Vollkommenheit und Vollendung: Zur Anthropologie des Methodius von Olympus 3161472500, 9783161472503, 9783161586491

Das Thema von Verlust, Wiedergewinnung und Vollendung der menschlichen Vollkommenheit zieht sich wie ein roter Faden dur

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German Pages 453 Year 1999

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Titel
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Verzeichnis der Abkürzungen
1. Einleitung
1.1 Thema, Aufgabe und Methodik
1.2 Die Textgrundlage
1.2.1 Allgemeines
1.2.2 Das slawische Corpus Methodianum
Teil I: Terminologische Annäherung Methodius’ Begriffsbestimmung von τέλειος κτλ
2. Der Mensch – ein vollkommenes Geschöpf Gottes
2.1 Methodius’ Begriffsbestimmung von τέλειος
2.2 Die absolute Vollkommenheit Gottes: τέλειος δι᾽ έαυτόν
2.3 Die abgeleitete Vollkommenheit des Kosmos: τέλειος διὰ θεóν
2.4 Die abgeleitete Vollkommenheit des Menschen: seine Gottebenbildlichkeit
2.5 Die absolute Vollkommenheit des Sohnes und des Geistes in trinitarischer Differenzierung
Exkurs: Zur Kosmologie des Methodius
Teil II: Theologiegeschichtliche Untersuchung Vollkommenheit als Schlüsselkategorie der methodianischen Anthropologie
3. Der Verlust der ursprünglichen menschlichen Vollkommenheit
3.1 Die Frage nach dem Ursprung des Bösen nach De autexusio
3.2 Methodius’ Gegner: Kosmologische Antworten auf die Frage Πόθεν τὰ κακά;
3.2.1 Die mittelplatonische Antwort nach De autexusio
3.2.2 Die origenistische Antwort nach De autexusio und De creatis
3.2.3 Methodius’ Widerlegung der kosmologischen Lösungsansätze
3.3 Methodius’ anthropologischer Ansatz zur Beantwortung der Frage Πόθεν τὰ κακά;
3.3.1 Die Definition des Bösen als menschlicher Ungehorsam gegenüber Gott
3.3.2 Die menschliche Entscheidungsfreiheit als Ursprung des Bösen
Exkurs: Skizze der stoischen Handlungstheorie
3.3.3 Die Frage nach dem Schuldigen: Gott, der Teufel oder der Mensch?
3.3.4 Vertrat Methodius eine Erbsündenlehre?
3.4 Methodius’ differenziertes Sündenverständnis
3.4.1 Die Differenzierung zwischen der “Sündenwurzel” (ἁμαρτία) und den “Sündentrieben” (ἁμαρτήματα)
3.4.2 Die konkreten Formen der ἁμαρτήματα
3.5 Die Folgen des Sündenfalls: die Sterblichkeit des Menschen und der Sündentod
3.6 Methodius’ Sündenlehre und sein Verständnis menschlicher Unvollkommenheit
3.6.1 Der leibliche Tod als Verlust der Gottebenbildlichkeit, d.h. der Vollkommenheit
3.6.2 Das Vollkommene nicht in sich aufnehmen können
4. Die Wiedergewinnung der ursprünglichen menschlichen Vollkommenheit
4.1 Das Vollkommene in sich aufnehmen, d.h. Christus aufnehmen
4.1.1 Die grundlegende Neuschöpfung des Menschen in der Menschwerdung des Logos
Exkurs: Zur Schriftauslegung des Methodius
4.1.2 Erlösung als Zueignung der Neuschöpfung an jeden Einzelnen in der Taufe
4.2 Der Heilige Geist als Vollender der Menschen
4.3 Zur strukturellen Parallelität menschlicher Unvollkommenheit und Vollkommenheit
5. Die Manifestation wiedergewonnener Vollkommenheit: Parthenia
5.1 Zur Vergleichbarkeit des methodianischen und des platonischen Symposions
5.1.1 Methodische Vorüberlegungen
5.1.2 Generelle Vergleichspunkte
Exkurs: Der biblische Hintergrund von Methodius’ Rede von Parthenia
5.2 Parthenia versus Eros. Ein Vergleich der Reden von Sokrates und Thekla
5.2.1 Das Wesen des Eros
Exkurs: Dialektik als heilsrelevante Praxis bei Platon
5.2.2 Das Wesen der Parthenia
5.3 Zur philosophie- und theologiegeschichtlichen Einordnung von Methodius’ Interpretation des platonischen Symposions
5.3.1 Plotin: Περὶ Ἔρωτος (Enn. III 5)
5.3.2 Porphyr: Vita Plotini
5.3.3 Clemens Alexandrinus
5.3.4 Origenes
5.3.5 Ergebnis
Exkurs: Methodius in seinem Verhältnis zum Platonismus und zur Stoa
5.4 Parthenia und Taufe: Christus als Mittler und Archiparthenos
5.5 Methodius’ differenziertes Vollkommenheitsverständnis und die Bedeutung der Entscheidungsfreiheit des erlösten Menschen
5.5.1 Das Verhältnis von göttlicher Gnade und menschlichen Werken
5.5.2 Die ἀρηταί bzw. κατορθώματα im Gegensatz zu den ἁμαρτήματα
6. Die Habitualisierung wiedergewonnener Vollkommenheit im Christenleben
6.1 Das christliche Leben als Kampf zwischen Teufel und Mensch
6.2 Die zweite Buße zur Wiederherstellung der Taufvollkommenheit
6.2.1 Zur Forschungsgeschichte
6.2.2 Die Textgrundlage: lepr. VI,7–VIII,1 und Kontext
6.2.3 Der Gegenstand der Buße
6.2.4 Die von Methodius geforderte Bußpraxis
6.3 Verschiedene Grade der Vollkommenheit unter den Erlösten
7. Die eschatologische Vollendung der menschlichen Vollkommenheit
7.1 Die Vollkommenheit des auferstandenen Menschen an Leib und Seele
7.2 Vollendung als Neuschöpfung
7.3 Der Schöpfer und Neuschöpfer: Gott
7.4 Ergebnis: Die eschatologische Vollendung des Vervollkommnungsprozesses als Vollkommenheit διὰ θεόν
7.5 Differenzierung innerhalb der Vollendung? Besonderheiten des Symposiums
8. Rückblick und Zusammenfassung der theologiegeschichtlichen Untersuchung
Teil III: Kirchengeschichtliche Untersuchung Methodius’ Vollkommenheitsgedanke und seine eigene kirchliche Stellung
9. Der Vollkommenheitsgedanke des Methodius – Kennzeichen einer kirchlichen Elite oder ein gemeindenahes theologisches Konzept?
9.1 Die Aufgabe
9.2 Methodius’ Anthropologie und seine kirchliche Stellung
10. Zum Bischofsamt des Methodius
10.1 Methodius’ Verständnis des Bischofsamtes nach De lepra
10.2 Methodius’ Verständnis der eigenen Amtvollmacht
11. Zum Bischofssitz des Methodius
11.1 Die Problematik: Sechs verschiedene Bischofssitz-Traditionen
11.2 Die Olympus-Tradition
11.3 Die Tyrus-Tradition
11.4 Die Patara-Tradition
11.5 Die Myra-Tradition
11.6 Die Side-Tradition
11.7 Zwischenergebnis
11.7.1 Methodius, Bischof in Lykien
11.7.2 Rekonstruktion der Entstehung der verschiedenen Bischofssitz-Traditionen
11.8 Die Philippi-Tradition
12. Rückblick und Ergebnis der kirchengeschichtlichen Untersuchung
Anhänge, Literaturverzeichnis, Register
Anhänge
1. Kurzübersicht über Überlieferung, Aufbau und Inhalt der Schriften des Methodius
1.1 De autexusio
1.2 De cibis
1.3 De creatis
1.4 De lepra
1.5 De resurrectione
1.6 De sanguisuga
1.7 De vita
1.8 Symposium
1.9 Fragmente
1.10 Verlorene und unechte Schriften
2. Abbildung: Cod. Q.I. 265, f. 1r
3. Abbildung: Cod. Paris. gr. 1115, f. 182
4. Abbildung: Cod. Coisl. 294, f. 151 v
5. Abbildung: Der Hl. Methodius von Olympus bzw. Patara als Märtyrer (Fresko aus Voroneț, Rumänien)
6. Abbildung: Secutor (gr. σεκούτωρ bzw. ἀκόλουθος)
7. Übersichtskarte Kleinasiens
8. Karte Lykiens
Literaturverzeichnis
1. Handschriften, Handschriftenkataloge und -beschreibungen
2. Textausgaben und Übersetzungen
2.1 Werke des Methodius von Olympus
2.1.1 Verwendete Textausgaben und Übersetzungen
2.1.2 Weitere Textausgaben und Übersetzungen
2.2 Werke anderer antiker Schriftsteller
3. Verwendete Hilfsmittel
4. Sekundärliteratur
4.1 Sekundärliteratur zu Methodius von Olympus
4.2 Weitere verwendete Sekundärliteratur
Stellenregister
1. Biblische Schriften
2. Christliche und nichtchristliche antike Autoren
Register griechischer und slawischer Wörter
1. Register griechischer Wörter
2. Register slawischer Wörter
Personenregister
Sachregister
Stellenregister
Register griechischer und slawischer Wörter
Personenregister
Sachregister
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Vollkommenheit und Vollendung: Zur Anthropologie des Methodius von Olympus
 3161472500, 9783161472503, 9783161586491

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Studien und Texte zu Antike und Christentum Studies and Texts in Antiquity and Christianity Herausgeber/Editor:

CHRISTOPH MARKSCHIES

(Jena)

Beirat/Advisory Board H U B E R T CANCIK SUSANNA E L M

(Tübingen) • GIOVANNI CASADIO (Messina) (Berkeley) • J O H A N N E S H A H N (Münster) JÖRG R Ü P K E (Potsdam)

2

Katharina Bracht

Vollkommenheit und Vollendung Zur Anthropologie des Methodius von Olympus

Mohr Siebeck

KATHARINA BRACHT, geboren 1967; 1987-1994 Studium der evangelischen Theologie in Münster, M ü n c h e n und Berlin; 1998 Promotion in Halle (Saale); seit 1998 Vikarin der Evangelischen Kirche von Westfalen.

Die Deutsche Bibliothek Bracht,

CIP-Einheitsaufnahme

Katharina:

Vollkommenheit und Vollendung / Katharina Bracht. - Tübingen : M o h r Siebeck, 1999 (Studien und Texte zu A n t i k e und Christentum ; 2) ISBN 3-16-147250-0

978-3-16-158649-1 Unveränderte eBook-Ausgabe 2019

© 1999 J. C. B. M o h r (Paul Siebeck) Tübingen. D a s Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede V e r w e r t u n g a u ß e r h a l b der engen G r e n z e n des Urheberrechtsgesetzes ist o h n e Z u s t i m m u n g des Verlags unzulässig und strafbar. D a s gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. D a s Buch w u r d e von G u i d e - D r u c k in Tübingen auf alterungsbeständiges W e r k d r u c k p a p i e r der Papierfabrik Niefern gedruckt und von der G r o ß b u c h b i n d e r e i Heinr. Koch in Tübingen gebunden. ISSN 1436-3003

Meinen Eltern

Vorwort Bei der hiermit vorgelegten Arbeit handelt es sich um die für den Druck überarbeitete Fassung meiner Dissertation gleichen Titels, die im April 1998 von der Theologischen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg angenommen wurde. Mit der Veröffentlichung kommt das Promotionsverfahren formal zum Abschluß. An dieser Stelle sei allen am Promotionsverfahren Beteiligten für ihren Beitrag sowie Prof. Dr. Christoph Markschies für die Aufnahme der Arbeit in diese Reihe gedankt. Bevor ich nun die Arbeit aus der Hand gebe, richtet sich mein Blick zurück auf ihr Entstehen. Ich habe in dieser Zeit viel Unterstützung erfahren, für die ich herzlich danke: An erster Stelle gilt mein Dank Prof. Dr. Hermann Goltz, Halle, der mir ein Doktorvater im besten Sinne des Wortes war. Er hat die Arbeit mit Engagement betreut. Jedes Gespräch mit ihm war fördernd und ermutigend. Seinem Einsatz verdanke ich es, daß ich eine Verfilmung der Handschrift Q.I. 265 aus der Russischen Nationalbibliothek in St. Petersburg erhalten habe. Ohne diesen Mikrofilm hätte ich die Arbeit in der vorliegenden Form, nämlich mit dem Anspruch, den „ganzen Methodius" (d.h. nicht nur die im Griechischen, sondern auch die in slawischer Übersetzung erhaltenen Schriften) zugrundezulegen, nicht durchführen können. Die Anregung zum Thema der Arbeit verdanke ich Prof. Dr. Barbara Aland, Münster. Darüberhinaus bin ich ihr zu weiterem Dank verpflichtet: Bei ihr hörte ich im ersten Studiensemester meine erste theologische Vorlesung, mit der sie mich in die faszinierende Geschichte der Alten Kirche einführte. Prof. Dr. Lloyd George Patterson, Cambridge, Ma., hat die Entstehung der Arbeit von Beginn an durch rege Korrespondenz begleitet und das auswärtige Gutachten übernommen1. Mit Dr. Wolfgang Tenhagen, Münster, habe ich viele gemeinsame Stunden der slawischen Methodius-Lektüre verbracht. Von seinem Schatz an Kenntnis des Altslawischen habe ich unzählige Male profitieren dür1 Erst nach Fertigstellung der Dissertation erhielt ich PATTERSONS neues Buch „Methodius of Olympus. Divine Sovereignty, Human Freedom, and Life in Christ", Washington, D.C. 1997, eine überaus empfehlenswerte einführende Darstellung der Theologie des Methodius. Bei der Überarbeitung für den Druck habe ich an entsprechenden Stellen in den Anmerkungen darauf Bezug genommen, eine weitergehende Einarbeitung war leider nicht möglich.

vm

Vorwort

fen. Das Kolloquium in Halle bot mir ein wertvolles Forum, in dem ich Ergebnisse der Untersuchung ein erstes Mal vorstellen und mit aufmerksamen, kritischen Zuhörern diskutieren konnte. Allen sei herzlich gedankt! Ein besonderes Dankeschön gilt Dr. Chatschik Lasarjan (Gazer) und Konsistorialrätin Ursula Brecht für ihre herzliche Gastfreundschaft, die ich während meiner Aufenthalte in Halle genießen durfte. Das Evangelische Studienwerk Villigst förderte mein Projekt in finanzieller und ideeller Hinsicht und trug damit wesentlich zu seinem Gelingen bei. Grundlegende Unterstützung und Förderung habe ich von meinen Eltern erfahren, die mein Studium ermöglicht und immer mit Verständnis und teilnehmendem Interesse begleitet haben. Ihnen widme ich dieses Buch. Auch meinem Bruder Daniel, der in den vergangenen zwei Jahren mein unersetzlicher „V-Mann" zur Universitätsbibliothek in Münster war, danke ich an dieser Stelle. Zu guter Letzt nenne ich meinen Mann David du Toit. Er hatte von der ersten Überlegung bis zur letzten Seite teil am Entstehen dieser Arbeit, hat mich unterstützt und ermutigt, wo es nur möglich war, hat unermüdlich mitgedacht und korrekturgelesen. Methodius war Teil unseres gemeinsamen Lebens, und unseren Gesprächen über ihn verdanke ich so manche Anregung und Einsicht. Mein Dank für all dieses läßt sich nicht in Worte fassen. Katharina Bracht

Bielefeld-Kirchdornberg, im Juli 1999

Inhaltsverzeichnis Verzeichnis der Abkürzungen

XIV

1. Einleitung

1

1.1 Thema, Aufgabe und Methodik 1.2 Die Textgrundlage 1.2.1 Allgemeines 1.2.2 Das slawische Corpus Methodianum

Teil I: Terminologische Annäherung Methodius' Begriffsbestimmung von reXetos'

1 6 6 7

KTX.

