Vollständiger und fasslicher Unterricht in der Naturlehre: Band 2 [Reprint 2020 ed.] 9783111576145, 9783111203928


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Vollständiger und fasslicher Unterricht in der Naturlehre: Band 2 [Reprint 2020 ed.]
 9783111576145, 9783111203928

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Vollständiger und faßlicher

Unterricht in der

N a t u r l e h r e. In einer Reihe von Briefen. Mit

Kupfern.

Neue ganz umgca cbeitete Auflage.

Von

Michael Generaldirektor

Hube,

und Professor in Warschau.

Zweyter

Band.

i e i v z i g,

bey Georg Joachim Göschen, i S o i.

Inhalt des zweyten Bandes. Einleitung. Chemische und mineralogische Dorkenntnisse. Seite L bis xxxu

I. Allgemeine Uebersicht

Der Magnet. der

de-

Eigenschaften

Magneten.

Vergleichung desselben mit dem Turmalin, i. Brief. Seite 3 bis io

Anziehen desselben insbesondere. ungleiche Vertheilung. 2. Brief.

Es geschieht durch die 0. n — 18

Verschiedene Erscheinungen des Anziehens werden erklärt. Magnetometer. 3. Brief. S-iy—26

Pole und Bewaffnung des Magneten. 4. Brief. S. 27 — 33 Künstliche Magneten und einfacher Strich.

5. Brief. S. 34— 41

Doppelter Strich und magnetische Kraft der Erde. 6. Brief. S- 42— 49

Geschichte des Magneten. Der Kompaß. 7. Brief. S. 50—57 Die Abweichung und Neigung der Magnetnadel, g. Brief. 0.58 — 65

Ihre Veränderungen.

Ursachen der Polarität. 9. Brief. S- 66—73

Das Nordlicht und Thierkreislicht. II.

Die

10. Brief.

0.74—82

Wärme.

Eigenschaften eines guten Thermometers.

11. Brief.

0. 83 — 9Q

Noturl

s

a

Inhalt.

IV

Eispunkt und Siedpunkt. ©. 91 — 98

Geschichte der Thermometer. 12. Brief.

Metallthermometer und Pyrometer, rz. Brief. ©.93—106 Ausdehnung der Körper durch die Wärme, besonders der Luft. 14. Brief. ©.107—116 Natur der Warme.

Gesetze ihrer Mittheilung. iZ. Brief. S. 116 —125

Eigenthümliche Warme und Leiter der Warme. 16. Brief. ©.126—133

Leitungsfahigkeit der festen Körper. 17. Brief. ©. 133 — 142 Springglöser. 18. Brief.

Springkolben.

Zurüekgeworfne Warme.

Fortpflanzung der Warme ©. 142 — 149

19. Brief.

©. 150—157

Ursprüngliche Warme, wenn sie erzeugt wird. Künstliche Kälte. 20. Brief. ©. 158 —166 Löschen des Kalks und Siedpunkt des 2i. Brief.

kochenden Wasiers. ©.166 — 174

Das Kochen des Wasiers und andrer Materien. 22. Brief. ©. 175--- 182 Das Schmelzen und Verflüchtigen. 23. Brief. ©. 132—139 Das Reiben und die Warme des Lichts.

Die Sonnenwärme.

25. Brief.

Die Warme der Erdkugel.

26. Brief.

24. Brief. ©. 190 —196

S. 197 — 204 ©. 205 — 213

III. Die Auflösung, Niederschlagung und Ausdünstung. Das Anziehen der Körper unter einander.

27. Brief. ©.213 — 221

Verfchiedne Erscheinungen, welche in jenem Anziehen ihren Grund haben. 23. Brief. S. 221 — 229

Die Haarröhrchen.

29. und 30. Brief.

Die Auflösung überhaupt. 31- Brief.

S 229 — 244 ©. 244 — 251

Inhalt.

V

32. Brief.

Der Pyrophor und Phosphor.

S. 25t —259

Die Niederschlagung und Wahlverwandtschaften der Körper. 33» Brief. S. 259 — 266 Krystalle.

Sublimate.

Die Ausdünstung.

34. Brief. S. 267 —• 274

Die Ausdünstung ist eine wahre Auflösung des Wasser- in der Luft. 35. Brief. S. 274 — 232

Feuchtigkeit der Luft ».Hygrometer. 36. Brief. S. 232—239

Feste Punkte des Haarhygrometers. dünnter Luft. 37. Brief. ES

Ausdünstung in ver­ S. 239 — 297

giebt zwey ganz verschiedne Arten der Ausdünstung. 33. Brief. S-293— 306

Versuche des Herrn Detancourt und starke Ausdehnung feuch­ ter Luft. 39. Brief. 307—314 Der Wasserhammer und die Franklinische Rehre. 40. Brief. S. 314 — 321 Niederschlagung des Wassers aus der Luft und Auflösung der Luft im Wasser. 41. Brief. ©. 322 — 33^

IV.

Lnfterscheinungen. 330 — 338

Der Thau. 42. Brief.

Der Nebel und die Wolken. Regen, Schnee, Hagel.

43. Brief.

44. Brief.

Bildung der untern Wolken.

Wie sich die Wolken vergrößern. 46. Brief.

Wasserhosen.

S. 345 — 353

Fata Morgana. 45. Brief. S. 354 — 36r

Bildung der hohen Wolken, 47. Brief. Wie die Wolken vergehn.

S« 338— 345

Wettcrlichter,

48. Brief.

Allgemeine Ursachen der Winde.4y. Brief.

S. 361 — 367

der Lämmer und Streifen. S. 368 — 374 Wetterleuchten. S. 375 — 382

Paffatwinde.

Mussons.

S« 382 —239

Besondre Winde von der Warme. Schneewinde. Ostr wind bey Sonnenaufgange. Windstille. Tornado.

Inhalt.

VI

Windstöße -rr den Küsten. Harmattan. tzirocco. Chamsin und Smum. 50. Brief. 0.389 — 397

Ursachen der Veränderungen des Barometers 51. Brief. ®* 397 — 405

V.

Die künstlichen Lu ft arten.

Feuermaschine und Verkalkung der Metalle.

52. Brief. S. 406 — 414

Zerlegung de- Wasser- und Erzeugung desselben. 53. Brief. S. 414— 422 Die Saurung und die Sauren. 54.Brief.

S. 42z— 431

Die Salze. Die organische Materie. dungsgeräthe. 55. Brief.

Da- Luftcntbin®. 431 — 440

Die säuernde Luft u. dae Verbrennen. 56. Brief. S.440—447 Die Flamme.

57. und 58- Brief.

S- 448 — 463

Da-Athemholen und die Erstickung. 59. Brief. S- 463—471 Die brennbare Luft und die Faulniß. 60.Brief. S-4?r—479

Innerliche Entzündungen 61. Brief.

Die Luftbälle.

61. Brief.

bey

Menschen. Knallluft. S. 480 — 489

S« 489 — 496

Geschwefelte und gepho-phorte brennbare Luft wie auch Stickluft. 6z. Brief. ©.496—505 Die Kohlensaure und die Gahrung. 64. Brief. ©. 505 — 514

Gasarten. Ammoniakgas. Schweflichtsaures Gas. Koch­ satzsaure-Gas. 65. Brief. ©. 514 — 522 Die bleichende Kochsalzsaure und die Flußsäure. 66. Brief. S-522 — 330

Salpetergas. Gesäuertes Slickgas. Eudiometer. 67. Brief. 0.530 — 540

Einleitung.

i. Die Chemie oder Scheidekunst beschäftigt sich mit der Zerlegung der Körper in ihre ungleich«»tigen Bestandtheile. Durch mechanische Mittel kann man die letztre zwar nicht bewirken, allein den­ noch ist die mechanische Theilung oft zu der che­ mischen Zerlegung der Körper nothwendig. Man zerschlägt nämlich harte Körper mit dem Hammer, man zerstößt und pulvert sie in Mörsern, oder zer­ mahlt sie in Mühlen, oder zerreibt sie in Reibscha­ len oder auf dem Reibeisen; man macht sie durch Glühen und Ablöschen in kaltem Wasser mürbe; man zerschneidet, raspelt, hobelt, zerfeilt sie; man laminirt sie mit dem Hammer, oder zwischen Walzen, man körnet oder granulirt geschmvlzne Metall«, indem man sie auf einen im Wasser liegen, den beweglichen Besen gießt u. s. w. Die zertheilten Körper durchsiebt man, seihet sie durch Löschpapier, Leinwand, Stroh u. s. w. schäumt sie ab, drückt sie aus, schlemmet sie, indem man sie in Wasser

VIII

Einleitung.

umrührt, und dieses bald abgießt, da sich denn die schwereren Theile gleich niederfetzen, die leich­ ten aber im Wasser schwebend erhalten. Man kocht sie auch wohl mit Eyweiß, Hausenblase, Rindsblut u. s. w. auf, um sie klar zu machen, und von Unreinigkeiten zu befrryen. 2. Das kräftigste Mittel, dessen der Chemist sich bey seinen Untersuchungen bedient, ist das Feuer, besonders der Kohlen. Sein Ofen ist ent­ weder ein Winbofen, der durch den Luftzug das Feuer unterhält, oder ein Geblasofen, der mit Btavbälgen versehen ist. Er besteht aus dem Feuer­ herde, unter welchem sich der Aschenherd befin­ det, und hat oft über dem Fenerherde noch einen besondern durch eiserne Stäbe oder auf andre Art abgesonderten Arbeitsort. Befindet sich in diesem ein eignes eisernes Gefäß, oder eine Kapelle, so heißt der Ofen ein Kapellosen. Füllt man die Kapelle mit Wasser oder mit Sande an, in wel­ ches man die Gefäße mit den Materien setzt, die man durchs Feuer erhitzen will, so heißet es ein Wasserbad oder ein Sand bad. Hat der Ofen oben eine Art von gewölbtem Deckel, welcher die Flamme auf das eingrschloßne Gefäß zurück wirft, so nennt man ihn einen Reverberirofen. Oft setzt man darin kleine Gefäße, um sie vor den Koh­ len zu sichern, in ein besondres vorn offnes sonst überall verschloßnes, muldenförmig gewölbtes Ge­ fäß, welches man eine Muffel nennt. Es steht im Feuerherde. 3. Oft ist auch das Löthrohr bey chemischen Arbeiten von sehr großem Nutzen. Zu Versuchen im Kleinen kann man sich mit sehr vielem Vor­ theile einer gemeinen Arga irdischen Lampe

Einleitung.

IX

bedienen, wenn fie besonders dazu eingerichtet ist. *) Uebrigens brauchen die Chemisten die schwächste Hitze von 4 bis 25 Französischen Graden zum Di, geriren, eine stärker von 28 bis 80 Graden zum Destilliren; eine noch stärkre, die bis 250 Grade steigt, und worin die Gefäße kirschbraun glühen, zum Sublimiren und Zementiren. Endlich schätzt man die Hitze des Schmelzfeuers oder des Reverberirofens auf 650 Grade. **)

4. Unter den chemischen Gefäßen sind vorzügsich die Retorten, die Kolben, Phiolen, Schmelz­ tiegel und Kapellen zu bemerken. Eine Retorte ist ein thönernes, gläsernes oder eisernes kugelför­ miges Gefäß mit einem krummen Halse, das man ins Sandbad oder Wasserbad setzt, oder auch dem offnen Feuer des Rcverberirofens aussetzt, und in diesem Falle, wenn es von Thon oder Glas ist, mit einem Teige von Thone, Sand und Kuhhaar überzieht oder beschlägt. Der Kolben ist ein rundes Gefäß ohne Hals, welches sich nach oben in eine Oeffnung verengt. Diese wird mit einem Helme oder Hute verschlossen, der gewöhnlich mit einem Schnabel versehen ist. Man braucht dieses Werkzeug vorzüglich zum Destilliren. Die Phiole ist kugelförmig und hat einen etwas engen geraden Hals. Die Retorten und andre Gefäße sind oft tubulirt, oder sie haben an der Seite enge Oeffnungen, wie kurze Röhren, die sich mit Stöpseln verschließen lassen. Die Schmeljtie*) Man sebe Allgemein. Journal Schcerer I. 1. und II. g.

der Chemie von

' *) Das Französische Thermometer wird zwischen dem Punkte de» frierenden und kochenden Waffer» in 30 Grade getheilt.

X

E^inleitung.

grl find Töpfe, die aus einem fchwerschmelzenderr Thone gemacht, und niehrentheils dreyeckig find. Die Kapellen find kleine aus ausgelaugter Asche und weißgebrannten Knochen bereitete Näpfe, ntU che, wenn man fle in die Muffel setzt und ge­ mischte Metalle darin schmeljt, die unedlen sich verglasenden Metalle in sich aufnehmen, und die edlen jurücklassen. Man muß sie nicht mit den obenerwähnten mehrentheils eisernen großen Gefäßen verwechseln, die man auch Kapellen nennt. Uebrigens verklebt man die Zusammenfügungen der Gefäße bey de» chemischen Arbeiten bald nur mit Blase oder Mehlkleister, bald auch mit einem Teige aus Eyweiß und zerfallnem Kalke, oder aus Thon, Blut und Haaren, oder aus Thon und Mahlerfirniß ii. s. w. 5. Durch das Dige riren oder Einweichen und Stehen der Pflanzentheile im Wasser, bey ge­ linder Warme, lassen sich aus ihnen verschiedne leicht auflösliche Stoffe ausziehen oder extrahiren. Durch das Destilliren aber starkriechendee mit Wasser begoßner vegetabilischer Körper erhalt man abgezogne Wasser, und scharfschmeckende so­ genannte ätherischeOelc; aus gegvhrnen Sachen dagegen Drandtwein und Weingeist. Durch ein wiederholtes Destilliren, besonders mit alkalischen Körpern, kann man den Weingeist reinigen oder rektificiren. Der Weingeist zieht aus gewürzhaften oder starkriechenden Pflanzen die harzigen Theile, welche das Wasser nicht auflöst, und aus dergleichen Essenzen, Tinkturen oder Elixi­ ren erhalt man das Harz, entweder indem man sie verdampfen läßt, oder indem man Wasser zu ihnen gießt. Auch den Essig reinigt man durchs Destilliren, und ans dem Fleische und den Knochen

Einleitung.

XI

der Thiere zieht man durch das bloße Kochen Brü­ hen , Gallerte, und den Leim. 6. Bey einem stärker» Feuer werden Körper, durch das Zementiren oder Glühen in verschloßnen Gefäßen zwischen andern Materien, ver­ ändert, indem man die letzter» pülvert, und die­ ses Zementpulver mit jenen Körpern schichtweise in der Zementirbüchse vermischt, dem Feuer auesetzt. Auf diese Art wird das Gold vom Silber geschieden, indem man das vermischte Metall mir einem Ze» mentpulver von Kochsalz, Vitriol und Ziegelstein­ mehl vermischt. Sv wird auch das Eisen durch das Zementiren mir Kohlen, Asche Ruß und Salz in Stahl verwandelt. Eben dieser Grad des Feuers treibt aus pflanzenartigen Körpern die brenzli­ gen oder empyrevmalischen Oele. Thierische Theile geben bey dieser Hitze flüchtige Laugensalze; Bernstein und Ambra aber ein saures Salz. Aus allen mit Schwefel oder Arsenik vererzten Metallen lassen sich jene beide Mineralien durch diese Hitze sublimiren oder absondern. Sie werden näm­ lich in einem verschloßnen Kolben in Dämpfe ver­ wandelt, welche sich oben in dem Helme desselben verdichten, der ohne Schnabel seyn kann. Aus dem Vitriol wird durch das Sublimirfeuer die Schwefelsäure getrieben, welche Vitriol öl heißt, wenn man sie so viel, als möglich, vom Wasser befreyt, oder konzentrirt. Dey diesem Feuer wird Quecksilber destiüirt, Zinn, Wismuth und Bley schmelzen, und vcrschiedne Salze, so wie auch der Gyps und Alabaster, verwittern darin, indem sie ihr Krystallisazionswasser verlieren. *) •) Don den Salzen, ihren Krystallen und dem Wasser der Krystalle, wie auch von de» Säuren, wird in den Briefen unisiändlich geredet.

xri

E inlettun g.

7. In dem Schmelzfeuer wird der rohe Kalk und die Bittererde gebrannt, der Thon steinhart, und die reine Kieselerde gar nicht verändert. Vermischt man aber die letztre mit Laugensalzen, so schmelzt sie darin zu Glas. Alle Metalle schmelzen in dieser Hitze außer der Platina, wenn sie rein ist. Die edlen Metalle verändern sich darin nicht, die unedlen aber verkalken *) oder verglasen sich; ja einige Halbmetalle verfliegen ganz, wie Spieße glaö und Arsenik, andre zum Theil, wie Zink und Wißmuth. Das Bley verschlackt auch andre un­ edle Metalle in dieser Hitze mit sich, und fließt als Glatte ab, oder zteht sich in die Kapelle, welche bloß das dünnflüssige Bleyglas, aber kein fließendes Metall, in sich eindringen läßt. So wird das Silber von den unedlen Metallen, welche sich verglasen, geschieden, oder abgetrieben. Uebrigens sind die Materien, welche man durch das Feuer erhalt, oft nicht Edukte, oder schon so wie wir sie erhalten, in Yen Körpern vorhanden gewesne Materien, sondern Produkte des Feuers, oder durch das Feuer aus Theilchen der Körper gebildete Materien. 8. Die Chemisten habe» in den Körpern, welche wir auf der Erde finden, verschied«« Erden entdeckt, und entdecken deren immer noch mehrere, die wir als besondre einfache Substanzen ansehen müssen, weil wir ihre Zusammensetzung nicht ken­ nen. Diejenigen, welche sich mit Säuren verbin­ den, wie die Alkalien, nennt man alkalische oder *) Die Kalke der Metalle sind eine Art von irdischer Materie, ohne Glanz und Biegsamkeit, in welcke sich viele Metalle im Feuer verwandeln.-

E i n l e i t u n g.

XIII

absorbirende Erden. Dergleichen sind der Kalk, die Bittererde/ der Thon, die Schwererde, die Strontianerde und Glycinerde. Die Kiesel» erde findet man in den Kieseln und vielen an, dern Steinen/ im Sande und Dergkrystalle. Sie ist geschmacklos/ unschmelzbar und bloß in der Flußsaure auflöslich. Mit Pottasche oder Alkalien vermischt/ schmelzt sie zu Glase/ dem man aller­ hand Zusätze, als Gyps, Bleyglätte, Salpeter, Arsenik und Braunstein giebt, um ihm seine grüne Farbe zu benehmen und es weiß zu machen. Durch Zusatze von Metallkalken färbt man das Glas, oder macht es auch undurchsichtig, und so bereitet man die Glasflüsse und künstlichen Edelsteine. Wenn man vier Theile Pottasche mit einem Theile Sand zusammenschmelzt, so wird das Glas scharf und ätzend, löst sich im Wasser auf und zerfließt

an der Luft. Die zcrfloßne Glasmasse heißt Kie­ selfeuchtigkeit. Don der Kalkerde, die auch in der Kreide angetroffen wird, soll in den Briefen umständlich geredet werden. Die Bitter­ erde (Maiine'-ie) findet man im Bittersalze, im Talk, Speckstein, Serpentin, Asbest und Meer­ schaum, wie auch in den Salzsolen und im Meer­ wasser. Sie ist mit Kohlensäure gesättigt, wie der rohe Kalk, laßt sich auch brennen, so wie dieser, aber sie wird nicht ätzend, löst sich auch nicht im Wasser auf. Die Thonerde ist im ge­ meinen Thone mit Kieselerde vermischt, zertheilt sich in vielem Wasser aufs feinste, ohne sich auf, zulösen, macht mit wenigem Wasser einen zähen Teig, zieht sich beym AuStrvcknen und im Feuer immer mehr zusammen, hält aber ihr Wasser hart­ näckig zurück und brennt sich zuletzt so hart, daß sie mit dem Stahle Funken giebt. Aus dem

XIV

E r nleiluttg.

Thone macht man Ziegel und allerhand Töpferarbeit, Fayence, Steingut, wie auch achtes Pvrzellän. Die Schwererde (Baryte) ist im Schwer, spate mit Schwefelsaure, und im Witherit mit Kohlensäure verbunden. Gebrannt löst sie sich in geringer Menge im Wasser auf, ist unschmelzbar, und eigenthümlich schwerer, als andre Erden. Die Stronti anerde ist im Schwerspate Strontianit und andern Mineralien, wird durch ein sehr hef­ tiges Brennen von ihrer Kohlensäure befreyt, hat alsdann einen ätzenden Geschmack, löst sich in Vie, lem Wasser auf, ist aber sonst von der Kalk, erde verschieden. Die Zirkon erde findet man im Zirkon und Hyazinth. Sie ist unschmelzbar und in Säuren und Wasser unauflöslich. Bloß mit dem Borax schmilzt sie zu Glase. Die Gly­ cin er de findet man im Beryll und Smaragd. Sie ist weiß, geschmacklos, unschmelzbar, und bildet mit Säuren süße Salze.

y. Von den Säuren und Alkalien, besonders von den mineralischen Säuren, wird in den Brie­ fen umständlich geredet werben. Hier führe ich nur anr die Boraxsäure (Acide buracique) welche man auch Sedativ salz nennt. Sie wird durch Schwefelsäure aus dem Borax geschieden, ist wenig säuerlich, und sehr feuerbeständig. Der Borax selbst ist aus dieser Säure und aus Mi­ neralalkali zusammengesetzt, heißt, wenn er roh ist, Tinkal, wird in Tibet, Indien und Persien ge­ graben oder auf dem Grund gewisser salziger Seen gefunden, und in Holland und Venedig gereinigt. Man findet aber die Boraxsäure auch in einigen Erden in Europa. Die vollkommne Arsenik­ säure (Acide arsenique) ist nichts weiter, als

Einleitung.

XV

«in vollkommner Arsenikalk. Die Wasserbleys säure (Acide molybdique) und die Wolframsäure (Acide timstique) sind Kalke des Wasserbteyes und des Wolframs. Eben so ist die Chromiu Msäure (Acide chromique) nichts weiter, als ein vollkommner metallischer Kalk, des im sibi­ rischen sogenannten rothen Bleyerze neuentdeckten Metalls, deü Cbromium. Uebrigens unterscheiden sich alle diese Säuren, in ihrem Verhalten gegen an­ dre Körper, wesentlich von einander. io. Die Metalle unterscheiden sich durch ihre große eigenthümliche Schwere, und durch ihren be­ sondern Glanz, wenn sie rein und nicht verkalkt sind, von andern Körpern. Einige sind dehnbar, als Gold, Silber, Platina, Kupfer, Bley, Zinn, Eisen; andre sind spröde und zerspringen unter dem Hammer, als Spießglas, Kobalt, Wtßmuth u. s. w. Jene nennt man eigentliche Metalle, diese aber Halbmetalle. Ich will diese alte Ab­ theilung, aller Einwendungen ungeachtet, die man dagegen gemacht hat, indessen beybehalten. Die Metalle schmelzen alle, wen» sie hinlänglich erhitzt werden. Einige sind f e u e r b e si ä n d i g, wie Gold, Silber, Kupfer, Platina, Eisen, Zinn, Bley, Nickel, Magnesium, Kobalt, Wolfram; andre sind flüchtig, wie Quecksilber, Arsenik, Spießglas, Zink, Wißmuth. Ferner nennt man Gold, Sil­ ber und Platina edle Metalle, weil sie sich int Feuer nicht verkalken, alle übrige verkalken sich in der Hitze und sind unedle Metalle. Vom Ver­ kalken und Wiederherstcllen der Metalle wird in den Briefen umständlich geredet werden. Die mei­ sten Halbmetalle sehen wir gewöhnlich nur als Kalke. Wenn man aus diesen das Metall wieder

xvi

Einleitung.

herstellt/ so nennt man dasselbe den metallischen K Lnig. Einige Halbmetalle werden sauer, indem sie sich verkalken, und alle Metalle überhaupt lassen sich in Sauren auflösen; auch verbindet sich der Schwefel im Flusse mit allen, ausgenommen das Gold, die Platina und den Zink.

ii. Die Platina ist das schwerste und schwerfiüsfigste Metall, übrigens so feuerbeständig, so unverkalkbar, und so wenig in der tust rostend, als Gold. Es wird nur von Königswasser aufge­ löst, vom Salmiak aber niedergeschlagen, und ist weiß von Farbe. Das Gold ist, nächst der Platina, das schwerste Metall, sehr dehnbar und weich. Es wird nur in Königswasser aufgelöst, und aus ihm auch durch grünen Vitriol, der die Platina nicht niedcrschlägt, niedergeschlagen. Man kann den Goldkalk durch Aether und leichte äthe­ rische Oele, mit welchen man seine Auflösung zusammenschüttelt, und die man hernach verdünstcn läßt, wiederherstellen. Das Silber ist ein edles Metall, sehr geschmeidig und mäßig hart. Es schmilzt bey einer geringern Hitze, als Gold und wird in Scheidewasser aufgelöst. Diese Auflösung ist ätzend, und krystallisirt sich. Man bereiker aus den Krystallen den ätzenden Höllenstein. Das Kupfer ist ein unedles sehr geschmeidiges ziemlich hartes Metall, welches in der Hitze schmilzt, sich verkalkt und zuletzt mit einer grünen Flamme ver­ brennt. Der blaue Vitriol ist ein schweielsaurer Kupferkalk. Sonst wird das Kupfer auch von Scheidewasser und von der Essigsäure ausge­ löst. Mit der letzter» giebt es den Grünspan, einen grünen Kupferkalk. Es wird häufig mit Gold und Silber zusammengcschmvlzen wie auch mit Zink und Zink-

Einleitung

xvu

Zinkerzen. Im letzter» Falle wird es gelb, vnd verwandelt sich »»Messing, Tomback, Prinz» metall oder Similor. Das Bley ist unter den unedlen Metallen das schwerste, weich, fast -ar nicht elastisch, und schmilzt noch vor dem Glühen indem es sich zugleich in einen grauen Kalk, die Bleyasche, verwandelt. Beym Glühen raucht es, und setzt einen gelben Kalk ab, de» Mastikot, aus welchem die Mennige bereitet wird. Endlich wird, bey noch stärkerer Hitze, dieser Kalk schuppig und röthlich, und heißt als» dann Bleyglätte, auch Silberglätte vder G o l d g l ä t t e (Oxide de plomb denn - vitreux). Die Bleykalke machen die Grundlage der gemeine» Glasuren aus. Die Dünste des Essigs zerfressen, wiewohl langsam, das Bley, und verwandeln es in einen weißen Kalk, den man Bley weiß nennt. Es ist im Wasser unauflöslich, löst sich aber, so wie andre Bleykalke, im Essig auf und giebt ihm einen süßliche»» Geschmack. Daher verfälscht man säuerliche Weine mit Bleykalken, um ihnen die Saure zu benehmen. Es sind aber die Bleykalke, so wie die Kupserkalke, wahre (gifte, und jene Verfälschung der Weine entdeckt Wasser, welches mit geschwefelter brennbarer Luft geschwängert ist, wenn man es in die Weine tröpfelt. Das Koch» salz kann durch Dleykalke zerlegt und das Mine» ralalkali desselben abgesondert werden; auch trock» net das Leinöl viel geschwinder, wenn Bleykalk darin aufgelöst wird.

12. Das Zinn ist das leichteste unter den eigentlichen Metallen und macht, wenn man es beugt, ein eignes Geräusch. Es schmilzt leicht, noch vor dem Glühen, und setzt alsdann eine» Hub, Naturl. e. Ib b

XVIII

Einleitung.

grauen Kalk ab, der, wenn man ihn glüht, weiß wird, und alsdann Zi«nasche heißt. Diese macht das Glas undurchsichtig und weiß: Wenn das Zinn glüht, so brennt es mit weißer Flamme, und verkalkt sich zugleich. Aus der Auflösung des Zin.-ee in Kochsalz bereitet man eine dickliche durchsichtige Flüssigkeit, welche an der Luft be, ständig raucht (Muriate oxigene d’eiain), und LibavS rauchen der Geist, auch ZinNbut, ter genannt wird; und aus der Auflösung deö Schwefels in Zinnkalk macht man das sogenannte Musivgold, eine gelbe, metallisch glänzende, blättrige Materie. Man versetzt das Zinn häufig mit Bley und verfertigt daraus allerley 'Gefäße; man schmelzt es auch mit Kupfer zusammen, dem es eine gelbliche Farbe giebt. Solche Mischung ist in dem Glockengute, dem Stückgut« und der Bronze. Auch verzinnt man Kupfer und Eisen. Kein Metall ist so verschieden an Ge, schmeidigkeit und Schmelzbarkeit, als das letztre, das Eisen. Dieses kommt daher, daß es so sehr schwer vom Kohlenstoffe, Phosphor und Schwefel zu reinigen ist, mit welchen, so wie mit dem Braunstein, man es oft aufs innigste vcr, bunden findet. Ucberdieses zieht es den Säure, stoss *) unter allen eigentlichen Metallen am stärk, sie» an, und kann daher selten von ihm ganz b«, freyet werden. Roheisen oder Guß eisen, das­ jenige, was man unmittelbar durch Schmelzung der Eisenerze erhält, enthält allemal Säurestoff wie auch Kohlenstoff. Es ist spröde und läßt sich *) Dieser Stoff kommt aus der Lust, und er verkalkt die Metalle, die ihn verschlucken, wie in den Brie fen umständlich gezeigt wird.

Einleitung.

xix

weder kalt noch glühend schmieden, schmilzt aber ohne Zusatz bey einer starken Hitze. Auö ihm werden Oefen, Kanonen, Bomben und viele andre Sachen gegossen. Wenn es sonst nichts enthält, als Säurestvff und Kohlenstoff, so verwandelt «S sich, durch öfteres Glühen und Schmieden, zuletzt in geschmeidiges Stangeneisen. Dieses laßt sich kalt und glühend schmieden und beugen, ohne zu brechen, ist aber äußerst schwerflüssig, ja es kann in bedecktem Gefäßen ohne Zusatz nicht zum Flusse gebracht werden. Oft aber enrhält das Eisen noch Schwefel oder Phosphor, und da ist es im ersten Falle rothbrüchig, im andern kalt brüchig. Das rothbrüchige kann kalt und weißglühend geschmiedet werden, rothglühend aber ist es brüchig. Das kaltbrüchige Eisen, dergleichen man in den Sumpfcrzen findet, laßt sich kalt nicht schmieden, ist aber leichtflüssig. Der Stahl ent, halt keinen Säurestoff, und überhaupt nichts Fremdes, anßrr Kohlenstoff und etwa Braunstein. Ungehärtet läßt er sich kalt und glühend schnür, den, wenn man ihn aber rothglühend schnell in kaltes Wasser fleckt, so wird er hart und unbieg, sam, oft so hart, daß er Glas ritzt. Durch ein neues Glühen wird er wieder weich. Er ist für sich schmelzbar, und zeigt beym Erhitzen in freyer Luft sehr lebhafte Farben. Zuerst wird er gelb, hernach violett, dann roth und kurz vor dem Glühen blau. Man erhält ihn durch Schmelzen und durch Zementiren aus dem Eisen. Das Eisen verkalkt sich leicht und schon bey geringer Wärme. Es rostet in feuchter Luft, besonders das geschmei, dige Eisen, und dieser Rost zeigt sich als ein vollkommner Eisenkatk, den man auch Eisen saft ran nennt. Der Hammerschlag oder Eisen,

XX

Einleitung

mvhr, den es beym Glühen ansetzt, ist ein um »ollkommner Kalk. Der grüne Vitriol ist schwefelsaures Eisen. 13. Ich komme nunmehr auf die Halbmetalle. Vorher aber will ich zwey merallische Substanzen deschreiben, von denen man zweifelhaft bleibt, ob man sie zu den eigentlichen Metallen oder zu den Haibmetallen rechnen soll: das Quecksilber und den Zink. Jenes sehen wir immer nur flüssig; indessen scheint es, vermöge einiger Versuche, die man mit gefrornem Quecksilber gemacht hat, in seinem festen Zustande dehnbar zu seyn. Der Zink aber macht den Uebergang von den Metallen zu den Halbmetallen. Denn er ist etwas dehnbar, und laßt sich wenigstens zwischen Walzen zu dünr nen Blechen strecken. Das Quecksilber läßt sich in eine mit Wasser angefüllte Vorlage, in welcher es sich unter dem Wasser sammlet, destilliren und dadurch reinigen. Es verkalkt sich sehr leicht durch bloßes Reiben oder Schütteln in freyer Luft, und weil es dadurch nach und nach seine Flüssigkeit verliert, so nennt man diese Verkalkung d«e Tödtung des Quecksilbers. Dieser Kalk ist grau und unvollkommen, oder, mit Schwefel gerieben, schwarz. Wenn man aber das Queck­ silber in einem Gefäße mit einem sehr hohen Halse 2 bis 3 Monate nach einander tnt Sandbade einer immer gleichen sehr starken Hitze aussetzt, so ver­ wandelt es sich in einen vollkommnen Kalk. Er ist roth und heißt rothes Präzipitat (Mer« curius praecipitatus per se). Eben einen solchen Kalk erhält man, wenn man das Quecksilber in Salpetersäure auflöst, die Auflösung bis zur Trockne abdampfen läßt, und nachher durch ein

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allmählich verstärktes Feuer, unter Zutritt der Luft, erhitzt. Denn so wird die Anfangs weiße Masse zuerst gelb, hernach allmählich roth. Man unterscheidet diesen Kalk mit dem besondern Na, men r Merctirius praecipitatus ruber, er ist aber mit dem vorhergehenden völlig einerley. Der kocht saljsaure durch Sublimiren erhaltne Quecksilber, kalk heißt ätzendes Sublimat, und ist das tövtlichste aller Gifte. Aus ihm macht man, mit laufendem Quecksilber vermischt, ein neues Sudli, mat, das versüßte Quecksilber, welches man als Arzeney braucht. Wenn man Quecksilber mit Schwefel reibt, oder zusammen schmelzt, so bildet sich in beiden Fällen eine schwarze Masse, die man einen Mohr nennt. Im Falle des Schmelzens entzündet sich di« Masse mehrentheils von selbst, und giebt, wenn man sie subkimirt, den Zinnober. (Der Unterschied zwischen dem Mohr und Zinnober besteht darin, daß der erstre geschwefelten Wasserstoff, der letzrre aber bloß Schwefel enthält). DaS Quecksilber löst Gold, Silber, Zinn, Bley, und die meisten andern Me« talle auf. Man nennt diese Auflösung Am al, gama, und sagt, daß die Metalle sich mit dem Quecksilber amalgamiren oder verquicken. Des Zink ist weiß, von einem straligen Bruche, und wird aus dem Gallmey, der Blende und an, der» Zinkerzen erhalten. Er ist 6 bis 7 Mal eigenthümlich schwerer als Wasser und seiner Werf bmdungen mit dem Kupfer habe ich schon erwähnt. Er schmilzt kurz vor dem Glühen und giebt als, dann einen unvvllkommnen grauen Kalk. Beym Glühen entzündet er sich, und verwandelt sich in einen sehr lockern weißen Kalk, den man Zink, blumen (Nihilum album. Tutia) nennt. Der

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weiße Vitriol oder Gallizenstein ist schwefel, saurer Zink.

14. Das Spießglas (Antitnonium), oder vielmehr der König desselben, ist ein weißes, sehr sprödes, flüchtiges Halbmetall, etwas leichter, als Zink, welches sich auf verschiedne Art verkalkt. Das aus dem grauen Spießglaserze geschmolzne Spießglas, welches man das rohe nennt (Antimonium crudum), ist mit Schwefel vereinigt. Man macht aus dem Spießglase verschied»« Arze­ neyen und unter andern den Goldfchwefel (Sulfur auratum antimonii) (einen mit wasser» sivffhaltigem Schwefel verbundnen Spießglaskalk). Man braucht das Spteßglas auch zur Reinigung des Goldes, mit welchem es sich leicht vereinigt. Der Wißmuth, oder sein König, ist röthlich weiß, s«hr spröde, sehr flüchtig, und 9 bis io Mal schwerer, als Wasser. Die Schwefelleber *) schlagt die Auflösungen deS Wißmnths in Säuren schwarz nieder. Wenn man daher mit einer Auflö­ sung des Wißmuths in verdünnter Salpetersäure etwas schreibt, so kann man die nach dem Trock­ nen ganz unsichtbare Schrift schwarz und sichtbar machen, indem man ein mit Schwefelleberauflösung angefeuchtetes Papier auf sie deckt. So giebt der Wißmuth eine sogenannte sympathetische Dinte. Der Arsenik ist eins der stärksten Gifte, und verräth sich, auf glühende Kohlen gestreut, indem er verbrennt, durch seinen knvblauchartigen Geruch. Der König dieses weißen und reinen metallischen Kalkes ist spröde, grauweiß, sehr flüchtig und 8 Mal schwerer als Wasser. Er verbindet sich vor» •) Sie besieht au« Schwefel und Alkali.

Einleitung.

XXIII

züglich mit Schwefel, Eisen und Phosphor. So findet man ihn im Rauschgelb/ Operment, M i s p i ck e l u. f. w- Das Kupfer macht er weiß, wenn er damit zusammengeschmvlzen wird. Der Arsenik verbrennt, und giebt alsdann jenen unvvllkommnen weißen Kalk, von welchem ich geredet habe, der eine unvollkommne Saure «st. Der vollkommne Kalk ist auch als «ine eigne und vollkommne Saure anzuschn. Der Arsenik begleitet mehrentheils den Kobalt, dessen werßer, spröder und etwa Mal das Wasser an Schwere übertreffender König vorzüglich wegen seinen magnetischen Eigenschaften merkwürdig ist. Kvbaltkalk mit Glas oder Borax geschmolzen giebt ei» blaues Glas, welches in Mühlen fein gemahlen wird, und alsdann Smalre oder blaue Farbe heißt. Wenn man den Kobaltkönig in Salpetersäure auf­ löst und Kochsalz zusetzt, so wird die Auflösung grün, und giebt eine sympathetische Dinte, deren an sich unsichtbare Züge, durch die Erwarmung, grün, bey der Erkaltung aber wieder unsichtbar werden. Eine ähnliche blaue Dinte erhalt man durch die Auflösung des Kobaltkalks tu desttllirtem Weinessig. 15. Der Nickel hat einen röthlich grauwei­ ßen, festen, etwas dehnbaren, strengsiüssige» Kö­ nig, der y Mal schwerer ist, als Wasser. Der Braunstein, dessen König die Franzosen Man­ gan esc nennen, em hartes, sprödes, sehr streng­ flüssiges , das Wasser an Schwere 7 Mal über­ treffendes Halbmetall, ist vorzüglich wegen der vie­ len säuernden Lust merkwürdig, die er im Gmben giebt. Er benimmt dem Glase, wenn er damit geschmolzen wird, feine Harbe, und wird auch zur

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Einleitung

schwarzen und braunen Glasur gebraucht. Da< Wasserbley (Molybdaena) hat einen sehr weichen, abfärbenden, bleygrauen König, dessen Kalk eine eigne Säure ausmacht (Acide molybdique). Der Wolfram, dessen König man noch nicht gehörig kennt, ist unter audern im Tung­ stein oder Schwcrstetn enthalten. Sein Kalk ist ganz unschmackhaft, verhält sich aber dennoch, in andern Absichten, wie eine Saure. Man nennt diese Saure auch Tungsteinsaure (Acide tnnstique). Dao Uranium befindet sich in der sogenannten Pechblende und im grünen Glimmer oder Chalkolith, so wie das Litanium im rothen Schörl und einigen andern Mineralien. Dieses hat einen rvthgelben, jenes einen dunkelgrauen König Das Chromium befindet sich im rothe» stbirtschen Dleyerze Sein Kalk färbt den Borax grün, wenn er mit ihm geschmolzen wird. Sei» unvollkommner Kalk »st grün, der vollkommne aber roth und zugleich sauer. Zum Beschlusse führe ich noch das Reißbley oder den Graphit (Plumbago), nicht als ein besondres Metall, son­ dern als eine Materie an, die oft mit ander« Mmeralien, besonders mit dem Eisen, vermischt ist, und mit dem Wasserbleye nicht verwechselt werden muß. Der Graphit besteht aus 9 Theilen Kohle und einem Theile Eisen, ist sehr weich und abfärbend, daher er auch zu Bleystiften gebraucht wird, und verbrennt, bey einem starken Zugänge der Luft, langsam. Oie Kvhlenblende ist ihm ähnlich, aber mit vieler Erde vermischt, und daher Noch schwerer im Feuer zu zerstören, als der Graphit. 16. Ich habe oben der mineralischen Säuren erwähnt; es ist nöthig, daß ich auch die organi,

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fchen Säuren anführe, welch« in thierischen oder pflanzenartigen Körpern gefunden werden. Sie lassen sich durch das Feuer jerstören und unter gewissen Umständen eine in die andre verwandeln, unterscheiden sich aber demungeachtet durch ihre Eigenschaften so, daß man jede als eine besondre Säure ansehen muß. Hierher gehört die Berne steinsäure (Acide succinique), welche den übrigen vegetabilischen Säuren völlig ähnlich ist, und den vegetabilischen Ursprung des Bernsteins noch mehr bestätigt. Man erhält sie durch ein trockncs Destilliren aus dem Bernsteine und sie scheint ei» Produkt des Feuers ju seyn. Ihre Krystalle sind flüchtig und lösen sich in heißem Wasser leicht, in kaltem aber schwer auf. Die Weinsteinsäure (Acide tartareux) kommt vom Weinstein, der, wenn er von seinen heftigen fremden Theilen ge­ reinigt ist, und die Gestalt eines Pulvers hat, Weinsteinrahm (Cremor Tartari) genannt wird. In ihm ist die Säure mit Gewächsalkali verbunden; sie verläßt aber dieses, und vereinigt sich mit Kalkerde, wenn man mit dieser den Wein­ stein kocht. Gießt man nun hernach auf die wein­ steinsaure Kalkerde (Tartritede chaux) ver­ dünnte Schwefelsäure, so erhalt man durch Digeriren Durchseihen und Abdunsten zuletzt die Wein­ steinsäure in blättrigen Krystallen, die sehr sauer und sehr flüchtig sind. Sie ist ein Edukt, und es entsteht wieder Weinstein, wenn man sie gehörig mit Gewächsalkali versetzt. Die Saueramp fsäure (Acide oxalique) erhält man aus dem auSgepreßten und gereinigten Safte des zerstampf­ ten frischen Sauerampfs oder Sauerklees (Oxalis acetosella), aus welchem das Sauerklee­ salz (Sal acetosellae) anschießt, das die Säure

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Einleitung.

Mit Gewächsalkali verbunden enthält. Die erster befreyet man durch Hülfe der Schwererde und der verdünnten Schwefelsäure Sie bildet sich in spießigen sehr sauern Krystallen. Wenn man schwache Salpetersäure mit der Weinffeinsäure ge# linde deffillirt, so verwandelt sich diese in Sauere ampfsaure. 17. Wenn man den ausgepreßten heiß durch, seihten Zitronensaft mit gepüivcrter Kreide sättigt, und den durchseihten Niederschlag mit sehr ver, dünnter Schwefelsäure kocht, so erhält man die Zitronensäure (Acide citrique) in Krystallen, die sich auch in den unreifen Weintrauben findet. Auf eine ähnliche Art bekommt man die Aepfel, säure (Acide malique) aus dem ungegvhrnen Aepfelsafte. Sie läßt sich aber nicht in Krystallen barstrllen, sostdern ist zerfließend. . Sie befindet fich, mit der Zitronensäure vermischt, in den Kitt schen, Hanbutten, Schlehen, Pflaumen, Stachel, beeren, Johannisbeeren, Erdbeeren, Himbeeren und den meisten übrigen Früchten, so, daß diese keine ihnen eigne Säuren haben. Die Essigsaure erhält man aus dem Essig. Der gehörig deftillirte Essig ist klar, ohne Farbe, und als «ine unvvll, kommne Essigsäure (Acide aceteux) anzm sehn, die sich nicht krystallisiren läßt. Wenn man Ihn aber kvnzentrirt, indem man sehr trocknes ge, pülvertes essigsaures Mincralalkali mit sehr trvck, nem kryffallisirtem, und gepülvertem, mit Schwe, ftl'aiire übersättigtem Gewächsalkali, zusammen gelinde desttllirt, so erhält man die vvllkommne Essigsaure (V,ide acetique), welche bey der Kälte in Krystallen anschießt und brennbar ist. Die Galläpfelsäure (Acide gallique) erhält

Einleitung. -man aus

den Galläpfeln,

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der Eichenrinde, und

andern Pflanzenthetlen, die einen zusammenziehen» den Geschmack haben. Sie sublimirt sich nämlich, hey einer trocknen Desiillazivn dieser Körper, als ein glanzendes lockres Salz in nadelförmigen Kry­ stallen. Sie schlagt die Auflösung des Eisenvi­ triols schwarz nieder. Die Benzoesäure (Acide benzoique) hat einen ganz eignen nicht merklich sauern Geschmack. Man zieht sie aus dem Benzoeharze, indem man es mit gebranntem Kalke und Wasser kocht, und nachher Kochsalzsäure zu­ setzt. Sie schießt in nadelförmigen Krystallen an. Man macht-vorzüglich in der Schwei; aus abge» klärten eingedickten Molken den Milchzucker, eine zuckerartige Substanz, welche sich zuletzt in den Molken krystallisirt. Wenn diese mit verdünnter Salpetersäure gelinde destillirt wird, so erhält man unter andern ein weißliches Pulver, welches eine eigne Säure, nämlich die Milchzuckersänre (Acide saccho-lactique), ausmacht. Aus der Kohle von Knochen, Blut und andern thierischen Theilen läßt sich ebenfalls eine eigne Säure abson­ dern, die wenigstens einige Eigenschaften der Sau­ ren hat, und welche man die Blausäure (Acide prussique) nennt. Sie schlägt das Eisen aus dem Eisenvitriole blau nieder, und bildet so das preusfische Blau, oder das Derlinerblau, von welchem sie ihren Namen erhalten hat. Auch aus den Ameisen und den Puppen der Seidenwürmer lassen sich zwey besondre Säuren, die Ameisensäure (Acide formique) und die Raupensäure (Acide bombique) anspressen, so wie auS den Dlasensteintn durch Sublimiren die Steinsäure (Acide lithique) gezogen wird; und aus dem Fleische, aus Hefen, Knochen und Wolle hat Herr

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Einleitung.

Dttthollet eine neue Säur'«, die Fleisch säure (Acide zoonique) erhalten. Der Zucker ist als ein ganz besondres Salz anzusehen , welches weder zu den sauren, noch zu den alkalischen, noch zu den Mittelsalzen gehört. Lurch das Oestillrren giebt er ein saures Gemische von Essigsäure und Sauerampfsäure.

18. Das Gummi ist ein Pflanzenfchleim, der sich im Wasser, aber nicht im Weingeiste auflösen, und durch Salpetersäure in Sauerampfsäure, durch Kochsalzsäure aber in Zitronensäure verwandeln läßt. Das Harz hingegen löst sich im Weingeiste, aber nicht im Wasser, auf und ist seht brennbar. Dahin gehört das Pech, der Benzoe, der Weihrauch, der Kopal u. s. w. Zu den flüs­ sigen Harzen gehören der Terpentin und alle Arten der natürlichen Balsame. Man hat andre Mate­ rien , die aus Pflanzensaften erhärten und sich weder im Weingeiste noch im Wasser ganz auflö­ sen lassen, wie die Myrrhe, Eummigurti, Opium, stinkender Asand u. s. w. Man nennt sie Gum­ miharze, ungeachtet sie nicht aus Gummi und Harz zusammengesetzt sind. Das Federharz ist eine Materie, die als eine Milch aus einem Bau­ me in Amerika quillt, nach und nach an der Luft erharret, dehnbar, lederartig und höchst elastisch wird, und sich weder im Weingeiste noch im Was­ ser auflösen läßt. Aus den Saamen vieler Pflan­ zen lassen sich Oele pressen, die man zu Lampe» brauchen kann, die auf dem Papiere, wenn man sie darauf tröpfelt, fertige Flecken zurücklaffen, und weder einen starken Geruch noch Geschmack ha­ ben. Ma« nennt sie fette Oele (Olea dulcia, expressa). Einige von ihnen, als das Leinöl,

Hanföl und Mohnöl, trocknen zuletzt an det Luft, andre aber, als das Baumöl, Rüböl und Man, delöl bleiben immer schmierig, wenn man sie auf Körper streicht. Alle werden mit der Zeit an der Lust ranzig, welches von einer in ihnen anfan, genden Säuerung herrührt. Durch die Sauren werden sie verdickt und im Wasser lassen sie sich zwar nicht auflösen, aber doch aufs feinste zerthei­ len. Sie bilden alsdann oft mit ihm eine Art von Milch, wenn man solche Caamen, die fette Oele enthalten, mit Wasser abreibt. Die äthe­ rischen Oele (Olea aetherea, essentialia, destillata) erhält man mehrentheils durch das Destilliren mit den abgezognen Wassern zugleich (5). Sie sind flüchtig, lassen auf dem Papiere, wor­ auf man sie tröpfelt, keine Fettflecke zurück, rie­ chen sehr stark, lösen sich in Weingeist auf, welches die fetten Oele nicht thun, und schwimmen mehrentheils auf dem Wasser, außer den Oelen der Gewürzpflanzen heißer Länder, dergleichen daS Zimmtöl, Gewürznelkenöl u. s. w. ist, welche im Wasser zu Grunde gehen. Auch durch das Aus­ pressen der Schalen der Zitronen und Pommeran­ zen erhält man ätherische Oele. Einige ätherische Oele sind ganz farbenlos, wie das Terpentinöl, welches man auch wohl Terpentingeist *) zu nen­ nen pflegt; andre sind gefärbt. Mit der Zeit werden die ätherischen Oele durch den Beytritt der just, dick, harzig und verlieren ihren Geruch gänzlich. Sie lösen die fetten Oele das Feder­ harz und die Harze auf. Die brenzligen oder *) Man nennt zuweilen alle ätherische Oele, wenn sie recht flüchtig und leicht find, Geister der Pflanzen.

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empyrevmatischen Oele erhält man durch «in trockneö Destilliren, bey großer Hitze (6) , aus Knochen, Hörnern und andern thierischen und ve­ getabilischen Theilen/ wie auch aus einigen Mine­ ralien. Sie sind dick/ brennbar/ von dunkler Farbe/ und von brandigem unangenehmen Gerüche und Geschmacke. Das Guajaköl/ das Hirschhornöl, das Bernsteinöl gehört/ nebst vielen andern/ hier­ her/ und selbst der Ther ist ein harziges unreines brenzliges Oel. Diese Oele werden vom Wein­ geiste aufgelöst, und können durch ein wiederholtes Destilliren so gereinigt werde»/ daß sie sich fast völlig in ätherische Oele verwandeln.

19. Wenn man frische Knoche»/ Hörner/ Klau­ en/ Federn/ Haare/ Haut/ Blut/ oder einige andre thierische Theile/ in eine irdne oder eiserne Retorte bringt/ und diese nach und nach bis zum Glühen erhitzt/ so erhält Ma»/ außer den Luftarttn / welche sich entwickeln, Ammoniak und ein brenzliges Anfangs dünnes zuletzt aber dickes und fast pechartiges Oel. Dieses kann man zwar durch ein wiederholtes Destilliren reinigen/ es unter­ scheidet sich aber dennoch immer von den aus Pflanzen gezognen brenzligen Oelen. In der Retorre bleibt eine Kohle zurück/ welche/ wenn sie von Knochen kommt/ den organischen Bau dersel­ ben zeigt. Sie ist.sehr schwer einzuäschern/ oder zu kalziniren/ wenn man sie aber eingeäschert hat/ so zeigt die Asche keine Spur von Alkali, sondern sie besteht größtentheils aus einer Kalkerde, die mit Phosphorsäure gesättigt ist. Jedoch findet man auch etwas Blausäure und Kohlensäure darin. Wahrscheinlich ist die Phosphorsäure ein Produkt des Feuers/ und bloß der Phosphor, vielleicht mit

Wasserstoff und Stickstoff vereinigt, schon vorher in den Knochen vorhanden gewesen. Die Schalen hingegen der Schnecken und Muscheln, die Krebs­ schalen, Perlen und Krebcstetne, die Korallen, und andre steinichte Gehäuse der Würmer und Insekten, bestehen auü Kalkerde, die, so wie der gemein« Kalk, bloß Kohlensäure, »der vielmehr Kohlenstoff und Wasser, enthält.

Diese wenigen mineralogischen und chemischen Dorkenntnisse scheinen mir zum Verstände der fol­ genden Breese hinreichend zu seyn. Uebrigens wird man es mir, wie ich hoffe, vergeben, daß ich der neue» Französischen chemische» Nomenklatur nicht in allem blindlings gefolgt bin. Ich s>he z. B. nicht die geringste Ursache, warum ich den allge­ mein bekannten Namen Luft mit der barbarische» Benennung Gas vertauschen, und dasselbe Wesen, was jedermann als gemeine Luft kennt, atmo­ sphärisches EaS benennen sollte. Will man ja den Namen Gas gebrauchen, so sollte man ihn, baucht mich, bloß denjenigen luftförmigen Materien geben, die ihre Form vom Wasserdampfe erhalten zu ha­ ben scheinen, und sich von den wahren Luftarten in vielen Absichten sehr unterscheiden. Ueberdieses find viele deutsche Namen, die man nach de» neuern Französischen gemodelt hat, so holpricht, daß ich mich nicht habe überwinden können, sie in einem Buche, welches nicht für Chemisten von Profession bestimmt ist, zu brauchen- Wie schlep­ pend z. B. ist nicht der Name: Kohlenstvffwasserstoffgas oder kohlenstoffhaltiges Wasser stvffgas, oder SchwefelwasserstoffS a e? zu geschweige», daß viele Französische Be­ nennungen , j. B. Hydrosulture; Sulfure hy-

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Einleitung

drogene ganz unübersetzbar find. So lange also nicbt die deutschen Chemisten sich über eine neue und bequemere, dem Genie der deutschen Sprach« angemeßnere Nomenklatur vereinigen, wird man mir es erlauben, zum Theil die alten allgemein bekannten Benennungen beyjubehalten, oder, wo es nothwendig seyn sollte, auch neue zu brauchen, welch« die Ohren nicht so sehr beleidigen, als die nach den Französischen gemodelten.

P h \Y/

Erster Brief. 93?att

erkennt

die Erze, oder die Steine und

Erden, welche in beträchtlicher Menge Metall ent­ halten, mehrentheilö an ihrer vvrjüglichen eigen­

thümlichen Schwere. Der Magnet, mit dessen sonderbaren Eigenschaften ich Sie jetzt unterhalten will, gehört auch unter die schwereren Steine, und ist ein Eisenerz, mehrentheilö sehr hart und schwärzlich, oder dunkelbraun, zuweilen aber auch so weich, daß man ihn mit dem Nagel zerkratzen kann, oder von einer weißlichen oder andern Farbe. Er unterscheidet sich dadurch von allen andern Steinen und Erzen, daß er das Eisen an sich zieht, und schon die Alten kannten ihn von dieser Seite. Wenn man ihn in Eisenfeile legt, so bedeckt er sich mit derselben so stark, daß er, da die Eisenthcilchen gleichsam an ihm kleben und sich in verschiednen Lagen aufrichten, von den kleinen Spitzen, mit welchen er besetzt ist, ganz rauch auösieht, indem man ihn wieder aufhebt. Eine an einem Faden Hangende Nähnadel wird von ihm schon in der Ferne ««gezogen und hangt sich fest an ihn; so wie dagegen em Magnet, der auf einem Brete schwimmt, schon in der Ferne vom Eisen angezvgen wird. Man hat kleine, hohle, aus Schmelzweck gemachte Fische, Enten o. f. w. welche auf dem Wasser schwimmen, mit etwas Eisen im Munde oder im Schnabel. Halt man gegen diese einen Magner, so nähern sie sich ihm, und weder Holz, Glas oder andre Körper,

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Erster Brief.

noch selbst die Flamme, halten diese Wirkung auf. Nähnadeln, die auf einem Tische oder Teller lie#

gen, bewegen sich, wenn man unter dem Tische einen Magnet hin und her bewegt, oder ihn seitwärts vorbey führt, wenn gleich zwischen ihm und den Nadeln Weingeist brennt, oder Bücher und andre Körper liegen, oder auch wenn die Nadeln unter einer Glocke im luftleeren Raume befindlich sind. Diese Kraft des Magnets hangt weder von seiner Härte noch von seiner Gestalt

oder Farbe ab, ob sie gleich in verschiednen Stei­ nen sehr verschieden, und besonders in denen, die man in Europa in der Erde findet, mchrentheils nur schwach ist. An jedem Magnet findet man gewisse Punkte, wo seine Anziehung am stärksten ist, und diese nennt man seine Pole. Gewöhnlich hat jeder Magnet zwey Pole, die einander gerade entgegen gesetzt sind. Man erkennt sie leicht, wenn man einen Magnet in Eisenfeile legt, weil sich in diesen Punkten die Eisentheilchen in der größten Menge und senkrecht auf die Oberfläche des Steins anhängen. Man kann sie aber auch durch ein feines 2 bis 3 Linien langes Stückchen Eisendrath,

welches man langsam auf dem Magnet herum führt, entdecken. Denn dieses stellt sich bloß über den Polen senkrecht auf die Oberfläche des Steins, und neigt sich immer mehr gegen sie, je weiter man es von den Polen entfernt. Man kann eine Nadel oder einen Stab von Stahl, wenn man ihn gehörig mit einem Magnet bestreicht, selbst in einen Magnet verwan­ deln. Ein solcher künstlicher Magnet ist die Ma­ gnetnadel, welche Sie kennen. Sie zieht Eisen an, sie hat ihre zwey Pole, und alle übrige magnetische

Der Magner.

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Eigenschaften eines natürlichen MagnetS. Da sie so sehr beweglich ist, so kann man an ihr am deutlichsten sehen, daß sie einen ihrer Pole bestän­ dig nach Norden, den andern nach Süden richtet. Eben dieses thut aber auch ein jeder natürlicher Magnet, wenn Sie ihn so frey aufhangen, daß er sich drehen kann wie er will, oder wenn Sie ihn auf Quecksilber schwimmen lassen. Jeder Magnet hat seinen Nordpol und seinen Südpol; eine wegen der Schiffahrt höchst wichtige Eigenschaft, welche die Alten gar nicht kannten, und die man die Polarität des Magnets nennt. Halten Sie den Nordpol eines Magnets gegen den Nordpol, oder den Südpol desselben gegen den Südpol einer Magnetnadel, so wird die Spitze der Nadel zurück gestoßen. Nähern Sie aber den Nordpol des Magnets dem Südpole der Nadel, oder ihrem Nordpole den Südpol des Magnets, so wird die Spitze der Nadel angezogen. Uebexhaupt stoßen also gleichnamige Pole einander zurück und ungleichnamige ziehn einander an, weßhalb man auch die erster» feindliche und die letz­ tem freundschaftliche Pole nennt. Natür­ liche Magnete, die sich entweder an Fäden oder auf Quecksilber frey bewegen können, verhalten sich eben so; sie stoßen sich mit den feindlichen Polen zurück, mit den freundschaftlichen ziehn sie sich an. Die gerade Linie, welche von dem Nordpole eines Magnets zu seinem Südpole geht, heißt seine Axe. Sie fallt nicht genau in die Mittagsebne, wenn gleich die Magnetnadel oder der natürliche Magnet ganz frey beweglich ist, so daß er sich richten kann wie er will. Daher unterscheidet man die Vertikalebne, welche durch die Axe eines in seiner natürlichen Richtung stehenden Magnets

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Erster Brief.

geht, oder den magnetischen Meridian von

der Mittagsebne, und der Winkel, den beide Ebnen machen, heißt die Abweichung der Magnet» »adel oder des Magnets. Der Durchschnitt aber seiner Oberfläche, den eine auf die Axe senkrechte und mitten durch sie gehende Ebne macht, heißt der Aequator des Magnets. Es ist aber die Axe eines Magnets in ihrer natürlichen Richtung bey uns nicht einmal hvri»

zvntal. Eine in ihrem Schwerpunkte aufgehangte Magnetnadel zeigt am deutlichsten, daß bey uns der Nordpol sich allezeit tief herabfenkt, der Süd» pol aber in die Höhe hebt. Dieses nennt man die Neigung der Magnetnadel. Schon diese kurze Uebersicht der vornehmsten Eigenschaften des Magners zeigt die große Aehn» lichkeit zwischen der Elektrizität und dem Magne»

tismus. Aber noch viel deutlicher werden wir sie erkennen, wenn wir auf den Turmalin zurück gehn, der zwischen den elektrisirten und magnetischen Körpern gleichsam in der Mitte steht, und uns von der sonderbaren Elektrizität dieses Steins und

andrer ähnlicher Edelsteine einen deutlichen Begriff zu machen suchen. Der Turmalin hat, so wie alle andre Körper, eine gewisse Menge der einen und der andern elektrischen Materie in sich, welche als Elementar» Materien mit den Theilchen desselben allenthalben

verwebt und vereinigt sind, durch diese Vereinigung aber gleichsam gebunden werden und alle Thätig»

keit verlieren. Nehmen wir also an, der Stein habe die Eigenschaft, daß durch seine Erwärmung oder Erkältung ein Theil der elektrischen Materien aus jener Verbindung gerissen und frey gemacht wird, und daß diese Materien sich nach der Richtung

Der Turmalin.

