Vorgängern aus dem 11. und 12. Jahrhundert abweicht.72) Denn auch in die politische Literatur ist die neue Wissenschaftsmethode gedrungen, die seit dem Wirken Abälards als Dialektik das Denken beherrschte. Während diese Methode aber fast ausschließlich den aus privater Arbeit hervorgegangenen staatstheoretischen Traktaten zugute gekommen ist, wurde sie für die amtliche Publizistik nur indirekt von Bedeutimg, insofern sie die Schärfe und Freiheit der Gedanken förderte. Dagegen übte die Jurisprudenz, das zweite wichtige Moment der geistigen Entwicklung, einen weit größeren Einfluß aus, und 72

) A. a. o., 22.

— 109 — zwar dadurch, daß sie Anstoß und Inhalt wurde eines neuen Berufes und eines neuen Standes. Aber auch diese Entwicklung liegt in ihren Anfängen viel weiter zurück, wenn sie auch in der Zeit und in dem Lande Philipps besonders kräftig blühte. Sie hat ihr Geburtsland in Italien, und zwar, soweit ihre theoretische Vorbereitung und Voraussetzung in Frage kommt, wie genugsam bekannt, in Bologna, soweit es sich aber um die praktische Verwertung ihrer Grundsätze im größeren Rahmen einer staatlichen Organisation handelt, im sizilischen Königreich Friedrichs II. Der juristische Geist, wie er durch das Studium des römischen Rechts geweckt worden ist, hatte zwar schon in der Kirche einen günstigen Boden gefunden.73) Wirklich frei entfalten aber konnte er sich dem Geiste des Jahrhunderts gemäß nur in einem Laientum, das den Kampf aufnehmen konnte mit den mittelalterlichen Gewalten, dem Feudalismus und der Kirche. Die Voraussetzung dazu war ein Staatswesen, das diesen Kampf schon aufgenommen hatte, als es seine Verwaltung und seine Mittel zu zentralisieren und zu rationalisieren begann. An dieser Rationalisierung des Staatsbetriebes hatte nun — wie besonders an der Entwicklung des sizilischen Rechts- und Verwaltungswesens nachgewiesen werden kann — gerade das römische Recht den stärksten Anteil.74) Und so war ganz besonders in dem sizilischen Königreich, wo schon die normannischen Vorfahren Friedrichs die antifeudale Richtung eingeschlagen hatten, das Wirkungsfeld für diesen neuen juristischen Geist bereitet.76) 7S ) Mit der Einsicht, welchen ungeheuren Nutzen das römische Recht als geschriebenes Recht dem Staate zu leisten vermag, war Barbarossa vorangegangen, vgl. K . Hampe, Deutsche Kaisergeschichte, 2. Aufl., 1912, 138 ff., wo auch die übrige Literatur. — Aber noch maßgebender war das Beispiel der Kurie. Die Kodifikation der kirchlichen Rechtssatzungen in Verbindung mit dem Gedanken der Verwirklichung der päpstlichen plenitudo potestatis, wie sie im Geiste eines Innoceoz I I I . gewachsen war, bedeutet auch Anknüpfung an die altrömische Kaiseridee. Und die staatsrechtlichen Grundgedanken des ius Romanum spielten auch eine Rolle bei der Konsolidierung des Kirchenstaates. Darum rechnet Kantorowicz Innocenz III. mit Recht unter die geistigen Ahnen Kaiser Friedrichs I I . (S. 45). Über die Einwirkung des römischen Rechts auf die Kirche im obigen Sinne vgl. außer Gierke, Genossenschaftsrecht III, 566 ff. auch die Arbeit von H. v . Schubert, Der Kampf des geistlichen und weltlichen Rechts, Heidelberg 1927, bes. 34. , 4 ) Vgl. O. Hintze, Weltgeschichtliche Bedingungen der Repräsentativverfassung in H . Z. 143, 1931, 46.

Über die Rolle des römischen Rechts in der Gesetzgebung der vorstaufischen Zeit vgl. H. Niese, Die Gesetzgebung der normannischen D y nastie im regnum Siciliae, Halle 1910, bes. 88 ff.

— 110 — Bei der Neuordnung des sizilischen Staates und den Versuchen, ihr System auch im Imperium durchzusetzen, wird dieser neue Geist nach zwei Richtungen hin von Friedrich II. geleitet und verbreitet. Einmal fließt er ein in die Sprache seiner Kanzlei und verleiht ihr durch eine Reihe von Formulierungen und Apostrophierungen, die sich stark an solche des altrömischen Kaiserrechts anschließen, einen neuen weltlichen Charakter und in ihrer Handhabung ein Mittel, der Kirche ebenbürtig gegenüberzutreten.76) Umwälzende Bedeutung innerhalb der staatlichen Entwicklung kommt aber den umfassenden Maßnahmen der kaiserlichen Regierung zu, durch die Laien aus bürgerlichen und adligen Kreisen nach wohldurchdachter juristischer Berufsvorbildung für die Arbeit am Staate gewonnen wurden. Auf der neugegründeten Universität Neapel war das Studium, das im wesentlichen . findet man übrigens auch Zitate aus d. röm. Recht, deren Anwendung Kantorowicz vielleicht auch als JustitiaK u l t ansprechen würde (s. oben, 110, Anm. 76), vgl. z . B . die Bittschrift in der Templerangelegenheit bei Lizerand, a. a. O., 98. 103 )

Renan, Politique, 8.

— 117 — sehen Einflußkreis, denen die Verfasser entstammten, läßt sich die Öffentlichkeit, für die sie bestimmt war, außer mit geographischen Bestimmungen nur ganz schwer näher umschreiben. Eine große Öffentlichkeit gab es im Mittelalter im allgemeinen noch nicht. Nur selten wurde sie durch besondere Angelegenheiten von allgemeinerem Interesse geschaffen. Und auch dann wurden aus den bekannten Gründen der allgemeinen Wirtschaftsund Verkehrsverhältnisse nur bestimmte geschlossene Lebensgemeinschaften, wie Städte, Klostergebiete usf., das flache Land oft gar nicht ergriffen.104) Allerdings hat sich der Kreis der Leser seit der ersten großen publizistischen Welle des Mittelalters sehr vergrößert. Wandte sich die Publizistik während des Investiturstreites fast ausschließlich an Kleriker und Mönche105), so sind jetzt breite Schichten der Laienwelt imstande, lateinische Schriften zu lesen. Meist wurden diese an den Kirchtüren angeschlagen und waren so jedermann zugänglich.106) Aber weit über den Umkreis der Städte ging die Kenntnis von lateinischer Schrift und Sprache bei den Laien nicht hinaus, und für das flache Land kommt im wesentlichen nur die Propaganda durch das gesprochene Wort in Frage. Hier hatte die Kirche den großen Vorsprung, indem sie die Gläubigen überall erfassen konnte durch ihre Wanderprediger und Bettelmönche, die ja nun auch in den letzten Jahren Friedrichs II. die Stellung des Kaisers systematisch untergraben haben.107) Der Kaiser hatte dieser Art von Propaganda nichts entgegenzusetzen. Aber was seiner Propagandatätigkeit an Intensität mangelte, das versuchte er durch die Menge der Schriften und die Extensität im geographischen Sinne zu ersetzen. Es ist deutlich zu verfolgen, wie die literarische Waffe in der Hand des Kaisers während des Kampfes mit der Kurie stark geworden ist. Von den 215 Manifesten, die Vehse für die Re10«) VGL. E. Everth, Die Öffentlichkeit in der Außenpolitik von Karl V. bis Napoleon, Jena 1931, Geschichtl. Teil, Einl. 118 ff. 1 M ) Vgl. Mirbt, Publizistik, 102 ff u. 121 ff. !••) Die Denkschriften gegen Papst Bonifaz VIII. vom Jahre 1296 ließen die Colonna an den Türen mehrerer Kirchen anschlagen und auf dem Altar der Peterskirche niederlegen, vgl. die Bulle „Lapis abscissus", Reg. Bon. VIII, nr. 2389, dazu Möhler, 60. Im Kampf Ludwigs d. Bayern mit der Kurie wurde das Anschlagen an den Kirchentttren neben dem Verlesen von den Kanzeln die übliche Form der Veröffentlichung sowohl der pästl. Prozesse wie der kais. Appellationen, vgl. z. B. Hauck, K.-G. V, 485, 491. 107 ) Vgl. Kantorowicz, 437, 568 und Graefe, 237. Die Mönche hatten die Bannsentenzen und das Absetzungsdekret zu verbreiten, außerdem gegen Friedrich das Kreuz zu predigen.



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gierungszeit von 1220 bis 1250 aufzählt, kommen nur 33 auf das erste, 59 auf das zweite Jahrzehnt seiner Regierung. In der Haupt- und Großkampfzeit von 1240 bis 1250 hingegen erscheinen 123 amtliche Schriftstücke, von denen 71, also die größere Hälfte, die Auswirkung der politischen Lage in den 4 y 2 Jahren nach dem Konzil von Lyon darstellen. Der Aktionsradius dieser Propaganda erreicht die Öffentlichkeit zunächst in dem weiten Kreise des Imperiums, d. h. Deutschland mit Böhmen und dem Deutschordensland, ferner Italien und Burgund; darüber hinaus aber im Osten Ungarn, das lateinische Kaiserreich in Konstantinopel, das griechische in Nicaea, im Westen Aragonien, Kastilien, das Königreich Navarra, Frankreich und England. Im Einzelfall richtete sich die Wahl des Adressaten nach dem politischen Gegenstand, der gerade zur Verhandlung stand.108) In allgemeineren Angelegenheiten aber wandte sich der Kaiser gerne an mehrere Fürsten oder „universitates" gleichzeitig, oder er adressierte an die Könige insgesamt, an alle Fürsten des Erdkreises oder an universi schlechthin, besonders wenn allgemeine Angelegenheiten auf dem Spiele standen. Zu ihnen rechnete der Kaiser bezeichnenderweise nicht nur die Freuden und Leiden der gesamten Christenheit wie die Kreuzzugsunternehmungen, die Tatarengefahr, die Mission im Norden und Osten, sondern auch die Schicksale des Imperiums als solchen und auch die der kaiserlichen Person. Politisch liegt dem in vielen Fällen die Absicht zugrunde, die Öffentlichkeit in einem solchen Maß an seinen Angelegenheiten zu interessieren, daß der Kaiser auf Teilnahme und Hilfe, wenn auch nur durch neutrales Verhalten, hoffen konnte, so bei seinem Kampf gegen die Lombarden, so vor allem immer wieder während seines Ringens mit dem Papsttum. Aber selbst, wenn es ihm für kurze Zeit gelang, die Öffentlichkeit im weitesten Umfang zu gewinnen, läßt es sich nicht leugnen, daß dem Kaiser in seiner politischen Phantasie die Verwirklichung einer Idee vorschwebte, die der Vergangenheit angehörte. Die civitas christiana, ein in der Idee in sich geschlossener Organismus, sollte Raum und Wirklichkeit werden in der Form des Imperium Romanum durch die Einigung aller christlicher Staaten im Verband des Reiches.109) Konnte 109

) Vgl. die Tabellen bei Vehse, 239 ff. ) Steinen, Kaisertum, 46, Beispiele für die Gleichsetzung des imperium mit dem orbis terrarum einerseits, der christianitas anderseits, ebd., 50. St. bemerkt sehr richtig, daß dieser Weltreichsgedanke nichts mit moderner Machtpolitik zu tun hat. Im gleichen Sinne soll im Text gezeigt werden, daß Friedrich auch bei seiner politischen Propaganda von der 109

— 119 — in dem Glauben an die Verwirklichung dieses Gedankens der Kaiser sein Reich mit der Christenheit schlechthin identifizieren, so ging er noch weiter, wenn er das Imperium Romanum mit dem ganzen bewohnten Erdball gleichsetzte und z. B. ein Schreiben über die schlimmen Zustände im Heiligen Lande an die universi mundi principes richtete.110) Er setzte eine Öffentlichkeit des orbis terrarum voraus, als ob ein Weltverband unter seiner Leitung wirklich bestände. Der römische Weltherrschaftsgedanke und die paulinische Auffassung von der Missionsaufgabe der Gläubigen, die sich auf die ganze Welt zu erstrecken habe, sind beide gleich stark an diesem Versuch, eine Weltöffentlichkeit zu schaffen, beteiligt. Nur in dem Glauben, daß an seinem Wohl und Wehe das Wohl und Wehe der Welt hänge, konnte Friedrich der Allgemeinheit von Schicksalsschlägen, die eigentlich nur seine Person betrafen, wie Attentaten und Verschwörungen, berichten.111) Hat aber die Aufrechterhaltung des Weltreichgedankens vor einer fiktiven Weltöffentlichkeit zweifellos einen rückwärtsgewandten romantischen und utopischen Zug, so ist von ungleich größerer, weil realpolitischer Bedeutung der in die Zukunft gerichtete Versuch, bei den Fürsten und Ständen des Abendlandes eine öffentliche Meinung zu schaffen für den Gedanken der Solidarität der weltlichen Interessen gegenüber den Ansprüchen der Kirche und für die Reform an den Schäden der Kirche.112) Ja, in den letzten zehn Jahren seiner politischen Laufbahn ist dieser Plan, eine geschlossene Front der europäischen Öffentlichkeit gegenüber den weltlichen Ansprüchen der Kurie zustandezubringen, nach seinen eigenen Worten der erste und wichtigste Grund gewesen, warum der Kaiser der Öffentlichkeit überhaupt noch seinen Willen kundtat. 113 ) Auch erscheint dies durchaus nicht als Utopie, da bei der überall verbreiteten Animosität gegen die Verweltlichung der Kirche und ihre Herrschaftsansprüche sich eine solche einheitliche Front über die Grenzen der betroffenen Länder weg in der Idee des mittelalterlichen Universalverbandes getrieben wird, von der sich die Realpolitik des französischen Königs deutlich abhebt. u ° ) 1244 Okt., Huill.-Br6h. VI, 236. • m ) Vgl- Vehse, 117 ff., Anm. 9, 13 und besonders 15 nach Reg. Imp. nr. 3767, wo Friedrich über den Anschlag seines Leibarztes allen Völkern berichtet (Huill.-Br6h. VI, 705, Frühj. 1249). 112 ) Vehse, 187 ff. Näheres weiter unten, 152 ff. l l s ) Z. B. Const. II, 318. Der Kaiser, so heißt es hier, würde schweigen, ; ,nisi quod tocius reipublice Christiane et omnium maxime secularium dignitatum veremur ex nostra taciturnitate iacturam e t . . . ruinam" (1240 an Fürsten u. Könige, Reg. Imp. nr. 3139).



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öffentlichen Meinung sehr wohl hätte bilden können. Einen Augenblick — es war um die Zeit des Konzils von Lyon — sah es sogar so aus, als ob der Kaiser mit einer solchen Front hätte rechnen können, als nämlich die Stände in Frankreich und England ungefähr gleichzeitig Schritte in dem von Friedrich gedachten Sinne unternahmen. Davon soll noch in anderem Zusammenhang die Rede sein. Die öffentliche Meinung hat den Kaiser schließlich im Stich gelassen. Aber für Friedrichs Auffassung vom Kaisertum bleibt die Geste, mit der er eine Öffentlichkeit des christlichen Abendlandes fingiert oder voraussetzt, bezeichnend und ist offenbar nicht ohne Wirkung auf die Nachwelt geblieben. Denn etwas von dem Glauben des Kaisers an eine solidarische christliche Öffentlichkeit, die gegebenenfalls für den bedrängten Verteidiger des Glaubens und der Kirche eintreten würde, ist in die Tradition der ghibellinischen Partei übergegangen. Bezeichnend dafür ist es, daß sogar die Colonna-Kardinäle ihren doch eigentlich ganz privaten Zwist mit Bonifaz VIII. an die Öffentlichkeit brachten. Besonders ihr drittes Sendschreiben, das vielleicht mit Hilfe staufischer Vorlagen abgefaßt wurde, scheint unter dem Einfluß dieser Tradition zu stehen.114) Hatten die Kardinäle sich die ersten beide Male unter einer allgemeinen Adresse an die Öffentlichkeit gewandt, so schrieben sie jetzt an die Könige und Fürsten Europas und alle Metropoliten der Welt unter besonderen Adressen, wie es der Kaiser so oft getan, um jeden einzelnen an seine Stellung und Verpflichtung gegenüber der christlichen Gesamtheit zu mahnen. Die vorgebliche Schuld Bonifaz' VIII. gegen ihre Familie stellen die Colonna unter dem Gesichtspunkt der Gefahr dar, die der ganzen Christenheit von der Anmaßung dieses Papstes drohe.115) — Auch hier beruht die Hoffnung, die Öffentlichkeit zu einer Unterstützungsaktion zu gewinnen, auf einer Fiktion, und der Erfolg blieb völlig aus. Trotzdem erscheint es nicht immöglich, daß die Colonna es waren, die nun auch dem französischen König zurieten, seinerseits vor die Öffentlichkeit der gesamten Christenheit zu treten, wie es dann auch geschah. Das « * ) S. oben, 73 ff. Das Vatikanische Archiv besitzt 6 Exemplare ganz gleichen Wortlauts, nach denen Denifle die Denkschrift zum ersten Male veröffentlicht hatDie Adressaten sind folgende : die Erzbischöfe von Besançon, Vienne, Aix, Arles, Erzbischof, Klerus und Volk der Kirchenprovinz Sens und schließlich der Kanzler und die Universität von Paris, Denifle, Archiv V, 505. Abgedruckt (a. a. O., 519 ff.) ist das Exemplar an Kanzler und Kollegium der Univ. Paris. lls)



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Protokoll von der JuniVersammlung des Jahres 1303 wurde nämlich in der Form eines königlichen Briefes an die ganze abendländische Christenheit versandt, z. B. an alle Geistlichen, Fürsten und Kommunen in Spanien, Portugal, Navarra, an Beamte, Kommunen und Völker Italiens, an die Kardinäle usw.116) Wir hören aber sonst nur noch ein einziges Mal von einem Plane, die Sache des französischen Königs zu einer Angelegenheit der Christenheit zu erweitern.117) Im allgemeinen beschränkt sich die Propagandatätigkeit des französischen Königs auf das eigene Land und belastet sich nicht mit der Utopie, als bestände eine Solidarität in der christlichen Öffentlichkeit, und nicht mit der Hoffnung, er werde von ihr eine wirksame Unterstützimg erhalten. Für ihn ist die Öffentlichkeit eine real faßbare und mit den Grenzen des Landes umschreibbare Größe. Seine Art der Propaganda und Publizistik mutet viel realer, um nicht zu sagen machiavellistischer, jedenfalls moderner an als die des Stauferkaisers. Wenn es sich darum handelt, die Öffentlichkeit von der Notwendigkeit seiner Maßnahme zu überzeugen, so weiß er außer den allgemeinen Gründen, Reinhaltung des Glaubens und Schutz der Kirche, die Dinge doch auch vom Interessenstandpunkt des eigenen Landes zu beleuchten. Wenn der Kaiser Dinge, die seine Person betraf, zum Interesse der abendländischen Öffentlichkeit stempelte, so zieht umgekehrt die Publizistik des französischen Königs die allgemeinen Fragen in den Bereich der französischen Landesinteressen, weckt mit dem Hinweis auf die Gefahr des Landes und die bedrohte Stellung des Königs patriotische Gefühle und schafft so eine wenigstens nach außen hin geschlossene Öffentlichkeit seines Herrschaftsbereiches.

5. MITTEL DER PROPAGANDA. a) Neue Formen. Die Gewinnung der öffentlichen Meinung wird in Frankreich planmäßig in den Dienst der königlichen Politik gestellt. Bei Anhängern und Freunden des Königs, keinem geringeren z. B. als Aegidius Romanus, herrscht die Meinung, die Rhetorik — gemeint llt ) Auch Scholz) 17, erinnert an die Praxis Friedrichs II. Vgl. das Manifest mit den verschiedenen Adressen bei Dupuy, 126 f. Die Fassungen an die im Text aufgezählten Adressaten sind jetzt noch im Trésor des chartes. » ' ) S. unten.



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ist die Kunst der Sprache in Schrift und Wort — sei deshalb unentbehrlich, weil der König mit ihrer Hilfe die Untertanen über seine Pläne unterrichten könne, womit manchmal mehr zu erreichen wäre als durch kriegerische Taten.118) In der schwierigen Lage nach dem Attentat von Anagni und dem Tode Bonifaz' VIII. macht — wahrscheinlich Nogaret — dem König den Vorschlag, mit schriftlichen Beweisen für die Glaubenstreue des Königs vor die Öffentlichkeit zu treten und damit die Feinde zum Schweigen zu bringen.119) Philipp hat jedesmal, wenn er sich in schwieriger Lage befand, die öffentliche Meinung seines Landes in Bewegung gesetzt120), und wenn man das gleiche auch von der politischen Praxis des Staufers bemerken kann, so unterscheiden sich beide doch sehr erheblich in der Handhabung ihrer Mittel. Unter Mittel der Propaganda seien hier nicht verstanden die Umschreibungen und Motivierungen der politischen Gedanken für die Öffentlichkeit — im Zusammenhang eines Vergleichs der politischen Ideen sollen sie noch zur Sprache kommen —, sondern nur die äußeren Formen ihrer Verbreitung. Während die Propaganda Friedrichs II. mit wenigen Ausnahmen mit dem geschriebenen Worte arbeitete durch Rundschreiben und amtlich beeinflußte Flugschriften, fanden der König und seine Ratgeber noch verschiedene andere Mittel und Wege, mit ihrer Meinung in die Öffentlichkeit zu dringen. Neu war zunächst, außer den eigenen auch die gegnerischen Schriften in die Öffentlichkeit zu schleudern, und zwar durch Zusammenpressung des Inhalts in einer ganz neuen Form, entstellt, um nicht zu sagen verfälscht. Es lag dann die Absicht vor, den Gegner in einer bestimmten Angriffsstellung vorzuführen, die von ihm in dieser Form sicher nicht gewollt war, die ihn aber bloßstellen konnte. Als die große Bulle Bonifaz' VIII. „Ausculta fili" auf Grund von Jeremias 1,10 die Oberhoheit der Kurie über alle Könige der Welt verkündete, ließ der 1 1 8 ) Vgl. K . Wenck, 15/16, mit Zitaten aus einer Widmung des Laurentius von Aquileja (S. 15, n. 1), aus Raimundus Lullus, der an den König die Bitte richtet, eine Streitschrift gegen die Averroisten vervielfältigen und verbreiten zu lassen (S. 16, n. 2) und schließlich aus einer Mahnung des Aegidius Romanus, Rhetorik zu treiben, quia horum [seil, regum et prineipum] est conversan inter gentes et dominari populo, qui non potest pereipere nisi rationes grossas et figúrales (S. 16, n. 3, aus De regimine prineipum, Lib. II, pars II, cap. 8). Wenck übersetzt den letzten Ausdruck mit „groben Schlagworten". 119 ) S . E x k u r s I und oben, 102f. 120 )

Vgl. H . Pirenne, Geschichte Belgiens, I, 1898, 467.

— 123 — König auf Rat seiner Legisten eben diesen Herrschaftsanspruch in einer wenige Zeilen umfassenden Erklärung bringen, die mit den Worten begann: „Scire te volumus quod in spiritualibus et temporalibus nobis subes . . ,." 1 2 1 ) Seine eigene ebenfalls fingierte Antwort „Sciat tua maxima fatuitas in temporalibus nos alicui non subesse . . . " mußte die Stimmung gegen die Kurie noch erheblich verschärfen. 122 ) Unwillkürlich denkt man an Bismarcks Redaktion der Emser Depesche. Zusammen mit der öffentlichen Verbrennung der Bulle „Ausculta fili" verfehlten diese beiden fingierten Schriftstücke ihre Wirkung auf die Öffentlichkeit nicht. 123 ) Kaum ein Chronist hat sie übergangen, und der königm ) Die Bulle „Ausculta fili" ist abgedruckt bei Dupuy, 48 ff., und die fingierte Bulle mit ihrer Antwort ebd., 44. Darüber, daß trotz aller Bemühungen Bonifaz', die angemaßte iurisdictio temporalis mit geistlichen Machtbefugnissen zu decken, eine Oberherrschaft im Weltlichen von ihm und den Seinen angestrebt wurde, und dies Streben des öfteren in schriftlichen und mündlichen Äußerungen zum Ausdruck kam, kann wohl kein Zweifel sein. Von einer Fälschung des Inhalts von „Ausculta fili" kann deshalb nicht die Rede sein, weil eine Stelle darin die Fassung des Gedankens in „Scire te volumus" rechtfertigt:... nemo tibi suadeat, quod superiorem non habeas, et non subsis summo Hierarchae Eccl. Hierarchiae, Dupuy 48, vgl. H. Finke, Bonifaz VIII., 175. Man vergleiche diesen Satz mit dem im Text zitierten ersten Satz der fingierten Bulle. Die Unterstreichung und Verschärfung besteht in dem sehr geschickten Auseinanderlegen des Begriffes subesse und superiorem habere in die Gebiete, auf denen diese Unterwerfung möglich war, nämlich das Geistige und das Weltliche. Der 2. Satz, in dem die fingierte Bulle „Deum time" das königliche Kollationsrecht zurückwebt, steht ebenfalls, wenn auch mit etwas ausführlicheren Wendungen, aber mit nicht mißzudeutender Schärfe in der Originalbulle. Man sollte also eher von einer tendenziösen Redaktion des Originals als von einer Fälschung sprechen, vgl. Scholz, a. a. O., 357 und R. Holtzmann, Philipp d. Schöne und die Bulle „Asculta fili" in Dt. Ztschr., Vjh. II, 1897/98, 18 ff. Gefälscht ist aber die Antwort „Sciat tua maxima fatuitas", denn der König hat direkt auf die Bulle überhaupt nicht geantwortet. Zum Inhalt vgl. weiter unten, 205. Über ähnliche Fälschungen vgl. E. Renan in Hist. litt. 27, 376. 122 ) Die Kurie durchschaute selbstverständlich dies Verfahren, vgl. die Rede Bon. VIII. im Konsistorium vom Juni 1302, Dupuy, 77: Iste Petrus seil. Flöte literam nostram . . . falsavit seu falsa de ea confixit..., dazu Scholz, 13. 128) Vgi_ Scholz, 12, u. Langlois, 148/149; Boutaric, France, 107, sieht in diesem Mittel, die Leidenschaften des Volkes aufzupeitschen, eine moralisch anstößige Handlung! Was die Verbrennung dieser Bulle angeht, die von einigen Chronisten, z. B. von Villani, berichtet wird, so hat, nachdem sie von Rocquain in das Reich der Fabel gewiesen worden war, R. Holtzmann nachweisen können, daß die Berichte der Chronisten über die Verbrennung mit den übrigen Angaben in Briefen und anderen Dokumenten übereinstimmen und sich auf die Bulle „Ausculta fili" beziehen (a. a. O., 16—38).

— 124 — liehe Advokat von Coutances, Pierre Dubois, hat eine ausführliche Antwort auf die Bulle verfaßt und als Flugschrift verbreitet.124) Die Öffentlichkeit nahm die Schriften unbedenklich als echt auf. 125 ) Natürlich übten die scharfen und kurzen Sätze der tendenziös redigierten Bulle eine viel stärkere und durchschlagendere Wirkung auf das Nationalgefühl der Franzosen aus, als sie die langatmige und umständliche Originalbulle je hätte haben können. b) Die ständischen Versammlungen. Die Fälschung der päpstlichen Bulle bildet den Auftakt zu einer ganz neuen Art, die Öffentlichkeit für die großen Angelegenheiten der Monarchie zu interessieren. — Als Antwort auf die Berufimg der französischen Prälaten auf das Novemberkonzil nach Rom versammelte der König am 10. April 1302 die Vertreter des Adels, der Geistlichkeit und der Kommunen in der Kirche von Notre Dame zu Paris zur Beratung über die Ansprüche der Kurie und ihre Eingriffe in die Rechte des französischen Königs und der französischen Kirche.12*) Es handelt sich hier um nichts geringeres als „die erste politische Nationalversammlung, die diesen Namen verdient, von vornherein gedacht als die Repräsentation des ganzen französischen Volkes, das in sëiner Gesamtheit seinen Willen gegenüber der universalen Gewalt des Papstes zum Ausdruck bringen sollte."127) Dies war ein Ereignis, scheinbar ganz ohne unmittelbare Vorgänger, der politischen Erfindungsgabe und Initiative des französischen Königs und seiner Ratgeber entsprungen. In Wirklichkeit ist auch diese erste wirkliche Berufung der Vertreter des Volkes in seinen Ständen durch gewohnheitsrechtliche Einrichtungen vorbereitet und 1M ) Die Berichte und Stimmen der Chronisten, wenigstens der wichtigsten, hat Dupuy in seinem großen Werk zusammengestellt als Extraits de divers Historiens.... a. a. O., 186 ff. Die wichtigsten sind Villani (ebd., 186), Cont. Guill. Nang. (ebd., 188), Chronique de Saint Denis (ebd., 190) und öfter. Zu Dubois vgl. oben, 107. Scholz (12), Langlois (a. a. O.) und Rivière, Le Problème de l'église . . . , 104, setzen den guten Glauben Dubois an die Authentizität der Bulle „Deum time" voraus. Im Falle aber, daß die Meinung Renans (Politique, 307) sich bestätigte und Dubois der Redaktor der Bulle und deren Antwort wäre, würde die Empörung über die Anmaßung des päpstlichen Tones in dieser natürlich Mache sein. S. aber o. 92. las ) Noch die Jansenisten und Gallikaner des 17. Jahrhunderts hielten sie für echt, vgl. Langlois, a. a. O. und Boutaric, France, 106, n. 3. 12«) Ygi. die Berufungsschreiben des Königs bei Picot, Documents rei. aux états généraux, 1 ff. " ' ) Scholz, 12.

— 125 — in eine verfassungsgeschichtliche Entwicklung einzuordnen. Die Analogien und Ansätze zu dieser in der Verfassungsgeschichte Frankreichs erstmaligen Erscheinung können hier nur gestreift werden; sie sind ganz zweifellos in jener Gewohnheit der französischen Könige zu suchen, bei wichtigen Staatsangelegenheiten die Meinung angesehener Männer aus verschiedenen Volkskreisen, sei es in größerer oder geringerer Anzahl zu Rate zu ziehen. Und was den sog. dritten Stand angeht, so darf nicht übersehen werden, daß schon Ludwig der Heilige mehrere Male in Münzangelegenheiten auch Bürger, homines bonarum villarum, befragt hatte. Möglicherweise hatte auch Philipp der Schöne schon einmal eine ähnliche zusammengesetzte Versammlung, die wie in England parlamentum genannt wurde, in einer Staatsangelegenheit gehört. 128 ) Zu einem richtigen Verständnis der Versammlung von 1302 wird man aber eher kommen, wenn man die analogen Einrichtungen in anderen Ländern betrachtet, die allerdings zum Teil im Gegensatz zum Königtum hervorgewachsen sind. Das 13. Jahrhundert ist das Jahrhundert ständischer Bewegungen, und die Versammlungen vom Ende dieses Zeitraums in England und Aragonien zeigen sich in ihren Ansprüchen und Kompetenzen schon ziemlich weit vorgeschritten.129) In England haben Versammlungen von Adel und Klerus getrennt oder gemeinsam mit oder auch gegen den König bei der Kurie gegen deren ungeheure finanzielle Forderungen und den Andrang der Italiener auf die Pfründen des Landes Front gemacht. Sie schicken von sich aus Gesandte an die Kurie, beraten, stellen Bedingungen: kurz die universitates regni fühlen sich als Vertreter des ganzen Königreichs. Hätte Heinrich III. die politische Einsicht gehabt, die seinem Nachfolger in so großem Maße eignete, so würde er die nationalen, antirömischen Strömungen, die im Parlament so stark zum Ausdruck kamen, systematisch ausgenutzt haben zu einer Aktion, die die Abschüttelung der Lehnsabhängigkeit und die Vernichtung des kurialen Finanzsystems in England zur Folge hätte haben können. Aber der König hat von diesem ihm von der Verfassungsentwick128) Ygi_ Boutaric, France, 1 3 f. u. 19 ff.; Picot, Histoire des états généraux 1 3 5 5 — 1 6 1 5 , 2. A., 1888, 16 ff.; Holtzmann, Franz. Verf.-Gesch.; 207 ff., Langlois, 259 ff. 129 ) Ganz allgemein vgl. zur Geschichte der ständischen Versammlungen, ihrer Rechte und ihres Einflußkreises sowie ihrer Ursprünge und geistigen Triebfedern O. Hintze, Weltgesch. Bedingungen der Repräsentatiwerfassung, bes. 39 ff. (H. Z. 1 1 3 , 1931), ferner für das 13. Jahrhundert Carlyle, V, Kap. 9: The development of the représentative system (S. 128 ff.).



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lung geradezu bereitgestellten Machtmittel keinen Gebrauch gemacht : er hat mindestens so oft die Kurie gegen die Stände, wie die Versammlungen des Adels und der Geistlichkeit gegen jene um Unterstützung gebeten und die Stände regelmäßig im Stich gelassen, wenn er eben noch ihre gravamina aufgenommen und vertreten hatte. 130 ) Und niemals hat er im Ernst daran gedacht, mit ihrer Hille die drückende Vormundschaft der Kurie von England abzuschütteln.131) Um so bemerkenswerter, daß Kaiser Friedrich II. die Bedeutung der ständischen Bewegung im Zusammenhang mit der Opposition gegen die römische Kurie erkannt hatte. Seine Propagandatätigkeit in England seit 1239 zeigt das mit aller Deutlichkeit. Als der Kaiser nämlich eingesehen hatte, daß er den englischen König zu einer wirksamen Unterstützung seines Kampfes auf die Dauer nicht bewegen konnte, dieser im Gegenteil mit den Zahlungen an die Kurie fortfuhr und die Verbreitung der Exkommunikationssentenz von 1239 zuließ, wandte er sich in einem Schreiben an den gesamten Adel Englands mit seinen Klagen. Er faßt ihn gleichzeitig bei der Standesehre und dem Nationalgefühl, wenn er ihnen zuruft, daß sie einst frei gewesen wie die anderen Christenländer, jetzt aber zu Sklaven des römischen Stuhles geworden seien.132) Ja, auf der Londoner Tagung der Prälaten und Barone von 1245 versteigt sich die kaiserliche Gesandtschaft zu dem Versprechen, daß der Kaiser England von dem päpstlichen Joche befreien werde, falls sich iao ) Zu verweisen ist für diese Zusammenhänge auf folgende Spezialarbeiter H. Plehn, Der politische Charakter des Matth. Parisiensis, Leipzig 1897; L . Dehio, Innocenz IV. und England. Straßb. Diss. 1 9 1 3 (auch in Buchform, Berlin u. Leipzig 1914). H. Liebeschütz, Die Beziehungen Kaiser Friedrichs II. zu England, 1236—1250. Ungedr. Diss. Heidelberg 1921. Im Rahmen der allg. Geschichte vgl. auch T. F. Tout, Political History of England III, 1905, bes. Chap. III. Dazu auch noch die Monographien über Simon von Montfort vgl. unten Anm. 149, 150. — Zur Beurteilung Eduards I. in seinem Verhältnis zum Parlament vgl. M. Petit-Dutaillis in Revue historique 154, 1927, 34 ff. (Le roi d'Angleterre et ses Parlaments au moyen äge). P.-D. weist darauf hin, daß Eduard I. das Parlament behandelte als ein Werkzeug zur Einigung der Nation, in dem Sinn, daß er ihm, als dem Ohr der Nation, seine Ideen mitteilte (59/60). Die Ähnlichkeit mit Philipps Verfahren ist handgreiflich, s. oben, 134. 1S1

) Dehio, a . a . O . , 32 nach Matth. Par.; vgl. auch Tout, a . a . O . , 67. — In den Eingaben an die Kurie u. auch in den andern Denkschriften fehlt jede Anspielung auf die Lehnsabhängigkeit Englands von der Kurie. 182 ) Huill.-Br6h. V, 468, Reg. Imp. nr. 2532: . . . qui eratis olim liberi, nunc autem facti estis servi . . .

— 127 — die Stände seinem, des Kaisers Willen, fügten.133) Lag hier ein direkter Anlaß vor, sich an die Stände zu wenden — der Kaiser wollte durchsetzen, daß die Zahlungen an Rom aufhörten —, so verfolgte er rein propagandistische Zwecke, wenn er durch eben diese Gesandtschaft seinen Streit mit dem Papsttum der Versammlung vortragen ließ und sich sogar ihrem Urteil unterwarf: „supposuit se dispositioni et censurae regum Francorum et Anglorum ac barnagii regnorum eorundem."184) Denn auch in Frankreich genügte ihm nicht die Rechtfertigung seiner Sache vor dem König. Systematisch suchte er hier wie in England die Öffentlichkeit, und zwar in den ständischen Körperschaften, für sich zu gewinnen. Ein Exemplar seines großen Verteidigungsschreibens gegen die Lyoner Sentenz adressierte er an die englischen praelati, comites et barones, nobiles et universi per regnum Angliae constituti135), und eine Gesandtschaft, für die er ein ausführliches Memorandum über den ganzen Hergang des Zwistes zwischen Kaiser und Papsttum abfassen ließ, war bestimmt, zu reden vor dem französischen König und „congregatis coram se laycis paribus regni sui aliisque nobilibus tanto negotio opportunis".136) Er dachte sich offenbar, daß der König eine wirkliche Ständeversammlung einberufen würde, um seine Sache zur Sprache zu bringen. Aber wenn dies auch nicht geschah: in der Wirkung seiner Schreiben hatte er sich nicht verrechnet. Denn die einzige spontane Handlung, die von einem Teil der französischen universitas überhaupt zu verzeichnen ist, die Liga und der schriftliche Protest französischer Barone gegen die Ubergriffe der Geistlichkeit, ist eine unmittelbare Folge von Friedrichs Propaganda bei den Ständen und steht unmittelbar unter dem Eindruck seines publizistischen Kampfes.137) Sein Friih1SS ) Das Schreiben des Kaisers ist nicht erhalten, nur die Inhaltsangabe bei Matth. Par. (SS, 28, 245), vgl. Reg. Imp., nr. 3450, dazu Vehse, 105. Der Kaiser verspricht, den König a tributo, quo iniuste papa Innocentius tertius illud ligaverat, potenter ac niste zu befrein, ferner das Land herauszulösen ab aliis papalibus gravaminibus, quibus diatim opprimitur . . . . 1 M ) Timens igitur, ut ait, irretiri et papalibus laqueis alligari supposuit... (s. im Text). Matth. Par., a. a. O. 186 ) Die oft zitierte Enzyklika vom 31. Juli 1245 (Const. II, 360) ist in der Fassung an England überliefert von Matth. Paris, Hist. Anglor, abgedr. in SS. 28, 276 (Reg. Imp., nr. 3495). 1 M ) Const. II, 370, Reg. Imp., nr. 3511, vgl. Vehse, i n . 187 ) Vgl. oben, 60. Auch greifbare Wirkung hat diese Propaganda: der Kaiser konnte sich mit den Baronen, darunter einem von den 4 Führern der Liga, dem Grafen von Saint-Pol, in Verbindung setzen und Waffenhilfe von ihnen erbitten, Belege bei E. Berger, Saint Louis, C L X X X I V ; vgl. auch die Notiz der Ann. Plac. Gibellini, MG. SS. 18, 494: . . . volens

— 128 — jahrsmanifest von 1247 versucht dann wieder die französischen Großen als Gesamtheit für seine Sache zu gewinnen.188) Es bildet den Auftakt zu einem energischen Vorstoß der Franzosen bei der Kurie, der wiederum nicht vom König allein, sondern getrennt für sich von den französischen Prälaten und Baronen unternommen wurde.189) So starken Eindruck macht diese Aktion der Stände, daß der Papst verspricht, die Boten mit der Antwort auf die Klagen der Gesandtschaft zum nächsten Parlament zu schicken.140) Wie die englischen Stände in den Verhandlungen mit der Kurie als Vertreter der Nation auftreten, so nehmen auch die französischen Stände eine einigermaßen selbständige Haltung ein, wenn sie durch die französische Gesandtschaft erklären lassen, sie wunderten sich nicht nur über das, was geschähe, sondern, daß der König zulasse, daß es geschähe.141) Diese ganz unerhörten Vorgänge und die ebenso ungewohnte scharfe Sprache haben die Zeitgenossen selbst schon als Folge der Aufhetzung bezeichnet, die der Erzfeind der Kurie bei den englischen und französischen Ständen betrieben habe.142) Danach kann kein Zweifel darüber herrschen, daß Friedrich bewußt die ständische Entwicklung in Frankreich und England benützte, um seiner antikurialen Politik und seinem großen Kampf einen ihm günstigen Wiederhall in der Volksmeinung zu bereiten» daß er in England sogar die Entwicklung der ständischen Versammlungen förderte und stärkte, indem er sie, die universitates regni, als politische Vertreter des englischen Reiches anerkannte und in diesem Sinne behandelte.148) Der Kaiser hatte die Zeichen imperator ultra aggredì cum principibus et baronibus Galicis qui eum expectabant, locuturus. l a 8 ) Huill.-Bréh. VI, 514 ff.. Reg. Imp., nr. 3617, ist gerichtet an duces, comites, barones, vavassores, et universi nobiles per regnum Franciae constituti. is») vgl. den Brief des Bischöfe Bonifaz von Canterbury an seinen Bruder über die Vorgänge in Frankreich im Jahre 1247 bei Matth. Paris. V I (Addit.), 131 f., auch in SS. 28, 288: Die Bischöfe von Sens und von Troyes kommen pro se et pro omnibus praelatis Francie und 2 andere Geistliche pro capitulis et universitate cleri. Die Liga der Barone schickte ihre nuntii für sich. 140 ) Matth. Par., a. a. O. : . . . quod mittet litteras et nuncium specialem ad proximum parlamentum in Franciam . . . 1 4 1 ) Matth. Par. VI, 100. 142 ) Matth. Par. IV, 593. S. auch oben, 37, Anm. 13 und E. Berger, Saint Louis CLXXVI. Über die baronale Bewegung gegen die Kirche s. auch weiter unten, 202. us) Y g j j i Liebeschütz, Die Beziehungen Kaiser Friedrichs II. . . 27 u. 76.

— 129 — der Zeit verstanden und die politischen Körperschaften, die sich aus der sozial zwar deutlich geschichteten, aber politisch noch ungegliederten Masse als ihre Sprecher herauslösten, in ihrer Bedeutung erkannt. Die Einsicht, die der Kaiser hier zeigt, scheint auf den ersten Blick in schroffem Gegensatz zu stehen zu dem zentralistischabsolutistischen Regiment und Verwaltungssystem in Sizilien, wo er nicht einmal versucht hat, die öffentliche Meinung in einem der bedeutsamen Stellung des Königreichs im Reichsganzen entsprechenden Maße in Bewegung zu setzen. Die wenigen Manifeste, die der Kaiser an das Königreich gesondert richtet144), betonen wohl die besondere Stellung Siziliens und seiner Bewohner im Reichsganzen, z. B. wenn Opfer an Geld und Bewaffneten gefordert werden. Aber meistens verfolgt der Kaiser seinen Willen rein auf dem Verwaltungswege; er teilt ihn seinen Beamten in Form von Befehlen mit. Und doch hat der Kaiser auch in seinem Reich dem Gedanken der ständischen Vertretung nicht fern gestanden und Einrichtungen geschaffen, die, wenn auch nicht unmittelbar als Vorbild, so doch auf dem Wege der Weiterbildung wirken konnten. Wie er die Vertreter der sizilischen Stände zweimal (1231 und 1240) zu einer sog. „Allgemeinen Sprache", generale colloquium, zusammenberief, um die neuen Gesetze mit ihnen zu beraten, wie er 1232 nach den schweren Unruhen in den sizilischen civitates nur städtische Abgeordnete zu sich nach Foggia deputieren ließ, um sein Reich mit ihrer Hilfe wieder zu befrieden145), so beabsichtigte «r, der Gerechtigkeit und dem Frieden eine dauernde Garantie zu schaffen durch die Einrichtung von periodischen Provinzial144

) Vehse, nr. 60, 129, 164, 214, (Reg. Imp., nr. 2158, 3385, 3562, 3701) u. nr. 5. 145 ) In Melfi, 1231, scheint ein förmlicher Reichstag gehalten worden zu sein: de Consilio prelatorum, Co mi tum, procerum et multorum civium regni sollempniter in curia constitutum [seil, est], ut . . . tribuatur, Winkelmann, Acta I, 615 (Steuergesetze nr. 787), Reg. Imp., nr. 1878, dazu Winkelmann, Jahrbücher II, 267, n. 3. Kurz darauf, 1232, fand in Foggia •eine Versammlung statt, zu der je 2 Bürger der Städte Siziliens erschienen, um über den Nutzen des Königreichs und das allgemeine Beste zu beraten, Reg. Imp. nr. 2001 a, dazu Winkelmann, a. gl. O., 4 1 1 f. In Form des colloquium generale — später nannte man sie Generalstände — erscheinen die sizilischen Stände oder vielmehr ihre Vertreter noch einmal, und zwar 1240 in Foggia, um wie in Melfi über kaiserliche Konstitutionen zu beraten. Reg. Imp., nr. 2859, 2948 a, dazu E. Winkelmann, Gesch. Friedr. II. und seiner Reiche, I, Berlin 1863, 375.

