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German Pages 360 Year 1994
Nach der politischen Wende von 1989/90 ist es jetzt erstmals möglich, die sicherheitspolitischen und militärischen Maßnahmen auch der östlichen Seite zu untersuchen. Ein Forschungsteam aus den alten und neuen Bundesländern analysiert im vorliegenden Band auf breiter Quellenbasis und unter Auswertung der Archivbestände der ehemaligen DDR
die politische Entscheidungsfindung für die Jahre von 1947 bis 1952 und die wirtschaftlichen Folgen einer
„verdeckten Aufrüstung" in der SBZ/DDR.
Inhalt: B. Thoß: Die Sicherheitsproblematik im Kontext der sowjetischen Westund Deutschlandpolitik 1941-1952. K. Arlt: Das Wirken der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD) im Spannungsfeld zwischen den Beschlüssen von Potsdam und den sicherheitspolitischen Interessen Moskaus 1945-1949. W. Eisert: Zu den Anfangen der Sicherheits- und Militärpolitik der SED-Führung 1948-1952. R. Wenzke: Auf dem Wege zur Kaderarmee. Aspekte der Rekrutierung, Sozialstruktur und personellen Entwicklung des entstehenden Militärs in der SBZ/DDR bis 1952/53. T. Diedrich: Aufrüstungsvorbereitung und -finanzierung in der SBZ/DDR in den Jahren 1948 bis 1953 und deren Rückwirkung auf die Wirtschaft.
Umschlagbilder: Militärhistorisches Museum Dresden, Fotothek Links: Aufmarsch zum 1. Mai 1949 in Riesa (oben); Waffenübergabe an eine Grenzpolizei-Bereitschaft im Land Sachsen-Anhalt 1948 (unten). Rechts: Wilhelm Pieck bei der VP-Bereitschaft Großenhain 1950
Oldenbourg
Volksarmee schaffen
-
ohne Geschrei!
Beiträge zur Militärgeschichte Herausgegeben vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt Band 51
R.
Oldenbourg Verlag München
1994
Volksarmee schaffen
-
ohne Geschrei!
Studien zu den Anfängen einer »verdeckten Aufrüstung< in der SBZ/DDR 1947-1952
Auftrag des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes herausgegeben von Im
Bruno Thoß
R.
Oldenbourg Verlag München
1994
CIP-Einheitsaufnahme
Die Deutsche Bibliothek -
Volksarmee schaffen ohne Geschrei! : Studien zu den Anfängen einer „verdeckten Aufrüstung" in der SBZ/DDR 1947 -1952 / im Auftr. des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes hrsg. von Bruno Thoss. München : Oldenbourg, 1994 (Beiträge zur Militärgeschichte; Bd. 51) ISBN 3-486-56043-3 NE: Thoss, Bruno [Hrsg.]; GT -
-
© 1994 R.
Oldenbourg Verlag GmbH, München
Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen. Satz: Militärgeschichtliches Forschungsamt, Freiburg i.Br. Druck und Bindung: R. Oldenbourg Graphische Betriebe GmbH, München
ISBN 3-486-56043-3
Inhalt Vorwort.9
Einführung.11 Bruno Thoß Die Sicherheitsproblematik im Kontext der sowjetischen West- und
Deutschlandpolitik 1941-1952.23 1. Die
sowjetische Außen- und Sicherheitspolitik als »ideologischer Realismus«.24 Ideologische Vorgaben und Widersprüche.26 Instrumente des außen- und
sicherheitspolitischen Handelns.27
2. Dauerhafte Weltordnung oder Koalition auf Zeit? Die Grundlegung der Nachkriegsordnung im Zweiten Weltkrieg.29 Mißtrauische Partnerschaft: der Verdacht gegen ein Doppelspiel des Westens.30 Die sowjetischen Kriegsziele: unbedingte Sicherheit und globale Eben-
bürtigkeit.31 Die Rolle Deutschlands im sowjetischen Sicherheitskalkül.35
3. Von der Kooperation zur Konfrontation: der Bruch der Kriegskoalition und der Übergang zum Kalten Krieg 1945-1947.40 Das Streben nach maximaler Sicherheitsbefriedigung: Potsdam 1945.42 Das Anwachsen der Spannungen im Ost-West-Verhältnis 1945/46.50 Das Entscheidungsjahr 1947.59 4. Der Kampf gegen die Schaffung eines Westblocks und die Herausbildung der Zweistaatlichkeit in Deutschland 1948/52.65 Kampf gegen und Vorbereitung auf die Doppelstaatsgründung in
Deutschland 1948/49.66 Strategien zur Verhinderung einer militärischen Westintegration der
Bundesrepublik 1949/50.74 Zwischen deutschlandpolitischer Offensive und »Aufbau des Sozialismus« in der DDR
1951/52.82
Schlußbetrachtung.87 Kurt Arlt Das Wirken der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD) im Spannungsfeld zwischen den Beschlüssen von Potsdam und den sicherheitspolitischen Interessen Moskaus 1945-1949.91
Einleitung.91
6
1.
Inhalt
Sowjetische Planungen und Vorbereitungen für ein Nachkriegsdeutschland.93 Jaita und Potsdam als Leitlinien künftiger sowjetischer Besatzungspolitik.93
Vorläufige Besatzungsorgane bis Kriegsende.96 Kriegsbeute ein Wettlauf mit der Zeit.99 —
2. Die sicherheits- und militärpolitische Praxis der SMAD im Interesse von »Entmilitarisierung, Demokratisierung und Entnahme zustehender Reparationen« 1945-1947.103 Die Militäradministration wird installiert.103 Die Militärverwaltung auf Landesebene.108 Die Gruppe der sowjetischen Besatzungstruppen in Deutschland.109 Die Kommandanturen das Symbol der sowjetischen Militärverwaltung.110 und wirtschaftliche Entwaffnung?.111 militärische Konsequente Zur Rolle der SMAD-Organe für innere Angelegenheiten.122 —
3. Die SMAD unter sich wandelnden sicherheits- und
militärpolitischen Zielsetzungen 1947-1949.127 Anpassung an veränderte äußere und innere Bedingungen.127 Von der Entwaffnung zur Aufstellung erster kasernierter Polizeibereit-
schaften .131 Sicherheits- und Militärfragen in der Bilanz der SMAD.136
Wolfgang Eisert Zu den Anfängen der Sicherheits- und Militärpolitik der SED-Führung 1948 bis 1952.141 Einleitung.141 1. Die Anfange sicherheits- und militärpolitischer Überlegungen 1946 bis 1947.142 Erste sicherheitspolitische Vorstellungen entstehen.142 Die Bildung der Deutschen Verwaltung des Innern.148 Die Konkretisierung der politischen Ziele und ihre mögliche bewaffnete Sicherung.157
2. Die ersten sicherheits- und militärpolitischen Aufgabenstellungen und der Beginn der verdeckten Aufrüstung (1948-1949).160 Die Vorbereitungen zur Verstärkung der Polizeikräfte.160 Die Konferenz von Werder im Juli 1948 und die Aufstellung kasernierter
Polizeiverbände.169
Die kasernierten Polizeiverbände im Vorfeld der Gründung zweier deutscher Staaten.178
Inhalt
7
Entwicklung des sicherheits- und militärpolitischen Konzepts bei der Vorbereitung des Kurses zum Sozialismus (1949-1952).184 Die Gründung der DDR und ihre ersten sicherheits- und militärpolitischen
3. Die
Maßnahmen.184
Die Sicherheits- und Militärpolitik nimmt Konturen an.195
Schlußbetrachtung.202 Rüdiger Wenzke Auf dem Wege zur Kaderarmee. Aspekte der Rekrutierung, Sozialstruktur und personellen Entwicklung des entstehenden Militärs in der SBZ/DDR
bis 1952/53.205
Vorbemerkung...205 1. Der personelle Aufbau der Polizei im Kalkül der kommunistischen
Machtpolitik (1945/46-1947/48).207 Programmatik und Selbstverständnis der KPD.207 Das »Klassenprinzip« als Grundlage des personellen Neuaufbaus der Polizei.208 Erste Zentralisierungsmaßnahmen im
Polizeiapparat.210
2. Der Übergang zur Schaffung eines militärisch orientierten Kaderreservoirs ( 1948/1949).214 Die Rekrutierungspolitik der SED zur Aufstellung kasernierter
Polizeibereitschaften.214
Wehrmachtoffiziere Kader der ersten Stunde.220 Die Sicherung des Machtmonopols der SED in den bewaffneten Kräften und ihre personalpolitischen Konsequenzen.227 Der Befehl Nr. 2 Grundlage für die größte Säuberungsaktion in der Polizei.231 Polizei und kasernierte Truppen vor der Gründung der DDR.236 —
—
3. Die HVA als »Kaderschmiede« zur Herausbildung einer militärischen Führungsschicht in der DDR (1949-1952).239 Auffüllung, Formierung und Ausbildung des Personalbestandes der HVA.239 Der Typ des »Arbeiter-Offiziers«. Zur Sozialstruktur und politischen Zusammensetzung der neuen HVA-Kader.249 4. Die militärischen Kader im Aufstellungsprozeß »nationaler
Streitkräfte« (1952/1953).261 Die Personalwerbung als »wichtigste Aufgabe im gegebenen Moment«.261 Kaderentwicklungen im Rahmen neuer Streitkräftestrukturen bis zur Schaffung der NVA.265
8
Inhalt
Torsten Diedrich
Aufrüstungsvorbereitung und -Finanzierung in der SBZ/DDR in den
Jahren 1948 bis 1953 und deren Rückwirkungen auf die Wirtschaft.273
Vorbemerkungen.273 1. Zur Herausbildung und Finanzierung der materiellen Sicherstellung der militärischen Polizeiformationen von 1948/49 bis Anfang 1952.278 Die Anfänge der Versorgung von bewaffneten Einheiten.278 Der Beginn der Rüstungsgüterproduktion.290 Rückwirkungen auf die Wirtschaftskraft 1948 bis 1951.301 2. Militarisierung und ökonomische Krise 1952/53 in der DDR.306 Die Militarisierung nach der 2. Parteikonferenz und ihre Kosten.306 Die Militarisierung als wesentliche Ursache der Krise von 1953.326
Abkürzungsverzeichnis.337 Literaturverzeichnis.341
Personenregister.353 Die Autoren.359
Vorwort Zeiten des
und
gesellschaftlichen Umbruchs waren traditionell auch für die Geschichtswissenschaft besonderen Herausforderungen begleitet. Wo Vertrautes wegbrach, verlangte die Öffentlichkeit nach Begründungen, dem heraufziehenden Neuen und seinen Unsicherheiten gegenüber suchte sie nach Orientierungen. Sinndeutungen über die miterlebten Beschleunigungen im historischen Prozeß hatten und haben an solchen Epochenwenden Hochkonjunktur. Gerade an den Zeithistoriker mit seiner Nähe zum kurz zurückliegenden Geschehen werden dabei Erwartungen herangetragen, die ihm Chancen und Risiken gleichermaßen eröffnen. Das gilt insbesondere dann, wenn wie nach dem Ende des Kalten Krieges seit 1989 eine ganze Staatenwelt zusammenbricht und damit in ihren Gesellschaften Hoffnungen und Ängste in einem Ausmaß freigesetzt werden, die aus historischer Perspektive nach Wegweisung für eine unübersichtliche Gegenwart und in eine unsichere Zukunft hinein verlangen. Da im Gefolge der mittel- und osteuropäischen Umbrüche 1990 nicht nur die deutsche Frage gelöst werden konnte, sondern mit der Einbindung der neuen ostdeutschen Länder in die NATO und der Auflösung des Warschauer Paktes zudem die Sicherheitsstrukturen in Europa neuzuordnen waren, sah sich auch die deutsche Militärgeschichtsschreibung vor eine Standortbestimmung gestellt. Ihre Bildungsaufgabe im Rahmen der Bundeswehr verlangte ihr rasch greifbare Orientierungshilfen über die Nationale Volksarmee und deren Paktsystem ab, um die Integration eines Teiles ihrer Angehörigen in die neuen gesamtdeutschen Streitkräfte zu erleichtern. Gleichzeitig eröffnete ihr der Zugang zu den historiografischen Quellen der ehemaligen DDR wie zu Beständen in Moskauer Archiven völlig neue Möglichkeiten zur Grundlagenforschung über den Kalten Krieg und die Rolle beider deutscher Staaten darin. wenn auch entsprechend ihrer Gerade weil die Militärhistoriker auf beiden Seiten Weise in die geistigen Wissenschaftstraditionen auf unterschiedliche gegensätzlichen und ideologischen Auseinandersetzungen des Ost-West-Konflikts nach 1945 eingebunden waren, galt es nunmehr, der Versuchung zu widerstehen, in selbstzufriedener Siegerattitude den Zugriff auf die jetzt mögliche Deutung von Konfliktursachen und -verlauf einseitig zu okkupieren. Im Gegensatz zum bisherigen westöstlichen Gegeneinanderforschen entschloß sich das Militärgeschichtliche Forschungsamt daher nicht nur zur Erweiterung seiner Forschungsanstrengungen zur westdeutschen und westeuropäischen Nachkriegsgeschichte auf die Militärgeschichte der ehemaligen DDR und des Warschauer Paktes; mit der Übernahme des Militärgeschichtlichen Instituts in Potsdam wurde auch ein Teil seiner Forschungskräfte in diese gesamtdeutsch ausgeweiteten Forschungsanliegen einbezogen. Damit sollte nicht nur auf wissenschaftliche Erfahrungen zurückgegriffen werden, die von westdeutschen Militärhistorikern erst in einem zeitraupolitischen
von
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Vorwort
benden Nachholprozeß zu gewinnen waren; es sollte auch bei allen Risiken einer Zusammenarbeit aus so weit auseinanderliegenden Forschungsvorausetzungen ein Signal für den Willen zum geistigen Zusammenwachsen gesetzt werden. In Weiterführung der Erfahrungen des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes mit seinen Großprojekten über die westdeutsche Sicherheitspolitik und die Geschichte der NATO ist auch die eingeleitete Erforschung von NVA und Warschauer Pakt chronologisch-systematisch angelegt. Der Streitkräfteaufbau in beiden deutschen Staaten und die Integration beider Bündnisarmeen in ihre jeweiligen Militärallianzen setzt mit ihren vorprägenden und dauerhaft weiterwirkenden Vorphasen ein und verankert diese immer auch zugleich in den politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Strukturen der sie umgebenden Systeme. Dadurch wird eine doppelte Grundlage für die künftige Erforschung der deutschen Militärgeschichte in der Nachkriegszeit angestrebt: Aus den gegeneinander gerichteten und doch gleichzeitig charakteristisch aufeinander bezogenen Aufrüstungsbemühungen in Ost und West wird die Basis für einen historischen Vergleich gelegt, der den Beitrag der Deutschen zum Kalten Krieg trennschärfer fassen lassen soll, als dies bisheriger Forschung erreichbar war. Daneben werden schon in den Entstehungsgeschichten beider deutscher Armeen die Strukturen und Rahmenbedingungen analysiert, ohne deren Kenntnis weder die Geschichte von Bundeswehr und NATO noch von NVA und Warschauer Pakt verstehbar sind. Mit dem vorliegenden Band aus der Reihe »Beiträge zur Militärgeschichte« eröffnet das Militärgeschichtliche Forschungsamt eine lose Folge von Publikationen zum Themenkomplex >Sicherheitspolitik der SBZ/DDR und der Warschauer-Pakt-Staatenverdeckten Aufrüstung< in der SBZ/DDR bis 1952/53 nachgegangen. Ein Anschlußprojekt über die folgende Phase des Aufbaus einer Kaderarmee, der Kasernierten Volkspolizei (1952-1955/56), ist eingeleitet. Daneben stehen eine Bibliographie zum militärhistorischen Schriftgut über die Sicherheitsund Militärpolitik der SBZ/DDR von 1945 bis 1990 sowie ein erster Quellenband zur Vorgeschichte der NVA für die Jahre 1945 bis 1956 unmittelbar vor dem Abschluß. Erste Detailstudien zum Bild der NATO in den Warschauer-Pakt-Staaten sind ebenfalls in Angriff genommen. Damit ist die Hoffnung verbunden, durch wissenschaftliche Aufklärung auch einen militärhistorischen Beitrag zum besseren Verständnis der jeweils anderen Seite in der Zeit der deutschen Spaltung zu leisten und dadurch den Prozeß der inneren Einheit im vereinten Deutschland zu fördern.
Dr. Günter Roth
Brigadegeneral und Amtschef des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes
Einführung Die Geschichtsschreibung zum Kalten Krieg, dem Rahmen für die deutsche Aufrüstung in Ost und West, emanzipierte sich über Jahrzehnte hinweg nur mühsam von ihren tagespolitischen Vereinnahmungen wie von der Zeit- und Standortgebundenheit ihrer Autoren. Die Annahme von einer als total verstandenen Konfrontation antagonistischer Weltsysteme verlieh dem Ost-West-Konflikt neben seiner politisch-strategischen zugleich die Dimension einer gesellschaftlich-geistigen Auseinandersetzung, in der schließlich auch seine Interpretation »notwendigerweise ein Bestandteil des Konflikts selbst« wurde1. So nimmt es nicht wunder, wenn die Neubewertung seiner Ursachen und Verlaufsformen in der neueren Forschung erhebliche Impulse aus der beginnenden internationalen Entspannung seit Ende der 60er Jahre empfing. Die Rekonstruktion des Kalten Krieges als Prozeß der wechselseitigen Eskalation in einem bipolaren internationalen System profitierte dabei wesentlich von der Öffnung der Archive bei den westlichen Konfliktbeteiligten, die erstmals den Blick auf die eigentlichen Motivstrukturen der Handelnden freizugeben begann. Gerade wenn man den Ost-West-Konflikt jedoch als wechselseitiges Hochschaukeln begriff, litt die Analyse bei aller Verfeinerung des methodischen Instrumentariums weiterhin unter den extrem restriktiven Zugangsbedingungen zu den östlichen Quellen. Das traf ganz besonders auf Forschungen zur Genesis der deutschen Spaltung und der damit eng verzahnten Aufrüstung in beiden Teilen Deutschlands zu. Da die frühzeitige Einbeziehung der Deutschen in die militärischen Planungen auf beiden Seiten unzweifelhaft zu den verschärfenden Faktoren des Kalten Krieges zählte, war sie von Beginn an begleitet von einer heftigen Kontroverse darüber, wer dazu als auslösender Teil in West oder Ost die Initiative ergriffen hatte. Diese Tendenz zur gegenseitigen Schuldzuweisung durchzog speziell Arbeiten zur Vor- und Frühgeschichte der NVA über Jahrzehnte hinweg bis zu ihrer Selbstauflösung. In der westdeutschen Literatur setzte sich zunächst die Auffassung eines Autorenteams durch, das in seiner mehrfach neuaufgelegten Gesamtdarstellung letztlich bereits in der Aufstellungsphase ostdeutscher Polizeikräfte 1945/46 versteckte militärische Ansätze sah. Sie seien mit dem Ausbruch des Kalten Krieges ab 1947/48 nur weiter konkretisiert worden und ab 1952 in die Aufstellung einer Kaderarmee, der Kasernierten Volkspolizei (KVP), eingemündet2. Die extensive Durchführung der Potsdamer Beschlüsse über eine Entmilitarisierung Deutschlands durch die sowjetische Besatzungsmacht wie die beschränkte Aufgabenstellung und Bewaffnung der ersten Polizeikräfte zunächst mit Knüppeln, zuneh—
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Loth, Der Kalte Krieg, S. 155. Vgl. Forster, NVA.
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Einführung
mend mit Handfeuerwaffen ließen späteren Deutungen freilich eine so frühzeitige militärische Orientierung zweifelhaft erscheinen. Aus dieser Sicht löste vielmehr erst der Umschlag der Ost-West-Spannungen zum Kalten Krieg 1947/48 sowjetische Maßnahmen zur Herauslösung militärisch verwendbarer Bereitschaften aus der allgemeinen Polizei in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) aus, die in Ausbildung, Gliederung und Ausrüstung eindeutig als Kader einer künftigen Armee zu erkennen waren3. Demgegenüber wurden im 1958 gegründeten Militärgeschichtlichen Institut der DDR anfangs zur Vorgeschichte der NVA nur einige wenige Fachstudien für den internen Dienstgebrauch angefertigt, die zudem als Verschlußsachen teilweise bis in die 80er Jahre nur mit Sondergenehmigung einsehbar waren4. Nach außen hin hielt man dabei strikt an der Version fest, daß die DDR erst als Reaktion auf den NATO-Beitritt der Bundesrepublik ab 1955/56 eigene Maßnahmen zur Aufstellung von Streitkräften im Rahmen des Warschauer Paktes eingeleitet habe. Intern gestand man dagegen ein, daß die SEDFührung seit 1948/49 schrittweise an die »praktische Lösung der Militärfrage« gegangen sei und dazu ab 1952 eine »Politik der Wehrhaftmachung« betrieben habe, bei der aber »ausdrücklich [...] der Polizeicharakter der bewaffneten Kräfte gewahrt« worden sei5. Zunehmende Probleme bereitete freilich seit den 70er Jahren das Traditionsbedürfnis in Truppenteilen, die bereits zu Zeiten der Polizeibereitschaften oder der KVP aufgestellt worden waren. In der ersten öffentlichen Darstellung zur NVA-Geschichte behalf man sich deshalb mit der definitorischen Unterscheidung einer »Organisierung des bewaffneten Schutzes« in den Jahren 1949 bis 1955 und einem »Aufbau des militärischen Schutzes« erst ab 1955/566. Die Fiktion einer zur inneren Sicherheit geschaffenen KVP und einer erst im Rahmen des Warschauer Paktes aufgestellten NVA als äußerer Schutzvorkehrung behielt die DDR-Geschichtsforschung kaum modifiziert bis 1989 bei7, obwohl die Akten der Vorläuferorganisationen HVA und KVP von Anfang an nicht bei den Polizeibeständen des Innenministeriums, sondern im Militärarchiv der DDR aufbewahrt wurden8! In dieser Forschungssituation lösten die Reformbewegungen in Osteuropa und insbesondere in der Sowjetunion seit Mitte der 80er Jahre berechtigte Hoffnungen auf eine Liberalisierung des wissenschaftlichen Austausches in den Ost-West-Beziehungen aus. Zusätzliche Erwartungen knüpften sich nach dem Wegfall der Systemgrenze in Deutschland 1989/90 insbesondere an die erheblich erweiterten Möglichkeiten, die sich gerade der Geschichtswissenschaft durch den Prozeß der deutschen Einigung erschlossen. Die ungelöste deutsche Frage hatte als eine der Hauptbelastungen die Geschichte des Kalten Krieges durchgängig mitbeeinflußt. Ihre Lösung öffnete jetzt geradezu auf einen Schlag den direkten Zugang zu den Archiven der ehemaligen DDR und damit —
1
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Vgl. Wettig, Überlegungen, und Fischer, Anfange. Beispielhaft dafür: »Für den zuverlässigen Schutz der Deutschen Demokratischen Republik« sowie »Zur geschichtlichen Entwicklung und Rolle der Nationalen Volksarmee«. Letztere Studie war als »Vertrauliche Verschlußsache!« eingestuft und wurde erst 1987 vom Direktor des Instituts zur allgemeinen Einsichtnahme freigegeben. Zur geschichtlichen Entwicklung und Rolle der Nationalen Volksarmee, S. 13 ff.
Militärpolitik für Sozialismus und Frieden, S. 22-34 bzw. 35-70.
Vgl. Armee für Frieden und Sozialismus sowie Die Militär- und Sicherheitspolitik der SED. Vgl. Nationale Volksarmee. Militärarchiv der DDR, Berlin (Ost) o. J., S. 3 f.
Einführung erstmals die Chance,
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exemplarischen deutschen Streitpunkt her bisherige ForOst-West-Konflikt nach 1945 auf wesentlich verbreiterter Quel-
vom
schungsergebnisse lenbasis neu zu hinterfragen. zum
Neben ihrer schriftlichen
Überlieferung hinterließ die Wende von
1989 einer neuen auch zwei Probleme: den Umgang der Historiker untereinander und mit einer Geschichtsbetrachtung aus konträren Wissenschaftstraditionen. Die Versuchung war groß, mit dem untergegangenen System auch seine Historiographie als Systemwissenschaft und »Magd der Politik einer Parteiclique«9 pauschal »abzuwickeln«. Schließlich hatten sich die ostdeutschen Historiker nicht nur während der Wende ausgesprochen zurückgehalten; sie schienen auch danach die Chance zur Selbstreinigung für den Geschmack einer kritischen Öffentlichkeit eher
gesamtdeutschen Geschichtsforschung freilich
halbherzig aufzugreifen10.
Pauschalisierende westdeutsche Kritik, erste Erfahrungen ehemaliger DDR-Wissenschaftler mit ihrer Evaluierung und die Auflösung ganzer Forschungsbereiche und Institute weckten umgekehrt den Verdacht bei den Betroffenen, daß nicht an gemeinsame Überprüfung und Neubewertung herangegangen, sondern ein einseitiger wissenschaftlicher Kahlschlag eingeleitet werden sollte. Besorgt konstatierte ein amerikanischer Fachkollege schon Ende 1990 speziell für die Geschichtsforschung der DDR die Gefahr eines möglichen generellen »Absturz[es] aus der Vorzugsstellung von Priestern der SED in die Schurkenrolle der stalinistischen Kollaborateure«". Unter solchen Begleitumständen des Einigungsprozesses, die gerade bei jüngeren ostdeutschen Wissenschaftlern zusätzlich von einschneidenden Problemen der beruflichen Um- und Neuorientierung begleitet waren, litt und leidet bis heute der Prozeß einer kritischen Selbstfindung selbst bei denen, die 1989/90 durchaus offen und selbstkritisch an eine Bestandsaufnahme ihres Faches herangetreten waren12. Mindestens ebenso dringlich stellte sich andererseits die Forderung nach Aufarbeitung einer Vergangenheit, von der besonders die Geschädigten des Systems Aufschluß über und wo immer möglich Genugtuung für den Unrechtscharakter der SED-Herrschaft die wissenschaftliche Öffentlichkeit Antworten auf die erwartete verlangten. Gleichzeitig vielen offenen Fragen der DDR-Geschichte, die wegen des verordneten und praktizierten Parteilichkeitsprinzips wie der extremen Geheimhaltungspraxis speziell bei der Erforschung der Nachkriegszeit bisher unbeantwortet oder verzerrt geblieben waren. Bei allem antagonistischen Gegeneinander der Systeme waren im übrigen gerade in Deutschland Menschen und Strukturen selbst in den Jahren des Kalten Krieges in einem dialektischen Wechselverhältnis von »Verflechtung und Abgrenzung« aufeinander bezogen geblieben. Deshalb kann in Zukunft eine Überprüfung der ostdeutschen Teilgeschichte nicht ohne Rückwirkungen auf eine ebenfalls zu überarbeitende deutsche Gesamtgeschichte der Nachkriegszeit bleiben11. Unter so vielfältigen Herausforderungen müssen schließlich —
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So der Präsident der Historiker-Gesellschaft der DDR, Scheel, auf der Außerordentlichen
derversammlung am 10.2.1990 in Berlin, in: Militärgeschichte, 29 (1990), S. 317. Vgl. Krise Umbruch Neubeginn.
Mitglie-
So Jarausch in: Zwischen Parteilichkeit und Professionalität, S. 13. Vgl. dazu generell Kocka, Auswirkungen. Darauf verweist neuerdings zu Recht Kleßmann, Verflechtung, S. 30-41, und benennt dazu erste Themen und Untersuchungsfelder einer künftigen gesamtdeutschen Nachkriegsforschung. —
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14
Einführung
auch die Prioritäten künftiger DDR-Forschung diskutiert werden, um so unterschiedlichen Bedürfnissen wie den berechtigten Forderungen nach historischer Aufklärung von Unrechtshandlungen, der wissenschaftlichen Aufhellung sogenannter »weißer Flecken« in der Geschichtsbetrachtung der ehemaligen DDR und einer systematischen Aufarbeitung ihrer Gesamtgeschichte in Großforschungsvorhaben14 gleichermaßen gerecht zu werden. Da die Sicherheitsfrage in Deutschland zu den zentralen Belastungen der innerdeutschen Verhältnisse wie des Ost-West-Konflikts insgesamt zu zählen war, ließ sich über die NVA-Quellen nunmehr die für Westdeutschland begonnene Grundlagenforschung zur Nachkriegszeit" auch auf die Sicherheits- und Militärpolitik der DDR ausdehnen. Zu erwarten war davon in einem ersten Takt eine quellenmäßig wie thematisch verbreiterte Detailforschung zu Aufbau und Entwicklung ostdeutscher Streitkräfte und ihrer Vorläuferorganisationen, die analog zu einem ähnlichen früheren Unterfangen16 als Grundlage für eine anzustrebende neue Gesamtsicht deutscher Militärgeschichte nach 1945 in vergleichender Absicht dienen sollte. Da mit der Übernahme ihrer Institutionen auch die zeitlich befristete Weiterbeschäftigung von Militärhistorikern der DDR verbunden war, mußte eine von falsch verstandener Harmonie freie, sachliche Zusammenarbeit angestrebt werden. Es galt, die bisherige Konfrontation in pluralistisch-kritischen Gemeinschaftsprojekten zu überwinden. Der begreiflichen Befürchtung ostdeutscher Historiker, im Einigungsprozeß geradezu »plattgewalzt« zu werden17, konnte allerdings nicht einfach mit einer voraussetzungslosen Kollegialität begegnet werden. Die Militärgeschichtsforschung in Westdeutschland hatte sich nach 1945 in einem Prozeß der Verwissenschaftlichung ihres Faches zunehmend herkömmlicher Indienststellung für die Zwecke einen praxisorientierten Militärwissenschaft entzogen. Unterließ sie jetzt unter dem Gesichtspunkt eines raschen Zusammenwachsens west- und ostdeutscher Militärhistoriker die klare Posititionsbestimmung in einer für ihr Selbstverständnis so essentiellen Fragestellung wie der Zusammenführung einer pluralistischen und einer dem Parteilichkeitsprinzip verpflichteten Forschungstradition, dann leistete sie dem Mißverständnis Vorschub, als habe es sich bei der Militärgeschichtsschreibung in beiden Teilen Deutschlands bisher lediglich um die beiden Seiten ein und derselben Medaille gehandelt. Eine Bestandsaufnahme der Grundlagen militärhistorischen Arbeitens war auch deswegen unumgänglich, weil sich ostdeutsche Militärhistoriker in selbstkritischer Reflexion schon Anfang 1990 eingestanden hatten, »daß der ideologische Bereich der Armee am stärksten stalinistisch geprägt war«18. Gerade weil der Prozeß einer wissenschaftlichen Selbstvergewisserung in Ostdeutschland zunächst noch in der Hoffnung auf ei—
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Dazu hat der Arbeitsbereich Geschichte und Politik der DDR am Institut für Sozialwissenschaften der Universität Mannheim unter Leitung von D. Staritz eine sechsbändige Gesamtdarstellung zur DDR-Geschichte in Angriff genommen. Vgl. dazu v.a. das Reihenwerk Anfange westdeutscher Sicherheitspolitik.
Vgl. Wettig, Entmilitarisierung. So etwa der Leipziger Historiker Engelmann, Vae victis, Geschichtswissenschaft und Marxismus plattgewalzt.
und die Antwort Webers, Werden DDR-
So der Dresdener Militärhistoriker Lachmann bei einer Diskussion im MGI Potsdam in: Militärgeschichte, 29 (1990), S. 205.
Anfang 1990,
15
Einführung
Neubeginn innerhalb einer reformierten DDR19 bereits vor der deutschen Einigung in einer respekterheischenden Offenheit eingeleitet worden war, verbot sich andererseits eine inquisitorische Siegerattitude, die im undifferenzierten Generalverdacht den Blick dafür verstellte, daß »seit Mitte der siebziger Jahre beachtliche Veränderungen« in der DDR-Geschichtswissenschaft in Gang gekommen waren20. Im übrigen hatten sich jüngere Mitarbeiter der Potsdamer Fachgruppe für NVA-Geschichte selbst die Forderung nach Aufklärung von »weißen Flecken« zu eigen gemacht und darüber innen
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zwischen in beachtenswerten Studien über besonders kontroverse Themen öffentlichen Nachweis geführt21. Außerdem brachten sie wertvolle Vorkenntnisse mit, die wegen der Randlage der NVA-Forschung in der Bundesrepublik von westdeutschen Militärhistorikern erst in einem langwierigen Nachholprozeß zu erwerben waren. Das Militärgeschichtliche Forschungsamt stellte sich deshalb den Anforderungen an eine Erforschung der deutschen Nachkriegsgeschichte seither vor allem auf zwei Wegen. Auf einer wissenschaftlichen Fachtagung ging es der Wiedereinrichtung der eigenen Fachdisziplin, ihren theoretischen Prämissen und ihrer weiterlaufenden Methodendiskussion in beiden Teilen Deutschlands nach 1945 nach22. Damit sollte ein Einstieg gewonnen werden, auf dem ein umfassenderes künftiges Projekt über das wissenschaftliche Selbstverständnis, die institutionelle Verankerung und die Forschungsergebnisse der Militärgeschichte im Systemvergleich aufbauen konnten. Parallel dazu wurde die systematische Erforschung der NVA und ihrer Einbettung in den Warschauer Pakt eingeleitet, die sich zunächst in zwei aufeinanderfolgenden Studienbänden Detailfragen ihrer Vorgeschichte zuwandte. Die Bestandsaufnahme der Ziele und Methoden wie die eingeleitete Grundlagenforschung zum Aufbau von Streitkräften in der SBZ/DDR sind beide als Gemeinschaftsprojekte west- und ostdeutscher Militärhistoriker angelegt. Dadurch soll nicht nur die Forschungserfahrung beider Seiten nutzbar gemacht, sondern auch dem Verdacht einer »Siegerhistorie« entgegengewirkt werden. Das Experimentelle eines derartigen Vorgehens ist den Beteiligten bewußt. Unterschiedliche Wissenschaftsorientierung und Forschungserfahrung in der Vergangenheit blieben denn auch nicht ohne Einfluß auf die vorgestellten Arbeitsergebnisse. Der wissenschaftlichen Öffentlichkeit bleibt es vorbehalten, Erträge und Probleme zu gewichten. Der Aufbau des Projekts zur NVA-Geschichte orientiert sich an den Phasen der Streitkräfteentwicklung in der SBZ/DDR von ihren Anfangen in den Polizeibereitschaften (1948-1952) über die Ausbildung von Kaderverbänden in der Kasernierten Volkspolizei (1952-1956) bis zum Einbau der NVA als Bündnisarmee in den Warschauer Pakt (1956-1990). Der vorliegende erste Band will auf neuer Quellenbasis die These überprüfen, daß zwischen 1948 und 1952 sicherheitspolitische Vorentscheidungen fielen und militärische Vorarbeiten eingeleitet wurden, die von einer Phase der >verdeckten Aufrüstung< sprechen lassen23. Alle Einzelbeiträge greifen zwar bis 1945 im Falle der —
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Vgl. dazu Hanisch, Aufarbeitung, S. 229-234. So W. Schulze in: Die Zeit, Nr. 36, 1990.
Vgl. Eisert, Waldheimer Prozesse; Diedrich, Der 17. Juni 1953; Wenzke, Prager Frühling. Die Beiträge der Tagung »Militärgeschichte in Deutschland nach 1945. Ziele und Methoden im Systemvergleich« am 1./2.10.1992 in Freiburg sind in MGM, 52 (1993), H. 2, veröffentlicht. So Fischer, Anfänge, S. 24.
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zurück, marsowjetischen Sicherheitspolitik wegen deren Langfristigkeit bis 1941 kieren aber die Verschärfung der Ost-West-Spannungen zum Kalten Krieg 1947/48 als eigentlichen Ausgangspunkt einer militärischen Umorientierung in Teilen der Volkspolizei. Die Zäsur 1952 wurde gewählt, weil die SED nach dem Scheitern der Stalinschen Notenoffensive zur deutschen Frage auf ihrer 2. Parteikonferenz im Juli dieses Jahres öffentlich eine neue Stufe der »Organisierung bewaffneter Streitkräfte« ankündigte24. Die Ausbildung zuverlässiger Führungskader wurde in der Folgezeit im Rahmen der KVP zur Aufstellung und Ausrüstung von militärischen Kaderverbänden erweitert, die —
ab 1956 den Grundstock für die NVA bildeten. Ohne den bereits erreichten Zugang zu den osteuropäischen und insbesondere zu den russischen Archiven als den eigentlichen Erben der ehemaligen Sowjetunion geringzuachten, muß man freilich für die Geschichte der sowjetischen Außen- und Sicherheitspolitik nach 1945, was die Quellenlage anbelangt, weiterhin mehr Desiderata anmelden, als sich an weiterführenden Antworten bisher aus ersten Einblicken in Moskauer Bestände gewinnen ließ. Entgegen manchen Erwartungen ist die Öffnung der früheren sowjetischen Archive für die Nachkriegszeit sieht man einmal von ersten Teilbeständen aus den Akten der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD) ab noch kaum vorangekommen. Die Analyse der sowjetischen Motive und Strategien für die ersten Aufrüstungsmaßnahmen in der SBZ/DDR bleibt daher vorläufig noch im wesentlichen auf herkömmliche, seit längerem zugängliche Quellen vorwiegend westlicher Provenienz angewiesen. Auch die Hoffnungen, den sowjetischen sicherheits- und militärpolitischen Zielsetzungen und Vorgaben indirekt über die SMAD-Akten nachspüren zu können, haben sich nur zum geringeren Teil erfüllt. Zwar waren wichtige Archive das Zentrale Archiv des Ministeriums für Verteidigung der Russischen Föderation in Podol'sk (CAMO bekannt und formal RF) und das Staatsarchiv der Russischen Föderation (GARF) auch zugänglich. Doch konnte das Aktengut nur mit erheblichen Einschränkungen und vielfach unvertretbarem Aufwand gesichtet werden. Neben verständlichen Gründen wie dem schwachen russischen Interesse an der Aufarbeitung der eher marginalen ostdeutschen Aufrüstung angesichts brennenderer Fragen der eigenen Geschichte und der tatsächlich komplizierten Bedingungen bei der Lagerung und Aufbereitung des Archivguts schienen auch fortexistierende staatliche Sicherheitsstrukturen, fehlende Klarheit in den gesetzlichen Regelungen für die Archivbenutzung und nicht zuletzt erkennbare Unsicherheiten über das aus den Akten möglicherweise Zutagegeförderte als Hemmnisse im Spiel zu sein. Daher konnte zwar die Quellenbasis für das Wirken der SMAD als Exekutivorgan der sowjetischen Besatzungspraxis deutlich verbreitert werden; ihre konkrete Rolle bei der Umsetzung von sicherheits- und militärpolitischen Vorgaben der Moskauer Zentrale ließ sich jedoch noch nicht detailgenauer ausleuchten. Auch die umfassenden Recherchen in den Archiven der ehemaligen DDR zu den Anfängen einer Aufrüstung in der SBZ/DDR dämpften höhergesteckte Erwartungen insbesondere für den Bereich des Zusammenwirkens von sowjetischer Besatzungsmacht —
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Beschluß der 2. Parteikonferenz der der SED, S. 123.
SED, 12.7.1952, zit. nach: Die Militär- und Sicherheitspolitik
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und ostdeutschen Mitbeteiligten gerade auf dem Felde der Sicherheits- und Militärpolitik. Das gilt in erster Linie für die Bestände des ehemaligen Militärarchivs der DDR. Sie stellen wohl eine dichte Überlieferung zum Innenleben der entstehenden militärischen Kader ab 1949/50 bereit. Hervorzuheben sind insbesondere die oft sehr detaillierten Unterlagen der Personal- und Kaderverwaltungen der Deutschen Verwaltung des Innern (DVdl), der Hauptverwaltung Ausbildung (HVA), der Kasernierten Volkspolizei (KVP) und der Nationalen Volksarmee (NVA); in diesem Kontext in erster Linie das umfangreiche statistische Material, das sich auf Stärkemeldungen, »Kaderüberprüfungen«, Personalerhebungen u. a. konzentriert. Die Fülle dieses Fakten- und Zahlenmaterials läßt indes selbst für den Bereich der Personalplanung noch beträchtliche Defizite und Lücken in der Aktenlage, die vor allem die Bewertung von personalpolitischen Führungsentscheidungen an der SED-Spitze behindern. Hinzuweisen ist auch auf die Schwierigkeiten, die aus Gründen des Datenschutzes bei der Auswertung von »Kaderakten« entstehen. Die übergeordnete sicherheitspolitische Einbettung militärischen Handelns spiegelt sich in den DDR-Militärakten nur in sehr allgemeinen Zügen wider. Die Abhängigkeit von sowjetischen Vorgaben und die Durchdringung mit Instrukteuren der Besatzungsarmee sind offenkundig. Es fehlt dagegen selbst in den Akten der militärischen Führungsorgane ein nach Potentialen und Absichten des Gegners ausdifferenziertes militärisches Lagebild, das über die Annahmen einer prinzipiellen Aggressivität des Westens aus den Parteiverlautbarungen der SED hinausgehen würde. Die Verklammerung von sicherheitspolitischen Vorgaben und ihrer militärpolitischen Umsetzung erfolgte ganz offensichtlich auf der höchsten Parteiebene und auch hier nur im eng begrenzten Kreis weniger Spitzenfunktionäre wie dem stellvertretenden SED-Vorsitzenden Walter Ulbricht, dem in der Deutschen Verwaltung des Innern für Polizeifragen zuständigen Kurt Fischer und dem späteren Minister für Staatssicherheit Wilhelm Zaisser. Doch weder die Nachlässe führender SED-Politiker noch die Protokolle des Parteivorstandes der SED im Zentralen Parteiarchiv jetzt Institut für die Geschichte der Arbeiterbewegung (IGA) führen wesentlich über den sicherheitspolitischen Erkenntnisstand hinaus, der sich aus den Protokollen der Parteitage und -konferenzen der SED von 1947 bis 1952 herauslesen läßt. Abgesehen von Wilhelm Pieck haben sich die übrigen Spitzenfunktionäre anscheinend strikt an die Weisung gehalten, über Besprechungen und Sitzungen keine über offizielle Besprechungsunterlagen hinausreichenden schriftlichen Aufzeichnungen anzufertigen. Ob die Unterlagen des engeren Führungszirkels, des im Zuge der Stalinisierung der Partei eingerichteten Politbüro, tiefere Einblicke in die sicherheitspolitische Entscheidungsfindung eröffnen, wird sich erst beurteilen lassen, wenn diese Kernbestände des Zentralen Parteiarchivs der Forschung vollständig zugänglich gemacht sind. Leider konnten auch die Akten der Behörde des Bundesbeauftragten für die Unterlangen des Staatssicherheitsdienstes (Archiv des MfS) noch nicht genutzt werden, weil die Aufbereitung der entsprechenden Archivmaterialien für wissenschaftliche Forschungen nicht abgeschlossen ist. Die Bereiche Rüstungsindustrie und Aufrüstungsfinanzierung gehörten in der DDRHistoriographie zu den Tabuthemen. Der Geheimhaltung durch die SED-Führung entsprechend stellt sich die Quellenlage daher auf diesem Felde kompliziert dar. In dem Bemühen, die Aufrüstung und ihre finanzielle Absicherung zu verschleiern, wurden ihre —
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Kosten in verschiedenen zivilen Wirtschaftsressorts geplant und abgerechnet, so z.B. Militärbauten im Wohnungsbauprogramm oder Lazarette im Gesundheitswesen. Hinzu kommt, daß Maßnahmen mit militärischem und zivilem Nutzeffekt wie beim Straßenbau oder im Fernmeldewesen schwierig auszudifferenzieren sind. Bestände des Bundesarchivs Potsdam die Akten des Ministerrats, der Deutschen Wirtschaftskommission (DWK) und anderer wirtschaftsleitender Institutionen der SBZ/DDR sowie die Materialien der Außenstelle Coswig die Bestände der Staatlichen Plankommission, des Ministeriums für Finanzen und der Deutschen Notenbank geben aber eine hinreichend breite Materialbasis für die Untersuchung des Rüstungssektors ab. Unter diesen quellenmäßigen Voraussetzungen suchen die Autoren dieses Bandes die Ansätze zu einer >verdeckten Aufrüstung< in der SBZ/DDR zwischen 1948 und 1952 auf fünf Feldern näher zu beleuchten. Zunächst werden die äußeren Rahmenbedingungen aus der sowjetischen Sicherheits- und Deutschlandpolitik abgesteckt (Thoß). Daran schließt sich eine Rollenbestimmung der SMAD als Transmissionsriemen des Moskauer Führungswillens in der eigenen Besatzungszone an (Arlt). Auf den sowjetischen Vorgaben baut die Sicherheits- und Militärpolitik der SED als ausschlaggebender deutscher Faktor auf (Eisert). Ihr Ziel der Schaffung einer »Armee neuen Typs« schlägt sich besonders eindringlich im Bereich der personellen Kaderauswahl nieder (Wenzke). Schließlich wird den gesamtwirtschaftlichen Rückwirkungen einer ab 1952 forcierten Aufrüstung im Vorfeld des 17. Juni 1953 nachgegangen (Diedrich). Die Sowjetunion (Thoß) ging aus dem Zweiten Weltkrieg zwar als dominierende Kontinentalmacht mit globalen Ansprüchen hervor, war sich aber ihrer sicherheitspolitischen Verwundbarkeit aus ökonomischer und nuklearstrategischer Rückständigkeit bewußt. Deshalb blieb sie wohl über das Kriegsende hinaus an entspannten Ost-West-Beziehungen interessiert, um ihre Kriegsgewinne zu konsolidieren und ihren Wiederaufbau abzustützen. Die eigene Imperialismustheorie, die sie durch die Erfahrungen in der Anti-Hitler-Koalition eher bestätigt gefunden hatte, ließ sie aber an einer Sicherheitspolitik der unbedingten Autonomie im osteuropäischen Einflußbereich und der Autarkie in der Verfügbarkeit aller militärischen Mittel festhalten. Wirtschaftliche und technologische Überlegenheit des Westens wie seine »Westblock«-Pläne fügten sich schon zwischen 1945 und 1947 zu einem sowjetischen Bedrohungsszenario, das den weltpolitischen Kontrahenten USA im Gewände seiner Containmentpolitik zu einer offensiven Einkreisungs- und Isolierungsstrategie übergehen sah. Dem suchte die Sowjetunion in Mitteleuropa mit einer deutschlandpolitischen Gegenoffensive zu begegnen, mit der zumindest eine Integration des westdeutschen Potentials in eine westeuropäische Allianzbildung verhindert werden sollte. Die wachsenden Ost-West-Spannungen mußten sich in dem Moment zum Kalten Krieg verschärfen, als der Westen aus sowjetischer Sicht mit dem Marshallplan seine wirtschaftliche Waffe einsetzte und erste westeuropäische Schritte zum allianzpolitischen Zusammenrücken einleitete, während gleichzeitig die Bizonenbildung auf eine künftige Einbeziehung Westdeutschlands vorausdeutete. Die UdSSR reagierte darauf mit der verstärkten politischen, wirtschaftlichen und ideologischen Abriegelung ihres osteuropäischen Vorfeldes. In Deutschland verfuhr sie dabei zweigleisig. Um dem erwarteten Einbau Westdeutschlands in die entstehende westeuropäisch-atlantische Allianz gegenzusteuern, setzte sie ihre aktive Deutschlandpolitik fort, forcierte daneben —
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aber die weitere Konsolidierung der eigenen Besatzungszone für den Fall einer zeitweiligen oder dauerhaften Spaltung Deutschlands. In diesen Rahmen fügten sich auch die militärischen Aufbaumaßnahmen in der SBZ/DDR seit 1948 ein, die einerseits zur endgültigen Klärung der Machtfrage in ihrer Zone beitrugen, zugleich aber wohl präventiv auf die Bildung eines militärischen Gegengewichts gegen die erwartete westdeutsche Aufrüstung ausgerichtet waren. Die Stufen der ostdeutschen Aufrüstung korrespondierten bis 1952 durchgängig mit dem westund deutschlandpolitischen Vorgehen der Sowjetunion. Mit ihrem militärpolitischen Voranschreiten förderte sie jedoch ganz gegen ihr sicherheitspolitisches Interesse das, was sie eigentlich verhindern wollte: das allianzpolitische Zusammenrücken Westeuropas, ab 1950 auch unter Einbeziehung Westdeutschlands. Die SMAD (Arlt) übte über mehr als vier Jahre die direkte oberste Gewalt im Osten Deutschlands aus. Ursprünglich als Instrument der UdSSR zur Durchsetzung alliierter Vereinbarungen und selbstredend auch sowjetischer Forderungen gegenüber dem besiegten und besetzten Deutschland geschaffen, übernahm sie vor dem Hintergrund des heraufziehenden Kalten Krieges zugleich die Rolle eines Wegbereiters für die Sonderentwicklung in der Sowjetischen Besatzungszone. Dazu fielen ihr zunächst die Aufgaben zu, die Entwaffnung der Deutschen zu erzwingen und zu kontrollieren, die extensive Entnahme von Kriegsbeute für den eigenen Wiederaufbau durchzuführen und abzusichern sowie den politisch-gesellschaftlichen Umbau anzuleiten und zugunsten einer dominierenden Rolle der KPD/SED zu steuern. Der sicherheitspolitische Schwerpunkt ihrer Tätigkeit lag dabei bis 1947 auf der Entmilitarisierung, wobei allerdings sorgfältig mit militärischen Forschungseinrichtungen umgegangen wurde, die unter direkter sowjetischer Aufsicht weiterarbeiteten. Auch die deutsche Grenzpolizei mit ihrer Unterstützungsfunktion bei der Überwachung der Demarkationslinie stand in diesen Jahren unter unmittelbarem Kommando der sowjetischen Besatzungstruppen. Bei der Einleitung erster militärischer Aufbaumaßnahmen wird die Hand der SMAD zwar an allen praktischen Schritten sichtbar. Sie zeigt sich jedoch auf sicherheits- und miFelde als reines Ausführungsorgan der Moskauer Zentrale, ohne daß ihre litärpolitischem konkreten Befehle bereits greifbar würden. Deshalb läßt sich aus ihrem Wirken vorerst auch kaum indirekter Zugang zu den dahinterstehenden sowjetischen Einschätzungen und Zielen gewinnen. Der Blick auf die Strukturen und das Innenleben der SMAD macht aber die Handlungsbedingungen und das historische Umfeld der im Osten Deutschlands wirkenden politischen und gesellschaftlichen Kräfte transparenter. Es wird sichtbar, wie die UdSSR im Rahmen ihrer globalen Politik sicherheitspolitische Interessen in der SBZ durchsetzte, welche Konfliktfelder dabei entstanden und auf welche deutschen Kräfte sie sich stützte. Als getreues Abbild der sowjetischen Gesellschaft jener Jahre ist zudem gerade im sicherheits- und militärpolitischen Bereich die Herausbildung und das Wirken bestimmter Denkstrukturen und Verhaltensmuster in der UdSSR zu verfolgen. Für die SED-Führung (Eisert) bot die schrittweise Verschärfung des Ost-West-Konflikts die Chance, aus dem Schwebezustand herauszukommen, in dem sie Stalins Offenhalten der deutschen Frage aus übergeordnetem Sicherheitsinteresse jahrelang festhielt. Eingebettet in ihre Gesamtpolitik stellt sich ihre Sicherheits- und Militärpolitik gleichzeitig als Bestandteil ihrer Strategie und Taktik zur Eroberung und Sicherung der politischen,
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ökonomischen und ideologischen Alleinherrschaft dar. Gestützt auf das Einverständnis und die Hilfe der Sowjetunion, sorgte die SED-Führung konsequent dafür, daß ihre politische Macht gemäß der marxistisch-leninistischen Lehre von der Notwendigkeit der »Verteidigung der sozialistischen Revolution mit bewaffneten Mitteln« unantastbar wurde. Bis 1947 war ihr allerdings strikte militärische Zurückhaltung auferlegt, um die sowjetische Forderung nach voller Durchsetzung der Potsdamer Beschlüsse in den Westzonen nicht zu konterkarieren. Ab 1947/48 übernahm sie dann die deutschlandpolitische Zweigleisigkeit in Stalins West- und Sicherheitspolitik. Sie bremste deshalb mehrfach den eingeleiteten Sozialisierungskurs ab, um die deutsche Frage offenzuhalten, schuf aber auch militärpolitisch bereits vorbereitende Strukturen für einen künftigen Oststaat. Um die eigene und sowjetische »Friedensoffensive« an die Adresse des bürgerlichen Pazifismus nicht zu stören, bewegte sie sich auf diesem Felde allerdings unter extremer Geheimhaltung. Im Gegensatz zu den früheren Selbstdarstellungen der DDR wurde seit 1948 ein Aufrüstungs- und Militarisierungsprozeß eingeleitet, der seine Fortsetzung in den Anfangsjahren der DDR fand und ihre folgende Geschichte maßgeblich mitprägte. Die sicherheits- und militärpolitischen Aktivitäten gehörten eben nicht nur zur äußeren Bestandssicherung des eigenen Staates; sie dienten vielmehr in wachsendem Maße auch der Unterdrückung und Disziplinierung potentieller und tatsächlicher Regimegegner. Das Instrument zur Durchsetzung des kommunistischen Führungsanspruchs in den entstehenden bewaffneten Kräften bildete die Kaderpolitik (Wenzke). Sie kann nunmehr erstmals auf der Grundlage gesicherten Zahlenmaterials strukturgeschichtlich ausgewertet werden. Dazu lassen sich für die Vorgeschichte der NVA drei Etappen unterscheiden. In der vorbereitenden Polizeiphase bis 1947/48 wird zwar bereits der eindeutige Zugriff der SED auf Auswahl und Schulung des Personals sichtbar, eine militärische Option läßt anders als gelegentlich angenommen25 noch nicht erkennen. In den nicht sich aber zu Unrecht als »Kaderschmieden« bezeichneten kasernierten Bereitschaften entstand dann bis 1952/53 ein personell starkes, militärisches Offizierkorps, das den Nukleus für die späteren ostdeutschen Streitkräfte bildete. Die anschließende Etappe bis 1956 diente unter dem Mantel der KVP dem unmittelbaren Aufbau von Streitkräften und war durch eine bedeutende Vergrößerung des Mannschaftsbestandes sowie durch Anstrengungen zur fachlichen und politischen Qualifizierung der Offiziere gekennzeichnet. Die Herausbildung einer neuen militärischen Führungsschicht im Osten Deutschlands ab 1948/49 war ein Vorgang, der in der deutschen Militärgeschichte durchaus das Prädikat der Einmaligkeit verdient. In seinem Ergebnis entstand eine neue militärische Elite, die sich nach sozialer Herkunft, Bildungsniveau und politischem Profil grundlegend von bisherigen deutschen Armeen, aber auch bewußt von der später entstehenden Bundeswehr unterschied. Durch eine spezifische Rekrutierungspolitik, die eine gesteuerte Personalauswahl ebenso einschloß wie eine permanente politisch-ideologische Erziehung, Ausbildung und Überwachung, gelang es der SED, die soziale Exklusivität sogenannter »erwünschter Kreise« bei der Schaffung eines neuen Offizierkorps zu überwinden. Bereits 1951 entstammten etwa 90 Prozent des jungen Offizierkorps der Arbeiterschaft. Wegen seiner zunächst mangelnden militärischen Erfahrungen benötigte man zwar an wichtigen —
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So insbes. bei Forster, NVA, S. 18-21.
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Schaltstellen noch auf Jahre hinaus »bürgerliche Spezialisten«; ständige »Säuberungen« auf der Grundlage des Befehls Nr. 2/49 sorgten indes dafür, daß unsichere Angehörige eliminiert und die verbleibenden Führungskader zur festen Stütze der SED wurden. Wissenschaftliches Neuland wurde bei der Aufrüstungsfinanzierung (Diedrich) betreten. In der DDR unterlag die Thematik bis 1989 strengster Geheimhaltung, westlichen Historikern mangelte es an Quellen zur Aufdeckung von Strukturen und Finanzmechanismen beim Aufbau und der Ausrüstung militärischer Formationen. Deutlich wird nunmehr, welche hohe Mitverantwortung die Militarisierung in der DDR seit 1952 für die tiefe ökonomische Krise des ostdeutschen Staates trug. Doch bereits vor dieser Zeit erlangte die materielle Sicherstellung der Aufrüstung Priorität vor anderen ökonomischen Interessen. Mit der Zentralisierung der Wirtschaftspolitik in der Deutschen Wirtschaftskommission (DWK) 1947/48 ließen sich rüstungswirtschaftliche Forderungen bevorzugt durchsetzen, sobald die politischen Entscheidungen dafür gefallen waren. Außerdem gelang es mit diesem Instrumentarium, Aufrüstungsmaßnahmen in zivilen Ressorts zu tarnen. Die Aufrüstung mußte einem ökonomischen System aufgepfropft werden, das noch schwer an Kriegsfolgelasten, Besatzungskosten und Disproportionen aus der Teilung des einst einheitlichen deutschen Wirtschaftsraums laborierte. Konnten bis 1952 die steigenden Aufrüstungskosten durch einen wirtschaftlichen Aufschwung und das Sinken der anderen Belastungen ausgeglichen werden, so überstiegen die Versuche zur Verwirklichung des Militarisierungsprogramms ab 1952 die Möglichkeiten der wenig homogenen Wirtschaft. Die Ausgaben für militärische Zwecke zum Aufbau von eigenen Streitkräften und von Zweigen einer eigenen Rüstungsindustrie, zur Deckung der fortbestehenden Besatzungskosten sowie zur Befriedigung weiterer sowjetischer Interessen er1952 Mrd. DM einen der mit 6 Anteil Prozent von öffentlichen 20,5 gesamten langten Ausgaben. Wirtschaftliche Nebenfolgen wie der Abzug von jungen Arbeitskräften aus der Wirtschaft für die bewaffneten Organe, die Belastung der Außenhandelsbilanz durch Waffen- und Rohstoffimporte oder die Umlenkung von Akkumulationsmitteln von der Konsumgüterindustrie auf den Rüstungsbereich lassen sich erahnen, sind jedoch zahlenmäßig nicht mehr faßbar. Damit war die rasant beschleunigte Aufrüstung 1952/53 eine, historiographisch bislang unterbewertete, Ursache jener ökonomischen Verwerfungen, die sich in den Unruhen des 17. Juni 1953 Bahn brachen. Als Fazit bleibt festzuhalten, daß die Forschungen zum Innenleben der entstehenden bewaffneten Kräfte schon für die Zeit bis 1952 erhebliche Erweiterungen des Kenntnisstandes erbracht haben, auf denen sich im Folgeprojekt zur KVP-Phase (1952-1956) aufbauen läßt. Die sicherheitspolitische Einbettung der Militärpolitik in der DDR bleibt dagegen immer noch einem gewißen Grad des Vorläufigen und Spekulativen verhaftet, der sich erst nach einer weiteren Öffnung der Archive in Rußland abbauen läßt. Über ostdeutsche und osteuropäische Archive ist hier kaum weiterzukommen, da alle Aussagen der Archivare darin übereinstimmen, daß bei Auflösung des Warschauer Paktes die entsprechenden Aktenbestände an die damalige Sowjetunion zurückzugeben sein werden. Für die Unterstützung der bisherigen Forschungsarbeiten gebührt mein Dank zunächst den Archivaren in den verschiedensten Bereichen. Er richtet sich in erster Linie an die Mitarbeiter des Bundesarchivs, Militärisches Zwischenarchiv, Potsdam (früher: Militärarchiv der DDR), des Bundesarchivs, Abteilungen Potsdam mit seiner —
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Außenstelle in Coswig und der Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR im Bundesarchiv, Berlin (ehemaliges Parteiarchiv der SED), schließt aber auch die Sachbearbeiter in den Archiven der Friedrich-Ebert-Stiftung, Bad Godesberg und der Friedrich-Naumann-Stiftung, Gummersbach ein. Mein besonderer Dank gilt daneben Frau Schwind, Dr. Lang und ihren Mitarbeitern in der Schriftleitung für die Betreuung des Projekts, sein Lektorat und seine technische Umsetzung. Einmal mehr konnte das MGFA außerdem auf die fachliche Beratung durch Herrn Kreuzer vom Oldenbourg Verlag München zurückgreifen.
Thoß Herausgeber Bruno
Bruno Thoß
Die Sicherheitsproblematik im Kontext der sowjetischen West- und Deutschlandpolitik 1941-1952 Zum Nutzen für die Aufrechterhaltung ihres Selbstbildnisses als einer Friedenskraft und zur Tarnung ihrer sicherheitspolitischen Maßnahmen, aber zum Schaden für eine nüchterne Außenansicht und damit für ihre Einschätzung als verantwortlich handelnde Macht, hat die Sowjetunion über Jahrzehnte hinweg versucht, gerade den sensiblen Bereich ihrer Außen- und Sicherheitspolitik dem unkontrollierten Zugriff der Geschichtswissenschaft zu entziehen, soweit sie nicht ihrem strikten Parteilichkeitsprinzip unterworfen war. Das ist zwar immer nur zu einem Teil gelungen, da eine noch so eingeschränkte Beobachtung von außen, die notwendigen eigenen Kontakte zur Außenwelt und nicht zuletzt die zunehmend verfeinerten Methoden der mit sowjetischen Fragen befaßten Fachwissenschaften doch bereits ein sehr facettenreiches Bild von den politischen Strukturen und den Handlungsmotiven ihrer Führung zu entwerfen vermochten. Die extrem restriktive Handhabung des Quellenzugangs, über die auch die gesteuerten sowjetischen Aktenpublikationen nicht hinwegtäuschen konnten, hat freilich bei aller methodischen Verfeinerung speziell die Geschichtswissenschaft bis heute zu Annäherungen an neuralgische Punkte in der sowjetischen Außen- und Sicherheitspolitik gezwungen, die sie bei aller Vorsicht und Sorgfalt in der Auswertung und Aussage an fundierten Spekulationen nicht vorbeikommen ließ. In diese Forschungssituation ist seit den eingeleiteten Reformmaßnahmen und verstärkt seit den politischen Umbrüchen in der Sowjetunion urid in Osteuropa erhebliche Bewegung gekommen. Sie hat sich aber das zeigen gerade die Erfahrungen bei einer ersten Auswertung von SMAD-Akten1 für den nach wie vor besonders geschützten Bereich der sowjetischen Sicherheitspolitik nach 1945 vorerst noch nicht nutzen lassen. Hier ist die Öffnung der Archive noch kaum vorangekommen. Die Analyse der sowjetischen Motive und Strategien für die ersten Aufrüstungsmaßnahmen in der SBZ/DDR bleibt daher vorläufig im wesentlichen auf herkömmliche, seit längerem zugängliche Quellen vorwiegend westlicher Provenienz angewiesen. Das legt ein Vorgehen nahe, bei dem die greifbaren Aussagen führender sowjetischer Politiker zu Sicherheitsfragen systematisch ausgewertet und mit dem erkennbaren außen- und sicherheitspolitischen Handeln der Sowjetunion auf internationaler Ebene verglichen werden. Dabei stößt man sofort auf eine charakteristische Gemengelage in der Argumentation: Die axiomatischen Grundaussagen des »wissenschaftlichen Sozialismus« werden mit der machtpolitischen Bewertung aktueller Entscheidungslagen verbunden und gleichzeitig nach ihrem taktischen Stellenwert für Anhänger und Gegner —
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Vgl. Beitrag Arlt, S.92 f.
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Bruno Thoß
Um langfristiges ideologisches Vorverständnis, machtpolitisches Kalkül und taktische Flexibilität miteinander zu verrechnen, werden deshalb im gerafften Rückgriff auf die beiden zentralen Lernphasen existenzieller Bedrohung für die Sowjetunion, den Bürgerkrieg (1918-1922) und den »Großen Vaterländischen Krieg« (1941-1945), langfristige Kontinuitäten und situationsabhängige Anpassungen von sicherheitspolitischer Theorie und Praxis herauszufiltern versucht. Dabei wird gerade für die Zeit der AntiHitler-Koalition zwischen 1941 und 1945 der Nachweis zu führen sein, wie weitgehend die Konfliktlagen der Nachkkriegsentwicklung bereits in der Zeit der Ost-West-Zusammenarbeit angelegt waren, ohne daß sie zwingend im Kalten Krieg ausmünden mußten.
gewichtet.
1. Die
sowjetische Außen- und Sicherheitspolitik als »ideologischer Realismus«
Eine
Außenpolitik, die sich wie die sowjetische als Instrument zur Durchsetzung eines geschlossenen revolutionären Gesamtkonzepts begriff, forderte politische wie wissenschaftliche Analytiker immer wieder zur Bestimmung ihres Grundcharakters heraus. Wies sie sich als ideologisch-programmatisch fixierte Vollstreckerin einer wissenschaftlich begründeten, revolutionären Weltmission aus, deren zeitbedingte Wendungen lediglich taktische Umwege zum unverrückbar festliegenden Endziel darstellten? Oder setzte sie gerade in ihrer stalinistischen Spielform nur die traditionelle Expansionspolitik petrinisch-zaristischen Zuschnitts mit den Mitteln pragmatischer Machtpolitik unter ideologisch-kämpferischer Verbrämung fort? Der Versuch einer Vorklärung ist deshalb so bedeutsam, weil beide analytischen Ansätze schon in der unmittelbaren Nachkriegszeit Pate standen bei der Perzeption der Sowjetmacht durch ihre westlichen Kontrahenten und deren Gegenstrategien des Containments bzw. Roll Backs maßgeblich beeinflußten. Im Blick auf die zurückliegenden zwei Jahrhunderte russischer Großmachtpolitik gewann der amerikanische Diplomat in Moskau und spätere Planungschef im State Department, George Kennan, schon im Mai 1945 den Eindruck, daß bei westlichen Beobachtern »der Zusammenhang zwischen der Russischen Revolution und der westlichen Expansionspolitik der Zaren zu wenig beachtet« werde2. In seinem berühmt gewordenen »Long Telegram« beschrieb er daher das Sowjetsystem als Fortsetzung des zaristischen Polizeistaates, der sich aus Furcht und Mißtrauen gegenüber dem Westen einer Politik der absoluten Sicherheit, jenem »ruhelosen russischen Nationalismus«, verschrieben habe, dessen Expansionismus von Stalins Sowjetimperium nunmehr nur im »neuen Gewand des internationalen Marxismus« weitergeführt werde3. Riegelte man diesen Expansionsdrang durch eine Politik der Eindämmung in seiner gewonnenen Einflußsphäre ab, dann würde sich der Realist Stalin nach einem Lern- und Abnutzungsprozeß schließlich wie seine zaristischen Vorläufer in das internationale System reintegrieren lassen. Demgegenüber gewann im Zuge eines sich auch ideologisch aufheizenden OstWest-Konflikts eine konkurrierende Denkschule in Washington an Einfluß, die hinter 2
3
Rußlands internationale Stellung am Ende des Krieges gegen Deutschland, Mai 1945, in: Kennan, Memoiren, S. 535-551, Zitat auf S. 537. Kennan aus Moskau, 22. 2. 1946, ebd., S. 552-568, Zitate auf S. 557.