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der Blättchen, aus welchen der Stein zu bestehen scheint, nur äußerst schwer vereinigen können; so läßt sich die Elektrisirung jener Blättchen leicht begreif fen. Wenn z. D. im ersten Anfänge sich in irgend einem Punkte eines Blättchens etwas positive Materie zusammengehäuft hat, so wird diese sogleich alle übrige positive Materie des Blättchens auS einander treiben, weil es sie fortstößt, und dagegen negative Materie zusammentretben, weil es sie anziehr. Zn, dem sich aber diese zusammenhäuft, erhält das Blätt, chen offenbar zwey entgegengesetzte Pole. Da nun die Erwärmung oder Erkältung auf alle oder die meisten Blättchen auf gleiche Art wirkt, so müssen auch die gleichnamigen Pole von allen in einerley Gegend des Steins zusammenkommen. Der ganze Stein erhält also selbst zwey Pole, die sich Wechsels, weise verstärken, weil der eine die positive, der andre die negative Materie beständig zusammen zu ziehen sucht; und beide Pole liegen nach der Richtung der Blättchen, wie man sie auch wirklich bey dem Tur, maltn findet. Je weiter sie aus einander liegen, um desto stärker ist, unter übrigens gleichen Umständen, ihre Wirkung, theils weil einer die Wirkung des an, dern um desto weniger hindern kann, theils weil die Vereinigung beider Materien um desto schwerer ist. Denn ganz unmöglich ist diese Vereinigung niemals, und unstreitig um desto leichter, je näher die beiden elektrischen Materien, welche sich zusammengehäuft haben, einander sind. Schneiden Sie daher einen Turmalin mitten zwischen seinen Polen entzwey, so wird der positive Pol in dem einen Theile, so wie vorher im ganzen Steine, einen negativen, und auf gleiche Art der negative Pol in dem andern Theile einen positiven Pol hervorbringen; nur werden beide Pole in den

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Erster Brief.

beiden Theilen, wegen ihrer Nähe, schwächer seyn, als sie vorher, unter übrigens gleichen Umständen, im ganjen Steine waren. Auf diese Art lassen sich die sonderbaren elektri» schrn Erscheinungen des Turmalin und andrer ahnlts cher Körper einigermaßen begreifen; indem man vorauesetzt, daß, wenn sie innerlich nicht elektrisirt sind, beide elektrische Materien, dadurch daß sie, jede besonders, mit gewissen Theilchen jener Kör, per zusammenhängen, alle ihre Wirksamkeit verlies ren, und daß beide durch die Erwärmung oder Erkaltung oder irgend eine andre äußere Ursache leicht von jenen Theilchen getrennt werden, sich aber Hers nach nur sehr schwer mit den Theilchen oder unter sich wieder vereinigen können. Wahrscheinlich verhalten sich die elektrischen Mas irrten auch im Magnet auf eine ähnlich« Art. Denn obgleich derselbe dem Turmalin in vielen Absichten unähnlich ist, so berechtigt uns diese Unähnlichkeit dennoch keintsweges einen wesentlichen Unterschied zwischen der magnetischen und elektrischen Materie auzunehmen. Vielmehr kann man mit Grunde nicht erwarten, daß die Erscheinungen des Magnets und des Turmalin gar nicht verschieden seyn sollten, wenn gleich di« erste Ursache von beiden bloß in den elektri­ schen Materien läge, da die Wirkung dieser Materien durch die Theilchen der Körper, mit welchen sie so innig verbunden siud, modtfizirt wird, und der Magnet rin ganz andres Gewebe hat, als der Tur­ malin. Indessen läßt sich freilich hier, so wie in den meiste» andern natürlichen Dingen, nichts mit Gewißheit entscheiden, sondern wir müssen uns bloß mit wahrscheinlichen Muthmaßungen behelfen. Der Magnet scheint, wie der Stahl, in seinem Innern mit der elektrische» Materie viel stärker zusam-

Der Magnet.

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menzuhLngen, als der Turmalin, so leitend auch übrigens der Stahl auf seiner Oberfläche ist. Daher kommt es wahrscheinlich, daß der Magnet nie, so wie der Turmalin, andern Körpern elektrische Materie durch einen wirklichen Uebergang mittheilt. Er macht Eisen und Stahl bloß durch die ungleiche Dertheilung magnetisch, und es scheint in ihm und im Stahle auch die Vereinigung der beiden elektrischen Materien viel schwieriger ju seyn, als im Turmalin. Zwar ist er nicht, so wie der Turmalin, aus Blättchen zusammengesetzt, indessen scheint er dennoch nach einer gewissen Richtung die elektrische Materie viel schwerer durchzulaffen, als nach andern Richtungen. Denn da man durch die Kunst die Pole eines Magnets verändern kann, so hat man bemerkt, daß diese, unter übrigens gleichen Umständen, am stärksten wen den, wenn sie, in Ansehung des Magnets, in eine« gewissen Richtung liegen. Wenn man die Pole des Magnets, so wie die des Turmalin, von einer innerlichen Elektristrung herleitet, und ich glaube, daß man dieses ohne Be­ denken thun kann, so begreift man leicht, warum ein Magnet nie nur einen Pol, sondern immct meh­ rere entgegengesetzte Pole zugleich hat, ferner warum ein jedes Stück von einem Magnet wieder mehrere Pole erhält. Diele andre sehr sonderbare Erschei­ nungen lassen sich alsdenn ebenfalls ohne Schwierig» rigkeit erklären. Von den Verschiedenheiten aber zwischen dem Turmalin und dem Magnet lassen sich wenigstens einige sehr wahrscheinliche Ursachen an­ geben. Eine dieser Verschiedenheiten besteht darin, daß die Pole des Magnets viel dauerhafter und weniger veränderlich find, als die Pole des Turmalin. Allein zu geschweigen, baß die Beschaffenheit und

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Erster Brief.

Stärke der Pole eines Magnets nicht von einer so veränderlichen Sache abhängt, als die Erwärmung und Erkaltung ist, so sehen Sie leicht, daß jene Der, schiedenheit unfehlbar bloß daher rührt, daß der Magnet der Vereinigung der beiden elektrischen Ma, trrien viel mehr widersteht, als der Turmalin und selbst als das Eisen. Viel schwerer ist es zu begreifen, warum der Magnet nicht, wie der Turmalin, alle leichte Kör, per, sondern bloß andre Magnete, Eisen und einige wenige andre Materien, anzieht. Ich behalte mir in meinem folgenden Schreiben «ine genauere Unter, suchung dieses wichtigen Punktes vor.

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Zweyter

Brief.

Auf die Frage: warum der Magnet nicht so wie

der Turmalin allerley leichte Körper, sondern bloß Eilen und einige wenige andre Materien anzieht, laßt sich schwerlich eine ganz gcnugthuende Antwort geben. Indessen "kann man doch auch dielen Unter« schred auf eine Art erklären, die wenigstens nicht ganz unwahrscheinlich ist Denn daß der Turmalin ein elektrisches Anziehen äußert, kommt unfehlbar bloß daher, weil er allemal auch auf seinerOberfläche rlekcrisirt wird. Oer Magnet hingegen zeigt eben so wenig auf seiner Oberfläche die geringste Spur von Elektrizität, als ein Nerve oder ein Mnskcl. Seine Elektrizität ist bloß inwendig in der Masse, und daher zeigt sie wahrscheinlich eben so wenig als die thierische das gewöhnliche Anziehen. Wenn man erwägt, wie unglaublich dünn die elektrische Materie gewöhnlich in den thierischen Theilen ist, und wie erstaunend große Wirkungen sie dennoch hervorbringt, da sie sich in allen Punkten der Masse, und nicht bloß in der Oberfläche befindet, so kann man sich kaum enthalten, zu vermuthen, daß auch in dem Magner diese Materie sehr wenig Dichtigkeit haben müsse, und eben deßhalb ihre Gegenwart durch kein elektri« schee Anziehen verrathe. Nähert sich aber der Magner einem Körper, der so wie er beschaffen ist, oder in dessen Jnnerm sich die elektrischen Materien zum Theil und in gewisser Menge leicht aus der Verbindung mit den körperlichen Theilche» reißen und befreyen lassen, so wirkt er auf diese innern Materien, und zieht einen solchen Körper an, indem er ihn magnetisirt

12

Zweyter Brief.

oder elektrisirt. Diese Vermuthung wird dadurch sehr bestätigt, daß selbst der Turmalin und andre Steine/ die einer ähnlichen innern Elektrisirung fähig sind/ vom Magnet angezogen werden. Ein Magnet läßt sich elektrisiren/ und zeigt alsdann/ unbeschadet seines Magnetismus/ alle gewöhnliche Erscheinungen elektrisirtcr Körper; denn seine Elektrizität haftet bloß in der Oberfläche, seine magnetische Kraft aber durchdringt das Innere. Ein isolirter Stab von Stahl kann elektrisirt werden/ ohne dadurch den geringsten Magnetismus zu erhalten. Denn da er auf seiner Oberfläche gut leitet/ so verbreitet sich überall in ihr einerley Elektrizität, z. B. die positive. Wenn diese daher den vorder» Theil des Stabes inwen­ dig negativ machte, so müßte sie dasselbe auch in dem Innern des Hintern Theiles thun. Es kann also kein Magnetismus in dem Stabe entstehn, als welcher immer einander entgegen gesetzte Pole voraussetzt. Eben so wenig kann die gemeine Elektrisirung eines Magnets die Pole desselben schwächen oder verstärken. Sie könnten glauben, daß ich die Polarität, als den vorzüglichsten Unterschied zwischen Magne­ tismus und Elektrizität, vergessen habe. Allein Sie werden in der Folge Sich umständlicher überzeu­ gen, daß unsre Erdkugel als ein großer Magnet anzusehen ist, welcher alle auf seiner Oberfläche befindliche kleine Magnete und Magnetnadeln «»zieht. Folglich reducirt sich die Polarität des Magnets auf die Anziehung, welche zwischen jeden zwey verschiednen Magneten Statt findet. Ohne mich jedoch weiter bey diesen theoreti­ schen Untersuchungen aufzuhalten, eile ich, Ihnen die Eigenschaften des Magnets, von welchen ich

Anziehung des Magnets.

13

Ihnen bereits einen allgemeinen Begriff gegeben habe, umständlicher zu entwickeln. Dieser son­ derbare Stein zieht, wie Sie bereits wissen, Eisen, Stahl, alle Eisenerze, also auch andre Magnete, alle Materien, welche einiges Eisen enthalten, wie auch einige andre Körper an sich. Wenn diese Anziehung etwas stark ist, so erkennt man sie daran leicht, daß ein Körper mit einer gewissen Gewalt am Magnet hängt, wenn beide einander berüh­ ren. Ist aber die Anziehung nur schwach, so muß man den Körper, welchen man untersucht, auf einem Stückchen Holz oder Kork auf ruhendem Wasser schwimmen lassen, und ihm den Magnet allmählich immer mehr von der Seite nähern; ja oft ist die Anziehung so geringe, daß sie nur in einer sehr geringen Entfernung und nur alsdann merklich wird, wenn der Körper auf reinem Queck­ silber schwimmt, welches z. B. einen gewöhnlichen Teller füllt und eine ansehnliche Oberfläche hat. Nur muß das Quecksilber recht gut gereinigt seyn, und oft gereinigt werden, weil es an der Luft «ine Haut bekommt, welche die Bewegung des schwim­ menden Körpers hindert. Zur Untersuchung eines sehr schwachen magnetischen Anziehens bedient man sich oft auch mit Vortheile kleiner und sehr leich­ ter Magnetnadeln, oder gemeiner aber magnetisir1er Nähnadeln, die man in ihrer Mitte an sehr feinen ungcdrehten Fäden, z. B. an starken Spin«efäden, oder an kleinen Kettchen von Roßhaar, aufhängt. Nehmen Sie anstatt des Magnets ein Stück weiches völlig unmagnetisches Eisen, und verfahren völlig eben so wie vorher, so sehen Sie, ob der Körper, den Sie untersuchen, einige magne­ tische Kraft hat oder nicht. Seine Polarität erkennen Sie am besten und leichtesten durch die

14

Zweyter Brief.

Magnetnadel. Denn stößt er mit dem einen End« allezeit in einiger Entfernung ihren einen Pol zurück, und nttt dem andern den andern, so besitzt er Polarität. Sie können durch eine gute Magnet­ nadel auch die Pole eines Magnets am leichtesten und richtigsten bestimmen. Denn sie liegen allemal in denen Punkten, gegen welche sich die Nadel senk­ recht auf die Oberfläche des Magnets richtet. Nur müssen Sie die Nadel in einiger Entfernung von dem Magnet halten, damit sie seine Pole auf keine Art verändre. Diese Methode ist genauer als die mit der Eisenfeile, und vorzüglich alsdann, brauchbar, wenn ein Magnet mehr als zwey Pole hat. Durch dergleichen Versuche hat man gefunden, daß der Magnet vorzüglich das Eisen in seinem reinen metallischen Zustande, und mit der größten Stärke das weiche Eisen anzieht. Er zieht aber auch alle Körper, in denen nur einige Spur von Eisen ist, wiewohl schwach, an, und man kann, wenn man einen Körper zerpülvert, der einige Eiscntheilchen enthält, diese durch einen guten Magnet absondern. Viele Körper werden starker ungezogen, wenn man sie vorher in einem starken Kohlenfeuer durchglühn läßt. Sogar flüssige Auf­ lösungen von Eisen werden vom Magnet angezvgen. Der Magnet zeigt, daß selbst Blut, Fleisch und andre Materien Eisen enthalten, von denen man es nicht vermuthen sollte. Denn er zieht diy Asche jener Materien, so wie auch die Asche ver­ brannter Pflanzentheile, ja selbst den Ruß an. Gemeiniglich hält man die rothe Farbe für ein Zeichen der Gegenwart des Eisens, aber mit Unrecht. Denn der durch Kunst bereitete Zinnober ist auch roth, und enthält dennoch kein Eisen, wird auch

Anziehung des Magnets. durch den Magnet nicht angezvgen. höchst geringe und der sich von den chen man gewisse schon hinlänglich,

15 Oft ist der

ganz unmerkliche Theil von Eisen, Werkzeugen absondert, mit welKörper hämmert, bohrt u. s. w. um zwischen jenen Körpern und

dem Magnet ein schwaches Anziehen zu bewirken. Aber dennoch kann man aus dem bloßen An-

ziehn des Gegenwart zieht auch Turmalin dieser, in

Magnets nicht immer sicher auf die des Eisens schließen. Denn der Magnet manche der farbenlosesten Edelsteine, den und andre Steine an, die sich so, wie ihrem Innern durch die Veränderung

der Wärm« elcktrisiren lassen. Er zieht den reinsten Kvbaltkönig an, der nicht das geringste Eisen wei­ ter enthält, ja man verfertigt sogar aus diesem Halbmetalle sehr gute Magnetnadeln, die völlig eben so gebraucht werden können, als die gemei­ nen Nadeln von Stahl.

Es ist sehr sonderbar, daß es Materien giebt, die wegen des wenigen beygemischten Eisens nicht nur vom Magnet angezvgen, sondern auch zurück gestoßen werden, und eine beträchtliche Polarität zeigen, ohne selbst für sich das Eisen im geringsten

anzuziehen. So findet man bey Rom einen vulka­ nischen Tuf, der schon in einer großen Entfernung die eine Spitze der Magnetnadel mit einer Seite anzicht, mit der andern aber zurück stößt, und dennoch nicht den kleinsten Staub von Eisenfeile erheben kann. Jedes Bruchstück desselben zeigt die­ selben Eigenschaften. *) Ein neulich durch Herrn von Humbold entdeckter Serpcntinstein in der Ober­ pfalz zeigt vollkommen ähnliche Erscheinungen. Indessen gehört freylich nur sehr wenig dazu, um

*)

Memoire sur les isles Ponces. p. 46.

16

Zweyter Brief.

eine Magnetnadel zu bewegen. Herr Cavallo bestrich einen Stein, der nicht die geringste magnetische Kraft zeigte, mit einem Stückchen Stahl. Er fand, daß fich vorn Stahle nicht der zwanzigste Theil eines Grans abgerieben hatte, und dennoch wirkte der Stein nunmehr sehr merklich auf eine sehr bewegliche Magnetnadel. Die Anziehung eines Magnets ist am stärksten, wenn der Körper, den er anzieht, ihn in feinen Polen berührt. Sobald man diesen nur etwas entfernt, so nimmt die Ziehkraft gleich beträchtlich ab, und wird immer kleiner, je mehr der Zwischenraum zwischen dem Körper und dem Magnet tunimmt. Dieses rührt nicht nur daher, daß wirklich die Ziehkraft des Pols mit der zunehmenden Entfernung immer mehr abnimmt, sondern auch daher, daß der andre Pol die Wirkung des erstem nach Verhältniß mehr hindert, wenn sich der angezvgne Körper entfernt, weil der Unterschied in den Entfernungen desselben von beiden Polen nach Verhältniß alsdann gewöhnlich kleiner wird. Man ist daher bis jetzt noch nicht im Stande gewesen, das Gesetz genau zu bestimmen, nach welchem die magnetischen Kräfte mit der Entfernung abnehmen. Der Magnet zieht einen andern Körper voll­ kommen eben so an, wie elektrisirte Körper anziehn, nämlich durch die ungleiche Verthejluug, wie ich Ihnen bereits gesagt habe. Wenn er einen seiner Pole gegen Eisen kehrt, so bringt er zuerst vorn in diesem einen entgegen gesetzten Pol hervor, und nunmehr ziehen die beiden Pole, oder vielmehr die verschiednen elektrischen Materien beider Pole, ein­ ander an. Es ist nöthig, daß ich Ihnen diese wichtige Wahrheit umständlich beweise.

Anziehung des Magners.

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Setzen Sie einen eisernen Stab A B, (Fig. 68. Taf. VI.) etwa 8 Zoll lang und 4Zoll dick, auf den Tisch, und stellen Sie neben A eine Magnetnadel, mit der Nordspitze dem Ende A zur Seite. Nun» mehr nähern Sie den Nordpol eines Magnets dem Ende B, so wird A die Nadelspitze abstoßen; nähern Sie aber an B den Südpol des Magnets, so wird die Nadelspitze sich naher gegen A bewegen. Also hat der Magnet in A zuerst einen Nordpol, hernach «inen Südpol, folglich in B zuerst einen Südpol, hernach einen Nordpol, hervorgebracht. Davon werben Sie Sich noch mehr überzeugen, wenn Sie, während dem daß der Magnet wirkt, in einiger Ent­ fernung längs dem Stabe eine Magnetnadel fvrtfüheen. Denn so werden Sie sehen, daß die eine Hälfte des Stabes nördlich, die andre südlich ist. Ist der Stab einige Fuß lang, so werden Sie an ihm sogar mehrere Abwechselungen der nördlichen und südlichen Polarität finden, die aber nach A zu immer schwächer wird. Ist j. B. nahe an B der Nordpol des Magners, so wird em Stück des Stabes bey B südlich; weiter hin ein Stück, aber schwächer, nördlich; weiter hin ein Stück noch schwächer südlich u. s. w. seyn. Die magnetische Kraft wird so schnell abnehmen, daß bey einer langen und dicken Stange das Ende A oft gar keine Spur von Polarität weiter zeigen wird. Hängen Sic ferner zwey Nähnadeln mit ihren Köpfen an dem Pole eines Magnets auf, so werden ihre Spitzen sich gleich zurück stoßen, zum Beweise, daß sie beide gleiche Pole erhalten haben. Nehmen Sie nunmehr die Nähnadeln vom Magnet ab, so werden sie zwar mit ihren Köpfen und Spitzen, aber nicht Spitze an Spitze, oder Kopf an Kopf, zusammen hangen, und dadurch zeigen, daß sie beide in den Hube Naturl. 2. Th.

B

iS

Zweyter Brief.

Köpfen gleichnamige, und in den Spitzen entgegen gesetzte Pole habe». Hangen Sie endlich zwey Nähnadeln A und B an Faden auf, (Fig. 62. Taf. VI.) so werden sie, wenn ihnen der Pol eines guten Magnets von unten nur etwas nahe kommt, auseinander fahren, (Fig. 63.) weil beider Spitzen, so wie auch die Köpfe beider, gleichnamige Pole erhalten. Nähert sich der ihren Spitzen freundschaftliche Pol des Magnets noch mehr, so nehmen die Nadeln die Lage der 64. Figur an. Ihre Spitzen nämlich richten sich nach dem Pole des Magnets, ihre Köpfe aber stoßen sich noch immer zurück. Diese Versuche sind, wie ich glaube, hinlänglich, um den oben angeführten wichtigen Grundsatz zu erweisen, aus dessen gehöriger Anwendung sich unzäh­ lig viele sehr sonderbare Erscheinungen auf eine leichte und ungezwungne Art erklären lassen.

i9

Dritter

Brief.

Abgleich ein Magnet in jedem Stück Eisen, welches

er anjieht, Pole hervorbringt,

so verliert dennoch das weiche Eisen seine Polarität den Angenblick wie­

der, nachdem man es vom Magnet entfernt hak, und nur das harte Eisen oder der Stahl behalt sie eine Zeit lang bey. Es scheint, daß jenes die elektri­ sche Materie in seinem Innern viel stärker leitet als dieses, und daß daher die beiden in beiden Polen abgesonderte» Materien sich gleich vermilchen oder mir den Eisentheilchen vereinigen, sobald die Wir­ kung des Magnets aufhört Glühendes Eisen wird vom Magnet garnicht einmal angejogen, vermuth­ lich weil es inwendig so sehr stark leitet, daß es in

verschrednen Stellen gar nicht auf verschiedne Art elektrisirt werden kann. In denen Körpern, welche der Magnet anziehk, reißt er zuerst eine gewisse Menge der elektrischen Materien aus ihrer Verbindung mit den TbeUchen der Körper, und alsdann häuft er gewöhnlich in dein nächsten Ende eines Körpers die Materie an, welche der, die sich in seinem nächsten Pole befindet, entge­

gen gesetzt ist. Aber nicht immer geschieht das letztre. Es scheint, daß zuweilen besondre uns unbekannte Ur­ sachen vorhanden sind, welche machen, daß die positive Materie sich nicht anderswo als an der einen, und die negative Materie nur an der andern Seite anhaufen kann. Wenigstens scheint sich die Sache bey dem Tuf und dem Serpentinsteine, von denen ich in meinem vorhergehenden Schreiben geredet habe,

so zu verhalten»

Daher zelgen diese Körper immer

20

Dritter Brief.

eine gewisse Polarität, ungeachtet sie sich übrigens

wie weiches Eisen verhalten, und allen Magnetismus verlieren, sobald der Magnet oder die Magnetnadel

nicht weiter auf sie wirkt. Uebrigens machen beide bloß eine ganz ungewöhnliche Ausnahme von der sonst ganz allgemeinen Regel, daß jeder magnetische Pol durch seine Wirkung in einem unmagnetischen Körper einen entgegen gesetzten Pol erzeugt. Nach dieser Regel richtet sich unter andern die Eiscnfeilc, wenn man sie dünn auf ein auf einem Tische liegendes Blatt Papier streut, einen magnetischen Stab mitten in sie legt, und hernach gelinde mit der Hand auf den Tisch klopft, damit sie durch die Reibung des Papiers nicht verhindert wird sich frey zu richten. (Fig. 72. Taf. VI.) Sie bildet alsdann jene regelmäßigen Linien um den Magnet

herum, die man sonst als einen augenscheinlichen Beweis des Wirbels der magnetischen Materie ange­ sehen hat, die aus einem Pole desselben heraus, und in den andern hinein strömt. In der That aber ent­ stehen diese Linien aus keinem Strome oder Wirbel, sondern bloß daher, daß jedes Eisenstäubchen ein Magnet wird, und zwey Pole erhält. So muß jedes an den beiden schmalen Enden des magnetischen Stabes auf den Polen desselben senkrecht aufstehen, weil nach dieser senkrechten Linie der Südpol des Stäubchens vom Nvrdpole, und der Nordpol desselben vom Südpole des Magnets angezogen wird. Weiter hin zu beiden Seiten des Nordpols des Stabes hän­ gen zwar die Stäubchen noch immer mit ihrem Süd­

pole am Stabe, neigen sich aber immer mehr mehr mit ihrem Nordpvle gegen den Südpol Magnets, weil sie von diesem immer stärker, dem Nordpole aber immer schwächer angezogen

und des von wer­

den, je weiter sie von diesem entfernt sind.

Auf

Anziehung des Magnets.

21

«ine ähnliche Art verhalten sich auch die Stäubchen, welche den Stab nicht berühren.

Endlich mitten

zwischen den beiden Polen des Stabes werden die Stäubchen dem Stabe parallel, weil ihre beiden Pole von beiden Polen des Magnets gleich stark angezogen werden. Weiter hin verhalten sich die Theilchen völlig wieder eben so, wie auf der ersten Hälfte des Stabes, nur daß sie sich nunmehr mit ihren Spitzen, die hier südlich sind, gegen den Nordpol des Stabes neigen. Uebrigens erhalten Sie ähnliche Figuren, wenn Sie den Magnet auf einen Tisch legen, ihn mit einer Glasscheibe bedecken, auf diese die Eisenfeile sieben,

und leise auf sie klopfen. Wenn Sie an den einen Pol eines horizontalen magnetischen Stabes ein so großes Gewicht von Eisen hängen, als er nur tragen kann, so fällt dieses ab, sobald Sie einen Stab von weichem Eisen auf jenen Stab legen; weil in dem über dem tragenden Pole befindlichen Ende des Stabes ein entgegen gesetzter Pol erzeugt wird, der das hängende Gewicht von

Eisen, in welchem eben derselbe Pol hervorgebracht worden ist, abstößt. Eben dieselbe Wirkung erhalten Sie durch einen zweyten magnetischen Stab, den Sie anstatt des unmagnetischen auf den ersten magnetischen Stab so legen, daß die freundschaft­ lichen Pole über einander kommen. Liegen aber die feindlichen Pole auf einander, so wird die magneti­ sche Kraft verstärkt, und es kann ein größtes Gewicht von Eisen getragen werden. Die Stärke des Anziehens bey der Berührung hängt nicht nur von der Stärke des Magnets, son­

dern auch von der Beschaffenheit des angezogenen Körpers ab. Nicht alles Eisen läßt sich unter glei­ chen Umständen gleich stark magnetisiren. Je stärker es aber bey der Annäherung an den Magnet von

22

Dritter Brief.

diesem magnetisirt wird, um desto stärker hängt es

nachher den der Berührung mit ihm zusammen, weil das Anziehen wechselseitig, und um desto größer ist, je stärker die beiden sich anziehenden Pole sind. Wenn Sie verschiedne gleiche eiserne Stäbe, auf die in dem

vorher gehenden Schreiben beschriebne Art, durch Annäherung eines Magnets magnettsiren, so werden Sw immer finden, daß weiches Eisen viel mehrer» Magnetismus zeigt als hartes, so lange der Magnet wirkt. Aber weiches Eisen hangt auch unter ubri# gene ganz gleichen Umstanden bey der Berührung viel stärker mit dem Magnet zusammen als hartes, oder als Stahl. Aber auch auf die Größe der berührenden Ober­ fläche, und selbst auf die Größe und Gestalt des ange-

zognen Körpers kommt viel an. Eine kleine Nadel, welche den Pol eines Magnets bloß mit ihrer Spitze berührt, hängt weniger fest am Magnet, als ein eiserner etwas dicker und etwas langer Draht. Indes­ sen muß das Eisen auch wieder nicht gar zu dick oder

zu lang seyn, weil ec sich sonst nur schwach magnetiflren läßt. Em Magnet ist oft nicht im Stande eine

etwas lange und dicke Stange von Eilen zu erheben, ungeachtet er ein schwereres aber kürzeres Stück Eisen ohne Schwierigkeit erhält. Denn eine Stange kann wegen ihrer hänge nur bis auf eine gewisse Weite vom Magnet merklich magnetisirt werden, und die magnetische Kraft, welche sic erhält, ist allemal schwächer, als sie bey einer geringern Länge gewesen seyn würde. Wenn Sie neben ein dickes Stück Eisen von 40 dis 50 Pfund seitwärts eine Magnetnadel

stellen, und nachher dem entferntesten Theile jener Eiienmasse einen starken Magnet nähern, so verfließen oft einige Sekunden, ehe die Nadel merklich bewegt, und das Eisen merklich magnetisirt wirb; ja oft

Anziehung des Magnets.

23

bemerkt man an der Nadel nicht die geringste Derartderung, besonders wenn der Magnet schwach ist. Es giebt daher eine gewisse Lange, Dicke und Breite, bey welcher ein gewisses Stück Eisen mit einem gewis­ sen Magnet am stärksten zusammen hängt. Diese

Größen lassen sich aber bloß durch Versuche bestimmen. Indessen ist so viel gewiß, daß eine jede Masse von Eisen am schwächsten angezogen wird, wenn man sie in Eiseufeile verwandelt. Sie wissen, daß der Magnet durch Holz, Glas, Stein, ja selbst durch die Flamme wirkt; nur das Eisen und andre des Magnetismus fähige Körper halten seine Wirkung oft auf. Ein eisernes Lineal, welches Sie als eine Wand zwischen einen Magnet vnd eine Magnetnadel stellen, schwächt die Wirkung

Des erstern auf die letztre. Denn der Magnet erzeugt in dem Eisen einen entgegen gesetzten Pol, welcher zugleich auf die Nadel wirkt, und also die Wirkung Des Pols des Magnets merklich schwächt. Legen Sie aber einen dünnen Draht von weichem Eisen an die Spitze der Nadel, und bringen an das andre Ende Desselben einen Magnet, so können Sie dadurch, daß

Der Draht magnetisch wird, die Wirkung des Magnets viel weiter fortpflanzen und merklich machen, als es ohne dieses Mittel möglich gewesen wäre. Wenn an dem Nordpole eines magnetischen Sta­ bes ein eiserner Stab hängt, und Sie nähern ihm von oben den Nordpol eines andern Magnets, so wird das Anziehen verstärkt, wie ich schon oben gesagt habe. Nähern Sie aber seinem untern Ende den

Nordpol eines guten Magnets, so fällt er mehrentheils ab, wenigstens wird fein Zusammenhang mit Dem magnetischen Stabe sehr geschwächt. Hingegen wird er verstärkt, wenn Sie von unten den Südpol eines Magnets dem Stabe nähern.

Denn der obere

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Dritter Brief.

Magnet erzeugt in dem eisernen Stabe oben eine» Südpol, unten einen Nordpol; der untre erzeugt in ihm, wenn sein Nordpol dem Stabe von unten gtttä# Herr wird, unten einen Südpol und oben einen Nord­ pol; wird aber der Südpol genähert, so bringt er im Stabe unten einen Nordpol und oben einen Süd­ pol hervor. Beide Magnete wirken also im ersten Falle einander entgegen, im zweyten übereinstimmend. Daher kann ein Magnet ein größres Gewicht von Eisen aufheben, wenn dieses auf einem Amboße oder einem andern Stück Eisen, als wenn es auf einem hölzernen oder steinernen Tische liegt. Denn der Nordpol z. B. des Magnets bringt in dem Amboße oder in dem Stück Eisen einen Südpol hervor, und es ist also eben so viel, als wenn unter dem Eisen, welches an ihm hängt, fich der Südpol eines Magnets befände und seine Wirkung verstärkte^ Eben so kann ein Magnet eine größre Last tragen und erhalten, wenn diese bloß aus verschiednen Stücken von Eisen, als wenn sie auch aus andern mit dem Eisen verbundne» Körpern bestehet. Wenn Sie an einem Magnet so viele Gewichte von Eisen aufhängen, als er nur tragen kann, und ihn hierauf in Ruhe lassen, so werden Sie nach eini­ gen Tagen finden, daß er etwas mehr zu tragen im Stande ist als vorher. Nach einiger Zeit werden Sie bas Gewicht, welches er trägt, aufs neue ver­ größern können; mit Einem Worte, die Kraft des Magnete wird sich auf diese Art nach und nach beträcht­ lich verstärken lassen, weil der Magnet beständig in das Eisen und das Eisen in den Magnet wirkt, und der Pol des Eisens die freundschaftliche Materie in dem Pole des Magnets nach und nach immer stärker zusammen zieht. Fällt aber das Gewicht einmal vom Magnet ab, so wird dieser augenblicklich etwas

Anziehung des Magnets.

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schwacher, und kann nicht mehr das vorige volle @e# wicht erhalten, weil jene bloß durch die Wirkung des Eisens angezogne Materie gleich wieder von den Theilchen des Magners angezogen wird, und sich mit ihnen vereinigt. Daher muß man aufs neue dem Magnet etwas weniger zu tragen geben, und dis Last nach und nach vermehren. Giebt man ihm aber gar nichts zu tragen, so verliert er allmählich immer mehr von seiner Kraft, und wird zuletzt viel schwacher. Daher muß man allemal, wenn man ihn nicht braucht, so vieles Eisen an ihn hangen, alö er nur tragen kann. Wenn man an den einen Pol eines Magnets rin Stück Eisen hängt, so wird dadurch auch die Anziehung deS andern Pols verstärkt, so daß dieser fähig ist, ein größeres Gewicht zu tragen, weil jener diesen nicht mehr so stark binden kann, da ihn das Eisen beschäftigt, also dieser freyer wird als er vorher war. Zuweilen hat ein kleiner natürlicher Magnet, den man aus einem großen Steine ausgeschnitten hat, mehrere Kraft, und kann ein größeres Gewicht tra­ gen, als dieser trug, wenn er etwa mit vielem unmagnetischen Gesteine vermischt war, welches nur die Annäherung der Körper an seine Pole hinderte. Die Warme schwächt die Kraft des Magnets, und die Glühhitze, das Verkalken und Zerpülvern zerstört sie gänzlich oder größtentheils. Auch verlie­ ren die Magnete ihre Kraft durch Schlagen, Häm­ mern, durch Rost, oft durch den Blitz, durch starke elektrische Schläge, und wenn man sie oft fallen läßt. Um die Kraft des magnetischen Anziehens, oder vielmehr ihre Veränderungen zu bestimmen, bediente sich Herr von Saussüre einer eisernen an einer sehr leichten und um ihre Axe sehr beweglichen Stange befestigten Kugel, welche von einem seitwärts

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Dritter Brief.

befestigten Magnet um desto stärker aus ihrer lothrechten Lage gezogen wurde , je stärker die Ziehkraft des Magnets war. Dieses Werkzeug, welches er Magnetometer nannte, belehrte ihn, nachdem er es einige Jahre nach einander beobachtet hatte, daß die magnetische Ziehkraft veränderlich ist, und vorzüglich durch die Wärme geschwächt wird, so daß ihre Abnahme, wenn die Wärme sich auch nur um einen halben Grad des Französischen Thermometers vermehrte, an dem Magnetometer schon merklich war.

Vierter

Brief.

Eie haben gesehen, daß kein magnetisches Anziehen Stakt findet,

als zwischen zwey ungleichnamigen,

und kein magnetisches Zurückstoßen, als zwischen zwey gleichnamigen Polen. Daher wird eine Magnet­ nadel, oder ein andrer beweglicher Magnet, von einem Magnet gewöhnlich schon in einer größern Ent­

fernung angezogen, als selbst von weichem Eisen. Denn der zweyte Magnet hat schon seine Pole, und

kann also auf den ersten merklich wirken, sobald er sich ihm nur etwas nähert; in dem Eisen hingegen müssen bey der Annäherung erstlich Pole erzeugt wer­ den, ehe es den Magnet merklich anzuziehen oder zurück zu stoßen anfangen kann. Daher wächst auch die Kraft, mir welcher das Eisen auf den Magnet wirkt, gewöhnlich viel schneller als die Kraft des zweyten Magnets, wenn man jenes oder diesen dem ersten Magnet bis zur Berührung nähert. Denn die

Pole des zweyten Magnets verändern sich bey der Annäherung mehrencheils nur wenig, da sie hingegen in dem weichen Eisen sehr beträchtlich verstärkt werden. Wenn man einen Magnet in eine Wagschale legt, und durch Gewichte, mit welchen die andre Wag­ schale beschwert wird, ine Gleichgewicht bringt, als­ dann aber «inen andern Magnet unter de» ersten hält,

so sinkt er, wenn die ungleichnamigen Pole zusammen kommen, und er steigt im entgegen gesetzten Falle. Aber gleich wie 'in starker positiv elektrisirter Körper oft auch einen schwachen positiven anzieht, eben so zieht ein starker Magnet mir jedem Pole auch den

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Vierter Brief.

gleichnamigen Pol eines schwachen Magnets an. Gesetzt, A B sey ein schwach magnetischer Stab/ (Fig. 68. Taf. VI.) und A sein Südpol/ B der Nordpol. Nähert man diesem einen andern auch schwach magnetischen Stab N S mit dem Südpole 8, so stoßen die beiden Pole 8 und A einander beständig zurück/ und die ganze Veränderung in A B durch die Wirkung des Magnets N S kann höchstens darin bestehen/ daß der Südpol etwas von dem Ende A gegen B rückt. Wenn aber N 8 viel starker ist als

AB, so bringt 8 in A zuletzt allezeit einen Nordpol hervor/ wie man sich durch eine dabey gestellte Ma­ gnetnadel überzeugen kann. Anfangs nämlich wird der Südpol in A geschwächt / hernach ganz vernich­ tet/ und zuletzt in einen Nordpol verwandelt. Ist nun A B sehr lang/ so entstehen verschiedne Pole abwechselnd hinter einander/ die immer schwacher

werden. Ist A B sehr kurz/ so wird A, wie gesagt/ zuletzt ein Nordpol/ und B ein Südpol. Ist aber A B von mittlerer Lang«/ so wird oft der Südpol in A, den der stärkere Magnet N 8 in einen Nordpol

verwandelt hat/ nach Entfernung dieses Magnets/ sich «von selbst wieder herstellen. Sie sehen hieraus/ wenn ein schwacher Magnet mit einem seiner Pole sich allmählich immer mehr dem gleichnamigen Pole eines starkem Magnets nähert/ daß Anfangs beide Magnete einander zurück stoßen; hernach/ wenn der Pol des schwachem verwandelt zu werden anfängt/ sich weder zurück stoßen noch anziehen; endlich aber sich beide bey einer immer fort­ dauernden Näherung anziehen. Die Zunahme der Zurückstoßung bey abnehmender Entfernung iit also noch schwerer zu bestimmen und noch mchrem Unregelmäßigkeiten ausgesetzt/ als die Zunahme der

Anziehung.

Anziehung deö Magnets,

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Wenn sich zwey Magnete mit ihren freundschaft­ lichen Polen nähern, so verstärken sie einander, und

ihr Anziehen kann nie in ein Zurückstoßen verwandelt

werden.

Sie verstärken sich aber um desto mehr/ je

weicher sie sind , und daher kann zuweilen ein schwa­ cher magnetischer Stab von weichem Stahle/ ja sogar ein Stück unmagnetisches weiches Eisen/ in der Nahe eines guten Magnets stärker von diesem angezogen werden / und zuletzt starker mit ihm Zusammenhängen, als ein mittelmäßiger Magnet; weil der anziehende Magnet oft in dem weichen Eisen einen stärker« Pol

erzeugt/ als der mittelmäßige Magnet hat/ von wel­ chem ich annchme, daß er, wegen seiner Härte/ durch die Annäherung nur wenig verstärkt werden kann. Gemeiniglich hat ein jeder Magnet zwey Pole, und ist in der einen ganzen Hälfte nördlich, in der

andern aber südlich. Einen Pol allein kann er nie haben / weil dieser sich beständig bemüht einen ent­ gegen gesetzten Pol im Magnet zu Stande zu bringen, wie ich Ihnen schon sonst gesagt habe. Wenn Sie einen magnetischen Stab von sehr hartem Stahle A B (Fig. 67. Taf. VI.) von etwa 6 bis 8 Zoll Länge und 4 Zoll Durchmesser/ der seine zwey Pole in A und B hat, durch einen starkcnSchlag mit dem Hammer zerbrechen, so werden Sie/ nachdem Sie die Stücke abgesondert haben, finden, daß in jedem

am Bruche ein neuer Pol entsteht, der nach und nach Immer stärker wird, ungeachtet beide Pole eines jeden Stücks viel schwächer bleiben, als vorher die Pole des ganzen Stabes waren. Eben so verhält sich auch ein natürlicher Magnet. Jedes seiner Bruchstücke ist ein vollständiger Magnet mit mehreren Polen, und noch nie hat man ein Stück gefunden oder vorzeigen können, welches nur Einen Pol gehabt hätte. Sie können auch den Stab A B von hartem Stahle

Vierter Brief.

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vorher zerbreche»/ hernach aber seine beide» Stücke zusammen pressen, daß ste als ein Ganzes zusammen Hatte»/ und so alsdann erstlich magnetifiren, damil der ganze Stab zwey Pole erhalte. Ziehen Sie nun hier­ aus die beidev Stucke auseinander, so werden Sie wieder finden, daß an dem Bruche in jedem Stücke «in neuer Pol entsteht. Zwischen den zwey entgegen gefetzten Polen eineMagnets giebt es allemal einen Punkt, wo der Ma­ gnet, nach Anzeige der Magnetnadel, weder nördlich noch südlich ist, weder anzieht noch zurück stößt.

Kiefer Punkt heißt der magnetische Mittel­ punkt, .und er liegt wirklich mitten zwischen beiden Polen, wenn beide gleich stark find; sonst aber ist er aLezeit dem schwächer» Pole näher als dem starker». Man hat zuweilen de» Magnet nut zweyen gleich starken Polen die Gestalt einer Kugel gegeben, und darauf den magnetischen Aequator nebst den Polen bemerkt. Solche Kugeln hat man T e r r e l l e n oder kleine Erdkugeln genannt, weil unsre Erdkugel wirk­ lich als ein großer Magnet angesehen werden kann. Zuweilen findet man Magnete, welche 3, 4 und mehrere Pole haben, weil z. B. ein Nordpol, der in der Mitte liegt, zu seinen beiden Seiten Lüdpvle erzeugen kann. Daher richten sich dergleichen Magnete allemal nach folgenden zwey allgemeinen Gesetzen: erstlich daß jeder Pol am nächsten neben sich entgegen

gesetzte Pole hat;

zweytens daß die Summen der

gleichnamigen Pole höchstens um 1 verschieden find. Wenn der Magnet z- B. 3 Nordpvle hak, so findet

man in ihm entweder auch 3, oder 2, oder 4 Südpole. Oie natürlichen Magnete werden gewöhnlich bewaffnet, oder mit weichem Eisen belegt, weil man gefunden hat, daß dadurch ihre Kraft sehr ver­ stärkt wird.

Wen» man einen Magner durch seine

Die magnetischen Pole

3i

beiden Pole in gerader Linie durchbohrt, und daS Loch mit einer runden Stange von weichem Eisen auöfüllt, so erhalt der Magnet schon dadurch gewöhn­ lich mehrere Kraft. Am besten aber bewaffnet man ihn auf folgende Art. Zuerst schneidet man den Stein so, daß die Flachen, in welche seine Pole fallen, weiter aus einander liegen als die übrigen. Jene Flächen der Pole, die man allenfalls glatt schleifen kann, bedeckt man hierauf mit dünnen allenthalben anschließenden Blechen von weichem Eisen, deren jedes unten in seiner Mitte einen dicken einwärts gehenden Fuß N und S hat. (Fig. 65. Taf. VI.) Dieser ist bey ganz kleinen Magneten, die kaum eine Unze wiegen, etwas über eine Linie, bey großen aber his an 6 Linien lang und breit. Auf die Dicke jene» Seitenbleche, die man auch die Flügel des Magnets uennt, kommt sehr viel an. Sie muß um desto größer seyn, je stärker der Magnet ist, läßt sich aber nicht anders als durch die Erfahrung bestimmen. Daher ist es gut, Bleche von verschiedner Oicke zu versuchen, um so diejenige Dicke zu finden, bey wel­ cher die Wirkung des bewaffneten Magnets am größ­ ten ist. Gewöhnlich ist die Bewaffnung an dem Magnet mit messingnen Schrauben befestigt; sie thut aber ihre Wirkung eben so gut, auch wenn sie nur angebunden ist. Der Flügel nämlich, der auf dem Nordpole des Steins bey A liegt, erhält eine« Südpol, und der Fuß desselben einen Nordpol; in dem südlichen Flügel bey B verhält sich die Sache umgekehrt. Aber der vornehmste Vortheil der Bewaffnung ist der, daß die beiden PvleN und 8 unter dem Magnet hervvrragen, und also beide zugleich eine schmale Platte von weichem Eisen D, an welche man Gewichte hängt, tragen können. Man nennt sie den Träger,

32

Vierter Brief.

und Gie sehen leicht, daß sie, da sie an ihren beiden Enden beide Pole berührt, viel stärker gehalten wer» den müsse, alö wenn sie bloß Einen Pol berühren möchte. Denn der Nordpol des Magnets erzeugt in dem einen Ende des Tragers, welches er unter sich hat, einen Südpol, in dem andern unter dem Süd« pole des Magnets liegenden Ende entsteht ein Nord­ pol. Der Träger wird allo durch beide Pole deS Magnete zugleich und daher viel stärker magnetisirt, als bloß ein einzelner Pol ihn magnetisiren könnte. Entfernt man aber ihn, oder die Flügel, vom Magnet, so verlieren sie gleich alle magnetische Kraft, weil sie von weichem Eisen sind. Ein bewaffneter Magnet zieht von der Seite, wo der eine oder der andre Flügel ihn bedeckt, das Eisen nur schwach an, ob er gleich daselbst seine Pole hat, «eil seine Wirkung durch die entgegen gesetzten Pole der Flügel geschwächt wird. Binden Sie aber die Kraft der Flügel dadurch, daß Sie den Nordpol eines andern Magnets an den nördlichen, oder den Südpol an den südlichen Fuß des ersten Magnets halten, so zieht dieser sogleich von der ©eite stärker an. Dage­ gen wird seine Wirkung schwächer, wenn Sie auf «ine entgegen gesetzte Art die Kraft der Flügel gleich­ sam befreyen. Hängt z. B. mitten an dem einen Flügel unter dem Nordpole des Steins ein eiserner Draht, und Sie bringen an den Fuß dieses Flügels den Südpol eines andern Magnets, so fällt der Draht gleich ab, wenigstens wird sein Zusammenhang mit dem Flügel allezeit geschwächt. Zu dem, was ich bereits über den Nutzen der Bewaffnung gesagt habe, können Sie noch folgendes hinzu fügen. Sie wissen erstlich, daß der eine Pol verstärkt wird, wenn man dem andern etwas zu tragen giebt. Bep dem bewaffneten Magnet tragen beide

Die Bewaffnung des Magnets.

33

beide Pole zugleich, und verstärken einander gegen­

seitig. Einer wird nicht mehr durch den andern, sondern jeder wird durch die neuen Pole des Tra­ gers gebunden. Sie verwenden also beide fast ihre ganze Kraft aufs Tragen. Zweytene trägt ein unbewaffneter Magnet bloß in seinen Polen, ein bewaffneter aber wirkt mit seiner ganzen nörd­ lichen Seite, nicht bloß mit dem Pole, in den Einen, und mit der ganzen südlichen Seite in den andern Flügel. Daher wird in dem weichen Eisen der Flügel und des Trägers die elektrische Materie um desto stärker los gerissen. Drittens endlich ist

das weiche Eisen inwendig fast leitend, und daher häuft sich die los gerißne Materie viel leichter in

den Füßen an, und verdichtet sich daselbst viel stärker, sobald sie von den Polen des Trägers angezogen wird, als sie sich in den Polen des Magnets selbst verdichten würde. In Ansehung dieses letztxrn Umstandes, aus welchem Sie auch leicht die Wirkung eines weichen Eisendrahts, den man durch den Magnetstein steckt, begreifen können, vertritt die Bewaffnung des Magnets, so wie die der thierischen Theile bey den Galvanischen Versuchen, die Stelle des ersten elektrischen Leiters. Sie saugt gleichsam die magne­ tische Kraft aus allen Punkten des Magnets ein, um sie in den Füßen zu verdichten. Uebrigens

zeigt sich auch hier die Aehnlichkeit der magneti­ schen und der thierischen Elektrizität. Beide wer­ den durch die Bewaffnung sehr beträchtlich ver­ stärkt.

Hube Natuxl. 9. Th.

C

34

Fünfter

Brief.

Durch die Bewaffnung erhalten die Magnete eine sehr große Stärke. Schon vor etwa 100 Zähren wußte man in Paris sie so geschickt einzurichten, daß zuweilen kleine Magnete in den Stand gesetzt wurden, ein Gewicht zu tragen, welches das ihrige fast 250 mal übertraf. Lin Englischer Natur, forscher versichert, einen solchen Magnet, den stärksten nach Verhältniß, der ihm je vvrgekommen wäre, gesehen zu haben, der nur 3 Gran gewogen, und dennoch 746 Gran getragen hätte. Vor etwa 30 Jahren zeigte man in Paris einen großen Magnet von 9 Pfund 2 Unzen, welcher 505 Pfund trug. Gewöhnlich tragen große und starke Magnete nicht mehr, als das zehnfache ihres eig, nen Gewichts, die kleinen aber nach Verhältniß 50 bis 60 mal so viel als sie wiegen. Ich habe Ihnen schon sonst gesagt, daß oft ein kleiner Magnet, den man aus einem großen Steine schneidet, mehr trägt, als der große Stein trug, und Ihnen auch die Ursache dieser sonder, baren Erscheinung angegeben. Dieselbe Ursache macht unfehlbar auch, daß die kleinen Magnete zuweilen so vorzüglich kräftig sind. Denn der Magnet ist ein Stein von sehr ungleichförmigem Gewebe. Er enthält immer viele todte Theile, die nicht die geringste magnetische Kraft besitzen. Je größer er ist, um desto mehr solche Theile findet man zwischen den übrigen eingesprengt, um desto ungleichförmiger ist er. Wenn man daher einen kleinen Magnet gehörig bewaffnet, der ganz rein,

Die Bewaffnung des MagnetS.

3$

der ganz magnetisch ist, so muß derselbe nach Ver­ hältniß stärker riehen, als ein großer und unrei­ ner Stein. Die magnetische Anziehung

scheint viel stärker

zu seyn, als die gemeine elektrische; es ist aber nicht schwer, die wahren Ursachen dieses scheinba­ ren Unterschiedes anzugeben. Denn erstlich muß man das Gewicht der Bewaffnung, welches beson­ ders bey kleinen Magneten einen ansehnlichen Theil des Ganzen ausmacht, bey einer Vergleichung der beiden Arten der Anziehung, wenn sie anders rich­

tig seyn soll, nicht vernachlässigen, weil die

Be­

wesentlicher Theil zur Kraft des Magnets ist. Zweytens muß man nicht vergessen, daß ein bewaffneter Magnet mit beiden Polen zugleich zieht, daß also seine Anziehung doppelt, die gemeine elektrische hingegen nur einfach ist. Daher wird das angezogne Gewicht, welches hey dem kleinen Magnet, der nackt und ohne Bewaff­ nung 3 Gran wog, fast das 250 fache ausmachte, für jeden seiner Pole besonders, kaum so mal so waffnung

ein

viel betragen als das ganze Gewicht des bewaff­ neten Magnets mit der Bewaffnung zusammen betragt. Drittens muß man erwägen, daß die gemeine Elektrizität bloß in der Oberfläche der

Körper haftet, sich von ihnen bey einer starken Annäherung anderer Körper mehrcntheils los reißt, und in diese übergeht, so daß die Anziehung hernach in eine Zurückiioßung verwandelt wird. Ist der elektrisirte Körvcr ein Leiter, so reißet sich die Elektrizität von ihm auf einmal gänzlich los; ist er ein Nichtleiter, so geht sie theilweise über, oder sie kann gar nicht merklich wirken, wenn sie gebunden und der Körper geladen ist. Bey dem Magnet hingegen findet

nie

ein

Uebergang

der

Fünfter Brief.

36

anziehenden Materie im geringsten Statt, und die Anziehung ist um desto stärker, da sie selbst bey der innigsten Berührung noch fortdauert, und sich nie in ein Zurückstoßen verwandelt. Dennoch hängen zwey auf einander liegende geladne Glas» tafeln oft sehr stark zusammen; und noch stärker

ist der Zusammenhang bey elektrisirter Seide. Zwey scidne Bänder, die man auf einander reibt und so elektrisirt, hängen an Körpern, welche sie anjiehen, mit einer Kraft, die ihr eignes Gewicht 20 bis 30 mal übertrifft, und seidne elektrisirte Strümpfe ziehen einander oft mit einer ihr eignes Gewicht 8o bis 90 mal übertreffenden Stärke an.

Also ist die gemeine elektrische Anziehung oft eben so stark, und stärker, als die stärkste magneti» sche. Freylich scheint in dem Magnet die elektrisehe Materie viel dünner zu seyn, als sie auf der Oberfläche elektrisirter Körper ist; allein dagegen

wirkt auch hier in jeder Richtungelinie nur ein jeder einzelner Punkt, anstatt daß im Magnet, dessen ganze Masse von der wirksamen elektrischen Materie durchdrungen ist, in jeder Linie sich viele Punkte hinter einander befinden, welche gemein­ schaftlich ziehen, und deren Menge dasjenige ersetzt, was ihnen an Dichtigkeit abgcht. Auch die

künstlichen

Magnete

bewaffnet man

mit weichem Eisen, und es ist Zeit, baß ich Ihnen die Art beschreibe, wie man sie verfertigt. Ge­ meiniglich bedient man sich dabey eines andern natürlichen oder künstlichen Magnets. Sie wissen, daß jeder Pol desselben, weUn er Eisen oder Stahs berührt, in ihm den entgegen gesetzten Pol erzeugt;

und man kann daher einen Stab von Eisen ober Stahl schon dadurch in einen Magnet verwandeln,

Künstliche Magnete.

37

daß man ihn, so wie den Trager eines bewaffneten Magnets, an einem Ende mit dem Nordpole/ und zugleich an dem andern mit dem Südpole eines guten Magnets in Berührung bringt. Weir ches Eisen wird in dem Wirkungskreise eines Ma­ gnets am schnellsten und stärksten magnetisch/ ver­

seine Kraft/ sobald man es von dem Magnet entfernt. Hartes Eisen hingegen/ und vorzüglich harter Stahl/ nehmen liert aber auch sogleich alle

den Magnetismus sehr schwer und langsam an; aber sie behalten ihn hernach auch um desto langer bey/ wenn der Magnet nicht weiter auf sie wirkt, je härter sie sind. Man nimmt daher zu künstlichen Magneten, weil sie ihre Kraft beständig beybehalten sollen, den besten und härtesten Stahl; und dieses um desto mehr, da der weiche Stahl noch außerdem den Fehler hat, daß er beym Magnctisiren oft mehr als zwey Pole annimmt. Da man indessen bis jetzt »och keine sichern Kennzeichen hat, woran man den zum Magnetisiren geschicktesten Stahl erkennen könnte, so versucht man vcrschiedne Gat­ tungen desselben. Man nimmt von jeder Gattung ein Stück, etwa 3 Zoll lang und Zoll dick, macht cs rothglühend, und taucht es hernach, um es zu härten, in kaltes Wasser. Hierauf magnetisirt man alle Stücke auf gleiche Art, indem man

ihre den ren und

beiden Enden etwa eine Minute lang von entgegen gesetzten Polen zweyer Magnete berüh­ läßt, versucht nunmehr eines nach dem andern, wählt diejenige Gattung, welche das stärkste

Gewicht hebt.

Der Stahl soll überhaupt

zum

Magnctisiren um desto geschickter werden, wenn man ihn rothglühend auf beiden Seiten mit Seife

reibt, ober wenn man unter 3 Theile kaltes Wasser

38

Fünfter Brief,

einen Theil Salmiak mischt/ und alsdann den Stahl darin harket. Es scheint, wie ich Ihnen schon sonst gesagt habe, aus diesen Erfahrungen zu folgen, daß das weiche Eisen in seinem Innern ziemlich leitend, der Stahl hingegen ein Nichtleiter ist. Das erste läßt die vom Magnet los gcrißnen und abgeson­ derten elektrischen Materien, sobald dieser zu wirken aufhört, sich gleich unter sich und mit den körper­ lichen Theilchen wieder vereinigen; der letztre wider­ steht dieser Vereinigung. Indessen ist er eben so wenig ein vollkommner Nichtleiter, als es das Glas in Ansehung der gemeinen Elektrizität ist. Wenn man ihn durch sehr starke Magnete sehr stark magnctisirt, so nimmt seine magnetische Kraft nach der Entfernung des Magnets allmählich bis auf einen gewissen Punkt ab, bey welchem er sich hernach erhalt. Jedes Stück Stahl hat einen solchen Sättigungspunkt, bey welchem seine magnetische Kraft die größte mögliche ist, so daß sie auch durch das stärkste Magnetisiren auf eine dauerhafte Art nicht weiter vermehrt werden kann. Der stärkste Magnet richtet also nichts aus, wenn der Stahl bereits von einem schwachen Magnet so viele Kraft, als zu seiner Sättigung erfordert wird, erhalten hat. Die Erfahrung lehrt, daß stählerne Stäbe, welche viel länger als breit und dick sind, bey einem gleichen Gewichte sich viel stärker magnctisiren lassen als kürzere, und daß überhaupt die Dicke solcher Platten nur geringe stylt muß, wenn sie stark magnetisch werden sollen. Dey der gewöhn­ lichen Breite von 7 bis 8 Pariser Linien, die man ihnen zu geben pflegt, dürfen sie nicht über 3 bis 5 Linien dick seyn. Aber man vereinigt

Künstliche Magnete.

39

mehrere gleiche magnetisirte Stäbe von Stahl so, daß ihre gleichnamigen Pole dicht auf einander liegen/ und erhalt auf diese Art künstliche Magnete, die mehrentheils viel starker sind, als die natür­ liche» von gleichem Gewichte, und als sie selbst seyn würden, wenn sie nicht aus verschicdnen zusammen gesetzten Stäben bestanden, sondern eine einzige zusammen hängende Masse ausmachttn. Ein schwacher oder mittelmäßiger Magnet kann freylich dem Stahle, besonders wenn er hart ist, oft nur eine sehr geringe Kraft mittheilen. Magnetisiren Sie aber mit ihm viele gleiche Stäbe von weichem Stahle, und verbinden Sie diese zu einem Ganzen, so erhalten Sie schon einen stärker» Magnet, mit welchem Sie nunmehr härtere Stäbe von Stahl magnetisiren, diese wieder vereinigen, und so einen künstlichen dauerhaften Magnet verfertigen können, der den natürliche» an Stärke weit übertrifft. Die Stabe von Stahl, welche man magnetisirt, kann man poliren, damit sie so leicht nicht rosten. Sie sind entweder gerade, und da legt man diese künstlichen Magnete paarweise parallel neben einan­ der, wen» man sie aufhebt, so daß ihre ungleich­ namigen Pole an einer Seite einander gegen über liegen, und an beiden Enden bringt man zwischen zwey solchen Polen einen kurzen Stab von wei­ chem Eisen an, der die Stelle der Bewaffnung vertritt. Oder man giebt auch dem künstlichen Magnet die Gestalt eines Hufeisens, (Fig. 66. Taf. VI.) damit er unten mit seinen beiden Polen zugleich in einen Trager von weichem Eisen wirken kann. Zn diesem Falle pflegt er aus zwey Platten von magnetistrtem Stahle zusammen gesetzt zu seyn, welche eine Platte von weichem Eisen, als ihre Bewaffnung, zwischen sich haben.