Beiheft d. H. Z. 30.

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— 130 — kurien. 146 ) Dieser Plan des Kaisers hätte „der Ausgangspunkt einer ganz neuen Gestaltung des öffentlichen Lebens im Königreich" werden können, „und zwar nicht nur, wie Friedrich wünschte, als ein Gegengewicht gegen das Beamtentum, sondern als eine wirkliche Vertretung des Volkes in seinen drei Ständen", als politisches Organ und berufene Vertretung der öffentlichen Meinung. 147 ) Über die Ausführung dieses bedeutsamen Planes ist nichts Näheres bekannt. Wahrscheinlich hat die Einrichtung nicht Wurzel fassen können lind scheiterte an dem festen Zusammenhang des Beamtentums in Sizilien. Aber weil auch im übrigen Reich, besonders in den Gebieten der deutschen Landesfürsten, die Politik des Kaisers zu Zeiten die Entwicklung einzelner Stände und ihrer Rechte förderte, ist es nicht zu kühn anzunehmen, daß die Mitarbeit der ständischen Vertretung an der Verwaltung der Länder zu den politischen Gedanken des Kaisers und seiner Umgebung gehörte. 148 ) Ist es nicht im hohen Maße auffällig, daß Simon 14e ) Beschlossen auf einem Hoftage zu Lentini (Dez. 1233, Winkelmann II, 415, n. 4), als Konstitution veröffentlicht 1234 Jan. zu Messina, Huill.Bréh. IV, 460, Winkelmann, Jahrbücher II, 417. 1 4 ') Winkelmann, a. a. O., 416. 1 1 ' ) Vgl. darüber den Aufsatz von P. S. Leicht, L'Empereur Frédéric II de Suabe et les parlements, Tijdschrift voor Rechtsgeschiedenis III, 1922, 408—414. L. geht aus von dem sog. Statut De Iure statuum terrae (Const. II, 420) 1231 Mai 1.: u t neque principes neque alii quilibet constitutiones vel nova iura facere possint, nisi meliorum et maiorum terrae consensus primitus habeatur. Zusammen mit den sizilischen Maßnahmen und der Zuziehung von Vertretern der italienischen Städte zum Reichstag von Ravenna 1231, sieht L . in der Heranziehung ständischer Vertreter ein Hauptmittel der Friedenspolitik des Kaisers in den verschiedenen Ländern. Es zeigt sich, wie L. richtig bemerkt, qu'il [seil, l'empereur] ne se renfermait pas dans une conception despotique (S. 410), daß er den neuen Tendenzen zugänglich war. Allerdings scheint das erst später so genannte Wormser Statut De iure statuum nicht die Grundlage für die Entstehung der Landstände abgegeben zu haben, vor allem aus dem Grunde nicht, weil Ministerialität und Städte in der 1. H. des 13. Jahrhunderts noch zum Teil in herrschaftlicher Abhängigkeit lebten. Die Maßnahme zielt vielmehr auf die Stärkung der adeligen Lehnsherren zugunsten der Königsgewalt den Landesfürsten gegenüber, vgl. H. Spangenberg, Vom Lehnsstaat zum Ständestaat, München u. Berlin 1912, 14—16. In Sizilien bedeuten aber die Maßnahmen Friedrichs die Grundlage der späteren sog. Generalstände. Die Anfänge liegen aber wohl schon früher in der vormundschaftlichen Regierung Innocenz III. über das Königreich, vgl. Winkelmann, Jahrbücher II, 412, n. 1 mit Hinweis auf Winkelmann, Philipp und Otto IV. II, 75. Die Geschichte der ständischen Vertretungen im 13. Jahrhundert wären auf ihre Zusammenhänge hin einmal zu untersuchen. Auch Kantorowicz geht ihnen nicht weiter nach, vgl. die kurze

— 131 — von Montfort, der Begründer des House of Commons in England, in dem berühmten Reskript vom 14. Dez. 1 2 6 4 die Vertreter der universitates regni mit den gleichen Worten zu einem parlamentum beruft, wife sie uns Richard von S. Germano für die Berufung der städtischen Abgeordneten nach Foggia überliefert? 149 ) Der Graf von Leicester hat lange am Hofe des Kaisers geweilt und zu ihm offenbar in sehr nahen Beziehungen gestanden. 150 ) Kann aber hier nur vermutungsweise von einem direkten Einfluß des Kaisers gesprochen werden, so wird für Sizilien selbst doch noch von einem generale colloquium berichtet, das phne Zweifel eine Fortsetzung der „Allgemeinen Sprachen" Friedrichs II. darstellt. König Manfred hat nämlich in der Stunde höchster Gefahr, als schon Karl von Anjou mit Heeresgewalt gegen Benevent vorrückte, vor einem generale colloquium von Baronen, Lehnsträgern und „boni Anm. Erg.-Bd. 1 1 5 . Über die Versammlung in Ravenna, die in ihrer Art bedeutsam war, vgl. Carlyle V, 137/138. "») Winkelmann, Jahrbücher II, 412, äußert als erster die Vermutung eines solchen Zusammenhangs. Die Formel bei Ryccardi de S. Germano Chronica ed. Gaudenzi, Napoli 1888,144, entstammt nach Winkelmann sicher dem kaiserlichen Ausschreiben (412, n. 2). In dem englischen Berufungsschreiben (Rymer, Foedera I 2, 92, 93) lautet die Formel: ut de qualibet civitate vel Castro duo de melioribus accedant ad ipsum pro utilitate regni et comodo generali. Kantorowicz, Erg.-Bd., 114, hält es freilich für möglich, daß die Übereinstimmung des Diktats auch auf andere Ursachen zurückginge, weil Innocenz III. einen Kanzleibeamten an Simon v. Monfort (d. Älteren) abgetreten hatte, und die kaiserliche Kanzlei ihrerseits ihren Formelschatz zum Teil von der Kurie entlehnt hatte. Insofern scheint eine solche Kombination neben der ersten durchaus im Bereich der Möglichkeit zu liegen, als Inn. III. für den Reichstag von S. Germano, 1208 Juni, auch schon priores civitatum berufen hatte (s. d. vorige Anm.), und auch Simon v. Montfort, der Vater, zu Pamiers ein Parlament versammelt hatte, worunter auch 2 Bürger waren, vgl. R . Pauli, Simon v. Montfort, Tübingen 1867, 221. lt0 ) Über die Begegnung Pauli, a. a. O., 33. Nach- Paulis Ansicht war die Verbindung Simons mit dem Kaiser so eng, daß diese auch auf seine Stellung am Königshofe einwirkte, die gut oder schlecht gewesen sein soll, je nachdem ob der kaiserliche oder der päpstliche Einfluß dort stärker war (S. 43). Des näheren wäre noch zu untersuchen, welches die Vorbilder für die Reformprojekte S. v. M.s waren. Man hat an die aragonischen Cortes gedacht wegen der Teilnahme der Ritter und der Städte an den Versammlungen, vgl. L . v . R a n k e , Englische Geschichte I, 59 (Ges. Werke, 14). Am nächsten liegt es doch, auf gewohnheitsrechtliche Formen des englischen Verfassungslebens zurückzuweisen, wie sie Ch. Bemont in der Mitarbeit der Barone, Ritter, Bürger in den Grafschafts- und Sendgerichten fand (Simon de Montfort, 230/31).

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— 132 — viri" einzelner größerer Flecken, außerdem vor den deutschen und fremden Söldnern seines Heeres das votum totaliter sue mentis und propositum sui cordis offenbart und die Zustimmung dieses parlamentum entgegengenommen.151) Manfred ging also noch einen Schritt weiter als sein Vater. Im Augenblick der Entscheidungsschlacht verteidigt er die Sache, für die er den großen Kampf aufgenommen hat, die Niederwerfung der Franzosen und des päpstlichen Herrschaftsanspruches im Königreich Sizilien und in Italien, vor einer Versammlung, die die Öffentlichkeit vertreten soll. Nicht wegen der Art der Zusammensetzung, sondern wegen des Zweckes seiner Berufung ist dieses colloquium generale von 1265 zu Benevent der direkte Vorläufer der Pariser Versammlung von 1302. Beide Herrscher, Manfred wie Philipp, wollen die moralische Unterstützung der Öffentlichkeit, beide wählen die Form der ständischen Repräsentation, weil sie sich so am ehesten der Zustimmung des Volkes in seiner Gesamtheit versichern zu können glauben. Im Gegensatz dazu dienten die Parlamente der Sizilianer unter Peter von Aragon und Karl von Anjou in erster Linie der finanziellen Unterstützung der Herrscher.152) Sieht man aber von dem Zweck der Versammlungen ab, so ist die Einrichtung der sizilischen Parlamente als solche in der Form der Generalstände des ganzen Landes als direkte Fortsetzung des staufischen generale colloquium anzusehen, und vielleicht ist das Vorbild in den Staaten des angiovinischen und des aragonesischen Oheims nicht ohne Einfluß auf die Aktion Philipps des Schönen gewesen.153) Doch braucht man für die Ständeversammlung von 1302 nach einem direkten Vorbild gar nicht zu suchen. Die verfassungsgeschichtlichen Voraussetzungen waren ja vorhanden, Anregung und Antrieb dazu lagen in der Luft. Außerdem machte 151 ) Reg. Imp., nr. 4767 b nach Sabae Malaspinae rer. Sicul. lib. II, c. 22, 23 (SS. rer. Ital. VIII, 816—18). Auch zu Foggia, 1259, war von Manfred schon einmal ein Parlament versammelt worden, Reg. Imp., nr. 4693 a. Auch hier waren wie 6 Jahre später zu Benevent nuncii locorum zugegen, vgl. O. Cartellieri, Peter von Aragon und die sizilische Vesper, Heidelberg 1904, 104, n. 2. 162) Vgl. O. Cartellieri, a. a. O., 104/105, bes. die Anm. Vor der sizilischen Vesper ist es zu einer Berufung der Stände durch den König nicht gekommen. Trotz der Mahnung des Papstes Klemens IV. konnte sich Karl nicht entschließen, seinen Untertanen Rechte einzuräumen. Die curia generalis von 1267 setzte sich nicht aus Vertretern der 3 Stände, sondern nur aus Beamten zusammen, vgl. Cartellieri, a, a. O., 103, Anm. 4. 163

) S. oben, 57.

— 133 — die Lage des Königs eine besondere Maßnahme nötig. Die Haltung des Klerus bei der geplanten Aktion gegen die Kurie war noch zweifelhaft. Es mußte alles geschehen, um die Kurie zunächst einmal abzuschrecken und sie von der Abhaltung des Konzils in Rom abzubringen, indem man ihr zeigte, daß die öffentliche Meinung in Frankreich solcher Einmischung in die Angelegenheiten des französischen Volkes heftig widerstrebte. Der Erfolg hat gezeigt, daß es ein äußerst glücklicher Gedanke war, die Generalstände als das Sprachorgan des Volkes zu schaffen und vor der Welt auch als solches erscheinen zu lassen. Der Eindruck war um so größer, als die Versammlung wirklich als die Vertretung des ganzen Landes gelten konnte : außer der Geistlichkeit und dem Adel beteiligte sich zum ersten Male auch die Bürgerschaft der Städte und Gemeinden an einer hochpolitischen Aktion, meist vertreten durch Mitglieder ihrer Magistrate, Schöffen usw.154) Als völlig gleichberechtigter Stand sendet die universitas der Kommunen, Städte und Flecken des französischen regnum Boten mit einem versiegelten Schreiben an die römischen Kardinäle und wird von diesen als voll aktionsfähig anerkannt.165) Auch muß die Wirkimg weniger der Schreiben selber als der Tatsache, daß der König die Öffentlichkeit geschlossen hinter sich hatte, bei der Kurie große Erschütterung hervorgerufen haben. Die Antwortschreiben, der große Protest eines feierlichen Konsistoriums, erweisen das deutlich genug.156) Und doch war diese erste politische Nationalversammlung nicht das Ergebnis der politischen Energie weiterer Kreise wie in England, sondern der geschickten 161) Vgl ¿je Berichte der Chronisten, z. B. des Cont. Guill. Nang. ed. Géraud Paris 1843, I, 314: R e x autem . . . Parisius convocans ad concilium universos regni barones, praelatos, duces et comités, abbates etc. maiores et scabinos communiarum; in 2 Hss. lautet die Aufzählung: omnes barones ac milites atque totius regni Francie magistratus cum maioribus prelatis et minoribus universis; s. dazu auch das in d. nächsten Anm. zitierte Schreiben d. Kardinäle, das gerichtet ist an die maiores, scabini, iurati consules et omnes universitates, communia, communitates civitatum et villarum regni Franciae. 165 ) Das Schreiben ist nicht erhalten, nur die Antwort der Kardinäle bei Dupuy, 71/72, vgl. W. Drumann, Geschichte Bonifacius des Achten, Königsberg 1852, II, 40 u. 42, und Langlois, 150. 15«) Vgl Langlois, 151. Mit empörten Briefen antwortete den Baronen und den Vertretern der Kommunen das Kardinalskollegium (Dupuy, 63—65 u. 71/72), dem französischen Klerus der Papst selber (Dupuy, 65/66), vgl. Drumann, a. a. O., II, 41 ff. A m stärksten reagierte der Papst auf dem Konsistorium vom Ende Aug. 1302 (Dupuy, 73—79), wo erst in seinem A u f trage der Kardinal Matth, de Aquasparta und dann er selber sprachen.

— 134 — Organisierung der Öffentlichkeit zum Zwecke einer wirksamen Propaganda durch den König und seine Räte. Denn den Ständen ward weder Initiative noch Beschlußfassung eingeräumt: ihre einzige Aufgabe war, den König anzuhören, ihm zuzustimmen und dieser Zustimmung öffentlichen Ausdruck zu geben. 1 5 7 ) Aber dem König genügte noch nicht die Zustimmung der Ständeversammlung des Jahres 1 3 0 2 und der Notabein vom Juni des folgenden Jahres. 1 5 8 )» E r griff zu einem ganz neuen Mittel, das Volk selbst, nicht nur seine gewählten Vertreter, zu einer öffentlichen Meinungsäußerung zu veranlassen. Eine große Volksmenge ward in den königlichen Gärten des Louvre am 24. Juni 1 3 0 3 versammelt und schloß sich unter lautem Beifall der Appellation des Königs an ein allgemeines Konzil an. 1 5 9 ) U n d dann überzogen die königlichen Agenten mit Hunderten von E x e m plaren dieser Appellation das L a n d und sammelten die Beistimmung der einzelnen Stände und, wo es möglich war, des Volkes. 1 8 0 ) Entweder beriefen sie die Vertreter der Stände einer Provinz alle 157 ) Vgl. Boutaric, France, 42. — Es folgten kurz hintereinander die Generalstände von 1308, 1312, 1 3 1 4 . Auf keiner von diesen Versammlungen betätigten sich die ständischen Vertreter selbständig, auch nicht auf der letzten, wo die Zustimmung zu Kriegssteuern gegeben werden sollte. Es fehlte den Versammlungen noch die politische Erfahrung, um die Situation auszunutzen. Aber der Grund war gelegt, auf dem man später weiter bauen konnte. Der Wille des Königs, die öffentliche Meinung im weitesten Maße zu gewinnen und sie gegen die Kurie mobil zu machen, hat die politische Emanzipation des 3. Standes mächtig gefördert und den politischen Versammlungen einen liberalen und populären Charakter verliehen, den sie nachher wieder verloren haben, Boutaric, France, 40 ff. 158 ) Boutaric, France, 27 f., weist nach, daß es sich bei der Versammlung vom Juni 1303 im Louvre nicht um eine Versammlung der Generalstände, sondern nur um eine Versammlung ausgesuchter Vertrauensmänner, einiger Prälaten, Barone und Legisten handelt, vgl. das Protokoll bei Dupuy, 108. Wären am 13. Juni wirklich die Vertreter der 3 Stände versammelt gewesen, so würde wohl die darauf folgende, im Text besprochene Maßnahme unnötig gewesen sein. Das Protokoll dieser Notabeinvers, liegt heute noch 9 mal im Très. d. Chartes, ein Beweis, wieviel dem König an seiner Verbreitung gelegen war, Holtzmann, Nogaret, 57. 159 ) Über den Verlauf der Volksversammlung in den kgl. Gärten zu Paris berichtet kurz Joh. a. S. Victore ad a. 1303, Bouquet, Recueil, 2 1 , 641 und ausführlich ein italienischer Kaufmann, der Augenzeuge war (abgedr. von Langlois in Bulletin de la Société d'histoire de Paris, 15, 1888, 132 ff.). Danach auch Langlois bei Lavisse, a. a. O., 161 f. 180 ) Vgl. Boutaric, France, 30 f., Langlois, 160, Holtzmann, Nogaret, 58, usw., bes. aber G. Picot, Documents rel. aux états généraux sous Phil, le Bel. Intr., X V I I ff.

— 135 — zusammen zu Provinzialständen 161 )., oder sie forderten einzeln jede Stadt, jede Kommune, jede Kirche, jedes Kanonikat, Stift oder Kloster, ferner die Mitglieder des Adels namentlich auf, ihre Zustimmung zu den Pariser Beschlüssen schriftlich zu beurkunden und zu besiegeln. In den Städten versammelte sich die Bürgerschaft, und jedes Mitglied zeichnete mit seinem Namen oder der Magistrat besiegelte im Namen der ganzen städtischen universitas clie Beistimmungsurkunde. 162 ) Mehr als 800 von diesen Beistimmungsurkunden finden sich noch heute im Trésor des Chartes aufbewahrt. Man kann wohl sagen, daß diese königlichen Agenten das Äußerste an Propagandatätigkeit geleistet haben, was das Mittelalter bis dahin gekannt hatte. Sie ist übrigens schon von den Zeitgenossen ganz unverblümt als Vergewaltigung der freien Meinung charakterisiert worden, wenigstens soweit sie die kirchlichen Institute traf: „dehinc mittuntur per regnum ad civitates et ad collegia regii nuncii ad publicandum in ecclesiis et collegiis predicta et ad p e r u r g e n d u m personas ecclesiasticas et religiosos quoscumque, ut appellationibus et processibus hujusmodi inaererent." 1 8 3 ) Diese außergewöhnliche Maßnahme scheint — wenn 161 ) Boutaric, France, 29/30. Provinzialstände scheinen nur in der Languedoc und in Navarra zusammengekommen zu sein. 1M ) Die Urkunden sind jetzt sämtlich, bei Picot, a. a. O. abgedruckt. Die Zustimmungsurkunden der Städte zeigen, daß die Bürger insgesamt versammelt wurden, als ob es sich um. die Wahlen von Magistraten handele, vgl. z. B. die Beistimmungsurkunde der Stadt Lunel (Picot, nr. 116, S. 161) : convocato populo universitatis hominum de Lunello publice voce preconis et ad sonum tube sive namphili . . . et congregato in cimiterio eccl. b. Mariae de Lunello, prout moris et consuetum est populum universitatis hominum Lunelli convocare . . .; folgt eine 3 Seiten lange Liste der versammelten Bürger; vgl. überhaupt die unter dem Abschnitt „Villes" vereinigten Urkunden. Wo die Bürgerschaft nicht versammelt wurde, zeichnen Consuln, Schöffen usf. für die gesamte Universitas der Stadt (Picot, 140 ff.). m ) Bericht des Bernardus Guidonis in Flores Chronicarum bei Bouquet, Recueil, 21, 713, wo es noch weiter heißt: multi autem qui videbantur esse columpnae ecclesiae metu aut odio aut quocumque motu alio sunt concussi et pauci inventi sunt, qui constanter steterint in aperto. Vgl. auch das Protokoll über die Verhandlungen der kgl. Agenten mit Prior und Konvent der Predigerbrüder zu Montpellier, die ihre Zustimmung nicht geben wollten ohne den Befehl ihres im Augenblick abwesenden Generalpriors. Darauf verlangten die Agenten die Zustimmung jedes einzelnen im geheimen. Als die Brüder sich standhaft weigerten, erklärten die Agenten, sie im Namen des Königs mit einer dreitägigen Frist ausweisen zu müssen, Dupuy, 154 f., und Picot, a. a. O., Nr. 124, S. 190/91, vgl. Introd. X X V I I I . Dieses Aktenstück ist außerordentlich charakteristisch für die Art, wie die Agenten des Königs die freie Meinung vergewaltigten.

— 136 — auch vielleicht nicht ganz ohne Vorbild — durchaus aus der politischen Eingebung des Augenblicks geboren: ursprünglich sollte eine neue Versammlung der Stände einberufen werden, aber der König fürchtete wohl, der Klerus des Landes könne sich, wenn er sich in Paris zusammenfände, in geschlossener Opposition dem Vorgehen des Königs gegen den obersten Kirchenherrn entgegenstemmen.164) Es war viel sicherer, durch die ins Land geschickten Agenten jedes einzelne Kapitel oder Stift, jeden einzelnen Bischof oder Abt durch Drohungen und Versprechungen zur Zustimmung zu bewegen. — Der Erfolg dieser Aktion war so vollkommen — nur ganz wenige kirchliche Institute opponierten standhaft und gaben ihre Zustimmung nicht165) —, daß nach außen wenigstens der Eindruck einer völligen Einmütigkeit erzielt wurde.166) Wenn die Anteilnahme der Stände an der Politik des Königs sich insofern nicht mit den Protesten der Stände in England und in Frankreich in der Zeit und unter dem Einfluß Friedrichs II. an Bedeutimg messen läßt, als diese ganz aus der Initiative der universitates regni selbst hervorgegangen waren, so ist sie dafür ein vollständiger Erfolg der Staatsräson des Königs und seiner Ratgeber. Die systematische Bearbeitung der öffentlichen Meinung mit geschickter Ausnützimg der patriotischen und antiklerikalen Stimmung im Volke und bei seinen berufenen Vertretern hat sich hier zum ersten Male bewährt. Diese Propaganda hat politische Wirkung über den Augenblickserfolg hinaus gehabt: sie brachte die wichtigsten Lebensfragen des Königreichs in einer Weise zur Kenntnis der Öffentlichkeit, daß das Zusammengehörigkeitsgefühl und die politischen Instinkte der Nation für alle Zukunft mächtig gestärkt wurden. c) Die p o l i t i s c h e Rede. Dabei ist ein Mittel der öffentlichen Propaganda in Gebrauch gekommen, das bisher fast nur von Seiten der Kurie angewandt 164) Vgl. Boutaric, France, 30. Ein Vorbild für diese Aktion könnte vielleicht gefunden werden in der Art und Weise, wie z. B. die Beschlüsse des englischen Parlaments von 1265 in den einzelnen Grafschaften von Kommissaren der Regierung verlesen und von den universitates beschworen wurden, vgl. Bdmont, Simon de Montfort 229, auch 226/27. 166 ) 6 Abteien der Zisterzienser verweigerten ihre Zustimmung, außerdem 11 andere Abteien, im ganzen 17, vgl. Holtzmann, Nogaret, 58, n. 3, und Boutaric, a. a. O., 31. Der A b t von Citeaux, der sich weigerte, wurde vom König verhaftet und legte seine Würde nieder, Boutaric, France, i n , n. 3, nach dem Bericht des Guill. de Fracheto. 166 ) Bonifaz klagt über die Rebellion im Königreich, vgl. die Bulle von 1303 Aug. 15, Dupuv 163, Reg. Pont., nr. 25278/9.

— 137 — worden war. Gemeint ist die öffentliche Rede. Zwar die volkstümliche Rede, meist in Form der Predigt, hatte auch der Kaiser schon zu verschiedenen Malen mit Erfolg erprobt, wenn er seine Sache populär machen wollte. Salimbene von Parma berichtet vom Vergnügen des Kaisers am volkstümlichen Reden, und die Legende erzählt von ihm, daß er sehr das dilicato parlare liebte.167) Meist aber hat der Kaiser bei politischen Gelegenheiten durch den Mund seiner nächsten Mitarbeiter, wie Hermann von Salza und Petrus de Vinea, zum Volke gesprochen.168) Und nun ist es bezeichnend für den Geist des staufischen Kreises, daß der hohe Wert, den man auf die Formung des schriftlichen Ausdrucks, die ars dictandi, legte, auch auf das gesprochene Wort übertragen wurde. Die Kunst der weltlichen, vor allem der politischen Rede scheint dem juristischen Geist der Helfer und Berater des Kaisers besonders gelegen zu haben. Wir wissen, daß die Reden des Petrus de Vinea nicht improvisiert, sondern vorher auf das feinste ausgearbeitet und niedergeschrieben wurden.169) Neben Bibeltexten, die bei den öffentlichen Verteidigern der Kurie allein den Ton bestimmten, werden schon profane Themen an die Spitze gestellt.170) Vor allem erhalten diese Reden durch die juristischen Argumente und die dialektische Methode einen stark weltlichen Charakter. Leider kennen wir nicht den genauen Wortlaut der Verteidigungsrede des Thaddäus von Suessa171), noch die i a ' ) V g . Steinen, Kaisertum, 15. Hier sind alle Fälle, wo von öffentlichen Reden des Kaisers berichtet wird, verzeichnet. Das italienische Zitat ist aus den Cento Novelli antichi od. Novellino (hier benutzt in d. Ausg. v. G. R . Ghio, Torino 1802, 3, nr. 1, i n - d e n übr. Ausgaben meist nr. 2). Die Stelle bei Salimbene steht SS. 32, 353, 41 ff. A m eigentümlichsten berührt der Bericht von der Rede des Kaisers im Dome zu Pisa am Weihnachtsfest des Jahres 1239, s. Davidsohn, Geschichte von Florenz, II, 256. Es scheint sich hier eher um eine richtige Predigt gehandelt zu haben, die dem Kaiser von päpstlicher Seite sehr verübelt worden ist, um so mehr als er damals im Banne war. Nicht politisch, sondern auf den religiösen Sinn seiner Hörer sollte diese Rede wirken. 1M)

Über den Titel Logotheta, Mund des Herrschers, s. oben, 64. Huill.-Br6h„ Pierre, 144. 170) v g l . die von P. d. V. im Namen des Kaisers zu Padua gehaltene Rede auf das Thema eines Ovidwortes, Huill.-Br6h., Pierre, 30 nach der Chronik des Rolandin v . Padua bei Muratori, SS. rer. Ital. V I I I , 226, ad annum 1239. Eine andere Rede aber, die Petrus 3 Jahre vorher in Piacenza gehalten hat, war religiös eingeleitet, nämlich mit dem Bibelspruch: Das Volk, das im Dunkeln wandelt, sieht ein großes Licht (Jes. 9,2), Kantorowicz, 391, Erg.-Bd., 174 nach dem Bericht der Ann. Plac. (ed. Huill.-Br6h., Paris 1856, 155, auch S S 18, 471). J69)

171)

Kurzer Bericht bei Matth. Par. Chron. maior., SS. 28, 258. Die

— 138 — Rede, die Walter von Ocra und andere kaiserliche Gesandte im Februar des Jahres 1245 einer Versammlung der englischen Großen in London vortrugen. Diese war nämlich, wie Matthäus Paris ausdrücklich versichert, als Rede abgefaßt: sermo in carta conscriptus.172) Die Argumente darin waren nach der überlieferten Inhaltsangabe so gewählt, daß sie unmittelbar auf die Versammlung wirken mußten. Auch für ihre Mission in Frankreich hatten Petrus de Vinea und Walter von Ocra ein Schriftstück mitbekommen, das auf der Versammlung der französischen Magnaten als Instrument für einen größeren Vortrag dienen sollte.173) Es'ist aber anzunehmen, daß ein Redner wie Petrus de Vinea sich nicht mit der nackten Darstellung der Ereignisse begnügte, sondern in scharfen Worten seiner Empörung über die Absetzung des Kaisers Luft machte. Gehörte das gesprochene Wort noch zu den selten benutzten Mitteln der Propaganda Friedrichs II., so wurde sie — wie schon erwähnt — in das politische Programm des französischen Königs aufgenommen.174) Die Rhetorik, die Kunst, Gedanken in die passende Form zu kleiden, lieferte wie zur politischen Publizistik nun auch das Rüstzeug für die politische Rede. Anlaß und Gelegenheit boten — wie noch nie in Frankreich — die Stände- und Notablenversammlungen, in denen sich die Propaganda für die politischen Pläne der französischen Regierung konzentrierte. Das Neue ist, daß sie nun auch zu Protokoll genommen wurde, und daß die Reden eines Plaisian und eines Nogaret auf den Ständeversammlungen die ersten Reden des Mittelalters sind, politischen Inhalts wohlbemerkt, die in authentischem Wortlaut überliefert sind. Die kühnen Worte, die Peter Flote auf der Ständeversammlung vom April 1302 im Louvre sprach, von denen leider nur ein einziger Satz die Wirkung auf den Zuhörer ahnen läßt175), Rede auf der Vorversammlung des Konzils vom 26. Juni sowohl wie die Erwiederungen auf die Vorwürfe des Papstes auf den folgenden Hauptverhandlungen behandeln rein sachlich die politischen Streitpunkte. 4n der Appellation auf der Hauptverhandlung hingegen führt der Jurist das Wort, vgl. Const. II, nr. 399, S. 508. Der Papst selbst leitete die Verhandlung mit einer Rede in Predigtform ein. Die abweichende Überlieferung der 2 Quellen zur Geschichte des Konzils von Lyon gibt 2 verschiedene Bibeltexte an, Folz, Friedrich II 69 ff., vgl. oben, 112/3. 172 ) S. den Bericht des Matth. Par., a. a. O., 245. 17a ) Reg. Imp., nr. 3512, Vehse, I i i , s. oben, 60. 174 ) S. oben, i 2 i f . 1,s ) S. oben, 92, Anm. 25. In der Hs., die die Rede Flotes enthielt, waren übrigens noch andere Reden aufgezeichnet, z. B. die Rede eines Magisters Eustachius vor d. König u. Peter Flote, vgl. Renan in Hist. litt. 27, 372.

— 139 — verbreiteten sich in weite Kreise des Volkes und machten offenbar das Vorgehen gegen die Kurie wirklich populär. Außerdem rissen sie die Stände selbst zu jenen schriftlichen Protesten hin, die an den Papst und die Kardinäle gesandt wurden und brachten dadurch den Stein, der sich gegen die Person des Papstes Bonifaz heranwälzte, ins Rollen. Den Zeitgenossen fiel dabei besonders der weltliche Charakter dieser Rede auf: car en Bible ne fu pas pris.176) Dagegen hat gerade Nogaret die Predigtform bei seinen politischen Reden bevorzugt. Er rechnete wohl damit, daß das Voranstellen einer Bibelstelle und die Erläuterung und Verdichtung des Inhalts mit Hinblick auf das biblische Thema bei der Menge populär sei und stärker wirken werde, weil sie eben an eine Predigt erinnerte. Außerdem konnte er dadurch bei seinen Zuhörern den Eindruck erwecken, als handle es sich um einen religiösen Inhalt, und damit die Vorstellung, er und der König handelten nur im Namen der Kirche und des Glaubens, noch besser aufrechterhalten. Beispiele sind: die Mäxzrede auf der Notabelnversammlung von 1303 177 ) und die von Nogaret abgefaßte erste große Ansprache, mit der Wilhelm von Plaisian den Papst zu Poitiers (1308) apostrophierte.178) Charakteristisch auch für die Art, wie man durch religiöse Einkleidung politische Absichten einer größeren Masse mundgerecht machen wollte, ist die Volksversammlung vom 24. Juni 1303 im Garten des Louvre. Hier " • ) S. oben, 92, Anm. 26. Über eine Rede rein weltlichen Charakters mit einem Thema naturrechtlichen Inhalts erfahren wir bei Gelegenheit der Ständevers, von 1314. Hier hielt nämlich der Minister Philipps des Schönen, Enguerrand de Marigny, eine Rede über das Thema „De nature et de nourriture" überliefert in „Grandes chroniques de France" ed. P. Paris, V, 206— 208, dazu Boutaric, France 39. " ' ) S. oben, 94. 1,s ) S. oben, 105. Dupuy, 56—59, Lizerand, 1 1 0 — 1 2 4 , auch H. Finke, Untergang des Templerordens II, 135—140. Zu der Form der Rede politischen'Inhalts mit religiöser Einkleidung liefern die großen Angelegenheiten Frankreichs mit der Kurie überhaupt eine ganze Reihe Beispiele: die Reden des Kardinals Math, de Aquasparta u. Bonifaz' V I I I . vor dem Konsistorium vom Ende August 1302 (Dupuy, 73—79); dazu Drumann, Geschichte Bonifatius des Achten, 44, n. 31, der die beiden Reden einen wichtigen Beitrag nicht nur zur Geschichte des Bonifaz, sondern auch zur Geschichte der Exegese und der Rhetorik des Mittelalters nennt; ferner die Erwiderungen auf die Rede Wilhelms von Plaisians zu Poitiers: des Erzbischofs von Narbonne, des Aegidius Colonna, Erzbischofs von Bourges, und schließlich des Papstes Clemens V., s. Holtzmann, Nogaret, 160 f. nach dem Bericht der Chronik von St. Alban, d . h . in Guill. Rishang. Annales reg. Edw. I. Fragm. III, ed. Riley, 496 f. (SS. rer. Brit. 28, 2).

— 140 — hielt der Bischof von Orléans, Bertrand de Saint-Denis, eine französische Predigt, danach erst verlas ein Kleriker die Anklagepunkte gegen BonifazVIII. und verkündete den Appell an ein zukünftiges Konzil.179) Man ging dabei wohl von der Ansicht aus, daß die allgemeinste Wirkung in der Öffentlichkeit nur durch die allgemeinst verständliche, d. h. gebräuchlichste Form erzielt werden kann, und diese Form war ja bisher fast allein die Predigt gewesen. Immerhin wurde durch den Kampf mit dem Papsttum das agitatorische Moment besonders unterstrichen, and so konnte sich auch die persönliche Note, das Haupterfordernis der politischen Agitation, stärker hervordrängen, so daß die Popularität des Redners selbst schon propagandistisch für die Sache zu wirken vermochte. — Der Streit Philipps des Schönen mit der Kurie hat Formen der politischen Propaganda entwickelt, die die Einbeziehung der Öffentlichkeit in einem bisher noch nichtgekannten Maße zur Folge hatte, nicht nur in dem Sinne der aktiven Teilnahme größerer sozialer und politischer Körperschaften an den allgemeinen Angelegenheiten, als auch mit Hinblick auf die Wirkung, die die öffentliche Meinung auf den Verlauf des Streites und den Erfolg der königlichen Politik hatte. Formen und Mittel der Propaganda waren zum Teil schon vorbereitet und im Beispiel vorhanden. Sie kamen aber jetzt erst vollständig zur Geltung, weil sie nicht nur beiläufig und vereinzelt wie bisher, sondern systematisch angewandt, auf greifbare politische Ziele eingestellt und auf den Augenblickserfolg berechnet waren. Insofern unterscheidet sich diese Propaganda in ihren Mitteln von jeder früheren, deren Sinn und Ziel der Kampf für und um Ideen bildete, die zu hoch und zu weit waren, als daß man sie mit den Interessen einer engeren Volksgemeinschaft hätte verbinden können. — In einer künftigen Geschichte der Methoden und Formen der mittelalterlichen Politik müßte dieser Eroberung der öffentlichen Meinung durch die Regierung eines Staatswesens, das sich auf dem Wege zur staatlichen und nationalen Konsolidierung befand, ein eigenes Kapitel eingeräumt werden. Auch an diesem Beispiele könnte gezeigt werden, daß wirkliche Politik, d. h. die Lenkung eines Staatswesens mit dem Ziele der Förderung und Steigerung der Kräfte im Innern und der machtvollen Behauptung nach außen, nur dann möglich ist, wenn es gelingt, diese Ziele als vitale Interessen des Volksganzen aufzuweisen, mit anderen Worten, wenn sie die geschichtliche Mission erfüllt, der Nation zum Selbstbewußtsein und damit zum Dasein zu verhelfen. 179 )

S. oben, 134.

III.

DIE ENTWICKLUNG DER POLITISCHEN IDEEN.

i . GOTTESGNADENTUM UND HERRSCHERWEIHE. Das mittelalterliche Gottesgnadentum entstammte der Weihe, die die Kirche durch die Hand des obersten Priesters dem fränkischen König erteilt hat. Sie galt bis zum ersten großen Kampf des Staates mit der Kirche als eine Art Sakrament: der Herrscher hatte zugleich den Charakter eines Königs und eines Priesters.1) Erst das Reformpapsttum in der Person des gewaltigen Gregor VII. machte dem Königpriestertum ein Ende. Die Kirche spricht von nun an dem weltlichen Herrscher zugleich mit der Gottunmittelbarkeit den priesterlichen Charakter ab.2) Freilich für die Ordnung und das Regiment der weltlichen Dinge läßt sie sein Dasein als unerläßlich gelten. Aber nach dem strengen Kirchenstandpunkt ist er nicht mehr das Haupt dieser von der Kirche geduldeten Ordnung, sondern nur ein untergeordnetes Glied, der Arm der Kirche. Er zieht das Schwert gegen die Sünder, Ketzer und Ungläubigen nicht auf unmittelbaren göttlichen Auftrag, sondern auf den Wink der Kirche (ad nutum ecclesiae).3) Im Kampf gegen diese Herabsetzung der Herrscherwürde ist der staufische Reichsgedanke erwachsen. Die Polemik der kaiserlichen Partei nimmt ihre Stützen aus der Überzeugung von der göttlichen Bestimmimg des Herrscheramtes und ihre historische Rechtfertigung aus der machtvollsten Erscheinimg des Herrschertums, dem Imperium Romanum der Antike. Dem Inhalt nach zielt der staufische Reichsgedanke auf nichts anderes als auf Grundlegend für die folgenden Betrachtungen ist die große Untersuchung von F. Kern, Gottesgnadentum und Widerstandsrecht im früheren Mittelalter, Leipzig 1915. Neuerdings auch J. Hashagen, Staat und Kirche vor der Reformation, Essen 1931, 483 ff. 2)

Kern, 113 ff. Diese Lehre vertrat zuerst Bernhard v. Clairvaux, vgl. E. Eichmann, Acht und Bann im Reichsrecht des Mittelalters, Paderborn 1909, 46. 8)

— 142 — die Wiederherstellung des christlichen Gottesstaates nach dem Vorbild Karls des Großen. Der Form nach aber kleidete er sich in den alten Amtsstil der antiken Cäsaren. Im Augenblick, als die Kurie Anstalt machte, das Kaisertum als Benefiziurri zu beanspruchen, nannte Barbarossa sein Reich das geweihte (sacrum) ganz offensichtlich nach dem Beispiel der antiken Herrscher, deren Stellung man neuerlich durch die Renaissance des römischen Rechts in Bologna kennengelernt hatte.4) Wegen der offensichtlichen Tendenz, das sacrum imperium als ein Gebilde gleichen göttlichen Charakters wie das Papsttum, aber in Unabhängigkeit von der Kirche hinzustellen, mußten kirchentreue Zeitgenossen den staufischen Reichsgedanken als kirchenfremd verwerfen.5) In Wirklichkeit wollten sowohl Barbarossa wie sein Enkel die spezifisch christlichen Wesenszüge ihres Gottesgnadentums herausgehoben wissen. Bei Friedrich II. allerdings vermischen sich die Elemente insofern, als offenbar auch altgermanische und alttestamentliche Vorstellungen vom Priestertum des geblütsechten und geweihten Königs, die in der Theorie anderer abendländischer Herrscher ununterbrochen fortgewirkt hatten und die in Zukunft für das Gottesgnadentum des Absolutismus bedeutsam werden sollten, auch bei ihm wieder erscheinen.6) Der Prototyp des Herrschers war im Mittelalter der Kaiser. „Aus dem Beispiel der Kaiserkrönung nahm der rechtliche Anspruch der Herrscherweihe seinen vornehmsten Rückhalt." Die Kirche konnte also auch in die Königsweihe, die sie durch den ersten Kirchenfürsten der Länder auszuüben pflegte, die Übertragung bestimmter Herrschaftsrechte hineindeuten, und mehr, „als dem Staatsrecht entsprach".7) In den Ländern aber war — wie Kern überzeugend nachgewiesen hat — der Grundsatz, das Königtum rühre von Gott und dem Volke her, von je unerschüttert geblieben, und das Moment der Zustimmung des Volkes in der Wahl hat dem kirchlichen Akt mindestens die Wage ge4 ) Über den staufischen Reichsgedanken Kern, a . a . O . , §4, 123 ff.; M. Krammer, Der Reichsgedanke des staufischen Kaiserhauses, Breslau 1908, 3 ff.; M. Pomtow, Über den Einfluß der altrömischen Vorstellungen vom Staat auf die Politik Kaiser Friedrichs I. und die Anschauungen seiner Zeit. Diss. Halle 1885, 77 ff. (hier vor allem über das Epitheton „sacrum"); Burdach, a. a. O., passim, v. d. Steinen, Kantorowicz u. a. 6 ) Vgl. den Ausspruch des Johannes v. Salesbury bei Kern, a. a. O., 137, . n. 256. 8 ) Vgl. Kantorowicz, Erg.-Bd. 72, u. 82 ff. 7 ) Die Kirche faßte die Weihe als konstitutiv auf, vgl. Kern, a. a. O.. 93 ff., bes. Anm. 169 ff., u. Anh. V.

— 143 — halten. „In den Königreichen ist niemals die Anschauung durchgedrungen", die zeitweise im Reich starken Boden gefunden hatte, „daß Priesterhand den Herrschertitel vergeben könne." Das Gottesgnadentum haftete dort vielmehr am Amte selbst, später am thronberechtigten Geschlecht. Selbst ein Innocenz III. mußte sich zu einer unterschiedlichen Auffassung der Herrscherweihe für den König und für den Kaiser bequemen: dem französischen König gestand er die Gottunmittelbarkeit zu, während er für den Kaiser an der päpstlichen Übertragung festhielt.8) Die nationale und die dynastische Entwicklung gaben der Herrscherweihe des Königs im Laufe der Zeit eine ganz neue Grundlage, die sowohl dem kirchlichen Prinzip von der konstitutiven Kraft der kirchlichen Weihe widersprach, wie auch sich von der kaiserlichen Begründung des Gottesgnadentums unterschied. Die allgemeinste Lehre, aus der König und Kaiser ihr Gottesgnadentum ableiten, ist die von der Stellvertreterschaft Gottes oder Christi als des Herrschers über die ganze Welt.9) Nach Friedrich II. hat der weltliche Herrscher den göttlichen Auftrag erhalten, die in Sünde gefallene Menschheit wieder zur göttlichen \ind natürlichen Ordnung zurückzuleiten und als Richter über die uneinige Menschheit den göttlichen Willen zu vollstrecken.10) Als erster Vollstrecker des göttlichen Willens hatte nun schon in der ältesten christlichen Zeit David gegolten, und die Herrscher der frühen Kirche hatten in ihm den Prototyp des vicarius Christi gesehen.11) Auch in der Krönungsformel der Kaiser wurde schon sehr früh das Königtum Davids als Beispiel und Vorbild in Erinnerung gebracht, und so berufen sich auch weiterhin immer wieder die Kaiser und Könige auf das regnum Davidicum.12) Wie einst David und die Könige das Volk Israel an Gottes Statt 8)

Vgl.

K e r n , a. a. O.,

106, und E i c h m a n n ,

a. a. O., 49Í.,

hier

(bes.

n. 1) die Z i t a t e aus d e n Registern Innocenz I I I . ®) Ü b e r die E n t w i c k l u n g der

Aufsatz

von

dieses

A. v. Harnack,

Gedankens

Christus

unterrichtet

praesens



ausführlich

vicarius

Christi,

S. B e r l . A k . 1927, 430 f f . 10)

P r o o e m i u m zu den K o n s t i t u t i o n e n v o n Melfi, Huill.-Bréh. I V , 3.

U m f a s s e n d e D e u t u n g und L i t e r a t u r a n g a b e n bei K a n t o r o w i c z , E r g . - B d . , 96. A m meisten scheint mir die Sinnauslegung bei v . d. Steinen, K a i s e r t u m , 18 ff., d e m ")

Geist der Zeit zu entsprechen.