Die
Sicherheitsproblematik im Kontext der sowjetischen West- und Deutschlandpolitik
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den einzelnen Erfolgen des Kommunismus eine Art »Meisterplan« weltrevolutionären Zuschnitts und gesteuert von seinem Moskauer Zentrum aus vermutete, der sich zur Einschläferung der westlichen Widerstandskraft lediglich taktischer Atempausen bediente. Ihr Hauptvertreter wurde der Außenminister der frühen Eisenhower-Ära, John Foster Dulles, der seine Diplomaten durch das Studium der marxistisch-leninistischen Klassiker gegen die Fallstricke des Stalinschen »Zickzack-Kurses« zu wappnen suchte, mit dem der Diktator seinen weltrevolutionären Expansionsdrang taktisch virtuos an die Erfordernisse der Tagespolitik anzupassen verstand4. So gesehen konnte auch die amerikanische Globalstrategie nicht bei einer rein defensiven Eindämmung stehenbleiben, sondern mußte einen prinzipiell unversöhnlichen Gegner letztlich aus seinen vorgeschobenen Positionen wieder in seinen Kernraum zurückzudrängen versuchen. Die historische Analyse hat sich indes bei allen individuellen Schattierungen inzwischen überwiegend Forschungsansätzen zugewandt, die als eigentliches Charakteristikum sowjetischer Außen- und Sicherheitspolitik ihre Mehrdimensionalität herausarbeiten. In der personalisierenden Variante der »Kremlastrologen« wurde versucht, die offenkundigen Widersprüche zwischen revolutionärer Theorie und machtpolitischer Praxis durch Gruppenkämpfe innerhalb des sowjetischen Machtzentrums zwischen »Dogmatikern« und »Pragmatikern«, »Falken« und »Tauben«, aufzulösen. Ohne die permanenten Positionskämpfe im Machtapparat ehemals sozialistischer Staaten geringzuachten: gerade für das hohe Maß an Kontinuität im außenpolitischen Denken und Handeln bieten sie kein hinreichendes Erklärungsmuster. Plausibler erscheint es vielmehr, in den personellen Auseinandersetzungen immer zugleich auch Differenzen über
notwendige oder zweckmäßige Anpassungen langfristiger ideologischer und machtpolitischer Ziele an gewandelte internationale Herausforderungen zu sehen. In diesem Rahmen lassen sich dann auch die Diskrepanzen zwischen Theorieabhängigkeit und Realitätsbezug auflösen, wie dies in der Formel vom »ideologischen Realismus« begrifflich zu fassen versucht wurde5. Versteht man nämlich den Theoriebezug nicht vordergründig als operatives außenpolitisches Programm unbedingter Verbindlichkeit, sondern als langfristiges und umfassendes Analyseinstrument, dessen sich sozialistische Führungskader als eines zuverlässigen, weil »wissenschaftlich« fundierten Wegweisers zur Einordnung von Veränderungen im internationalen System bedienten, dann fügen sich Kontinuitäten und Anpassungen auch besser ineinander, als dies früheren Zugriffen mit der Unterschätzung oder Überbewertung des Verhältnisses von Theorie und Praxis gelingen konnte. Die Besonderheit der Außen- und Sicherheitspolitik Stalins besteht darin, daß er in seiner Person ideologisch-revolutionäre und imperial-nationalstaatliche Elemente zu einer wirkungsvollen Synthese zu verschmelzen verstand. Sie erhielt Moskau als Zentrum einer internationalistischen Weltbewegung mit allen ihren operativen Möglichkeiten, ohne es seiner nationalen Bewegungsfreiheit zu berauben. Gerade in der Anwendung auf die Sicherheits- und Deutschlandfrage erlaubte dies jenes hohe Maß an taktischer Flexibilität im Spiel mit mehreren Optionen, beließ die sowjetische Politik wegen ihrer Mehrdeutigkeit aber auch im Zwielicht westlichen Mißtrauens, das in der EndabrechVgl. Berding, Dulles. Weingartner, Außenpolitik, S. 10.
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Bruno Thoß
nung bei allen sches Interesse als bremste.
kurzfristigen Erfolgen letztlich gegen ihr vorrangiges sicherheitspolitiausschlug, weil es die bekämpfte westliche Blockbildung mehr förderte
Ideologische Vorgaben und Widersprüche Die bolschewistischen Sieger der russischen Oktoberrevolution sahen sich sofort vor das Dilemma gestellt, daß sie in Lenins Imperialismustheorie und deren Voraussagen über ein an seinen immanenten Widersprüchen zugrundegehendes kapitalistisches Weltsystem zwar über ein umfassendes Erklärungsmodell, nicht aber über operable Strategien für die drängenden Tagesprobleme einer innerlich ungefestigten Räterepublik mit ihrer doppelten Erblast verfügten: der Machtübernahme in einem ökonomisch rückständigen Land, das zudem im Gefolge seiner militärischen Niederlage und seiner revolutionären Umbrüche der Auflösung seiner staatlichen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Strukturen entgegentrieb. Dies war solange hinnehmbar, wie man den eigenen Anfangserfolg lediglich als »Signal für die Auslösung des revolutionären Krieges in aller Welt«6 einschätzte. Die damit verbundene Hoffnung, den Weltkrieg in einen globalen Bürgerkrieg überleiten zu können, mußte freilich in dem Moment zur zusätzlichen Belastung werden, da sich die sowjetische Führung auf ein längeres Nebeneinander gegensätzlicher Staats- und Gesellschaftssysteme einzurichten hatte. Dann verschärfte nämlich die eigene »Kriegserklärung« an den Imperialismus dessen Gegenwehr und drohte die junge Sowjetrepublik international zu isolieren. Das führte schon Anfang 1918 bei den Friedensverhandlungen von Brest-Litovsk zur Durchsetzung von Lenins Forderung nach einer »Atempause« für den Sowjetstaat, selbst auf Kosten seiner zeitweiligen Kapitulation vor dem militärisch überlegenen Deutschen Reich. Er wandte sich damit gegen die Befürworter eines »revolutionären Krieges« und setzte eine ersten Anpassung der grundsätzlich beibehaltenen weltrevolutionären Theorie an die Notwendigkeiten des aktuellen Überlebenskampfes durch7. Mochte dies noch als vorübergehende Aushilfe erscheinen, um die erwartete kurze Zeitspanne bis zum Ausbrechen der Revolution in Westeuropa zu überbrücken, so forderte deren Ausbleiben wie die verheerende Zerrüttung des Wirtschaftslebens nach dem mühsamen Sieg im Bürgerkrieg gebieterisch eine Überprüfung der eigenen Aktionsmöglichkeiten innerhalb eines längerfristig nichtrevolutionären Umfeldes. Als Ergebnis dieser Bestandsaufnahme entwickelte Lenin 1920/21 die Grundlagen für das charakteristische Nebeneinander von theoretischer Analyse und praktischer Umsetzung in der weiteren
sowjetischen Sicherheitspolitik. Die Reaktionen der kapitalistischen
Welt auf die revolutionären Herausforderungen 1917/18 hatten seine Grundannahme bestätigt, daß die weltpolitischen Gegner nicht zur Hinnahme der revolutionären Umwälzungen bereit waren. Die Nutzung der militärischen Schwäche Rußlands 1918 durch die Deutschen, das Eingreifen der Westalliierten 6
Geyer, Voraussetzungen, S. 28. Auseinandersetzungen um den Vertragsabschluß vgl. Hahlweg, Diktatfrieden.
Zu den internen
Die
Sicherheitsproblematik im Kontext der sowjetischen West- und Deutschlandpolitik
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in den
Bürgerkrieg und die Niederschlagung aller Versuche eines Weitertreibens der Nachkriegseuropa verfestigten somit das Axiom von unaufhebbaren Systemantagonismen als Kontinuum künftiger internationaler Beziehungen. Vorerst konnte freilich keine Seite ihre langfristigen Endziele einer globalen Revolutionierung bzw. antirevolutionären Revidierung der bestehenden Machtverhältnisse durchsetzen. Die Unfähigkeit der Westmächte, im Bürgerkrieg eine dauerhafte Interventionsfront zusammenzuhalten, und ihre konfliktgeladenen Beziehungen zu den besiegten, nichtsaturierten Mächten des Weltkrieges schienen wohl die prognostizierten Grundwidersprüche einer spätkapitalistischen Konkurrenzordnung zu manifestieren. Ihre aktive internationale Nutzung ließen die wirtschaftlichen Kosten des Bürgerkrieges dagegen nicht zu, machten vielmehr den »Primat des Überlebens«8 für den Sowjetstaat zum Gebot der Stunde. Die sowjetische Politik hatte sich mithin auf »ein gewisses, in höchstem Grade unbeständiges, aber gleichwohl unzweifelhaftes, unbestreitbares Gleichgewicht« einzuRevolution im
stellen9.
Instrumente des außen- und
sicherheitspolitischen Handelns
Hatte Lenin in seinen letzten aktiven Jahren noch die theoretischen Anpassungen an eine seit 1917 veränderte Weltlage vorgenommen, so entwickelte Stalin in der Folgezeit bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges daraus das operative außen- und sicherheitspolitische Instrumentarium für die Sowjetunion. Dazu setzte er gegen Trockijs Überlegungen von einer »permanenten Revolution« den von Lenin eingeleiteten Vorrang einer Stabilisierung des Erreichten und seiner sicherheitspolitischen Abschirmung in die Praxis um. Ganz im Sinne der Leninschen Warnungen vor »revolutionären Phrasen« erteilte er seinem innerparteilichen Gegenspieler und dessen »Universaltheorie des gleichzeitigen Sieges der Revolution in den ausschlaggebenden Ländern Europas« eine strikte Absage. Gegen diese »künstliche, lebensunfähige Theorie« setzte er für die schwer einschätzbare Übergangszeit bis zu einem allgemeinen revolutionären Umbruch darauf, »daß die Entwicklung der Weltrevolution, der Prozeß des Ausscheidens einer Reihe neuer Länder aus dem Imperialismus, sich umso schneller und gründlicher vollziehen wird, je schneller sich der Sozialismus im ersten siegreichen Land festigen wird«10. Das Fernziel brauchte darum nicht aufgegeben zu werden. Mit dem vorerst allein erreichbaren »Aufbau des Sozialismus in einem Lande« war aber für die Durststrecke bis dahin eine zweckmäßige Strategie der Konzentration auf das Machbare gefunden. Damit verbunden war eine erhebliche Radikalisierung der alle Politikbereiche durchdringenden, absoluten Sicherheitsdoktrin des von Feinden umringten, auf sich allein gestellten Sowjetstaates. Die durchgängige Grundströmung des Bedrohtseins trotz aller Wendungen der internationalen Politik, solange die Übergangsphase des Nebeneinanders von Sozialismus und Kapitalismus nicht durchschritten war, spiegelte sich wider in 8
' 10
Vgl. dazu die immer noch eingängigste Interpretation bei Geyer, Voraussetzungen, S. 30-40. Lenin, Über die Innen-und Außenpolitik der Republik, 23. 12. 1921, zit. ebd., S. 42. Stalin, Oktoberrevolution, S. 42.
2S
Bruno Thoß
einem weit über herkömmliche Militärpolitik hinausreichenden, auch die Felder der Außen-, Innen-, Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik dominierenden Sicherheitsdenken. Die wiederholten Säuberungen von Partei, Staat und Armee wie die parallelen Erziehungsstrategien zum »Sowjetpatriotismus« dienten dem einen zentralen Ziel: den inneren Zusammenhalt durch die Ausmerzung potentieller Opponenten und die Motivierung der Anhänger zu stärken. Zusätzlich mobilisierte das von der Propaganda permanent verbreitete Bild drohender Kriegsgefahr, das in den Herausforderungen des internationalen Systems durch die nichtsaturierten Mächte Japan, Italien und Deutschland seit Beginn der 30er Jahre seine äußere Bestätigung erfuhr, alle Energien für jene nachholende wirtschaftliche Modernisierung mit ihrem sicherheitspolitisch bestimmten Vorrang für die Schwerindustrie seit 1927". Das Bewußtsein von der eigenen ökonomischen und technologischen Rückständigkeit als Achillesferse des jungen Sowjetstaates hatte schon Lenin zur Begründung für seinen geschmeidigeren außenpolitischen Kurs zu schärfen versucht: »Solange wir nicht die ganze Welt erobert haben, solange wir wirtschaftlich und militärisch schwächer sind als die übrige, die kapitalistische Welt, solange haben wir uns an die Regel zu halten, daß man es verstehen muß, sich die Widersprüche und Gegensätze zwischen den Imperialisten zunutze zu machen12.« Sein Außenminister Cicerin hatte dies mit seiner programmatischen Erklärung von der »Parallelexistenz der alten und der im Werden begriffenen neuen sozialen Ordnung«11 international umgesetzt im Konzept der »friedlichen Koexistenz« unterschiedlicher Wirtschafts- und Gesellschaftssysteme. Damit war eine Doppelstrategie gefunden, die entspanntere internationale Beziehungen als Vorbedingung für den dringend benötigten Wirtschaftsaustausch mit dem Westen erlaubte, ohne die eigene Überzeugung von der grundsätzlichen Unvereinbarkeit der Systeme und den Fortschrittsglauben an den schließlichen Sieg des revolutionären Sozialismus aufgeben zu
müssen.
Das ergab jene charakteristische Aufgabenverteilung zwischen der amtlichen sowjetischen Außenpolitik und dem Vorgehen der externen Parteien in der Kommunistischen Internationale (Komintern) seit den 20er Jahren. Von ihrem ursprünglichen Selbstverständnis her steuerte die Komintern von ihrer sowjetischen Basis aus den revolutionären Internationalismus. Sie ließ sich von Stalin jedoch zunehmend mit dem Argument zum zusätzlichen Sicherheitsinstrument der sowjetischen Politik deformieren, der weltrevolutionäre Enderfolg hänge davon ab, daß man die Stärkung seiner aktivsten sowjetischen Stoßbrigade international abzusichern half14. Das aber hieß, daß jeder revolutionäre Aktionismus zur Unzeit zurückzutreten hatte vor dem dominierenden Ruhebedürfnis der Sowjetunion in ihrer Wiederaufbau- und Industrialisierungsphase15. Das geschärfte Risikobewußtsein der sowjetischen Führung hinderte sie andererseits nicht an der operativen Umsetzung der bereits zitierten, weiteren Maxime Lenins, daß
" 12
13 14 15
Vgl. v. Boetticher, Industrialisierungspolitik.
Rede Lenins vom 26. 11. 1920, zit. nach Grottian, Planwirtschaft, S. 320. Cicerins Erklärung vom 22.4. 1922, zit. nach Geyer, Voraussetzungen, S. 42.
Vgl. Pirker, Komintern. Vgl. Jacobsen, Primat, S. 213-269.
Die
Sicherheitsproblematik im Kontext der sowjetischen West- und Deutschlandpolitik
29
in der Zeit der eigenen Schwäche die Widersprüche im Lager der Gegner virtuos nutzen müsse. Für die sowjetische Deutschlandpolitik resultierten daraus bereits in der Zwischenkriegszeit die beiden Optionen einer Zusammenarbeit mit dem Deutschen Reich gegen den Westen oder einer Eindämmungspolitik gemeinsam mit dem Westen gegen Deutschland16. Während des Kalten Krieges sollte sich dazu als weitere Variante eine Neutralisierung zwischen den Blöcken gesellen, die dem Westen wenigstens den Zugriff auf das deutsche Potential zu verbauen suchte, wenn man es schon nicht vollständig auf die eigene Seite zu ziehen vermochte. Gegen jede deutschlandzentrische Sicht muß dabei aber von vornherein festgehalten werden, daß die deutsche Frage vor wie nach 1945 im sowjetischen Kalkül immer eine abhängige Größe der umfassenderen Ost-West-Auseinandersetzung bildete. Ob man zur Durchbrechung der eigenen internawie in den 20er Jahren tionalen Isolierung die Karte der Zusammenarbeit spielte oder ob man sich wie in den 30er Jahren zur Absicherung gegen den nationalsozialistischen Expansionismus in ein Konzept der kollektiven Sicherheit einbrachte, hing jeweils vom Zustand der sowjetischen Westpolitik wie von der Einschätzung ihrer Siman
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cherheitsgefährdung ab.
Die
2. Dauerhafte Weltordnung oder Koalition auf Zeit? Grundlegung der Nachkriegsordnung im Zweiten Weltkrieg
Der untrennbare Zusammenhang von sowjetischer West- und Deutschlandpolitik kennzeichnete auch die Haltung der Sowjetunion in der Vorgeschichte des Zweiten Weltkrieges 1938/39. In seiner umfassenden Lageanalyse vor dem XVIII. Parteitag der KPdSU am 10. März 1939 sah Stalin die Leninsche Annahme von den Grundwidersprüchen im aus der imperialistischen Lager Frontstellung zwischen den Westmächten und dem deutsch-italienisch-japanischen Expansionismus einmal mehr glänzend bestätigt17. Es galt daher, die eigene Rolle für den Fall eines wahrscheinlich gewordenen, neuen Weltkrieges zu bestimmen. Die Zugeständnisse der Westmächte an Hitler bei der Münchener Konferenz von 1938 hatten die Wirkungslosigkeit der bisher verfolgten Politik kollektiver Sicherheit als Eindämmungsinstrument offenkundig gemacht. Stalin trieb sogar das Trauma eines deutsch-britischen Arrangements um, das versuchen mochte, die deutsche Dynamik gegen die Sowjetunion abzuleiten. Sein Schwenk zurück in die Zusammenarbeit mit dem Deutschen Reich gewann mit der deutschen Bereitschaft, sowjetischen Sicherheitsinteressen im Baltikum und in Ostpolen weit entgegenzukommen, zusätzliche Attraktivität, während er aus einem Arrangement mit den Westmächten nur die undankbare militärische Hauptlast eines europäischen Krieges auf sich zukommen sah18. In der Stalinschen Risikoabwägung sprach 16 17
18
Eine durchgängige Strukturierung dazu hat Pfeiler, Deutschlandpolitische Optionen, vorgenommen. Rechenschaftsbericht an den XVIII. Parteitag über die Arbeit des ZK der KPdSU (B), 10.3. 1939, in: Stalin, Kampf, S. 216-230. Vgl. Schützler, Verhandlungen der Sowjetunion, S. 1716-1742; dagegen neuerdings: Manne, Foreign Office, S. 725-755.
30
Bruno Thoß
im Sommer 1939 mithin einiges dafür, durch das Spielen der deutschen Karte freie Hand zu behalten, um den geeigneten Zeitpunkt selbst wählen zu können, an dem er das eigene Gewicht in die Waagschale werfen und gegenüber den bereits erheblich abgenutzten Kontrahenten zum ausschlaggebenden Faktor werden konnte19. Die »unheilige Allianz« mit Hitler warf in der Tat zunächst die erwarteten Früchte ab. In ihrer osteuropäischen Einflußsphäre vermochte sich die Sowjetunion ein strategisches Vorfeld zu sichern, ohne darüber die Fäden zu den Westmächten ganz abreißen zu lassen. Nicht vorhergesehen war dabei allerdings der überraschend schnelle Zusammenbruch Frankreichs, der das Deutsche Reich zur dominierenden Kontinentalmacht aufsteigen ließ. Solange indes England auf den britischen Inseln und im Mittelmeerraum weiteren Widerstand leistete, hielt die sowjetische Führung an ihrer Einschätzung fest, daß Hitler das Risiko eines Zweifrontenkrieges scheuen werde. Am 22. Juni 1941 mußte sich Stalin nach dem deutschen Überfall indes eingestehen, daß sein Kalkül nicht aufgegangen war. Hitler erwies sich nicht nur nicht als der kongeniale kühle Rechner, der wie der sowjetische Diktator das überhöhte Risiko eines Zweifrontenkrieges unter allen Umständen zu vermeiden suchte. Stalin hatte wohl auch den überragenden Stellenwert eines »Ostimperiums« als eigentliches Eroberungsziel der nationalsozialistischen Außenpolitik20 nicht hinlänglich in Rechnung gestellt.
Mißtrauische Partnerschaft: der Verdacht gegen ein Doppelspiel des Westens Die existentielle Krise, in die sich die Sowjetunion durch den deutschen Angriff vom Sommer 1941 gestürzt sah, forderte gebieterisch ein Zusammengehen mit den Westmächten. In einem Kraftakt sondergleichen gelang zwar die Verlagerung wesentlicher Teile der sowjetischen Rüstungsindustrie vor dem Zugriff der Deutschen in den Osten. Die eigene Industriekapazität würde aber schwerlich ausreichen, um auf sich allein gestellt einen langen Abnutzungskrieg mit dem nationalsozialistischen Deutschland durchzustehen, das sich der Hilfsquellen des übrigen europäischen Kontinents bedienen konnte. Außerdem brauchte die schwer angeschlagene Rote Armee dringend die Ablenkung wenigstens eines Teils der gegnerischen Kräfte auf andere Fronten. Das gemeinsame Ziel, die Achsenmächte niederzuringen, ließ dennoch nicht übersehen, daß die Alliierten der Anti-Hitler-Koalition von 1941 bis 1945 zu einem »seltsamen Bündnis«21 zusammengezwungen waren. Schließlich war das angesammelte Konfliktpotential aus den wechselhaften Beziehungen seit 1917 nicht abgebaut, sondern durch die gemeinsame Gefahr lediglich überlagert worden. Dem Westen hatte Stalins kalkulierte Chancenausnutzung der Jahre 1939 bis 1941 im Bunde mit Hitler eben erst Anschauungsunterricht über die Schwierigkeit geliefert, die Sowjetunion als berechenbaren Partner dauerhaft in die internationale Ordnung einzugliedern. Umgekehrt warnte der sowjetische Botschafter in "
Zur
Entstehungsgeschichte
kül; Fleischhauer, Pakt. 20 21
und
Einschätzung
des Hitler-Stalin-Pakts:
Hillgruber/Hildebrand,
Kal-
Vgl. Hillgruber, Endlösung, S. 133-153. So die Charakterisierung durch den ehemaligen US-Militärattache in Moskau, vgl. Deane, Bündnis.
Die
31
Sicherheitsproblematik im Kontext der sowjetischen West- und Deutschlandpolitik
London, Ivan Maiskij, daß England versucht sein könnte, seine traditionelle kontinentale
Koalitionsstrategie wiederaufzunehmen und dem sowjetischen Verbündeten nunmehr »die
Hauptlast des Krieges aufzubürden«22. Was hinderte schließlich die Briten daran, ihrerseits die Rolle des halbherzig engagierten Zuschauers im deutsch-sowjetischen Ringen zu übernehmen, die von der Sowjetunion in der ersten Kriegsphase gespielt worden war? Der nie auszuräumende Verdacht gegen die Motive der Verbündeten erhielt in den militärisch schwierigen Jahren 1941 bis 1943 ständig neue Nahrung durch die Auseinandersetzungen um die Eröffnung einer »zweiten Front« gegen die Deutschen in Europa23. Hier wie bei anderen Konfliktanlässen wurde als eine grundlegende Schwierigkeit im Umgang Stalins mit seinen Verbündeten dessen völlige Unkenntnis des Westens, seiner Institutionen und seiner Mentalitäten sichtbar. Seine eigene Skrupellosigkeit beim Einsatz des russischen Volkes machte es ihm unmöglich, im westlichen Zurückschrecken vor überhöhten Verlusten bei einer verfrühten Invasion einem Reflex auf die öffentliche Kritik an den Massenverlusten des Ersten Weltkrieges etwas anderes als Ausflüchte oder pures Interessenkalkül zu erblicken24. Der sogenannte »Berner Zwischenfall« vom April 1945 die separaten Verhandlungen der Westmächte über eine Teilkapitulation der Wehrmacht in Oberitalien war für die sowjetische Führung daher ein weiteres Indiz dafür, daß ihre westlichen Verbündeten den Deutschen noch in letzter Stunde die Chance für eine Verschiebung umfangreicher Verbände an die Ostfront einräumen wollten. Das fügte sich nahtlos in die bisherige Linie einer verzögerten Fronteröffnung in Westeuropa ein, forderte es der Roten Armee doch weiterhin überhöhte Menschenverluste ab und öffnete den anglo-amerikanischen Armeen den Weg nach Mitteleuropa25. In die gleiche Richtung deutete nach sowjetischer Einschätzung auch der britische Versuch, über die Regierung Dönitz in Flensburg noch über das Kriegsende hinaus »verschiedene deutsche Militär- und Parteistellen für eine künftige Verwendung«26 zusammenzuhalten. —
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Die sowjetischen Kriegsziele: unbedingte Sicherheit und globale Ebenbürtigkeit In einer so problemgeladenen Partnerschaft wie der Anti-Hitler-Koalition stellte das fortdauernde Mißtrauen an sich nichts Ungewöhnliches dar. Ob es sich indes von der unterschwelligen Begleitmelodie zum dominanten Leitmotiv in den Ost-West-Bezie"
n 24
Maiski, Memoiren, S. 636, 716 f. und 735, sowie Gespräch Stalins mit US-Botschafter Harriman, 29.9. 1941, in: Harriman/Abel, Special Envoy, S. 89. Vgl. Stoler, Politics.
Beispielhaft dafür ist seine Kritk am zeitweiligen Stopp von Kriegslieferungen über das Eismeer: »Aber in Kriegszeiten kann keine große Aufgabe ohne Risiko und Verluste durchgeführt werden. Ihnen ist natürlich bekannt, daß die Sowjetunion unvergleichlich größere Verluste erleidet.« Stalin
Churchill, 23.7. 1942, Briefwechsel Stalins, S. 70. Der scharfe Ost-West-Briefwechsel vom März/April 1945 ist abgedruckt bei Churchill, Der Zweite Weltkrieg, Bd 6/2, S. 123-132; zu der »schweren Vertrauenskrise« vgl. auch Hansen, Ende, S. 75 f. So Radio Moskau, 17.5. 1945, KAG 1945, S. 231 C; vgl. auch Hansen, Ende, S. 194 f., und Belezki, Politik, S. 15. an
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Bruno Thoß
auswachsen würde, mußte vom Interessenausgleich in den konkreten Sachproblemen abhängen. Frühzeitig mahnte Stalin daher bei seinem britischen Verbündeten Klarheit über die Kriegsziele an, da sich sonst »auch kein gegenseitiges Vertrauen« entwickeln könne27. Darunter verstand die sowjetische Führung in erster Linie die Befriedigung ihres durch den deutschen Überfall noch gewachsenen Sicherheitsbedürfnisses. Das hieß zunächst einmal, daß die Zugangswege zum europäischen Kerngebiet der Sowjetunion über Polen und das Baltikum dauerhaft unter eigener Kontrolle verbleiben mußten. Die Anerkennung der gewonnenen Sicherheitszone aus den Jahren 1939 bis 1941 blieb daher über alle Wechselfälle der Koalition mit den Westmächten hinweg das zäh verteidigte vorrangige Kriegsziel in Osteuropa. Die militärischen Rückschläge des Jahres 1941 zwangen zwar erst einmal zu einer hinhaltenden Taktik bei der Verfolgung dieses Interesses, exemplarisch ablesbar an der Vertagung der Grenzfrage gegenüber der polnischen Exilregierung in London28. Der Wunsch nach materieller Hilfe durch die Westalliierten machte zudem ein formales Eingehen auf deren Forderung nach einer generellen Absage an territoriale Veränderungen notwendig, wie sie im Sommer 1941 von Roosevelt und Churchill in der »Atlantik-Charta« fixiert worden war. Stalin legte sich daher öffentlich darauf fest, weder »die Eroberung fremder Gebiete oder die Unterwerfung fremder Völker«, noch die Übertragung des eigenen Systems auf die zu befreienden osteuropäischen Staaten anzustreben29. Gerade die ohne sowjetische Beteiligung zustandegekommene amerikanisch-britische Bestimmung der Kriegsziele dürfte allerdings auch die sowjetische Haltung zusätzlich bekräftigt haben, daß die eigene Sicherheit letztlich dauerhaft nur über eine Politik der Autonomie und Autarkie zu garantieren war. Kaum begann sich die militärische Lage daher im Dezember 1941 zu verbessern, als Stalin den britischen Außenminister Eden zur Unterzeichnung eines Geheimprotokolls zu bewegen suchte, das in seiner Form fatal an sein Arrangement mit Hitler im Sommer 1939 erinnerte. In ihrer Substanz liefen die sowjetischen Vorschläge auf eine gemeinsam kontrollierte Nachkriegsordnung durch Großbritannien in West- und die Sowjetunion in Osteuropa hinaus, beide Einflußsphären getrennt durch eine mitteleuropäische Pufferzone, in der die eigenen kleineren Verbündeten auf Kosten Deutschlands verstärkt werden sollten. Deutliche Vorbehalte meldete die sowjetische Seite dagegen schon jetzt gegen britische Überlegungen an, dieses Zwischeneuropa über regionale Konföderationen zusätzlich zu stabilisieren, da dahinter nicht ganz zu Unrecht die Wiederbelebung eines gegen Deutschland und die Sowjetunion gleichermaßen gerichteten Cordon sanitaire aus der Zwischenkriegszeit vermutet wurde30.
hungen
27 28
29
30
Stalin an Churchill, 8. 11. 1941, Briefwechsel Stalins, S. 41 f. Vgl. die Gespräche des sowjetischen Botschafters in London, Maiskij, mit dem polnischen Exilpremier Sikorski und dem britischen Außenminister Eden, 5. und 11.7. 1941, DPSR 1, S. 118 bzw. 128 f. Rede vom 6. 11. 1941, Stalin, Kampf, S. 239; vgl. auch seine Mahnungen zu politischer Zurückhaltung an die osteuropäischen Kommunisten 1942/43, Mastny, Moskaus Weg, S. 80 f.; zu den sowjetischen Problemen mit der Atlantikcharta: Schröder, Von der Anerkennung, S. 183 f. Die Eden-Reise nach Moskau vom 16.-20. 12. 1941 ist dokumentiert in: DDP 1, S. 592-615, sowie FRUS 1941,1, S. 199 f., und 1942, III, S. 499 f.; vgl. auch Kettenacker, Krieg, S. 118 f.; Fischer, Deutschlandpolitik, S. 30 ff.; Resis, Spheres, S. 431^*35.
Die
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In solcher Eindeutigkeit wie bei diesem ersten Treffen mit einem führenden Politiker des Westens hat Stalin danach nie wieder sein sicherheitspolitisches Gesamtprogramm im Zusammenhang skizziert. Seine Einzelbausteine lassen sich aber in situationsbedingten taktischen Abwandlungen über 1945 hinaus verfolgen. Die Existenzgefährdung im Kriege hatte die Notwendigkeit zum zeitweiligen Bündnis mit dem Westen erforderlich gemacht. Die dazu nötige Kompromißfähigkeit fand jedoch ihre Grenze am eigenen Sicherheitskalkül. In einer Weltordnung unterschiedlicher Systeme war dies am besten gewährleistet durch die gegenseitige Respektierung unverletzlicher Sicherheitszonen und die autonome Verfügbarkeit über alle sicherheitspolitischen Instrumentarien. Dazu dienten eine Interessenabgleichung in Einflußsphären und die Forderung nach materieller Wiedergutmachung durch die Kriegsgegner als Basis für die Wiedergewinnung der eigenen Wirtschafts- und Rüstungsautonomie. Die territorialen Komponenten dafür bildeten die Anerkennung der sowjetischen Grenzen von 1941, verbunden mit einer Westverschiebung Polens und einer dauerhaften Schwächung Deutschlands, sowie die Etablierung freundlich gesinnter Regierungen im eigenen osteuropäischen Vorfeld, die einer antisowjetischen Blockbildung analog zur Zwischenkriegszeit vorbauen sollten. Die Nagelprobe darauf, ob die Sowjetunion durch Befriedigung legitimer Sicherheitsinteressen aktiv in eine gemeinsame Nachkriegsordnung zu integrieren war, sah US-Präsident Roosevelt allerdings von der sowjetischen Bereitschaft zur Mitarbeit in einer reformierten Weltorganisation abhängig. Um ihr das Schicksal des sicherheitspolitisch ineffizienten Völkerbundes zu ersparen, wollte er sein System einer globalen Rüstungsbeschränkung durch eine Verantwortungsgemeinschaft von vier »Weltpolizisten« den Großmächten USA, UdSSR, Großbritannien und China abgesichert sehen. Da damit eine klare Übertragung regionaler Vorrangstellungen verbunden sein sollte, Roosevelts Grundgedanke mithin kompatibel mit den sowjetischen Wünschen nach einer autonomen Sicherheitssphäre war, gab Stalin über seinen Außenminister Molotov schon im Sommer 1942 grundsätzlich grünes Licht für das Projekt". Die Mitwirkung am künftigen globalen Sicherheitsverbund der Vereinten Nationen blieb für die sowjetische Führung jedoch an zwei wesentliche Voraussetzungen geknüpft: die Bereitschaft des Westens, die Sowjetunion als ebenbürtigen Partner zu akzeptieren und ihre sicherheitspolitische Autonomie durch den Schutz vor einer Majorisierung innerhalb der —
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Weltgemeinschaft zu respektieren. Das Verlangen nach einem angemessenen internationalen Handlungsrahmen als Resultat des eigenen Kriegseinsatzes wuchs naturgemäß in dem Maße, wie das militärische Gewicht der Sowjetunion seit der endgültigen Kriegswende von 1942/43 innerhalb der Kriegskoalition zunahm. In Teheran forderte und erhielt Molotov im Dezember 1943 daher von Eden und dem Präsidentenberater Hopkins für die gemeinsame Wahrnehmung künftiger weltweiter Sicherheitsaufgaben zugesagt, »daß unsere drei Mächte befestigte Punkte erhalten, die unter ihrer Kontrolle stehen, und daß ihre Streitkräfte strategische Stützpunkte besetzen, die für die Aufrechterhaltung des Friedens erforderlich sind«'2. Das gewachsene weltpolitische Selbstverständnis drückte sich zudem in Förde
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Vgl. Unterredungen Molotovs mit Roosevelt während seines Washington-Besuches, 29.5. bis 1.6. 1942, FRUS 1942, III, S.568 f., 572 ff. und 580. Unterredung Molotovs mit Eden und Hopkins, 30. 11. 1943, Teheran, Jaita, Potsdam, Bd 1, S. 120. die
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rungen aus, die bisherigen Sperren zu den Weltmeeren für die sowjetische Kriegs- und Handelsflotte zu öffnen, die zu diesem Zeitpunkt noch auf grundsätzliches westliches Einverständnis trafen33. Das Aufrücken zur Weltmacht in den letzten Kriegsjahren war freilich von wachsenden Kollisionen mit den Westmächten begleitet. Vor allem aus Churchills Sicht häuften sich von Skandinavien über Osteuropa, den Balkan und den Mittelmeerraum bis in den Mittleren Osten die Konfliktpunkte. Verschärft wurden die Spannungen seit der vernichtenden Niederlage der deutschen Heeresgruppe Mitte im Sommer 1944, als der britische Premierminister »die Russen wie eine Flut über Europa« hereinbrechen und in eine noch dominierendere Vormachtstellung als das geschlagene Deutsche Reich aufsteigen sah34. Noch überwogen indes in den westlichen Außenministerien die Einschätzungen, die das sowjetische Imperium nach dem Krieg vor so enorme Probleme des wirtschaftlichen Wiederaufbaus gestellt sahen, daß sie seine Kriegszielpolitik vorrangig als Versuch der externen Absicherung seiner internen Rekonstruktion bewerteten. Dazu würde die Sowjetunion am Fortbestand entspannter Beziehungen zum Westen interessiert bleiben, dafür aber auf keinen Fall mit Kompromissen auf dem als essentiell betrachteten Felde der Sicherheitspolitik zu bezahlen bereit sein35. Einen Vorgeschmack darauf hatte schon in den zurückliegenden Jahren die Hartnäckigkeit geliefert, mit der die sowjetische Führung in der Polenfrage taktierte. Als sich an ihr schließlich auch die westliche Haltung versteifte, machte Stalin seinen Partnern ohne Umschweife klar: »Das polnische Problem ist untrennbar von dem der Sicherheit der Sowjetunion«, da dieser »Korridor« zweimal innerhalb einer Generation als »Sprungbrett für einen Überfall auf unser Land« benutzt worden sei36. In Jaita und Potsdam konnte man sich daher noch auf einige kosmetische Verbreiterungen der polnischen Regierung durch bürgerliche Politiker verständigen, eine substantielle Veränderung der sowjetischen Haltung war dagegen nicht zu erreichen. Ähnlich kompromißlos verfocht die sowjetische Führung auch beim Abstimmungsmodus im künftigen Sicherheitsrat der UNO ihr Interesse an einer Vetomöglichkeit für jede Großmacht, um einer möglichen Majorisierung in zentralen Sicherheitsfragen vorzubauen37. Umgekehrt ließ sich freilich für westliche Analytiker bei der zunehmenden Verbreiterung der sowjetischen Machtbasis als Folge der militärischen Siege immer schwerer 33
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Dardanellen-Frage: Unterredung Churchills mit Stalin, 9. 10., The Foreign Office and the Kremlin, S. 178; zu den chinesischen Häfen und Sachalin: Gespräch Harrimans mit Stalin, 14. 12. 1944, Harriman/Abel, Special Envoy, S. 379. Gespräch mit seinem Arzt, 4.8. 1944, Churchill. Der Kampf ums Überleben, S. 182. Zur
Vgl. Harrimans Bericht aus Moskau und das Positionspapier des Foreign Office »Probable Postwar Tendencies in Soviet Foreign Policy as Affecting British Interests«, 20. bzw. 29.4. 1944, Harriman/Abel, Special Envoy, S. 306, bzw. The Foreign Office and the Kremlin, S. 147-151. Stalin an Roosevelt, 27. 12. 1944 und 7.4.1945, DPSR 2, S. 502 und 562, sowie Stalins Rede bei Unterzeichnung des polnisch-sowjetischen Freundschafts- und Beistandsvertrages, 21.4. 1945, Stalin, Kampf, S. 260 f. Vgl. das Interview mit dem sowjetischen Diplomaten Litvinov, 6. 10. 1944: Die Forderung nach einem Vetorecht sei »unsere Weise, eine Garantie der Gleichheit zu fordern, eine Garantie gegen Bündnisse, sowie eine Ablehnung des balance of power-Systems«, zit. nach Mastny, Moskaus Weg, S. 265.
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Sicherheitsproblematik im Kontext der sowjetischen West- und Deutschlandpolitik
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die Grenzlinie ziehen zwischen noch tolerablen berechtigten Sicherheitsinteressen und einer nicht mehr hinnehmbaren hegemonialen Expansion auf dem europäischen Kontinent. Noch vor Kriegsende verstärkten sich daher die Stimmen, die für eine härtere Linie westlicher Interessenwahrung plädierten. Am deutlichsten markierte US-Botschafter Harriman in Moskau diesen Meinungsumschwung, wenn er vor expansiven Tendenzen in der sowjetischen Politik warnte und dagegen die schärfste Waffe des Westens einzusetzen empfahl: die weitere Wirtschaftshilfe als Druckmittel zur Einforderung sowjetischen Wohlverhaltens38. Daß im übrigen auch das Bild Roosevelts als eines in Sicherheitsbelangen naiven Präsidenten der Korrektur bedarf, läßt sich an seiner Haltung in der Nuklearfrage ablesen. Im Meinungsstreit seiner Experten über die Behandlung des Atomgeheimnisses Weitergabe auch an die Sowjetunion, um sie für die Einrichtung eines globalen Kontrollsystems zu gewinnen oder Zurückhalten der Informationen allein für die angelsächsischen Mächte schlug er sich auf die Seite Churchills, daß im Konzept der vier »Weltpolizisten« nur zwei, nämlich die USA und Großbritannien, über Atomwaffen verfügen sollten. Er traf diese Entscheidung, obwohl er seit Frühjahr 1944 davon ausging, daß die sowjetische Seite inzwischen Kenntnis vom Bau einer amerikanischen Atombombe hatte, da er im angelsächsischen Monopol an der neuen Waffe auch ein wesentliches diplomatisches Instrument für die Nachkriegszeit in den eigenen Händen zu behalten gedachte39. —
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Die Rolle Deutschlands im
sowjetischen Sicherheitskalkül
Durch den deutschen Angriff war die sowjetische Führung im Sommer 1941 in eine Lage geraten, die sie bis dahin unter allen Umständen zu vermeiden versucht hatte. Sie sah sich in eine existenzielle Krise gestürzt und damit vorerst aller Chancen beraubt, die ihr das bisherige Spiel der freien Hand eröffnet hatte. Ihre Stellungnahmen zur deutschen Frage bis zur Kriegswende 1942/43 lassen indes erkennen, daß sie selbst in der Bedrängnis nach Handlungsalternativen Ausschau hielt, die ihre Abhängigkeit von ihren westlichen Alliierten zu mildern vermochten. Der Verdacht gegen deren halbherzigen Kriegseinsatz, vertieft durch das Tauziehen um eine Festlegung gemeinsamer Kriegsziele, dürfte Pate gestanden haben bei ihren verschiedenen Fühlungnahmen mit dem deutschen Kriegsgegner. Dabei wird sich allerdings das Spiel aus taktischer Warnung an die eigenen Verbündeten und tatsächlicher Bereitschaft zu einer neuerlichen politischen Wende, falls die deutsche Seite hinreichende Kompromißfähigkeit signalisiert hätte, der Moskauer Archive entschlüsseln lassen. letztlich erst nach voller zieht sich durch die öffentlichen von Kriegsbeginn an jeDurchgängig denfalls jene charakteristische Unterscheidung aus Molotovs erster Reaktion auf den deutschen Überfall, der Krieg sei der Sowjetunion »nicht vom deutschen Volk [...] aufgezwungen« worden, sondern von einer »Clique blutdürstiger faschistischer Herrscher«. In
Öffnung
Äußerungen
18
Harriman aus Moskau, 4. und 6. 4. 1945, FRUS 1945, V/B, S. 818-821.
"
Vgl. Sherwin, Atomic Bomb, S. 945-968.
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seinem vielzitierten Tagesbefehl von 1942 sollte Stalin dies auf die Formel bringen, »daß die Hitler kommen und gehen, aber das deutsche Volk, der deutsche Staat bleibt«40. Dahinter verbarg sich zweifellos das propagandistische Interesse an einer Spaltung von Führung und Gefolgschaft beim Gegner, in den ersten Kriegsmonaten vielleicht auch die Hoffnung auf eine Revolutionierung Deutschlands, wie sie insbesondere in den Aufrufen der Moskauer KPD-Führung zum Sturz des NS-Regimes durchschien41. Stalin selbst machte freilich bereits Ende 1941 kein Hehl mehr aus seinem geringen Vertrauen in die revolutionäre Durchschlagskraft der deutschen Kommunisten42. Schon an der Jahreswende 1941/42 drängten sowjetische und Komintern-Führung vielmehr auf eine patriotischere Linie in der Frontpropaganda, ein Vorspiel zur späteren Volksfrontvariante des Nationalkomitees »Freies Deutschland« und des Bundes Deutscher Offiziere43. Die weiterhin prekäre Kriegslage, die ausbleibenden Erfolge einer national eingestimmten Frontpropaganda und vor allem die nach wie vor nicht überbrückten Differenzen in der Kriegszielfrage mit den Westmächten ließen kurzfristig noch einmal das Spiel mit der deutschen Karte für die sowjetische Politik 1942/43 zweckmäßig erscheinen. Die alleinigen Nutznießer des ungeheueren Aderlasses im Ostkrieg waren vorerst die westlichen Alliierten, die ihre Hilfe für die Sowjetunion jederzeit so dosieren konnten, daß selbst nach einem gemeinsamen Sieg die verbliebenen Potentiale ungleich zu ihren Gunsten verteilt sein würden. Was lag also näher, als in der militärischen Pattsituation an der Ostfront in der Kriegsmitte noch einmal die Chancen eines Separatfriedens mit den Deutschen auszuloten? Bei einem Erfolg auf der Basis des Interessenausgleichs von 1939 konnte die Sowjetunion zu ihrer attraktiveren Zuschauerrolle in einem innerkapitalistischen Ringen zwischen Deutschen und Westalliierten zurückkehren. Und selbst bei einem Scheitern mochte allein die Tatsache separater, nicht völlig geheimzuhaltender Kontakte zum Kriegsgegner die eigenen Verbündeten zu größerer Konzilianz gegenüber den sowjetischen Kriegszielwünschen bewegen44. Die ansatzweise Wiederaufnahme der deutschen Option gegen den Westen selbst mitten in den schwersten kriegerischen Auseinandersetzungen beleuchtet mehr als jeder andere Schachzug in den deutsch-sowjetischen Beziehungen die Funktion der Deutschlandpolitik als eine abhängige Größe von den sowjetischen Westbeziehungen insgesamt. Der Zusammenhang tritt noch klarer hervor, wenn man die deutschlandpolitische Tour d'horizon bei Edens Moskau-Besuch im Dezember 1941 mit in die Analyse einbezieht. Stalins Angebot eines gesamteuropäischen Interessenausgleichs beinhaltete als Kernstück eine dauerhafte Sicherheitsvorkehrung vor Deutschland. Dazu sollte das Reich territorial und wirtschaftlich so weit geschwächt werden, daß es auf absehbare Zeit keine Gefahr mehr für seine Nachbarn darstellen würde45. Die Briten wollten sich jedoch 40
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Molotovs Rundfunkansprache vom 21.6.1941 ist zit. nach Fischer, Deutschlandpolitik, S. 14, der Befehl Nr. 55 des Volkskommissars für die Verteidigung vom 23. 2. 1942 nach Stalin, Kampf, S. 243. So Fischer, Deutschlandpolitik, S. 16 f. Sikorski an Churchill über seine Gespräche mit Stalin, 17.12.1941, DPSR 1, S. 256; noch direkter im Gespräch Stalins mit Churchill in Teheran, 28. 11. 1943, Churchill, Der Zweite Weltkrieg, Bd 5/2, S. 48 f. Vgl. Fischer, Deutschlandpolitik, S. 46-59. Vgl. Mastny, Stalin and the Prospects, S. 1365-1388; Martin, Verhandlungen, S. 95-113; Fleischhauer, Chance.
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aller generellen Übereinstimmung weder jetzt noch bei den wiederholten Vorstößen Maiskijs im Frühjahr und Sommer 194246 schon vor Kriegsende und ohne Abstimmung mit den Amerikanern auf ein so weitgehendes Kriegszielprogramm festlegen. Solange sich seine Partner aber der einen Deutschlandoption Sicherheit durch dauernde Schwächung des Reiches verweigerten, behielt Stalins zweite Option Sepamit den Deutschen zumindest taktischen Nutzen. ratfrieden gegen den Westen Das sowjetische Sicherheitsinteresse war letztlich auf beiden Wegen, mit einem geteilten wie mit einem verbündeten Deutschland, zu fördern. Durchgängig finden sich bis Kriegsende denn auch sowjetische Äußerungen, die sich als Präferenz für eine Teilung wie für ein Zusammenhalten des Deutschen Reiches interpretieren lassen47. Ohne Einordnung in den jeweiligen Stand der Ost-West-Beziehungen können sie aber weder als prinzipielle Festlegung nach der einen noch nach der anderen Richtung ausgedeutet werden. Den Ausschlag für die Favorisierung einer gemeinsamen harten Linie in der zweiten Kriegshälfte gaben 1943 wohl zwei Klarstellungen: die amerikanisch-britische Casablanca-Formel einer bedingungslosen Kapitulation und die Kompromißlosigkeit Hitlers, manifestiert durch seine erneute Offensive an der Ostfront bei Kursk. Neben den Grenzfragen richtete sich das Sicherheitsinteresse der Sowjetunion in den weiteren Verhandlungen mit den Westmächten auf die Komplexe Entmilitarisierung, Kontrolle und Wiedergutmachung. In der Phase eines Offenhaltens der deutschen Option hatte Stalin »die Vernichtung jeder organisierten militärischen Kraft in Deutschland« noch für »unmöglich« und »auch vom Standpunkt des Siegers unzweckmäßig« erklärt48. In Teheran gab er jetzt Roosevelt und Churchill Anschauungsunterricht in deutscher Geschichte. Das Deutsche Reich habe nach 1871 noch 42 Jahre zur Erholung bis zum nächsten großen Krieg benötigt, nach 1918 bereits lediglich 21 Jahre: »Die für die Wiederherstellung Deutschlands notwendige Frist verkürzt sich also offensichtlich. Sie wird sich offenbar auch weiterhin verkürzen. Welche Verbote wir Deutschland auch auferlegen, die Deutschen werden Möglichkeiten finden, diese zu umgehen.« Man könne sich daher diesmal nicht wieder wie in Versailles auf ein von außen wirkendes Kontrollsystem beschränken, sondern müsse die Einhaltung im Lande selbst zumindest durch die Besetzung »strategisch wichtiger Punkte« direkt durchdrücken und überwachen49. Wichtig war der sowjetischen Führung vor allem, daß die Schwächung der deutschen Militär- und Wirtschaftsmacht unter voller eigener Beteiligung erfolgte. Deshalb begrüßte sie schon auf der Moskauer Außenministerkonferenz im Oktober 1943 den trotz
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Gespräch Stalins mit Eden, 16.12. 1941, DDP 1/1, S. 593; vgl. auch Kettenacker, Krieg, S. 118 f. Vgl. Fischer, Deutschlandpolitik, S. 34, bzw. DDP 173, S. 356. Beispielhaft dafür sind die gegenläufigen Äußerungen Maiskijs im August für und Gromykos im November 1942 gegen eine Teilung, DDP 1/3, S. 656, bzw. 1/2, S. 713. Selbst eine spätere DDRVeröffentlichung wertete daher gegen ihren sonstigen Tenor die Forderung nach einer Aufteilung Deutschlands immerhin »als eine mögliche Perspektive« der sowjetischen Politik: Sowjetische Friedenspolitik, S. 192 (Anm. 79). Rede zum 25. Jahrestag der Oktoberrevolution, 6.11. 1942, Stalin, Kampf, S. 246. Gespräch Stalins mit Roosevelt, 29. 11. 1943, Teheran, Jaita, Potsdam, Bd 1, S. 68; ähnlich im Gespräch mit Churchill, 28. 11.1943, Churchill, Der Zweite Weltkrieg, Bd 5/2, S. 46 f.; vgl auch Harrimans Einschätzung aus seinen Gesprächen mit Stalin: »Seine Besorgnis war real, kein Ausdruck seiner Verhandlungstaktik«, Harriman/Abel, Special Envoy, S. 273.
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Bruno Thoß
amerikanischen Plan einer
gemeinsamen Besetzung Deutschlands. Die Frage einer Zerbehandelte sie stückelung jedoch hier wie in Teheran dilatorisch mit der Begründung, das Problem noch nicht hinlänglich studiert zu haben50. Auch im European Advisory Committee, das von den Außenministern in Moskau zur weiteren Klärung der Besatzungsfragen mit Sitz in London eingerichtet wurde, hielt sich der sowjetische Delegierte Gusev in allen politischen Fragen über den künftigen Status Deutschlands bedeckt. Er konzentrierte sich vielmehr auf die Durchsetzung militärisch reinrassiger Kontrollzonen gegen britische Überlegungen über gemischte Verbände in allen drei vorgesehenen Besatzungszonen51. Darin wird erneut jene Grundlinie Stalinschen Sicherheitsdenkens sichtbar, die schon beim Besuch Edens in Moskau zutagegetreten war: das Streben nach autonomen Sicherheitszonen unter klarer eigener Regie. Bei Stalins Sorge vor einem deutschen Wiedererstarken stand an vorderster Stelle immer das ökonomische Potential des Reiches als seine eigentliche Kraftquelle. Eine militärische ohne gleichzeitige wirtschaftliche Entwaffnung mußte daher wirkungslos bleiben. Das wog um so schwerer, als sich die Sowjetunion der eigenen ökonomischen Probleme, die sich durch die Zerstörungen im Kriege noch gravierend verschärft hatten, vollkommen bewußt war. Maiskij hatte schon im Sommer 1942 ein »ungesundes Verhältnis in Europa« festgestellt, »wo Deutschland hochindustrialisiert sei, während die Länder östlich davon im wesentlichen auf Landwirtschaft und Rohstoffgewinnung beschränkt seien«. In Teheran ging Stalin deshalb bereitwillig auf Roosevelts Angebot einer Erweiterung des Ost-West-Handels nach dem Kriege ein: »Wir könnten den Amerikanern Rohstoffe liefern, wenn sie uns Ausrüstungen zur Verfügung stellen würden.« Anfang 1945 suchte Molotov den Amerikanern deshalb die Gewährung einer zinsgünstigen Anleihe von sechs Milliarden Dollar zum Einkauf für den sowjetischen Wiederaufbau mit dem Argument schmackhaft zu machen, damit helfe man die zu erwartenden Beschäftigungsprobleme der USA bei der Umstellung von der überhitzten Kriegskonjunktur auf die Friedenswirtschaft abzufedern52. Die Sowjetunion glaubte sich freilich mit Blick auf ihre langfristige Analyse der internationalen Verhältnisse nicht allein auf den Wiederaufbau beschränken zu dürfen. Sie mußte gerade auch um ihrer Sicherheit willen die ökonomische und rüstungstechnologische Aufholjagd gegenüber dem Westen aus der Zwischenkriegszeit wiederaufnehmen, sobald der Abschluß des gegenwärtigen Krieges dies erlaubte. Schließlich hatten Stalin die enormen Anfangserfolge der Deutschen 1941 die »historische Gesetzmäßigkeit« ge50
Zur
sowjetischen Reaktion auf den amerikanischen Deutschlandplan vgl. Fischer, Deutschlandpolizur Teilungsfrage: Molotov auf der 7. Sitzung der Moskauer Konferenz, 5. 10., und Stalin auf der II. Sitzung am Runden Tisch in Teheran, 1.12. 1943, The Foreign Office and the tik, S. 63-68;
Kremlin, S. 138 f., bzw. Teheran, Jaita, Potsdam, Bd 1, S. 137; eine sowjetische Forcierung in der Deutschen Frage, wie Ramonat, Anti-Hitler-Koalition, S. 1076, meint, läßt sich aus den Akten nicht
ablesen. 51
52
Vgl. Fischer, Deutschlandpolitik, S. 75-82; Kettenacker, Krieg, S. 243 f.; Mai, Der Alliierte Kontrollrat, S. 5 f. Gespräch Maiskijs mit dem britischen Handelsminister Dalton, 6. 8. 1942, DDP 1/3, S. 656; Unterredung Stalins mit Roosevelt, 28. 11. 1943, Teheran, Jaita, Potsdam, Bd 1, S. 75; Gespräch Molotvs mit Harriman, 3. 1. 1945, Harriman/Abel, Special Envoy, S. 384.
Die
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lehrt, »daß die aggressiven Nationen, wie die Geschichte zeigt, als angreifende Nationen
neuen Krieg vorbereitet sind als die friedliebenden Nationen«53. Der wirtschaftliche Austausch mit dem Westen war gewiß nützlich zur Behebung ökonomischer Rückständigkeiten, barg jedoch gleichzeitig die Gefahr wirtschaftlicher und damit auch sicherheitspolitischer Abhängigkeiten in sich. Die Sowjetunion sah sich daher als Hauptleidtragender der deutschen Aggression berechtigt zu einer Reparationspolitik, die sich die wirtschaftliche Entwaffnung und Nutzung Deutschlands gleichermaßen zum Ziel setzte. Dabei mußten sich Sicherheits- und Reparationsziele allerdings längerfristig gegenseitig behindern, da die wirtschaftliche Entwaffnung durch umfassende Demontagen die Nutzung Deutschlands als dauerhaften Lieferanten hochwertiger Industriegüter natürlich erheblich beeinträchtigen würde. Dazu kam das Problem, daß die Hauptquellen der deutschen Wirtschaftskraft in den Besatzungszonen der Westmächte lagen54. Die Frage nach dem Vorrang von Sicherheit oder wirtschaftlichem Nutzen schlug bis in den engsten Beraterkreis Stalins durch und beeinflußte über das Kriegsende hinaus die unterschiedlichen Deutschlandstrategien der Sowjetunion. 1943/44 glaubte sich Stalin aber offenbar einer harten Deutschlandlinie seiner westlichen Partner versichert zu haben, die eine kontrollierte wirtschaftliche Schwächung Deutschlands auf Dauer erwarten ließ55. Sein Reparationsbeauftragter Maiskij legte dazu auf der Konferenz von Jaita ein umfassendes Programm vor. Die Erfahrungen des gescheiterten Versailler Systems suchte er dadurch zu umgehen, daß er Reparationen in Sachleistungen statt in Geld ansteuerte. Den Zielkonflikt Vorrang von wirtschaftlicher Sicherheit oder ökonomischer Nutzung hatte er in einem Kompromiß ausgependelt, der radikale einmalige Demontagen und längerfristige Warenlieferungen aus dem verbleibenden Industriepotential miteinander verband. Als Hauptgeschädigte beanspruchte die Sowjetunion 50 Prozent aller Entnahmen aus der deutschen Wirtschaft, wobei die eigene Beteiligung an der Nutzung und Kontrolle der Ruhr über deren Internationalisierung gewährleistet werden sollte56. In diese Linie paßte sich auch die seit 1944 intensivierte Deutschlandplanung ein. Die Einzelheiten einer gezielten Erweiterung des kommunistischen Einflußes über einen »Block der kämpferischen Demokratie«, einer Vorform der späteren antifaschistischen Blockpolitik von »fortschrittlichem Bürgertum«, »werktätigen Bauern« und »Arbeiterklasse« unter kommunistischer Führung57 sind sicherheitspolitisch nur insoweit von Belang, als sie Stalins fortdauernde Skepsis über eine breitere Verankerung der KPD im deutschen Volk dokumentieren. Wollte die sowjetische Politik daher ein festeres Fundament für ihren Einfluß auf Nachkriegsdeutschland schaffen, dann stand für sie hier
gewöhnlich besser auf einen
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56
Rede zum 27. Jahrestag der Oktoberrevolution, 6.11. 1944, Stalin, Kampf, S. 256 f. Ausgezeichnete Gesamtanalyse der sowjetischen Reparationspolitik bei Baggaley, Reparations,
S. 37-59. Vgl. die Berichte über seine Gespräche mit den osteuropäischen Exilpolitikern Benes, 10. 1., Professor Lange, 17.5., und Mikolajczyk, 9.8. 1944, DPSR 2, S. 129 f., 237 f. und 338 f. Vgl. Maiskijs Vortrag auf der Sitzung der Regierungschefs, 5.2. 1945, Teheran, Jaita, Potsdam, Bd 2, S. 64 ff; zur Ruhrfrage vgl. auch Kettenacker, Krieg, S. 435. Vgl. Fischer, Deutschlandpolitik, S. 83-119; aus kommunistischer Sicht: Laschitza, Kämpferische Demokratie.
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zunächst nicht die Verwirklichung eines sozialistieine schen Modells, sondern durch die Kommunisten entscheidend mitbestimmte »Vollendung der bürgerlich-demokratischen Revolution von 1848« auf dem Programm58. Der sicherheitspolitische Vorrang lag dagegen immer noch auf der Durchsetzung der eigenen deutschlandpolitischen Kriegsziele im Verein mit den Westmächten. Die internen Deutschlandplanungen standen dazu nicht im Widerspruch, stellten vielmehr eine Rückversicherung für den Fall eines westlichen Kurswechsels dar, der sich mit den wachsenden Diskrepanzen innerhalb der Anti-Hitler-Koalition abzuzeichnen begann. Deshalb blieben auch die sowjetischen Äußerungen in Jaita über eine Teilung Deutschlands so unbestimmt und ausdeutungsfähig wie seit 194359. Das westliche Entgegenkommen an sowjetische Sicherheitsinteressen, insbesondere der labile Kompromiß über Polen, hielten zwar die Kriegsallianz über Jaita hinaus zusammen. Die dilatorische Behandlung der essentiellen Reparationsfrage weckte aber sofort wieder das geballte Mißtrauen, ob sich die Westmächte nicht hinter dem Rücken der Sowjetunion darauf verständigt hatten, »die sowjetische Wirtschaft dürfe sich nicht zu schnell erholen«60. Das Umschalten von der scharf antideutschen Kriegspropaganda zu einer maßvolleren Linie im Frühjahr 1945, die wieder klar zwischen faschistischer Führung und deutschem Volk differenzierte61, war daher zweifelsohne als eine neuerliche Botschaft an kooperationswillige politische Kräfte in Deutschland gedacht. Die endgültige Wendung in den deutschen Angelegenheiten hing mithin von der weiteren Entwicklung der zunehmend gespannten Ost-West-Beziehungen ab.
analog
zum
übrigen Osteuropa
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3. Von der Kooperation zur Konfrontation: der Bruch der Kriegskoalition und der Übergang zum Kalten Krieg 1945-1947 Die
Kompromisse von Jaita stoppten den Entfremdungsprozeß zwischen den Verbündekurzzeitig. In London und Washington hatten sich schon Ende 1944 die warnen-
ten nur
den Stimmen vermehrt, die in den Vorstößen der Roten Armee auf dem Balkan den Versuch erblickten, selbst unter Inkaufnahme überhöhter Verluste eine Art osteuropäischen Cordon sanitaire für die Nachkriegszeit aufzubauen62. Da die Sowjetunion die Absprachen von Jaita aus der Sicht westlicher Beobachter vor Ort auch in der Folgezeit einseitig zu präjudizieren schien, setzten sich im Frühjahr 1945 bei den Westmächten zunehmend die Vertreter einer Überprüfung der Ost-West-Beziehungen durch. 58
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w
61
62
150 deutschen Emigranten im Gebäude des Moskauer Komitees der KPdSU, Mitte Februar 1945, Leonhard, Revolution, S. 325. Vgl. Aufzeichnung über die Sitzung der Regierungschefs, 5. 2. 1945, Teheran, Jaita, Potsdam, Bd 2, S. 54-59. Gromyko, Erinnerungen, S. 129; zur Reparationsfrage in Jaita insgesamt: Baggaley, Reparations, S. 274-323. Vgl. die Kritik an Ehrenburg in einem offiziösen Artikel der Pravda, Harriman aus Moskau, 14.4. 1945, FRUS 1945, V, S. 830 f. Für die britische Einschätzung vgl. Watt, Sowjetunion, S. 241; für die USA: Gaddis, Strategies, S. 14 f.
Sitzung von
Die
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Noch differierten allerdings die amerikanischen und britischen Vorstellungen über das Ausmaß eines derartigen Kurswechsels. Churchill drängte darauf, durch die Forcierung des eigenen Vormarsches militärische Positionen so weit wie möglich im Osten einzunehmen und sie solange als Faustpfänder zu behalten, bis sich die sowjetische Seite zu politischem Wohlverhalten verstand63. Der neue US-Präsident Truman war zwar ebenfalls zu einer konsequenteren Interessenwahrung des Westens bereit. Seine kräftige Sprache beim Besuch Molotovs in Washington, die sowjetische Führung müsse für eine weitere Zusammenarbeit durch strikte Einhaltung der Jalta-Beschlüsse die Vertrauensbasis wiederherstellen, war dazu in Absprache mit den Briten als bewußtes Signal diplomatischer Härte gedacht64. Einen offenen Bruch durch Verletzung der eingegangenen Verpflichtungen wollten die Amerikaner jedoch nicht riskieren. Ihre Politik des Quid pro quo sollte der Sowjetunion vielmehr die westlichen Druckinstrumente lediglich unmißverständlich vorhalten, in der Hoffnung, daß eine Moskauer Kosten-Nutzen-Rechnung dann zu einem sowjetischen Einlenken führen würde65. Als Ansatzpunkte dafür schienen sich zwei sowjetische Schwachstellen zu eignen: der Bedarf an Wirtschaftshilfe für den Wiederaufbau und der westliche Vorsprung bei der militärischen Nuklearforschung. US-Botschafter Harriman hatte seit 1944 die Vereinbarungen über wirtschaftliche Hilfslieferungen als Mittel der amerikanischen Rußlandpolitik ausgemacht und seine Regierung zum dosierten Einsatz als einer diplomatischen Waffe zu veranlassen gesucht. Innenpolitische Wünsche nach möglichst raschem Abbau der kriegswirtschaftlichen Belastungen und administrativer Übereifer bei der Umsetzung einer Präsidentenweisung führten indes schon wenige Tage nach Kriegsende zu einem abrupten Stopp aller Lieferungen ohne Vorwarnung oder Konsultation. Da die amerikanische Regierung durchaus an einem Vorzeigen ihrer wirtschaftlichen Druckmittel, nicht aber an einem Zusammenbruch der Ost-West-Beziehungen interessiert war, korrigierte sie die Maßnahmen zwar sofort, der diplomatische Schaden war jedoch schon eingetreten. Für die sowjetische Seite bestätigte das »brutale« Vorgehen ihr durchgängiges Mißtrauen, daß sie von ihren Verbündeten lediglich bis zum Niederringen des größeren Übels Hitler als Partner gebraucht werden würde. Stalin warnte die neue amerikanische Administration deshalb, daß »auf freundschaftlicher Basis vieles getan werden könne, aber Repressalien in jeder Form den genau gegenteiligen Effekt hervorbringen würden«66. Audh das zweite Instrument für eine härtere Linie, das amerikanische Atommonopol, erwies sich bei näherem Hinsehen als wirkungslose diplomatische Waffe. Man mag zu recht darüber streiten, ob die USA tatsächlich 1945/46 eine aktive »atomare Diplomatie« betrieben haben, da sie ihren technologischen Vorsprung selbst in so essentiellen 63
M
Vgl. Rothwell, Britain, S. 141 f.; zur parallelen Entfachung eines »Wettlaufs der Fronten« durch Stalin: Fischer, Deutschlandpolitik, S. 196. Vgl. Miscamble, Anthony Eden, S. 167-180; vgl. auch Truman, Erinnerungen, Bd 1, S. 112-115, und Bohlen, Witness, S. 213.