4o

Fünfter Brief.

Mehrentheils ist es nicht genug, einen Stab, welchen man magnetisiren will, an feinen beiden Enden mit den verschiednen Polen zweyer Magnete zu berühren, sonder» man muß ihn mit dem Magnet streichen, wenn er eine beträchtliche Kraft erhalten soll. Bedient man sich des einfachen Striches, so setzt man zuerst den einen Pol, z. B. den Nordpol eines guten Magnets, auf das Ende A des stählernen auf einem Tische liegenden Stabes AB, (Fig. 67. Taf. VI.) und führt ihn langsam, inb mt man ihn beständig andrückt, bis B. Nachher hebt man ihn hoch auf, bewegt ihn rücfr toatts r setzt ihn aufs neue in A an, und streicht mit ihm wieder den Stab langsam bis B. Dieses Streichen wiederholt man 10 bis 12 mal nach einander, so wird der Stab magnetisch seyn, und in A einen Nordpol, in B aber einen Südpol haben. Anfangs, wenn der Nordpol auf den Punkt A des unmagnctischen Stabes gesetzt wird, erhält dieser eine südliche, der Theil aber gegen B eine nördliche Kraft. Zieht man den Magnet langsam weiter, so nimmt Anfangs diese südliche Kraft in A zu, und ist am größten, wenn der Pol des Magnets in einem gewissen Punkte C ist. Diesen nennt man den kulminirenden Punkt für A. Wird der Pol noch weiter gezogen, so nimmt die südliche Kraft in A immer mehr ab, und ver­ schwindet zuletzt ganz, indem der Pol des Magnets in D ist, ehe sie nördlich zu werden anfängt. Dieser Punkt D heißt daher der Punkt der Gleichgültigkeit für das Ende A. Eben so verhalt sich auch das Ende B. Es hat einen kul minircnden Punkt, oder einen Punkt der gross ten Starke in E. Geht der Pol weiter, so nimmt seine anfängliche nördliche Kraft ab, und

Künstliche Magnete.

41

verschwindet ganz bey dem Punkte der Eleichgültigkeit F, worauf sie dann südlich wird. -Weil der Stahl den MagnetlöMliö nur schwer

annimmt, so ist es eine Hauptsache, ihn recht langsam zu streichen. Streicht man ihn aber hin und her, so wird er gar nicht magnetisch. Der Strich nämlich mit dem Nordpole von A nach B hinterläßt A als einen Nordpol, Bals einen Süd­ pol; der Strich aber mit dem Nordpole von B nach A macht B zum Nordpols, und A zum Südpole, und es vernichtet also dieser dasjenige, was jener erzeugt hatte. Führen Sie aber den Südpol des Magnets von B nach A, so verstär­ ken Sie die Kraft des Stabes. Daher können Sie ihn auch so magnetisiren, daß Sie zuerst 5 bis 6 mal mit dem Nordpole von A nach B, und hernach eben so oft mit dem Südpole von B nach A streichen. Uebrigens sehen Eie wohl, daß es hier eigentlich nicht auf das Reiben allein ankommt. Denn wenn Sie den magnetischen Pol auch nur sehr nahe über dem Stabe wegführen, ohne ihn zu berühren, so wird dieser schon magnctisirt. Freylich erhält er alsdann nur eine geringe Kraft, aber nicht deßhalb, weil Sie ihn nicht gerieben haben, sondern bloß deßhalb, weil jeder Magnet am allerstärksten wirkt, wenn er den Körper unmit­ telbar berührt, den er anzieht. Indessen scheint dennoch das Reiben, wenn es mit einem Drucke verbunden ist, so wie das Klopfen und Hämmern, durch die Erschütterung seiner Theilchen den Stahl inwendig leitender, und zur Annahme des Magne­ tismus geschickter zu machen.

42

Sechster

Brief.

w fchiednea Vorschläge, die man zu dieser Absicht gemacht hat, umständlich zu erzählen.

We Niuurl. fi. S5.

D



Siebenter Brief. Die Kraft, mit welcher der Magnet das Eisen anzieht, ist schon in dem entferntesten Alterthume bekannt gewesen.- Aber von der Richtung des Magnets nach Norden wußte man in Europa nichts. Die Schinefen nur kannten sie lange vor Christi Geburt, und brachten diese Kenntniß unter andern nach Ostindien. Bey den Schiffern, die auf dem rothen Meere mit Ostindischen Waaren handelten, sahen die Franzosen zur Zeit der Kreuzzüge zuerst kleine auf Kork schwimmende Magnetsteine, welche stch beständig gegen Nor-

den richteten. Sie hielten diese Steine, welche fie nicht kannten, wegen ihrer großen Härte für Edel­ steine, und selbst der Französische Name Aimant ist wahrscheinlich aus dem Worte Adamas entstanden. Len Gebrauch der Magnetnadel aber lernte, nach Gilbens sehr wahrscheinlichem Berichte, zuerst Marco Polo auch von den Schinesen kennen, und machte ihn um das Jahr 1260 in Italien bekannt. ein Neapolitaner, wird für den ersten sich im dreyzehnten Jahrhundert, bey auf dem Mittelländischen Meere, der

Flavio Gioja, gehalten, der seinen Reisen Magnetnadel

bediente. Diese damals in Europa ganz neue Erfin­ dung hatte in Ansehung der Schiffahrt die allerwichtigsten Folgen. Vorher blieb man immer nahe an den Ufern, und ließ sie nicht leicht aus den Augen, weil man sich nach ihnen in der Schiffahrt richtete. Man hatte kleine Fahrzeuge, und war der Gefahr des Schiffbruchs um desto mehr ausgesetzt, je häufiger

Untiefen und verborgne Felsenahe an den Ufern zu seyn pflegen. Nachdem aber der Kompaß, oder

Der Kompaß.

5l

die zum Gebrauche der Schiffer ei»,gerichtete Magnet, nadel, nach und nach allenthalben eirigeführt worden war/ wagte man sich mit diesem Wegweiser mitten in große unbekannte Meere. Man unternahm weite Reise»/ dauere sehr große Schiffe/ entdeckte nach und nach die enrlegensten vorher ganz unbekannten Lander, erweiterte de» Handel, bereicherte sich, klärte sich auf; mir Einem Worte, die Erfindung des Kom­ passes gab Gelegenheit dazu, daß Europa eine ganz andre Gestalt annahm, und daß die Schiffahrt ins­ besondre zu einer vorher ganz unbekannte», Höhe der Vollkommenheit stieg. Bey den Schinesen ist dieselbe bis jetzt noch in ihrer ersten Kindheit, und selbst der Kompaß sehr unvollkommen, ungeachtet sie ihn viel länger kennen als wir. Diese Vergleichung ist eben nicht geschickt, uns von dem Verstände und der Klug, heit derselben große Begriffe zu geben: denn an der Erfindung vorher unbekannter Dinge hat oft der Zufall den größten Antheil; erfundne Dinge aber aufs

vorrheilhafteste benutzen kaun nur das Genie. Da die Magnetnadel ein so wichtiges Werkzeug ist, so muß man auf ihre Verfertigung und Strei­ chung eine vorzügliche Sorgfalt wenden. Sie muß

voin feinsten und härtesten Stahle, leicht, gerade, schmal, ganz einfach und ohne alle Zieraten seyn. Man durchbohrt sie in der Mitte, giebt ihr daselbst ein messingnes Hütchen, und setzt dieses auf einen messingnen Stift, der oben eine Spitze von hartein Stahle hat. Weil aber die Spitze leicht in das Mes­ sing eindringt, und alsdann durch ihre Reibung die freye Bewegung der Nadel hindert, so setzt man oberr in das Hütchen einen harren Stein, z. B. einen Agat, mit einer kegelförmigen kleine», Höhlung. Diese Art die Magnetnadeln zum Gebrauch einzurichten ist in den meisten Fällen bey weitem die beste, und andre

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Siebenter Brief.

Arten, die man vorgekchlagen hat/ find wenigstens zur See nicht brauchbar. Auch schadet das Durch­ bohren einer Nadel nichts / wenn fit sonst nur vom härtesten Stahl und ohne alle Zieraten ist. Denn auf ihre Gestalt kommt allerdings viel an. Sie muß ein gan; einfaches/ gerades / in der Mitt«/ wo sie durchbohrt ist/ etwas erweitertes/ sonst überall gleichförmiges schmales Stäbchen sey«/ dessen eine Spitze/ die nach Norden zeigen soll/ mit der Feile bezeichnet ist. Wenn man dieses Stäbchen vom härtesten Stahle recht gut und so stark als möglich streicht/ so wird es nicht mehr als zwey gleiche und in der Axe des­ selben liegende Pole erhalten. Man giebt den gewöhn­ lichen Nadeln zu Seekompassen 4 bis 5 Zoll Länge; zum Gebrauche der Feldmesser und zu den meisten physikalischen Versuchen macht man sie kürzer/ und zu den genauesten Beobachtungen der Abweichung langer/ von 8 Zoll und drüber. In der nördlichen Halbkugel der Erde pflegt man die nördliche Hälfte einer Magnetnadel/ weil sie sich nach dem Streichen allemal herunter senkt/ wenn sie eben so schwer ist als die südliche Hälft«/ etwas abzuschleifen/ und dadurch leichter zu machen/ damit die gestrichne Nadel eine wagrecht« Lage annehme. Bey den Nadeln der Schiffekompaffe aber kann man sich dieses Mittels nicht bedienen/ weil die Neigung der Magnetnadel in den verschiednen Gegenden der Erde sehr verschieden/ und in der südlichen Halbku­ gel sogar südlich ist. Daher haben die Schiffernadeln ein kleines Gewicht von Messing/ welches sich ver­ schieben läßt/ so lange/ bis die Nadeln sich in eine gan; horizontale Lage setzen.

Wenn eine Magnetnadel sich gehörig richten, und also ihre Dienste thun soll/ muß man alles Eisen und

Der Kompaß.

alle eisenartige Körper aufs sorgfältigste von ihr entfernen. Ueberbaupt kann ein Magner viel eher und viel leichter Vie Richtung etner Magnetnadel merk­ lich verändern, als er im Stande ist sie merklich anzuziehen. Denn der nach der Nadel gekehrte Pol des Magnets zieht die eine Spitze der Nadel an, und stößt zugleich die andre zurück; er zieht also die ganze Nabel nur in so fern an, als er auf die nähere Spitze, die er anzieht, stärker wirkt, als auf die entferntere, die er fortstößt; mit Einem Worte, er zieht sie nur mit dem Unterschiede der Kräfte an. Aber die Rich­ tung der Nadel wird eben so gut durch die Anziehung der einen, als durch das Fortstoßen der andern Spitze, also durch die Summe der Kräfte der Anziehung und Zurückstoßung, g> ändert. Hieraus begreifen Sie unter andern, warum die Erdkugel, als ein Magnet betrachtet, die Richtung einer Magnetnadel bestimmt, ungeachtet sie dieselbe nicht merklich anzieht. Denn der Unterschied jener Kräfte der Anziehung und Zurückstvßung ist bey der Erde unfehlbar etwas unmerkliches, da die Länge einer Magnetnadel in Ansehung der ganzen Erde nur als ein Punkt anzusehen ist. DaS Eisen aber verhält sich gegen die Magnetnadel so wie «in Magnet, weil die Nadel in ihm, obgleich nur sehr schwache, Pole hervorbringt. Daher ist oft eine fast unmerkliche Menge davon in der Nähe der Magnet­ nadel im Stande diese zu beunruhigen. Bey den Magnetnadeln der Schiffer wird an beiden Enden der Radel ein dünner messingner Ring befestigt, dessen Mittelpunkt in den Mittelpunkt der Nadel fällt, und der eine runde Scheibe von Pappe tragt, auf welcher innerhalb eines in 360 Grade eingetheilten Kreises eine Windrose so gezeichnet ist, daß die von Süden nach Norden gehende Linie in die Ape der Nadel fällt. Diese ganze Scheibe bewegt

54

Siebenter Brief.

sich mit der Nadel unter ihr, so daß man gleich in jeder Stellung jede Himmelsgegend erkennen kann. Sie befindet sich nebst der Nadel unter einer Glas­ tafel in einem runden hölzernen oder messingnen Ge­ häuse, welches durch zwey konzentrische Ringe, die an dem Gehäuse mit Stiften befestigt sind, in einem vierecktgen hölzernen Kasten so aufgehängt.ist, daß es nebst der Nadel bey allen Schwankungen des Schiffes immer in einer wagrechten Lage bleibt. So sind alle Schiffskvmpaffe eingerichtet, und man hat Mehrentheils zweyerley Kompasse von der Art auf den Schiffen. Der eine, der Strichkompaß, ist im Hintertheile des Schiffes befestigt, und dient das Schiff zu richten. Der andre zur Beobachtung der Abweichung der Magnetnadel ist beweglich. Man nennt ihn den Azimutalkompaß. Denn die Sternkundigen nennen die Abweichung eines Gestirns von der Mittagsebne, es sey nach Westen oder nach Osten, das Azimut desselben. Es wird durch den Bogen des Horizonts gemessen, der zwischen dem Südpunkte und dem Punkte liegt, in welchem eine durch das Gestirn gehende vertikale Ebne den Horizont durchschneidet. Jener Kompaß aber dient, das magne­ tische Azimut der Gestirne zu finden. Zu dem Ende sind auf den Rand des Gehäuses einander gerade gegen über zwey Dioptern, oder zwey schmale und lange Platten von Messing, lvthrecht aufgesetzt, deren die eine in der Mitte einen lothrechten Schlitz zum Durchsehen, die andre aber eine breite Oeffnung mit einem feinen lothrechten Faden in der Mitte hat. Zugleich kann man das ganze Gehäuse dieses Kompas­ ses in seinem Kasten in die Runde drehen, und so die Dioptern gegen ein Gestirn kehren. Stehen sie nun wirklich gerade gegen die Sonne gerichtet, so zeigt Ihnen die Magnetnadel das magnetische Azimut

Der Kompaß. der Sonne,

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oder die Abweichung derselben

vom

magnetischen Meridiane. Haben Sie nun ju gleicher Zeit durch jemanden die Höh« der Sonne messen lassen, und wissen Sie die Polhöhe Ihres Orts, so läßt sich nach astronomischen Regeln das wahre Azimut der Sonne im Augenblicke der Beobachtung berechnen. Zieht man also hierauf, nach Beschaffenheit der Um­ stände, das eine Azimut vom andern ab, oder addirt man beide, so erhalt man die Abweichung der Ma­ gnetnadel zur Zeit der Beobachtung nach Westen oder Osten.

Die Bussolen, deren sich auch die Feldmesser bedienen, haben eine Magnetnadel, die in ein run­ des Gehäuse von Messing, welches mitten auf einer viereckigen Platte steht, eingeschlossen, und oben mit Glase bedeckt ist. An der innern Wand des Gehäu­ ses ist in der Höhe

der Magnetnadel

ein in 360

Grade eingetheilter Ring befestigt, und das Werkzeug ist gewöhnlich mit Dioptern, oder an deren Stelle mit

einem Fernrohre versehen, dessen wagrechte Axe durch den Anfangspunkt der Grade jenes Ringes geht. Man muß aber bey dem Gebrauche der Bussole, so wie aller andrer mit Glas bedeckter Kompasse, nie vergessen, daß oft ein geringes Reiben des Glases hinreicht, um es zu elektrisiren, und daß das elekcrisirte Glas die Nadel anzieht, und aus ihrer wahren Richtung bringt, sie mag magnetisirt seyn oder nicht.

Mit einer solchen Bussole, deren Nadel 8 bis 12 Zoll lang, sehr sorgfältig gearbeitet, sehr stark magnetisirt und sehr beweglich ist, kann man auf dem festen Lande die Abweichung auf eine ähnliche Art beobachten, wie auf dem Meere. Zu dem Ende setzt man die Bussole an einem ganz freyen Orte, damit kein Eisenwerk sie störe, auf eine feste Unterlage

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Siebenter Brief.

vollkommen wagrecht. Vorher aber wählt man gegen Süden einen festen Punkt an einem Gebäude oder einer Wand in einer ansehnlichen Entfernung, und bestimmt, indem man aus jenem Orte die Lage best selben mit der Lage der Sonne zu verschiednen Zeiten vergleicht, sein Azimut aufs genaueste. Richtet man nun nach aufgestellter Bussole ihr Fernrohr nachher auf jenen Punkt, so zeigt die Magnetnadel daS magnetische Azimut desselben. Indem man aber die» ses mit dem wahren Azimut des Punktes vergleicht, läßt sich die Abweichung der Magnetnadel zur Zett der Beobachtung sogleich bestimmen. Ungeachtet aber mit einer recht guten, großen und recht empfindlichen Bussole sich die Abweichung der Magnetnadel am besten und sichersten beobachten laßt, so ist sie dennoch nicht beweglich genug, um die beständigen Veränderungen der Abweichung anzu­ zeigen. Daher har man besondre Variations­ kompasse, deren Nadeln nicht durchbohrt, sondern, wenn sie groß sind, an Faden von Aloe, oder zusam­ men geklebten ungedrehten Faden von Seide, oder, wenn sie klein sind, an Kettchen von Roßhaar aufgehangt werden. Da sie immer nur kleine Bogen durchlaufen dürfen, so giebt man ihnen kein rundes, sondern ein gerades, langes und schmales Gehäuse, in welchem ein kleiner sehr fein getheilter Bogen befindlich ist, dessen Grade die Spitze der Nadel anzeigt. Solche Kompasse müssen vorzüglich von allem Eisenwerke weit entfernt seyn, und daher muß man ihr Gehäuse im Freyen, außer allen Gebäuden, auf einer festen wagrechten Unterlage, auf welcher man die wahre Mittagslinie so genau als möglich gezogen hat, auf die gehörige Art befestigen, um die Anfangelmie der Theilung jenes Bogens, in welchem

Der Kompaß.

die Nadel spielt, bringen.

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in die gejogne Mittagslinie z»

Die 97. Figur Taf. IX. stellt eine Magnetnadel in ihrer einfachsten Gestalt vor, die sie eigentlich allejeit haben sollte.

58

Ach tex Brief. (§s ist noch der Neigungskompaß, oder das Werkzeug übrig, mit welchem man die Neigung der Magnetnadel gegen die Erde beobachtet. Ich kann es um desto weniger mit Stillschweigen übergehen, da es mit einer vorzüglichen Aufmerksamkeit verfertigt und gebraucht werden muß. Eine Neigungsnadel bewegt sich völlig so, wie ein gemeiner Wagebalken, auf zwey Seitenzapfen, die auf ihren Unterlagen liegen. Diese Zapfen müssen ganz genau in der Mitte der Nadel seyn, damit sie sich in einer jeden Lage vollkommen im Gleichgewicht erhalte, so lange sie nicht magnetisirt ist. Schon hierzu gehört eine große Sorgfalt bey der Ausarbeitung. Allein dennoch haben diese Zapfen allemal eine gewisse Dicke, und da die Nadel sich nicht um ihren Mittelpunkt, sondern um den untersten Punkt derselben, in welchem jeder Zap­ fen auf seinem Lager liegt, dreht, so sehen Sie leicht, wenn die Nadel vertikal steht, daß ihr oberer Arm bis zu dem Bewegungspunkte um die halbe Dicke des Zapfens länger seyn wird als der untre. Daher wird die Erde, welche mit ihrer magnetischen Kraft in beide Enden der Nadel zugleich wirkt, bey uns, wo die Neigung so groß ist, anders in sie wirken, und ihr eine etwas andre Neigung geben, als sie ihr mittheilen würde, wenn beide Arme der Nadel einan­ der völlig gleich wären. Indessen la(?t dieser Fehler sich nicht ganz heben, ob man gleich viele Vorschläge gemacht hat um ihm abzuhelfen, die aber in der Ausübung wieder neue Unvollkommenheiten veran­ lassen.

Der Kompaß»

59

Um ihn jedoch, so viel es seyn kann, zu vermin­ dern, muß man die Nadel so leicht, und ihre Zapfen kegelförmig, harr, und so dünn als möglich zu machen, ihre Reibung aber auf alle Arc zu schwächen suchen. Sie wird in einem messingnen, vertikalen, gehörig in Krade getheilten. Ringe aufgehangen, durch dessen Mitte zwey messingne parallele Querstabe dicht neben einander befestigt sind. Diese haben in ihrer Mitte kleine Löcher mit Agaten, in welchen sich die Nadel auf den äußersten Spitzen ihrer Zapfen dreht. Auf der See wird dieser Kompaß so aufgehangen, daß er immer lothrecht bleibt; auf dem festen Lande aber giebt man ihm einen festen Fuß, durch welchen man ihn vermittelst einer Wasserwage lothrecht stellt. Oben hat er gewöhnlich ein Lineal mit Dioptern, welches sich um den Mittelpunkt eines horizontalen gehörig eingetheilten Kreises drehen läßt. Denn die Nadel zeigt die Neigung in jeder falschen Lage zu groß, und nie richtig, als im magnetischen Meri­ diane; senkrecht auf diese Richtung gehalten, stellt sie sich sogar allemal völlig lothrecht. Da nun eine andre Magnetnadel in ihrer Nahe sie beunruhigen würde, so muß man zuerst aus dem Orte, wo man sie aufstellen will, einen entfernten Punkt gegen Norden beobachten, und durch eine gemeine Bussole bestimmen, um wie viele Grad derselbe vom magneti­ schen Meridiane nach Osten oder Westen abweicht. Sv kann man nachher, indem man durch das hori­ zontal« Lineal des Neigungskompasses nach jenem Punkte hinsieht, dem Ringe der Nadel ganz genau die Lage des magnetischen Meridians geben, und die wahre Neigung der Nadel erkennen. Um aber diese recht genau zu wissen, und allen Irrthum, den die unvermeidliche Unvollkommenheit deö Werkzeuges veranlassen könnte, zu vermeiden, kehrt man die

6c

Achter Brief.

Pole der Nadel durch starke Magnete um, beobachtet noch einmal, und nimmt hieraus aus beiden Beobach­ tungen ein Mittel. Durch Hülfe der Kompasse ist man im Stande gewesen, die Abweichung und Neigung der Magnet, nadel in sehr vielen Gegenden der Erde zu Wasser und zu Lande zu beobachten. Man fand besonders die erstre nicht nur an verfchiednen Orten sehr ver­ schieden, sondern auch an einem und eben demselben Orte nach und nach sehr veränderlich. In London j. B war die Abweichung im sechzehnten Jahrhundert und in der ersten Hälfte des siebzehnten östlich; 1657 war daselbst gar keine Abweichung, und seit dieser Zeit weicht die Nadel immer mehr nach Westen ab, so daß jetzt die westliche Abweichung schon über 22 Grad ausmacht. Eben so verhält sich die Sache in Paris, wo bis 1663 oder 1666 die Abweichung östlich war, hernach ganz verschwand, gleich darauf westlich ward, und bis jetzt immer zugenommen hat. Der berühmte Halley war der erste, welcher vor unge­ fähr 100 Jahren die Abweichung der Magnetnadel in den verfchiednen Gegenden der Erde mit dem größ­ ten Fleiße untersuchte, eine eigne große Reise zur See unternahm, um neue Beobachtungen darüber zu machen, und hernach im Jahre 1700 eine Charte herausgab, auf welcher man mit einem Blicke die damaligen Abweichungen auf einem großen Theile der Erdfiäche übersehen konnte. Er hatte alle Oerter, wo gar keine Abweichung war, wo also damals die Na­ del nach den sichersten Beobachtungen gerade nach Norden zeigte, durch eine Linie vereinigt, welche durch das Allantische Meer ging. Alle Oerter, welche dieser Linie ohne Abweichung nach Osten lagen, hatten eine westliche, und die von der andern Seite eine östliche Abweichung. Halley hatte ferner alle

Die Abweichung

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Oerter, die, es sey nach Westen oder nach Osten, einerley Abweichung zeigten, von Grad ju Grad vereinigt, so daß z. B. durch alle Oerter, die 5 Grad westliche Abweichung harren, eine krumme Linie, durch die, deren Abweichung 6 Grad betrug, eine andre ging, u. s. w. So wenig auch diese magnetischen Linien mit den Parallelkreisen der Erde oder mit ihren Meridianen parallel, und so sonderbar sie auch insgesammt gekrümmt sind, so zeigen sie dennoch eine gewisse Regelmäßigkeit. Indessen sah Halley, um sie gehörig zu erklären, sich genöthigt, zwey magnetische Pole nahe am Nordpole der Erde, und zwey andre nahe am Südpole anzunehmen. Sv mußten die Nadeln nach seiner Meinung, so wohl gegen den Nordpol als gegen den Südpol, der vereinigten Wirkung zweyer magnetischer Pole folgen, und entweder eine mittlere Richtung annehmen, oder sich vorzüglich gegen den Pol richten, der sie am stärksten anzog, im heißen Erdstriche aber von allen vier Polen zugleich in ihrer Richtung bestimmt werden. Um aber die Veränderungen der Abweichung an einem und eben demselben Orte begreiflich zu machen, setzte Hallcy voraus, daß zwey magnetische Pole, einer in Norden, der andre in Süden, sich beständig allmählich immer weiter bewegten, und die beiden andern ruhelen. Diese Voraussetzungen des Halley scheinen freylich sonderbar zu seyn; allein man findet auch die Erschein nungen der Abweichungen auf der Erde sehr sonder­ bar. Es giebt verschiedne Linien ohne Abweichung, und von diesen scheinen einige sich viel schneller zu bewegen als andre. Za von eben derselben Linie rückr eine Hälfte schneller fort als die andre. Derr gleichen Erscheinungen lassen sich schwerlich erklären, und die verschiednen Beobachtungen der Seefahrer

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Achter Brief.

überhaupt schwerlich vereinigen, wenn man der Erd­ kugel nur zwey magnewche Pole giebt. Indessen fehlt es bis jetzt noch viel zu sehr an hinlänglichen und zuverlässigen Beobachtungen, als daß man über die Anzahl und Beschaffenheit der magnetischen Pole der Erde etwas sichres zu bestimmen im Stande seyn sollte. So viel man heut zu Tage weiß, geht eine Haupt­ linie ohne Abweichung durch Nordamerika, tritt von da in der Gegend von Charlestown ins Atlanti­ sche Meer, und läuft nahe an den Küsten von Bra­ silien vorbey nach dem Südpole zu. Eine andre Hauptlinie dieser Art geht ostwärts bey Spitzbergen vorbey, zieht sich durch Rußland, Persien, Ostin­ dien aufNeuholland, und von da gegen den Südpol. Eine dritte Linie ohne Abweichung, die vielleicht nur als «in Nebenast anzusehen ist, geht durch Sibirien und Schina, und scheint sich in Neuholland mit der zweyten Hauptlinie zu vereinigen. Endlich zieht sich eine vierte Linie ohne Abweichung neben Kalifornien durchs Südmeer, und diese hat das besondre, daß sie nicht nur in dem heißen Erdstriche unterbrochen und vernichtet zu seyn scheint, sondern auch daß zu ihren beiden Seiten die Abweichungen östlich sind, anstatt daß alle übrige ähnliche Linien von einer Seite allenthalben westliche und von der andern östliche Abweichungen zeigen. So ist die Abweichung der Magnetnadel im Gan­ zen beschaffen; ihre Neigung aber scheint ziemlich beständig zu seyn; wenigstens weiß man nicht zuver­ lässig , daß sie sich an irgend einem Orte in langer Zeit merklich verändert hätte. Normann, der sie zuerst entdeckte, beobachtete sie in London sehr genau, und fand sie r592 von 71 Grad 50 Minuten. Sie ist aber noch jetzt daselbst nach den besten Bevbach-

Die Neigung.

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tungen von 72 Grad. Zwar nimmt sie keineswegs unter einerley Meridiane nach den Polen regelmäßig zu; indessen ist sie dennoch gegen die Pole zu größer, und in dem heißen Erdstriche kleiner, als bey uns. Unter einer nördlichen Breite von 8o| Grad fand man sie etwas über 82 Grad, und unter 69 Grad nördlicher Breite von 79 Grad. Der magnetische Aequator, wo die Nadel gar keine Neigung hat, steigt in einigen Gegenden nördlich über die Linie, in andern senkt er sich südlich unter sie. So ist in der Gegend der Insel Borneo unter 10 Grad nördlicher Breite die Neigung nur von 52s Minuten nördlich, und näher an der Linie, unter 9 Grad 24 Minuten Breite, schon 5 Minuten südlich. Zwir sichen Afrika aber und Amerika beträgt sie selbst unter der Linie an 30 Grad, und sie verschwindet nicht eher, als etwa unter dem t 2 ten Grade südlicher Breite. Hernach w»rd sie weiter hin südlich, oder die süd­

liche Spitze der Nadel senkt sich herab, und die nörd­ liche hebt sich. Unter 45 ß Grad südlicher Breite beträgt diese südliche Neigung in einigen Gegenden bereits etwas über 70 Grad. Indessen sind die Beobachtungen der Neigung, die man bis jetzt hat, noch weniger vollständig und zuverlässig, als die Beobachtungen der Abweichung. Man kann die Neigung der Magnetnadel gegen die Erde durch ein kleines Stückchen Eisendraht erläu­

tern und sinnlich machen, welches man auf einem Magnet herum führt, besonders wenn dieser kugel­ förmig oder eine Terrelle ist. Auch schon in einiger Entfernung richtet sich der Draht gegen den Magnet, und zwar um desto mehr senkrecht auf seine Oberfläche, je näher er seinen Polen ist. Daher scheint ein Stück­ chen Eisendraht von etwa einer Minie Länge, welches

man auf einen Tisch legt, wenn man den einen Pol

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Achter Brief.

eines magnetischen Stabes unter ven Tisch halt, und wiederholentlich auf den Tisch klopft, sich immer weiter von dem Magnet, oder von dem Punkte des Tisches, der lothrecht über dem Pole des Magnets ist, und dem es zur Seite liegt, zu entfernen, obgleich der Magnet es anjtehl. Denn der Draht richtet sich bey der Annäherung des Magnets mit seinem hinter« Ende etwas in die Höhe, aber nicht hinlänglich, weil sein vordres Ende sich an den Tisch stützt, und seine eigne Schwere das hintre Ende herunter treibt. Wird er nun durch das Klopfen auf den Tisch etwas in die. Höhe geschleudert, so kann er sich frey um feinen Mittelpunkt drehen. Da nun die richtende Kraft de« Magnets, wie ich Ihnen sonst schon gesagt habe, diel starker ist und sich weiter erstreckt als die anzie» hende, so richtet sich der aufspringende Draht wirk­ lich, indem er sich dreht, ohne daß sein Mittelpunkt aus feiner Lothlinie weicht. Er nimmt eine mehr lothrecht« Lage an, und sein vordres Ende dreht sich rückwärts. Es kommt also, indem der Draht zurück fällt, auf einen Punkt des Tisches, der vom Magnet etwas weiter entfernt ist, als derjenige, in welchem es sich vorher befand. Indessen drückt den Draht auf dem Tische seine eigne Schwere wieder etwas nieder. Klopft man also aufs neue auf den Tisch, so entfernt sich der Draht aus einer ähnlichen Ursache wieder etwas, indem er zurück fällt. Eben so ent» fernt sich Eisenfeile, die man auf den Tisch schüttet, unter gleichen Umständen wie der Draht bey wieder­ holtem Klopfen auf den Tisch, allmählich immer wei­ ter vom Magnet. Die Abweichung der Magnetnadel verändert sich gewöhnlich an jedem Orte der Erde beständig fort, wiewohl in einer kurzen Zeit mehrentheils nur wenig. Diese Veränderung in der Abweichung, welche nur mit

Die Neigung.

6$

Mit sehr guten und sehr beweglichen Nadeln gehörig beobachtet werden kann, nennt man schlechtweg die Veränderung oder die Variation der ÜRa# gnetnadel. Gellibrand hat sie zuerst 1625 in England entdeckt, und man hat heut zu Tage, um sie zu beobachten, eigne Variationökompusse, die ich Ihnen bereits beschrieben habe. Diese beständig fortdauernd den Schwankungen der Magnetnadel sind entweder regelmäßig und täglich beynahe dieselben, oder sie sind auch unregelmäßig, entweder ungewöhnlich groß, oder plötzlich. Die Nadel bewegt sich im letzter» Falle gleichsam sprungweise, oder sie ist «»gewöhn« lich unruhig, und geht nach andern Richtungen, oder stärker als sonst. Ich behalte mir vor, Ihnen in dem folgenden Schreiben von beiden Arten der Ver­ änderungen einige Bemerkungen mitjutheilen.

Die 96. Figur Taf. IX. stellt einen Neigungs­ kompaß vor.

Hube Naturl. 2. Th.

E

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Neunter

Brief.

Man hielt anfänglich die täglichen Veränderungen der Magnetnadel für bloß zufällige Bewegungen, die

entweder von einer fehlerhaften Beschaffenheit der Nadeln, oder von einem Mangel der nöthigen Vorsicht des Beobachters herrühren; allein Die Erfahrung zeigte bald, wie ungegründet diese Vermuthung wäre. Freylich muß man bey diesen feinen Beobachtungen die äußerste Behutsamkeit anwenden, alles Eisenwerk von dem Orte der Nadel und von sich selbst, wenn man sich derselben nähert, entfernen, und sie vor allen Bewegungen der Luft, vor allen, auch den leisesten Er­ schütterungen, sicher stellen. Allein wenn man sie gleich auf diese Art vor allem möglichen fremden Ein­ flüsse sichert, so zeigen dennoch mehrere an einem Orte ausgestellte Nadeln, wenn sie sonst gut und beweglich genug sind, diese beständigen kleinen Schwankungen, und zwar alle auf einerley Art. Zwar giebt es Gegenden, wo sie sich sehr schwach und oft kaum merklich, und andre, wo sie sich vorzüglich stark bewegen, ja an einem und eben demselben Orte sind ihre Bewegungen oft einige Jahre hinter einan­ der stärker und andre Jahre schwacher. Indessen zeigen die Nadeln doch allenthalben einen gewissen re gelmäßigen Gang. Sie gehen jetzt bey uns täglich von früh Morgens an bis Mittag etwas westlich, stehen von Mittag bis 3 Ubr mehrentheUS beynahe still, und kehren hernach den Abend und die Nacht durch wieder gegen Norden zurück. Graham und vorzüglich Canton waren die ersten, welche über diese

Die Veränderung.

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Bewegungen in England richtige und wiederholte Beobachtungen anstellten. Diese tägliche schwankende Bewegung der Magnet­ nadel/ welche man die regelmäßige Veränderung nennen kann/ und wodurch die Abweichung Vormit­ tags wieder vermindert wird/ dauert ununterbrochen täglich fort. Der mittlere tägliche Unterschied zwi­ schen der größten und kleinsten Abweichung beträgt selten mehr/ alS 7 bis 13I Minuten, und in vielen Gegenden ist er noch viel kleiner. In den Sommer­ monaten ist er am größten, im Winter am kleinsten/ und im Frühlinge und Herbste von mittlerer Größe. Unfehlbar rührt diese tägliche Veränderung bloß von der Erwärmung und Erkältung unsrer Atmosphäre her. Denn die Versuche mit dem Magnetometer haben gezeigt/ daß durch die Erwärmung der Luft die magne­ tischen Kräfte auf unsrer Erde allemal geschwächt werden. Nun ist unsre Atmosphäre Vormittags gewöhnlich nach Osten zu, und Nachmittags nach Westen zu am stärksten erwärmt. Daher werden die Magnetnadeln Vormittags starker nach Westen, Nachmittags stärker nach Osten gezogen. Daher ist im Sommer die tägliche Veränderung fast doppelt so groß als im Winter. Außer diesen regelmäßigen Schwankungen Hat die Magnetnadel auch noch zuweilen, zwey bis drey­ mal monatlich/ gewisse unregelmäßige Bewegungen. Entweder sie ist unruhig und zitten hin und her; oder sie bewegt sich ungewöhnlich stark/ oder nach einer ungewöhnlichen Richtung, z. D. Vormittags nach Osten; oder sie ändert ihre Abweichung plötzlich, gleichsam mit einem Sprunge, und erhält sich nach­ her bey dieser veränderten Abweichung, oder sie kommt nach einiger Zeit wieder auf d»e vorige zurück. Schon Canton fand, daß fast alle solche unregelmäßige

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Neunter Brief.

Bewegungen mit Nordlichtern begleitet waren. Ein andrer sehr guter Schwedischer Beobachter, Herr Wilke, versichert: „Oer Einfluß des Nordlichts auf die Magnetnadel sey so offenbar, so allgemein und so beständig, daß ihn niemand in Zweifel ziehen könne, der die Sache mit einiger Aufmerksamkeit untersucht habe. Wenn ein heller Himmel oder bewölkte Nachte es nicht verhindern, so geschehe es selten, baß man nicht ein Nordlicht sehe, so oft die Magnetnadel sich unregelmäßig bewegt. — Die Nvrdspttze der Nadel scheine vom Nordlichte angezogen zu werden, und sich nach Osten oder Westen zu wenden, nachdem hier oder dort dieses Licht am stärksten glänzt. Wenn es daher fast den ganzen nördlichen Himmel gleichförmig erhellet, so mache die Nadel wenige ungewöhnliche Bewegungen, ungeachtet der Stärke des Nordlichts." Und Herr Vanswinden fai.d in Holland in einem Zeit­ räume von ii Jahren, daß die Magnetnadel 106 mal des Abends unruhig war und zitterte. Aber an denselben Tagen fand er auch, daß entweder zu glei­ cher Zeit oder den Morgen darauf 148 mal Nördlich­ lichter sichtbar waren, so daß höchst wahrscheinlich die übrigen 18 Abende auch Nordlichter hatten, di« man aber in Holland nicht sah. Er schließt ebenfalls aus allen feinen höchst mühsamen Beobachtungen, daß die Nordlichter wahrscheinlich die einzige Ursache aller unregelmäßigen Bewegungen der Magnetnadeln, und vorzüglich der Sprünge sind, durch welche sie ihre Abweichung aus einmal merklich verändern, die sie oft hernach so verändert beybehaltrn. Vielleicht laßt sich hieraus erkläre», weßhalb die Nadel, welche Herr Cassini in Paris beobachtete, den ganzen Win­ ter über mehr nach Westen als nach Osten zu gehen schien, ungeachtet das feste Land, welches Paris nach Osten liegt, im Wmrer kalter ist als das Atlantische

Ursache der Polarität.

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Meer gegen Westen, und also die Nadel stärker nach Olten hatte gezogen werden sollen. Denn im Win­ ter sind gewöhnlich die Nordlichter am häufigsten, und diese vergrößern jetzt bey uns, vermöge der Erfahrung, durch ihren Einfluß Vie westliche Ab­ weichung. Aus allen diesen Thatsachen scheint unmittel­ bar zu folgen, daß dieselbe Ursache, welche die Nordlichter erzeugt, auch die wahre Ursache der Abweichung, ja selbst der Richtung der Magnet­ nadeln seyn müsse. Denn wenn es vermöge der zuverlässigsten und sorgfältigsten Beobachtungen gewiß ist, daß alle merkliche Veränderungen in der Abweichung, auch solche, die nachher fortdauern, durch die Nordlichter erzeugt werden, so muß die ganze Abweichung bloß ein Werk dieser sonderbaren Erscheinung, oder vielmehr der Ursache derselben, und bloß von ihr nach und nach erzeugt worden seyn. Ist aber diese Ursache allein fähig, die Richtung der Magnetnadeln zu andern, so muß sie sie auch ganz allein hervorbringen. Diese geheimnißvolle Ursache aber finden wir nirgend anders, als in der Elektrizität unsrer At­ mosphäre. Die Erfahrung lehrt, daß sie elektrifirt, und zwar in ihrer Substanz, elektrifirt ist, also höchst wahrscheinlich auch zwey Pole hat, wie der Turmalin und alle Körper, die nicht in ihrer Ober­ fläche, sondern in ihrem Innern elektrifirt sind. Ja es scheint, daß sie, so wie jene Körper, am stärksten durch die Erkältung elektrifirt wird. Denn von der Ausdünstung kann man ihre Elektrizität, die bey uns allezeit positiv ist, unmöglich Herlei, ten, da es noch sehr ungewiß ist, ob die eigent­ liche Ausdünstung Elektrizität erzeuge, und bey der Verdampfung bald positive, bald negative



Neunter Brief.

Elektrizität bemerkt wird. Hingegen wird man fast allezeit des Abends, besonders nach heißen hellen Tagen, die deutlichsten Spuren des elektrischen Lichts am Himmel sehen. Die beiden elektri­ schen Pole der Atmosphäre aber, wo die Elektrizi­ tät derselben am stärksten angehäuft ist, liegen unfehlbar in der Gegend der beiden Pole der Erde. Denn hier giebt es ungeheure Eismassen, die wegen der außerordentlichen Kälte der dortigen Gegenden Nichtleiter sind, über welchen sich also die Elektri­ zität ungewöhnlich stark anhäust, weil sie nicht in die Erde abgeleitet werden kann. Ueberdem sind um die Pole die Veränderungen in der Wärme und Kälte am größten. Wahrscheinlich find diese Pole keine Punkte, und befinden fich vorzüglich da, wo sich die nichtleitenden Eismasscn in der größten Menge angehäuft haben. Der nördliche elektrische Pol ist pofitiv, der südliche negativ, und das Nordlicht nebst dem Südlichte sind nichts weiter als elektrische Erschei­ nungen, Ausströmungen eines elektrischen Lichts, dergleichen man oft auch an den Polen des Tur­ malins wahrnimmt. Und so wie dieser Stein nebst allen ähnlichen Steinen den Magnet ««zieht, so thut auch d»e Atmosphäre eben dasselbe vermöge ihrer Pole so daß man gar nicht nöthig hat, die Erdkugel als einen Magnet anzusehen, oder in ihrem Innern Magnete anzunehmen; vielmehr ist die Elektrizität der Atmosphäre der wahre Quell aller magnetischen Kräfte auf der Erde. Die äußere Elektrisirung eines Magnets kann auf seine Kraft, wie ich Ihnen schon sonst gesagt habe, mehreutheils nicht merklich wirken, weil der Magnet in seiner Oberfläche leitet. Denn er ver­ liert die mitgetheilte Elektrizität deßhalb sogleich,

Ursache der Polarität.

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wenn et nicht isolirt ist; ist er aber isolirt, so nimmt seine Oberfläche allenthalben einerley Elek­ trizität an. Wenn diese also auch auf die Pole des Magnets wirkte, so müßte sie dennoch den einen eben so viel zu schwächen, als den andern zu verstärken suchen. Daher wird eine -Wirkung durch die andre aufgehoben, und die Pole des Magnets können sich auf diese Art eben so wenig verändern, als ein eiserner Stab dadurch, daß man ihn elektrisirt, Pole erhalten kann. Läßt man aber einen starken elektrischen Schlag durch einen Magnet oder durch Eisen gehen, so muß dieser allemal vorzüglich durch die Erschütterung der Theilchen wirken, eben so als wenn man den Magnet oder das Eisen gehämmert härte. Indessen hat man auch Beyspiele genug, wo die Elektrizität bloß durch ihre elektrische Kraft auf die Pole der Magnete gewirkt hat. Sehr oft hat der Blitz, wenn er in Schiffe schlug, und nahe bey den Kompassen vorbey ging, die Magnet­ nadeln zum Theil ihrer Kraft gänzlich beraubt, zum Theil so verändert, daß ihre Pole ganz umge­ kehrt waren, und sie mit ihrer südlichen Spitze nach Norden zeigten. Dieses läßt sich aus keiner Erschütterung erklären. Denn erstltch war der Blitz in den Fällen, von welchen ich rede, nicht durch die Nadeln selbst, an denen man nicht die geringste Spur der Schmelzung bemerkte, sondern nur nahe bey ihnen vorbey gegangen; zweytens standen sie alle, indem der Blitz auf sie wirkte, mit ihrer Nvrdspitze nach Norden gekehrt. Wenn aber ein elektrischer starker Schlag durch einen Draht geht, der diese Lage hat, so erhält allemal das nach Norden gekehrte Ende einen Nordpol. Wie hätte also der Blitz in diesem Ende einen

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Neunter Brief.

Güdpvl hervorbringen können, wenn er bloß durch die Erschütterung, und nicht als ein wirklicher Magnet gewirkt hätte? Auf eine ähnliche Art muß auch in dem Falle, den Musshenbroek anführt, die atmosphärische Elektrizität gewirkt haben. Er versichert nämlich, daß seine in dem Garten sei­ nes Hauses aufgestellte Magnetnadel ganz gelähmt und ihrer Kraft beraubt worden wäre, so daß er sie aufs neue streichen mußte, als im Jahre 1730 den 19. May eine sehr schwere Gewitterwolke über sein Haus zog. Da die Magnete von der elektrischen Kraft der ganzen Atmosphäre ihre Richtung erhalten, so läßt sich wohl begreifen, daß Veränderungen der Elek­ trizität, welche durch Gewitter in kleinen Theilen der Atmosphäre hervvrgcbracht werden, auf die Magnetnadeln oft keinen merklichen Einfluß haben könne». Ueberhaupt scheint es, daß jene Verän­ derungen der Elektrizität mehr in den Dünsten, welche in der Luft hängen, als in der Luft selbst vorgehn, und die Elektrizität der Wolken ist überdieß eine gemeine Elektrizität, welche nur in der Oberfläche der wässrigen Dünste haftet. Vielleicht werden sogar noch einige besondre uns unbekannte Bedingungen ersordert, wenn jene Elektrizität auf die in dem Innern einiger Körper befindliche, oder diese auf jene wirken soll. Indessen muß dennoch, wie es scheint, die elektrische Kraft der ganzen Atmosphäre durch dergleichen Veränderungen der Elektrizität immer etwas geschwächt werden, und diese Schwächung an einer Magnetnadel, die sich mitten in dem Umkreise jener Veränderungen befin­ det, zuweilen merklich seyn. In der That hat man bemerkt, daß empfindliche Magnetnadeln, die in einem kleinen Zimmer stehn, oft unruhig werden,

Ursache der Polarität.

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wenn man darin lange hinter einander in einem weg des triftet. So versichert auch Herr Corte, ein sehr geschickter und sehr fleißiger Beobachter der Magnetnadel, daß die Veränderungen der Nadeln in den Monaten, wo die Gewitter am häufigsten find, und in den Tagen, welche vor den Gewittern hergehn oder auf sic folgen, wie auch selbst wah­ rend der Gewitter, vorjügltch stark zu seyn pflegen. Es vergehn, wie er sagt, juweilen ganze Monate, wo die Magnetnadel sich fast gar nicht rührt, als in den Tagen, da sich Gewitter zusammen zieh» oder ausbrechen, oder die auf Gewitter folgen. Wenn man daher zuweilen, auch bey den heftig­ sten Gewittern nichts besonders an den Magnet­ nadeln bemerkt, so kann das vielleicht mit daher rühren, daß die Schwächung der atmosphärischen Kraft rings um den Ort der Nadel herum von allen Seiten ungefähr gleich ist. Zuweilen verlieren die Kompasse ihre Kraft, oder sie zeigen falsch, bloß weil ihr Deckelglas des» trisirt ist, welches alsdann jede unter ihm befindliche Nadel, sie sey von Messing oder von Eisen, anzieht. Um sich also bey magnetischen Beobachtungen vor Trugschlüssen desto besser zu sichern, kann man dem Beyspiele des Herrn Danswinden folgen. Er stellte zwey ganz ähnliche und auf gleiche Art eingeschloßne Nadeln, eine von Messing, die andre von magneti­ schem Stahle, neben einander, und da er alle Ursa­ chen, durch welche ihre Gläser hätten elektrisirt wer­ den können, sorgfältig entfernte, so fand er, daß die messingne ganz unbeweglich blieb, wahrend daß die wirkliche Magnetnadel ihre täglichen Schwankun­ gen machte, und besonders zur Zeit der Nordlichter unruhig war.

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Zehnter

Brief.

Cs ist noch übrig, daß ich Ihnen das Nordlicht etwas umständlicher beschreibe, dessen ich in meinem vorhergehenden Briefe erwähnt habe. Diese merk­ würdige Lufterscheinung, in welcher der Pöbel bren­ nende Ruthen, feurige und mit einander streitende Heere, und überhaupt eine Vorbedeutung des Krie­ ges und großer Unglücksfälle fieht, war den Alten schon unter verschiednen besondern Namen bekannt. Eie hat ihren jetzigen Namen daher, daß fic sich in unsern Gegenden fast immer am nördlichen Theile deS Himmels zeigt. Oft sieht man hier des Abends ein röthliches oder weißliches, oft wallen­ des und zitterndes Licht, welches zuweilen Heller leuchtet als der volle Mond, und sich beständig verändert. Oft fahren Strahlen von verschiednen Farben vom nördlichen Horizonte bis in den Schei­ telpunkt, ja zuweilen noch weiter durch ihn. Sie pnd durchsichtig, zuweilen unterbrochen, und senk­ recht auf den Horizont. Sie bilden zuweilen im Scheitelpunkte ein helles Wölkchen, oder eine Art von Kuppel, die im schönsten rothen, blauen und grünen Feuer glänzt. Sie dauern nicht lange, höchstens io Sekunden; alsdann schießen neue Strahlen hervor; zuletzt zertheilen sie sich oft in helle Wölkchen, dergleichen man auch sonst oft im erleuchteten Theile des Himmels hier und da sieht, als wenn der Mond oder die Sonne hinter Ger wölken stände. Diese Strahlen kommen gewöhnlich aus einer Art von dunkelm Nebel oder Gewölkc am Horizonte, das oft den Abschnitt eines Kreises

Das Nordlicht.

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bildet, und oben mit einem oder mehreren, zuweir len gefärbten Bogen eingefaßt ist. Dieser Dogen strht, wenn er ganz ist, mit seinen beiden Schen­ keln in Osten und Westen auf, sein Mittel aber weicht nach Westen von Norden ab, so wie die Magnetnadel. Er hat zuweilen einen dunkeln undurchsichtigen Bogen mit gefärbten Rändern, oder mit Rissen, durch welche das Licht schimmert, unter sich, und der Abschnitt des Himmels unter diesem Bogen ist oft dunkel oder schwacd erleuchtet und durchsichtig, oft auch schwarz und undurch­ sichtig. Die Hellen Bogen zeigen sich zuweilen auch ohne Strahlen, wenn sie durch den Scheitelpunkt gehn, oder sehr hoch sind; wenn aber lange Strah­ len aus ihnen fahren, sind sie allezeit niedrig, und selten mehr als 40 Grad hoch über dem Ho­ rizonte. Bey großen Nordlichtern fahren zuweilen aus schwarzen Wolken schwarze niedrige Striche hervor, wie die Zähne eines Kammes. Die Bogen aber zerreißen gewöhnlich zuletzt, oder theilen sich in Wölkchen, die bald leuchten, bald verlöschen, bald wieder brennen, und Strahlen ausfchichen, die um desto kürzer sind, je höher sie stehen, oder sie lösen sich auch in eine Art von Rauch auf. Alle diese Erscheinungen zusammen gehören zum Nordlichte, und zeigen sich bey uns gegen Süden nur höchst selten und nur zum Theil. Nahe an dem Polarkreise hingegen sieht man dieses Licht, in Europa, Asien und Amerika, in allen Gegenden des Himmels, und fast alle Winternächte. Am Ausflüsse der Lena ins Eismeer in Sibirien funkelt oft der ganze Himmel, als ein großes, mit den prächtigsten Edelsteinen von aller­ hand Farben ausgeschmücktes Zelt. Zugleich fah­ ren von allen Seiten Strahlen mit einem Zischen,

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Zehnter Brief.

Platzen und Knallen in die Höhe, welches dar Knallen des stärksten Feuerwerks weit übertrifft. Zn Lapland ist es auch über den ganzen Himmel verbreitet, und man sieht hier oft mehrere Strah­ len schießende Bogen zugleich in Süden und Norden, Vie sich einander nähern, und deren Mittelpunkte im magnetischen Meridiane zu liegen scheinen. In Grönland zeigt es sich am stärksten in Südost, wahrscheinlich weil nach dieser Gegend die stärksten und höchsten Eismaffen in den dortigen Meeren liegen. Je weiter man sich von den Polen entfernt, um desto seltner werden die Nordlichter. In einer langen Reihe von Jahren hat man deren in Stock­ holm sechsmal so viele gesehen als in Paris, und in Portugal sieht man sie fast nie. In Nord­ amerika sind sie unter gleichen Breiten viel häufi­ ger, vielleicht weil hier die Winter strenger sind. Auf der südlichen Halbkugel der Erde zeigen sich ähnliche Südlichter, wiewohl selten. Die Nordlichter sind am häufigsten um die Zeit der Nachtglcichen, und im Winter häufiger als im Sommer. Sie fangen gewöhnlich bald nach Sonnenuntergange, selten nach Mitternacht, oder des-Morgens, ober bey Tage an, und dauern zuweilen nur wenige Minuten, oft di« ganze Nacht, ja wohl gar mehrere Nächte nach einander, wer­ den aber im letzten Falle allmählich immer schwä­ cher. Sie scheinen gewisse Perioden zu haben, wo sie sehr selten, und andre, wo sie häufig sind. Seit 1716 fingen sie in Europa an sich häufig sehen zu lassen; jetzt scheinen sie seit einigen Jah­ ren wieder selten zu werden. Die langen vom Horizont aufschießenden Strah­ len, die lodernden und wallenden Flammen, und mehrere andre Erscheinungen der Nordlichter sind

Das Nördlich».

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unfehlbar, wie auch Herr Hell, der bey seinem Aufenthalte ;u Wardbus in Norwegen das Nord­ licht ju einem Hauptgegenstande seiner Untersuchun­ gen gemacht hatte, umständlich bewiesen hat, bloße Bilder, welche durch die Zurültwerfung des Lichts in einer mit gefrornen Dünsten sehr angefüllten At­ mosphäre erzeugt werden. Wenn viele solche Dünste in der Luft hangen und ee schneyen will, so verursacht oft «in Feuer in der Ferne des Abende Strahlen, die denen des Nordlichte ähnlich sind; oder der Himmel scheint alsdann beym Untergange und Aufgange der Sonne zu brennen, wie beym Nordlichte. Große Nordlichter zeigen oft solche Dogen, wie die Neben, sonnen, und man hat oft, um die Zeit wenn sie erschienen, lange Schweife an der untergehenden Sonne gesehen, die, so wie die Nebensonnen, nur durch gefrorne Dünste erzeugt werden. Aber am augenscheinlichsten sieht man, daß die vornehmsten Erscheinungen des Nordlichts bloße Phantome sind, welche durch die Dünste hervorgebracht werden, daraus, daß eben dasselbe Nordlicht an verschiednen Orten allezeit auf verschledne Art erscheint, ja daß es oft bey klarem Himmel an einem Orte gesehn wird, an dem andern aber nicht, ungeachtet beide Oerter nur um einige Meilen von einander entfernt sind. Man darf nur die Beschreibungen betracht, licher Nordlichter des achtzehnten Jahrhunderts, wie sie an verschiednen Orten gesehen worden sind, durch­ gehen und vergleichen, um sich hiervon aufs vollkom­ menste zu überzeugen. Hieraus begreifen Sie leicht, warum die Nord, lichter bey uns vorzüglich in den kältern Iahrszeiten erscheinen, im Sommer aber, wo die gefrornen Dünste in der Luft selten sind, wenig aesehen werben; ferner weßhald sie vorzüglich in den kalten Landern so

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Zehnter Brief.

häufig und so stark sind; warum sie sich endlich beson­ dere in Nordamerika so oft, und selbst in Pensylvanien viel häufiger zeigen als in Frankreich. Denn das Klima von Nordamerika ist viel rauher als das Europäische, die dortigen Winter sind viel strenger, und hoch gegen Norden h«nauf sind daselbst die Schweife an der ausgehenden und untergehenden Sonne so häufig, als die Nebensonnen und andre von gefrornen Dün­ sten herrührende Erscheinungen. Sie sehen auch leicht ein, warum die Nordlichter, so wie die Schweife an der Sonne, sich in ihrer völligen Größe nicht zeigen, als wenn der Quell ihres Lichts nahe am Horizont ist, und also ihr Licht von den in der Höhe befindli­ chen Eistheilchen leicht in unser Auge zurück gewor­ fen werden kann. Ader dieser Quell ihres Lichts, woraus die Dünste jene Phantome bilden, ist unfehlbar elektrischer Na­ tur. Schon Canton, ein sehr geschickter Beobachter, versichert, nie des Nacht» so viel Elektrizität au» der Luft gesammelt zu haben, als während de» Nordlichts. Herr Dolta bestätigt diese Bemerkung durch seine eigne Erfahrung. Aber am deutlichsten zeigen die Sibirischen Nordlichter ihre elektrische Natur durch das Prasseln und Knallen ihrer ausschteßcnden Strah­ len. Man hat ferner oft 'bey großen Nordlichtern mitten in dem erleuchteten Thetle de» Himmels wahre Blitze gesehen, ja oft verwandeln sich Gewitter zuletzt in Nordlichter. Jcb habe es selbst gesehen, daß nach einem starken Gewitter gegen Abend, nachdem die Gewitterwolken sich zuletzt in Norden fast verloren hatten, aus diesen in der Nacht Strahlen schossen, wie bey dem stärksten Nordlichte. Zuweilen zeigt sich in diesem Falle auch sogar der helle Bogen, der aber freylich strahlenloe ist, wenn er entweder zu hoch steht, oder wenn es in der Atmosphäre an gefrornen

Das Nordlicht.

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Dünsten fehlt. Man kann also unmöglich an der elektrischen Natur des Nordlichts zweifeln, welche unfehlbar auch die Schwärze erzeugt, Vie man oft in dem untersten nördlichen Abschnitte des Himmels bey großen Nordlichtern sieht. Hierin liegt der Grund, daß die Nordlichter gewöhnlich sich bald nach Sonnenuntergange zeigen, wo die atmosphärische Elektrizität am stärksten ist, weil die Atmosphäre durch die Erkältung stärker eleke trisirt wird als durch die Erwärmung; ferner daß sie um die Zeit der Nachtgleichen am häufigsten sind, wo die Abwechselung zwischen Wärme und Kälte auf der Erde bis an die Pole hin vorzüglich stark, und die obre Luft oft mit gefrornen Dünsten angefüllt ist; endlich daß die Nordlichter gegen den Pol zu, wo die atmosphärische Elektrizität vorzüglich stark ist, am stärksten sind. Es scheint, daß zuweilen dünne Massen von Dünsten, ja wohl selbst starke Wolken, durch die atmosphärische Elektrizität in ihrem Innern durch und durch elektrisirt werden, und Pole erhalten. Diese Nebel kehren ihren negativen Pol gegen Norden, den positiven aber, wenn sie uns nach Norden zu stehen, unserm Auge zu. Ihre ganze positive Seite fängt, wenn sie sehr stark elektrisirt sind, an zu leuch, ten, und bildet, wenn die Nebel Ausdehnung genug haben, jenen hellen Dogen um den positiven Pol der Erde, von welchem sie in allen Punkten ungefähr gleich weit entfernt ist, weil in dieser Lage alle ihre Punkte ungefähr gleich stark von jenem Pole zurück gestoßen werden. Zuweilen sind mehrere Schichten solcher Nebel­ haufen neben einander, die also auch mehrere Bogen veranlassen. Unfehlbar strömt, wie bey einem stark elektrisirten Turmalin, die positive Elektrizität auf die negative Seite über, und daraus entstehen durch

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Zehnter Brief.

den Wiederfchein der gefrornen Dünste jene langen nach dem Scheitelpunkte aufsteigenden Strahlen. Otenegalive Seite der Nebel leuchtet unfehlbar nie, es sey denn bey einer außerordentlich starken Elektrisirung, da sich die negativ elektrisirten Körper auch bey den elektrischen Versuchen nie so stark leuchtend zeigen als die positiven. Daher sehen wir das Nordlicht immer gegen Norden, und höchst selten gegen Süden; in Lapland aber, wo die ruftelektrizität so unge­ mein stark ist, erscheint es nach beiden Gegenden zu. Nunmehr ist ee nicht schwer, den Einfluß der Nordlichter auf Öle Magnetnadel zu erklären. Denn Eie sehen leicht, daß jene Nebel mit Polen auf eine ähnliche Art elektrisirt sind wie der Magnet, und daß sie also wahrscheinlich diesen anziehen müssen. Wie viele Nordlichter müssen übrigens nicht entstehen, von denen wir gar nichts wissen, entweder weil sie zu weit von uns entfernt sind, oder weil der Himmel bewölkt ist, oder weil es an gefrornen Dünsten bey uns fehlt, oder weil der Mond oder die Dämmerung sie verbirgt, oder weil sie eine so unbequeme Lage haben, daß ihr Licht in unser Auge nicht zurück gewor­ fen werden kann, oder auch aus andern Ursachen. Eine andre Erscheinung, welche Cassini, ein Französischer Astronom, der im Jahre i6b3 zuerst aufmerksam auf sie ward, das Zodiakallicht oder das Thierkreisltcht nannte, weil er dieses Licht einigemal nahe beym Thierkreise am Himmel sah, hat mit dem Nordlichte die größte Ähnlichkeit, oder es ist vielmehr nichts weiter als ein unvollkommnes Nordlicht. Cassini sah es damals im März zwischen 7 und 8 Uhr Abends gegen Westen einige Tage nach einander, und dieß gab Gelegenheit dazu, daß man es von der Atmosphäre der Sonne herleitete. Allein es müßte, wenn diese Meinung den geringsten Grund

Das Nordlicht.