V g l . K e r n , a. a. O., 7 4 ; K a n t o r o w i c z , Friedrich I I . , 185, und H a r n a c k

a. a. O . , 436 und 437, A n m . 1. 12)

Vgl.

G.

Waitz,

Formeln

der d e u t s c h e n

Königs- und

Kaiserkrönung. A b h . G ö t t . Ges. Wiss., 18, 1873, 39. cum Kantorowicz, Erg.-Bd.,

73.

römischen

Zum regnum Davidi-

— 144 — regierten, so vertreten bis zu der Zeiten Ende die weltlichen Fürsten die Gottheit auf Erden. Weil aber Christus zu Jerusalem das Erbe Davids antrat, von wo sich sein Herrscherreich ausbreiten sollte über die ganze Welt, so stellt die Nachfolgeschaft im Königtum Davids den Herrscher in die unmittelbare Nähe des Gottessohnes. Kaiser Friedrich II. und Philipp der Schöne finden ganz ähnliche Worte für die stolze Auffassung, daß Christus selbst ihr Vorgänger und ihr Vorbild in der Herrschaft gewesen und wie sie selbst höchstem Adel entsprossen sei. Wenn der Kaiser seiner Freude darüber Ausdruck gibt, daß Christus der regia stirps Davidica entsproß13), so preist der französische König mit ganz ähnlichen Worten Christus, den König des Himmels und der Erde, weil seine Mutter ex regali fuit orta progenie. Den alten Krönungsruf der sizilischen Könige: Christus vincit Christus regnat Christus imperat stellt Wilhelm von Nogaret als Motto vor die Rede, die er zur Vernichtung der Templer vor Papst und Kardinälen halten ließ. Hier nennt er Christus den rex regum et dominus domicancium et eciam imperator, quia omnibus sub sole existentibus imperat.14) Der König von Frankreich aber ist dicti regis Jhesu Christi in regno suo tempbralis vicarius, des Sieges Christi über seine Feinde nächster Sachwalter (victorie minister)!15) Wenn Friedrich II., wie seit Karl dem Großen mehrere seiner kaiserlichen Vorgänger, in die Weihe Davids die Idee des Kaisers als vicarius Christi hineinlegte, wenn seine Umgebung ihn pries als den Vermittler des göttlichen Willens, als den rex iustus, der das goldene Zeitalter heraufführen werde16) —, wahrlich, der französische König und seine Getreuen stehen dem kaiserlichen Hofe nicht nach in ihrem Eifer, auch für den König die Anwartschaft auf das göttliche Stellvertreteramt zu verlangen und in ihrem Stolz auf die Gottesnähe der königlichen Person! 18 ) Winkelmann, Acta I, 299 (1236, März 17): Nam et salvatorem nostrum Nasarenum de regia Stirpe Davidica processisse gaudemus . . . , vgl. Steinen, Kaisertum, 57. Friedrich II. schreibt öfter: noster predecessor David, rex inclitus Israel; Belege bei Kantorowicz, Erg.-Bd. 74. Der Eingang des Jerusalemmanifestes und der Schluß der an den englischen König gerichteten Fassung ist ganz dem Davidpsalter entnommen, vgl. Vehse, a. a. O., 154, Anm. 91 u. 93, zu Const. II, 163 u. 166. S. oben, 104, Anm. 59. 14 )

Vgl. Lizerand, xio, und Finke, Papsttum und Untergang des Temp-

lerordens II, 135. Die oben zitierten Stellen sind aus dem feierlichen Eingangssatz der Rede. Über Nogaret als Verfasser vgl. oben, 105. 16 )

Lizerand, 112 u. 114, Finke, Bonifaz V I I I . , 135 u. 137.

le)

Vgl. die Lobrede des Petrus de Vinea auf den Kaiser, Huill.-Brfeh.,

Pierre, 425 f, dazu Kantorowicz, Erg.-Bd., 207.

— 145 — Aber woher kommt den beiden Herrschern die Kraft, sich in dieser Weise von Gott begnadet zu fühlen, und die Gewißheit ihrer Sendling ? Der Kaiser stützt seine Uberzeugung, erwähltes Werkzeug Gottes zu sein — übrigens ebenso wie sein kaiserlicher Großvater —, auf die Wahl der Fürsten, durch deren Mund Gott gesprochen habe. Er nennt sich durch feierliche Wahl der Fürsten und Beistimmung der ganzen Kirche mit dem kaiserlichen Diadem von Gott her geziert.17) Die allgemeine Vorstellung mittelalterlicher Herrscher, daß die göttliche Vorsehimg den Wahlakt inspiriere und der göttliche Wille sich im Spruche der Wähler offenbare, verstärkt sich bei Friedrich II. noch durch das persönliche Erlebnis der eigenen Wahl, die er von Anfang an als Wunder gedeutet hatte und deuten mußte. Dann aber ist ihm das Amt des Kaisers selbst, die dem Imperium innewohnende Idee, die mystische Kraft, die von ihr ausströmt, Bürgschaft seiner Gottesnähe und Stellvertreterschaft. Denn nur der kann als der wirkliche Vertreter Gottes gelten, dessen Macht ein Abbild ist der göttlichen Macht. Und da das Imperium wenigstens dem Anspruch nach die ganze Welt umfaßt wie die irdische Herrschaft Gottes, und der Kaiser der Vater oder Urheber des Imperiums heißen kann wie Gott der der Welt, „so werden auf diesem Wege Kaiser und Gott nahezu eins".18) Femer ist die historische Erscheinungsform des Imperiums eine weitere Rechtfertigung seiner Ansprüche. Christus hat sie anerkannt — so sagte das Mittelalter — in der Geschichte vom Zinsgroschen. Friedrich II. ging viel weiter, als er durch die Prägung der Augustalen nach dem Vorbild altrömischer Kaisermünzen sich in eine Reihe mit den Herrschern der römischen Antike stellte und seinem Glauben an die völkerbeglückende und gottbestimmte Mission des Imperiums durch die neue Formulierung des Romgedankens neuen Inhalt gab.19) Kein Wunder, daß sich die leidenschaftlichen Bemühungen um die Anerkennung dieser göttlichen Hoheit in dem Grade steigerten, in dem die feindlichen Päpste den Kaiser 17)

Winkelmann,

Acta

Imp. I I ,

50

(Reformman.

1246):

cum

prin-

c i p u m electione sollempni et approbatione totius ecclesie, dazu v . d. Steinen, 32, w o noch ähnliche Äußerungen des Kaisers aufgeführt werden. D i e erste Äußerung ist nichts anderes als eine Erweiterung der bekannten Formulierung Barbarossas, ihm gehöre das Reich per electionem principum a solo D e o (Const. 1231, 29). Über die Inspiration des W a h l a k t e s v g l . Kern, a. a. O., 50. 18)

Steinen, Kaisertum, 38.

1B )

V g l . die an die Römer gerichteten Manifeste, bes. R e g . Imp. nr. 2192

D o r t auch die Belege.

(1236 Aug.), nr. 2311 (1238, Jan.) u. nr. 2430 (1238 Frj.). Vgl. Burdach, Rienzo, 300 f . u. 357. Beiheft d. H. Z. 30.

10

— 146 — zu demütigen und zu verkleinem versuchten.20) Der furchtbare Kampf mit dem Feldgeschrei hie Antichrist — hie Stellvertreter Christi ist eine Folge der Uberspannimg des ursprünglich im christlich-demütigen Sinne gehegten Gottesgnaden-Gedankens. 21 ) Weil der Gedanke des erblichen Königtums in Frankreich schon lange den Sieg über den Wahlgedanken davongetragen hatte, war das Moment der persönlichen Erwählung für den König nicht mehr von Wichtigkeit. E s spielte höchstens noch in den Formalien der Königskrönung eine Rolle. An die Stelle der Wahl trat vielmehr als Quelle des Gottesgnadentums die Zugehörigkeit zur französischen Königsdynastie. Und für die Idee und die Geschichte des Imperiums, aus der das kaiserliche Gottesgnadentum seine Kraft schöpfte, bot die besondere Stellung, die nach der Anschauung der Franzosen das Königreich im göttlichen Heilsplan eingenommen hatte und gegenwärtig einnahm, einen vollgültigen Ersatz. Ihm, dem König, konnte das Bewußtsein genügen, mit dem Thron seiner Vorfahren sozusagen blutmäßig eine ungeheuer kostbare Mitgift empfangen zu haben. Diese Mitgift ist der Schatz an gottwohlgefälligen Taten, den der fromme Sinn der Ahnen im Laufe der Zeit zusammengebracht und immer neu vermehrt hatte: preciosissimam fidei catholicae margaritam, utpote thesaurum incomparabilem.22) Das Gefühl, im sicheren i0 ) Der Ausdruck der staufischen Kanzlei für die Hoheit und Gottesnähe des Herrschers hat bei einzelnen bekanntlich so stark gesteigerte Formen angenommen, daß verschiedene Forscher, darunter bes. HuillardBréholles, glaubten, hierin den Plan zur Grfindung eines Laienpapsttums in der Person des Kaisers sehen zu dürfen, vgl. Huill.-Bréh., Pierre, 196, u. Hist. dipl. Intr. C D L X X X V , dazu G. Waitz in seiner Besprechung der Hist. dipl. (Gött. Gel. Anz. 1861, II, 932—34), v. d. Steinen, Kaisertum, 44/45, und Kantorowicz, Erg.-Bd., 208, die den Äußerungen der Höflinge keine realpolitische Bedeutung beimessen. Zu einer solchen Deutung neigt aber doch wieder J. Hashagen, a. a. O., 527 u. 547. 21 )

Vgl. Harnack, a. a. O. Semper progenitores nostri ad hereses et errores alios ab ecclesia Dei pellendos et specialiter e regno Francie pre ceteris principibus suorum temporum fuerunt solliciti preciosissimam fidei catholice margaritam, utpote thesaurum incomperabilem, a furibus et latronibus defendentes. (Berufungsschreiben zur Ständeversammlung in Tours 1308, März 25, von Nogaret verfaßt, Lizerand, 102, Boutaric, Notices, 163, u. ö.). Man könnte noch eine Menge anderer Zeugnisse für diesen Glaubensstolz der französischen Dynastie anführen, vgl. auch oben 55. Wenn Philipp in der oben, Anm. 14, 15, zitierten Rede murus Jerusalem genannt wird zur Kennzeichnung seiner Standhaftigkeit im Glauben, so ist darin auch vielleicht ein Hinweis auf das regnum Davidicum zu sehen. 22)

— 147 — Besitz dieses Schatzes zu sein, erhebt den König auf die gleiche schwindelnde Höhe der Gottähnlichkeit wie das Bewußtsein, zum Imperium erwählt zu sein, den Kaiser. Das legitimistische Gottesgnadentum fühlt sich in nichts hinter das Gottesgnadentum des gewählten Herrschers zurückgestellt.23) So laßt nämlich Wilhelm von Nogaret seinen König sprechen: Scitis quod fides est catholica, ex qua id quod sumus in Christo subsistimus; ex ea vivimus, ex ea nos sie exules et mortales nobiles facti sumus in Domino Jhesu Christo, ut Dei vivi, patris eterni, filii veri simus cum Christo nec non regni celestis heredes. . . . Diligamus ergo nos talem Dominum Salvatorem, qui sie nos prius dilexit, qui sumus unum corpus regnaturi cum eo pariter.. ,24) Wenn man in diesen Worten den Stil Vineas hat erkennen wollen, so ist diese Vermutung sicher nicht ganz abzulehnen.25) Jedenfalls aber ist der Gedankengang der beiden Herrscher so ähnlich, daß man einen Augenblick vergessen kann, daß es sich in dem einen Fall um einen König handelte, der — einer unter vielen — doch nicht entfernt den gleichen ideellen Anspruch auf das göttliche Vikariat erheben konnte, wie der Beherrscher des auf dem Gedanken der einen ungeteilten Christenheit beruhenden Imperiums. Aber Philipp und sein Kreis sahen doch ihrerseits — und mit nicht weniger gläubiger Sicherheit als die Verfechter des imperialen Gedankens — die besondere Stelle und die besondere Aufgabe, die dem französischen regnum im göttlichen Heilsplan zugefallen war. Es habe nämlich Christus — so schreibt der französische König sehr bezeichnenderweise gerade an Kaiser Heinrich VII. — im regnum Franciae vor allen Ländern der Welt ein festes Fundament des Glaubens und der christlichen Religion, die höchste Ergebenheit gegenüber 2

") Dazu trug auch bei der auf uralten Vorstellungen vom Priestertum der Könige beruhende Glaube an die Heilkraft des Herrschers. Diese Wundergabe wird bei Philipp dem Schönen sogar publizistisch verwertet in der Apologie Nogarets 1 3 1 0 Dez. 17: apertaque miracula Deus infirmis. Deus per manus eius ministrai (Dupuy, 518). Diese Lobhymne Nogarets. auf den König ist auch sonst charakteristisch für den legitimistischen Glauben an die christliche Größe der kapetingischen Dynastie : Dom. rex est natus de progenie regum Francorum, qui omnes a tempore regis Pippini... fuerunt religiosi ferventes, púgiles fidei, sanetaeque matris Ecclesiae- validi defensores . . . Zum Ganzen vgl. Kern, a. a. O. 1 1 8 ff., und Wenck, 54 ff. 2i ) Berufungsschreiben zu der Versammlung in Tours, Lizerand, 104, auch Boutaric, France, 164, vgl. auch die 2. Rede Plaisians vor dem Konsistorium zu Poitiers : est fides ipsa ex qua id quod sumus unum corpus cum Christi consistimus, Lizerand, 132, Boutaric, France, 184. " ) Huill.-Bréh., Pierre, 234, s. oben, 105.

10*

— 148 — seinen Dienern, hingebende Liebe und Ehrfurcht gegenüber seiner eigenen Person gefunden, und darum habe er dem französischen König eine besondere Stellung zu Gott eingeräumt.36) Man sieht: der Altar, der der Religion von Reims und St. Denis — so nennt Renan das sakrale Königtum der Franzosen27) — errichtet wird, steht auf den Verdiensten des französischen Volkes um die christliche Religion und ihren Stifter nicht minder, als auf denen der Dynastie. Das Gottesgnadentum des französischen Königs ist legitimistisch, ist aber auch schon stark von nationalem Stolz durchsetzt, ja, zeigt fast schon jene Art des fanatischen Nationalismus, die dem Frankreich späterer Jahrhunderte das Gepräge gegeben hat. Der „mystische Nationalismus", den die Jeanne d'Arc ihren Franzosen für alle Zeiten eingeimpft hat, er kommt in dem Gottesgnadentum Philipps zum ersten Male zum Ausdruck.28) Wie von einer selbstverständlichen Wahrheit wird von dem regnum Francie des öfteren gesagt, daß es „ a domino electum et benedictum pre ceteris regnis mundi" sei.29) Dem Herrscher des vornehmsten und im Range höchsten Reiches gegenüber hat diese Wahrheit, mit feierlicher Begründung verkündigt, nun 26) Antwort Philipps des Schönen auf das Schreiben Kaiser Heinrichs V I I . von 1312 Juni 29: altissimus Jesus Christus in regno ipso pre ceteris mundi partibus sancte fidei et religionis Christiane stabile fundamentum reperiens sibique et eius vicariis et ministris summam impendi devocionem considerans sicut se in eo pre ceteris amari, timeri et honorari conspexit, sie ipsum pre ceteris regnis et prineipatibus singulari quadam eminencie prerogativa disposuit honorari . . . , Const. IV, 812, nr. 811. Wenck druckt diese Antwort d. franz. Königs ab nach einer Hs. der Vatik. Bibl. als Beilage zu seiner Schrift „Philipp der Schöne . . .", a. a. O., 71 ff. Der Abdruck in den Const. bringt verbesserte Lesarten. Zum Inhalt vgl. Wenck, ebd., 52 u. hier weiter unten, 162. 27 ) E. Renan, La monarchie constitutionelle en France, 79 (Revue des deux mondes, 84, 1869). Aucune nation n'a jamais créé une légende plus complète que celle de cette grande royauté capétienne, sorte de réligion née à St. Dénis, consacrée à Reims. An anderer Stelle spricht er von der Königsweihe als dem achten Sakrament der Franzosen. 28) Sehr interessant und belehrend sind die Ausfahrungen von Fr. Sieburg über dies religiös unterbaute Nationalgefühl der Franzosen, das zur Beanspruchung des Vorranges vor allen andern Völkern geführt hat (Gott in Frankreich, Frankfurt 1929, 19—57). Vgl. bes. folgende Bemerkung über Philipp den Schönen: „Erfand nicht Philipp der Schöne, der dem Papsttum den Fuß auf den Nacken setzte, eine Ideologie, die von Johanna hätte stammen können und die der hybriden These, daß Gott Frankreich nicht entbehren könne, auf ein Haar ähnelte?" (56). 29) Aus der 1. Rede Plaisians auf dem Konsistorium zu Poitiers, Lizerand, 116, u. Finke, Papsttum und Templerorden II, 137.

— 149

-

freilich auch programmatische Bedeutung gehabt. Der Herrscher des französischen regnum fühlt sich dem Kaiser ebenbürtig, wenn nicht auf Grund seiner, seiner Dynastie und des regnums Verdienste überlegen.30) Aber nicht dieser Anspruch ist neu, sondern seine Begründung. Die Taten des Herrschers und seines Volkes erscheinen nämlich hier als untrennbare Einheit. Wenn den Kaiser seine Gottnähe von den Menschen, die seine Diener und seine Untertanen waren, entfernte und so stark heraushob aus dem Kreise, der ihn umgab, daß der Umgang mit ihm fast heidnischvergötternde Form annahm, so verband im Gegenteil das Gottesgnadentum den französischen König mit seinem Volke auf das innigste. Denn wie das Land die Weihe und die Würde seines Königs als die seine empfand, so war sich der König voll bewußt, daß er sie neben den Taten seiner Vorfahren der Größe und christlichen Gesinnung des französischen Volkes verdankte. 31 ) Gegenüber der geschichtsphilosophischen Ideologie des Imperiums, der stärksten Stütze des kaiserlichen Gottesgnadentums, stellen die Gesta Dei per Francos eine wirkliche real-historische Größe, einen meßbaren Faktor dar, weil sie den gegenwärtigen Zustand des Königreiches, das tatsächliche Ansehen der Dynastie hatten begründen helfen. Das gemeinsame Gefühl dieses Zustandes und der gemeinsame Stolz sind die stärkste Stütze des nationalen Königtums geworden.32) Freilich ist dieser religiöse Nationalismus, der das Gottesgnadentum des französischen Königs trägt, nicht minder romfremd als im tiefsten Grund dasjenige des Imperator mundi mit den antik-heidnischen Erinnerungen und Anklängen, vor allem aber mit dem Anspruch, unmittelbares Werkzeug des göttlichen Willens zu sein. Die Eigenart des Verhältso ) Man konnte sich schon deshalb dem Kaiser überlegen fühlen, weil man die erbliche Herrscherwürde für vornehmer hielt als diejenige, die durch Wahl erworben wurde, vgl. die bekannte Antwort, die Robert von Artois, der Bruder Ludwigs I X . , dem Papst erteilt haben soll, als dieser ihm nach der Absetzung Friedrichs die Kaiserkrone anbot, Matth. Par., SS. 28, i 8 i , M f f . S1 ) S. das Zitat oben, 148, Anm. 26. Renan, a. a. O., sieht in dieser Identifizierung von König und Nation im Bewußtsein ihres Christentums die innigste Verbindung, die vom nationalen Standpunkt aus denkbar ist, zugleich die Inkarnation des Genius und der Interessen des französischen Volkes. 82) Kern betont folgende, in diesem Zusammenhang wichtige Tatsache: so wenig, wie sich das kirchliche Prinzip von der konstitutiven Kraft der Herrscherweihe dem Wahlprinzip gegenüber im Reich vollständig hatte durchsetzen können, konnte auch das Legitimitätsprinzip in den Königreichen die nationalen Grundlagen des Herrscherrechtes ganz verdrängen (a. a. O., 107). Bei Philipp dem Schönen ist ein Gefühl für diese Grundlagen durchaus vorhanden gewesen.

— 150 — nisses des französischen Königs und der französischen Nation zu Gott schloß im Grunde die Vermittlung der Kirche völlig aus. Gottesgnadentum und Herrscherweihe als Grundlagen der theokratischen Fürstenlehre tragen trotz ihres religiös-kirchlichen Mutterbodens in der Form, in der sie Kaiser und König vertreten, den Keim in sich zu der reformatorischen Kirchenpolitik der Konzilszeit und dem Staatskirchentum der in Entwicklung begriffenen Nationalstaaten.33)

2. D I E SOUVERÄNITÄT D E S W E L T L I C H E N H E R R S C H E R S . Die Lehre vom Gottesgnadentum und der besonderen religiösen Weihe des Herrsclleramtes barg zwei einander widerstrebende Elemente in sich. Auf der einen Seite rechtfertigte die göttliche Sendung des Herrschers jede seiner Handlungen, hob ihn hoch hinaus über die Masse seiner Untertanen, entfremdete und entfernte ihn dem Boden, dem er nach dem Untergang der antiken Welt seine besten Kräfte verdankte, der Idee des an Volk, Recht und Amt gebundenen Herrschertums. Sie war imstande, die Herrscherbefugnisse zu steigern bis zu jenem höchsten Grade des Absolutismus, der selbst nicht durch die französische Revolution den entscheidenden Stoß erhalten, sondern seine Wellen bis zur Katastrophe des Weltkriegs geschlagen hat. Diese Steigerung der Befugnisse bedeutet aber auf der andern Seite für die Verselbständigung des Staatsgedankens im 13. Jahrhundert, in dem man sich den Staat noch nicht anders denken konnte als verkörpert in einer monarchischen Spitze, gerade im Rahmen des Machtkampfes, den er mit der Kirche auszufechten hatte, einen nicht zu unterschätzenden Fortschritt. Denn der Herrscher stand jetzt in der Glorie seiner religiösen Weihe und in seiner aus den Traditionen des römischen Kaisertums gespeisten Machtfülle auf gleicher Höhe wie sein päpstlicher Gegner, und der in ihm verkörperte Staat schien in gewissem Sinne frei und unabhängig geworden von der Leitung der Papstkirche, die außer auf dem Gebiete des rein Geistlichen unter Umständen sogar entbehrlich erscheinen konnte. 33

) Vgl. Kern, a. a. O., 1 1 9 : „Gerade als Symbol des Staatskirchentums war das Salbungssakrament von der Kirche in Verruf getan worden. Mit dem Zusammenbruch des hierokratischen Systems, mit dem Vordringen des Gallikanismus lebte nun auch die Vorstellung des Priesterkönigtums wieder auf, denn man brauchte abermals ein Symbol für das königliche Kirchenregiment", vgl. auch ebd., 112, und Hashagen, a . a . O . , 5 1 5 ff.

— 151 — Auf der andern Seite aber hinderte die religiöse Weihe, mit der der Herrscher sich umgab, und die religiösen Ziele, die er seiner Regierung stellte, daß er sich zu dem weltlichen Ursprünge des Staates, wie er sich im Laufe des Jahrhunderts aus den Lehren der aristotelisch-thomistischen Schule herauskristallisiert hatte, bekannte, indem er Mitteln und Zielen des Staates ihren eigenen Namen gab und ihn dadurch aus der Zweckverbindung mit der Kirche löste. War es für Friedrich II. sehr schwer, ja fast unmöglich, einen solchen Weg zu betreten, weil er dem Gedanken des Kaisertums mit seinen religiös-kirchlichen Idealen und Zielen von vorneherein Rechnung tragen mußte, so hat doch sogar auch Philipp den mit der Losung der nationalen und staatlichen Unabhängigkeit begonnenen Streit mit der Kurie unter dem Motto: Contra ecclesiam pro ecclesia zu Ende geführt und sich dabei auf sein göttliches Stellvertreteramt berufen. Wenn er dabei dem Glauben lebte, den Staat als Institution der Kirche gegenüber so um so eher behaupten zu können, so teilte er diesen Glauben mit vielen Herrschern der folgenden Jahrhunderte, die sich bewußt und betont mit besonderer theokratischer Würde umgaben. Daß dies oft nicht wirklicher religiöser oder kirchlicher Gesinnung entsprang, sondern ein gutes Teil ratio status enthielt, wird aus den folgenden Ausführungen hervorgehen. Im einzelnen wird sich schwer entscheiden lassen, wie stark Tradition, persönliche Überzeugung oder wirkliche Staatsräson im Spiele waren oder sich vermischten. Deshalb soll der entscheidenden Wendung, die das Jahrhundert Kaiser Friedrichs II. in Richtung einer Säkularisierung des Staatsgedankens nahm, nicht durch ein Gewirr verschlungener Linien nachgegangen werden, sondern auf der einen geraden Linie des Kampfes um die Freiheit der weltlichen Sphäre, in und mit welcher sich die Erkenntnis von den eigenen Rechten und Zwecken eben dieser Sphäre Bahn gebrochen hat. Als Friedrich Barbarossa gegen die päpstlichen Herrschaftsansprüche öffentlich in Abwehrstellung trat, da hat er feierlich erklärt, es kränke die Ehre des Reiches, zu behaupten, dieses sei ein Lehen des Papstes. Wenn Friedrich hier die „Ehre" des Reiches schützt, so ist das im Grunde nichts anderes, als wenn er sagte, er schütze seine staatliche Unabhängigkeit. Mit der Forderung an die universitas regni, bis zum letzten Atemzug für den gloriosus et imminutus honor imperii einzustehen, gibt er den Ton an, der dann verstärkt in den Manifesten seines Enkels weiterklingen sollte.34) Es fehlte ihm aber noch die Möglichkeit, das '*) Rundschreiben an die universitas regni nach dem Tag von Be-

— 152 — Staatliche als den Inbegriff des Weltlichen von der geistlichen Sphäre scharf abzugrenzen. Denn seinen Anspruch auf Erhaltung der gottgewollten Ordnung der Welt im Rahmen eines unabhängigen Reiches begründet der Kaiser mit nichts anderem als mit der Pflicht, die Kirche und den Glauben zu schützen, und mit den Verdiensten, die es sich bisher eben durch die Erfüllung dieser Pflicht erworben habe: In capite orbis Deus per imperium exaltavit ecclesiam.36) Der imperiale Gedanke beherrschte ihn so sehr, daß er auch unter dem Einfluß der römisch-antiken Reichstradition die Unterordnung der anderen Fürsten unter das Imperium verlangte und sich selbst damit die Einsicht in die gemeinsamen Interessen der Staaten wenigstens theoretisch verbaute. Gerade diese Einsicht ist dem genialen Herrscherblick Friedrichs II. geworden. Sie kam ihm nicht auf einmal in ihrem ganzen Umfang, aber sie wirkte sich gleich aus gegen die traditionelle Gegnerin dieser Interessen, die Kirche. Gegen die lombardischen Rebellen, gemeinsame Feinde der von Gott eingesetzten Herrscher^ würde, ruft Friedrich die Könige auf.36) Und wie nebenbei weist er auf die Folgen hin, die entstehen könnten, wenn von außen her sich jemand einmische, während sie, die Herrscher, zur Bändigung ihrer Rebellen Anstalten träfen.37) Ist hier seine Empörung gegen den, der seinen erhobenen Arm im Losschlagen festhalten will, noch maßvoll verhalten, so zeigt der Kaiser den Fürsten doch schon, ohne ihn zu nennen, in welchem Lager der gemeinsamem, Const. I, 231, nr. 165 (Okt. 1157), vgl. Hauck, K . - G . IV, 227. Ein würdiger Vorgänger dieses Schreibens war der Protest Heinrichs I V . in dem Ausschreiben des Jahres 1076 zur Wormser Versammlung, Const. I, i n , dazu Hauck, K.-G. I I I , 801. 35 ) Aus einer Antwort des Kaisers auf päpstliche Forderungen (1158), Const. I, 233. Hauck, a. a. O., 230, Anm. 1, meint dazu, man könnte im Gegensatz zu Ribbeck nach dieser Stelle urteilen, Friedrich erkenne den Vorrang der Kirche an. Aber das, worauf es ihm ankäme, sei nur die Selbständigkeit des Reiches. Das ist richtig. Aber seinen Aufgabenkreis empfängt das Imperium nach dem eben zitierten Rundschreiben doch im wesentlichen von der Kirche. 3e ) A . 1236 Mai an alle Könige des Abendlandes, Reg. Imp., nr. 2160, Huill.-Bréh. IV, 873 ff.; vgl. Vehse, 5 3 — 5 5 u. Steinen, Kaisertum, 53. Der Kaiser beruft hier die Boten der Könige zu dem Hoftag von Piacenza, vgl. auch Const. II, nr. 200 (Manifest an die ital. Städte).

" ) . . . ac oculo cernite perspicaci si vobis expediat, quod cum ad edomandam interdum protervam audaciam subditorum intenditis, vestris negotiis extrinsecus aliquis [se] interponat, causamque aliquam aut occasionem afferat, per quam vestra precidat proposita vel retardet, a. a. O., 880. Der Papst hatte vom Kaiser verlangt, den Vormarsch in Italien, den er zur Empörung Friedrichs als Krieg bezeichnete, zugunsten des Kreuzzuges zu unterbrechen

— 153 — same Feind zu suchen ist. Aber viel heller schlagen die Flammen seines Zornes über die gekränkte Fürstenwürde aus dem großen Appell an das Solidaritätsgefühl der abendländischen Monarchen nach dem Urteilsspruch von 1239 u n d beleuchten grell die furchtbare Gefahr, die den Fürsten von seiten der römischen Kurie drohe, wenn die Macht des Imperiums gebrochen werde: Facilis etenim aliorum omnium regum et principum humiliatio creditur, si cesaris Romani potentia, cuius clipeus prima iacula sustinet, conteratur. Gemeinsam ist die Gefahr, gemeinsam vor allem das Gut, das zu schützen ist, die Ehre der weltlichen Fürsten: honor omnium tangitur, quicunque de corpore principum secularium offendatur.38) Auch hier wieder ist die Ehre, honor, im Sinne von staatlicher Autonomie als der hohe Gegenstand des Angriffs und der Verteidigung hingestellt, aber er erhält konkretere Bedeutimg, als er in dem Erlaß Barbarossas nach dem Tage von Besançon gehabt hatte: an die Stelle des mit kirchlichen Forderungen belasteten Reiches tritt der weltliche Staat als solcher, und neben den bisher dem Irdischen gewissermaßen entrückten Kaiser treten als Gleiche neben den Gleichen die weltlichen Fürsten und bilden mit ihm als dem primus inter pares das corpus secularium principum. Die Gemeinschaft der weltlichen Monarchen als Schutzverbindung gegen die Einmischung der Kirche in ihre Rechte: das war wirklich die Abgrenzung des Staatlichen als der von Gott und der Natur gewollten Ordnung des Weltlichen gegenüber der geistlichen Sphäre der Kirche. Hier ist nicht mehr von einer Verpflichtimg gegenüber der Kirche und ihren Zielen die Rede, sondern nur von der Zweckmäßigkeit und Nützlichkeit eines solchen Zusammenhaltens im Kampf gegen rebellische Untertanen oder gegen die Kirche, die beide die weltliche Ordnung zu stören suchen. Es wird damit ausgesprochen und ist auch schon in der Erkenntnis des Verschiedenseins von Staat und Kirche mit eingeschlossen, daß der Staat sein eigenes Gesetz habe, das eigene Interesse, das ihn zwingt, alle anderen Rücksichten dem Gedanken der staatlichen Selbsterhaltung unterzuordnen.39) Wohl ist es richtig, daß in der Idee des Zusammenschlusses der Monarchen zur Wahrung ihrer staatlichen Interessen noch Elemente der mittelalterlichen Staatsanschauimg stecken s8 ) Aus dem oft zitierten Manifest: Levate in circuitu, Const. II, nr. 2 1 5 , S. 298/99. Die wichtigsten Stellen, die den Solidaritätsgedanken enthalten, führt W . v. d. Steinen auf (Kaisertum, Kap. 8, S. 51 ff.), vgl. bes. die Enzyklika von 1240, März 16 (Const. II, nr. 224, S. 312). " ) Vgl. die Deutungen bei Kantorowicz, bes. 516 ff., Graefe, 28, 1 8 5 , 224 f f . u. ö „ Vehse, 188/89.

— 154 — geblieben sind. Der Kaiser spinnt den Traum des Imperiums weiter in dem Gedanken einer „freien Einung" der christlichen Herrscher unter der Führung des Kaisers.40) Er kann sich den Aufbau der Welt nicht anders denken als in der vertrauten Form des hierarchischen Lehnstaates, dessen oberste Staffel die durch Geburt und Zucht an Adel hervorragenden Fürsten einnehmen sollen.41) Auch verlange er nach wie vor als Caesar Augustus eine Sonderstellung für sich und seine Erben. Und, da ihm der Gedanke der Solidarität fast zufällig aus der Not seiner Lage und dem politischen Zwang zur Auflehnimg hervorgewachsen war, so konnte er jeden Augenblick wieder in den imperialen Universalismus zurückfallen, in dem er sich dem Papste näher fühlte als den anderen Fürsten.42) Trotzdem aber bleibt ihm der Ruhm, der Erkenntnis von dem Eigenrecht des weltlichen Staates zum erstenmal unverfälschten Ausdruck verliehen zu haben. Als zwei Menschenalter später Philipp der Schöne vor König Jaime von Aragonien Klage führen ließ über das Vorgehen Bonifaz'VIII., da hat er in ganz ähnlichen Worten wie einst der Staufer ausgeführt, daß der Vorstoß des Papstes gegen seine und seines Königreichs Ehre, wenn er Erfolg habe, auch die anderen Fürsten treffen werde: Consideret vestra celsitudo, quia aliquo posset contingere quod papa ipse contra vos et alios principes temporales vellet similia attemptare et maxime, si regem Francorum sibi in temporalibus quodomolibet subiugasset: die gleiche Mahnimg, wie sie Friedrich II. elf Jahre lang während seines Endkampfes mit der Kirche immer wieder hatte ertönen lassen. Etwas deutlicher noch als der Kaiser läßt der französische König die Eigenrechtlichkeit seiner Herrschaftssphäre gegenüber derjenigen der Kirche hervortreten, indem er sie mit den Worten „in temporalibus" als den weltlichen Staat charakterisiert.43) Anders noch als Diesen Ausdruck gebraucht sehr treffend Kantorowicz, 517. « ) Vgl. Vehse, 189. * 2 ) . . . qui veluti sibi viciniores loco et propinquiores officio honores congerimus et onera persentimus, Const. II, 298 (Man. 'Levate'), vgl. Graefe, 24. Vgl. auch die Fassung des großen Manifestes von 1240 „Triplex doloris aculeus" für Deutschland, in dem die Sonderstellung dieses Landes gegenüber den andern Ländern hervorgehoben wird, eben weil es das Imperium besitze, Const. II, 312. 4S ) Vgl. H. Finke, Acta Aragonensia I, Berlin u. Lpz. 1908, 1 1 9 nr. 82 (1302, Sept. 18): Bericht über eine Rede des Magister Dyonisius de Senonis, clericus König Philipps des Schönen, vor König Jaime II. von Aragon. — Für das Imperium ist die begriffliche Trennung der weltlichen von der geistlichen Herrschaftssphäre, m. W . zum ersten Male durchgeführt worden in dem Reichsgesetz 'Licet iuris' von 1338: quoniam (im-

— 155 — der Kaiser konnte der König als Gleicher zu Gleichen sprechen. Nicht mehr der Imperator mundi, sondern der Beherrscher eines der mächtigsten, jetzt in Entwicklung begriffenen Nationalstaaten gab das Losungswort für die Emanzipation des weltlichen Staates aus. Schon in den schweren Kämpfen Heinrichs IV. mit der Kurie hatte die königliche Partei als besonders gefährlich für den Bestand des Reiches jenes seit je von den Päpsten in Anspruch genommene Recht erkannt, über Verfehlungen der Herrscher zu richten, sie mit Bann oder Absetzung zu strafen und ihre Untertanen vom Eid zu entbinden.44) Der Aufruf zum solidarischen Vorgehen der Fürsten gegen die Kirche, die schriftlichen und mündlichen Protesterklärungen der staufischen Kanzlei, König Philipps und seiner Stände haben als wichtigsten Gegenstand die Klage darüber, daß der Papst durch eigenen Urteilsspruch oder durch eigens dazu von ihm berufene Versammlungen über freie souveräne Fürsten richten wolle. Der Kaiser und der französische König reagierten hier ganz unterschiedslos mit dem empörten Hinweis auf die plenitudo potestatis des Herrschers, auf die eigene oberstrichterliche Befugnis in temporalibus, also wiederum auf das Eigenrecht des weltlichen Staates. Denn wenn auch erst Bonifaz VIII. die These von der päpstlichen potestas iuridictionis über alle Christen in der allgemeinsten und unbedingtesten Form verkündet hat, so ist sie doch schon von Innocenz III. und den großen Gegnern Friedrichs II. in allergrößtem Umfange ausgeübt worden, und die Welt stand ja noch um die Wende des Jahrhunderts unter dem Eindruck der Lyoner Absetzungssentenz. Die Colonna-Kardinäle konnten, ohne sachliche Schwierigkeiten zu finden, Sätze aus dem großen Protest Friedrichs gegen diese Sentenz übernehmen, als sie ihrem Gegner Bonifaz vorwarfen, daß er sich rühmte, zu thronen super reges et regna in temporalibus und alles zu vermögen per se solum . . . pro libito de plenitudine potestatis. In keinem göttlichen oder menschlichen Gesetz — so hatte Friedrich sich einst hören lassen — steht zu lesen, quod transferre pro libito possit imperia aut de puniendis temporaliter in privatione regnorum regibus aut terre principibus iudicare.46) perator) in temporalibus superiorem non habet in terris, W . Altmann und E . Bernheim, Ausgew. Urkunden zur Erl. d. Verfassungsgesch. Deutschlands in M. A., 4. Aufl., Berlin 1909, 54, nr. 36, dazu Hauck, K . - G . V, 556. S. oben Einl., 15. " ) S. oben, 74, die Gegenüberstellung.

— 156 — Trotz der Ähnlichkeit der sprachlichen Wendungen und der sachlichen Argumente sind die Quellen, aus denen dieser Widerstand sich nährt, bei dem Kaiser und dem französischen König nicht immer die gleichen und demgemäß die Auswirkungen des Souveränitätsgedankens verschieden. — Für beide Herrscher ist die Kenntnis derjenigen Sätze des römischen Rechtes, die sich mit der Stellung des Herrschers zu seinen Untertanen, zur Gesetzgebimg und zur Rechtsprechimg beschäftigen, bedeutsam gewesen. Die Empörung, mit der sie die Einberufung eines Konzils von Prälaten, das über ihre Amtsführung und über ihr persönliches Verhalten richten sollte, beantworten, schöpft aus diesen Sätzen Nahrung. Der Kaiser führt sie selber zu seiner Verteidigung an. Wie kann es möglich sein, so ruft er in seinem Protest gegen die Sentenz von Lyon in die Welt, daß der römische Kaiser wegen Majestätsverbrechen verurteilt und lächerlicherweise einem Gesetz unterworfen werde, er, der kraft seiner kaiserlichen Würde von den Gesetzen entbunden sei, den kein Mensch, sondern nur Gott mit weltlichen Strafen belegen könne, da er in weltlichen Dingen nur Gott über sich habe.46) Lebt in diesen Worten der Geist des mittelalterlichen Gottesgnadentums, der in den Protesten Heinrichs IV. und Barbarossas so energischen Ausdruck gefunden hatte, so wird mit der Wendung „qui legibus omnibus imperialiter est solutus", die wörtlich den Digesten entnommen ist47), der Kaiser auch als unbeschränkter, absoluter Herrscher im Sinne des iustinianeischen Rechts jeder irdischen Strafgewalt entzogen. Nicht entzieht er sich damit der göttlichen Strafgewalt, dem ius divinum und dem ius naturale, das mit ihm identisch ist.48) Aber in diesem Punkte hat er keinen anderen Wegweiser als nur sein Gewissen; von dem Gericht und Urteil aller Menschen ist er frei, auch von dem des Papstes, dem er 48) . . . sententia, per quam imperator Romanus, imperialis rector et dominus maiestatis, lese maiestatis dicitur crimine condempnatus, per quam ridiculose subicitur legi, qui legibus omnibus imperaliter est solutus, Const. II, 365, Übersetzung im Auszuge bei Folz, Friedrich II. und Innocenz IV., 139, auch Graefe, 183; vgl. auch Huill.-Br6h. V, 1040 (Schreiben Friedr. II. an den franz. u. engl. König, 1240, Sept. 2 5 ) : . . . nec . . . vocari concilium per eumdem velut hostem publicum imperii permittemus, presertim cum nobis, imperio et terrae principibus indecentissimum judicemus causas nostrarum secularium potestatum ecclesiastico foro subjicere vel judicio synodali.

" ) Dig., lib. I, tit. IV, c. X X X I ; vgl. Graefe, 184. 48)

De quo [seil, imperatore] temporales pene sumende, cum temporalem hominem superiorem non habeat, non sunt in homine sed in Deo, Const. II, 365.

— 157 — im übrigen wie später Dante die geistliche Jurisdiktionsgewalt über die kaiserliche Person voll zugesteht.49) Indem er seine Tätigkeit in temporalibus, vor allem als Gesetzgeber und Richter dem Einfluß und dem Urteil der Kirche entzieht, säkularisiert er auch sein Wirkungsfeld, sein Herrschaftsgebiet: im Weltlichen soll künftig kein Raum mehr bleiben für die Einwirkung der Kirche. Man muß sich in diesem Zusammenhang daran erinnern, mit wie großem Mißfallen Papst Gregor IX. die Veröffentlichung der Konstitutionen von Melfi aufgenommen hatte. Nicht nur, daß Bestimmungen über die Gerichtsbarkeit der Geistlichen, die im Frieden mit der Kirche zu deren Gunsten erlassen worden waren, hier wieder aufgehoben wurden, die Tatsache, daß die Macht der Regierung nach Möglichkeit in diesen Gesetzen gesteigert wurde — man kann wohl auch sagen, der weltliche Geist, der diesen Gesetzen entströmte —, konnte den Papst über die politische Gesinnung des Kaisers keinen Augenblick im Zweifel lassen.50) Diese politische Gesinnung, die die weltliche Sphäre vollkommen für den Herrscher in Anspruch nahm und jeden geistlichen Einfluß von ihr fernzuhalten suchte, setzte sich im Staat der Angiovinen, aber auch im Frankreich Philipps des Schönen fort. Auch die französischen Juristen erklärten, daß ihr König absolute Souveränität besitze und über dem positiven Recht stehe oder — in der Sprache des römischen Kaiserrechts — die lex animata sei.61) Als Papst Bonifaz und seine publizistischen Verteidiger versuchen wollten, die Abhängigkeit des französischen Königtums von der Kurie auf dem Umweg über das Imperium zu beweisen, da beeilten sich die Juristen Philipps ihrerseits zu erklären, daß dem König auf seinem Gebiete die gleiche Hoheit zukomme, wie dem Kaiser auf dem seinen: rex in suo regno est imperator.62) In den Äußerungen über diesen Punkt zeigt sich die gleiche Verbindung von römischem Herrscherabsolutismus und 49)

Const., a. a. O.

so )

Vgl. Winkelmann, Jahrbücher, II, 268. 6 1 ) Vgl. Aegidius Romanus, De regimine principum I, 2, c. 12 (Rom 1607, 79), dazu Kantorowicz, Erg.-Bd., 94. 62 ) P. Viollet, Histoire des institutions politiques . . . de la France II, Paris 1898, 45/46; Scholz, 451 ; Carlyle V, 147. Hier auch das wichtige Zitat aus der Disputatio inter clericum et militem (Goldast, Monarchia I, 17) : E t sicut imperator supra totum imperium suum habet leges condere, addere eis aut demere: sic et rex Franciae usf., s. auch Carlyle V, 381. Den Satz: R e x est imperator in suo regno führt auch die Quaestio in utramque partem an, Goldast, Monarchia II, 98, dazu Scholz, 232. Über die Formel: rex in suo regno est imperator vgl. Fr. Calasso in Rivista della storia di diritto

— 158 — christlichem Gottesgnadentum wie in der Herrschertheorie des Kaisers. Philipp verkündet in seinem großen Gesetz, der sog. reformatio regni, daß sein Reich nur der Gewalt und dem Schutze Gottes unterworfen sei.63) Er läßt aber auch wohl die religiöse Einkleidung fort und erklärt dem Gesandten des Papstes mit der ganzen Unbedingtheit des absoluten Herrschers: regimen temporaÜtatis regni sui ad ipsum regem solum et neminem alium pertinere.54) Der Satz: Le roi ne tient de nului fors de Dieu stand schon in der Sammlung der Ordonnanzen des heiligen Ludwig, den sog. Etablissements de Saint Louis66), wie denn der Kampf um die Anerkennung dieses Prinzips auf eine mehr als hundertjährige Geschichte zurückblicken konnte, als er unter Philipp dem Schönen in sein entscheidendes Stadium trat. Aber hier ging es nicht um allgemeine Prinzipien der Welt- und Geschichtsauffassung wie bei der mit dem Kampf Heinrichs IV. einsetzenden Opposition der kaiserlichen Partei, sondern um praktische, realpolitische Fragen, um die Anerkennung der königlichen Souveränität sei es in Lehnssachen mit Vasallen (de iure feodi et hominii), sei es in Dingen, die nur die Könige untereinander angingen (quod vertitur inter reges).66) Eine klare Unterscheidung des Gebietes der temporalia von dem der spiritualia hatten die Vorgänger Philipps des Schönen in ihrem Verhältnis zur Kurie auf diese Weise durchaus zur Anerkennung gebracht, wie die berühmte und von den Publizisten Philipps immer wieder zitierte Bulle Innozenz'III. „Per venerabilem" beweist.57) So fußte der Protest Philipps des Schönen und der Seinen gegen die Oberherrschaftsansprüche der Bullen "Ausculta fili' und'Unam sanctam' 57 ") auf einem realen, gut gefestigten Boden, und es ist bemerkenswert, daß man sich auch in der Begründung auf geschichtliche Tatsachen berief. Peter Flöte hat Italiano III, 1930, 213—25, dazu Quellen u. Forschungen 22, 1930, 306/07. — Zur römisch-rechtlichen Deutung der Königswürde vgl. Pierre Dubois, der den König sagen läßt: Licet legibus soluti simus legibus vivere volumus, Dupuy, 46. 63 ) Ordonnances des rois de France de la premiere rasse I, Paris 1723, 357 (i3°3. März.) M ) Dupuy, 28. " ) Ed. P. Viollet, Paris 1881 — 86, passim, vgl. das Register, dazu u. a. H. v. Schubert, Der Kampf d. geistl. u. weltl. Rechts, 45, u. Viollet, Histoire des institutions II, 45. " ) Vgl. die Zitate bei Carlyle V, 165—67. " ) Mirbt, Quellen, 175—77, dazu Burdach, Rienzo, 249ff., Berufung auf diese Bulle u. a. in der Quaestio in utramque partem, Goldast, Monarchia II, 98, und bei Dubois, Dupuy, 215. 6 , a ) S. oben, xi, 12 und 122, 123, hier bes. Anm. 121.