2. Der Mensch - ein vollkommenes Geschöpf Gottes

14

2.1 2.2 2.3 2.4 2.5

Methodius' Begriffsbestimmung von TeXeios" Die absolute Vollkommenheit Gottes: reXeLos' Si' eavrov Die abgeleitete Vollkommenheit des Kosmos: reXeios' 8iä Qeov Die abgeleitete Vollkommenheit des Menschen: seine Gottebenbildlichkeit Die absolute Vollkommenheit des Sohnes und des Geistes in trinitarischer Differenzierung Exkurs: Zur Kosmologie des Methodius

15 17 20 23 30 37

Teil II: Theologiegeschichtliche Untersuchung Vollkommenheit als Schlüsselkategorie der methodianischen Anthropologie 3. Der Verlust der ursprünglichen menschlichen Vollkommenheit 3.1 Die Frage nach dem Ursprung des Bösen nach De autexusio 3.2 Methodius' Gegner: Kosmologische Antworten auf die Frage TI6dei> 3.2.1 Die mittelplatonische Antwort nach De autexusio 3.2.2 Die origenistische Antwort nach De autexusio und De creatis 3.2.3 Methodius' Widerlegung der kosmologischen Lösungsansätze

42 42 TOI

KOKO;

.AI

52 59 68

X

Inhaltsverzeichnis 3.3 Methodius' anthropologischer Ansatz zur Beantwortung der Frage 1766er

rd

KOLKO;

3.3.1 Die Definition des Bösen als menschlicher Ungehorsam gegenüber Gott 3.3.2 Die menschliche Entscheidungsfreiheit als Ursprung des Bösen Exkurs: Skizze der stoischen Handlungstheorie 3.3.3 Die Frage nach dem Schuldigen: Gott, der Teufel oder der Mensch? 3.3.4 Vertrat Methodius eine Erbsündenlehre? 3.4 Methodius' differenziertes Sündenverständnis 3.4.1 Die Differenzierung zwischen der "Sündenwurzel" (afiapria) und den "Sündentrieben" (äßapTfjfiaTa) 3.4.2 Die konkreten Formen der dfiapTTjfiara 3.5 Die Folgen des Sündenfalls: die Sterblichkeit des Menschen und der Sündentod.. 3.6 Methodius' Sündenlehre und sein Verständnis menschlicher UnVollkommenheit. 3.6.1 Der leibliche Tod als Verlust der Gottebenbildlichkeit, d.h. der Vollkommenheit 3.6.2 Das Vollkommene nicht in sich aufnehmen können

4. Die Wiedergewinnung der ursprünglichen menschlichen Vollkommenheit 4.1 Das Vollkommene in sich aufnehmen, d.h. Christus aufnehmen 4.1.1 Die grundlegende Neuschöpfung des Menschen in der Menschwerdung des Logos Exkurs: Zur Schriftauslegung des Methodius 4.1.2 Erlösung als Zueignung der Neuschöpfung an jeden Einzelnen in der Taufe 4.2 Der Heilige Geist als Vollender der Menschen 4.3 Zur strukturellen Parallelität menschlicher Unvollkommenheit und Vollkommenheit

5. Die Manifestation wiedergewonnener Vollkommenheit: Parthenia 5.1 Zur Vergleichbarkeit des methodianischen und des platonischen Symposions 5.1.1 Methodische Vorüberlegungen 5.1.2 Generelle Vergleichspunkte Exkurs: Der biblische Hintergrund von Methodius' Rede von Parthenia 5.2 Parthenia versus Eros. Ein Vergleich der Reden von Sokrates und Thekla 5.2.1 Das Wesen des Eros Exkurs: Dialektik als heilsrelevante Praxis bei Piaton 5.2.2 Das Wesen der Parthenia 5.3 Zur philosophie- und theologiegeschichtlichen Einordnung von Methodius' Interpretation des platonischen Symposions 5.3.1 Plotin: ITepl "Epioros- (Enn. III 5) 5.3.2 Porphyr: Vita Plotini 5.3.3 Clemens Alexandrinus 5.3.4 Origenes 5.3.5 Ergebnis Exkurs: Methodius in seinem Verhältnis zum Piatonismus und zur Stoa 5.4 Parthenia und Taufe: Christus als Mittler und Archiparthenos

72

73 77 83 94 97 106 106 116 121 130 131 135

138 138 139 149 152 158 170

174 174 176 177 183 186 186 191 195 206 208 213 218 227 230 233 237

Inhaltsverzeichnis 5.5 Methodius' differenziertes Vollkommenheitsverständnis und die Bedeutung der Entscheidungsfreiheit des erlösten Menschen 5.5.1 Das Verhältnis von göttlicher Gnade und menschlichen Werken 5.5.2 Die dprjrai bzw. Karopdiopara im Gegensatz zu den dfiap-njfiara

6. Die Habitualisierung wiedergewonnener Vollkommenheit im Christenleben 6.1 Das christliche Leben als Kampf zwischen Teufel und Mensch 6.2 Die zweite Buße zur Wiederherstellung der Taufvollkommenheit 6.2.1 Zur Forschungsgeschichte 6.2.2 Die Textgrundlage: lepr. VI,7-VIII, 1 und Kontext 6.2.3 Der Gegenstand der Buße 6.2.4 Die von Methodius geforderte Bußpraxis 6.3 Verschiedene Grade der Vollkommenheit unter den Erlösten

7. Die eschatologische Vollendung der menschlichen Vollkommenheit 7.1 Die Vollkommenheit des auferstandenen Menschen an Leib und Seele 7.2 Vollendung als Neuschöpfung 7.3 Der Schöpfer und Neuschöpfer: Gott 7.4 Ergebnis: Die eschatologische Vollendung des Vervollkommnungsprozesses als Vollkommenheit Siä deöv 7.5 Differenzierung innerhalb der Vollendung? Besonderheiten des Symposiums

8. Rückblick und Zusammenfassung der theologiegeschichtlichen Untersuchung

XI

243 243 257

268 269 277 278 280 283 288 293

302 304 311 315 319 321

331

Teil III: Kirchengeschichtliche Untersuchung Methodius' Vollkommenheitsgedanke und seine eigene kirchliche Stellung 9. Der Vollkommenheitsgedanke des Methodius - Kennzeichen einer kirchlichen Elite oder ein gemeindenahes theologisches Konzept? 9.1 Die Aufgabe 9.2 Methodius' Anthropologie und seine kirchliche Stellung

10. Zum Bischofsamt des Methodius 10.1 Methodius' Verständnis des Bischofsamtes nach De lepra 10.2 Methodius' Verständnis der eigenen Amtvollmacht

11. Zum Bischofssitz des Methodius 11.1 Die Problematik: Sechs verschiedene Bischofssitz-Traditionen 11.2 Die Olympus-Tradition 11.3 Die Tyrus-Tradition

340 340 343

346 346 354

359 359 360 362

XII

Inhaltsverzeichnis 11.4 Die Patara-Tradition 11.5 Die Myra-Tradition 11.6 Die Side-Tradition 11.7 Zwischenergebnis 11.7.1 Methodius, Bischof in Lykien 11.7.2 Rekonstruktion der Entstehung der verschiedenen Bischofssitz-Traditionen 11.8 Die Philippi-Tradition

12. Rückblick und Ergebnis der kirchengeschichtlichen Untersuchung

363 364 365 367 367 367 369

375

Anhänge, Literaturverzeichnis, Register Anhänge

378

1. Kurzübersicht über Überlieferung, Aufbau und Inhalt der Schriften des Methodius 1.1 De autexusio 1.2 De cibis 1.3 De creatis 1.4 De lepra 1.5 De resurrectione 1.6 De sanguisuga 1.7 De vita 1.8 Symposium 1.9 Fragmente 1.10 Verlorene und unechte Schriften 2. Abbildung: Cod. Q.I. 265, f. lr 3. Abbildung: Cod. Paris, gr. 1115, f. 182 4. Abbildung: Cod. Coisl. 294, f. 151 v 5. Abbildung: Der Hl. Methodius von Olympus bzw. Patara als Märtyrer (Fresko aus VoroneJ, Rumänien) 6. Abbildung: Secutor (gr. CJEKOTITUP bzw. ¿KOXOVQOS) 7. Übersichtskarte Kleinasiens 8. Karte Lykiens

378 378 380 380 381 382 385 385 386 390 390 392 393 394 395 396 397 398

Literaturverzeichnis

399

1. Handschriften, Handschriftenkataloge und -beschreibungen 2. Textausgaben und Übersetzungen 2.1 Werke des Methodius von Olympus 2.1.1 Verwendete Textausgaben und Übersetzungen 2.1.2 Weitere Textausgaben und Übersetzungen 2.2 Werke anderer antiker Schriftsteller 3. Verwendete Hilfsmittel 4. Sekundärliteratur 4.1 Sekundärliteratur zu Methodius von Olympus 4.2 Weitere verwendete Sekundärliteratur

399 399 399 399 400 401 403 404 404 411

Inhaltsverzeichnis Stellenregister

XIII 419

1. Biblische Schriften 2. Christliche und nichtchristliche antike Autoren

419 421

Register griechischer und slawischer Wörter

427

1. Register griechischer Wörter 2. Register slawischer Wörter

427 432

Personenregister

434

Sachregister

435

Verzeichnis der Abkürzungen Bis auf die im Folgenden genannten Ausnahmen werden antike bzw. spätantike Autoren und Schriften nach den Abkürzungsverzeichnissen von HENRY GEORGE LIDDELL/ROBERT SCOTT, A Greek-English Lexicon. A New Edition

Revised and Augmented throughout by Henry Stuart Jones with the Assistance of Roderick McKenzie, Oxford 1958, S. xvi-xxxviii, von GEOFFREY W.H. LAMPE (Hg.), A Patristic Greek Lexicon, Oxford 1961, S. xi-xlv, von P.G.W. GLARE u.a., Oxford Latin Dictionary, Oxford 1982, S. ix-xx sowie von ALBERT BLAISE/HENRI CHIRAT, Dictionnaire Latin-Français des Auteurs

Chrétiens, Turnhout 1954, S. 9-28 angegeben. Methodius Olympius

Didascalia didasc. Epictetus diss.

Didascalia apostolorum Dissertationes

Irenaeus demonstr.

aut. cib. sang. vit. Plotinus Enn.

Demonstratio evangelica

De autexusio De cibis De sanguisuga De vita Enneades

Plutarchus Mor.

Moralia

Alle weiteren verwendeten Abkürzungen richten sich nach SIEGFRIED M. SCHWERTNER (Hg.), Theologische Realenzyklopädie. Abkürzungsverzeichnis, 2., überarbeitete und erweiterte Auflage Berlin/New York 1994. Die Transliteration der slawisch-kyrillischen und der griechischen Schrift in die Buchstaben der lateinischen Schrift folgt den vom DEUTSCHEN BIBLIOTHEKSINSTITUT herausgegebenen Regeln für die alphabetische Katalogisierung in wissenschaftlichen Bibliotheken. RAK-WB, 2., überarbeitete Ausgabe Berlin 1993; die Transliteration der armenischen Schrift folgt aaO., Anlage 5, Tabelle 7, Vorabdruck Berlin 1983.

Kapitel 1

Einleitung 1.1 Thema, Aufgabe und Methodik Der Kirchenvater Methodius von Olympus, der der späteren Überlieferung zufolge in der zweiten Hälfte des 3. Jh. in Lykien in Kleinasien das Bischofsamt innehatte und wahrscheinlich 311/12 n.Chr. in der letzten Christenverfolgung des Martyriums starb, ist neben Euseb von Caesarea der einzige Schriftsteller der östlichen Kirche in der Zeit des vierzigjährigen Friedens vor der letzten großen Verfolgung, dessen Werke erhalten sind1. Seine Schriften bieten einen einzigartigen Einblick in die Schriftauslegung, Theologie und Frömmigkeit der vornizänischen kleinasiatischen Christen. Methodius befaßt sich in fast allen

1 Von den Schriften des Petrus Alexandrinus, der ebenfalls im Jahr 311 n.Chr. in der Christenverfolgung starb, sind nur wenige Fragmente erhalten. Zur Biographie des Methodius s. unten Kap. 9. - Kurzinformation über Methodius bieten die Lexikonartikel im BBKL 5 (Fatouros); DCB 3 (Salmon); DSp 10 (Musurillo); DThC 10/2 (Amann); EC 8 (Beck); Encyclopedia of the Early Church 1 (Riggi); KHL 2 (Weyman); NCE 9 (Musurillo); PRE.S 6 (Opitz); RE 133 (Bonwetsch); RGG 1 4 (Scheel); RGG 2 4 (Völker); RGG 3 4 (Buchheit); TEE 8 (Chrestos); TRE 22 (Williams); WWKL 8 (Bardenhewer). Vgl. auch die Einträge in den Patrologien sowie den altkirchlichen Literatur-, Dogmen- und Kirchengeschichten, so B. ALTANER/A. STOIBER, Patrologie. Leben, Schriften und Lehre der Kirchenväter, Freiburg u.a. 8 1978/1993, S. 215f.; O. BARDENHEWER, Patrologie, ThBib, Freiburg 3 1910, S. 153156; DERS., Geschichte der altkirchlichen Literatur, Bd. 2, Darmstadt 1962 (Nachdruck der 2 1914), S. 334-351; K. BIHLMEYER, Kirchengeschichte. Erster Teil, WH.T, Paderborn 18 1966, S. 195f.; K.S. FRANK, Lehrbuch der Geschichte der Alten Kirche, Paderborn u.a. 1996, S. 192f.; A. V. HARNACK, Lehrbuch der Dogmengeschichte, Bd. 1, Tübingen 5 1931, S. 783-791; DERS., Geschichte der altchristlichen Literatur bis Eusebius, Teil I, 2 Halbbände, Leipzig 2 1958, S. 468-478.786f.837-841.898f.937-939; F. LOOFS, Leitfaden zum Studium der Dogmengeschichte. 1. und 2. Teil, hg. v. K. Aland, Tübingen 7 1968, S. 176179; J. PAULI/C. SCHMIDT, Art. Methodius von Olympus, Lexikon der antiken christlichen Literatur, Freiburg/Basel/Wien 1998, S. 439f.; J. QUASTEN, Patrology, Bd. 2, Utrecht/Antwerpen 1953, S. 129-137; R. SEEBERG, Lehrbuch der Dogmengeschichte, Bd. 1, SThL, Leipzig/Erlangen 3 1920, S. 593f. und besonders empfehlenswert S. 630-637. - H.R. DROBNER hat Methodius' Bedeutung für die Dogmengeschichte in seinem Lehrbuch der Patrologie, Freiburg i.Br. u.a. 1994 unterschlagen: Methodius ist weder ein eigener Eintrag gewidmet, noch ist er als einer der ersten Kritiker des Origenes (S. 120) oder unter den Quellen, aus denen Epiphanius für sein Panarion schöpfte, genannt (S. 256); nur im Exkurs über den Dialog in Antike und Christentum wird Methodius' Symposium erwähnt (S. 63f.).