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Grund hatte, alle Jahre bey Hellem Himmel dm gan­ zen Marz bis in den April des Abends, and im Herbste vor Aufgange der Sonne erschelnen. Dieß geschieht aber nicht, und es vergehen oft ganze Jahre, wo man, wenn gleich der Himmel noch so hell ist, von ihm nicht die geringste Spur steht. Zuwei­ len hält eS etwas an, wenn es erscheint, zuweilen verschwindet es fast in einem Augenblicke; zuweilen gleicht es, so wie man es beschreibt, einer hellen Pyramide, zuweilen habe ich aber auch gesehen, daß es fich in verschiedne Streifen theilte, wovon freylich einige nach Süden oder nach dem Lhierkreise, andre aber auch nach Norden gerichtet waren. Man kann ee also auf keine Art der Sonnenatmosphare zuschreiben, vielmehr ist es in allen Absichten dem Nordlichte ähnlich. Es ist eben so blaß, eben so durchfichtig, so gefärbt, so zitternd oder wallend, es entsteht eben so auö einem dunkeln Nebel am Horizonte, und beunruhiget die Magnetnadel eben so wie dieses. Es geht oft in ein wahres Nordlicht über, ja die Nordlichter fangen sehr oft mit einem schiefen aus Westen nach Süden abweichen­ den Lichte an, das dem Thierkreislichte völlig ähnlich ist. Dieses Licht erscheint am häufigsten des Abends um die Zeit der Nachtgleichen, so wie das Nordlicht, aber selbst Cassini sah es auch mitten im Winter. Vielleicht ist es ein feiner am westlichen Horizonte durch den Untergang der Sonne und die daher rüh­ rende Abkühlung elektrisirter Nebel, dessen Spitze der magnetische Pol der Erde von Norden gegen Süden zurück stößt, weil sie am stärksten elektrisirt ist. Es erscheint übrigens dieses Licht selbst in den heißen Ländern, weil zu seiner Bildung keine gefrorne Dünste in der Luft nöthig sind, und die Atmosphäre überall bey Sonnenaufgange, vorzüglich aber bey SonnenHude Natuil. 9. $h.

F

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Zehnter Brief,

untergange, elektrifirt wird. Wahrscheinlich würden wir es viel öfter sehen als im Frühlinge und Herbste, wenn nicht die längere Dämmrung der übrigen Jah­ reszeiten diesen blassen und schnell vergehenden Schein völlig unkenntlich machte.

stiftet

Brief.

Ich hoffe, daß Sie nunmehr, da Sie die Elrktrlzk tat kennen, um desto eher im Stande seyn werden, Sich von der Natur der Wärme und dee Feuere deut» liche Begriffe ;u machen. Die Warme hat sehr verr schiedne Stufen oder Grade, welche uns das Ther» mometer anzeigt; ein Werkjeug, das gewöhnlich aus einet engen gläsernen Röhre besteht, sich unten in eine Kugel endigt, und mit Quecksilber oder mit einer andern flüssigen Materie angefüllt ist. Man befestigt diese Röhre an ein Bret, auf welchem ver» schiedne gleiche Abtheilungen oder Grade bemerkt sind. Wird das Thermometer erwärmt, so steigt die flüssige Materie in der Röhre, die damit nicht ganj angefüüt ist, höher; wird es erkaltet, so fällt sie niedriger. Denn die Warme dehnt alle Körper, und zwar mit großer Gewalt aus, und die Kälte zieht sie eben so heftig zusammen. Einen Ring, der im Winter leicht auf den Finger geht, kann man oft rm Sommer nur sehr schwer vom Finger ziehen, wenn dieser durch die Hitze aufgequollen ist; ein Bohrer laßt sich in seinem iloche um desto schwerer umdrehen, je stärker er sich nach und nach erhitzt; ein merallner Stab, der bey der Kälte ganz genau in eine gewisse Oeffnung paßt, geht in diese nicht mehr hinein, sobald et erhitzt wird, und ein glühender Eisendraht ist länger, als er zuvor war. Also dehnt die Wärme auch das Quecksilber in der Kugel Ihre» Thermometers aus, und es erhebt sich deßhalb tn der Röhre um desto mehr, je enger diese in Ansehung der Kugel ist. Es dehnen sich aber verschiedne Körper durch gleiche Grade der Wärme auf eine sehr verschiedne

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Eilster Brief.

Art aus/ und sondern sich deßhalb nach einer starken Erwarmung oder Erkaltung oft von einander ab/ wenn sie vorher vereinigt waren. So splittert die Glasur/ mit welcher das Töpferzeug im Feuer über­ zogen wird/ in großer Kälte oft ab/ weil sie sich anders zusammen zieht als der gebrannte Thon. So verbiegen sich oft mathematische Werkzeuge bey großer Kälte oder Hitze/ wenn in ihnen Messing mit Elsen verbunden ist/ weil das erstre seine Ausdehnung durch Kälte und Wärme mehr verändert als das letztre. Ueberhaupt aber werden flüssige Materien von der Wärme viel stärker ausgedehnt/ und von der Kälte vielmehr zusammen gezogen/ als feste. Kügelchen von Wachs / die auf kaltem Wasser schwimmen / gehen im heißen unter/ und werden daher durch die Hitze eigenthümlich schwerer als Wasser/ weil die Hitze sie so stark nicht ausdehnt als dieses. Hohle Kugeln von Glas schwimmen auf kaltem Branntweine/ und sinken in erwärmtem zu Boden. Selbst das Thermo­ meter beweist/ daß flüssige Materien sich durch die Wärme viel stärker ausdehnen als das GlaS/ weil sie sonst in gläsernen Röhren/ wenn sie erwärmt werden/ nicht steigen würden. Eben deßhalb schicken sich flüssige Materien zu Thermometern viel besser als feste/ und die Verän­ derungen ihrer Ausdehnung fallen um desto deutlicher ins Aug«/ je kleiner der Durchmesser der Röhre eines Thermometers in Ansehung des Durchmessers seiner Kugel ist. Daher muß die Röhre desselben allezeit enge seyn/ etwa von | Linie Weite im Lichten/ weil man ihm nur eine kleine Kugel geben darf/ wenn es anders empfindlich sey»/ das heißt/ wenn die in der Kugel enthaltne Flüssigkeit sich durch und durch schnell erwärmen oder erkälten soll. Außerdem muß auch die Röhre überall gleich weit seyn/ weil

Das Thermometer.

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wir bloß aus dem Unterschiede der Höhen der flüssigen Materie den Zuwachs ihrer Ausdehnung beurtheilen. Deßhalb kalibrirt man vorher die Glasröhren, ehe man sie zu Thermometern gebraucht, indem man sie tief in Quecksilber steckt, hernach ihr obres Ende mit dem Finger verstopft, damit beym HerauSziehen eine kleine Gaule Quecksilber von etwa 2 Zoll Länge in ihnen zurück bleibe. Diese läßt man nach und nach von einem Ende bis zum andern die ganze Röhre durchlaufen, und mißt überall ihre Länge nach einer auf Papier gezeichnete« geraden Linie. Denn ist diese Länge allenthalben gleich groß, so hat die Röhre durchaus eine gleiche Weite, und nur t» diesem Falle ist sie zu einem Thermometer tauglich. Die Röhren der Thermometer werden oben in der Spitze zugeschmelzt, weil sonst die Flüssigkeit aus ihnen verdünsten oder sich mit Schmutz bedecken würde. Ueberhaupt ist jeder Schmutz der freye« Be­ wegung, besonders des Quecksilbers, hinderlich, und daher muß man sowohl bey Thermometer», als auch bey Barometern, die Röhren und das Quecksil­ ber vorher aufs sorgfältigste reinigen, ehe man jene anfüllt. Reines Quecksilber zeigt sich, auf reineS Papier gegossen, vollkommen flüssig, theilt sich in völlig runde Kügelchen ohne Schweife, ohne anzu­ hängen, oder das Papier zu beschmutzen. Eden so wenig macht es das Wasser schmutzig, wenn ee damit gerieben wird. Es zeigt kein Häutchen auf seiner spiegelhellen Oberfläche, es spritzt und braust nicht, wenn eS in einem «fernen Löffel bis zum Kochen erhitzt wird, und läßt keinen schmutzigen Bodensatz zurück, wenn man ee in Sauren auflöst. Um es zu reinigen, drückt man es durch Leder, oder wäscht eö mit starkem Weingeiste, Weinessig und Seifenwasser. Ist es aber Mit Bley oder Wißmuth verfälscht, so reibt man es

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Eilfter Brief.

mit Schwefel jit einem schwarzen Pulver , (Aethiops mineralis) und destillirt eS hierauf mit einem Zusatze von doppelt so vielem ungelöschtem Kalke. Laßt man, indem man das Thermometer oben juschmeljt, die Luft über dem Quecksilber in der Röhre, so kann dieses durch die Erwärmung nie so hoch stei­ gen, als es steigen würde, wenn die gleichfalls erwärmte Lüft seiner Bewegung nicht widerstände. Man muß also, um ein gutes und richtiges Thermo­ meter zu erhalten, das Quecksilber in ihm kochen, und dadurch alle Luft aus ihm forrschaffen, ehe man es juschmeljt. Diese Arbeit ist sehr mühsam; auch muß das Thermometer vorher durch die Hitze über Kvhlenfeuer aufs beste getrocknet und gereinigt wer­ den, und die Kugel mit der Röhre im gehörigen Verhältnisse stehen, und gewöhnlich 18 mal so vieles Quecksilber fassen als diese. Hat man also Kugeln im Vorrathe, so kann man durch ihre und der Röh­ ren Anfüüung und Abwägung erfahren, welche das gedachte Verhältniß hat, und diese entweder an die Röhre schmelzen, oder, nach einer in ein Kartenblatt geschnittnen Lehre, an die Röhre eine Kugel von der­ selben Größe anblasen. Aber dennoch zeigt selbst das beste Thermometer uns eigentlich nicht die Grade der Wärme, sondern bloß die Veränderungen in der Ausdehnung einer gewissen flüssigen Materie, welche durch die Wärme oder Kälte verursacht werden. Es bleibt also immer die Frage übrig, ob die Körper in demselben Ver­ hältnisse ihre Ausdehnung verändern, in welchem die Wärme abnimmt oder zunimmt; und diese Frage kann bloß durch die Erfahrung entschieden werden. Nehmen Sie z B. ein Quart wärmeres und ein Quart kälteres Wasser. Mag das erstere Ihr Ther­ mometer, wenn Sie es darein versenken, auf 40,

Da6 Thermometer

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das letztere aber auf 10 Grad erheben. Vermischen Sie das eine mit dem andern, so wird der Ueberschuß der Warme des einen Quarts von 30 Grad sich durch beide Quart Wasser gleichförmig »ertheilen, und also das eine Quart 15 Grad Wärme gewinnen, das andre 15 Grad verlieren, folglich die ganze Masse 25 Grad warm seyn. Denn überhaupt lehrt die Er­ fahrung, daß zwey ungleich warme Körper, die ein­ ander berühren, sich wechselsweise so lange erkälten «nd erwärmen, bis beide gleich warm sind. Daher muß, wenn anders nur bey der Vermischung zweyer Materien keine Wärme sonst verloren geht, nothwen­ dig die eine an Wärme so viel gewinnen, als die andre verliert. Zwar wird das vermischte Wasser thetls durch die Luft, theils oft auch durch das Gefäß, in welchem die Mischung geschieht, erkältet; allein dennoch kann die Luft nur wenig Wärme rauben, wenn ansehnliche Massen von Wasser in einem warmen Zimmer sehr schnell vermischt und durch einander gerührt werden; und die Erkältung durch das Gefäß findet nur Statt, wenn man warmes Wasser in kal­ tes gießt. Man darf also nur jeden Versuch zweymal unter völlig gleichen Umständen wiederholen, und einmal das warme Wasser zum kalten, das andre mal das kalte zum warmen gießen, und hernach aus beiden Versuchen ein Mittel nehmen. Auf diese Art kann man, wenn man verschiedne solche Mischungen von wärmern und kälterm Wasser macht, die mittlere Warme berechnet, und auf den unvermeidlichen Verlust der Wärme gehörige Rück­ sicht nimmt, bald sehen, ob die Ausdehnung des Quecksilbers in demselben Verhältnisse zunimmt wie die Warme. Man kann verschiedne Thermometer von Quecksilber, Weingeist, Oehl u. s. w. mir einan­ der vergleichen. Herr de Lüc hat durch dergleichen

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Eilster Brief.

Versuche es sehr wahrscheinlich gemacht, daß keine einzige flüssige Materie bey dec Erwarmung sich genau in eben demselben Verhältnisse stärker ausdehnt, in welchem die Warme zunimmt; daß aber unter allen dennoch das Quecksilber das einzige Flüssige ist, wel­ ches in seinem Gange dem Gange der Warme am nächsten kommt, so daß die Grade der Zunahme seiner Ausdehnung beynahe in demselben Verhältnisse fort­ gehen , als die Grade der Veränderungen der zuneh­ menden Wärme. Da nun überdieß das Quecksilber sich leichter und besser von Luft reinigen läßt, da es sehr große Grade der Hitze verträgt, da es in seinem ganz reinen Zustande sich immer und allenthalben vollkommen ähnlich ist, anstatt daß der Weingeist z. B. durch die geringere oder stärkere Mischung mit Wasser ungemein verändert wird, da es die Eindrücke der Wärme und Kälte sehr schnell annimmt; |o scheint das Quecksilber wohl allen andern flüssigen Materien zum Gebrauche der Thermometer vorzuziehen zu seyn. Das Thermometer wird an eine Tafel von Holz oder Metall befestiget, die aber unten um die Kugel ausgeschnitten seyn muß, damit diese ganz frey hänge, und bloß von der Luft berührt werde. Es muß so hängen, daß das Auge den Strich, an welchem die Oberfläche des Quecksilbers steht, nach einer horizon­ talen Richtung sehen kann. Am besten hängt man es in freyer ruft auf, aber an einem Orte nach Nor­ den zu, wo es vor dem Regen und Sonnenscheine gesichert, von Fenstern geheitztrr Zimmer entfernt, und selbst den zurück geworfnen Sonnenstrahlen nicht ausgesetzt ist. Uebrigens muß das Thermometer an seiner Takel unbeweglich befestigt seyn, damit die Eradleiter, welche auf die Tafel gezeichnet wird, immer richtig zeige. Wegen der Ausdehnung der Tafel und des Glases durch die Wärme ist allemal,

Das Thermometer.

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wenn man alles recht genau nehmen will, eine gewisse Berichtigung der Beobachtungen bey dem Thermome, ter nöthig. Da aber diese, besonders bey einer Tafel von Holz, äußerst gering ist, so kann man sie ohne merklichen Irrthum vernachlässigen. Die Luft dehnt sich durch die Wärme viel starkes aus, als Weingeist, Quecksilber und andre ähnliche Flüssigkeiten; allein der Gang ihrer Ausdehnung »st von dem Gange der Veränderungen der Wärme sehr merklich unterschieden. Ueberdieß dehnt sich die Luft bey einem gleichen Grade der Erwärmung bald mehr bald weniger aus, nachdem sie dichter oder dünner, feuchter oder trockner ist. Daher taucht sie zu Ther­ mometern weniger, als andre flüssige Materien, es sey denn, daß man bloß sehr geringe Veränderungen in der Wärme bey gewissen Versuchen beobachten will; denn zu solchen feinen Beobachtungen empfiehlt sich das Luftthermometer, wegen seiner äußerst großen Empfindlichkeit, vorzüglich. Zwar haben einige Naturforscher geglaubt, daß sich die Wärme der Luft bey gleicher Dichte wie ihre Federkraft verhalte, und daraus schloffen sie, daß der Raum, durch wel­ chen sich die Luft ausdehnt, bey gleicher Masse und gleichem Drucke sich wie ihre absolute Wärme ver­ halte. Sie suchten dem zu Folge das Luftthermometer so einzurtchten, daß es die absolute Menge der in der Luft bey jeder Temperatur enthaltnen Wärme anzeigen sollte. Wenn aber diese Meinung den geringsten Grund hätte, wie könnte der Gang des Lustthermometers vom Gange der Wärme so sehr ver­ schieden seyn ? wie könnten bloße Dünste die Feder­ kraft der Luft vermehren? und da man so sehr viele Luftarten hat, die alle sich unter gleichen Umständen auf ganz verschiedne Art auedehnen, warum sollte bloß die gemeine Luft den Vorzug haben, daß ihre



Eilfter Brief.

Ausdehnung allezeit der Zunahme Wärme gemäß wäre?

der absoluten

Anmerkung.

i. Eine der besten Arten, Thermometer mit Queck­ silber zu füllen, scheint die folgende zu seyn: An das eine Ende der Glasröhre schmelzt man die gehörig proportionirte Kugel A, an das andre Ende aber eine etwas größre Kugel C mit einer an 4 Zoll langen fein ausgezognen Röhre D. (Fig. 73. Taf. VII.) Durch Erhitzung der Kugeln und Eintauchung des offnen Endes D füllt man die Kugel A fast ganz, und C etwa auf H, mit destillirtem Quecksilber. Nun legt man das Ganze auf glühende Kohlen von der einen Kugel bis zur andern, doch so, daß das Ende D etwas höher liegt als A, und um die Röhre über dem Feuer regieren zu können, wird vorher der Draht B au fie befestigt. Das Feuer muß allenthal-en gleichförmig brennen, bis das Quecksilber kocht. Hat es etwa eine halbe Minute lang gut gekocht, so hält man eine Stange Siegellack an die Oeffnung D und verschließt sie. Nunmehr nimmt man das Ther­ mometer vom Feuer und läßt es erkalten, um her­ nach seine zwey festen Punkte zu bestimmen. Bey dieser Bestimmung läßt man das überflüssige Queck­ silber in die Kugel C gehen, und hebt es darin aus, indem man das Thermometer in einer liegenden Lage erhält. Hierauf schmelzt man über einer Lampe die Kugel C von der Röhre ab, und die Röhre zu, *) aber ohne diese irgendwo abzubrechen, damit nicht Luft in sie komme. So erhält man rin völlig luft­ leeres Thermometer. * *) *) Man nennt da« Zuschmel-en gläserner Röhren da» Hermetische Verschließen.

• *) Gehler« Wörterbuch V. sso.

Zwölfter

Brief.

Das Thermometer ist im Anfänge des siebzehnten Jahrhunderts erfunden worden. Kornelius Drebbel, aus Alkmar in Nordholland, ein Mann, der sich vieler sonderbaren Erfindungen mit großem Geräusch rühmte, und zuletzt an dem Hofe deS Königs Jakobs I. in England lebte, nahm eine gläserne Röhre C, (Fig. 74. Taf. VII.) die sich oben in eine Kugel B endigte, erhitzte die Kugel, um in ihr die Luft zu verdünnen, und steckte hierauf die Oeffnung der Röhre in ein mit einer gefärbten Flüssigkeit gefülltes Gefäß A. So stieg diese, indem die Kugel erkaltete, in die Röhre C, und wurde nachher in ihr bald her­ auf, bald herunter bewegt, nachdem die Kugel durch die Atmosphäre sich noch mehr erkältete oder erwärmte. Nahm die Wärme der Kugel B zu, so dehnte sich die Luft in ihr mehr aus, und sie trieb di« Flüssigkeit irr der Röhre herunter. Das Gegentheil geschah/ wenn ihre Wärme abnahm. Becher krümmte nachher die Röhre bey A, füllte sie mit Quecksilber, und ließ das Gefäß weg. Aber er sowohl als Drebbel, scheinen vom Gebrauche dieses Werkzeuges, als Thermometer, keinen Begriff gehabt zu haben; sie sahen es vielmehr, wegen seiner beständigen Veränderungen, bloß als ein Perpetuum Mobile an, ja Becher wollte durch dasselbe sogar den Gang der Pendeluhren berichtigen. Als man es aber als Thermometer zu brauchen anfing, schmelzte man an die unten gekrümmte Röhre eine offne Kugel A, (Fig. 75. Taf. VII.) und befestigte sie an ein Brrt. Indessen drückte die At­ mosphäre beständig durch diese offne Kugel auf die

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Zwölfter Brief.

Flüssigkeit in der Röhre, und da sie bald stärker bald schwächer drückte, so veränderte die Flüssigkeit ihre Höhe nicht bloß durch die Wärme. Das Werkzeug war also kein eigentliches Thermometer, sondern ein Thermometer und Barometer zugleich. Amontons, ein Französischer Naturforscher, der dieß wohl wußte, verwandelte im Anfänge des achte zehnten Jahrhunderts dieses unvvllkvmmne Werk­ zeug in ein wahres Luftthermometer. Er ließ die Röhre oben offen und ohne Kugel, krümmte sie unten, und schmelzte bey B eine rings umher verschlvßne Ku­ gel an sie. Er füllte die halbe Kugel und einen Theil der Röhre mit Quecksilber an, setzte sie, bey einer Barometerhöhe z. D. von 28 Zoll, in kochendes Wasser, und richtete die Füllung mit Quecksilber so ein, daß dieses alsdann in der 48 Zoll langen Röhre 45 Zoll hoch stand. Da 28 und 45 zusammen 73 ausmachen, so hielt alsdann die in der Kugel B ein» geschlvßne Luft wirklich einen Druck von 73 Zoll hoch Quecksilber aus. Fiel nun nachher oder stieg das Quecksilber in der Röhre, so mußte man allemal zu seiner wirklichen Häh« E C (Fig. 76. Taf. VII.) die Höhe des Barometers addiren, um die ganze Kraft zu haben, womit die Luft in B zusammen gedrückt wurde. Sie sehen leicht, wie ungeschickt dieses Thermometer wegen seiner Größe, wie unbe, quem im Gebrauche, und wie unvollkommen es selbst dadurch ist, daß man es oben nicht verschließen kann. Das gemeine Thermometer scheint Sanctorius, eilt Italiänischer Arzt, in der ersten Hälfte des sieb­ zehnten Jahrhunderts erfunden zu haben. Die zu Floren; 1657 gestiftete Akademie bediente sich deffel» den bey ihren Versuchen, beschrieb es, und gab Regeln zu seiner Verfertigung und Eintheilung. Daher nannte man zeln und andere ähnliche Pflanjenmaterlen, ent­ zünden sich oft nach einigte Zeit, wenn man sie röstet, daß sie schwitzen, und hernach heiß jufam# menpackt. Unfehlbar rührt in allen diesen Fällen die Hitze bloß daher, daß das Oel, welches aufger gossen wird, oder welches die Körper beym Rösten ausschwitzen, sich in diesen auflöst. Einige Körper entzünden sich sogar von selbst, sobald man sie nur an die freye Luft bringt. Man nennt sie Lu ftz ü nder oder Pyrophore, und bereitet sie auf verschiedene Art. Der gemeine Luftzünder, welcher von seinem Erfinder Homberg, einem Französischen Chymisten, den Namen hat, wird aus fünf Theilen gebranntem Alaun und eb nem Theile Kohlenstaub, die man in einem irdenen Gefäße mit einer engen Mündung, bis zum Glühen des Gefäßes erhitzt, bereitet. Der verkäufliche Alaun enthält allezeit Laugensalz und bloß dieses macht ihn, wie die Erfahrung gelehrt hat, zum Luftzünder geschickt. Ueberdieses enthalt jeder Alaun Schwee felsäure, die aus Schwefel und Sauerstoff besteht, den Sie bald näher kennen lernen werden. Die Koh; len saugen zum Theil den letzter» beym Glühen ein, so daß Schwefel zurück bleibt. Das Laugensalz zieht aus der Luft mit der größten Heftigkeit die Feuchtigkeit tu sich, macht sie fest, und erhitzt sich durch diese Auflösung so sehr, daß der Schwefel sich entzün­ det und die Kohlen diese Entzündung durch die ganze Masse verbreiten. Man muß daher den Luftzünder, welcher wie ein schwarzgraueS Pulver aussiehr, in sehr gut verstopften, trockenen, glaset;

Der Pyrophor und Phosphor.

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tun Flaschen ausbehaltrn. Sobald man etwa ein Loth davon auf ein Blatt Papier in der freyen Luft schüttet, so wird cs in kurzer Zeit heiß und glühend/ besonders wenn man cs anhaucht oder das Papier feucht ist; cs brennt mit einem Schwe­ felgerüche und entzündet das Papirr. Mit dem Luftjünder hat der Phosphor des Runkel eine große Aehnlichkeit. Man nennt überhanpt alle Körper Phosphore oder kichtverbreiter/ welch«/ ohne eine beträchtliche Hitze/ leuchten; aber derjenige Phosphor/ von welchem ich red«/ führt auch den Nahmen des Urinphos­ phors/ well man ihn anfangs bloß aus dem Urine destillirt hat. Er ist ein jäher/ fester/ weißlicher halb durchsichtiger Körper / welcher als ein einfacher Grundstoff in den Theilen und Säften vorzüglich der Thier«/ aber auch der Pflanzen/ ja selbst in einigen Metallen und Erden/ gefunden wird. Wenn er verbrennt/ so verwandelter sich in eine besondere Säure/ die man in allen Knochen antrifft. An der freyen Luft fängt er schon bey einer mäßigen Wärme von selbst an zu leuchten/ und brennt alsdann mit dieser geringen Wärme wirklich/ wiewohl un­ gemein schwach und langsam , jedoch mit einem sehr lebhaften Lichte und einem häufigen weißen Rauche/ der einen eigenen Geruch / als von Knob­ lauch, um sich her verbreitet. Der Phosphor zer­ fließt, indem er so brennt, in eine saure Feuchtig­ keit , und man verwahrt ihn, eben um sein Zer­ fließen zu verhindern, beständig unter Wasser. Dennoch löst er sich auch hier, besonders bey heißem Wetter, immer mehr auf, es erheben sich aus ihm über das Wasser leuchtende Dämpfe, feine Ober­ fläche wird mehlicht und verliert ihre Durchsich­ tigkeit ganz, ja selbst das Wasser, in welchem er

2 54

Zwey und dreyßigster Brief.

liegt, wird immer saurer. Wenn man aber den Phosphor in der freyen Luft entweder am Feuer bis auf 30 oder 32 Französische Grade erhitzt, oder ihn zerdrückt, kratzt, schabt u. s. w. so ver­ halt er sich, wie ein wahrer Luftzünder, er ent­ zündet sich mit einer großen Hitze, und verbrennt alles, was er berührt. Da er leicht an den Fin­ gern klebt, so muß man sehr vorsichtig mit ihm «mgrhen, weil man, durch Ausdrücken und Ab­ reiben seines Feuers, die Stärke desselben, und dle Heftigkeit der Schmerzen, nur vermehrt. Am besten soll es seyn, den Finger, an welchem bren­ nender Phosphor klebt, in Urin zu tauchen. Der Phosphor ist, so wie das Sächsische Porr zrllän, durch einen bloßen Zufall von Goldmachern erfunden worden. Es ging hier so, wie eü bis­ her bey allen andern ähnlichen Versuchen gegan­ gen ist. Nach vielen verschwendeten Kosten erhielt man kein Gold, sondern etwas anderes, was man gar nicht erwartet hatte. Brand, ein gewesener Hamburgischer Kaufmann, suchte die Materie des Goldes im Urine, und worin haben sie nicht an­ dere Alchymisten gesucht? bekam aber durch seine Arbeiten, anstatt des Goldes, im Jahr« i66y den Phosphor. Da er die Verfertigung desselben einem damahls in Dresden lebenden berühmten Chymisten Runkel nicht entdecken wollt«, so arbeitete dieser so lange, bis er ihn selbst erfand, ungeachtet er bloß wußte, daß Brand ihn aus dem Urine be­ reitet hatte. Er machte und verkaufte ihn in Menge, so daß man nachher denselben in Deutsch­ land den Phosphor des Runkel nannte. Man macht mit diesem Phosphor allerley artige Versuche und Spielwerke. Man schreibt z. B. mit einem Stabe von Phosphor Buchstaben oder

Der Pyrophor und Phosphor.

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Figuren auf die Wand, und diese leuchten hernach im Dunkeln; oder man zündet mit der Spitze eines

Messers, auf welche man etwas Phoshor geklebt hat, den glimmenden Dacht eines Wachsstockesan; oder man löst etwas Phosphor in Oel auf, und beschmiert damit die Hand, oder irgend eine andere Sache, so leuchtet sie im Dunkeln. Denn über­ haupt leuchtet die Auflösung des Phosphors im Oele, besonders die im Nelkenöle, sehr stark im Dunkeln, ohne sich zu entzünden, und sie ist daher viel sicherer zu gebrauchen, als selbst der Phosphor. Man macht auch Wachsfäden oder dünne Wachs­ lichte, die in engen Glasröhren, von der Weite einer halben oder ganzen Linie, verschlossen, und an der Spitze mir etwas Phosphor und Schwefel versehen sind. Sie entzünden sich von selbst, wenn man sie aus den Röhren herauszieht, sind aber, wenn sie nicht gut gemacht sind, zum Gebrauche nicht sehr bequem und oft gefährlich. Sie sehen aus allem diesem, daß der Phos­ phor die Luft vorzüglich stark und leicht einsaugt, auflöst und sich dadurch entzündet, wenn er nicht eingeichlvffcn ist. Aber er brennt, so wie der Schwefel, auf eine doppelte Art: einmahl mit einer sehr geringen Wärme, obgleich vielem Lichre, wenn er die Luft langsam auflöst; das andrcmahl mit vieler Hitze, wenn seine Auflösung entweder durch die Wärme, oder durch die Vermehrung der Menge der Punkte, in welchen er die Luft berührt, be­ schleunigt wird. Denn man vermehrt die Menge der Berührungspunkte, wenn man den Phosphor zerdrückt, schabt oder zerreibt. Ueberhaupr hangt d«e Veränderung der Warme bey einer jeden Auflösung mit von ihrer Schnellig­ keit ab. Wasser wird durch Salpeter und andere

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Zwey und dreyßigster Brief.

Salze nicht im geringsten merklich erkältet, wenn man sie allmählich und langsam darin zergehn läßt. Ist aber ihre Auflösung schnell, so erzeugen sie allezeit eine merkliche Kälte; und überhaupt verändern wahre und schnelle Auflösungen fast allezeit die Wärme der Mischung auf eine merkliche Art. Es giebt aber verschiedue Mittel, welche die Auflösung der Körper beschleunigen. Dahin gehört erstlich die Wärme, weil sie den Zusammenhang der Körper schwächt; ferner das Umrühren und die Bewegung des Auflösungsmlttcls, west dadurch Theile desselben, die noch nicht aufgelöst haben, an den aufzulösenden Körper gebracht werden, und diese eine größre Ziehkraft be­ sitzen, als die andern Theile, welche schon mit auf­ gelöster Materie angefüllt sind; endlich drittens die Zcrbrechung oder Zerpülverung eines festen Körpers, welcher aufgelöst werden soll, weil dadurch seine Oberfläche, folglich auch die Menge der Punkte, in denen er das Auflösungsmittel berührt, vermehrt wird. Viele Auflösungen, als die der Kalkerden, der Metalle, der Salze u. s. w. sind gewöhnlich mit ei­ nem Aufbrausen begleitet. Dieses zeigt allemal eine wahre Auflösung an, und entsteht von gewissen luft­ förmigen Materien, oder Dämpfen, die sich bey der Auflösung entwickeln. Wenn man z. B. zwey Theile Salmiak in drey Theilen Vitriolsäure auflöst, so brauset die Mischung auf und wird um viele Grade kälter; aber der aufsteigende saure Dampf ist zugleich warm, und erhebt das Thermometer um einige Gra­ de, wenn man es ihm aussetzt, unfehlbar bloß deß­ halb, weil er die Feuchtigkeit der Luft einsaugt und sich durch diese Auflösung erwärmt. Außer der Veränderung der Wärme giebt es noch ein andres allgemeines Kennzeichen, an welchem man eine

Die Auflösung.

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eine wahre Auflösung von einer bloß mechanischen Mischung unterscheiden kann. Denn wenn ein flüssiges durchsichtiges Mittel, nach völlig geendigter Vermischung mit einer andern Materie, durchsichtig bleibt, so hat es diese Materie wirklich aufgelöst; bleibt es aber immer trübe, so ist die Mischung bloß mechanisch gewesen. Ich setze nämlich voraus, daß das Mittel immer flüssig bleibt, und nicht etwa durch die Auflösung fest wird, oder gerinnt. Dieses rührt daher, daß jede trübe Materie ungleichartig ist, oder aus ungleich dichten Theilen besteht, welche das Licht auf verschiedne Art brechen. Daher wird Wasser trübe, nicht nur wenn Sie Erde, sondern auch wenn Sie Oel mit ihm mischen und zusammenrübren, obgleich das Oel durchsichtig ist. Denn in beiden Fällen bleibt die Mischung ungleichartig, und be­ steht aus Thetlchen, die dichter oder dünner, als das Wasser, und allenthalben in ihm zerstreut sind, weil das Wasser weder die Erde, noch das Oel, auflöst. Durch eine wahre Auflösung aber entsteht allemal eine neue durchaus gleichartige Materie, die folglich nie trübe seyn kann. Indessen kann sie mehr oder weniger durchsichtig, ja wohl gar ganz undurch­ sichtig seyn. Hieraus können Sie leicht begreifen, warum oft, auch bey wahren Auflösungen, die Mischung im An­ fänge trübe ist. Denn die Theilchen des aufzulösen­ den Körpere werden oft aus einander gerissen und in dem flüssigen Mittel zerstreut, ehe sie noch wirklich aufgelöst worden sind; nach und nach aber zerthei­ len sie sich immer mehr und lösen sich zuletzt ganz auf. Sie sind also Anfangs mit ihrem Mittel nur mecha­ nisch vermischt und daher machen sie es trübe; sobald aber die Auflösung geendigt ist, hört das Mittel auf trübe zu seyn. Wenn man Salz in heisses Hube Naiurl. 2, LH. R

2)8

Zwey und dreyßigster Brief.

Wasser wirft, und dieses ganz ruhig stehen laßt, so trübt es sich nach einiger Zeit nahe am Salze merklich, und zugleich wird die Auflösung sehr langsam. Denn das heisse Wasser greift Anfangs das Salz mit einer solchen Starke an, daß es sich in einiger Zeit, da es ganz in Ruhe ist, nahe Nm das Salz mit aufgelösten und uuaufgclösten Theilchen desselben ungemein stark anfüllt und da­ durch trübe wird. Aber eben deßhalb verliert es zugleich nahe am Salze einen großen Theil seiner Ziehkraft, so daß es dasselbe nur langsam auf# löset. Uebrigens giebt es noch einen Punkt, worin sich die mechanische Mischung von einer wahren Auflösung unterscheidet. Bey jener nämlich ist der Raum, den die gemischte Materie einnimmt, alle# zeit der Summe der Raume der einfachen Mate­ rien vor der Mischung gleich; da hingegen bey einer wahren Auflösung jener Raum mehrentheils kleiner, zuweilen aber auch größer wird, als diese Summe. Man kann also nicht schließen, daß ein Kuhikzvll von einer, und ein Kubikzvll von einer andern Materie, nach der Vermischung, allemal zwey Kubikzolle ausmachen werden. Denn wen» diese Materien einander auflöscn, so lehrt die Er­ fahrung, daß sie, nach der Vermischung mehrcntheils unter, zuweilen aber auch über, zwey Kubikzolle betragen.

Drey und dreyßigster Brief. Oft wird ein

flüssiger Körper,

durch die Aufld»

sung eines andern Körpers, fest, oder er gerinnt. Ein sehr auffallendes Beyspiel dieser Veränderung giebt Ihnen die gemeine Seife, welche aus der Verbindung eines ätzenden Laugenfalzes und des

Fetts oder Talgs entsteht. Man laugt das Salz aus der Asche der Gewächse, und macht die Salz­ lauge dadurch ätzend, daß man lebendigen Kalk unter die Asche mischt. Wenn eine solche Lauge durchgesetzt und hernach mit dem Fette unter be­ ständigem Umrühren stark genug eingekocht wird,

so gerinnt dieses, indem es das Langensalz auf­ löst, zu einer Seife, die nach einigen Tagen hart wird, besonders wenn man, beym Ende des Ko­ chens, gemeines Küchensalz zusetzt. Alle Arten von Del und Fett geben, mir Laugensalzen vereinigt, Seifen, die aber oft nicht hart, sondern weich und schmierig sind. Jede Seife löset sich in Was­ ser und Weingeiste leicht auf; sie reinigt die Lein­ wand und das Tuch, weil sie Fert und Del ein­ saugt, und obgleich Laugenfalze an sich eben das auch thun, so kann man sie dennoch zur Reini­ gung der Fettflecken nicht so gut gebrauchen, als die Seifen, weil sie die Leinwand und das Tuch leicht verderben und zerfressen. In sauern Flüs­

sigkeiten wird die Seife zerlegt; das Laugensalz nämlich sondert sich von dem Del« ab, und ver­ einigt sich mit der Säure, welche es stärker an«

2öo

Drey und dreyßigster Brief.

lieht, als das Oel. Auch viele sogenannte harte Wasser verhalten sich gegen die Seife auf eine ähn­ liche Art, wie die Säuren; wenigstens lösen sie Vie ganze Seife nie so gut auf, als die weichen Wasser, welche daher auch zum Waschen, so wie zum Kochen der Hülsenfrüchte, am brauchbarsten sind. Denn die harten Wasser enthalten Gyps oder allerhand Salze und Säuren, und werden deßhalb durch milde jaugensalze getrübt, dahinge­ gen weiche Wasser durchsichtig bleiben, auch wenn man ihnen ei» Laugensalz zusetzt. Ich muß, ehe ich von der Auflösung zu reden aufhöre, Ihnen noch einige Benennungen beson­ drer Arcen der Auslösung bekannt machen. Das Zerfließen einiger Salze an der freyen juft ist nichrs weiter als eine Auflösung derselben in der Feuchtigkeit der Lufr, welche von ihnen sehr stark «»gezogen wird. Die Auflösung der Metalle in Quecksilber nennt man das Verquicken oder Amalgamtren. Feste organische Materien wer­ den oft durch die flüssigen Mittel, welche man auf sie gießt, nur zum Theil aufgelöst, und man nennt eine solche Auflösung eine Ausziehung (Exiractio). Geschieht sie allmählich im Kühlen, so heißt sie eine Einweichung (Maceratio); geschieht sie bey einer mäßigen Wärme, so nennt man sie eine Digestion. Begießt man aberden Körper mit einem heissen flüssigen Auflösungsmit­ tel, so wie den Thee mit heissem Wasser, so nen­ net man das durch die Auflösung erhaltne Pro­ dukt einen Aufguß (Infusum). Kocht man endlich den Körper mit seinem Mittel, so heißt das Produkt der Auflösung, oder der Extrakt, ein Dekokt.

Die Niederschlagung.

261

Aus der Seife sondern die Säuren das Oel, wiewohl nicht ganj rein sondern etwas verändert, ab, und auf eine ähnliche Art wird ost durch gewisse Mittel aus einer gleichartigen Materie ein fester oder flüssiger Körper geschieden. Solche Scheidung nennt man eine Niederschlagung, es mag nun jener Körper, welcher der Nieder­ schlag heißt, wirklich niederfallen, oder wegen sei­ ner eigenthümlichen Leichtigkeit aufstctgen; wiewohl man ihn im letzter» Falle doch auch zuweilen ei­ nen Rahm (Cremor) nennt. Gemeiniglich folgt die Niederschlagung auf die Auflösung, weil man oft Mittel hat, die durch die Auflösung vereinig­ ten Theilchen wieder zu trennen. Ein solches Mit­ tel ist unter andern die Uebersättigung. Das Wasser z. D. löst Vitriol und einige andre Salze in größrer Menge auf, wenn es heiß, als wenn es kalt ist. Sättigen Sie also kochendes Wasser mit einem solchen Salze, und lassen Sie es nach­ her erkalten, so wird es übersättigt, und laßt ei­ nen Therl des aufgelösten Salzes fahren, unge­ achtet es mit dem Reste noch immer gesättigt bleibt. Auf eine ähnliche Art wirkt die Ausdünstung, welche man allenfalls durch die Wärme vermeh­ re» kaun. Wenn Sie z. B. gemeines Salz im Wasser auflösen und das Salzwaffer hernach der freyen Luft aussetzen, so dünstet nach und nach das bloße Wasser aus, das Salz aber bleibt zu­ rück. Dadurch wird das übrige Wasser nach und nach immer salziger, und zuletzt übersättigt, daher sich das Salz niederschlagen muß. Es giebt noch mehrere dergleichen Mittel der Scheidung, und selbst der Frost ist beym Wasser ein solches; indem durch ihn nicht nur die Luft und

2Ö2

Drey und drcyßigster Brief.

andre fremde Materien vom Wasser getrennt wer»

den, sondern selbst das Eis als eine Art von Niederschlag aus dem Wasser angesehen werden kann. Aber gewöhnlich wird die Niederschlagung aufgelöster Körper durch eine neue Auflösung be­ wirkt. Kreide z. D. laßt sich im Essig auflösen; setzen Sie aber diesem Gemische Laugensalz zu, so verbindet sich der Essig mit diesem und läßt die Kreide, als einen Niederschlag, fahren; oder gießen Sie Vitrivlsaure in jenes Gemische, so verbindet sich die» se mit der Kreide und fällt mit ihr, in Gyps verei­ nigt, im Essig nieder. Wenn Sie in Scheidewasser, worin Silber aufgelöst ist, Kupferfeile werfen, so löst sich das Kupfer auf, und das Silber wird nie­ dergeschlagen. Dagegen wird Scheidewasser, wenn es sich mir aufgelöstem Kupfer anfüllt, ein wahres Zämentwasser. Sie werden sich erinnern, daß dieses das Eisen in Kupfer zu verwandeln scheint, indem es das erstere auflöst, und an dessen Stelle das auf­ gelöste Kupfer fallen läßt. Eben so schlägt der Zink das Eisen, die Kalkerde den Zink u. s. w. aus dem Scheidewasser nieder. Es kommt hierbey eben so wenig, wie bey der Erhebung flüssiger Materien durch die Haarröhrchen, auf die eigenthümliche Schwere etwas an. Zwar ist die Kalkerde eigen­ thümlich leichter, als der Zink, dieser eigenthümlich leichter, als das Eisen u. s. w. aber dagegen schlägt auch das Quecksilber aufgelöstes Silber, und Bley aufgelöstes Zinn, Kupfer und Silber nieder, ob­ gleich das erstre und letzrre eigenthümlich schwerer sind, als die Metalle, welche sie niederschlagen. Man kann durch flüssige Materien, wenn man sie in Mit­ tel gießt, die mit aufgelösten Theilche» angefüllt sind, eben so gut Niederschlagungen bewirken, als durch feste. So schlagt der Weingeist den Zucker

Die Wahlverwandtschaften der Körper. und alle Salze ans dem Wasser,

263

das Wasserader

die Harze aus dem Weingeisie nieder. Ein elektrisirter Körper zieht andre Körper auf eine sehr ungleiche Art, und nm desto starker an, je stärker diese auf die entgegengesetzte Art clektrisirt

sind, und beide elektrische Materien verlieren ihre Wirksamkeit um desto mehr, je inniger sie mit einan­ der vereinigt sind. Bey den Auflösungen und Nie­

derschlagungen verhalten sich die Körper eben so, und hieraus sieht man am deutlichsten, wie ähnlich ihr Anziehen dem elektrischen Anziehen ist. Sv ver­ einigt sich das Scheidewasser inniger mit dem Eisen als mit dem Kupfer, weil es jenes stärker anzieht,

als dieses,

noch inniger mit dem Zinke,

und noch inniger mit den Kalkerden. Allein es ver­ liert auch seine Wirksamkeit immer nm desto mehr, je inniger seine Verbindungen sind. Denn Schei­ dewasser, welches mit Kalkerden gesättigt ist, zer­ frißt weiter kein Metall; das mit Zink gesättigte kein Eisen, das mit Eisen gesättigte kein Kupfer u. s. w. Eben so geben ätzende Laugensalze, mit Oelen oder

Fett verbunden, Seifen, die bey weitem so fressend nicht sind, als jene Salze. Aber mit den Säuren verbinden sie sich noch genauer, als mit den Oelen, und die Materien, welche aus dieser Verbindung entstehen, schmecken nur sehr mäßig salzig, und ha­ ben eine geringe Auflösungskraft.

Verbindet man endlich jene Salze im Feuer mit Sande, so wird ihre Kraft so vollkommen erschöpft, daß das Glas, welches sich durch diese Verbindung erzeugt, nicht die geringste Spur von Aetzbarkeit übrig behält und

ganz geschmacklos ist. Daher haben die Chymisten den Körpern gewisse Wahlverwandtschaften beygelegt, nach Be­ schaffenheit der Ziehkräfte, welche sie bey der Auflö-

264

Drey und dreyßigster Brief,

fang gegen einander zeigen. I« stärker ein Kieper -ey dieser Gelegenheit den andern anzieht, je mehr er seine Verbindung vor der Verbindung mit einem andern wählt, je inniger er sich mit ihm vereinigt, «nd je mehr seine Wirksamkeit durch diese Dereinigung geschwächt wird, um desto größer ist die Verwandlschafk zwischen beiden Körpern. Indessen findet sie allemal zwischen Materien Statt, die einander auflösen. Oft erhält ein Körper nur dadurch, daß er einen zweyten aufldst oder von ihm aufgelöst wird, eine Verwandtschaft zu einem dritten, wie das Oei oder der Schwefel zum Wasser, durch Auf­ lösung eines Laugensalzes, oder daS Wasser zum Kupfer und andern Metallen, durch Auflösung der Salpetersäure. Und dieses findet zuweilen Statt, wenn gleich keiner der beiden in einander aufge­ lösten Körper zu dem dritten für sich einige Ver­ wandtschaft hat. So ist weder der Schwefel noch das Laugensalz für sich mit dem Golde verwandt, allein dennoch löst die Schwefelleber, die aus der Vereinigung beider Matenen entsteht, das Gold auf Indessen hängt dir Verwandtschaft der Kör­ per überhaupt auch sehr von der Wärme ab, und sie findet oft gar nicht Statt, als nur bey einem gewissen Grade der Kälte oder der Wärme. Wenn ein Körper schon in seinem Mittel auf­ gelöst »st, 10 har diese Mischung entweder zu ei­ nem zweyten Körper eine Verwandtschaft, oder nicht. Im ersten Falle löst sie auch diesen auf, ohne den ersten fahren zu lassen, so wie mit ge­ meinem Salze gesättigtes Wasser noch Salpeter auslost. Im zweyten Falle kann dennoch das Mittel selbst den zweyten Körper stärker anztehn, als den ersten, also sich mit jenem vereinigen und diesen

Die Wahlverwandtschaften der Körper.

26;

fahren lassen. Alsdann sagt man: jener sey durch eine Wahlverwandtschaft, und zwar durch eine einfache, aufgelöst worden. Go wird Eisen im Scheidewasser, welches mit Kupfer gesättigt ist, aufgelöst. Die einfache Wahlverwandtschaft hat sehr verschiedne Stufen. Las Scheidewasser z. D. hat «ine größre zur Kalkerde, als zum Zink; zu diesem eine größte als zum Eisen; zu diesem eine größre als jum Kupfer u. s. w. Wenn aber eine gleichartige Materie aus zweyen andern a und b, und eine andre gleichartige Mat« rie auch aus zweyen andern c und d, zusammengesetzt ist, und man vermischt die beiden zusammengesetzten, so kann die Summe der Ziehkrafte zwischen a und c, und zwischen b und d größer seyn, als die Summe der Ziehkrafte zwischen a und b, und zwischen 0 und d. In diesem Falle werden, durch die Vereinigung von a und c, wie auch von b und d, zwey neue gleich» artige zusammengesetzte Materien, durch die Tren­ nung der gemischten, entstehen, und es wird eine doppelte Wahlverwandtschaft Statt finden. Wenn z. B. Gyps mit einem milden Laugensalze ver­ mischt wird, so zerlegen sich beide durch eine doppel­ te Wahlverwandtschaft. Die Kalkcrde des Gypses vereinigt sich mit der Kohlensäure des milden Laugensalzee und giebt rohen Kalk; die Schwefelsaure des Gypses dagen bildet mit dem reinen Laugensalze Glaubersalz. So finden bey noch mehr zusammenge­ setzten Materien, wenn man sie vermischt, zuweilen dreyfache und mehrfache Wahlverwandtschaften Statt. Bey der doppelten Wahlverwandtschaft kommt also, wie Sie sehen, alles darauf an, daß beyde einfache Stoffe der einen zusammengesetzten Masse die einfachen Stoffe der andern Masse stärker anziehen, als diese und jene unter sich zusammenhangen. So

266

Drey und dreyßigster Brief,

werden oft zwey Stoffe, in Verbindung mit einan­ der, eine Trennung bewirken, Vie sie, jeder für sich, durch eine einfache Wahlverwandtschaft, zu bewirken nie im Stande waren. Uebrigens sagt man von zusammengesetzten Massen, welche auf diese Art getrennt werden, daß sie sich zersetzen. So zersetzt sich Kochsalz und Bittersalz, aber bloß unter dem Eispunkte, und nicht in einer höhern Temperatur, wenn beide vermischt sind, und man erhält aus ihnen Glaubersalz und salzsaur« Bit­ tererde. Eine jede Niederschlagung bewirkt in dem Auf­ lösungsmittel eine Veränderung der Wärme, die derjenigen entgegengesetzt ist, welche die vorhergehende Auflösung erzeugt hatte. Sv bemerkt man in den Wafferhältern an den Küsten der wärmern Län­ der, in welchen man das Salz aus dem Meer­ wasser bereitet, daß dieses sich sehr erhitzt, indem das Salz anzuschießen anfängt; da hingegen das Salz, wenn man es in reinem Wasser schnell auf­ löset, dasselbe erkältet. Allein die von der Nie­ derschlagung erzeugte Wärme oder Kälte ist oft unmerklich, theils weil die Niederschlagung mehrentheils sehr langsam, und nicht schnell, vor sich geht, theils weil sie gewöhnlich die Folge einer neuen Auflösung ist, die oft eine entgegengesetzte Veränderung in der Warme hervvrbringt.

Vier und dreyßigster Brief. Durch die Auflösung werden die Körper in un­ glaublich feint und unsichtbare Theilchen zertrennt. Indem sich nun diese durch die Niederschlagung adsondern, machen sie das Auflösungemittel An­ fangs trübe, weil sie mit ihm nunmehr nur me­ chanisch vermischt, und viel zu sein sind, um den Zusammenhang der Theilchen des Mittels durch den Unterschied ihrer eigenthümlichen Schwere über­ winden, und sich von demselben absondern zu kön­ nen. Daher schwimmen sie oft ziemlich lange in dem Mittel, ehe sie sich von ihm ganz absondern, bis sie nach und nach, indem sie sich unter ein­ ander anziehen und vereinigen, immer größer und dichter werden. So fallen sie zuletzt nieder, wenn sie eigenthümlich schwerer sind, als das Mittel, oder sie steigen im entgegengesetzten Falle auf. Diese gänzliche Absonderung wird durch die Ruhe, so wie die Auflösung durch die Bewegung des Auflösungemittels, befördert. Es ist sehr merkwürdig, daß die niedergeschlag­ nen Theilchen, wenn sie feste Klümpchen bilden, allezeit regelmäßige Gestalten haben. Oft häufen sie sich bloß als ein Pulver an, oft aber hangen sich auch diese Klümpchen in große feste Krystallen an einander. Es scheint aus diesen Erfahrungen und aus der Bildung des Eises in frierendem Wasser zu folgen, daß die kleinsten Theilchen der Körper Pole haben, und sich daher an gewissen

26z

Vier und dreyßigster Brief.

Seiten anziehen, an andern aber zurückstoßen. We­ nigstens zeigt die Bildung der Krystalle offenbar, daß sie sich in gewissen Punkten stärker anzichen, als in andern. Sollte diese Vermuthung der Pole ge­ gründet seyn, so würde sogar der ganze Zusammen­ hang und das Anziehen der Tbeilchen aller Körper wahrscheinlich bloß von den beiden elektrischen Ma­ terien hrrvvrgebracht werden. Uebrigens zeigt sich jener Unterschied der Pole in den kleinsten Theilchen der Körper nicht bloß bey der Niederschlagung, son­ dern auch alsdann, wenn flüssige oder lustförmige Körper nach und nach fest werden, weil auch hier sich Anfangs ganz kleine feste Klümpchen bilden, die sich allmählich durch die Ziehkräfte vereinigen und in größre Massen zusammengehen. So bilder sich das Eis auf eine sehr regelmäßige Art, welches man am deutlichsten beym Gefrieren der Fensterscheiben sehen kann. So schießt der flüssige Schwefel, der Wißr Muth, der Spirßglaskönig nebst andern Metallen beym Erkalten in regelmäßigen Theilen an; so zeigen die metallischen Dämpfe, wenn man sie auffängt und verdichtet, oder die Subltmate, oft die re­ gelmäßigsten Gestalten. Zu den Körpern, welche durch die Niederschla­ gung auf dem nassen oder trocknen Wege ihre regel­ mäßige Gestalt erhalten haben, gehören: die Edel­ steine, die Krystalle, die Spate, Quarze, Kiese und alle regelmäßige Steine. Es gehört dahin der Schnee, als ein Niederschlag des in der Luft aufgelösten Was­ sers; der Tropfstein, als ei» Niederschlag der in ge­ wissen Wassern aufgelösten Erden; und der Dianenbaum oder Silberbaum, Pleybaum und Zinn­ baum, als pflanzenahnliche krystallinische Anschüsse verschiedener Metalle bey ihrer Niederschlagung. Vorzüglich aber zeigen die Salze, indem sie an-

Die Niederschlagung.

269

schießen, sehr regelmäßige Krystallen, und zwar ein jedes Salz Krystallen von einer eignen und besondern Gestalt. Die größer» Krystallen der Salze und an­ derer Körper lassen sich in andere kleinere zerlegen, die entweder den größer» ähnlich sind, oder nicht. Man hat bis jetzt nur 6 ursprüngliche verschiedne einfa­ che regelmäßige Formen der kleinsten Krystalle entdeckt, aus welchen sich alle zusammengesetzte Formen der größern Krystalle, durch eine Anhäufung nach ge, wissen Gesetzen, herleiten lassen. Uedrigens muß die Niederschlagung sehr langsam und sehr ruhig vor sich gehen, wenn sich das Regelmäßige der Nieder­ schläge deutlich zeigen soll. Geschieht sie schnell, oder in einem nicht ganz ruhigen Mittel, so häufen sich die niedergeschlagnen Theilchen unordentlich an, und man sieht an dem Niederschlage, so wenig, als wenn er ganz oder halb flüssig oder sehr dick aufgehäuft ist, etwas Regelmäßiges. Indem een aufgelöster Körper niedergeschlagen wird, fangen seine Theilchen an, einander starker anjuziehen, als das Auflösunasmittel sie ««zieht; sie vereinigen sich daher, und hören eben deßhalb auf, aufgelöst zu seyn. Dennoch düngen sie mehrentheils noch immer mit den Theilchen jenes Mittels starker zusammen, als diese uncer sich zusammenhängen. Daher ist der niedergeschlagne Körper selten c der nie­ mals rein, sondern Mit den Theilen des Auflösungs­ mittels mehr oder weniger vermischt. Ja oft ent­ hält er diese Theil« in sich aufgelöst, so wie die Salze dasKrystalltsazionswaffers, nachdem sie ane dem Was­ ser niedergeschlagen worden sind. Oft aber wird ein Körper auch dadurch niedergeschlagen, daß er sich mit der neuen ins Auflösnngsmittel gebrachten niederfchlagenden Materie verbindet, oder er hat sonst zu ihr eine gewisse Verwandschaft. In diesem

270

Vier und dreyßigster Brief.

Falle wird der Niederschlag nicht bloß durch Theil-

chen des Mikkels, sondern auch der niederschlagenden Materie, verunreinigt, und deßhalb um desto mehr verändert. Hiervon geben uns besonders die knallenden Nie­ derschläge einiger Metalle sehr merkwürdige Beyspiele. Wenn man Gold aus seiner Auflösung in Königs­ wasser durch ein flüchtiges Laugensalz niederschlägt,

so erscheint es als ein strohgelber Niederschlag, und wird Knallgold genannt, weil es bey einer gerin­ gen Erhitzung, oder auch durch bloßes Reiben, mit einem sehr heftigen Knalle platzt. Das Knallsil­ ber aber ist ei» schwarjes Pulver, welches man aus dem Silber erhält, wenn man es auö dem Scheide­ wasser mit Kalkwasser niederschlägt, den Bodensatz mit reinem Wasser auöwäscht, nachher mit ätzendem flüchtigem Laugensalze im Sonnenlichte so lange ver­ mischt stehen läßt, Hiser schwärzlich wird, hierauf

aber das erste abgießt und jenen Bodensatz trocknet. Dieses Pulver platzt mit einem ungemein heftigen Knalle, wenn man es bloß mit kalten Körpern be­ rührt, ja sogar, wenn man nur einen Tropfen Was­ ser aus einiger Höhe darauf fallen laßt, und es auf diese Art erschüttert. ES muß mit der äußersten Vorsicht behandelt, und nur in sehr geringer Menge, z. B. von einem Grane, zu Versuchen genommen werden. Dennoch ist es gut, bey diesen Versuchen

das Gesicht mit einer Maske zu bedecken, weil das Pulver mit der größten Heftigkeit wirkt, wenn es knallt, und die Gefäße leicht zertrümmert, in wel­ chen es sich befindet. Auch das Knallgold erfordert viel Behutsamkeit, ist aber dennoch lange so gefähr­ lich nicht, als das Knallsilber. Noch weniger ge­ fährlich ist der Niederschlag des Silbers und Queck­ silbers aus dem Scheidewasser mit dem Sauerklcesalze,

D«e N»ederfchlagung. obgleich beide Niederschläge ebenfalls! knallen.