65 66
Vgl. Gaddis, Strategies, S. 13-18. Gespräch mit dem US-Sonderbeauftragten Hopkins in Moskau, 27.5. 1945, Harriman/Abel, Special Envoy, S. 465; zur Krise um den Stopp der US-Hilfslieferungen: Herring, Aid, S. 206-211 und 288 f., sowie Yergin, Shattered Peace, S. 93 f.
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wie der Polenfrage nie als offenes Druckmittel einsetzten67. Zumindest glaubten sich Amerikaner und Briten im Sommer 1945 aber im Besitz eines militärischen Geheimnisses, durch das sich »auch das seit der deutschen Niederlage ins Treiben geratene diplomatische Kräfteverhältnis völlig verändern« werde68. Jedenfalls mochte es nützlich sein, die sowjetische Führung schon in Potsdam vom Erfolg des ersten Atomtests in den USA zu unterrichten. Daß Stalin die Tragweite von Trumans Eröffnung nicht wirklich verstanden habe, wie Churchill vermutete, kann inzwischen ausgeschlossen werden. Eine sofort angesetzte Besprechung in der sowjetischen Delegation und die telegrafische Weisung an seinen Sicherheitschef Berija in Moskau zur Beschleunigung des eigenen nuklearen Forschungsprogramms zeigen den mißtrauischen Diktator durchaus auf der Höhe der Debatte69.
Auseinandersetzungen
Das Streben nach maximaler Sicherheitsbefriedigung: Potsdam 1945 Eine Politik des Westens, die eigenes Entgegenkommen künftig strikt an entsprechendes Wohlverhalten der Sowjetunion gebunden wissen wollte, gehörte zwar zu den gängigen Mitteln, um in den Staatenbeziehungen Verhaltensänderungen zu erzwingen. Bei einer so statusbewußten Macht wie der Sowjetunion löste sie aber bereits im Sommer 1945 die gegenteilige Wirkung aus. Sie verstärkte bei der sowjetischen Führung nur noch den Hang zu einer Sicherheitsbefriedigung, die nach autonomer Verfügungsgewalt über die eigene osteuropäische Einflußsphäre und nach wirtschaftlicher wie rüstungstechnologischer Autarkie strebte. Der Interessenausgleich mit dem Westen wurde daher zwar, wie beim Besuch des Präsidentenberaters Hopkins in Moskau, noch gesucht und führte etwa bei der Vetofrage im UN-Sicherheitsrat auch zu begrenzten Erfolgen70. Kompromisse im Kernbereich der eigenen Sicherheit wie in der Polenfrage konnte es dagegen weder politisch noch territorial geben. Hier hielt Stalin unbedingt daran fest, daß »Polen für die Sicherheit der Sowjetunion bedeute, was Belgien und Griechenland für die Sicherheit Großbritanniens seien«71. Ähnliches galt für die politische Sicherung des Balkans und die Mitsprachewünsche im Mittelmeerraum wie im Mittleren Osten. Westliche Diplomaten konstatierten im Ge67
68
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711
71
So Frohn, Neutralisierung, S. 35 f., gegen Alperowitz; vgl. auch Brauch, Atomare Diplomatie, S. 304-331. Churchill bei einem internen Mittagessen während der Potsdamer Konferenz, 23.7. 1945, Bryant, Sieg im Westen, S. 475 f.; vgl. auch Yergin, Shattered Peace, S. 120 f. Gegen Churchill, Der Zweite Weltkrieg, Bd 6/2, S. 371, stehen die Aussagen von Schukow, Erinnerungen, S. 653, und Gromyko, Erinnerungen, S. 157 ff., sowie die Recherchen von Wolkogonow, Stalin, S. 671. Zur Hopkins-Mission in Moskau, 25.5.-6.6. 1945: Bohlen, Witness, S. 218 ff.; Harriman/Abel, Special Envoy, S. 464-471; Lundestad, American Non-Policy, S. 197-205; Sherwood, Roosevelt, S. 883-916. Stalin an Churchill und Truman, 24.4.1945, DPSR 2, S. 572; ähnlich in seiner Antwort an einen Korrespondenten der Times, 18.5. 1945, Stalin, Reden, S. 10; zur Polenfrage in Potsdam insgesamt: Lehmann, Oder-Neiße-Konflikt, S. 39—45.
Die
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folge der militärischen Siege ein deutlich gestiegenes Selbstbewußtsein der Sowjetunion als einer global mitverantwortlichen und handelnden Macht. Sie stellte wohl noch das vorläufig überlegene Potential und die Rolle der USA als Weltmacht in Rechnung, trat gegenüber Großbritannien jedoch bereits im vollen Bewußtsein eigener Stärke und sinkender britischer Kraft zu weltpolitischer Präsenz auf2. Um den Konflikt mit den angelsächsischen Konkurrenten nicht über Gebühr zu eskalieren, ging die sowjetische Führung vorerst aber noch nicht den direkten Weg einer »Sowjetisierung« Osteuropas. Daß damit keine Grundsatzentscheidung gefällt, sondern lediglich eine taktische Zwischenetappe bezogen war, ließ Stalin im vertrauten Kreise jugoslawischer Kommunisten jedoch schon jetzt durchklingen: »Jeder führt sein eigenes System ein, so weit seine Armee vordringen kann. Es kann gar nicht anders sein73.« Lange vor den Auseinandersetzungen um eine Ausweitung des Marshallplans auf Osteuropa hatte Stalin im übrigen auch die amerikanische Politik der Open Door als »ebenso gefährlich für eine Nation wie eine ausländische militärische Intervention« ausgemacht74. Er verwässerte daher in Potsdam erfolgreich Trumans Lieblingsidee einer Internationalisierung der Binnenwasserstraßen, da der Westen über eine Öffnung der Donau unter dem Deckmantel einer Liberalisierung offenbar nur die Tür zur wirtschaftlichen Durchdringung des Balkans aufstoßen wollte75. Nicht einsehbar war für die sowjetische Führung letztlich, daß sich die USA in ihrem eigenen lateinamerikanischen Hinterhof über die »Monroe-Doktrin« eine sicherheitspolitisch abgeschlossene Hemisphäre vorbehielten, in das osteuropäische Vorfeld der Sowjetunion dagegen politisch wie wirtschaftlich einzuwirken versuchten76. Das Dilemma, daß man den wirtschaftlichen Austausch für den eigenen wie für den osteuropäischen Wiederaufbau eigentlich dringend benötigte, ihn sicherheitspolitisch aber mindestens ebensosehr fürchtete, wurde noch erweitert durch die technologischen Rückstände der eigenen Rüstung. Die sowjetische Wirtschaft hatte sich schon im Kriege in nicht unerheblichem Maße auf die materielle Hilfe des Westens abstützen müssen. Der extreme Sicherheitsreflex ihrer politischen Führung, deren Bedrohungsgefühle durch das amerikanische Atommonopol noch erheblich gestiegen waren77, sollte sie jetzt der Überlastung aussetzen, den eigenen Wiederaufbau und das rüstungstechnologische Aufholrennen mit dem Westen gleichzeitig bewältigen zu müssen. Die Demontagen in Deutschland ließen zwar einen teilweisen Ausgleich der eigenen Kriegsverluste und eine Modernisierung der Maschinen- und Anlagenausstattung erwarten. Auch würde man sich in der Nachkriegszeit die ost- und südosteuropäischen Hilfsquellen zunutze machen
,:
Vgl. Clark Kerr aus Moskau, ce,
73
S. 102 ff.
Gespräch
mit Churchill in
S. 146. 74
Gespräch
mit
10.7. 1945, DBPO 1945/1, S. 142-148, sowie
77
Shattered Pea-
Potsdam, 18.7. 1945, DBPO 1945/1, S. 388; dagegen Djilas, Gespräche,
Chiang Ching-kuo,
dem Sohn des chinesischen Generalissimus
Moskau, 30.6.1945, Harri man/Abel, Special Envoy, S. 538.
76
Yergin,
Chiang Kai-shek
Vgl. entsprechende Kommentare in der sowjetischen Presse 1945/46, Herring, Aid, S. 263 f. Vgl. Schröder, Anerkennung, S. 197-202. Vgl. Roberts und Harriman aus Moskau, 26. 10. und 27. 11. 1945, The Foreign Office and Kremlin, S. 263 ff, bzw. FRUS 1945/V, S. 922 f.
in
the
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können, deren sich bisher die Deutschen bedient hatten. Je weiter
Umverteilung
aber die ökonovorantrieb, desto
man
der Lasten auf Ostdeutschland und Osteuropa mußte der wirtschaftliche Nutzen dieser territorialen Erweiterung ausfallen78. Außerdem würde man schnell die sicherheitspolitischen Folgekosten des Zielkonflikts zu spüren bekommen, daß man das eigene Vorfeld zwar erweitert und abgeschirmt hatte, es aber durch die extensive Auspressung für einseitige sowjetische Interessen dauerhaft ökonomisch destabilisierte. Damit war der Rückweg in die stalinistische Repressionspolitik aus der Industrialisierungsphase der Zwischenkriegszeit abzusehen, in der ebenfalls Systemüberforderung und daraus herrührende Verweigerung und Erschöpfung der Bevölkerung nur noch durch verschärften Terror zu überwinden waren, jetzt freilich erweitert von der Sowjetunion auf ganz Osteuropa. Daß sich die sowjetische Führung dieses Zielkonflikts zwischen umfassender wirtschaftlicher Entwaffnung und langfristiger ökonomischer wie politischer Nutzung bei Kriegsende speziell in Deutschland bewußt war, kann an den innersowjetischen Positionskämpfen zwischen den beiden Hauptrivalen Malenkov und Zdanov abgelesen werden. Hatte der eine vor allem den eigenen industriellen Wiederaufbau im Visier und setzte daher auf die zügige Befriedigung der sowjetischen Reparationsforderungen durch sofortige umfassende Demontagen, so verlor der für Ideologiefragen zuständige Zdanov ein dauerhaftes kommunistisches Fußfassen in Mitteleuropa nicht aus den Augen. Um das deutsche Proletariat zunächst in der sowjetischen Besatzungszone mit positiven Rückwirkungen auf die Bevölkerung auch in den Westzonen zu gewinnen, dafür mußte aber eine maßvollere Haltung in der Reparationsfrage ungleich werbewirksamer sein79. Sucht man in diesem Disput Stalins Haltung anhand der sowjetischen Reparationspolitik vor und während der Potsdamer Konferenz zu bestimmen, dann gewinnt man allerdings den Eindruck, daß er nicht einem Entweder-Oder, sondern einem Sowohl-alsAuch zuneigte. Der Reparationsfrage wuchs damit eine immer zentralere Rolle für die sowjetische Sicherheitspolitik zu. An ihr mußten sich freilich auch die gegensätzlichen Nachkriegsstrategien der Westmächte und der UdSSR besonders nachhaltig reiben. Bei aller Anerkennung der Sowjetunion als dem Hauptgeschädigten des Krieges waren vor allem die USA unter keinen Umständen bereit, wieder wie nach dem Ersten Weltkrieg deutsche Reparationen aus eigenen Steuermitteln quasi indirekt mitzufinanzieren. Die Basis für die alliierten Forderungen sollte daher die Fähigkeit zur wirtschaftlichen Selbstversorgung der Deutschen in allen Besatzungszonen abgeben80. Die sowjetische Position bei den Moskauer Reparationsverhandlungen stand demgegenbüber unter dem Motto »Gerechtigkeit und Sicherheit«. Die Deutschen hatten »im größtmöglichen Umfang« für den Gesamtschaden aufzukommen, den sie im Krieg angerichtet hatten; daneben mußte ihnen aber auch dauerhaft die wirtschaftliche Fähigkeit genommen werden, »andere Namische
geringer
78
Auf die
Zusammenhänge von Wiederaufbauproblemen und einer in die Nachkriegszeit verlängerKriegswirtschaft machte schon Ende 1945 der Wirtschaftsexperte der US-Botschaft in Moskau, Whitney, aufmerksam, FRUS 1945/V, S. 933-936. Vgl. Yergin, Shattered Peace, S. 96 f., und Baggaley, Reparations, S. 370 ff. Vgl. Baggaley, Reparations, S. 474-478. ten
7"
80
Die
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45
tionen erneut zu bedrohen«81. Der zeitweilige Stopp der Lend-Lease-Lieferungen, die dilatorische Behandlung sowjetischer Kreditwünsche und die westlichen Vorbehalte gegen die Reparationsforderungen der Sowjetunion vertieften bei Stalin jedoch schon während der Potsdamer Konferenz den Verdacht: »Die Engländer und Amerikaner wolwir haben den Bürgerkrieg durchgestanden, wir len uns knebeln. Aber keine Angst werden auch das überstehen82.« In engem Zusammenhang mit der Reparationsproblematik begann sich im Frühjahr 1945 auch ein sowjetischer Kurswechsel in der deutschen Frage abzuzeichnen. Überraschend für seine westlichen Kollegen ließ der sowjetische Delegationschef Gusev im interalliierten »Dismemberment Committee« schon Ende März erkennen, daß seine Regierung eine Aufgliederung Deutschlands »nicht als einen obligatorischen Plan, [...] sondern als eine Möglichkeit ansehe, um Druck auf Deutschland auszuüben, [...] falls andere Mittel sich als nicht angemessen erweisen sollten«83. In seiner berühmten Proklamation zur deutschen Kapitulation unterstrich Stalin dies öffentlich: »Die Sowjetunion feiert den Sieg, wenn sie sich auch nicht anschickt, Deutschland zu zerstückeln oder zu vernichten84.« Beim Besuch von Hopkins einen Monat später begründete er dies damit, daß er aus den letzten Verhandlungen den Eindruck gewonnen habe, seine westlichen Partner seien gar nicht mehr ernsthaft an einer Durchsetzung der Teilung interessiert85. In dieses Bild würden sich auch die neuerdings aufgetauchten Notizen Piecks über ein Gespräch Stalins mit der KPD-Führung in Moskau am 4. Juni 1945, also nur einen Tag nach der eben zitierten Unterredung mit Hopkins, einpassen. Wenn es darin hieß: »Perspektive es wird zwei Deutschlands geben trotz aller Einheit der Verbündeten«86, dann nicht in dem Sinne eines sowjetischen Befehls, sondern als eine Art Bestandsaufnahme über das Faktum der bereits deutlich auseinanderdriftenden Interessen innerhalb der Kriegskoalition. Dabei dürfte der Verdacht gegen westliche Sonderabsprachen mit den Deutschen beim Abschluß des Waffenstillstands in Oberitalien ebenso mitgespielt haben wie das Mißtrauen gegen die britischen Motive bei Installierung der »Regierung Dönitz« oder beim Versuch, territoriale Faustpfänder in Deutschland so weit östlich wie möglich zu besetzen. Von zentraler Bedeutung scheint aber der unbefriedigende Stand der Reparationsverhandlungen gewesen zu sein, bei denen schon vor Potsdam für die sowjetische Seite offenkundig wurde, daß mit dem Besitz der westdeutschen Industriereviere letztlich die Westmächte zum Hauptnutznießer einer deutschen Teilung werden mußten. Für die Sowjetunion aber waren die Reparationsleistungen aus einem ungeteilten Land und dessen gemeinsame Kontrolle ungleich höher zu veranschlagen als der beschränkte Zugriff auf die mitteldeutschen Ressourcen87. —
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Roberts aus Moskau über Maiskijs Eröffnungsrede, 10.7. 1945, DBPO 1945/1, S. 150. Gromyko, Erinnerungen, S. 161. Zit. nach Baggaley, Reparations, S. 375; zum sowjetischen Kurswechsel insgesamt: Fischer, Deutschlandpolitik, S. 131-134, und: Die Ruhrfrage, S. 33-39. Ansprache an das Volk, 9.5. 1945, Stalin, Reden, S. 4. Vgl. Harriman/Abel, Special Envoy, S. 470 f. ZPA, NL 36/629, Bl. 62; vgl. auch Staritz, Die SED, Stalin und der »Aufbau des Sozialismus«, S. 688 f.
87
(Anm. 20).
Vgl. Baggaley, Reparations, S. 376
f.
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Unter sicherheitspolitischen Aspekten war die Alternative Teilung oder Zusammenhalt eines deutschen Nationalstaats für die Sowjetunion keine Frage des Prinzips, sondern der Zweckmäßigkeit. Sie bereitete sich daher auf beide Möglichkeiten vor, wenn sie einerseits strikt auf die »Entscheidungsautonomie jeder Besatzungsmacht« in ihrer Zone pochte, über die Mitarbeit im künftigen Alliierten Kontrollrat für Deutschland aber auch die Hand im gesamtdeutschen Spiel zu halten suchte88. Jedes »sektiererische« das Forcieren der Systemfrage durch die Kommunisten in der sowjetischen Zone drückten die aus Moskau zurückgekehrten Führungskader um Walter Ulbricht unnachsichtig durch89 hatte daher zugunsten der antifaschistischen Einheitsfrontlinie zu unterbleiben, solange die deutsche Frage auf internationaler Ebene noch nicht endgültig entschieden war. In der Schwebelage setzte Stalin seine Schwerpunkte in Potsdam nach drei Richtungen: Sicherung des erreichten territorialen Besitzstandes, Vorkehrungen gegen ein Wiederaufleben der deutschen Gefahr und Optimierung der militärisch-wirtschaftlichen Grundlagen für die eigene Sicherheit. Nachdem in den territorialen Fragen schon vor Konferenzbeginn auf dem Balkan, an der Oder-Neiße-Linie und nach Rückzug der Briten und Amerikaner aus den westlichen Teilen der sowjetischen Besatzungszone auch an der innerdeutschen Demarkationslinie vollendete Tatsachen geschaffen waren, zeigte er wenig Interesse an einer Neuauflage dieser Diskussionen, die letztlich nur dazu führen konnte, das Erreichte nochmals in Frage zu stellen. Unstrittig waren daneben seit Teheran die gemeinsamen Sicherheitsvorkehrungen vor Deutschland durch völlige Entwaffnung und umfassende Entmilitarisierung von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft. Auch das Ziel der Entnazifizierung blieb gemeinsames Anliegen der Siegermächte, wobei allerdings die Forderung nach Demokratisierung naturgemäß nicht einheitlich auszuformen sein würde. Ein Hauptaugenmerk, ablesbar an seinen intensiven Einlassungen bei den Plenarsitzungen, legte Stalin indes auf zwei noch ausstehende sicherheitsrelevante Verhandlungspunkte. Wie bereits beim Waffenstillstand mit Italien 1943 wollte er angemessen an der Aufteilung der in britische Hände gefallenen deutschen Kriegs- und Handelsflotte beteiligt sein; außerdem strebte er eine weitreichendere Reparationsregelung an, als sie nach den Moskauer Vorverhandlungen zu erwarten war. Seine eigentlichen Gegenspieler waren zu diesem Zeitpunkt die Briten; der Wechsel zu einer Labour-Regierung während der Konferenz setzte da keine wesentlich neuen Akzente. London sah sich durch die Größenordnung des sowjetischen militärischen Erfolges vor ein doppeltes Sicherheitsproblem gestellt: die abnehmende deutsche und die zunehmende sowjetische Gefahr. An Stelle des Deutschen Reiches erwuchs den Briten in der Sowjetunion nämlich eine dominierende Kontinentalmacht in Europa, die mit ihren Wünschen und Forderungen in Libyen, an den Dardanellen und im Iran auch be—
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Fritsch-Bournazel, Sowjetunion, S. 18; vgl. auch Kraus, Ministerien, S. 35. Vgl. Ulbrichts ersten Bericht an Pieck über seine Erfahrungen in Deutschland, 17.5. 1945, ZPA, NL 182/246, Bl. 5-8, sowie seinen Diskussionsbeitrag bei der ersten Zusammenkunft von etwa 200 antifaschistischen Funktionären im Stadthaus Berlin, 12.6. 1945: »Wir halten die Durchsetzung oder Aufzwingung des Sowjetsystems im Augenblick für Deutschland nicht für richtig«, ebd., Bl. 57 f.
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reits ganz konkret an die neuralgischen Kommunikationslinien des Commonwealth im Mittelmeer und im Mittleren Osten heranrückte. Im Foreign Office schaltete man deshalb noch vor dem State Department auf eine Strategie der Eindämmung gegen die Sowjetunion um und setzte dafür auf ein Programm der politisch-wirtschaftlichen Erholung des kontinentalen Resteuropas außerhalb der sowjetischen Einflußsphäre. Washington sah sich demgegenüber zu Konferenzbeginn noch in einer Schiedsrichterrolle, allerdings neben der Polenfrage in einem weiteren Problempunkt ebenfalls bereits aus höchste alarmiert: der einseitigen wirtschaftlichen Entnahmepraxis der Sowjetunion aus ihrer Zone und der Übergabe der deutschen Ostgebiete an Polen noch vor einer einvernehmlichen Reparationsabsprache90. An der Flottenfrage läßt sich exemplarisch verdeutlichen, daß die sowjetische Führung so rasch wie möglich zu einer Sicherheitspolitik der Unabhängigkeit und Autarkie zurückstrebte, die ihr zudem die Übernahme einer gleichberechtigten internationalen Rolle erlauben würde. Die Wünsche nach ungehindertem Zugang zu den Meeren hatten dafür schon 1944/45 erste Fingerzeige gegeben. Stalins legitime Forderung nach angemessener Berücksichtigung bei der Verteilung der deutschen Kriegs- und Handelsflotte sollte ihm jetzt die eigenen Kriegsverluste ersetzen und maritime Mittel in die Hand geben, um das eklatante Ungleichgewicht zu den angelsächsischen Seemächten ausgleichen. Nicht zu Unrecht verdächtigte er dabei die Briten, diesen Teil der Kriegsbeute als Druckmittel zurückbehalten zu wollen. Interne britische Papiere für Potsdam belegen in der Tat solche Überlegungen91. Wie wichtig Stalin diese Detailfrage nahm, läßt sich daran ablesen, daß er bis Konferenzende persönlich zäh um seinen Anteil an der deutschen maritimen Kriegsbeute rang92. Die Berechtigung seiner Wünsche war auch bei seinen westlichen Partnern unbestritten. Wollte man die Sowjetunion in die globale Sicherung der Nachkriegsordnung einbinden, dann mußte man, wie Churchill dies in seiner bilderreichen Sprache ausdrückte, den unhaltbaren Zustand aufheben, daß »Rußland [...] wie ein Riese [ist], dem man die Nasenlöcher zuhält«93. In der Praxis suchte gerade er freilich den anteiligen sowjetischen Zugriff auf das deutsche Seepotential in zweifacher Weise zu entwerten. Einmal wollte er das für die angelsächsischen Seemächte gefährlichste Seekriegsmittel, die deutsche U-Boot-Waffe, bis auf einige Studienobjekte zerstört sehen, und zum anderen machte er sich bei der Verteilung der deutschen Handelsflotte zum Anwalt der kleineren seefahrenden Nationen, denen auf Kosten der drei Siegermächte, damit aber vor allem zu Lasten der am schwersten angeschlagenen sowjetischen Flotte, ein Viertel der deutschen Handelsschiffe übergeben werden sollte94. 9,1
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Vgl. Baggaley, Reparations, S. 479-503. Briefing für die britische Delegation in Potsdam, 6.7. 1945, DBPO 1945/1, S. 17; vgl. auch Kettenacker, Krieg, S. 509; zu Stalins Vorstoß in der Flottenfrage beim Hopkins-Besuch Ende Mai: Harriman/Abel, Special Envoy, S. 467. Vgl. seine Gespräche mit Churchill und Truman, 17./18.7., DBPO 1945/1, S. 349, 368 und 387 f., sowie seine Einlassungen bei der 1. und 3. Plenumssitzung, 17. und 19.7. 1945, Teheran, Jaita,
Potsdam, Bd 3, S. 48 und 65-69. Dinner Churchills mit Stalin, 18.7. 1945, Churchill. Der Kampf ums Überleben, S. 302. Vgl. die sowjetischen Vorschläge vom 19. und 30., das britische Memorandum vom 30. und den Bericht der Sonderkommission für die
Ausarbeitung von Empfehlungen hinsichtlich der Aufteilung
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Für Stalin waren diese Erfahrungen Grund genug, noch während der Potsdamer Konferenz anzukündigen, daß das sowjetische Volk »seine Flotte noch stärker und mächtiger wissen« wolle und deshalb »neue Kampfschiffe und neue Stützpunkte schaffen« werde95. In einer eingehenden Analyse warnte die britische Botschaft in Moskau daraufhin, daß die Sowjetunion offenbar an die petrinische Politik der Öffnung zu den Weltmeeren und an die eigene Marinerüstung in den 30er Jahren anknüpfe. Die Diskussion in sowjetischen Fachzeitschriften, die Popularisierung von Flottenfragen durch den sowjetischen Schriftstellerverband und ein Marineoffizierkorps, das schon jetzt weit größer als die verfügbaren Schiffseinheiten sei, lasse die Zielrichtung einer »mächtigen ozeanfähigen Flotte« für die Zukunft hervortreten96. In seiner Ansprache zur japanischen Kapitulation bestätigte Stalin dies indirekt, wenn er den Gewinn Südsachalins und der Kurilen »als Mittel der direkten Verbindung der Sowjetunion mit dem Ozean« qualifizierte97. Eine so umfassende Sicherheitsbefriedigung, bei der sich für die Westmächte defensive Absichten und künftige offensive Optionen kaum noch unterscheiden ließen, blieb umgekehrt nicht ohne Rückwirkung auf die ohnehin schon dilatorisch behandelte Reparationsfrage. Schließlich hatte man in Washington und London nicht die Absicht, die Sowjetunion wirtschaftlich beim Wiederaufbau zu entlasten, wenn sie dadurch die Hände für ein erweitertes Rüstungsprogramm frei bekommen mochte. Wesentlicher als diese Sorge waren indes momentan noch die negativen Erfahrungen mit der einseitigen sowjetischen Entnahmepraxis aus ihrer Zone und mit der Übergabe der schlesischen Industriebezirke an Polen, womit sie noch vor Abschluß einer gemeinsamen Reparationsregelung aus dem verfügbaren Gesamtgebiet der Besatzungsmächte herausgenommen waren. Damit wuchs insbesondere aus amerikanischer Sicht die Gefahr, daß auf die restlichen Besatzungszonen zusätzliche wirtschaftliche Belastungen bei der Lebensmittel- und Kohleversorgung zukamen. In letzter Konsequenz konnte dies zu einer Situation führen, in der die Sowjetunion im Osten die Mittel ökonomisch absaugte, die von den USA zur Stabilisierung in die Westzonen hineinzupumpen sein würden. Waren die USA noch mit dem Ziel in die Potsdamer Verhandlungen gegangen, Deutschland als wirtschaftliche Einheit zu behandeln, um ein Höchstmaß an ökonomischer Selbstversorgung der Deutschen zu garantieren, so nahmen sie nunmehr unter dem Eindruck der sowjetischen Alleingänge einen deutlichen Kurswechsel vor. Das ursprüngliche Ziel fand zwar formal noch Eingang in die Potsdamer Beschlüsse. De facto setzte sich aber bei der Unvereinbarkeit der Standpunkte eine Linie durch, die jeder Siegermacht die Befriedigung ihrer Reparationsinteressen aus der eigenen Zone zugestand. Lediglich zur Versorgung der Bevölkerung sollten Industriegüter aus den Westzonen im Austausch gegen Nahrungsmittellieferungen aus der Ostzone erfolgen. Dazu sollte die Sowjetunion 25 Prozent ihrer Reparationsforderungen aus den Westzonen, speziell aus der deutschen *
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Kriegs- und Handelsflotte vom 31.7. 1945, Teheran, Jaita, Potsdam, Bd 3, S. 267, 351-354 und 367-370. Befehl an die Truppen der Roten Armee und die Kriegsmarine der UdSSR Nr. 371, 22.7. 1945, Stalin, Reden, S. 15. Roberts aus Moskau, 25.7. 1945, DBPO 1945/1, S. 898-902. Ansprache an das Volk, 2.9. 1945, Stalin, Reden, S. 22.
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den wegen ihrer Modernität besonders attraktiven Anlagen an der Ruhr erhalten, wovon 10 Prozent ohne sowjetische Gegenleistungen, die restlichen 15 Prozent als Entgelt für Lebensmittel aus der Ostzone gewährt werden sollten. Das Problem für die sowjetische Seite bestand allerdings darin, daß sie keine Gesamtsumme aller Reparationen durchsetzen konnte, ihre künftigen Forderungen mithin auf ungeklärter Grundlage beruhen würden98. Bei allen Deklarationen über die Behandlung Deutschlands als Einheit liefen die Festlegungen in der Reparationsfrage schon jetzt auf eine faktische wirtschaftliche Spaltung des Landes hinaus. Ein britischer Diplomat brachte diese Einsicht auf den Punkt. Es sei »unvorstellbar, daß ein Deutschland, das nicht als wirtschaftliche Einheit behandelt wird, sehr viel länger als politische Einheit behandelt werden kann«99. Für die sowjetische Sicherheitspolitik warf das freilich sofort das Problem auf, daß damit das wirtschaftliche Herzstück Deutschlands in der alleinigen Verfügungsgewalt der Westmächte verbleiben würde. Die sowjetische Delegation in Potsdam suchte daher die Industrieregion an Rhein und Ruhr unter gemeinsame alliierte Kontrolle zu stellen. Mit dem Argument, die Rhein-Ruhr-Frage beinhalte ein essentielles Sicherheitsproblem der vierten, nicht am Konferenztisch anwesenden Besatzungsmacht Frankreich, gelang es der britischen Seite jedoch, das Thema mit aufschiebender Wirkung an den künftigen Außenministerrat der vier Mächte zu überweisen100. Ein Vergleich von Stalins Ausgangszielen mit den Ergebnissen von Potsdam ergibt denn auch eine durchwachsene Bilanz. Die Sowjetunion hatte ohne Zweifel ihre territorialen Kriegsziele in Deutschland und Osteuropa behauptet und in den umfangreichen politischen, wirtschaftlichen und militärischen Entwaffnungsbestimmungen gemeinsame Sicherheitsvorkehrungen vor Deutschland erreicht. Ihre Dauerhaftigkeit blieb aber ebenso an das weitere Einvernehmen mit den Westmächten gebunden wie die Durchsetzung der eher unbestimmt gehaltenen Reparationsabmachungen. Setzte sich dagegen, wofür inzwischen einiges sprach, der Erosionsprozeß in den Ost-West-Beziehungen unvermindert fort, dann drohte der Sowjetunion der Rückfall in die internationale Isolation der Zwischenkriegszeit. Dafür würde sie zwar territorial und militärisch besser gewappnet sein als bisher. Da sie ihre wirtschaftlichen Kriegsziele in der Reparations- und Ruhrfrage jedoch nur zum geringeren Teil durchzusetzen vermocht hatte, mußte sie ein internationaler Klimasturz vor langfristig kaum zu lösende ökonomische Probleme stellen, wenn sie ihren Kurs der extensiven Sicherheitsbefriedigung beibehielt.
Reparationsfrage in Potsdam allgemein: Baggaley, Reparations, S. 503-553. So der Leiter der Deutschlandabteilung im Foreign Office, Troutbeck, im Juli 1945 mit Blick auf die Potsdamer Reparationsregelung, zit. nach: Die Ruhrfrage, S. 50; ähnliche Stimmen bei Baggaley, Reparations, S. 529. Vgl. Die Ruhrfrage, S. 50-53; der sowjetische Kontroll Vorschlag ist abgedruckt ebd., S. 310 Zur
(Dok. 15).
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Das Anwachsen der
Spannungen im Ost-West-Verhältnis 1945/46
Schon im Herbst 1945 beim ersten Treffen des in Potsdam eingesetzten Außenministerrats in London mußten alle Beteiligten registrieren, wie brüchig die Kompromisse von Jaita und Potsdam inzwischen bereits geworden waren. Aus sowjetischer Sicht lieferten vor allem die Mittelmeer- und die Balkanfrage weitere Indizien dafür, daß der Westen die Sowjetunion nicht wirklich als gleichberechtigten Sicherheitspartner akzeptierte. Im Ringen um einen sowjetischen Stützpunkt in Libyen wie um die Mitkontrolle der Zufahrt zum Schwarzen Meer warf Molotov den Briten das Streben nach einer Monopolstellung im Mittelmeerraum vor. Bei den Westmächten wurde dagegen der Verdacht laut, daß die Sowjetunion sich in Nordafrika festsetzen wollte, um die Lebensader des britischen Commonwealth von Gibraltar nach Suez zu überwachen, vielleicht sogar ein Sprungbrett für eine aktivere Afrikapolitik zu gewinnen"". Noch schärfer prallten die Gegensätze auf dem Balkan aufeinander. Die Weigerung der Westmächte, die als einseitige Satellitenregime bewerteten Regierungen in Bulgarien und Rumänien anzuerkennen, galt Molotov als Beleg dafür, daß seine Verhandlungspartner von den Absprachen über ein sowjetfreundliches osteuropäisches Vorfeld abzurücken begannen102. Dabei fiel der mißtrauische Blick der sowjetischen Führung gleichzeitig auf britische Überlegungen, mit den Franzosen sicherheitspolitisch zusammenzurücken. In Moskau hatte man erste Hinweise auf derartige Absichten im November 1944 zwar noch kommentarlos hingenommen, bei de Gaulies Besuch einen Monat später aber schon kritisch nachgefragt. Anfang 1945 registrierten die USA jedenfalls bereits erhebliche Beunruhigung in der sowjetischen Führung über ein mögliches Zusammengehen der atlantischen Seemächte mit den westeuropäischen Staaten, das schnell eine antisowjetische Färbung annehmen mochte"13. Während der Londoner Konferenz im Herbst 1945 sahen sich die Briten daher mit einer sowjetischen Pressekampagne konfrontiert, die hinter den fortgesetzten Erörterungen über einen »Westblock« eindeutig antisowjetische Motive witterte. Im sowjetischen Außenministerium setzte man aus westlicher Balkanpolitik und »Westblock«-Überlegungen bereits ein Bild zusammen, das eine Doppelstrategie des Westens vermuten ließ: In Osteuropa verhinderte das westliche Spiel mit der nationalen Unabhängigkeit kleinerer Staaten eine prosowjetische Stabilisierung, während sich Westeuropa unter angelsächsischer Führung auf eine »feindlich gegen die Sowjetunion« gerichtete Blockbildung zubewegte. In dieses Mosaik fügte sich auch die dilatorische Behandlung des sowjetischen Wunsches nach internationaler Kontrolle der Ruhr nahtlos ein, konnte sich eine künftige westeuropäische Organisation doch auf diesen industriellen Kernraum Westeuropas und auf amerikanische Dollarhilfe gleichermaßen abstützen104. ""
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Vgl. die Gespräche des britischen Außenministers Bevin mit Molotov, 23.9. bzw. 1.10. 1945, The Foreign Office and the Kremlin, S. 239 f., bzw. DBPO 1945/11, S. 454; zu den amerikanischen Sorgen: Yergin, Shattered Peace, S. 143. Vgl. Gespräch Molotovs mit Bevin, 22.9. 1945, DBPO 1945/11, S. 296.
Zur ersten Information Molotovs durch den britischen Botschafter Clark Kern Rothwell, Britain, S. 407; zum Gespräch Stalins mit de Gaulle, 6. 12. 1944: DPSR 2, S. 487; zu den sowjetischen Sorgen Anfang 1945: Mayers, Soviet War Aims, S. 67 f. Zur Pressekampagne: Rothwell, Britain, S. 414; zu den Annahmen der sowjetischen Politik: Akten-
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In eine ähnliche Kerbe zielte im Spätherbst 1945 schließlich eine heftige Kontroverim Alliierten Kontrollrat für Deutschland, die Molotov beim Moskauer Außenministertreffen im Dezember zum Anlaß für eine offizielle diplomatische Démarche nahm. Das Verfahren in der britischen Zone, Wehrmachtsangehörige bis zu ihrer Entlassung in ihren Verbänden und in Uniform zusammenzuhalten, hatte schon bisher sowjetisches Mißtrauen erregt. In der allgemeinen Klimaverschlechterung während und nach der Londoner Konferenz fügten sich britische Ruhr- und Entwaffnungspolitik jetzt zu einem einheitlichen Ganzen, das den Verdacht einer bewußten Verschleppungstaktik in der westlichen Entmilitarisierungspraxis nährte105. Anfang 1946 schlüsselte Molotov die unterschiedlichsten Militärformationen von den Wehrmachtsangehörigen in Lagern der britischen Zone über ein angebliches »weißgardistisches Infanteriekorps« auf österreichischem Boden bis zu den »Soldaten des polnischen Faschisten General Anders in Italien« auf, um den Nachweis unlauterer Absichten des Westens zu führen106. Legte man darüber die Blaupausen der britischen »Westblock«-Pläne, dann komplettierte sich ein sowjetisches Bedrohungsszenario, in dem das westdeutsche Potential schon bald das Kernstück eines auf antisowjetischer Grundlage zusammengeschlossenen Westeuropas mit der amerikanischen Weltmacht im Rücken bilden mochte. Die sowjetische Führung beobachtete jedenfalls von nun an durchgängig jene »Projektemacher« mit geschärftem Mißtrauen, deren »Pläne auf die Erzielung einer Isolierung der Sowjetunion gerichtet seien«107. Ein Vorstoß von US-Botschafter Harriman bei Stalin in dessen Urlaubsort am Schwarzen Meer konnte die angesammelten Konfliktpunkte daher nicht mehr voll ausräumen. Der sowjetische Staatschef überlegte jetzt vielmehr laut, ob die Sowjetunion nach den Enttäuschungen der letzten Monate nicht besser aus der zunehmend fruchtloseren Zusammenarbeit mit dem Westen aussteigen und sich einer »Politik der Isolation« verschreiben sollte. Nach Auffassung westlicher Diplomaten kam darin eine innersowjetische Strategiedebatte zum Vorschein, in der sich inzwischen die Vertreter einer kompromißlosen antiwestlichen Gegenposition durchzusetzen se
begannen108.
Die Reden führender sowjetischer Politiker zu den Wahlen im Februar 1946 bestätigten die Pessimisten in den westlichen Außenministerien. Den Aufruf des Chefideologen Zdanov zur Wachsamkeit gegenüber dem Westen verschärfte Stalin noch durch die Wiederaufnahme der Analyse von der grundsätzlichen Aggressivität der kapi-
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notiz Sargents, 23.9., und Memorandum Dixons, 2. 10. (beide Mitarbeiter des Foreign Office in London), DBPO 1945/11, S. 314 f. bzw. 473, sowie Roberts aus Moskau, 28.9. 1945, The Foreign Office and the Kremlin, S. 256 f. Vgl. Balfour, Vier-Mächte-Kontrolle, S. 247 ff, und Schukow, Erinnerungen, S. 636 ff, 643 f. und 656 ff; zum offiziellen sowjetischen Protest im Kontrollrat, 4. 12.: KAG 1945, S. 554 A; zur Vorlage auf der Moskauer Konferenz, 20. 12. 1945: DBPO 1945/11, S. 797. Zum Einlenken auf der Moskauer Konferenz: DBPO 1945/11, S. 833 und 840; zur Rede anläßlich der Wahlen zum Obersten Sowjet, 6.2. 1946: KAG 1946/47, S. 640. Pravda vom 19. II., KAG 1945, S. 529 J; vgl. auch Gespräch Stalins mit Bevin, 20. 12. 1945, Alphand, L'étonnement, S. 189. Unterredung Harrimans mit Stalin in Gagra am Schwarzen Meer, 25. 10., Harriman/Abel, Special Envoy, S. 514 f., sowie Bericht darüber von Roberts aus Moskau, 27. 10. 1945, DBPO 1945/11, S. 507 ff.
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talistischen Welt, die sich wegen ihrer systembedingten ökonomischen Krisenanfälligkeit immer aufs Neue gezwungen sehe, die Weltmärkte »zu ihren Gunsten aufzuteilen und zwar durch Anwendung von Waffengewalt«109. Mochten die westlichen Beobachter aus Moskau als eigentlichen Adressaten auch die durch den Krieg erschöpfte sowjetische Bevölkerung ausmachen, die aus ihrer Lethargie gerissen und für die Anstrengungen des neuen 5-Jahres-Plans gewonnen werden sollte; die Außenwirkung dieser Reden war verheerend, trafen ihre aggressiven Töne hier doch auf eine Öffentlichkeit, die sich unter dem Eindruck der zerbrechenden Kriegskoalition selbst in antikommunistischer Umorientierung befand. Der stärkste Stimmungsumschwung war dabei gerade in den liberalen Kreisen der USA zu konstatieren, die bisher die zuverlässigsten Stützen der Ost-West-Zusammenarbeit gewesen waren110. Eine Studie der Vereinigten Stabschefs in Washington vom Februar 1946 ging erstmals davon aus, daß »die Konsolidierung und Entwicklung der Macht Rußlands die größte Bedrohung der Vereinigten Staaten in absehbarer Zukunft« darstellte; eine britische Stabsstudie vom April 1946 kam zu dem selben Ergebnis"1. Analysen westlicher Diplomaten aus Moskau verstärkten die heraufziehende Alarmstimmung zusätzlich und bereiteten den Boden für einen außenpolitischen Kurswechsel des Westens hin zu einer Politik der Eindämmung, noch bevor sie öffentlich unter diesem Begriff gefaßt wurde. Dahinter stand nicht eigentlich die Sorge vor einem baldigen militärischen Konflikt, da man die Kremlführung bei dem Erholungsbedürfnis der sowjetischen Wirtschaft und ihrem Risikokalkül nicht für eine Politik des Abenteuers disponiert sah"2. Aus den Erfahrungen mit den Diktaturen der 30er Jahre leitete man aber die Lehre ab, daß man nicht durch eine Wiederholung der Appeasementpolitik die vorherrschende Risikoscheu der sowjetischen Führung abbauen durfte. Churchills »Eiserne-Vorhang«-Rede Anfang März 1946 in Fulton (Missouri) in Anwesenheit von US-Präsident Truman, der ihren Alarmruf für eine engere amerikanischbritische Allianz vorab gebilligt hatte, machte diesen internen Meinungsumschwung nur noch publik. Die Tatsache, daß Stalin sofort persönlich und mit dem harten Gegenvorwurf eines »Kriegstreibers« darauf reagierte, ließ erkennen, wie ernst man in Moskau dieses Signal eines allianzpolitischen Zusammenrückens im Westen nahm"3. In Presseerklärungen zur bevorstehenden Pariser Außenministerkonferenz verschärfte Molotov die Tonart noch mit der Warnung vor »Verfechterin] einer neuen imperialistischen Weltherrschaft«, die sich anschickten, einen »Block« zu bilden und um die Sowjetunion einen Ring von »Marine- und Luftstützpunkten in allen Teilen des Erdballes zu schaf-
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Rede in der Wählerversammlung des Stalin-Bezirks der Stadt Moskau, 9.2. 1946, Stalin, Kampf, S. 266 f.; die Zdanov-Rede in Leningrad ist abgedruckt bei: Werth, Postwar Russia, S. 78-92. Vgl. Boyle, British Foreign Office View, S. 313; zu den Einschätzungen der Diplomaten vor Ort: Roberts aus Moskau, 12.2.1946, DBPO 1945-46/VI, S. 296, und Harriman/Abel, Special Envoy, S. 546 f. Vgl. Krieger, Clay, Stuttgart 1987, S. 249 bzw. 253. Kennan bzw. Roberts aus Moskau, 22.2. bzw. 14. 3. 1946, Kennan, Memoiren, Bd 2, S. 552-568, und Rothwell, Britain, S. 250 f.; vgl. auch Greenwood, Frank Roberts, S. 103-122. Zur britisch-amerikanischen Vorabsprache: Frohn, Neutralisierung, S. 51; zu Stalins Reaktion: Roberts aus Moskau, 14.3., und Stalins Interview mit dem Korrespondenten von Associated Press, 22.3.1946, DBPO 1945^16/VI, S. 302, bzw. Stalin, Reden, S. 39 f.
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fen«"4. Im Tagesbefehl zum 1. Mai forderte Stalin selbst die Sowjetbürger auf, »wie den Augapfel die Streitkräfte und die Verteidigungsfähigkeit unseres Landes [zu] hüten«. Dem britischen Botschafter gegenüber stellte er gar die Verlängerung des britisch-sowjetischen Vertrages von 1942 in Frage, der gegenseitige Beistands Verpflichtungen gegen eine neue deutsche Aggression und die politisch-wirtschaftliche Zusammenarbeit über das Kriegsende hinaus zum Ziel hatte"5. Je unübersehbarer aber die Risse zwischen den Siegermächten wurden, desto stärker mußten die Auseinandersetzungen seit der Jahreswende 1945/46 sicherheitspolitisch auf die deutsche Frage durchschlagen. Bei der zunehmenden Umorientierung auf die Sowjetunion als Hauptgegner wurde eine Stabilisierung der Westzonen zur unverzichtbaren Voraussetzung für eine Gesamtstabilisierung Westeuropas. In London machte man sich daher schon im Februar 1946 nicht ohne Bedauern bewußt, daß man »nur neun Monate nach seiner Niederlage [...] Deutschland als einen möglichen Faktor im Spiel der Mächte« einkalkulieren und deshalb wohl »mit den Russen darum wetteifern mußte, um die Gunst des deutschen Volkes zu buhlen«"6. Umgekehrt mußte für die Sowjetunion bei einem Zusammenrücken des Westens der Gesichtspunkt an Bedeutung gewinnen, wie man sich vor einer als besonders gefährlich eingeschätzten Einbeziehung des westdeutschen Potentials in derartige westliche Überlegungen absichern konnte. Beispielhaft ablesbar ist dieser Wandel in der Prioritätensetzung an der sowjetischen Behandlung eines Sicherheitsplans, mit dem US-Außenminister Byrnes seit Herbst 1945 den Willen der Sowjetunion zur weiteren Zusammenarbeit testen wollte. Dazu verfolgte er über Monate hinweg zäh seinen Vorschlag einer gemeinsamen Sicherheitsgarantie vor Deutschland, die von allen vier Besatzungsmächten für die Dauer von 20 bis 25 Jahren vertraglich vereinbart werden sollte"7. Molotov hatte darauf zunächst wohlwollend reagiert, Stalin während der Moskauer Außenministerkonferenz im Dezember 1945 sogar seine Unterstützung zugesagt"8. Jetzt im Frühjahr 1946 kündigte der sowjetische Außenminister dagegen »ernsthafte Einwände« an. Auf der Pariser Außenministerkonferenz im Juli lehnte er den amerikanischen Plan schließlich als gänzlich unzureichend ab, da eine derartige Sicherheitsgarantie ohne tiefgreifende wirtschaftliche und gesellschaftliche Entmachtung der Trägerschichten des »deutschen Militarismus und Nazismus« praktisch wertlos sei"9. Damit reagierte die sowjetische Führung auf die eigenen Erfahrungen im Umgang mit den Westmächten seit Potsdam, der sich für sie weder reparations- noch kontrollpolitisch voll ausgezahlt hatten. In der Reparationsfrage hatte die Sowjetunion zunächst 114
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Erklärungen gegenüber den Korrespondenten von Pravda und Isvestija,
27.5. 1946, KAG 1946/47, S. 763 H. Befehl des Ministers der Streitkräfte der UdSSR Nr. 7, 1.5., Stalin, Reden, S. 43, sowie Gespräch mit Botschafter Peterson, 28.5. 1945, Rothwell, Britain, S. 263. Memorandum O'Neills, 12., und Kommentar Burrows, 13.2. 1946, Die Ruhrfrage, S. 514 und 515
(Dok. 83).
Zum Schicksal des sogen. lar, Ziele, S. 67-75.
»Byrnes-Plans« generell: Frohn, Neutralisierung, S. 39-65,
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Vgl. Byrnes, Speaking Frankly, S. 171 f. Rede auf der Pariser Konferenz, 9.7. 1946, EA 1 (1946/47), S. 182 f.; vorausgegangene nahme: FRUS 1946/11, S. 83.
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die Möglichkeiten aus dem Potsdamer Kompromiß auszuschöpfen versucht, der ihr in ihrer Zone eine von außen unbeeinflußte Fortsetzung ihrer Entnahmepraxis zugestanden hatte und sie daneben anteilig an den Reparationsleistungen aus den Westzonen partizipieren lassen sollte. Für die angelsächsischen Mächte war freilich schnell das Nachteilige einer Lösung hervorgetreten, die der sowjetischen Seite indirekten Einfluß auf die wirtschaftliche Entwicklung in ihren Zonen ermöglichte, ohne den Westmächten Gleiches in der SBZ zuzugestehen. Um daraus keine einseitigen wirtschaftlichen Nachteile für die Westzonen erwachsen zu lassen, rückten sie deshalb von dem amerikanischen Leitgedanken einer zonenspezifischen Reparationspolitik ab und suchten im Kontrollrat eine Rückkehr zur Behandlung Deutschlands als wirtschaftliche Einheit. Erst wenn darüber kein Einvernehmen zur Entlastung der Haushalte in Washington und London zu erreichen war, wollten auch Amerikaner und Briten ihre Zonen einseitig stabilisieren. Der Punkt war im Mai 1946 erreicht, als der amerikanische Militärgouverneur Clay auf die schleppenden Verhandlungen über ein gemeinsames Industrieniveau in allen Teilen Deutschlands mit dem Stopp weiterer Reparationslieferungen an die Sowjetunion aus der US-Zone antwortete120. Die sowjetische Seite hatte unterdessen selbst eine Überprüfung ihrer Reparationspolitik eingeleitet, da die mangelnde Effizienz ihrer Demontagepraxis immer offenkundiger geworden war, die Anlagen ohne ausgebildetes Fachpersonal in die Sowjetunion verlagerte. Im Sommer 1946 setzte sich daher die Auffassung der Wirtschaftsfachleute durch, die für eine wirtschaftliche Aktivierung der sowjetischen Zone und die Abschöpfung aus der laufenden Produktion plädierten121. Damit mochten sich zwei Ziele gleichzeitig verfolgen lassen. Die Sowjetunion wurde bei einem Erfolg der Wirtschaftspolitik in ihrer Zone unabhängig von dem Druckmittel westlicher Reparationslieferungen, und ihre Deutschlandpolitik gewann bei den Deutschen in den übrigen Zonen an Attraktivität, da wirtschaftliche Stagnation im Westen und ökonomische Fortschritte im Osten »geradezu als Magnet wirken« mußten122. Das traf sich mit einer sicherheitspolitischen Gesamtstrategie, die sich gegen die »Westblock«-Pläne zum Anwalt der nationalen Einheit in Deutschland machte. Die in der »Einheitsfront« zusammengeschlossenen Parteien der sowjetischen Zone hatten diese Vorgabe bereits Anfang 1946 in einen »Appell zur Einheit« umgesetzt, mit dem »separatistische Tendenzen« in den Westzonen als Versuch der gesellschaftlichen »Restauration [...] reaktionärer und militaristischer Kreise« angeprangert wurden123. Damit war der eine Argumentationsstrang aus der sowjetischen Deutschlandstrategie in die innerdeutsche Debatte eingespeist, daß eine bewußte Verschleppung von Entmilitarisierung 120
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Zur Entwicklung der Reparationsfrage nach Potsdam allgemein siehe: Baggaley, Reparations, S. 554-598. Vgl. ebd., S. 580 f., sowie Balfour, Vier-Mächte-Kontrolle, S. 220 f., und Frohn, Neutralisierung, S. 65 f. Unabhängig davon lief im Herbst 1946 noch einmal eine einschneidende Demontagewelle ab, die ganze Betriebe einschließlich ihrer Spezialisten umfaßte, vgl. dazu Beitrag Diedrich, S. 282. So der Parteivorsitzende Grotewohl auf der Sitzung des Partei Vorstandes der SED, 19.6. 1946, ZPA, IV 2/1/2. Resolution des Gemeinsamen Ausschusses der Einheitsfront, 10. 1. 1946, Suckut, Blockpolitik, S. 109.
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und
Entnazifizierung in den Westzonen nur das friedensgefährdende Vorspiel einer antisowjetischen Wendung des Westens insgesamt darstellte. Eine weitere Sorge wurde in der Reaktion auf die Diskussionen über einen eigenständigen Rhein-Ruhr-Staat unter internationaler Kontrolle sichtbar. Die Sowjetunion hatte derartige französische Pläne zunächst aufmerksam registriert, da sie bei entsprechender Ausgestaltung der internationalen Überwachungsorgane dem seit 1941 verfolgten Gedanken einer sowjetischen Mitkontrolle zuarbeiten konnten124. Die Briten hatten jedoch bei aller Sympathie für eine wirksame Sicherheitsvorkehrung an Rhein und Ruhr alles andere im Sinn, als eine Einflußnahme der Sowjetunion im westdeutschen Industrierevier mit seiner traditionell unruhigen Arbeiterbevölkerung zuzulassen. Dabei spielte die Befürchtung mit, daß die gesamtdeutschen Initiativen in der Sowjetzone und der Zusammenschluß von SPD und KPD unter sowjetischem Druck den Auftakt zu einer offensiven Deutschlandstrategie bildeten, die zunächst in Berlin eine kommunistisch dominierte Zentralregierung ansteuerte, um im nächsten Takt auf deren gesamtdeutsche Sogwirkung zu setzen. Je mehr sich zudem in den politischen und militärischen Analysen Washingtons und Londons der bisherige Verbündete zum machtpolitischen Rivalen auf dem europäischen Kontinent entwickelte, umso dringlicher wurde bei den angelsächsischen Mächten das Bedürfnis, gerade den industriellen Kernraum Westdeutschlands als »Bollwerk gegen den Kommunismus« zu stabilisieren125. Für die sowjetische Führung bestätigte sich damit ihre Einschätzung einer antisowjetischen Blockbildung im Westen, in die auch bereits das westdeutsche Industriepotential eingeplant war. Marschall Sokolovskij stellte vor Spitzenfunktionären der SED daher schon im Frühjahr 1946 klar: »Zwischen dem Lager des Sozialismus und dem des untergehenden Kapitalismus [...] gibt es keine Zwischenstellung. In dieser Richtung vollzieht sich in allen Ländern eine klare Scheidung126.« Für die Parteien in der Einheitsfront aber hieß dies Position beziehen gegen »einen neuen Mißbrauch der Industrie an Rhein und Ruhr für imperialistische Zwecke«. Die Abwehr einer deutschen Teilung und insbesondere einer Abtrennung der Ruhr stand schließlich nicht nur im nationalen deutschen, sondern als Kampf gegen eine aggressive Blockbildung »im Interesse des Weltfriedens«127. Diese eindeutige Verbindung der Ruhr- mit der Sicherheitsfrage widerspricht der Annahme, die sowjetische Politik sei in dieser Frage wesentlich »reparationspolitisch motiviert« gewesen128. So gewichtig die Reparationsproblematik für die sowjetische Deutschlandpolitik dieser Jahre durchgängig war, ohne Zusammenschau mit der zentralen Sicherheitskomponente im politischen Gesamtkalkül der Sowjetunion würde ihr ein unangemessen isolierter Rang zugewiesen. 124 125
126 127
128
Vgl. Die Ruhrfrage, S. 73 ff. Vgl. Memorandum Franklins (Foreign Office), 19.3., Roberts aus Moskau, 29.3., und Aufzeichnung Hall-Patchs (Foreign Office), 12.4. 1946, alle abgedruckt in: Die Ruhrfrage, S. 591-596
(Dok. 102), 607 ff. (Dok. 107) und 650 f. (Dok. 124). Gniffke, Jahre, S. 185.
Für Deutschlands Einheit. Erklärung der vier antifaschistisch-demokratischen Parteien über die Zugehörigkeit von Rhein und Ruhr zu Deutschland, 9.4. 1946, Suckut, Blockpolitik, S. 132 f.; Vorentwürfe dazu, 28.2. und 14.3. 1946: ebd., S. 119 bzw. 128 f. So Frohn, Neutralisierung, S. 30-34, gegen Fischer, Deutschlandpolitik, S. 133 f.
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Bruno Thoß
Auf die drohende westeuropäische Blockbildung unter Einschluß Westdeutschlands suchte sich die sowjetische Führung 1946 jedenfalls mit einer offensiven Deutschlandpolitik einzustellen. Neben die Neubestimmung ihres Reparationskurses trat nicht nur die öffentliche Unterstützung des von Anton Ackermann konzipierten »deutschen Weg[s] zum Sozialismus« anstelle einer reinen Kopierung des Sowjetsystems129. Die Sowjetische Militäradministration (SMAD) ließ es 1946 sogar stillschweigend zu, daß die SED in ihren Versammlungen als Sachwalterin eines deutschen Nationalinteresses mit dem Gedanken an eine mögliche Revision der Oder-Neiße-Grenze operierte130. Skepsis ist indes gegen die Vermutung angebracht, die Aufstellung von Volks- und Grenzpolizeieinheiten habe schon zu diesem frühen Zeitpunkt Ansätze einer verdeckten militärischen Aufrüstung in sich getragen und damit ebenfalls bereits auf eine künftige gesamtdeutsche Militärpolitik vorausgewiesen131. Selbst wenn ein Artikel des SED-Spitzenfunktionärs Fred Oelßner schon im Sommer 1946 zwischen dem zu bekämpfenden »Militarismus« in kapitalistischen Systemen und den »fortschrittlichen Heeren« nichtkapitalistischer Staaten unterschied132, mußte dies noch keinen Startschuß für eine militärische Ausrichtung der Polizeiverbände bedeuten. Die zunehmende Abriegelung der Besatzungszonen gegeneinander schuf schließlich auf beiden Seiten der Demarkationslinie Unübersichtlichkeiten, durch die unterschiedlichste Formen der Kriminalität insbesondere im wirtschaftlichen Bereich begünstigt wurden. Schon von daher gingen alle Besatzungsmächte bald nach Kriegsende an den Aufbau deutscher polizeilicher Hilfskräfte, die sie bei der Aufrechterhaltung der inneren Ordnung wie bei der Überwachung der Zonengrenzen unterstützten. Darauf wiesen im Falle der Polizei auch die Ausrüstung mit Handfeuerwaffen und die Aufgabenstellung für polizeiliche Unterstützungsfunktionen bei der Grenzüberwachung wie bei der Bekämpfung sogenannter »faschistischer« Banden im Innern hin133. Die »Waffengebrauchsvorschrift« der zuständigen Deutschen Verwaltung des Innern (DVdl) betonte im übrigen noch im Herbst 1947 das »kategorische« Verbot der SMAD, »von der Schußwaffe Gebrauch zu machen gegen Angehörige der Sowjetarmee und der anderen alliierten Armeen in jedem Falle«. Die sowjetische Besatzungsmacht trug also noch in diesem Krisenjahr Sorge dafür, daß deutsche Polizeiorgane keine Verwicklungen mit den Westalliierten provozierten. Eine Lockerung dieser restriktiven Vorschrift wurde erst Ende 1948 zugunsten eines Notwehrrechts vorgenommen, nach dem bei einem eindeutigen »Überfall auf die Polizeiangehörigen [...] ohne Rücksicht auf die Zugehörigkeit zu den westlichen Armeen von der Schußwaffe Gebrauch zu machen sei«134. Zu diesem Zeitpunkt waren aber bereits, wie noch zu zeigen sein wird, erste —
—
129 130 131 132
133 1,4
Vgl. Leonhard, Revolution, S. 442 f. Vgl. Lehmann, Oder-Neiße-Konflikt, S. 80. So Forster, NVA, S. 18, und Kabel, Militarisierung, S. 25; vgl. dagegen Fischer, Anfange, S. 19 ff. Die Bestände »Deutsche Grenzpolizei« im ehemaligen Militärarchiv der DDR geben jedenfalls keine Hinweise in dieser Richtung. Der Artikel im »Neuen Deutschland« vom 18.7. 1946 ist zit. nach Fritsch-Bournazel, Sowjetunion, S. 30 f. Vgl. auch Beitrag Eisert, S. 150 ff. Waffengebrauchsvorschrift der DVdl, 6. 10. 1947, BA/MZAP, Pt 7001, Bl. 205, sowie Besprechung der Kommandeure der Grenzpolizei Thüringen mit SMA-Generalen, 21. 12. 1948, ebd., Pt 14246, Bl. 51.
Die
Sicherheitsproblematik im Kontext der sowjetischen West- und Deutschlandpolitik
57
Maßnahmen zur Herauslösung von Bereitschaften aus dem allgemeinen Polizeidienst Eine schwerlich völlig geheimzuhaltende Aufstellung militärähnlicher Verbände hätte 1946 im übrigen die sowjetische Argumentation gegenüber den westlichen Besatzungsmächten konterkariert, die eine Verschleppung der Entmilitarisierung in Westdeutschland anprangerte und ihr die strikte Anwendung der Potsdamer Beschlüsse
eingeleitet.
in der eigenen Zone gegenüberstellte. So weit sich aus ersten Mosaiksteinen ein Bild über die militärischen Planungen der sowjetischen Truppen zwischen 1945 und 1947 zusammenfügen läßt, wird man gerade auch mit Blick auf das amerikanische Atommonopol und die schwierige Wiederaufbausituation in der Sowjetunion von einer defensiven Ausrichtung auszugehen haben. Stalin hatte offenbar erste Lehren aus den Niederlagen von 1941 gezogen. In einer Stellungnahme zu Clausewitz betonte er jedenfalls Anfang 1946 die besondere Bedeutung einer »gut vorbereitete^] Gegenoffensive«, die so auch die Festlegungen in der das überarbeiteten Großen Sowjet-Enzyklopädie von 1951 eines Angreifers schnell neutralisieren und ihm im Gegenschlag die »entscheidende —
—
Überraschungsmoment
Niederlage« beibringen könne135. Ein Übungsdokument der sowjetischen Truppen in Deutschland von Ende 1946 läßt erkennen, daß deren Führung schon in der Aufstellung ihrer Verbände in Mitteldeutschland die Fehler von 1941 zu vermeiden gedachte. Dazu sollte ein potentieller Angreifer nicht mehr grenznah, sondern erst vor einer »Hauptverteidigungslinie« zwischen 50 und 150 Kilometer innerhalb der sowjetischen Zone aufgefangen und von dahinter bereitgehaltenen gepanzerten Stoßkräften im raumgreifenden Gegenschlag vernichtet werden. An der »Berührungslinie« mit dem Westen hatte »ein dichteres Postennetz der deutschen Polizei« die Hauptangriffsrichtungen des Gegners aufzuklären, dessen Kräfte in einem vorbereiteten System von Sperren schon vor dem »Hauptverteidigungsstreifen« abgenutzt werden sollten136. Die Demontage der Reichsbahneinrichtungen in ihrer Zone liefert ein weiteres Indiz dafür, daß die Rote Armee 1945/46 nicht an Vorbereitungen zu einem Offensivkrieg dachte, wenn sie mit dem Abbau von Transportwegen die möglichen Versorgungsstränge im Rückraum potentieller Operationen nach Westen nachhaltig zugunsten ihrer Reparationsziele beschädigte137. Die sowjetischen Hauptanstrengungen scheinen vielmehr auf die Brechung des amerikanischen Atommonopols gerichtet gewesen zu sein. Dazu wurden drei Marschrouten eingeschlagen. Im Zentrum stand die technologische Aufholjagd, die von Stalin schon in Potsdam angeordnet und in den Folgejahren ohne Rücksicht auf die ökonomischen Kosten vorangetrieben wurde. Sie führte bereits Ende 1946 zur ersten erfolgreichen Kernspaltung im Labor und ein Jahr später zur Arbeitsaufnahme des ersten Atomreak-
1,5
136
1,7
Antwort an Prof. Razin auf dessen Brief vom 30. 1. über Clausewitz, 23.2. 1946, Stalin, Reden, S. 29; zu dem Artikel über »Militärwissenschaft« von 1951 : Dinerstein, Krieg, S. 49 f. Operativer Plan der Handlungen der Gruppe der sowjetischen Besatzungstruppen in Deutschland, 5. 11. 1946, erstmals abgedruckt in: Voenno-istoriceskij zumal, 1989, H. 2; unter dem Titel Garelow, Woher droht Gefahr? in deutscher Übersetzung herausgegeben. Vgl. Schröder, Geschichte, S. 50 (Anm. 62).