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1. Einleitung

seinen Schriften mit dem Menschen und seiner Stellung vor Gott2, wobei er jeweils unterschiedliche Aspekte dieses Themenbereichs behandelt. Eine Schlüsselkategorie, von der her die methodianische Anthropologie sich dem heutigen Leser in der Themenvielfalt der Schriften erschließt, ist die menschliche Vollkommenheit. Das Thema von Verlust, Wiedergewinnung und Vollendung der menschlichen Vollkommenheit zieht sich wie ein roter Faden durch alle Schriften des Methodius; mit dieser Kategorie erfaßt Methodius den Menschen in allen Dimensionen seines Lebens, welches er ausschließlich in der Perspektive coram Deo sieht. Die vorliegende Arbeit versucht, die Anthropologie des Methodius zu erfassen und darzustellen, indem sie diesen roten Faden, den Vollkommenheitsgedanken, durch die methodianischen Schriften hindurch verfolgt3. Eine solche Leitlinie der Untersuchung ist notwendig, weil Methodius - anders als etwa Origenes in seiner Schrift De principiis - keine systematische Gesamtdarstellung seiner Theologie verfaßt hat, sondern sich jeweils schwerpunktmäßig mit Themen der Anthropologie befaßt4 oder exegetische Abhandlungen mit anthropologischer Ausrichtung geschrieben hat5. Die Arbeit versucht, das theologische System des Methodius darzustellen, das „hinter" seinen Schriften steht. Sie ist deshalb systematisch-synthetisch aufgebaut, legt aber in ihren einzelnen Teilen die Analysen der Texte vor, die zu der dargestellten synthetischen Gesamtsicht geführt haben. Die vorliegende Arbeit strebt an, Methodius als einen eigenständigen Denker auf dem philosophie- und theologiegeschichtlichen Hintergrund seiner Zeit zu lesen. Darin unterscheidet sie sich von den meisten anderen Arbeiten über Methodius, die ihn entweder auf sein Verhältnis zur Theologie des Origenes, dessen frühester bekannter Kritiker er ist6, oder auf seine Rolle als Vorbereiter

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Lediglich die Schrift De creatis, von der nur wenige Fragmente erhalten sind, befaßt sich mit der Schöpfung im allgemeinen. 3 Zur Geschichte des Vollkommenheitsbegriffes vor Methodius vgl. PAUL JOHANNES DU PLESSIS, TEAEIOZ. The Idea of Perfection in the New Testament, theol. Diss. Kampen 1959; GEORG KRETSCHMAR, Ein Beitrag zur Frage nach dem Ursprung frühchristlicher Askese, ZThK 61, 1964, S. 27-67, wiederabgedruckt in Karl Suso Frank (Hg.), Askese und Mönchtum in der Alten Kirche, WdF 409, Darmstadt 1975, S. 130-180, da bes. S. 157175; WALTHER VÖLKER, Das Vollkommenheitsideal des Origenes. Eine Untersuchung zur Geschichte der Frömmigkeit und zu den Anfängen christlicher Mystik, BHTh 7, Tübingen 1931. 4 Das ist der Fall beim Symposium, bei De autexusio, De resurrectione und De vita. 5 Das ist der Fall bei De sanguisuga, De cibis und De lepra. 6 An dieser Stelle sollen Tendenzen innerhalb der Methodius-Forschung aufgezeigt, aber keine vollständige Forschungsgeschichte geboten werden, vgl. deshalb die Ausführungen zur Forschungsgeschichte hinsichtlich Methodius' Verhältnis zu Origenes hier unten in Kap. 7; besonders hervorgehoben seien die dort genannten Veröffentlichungen von LLOYD GEORGE PATTERSON.

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des Mönchtums und des Zölibats hin befragen7. Ein drittes, häufig von klassischen Philologen an Methodius herangetragenes Interesse ist der Vergleich seiner Dialoge mit denen Piatons, wobei Piaton den Maßstab bildet, an dem Methodius gemessen wird8. Fragestellungen, die von vornherein derartig zugespitzt sind, ermöglichen nur eine ausschnittweise und insofern verkürzte Wahrnehmung der Theologie des Methodius9. In der vorliegenden Arbeit hingegen ist seine Theologie, insbesondere seine Anthropologie der eigentliche Gegenstand der Untersuchung. Alle anderen Fragestellungen sind auf dieses Interesse hingeordnet, d.h. Methodius' ambivalentes Verhältnis zu Origenes wie auch sein Verhältnis zu anderen Theologen vor ihm, seine Stellung innerhalb der philosophischen Strömungen seiner Zeit, wozu auch seine Platon-Rezeption zählt, und seine Wirkungsgeschichte werden mit dem Ziel untersucht, auf diesen Hintergründen zu einem tieferen Verständnis von Methodius' eigener Lehre zu gelangen. Denn wie jeder kirchliche Schriftsteller bewegte Methodius sich in einem komplexen Umfeld theologischer und philosophischer Strömungen, die ihn beeinflußten und zu denen er sich positiv-aufnehmend oder negativ-ablehnend verhielt oder mit denen er in eine dialogische Auseinandersetzung eintrat. Methodius' Schriften lassen viele Spuren solcher geistesgeschichtlicher Strömungen in seiner Umwelt erkennen, sei es in Gestalt der fiktiven heterodoxen Dialogpartner (Mittelplatoniker, Origenisten), sei es in der äußeren Anlage und in wörtlichen Anspielungen seiner Schriften (Piaton), sei es in der selbstverständlichen Aufnahme von Gedankengut (Stoa), sei es in expliziter Ablehnung (verschiedene Häresien, Astrologie). Methodius' Argumentation ist in der Regel nur dann in all ihrer Differenziertheit zu verstehen, wenn man sich sein Verständnis des Standpunkts seiner Diskussionsgegner vor Augen führt bzw. 7

Allen voran ist hier ADOLF VON HARNACK zu nennen, der in seinem „Lehrbuch der Dogmengeschichte", Bd. 1, S. 783-791 die große Bedeutung des Methodius für die Entwicklung des Mönchtums herausstellt, s. S. 790 Anm. 1: „Die Theologie des Methodius ist innerhalb der morgenländischen Kirche eine Weissagung auf die Zukunft ...In der Theologie des Methodius liegt bereits die endgiltige [sie] Stufe der griechischen Theologie vor." Vgl. als ein weiteres Beispiel die Veröffentlichungen von CARLO nBILETTI. 8 Vgl. die in Kap. 5.1 Anm. 1 angegebene Literatur und MANFRED HOFFMANN, Der Dialog bei den christlichen Schriftstellern der ersten vier Jahrhunderte, TU 96, Berlin 1966, S. 67-83.109-130; BERND REINER VOSS, Der Dialog in der frühchristlichen Literatur, STA 9, München 1970, S. 91-134. 9 LLOYD GEORGE PATTERSON, Methodius of Olympus. Divine Sovereignty, Human Freedom, and Life in Christ, Washington, D.C. 1997, S. 4 bezeichnet die Methodius-Bilder, die auf diese Weise, nämlich aufgrund eines mehr oder weniger zufälligen (incidental) Interesses, entstehen, treffend als .„incidental' Methodii". In der genannten Monographie will Patterson seinen eigenen sekundären Zugang zu Methodius, der sich ihm von Origenes her erschlossen hatte, überwinden und Methodius zum „principal subject" seiner Untersuchung machen (aaO. S. 14). Da Patterson sich jedoch sehr auf seine früheren Arbeiten stützt, behält die Frage nach Methodius' Verhältnis zu Origenes trotz des neuen auf Methodius selbst ausgerichteten Ansatzes viel Raum.

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das Gedankengut benennt, das er bei seinem Leser als selbstverständlich bekannt voraussetzt. Um Methodius als einem eigenständigen Denker gerecht zu werden und eine verkürzte Wahrnehmung zu vermeiden, ist es unerläßlich, die Untersuchung auf eine möglichst breite Textbasis zu stellen. Gerade weil Methodius keine „Summa" schrieb, sondern sich immer mit Einzelfragen befaßte, steht der heutige Leser in der Gefahr, seine Äußerungen zu einem Einzelaspekt als eine Äußerung von allgemeiner Gültigkeit aufzufassen. Nur die Zugrundelegung aller erhaltenen Schriften kann dieser Gefahr entgegenwirken, weil sich dann zeigt, wie Methodius ein und dasselbe Argument in verschiedenen Zusammenhängen unterschiedlich gewichten oder verwenden kann10. Leider ist die in der Originalsprache vorhandene Textbasis dünn, weil nur eine Schrift des Methodius vollständig im Griechischen erhalten ist (Symposium); von fünf anderen Schriften gibt es nur mehr oder weniger umfangreiche Fragmente (De autexusio, De resurrectione, De lepra, De creatis, Fragmente zu Hiob). Dieser mißliche Umstand wird jedoch durch die Existenz einer zuverlässigen slawischen Übersetzung gemildert, die ein ganzes Corpus Methodianum enthält, das nicht nur den vollständigen Text von De autexusio, De resurrectione und De lepra bietet, sondern auch drei in der griechischen Fassung verlorene Schriften überliefert (De vita, De cibis, De sanguisuga). Die slawische Methodius-Überlieferung liegt der vorliegenden Arbeit in Ergänzung zu den griechisch erhaltenen Schriften und Fragmenten zugrunde11. Die Aufgabe für diese Arbeit lautet also: Die Anthropologie des Methodius von Olympus ist anhand seines Vollkommenheitsgedankens darzustellen. In einem ersten Teil gilt es, sich dem Thema von der terminologischen Seite her anzunähern und danach zu fragen, wie Methodius den Begriff „vollkommen" (réXetos'; slawisch ckEphuieNT») bestimmt (Kap. 2). Im zweiten Teil wird die eigentliche theologiegeschichtliche Untersuchung durchgeführt, in der die methodianische Anthropologie von der Kategorie der menschlichen Vollkom-

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Vgl. z.B. Methodius' Verständnis der Leiblichkeit, das in De resurrectione positiver erscheint als im Symposium (s. unten Kap. 3.4.1, bes. Anm. 225) oder die Interpretation der Zelte bzw. Hütten des alttestamentlichen Laubhüttenfestes in res. 11,21 und symp. IX,2,242f. (s. unten Kap. 7.5). 11 Für nähere Informationen zur Textgrundlage der Arbeit s. hier unten Kap. 1.2. - Außer der slawischen Übersetzung gibt es eine nicht ganz so wörtliche, aber fast vollständige frühe armenische Übersetzung der Schrift De autexusio (es fehlen nur aut. I; II; VIII,2-10 sowie einige kleinere Stücke) bei Eznik von Kolb, De Deo 19-58; 236-239 (ca. 430 n.Chr.; zum freien Umgang Ezniks mit seiner Vorlage vgl. T'AMAR TASNAPETEAN, Le passage d'Eznik [P.22.25] dans le „De autexusio" de Méthode, in: Hask. Hayagitakan Taregirk' [Ähre. Armenologisches Jahrbuch], Ant'ilias 1994, S. 117f.) sowie einige syrische Fragmente, s. JOANNES BAPTISTA PITRA, Analecta sacra. Spicilegio solesmensi parata, Paris 1883 (Nachdruck Farnborough, Hants. 1966), Bd. 4, S. 201-206.

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menheit her aufgeschlossen wird12. Dabei folgt die Darstellung dem heilsgeschichtlichen Dreischritt von Verlust (Kap. 3), Wiedergewinnung (Kap. 4—6) und Vollendung (Kap. 7) menschlicher Vollkommenheit, den Methodius' Theologie vorgibt. Die Prämisse, daß Methodius als eigenständiger Denker wahrzunehmen ist, fordert hier besondere Aufmerksamkeit für die expliziten und impliziten Gesprächspartner des Methodius, d.h. für die philosophie- und theologiegeschichtlichen Hintergründe, mit denen Methodius sich auseinandersetzt. Zum Teil weist Methodius durch die dialogische Struktur seiner Schriften selbst auf die Vergleichspunkte hin (heterodoxe kosmologische Antworten auf die Frage TJoQev rä /ca/ca;, Kap. 3.2; das platonische Symposion, Kap. 5.15.3), zum Teil gilt es, implizite Voraussetzungen herauszuarbeiten und explizit zu machen (z.B. die Bedeutung der stoischen Handlungstheorie, Kap. 3.3). Ein zusammenfassendes Kapitel (Kap. 8) schließt den zweiten Teil der Arbeit ab. Den dritten Teil bildet eine kirchengeschichtliche Untersuchung, die der Tatsache Rechnung trägt, daß theologische Entwürfe immer in einem historischen Kontext entstehen und im Zusammenhang mit ihren konkreten geschichtlichen Bedingtheiten zu sehen und zu verstehen sind13. Hier wird die Aufgabe von der bisherigen Forschung gestellt, die im Gegensatz zur kirchlichen Tradition Methodius' eigene kirchliche Stellung, welche einen wichtigen Aspekt des historischen Kontextes von Methodius' Anthropologie bildet, nicht als die eines Bischofs, sondern als eines freien christlichen Lehrers bestimmt. Diese These ist zum einen aufgrund der in der theologiegeschichtlichen Untersuchung erarbeiteten Gesamtsicht der methodianischen Anthropologie (Kap. 9), zum anderen von den methodianischen Schriften selbst (Kap. 10) her zu prüfen. Fällt die Prüfung zugunsten des Bischofsamtes, d.h. zugunsten der Auskunft der Tradition aus, so gilt es, sich der Schwierigkeit zu stellen, die die kirchliche Überlieferung in sich birgt: Wie ist die Tatsache zu erklären, daß 12

Die Aufgabe der Theologiegeschichte wird hier so verstanden, wie ULRICH KÖPF es in seinem Aufsatz: Dogmengeschichte oder Theologiegeschichte? ZThK 85, 1988, S. 455-473, bes. S. 466-471 in Abgrenzung von der Dogmengeschichte einerseits und der allgemeinen Kirchengeschichte andererseits fordert, nämlich i. als ausschließliche Orientierung der Theologiegeschichte an ihrem eigenen Gegenstand, ohne den geschichtlichen Stoff mit Rücksicht auf ein fremdes Gebiet auszuwählen und zu gewichten, wie es in der Dogmengeschichte geschieht (S. 467); ii. als Erfassung der theologischen Arbeit in ihrer ganzen Breite, „... während die Dogmengeschichte nur einzelne für die Diskussion gewisser Lehrfragen wichtige Arbeitsbereiche beachtet" (ebd.); iii. als Frage „... nach dem Vorgang theologischen Denkens, theologischer Begriffs-, Urteils- und Systembildung, nach der Struktur und überhaupt nach dem Typus theologischen Arbeitens", ohne die dogmengeschichtliche Beschränkung auf Bekenntnis und Lehraussagen, d.h. dogmatische Inhalte (S. 468). 13 Vgl. die Ortsbestimmung der Kirchengeschichte als theologische Disziplin, die KARL SUSO FRANK in seinem Lehrbuch der Geschichte der Alten Kirche, Paderborn u.a. 1996, S. 2 vornimmt: Die Kirchengeschichte „... arbeitet deren [sc. der systematischen und praktischen Theologie] historischen Kontext heraus und zeigt geschichtliche Bedingtheiten systematischer Entwürfe und konkreter Programme auf."