271 Da

die knallende Eigenschaft dieser metallischen Nieder­ schlage, von deren Ursache wir uns in der Folge bey einer andern Gelegenheit unterhalten wollen *), ver­ möge der Erfahrung, bloß von den Materien her­ rührt, mit welchen sie niedergeschlagen worden sind, so sehen Sie offenbar, wie ungemein oft aufgelöste Körper durch dergleichen Materie verändert werden

können. Ich glaube, daß dasjenige, was ich Ihnen bis­ her über die Auflösung und Niederschlagung über­

haupt gesagt habe, vollkommen Hinreiche» wird, Sie zu überzeugen, daß die Ausdünstung des Was­ sers nichts weiter, als eine wahre Auflösung dessel­ ben in der Luft, ist. Wir nennen nämlich alle in

der Luft befindliche fremde Theilchen, die so fein sind, daß wir sie gar nicht, oder nur als einen Nebel oder Rauch sehen, Dünste; das Wasser aber, wenn es der freyen Luft ausgesetzt ist, und sonst keinen Zufluß erhält, verringert sich beständig und verschwindet

zuletzt ganz, ohne daß wir die verschwindenden Theils chen sehen, außer wenn etwa heisses Wasser in kal­ ter Luft steht, in welcher es zu rauchen scheint. Daher sagen wir, daß das Wasser in der Luft a u e dünstet, und nennen besonders diejenige Ausdün­

stung, welche wir gar nicht sehen, die unmerk­ liche. Alle wässerige Flüssigkeiten und alle nasse Körper dünsten in der Luft aus. Selbst das Eis dün­ stet, sogar beym stärksten Froste, aus. Die unsichtbaren Dünste, welche von dem Was­

ser in die Luft aufsteigen, vermischen sich entweder mit dieser mechanisch, ober sie lösen sich in ihr auf. Einen dritten Fall giebt es nicht. Geschahe das •) Man sehe den 65 Brief diese- Bandes.

272

Vier und dreyßigster Brief,

erstre, so müßten sie sich, da das Wasser 8 bis 9 hundert mal eigenthümlich schwerer ist, als die Luft, sobald diese in Ruhe wäre, gleich von ihr «bsondern, oder wenn die Dünste als Dämpfe in der Luft auf­ stiegen, so müßte diese Absonderung erfolgen, sobald sie sich verdichteten, und die verdichtete Feuchtigkeit müßte durch ihre Schwere nieder fallen. Wenn Sie aber feuchte Luft in einer Flasche verschließen, und diese nachher ganz in Ruhe lassen , so sondert sich die Feuchtigkeit nie durch ihre Schwere von der Luft ab, so lange die Flasche nur warm genug bleibt. Wird sie aber erkältet, so jeigt sich die verdichtete Feuchtigkeit zwar offenbar an den Wänden der Fla­ sche , aber sie fällt nie durch ihre Schwerx auf den Boden herunter, wie sie doch nothwendig fallen müßte, wenn sie mit der Luft bloß mechanisch ver­ mischt wäre. Vielmehr bemerkt man allezeit den stärksten Thau oben an den Wänden der Flasche, und nach unten zu immer weniger. Dieses beweiset of­ fenbar, daß jener Thau sich durch eine Art von Nieder­ schlagung von der Luft absondert. Denn die wärm­ ste Luft hebt sich allezeit, wegen ihrer eigenthümli­ chen Leichtigkeit, am höchsten, und daher ist auch die Erkältung der Luft an den gläsernen Wänden oben in der Flasche am stärksten. Da nun überhaupt in heisser Luft die Ausdünstung des Wassers viel stärker ist, als in kalter, so scheint es, daß warme Luft eine stärkere Ziehkraft gegen das Wasser hat, als kalte; und daß also die Ziehkraft der Luft überhaupt durch die Kälte geschwächt wird. Daraus begreift man sehr leicht, daß die warmf Luft, indem sie am Glase erkältet wird, die Feuchtigkeit fahren läßt, weil das Glas sie stärker anzieht, als die kalte Luft, und daß ebendeßhalb da, wo die Erkältung am stärk­ sten ist, auch die meiste Feuchtigkeit erscheint. Möchten

Die Ausdünstung

273

Möchten aber die Dünste sich bloß deßhalb abson­ dern, weil sie durch die Kalte verdichtet werden, so müßten sie nothwendig auf den Boden der Flasche fallen. Wären sie, so lauge sie warm ge­ nug sind, bloß unter der Form eines Dampfs mit der Luft mechanisch vermischt, und würde nun­ mehr dieser Dampf durch die Kalte verdichtet, so könnten zwar einige wenige Theilchen d-r verdich­ teten Feuchtigkeit, die den Wänden des Glases sehr nahe wären, sich an diese hängen, aber die Übrige ganze verdichtete Masse müßte durch seine so sehr überwiegende Schwere heruntergetrieben werden, und um desto schneller fallen, da die Luft zu ihr gar keine Verwandtschaft hätte, und sie also durch ihre Ziehkrafr gar nicht zurückhalten könnte. Denn diesen gänzlichen Mangel an Ver­ wandtschaft' müßte man annehmen, wenn man die Auflösung dee Wassers in der Luft läugnen wollte. Abet von allen diesen Erscheinungen, die doch nothwendige Folgen einer bloß mechanische» Mi­ schung der Dünste mit der Luft sind, bemerken Sie bey der in Ihrer Flasche eingeschlolsenen Luft Nicht das geringste. Vielmehr sind die unter Theile der Flasche, welche am nässesten seyn sollt, n, allezeit dm trockensten, und die obersten am feuchtesten. Sie sehen also augenscheinlich, daß die Feuchtigkeit wirklich in der Luft aufgelöst ist, und sich, auch nach der Verdichtung, von ihr nicht durch ihre eigenthümliche Schwere absondert. Vielmehr wird sie der Luft bloß durch die Erkältung geraubt, welche die Ziehkraft dee Luft zu ihr schwächt, da die ungleich warme Luft in beständiger innerlicher Bewegung ist, und immer andere und andere Theile von ihr das kalte GlaS berühren, die denn

Habe Rannt. 1. Th.

®

274

Fünf und dreyßigster Brief.

bald in den Zustand kommen, daß sie die Feuch­ tigkeit schwächer anziehen, als sie vom Glase an-

gezogen wird.

Fünf und dreyßigster Brief. Auch die übrigen wesentlichen Kennzeichen der wah­ ren Auflösung finden Sie insgesammt bey der Aus­ dünstung. Die Luft wird durch sie nicht trübe, und bey dem heitersten Wetter des Sommers trock­ net alles am schnellsten und stärksten. Ja in den heißen Ländern, wo die Ausdünstung außerordent­ lich stark ist, bleibt der Himmel viele Monate nach einander heiter. Indessen behaupte ich nicht, daß die Durchsichtigkeit der Luft durch die Dünste nicht geschwächt werden sollte; denn das wäre wider dir Erfahrung. Selbst beym heitersten Wetter sieht man von der Spitze hoher Berge die Sterne in viel größerer Menge und viel glänzender, als von unken; und das Licht der Sonne und aller Ge­ stirne wird nahe am Horizonte ganz ungemein ge­ schwächt, weil es aledann vorzüglich weit durch die untere Atmosphäre gehen muß, ehe es zu un­ serm Auge gelangt, und weil die Luft vorzüglich unten mit Dünsten angefüllt ist.

Indessen bleibt es dennoch gewiß, daß die Luft durch die Ausdünstung nicht trübe wird, wie sie es werden müßte, wenn die Dünste me­ chanisch mit ihr vermischt wären. Denn wären diese, als durchsichtige Dämpfe, allenthalben in

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Fünf und dreyßigster Brief.

bald in den Zustand kommen, daß sie die Feuch­ tigkeit schwächer anziehen, als sie vom Glase an-

gezogen wird.

Fünf und dreyßigster Brief. Auch die übrigen wesentlichen Kennzeichen der wah­ ren Auflösung finden Sie insgesammt bey der Aus­ dünstung. Die Luft wird durch sie nicht trübe, und bey dem heitersten Wetter des Sommers trock­ net alles am schnellsten und stärksten. Ja in den heißen Ländern, wo die Ausdünstung außerordent­ lich stark ist, bleibt der Himmel viele Monate nach einander heiter. Indessen behaupte ich nicht, daß die Durchsichtigkeit der Luft durch die Dünste nicht geschwächt werden sollte; denn das wäre wider dir Erfahrung. Selbst beym heitersten Wetter sieht man von der Spitze hoher Berge die Sterne in viel größerer Menge und viel glänzender, als von unken; und das Licht der Sonne und aller Ge­ stirne wird nahe am Horizonte ganz ungemein ge­ schwächt, weil es aledann vorzüglich weit durch die untere Atmosphäre gehen muß, ehe es zu un­ serm Auge gelangt, und weil die Luft vorzüglich unten mit Dünsten angefüllt ist.

Indessen bleibt es dennoch gewiß, daß die Luft durch die Ausdünstung nicht trübe wird, wie sie es werden müßte, wenn die Dünste me­ chanisch mit ihr vermischt wären. Denn wären diese, als durchsichtige Dämpfe, allenthalben in

Die Ausdünstung

27$

btt Lust vettheilt, so müßten sie sie eben so trür ben, wie durchsichtiges Wasser von durchsichtigem Oele getrübt wird, wenn man beide durch einan­ der rührt. Ware aber die just ohne sonderliche Bewegung, so müßten diese Dämpft sich ganz übet die Atmosphäre erheben, wenn sie eigenthümlich leichter wären, als die Luft, oder im entgegenge­ setzten Falle sich bloß nach unten senken und die Luft erheben. Fände das erste Statt, so würde die untere Luft immer sehr trocken seyn, die doch, vermöge der Erfahrung, mehrentheils sehr feucht ist; im zweyten Falle würde es unten, wenigstens Nahe an der Erde, an der zum Athemholen noth­ wendigen Luft gänzlich mangeln, welches wiedet gegen alle Erfahrung ist.

Durch eine jede schnelle Ausdünstung wird die Luft merklich erkältet, und diese einzige Thatsache beweiset unstreitig, daß die Luft sich nicht bloß Mit den Wafferdünsten mechanisch vermischt, son­ dern sie auflöst. Wenn Sie ein Thermometer in Wasser setzen, welches eben so warm ist, als die äußere Luft, und es hernach schnell herausziehen, so fällt es mehkrntheilS um einige Grade, indem es an der Luft trocknet, oder indem die an siinet Kugel hängenden Wassertheilchen verdünsten. Setzen Sie das nasse Thermometer dem Winde aus, oder schwingen Sie es in der Luft hin und her, vdet blasen Sie mit einem Blasebalg Luft darauf, mit einem Wörter beschleunigen Sie die Ausdünstung dadurch, daß Sie immer frische und trockene Luft auf das feuchte Thermometer strömen lassen, so werde» Sie sehen, daß das Thermometer tiefet fällt, al» ohne diese Beschleunigung. Eben so fällt es unter gleichen Umständen stärker, wenn

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Fünf und dreyßigster Brief.

Sie es, anstatt des Wassers/ mit Weingeist odtt Aether befeuchten/ weil diese Feuchtigkeiten schneller verdünsten/ wie Wasser, so wie die Erkältung

durch Bier/ Milch und Wein geringer wird, weil diese Materie» langsamer verdünsten. Ein Thermo­ meter von Quecksilber fallt , unter gleichen Umstan­ den, stärker, als eins von Weingeist oder Wasser, weil das Quecksilber von der gleich kalten Luft starker erkaltet wird, als Wasser. Man kann sogar mitten im Sommer durch die Verdünstung des Aethers / besonders in verdünnter Luft, Wasser in Eis verwandeln» Eben so kühlt man des Som­ mers die Zimmer durch Besprengen mit Wasser/ und zwar um desto kräftiger, je schneller dieses/ durch eine» freyen Zug der Luft, verdünsten kann; oder man kühlt sich selbst, wenn man schwitzt/

durch einen Facher, weil durch den Wind, den man auf diese Art erregt, der Schweiß schnell auf# grlöset wird. So ist auch nahe bey großen Was­ serfällen und Gradierhäusern, wo das in Tropfen getheilte Wasser der Luft eine große Oberfläche darbietet, und also schnell ausdünstet, die Luft allemahl kühler, als in einiger Entfernung» Selbst die verschiedenen Mittel, deren man sich/ besonders i» heiße» Landern, bedient, um das Getränk abzukühlen, beweisen insgesammt, daß

durch die

unmerkliche Ausdünstung

des Wassers,

wenn sie nur schnell genug ist, eine beträchtliche Kalt« erzeugt wird. Entweder gießt man das Getränk in Gefäße von einem schwammichten Stei­

ne, oder von einem nicht stark gebrannten mit Salz durchkneteten Lehms, der die Feuchtigkeit be­ ständig durchschwitzen läßt, und sie der trocknen

Luft von außen zu einer schnellen Auflösung dar-

Dre Ausdünstung.

277

hietet; oder mau umwickelt das mit dem Getränke gefüllte Gefäß mit nassen Lappen; oder man gießt dasselbe in gegerbte lederne Beutel/ welche es durchdringt/ und hängt nachher die Gefäße oder die Beutel in den Wind; oder man vergrabt auch das Getränk in feuchter Erde, über welcher man ein schnell verlodcrndes Feuer anzündet, um fie zu trocknen. Mit einem Worte; durch diese und viele andere ähnliche Mittel sucht man an den Wänden der Gefäße eine schnelle Verdünstung des Wassers zu bewirken , unh die Erfahrung lehrt/ daß dadurch das Getränk/ selbst bey der größten Sonnenhitze/ sehr merklich abgekühlt, ja zuweilen in Eis verwandelt wird. Dagegen bringt die Absonderung der Feuchr tigkeit von der Luft Wärme hervor. Man hat verschiedene Salze , welche diese Feuchtigkeit so stark einsaugen, daß sie zuletzt zerstießen. Wenn man mit dergleichen Salzen feuchte Luft unter einer vrrschlvßnrn Glocke trocknet, sy zeigt das Thermometer, daß die Luft der Glocke oft um mehrere Grade wärmer wird. Also ist die Absorp derung des Wassers aus der Luft eine wahre Nie­ derschlagung/ welche eine vorhergcgangene Auflö­ sung voraussetzt. Sie wissen/ daß sehr oft ein Auflösungsmittel während der Auflösung, nah? an dem Körper/ den es auflöset/ trübe wird/ und eben dieses wi­ derfährt auch der Luft zuweilen/ wenn die Aus­ dünstung des Wassers schnell und stark ist. War­ mes Wasser, und ein jeder warmer nasser Körper raucht, besonders in einer kalten Luft. Denn in­ dem sich die Luft an der Oberfläche eines solchen Körpers erwärmt, wird ihre Zichkraft gegen das Wasser plötzlich vermehrt; sie reißt die Wasserkhejsi

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Fünf und dreyßigster Brief.

chen mit Gewalt aus einander und trübt sich An­ fangs, da sie sie nicht sogleich vollkommen auflö­ sen kann. Sv getrübt und mit halbaufgelösten Theilchen überladen, steigt sie, da sie durch die Wärme ausgedehnt wird, in der eigenthümlich serwcrern und kältern Luft, als ein Rauch, in die Höhe, und kann um desto weniger schnell die Auflösung vollenden, je stärker sie erkaltet wird. Ze wärmer daher das Wasser und je kälter die Luft ist, um desto stärker raucht dasselbe. Sv rauchen auch feuchte Dächer, besonders des Win­ tere, wenn sie von der Sonne beschienen werden; so raucht oft der warme Pfcrdemist; so rauchen schwitzende Thiere in kalter Luft; so erscheint der Hauch der Menschen oft als ein Rauch. Ist aber die Luft warm, so löset sie mehrentheils die losgeriffenen Wassertheilchen so geschwinde gänzlich auf, daß sie von ihnen nicht merklich ge­ trübt wird. Aber dennoch verursachen jene Theikchen auch alsdann einen sehr seinen Rauch, der zwar an sich ganz unmerklich ist, aber sich dennoch durch das Zittern der Luft über dem trocknenden Körper verräth. Man bemerkt es des Sommers, besoi.ders wenn man durch ein Fernrohr längs der Erdfläche weit wegsicht. Es rührt theils von den noch unaufgelösten Wassertheilchen in der untern Luft, theile von der plötzlichen Ausdehnung der Lust durch die schnelle Auflösung her. Es verur­ sacht unfehlbar, daß im Sommer bey heiterm Wetter die Luft nahe am Horizonte oft räuchrich und undurchsichtiger ist, als des Winters. Es ist auch wahrscheti lich die Ursache jener größer» Undurctfichtigkeit der übrigens ganz heitern Luft heisser Lander. Zn Arabien sieht man nabe am Horizonte sogar dir Sterne der zweyten Große bey heitrem

Die Ausdünstung

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Himmel nicht, und die von der ersten Grösse fun­ keln nur, wenn sie über 25 G>-ad über den Ho­ rizont erhoben sind. Bey einer geringern Höhe funkeln sie nicht, weil ihr Licht hier zu sehr ge­ schwächt wird, als daß cs in unser Auge heftig genug wirke» könnte, um die Erscheinung des Funkelns hervorzubringen. Auch kochendes Wasser dampft oder raucht, weil der heisse Dampf, in welchen sich das kochende Wasser verwandelt, in der Luft erkältet und ver­ dichtet wird, da ihn denn die Luft anzieht und auslöst. Denn so lange derselbe heiß genug bleibt, um seine luftförmige Gestalt zu behalten, ist er unsichtbar, hat zur Luft nicht die geringste Ver­ wandtschaft, uud vertreibt sie allenthalben, wo er eindringt. Die Luft kann ihn also alsdann auch nicht auflösen; aber sobald er sich wieder zu Was­ ser verdichtet, löset ihn die Luft auf. Je größer die Oberfläche ist, in welcher das Wasser die Luft berührt, um desto schneller dünstet es, unter übrigens völlig gleichen Umständen aus. Wenn Sie ein nasses Tuch geschwinde trocknen wollen, so wickeln Sie es nicht zusammen, sondern Sie breiten cs an der Luft aus. Ein seichter ste­ hender See trocknet im Sommer viel eher aus, als ein tiefer, wenn gleich jener viel länger und breiter ist, als dieser. Hierauf gründet sich der Nutzen der Gradierhäuscr, jener hohen, langen und schmalen Gebäude, die man bey den Salzquellen zu errichten pflegt. Sie haben oben in der Höhe durchlöcherte Rinnen, in welche man die Sole pumpt, damit sie tropfenweise durch die Löcher herabfalle, und unten wieder gesammlet werden könne. Denn jeder Tropfen wird ringsherum von der Luft berührt, indem er fallt, und durch drefe

280

Fünf und dreyßigster Brief,

starke Berührung wird die Verdünstung der wasser rigen Theile so sehr vergrößert, daß die unten ger sammlete Sole viel salziger ist, als sie vorher war. Wenn zwey Gefäße mit Wasser neben einander in gleicher Wärme an der freyen Luft stehen, und in dem einen sich die Höhe des Wassers in einer gewissen Zeit j. B. um eine Linie vermindert hat, so lehrt die Erfahrung, daß auch in dem andern, in ebenderselben Zeil, die Wasserhdhe eben so stark abnimmt, es mögen übrigens die Welten, Tiefen -und Gestalten der Geiaße so verschieden seyn, als sie wollen. Geschieht dieses nicht; so ist entweder das eine Gefäß stärker von der Sonne erwärmt worden, oder mehr dem Winde ausgesetzt gewesen, als das andere; oder cs war sonst eine Ursache vorhanden, welche die Ausdünstung des einen Gesaßcs verzögerte oder beschleunigte,

Aber auch durch die Wärme wird die Aus­ dünstung vermehrt. Im Sommer trocknet alles viel geschwinder an der freyen Luft, als im Win­ ter, und Has Wasser verdünstet auf einem warmen Ofen schneller, als in der Kalte. Ja die Ausdün­ stung nimmt in der freyen Luft, vermöge der Er­ fahrung, viel schneller zu, als die Wärme, unfehl­ bar deßhalb, weil hie Ziehkraft her Luft, nicht nur durch die Wärme, sondern auch durch die von der Wärme bewirkte Ausdehnung der Luft, vermehrt wird. Denn in einer eingeschloffencn Luft, hie sich nicht auedchnen kann, nimmt die Ausdünstung, vermöge der Erfahrung, ziemlich genau nur im Verhältnisse der Wärme zu.

Auch der Wind und jede Bewegung der Luft vermehrt, wie die tägliche Erfahrung lehrt, die Ausdünstung, so wie die Bewegung eines jeden

Die Ausdünstung,

28?

Auflösung. Wie wäre es möglich, daß dieses Start finden könnte, wenn die

tziuflösungsmittels die

Ausdünstung Nicht eine wahre Auslösung des Wasftrß in der tust wäre i In dem Augenblicke, da das Wasser zu frieren -nfäligt, nimmt seine Ausdünstung plötzlich zu,

die sonst durch die Kälie vermindert wird. Denn da daß Lis lange nicht so viele Luft aufgelöst erhalt teil kann, als das Wasser, und dieses fast immer mit Luft gesättigt ist, so wird, wenn es sich in Eis verwandelt, Luft niedergeschlagen. Die entweicheude Luft aber reißt viele Wassercheilchen mit sich fort, und zerstreut sie,

Das Gis dünstet zwar weniger aus, als Waft ser, aber dennoch dünstet es immer, selbst beym

heftigsten Froste, so wie der Schnee, sehr merklich aus. Es wird von der Luft, so wie das Metall von Säuren, zerfressen, Zn einem verschlyßnen Gefäße wird die Aus­ dünstung, bey immer gleicher Wärme, nach und

nach immer schwächer.

Dieses beweiset,

baß die

Zrehkraft der Luft gegen dgs Wasser immer mehr abnimmt, je mehr sich die Luft mit Dünsten anfüllt, bis sie endlich gesättigt wird,

Unter

der Glocke

der Luftpumpe dünstet das

Wasser und das Eis immer noch aus, wenn gleich die Luft so stark, als möglich, verdünnt worden ist. Allein dennoch ist in verdünnter Luft die Ansdünstung allemahl kleiner, als in derselben Zeit an der freyen Luft; und zwar um desto mehr, je stär­ ker die Luft verdünnt worden ist. Ma» kann sich seicht hiervon überzeugen, wenn man sich die Mühe Nehmen will, dergleichen Versuche mit der gehört-

282

Sechs und dreyßigster Brief.

gen Sorgfalt und

Geduld anzustellen,

wie man

unter andern in England gethan hat. *)

Sechs und

dreyßigster Brief.

Au den Ihnen bereits bekannten Gründen, welche

beweisen, daß die unmerkliche Ausdünstung des Wassers, ein« wahre Auflösung desselben in der Luft sey, kann man noch hinjufügen, daß gegenfettig auch die Luft vom Wasser aufgelöset wird. Diese Auflösung ist so offenbar und läßt sich selbst dem Auge so deutlich darstellen, daß sie unmöglich geläugnet werden kann. Schon Mariotte füllte eine

Phiole mit Wasser, welches er durchs Kochen und durch di« Luftpumpe von Luft gereinigt hatte, stürzte sie in einem mit solchem Wasser gefüllten Gefäße, ohne sie zu verstopfen, um, und ließ in ihr eine Luftblase, von der Größe einer Nuß, auf­ steigen. Da sah er, daß die Blase anfangs schnell, nachher immer langsamer, abnahm, und in dreyen Tagen ganz verschwand. Dieser Versuch ist nach­ her unzahliche Male wiederholt worden, und kann tim desto weniger bezweifelt werden, je leichter er sich wiederholen läßt. Das Wasser hat also un­ iäugbar eine starke Verwandtschaft zur Luft, und muß von dieser aufgelöset werden, da die Auflö­ sungen jeder zweyer flüssiger Materien allemahl, vermöge der Erfahrung, wechselseitig sind. Dirs«

offenbare Folgerung jenes Versuchs scheint so deut-

*) Man sehe Philosophie. Transactions Vol. LIX. x. a5°-

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Sechs und dreyßigster Brief.

gen Sorgfalt und

Geduld anzustellen,

wie man

unter andern in England gethan hat. *)

Sechs und

dreyßigster Brief.

Au den Ihnen bereits bekannten Gründen, welche

beweisen, daß die unmerkliche Ausdünstung des Wassers, ein« wahre Auflösung desselben in der Luft sey, kann man noch hinjufügen, daß gegenfettig auch die Luft vom Wasser aufgelöset wird. Diese Auflösung ist so offenbar und läßt sich selbst dem Auge so deutlich darstellen, daß sie unmöglich geläugnet werden kann. Schon Mariotte füllte eine

Phiole mit Wasser, welches er durchs Kochen und durch di« Luftpumpe von Luft gereinigt hatte, stürzte sie in einem mit solchem Wasser gefüllten Gefäße, ohne sie zu verstopfen, um, und ließ in ihr eine Luftblase, von der Größe einer Nuß, auf­ steigen. Da sah er, daß die Blase anfangs schnell, nachher immer langsamer, abnahm, und in dreyen Tagen ganz verschwand. Dieser Versuch ist nach­ her unzahliche Male wiederholt worden, und kann tim desto weniger bezweifelt werden, je leichter er sich wiederholen läßt. Das Wasser hat also un­ iäugbar eine starke Verwandtschaft zur Luft, und muß von dieser aufgelöset werden, da die Auflö­ sungen jeder zweyer flüssiger Materien allemahl, vermöge der Erfahrung, wechselseitig sind. Dirs«

offenbare Folgerung jenes Versuchs scheint so deut-

*) Man sehe Philosophie. Transactions Vol. LIX. x. a5°-

Die Ausdünstung.

rgz

lief) und unwiderleglich erwiesen zu seyn, als irgend eine andere physikalische Wahrheit. Freylich würde die Luft bey der Verdünstung ganz überflüssig seyn, wenn es gewiß wäre, daß

das Wasser auch in einem völlig luftleeren Raume verdünsteu könnte. Man beruft sich, um dieses zu erweisen, auf eine gewisse Erfahrung, welche denen, die sich viel mit dem Barometer beschäftigt

haben, lehr wohl bekannt ist. Wenn nämlich ei» kleines Tröpfchen Wasser auf irgend eine Art biS in das untere Ende des länger» oben verschlvßnen Schenkels eines Barometers kommt, so läuft es, weil es eigenthümlich viel leichter ist, als daS Quecksilber, in diesem an der Wand der Röhre bis nach oben, und drückt dort, unfehlbar weil es sich in einen elastischen Dampf auedehnt, mit einer solchen Kraft auf das Quecksilber, daß die­ ses hernach, bey einer Wärme von 12 bis 14 Französischen Graden, oft 10, 12 ja zuweilen bis 18 Pariser Linien niedriger steht, als in andern

guten Barometern. Man kann hierauf antworten: daß alles Was­ ser mit Luft gesättigt ist, daß also der Tropfen,

indem er durchs Quecksilber geht, nicht nur viele aufgelöste, sondern auch wahrscheinlich viele von außen ihm anklebende Luft in die Leere des Torrir celli bringt, die sich dort auedehnt, loere»ßt, das Wasser auflöst und durch diese Auflösung einen um desto größer» Zuwachs der Federkraft erhalt, je dünner sie ist. Allein so gewiß alles dieses auch ist, so scheint dennoch hier noch ein ganz besonderer Umstand einzutreten, der mehr zu der Erniedrigung des Quecksilbers beyträgt, als die

Ausdünstung. Die Erfahrung lehrt, daß das Quecksilber, wenn es mit Luft geschüttelt, oder der

284

Sechs und dreyßigster Brief.

freyen Luft auch nur bloß gestellt wird, die Luft verschluckt und sich verkalkt. Aber die Versuche des Herrn Priestley zeigen, daß es sich noch viel leichter auf diese Art verändert, wenn es mit reir nein Wasser in Berührung ist. Das Wasser be­ steht, wie Sie in der Folge sehen werden, aus

zweyen Grundstoffen; wenn das Quecksilber den einen verschluckt, um sich zu verkalken, so entwi­ ckelt sich der andere in brennbare Luft, die auch Priestley bey seinem schüttel» des Quecksilbers in Wasser aufsteigen sah. *) Wahrscheinlich muß also ein Waffertropfen, der eine Zeit lang mit Queckr silber vermischt war, sich durch dasselbe durchar­ beitet und nachher auf ihm schwimmt, eine ähnr liche Veränderung leiden. Wenn aber auch nuy ein sehr kleiner Theil desselben vom Quecksilber zer­ setzt wird, so ist die dadurch erzeugte Luft schon zureichend, die Quecksilbersäule des Barometers um io bis 18 Linien zurück zu drücken, Dem sey auch indessen, wie man immer wolle, so ist wenigstens so viel gewiß, daß die Verdünstung des Wassers ohne aste Luft nicht die Ursache jener Erscheinung seyn kann. Denn die Natur ist nie mit sich selbst im Widersprüche, und die Auflösung des Wassers in der Luft lehren die deutlichsten und unlqugbarsten Erfahrungen. Es enthält also die Luft, welche uns umgiebt,

da sie beständig so vieles Wasser und so viele feuchte Körper berührt, eine Menge wässeriger Dünste,

auch wenn sie ganz hell und durchsichtig ist. Diese machen ihre wahre Feuchtigkeit aus, welche um desto größer wird, je mehrere Dünste eine ge­ wisse Menge von Sufi enthält, oder je kleiner die Lufrmasse ist,

in der sich eine gewisse Menge von

•) Versuche und Beobachtungen I. 126.

Die Ausdünstung. Dünsten befindet.

Wenn ioo Zolle kuft

285 i. B»

einen Gran Wasser aufgelöst enthalten, so kommt üuf jeden Zoll Gran Wasser, und dennoch hat jeder Zoll für fich dieselbe wahre Fruchtig» feit, wie die ganze Masse von ivo Zollen. Aber wir verstehen mrhrentheils nicht diese Art von Feuchtigkeit, wenn wir sagen, daß die Luft feucht ist. Denn wir nennen die Luft nur alsdann feucht, wenn trockene Körper in ihr feucht wer» den; und trocken, wenn sie feuchte Körper trockr Net. So ist im Sommer bey heiterm Wetter die Luft des Tages trocken, und des Abends feucht, ungeachtet ihre wahre Feuchtigkeit des Abends nicht zunimmt. Sie sehen hieraus, wie nothwendig es ist, die scheinbare Feuchtigkeit der Luft von der wahren zu unterscheiden. Jene hängt bloß von der Ziehkraft der Luft ab, welche nicht nur durch die Der» Mehrung der wahren Feuchtigkeit, sondern auch durch die Kälte und andere Ursachen, vermindert werden kann. Wird aber die Ziehkraft der Luft gegen das Wasser auf irgend eine Akt kleiner, als die Ziehkraft anderer in der Luft befindlicher Körper, so hängen sich die Dünste an diese, und verlassen die kuft. So werden des Abends im Sommer trockene Kör» per in der Luft feucht, weil die Ziehkraft der Lust wegen der Erkältung merklich abnimmt. Trockene Erde verschluckt das Wasser schnell, feuchte langsam. Trocknes Holz, welches man ins Wasser legt, saugt dasselbe Anfangs schnell, hernach immer langsamer, und zuletzt gar nicht weiter, in sich. Und so ziehen alle feste Körper das Wasser um desto stärker an, je trockener sie sind. Erwärmt man aber die Luft um einen feuchten festen Kör» per, so wird er trocken; und Sie sehen hieraus, daß die Ziehkraft der festen Körper gegen das

sz6

Sechs und dreyßigster Brief.

Wasser

durch die Wärme entweder gar nicht, oder doch viel weniger, als die Zlehkraft der Luft,

vermehrt wird. UebrigenS gehen die testen Kör, per die Feuchtigkeit mit sehr verschiedener Starke

an. Einige Salze z. B. werden selbst in solcher Luft, welche die meisten andern feuchten Körper trocknet, und die wir also für trocken halten, oft bis zum Zerfließen naß. Zwischen der Ausdünstung des Wassers und der Trocknung feuchter Körper ist also unter andern dieser wichtige Unterschied, daß jene immer gleich stark bleibt, so lange die Ziehkrafr der Luft sich nicht ändert; dahingegen diese, auch bey unveränr derter Ziehkraft der Luft, immer schwächer wird, weil der trocknende Körper das Wasser immer (tät, ker und stärker zurückhält, je mehr er trocknet, und er nur durch den Ucberschuß der Ziehkraft det Luft über seine eigene getrocknet wird. Je wärmer ein fester Körper ist, um desto tier fer dringt mehrentheile in ihn das Wasser ein, wenn er feucht wird. Es ist beynahe unglaublich, wie sehr in den heissen Ländern zur Regenzeit allevon Nässe durchdrungen wird. Je tiefer aber ein fester und dicker Körper das Wasser in sich eindrinr gen läßt, um desto schwerer und langsamer verr liert er es wieder, weil Die Luft zu seinen inner» Tyeilen nicht kommen kann. Man muß daher mehr rentheils die Wärme zu Hülfe nehme», wenn man dergleichen Köcper trockne» will. Und auch durch diese erreicht man oft seinen Endzweck nicht, be­ sonders wenn sie zu stark ist. Denn die Ober, fläche der festen Körper trocknet immer zuerst, und diese zieht sich oft, wenn sie durch eine große Hitze schnell getrocknet wird, so fest zusammen, daß die Inwendige Feuchtigkeit ganz verschlossen bleibt.

So

Die Ausdünstung.

287

wird nasser Thon, bey einer gelinden anhaltenden Warme, nach und nach ganz trocken. In einem heftigen Feuer aber wird er oft von außen stein­ hart, ohne seine inwendige Feuchtigkeit ju verlieren. Ein fester Körper, der etwas dick ist, kann also oft von außen ganz trocken und dennoch inwendig sehr feucht seyn; er kann in einer sehr trocknen Luft liegen, ohne seine innere Feuchtigkeit zu ver­ lieren. Seine wahre Feuchtigkeit nimmt also keinesweges in demselben Verhältnisse ab, in welchem die scheinbare Feuchtigkeit der Luft abnimmt, die ihn umgiebt. Daher sind etwas dicke feste Korpee zu Hygrometern gar nicht tauglich, und das be­ kannte Haarhygrometer des Herrn von Saussüre, welches heutzutage am häufigsten gebraucht wird, hat auch deßhalb, weil eö aus einem so feinen und dünnen Körper besteht, vor vielen andern einen großen Vorzug. Dieser Körper, als der Haupt­ theil des Werkzeuges, ist ein gesundes weiches Men­ schenhaar, welches, nach der Vorschrift des Erfin­ ders, vorher gelaugt, gekocht, und so von seiner natürlichen Fettigkeit gereinigt werden muß. Ein solches Haar wird gespannt, und sein unteres Ende ist mit einem sehr beweglichen Zeiger verbunden, dessen Spitze einen ansehnlichen Dogen durchläuft, wenn sich das Haar bis zur äußersten Nässe ver­ längert , oder bis zur äußersten Trockenheit verkürzt. Um dieses Werkzeug vergleichbar zu machen, hat sein Erfinder zwey feste Punkte an ihm auf folgende Art bestimmt. Er bringt es erstlich unter eine ver­ schlossene Glocke, deren Luft er aufs äußerste trocknet. Das Haar verliert hier seine Feuchtigkeit so sehr, daß es zuletzt, wenn man die Luft der gläsernen Glocke erwärmt, sich durch die Wärme zu verlän­ gern anfängt, anstatt sich, wegen der vermehrten

288

Sechs und dreyßigster Brief.

Ziehkraft der Luft, und der dadurch bewirkten kern Austrocknung, zu verkürzen. Den höchsten Grad, auf welchem das Hygrometer hier stehen bleibt, sieht Herr von Sauffüre, als den Grad der größten Trockenheit an, und bezeichnet ihn mit o. Die Größe aber der Ausdehnung des Haares durch die Nässe hangt von der Laugung desselben ab. Herr von Sauffüre hat das Haak seines Werkzeuges so eingerichtet, daß es unter einet Glasglocke den höchsten Grad seiner Ausdehnung erreicht, wenn die Luft in ihr so feucht wirb, daß sich inwendig an dem Glase eine merkliche Feuchr tigkeit zu zeigen anfängt. Er befeuchtet daher eine Glasglocke inwendig mit einem nassen Schwamme, hängt sein Hygrometer darin auf, und fegt als» dann die Glocke noch über einen Teller mit Wasser. Hier muß das Haar in 5 bis 6 Stunden feint größte Ausdehnung erreichen, wenn es sonst gut ist, und unbeweglich auf entern Punkte stehen blei» ben, den Herr von Saussüre als den Grad det äußersten Feuchtigkeit ansieht, und mit 100 der zeichnet, so, daß der Bogen zwischen jenen beiden festen Punkten in 100 gleiche Theile getheilt ist Dieses Hygromeker ist äußerst beweglich und gegen die kleinsten Veränderungen in der schein­ baren Feuchtigkeit der Atmosphäre sehr empfindlich. Ueberdieses ist es vergleichbar, oder seine Grade haben eine gewisse und bestimmte Bedeutung. Die scheinbare Feuchtigkeit zweyer noch so weit entlege­ ner Orte ist, wie Sie leicht einsehrn, von gleicher Größe, wenn zwey gute Haarhygrometer, das eine an dem einen, das andere an dem andern Orte, bey gleichen Graden der Wärme, einerley Grad anzeigen. Dieses Werkzeug kann also wirklich als rin Hygrometer, oder ein Messer der Feuchtigkeit, (denn

Die Ausdünstung.

289

(denn diese Bedeutung hat jener Nahme), angesehen werden; anstatt daß die sogenannten Hygrometer von Saiten, und andre ähnliche, nur Hygroskoe p e sind, welche zwar «»zeigen, ob die Luft feuchter oder trvckner wird, aber keinen bestimmten Begriff von der Größe ihrer scheinbaren Feuchtigkeit geben.

Die 94 Figur Taf. IX stellt ei« Haarhygroe Meter vor.

Sieben und dreyßigster Brief.

Wenn Sie sich von den festen Punkten der vergleiche baren Hygrometer, unter weichen das Haarhygrometer das gebräuchlichste ist, einen richtigen Begriff machen wollen, so dürfen sie nur erwägen, daß kein Körper durch irgend eine Ursache in der Welt ohne Ende fort ausgedehnt oder zusammengezogen werden kann. Hängen Sie an eine Saite zuerst ein einfae ches, hernach ein doppeltes, hernach ein dreyfaches Gewicht, u. f. w. so nimmt ihre Länge keinesweges um Stücke zu, die sich wie i, 2, 3 u. s. w. verhal­ ten, sondern sie verlängert sich, nach Verhältniß, immer weniger und weniger. Eben das thut aber auch ein Haar und ein jeder fester Körper, der durch die Feuchtigkeit ausgedehnt wird. Er verlängert sich, bey einem gleichen Zuwachse der Feuchtigkeit, nach und nach, verhälrnißweise, immer weniger, und endlich hört er ganz auf sich zu verlängern, wenn Hube N»tnrl. r. ThT

Die Ausdünstung.

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(denn diese Bedeutung hat jener Nahme), angesehen werden; anstatt daß die sogenannten Hygrometer von Saiten, und andre ähnliche, nur Hygroskoe p e sind, welche zwar «»zeigen, ob die Luft feuchter oder trvckner wird, aber keinen bestimmten Begriff von der Größe ihrer scheinbaren Feuchtigkeit geben.

Die 94 Figur Taf. IX stellt ei« Haarhygroe Meter vor.

Sieben und dreyßigster Brief.

Wenn Sie sich von den festen Punkten der vergleiche baren Hygrometer, unter weichen das Haarhygrometer das gebräuchlichste ist, einen richtigen Begriff machen wollen, so dürfen sie nur erwägen, daß kein Körper durch irgend eine Ursache in der Welt ohne Ende fort ausgedehnt oder zusammengezogen werden kann. Hängen Sie an eine Saite zuerst ein einfae ches, hernach ein doppeltes, hernach ein dreyfaches Gewicht, u. f. w. so nimmt ihre Länge keinesweges um Stücke zu, die sich wie i, 2, 3 u. s. w. verhal­ ten, sondern sie verlängert sich, nach Verhältniß, immer weniger und weniger. Eben das thut aber auch ein Haar und ein jeder fester Körper, der durch die Feuchtigkeit ausgedehnt wird. Er verlängert sich, bey einem gleichen Zuwachse der Feuchtigkeit, nach und nach, verhälrnißweise, immer weniger, und endlich hört er ganz auf sich zu verlängern, wenn Hube N»tnrl. r. ThT

11)0

Sieben «nd dreyßigsier Brief,

gleich er noch nässer wird.

Diese Grenze der Ver­

längerung erreichen einige Körper eher, als andre;

z. B. eher Haare, Holz, Seide und andre Körper, die auch im Wasser hart bleiben; später Riemen, Leder, Flecksaiten u. s. w. die im Wasser weich wer­ den. -Daher lehrt auch die Erfahrung, daß eine Flecksaite in der Feuchtigkeit noch immer au Dicke zuzunehmen fortfahrr, wenn das Haarhygrometer den äußersten Grad seiner Feuchtigkeit schon langst

erreicht hat. Eben so wenig kann ein trocknender fester Körper sich ohne Ende verkürzen. Nehmen Sie der gespannten Saite das Gewicht ab, welches sie spannt, so zieht sie sich zusammen, und kommt in ihren natürlichen Zustand zurück. Eben so zieht sich auch ein trocknender fester Körper zu­ sammen, bis er in seinen natürlichen Zustand kommt, wo er sich weiter nicht verkürzen kann, wenn gleich er noch trockner wird. Man muß also lieber jene Punkte der sogenannten äußersten Trockenheit und Nasse: Punkte der äußersten Zu­

sammenziehung und Ausdehnung der Hygrometer nennen, um nicht etwa Gelegenheit zu dem Irr­ thume zu geben, jene Punkte wirklich für die Punkte der äußersten Trockenheit und Nässe der Luft zu halten. Bey dem Haarhygrometer lassen sich diese bei­ de» festen Punkte mit vieler Gewißheit bestimmen. Wenn es unter einer kleinen Glasglocke emige Tage gut verschlossen steht, deren Luft man durch Laugensalzt, bey einer mittleren Warme von 10 bis i2 französischen Graden,, aufs heftigste trock­ net, so zieht sich sein Haar so stark zusammen, daß es fast unempfindlich wird, und vorher etwa auf eine halbe Stunde in recht feuchte Luft ge-

Die Ausdünstung.

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bracht werden muß, ehe man es zu Beobachtung gen brauchen kann. Hat es aber den äußerste» Grad seiner Ausdehnung in einer feuchten warmen Luft erreicht, so bleibt es auf ihm unbeweglich stehen, wenn gleich die Luft erkältet und ihre Zieh­ kraft dadurch verringert wird. Indessen haben alle feste Körper, und also auch die Haare, den Fehler, daß ihre Ausdeh­ nung nach und nach immer weniger und weniger zunimmt, wenn die scheinbare Feuchtigkeit immer fortfährt um gleiche Grade zu wachsen. Dieser Fehler, dem man nicht abhelfen kann, und der um desto nachtheiliger ist, da der Gang aller Hy­ grometer noch dazu mehr oder weniger unregel­ mäßig zu seyn scheint, macht, daß man diesen Werkzeugen niemals denjenigen Grad der Vollkom­ menheit wird geben können, dessen die Thermome­ ter fähig sind. Herr von Saussüre hat, nach verschiedenen Versuchen, die Laugung seines Haares so einge­ richtet, daß es unter einer Glasglocke den höch­ sten Grad seiner Ausdehnung erreicht, sobald die innere Luft so feucht wird, daß sie an der Glocke eine merkliche Feuchtigkeit abzusetzen anfängt. Als­ dann hat die Lust mir dem trocknen Glase unge­ fähr eine gleiche Ziehkraft, und kann also unstrei­ tig noch viel feuchter werden. Denn trocknes Glas zieht das Wasser sehr stark an, viel stärker, als eS zusammenhängt. Eben so hat auch eine durch Salze aufs äußerste getrocknete Luft noch immer Feuchtigkeit in sich, und kann folglich trvckner werden, als sie ist. Auf den Küsten von Guinea z. B. werden, wenn der Harmattan weht, alle jaugensalze, die man bis zum Zerfließen befeuchtet hat, sogar des Nachts, durch und durch trocken. Also

2y2

Sieben und dreyßigster Brief,

muß die Luft dieses Windes, welche ganz nasse kaugensalze, di« ihr inneres Wasser so ungemein schwer fahren lassen, in kurzer Zeit durch und durch trocknet, viel trockner seyn, als die trocken» ste Luft des Herrn von Sauffüre, aus welcher zwar nasse Laugensalze weiter keine Feuchtigkeit ziehen, die aber auch nicht im Stande ist, jene Salze zu trocknen. Und dennoch enthält auch die Luft jenes Windes viele Feuchtigkeit, da sie alles aufs äußerste austrocknet und die geraubten Dünsie in sich aufnimmt.

Indessen ist in unsern Gegenden die Atmo­ sphäre nie so äußerst trocken. Sie ist auch selten über ioo Grade des Haarhygrometers feucht. Da­ her ist dieses Werkzeug zur Beobachtung der Feuch­ tigkeit der Atmosphäre, wenigstens in unsern Ge­ genden, sehr brauchbar, obgleich es bey einer im­ mer zunehmenden Feuchtigkeit eher aufhört sich zu bewegen, als selbst ein Hygroskop von einer Darmsaite. Das Haarhygrometer ist auch zu Versuchen un­ ter der Glocke einer Luftpumpe vorzüglich geschickt. Schließen Sie es unter einer solchen Glocke ein, so wird es Ihnen zeigen, daß die Luit trockner wird, so oft Sie sie verdünnen. Hieraus folgt, daß die Ziehkraft der Luft durch die Verdünnung wächst, und durch die Verdichtung abnimmt, oder daß die Luft, bey einer gleichen wirklichen Feuch­ tigkeit und Wärme, durch die Verdünnung schein­ bar trockner, und durch die Verdichtung scheinbar feuchter wird. Freylich scheint das sonderbar; allein dennoch ist es nicht unmöglich, da die Zieh­ kraft gar nicht von der Dichte der Körper ab­ hängt, und hier folglich bloß durch die Erfahrung

Die Ausdünstung.

293

entschieden werden muß, wie sich die Sache wirklich verhält. Es ist sehr schwer, und vielleicht unmöglich, genau ju bestimmen, in welchem Verhältnisse die Ziehkraft der Luft durch die Verdünnung zunimmt. Indessen scheint aus verschiednen mit Sorgfalt ant gestellten Versuchen zu folgen, daß die wahre Zeuch« tigkeit, welche erfordert wird, um bey einer War« me von 15 bis r 6 französischen Graden das HaarhygroMeter von der äußersten Trockenheit durch 35 Grade zu bewegen, sich zu der wahren Feuchtig, feit, die bey ebenderselben Wärme nöthig ist, dasselbe von Null bis auf 96 Grade zu bringen, sich ziemlich genau wie 1 zu 2| verhält. Wenn man aber, bey derselben Wärme, eine 96 Grade feuchte just bis auf durch die Luftpumpe verdünnt, so steht das Hygrometer in dieser ver­ dünnten Luft ins Mittel auf 35 Graden. Nun ist die Wärme und die wahre Feuchtigkeit der eingeschloßnen Luft unverändert geblieben. Denn da die Dünste in der just aufgelöst und gleichförmig vertheilt waren, so sind nicht bloß 99 Theile rei­ ner Luft sondern auch 99 Theile Dünste durch die Pumpe fortgkschaft worden, und unter der Glocke befindet sich Dünste in Luft aufgelöst. Dennoch ist die Wirkung des Pumpens dieselbe, als wenn die wahre Feuchtigkeit der Luft, im Ver­ hältnisse 5 zu s, vermindert worden wäre. Also ist die Ziehkraft der Luft unter der Glocke, bloß durch die Verdünnung, 2| mal vermehrt worden. Wäre dieses nicht geschehen, so würbe eine hun­ dertmal dünnere Luft als die gemeine, auch nur iöö der Feuchtigkeit aufznlösen im Stande seyn, von welcher sie jetzt auflöset, derjenigen Feuch­ tigkeit nämlich, welche die gemeine und 100 Mal

294

Sieben und dreyßigster Brief,

dichtre Luft, bey gleicher Wärme und gleichem Umfange, auflösen kann. Unfehlbar geht diese Vermehrung der Ziehkraft immer weiter, wenn man die Luft noch starker verdünnt. Sie kann vielleicht bey einer so weit getriebenen Verdünnung, als es durch die besten Luftpumpen möglich ist, das achtfache oder zehn­ fache betragen; das heißt: es kann sey», daß ei­ ne an 1000 mal dünnere Luft, anstatt bey glei­ cher Warme, gleicher wahrer Feuchtigkeit, und gleichem Umfange, nur des Wassers aufzu­ lösen, welches die gemeine Luft auflösen kamt, 8 bis io Tausendtheile oder bis dieser Menge emzuschlucken im Stande ist, ehe sie ge­ sättigt wird. Sie sehen hieraus, daß das Wasser in ver­ dünnter Lun viel stärker ausdünstet, als man es, nacd Verhältniß ihrer Verdünnung, vermuthen sollte; daß aber dennoch die Ausdünstung, wie eS auch unmittelbare Erfahrungen lehren, in solcher iurt viel geringer ist, als in gemeiner und uns verdünnter. Denn obgleich die Ziehkraft der Luft durch die Verdünnung wachst, so wird sie doch hernach, bey der Auflösung des Wassers, sehr bald wieder vermindert, da die wahre Feuchtigkeit einer verdünnten Luft sehr schnell zunimmt, und ein Gran Wasser, in einem Zolle Luft aufgelöst, ihre wahre Feuchtigkeit hundertmal starker vermehrt, als wenn derselbe Gran Wasser sich durch ioo Kubik­ zolle Luft vertheilt. Es lassen sich zugleich hieraus verschiedne son­ derbare Erscheinungen der Luftpumpen erklären. MehrentheilS sind die Röhren, der Teller und an­ dre Theile einer Luftpumpe feucht. Wenn Sie also die Glocke aufsetzen und luftdicht verschließen,

Die Ausdünstung.

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so füllt sich die wenige Lust der Glocke gewöhnlich sehr bald so stark mit Dünsten an, daß das ringeschloßne Hygrometer fast die äußerste Feuch­ tigkeit anzeigt. Besonders geschieht das bald, wenn Sie die Luft schon verdünnt haben, und mit dem Pumpen hernach inne halten; weil die Ziehkraft der Lust durch das Pumpen vermehrt worden ist, und eine dünne Luft sich geschwinder mit Dünsten sättigt, als eine dichte. Die Dünste fangen also an, sich inwendig an der Glocke abzusetzen, ob­ gleich sie Anfangs so fein sind, daß man sie gar nicht sieht Zangen Sie nun hierauf wieder zu pumpen an, so wächst die Ziehkraft der eingeschlvßnen Luft plötzlich; sie reißt die Dunstbläschen von der Glocke los, diese schwellen in der verdünnten just an, und es erscheint daher in der Glocke ein Nebel, welcher die schönsten Farben zeigt, wenn man in einem dun­ keln Zimmer einen Sonnenstrahl durch ihn gehen laßt. Man kann diesen Nebel vermehren, wenn man absichtlich, ehe man zu pumpen anfängt, einen feuchten Körper unter die Glocke legt. Er verschwin­ det, und wird von der Luft zuletzt grvßenth ils auf­ gelöst, wenn man zu pumpen fortfährt; erscheint aber wieder, wenn man inne hält, und nach eini­ ger Ruhe wieder zu pumpen anfängt. Reinigt und trocknet man aber alle Theile der Pumpe vorher aufs sorgfältigste und klebt man die Glocke mit reinem Wachse an den Teller, so sieht man hernach beym Pumpen keinen solchen Nebel weiter, obgleich noch immer einige Feuchtigkeit im Innern der Pumpe zu­ rückbleibt. Wenn Sie den Hahn der Luftpumpe öffnen, und durch ihre Röhre die äußre Lust mitten unter die Glocke lassen, so bewegt diese, wen» sie trock >er, als die verdünnte höchst feuchte Luft der Giocre ist,

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Sieben und dreyßigster Brief,

das Hygrometer vorwärts, treibt aber auch zugleich die dünne und feuchte Luft der Glocke von allen Sei­ ten gegen dieselbe. Indem also die letztre dadurch verdichtet wird, vermindert sich ihre Ziehkraft, und sie setzt ihre Feuchtigkeit in Menge an den innern Wänden der Glocke ab. Aber gleich darauf vermischt sie sich mit der dichten und trocknern Luft; diese be­ rührt allenthalben die Wände der Glocke, löst ihre Feuchtigkeit wieder auf, und das Hygrometer bewegt sich wieder rückwärts. Sie werden sich also nicht wundern, wenn Sie bemerken werden, daß ein Thermometer unter der Glocke der Luftpumpe merklich fällt, wenn Sie die Luft schnell zu pumpen anfaugen. Denn da auch in einer aufs beste gereinigten Pumpe immer noch einige Feuchtigkeit znrückbleibt, wie das Hygrometer au­ genscheinlich beweiset, und durch die Verdünnung der Luft ihre Ziehkraft vermehrt wird, so muß ein schnelles Pumpen nothwendig machen, daß die Luft unter der Glocke die Feuchtigkeit der Pumpe schnell auszulösen anfängt. Dadurch aber wird nothwen­ dig Kälte erzeugt. Hören Sie zu pumpen auf, so erhebt sich das Thermometer wieder allmählich bis zu feinem vorigen Stande. Lassen Sie hierauf die äußere Lu. E t

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Ein und fünfzigster Brief.

und diese Veränderung sich bis auf eine große Höhe über der Erde erstreckt, so muß die Höhe des Barometers dadurch sehr merklich geändert werden. Nach aller Wahrscheinlichkeit muß die Wirkung aufs Barometer wenigstens noch einmal so groß seyn, als bey einem Regen, dessen Wir­ kung sich lange so hoch herauf nicht erstreckt; also auf 6 Grade Wärme unten an der Erde, an 2 Linien betragen. Wenn wir aber auch nur an­ derthalb Linien annehmen, so kann dennoch auf diese Art, da bey uns die jährliche Veränderung der Wärme über 40 Französische Grade beträgt, die Höhe des Barometers, bloß durch die Erwär­ mung und Erkältung der Luft, um 11 bis 12 Linien verändert werden. Diese Veränderung aber ist die Hättte des Ganzen, da das Barometer sich bey uns überhaupt um 22 bis 23 Linien verän­ dert. Man begreift hieraus zugleich, warum die Veränderung des Barometers gegen den Pol zu größer, und gegen die Linie kleiner ist, als bey uns, wie sie denn in Petersburg an 30 und un­ ter dem Polarkreise an 36 Linien, in Madeira aber nur 12 drs 15 Pariser Linien beträgt. Denn die jährliche Veränderung der Wärme wächst gegen die Pole zu ebenfalls, und nimmt gegen die Linie zu ab. Ferner ist die Veränderung des Barome­ ters im Winter bey uns gewöhnlich etwas größer, als im Sommer, weil sich auch die Wärme in der erstern Jahreszeit mehr zu ändern pflegt, als in der letzrern. Freylich ist die Erwärmung und Erkältung al­ lein nichl zureichend so große Veränderungen des Barometers zu erzeugen, und überhaupt ist es un­ möglich, die Größe dieser Veränderungen auf eine

Veränderung des Barometers.

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genugthuende Art anders, als durch die doppelt« Ausdünstung des Wassers, zu erklären. Sobald man aber diese kennt, sobald man weiß, daß die Ausdünstung der zweyten Art eigenthümlich schwe­ rer wird, und oft durch sie sehr beträchtlich schwe­ rer werden kann; bey der Ausdünstung der ersten Art aber ungefähr so leicht bleibt, als sie war, so wird alles begreiflich. Man fleht daraus leicht ein, warum die Ostwtnde, obgleich sie kalt und trocken sind, in England und Holland das Baro­ meter mehrentheile zum Fallen, die warmer» und feuchten Westwinde aber zum Steigen bringen. Denn da die erster» über weit ausgedehnte trockene Länder fortgehn, so ist ihre Luft mit viel wenigem Dünsten der zweyten Art angefußt,. als die feuchte Holländische und Englische um London. Sie ist also ihrer Kälte ungeachtet, etwas eigenthümlich leichter, da hingegen die westliche Luft des atlan­ tischen Ozeans aus einer entgegengesetzten Ursache oft eigenthümlich schwerer ist. Bey uns steigt daBarometer fast allezeit merklich mit den Winde« die von Norden und Nvrdwest, aus den dortigen kalten Meeren, kommen, und vorzüglich mit Dün­ sten der zweyten Art angefüllt, zugleich aber auch kalt sind; dahingegen es bey Südwinden zu fallen pflegt, weil diese nicht nur warm sind, sondern auch aus Gegenden kommen, wo das Wasser viel mehr auf die erste Art verdünstet, als bey uns. Wahrscheinlich ist auch di« mittlere Höhe des Ba­ rometers deßhalb in Nordamerika etwas höher, als in Nordeuropa, weil dort so ungeheure Landfeen, Meerbusen und andere groß« Gewässer sind, welche auch die Landlust beständig fast bloß mit Dünsten der zweyten Art anfülle», und sie daher vorzüglich schwer machen.

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Ein und fünfzigster Brief.

In dem-heißen Erdstriche ist die Veränderung des Barometers ungemein unbeträchtlich, weil hier Vie Luft allenthalben bloß mit Dünsten der ersten Art angefüllt, und die jährliche Veränderung der Wärme ungemein gering ist. In Quito beträgt die Veränderung des Barometers nur i| Linie, unten am Ufer des Meeres unter der Linie 2, und in Peru 2^ bis 3 Pariser Linien; und selbst die heftigsten Orkane haben daselbst nur einen sehr ge­ ringen Einfluß auf das Barometer, weil sie nur in der untern Luft Vorgehen, und di« Atmosphäre hier nicht von oben her elektrisirt wird, so wie bey uns. Die Südwinde find bey uns mehren theils warm und mit vielen Dünsten der ersten Art angefüllt, daher fallt das Barometer gewöhnlich wenn sie wehen. Indem sich aber ihre Luft dey uns erkältet, wird sic feucht, sie laßt ihre Dünste fahren und es regnet. Eben so fällt oft das Barometer bey Westwinden, besonders im Winter, wenn sie warm sind, und unsere tust schon fast eben so stark mit Dünsten der zweyten Art angefüllt ist, als die Luft dieser Winde. Dagegen machen Nordwestwinde und Nordwinde mehrrntheils, daß das Barometer steigt, wie ich schon gesagt habe. Zugleich erwärmt sich ihre Luft bey uns, und wird deßhalb trockner. Sie sehen also, daß oft auf das Fallen des Baro­ meter« Regen, Wolken und Wind, auf sein Stei­ gen aber gutes Wetter folgt. Indessen trifft daS keineswegrs immer ein, sondern nur 6 bis 7 Mal unter zehn Malen. Da die elektrischen Niederschlagungen über den kältern Meeren häufiger sind, als über dem festen Lande, so kommen auch die meisten und größten Stürme vom Meere Herr bey uns, aus Westen

Veränderung des Barometers.

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und zuweilen aus Süden; in Nordamerika, nach Franklins Zeugnisse, aus Osten; und in Grönland, Auch auf dem mite telländischen Meere und der Küste von Syrien sind des Winters die westlichen Winde häufig und mehr rentheilS mit Regen begleitet. Ueber diesem Meere verändert sich das Barometer im Sommer fast gar nicht, im Winter aber beträchtlich; «Heils weil trtt Sommer, zu beiden Seiten desselben, die Luft auf eine große Weite heiß und bloß mit Dünsten der ersten Art angefüllt ist, theils weil die atmosphä­ rische Elektrizität im Sommer wahrscheinlich zu schwach ist, um über diesem Meere die Dünste in beträchtlicher Menge niederzuschlagen. Da übri­ gens die durch dergleichen Niederschlagungen erreg­ ten Stürme mehrentheils in der obern Luft ganz unglaublich heftig find, wenn sie sich gleich nicht bis nach unten erstrecken, und sie allenthalben, wo sie htnkommen, eine Luft hinführen, welche die Höhe des Barometers mehrentheils verändert, so begreifen Sie leicht, warum man oft, auf 50, 80 und mehrere Meilen weit, sehr bald hinter einander, und fast zu gleicher Zeit, ähnliche Ver­ änderungen am Barometer wahrnimmt; und zwar vorher, ehe noch der Regen erfolgt, oder der Wind in der untern Luft zu bemerket» ist. Eben so kann der elektrische Wind aufhören, die vertriebene schwerere Luft wieder zurückfließen, und das Baro­ meter, welches gefallen war, steigen, ehe noch un­ ten von der Zurückkehr des guten Wetters etwas zu bemerken ist.

nach dem Kranz, aus Süden.