58
Bruno Thoß
in der Sowjetunion. Parallel dazu wurde die Luftverteidigung verstärkt und unter Nutzung deutscher Erfahrungen mit der Entwicklung ballistischer Raketen begonnen138. Bis zur Durchbrechung des Atomgeheimnisses mußten daneben die gegnerischen Erfolge in ihrer Wirkung heruntergespielt und die angelsächsischen Vorstöße zu einer internationalen Kontrolle der Nuklearforschung abgewehrt werden. Die sowjetischen Atomforscher zeigten sich intern von dem technologischen Vorsprung des Westens nach den ersten Atombombenabwürfen zwar unangenehm überrascht139. Nach außen suchte die sowjetische Führung aber sofort jede westliche »Begeisterung für die Anwendung dieser Entdeckung im außenpolitischen Kräftespiel« zu dämpfen. Auch in der Folgezeit stellte sie zwar die »ungeheuere Vernichtungskraft« der Atomwaffen warnend heraus, um ihre internationale Ächtung durchzusetzen, relativierte aber gleichzeitig vor der eigenen Öffentlichkeit ihre Wirkungen, um damit zu dokumentieren, daß sie weder diplomatisch noch militärisch erpreßbar war140. Daneben konterte sie den Baruch-Plan, mit dem die USA im Sommer 1946 in der UNO eine internationale Atomkontrollbehörde vorschlugen, mit dem Gegenvorschlag zum Verbot der Produktion und Anwendung von Atomwaffen. Hinter der amerikanischen Initiative erkannte sie nämlich vor allem den Versuch, das US-Atommonopol aufrechtzuerhalten, einem Gleichziehen der Sowjetunion dagegen internationale Hindernisse in den Weg zu legen141. Generell suchte sie dem Zusammenrücken des Westens in der zweiten Jahreshälfte 1946 aber deeskalierend zu begegnen. Wo sie, wie in der Türkei oder im Iran, auf Widerstand der angelsächsischen Mächte traf, wurden vorgeschobene Positionen geräumt142. Mit diesem Zickzack-Kurs des Vorfühlens und Zurücksteckens bestätigte man freilich im Westen gerade die Stimmen, die mit Blick auf das sowjetische Risikokalkül allein in einer konsequenten Politik der Eindämmung das Mittel zur Bändigung der östlichen Weltmacht erblickten. In der Deutschlandpolitik begannen die USA jedenfalls nach den neuerdings enttäuschenden Ergebnissen der Pariser Außenministerkonferenz vom Sommer 1946 jetzt im Frühherbst mit der Stuttgarter Rede ihres Außenministers Byrnes die Initiative zu übernehmen. Die Ankündigung eines Zusammenschlusses der amerikanischen und britischen Zone war zwar zu diesem frühen Zeitpunkt noch wesentlich von politisch-wirtschaftlichen Motiven bestimmt. Für die Sowjetunion paßte sich der Vorstoß dagegen als weiterer Baustein in die beginnende »Westblock«-Bildung ein143. Anders als im Frühjahr bei der Fulton-Rede beantwortete Stalin die Byrnes-Initiative jetzt im Herbst 1946 aber außerordentlich moderat. Den Sorgen im Westen vor einer antors
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141
142 143
Zur sowjetischen Atomrüstung: ebd., S. 50 f., und Wolkogonow, Stalin, S. 715. Vgl. Gespräch Warners (Foreign Office) mit dem aus Moskau zurückgekehrten australischen Atomforscher Ashby, 6.12. 1945, DBPO 1945/11, S. 658. Rede Molotovs zum 28. Jahrestag der Oktoberrevolution, 6. 11. 1945, sowie Pravda-Artikel zum amerikanischen Atomversuch auf dem Bikini-Atoll, 3.7. 1946, KAG 1945, S. 512, bzw. 1946/47, S. 800 B. Vgl. Geschichte der sowjetischen Außenpolitik 1917 bis 1970, Bd 2, S. 130; zu den amerikanischen Absichten: Yergin, Shattered Peace, S. 238 f. Vgl. dazu insgesamt: Kuniholm, Origins, und Rubin, The Great Powers in the Middle East. Zur Pariser Konferenz: Kertesz, Last European Peace Conference; zur Byrnes-Rede: Frohn, Neutralisierung, S. 73 ff; zur sowjetischen Einschätzung: Belezki, Politik, S. 53.
Die
Sicherheitsproblematik im Kontext der sowjetischen West- und Deutschlandpolitik
59
tiwestlichen Wende in der sowjetischen Deutschlandpolitik suchte er mit dem Argument zu begegnen, daß jede Politik einer »Zunutzemachung Deutschlands gegen Westeuropa und die Vereinigten Staaten von Amerika eine Abkehr der Sowjetunion von ihren grundlegenden nationalen Interessen bedeuten würde«. Er trat vielmehr für »die Möglichkeit einer freundschaftlichen und dauerhaften Zusammenarbeit zwischen der Sowjetunion und den westlichen Demokratien trotz des Vorhandenseins ideologischer Unterschiede« ein144. Erste ernüchternde Erfahrungen mit der eigenen Offensive zur Gewinnung der Deutschen schon im Verlauf des Jahres 1946145 mochten dazu ebenso beigetragen haben wie die kaum noch zu übersehende Erkenntnis, daß die sowjetischen Alleingänge die Gefahr einer allianzpolitischen Gegenfront des Westens mehr förderten als bannten. Beim Außenministertreffen Ende 1946 in New York konnten die Westmächte die Probe aufs Exempel machen, als Molotov überraschend in den offenen Fragen der Friedensverträge mit den ehemaligen deutschen Verbündeten in Osteuropa einlenkte. Der Zug zur Verhärtung in den Ost-West-Beziehungen blieb zwar nach wie vor dominant, es gab aber keine irreversible Automatik auf dem Weg in den Kalten Krieg.
Das
Entscheidungsjahr
1947
Das Maß an Gemeinsamkeiten war freilich im Winter 1946/47 rasch aufgebraucht, als das ungleich kontroversere Thema einer endgültigen Deutschlandregelung auf die internationale Tagesordnung rückte. Mit dem Zusammenschluß der amerikanischen und britischen Besatzungsgebiete zur Wirtschaftseinheit der Bizone war dafür schon zu Jahresbeginn 1947 eine gegen das sowjetische Interesse wirkende Vorentscheidung gefallen. Parallel dazu setzte der Abschluß des britisch-französischen Beistandsvertrags von Dünkirchen Anfang März ein erstes allianzpolitisches Zeichen zur Konkretisierung der »Westblock«-Pläne. Wenige Tage später übernahmen die USA wie bei der Bizonenbildung nunmehr auch weltpolitisch die Initiative, als ihr Präsident amerikanische Unterstützung für alle von einer möglichen sowjetischen Expansion bedrohten Länder ankündigte. Die Truman-Doktrin komplettierte damit aus Moskauer Sicht das Bild einer westlichen Gesamtstrategie zur Isolierung der Sowjetunion146. Entscheidend für das endgültige Heraustreten der USA aus ihrer Beobachterrolle waren zwei eng aufeinander bezogene Annahmen über die sowjetische Politik. Zum einen setzten sich bei politischen und militärischen Analytikern Analogieschlüsse durch, die aus den Erfahrungen mit den Diktaturen der 30er Jahre auf die prinzipielle Aggressivität totalitärer Systeme abhoben, wobei die sowjetische Bedrohung als gefährlichere Neuauflage der faschistischen Herausforderung für ein liberales Weltsystem eingestuft wurde. In klassischer Kürze faßte dies die Europa-Abteilung des State Department in die Formel: »Man kann ein mächtiges Land, das zur Aggression tendiert, nicht be144
145 146
Antwort auf die Fragen des Korrespondenten der »Sunday Times«, Werth, 24.9., Stalin, Reden, S. 46 f.; ähnlich in seinen Interviews vom 29. 10. und 21. 12. 1946, ebd., S. 49-54 bzw. 55-59. Vgl. Buttlar, Ziele, S. 159-167. Vgl. Belezki, Politik, S. 55; zum Wandel im Westen: Wettig, Entmilitarisierung, S. 169-173.
60
Bruno Thoß
schwichtigen, [...] dies würde schlicht seinen Appetit nach mehr anregen147.« Das korrespondierte mit dem »tiefen Eindruck«, den der neue US-Außenminister Marshall aus seiner ersten Begegnung mit Stalin im Frühjahr 1947 mitnahm. Daß der sowjetische
Staatschef keinerlei Eile zu einer Deutschlandregelung zu haben schien, die aus westlicher Sicht für eine europäische Stabilisierung unverzichtbar war, verstärkte den amerikanischen Verdacht einer bewußten Verschleppung. Die Sowjetunion hoffte offenbar, bei einem Weiterschwelen der ökonomischen Krise in Westeuropa ihre langfristigen Hegemonialziele über ihre »Fünften Kolonnen« in den starken kommunistischen Parteien Frankreichs und Italiens fördern zu können. Das fügte sich ein in die Beobachtung, die der republikanische Präsidentschaftskandidat Stassen wenige Tage zuvor bei seinem Gespräch mit Stalin gemacht hatte, dessen ganzes Interesse darauf gerichtet schien, seine Annahme über eine bevorstehende Rezession in den USA bestätigt zu finden148. Eine einschneidende Wirtschaftskrise in Europa mußte aber die Handelsmacht USA nicht nur wirtschaftlich treffen; sie bedrohte auch ihre Sicherheit als atlantische Seemacht an der westeuropäischen Gegenküste. Deshalb ging die Truman-Administration jetzt zu den in die UNO gesetzten universalistischen Hoffnungen ebenso auf Distanz wie zu allen isolationistischen Versuchungen. Sie konzentrierte sich von nun an auf eine globale Gegenstrategie der politischen, wirtschaftlichen und schließlich auch militärischen Eindämmung ihres sowjetischen Machtrivalen. Um die eigenen Ressourcen dabei nicht zu überfordern, setzte sie auf eine Strategie der vorrangigen Stabilisierung sicherheitspolitisch essentieller Regionen wie Westeuropa, den Mittelmeerraum, den Mittleren Osten und Ostasien149. Die Lehre aus den 30er Jahren, daß ökonomische Verwerfungen politische Radikalisierung nach sich zogen, bildete zudem den Hintergrund für das von Außenminister Marshall im Sommer 1947 angekündigte wirtschaftliche Hilfsprogramm, das zwar offiziell auch der Sowjetunion zugänglich sein sollte, deren Ablehnung aber von vornherein in Rechnung gestellt wurde'50. Seine Rückzahlungsmodalitäten und Kontrollauflagen bis hin zur Offenlegung der sowjetischen und osteuropäischen Wirtschaftspläne hätten der sowjetischen Seite nämlich so weitgehende Vorgaben abverlangt, daß sie schon auf mittlere Sicht auf nicht hinnehmbare Korrekturen in den staatswirtschaftlich organisierten Wirtschaftssystemen ihres Einflußbereichs hinauslaufen mußten. Die Sowjetunion hatte bereits auf die Truman-Doktrin mit einer heftigen antiamerikanischen Kampagne gegen jene »Monopolkapitalisten« reagiert, die »einen antisowjetischen Block als Basis für einen neuen Krieg zu schaffen« versuchten, um ihre Absatzkrisen nach der Überproduktion im Weltkrieg zu meistern151. Das Verdrängen der 147
148
149
Deputy Director of the Office of European Affairs, Hickerson, 17.2. 1947, FRUS 1947/1, S. 715 f.; vgl. auch Loth, Eindämmung, S. 626. Gespräch Stalins mit Marshall, 18.4., Bohlen, Witness, S. 263, und Gespräch mit Stassen, 9.4., Stalin, Reden, S. 72-75, sowie Stassens Bericht an US-Botschafter Smith, 14.4. 1947, FRUS 1947/IV, S. 552 f. Vgl. zur Durchsetzung einer »strongpoint«- gegen eine »perimeter«-Strategie: Gaddis, Strategies, Memorandum des
S. 55-65. 150 151
Vgl. Frohn, Neutralisierung, S. 104, und Krieger, Clay, S. 279 Dubrow
aus
ff.
Moskau, 22. 5., FRUS 1947/IV, S. 563; ähnlich bereits ders., 3. 5. 1947, ebd.,
S. 557.
Die
Sicherheitsproblematik im Kontext der sowjetischen West- und Deutschlandpolitik
61
Kommunisten aus den Koalitionsregierungen in Frankreich und Italien im Mai 1947 hatte sie daher mit der offenen kommunistischen Machtübernahme in Ungarn beantwortet152. Die größte Herausforderung aber stellte für sie jetzt im Sommer der Marshallplan dar. Aus ihrer Sicht gingen die USA nunmehr offen dazu über, ihre Wirtschaftskraft als Waffe einzusetzen, um nicht nur Westeuropa dauerhaft in ihre Abhängigkeit zu bringen, sondern auch das osteuropäische Sicherheitsvorfeld der Sowjetunion zu durchdringen. Das aber war für die sowjetische Führung, wie ein westlicher Beobachter zutreffend analysierte, »Machtpolitik unter dem Schirm der Wohltätigkeit«153. Schon im Sommer 1947 warnten führende sowjetische Politiker daher davor, daß der Marshallplan in letzter Konsequenz »Europa in zwei Staatengruppen spalten« werde154. Molotov nahm zwar noch exploratorisch an der Pariser Konferenz über ein europäisches Wiederaufbauprogramm teil, bereitete jedoch mit seiner strikten Weigerung, als Voraussetzung für US-Kredite die eigenen Wirtschaftspläne offenzulegen, den sowjetischen Ausstieg von Anfang an vor. Wichtiger war der sowjetischen Führung vielmehr die ökonomische Absicherung der eigenen Einflußsphäre, da vor allem Polen und die Tschechoslowakei wegen ihrer wirtschaftlichen Probleme Interesse an amerikanischer Hilfe zeigten. Mit einer Serie von Handelsverträgen band sie dazu die osteuropäischen Staaten wirtschaftlich noch enger an sich. Gleichzeitig zwang sie die Tschechoslowakei mit der unüberhörbaren Warnung in die osteuropäische Disziplin zurück, daß sie ein Ausscheren aus der »Front der slawischen Staaten« als unfreundlichen Akt betrachten würde155. Bei einem Geheimtreffen im Riesengebirge Ende September zogen die osteuropäischen KP-Führer nach einem Leitreferat des Stalin-Vertrauten Zdanov eine weitere Konsequenz aus der internationalen Lage. Unter Rückgriff auf Stalins Zwei-LagerTheorie aus den 20er und 30er Jahren hoben sie ein gemeinsames Informationsbüro der kommunistischen und Arbeiterparteien (Kominform) aus der Taufe, das ihren ideologischen Kampf gegen den Westen vereinheitlichen sollte156. Im Westen gingen die Meinungen darüber auseinander, ob dies eine offensive ideologische Kriegserklärung oder lediglich die hinter aggressiver Rhetorik verborgene Einsicht in die eigene Isolierung darstellte. Die Rußlandspezialisten sahen darin das »Gefühl ernsthafter Schwäche« einer in die Defensive geratenen kommunistischen Bewegung, die als Reflex auf TrumanDoktrin und Marshallplan die eigenen Reihen enger schloß. Dem stand die Einschätzung gegenüber, daß die sowjetische Führung hinter den Wirtschaftsproblemen des We152 153
154
Vgl. Yergin, Shattered Peace, S. 312 ff. Aufzeichnung Dixons (Foreign Office), 2.7.1947, zit. nach Rothwell, Britain, S. 283 f.; zur sowjetischen Einschätzung der amerikanischen Wirtschaftsstrategie insgesamt: Geschichte der sowjetischen Außenpolitik, Bd 2, S. 182, und Loth, Eindämmung, S. 617 ff. Erklärung Molotovs, 2.7., KAG 1946/47, S. 1132 D; ebenso Vysinskij im Gespräch mit General
Catroux, 29.8.1947, Rothwell, Britain, S. 285. 155
IS'
Zur Pariser Konferenz: Frohn,
Neutralisierung, S. 107, und Krieger, Clay, S. 302; zu den osteuropäischen Handelsverträgen: Yergin, Shattered Peace, S. 325; zur Warnung an die Tschechen: Telegramm des Delegationsführers Gottwald an die tschechische Regierung über ein Gespräch mit Stalin, das vertraulich an die US-Botschaft in Prag gelangte, FRUS 1947/IH, S. 319. Das Referat Zdanovs ist abgedruckt in: KAG 1946/47, S. 1210 ff; vgl. auch Friedrich, Komin-
form, S. 322 ff.
62
Bruno Thoß
ihrer
stens
eine »revolutionäre Situation« heranreifen sah, die sie durch
alten
Kampfmethoden zu nutzen gedachte. Einig waren sich allerdings beide Denkrich-
Reaktivierung
vor nicht an einem neuen Krieg gelegen sein konnte157. Ein Indiz dafür lieferte eine eingehende Analyse der weltwirtschaftlichen Lage durch den führenden sowjetischen Ökonomen Eugen Varga, der bei allem Festhalten am schließlichen Sieg des Sozialismus gerade dem amerikanischen Kapitalismus noch erhebliche Stärke beimaß und deshalb keine zeitliche Prognose über seinen Untergang
tungen, daß der Sowjetunion nach wie
wagte158. Die Teilung der Welt in zwei antagonistische Lager im Laufe des Jahres 1947 mußte zwangsläufig voll auf die deutsche Frage durchschlagen. Zu untersuchen ist dabei, ab wann sich die Sowjetunion auf eine Politik der zeitweiligen Zweistaatlichkeit als Resultat des beginnenden Kalten Krieges einstellte. Anfang 1947 ging US-Botschafter Smith
in Moskau noch davon aus, daß sie als Antwort auf die Bizonenbildung zwar auch die Kontrolle über ihre eigene Zone ausbauen werde. Da ihr eine Spaltung Deutschlands aber politisch-strategisch wie wirtschaftlich mehr Nach- als Vorteile eintragen mußte, würde sie sich den Deutschen unvermindert als Wahrer ihres gesamtstaatlichen Nationalinteresses präsentieren, um ihrer Westorientierung zu begegnen. Und in der Tat nahm Marschall Sokolovskij im Alliierten Kontrollrat die Kritik am amerikanisch-britischen Vorgehen genau an diesem Punkt auf. Die Bizonenbildung laufe auf eine »Teilung Deutschlands« hinaus, wobei die Föderalisierung Westdeutschlands faktisch den reaktionärsten Kräften in der deutschen Gesellschaft zugutekomme. Sie könnten sich nämlich gegen diese Fremdbestimmung von außen zu Bannerträgern des deutschen Nationalgedankens aufwerfen und damit schon bald die Sicherheit Europas insgesamt bedrohen159. Damit war der Leitton angeschlagen, den die SED-Führung innerdeutsch mit ihrem Kampfruf für den deutschen Einheitsstaat gegen den »Partikularismus« aufgriff. Stalin selbst suchte seinen westlichen Gesprächspartnern immer wieder die Gefahren vor Augen zu halten, denen sie sich aussetzten, wenn sie einer Politik der Aufgliederung Vorschub leisteten. Die historische Erfahrung mit einem zersplitterten Deutschland habe schon in der napoleonischen Ära gezeigt, daß man damit zum Schaden für den europäischen Frieden »die Idee der Wiedervereinigung Deutschlands in die Hände der deutschen Militaristen gespielt« habe160. Einvernehmen war indes auf der Moskauer Außenministerkonferenz im Frühjahr 1948 weder über die Frage der Staatsform, noch in den Reparationsproblemen oder bei der sowjetischen Forderung nach Mitkontrolle der Ruhr zu erzielen. Auf beiden Seiten verfestigte sich vielmehr der Eindruck, daß nicht mehr 157
"8
159
160
Analysen von Kennan, 6., und Bohlen, 7. 10., zit. nach Frohn, Neutralisierung, S. 113 (Anm. 191); dagegen Smith aus Moskau, 5.11. 1947, FRUS 1947/IV, S. 609 ff. Dubrow aus Moskau über den Varga-Artikel »Dreißig Jahre Sozialismus und Kapitalismus«,
1. 12. 1947, FRUS 1947/IV, S. 625 f. aus Moskau, 7. 1., und Rede Sokolovskijs im Alliierten Kontrollrat, 25.2. 1947, FRUS 1947/11, S. 139 ff, bzw. I, S. 854. Gespräche Stalins mit Bidault, 24.3., und mit Marshall, 15.4., sowie Interview Molotovs, 7.4. 1947, FRUS 1947/1, S. 396, II, S. 342, und IV, S. 550; zur innerdeutschen Debatte: Timmermann, SED, S. 17 f.
Analyse von Smith
Die
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wirklich um tragfähige Kompromisse gerungen, sondern zunehmend vor der internationalen Öffentlichkeit mit gegenseitigen Schuldzuweisungen operiert wurde. Stalin zitierte daher eine Delegation der SED nach Moskau, um sie darauf einzustellen, daß der Kampf um die Einheit Deutschlands wohl nur »schrittweise weiterkommen« werde. Die SED müsse sich zwar weiterhin als die eigentliche Verfechterin des nationalen Gedankens darstellen, sich dabei aber auf einen längeren Zeitraum bis zu einer friedensvertraglichen Regelung der deutschen Frage einrichten. Bis dahin müsse zudem auch die Sowjetunion »länger in Deutschland bleiben, als uns selbst lieb ist«161. Daß sie sich jetzt auch auf den »Fall eines notwendig werdenden selbständigen Oststaates« einzustellen begann, wird aus Fühlungnahmen der SMAD mit dem besonders geschätzten Führer der Liberaldemokraten, Wilhelm Külz, deutlich. Wenn man gerade ihn, der über die sowjetische Zone hinaus als Führungsfigur des deutschen Liberalismus galt, an die Adresse der Westdeutschen gerichtet in führender Position herausstellen wollte, dann deutete dies freilich auch darauf hin, daß man sich zwar den gewandelten Realitäten anzupassen begann, aber nach wie vor Signale für eine Deutschlandlösung gegen die Weststaatspläne auszusenden gedachte162. In ähnliche Richtung wies die Reaktion der SED-Führung auf die Gründung der Kominform im Herbst 1947. Zdanovs Zwei-Lager-These wurde zwar in die Parteiarbeit übernommen und gleichzeitig zur Abgrenzung von Jakob Kaisers »Brückentheorie« genutzt, da es »zwischen Krieg und Frieden [...] keine Brücke gibt«. Gegen das Vorpreschen Ulbrichts, der bereits die Zeit gekommen sah, nunmehr auch die SED in eine Partei neuen Typs umzuwandeln, gab Pieck jedoch noch die Losung aus: »Sie ist eine selbständige deutsche sozialistische Partei«. Die ablehnende Haltung Stalins gegenüber dem Wunsch der SED-Führung nach Aufnahme in die Kominform noch das ganze Jahr 1948 über zeigte, daß Pieck mit seiner Orientierung Ende 1947 die sowjetischen Intentionen offenbar besser traíais der schon jetzt aufklare Verhältnisse drängende Ulbricht163. Für die neue Deutschlandkonferenz Ende 1947 in London mobilisierte die SMAD jedenfalls zur Unterstützung des sowjetischen Standpunkts die Parteien in ihrer Zone für einen »Deutschen Volkskongreß für Einheit und gerechten Frieden«. Er sollte auch in die Westzonen hineinwirken, um eine möglichst breite Zustimmung der Deutschen für den sowjetischen Vorschlag einer Zentralregierung, mit der die Wiederherstellung eines friedensvertraglich garantierten, »selbständigen« Deutschlands verhandelt werden konnte, in die Londoner Verhandlungen einbringen zu können. Die Schärfe der sowjetischen verbalen Attacken am Konferenztisch wie in den öffentlichen Verlautbarungen des Volkskongresses war jedoch kaum geeignet, ernsthafte Kompromißsuche zu fördern oder die deutschlandpolitische Basis dafür bis nach Westdeutschland zu erweitern. Gerade der of161
m
m
Zit. nach Gniffke, Jahre, S. 250 f. Der hier aus dem Gedächtnis angegebene Zeitpunkt für die Moskau-Reise im Sommer 1947 findet in den Notizen Piecks keine Bestätigung; danach fuhr eine SED-Delegation unter seiner Führung erst am 26.3. 1948 zu Besprechungen in die Sowjetunion, bei denen auch über die Probleme »Schaffung Weststaat. Zerreißung Deutschlands« gesprochen wurde, ZPA, NL 36/695, Bl. 6. Aufzeichnungen Külz' über Besprechungen mit Oberst Tjulpanov, 19.9. und 28. 11. 1947, Rütten,
Liberalismus, S. 124. Vgl. Friedrich, Kominform, S. 327-335; Zitate auf S. 330.
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Appell an den deutschen Nationalismus bestärkte die Westmächte vielmehr in ihrem Kurs, keine Deutschlandlösung ohne vorherige wirtschaftliche Stabilisierung Westeuropas zu akzeptieren und damit vor allem jeden Zugriff der Sowjetunion unter national-
fene
kommunistischen Vorzeichen auf das westdeutsche Potential zu verbauen164. In diesem Zusammenhang stellte sich erstmals auch die Frage nach einer Umorientierung hin auf militärpolitische Maßnahmen in der sowjetischen Zone. Der Verdacht gegen eine bewußte Verschleppung der Entwaffnung in den Westzonen hatte die sowjetische Führung seit 1945 nie losgelassen. Auf der Moskauer Konferenz vom Frühjahr 1947 brachte Molotov das Thema daher erneut auf die Tagesordnung. Dabei reihte sich die westliche Weigerung, mit der Ruhr das »Herzstück des deutschen militärischen Potentials« gemeinsamer Kontrolle zu unterstellen, ein in die Kritik am Einsatz ehemaliger Wehrmachtsangehöriger in alliierten Dienstgruppen und an einer nicht konsequent genug durchgeführten Demontage ehemaliger Rüstungsbetriebe und Militäranlagen in den Westzonen165. Darum gruppierten sich das Atomwaffenmonopol der USA, der Rio-Pakt über die militärische Zusammenarbeit Nord- und Südamerikas, die amerikanischen Stützpunktabkommen rund um den sowjetischen Machtbereich und die britischen »Westblock«-Pläne166. Westliche Beobachter registrierten jedenfalls schon im Sommer 1947 ein ausgesprochenes Festungsdenken in Moskau, exemplarisch ablesbar an einer drastischen Verschärfung der Strafen für Geheimnisverrat, insbesondere bei militärischen Geheimnissen. Stalin verglich Ende 1947 das Verhältnis zu den USA gar mit den deutsch-sowjetischen Beziehungen des Jahres 1941l67. Sowjetische Darstellungen belegen zudem, daß ab 1947 die Modernisierung der Bodentruppen nach Feuerkraft und Beweglichkeit vorangetrieben wurde, wobei etwa die Anzahl der Kraft- und Kampffahrzeuge einer Division von 1944 bis 1948 verdreifacht wurde168. Im Westen kursierten daneben seit Frühjahr 1947 erste Gerüchte, daß sich die Sowjetunion der deutschen Kriegsgefangenen zu bedienen suchte, die sie nach ihren Gefechtsvorschriften schulte, um sie unter dem Befehl des Feldmarschalls Paulus auf eine deutsch-russische militärische Zusammenarbeit vorzubereiten169. Was tatsächlich hinter solchen Vermutungen steckte und wann konkret die Entscheidung zu militärischen Maßnahmen in der sowjetischen Zone fiel, ist derzeit noch nicht zu erschließen. Plausibel erscheint aber die von dem ehemaligen SED-Spitzenfunktionär Gniffke überlieferte IM
Zur
Volkskongreß-Bewegung: Schwarz, Reich,
S. 256 ff, und Badstübner, Problem, S. 588 f.; Scheitern der Londoner Konferenz: Krieger, Clay, S. 311 f., und Timmermann, SED, S. 18 f. Molotov auf der Moskauer Außenministerkonferenz, 19.3. 1947, FRUS 1947/11, S. 264; zur Aufschlüsselung seiner Vorhalte: Geschichte der sowjetischen Außenpolitik, Bd 2, S. 100 f. Am klarsten ist dieses generelle Bedrohungsbild für den gesamten Ostblock im Grundsatzreferat Grotewohls auf dem II. Parteitag der SED, 22.9. 1947, zusammengefaßt, Protokoll des II. Parteitages, S. 243. Aufzeichnung Brimelows (Foreign Office) zu einem Bericht der britischen Botschaft in Moskau, 17. 11. 1947, Rothwell, Britain, S. 274 f.; zur Strafverschärfung bei Geheimnisverrat: Kohler aus Moskau, 12.6. 1947, FRUS 1947/IV, S. 569 ff; vgl. auch Mastny, Stalin and the Militarization, S. 109-129. Vgl. Auf Gefechtsposten, S. 75. Informationen amtlicher britischer Stellen, 24.4. 1947, KAG 1946/47, S. 1070 G; vgl. auch zum
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167
168 ,w
Schwarz, Reich, S. 254, und Krieger, Clay, S. 271.
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Ulbrichts im Herbst 1947, daß innerhalb der bereits 1946 eingerichteten Deutschen Verwaltung des Innern die Polizeikräfte zentral zusammengefaßt würden, um »eine zentralisierte, schlagkräftige Polizeitruppe zu schaffen, damit die SMAD nach und nach ihre Truppen verringern und schließlich ganz zurückziehen könne«170. Dies würde zusammenpassen mit Molotovs Vorschlag auf der Londoner Konferenz, nach einem Friedensvertrag alle Besatzungstruppen aus Deutschland abzuziehen. Militärisch umzusetzen in den Polizeibereitschaften, den Vorläufern der Kasernierten Volkspolizei (KVP), begann die SED-Führung derartige Überlegungen nach derzeitigem Kenntnisstand allerdings erst im Laufe des Jahres 1948.
Mitteilung
Kampf gegen die Schaffung eines Westblocks und die Herausbildung der Zweistaatlichkeit in Deutschland 1948/52 4. Der
Bei allem Anwachsen der Spannungen gingen die westliche Analytiker selbst auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges zwischen Prager Umsturz und Berliner Blockade nach wie vor nicht von einer akuten Kriegsgefahr aus. Die sowjetische Regierung wünsche in absehbarer Zeit weder einen Krieg mit den USA, noch erwarte sie ihn, wiederholte Kennan als Chef des neugeschaffenen Planungsstabs im State Department unermüdlich, und die politisch-militärische Führungsspitze in Washington, die Geheimdienste wie die Beobachter vor Ort in Europa folgten dieser Einschätzung. Als entscheidend dafür wurden die ersten Erfolge bei der Stabilisierung Westeuropas angesehen, die es für die Sowjetunion erst einmal vordringlich machten, den eigenen osteuropäischen Machtbereich politisch und wirtschaftlich zu konsolidieren171. Das massive militärische Übergewicht der Roten Armee auf dem europäischen Kontinent ließ es allerdings den Westeuropäern, allen voran den Briten, geboten erscheinen, die in Dünkirchen begonnene militärische Zusammenarbeit zu einem westeuropäischen Verteidigungsbündnis zu erweitern, um der Sowjetunion ein Spiel mit dem Feuer aus einer Fehlperzeption westlicher Schwäche zum unkalkulierbaren Risiko zu machen. Aus den Erfahrungen nach dem Ersten und im Zweiten Weltkrieg mußten aus westeuropäischer Sicht aber auch die Amerikaner von Anfang an transatlantisch mit der europäischen Sicherheit verklammert werden, wenn dem um Osteuropa erweiterten sowjetischen ein adäquates westliches Machtgewicht gegenübergestellt werden sollte172. Der Prager Umsturz vom Februar 1948 wurde daher vom US-Geheimdienst zwar zutreffend als defensive politische Flurbereinigung im osteuropäischen Vorfeld der Sowjetunion bewertet, die keine Besorgnis über »aggressivere Absichten oder einen Wanersten
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Gniffke, Jahre, S. 262; darauf beziehen sich auch Wettig, Überlegungen, S. 1, und Fischer, Anfänge, S. 21. Resümee Kennans zur Weltlage, 6. 11. 1947, FRUS 1947/1, S. 770 f.; zu seiner weiteren Analyse vom 6. 1. 1948 und der amerikanischen Gesamteinschätzung vgl. Krieger, Clay, S. 348 f. Vgl. Bevins Forderung im Unterhaus nach einem westlichen Verteidigungsbündnis, 22. 1., und Marshalls Signal zum Verbleib von US-Truppen in Europa, solange die sowjetische Bedrohung anhalte, 28.2.1948, Krieger, Clay, S. 341, bzw. FRUS 1948/1, S. 101; zur westlichen Bedrohungsperzeption im Frühjahr 1948 insgesamt: Anfänge westdeutscher Sicherheitspolitik, Bd 1, S. 165 ff.
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derzeitigen sowjetischen Politik oder Taktik« rechtfertige. Ein Alarmruf des US-Oberkommandierenden in Europa, General Clay, der jetzt nicht mehr ausschließen wollte, daß ein Krieg »mit dramatischer Plötzlichkeit kommen könnte«, ließ aber auch in den Washingtoner Stäben die Befürchtung aufkommen, daß die Sowjetunion in einer Überreaktion die Politik des wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Zusammengehens in Westeuropa quasi präventiv militärisch unterlaufen könnte. Jedenfalls vertieften del in der
Begleitumstände der Prager Ereignisse die psychologische Disposition der Westeuropäer zum sicherheitspolitischen Zusammenrücken im Brüsseler Pakt vom 17. März 1948, wobei US-Präsident Truman unmittelbar danach seine Hilfszusage an die »freien Nationen« vom Vorjahr erneuerte und mit der Durchbringung des Gesetzes über den Marshallplan im US-Senat untermauerte173. Für die Sowjetunion bestätigten sich damit umgekehrt ihre Befürchtungen über einen angelsächsisch dominierten »Westblock« seit 1945, da der Brüsseler Vertragstext zwar noch gegen ein Wiederaufleben der deutschen Gefahr gerichtet sein mochte, seine wirklichen Intentionen aber als kaum getarnte militärische Unterfütterung der politidie brutalen
schen und wirtschaftlichen Offensive des Westens seit Truman-Doktrin und MarshallPlan bewertet wurde. Die Beteiligung der USA würde nur noch eine Frage der Zeit sein, da sich der Brüsseler Pakt nahtlos in die globale Stützpunkt- und Einkreisungspolitik der Amerikaner einfügte. Die Vorstöße der angelsächsischen Mächte für eine Erweiterung der Bi- zur Trizone vervollständigten dieses Bild zusätzlich, ging die sowjetische Führung doch schon jetzt davon aus, daß damit nur das politische Vorspiel zur militärischen Einbeziehung Westdeutschlands in die westliche Blockbildung eingeleitet wur-
de174.
Kampf gegen und Vorbereitung auf die Doppelstaatsgründung in Deutschland 1948/49 Die Bizonenbildung und das Scheitern der Londoner Konferenz hatten die Sowjetunion schon Ende 1947 auf das Ziel der Westmächte, die Gründung eines westdeutschen Separatstaates, hingewiesen. Intern setzte US-Außenminister Marshall auch tatsächlich bereits im Februar 1948 die Prioritäten für eine Politik der vorrangigen Stabilisierung Westdeutschlands im westeuropäischen Rahmen fest, da er jede Lösung, die auf eine sowjetische Dominanz in einem vereinten Deutschland hinauslaufen konnte, als »größte Drohung für die Sicherheit aller westlichen Nationen einschließlich der USA« einstufte175. Deshalb führten die Westmächte ihre Deutschlandgespräche jetzt gemeinsam mit den Benelux-Staaten und erstmals ohne sowjetische Beteiligung fort. Die bis Mitte 1948 erarbeiteten Leitlinien ließen zwar formal die Tür auch für die sowjetische Zone offen, 173
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Zur CIA-Einschätzung vom 10.3. 1948: Walker, »No More Cold War«, S. 77; zu Clays Telegramm und den Reaktionen in Brüssel und Washington vgl. Krieger, Clay, S. 336-342, Zitat auf S. 337. Vgl. die sowjetische Démarche beim State Department, 6. 3., das Gespräch von US-Botschafter Smith mit Molotov, 4., und dessen öffentliche Erklärung, 10.5. 1948, FRUS 1948/11, S. 351 ff, und IV, S. 846, sowie KAG 1948/49, S. 1495. Marshall an die US-Botschafter in London und Paris, 20.2. 1948, FRUS 1948/11, S. 72.
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faktisch bildeten sie jedoch die Grundlage für die im Sommer 1949 aus der Taufe gehobene Bundesrepublik. Das machte eine deutschlandpolitische Bestandsaufnahme der Sowjetunion erforderlich. Sollte sie sich in das Unabänderliche fügen und mit aller Konsequenz nunmehr auch auf einen eigenen deutschen Oststaat zusteuern? Oder mußte man aus übergeordnetem Sicherheitsinteresse nochmals alle Register einer deutschlandpolitischen Offensive ziehen, um den Einbau des westdeutschen Potentials in den sich formierenden »Westblock« vielleicht noch in letzter Stunde abzuwenden? Für Ulbricht, der schon im Herbst 1947 aus der undankbaren Schwebelage der SED herausstrebte, war Anfang 1948 endgültig die Zeit gekommen, um nach Gründung eines Weststaates auch in der Ostzone »konsequent den volksdemokratischen Weg« einzuschlagen. Dagegen verneinte Marschall Sokolovskij gegenüber den ostdeutschen Liberalen weiterhin alle Planungen für einen Oststaat. Daß sich beides nicht unbedingt widersprechen mußte, ließ Grotewohl bei den Feiern zur 1848er Revolution durchblicken, wenn er eine »vorübergehende Trennung« wohl als unumgänglich bezeichnete176. Jedenfalls schlug die Sowjetunion seit Frühjahr 1948 immer klarer eine Doppelstrategie ein, die ihr weitere Vorbereitungen auf die wahrscheinlicher werdende Zweistaatlichkeit erlaubte, bei der sie aber noch einmal alle Mittel einzusetzen suchte, um einen Weststaat zu verhindern. Angestoßen von einem Memorandum des politischen Kopfes der SMAD, Oberst Tjulpanov, kündigte Pieck vor dem Parteivorstand der SED am 12. Mai 1948 »eine strategische Änderung unseres Kampfes« an. Da »Deutschland [...] durch die Bildung des Weststaates in zwei Teile zerrissen [wird], von denen sich jeder nach eigenen Gesetzen entwickelt«, werde sich auch die sowjetische Zone zunächst »als ein selbständiges staatliches Gebilde« etablieren müssen. Das bedeute keinen Abschied von der bisherigen Einheitspolitik, schaffe vielmehr dafür in Ostdeutschland die politische und wirtschaftliche Basis. Der Erfolg der jetzt einzuleitenden »Verwirklichung des Sozialismus« werde nämlich schnell »einen starken Einfluß auf die Volksmassen im Weststaat ausüben« und damit jene von Grotewohl schon früher erhoffte revolutionäre Magnetwirkung zugunsten einer sozialistischen Gesamtnation entfalten177. Die SED-Führung verstand ihr Experiment eines volksdemokratischen Teilstaates als Voraussetzung für einen künftigen nationalen Gesamtstaat also in der Tat als eine Art sozialistisches »Piémont« auf dem Weg zu einem einheitlichen Deutschland neuer Prägung178. Dazu paßten auch die seit Frühjahr 1948 eingeleiteten Maßnahmen zum Aufbau militärisch ausgebildeter Sicherheitskräfte, die in kasernierter Form aus der allgemeinen Volkspolizei herausgelöst und von Anfang an über das sowjetische System von Politoffizieren unter die alleinige Verfügungsgewalt der SED gestellt wurden179. Für diesen bedeutsamen Schritt auf dem Weg zu einer ostdeutschen Armee konnte zwar bis176
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Ulbricht in einer
Abteilungsleiterbesprechung der SED, Anfang 1948, Gniffke, Jahre, S. 275; Unterredung Sokolovskijs mit den LDPD-Führern Külz und Lieutenant, 7.2., Rütten, Liberalismus, S. 352; Gespräch Grotewohls mit Gniffke, 18.3. 1948, Gniffke, Jahre, S. 298. Rede Piecks auf der 10. Sitzung des Parteivorstandes der SED, 12.5. 1948, ZPA, IV 2/1/23, Bl. 54 ff; vgl. auch Staritz, Aufbau des Sozialismus, S. 690 f. Vgl. den Diskussionsbeitrag von Bender in: Der Weg nach Pankow, S. 20. Vgl. dazu insgesamt Glaser, Errichtung, S. 336-348; Näheres im Beitrag Eisen, S. 160-178.
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her kein auslösender Befehl der SMAD gefunden werden. Daß eine so zentrale Entscheidung jedoch auf sowjetische Vorgaben zurückging, läßt sich nicht nur indirekt aus den Militärakten der ehemaligen DDR über die enge »Anweisung, Hilfe und Unterstützung« beim Aufbau der Polizeibereitschaften durch die Militärorgane der SMAD erschließen. Im Einheitsfront-Ausschuß der ostzonalen Parteien reagierte Grotewohl daher auf wiederholte Kritik an den einseitig SED-orientierten Maßnahmen Anfang 1949 mit der Klarstellung, daß diese »Fragen der Sicherheit [...] in entscheidendster Weise von den Befehlen und Auffassungen der Besatzungsmacht abhängig waren«180. Über den Verwendungszweck der entstehenden militärischen Kader sind in der Forschung zwei Varianten, eine eher defensive und eine offensive, diskutiert worden181. Mit Blick auf den langsamen Aufbau und die für den Großeinsatz in einem europäischen Krieg unzureichende Ausbildung und Bewaffnung bis 1952 sind mit guten Gründen sowjetische Planungen bezweifelt worden, die den militärischen Maßnahmen in der eigenen Besatzungszone bereits eine Rolle für das europäische Kräfteverhältnis zuwiesen. Überzeugend wurde vielmehr der Zusammenhang mit der Deutschlandpolitik Stalins ins Bild gerückt. Militärischen Machtmitteln in der Hand der SED, aber strikt kontrolliert durch die sowjetische Besatzungsmacht, konnten darin zwei Aufgaben zufallen. Sie mußten die Machtfrage in einem künftigen Oststaat endgültig zugunsten der SED entscheiden, selbst wenn internationale Veränderungen einmal einen Abzug aller Besatzungstruppen aus Deutschland erforderlich machen sollten. Stimmen wie die des sächsischen Innenministers Kurt Fischer, daß man bisher »für den Bürgerkrieg [...] keine operative Reserve für den Fall der Fälle« habe182, ließen daneben aber auch eine offensivere Zielrichtung zu, wenn im Gefolge eines kriegerischen Konflikts die Ausdehnung der SED-Herrschaft auf ganz Deutschland militärisch abzusichern war. Eine Besprechung zwischen Tjulpanov und der SED-Spitze (Pieck, Grotewohl und Dahlem) über die Neustrukturierung der Polizeiangelegenheiten am 18. Mai 1948 gemahnt freilich zur Vorsicht vor einer allzu extensiven militärischen Ausdeutung der angestrebten »kasernierten Kräfte der Polizei« und deren »militärischer Schulung«. Der Gesamttenor kreiste nämlich um die Straffung der Polizeiarbeit in allen ihren Sparten von der Grenz- über die Kriminal- bis zur allgemeinen Polizei. Für die kasernierten Kräfte war dabei als zentrale Aufgabenstellung die »Bekämpfung des Banditismus«, also die Funktion einer Sondertruppe für den Einsatz im Innern vorgesehen183. Wie für die Deutschlandpolitik Stalins insgesamt wird man daher auch für die ersten militärischen Maßnahmen in der sowjetischen Zone keine einseitige Festlegung auf eine einzige Variante, sondern die Eröffnung von Optionen in verschiedene Richtungen je nach Entwicklung der internationalen Lage und einer daraus resultierenden Deutschlandlösung zu sehen haben.
Sitzung des Einheitsfront-Ausschusses, 22.2. 1949, Suckut, Blockpolitik, S. 349; vgl. auch Glaser, Errichtung, S. 339, und Wettig, Überlegungen, S. 2. Vgl. dazu und zum Folgenden: Wettig, Überlegungen, S. 10-14. Diskussionsbeitrag auf der Konferenz der Innenminister der sowjetischen Zone in Werder/Havel, 21./22.4. 1948, Glaser, Sicherheits- und militärpolitisches Konzept, S. 70. Notizen Piecks, ZPA, NL 36/735, Bl. 84-87.
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Die Probe aufs Exempel, wie weit die Sowjetunion zur Verhinderung eines separaWeststaates zu gehen bereit war, erbrachte ab Sommer 1948 die Blockade der Zugangswege zu den Westsektoren Berlins als Antwort auf die Währungsreform in den Westzonen. Daß Stalin auch bei dieser weitestgehenden sowjetischen Verschärfung des Kalten Krieges unterhalb der Schwelle zu einem allgemeinen Krieg bleiben wollte, war selbst auf dem Höhepunkt der Spannungen zwischen April und Juli in den westlichen Hauptstädten wie bei General Clay in Berlin nach anfänglichen Unsicherheiten unstrittig. Darauf wies nicht zuletzt das Herunterspielen der Krise in der sowjetischen Propaganda hin, die ihre Bevölkerung nicht auf einen bevorstehenden Krieg einstellte184. Unsicherheit herrschte dagegen darüber, worauf das sowjetische Vorgehen in seinem Kern zielte. War es vorwiegend wirtschaftlich motiviert, um die eigene Zone vor einer Inflationierung durch wertlos gewordene Reichsmark aus dem Westen zu schützen, oder richtete es sich darüber hinaus politisch gegen die Vorbereitungen auf einen Weststaat? Standen dahinter also vorwiegend defensive Abriegelungs- oder offensive strategische Blockadeziele, die einen Abbruch der Maßnahmen für einen separaten Weststaat zu erzwingen suchten oder als Minimalziel wenigstens eine Frontbegradigung im Kalten Krieg durch Verdrängung der Westalliierten aus Berlin185 ansteuerten? So nachteilig sich die spekulativen Begleiterscheinungen der Währungsreform für die ökonomische Konsolidierung der sowjetischen Zone ausnehmen mußten, wenn man ihnen nicht gegensteuerte, würde es allen Erkenntnissen über den Vorrang politischstrategischer vor untergeordneten wirtschaftlichen Zielsetzungen in Stalins Gesamtpolitik widersprechen, darin das Hauptziel der sowjetischen Blockademaßnahmen sehen zu wollen. Im State Department ging man denn auch davon aus, daß über die Berliner Blockade die deutsche Frage insgesamt zum Verhandlungsobjekt einer neuen VierMächte-Runde gemacht werden sollte, und Marschall Sokolovskij ließ tatsächlich schon bei der ersten Ost-West-Runde mit den westlichen Militärgouverneuren diesen untrennbaren Zusammenhang deutlich werden186. Die letzte Bestätigung dafür erbrachten die Gespräche der westlichen Botschafter mit Molotov und Stalin Ende Juli/Anfang August 1948 in Moskau. Bedeutsam für die Einschätzung des sowjetischen Risikokalküls war dabei nicht nur, daß die Kremlführer die Luftbrücke zur Versorgung Westberlins war zwar bereits angelauso frühzeitig deeskalierend in die Krise fen, Erfolg oder Mißerfolg aber noch nicht abschätzbar einzugreifen begannen. Stalin versicherte auch nachdrücklich, daß die sowjetischen Blockademaßnahmen nicht auf ein Herausdrängen der Westmächte aus Berlin angelegt seien. Das eigentliche sowjetische Ziel wurde vielmehr in dem zähen Feilschen um einen Stopp der Weststaatsvorbereitungen bis zum Abschluß einer neuen Vier-Mächte ten
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Vgl. Krieger, Clay, S. 349. So die anfängliche Sorge Bevins im Gespräch mit US-Botschafter Douglas, 3.3., FRUS 1948/11, S. 120; ähnliche Befürchtungen hegte Clays politischer Berater Murphy, der zudem von einem sowjetischen Versuchsballon berichtete, eine Räumung Berlins durch Grenz Verschiebungen im sächsisch-thüringischen Raum auszugleichen, Berichte vom 1.4. und 23.6. 1948, ebd., S. 885 f. und 915.
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Vermutung Marshalls, 3.,
und Bestätigung durch 24.7. 1948, ebd., S. 947, 949 f. und 984 f.
Sokolovskij, 4.,
sowie Smith
aus
Moskau,
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Konferenz über Deutschland als Vorbedingung für einen Abbruch der Blockade sichtbar. Gerade dazu aber waren die Westmächte nicht bereit, weil sie davon eine dauerhafte Beeinträchtigung ihrer westeuropäischen wie westdeutschen Stabilisierungspolitik fürchteten. Für die sowjetische Führung verloren damit aber die Moskauer Verhandlungen erst einmal ihren Sinn. Deshalb mochte es für sie zweckmäßiger sein, eine abwartende Position einzunehmen und den »wirtschaftlichen Abnutzungskrieg« in Berlin über den kommenden Winter weiterwirken zu lassen187. Westliche Beobachter hatten unterdessen seit Sommer 1948 weitere Schwierigkeiten ausgemacht, die der sowjetischen Führung einen mäßigenden Kurs anraten mußten. Die ökonomischen Daten für die Sowjetunion und Osteuropa zeigten schon jetzt, daß die sowjetische Wirtschaftsplanung der Doppelbelastung aus Wiederaufbau und Modernisierung ihrer Rüstung schweren Tribut zu zollen hatte. Der wirtschaftliche Abstand zum Westen mußte sich in den kommenden Jahren vergrößern, wenn die prognostizierten Fortschritte aus der Marshallplan-Hilfe kräftiger zu Buche schlugen. Außerdem gingen die westorientierten Parteien aus den Wahlen in Italien als klare Sieger hervor. Damit war vorerst dieses im Westen immer befürchtete Einfallstor für ein Weitertreiben des Kommunismus verschlossen. Vor allem zeigten sich aber im Konflikt Stalins mit dem nationalkommunistischen Kurs Titos in Jugoslawien unübersehbare Risse im unmittelbaren Einflußbereich der Sowjetunion. Alles zusammengenommen mußte die sowjetische Führung mithin nach westlicher Einschätzung vorrangig die politische und wirtschaftliche Konsolidierung und die Härtung der Machtapparate im eigenen Vorfeld vorantreiben188. Mit dem sofort in aller Heftigkeit anhebenden Kampf gegen nationalkommunistische Aufweichungstendenzen im gesamten osteuropäischen Raum unter dem Verdikt des »Titoismus« rückte seit 1948 freilich auch eine charakteristische Komponente sowjetischen Sicherheitsdenkens wieder voll ins Bewußtsein, die es seit 1917 kontinuierlich begleitet hatte: die offen terroristische Erzwingung kollektiver innerer Loyalität als Grundvoraussetzung absoluter Sicherheitswahrung nach außen. Verhaftungswellen hatten zwar seit 1945 die Übergangsjahre bis zum offenen Ausbruch des Kalten Krieges ständig begleitet, aber vor allem tatsächliche oder vermeintliche Kollaboranten des NSRegimes wie Opponenten gegen einen sowjetfreundlichen Volksfrontkurs betroffen. Die wieder voll durchschlagende Festungsmentalität gegen eine als planmäßige Einkreisung verstandene Containmentpolitik hatte dagegen schon mit der Verschärfung der Sicherheitsgesetze 1947 eine neue allgemeine Terrorwelle angekündigt. In den Säuberungen seit 1948 ergriff sie nun ein weiteres Mal auch die kommunistischen Machtapparate und Mitgliederbewegungen selbst, um sie gegen nationalkommunistische Eigenwege zu härten189. 187
188 189
Nachbetrachtung der US-Botschaft in Moskau zu den Botschaftergesprächen, 17.8., ebd., S. 1047 f.; zu den Gesprächen selbst: Smith aus Moskau, 31.7. sowie 3., 4. und 6. 8., ebd., S. 997, 999-1006, 1013 und 1018 f.; zur westlichen Ablehnung einer zeitweiligen Unterbrechung der westdeutschen Planungen: Marshall an Smith, 7.8. 1948, ebd., S. 1022. Zusammenfassende Analyse der US-Botschaft Moskau, 5.4. 1949, ebd. 1949/V, S. 604-609. Zum Stalin-Tito-Konflikt und den folgenden Säuberungen: Hoensch, Sowjetische Osteuropapolitik, S. 407^tl9.
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Die von den Medien breit in die westliche Öffentlichkeit getragenen Berichte darüber vertieften hier wohl die generelle antikommunistische Grundstimmung. Die innere Repression hatte aber bezeichnenderweise kaum erkennbaren Einfluß auf die sicherheitspolitischen Analysen in den Administrationen und Stäben. Hier interessierte allein das internationale Verhalten Stalins, der nach wie vor als virtuoser Machttaktiker eingeschätzt und dafür untergründig nicht selten bewundert wurde. Die aufmerksam registrierten Schwierigkeiten innerhalb des sowjetischen Machtbereichs fachten deshalb in Washington eine Debatte über den weiteren Kurs in den Ost-West-Auseinandersetzungen an190. Für Kennan, den Vordenker einer wesentlich politisch-wirtschaftlichen Eindämmungsstrategie, boten westliche Stabilisierungserfolge und osteuropäische Aufweichungstendenzen den Ansatzpunkt für ein vorsichtiges Prüfen sowjetischer Entspannungssignale, wie sie schon bei den Moskauer Botschaftergesprächen im Sommer angeklungen und jetzt im Herbst 1948 erneut auszumachen waren191. Kennan kritisierte vor allem den Trend zur »Militarisierung« des Kalten Krieges, wie er in den allianzpolitischen Überlegungen zu einem nordatlantischen Verteidigungspakt weiter Gestalt anzunehmen begann. Er wollte einerseits die Risse in Osteuropa politisch genutzt, daneben aber auch die Möglichkeiten eines eventuellen Interessenausgleichs mit der Sowjetunion ausgelotet wissen, bevor man sich im Westen einem Kurs verschrieb, der die Fronten des Kalten Krieges endgültig verfestigen mußte. Demgegenüber sah die Mehrheit der politischen und strategischen Analytiker in den sowjetischen Entspannungssignalen lediglich die Suche nach einer taktischen Atempause, in der die Sowjetunion ihre Fähigkeiten zum Durchstehen eines von ihr als unvermeidlich angesehenen, künftigen Konflikts mit dem Westen verbessern wollte. Deshalb griff man zwar die Chancen zu einer Erweiterung der Risse im kommunistischen Lager durch offene Unterstützung Titos und bis zum Ausbruch des Korea-Krieges sogar durch Überlegungen über eine diplomatische Anerkennung eines kommunistischen Chinas auf. Andererseits fielen die militärischen Stärkevergleiche der amerikanischen Militärplaner zwischen 1947 und 1949 jedoch so eklatant zum Nachteil des Westens aus, daß alle Pläne für den Fall eines sowjetischen Angriffs auf Westeuropa selbst eine zeitweilige Räumung des Kontinents von US-Truppen und eine langwierige Rückeroberung in Rechnung stellten. Damit hing aber die politische und wirtschaftliche Stabilisierung Westeuropas so lange sicherheitspolitisch in der Luft, wie sie nicht allianzpolitisch abgesichert war. Die eigentliche militärische Gefahr sah man nämlich mit dem Zeitpunkt näherrücken, an dem die Sowjetunion das amerikanische Nuklearmonopol durchbrochen haben würde192. In Moskau verfolgten westliche Beobachter unterdessen interessiert eine Debatte unter sowjetischen Wirtschaftsexperten, in der sich der »Abweichler« Varga trotz anderthalbjähriger vehementer Kritik durch die Mehrheit seiner Fachkollegen immer noch mit seiner Einschätzung mittelfristiger Stabilität des Kapitalismus öffentlich artikulieren "° 191 1,2
Vgl. dazu insgesamt: Gaddis, Strategies, S. 55-83. Vgl. Smith aus Moskau, 9. 11. 1948, FRUS 1948/IV, S. 932 f. Beispielhaft dafür ist der Jahresabschlußbericht von Botschafter Smith aus Moskau, 23. 12. 1948, ebd., S. 943-947; zu den westlichen Militärplanungen 1947/49 insgesamt: Anfänge westdeutscher Sicherheitspolitik, Bd 1, S. 163-179, und de Leonardis, Defense, S. 176-206.
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durfte. Wies dies nicht auch auf eine außenpolitische Debatte in den Führungszirkeln hin, in der sich die Gewichte zugunsten der Befürworter eines Koexistenzkurses mit einem vorerst stabilisierten Westen verschieben mochten?193 In ähnliche Richtung deutete Stalins klares Bremsen der SED-Führung bei ihrer Forcierung des volksdemokratischen Umbaus im Dezember 1948. Danach konnten zwar die Vorbereitungen auf einen Oststaat fortgesetzt werden, dieser war aber weiterhin deutschlandpolitisch offenzuhalten als Sonderfall einer »antifaschistisch-demokratischen Ordnung«, wenn auch unter nunmehr deutlich verstärkter kommunistischer Kontrolle194. Während des Winters 1948/49 gestand sich die sowjetische Führung offenbar ein, daß sich selbst in der Schlechtwetterphase die seit Herbst erkennbare Stabilisierung der Lage in Westberlin durch die Luftbrücke fortsetzte, die damit verbundenen internationalen Spannungen aber nur der angelsächsischen Allianzpolitik zuarbeiteten. Jedenfalls nahm man im Westen ein Stalin-Interview von Ende Januar 1949 als Zeichen dafür, daß die Sowjetunion zu Verhandlungen über eine Aufhebung ihrer Blockademaßnahmen bereit war195. Auch die für Moskau anscheinend unerwartet raschen Fortschritte auf dem Weg zur NATO-Gründung seit Mitte Januar unterbrachen die sowjetische Bereitschaft zu Berlin-Verhandlungen nicht196. Die harten Attacken gegen die dahinter verborgenen »anglo-amerikanischen Weltherrschaftspläne« griffen lediglich auf die Argumente der Jahre 1947 und 1948 ohne zusätzliche Verschärfung zurück. Sie boten der SEDFührung aber immerhin Gelegenheit, sich mit ihrer Erklärung vom 1. März 1949, das deutsche Volk werde im Falle eines Krieges an der Seite der Roten Armee zu finden sein, ein erneutes Zeichen für den Wunsch nach voller Zugehörigkeit zum sozialistischen Lager zu setzen. Auch intensivierte die sowjetische Propaganda ihre weltweite »Friedensoffensive«, mit der sie die westliche Allianzpolitik über den Pazifismus von innen heraus abzubremsen suchte197. Das alles hinderte Stalin jedoch nicht, parallel dazu über exploratorische Gespräche zwischen den UN-Vertretern der USA und der UdSSR weiter für eine Berlin-Lösung zu sondieren. Sowjetische Diplomaten gaben schon im Frühjahr 1949 in privaten Gesprächen unumwunden zu, daß man mit der Blockade zu hoch gepokert und faktisch verloren habe; sie sei daher so rasch wie möglich zu beenden. Obwohl die westlichen Vorbereitungen zur Gründung der Bundesrepublik weiterliefen, ließ sich die Sowjetunion auf eine neue Vier-Mächte-Runde der Außenminister in Paris ein, die ihr gerade noch das Gesicht wahren half198. 1.3 1.4
Vgl. Smith bzw. Kohler aus Moskau, 6. bzw. 27. 12. 1948, ebd., S. 940 ff. und 947. Vgl. Staritz, Aufbau des Sozialismus, S. 692; Badstübner, Problem, S. 590, und Friedrich,
Komin-
form, S. 333 f. "5 ""
'"
198
Interview mit Kingsbury Smith, 27. 1. 1949, Stalin, Reden, S. 95 f. Vgl. Kohler aus Moskau, 30. und 31.1. 1949, FRUS 1949/V, S. 561 bzw. 563. Vgl. die sowjetischen Erklärungen zum Nordatlantikpakt, 29. 1. und 19.3., KAG 1948/49, S. 1797 B und 1862 C; die Erklärung des Politbüros der SED vom 1. 3. ist abgedruckt in: Die Militär- und Sicherheitspolitik der SED, S. 68; zur Friedenspropaganda 1949: Douglas aus London, 1.4. 1949, FRUS 1949/V, S. 824, und Rose, Campaign. Zum Abbruch der Blockade zusammenfassend: Prell/Buffet, Berlin-Krise, S. 24 ff; zum Eingeständnis des sowjetischen Scheiterns: Kirkpatrick, Im inneren Kreis, S. 178; zu den Jessup-MalikGesprächen: Berichte vom 15. 2., 15. und 21.3., sowie Zusammenfassung für den US-Außenminister, 22. 3. 1949, FRUS 1949/HI, S. 695, 696, 702 und 705 ff.
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73
Offen muß vorerst bleiben, wie ernst die Sowjetunion zu diesem Zeitpunkt die NATOunmittelbare militärische Bedrohung wirklich nahm, war sie doch offenbar über ihren Spitzenagenten in der britischen Diplomatie, Donald MacLean, ständig über den Gang der Vorverhandlungen informiert. Das leichte Nachlassen in ihrer antiwestlichen Propagandakampagne im Winter 1948/49 könnte neben dem Wunsch nach einem Abbrechen der international belastenden Berlin-Blockade immerhin auch darauf hindeuten, daß die sowjetische Führung intern ein durchaus realistisches Lagebild über die vorerst begrenzten militärischen Möglichkeiten des entstehenden Atlantikpakts hatte199. Im Westen rechnete man aber allgemein mit einer neuen Deutschlandofferte, mit der die sowjetische Führung selbst um den Preis überraschender Zugeständnisse die Einbeziehung eines künftigen Weststaates in die westeuropäische Blockbildung zu verhindern suchen würde. In umfangreichen Vorklärungen ging die amerikanische Administration daher an die Festlegung einer Marschroute, die eigenes westeuropäisches Stabilitäts- und von der Sowjetunion angestacheltes deutsches Nationalinteresse kompatibel halten sollte. Kennans Überlegungen, eine Deutschlandlösung nach westlichem Verfassungsverständnis mit der faktischen Neutralisierung eines entmilitarisierten Gesamtdeutschlands zu honorieren, stießen freilich innerhalb der Truman-Administration wie bei den westeuropäischen Partnern schon im Vorfeld der Pariser Außenministerkonferenz vom Frühjahr 1949 auf geballte Kritik. Die Risiken für den bisherigen Kurs einer wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Stabilisierung Westeuropas unter Einschluß Westdeutschlands wurden allgemein als zu hoch empfunden200. Die Sowjetunion zwang den Westen in Paris jedoch gar nicht mehr dazu, seine Haltung zu einer deutschen Lösung zu überprüfen. Die westlichen Verhandlungsführer gewannen vielmehr schnell den Eindruck, daß der neue sowjetische Außenminister Vysinskij vor allem mit möglichst geringem Gesichtsverlust aus der Berlin-Krise herauskommen und wenn möglich zur Vier-Mächte-Kontrolle in Deutschland zurückkehren wollte. Da eine reine Rückkehr zum Status quo für die fortgeschrittene westliche Europa- und Deutschlandpolitik erkennbar zu wenig, eine deutsche Einigung nach westlichen Vorstellungen aber für die sowjetischen Sicherheitsinteressen bei weitem zu viel war, stellte sich die Sowjetunion als »realistisches Volk« im Augenblick auf einen Modus vivendi ein, der beiden Seiten die Stabilisierung ihrer Einflußsphäre erlaubte201. Dabei dürften nicht zuletzt die Verwerfungen im eigenen Lager beim Stalin-Tito-Streit mitgespielt haben, die der sowjetischen Führung offenbar den unbedingten Vorrang einer Konsolidierung des eigenen Machtbereichs angeraten sein ließen, um international nicht aus einer Position der Schwäche heraus Konzessionen eingehen zu müssen, die unverträglich mit der eigenen Sicherheit waren. Wie schon im Frühjahr 1948 in der Prager Krise hatte die anfänglich harte sowjetische Linie bei der Berlin-Blockade erneut ganz gegen ihr Sicherheitsinteresse der west-
Gründung als
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—
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200 201
Vgl. Boczek, Eastern European Countries, S. 167. Vgl. Gaddis, Strategies, S. 74 ff; Frohn, Neutralisierung, S. 125-132; Krieger, Clay, S. 480-503. Vgl. insbesondere das Gespräch Murphys und Bohlens mit den sowjetischen Diplomaten Smirnov und Semënov, 6.6., FRUS 1949/III, S. 960; ähnlich die Einschätzungen der US-Delegation in Pa-
ris, 27. und 28.5. sowie 11.6. 1949, ebd., S. 927, 929 und 978.
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lichen Allianzpolitik kräftige Impulse gegeben. Im Klima der Ost-West-Konfrontation konnte im Frühjahr 1949 die NATO aus der Taufe gehoben und der Schlußstein für die Gründung der Bundesrepublik gesetzt werden. Zur Absicherung der Luftbrücke wurden im übrigen auf den britischen Inseln dauerhaft drei Gruppen der Fernbomber B-29 stationiert und damit ein wichtiger Schritt zur direkten militärischen Einbindung der USA in die westeuropäischen Militärplanungen vorgenommen202.
Strategien zur Verhinderung einer militärischen Westintegration der Bundesrepublik 1949/50 nur die parallele Gründung der DDR als Gegenstück zur Bundesrepublik schuf freilich schon im Frühherbst 1949 aus Stalins Sicht, wie sein Glückwunschtelegramm an Pieck zu diesem »Wendepunkt in der Geschichte Europas« hervorhob203, eine Voraussetzung für die Überwindung der zeitweiligen Defensive, in die die sowjetische Politik international geraten war. Mit der erfolgreichen Versuchsexplosion einer eigenen Atombombe hatte die Sowjetunion im August 1949 auch bereits das amerikanische Nuklearmonopol durchbrochen und damit ein Zeichen gewachsener strategischer Stärke gesetzt204. Der Sieg der chinesischen Kommunisten im Bürgerkrieg veränderte im Oktober 1949 zusätzlich die Machtgewichte an der ostasiatischen Flanke des sowjetischen Einflußbereichs und öffnete damit, wie Malenkov in seiner zentralen Rede zum Jahrestag der Oktoberrevolution in einem »militanteren und triumphierenderen Ton« als im vorausgegangenen Jahr verkündete, »eine neue Seite in der Geschichte aller unterdrückten Völker in Asien und am Pazifik«205. Das alles bedeutete zwar nicht, daß die sowjetische Führung nunmehr ihr risikobewußtes internationales Verhalten grundlegend umstellte. In ihrem Auftreten gegenüber westlichen Diplomaten wie in den öffentlichen Analysen ihrer Medien trat aber an der Jahreswende 1949/50 eine unverkennbar selbstbewußtere Weltmacht auf, die sich auf eine organisierte »Friedensfront« von über 700 Millionen Menschen in Europa und Asien stützen konnte, die nach eigener Einschätzung »von Sieg zu Sieg voranschreitet« und bereits »die Klänge der indischen Marsellaise« zu hören vermeinte206. In der Moskauer US-Botschaft wertete man die neuen Töne jedenfalls als Belege dafür, daß der alternde Stalin dabei war, die Maske der erzwungenen Koexistenz mit der kapitalistischen Welt abzuwerfen und noch zu Lebzeiten sein eigentliches weltrevolutionäres Endziel anzusteuern. Dieser Einschätzung folgten nach Kennans Abgang als Planungschef jetzt auch die Analytiker im State Department, wenn sie den nuklearen Durchbruch und den welt-
Nicht
202
203 2,14
205
206
Vgl. Anfänge westdeutscher Sicherheitspolitik, Bd 1, S. 187. Telegramm vom 13. 10. 1949, Stalin, Reden, S. 102 f. Vgl. TASS-Meldung, 25., und Analyse von US-Botschafter
Kirk aus Moskau, 29.9. 1949, KAG 1948/49, S. 2078 D, bzw. FRUS 1949/V, S. 658. Kirk aus Moskau, 7. 11. 1949, FRUS 1949/V, S. 671 f.; zum westlichen Lagebild im Herbst 1949: Anfänge westdeutscher Sicherheitspolitik, Bd 1, S. 201 f. Kirk aus Moskau in einer Analyse sowjetischer Leitartikel zur Jahreswende, 4. 1. 1950, FRUS 1950/IV, S. 1076.