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in der Tradition sechs verschiedene Städte als Bischofssitz des Methodius genannt werden? (Kap. 11). Auch die kirchengeschichtliche Untersuchung wird mit einem zusammenfassenden Kapitel abgeschlossen (Kap. 12). Der Arbeit sind mehrere Exkurse beigegeben, in denen Fragen behandelt werden, die nicht unmittelbar zum Thema der Vollkommenheit als Schlüsselkategorie der methodianischen Anthropologie gehören, aber doch verständnisfördernde Hintergrundinformationen bieten, die in der Sekundärliteratur nicht ohne weiteres nachgelesen werden können. In den Anhängen wird Material geboten, das entweder nicht ohne weiteres zugänglich ist (Anhang 2-4) oder zur Illustration der Ausführungen dient (Anhang 5-8). Der Anhang 1 enthält eine Kurzübersicht über die Überlieferung, den Aufbau und den Inhalt der methodianischen Schriften. Sie soll dem Leser dazu dienen, sich vor und während der Lektüre der Arbeit über die Schriften des Methodius zu orientieren, indem er bei Bedarf die jeweilige Kurzbeschreibung dort nachschlägt. Das Literaturverzeichnis schließlich enthält eine nach den mir zur Verfugung stehenden Informationsmöglichkeiten vollständige Bibliographie der Literatur zu Methodius, wobei die in der vorliegenden Arbeit nicht verwendeten Textausgaben und Übersetzungen kenntlich gemacht sind; die Sekundärliteratur zu Methodius ist, soweit sie zugänglich war, vollständig eingearbeitet. Auf eine gesonderte Darstellung der Forschungsgeschichte wird verzichtet, weil es in den ohnehin nur in relativ geringer Zahl erschienenen Veröffentlichungen zu Methodius nur selten zu gegenseitigen Bezugnahmen oder zu einer Diskussion über Einzelfragen gekommen ist. Bei Themen, wo dies der Fall ist, wird die Forschungsgeschichte an der jeweiligen Stelle im Text der Arbeit dargestellt.

1.2 Die Textgrundlage 1.2.1 Allgemeines Der vorliegenden Arbeit liegen als Textbasis sämtliche erhaltene Schriften des Methodius von Olympus zugrunde. Dabei kommt die Priorität den Texten zu, die noch in der Sprache erhalten sind, in der sie verfaßt wurden, also den griechisch überlieferten Schriften bzw. Fragmenten14. Wenn ein Text oder Textabschnitt im Griechischen erhalten ist, wird er auch in der ursprünglichen Sprache der Untersuchung zugrundegelegt15. 14

Zur Überlieferung der griechisch erhaltenen Texte vgl. BONWETSCH, GCS, S. X X V XXVIII. XXVIII-XXXVII; bes. zum Symposium auch MUSURILLO, SC, S. 31-38; zu De autexusio auch VAILLANT, PO, S. 657 (für die bibliographischen Angaben s. die folgende Anm. 15). 15 Sofern nicht anders angegeben, liegt im Folgenden den Übersetzungen aus De autexusio der Text der Ausgabe von ANDRÉ VAILLANT, Le De autexusio de Méthode d'Olympe. Version slave et texte grec édités et traduits en français, PO 22,5, Paris 1930 zugrunde. Die Übersetzungen aus allen anderen Schriften basieren auf dem Text der Ausgabe von

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Doch beschränkt sich die vorliegende Untersuchung nicht auf die lückenhafte griechische Überlieferung, sondern bezieht die in einer frühen slawischen Übersetzung erhaltenen Texte mit ein. Diese Schriften bilden ein regelrechtes Corpus Methodianum, d.h. eine feststehende Schriftensammlung16. In diesem Corpus sind - bis auf das Symposium, De creatis, De martyrio und den HiobKommentar - all jene Schriften des Methodius vollständig überliefert, von denen im Griechischen nur noch Fragmente erhalten sind. Darüberhinaus sind drei Schriften enthalten, die in der Originalsprache verloren sind, nämlich De vita, De cibis und De sanguisuga. Zwar kann einer Übersetzung nie die gleiche Autorität wie einem Text in der Ursprache zugemessen werden. Wenn jener als die „erste Wahl" aber verloren ist, dann muß der Historiker mit dem Text der „zweiten Wahl", d.h. der Übersetzung, vorlieb nehmen. Trotz der vergleichsweise geringeren Güte und der infolgedessen erforderlichen größeren Vor- und Umsicht, mit der Texte aus dem slawischen Corpus Methodianum zu interpretieren sind, bieten sie eine Fülle zusätzlichen Materials. Dieses Material, das zuletzt vor knapp 100 Jahren von G. Nathanael Bonwetsch in seiner „Theologie des Methodius von Olympus"17 umfassend zur Kenntnis genommen und ausgewertet wurde, ist eine unverzichtbare Ergänzung zu der griechischen Überlieferung. Darüber hinaus ermöglicht es die slawische Übersetzung, den Kontext der griechischen Fragmente zu bestimmen und sie richtig einzuordnen. Das ist von Bedeutung bei den Schriften De autexusio, De resurrectione und De lepran. Die vorliegende Arbeit versucht, durch die Zugrundelegung einer möglichst vollständigen Textbasis, d.h. der griechischen und ergänzend dazu der slawischen Überlieferung, die Gefahr einer einseitigen oder verkürzten Wahrnehmung der methodianischen Theologie so weit wie möglich zu reduzieren. 1.2.2 Das slawische Corpus Methodianum Nach der geltenden Forschungsmeinung, dem Urteil des Slawisten Andre Vaillant, ist die slawische Übersetzung der Schriften des Methodius von OlymG. NATHANAEL BONWETSCH, Methodius, GCS 27, Leipzig 1917. Für das Symposium wird außerdem regelmäßig der Text der Ausgabe von HERBERT A. MUSURILLO/VICTOR-HENRY DEBIDOUR (Hg.), Méthode d'Olympe: Le banquet, SC 95, Paris 1963 verglichen; relevante Unterschiede zum Text der GCS werden angegeben. 16 Für nähere Informationen zum slawischen Corpus Methodianum s. hier unten den folgenden Abschnitt 1.2.2. 17 G. NATHANAEL BONWETSCH, Die Theologie des Methodius von Olympus, AGWG.PH 7/1, Berlin 1903. 18 Vgl. LLOYD GEORGE PATTERSON, Methodius on Origen in De Creatis, in: Origeniana Quinta, Löwen 1992, S. 497-508, da S. 498: „... the Slavic translations of Methodius' writings which have provided the necessary frameworks for the study of the Greek fragments of both the De resurrectione and the De libero arbitrio ...". Patterson erwähnt De lepra nicht, obwohl dort derselbe Sachverhalt vorliegt.

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pus auf die Mitte des 10. Jh. zu datieren19. Damit fällt sie in die Frühzeit des Altkirchenslawischen, das erst mit der Erfindung der glagolitischen Schrift und der Bibelübersetzung der beiden Slawenapostel Methodius und Kyrill zwischen 861 und 863 n.Chr. verschriftlicht wurde20. Vaillant nimmt an, daß diese frühe Übersetzung im 16. Jh. russisch redigiert wurde. Das Ergebnis dieser Redaktion liegt in den erhaltenen Handschriften des Corpus Methodianum vor, die aus dem 16. und 17. Jh. stammen; ihre Sprachgestalt ist also als ein Altkirchenslawisch russischer Redaktion zu charakterisieren21. Alle Schriften des slawischen Corpus Methodianum wurden von demselben Übersetzer aus dem Griechischen ins Altkirchenslawische übertragen22. Der Übersetzer arbeitete gewissenhaft und genau. Vaillant weist dies anhand der Schrift De autexusio nach, die er als „eine Art Wort-für-Wort-Übersetzung des Griechischen" bezeichnet, welche nur hinsichtlich der Wortstellung ein wenig von der griechischen Vorlage abweiche23. Dadurch entsteht zuweilen ein „unslawischer" Sprachgebrauch, der jemandem, der an die slawische Übersetzung mit denselben Erwartungen wie an einen altkirchenslawisch verfaßten Text herantritt, Verständnisschwierigkeiten bereiten kann24. Derartige Schwierigkeiten lösen sich jedoch meist, wenn man prüft, ob sich der jeweilige Satz von der griechischen Sprachstruktur her verstehen läßt25. Dieselbe Zuverlässig19

S. VAILLANT, PO, S. 718f. Durch Vaillants Datierung ist das Urteil von A. GORSKIJ/K. NEVOSTRUEV, Beschreibung der slavischen Handschriften der Moskauer Synodalbibliothek (Opisanie slavjanskih" rukopisej Moskovskoj sinodal'noj biblioteki), Moskau 1855ff. (unveränd. Nachdruck: Monumenta Linguae Slavicae Dialecti Veteris 2, Wiesbaden 1964), Bd. 11,2, S. 23ff. überholt, demzufolge die Übersetzung im 11. Jh. angefertigt worden sei; diesem Urteil schließt noch BONWETSCH, GCS, S. XXIV sich an. 20 Vgl. HARTMUT TRUNTE, CrtoB-kmcKiH iaçukt.. Ein praktisches Lehrbuch des Kirchenslavischen in 30 Lektionen. Zugleich eine Einführung in die slavische Philologie. Bd. 1: Altkirchenslavisch, Slavistische Beiträge 264, München 4 1994, S. 16. 21 Vgl. VAILLANT, PO, S. 660. 22 VAILLANT, PO, S. 717. 23 VAILLANT, PO, S. 715: „La version slave du De autexusio est à peu près littérale: c'est généralement une sorte de mot-à-mot du grec, si ce n'est qu'en ce qui concerne l'ordre des mots le traducteur a fait preuve d'une indépendence relative." Vgl. auch BONWETSCH, GCS, S. XXIII. 24 Solche Schwierigkeiten bereitete die slawische Übersetzung ihrer Leserschaft wohl schon immer, weshalb JORDAN" IVANOV", Problemata za zloto i za svobodata na voljata v" starobulgarskata kniznina, Filosofski pregled" 4/1, 1932, S. 9-16 einen hochgebildeten Adressatenkreis annimmt: „cette littérature aurait été destinée à un certain nombre de Bulgares qui possédaient déjà une bonne préparation littéraire (Ivanov, S. 11), les boljars, les hauts ecclésiastiques etc. Le traducteur de l'oeuvre de Méthode d'Olympe adressait donc sa traduction à un tel couche sociale de lecteurs." (zitiert nach IVAN DUJCEV, L'œuvre de Méthode d'Olympe „De libero arbitrio" et les discussions entre orthodoxes et hérétiques, Balcanica 8, 1977, S. 115-127, da S. 119). 25 Meistens handelt es sich um für das Altkirchenslawische ungewöhnliche Formen der Syntax, die entweder direkt oder in Analogie aus dem Griechischen übernommen wurden, wo

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keit der Übersetzung wie bei De autexusio läßt sich bei den anderen Schriften feststellen, soweit die Existenz von griechischen Fragmenten einen Vergleich der griechischen und der slawischen Version erlaubt. Bei De resurrectione ist der Übersetzer oder bereits seine griechische Vorlage gegen Ende zunehmend verkürzend verfahren26; in geringerem Maße gilt das auch für De lepra. Die Kürzungen wurden behutsam vorgenommen, denn es wurden nur Passagen ausgelassen, kaum aber paraphrasiert oder umgeschrieben. Insgesamt ist die slawische Übersetzung also als zuverlässig zu bewerten. Das erhöht ihren Wert als historische Quelle erheblich. Leider ist diese Quelle nicht ohne weiteres zugänglich. Zwar ist das slawische Corpus Methodianum in mehreren Handschriften überliefert, aber der Text ist nicht vollständig ediert; nur die Schrift De autexusio liegt in der kritischen Ausgabe von Vaillant in der Reihe „Patrologia Orientalis", Bd. 22,5 vor. Eine behelfsmäßige Lösung ist die erste Methodius-Ausgabe von Bonwetsch (1891), in der er eine überaus wörtliche deutsche Übersetzung der slawischen Übersetzung vorlegte27. Zwar bietet diese Ausgabe dem Leser die Möglichkeit, sich ein Bild vom Inhalt der slawischen Übersetzung zu machen, aber als Grundlage für eine wissenschaftliche Untersuchung ist sie ungeeignet. Die Handschrift, die nach dem Urteil von Vaillant und Bonwetsch die beste Textqualität bietet, befindet sich in der Russischen Nationalbibliothek St. Petersburg unter der Signatur Q.I. 265; sie stammt aus dem Anfang des 16. Jh.28 Die Schriften des Methodius finden sich auf f. lr-215v. Diese Handschrift wurde für die vorliegende Untersuchung verwendet. Drei weitere Handschriften, die von Q.I. 265 abstammen oder mit ihr verschwistert sind, liegen in Bibliotheken in Moskau29. es sich um eine übliche Konstruktion handelt. BONWETSCH, GCS, S. XXIII schlägt als ein probates Mittel zur Verstehenshilfe vor, in solchen Fällen eine wörtliche Rückübersetzung ins Griechische zu versuchen. 26 Vgl. BONWETSCH, GCS, S. XXXIV. 27 G. NATHANAEL BONWETSCH, Methodius von Olymp: I. Schriften, Erlangen/Leipzig 1891. Aufgrund von Bonwetschs Bemühen, dem Leser durch die Wörtlichkeit der Übersetzung die Möglichkeit zu bieten, sich eine Vorstellung von dem zugrundeliegenden altkirchenslawischen Text zu bilden, hat die Verständlichkeit zuweilen sehr gelitten. 28 BONWETSCH, GCS, S. XXII; VAILLANT, PO, S. 660f.; Bonwetsch und Vaillant konnten ein Urteil über die Qualität des Textes fällen, weil sie den Vergleich zu den in Moskau liegenden Handschriften hatten. Vgl. die Beschreibung von Q.I. 265 aaO. S. XXf. sowie K. KALAJDOVIC'/P. STROEV" (Hg.), Ausführliche Beschreibung der Slavisch-Russischen Handschriften des Grafen F.A. Tolstoj (Obstojatel'noe opisanie slavjano-rossijskih" rukopisej, hranjascihsja v" Moskvg v" biblioteke grafa Fedora Andreevica Tolstova), Moskau 1825, S. 2 4 0 - 2 4 2 . Die Existenz der slawischen Übersetzung wurde erst durch die Beschreibung von Kalajdovic' und Stroev" bekannt. 29 Zur Beschreibung dieser Handschriften und zu ihrem Verhältnis zu Q.I. 2 6 5 vgl. BONWETSCH, GCS, S. X X I - X X I V ; VAILLANT, PO, S. 660-662; GORSKIJ/NEVOSTRUEV, Beschreibung der slavischen Handschriften der Moskauer Synodalbibliothek, Bd. 11,2,