4 neu, auch die unverbrennlichen, leuchten zuletzt, wenn sie sehr stark erhitzt werden, ja einige fangen, schon bey einer geringen Hitze, oder wenn man ihre Theilchen durch Reiben und auf andere Art stark erschüttert, merklich zu leuchten an. Die glü­ hende Kohle macht den Uebergang von den bloß glühenden zu den brennenden Körpern. Sie leuch­ tet ganz ruhig ohne sichtbare Flamme, und scheint sich nicht zu verzehren; kurz, sie hat das ganze Ansehen eines bloß glühenden Körpers. In der That aber brennt sie, und wird durchs Feuer ver­ zehrt. Brennende Körper rauchen oft, besonders ehe sie sich entzünden. Der Rauch besteht entweder aus Luftarten oder Dampfen, die sich aus dem brennenden Körper entwickeln, oder auch aus Theil­ chen des Körpers, welche die auflösende Luft, indem sie in ihn mit Gewalt eindringt, losreißt und zer­ streut. Der Rauch organischer Körper enthält säuernde und schwere brennbare Lust mit unreinem Kohlenstoffe wie auch mit Wasserdampfe und vielen andern Theilchen vermischt. Er ist nicht so heiß, als die Flamme, ja mehrentheils nicht einmal warm genug, um die säuernde Luft verschlucken zu kön«en, jedoch hat er zuweilen auch hierzu eine fast hinlängliche Hitze, und alsdann entzündet er sich auf einmal, wenn man in ihn eine Flamme

Das Verbrennen.

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bringt. Da er mehrentheils viele Kohlensäure ent­ hält, so vermischt er sich mit reiner Kohlensäure, die etwa in einem Gefäße steht, wenn er sie berührt, und macht sie sichtbar; so wie unreines oder ge­ färbtes Wasser auf reines und ungefärbtes gegossen, sich darin allenthalben vertheilt. Man kann ihn alsdann ans einem Gefäße in das andre gießen, und er läuft über, und an den Wänden des Ge­ fäßes herunter, wenn dasselbe zu voll ist. Da der Ranch mit einer Menge halbaufgelöster Theilchen angefullt ist, welche die auflösende säu­ ernde Luft und die Luftarten, die sich aus dem brennenden organischen Körper entwickeln, mit sich fortreissen, so setzt er diese an allen Körpern ab, die er berührt, vorzüglich aber in den Schornstei­ nen, wo jene Theilchen, die größtentheils bloß un­ reine Kvhlentheilchen sind, den Ruß bilden. Er ist brennbar und enthält fast allezeit auch etwas Ammoniak. Wenn man Holzspäne in einer bis auf zwey Drittheile ihres Raums damit angefüllten Re­ torte allmählich immer mehr, und bis zum Glühen der Retorte, erhitzt, so kann man aus ihnen eine außerordentliche Menge kohlensaure und schwere brennbare Luft, nebst etwas Säure und Oel erhal­ ten, und es bleibt in der Retorte nichts als eine Kohle zurück. Daraus kann man sich von den Be­ standtheilen des Rauchs und der Flamme, welche letztere nichts weiter ist, als entzündete schwere brenn­ bar« Luft, am deutlichsten überzeugen; und zugleich sehen, daß d«e Späne die zu der Kohlensäure noth­ wendige säuernde Luft aus sich selbst und ihrer eignen Feuchtigkeit entwickeln, und nicht von außen ent­ lehnen.

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Sieben und fünfzigster Brief. Da ein Körper nur in so ferne brennt, als er säuernde Luft verschluckt, so begreifen Sie leicht, weßhalb jede flamme in reiner säuernder £uft viel lebhafter und stärker ist, alö in gemeiner. Die letztere enthalt in 100 Theilen nur 27 Theile säuernde Luft; alles übrige ist Stickluft, in wel­ cher jedes Feuer gleich verlöscht. Wenn daher eine Flamme in einem verschloßnen Raume brennt, so wird die nahe um fie her befindliche Luft sehr bald durch sie von ihren säuernden Theile« so sehr ent­ blößt und die Stickluft häuft sich um sie so an, daß die Flamme ausgeht, wenn gleich die Luft umhe»7 noch einige säuernde Luft enthält. Brennt ei» Körper im Freyen, so verursacht selbst die Hitze feiner Flamme einen beständigen Zufluß von kalter und frischer Luft, und er brennt daher immer mit gleicher Lebhaftigkeit fort; ist aber eine brennende Kerze oder Lampe unter einer Glocke mit gemeiner Luft «tngeschloffen, so geht sie bald aus, sogar als­ dann , wenn die innere Luft durch eine kleine Oeffnung der Glocke mit der äußern eine Gemeinschaft hat; und sie erlischt um desto schneller, je kleiner die Glocke und ihr« Oeffnung ist. Ueberhavpt muß' alles, was den Zufluß der äußern Luft vermindert oder abhält, die Flamme schwächen oder ersticken. Ein Feuer, welches in einem verschloßnen Raume, z. D. in einem Keller, entstanden ist, kann man oft ganz ersticken, wenn man alle Zugänge, durch welche die äußere Luft in

Die Flamme.

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in diesen Raum dringen kann, sorgfältig verstopft. Die Entzündung des Rußes in einem Schornsteine wird gelöscht, wenn man den Schornstein oben mit einer eisernen Klappe/ oder auf eine andre Art, verschließt. Selbst in brennbarer Luft, in Weingeiste, in Orlen, und allen andern brennbaren Materie«/ verlöscht eine glühende Kohle/ oder ein brennendes Licht aus Mangel der säurenden Luft/ wenn man sonst nur nicht, indem man das Licht untertaucht, die Oberfläche der brennbaren Materien stark erhitzt. Denn sonst fangen diese hier, wo die äußre Luft sie berührt, zu brennen an. Dagegen wird die Flamme durch einen starken Zufluß der Luft augenscheinlich vermehrt und vergrö­ ßert. Dieses beweisen die Blasbälge, die Zuglöcher in den Herden und die eisernen Roste, auf welchen das brennende Holz liegt. Daher muß man das Holz nie dicht zusammenpacken, sondern locker über einander legen, damit die Luft allenthalben zwischen ihm frey durchstreichen kann, wenn man habe» will, daß es gut brennen soll. Selbst durch feine Bewe­ gung verstärkt der Wind die Flamme, weil er die von säurenden Theilchen entblöße Luft schnell zerstreut, und neue Luft herzuführt, die reiner und zu Unter­ haltung der Flamme geschickter ist. Daher ist der Wind bey Feuersbrünsten so gefährlich, und in einem Windofen das Feuer lebhafter, als im Freyen, weil die Luft mit einer großen Geschwindigkeit in den Ofen fließt. Aber den augenscheinlichsten Beweis von der un­ gemeinen Verstärkung der Flamme durch den Wind giebt uns das so genannte Löthrohr, dessen sich auch die Goldschmiede, die Juwelirer, die Ar­ beiter in Glas und Schmelzwerk, und andre Künst­ ler bedienen. Durch ein krummes, in eine enge, Hube Natur!. 2. £b. Ff

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Sieben und fünfzigster Brief,

vollkommen runde Mündung, auclaufendes Rohr von Metall blasen sie entweder mit dem Munde oder mit einem besondern Blasbalge, den sie mit dem Fuße treten,, die Flamme eines dicken LichtS oder einer Lampe vor sich weg auf den Körper, den sie schmelzen wollen; und diese Flamme, wel­ che höchstens einen bis anderthalb Zolle hoch ist, wenn sie ruhig und gerade herauf brennt, und kaum eive Nadel glühend machen kann, wird durch das Blasen einige Zoll lang, und erhalt eine sol­ che Stacke, daß sie das Glas und die härtesten Metalle schnell erweicht, und zum Flusse bringt, wenn Körper davon auf hohlen Kohlen liegen, und die Spitze der Flamme auf sie gerichtet wird. Be­ sondere wirksam ist sie, wenn man reine säuernde Luft durch das Löthrohr auf sie strömen laßt, wie ich schon gesagt habe. Dagegen löscht ein heftiger Wind auch das Feuer oft aus, wenn er den brennenden Körper so sehr erkaltet, daß er weiter von der säuernden just nicht aufgelöset werde» kann. So lassen sich brennende Lichter leicht aueblasen. Die Schmiede spritzen oft etwas Wasser auf glühende Kohlen, und vermehren dadurch ihre Gluth; unfehlbar weil diese das Wasser zerlegen und durch die Wasser­ tropfen, welche sie einsaugen, indem sie sich in Dampf verwandeln, aus einander gerissen werden, wodurch die Auflösung der Kohlen in der säuern­ den Luft befördert wird. Gießt man aber zu vie­ les Wasser auf die Kohlen, so verlöschen sie, weil sie zu sehr erkältet werden. Der Wasserdampf aus dem Schnabel einer Dampfkugel thut eine ähnliche Wirkung auf glühende Kohlen. Denn er ist ganz trocken und kann auf den Kohlen wegen ihrer Hitze sich nicht verdichten, vielmehr wird er, nach

Die Flamme.

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den Erfahrungen des javvisier, von ihnen in brenn« bare und säuernde Luft zerlegt/ vertreibt die mit Kohlenstoff schon überladne Luft , und giebt Gelegen« heit, daß auch die äußere reine Luft tiefer ins $euet eindringen kann. Die Flamme des brennenden Holzes, oder einer anqezündeten Kerze erhebt sich, weil die schwere brenn« bare Luft, ans welcher sie besteht, besonders wenn sie durch die Hitze ausgedehnt wird, eigenthümlich beträchtlich leichter ist, als die gemeine just; und sie geht nach oben spitzig zu, weil die äußre just sie immer stärker erkältet und vermindert, je höher sie in ihr hinaufsteigt. Daher ist sie besonders oben an ihrer Spitze allezeit mit einem feinen Rauche umgeben, dem nichts, als die Hitze, fehlt, um so gut zu breit# nett und zu leuchten, als die Flamme. Erhitzt man ihn daher, so entzündet er sich wirklich und vergrö# ßert die Flamme. Halten Sie zwey brennende jich« 1er nahe an einander, um sich hiervon zu überzeugen, oder lassen Sie die Flamme des einen in eine enge 7 bis 8 Linien breite Röhre gehn, und sie erhitzen. Daher vergrößert sich die Flamme in den Schornstein nen, die sich entzünden, besonders wenn sie enge sind; und man erspart vieles Holz, wenn man die Flamme des brennenden Holzes dadurch verstärkt, daß man den Rauch, so viel, als möglich, durch die Erhitzung in Flamme verwandelt, und ihn nicht eher aus dem Ofen läßt, als bis er ganz verbrannt ist. Denn die Flamme ist allezeit heißer, als der Rauch, obgleich dieser die brennbaren Körper eben­ falls verzehrt. Daher heitzen schmale Oefen besser, als weite, und solche, die inwendig Abtheilungen haben, die sich erhitzen, indem der Rauch sich zwl# schen ihnen durchwindet, besser, als andre, die in# wendig gar nicht abgetheilt sind. Um allen unnützen

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Sieben und fünfzigster Brief.

Rauch zu vermeiden, muß man ferner das Holz in kleine Stücke spalten, und gut austrocknen lassen, ehe man es zum Heißen gebraucht.. Denn kleine Schei­ te erhitzen sich viel eher und starker durch und durch, als große Klotze, und geben daher auch wenigern Rauch und mehrere Flamme; aus nassem Holze aber entwickelt sich zu vieler Wasserdampf, der nur die geringe Hitze von So Französischen Graden anntmmt, indem er davon geht, also das Holz erkaltet und die Entstehung der Flamme hindert. Die stärkste Hitze der Flamme ist allezeit in ihrer Spitze, wo die brennbare Luft mit der kohlensauren, welche eigenthümlich schwerer ist, am wenigsten ge­ mischt ist. Daher, und weil auch die erwärmte Luft allezeit nach oben geht, kocht alles schneller über einer Flamme, als neben ihr. Man kann also in den Küchen vieles Holz ersparen, wenn man den Herd so einrichtet, daß das Feuer unten brennt, und die Töpfe in besondre Löcher, die int Herde an­ gebracht sind, über die Flamme gesetzt werden können. Wenn man einen Haufen Holz anzündet, so erhitzt die Flamme des brennenden Stücks die übrigen Stücke, welche sie berührt, und treibt durch die Erhitzung brennbare Luft aus ihnen. Diese entzündet sich und erhitzt sich dadurch noch mehr, indem sie säuernde Luft verschluckt. Oer durch die Verbrennung erzeugte Wasserdampf steigt mit dem Rauche auf, und wird in der Luft zer­ streut, verdichtet und aufgelöst. So wird immer mehrere ursprüngliche Hitze hervorgebracht, je wei­ ter die Flamme sich verbreitet. Daher kann man ein großes Gebäude mit der Flamme eines Lichts, und einen großen Haufen Schießpulver durch einen Funken in Brand setzen.

Die Flamme.

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Wenn in einem Körper sich das Feuer schnell ver< breiten soll, so muß er sehr verbrennlich seyn und den Saurestoff sehr stark anjiehn. Er muß ferner die Warme schlecht leiten, damit ein jeder seiner Punkte, den ein Funken trift, sich gleich bis jur Ent­ zündung erhitze, ohne seine Wärme, durch die Ver­ breitung durch die übrige Masse, zu schwächen. End­ lich muß er, wenn er fest ist, dünn, oder fein zer­ theilt seyn, und viele Luft zwischen seinen Theilen enthalten, damit jeder derselben gleich brennen kön­

ne, so bald er heiß genug ist. Von dieser Art ist der Zunder, der auö Kohlenstoffe besteht. Indem Schießpulver ist auch fein zertheilte Kohle mit vieler Luft vermischt. Indessen trägt zur schnellen Entzün­

dung desselben der Salpeter unfehlbar das meiste bey, von welchem sich, so bald die glühende Kohle ihn berührt, der Säurestoff loereißt, und sich im Augen­ blicke zu säuernder Luf entwickelt. Denn diese durch­

dringt sogleich das ganze Pulver, löst allenthalben mit Gewalt den Schwefel und die Kohlen auf, und verbreitet daher in einem Augenblicke überall Hitze und Feuer. Lavoisier fand durch einige mit seinem Wärme­ messer gemachte Versuche, daß bey der Erzeugung der Salpetersäure viel weniger Wärmematerie aus der säuernden Luft befreyt wird, als bey der Erzeu­ gung der Phosphorsäure und selbst bey der Erzeu­ gung der Kohlensäure. Er macht daraus den Schluß, daß die säuernde Luft sich in der Salpetersäure, so wie auch in der bleichenden Salzsäure, fast in ihrem

ganzen luftförmigen Zustande, aber ungemein ver­ dichtet, befinde, sich daher bey der geringsten Ver­ anlassung plötzlich wieder ausdehne, und die Erschei­ nung hervorbringe, welche wir das Platzen oder Verpuffen nennen. Dieser Schluß ist, wenn

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Sieben und fünfzigster Brief,

man auch die Grundsätze nicht annimmt, auf welche er sich stützt, um desto weniger unwahrscheinlich, da je.ie juftart wirklich sich nur wenig zusammenzieht, und keiuesweges in Saurestoff verwandelt, indem sie den Kohlenstoff säuert. Der Salpeter laßt bey einer Glühhitze, wenn man ihn allein glüht, seine säuernde Luft ganz ruhig fahren; indessen bleibt ein Theil von ihr, oder von ihrem Grundstoffe, tm# mer noch mit dem Stickstoffe und dem Gewächsal­ kalt verbunden, so daß dieses nie rein ist, nachdem man durch die Hitze so viele säuernde Luft, als man konnte, ausgetrieben hat. Sobald aber der glühen­ de Salpeter von Kohlen, Schwefel oder andern brennbaren Körpern berührt wird, so entsteht eine plötzliche, heftige mit einem Schalle begleitete Ent« züadung, und diese nennt man eigentlich das Ver­ puffen. Die Kohle nämlich entzündet sich, indem sie den glühenden Salpeter berührt, reißt daher seine säuernde Last mit der größten Gewalt an sich, macht Mit ihr Kohlensaure, und zugleich reißt sich auch der Stickstoff los, und dehnt sich aus. Je starker der übrige nicht saure Theil des Salpeters mit der Säure desselben zusammenhängt, um desto heftiger ist das Verpuffen, wenn sich jene lvereißt. Daher verpufft der gemeine Salpeter viel stärker, als der Kalksalpeter und andre salpetersaure Salze. Denn das Gewächealkali zieht die Säure viel stärker an, als die Kalkerde und andre Materien sie anziehn. Nach der Vervuffung bleibt nichte, als das. Eewächsalkali, mit Kohlensäure vermischt, übrig. Die Entzündung dee Schießpulvers ist eine Art von Verpuffung. Denn das Pulver besteht aus Sal­ peter und Kohlen, zu welchen man Schwefel gemischt har, bloß um die Entzündung zu befördern und zu beschleunigen. Daher findet man, nachdem Schieß-

Die Flamme.

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pulver in einem verschloßnen Raume entzündet wor­ den ist, nichts weiter darin, als kohlensaure Luft und Stickluft. Aber von der Menge dieser übriggebliebnen Luftarten hängt, wie die Erfahrung lehrt, keinesweges die Güte und Stärke dee Pulvers ab. Wahrscheinlich wird aus dem Salpeter, bey der Enrzündung, Wafferdampf erzeugt, und vielleicht auch zerlegt. Dieser tragt, nebst der brennbaren Luft, die er liefert, durch seine Ausdehnung unfehl­ bar sehr viel zur Wirkung des Pulvere bey, obgleich er sich nachher verdichtet, sowie die brennbare Luft verbrennt, daß man von beiden in dem verschloßnen Raume, worin das Pulver entzündet worden ist, weiter nichts findet.

Sie sehen zugleich hieraus, warum man bey der Entzündung des Pulvere unter einer luftleeren Glocke so vorsichtig seyn, und dergleichen Versuche nur mit wenigen Pulverkörnern machen müsse. Denn das Pulver entzündet sich größtentheils nicht durch die äußre Luft, sondern durch die säuernde, die sich aus ihm selbst, indem es glüht, entwickelt. Aus einer ähnlichen Ursache können auch bey andern glühenden Körpern Platzungen ja sogar Entzündungen entstehn, wenn sie gleich von außen mit keiner säuernden Luft in Berührung sind.

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Acht und fünfzigster

Brief.

Unter den unverbrennlichen Körpern war, wie Sie

wissen, bey den Alten vorzüglich der Asbest oder Amianth berühmt, und zwar eigentlich bloß diejenige Art dieses Steins, welche auS biegsamen, wei­ chen und langen Fäden besteht. Man findet sie in verschiedenen Ländern in der Erde, und die Alten machten eine unverbrennliche Leinwand daraus, in welche sie vornehme Leichen wickelten, wenn sie sie verbrannten, um ihre Asche desto reiner zu erhalten. Heutzutage macht man auch Papier auS Asbest, wel­ ches auf glühenden Kohlen wieder weiß wird, wenn man es beschrieben oder befleckt hat. Dringt man es aber zu oft ins Feuer, so wird es brüchig, weil der Leim verbrennt, mit welchem man dieses Papier zubereitet. Indessen sind der Asbest und andre Stei­ nt und Erden nur im gemeinen Feuer unveränderlich. In einer mit reiner säuernder just unterhaltnen Gluth, oder in dem Brennpunkte großer Brennglä­ ser, schmelzen sie größtentheils, und verwandeln sich in Glas. Dagegen gehören Stkoh und Holz unter diejeni­ gen Körper, welche am leichtesten verbrennen. Und dennoch bedient man sich dieser beiden Materien bey uns, und in vielen andern Ländern, hauptsächlich zur Bedeckung der Dächer, welche doch dem Feuer am meisten widerstehen sollten. Denn wenn ein Gebäude brennt, so sind vorzüglich die nächsten Dä­ cher der Gefahr auSgeseßt, weil auf sie die Funken

Die Flamme.

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und Brände fallen. Daher pflegt sich auch das Feuer, wenn Hauser brennen, vorzüglich durch die Dächer fortzupflanzen und auszubrciten. Um dieses zu verhindern, hat man vvrgeschlagen, anstatt der Schindeln, die Häuser mit Dreiern zn decken, und diese mit einer Lage von fettem Leimen dicht zu überziehn, weil alsdann das Holz, aus Mangel der Luft, unter dem'unverbrennltchen Ueberzuge sich nicht entzünden kann. Die Erfahrung hat auch gelehrt, daß dergleichen Dächer, wenn sie gehörig und gut gemacht sind, ein starkes Feuer ohne die geringstd Beschädigung aushalten. In Schweden hat man vor einiger Zeit eine Steinpappe erfunden, die zum Decken der Dächer dienen und sich zwar im Feuer verkohlen, jedoch mit keiner merklichen Flamme drei» nen sollte. Aber sie leistete das nicht, was man sich von ihr versprach. Die Flamme der Naphtha scheint wenigere Hitze zu haben, als die des Wentgeists, und die letzrre wieder weniger warm zu seyn, als die Flamme des Oels, des Talgs, und des Wachses. Daher fährt auch kalter Weingeist immer zu brennen fort, wenn man ihn einmal entzündet hat; dahingegen Wachs, Fett oder Oel nicht fortbrennen, wenn sie nicht ko­ chend heiß sind. Da sie nun einen sehr hohen Grad von Hitze zum Kochen nöthig haben, so dienen die Dachte dazu, um diese Materien nach und nach so sehr zu erhitzen. Deßhalb sind die Dachte den Lam­ pen von Oel, wie auch den Wachskerzen und Talg­ lichtern, durchaus nothwendig, und man muß sie als Bündel von Haarröhrchen ansehn, welche das Oel einsaugen, erheben, und, indem sie an der Spitze brennen, immer mehr erhitzen, bis es endlich kocht und sich entzündet. Daher sind sie auch, wenn sie brennen, nur von oben schwarz und kohlig, unten

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Acht und fünfzigster Bries.

aber, wo sie von dem Oele beständig erkältet werden, weiß. Eben so verhalten sich die Dachte der Lichter. Da, wo der Dacht eines brennenden Lichts anfängt, ist das Wachs oder der Talg nur bis zum Schmelzen erwärmt; in der Spitze aber des Oachts kann man selbst Mit dem bloßen Auge unterscheiden daß es kocht. Da man zu den Dachten Materien nimmt, welche die Wärme sehr schlecht leiten, so können in ihnen so sehr verschredne Grade der Hitze nahe bey einander Statt finden. Ist der Dacht über dem Wachse zu kurz, so brennt er gar nicht oder nur mit einer sehr kleinen Flamme, weil das Wachs bis zu seiner Spitze nicht hinlänglich erhitzt werden kann. Ist er zu lang, so wird die Flamme trübe, weil sich aus dem verkohlten Theile des Dachte viele kohlensaure just entwickelt, welche die Flamme schwächt. Ist er zu dick, so wird er inwendig nicht heiß genug, und ei» großer Theil des Wachses verraucht, ohne zu brennen. Eben dar her brennen die Lampen, welche man von ihrem Err sinder die Argandischen nennt, mit einer so helr len und so reinen Flamme, weil sie vorzüglich dicke, aber inwendig ganz hohle, Dachte haben, in welchen sich das Oel durch und durch sehr leicht gleichförmig erhitzen kann. Da man aus dem Oele, so gut, wie aus dem Holze, durch die Erhitzung brennbare Luft erhalt, so läßt sich aus dem brennenden Oele vieles Wasser sammlen, wenn man über eine Argandische Lampe einen Helm'mit einem Schnabel setzt, und die aufgefangenen Dünste verdichtet. Brennbare Luft, wenn sie mit etwas Kohlensaure vermischt ist, brennt, vermöge der Erfahrung, mit einem blauen Lichte. Daher ist auch die Flamme eines gemeinen Lichtes unten, wo sich die kohlensaure Lust des Dachts und Talgs oder Wachses, wegen ihrer Schwere, vor­ züglich sammlet, bläulich, in der Mitte gelblich, und

Die Flamme.

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in ver Spitze, wo sie mit Rauche vermischt iff, röthlich. In einer mit gut gereinigtem Weingeist« angefüllten rampe wird ein baumwokner Dacht, wenn die Lampe brennt, nicht schwarz, weil die Flamme des Weingcists nicht heiß genug ist, um die Baumwolle zu entzünden und zu verkohlen. Ja man hat in solchen Lampen von Weingeiste oft Dachte von kleinen, dünnen, zusammen verbunduen Silberdlechen, und diese thun hier eben die Dienste, wie die baumwollnen Dachte. Wenn eine Lampe oder ein Talglicht unter einer Glasglocke brennt, so findet man nachher immer ei­ nige kohlensaure Luft unter der Glocke; aber Schwe­ fel und Phosphor geben, wenn sie in einem verschloßnen Raume brennen, nicht die geringste Spur von Kohlensäure. Indessen besteht bey allen mit ei­ ner Flamme brennenden Körpern die Flamme eutwe, der aus einer Art von brennbarer Luft oder aus ei­ nem brennbaren Dampfe. Daß der Phosphor auf «ine doppelte Art brem.t, wissen Sie bereits *), aber der Schwefel ist auch in diesem Stücke dem Phosphor ähnlich. Wenn man auf einen warmen Ziegel Schieß­ pulver streut, so kann man den Schwefel darin ver­ brennen, ohne daß sich das Pulver entzündet. Man zieht nämlich den ganzen heißen Ziegel aus dem Feuer, und wirft nach und nach immer einige Körner Pulver darauf. Anfangs entzünden sich diese, aber endlich wird man bemerken, daß sie sich nicht weiter ent­ zünden sondern nur mit einem weißlichen Rauche be­ decken. Alsdann muß man, ohne länger zn warten, den ganzen Ziegel mit Pulver bestreuen, so wird man im Dunkeln den Schwefel darin mit einer leichten bläulichen Flamme brennen sehen, die so schwach ist, daß sie keinen der brennbarsten Körper, ja nicht •) Man sehe den 32 Brief.

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Acht und fünfzigster Brief,

einmal das Pulver, entzünden kann. Erhitzt man aber den Schwefel sehr stark, so brennt er mit einer lebhaften und sehr heißen Flamme. Sie sehn als» aus dem Beyspiele des Phosphors und des Schwe­ fels, daß selbst diejenige Auflösung, welche wir das Verbrennen nennen, oft von doppelter Art ist. Wenn ein organischer Körper nicht mit lodernder Flamme bey einem freyen, sondern bey einem einge­ schränkten Zutritte der Luft mit gedampftem glimmen­ dem Feuer verbrennt, so bleibt von ihm zuletzt nichts übrig, als die Kohle, die noch das organische Gewe­ be des verbrannten Körpers zeigt. Die thierische Kohle enthält immer, und die Pflanzenkohle zuwei­ len, Phosphorsäure. Wenn die reine Holzkohle in freyer Luft angezündet wird, so verbrennt sie ohne Rauch und Ruß und Flamme, und läßt zuletzt nichts zurück, als Asche. Das Feuer breitet sich in ihr immer weiter aus, besonders wenn es angeblasen wird, welches deutlich beweiset, daß sich bey ihrem Verbrennen ursprüngliche Warme erzeugt. Ja diese ursprüngliche Wärme der glühenden Kohlen übertrifft an Stärke so gar die Wärme der Flamme des bren­ nenden Holzes. Von der säuernden Luft, der man sie gewöhnlich zuschreibt, kann sie nicht herrühren, weil diese, indem sie die brennenden Kohlen nach und nach auflöst, sich nur wenig zusammenzicht, anstatt daß sie, wenn Holz brennt, ganz vernichtet und in Saurestoff verwandelt wird. Sie muß also bloß von der Kohle erzeugt werden, welche, vermöge der Erfahrung, einer der stärksten Nichtleiter der Wärme ist. Hier sehen Sie also ein Beyspiel von einer luftförmigen Materie, welche bey ihrer Erzeugung aus der Kohle nicht Kälte, sondern Wärme hcrvorbringt. Wenn eine glühende Holzkohle erkältet oder ge­ löscht wird, so saugt sie Wasser, Luft, Quecksilber,

Die Flamme.

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und andre flüssige Materien ein. Besonders verschluckt sie, indem sie ersticket, an Lnft achtmal so viel, als ihr Umfang beträgt/ und sie verdichtet also die Luft/ indem sie sie einsaugt, Selbst eine Kohle/ die man in einem enge»/ trocknen und verschloßnen Gefäße bereits erkältet hat/ verschluckt noch viele Luft/ wenn man sie ganz kalt ins Freye legt. Schließt man hierauf diese Kohle in eine Retorte/ und setzt sie einem heftigen Feuer auS/ so erhalt man aus ihr eine gewisse Menge kohlensaurer und brennbarer Luft. Nachher bleibt sie gan; unverändert/ und giebt nichts weiter von sich/ wenn man gleich das Feuer noch so sehr verstärkt. Läßt man sie zuletzt in der Retorte erkalten/ so findet man sie noch immer/ als eine vollkommne Kohle; nur ist sie etwas leichter/ als sie vorher war. Legt man sie hierauf an die freye Luft/ so wird sie wieder etwas schwerer/ und man kann abermals durchs Feuer/ so wie das erstemal/ kohlensaure und brenn» bare Luft auS ihr zieh». Durch jede Wiederho« lung dieser Behandlung verliert die Kohle immer etwas mehr von ihrem Gewichte/ als sie vorher an der freyen Luft gewonnen hatte/ und zuletzt verschwindet sie ganj/ wenn man die Wiederho­ lung lange genug fortsetzt/ ohne etwas weiter/ als kohlensaure und brennbare Luft/ zu geben. DaS vereinigte Gewicht aber beyder Luftarten ist mehr als dreymal so groß/ als das anfängliche Gewicht der ganzen Kohle. Es muß also die Atmosphäre/ der man die Kohle allemal eine Zeit lang auesrtzt/ ehe man sie in die Retorte legt/ den größten Theil des Säurestoffes und des Wasserstoffes her­ geben / den die Hitze nachher aue den Kohlen in Luftgestalt entwickelt. Lavoisicr hat durch viele entscheidende Versuche bewiese»/ daß beide Stoffe

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Acht und fünfzigster Brief,

fast ganz allein von der Feuchtigkeit Herkommen, welche die Kohle aus der Luft cinsaugt, und her» nach int Feuer, wegen ihrer großen Verwandt» schäft mit dem Saurestoffe, zerlegt. Die Kohle besteht also, wie Sie sehen, größten» theils bloß aus Kohlenstoffe. Denn daß sie alle» mal auch noch etwas Erde und andre Theilchen mit sich führt, lehrt die Asche, in welche sie, beym Verbrennen in freyer Luft, zuletzt zerfallt; und selbst das stärkste Feuer kann die Kohle von diesen fremden Theilchen nicht gänzlich brfreyen. Aber sie sind in so geringer Menge in ihr, daß man ihr Daseyn, bey dem sehr langsamen, oft wieder» holten Verbrennen der Kohle in einer Retorte, kaum bemerkt. Indessen sehn Sie aus diesen Ver» suchen, warum alle Kohlen, die an der freyen Luft gelegen haben, mit einer kleinen Flamme brennen, wenn man ihre Gluth anblast, da die Hitze aus ihnen allemal brennbare Luft entwickelt. Uebri» gens ist ein beträchtlicher Unterschied in der Hitze der Gluth der vcrschiednen Arten der Kohlen, wel» cher unfehlbar bloß daher rührt, daß einige, ver» möge der Erfahrung, viel bessere Nichtleiter der Wärme sind, als andre.

Durch Kohlen kann man salzige, geistige und andre Feuchtigkeiten von ihrem brandigen oder stinkenden und verdorbnen Geschmacke, wie auch von ihren schleimigen, harzigen, klebrigen Unrei­ nigkeiten und der daher rührenden Farbe, völlig befreyen und reinigen. Diese merkwürdige Eigen» schäft der Kohle hat Herr Lowitz entdeckt und durch viele Erfahrungen bewiesen. Nur muß man ganz reine gut ausgebrannte und ausgeglühte Koh­ len zu den Versuchen nehmen, sie fern zerpülvern,

Das Atemholen

463

das Pulver mit den Saften, die man reinigen will, vermischen, durch einander rühren, und solange bey einer mäßigen Warme mit ihnen vermischt lassen,

oder sie auch wohl mit ihnen kochen,

bis der üble

Geschmack und Geruch, oder die Farbe, verschwunden sind. Alsdann filtrirt man die Säfte durch ganz reines weißes Löschpapier. So kann man unter an«

dern dem -Brandweine den brandigen Geschmack, den er zuweilen hat, gänzlich benehmen.

Reun und fünfzigster Brief. Das Leben der Thiere hat die größte Aehnlichkeit

mit dem Glühen einer Kohle.

Entziehn Sie durch

Verbrennung des Phosphors, oder auf andre Art, der gemeinen Luft ihren säuernden Theil, so werden Sie sehen, daß in dem Ueberreste kein Vogel, keine Maus, kein Thier leben kann, sondern erstickt. Dar« um nennt man auch diesen Ueberrest Stickluft. Wenn man frisch gelaßnee Blut der freyen Luft aussetzt, so wird es an seiner Oberfläche, wo es die Luft berührt, hvchroth, im Innern aber sieht es schwärzlich aus. Schüttelt man frisches Blut in einer mit Lebenslust gefüllten und dicht verschloßnen Flasche, so wird es durchaus hvchroth, aber die Luft der Flasche vermin­ dert sich zugleich, und man sieht, wenn man sie un­ ter Kalkwaffer öffnet, daß ein großer Theil von ihr sich in Kohlensäure verwandelt hat. Denn sie wird

von dem Kalkwasser begierig verschluckt und trübt dasselbe sehr. Hier wird also offenbar Kohlensäure

Das Atemholen

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das Pulver mit den Saften, die man reinigen will, vermischen, durch einander rühren, und solange bey einer mäßigen Warme mit ihnen vermischt lassen,

oder sie auch wohl mit ihnen kochen,

bis der üble

Geschmack und Geruch, oder die Farbe, verschwunden sind. Alsdann filtrirt man die Säfte durch ganz reines weißes Löschpapier. So kann man unter an«

dern dem -Brandweine den brandigen Geschmack, den er zuweilen hat, gänzlich benehmen.

Reun und fünfzigster Brief. Das Leben der Thiere hat die größte Aehnlichkeit

mit dem Glühen einer Kohle.

Entziehn Sie durch

Verbrennung des Phosphors, oder auf andre Art, der gemeinen Luft ihren säuernden Theil, so werden Sie sehen, daß in dem Ueberreste kein Vogel, keine Maus, kein Thier leben kann, sondern erstickt. Dar« um nennt man auch diesen Ueberrest Stickluft. Wenn man frisch gelaßnee Blut der freyen Luft aussetzt, so wird es an seiner Oberfläche, wo es die Luft berührt, hvchroth, im Innern aber sieht es schwärzlich aus. Schüttelt man frisches Blut in einer mit Lebenslust gefüllten und dicht verschloßnen Flasche, so wird es durchaus hvchroth, aber die Luft der Flasche vermin­ dert sich zugleich, und man sieht, wenn man sie un­ ter Kalkwaffer öffnet, daß ein großer Theil von ihr sich in Kohlensäure verwandelt hat. Denn sie wird

von dem Kalkwasser begierig verschluckt und trübt dasselbe sehr. Hier wird also offenbar Kohlensäure

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Nenn und fünfzigster Brief.

ohne Glühhitze erzeugt, und wir haben mehrere ähn­ liche Beyspiele bey den Säuren und der organischen Materie. Durch Säuren werden Metalle verkalkt, wie durchs Feuer, durch ihre Auflösungen wird das Wasser zerlegt, wie durch glühende Metalle, durch sehr starke Salpetersäure kann man Kohlen bls zum Glühen erhitzen, und durch die organische Materie wird beständig, bey einer geringen Wärme, das Wasser zerlegt. Hier giebt ein organischer Saft, das Blut, seinen Kohlenstoff an die säuernde Luft ab, welche er einsaugt, und färbt sich dadurch hoch­ roth, indem er zugleich die eingesogne Luft in Koh­ lensäure verwandelt; und zwar geschieht alles dieß bey einem geringen Grade der Wärme. In den Lungen kommt das Blut der Thiere in unmittelbare Berührung mit der eingeathmeten Luft, und wird hochroth, da es vorher, ehe es in die Lun­ gen tritt, vermöge der Erfahrung, dunkelroth, ja fast schwärzlich ist. Die ausgeathmcte Luft ist ganz voll von Kohlensäure und trübt das Kalkwasser unge­ mein. Es ist also wohl außer allem Zweifel, daß die Thiere zu dem Athemhvlen säuernde Luft nöthig haben, und daß ein großer Theil derselben sich in ihren Lungen, durch den Kohlenstoff, der sich da­ selbst von ihrem Blute absondert, in kohlensaure Luft verwandelt. Hieraus läßt sich zugleich die wahre Ursache der thierischen Wärme begreifen. Denn gleichwie durch das Verbrennen einer Kohle, wegen der großen Menge von Wärmematerie, die der Koh­ lenstoff enthält, Wärme erzeugt wird; so muß noth­ wendig auch bey denen Thieren, die vorzüglich vielen Kohlenstoff aus dem Blute absondern und in Kohlen­ saure verwandeln, bey jedem Athemzuge neue Warme hervorgebracht werden. Dey den übrigen Thieren ist die hervorgebrachte Wörme mehrentheils nicht merklich, obgleich

Das Arhsrnholen

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Sbgleich selbst Insekten und Gewürme, vermöge -er Erfahrung, die Luft, in der sie leben, auf sine ähnllche Art, nur viel schwacher, verändern, als die warmblütigen Thiere. Ein erwachsener Mensch zieht mit jedem AthemInge 33 bis 36 Pariser Kubikzvlle gemeine Luft in sich, wovon etwa | säuernde Luft ist. Er braucht also zu jedem Athemzuge ungefähr 9 Kubikzolle sau, ernde Luft, wovon er etwa i| Kubikzolle in Kohlen­ saure, und Zoll in Waffervampf verwandelt, so, -aß nur 6 Zolle säuernde Luft übrig bleiben r und der säuernden eingeathmeten Luft durch jeden Athemzug verzehrt wird. Denn eigentlich entwickelt skch aus dem Blute schwere oder gekohlte brenn­ bare Luft, *) deren Kohlenstoff, mir dem Eaurestoffe der Atmosphäre vereinigt, Kohlensaure, die veine brennbare Luft aber, durch eine ähnliche Verbindung, Wasserdampf giebt. Allemal ist die Luft, die wir aushauchen, mit Wasserdampfe ver­ wischt, den man sogar sehen kann, wenn es etwas kalt ist. Mit dem Athemhvlen steht der Umlauf -es Bluts im genauesten Verhältnisse, und man zählt zwischen dem Einathmen und Auoathmen Immer 4 bis 5 Pulsschlage. Denn je mehreres Blut aus dtm Herzen in die Lungen strömt, um desto öfter müssen wir Athem holen, um dasselbe von seinem Kohlenstoffe zu befreyen. Das Athem» holen der Thiere tragt daher mit dazu bey, daß man beständig in der Atmosphäre etwas Kohlen­ säure findet, die aber gewöhnlich nicht mehr, als ettM t|ö der ganzen Masse ausmacht. Man er­ kennt ihre Gegenwart daran, daß Kalkwasser, wenn man Phosphors in der brenn­ baren Luft veranlaßt pnrs besondre Licht, welches viele organische Körpe zeigen, indem sie zu fau­ len anfangen. Fauende Fische leuchte» oft so stark, daß Hunde, dr von ihnen gefressen haben, im Finstern Feuer aiszuhauchen scheinen. Viele Arten von Holz, Kartoffeln, Fleisch und andere organische Körper lenbten auf eine ähnliche Art beym Anfänge der Frulniß. Selbst die Irrlicht

Die FäulniK.

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ter entstehen aus der gephvephorten brennbaren Luft, die sich aus dem Schleime vieler faulende»» Körper entwickelt. Man sieht sie in Morasten, Sümpfen oder andern feuchten Orten, auf Kirch» Höfen und andern Plätzen, wo die Thiere oder Pflanzen und ihre Abgänge faulen, in einer gerin, gen Höhe über der Erde, zuweilen groß, mehren, theils aber nur klein. Sie dauern zu lange, als daß sie wirklich brennen sollten, und verführen oft Reisende, die sie für Lichter in menschlichen Wvh, nungen ansehen. Man sicht sie am häufigsten des Abends; der Wind treibt sie hüpfend fort, und sie fliehen den, der sie verfolgt. Dennoch hat man zuweilen einige erhascht, und gefunden, daß sie kleine schleimichte Massen ohne merklichen Geruch «nd Geschmack waren. Uebrigrns sind die Stern, schnuppe,» von den Irrlichtern wesentlich ver, schieden. Denn sie brennen wirklich, und ihr nur einen Augenblick dauerndes Lickt ist gewiß nicht von phosphorifcher, sondern höchst wahrscheinlich von elektrischer Natur. Eben das muß man auch von den Feuerkugeln sagen, die der Pöbel flier gende Drachen nennt. Sie sind zum Theil so hoch über der Erde, daß sie aus keinen von der Erde herkommenden Dünsten bestehen können. Wahrscheinlich häuft sich ihre Materie weit über der Erdkugel im leeren Welträume zusammen, und wird, indem sie sich den Grenzen unsrer Atmosphäre nähert, durch die Elektrizität derselben entzündet. Trockne organische Materien faulen sehr lang, sam, besonders wenn sie hart sind, und ein gehör riger Grad von Feuchtigkeit ist überhaupt zur Fäule niß nothwendig. Wir finden Knochen und Zähne in der Erde die mehrere Jahrtausende alt find,

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Sechzigster Brief.

tinö durch ihre Festigkeit der Faulniß widerstanden haben. Auch hartes trvcknrs Hol; foult sehr lang­ sam; saftige Wurzeln und Früchte/ oder weiche, schwammige nnd fette Thiere verwesen dagegen um desto geschwinder. Daher nahmen die Aegypte» aus den Leichen/ die sie erhalten wollte»/ das Gehirn und Eingeweide/ als weiche und saftige Theile, heraus/ und legten die Körper nachher in Laugensalj/ «he sie sie balsamirren, weil jenes Salz das Fett auflöst und anzieht/ welches eben­ falls vorzüglich schnell fault. Dergleichen balsamirte und in baumwollne Binden gewickelte Kör­ per/ die wir Mumien nenne»/ sind noch jetzt in den unterirdischen Höhlen von Aegypten sehr häufig vorhanden/ und zum Theil gewiß über 2000 Jahr« alt. In andern Gegenden findet man Lei­ chen/ die bloß durch ein starkes Auetrocknen sich ebenfalls sehr lange erhalten haben. So trocknet man auch das He» und das Getreide aufs sorg­ fältigst«/ ehe man es in den Scheunen verwahrt; und die Gewohnheit die man in Schweden und andern kalten Ländern hat/ das Getreide auf be­ sondern Darren zn trocknen/ trägt sehr viel zur Erhaltung desselben in den Magazinen bey. Trocknrs Gummi/ trvckner Leimund trockne Häute faulen nicht; aber sie faulen sehr bald/ wenn man sie stark genug anfeuchtet. Durch die gänzliche Ausschließung der Luft wird die Fäulniß solcher Körper/ die selbst nur wenige Luft enthalten/ ebenfalls verzögert und verhindert. Man übergießt thierische Körper mit Wachs/ Harz, Oel/ Balsam/ Zucker u. s. w. um sie zu erhalten/ oder man versenkt sie ganz unter das Wasser. Die Eyer bleiben frisch / wenn man sie mit Firniß überzieht »der in Oel legt. Pfahle und höl-

Die Fäulniß.

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jerne Wände, die im Wasser stehen, faulen ant ersten an der Oberfläche des Wassers. Denn der untere Theil des Holzwerks fault nicht, weil er unter dem Wasser steht, welches die Luft ganz ab# halt; der obere Thetl halt sich auch langer, weil er trockner ist; aber der mittlere Theil zwischen beiden ist wegen des bald steigenden bald fallenden Wassers immer naß und oft der freyen Luft ausgesetzt« Daher fault er sehr bald, so wie ein« Schwelle, welche auf der Erde liegt, und von ihr oft Zeuch# tigkeit rinsaugt. Aus dieser Ursache muß man die Schwellen hölzerner Gebäude wenigstens «inen bis zwey Fuß hoch über die Erde legen, wenn man dauerhaft bauen will. So fault auch Holz, Wels ches in der Erde liegt, eher im Sande, als im Thone, weil der Sand Nässe und Luft leichter in sich eindringen läßt, als der Thon. Indessen .hin­ dert auch der Sand, wenn er nur hoch genug liegt, das Eindringen der Luft fast gänzlich, und daher halten sich tief unter trochicm Sande orga­ nische Körper sehr lange. So hat man in Oestreich vor nicht gar langer Zeit Korn ausgegraben, wel# ches einige Jahrhunderte, tief unter trockner Sand­ erde verschüftet, gelegen hatte, und es war noch so frisch, daß es aufging, als man es säete. So sollen zuweilen in den-Sandwüsten von Afrika bey starkem Winde ganze Karavanen tief mit trocknen» Sande bedeckt worden und umgekvmmen seyn, deren Leichen man viele Jahre nachher ganz unversehrt gefunden hat.

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Ein und sechzigster Brief. An den kalten Polarländern erhalten sich Lelchech todte Thiere, Holzstämme und hölzerne Gebäude außerordentlich lange frisch und gut, und über­ haupt wird durch die Kälte die Fäuintß gehemmt. Im Winter bey kaltem Wetter, und in kühlen und trocknen Otten, kann man Fleisch und andre orga, Nische Körper lange äufbehalten, ohne daß sie ver­ derben. Man verwahrt Küchengewächse in Kellern, oder man verscharret sie in trockne kühle Löcher unter der Erde, damit sie nicht faulen. In eini­ gen trocknen und kühlen Grüften verwesen weder menschliche Leichen, noch auch todte Hunde oder Katzen, besonders wenn die Grüfce einem trock­ nenden Luftzüge ausgesetzt sind. Ott trägt hierzu auch die Naeur der Erde selbst vieles bey. Leun in Höhlen von Gypsfelsen z. B ist es allemal empfindlich kalt, anstatt daß man in den Höhlen der Kalkgebirge die Luft nur gewöhnlich kühl fin­ det, wie in einem Keller. Gleichwie aber gefrornö Früchte nicht faulen, so lange sie gefroren sind, so faulen sie nachher, wenn sie schnell erwärmt werden und aufthauen, um desto schneller. Dagegen befördert die Wärme, besonders wenn sie mit Feuchtigkeit verbunden ist, die Fäulniß un­ gemein. In den heißen Ländern fault mehrentheils alles, besonders bey der regnigen Zahrszeit, viel schneller, als bey uns. Das Fleisch eines am Abend geschlachteten Ochsen z. B. ist am folgen­ den Morgen schon so verdorben, daß eö schlechter, dingS

Die Fäulniß.

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dings nicht mehr genossen werden kann. Auch bey uns verdirbt im Sommer bey heißem Wetter alles sehr Hald, und daher muß man alsdann unter andern das Korn in den Magazinen sehr oft und gut umarbeiten. Denn bey etwas feuchten Kör» pern, die, wenn fie auf einander liegen, bald schwitzen und sich erhitzen, so wie das Korn, wird die Fäulniß durch eine starke Berührung der küht lenden und trocknenden Luft gehindert. Daher halt sich selbst grüner, nur etwas betrockneter Klee in den Scheunen, wenn er so liegt, daß die Luft ihn allenthalben durchstreichen kann. Es giebt gewisse antiseptische oder fäult nißwidrige Mittel, welche vielleicht dadurch, daß sie die Fibern der festen organischen Körper, so wie die Kälte, zusammenziehn, ihre Fäulniß hint dern oder aufhalten. So salzt man Fleisch ein, welches man lange erhalten will, so hebt man todte Thiere in Weingeiste auf; und selbst die Kohlensäure widersteht der Fäulniß, so wie andre Säuren, welche alle die thierischen Theile verhärt ten. Auch durch das Räuchern wird die Fäulniß gehindert, weil weder Ruß noch Kohlen, noch auch solche organische Materien, deren Hauptbestandt theil der Kohlenstoff ist, faulen, wie z. B. Weint geist, reiner Essig, Harz, Balsam, Kampfer u. s. w. Daher brennt man die untern Theile der Pfosten an, dte man in die Erde gräbt, damit die kohlichte Rinde sie vor der Fäulniß schütze. Ueberhaupt sind die meisten Säfte und Extrakte der Pflanzen keiner eigentlichen Fäulniß unterwor» fett, indessen leiden sie doch eine ähnliche Deränt derung, indem sie schimmeln. Wenn die Fäulniß eines organischen Körpers in freyer Luft ganz zu Ende geht, so hört auch Hube Natur!, ä. TbH H

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Ein und sechzigster Brief,

fein aashafter ekelhafter Geruch zuletzt gänzlich auf, seine meisten Theile sind bereits in die Luft über# gegangen und von ihr aufgelöst worden, der schmie# rige Rückstand wird immmer trockner, und es bleibt zuletzt nichts übrig, als ein wenig schwarz# graue unschmackhafte Erde, die, besonders wenn sie von verfaulten Thieren kommt, Salpetersäure zu enthalten pflegt. Unter dem Wasser fault alles langsamer, als an freyer tust; indessen fehlt cs hier an hinlänglichen Erfahrungen über den Fort# gang und die Wirkungen der Fäulniß. So viel scheint indessen gewiß zu seyn, daß organische Körper, welche unter dem Wasser oder unter der Erbe faulen, die Erde angreifen, welche sie berüh# ren, sie mit ihren Theilchen durchdringen und ost ganz verändern, so daß viele Gattungen von Steinen und viele Erdarten als Produkte einer solchen Fäulniß angesehen werden müssen. Leichen, die man in der Erde begräbt, trocknen darin zu, weilen ganz aus, und werden mumienartig, ohne zu verwesen. Auch in einer Erde die schon mit organischer Materie ungemein stark durchdrungen ist, verwesen die Leichen nicht, sondern ihre weichen Theile verwandeln sich in eine wallrathähnliche Materie, nach den hierüber in Paris gemachten Beobachtungen. Aber die gekohlt« brennbare Luft befindet sich picht nur in faulenden organischen Körpern, fönt dern auch in den Gedärmen lebender Thiere, und verschiedene Pflanzen verbreiten sie um sich« her, wenn fie blühen. Man hat Beyspiele von Men# scheu, deren Körper vorzüglich mit dieser Luft an# gefüllt waren, daß sie durch eine innerliche Entzün# düng, die wahrscheinlich von der thierischen Elek# trizitäk herrührte, verbrannt sind. Leuten, die

Die Fäulniß.

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sehr vielen Brandwein getrunken haben, welcher allemal vielen Wasserstoff enthält, brennt es oft aus dem Halse, und es läßt sich, wie man sagt, diese Flamme, so wie die des Phosphors, am leichtesten mit warmen Urine löschen. Löscht man sie bald, so können dergleichen Leute ausgeheilt werden, und beym Leben bleiben. Aber zuweilen verbrennen sie auch nach und nach gänzlich. Eines der bekanntesten Beyspiele dieser Art ist das der Gräfin Zangari, welche im Jahre 1731 zu Cesrna verbrannte. Sie war 62 Jahre alt, und hattt die Gewohnheit, sich oft den ganzen Leib mit Weingeist und Kampfer zu waschen. Dieses War schen that dieselbe Wirkung, welche sonst auf den zu häufigen Genuß geistiger Getränke z» folgen pflegt. Sie ging eiyes Abends gesund zu Bette, und den Morgen drauf fand man sie, vier Fuß von dem Bette, aus welchem sie in der Nacht aufgesprungen seyn mußte, zu Asche verbrannt, bis- auf den Kopf und die beiden Füße. Ich habe Ihnen schon sonst gesagt, daß die gekohlte brennbare Luft oft in unterirdischen Grüften ge­ funden wird. Sie hält sich darin sehr lange, wenn sie mit der äußern Luft wenige oder gar keine Gemeinschaft hat, und entzündet sich nach­ her auf einmal, mit einem Knalle, wenn man ihr mit einer Flamme zu nahe kommt. Man trifft sie vorzüglich häufig in Steinkohlenbergwerken an, sie scheint aber doch immer von verfaulten orga­ nischen Körpern herzurühren, da selbst die ^Stein­ kohlen deutliche Spuren ihres vegetabilischen Ur­ sprungs verrathen. Sie war es unfehlbar, wel­ che, nach dem Zeugnisse des Ammianus Marcel­ linus , verschiednemal nach einander die Juden durch ihr Feuer beschädigte und erschreckte, als

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Ein und sechzigster Brief.

dieses abergläubige und furchtsame Volk, unter Kaiser Julians Regierung/ die Grundmauern zu einem neuen Tempel in Jerusalem legen wollte/ und deßhalb/ bey Wegraumung des Schultes vom alten Tempel / die unterirdischen Gewölbe und Kloaken desselben öffnete. Sie war es/ welche dem jüdischen Könige Hervdes entgegenfuhr/ als er/ um das Grab Davids zu beraube»/ des Nachlö in die unterirdischen verschloßnen Grüfte/ wo die alten Könige begraben waren/ hinabstieg; welche durch ihre Flamme zwey Soldaten von seiner Begleitung tödtete / und ihn selbst voll Schrecken zurücke trieb. *) Die brennbare Luft ist fast allezeit sehr unrein/ weil der Wasserstoff eine so große Verwandtschaft zu allen brennbaren Körpern hat. Daher har man so ungemein vielerley Gattungen von dieser Luft­ art; davon mehrentheilö eine immer unangenehmer riecht/ als die andre/— jede aber doch wegen der fremden ihr beygemtschten Theile/ einen eignen Ge­ ruch hat. Selbst die brennbare Luft/ welche man durch die Auflösung der Metalle in Sauren er­ hält/ ist unrein/ und hat immer etwas metallisches bey sich/ weil auch die Metalle brennbare Körper sind. Daher ist die brennbare Luft/ welche sich bey der Auflösung des Eisens in Vitriolsäure ent­ wickelt / eigenthümlich schwerer f als die durch die Auflösung des Zinks erzeugte; beide aber sind schwerer/ als die reine brennbare Luft/ und beide setzen/ wenn sie über Wasser stehen/ ein dün­ nes farbiges Häutchen auf dem Wasser ab/ di« erstre ein rothgelbeS/ wie Eisenoker/ und die letz­ tere ein weißes; wiewvl beide Arten von Häutchen *) Joseph. Antiquität. XVI. 7.

Die Fäulniß.

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oft auch andre Nebenfarben zeigen. Auch die Farbe der Flamm«, mit welcher die verschtednen brennbaren Luftarten brennen, ist bey der einen von einer andern Beschaffenheit, als bey der an# dern, und z. B. bey der von Metallen erzeugten Luft grünlichweiß mit untermischten rothen Funken. Wenn nämlich ein Metall in Sauren aufgelöst wird, so verkalkt es sich und saugt Säurestvff ein, den cs entweder dem Wasser der Saure, oder der Säure selbst entzieht. Im letzter» Falle wird die Säure zerlegt, wie z. D. die Salpetersäure oder die unverdünnte Schwefelsäure; im ersten Falle aber bleibt die Säure unveränderte und bloß das Wasser wird zerlegt, sein Saurestoff wird verschluckt, «nd der befreyte Wasserstoff entwickelt sich als brennbare Luft. So erhält man diese Luft, indem man Metalle mit verdünnter Schwefelsäure oder mit Kvchsalzsäure auflöst, und zwar in vorzüglicher Menge aus Eisen oder Zink. Gemeiniglich löst man reines Eisenfeil oder grobgekörnten Zink so auf, daß man auf das Metall zuerst Wasser und hernach ins Wasser etwas Vitriolöl gießt, und die brennbar« Luft, welche sich alsdann unter Hitze und Brausen entwickelt, gehörig auffängt. Man rech­ net auf 4 Unzen Etsenfeil 18 Unzen Wasser und 6 Unzen Vitriolöl, und daraus einen Kubikfuß brennbare Luft. Diese Luft ist etwa 5 4 bis 7 Mal eigenthümlich leichter, als die gemein«; die aus der Auflösung des Zinks ist zwar an 10 Mal leich­ ter, aber zugleich auch kostbarer. UebrigenS löst jede brennbare Luft das Wasser auf, und scheint durch die Feuchtigkeit an ihrer Brennbarketr etwas zu verlieren. Von luftleerem Wasser wird sie da­ gegen auch aufgelöst, aber nicht von luftvollem.

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Ein und sechzigster Brief.

Jenes nimmt etwa seines Umfangs von dieser Luft in sich, welche dadurch sich nicht verändert, sondern wieder eben so brennbar ist, als sie vor­ her war, wenn man sie durch die Hitze vom Was­ ser absondert. Pflanzen wachsen in brennbarer Luft, wenn sie dem Sonnenlichte ausgesetzt sind, welches auS ihnen säuernde Luft entwickelt. Aber zum Athemholrn ist jede brennbare Luft ganz un­ tauglich. Wenn man die brennbare Luft mit säuernder vermischt, so lösen sich beide Luftartcn auf, und das Gemisch zieht sich zusammen, so daß es wer nigern Raum etnnimmt, als vorher beide Luftar­ ien zusammen einnahmen. Bringt man eine Flam­ me an diese Knallluft, so entzündet sie sich auf einmal mit einem starken Knalle, und bricht oft das Gefäß, worin sie eingeschlvffen ist, in Stücken. Am stärksten ist der Knall, wenn man beide Luft­ arten völlig in demselben Verhältnisse mischt, in welchem sie sich im Wasser vereinigt befinden. Denn so verschwinden beide nach dem Abknallen ganz, uud, werden in Wasser verwandelt. Man muß also, dem Gewichte nach, 85 Theile reine säuernde und 15 Theile reine brennbare just zu der Mischung nehmen, oder, dem Raume nach, 168 Kubikzolle von der erstem und 423/0 ?oÖe von der andern Luftart, welches auf jeden Kubik­ zoll reine säuernde Luft 2/^0 Kubikzolle brennbare ausmacht. Nimmt man mehr oder weniger von der einen oder der andern Luftart, oder sind die kuftarten nicht rein, so ist der Knall schwächer, wie bey dem angegebnen Verhältnisse. Man findet ihn z. B. wohl 40 bis 50 Mal stärker, wenn reine säuernde Luft in dem gehörigen Verhältnisse, als wenn gemeine Lust, worin eben so viele säu-

Die brennbare Luft.

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ernde enthalten ist, mit der brennbaren Luft ver» mischt wirv. In der gemeinen Luft wirv die brennbare eben so gut aufgelöst, wie in der säuernden, und das Gemisch zieht sich ebenfalls zusammen. Da 4 Ku» brkzolle gemeiner juft nur ungefähr einen Kubik» zoll an säuernder Luft enthalten, so ist der Knall bey der Entzündung am stärksten, wenn 4 Kubik» zolle gemerner, mit 2 $5555 Zollen reiner brennbarer Luft vermischt worden stnd. Wenn die letztre aber nur den neunten Theil der gemeinen Luft, dem Umfange nach, ausmacht, so läßt sich das Gemisch kaum entzünden und brennt ohne Geräusch; und nimmt dagegen die erstre viermal so vielen Raum ein, als die letztre, so brennt das Gemisch, als wenn es bloß aus reiner brennbarer Luft bestände, lebhaft aber ebenfalls ohne alle Platzung. Auch der Dampf des Aethers, ist brennbar. Wie ich Ihnen schon sonst gesagt habe. *) Mischt man ihn mit gemeiner oder säuernder Luft, so knallt er ebenfalls, und zwar nach Lerhältniß noch stärker, als reine brennbare Luft. Er ist im Ver» hältniffe von l 5 zu 14. eigenthümlich schwerer, als gemeine Luft, wahrscheinlich weil er Schwefel» säure enthält, welche schwer ist, und macht, daß er vom Wasser so begierig verschluckt wird. Immer entsteht ein Knall, wenn ein elastisches Wesen sich plötzlich und beträchtlich ausdehnt, und er ist um desto starker, je größer die sich auf einmal aus» dehnende Masse, und je größer und plötzlicher ihre Ausdehnung »st. So zerspringen kleine hohle Glaskugeln mit etwas Wasser, mit einem heftige»» Knalle, wenn ma»» sie ins Feuer wirft und ihr ♦) Man sehe den-zwanzigsien Brief.