Die
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politischen Erfolg in China mit den Rüstungsanstrengungen der Sowjetunion und ihrem Spekulieren auf eine unmittelbar bevorstehende große Rezession im Westen analog zu den Jahren 1929 bis 1933 zusammenrechneten. Das ergab zwar noch keine unmittelbare sowjetische Disposition für einen allgemeinen Krieg, erhöhte aber möglicherweise ihre Neigung, durch die Verschärfung lokaler Konflikte an anderen Schwachstellen des westlichen Eindämmungsrings etwa in Südostasien, im Mittleren Osten oder an den
den Zusammenhalt und das StehDemarkationslinien in Deutschland und Österreich vermögen des Westens zu testen207. Daß die Sowjetunion auf Deutschland bezogen nicht einfach zur Hinnahme eines Weststaats bereit sein würde, gab sie schon in ihren scharfen Noten zur Gründung der Bundesrepublik zu Protokoll. Da sie darin nur die erste Stufe zum Ausbau Westdeutschlands als »Aufmarschgebiet für die Realisierung der aggressiven Pläne« des Westens erblickte, konterte sie sofort mit der Wiederholung ihrer Forderung nach Abschluß eines Friedensvertrages binnen Jahresfrist und dem Abzug aller Besatzungstruppen aus Deutschland. Die SED-Führung übernahm diese Positionen unmittelbar und suchte dafür in der künftigen DDR eine deutschlandpolitische »Kampfbasis« zu schaffen. Pieck begründete dazu die Dringlichkeit eines eigenen Oststaates mit der durch die westliche »Spaltungspolitik« verschärften internationalen Lage, die eine Situation drohender Kriegsgefahr heraufbeschworen habe. Für die SMAD setzte Armeegeneral íujkov die sowjetischen Vorstellungen in die Vorgabe um, daß sich die »deutschen demokratischen Kräfte [...] die Wiederherstellung der Einheit Deutschlands und seine Wiedergeburt auf friedlicher und demokratischer Grundlage zum Ziel gesetzt haben«. Deshalb übertrug er zunächst auch nur die bisherigen »Verwaltungsfunktionen« der SMAD auf die »provisorische Regierung« der neugeschaffenen DDR208. Stalin gedachte also gerade wegen des erheblichen Sicherheitsproblems, das für ihn der Einbau des westdeutschen Potentials in die westeuropäischen Integrationspläne imKonsomer bedeutet hatte, seinen Kurs der deutschlandpolitischen Doppelgleisigkeit der SED-Herrschaft in der aber Versuch zur DDR, gleichzeitig lidierung Gewinnung einer deutschen Mehrheit für seinen Einheitskurs fortzusetzen. nur Er forderte nicht der seit Ende 1947 auf einen klareren sozialistischen Kurs drängenden SED-Führung erneut die nicht unproblematische Sammlung aller dazu bereiten Kräfte bis hin zu den NS-Belasteten in einer nationalen Einheitsfront ab, die mit den Lockmitteln traditioneller deutsch-russischer Zusammenarbeit von »Tauroggen« bis »Rapallo« operieren konnte, um Westdeutschland doch noch aus seiner Westbindung zu lösen209. In einem Kominform-Beschluß ließ er im November 1949 die Schaffung Nationaler Fronten für die osteuropäischen Staaten ausdrücklich für verbindlich erklären. Deshalb mußte sich die —
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20'
208
209
Kirk aus Moskau, 9. 12. 1949 bzw. 24. 1., und Sitzung des Politischen Planungsstabes im State Department, 2., sowie Memorandum seines Chefs Nitze, 8.2. 1950, ebd. 1949/V, S. 682 f., sowie 1950/IV, S. 1083 f., bzw. 1950/1, S. 142 f. und 145 ff. ErklärungCujkovs, 10. 10., Dokumente zur Außenpolitik, Bd 1, S. 229 ff; sowjetische Noten an die Westmächte zur deutschen Frage, 1. 10., Dokumente zur Deutschlandpolitik, Bd 1, S. 229-235; Sitzung des Parteivorstands der SED, 4. 10. 1949, Suckut, Entscheidung, S. 125-175. Einschätzungen der Moskauer US-Botschaft, 13. bzw. 27. 10.1949, FRUS 1949/III, S. 533 f. bzw.
536.
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SED-Führung bei ihrem Moskau-Besuch Anfang Mai 1950 anscheinend herbe Kritik gefallen lassen, daß die erwarteten Erfolge auf dem Gebiet der Bundesrepublik bislang ausgeblieben waren210.
Auf dem engeren militärpolitischen Feld war die Gründung der DDR unterdessen einer deutlichen Intensivierung der Kaderbildung in den VP-Bereitschaften begleitet, die schon im Oktober 1949 in einer besonderen Abteilung des neuen DDR-Innenministeriums, der Hauptverwaltung Ausbildung (HVA), auch organisatorisch eigenständig zusammengefaßt wurden. Lehrgangsberichte aus den einzelnen VP-Schulen lassen keine Zweifel mehr zu, daß hier bereits eindeutig militärische Führerausbildung im klassischen Sinne betrieben wurde. Die Zuführung sowjetischer Geschütze der Kaliber 76 bis 152 mm unterstrichen den militärischen Zuschnitt der entstehenden Kaderverbände. Ihre Differenzierung nach Waffengattungen und Teilstreitkräften sowie die Schulung ihres Spitzenpersonals auf sowjetischen Militärakademien erhärten den Befund endgültig, daß in den VP-Bereitschaften entgegen allen Potsdamer Entmilitarisierungsbeschlüssen, an denen die Sowjetunion mit Blick auf Westdeutschland weiterhin strikt festhielt, die praktischen Vorarbeiten für den Aufbau ostdeutscher Streitkräfte angelaufen waren, die bis Ende 1950 einen personellen Umfang von etwa 50 000 Mann erreichten2". Die sicherheitspolitische Zielrichtung dieser nach außen streng abgeschirmten Maßnahmen ist nach wie vor nicht eindeutig zu erschließen. Die Geschichtsforschung der DDR behalf sich bis 1989 mit dem Verweis auf eine obskure »Geheimklausel« des Petersberger Abkommens vom November 1949, in der sich Bundeskanzler Adenauer mit den westlichen Hochkommissaren auf die Aufstellung einer regulären Armee von 500 000 Mann im Rahmen der NATO verständigt haben soll. Damit seien defensive präventive Schutzvorkehrungen der DDR gerechtfertigt gewesen212. Der Beweis für eine derartige Absprache konnte nie erbracht werden, da auf dem Petersberg ausweislich der westlichen Akten 1949 noch nicht über einen Militärbeitrag der Bundesrepublik verhandelt wurde. Im übrigen würde selbst die Annahme einer solchen Übereinkunft von Ende 1949 nicht das Anlaufen von Gegenmaßnahmen in der Volkspolizei bereits seit Frühjahr 1948 erklären können! Plausibler ist da schon die Vermutung, daß die Sowjetunion, die seit 1945 immer wieder den Verdacht über verdeckte Militärmaßnahmen in den Westzonen geäußert hatte, seit der anlaufenden Blockpolitik des Westens 1947/48 wie selbstverständlich von solchen Schritten in Westdeutschland ausging. Dafür verfügten die Westmächte schließlich nach sowjetischer Einschätzung mit den zur Zusammenarbeit bereiten ehemaligen Wehrmachtskadern über ungleich günstigere Voraussetzungen als die Sowjetunion in ihrer Zone. Nun hingen zwar westliche Militärplaner in der Tat seit 1947 Gedankengängen über eine Nutzung des westdeutschen Menschen- und Industriepotentials für die westliche von
2I° 211
212
Vgl. Staritz, Aufbau des Sozialismus, S. 693, und Badstübner, Problem, S. 590 f. eingehender Wenzke in diesem Band, S. 248; zur Einrichtung der HVA: Zeittafel zur Militärgeschichte, S. 12 f.; Lehrgangsberichte vom Frühjahr 1950: BA/MZAP, Pt 063, Bl. 52, 89, 93, 99, 102 und 105; zur Artillerieausstattung: Schreiben der HVA an Grotewohl, 28.3. 1950, ebd., Pt 064, Bl. 9; zu Gliederung und Ausbildung insgesamt: Wettig, Überlegungen, S. 3, und Fischer, Anfänge, S. 26 f. Beispielhaft dafür: Militärpolitik für Sozialismus und Frieden, S. 25. Zur Stärke
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Allianz nach. Pressespekulationen darüber kursierten seit Frühjahr 1948 in der westlichen Öffentlichkeit, zeichnete sich doch schon frühzeitig ab, daß die im Brüsseler Pakt zusammengeschlossenen westeuropäischen Staaten selbst bei umfassender US-Militärhilfe auf sich allein gestellt schwerlich ein adäquates militärisches Gegengewicht zur Sowjetunion auf dem europäischen Kontinent aufbauen konnten. Dazu trugen nicht zum wenigsten die spätkolonialen Verwicklungen der Führungsmächte Großbritannien und Frankreich außerhalb Europas bei. Vorerst fehlten aber in der Öffentlichkeit Westeuropas nach den Erfahrungen mit den Deutschen in zwei Weltkriegen noch die politischen und psychologischen Voraussetzungen für einen so weitgehenden Schritt wie eine Aufrüstung der Bundesrepublik. Deshalb hatten sich die Westmächte bei den Londoner Verhandlungen von 1948 auf die strikte Entmilitarisierung eines künftigen deutschen Weststaates festgelegt und setzten dies über das Anfang 1949 geschaffene Militärische Sicherheitsamt mit der Kontrolle der westdeutschen Industrie zunächst auch noch unvermindert durch. Die westlichen Regierungen lehnten bis in den Sommer 1950 öffentlich jede neue deutsche Nationalarmee ab, die Stäbe in Washington und London erwogen aber intern immerhin bereits eine spätere kontrollierte Einbeziehung westdeutscher Kontingente in ihre Allianzplanungen. Mit ihrem Voranschreiten bei der beginnenden Militarisierung der Volkspolizei, die der westlichen Aufklärung seit 1948 bekannt wurde, lieferte die Sowjetunion mithin gefundene Argumente dafür, daß die ostdeutsche Aufrüstung bei der an sich schon vorhandenen konventionellen Unterlegenheit des Westens in Mitteleuropa nicht unbeantwortet bleiben durfte. Präventive Sicherheitsbefriedigung förderte damit gerade das, was man in Moskau zu verhindern strebte: den Übergang von den internen Planspielen zur offenen Entscheidung für eine Aufrüstung in
Westdeutschland213.
Bei aller Intensivierung der militärischen Ausbildung behielt vorerst aber die Kaderauswahl »klassenbewußter Kämpfer« absoluten Vorrang vor der Herstellung schneller militärischer Einsatzbereitschaft in den VP-Bereitschaften. Ausbildung und Ausrüstung ließen die Verbände dieser frühen Jahre im übrigen trotz ihrer wachsenden zahlenmäßigen Stärke noch nicht für den Großeinsatz in einem europäischen Krieg geeignet erscheinen214. Auch in westlichen Einschätzungen fiel den militärischen Maßnahmen in der sowjetischen Zone im Frühjahr 1950 daher noch keine herausgehobene Bedeutung zu. Sie fügten sich ein in die Politik der Machtkonsolidierung, wie die DDR sie seit ihrer Gründung auf allen Ebenen betrieb, um mit einem politisch wie wirtschaftlich gestärkten Oststaat im Rücken zur nationalen Offensive um die Deutschen insgesamt anzutreten. Vermutet wurde eine Strategie, die voll auf den nationalen Einheitswillen und die wirtschaftlichen Probleme der jungen Bundesrepublik setzte, die beide bei entsprechenden Offerten zu einef schrittweisen Umorientierung nach Osten führen konnten. Schließlich konnte die Sowjetunion mit ihren territorialen Faustpfändern in Mittel- und Ostdeutschland wie mit dem Lockmittel einer Wiederaufnahme des traditionell lukrativen deutschen Osthandels jederzeit Schwierigkeiten bei der Westintegration der Bun215
214
Zum westinternen Entscheidungsprozeß für eine westdeutsche westdeutscher Sicherheitspolitik, Bd 1, S. 325^t02. Vgl. dazu Beitrag Wenzke, S. 239-260.
Aufrüstung
1947-1950
vgl. Anfange
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desrepublik nutzen, die sich bei der angenommenen globalen Wirtschaftskrise in den kapitalistischen Ländern schon in nächster Zukunft zwangsläufig einstellen mußten215.
Deutschland war für den Westen freilich nur ein Krisenherd in einem internationalen Szenario, in dem sich durch die sowjetische Durchbrechung des US-Nuklearmonopols und den Sieg der Kommunisten in China die Gewichte nachhaltig zu seinen Ungunsten verschoben hatten. In Washington hatte Präsident Truman daher Anfang 1950 eine strategische Gesamtüberprüfung der internationalen Lage angeordnet, deren Ergebnisse in dem zentralen Dokument NSC-68 zusammengefaßt wurden. Die USA gingen zwar weiterhin davon aus, daß die Sowjetunion vorerst nicht an einem globalen Krieg interessiert war, rechneten nun aber mit einer gewachsenen Risikobereitschaft für Stellvertreterkriege an wechselnden Schwachstellen in Asien und Europa. Dabei wurde nicht mehr ausgeschlossen, daß derartige Regionalkonflikte unbeabsichtigt zum Weltkrieg eskalieren konnten. Die Gefahr mußte nach westlicher Einschätzung in dem Maße wachsen, wie die Sowjetunion ihr Atomwaffenarsenal ausbauen, seine Einsatzmöglichkeiten durch ballistische Raketen erweitern und seine Vernichtungsqualität steigern konnte. Diesen Zeitpunkt sah man in den Washingtoner Stäben im Laufe der nächsten vier Jahre bis 1954 gekommen. Darauf aber glaubte man sich so lange nicht hinreichend vorbereitet, wie die eigenen Rüstungsausgaben heruntergefahren blieben und die militärische Zusammenarbeit der Westeuropäer noch kein entscheidendes Gegengewicht gegen die sowjetischen Machtmittel auf dem europäischen Kontinent bereitgestellt hatte216. Der Ausbruch des Koreakrieges im Sommer 1950 löste also die Bedrohungsperzeptionen nicht aus, die den westlichen Sicherheitsmaßnahmen der frühen 50er Jahre zugrundelagen. Er wirkte lediglich als Bestätigung für die Annahme, daß ein zunehmend als politisch-strategischer Monolith betrachtetes kommunistisches Weltlager von seinem Moskauer Zentrum aus sofort eingriff, sobald ihm ein regionaler westlicher Rückzug wie in Südkorea dazu die Handhabe bot. Wenn man daher auch im Westen weiterhin nicht glaubte, daß die Unterstützung Nordkoreas durch die Sowjetunion und die Volksrepublik China bereits den Auftakt zu einer globalen militärischen Auseinandersetzung darstellte, so konnten Erfolg oder Mißerfolg der von den USA geführten Gegenmaßnahmen der UNO doch die Weichen für eine künftig eher noch zunehmende weltpolitische Kühnheit oder für die Beibehaltung eines zurückhaltenderen Risikokalküls der Sowjetunion stellen. Deshalb drängten die Sicherheitsberater des US-Präsidenten jetzt erfolgreich darauf und fanden in einer von Kriegspsychosen verunsicherten Öffentlichkeit nunmehr auch entsprechende Unterstützung dafür, daß die eigenen wie die westeuropäischen Rüstungsanstrengungen wesentlich gesteigert wurden217. 215
Vgl. die Positionspapiere des US-Hochkommissars in Bonn und des Foreign Office in London vom
1950 über die vermuteten Deutschlandziele der Sowjetunion, FRUS 1950/IV, S. 644-650, bzw. DBPO 1950/11, S. 109 ff. Beispielhaft dafür: Bericht von State Department und Pentagon an den US-Präsidenten, 7., Positionspapier des Politischen Planungstabs, 18., und Stellungnahme Kirks aus Moskau, 25.4. 1950, FRUS 1950/1, S. 245-252, bzw. IV, 1150-1153 und 1164-1183; zur Erstellung des Strategiepapiers NSC-68 insgesamt: Gaddis, Strategies, S. 89-109. Vgl. Memoranden aus dem Umfeld des National Security Council, 29.6., 1.7. und 8. 8., sowie Kirk aus Moskau, 11.8. 1950, FRUS 1950/1, S 327-330, 331-341, 361-367 und 367 ff; zum Zusam-
April
216
217
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Die damit verbundene zunehmende Militanz im öffentlichen Schlagabtausch zwischen Ost und West bestärkte freilich spiegelbildlich die Bedrohungsannahmen in den kommunistischen Ländern, da hier die Steigerung der amerikanischen Rüstung naturgemäß nicht als defensive Antwort auf die eigene Politik, sondern als Ausfluß der prognostizierten allgemeinen Wirtschaftskrise im Westen bewertet wurde, in der ein »Übergang zur Rüstungs- und Kriegswirtschaft [...] als eine Rettung vor der ansteigenden Krise« erschien. Die Erfolge der USA bei der Herstellung einer breiten Unterstützungsfront innerhalb der UNO für ihr Korea-Engagement, die Schaffung eines einheitlichen Oberkommandos der NATO unter ihrer Führung und der Zusammenschluß der westeuropäischen Schwerindustrie in der Montanunion im Sommer 1950 fügten sich unter dieser Beleuchtung zu einem einheitlichen Ganzen, in dem die westliche Führungsmacht den ostasiatischen Regionalkonflikt zur Bündelung der westlichen Potentiale mit dem Ziel globaler Hegemonie nutzte. Für die sowjetische Deutschlandpolitik hieß dies, daß die SED auf ihrem Parteitag im Juli 1950 die Schlußfolgerungen aus Stalins Anmahnung einer verstärkten nationalen Anstrengung ziehen mußte. Jede parteiinterne Skepsis gegen eine allzu weit nach rechts ausgreifende »gesamtdeutsche Nationale Front« verfiel daher dem Verdikt des »Sektierertums« Was jetzt zählte, war allein die patriotische Gesinnung des einzelnen, gleichgültig, ob er aus dem früheren Beamtentum, der Wehrmacht, den Unternehmerkreisen oder dem Mitgliederstamm der NSDAP kam218. In der HVA scheinen die Vorstellungen über den Charakter der kommenden Auseinandersetzungen sogar noch einen Schritt weiter gegangen zu sein. Die Delegiertenkonferenz ihrer Politorgane hatte schon Anfang Juli 1950 die Losung ausgegeben, daß die DDR »Basis und Zentrum des nationalen Befreiungskampfs in Deutschland« sei. Konfidentenberichte an das Ostbüro der SPD wollten daher für das Jahr 1950 sogar von MobPlänen wissen, die den Einsatz der VP-Bereitschaften wahlweise für ein offensives oder defensiv unterstützendes Vorgehen im Rahmen eines militärischen Unternehmens der Sowjetunion vorsahen. So weitgehende Überlegungen finden allerdings in den bisher einsehbaren DDR-Akten keine Stütze. In diesen frühen Jahren spiegelt sich in vielen verstreuten Einzelhinweisen vielmehr immer noch ein erhebliches Mißtrauen der sowjetischen Besatzungsmacht in die Zuverlässigkeit der entstehenden kasernierten Bereitschaften wider. Besonders greifbar wird dies an den Weisungsrechten der sowjetischen Militärberater gegenüber den ostdeutschen Kommandeuren auf allen Leitungsebenen, wobei bis in die Anfangsjahre der KVP Waffen und Munition außerhalb der ostdeutschen Kasernen gelagert und selbst für Schießübungen noch aus sowjetischen Beständen zugeführt werden mußten219. Eine allzu aktive Rolle für die VP-Bereitschaften, deren Hauptziel bis 1952 zudem in der Auswahl und Ausbildung zuverlässiger Führungskader lag, wird man daher noch nicht anzunehmen haben. Manche Berichte an das Ostbüro der .
menhang von Kriegsausbruch Strategies, S. 107-117. 218 219
und
Steigerung
des
US-Verteidigungsetats
1950
insgesamt: Gaddis,
Referate Piecks und Grotewohls, Protokoll des III. Parteitages, Bd 1, S. 25-30 bzw. 207. Vgl. Befragungsprotokoll des ehemaligen Stabschefs der KVP und späteren Generalmajors der NVA, Bernhard Bechler vom März 1990, das dem Autor dankenswerterweise von Dr. Torsten Diedrich zur Verfügung gestellt wurde.
80
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SPD hinterlassen denn auch eher den Eindruck, aus der Quelle einzelner bramarbasierender VP-Offiziere zu stammen. Klargestellt wurde aber immerhin auf dem SED-Parteitag von 1950 noch einmal, daß entsprechend dem Politbürobeschluß vom Frühjahr 1949 »die Angehörigen unserer Volkspolizei [...] bereit [sind], im Falle einer Aggression gegen die Aggressoren zu kämpfen und die Sowjetunion in der Herbeiführung des Friedens zu unterstützen«220. Eine Intensivierung der eigenen Deutschlandoffensive mußte der Sowjetunion umso notwendiger erscheinen, als man in Moskau schon im Sommer 1950 davon ausging, daß in Westdeutschland die Generale Guderian und Halder unter dem Deckmantel von Polizeiverbänden an der Aufstellung einer 500 000 Mann starken Streitmacht arbeiteten221. Das eilte den Dingen jedoch noch ein gehöriges Stück voraus. Nach Ausbruch des Koreakrieges setzten im Juli 1950 zwar erste konkrete Überlegungen der westlichen Besatzungsmächte mit Vertretern der Bundesregierung über eine mögliche Aufstockung der deutschen Dienstgruppen bei den alliierten Besatzungskräften und deren Ausbau zu militärischen Formationen als Nukleus künftiger westdeutscher Streitkräfte ein. Ende des Monats lehnten die Westmächte aber selbst die Aufstellung einer Bundespolizei als Gegengewicht zu den kasernierten VP-Bereitschaften immer noch ab und genehmigten lediglich kasernierte Polizeieinheiten in einer Stärke von 10 000 Mann auf Länderebene. Einer erneuten Forderung Adenauers für eine freiwillige »Schutzpolizei« von 150 000 Mann war im Herbst 1950 dasselbe Schicksal beschieden, da die Westmächte über westdeutsche Freiwilligenformationen nicht dem Aufbau einer künftigen Nationalarmee Vorschub leisten wollten, gingen alle ihre Vorüberlegungen doch von einem strikt kontrollierten Bündniskontingent der Bundesrepublik aus. Und auch dafür fiel die grundsätzliche Entscheidung erst auf der NATO-Konferenz von New York im September 1950222. Bei den Westmächten war man sich freilich bewußt, welche Brisanz ihre Vorentscheidung für die Aufstellung westdeutscher Verbände für die Ost-West-Beziehungen haben mußte. Die ersten sowjetischen Reaktionen auf die New Yorker Beschlüsse fielen allerdings noch »bemerkenswert ruhig« aus, wenn auch die Nationale Front der DDR zum »nationalen Widerstand« in Westdeutschland aufrief. Jedenfalls ging man im Westen nicht davon aus, daß die Sowjetunion eine Aufrüstung der Bundesrepublik mit militärischen Präventivmaßnahmen beantworten wollte, da sie sich nach den Erfolgen der UN-Truppen in Korea schwerlich dem Risiko eines globalen Krieges aussetzen würde. Schlimmstenfalls mochte sie versucht sein, die ostdeutschen VP-Bereitschaften analog zum nordkoreanischen Beispiel in Marsch zu setzen. Doch auch das wurde so lange für unwahrscheinlich gehalten, wie die Sowjetunion noch nicht für einen allgemeinen Krieg disponiert war, da ihr die Eskalationsgefahr an der Nahtstelle zwischen Ost und West zu 220
221
222
Begrüßungsansprache Thiles (Abordnung der Vopo), 21., und Dahlems, 22. 7., Verhandlungen des III. Parteitages, Bd 1, S. 242 bzw. 253; Hinweise aus Konfidentenberichten: Fischer, Anfänge, S. 26 f.; Erklärung der 2. Delegiertenkonferenz der Politorgane der SED in der HVA, 1./2. 7. 1950, Die Militär-und Sicherheitspolitik der SED, S. 101. Angaben der Izvestija, 27.7. 1950, KAG 1950, S. 2509 A. Vgl. Anfänge westdeutscher Sicherheitspolitik, Bd 1, S. 363-389, und Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung, Bd 3, S. 76-84.
Die
Sicherheitsproblematik im Kontext der sowjetischen West- und Deutschlandpolitik
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hoch erscheinen mußte. Sie würde daher ihre »Friedenskampagne« fortsetzen, möglicherweise auch ihre deutschlandpolitischen Offerten an die Adresse der westdeutschen Nationalisten anreichern, im übrigen aber, wie sie es nach Rückschlägen wie jetzt in Korea immer getan hatte, erst einmal eine taktische Atempause anstreben223. Die westlichen Überlegungen zu einer Arrondierung der eigenen Blockbildung durch Einbeziehung Westdeutschlands warfen für die Sowjetunion jedoch nicht nur Sicherheitsprobleme im engeren militärischen Sinne auf. Da sie von umfangreichen Embargomaßnahmen des Westens begleitet waren, die den Export strategisch nutzbarer Rohstoffe und Industriegüter in den kommunistischen Machtbereich unterbinden sollten, suchte die sowjetische Seite die eigene Einflußsphäre durch Verdichtung ihrer bilateralen Handelsverträge mit den osteuropäischen Staaten im 1949 gegründeten Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) für den anstehenden Wirtschaftskrieg blockadefest zu machen. Die Dringlichkeit einer derartigen wirtschaftlichen Umorientierung auf einen osteuropäischen Binnenmarkt erhellte allein schon daraus, daß die Exportanteile Osteuropas am westeuropäischen Handel 1950 auf ein Drittel des Volumens von 1938 geschrumpft waren. Bei aller formalen Offenhaltung der deutschen Frage wurde daher auch die DDR bereits 1950 in den RGW integriert, freilich mit der bezeichnenden Sonderregelung, daß über den Interzonenhandel die ökonomische Tür nach Westdeutschland geöffnet blieb224. Das Grunddilemma einer Politik, die das eigene osteuropäische Vorfeld zur Absicherung zusehends gegen Westen abschottete, es an seiner deutschen Nahtstelle aber gleichzeitig zur Verhinderung eines weiteren westlichen Zusammenrückens deutschlandpolitisch offenzuhalten suchte, überlagerte auch die Innenpolitik der DDR durchgängig in diesen frühen Jahren. Gegen die Vorstellung einer stromlinienförmigen »Sowjetisierung« Mitteldeutschlands seit 1945 ist daher zu Recht auf die Brüche in dieser Entwicklung gerade in den Umbaujahren 1948 bis 1952 abgehoben worden, in denen sowjetische Einsprachen mehrfach eine von der SED-Führung bereits eingeleitete, forciertere Errichtung einer deutschen Volksdemokratie bremsten225. Der Anspruch der Bundesrepublik, von ihren parlamentarisch-demokratischen Strukturen her allein als Sprecherin des ganzen deutschen Volkes legitimiert zu sein, fand dabei sein Pendant in einer Gegenstrategie der SED. Sie sah in den Strukturveränderungen innerhalb der DDR die einzige Garantie dafür, daß eine Wiedervereinigung Deutschland nicht lediglich zur Osterweiterung der Bundesrepublik und damit der westlichen Allianz insgesamt führen würde226. 223
224
225 226
Zu den Reaktionen auf New York: Analyse der DDR-Presse durch die US-Hochkommission, 6., und Einschätzung der Prager Ostblock-Konferenz durch das Foreign Office, 23. 10., FRUS 1950/IV, S. 972 ff, bzw. DBPO 1950/III, S. 191-194; generelle Analysen der Ost-West-Lage: Einschätzungen der US-Geheimdienste, 15. 11. und 11. 12., Barbour bzw. Kirk aus Moskau, 17. bzw. 19. 12., und Bewertung der sowjetischen Protestnote gegen die westdeutsche Aufrüstung durch das Foreign Office, 18. 12. 1950, FRUS 1950/1, S. 414 f., 1951/1, S. 4-7, 1950/IV, S. 1274-1277, 1950/1, S. 481^184, und DBPO 1950/III, S. 379 f. Vgl. Fritsch-Bournazel, Sowjetunion, S. 48 f. Vgl. vor allem Staritz, Ostintegration, S. 279-289. vgl. Fritsch-Bournazel, Sowjetunion, S. 49 f.
82
Bruno Thoß
Je weiter die DDR-Führung freilich beim volksdemokratischen Umbau voranschritt, desto mehr mußte sich entgegen den eigenen und sowjetische Hoffnungen auf eine aktivere Deutschlandpolitik die strukturelle Kluft zur Bundesrepublik vertiefen. Anders als dies der eigene ideologische Fortschrittsglauben suggerierte, stieg damit nämlich keineswegs die Attraktivität der DDR in den Augen der Westdeutschen. Die »Abstimmung mit den Füßen« einer konstant hohen Fluchtbewegung227 zeigte zudem, daß auch die Akzeptanz in der eigenen Bevölkerung entgegen allem propagandistischen Optimismus vorerst weiter zurückging, Loyalität mithin durch zunehmende innere Repression erzwungen werden mußte. Die stalinistischen Säuberungswellen in den Parteien und Exekutivkräften der DDR liefern dafür schlagende Belege.
Zwischen deutschlandpolitischer Offensive und »Aufbau des Sozialismus« in der DDR 1951/52 Wie sehr
aller Maßnahmen
Konsolidierung der Machtstrukturen in der DDR weiterhin von zentralen sicherheitspolitischen Vorsowjetische Deutschlandpolitik läßt sich schrittweise erhöhten Einsatz gegen die Fortihrem an gaben geprägt blieb, schritte der westlichen Verhandlungen über eine Europaarmee ablesen. Dabei scheint die sowjetische Führung aus den Fehlschlägen ihrer Gegenmaßnahmen in den Jahren 1948/49 gelernt zu haben, als sie die westliche Integration durch Erhöhung des internationalen Drucks auszuhebein versucht hatte. Bei aller fortgesetzten Feindseligkeit ihrer »hate America«-Propaganda wurde schon an der Jahreswende 1950/51 erkennbar, daß sie die Erweiterungspläne der westlichen Allianz nicht erneut durch harte eigene Gegenmaßnahmen etwa in Berlin zusätzlich zu fördern gedachte. Charakteristisch dafür war die vergleichsweise moderate Reaktion auf Trumans Erklärung des nationalen Notstands nach dem chinesischen Kriegseintritt in Korea Ende November 1950. Die sowjetischen Medien forderten zwar nunmehr ihrerseits zu erhöhter »Wachsamkeit« auf, unterließen aber jede zusätzliche Alarmierung der Öffentlichkeit durch Nachrichten über eine drohende globale Kriegsgefahr. Stalin selbst suchte die westlichen Warnungen vor einer sowjetischen Aufrüstung damit zu widerlegen, daß ihm dafür wegen der umfangreichen Großvorhaben zur Modernisierung seines Landes gar nicht die Mittel zu Verfügung stünden228. In diese Linie vorrangig politischer Reaktionen paßte an der Jahreswende 1950/51 auch die Initiative Grotewohls, der die nationale Frage auf deutsch-deutscher Ebene zu aktivieren versuchte. Seinen Vorschlag eines paritätisch besetzten »Gesamtdeutschen Konstituierenden Rats« konterte die Bundesregierung zwar erfolgreich mit der Forderung nach freien gesamtdeutschen Wahlen unter internationaler Kontrolle als Grundlage einer demokratisch legitimierten Nationalversammlung. Das parallele Drängen der Sowjetunion auf eine Wiederaufnahme des Ost-West-Dialogs zielte aber nicht ohne Erfolg auf eine der Schwachstellen in der westlichen Allianzpolitik: die tiefen Vorbehalte der trotz
zur
die
227 228
Zahlen seit 1949: DDR-Handbuch, S. 313. Interview mit der Pravda, 17.2. 1951, Stalin, Reden, S. 129 f.; zur Reaktion auf Trumans Notstandserklärung: Barbour aus Moskau, 21. 12. 1950, FRUS 1950/IV, S. 1280.
Die
Sicherheitsproblematik im Kontext der sowjetischen West- und Deutschlandpolitik
83
Westeuropäer gegen eine Aufrüstung Westdeutschlands nach den historischen Erfahrungen zweier Weltkriege. Die USA registrierten daher schon im Frühjahr 1951 erste Ansätze vor allem bei den Briten, die sowjetische Vorhandlungsvorschläge bei entsprechender Attraktivität zumindest nicht ungeprüft lassen wollten229.
hin, um die vier Mächte im Pariser Palais Marbre Rose zu Vorbeauf reitungsgesprächen eine neue Außenministerkonferenz an den Verhandlungstisch zu bekommen. Die magere Wiederholung der in den letzten Jahren ständig verfolgten Verhandlungsziele eines Friedensvertrages mit anschließendem allgemeinem Truppenabzug aus Deutschland war indes kaum geeignet, die Westmächte von ihrer Allianzpolitik abzubringen. Stalins Marschroute für die internationale »Friedenskampagne«, mit der die »Kriegsbrandstifter« in den westlichen Regierungen vor ihren Völkern »entlarvt« werden sollten, während gleichzeitig nach westlichen Beobachtungen die militärischen Aufbaumaßnahmen in der DDR vorangingen, bestärkten im Westen zusätzlich die Vertreter einer Linie, die aussichtsreiche Ost-West-Verhandlungen erst von einer Basis westlicher Einheit und Stärke aus befürworteten. Die Verhandlungen in Paris verliefen daher schon im Sommer 1951 ohne erkennbare Auflockerung der Fronten im Sande230. Daß Stalin trotz dieses Rückschlags an einer Deeskalation in den Ost-West-Beziehungen interessiert blieb, mag ein Blick auf sein Verhalten in Korea zeigen. Die schweren Einbrüche der UN-Truppen seit der massiven Intervention chinesischer Verbände mochte ihm die Gefährlichkeit einer internationalen Lage vor Augen geführt haben, in der die USA zur Abwendung einer vollständigen Niederlage den Krieg nuklear ausweiten und damit die Schwelle zu einer globalen Auseinandersetzung überschreiten konnblieb zwar weiso die Einschätzung in Washington ten. Die sowjetische Führung terhin an einer Bindung und Abnutzung des amerikanischen Militärpotentials fernab von Westeuropa in Ostasien interessiert. Vor dem Hintergrund der nuklearen Überlegenheit der USA ließ Stalin auch durchblicken, daß er die Steigerung der eigenen atomaren Einsatzmittel nach Zahl und Wirkung voranzutreiben gedachte. Dagegen beteiligte sich die sowjetische Führung seit Sommer 1951 aktiv an der Suche nach einem Waffenstillstand in Korea, der die USA das Gesicht wahren lassen und eine globale Eskalation des Konflikts unterbinden sollte231. Unterdessen liefen freilich die Verhandlungen der Westmächte mit der Bundesregierung über einen Militärbeitrag zum westlichen Bündnis unvermindert weiter. Wollte sie die Sowjetunion daher noch einmal abbremsen, dann mußte sie mehr auf den Verhandlungstisch legen als bisher. Im Westen erwartete man denn auch seit den Fortschritten der EVG-Verhandlungen im Herbst 1951 jederzeit einen spektakulären diplomatischen Vorstoß aus Moskau und war daher von der Note der sowjetischen Regierung über die Das reichte
zwar
—
229
230
231
—
die Einschätzung des Office of German Political Affairs im State Department, 13.3. 1951, FRUS 1951/IH, S. 1094 f.; zum Grotewohl-Brief und der Reaktion Adenauers: Anfange westdeutscher Sicherheitspolitik 1945-1956, Bd 2, S. 276 ff. Vgl. Anfange westdeutscher Sicherheitspolitik, Bd 2, S. 34-42; zu Stalins Vorgaben für die »Friedenskampagne: Interview mit der Pravda, 17.2., Stalin, Reden, S. 134 ff. So Wolkogonow, Stalin, S. 727; zur Ankündigung weiterer sowjetischer Nuklearrüstung: Interview Stalins mit der Pravda, 6. 10., Stalin, Reden, S. 151 ff; zu den Washingtoner Einschätzungen: Memoranden Bohlens, 22.8., bzw. des CIA, 24.9. 1951, FRUS 1951/1, S. 165 bzw. 196-199.
Vgl.
84
Bruno Thoß
Einleitung neuer Deutschlandverhandlungen vom 10. März 1952 nicht sonderlich überrascht. Kontrovers wurde dagegen von Anfang an die Frage beantwortet, ob es sich dabei um ein ernsthaftes Verhandlungsangebot oder lediglich um einen Propagandacoup handelte, mit dem die Sowjetunion vor der Öffentlichkeit die Schuld an der deutschen Teilung dem Westen zuweisen wollte232.
Es ist hier nicht der Ort, die Kontroverse um die sogenannten Stalin-Noten und die »verpaßte Gelegenheit« ihres Nichtauslotens durch den Westen erneut aufzurollen. Dazu geben die Aktenfunde aus ehemaligen DDR-Archiven, allen voran die Aufzeichnungen Piecks über die Gespräche einer SED-Delegation mit der sowjetischen Führung233 im unmittelbaren Anschluß an die erste Runde des Notenwechsels, zu wenig an neuen Informationen her. Lediglich eine knappe Einordnung in die bisher skizzierte sowjetische Sicherheits- und Deutschlandpolitik sei versucht. Zunächst einmal machte der Text der ersten sowjetischen Note deutlich, daß die Sowjetunion ihre Hauptziele Herbeiführung eines Friedensvertrages als Basis für einen allgemeinen Truppenabzug aus Deutschland nicht aufgegeben hatte. Neu war vielmehr, daß sie dafür erstmals die Konditionen näher beschrieb, wenn sie als Preis für eine Wiedervereinigung darauf bestand, daß sich ein künftiges Deutschland verpflichten müsse, »keinerlei Koalitionen oder Militärbündnisse einzugehen, die sich gegen irgendeinen Staat richten, der mit seinen Streitkräften am Krieg gegen Deutschland teilgenommen hat«. Dazu sollten ihm zur Sicherung seiner Unabhängigkeit »eigene nationale Streitkräfte« zugestanden werden. In seiner inneren Ordnung hatte dieses künftige Deutschland aber dafür Sorge zu tragen, daß sich keine Organisationen betätigen konnten, »die der Demokratie und der Sache der Erhaltung des Friedens feindlich sind«234. Setzt man dies in Vergleich zu den sicherheitspolitischen Zielen, die Stalin verfolgte, seit sich die Bildung einer westeuropäisch-atlantischen Allianz unter Einbeziehung Westdeutschlands ankündigte, dann wird man darin in der Tat eine Präzisierung der sowjetischen Mindestforderungen für eine Deutschlandlösung erkennen können, die noch mit dem sowjetischen Sicherheitskalkül vereinbar war: eine Neutralisierung, die das westdeutsche Potential dem Zugriff der angelsächsischen Mächte entzog und gleichzeitig über das Verbot »antidemokratischer« und »friedensfeindlicher« Kräfte nach sowjetischem Verständnis innere Vorkehrungen gegen eine antisowjetische Wendung des neuen Deutschlands bereithielt. Auch die Lockmittel an die Adresse des deutschen Nationalismus mit den Angeboten einer Nationalarmee und der Nichtdiskriminierung ehemaliger Wehrmachtsangehöriger und minderbelasteter NS-Mitglieder schlössen an die durchgängigen Hoffnungen Stalins auf den deutschen Nationalismus an. Der selbst in nationalen Kategorien denkende und handelnde sowjetische Diktator mißtraute und umwarb ihn gleichermaßen, da er wohl ähnlich wie die Westmächte seine Wirkungskräfte trotz ihrer Abnutzung in zwei Weltkriegen letztlich überschätzte. —
—
232
233
234
Beispielhaft für die unterschiedlichen Einschätzungen: Gascoigne bzw. Cumming aus Moskau, 14. bzw. 16. 3. 1952, Steininger, Chance, S. 137 bzw. 149. Vgl. Staritz, Aufbau des Sozialismus, S. 696 f., und Otto, Sowjetische Deutschlandnote,
S. 381-389. Textkritische
Ausgabe der Märznote bei Jäckel, Die deutsche Frage 1952-1956, S. 23 f.; vgl. auch Weber, Wiedervereinigungsangebot, S. 6 f.
Die
Sicherheitsproblematik im Kontext der sowjetischen West- und Deutschlandpolitik
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fragen bleibt allerdings, ob Stalin ernsthaft davon ausging, die Westmächte ausgerechnet mit einem derart offensichtlichen Angebot an die nationale Rechte in Deutschland vor Abschluß ihrer Allianzpolitik noch einmal an den Verhandlungstisch bekommen zu können. Sollte ihm wirklich die doppelte Zielrichtung einer Politik der Westorientierung der Bundesrepublik verborgen geblieben sein, die mit der Nutzung des westdeutschen Potentials zugleich die Kontrolle der unruhigen Deutschen durch ihre feste Einbindung anstrebte? Sein wahlweises Spiel mit dem deutschen Nationalismus und den Deutschlandängsten der Westeuropäer läßt eine solche Vermutung nicht zu. Eine mögliche Antwort hält dagegen die Analyse seiner fast zeitgleich im Februar 1952 veröffentlichten theoretischen Spätschrift »Ökonomische Probleme des Sozialismus in der UdSSR« bereit. Stalin kam darin auf die Leninsche Einschätzung von den inneren Gegensätzen in der kapitalistischen Welt zurück, die sich in permanenten Kämpfen um die enger werdenden Weltmärkte niederschlügen. Aus diesem Ringen seien Deutschland und Japan durch den Ausgang des Weltkrieges zwar zeitweilig, aber nicht dauerhaft ausgeschaltet worden. Ging man also von einem künftigen Wiedereintritt der beiden Besiegten in den innerkapitalistischen Konkurrenzkampf aus, dann mochte es durchaus sinnvoll sein, diese Gegensätze durch die Bestärkung des nationalen Widerstandes gegen die Weltpolitik der USA zu vertiefen. Der sowjetischen Weltmacht mochte das die Chance zum Aufbrechen des Eindämmungsrings und zur Wiederaufnahme ihrer Rolle als Schiedsrichter über den streitenden Parteien analog zur unmittelbaren Vorkriegszeit bieten. Der Preis einer Entlassung Mitteldeutschlands aus dem eigenen direkten Zugriff würde dafür nicht zu hoch gewesen sein235. Als indirekten Beleg für die Ernsthaftigkeit des sowjetischen Angebots ist zudem auf Mitteilungen des italienischen Sozialistenführers Nenni über angebliche Ängste der SED-Führung vor einem Fallenlassen durch die Sowjetunion verwiesen worden. Nun war die SED-Spitze tatsächlich nur formal über die erste Note Stalins informiert, aber zu ihrer Ausarbeitung nicht konsultiert worden. Inzwischen konnte jedoch herausgearbeitet werden, daß sich in den parteiinternen Diskussionen im Frühjahr 1952 keine Hinweise für eine besondere Besorgnis der Führungskader über ein mögliches Ende ihrer Herrschaft finden lassen236. Dafür mögen unterschiedliche Erklärungen sprechen. Der Passus in den Vorbereitungsnotizen Piecks auf die Moskauer Besprechungen von Anfang April: »Was tun gegen Generalvertrag? Wahrscheinlich wird er Mitte Mai angenommen«, könnte darauf schließen lasssen, daß die SED-Führung über das sowjetische Zu
Angebot deshalb nicht allzu alarmiert war, weil sie bereits zu einer realistischeren Einschätzung seiner geringen Erfolgsaussichten gekommen war. Daneben wird aber auch aus den Passagen der sowjetischen Note über die inneren Verhältnisse nach einer Wiedervereinigung erkennbar, daß die Sowjetunion die eigenen Strukturveränderungen in Mitteldeutschland nicht vollständig zu opfern, sondern als Garantie gegen einen antisowjetischen Umschlag in ein neues Deutschland einzubringen gedachte. Genau darauf aber bereitete sich die SED-Führung ausweislich des Protokolls ihrer 8. ZK-Sitzung vom 235
236
22. Februar vor,
wenn
sie
von
ihrem Fortschrittsverständnis her die Strukturen im
Vgl. Fritsch-Bournazel, Sowjetunion, S. 51 f.; Stalins Analyse untermauerten Molotov und Malenkov in ihren Reden auf dem XIX- Parteitag der KPdSU im Oktober 1952, KAG 1952, S. 3683 A. Vgl. Staritz, Aufbau des Sozialismus, S. 694 f., und Heitzer, Entscheidungen, S. 24 f.
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Bruno Thoß
eigenen Herrschaftsbereich weiter festigte und im Wettlauf der Systeme auf die Magnetwirkung des ostdeutschen Modells auch im Rahmen eines künftigen Gesamt-
deutschlands setzte237. Wie immer man die Hoffnungen einschätzen mag, die hinter dem sowjetischen Angebot vom März 1952 tatsächlich gestanden haben, Skepsis über allzu unrealistische Erfolgserwartungen Stalins ist zumindest bis zum Beweis des Gegenteils aus sowjetischen Akten angebracht. Immerhin hatte in den zurückliegenden Jahren keine seiner verschiedenen Gegenmaßnahmen den Kurs der westlichen Integration merklich zu verlangsamen vermocht, und nun sollte dies ausgerechnet mit einem so offensichtlich gegen das Interesse der Westmächte gerichteten Appell an den deutschen Nationalismus gelingen? Aber auch eine sicherlich in Rechnung gestellte westliche Ablehnung mochte sich nutzbringend verwerten lassen, klärte sie doch die Fronten in aller Öffentlichkeit und rechtfertigte damit den weiteren Einbau der DDR in den Ostblock, während sie in der Bundesrepublik den Stachel der verfehlten Einheit zurückließ. Schon bei der ersten Besprechung mit der SED-Delegation am 1. April in Moskau resümierte Stalin jedenfalls über die erste Runde des Ost-West-Notenwechsels: »Bisher alle Vorschläge abgelehnt. [...] Demarkationslinie gefährliche Grenze [...]. Bewaffnung muß geschaffen werden [...]. Nicht Miliz, sondern ausgebildete Armee. Alles ohne Geschrei, aber beharrlich238.« Damit war für die Militärpolitik in der DDR eine qualitativ höhere Stufe beschriften. Das löste sofort nach Rückkehr der SED-Delegation aus Moskau eine ganze Serie politischer und militärischer Maßnahmen aus, die schließlich im Juli 1952 in den Beschlüssen der 2. Parteikonferenz der SED zum »Aufbau des Sozialismus« gipfelten. Im Beschluß des Politbüros vom 11. April über die Auflösung der bisherigen fünf Länder war für die territoriale Neugliederung in Bezirke auch bereits an eine Grenzziehung »entsprechend der politischen, wirtschaftlichen, verkehrstechnischen und militärischen Zweckmäßigkeit« gedacht. Auf den Maikundgebungen bereiteten Pieck und Grotewohl die Bevölkerung auf die Notwendigkeit vor, »die bewaffnete Verteidigung unserer Heimat zu organisieren«, sobald die Bundesrepublik nach Abschluß des »Generalkriegsvertrages« in das westliche Bündnis einbezogen war. Das IV. FDJ-Parlament griff die Parole auf und beschloß zur vormilitärischen Ausbildung der Jugend die Einführung von Arbeitsgruppen für Kampfsport, aus denen noch im selben Jahr die Gesellschaft für Sport und Technik (GST) hervorging. Ende Mai faßte die Regierung der DDR den Beschluß zur Schaffung einer 5 km breiten Sperrzone entlang der innerdeutschen Grenze, die nur noch mit Sondererlaubnis betreten werden durfte. In einer gemeinsamen Erklärung stellten sich Mitte Juni alle im Demokratischen Block zusammengefaßten Parteien und Massenorganisationen hinter die Politik eines bewaffneten Schutzes der DDR239. 237 2.8
2.9
Vgl. Heitzer, Entscheidungen, S. 25 f. Zit. nach Otto, Deutschlandnote, S. 389. Politbüro-Beschluß zur territorialen Neugliederung, 11.4., ZPA, NL 36/657, Bl. 131; Ansprachen Piecks und Grotewohls zum 1.5. und Verordnung der DDR-Regierung über Maßnahmen an der Demarkationslinie, 26.5., KAG 1952, S. 3452 A bzw. S. 3495 A; Forderungen des IV. FDJ-Parlaments, 27.5., Militär- und Sicherheitspolitik, S. 112 f.; Entschließung des Blocks der antifaschistisch-demokratischen Parteien, 17.6. 1952, KAG 1952, S. 3522 A.
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Die Sicherheitsproblematik im Kontext der sowjetischen West- und Deutschlandpolitik
Die SED-Führung konnte sich mithin auf eine breite Bewegung berufen, wenn sie auf ihrer 2. Parteikonferenz vom 9. bis 12. Juli 1952 nunmehr offen den Aufbau nationaler Streitkräfte ankündigte240. Schon eine Woche zuvor hatte das Politbüro den »Übergang zum Aufbau des Sozialismus« beschlossen. Es wollte damit ganz auf der Linie der SED seit 1947 die internationale Konstellation nutzen, um endlich aus der Schwebelage einer nicht voll in das sozialistische Lager eingegliederten Sonderexistenz herauszukommen. Stalin selbst sanktionierte den eingeschlagenen Kurs schon nach einigen Tagen öffentlich, wenn er den Entschluß zum »planmäßigen Aufbau des Sozialismus in der DDR« mit dem »Wendepunkt« der DDR-Gründung von 1949 vergleichen ließ241. Damit zog die sowjetische Führung nach Einschätzung des neuen US-Botschafters in Moskau, Kennan, jetzt im Sommer die Konsequenzen aus dem gescheiterten Notenwechsel vom Frühjahr. Eine westliche Allianzerweiterung war vorerst nicht mehr zu verhindern, deshalb mußten auch die Strukturen im eigenen Lager weiter gefestigt werden. Stalin begrub im Herbst vor dem XIX. Parteitag der KPdSU seine Hoffnungen auf eine nationale Bourgeoisie in Deutschland, die ihre Prinzipien von der »Unabhängigkeit der Nation für Dollars [...] verkauft« und die Rolle der Patrioten damit endgültig an die »Vertreter der kommunistischen und demokratischen Parteien« abgegeben habe242. Der Vorrang einer Festigung der Blockstrukturen in Osteuropa ließ die sowjetische Führung jedoch auch in der Folgezeit weiter nach risikoärmeren Formen der Ost-West-Auseinandersetzungen Ausschau halten. Wenige Monate vor seinem Tod signalisierte Stalin persönlich dem neugewählten US-Präsidenten Eisenhower seine Bereitschaft zu einer Zusammenkunft und verband dies mit dem Angebot, an der Beendigung des Koreakrieges mitzuwirken243. Die westinternen Schwierigkeiten bei der politischen Umsetzung der EVG-Verträge sollten auch seinen Nachfolgern in den kommenden Jahren weitere Ansatzpunkte zur Fortsetzung einer Politik paralleler Entspannungssignale und weiterlaufender Blockfestigung bieten.
Schlußbetrachtung Die
sowjetische Sicherheitspolitik war seit ihren Anfängen von zwei eng verbundenen Bestimmungsfaktoren geprägt. Von ihrem revolutionären Anspruch her stellte sie für ihre
nichtrevolutionäre Umwelt ein permanentes Sicherheitsrisiko dar, sah sich dabei aber
gleichzeitig von deren Gegenreaktionen selbst vor ein ständiges essentielles Sicherheitsproblem gestellt. Sie reagierte darauf, indem sie sich einer Sicherheitsdoktrin absoluter um eiAutonomie und Autarkie verschrieb. Für das internationale System hatte dies ne Formel von Henry Kissinger zu gebrauchen zur Folge, »daß das Verlangen eines —
—
240
241
242
243
Zu den Diskussionen auf der 2. Parteikonferenz: Die Militär- und Sicherheitspolitik der SED, S. 117-124. Vgl. Staritz, Aufbau des Sozialismus, S. 698 ff, und Heitzer, Entscheidungen, S. 29-32. Rede vom 14. 10., Stalin, Reden, S. 189 f.; Einschätzung Kennans aus Moskau, 27. 8. 1952, FRUS 1952-1954, VII/l.S. 301 f. Antworten auf Fragen des diplomatischen Korrespondenten der New York Times, James Reston, 21.12. 1952, Stalin, Kampf, S. 332.
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Bruno Thoß
Staates nach absoluter Sicherheit zur absoluten Unsicherheit für alle anderen führt«244. Die eigene innere Ordnung aber überlastete man damit ökonomisch in einem Maße, daß die unterschwellige Systemkrise letztlich nur solange beherrschbar blieb, wie äußerer Druck und innere Repression zur Stabilisierung zusammenwirkten. Das Dilemma, wie sich revolutionäre Doktrin und nationale Sicherheit miteinander verbinden ließen, hatten Lenin und sein Nachfolger Stalin frühzeitig erkannt. Gegen Trockijs weltrevolutionären Aktionismus setzten sie daher auf eine Politik des längeren Atems, die vorrangige Systemsicherung und risikobewußte internationale Chancenausnutzung im zeitweiligen Nebeneinander koexistierender gesellschaftlicher Ordnungen austarierte. Damit konnte man zwar bis 1939 schrittweise auf die internationale Bühne zurückkehren und nach 1945 die Spannungen unterhalb des Umschlags zum globalen Krieg halten. Das Pendeln zwischen defensiver Besitzstandswahrung und kalkulierter Machterweiterung machte die Sowjetunion aber gerade in der Stalin-Ära zum unberechenbaren Faktor in einer an sich schon labilen Nachkriegsordnung. Die Unsicherheit darüber, wo legitime Sicherheitsbefriedigung aufhörte und revolutionäre Rhetorik auf der Basis wachsender militärischer Mittel in expansive Machtpolitik umschlagen mochte, legte im Westen den Grund für eine Blockpolitik, die ihrerseits wiederum die sowjetische Annahme von unaufhebbaren Systemantagonismen bestätigte. Vor diesem Hntergrund sich wechselseitig hochschaukelnder Gegnerwahrnehmungen gewannen das schnelle Auseinanderbrechen der Kriegskoalition und der Ausbruch des Kalten Krieges geradezu den Charakter des Zwangsläufigen. Die Analyse der westinternen EntScheidungsprozesse hat inzwischen aber zumindest für die Jahre 1945 bis 1947 deutlich gemacht, daß der Zug in die Konfrontation nicht so alternativlos war, wie dies den Zeitgenossen erscheinen mochte. Bei aller gebotenen Zurückhaltung im Urteil wird man zudem speziell in der deutschen Frage davon auszugehen haben, daß eine frühzeitige Teilung des Landes nicht im sowjetischen Sicherheitsinteresse gelegen hat, mußte sie doch den Löwenanteil des deutschen Potentials der Gegenseite zuschlagen. Nirgends wird dies greifbarer als in den vielfachen Signalen an das deutsche Nationalbewußtsein und im Bremsen jener Kräfte in der SED, die um der Stabilisierung ihres Systems willen auf eine raschere sozialistische Gangart drängten. Das doppelte Manko der sowjetischen Deutschlandoffensive trat indes darin zutage, daß sie sich auf zwei für den Westen gerade in ihrer Kombination gleichermaßen gefährliche Verbündete abzustützen suchte: die deutschen Nationalisten und Kommunisten. Was man daher mit einigem Recht dem Westen vorhielt, daß seine Deutschlandstrategien in letzter Konsequenz auf eine Osterweiterung seiner Einflußsphäre hinausliefen, schlug damit spiegelbildlich auf einen selbst zurück, beinhaltete die eigene Deutschlandpolitik in nationalkommunistischem Gewände doch ebenfalls die Möglichkeit eines expansiven Aufbrechens der Potsdamer Nachkriegsordnung. Ob ein frühzeitigeres Spielen mit der Karte einer Neutralisierung, für die es in den ersten Nachkriegsjahren immerhin einige Ansatzpunkte in westinternen Überlegungen gegeben hat, für die Sowjetunion aussichtsreicher gewesen wäre, wird man freilich vorerst ebenso im Spekulativen ansiedeln müssen wie die bisherigen Annahmen über den Stellenwert ihrer Aufrüstungsmaßnahmen in der SBZ/DDR
Kissinger, Großmacht Diplomatie, S. 8.
Die
Sicherheitsproblematik im Kontext der sowjetischen West- und Deutschlandpolitik
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für ihre Deutschland- und Sicherheitspolitik insgesamt. Vor Öffnung ihrer Archive wirft die Analyse der sowjetischen Nachkriegspolitik mithin nach wie vor ebenso viele Fragen auf, wie sie vorläufige Antworten dafür parat hält.
Kurt Arlt
Das Wirken der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD) im Spannungsfeld zwischen den Beschlüssen von Potsdam und den sicherheitspolitischen Interessen Moskaus 1945-1949
Einleitung zu historischen Abläufen und Ereignissen im östlichen Nachkriegsdeutschland kommen kaum umhin, den Absichten und dem Wirken der Sowjetunion die gebührende Aufmerksamkeit zu schenken. In besonderem Maße trifft das für die Sicherheits- und Militärpolitik zu, die in ihren Anfängen von der Sowjetunion als Besatzungsmacht initiiert und begleitet wurde und deren feste Einbindung in sowjetische Zielvorstellungen, doktrinäre Ansichten und praktische Maßnahmen stets ein Grundaxiom für die politische und staatliche Führung der späteren DDR darstellte. Bislang sind hier jedoch noch erhebliche Forschungsdesiderata zu verzeichnen. Während zur Besatzungspolitik der westlichen Alliierten und zu den darin eingebundenen Anfängen westdeutscher Sicherheitspolitik ausführliche und gut dokumentierte Untersuchungen vorliegen1, sind selbst Überblicksdarstellungen zur sowjetischen Besatzungsmacht nahezu an einer Hand abzuzählen2; Arbeiten russischer Historiker befinden sich leider nicht darunter. Ganz besonders unzureichend ausgeleuchtet erscheint dabei die Besatzungspolitik und -praxis der Sowjetunion als Basis und Nährboden für die ersten Ansätze ostdeutscher Sicherheits- und Militärpolitik. Unter diesem Blickwinkel kommt detaillierteren Untersuchungen zum Wirken und zur Rolle der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD) eine nicht zu unterschätzende Bedeutung zu. Dieses Besatzungsorgan, das die UdSSR 1945 zur Durchsetzung alliierter Vereinbarungen und zur Wahrnehmung eigener Interessen gegenüber Deutschland ins Leben gerufen hatte, verkörperte die oberste Regierungsgewalt in der Sowjetischen Besatzungszone und war in dieser Eigenschaft neben anderen Aufgaben auch für alle Belange sicherheits- und militärpolitischer Natur zuständig. Bestimmte Ziele sowjetischer Sicherheits- und Militärpolitik wie die völlige militärische
Untersuchungen
1
2
u.a. auf Balfour, Vier-Mächte-Kontrolle; Die britische Besatzungs- und Deutschlandpolitik; Schulte, Britische Militärpolitik, S. 51-75; Henke, Politik, S. 500-537; Aspekte der deutschen Wiederbewaffnung; Entmilitarisierung und Aufrüstung in Mitteleuropa; Anfange westdeutscher Sicherheitspolitik, Bde 1 und 2. Recht ausführliche Aussagen zur Besatzungspolitik der UdSSR enthalten z.B.: SBZ-Handbuch; Foitzik, Sowjetische Militäradministration; Creuzberger, Sowjetische Militäradministration.
Verwiesen sei
92
Kurt Arlt
Entwaffnung Deutschlands, die Liquidierung seiner Rüstungsindustrie, das Verbot jeder militärischen Betätigung, die Bestrafung von Kriegsverbrechern u. a. fanden Eingang in gemeinsame Vereinbarungen der alliierten Hauptmächte. Wenn unter diesen Umständen auch von einer deutschen Sicherheits- und Militärpolitik keine Rede sein konnte, forderten doch diese Maßnahmen, die in der sowjetischen Zone mit besonders tiefen Einschnitten im Leben der meisten Menschen verbunden waren, die gesellschaftlichen Kräfte zumindest zur Stellungnahme heraus. Mit dem heraufziehenden Kalten Krieg und der Kursnahme auf eine am sowjetischen Modell orientierte eigenstaatliche Entwicklung in der SBZ änderten sich bestimmte Akzente in der von der SMAD repräsentierten sowjetischen Sicherheits- und Militärpolitik. Gleichzeitig wurden vorsichtige Anfänge einer ostdeutschen Sicherheits-, später dann auch Militärpolitik sichtbar, die sich zweifellos nur auf der Grundlage sowjetischen Sicherheitsdenkens und im Einvernehmen mit der Besatzungsmacht herausbilden konnten. Die nachfolgende Untersuchung will zur Aufhellung eben jener noch weitgehend im dunkeln liegenden Anfänge beitragen, indem sie Strukturen, Schwerpunktaufgaben und Entwicklungstendenzen innerhalb der SMAD unter sicherheits- und militärpolitischen Aspekten beschreibt und damit eine Beurteilung des Umfeldes und der Wirkungsbedingungen agierender deutscher Kräfte erleichtert. Sie beschränkt sich auf einige wenige Bereiche der Besatzungsverwaltung und spannt den Bogen von 1945 bis 1949. In diesem Zeitraum fielen faktisch in gesamtgesellschaftlicher wie militärpolitischer Hinsicht schwerwiegende Vorentscheidungen für den Weg der späteren DDR, während andererseits bestimmte Merkmale der damaligen sowjetischen Besatzungspraxis, Militärpolitik oder Machtsicherung im Osten Deutschlands über die Existenz der SMAD hinaus ihre Gültigkeit behielten. Die Phase der Sowjetischen Kontrollkommission, der Nachfolgeeinrichtung, wird somit bewußt ausgeklammert, wie auch aus Platzgründen auf den zweifellos interessanten Vergleich mit den anderen Besatzungsmächten verzichtet wer-
den muß. Der Autor war sich der prekären Quellenlage durchaus bewußt. Sicherheits- und Militärfragen, die in jedem Staat höchster Geheimhaltung unterliegen, wurden gerade unter den spezifischen Bedingungen des zu untersuchenden Gegenstandes stichwortartig seien hier nur das totalitäre Sowjetsystem, der Kalte Krieg und die Überlagerung von Entwaffnung und beginnender Aufstellung militärähnlicher Formationen im Osten Deutschlands genannt außerordentlich restriktiv gehandhabt. Die damalige Praxis, die von der bewußt praktizierten Einengung des an der Entscheidungsfindung beteiligten Personenkreises über eine weitgehende Ausgrenzung der Deutschen bei diesen Prozessen bis zur gesonderten Verwahrung und teilweisen Vernichtung wichtigen Aktengutes reichte, wirkt sich heute erschwerend auf die historische Analyse aus. Dem Beitrag liegen aufwendige, vom Ergebnis her dennoch nicht immer befriedigende Archivrecherchen zugrunde. In den Beständen deutscher Archive ließen sich erwartungsgemäß nur bedingt Antworten auf die interessierenden Fragen finden; mit der angekündigten Öffnung der wichtigsten Archive in der ehemaligen UdSSR schienen aber weiterführende Aussagen greifbar nahe. Hier allerdings erfuhren die mit der Perestroika verbundenen Erwartungen eine herbe Enttäuschung. Es bleibt leider festzuhalten, daß man nach der Ankündigung einer derartigen Themenstellung die Türen der be—
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Das Wirken der
Sowjetischen Militäradministration in Deutschland
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treffenden Archive Moskaus wie ehedem kaum geöffnet findet. In der Einleitung zu diesem Sammelband wurde bereits auf einige unerfreuliche Umstände im Archivwesen Rußlands hingewiesen, die sehr wahrscheinlich noch längere Zeit die Arbeit des Historikers begleiten werden. Als jüngstes Beispiel, das die Grenzen und Abhängigkeiten der russischen Archive veranschaulicht, mag die 1992 verfügte Weisung von Präsident Jelzin dienen, die Akten der SMAD bis zum vollständigen Abzug der Westgruppe der Truppen aus Deutschland für die Benutzung zu sperren3. Ungeachtet der genannten Schwierigkeiten hielt es der Autor für vertretbar, den Beitrag bereits jetzt vorzustellen und nicht auf eine irgendwann eintretende echte Öffnung der russischen Archive zu warten. Freilich kann daher die Mehrzahl der ausgeführten Probleme nur angerissen, nicht aber in der gewünschten Weise vertieft werden. Es sollen eher Richtungen für weitergehende Untersuchungen gezeigt, neue Akzente benannt und die Grenzen des Einsehbaren sichtbar gemacht werden. Nicht zuletzt sei darauf verwiesen, daß getroffene Wertungen eher als vorläufig eingestuft werden müssen.
1.