— 159 — in der leider nicht vollständig überlieferten Rede, die er im April 1302 vor den Ständen hielt — man erinnere sich, daß sein Sinn für Tatsachen, der hier zum Ausdruck kam, sogar schon den Zeitgenossen auffiel —, den König so sprechen lassen: seine Vorgänger hätten durch eigene Tüchtigkeit und die Kraft ihres Volkes (sua industria et virtute gentis suae) ihr regnum erobert (expulsis inde barbaris) und diese Eroberungen durch sorgsame Regierung bis zu diesem Zeitpunkt tapfer behauptet in keiner anderen Abhängigkeit als der von Gott (a nemine nisi Deo); er selbst sei willens, es in demselben Zustand zu erhalten und Leben und Gut dafür einzusetzen, ut libertas regni inolita conservetur.88) Wie der honor imperii, für den sich die beiden Staufer einsetzen, bedeutet auch bei Flöte libertas regni Autonomie des Reiches, aber der König und Flöte beziehen sie nicht wie die Kaiser auf ein utopisches Gebilde in der Art eines imperium mundi oder der civitas Dei, sondern auf ein Reich ausschließlich weltlichen Charakters, durch Krieg und Eroberung entstanden, durch Staatsklugheit gesichert und vergrößert, ein Gebilde, das nach Herkunft, Rechtsgewohnheiten und Zielen auf besondere Behandlung seitens der Regierenden, auf besondere Gesetze, vor allem auf völlige Freiheit von der Jurisdiktionsgewalt der Kirche Anspruch erhebe. „Antequam essent clerici" — so beginnt die kühne wahrscheinlich offizielle Antwort auf die Bulle „Ineffabilis amor" — „rex Francie habebat custodiam Regni sui et potuit leges facere, quibus ab inimicorum insidiis et nocumentis sibi et regno precaveret. . . ."®9) Mit dem Hinweis darauf, daß es ein fränkisches Reich gab vor einer fränkischen Kirche, begründet der Verfasser das Recht des Königs, jedes Gesetz zu geben, das dem Schutze des Königreichs diene. Auch diese Begründung hat ihre Vorgängerin gehabt. Fast zwei Menschenalter vorher hatte die Liga der Barone, die sich unter dem Einfluß des großen Kampfes Friedrichs II. zusammengefunden hatte, ihre Frontstellung gegen die superstitio clericorum damit begründet, daß das regnum nicht durch jus scriptum, ts ) Cont. Guill. Nang. ed. H. G6raud I, 315, s. oben, 92. Die wichtigsten Stellen, in denen die Souveränität in offiziellen Schriftstücken verfochten wird, finden sich bei Scheffer-Boichhorst, Ges. Schriften I, 294, vgl. Wenck, 52, n. 2. Zur Ergänzung sei hier noch die sehr energische Betonung der kgl. Rechte herangezogen in der Mahnschrift W. v. Nogarets an den König: Vobiscum ergo est iudicium, o domine rex, coram deo et hominibus. Non habetis iudicem temporalem, habetis deum . . . Holtzmann, Nogaret, Beil. II, 254, ferner die Antwort an Heinrich VII., s. oben, 148, Anm. 26. M ) Dupuy, 21. Vgl. auch Johann v. Paris, der berechnete, daß das regnum etwa um 2000 Jahre älter sei als das sacerdotium, Scholz, 326.



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auch nicht per clericorum arrogantiam, sondern per sudores belli erobert worden sei. Die Entstehung des Königreiches auf rein weltlichem Wege: das ist schon im Frankreich Ludwigs des Heiligen das Hauptargument für die Verteidigung der Laienrechte gegen die Übergriffe und gegen die Einmischung der Kirche.60) Von da aus ist es verständlich, daß in der einzigen Staatsphilosophie, die in dieser Zeit in Frankreich entstand, dem Engelsstaat des Wilhelm von Auvergne, von den beiden Ordnungen, in die sich das irdische Regiment nach dem Muster des himmlischen gliedert, die weltliche fast allein berücksichtigt wird, die geistliche dagegen vollkommen in den Hintergrund tritt. Der Grund für diese bei einem Theologen des frühen 13. Jahrhunderts befremdliche Vorliebe für weltliches Wesen wird von dem Interpreten dieser Schrift mit gutem Recht in der Kenntnis und nahen Berührung mit dem Staat Ludwigs des Heiligen gesucht, in dem ein ausgesprochenes Gefühl für die Notwendigkeit und die Rechte des weltlichen Regiments in Entwicklung begriffen war. 61 ) Auf der Grundlage dieser starken nationalen Tradition ward es Philipp, seinen Räten und seinen publizistischen Verteidigern verhältnismäßig leicht, die Stellung des regnum selbst auf doppelter Front zu verteidigen. Da Bonifaz eine Lehnsabhängigkeit des französischen regnum in der Vergangenheit auf keine Weise nachweisen konnte, dessen Unabhängigkeit im Gegenteil von seinem großen Vorgänger Innozenz in aller Form anerkannt worden war, ein Anspruch der Kurie auf direkte Oberhoheit in temporalibus aber prinzipiell nie erhoben wurde, so verfielen er und seine Anhänger auf einen Umweg. Sie behaupteten nämlich, wie alle anderen Könige sei auch der französische in temporalibus dem Kaiser unterworfen und dadurch mittelbar, weil das Imperium durch Wahl und Krönung vom Papst abhänge, auch dem Papst. Im feierlichen Konsistorium, vor den Gesandten Albrechts I. sprach der Papst diesen Grundsatz aus und fluchte jedem, der die Abhängigkeit vom Imperium leugne.62) Und ein anonymer papstfreundlicher Traktat konnte sich für diese Auffassung auf den größten und angesehensten Kanonisten des Jahrhunderts, den Hostiensis, berufen.63) Sie muß auch sonst sehr verbreitet M

) Huill.-Bréh. VI, 467, dazu Graefe, 231/32. ) Berthold Vallentin, Der Engelstaat, 65 ff. (Grundrisse u. Bausteine zur Staats- u. Geschichtslehre. Zusammengetragen zu Ehren Gustav Schmollers. Berlin 1908). Vgl. auch J . Haller in: H. Z. 99, 1907, 379. *2) 1303, Apr. 30, Const. Imp. IV, 139 (2), nr. 173 dazu Hauck, Kirchengeschichte V, 468. • 3 ) Abgedruckt bei Scholz, 475, dazu Carlyle V, 144. el

— 161



gewesen sein, denn feist alle Publizisten von der königlichen Partei, Johann von Paris, Pierre Dubois und die anderen Ungenannten beschäftigen sich mit der Widerlegung. Die Gründe, die sie anführen, haben nun auch wieder ein ganz weltliches Aussehen, denn sie sind der Geschichte Frankreichs entnommen, so wie man sie damals sah und kannte, wie z. B.: Nach der Teilung des Reiches habe das französische Königreich kraft Erbrecht innerhalb seines Gebietes die gleichen Würden und Rechte erhalten wie derjenige Teil des alten Imperiums, der diesen Namen weiterführte: quod regnum Franciae dignissima conditione imperii por;tio est, pari divisione ab eo discreta et equali dignitate et auetoritate quingentis annis circiter insignita64); und ferner: die konstantinische Schenkung, auf Grund derer der Papst den Anspruch auf eine Art Oberherrschaft als dominus temporalis über alle Christen erhebe, gelte nur für die Christen, qui sunt de Romano imperio; da aber das regnum Franciae dem Imperium nicht unterstellt sei, sondern zwischen diesen beiden Reichen seit alters feste Grenzen beständen, so sei der Papst hier nicht superior in temporalibus, sondern nur, wie überall, in spiritualibus.65) Sollte man aber trotzdem die Behauptung einer kaiserlichen Oberhoheit aufrechterhalten, so ließe sich dagegen die Verjährung dieser Rechte anführen, denn seit mehr als hundert Jahren seien die französischen Könige im friedlichen Besitz ihrer Souveränität in temporalibus.66) Die Selbständigkeit des regnum in temporalibus ginge auch daraus hervor, daß dem Papst Bestätigung und Krönung des Königs nicht zukomme, im Gegensatz zu der des Kaisers, den er darum auch absetzen dürfe.87) Seit dem Tode Flotes und dem Eintritt Nogarets in die Kampfaktion des Königs erscheinen politisch-historische Argumente für die souveräne Stellung des Königs in den amtlichen Schriftstücken nicht mehr.68) Vielmehr zog jetzt die Opposition aus dem theokratischen und nationalistischen Gottesgnadentum des Königs ihre Nahrung. Bezeichnend hierfür ist Philipps Auflehnung gegen die Oberherrschaftsansprüche, die Kaiser Heinrich VII. in seinem Krönungsschreiben allen Königen des AbendM)

Disputatio inter clericum et militem, Goldast, Monarchia I,

vgl. Carlyle V ,

17,

146.

•6) Quaestio de potestate papae, D u p u y , 675/76. «•) E b d . ") Ebd„

678.

Regnum

regnum Theutonicorum, utramque p a r t e m M)

Francorum

so argumentiert

prius

habuit

imperium

(Goldast, Monarchia II, 98).

S. oben, 94.

Beiheft d. H. Z. 30.

quam

der Verfasser der Quaestio i n

11



162



69

landes gegenüber geltend machte. ) Der französische König begegnet dem feierlichen Hinweis des Kaisers auf das Vorbild der himmlischen Engelshierarchie, an deren Spitze auch ein oberster Herrscher und König throne, mit dem ebenso feierlichen Hinweis auf die besondere Stellung Frankreichs und des französischen Königs im göttlichen Heilsplan.70) Das Gottesgnadentum der französischen Dynastie ist in dem ganzen amtlichen Schrifttum des Königs in der zweiten Periode seines Kampfes der Leitfaden, an dem man sich aus den verwirrenden Umschlingungen der Kurie herausfindet und befreit. Es mußten also hier in stärkerem Maße die Äußerungen auch der nichtamtlichen Publizistik herangezogen werden, weil ohne sie nicht erkennbar wäre, daß sich im Hinblick auf die Auffassung vom Wesen des Staates und von der Stellung des Herrschers ein bedeutender Umschwung, um nicht zu sagen Fortschritt, vollzogen hat. Es handelt sich um nichts weniger als eine wirkliche Einsicht in historische Zusammenhänge, bezogen auf die politische Gegenwart, die im Augenblick der Not und des Abwehrkampfes scheinbar ganz unvermittelt zum Durchbruch kam. In Wirklichkeit war sie seit langem an und mit dem Aufbau des Staates gewachsen und äußerte sich nun als das Selbstgefühl einer wirklichen Staatsnation. Die Vertreter der französischen Stände haben es ja auf jener ersten Versammlung der Generalstände feierlich erklärt, daß die Ehre und Selbständigkeit ihres Königs auch die ihre sei. Durch ihre Erklärungen erfahren wir außerdem, daß auch Ii habitans du royaume von der weltlichen Autonomie des französischen Königs überzeugt seien, daß sie für diesen Gedanken eintreten und Ubergriffe auf diese Stellung des Königs und die liberté et franchise du royaume mit Einsatz von Gut und Leben abwehren würden.71) Ja, die Barone sagen gerade heraus:... ne pour -vie, ne pour mort, nous ne départirons, ne ne veons à départir de ce procez (heißt wohl von diesem Kampf), et feust ores, ainsi que Ii Roys nostre Sire le voulust bien.72) Wenn also der König in seinem Kampfeseifer nachläßt oder versagt, dann springen die Stände in die Bresche. Indem 69 ) Const. IV, 802, nr. 801, a. 1 3 1 2 Jun. 29, Ausfertigung für Eduard II. v. England u. den König von Zypern; die an den franz. König ist nicht erhalten, muß aber ebenso gelautet haben ; vgl. Wenck, a. a. O., 52, Anm. 1. 70 ) S. oben, 148, Anm. 26. 71 ) Schreiben der Barone an die römischen Kardinäle, Dupuy, 60/61. Vgl. auch den Chronisten von Saint Denis ad a. 1301 bei Bouquet, Recueil X X , 668 f. Dazu Scheffer-Boichhorst, a. a. O., 295. '») Ebd., Dupuy, 62.

— 163 — sie sich dafür einsetzen, daß die Angelegenheiten des Königreichs nicht durch eine auswärtige Macht entschieden werden, daß der Klerus nicht seinen nationalen Aufgaben entzogen werde, und das Kirchengut, das einst ihren Ahnen gehört, nicht Zwecken, zu denen es bestimmt, treten sie selbständig für das Land, nicht nur für den König ein. Während der König sie nur berufen hatte, um seiner Sache den nötigen Rückhalt in der öffentlichen Meinung der Nation zu geben73), offenbart sich in der Art, wie die Stände diesem Wunsche entsprechen, daß ein wirkliches Verständnis für den weltlichen Staat als solchen vorhanden war, auch unabhängig von der Treue und Gefolgschaft, die sie dem König leisteten. Und diese Treue dem Könige gegenüber ist auch längst nicht mehr die Vasallen- und Gefolgschaftstreue des reinen Lehnsstaates. Wenn die Barone durch den Mund ihres Vertreters erklären lassen, sie seien bereit pro corona regni Franciae contra omnes adversarios decertare74), so meinen sie damit nicht, daß sie für den einzelnen Träger der Krone bis zum Tode kämpfen würden, sondern für die durch die engste Schicksalsgemeinschaft mit dem Lande verbundene Dynastie der Kapetinger. Ist es verwunderlich, daß bei einer solchen Auffassung und leidenschaftlichen Anhänglichkeit an das regnum Franciae und die Dynastie seiner Könige der Angriff des Papstes Bonifaz auf die Selbständigkeit beider als Ketzerei angesehen wurde? Eine Todsünde habe der Papst damit begangen und sich schlimmer benommen als der Antichrist und die höllischen Versucher, meint der Sprecher der öffentlichen Meinung, Pierre Dubois.75) Im König fühlte sich die Nation in ihrem Heiligsten gekränkt. Und diese Nation, dargestellt durch den König und die universitates regni, war zur Verteidigung des Eigenrechtes dieses regnum verpflichtet und bereit. Die Verteidigung, die der weltliche Staat durch die theokratisch-absolutistische Theorie des Kaisertums empfangen hatte, die — wie einleitend gesagt — einen beträchtlichen Fortschritt bedeutete, insofern sie die kirchliche Weihe und Rechtfertigung des Staates durch die eigene Herrscherweihe ersetzte, hat so in dem Staatsbewußtsein der Franzosen in der Zeit des großen Kampfes Philipps des Schönen mit der Kurie frischen und machtvollen Zuzug erhalten. Wenn Friedrich II. als Gegenstand der Verteidigung nur den nicht klar umrissenen Begriff des weltlichen Herrschaftsgebietes angeben konnte, so tritt jetzt in realer, klar umschreibbarer Größe der französische Staat, das regnum Fran™) S. oben, 134. 74) Bericht des Cont. Guill. Nang., ed. Géraud I, 3x4. 75 ) Deliberatio . . D u p u y , 45, dazu Scholz, 386.

11»

— 164 — ciae an seine Stelle als selbständige weltliche Gemeinschaftsordnung eigenen Rechts. Für die Loslösnng des Staates von der Kirche ist die Beteiligung der Nation auch noch aus einem anderen Grunde bedeutsam gewesen. Auszugehen ist von der Beobachtimg, daß in der publizistischen Theorie der theokratische Herrschaftsgedanke abgelöst und verdrängt wurde durch die Lehre von der Volkssouveränität und vom Herrschaftsvertrag.76) Ihr entspricht in der politischen Wirklichkeit die Tatsache, daß „die allmähliche Säkularisation des Staates identisch war mit der allmählichen Verdrängung oder Verdünnung der monarchischen Staatsform".77) In Frankreich war zwar um diese Zeit von einer Verdrängung der monarchischen Staatsform noch nichts zu spüren, wohl aber wurde damals das Organ geschaffen, das im 14. Jahrhundert die Interessen der Nation ohne und gegen den König selbständig in die Hand nehmen sollte. Das Gefühl für Mitverantwortung an den Angelegenheiten des Staates, das damals bei den französischen Generalständen zutage trat, stammt aus der Zeit, wo, während des großen Kampfes mit der Kurie die Uberzeugung von der Unabhängigkeit des weltlichen Staates, gespeist und getrieben von dem nationalen Gedanken, die Politik Philipps des Schönen so zu beschwingen vermochte, daß er dem Universalismus der Kirche den Todesstoß versetzte. Dieser große einheitliche Gedanke war dem Beherrscher des Imperiums noch fremd gewesen.78)

3. D A S E I G E N R E C H T D E S W E L T L I C H E N S T A A T E S . Die im eigentlichen Sinne mittelalterliche Staatslehre hatte den Staat im Hinblick auf seinen Zweck mit doppeltem Bande gebunden. Auf der einen Seite fesselte sie ihn mit der germanischen Idee des Rechtsstaates, „welcher nur durch das Recht und für das Recht vorhanden, und dessen gesamtes Leben in eine die allgemeinen und die individuellen Beziehungen gleichsetzende Rechtsordnung gebunden war" 79 ). Auf der anderen Seite band sie ihn fast unlösbar an die im letzten Grunde überweltlichen Ziele der Kirche. Diese beiden Fesseln wirkten auf verschiedene Weise aber mit dem gleichen Ergebnis: Der Staat führte kein Eigen") ") Rechts, 78 ) 79 )

O. v. Gierke, Johann Althusius, Breslau 1913, 60 ff. Vgl. H. v. Schubert, Der Kampf des geistlichen und weltlichen 65. Vgl. Vehse, 189. Gierke III, 609.

— 165 — leben, sondern war der Sklave jeder durch Alter und Uberlieferung geheiligten Gewohnheit, wenn sie noch so sehr der Forderung der politischen Gegenwart widersprach, und — von der kirchlichen Seite her — einer religiös-moralischen Ordnung, die ihm nur ein Lebensrecht zuerkannte, insoweit er ihre Forderungen erfüllte.80) Solange also die Vertreter der weltlichen Gemeinschaftsordnung, besonders in ihrer höchsten Spitze, dem römischen Kaiser, ihr Schiff wenigstens theoretisch nach diesem Kurse steuerten und in ihren öffentlichen Äußerungen nichts anderes zu erstreben vorgaben als Wahrung von Recht und Frieden, Erhaltung und Vermehrung der Kirche und des Glaubens, konnten sie den Interessen ihres Staates nur so lange dienen, als sie mit denen der Kirche zusammengingen. Waren die Ziele verschieden, so mußte, wenn sie zu ihrem eigenen Worte stehen wollten, das außerstaatliche Ziel den Sieg behalten, also das staatliche Interesse unberücksichtigt bleiben. Die Folge davon war, daß da, wo es sich um Lebensfragen der Staaten handelte, politische Theorien und politisches Handeln denkbar weit auseinander gingen. Denn Staatsmänner, die kein anderes Ziel im Auge haben, als das Wohl des ihnen anvertrauten Staatswesens und keine anderen Zwecke verfolgen als nur solche, die mit seinen innersten Bedürfnissen zusammenhängen, hat es wie zu allen Zeiten so auch im Mittelalter gegeben. Während aber in den früheren Jahrhunderten des Mittelalters, etwa seit der fränkischen Reichsgründung Karls des Großen, die Zwecke von Staat und Kirche im wesentlichen zusammenfielen, machte sich der Bruch zwischen dem staatsmännischen Willen des Herrschers und jener Bindung an die Zwecke der Kirche von dem Augenblick an bemerkbar, wo die Landeskirchen von Rom aus in ihrem Bestände bedroht und aufgelockert wurden, und eine scharfe Scheidung der kirchlichen und weltlichen Interessen eintrat. Wollte der Herrscher nicht seine Stellung innerhalb der katholischen civitas Dei gefährden, mußte er seine Ziele verschleiern, sie mit dem Mantel der christlichen und vor allem der kirchlichen Ideale verdecken. Das Manifest Barbarossas nach dem Tage von Besançon, wo er als den eigentlichen Sinn des Imperiums die Verteidigung der Kirche mit Gesetz und Schwert angab und auf der anderen Seite mit allem Nachdruck die Autonomie des Imperiums vertrat81), ist das anschaulichste Beispiel für diesen Zwiespalt zwischen Theorie und praktischer Politik. Aus diesem Dilemma hatte Barbarossa selber schon zu ent80) 81 )

Vgl. Scholz, 450. S. oben, 151.



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schlüpfen versucht, indem er durch eine Klausel (salva utilitate, salvo iure imperii) die Interessen des Reiches zu wahren strebte gegen alle durch die Zeitumstände etwa lästig oder hinderlich werdenden Ansprüche dritter. Er setzte diesen Ansprüchen in seinen Privilegien von vorneherein eine Grenze in dem Vorbehalt, daß sie nur insoweit Geltung haben sollten, als der Nutzen des Reiches dadurch keinen Schaden erleide.82) Sonst aber kam die Kaisertheorie zu keiner neuen Formulierung des Staatszweckes oder zu einer Erfassung des Selbstzweckes des Staates. Denn auch Friedrich II. war noch bemüht, sein Kaisertum, selbst in den Zeiten schwerster Kämpfe mit dem Papsttum, in Eintracht mit den Idealen der Kirche zu zeigen. Indem er an der völligen Einheit der beiden Schwerter in der Gemeinschaft der Gläubigen festhält und innerhalb dieser Ordnung dem Papste als dem Leiter der ecclesia universalis den Vortritt läßt, fühlt er sich als ersten Sohn der Kirche, der, wenn der gegebene Vertreter der kirchlichen Ziele und Ideale versagt, selbständig für sie eintritt.83) Pax und iustitia, die die Kirche für ihre Zwecke verlangt, sind die Ziele des Kaisertums, die Gegenstände seiner Kämpfe und die Krönimg seines Sieges. Die gottesstaatliche Idee mußte vom Kaiser bis zuletzt festgehalten werden: sie war nach der territorialen Zersplitterung des Reiches die einzige Stütze, auf der das Ansehen des Imperiums in der Welt noch aufrechterhalten werden konnte. Hier hat der Kaiser tiefer und realpolitischer gesehen, als später Dante und die übrigen Theoretiker, die auf aristotelischer, d. h. naturrechtlicher Grundlage das Reich aufbauen und theoretisch retten wollten. Sie gaben ihm neue Aufgaben, die das ganze Gebiet der materiellen und geistigen Kultur umfaßten, unterstellten ihm die Kirche in allen weltlichen Dingen und glaubten durch diesen neuen Inhalt die alte Form wieder lebensfähig zu machen. Sie sahen nicht, daß nur die kirchlichen Ideale, nur der Gedanke der Verwirklichung des Gottesstaates die Bemühungen um die renovatio imperii eine Zeitlang mit Erfolg hatten krönen können. War die äußere und innere Verflechtung mit der Kirche gelöst, vor allem: trennte sich der Staat, um dem eigenen Gesetz zu folgen, so stürzte der Bau zusammen. 8a) W . Giesebrecht, Geschichte der deutschen Kaiserzeit, 5, 2, 443/44, und Pomtow, a. a. O., 88ff. Die Formel stammt aus der päpstlichen Kanzlei: salva sedis ap. auctoritate und ist seit Coelestin II. (1143/44) in Gebrauch. Sie besagt, daß päpstliche Privilegien außer durch päpstliche Autorität nicht aufgehoben werden durften, Hinschius, Kirchenrecht III, 733, dazu Giesebrecht, a. a. O., und K . Hampe, Friedrich Barbarossa und seine Nachfolger in Meister der Politik III, Stuttgart und Berlin, 1923, 229. 83)

Vgl. Steinen, Kaisertum, 89 ff.

— 167 — Nun ist ja genugsam bekannt, daß naturrechtliche Gedankengänge aus aristotelischen Schriften auch schon am Hofe Friedrichs II. bekannt gewesen sind.84) Aber bezeichnenderweise hat seine Kanzlei die Anregungen, die sie von dieser Seite erhielt, nicht im publizistischen Kampf mit dem Papsttum verwertet etwa in dem Sinne, daß sie die Selbständigkeit und das Eigenrecht der weltlichen Sphäre damit gestützt hätte. Hingegen lassen sie sich ganz zweifellos in den Konstitutionen für das Königreich Sizilien und den entsprechenden Mandaten für die italienischen Statthalterschaften nachweisen. Die mittelalterliche Lehre von der Entstehung des Staates aus der Erbsünde und von der Erlösung durch die Gnadenmittel der Kirche, die deshalb vom Staate geschützt wird, wird im Vorwort zu den sizilischen Konstitutionen dahin erweitert und verändert, daß außer der göttlichen Vorsehung auch die natürliche Zwangsläufigkeit der Dinge an der Heilung und Besserung der gefallenen Menschheit durch die Einsetzung einer staatlichen Ordnung beteiligt gewesen sei.85) So sehr auch der christliche Charakter der Lehre hier gewahrt ist, indem — allerdings unter Beiseitesptzung der kirchlichen Vermittlung — der Staat in die unmittelbare Nähe Gottes gerückt wird86), so wäre es doch eine Verkennung der geistigen Richtung, die den Hof Friedrichs II. beherrschte, wollte man diese necessitas rerum ganz mit der divina provisio identifizieren. Und gesetzt: es wäre so gemeint, wie manche annehmen, daß eben die göttliche Vorsehung sich in diesem Naturzwang offenbare, so wäre schon die Unterscheidung des formenden göttlichen Willens und der nach diesem Willen erst zu gestaltenden Natur als etwas Neues und Bedeutsames anzusprechen und stimmt zu dem auch sonst in dem sizilischen Gesetzbuch sich offenbarenden geistigen M ) Vgl. Kantorowicz, Erg.-Bd., 97. Die Politik des Aristoteles wurde dem Abendland erst viel später bekannt, vgl. oben, 41, Anm. 26. 86) Huill.-Br6h. IV, 3 und in Ergänzung dazu das Formular für aas Statthalterdiplom, z. B . Const. II, nr. 216 u. 217, wo es heißt: . . . et e x necessitate quadam oportuit naturam subesse iustitie et servire iudicio libertatem. Die bekannte Stelle aus dem Prooemium lautet: Sicque ipsa rerum necessitate cogente nec minus divine provisionis instinctu principes gentium sunt creati, per quos posset licentia scelerum coerceri. Die verschiedenen Deutungen von Burdach, v. d. Steinen, Brackmann, Kantorowicz, Dempf, sollen hier nicht wiederholt werden, vgl. oben, 40, Anm. 23, und zum Ganzen Kantorowicz, Erg.-Bd., 96 ff. Der erste, der auf dieses „zu kirchlichem Traditionsgut nicht recht passende und schwer zu erklärende Moment" hinwies, war H . Niese in H. Z. 108, 1912, 537. *•) v. d. Steinen, Kaisertum 22/23.



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Drang, die Wahrheit und die Natur der Dinge schauend zu erfassen (veritatem et rerum naturam intueri).87) Natura, ratio, necessitas, utilitas universitatis werden herangezogen, um außergewöhnliche Maßnahmen zu begründen, andere gewohntere dadurch in neuer Bedeutung zu zeigen.88) In diesen Zusammenhang paßt auch der neue Kult, den man der iustitia in der doppelten Form der Gesetzgebung und der Rechtsprechung widmete. Obwohl man sich hüten muß in der Deutung der Formeln, die die Kanzlei hier erfand oder benutzte, zu weit zu gehen89), so ist doch dies eine sicher, daß sich die iustitia Friedrichs II. in seinen sizilischen Gesetzen von der in der imperialen Theorie vertretenen Vorstellung unterscheidet, und zwar durch das Attribut der Wandelbarkeit und Anpassungsfähigkeit.90) Wenn der Kaiser das Gesetz eines Vorgängers aufhebt mit der Begründung, es sei den Forderungen der Zeit nicht mehr angepaßt, und es sei das Vorrecht des Kaisers, in neuen Zeiten neue Gesetze hervorzubringen91), so schlägt diese Begründung der mittelalterlichen Auffassung von der Heiligkeit und Unaufhebbarkeit jeder überkommenen Rechtssatzung ins Gesicht. Sie ist aber notwendiger Ausdruck der eminent staatlichen Betätigung des Kaisers, die im Notfall selbst den Eingriff in Rechte Einzelner, und wenn sie noch so gut verbrieft waren, nicht scheute. Der Kampf mit der Kurie bot Gelegenheit und notwendigen Anlaß, solche Eingriffe in besonderer und, wie man sehen wird, bedeutsamer Art zu rechtfertigen. Als »') Constitutiones regni Sicüiae, Lib. III, Tit. L X X I I I , Huill.-Bréh. IV, 168, vgl. auch Lib. II, T i t . X X X I , a. a. O., 102. 88) Z. B. Const, regni Sic., Lib. II, Tit. I : Grandis utilitas et necessitas evidens nos inducunt, ut accusationum ordinem . . . corrigamus . . . oder: Disposuit etiam [seil, imperator], quod nullus de regno data vel collecta aliquid daret nisi pro utilitatibus regni et necessitatibus expediret, Ricc. de Sancto Germano ed. Gaudenzi, a. a. O., 139 (a. 1228). Naturali quadam necessitate, Huill.-Bréh. IV, 237, u. ö. Über die Rolle der ratio in den kaiserlichen Formeln vgl. Kantorowicz, Erg.-Bd., 104. Stilübungen, die die Wendungen des Prooemium wiederholen, bei Kantorowicz, Erg.-Bd., 101. Überhaupt müßte einmal im Zusammenhang untersucht werden, wie weit diese Wendungen schon vor Friedrich II. im Umlauf und ob sie nicht unter ihm schon mehr oder minder formelhaft waren; s. auch unten, Anm. 96. *•) Kantorowicz, 207 ff., und Erg.-Bd., 80 ff., übertreibt ganz zweifellos die inhaltliche Bedeutung der Formeln, die sich mit der iustitia beschäftigen, vgl. die Kritik von A. Brackmann in H . Z. 140, 542 ff., u. oben, 110, Anm. 76. Kantorowicz, 223. Vgl. die Einführung zu den Gesetzen über das A m t des Hofrichters bei Huill.-Bréh. VI, 156, a. 1240, Reg. Imp. nr. 2960. Deutsche Übersetzung bei v . d. Steinen, Staatsbriefe, 39. M)

— 169 — Friedrich II. nach dem Konzil zu Lyon sich vor den entscheidenden Endkampf gestellt sah, hat er einen solchen Rechtsbruch gewagt. Er erhob nämlich eine Kollekte von allen Kirchen des Reiches (den dritten Teil aller Einkünfte). Die Begründung für diese schwere Verletzung eines wichtigen Teiles des geistlichen Immunitätsrechtes wird mit den Worten „pro tarn salubri quam n e c e s s a r i a subventione" gegeben.92) Diesem ersten Eingriff in das Kirchengut folgte drei Jahre später ein zweiter mit ähnlichem Hinweis auf das allgemeine Wohl, indem ausdrücklich betont wird, daß der Ertrag dieser Steuer nicht für selbstsüchtige Zwecke des Herrschers, sondern zum Besten des Volkes und zur Unterdrückung der Rebellion verwendet werden soll.93) Wichtig ist hier die Verdeckung des Staatszweckes durch den Begriff des allgemeinen Wohls, der aber wohl in jeder politischen Publizistik mit ihm gleichgesetzt werden kann und wird. Der Kaiser versteht es wohl, die beiden Begriffe innerlich zu verbinden. Denn, was in jedem Augenblick das Volkswohl erheischt, das wird dem Herrscher — wie er sagt — diktiert von der Zwangsläufigkeit der Dinge, der necessitas rerum, die, hart und unausweichbar wie die Schicksalsgöttin der Alten, den Lenker des Staates zum Steuern nach ihrem Kurs zwingt.94) „Necessitatis articulo urgente" ist der Herrscher berechtigt zur Verletzung von heiligen, alten Rechten wie der Steuerfreiheit des Klerus, oder zur Überschreitung seiner Rechtssphäre durch immer erneute Eingriffe in das private Eigentum seiner sizilischen Untertanen.95) Wie in • 2 ) Mandat an die Justitiare, Huill.-Br6h. V I , 36c , R e g . Imp., nr. 359. v gl- auch nr. 3506—08. Über die Steuern (Kollekte) Friedrichs im Königreich, vgl. E . Winkelmann, Gesch. K a i s e r Friedrichs II., I, 358 ff. Übrigens h a t schon der sizilische Chronist des 12. Jahrhunderts, H u g o Falcandus, die ausnahmsweise Besteuerung der Sizilianer urgente q u a d a m necessitate berichtet. Über die tendenziöse Absicht des Berichtes vgl. G. V. Below, Territorium u. S t a d t , 179, wo auch (Anm. 1) d a s Zitat. •*) Huill.-Br6h. V I , 361 (hier fälschlich zum J a h r e 1245 datiert, vgl. R e g . I m p . nr. 3681): cum ad id non acervi congerendi v e l p r o p r i e commoditatis ambitio, sed populi nobis subdendi cura propensior e t recalcitrant i u m . . . rebellium s u p r e m a confusio nos invitent. • 4 ) I n 2 Mandaten betr. die Kollekten für d a s J a h r 1248, die dem Königreich mit der unausweichlichen Notwendigkeit verständlich gemacht werden, Winkelmann, A c t a I, 711 f., nr. 936, 1, i-, R e g . Imp., nr. 3676, 77, vgl. Kantorowicz, Erg.-Bd., 99. — Zu den Kollekten, die Friedrich erhob, vgl. d a s Lyoner Absetzungsurteil, Const. I I , 508 ff., nr. 400, Matth. Par., S S . 28, 265; Clerici quippe collectis et talliis multipliciter affliguntur. * 5 ) D a ß Bruch oder Änderung des Gesetzes m i t der necessitas gerechtfertigt und entschuldigt wird, ist übrigens nichts Neues. Der Verfasser des

— 170 — der theoretischen Begründung des Absolutismus 400 Jahre später der casus durae necessitatis dem Herrscher alle privaten Güter und Rechte zufallen läßt, so hat auch hier schon der sog. Notstand Eingriffe in das Privateigentum zu rechtfertigen. 96 ) Die politische Zwangsläufigkeit wird als das Schicksal des Staates erkannt und ihren Gesetzen Rechnung getragen. Die Ähnlichkeit mit der necessità des Machiavelli ist unverkennbar. 97 ) Denn anders als im Proömium zu dem sizilischen Gesetzbuch ist die necessitas, mit der außergewöhnliche Staatsmaßnahmen begründet werden, jeder theologischen Deutung entzogen durch ihre Bindung an den Zweck der irdischen Wohlfahrt. Diesen Eindruck verstärkt noch die Gleichstellung von necessitas und utilitas an anderer Stelle, und ihre Verbindung mit dem Naturbegriff der aristotelischen Naturrechtslehre (naturalis quaedam necessitas, oder — in gleichem Sinne wie die necessitas auftretend — natura rerum. 98 ) Neben den Aristotelismen mögen sich in dieser A u f Liber de unitate ecclesiae rechtfertigt die Einsetzung des neuen Papstes Clemens' I I I . mit den Worten necessitas non habet legem (ed. Schwenkenbecher in den SS. rer. germ., 1882, 49), dazu Hübschmann in der noch zu nennenden Bonner Diss. 1923, 25. In dem Machtprogramm Gregors VII., dem Dictatus papae, ist ein Punkt, der besagt, quod illi papae soli licet pro temporis necessitate novas leges condere, Das Register Gregors VII., hrsg. von E . Caspar I, Berlin 1920, 203. Die Gesetzgebung der Kirche, die in diesem Programmpunkt verwirklicht werden sollte, darf sich also auch von dem Zwange der Stunde bestimmen lassen ; vgl. Hinschius, Kirchenrecht I I I , 726. Ob nicht überhaupt auch hier für die Diktion Friedrichs in der päpstlichen Kanzlei Vorbilder gefunden werden können, müßte noch untersucht werden. Auch bei Innocenz III. finden sich Wendungen wie: in supremo necessitatis articulo, necessitas regni usw. Über die philosophische Begründung des Gesetzesbruches mit dem Notstand und mit Hinblick auf die aequitas-Billigkeit s. unten, 187, Anm. 149. ®6) Vgl. Kantorowicz, Erg.-Bd., 99 mit dem Hinweis auf die lehrreiche Arbeit von Fr. Wolters, Über die theoretische Begründung des Absolutismus im 17. Jahrhundert in: Grundrisse und Bausteine, Berlin 1908, 217 ff. •') Die Ausführungen von Fr. Meinecke in „Die Idee der Staatsräson" 46 ff. und in der Einleitung zu Machiavellis Principe, 19 ff., (Klassiker der Politik, hrsg. von Fr. Meinecke u. H. Oncken, Bd. 8, Berlin 1923) haben die Grundbegriffe des Machiavellismus erst in ihrer wirklichen Bedeutung vorgeführt. 98 ) S. oben, Anm. 88. — Hier mag noch hinzugefügt werden, daß auch bei den Publizisten des Investiturstreites die utilitas in ähnlicher Rolle erscheint, wenn z. B. Manegold von Lauterbach die Bannung Heinrichs IV. mit der utilitas ecclesiasticae disciplinae rechtfertigt oder umgekehrt der Verfasser der Schrift De unitate ecclesiae mit Rücksicht auf die utilitas ecclesiae sich gegen die Exkommunikation Heinrichs IV. äußert, vgl. Mirbt, Publizistik,

— 171 — fassung der necessitas auch schon averroistische Lehren geltend gemacht haben, wie sie später am eindruckvollsten von Siger von Brabant vorgetragen wurden.99) In abstrakter Formulierung findet sich die Lehre auch im System des heiligen Thomas, wenn er erklärt, daß im Falle der Not alle Güter gemeinsam seien (quod in necessitate omnia sunt communia), und daß der Herrscher keine Sünde begehe, wenn er die Hand an das Gut des andern lege „wegen der gemeinsamen Not" (propter necessitatem sibi factam communem).100) Im Frankreich Ludwigs IX., und zwar in der Zeit der schwersten Kämpfe zwischen Papst und Kaiser wurde nun auch schon der casus necessitatis als zwingend für die Besteuerung der Kirche angesehen.101) Hier hatte die Rechtfertigung mit dem casus necessitatis überhaupt schon lange Bedeutung gehabt, indem nämlich seit dem Anfang des 13. Jahrhunderts der König für die Landesverteidigung größere Dienste, als in den Lehnsverträgen vorgesehen waren, fordern durfte, wenn Not vorlag (in casu necessitatis). Diese Regel wurde mit dem Anwachsen der königlichen Autorität von den Vasallen und Untervasallen auf alle Bewohner des Königreichs ausgedehnt, so daß König Philipp der Schöne für den flandrischen Krieg eine lange Reihe außerordentlicher Steuern und Abgaben unter dem Vorwand des casus necessitatis von allen Einwohnern seines Königreichs als Beisteuer zur defensio regni erheben konnte.102) Wie sehr sich die Räte um Philipp 161 f. Im Laufe des 13. Jahrhunderts wurde es offenbar auch in den deutschen Städten zur ständigen Gewohnheit, Verletzung des geistlichen Steuerprivilegs mit utilitas und necessitas zu entschuldigen, vgl. F. Siebert, Der Mensch um 1300 im Spiegel deutscher Quellen, Berlin 1931, 68 f. Über die geistige Haltung, die sich darin zeigt, s. unten, 213. " ) Vgl. bes. die Sätze in den von der Pariser Universität verdammten errores bei Denifle, Chartularium Univ. Paris. I, Paris 1889, 544 ff., vor allem nr. 21: Quod nihil fit a casu sed omnia de necessitate eveniunt usf., und Cl. Bäumker, Die Impossibilia des Siger von Brabant, Münster 1898, 21, nr. V. Näheres bei Kantorowicz, Erg.-Bd., 100. 10 °) Carlyle V, ig, n. 1, bringt das vollständige Zitat aus der Summa theologica. Der Satz wird schon von den Vätern und Kanonisten vertreten, vgl. Carlyle, ebd., 15 ff. 1 0 1 ) Memorandum französischer Gesandter bei Papst Innocenz IV., 1247, bei Matth. Par. V I , m , und SS 28, 253; s. auch unten, 201/02. 102 ) Langlois, 250 f. Besonders charakteristisch ist für diesen Zusammenhang ein „höchst rhetorisches Schreiben" König Philipps nach der Schlacht bei Courtrai, das in ähnlicher Weise, wie Friedrich II. die Lombarden, die Flamen als verräterische Aufrührer und Rebellen gegen das Königreich hinstellt und in mächtigen Worten zur Hilfeleistung gegen sie auffordert. D a s

— 172 — den Schönen dessen bewußt waren, daß besonders die Besteuerung der Kirchen gegen das Gewohnheitsrecht verstieß, das zeigt die Form, die Pierre Dubois der staatlichen Notstandstheorie gab. Zunächst erlaubt er den Eingriff in das Kirchengut nur im äußersten Notfall, wenn alle anderen Hilfsmittel versagen; dann stellt er fest, daß ein solcher Eingriff nur in einem einzigen Fall nicht als Verstoß gegen das gemeine ius canonicum et civile und nicht als Todsünde angesehen werden könne, nämlich wenn „ius speciale" vorläge, d. h. wenn die evidens necessitas defensionis einträte, die ein Gesetz nicht kennt (qui legem non habet). Dubois gibt also offen zu, daß der Staatsmann Zwangslagen kenne, die Recht und Gesetz aufheben, und daß unter bestimmten Umständen die Rechtlosigkeit selbst mit dem Anspruch des Rechts auftreten könne.103) Diese Sätze Dubois' enthalten die Verteidigung dessen, was er unter der Regierung Philipps des Schönen selbst erlebte. Beginnt doch der Kampf des französischen Königs gegen die Kurie mit der Frage, ob der König das Recht habe, die durch das kanonische Recht verbürgte und nur vom Papst aufzuhebende Steuerfreiheit des Klerus anzutasten. Der König, die Barone, ein großer Teil des Klerus vertreten das Recht des casus necessitatis und der Selbsterhaltungspflicht des Staates. In necessitatis articulo, d. h. wenn das Land von äußeren Feinden bedroht, von inneren erschüttert ist—so stellen die höchsten Bischöfe des Königreichs selbst Stück ist aus dem Register Philipps des Schönen abgedruckt in Mém. de l'Inst. de France. Ac. des Inscr. Savants étrangers, I. Ser., X, i, 1891, 317 ff., von Funck-Brentano (Mémoire sur la bataille de Courtrai). Es führt verschiedene Male in wirksamer Weise den casus necessitatis an, z. B.: . . . in tanta arte necessitatis articulo non solum spiritualibus verum eciam temporalibus fidelium nostrorum auxiliis indigemus, cum pro tarn necessariae defensionis articulo nos importabilia subire oporteat onera expensarum (a. a. O., 319) ; Ferreum quidem pectus habere et cujuslibet naturalis affectionis expers penitus videtur qui nobis et regno nostro . . . in tante necessitatis urgencia non adesset (320). In den Registern des Königs finden sich noch verschiedene ungedruckte Mandate ähnlichen Inhalts, s. auch unten, Anm. 108. Zu der Rhetorik des oben zitierten Stückes vgl. H. Pirenne, Geschichte Belgiens I, 1898, 468, dazu auch Wenck, a. a. O., 15 f., von diesem auch das Zitat im Anfang dieser Anm. 103) P. Dubois, De recuperatione terrae sanctae, ed. Ch. V. Langlois, 116 (Collection de textes . . ., 9, Paris 1891); dazu Scholz, 421. Vgl. auch die entsprechenden Aussprüche des Verfassers der Disp. inter clericum et militem (Goldast, Monarchia II, 16): ubi necessitas fuerit reipublicae; ubi maior apparet necessitas; pro defensione reipublicae cum opportunum fuerit, pro arbitrio voluntatis potest [rex] levare tributum, vgl. Scholz, 350. Zu dem Satz: necessitas non habet legem s. oben, Anm. 95.