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Ern und sechzigster Brief.

Wasser sich in Dampf verwandelt. Zn der Knall­ luft sind die vermischten Lustarten zusammengezvzen, und in den Actherdämpfen noch mehr, bey der Entzündung dehnen sie sich auf einmal und plötzlich aus, ehe sie sich zu Wasser vereinigen, und daher kommt der Knall. Von dieser plötz­ lichen Ausdehnung zeigt nicht nur die Gewalt, mit welcher die Knalllust oft die Gefäße, in welche sie eingeschloffen ist, bey ihrer Entzündung zer­ sprengt, sondern selbst die Pistolen, oder Röhren von Metalle oder starkem Glase, die man mit Knallluft ladet, mit einem Pfropfen versieht und hernach durch Feuer oder den elektrischen Funken anzündet, können zu einem Beweise davon dienen. Denn die Knallluft treibt den Pfropfen mit der größten Heftigkeit fort, indem sie sich entzündet, obgleich sie viel schwächer wirkt, als das Schieß­ pulver. Man vermehret ihre platzende Gewalt dadurch, daß man sie einschließt, so wie den Was­ serdampf in die Knallkügelchen. Wenn man daher durch Hülfe einer mit Knavluft gefüllten und mit einer Röhre versehenen Ochsenblase Seifenblasen macht, so knallen diese, indem sie sich bey der Näherung einer Lichtflamme entzünden, so erschrrcklich, daß das Gehör dadurch leidet, und alles umher erschüt­ tert wird. Man macht ein Knallpulver von z Theilen Salpeter, 2 Theilen trocknem Weinstetnsalze und einem Theile Schwefel, die man zusammenreibt. Wenn man dieses über glühenden Kohlen in einem eisernen Löffel erhitzt, so schmilzt es zuerst, hernach entzündet es sich, und gleich darauf knallt es mit der äußersten Heftigkeit. Hier entsteht aus dem Zusammenschmelzen des Schwefels und Weinstein, salzes eine wirkliche Schwefelleber, aus welcher der

Die brennbare Luft.

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Salpeter geschwefelte brennbare Luft entwickelt. Diese sieht man in Blasen sich auf der schmelzenden Masse erheben, und indem sie sich mit der sauern, den Luft des Salpeters vermischt und entzündet, wird der Knall eben so heftig, als in dem eben angeführten Beyspiele der Seifenblasen.

Zwey und sechzigster Brief.

Die Erfindung, durch Hülfe der Luftballe sich bis über die Wolken zu erheben, und Reisen in der Luft zu machen, war unserm Zeitalter Vorbehalten. Sie haben es hier in Warschau verschiedne Mal ge­ sehen, dieses prächtige Schauspiel, und erinnern sich noch sehr wohl, welchen außerordentlichen Ein­ druck es auf Sie und auf alle Zuschauer gemacht hat. Wie könnte ich also wohl bey unsern gegen­ wärtigen Untersuchungen über die brennbare Luft die Luftbälle mit Stillschweigen Vorbeygehen, ohne Ihnen von ihrer Erfindung und Beschaffenheit einige Nachricht zu geben, da sie mehrentheils mit brenn­ barer Luft gefüllt zu werden pflegen? Die Herrn Gebrüder Montgvlfier waren die ersten, welche nach verschiednen Versuchen endlich einen großen Luftball von 35 Fuß Höhe, aus Leinwand mit Papier gefüttert, zu Stande brach­ ten, und ihn in Gegenwart sehr vieler Zuschauer den 5. Junius 1783 zu Annonay in Frankreich aufsteigen ließen. Er stieg in 10 Minuten an 1000 Klaftern hoch, und senkte sich bald nachher,

Die brennbare Luft.

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Salpeter geschwefelte brennbare Luft entwickelt. Diese sieht man in Blasen sich auf der schmelzenden Masse erheben, und indem sie sich mit der sauern, den Luft des Salpeters vermischt und entzündet, wird der Knall eben so heftig, als in dem eben angeführten Beyspiele der Seifenblasen.

Zwey und sechzigster Brief.

Die Erfindung, durch Hülfe der Luftballe sich bis über die Wolken zu erheben, und Reisen in der Luft zu machen, war unserm Zeitalter Vorbehalten. Sie haben es hier in Warschau verschiedne Mal ge­ sehen, dieses prächtige Schauspiel, und erinnern sich noch sehr wohl, welchen außerordentlichen Ein­ druck es auf Sie und auf alle Zuschauer gemacht hat. Wie könnte ich also wohl bey unsern gegen­ wärtigen Untersuchungen über die brennbare Luft die Luftbälle mit Stillschweigen Vorbeygehen, ohne Ihnen von ihrer Erfindung und Beschaffenheit einige Nachricht zu geben, da sie mehrentheils mit brenn­ barer Luft gefüllt zu werden pflegen? Die Herrn Gebrüder Montgvlfier waren die ersten, welche nach verschiednen Versuchen endlich einen großen Luftball von 35 Fuß Höhe, aus Leinwand mit Papier gefüttert, zu Stande brach­ ten, und ihn in Gegenwart sehr vieler Zuschauer den 5. Junius 1783 zu Annonay in Frankreich aufsteigen ließen. Er stieg in 10 Minuten an 1000 Klaftern hoch, und senkte sich bald nachher,

49°

Zwey und sechzigster Brief,

ungefähr 7200 Fuß weit von dem Orte,

wo er

aufgestiegen war, nieder. Dieser Versuch machte ein großes Aufsehen, und man gab stch in Paris, so bald die Nachricht von ihm daselbst angckommen war, alle Mühe, ihn nachzuahmen. Man wußte

daselbst Anfangs nur, daß die Herren Mvntgvlfier ihren Ball durch Hülfe des Feuers gefüllt

hatten; man hatte aber noch keinen deutlichen Be­ griff von der Art dieser Anfüllung, und deßhalb beschlossen diejenigen Liebhaber der Natur in Paris, welche sich zur Verfertigung eines Luftballes ver­ einigt , und deßhalb «ine Subscription eröffnet hatten, stch der brennbaren Luft zu bedienen, und zu dem Dalle, damit er leicht und doch dicht genug wäre, gefirnisten Taft zu nehmen, den man in Paris von verschtednen Gattungen bey den Kauf­ leuten fertig fand. Die Verfertigung des Balles wurde den Gebrüdern Robert, unter der Aufsicht

des Herrn Prof. Charles, aufgetragen, und man ließ ihn den 27. August 1733 in Paris aufsteigeu. Man hat nachher vorzüglich dergleichen Luftballe

Aerostaten genannt, um sie von den Montgvisieren, oder den nach Art des Herrn Mvntgolfier verfertigten Bällen, zu unterscheiden, sie auch brauchbarer gefunden, als diese. Die Montgolfieren sind mit gemeiner Luft angefüllt,

die aber durch das Feuer verdünnt, und

eigenthümlich leichter gemacht wird, als die äußere Luft. Zu dem Ende endigt sich der Ball unten ht einen offenen Hals, der | bis f des Durch­ messers des Balles zur Breite hat. Mitten in dem Halse hängt unten eine eiserne Feuerpfanne an

Ketten, deren Breite etwa f von der Breite des Halses außmacht. Sollen Menschen mit aufsteigen, so geht von außen, unten rund um den Hals,

Die Luftbälle.

491

eine leichte Gallerie, die theils am Halse, theils von der äußern Seite an der Kugel selbst mit Stri­ cken befestigt ist. Man muß das Feuer mit solchen Materien unterhalten, die eine bald verlodernde Flamme, und keinen merklichen Rauch, geben, weil die Flamme allezeit viel heißer ist, und also auch die Luft viel stärker ausdehnt, als der Rauch. Die besten Materien zu dieser Absicht sind unfehl­ bar Stroh und gehackte Wolle, deren sich auch die Erfinder bedient haben. Sobald die Maschine an­ geschwollen ist, entsteht ein sehr heftiger Luftstrom, der beständig durch die untre Oeffnung in sie ein­ dringt, und zum Theil die brennenden Materien in ihr Inneres forrreißt, wo sie leicht schaden könnten, wenn ihre Flamme dauerhafter wäre. Auf diese Art wird die innere heiße Luft um ein Drittel, zuweilen auch vielleicht beynahe um die Hälfte, dünner, als die äußere. Herr Blanchard wollte hier in Warschau durch bloße Holzkohlen eine Mvntgolfiere zum Steigen bringen; allein Sie wissen, wie unglücklich er in seinem Unternehmen war. In der That läßt sich ein Ball durch die Hitze der Holzkohlen zwar leicht ausdehnen, aber nur mit sehr vieler Schwierig­ keit erheben. Denn die Kohlen verwandeln einen gro­ ßen Theil der Luft, welche zwischen ihnen durchgeht, in Kohlensäure, und diese ist, bey gleicher Wärme, eigenthümlich viel schwerer, als die gemeine Luft. Da also ein solcher Ball beständig mit einem Ge­ mische von kohlensaurer Luft und Stickluft ange­ füllt ist, so kann er nur bey einem außerordent­ lich hohen Grade von Hitze, der sehr gefährlich ist, steigen, und oft ist auch dieser nicht einmal ver­ mögend , ihn zu heben.

49$

Zwey und sechzigster Brief.

Man macht die Monrgvlfierrn gewöhnlich von Leinwand, welche man entweder mit baumwvllnem Zeuge, oder auch mit Leinwand, füttert. Inwen­ dig bestreicht man sie mit einer Erdfarbe, und aus­ wendig mit Oelfirntß, um sie von einer Sette vor dem Heuer, von der andern vor der Nässe, eini­ germaßen zu sichern. Es schadet hier nicht, wenn die inwendige Luft auch etwas durch die Hülle des Dalles durchdringen kann. Aber die Attestaten müssen dagegen viel dichter und überall verschlossen ftnn, weil die brennbare Luft viel leichter durch die Behältnisse dringt, in welche man sie einschließt, als die gemeine. Man nahm Anfangs Taft, der mit Federharz überzogen war, zu ihrer Bekleidung; allein man fand bald, daß ein gemeiner Oelsirniß mit Vogelleime abgekocht, und mit Terpentingeiste vermischt, noch bessere Dienste that, als der kost­ bare Firniß von Federharz. *) Ein Luftball wird mit einer Kraft in die Höhe getrieben, welche dem Gewichte derjenigen Masse von atmosphärischer Luft gleich ist, die er aus ihrem Orte verdrängt, und daher wächst jene Kraft mit der Größe des Luftballs; dagegen zieht ihn sein eignes Gewicht beständig herunter. Wenn also zwey ungleich große Bälle gleich schwer sind, so •) Ta» Federharz (Gomme elastique. Caoutcliouc) ist der Safi eine« in Südamerika wachsen­ den Baum«, den man 6urd) Einschnitte erhält, und hernach an der Sonne oder am Feuer trocknet, wo­ durch er sehr hart wird. Man macht au« ihm un­ ter andern Gefäße, die auch bey physikalischen Ver­ suchen sehr häufig gebraucht werden. E«e lasten sich zusammcndrücken, und spritzen alsdann die Feuch­ tigkeit aus, nut welcher sie ongefüllt sind. Nachher nehnien sie von selbst, durch ihre große Elastizität, ihre vorige Gestalt wieder an. S- die Einleitung.

Die Lufthülle.

493

so steigt der größere allemal mit einer größer» Kraft auf. Ein Aerostat aber kann größer, und dennoch nur eben so schwer seyn, als eine Mont« golfiere, weil die brennbare Luft etgentkümlich viel leichter ist, als die durchs Feuer verdünnte gemeine. Allo muß eine Montgolfiere allezeit größer seyn, als ein Aerostat, wenn sie eben so viele Last in die Höhe heben und eben so hoch steigen soll als dieser. Und da dieser noch dazu im Gebrauche viel sichrer ist, als jene, so giebt man ihm mit Recht den Vorzug, ungeachtet seiner Kostbarkeit. Denn die brennbare Luft aus der Auflösung des Eisens in verdünnter Schwefelsäure, deren man sich fast alle, zeit zu bedienen pflegt, ist zwar eine der wohlfeil­ sten , aber doch immer noch sehr kostbar. Vielleicht könnte man sie in hinlänglicher Menge aus Was« serdampf erhalten, den man durch eiserne glühende Röhren triebe, und da würde sie unstreitig viel wohlfeiler seyn. Die Kraft, mit welcher ein unbeschwerter Luft­ ball zur Erde gezogen wird, verhält sich, in so fern sie bloß von der Schwere der Leinwand oder des Zeuges herrührt, daraus er verfertigt ist, wie der Umfang des Balles, und in dieser Rücksicht ist die kugelförmige Gestalt für einen Luftball die vortheilhafteste, weil die Geometrie lehrt, daß bey einem gleichen Inhalte, also auch bey einer gleichen Menge aus ihrem Orte vetriebner atmosphärischer Luft, kein Körper einen so kleine» Umfang hat, als eine Kugel. *) Aber die Geometrie zeigt auch, wenn der Durchmesser einer Kugel wächst, daß ihr Umfang, wie das Quadrat, und ihr Inhalt, wie *) Man sehe die Einleitung de« folgenden III. Tande»

170. I74> 175.

494

Zwey und sechzigster Brief.

-er Würfel des Durchmessers, zunimmt. Hieraus läßt sich begreifen, daß eine größre Kugel mit einer viel größer« Kraft aussteigt, als eine kleinere völlig ähnliche. Setzen Sie z. D. ein Aerostat, von 5 Fuß im Durchmesser, werde von der atmo­ sphärischen Luft mit 4^ Pfunden Ueberschuß über

die er enthalt, Pfunde; so steigt er wirklich mit einem Pfunde Kraft. Ein ähnlicher Aerostat von io Fuß im Durchmesser wird also mit einem Ueberschusse über das Gewicht seiner brennbareü Luft, der achtmal 4H, also 38 Pfunde, ausmacht, von der Luft gehoben, weil 8 der Würfel von 2, und der Durchmesser dieses das Gewicht der brennbaren Luft, gehoben, und seine Hülle wiege

zweyten Aerostaten zweymal so groß ist, als der des ersten. Da nun 4 das Quadrat von 2 ist, so wiegt die Hülle des zweyten Aerostaten 4 Mal

3-| oder 15 Pfunde. Also steigt der große Aero­ stat mit einer Kraft von 23 Pfunden, als dem Unterschiede zwischen 38 und 15, auf. Hätte da­ gegen ein dritter Aerostat nur eine» Durchmesser von 2s Fuß, so müßten Sie von 4^ den achten Theil, also ; von zH aber den vierten Theil,

also xö »der D nehmen, und die letzter Zahl von der erster» abziehen. Da aber jene um größer ist, als diese, so sehen Sie offenbar, daß dieser Ball gar nicht steigen kann, sondern, ungeachtet der Leichtigkeit seiner Luft, mit einer Kraft von -H Pfunden beständig zur Erde gezogen wird. Die Luftbälle müssen also allemal eine gewisse

Größe haben, wenn sie steigen sollen. Sie können aber um desto kleiner seyn, je eigenthümlich leich­ ter sowohl ihre brennbare Luft, als auch der Zeug ist, aus dem sie gemacht sind. Eine gemeine Montgolfiere von Leinwand muß wenigstens gegen 30

Die Lustbälle.

495

Fuß, eine Aerostat von Taft aber 5 bis 6 Fuß im Durchmesser haben, um zu steigen. Noch kiel« ner können Kugel» seyn, die von Goldschlägerhaut, oder von Schafhäurchen gemacht sind. Die erster»

dürfe» nur 6 Zolle, die zweyten nur 4 Zolle breit seyn. Die Haut nämlich, deren sich die Gold»

schläger bey ihren Arbeiten bedienen, ist das innere Häutchen der Ochsengedärme; das Schafhäutchen aber ist die innere Hülle, in'welcher Kälber, Füll len, Schafe uud andre Thiere zur Welt kommen. Beide lassen die brennbare Luft nicht durchgehen. Am kleinsten sind Seifenblasen, die man mit brenne barer Luft macht, und aufsteigen läßt.

Pilatre de Rozier war der erste Luftfchiffer; er stieg schon 1783 mit Herrn d'Arlandes auf. Aber die berühmteste Luftreise t|t die, welche Herr Blane chard mit Herrn Jefferies im Jahre 1785 von Dover nach Calais machte; sie kamen mit ihrem Aerostaten in anderthalb Stunden über den Kanal.

Pilatre de Rozier wollte, einige Monate später, auf «ine ähnliche Art zurück von Frankreich nach

England über den Kanal gehen, hatte aber das Unglück, nebst seinem Gefährten Herrn Romain, nicht weit von Boulvgne, aus der Lust herabzur stürzen. Beide blieben auf der Stelle todt, und die Meinungen über die wahre Ursache ihres Uns glücks find verschieden. Sie hatten einen Aerostas ten mit einer Montgolfiere verbunden; der erstre war oben, die zweyte unten, an 30 Fuß tiefer. Dieser traurige Vorfall gab Herrn Blanchard zur Erfindung seines Fallschirms (Parachute) Ges legenheit. Sie haben diesen Schirm und den schös nen Versuch gesehen, den der Erfinder desselben hier in Warschau mit ihm machte: wie er ihn an einem kleinen Luftballe befestigt aussteigen ließ, wie

4y6

Drey und sechzigster Brief.

In einer ansehnlichen Höhe sich der Ball vom Schir­ me trennte, zusammenfiel, und herabstürzte, der Schirm aber in dem Augenblicke der Trennung sich auf einmal entfaltete, und mit einem kleinen unter ihm in einem Korbe befestigten Hunde sich unge­ mein langsam auf die Erde herabsenkte, so daß der Hund nicht den geringsten Schaben nahm. Es «ar das heiterste und stillste Wetter, als dieser Versuch angestellt wurde, und unter so günstigen Umständen entspricht der Fallschirm allerdings seiner Absicht. Aber ganz anders verhält sich die Sache Ley starkem Winde. Regenschirme, die viel kleiner, und auf eine ähnliche Art, aber viel stärker gebaut sind, als der Fallschirm, werden von Windstößen oft umgebvgen und zerbrochen; wie sollte der Fall­ schirm dem Sturme widerstehen? Die Erfahrung hat daher auch schon in England gezeigt, daß er Ley windigem Wetter dem Luftschiffer gar keine Sicherheit leistet.

Drey und sechzigster Brief. Ungeachtet der Erfindung der Luftbälle wird man dennoch schwerlich es jemals dahin bringen, durch die Luft weite Reisen zu thun. Denn es fehlt bis jetzt noch immer an zuverlässigen Mitteln, die Bälle in der Luft zu regieren, so viele Mühe man sich auch gegeben hat, dergleichen Mittel zu ent­ decken, und der Luftschiffer ist der Wtllkühr des Windes gänzlich überlassen, ja er kann nicht einmal ohne

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Drey und sechzigster Brief.

In einer ansehnlichen Höhe sich der Ball vom Schir­ me trennte, zusammenfiel, und herabstürzte, der Schirm aber in dem Augenblicke der Trennung sich auf einmal entfaltete, und mit einem kleinen unter ihm in einem Korbe befestigten Hunde sich unge­ mein langsam auf die Erde herabsenkte, so daß der Hund nicht den geringsten Schaben nahm. Es «ar das heiterste und stillste Wetter, als dieser Versuch angestellt wurde, und unter so günstigen Umständen entspricht der Fallschirm allerdings seiner Absicht. Aber ganz anders verhält sich die Sache Ley starkem Winde. Regenschirme, die viel kleiner, und auf eine ähnliche Art, aber viel stärker gebaut sind, als der Fallschirm, werden von Windstößen oft umgebvgen und zerbrochen; wie sollte der Fall­ schirm dem Sturme widerstehen? Die Erfahrung hat daher auch schon in England gezeigt, daß er Ley windigem Wetter dem Luftschiffer gar keine Sicherheit leistet.

Drey und sechzigster Brief. Ungeachtet der Erfindung der Luftbälle wird man dennoch schwerlich es jemals dahin bringen, durch die Luft weite Reisen zu thun. Denn es fehlt bis jetzt noch immer an zuverlässigen Mitteln, die Bälle in der Luft zu regieren, so viele Mühe man sich auch gegeben hat, dergleichen Mittel zu ent­ decken, und der Luftschiffer ist der Wtllkühr des Windes gänzlich überlassen, ja er kann nicht einmal ohne

Die Lufthülle.

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ohne Gefahr aufsteigen, als bey ziemlich gutem «nd stillem Wetter. Bloß die Bewegung nach oben oder nach unten, nicht aber die zur Seite, hat er eini­ germaßen in seiner Gewalt. Die Mvntgvlfiere kann er durch Verstärkung oder Verminderung des Feuers heben oder senken, und den Aerostaten kann er durch die Erleichterung zu steigen, und durch Auslassung der brennbaren Luft sich zu senken nö­ thigen. Denn da die brennbare just selbst den gefirnißten Tast nach und nach durchdringt, so ver­ liert auch ein Aerostat allmählich seine Spannung, und derjenige, welcher mit ihm aufsteigt, nimmt daher mit Sand gefüllte Säcke, oder andern Bal­ last, mit sich, welchen er aus der Höhe auf die Erde herunlerwirft, wenn der Aerostat zu sinken anfangt, um ihn wieder z» erheben. Man füllt die Aerostaten nie ganz, sondern läßt fast ein Vier­ tel von ihnen leer, weil sonst die brennbare just den Ball, indem er schnell in die Höhe steigt, wo die Atmosphäre viel dünner ist, als unten, zu sehr spannen und ihn zerreißen würde. Zum Ucberfluffe hat der Ball oben eine Klappe, welche durch eine Feder zugehaltcn wird, und diese kann der Luft­ schiffer durch eine Schnur öffnen, wenn er merkt, daß der Ball zu sehr gespannt wird. Allenfalls kann er auch die Röhre von gefirnißtem Tafte, in welche der Aerostat sich unten endigt, öffnen, und etwas brennbare Lust durch sie fortgehen lassen. Durch diese Röhre wird der Aerostat gefüllt, nach der Füllung aber bindet man sie zu, und legt ihr Ende ins Bot des juftschiffers, welches, mit Stri­ cken an dem Luftballe befestigt, unter ihm hängt. Man hat vor wenigen Jahren die Aerostaten in Frankreich sehr verbessert, und die geschickteste» Männer haben unermüdet daran gearbeitet, sie Hn!>- g?atr.rl. .1. 25. It

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Drey und sechzigster Brief

vollkommner zu machen. Sie haben ein neurs Mittel entdecke, mit geringen Kosten, und aus Materien, die man überall findet, brennbare Luft ton hinlänglicher Leichtigkeit in Menge zu erzeugen. Sie haben einen bisher unbekannten Seidenstoff, durch die Fabriken von Lyon, zu Stande gebracht, der Leichtigkeit und Stärke in einem unerwarteten Grade in sich vereinigt. Diese verbesserten Aerostaken hat man im Kriege mit Nutzen gebraucht, und sie steigen lassen, um die Lage der feindlichen Armeen übersehen zu können. Bey widrigem Winde wird ein solcher Luftball von 30 bis 40 Pferden gezogen und gehalten. Indessen bleibt es dennoch immer sehr bedenklich, mit einem Aervstaten auftu« steigen, wenn stark elektrisirte Wolken am Himmel find, da die brennbare Luft sich ganz außerordent­ lich leicht, auch durch ganz kleine elektrische Fun­ ken, zu entzünden pflegt. Eben diese große Leichtigkeit, womit sich jede Art von brennbarer Luft oder biennbarem Dampfe durch die Elektrizität entzündet, hat zur Erfindung der elektrischen mit Knallluft geladnen Pistole, deren ich bereits in einem andern Schreiben erwähnt habe, Gelegenheit gegeben, wie auch zu der Ein­ richtung der elektrischen Lampe. Diese besteht aus zweyen gläsernen luftdicht mit einander verbundnen Gefäßen, davon das obere mit Wasser, daü untre aber mit brennbarer Luft, gefüllt ist. Läßt man aus jenem in dieses durch eine Röhre, die man mit einem Hahne öffnet, etwas Wasser fallen, so entweicht aus dem letzterN etwas brenn­ bare Luft durch eine besondre Röhre, die man zu dem Ende öffnet. Diese endigt sich oben in eine ganz feine Spitze, welche zwischen zweyen kleinen stumpfen Drahten steht, durch die ein elektrischer

Die Luftbälle.

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kleiner Funken geleitet wird, indem die brennbare Luft aus ihrer Spitze ausströmt, um sie zu ent­ zünden. Es hat aber diese so genannte Lampe keine besondern Vorzüge, und muß noch dazu sehr behutsam gebraucht werden. Denn wenn die brenn­ bare Luft des untern Gefäßes nicht rein, sondern stark mit gemeiner Luft vermischt ist, so kann sie durch die Flamme, die an der Spitze -der Röhre erzeugt wird, sich mit einem Knalle entzünden und das Gefäß zerschmettern. Uedrigens har man dieser Lampe bald diese bald jene Einrichtung gegeben, nach­ dem man glaubte, daß sie ans diese oder auf jene Art zum Gebrauche bequemer seyn würde. Hierher gehört auch das Feuerwerk von brenn­ barer Luft, welche, nachdem sie mit dieser oder einer andern Luftarr gemischt wird, bald mir der einen bald mit der andern Farbe brennt: mit der Kohlensäure blau, mh Salpetergas grün u. s. w. Denn wenn man die Luft durch eine enge Oeffnung heraus treibt, und mit einem elektrischen Funken, oder auch auf andre Art, entzündet, so sieht man im Dunkeln einen langen Strahl von Feuer, dem man, wie gesagt, verschiedn« Farben geben kann. Ein Schwamm in Ditriolather getaucht, und in einem durchlöcherten Gefäße verschlossen, giebt eben­ falls, wenn man warme gemeine oder säuernde Luft durch das Gefäß und den Schwamm treibt, um den Aethcr in Dampf zu verwandeln, bey der Entzündung dieses Dampfs, feurige Stralen, mit welchen sich allerley angenehme Spielwerke machen lassen. Ich habe schon oben zweyer schwerer brrnnbarer Liistarten erwähnt, der geschwefelten nämlich und der gephosphorten, und sie sind beide so merkwür­ dig, daß sie eine umständlichere Anzeige verdienen.

5oo

Drey und sechzigster Brief.

Die geschwefelte brennbare Luft *) (Gaz hydrogene

sulfure) entsteht aus dem Schwefel, welcher sich im Wasser zwar nicht auflöst, aber durch Alkalien, einige Erden, Eisen u. s. w. dahin gebracht werden kann, daß das Wasser ihn auflöst. Sobald nun dieses geschieht, so zerlegt der Schwefel einen Theil des Wassers, wegen seiner ungemein großen Verwandt­ schaft zum Säurestoffe, die sich auch in der Schwe­

felleber zeigt, welche den säuernden Theil der at­ mosphärischen Luft aufs heftigste anzieht. Den Saurestoff des zerlegten Wassers verschluckt der Schwefel, und es entsteht Schwefelsaure; der Was­ serstoff dagegen verbindet sich ebenfalls mit einem Theile des ungesäuerten Schwefels und bildet die geschwefelte brennbare Luft, die sich sogleich durch ihren Übeln Geruch verräth, wenn sie sich auch uicht sogleich entwickelt. Gewöhnlich erhalt man diese Luft aus der Schwefelleber (Sulfure alcalin)

die man aus gleichen Theilen gepülverten Schwe­ fels und eines ätzendes Alkalis bereitet, es sey nun, daß man beide zusammcnschmelzt, oder naß zusammen reibt. Die völlig trockne Schwefelleber

hat gar keinen Geruch, sie zieht aber die Feuch­ tigkeit aus der Luft stark an, und zerfließt in ihr, löst sich auch sonst vollkommen im Wasser auf. Sobald sie aber feucht wird, fangt sie unerträg­ lich an nach faulen Eyern zu stinken, und dieser Geruch rührt bloß von dem geschwefelten Wasser­

stoffe her, der sich gleich bildet, wenn der Schwe­ fel aufgelöst wird, obgleich er sich nicht eher luft­ förmig entwickelt, als bis man eine verdünnte Säure in die Auflösung gießt. Denn das Alkali

') Man nennt sie auch hepatische Luft, Schwe« f e 11 c b er tust.

Geschwefelte u. gephosphorte brennbare Lust. 501

halt ven Schwefel, mit welchem der Wasserstoff sich verbunden hat, zurück, tuö sich ihm irgend eine, wenn gleich schwache Säure darbietet, zu welcher es mehr Verwandtschaft hat. Indem eS sich mit dieser verbindet, läßt es den mit dem Wasserstoffe verdundnen Schwefel fahren. Jener entwickelt sich daher sogleich^ als brennbare Luft, und läßt sich über heißem Wasser auffangen. Denn heißes Wasser verschluckt überhaupt von jeder

Lustart weniger als kaltes. Ader nicht nur aus den eigentlichen Schwefel« lebern, sondern auch aus allen feuchten Auflösun­ gen des Schwefels entwickelt sich die geschwefelte brennbare Luft. Aus einem Gemische von Braun­ stein und Schwefel, oder Eisen und Schwefel, Kohlenstaub, Zucker oder Baumöl und Schwefel, ja selbst aus der Spanischen Soda, welche alle­ mal Schwefel enthält, erhält man sie. Wenn un­ ter der Erde sich feuchte Eisenkiese erhitzen, so zer­ legen sie das Wasser und cs entsteht geschwefelte

brennbare Luft, die man daher bey warmen Quel­ len und bey Vulkanen häufig findet. Viele Pflan­

ze» und thierische Theile enthalten Schwefel; da­ her kommt der Geruch des Knoblauchs, der Zwie­ beln, der Eyer, besonders wenn sie faulen, des Kvths der Thiere u. s. w. Diese Luft wird von kaltem Wasser und von Laugensalzcn, Kalkerde» und andern Erden verschluckt, röthet die Lackmus­ tinktur, zersetzt die Seifen, zeigt viele Eigenschaf­ ten einer schwachen Säure, wenn sie im Wasser aufgelöst ist, obgleich sie keinen Saurestoff enthält, und setzt Schwefel ab, indem sie verbrennt. Aber der Schwefel theilt ihr zugleich seine Eigenschaft, ohne Hitze zu verbrennen, mit, so daß sie, wenn sie über Quecksilber, mit säuernder Luft in Derüh-

502

Drey und sechzigster Brief.

rung, steht, diese nach und nach verschluckt und ohne alle Warme/ ohne einmal den Schwefel zu entzün­ den/ langsam und allmählich verbrennt und den Schwefel fahren laßt. *) Die Wasser der S chw efel bä der/ dergleichen das Pad zu Aachen ist/ sind mit dieser Luft angcfüllt/ und der Schwefel son­ dert sich auch aus ihnen allmählich ab/ - wenn 'sie mit der gemeinen Luft beständig in Berührung bleiben/ weil die brennbare Luft darin nach und nach sich mit der säuernden aus der Atmosphäre zu Wasser vereinigt und gleichsam unmerkltch ver­ brennt. Die gephosphvrte brennbare just (Gaz hydrogene phosphorc) hat mit der vorhergehenden eine ungemeine Aehnltchkeit und entsteht auch auf eine ähnliche Art; nur daß sie im Wasser weniger auf­ lösbar ist/ und keine Eigenschaften der Säuren zeigt. Man vermischt/ um sie zu erhalten/ Phos­ phor mit einer ätzenden alkalischen Lauge oder mit gebranntem und an der Luft zerfallnem Kalke/ nebst Wasser/ erhitzt das Gemische allmählich/ und fängt die Luft/ welche sich alsdann entwickelt/ in Ge­ fäßen auf/ aus welchen die gemeine Luft/ so viel als möglich/ ausgeschlossen worden ist. Diese Vorsicht ist um desto nothwendiger/ da die gephos­ phvrte brennbare Luft sich mit einem Platzen und vielem Lichte von selbst entzündet/ wenn sie sich mit der gemeinen/ und noch mehr wenn sie sich mit der säuernden Luft/ vermischt. Sie ist eigen­ thümlich noch einmal so schwer/ als die gemeine juft/ hat einen unerträglichen Geruch nach faulen Fischen/ und entsteht daher/ daß der mit dem Al­ kali verbundne Phosphor das Wasser zerlegt/ mit

•) Man sehe den sech« und fünfzigsten Brief.

Die gephosphorte brennbare Luft.

$03

dem Säurestoffe desselben Phosphorsänre bildet, den Wasserstoff aber bloß laßt, der mit einem Theile des Phosphors, den er auflöset, sich ju einer brennbaren Luft entwickelt. Auch in dieser Luft ist der Wasserstoff so äußerst entzündlich, wie in der geschwefelten. Denn wenn man sie über Wasser in einem verschlvßnen Gefäße stehen laßt, so veremigt sich ihr Wasserstoff allmählich mit dem Säurcstoffe der wenigen gemeinen Luft des Gefä­ ßes und etwa der, die sich aus dem Wasser ent­ wickelt, erzeuget Wasser, und setzt den Phosphor an die Wände des Gefäßes ab. Er verbrennt also ganz unmerklich, ohne einmal den Phosphor zu entzünden. Der Phosphor wird in reiner säuernder Luft zwar aufgelöst, leuchtet aber darin nicht eher, als bis er brennt, welches er in reiner säuernder Luft nicht eher thut, als bey einer Wärme von 22 französischen Graden und drüber, anstatt daß er in unreiner oder atmosphärischer Luft auch bey der Kälte oft langsam brennt und leuchtet, besonders wenn sie sehr verdünnt ist. Indessen leuchtet er keinesweges in der Leere des Torricelli. Fester Phosphor in brennbare Luft gebracht, wird von ihr aufgelöst, und giebt phospho richte Brenn­ luft (Gas hydrogene phosphoreux), die von der durch ätzende alkalische Laugen bereiteten gephosphorten Brennluft (Gas hydrogene phosphorc) verschieden ist. Erstre zeigt bloß mit säuernder Luft gemischt, nicht aber mit atmosphärischer, eine schwache Flamme, hat auch nicht einen so stinken­ den Geruch, als diese. Jene brennt schwach und bläulich, diese stark und weiß. Die Stickluft (Gaz azote) wird im Ammoniak und in der Salpetersäure gefunden. Dom erster»

504

Drey und sechzigster Dries,

kann man sie trennen, wenn man durch dasselbe Metalle aus ihren Kalken wieder herstellt, da die säuernde Luft her Kalke mit dem Wasserstoff« des Ammoniaks Wasser bildet und den Stickstoff frey läßt. Etwas ähnliches erfolgt, wenn man das Ammoniak mit erwärmter bleichender Kochsalz­ säure vermischt, indem sich auch hier der Wasser­ stoff des erstern mit dem Säurestoff der letztern zu Wasser vereinigt. Selbst auS Thon Hai Herr Priestley durch die Erhitzung Stickluft erhalten, wie ihn denn auch der Braunstein Anfangs, wenn er erhitzt wird, hernach aber, bey der Glühhitze, säuernde Luft, giebt. Aus dem Salpeter erhält man Stickluft mit Kohlensäure vermischt, wenn man ihn mit Kohlen verpuffen laßt, oder auch reine Stickluft, wenn man geschwächte Salpetersäure auf Fleisch gießt, und die erhaltne Luft gut mit Was­ ser schüttelt. Uebrigens ist die Stickluft zwar ohne allen Geschmack und Geruch, aber dennoch weder zum Athemholen noch zu Unterhaltung einer Flam­ me geschickt, ja selbst dem Wachsthum« der Pflan­ zen nachtheilig. Sie ist in unsrer Atmosphäre mit säuernder in ihr aufgelöster Lust vermischt, und kann so wenig in säuernde, als diese in Stickluft verwandelt werden. Von beiden juftartcn wird täglich eine Menge vernichtet, und wieder hervor­ gebracht. Brennende Körper und athmende Thiere verzehren eine Menge säuernder bist, aber dagegen wird durch die Zerlegung des Wassers, besonders von den Pflanzen, wieder sehr viele dergleichen Luft erzeugt. Wie viele Stickluft verwendet die Natur nicht täglich auf die Erzeugung organischer Körper und der Salpetersäure? aber wie viele entwickelt sich dagegen auch nicht wieder bey der Fanlniß und durch andre Wege?

Die gephosphorte brennbare Luft.

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Die reine Stickluft löset so, wie die brennbare tust, auch bey der Kalte, den Phosphor und die Schwefrlltber, und zwar erstcrn ohne alles keuch­ ten, auf, scheint aber zum Schwefel eine nähere Verwandtschaft zu haben, alü zum Phosphor. Die gephosphorte Stickluft leuchtet sogleich, wenn man etwas säuernde Luft zu ihr laßt. Die reine säuern­ de Luft löst ebenfalls den Phosphor auf, und zwar in der Kälte ohne alles Licht. Daher geschieht cs, daß die atmosphärische Luft, ihren beiden Destandttheilen nach, den in ihr befindlichen Phosphor all­ mählich ohne Leuchten auflöst, und sich mit den aufgelösten Theilen so genau verbindet, daß der Phosphor, der in dieser Luft leuchtet und brennt, besonders wenn er sehr langsam brennt, ihr den Theil des Säuresioffs, der schon, nebst dem Stick­ stoffe, Phosphor aufgelöst hat, nicht tauben kann. Uebrigens leuchtet der Phosphor nie, als indem er brennt.

Vier und sechzigster Brief.

Ach komme jetzt auf die kohlensaure Luft, die man unter andern auch in allen Kalkerden in Menge findet. Der gemeine Kalkstein besteht, dem Gewichte nach, etwa zur Hälfte aus Kalkerde, | von ihm ist Kohlenstoff, und £ ist Wasser. Wenn man ihn brennt, so wird ein Theil seines Was­ sers zerlegt; der Cäurestoff des Wassers bildet, mit dem Kohlenstoffe des Kalks, kohlensaure Luft,

Die gephosphorte brennbare Luft.

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Die reine Stickluft löset so, wie die brennbare tust, auch bey der Kalte, den Phosphor und die Schwefrlltber, und zwar erstcrn ohne alles keuch­ ten, auf, scheint aber zum Schwefel eine nähere Verwandtschaft zu haben, alü zum Phosphor. Die gephosphorte Stickluft leuchtet sogleich, wenn man etwas säuernde Luft zu ihr laßt. Die reine säuern­ de Luft löst ebenfalls den Phosphor auf, und zwar in der Kälte ohne alles Licht. Daher geschieht cs, daß die atmosphärische Luft, ihren beiden Destandttheilen nach, den in ihr befindlichen Phosphor all­ mählich ohne Leuchten auflöst, und sich mit den aufgelösten Theilen so genau verbindet, daß der Phosphor, der in dieser Luft leuchtet und brennt, besonders wenn er sehr langsam brennt, ihr den Theil des Säuresioffs, der schon, nebst dem Stick­ stoffe, Phosphor aufgelöst hat, nicht tauben kann. Uebrigens leuchtet der Phosphor nie, als indem er brennt.

Vier und sechzigster Brief.

Ach komme jetzt auf die kohlensaure Luft, die man unter andern auch in allen Kalkerden in Menge findet. Der gemeine Kalkstein besteht, dem Gewichte nach, etwa zur Hälfte aus Kalkerde, | von ihm ist Kohlenstoff, und £ ist Wasser. Wenn man ihn brennt, so wird ein Theil seines Was­ sers zerlegt; der Cäurestoff des Wassers bildet, mit dem Kohlenstoffe des Kalks, kohlensaure Luft,

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Vier und sechzigster Brief.

welche davon geht, der Wasserstoff hingegen wird von der Kalkerde eingesogen. Der rohe Kalk wird also lebendig, wenn man ihn durchs Feuer seines Kohlenstoffs beraubt. Alsdann ist er im Wasser auflöslich, und er läßt seinen Wasserstoff fahren, wenn das Wasser ihn auflöst. Dieser verbreitet sich, mit Kalktheilchen vereinigt, noch lange nach dem Löschen in der Luft, indem er sich allmählich vom Kalke lvsretßt, und ist die Ursache des Ge­ ruchs frisch geweißter Zimmer, und ihrer Schäd­ lichkeit für Menschen, welche sich darin aushalten oder schlafen. Auch aus andern kohlensauern Er­ den wird die Kohlensaure auf eine ähnliche Art durch die Hitze entbunden, nur muß man sie vor­ her anfeuchten, wenn sie trocken sind, wie die kohlensaure Schwererde; weil das Wasser den Eäurestoff liefert, der zur Bildung der Kohlensäure nothwendig ist. Der lebendige Kalk zerfällt an der freyen Luft, mit einer beträchtlichen Zunahme seines Gewichts, indem er aus ihr Feuchtigkeit und Kohlensäure dnsaugt. Dadurch erlangt er wieder alle Eigen­ schaften des rohen Kalkes. Die Kalkerde hat mit dem Kohlenstoffe eine größte Verwandtschaft, als die Alkalien. Daher macht lebendiger Kalk die milden Alkalien ätzend, indem er ihnen den Koh­ lenstoff raubt. Aber die ätzenden Alkalien werden an der freyen Luft nach und nach wieder milde, weil sie aus ihr Kohlenstoff einsaugen. Die Kalkerden losen sich, so wie die milden Laugensalze, in Säuren auf, und daher muß man Marmortische nicht mit sauer» Säften begießen oder bespritze», weil die Säure den Marmor, der ein harter, dichter, und der Politur fähiger Kalk­ stein ist, zerfrißt und befleckt. Die meisten Kalk,

Die kohlensaure just

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steine und Kalkerden brausen, so wie die milden Alkalien, wenn man sie mit Säuren begießt, weil sich aus ihnen die Kohlensäure plötzlich und in Menge entwickelt; jedoch giebt es auch einige, die so wie die ätzenden Alkalien, und der lebendige Kalk, sich ganz still, und ohne alles Aufbrause», in Säuren auflösen. Kohlengrsäuertes Wasser ist fähig Lalkerde, Eisen und andre Metalle aufzulösen. Wenn man zu Kalkwasser, (welches lebendigen Kalk aufgelöst enthält) etwas Kohlensäure mischt, so trübt es sich, und läßt den Kalk, der die Säure verschluckt, und dadurch wieder roh wird, fallen. Mischt man aber noch mehrere Kohlensaure mit demsel­ ben Wasser, und schüttelt sie mit «hm durch ein­ ander, so löst sich die niedergefallne Kalkerde wie­ der völlig auf. Aber durch Kochen kann man sie wieder Niederschlage»., weil die Hitze die Kohlen­ säure aus dem Wasser treibt. Daher begreifen Eie, weßhalb viele Wasser rohe Kalkerde aufge­ löst enthalten, die sie hernach, als einen Pfannenstein, in den Gefäßen absetzen, worin man sie kocht, oder tooniit sie auch allerley Körper in» krustiren, die man in sie legt, weil sie auch an der freyen Luft die Kohlensaure nach und nach verlieren. In dem Wasser aller Sauerbrunnen ist sehr viele Kohlensäure enthalten, und man kann das gemeine Wasser dem mineralischen an Geschmacke sehr ähnlich machen, wenn man es mit kohlensau­ rer Luft schwängert, und hernach etwas Eisenfeil darin auflösen läßt. Diesen Endzweck erreicht man am bequemsten und beste«« durch die soge­ genannte Parkerische Maschine (Fig. 92 Taf. VIII.). Str besteht aus drey gläsernen Go-

508

Vier und sechzigster Brief,

säßen A, B und C die in einander geschliffen sind, und luftdicht schließen, wenn man sie gehörig auf einander fest. In das unterste Gefäß C schüttet man gestoßnen Marmor, und das mittlere B füllt man mit Wasser. Denn bey F ist in diesem Ge­ fäße ein gläsernes Ventil, welches von unten die Luft frey herauf, aber von oben herunter nichts durchlaßt. Hierauf gießt man durch die Seiten­ öffnung D eine hinlängliche Menge verdünntes Vi­ triolöl auf den Marmor, wodurch sich die Kohlen­ säure aus demselben entbindet. Man verstopft D mit seinem Glasstöpsel, und schüttelt das ganze Geräthe. So treibt die aufstetgende Säure das Wasser durch das gebogne Ende des obersten Ge­ fäßes A in dieses Gefäß. Das hinlänglich ange­ schwängerte Wasser zapft man durch E ab, gießt durch die Oeffnung in H frisches zu, und bringt durch D, wenn es nöthig ist, noch mehreres Marmorpulver oder mehrere Schwefelsäure ins untre Gefäß, oder steckt auch einen Stift hindurch um die Mischung umzurühren. Auch Milch, Bier, Wein und andre Flüssigkeiten kann man auf diese Art mit Kohlensäure anschwangern. Die Kohlensaure ist nicht athembar, und häuft fich, wegen ihrer Schwere, wenn sie in einem Zim­ mer in Menge erzeugt wird, immer unten an. Daher ersticken oft Menschen, die des Nachts auf dem Boden eines dicht verschloßnen Zimmers, oder nahe über ihm, schlafen, wenn sie des Winters bey großer Kälte, um da- Zimmer zu wärmen, glühende Kohlen htneinsetzen, oder Windöfen auf die Nacht stark von inwendig heitzen und hernach zu zeitig verschließe« lassen. So starben auch, vor etwa hundert Jahren, einige junge Leute bey Jena, welche thöricht genug waren Geister zu beschwören,

Die kohlensaure Luft.

509

um Schatze zu finden. Man fand sie in einem engen verschloßnen Zimmer, in dessen Mitte sie, wegen der Kälte, ein großes Becken mit glühenden Kohlen gesetzt hatten, des Morgens insgesammt todt, und zweifelte damals nicht, daß die Geister sie erwürgt hätten. Auch die feuerspeycnden Berge sind reich an Kohlensäure und die Lava haucht sie in Menge aus. Zu den Merkwürdigkeiten von Italien gehört unter andern die Hundegrotte (Grotta del cane) bey Neapel. Man führt Fremde in diese Grotte und zeigt ihnen, daß Hunde in Zuckungen fallen, und bald heraus an die freye Luft gebracht werden müssen, wenn sie nicht todt bleiben sollen; daß Gewehre, nahe am Boden der Höhle, nicht loeger feuert werden können, und daß die Fackeln ver­ löschen, wenn man sie dem Boden nähert. Alle diese sonderbaren Erscheinungen rühren von der Kohlensäure her, die aus den Spalten der Höhle hervvrdringt, wegen ihrer Schwere niederfällt, und den Boden der Höhle bis auf «ine Höhe von etwa 14 Zoll allenthalben bedeckt. So kann «in Mensch, dessen Kopf weit über die Kohlensäure hervorragt, frey athmen; dagegen ein Hund erstickt, weil er sich ganz in der Schicht derselben befindet. Ferner kann in Kohlensaure keine Flamme brennen und kein Pulver sich entzünden. Taucht man daher eine brennende Fackel in ihr unter, so reißt stch die Flamme sogleich los und schwimmt oft eine kurze Zeit auf der Kohlensäure, ehe sie ausgeht, der Rauch aber verbreitet und vermischt sich mit ihr. Die Pflanzen wachsen nicht in kohlensaurer Luft, obgleich Wasser, welches damit angeschwänr gert ist, ihnen nicht schadet. Liese Luft wider­ steht, so wie alle Säure», der Fänlniß, und kann

5 io

Pier und sechzigster Brief.

daher in verschiednen Krankheiten mit Nutzen gebraucht werden. Die Erfahrung lehrt, daß die Thiere nicht bloß beym Athmen, sondern auch durch die unmerkliche Ausdünstung, Kohlensäure auehauchen. In Brunnen und tiefen Grüften findet man sic oft, und in Bergwerken ist sie unter dem Na­ men des erstickenden Schwaden bekannt» Sim häufigsten aber entwickelt sie sich bey der Weingährung. Ueber gährendem Biere schwebt allezeit eine Schicht von kohlensaurer Luft, die zuweilen einige Fuß dick ist. Hängt man in diese eine leere und oben offne Flasche, so senkt sich die Koh­ lensäure, wegen ihrer Schwere, von selbst hinein, und treibt die gemeine Luft heraus. Man kann über gährendem Biere auch dadurch, daß man Wasser immer aus einem Gefäße ins andre gießt, dieses mit Kohlensäure schwängern. Diese Säure macht, daß man in Keller, worin vieles Bier gährt, oft ohne Lebensgefahr nicht gehen kann, und ich weiß aus eigner Erfahrung, daß Leute, die sich dieses, ohne die nöthige Vorsicht, zu thun wagten, ums Leben gekommen sind. Oie Gährung, jene innerliche Bewegung, durch welche süße oder unschmackhafte Materien zuletzt sauer werden, entspringt wahrscheinlich aus gewissen bloß den organischen Körpern eignen Kräf­ ten. Sie kann, ohne vieles Wasser, ohne den Zutritt der Luft, und ohne eine mäßige Warme von io bis i2 Französischen Graden, gar nicht Statt finden. Nur pflauzenartige Materien und die Milch einiger Thiere, die von Pflanzen leben, sind einer wahren Gährung fähig. Indessen giebt es auch in den andern thierischen Materien ge­ wisse Veränderungen, die der wahren Gährung sehr ähnlich sind. Sie setzen alle, so wie die

Die Gährung.

Sn

Gährung, eine gewisse natürliche Anlage zu neuen Verbindungen der Theile in den Körpern voraus, von welcher wir uns keinen deullichen Begriff ma­ chen können. Dennoch aber müssen oft Fermente oder Nahrungsmittel gebraucht werden, als Hefen, Sauerteige, Rosinen, Honig, Farin, u s. w. wenn die Nahrung wirklich anfangen soll. Diese müssen entweder wirklich gähren, oder unter ge­ wissen Umständen von selbst gleich zu gähren an­ fangen, und die ganze Masse, zu welcher man sie gemischt hat, mit der Gährung gleichsam anstccken. Ma» kann diesen Endzweck vorzüglich auch dadurch erreichen, daß man jene Masse auf die gehörige Art mit Kohlensaure schwängert. Wenn ein« Materie gährt, so entwickelt sich aus ihr Kohlensaure. Daher dehnt sie sich mit Gewalt aus, sie wird etwas wärmer, sie trübt, sich, wo sie flüssig ist, sie zeigt häufige Luftblasen, sie schäumt und scheint oft heftig zu kochen. End­ lich aber sondern sich von der übrigen Flüssigkeit, die durchsichtig wird, heftige Materien ab, und die innerliche Bewegung laßt nach. Die Gährung, von der ich hier rede, ist die erste Gährung, wel­ che man die Weingährung nennt, weil sieden Most in Wein verwandelt, und auch dem Biere Methe und andern Säften einen angenehmen und geistigen Geschmack giebt. Durch sie wird das -Wasser in der gährenden Materie zerlegt. Dee Säurestoff verbindet sich mit dem Kohlenstoffe zue Kohlensäure, der Wasserstoff hingegen verbindtt sich mir den übrigen Theilen jener Materie um desto genauer, und bildet brennbare Geister, die man bloß aus Materien destilliren kann, welche die Wemgährung überstanden haben. Der gemeine

5'2

Vier unb sechzigster Brief.

Brandwein ist ein solcher mit vielem Wasser gc< mischter brennbarer Geist. Auf die Weingährung folgt die E s si g g ä hrung, ja sie ist als eine bloße Fortsetzung der erster» anzusehen, ungeachtet sie oft auch dann Statt findet, wenn keine merkliche Weingährung vorhergegangen ist. Durch sie wird die gährende Materie sauer, weil sie sänernde Luft verschluckt, daher kann sie nur an der freyen Luft gehörig vor sich gehen. Will man sie verhüten, so muß man -Weine, Biere und andre Flüssigkeiten, sobald sie die Weingährung so weit überstanden haben, daß sie klar geworden sind, in wohl vcrschlvßnen oder vcrpichten Gefäßen verwahren. In ihnen dauert die unmerkliche oder stille Weingährung noch immer fort, welche die Getränke immer mehr verbessert, und aus dem Weine den Weinstein absvndert, eine graue oder röthliche, feste krystallisirte Materie, womit sich die Wände der Fässer inwendig überziehen. Die Kohlensäure giebt den gegohrnen Getränken einen stechenden und geistigen Geschmack, sie macht, daß sie perlen und schäu­ men, ja sie dehnt sie oft, besonders wenn die stille Gährung durch die Wärme neue Kräfte er­ hält, so aus, daß die Gefäße platzen, worin sie eingeschloffen sind. Daher hebt man sie in Kel­ lern und kühlen Orten auf. An freyer Luft wer­ den sie, durch den Verlust der Kohlensäure, zuletzt schal; sie erhalten aber wieder ihren vorigen Ge­ schmack, wenn man sie mit jener Säure schwän­ gert. So wird auch saures Bier durch Kreide verbessert, weil sie die Essigsäure verschluckt und zugleich Kohlensäure fahren läßt. Das Wasser verschluckt die Kohlensäure heftig, und füllt sich daher auch mit vielen nur halb auf­ gelösten

Die Kohlensäure.

zig

gelbsten Theilchen von ihr a». Deßwegen perlet es/ weil diese Theilchen immer ihre Luftform bei hatten und unzählige Bläschen bilden. Sie geben dem Wasser den säuerlichen Geschmack/ den es an der freyen Luft allmählich verliert/ weil jene Bläschen durch ihre Leichtigkeit nach und nach im Wasser aufsteigen und in die Luft übergehen. DaSjenigc was daS Wasser wirklich ganz auflösen kann, tnacht wenig aus, und giebt demselben nicht den geringsten merklichen säuerlichen Geschmack. Alle ge, gohrne Getränke verhalten sich auf eine ähnliche Art/ wie das mit Kohlensäure geschwängerte Wasser. Dagegen enthält auch die Kohlensaure beständig aufgelöstes Wasser. Wenn man sie mit Quecksilber sperrt, und elektrische Funken durch sie gehen täßt, so verkalkt sich das Quecksilber, und der ilmfang der Luft nimmt etwa uM ju, weil trennbare Luft in ihr entsteht. Denn der elektri­ sche Funken zerlegt das in ihr aufgelöste Wasser; der Eaurestoff vereinigt sich mit dem Quecksilber Und der Wasserstoff entwickelt sich. Man kann durch Phosphor den Kohlenstoff aus dem Kalke oder ans milden Alkalien scheiden und Niederschlagen. Nimmt man z. B. zwey Theile Phosphor und 8 Theile mildes Mineralalkalt, das seines Krystall,sazionöwassers völlig beraubt worden ist, so scheidet sich, indem man diese Mischung itt einer Glasröhre einer starken Rothglühhitze aus­ setzt, die Kohle vom Alkali, indem zugleich die Phvephorsäure, durch ihre große Verwandtschaft mit den Alkalien, phoöphorsaures Mineralalkalt bildet. Das geschiedne schwarze Kohlenpirlver un­ terscheidet sich in nichts von dem Pulver einer reinen Holzkohle. Es ist merkwürdig, daß der Diamant durch ein heftiges Feuer, bey einem Hub» N«»ukl. 9. $6, K k

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Fünf und sechzigster Vnef.

freyen Zutritte der Luft/ ganz verbrennt und in

fast ganz reine Kohlensaure, -ufgelöst wird.

Fünf und sechzigster Brief. Es sind noch die luftförmigen Alkalien und Sau­

ren übrig, welche insgesammt ihre Luftform/ wie

es scheint/ bloß dem Wafferdampfe zu verdanken haben/ und also keine eigentliche jufrarten sind.

Denn sie verlieren erstlich mehrentheils/ bey rührung des Wassers/ ihre Luftform völlig/ vermehren/ indem sie sich mit dem Wasser einige»/ die Masse desselben. Zwar wird Luftsäure auch vom Wasser eingesogen/ aber noch nur in gewisser Menge/ nicht gänzlich/

Be­ und ver­ die den­ und

sie bleibt auch im Wasser noch immer Luft. Zweyteus schmilzt in den meisten jener luftförmigen Materien ein Stück Eis so schnell, als wenn es ins Feuer gesteckt würde. Bey Berührung nämlich

des Eises verdichte» sich jene Salzwasser/ welches das Eis get/ wie heißes Wasser/ da bey einem mäßigen Froste so

Materien sogleich zu gleich so durchdrin­ das gesalzne Wasser wenig gefrieren kann/

als heißes. Drittens verdichten sich einige jener Materien/ wenn sie die äußere Luft berühre«/ so­ gleich zu einem feuchten Nebel oder Rauche/ wie der Wasserdampf sich verdichtet/ indem er die kalke Luft berührt. Viertens endlich hat man bereite beobachtet/ daß bey starkem Froste einige

von ihnen entweder zu Eise gefrieren oder sich in

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Fünf und sechzigster Vnef.

freyen Zutritte der Luft/ ganz verbrennt und in

fast ganz reine Kohlensaure, -ufgelöst wird.

Fünf und sechzigster Brief. Es sind noch die luftförmigen Alkalien und Sau­

ren übrig, welche insgesammt ihre Luftform/ wie

es scheint/ bloß dem Wafferdampfe zu verdanken haben/ und also keine eigentliche jufrarten sind.

Denn sie verlieren erstlich mehrentheils/ bey rührung des Wassers/ ihre Luftform völlig/ vermehren/ indem sie sich mit dem Wasser einige»/ die Masse desselben. Zwar wird Luftsäure auch vom Wasser eingesogen/ aber noch nur in gewisser Menge/ nicht gänzlich/

Be­ und ver­ die den­ und

sie bleibt auch im Wasser noch immer Luft. Zweyteus schmilzt in den meisten jener luftförmigen Materien ein Stück Eis so schnell, als wenn es ins Feuer gesteckt würde. Bey Berührung nämlich

des Eises verdichte» sich jene Salzwasser/ welches das Eis get/ wie heißes Wasser/ da bey einem mäßigen Froste so

Materien sogleich zu gleich so durchdrin­ das gesalzne Wasser wenig gefrieren kann/

als heißes. Drittens verdichten sich einige jener Materien/ wenn sie die äußere Luft berühre«/ so­ gleich zu einem feuchten Nebel oder Rauche/ wie der Wasserdampf sich verdichtet/ indem er die kalke Luft berührt. Viertens endlich hat man bereite beobachtet/ daß bey starkem Froste einige

von ihnen entweder zu Eise gefrieren oder sich in

Düs Ammoniakgas.

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wässerige Tropfen verwandeln, unö man würde vielleicht an allen übrigen ähnliche Erscheinungen bemerkt haben, wenn man sie einer künstlichen Kälre, die stark genug gewesen wäre, ausgesetzt Hätte. Denn gleichwie die Salze, wenn sie mit dem Wasser vermischt sind, dieses hindern, daß eS so leicht nicht gefrieren kann, als es sonst gefrieren würde; eben so verursachen unfehlbar die Salze auch, wenn sie mit dem Wasserdampfe auf eine gewisse Art verbunden sind, daß dieser sich nicht, als nur bey großer Kälte, verdichten oder in Eis verwandeln kann. Ich werde daher diese luftartigen Materien, NM sie von den eigentlichen Luftarren, die wie bisher betrachtet haben, zu unterscheiden, mir dem Namen Gas belegen, indem ich unter dieser De* Nennung eine Materie verstehe, welche zwischen Luft und Dampf gleichsam in der Mttt« steht. Wenn diese Gaearten entweder mit einander oder mit athembarer Luft oder mit Wasser vermischt werden, so verdichten sie .sich oft, entweder zu einem festen ober flüssigen Körper, oder zu einem Rauche. Alsdann wird allemal Wärme erzeugt, so wie bey der Verdichtung des Wasserdampfs zu Wasser. Uebrigens sind sie mehrenthekis zum Ath­ men und zur Unterhaltung einer Flamme untaug­ lich, die sauren Gaearten aber widerstehen der Fäulniß wehr oder weniger. Lassen Sie uns den Anfang mit dem Ammdniakga ß*) (Gaz ammoniac) machen. Man er­ hält dasselbe unter andern, wenn man recht star­ ken ätzenden Salmiakgeist in einer kleinen gläsernen

*) Auch taugenärlige oder urihvfe oder flüchtig ■, alkalische Lust genannt.