Sowjetische Planungen und Vorbereitungen für ein Nachkriegsdeutschland Jaita und Potsdam als Leitlinien
künftiger sowjetischer Besatzungspolitik Im Februar 1945 trafen sich die Regierungschefs der drei alliierten Hauptmächte, um gemeinsame Grundsätze für die Behandlung Deutschlands nach dem Kriege festzulegen. Nach Vorbereitungsarbeiten der Europäischen Beratenden Kommission wurde auf der Konferenz u. a. über die Besetzung und Kontrolle Deutschlands sowie über die Frage der Reparationen beraten, und entsprechende Dokumente wurden verabschiedet. Die Vereinbarungen über die Besatzungszonen und den Kontrollmechanismus, zu denen zu einem späteren Zeitpunkt noch weiterführende Regelungen getroffen werden sollten, sicherten der Sowjetunion ein Mitspracherecht in deutschen Fragen und damit die Möglichkeit, direkt alliierte und eigene Forderungen und Interessen auf deutschem Boden durchzusetzen. Die im Kommunique zum Ausdruck gebrachte Absicht, neben der militärischen Entwaffnung »die gesamte deutsche Industrie, die zur Rüstungsproduktion verwendet werden könnte, zu liquidieren«4, entsprach in vollem Maße der sowjetischen Position. Für die sowjetische Führung konnte es nicht den geringsten Zweifel daran geben, daß Deutschland Revanchegedanken hegen und mit seiner ökonomischen Macht und seinem Organisationsgrad bald zu erneuter Aggression bereit sein würde, wenn nicht die materiellen Grundlagen beseitigt würden. Das war für sie ein Bestandteil der angestrebten zukünftigen Sicherheit vor Deutschland und zugleich mit dem Nebeneffekt gekoppelt, daß ein starkes Industriepotential für die Wiedergutmachung herangezogen werden konnte. Die Wiedergutmachung der im Krieg zugefügten Schäden stellte näm3 4
Knappe, aber treffende Einschätzung bei Doronin, Realität, S. 449^452.
Teheran, Jaita, Potsdam, hrsg.
von
A.
Fischer, S. 184.
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Kurt Arlt
lieh eine weitere Bedingung dar, die Deutschland auferlegt werden sollte. Hier trafen unterschiedliche Lösungsansätze aufeinander, die von der sowjetischen Führung eine Entscheidung erforderten. Die Sowjetunion benötigte zur Wiederherstellung ihrer Wirtschaft ein Maximum an Reparationen, die jedoch eine entsprechend leistungsfähige deutsche Industrie voraussetzten. Gerade das würde aber ihrem eigenen Sicherheitsinteresse zuwiderlaufen, denn jedes Ankurbeln der Wirtschaft ermöglichte auch eine schnelle Wiederherstellung des Kriegspotentials. Eine Liquidierung der deutschen Rüstungsindustrie und weiterer Bereiche, d.h. die Befriedigung von Reparationansprüchen über Demontagen, war andererseits zwar im sicherheitspolitischen Interesse der UdSSR und konnte der sowjetischen Wirtschaft kurzfristig den dringend benötigten Modernisierungsschub verschaffen, mußte jedoch wegen der dann zwangsläufig in Deutschland auftretenden wirtschaftlichen Probleme die weiteren Reparationen hinauszögern oder ganz unmöglich machen. Eine maximale ökonomische Schwächung Deutschlands und hohe Reparationsforderungen ließen sich kaum miteinander kombinieren. Die in der Reparationsfrage von sowjetischer Seite eingebrachten Vorschläge schienen gerade das bezwecken zu wollen. Sie führten daher nur zu einem Kompromiß: Zwar einigte man sich grundsätzlich darauf, Deutschland Reparationen aufzuerlegen und die Wiedergutmachung jenen Ländern zukommen zu lassen, die die Hauptlast des Krieges getragen hatten, jedoch akzeptierten die westlichen Regierungschefs nicht die Höhe der sowjetischen Forderungen. Die Weiterleitung dieses Problems an die interalliierte Reparationskommission hatte zur Folge, daß bis zur Potsdamer Konferenz keine abgestimmten Regelungen über die gegenüber Deutschland anzuwendenden ökonomischen Maßnahmen und über die Grundsätze für Reparationen bestanden5. Die Kapitulation am 8. Mai bedeutete nach den alliierten Vereinbarungen die Übernahme der obersten Regierungsgewalt in Deutschland. Die auf der Konferenz von Jaita bestätigten Kapitulationsbedingungen kamen aufgrund der besonderen Umstände der Kapitulation nicht zur Anwendung, wurden jedoch überarbeitet und am 5. Juni 1945 als Viermächte-Erklärung veröffentlicht6. In die ursprüngliche Fassung war auf Vorschlag Stalins in Jaita die »Aufgliederung Deutschlands«7 als eine Maßnahme aufgenommen worden, die von den Siegermächten im Interesse von Frieden und Sicherheit eventuell als notwendig erachtet wurde. Die UdSSR war jedoch bereits im März 1945 von diesen Teilungsabsichten abgerückt. Die Dokumente der Konferenz von Jaita stellten für die Durchsetzung sicherheitspolitischer Forderungen der Sowjetunion gegenüber Deutschland eine wichtige Zwischenstufe dar; sie haben aber in der praktischen Tätigkeit der sowjetischen Militärverwaltung offensichtlich keine Rolle gespielt, dazu war der Zeitraum zwischen der Kapitulation und der Potsdamer Konferenz zu kurz. 5 6
Vgl. Beitrag Thoß, S.38 f.
Erklärung in Anbetracht der Niederlage Deutschlands und der Übernahme der obersten Regierungsgewalt hinsichtlich Deutschlands durch die Regierungen des Vereinigten Königreichs, der Vereinigten Staaten von Amerika und der Union der Sozialistischen Sowjet-Republiken und durch die Provisorische Regierung der Französischen Republik, in: Amtsblatt des Kontrollrats, Ergänzungs-
blatt Nr. 1,S. 7 ff. 7
Vgl. Teheran, Jaita, Potsdam, hrsg. von A. Fischer, S.
191.
Das Wirken der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland
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Auf der Potsdamer Konferenz wurden die divergierenden Standpunkte und die Meinungsverschiedenheiten der Regierungschefs deutlicher spürbar als bei ihren früheren Treffen. Die Konferenz bestätigte aber die Festlegungen von Jaita, wenngleich schon mehr Kompromisse eingegangen werden mußten, um nicht ein Scheitern der Konferenz heraufzubeschwören. In den sicherheits- und militärpolitischen Aussagen ging man wesentlich über Jaita hinaus. Das wichtigste Dokument der Konferenz, die »Mitteilung über die Dreimächtekonferenz von Berlin«8, enthielt die Prinzipien für die Behandlung Deutschlands. Grundsätzlich wurde darin den Besatzungsmächten die Verantwortung für Deutschland übertragen. Damit erhielt die Sowjetunion die in Jaita übertragenen Rechte und Pflichten für eine Intervention in deutsche Angelegenheiten bestätigt. Bei Verdacht auf Verletzung alliierter Grundsätze war die Intervention ohne größeren Aufwand möglich, denn die Grundsätze waren »letztlich so allgemein und unverbindlich gehalten, daß sie jeder Siegermacht die Möglichkeit offenließen, sie entsprechend den eigenen Vorstellungen mit politischem Inhalt zu füllen«9. Die Formel »völlige Abrüstung und Entmilitarisierung Deutschlands und die Ausschaltung der gesamten deutschen Industrie, welche für die Kriegsproduktion benutzt werden kann«10, brachte die sicherheitspolitischen Zielstellungen der Sowjetunion auf deutschem Boden in vollem Umfang zum Ausdruck, wobei in diesem Falle aufgrund der mit dem Dritten Reich gemachten Erfahrungen die eigenen Absichten durchaus mit denen der westlichen Alliierten übereinstimmten. Sie bot der Sowjetunion zudem erheblichen Handlungsspielraum für die praktische Umsetzung. In der Frage der Reparationen hatte sich die Sowjetunion das Nahziel gesichert und gleichzeitig weitergehende Wünsche offengehalten: Bei noch auszuhandelndem Gesamtumfang sollte sie ihre Ansprüche durch Entnahmen aus ihrer Zone befriedigen und zusätzlich bestimmte Reparationsanteile aus den westlichen Zonen erhalten. Das sicherte ihr die Möglichkeit, die Reparationsfrage weitgehend in eigener Zuständigkeit, ohne Kontrolle durch die Westmächte und ohne Offenlegung des Umfangs, der wirtschaftlichen Auswirkungen, bestimmter Manipulationen usw. zu handhaben. Bei übermäßiger Entnahme mußte das allerdings die Wirtschaft der eigenen Zone stärker als die der anderen Zonen belasten. Es implizierte unter den Bedingungen eines einheitlichen deutschen Wirtschaftsraums gleichzeitig die Gefahr, daß die Westmächte sich weigern könnten, die östliche Zone auf diese indirekte Weise mitzuversorgen, wenn die Mittel von dort durch die sowjetische Besatzungsmacht abtransportiert würden. Ein gemeinsamer Reparationsplan kam daher in Potsdam nicht zustande. Die in Potsdam beschlossenen Grundsätze sollten außerdem den Rahmen für eine in allen Besatzungszonen durchzusetzende Demokratisierung abstecken. Die wenigen und zudem nicht näher präzisierten Aussagen ermöglichten eine Entwicklung nach dem Demokratieverständnis der Westmächte; sie konnten aber auch von der Sowjetunion als ihr
Programm 8 9 10
vertreten
werden, denn sie ließen
unter
dem
Aushängeschild
der Durchset-
Amtsblatt des Kontrollrats, Ergänzungsblatt Nr. 1, S. 13-20. Steininger, Deutsche Geschichte, Bd 1, S. 143. Mitteilung über die Dreimächtekonferenz von Berlin, 2.8.1945, in: Amtsblatt des Kontrollrats, Ergänzungsblatt Nr. 1, S. 14.
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Kurt Arlt
zung alliierter Vereinbarungen eine politische und gesellschaftliche Umwälzung im sowjetischen Sinne zu. sieht man einmal von Aus sicherheitspolitischer Sicht konnte die Sowjetunion die Vereinbarungen der Potsdamer Konferenz auf ihrer Hader Reparationsfrage ab ben-Seite verbuchen. Ihre sicherheitspolitischen Forderungen gegenüber Deutschland fanden angemessene Berücksichtigung; die zweifellos vorhandene Interpretationsfähigkeit der getroffenen Regelungen ließ für die praktische Umsetzung viel zusätzlichen Raum. Ohne Bedenken seitens der sowjetischen Führung konnten die Vereinbarungen daher »die völkerrechtliche Grundlage für die Tätigkeit der SMAD«" abgeben. —
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Vorläufige Besatzungsorgane bis Kriegsende Nach der Einnahme größerer Reichsgebiete im Ergebnis der Januaroffensive 1945 wurden im rückwärtigen Raum der vorrückenden Armeen und Fronten auf deutschem Boden erste Elemente einer sowjetischen Besatzungsverwaltung installiert. Entsprechend den für die Rote Armee verbindlichen Grundsätzen zur Führung und Sicherstellung von Kampfhandlungen und in Anlehnung an die seit Sommer 1944 gesammelten praktischen Erfahrungen bei der Verwaltung fremdstaatlichen Territoriums sollte auch hier das entstehende Besatzungssystem vor allem durch die Institution der Militärkommandanten getragen werden. Die von den höheren Truppenführern als Militärkommandanten eingesetzten Offiziere, denen in der Regel für den Fronteinsatz entbehrliche kleinere Einheiten unterstellt und in größeren Städten Kommandanturen als Vollzugsorgane beigeordnet wurden, hatten danach in ihrem Zuständigkeitsbereich die Ausschöpfung aller materiellen Ressourcen und die störungsfreie Nutzung der vorhandenen Infrastruktur zu garantieren sowie Sicherheit und Ordnung aufrechtzuerhalten. Für die Erfüllung dieses Auftrags, der bei fortdauerndem Krieg primär auf die Schaffung der erforderlichen Bedingungen für die eigene Kampfführung und erst danach auf die Befriedigung lebensnotwendiger Bedürfnisse der fremden Zivilbevölkerung ausgerichtet sein konnte, standen ihnen mit der Anwendung des sowjetischen Kriegsrechts auf deutschem Boden weitreichende Befugnisse zur Verfügung: In engstem Zusammenwirken mit dem Apparat zur Gewährleistung der inneren Sicherheit12 nahmen sie sämtliche Funktionen territorialer staatlicher Gewalt wahr und übten die höchste militärische und zivile Gewalt aus. Die Militärkommandanten hatten das öffentliche Leben in dem unter Kriegsbedingungen möglichen Maße wieder in Gang zu setzen und die ihnen unterstellten militärischen Einheiten zur Entwaffnung von Splitterkräften der Wehrmacht wie der Zivilbevölkerung einzusetzen. Daneben unterstützten sie die Spezialeinheiten der Kampftruppen (Beutekommandos, Pioniere) bei der Erfassung gegnerischer Militärtechnik, die im weiteren in Beutelagern für den Einsatz in der eigenen Armee bzw. für eine spätere zivile Nutzung abgestellt wurde. Gleichzeitig sorgten sie für die Bergung von —
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11 12
Tjulpanov, Rolle der SMAD, S. 240-252. Zu der sowjetischen Sicht auf das Problem der inneren S. 122-126 des vorliegenden Beitrags.
Sicherheit des sozialistischen Staates siehe
Das Wirken der
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Sowjetischen Militäradministration in Deutschland
Blindgängern, das Räumen von Minen usw., soweit diese das Vormarschtempo oder die Sicherheit der eigenen Armee beeinträchtigten. Wenngleich die Oberkommandos einzelner Fronten bereits verschiedentlich Weisungen erlassen hatten, mit denen die Verantwortung der Kommandeure in den besetzten Gebieten Deutschlands, die Befugnisse der Militärkommandanten sowie die Einsetzung von Bürgermeistern bzw. Ortsältesten geregelt werden sollten13, so wurde das Gefüge der Militärverwaltung doch zunehmend durch eine Reihe von Problemstellungen belastet, die nach einer raschen und generellen Lösung drängten: 1. Die im Februar 1945 auf der Konferenz
von
Jaita erstmals fixierten Grundsätze
künftiger alliierter Deutschlandpolitik kündigten einschneidende politische, wirtschaftliche, militärische und andere Maßnahmen an14. Vor der Sowjetunion, deren Armee im-
Gebiete des Deutschen Reiches unter Kontrolle nahm, stand nunmehr die Notwendigkeit, die bisherigen Absichtserklärungen durch entsprechendes praktisches Handeln zu bekräftigen, um bei den Westmächten keinerlei Zweifel an der Nachdrücklichkeit ihrer Forderungen aufkommen zu lassen. 2. Die von Stalin vorgebrachten sowjetischen Vorstellungen über Wiedergutmachung des der UdSSR zugefügten Schadens, Gebietsabtretungen Deutschlands, seine künftige politische und wirtschaftliche Entwicklung sowie andere Fragen einer Nachkriegsordnung waren u. a. wegen der zu erwartenden sicherheitspolitischen Auswirkungen durchaus nicht auf die ungeteilte Zustimmung von Roosevelt und Churchill gestoßen. Dem jederzeit gegenüber den Westmächten mißtrauischen Stalin schien daher eine Art Selbsthilfe und Sicherung von Faustpfändern angezeigt, wollte er sich gegen die Unwägbarkeiten in der Entwicklung bis Kriegsende absichern und keinen wesentlichen Positionsverlust hinnehmen. 3. Zwar arbeiteten schon verschiedene hochrangige Kommissionen in der UdSSR an Problemen der Wirtschaft und der Entmilitarisierung in einem Nachkriegsdeutschland. Den Kommandanturen auf der untersten Ebene hingegen, die mit den täglichen Schwierigkeiten kämpfen mußten, standen nur wenige allgemeine Schlagworte zur Verfügung. Es mangelte an klaren und richtungweisenden Konzepten. 4. Im Hinblick auf die innere Sicherheit im rückwärtigen Frontgebiet war das Verhältnis insbesondere zur deutschen Zivilbevölkerung zu bestimmen. Es mußten schlüssige Antworten auf die Frage nach dem Ausmaß des zu erwartenden Widerstandes gegeben und dementsprechend Schlußfolgerungen für die Bereitstellung vorhandener oder neuzuschaffender Repressivorgane gezogen werden. Schließlich galt es zu überprüfen, ob nicht die bisher vermittelten Verhaltensmuster und die Einstellung der Rotarmisten mer neue
13
Bekannt sind eine Direktive des Kriegsrates der 1. Belorussischen Front vom 17.2.1945 (vgl. Semirjaga, Vtoraja, S. 198) und der Tagesbefehl Nr. 5 dergleichen Front vom 23.4. 1945 (vgl. Beiträge, Dokumente und Informationen, S. 6), die sich ausgehend von der jeweiligen Frontlage mit der Einsetzung von Militärkommandanten, der Bereitstellung von Fachleuten für die im Entstehen begriffenen Kommandanturen sowie den Aufgaben und Befugnissen dieses Personenkreises befaßten. Vgl. Kommunique über die Konferenz der Regierungschefs der drei alliierten Mächte der Sowjetunion, der Vereinigten Staaten von Amerika und Großbritanniens auf der Krim, 11.2. 1945, in: Teheran, Jaita, Potsdam, hrsg. von A. Fischer, S. 184 f. —
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gegenüber allem Deutschen schlechthin veränderungsbedürftig waren, da sie einem nahezu ungezügelten Rachefeldzug Vorschub leisteten und selbst staatliche sowjetische Interessen merklich zu stören begannen. Die von der politischen und militärischen Führung der UdSSR im Frühjahr 1945 eingeleiteten Schritte zielten daher hauptsächlich auf die Verbesserung der Militärverwaltung durch organisatorische Maßnahmen, die Schaffung spezieller Organe mit Sondervollmachten zur Durchführung der sogenannten wirtschaftlichen Entwaffnung in den besetzten deutschen Gebieten und die »Veränderung des Verhältnisses zu den Deutschen«15 ab. Hauptstütze der Besatzungsverwaltung blieb weiterhin das System der Mi-
litärkommandanten und ihrer Kommandanturen, aber erst recht spät während der Kämpfe um Berlin entschloß sich die sowjetische Führung zu weitergehenden Änderungen der Strukturen innerhalb der Militärverwaltung. Die bereits genannte Sonderdirektive legte fest, bei den Fronten und Armeen die Funktion eines Stellvertreters des Befehlshabers für Zivilfragen zu schaffen, der für alle Belange der Besatzungsverwaltung zuständig sein sollte16, und wies zudem an, in den besetzten Gebieten eine deutsche Verwaltung aufzubauen. Die Vorstellungen zum Charakter dieser Verwaltung müssen allerdings erheblich früher entwickelt worden sein. Die Moskauer KPD-Führung beschloß bereits am 5. April 1945 entsprechende Richtlinien17, denen ganz offensichtlich eine Abstimmung mit zuständigen sowjetischen Dienststellen zugrunde lag. Sukzessive begannen sich nun die Kommandanturen mit Fachleuten verschiedenster Bereiche (Wirtschaft, Verwaltung, Bildung, Kultur u. a.) aufzufüllen, die zur Durchsetzung alliierter Vereinbarungen und zur Ingangsetzung des zivilen Lebens im sowjetisch besetzten Bereich wirken sollten. In ähnlicher Weise wurde jene Säule der Mitarbeiter verstärkt, deren Tätigkeit den weitgefächerten Interessen der UdSSR nach äußerer und innerer Sicherheit sowie sowjetischen Wiedergutmachungsansprüchen Rechnung tragen sollte. Mit dem günstigen Kriegsverlauf erhielten die Kommandanturen zunehmend Wachund Kommandantendiensteinheiten unterstellt, die zur Zerschlagung versprengter Wehrmit denen man machteinheiten, zur Bekämpfung verdeckter Widerstandsaktionen vermutlich in stärkerem Maße gerechnet hatte -, zur Bewachung wichtiger Anlagen, für den Streifendienst usw. eingesetzt werden konnten. Die Gewährleistung von »Ruhe und Ordnung« bereitete allerdings den Militärkommandanten nach wie vor erhebliche Schwierigkeiten. Neben den in fast alle Richtungen hastenden Flüchtlingstrecks und Strömen von Fremdarbeitern, die gestoppt werden mußten, machte der Militärverwaltung das Verhalten der eigenen Armee beträchtlich zu schaffen. Die den Angehörigen der Roten Armee über Jahre vermittelte Einstellung zu den Deutschen schlechthin war im Zusammenwirken mit anderen Faktoren (Leid und Elend der eigenen Bevölkerung, Rachegefühle, Verrohung durch den Krieg u.a.) eine Ursache für zahlreiche Gewalttätigkeiten, Plünderungen und Verbrechen auf deutschem Boden. Sie beeinträchtigte aber letztlich auch in gewissem Grade die innere Einstellung nicht weniger Mitarbeiter —
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15
So die
Bezeichnung einer Sonderdirektive des Hauptquartiers des Oberkommandos der Roten April 1945, vgl. Belezki, Die Unterstützung und Hilfe der Sowjetarmee, S. 165. Vgl. Bokov, Vesna pobedy, S. 379. Vgl. Laschitza, Zwei Dokumente, S. 258-268. mee vom
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17
Ar-
Das Wirken der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland
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der Besatzungsverwaltung zu ihrer Aufgabenerfüllung und damit die Akzeptanz der Besatzungsmacht durch die deutsche Zivilbevölkerung18. Das Verhältnis zwischen Roter Armee und Deutschen war solange noch die liefen zweifelsfrei den Gesetzen des von ganz Kampfhandlungen Krieges geprägt. In den Monaten April und Mai 1945 stand der greifbar nahe Sieg im Vordergrund. Nach wie vor diktierten militärische Zwänge die Lage, so daß sich in den von der Roten Armee bereits besetzten Gebieten jeder Deutsche, ob Militär oder Zivilist, als Angehöriger des Feindstaates bedingungslos unterzuordnen hatte. Die bisherige deutsche Verwaltung, die in den Wirren kaum noch funktionierte, wurde durch die sofort verfügten Schließungen der Dienststellen, die Entlassung der Mehrheit der Mitarbeiter und andere restriktive Maßnahmen vollends lahmgelegt. Der Aufbau neuer Verwaltungsorgane kam in den letzten Kriegstagen über sporadische Anfänge nicht hinaus. Nicht selten untersagten die Militärkommandanten kurzerhand vorerst jede Betätigung deutscher Verwal—
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tungsstellen.
Kriegsbeute
ein Wettlauf mit der Zeit —
März 1945 wurde der bisherige stellvertretende Volkskommissar für Schwermaschinenbau, Konstantin Koval', im Auftrag des Staatlichen Verteidigungskomitees mit Sondervollmachten zu den auf Berlin marschierenden Fronten entsandt, um »die Arbeiten zur Liquidierung des rüstungsindustriellen Potentials des Dritten Reiches in die Wege zu leiten«19. Koval' und seine Gruppe begannen die Auftragserfüllung mit einer Inspektion des oberschlesischen Industriereviers und folgten im weiteren der kämpfenden Truppe bis nach Berlin. Zwar hatten die Alliierten in Jaita grundsätzlich ihre Entschlossenheit zum Ausdruck gebracht, die für militärische Produktion angelegte deutsche Industrie zu zerstören bzw. zu demontieren, eine endgültige Übereinkunft zu den Modalitäten der Demontagen als einer möglichen Form zur Befriedigung von Wiedergutmachungsansprüchen durch den Krieg betroffener Staaten und insbesondere zur Höhe der sowjetischen Reparationsforderungen konnte jedoch nicht erzielt werden und sollte Gegenstand von Verhandlungen einer zu bildenden interalliierten Reparationskommission sein20. Gerade hier setzte Koval's Mission an: An einer Liquidierung des deutschen Rüstungspotentials im Sinne einer Zerstörung in den bereits von der Roten Armee besetzten Gebieten konnte Moskau selbstverständlich wenig gelegen sein, solange eigene Ansprüche nicht oder äußerst unzureichend befriedigt waren. Koval' sollte sich daher an Ort und Stelle einen generellen
Anfang
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Es würde über den Rahmen des Beitrages hinausführen, das Verhältnis der Angehörigen der Roten Armee zu den Deutschen insbesondere Genesis und Erscheinungsformen, die Schuldanteile Deutschlands, aber auch die Verantwortung der sowjetischen Führung und ihre Korrekturversuche darstellen zu wollen. Verwiesen sei auf die relativ umfangreiche Literatur dagegen Kriegsende zu, von der hier stellvertretend genannt sein sollen: Kuby, Russen; Kopelew, Aufbewahren für alle Zeit. Koval', Na postu, S. 130. Vgl. Teheran, Jaita, Potsdam, hrsg. von A. Fischer, S. 115-122 und 173 ff. —
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19 20
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Überblick über den deutschen Produktions- und Forschungsstand und insbesondere über jene Industrieanlagen, Rohstoffvorräte, Forschungseinrichtungen, Planungsunterlagen usw. verschaffen, die für die Sowjetunion aus unterschiedlichen Beweggründen von Interesse und Wert sein konnten, um diese gegen jeden fremden Zugriff abzuschirmen und als künftiges Restitutions- bzw. Reparationsgut zu sichern. Koval's Auftrag dürfte aber auch wenn der Nachweis darüber mit entsprechenden sowjetischen Dokumenten eine weitere, mindestens ebenso wichZeit noch nicht angetreten werden kann jener beinhaltet haben. Objekte von außerordentlicher Bedeutung sollten als tige Komponente und nach Möglichkeit unbemerkt von den Verbündeten in die Kriegsbeute unverzüglich Sowjetunion verbracht werden. Die Einstufung bestimmter materieller und geistiger Werte Deutschlands in die Kategorien »Restitutionsgut«, »Reparationsgut« oder »Kriegsbeute« war weder für die Sowjetunion noch für die westlichen Alliierten eine formale Frage, verbanden sich doch damit handfeste praktische Konsequenzen. Im engeren militärischen Bereich bestand zwischen den alliierten Hauptmächten weitgehende Übereinstimmung darüber, was unter Kriegsbeute fiel: Beansprucht wurde militärische Technik und Ausrüstung vor allem zur Nutzung für eigene Zwecke in dem noch nicht beendeten Krieg und zur Erschließung des militärtechnischen Kenntnisstands der Deutschen21. Darüber hinaus konnten sich die Alliierten jedoch während des Krieges und auch danach nicht auf eindeutig abgrenzbare Definitionen zu »Kriegsbeute« und »Restitutionsgut« im Unterschied zu »Reparationsgut« einigen22. Die sowjetische Führung setzte sich mit besonderem Nachdruck für eine freizügige Handhabung von »Kriegsbeute« und »Restitutionsgut« ein. Sie hatte nämlich erkannt, daß ihr dies beachtliche Möglichkeiten zur Ergänzung der eigenen militärischen Ausrüstung, Stärkung des Kriegspotentials, Einsparung von Forschungskapazität, Wiedergutmachung erlittener Schäden u. a. sichern würde, zumal ihr ja tatsächlich schwerste Verluste entstanden waren. Differenzen mußten sich jedoch dann ergeben, wenn Teile des deutschen Wirtschafts- und Rüstungspotentials als Kriegsbeute einseitig, ohne Abstimmung mit den Verbündeten zu einem Zeitpunkt entnommen würden, da die Behandlung Deutschlands als Wirtschaftsorganismus nach der militärischen Kapitulation noch nicht endgültig entschieden war. Andererseits konnte der ökonomisch am stärksten ausgelaugten, machtpolitisch aber aufstrebenden Sowjetunion eine unter der Hand, auf Kosten des Kriegsgegners und nicht zuletzt des »kapitalistischen Systems« zu erlangende Kriegsbeute notabene bei Aufrechterhaltung aller nur zusätzliche Vorteile verheißen; sie mußte ihr offiziellen Reparationsansprüche als sozialistischem Staat für die Nachkriegsperspektive Sicherheitsgewinn angesichts einer erwarteten kapitalistischen Bedrohung versprechen. Zum Zeitpunkt des Einmarsches in Deutschland besaß die Rote Armee auf Armeeund Frontebene gut ausgebaute Strukturen für die Erfassung, die Bergung und den Ab—
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21
22
Auf der Potsdamer Konferenz bekräftigte Stalin, ohne auf den Widerspruch von Truman und Churchill zu stoßen, noch einmal diesen Grundsatz, als er in der Polemik über die Aufteilung der deutschen Flotte erklärte, daß die Kriegsflotte »ebenso wie anderes Kriegsmaterial als Beute zu betrachten« sei, vgl. Teheran, Jaita, Potsdam, hrsg. von A. Fischer, S. 223. Zu den strittigen Auffassungen darüber vgl. Wettig, Entmilitarisierung, S. 72 f.
Das Wirken der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland
101
war in der Lage, weit mehr als nur zu verschrottendes deutübernehmen. Die bei den Kämpfen um Berlin eingesetzte 47. ArKriegsgerät mee verfügte beispielsweise über ein Lager und eine sogenannte Basis für Beutegut, ein Bataillon für Erfassung und Abtransport, einen Demontagezug, eine Transport- und eine Sicherstellungskompanie, eine Kompanie für Metallschrott und ein Arbeitsbataillon23. Die Fronten besaßen Beutebrigaden mit den dazugehörigen Lagern, Transporteinheiten usw. Wenn also in der Schlußphase des Krieges auf dem Gebiet der späteren SBZ zeitweise drei sowjetische Fronten mit insgesamt 21 (!) Armeen standen24, so war allein in ihren Reihen ein erhebliches Potential dieser Art konzentriert. Dazu kamen noch Arbeitsgruppen, Sonderkommissionen und Beauftragte verschiedener Ministerien und zentraler Dienststellen der UdSSR, die zur Sichtung und Überführung von Beute- und Restitutionsgut nach Deutschland entsandt worden waren, sowie deutsche Arbeitskräfte, die per Befehl zu den beabsichtigten Industriedemontagen herangezogen werden konn-
transport von Beutegut und sches
zu
ten.
Der Koval'-Mission blieb für gründliche Arbeit nur wenig Zeit: Wie sich nach dem Krieg herausstellen sollte, besaß man insgesamt gesehen eher unzureichende Ausgangsinformationen über den deutschen Technologie- und Forschungsstand; manches wurde in der Eile übersehen und entging so dem sowjetischen Zugriff. Rasch näherte sich auch das Kriegsende, mit dem die bereits relativ weit gediehenen alliierten Vorstellungen hinsichtlich der Einteilung Deutschlands einschließlich Berlins in Besatzungszonen bzw. Verwaltungssektoren sowie einer Entschädigung Polens mit ostdeutschen Gebieten praktische Gestalt annehmen sollten. Das Kriegsende mußte über kurz oder lang das Ende jeder Kriegsbeute bedeuten; es blieb dann im Prinzip nur noch der in Jaita in den Grundzügen bereits konzipierte, sehr wahrscheinlich einer öffentlichen Kontrolle unterliegende, auf jeden Fall aber aufwendigere Weg über Reparationen. Noch während der Kampfhandlungen wurden Koval' und seine Gruppe zur ersten Berichterstattung nach Moskau befohlen, weitere Kommissionen mit analoger Aufgabenstellung nach Deutschland entsandt und die Befehle für den Demontagebeginn »als Vorauslieferungen für Restitutionen (Rückgabe geraubten Gutes) und Reparationen aus Deutschland an die Sowjetunion und Polen«25 erteilt. Entsprechend dem Stellenwert des Auftrages handelte Koval', der jede Unterstützung durch die Oberbefehlshaber der Fronten genoß, unter strengster Geheimhaltung. Bis heute stehen hierzu kaum sowjetische Archivunterlagen zur Verfügung. Aus diesem Grunde ist eine eindeutige Aussage darüber, in welchem Umfang Verluste der deutschen Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur usw. im Bereich der Ostfront in den letzten Kriegsmonaten und kurz nach Kriegsende tatsächlich auf Kampfhandlungen zurückzu23
Berichte der 47. Armee vom April/Mai 1945 an das Oberkommando der 1. Belorussischen Front, archiv Ministerstva oborony Rossijskoj Federacii CAMO RF (Zentrales Archiv des Ministeriums für Verteidigung der Russischen Föderation) in Podol'sk, f. 233 o. 2356 d. 588, Bl. 257. Die Luftarmeen und die beiden im Bestand der sowjetischen Fronten kämpfenden polnischen Armeen sind in dieser Zahl nicht enthalten. Koval', Na postu, S. 132. Im übrigen ist diese Aussage Koval's insofern ungenau, als die Befriedi-
Central'nyj
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führen sind, trotz der in der Literatur vorzufindenden unterschiedlichsten Vermutungen nach wie vor nicht möglich. Nicht wenige technische Einrichtungen, Forschungsunterlawie gerade in jüngster Zeit bekanntgen und mit Sicherheit auch Kunstgegenstände gewordene Beispiele erhärten fielen jedoch nicht dem Krieg zum Opfer, sondern wurden als Kriegsbeute abtransportiert. Ebenso muß in diesem Zusammenhang auch offenbleiben, ob diese Werte jemals als »Vorauslieferungen für Restitutionen« verrechnet wurden. Die sich überstürzenden Ereignisse bei Kriegsende, mit denen jeder exakte Nachweis über Umfang, Standort und Vollzähligkeit materieller, kultureller und sonstiger Werte Deutschlands immer mehr verloren ging, boten natürlich im Kleinen wie im Großen bestimmte Freiräume für deren Verbringung. Mit besonderem Argwohn beobachteten die alliierten Hauptmächte den Abtransport vermeintlicher Kriegsbeute aus den Gebieten, die nach den Beschlüssen von Jaita unter die Hoheit einer anderen Siegermacht kommen sollten. Verlagerungen von Maschinen, Forschungsunterlagen oder Fachkräften, wie sie in den künftigen Westsektoren von Berlin, aber auch in Sachsen-Anhalt und Thüringen praktiziert wurden, lösten gegenseitige Vorwürfe aus. Am 8. Juli 1945 erklärte der Chef der Militärverwaltung des britischen Sektors von Berlin, General Hinde, unter dem Eindruck einer ersten Bestandsaufnahme nach der Übernahme des Sektors, daß »der Anteil der von sowjetrussischen Truppen weggeführten Maschinen ungefähr die Hälfte der gesamten Fabrikeinrichtungen«26 umfasse. Andererseits warf Stalin auf der Potsdamer Konferenz insbesondere den Amerikanern vor, Ausrüstungen aus der sowjetischen Zone abtransportiert zu haben27. Jedenfalls schien die sowjetische Führung bei der Verwertung der deutschen Konkursmasse nahtlos und ohne Zeitverzug vom Kriegszustand auf die Nachkriegsbedingungen übergehen zu wollen: Schon im Mai 1945, also noch vor der Bildung der SMAD und vor den für Mitte Juni 1945 angesetzten Beratungen der interalliierten Reparationskommission, etablierte sich in Potsdam-Babelsberg der Stab des sogenannten Bevollmächtigten des Sonderkomitees für Deutschland als die für Demontagen zuständige sowjetische Leitstelle. —
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gung polnischer Reparationsanspruche aus dem sowjetischen Anteil an den Reparationen erst auf der Konferenz von Potsdam festgelegt wurde. KAG 1945, S. 218. Gewisse Details, die ein Licht auf die sowjetische Vorgehensweise werfen, finden sich gelegentlich in der Memoirenliteratur. Der in seinem Laboratorium in Berlin-Lichterfelde aufgespürte Physiker Manfred v. Ardenne z.B. wurde am 21. Mai 1945 zur Unterzeichnung eines Arbeitsvertrages nach Moskau geflogen, der ihm angeblich die Fortsetzung seiner Forschungen in Berlin garantieren sollte. Ohne sein Wissen »verpackte« man am gleichen Tag das gesamte Inventar seines Institutes, Ardenne arbeitete damit in der Folgezeit in der Sowjetunion, vgl. von Ardenne, Sechzig Jahre, S. 184 ff. Ähnliche Beispiele führen auch Albrecht/Heinemann-Grüder/Wellmann,
Spezialisten, an.
Stalin hatte dazu
vom
Obersten Chef der SMAD, Marschall Zukov, ein Verzeichnis
anfertigen und
Das Wirken der
Sowjetischen Militäradministration in Deutschland
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2. Die sicherheits- und militärpolitische Praxis der SMAD im Interesse von »Entmilitarisierung, Demokratisierung und Entnahme zustehender Reparationen«28 1945-1947 Die Militäradministration wird installiert Nach der Kapitulation Deutschlands wurde auf dem von sowjetischen Truppen (1. Belorussische Front unter Marschall Georgij Zukov, 2. Belorussische Front unter Marschall Konstantin Rokossovskij) besetzten Gebiet der späteren SBZ die Militärverwaltung vorerst ohne grundlegende organisatorische Veränderungen weitergeführt. Erst auf das Treffen des Alliierten Kontrollrats am 5. Juni 1945 in Berlin und die aus diesem Anlaß veröffentlichte Erklärung29 folgte einen Tag später die vom Rat der Volkskommissare der UdSSR erlassene »Anordnung für die Sowjetische Militäradministration über die Verwaltung der Sowjetischen Besatzungszone in Deutschland«30. Im Unterschied etwa zur US-Regierung, die bereits am 18. Mai 1945 die Besetzung der wichtigsten Posten ihrer Militärverwaltung in Deutschland bekanntgab31, hatte die sowjetische Führung jede Information über die künftige Militäradministration bis zu diesem Zeitpunkt zurückgehalten. In den darauffolgenden Tagen und Wochen wurden dann mit den Befehlen des Obersten Chefs der SMAD Nr. 1 über die Bildung der Sowjetischen Militärverwaltung vom 9. Juni 1945 und Nr. 5 über die Einsetzung von Chefs der Sowjetischen Militärverwaltung der Provinzen und Länder sowie von Stellvertretern für Zivilangelegenheiten vom 9. Juli 194532 die ersten Grundstrukturen für die Besatzungsverwaltung in der SBZ vorgegeben. Diese Befehle dürften von zusätzlichen internen Weisungen begleitet gewesen sein, die Zuordnung, Befugnisse und Aufgaben der Besatzungstruppen regelten. Die vom Rat der Volkskommissare bestätigte Struktur der Militärverwaltung ließ vier Schwerpunktbereiche Entmilitarisierung, Wirtschaft, Politik und ZivilverwalDamit sollten eine umfassende Durchsetzung alliierter und sowjetierkennen. tung scher Absichten und Forderungen gegenüber Deutschland gesichert sowie der erwarteten politischen und wirtschaftlichen Nachkriegsentwicklung Rechnung getragen werden. Grundsätzlich korrespondierte ein solcher Aufbau mit der am 5. Juni 1945 ver—
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den westlichen Regierungschefs überreichen lassen, vgl. Teheran, Jaita, Potsdam, hrsg. von A. Fischer, S. 341 und 345. So die drei Hauptaufgaben sowjetischer Besatzungspolitik in der SBZ nach einem vom Obersten Chef der SMAD bestätigten und an führende Mitarbeiter der Militärverwaltung versandten Vortragsmaterial vom 23. 1. 1947. Gosudarstvennyj Archiv Rossijskoj Federacii GARF (Staatsarchiv der Russischen Föderation) in Moskau, f. 7317 o. 4 d. 12, Bl. 17. Erklärung in Anbetracht der Niederlage Deutschlands (wie Anm. 6). Marschall Zukov, der sowjetische Vertreter, unterzeichnete hier erstmals als »Oberkommandierender der sowjetischen Besatzungstruppen in Deutschland«. Vgl. Um ein antifaschistisch-demokratisches Deutschland, S. 51 ff. KAG 1945, S. 230. Veröffentlicht in: Befehle des Obersten Chefs, S. 9 bzw. 13 f. -
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Kurt Arlt
einbauen Struktur des Alliierten Kontrollrats und der gen in den westlichen Besatzungszonen33.
Organisation der Militärregierun-
praktische Ausgestaltung des Gesamtsystems der Militäradministration beanspruchte trotz bereits bestehender und z.T. auf Hochtouren arbeitender Teilbereiche mehrere Monate. Etwa im Spätsommer 1945 waren das angestrebte dichte Verwaltungsnetz und alle entscheidenden Strukturelemente vorhanden; die SMAD hatte insgesamt ihre Funktionsfähigkeit erreicht und sich im wesentlichen als für die sowjetische Besatzungszone allein zuständige Behörde gegenüber wiederholten Eingriffsversuchen andeDie
Dienststellen der UdSSR durchsetzen können. Der Militärverwaltung, deren zentrale Bereiche ihren Sitz in Berlin-Karlshorst nahmen, stand ein Oberster Chef vor, der gleichzeitig auch die Gruppe der sowjetischen Besatzungstruppen in Deutschland befehligte. Dem Obersten Chef (Marschall der Sowjetunion Zukov) waren der 1. Stellvertreter (Armeegeneral Vasilij Sokolovskij), der Chef des Stabes (Generaloberst Vladimir Kurasov), der Gehilfe für ökonomische Fragen (Koval'), der Stellvertreter für Zivilangelegenheiten (Generaloberst Ivan Serov), der Politische Berater (Andrej Vysinskij) und das Mitglied des Militärrates (Generalleutnant Fédor Bokov) nachgeordnet. Dieser Personenkreis, bei dem es sich durchgängig um hochrangige Funktionäre der sowjetischen Armee und Politik mit einschlägigen Erfahrungen handelte34, besaß entsprechend der staatlichen und militärischen Hierarchie der UdSSR die Befugnisse von Stellvertretern des Obersten Chefs, auch wenn die Bezeichnung der Dienststellung dies nicht in jedem Fall auswies35. Die Stellvertreter standen unterschiedlich dimensionierten Aufgabenbereichen vor, die in entsprechende Verwaltungs-, Planungs- und Vollzugsorgane gegliedert waren. Im Rahmen ihrer Zuständigkeit waren sie daher in unterschiedlichem Maße in die Wahrnehmung sicherheitspolitischer und militärischer Interessen der UdSSR auf deutschem Boden einbezogen. Alle Fragen militärischen Charakters, die von der sowjetischen Besatzungsmacht in ihrer Zone entschieden werden mußten, lagen zunächst in der ausschließlichen Zuständigkeit des /. Stellvertreters*. Sein Aufgabenbereich umfaßte im wesentlichen zwei zentrale Anliegen: die unmittelbare Führung der Besatzungsstreitmacht als Instrument zur Durchsetzung der angestrebten besatzungspolitischen Ziele sowie die Vorbereitung und Durchführung der Entmilitarisierung, d.h. insbesondere die militärische Entwaffnung in der SBZ. Dabei konnte er sich auf das Oberkommando der Gruppe der Besatzungstruppen, drei speziell für die militärische Entwaffnung zuständige Abteilungen und weitere Arbeitsorgane stützen.
rer
Nach Aussage des späteren Militärgouverneurs der amerikanischen Besatzungszone, Lucius Clay, orientierte sich die mehrere Monate vor Kriegsende gebildete amerikanische Kontrollratsgruppe nicht zuletzt an der Organisation der deutschen Ministerien, vgl. Clay, Entscheidung, S. 22 f. Zu den Kurzbiographien von weiteren führenden Mitarbeitern der SMAD siehe SBZ-Handbuch, S. 855-1065. In der deutschen Literatur finden sich überdies unterschiedliche, vorrangig der Übersetzung aus dem Russischen geschuldete Varianten für die Benennung der Funktionen. Vgl. Anordnung vom 6. 6. 1945, in: Um ein antifaschistisch-demokratisches Deutschland, S. 52.
Das Wirken der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland
COS
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Kurt Arlt
Dem Chef des Stabes fiel in der Anfangszeit der SMAD eine weniger prononcierte Rolle im sicherheitspolitischen und militärischen Bereich zu. Ihm oblagen vorrangig Fragen des Auf- und Ausbaus der Militärverwaltung, ihrer inneren Funktion sowie der Koordinierung der Tätigkeit der verschiedenen Strukturelemente der SMAD. Als Gehilfe für ökonomische Fragen wurde der bereits genannte Bevollmächtigte die Gründungsanorddes Sonderkomitees für Deutschland Koval' eingesetzt. Er war Volkskommissare wies beiden des Rates der diesen Komplexen seiner Aufgaben nung »wirtschaftlichen nicht die neben zu erste Stelle der zufällig Entwaffnung gewiß Deutschlands und der Ausnutzung der deutschen Wirtschaft für den Ersatz des durch Deutschland der Sowjetunion zugefügten Schadens« für die »Liquidierung bzw. für die Kontrolle der deutschen Industrie, die für die Rüstungsproduktion genutzt wurde«37, zuständig. Sodann gehörten zu seinen Pflichten die Anleitung und Kontrolle des gesamten Wirtschaftslebens der SBZ mit allen seinen Teilbereichen. Sein außerordentlich weit verästelter Arbeitsapparat umfaßte neben Strukturelementen, deren vorrangiger Auftrag in der Wiederingangsetzung der zivilen Wirtschaft auf dem Gebiet der SBZ bestand (Abteilungen für Industrie, Landwirtschaft, Handel u.a.), mehrere Dienstbereiche, denen die praktische Realisierung der »ökonomischen Entwaffnung Deutschlands« übertragen war und mittels derer direkt im Sinne sicherheitspolitischer und militärischer Interessen der UdSSR gewirkt werden konnte. Der Stellvertreter für Zivilangelegenheiten hatte nach dem Wortlaut der überaus kurz gefaßten Beschreibung seiner Aufgaben38 lediglich die Verantwortung für »die Leitung und Kontrolle über die Tätigkeit der Organe der deutschen Verwaltung in der Sowjetischen Besatzungszone« wahrzunehmen. In der Realität waren diesem Bereich, der ausnahmslos vom Volkskommissariat für Innere Angelegenheiten (NKVD) gestellt wurde, erheblich größere Kompetenzen übertragen worden: Die Verfolgung alliierter Zielstellungen gegenüber Nachkriegsdeutschland Demokratisierung des öffentlichen Lebens, Entnazifizierung, Entmilitarisierung sowie Aufbau und Kontrolle deutscher Verwaltungseinrichtungen einschließlich der Polizei war in der SBZ eingebettet in die ererbte Zweckbestimmung und den globalen Auftrag des NKVD, innerhalb und außerhalb der Grenzen der UdSSR die Stabilität, Verteidigungsfähigkeit und Sicherheit des Sowjetstaates zu stärken und vermeintliche Gefahren mit allen Mitteln abzuwehren. Im Sinne eines solchen Aufgabenverständnisses sollte dieser Apparat, der über eigene Aufklärungs-, Überwachungs- und Repressivorgane sowie Truppen verfügte, in der Lage sein, faktisch alle Lebensbereiche in der SBZ und jedes Tätigkeitsfeld der SMAD selbst zu kontrollieren, um im Ermessensfall einwirken und eingreifen zu können. Der Politische Berater und das Mitglied des Militärratesi9 traten bei der Durchsetzung militärischer und sicherheitspolitischer Interessen kaum direkt in Erscheinung. —
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37 38
39
Ebd., S. 51 f. Ebd., S. 52. Mit Militär- oder
Kriegsrat wurden die ab Ebene Armee in den Streitkräften der UdSSR vorhandekollegialen Führungsgremien bezeichnet. In der Regel gehörten ihnen der Befehlshaber, seine Stellvertreter, ein speziell eingesetzter Parteifunktionär u.a. an. Seit Juni 1941 trug dieser Personenalso nicht etwa nur der Befehlshaber die volle Verantwortung gegenüber dem Zentralkreis komitee der KPdSU. In der Praxis wurde unter »Mitglied des Militärrates« der Parteifunktionär nen
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Während der Politische Berater dem Obersten Chef in Fragen der Deutschlandpolitik beratend zur Seite stand, war dem Mitglied des Militärrates die politische Arbeit innerhalb der SMAD und gegenüber der deutschen Bevölkerung übertragen. Als Funktionäre der Partei, die den politischen Willen des Politbüros des ZK der KPdSU transformierten, seine Vollstreckung vor Ort überwachten und gleichzeitig Auge und Ohr der Partei nicht zuletzt wegen ihrer direkten darstellten, konnten sie jedoch mit ihren Mitteln Verbindung zur Parteiführung maßgeblich alle wichtigen Tätigkeitsbereiche der SMAD beeinflussen. Sie stellten eine spezifische Ergänzung zu den übrigen Informations- und Befehlssträngen zwischen der Militärverwaltung in Deutschland und Moskau dar. Der Aufbau einer Militärverwaltung mit den Dimensionen und den Aufgaben der SMAD stellte ein Novum in der Geschichte der UdSSR dar. Im Gegensatz zur US-Regierung z.B., die mit der bekannten Direktive JCS 1067 bereits frühzeitig ein klar umrissenes Konzept für ihre Besatzungspolitik erkennen ließ40, scheint es kein entsprechendes richtungweisendes Dokument der sowjetischen Führung für ihre Militärverwaltung gegeben zu haben41. Erst recht sind keine grundlegenden Weisungen an die Militäradministration zu Sicherheits- und Militärfragen bekanntgeworden. Freilich fehlen auch hier die notwendigen Bestätigungen auf der Basis sowjetischen Archivgutes, so daß die Verantwortlichkeiten, Aufgabenabgrenzungen, Zuständigkeiten u.a. in der Relation MosKarlshorst vorerst nur in allgemeinen Zügen beschrieben werden können. kau Sicherheits- und militärpolitische Angelegenheiten wurden nach der im Kriege von Stalin durchgesetzten Praxis im engsten Führungszirkel der KPdSU behandelt und entschieden42. Sie fielen in die Kompetenz der verantwortlichen Mitglieder des Politbüros, sofern sie nicht Stalin in seiner Eigenschaft als Generalsekretär der Partei, Vorsitzender des Rates der Volkskommissare und Volkskommissar für Verteidigung bzw. Minister der Streitkräfte (bis März 1947) direkt zur Entscheidung vorgetragen werden mußten. Dabei waren das Mitglied des Politbüros Vjaceslav Molotov (gleichzeitig Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten) für außen- und bündnispolitische Fragen und das Mitglied des Politbüros Lavrentij Berija (bis 1946 Volkskommissar für Innere Angelegenheiten) für Fragen der äußeren und inneren Sicherheit des Sowjetstaates einschließlich der strategischen Rüstung zuständig. Das Ressort des Streitkräfteministers übergab Stalin im März 1947 an Nikolaj Bulganin. Die wirtschaftliche Entwaffnung Deutschlands lag zu wesentlichen Teilen im Verantwortungsbereich des Politbüromitgliedes Anastas Mikojan (stellvertretender Vorsitzender des Rates der Volkskommissare) sowie der Kandidaten des Politbüros Nikolaj Voznesenskij (Vorsitzender der Staatli—
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42
verstanden, der als einziger in der Armee oder Front Direktkontakt zum Zentralkomitee unterhielt und sich im Rahmen seiner Sonderrechte persönlich an Stalin wenden durfte. Er galt als Beauftragter der Partei und war dem Leiter des Politapparates vorgesetzt (»Mitglied des Militärrates« waren z.B. Chruscev und Breznev gewesen). Ab Januar 1947 übten die Militärräte nur noch beratende Funktion aus. Vgl. Gimbel, Amerikanische Besatzungspolitik, S. 16 ff. Zumindest der ehemalige Chef der Informationsverwaltung der SMAD, S. Tjulpanov, verneint dies, vgl. ders., Deutschland nach dem Kriege, S. 23. Vgl. u. a. Wolkogonow, Stalin, S. 567 ff.
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Kurt Arlt
Plankommission) und Georgij Malenkov (Vorsitzender des Komitees zur Wiederherstellung der Wirtschaft in den zerstörten Gebieten), wobei letzterer als der für Personalfragen zuständige Sekretär des Zentralkomitees zudem über die Besetzung der chen
führenden Funktionen in der SMAD entschied43. Die Militärverwaltung wurde aus den dafür abgestellten Basiselementen und Kräften verschiedenster Volkskommissariate und zentraler Dienststellen der UdSSR zusammengefügt. Sie stellte ein verkleinertes Abbild der sowjetischen militärischen und staatlichen Organisationsstruktur dar, das um jene Teilstücke erweitert worden war, die sich aus den Erfordernissen der Besatzungspolitik ergaben. Entsprechend dem zentralistischen Staatsaufbau in der UdSSR war die Führung der SMAD eng an die Weisungen der betreffenden Moskauer Fachressorts gebunden und diese wiederum von den Entscheidungen der zuständigen Politbüromitglieder abhängig. Mangelhafte Abstimmung in Moskau hatte daher besonders in der Anfangszeit 1945/46 mehrfach Kompetenzstreitigkeiten und widersprüchliche Anordnungen zu Folge44.
Die
Militärverwaltung auf Landesebene
Der bereits erwähnte Befehl Nr. 5 des Obersten Chefs der SMAD vom 9. Juli 1945 bildete mit der Ernennung von Chefs der Sowjetischen Militäradministration (SMA) und Stellvertretern für Zivilangelegenheiten in den Ländern bzw. Provinzen45 den Ausgangspunkt für den Aufbau der Besatzungsverwaltungen auf Landesebene. Dabei wurden diese als zusätzliche Elemente in die bereits bestehenden militärischen Strukturen der als Besatzungstruppe vorgesehenen Armeen eingefügt. Den SMA war insofern eine besondere Bedeutung zugedacht, als nach dem Willen der Alliierten auf dieser Ebene die höchsten deutschen Verwaltungsstellen bis zur Bildung einer Zentralregierung angesiedelt sein sollten. Eine ständige und direkte Einflußnahme auf die Landes- bzw. Provinzialregierungen schien auch aus militärischen und sicherheitspolitischen heraus (z.B. Unterschiede in Industrie- und Rüstungspotential, Bevölkerungsdichte, Grad der Kriegszerstörungen, militärische Infrastruktur mit Konsequenzen für die ökonomische Entwaffnung, die Stationierung von Besatzungstruppen und die innere Sicherheit) erforderlich zu sein. Hinsichtlich der Struktur und der Zuordnungsverhältnisse entsprachen die in den Ländern bzw. Provinzen aufgebauten Militärverwaltungen im wesentlichen dem zentralen Apparat der SMAD in Berlin-Karlshorst.
Überlegungen
43
44
45
zu den Verantwortungsbereichen vgl. Geschichte des Zweiten Weltkrieges, Bd 12, S. 78 ff. Zur Unterbindung »wilder« Demontagen und eigenmächtigen Requirierens in der SBZ durch zentrale sowjetische Stellen mußte z.B. der Oberste Chef der SMAD in seinem Befehlsbereich mehrfach ordnend eingreifen und bestimmte Rangordnungen und Modalitäten festlegen, vgl. Befehle Nr. 54 vom 8.9. 1945, Nr. 65 vom 28.2. 1946 und Nr. 67 vom 3.3. 1946, GARF Moskau, f. 7317 o. 8 d. 1, Bl. 181 f.; d. 4, Bl. 48 f. bzw. Bl. 57-75. Befehle des Obersten Chefs, S. 13 f.
Einige Aussagen
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Das Wirken der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland
Die Gruppe der sowjetischen
Besatzungstruppen in Deutschland
Die Absicht, mit starken Besatzungsstreitkräften die bedingungslose Erfüllung der alliierten Forderungen gegenüber Deutschland zu erzwingen, gehörte zu einem der Grundsätze, die von den »Großen Drei« in Jaita vereinbart46 und im Anschluß an die bedingungslose Kapitulation auch in weitestgehender Übereinstimmung von allen vier Kontrollmächten in die Tat umgesetzt wurden. Im Gesamtsystem der sowjetischen Besatzungsmacht auf deutschem Boden sollte die Gruppe der Besatzungstruppen das entscheidende militärische Potential verkörpern, mit dem die UdSSR die Ziele ihrer Besatzungspolitik zu erreichen und in Sonderheit »Sicherheit vor einer deutschen Aggression«47 zu gewinnen suchte. Zu diesem Zwecke beabsichtigte die sowjetische Führung, ein gesondertes Oberkommando der Besatzungstruppen zu schaffen und in den Ländern bzw. Provinzen je eine Armee zu stationieren. Das Oberkommando der Gruppe der Besatzungstruppen mit Sitz in Potsdam, später im ehemaligen Oberkommando des Heeres in Wünsdorf bei Zossen, ging im Kern aus dem Oberkommando der 1. Belorussischen Front hervor. In den Monaten Mai bis Juli 1945 bezogen die Armeen ihre ständigen Garnisonen48, während die übrigen noch in der SBZ stehenden Großverbände der Roten Armee nach dem Fernen Osten der Sowjetunion, nach Polen und in die CSR verlegt wurden. Die Gruppe der Besatzungstruppen repräsentierte mit den fünf noch nahezu kriegsstarken Armeen, entsprechenden Verstärkungsmitteln und Fliegerkräften sowie der in operativer Hinsicht mit ihr zusammenwirkenden sogenannten Südbaltischen Flotte eine beträchtliche Kampfkraft49, auch wenn die nach dem Gesetz über die Demobilisierung der älteren Jahrgänge vom 23. Juni 1945 einsetzenden Entlassungen50 das Ausscheiden vieler kriegserfahrener Soldaten bedeuteten. Die Besatzungstruppen zogen sich in Kasernen, auf Übungsplätze, Fliegerhorste und Marinestützpunkte der Wehrmacht zurück, so daß sie zwar immer noch auf Schritt und Tritt spürbar blieben, sich aber kaum ein exaktes Bild über tatsächlich stationierte Kräfte, Aufgaben, Ausbildungsschwerpunkte o.a. gewinnen ließ. Mit dem Befehl Nr. 5 vom 9. Juli 1945 wurde den Befehlshabern der fünf Armeen gleichzeitig die Funktion von Chefs der Militäradministration auf Landesebene übertragen. In der Praxis ruhte die Verantwortung für die Besatzungsverwaltung jedoch von
Kommunique über die Konferenz der Regierungschefs der drei alliierten Mächte
on, der Vereinigten Staaten von Amerika ran, Jaita, Potsdam, S. 183-189.
Leitartikel der Krasnaja Zvezda
vom
der Sowjetuniauf der Krim, 11.2.1945, Tehe-
und Großbritanniens
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9.9.1945.
Diese Dislozierung hat sich im Vergleich zur jüngsten Zeit nur unwesentlich geändert. Die Stäbe der Armeen befanden sich in Parchim (Mecklenburg), Potsdam (Brandenburg), Magdeburg (Sachsen-Anhalt), Nohra bei Weimar (Thüringen) und Dresden (Sachsen). Die beträchtliche Stärke der sowjetischen Besatzungstruppen belegt indirekt ein Bericht der SMA Sachsen vom Oktober 1948: Von den in diesem Land vorgefundenen 48 Flugplätzen wurden nach 1945 30 zerstört oder einer nichtmilitärischen Nutzung zugeführt, 17 jedoch von der Roten Armee übernommen, GARF Moskau, f. 7212 o. 1 d. 1, Bl. 46 f. Vgl. Sovetskie Vooruzennye Sily, S. 374.
no
Kurt Arlt
an auf den Stellvertretern der Befehlshaber für Zivilangelegenheiten, die ihren Sitz in Schwerin, Potsdam, Halle, Weimar und Dresden nahmen und sich auf einen eigenen Verwaltungsapparat stützen konnten.
Beginn
Die Kommandanturen das Symbol der sowjetischen Militärverwaltung —
im Gefüge der sowjetischen Besatzungsmacht stellten über die Zeit Bestehens der SMAD hinweg die Kommandanturen dar. Zwar überzog des gesamte bei Kriegsende bereits ein Netz von Kommandanturen das besetzte Gebiet, es genügte jedoch nicht den sich aus der neuen Situation ergebenden Ansprüchen. Dieses Netz mußte durch Schaffung einheitlicher Unterstellungsverhältnisse und Strukturen geordnet, auf die von den westlichen Alliierten geräumten Gebiete ausgedehnt51 und vor allem auf die längerfristigen besatzungspolitischen Ziele der UdSSR ausgerichtet werden. Bis zum Herbst 1945 entstand ein der Militärverwaltung nachgeordnetes zwei-, teilweise auch dreistufiges System von Kommandanturen: Gebietskommandanturen (Greifswald, Schwerin, Frankfurt/Oder, Magdeburg, DesDas
Hauptkettenglied
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sau,
Gotha, Erfurt, Leipzig, Chemnitz, Zwickau, Dresden, Bautzen),
Kreis- bzw. Stadtkommandanturen, Abschnittskommandanturen (in einigen Großstädten)52. In Übereinstimmung mit den Zielen sowjetischer Besatzungspolitik, die in offiziellen Erklärungen der Regierung der UdSSR und gleichlautend durch die Führung der SMAD zumeist auf die vereinfachende und nicht exakt auszulotende Formel von der »Verwirklichung der Beschlüsse der Antihitlerkoalition«53 gebracht wurden, hatten die Kommandanturen ihre Hauptanstrengungen auf die militärische und ökonomische Entwaffnung und die Sicherung der in unterschiedlichen Formen praktizierten Wiedergutmachung sowie auf die Demokratisierung und die Entwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft zu richten. Dazu waren ihnen unter Bezugnahme auf alliierte Beschlüsse und auf der Grundlage entsprechender Weisungen und Befehle der staatlichen und militärischen Führung der UdSSR54 umfassende Befugnisse zur Regelung sämtlicher militäri-
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Entsprechend den alliierten Vereinbarungen räumten die anglo-amerikanischen Truppen in der Zeit vom 1. bis 4.7.1945 die von ihnen besetzten Gebiete in Sachsen, Thüringen, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg. Eine Sonderrolle spielte aufgrund der Viermächteverwaltung Berlins die Berliner Kommandantur im sowjetischen Sektor mit ihren Abschnitts- bzw. Stadtbezirkskommandanturen. Vgl. den Artikel der Täglichen Rundschau vom 4.8. 1945: »>Prawda< zu den Beschlüssen der Dreimächtekonferenz«, zit. in: Sipols/Tschelyschew/Belezki, Jaita Potsdam, S. 142 ff, oder auch die Ausführungen Zukovs bei einer Beratung der Regierungspräsidenten der SBZ am 14.11.1945, vgl. Nikolaev, Politika Sovetskogo, S. 21. Dazu gehörten mit ihren eindeutigen Aussagen über die Einschränkung der deutschen Souveränität u.a. die »Erklärung in Anbetracht der Niederlage Deutschlands und der Übernahme der obersten Regierungsgewalt hinsichtlich Deutschlands durch die Regierungen des Vereinigten Königreichs, der Vereinigten Staaten von Amerika und der Union der Sozialistischen Sowjet-Republiken und durch die Provisorische Regierung der Französischen Republik«, in: Amtsblatt des Kontrollrats, Er—
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Das Wirken der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland
scher, wirtschaftlicher, kommunalpolitischer und sonstiger Fragen übertragen worden. Im wesentlichen ohne größere Handlungseinschränkungen agierend, überwachten, diri-
gierten und reglementierten sie das gesamte öffentliche Leben direkt oder aber über die neugeschaffenen deutschen Einrichtungen.
In den Kommandanturen wurden den Militärkommandanten, bei denen es sich zumeist um Berufsmilitärs handelte, Fachleute für die verschiedensten Sachgebiete an die Seite gestellt, die entweder als Offizier bereits Kriegsdienst geleistet hatten oder als ziviles Personal zum Dienst in der SMAD verpflichtet worden waren. In der Regel gliederten sich die Kommandanturen nach den gleichen Zuständigkeitsprinzipien wie die vorgesetzten Dienststellen der Militärverwaltung: Je nach wirtschaftlicher, bevölkerungspolitischer und militärischer Bedeutung des Verantwortungsbereiches wiesen sie Arbeitsorgane oder einzelne Mitarbeiter u. a. für militärische Fragen, für einzelne Wirtschaftsbereiche, politisches Leben, Sicherung der Reparationsaufträge sowie für innere Angelegenheiten auf. Den Kommandanturen standen beachtliche militärische Kräfte in Gestalt von Wachund Kommandantendiensteinheiten zur Verfügung. Diese Einheiten sollten eventuell aufflackernden militärischen oder zivilen Widerstand im Keime ersticken, den Schutz von Einrichtungen der Militärverwaltung garantieren, die unter die Entmilitarisierung fallenden Objekte entfernen oder zerstören sowie Ruhe und Ordnung zur Durchsetzung der besatzungspolitischen Ziele sichern. Sie bewachten Beutelager, beschlagnahmten Industriebetriebe, Transporte mit Reparationsgut usw. und wurden für Razzien, Durchsuchungen und Vornahme von Verhaftungen herangezogen. Zusammen mit den Sondereinheiten des NKVD bildeten sie das bewaffnete Instrument zur Vollstreckung des Willens der Besatzungsmacht vor Ort, wobei zusätzlich die operativen Verbände der Gruppe der Besatzungstruppen jederzeit verfügungs- und einsatzbereit im Hintergrund standen.