— 173 — dem Papste die Lage dar —, müssen alle Privilegien, Vorwände und Ausnahmen aufhören (omni privilegio, excusatione et exceptione cessantibus) und alle Kräfte für die Verteidigung des Vaterlandes aufgeboten werden (ad defensionem regni et patriae).104) Und Papst Bonifaz sieht sich schließlich genötigt, dem Ansturm nachzugeben und die Konstitution „Clericis laicos", die eine päpstliche Genehmigung für die Besteuerung des Klerus als unerläßlich erklärt, für den casus necessitatis der Vaterlandsverteidigung aufzuheben.105) Die gleiche Rechtfertigung mit der defensio natalis patriae bringt Philipp vor für eine Maßnahme, die der Kurie als ganz besonders rechtswidrig erscheinen mußte, weil sie einen schweren Eingriff in die Freiheit der Kirche darstellte, die Ausfuhrverbote der Kampfjahre 1296 und 1302/3. 106 ) Bezeichnend für die ganz realistische Auffassung des Staatszweckes sind diese Verbote, weil sie nicht nur aus Gründen der kriegerischen Verteidigung erlassen worden sind, sondern auch unter dem wirtschaftlichen Gesichtspunkt, den Wohlstand des Landes zu bewahren. „Ad statum prosperum et defensionem necessariam regni nostri" ergeht das erste Verbot, und es wird ausdrücklich gesagt, daß der natürliche Verstand (naturalis ratio) diese Maßnahme empfehle.107) Auch in anderen Ordonnanzen des Königs erscheinen l04 ) Schreiben der Geistlichkeit von Reims 1297 a n den P a p s t , D u p u y , 26. 106 ) I n der Bulle „ R o m a n a m a t e r " 1297 Febr. 7 (Baillet, Hist. des dimeslez, Add. nr. 3 S. 11—13 u n d R a y n . Ann., § 49) u n d bes. ,,Etsi de s t a t u " 1297, Juli 31 (Rayn. Ann., § 50), dazu Langlois, 135. ,oe ) D u p u y , 13, 86/87, I 3 I ff-, u n d — weniger ausführlich in d e r Begründ u n g — 83; vgl. auch Ordonnances des rois d e France I, 349 ( = D u p u y 83), 35 1 . 37 2 u - ö. Die Ordonnanz von 1302 (Dupuy 86/87) e n t h ä l t u n t e r gleicher Begründung ein Verbot a n alle Geistlichen u n d Barone des Königreichs, das L a n d zu verlassen. Hiermit zu vergleichen sind die Maßnahmen, die Friedrich nach der E x k o m m u n i k a t i o n von 1239 v e r k ü n d e t e u n d die zunächst wie auch diejenigen Philipps den Klerus des Landes t r a f e n : kein Geistlicher d u r f t e ohne kaiserliche Erlaubnis nach R o m gehn. I n beiden Fällen sollte a u ß e r den gewohnten Beziehungen zu R o m auch die Möglichkeit, päpstliche Konzilien zu besuchen, im Interesse des Landes u n t e r b u n d e n werden, Kantorowicz, a. a. O., 437 u. ö. Philipp verteidigte übrigens seine Verbote noch ausdrücklich, als Bonifaz V I I I . ihn u. a. auch in diesem P u n k t e z u m Nachgeben zwingen wollte, vgl. D u p u y , 93 (Responsiones regis), s. u n t e n , 210. i«) S. oben, i 4 6 f f . 1 6 2 ) So Guillelmus Duranti, pacificus" usw.

Johann von Paris,

der Traktat

„Rex

1 6 S ) Holtzmann, Nogaret, Beil. II, 254. Die Könige des Alten Testaments dienen vielen Publizisten als Rechtfertigung für die Behauptung, daß der weltliche Herrscher auch geistliche Befugnisse habe. Besonders Moses muß da immer wieder herhalten. E s wird betont, daß er als Richter und weltlicher Leiter in Kultfragen entschieden und über die Priester ein Aufsichtsrecht gehabt habe. So Dubois, die Traktate „ R e x pacificus" und ,,Disputatio inter clericum et militem" (Dubois bei Dupuy, 215; „ R e x

— 189 — es ihm dabei nicht wie dem Kaiser um die Gesamtinteressen der Christenheit zu tun ist. Anders als Friedrich II., der die Initiative den Kardinälen als der Zentralinstanz der Gesamtkirche überlassen hatte, nimmt Philipp die Konzilsberufung selbständig in die Hand, und dabei treten deutlich auch landeskirchliche Gesichtspunkte in Erscheinung.154) Zwar ergeht sein Ruf im Stile Friedrichs II. an alle christlichen Fürsten und Stände: in Wirklichkeit aber will er dies Konzil zu einem national-französischen stempeln, indem er sich der Zustimmung aller Stände seines Reiches im weitesten Ausmaße versichert und indem er auch Fragen landeskirchlicher Art auf ihm zur Entscheidung bringen will.155) Am liebsten hätte er gesehen, wenn das Konzil in Frankreich abgehalten worden wäre.156) Und noch ein anderes Beispiel für diese nationale Kirchenpolitik des französischen Königs unter dem Deckmantel der allgemeinen kirchlichen Verpflichtungen: die Templer, vom Könige und seinen Helfern zunächst als Feinde der gesamten Christenheit gebrandmarkt, werden auf einer Versammlung der französischen Stände angeklagt, und der Papst steht dabei nicht als Richter im Namen der gesamten christianitas sondern als Beisitzer und Eideshelfer des französischen Königs. Denkschriften und öffentliche Reden sollen den König als den Vertreter der Gesamtinteressen der Christenheit erscheinen lassen. Aber der äußere Apparat, in dem diese Hilfe angekündigt wird, trägt nationalpacificus" bei Dupuy, 673, und Disputatio bei Goldast, Monarchia I, 1 5 ; hier wird vor allem das Recht des weltlichen Herrschers an den Temporalien der Kirchen aus dem A . T. begründet: der König befiehlt den Priestern die rechte Nutzung). 161) v g l d i e Gründe, die Nogaret dem König vorhält, um ihn zum E i n greifen zu bewegen: Primo, propter fidem. II. propter regiam dignitatem, ad cuius officium pertinet omnes pestiferos extirpare. III. propter iuramentum, quod pro ecclesiarum regni defensione praestitistis . . . IV. q u i a i p s a r u m e c c l e s i a r u m p a t r o n i e s t i s . . . V. progenitorum vestrorum ut vestigia sequentes matrem nostram Romanam liberare debetis . . . (Rede Nogarets vom 12. März 1303, Dupuy, 58). 166 ) Man muß freilich daran denken, daß ja Bonifaz ein allgemeines Konzil nach Rom hatte berufen wollen, um dort landeskirchliche Angelegenheiten Frankreichs zu behandeln und zur Entscheidung zu bringen. Der König und die Stände wollten sie in direkter Verhandlung mit den Kirchenobem des Landes austragen, s. unten, 209.

15«) Vgl di e Punkte, die Peter von Peredo als Gesandter Philipps im Oktober 1303 an der Kurie vortrug: er machte den Vorschlag convocari concilium Lugduni vel ad alium locum regi, regno et incolis Franciae ad prosecutionem praemissorum accomodum, tutum nec suspectum. . ., Dupuy, 211.

— 190 — Gepräge.157)

französisches Hatte Friedrich II. die Angelegenheit der lombardischen Ketzer gerade zum Anlaß genommen, seine Sorgen und die seiner Reiche über deren Grenzen hinauszutragen und die Gesamtheit der Gläubigen an ihnen teilnehmen zu lassen, wie es die imperiale Idee wollte, so zieht umgekehrt der französische König die Maschen des Netzes, in dem er seine Feinde oder, um in der Sprache seiner Publizistik zu reden, die Feinde der Christenheit fängt, so eng wie möglich. Der abtrünnige Papst und die ketzerischen Templer, sie werden aus Feinden der Christenheit zu Feinden des französischen Regnums und der ecclesia gallicana. Es ist darum kein Wunder, daß da, wo in der Publizistik Philipp des Schönen kirchliche Schäden allgemeiner Art ohne Bezugnahme auf französische Zustände behandelt werden, neue Gedanken nicht geäußert wurden. Sie interessierten die Publizisten des französischen Königs nicht sonderlich. Hier übernehmen sie das nötige Material gegen den verhaßten päpstlichen Gegner meist von den Colonna, die wiederum — wie schon oft erwähnt — von der staufischen Tradition zehren. — Unter den Anklagen gegen Bonifaz VIII. findet sich auch der Punkt, der Papst drücke die Rechte des Kardinalkollegiums herab, und das widerspreche der Überlieferung, wonach die Kardinäle Glieder seien nicht nur des Gesamtkörpers, sondern auch des Hauptes der Kirche, folglich mitzuberaten und zu beschließen hätten!158) Um die Kardinalsopposition " ' ) Der König erscheint totus et integer, id est cum omnibus membris suis prelatis, capitulis, t o t o clero et ecclesia, baronibus et militibus, communitatibus et fidelibus populis regni sui vor dem Papst auf dem Konsistorium zu Poitiers 1308, wo die Eröffnungsrede Plaisians die christliche Mission des Königs in der Templerangelegenheit feierlich verkündet (Lizerand, 112). Übrigens ist diese Stelle außerordentlich bezeichnend für die korporative Auffassung der Legisten: der König steht hier für das regnum oder für die „ecclesia gallicana" im Sinne der Denkschriften Nogarets oder des anonymen Verfassers des Fragmentes „Antequam essent clerici" (siehe oben, 183 ff.); seine Integrität ist dann erst vollkommen, wenn alle membra vertreten sind. 1 6 8 ) Cardinales sunt coniudices Romani Pont, et sunt membra non tantum corporis Ecclesiae sed capitis", Dupuy, 226. Das Zitat ist einer Eingabe der Colonna an Philipp den Schönen entnommen, das wegen bestimmter kirchenrechtlicher Anschauungen von Bedeutung ist, Möhler, 130. Die eigenartige Anwendung des so beliebten Organismusbildes soll wohl bedeuten, daß das Haupt der Kirche, die ecclesia Romana, für sich genommen auch wieder einen Organismus bildet, dessen Glieder die Kardinäle darstellen, vgl. die Auffassung der ecclesia Romana als Korporation bei Johannes Monachus, Scholz, 196.

— 191 — auf seine Seite zu ziehen, hatte Friedrich II. 1 2 3 9 »i 1 1 den hierarchischen Aufbau der Kirche eingegriffen, indem er den Kardinälen eine mit dem Papst gleichberechtigte Teilnahme an den Entschließungen der Kirche zusprach". 1 6 9 ) Diejenige Macht, die die Kardinäle tatsächlich in Vakanzzeiten seit längerer Zeit besaßen 1 6 0 ), verlangten auch die Colonna zu ständigem Anspruch und Besitz. 1 6 1 ) Auf ihren Einfluß ist es dann zurückzuführen, wenn, auch die französischen Gegner Bonifaz V I I I . aus dieser Verachtung kardinalizischer Ansprüche einen Strick drehten. 162 ) 169 ) Vehse, 178/179; vgl. auch ebd., 70. Die wichtigste Stelle aus dem bekannten Schreiben Friedrichs an die Kardinäle vom lo.März 1239 lautet: cum ad singula, que presidens sedi Petri proponit statuere vel denuncianda decreverit, equa participatio vos admittat (Huill.-Br6h. V, 282/83), ähnlich in dem großen Manifest „Levate" von 1239: celatis fratrum consiliis cum quibus secundum ecclesiasticam disciplinam deliberare tenetur (Const. II, 297 [19]). Zu der bekannten Auslegung des Sinnes der Kardinalswürde und des Kardinalsnamens in den Schreiben Friedrichs an die Kardinäle, die nach der Meinung Sägmtillers Philipp der Schöne übernommen habe, s. die Gegenüberstellung und näheres über die Kontroverse Sägmüllers mit Wenck oben, 98 ff. 160) Ygi. j b . Sägmüller, Die Stellung und Tätigkeit der Kardinäle bis Bonifaz VIII., Freiburg 1896, bes. 247. 161 ) Zuerst in der 3. Denkschrift: iste pseudoprefectus nec ipsorum consilia dignatus est petere nedum expectare consensus (wie der verus pontifex es zu tun pflege), Denifle, Archiv V, 5 2 1 ; dazu vgl. den ähnlich formulierten Punkt 19 einer großen, dem Kreise der Colonna entstammenden Anklageschrift gegen Bonifaz VIII., Dupuy, 335. Möhler benutzt die Klage über die Unterdrückung der Kardinalsrechte u. a. als Kriterium, um unter der Menge der Anklageschriften gegen Bonifaz diejenigen herauszufinden, die möglicherweise dem Colonna-Kreise entstammen könnten, a. a. O., 125/126, aber s. die nächste Anm. — J . Haller in d. Besprechung des Scholzschen Buches, 369/70, (H. Z., 99, 1907), bestreitet die Echtheit und Ausdruckswahrheit der „oligarchischen Opposition" bei den Colonna. E r sieht in ihren „Ideen" nur publizistische Waffen, s. auch unten, Anm. 63. 162 ) Die Fertigstellung des Anklagematerials gegen Bonifaz V I I I . fällt nach der Untersuchung Möhlers in das Jahr 1307 (a. a. O., 128). Alle Anklagen und Flugschriften aus den folgenden Jahren haben daraus geschöpft. Die Verfasser lassen sich meist nicht mit Sicherheit feststellen trotz der Kriterien, die Möhler gefunden zu Laben glaubte, s. oben, 106, Anm. 66. Einige Schriften, die Möhler für die Colonna in Anspruch nimmt, hatte Renan der Nogaretschen Feder zugesprochen, Holtzmann, Nogaret, 1 9 1 . Trotz der Kriterien, die für die Colonna sprechen, erscheint das nicht ganz unmöglich, denn Möhler bemerkt selbst und führt die Beweise dafür an, daß die französischen Legisten in Rom und in Frankreich die Häresien Bonifaz* und die Anklagen gegen ihn von den Colonna gehört und übernommen haben (123). — Ich möchte hier die Vermutung wagen, daß es die

— 192 — Eine systematische Verfechtung dieser Rechte kam zwar von einem Franzosen und ehemaligen Angehörigen der Pariser Universität, aber nicht aus der unmittelbaren Umgebung des Königs: Johannes Monachus schrieb als Kardinal und Führer einer geheimen Opposition gegen BonifazVIII. Seine Theorie bringt keine neuen Reformvorschläge etwa im Sinne eines konstitutionellen Papsttums, sie will nur althergebrachte, oft mißachtete Rechte des heiligen Kollegs wiederherstellen.163) Nur in der Begründimg dieser Forderungen mit dem als Korporation neu gefaßten Begriff der ecclesia Romana gehen die Sätze des Kardinals über Friedrich II. hinaus. — Nicht anders steht es um die Forderung, die oberste Gerichtsbarkeit und Entscheidungsgewalt in Kirchenfragen dem allgemeinen Konzil zu übertragen. Wieder ist es Friedrich gewesen, der nach langer Zeit als erster an die Abhängigkeit des Papstes von dem Organ der ecclesia universalis erinnerte und an das allgemeine Konzil appellierte.164) Fast mit Sicherheit darf man annehmen, daß seine Konzilsforderung sowohl inhaltlich wie formal weitergewirkt hat. Denn die Colonna, diese Hüter der ghibellinischen Tradition — wider Willen, so möchte man am liebsten sagen — tragen ebenfalls eine solche Forderung der Öffentlichkeit vor, lind nach ihnen mit manchen Anklängen an die erste staufische Fassung des Gedankens die öffentlichen Protesterklärungen der Franzosen.165) Auch diesen Gedanken haben übrigens TheoColonna waren, die den König und seine Helfer auf die staufischen Vorlagen hingewiesen haben, und daß dadurch u. a. die Ähnlichkeiten im Wortlaut der Kardinalsschreiben entstanden sind, s. oben, 100, Anm. 45. 1 , s ) Über ihn vgl. H . Finke, B o n i f a z V I I I . , 1 2 6 f f . , und Scholz, 1 9 5 f f . Wenn dieser von einer konstitutionellen Theorie spricht, so ist das sicher zu viel gesagt, vgl. M. Krammer in seiner Besprechung des Scholzschen Buches in M I Ö G 27, 1906, 701. — Johannes hat sogar in einer andern Schrift diese Theorien zurückgenommen und ist für die päpstliche plenitudo potestatis eingetreten. IM) Vgl. Graefe, 16, und 27/28. Friedrich appelliert an ein allgemeines Konzil zuerst in dem Schreiben an die Kardinäle 1239, März-April (Const. II, 289) und später noch einmal durch den Mund des Thaddäus von Suessa auf dem Konzil zu Lyon (Const. II, 508). In dem Manifest .Levate" von 1239 appelliert er nicht unmittelbar, sondern fordert die Kardinäle auf, ein Konzil zu berufen, damit er sich dort rechtfertige (Const. II, 297). Über die Appellationsformel s. oben, 97, Anm. 42**. — Übrigens appellieren auch die englischen Stände an ein allgemeines Konzil wegen der päpstlichen Steuern, vgl. Matth. Par. IV, 585 (1246). Vielleicht nach des Kaisers Vorbild ?

IM) Vgl. die Gegenüberstellung oben Teil II, 96, Anm. 42. Andere Formulierungen der Konzilsforderung auf französischer Seite sind stellenweise wört-

— 193 — retiker des französischen Königs in einen systematischen Zusammenhang gebracht, indem sie, an den päpstlichen Amtsgedanken anknüpfend, der Gesamtheit, der der Papst sein Amt verdankte und Rechenschaft für seine Amtsführung schuldig war, eine Stellung über dem Papste einräumten.168) Johann von Paris, der mit Wärme für die Superiorität des Konzils eintritt, will aber dann doch wieder das Eingreifen des Konzils, besonders seinen Zusammentritt ohne päpstliche Genehmigung auf äußerste Notfälle eingeschränkt wissen.187) Diese politische Kompromißformel des Notstandes deckt sich im Grunde vollständig mit den Gedanken, die der Kaiser verfolgte, als er an das Konzil appellierte. Die politischen Gedanken, die sich die Einschränkung der päpstlichen plenitudo potestatis zum Ziele setzten, sind dem französischen König zweifellos zum großen Teil — mittelbar und unmittelbar — aus den staufischen Manifesten zugeflossen. Ähnliche Zusammenhänge lassen sich auch nachweisen, wo die königliche Partei die allgemeinen Zustände in der Kirche, vor allem den Klerus einer unnachsichtigen Kritik unterzieht. Nur sind außer den "kaiserlichen Manifesten noch andere Vorbilder wirksam gewesen. Es gab ja eine Fülle mehr oder weniger populärer Traktate, Flugschriften und Gedichte, die dies Thema zur Genüge immer und immer wieder und in bestimmten apokalyptischen und biblischen Wendungen behandelten.188) Schon auf die kaiserliche lieh der Formulierung der Colonna angeglichen, vgl. die Gegenüberstellung bei Möhler, 117 u. 119. — Es ist anzunehmen, daß die Forderung einer allgemeinen Synode auch auf Ludwig d. Bayern und seinen Kreis wirkte. Auch er wollte das Konzil als Richter über den Papst setzen, vgl. die Frankfurter Appellation, Const. V, 658 f., § 20, dazu Hauck, K.-G. V, 488. 1 " ) Scholz, 214, 318, 322. Johann von Paris kann sich merkwürdigerweise auf den fanatischen Vertreter des päpstlichen Absolutismus, Ägidius Romanus, stützen. Aegidius lehrt nämlich auch ein souveränes Recht der Gesamtheit und den amtlichen Charakter der päpstlichen Gewalt, zieht nur nicht die praktische Folgerung auf die übergeordnete Stellung des Konzils über den Papst, Scholz, 63/64 u. 322. Außer von Johann wird der Konzilsgedanke besonders kräftig von G. Duranti vertreten, dem außerdem noch eine ständige Vertretung der Gesamtheit durch eine Anzahl Bischöfe vorschwebt (Scholz, 214). Daß dieser Gedanke auch von Johann vertreten werde, wie Scholz (315) meint, bestreitet J . Haller, Papsttum . . ., 374. Von dem Gedanken einer verfassungsmäßigen Mitbeteiligung der Gesamtheit am Kirchenregiment zu reden (Scholz, 322) scheint mir bei Johann auch nicht am Platze. " ' ) Scholz, 322. ) Im allgemeinen handeln über die apokalyptische Publizistik A. Dempf, Sacrum Imperium, 328 ff., Burdach, passim, Kantorowicz, 563 f., Graefe, 51 ff. u. 236 ff., s. oben, i6ff. 1,s

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— 194 — Üanzlei haben die Zeitideen in der Form gewirkt, wie sie in den Kreisen der sektiererischen Armutsanhänger und der Jünger des Joachim de Fiore umgingen. Die große Flugschrift „Collegerunt pontifices" trägt sie zum erstenmal auch in die politische Streitliteratur des staufischen Kaisers hinein.169) Der ghibellinische Verfasser stellt in höchst eindrucksvoller Weise die Praktiken der Kurie, das Leben und die Gewohnheit der Geistlichen in Gegensatz zu der Lehre des Evangeliums und dem Leben des Stifters und der ersten Christen und läßt schließlich den Kaiser als Heiland \ind Reformator berufen sein, in all dieser Verderbnis und diesem Elend die Gerechtigkeit wieder aufzurichten und die Kirche nach dem Willen des Stifters zu leiten. — Friedrich nimmt die gravamina gegen die herrschenden kirchlichen Zustände dann in seine eigenen Manifeste auf, und zwar in einer Form, wie sie die Kirche bisher noch nie in einem offiziellen Schriftstück zu hören bekommen hatte: er verdichtet sie zu einem Reformprogramm.170) Es sei immer, so sagt der Kaiser in dem bekannten Manifest von 1246 — ein halbes Jahr nach seiner Absetzung auf dem Konzil zu Lyon —, sein Wille gewesen, die Geistlichen zu dem Zustand zurückzuführen, wie er in der Zeit der alten Christen gewesen, wo die Gläubigen ein apostolisches Leben führten und in Demut dem Herrn nachwandelten.171) Dies Reformprogramm, das in seiner Erstmaligkeit dem Manifest „Illos felices" seine besondere Stellung innerhalb der Publizistik Friedrichs verleiht, " " ) Huill.-Bréh. V, 309 ff.; P. d. V . I, 1, hier mit der Überschrift Quaerimonia . . . die dem ersten Buch den Namen gab, s. oben, 44 und 66. Übersetzung bei Graefe, 51 ff., vgl. Dempf, a. a. O., 329. 170

) Es ist kein Zweifel, daß zum ersten Male in dem Reformmanifest von 1246 offiziell der Reformgedanke vorgebracht wurde. Daß die in einem von Roger von Wendover referierten Schreiben Friedrichs an Heinrich von England (1227/28) vorgebrachten Reformgedanken späterer Zusatz des Matthaeus Paris sind, kann als voll erwiesen gelten, vgl. Vehse, 219 f. m

) Winkelmann, Acta II, 50, nr. 46 u. Huill.-Bréh. VI, 393: . . . semper nostre fuit intentio voluntatis, clericos . . . ad hoc inducere et maxime maximos ut tales perseverarent in fine quales fuerunt in ecclesia primitiva, apostolicam vitam ducentes, humilitatem dominicam imitantes. Tales enim clerici solebant angelos intueri, miraculis coruscare, egros curare, mortuos suscitare et sanctitate, non armis, sibi reges et principes subiugare. A t isti seculo dediti, deliciis inebriati, deum postponunt, quorum ex affluencia diviciarum (et opum omnis) religio suffocatur, s. auch Anm. 1 7 6 ; dazu Graefe, 194ff. (Übersetzung); Vehse, 186f.; Kantorowicz, 561 ff.; Burdach, Rienzo, 391 f.; Steinen, Kaisertum, 98 f.

— 195 — kehrt in mehr oder minder offener Form immer wieder.172) In ironisierenden Wendungen und Vergleichen, etwa wenn der Kaiser fragt, welches Vertrauen man denn jenen „angeli" schenken dürfe, und wie man denen nacheifern dürfe, die unter dem Mantel der Demut und Geduld zum Schlage ausholten.173) Oder wenn er die Aufmerksamkeit des griechischen Kaisers auf jene sancti cardinales et praelati lenkt, die im eigensten Gebiet des christlichen Kaisers gegen ihn und andere Christen feindliche Waffen führen, statt der heiligen Gewänder Panzer tragen und, nicht zufrieden mit dem Besitz geistlicher Machtbefugnisse, sich weltliche Rechte auf Kosten der Fürsten anmaßen. „Suntne ista spiritualia et sacerdotalia pacis testimonia seu ad pacem exordia? Num talia statuerunt primi Christi discipuli?" — dies die Vorwurf, Ermahnung, Forderung zugleich enthaltenden Fragen des Kaisers.174) Der Kampf gegen den weltlichen Geist der herrschenden Kirche mit dem wirksamen Vergleichen und Messen an den Vorbildern der christlichen Frühzeit und dem asketischen Ideal drang in die kirchenfeindliche Publizistik der Zeitgenossen und der Nachkommen ein. Er gehört fortan zum eisernen Bestand der ghibellinischen Flugschriften.175) Das Ideal einer Kirche, die 172

) Die Manifeste, die Reformgedanken und -folgerungen enthalten, stellt Kantorowicz, Erg.-Bd., 231, zusammen. m ) Huill.-Bréh. VI, 712/13, aus dem Manifest an den König von Frankreich 1249, März/April, ,,Satis nos pungit". Das Manifest ist voll von solchen Vorwürfen gegen die Führung der Geistlichkeit: Movemur quod nunc videmus illos in arma consurgere qui predicare tantum debent verbum Dei usf. Causam itaque nostram in libra vestre considerationis appendite et, cum vestra res agitur in proximis, que fides hujusmodi danda sit angelis, quod ex ipsorum actibus colligatur exemplum, si sub patientie pallio iidem nostre benignitatis ingrati cauda nos feriant, si religionis, quam solo figurant habitu pudore postposito, ab ea deviantes pietate quam predicant, negociis bellicis temporaliter se inmiscent ? m ) Schreiben an Johannes Vatazes, 1250, Mai/Juni, Huill.-Bréh. VI, 773. Vgl. auch das Manifest,,Audite gentes", 1249, Febr. : „Merito propterea vos requirimus et ceteros orthodoxos ut tam grande scelus ad vestrum animum revocetis attendentes excessum et superbiam prelatorum, qui ditione spiritualium non contenti per fas et nephas sibi secularium querunt dominium vendicare ac principes alios quam pusillos cum maioribus exheredare temere moliuntur (Huill.-Bréh. VI, 707). Vgl. v. d. Steinen, Kaisertum, 99. Über des Kaisers Pflicht zu reformieren s. oben, 187, Anm. 150. 175 ) Noch zu Lebzeiten des Kaisers erschienen die beiden ghibellinischen Flugschriften: Fratris A r n o l d i . . . de correctione eccl. epistola und Anonymi de Innocentio I V antichristo libellus, die beide dem Papst und den Geist13»

— 196 — sich mit dem Geist des Evangeliums besser in Einklang befände als die bestehende, wird sowohl in dem großen Manifest Manfreds an die Römer 1 7 6 ), wie auch noch 50 Jahre später von dem letzten großen Verfechter ghibellinischer Ansprüche, von Dante, heraufbeschworen. Aber auch in Frankreich hat die Reformforderung durch des Kaisers Einwirkung noch zu seinen Zeiten Wurzel gefaßt. Denn es war ja gerade das Reformmanifest, das der antikirchlichen Bewegung französischer Barone die Richtung gegeben hat und das unmittelbares Vorbild gewesen ist für ihre öffentliche Kundgebung. Der Satz, der die Besserung der Kirche und der Geistlichen zum Inhalt hat, ist hier wörtlich übernommen. 177 ) Außerdem aber hat auch noch Ludwig der Heilige selber bei Gelegenheit einer Gesandtschaft, die die gravamina der französischen Kirchen gegen die Kurie vorzubringen hatte, vor dem Papst die Klage liehen wegen Ketzereien und schlechter Lebensführung den Krieg erklären und dem Kaiser die Rolle des Retters erteilen, s. oben, i6f., Anm. 20 und Graefe, 240 ff. In die gleiche Reihe gehört noch ein anderes Stück, das wohl die leidenschaftlichsten Angriffe von allen enthält, Winkelmann II, nr. 48, S. 52 f. Es ist auch in einem Codex des P. d. V. überliefert und mag auch Vorbilder abgegeben haben für Invektiven gegen den Klerus und die Kurie, denn es enthält eine ganze Menge jener biblischen Wendungen und Bilder, die seitdem so gern zur Verdammung der Geistlichkeit benutzt wurden. Zu der Schrift vgl. Graefe, 263 ff. (Übersetzung). Zu ihrem Ideengehalt und ihrem Verhältnis zu den sektiererischen Bewegungen der Zeit vgl. A. Hauck, K.-G. IV, 856 ff. und Kantorowicz, 564 f. 17e ) Schreiben Manfreds an die Römer 1265, Mai 24, Const. II, 558—565. Der Verfasser ist Peter von Prezza, der aus der Schule des Petrus de Vinea stammt und wahrscheinlich der Verfasser der Flugschrift „Collegerunt" war (s. oben, 67, Anm. 106). Die Argumentationen für die Notwendigkeit kirchlicher Reformen berühren sich eng mit denen der Flugschriften Friedrichs, besonders mit dem oben zitierten Reformmanifest, dessen Schluß wörtlich übernommen ist, vgl. Eugen Müller, Peter v. Prezza, 37, Anm. 148. Auch der andere Publizist, der den Ruhm der staufischen Kanzlei weit über die Grenze Italiens tragen sollte, Heinrich von Isernia, schreibt eine große Klageschrift gegen die Geistlichkeit und zeigt dabei unverkennbar den Einfluß des Reformmanifestes, vgl. Hampe, Beiträge zur Geschichte der letzten Staufer, 110, Anm. 4. Bei Heinrich wie bei Peter von Prezza erklingen schon manche Töne, die bei Dante dann erst zu vollem Akkord verschmolzen sind: z. B., an der Vakanz von Papsttum und Kaisertum (die Klageschrift Heinrichs ist zwischen 1268 und 1271 entstanden) sei die Geistlichkeit schuld, vgl. Hampe, a.a.O., 1 1 , Anm. x. Die Friedensmission des Kaisertums betonen beide, Heinrich wie Peter, vgl. Hampe a. a. O., 103, und E. Müller, a. a. O., 26/27. 177

) Vgl. die Gegenüberstellung bei Graefe. 233.

— 197 — erhoben darüber, daß die Kirche ihre frühere Armut vergessen habe und das Vorbild der ersten Christen, von denen gesagt wird: egressi autem discipuli in humilitate et paupertate spiritus plantaverunt religionem christianam.178) Natürlich fehlen die Reformgedanken auch nicht in der Publizistik Philipps des Schönen, und die Worte, mit denen Pierre Dubois seine Armutsforderung an die Kirche vorbringt, haben manche Ähnlichkeit mit Formulierungen der staufischen Kanzlei, besonders auch inhaltlich mit dem Reformmanifest.179) Den furchtbaren Vorwurf, daß sich die Geistlichen auf Kosten derer bereichert hätten, zu deren Wohl sie beschenkt wurden, hat bekanntlich der anonyme Verfasser der Flugschrift „Antequam essent clerici" nach dem Vorbild des Reformmanifestes stilisiert.180) Dieselben Klagen und Reformforderungen sind auch einmal, und zwar in einer ganz persönlich gegen Bonifaz gerichteten Form offiziell vorgetragen worden. Auch hier bediente sich der Vertreter des Königs des so wirksamen Vergleichs mit frommen Vorgängern und Priestern.181) c) Der Herrscher und die Landeskirchen. Aber Ähnlichkeiten dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Vorwürfe des Kaisers und des Königs ganz verschiedene Ziele haben. Beide geben der Empörung darüber Ausdruck, daß die Geistlichen sich aus den Geschenken der Reichen und Vornehmen, die die Kirche für die Armen zu treuen Händen zu verwalten hatte, bereichert haben und fett geworden sind (impinguati). Aber während der Kaiser daran die bekannte Armuts1 7 S ) Memorandum des französischen Königs und der ständischen Gesandten für die Kurie 1247, Anf. Juni, Matth. Paris V I , 101, vgl. E. Berger, Saint Louis, C X C I V . 1 , s ) DeliberatioMag. Petride Bosco . . . , Dupuy, 45—47. Die wichtigste Stelle, die an das Reformmanifest des Kaisers erinnert, lautet: E t forte expediret Romanos pontifices fore pauperes sicut olim fuerunt, ut sancti essent; bonum esset eis cum paupertate caelum intrare, non cumsuperbia, elatione, concupiscentia et rapina sequi huiusmodi actores, . . ., 46. 1 , °)

S. die Gegenüberstellung oben Teil II, 91, Anm. 24. ) Es handelt sich um das Memorandum des Petrus de Peredo für die Kurie (siehe oben, 106). Der Prior betont ausdrücklich, daß die vorgetragenen Klagen dem König und den hohen Prälaten des Königreichs vorgelegen hätten. Er geht in allen Punkten ganz gleichförmig, und zwar so vor, daß er die vorbildliche Führung der Vorgänger vorausstellt mit dem Wort „Viderunt" (man hat gesehen) — folgt die einzelne verdienstliche Handlung der Vorgänger — und dann in Gegensatz dazu das Verhalten Bonifaz' setzt mit den Worten: Iste autem Bonifacius non sie sed aliter prorsus (Dupuy, 210—214, 1303, O k t . 6.). m

— 198 — forderung anschließt, um diesen Mißständen ein Ende zu machen, fehlt diese Konsequenz bei dem König. Statt dessen verlangt er oder vielmehr sein anonymer Sachwalter als Gegengabe des Klerus für die Geschenke der Reichen die Mitarbeit des Klerus im und für den Staat. 182 ) Es wird nicht von dem Klerus verlangt, daß er das Kirchengut an den Staat zurückgebe und in den Stand heiliger Armut zurücktrete, sondern nur, daß er sich der Gemeinschaft, in der er lebt, einordne und eben denen bei der Verteidigung des Vaterlandes beistehe, denen er seinen Reichtum und seine Sicherheit verdanke. An die Stelle des unerreichbaren Ideals, dem der Kaiser als Verweser des christlichen Gottesstaates, als Künder des Imperiums seine Zunge leihen muß, setzt die ratio naturalis, die Staatsraison der Parteigänger des französischen Königs, den Gedanken der Landeskirche.183) Denn diese und nichts anderes ist das letzte Ziel des geforderten, auf einem wohl ausgewogenen „do ut des" beruhenden Verhältnisses der Kirche zum Landesfürsten bzw. zum Staate. Wenn Pierre Dubois wohl auch einmal jenes Ideal der heiligen Armut in ähnlichem Sinn publizistisch verwertet wie der Kaiser 184 ), so hat er dafür in seiner großen Schrift einen umfassenden Säkularisationsplan entworfen, der zwar auch utopisch war und den Armutsgedanken zugrunde legte, dafür aber den realpolitischen Charakter der Ideen des Königs und seiner Räte in aller Schroffheit enthüllte.188) Die Forderung der evangelischen Armut verdeckte nur schlecht die großen politischen Pläne und fiskalischen Berechnungen dieses fanatischen Verfechters des nationalen Königtums. 182 ) Hier vor allem den Beistand bei der defensio regni: Quis enim sanae mentis iudicaret licitum et honestum . . . cohibere, ne clerici ex devotione Principum incrassati, impinguati et dilatati pro modulo suo eisdem Principibus assistant contra ingruentes iniustarum persecutionum adversitates... ? (Dupuy, 22). S. oben, 91, Anm. 24. 18S ) Hoc enim natura et ratio, ius divinum et humanuni, pariter detestantur ad i l l i c i t a frena laxare (gemeint ist die Bereicherung auf Kosten der Armen) et l i c i t a , immo n e c c e s s a r i a cohibere, a. a. O. 184 ) S. oben, Anm. 179. 185) vgl. die Inhaltsangabe und -erläuterung von Dubois' großer Schrift De recuperatione terrae sanctae bei Scholz, 399 ff. Es sind auch gemäßigtere Reformvorschläge aus dem Kreise der französischen Publizisten hervorgegangen : von G. Duranti z. B. der, daß die Macht des Episkopates verstärkt und von ihm eine Kontrolle der Orden wie des Papsttums ausgeübt werden sollte, Scholz, 399; vgl. auch die Ideen des Johann von Paris. Auch Nogarets Kreuzzugsplan war auf dem Gedanken der Säkularisation der Kirchen, besonders der Ritterorden, aufgebaut, vgl. sein Memorandum bei Boutaric, Notices, 199—205, dazu Renan, Politique r61igieuse, 116 ff.