$l6

Fünf und sechzigster Brief.

Retorte, die mit dem Quecksilbergeräthe in 93e## bindung ist, gelinde erhitzt. Es hat einen stechens den fast erstickenden Geruch, wie der Salmiakgeist, und auch einen ganz ähnlichen Geschmack. Es wirkt wie ein Alkali, wird vom Wasser ganz verschluckt, und kann daher über ihm nicht aufgefangen werden, ist weder athrmbar noch zur Un­ terhaltung einer Flamme geschickt, und eigenthüm­ lich leichter, als die gemeine Luft, ungefähr im Verhältnisse wie 10 zu 17. Das Wasser wird, indem cs dieses Gas verschluckt, ein ätzender Sal­ miakgeist. Daß cs aus Stickstoffe und aus damit verbundnem Wasserstoffe besteht, wie ich Ihnen schon sonst gesagt habe, *) läßt sich auf vielerlcy Art, und unter andern dadurch erweisen, daß man etwas von diesem Gas in eine enge Glas­ röhre einschließt, und alSdann häufige elektrische Funken durch dasselbe gehen läßt. Denn diese relßen den Wasserstoff vom Stickstoffe los, ver­ wehren den Umfang des Gas beträchtlich und ver­ wandeln es in ein im Wasser unverdtchtbares Ge­ misch von Stickluft und von brennbarer Luft. Da­ her ist auch dieses GaS gewissermaßen brennbar, und läßt sich mit säuernder Luft vermischt, selbst durch den elektrischen Funken mit einem Knalle ent­ zünden, da denn nach dem Verbrennen nichts zu­ rück bleibt, als Wasser und Stickluft. Daher ent­ steht in der gemeinen Luft Salmiak, wiewohl sehr langsam, wenn man ihr feuchte Eisenfeil aussetzt, weil die Stickluft der Atmosphäre sich mit dem Wasserstoffe verbindet, den das rostende Eisen aus dem zerlegten Wasser fahren läßt. Sie begreifen also leicht, warum man vorzüglich in Kohlenmineü

*) Ma» sehe den vier »nd fünfzigsten Brief.

Das AmmoniakgaS.

5-7

und bey Vulkanen so häufig Ammoniak findet, da allemal, so oft Eisen Wasser und Schwefel unter der Srde vermischt mir gemeiner Luft in Berührung find, Ammoniak erzeugt werden muß. Uebrigens läßt sich das Ammoniakgas in gemeiner Luft auf, lösen, ohne in einen Nebel verwandelt zu werden; wenn es aber mit einer sauren luftförmigen Ma, terie vermischt wird so verschwinden beide gleich, und verdichten sich zu einem festen Salze. Mit Kohlensäure giebt es flüchtiges mildes Alkali; mit schweflichsauren Gas schwefelsaures flüchtiges Lau, gensalz; mit flußspatsaurem Gas flußspatsaures flüchtiges Laugensalz; und mit salzsaurem Gas Eak mrak. Auch die flüssigen Säuren und die sauren Dämpfe verschlucken bas Ammoniakgas gänzlich. Bey dieser Gelegenheit kann ich das Knall, gold und das Knqllsilber nicht mit Stillschwei, gen übergehn, welche beide ihre merkwürdige son, derbare Eigenschaften bloß dem Ammoniak zu ver­ danken haben. *) Das erste ist ein durch Am, Mvniak bewirkter Niederschlag des in Königswasser aufgelösten Goldes, der bey einer geringen Erhi­ tzung , oder bey einem schwachen Reiben, mit einer ungemeinen Gewalt und einem heftigen Knall platzt, und deßhalb sehr gefährlich ist. Das Knallsilber ist noch viel gefährlicher. Es ist ein aus der Sal, petersäure oder dem Scheidewasser durch Kalkwasser gemachter und mit Ammoniak verdünnter Nieder, schlag des Silbers, der sogar bey der Berührung mit kalten Körpern oder durch die Erschütterung, die ein aus einiger Höhe fallender Waffertropfen verursacht, mit einer unbeschreiblichen Heftigkeit *) Man sehe den vier und dreykigsten Brief diese« Bandes.

5i8

Fünf und sechzigster Brief,

platzt, so. daß ein einziger Gran davon züreicht, ein Glas/ worin er liegt, völlig zu zertrümmern. Diese knallenden Niederschläge sind mit Ammoniak versetzte metallische Kalke/ deren Säurestvffsich bey der geringsten Veranlassung lvsreißt, da er überHaupt mit Gold und Silber nur schwach zusamr menhangt, und dieser Zusammenhang beym Silberkalke, durch dessen Zubereitung im Lichte/ noch mehr vermindert worden ist. Von diesem Losreißen aber des Säurestoffes ist die Folge /«daß er sich mit dem Wasserstoffe des Ammoniaks zu Wasser verbin­ det/ und so den Stickstoff befreyt/ und plötzlich als Stickluft ausbreitet. Daher werden durch das Abknallen das Gold und das Silber aus ihren Kal­ ken wieder hergestellt; geschmvlzner Schwefel aber, Oele und Schwefelsäure benehmen den Kalken ihre Knallkraft/ weil sie sich mit dem Ammoniak yerr Linden. Zu den sauren Easarten gehören: das schweft lichtsaure Gas/ das kochsalzsaure Gas, das flußspatiaure Gas und das Salpetergas. Wir wollen sie alle nach der Reihe durchgehn. Das schweflichtsaure Gas*) (l’Acide sulfureux) kommt vom Schwefel / .welcher/ so wie der Phosphor/ auf eine doppelte Art brennt, und sich säuert. Ma» hat daher auch von beiden Säu­ ren/ eine unvollkommne und eine vollkommne. Die unvollkvmmne Schwefelsäure ist luftförmig und mit dem schweflichtsauren Gas einerley; die voll­ kommne Schwefelsäure (Acide sulfurique) aber ist nicht luftförmig, sondern kann nur in flüssiger Gestalt dargestellt werden. Eben so wenig

*) Man nennt es auch: schweflichte Säure, Schwefelsäure, fluchtige Mmelsäure.

flüchtig-

Das Knallsilber, find die beiden Phosphorsäuren luftförmig.

Zl-

Man

erhält daher das schweslichtsaure Gas, wenn man den Schwefel mit langsamen Feuer auf die erste Art verbrennen läßt. Denn ein schnelles und statt kes Verbrennen giebt vollkommne Schwefelsäure. Aber jenes Gas entwickelt sich auch, wenn man vollkommne Schwefelsäure, oder Ditriolöl über

Silber, Spießglas, Bley, Quecksilber oder Kohlen destillirt, indem ein Theil des Sauerstoffs durch diese Metalle, oder die Kohlen, der Schwefelsäure entzogen, und sie dadurch zu einer schweflichten Säure gemacht wird. Auch etwas Baumöl zu dem Vitriolöle gebracht, oder eine glühende Kohle in ihm abgelöfcht, erzeugt die schweflichte Säure.

Dieses Gas ist eigenthümlich ungefähr noch einmal

so schwer, als die gemeine Luft, hat einen erstickenden Geruch, und einen schwachen säuerlichen Geschmack, den auch das Wasser annimmt, welches es einfaugt. Dergleichen Wasser zerstört viele Pflanzenfarben, wenn es lange genug auf sie wirken kann, und selbst das Gas braucht man zu ähnlichen Absichten, indem man Schwefel langsam verbrennen läßt, «tti Seide weiß zu machen. Die säuernde Luft vett schluckt dieses Gas, und auch aus der gemeinen Luft zieht es Säuerstvff ein, verliert zugleich seine Luftform, indem es sich säuert, und verwandelt

sich in vollkommne Schwefelsaure. Bey einer gro­ ßen Kälte verdichtet es sich in Tropfen, und hört völlig auf luftförmtg zu seyn, welches offenbar be­ weist, daß es seine Form bloß vom Wasserdampfe

hat. Dennoch saugt das Wasser nur wenig davon ein, und verliert es an der freyen Luft sehr bald wieder, da es so sehr flüchtig ist. Uedrigens findet man dieses Gas von der Natur zubereirct um die Quellen des Aachner- Bades.

Die Kochsaljfäure, deren säuerbarrn Grund» stoss man bis jetzt noch nicht kennt, ist im Meerwasser mit -Mineralalkali, mit Kaskerde und Bitter­ erde verbunden. Aber sie hangt .an den Materien, mit weichen sie sich verbindet, nur schwach, und kann leicht von ihnen, besonders durch VitriolLl, getrennt werde». Eicßt man daher Vitriolöl auf Kochsalz, so entsteht sogleich eine starke Hitze unh rin Aufbrausen. Es steigen weiße, saure und scharfe Nebel auf, welche man durchs Destilliren auffangen kann. Läßt man sie sich jn so wenigem Wasser, als möglich, verdichten, so erhält man den rauchenden Salzgeist; läßt man sie aber im Quecksilbergeräthe sich erheben, so bekommt may rin sehr saures erstickendes Gas, welches nichts weiter als die reine Kochsaljfäure ist, u.nd Laheit kvchsalz saures Gas (Gaz acide pauriatique) genannt wird. Es wird vom Wasser augenblickr sich verschluckt, und verwandelt dasselbe zuletzt in rauchenden Salzgeist. Sogar in der Luft verliert es, indem es die Feuchtigkeit derselben anzieht, zum Theil seine Luftform und erscheint als ein grauer Nebel, indem Ls zugleich etwas Saurestoff ver­ schluckt. Es ist ungefähr anderthalb Mal so schwer, wie gemeine Luft, und trübt das Kalkwasser so wenig, wie das schweflichtsaure Gas. Ungeachtet es allen Thieren tödtlich ist, die es athmen, so leuchtet dennoch Phosphor in ihm, und ein anger zündetes Licht brennt einen Augenblick lang mit hlauer Flamme in ihm, ehe eS ausgeht. Schon bey seiner Vermischung mit gemesueir Luft verschluckt dieses Gas säuernde Luft, aber noch in viel größrer Menge nimmt es diese Luft an, wenn man es über Metallkalken: als über Braunstein, oder Mennige oder Quecksilberkalk,

Die Kochsaljsäure.

§rr.

pestillirt. Denn indem es diese Kalke auflöst, per, findet es sich mit der säuernden Luft derselben, die fast ihre ganze Luftform behält, aber zusam, Mengezvgen pnd verdichtet wird. Es heißet als» dann übersättigtes oder bleichendes koch» salzsaures Gas*) (Acide muriatiqiie oxy-* gene), weil eS alle pflanzartigen Körper bleichet und ihre Farben so vertilgt, daß sie sich durch keine Alkalien wieher Herstellen lassen. Es hat ei, nen sehr stechenden erstickenden Geruch, tödtet die Thiere sehr schnell, die man in dasselbe einschließt, löst das Quecksilber schnell auf, und wird vom Wasser viel stärker, als die Kohlensäure, obgleich lange so stark nicht, als das gemeine kochfalzsaure Gas, verschluckt. Schwängert man mit Eis um, -ebnes Wasser stark mit her bleichenden Säure an, so geht sie darin langsam unter einer festen Ge» fifllt zu Grunde. Sie selbst gerinnt, wenn sie allein in Gläsern mit eingeriebnen Stöpseln auf« bewahret wird, bey einer mäßigen Kälte, und wird fest, durch die Wärme aber wieder luftfir, mig, woraus offenbar erhellet, dass sie sowohl, als daü gemeine kochsalzsaure Gas, aus welchem sie entspringt, bloße Dämpfe sind. Gemeiniglich destillirt man sie über Braunstein, und fängt sie über Wasser auf. Alsdann ist sie, so wie das mit ihr geschwängerte Wasser, blaßgelb. Man erhält sie auch, wenn man ein Gemenge von Koch, salz und Braunstein mit verdünntem Vitriolöle be­ gießt, oder wen» man Kochsalzsäure mit Salpeter, saure vermischt, indem die erstre der letzter» eine» Theil ihrer säuernden Luft entzieht. Sie enthält «ine große Menge säuernder Luft, die mit der

♦) Auch dephlogistisirte Salzsäure.

Sechs und sechzigster Brief.

$22 Säure

selbst nur ganz los verbunden

ist,

und

durch sie eine viel stärker Ziehkraft gegen brenn­ bare Körper erlangt, als sie von Natur hat. Daher brennt ein angezündetes Licht in ihr, wie­ wohl mit etwas dunkler Flamme, Phosphor ent­ zündet sich von selbst in ihr, und eben das thun Kohle, Zinnober, Spießglas, Wißmuth, Zink, Goldblättchen und andre Körper, wenn man sie gepülvcrt in das bleichende kochsalzsaure Gas schüt­ tet und dieses bis auf 13 bis 15 Französische Grade erwärmt. Auch Schwefel verwandelt sich in ihm in Schwefelsäure; das Ammoniakgas aber in einen feuchten Rauch, oder es entzündet sich gar mit einer rothen Flamme, und man erhält in beiden Fällen Wasser, Stickluft und gemeines kochsalzsaures Gas. Mit brennbarer Luft gemischt läßt sich das bleichende Gas mit einem Schlage entzünden, und aus der geschwefelten brennbaren Luft schlägt es den Schwefel nieder, das schweflichtsaure Gas aber verwandelt es in Schwefelsäure.

Sechs und

sechzigster Brief.

Wenn Sie sich überzeugen wollen, daß das blei­ chende kochsalzsaure Gas bloß aus säuernder Luft und gemeinem kvchsalzsaurem Gas besteht, so dür­ fen Sie mit dem erstern nur etwas destillirtes Wasser schwängern, dieses in eine Flasche gießen, an welcher eine etwas lange gekrümmte Röhre be­ findlich ist, die Röhre unter eine mit reinem Was-

Sechs und sechzigster Brief.

$22 Säure

selbst nur ganz los verbunden

ist,

und

durch sie eine viel stärker Ziehkraft gegen brenn­ bare Körper erlangt, als sie von Natur hat. Daher brennt ein angezündetes Licht in ihr, wie­ wohl mit etwas dunkler Flamme, Phosphor ent­ zündet sich von selbst in ihr, und eben das thun Kohle, Zinnober, Spießglas, Wißmuth, Zink, Goldblättchen und andre Körper, wenn man sie gepülvcrt in das bleichende kochsalzsaure Gas schüt­ tet und dieses bis auf 13 bis 15 Französische Grade erwärmt. Auch Schwefel verwandelt sich in ihm in Schwefelsäure; das Ammoniakgas aber in einen feuchten Rauch, oder es entzündet sich gar mit einer rothen Flamme, und man erhält in beiden Fällen Wasser, Stickluft und gemeines kochsalzsaures Gas. Mit brennbarer Luft gemischt läßt sich das bleichende Gas mit einem Schlage entzünden, und aus der geschwefelten brennbaren Luft schlägt es den Schwefel nieder, das schweflichtsaure Gas aber verwandelt es in Schwefelsäure.

Sechs und

sechzigster Brief.

Wenn Sie sich überzeugen wollen, daß das blei­ chende kochsalzsaure Gas bloß aus säuernder Luft und gemeinem kvchsalzsaurem Gas besteht, so dür­ fen Sie mit dem erstern nur etwas destillirtes Wasser schwängern, dieses in eine Flasche gießen, an welcher eine etwas lange gekrümmte Röhre be­ findlich ist, die Röhre unter eine mit reinem Was-

Die bleichende Kochsalzsäure.

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ser gefüllte Glocke tauchen und die ganze Zurü­ stung an die Sonne stellen. So werden Sie ser sehen, daß das Licht, wegen seiner großen Verr wandtschaft zum Säurestoffe, nach und nach immer mehrere Blaschen aus dem geschwängerten Wasser

der Flasche loereißet, welche in der Glocke auf­ steigen und die reinste säuernde Luft enthalten.

Zugleich verliert jenes Wasser seinen Geruch und Farbe immer mehr und enthält zuletzt nichts wei­ ter, als gemeine Kochsalzsäure. Eben so verwan­ delt sich die bleichende in gemeine Kochsalzsäure in allen Fällen, wo sie bey der Vermischung mit andern Materien ihre säuernde Luft abgiebt. Mit dem Gewächsalkali gesättigt giebt die bleichende Kvchsalzfäure ein Salz (Muriate oxygene de Potasse), welches man nach seinem Er­ finder den Salpeter oder besser das Salz des Bcrthollet nennt. Es verpufft mit Kohlen und Schwefel noch heftiger, als der Salpeter, und eben deßhalb hat mau es Salpeter genannt; ja mit dem Phosphor zusammen gerieben entzündet

es sich mit einem ungemein starken und gefährli­ chen Schlage und Knalle. Diese Wirkung rührt von der vielen zusammen gezognen säuernden Luft der bleichenden Säure her, und gab Gelegenheit dazu, daß man in Frankreich versuchte Schießpul­ ver aus jenem Salze zu verfertigen. Allein man mußte von diesem Versuche abstehen, da dieses neue, obgleich sehr kräftige, Schießpulver so sehr gefährlich zu behandeln ist, und sich, wegen der außerordentlich starken Ziehkraft der bleichenden Säure zu brennbaren Körpern, so ungemein leicht entzündet. Fast noch gefährlicher scheint das aus bletchender Kochsalzsäure und Minrralalkali berei­ tete Salj (Muriate oxygene' de Sonde) zu seyn.

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Sechs und sechzigster Brief.

Anderthalb Gran davon mit Schwefel gerieben^ gaben Anfangs knisternde Funken, und entzündeten sich hernach plötzlich mit einem betäubenden Knalle und einer 2 Fuß hohen Flamme, ungeachtet ein halber Gran Salz noch -brig geblieben war, Per sich nicht entzündet hatte. r* Aber am merkwürdigsten Wird Pie bleichende Kochsalzsäure dadurch, daß sie, nach Pen Entde«kungen des Herrn Berthollet, mit sehr vielem Vortheile bey Bleichung der Leinwand und Pes Garns gebraucht werden kann. Wan braucht sie auch wirklich in dieser Absicht an vielen Orten, und ich habe selbst schon im Jahre 1791 eine Bleiche von der Art zu Nachod in Böhmen und die Proben sowohl an Leinwand als Garn gesehn, welche sie lieferte. Jene Saure vertilgt alle Pflanzenfarben, und also auch die natürliche Farbe der Leinwand, des Garns und der Baumwollen­ zeuge. Indem sie sie aber vertilgt, verwandelt sie sich selbst in gemeine Kochsalzsaure, welches bewei­ set, daß bloß der Sauerstoff die Farben vernich­ tet. Indessen widersteht ihr die gelbe Farbe am stärksten und längsten, ja sie kommt, tpeny gleich sie schon durch sie vernichtet wykden ist, oft wie­ der zum Vorschein, wenn man Pen gebleichten Körper mit einem Alkali begießt, oder auch nur lange liegen läßt. 2 Daher wird auch Leinwand und Garn, welches man durch die bleichende Kvchsalzsaqre, dem Anscheine nach, bereits vyllkvmmen gebleicht hat, oft wieder schmutzig und gelblicht, wenn man sie lange liegen laßt, oder in eine Lauge bringt. Herr Berthollet fand, daß man diesem Fehler Vorbeugen, und der Leinwand eine dauerhafte Weiße geben kann, wen» man sie wer rstgstens 2 bis z Stunden lang in einer ätzenden,.

D!e bleichende Kochsalzsäure.

Z2Z

recht heißen Lauge liegen läßt, und abwechselnd laugt und in die bleichende Säure bringt. Das bleichende kochsalzsaure Gas ist zum Bleie chen so gut nicht zu brauchen, als das mit die» sem Gae geschwängerte Wasser, und daher bedient Man sich, wenn man bleichen will, einer großen Mit Wasser gefüllten Wanne, in welche man jenes GaS durch eine eigne Röhre leitet, indem man die Vermischung desselben mit dem Wasser durch eine besondre Vorrichtung, und durch Umrühren des Wassers, zu befördern sucht. Man destilliret es aus gutem und reinem Braunsteine und Kochsalze^ die man pülvert und sorgfältig vermischt, hernach aber mit verdünntem Vitriolöle begießt. Aus dem Destillirkolben geht eine Röhre in eine Mittel­ flasche, um die übergehende gemeine Kvchsalzsaure aufzufattgen; aus der Flasche aber erhebt sich eine andre Röhre, welche in die mit Wasser gefüllte Wanne 'geht, und zur Ableitung des bleichenden kochsalzsauern Gas dient. Sobald das Wasser der Wanne gehörig geschwängert ist, zapft man es in Kufen ab, und läßt es über die Leinwand fließen. Denn es greift die Wanne an, wenn sie von Holz ist und man es lange darin stehen läßt. Es muß auch diese, so wie die Kufen, ohne alles Metall und Eisen seyn, weil jene Säuren das Eisen an­ greifen, und die Leinwand mit dem Roste dessel­ ben beflecken würde. Die Leinwand aber muß, ehe man sie in die Säure bringt, vorher an 24 Stunden in Wasser, sodann in einer guten Lauge, liegen, und zuletzt recht gut ausgewaschen werden. Denn da di« bleichende Säure kostbar ist, so gewinnt man da­ bey, wenn man allen Schmutz, der nur durch die Lauge fortgeschaft werden kann, vorher durch si«

j26

Sechs und sechzigster Brief,

aus der Leinwand fortschaft, «he man sie in dis Säure legt. Man läßt sie an drey Stunden in ihr liegen, wäscht sie hierauf mit Lauge aus, und legt sie aufs neue in die Kufe, um sie mit fri­ scher Säure zu tränken. Dieses Tränken, welches aber nur | Stunde dauern darf, und das Wa­ schen mit Lauge wiederholt man 4 bis 8 Mal, Lis die Leinwand beym Laugen ihre Farbe nicht 4m geringsten mehr verändert. Alsdann taucht man sie zuletzt noch in saure Milch oder in Wasser, zu welchem man etwa Vitriolöl gemischt hat. Denn nimmt man von dem letzter» etwas zu viel, so wird die Leinwand geschwächt; beobachtet man aber das angegebne Verhältniß, so bleibt die Lein­ wand bey ihrer vollen Starke, und ihre Weiß« erhält einen gewissen Glanz. Baumwolle läßt sich leichter und kürzer blei­

chen, als Flachs oder Hanf, und zwey oder drey abwechselnde Eintauchungen in Lauge und Säure sind hinreichend. Wenn die bleichende Saure schon so erschöpft ist, daß sie auf Flachs gar keine Wirkung weiter äußert, so ist sie zu Bleichung der Baumwolle noch immer stark genug. Daher ist es sehr vvrkheilhaft, allemal bey dem Bleichen Flachs und Baumwolle zu verbinden, und die Saure so stark zu nutzen und zu erschöpfen, als möglich. Am schwersten läßt Zwirn und Garn, wegen seiner vielen Oberflächen, sich bleichen; feine Leinwand aber wird eher weiß, und braucht, nach Verhält­ niß ihrer Länge, wegen der kleinen Masse, nicht so viele Saure, als grobe. Wenn man bey die, ser Art von Bleiche gehörig verfährt, so wird die Leinwand und das Garn dadurch nicht im gering, sten geschwächt, wie ich aus eigner Erfahrung weiß; wenn man aber die Saure zu stark machte.

Die bleichende Kochsalzsäure.

oder sonst unvorsichtig

verführe,

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so könnte die

Stärke der Leinwand allerdings leiden. Daher ist es nöthig vorher durch besondre Proben die Stärke

der Säure zu untersuchen und zu bestimmen. Man hat versucht, in dem mir bleichender Koche saljsäure geschwängerten Wasser Pottasche aufzulösen/ und mit dieser Flüssigkeit in der That schnelk«r gebleicht/ als nach der bisher beschriebnen Me» thvde. Allein dieses Verfahren ist nachtheilig, weil sich dadurch/ bey einer gleichen Menge von Saure/ viel weniger bleichen läßt/ als auf die be­ schriebne Art. Denn es bildet sich in der Mischung von Säure und Pottasche der sogenannte Salpeter

des Berthoüet/ der zum Bleichen ganz untauglich ist/ und alsd verloren geht/ weil er die Pflanzen­ farben nicht zerstört. Da die gemeine Art zu bleichen so kostbar und so langweilig ist/ so läßt sich leicht etnsehen/ von

welcher Wichtigkeit diese neue Erfindung seyn muß/ durch welche man zu jeder Jahrszeit in 5 bis 6 Tage»/ wenn man ins Große arbeitet/ und im Kleinen in 2 bis 3 Tage»/ alles aufs vollkommenste zu bleichen in den Stand gesetzt wird/ und die Leinwand/ und das Garn wirklich nicht so sehr an­ gegriffen werden / als bey der gemeinen Art zu bleichen. Ja es scheint sogar daß die Baumwvl-

lenzeuge/ anstatt durch die neue Art der Bleiche an ihrer Stärke zu verlieren/ dadurch noch fester und dauerhafter werden. Ucberdem kann man aus den Ueberbleibseln nach dem Destillircn/ durch gewisse Handgriffe/ das Mineralalkaii absondern/ und da­ durch einen Vortheil erhalte»/ der die Kosten der bleichenden Säure fast vollkommen aufwiegt. Wenn

man nun noch mit einer solchen Bleiche im Großen die Verfertigung des Vitrivlöls und einig« andre

528

Sechs und sechzigster Brief.

Vortheile verbindet, so muß dadurch diese neus Art zu bleichen außerordentlich wohlfeil und vortheilhaft werden. Ueberdieses läßt sich durch das bleichende saljsaure Gas auch das Wachs bleichen! und schmutzigem altem Papiere seine ursprüngliche Weiße wieder geben.

Ich komme jetzt auf das flaßspatsaure Gat (Gaz acide fluorique) welches man aus dem Steine erhalt, den man Flußspat nennt. Es ist das eine zige, welches das Glas und alle Kieselerden ant greift und zerfrißt. Um es zu erhalten, schüttet man -gepülverten Flußspat in eine bleyerne Retorte, giesst Vitriolöl drüber, und läßt bey einer gelinden Warme das Gas durch eine gekrümmte Röhre un­ ter eine Glocke der Quecksilbervorrichtung gehen. Es verwandelt sich, wenn es die atmosphä­ rische Luft berührt, in einen feuchten Rauch, wird vom Wasser völlig verschluckt und verdichtet, riecht nach Safran, wie die Kochsalzsäure, ist ungefähr dreymal so schwer, als die gemeine Luft, dabey sehr sauer, und zur Unterhaltung einer Flamme so wie zum Athemholen gleich ungeschickt. Es trübt das Kalkwaffer und verbindet sich mit der Kalkerde zu Flußspat, der im Wasser unauflöslich ist, und seine Saure auch bey der stärksten Erhitzung nicht fahren läßt, aber schmelzbar ist, und im Flusse andre Erdarten auflöst, daher er auch beym Aus­ schmelzen der Metalle gebraucht wird, und den Namen des Flußspats erhalten hat. Man findet ihn in der Natur in würfligen Krystallen, mehr oder weniger durchsichtig, und aufs schönste und mannigfaltigste gefärbt. Wenn er erhitzt wird, leuchtet er im Dunkeln, und er wird daher zu den phosphvrescirenden Steinen gerechnet. Wen»

Dir Flußspatsäure.

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Wen» dieses Gas in einer gläsernen Retorte destillirt wird, so setzt es, indem es vom Wasser verschluckt wird, eine kieftligte Rinde ab. Jede Luftblase verwandelt sich gleichsam in eine steinerne Kugel, deren Trümmern sich beym Zerspringen auf der Wasserfläche verbreiten. Sie sehen hieraus, daß selbst die sonst so feste, schwere und feuerbeständige Kieselerde durch diese Säure verflüchtigt, und luft­ förmig gemacht wird. Das saure Gas muß diese Erde fahren lassen, wenn es vom Wasser verschluckt wird; wird es aber vom reinsten Weingeiste oder Alkohol eingesogen, so behält es die Erde aufgelöst in sich, und setzet sie nicht ab. Man kann mit diesem Gas und dem weißen Rauche, in welchen es sich in freyer Luft verwan­ delt, in Glas ätzen. Man überzieht eine Glas­ platte mit Aetzgrund, und radirt darauf. Als­ dann schüttet man zerstvßnen Flußspat in einen kleinen Kolben, begießt ihn mit Vitriolöl, und setzt den Kolben in glühende Asche. Ueber den aufsteigenden Rauch hält man die radirte Seite

der Glasplatte, nachdem man vorher die nicht radirie mit Wachs überzogen hat, um zu verhindern, daß die sauren Dämvfe sie nicht matt fressen. Sv ist in weniger als einer Viertelstunde alles, bis auf die feinsten Züge, ins Glas geätzt. Anmerkungen.

1. Nicht nur die mit der bleichenden Kochsalz­ säure versetzten Alkalien, und Salze, sondern auch fast alle salpetersaure metallische Salze, wenn man sie mit Schwefel oder Kohlen, und vorzüglich wenn man sie mit etwas Phosphor vermischt, verpuffen, und zwar oft mit großer Heftigkeit, durch ein Hube Naturl 1 ?f>. E l

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Sieben und sechzigster Brief.

starkes Reiben oder durch ein heftiges Schlagen mit einem Hammer. Auch das salzsaure Ammoniak ver, pufft auf «ine ähnliche Art. Vorzüglich find die Kalke von Gold/ Silber und Quecksilber sehr zum Verpuffen geneigt. 2. Man hat dem bleichenden Wasser haupt­ sächlich deßhalb einen Zusatz von Alkali gegeben, weil es an sich, wegen seiner erstickenden Dämpfe, in offenen Gefäßen schwer zu behandeln und den Arbeitern gefährlich ist, das Alkali aber ihm diese erstickende Eigenschaft benimmt. Da indessen durch das Alkali zugleich die bleichende Kraft des Wassers vermindert wird, so ist es besser die Zeuge in ver» schloßnen Gefäßen, die dazu gehörig eingerichtet sind, mit der bleichenden Säure ohne allen Zusatz zu tränken, als diese durch einen alkalischen Zusatz zu schwächen.

Sieben und sechzigster Brief. Keine Materie säuert sich wohl auf so mancherley Art als der Stickstoff, welcher, nach den Dersu» chen des Herrn Cavendish, die fäuerbare Grund» läge der Salpetersäure ausmacht. Indessen wol» len wir unter den Produkten dieser Säuerung hauptsächlich nur zwey« bemerken: die vollkomm» ne Salpetersäure nämlich (Acide nitrique), und das Salpetergas (Gaz nitreux). Die erstre findet man in dem gemeinen Salpeter, durch dessen Verpuffen mit Kohlen sie gänzlich zerstört

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Sieben und sechzigster Brief.

starkes Reiben oder durch ein heftiges Schlagen mit einem Hammer. Auch das salzsaure Ammoniak ver, pufft auf «ine ähnliche Art. Vorzüglich find die Kalke von Gold/ Silber und Quecksilber sehr zum Verpuffen geneigt. 2. Man hat dem bleichenden Wasser haupt­ sächlich deßhalb einen Zusatz von Alkali gegeben, weil es an sich, wegen seiner erstickenden Dämpfe, in offenen Gefäßen schwer zu behandeln und den Arbeitern gefährlich ist, das Alkali aber ihm diese erstickende Eigenschaft benimmt. Da indessen durch das Alkali zugleich die bleichende Kraft des Wassers vermindert wird, so ist es besser die Zeuge in ver» schloßnen Gefäßen, die dazu gehörig eingerichtet sind, mit der bleichenden Säure ohne allen Zusatz zu tränken, als diese durch einen alkalischen Zusatz zu schwächen.

Sieben und sechzigster Brief. Keine Materie säuert sich wohl auf so mancherley Art als der Stickstoff, welcher, nach den Dersu» chen des Herrn Cavendish, die fäuerbare Grund» läge der Salpetersäure ausmacht. Indessen wol» len wir unter den Produkten dieser Säuerung hauptsächlich nur zwey« bemerken: die vollkomm» ne Salpetersäure nämlich (Acide nitrique), und das Salpetergas (Gaz nitreux). Die erstre findet man in dem gemeinen Salpeter, durch dessen Verpuffen mit Kohlen sie gänzlich zerstört

Dar Salpetergas.

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wird, so daß nichts, als kohlensaures GewLchsalkalt, Stickluft, und Kohlensäure übrig bleibt, deren die letztre aus der Verbindung der säuernden Luft des Salpeters mit dem Stoffe der Kohlen entsteht. Wenn man also Salpeter mit Kohlen in einem verschloßnen Raume verpuffen läßt, und die da, durch erjeugten Luftarlen sammlet, so kann man jiemltch wahrscheinlich berechnen, in welchem Der» hältnisse der Stickstoff mit dem Säurestoffe in der vollkommnen Salpetersäure verbunden ist. kavoifier fand, daß diese Säure gegen 20s Theile Stick­ stoff 79! Theile Säurestoff enthält. Durch andre Versuche bestimmte er in dem Salpetergas das Verhältniß jener beiden Stoffe auf 20s gegen 43s Theile. Man kann also sagen, daß der Stickstoff sich zum Säurestvffe, in der vollkommnen Salpe­ tersäure ungefähr wie i zu 4, und in dem Salpetergas, wie t zu 2, verhalte. Man kann die Salpetersäure aus dem Sal­ peter durch die Schwefelsäure, welche zu dem Ge­ wächsalkali eine größere Verwandtschaft hat, ver­ treiben; allein man erhält fie auf Diese Art nie vollkommen, weil ein Theil ihrer säuernden Luft, mit welcher ihre Grundlage nur schwach zusammen, hängt, von ihr getrennt wird. ES geht also zu­ erst eine unvollkvmmne Salpetersäure (Acide nitreux), und zuletzt säuernde Luft über. Und so verhält sich die Sache auch in andern Fällen; je heftiger und schneller die Salpetersäure losgeriffen wird, um desto unvvükommner ist fie. Sie besteht aber alsdann allemal aus zweyen verschied» nen Theilen, nämlich aus voükommner Säure undaus Salpetergas. Setzen Sie z. B. in einer unvoll« kominnen Säure verhalte fich der Stickstoff zum Säurestvffe, wie 1 zu 3; so macht die eine Hälfte

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Sieben und sechzigster Brief,

des erster» mit 2 Theilen des letzter« vvllkvmmne Salpetersäure, die andre Hälfte des erster» hin­ gegen mit dem dritten Theile des letzter» Salpe­ tergas. Run ist daS letztre im Wasser unverdicht­ bar und luftfdrmig. Daher erhebt es sich bestän­ dig, und die uavoükommne Säure raucht um desto stärker, je unvostkommner sie ist. So bald aber jenes Gas die Luft berührt, saugt es Säure­ stoss ein, und verwandelt sich in einen feuchten rothen Rauch. Ist nun die Saure sehr kvnzentrirt, so hat sie nicht Wasser genug um allen die­ sen Rauch zu verdichten. Er bleibt also in dem verschlvßnen Gefäße noch immer mit dem übrigen Gas verbunden, giebt der ganzen Säure eine rothe Farbe und füllt den ganzen leeren Raum des Gefäßes aus. Gießt man aber zu der Säure in hinlänglicher Menge Wasser zu, so werden alle die rothen Rebel unter Erhitzung verdichtet, und durch die Hitze wirb das übrige noch nicht ge­ säuerte Gas vertrieben und zerstreut. Die Säure selbst wird erstlich grün, hernach blau, hernach ganz farbeulos, so wie die voükommne Salpeter­ säure, welche auch keinen rothen Rauch ausstößt. Sie ist alsdann auch wirklich eine vollkommne wie­ wohl mit vielem Wasser verdünnte Salpetersäure, oder ein Scheidewasser. Sie erhalten also das Salpetergas allezeit, wenn Sie die rothen Rebel der Salpetersäure so auffangen, daß der Luft aller Zugang zu ihnen abgeschnitten wird. Denn in der That bestehen diese Rebel bloß aus Gas, wovon ein Theil sich zu sauern und in einen feuchten Rauch zu verdich­ ten anfängt. Gießen Sie Scheidewasser auf Me, talle oder andre brennbare Körper, so zeigen sich die rothen Rebel mehrentheils sogleich. Denn auch

Das Salpetergas

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in der Salpetersäure hat die säuernde Luft «ine ungemeine Ziehkraft gegen brennbare Körper. Wenn vollkommne konjkntrirte Salpetersäure sogar nur mit einem Strohhalme oder Holjspahne berührt wird, so wirkt sie auf ihn, wie Feuer, wird gleich gclbroth, und fängt an zu rauchen, weil der verbrannte Körper ihr säuernde Luft raubt. Füllen Sie daher eine kleine Flasche mit Kupfer­ drahte oder Messingspähncn ganj an, gießen Sie verdünnte reine Salpetersäure darüber, so daß die Flasche voll und die gemeine Luft ganz ausge­ schlossen wird, und lassen Sie auS ihrer Mün­ dung eine krumme Röhre unter eine im Wasser stehende und damit angefüllte Glocke gehn, so werden Sie, indem das Metall sich mit Aufbrau­ sen auflöst, eine Menge von Salpetergas unter der Glocke erhalten. Dieses Eaö ist, so lange es die äußere Luft nicht berührt, ohne alle Farbe, ohne Geruch, ohne Geschmack, ohne eine Spur von Säure, höchst untauglich zum Athmen und zur Unterhaltung einer Flamme, und kaum um £ eigenthümlich schwerer, als die gemeine just. Es widersteht der Fäulniß sehr stark, und wird durch'die Kälte zu Tropfen, ja zuletzt zu Eis, verdichtet. Don luftleerem Was­ ser wird es ungefähr in der Menge, wie die ge­ meine Luft, aufgelöst, und verwandelt sich in ihm, wenn hernach das Wasser der freyen Luft ausge­ setzt wird, in Salpetersäure. Don einer Auflö­ sung grünen Vitriols im Wasser wird es gänzlich verschluckt, und man kann daher finden, wenn man es mit einer solchen Auflösung wäscht, wie viele Stickluft es enthält, weil diese nach dem Waschen übrig bleibt. Wenn man gemeine Luft unter ein verschloßnes Gefäß zu ihm läßt, so ver«

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Sieben und sechzigster Brief,

schluckt es sogleich den säuernden Theil derselben, verliert seine Luftform, und verwandelt sich in einen rvthgelben Rauch, den das Wasser verschluckt und verdichtet. Ungefähr 16 Kubikzvlle gemeine Luft vernichten 7| Kubikzoll Salpetergas, so daß zu­ letzt nichts übrig bleibt, als die Stickluft des at­ mosphärischen Luftkheils. Vermischt man aber un­ gefähr 4 Kubikzoll« reine säuernde just mit Kubikjollen reinem Salpetergas, so vernichten sich beide ganz und gar, so daß gar nichts übrig bleibt. Beide Lvftarten nämlich bilden, indem sie sich, vereinigen, vollkommne Salpetersäure, welche sogleich das Wasser verschluckt. Ich habe Ihnen gesagt, daß jede unvollkommne Salpetersäure aus vvllkommnrr und aus Salpeter­ gas besteht. Aber selbst dieses letztre verwandelt sich, wenn es lange aufbehalten wird, immer mehr, und zuletzt gänzlich, in vollkommne Salpetersäure und Stickluft. Es besteht nämlich aus 2 Theilen Sauerstoff und einen Theile Stickstoff. Don dem letzter» verbindet sich allmählich die Hälfte mit dem ganzen Sauerstoffe zu vollkommne« Säure, welche das Wasser verschluckt, und es bleibt nichts übrig, als die andre Hälfte von Stickstoff, die sich in Stickluft ausdehnt. Diese Veränderung kann man durch elektrische Funken beschleunigen, welche man durch das mit einer ätzenden Lauge gesperrte Salpetergas gehe» laßt. Das Gas ver­ mindert sich alsdann immer mehr, die Lauge fül­ let sich mit Salpetersäure an, und es bleibt nichts übrig, als Stickluft, die etwa 1 des Raums füllt, den vorher das Gas einnahm. Aber eine noch viel sonderbarere, Veränderung leidet das Salpetergas, wenn man es über feuch­ ter Eisenftilc oder über feuchter Schwefellcber sie-

Das Salpetergas

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her» läßt. Es vermindert sich, weil diese Körper einen Theil seiner säuernde» Luft verschlucken, und es verwandelt sich zuletzt durch diese Veränderung in ein Gas von ganz besondern Eigenschaften, wel­ ches ich gesäuertes Stickgas*) (Oxide da­ zote gazeux) nennen will. Es besieht ungefähr aus gleichen Theilen säuernder Luft und Stickluft, ynd man erhält es auch aus Zinn und Zink, wenn man sie in Schtldewaffer auflöst, oder aus salpetersaurem Ammoniak, wenn man es mit dreymal so vielem Sande vermengt destillirt. Dieses Gas wird vom Wasser eingesvgen, und bleibt ganz un­ verändert, wenn man es mit säuernder Luft oder mit Salpeterluft vermischt. Die säuernde Luft ist darin mit dem Stickstoffe auf eine so sonderbare Art verbunden, daß dieser jene keinem Körper, der mit ihr eine neue Säure erzeugen will, abgiebt, sie sich aber vom Wasserstoffe entreisse» läßt, wenn er sich mit ihr zu Wasser vereinigt. Daher ver­ löschen brennender Schwefel und selbst Phosphor, wie auch brennende Kohlen in diesem Gas, und Thiere ersticken darin sehr schnell; aber ein Licht brennt darin mit vermehrtem Glanze, und sogar der glimmende Docht desselben, oder vielmehr die aus ihm aufsteigende Drennluft, entzündet sich von selbst in ihm. Herr Priestley, welcher zuerst bemerkte, daß das mit Wasser gesperrte Salpetergas, wenn man es mit gemeiner Luft vermischt, sich selbst und die gemeine Luft um desto mehr vermindert, je besser diese ist und je weniger Stickluft sie enthält, be­ diente sich desselben, um die Güte der verschiednen Arten von gemeiner Luft zu bestimmen. Andre *) Man nennt es auch dcphlogistisirte Salpeterluft.

5 36

Sieben und sechzigster Brief.

Naturforscher folgten diesem Beyspiele und erdach­ ten Werkzeuge, durch welche man die Menge der in einer gewissen Masse gemeiner Luft enthaltnen säu­ ernden Luft bequem und richtig bestimmen könnte. Dergleichen Werkzeuge nannte man Eudiometer. Man hält dasjenige, welches Herr Fontana ange­ geben hat, für das einfachste und zuverlässigste. Es besteht aus einer allenthalben vollkommen gleich und etwa ■£ Zoll weiten, i8 bis 20 Zoll langen, oben bey A verschloßnen, unten bey B aber offnen und etwas erweiterten Glasröhre AB (Fig. 93. Taf. VIII.), die durch eingeschninene Striche, unge­ fähr von 3 zu 3 Zollen, vom obern Ende A an, In gleiche Theile abgetheilt ist. Jede dieser Ab­ theilungen läßt sich wieder, vermittelst einer Grad­ leiter C aufs genaueste in 100 gleiche Theile zer­ legen. Zu dieser Röhre gehört ein gläsernes Maß F, welches ganz genau so viel faßt, als eine Hauptabtheilung der Röhre von 3 Zollen, und welches aus einer kurzen oben verschloßnen Röhre von 2 Zollen, und etwa 1 Zoll im Durchmesser, besteht. Es ist mit seiner Oeffnung in eine kurze messingne trichterförmige Röhre eingeküttet, durch deren Mitte ein Schieber I gesteckt werden kann, um die Oeffnung des in die Rohre gekütteren Maßes ganz zu verschließen, und seine Luft, von per in A enthaltnen völlig abzuschneiden. Das Maß sowohl, als die gläserne Röhre AB, sind inwendig matt geschliffen, um das Anhängen des Wassers in Tropfen ay die innere Fläche des Gla­ ses zu verhindern. DE Wl eine etwa 3 Zoll weite und iZ Zoll lange oben offne und mit einem glä­ sernen Fuße versehene Glasröhre, die etwa 1 Zoll unter ihrer obern Mündung tintit messingnen Rand hat, innerhalb dessen sich zwey Ringe um Axen

Das Eudiometer.

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bewegen, welche machen, daß die Röhre des Lndio» Meters AB immer sich völlig vertikal stellt, wenn gleich die Röhre DE eine etwas schiefe Lage hat. Denn die röhrförmige Gradletter C hat oben und unten messingne Ringe, durch welche di« Röhre AB gesteckt wird, und unter dem untern Ringe 4 Zapfen, welche auf jenen Ringen der Röhre DE ruhen und dem Eudiometer AB zur Stütze dienen. Zugleich wird dieses durch eine unten an der Gradleiter befindliche mit Einschnitten versehene Röhre von Messingblech festgehalten, daß es in jeder Höhe oder Tiefe stehen bleibt, die man ihm giebt. So kann man, wie Sie leicht sehen, das eigent» liche Eudiometer, oder die Glasröhre AB, aus der Röhre DE und der Eradleiter C herausnehmen und besonders gebrauchen, oder sie auch, wen» es nöthig ist, durch die Gradleiter C stecken, und in der weiten Röhre DE gleichsam aufhängen. Bey dem Gebrauche füllet man erstlich im Luft» entbindungsgeräthe das Maß FH mit der Luftart, die man prüfen will, indem man es beym Schie­ ber hält, und diesen so weit heraufführt, daß seine Oberfläche mit der Wasserfläche fast gleich hoch ist, verschließt es nachher mit dem Schieber I, und kehrt cs unter dem Wasser um, damit die Luft unter dem Schieber nach H zu völlig herausgehe. Diese juft des Maßes läßt man hierauf in dem­ selben Gerärhe in das von seinen äußern Theilen entblößte Eudiometer AB gehn. Nun füllt man auf eine völlig ähnliche Art daß Maß mit reinem Salperergas, und läßt auch diese ins Eudiometer. Indem dieses aber geschieht, schüttelt mau das Eu­ diometer ein wenig, begießt es auch wol von außen mit kaltem Wasser, um ihm die Wärme desselben mitzntheilrn. -Hierauf hängt man es unter dem

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Sieben und sechzigster Brief.

Wasser in die ganz unters Wasser getauchte weite Röhre DE. Diese ganz mit Wasser gefüllte Röhre nimmt man hierauf, nebst dem Eudiometer darin, aus der Wanne, setzt sie auf einen Tisch, und zieht das Eudiometer so lange durch die Gradleiter her« auf, oder herunter, bis die Oberfläche des Wassers im Eudiometer mit dem obern Rande des untern Ringes der Gradleiter, von welchem die Einthei« lnng der Gradleiter anfängt, genau zusammen trifft, welches man am sichersten durch ein Vergrößerung^ glas beurtheilen kann. Fällt nun alsdann z. D. der sechzigste Grad der Gradlettec auf den ersten am Eudiometer selbst bemerkten Theilungsstrich, so sieht man daraus, daß die im Eudiometer enthalt« ne luftförmige Materie i Maß und betrage, und auf eine ähnliche Art kaun man in allen an« dern Fällen die Menge dieser Materie messen. Nun« mehr bringt man alles wieder ins Wasser der Wan« ne, nimmt unter demselben das Eudiometer aus der Röhre DE und der Gradleiter heraus, läßt noch ein Maß Salpetergas, völlig wie vorher, ins Eudiometer, schüttelt dieses, bringt es wieder in die Röhre DE und mißt aufs neue, nach dieser zweyten Verminderung, völlig so wie vorher, den Raum, den die luftförmige Materie im Eudiome« rrr einnimmt. Zu diesen eudiomekrischen Prüfun« gen gehört viele Uebung und viele Genauigkeit, wie auch frisch zubereitetes reines Salpetergas, wenn sie einigermaßen zuverlässig seyn sollen. Aber das Salpetergas, man mag es nun nach der gewöhnlichen Art aus Kupferfäden, die man mit verdünnter Salpetersäure begießt, oder auf eine andre Art zubereiten, ist allemal mehr oder weniger unrein, und besonders mit Stückluft ge« mischt. Ueberdieses zerlegt es sich leicht von selbst

Da« Eudiometer.

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in Salpetersäure und Stickluft, zu geschweige», daß es sich mit der im Wasser befindlichen Luft zu Salpetersäure vereinigt. Es scheint also zu recht genauen und zuverlässigen eudiometrischen Versu­ chen überhaupt wenig geschickt zu seyn. Man hat daher zu diesen Versuchen den Phosphor oder die Schwefelleber vorgeschlagen, die aber im Gebrauche auch nicht zuverlässig sind. Man läßt j. B. in eine allenthalben gleich weite und richtig eingetheilte Glasröhre, dergleichen AB im Eudiometer des Fontana iss, durch das Luftentbindungsgeräthe ein Maß gemeiner Lust und hernach ein Stückchen Kork, an welchem oben etwas reiner Phosphor, unten aber ein Faden befestigt ist, aufstetgen. Oer Phosphor zerfließt nach und nach in der eingeschloßnen Luft, und muß so lange darin gelassen wer­ den, bis er im Dunkeln nicht mehr leuchtet. Als­ dann zieht man ihn nebst dem Korke am Faden heraus und vergleicht, mit Rücksicht auf das Ba­ rometer und Thermometer, den Raum, den jetzt die noch übrige Luft einnimmt, mit demjenigen, den sie vorher eingenommen hatte. *) Hierauf gründet sich das Eudiometer des Rebvul. Indessen ist man überhaupt nie im Stande, das Verhältniß des in den verschiednen Gattungen gemeiner Luft enthaltnen Säurestoffes genau zu be­ stimmen. Denn jede Luft ist feucht und durch die eudiometrischen Mittel verdichtet man nicht bloß die säuernde Luft, sondern auch die feuchten Dünste. •) Der Phosphor verschluckt auf diese Art die säuernde Luft nie, oder höchst selten, gänzlich; Siehe S> 505. aber da- Salpetergas verschluckt sie ganz, wenn es auf die gehörige Art gebraucht wird, und man erfährt durch das Waschen mit einer Vitriolauflösung, wie viele Stickluft es selbst erhält. Siehe S. 533.

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Sieben und sechzigster Vries.

Sind diese nun von der ersten Art, so wird sich bey der Prüfung eine feuchte Luft allemal merklich stärker zusammenziehen, als eine trockne, wenn

gleich beide gleich gut sind, und daher jene gesün­ der und besser zu seyn scheinen, als diese. So fand Herr von Saussüre die Luft auf den Alpen um desto schlechter, je höher er stieg, weil sie immer trockner wurde. Ueber den hohen Eisflächen, wo die Luft feucht war, schien sie ihm auf einmal besser zu werden. So fand Herr Jngenhouß die feuchte Seeluft gesünder, als die trockne Landluft. Und auf dem Lande scheint mehrentheils, bey Hellem Wetter und hohem Barometerstände, die Luft schlech­ ter, als beym Regen und verminderten Drucke der Atmosphäre. Herr von Humbold hat gefunden, daß die Dammerde, der Kalk, der Thon und die Schwer­ erde, wenn sie feucht sind, aus der Atmosphäre den Säurestoff verschlucken, trocken aber auf die

Luft nicht wirken. Mit der Dammerde kann man bey io Französischen Graden Wärme den Säure­

stoff aus der eingeschlvßnen Luft so abscheiben, daß zuletzt nichts, als reine Stickluft, übrig bleibt. Dieses neue eudiometrische Mittel scheint wirksamer zu seyn, als der Phosphor und die Schwefelleber.

Zusatz. Da die Briefe des ersten und zweyten Bandes dieses Werks bereits vor anderthalb Jahren geschrieben wäre den sind, so habe ich in ihnen einiger merkwürdigen nach der Zeit in der Naturlehre gemachten Entdeckung gen nicht erwähnen können. Ich will also hier weatgstens diejenige, welche mir beynahe die wichtigste zu seyn scheint, ganz kurz anführen. Sie betrifft einen neuen elektrischen Apparat des Herrn Volta.

Nicht nur das Quecksilber zerlegt, auch bey sehr geringer Wärme, das Wasser, wie ich im I. Bande S. 284 erwähnt habe, sondern auch andre Metalle thun ebendasselbe, und zwar, welches höchst sondere bar ist, am meisten und merklichsten, wen« verschie­ dene nasse Metalle auf oder an einander liegen, als Zink und Silber, Bley und Quecksilber, Eisen und Kupfer v. s. w. (Humbold Versuche I. 473.) Vor­ züglich wird diese Zerlegung durch Wärme oder durch gewisse salzige Säfte, mit welchen man die Metall« befeuchtet, befördert. Nun habe ich bey verschiedenen Gelegenheiten be­ merkt und gezeigt, daß der Wasserstoff zu den elektri­ schen Stoffen eine sehr große Verwandtschaft hat, und daher von dem einen stark ««gezogen, von dem an­ dern aber zurückgestvßen wird. (S. 358.422.475.) Indem also das feuchte Metall diesen Stoff vom Säurestoff« trennt und das Wasser zerlegt, muß der abgesonderte Wasserstoff die beiden elektrischen Stoff« Hube 8. Lh. MM

542

Zusatz.

in dem Metalle trennen, den einen fortstoßen, den andern aber anziehen, und so das Metall elektrisiren. Diese in eines fortgehende Elektrisirnng ist schon bey zwey Platten von Metall etwas merklich, aber noch viel deutlicher in dem neuen elektrischen Appa­ rate des Herrn Volta. Dieser Apparat ist eine aus einer großen Anzahl gleicher Scheiben von Zink, Sil, der und nassem Leder oder Zeug zusammengesetzte Säule. Unten ist z. B. eine Scheibe von Silber, darauf liegt eine Scheibe nassen LederS, hernach folgt Silber, Zink, Leder, in vielen ähnlichen Schichten, und endlich liegt oben eine Scheibe von Zink. Ist diese Säule hoch genug, so erhält der, welcher oben den Zink und zugleich unten das Silber mit nassen Händen berührt, besonders wenn die Säule gut iso, ltrt ist, einen erschütternden Schlag. Man kann auch, anstatt einer solchen Säule, andre Verbin­ dungen verschiedner feuchter Metalle wählen. Daß aber hier eine wirkliche immerfort dauernde Elektrisirnng statt findet, zeigt nicht nur jener Schlag, sondern auch das Elektrometer und Ver elektrische Funken. (Gilbert Annal. d. Phys. VI. 3. S. 360. 361.) Mit einem Worte: man findet hier alle mög, liche Merkmale, woraus wir die elektrische Kraft erkennen. Daraus lassen sich eine Menge der sonderbarsten galvanischen Erscheinungen sehr leicht begreifen, welche:ich beschrieben habe, da die Nerven vorzüg­ lich gegen die Elektrizität ungemein reizbar sind; (I. Band S. 522) und überhaupt sind wahrschein­ lich bloß diejenigen galvanischen Leiter zugleich R e i, z e r, welche sich elektrisiren. (I. Band S. 513.) Indessen bleibt es freilich immer unerklärbar, warum bey der Verbindung mit Zink und Silber die Silber­ scheibe des einen Endes allezeit negativ, und die

Zusaß

543

Zinkscheibe des andern Endes allezeit positiv bleibt. (Gilbert VI. 3. S. 353.) Aber das außerordentlichste ist, daß der Wassert stoss sich mit der negativen und der Säurestoff mit der positiven elektrischen Materie so genau vereinigt, daß beide Stoffe an zwey Drachen, die mit den bei­ den äußersten Metallscheiben Gemeinschaft haben, und deren andre Enden in eine mit Wasser gefüllte Röhre gehen, geleitet werden; und indem die elektrischen Materien aus den Spitzen der Dräthe in der Röhre in einander übergehen und sich von jenen Stoffen los­ reissen, daselbst brennbare Luft und säuernde liefern, oder daß durch den Säurestoff die eine Drathspitze verkalkt wird, woraus wahrscheinlich folgt, daß der Säurestvff die positive Materie eben so gut anzieht, als der Wasserstoff die negative. Denn daß jene Luftarten, oder vielmehr ihre Grundstoffe, nicht aus dem Wasser der Röhre, sondern ans der Feuchtigkeit zwischen den Metallscheiben entspringen, läßt sich durch verschiedne Erfahrungen sehr deutlich zeigen, auf welche ich mich aber hier nicht einlassen kann um nicht zu weitläuftig zu seyn. Das einzige füge ich noch hinzu, daß diese Ver­ suche über die Elektrizität feuchter Metalle die größte Aufmerksamkeit verdienen und wahrscheinlich zu höchst wichtigen Aufklärungen über viele natürliche Erschei­ nungen Gelegenheit geben werden. Aus der Art, wie die Säule des Volta auf die Zunge, das Auge und andre empfindliche Theile wirkt, wenn sie in di« Verbindung der beiden Dräthe gebracht werden, (Vogts Magaz. II. 2. S.361) wird es höchst wahr­ scheinlich, daß die sogenannte» galvanischen Materien nichts weiter sind, als die elektrischen, ver­ bunden mit Wasserstoff und Säurestoff. Die orga­ nischen Körper nämlich haben in einem noch viel

544

Zusah.

hohem Grade als die Metall« die Fähigkeit, auch bey einer geringen Wärme das Wasser zu zerlegen, und es scheint, daß hterbey die Muskeln und Nerven der Thiere fich eben so verhalten, als verschiedne Metalle, welche an einander liegen. Durch diese Zerlegung aber werden die Thiere, so lange sie leben, in eines fort innerlich elektrisirt.

Derbes.

Verbesserungen des II. Bandes.

S. VIL Z. 16» — IX. --- 20.

— XIV. --- I.

— XIX. — 4. — XXV. --- 17* — 2l. — — — —

22. 44. 46. 67.

— 19. — — — —

6. 21. 22. 6.

— 89» — 13. — 97. — 29. — 161. — 25.

— — 32. --- 212. --- 12. —

--- 220. --- 22.

— 228» --- 22. --- 237. — 26. --- 253. — 8. 1 --- 269 — 3o. — 271- — 8.

beweglichen Besen lies: bewegten Besen Gefäß ohne Hals, welches l. Gefäß, welches Tbone macht man l. gemeinem Thone macht man sonst nichts enthalt l. sonst nichts fremdes enthält seinen heftigen l. seinen hefigten Ende des Stabes l. Ende des zweyten Stabes vorher gehenden l. vorhergehenden rechtwinklig l. rechtwinklicht senkrecht l. lothrecht vormittags wieder vermindere wird l. vormittags vermehrt und hernach wieder vermindert wird taucht sie l. taugt sie steht, — nach der l. steht, nach der dagegen eine Auflösung l. dagegen eine ähnliche Auflösung Kälte erzeugt l. Wärme erzeugt wie auch die Ausrottung l. wie auch durch Ausrottung Es platzt darin mit l. Es platzt darin oft mit fast kegelförmige l. fast kugelförmige so großen Höhe l. dreymal so großen Höhe id S. 254- Z- 27 u. 32. Runkel l. Kunkel Kryfiallisazionswaffers l. KrystallisazionSwaffer dergleichen Materie L dergleichen Ma­ terien

Parker erkaltet wird tet wird

l.

S. 276.

Z. 9.

— —

-* 32.

Lehms

— 19»

Dem sey auch

— 14» — I. --- 2.

sich ziemlich genau

Kugel, wenn

— 24.

aber er durch

— 323.

— 35»

niederschlagt, indem welche, indem

— 349— 363.

— 11.

dieser oder jener

— 31.

den größer»

— 386. •— —

— 27.

schung von Osten

— 35.

pat von der Sonne Sonne

— 284. — 293. — 309. — 318. — 320.

— 403.

l. Lehm

bereits sonst

daß die

schneller erkal/

l.

l.

Dem sey

ziemlich genau

l.

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l.

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t.

l. aber durch

l.

l.

niederschlägt,

l. diese oder jener

den großen l. chung von Osten

l.

spat von der

daß die Luft durch die

— 434-

— 3. — 2.

— 435.

— 35.

der elektrischen Materie schen und der Materie

l. der elektri­ l. wenn er in

Glühehitze verschluckt Menge verschluckt

l. Glühehitze in

— 440.

— r.

wenn er sehr schnell in

— 441.

— 5.

zubereitet, und

— 442.

— 26.

Von: Im Lichte — bis: zu erscheinen Z. 3Z. ist alles wegzustreichen.

l.

l. zubereicct hat, und

Luft

— 453.

— 18.

Lus

— 464.

— 28.

Von: wegen — bis: enthält Z. 30. ist alles wegzustreichen,

— 479» — 5Zr.

— 6. — 12.

trockner stoss 79i

l.

trocken

l. stoss und 79j