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Um es dem Leser zu ermöglichen, trotz Ermangelung einer textkritischen Ausgabe des slawischen Corpus Methodianum die in der vorliegenden Arbeit übersetzten und interpretierten Textpassagen auch in der slawischen Fassung zur Kenntnis zu nehmen, wird der slawische Text nach Q.I. 265 in einer Fußnote an der jeweiligen Stelle wiedergegeben. Um der besseren Lesbarkeit willen sind die Worttrennungen durchgeführt und die Abkürzungen aufgelöst worden. Die Interpunktion und Orthographie sind beibehalten30, die auf dem mir vorliegenden Mikrofilm nicht immer eindeutig erkennbaren und für das Verständnis bedeutungslosen Akzente sind jedoch weggelassen worden31. Durch diese getreue Wiedergabe soll es dem Leser ermöglicht werden, sich ein Bild von der zugrundeliegenden Textgestalt machen, doch bleiben zunächst auch all ihre Schwierigkeiten unbereinigt. Deshalb sei hier auf die wichtigsten sprachlichen Besonderheiten der Textgestalt von Q.I. 265 hingewiesen: Die Buchstaben -k und e, -b und m, -b undrasowie K und oy bzw. 8 werden oft verwechselt. Der Gebrauch von % und h ist schwankend; oft werden die Jerlaute auch ganz weggelassen (vgl. die Endung des Instrumental Sg. auf -AM», -MB oder -M). Gelegentlich ist die Vokalisation der Jerlaute zu einem Vollvokal bereits erfolgt32. Abschließend soll auf die Frage eingegangen werden, weshalb die Schriften des Methodius ins Slawische übersetzt und als ein slawisches Corpus Methodianum überliefert wurden. Zwei Erklärungen sind denkbar, die einander nicht ausschließen. Zum einen wird Methodius im Bereich der Ostkirchen von frühester Zeit bis in die Gegenwart ununterbrochen als ein Heiliger verehrt33. S. 23ff. BONWETSCH, GCS, S. XXII nennt über die drei in Moskau befindlichen Handschriften hinaus noch weitere vier Handschriften aus dem 16. und 17. Jh., deren heutiger Verbleib m.W. jedoch unbekannt ist. 30 Die einzige Ausnahme: Sowohl e (e) als auch e (je), deren Unterscheidung in der Handschrift Q.I. 265 nicht konsequent gehandhabt wird, werden mit e wiedergegeben. 31 Vgl. die Abbildung von Q.I. 265, f. lr hier unten Anhang 2. 32 Eine ausführliche Beschreibung der Sprachgestalt, die gegenüber dem an den deutschen Universitäten gelehrten Altkirchenslawisch weiterentwickelt ist, aber im Vergleich mit Kirchenslawisch eine wesentlich frühere Phase der Sprachentwicklung darstellt, findet sich bei VAILLANT, PO, S. 662-713. Vaillant hat auch ein nützliches slawisch-griechisches Glossar und einen griechisch-slawischen Index für die Schrift De autexusio erstellt (aaO. S. 834876.877-888), die oft die richtige Information bieten, wenn die gängigen Wörterbücher nicht ausreichen. 33 Im Westen wird Methodius zwar noch in einigen, vornehmlich älteren Heiligenlexika unter dem Gedenktag 18. September geführt, aber nicht mehr kultisch verehrt. Vgl. BENEDIKTINER-MÖNCHE DER ST. AUGUSTINE'S ABBEY, RAMSGATE (Hg.), The Book of Saints. A Dictionary of Servants of God Canonized by the Catholic Church, London 6 1989, S. 399; Martyrologium Romanum Gregorii XIII, Rom neue Aufl. 1878, S. 139 (deutsche Übersetzung: Das Römische Martyrologium, übers, v. den Benediktinern der Erzabtei Beuron, Regensburg 3 1962, S. 241); PIETRO ROSSANO (Hg.), Dizionario dei Santi, Turin 1989, S. 293f.; FRANZ VON SALES DOYE, Heilige und Selige der römisch-katholischen Kirche, deren Erkennungszeichen, Patronate und lebensgeschichtliche Bemerkungen, Bd. 2, Leipzig

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Davon zeugen nicht nur die frühen Zeugnisse34, sondern auch der von Theophanes Graptos im 8./9. Jh. verfaßte Odenkanon, der noch heute am Gedenktag des Hl. Methodius (20. Juni) im Orthros gesungen wird35, das Synaxar, das sich seit seiner ersten erhaltenen Bezeugung bis in die gegenwärtigen Ausgaben kaum verändert hat36, und die ikonographischen Darstellungen des Hl. Methodius37. Methodius wird nicht nur als Märtyrer, sondern auch als Kirchenlehrer verehrt, woher sich das Interesse an und der sorgfältige Umgang mit sei1929, S. 40; JOSEPH-MARIE SAUGET, Art. Metodio, vescovo di Olimpo, BSS 9, 1967, S. 380-382; JOHANN EVANGELIST STADLER/J.N. GINAL (Hg.), Vollständiges HeiligenLexikon, Augsburg 1875 (Nachdruck: Hildesheim/New York 1975), Bd. 4, S. 436. 34 Exemplarisch seien genannt: Eust. engast. 22 (vor 337): MedöSios- ...6 rfjs- ä-yias äfios" ßvrjßT)s\ Epiph. haer. 64,11,4; 64,63,1 (zwischen 374 und 377): o fiaKapirr/s' MedoSios- (ein Ausdruck, der zur ehrenden Bezeichnung kürzlich Verstorbener verwendet wird; s. LSJ, S. 1074; Lampe, S. 824); haer. 64,67,5; 64,70,2: 6 KaXUmv T)ß) und selbst in sich selbst bleibt (aùrò ¿v èavr] HE HTM E n«r«fB«( < HNOTW BW A^AA

HHihcerwHce • Eeci>A\p[b]T[k]Ho coyTh • ht, eróme a^aa ®BpA30Mb hkiii buth BlelHtfeATh). Der zitierte Text ist von früher Hand durch Zeichen am Rand hervorgehoben worden, um auf seine besondere Bedeutung hinzuweisen. 40 S. die Ausführungen unten in Kap. 3.6.1. 41 Vgl. res. 1,51,5 sowie PI. Phd. 105 e. 42 Vgl. JACQUES FARGES, Les Idées Morales et Religieuses de Méthode d'Olympe. Contribution à l'étude des rapports du Christianisme et de l'Hellénisme à la fin du troisième siècle, Bibliothèque des Archives de Philosophie, Paris 1929, S. 92f.: „C'est en effet dans tous ses éléments que l'homme a été créé immortel. ... Car l'homme n'est, selon sa nature, ni corps, ni âme séparés, mais le composé harmonieux des deux. Voilà ce qui a été créé incorruptible et immortel." Zu Methodius' dichotomischem Menschenbild s. res. 1,34,4; 1,50,3.

2. Der Mensch - ein vollkommenes Geschöpf Gottes

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begründet, daß Gott in der Erstschöpfung den Menschen mit Leib und Seele zur Unsterblichkeit schuf und ihn auch so am Leben erhalten will 43 . Da die Gottebenbildlichkeit des Menschen geradezu in seiner Unsterblichkeit besteht44kann Methodius im Stil einer Definition formulieren45: Denn Gott ähnlich zu sein heißt, der Vergänglichkeit zu entfliehen (öfioicoms" yäp öeü (fudopäs dircxfivyrj). (symp. 1,5,25)

Zusammenfassend ist festzuhalten, daß es Methodius zufolge für den Menschen wesentlich ist, daß er ein Geschöpf Gottes ist, von dem vollkommenen 43

S. dazu unten Kap. 7. Vgl. res. 1,36,1; auch res. 1,29,4-8, wo Methodius die gegnerische Interpretation von Gen 3,21 widerlegt, derzufolge die Fellkleider, welche Gott für Adam und Eva vor ihrem Ausstoß aus dem Garten Eden machte, die Leiber symbolisierten; der Mensch wurde folglich von Beginn an mit Leib und Seele geschaffen (zu Methodius' Auslegung von Gen 3,21 in Auseinandersetzung mit Orígenes vgl. HERMANN-J. VOGT, Warum wurde Orígenes zum Häretiker erklärt? Kirchliche Vergangenheits-Bewältigung in der Vergangenheit, in: Origeniana Quarta, IThS 19, Innsbruck/Wien 1987, S. 78-99, da S. 83-87). Vgl. zudem symp. 11,1,30, wo die Rednerin Theophila im Rahmen einer Lehre der creatio continua von der Kinderzeugung sagt, daß der Mensch heute anders als bei Gottes erster Schöpfungstat mitwirken muß, um das Bild Gottes zu schaffen ( i w yàp elç Tqu ebcóva Tov deov TÒU ävdpamov di/ayicr] und ôfioLùjmç unterscheidet, sondern beide Begriffe synonym verwendet. Er kann sowohl jeden Begriff für sich allein, als auch beide zusammen in einem Ausdruck verwenden, ohne daß sich ein Bedeutungsunterschied feststellen läßt. Vgl. HAMMAN, L'homme, image de Dieu, S. 65-76. Vgl. auch Clemens, str. 11,131,6; paed. 1,98,3 - anders jedoch prot. 98,3 (sowohl SIKÚV als auch ôpoiùxnç dem Menschen zugeschrieben); und dazu HEINRICH KARPP, Probleme altchristlicher Anthropologie. Biblische Anthropologie und philosophische Psychologie bei den Kirchenvätern des dritten Jahrhunderts, BFChTh 44,3, Gütersloh 1950, S. 106.

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Teil l: Terminologische Annäherung

Schöpfergott in vollkommener Weise geschaffen. Methodius bringt dies mit Hilfe der Rede von der Gottebenbildlichkeit des Menschen zum Ausdruck: Der Mensch ist nach dem Bilde Gottes, d.h. nach dem Logos bzw. Christus gestaltet; er ist eine Nachahmung des Logos oder, wie Methodius verkürzend auch formulieren kann, ein Abbild Gottes. Da Gott der Schöpfer unsterblich ist, ist auch der Mensch als sein Abbild unsterblich. Diese Redeweise bringt den Sachverhalt der menschlichen Vollkommenheit anschaulich zum Ausdruck: Wie ein Bild alle oder zumindest die wesentlichen Züge des abgebildeten Gegenstandes wiedergibt, so überträgt sich die wesentliche Eigenschaft des Schöpfers durch den Schöpfungsakt auf das Geschöpf. Weil aber andererseits das Bild gegenüber dem Original um eine Dimension reduziert ist, wird zugleich die Differenz zwischen Schöpfer und Geschöpf gewahrt und als ein Verhältnis der Ableitung bestimmt. So ist der Mensch wie der gesamte restliche Kosmos 8iä deöu TÖV reXeiov und insofern auch selbst in abgeleitetem Sinne vollkommen, wobei diese Vollkommenheit sich jedoch anders als bei den anderen Geschöpfen als Unsterblichkeit erweist.

2.5 Die absolute Vollkommenheit des Sohnes und des Geistes in trinitarischer Differenzierung Methodius sagt die Vollkommenheit nicht nur von Gott als absolute Vollkommenheit sowie von der Schöpfung und dem Menschen als abgeleitete Vollkommenheit aus, sondern er bezeichnet auch Christus als vollkommen. Besonders ausführlich widmet er sich der Vollkommenheit Christi an der bereits genannten Stelle symp. VIII, 11, wo die Rednerin Thekla im Rahmen der allegorischen Auslegung von Apk 12,6 sich im Anschluß an die Behandlung von Gottes Vollkommenheit (symp. VIII, 11,199) der Vollkommenheit des Sohnes zuwendet (VIII, 11,200). Thekla leitet Christi Vollkommenheit aus der Zahl 60 ab, die Christus symbolisiere: Sie besteht aus 10 mal 6, wobei die 6 sich in die Zahlen 3, 2 und 1 zerlegen läßt, nämlich 2 x 3 und 3 x 2 und 6 x 1 , welche addiert wiederum die Zahl 6 ergeben. Die einzelnen Bestandteile der Zahl 6 ergeben also exakt diese Zahl selbst, womit die Zahl 6 nach Theklas Argumentation der allgemein anerkannten Definition von Vollkommenheit entspricht (symp. VIII,ll,200f.) 46 . Die Beziehung zu Christus besteht darin, daß auch dieser sich, wie es der Zahl 6 möglich ist, in seine Bestandteile auflöste, als er sich nach Phil 2,7 seiner selbst entäußerte und Knechtsgestalt annahm, dann aber wieder zu seiner eigenen Vollkommenheit (TeAeiörrjs") erfüllt wurde. Durch die Selbstentäußerung wurde Christi Vollkommensein niemals auch nur im geringsten gemindert (VIII, 11,202); es trifft sowohl auf den Präexistenten 46 Die Zahl 6 galt in der Tradition der Zahlenmystik als àpidy.àç réXeLoç\ s. DIETMAR NAJOCK, Art. Zahlenmystik, KP 5, Sp. 1447-1449, da Sp. 1449.

2, Der Mensch - ein vollkommenes Geschöpf Gottes

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als auch gleichermaßen auf den Menschgewordenen und schließlich ebenso auf den Erhöhten zu. Der Bezug auf den Philipperhymnus zeigt Christus als den Vollkommenen im Hinblick auf seine Funktion als Erlöser; hier geht es um die Soteriologie. Thekla nimmt außerdem Christus als den Logos Gottes in den Blick, indem sie auch den Logos als Schöpfungsmittler durch die harmonische Zahl 6 symbolisiert versteht: Zum einen besteht die Symbolik in dem sechs Tage währenden Zeitraum, in dem die Welt erschaffen wurde. Zum anderen umfaßt ein Körper, d.h. die äußere Form, die allen Geschöpfen gemeinsam ist, drei Dimensionen, nämlich Länge, Breite und Tiefe; die Dreiecke wiederum bilden die Zahl 6 47 (VIII, 11,203). Die Vollkommenheit, die Methodius von Christus aussagt, bezieht sich also einerseits auf die Soteriologie, andererseits auf die Kosmologie. Sie kann aber auch einfach Inhalt des Lobpreises Christi sein. So besingt Thekla in dem Hymnus, der das Symposium abschließt, Christus u.a. als die vollkommene Blume (reAeiov ävöos", Hymn., 286)48. Nachdem in den vorangegangenen Abschnitten 2.1 bis 2.4 die Unterscheidung zwischen der absoluten Vollkommenheit Gottes und der abgeleiteten Vollkommenheit der Schöpfung einschließlich des Menschen getroffen wurde, ist auch an dieser Stelle zu fragen, um welche Art der Vollkommenheit es sich bei Christus bzw. dem Logos handelt. Da die Unterscheidung sich an der Frage der Schöpfung festmacht - Gott als der Schöpfer ist absolut vollkommenen, wohingegen die Schöpfung nur aufgrund der Vollkommenheit ihres Schöpfers, deshalb in abgeleitetem Sinne vollkommen ist - liegt es nahe, auch bei Christus bzw. dem Logos nach seinem Verhältnis zum Schöpfer und zur Schöpfung zu fragen, um eine Antwort auf die Frage nach der Art von Christi Vollkommenheit zu finden. Der zentrale Text, an dem Methodius sich zu dem Verhältnis des Logos als des Schöpfungsmittlers zum Vater äußert, findet sich in der nur fragmentarisch bei Photius überlieferten Schrift De creatis (creat. XI): (1) Denn über das „Im Anfang schuf er den Himmel und die Erde"49 sagt er: Jemand, der sagt, daß die Weisheit der Anfang selbst (dpxrfv Se airr^v Ti)u ooiav) sei, dürfte wohl nicht irren. (Das ist) nämlich von einem derer aus dem göttlichen Chor50 von derjenigen gesagt, die über sich selbst in dieser Weise spricht: „Der Herr schuf mich als Anfang seiner Wege, zu seinen Werken

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Die Zahl 6 ist wie die Zahl 10 eine sogenannte Dreieckszahl, denn sechs Punkte bilden auf der Basis einer Drei-Punkte-Linie ein gleichseitiges Dreieck, so wie zehn Punkte auf der Basis einer Vier-Punkte-Linie. 48 JOSEPH MONTSERRAT-TORRENTS, Los titulos cristolögicos en la obra de Metodio de Olimpo, ScrVict 16, 1969, S. 163-212, da S. 189 nennt âvdoç unter den christologischen Titeln Jesu und vermutet eine Anspielung auf Cant 2,1.12. 49 Gen 1,1 LXX unter Auslassung des Subjekts b deôç. 50 TrpoT)TÛV Vgl. die Formulierungen im Prolog von De autexusio: deîôç TLÇ (aut. 1,3); roß tüw dno x°P°v dKoveLv (aut. 1,5).