— 199 — Scheint hier zwischen den Äußerungen des Kaisers und denen der königlichen Parteigänger eine K l u f t zu sein wie zwischen dem Wunschbild einer utopischen Phantasie und den Absichten kalter Realpolitik, so erscheint der Abstand weniger groß, wenn der kaiserliche Reformplan für die Geistlichkeit aus dem utopischen Rahmen des Imperiums gelöst und in den der sizilischen Kirchenpolitik eingesetzt wird. Schon die Zeitgenossen, vor allem die Gegner des Kaisers, haben weltliche Gründe herausgespürt. 186 ) Sie haben gefühlt, daß der Zustand der sizilischen Kirche nur die eine Deutung der Armutsforderung des Kaisers zuließe: den Plan einer Säkularisation des Kirchengutes zugunsten der Staatsgewalt. Papst Innozenz IV. hat es ausgesprochen, daß Friedrich unter dem Deckmantel dieser Forderung solche neuen Maßnahmen in Sizilien durchgeführt habe. 187 ) Freilich Friedrich hat das bestritten und behauptet, alles, was er in dieser Richtung getan habe: Besetzimg vakanter Kirchen, weltliche Gerichtsbarkeit über Geistliche, Besteuerung des Klerus usw., bewege sich ganz nur auf der Linie, die seine Vorgänger in ihrer Kirchenpolitik eingehalten hätten. 188 ) i8«j Y g j bgj Kantorowicz, Erg.-Bd., 231 die Äußerungen des Verfassers der V i t a Gregorii I X . und des Salimbene, besonders des letzteren: . . . voluit suppeditare ecclesiam, u t tarn papa quam cardinales ceterique prelati pauperes essent et pedites irent; et hoc non intendebat facere zelo divino sed quia non erat bene catholicus, SS. 32, 341. 1 8 ') Vgl. sein großes Kampfmanifest gegen Friedrich „Aeger cui lenia", Reg. Pont. 11848, Winkelmann, Acta II, nr. 1035, 696 ff., 1245, Herbst. Der Schluß ist der Abwehr des kaiserlichen Reformmanifestes gewidmet (a. a. O., 700), vgl. auch die Übersetzung bei Graefe, bes. 216. Noch deutlicher tritt der Standpunkt der Gegner Friedrichs hervor in einem päpstlichen Schreiben, das, weil es eine Erwiderung auf das Reformmanifest enthält, nicht vor das Jahr 1246 anzusetzen ist, Huill.-Br6h. VI, 396, Graefe, 222. Auch Kantorowicz (562 f.) leugnet die Säkularisationspläne des Kaisers, die in Sizilien auch nach seiner Ansicht schon durchgeführt waren, keineswegs. Aber auf der anderen Seite betont er doch, daß die Reform der Kirche notwendig zu seinem Amte gehörte. Daß der Kaiser sie als Amtspflicht empfunden habe, halte ich durchaus für möglich. Zu weit scheint mir aber K . zu gehen, wenn er deshalb Friedrich dem Franziskus von Assisi als nahe verwandt erklärt. Es ist ein himmelweiter Unterschied zwischen dem Reformgedanken e x officio imperii und dem asketisch-urchristlichen, erlebnishaften Ideal des heiligen Franz. 18S ) . . . nullas omnino scimus ecclesias vel personas ecclesiasticas regni predicti, que in libertatis privilegiis vel in bonis a nobis aut nostris preiudicium patiantur, nisi conservationem iurium aut bonorum nostrorum que nostri nobis reliquere priores, vos preiudicium forsitan per improprietatem vocabuli vocaretis. Quod enim ad seculare iudicium et ad talliarum Solutionen! interdum clerici compelluntur in patrimonialibus vel in feudis, realis



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Weil er das, was er tat, nur für gutes altes Recht des sizilischen Königshauses hielt oder gehalten sehen wollte, so bedurfte er keiner theoretischen Verteidigung dieser Maßnahmen, nur des Hinweises auf seine Vorgänger. Immerhin sind kleine Ansätze zu einer theoretischen Begründung eines landesherrlichen Kirchenregimentes zu beobachten. So, wenn er eine außerordentliche Besteuerung des Landesklerus damit entschuldigt, daß die Sorge für das Wohl seiner Untertanen sie ihm diktiere.189) Weiter meldet sich der Staatskirchengedanke ganz schüchtern, wenn der Kaiser die herrschende Feindschaft gegen den Staat auf Seiten des Klerus widersinnig findet: er macht die Fürsten darauf aufmerksam, daß es die Söhne ihrer Untertanen seien, die statt mit Dankbarkeit und Verehrung mit Widersetzlichkeit ihnen gegenüberträten.190) Daß der Landesklerus dem Staate verpflichtet sei, von dem er seine Wohltaten empfange, ein Gedanke, den die Publizisten Philipps dann weiter ausgebaut haben, wird damit schon angedeutet. vel personalis actionis delectu non habito super eis, hoc non ad nomen iniuriae sed ad iuris executionem potius credimus reducendum . . ., Schreiben Friedrichs an Gregor 1236, Sept. 20, Huill.-Br6h. IV, 906, dazu G. v. Below, Territorium und Stadt, 2. Aufl. 1923, 186, Anm. 3. B . führt diese Stelle an, um die scharfe, von keinem andern deutschen Landesherrn im Mittelalter der Kirche gegenüber geführte Sprache zu kennzeichnen, siehe oben, 39, Anm. 20. — Über die einzelnen Fragen der sizilischen Kirchenpolitik Friedrichs bringt jetzt Kantorowicz das meiste Material, vgl. Erg.-Bd., 53 ff., 188 ff. u. ö. Eine eindringende, umfassende Arbeit über die sizilische Kirche in normannisch-staufischer Zeit fehlt nach ihm noch ganz (54). Von Kantorowicz übersehen scheint die Arbeit von H. J . Pybus, The Emperor Frederik I I and the Sicilian church (The Cambridge historical Journal 3, 1929, 134 ff.). Die Arbeit befaßt sich mit dem Verhältnis des Kaisers zu den sizilischen Bischöfen und zeigt seinen Versuch, überall an die Rechte seiner Vorgänger wieder anzuknüpfen. 18

») S. oben, 169 f. ° ) In dem Reformmanifest „Illos felices", a. a. O. An der im Text in Übersetzung wiedergegebenen Stelle macht die Lesart Schwierigkeiten: Porro quia clerici censentur procerum (I) eleemosynis impinguati filios opprimunt; ipsique nostrorum filii subditorum paterne conditionis obliti nec imperatorem nec regem aliqua veneratione habere dignantur, quoties in patres apostolicos ordinantur. Huill.-Br6h. gibt hier (VI, 391) das in den Codices und den gedruckten Sammlungen des P. de Vinea überlieferte pauperum mit procerum wieder. Winkelmann, Acta II, 50, hat patrum. Beides gibt den Sinn wieder, weniger wohl pauperum, s. oben, 91, Anm. 24. Vgl. zu dieser Stelle auch das Manifest der französischen Barone: . . . iurisdictionem secularium principum sie absorbent, ut filii servorum secundum suas leges judicent liberos et filios liberorum usf., Huill.-Br6h. VI, 467, s. auch unten, 202. 1,



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Im 1 3 . Jahrhundert wurde von seiten der Kurie die Ansicht vertreten, der Papst habe ein Oberhoheitsrecht an allen Temporalien aller Kirchen. Die praktischen Folgerungen, die die Politik der Kurie mit Pfründenvergabungen, Zehntforderungen usw. daraus zog, riefen in dem am meisten betroffenen England, dann aber auch in Frankreich lauten und energischen Widerstand wach und gaben Anlaß auch zur theoretischen Abwehr dieser Ansprüche. 1 9 1 ) Die zentralistischen Absichten der Kurie werden mit dem Hinweis auf die Selbständigkeit der Kirchen in den einzelnen Ländern abgewiesen: der Papst sei in temporalibus nur Herr der Kirchen im römischen Patrimonium und habe als solcher keine Macht und keine Rechte außerhalb seiner Grenzen. 192 ) Diese Macht und diese Rechte werden vielmehr ganz allein den Patronen und Kollatoren der Kirchen, den Erben und Nachkommen der früheren Donatoren, zuerkannt. 193 ) Aber aus dieser privatrechtlichen und m ) Der Ausgangspunkt dieser theoretischen Auseinandersetzungen ist der Kampf der Kirche gegen das Eigentumsrecht der Laien an Kirchen. Gratian erklärte die Eigenkirche für unzulässig: Kirchen und kirchlicher Besitz stehen ausschließlich in der Macht der Bischöfe. Aber da man den Kirchengründera ein gewisses Recht an den Kirchen nicht aberkennen konnte, verwandelte man die Eigentumsrechte in Schutzrechte. Aber dieses Patronatsrecht der früheren Grundherren wurde nicht mehr als Besitz, sondern nur noch als ein von der Kirche gewährtes Privileg, betrachtet, weil es an einer geistlichen Sache hafte: ius patronatus annexum est spirituali vgl. Hauck, K.-G. IV, 39 f., und J . Hatschek, Englische Verfassungsgeschichte, 162. In der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts entwickelte man bei zunehmender Zentralisierung der kirchlichen Verfassung aus dem Eigentumsrechte der einzelnen Kirchen ein Eigentumsrecht der Gesamtkirche und des Papstes an den Pfründen, Hatschek, a. a. O., 164, und Langlois, 64 (omnes ecclesiae sunt domini papae). In England hatte durch die Oberlehnshoheit der Kurie diese Pfründenpolitik verhängnisvolle Formen angenommen und drohte die niederen Kirchen und Pfründen gänzlich dem Ganzen der englischen Kirche sowohl materiell wie ideell zu entfremden, vgl. oben, 32. lea ) Protest der Pfarrer von Berkshire 1240 bei Matth. Par. IV, 39 ff., dazu Plehn, Der politische Charakter des Matth. Par., 102. Dem Papst steht nur die allgemeine Sorge für die Kirchen zu: ecclesiae spectant ad dominum papam cura et sollicitudine, non dominio et proprietate (ebd. 39), vgl. auch ebd. V, 539 f. Vgl. oben, 185, über die Einzelkirchen als Glieder der Gesamtkirche. lM ) Aus dieser Anschauung heraus sprachen Vertreter des englischen Klerusder Kurie gegenüber dieBefürchtungaus.die Donatoren und ihre Rechtsnachfolger möchten aus Zorn über die Bewilligung der päpstlichen Steuern ihre Schenkungen wieder zurückziehen, Matth. Par. IV, 532, dazu Plehn, a. a. O., 105. Im gleichen Sinne äußern sich Ludwig I X . und die Vertreter der Stände in der großen Gesandtschaftsrede von 1247, daß nämlich die Erben der



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eigenkirchlichen Grundanschauung, die an einer Art Obereigentum der Patrone festhält, entwickelt sich doch sehr schnell im Laufe dieser Kämpfe eine andere, die dadurch charakterisiert ist, daß die Abwehr gegen die Kurie jetzt von allgemeineren und öffentlich-rechtlichen Gesichtspunkten bestimmt wird.194) Man wehrt sich gegen die finanzielle Ausplünderung der Kirchen, weil mit den Kirchen gleichzeitig das regnum beraubt werde, indem dann das Kirchengut zum Schutze des Staates nicht mehr ausreiche.195) Die Stände in England, die Barone in Frankreich — diese allerdings auch in Frontstellung gegen die Geistlichkeit des eigenen Landes, die nicht wie in England von sich aus den Weg zum Staate gefunden hatte — vertreten und fordern die Unterordnung der kirchlichen Interessen unter die staatlichen, sie verlangen in Ubereinstimmung mit den Königen ihres Regnums, daß die Kurie diese Gesichtspunkte anerkenne und auf ihre zentralistischen Ziele zugunsten der landeskirchlichen verzichte.196) Die füheren Donatoren die eigentlichen Oberherren der kirchlichen Temporalien seien, Matth. Par. VI, 106. Freilich, die kirchenpolitischen Vorrechte, die sich dem König daraus zu ergeben scheinen, besonders die Kollationen sämtlicher Bistümer, kann er nicht mit historischem Recht für sich in Anspruch nehmen, wie er es (a. a. O., 110) tut, vgl. dazu E . Berger, Saint Louis CXCVIII. B . meint, diese bei der sonstigen Gesinnung des hl. Ludwig erstaunliche Tendenz, die geistliche Gewalt wieder ganz abhängig von der weltlichen zu machen, sei auf „imperialen" Einfluß zurückzuführen. 1M ) Res enim publica periclitabatur et comune negotium regni tocius agebatur, Matth. Par. IV, 494; vgl. auch ebd., 561: pro regni et ecclesiae deliberatione; dazu Plehn, a . a . O . , 105/106. Auch von der utilitas regni ist immer wieder die Rede und daß man den König in necessitatibus nicht im Stiche lassen dürfe, vgl. d. Schreiben der universitates Angliae an den Papst 1247, Matth. Par. IV, 595. Ganz ähnlich auch in einem Schreiben an die Kardinäle, ebd., 596. Über die Kirchenpolitik der Stände vgl. u. a. L . Dehio, Innozenz IV. und England, bes. 17 ff. 196 ) Matth. Par. IV, 42. 1 ••) Den französischen Baronen geht es hauptsächlich um die Schwächung der geistlichen Gerichtsbarkeit zugunsten der königlichen Gerichtsgewalt. Schon die erste Liga vom Jahre 1235 hatte sich an Gregor I X . mit einer Beschwerde darüber gewandt, daß der Klerus sich der königlichen Gerichtsbarkeit entziehen wolle. Die Barone treten für die Rechte des Königs ein; vgl. Teulet, Layettes du Trésor des chartes II, nr. 2404, und Varin Archives administratives de Reims I, 2, 591/92. Zum Inhalt vgl. Langlois, 59/60. Mit verstärkter Initiative und lauterem Protest nehmen dann die Barone der Liga von 1246 die Beschwerden auf. Ihre Statuten (s. oben, 60) enthalten nichts Grundsätzliches. Dafür aber das oft erwähnte Manifest, Huill.-Bréh. VI, 467 f., und Matth. Par. IV, 592 ff.; vgl. bes. die Berufung auf das Bibelwort: Reddite que sunt Cesaris Cesari . . . Zu der baronalen

— 203 — staatliche Einstellung, die auf das Ziel der „ecclesia gallicanä" hinarbeitet, wird deutlich aus den Forderungen und Klagen, die einmal von den Vertretern den Ständen allein, einmal mit Unterstützung ihres Königs vor der Kurie vorgebracht werden. So, wenn geklagt wird, daß es extranei seien, die sich von dem Kirchengut des Landes Bewegung vgl. P. Fournier, Les officialités du moyen âge, Paris 1880, iôo, 107, Berger, Saint Louis C L X X I Vif., Langlois, 60 f. — Von dem inneren Krieg im Frankreich des 13. Jahrhunderts ist schon oben die Rede gewesen (33 u. 60). Für die Zeit des hl. Ludwig geben die Darstellung von E . Berger, a. a. O., und die Diss. von Werner Meyer, Ludwig I X . v. Frankr. u. Innozenz IV. in den Jahren 1244—47, Marburg 1913, Auskunft. Die Übersicht über die Ereignisse des 13. Jahrhunderts bis in die Zeiten der letzten Kapetinger hinein gibt sehr ausführlich P. Fournier in dem schon zitierten Buch, Kap. I I : Les conflits entre la juridiction ecclésiastique et la Jurisdiction séculière (94—127). Der Kampf der Päpste, die sich des französischen Klerus mit Nachdruck annahmen, gegen die statutarii, d. h. die Teilnehmer an den Ligen, ähnlich denen von 1235 und 1246/47, hat sich bis tief in das 7. Jahrzehnt des 13. Jahrhunderts hineingezogen (s. oben, 60). Auch der Klerus hat zum Mittel der Ligenbildung gegriffen. Dieser Kleinkrieg spiegelt sich auch in einer politischen Publizistik wieder, die bisher noch nicht sehr beachtet worden ist, die aber wohl eine zusammenhängende Betrachtung im Rahmen der französischen Kirchenpolitik lohnen würde. Bei der Erörterung der Überlieferungsfrage für die Gesandtschaftsrede, die übrigens nur bei Matth. Paris und nicht im Original überliefert, aber als echt anerkannt ist, bemerkt W. Meyer (S. 90, n. 2), daß in einigen Inventaren des Trésor des chartes die Existenz ähnlicher Schriftstücke bezeugt wird, z. B . Procurationes et commissiones B. Ludovici; Duae pulchrae procurationes et ambassatorie regie, Teulet, Layettes I, S. X L I I I u. X L V . An gleicher Stelle sind nun noch Schriften aufgezählt, die ihrem Inhalt nach eindeutig charakterisiert sind, z. B. im Inventar des schon oben im andern Zusammenhang genannten Gerard de Montagu : Litterae partium linguae Occitanae contra praelatos et clerum (Teulet, XLV) ; oder im Inv. des ebenfalls schon genannten Pierre d'Etampes, cc. 1320: Litterae contra exactiones Papae et clericorum regni usf. (Teulet, X X V I I ) . Von diesen Flugschriften gegen den Klerus sind nun auch noch verschiedene vollständig erhalten und werden im Trésor des chartes als Gravamina unter einer gemeinsamen Inv.-Nr. ( J 350) aufbewahrt. Nr. 1 und 9 werden vermißt. Eine Inhaltsangabe aller Stücke findet sich im 6. Bd. (Mélanges) der alten Inventaires des layettes du Trésor des chartes, die Dupuy hergestellt hat, und die auch jetzt noch unentbehrlich sind. Unter den erhaltenen Stücken ist J 350, nr. 10, das umfangreichste und wohl auch inhaltlich das interessanteste (Pergamentrolle von mehreren Metern Länge). Es ist ein Memorandum, das unter Nikolaus IV. der Kurie präsentiert wurde — also ganz im Anfang der Regierung Philipps des Schönen — wegen Streitigkeiten mit den Kirchen von Chartres, Poitiers und Lyon. Es ist bemerkenswert, daß damals schon, lange vorder eigentlichen Herrschaft der Legisten am Hofe, die gleichen Grundsätze für

— 204 — mästeten197),

ferner daß die Bischöfe für die Pfründen ihrer Provinzen nicht die guten und gebildeten Leute ihrer Diözesen aussuchen dürften, und die Söhne und Freunde des Adels, die sonst berücksichtigt zu werden pflegten, leer ausgingen, weil bei den Provisionen der Kurie die extranei den indigeni vorgezogen würden, daß durch die Vernachlässigung der Residenzpflicht der Geistlichen — die natürliche Folge der Pfründenvergabung an Landfremde — die Aufgaben der Seelsorge und Armenpflege ganz in den Hintergrund gestellt würden.198) Die Rechte und Pflichten des Patrimonialherrn erscheinen in diesen Forderungen erweitert und vertieft in Richtimg einer verantwortungsvollen Fürsorge des Landesherrn und der Stände zum Wohle der Landeskirche und des Staatsganzen. Spricht aus den Argumenten, die am wirksamsten von den englischen Ständen, aber auch von einem so kirchentreuen Herrscher wie Ludwig dem Heiligen selbst ausgesprochen wurden, ein lebendiges Gefühl für die Aufgaben des Staates, so werden die kirchenpolitische Haltung Philipps des Schönen und die damit zusammenhängenden theoretischen Erörterungen über das Verhältnis des Herrschers zur Landeskirche weitgehend bestimmt von seiner und seiner Getreuen Auffassung von Herrscherwürde und Herrschermacht: Der König ist uneingeschränkter, nur von Gott abhängiger und Gott verantwortlicher Herr über alle zu seiner Würde und seinem Stand gehörigen Temporalien (Besitz die Kirchenpolitik vertreten wurden wie später, und zwar in dem unverblümtesten und schärfsten Ton. Langlois zitiert in Übersetzung einen Satz daraus ( a . a . O . , 246), der äußerst bezeichnend ist: desideramus nostrum regnum non desinere esse regnum (nach eigener Abschrift). Gleich im A n fang erscheint gleichsam als Motto das Bibelwort: regem timete et honorate! D a s Stück lohnte wohl eine Edition, die freilich nur auf Grund genauer Kenntnis lokaler Fragen der französischen Kirchenpolitik einen Sinn hätte. Zu erwähnen sind weiter noch die Stücke nr. 2 u. 3 (1225 u. 1239) mit Klagen französischer Barone wegen Übergriffe der Bischöfe in Rechte des Königs und ihre eigenen und nr. 5, ein Mandat des Königs Philipp, das pro necessitate publica regni nostri von dem Bischof von Tours entgegen den Bestimmungen der Bulle „Clericis laicos" den doppelten Zehnten verlangt. D a s Mandat ist unterschrieben von G. de Plaisiano dorn, regis familiaris consiliarius 1 1 8 ') Vgl. das eben erwähnte Memorandum Ludwigs I X . : Item quod in depauperatione ecclesiarum depauperatur regnum, quia dum bona ecclesiarum sie asportantur de regno spoliatur regnum et de spoliis eius extranei ditantur, Matth. Par. V I , 1 1 1 . 19a ) Ebd., 105/106; vgl. auch die oben, Anm. i92ff., angeführten Proteste der englischen Stände, wo die gleichen Klagen vorgebracht werden.

— 205 — und Rechten) seines Reiches. Dazu gehören auch die Temporalien der Kirchen.199) Denn viele Rechte sind aus seiner Hand und der seiner Großen in die Hände der Kirche übergegangen, ein großer Teil des Kirchengutes stammt aus der Dotierung durch die Könige des Landes. Deshalb haben die Könige von je ein Aufsichtsrecht über die Kirchen ausgeübt, das vor allem auf die richtige Verwendung der Güter gerichtet ist, und zwar auf Grund doppelter Berechtigung: iure sui principatus, quo tenentur ipsas ecclesias custodire et ex iure patronatus ipsarum ecclesiarum.200) Also ein öffentlich-rechtlicher und ein privatrechtlicher Gesichtspunkt. In das altgermanische Rechtssystem der Eigenkirche mischt sich die römisch-rechtliche Auffassung, die den Herrscher zum Herrn aller Güter macht. Ferner hat der König rechtmäßigen Anspruch auf alle Regalien in seinem Reich, abgesehen von besonderen Rechten, die sich auf die Immobilien der meisten Kirchen, auf die Regalien der Kathedralkirchen und andere lehnrechtliche Verhältnisse bestimmter Kirchen beziehen.201) Die Summe aus allen 199) vgl. oben, 157 ff. Am schärfsten ist dies ausgesprochen in der gefälschten Antwort auf die von den königlichen Legisten redigierten Bulle ,,Deum time": Sciat tua maxima fatuitas in temporalibus nos alicui non subesse. Ecclesiarum ac praebendarum vacantium collationem ad nos iure regio pertinere usf. (Dupuy, 44). Der zweite Satz ist — von den Legisten aus gesehen — eine notwendige Folge des ersten. — Die hier im Text folgenden Ausführungen sind einer großen, von Nogaret und Plaisian gemeinsam verfaßten Denkschrift aus dem Herbst des Jahres 1 3 1 0 entnommen (Dupuy, 317—324); vgl. die Analyse von Holtzmann, Nogaret, 190 f. Die Polemik richtet sich hauptsächlich gegen die Bulle „Ausculta fili" (Dupuy, 48—52), in der die Gewaltpolitik Philipps seinen Landeskirchen gegenüber an den Pranger gestellt werden sollte (vgl. die Übersetzung bei Drumann, Geschichte Bonifacius' VIII., II, 19). — Hier soll selbstverständlich keine Darstellung der Kirchenpolitik Philipps des Schönen gegeben werden, sondern nur der Ideen, die ihr zugrunde liegen und die einen weiteren Schritt gegenüber seinen Vorgängern in der Entwicklung zum Staatskirchentum bedeuten. Für die Kirchenpolitik verweise ich auf die Werke von Langlois (240 ff.), Boutaric (64 ff.), Fournier ( 1 1 1 ff.). 20 °) Nogaret und Plaisian, a. a. O., 317, Punkt I I I der Denkschrift. 201 ) Ebd., 318: Item certum, notorium et indubitatum existit, quod dictus dominus R e x habet iura regalia universa in regno suo: sed inter caetera iura regalia habet ius percipiendi fructus omnes, reditus et proventus ecclesiarum cathedralium vacantium etc. Mit dieser Behauptung steht es nicht anders als mit dem Anspruch auf alle Kollationen im Königreich, den Ludwig d. Heilige zu besitzen behauptete, s. oben, Anm. 193: sie beruht nicht auf historischer Wahrheit. Das Regalienrecht des Königs war ursprünglich nicht, wie man im Zeitalter Philipps des Schönen und später meinte, ein aus dem Begriff des Königtums fließendes und mit seiner Person verbundenes



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diesen Einzelposten des königlichen Eigentums- und Oberaufsichtsrechtes über das Kirchengut ziehen die königlichen Publizisten einmütig so, daß sie ein Verfügungsrecht des Königs bzw. des Staates über die nationalen Kirchengüter als Gegengabe für Schenkung und Schutz verlangen. Im einzelnen gehen die kirchenpolitischen Folgerungen und Forderungen noch weiter, zum Teil auch auseinander. Im Anschluß an den Satz, daß der König Herr über die Temporalien sei, beansprucht man für ihn die Gerichtsbarkeit in weltlichen Angelegenheiten auch über die Geistlichen. Die kirchlichen Freiheiten, vor allem die Steuerfreiheit des Klerus, werden gewährleistet, soweit die necessitas und die ratio, d. h. die Staatsraison des Fürsten sie nicht aufheben. Einige Publizisten der königlichen Partei gehen so weit zu behaupten, der König dürfe in Notfällen nicht nur die Kirchenfreiheiten aufheben — denn das Wohl des Volkes ginge über das Interesse der einzelnen Kirche —, sondern auch das ganze Kirchenvermögen in Anspruch nehmen gegen die Feinde des Landes. Denn die kirchlichen Freiheiten, die nicht zu verwechseln seien mit der christlichen Freiheit, die nach dem Wortsinn der Bibel jedem, ob Geistlichen oder Laien, zukomme, seien nicht etwa von Anfang an der Kirche zugesichert, sondern von den Päpsten mit Zustimmung der Fürsten den Dienern der Kirche gewährt worden. Es ist nicht weiter verwunderlich, daß daraus die Folgerung gezogen wird, daß die Geistlichen als Staatsdiener und die Temporalien der Kirchen als der vom Staat auf Widerruf gewährte Unterhalt dieser Geistlichen behandelt werden sollen.202) Aber es wird auch vorausgesetzt, daß Recht an den Bistümern, sondern es bedeutete ein Recht an den Regalien eines Bistums, und das hat der französische König längst nicht an allen Kirchen seines Landes besessen, vgl. Holtzmann, Französische Verfassungsgeschichte, 440/41. 2M) A m weitesten geht in diesen Ansprüchen die Disputatio inter clericum et militem. Der Verfasser propagiert das Staatskirchentum in seiner reinsten Form. D a s Kirchen vermögen gehört dem Staate, ist den Priestern nur zur Nutznießung und nur zu dem vorgesehenen Zwecke verliehen ; die Priester selbst sind Staatsdiener, dem Staate und seiner Gerichtsbarkeit unterstellt, vgl. Scholz, 349 ff. Im Grunde ist diese ganze Argumentation eine Rechtfertigung der Kirchenpolitik Philipps des Schönen. Wenn man aber daran denkt, daß die ecclesia ja nicht gedacht wird als die hierarchische Kirche, als welche sie die kuriale Partei empfand, sondern als die Gemeinschaft von Laien und Klerikern im Verband des populus christianus, so kann man dem Satze, daß sie in erster Linie dem Wohle des Ganzen zu dienen und ihren Sonderzweck dem großen gemeinsamen Wohlfahrtszwecke zu unterwerfen habe, die weltanschauliche Grundlage nicht absprechen. Ungefähr den gleichen Standpunkt, wenn auch in gemäßigterer Form, ver-

— 207 — diese sich in erster Linie als Bürger ihres Landes fühlen, und die Kurie erhält die Ermahnung, sie nicht daran zu hindern; denn „in naturalis iuris iniuriam esse videtur, prohibere cuicumque servo vel libero, clerico vel laico . . . clypeum defensionis obücere contra hostilem gladium aut stipendia solvere defensori."203) Eine Einmischung der Kurie im Sinne einer solchen Verhinderung muß als Unterstützung der Reichsfeinde, als Verrat an jedem einzelnen Vaterlandsverteidiger, ja als Majestätsverbrechen gewertet werden. Das sagten nicht nur die Publizisten. Die Politiker handelten danach und verteidigten dies Handeln auf den Protestversammlungen gegen Bonifaz VIII. und in dem offiziellen Schriftwechsel, der sich außer um die persönliche Haltung und Amtsführung des Papstes zum großen Teil um diese kirchenpolitischen Fragen drehte. König und Adel einerseits, der Klerus andererseits konnten trotz aller bestehenden Gegensätze letzten Endes darum zusammengehen, weil es den beiden ersten nicht darum zu tun war, den Klerus zu entrechten, sondern ihn von den staatssprengenden romwärtsgerichteten Tendenzen, die in Frankreich wie anderwärts naturgemäß noch sehr stark waren, zu befreien. Es ging darum, den Klerus mit und ohne Gewalt dem Staate zu gewinnen. Der Erfolg der königlichen Politik ist in den Kundgebungen des großen Streites deutlich erkennbar. Denn seit den Zeiten Ludwigs IX. hatte sich nun auch beim Klerus als politischer Grundsatz die bisher nur von den weltlichen Großen verflochtene These durchgesetzt, daß Lehnseid und Besitz weltlicher Ämter und Würden den Klerus, vor allem den hohen, an die Pflicht binde, die Ehre und Freiheit (Souveränität) derjenigen Mächte zu verteidigen, die ihnen diesen Besitz gewähren und schützen. Sie haben eingesehen, daß eine Trennung zwischen den kirchlichen Würdenträgern und den weltlichen tritt der Anonymus von „Antequam essent clerici". Bei ihm auch die feine Unterscheidung der kirchlichen libertas von derjenigen Freiheit, die allen Gläubigen zukomme, Dupuy, 21, vgl. Scholz, 362. — Von den Publizisten aus der Zeit des Kampfes Ludwigs des Bayern gegen die Kurie, hat vor allem Occam das Anrecht des Staates am Kirchengut, vor allem bei Notstand, vertreten. Das Kirchengut gehöre der ganzen communitas, nicht nur den Armen, und die Steuerfreiheit des Klerus sei nur ein Privileg iure humano und könne aufgehoben werden, wenn es dem von dem Schenker, dem König, gewollten Zweck, dem Gemeinwohl, nicht mehr diene, vgl. R. Scholz, Unbekannte kirchenpolitische Streitschriften a. d. Zeit Ludwigs des Bayern, Rom 1 9 1 1 — 1 4 , II: Texte, 440 ff., dazu I : Analysen, 172 ff. (An rex Angliae pro sucursu guerrae possit recipere bona ecclesiarum.) so») Antequam essent clerici, Dupuy, 22.



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Großen des Reiches ein nicht wieder gutzumachender Schaden sowohl für die römische wie für die gallikanische Kirche bedeuten würde, daß die innere Verbindung zwischen Staatsgewalt und Landeskirche notwendig und unvermeidlich sei.204) In dem Konflikt, der dadurch entsteht, daß die Interessen der römischen allgemeinen und der gallikanischen Kirche häufig auseinandergehen, fügt sich der Klerus dem Grundsatz der Barone und des Königs, daß das Interesse der ecclesia gallicana, d. h. nach der neuen Kirchenauffassung der Vereinigung von Laien und Klerikern in der Gemeinschaft des Regnums, vorgehe, und in solch einem Falle die Geistlichen mit ihrem Besitz, geistigem wie materiellem, in erster Linie dem Königreich angehören.205) Das ist der Sinn der von der Geistlichkeit selbst zitierten, halb Drohung, halb Schmeichelei enthaltenden Forderung des Königs und der Barone, die Geistlichen hätten sich nicht zum Besuch des römischen Konzils außer Landes zu begeben, denn das Reich könne jetzt gerade in den Wirren des Streites und des Krieges so wertvoller Schmuckstücke und Schätze nicht entbehren, wie sie die Weisheit, der Einfluß und die geistlichen und weltlichen Machtmittel 20< ) Schon während des ersten Konfliktes Philipps des Schönen mit der Kurie im Jahre 1297 haben sich die französischen Bischöfe zur öffentlichen Anerkennung der staatlichen Grundsätze bekannt. Sie wehren sich mit ihrem König gegen die Inkraftsetzung der Bulle ,,Clericis laicos", die doch gerade das wichtigste der geistlichen Privilegien, die Steuerfreiheit, schützen wollte. Sie machen sich ganz die königlichen Gedanken zu eigen; vgl. das Schreiben des Erzbischofs und der Suffragane der Reimser Kirche, bei Dupuy, 26 f., bes. 26 unten, s. oben, 173. S06 ) Das Schreiben des Klerus an den Papst nach der Ständeversammlung von 1302 verhüllt nur mit Mühe diesen schweren Konflikt (Dupuy, bes. 70). Die Geistlichen hatten den König beschworen, sie das von Bonifaz nach Rom berufene Konzil besuchen zu lassen. Mit Rücksicht auf die drohende Verwirrung des Königreiches und der allgemeinen Kirche erklären sie ihren Verzicht. Tatsächlich haben eine ganze Reihe von französischen Prälaten, darunter 4 Erzbischöfe, 35 Bischöfe, 6 Äbte an dem Konzil teilgenommen, vgl. Hinschius, Kirchenrecht III, 577 u. Langlois, 153. Man kann aber die Abneigung der französischen Großen gegen dies Konzil verstehen, wenn man bedenkt, daß ein allgemeines Konzil nach Rom berufen wurde, um französische Angelegenheiten zu verhandeln, vgl. die Bulle „Ausculta fili": ad . . . quietem atque salutem ac bonum et prosperum regimen ipsius regni (Dupuy, 51). An anderer Stelle heißt es auch: ad reformationem regni et regis correctionem. Dies Konzil, von dem man übrigens sonst nichts weiß, sollte eine „französische Reichssynode auf römischem Boden" darstellen (Hinschius, ebd.). Der Versuch, eine allgemeine Synode nach Frankreich zu berufen, stellt die gegenpolige Aktion der königlichen Partei dar, s. oben, 189, Anm. 155.

— 209 — darstellten.208)

des Klerus Der König begründet von sich aus der Kurie gegenüber diese Forderung, für deren Durchführung strenge Edikte ins Land hinausgegangen waren, mit der necessaria ecclesiarum et regni defensio im flandrischen Krieg.207) Schärfer drückt er sich in den Edikten selber aus: er droht ihren Übertretern außer mit leiblichen Strafen auch noch mit dem Verlust ihrer Temporalien, weil nämlich die' desertores defensionis patriae keinen Besitz behalten dürften noch die Früchte der Leisten genießen, an denen sie nicht beteiligt gewesen seien.208) Man erinnert sich an die scharfen Mandate, in denen Friedrich II. dem Klerus seines italienischen Herrschaftsgebietes und besonders Siziliens den Besuch des römischen Konzils verboten hatte und später während seines Endkampfes mit der Kirche die Grenzen seines Regnums sperrte.209) Nur daß die französischen Ordonnanzen den machtpolitischen Hintergrund zu verdecken versuchen, indem sie auch hier wieder den Anschluß an die patriotischen Impulse des Volkes finden. Ein solcher starker Impuls drängt sich mit dem Protest der Barone in die Kirchenpolitik des Königs hinein. Die Barone protestieren mit heftiger Empörung gegen den Versuch des Papstes, die Angelegenheiten der französischen Kirche, ihre Streitigkeiten mit dem König auf einem Konzil zu Rom und durch einen päpstlichen Spruch entscheiden zu lassen. Sie wollen nicht die Einmischung der Kurie noch die irgendeiner anderen Macht, sondern nur die Entscheidung des Königs und den Ausgleich der Interessengegensätze innerhalb der Landesgrenzen — es schwebt ihnen wohl eine Landessynode vor.210) Diese Forderung — später ein Punkt der gallikanischen Freiheiten, der besonders dazu geeignet war, dem Herrscher vollste Autorität und Bewegungsfreiheit innerhalb seiner Landeskirche zu verschaffen211) ,0')

Manifest der Barone, D u p u y , 6 1 : P a r laquelle convocation ainsi

f a i t e Ii R o y a u m e demourroit en grand peril e t en grand desconfort se il se vuidoit de si precieux j o y a u x et tresors . . . Diese Stelle zitieren die Geistlichen ebd., 69. ,07)

Responsionesregisad I, D u p u y , 92 f., vgl. auch die nächste A n m e r k u n g .

l08)

Ordonnanz des Königs 1302, D u p u y , 87. Vgl. oben Teil I I I , 3, 173,

A n m . 106. 20 *)

V g l . die eben zitierte A n m e r k u n g .

Über P a ß z w a n g und

Grenz-

sperre im sizilischen R e g n u m vgl. Kantorowicz, E r g . - B d . , 198/190. D u p u y , 61. * u ) V g l . Holtzmann, Verfassungsgeschichte,

439: Der K ö n i g darf



nach den gallikanischen Freiheiten — beliebig Synoden versammeln zur B e sprechung der Kirchenangelegenheiten seines Landes.

Keine Synode darf

ohne seine Erlaubnis berufen werden. Die Geistlichen dürfen nur mit seiner Erlaubnis das L a n d verlassen. Beiheft d. H. Z. 30.

14



210

— hat im Münde der Barone echten patriotischen Klang: ganz zweifellos ist es ihnen dabei mehr um die Ausschaltung eines fremden Willens als um Machtvermehrung des Königs zu tun. Der gleiche Ton echter patriotischer Gesinnung und Besorgnis klingt mit, wenn sie weiter protestieren gegen die finanzielle Ausbeutung und die Verarmung der Kirchen, gegen die Provisionen und Kollationen der Kurie, gegen die Verdrängung der Landeskinder aus der Verwesung und Verwaltung großer Kirchenherrschaften zugunsten Landfremder usw.212) Wenn sich die Barone dabei auf das gute alte Recht ihrer Väter berufen, die ja die Kirchengründer waren, so handeln sie damit durchaus in Einklang mit dem König, der seine Kirchenpolitik in allen einzelnen Punkten mit den antiquae consuetudines praedecessorum rechtfertigte.213) Mit dieser Tendenz, ihre Kirchenpolitik nirgendwo als Neuerung immer nur als Fortsetzung der früher geübten Gewohnheit erscheinen zu lassen, begegnet sich das .Streben der königlichen Partei und des Königs selbst mit den Absichten Friedrichs II., wenn er Gregor IX. gegenüber seine kirchlichen Maßnahmen mit dem gleichen Hinweis auf den Brauch seiner Väter in Schutz genommen hatte.214) Der König geht nun noch einen Schritt weiter. Indem er dem Vorwurfe des Papstes über unrechtmäßige Handhabung des Kollationsrechtes das Vorbild und Beispiel des heiligen Ludwig entgegenhält, stellt er seinerseits die Forderung, der Papst möge doch von sich aus auch das Alte ehren und es vermeiden, neue Gesetze einzuführen (facere aliquam novitatem).215) Daß er gleich darauf selber eine solche novitas in die Wege leitet, ist ihm wohl gar nicht deutlich zu Bewußtsein gekommen. Wenigstens verklausuliert er sie sorgsam. Als er nämlich dem Papste versichert und verspricht, daß er die Gesandten und Boten der Kurie in das Königreich stets eingelassen » * ) A. a. O., 61 f. i l s ) Nämlich in den Responsiones auf die gravamina der Kurie, die die Gesandten der Kurie dem König zu Anfang des Jahres 1303 vorlegten, Dupuy, 90—95. Die Antworten sind in gemäßigter Form gehalten; die Rückendeckung mit dem Väterbrauch war wohl ein Versuch, die Kurie zu beschwichtigen, vgl. Langlois, 155. U m so mehr Bedeutung ist der im T e x t erwähnten Klausel beizulegen. — Die mittelalterliche Tendenz, am Alten festzuhalten, selbst da, wo man die Überlebtheit der Formen erkannte und in praxi längst zu Veränderungen geschritten war, kennzeichnet am schönsten der Aufsatz von F. Kern, Recht u. Verfassung im M.A. in H . Z. 120, 1919, 1 — 79. i 1 4 ) S. oben, 199. a i s ) Dupuy, 93, ad II.

— 211 — habe und einlassen werde, hebt er dies gleich darauf wieder auf durch den Vorbehalt: nisi sibi et regno sint legitima ratione suspecti vel aliter habeat iustam causam.216) Damit bereitet er ein wichtiges Recht des künftigen Herrn der gallikanischen Kirche vor: das Einspruchsrecht gegen päpstliche Nuntiaturen und die Einführung päpstlicher Briefe.217) Auch Friedrich II. hatte in den Hauptkampfzeiten seine Grenzen gegen die Träger päpstlichen Machteinflusses gesperrt.218) Denn in Wirklichkeit streben beide Herrscher über die Befugnisse, die ihnen ihre Vorfahren hinterlassen, hinaus, die Herrscherrechte in der Kirche zu erweitern. Und wenn sie schließlich die Fiktion, damit in dem vorgezeichneten Rahmen zu bleiben, nicht mehr aufrechterhalten können, so öffnen sie das Schloß, mit dem der mittelalterliche Rechtssinn die Herrscher festgelegt hatte, mit den Schlüsseln necessitas, ius naturale und ratio.219) So geschieht es besonders bei der Heranziehung des Klerus zu den öffentlichen Lasten. Bei Friedrich II. erschienen solche Maßnahmen noch als reine Kampfmittel, ihre Rechtfertigung noch ohne die bindende Kraft, die einer aus der Gemeinschaft erwachsenen politischen Idee innewohnt. Sie mußten auf Freund wie Feind den Eindruck hinterlassen, daß hier ein tyrannischer Herrscher seine Machtmittel mit aller Gewalt vermehren wollte, ohne für die zertretenen Rechte Gegenwerte zu schaffen. Denn die Neuschöpfung des sizilischen Staates ist den Zeitgenossen nicht als die Großtat erschienen, als welche wir sie jetzt zu werten pflegen. Zwar verloren die Anhänger des Kaisers dabei nicht die große Linie des Kampfes aus den Augen. Sie fühlten und sahen wohl, daß einer staatsgefährlichen Macht allmählich der Boden entzogen werden sollte. Sie konnten aber nicht wissen, wohin der Weg führte. Der Blick war den Zeitgenossen versperrt durch die einem kaiserlichen Kirchenregiment gerade entgegengesetzte Politik im Reich. * " ) A . a . O . , ad III. " ' ) Das staatliche Placet-Recht (ius placeti) bildet den 77. Punkt der „Libertez" de l'église gallicane (Pierre Pithou, Preuves des libertez de l'église gallicane, 31); vgl. J. B. Sägmüller, Lehrbuch des kath. Kirchenrechts, 2. Aufl., Freiburg 1909, 62; Holtzmann, Verfassungsgeschichte, 441; Hinschius, Kirchenrecht III, 749 ff. Kein päpstliches Schreiben durfte ins Land kommen, kein kirchliches Gesetz veröffentlicht werden, ehe nicht der König sein placet oder pareatis dazu gesprochen hatte. Über die Vorläufer Friedrichs II. in der Handhabung dieses Rechtes vgl. Hinschius, a. a. O., 750, n. 2. î 1 8 ) S. oben, Anm. 209. 219) Vgl. den Abschnitt III, 3.

14*



212



Und dann deckte der imperiale Gedanke, der die Notwendigkeit eines engen Zusammengehens mit der Kirche in sich schloß, den tieferen politischen Sinn des sizilischen Kirchenregiments zu. Der Kaiser selbst hat es in seinem Testament rückgängig zu machen gesucht und sich damit vor den Augen der Nachfahren zu seinen Sünden gegen die Gesetze des Gottesstaates bekannt.220)

RÜCKBLICK. So hat Friedrich II. seine Politik nicht decken können mit einer Ideologie, die seinen Zielen nur in etwa den passenden Rahmen gegeben hätte. Diese Ziele, deren Inhalt war, die Kirche dem Staat einzuordnen und diesen selbst so aufzubauen, daß er dem naturhaften Zweck des menschlichen Gemeinschaftslebens und nicht mehr einer metaphysischen Idee diene, paßten noch nicht in die herrschenden politischen Anschauungen der Zeit, denen auch er öffentlich huldigen mußte. Denn in ihm war schon der Geist wirksam, der die Einstellung zur Kirche in der Zeit um 1300 und späterhin bestimmt hat. Im wesentlichen ist er gekennzeichnet durch das Streben, die Sphäre des Weltlichen von der geistlichen schärfer zu trennen und infolgedessen innerhalb der ersten die kirchlichen Interessen zugunsten der salus publica, der communis utilitas zurückzustellen. Um die Anerkennung dieses Prinzips durch die Kirche, insbesondere die Vertreter der territorialen kirchlichen Gemeinschaften wird bewußt gekämpft. Die nähere Beschäftigung mit der Politik der italienischen Städte in der Frage der geistlichen Privilegien würde diese Tendenzen schon für die erste Hälfte des 13. Jahrhunderts erweisen können. Hier allein unter den Zeitgenossen hätte Friedrich II. Gleich- und Mitstrebende finden können.221) Das Ende des 13. Jahrhunderts zeigt dann auch für die deutschen Städte, daß man in der Erkenntnis M0

) Das Testament des Kaisers (Const. II, nr. 274, 385 ff.) enthält die Bestimmung, daß allen Kirchen und Ordenshäusern ihre Rechte zurückgegeben werden sollen und daß alle die gewohnte Freiheit genießen sollten (8), ferner daß der römischen Kirche ihre Rechte zurückerstattet werden sollten sai vis in omnibus et per omnia iure et honore imperii (17). Trotz dieser letzten Klausel war doch in der Welt der Eindruck der, wie er oben wiedergegeben wird, vgl. Matth. Par., der die Bestimmungen so zusammenfaßt: Ita relinquo terram totam ecclesie liberam et volo quod iura ecclesie restituantur, SS. 28, 323. 221

) S. oben, Teil I, 1, 35 f.

— 213

-

der öffentlichen Aufgaben weiter vorgeschritten ist.222) Das Gefühl für den Staat hatte Boden gefaßt in dem Maße, wie die Erkenntnis seiner Bedürfnisse gewachsen war. Als Philipp der Schöne in den Kampf um die Unabhängigkeit seiner Krone und die Anerkennung seiner Autorität über die Kirchen seines Landes schritt, kam ihm dieser neue Geist entgegen, reichte ihm die schon geschliffenen Waffen. Wohl waren ihm Stützen erwachsen in der Kenntnis und Pflege des römischen Rechts und der aristotelischscholastischen Staatslehre, die der Kaiser noch entbehren mußte. Das Wesentliche aber war, daß sich dem König, als er zum erstenmal zum Schlage gegen die Kirche ausholte, die nationale Welle des Landes entgegenhob und ihn von da an getragen hat.223) Mit ihr hat er die Gefahren des großen Streites bestanden, der zwar nicht wie der große Endkampf des Kaisers ein Ringen um Sein oder Nichtsein, wohl aber ein Kampf um die nationale Würde und Selbständigkeit Frankreichs war. Trotz aller Politik der Macht- und Eroberungsgier, die keineswegs geleugnet werden soll, ja die manchmal alle übrigen Motive zudeckt, darf die Notwendigkeit und Dringlichkeit einer wirksamen Verteidigung der nationalfranzösischen Interessen gegenüber der Kurie im Zeitalter Philipps des Schönen nicht verkannt werden.224) Man hatte 222 ) Die ausgezeichnete Studie von F. Siebert, Der Mensch um 1300 usw. zeigt gerade an der Kirchenpolitik der Städte dieser Zeit, daß die Stadtregierungen die oben behandelte Unterscheidung zwischen Weltlichem und Geistlichem zu machen vermochten, übrigens nicht zum Schaden des religiösen Sinnes der Zeit, der im Gegenteil gerade durch die Scheidung das kirchliche und religiöse Ideal reiner verwirklicht sah (vgl. besonders 57—76). 22S ) E s ist vielleicht besser, anstatt von Nationalgefühl vom Gefühl für das regnum Franciae zu sprechen. Der Gegenstand dieses Gefühls war nämlich nach den Untersuchungen F. Kerns nicht das französische Sprachgebiet, sondern ein ,noch' nicht bestehendes politisches Gebilde, das nach seinem geographisch-politischen Umfang der römischen Gallia oder der karolingischen Francia entsprechen sollte. Starke Ausdehnungsbestrebungen formten im Frankreich Philipps des Schönen das Nationalgefühl und -bewußtsein. Ein Nationalitätsprinzip im eigentlichen Sinne gab es aber in der Politik damals noch nicht, vgl. Kern, Anfänge der französischen Ausdehnungspolitik, Kap. 1 u. 2, bes. 18 ff. 224 ) E . Renan charakterisiert ausgezeichnet diese eigentümliche Vermischung der Motive beim französischen König und seinen Ratgebern, besonders bei Nogaret. Auf der einen Seite zeigt er die unermeßliche Habund Machtgier, die keine Mittel scheut, auf der andern einen gewissen politischen Idealismus, der sich in einem wirklichen Staats- und Vaterlandsgefühl äußert. Von Nogaret sagt R . in diesem Zusammenhang: Il fait sonner avec le plein sentiment du civisme antique les mots de patrie, de république, de tyrannie (Politique réligieuse, 247).

— 214 — es mit einem Gegner zu tun, dessen gelegentlicher Vernichtungswille zwar als Ausbruch seines oft unbewachten Temperaments nicht hoch gewertet werden darf, der aber mit ebenso großer Zähigkeit wie seine Vorgänger und unerbittlicher als sie die kirchliche Unterwerfimg gefordert hat und der gewillt war, auch im Weltlichen soviel Rechte wie möglich über die Landeskirchen an sich zu reißen.226) Diese Bestrebungen niederzuhalten und sogar für immer zu bezwingen, war das Ziel, das hinter brutaler Machtpolitik doch immer wieder die Staatsidee aufleuchten ließ.228) Sie klingt nicht nur aus den volltönenden Worten eines Nogaret, eines Dubois und nicht nur aus den vernünftig-klugen, mahnenden Protesten der Stände. Auch die vielgeliebten mittelalterlichen Bibelworte und -bilder, die Symbole wie das von dem Gesamtorganismus, dem das einzelne Glied den Dienst nicht versagen dürfe, ohne das Ganze zu schädigen, sind nur noch alte Gewänder, hinter denen sich die neue Auffassung von den Pflichten des Individuums gegenüber dem Staate verbirgt. Auf den Klerus angewandt bedeutet sie die Loslösung von dem ständischen Prinzip des Lehnstaates und die Wendung zu dem staatsbürgerlichen Gedanken der Neuzeit. Als Niederschlag dieser kirchenpolitischen Kämpfe mit ihren krampfhaften Machtüberspannungen und gewaltsamen Eingriffen in altgeheiligte Rechte von Seiten der Herrscher zeigt die politische Publizistik des 13. Jahrhunderts deutlich die historische Zwangsläufigkeit dieser Entwicklung. S2S ) Die Beweise für diesen gelegentlich zum Durchbruch kommenden Vernichtungswillen des Papstes führt Renan auf, a. a. O., 245. Seine kirchenpolitischen Bestrebungen erhellen sehr gut aus der Art, wie er u. a. das Reservationsrecht in Frankreich handhabte. Bonifaz dehnte nämlich die Bulle Klemens' IV., die der Kurie alle apud sedem apostolicam zu Erledigung kommenden Kirchen reservierte, weiter aus und reservierte sich insbesondere im Jahre 1303 in Frankreich alle Kirchen donec rex ad nostra mandata cum satisfactione revertatur, Rayn., Ann., a. 1303, nr. 39, vgl. dazu K. Eubel, Zum päpstlichen Reservations- und Provisionswesen in Römische Quartalschrift 8, 1894, 173 f. 228 ) Vgl. auch F. Kern, Anfänge der französischen Ausdehnungspolitik, 37: „ A u s ihrer (der „Rechtsritter") Staatsgesinnung, nahm ihre derbe Entschlußkraft die Richtung auf ein erhabenes Ziel".

i. EXKURS.