Konsequente militärische und wirtschaftliche Entwaffnung? Bereits während der Kriegskonferenzen suchten die Alliierten nach übereinstimmenden Positionen, um für die Zukunft einen erneuten Rückgriff Deutschlands auf militärische Mittel dauerhaft auszuschalten und zuverlässige Sicherheitsvorkehrungen zu treffen55. Da die Siegermächte im Militarismus neben dem Nationalsozialismus die »Wurzel des Übels in Deutschland«56 sahen, sollte dieser im Zuge einer allumfassenden Entmilitarisierung Deutschlands überwunden werden. Die gemeinsam beschlossenen alli—
Nr. 1, S. 7 ff, sowie die auch über das Kriegsende hinaus geltenden Befehle von Kommandostellen der Roten Armee. Vgl. die Ausführungen der Regierungschefs im Rahmen der Teheraner Konferenz, insbesondere bei den Gesprächen am 29.11. und 1.12.1943, sowie den Punkt II »Besetzung und Kontrolle Deutschlands« des Kommuniques der Konferenz von Jaita, Teheran, Jaita, Potsdam, hrsg. von A. Fischer, S. 45-48, 84 ff. und 184. Äußerung Churchills auf der Teheraner Konferenz, ebd., S. 84.
gänzungsblatt
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ierten Entmilitarisierungsvorhaben, bei denen die militärische Entwaffnung nur ein Glied der Kette darstellte, zielten auf die vollständige Liquidierung jedes materiellen und geistigen militärischen Potentials ab. Freilich lagen ihnen unterschiedliche politische und ideologische Ausgangspunkte und Motivationen zugrunde, die sich in der nachfolgenden praktischen Umsetzung deutlich zeigen sollten. Bis Kriegsende war die Entwaffnung Deutschlands, wie sie von der Roten Armee gehandhabt wurde, im wesentlichen von den militärstrategischen Zielen der UdSSR auf dem europäischen Kriegsschauplatz diktiert. Im Vordergrund stand das Bestreben, das Deutschland noch verbliebene militärische, rüstungswirtschaftliche und personelle Potential für die Weiterführung des Krieges mit allen verfügbaren Mitteln (durch Vernichtung, Besetzung, Gefangennahme usw.) auszuschalten, den Gegner schnell niederzuringen und den westlichen Verbündeten bei der Einnahme zentraler deutscher Gebiete einschließlich der Reichshauptstadt zuvorzukommen57. Die Erfordernisse der Kriegführung bestimmten die Maßnahmen. Widerstand gleich welcher Art wurde in der Regel mit Waffeneinsatz gebrochen. Militärische Mittel erzwangen Unterordnung und Anerkennung neuer Gegebenheiten; bekanntlich kam an der Ostfront nur in relativ wenigen Fällen eine Entwaffnung von Wehrmachteinheiten auf der Grundlage von Kapitulationsaufforderungen zustande. Eine systematische Entwaffnung der Deutschen, wie sie in der Nachkriegszeit im Sprachgebrauch der sowjetischen Besatzungsmacht als Teil der »Entwöhnung vom Militärischen« postuliert und praktiziert wurde, fand in dieser Form jedoch noch nicht statt. Es fehlte offensichtlich an der Zeit und an den organisatorischen Vorausssetzungen. Mit Kriegsschluß begann sich die Situation grundlegend zu ändern. Die östliche Besatzungsmacht ließ nicht den geringsten Zweifel daran aufkommen, daß die in der Kapitulationsurkunde und in der Erklärung der Alliierten vom 5. Juni 1945 enthaltenen Forderungen und Auflagen mit aller Härte und in vollem Umfang durchgesetzt würden. Die Beschlüsse der Potsdamer Konferenz und die Proklamation Nr. 2 des Alliierten Kontrollrats vom 20. September 194558 steckten dann den Rahmen ab, in dem sich Deutschland und die Deutschen in militärischen und sicherheitspolitischen Fragen zu bewegen hatten. Bereits die ersten Weisungen aus Moskau für die aufzubauende Militärverwaltung und die sich darauf stützenden Befehle der SMAD machten noch im Juni 1945 deutlich, daß die Entwaffnung zu einem Grundpfeiler sowjetischer Besatzungspolitik werden sollte. Dies zeigten namentlich die bereits mehrfach erwähnte Anordnung für die Sowjetische Militäradministration, die Befehle Nr. 3 vom 15. Juni 1945 (Abgabe von Waffen, Munition und Ausrüstungsgegenständen) und Nr. 42 vom 27. August 1945 (Registrierung aller ehemaligen Angehörigen der Wehrmacht, der SS und SA, der Gestapo sowie der Mitglieder der NSDAP)59, die Aufgabenstellungen an die Kommandanturen, nicht minder deutlich aber auch die Beiträge in den offiziellen Zeitungen der —
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Zu den militärischen Zielen der UdSSR in der abschließenden Phase des Krieges in Europa und den sowjetischen Befürchtungen angesichts des schnellen Vorrückens der westlichen Alliierten vgl. Geschichte des Zweiten Weltkrieges, Bd 10, S. 55 ff, und Schukow, Erinnerungen, S. 575 ff. Amtsblatt des Kontrollrats, Nr. 1, S. 8-18. GARF Moskau, f. 7317 o. 8 d. 1, Bl. 5 ff. bzw. Bl. 128.
Das Wirken der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland
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SMAD, der deutschsprachigen »Täglichen Rundschau«60 und der »Krasnaja Armija«61.
Die sowjetische Führung und die Leitung der Militäradministration wiesen nachdrücklich darauf hin, daß sich die Entwaffnung Deutschlands und namentlich des von ihr verwalteten Teils im Sinne einer umfassenden »Überwindung der preußischen Militärseuche«62 vollziehen und die Vernichtung der materiellen Grundlagen des deutschen Militarismus, d.h. die militärische und ökonomische Entwaffnung, dabei im Mittelpunkt stehen müsse. Die Vereinbarungen der Potsdamer Konferenz bildeten den entscheidenden Bezugspunkt, von dem aus die Siegermacht UdSSR in Wahrnehmung ihrer Verantwortung für ein »demokratisches, friedliebendes Deutschland« Entmilitarisierung bzw. Entwaffnung durchzusetzen beabsichtigte. In dieser Hinsicht stellte das sowjetische Herangehen keine Ausnahme dar: Der von den Alliierten nie gemeinsam bis ins Detail abgesteckte Rahmen der Entmilitarisierung ließ wie bekanntlich auf anderen Gebieeinen Freiraum zu, den jede Militärregierung auf ihre Weise und nach natioten auch nalen Instruktionen ausfüllte. Die SMAD begann die Entwaffnung in der SBZ als ihre Verwirklichung der Beschlüsse von Potsdam, unter Zugrundelegung der Moskauer Ansichten und Ziele. Aus dem sicherheitspolitischen Axiom heraus, daß Deutschland dauerhaft militärisch niedergehalten, d.h. sein militärisches und rüstungstechnisches Potential umfassend liquidiert werden müsse, wurden die militärische und die ökonomische Entwaffnung von der sowjetischen Militärverwaltung als zwei in engster Verbindung zueinander stehende Elemente betrachtet und deshalb zum Anliegen aller Bereiche der Besatzungsverwaltung erklärt. Während die Überwindung von Militarismus und Nationalsozialismus im geistigen und kulturellen Bereich unter relativ breiter Einbeziehung der Öffentlichkeit in Angriff genommen wurde, ließen sich auf dem Gebiet der militärischen und ökonomischen Entwaffnung die jeweiligen Schwerpunkte und die spezifischen sowjetischen Interessen kaum in den entsprechenden Beiträgen der von der Besatzungsmacht herausgebenen Tageszeitungen und in öffentlichen Äußerungen führender SMAD-Mitarbeiter erkennen. Eher wiesen das die Befehle, internen Weisungen und Berichte der SMAD aus. Für die Jahre 1945/46 stellte die Führung der SMAD folgende Aufgaben in den Vordergrund: Aufspüren von Restkräften der Wehrmacht, SS, SA, des SD und der Gestapo sowie verbotener Organisationen, deren Zerschlagung und Gefangennahme, Einziehen der auf dem Gebiet der SBZ vorgefundenen oder im Besitz von Privatpersonen befindlichen Waffen und Munition, Beseitigung von Granaten, Minen und Bomben in Wohnhäusern, Fabriken und im Gelände, Erfassung des Offizierkorps der ehemaligen bewaffneten Kräfte des Deutschen Reiches, von Führungskräften der Rüstungsindustrie, Wissenschaftlern sowie leitenden Mitarbeitern militärischer und kriegswirtschaftlicher Forschungseinrichtungen, Verfolgung von Kriegsverbrechern und »gefährlichen Perso—
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62
Vgl.
u.a. die Beiträge »>Prawda< zu den Beschlüssen der Dreimächtekonferenz« und »Ausrottung des Militarismus«, Tägliche Rundschau vom 4. bzw. 10.8.1945. Hier insbesondere die Beiträge »Die bedingungslose Kapitulation Deutschlands und die Aufgaben der Angehörigen der sowjetischen Besatzungstruppen« sowie »Der Angehörige der sowjetischen Besatzungskräfte«, Krasnaja Armija vom 31.8. bzw. 13.9.1945. Leitartikel der Täglichen Rundschau vom 10.8.1945.
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Überwachung
ziviler Organisationen auf Einhaltung des Verbots militärischer und Traditionspflege, Erfassung von militärischen Anlagen sowie ProduktiAusbildung onsstätten, Konstruktionsbüros, Laboratorien und Archiven mit militärischer Bedeutung, Aufspüren von Neuentwicklungen bei Militärtechnik sowie von Erfindungen, Patenten usw. mit militärischer Zweckbestimmung oder Verwertbarkeit63. Die Aufstellung macht deutlich, welches Potential die UdSSR gründlich jedem deutschen Zugriff entziehen wollte, sagt aber noch nichts darüber aus, wie sie es zur Stärkung eigener Positionen zu nutzen gedachte. Während auf dem Gebiet der zivilen Wirtschaft die Forderung nach Wiedergutmachung des der Sowjetunion zugefügten Schadens sowohl bei den Konferenzen der Alliierten als auch in der Propaganda der SMAD deutlich artikuliert und die dafür verfügbaren Potenzen Deutschlands exakt benannt wurden, ist im militärischen Bereich auffällig, daß die SMAD der von Stalin in Potsdam angewandten Taktik folgte, der z. B. in der Frage der deutschen U-Boote deren militärischen Wert herunterspielte, gleichzeitig aber brennendes Interesse am Erhalt eines entsprechenden Anteils der deutschen Flotte bekundete64. In ihrer Informations- und Propagandatätigkeit vermied sie jeden Hinweis auf einen militärischen oder technologischen Nutzen der Entwaffnung Deutschlands für die Streitkräfte und die Rüstungswirtschaft der UdSSR und stellte das Element der Zerstörung und Vernichtung in den Vordergrund. Die militärische Entwaffnung und im weiteren Kontext die Entmilitarisierung lagen in der sowjetischen Zone in der grundsätzlichen Verantwortung der militärischen Organe, d. h. des Oberkommandos der Gruppe der Besatzungstruppen, der drei für die militärische Entwaffnung zuständigen Abteilungen (Militärabteilung, Luftwaffenabteilung, Marineabteilung), der Abteilung Kommandanturdienst und weiterer nachgeordneter Arbeitsorgane. Sie wurde von der sowjetischen Besatzungsmacht zügig und scheinbar konsequent in Angriff genommen. Mit erheblichem Kräfteeinsatz verfolgte die SMAD seit der Übernahme der obersten Gewalt das selbstgestellte Ziel, »endgültig alle Grundlagen einer Bewaffnung Deutschlands in der Zukunft zu liquidieren«65. Die Verbände der Roten Armee besetzten zunächst alle bekanntgewordenen wichtigen militärischen Anlagen und Rüstungsbetriebe. In der Folge nahm die Gruppe der Besatzungstruppen selbst einen erheblichen Teil der militärischen Objekte in Nutzung und entzog sie damit deutscher Verfügungsgewalt. Vielfach vereinnahmte sie noch zusätzliche Gebäude, Geländestücke, Verkehrsanlagen, Betriebsflächen usw. ohne Rücksicht darauf, ob diese bis Kriegsschluß Eigentum der Wehrmacht und anderer militärischer Organisationen gewesen waren oder nicht. Die zuständigen Abteilungen leiteten im Rahmen der anlaufenden Entwaffnung die Besetzung und Auflösung deutscher militärischer Dienststellen, die Gefangennahme und Überwachung deutscher Militärpersonen, die Übernahme oder Vernichtung militärischer Anlagen, die Begutachtung und Kategorisierung von Rüstungsbetrieben66, nen«,
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Vgl. Anlage 2 (Instruktion für die Stellvertreter der Bezirkskommandanten) zum Befehl Nr. 136 des Obersten Chefs der SMAD vom 5.11.1946, GARF Moskau, f. 7317 o. 8 d. 2, Bl. 171 f. Vgl. Teheran, Jaita, Potsdam, hrsg. von A. Fischer, S. 223-228. Krasnaja Armija vom 31.8.1945. Auf der Grundlage der vom Alliierten Kontrollrat festgelegten Einteilung der für die Rüstung pro-
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Das Wirken der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland
Forschungseinrichtungen usw., die Erfassung und Sicherung von Beute- und Restitutionsgut sowie die Unterstützung von Demontagearbeiten67 ein. Sie arbeiteten in allen diesen Fragen eng mit dem Oberkommando der Besatzungstruppen, dem NKVD-Apparat, den Vertretern der sowjetischen Wirtschaft und Rüstungsindustrie, dem Kommandanturdienst und weiteren Institutionen zusammen. Über ihre Verbindungsoffiziere in den
Direktoraten des Alliierten Kontrollrats sicherten sie zudem Zusammenarbeit, Informationsaustausch und Abstimmung mit den Alliierten. Eine besondere Bedeutung bei der Vorbereitung und Durchführung von Entwaffnungsmaßnahmen kam den Kommandanturen zu. Sie hatten militärische Anlagen, Rüstungsbetriebe und Forschungseinrichtungen auszukundschaften, eine erste Sicherung derartiger Objekte vorzunehmen, das dazugehörige Personal zu erfassen usw. Für diese Arbeiten existierte in der SMAD ein internes Auftrags- und Meldesystem, das sich zumindest zeitweise auf Direktiven, Gesetze und Befehle des Kontrollrates stützte68. Für diese vorbereitende Phase verpflichteten die Kommandanturen per Befehl deutsche Stellen zur Mitarbeit (Landräte, Polizei, Betriebsleiter). So wies z.B. die SMA Brandenburg übrigens ebenfalls unter Berufung auf Festlegungen des Alliierten Kontrollrats über die Provinzialregierung im November 1945 an, den Kommandanturen sämtliche Patente, Konstruktionszeichnungen, Unterlagen und Auswerteberichte mit militärischer Bedeutung zukommen zu lassen69. In ihren Meldungen unterbreiteten die Kommandanturen erste Vorschläge für die Methode der Entwaffnung bzw. die weitere Verwendung des betreffenden Objektes, die Entscheidung darüber ist aber nur selten dieser Ebene überlassen worden. In der Regel wurde nach Eingang der Meldung eine genauere Prüfung vorgenommen, in deren Rahmen Fachleute der entsprechenden Ressorts der SMAD die Entscheidung vorbereiteten bzw. aus Stammdienststellen auf dem Gebiet der UdSSR nachweisbar ist das insbesondere bei Forschungs- und Produktionsanlagen für Raketentechnik, Strahlturbinen, U-Bootsantriebe, Radargeräte, Kerntechnik anreisten70. Waren Anlagen oder Objekte ohne größeren militärischen oder wirtschaftlichen Wert, wurden sie recht schnell zerstört, gesprengt oder aber dann doch eher als Aus—
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duzierenden Unternehmen ergaben sich unterschiedliche Konsequenzen für das weitere Schicksal eines Betriebes (Demontage, Zerstörung, Umstellung auf Friedensproduktion o. ä.). Die aufgeführten Aufgaben dieser Abteilungen und bestimmte konkrete Aufträge sind in den Befehlen des Obersten Chefs der SMAD Nr. 13, 64 und 136 enthalten, GARF Moskau, f. 7317 o. 8 d. 3, Bl. 105 f.; f. 7317 o. 8 d. 4, Bl. 47 f.; f. 7317 o. 8 d. 2, Bl. 171 f. Dem Autor liegen Berichte verschiedener Kommandanturen über die Erfüllung der Gesetze Nr. 23 und 34, der Befehle Nr. 2 und 4 sowie der Kontrollratsdirektiven Nr. 16, 18, 23, 28, 29 und 30 vor, in denen u. a. über vorhandene militärische Anlagen, aufgefundenes militärisches Gerät, die regelmäßige Überwachung ehemaliger Rüstungsbetriebe, die Vernichtung militaristischer Literatur, die Kontrolle von Sportvereinen, Hochschulen und Polizeidienststellen sowie die Entfernung von Kriegerdenkmälern informiert wird, CAMO RF Podol'sk, f. 233 o. 3184 d. 2, Bl. 106-110; Bl. 128-132; Bl. 152-158; o. 679785 d. 1, Bl. 97 f.: Bl. 179 f. u. a. Schreiben des Chefs der SMA Brandenburg, Generalmajor Vasilij Sarov, vom 3.11.45, Brandenburgisches Landeshauptarchiv Potsdam (BLHA P), Rep. 202 A Nr. 91, Bl. 253 f. Der sowjetische Raketenkonstrukteur S. Koroljov hat sich längere Zeit in Deutschland aufgehalten, um die deutsche V-Waffenentwicklung kennenzulernen und zu übernehmen, Certok/Konovalov, U
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nahmefall den deutschen Verwaltungsorganen zur zivilen Nutzung übergeben. Es ist heute freilich müßig, darüber zu rechten, ob die Sprengung von Kasernen angesichts der Wohnungsnot, die Zerstörung von leerstehenden ehemaligen Produktionshallen oder das Verbot der Ersatzteilgewinnung aus Panzerwracks für die Landwirtschaft71 notwendig im Sinne der Entwaffnung gewesen sind. Zumindest verfestigte sich dadurch bei der Bevölkerung der Eindruck, die Besatzungsmacht führe die Entwaffnung geradezu als Strafmaßnahme und nach für Außenstehende nicht immer nachvollziehbaren Grundsäteine Erscheinung übrigens, die anfänglich auch in den westlichen Besatzen durch zungszonen konstatiert werden mußte72. Große Mengen ehemals deutscher Militärtechnik (Artilleriesysteme und -munition, Handfeuerwaffen, Flugzeugmotoren, Panzertechnik u. a.) faßte man in Sammellagern zusammen, die im Zuge des Verbrauchs durch die Besatzungstruppen und der anderweitigen Verwertung schrittweise geleert wurden. Allein aus dem Land Sachsen ließ die Militärverwaltung bis Mitte 1948 771 Waggons mit fertigem Gerät für die Kriegsmarine in Sammellager abtransportieren73. Die Lager wurden zwar im Laufe der Zeit liquidiert, ihre Existenz ist jedoch teilweise noch 194974 nachweisbar. Wenn zum Zeitpunkt der Bildung dieser Sammellager fehlende Konzepte zur weiteren Verwendung der eingelagerten Militärtechnik und vielleicht auch unzureichende Transport- und Verschrottungskapazitäten durchaus Ursachen für den Verbleib auf dem Boden der SBZ gewesen sein könnten, muß wohl später der Grund eher in der Verschärfung der Ost-West-Beziehungen und der veränderten sowjetischen Position zu Waffen in (ost-)deutscher Hand gesehen werden. Es ist nicht auszuschließen, daß die Bewaffnung der ersten Polizeibereitschaften gerade aus solchen Lagern stammte. Einen nicht unbeträchtlichen Teil der Arbeiten zur Entwaffnung machte im übrigen das Entschärfen von Blindgängern und Räumen von Minenfeldern vor allem an Oder und Neiße aus. Die Liquidierung des deutschen rüstungswirtschaftlichen Potentials gehörte in die Zuständigkeit des Gehilfen (Stellvertreters) des Obersten Chefs der SMAD für ökonomische Fragen. Eine Ausnahme bildeten rüstungswirtschaftliche Anlagen von strategischer Bedeutung, die analog zu den in der UdSSR bestehenden Strukturen unmittelbar vom Volkskommissariat für Innere Angelegenheiten (NKVD), unter den Bedingungen der SMAD also vom Bereich des Stellvertreters für Zivilangelegenheiten, übernommen wurden. Bereits seit April 1945 erfaßten die Kommandanturen, Beauftragte verschiede—
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sovetskich raketnych triumfov. Der spätere DDR-Historiker S. Doernberg will im Juni/Juli 1945 sowjetische Fachleute für den Uranabbau in Dresden gesehen haben, ders., Befreiung, S. 99 f. Ersichtlich aus einem Schreiben der SMA Brandenburg an die brandenburgische Provinzialregierung vom 3.7. 1946, BLHA P, Rep. 202 A Nr. 94, Bl. 135.; Meldung der SMA Sachsen vom 12.2.1947, CAMO RF Podol'sk, f. 233 o. 679785 d. 1, Bl. 50; Bericht der SMA Brandenburg vom
19.5.1947, CAMO RF Podol'sk, f. 233 o. 679785 d. 1, Bl. 179 f.
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Vgl. Meyer, Entmilitarisierung, S.
11 ff. Bericht der SMA Sachsen vom Oktober 1948, GARF Moskau, f. 7212 o. 1 d. 1, Bl. 52. In einem Schreiben des Chefs der Verwaltung für innere Angelegenheiten der SMAD an die DVdl vom 9.4.1949 wird u.a. die nachlässige Bewachung der auf dem Gebiet Thüringens befindlichen Artillerielager für Beutewaffen durch die deutsche Polizei beanstandet, BArch P, Mdl 7/45, Bl. 35.
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Volkskommissariate und sogenannte operative Gruppen des NKVD alle zu diesem Zeitpunkt bekannten und erreichbaren bedeutenden Forschungsstellen und Produktionsner
nicht selten durch Verwahrungshaft den Abfluß der noch an Ort und Stelle verbliebenen Wissenschaftler, Ingenieure und Facharbeiter und nahm die Suche nach weiterem Stammpersonal der Betriebe, Erprobungsstellen und Konstruktionsbüros auf. Der Bereich für ökonomische Fragen stellte eine wichtige Schaltstelle dar, in der sowohl die spezifizierten Reparationsaufträge der zivilen Wirtschaft der UdSSR als auch die Anforderungen der sowjetischen Rüstungsindustrie einliefen und in der über die weitere Existenz ganzer Zweige der deutschen Wirtschaft entschieden wurde. Die ersten Strukturelemente des Bereiches entstanden noch in den letzten Kriegstagen (Abteilung für Reparationen und Lieferungen); ebenso dürfte schon zu diesem Zeitpunkt die Beuteverwaltung auf diesem Weg ihre Aufträge erhalten haben, auch wenn sie als militärische Gliederung formell der Gruppe der Besatzungstruppen zugeordnet war75. Sehr bald erwies sich jedoch, daß die Strukturen und Zuständigkeiten des Bereiches für ökonomische Fragen nicht den Anforderungen genügten. Zudem nahmen im Sommer 1945 die unkontrollierten und zum Teil unsinnigen Beschlagnahmungen durch unterschiedlichste sowjetische Stellen und selbst Privatpersonen so Überhand, daß staatliche Aufgaben gefährdet schienen. Im übrigen waren an diesen Praktiken auch Militärs wie das Mitglied des Militärrates der Besatzungstruppen Generalleutnant Konstantin Telegin beteiligt76. Daraufhin untersagte der Oberste Chef der SMAD am 8. September 1945 vorerst sämtliche Entnahmen ohne seine Genehmigung und wies die Erarbeitung eines »Planes der Reparationslieferungen« an77. Zur fachlichen Begutachtung der Produktionsstätten, Versuchsanlagen und der technischen Dokumentation sowie zur Erfassung deutscher Patente wurden im Oktober 1945 auf der Grundlage des Befehls Nr. 025 des Obersten Chefs der SMAD sogenannte Technische Büros (später Abteilungen für Wissenschaft und Technik) in den Militärverwaltungen der Länder bzw. Provinzen gebildet, die der sich harmlos so bezeichnenden »Verwaltung zum Studium (der Errungenschaften) von Wissenschaft und Technik in Deutschland« in Berlin-Karlshorst unterstanden. Offensichtlich sollte damit der bisherigen Unterschätzung des deutschen technologischen und wissenschaftlich-technischen Niveaus durch sowjetische Stellen, verursacht nicht zuletzt durch die Abschottung der UdSSR von der übrigen Welt und die Kultivierung eines Überlegenheitsanspruchs, gegengesteuert werden. Rückblickend traf die Militärverwaltung (SMA) des Landes Sachsen 1948 zu diesem Sachverhalt fol-
anlagen. Gleichzeitig unterband man
gende Feststellung: »Um die Ausgangsinformationen sten
Forschungs-
und
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sowjetischen Organisationen über die bedeutendErprobungsarbeiten, die in Deutschland während des Krieges der
Diese Sonderstellung der Beuteverwaltung geht u.a. aus dem Befehl Nr. 65 des Obersten Chefs der SMAD vom 28.2.1946 hervor, in dem in allgemeiner Form ihre Aufgaben im Rahmen der wirtschaftlichen Entwaffnung Deutschlands aufgelistet sind, GARF Moskau, f. 7317 o. 8 d. 4, Bl. 48 f. Vgl. Anisimov/Oppokov, Eselon, S. 72-82. Befehl Nr. 54 des Obersten Chefs der SMAD, GARF Moskau, f. 7317 o. 8 d. 1, Bl. 181 f.
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durchgeführt wurden, war es außerordentlich schlecht bestellt. Eine Vielzahl sehr wichtiger Probleme sowie die Namen der Wissenschaftler wurden der SMA erst nach der Niederlage Deutschlands und dem Beginn der Besatzung bekannt. Aus diesem Grunde konnte bekanntlich ein Teil der befähigten wissenschaftlichen Mitarbeiter, die an der Entwicklung neuer Militärtechnik arbeiteten, in die westlichen Zonen ausreisen78.« Ergänzend zur Tätigkeit der Technischen Büros begann vermutlich parallel zu entsprechenden Stellen des NKVD eine Sondergruppe beim Chef des Stabes der SMAD den Einsatz deutscher Fachleute bei den Verbündeten zu verfolgen79. Aufgebaut wurden zusätzlich sogenannte Montageverwaltungen, die im Auftrage zentraler sowjetischer Dienststellen mit der Demontage bestimmter Ausrüstungen in Deutschland und ihrer anschließenden Montage in der UdSSR befaßt waren, die Verwaltung für SAG-Betriebe, die Verwaltung Außenhandel u.a. Von 1946 bis 1948 existierte zudem eine Verwaltung für die wirtschaftliche Entwaffnung Deutschlands, die möglicherweise als Nachfolgeeinrichtung der 1945/46 bestehenden Beute Verwaltung tätig war und im Auftrag verschiedenster Ministerien der UdSSR Demontage und Abtransport von Industrieanlagen u. a. koordinierte. Nahezu ausnahmslos wurden alle die militärische und ökonomische Entwaffnung Deutschlands tangierenden Fragen als unmittelbar die Sicherheitsinteressen der UdSSR berührend eingestuft und mit den höchsten Geheimhaltungsgraden versehen. Insbesondere traf das für Pläne und zusammenfassende Berichte über Demontagen und Reparationslieferungen, diesbezügliche Anforderungen militärischer Dienststellen der UdSSR sowie für die Entnahme von militärischem Beutegut und von Wertgegenständen zu. Es galt auch für Informationen über das den Uranbergbau im Erzgebirge betreibende »Wismut«-Unternehmen80, zur Tätigkeit der in der UdSSR arbeitenden deutschen Fachkräfte und zu der in der SBZ im sowjetischen Auftrag weitergeführten militärischen For—
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schung81. Es gab für die
SMAD mehrere Beweggründe, den Mantel der Geheimhaltung über das Rüstungspotential und das Militärwesen des Feindstaates Deutschland auszubreiten. Der sprichwörtlich hohe Zaun um die ehemals deutschen militärischen und rüstungswirtschaftlichen Anlagen sollte in Verbindung mit dem in gewollter Direktheit formulierten »Muß«, das hinter der Auflösung aller Streitkräfte und militärischen Organisationen, der Untersagung jeder militärischen Betätigung und dem umfassenden Verbot der Entwicklung und Produktion von militärischem Gerät stand, die Deutschen von Gewehr und Kaserne trennen. Gleichzeitig sollte er verhindern, daß die westlichen Alliierten aus der Kenntnis der Schwerpunkte des sowjetischen Interesses an deutschen Rüstungstechnologien, Waffenentwicklungen usw. für die Sowjetunion unerwünschte Schlußfolge -
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80 8i
Bericht der SMA Sachsen vom Oktober 1948, GARF Moskau, f. 7212 o. 1 d. 1, Bl. 565. Vgl. von der Sondergruppe aufbereitete Aktennotiz über die Nutzung deutscher Fachkräfte durch die (westlichen) Alliierten, 20.11.1946, GARF Moskau, f. 7317 o. 4 d. 12, Bl. 130 ff. Zum Uranbergbau und zum Wismut-Unternehmen vgl. Paul, Wismut-Erbe. Eine Aufstellung der für den Geheimnisschutz zuständigen Abteilung der SMAD listete 1947 genau auf, welche Geheimhaltungsgrade für die einzelnen Aufgabenkomplexe des Stellvertreters für ökonomische Fragen verbindlich waren und wem Informationen zugänglich gemacht werden durften, GARF Moskau, f. 7317 o. 4 d. 12, Bl. 351 ff.
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rungen hinsichtlich Rüstungsstand, Ausstattung der Roten Armee u.a. ziehen konnten und der Sowjetunion Rechenschaft über Umfang und Charakter militärischen Beuteguts sowie über Interna der Besatzungsmacht weitgehend erspart blieb. Freilich konnte man sich solange die Zusammenarbeit in den Direktoraten des Kontrollrats noch funktionierte nicht davor verschließen, den westlichen Alliierten auf der Basis der Gegenbestimmte Informationen zu übergeben und Kontrollen zu gestatten. Es bliebe seitigkeit noch zu beweisen, inwieweit dabei ein reales Bild gezeichnet wurde, oder ob es allerdings der sowjetischen Besatzungsmacht gelungen ist, sich gegen unerwünschte Neugier zu sivon den nicht zur Verfügung stehenden Akchern. Bis heute sind aus diesen Gründen exakte Einschätzungen ten über die wirtschaftliche Entwaffnung ganz zu schweigen zu Umfang und Wert der von der UdSSR übernommenen militärischen und rüstungswirtschaftlichen Anlagen schwierig. Lediglich über gesicherte Aussagen zu bestimmten Teilfragen kann der Erkenntnisstand erweitert werden. Legt man beispielsweise die für das Land Sachsen 1948 von der sowjetischen Militärverwaltung gemeldeten Zahlen demontierter Betriebe mit überwiegend militärischer Produktion (!) zugrunde (979 Betriebe, davon 181 Rüstungsbetriebe), müssen die in der DDR-Historiographie verwendeten Angaben für die gesamte Industrie der SBZ »vornehmlich teilweiser Abbau von ca. 1650 industriellen Objekten«82 als entschieden zu niedrig angesehen werden. —
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Aufschlüsselung der für das Land Sachsen 1948 von der sowjetischen Militärverwaltung als demontiert gemeldeten Betriebe mit überwiegend militärischer Produktion Produktionsprofil Flugzeugbau Panzerbau Waffen
Ausrüstung und Gerät für die Marine Kraftfahrzeugbau Munition
Rüstungsbetriebe gesamt Anzahl der insgesamt in Sachsen demontierten Betriebe Quelle: Archiv GARF Moskau, f. 7212 o.
Anzahl der Betriebe 48 14 26 31 47 15 181 979
1 d. 1, Bl. 53-64
Die sowjetische Militärverwaltung konnte die Deutschen nicht völlig aus den von ihr zu erfüllenden Aufgaben im militärischen und rüstungswirtschaftlichen Bereich ausklammern, nur waren diese in nahezu allen Fällen Objekt des Handelns. Kraft der Besatzungsvollmacht lag jede Entscheidung bei der SMAD, die sie im äußersten Fall mit dem auch gegenüber der deutschen Bevölkerung angewandten sowjetischen Kriegsrecht oder mit militärischer Gewalt erzwingen konnte. Die Besatzungsmacht interessierte sich nur 82
Vgl. Mühlfriedel/Wießner, Geschichte, S. 46.
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Rande für die Kriegserfahrungen deutscher Generalstabsoffiziere83. Sie benötigte hingegen die Deutschen als Fachleute für die Entwicklung, Produktion und Bedienung von militärischem Gerät oder oft einfach nur als Arbeitskräfte in Größenordnungen von Zehntausenden für die Beseitigung militärischer Anlagen bzw. für Demontage- und am
Verladearbeiten. Deutsche waren im Dienste der Besatzungsmacht in diesen Bereichen zu unterschiedlichsten Konditionen tätig auf Befehl des Obersten Chefs der SMAD und nach dem Willen des Ortskommandanten, als von der Militärverwaltung anerkannter Fachmann mit Sonderpajok84 und als Kriegsgefangener bei der Minenräumung oder Schiffsbergung. Die sowjetische Militärverwaltung plante und organisierte die Entwaffnung in ihrer Zone mit den dazugehörigen Folgemaßnahmen in eigener Zuständigkeit. Die Einbeziehung deutscher Verwaltungsstellen reduzierte sich auf das unverzichtbare Minimum wie Arbeitskräftegestellung, Erfassung von militärischen Einrichtungen, Übergabe von Berichtsmaterial, Befehlsweiterleitung u.a.; über Ablauf, Ausmaß und Auswirkungen wurden sie bewußt im unklaren gelassen85. Hier dürften auch die deutschen Kommunisten keine Ausnahme gebildet haben. Die über Gebühr gepflegte Geheimhaltung machte die Zusammenarbeit zwischen den Siegermächten nicht einfach und nährte stetes Mißtrauen. Der wechselseitig erhobene Vorwurf, man habe in deutschen Rüstungsbetrieben für den Bedarf der eigenen Streitkräfte produziert, traf für die SMAD in gewissen Bereichen zu. Einmal wiesen darauf die Existenz bestimmter Strukturelemente innerhalb der Besatzungsverwaltung, Aufgabenstellungen an die Kommandanturen u. a. hin86, zum anderen belegen das Berichte deutscher Facharbeiter und Ingenieure87. In der Regel handelte es sich um die Produktion von Versuchsserien, die Rekonstruktion einzelner Baumuster oder die Herstellung verschiedener Baugruppen (z. B. V-Waffen, Strahltriebwerke, Kreiselgeräte u.a.), deren Endpunkt zumeist in der zweiten Jahreshälfte 1946 die Liquidierung der Produktionsstätte oder ihre Verlagerung in die UdSSR darstellte. Eine Großserienfertigung strategisch wichtiger Rüstungsgüter auf deutschem Boden wäre für die Sowjetunion aus sicherheitspolitischen Gründen nicht denkbar gewesen. Dennoch stellte diese Art der militärischen Produktion und Forschung einen Verstoß gegen alliierte Vereinbarungen zur Entwaffnung Deutschlands dar. Konstruktionsbüros, Laboratorien und Werkstätten —
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Wie ein Bericht der SMA Sachsen
vom
Oktober 1948 aussagt, erteilte die SMAD
nur
vereinzelt
entsprechende Aufträge, GARF Moskau, f. 7212 o. 1 d. 1, Bl. 32. Das erfolgte eher in den Kriegsgefangenenlagern auf dem Gebiet der UdSSR. Mit »Pajok« wird im Russischen der in Naturalien ausgereichte tägliche Verpflegungssatz des Soldaten bezeichnet. Die SMAD praktizierte hier ein in der Sowjetunion verbreitetes Verfahren. Mit der Sonderzuteilung von Lebensmitteln und später zunehmend Industriewaren förderte und privilegierte sie bestimmte Politiker, Wissenschaftler, Künstler u. a. sicher nicht ganz ohne die Absicht, diese auch zu korrumpieren. Diese Praxis illustriert z. B. anschaulich der Befehl Nr. 178 des Obersten Chefs der SMAD, GARF Moskau, f. 7317 o. 8 d. 2, Bl. 404 f., der am 22.12.1945 die Bereitstellung von insgesamt 218 000 Arbeitskräften zur Verfügung der Beuteabteilungen verlangte, ohne daß etwa vorher Einsatzort, Spezifik der Arbeiten, Dauer o. ä. bekanntgegeben wurden. Die Rüstungsbetriebe unterstanden nicht dem Volkskommissariat für Verteidigung bzw. dessen Nachfolgeeinrichtung, daher sagen Archivalien militärischer Provenienz verständlicherweise wenig dazu aus. Schilderungen z.B. bei Gröttrup, Raketen.
Das Wirken der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland
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setzten unter ihrem neuen Arbeitgeber die begonnenen Arbeiten an Ort und Stelle fort, sofern die Mitarbeiter nicht zur Weiterarbeit in der Sowjetunion veranlaßt wurden. Von den im Land Sachsen erfaßten 56 Wissenschaftlern und Technikern, die führend an der Entwicklung von Gerät für die Kriegsmarine mitgearbeitet hatten, setzten bis 1948 31 ihre Forschungsaufgaben im sowjetischen Auftrag fort88. Die Besatzungsmacht baute sogar in dem Maße, wie die Bedeutung bestimmter Forschungen wuchs (Funkzünder, Dezimetertechnik, Hohlladungsmunition u.a.), das Forschungspotential aus89. Erst 1947 wohl nach den energischen Einsprüchen der westlichen Alliierten erließ die SMAD den Befehl Nr. 79 vom 9. April 194790, der jede Forschung unter Kontrolle stellte und (erneut) militärische Forschungen verbot, und reduzierte die im militärischen Auftrag betriebenen Arbeiten. Ein beträchtlicher Teil des genutzten Forschungspotentials war zu diesem Zeitpunkt ohnehin schon in die Sowjetunion verbracht worden. In einer schlagartigen Aktion auf dem gesamten Territorium der SBZ hatten Kräfte des Innenministeriums der UdSSR (MVD, bis zum 16.3.1946: NKVD) in der Nacht vom 21. zum 22.10.1946 Wissenschaftler und ganze Belegschaften von Rüstungsbetrieben und militärischen Forschungseinrichtungen (u. a. Mittelwerke Bleicherode mit Außenstellen, Forschungsteams aus den ehemaligen Flugzeugwerken in Rostock-Marienehe, Berlin, Dessau, Staßfurt und Halle, Hochfrequenz- und Radarfachleute zweier von der SMAD in Berlin geschaffener Großforschungsinstitute u. a.), in geringerem Umfang auch Wissenschaftler aus dem nichtmilitärischen Bereich, in die UdSSR verbracht91. Die militärische und auch die in Form von Demontagen betriebene wirtschaftliche Entwaffnung war mit Ablauf des Jahres 1947 in der SBZ im wesentlichen beendet. Militärische und rüstungswirtschaftliche Anlagen standen ausnahmslos unter der Kontrolle der Besatzungsmacht. Zur Liqidierung angestanden hatten sie zuletzt überwiegend nur noch im Zusammenhang mit der Freigabe von Kasernen durch die ihr Personal reduzierenden zahlreichen sowjetischen Unternehmen und Dienststellen sowie dem Abschluß von Demontagearbeiten. Die Kommandanturen führten zwar weisungsgemäß die vorgegebenen Aufträge weiter, nennenswerte Neuzugänge bei der Erfassung von militärischem Gerät, bisher unbekannten Rüstungsfabriken, Werksarchiven oder Patenten mit militärischer Bedeutung konnten jedoch nicht vermeldet werden. Mit Jahresbeginn 1948 wurde gewissermaßen als Schlußpunkt der militärischen Entwaffnung die Vernichtung von Waffen und Munition den deutschen Behörden übertragen92. Konsequent war in der SBZ insoweit entwaffnet worden, als die bisherige deutsche Kriegsmaschine gründlich zerschlagen wurde. Wie der Chef der SMA in Thüringen, —
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Sehr klar und mit vielen Detailangaben bringt das ein zusammenfassender geheimer Bericht der SMA im Land Sachsen vom Oktober 1948, GARF Moskau, f. 7212 o. 1 d. 1 und 2, zum Ausdruck, dessen die wirtschaftliche und militärische Entwaffnung betreffender Teil vom Verfasser in den MGM, 52 (1993), H. 2, publiziert wurde. Vgl. GARF Moskau, f. 7212 o. 1 d. 1, Bl. 47. Ebd., f. 7317 o. 8 d. 10, Bl. 171 f. In diesem Befehl bezieht sich die SMAD auf das Gesetz Nr. 25 des Kontrollrats, das jedoch bereits am 29.4. 1946 verabschiedet worden war! Zu den Umständen vgl. Albrecht/Heinemann-Grüder/Wellmann, Spezialisten, S. 38 ff. Befehl Nr. 269 des Obersten Chefs der SMAD vom 10. 12.1947, GARF Moskau, f. 7317 o. 8 d. 13, Bl. 241 f.
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Generalmajor Ivan Kolesnicenko, bereits im Januar 1947 feststellte, bereitete dieser Auftrag ebenso wie die Durchsetzung der Reparationen »im wesentlichen keine großen Schwierigkeiten«93. Die sowjetische Besatzungsmacht hatte allerdings viel Brauchbares aus den Trümmern herausgefunden und beiseite gelegt. Zur Rolle der
SMAD-Organe für innere Angelegenheiten
Einen besonderer Platz im Gefüge der sowjetischen Militärverwaltung mußte nach Ansicht der deutschen Bevölkerung nicht nur wegen der andersfarbigen Uniformteile den Angehörigen der Organe für innere Angelegenheiten eingeräumt sein. Die Bevölkerung stützte sich eher auf ihre Erfahrungen: Diese Vertreter der Besatzungsmacht handelten scheinbar unabhängig von allen anderen Verwaltungsbereichen, waren wegen der betriebenen Geheimhaltung kaum klar auszumachen und lieferten in der Regel die unangenehmsten und folgenträchtigsten Zusammenstöße mit der Militäradministration. Auch heute noch sind damaliger Auftrag und voller Umfang des Handelns der Organe für innere Angelegenheiten unzureichend ausgeleuchtet, was durchaus in der Absicht dieser Organe lag. Zu dem Bereich für innere Angelegenheiten der SMAD besteht das größte Erkenntnisdefizit, weil die entsprechenden Akten sehr wahrscheinlich in gesperrten Archiven des ehemaligen Komitees für Staatssicherheit der UdSSR lagern und bisher buchstäblich keine einzige Akte zugänglich ist. Das bestätigt im nachhinein die Sonderstellung des NKVD innerhalb der Militärverwaltung. Die sicherheitspolitische Komponente sowjetischer Besatzungspolitik ließe sich jedoch bei völliger Ausklammerung der Organe für innere Angelegenheiten nur unzureichend beschreiben. Auf den Versuch, die Herleitung des sicherheitspolitischen Auftrags dieser Organe und ihr Wirken auf dem Gebiet der SBZ zu beschreiben, darf nicht verzichtet werden, auch wenn er keinen Anspruch auf eine historische Beweisführung erheben kann. Die Bolschewiki, denen die dauerhafte Eroberung der staatlichen Macht erstmals gelungen war, maßen der Machtsicherung nach innen und außen stets außerordentliche Bedeutung bei. Auf der Grundlage der von Lenin begründeten Notwendigkeit der »Verteidigung des sozialistischen Vaterlands gegen äußere und innere Feinde« hatten sie neben der Roten Armee, deren hauptsächliche Zweckbestimmung sie im Einsatz gegen äußere Feinde sahen, sukzessive ein ganzes Arsenal von Instrumenten entwickelt, die sich in der Hand eines speziellen, zentralistisch geführten staatlichen Machtmittels befanden und mit deren Hilfe ein »Export der Konterrevolution« nach Rußland verhindert, innere Gegner der Sowjetmacht ausgeschaltet und staatliche Interessen geschützt werden sollten. Dieser sogenannte Sicherheitsapparat, dessen Bezeichnungen, Zuständigkeiten, Strukturen usw. sich von der 1917 unter Feliks Dzierzyñski geschaffenen »Sonderkommission zur Bekämpfung von Konterrevolution und Sabotage« (Ceka) bis zu dem über die gesamte Dauer des Krieges existierenden Volkskommissariat für Innere Angelegenheiten (NKVD) unter Leitung von Berija mehrfach änderten, besaß von Be93
des Chefs der SMA Thüringen, GARF Moskau, f. 7317 o. 4 d. 12, Bl. 18.
Vortragsmaterial
Generalmajor Kolesnicenko,
vom
14.1.1947,
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an außergewöhnliche Vollmachten und nutzte direkt oder indirekt eine Vielzahl anderer staatlicher und gesellschaftlicher Einrichtungen der UdSSR für seine Tätigkeit94. Im Ergebnis der weiteren Ausprägung des totalitären Charakters des Sowjetstaates und nach den in mehreren Schüben vor allem in den 30er Jahren durchgeführten berüchtigten landesweiten »Säuberungen« konzentrierten die Sicherheitsorgane in ihren Händen ein gewaltiges Repressivpotential. Dem NKVD unterstanden die Miliz, die Grenztruppen, eigene sogenannte innere Truppen, die als Geheimdienst strukturierte, nach innen und außen wirkende Hauptverwaltung für Staatssicherheit95, die Haupverwaltung für Lager (GULAG) u. a. Der Sicherheitsapparat kontrollierte und überwachte faktisch alle wichtigen Bereiche des gesellschaftlichen Lebens. Mit seinem erbarmungslosen Vorgehen gegen echte und vermeintliche Feinde der Sowjetmacht trug er maßgeblich zur inneren Festigung des Sowjetsystems bei, freilich nicht ohne Gewalt und Rechtsbrechung sowie die Schaffung einer Atmosphäre der Angst und des Verrats. Die Sicherheitsorgane waren stets auch in der Armee des Sowjetstaates präsent. In ähnlicher Weise wie die Kommissare bzw. der Politapparat verfügten sie über ein internes, den Kommandeuren nicht zugängliches Melde- und Überwachungssystem. Während die Politarbeiter jedoch keine direkte Vollzugsgewalt besaßen, konnten die Sicherheitsorgane unmittelbar eingreifen und selbständig Entscheidungen bis hin zur sofortigen Verhaftung von Armeeangehörigen treffen. Im Zusammenhang mit der sich nach dem deutschen Angriff auf die Sowjetunion im Juni 1941 rapide verschlechternden Kriegslage wurden die bisherigen Organe zur Gegenaufklärung (Spionageabwehr) zu sogenannten Sonderabteilungen (auf den Ebenen Division, Korps und Armee) bzw. Sonderverwaltungen (auf der Frontebene) umgebildet und als eigenständige NKVDElemente in der Roten Armee neben der Spionageabwehr mit der dringend notwendigen Stabilisierung des bröckelnden inneren Gefüges der Streitkräfte beauftragt. Erst nach der Konsolidierung der militärischen Lage erfolgte im April 1943 eine formale Eingliederung der nunmehr als »Smers» bezeichneten Organe96 in das Volkskommissariat für
ginn
Verteidigung.
Mit diesen Strukturen und Aufgaben des Sicherheitsapparates innerhalb und außerhalb der Roten Armee marschierten die sowjetischen Truppen 1945 in Deutschland ein. Bei der Umsetzung der von den alliierten Hauptmächten konzipierten Deutschlandpolitik stützte sich Moskau in der von ihm kontrollierten Zone zu wesentlichen Teilen auf die Organe des NKVD. Diesen oblagen insbesondere die Gewährleistung eines entsprechenden Besatzungsregimes d. h. von innerer Sicherheit, Ruhe und Ordnung sowie die Mitarbeit bei der Liquidierung des Nationalsozialismus und des Militarismus. Nicht zufällig war der Sicherheitsapparat dafür ausersehen worden: Er besaß die notwendigen Mittel und Erfahrungen für die innere Verwaltung, aber auch für die Nieder—
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Darstellung u. a. zur Entwicklung des sowjetischen Sicherheitsapparates und seispäteren Partners, des Ministeriums für Staatssicherheits der DDR, enthält Fricke, DDR-Staats-
Eine informative nes
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sicherheit. Die Hauptverwaltung für Staatssicherheit wurde 1943 eigenständiges Volkskommissariat, arbeitete aber eng mit dem NKVD zusammen und fiel wie auch das NKVD in den Zuständigkeitsbereich des für Sicherheitsfragen verantwortlichen Politbüromitgliedes Berija. »Smerä» ist die Abkürzung von »Smeit' spionam« und bedeutet »Tod den Spionen!«
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haltung politischer Gegenkräfte und die Ausschaltung Mißliebiger97, und war in der Lage, ein ausgedehntes Aufklärungs- und Informationsnetz aufzubauen. Zudem bot dieser Auftrag alle Möglichkeiten, der eigentlichen Zweckbestimmung des Sicherheitsapparates gerecht zu werden, d.h. zur Stärkung der Verteidigungsfähigkeit und zur sowjetischen Machtsicherung nach innen und außen beizutragen. Den NKVD-Organen boten sich im Deutschland des Jahres 1945 relativ günstige Handlungsbedingungen: umfassende und im Detail kaum einzuengende Befugnisse als Besatzungsbehörde98 zusätzlich zu bereits bestehenden eigenen Sonderrechten, die mit der Zerschlagung des deutschen Staatsaufbaus und der Anwendung des sowjetischen Kriegsrechts vorhandenen und nur schwer zu kontrollierenden juristischen Freiräume, die Chance für die Einbringung eigener langfristiger Zielvorstellungen beim Aufbau der neuen deutschen Verwaltungsund Vollzugsorgane u. a. m. Analog zu den zum damaligen Zeitpunkt in der Sowjetunion bestehenden Machtstrukturen wurde nach dem Einmarsch der Roten Armee ein Sicherheitsapparat aufgebaut, der formal in die sowjetische Militärverwaltung eingebunden war, jedoch der ausschließlichen Kompetenz des Volkskommissariats für Innere Angelegenheiten der UdSSR unterstand. Wenngleich ein vollständiger Überblick über alle Arbeitsorgane der zentralen Ebene im Arbeitsbereich des Stellvertreters für Zivilangelegenheiten vor allem wegen des fehlenden Rückgriffs auf Archivdokumente und der gezielten Verschleierung noch nicht zu gewinnen ist, kann doch von vier Säulen ausgegangen werden. Einmal
Organe für innere Angelegenheiten für die Bildung deutscher Selbstverwaltungsorgane sowie für Ruhe und Ordnung zuständig. Sie zeichneten insbesondere für die Personalpolitik gegenüber der deutschen Verwaltung sowie für den Aufbau und die Anleitung der Polizei, d.h. also für entscheidende Faktoren der inneren Sicherheit in der sowjetischen Besatzungszone, verantwortlich. Dem Bereich für innere Angelegenheiten wurden daneben die von den Alliierten gemeinsam beschlossene Strafverfolgung von Kriegsverbrechern und aktiven Nationalsozialisten sowie die Einrichtung von Internierungslagern für diesen Personenkreis übertragen. Der dritte Arbeitsbereich umfaßte die nach geheimdienstlichen Methoden geführte Aufklärungstätigkeit; übrigens sind darüber nur wenige gesicherte Fakten bekannt. Schließlich übernahmen die Organe für innere Angelegenheiten auch die Kontrolle und zum Teil direkte Leitung sensibler und für die künftige Sicherheit der UdSSR entscheidender Felder (beginnender Uranbergbau, deutsche Produktions- und Forschungskapazität mit strategischer Bedeutung). Die enge Verflechtung der beiden den Organen für innere Angelegenheiten gestellten Hauptaufgaben, d. h. einerseits notwendige Bedingungen in der SBZ für eine erfolgversprechende Besatzungspolitik zu schaffen und andererseits die innere und äußere 97
98
waren
die
Der Stellvertreter des Obersten Chefs der SMAD für Zivilangelegenheiten Serov hatte z. B. bereits an führender Stelle bei der Befriedung der von der Roten Armee im September 1939 besetzten ostpolnischen Gebiete, bei der Liquidierung der Republik der Wolgadeutschen im Sommer 1941 und ähnlichen Aktionen mitgewirkt, vgl. dazu Dokumenty katyriskie, S. 290-313, sowie Kicichin, Sovetskie nemcy, S. 28-38. Die Proklamation Nr. 2 des Alliierten Kontrollrats mit den zusätzlichen Forderungen an Deutschland bildete dafür eine entscheidende Grundlage, vgl. Amtsblatt des Kontrollrats, Nr. 1, S. 8-18.
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Sicherheit der Sowjetunion zu bewahren und zu stärken, mußte bedeuten, daß nicht ausschließlich nur die Deutschen Objekt des Handelns sein konnten; zu bestimmten Teilen zumindest bezog sich das ebenfalls auf die eigenen Landsleute (Mitarbeiter der SMAD und Angehörige der Besatzungstruppen, aber auch »Abtrünnige« aus den Reihen der kriegsgefangenen Rotarmisten, der Fremdarbeiter, der sogenannten weißen Emigration
u.a.). Die ersten NKVD-Organe etablierten sich praktisch noch während der Kampfhandlungen auf deutschem Boden, allerdings wiesen sie vorerst keine Fachleute für den Aufbau von kommunalen Verwaltungen auf. Ihr Augenmerk galt Rüstungs- und Forschungsstätten mit möglicher strategischer Bedeutung, hochkarätigen Wissenschaftlern, wichtigen waffentechnischen Neuentwicklungen u.a. Sie sollten damit langfristig sicherheitspolitische Interessen der UdSSR befriedigen helfen. Ebenso durchkämmten sie das von den sowjetischen Truppen besetzte Gebiet nach Kriegsverbrechern, hohen Beamten des Dritten Reiches und »Verrätern an der Sowjetunion«. In der Regel tauchten die NKVD-Kräfte auf und trafen entsprechende Entscheidungen, bevor der Militärkommandant oder Fachleute anderer Ressorts hinzugezogen wurden99. Etwa ab Juli/August 1945 nach der Schaffung eines die gesamte SBZ erfassenden Netzes von NKVD-Organen und der Verankerung von NKVD-Mitarbeitem in den Kommmandanturen schalteten sich die Organe für innere Angelegenheiten in die mit der deutschen Selbstverwaltung verbundenen Probleme ein. Nachdem die Militärkommandanten noch vor der Schaffung der organisatorischen Rahmenbedingungen durch die Besatzungsverwaltung teilweise recht willkürlich Anfänge einer deutschen Selbstverwaltung initiiert hatten, wurde nunmehr mit dem systematischen, vom Volkskomissariat für Innere Angelegenheiten gesteuerten Aufbau deutscher Verwaltungs- und Vollzugsorgane in dem von den Alliierten abgesteckten Rahmen begonnen. In einigen Fällen erfolgte das in der Auseinandersetzung mit den Militärkommandanten, was sich für die deutsche Bevölkerung an überraschenden Absetzungen deutscher Verwaltungsangestellter zeigte. Eine Schlüsselstellung innerhalb der deutschen Selbstverwaltung räumte die Besatzungsmacht der zunächst lokal sehr unterschiedlich aufgebauten und geführten Polizei ein, die als Instrument zur Durchsetzung der Forderungen der Besatzungsmacht sowie zur Gewährleistung geordneter Lebensbedingungen in der Nachkriegszeit zu wirken hatte. Auch hier wurden im Sommer 1945 mit der Übertragung der Verantwortung auf die Offiziere für innere Angelegenheiten in den Kommandanturen100 einheitliche Führungsgrundsätze in Angriff genommen, die vor allem auf die dringend notwendige größere Wirksamkeit der Polizei abzielten. Wie das Beispiel der einheitlichen Berliner Polizei zeigte, war bis in das Jahr 1946 hinein die Polizei kaum Anlaß für unüberbrückbare Differenzen zwischen den alliierten Mächten. Allerdings gab die SMAD mit der grundsätzlichen, wenn auch nicht sofort und direkt durchgesetzten Orientierung am Modell der sowjetischen Miliz zwei Leitlinien für die Entwicklung der Polizei ihrer Besat99
100
Ein kennzeichnendes Beispiel: Die Technische Hochschule Dresden wurde bereits an dem der Einnahme der Stadt folgenden Tag von »russischen Polizeitruppen« besetzt, Haritonow, Demontage, S. 15. Vgl. Bericht der SMA Sachsen vom Oktober 1948, GARF Moskau, f. 7212 o. 1 d. 2, Bl. 171 ff.
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militärnahe zentralistische zungszone vor, die nicht ohne Folgen bleiben sollten Strukturen außerhalb der Einflußmöglichkeiten parlamentarischer Einrichtungen und das Prinzip der Parteilichkeit. Es war naheliegend, daß für die Polizei nur disziplinierte Männer in Frage kamen, auf die sich die Militärverwaltung stützen konnte. Die von der Besatzungsmacht von Beginn an praktizierte Besetzung von Schlüsselpositionen in der Polizei nahezu ausschließlich durch Kommunisten, die Bildung der Deutschen Verwaltung des Innern (DVdl) im August 1946 als Schritt zur Zentralisierung des Polizeiwesens, die beginnende Einbeziehung der Kriminalpolizei in die Verfolgung politischer Gegner der von der Besatzungsmacht favorisierten Entwicklung und die mit der verstärkten Sicherung der Demarkationslinie ausgelöste Bildung der Grenzpolizei im November 194610' mußten als Anzeichen dafür angesehen werden, daß die Polizei Gefahr lief, sich in ähnlicher Weise wie die sowjetische Miliz im Gesamtsystem des NKVD zu einem Bestandteil des inneren Sicherheitsapparates zu entwickeln. Die Realisierung des den NKVD-Organen gestellten Auftrags war mit den empfindlichsten und nachhaltigsten Eingriffen in das politische, wirtschaftliche und persönliche Leben der Deutschen in der sowjetischen Zone verbunden. Unmittelbar nach dem Einmarsch der sowjetischen Truppen wurden die gemeinsam von den Alliierten beschlossenen Internierungslager eingerichtet und Verhaftungen mit allen für die Praxis der NKVDOrgane üblichen Folgeerscheinungen wie Anwendung physischer Gewalt gegen Beschuldigte bis hin zur Ermordung, Langzeithaft ohne Gerichtsurteil und ohne Kontakt der Häftlinge zur Außenwelt, konstruierte Anklagen, Verhängung härtester Strafen u. a. vorgenommen. Gleichzeitig setzten die Requirierungen, Entnahmen und Demontagen sowie der Abtransport von Spezialisten und ganzen Belegschaften in die UdSSR ein. Für die Bevölkerung der SBZ, die sich in der Masse aus verständlichen Gründen distanziert zur Besatzungsmacht verhielt und keine tieferen Einblicke in Aufbau und innere Funktion der Besatzungsbehörden besaß, verkörperte der NKVD schlechthin »die Russen« und deren System, der Unterschied zum wohlwollenden Angestellten der Militärverwaltung war äußerst schwer auszumachen. Bei durchaus vorhandener Zustimmung zu bestimmten Maßnahmen der SMAD wie z. B. zur Bodenreform oder zur Öffnung des Bildungswesens für sozial Schwache bezogen große Teile der Bevölkerung eine ablehnende Haltung zur Besatzungsmacht, die hauptsächlich auf das Vorgehen der NKVD-Organe sowie die drückenden Demontagen und Entnahmen in vielen Bereichen zurückzuführen war. Die Militäradministration wollte diese Haltung als Warnzeichen nicht wahrhaben und setzte nach der vom Kontrollrat auf Antrag der SMAD angeordneten Sperrung der Demarkationslinie am 30. Juni 1946 die Besatzungspolitik mit allen ihren Elementen unverändert fort. Die Folgen konnten nicht ausbleiben: Der Winter 1946/47 verursachte einen schweren wirtschaftlichen Einbruch, und immer mehr Menschen kehrten dem von der SMAD und der SED propagierten Zukunftsmodell den Rücken. —
Die Bildung der Grenzpolizei erfolgte auf der der SMAD, BArch P, Mdl 7/19, Bl. 27.
Grundlage des Befehls
Nr. 0155 des Obersten Chefs
Das Wirken der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland
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3. Die SMAD unter sich wandelnden sicherheits- und militärpolitischen Zielsetzungen 1947-1949
Anpassung an veränderte äußere und innere Bedingungen Der Jahresausklang 1947 ließ mit dem Scheitern der Londoner Außenministerkonferenz über Deutschland schlaglichtartig sichtbar werden, wie sehr sich die äußeren und inneren Rahmenbedingungen für das Wirken der sowjetischen Militäradministration im Vergleich zu denen bei ihrer Bildung 1945 gewandelt hatten. Wenn sich die sowjetische Führung bei der Potsdamer Konferenz der Hoffnung hingegeben hatte, das über viele Klippen des Krieges bewahrte Zusammengehen der Antihitlerkoalition könne in einer abgestimmten Besatzungspolitik gegenüber Deutschland seine Fortsetzung finden, so mußte sie wie auch die anderen Beteiligten bald eine Vertiefung der Risse konstatieren. Während den Argwohn der UdSSR vor allem die in der britischen Zone beobachteten Verzögerungen bei der Entlassung größerer Kontingente von Wehrmachtangehörigen hervorriefen102, beanstandeten die Anglo-Amerikaner vehement die sowjetische Reparationspolitik in der SBZ. Zu einer weiteren Klimaverschlechterung trugen die mit gegenseitigen Vorwürfen geladenen Reden Stalins anläßlich der Wahlen zum Obersten Sowjet im Februar 1946103 und Churchills in Fulton im März des gleichen Jahres104 bei. Den ersten Anzeichen einer beginnenden Sowjetisierung in der Ostzone stand die Einstellung sämtlicher Lieferungen aus der US-Zone gegenüber. Mit dem Zusammenschluß der amerikanischen und der britischen Zone zur Bizone und der Annahme des Marshallplans fielen 1947 gewichtige Entscheidungen auch gegen sowjetische sicherheitspolitische Interessen in Deutschland. Die von Andrej Zdanov beim Treffen der kommunistischen Parteien im September 1947 verkündete Zwei-Lager-Theorie105, die von der westlichen Seite kaum anders denn als Kampfansage verstanden werden konnte, fand gewissermaßen ihre Bestätigung durch die politische Realität. Zudem setzten etwa zu diesem Zeitpunkt »Säuberungen« in den kommunistischen Parteien und eine neue Welle des stalinistischen Terrors ein. Das konnte nicht ohne Auswirkungen auf die Situation in der östlichen Zone bleiben. In der sowjetischen Führung faßte der Gedanke einer eigenstaatlichen Entwicklung in der SBZ auch mit entsprechenden Konsequenzen für die Machtsicherung nach innen immer mehr Fuß. Ihr Versuch, mit der Blockade der Zufahrtswege zu den Westsektoren Berlins letztlich die Bildung eines westlichen Separatstaates verhindern zu wollen, endete in einer Sackgasse. Die Gründung der DDR sollte den Schwebezustand, in dem sich die SBZ befand, beenden106.
Zu den
sowjetischen Anschuldigungen vgl. Rede des sowjetischen Außenministers Molotov anläßlich der Wahlen zum Obersten Sowjet, 6.2.1946., KAG 1946/47, S. 639 f. Vgl. Rede Stalins in der Wahlversammlung seines Wahlbezirks in Moskau, 9.2. 1946, ders., S. 266-272. Auszugsweise veröffentlicht in KAG 1946/47, S. 669 f. Vgl. RedeZdanovs, ebd., S. 1209-1213. Vgl. Beitrag Thoß, S. 66-74.
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Als
exemplarisch für die mit dem Kalten Krieg einhergehende schrittweise sicherheitspolitische Umorientierung der UdSSR kann die Entwicklung der Gruppe der sowjetischen Besatzungstruppen in Deutschland angesehen werden. Naturgemäß wurden kurz nach der Einstellung der Kampfhandlungen viele der vor der Militärverwaltung stehenden Aufgaben von den Besatzungstruppen ausgeübt. Sehr stark waren sie z. B. in die militärische Entwaffnung eingebunden. Aber selbst bei der Durchsetzung von Ruhe und Ordnung, bei den Demontagen oder der notdürftigsten Versorgung der Bevölkerung stützte man sich in der Anfangsphase auf die eingespielten Strukturen sowie die organi-
satorischen und technischen Potenzen der militärischen Verbände, zumal die Besatzungsverwaltung in ihrer gesamten Breite noch im Aufbau begriffen war. Bis in das Frühjahr 1946 liefen noch viele Befehlsstränge innerhalb der SMAD über das Oberkommando der Besatzungstruppen. Erst mit der Ausgliederung der Militärverwaltung aus den Strukturen der Armeen im März 1946 wurden Besatzungstruppen und Militärverwaltung vollständig organisatorisch und technisch getrennt. Da der Umfang einiger Aufgaben (z. B. Zerstörung militärischer Anlagen, Minenräumung, Abtransport des Beutegutes) zurückging, konnte die Gruppe der Besatzungstruppen von Aufträgen der Militärverwaltung entlastet werden. Dennoch wurde diese starke militärische Gruppierung nicht wesentlich reduziert. Neben dem ursprünglichen sicherheitspolitischen Auftrag, Deutschland militärisch niederzuhalten, setzte die sowjetische Führung nun zunehmend die Aufgabe, angesichts der scheinbar drohenden westeuropäischen Blockbildung den sowjetischen Machtbereich zu halten. Zumindest deutet das ein 1989 veröffentlichter Übungsplan an, dem ein Angriff aus dem Westen zugrunde lag107. 1947 setzte außerdem in der Gruppe der Besatzungstruppen eine durchgreifende Umrüstung und Umstrukturierung zur Erhöhung von Feuerkraft und Beweglichkeit aller Waffengattungen ein108. Durch die weitere militärpolitische Entwicklung in Westeuropa sah sich die sowjetische Führung veranlaßt, diesen Prozeß unvermindert bis 1950 weiterzuführen. Mit einer an den Erfordernissen des Krieges orientierten Ausbildung, hoher Bereitschaftsstufe, relativ moderner Bewaffnung und einer stark ausgeprägten Offensivkomponente spielte die Gruppe der Besatzungstruppen schließlich die Rolle eines von der SMAD abgesetzten Instruments zur Durchsetzung sowjetischer Sicherheitsinteressen bis an Elbe und Werra, das auch darüber hinaus ernst genommen werden mußte. Die Militärverwaltung war mehrfachen Änderungen ihrer Struktur unterworfen. Die Trennung der SMA der Länder bzw. Provinzen von den Armeestäben im März 1946 war notwendig geworden, da die spezifischen Aufgaben einer Militärverwaltung von den einzelnen Abteilungen in den Armeestäben häufig als zweitrangig eingestuft und nicht qualifiziert genug realisiert wurden109. Im Verlaufe des Jahre 1946 der genaue noch zu der 1. einen bleibt bestimmen Stellvertreter Teil seiner migab Zeitpunkt litärischen Aufgaben an den Chef des Stabes der SMAD ab: Letzterem wurden die für —
—
107
108 109
In deutscher Fassung publiziert u. a. in dem Beitrag von Garelow, Woher droht Gefahr, S. 358-364. Auf Gefechtsposten, S. 75. Auch in der amerikanischen und der britischen Zone erfolgte endgültig im Frühjahr 1946 die Trennung von Armeekommando und Militärregierung, vgl. Clay, Entscheidung, S. 83; Balfour, VierMächte-Kontrolle, S. 154.