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Teil I: Terminologische

Annäherung

gründete er mich vor der Zeit" 5 '. (2) Es war nämlich angemessen und überaus geziemend, daß alles, was zur Entstehung kam, jünger war als sie, denn durch sie (& ' avTfjs') sind sie ja geworden. Erkenne nämlich, ob nicht auch das „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott; dasselbe war im A n f a n g bei Gott" nach d e m Evangelisten 5 2 , ob es nicht mit diesen (sc. Gen 1,1 und Prov 8,22f.) zusammengeht. (3) Man muß nämlich sagen, daß der Anfang, aus dem das überaus richtige Wort emporsproß ( n ) p

ßev yap dpxTjf, d'tfs"dueßXaarqaei> 6 dpdÖTaTO? Xöyos-), und Schöpfer (TÖV Trarepa Kai IROTTJTTJY) des Alls ist, in dem es (sc. das

der Vater

Wort) war; es gebührt aber dem „Dieses war im Anfang bei Gott", daß es das Machtausübende des Wortes KÖaßou eis" yiveoLf TrapeXdeiv), weil es sagt, daß die Macht (des Wortes) der A n f a n g ist. Es gibt f o l g l i c h einen A n f a n g nach dem eigentlichen anfangslosen Anfang, dem Vater (OÜKOVU dpxi) fierd TT\V ISiav ävapxov dpxnK TÖV Tiarepa), er selbst wurde (Anfang) der anderen Dinge, durch den alles erzeugt wurde (avrös' räv DAATOV ylverai, Sl ' rfs" äiraura

8r\\iLovpyeiTai).

(creat. XI)

Methodius bezeichnet in creat. XI, 1 zunächst im Anschluß an Gen 1,1 und Prov 8,22f. die Weisheit als die Schöpfungsmittlerin53, denn Gott habe sie vor aller Zeit als Anfang seiner Wege geschaffen, wohingegen sie, die Weisheit, dann alle weiteren Geschöpfe geschaffen habe (creat. XI,lf.). Diese Feststellung liest er dann im Zusammenhang mit Joh l,lf, wo nicht die Weisheit, sondern der Logos im Anfang bei Gott ist, und schließt so auf die Schöpfungsmittlerschaft des Logos (XI,2f.). So kann Methodius den Schöpfungsmittler je nach Zusammenhang bzw. der auszulegenden Bibelstelle sowohl als aotpia als auch als Aoyos\ oder wie in symp. 11,6,45 als Christus bezeichnen 54 . Der Logos ist im Hinblick auf die anderen Geschöpfe der Anfang, durch den die anderen Geschöpfe gezeugt werden. Dieser Anfang ist jedoch nicht anfangslos, sondern hat seinerseits seinen Anfang im Vater, welcher als der „eigentliche anfangslose Anfang" bezeichnet wird (XI,3). Das Verhältnis des Logos zum Vater wird als ein „Hervorsprießen" (ävaßXaoTäveiu) beschrieben, das sich bereits vor der Entstehung der Welt ereignete. Diese Worte des Methodius lassen auf eine eigenartige Zwischenstellung des Logos schließen: Er ist zwar nicht dem Vater ebenbürtig, aber er ist andererseits auch klar von der Schöpfung abgehoben, denn er wird nicht vom Vater geschaffen, sondern geht aus ihm hervor, was zeitlich vor der Weltschöpfung geschah und insofern nichts mit ihr zu tun hat. An anderer Stelle betont Methodius, daß der Logos npo 51

Prov 8,22f. L X X . Joh l . l f . 53 Vgl. res. 11,10. 54 Vgl. Justin, dial. 61,1, der eine Reihe verschiedener Bezeichnungen für den Schöpfungsmittler aufzählt. 52

2. Der Mensch - ein vollkommenes Geschöpf Gottes

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alcüuiou existiert 55 und ewig (dopiaTüJS". • • Kai äxpovcßg) Sohn ist 56 . Das Fragment creat. IX gibt weitere Informationen zur Stellung des Logos im Verhältnis zu Gott und der Schöpfung: Ich sagte, daß zwei Mächte (Svo Suva/iei?) in den vorher zugestandenen schöpferische (Mächte) sind, diejenige (sc. Macht), die aus dem Nichtseienden oxiK ovTtüv) durch nackten Willen ohne Verzögerung zugleich mit dem Wollen selbst wirkt, was sie machen will; das ist aber der Vater; die andere (sc. Macht) aber ist diejenige, die die bereits gewordenen Dinge (rd tfSrj yeyoföra) ordnet und schmückt in Nachahmung (Kard (lifirjaiv) der vorangehenden (Macht); das ist aber der Sohn, die allmächtige und kraftvolle Hand des Vaters (7) iram-aSvvapo.s- Kai Kparaiä xelp TOV rrarpös'), durch die er ordnet, nachdem er die Materie aus dem Nichtseienden erzeugte. {creat. IX)

Sowohl der Vater als auch der Logos, hier als der Sohn bezeichnet, sind schaffende Mächte, doch nicht in derselben Weise. Gott Vater schafft mit bloßem Willen aus dem Nichtseienden. Der Sohn ist die Hand des Vaters, mit der er die bereits geschaffene Materie ordnet. Ihm werden einerseits Attribute des Vaters beigelegt, nämlich „allmächtig" und „kraftvoll", was eine große Nähe, sogar eine gewisse Identität von Vater und Sohn impliziert. Als ein weiteres Attribut ist hier die Unveränderlichkeit des Sohnes zu nennen57, die Methodius in der achten Rede des Symposiums erwähnt, welche auch eine Eigenschaft Gottes ist58. Andererseits wird in creat. IX doch die Unterschiedenheit beider durch die Bestimmung des Sohnes als „Hand" des Vaters festgehalten, denn die Hand gehört zwar untrennbar zu einem Körper dazu, ist aber nur Teil dieses Körpers und steht nicht für das Gesamte, sondern nur für eine bestimmte Funktion desselben. Hier ist symp. VII, 1,150 zu vergleichen, wo Methodius vom Sohn sagt, daß der Vater ihm an Größe überlegen sei, daß der Sohn aber größer als alle anderen sei, freilich mit der einzigen Ausnahme des Vaters59. 55

Symp. 111,4,60; VII,1,149. Symp. VIII,9,192f. Diese Aussage richtet sich gegen adoptianistische Tendenzen. Vgl. MUSURILLO, ACW, S. 31f. und S. 223 Anm. 46 und ders., SC, S. 32f. Anm. 1, der die Passage als einen Fremdkörper im Duktus der Exegese ansieht und nicht ausschließt, daß diese Stelle nach Abfassung des Symposiums von fremder Hand oder auch von Methodius selbst interpoliert worden ist, um ihn bzw. sich selbst im Nachhinein gegen jeden Verdacht des Subordinatianismus zu verwahren; s. dazu die Entgegnungen von VINZENZ BUCHHEIT, Das Symposion des Methodios arianisch interpoliert? in: F. Paschke (Hg.), Überlieferungsgeschichtliche Untersuchungen, TU 125, Berlin 1981, S. 109-114, da S. l l l f . sowie von LLOYD GEORGE PATTERSON, The Creation of the Word in Methodius' Symposium, StPatr 9, 1966 (= TU 94), S. 240-250, da S. 245f. Beide halten die Stelle zu Recht für authentisch. 57 Symp. VIII,9,193: ... npoyeivrjdem-a Kai iaecröcu Kai elum TÖv airröv. 58 Creat. 11,2; IV, 1; VII,5. 59 Symp. VII,1,150: ydp ¿pnpeTrts TÖV dtrAvTCiiv ßet£ova ruf dXXwu fierd TÖv rrarepa pdfu TÜ iavrov p.ei£ovi irarpl xpAaaa®ai ßdprvpi. 56

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Teil I: Terminologische Annäherung

Creat. IX bestätigt also die Beobachtung, daß der Logos als Schöpfungsmittler eine Zwischenstellung zwischen Gott Vater und der Schöpfung innehat. Diese Zwischenstellung kommt auch zum Ausdruck, wenn Methodius von Christus als dem Bild Gottes spricht, nach dem wiederum der Mensch als Bild bzw. Nachahmung des Bildes geschaffen wurde (symp. VI, 1,134; res. 1,35,2; res. 1,34,l) 6 0 . Das Interesse an der Vollkommenheit Christi drängt dazu, die Zwischenstellung des Schöpfungsmittlers weiter daraufhin zu befragen, ob sich eine Neigung, eine engere Zugehörigkeit zu dem einen oder anderen, zu Gott oder zur Schöpfung, feststellen läßt, denn daran wird sich entscheiden, welcher Art seine Vollkommenheit ist. Die Aussagen, die die Unterscheidung des Sohnes vom Vater betonen, scheinen auf eine subordinatianische Haltung des Methodius hinzuweisen 61 . Doch kann von einem Proto-Arianismus des Methodius keine Rede sein, wie Rowan Williams in seiner Studie zu Arius nachweist62. Gerade die zitierten Stellen creat. IX und XI sind nicht in erster Linie an der Natur des Logos interessiert, sondern richten sich gegen die origenistische Lehre einer ewigen Schöpfung des Kosmos 63 . Auch in den hier oben genannten Stellen aus dem Symposium geht es nur nebenbei um die Natur des Logos,

60

S. oben Kap. 2.4. Vgl. FARGES, Les Idées, S. 77-80, der aufgrund der Spuren eines Subordinatianismus, die er in Methodius' Schriften nachweist, die Inkohärenz seiner Trinitätslehre herausstellt. 62 ROWAN WILLIAMS, Arius. Heresy and Tradition, London 1987, S. 167-171, bes. S. 169: „However, we do not have to find proto-Arianism in Methodius' own words ... Characteristically, Arius tidies up the loose ends left by his precursors; and, in the case of Methodius, the next step is unusually clearly indicated." PATTERSON, Methodius of Olympus, S. 218 geht über Williams' Auffassung hinaus, wenn er den Textbefund dahingehend deutet, „... that Arius may well be familiar with the development of Methodius' argument, and simply carries that argument to what he regards as its .logical conclusion'." (Hervorhebung K.B.). - Im Rahmen der vorliegenden Arbeit, die mit der Frage nach dem Vollkommenheitsgedanken des Methodius ein anthropologisches Interesse hat, ist es nicht möglich, auf die christologischen Fragen ausführlich oder gar umfassend einzugehen. Ich verweise deshalb auf die einschlägige Sekundärliteratur zu diesem Thema. Neben WILLIAMS, Arius, und PATTERSON, Methodius of Olympus, S. 214-220 sind zu nennen: PATTERSON, The Creation of the Word in Methodius' Symposium; DERS., Methodius, Origen and the Arian Dispute, StPatr 17, 1982, S. 912-923; R.P.C. HANSON, The Search for the Christian Doctrine of God. The Arian Controversy 318-381, Edinburgh 1988, S. 83f. THOMAS BÖHM, Die Christologie des Arius. Dogmengeschichtliche Überlegungen unter besonderer Berücksichtigung der Hellenisierungsfrage, STG 7, St. Ottilien 1991, zeichnet die Einflüsse der methodianischen Christologie auf Arius nach und stellt „einige Affinitäten zu Methodius" (S. 173.316) fest; vgl. seine Ausführungen zu De creatis und zum Symposium auf den S. 132f.137f.162. 61

63 S. dazu die Ausführungen unten in Kap. 3.2.2. Vgl. auch PATTERSON, Methodius, Origen and the Arian Dispute, S. 916.

2. Der Mensch - ein vollkommenes Geschöpf

Gottes

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eigentlich aber jeweils um ein anderes Thema64. Aufgrund seines mangelnden Interesses an der Natur des Logos vollzieht Methodius den letzten Schritt zum Subordinatianismus in arianischem Sinne, der den Sohn als ein Kriafia und dem Vater fremd ansieht, nicht. Es blieb Arius überlassen, diese Konsequenz zu ziehen65. Methodius hat die Trinitätslehre, die er sehr wohl vertrat66, nicht ausgefeilt und das Verhältnis der trinitarischen Personen zueinander nicht sauber bestimmt, weil sein Interesse in erster Linie bei der Anthropologie lag, von wo aus er auch die Bereiche der Kosmologie, Soteriologie und Ekklesiologie bearbeitet hat. Daher erklären sich die Unstimmigkeiten und Inkohärenzen seiner Rede über die Natur des Logos, die die Bestimmung seines Verhältnisses zur Schöpfung einerseits und zum Schöpfer andererseits schwierig machen67. Wenn man jedoch die Aussagen zur Natur des Logos in ihrer Gesamtheit überblickt und dabei berücksichtigt, daß Methodius an keiner Stelle einen expliziten Subordinatianismus im arianischen Sinne vertritt, dann zeigt sich, daß die Vollkommenheit des Sohnes eher eine göttliche, d.h. absolute Vollkommenheit ist. Das zeigen nicht nur die Aussagen, die die Nähe des Sohnes bzw. Logos zum Vater betonen wie das Hervorsprießen des Logos aus dem anfangslosen Anfang, die zeitliche und kausale Priorität des Logos vor der Weltschöpfung sowie seine Bezeichnung als dpxA (creat. XI,3), sondern das zeigt auch die zu Beginn analysierte Stelle symp. VIII, 11,199-203: Die allegorische Auslegung der einen Zahl 1260 führt hin zur Feststellung der Vollkommenheit sowohl des Vaters als auch des Sohnes, ohne daß in irgendeiner Weise ein 64 Vgl. PATTERSON, Methodius, Origen and the Arian Dispute, S. 917. - Die Schriften des Methodius sind für die Arius-Forschung von großem Interesse, weil sie die Hintergründe und Voraussetzungen der arianischen Christologie in anderen Bereichen der Theologie, vor allem in der Kosmologie, erkennen lassen. 65 Vgl. PATTERSON, Methodius, Origen and the Arian Dispute, S. 917-920, bes. S. 919: „Indeed, the interest and the frustration of Methodius' evidence lies precisely in the fact that he shows on what grounds someone could come to take Arius' position, but that he does not do so." Vgl. BÖHM, Christologie des Arius, S. 137f. 66 Symp. V , 2 , l l l : TT)V yvcä(jLi> lijs- rpiaSos", vgl. symp. VIII,10,196f.; cib. XII,3f. (f. 184v). Vgl. BONWETSCH, Theologie, S. 55. 67 Vgl. BONWETSCH, Theologie, S. 56: „Methodius] repräsentirt die noch vornicänische Stufe der Entwicklung des trinitarischen Dogmas, die unter Ablehnung des Sabellius wie des Artemas eine Subordination des Sones [sie] vertrat, die doch nicht ihn aus der Zusammengehörigkeit mit dem Vater reissen und dem Gebiet des Geschaffenen zuordnen sollte." BUCHHEIT, Das Symposion des Methodios arianisch interpoliert?, S. 109 weist daraufhin, daß man sich über „variable Aussagen" hinsichtlich der Christologie innerhalb der methodianischen Schriften, insbesondere im Symposium nicht wundern dürfe, da zum einen die christologische Diskussion zur Zeit des Methodius noch nicht abgeschlossen war und es zum anderen für die Literaturform des Symposion typisch ist, daß ein Thema von verschiedenen Ansätzen her behandelt wird. - Zur Abgrenzung von den genannten Häretikern s. symp. VIII,10,196f. Diese Passage wird von BUCHHEIT, aaO., S. 112f. als authentisch beurteilt; Buchheit wendet sich gegen MUSURILLO, SC, S. 32f. Anm. 1 und DERS., ACW, S. 32, der die Passage für eine Glosse hält.