Uber ein angebliches Zeugnis f ü r die B e n u t z u n g s t a u f i s c h e r D o k u m e n t e in der K a n z l e i P h i l i p p s des Schönen. Daß man sich in der Kanzlei Philipps überhaupt nach Vorbildern und Beispielen umgesehen habe, um für des Königs Sache in der Öffentlichkeit zu werben, geht aus einem Schreiben hervor, das ein ungenannter Eiferer für den Standpunkt des Königs — wahrscheinlich ist es Nogaret1) — unmittelbar nach der Tat von Anagni und dem Tode Bonifaz' verfaßt hat.2) Sie enthält eine Mahnung an den König, sich vorzusehen, da nicht nur seine Gegner fleißig am Werk seien, ihm zu schaden, sondern auch seine Freunde als unzuverlässig sich erwiesen hätten. Dann fährt er fort: „ . . . si contra personam et personas partis adverse consilium régi sanum testimoniumque scripturarum antiquarum et fidelium darum inveniri posset, quibus mediantibus, absque transgressione quidem servatis, usquequaque sanctam substinendo matrem ecclesiam rex ipse, tanquam filius eius christianissimus, conscienciam suam fideliter, propositum suum et honorem excellentem, sanctamque progenitorum suorum famositatem antiquam in partem suam salvare posset et conservare feliciter apud Deum et homines, insuper et personam ac personas adverse partis confundere si vellet, profecto non parvi pendendum esset ipsi neque suis, immo valde magni pendendum apud prudentes utique reges benivolos.3) . . . Huillard-Bréholles hat unter den scripturae antiquae die gegen die Kurie gerichteten Manifeste Friedrichs II. verstehen wollen, die im Trésor des Chartes aufbewahrt wurden, „cet arsénal où les défenseurs de la prérogative royale étaient toujours prêts à puiser leurs armes".4) Ü b e r die Verfasserfrage s. oben, 102, A n m . 55. 2)

Abgedr. von

8)

A.a.O.,

B o u t a r i c , Notices,

150 f f .

4)

Pierre d e l a Vigne, 233, A n m . 2.

150.



216



Er sieht in dieser Art der Verwendung möglicherweise die Erklärung für den Umstand, daß die heftigsten Kampfschriften aus dem Briefbuch des Petrus de Vinea in das Register des Pierre d'Etampes aufgenommen wurden.5) Ich meine, daß diese Auslegung sich nicht halten läßt. Der Verfasser sagt nämlich mit ganz klaren Worten, was er von diesem testimonium scripturarum antiquarum et fidelium erhofft: „Wenn man gegen die Person und die Personen der Gegenpartei einen Rat finden könnte, der dem König nützlich wäre, und ein eindeutiges Zeugnis aus alten und zuverlässigen Schriften, mit deren Hilfe, indem man ohne Abweichimg an ihnen festhält, der König immer als der getreueste Sohn der Kurie sein Gewissen, seine Absicht und seine königliche Ehre, dazu auch den alten heiligen Ruhm seiner Vorfahren, so viel an ihm liege, retten und vor Gott und den Menschen glücklich bewahren, dazu die Person und die Personen der Gegenpartei verwirren könne, so wäre das sicher von nicht geringem Wert für den König und die Seinen, ja, es würde sogar sehr schwer wiegen, besonders bei klugen und wohlwollenden Königen."6) Er fährt dann noch fort, man solle vorsichtig und zuversichtlich danach suchen, weil man dann vielleicht nicht nur jenes Mittel finden würde, sondern noch eine viel größere für den Zustand des Königreiches und anderer viel überraschendere Sache, noch über die Angelegenheit hinaus, um die es sich hier handele. Der erste Satz, der hier in wortgetreuer Übersetzung wiedergegeben wurde, kann wohl nichts anderes bedeuten, als daß man aus alten glaubwürdigen Dokumenten Zeugnisse für die kirchentreue Gesinnung und Politik des französischen Königs und seiner Vorfahren beibringen müsse, um sie dann in einem politischen Manifest gegen Bonifaz zu verarbeiten. Es läge doch nahe, an Bullen oder Briefe früherer Päpste, ja Bonifaz' selber zu denken, die des öfteren den guten Eifer und die große Ergebenheit der französischen Könige rühmend hervorgehoben haben. Auch für sich selbst hätte Philipp da ein Zeugnis vorbringen können. Die kurze Zeit der Eintracht nämlich, die während dreier Jahre nach dem ersten Konflikt zwischen dem König und dem Papst herrschte, hatte dieser dadurch eingeleitet, daß er in der Bulle „Etsi de statu regni".dem König nicht nur alle praktischen Vorteile gewährte, um die dieser so lange gerungen hatte, 5

) S. oben, 81. •) Vgl. auch die Übersetzung und Auslegung dieser Stelle bei Scholz, 388: „er meint, es müsse für den König ein Zeugnis wider die Gegenpartei aus den alten und treuen Schriften gefunden werden, mit dessen Hilfe er seine Politik und gutchristliche Gesinnung dartun, seine Gegner in Verlegenheit setzen könne".

— 217 — dazu auch die Kanonisation seines Großvaters Ludwig, sondern ihm und seinen Vorfahren noch öffentlich und feierlich in eben dieser Bulle das Zeugnis unveränderter Loyalität, Demut und Gehorsams gegenüber dem Hl. Stuhle ausstellte.7) Hierauf konnte der König hinweisen. Solche Zeugnisse hätten unter Umständen das Ziel erreichen können, das Nogaret so dringend anstrebte, nämlich die Wirkung des. Attentats von Anagni auf die Gemüter der Gläubigen zu mildern, das lamentabile damnum, die humiliatio und diminutio zu beseitigen, die der Ehre des Königs anhaften würden, wenn er sich um seine Gegner nicht kümmere und den Rat des Mahners nicht befolge. Über dieses Thema findet sich aber natürlich kein Beweismaterial im Briefbuch des Petrus de Vinea! — Was die Deutung angeht, die Schwab für die scripturae antiquae et fideles vorgeschlagen hat, nämlich nach Analogie einer Stelle aus einer Apologie Nogarets, die Bibel, so kann sie nur zum Teil aufrechterhalten werden.8) Denn wie hätte man in der Bibel Beweise finden können für die Kirchentreue und den Glaubenseifer des Königs ? Hingegen dem andern Zweck, nämlich die Gegner zu verwirren, konnten Beispiele aus der Bibel etwa in der Art der von Schwab angeführten Stelle wohl dienen. Hier wird nämlich zum Beweise für den Satz, daß immer Priester und Propheten Zerstörer der Kirchen und Verführer des Volkes gewesen wären, die Bibel angeführt.9) Auch nach unserer Deutung könnte also unter den scripture antiquae die Bibel mit einbegriffen sein. Sie allein genügt aber nicht zur Erklärung der Stelle. — Jedenfalls ist, auch aus dem gleichen Grunde, der das Schweigen über Friedrichs Kampf mit der Kurie in der Publizistik Philipps erklärt, eine Auslegung jener Mahnschrift im Sinne Huillards nicht möglich. Wäre es klug gewesen, sich in dem geplanten Manifest auf den Ketzerkaiser zu berufen und ihn zu zitieren ? Was bedeutet aber jener geheimnisvolle zweite Satz an dieser Stelle: „Prudenter ergo bonaque fide querantur ista, quia forte non solum hec invenientur, sed et 7

) „Etsi de statu regni" 1297, Juli 31, .Reg. Pont., nr. 24549, vgl. Langlois, 135 f. 8 ) Joh. B. Schwab, Zur kirchlichen Geschichte des 14. Jahrhunderts, Theol. Quartalschrift 1866, 23—29, dazu Wenck, 61, Anm. 2, der dieser Lösung zustimmt. 9 ) Dupuy, a. a. O., 264, Z. 1 1 f.: Veteres scrutans historias invenire non possum scidisse ecclesiam et de domo domini populos deduxisse preter eos qui sacerdotes a Deo positi fuerant et prophetae et speculatores; isti ergo vertantur in laqueum tortuosum in omnibus locis ponentes scandalum. . . . Folgen Beispiele aus der Bibel.



218



res multo maior et mirabilior circa statum regni et aliorum... ?" 1 0 ) Ich möchte annehmen, daß der Verfasser Beweise und Zeugnisse zu finden hoffte für die souveräne Stellung des französischen Königs in seinem Herrschaftsbereich dem Papst gegenüber. Die Publizistik des Königs und auch die von seinem Standpunkt aus verfaßten gelehrten Traktate treten den Beweis dafür immer wieder an und berufen sich da auf das wirksamste Zeugnis, nämlich eines der Gegenpartei selber, auf die Bulle Innozenz' III. „Per venerabilem." 11 ) Was das Aufsuchen von Zeugnissen über die Stellung der anderen Königreiche angeht (so fasse ich das aliorum auf), so ließe sich hier vielleicht die Deutung Huillards anwenden; denn in den Manifesten Friedrichs finden sich ja häufig Aufforderungen an die weltlichen Fürsten, ihre Souveränität gegenüber der Kurie zu wahren.12) — Aber auch dies ist nur eine Möglichkeit, 10 ) A. a. O., 152, vgl. auch die Übersetzung bei Renan, Politique, 3 1 1 . " ) S. oben, 158. 12 ) Boutaric, Notices, 150, meint, das Mittel, über das sich der Verfasser nicht zu äußern wage, sei das Schisma. Diese Deutung ist aber wohl mit Schwab abzulehnen (a. a. O., 23 f.). Mit dessen eigener Deutung kann ich mich indessen auch nicht einverstanden erklären. Nach ihm soll nämlich die res multo maior et mirabilior circa statum regni et aliorum die künftige Abhängigkeit des römischen Stuhles von Frankreich sein, die mit Bestimmtheit eintreten müsse, wenn infolge des im Gange befindlichen Prozesses gegen Bonifaz die Kardinäle und 'die römische Kirche überhaupt im Interesse ihres Rufes genötigt sein würden, sich mit dem Könige zu einigen, d. h. auf seine Wünsche einzugehen (S. 27). Es ist doch ausdrücklich gesagt, daß die res multo maior et mirabilior beim Suchen von Zeugnissen in den alten Schriften gefunden werden könne. Wie könnte aber über die von Schwab angedeutete Möglichkeit etwas in alten Schriften zu finden gewesen sein, da ein solcher Fall, wie der durch Anagni geschaffene noch nie auch nicht in ähnlicher Form da gewesen war, und diese Möglichkeit erst durch ein schwieriges diplomatisches Spiel, wie die Hereinziehung des Templerprozesses, geschaffen worden ist. — Die oben vorgeschlagene Lösung macht durchaus nicht auf Sicherheit Anspruch. E s kommt vor allem auf die richtige Deutung des aliorum an (Schwab und Scholz beachten nicht, daß es von statum abhängt, sondern übersetzen, als ob statt des Genitivs ein Akkusativ stände). Es muß beachtet werden, daß ja schon vorher von der Bedeutung einer Beweisführung, wie sie von dem Verfasser der Schrift angestrebt wird, nicht nur für den König und die Seinen, sondern auch für die reges prudentes et benivolos die Rede ist. — Wenn Scholz (390) die Vermutung ausspricht, die bekannte Bittschrift des französischen Volkes an den König, von Dubois verfaßt (Dupuy, 214—219), — Scholz nimmt nämlich an, daß Dubois der Verfasser auch jener Mahnschrift ist — sei wirklich jenes Manifest mit dem testimonium scripturarum, so ist dazu zu bemerken, daß die angedeutete Beweisführung sich nicht vollständig dort findet.

— 219 — und wir dürfen zusammenfassend sagen, daß direkte literarische Zeugnisse für eine Verwendung der politischen Manifeste Friedrichs II. in der Kanzlei Philipps des Schönen fehlen.

2. EXKURS. Über die V e r w a n d t s c h a f t der Colonna und Montenero. Das erste Manifest der Colonna vom Jahre 1297 Mai 10 ist unterschrieben von 5 Geistlichen und 3 Minderbrüdern, unter denen der Name des Jacopone da Todi auffällt. 1 ) Die ersten zwei Geistlichen nennen sich Riccardo de Monte nigro, preposito Remensi et domino Thomasio de Monte nigro archidiácono Rothomagensi [seil.: praesentibus]. Schon Langlois hat darauf aufmerksam gemacht, daß dieses Manifest, der erste Vorstoß gegen Papst BonifazVIII. und seit den Zeiten der Staufer der erste umfassende Angriff gegen das politische Papsttum von zwei, wie er meint, Söhnen eines Großhofjustitiars Kaiser Friedrichs II. unterschrieben worden sei.2) Diese Verbindung eines sizilischen mit dem großen römischen Geschlecht braucht nicht etwa durch politische Gesinnungsgleichheit wie den Ghibellinismus zustande gekommen zu sein: nach dem Tode Konrads IV. war der Großhofjustitiar Richard von Montenero3) auf die Seite der Kirche übergegangen und verschiedene Mitglieder der Familie deshalb von König Manfred des Landes verwiesen worden.4) Der Grund scheint vielmehr in der Verwandtschaft der Montenero mit dem mächtigen Colonnageschlecht zu liegen. Den Thomas de Montenero bezeichnet im Zeugenverhör von Avignon Petrus Colonna Denifle, Archiv V, 514. ) Langlois, 138. s ) Über ihn vgl. die Angaben bei Huill.-Br6h., Introd. C X X X I X f . Er war aus einer reichen, wahrscheinlich eingesessenen Familie Siziliens (ein Lehen mit Namen Montenero kommt auf der Insel im Val de Noto vor, auch sonst sind Besitzungen der Montenero dort bezeugt, die Hauptmasse lag aber wohl im Prinzipat, ebd. C X X X I X , n. 4) und wurde 1246 oder etwas später der Nachfolger Heinrichs von Morra. Uber seine Beziehungen zu P. de Vinea, die nicht ganz ungetrübt gewesen zu sein scheinen, vgl. Huill.-Brfeh., Pierre, 73, n. 4. 4 ) Vgl. Nie. de Curbio Vita Inn. IV., c. 39, in Archivio della Soc. Romana, 21, 1898, 116, u. Nie. de Iamsilla Hist. de rebus gestis Fred. II, Rer. Ital. SS., 8, 5 1 1 , beide zitiert bei B. Capasso, Hist. dipl. regni Sic., Napoli, 1874, 72, 73. 2



220



als den nepos carnalis reverendi patris domini Iacopo de Columna.5) Das Verwandtschaftsverhältnis der Colonna und Montenero konnte bisher nicht befriedigend dargestellt werden, weil die maßgebende Urkunde Karls II. von Neapel (1290) noch nicht durch den Druck zugänglich gemacht worden ist. Don Camillo Tuttini hat ihren Inhalt dahin wiedergegeben, daß Karl II. von Neapel den Brüdern Thomas, Johann, Richard und Petrus de Montenero, Söhnen des Justitiars Richard und einer Schwester des Kardinals Jakob Colonna auf Bitten eben dieses Kardinals die Stadt Ariano in Apulien und die Torre di Padula (Palude?) überträgt.9) Danach hat offenbar Litta, Famiglie celebre d'Italia fasc. 37 tav. II den Stammbaum der Colonna eingerichtet, als er den Justitiar Friedrichs II., Richard von Montenero, zum Gatten einer mit Namen unbekannten Schwester der Brüder Landulf, Matteo, Johann und Jakob Colonna machte. Nun aber hat schon E. Gattula auf Grund einiger anderer die Monteneros betreffenden Urkunden im Archiv von Montecassino nachweisen können, daß die Deutung der Urkunde von 1290 auf einem Irrtum Tuttinis beruhen müsse.7) In der ersten Urkunde restituiert nämlich Abt Bernhard von Montecassino Güter in Pontecorvo (westl. von Montecassino) und in der Umgebung des Klosters dem miles Richard, Sohn des Thomas von Montenero, der diese Güter von seinem Onkel, dem magister iusticiarius Richard, geerbt und besessen habe, bis er wegen seiner Anhängerschaft zur römischen Kirche durch Manfred des Landes verwiesen und seine Güter zum Teil der Abtei übertragen worden seien. Diese Übertragung geschieht, nachdem Richard seine Rechte begründet hat durch den Hinweis auf einen Vertrag zwischen seinem Onkel Richard und seinem Vater Thomas und auf seine eigenen Ansprüche als 5 ) Vgl. Möhler, Beil. X I , 6, 8, S. 259, s. auch die Verleihung eines Benefiziums in der Diözese Siena an Thomas de Montenero, nepos des Kardinals Jakob, durch Nikolaus IV., Reg. Nie. IV, nr. 6409 (Les Régistres de Nicolas I V éd. p. E. Langlois, Paris 1886—93, 860). Die Bulle, die die Colonna mit ihren gesamten Anhängern, darunter den Brüdern Montenero, exkommuniziert („Lapis abscissus", Reg. Bon., nr. 2389), ebenso die besonderen Bullen, die den Montenero ihre kirchlichen Benefizien entziehen (Reg. Bon., nr. 1944 und nr. 2218), sprechen von den Brüdern nur als von dem capellanus oder familiaris der Kardinäle Jakob und Petrus. 6 ) Discorsi de sette officii overo de sette Grandi del regno di Napoli, Roma 1666, II, 35, und Tomm. Vitale, Storia della regia città di Ariano e sua diocesi, Roma 1794, 75. ') Historia Abbatiae Cassinensis, Accessiones I, Venetiis 1734, 322 f.



221



Erbe seines Onkels „ex eo quod ex ipso non supersunt filii masculini sexus".8) Aus einer Gerichtsurkunde des Bischofs von Ferentino (1268) geht hervor, daß der Justitiar zu seinen Lebzeiten seinem Bruder und dessen Erben zwei Drittel seines ganzen Vermögens vermacht hatte, während den Töchtern nur ein Drittel verblieb.8) Aus den einwandfreien und untereinander übereinstimmenden Angaben der Urkunden sind Gattula also mit Recht Zweifel an der Meinung Tuttinis gekommen, daß die in der Urkunde Karls II. genannten vier Montenero-Brüder wirklich die Söhne des Justitiars Richard seien. Die Prüfung der Urkunde von 1290, die mir in Photographie zugänglich war, löste die Schwierigkeit. Die vier aufgeführten Brüder Montenero sind genannt als Söhne eines verstorbenen miles Riccardus de Montenero und nicht, wie Tuttini wollte, als Söhne des Beamten Kaiser Friedrichs II. Dieser miles, R. d. M., ist nun zweifellos identisch mit dem miles Richard der Montecassineser Urkunden, die Gattula überliefert, ist also der Sohn des Thomas d. M. und Neffe und Erbe des Großhofjustitiars Richard. Schwieriger ist es, das Verwandtschaftsverhältnis der Montenero zu den Colonna klarzulegen. Die vier Söhne des miles Richard werden nepotes des Kardinals Jakob genannt. Dann war entweder eine der Schwestern des Kardinals, die Gattin des Vaters Richard oder mindestens des Großvaters Thomas. In diesem Falle wäre der Kardinal der Großonkel. Bei der Dehnbarkeit der mittelalterlichen Verwandtschaftsbegriffe könnte aber auch nur eine Verschwägerung der Colonna mit dem Bruder des Großvaters, dem Justitiar Kaiser Friedrichs II., vorgelegen haben. Übrigens lassen sich außer Thomas und Richard, den beiden im Colonna-Prozeß genannten Brüdern Montenero, die zwei andern, Johann und Petrus, auch außerhalb der Urkunde von 1290 nachweisen. In der Klageschrift des Kardinals Peter Colonna gegen die Gaetani wegen Schadenersatzes heißt es, daß der Dominus Johann d. M., miles, und Petrus, frater eius, domicellus, aller ihrer Ländereien und Burgen im Königreich und eines optimum casale in Rom beraubt worden seien, und daß die beiden Kleriker Thomas und Richard 2000 Pfund jährliche Einkünfte eingebüßt hätten.10) •) Ebd., 321/22. ») Ebd., 323. " ) Vgl. Möhler, Beil. IV, 12, S. 217.

VERZEICHNIS DER ANGEFÜHRTEN AMTLICHEN SCHRIFTSTÜCKE, FLUGSCHRIFTEN USW.*) Datum

Inhalt

Besprochen oben

1076, April

Rundschreiben Heinrichs IV. zur Einberufung der Wormser Versammlung ,,In maximis negotiis" 1157, Okt. Rundschreiben Kaiser Friedrichs I. nach dem Tage von Besançon „Cum divina potentia" 1158 (Anf.) Antwortschreiben Kaiser Friedrichs I. auf päpstliche Forderungen „Duo sunt quibns" 1202, März 9 Bulle (Dekretale) Innocenz' I I I . „Venerabilem fratrem nostrum" R.P. 1653 1202 Dekretale Innocenz' I I I . „Per venera(7. Sept.— bilem fratrem", R.P. 1794 Dez.) 1204 Bulle Innocenz' I I I . „Novit ille qui", (April 15) R.P. 2181 1220 Krönungsgesetz Friedrichs II. zur Bekämpfung der Ketzer ,,Ad decus et decorem" R . I . 1203 1229, Rundschreiben Friedrichs II. über die März 18 Eroberung Jerusalems „Letentur in Domino", R . I . 1738 1231, Aug. Prooemium zu den sizilischen Konstitutionen „Post mundi machinam", R.I. 1888a Schreiben Friedrichs I I . an Papst Gre123 2 . Dez. 3 gor I X . „Languentis orbis infirmitas" R . I . 2011 1235, Sept. Schreiben französischer Barone an den Papst Gregor I X . mit Klagen über die Geistlichkeit „Sanctitatem vestram volumus"

152,34. I5I.34. 152.35. 12,2. 158. 12,2.

35.!°; 43.32. 104;

144,13.

40,23; 167,85; 168; 170. 179,122.

202,196.

*) Der Druckort der Schriften findet sich an den angegebenen Stellen des Buches. Für die kaiserlichen Manifeste und die päpstlichen Bullen und Briefe wird die Regestnummer von Böhmer-Ficker-Winkelmann und Potthast (R.I. = Reg. Imp. V und R.P. = Reg. Pont.) angeführt. Bei den Verweisen beziehen sich die großen Zahlen auf die Seiten, die kleinen Zahlen auf die Anmerkungen.

— 223 — Datum

Inha lt

Aufruf Friedrichs II. an das Königreich Sizilien zur Hilfe gegen die Lombarden „ I n avidiam omnium", R.I. 2158 1236, Mai Kundschreiben Friedrichs II. an die Reichsgetreuen Oberitaliens über einen Hoftag zu Piacenza „Dum debitorum nostrorum", R.I. 2156 1236, Mai Schreiben Friedrichs II. an alle Könige des Abendlandes über die Rebellion der Lombarden ,,Jam enim securis", R.I. 2160 1236 (nach Manifest über die Heiligsprechung der Elisabeth „Obdormientium oculos", Mai 17) R.I. nr. 2172 1236, Aug. Schreiben Friedrichs II. an die Römer „Instantia sollicitudinis nostre", R.I. 2192 Schreiben Friedrichs II. an Gregor I X . 1236. Sept. 20 über die sizilischen gravamina „Nuper ad iustam", R.I. 2197 1236, Bulle Gregors I X . „ S i memoriam beneOkt. 23 ficiorum", R.P. 10255 1238, Jan. Manifest Friedrichs II. an die Römer über die Schlacht bei Cortenuova „Ad extollendum imperii" R . I . 2 3 1 1 Schreiben Friedrichs II. an die Kardinäle 1239, März 10 „Cum sit Christus" R . I . 2427 Schreiben Friedrichs II. an die Kardinäle 1239, März-April „Conscienciam vestram" R.I. 2428 Schreiben der deutschen Fürsten an Gre1239, cc. April gor I X . „Fundatam ecclesiam militantium", R.I. 2433 Schreiben Friedrichs II. an die Römer 1239. April 20 „Cum Roma sit", R.I. 2430 1239, Manifest Friedrichs II. an alle Fürsten April 20 „Levate in circuitu", R . I . 2431

Besprochen oben

1236, Mai

1239, Mai

1239, Juni

129,144.

152,36.

152.36, 37. 75."9; I44.*3145.19. 200,188. 12,2 I 45. I 981; 98; 99; I 7 7 . " 7 ; 191,15s. 97'4 2 ; 99.44; 180,127.

16,18. 8 1 ; 145,19. 36,11; 61,85; 67,106; 73 ff-; 9 1 ; 9 7 { { - * 153.38; 154.42; 177,117; 178 ft.; 182,134; 191,159-

Schreiben Friedrichs II. an seine Beamten über die Abhaltung von Gottesdiensten im Königreich „Inter cetera. 188,150. que sollicitudinis", R.I. 2438 Flugschrift (Stilübung) an die römischen Kardinäle „In exordio nascentis", R . I . 12,20; 95; 99. 2454

— 224 — Datum

Inhalt

1239, Juni Manifeste Friedrichs II. über die Einsetzung von Generalvikaren des Reichs,, Ad und Juli 25 extollenda iustorum" R.1.2451 und 2458 Bulle Gregors I X . „Ascendit de mari 1239, bestia, R.P. 10766 Juli 1 Schreiben Friedrichs II. an den Adel 1239, Okt. 29 Englands wegen der päpstlichen Propaganda gegen ihn „Si diligenter", R.I. 2532 1240, Rundschreiben Friedrichs I I . an alle März 16 Fürsten mit Anschuldigungen gegen Gregor I X . „Triplex doloris aculeus", R.I. nr. 2910, 2911 1240 Einführung zu den Gesetzen über das (? April) Amt des Hofrichters „Nihil veterum principum" R.I. 2960 1240, Juni Schreiben Friedrichs II. an seinen Sohn Konrad ,,Etsi pontífices et pharisei", R.I. 3124 1240 Edikt Friedrichs I I . gegen die Zusam(Ende) menberufung des Konzils durch Gregor IX. „Infallibilis veritatis testes", R I. 3139 1240 Protest der Pfarrer von Berkshire (Protokoll) gegen die Forderungen des Papstes „Dicunt omnes". 1240 Flugschrift gegen Papst und Kirche „Collegerunt pontífices", R.I. 2434 Schreiben Friedrichs II. an Innocenz IV. 1243. nach dessen Wahl „Tunc imperialis Juni 26 excellentie", R.I. 3369 1244, Jan. Schreiben Friedrichs II. an Kaiser Balduin über die Friedensverhandlungen mit der Kirche „Yirum industrium", R.I. 3398 1244, Aug. Rundschreiben Friedrichs I I . über seine Friedensverhandlungen mit der Kurie „Assumpto ad regimen", R . I . 3434 1245, Febr. Schreiben Friedrichs I I . an Ludwig I X . „Pervenit ad", R. I. 3461 Flugschrift gegen Friedrich II. „Aspidis 1245 (vor Juli) ova" Flugschrift gegen Friedrich II. „Confusa 1245 (vor Juli) est mater" Flugschrift gegen Friedrich I I . „Juxta 1245 (vor Juli) vaticinium"

Besprochen oben

167,85.

17,so; 49,48.

126.

153.38; 154.43168,91.

95.39*.

119,113; 177,117. 201,192; 204,198.

44,35; 67,106; 81: 95 f.; 113; 194.

104,59.

80,146.

61,86; X19.

62,88. 49.4949.49. 49.49-

— 225 — Inhalt

Appellation des Thaddäus v. Suessa auf dem Konzil zu Lyon „Cum dominus imperator", R.I. 7551 Absetzungsdekret Innocenz' I V . gegen Friedrich II. auf dem Konzil von Lyon „ A d apostolicae dignitatis", R.I. 11733 Protestmanifest Friedrichs II. gegen die Absetzungssentenz „ E t s i cause nostre", R I- 3495. 35io. 3499

Besprochen oben

97;

113;

138,171;

180,137. 50.54;

56,69;

169,94;

178,119.

59/60,78; 7 3 f f . ; 80,145; 9 8 ; 127; 156;

Verordnung Friedrichs II. über Besteuerung geistlicher Personen im Reich „Hucusque satis", R.I. 3509 Manifest Friedrichs II. an König und Barone von Frankreich als Memorandum einer kaiserlichen Gesandtschaft „ U t iustitiam", R.I. 3512 Manifest Friedrichs II. an die universitas Frankreichs „Cum per aliquos", R.I. 35" Manifest Friedrichs II. (Reformmanifest) „Illos felices describit"

169,92.

60,79; 127,136; 60,79;

Memorandum der Gesandtschaft Ludwigs I X . für Innocenz IV. „Dicturus quod iniunctum"

61,84;

37;

67,106;

80,146;

62;

12,2;

79,144;

91;

145;

200,190. 199.

60,82;

202,196.

201,193. 37;

200,190;

202,196.

128,139.

128,138. 16,16;

18,26;

33,8;

171,101;

197,175;

201,193;

203,196;

204,197. Beiheft d. H , Z. 3.

138.

127.

194;

Bulle Innocenz' I V . „Aeger cui lenia", R.P. 1 1 8 4 8 Bundesstatut französischer Barone gegen die Geistlichkeit „ A touz cels" Schreiben der Geistlichkeit der Kirchenprovinz Canterbury an Innocenz IV. mit Klagen tlber Bedrückungen der Kurie „Sedis apostolicae benignitas" Manifest der französischen Barone gegen die Anmaßung des Klerus „ Q u i a clericorum superstitio" Schreiben des Erzbischofs Bonifaz von Canterbury über die kirchenfeindliche Stimmung in Frankreich „Imperator in permaxima" Schreiben Friedrichs II. an die nobiles Frankreichs mit Klagen über den Papst „Attigisse iam pridem", R.I. 3617

112; 181,130.

15

— .Datum 1247 1247

1248, Mai?

1248

cc.1246—48

226

Inhalt

— Besprochen oben

Schreiben der universitates Englands an den Papst „Cum Anglicana ecclesia" 202,194; 204,198. Schreiben von Klerus und Adel Englands an die Kardinäle „ A d universitatem 16,17; 202,194; vestram" 204,198. Zwei Mandate betr. die Kollekte für das Königreich Sizilien, „ Quantumcumque dudum nostrorum", und „Etsiprompta semper", R.I. 3676 u. 3677 169,94. Mandat Friedrichs II. an König Enzio wegen Erhebung der Kollekte von den Kirchen seines Amtsbezirkes „Cum pro defensione", R.I. 3681 169,93. Fratris Arnoldi de correctione ecclesiae

epistula „Cum sacrosancte fundate" 16,20; 1 9 5 , 1 7 5 . cc.1246—48 Anonymi de Innocentio I V libellus „Notandum est cunctis" 16,20; 195,175. cc. 1246—48 Flugschrift gegen die Kirche „Utinam 17,20 u . 24; 1 9 6 , 1 7 5 . totus orbis", R.I. 3542 1249, Febr. Manifest Friedrichs II. an den König von 61,83; 75."9; Frankreich,, Salis nospungit", R.I. 3766 I95. J 73. 1249, Febr. Manifest Friedrichs II. an alle mit Klagen über den Papst „Audite gentes per se- 75,129; 1 1 9 , 1 1 1 ; cula", R . I . 3767 188,150; 1 9 5 . 1 7 4 . Schreiben Friedrichs II. an den Kaiser 1250 Johannes Vatazes mit Klagen über (Mai— Juni) Papst und Geistlichkeit „Litteras serenitati nostrae", R.I. 3820 i95. I 74. Testament Kaiser Friedrichs II. „Primi 1250, Dez. 17 parentis incauto", R.I. 3835 212. 1265 Sog. Protestatio Konradius gegen den Verrat der Päpste (Verf. : P . v. Prezza) „ E x habundantia cordis" 67,107. Manifest König Manfreds an die Römer 1265, „Armonia celestis imperii", R.I. 4760 Mai 24 67,106; 1 9 6 . Ghibellinische Mahnschrift an Markgraf 1269 Heinrich von Thüringen (Verf. : P. v. Prezza) „ A d splendorem perpetuae" 67,108; 68,109. Klageschrift gegen die verkommene 1269—71 Geistlichkeit (Verf. : Heinrich von Isernia) „Attende celum et" 196,176. Brief Friedrichs des Freidigen, Land1270 grafen v. Thüringen, an König Enzio in Bologna „Orbis princeps quos" 68,111 Schreiben König Peters von Aragon an Kö1282 nig Karl von Anjou „ D e magnatui cordis" 68,109.

— 227 — Datum

Inhalt

cc. 1295

Memorandum des Generalkapitels des Zisterzienserordens a n Bonifaz V I I I . „Cum secundum apostolum"

1296, Febr. 25 1296, Aug. 17

Bulle Bonifaz' V I I I . „Clericis laicos infestos", R . P . 24291 Ordonnanz Philipps d. Schönen enthaltend ein Ausfuhrverbot für Gold, Pferde, Waffen usf. „Ad s t a t u m prosperum" Schreiben Bonifaz' V I I I . a n Philipp d . Schönen mit P r o t e s t gegen die Ordonnanz vom 17. Aug. „Ineffabilis amoris dulcedine", R . P . 2 4 3 9 8 Antwort (Fragment) eines Anonymus auf die Bulle „Ineffabilis a m o r i s " : „ A n t e quam essent clerici" Schreiben des Erzbischofs und der Geistlichkeit der Diözese Reims „ I n h a c terrestri p a t r i a " Schreiben Bonifaz' V I I I . an Philipp den Schönen „ R o m a n a m a t e r " , R . P . 24468 Antwort Bonifaz' V I I I . auf ein Schreiben der französ. Geistlichkeit: „ C o r a m illo fatemur", R . P . 24475 Schreiben der Bischöfe von Albano und Palästrina über eine Unterredung mit König Philipp d. Schönen „ N o t u m facimus" Rede Bonifaz' V I I I . gegen die Colonna im Konsistorium „ E x u r g a t Deus" Bulle Bonifaz' V I I I . „ I n excelso t h r o n o " , Reg. pont. 24513 1. Manifest der Colonna gegen P a p s t Bonifaz V I I I . „ A d notitiam vestram" 2. Manifest der Colonna gegen P a p s t Bonifaz V I I I . „Ad notitiam v e s t r a m " Exkommunikationsbulle Bonifaz' V I I I . gegen die Colonna „Lapis abscissus", R . P . 24519

1296, Sept. 25

1296 (nach Sept. 21) 1296/97

1297, Febr. 7 1297, F e b r . 19 1297. April 20

1297, Mai 10 1297, Mai 10 1297, Mai 10 1297, Mai 11 (16) 1297, Mai 23 1297, J u n i 15 1297, J u l i 31

Besprochen oben

19,28; 105,62. 18,26; 89 f . ; 1 7 3 ; 204,196; 208,204.

9 0 ; 173,106.

74. " 9 ;

9°.

goff.; 178; 174,109; 1 8 3 ; 198; 207,202.

9 2 ; 173,104:208,204.

I

73> 1 0 5-

93.3°«

9 2 ; 158,54. 46,40. 46,40. 50.53; 7 2 ; 1 2 0 ; 219.

94

50.53; 7 3 ; 9 4 f - ; 120-

220,5

3. Manifest der Colonna gegen P a p s t 50,53; 7 3 f f - ; 1 2 0 ; Bonifaz V I I I . „Intendite quesumus 181,131; 182,134; 191,161. voci" Schreiben Bonifaz' V I I I . a n Philipp den Schönen „ E t s i de s t a t u " , R . P . 2 4 5 4 9 173.105; 217,7.

15»



228



Inhalt

Besprochen oben

Aufruf des Matthäus Colonna zur Unterstützung Bonifaz' V I I I . gegen Friedrich III. von Sizilien „Piscatoris navicula" 54. 6 4. Bulle Bonifaz' V I I I . gegen Philipp d. 56,68; 81; 9 2 ; 123; 158; 205,199; Schönen „ A u s c u l t a fili", R . P . 25097 208,205.

Fälschung (Redaktion) der Bulle „Ausculta f i l i " : „ D e u m t i m e " („Scire te volumus") Gefälschte A n t w o r t auf die Bulle „ D e u m t i m e " : „ S c i a t tua m a x i m a fatuitas" Flugschrift gegen die Bulle „ S c i r e t e volumus" (Deliberatio Mag. Petri de Bosco = P . Dubois): „ Q u o d autem Papa" Schreiben der Barone Frankreichs an die Kardinäle aus der Ständeversammlung „Seignours, vos especiaulment s f a v e z " Schreiben der französischen Geistlichkeit an Papst Bonifaz V I I I . aus der Ständeversammlung „ N o n absque cordium dolore" Antwort der Kardinäle auf das Schreiben der Kommunen aus der Ständeversammlung v o m April 1302 „Reeepimus nuntios" Antwort der Kardinäle auf das Schreiben der Barone aus der Ständeversammlung v o m April 1302 „Reeepimus litteras" Schreiben Philipps d. Schönen an die Geistlichkeit von Bourges wegen Unterstützung zum flandrischen K r i e g " „ S e riöse sollicitudinis" Protokoll der Rede des Kardinals Matth, de Aquasparta auf einem Konsistorium in Rom vor den franz. Gesandten „ E c c e ego constitui" Rede Bonifaz' V I I I . auf einem Konsistorium in Rom vor den franz. Gesandten „ Q u o s Deus coniunxit" Antwort (Bulle) Bonifaz' V I I I . auf das Schreiben des französischen Klerus aus der Stände Versammlung v o m April 1302 „ V e r b a delirantis fili"

92; 107; 123; 205,199. 9 2 ; 1 2 3 ; 205,199.

107;

124;

163,75;

181,131; 197,179.

8 1 ; 9 3 ; 209,206.

81; 93; 209,206.

208,205;

133.*55/6.

133.*56-

171,102; 173,107.

133.'s«; 139,178.

123; 133;

139.17s

56,68; 8 1 ;

133,156

— 229 — Inhalt

Ordonnanz Philipps d. Schönen enthalt e n d ein Verbot an alle Einwohner des Königreiches, dieses zu verlassen „Ad proterviam rebellium edomand a m " , Dupuy 86 Ordonnanz Philipps des Schönen enthaltend Strafbestimmungen für die Geistlichen, die das Königreich gegen das Verbot verlassen haben „Cum nos regni", Dupuy 83 Bulle Bonifaz' V I I I . „ U n a m sanctam ecclesiam", R.P. 2518g Antwort Philipps des Schönen (Responsiones regis) auf ein päpstliches Ultim a t u m „Ad primum articulum" Rede Nogarets auf der Versammlung des französischen Staatsrats „Fuerunt pseudoprophetae'' Ordonnanz Philipps des Schönen über Neuordnung verschiedener Einrichtungen im Königreich (reformatio regni) Protokoll der französischen Notabelnversammlung mit der Anklage und dem Appell gegen Bonifaz V I I I . „Magnifici ac nobiles viri" Protokoll der Notabelnversammlung mit den Anklagepunkten des W. v. Plaisian, den Protesterklärungen W.s von Plaisian, des Königs und der hohen Geistlichkeit „Die autem Veneris" Ordonnanz des Königs an seine Beamten über die Verbreitung der Appellation gegen Bonifaz (in vielen Formen, meist beginnend „Vobis universis e t singulis")

Besprochen oben

173,106; 209,208.

173,106.

11; 158173,106; 209,207; 2 1 0 , 2 1 3 ; 211,216. 52,58; 9 4 f f - ;

100 ff.; 139; 182,134; 189,154.

158; 174,108.

81; 97 f.; 100.

81; 97 f.; 100 f.

134Beistimmungsakte der Großen, Städte, Klöster, Kirchen usf. zur Appellation des Königs (in vielen Formen) 135Manifest Philipps des Schönen an die Kardinäle mit der Appellation gegen Bonifaz VIII. „Ineffabilis amoris dulcedine" 98 f. Manifest Philipps des Schönen an alle Fürsten und Stände Europas mit seiner Appellation gegen Bonifaz VIII. „ E t s i catholicae fidei" 98; 121.

— 230 — Datum

Inhalt

I303, Juli 28

Ordonnanz Philipps des Schönen enthaltend ein Verbot an die Einwohner des Königreiches, dieses zu verlassen „Olim pro defensione", Dupuy 131 Ordonnanz Philipps des Schönen enthaltend Ausführungsbestimmungen zur vorigen Ordonnanz: „Turbamur non modicum", Dupuy 133 Bulle Bonifaz' V I I I . „Nuper ad audientiam", R.P. 25281 Mahnschrift (Nogarets ?) an König Philipp nach dem Tod Bonifaz' V I I I . „Realis est veritas" Bericht des Priors Petrus de Peredo über seine im Auftrag Philipps des Schönen unternommene Mission an der Kurie „Postque audito de morte" Bittschrift (Supplication) des französischen Volkes an König Philipp d. Schönen wegen der Häresie Bonifaz' V I I I . (Verfasser P. Dubois) „ A Vous tres-noble Prince" Schreiben Philipps d. Schönen an Benedikt X I . nach dessen Krönung „Benedictus Dominus Deus" Denkschrift Nogarets (Litterae super excusationibus) gegen das Andenken Bonifaz' V I I I . „Hae sunt protestationes" Protokoll einer vor dem geistlichen Gerichtshof von Paris abgegebenen schriftlichen Erklärung Nogarets,, Quoniam non debent" Eingabe der Colonna an König Philipp d. Schönen „Serenissime princeps" 2. Apologie Nogarets (Allegationes excusatoriae) „Crudelis est qui" Mahnschrift W. v. Nogarets an König Philipp wegen des Prozesses gegen Bonifaz V I I I . „Serenissimo principi supplicat" Verhaftungsdekret des französischen Königs gegen die Templer „ R e s amara. res flebilis".

I303, Juli 28

1303. Sept. 1 1303 (nach Okt. 12) 1303, (nach Okt. 22) 1303, (nach Okt. 12, 1304?) 1304. Febr. 15 1304. Sept. 7

i34. Sept. 12

1304 cc. 1304 1305 (Juni— Nov.) 1307, Sept. 14

Besprochen oben

173,106.

I

73. I ° 6 -

53.62; 92. 55,66; 102 f.; 215 ff106; 189,156; 197,181.

103,55; 107; 188,53; 218,12. 104.

186,145/6.

182,134. 106; 190,158. 182,134; 219,9. 54,63; 103; 159,58; 188. 106,60.

— 231 — Datum

Inhalt

1308, März 25

Schreiben Philipps d. Schönen zwecks Berufung der ständischen Vertreter zum Konzil von Tours „Semper progenitores nostri" Entwurf zur ersten Rede W. v. Plaisians auf dem Konsistorium zu Poitiers „Post illam universalem victoriam" Memorandum Pierre Dubois' an König Philipp den Schönen wegen Bewerbung um die Kaiserkrone „Valde veresimile est" Protokoll der 2. Rede W. v. Plaisians auf dem Konsistorium zu Poitiers „ P a t e r sanctissime novistis" Denkschrift Nogarets und Plaisians mit 25 Artikeln bes. über die Stellung des Königs zu den franz. Kirchen „Constat et est notorium" Verteidigungsschrift Nogarets (Causae defensionum), „Cause defensionum G. de Nog." Entwurf Nogarets für eine Bulle Clemens' V. „Jesus Christus Dominus" Denkschrift Nogarets über den Plan eines Kreuzzugs „ I n nomine domini" Manifest Kaiser Heinrichs VII. über seine Krönung „Magnus Dominus" Antwort Philipps des Schönen auf das KrönungsmanifestKaiserHeinrichsVII. „Vestre Serenitatis litteras"

1308, Mai 29 1308 (nach Mai)

1308, Juni 14 1310 (Aug.— Okt.) 1310/11 cc. 1311 1311 (cc. Okt.) 1312, Juni 29 1312 (JuliAug.)

Besprochen oben

101,50; 104:146,22; 147-24. 101,50;

105;

139;

144; 146,22; 148,29.

53.62; 57,72. 101,50; 105;

147.24-

106; 205,199.

184,143; 186,145.

185. 198,185. 70,120; 161 f .

148,26; 149,31; 159,58;

1O2.

REGISTER. Abälard 108. A b f a l l v o n der Kirche 15 f. Absolutismus 38; 40; 142; 150; 170; 174; 156; 158; päpstlicher 106; Aegidius Colonna s. Aegidius Romanus. Aegidius Romanus 42; 99,45**; 1 2 1 ; 122,118; 139,178; 193,166. aequitas (Epikie) 170; 187,149. S t . A l b a n 37,16. A l b r e c h t v. Thüringen 68. A l b r e c h t I., Kaiser 160. A l e x a n d e r I I I . , Papst 55,68. A l e x a n d e r v . Roes 46; 47; 57,73Allgemeine Sprache s. colloquium generale. Anagni 1 1 ; 54; 55>66', 1 0 2 i o 5 ; 1 2 2 ; 184; 2 1 5 ; 217. Andreas v . Capua 77,133Andreas v . R o d e 70,118. Angiovinen 43,32; 65; 76; 1 1 3 ; 157Antichrist(lich) 1 7 ; 30; 43; 48; 49; 50; 5 1 ; 58; 83; 146; 163; 181 f. Antikirchliche (antipäpstliche) Strömungen 22; 27; 30; 31; 33; 36,10; 37; 75; 136. A p o k a l y p s e 1 7 ; 48,47; 5 1 ! 58; 193Aragonesen 43,32. A r c h i v , angiovinisches 76,132; staufisches 76. Ariano i n Apulien 220. Armen, lombardische 31,2. Armutsanhänger 194; s. auch Spiritualen u. Fraticellen. Armutsforderung s. Reformgedanken. Armutstreit 1 7 , 2 2 ; s. auch Spiritualen. Arnold v o n Villanova 52.

Aristoteles (Schriften, Staatslehre) 5 ; 4 1 ; 1 5 1 ; 166; 167; 170; 174,110; 183; 187; 213. ars dictandi 137. Askese, asketisches Ideal 195; 199. Augustalen 145. Augustus 43. Ausfuhrverbot 90; 173. Autonomie, staatliche, des Imperiums 1 5 1 ; 153; 165; Frankreichs 159; 162; 176; 213; 218; s. auch Herrschersouveränität. Averroes 5 ; 42; 1 7 1 ; Averroisten 122,118. Avignon 219. Balduin, Kaiser 80,146. Barbarossa s. Friedrich I. Barone frz. 33; 34; 60; 93; 1 2 7 ; 133; 172; 173,106; 196; 202; 204,196; 208; 209; 210. Bartholomäus v . Capua 76. Beamtentum, sizilisches 130. Beaumanoir 174,108. Beghinenbewegung 51,55. Benedikt X I . , Papst 104. Benevent 1 3 1 ; 132,151. Bernhard v . Clairvaux 141. Bernhard, A b t vonMontecassino 220. Bertrand de St.-Denis 140. Besançon 165. Besteuerung der Kirche 39; 90; 169 ff. ; 172; 173; 199. Bettelmönche 1 1 7 ; s. auch Franziskaner und Dominikaner. Bettelorden s. Franziskaner und Dominikaner. Bismarck 123. Bologna 63,94; 109; 1 1 1 ; 1 1 3 ; 142; Diktatorenschule 63. Boncompagno, Magister 63,94.

— 233 — Bonifaz V I I I . i x ; 18; 19; 21,31; 50; 53. 6 »; 54. 6 4; 58; 72; 74; 75; 81; 87; 88; 92; 94; 95; 102; 105; 106; 107; 114; 117,106; 120; 122; 123,121; 139; 140; 155; 157; 160; 163; 1 7 3 ; 181; 185; 190; 191; 197,181; 207; 208,205; 213 f.; 215 f . ; 219. boni viri s. Dritter Stand. Bonifaz, Erzb. von Canterbury 128,139.

Bossuet 175. Bourges 33; 173,107. Briefbuch des P e t r u s de Vinea 22; 44; 59.77; 65 ff.; 71,122; 75. 78,139; 8 2 f . ; 8 6 ; 8 7 ; 1 0 4 ; 196,175; 2 1 6 f .

107;

Briefbuch, staufisches, s. Briefbuch des P e t r u s de Vinea. Briefbücher, französische 77. Briefsteller s. Briefbuch. B r u n e t t o Latini 71,122. Burchard von Ursberg 14; 16,19. Cäsar 43. Campanella 5. Capua 73; capuanische Diktatorenschule 64. casus necessitatis 1 7 0 f f . ; 182; 187; 202,194.

Caux, J e a n de, Kustos d. kgl. Archivs 77-—81. Chartres 203,196. Chevaliers ès lois 113. Civitas Dei 13; 142; 159; 165; 198; 212. Clemens I I I . , P a p s t 170,95. Clemens I V . 132,152; 214,225. Clemens V. 53; 103; 185. Code Napoléon 43,32. Cola di Rienzo s. Rienzo. Cölestin II., P a p s t 166,82. Cölestin V. 52,58; 72; 95; 181. colloquium generale in Unteritalien und Sizilien 129; 131 f. Colonna, Geschlecht 45; 46; 49; 50; 58; 72; 75; 85; 94; 96; 101 ; 102; 106,66; 117,106; 219; Kardinäle

( J a k o b und Peter) 21,31; 27; 52; 7 2 : 75; 76; 94; 120; 155; 180; 182; 190; 191; 192; 219 f f . ; Kardinal J a k o b 46 f.; 48,46; 49; 50,52; 220; 221; Johann, Senator 220; Matteo 220; Landulf 220; Kardinal P e t e r 106,66; 2x9; 221; Graf Stephan 94. corpus iuris 156, s. auch Recht, römisches, corpus mysticum 185; 186,145; s. auch Organismuslehre. Cortes, aragonesische 131,150. Courtrai, Schlacht bei 93; 171,102; I 73. I °7. Coutances 115; 124. Coutumes de Beauvoisis s. Beaumanoir. D a n t e 1 1 ; 1 7 ; 4 5 ; 50,52; 1 5 7 ; 1 6 6 ;

186,148; 196,176; 196; Monarchia 4 4 ; 45,38; 7 1 ; R e i c h s g e d a n k e 2 5 ; S t a a t s b r i e f e 18,25; 7 1 ; 7 7 .

David 143; 144; Davidica stirps 144. defensio regni 171; 172; 173; 198; 209. Defensor pacis s. Marsilius v. P a d u a . De iure s t a t u u m , Gesetz 130,148. St. Denis 148. Deutschordensland 118. Dialektik, Dialektische Methode 5; 108; 137. Dialogus inter clericum etlaicum 15; 18. Dictatus papae 170,95. Digesten 156. Diktatoren, sizilische 71 ; s. auch P e t r u s de Vinea, P e t r u s d e Prezza, Heinrich v. Isernia, Thomas v. Capua. Diktatorenschule s. Bologna und Capua. dilicato parlare 137. Disputatio inter clericum et militem 18; 28; 115; 206,202. Dolcino, F r a 17. Dominikaner 45. Doppelwahl von 1198 14; 15; 18.

— 234 — Dritter Stand 125; 131. Dubois, Pierre 28; 103,55; 107; 1 1 5 ; 1 1 6 ; 124; 158,52; 161; 163; 172; 197; 198; 214; 218,ts. Dupuy, Pierre 90; 203,196. Duranti, Guillaume 193,166. Dionysius de Senonis, clericus 154,43. ecclesia = congregatio fidelium omnium 179; 182; 183; 206,202; 208. ecclesia Romana 190,158; 192. ecclesia gallicana 106; 186; 190; 203; 208; 2 1 1 . Eduard I. v. England 20:32 ; 126,130. Eduard II. 162. Eigenkirchen 3 1 ; 32; 201,191; 202; 205. Eigenrecht des weltlichen Staates 154; 163; 167. Elisabeth, hl. 75,129. Emser Depesche 123. Enzio, König 68,m. Epikie s. aequitas. Eschatologie 48; 49; 50,52. Établissements de St. Louis 158. Étampes, Pierre de, Archivar 2 1 ; 78; 8 1 ; 82; 216. Eustachius, Magister 138,175. Excerpta Massiliensia 76,132. Ferdinand I. von Neapel 43,32. Ferentino 221. Formelbücher s. Briefbücher. Finanzpolitik, päpstliche 125; 210; s. auch Fiskalismus und Pfründenpolitik. Fiskalismus, päpstlicher 32; s. auch Finanzpolitik und Pfründenpolitik. Flandern, Flamen, flandrischer Krieg 87; 90; 171,102; 1 7 1 ; 176; 209. Flöte, Pierre 88; 92; 93; 94; 1 1 4 ; 138; 158; 159; 161. Foggia 129, 1 3 1 , 132,151. Frankfurt 26. Frankfurter Appellation 193.

Franz von Assisi 1 1 ; 199,187. Franziskaner 1 7 ; 48; s. auch Fraticellen. Fraticellen 50; 52; 73. Freidank 16,19; 17. Friedrich I., Kaiser 1 1 5 ; 142; 145,17; 1 5 1 ; 153; 156. Friedrich II. passim. Friedrich d. Freidige 68. Friedrich III. (II.) von Sizilien 46; Fürstenkollegium, deutsches 59. Gaetani 221. Gallia 213,223. Gallikanische Kirchenfreiheiten, Gallikanismus 27; 30; 3 1 ; 36,10; 82; 106; 124,125; 150,33; 175 ff.; 209; 2 1 1 . Gemeinschaft der Gläubigen s. ecclesia. Generalstände s. Ständeversammlungen. Generale colloquium s. colloquium generale. Gerard v. Borgo San Domino 51,55. Gesta Dei per Francos 149. Gerichtsbarkeit, geistliche 1 8 ; 38; 43,32; 157; 199; 202,194.; 206. S. Germano, Friede zu 16,19; Reichstag 1208 131,149. Gesetzgebung, angiovinische 43,32; 76,131; staufische 43,32; 76; 109; 129. Ghibellinen(nisch) 16; 21,31; 36,10; 45; 46; 47; 49; 53,62; 57; 67; 68; 75; 82; 1 1 2 ; 120; 192; 194 ff.; 219; Florentinische 72; Römische 72; 75. Gottesgnadentum 105; 141 ff.; 149; 156; 158; 1 6 1 ; 162. Gottesstaat s. civitas Dei. Gottfried von Paris 54; 55,65; 92. Gratian 18,26; 201,191. Gravamina gegen die Kurie 106; 126; 194; 196; 203,196. Gregor VII., Papst 1 1 ; 12; 1 3 ; 84; 1 4 1 ; 170,95-

— 235 — Gregor I X . 16; 21,31; 49; 63; 99,45*; 104.59; 157; 177; 210. Grenzsperre 209,209; 2 1 1 . Großhofiustitiar s. Richard v. Montenero, Heinrich v. Morra, Thaddäus v. Suessa. Großsiegelbewahrer 1 1 4 ; s. Nogaret. Guelfen 16; 36,10; 45; 57; 58. Guilhelm Figuelra, Troubadour 37.'4Häresie s. Ketzerei. Heinrich IV., Kaiser 152,34; 155; 156; 158; 170; 177,115. Heinrich VII., Kaiser 25; 56; 70; 147; 1 6 1 . Heinrich II. v. England 33. Heinrich III. v. England 32; 125. Heinrich, Markgraf v. Thüringen 67Heinrich v. Isernia 68; 69,114; 196,176. Heinrich v. Morra 219,3. Heinrich von Següsia 160. Henricus Italicus 69. Hermann von Salza 88; 137. Herrschaftsvertrag 164. Herrschersouveränität 94; 156; 157; 158; 159,58; 161. Hofrichter, Stauf. 168,91. Hohenstaufen 16. Hostiensis s. Heinrich v. Segusia. House of commons 1 3 1 . Hugo von Digne 51,55. Hugo von Ostia 35,10. Hutten, Ulrich v. 44,35. Imperialer Gedanke s. Reichsgedanke. Imperium — Sacerdotium 82; 84. In favorem principum, Gesetz 43,3«. infidelitas 181. Innocenz III., Papst i x ; 14; 63; 109.73; 1 3 1 , 1 4 9 ;

158;

160;

177;

179,124; 180,126; 183; 218. Innocenz IV. 16,16; 3 3 ; 34; 53,62; 56,68; 63; 77,133; 1 1 2 , 8 7 ; 171,101; 199-

Investiturstreit 1 2 ; 1 3 ; 15; 3 1 ; 1 1 1 ; 1 1 7 ; 170; 178,118. Israel 143. Italienische Städte s. Lombarden. Jacopone da Todi 50; 219. Jaime II. v. Aragon 154. Jansenisten

124,125.

Jeanne d'Arc 148.

J e r u s a l e m 16,19; 1 0 4 ; 1 4 4 ;

146.

Joachim von Fiore 1 7 ; 48; 50,52; 51,55; 58; 1 9 4 ; pseudojoachimi-

sche Johann Johann Johann

Schriften 17,21; 47,45. v. Gelnhausen 69. v. Neumarkt 69. von Paris 42; 159,59; 1 6 1 ;

184; 193;

198,185.

Johann von Parma 48,26; 49. Johann von Salesbury 142,5. Johannes Caleti s. Caux, Jean de. Johannes Monachus 81; 190,158; 192. Johannes Vatazes, Kaiser 195. Jordanes v. Osnabrück 46. Jurisdiktion, päpstliche 123,121; 159; 176. Juristen, Jurisprudenz, juristischer Geist 4 1 ; 109—116; 137; 1 5 7 ; 181,130. ius naturale s. Naturrecht. Justinian 43; 156. iustitia 42; 166; 168. Justitia-Kult 110,76. Kaiserhoffnungen 43 ff. Kaisermünzen, altrömische 145; staufische s. Augustalen. Kaiserwahl 145; 160. Kanzlei, böhmische 69; französische 22; 23; 60; 107; 2 1 5 ; kuriale 23; 170,95; österreichische 69; staufische 23; 39; 59; 65; 68; 69; 70; 73; 85; 87; 89; i n ; 1 1 2 ; 1 1 4 ; 131,149; 1 5 5 ;

168;

194;

thürin-

gische 68. Kanzleibeamte, staufische 66; 113,89; s. auch Petrus de Vinea und Peter von Prezza.

— 236 — Kanzleischule, staufische, s. Kanzlei und Diktatorenschule. Kanzleistil, sizilischer 2 7 ; 68,111; 69 f . ; 75 f . ; 1 0 7 ; 1 1 0 . Kapetinger 20; 147,23; 162 f. Katharer 30; 52,61. Kardinäle 21,31; 93; 99,45**; 100,45**; 1 3 3 ; r 3 9 ; 1 7 9 ; 218,1a. Kardinalskollegium 59; 99,45**; 189; Rechte des 190; 1 9 1 ; 192. K a r l der Große 20; 57; 144; 165; 186,148.

K a r l IV., Kaiser 69. K a r l I. von Anjou 57; 68; 75; 76; 77^33; 78; 80,147; 1 1 3 ; 1 3 1 ; 132. K a r l I I . von Anjou 76; 77,133; 220; 221. K a r l von Valois 57; 80. Ketzer, Ketzerei 1 3 ; 1 6 ; 30; 34; 35; 36,10; 39; 45; 52,61; 55; 82; 95; 105; 1 7 8 ; 1 8 1 ; 1 8 2 ; 184; 186; 187; 190; 191,162; 196,175; Ketzergesetze 35; 36,10; 43,32; 69. Kirchenbegriff, augustinischer s. ecclesia. Kirchenfreiheiten s. Gallikanische Kirchenfreiheiten. Kirchengut 3 2 ; 1 6 3 ; 169; 1 7 2 ; 1 8 1 ; 189,153; 198; 202ff.; 206; 207,202; 209. Kirchenpolitik der deutschen Städte 212,222; französische 189; 204; 205,198; 206 f.; 206,202; 2 1 0 ; s. auch ecclesia gallicana und Gallikanische Kirchenfreiheiten ; sizilische 38 f.; 199 f.; 2 1 0 ; päpstliche s. Finanzpolitik u. Pfründenpolitik; reformatorische 150. Kirchenregiment, landesherrliches, s. Landeskirchentum. Kirchenstaat s. Patrimonium. Kirchenstreit s. Investiturstreit. Königspriestertum s. Priesterkönigtum. Kollationsrecht, Kollationen 123,121; 202,193; 205,201; 210.

Kollekte, in Sizilien 169. Kommunen, ital. s. Lombardische Städte. Konrad I V . 65 f . ; 75; 219. Konradin 54; 55,65; 67. Konstanz, s. Konzil zu Konstanz. Konstitutionen, sizilische 40; 43,32; 69; 70,120; 1 5 7 ; 167 f . ; 170. Konzilsfrage 175,177; 179,180; 1 8 7 ; 192; 1 9 3 ; Allg. Konzil 1 0 5 ; 1 1 3 ; 180; 1 8 2 ; 1 8 3 ; Appell an ein a. K . 97,42**; 1 3 4 ; 138,172; 140; 180; 192; i93.l65Konzil zu Konstanz 177,115. Konzil im Lateran 1 2 1 5 183. Konzil zu Lyon 1245 56,68; 59; 62; 1 1 2 ; 1x4; 1 1 8 ; 120; 138,171; 169; 180,127; 189,156; 192,164; 203,196;

Absetzung a. d. 50; 5 3 ; 56; 7 3 ; , 80; 98; 1 1 2 ; 117,107; 1 2 7 ; 1 3 8 ; 1 5 5 ; 156; 169,94; 180,130. Konzil, nationalfranzösisches 189; 208,205. Konzil, römisches 1302 189,155; 208; 209. Kopernikus 5. Korporationslehre 1 8 3 ; 1 8 5 ; 190,157/8; 192. Kreuzzüge 14; 1 6 ; 3 2 ; 1 1 8 ; 152,37; 187; Kreuzzugsplan s. Nogaret. Kriegsphraseologie 71,122. Krönung des Kaisers 142; 160; 1 6 1 ; des Königs 146; 148,28; 1 6 1 . Laien 19; 50,54; 1 1 0 ; I i i ; 1 1 5 ; 1 1 6 ; 1 1 7 ; 185; 201,191; 208. Laienkirche 21,31. Laienkultur 14. L a i e n p a p s t t u m 146,20.

Landesfürstentum, Landesfürsten, deutsche 38; 130. Landeskirche 20; 32; 34; 150; 165; 187,149; 189; 200; 202; 205; 206,202; 2 1 1 f . ; 2 1 4 ; französische 176; 198; 204; 208; 209. Landessynode s. Nationalkonzil. Landfriede, Mainzer, von 1235 43.32.

— 237 — Laurentius von Aquileja 122,118. Legisten 113; 116; 123; 182; 190; 191,162; 203,196; 205,199. Legitimitätsprinzip 149,32. Lemoine, Jean, Kardinal s. Johannes Monachus. Lentini, Siz. 130. Leonhard, Minorit 49,51Libertés de l'église gallicane 211,217; s. auch Gallikanische Freiheiten, libertas regnj s. Autonomie, staatliche, Frankreichs. Licet iuris, Gesetz 154,43. Ligen, antikirchliche, s. Ligen französischer Barone. Ligen französischer Barone 34; 60; 127; 159; 202,196; 203,196. Logothet 64; 76; 86; 137,170; s. auch Petrus de Vinea u. Bartholomäus von Capua. Lombarden, Lombardische Städte 34; 35. 1 0 ; 36,10; 40; 58; i n ; 130,148; 152; 171,102; 190; 212. London 138. Loslösung des Staates von der Kirche s. Säkularisierung des Staates. Lothar I., Kaiser 53,62. Louvre 134; 138; 139. Ludwig der Fromme 54. Ludwig der Baier 25; 26; 85; 97,42*; 117,106; 193,165; 207,202. Ludwig V I I . von Frankreich 55,68. Ludwig I X . von Frankreich 16,16; 18,26; 19,28; 33; 34; 55; 56; 5 9 ; 60; 77; 93; i q 8 ; 125; 149,30; 158; 160; 171; 174,108; 175; 196; 203,196; 204; 205,201; 207; 210; Kanonisation 217. Ludwig X . 54. Ludwig X I V . 176. Lunel, Frkr. 135. Lupoid von Bebenburg 26,36. Luther 44. Lyon s. Konzil zu Lyon. • Machiavelli 170. Machiavellismus 5 ; 121.

Majestas Carolina 69. Manegold v. Lauterbach 171. Manfred, König 4 6 ; 54; 55,65; 65 f.; 75; 85; 131; 132; 196; 219; 220. Manifeste, staufische 22; 38; 39; 65; 77; 129; 193; 218 f. Margareta, Tochter Friedr. I I . 68. Marigny, Enguerrand de 88; 139,176. Marsilius v. Padua 5; 44; 85; 183,138; 184. Martin IV., Papst 81. Matthäus Colonna, Probst von St. Omer 54,64. Matthäus de Aquasparta, Kardinal I33.I56; 139Matthäus Paris 15; 16; 17; 27; 37,16; 61. Melfi 129; s. auch Konstitutionen. Ministerialität 130,148. Mission 118; 119. Monarchisches Prinzip 20; 164. Montecassino 73; 290; s. auch Bernhard, Abt. Montagu, Gerard de 78,137; 203,196. Montenero, Geschlecht 75; Richard, Großhofiustitiar 73; 75; 219 ff.; Thomas, 73 f.; 2 2 0 f . ; Richard, miles 220; Richard, praepositus von Reims 73 ff.; 219 ff.; Thomas, Archidiakon zu Rouen 73 ff.; 219 ff.; Johann, miles 220ff.; Petrus, domicellus 220ff. Montpellier 114; 135. Münzpolitik 87; 176. Nachahmung, stilistische, s. Stilvorbilder, staufische. Narbonne 114. Nationale Strömungen in Frankreich s. Nationalgefühl. Nationalgefühl 19; 20; 115; 121; 124; 126; 136; 148,28; 185; 209; 210; 213,223. Nationalismus, französischer 148; 149; 161. Nationalitätsprinzip 26; 213,223. Nationalkirche s. Landeskirche.

— 238 — Nationalkonzil, französisches 208,205; 209. Nationalstaaten 24; 25; 26; 150; 155Nationalversammlung, erste französische 124; s. auch Ständeversammlung von 1302. natura s. Naturrecht. Naturrecht 40; 166 f.; 168; 170; 184; 198,183; 2 1 1 . Navarra 1 1 8 ; 1 2 1 . Neapel, Universität 110; 1 1 3 . necessità s. Machiavelli, necessitas non habet legem 172,103; 187. necessitas rerum = politische Zwangslage 40; 40,43; 1 6 7 ! ; 1 6 9 f . ; 1 7 0 f . ; 1 7 4 ; 1 7 5 ; 204,196;

206; 2 1 1 ; s. auch casus necessitatis und Notstandsrecht. Nero 70,119. Nikolaus I., Papst 53,62. Nikolaus IV. 8 1 ; 203,196; 220,5. nobilitas formae 72. Noblesse de robe 1 1 6 . Nogäret, Wilhelm v. 28; 5 2 f f . ; 88; 94;

96;

99;

100,48;

101;

103;

104,60; 105; 106; 1 1 4 ; 116,101; 122; 138; 139; 144; 147; 159,58; 178,120; 182,13t; 184 f.; 186; 191,162; 205,199; 213,22+; 2x4; 2 1 5 ; 2 1 7 ; Kreuzzugsplan 198,185. Normannen, normannisch 63; 109; 200,188. Notabeinversammlung 138; von *3°3i Juni 96 f.; 106; 1 2 1 ; 134; 139Notre Dame zu Paris 124. Notstandsrecht, Lehre vom 184; 186; 1 8 7 , 1 « ; s. auch casus necessitatis und necessitas rerum. Oberhoheit, kaiserliche, über d. regna 157,161. Oberhoheit, päpstliche, über d. Kirchengut 201. Occam, Wilhelm von 26; 183,138; 184; 187,149; 207,202.

Odofredus, Jurist 67,105; 86,6. öffentliche Meinung 79; 84; 120; 1 2 2 ; 129; 130; 1 3 3 ; 136; 163; 181. Organismuslehre (Staatstheorie) 1 8 5 ; 190,158; 214. Ottokar II. v. Böhmen 68. Ovid 137,170. Padua 137,170. papa tyrannus 179; 1 8 1 . Paris 135; Universität 79; 171,99; 192. Pamiers, Parlament zu 131,149. Parlamente, englische 1 2 5 ; von 1265 1 3 1 ; in Frankreich 1 2 5 ; s. auch Ständeversammlungen; sizilische s. Colloquium generale. Paßzwang 209,209. Patrimonial- s. Patrone. Patronatsherr s. Patrone. Patrone, Patronatsrecht 32; 201 f . ; 204. Patrimonium, römisches 109,73; 201. Patriotismus s. Nationalgefühl. Peter von Aragon 57; 68; 80; 1 1 3 ; 132Peter von Prezza 6 7 f . ; 87; 113,89; 196,176. Petrus Crassus 177,115. Petrus Olivi 48,47; 51,55; 51,58. Petrus de Peredo, Prior 106; 197,181. Petrus de Vaux-Cernay 81. Petrus de Vinea 45,38; 59,77; 61 — 66; 76; 77; 79; 80; 82; 86,6; 88; 105; 1 1 1 ; 1 1 4 ; 1 1 5 ; 138; 176; 196; 219; s. auch Briefbuch des. Pfründenpolitik d. Kurie 1 5 ; 32; 125; 201; 204; 214,225. Philipp III., König 57,74; 77; 1 1 3 . Philipp IV. d. Schöne passim. Philipp V. 78,137. Philipp August, König 108. Piacenza 137,170. Pisa 137,167. Pithou, Pierre 175,111, Placet-Recht 2 1 1 .

— 239 — Plaisian, Wilhelm v. 28; 88; 94; 99; 100; 1 0 1 ; 105; 106; 1 1 4 ; 1 3 8 ; 1 3 9 ; 182,-134; 190; 204,196; 205,199. potestas iurisdictionis, päpstliche 155plenitudo potestatis d. Herrschers 90; 98; 1 1 6 ; 1 5 5 ; päpstliche 1 1 ; 42; 109,73; I92;I63; 193. Poitiers 203,196; Konsistorium zu 101,50; 1 0 5 ; 1 3 9 ; 190. Pontecorvo b. Montecassino 220. Pragmatische Sanktion 33; 175. Predigerorden 79; 135. Predigt 137,167; 1 3 9 ; 140. Priesterkönigtum 141 f.; 147,23; 150.^3. Privilegien, geistliche 1 8 ; 34 f. ; 171.99; 172; 206; 207,302; 208,204; 2 1 2 ; Eingriffe in die 169; 1 7 3 . pro ecclesia contra ecclesiam 1 5 1 ; 187. Propaganda, politische, in Frankreich 1 0 2 ; 1 1 4 ; 1 2 1 ; 1 2 2 ; 1 3 4 ; 1 3 5 t.; 140; kaiserliche 85; 1 1 2 ; 1 1 7 ; 1 1 8 ; 1 2 2 ; 126; 1 2 7 ; 1 3 8 ; päpstliche 85; 1 1 7 . prothonotaire s. Protonotar. Protonotar 64; 1 1 4 . Provinzialstände 135. Provisionen von Oxford 32. Provisionen, päpstliche 3 2 ; 204; 2 1 0 ; 2 1 4 ; s. auch Pfründenpolitik. Querimonia Friderici I I . 44; 66. Raimundus Lullus 122,118. Rainald von Capua 64,93; s. auch Diktatorenschule. Rainer von Viterbo 49. ratio 168; 1 7 3 ; 180; 186; 198; 206; 211. ratio status s. Staatsräson. Ravenna 48,46. Ravenna, Reichstag zu 130, 148; 131,148. Raymund Gaufridi 5 1 .

Recht, kanonisches 4 1 ; 1 7 2 ; 183,139; römisches 4 1 ; 109 f f . ; 142; 1 5 6 ; 1 5T. i 8 3 ; 205; 2 1 3 ; s. iiuch Juristen und Bologna. Rechtsstaat 164; 174,110. Rechts- und Verwaltungswesen, sizilisches, s. Gesetzgebung, staufische. Rede, politische 1 3 7 ; 1 3 8 ; 139. reformatio regni Ph.s d. Schönen 1 5 8 ; 174,108. Reformgedanken f. d. Kirche 1 2 ; 3 ° ; 37; 43; 44; 181,133; 1 9 4 f - ; 196; 197 f . ; 199. Reformation d. 16. Jahrh. 44. Regalien 39; 205 f.; s. auch Kirchenpolitik. Register FriedrichsII. 76,132; 172,102; 174,108; Register Ph. d. Schönen 28; 172,102. regnum Davidicum 143 f.; 146,22. regnum Franciae 143 f . ; 147; 160; 1 6 1 ; 1 6 3 ; 185 f. 190; 208; 209; 213. Reichsgedanke 26; 56; 70; 1 4 1 ; 1 4 7 ; 1 5 2 ; 168; 212. Reichsvikariat 4 1 ; 167. Reims 92; 148; 208,204; 219. renovatio imperii 166. Reservationsrecht, päpstliches 214,223. Residenzpflicht d. Klerus 204. Revolution, franz. 150. rex iniustus s. papa tyrannus. rex in suo regno est imperator 1 5 7 . Rhens 26. Rhetorik 1 2 1 ; 122,118; 1 3 8 ; 139,178. Richard von Montenero, Großhofiustitiar s. Montenero. Richard v. S. Germano 1 3 1 . Rienzo, Cola di 21,31; 29; 72. Ritterorden 198,185. Robert v. Artois 149,30. Robert I. v. Anjou-Neapel 76; 77.133. Ron* 45; 106; 1 2 4 ; 1 2 7 ; 1 3 3 ; 1 6 5 ; 173,106; 191,162; 208,204; 221 r s. auch Konzil, römisches.

— 240 — R o m a n d e la R o s e 19,30. R o m a n s d u R e n a r d 19,30. R o m g e d a n k e 145. R o u e n 219. R u d o l f v o n H a b s b u r g 43,32; 69 f. R u d o l f I V . v o n Ö s t e r r e i c h 70. Sachsenhäusener Appellationen 97.42*Säkularisation des Kirchengutes 198 f. S ä k u l a r i s i e r u n g d e s S t a a t e s 41; 110; 164; s. a u c h S t a a t s g e d a n k e . S a l i m b e n e v. P a r m a 46; 48,46; 49,51; 137Salus p u b l i c a 4 1 ; 169; 2 0 6 ; 207,302. s a l v a u t i l i t a t e i m p e r i i 166. S a r a z e n e n 45. S c h o l a s t i k 183; 213. Schreibschulen 5 9 ; sizilische s. D i k tatoren. S e k t i e r e r s. K e t z e r . S i e n a 220,5. Siger v o n B r a b a n t 171. Signorie 41,25. Simon v . M o n t f o r t d . Ä l t e r e 131,149. S i m o n v . M o n t f o r t 32; 126,130; 130; 131Sizilische Vesper 132,152. S o l i d a r i t ä t s i d e e 119; 121; 153; 155. S p i r i t u a l e n 17; 47,45; 4 8 ; 49; 51,58; 52; 58. S t a a t , sizilischer 38 f f . ; 4 2 ; 66. S t a a t s b e w u ß t s e i n i n F r a n k r e i c h 163. S t a a t s b ü r g e r t u m 214. S t a a t s g e d a n k e 6 ; 31; 4 2 ; 150; 151; 175; 214S t a a t s k i r c h e n t u m s. L a n d e s k i r c h e n tum. S t a a t s r ä s o n 5 ; 40; 136; 151; 174; 198. S t a a t s r a t , frz., 1303, März 9 4 , 9 5 ; 101. S t a d t r e p u b l i k e n , italienische, s . Lombarden. S t ä n d e 34; 119; d e u t s c h e 151; englische 15; 125; 127; 128; 136; 192,164; 201,193; 202; 204; f r a n zösische 120; 124; 127; 128; 133;

134; 135; 162 f . ; 164; 175; 189; 203; 204; 214; sizilische 129; 130. S t ä n d i s c h e B e w e g u n g 20; 26; 33; 125; 126; 128; s t ä n d i s c h e Vert r e t u n g 129; 130; 132; s. a u c h Ständeversammlungen. S t ä n d e v e r s a m m l u n g e n 6 0 ; 124; 127; englische 126, s. a u c h P a r l a m e n t ; f r a n z ö s i s c h e 133; 136; 138; v o n 1302 108; 124; 125; 132; 133; 134; 138; 159; 162; v o n 1308 104; 134,15?; 146-22; v o n 1312 134,157; v o n 1314 134,157; 139,176; sizilische 130; 139, s. a u c h colloq u i u m generale. S t a a t h a l t e r s c h a f t e n , italienische, s. Reichsvikariate. s t a t u t a r i i s. L i g e n . S t a t u t e n , k i r c h e n f e i n d l i c h e 34 ff. S t e u e r f r e i h e i t s. Privilegien, geistliche. S t e u e r n , p ä p s t l i c h e 15; 32; 192,164; 201,193; s t a a t l i c h e s . B e s t e u e r u n g der Kirche. Stil, kurial-sizilischer 71; 104. Stilvorbilder, s t a u f i s c h e 22; 6 6 — 7 6 ; 95—102; 192. S y n o d e , allgemeine s . Konzil, allgemeines. Tagliacozzo 68,111. T e m p l e r 101,50; 104; 105; 106,66; 114; 116,102; 189; 190. T e m p o r a l i e n d e r K i r c h e n s. K i r c h e n gut. T h a d d ä u s von Suessa i n ; 112; 113; 137; 164; 192. T h o m a s v o n A q u i n 4 1 ; 42; 64,95; 151; 171; 174,110; 1 8 3 L ; 187. T h o m a s d e M o n t e n e r o s. M o n t e n e r o . T i l e K o l u p 71. T o u l o u s e 114. Tours 147,24; 204,196; s. auch S t ä n d e v e r s a m m l u n g v o n 1308. T r é s o r des c h a r t e s 21; 22; 2 8 ; 60; 78; 103; 121,116; 134,158; 135; 203,196; 215. T y r a n n e n l e h r e s. p a p a t y r a n n u s .

— 241 — Ubertin

von

Casale

73; 77. 2 3. Übersetzungstätigkeit

51,58;

in

55,63;

Sizilien

41,46.

Universitates regni s. Stände, u t i l i t a s 1 6 8 ; 1 7 0 ; 1 7 1 , 9 8 ; 1 7 4 ; 202,194.

utilitas communis, rei publicae s. auch salus publica, necessitas, Wohlfahrtszweck.

Val de Noto (Sizilien) 219,3. Versammlungen s. Ständeversammlungen, Notabelnversammlungn., Generale colloquium, Provinzialstände. Verteidigung des Vaterlandes s. defensio regni. Verwaltung, sizilische s. Gesetzgebung, staufische. Verweltlichung der Kirche 1 3 ff.; 84; 106; 195. vicarius Christi 143; 144; 145; 146; 147. Villani, Giovanni 46; 72,123; 88; 123,123;

124,124.

Volksversammlung, französische, 1303 134; 139. Volkssouveränität 164. voluntas 180.

Beiheft d. H. Z. 30.

Vorrechte der Geistlichen s. Privilegien. Wahlprinzip 149,32. Waldenser 30. Walter von Okra 87; 1 1 1 ; 1 1 2 ; 138. Walter von der Vogelweide 1 4 ; 18. Wanderprediger 1 1 7 . Weltherrschaftsgedanke, päpstlicher 1 1 ; 20; 26; 83; 88; römischer 119. Weltherrschertum 1 1 5 . Weltkrieg 150. Widerstandsrecht der Gläubigen 179 ff.; 182; 185 f. 187. Wien 69 f. Wilhelm von Auvergne 160. Wilhelm von Morbeke 41,26. Wilhelm von Nogaret s. Nogaret. Wilhelm von Plaisian s. Plaisian. Wohlfahrtszweck des Staates 173 f. Zehntforderungen 201. Zentralismus, kirchlicher 3 1 ; 1 1 3 . 201 f.; Zisterzienser 18; 20; 136. Zweischwerterlehre 17; 1 4 1 ; 166; 1 8 6 ; 187,148;

188.

16

Beihefte der Historischen Zeitschrift D i e Beziehet der „Historischen Zeitschrift" erhalten die Beihefte bei Bestellung vor Erscheinen mit 25 °/0, nach Erscheinen mit 1 5 % Nachlaß. H e f t 1 : Baron, Hans: Calvins Staatsanschauung und das konfessionelle Zeitalter. 130 S. 8°. 1924 M . 3.20 H e f t 2: Troeltsch, Ernst: Die Bedeutung des Pfotestantismus f ü r die Entstehung der modernen Welt. j . A u f l . 103 S. 8°. 1928. . . . G e b . M . 4.80 H e f t 3: Precht, Hans: Englands Stellung zur deutschen Einheit 1848—1850. 192 S. 8°. 1925 M . 4.50 H e f t 4 : Erman, W . : Der tierische Magnetismus in Preußen v o r und nach den Freiheitskriegen. 128 S. 8°. 1925 M . 3.80 Heft 5: Hölzle, E . : Die Idee einet altgermanischen Freiheit v o r Montesquieu. 118 S. 8°. 1925 M . 4.20 H e f t 6: Masur, Gerh.: 1926

Rankes Begriff

der Weltgeschichte.

141 S. 8°. M . 4.50

Heft 7: Vigener, Fritz: Drei Gestalten aus dem modernen Katholizismus (Möhler, Diepenbrock, Döllinger). 200 S. 8°. 1926 M . 6.80 H e f t 8: Stolberg-Wernigerode, O t t o Graf zu: Anton Graf zu Stolberg-Wernigerode, ein Freund und Ratgeber K ö n i g Friedrich Wilhelms I V . 144 S. 8°. 1926 M . 4.80 H e f t 9: Hoffmann-Linke, E v a : Zwischen Nationalismus und Demokratie. Gestalten der franz. Vorrevolution. 324 S. 8°. 1927 M . 8.50 H e f t i o : B e l o w , G . v . : Die italienische Kaiserpolitik des deutschen Mittelalters. 167 S. 8°. 1927 M. 7 . — H e f t 1 1 : Voßler, O t t o : Mazzinis politisches Denken und Wollen in den geistigen Strömungen seiner Zeit. 94 S. 8°. 1927 M . 3.60 H e f t 12: Bein, Alex.: Die Staatsidee Alexander Hamiltons in ihrer Entstehung und Entwicklung. 191 S. 1 Taf. 8°. 1927 M . 5.80 H e f t 13: Leusser, Herrn.: Ein Jahrzehnt deutsch-amerikanischer Politik (1897—1906). 114 S. 8°. 1928 M . 4.50 H e f t 14-.Walser, Fritz: Die politische Entwicklung Ulrichs von Hutten während der Entscheidungsjahre der Reformation. 143 S. 8°. 1928. M . 4.8 o H e f t 15: Simon, Ernst: Ranke und Hegel. 220 S. 8°. 1928

M . 5.80

Heft 16: Erben,Wilh.:Kriegsgeschichtedes Mittelalters. 144 S. 8°. 1929. M. 6.50 Heft 17: Voßler, Otto: Die amerikanischen Revolutionsideale in ihrem Verhältnis zu den europäischen. Untersucht an Thomas Jefferson. 201 S. 8°. 1929 M. 7.50 Heft 18: Ruth, Paul Hermann: Arndt und die Geschichte. Ein Beitrag zur Arndtforschung und zur Problemgeschichte des Historismus vornehmlich bis zum Ende der Befreiungskriege. 216 S. 8°. 1930 M. 7.20 Heft 19: Geyer, Fritz: Makedonien bis zur Thronbesteigung Philipps II. 155 S. 8°. 1930 M. 7.— Heft 20: Gilbert, Felix: Johann Gustav Droysen und die Preußisch-Deutsche Frage. 154 S. 8°. 1931 M. 6.40 Heft 2 1 : Spiegel, Käthe: Die kulturgeschichtlichen Grundlagen der amerikanischen Revolution. 224 S. 8°. 1931 M. 9.— Heft 22: Lerner, Franz: Kardinal Hugo Candidus. 77 S. 8°. 1931 . . . M. 4.— Heft 23: Fritzemeyer, Werner: Christenheit und Europa. Zur Geschichte des europäischen Gemeinschaftsgefühls von Dante bis Leibniz. 173 S. 8°. 193 1 M. 7.20 Heft 24: Spangenberg, H.: Territorial-Wirtschaft und StadtWirtschaft. Ein Beitrag zur Kritik der Wirtschaftsstufentheorie. 155 S. 8°. 1932. M. 8.50 Heft 2 ; : Rosenthal, Erwin: Ibn Khaldüns Gedanken über den Staat. Ein Beitrag zur Geschichte der mittelalterlichen Staatslehre. 127 S. 8°. 1932. M. 6.50 Heft 26: Nitzschke, Heinz: Die Geschichtsphilosophie Lorenz von Steins. Ein Beitrag zur Geistesgeschichte des 19. Jahrhunderts. 145 S. 8°. 193 2 M. 6.—• Heft 27: Kluke, P.: Heeresaufbau und Heerespolitik Englands vom Burenkriege bis zum Weltkrieg. 213 S. 8°. 1932 M. 8.50 Heft 28: Lenz, Georg: Demokratie und Diktatur in der englischen Revolution 1640-1660. 220 S. 8°. 1933 M. 7.50 Heft 29: Stadelmann, Rud.: Das Jahr 1865 und das Problem von Bismarcks deutscher Politik. 98 S. 8°. 1933 M. 5.— Heft 30: Wieruszowski, Helene: Vom Imperium zum nationalen Königtum. Vergleichende Studien über die publizistischen Kämpfe Kaiser Friedrichs II. und König Philipps des Schönen mit der Kurie. 241 S. 8°. M 1953 - 9 — Heft 31: Rosenberg, Hans: Rudolf Haym und die Anfänge des klassischen Liberalismus. Erscheint Ende 1933.

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Weltgeschichte als Machtgeschichte. Die Zeit der Reichsgründungen. VonA.Cartellieri. 424S.Lex.-8 0 . 1927. Brosch. M . 1 5 . — . G e b . M. 16.50. Die Weltstellung des Deutschen Reiches. VonA.Cartellieri. 551S.Lex.-8 0 . 1932. Brosch. M . 2 8 . — . G e b . M. 3 0 . — . Das heilige Reich. Texte zur mittelalterlichen Geistesgeschichte. Herausgegeben von Alois Dempf. H i l d e g a r d v o n B i n g e n . Der W e g der Welt. In Auswahl übersetzt von L.Lascar. 171 S. 8°. 1929. Kart. M . 2.20. Die symbolische Franziskuslegende. Die schönsten Stücke des Franziskuskanons. Übersetzt von H. Lützeler. 129 S. 8°. 1929. Kart. M . 2 . — . Ethik des Mittelalters. V o n Alois Dempf. 112 S. Gr.-8°. 1927. Kart. M . 4.70. Die Hauptform mittelalterlicher Weltanschauung. Eine geisteswissenschaftliche Studie über die Summa. V o n Alois Dempf. 187 S. Gr.-8°. 1925. Brosch. M . 5.20. Metaphysik des Mittelalters. V o n Alois Dejnpt. 154 S. Gr.-8°. 1930. Kart. M. 6.50. Sacrum Imperium. Geschichts- und Staatsphilosophie des Mittelalters und der politischen Renaissance. V o n Alois Dempf. 590 S. 8°. 1929. Brosch. M. 17.50. Geb. M. 19.50. Die Geschichtswissenschaft. Aufbau und Aufgabe. V o n E . Keyser. 247 S. 8°. 1931. Brosch. M . 9 . — . Geb. M . 10.80. Mittelalterliche Welt- und Lebensanschauung im Spiegel der Schriften Coluccio Salutatis. V o n A . v . M a r t i n . 178 S. 8°. 1913. Kart. M. 3.20. Bildungszustände und Bildungsideen des 13. Jahrhunderts. V o n R.Limmer. 283 S. Gr.-8°. 1928. Geb. M . 9 . — . Das Mittelalter. V o n D . Schäfer. 2. Aufl. 181 S. Gr.-8°. 1926. Geb. M. 4 . — Handelsgeschichte der romanischen Völker des Mittelmeergebietes bis zum Ende der Kreuzzüge. V o n A . Schaube. 835 S. Gr.-8°. 1906. Brosch. M . 15.—. Geb. M . 1 7 . — . Allgemeine Geschichte der germanischen Völker bis zur Mitte des 6. Jahrhunderts. V o n L . Schmidt. 258 S. Gr.-8°. 1909. Brosch. M . 6.20. Geb. M . 8 . — . Staat und Kirche in den arianischen Königsreichen und'im Reiche Chlodwigs. Mit Exkursen über das älteste Eigenkirchenwesen. V o n H. v. Schubert. 213 S. 8°. 1912. Brosch. M. 4.80. Die Metaphysik der Erkenntnis nach Thomas von Aquin. V o n Gustav Sieverth. I.Teil: Die sinnliche Erkenntnis. 116 S. Gr.-8°. 1933. Brosch. M. 3.60.

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