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Teil I: Terminologische

Annäherung

qualitativer Unterschied deutlich würde. Die Differenzierung zwischen Vater und Sohn bzw. Gott selbst und Gottes e'LKcov ist nur eine kleine Unterscheidung in gradueller Hinsicht. Dieses Ergebnis deckt sich mit der Erwartung, die Methodius' eigenes Konzept von Vollkommenheit weckt, denn zu den wesentlichen Merkmalen des absolut Vollkommenen zählt ja das Vermögen, Vollkommenheit zu wirken68, sei es in Unvollkommenem, sei es in noch gar nicht Existierendem durch seine Erschaffung. Wir haben gesehen, daß nach Methodius die Schöpfung Gottes in abgeleitetem Sinne vollkommen ist, weil sie von dem vollkommenen Gott geschaffen wurde. Weil nun der Logos als der Schöpfungsmittler wesentlichen Anteil am Wirken der vollkommenen Schöpfung hat, läßt sich von dem vollkommenen Werk des Logos auf seine eigene, absolute Vollkommenheit zurückschließen. Wie oben bereits angedeutet, führt die Stelle symp. VIII, 11,199-203 über die Vollkommenheit Christi als des Schöpfungsmittlers hinaus auf die Vollkommenheit Christi als Erlöser, d.h. als inkarnierter Logos hin. Damit läßt sich nun gewissermaßen eine zweite „Gegenprobe" auf die Vollkommenheit des Sohnes anstellen. Das Vermögen des absolut Vollkommenen, Vollkommenheit zu wirken, bedeutet im Hinblick auf die Soteriologie die Frage: Ist der Sohn fähig, im unvollkommenen Menschen Vollkommenheit zu wirken? Methodius bejaht diese Frage, womit sich auch die zweite Gegenprobe als gelungen erweist, denn Christus ist nach symp. VIII, 11,199-203 nicht nur als Präexistenter und Erhöhter, sondern auch in seiner Menschwerdung im absoluten, göttlichen Sinne vollkommen. Das wollen auch die Worte besagen, die Methodius in der dritten Rede des Symposiums Thaleia in den Mund legt und die Christus als Menschen und Gott zugleich beschreiben, als einen Menschen, der mit der unvermischten und vollkommenen Gottheit erfüllt ist, und als einen Gott, der im Menschen aufgenommen ist bzw. im Menschen Raum gegriffen hat69. Besonders deutlich kommt dieser Aspekt in der Schrift De cibis zum Ausdruck, wo Christus im Rahmen der allegorischen Auslegung der jüdischen Reinheitsgesetze, insbesondere Ex 12,5 und Num 19,2.9, als vollkommenes Lamm (CHBEPWENOE WBHA) und tadellose junge Kuh (Nenopoim» K>HH^) bezeichnet wird. Methodius versteht das fehlerlose Lamm und die junge Kuh im typologischen Sinne als Vorausdeutungen auf Christus und überträgt die Funktion, die jene im Alten Bund innehatten, auf die Funktion Christi im Neuen Bund: Christus führt wie das geschlachtete Lamm die Menschen aus Ägypten heraus und befreit sie vom Peiniger; er tilgt wie die geopferte junge Kuh die Sünde (cib. 68

S. oben Kap. 2.1. Symp. 111,4,60: „Denn dieses ist der Christus, (nämlich) ein Mensch erfüllt mit unvermischter und vollkommener Gottheit und Gott aufgenommen im Menschen" (TOVTO yäp elvai TÖU XpioTÖv, ävdpunoi' aKpaTai deörqTi Kai reXeLa TT€TTXr\p(n\ievov Kai deöv ev di^dpcüTrcü Kex^Plß^ou). Vgl. zu dieser Stelle hier unten Kap. 4.1.1. 69

2. Der Mensch - ein vollkommenes Geschöpf Gottes

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X ü , l ; f. 184r). Christus stellt im sündigen Menschen die ursprüngliche Vollkommenheit wieder her und schafft ihn neu70. Die Fähigkeit zur Neuschöpfung wie seine Schöpfungsmittlerschaft in der Anfangsschöpfung besitzt er allein aufgrund seiner eigenen Vollkommenheit im absoluten Sinne. Zusammenfassend können wir festhalten, daß für Methodius die Vollkommenheit Christi von der abgeleiteten Vollkommenheit der Schöpfung unterschieden und vielmehr als eine göttliche, absolute Vollkommenheit zu verstehen ist. Der kleine, kaum greifbare, nur graduelle Abstrich, den er aufgrund seiner Differenzierung zwischen Vater und Sohn, Gott selbst und Gottes e'iKtbv, dem anfangslosen Anfang und dem Anfang an dieser Vollkommenheit macht, ist eine feine Unterscheidung innerhalb der trinitarischen Gottheit. Er ist nicht mit dem entscheidenden qualitativen Unterschied zur abgeleiteten Vollkommenheit der Schöpfung zu verwechseln. Abschließend ist als die dritte Person der Trinität noch der Heilige Geist zu erwähnen, der in der allegorischen Auslegung von Apk 12,6 ebenfalls eine Rolle spielt (symp. VM, 11,200). Thekla hält die Bezugnahme auf den Heiligen Geist vergleichsweise knapp. Der Geist wird durch die Zahl 200 symbolisiert, die aus 2 mal 100, also aus zwei vollkommenen Zahlen besteht, denn er umfaßt die Erkenntnis {yußm^) der beiden Vollkommenen, die Erkenntnis von Gott Vater und Gott Sohn. Auch der Geist ist also im göttlichen, absoluten Sinne vollkommen, wenn er auch seinerseits von Gott Vater und Gott Sohn unterschieden und somit mit keinem der beiden anderen Vollkommenen identisch ist.

EXKURS: Zur Kosmologie

des

Methodius

Methodius entfaltet seine Kosmologie im zweiten Buch der Schrift De resurrectione (res. 11,10). Wie der oben zitierte Text res. 1,34 hat auch dieser Abschnitt die Schöpfung des Menschen zum Thema, wie der einleitende Satz angibt. Der Text lautet: (1) Daß nämlich Gott, der alles schafft und für alles Sorge trägt und vorausbedenkt (ra waura 8r)iiiovpyi3i> 6 deo? Kai iravTaiv (ppovri^iüv Kai npovoovßevos~), unseren äußeren Menschen formte, indem er Staub von der Erde nahm, bezeugt nicht nur der große Prophet Moses, sondern auch der ganze Chor der Propheten, der wie er die geistliche Sprache spricht; denn das All entstand nicht durch eine unvorausbedachte und zufällige Bewegung, als ob aus Sand, der sich zufällig sammelt und zerstreut (wie diejenigen meinen, die die Lehre vom Unbegrenzten und Leeren vertreten), sondern aus Feuer und Luft und Erde und Wasser, auch wenn sie nicht wollen, daß diese Elemente (crroixela) und Erstgeborenen (TTpcüTÖyova) des Alls gewisse Körper sind, sondern Zusammengesetzte und Gestalten, die sich durch eine zufällige und unwillkürliche Liebe zueinander aus Atomen (e£ dröfiuv) oder Massen (öyKün>) oder Unzer-

70

Vgl. die Ausführungen unten in Kap. 4.1.

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Teil I: Terminologische Annäherung gliederbaren (dfiep) oder Gleichteiligen (ößoioßepä)i>) sammeln. Denn diese Lehre ist in Übereinstimmung mit dem Unvorherbedachtsein und der Ungeordnetheit aller Dinge, und infolgedessen ist sie Demokrit und Epikur lieb, uns jedoch nicht. (2) Denn wir wissen, daß das All fehlerlos (duralcrnüs•) durch die Führung des göttlichen Willens gelenkt wird (Kvßepväu&ai). Denn die Weisheit (aotßCa), die alles durch die Führungen Gottes (Beov rayals) wirkt und formt, die das Kalte mit dem Warmen mäßigt, das Warme wiederum mit dem Kalten zähmt, und das Nasse mit dem Trockenen bindet, das Trockene aber mit dem Nassen löst - sie schuf den Menschen in derselben Weise, indem sie die Nachahmung (p.ifj.rjcrii') des Alls in ihm und im All die [Nachahmung] von ihm einzeichnete, so daß der Mensch ein kleiner Kosmos (KÖaßou ... ßiKpov) sei, der in sich alle Teile des Ganzen hat, der Kosmos hingegen ein großer Mensch (p.eyav ... ävOpbmov). (3) Wie also deshalb die Erde unbewegt und gefestigt im All steht, die in sich von überall her ausgegossene kalte Luft hat, die der Natur Erholung vom Feurigen gewährt, [wie] aber wohlgeordnet über ihr das Feuer sichtbar wird und um die Erde herum das Wasser ausgegossen ist, so ist ja auch die feste Natur der Knochen in uns die Erde, und der auf ihr ausgegossene Guß ist das Fleisch, die Adern und das Blut in den Adern aber sind Nachbildungen des Wassers und der Flüsse; die Luft aber ist somit der Atemhauch, der in den Arterien die große Hitze des Feuers in uns abkühlt, das Feuer aber ist die natürliche Wärme, die das Übermaß des Schleims zum Schmelzen bringt wie eine gefrorene Verdichtung des Wassers. ... (5) Demnach lenkt {-quioxet) Gott, wie das alte Wort sagt, das All und leitet es wie einen vierspännigen Wagen in unaussprechlicher Weise zur Beständigkeit, indem er Anfang und Ende und die Mitte alles Seienden innehat, Luft und Erde, sowohl Wasser wie auch wiederum Feuer, der die großen Lebewesen durch seinen Willen zusammenhält und erhält. (res. 11,10,1-3.5)

Vor allen weiteren differenzierteren Ausführungen hält Methodius fest, daß Gott der Schöpfer und Erhalter der Welt im allgemeinen und des Menschen im besonderen ist, so daß kein Zweifel an dieser Grundwahrheit aufkommen kann. Das Schaffen und Erhalten des Alls ist so wesentlich für Gott, daß diese Handlungen ihm als wesensbestimmende Attribute zugeordnet werden. Im weiteren Verlauf des Textabschnitts wird die Weisheit (aotßlä) als Schöpfungsmittlerin eingeführt, die durch die Führungen Gottes sowohl das All aus den vier Elementen Feuer, Luft, Erde und Wasser formte, als auch den Menschen in entsprechender Weise bildete. Das All und der Mensch sind eine Nachahmung (jiißriuis•) von einander, so daß Methodius den Menschen als einen Mikrokosmos (piKpos KÖaßos), das All aber als einen Meganthropos (/leyas ävdpwnos) bezeichnen kann (res. 11,10,2). Methodius nimmt hiermit ein Thema der stoischen Kosmologie auf, die zu seiner Zeit weite Verbreitung in der Popularphilosophie gefunden hatte. Die Elementenlehre läßt sich auf Empedokles zurückführen, der sie in seiner Schrift Über die Natur entwickelte 71 , wurde von Piaton aufgenommen 72 und fand in der Stoa ihre wirkungsvollste Ausprägung. Methodius greift sowohl die stoische Lehre von der Entstehung der Welt aus den vier Elementen Feuer, Luft, Wasser und Erde auf als auch die damit verbundene Lehre von dem Weltenbrand

71

Vgl. z.B. FVS 31 B 6; B 17; B 22. Vgl. PI. Timaios, bes. Ti. 31 b-33 a; 52 d-56 e; Piatons Lehre wirkte bei den Mittelplatonikern fort, vgl. z.B. Alcinous, Intr. 13,1. 72

2. Der Mensch - ein vollkommenes Geschöpf

Gottes

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(.¿KTTvpucris"), in dem die Elemente in ihren Urzustand zurückkehren, um gereinigt und in einer neuen Weltperiode wiedererneuert zu werden (res. I,47f.) 73 . Allerdings denkt Methodius anders als die stoischen Philosophen nicht eine mehrfach wiederholte Abfolge von Weltentstehung, Zurücksinken der Welt in ihren allerersten feurigen Urzustand (aus dem die anderen drei Elemente nach stoischer Lehre entstanden) in der eKirvptiXJis und erneuter Weltentstehung, sondern nimmt an, daß die erste von Gott geschaffene Welt in der ¿KTrvpoxjis untergeht und dann als dieselbe Welt von Gott zu ewiger Dauer neugeschaffen wird. Nach stoischer Anschauung wird der Kosmos durch das geordnete, spannungsreiche Wechselspiel der Elemente zusammengehalten. Er ist ein lebendiger Organismus wie jedes einzelne Lebewesen, so daß die Lebewesen und insbesondere der Mensch als ein Mikrokosmos bezeichnet werden. Diese Bezeichnung nimmt Methodius auf und ergänzt sie durch die logische Entsprechung „großer Mensch" für den Kosmos (res. 1,34,3), wie er auch den seit Dio Chrysostomus (oratio 36,36f.) in der Stoa geläufigen Vergleich des Alls mit einer Stadt aufnimmt (res. 1,34,1). Ebenfalls stoisch mutet gegen Ende des Abschnittes res. 11,10 der Vergleich Gottes mit einem Wagenlenker an, der das aus den vier Elementen bestehende All wie einen vierspännigen Wagen leitet 74 . Die stoische Lehre hat schon einige Generationen vor Methodius Eingang in die christliche Theologie gefunden. So vertritt bereits Justin, dial. 62,2 die Auffassung, daß der Mensch aus vier Elementen bestehe. Clemens wendet sich gegen eine Vergöttlichung der Elemente (prot. 64f.), indem er die Erschaffung der Elemente durch den anfangslosen Gott behauptet (prot. 65,4) 7 5 ; er kennt auch Gott als denjenigen, der die Elemente ordnet (prot. 5,1) und durch seine Weisung lenkt (str. VI,148,2). Auch die Bezeichnung des Menschen als Mikrokosmos kommt bereits bei Clemens vor (prot. 5,3). Nach res. 11,10 scheint das All also keineswegs aus dem Nichts geschaffen worden zu sein, sondern in Aufnahme stoischen Gedankengutes durch das Ordnen und Ins-rechte-VerhältnisSetzen der vier Elemente gemäß Gottes Lenkung. An anderen Stellen verteidigt Methodius jedoch vehement Gottes Macht, die Welt aus dem Nichtseienden hervorzubringen 76 . Den

73 Zur stoischen Kosmologie vgl. MICHAEL LAPIDGE, Stoic Cosmology, in: John M. Rist (Hg.), The Stoics, Berkeley u.a. 1978, S. 161-185. 74 Vgl. den stoischen Kunstmythos bei Dio Chrysostomus, oratio 36,39-61, bes. 36,4246; dazu POHLENZ, Stoa I, S. 80 und GERHARD DELLING, Art. UTOLxelov, ThWNT 7, S. 670-687, da S. 674f. 75 Vgl. str. 1,50,6; 52,2-4. 76 Aut. VII,4: Gott hat die Beschaffenheiten bzw. Qualitäten (ai noiÖTTjTai) aus dem Nichtseienden (¿K ¡I~Q ÖI>TÜJV) geschaffen; diese Ausssage wird in aut. XXII,10 ausdrücklich auf alle Dinge ausgedehnt: „Allem (nämi/) verlieh er selbst das Sein, das vorher nicht war und das nicht anfangslos (mit BONWETSCH, GCS, S. 206,7: ä v ä p x u s ) Bestand hatte"; vgl. auch res. 111,23,5 (f. 166v): „Denn du hast aus Nichtseiendem das Seiende gemacht ..." ( t u b« S5 h c c o y h i V h x c o y i y A A c T R o p u ß i , ) . Daß Gott die Welt aus dem Nichts schuf, ist für Methodius eine solch grundlegende Glaubensaussage, daß er sein stichhaltigstes Argument für die leibliche Auferstehung des Menschen nach dem Tode darauf aufbaut: „... so werden auch unsere Leiber wiederum unsterblich auferstehen, weil nichts sich jenem Befehl zu widersetzen vermag, der aus Nichtseiendem die Dinge geschaffen und mit seiner Weisheit alles geschmückt hat." ( t i k o h hauja TeA-bca • naKti B6CMp[*k]TMA btiCtatm hik$ ne A\ori?i4ioy hh mcomk » e n p o T H B i i r t A T H ca • n o B G A t m i o wnom8 CTBopuieivuK w He cjKi{iHX't> B e i f i k • H np€i> und ößoCucns' gibt, so daß Methodius beide Begriffe vielmehr synonym verwendet (s. oben Kap. 2.4 Anm. 45).

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Teil II: Theologiegeschichtliche

Untersuchung

infolgedessen zumindest Spuren von Vollkommenheit in ihm sein müßten. Die Empirie zeigt, daß der Mensch, obwohl Sia 0e6v ins Leben gesetzt, keineswegs reXeios" ist. Was am menschlichen Verhalten zu beobachten ist, wird durch die täglich zu erfahrende Vergänglichkeit des Menschen bestätigt: Das Bild Gottes ist in ihm nicht zu erkennen, weil er sterblich ist, obwohl er zur Unsterblichkeit geschaffen wurde. Wie kommt es zu dieser Diskrepanz zwischen der von Gott in der Schöpfung nicht nur intendierten, sondern auch tatsächlich gewirkten Vollkommenheit bzw. Gottebenbildlichkeit des Menschen und seiner faktischen, im täglichen Leben ständig zu beobachtenden Unvollkommenheit, die nichts von Gottes Wirken erkennen läßt? Methodius läßt diese Frage, die er wiederholt an verschiedenen Stellen aufwirft11, besonders ausführlich von dem ersten Heterodoxen in De autexusio im Anschluß an seine Schilderung der menschlichen Verbrechen formulieren: (6) Da ich nun Zuschauer so zahlreicher und solcherart beschaffener Ereignisse geworden war, begann ich zu erforschen, woher dieses sei {wodev raOra), wer der Beginn ihrer Bewegung ist und wer so viel Böses unter den Menschen listig ersann, und woher ihre Erfindung und wer der Lehrer dieser Dinge sei. Aber Gott den Schöpfer (noiiynji') dieser Dinge zu nennen, war ich nicht imstande zu wagen, indessen auch nicht, daß sie aus ihm (sc. Gott) das Wesen (TI)U i/iTÖcrTaaiv) haben, noch die Zusammensetzung (TT)U OVOTCLOLV) des Seins. (7) Denn wie wäre ich imstande gewesen, solches von Gott zu denken? Denn er ist gut und Schöpfer der besseren Dinge, von den schlechten aber ist nichts bei ihm; im Gegenteil, es liegt gar nicht in seiner Natur, sich an solchen Dingen zu freuen, vielmehr verwirft er ihre Entstehung und stößt jene von sich, die sich daran freuen, die sie aber fliehen, nimmt er zu sich. Und wie wäre es nicht absurd, Gott den Werkmeister (Srißtoupyov) dieser Dinge zu nennen, den, der diese Dinge verschmäht? Denn er wollte wohl nicht, daß sie nicht seien, wenn er zuerst selbst ihr Schöpfer gewesen wäre. Er will nämlich, daß die, die zu ihm kommen, seine Nachahmer werden. (8) Deshalb schien es mir unvernünftig (iiXoyov) zu sein, ihm diese Dinge zuzuschreiben, sei es wie aus ihm gewordene, sei es - wenn man allerdings auch zugeben muß, daß aus Nichtseiendem etwas werden kann - daß er selbst auch das Böse schuf. Denn der, der diese Dinge „aus dem Nichtseienden zum Sein schuf' 1 2 , würde sie wohl nicht wieder aus dem Sein zum Nicht-mehr-Sein vernichten. Oder (wenn es so wäre) wäre es notwendig, dies zu sagen: wie einst eine Zeit war, wo Gott sich an den bösen Dingen freute, so doch jetzt nicht mehr. Das über Gott zu sagen, scheint mir unmöglich zu sein; denn es ist seiner Natur unangemessen, ihm dieses anzuhängen. (aut. 111,6-8)

11 Vgl. z.B. res. 1,36,1: Kai Cäov, yeyevqrai övriröv ...; 12 Hermas, mand. 1,1.

mos', ei

ddavaTov

fjy ¿K yeveoeus

Kad' i'(iäs~



3. Der Verlust der ursprünglichen menschlichen Vollkommenheit

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Nach Methodius gewinnt die Frage, woher die bösen Handlungen des Menschen stammen, ihre Brisanz daher, daß der Mensch ein Geschöpf Gottes ist. Wie oben bereits ausgeführt, zeigt ihm die Empirie, daß der Mensch keineswegs vollkommen und Ebenbild Gottes ist, obwohl er von Gott zur Vollkommenheit und zu seinem Ebenbild geschaffen wurde. Sein Staunen über diese Diskrepanz weicht jedoch bald der Vermutung, die sich logischerweise nahelegt: Wenn der Mensch von Gott geschaffen wurde, dann müßte Gott doch auch Schöpfer der bösen menschlichen Handlungen sein? Doch dieser Gedanke ist für jeden Griechen, gleich ob Christ oder Heide, undenkbar, denn es ist allgemein anerkannt und selbstverständlich, daß Gott „gut und Schöpfer der besseren Dinge" (aut. 111,7) ist. Die Güte des Wesens Gottes macht es unmöglich, daß das Böse in irgendeiner Weise in Gott seinen Ursprung hat, sei es daß Gott das Böse selbst geschaffen habe, sei es, daß das Böse in anderer Weise aus ihm hervorging oder durch ihn ins Sein gelangte. So führt die Erfahrung der bösen Handlungen des Menschen, seiner Unvollkommenheit und seiner fehlenden Gottebenbildlichkeit, die in krassem Gegensatz dazu stehen, wie er von Gott geschaffen und gemeint war, zu der Frage: ITodeu rä Katca; Woher stammt das Böse, das Gottes Willen widerspricht? Für Methodius handelt es sich dabei um eine ausschließlich anthropologische Fragestellung, denn alle anderen Geschöpfe können nicht anders, als Gottes Anordnungen zu folgen13. Die Erörterung der Fragestellung durch den Heterodoxen zeigt, daß die Frage nicht von einem theologischen Ansatz her beantwortet werden kann, da das Böse, wie allgemein anerkannt war, nicht von dem guten Gott herstammen kann. Es gab zur Zeit des Methodius jedoch philosophische und christliche Strömungen, die eine kosmologische Lösungsmöglichkeit vertreten haben. Da diese Lehren den Hintergrund bilden, von dem Methodius seine eigene Lösung absetzt, sollen sie zunächst dargestellt werden (Kap. 3.2). Diese Darstellung ermöglicht eine geistes- und theologiegeschichtliche Einordnung von Methodius' eigener Antwort auf die Frage TI69ev rä mm;, die zu einem differenzierteren Verständnis seiner Position beiträgt. Diese wird im dann folgenden Abschnitt (Kap. 3.3) dargestellt.

3.2 Methodius' Gegner: Kosmologische Antworten auf die Frage IToOeu TOL Kcucä; Methodius wendet sich in De autexusio gegen einen kosmologischen Lösungsansatz der Frage Tlodeu rä KOLKCL;. Ein solcher Ansatz will - grob skizziert den Ursprung des Bösen durch die Annahme erklären, daß schon vor Gottes Schöpfungsakt die Materie neben Gott bestanden habe, aus der das Böse hervorgegangen sei. Das Böse habe seinen Ursprung also nicht in Gott, sondern 13

Vgl. aut. XVI,3f. und die Ausführungen dazu oben in Kap. 2.3.

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Teil II: Theologiegeschichtliche

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in der Materie als der Grundmasse, aus der der Kosmos gebildet wurde. Dieses Erklärungsmodell trat Methodius in zwei Spielarten entgegen, die er in De autexusio von den beiden Heterodoxen verkörpern läßt. Der erste Heterodoxe steht für die mittelplatonische, der zweite Heterodoxe für die origenistische Variante. Die Einordnung der Gegner des Methodius ist forschungsgeschichtlich interessant. In der älteren Forschung wurden die Heterodoxen als Valentinianer, die einen gnostischen Dualismus vertreten hätten, eingestuft 14 . Als der jüngste Vertreter dieser Auffassung sei Lloyd George Patterson genannt, der seine Ansicht überdies über den Zeitraum von beinahe 40 Jahren aufrechterhielt 15 . Erst in seiner jüngsten Monographie "Methodius of Olympus" nimmt Patterson davon Abstand und nimmt statt dessen an, daß Methodius sich zwar nicht mit einer bestimmten Richtung bzw. einem bestimmten Vertreter der Gnosis auseinandersetzt, wohl aber mit einem kosmologischen Dualismus, wie er auch in der christlichen Gnosis vorkomme 16 . Seine Argumente für die Zuordnung der Heterodoxen in De autexusio zur Gnosis leiteten sich nicht aus Methodius' Texten her, sondern waren sekundärer Art: (i) Zum einen wies er auf lepr. 11,5 hin, wo Methodius ausdrücklich den Glauben an eine böse materielle Substanz Markion zuschreibe 17 . Dieses Argument ist aus zwei Gründen nicht stichhaltig. Erstens hat Patterson die genannte Stelle mißverstanden, da Methodius Markion als einen nennt, der „einen anderen guten anstatt des wirklichen Gottes" 18 annimmt, wohingegen von der Existenz einer

14 So z.B. bereits GOTTFRIED FRITSCHEL, Methodius von Olympus und seine Philosophie, Diss. Leipzig 1879, S. 6 (noch vor dem Bekanntwerden der Existenz slawischer Fragmente durch die Veröffentlichung von J.B. PITRA, Analecta sacra, Paris 1883); OTTO BARDENHEWER, Geschichte der altkirchlichen Literatur, Bd. 2, Darmstadt 1962 (Nachdruck der 2 1914), S. 344; BONWETSCH, Theologie, S. 62; LLOYD GEORGE PATTERSON, The Anti-Origenist Theology of Methodius of Olympus, Diss. New York 1958, S. 150.170 sowie T.D. BARNES, Methodius, Maximus, and Valentinus, JThS.NS 30, 1979, S. 47-55, da S. 53, der es aufgrund seiner Rekonstruktion der Überlieferungsgeschichte für möglich hält, daß es sich bei dem mit Oäa). bezeichneten Heterodoxen um Valentinus selbst handele, und nicht ausschließt, daß die Passage aut. 111,1 „does preserve a genuine, though unnoticed, fragment of Valentinus". - HOFFMANN, Dialog, S. 109-121 hat kein klares Bild der Gegner des Orthodoxen, denn er bezeichnet sie einerseits als „Vertreter des philosophischen Dualismus" (S. 110), die „neuplatonisch-dualistische Lehrsätze" vortragen (S. 109), und behauptet im gleichen Atemzug ohne weitere Belege, daß mit ihnen „indirekt dann gnostische Gegner gemeint" seien (S. 109). - FARGES, Les Idées, vertritt zwar auch die Anschauung, daß es sich bei den Gegnern um Valentinianer handele, die einen gnostischen Dualismus vertreten (S. 81-83), aber er erkennt, daß die Charakteristika der Gegner eher einem Piatonismus der Art Plutarchs entsprechen (S. 105 Anm. 1). 15

PATTERSON vertrat wiederholt die Anschauung, es handele sich bei den Heterodoxen der Schrift De autexusio um Valentinianer, zuletzt in seinem Aufsatz: Methodius on Origen in De Creatis, in: Origeniana Quinta, Löwen 1992, S. 497-508, da S. 500. 16 PATTERSON, Methodius of Olympus, S. 36 und ebd. Anm. 3. 17 LLOYD GEORGE PATTERSON, De libero arbitrio and Methodius' Attack on Origen, StPatr 14, 1976, (= TU 117), S. 160-166, da S. 164: „Methodius himself, in his De lepra, ... explicitly attributes belief in an evil material substance to Marcion"; vgl. ebd. Anm. 2. 18 Übers. BONWETSCH, welche Patterson vorlag; es handelt sich hier um die Stelle lepr. 11,5 (f. 190r-v): „Denn wenn wir dies nicht glauben, werden wir Nachfolger des überaus ge-

3. Der Verlust der ursprünglichen menschlichen Vollkommenheit

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bösen materiellen Substanz weder hier noch in symp. VIII, 10,192, wo Markion ebenfalls erwähnt wird, die Rede ist. Zweitens behauptet ohnehin keiner der beiden Heterodoxen in De autexusio, daß die materielle Substanz, von deren Existenz neben Gott sie ausgehen, an sich und ausschließlich böse sei (vgl. aut. 111,9; IX,2f.) 19 , so daß der Hinweis auf lepr. 11,5 auch dann für De autexusio irrelevant wäre, wenn Methodius die Annahme einer schlechten Materie als Ursprung der Welt mit Markion verbände 20 , (ii) Zum anderen zog Patterson die Philocalia heran, deren Herausgeber das Zitat bei Euseb als Angriff auf die Marcioniten verstanden hätten 2 1 . (iii) Zum dritten nannte er den Dialog des Adamantius, der Teile aus De autexusio benutzt und die Gegner als Valentinianer bezeichne 22 . Der Befund der Handschriften zeigt jedoch, daß die Zuordnung der Antagonisten zur valentinianischen Gnosis als sekundäre Interpretation anzusehen ist 23 , (iv) Als ein weiteres Argument für die Einordnung der Heterodoxen als Gnostiker führte Patterson die unbestreitbaren Ähnlichkeiten zwischen De autexusio und Tertullians Schrift Adversus Hermogenem an 24 , wobei er jedoch davon ausging, daß es sich bei

setzlosen Markion sein, der sagt, daß ein anderer guter als der bestehende Gott sei und daß deswegen die Seelen des Weltschöpfers das verheißene Leben des Guten nicht empfangen kön-

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