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Das Wirken der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland
die
Entmilitarisierung zuständigen Abteilungen,
der Kommandanturdienst
u.a. unter-
stellt, während der 1. Stellvertreter faktisch ausschließlich für die Besatzungstruppen verantwortlich blieb. Der militärische Bereich der SMAD wurde in dem Maße, wie die Entwaffnung als abgeschlossen betrachtet werden konnte, erheblich reduziert. Auf dem
Gebiet der Wirtschaft war ein solcher Trend nicht erkennbar. Hier änderte sich zwar der Charakter der Aufgaben, wohl weniger aber der Arbeitsumfang, denn an die Stelle der Demontagen traten die Entnahmen aus der laufenden Produktion und die Lenkung der sich schrittweise erholenden Industrie in der SBZ. Besonders häufig änderten sich Stärke, Zusammensetzung und Gliederung der Kommandanturen. Bereits im Sommer 1945 signalisierten zahlreiche Schwierigkeiten bei der nachdrücklich geforderten Ingangsetzung des Wirtschaftslebens ebenso wie bei den lawinenartig einsetzenden Demontagen in Wirtschaft, Forschung und weiteren Bereichen, daß die Arbeit der Kommandanturen verbesserungsbedürftig war. Noch im Herbst 1945 wurden erste Veränderungen vorgenommen, die ihren Ausdruck u. a. in einer Vergrößerung der Anzahl der Kommandanturen, im Ausbau der wirtschaftsleitenden Elemente und in einer Stärkung der militärischen Befehlsstrukturen gegenüber störenden Direkteingriffen ziviler sowjetischer Dienststellen110 fanden. Ihre größte Anzahl und Gesamtstärke erreichten die Kommandanturen zum Jahresende 1946. Zu diesem Zeitpunkt hatten alle Elemente der Besatzungsherrschaft ihren Platz gefunden, die Demontagen und die Liquidierung des deutschen militärischen Potentials waren in vollem Gange. In der Folgezeit wurden dann das System der Kommandanturen schrittweise reduziert, die überflüssige Zwischenstufe der Gebietskommandanturen abgeschafft (August 1947 )'" und bestimmte Verantwortlichkeiten deutschen Stellen übertragen. Die Veränderungen in den Strukturen des Bereiches für innere Angelegenheiten der SMAD sind nur sehr unscharf zu erkennen. Die Umgliederung von Teilen des Sicherheitsapparates in der UdSSR im März 1946 Berija gab in diesem Zusammenhang »wegen Überlastung« das Ministerium für Innere Angelegenheiten (MVD)"2 ab, blieb aber das für Sicherheitsfragen zuständige Politbüromitglied könnten Auswirkungen auf die Strukturen innerhalb der SMAD gehabt haben, ohne daß allerdings irgendwelche Wandlungen in der innenpolitischen Praxis beobachtet worden sind. 1947 liefen dann mit der sich verschärfenden Auseinandersetzung zwischen der UdSSR und den Westmächten, mit den Überlegungen zu einer eigenstaatlichen Entwicklung in der SBZ und damit einhergehender verstärkter Sowjetisierung sowie mit der einsetzenden neuen Welle von stalinistischem Terror und »Parteisäuberungen« drei Entwicklungslinien zusammen, die in ihrer Bündelung bewirkten, daß die innere Machtsicherung in der SBZ noch weiter ausgebaut und teilweise auf andere Tätigkeitsfelder ausgedehnt wurde. —
—
1.0
Diese
1.1
In Sachsen erhöhte sich die Anzahl der Kommandanturen von 130 (Juli 1945) auf 162 (Januar 1946) und sank dann auf 39 (August 1948), Bericht der SMA Sachsen vom Oktober 1948, GARF Moskau, f. 7212 o. 1 d. 1, Bl. 14 ff. bzw. Bl. 17. Am 19.3. 1946 wurden die bisherigen Volkskommissariate der UdSSR in Ministerien umbenannt.
112
Eingriffe erfolgten neben eigenmächtig vorgenommenen Demontagen Aufträgen an deutsche Verwaltungs- und Wirtschaftsstellen.
auch in Form
von
130
Kurt Arlt
Die
vom
erfolgten
Regie des MVD mit deutschem Personal arbeitenden militärischen Forschungsstellen verlegten spätestens nach dem Befehl Nr. 79 vom 9. April 1947 über das Verbot der militärischen Forschung"3 in die Sowjetunion. Notwendigerweise auf deutschem Boden verbleibende Einrichtungen wie das »Wismut«-Unternehmen wurden einer verstärkten Sicherung ausgesetzt. Einer Intensivierung unterlagen die Aufklärung und die Verfolgung politischer Gegner. Als Indiz dafür kann u. a. angesehen werden, daß die Militärstaatsanwaltschaften und Militärgerichte trotz der Tatsache, daß die Abrechnung mit Kriegsverbrechern und aktiven Nationalsozialisten vor allem in den Jahren 1945/46 erfolgte, in den späteren Jahren nicht reduziert, sondern zum Teil sogar aufgestockt wurden. Für die SMA des Landes Sachsen ist zudem nachweisbar, daß 1948 eine spezielle Abteilung für die Zivilverwaltung gebildet wurde, die parallel dazu existierende Abteilung für innere Angelegenheiten war nun ausschließlich für Fragen der inneren Sicherheit zuständig"4. Gleichzeitig ließ sich damit ein weiteres Anliegen, die mit der verstärkten Sowjetisierung verbundene »Übernahme sowjetischer Erfahrungen« auf dem Gebiet der öffentlichen Verwaltung, besser durchsetzen. Deutlich markiert wird die Umsetzung der neuen Zielstellungen innerer Machtsicheunter
der
Sicherheitsapparat der SMAD vorgenommenen Schwerpunktverlagerungen größtenteils für die Öffentlichkeit nicht wahrnehmbar. Die
schrittweise und
rung in der weiteren Entwicklung der Polizei. SMAD- und SED-Führung waren sich in ihrem Sicherheitsdenken einig über das Ziel, eine Polizei zu schaffen, die nach den Vorgaben der Besatzungsmacht, an ihrer Seite und in Einzelbereichen stellvertretend für diese die innere Stabilität des sich etablierenden Systems sichern sollte. Bereits das Verbot der Militärverwaltung, den geheimen Befehl Nr. 0212 über die Bildung der Deutschen Verwaltung des Innern in der Presse zu veröffentlichen sowie die Rechte und Zuständigkeiten der DVdl den Chefs der Landespolizeibehörden in vollem Umfang zur Kenntnis zu geben"5, muß als ein erster Schritt gewertet werden, die Polizei der breiten öffentlichen Kontrolle zu entziehen. Die Aufgaben und die Struktur der wichtigen Referate K5 der Kriminalpolizei (politisch motivierte Straftaten) waren so angelegt, daß wie in Thüringen im Juni 1947 festgestellt werden mußte selbst »engste Zusammenarbeit mit der SED in Dingen, die entweder keine polizeilichen oder andererseits keine parteilichen Angelegenheiten sind«"6, bestand und dieser Vorteil in den politischen Kämpfen genutzt werden konnte. Mit einer zielgerichteten Personalpolitik durch die Offiziere für innere Angelegenheiten und andere Maßnahmen wurden die Positionen der Kommunisten in den Polizeibehörden erweitert, bis nach der Bildung des von der Sowjetarmee übernommenen Polit-Kultur-Apparates im Sommer 1948 die Polizei voll in der Hand der SED war"7. Mit der Zentralisierung und dem Ausbau der Polizei und erst recht mit der Aufstellung der kasernierten Bereitschaften erhoben sich deutlich kritische Stimmen vor allem —
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"3 114
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GARF Moskau, f. 7317 o. 8 d. 10, Bl. 171 f. Vgl. Bericht der SMA Sachsen vom Oktober 1948, GARF Moskau, f. 7212 o. 1 d. 1, Bl. 23 f. Wie aus einer in der DVdl angefertigten Niederschrift hervorgeht, wurde das Verbot 23.10.1946 bei einer Beratung in Karlshorst ausgesprochen, BArch P, Mdl 7/05, Bl. 29. Bericht des Leiters der Abteilung Kriminalpolizei der DVdl, 19.6. 1947, ebd., Mdl 7/198. Zu letzterem ausführlicher Glaser, Errichtung, S. 336-348.
am
Das Wirken der
Sowjetischen Militäradministration in Deutschland
131
in den Blockparteien CDU und LDP, die auf die Gefahr eines »Polizeistaats im Staat« und einer Umwandlung der Polizei in ein Machtmittel der SED hinwiesen"8. Aufschlußreich ist in diesem Zusammenhang ein Schreiben der CDU-Landesleitung Brandenburg vom 10. August 1948 an den brandenburgischen Innenminister Bernhard Bechler, das eine erstaunliche Kenntnis von den Vorgängen in der Polizei auswies und vor der »Entwicklung der Polizei zur einer regulären Polizeitruppe« warnte. Der Präsident der DVdl Kurt Fischer bewertete es bei seiner Übergabe an die Besatzungsmacht (!) daher als »Generalangriff der Reaktion«"9. Unter nachdrücklichem Bezug auf die Besatzungsvollmachten so im Mai 1948 im Thüringischen Landtag und mit anderen Druckmitteln verhinderte die SMAD ein öffentliches Aufgreifen der Auseinandersetzung um die Entwicklung der Polizei und eine mögliche Umkehr. In ähnlicher Weise hatte schon die Militärverwaltung mit vorübergehenden Verhaftungen bei den Landtagswahlen 1946 Einfluß genommen120. Unter mißbräuchlicher Durchsetzung ihrer Befugnisse als Besatzungsmacht verschob die SMAD also weiter das politische Kräfteverhältnis in der Zone. —
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Von der Entwaffnung zur Aufstellung erster kasernierter Polizeibereitschaften An der Einschätzung, daß die Alliierten in den ersten Nachkriegsmonaten in allen Besatzungszonen rigoros die angestrebte Entmilitarisierung betrieben, änderte auch die Tatsache nichts, daß sie bereits im Herbst 1945 per Kontrollratsbeschluß die Ausstattung der deutschen Polizei mit einer begrenzten Anzahl von Handfeuerwaffen zuließen121. Für die sowjetische Besatzungsmacht dürften neben solchen auf ganz Deutschland zutreffenden Umständen wie Anwachsen der Kriminalität infolge der kriegsbedingten Not, Demoralisierung der Bevölkerung, aber auch Plünderungen durch Fremdarbeiter122 die häufigen Überfälle auf Züge mit Versorgungs- und Reparationsgütern sowie marodierende Rotarmisten noch weitere Argumente für eine Bewaffnung der Polizei gewesen sein. Die bis118
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Niederschrift zu einer Konferenz der Leitung der DVdl mit Landräten und Oberbürgermeistern des Landes Brandenburg am 576.6. 1948, BArch P, Mdl 7/05, Bl. 117 f. Ähnliche Befürchtungen bringt auch ein Schreiben des Parteivorstandes der LDP an den Präsidenten der DVdl vom 10.7.1948 zum Ausdruck, ebd., Mdl 7/41, Bl. 5 ff. Abschrift eines Schreibens der CDU-Landesleitung an Bechler vom 10.8. 1948, ebd., Mdl 7/39, Bl. 20-24; entsprechendes Anschreiben Fischers vom 20.8.1948, ebd., Mdl 7/42, Bl. 41. In einem internen Vortragsmaterial vom 14.1.1947 gibt das der Chef der SMA Thüringen, Generalmajor Kolesnicenko, freimütig zu, GARF Moskau, f. 7317 o. 4 d. 12, Bl. 21 f. Vgl. Direktive Nr. 16 des Alliierten Kontrollrats vom 6.11. 1945, in: Amtsblatt des Kontrollrats, Nr. 1, S. 42. Die von der sowjetischen Besatzungsmacht am 31.10. verfügte Ausgabe von Waffen an die deutsche Polizei ihres Zuständigkeitsbereiches war daher kein Vorgriff, denn auch die amerikanische Militärregierung hatte schon vor dieser Direktive im September der Polizei Karabiner zur Verfügung gestellt, vgl. Clay, Entscheidung, S. 287. Schätzungen zufolge befanden sich bei Kriegsschluß ca. 6 Millionen Fremdarbeiter in Deutschland, deren Repatriierung einen längeren Zeitraum erforderte, vgl. Balfour, Vier-Mächte-Kontrolle, S. 181 f. —
122
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sich in der übergroßen Zahl der Fälle absolut machtlos, und selbst die Kommandanturen mit ihren militärischen Kräften erwiesen sich nicht immer als Herr der Lage123. Die Ausstattung mit Handfeuerwaffen erlaubte es der Polizei, wesentlich wirkungsvoller zu handeln, wenngleich sie die Waffen eine nicht unerhebliche Einschränkung nicht gegen »Personen in Uniformen der alliierten Streitkräfte«124 einsetzen durfte. Mit der Kontrolle über Schußwaffeneinsatz, Munitionsverbrauch usw. durch die Polizeikräfte beauftragte der Oberste Chef der SMAD die örtlichen Kommandanturen, die sich vor dem Hintergrund der allgemeinen Entmilitarisierung äußerst mißtrauisch und daher kleinlich reglementierend wie z.B. Klagen verschiedener Polizeistellen der damaligegenüber den neuen Waffenträgern verhielten. gen Länder und Provinzen belegen125 Nicht unwesentlich dürfte zudem für die Gesamtsituation der Polizei in der SBZ gewesen sein, daß sie in den Städten und Kreisen unter der direkten Befehlsgewalt der Kommandanten stand und die unterschiedlichsten Strukturen aufwies. Trotz der zweifellos vorhandenen Einflußnahme durch den Bereich für innere Angelegenheiten in BerlinKarlshorst entschieden daher die Kommandanten in Abstimmung mit den regionalen NKVD-Stellen über Aufgaben und Einsatz sowie personelle und sonstige Belange der Polizei. Es war also nicht ungewöhnlich, daß diese die Polizei teilweise nach persönlichem Ermessen und entgegen der eigentlichen Zweckbestimmung einsetzten126. Die Ausrüstung der Polizei mit Handfeuerwaffen war wohl kaum »die Geburtsstunde der bewaffneten Kräfte der ersten Arbeiter-und-Bauernmacht in Deutschland«, wie in einer späteren DDR-Publikation euphorisch erklärt wird127, wenngleich die Polizei in der SBZ von Beginn sowohl von der Besatzungsmacht als auch von den deutschen Kommunisten als eine Schlüsselposition für künftige Auseinandersetzungen um die innenpolitische Entwicklung Deutschlands angesehen wurde128. Sie ließ zu diesem Zeitpunkt noch keine Anzeichen für eine spätere Entwicklung hin zu militärähnlichen Forzu stark wirkten der gemeinsame alliierte Wille nach dauerhafter mationen erkennen militärischer Niederhaltung Deutschlands und die ihn begleitende Praxis, zu mangelhaft
lang
mit
Knüppeln ausgerüstete Polizei zeigte
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Ein Bericht der SMA Sachsen bestätigt für das Jahr 1946 (für 1945 wurden offensichtlich keine statistischen Angaben erfaßt) die erhebliche Zahl von Vergehen durch Rotarmisten, GARF Moskau, f 7212o. 1 d. 2, Bl. 314 ff. Diese Einschränkung galt selbst noch im November 1946, eine indirekte Bestätigung findet sich in der Niederschrift einer Besprechung zwischen dem Chef der SMAD-Verwaltung für innere Angelegenheiten, Generalmajor P. Mal'kov, und dem Präsidenten der DVdl, Erich Reschke, BArch P, Mdl 7/05, Bl. 39. Siehe u.a. Meldungen von Polizeidienststellen aus Thüringen und Brandenburg, ebd., Mdl 7/33 und 7/196. Aus einem Bericht des Innenministers von Brandenburg vom 10.6.1947 geht z. B. hervor, daß von 445 unifomierten Polizisten der Stadt Potsdam immerhin 110 Mann für Belange verschiedenster sowjetischer Dienststellen eingesetzt waren, BLHA P, Rep. 202A Nr. 301, Bl. 80. Diese Aussage steht für die Polizei der SBZ nicht als Einzelfall da, in manchen Fällen mußten bis zu einem Drittel des Personals für derartige Aufgaben abgestellt werden. Opitz, Die ersten Schritte, S. 293. Die Mitarbeiter für innere Angelegenheiten auf den einzelnen Ebenen der SMAD wurden nicht müde zu verdeutlichen, daß für die Arbeit in der Polizei »politisch zuverlässige Menschen« erforderlich seien, vgl. z. B. BArch P, Mdl, 7/05, Bl. 16; 7/19, Bl. 27 u. a.
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organisatorischen und personellen Voraussetzungen gewesen. InsoAussage, wonach die UdSSR »unmittelbar nach dem Krieg« in der von
wären überdies die
fern kann eine ihr besetzten Zone konsequent darangegangen sei, »auf dem Umweg über die Schaffung einer Polizei kommunistische deutsche militärische Verbände aufzubauen«129, nicht unwidersprochen bleiben. Auch die Konzeptionen für den Einsatz und die Ausrüstung der seit November 1946 bestehenden Grenzpolizei dürften sich im Rahmen der damaligen sowjetischen Auffassungen zur Gewährleistung der inneren staatlichen Sicherheit bewegt haben. Die bereits zu diesem Zeitpunkt beobachteten vermeintlich militärischen Attribute in Gestalt der Bewaffnung oder der Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften änderten nicht grundsätzlich die Zweckbestimmung dieser besonderen Polizeikräfte. Allerdings darf nicht unberücksichtigt bleiben, daß der Sicherheitsapparat der UdSSR, in dessen Auftrag die Grenzpolizei formiert wurde, mit seinen Strukturen grundsätzlich den Streitkräften näherstand als jede Polizei der westlichen Alliierten und zudem über eigene (innere) Truppen verfügte. Die ersten sowjetischen Überlegungen zum Aufbau militärähnlicher Formationen in der SBZ lassen sich wegen der rigoros betriebenen Geheimhaltung und der heute noch nicht zur Verfügung stehenden Archivdokumente nur sehr unvollkommen rekonstruieren. Hält man sich jedoch vor Augen, wie sich die Auseinandersetzungen der ehemaligen Alliierten um Deutschland entwickelten, dann dürfte ein früherer Zeitpunkt als das Frühjahr 1948 kaum in Frage kommen. Zumindest bis zu der letztlich gescheiterten Londoner Außenministerkonferenz im November/Dezember 1947, vielleicht sogar bis zur Nachricht über die Durchführung der Londoner Konferenz der sechs westeuropäischen Staaten zur künftigen gemeinsamen Deutschlandpolitik rechnete die sowjetische Führung scheinbar noch mit einem Einlenken der Westmächte. Erst danach brach sie alle Brücken ab, und mit der Sprengung des Kontrollrats und der Berlinblockade löste sie eine besorgniserregende Verschärfung der Lage aus. Erich Gniffke, damals Mitglied des Zentralvorstandes der SED, nannte zwar als Zeitpunkt für erste Überlegungen in der SED-Führung zur Aufstellung kasernierter Polizeikräfte den Sommer 1947130, doch sollte man bedenken, daß kasernierte Polizeikräfte nicht gleichbedeutend mit den späteren militärisch ausgerichteten kasernierten Polizeibereitschaften sein mußten. Kasernierte Polizeikräfte als Polizeireserve hatte es z.B. in Sachsen von April bis Dezember 1946 gegeben111, und die SED-Führung mag durchaus eine Wiedereinführung dieser damals an die neugeschaffene Grenzpolizei übergebenen Kräfte in Betracht gezogen haben. Verfügbare Dokumente sagen aus, daß die SMAD im Frühjahr 1948 der Leitung der DVdl die Weisung erteilte, eine erhebliche Verstärkung der Polizei vorzubereiten und im weiteren die Aufstellung von Grenz- und Polizeibereitschaften zu planen132. Die Polizeibereitschaften sollten für »notwendig werdende polizeiliche Sofortmaßnahmen« vorgesehen sein und »in besonderen Polizeiunterkünften« untergebracht werden133. Man 129
Forster, NVA, S. 18.
,3°
Vgl. Gniffke, Jahre, S. 262. Vgl. Bericht der SMA Sachsen vom Oktober 1948, GARF Moskau, f. 7212 o. 1 d. 2, Bl. 172 f. Protokoll einer Besprechung zwischen dem Chef der Verwaltung für innere Angelegenheiten der SMAD, Generalmajor P. Mal'kov, sowie Walter Ulbricht und der Leitung der DVdl vom 9.3.1948,
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BArch P, Mdl 7/05, Bl. 101 ff. Abschrift eines Schreibens des 1. Stellvertreters des Präsidenten der DVdl
an
die
Verwaltung
für
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Kurt Arlt
geht sicher nicht fehl
in der Annahme, daß vorab schon die SED-Führung Informatioerhalten hatte134. Eine militärische Ausrichtung der Polizeibereitschaften mit entsprechenden Konsequenzen für Ausbildung, Einsatzplanung usw. ist zu diesem frühen Zeitpunkt möglicherweise noch nicht ins Kalkül gezogen worden. Ebensowenig läßt sich für das Frühjahr und sogar den Sommer 1948 die Einbeziehung der Militärorgane der SMAD belegen. Die gesamte Planung vollzog sich hinter verschlossenen Türen unter der Regie der Verwaltung für innere Angelegenheiten. In den Kommandanturen von der über die Informationsverwaltung gesteuerten offiziellen Propaganda ganz zu schweigen wurde selbst bis in das Jahr 1949 hinein die Entwaffnung Deutschlands immer noch als Arbeitsschwerpunkt angesehen, obwohl es kaum noch etwas zu entwaffnen gab135. Im Sommer 1948 wurde die Umorientierung im Charakter der Polizeibereitschaften deutlich. Unter Leitung des am 13. Juli 1948 neuernannten Präsidenten der Deutschen Verwaltung des Innern Fischer, der in den 30er Jahren im Moskauer Exil eine »höhere militärische Bildung« erhalten hatte136, wurden die Hauptabteilung Grenzpolizei und Bereitschaften und die Hauptabteilung Polit/Kultur gebildet137. In den folgenden Tagen entstanden die Grenzbereitschaften, und die Aufstellung der Polizeibereitschaften wurde vorbereitet. Der hohe personelle Bedarf sollte zu einem erheblichen Teil durch Werbung in Kriegsgefangenenlagern auf dem Gebiet der UdSSR gedeckt werden, nachdem die sowjetische Militärverwaltung Ende April 1948 die Werbung für die Polizei direkt in den Heimkehrerlagern gestattet hatte. Mit der »Aktion 5000« und der »Aktion 5 + 100« entließ die UdSSR im September 1948 5 Generale, 100 Offiziere und 5 000 Unteroffiziere der ehemaligen Wehrmacht für den Dienst in der kasernierten Volkspolizei. Die Aktionen zeitigten jedoch zumindest bei den Mannschaften nicht den gewünschten Erfolg, denn sehr schnell lichteten sich die Reihen dieser zum großen Teil mit falschen Versprechungen gelockten und erpreßten frischgebackenen Polizisten. Im August 1948 stellte die SMAD für die Grenz- und Polizeibereitschaften 30 000 Schützenwaffen (einschließlich 200 schwerer Maschinengewehre) zur Verfügung138. Anfang Oktober 1948 hatten die Polizeibereitschaften ihre zu diesem Zeitpunkt vorgesehene Stärke von 10000 Mann nahezu erreicht und nahmen die Ausbildung auf. nen
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innere Angelegenheiten der SMAD vom April 1948 mit ersten Vorstellungen über die zu schaffenden Polizeibereitschaften, ebd., Mdl 7/37, Bl. 195. Ausführlicher dazu Beitrag Eisen, S. 160-168. So ersichtlich aus einem Bericht der Stadtkommandantur Erfurt vom 14.6.1949, CAMO RF Podol'sk, f. 233 o. 1113 d. 3, Bl. 43 f. Zusammenstellung der SMA Sachsen über die Tätigkeit der deutschen Polizei vom Oktober 1948, GARF Moskau, f. 7212 o.l d. 2, Bl. 171. Die in der Literatur mehrfach erwähnten Befehle der SMAD vom 3.6. bzw. 3.7.1948 sind bisher nirgendwo belegt, würden sich jedoch zeitlich exakt einfügen. Im übrigen lassen die Akten der DVdl nach Ansicht des Autors den Schluß zu, daß die geheimzuhaltenden Befehle von der zuständigen SMAD-Verwaltung überwiegend mündlich erteilt wurden. Zur eng befristeten Nutzung an die DVdl übergebene Dokumente waren rückgabepflichtig und trugen den Aufdruck »Unterliegt der Rückgabe innerhalb von Tagen«. Handschriftliche (vermutlich vom Präsidenten der DVdl angefertigte) Notiz für den Leiter der Hauptabteilung Grenzpolizei und Bereitschaften in der DVdl, Hermann Rentzsch, 19. 8. 1948, BArch P, Mdl 7/44, Bl. 1. ...
Das Wirken der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland
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Noch hielten sich polizeiliche und einfache militärische Ausbildung etwa die Waage. Die Gesamtstärke der Polizei in der SBZ war von circa 35 500 Mann per 31. Dezember 1945139 auf §3 17g Mann (davon 19 163 Mann Grenzpolizei und Bereitschaften) per 31. Dezember 1948140 erhöht worden. Schon im Frühjahr 1949 wurde die nächste Ausbaustufe der Volkspolizei in Angriff genommen. Am 11. April 1949 bestätigte die SMAD eine Erweiterung des Stellenplans der Polizei auf 90956 Mann141. Inzwischen plante die Verwaltung für innere Angelegenheiten der SMAD bereits den Übergang von den militärisch doch noch recht zweifelhaften Polizeibereitschaften zu stärkeren und spezialisierten militärischen Kräften: Im März 1949 ließ sie die vorhandenen Spezialkenntnisse aller Bereitschaftsangehörigen erfassen142, ab April waren über die Polizei und die Kommandanturen zusätzlich zur bisherigen Nachweisführung für ehemalige Wehrmachtangehörige exakte Angaben über die einzelnen Dienstgradgruppen, Waffengattungen, SpezialVerwendungen usw. zu erbringen143. Mit dem Befehl 0175 vom 26. April 1949 wies der Oberste Chef der SMAD die Einrichtung von Polizeischulen (neben den bereits bestehenden Schulen der Landespolizeibehörden) an144. Im Juli 1949 wurden die unmittelbaren Vorbereitungsarbeiten für das Programm »Massenschulung« aufgenommen, das einen ganzen Komplex von Maßnahmen beinhaltete u. a. großangelegte Werbung von Personal bis hin zu ehemaligen Wehrmachtoffizieren, Wegversetzungen aus der Landespolizei zu den Bereitschaften und Schulen, Trennung der Grenzpolizei von den Bereitschaften, Spezialisierung der Schulen (für die Heranbildung von Offizieren) und Bereitschaften (für die Ausbildung von Unterführern) und in die Bildung der Verwaltung für Schulung am 25. August 1949 (später in Hauptverwaltung Ausbildung umbenannt) mündete. Am 1. September 1949 begann die »Massenschulung«, zum Jahresende 1949 sah die Sollstärke der von der Hauptverwaltung für Ausbildung geführten Schulen, Bereitschaften und sonstigen Einrichtungen bereits 50 034 Mann vor145. Auf die bisherige »polizeitaktische Ausbildung« wurde verzichtet, geübt wurde nunmehr auch an schweren Waffen sowjetischer Bauart (Granatwerfern, Geschützen, später auch Panzern). Bewaffnung, —
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Diese Zahl (ohne die Polizei Berlins, einschließlich Eisenbahnpolizei) wurde vom Autor unter Verwendung mehrerer Dokumente des BArch P, Mdl Bestände 7/9, 7/23 und 7/166, ermittelt. Zum Vergleich: Der Polizei in der amerikanischen Besatzungszone gehörten im Oktober 1945 22000 Mann an, Clay, Entscheidung, S. 287. Meldung der Hauptabteilung Personal der DVdl über die Soll- und Ist-Stärken der Polizei (ohne Datum) mit Stand Ende Dezember 1948, BArch P, Mdl 7/47, Bl. 11. Schreiben des Chefs der Verwaltung für innere Angelegenheiten der SMAD an den Präsidenten der DVdl, 11.4. 1949, ebd., Mdl 7/56, Bl. 10. Anwortschreiben des Präsidenten der DVdl an den Chef der Verwaltung für innere Angelegenheiten der SMAD, 11.3. 1949, ebd., Mdl 7/48, Bl. 164 ff. Schreiben des Chefs der Verwaltung für innere Angelegenheiten der SMAD an den Präsidenten der DVdl, 18.5. 1949, ebd., Mdl 7/45, Bl. 57 f.; Weisung der SMA Thüringen an die unterstellten Militärkommandanten, 18.4.1949, CAMO RF Podol'sk, f. 233 o. 1113 d. 3, Bl. 25. Vgl. Übersetzung eines Auszugs aus dem Befehl, BArch P, Mdl 7/45, Bl. 45 f. Aufstellung der Abteilung Kader in der Hauptverwaltung Ausbildung zu den Stärken der VP-Bereitschaften und Schulen per 25. 11. 1949, BA MZAP, Pt 808, Bl. 2-12.
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Kurt Arlt
usw. ließen kaum noch Zweifel am militärischen Charakter der kasernierten Polizeiformationen und ihrer Ausrichtung am Militärwesen des Sowjetstaates zu. Folgerichtig wurden nunmehr die Verantwortung für die Polizeibereitschaften von der Verwaltung für innere Angelegenheiten dem militärischen Bereich der SMAD (Generalmajor Petrakovskij) übertragen und sowjetische Offiziere als Berater in den Bereitschaften eingesetzt146. Im September 1949 reiste die erste Gruppe von Offizieren der Verwaltung für Schulung zur militärischen Ausbildung in die UdSSR. Noch vor der Gründung der DDR war das Grundgerüst künftiger Streitkräfte im Osten Deutschlands geschaffen worden. Die Aufstellung von Polizeibereitschaften bedeutete praktisch die endgültige Absage an die in Potsdam vereinbarte militärische Entwaffnung Deutschlands durch die sowjetische Führung. Wenngleich die Ausführung der zur vollendeten Tatsache gewordenen Wiederbewaffnung von Deutschen zu wesentlichen Teilen bereits in der Hand von deutschen Kommunisten lag, hatte die Besatzungsverwaltung mit ihren konzeptionellen Vorarbeiten, der Planung sowie der materiellen und personellen Absicherung verantwortlich Anteil daran. Nur am Rande sei erwähnt, daß die öffentliche Haltung der SMAD in der Auseinandersetzung um die Schaffung militärähnlicher Kräfte im Osten außerordentlich widersprüchlich war. Während sie auf der einen Seite das Festhalten an den Beschlüssen von Potsdam beteuerte und gleichzeitig eine aufwendige Tarnung in ihrer Zone betrieb, suchte sie eine Wiederbewaffnung in den Westzonen in den von ihr kontrollierten Medien geradezu herbeizureden'47.
Strukturen, Ausbildung, Einsatzgrundsätze
Sicherheits- und Militärfragen in der Bilanz der SMAD
Zusammenhang mit der Proklamation der DDR am 7. Oktober 1949 kündigte die Sowjetunion die Auflösung der SMAD und die Bildung der Sowjetischen Kontrollkommission (SKK) in Deutschland an, zu deren Vorsitzenden der bisherige Oberste Chef der SMAD, Armeegeneral Vasilij Cuikov, ernannt wurde148. Am 10. November 1949 erklärte dieser, daß der nunmehr gebildeten SKK die Aufgabe verbleibe, die Erfüllung der sich aus den Vereinbarungen der vier alliierten Mächte ergebenden Beschlüsse zu kontrollieren; die Provisorische Regierung der DDR könne »frei ihre Tätigkeit entfalten«149. Bis Ende November stellte der größte Teil der bisherigen SMAD-Dienststellen seine Tätigkeit ein, die Mitarbeiter kehrten in die UdSSR zurück150. Konnte damit ein Schlußstrich unter die Besatzungszeit gezogen werden? Im
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Befehle Nr. 535 und 536/49 des Leiter der Verwaltung für Schulung über die Ernennung sowjetischer Offiziere zu Gehilfen der Leiter von Bereitschaften und Schulen, 15.9. 1949, ebd., Pt 028, Bl. 10 f. Für den Monat Januar 1949 konnte der Autor allein in der Zeitung »Sovetskaja Armija« fünf Berichte über eine angebliche Remilitarisierung in den westlichen Besatzungszonen ermitteln. Sovetskaja Armija vom 7.7. 1949. Ebd. vom 13.11.1949. Befehle Nr. 122 und 131 des Obersten Chefs der SMAD, 1.11. bzw. 28. 11. 1949, GARF Moskau, f. 7317 o. 8 d. 21, Bl. 289 bzw. Bl. 323.
Das Wirken der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland
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Zweifellos muß die sowjetische Führung nach der Potsdamer Konferenz gehofft haben, ihre eigenen Positionen in den unterschiedlichsten alliierten Vereinbarungen soweit verankert zu haben, daß die der SMAD gestellte Aufgabe in ihrer Gesamtheit in der angenommenen relativ kurzen Besatzungszeit durchsetzbar erschien. Dabei maß die Sowjetunion neben den Wiedergutmachungsfragen sicherheitspolitischen und militärischen Forderungen besondere Bedeutung bei. Das erklärte auch die radikalen Anfänge der von der sowjetischen Besatzungsverwaltung in ihrer Zone betriebenen militärischen und ökonomischen Entwaffnung. Mochten die Grundsätze und Methoden mehr oder weniger heftigen Anlaß zur Kritik geben, an der Ernsthaftigkeit der sowjetischen Absichten zur Liquidierung sämtlicher materieller Grundlagen für eine erneute deutsche Aggression war nicht zu zweifeln. Auf militärischem Gebiet wurde die Entwaffnung von der SMAD zügig und kompromißlos vorangetrieben, wenngleich die Vorwürfe berechtigt sind, daß sie in dieser Hinsicht nicht immer vom Prinzip, sondern teilweise von einer durch die sowjetische Interessenlage bestimmten Zweckmäßigkeit ausging und damit alliierte Vereinbarungen unterlief. Eine bereits kurz nach Kriegsende beabsichtigte Wiederbewaffnung deutscher Kräfte läßt sich nicht bestätigen und hätte wohl auch nicht in das sicherheitspolitische Kalkül der UdSSR gepaßt. Das Ziel, Deutschland auf lange Sicht militärisch auszuschalten und sein Potential zu eliminieren, stand im Vordergrund und schien erreichbar. Einen weiteren Schwerpunkt für die SMAD bildete die Bereitstellung entsprechender Reparationsgüter zur Begleichung der sowjetischen Wiedergutmachungsforderungen. Dissonanzen mit den Westmächten ergaben sich vor allem daraus, daß diese nicht die vorwiegend auf Demontagen beruhende sowjetische Reparationspolitik mittragen wollten, die Sowjetunion ihrerseits über die SMAD zum Alleingang antrat und die Alliierten vor vollendete Tatsachen stellte. Da die Absicht, die Rüstungsindustrie Deutschlands zu liquidieren, eine der klarsten alliierten Regelungen war, auf die sich die Sowjetunion berufen konnte, wurden die sich hier bietenden Möglichkeiten in der SBZ vollständig genutzt und vielfach selbst Betriebe mit ziviler Produktion der Rüstung zugeschlagen. Die Demontagen erreichten ein riesiges Ausmaß und konnten vom Wirtschaftsbereich der SMAD nur unter erheblichem Aufwand in geordnete Bahnen gelenkt werden. Der letztlich für die Sowjetunion uneffektive Lösungsweg der Demontagen, der ihr dennoch eine spürbare Verstärkung der Rüstungs- und auch der Friedenswirtschaft einbrachte, wurde zu einer schweren Last für die sowjetische Zone, die späte Korrektur konnte irreparable Schäden nicht mehr verhindern. Demokratisierung, Entnazifizierung und der Aufbau neuer Verwaltungsorgane in der SBZ erfolgten unter maßgeblicher Mitbeteiligung des NKVD, der eine schlimme Tradition und bestimmte Praktiken des stalinistischen Terrors einbrachte, die von den anderen Siegermächten wohl unterschätzt und nicht mit dem gebotenen Nachdruck zurückgewiesen wurden, als über die Außenministerkonferenzen der vier Großmächte und den Alliierten Kontrollrat vielleicht noch Möglichkeiten dafür bestanden. Das anfänglich von der SMAD propagierte Muster der Weimarer Republik für einen demokratischen Neubeginn in der SBZ mußte bald sowjetischen Zielvorstellungen weichen. Die aufgebrochenen Widersprüche, die sich schließlich bis zum Kalten Krieg steigerten, machten deutlich, wie unausgereift und wenig zufriedenstellend für beide Seiten
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Kurt Arlt
Verhandlungen der Alliierten zur Regelung der Deutschlandfrage gewonneErgebnisse waren. Die Beschlüsse von Potsdam wurden immer mehr zum Prestigeobjekt, waren aber andererseits dehn- und interpretierbar. Für die Sowjetunion zeichnete sich ab, daß es zumindest in absehbarer Zeit keinen Friedensvertrag mit Deutschland, keinen Abzug der Besatzungstruppen und keinen Zugriff auf ganz Deutschland geben würde. Damit verloren auch bereits erreichte sicherheitspolitische Positionen ihren Wert. Da eine Preisgabe der SBZ den Verzicht auf ganz Deutschland bedeutet hätte, schien eine eigenstaatliche Entwicklung der Ostzone nach sowjetischem Muster und mit sowjetischer Stützung vorerst der einzig mögliche Weg zu sein. Ein solcher Lösungsansatz, wie er dann letztlich langfristig in die Praxis umgesetzt wurde, war mit weitreichenden Konsequenzen auch im sicherheits- und militärpolitischen Bereich verbunden. Über die ursprünglichen Aufgaben hinaus bedeutete das für die SMAD, verstärkt die Macht nach innen für die SED und mit ihr zu sichern sowie gleichzeitig bestimmte Funktionen im Verwaltungsbereich, im Repressivapparat usw. abzutreten. Der Sicherheitsapparat der Besatzungsverwaltung konzentrierte sich fortan weniger auf die Verfolgung der Kriegsverbrecher und aktiven Nationalsozialisten als vielmehr auf Gegner des heranwachsenden Systems. Bisher wenigstens stückweise bewahrte demokratische Ansätze wurden liquidiert, um so mehr, da keine Einspruchsmöglichkeiten der Westmächte mehr gegeben waren. Mit der westlichen Blockbildung lebte auch in der SMAD das in der sowjetischen Entwicklung bereits bekannte Gefühl der Einkreisung, des Schließens der eigenen Reihen und der Entfernung Unzuverlässiger das übrigens ohne Zögern von der SED übernommen wurde und wieder auf speiste noch das an sich bereits stark ausgeprägte Sicherheitsdenken. Dazu gehörten auch Vorbereitungen bei der Gruppe der Besatzungstruppen, die sich auf die Abwehr eines Gegners aus Richtung Westen zu orientieren begann und nunmehr vor der Erkenntnis stand, daß die Zerschlagung des deutschen militärischen Potentials unter Umständen nur von kurzzeitiger Wirkung gewesen sein mochte. Von den Überlegungen, welche Reserven noch verfügbar gemacht werden konnten, war es dann nur ein Schritt bis zur Schaffung der kasernierten Polizeidie
aus
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bereitschaften. Die SMAD ging aus Strukturelementen staatlicher Stellen der UdSSR hervor, war nahezu ein Spiegelbild der Probleme der sowjetischen Gesellschaft und wurde überdies zentralistisch geführt. Das engte den Handlungsspielraum ihrer Leitung ein und zwang sie mehr als sie sich das manchmal wünschen mochte -, jeder Bewegung der »großen Politik« aus Moskau zu folgen. Zur Durchsetzung ihrer Forderungen gebrauchte sie das Besatzungsrecht und den Befehl, gelegentlich auch militärische Gewalt, wobei auf den Gebieten Militärwesen, Rüstungswirtschaft und innere Sicherheit aus den bekannten Gründen die Gewichte von vornherein zuungunsten der Bevölkerung in der SBZ verteilt waren. Die Besatzungsmacht fand immer eifernde Helfer in den deutschen Kommunisten, dennoch kommt man nicht umhin festzustellen, daß sie in der unmittelbaren Nachkriegszeit bei bestimmten Maßnahmen zumindest partiell die Zustimmung nicht weniger Bevölkerungsteile hatte. Mit zunehmender Sowjetisierung setzte dann allerdings eine Desillusionierung ein. Die Auflösung der Besatzungsverwaltung bedeutete keine Aufhebung des Besatzungsrechts. Das war aus sowjetischer Sicht heraus nicht beabsichtigt und nicht mög—
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lieh. Im Gegenteil, die UdSSR bekräftigte ihr Festhalten an den alliierten Vereinbarungen und insbesondere den Bestimmungen des Potsdamer Abkommens. Sie schöpfte ihre Befugnisse zu wesentlichen Teilen aus diesen Vereinbarungen, die ihr alles in allem vorteilhafte Rahmenbedingungen für eine Mitbestimmung in Deutschland sowie für die Wahrnehmung eigener Interessen sicherten. Die sowjetische Führung hielt eine weitere Stützung der DDR aus sicherheitspolitischen Gründen für unabdingbar. Ein Zusammenbruch der DDR hätte praktisch den Verlust des Besatzungsrechts und damit des Mitspracherechts in gesamtdeutschen Fragen bedeutet. Das Besatzungssystem in der bisherigen Form zeigte sich allerdings nicht mehr als zeitgemäß und effektiv. Zwar war anfänglich ein erheblicher sicherheitspolitischer und ökonomischer Gewinn mit der militärischen und wirtschaftlichen Entwaffnung sowie einer auf dem sowjetischen Verständnis beruhenden Demokratisierung erzielt worden, dieser erwies sich aber als relativ kurzlebig. Eine neue, den veränderten Bedingungen angepaßte Form mußte gefunden werden, die bei Übernahme des Bewährten das Erreichte erhalten und unter günstigen Umständen ausbauen konnte. Die der SMAD folgende Kontrollkommission stützte sich im großen und ganzen auf die bewährten, offen oder geheim wirkenden Strukturelemente der einstigen Militäradministration. Die Ausführung bestimmter Aufgaben im Bereich der Verwaltung und der staatlichen Machtausübung war bereits recht weit vor der Gründung der DDR ostdeutschen Stellen übertragen worden, so daß sich die zuständigen Ressorts auf Kontrolle und Weisungserteilung beschränken und ihr Personal schrittweise verringern konnten. Die Gruppe der Besatzungstruppen, die die erdrückende Mehrheit aller in Deutschland befindlichen sowjetischen Militärangehörigen und zivilen Mitarbeiter stellte, blieb unberührt von der Auflösung der Militärverwaltung. Die Kontrollkommission bestimmte fortan die grundlegenden Entwicklungslinien, und ganz besonders in Sicherheits- und Militärfragen lag die alleinige Entscheidung bei ihr. In der Militärverwaltung hatte man nur die Uniformjacken abgelegt...
Wolfgang Eisert Zu den Anfängen der Sicherheits- und Militärpolitik der SED-Führung 1948 bis 1952
Einleitung Untersuchung und Darstellung der Entwicklung in der SBZ/DDR muß die Konzipierung und Umsetzung der Sicherheits- und Militärpolitik der SED als eigenständiges Thema behandelt werden. Herauszufinden ist, welche Bedeutung dieser Teil der Gesamtpolitik für die SED-Führung im behandelten Zeitraum hatte. Ausgehend vom historischen Geschehen soll sichtbar gemacht werden, wie es der SED als herrschender politischer Kraft auf diesem Feld gelang, ihren uneingeschränkten Führungsanspruch Bei der
durchzusetzen. Damit werden Forschungsergebnisse zu einem Zeitabschnitt zur Diskussion gestellt, in dem sich die Führung der SED erst mit sicherheits- und militärpolitischen Fragen zu beschäftigen begann. In der militärgeschichtlichen Forschung der ehemaligen DDR gab es dazu kaum Arbeiten. Der Aufbau, die Ausgestaltung und der Einsatz der bewaffneten Organe sowie die damit verbundenen Maßnahmen und Entscheidungen in allen gesellschaftlichen Bereichen in der SBZ und den Anfangsjahren der DDR gehörten lange Zeit zu den Tabuthemen der Militärgeschichte. Bei der Darstellung des Entstehens und der Rolle der Hauptverwaltung Ausbildung (HVA) oder der Kasernierten Volkspolizei (KVP) wurde bewußt an der falschen These von ihrem »Polizeicharakter« festgehalten. Frühzeitig begonnene Prozesse der Militarisierung und Aufrüstung paßten nicht in das Bild vom »gesellschaftsverändernden Antifaschismus und Antimilitarismus« in der SBZ/DDR. Gängige Darstellungen zur Geschichte der Militärpolitik der SED hatten nachzuweisen, daß die Partei alle Maßnahmen für die Landesverteidigung immer nur im unbedingt erforderlichen Umfang und stets auch zum richtigen Zeitpunkt durchgeführt habe. Selbstzensur, Parteidisziplin, ein Geschichtsverständnis, das den tatsächlichen Verlauf geschichtlicher Vorgänge einzig und allein von einem a priori richtigen wissenschaftlichen Gesellschaftskonzept her betrachtete, überzogene Maßnahmen der militärischen Geheimhaltung bis hin zur Sperrung bestimmter Aktenbestände, eine Geschichtsbetrachtung, die von vornherein auf das gewünschte Ergebnis hin orientiert war und die hier schließt sich der Autor nicht aus —, sind An- und Einpassung vieler Historiker nur einige Gesichtspunkte, die eine solche Art der Geschichtsschreibung ermöglichten. Die SED-Führung betrachtete die Sicherheits- und Militärpolitik stets als wesentlichen Bestandteil ihrer Strategie und Taktik. Hier fielen wichtige Entscheidungen darüber, wie ihre Gegner in und außerhalb der DDR zu bekämpfen waren. Ihre Konzipierung und Umsetzung war Aktion und Reaktion der SED-Führung auf die jeweilige —
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Wolfgang Eisert
außen- und innenpolitische Entwicklung. Zu den sicherheits- und militärpolitischen Maßnahmen gehörten Aktivitäten gegen politisch Andersdenkende ebenso wie zur Bewahrung des Friedens, aber nur letzteres galt als darstellungswürdig. Die Widersprüche und Vorbehalte der Bevölkerung zur Sicherheits- und Militärpolitik wurden übertüncht. Eine Besonderheit bei der Herausbildung der Sicherheits- und Militärpolitik der SED bestand darin, daß keine Entscheidung in diesem Bereich ohne Anweisung oder Billigung durch die Besatzungsmacht fiel. Die Konzipierung und Umsetzung aller sicherheits- und militärpolitischen Maßnahmen der SED richteten sich in erster Linie danach, was die UdSSR zum jeweiligen Zeitpunkt für notwendig erachtete. Der tatsächliche Grad der eigenen Bedrohung wurde dabei meist überbewertet und die Bedrohung der anderen Seite heruntergespielt. Die SED-Führung ordnete sich angesichts des zunehmenden Einflusses der stalinistischen Kader um Walter Ulbricht den aus Moskau gegebenen Richtlinien unter und versuchte in diesem Rahmen, ihre eigenen politischen Ziele zu realisieren. Die Erarbeitung der Studie erfolgte auf der Grundlage der Auswertung umfangreicher Archivmaterialien aus dem ehemaligen Zentralen Parteiarchiv (ZPA) der SED, dem Bundesarchiv, Militärisches Zwischenarchiv Potsdam (BA MZAP; ehemals Militärarchiv der DDR) und dem Bundesarchiv, Abteilungen Potsdam (BArch P; Bestände des ehemaligen Zentralarchivs des Ministeriums des Innern). Noch nicht zugänglich waren die Dokumente des Politbüros der SED und des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS). Weiterhin standen einige Unterlagen aus dem ehemaligen Archiv der FDJ zur Verfügung sowie aus den Archiven der Sozialen Demokratie, Bonn, und des Deutschen Liberalismus, Gummersbach. Das zugängliche Archivmaterial und der mögliche Rahmen dieser Studie machten es erforderlich, sich auf die Entscheidungsfindung zur Sicherung des Einflusses der SED auf die Polizei als bewaffnetes Organ und den Aufbau militärisch ausgebildeter Polizeiformationen zu konzentrieren. Die Erforschung und Darstellung weiterer Aspekte bei der Konzipierung und Realisierung der Sicherheits- und Militärpolitik als wichtigem Bestandteil der Gesamtpolitik der SED muß künftigen Forschungen vorbehalten bleiben. Die Auswertung der Materialien aus den Archiven und der Literatur zeigte, daß die ersten sicherheits- und militärpolitischen Entscheidungen der SED im Jahre 1948 fielen. Deshalb bot es sich an, den Zeitraum zwischen 1947/48 und 1952 eingehender zu untersuchen, um die Vorbereitung der entsprechenden Maßnahmen und ihre Umsetzung unter den Bedingungen der Nachkriegsentwicklung in Deutschland transparent zu machen.
1. Die Erste
Anfänge sicherheits- und militärpolitischer
Überlegungen 1946 bis 1947
sicherheitspolitische Vorstellungen entstehen
dem Zusammenschluß von SPD und KPD in der sowjetischen Besatzungszone hervorgegangene SED war nach dem Selbstverständnis ihrer Führung als wichtige Lehre aus der Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung entstanden. Konnte die uneinige,
Die
aus
Zu den
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gespaltene Arbeiterklasse 1933 die Machtergreifung der NSDAP und den Weg Deutschlands in den Zweiten Weltkrieg nicht verhindern, so sollte jetzt unter Führung der SED ihr Einfluß als »herrschende Klasse« auf die Nachkriegsordnung gesichert werden. Die auf dem Vereinigungsparteitag beschlossenen programmatischen »Grundsätze und Ziele« enthielten dazu die unmittelbaren »Gegenwartsforderungen« sowie die Aufgaben im »Kampf um den Sozialismus« als langfristig vorgesehene Perspektive der gesellschaftlichen Entwicklung. Anliegen wie die Sicherung des Friedens, der Wiederaufbau der deutschen Wirtschaft und die Erhaltung der Einheit Deutschlands erschienen für viele Deutsche ein Jahr nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges als ebenso akzeptable Aufgaben wie »die Vernichtung der Überreste des Hitlerfaschismus und die Liquidierung des Militarismus und Imperialismus«1. Bei der Formulierung des Programms mußte die SED-Führung allerdings der Tatsache Rechnung tragen, daß den Handlungsspielraum für ihre politischen Ambitionen allein die vier Siegermächte bestimmten, auch wenn ihr die besondere Unterstützung und Förderung der sowjetischen Besatzungsmacht sicher war. Geregelt wurde er vor allem durch die Beschlüsse der Potsdamer Konferenz vom August 1945, die Festlegungen des Alliierten Kontrollrates sowie die Befehle der Besatzungsorgane in den einzelnen Besatzungszonen2. Zu den zentralen Forderungen, die von den Siegermächten gemeinsam durchgesetzt werden sollten, gehörte die »völlige Abrüstung und Entmilitarisierung Deutschlands und die Ausschaltung der gesamten deutschen Industrie, welche zur Kriegsproduktion benutzt werden kann«3. Immer deutlicher zeichnete sich jedoch im konkreten Handeln der Besatzungsmächte und der jeweils mit ihnen kooperierenden politischen Parteien und Kräfte in den einzelnen Besatzungszonen ab, daß die Vorstellungen darüber, wie diese grundsätzlichen Forderungen durchgesetzt werden sollten, Ende 1945/Anfang 1946 schon zu divergieren begannen. Die entscheidenden Ursachen dafür resultierten aus den unterschiedlichen Interessen und Vorstellungen der westlichen Alliierten und der UdSSR über die Sicherung ihres Einflusses auf Deutschland und Europa sowie über ihre Rolle in der Weltpolitik4. Die zunehmenden Differenzen zwischen den bisherigen Verbündeten prägten seit Anfang 1946 auch die Bemühungen der SED-Führung, ihre Politik zu profilieren und ihren Platz bei der Neugestaltung Deutschlands zu finden. Sie suchte entsprechend der Vorgaben und politischen Ziele der Besatzungsmacht sowie unter deren Schutz nun nach einer brauchbaren Strategie und Taktik, die eigene Machtpositionen in der sowjetischen Besatzungszone (SBZ) auszugestalten und zu sichern sowie ihren Einfluß auf ganz Deutschland auszuweiten5. Was die Ausgestaltung der politischen Machtverhältnisse in der SBZ betraf, so konnte die SED bereits zum Zeitpunkt ihrer Gründung auf einigen wichtigen Ansätzen aufbauen. Dazu gehörten vor allem die Aufstellung von neuen Verwaltungsorganen und 1 2 3 4
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Vgl. Protokoll des Vereinigungsparteitages, S. 172-179. Ausführliche Darstellungen dazu in den Beiträgen Thoß und Arlt in diesem Band. Zit. nach: Zur Deutschlandpolitik der Anti-Hitler-Koalition, S. 72. Vgl. Beitrag Thoß, S. 50-59. Vgl. u. a. Staritz, Die SED, Stalin und die Gründung der DDR, S. 3-16.
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Polizeikräften zur Aufrechterhaltung der inneren Ordnung und Sicherheit, die Umgestaltung des Schulwesens, die Bodenreform, die Enteignung von sogenannten »Naziaktivisten« sowie die Bestrafung von NS- und Kriegsverbrechern. Die Grundlagen dafür enthielten die von der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD) erlassenen Befehle und Anordnungen6. Zur Durchsetzung der daraus resultierenden Maßnahmen waren deutsche Dienststellen und Einrichtungen geschaffen worden, die unter Aufsicht der Organe der SMAD handelten. Bei der Besetzung entscheidender Positionen bevorzugte die Besatzungsmacht Mitglieder der KPD, von denen sie erwartete, daß sie die sowjetische Besatzungspolitik vorbehaltlos durchsetzten. Insbesondere die aus der KPD kommenden Führungskader sahen nun ihre Chance, die im illegalen Kampf zum Sturz der Hitlerdiktatur auf der Brüsseler Konferenz 19357 und auf der Berner Konferenz von 19398 formulierten Maßnahmen wenigstens in einer den neuen politischen Verhältnissen angepaßten Form durchzusetzen. Für sie stand dabei außer Zweifel, daß nur das gesellschaftliche Modell der UdSSR für eine Neugestaltung Deutschlands in Frage kam, das viele von ihnen in der Zeit der Emigration als einziges Beispiel für eine sozialistische Ordnung kennengelernt hatten. Mit der Vereinigung der Arbeiterparteien und den Ansätzen zum Bündnis mit den bürgerlichen Parteien und der Gewerkschaft im Osten Deutschlands waren Voraussetzungen geschaffen, die diese Zielvorstellung in greifbare Nähe rückten. Ein Teil der Grundforderungen von Bern zur Errichtung einer »neuen, demokratischen Republik« fanden folglich auch Eingang in die 1946 beschlossene Programmatik der SED9. Unmißverständlich warnte Parteichef Wilhelm Pieck allerdings schon auf dem Vereinigungsparteitag alle potentiellen oder tatsächlichen politischen Gegner ebenso wie die eigenen Verbündeten vor irgendwelchen Versuchen, diesen als demokratisch deklarierten Weg zur Machterlangung der von der SED geführten Arbeiterklasse zu blockieren: »Wir sprechen aber auch aus, daß wir nicht davor zurückschrecken werden, den Widerstand der kapitalistischen Klasse mit revolutionären Mitteln zu brechen, wenn diese den Boden der Demokratie verläßt. (Stürmische Zustimmung) Wir werden nicht den Fehler früherer Regierungen wiederholen, die selbst dann auf die Anwendung ihrer legalen Gewaltmittel verzichteten, als die faschistische Reaktion ihnen mit frecher Gewaltanwendung den Garaus machte10.«
Nähere Ausführungen dazu, welche »legalen Gewaltmittel« das sein würden, gab es erst einmal nicht. Die Zeit war noch nicht reif, sich konkret in der Öffentlichkeit über solche Dinge zu äußern. Alle Fragen der inneren und äußeren Sicherheit waren alleinige Angelegenheit der vier Besatzungsmächte. Sie verboten deshalb auch jegliche »militärische Betätigung und Propaganda«". Die auf der Berner Konferenz formulierte Wunschvorstellung, daß
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Vgl. Beitrag Arlt, S. 112 ff. Vgl. Die Brüsseler Konferenz. Vgl. Die Berner Konferenz sowie Berner Konferenz der KPD, S. 761-778. Vgl. Protokoll des Vereinigungsparteitages, S. 172-179. Ebd., S. 88.
Vgl. Zur Deutschlandpolitik der Anti-Hitler-Koalition, S. 73.
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Militärpolitik der SED-Führung
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»das befreite Deutschland« sich auf die »Einigkeit und Freiheit seines Volkes und die Kraft seiner Volksarmee« stützen müsse, konnte noch nicht in konkrete Aufgaben gefaßt werden. Ebensowenig erfolgten Erläuterungen dazu, wie im Gegensatz zur Weimarer Republik »in der Armee, der Polizei und im Beamtenapparat zuverlässige Verteidiger der demokratischen Freiheiten und der demokratischen Volksrechte« entstehen sollten12. Obwohl es in der SED-Führung, gestützt auf die marxistisch-leninistische Lehre von der Notwendigkeit der Verteidigung der sozialistischen Revolution13, auf die Beschlüsse von Brüssel und Bern sowie auf die praktischen Erfahrungen der UdSSR, durchaus Vorstellungen darüber gab, welche Bedeutung Polizei und Armee bei der Eroberung und Sicherung der politischen Macht hatten, enthielten die »Grundsätze und Ziele« noch keine konkreten Angaben über dazu mögliche und notwendige sicherheits- und militärpolitische Schritte. Unter Beachtung des vorhandenen politischen Handlungsspielraumes standen im Mittelpunkt der SED-Progammatik erst einmal Fragen nach den weiteren gesellschaftlichen Veränderungen in der SBZ, die gleichermaßen für die anderen Besatzungszonen von Bedeutung sein konnten. Dies stand außerdem in keinem Widerspruch zu den Forderungen des Potsdamer Abkommens. Um die politische Macht in der SBZ unter der Schirmherrschaft der SMAD in die Hand zu bekommen, beschlossen die Delegierten des Vereinigungsparteitages 14 »Gegenwartsforderungen«. Dazu gehörten die Bestrafung »aller Kriegsschuldigen und Kriegsverbrecher«, die »Säuberung des gesamten öffentlichen Lebens von Faschisten und Reaktionären«, die »Beseitigung der kapitalistischen Monopole« und die »Übergabe der Unternehmungen der Kriegsschuldigen« an die bereits vorhandenen oder noch zu schaffenden Selbstverwaltungsorgane. Auch die »Vernichtung des reaktionären Militarismus«, die »Entmachtung der Großgrundbesitzer« und die »Durchführung der demokratischen Bodenreform« sollten dazu beitragen, die anvisierten gesellschaftlichen Veränderungen in die Wege zu leiten. Dazu kamen Maßnahmen wie die »Überführung aller öffentlichen Betriebe, der Bodenschätze und Bergwerke, der Banken, Sparkassen und Versicherungsunternehmen« in die Hände der Gemeinden, Provinzen und Länder oder der gesamtdeutschen Regierung, um die ebenfalls gekämpft wurde14. In ihrer praktischen Politik ließ die SED-Führung keinen Zweifel daran aufkommen, daß sie die gesteckten Ziele auch erreichen wollte. Die ersten Maßnahmen leitete der Parteivorstand (PV) schon auf seiner 2. Sitzung im Mai 1946 ein15. Die Struktur des zentralen Parteiapparates wurde dem möglichen Aufbau eines zentralen Staatsapparates angepaßt. Um zu gewährleisten, daß die Parteiführung jederzeit die Übersicht über alle wichtigen Ereignisse, Entwicklungen und Veränderungen auf allen Gebieten des gesell-
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Vgl. Die Berner Konferenz, S. 134-138. Vgl. u. a. Lenin, Das Militärprogramm der proletarischen Revolution; Krieg und Revolution; Über eine Karikatur auf den Marxismus und über den »imperialistischen Ökonomismus«, in: Lenin, Über die Verteidigung des sozialistischen Vaterlandes. Vgl. Protokoll des Vereinigungsparteitages, S. 174 f. Vgl. Protokoll der 2. Sitzung des Parteivorstandes der SED am 14./15.5.1946, ZPA, IV 2/1/1.
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schaftlichen Lebens hatte, bekamen die Mitglieder des Zentralsekretariats (ZS)16 die »Aufsicht« über bestimmte Bereiche des Parteilebens und der Verwaltungsorgane in der SBZ übertragen. Damit wurden wesentliche Ansätze des zentralistischen und dirigistischen Führungsstils der KPD übernommen, der auf unbedingte Parteidisziplin und strikte Ausführung der Parteibeschlüsse setzte17. Um den praktischen Einfluß der SED zu sichern, begann der Ausbau des hauptamtlichen Parteiapparates auf allen Ebenen der Länder und Kreise. Ulbricht18 blieb, wie schon im Parteivorstand der KPD, zuständig für die Bereiche Wirtschaft, Finanzen, Landes- und Provinzialpolitik, Kommunalpolitik, staatliche Organe, Justiz sowie für die Verbindung zur SMAD19. Damit war er für alle Fragen und Probleme verantwortlich, die mit der Entwicklung der Verwaltungsorgane und der inneren Sicherheit in der SBZ zusammenhingen. Der dazugehörige Sekretär aus den Reihen der SPD war Max Fechner, der gegen Ulbricht als versierten kommunistischen Führungskader und Vertrauten der SMAD keine Chance hatte, sozialdemokratische Auffassungen einzubringen oder sich gegen ihn zu behaupten20. Von vorherein nutzte Ulbricht seine Machtposition, um die innerparteiliche Demokratie in Grenzen zu halten, gegen oppositionelle Kräfte in den eigenen Reihen und außerhalb der SED administrativ vorzugehen sowie Kritik an der sowjetischen Führung und der SMAD zu unterbinden21. Mitglieder des Parteivorstandes machten darauf aufmerksam, daß im Zusammenhang mit der Bekämpfung der Kriminalität sowie beim »Aufspüren nationalsozialistischer und reaktionärer Elemente« nicht nur Personen von der Polizei oder der Besatzungsmacht festgenommen wurden, die tatsächlich in diese Kategorie gehörten. Viele Verhaftungen gab es weiterhin z.B. in Berlin bei SPD-Mitgliedern, insbesondere bei solchen, die sich gegen die Vereinigung mit der KPD ausgesprochen hatten. Unzufriedenheit herrschte auch über das Vorgehen der Besatzungsorgane bei der Durchführung der Bodenreform, über ihr Verhalten gegenüber der Zivilbevölkerung oder im Umgang mit den Kriegsgefangenen. Die Amerikaner und Engländer entließen schon Gefangene, aus den Lagern in der UdSSR durften sie noch nicht einmal Briefe schreiben. Versuche von Pieck oder Otto Grotewohl, bei den Kritikern im Parteivorstand Verständnis für die Besatzungsmacht zu wecken und deren Verhalten zu bagatellisieren, reichten nicht aus, um die Probleme aus der Welt zu schaffen. Damit das Verhältnis der SED zur Besatzungsmacht erst einmal im Parteivorstand klar war, brauchte man »un16
Organ der SED Mitgliedern
der Parteitag. Zwischen den jährlich vorgesehenen Tagungen leibestehende Parteivorstand die Geschäfte der Partei. Für die Durchführung der Politik der Partei wählte der Parteivorstand ein aus 14 Mitgliedern bestehendes Zentralsekretariat. Die führenden Positionen waren paritätisch mit je einem Vertreter der KPD und der SPD besetzt. Den Sekretären unterstanden die hauptamtlichen Mitarbeiter. Ähnliche Strukturen gab es in den Ländern und Provinzen, in den Bezirken sowie in den Kreisen. Vgl. Krusch, Neuansatz, S. 625 ff. Vgl. Stern, Ulbricht, S. 130-142. Vgl. Krusch, Neuansatz, S. 625 ff, und ZPA, IV 2/1/1. Vgl. Stern, Ulbricht, S. 135-142. Beispielhaft waren dafür bereits die 2. und 3. Sitzung des Parteivorstandes am 14715.5.1946, ZPA, IV 2/1/1, und vom 18.-20.6. 1946, ZPA, IV 2/1/2. Das höchste
tete der aus 80
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war
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Militärpolitik der SED-Führung
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mißverständliche Argumente«. Eine Gelegenheit dazu bot sich offensichtlich, als auf der 3. Tagung des Vorstandes im Juni erneut die Verhaftungspraktiken der Besatzungsbehörden angeprangert wurden. Ulbricht unterbrach sofort mit der Feststellung: »Das könnte manchen Leuten gefallen, wenn überall mitgeteilt wird: das und das liegt vor, damit alle Beziehungen bekannt werden.« Im anschließenden Wortgefecht verhärteten sich die Meinungen. Die Diskussion beendete schließlich Pieck mit dem Vorwurf an die Kritiker, daß ihr Auftreten nicht im Sinne der Partei sei. In der Sowjetzone gäbe es keine politischen Gefangenen. Niemand würde verhaftet wegen seiner politischen Ansichten und auch nicht, weil er als Demokrat oder Sozialist gelte. Diese Art der Kritik an der Besatzungsmacht dürfe nicht Aufgabe des Parteivorstandes sein, weil er größere Aufgaben durchführen müsse. Dazu brauche die SED das Vertrauen der Besatzungsmacht: »Wir müssen uns das Vertrauen erst erwerben, und es wird nicht gefördert, wenn solche Ausführungen in unserem Kreis hier möglich sind22.« Damit wurde deutlich, daß die Parteispitze um Ulbricht bereit war, das Vorgehen der Besatzungsmacht bei der Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit vorbehaltlos zu unterstützen. Dies betraf nicht nur die unerläßlichen Maßnahmen gegen die normale Kriminalität, sondern auch solche Aktivitäten, die die Ausschaltung aller politischen Gegner sicherte. Das in der Parteiführung vorhandene innere Sicherheitsdenken mußte so mit den proklamierten Zielen von der »Sicherung der demokratischen Volksrechte«23 in Widerspruch geraten. Wer sich jedoch der SED entgegenstellte, galt als Sicherheitsrisiko. Die jeweilige politische Plattform, von der aus dies geschah, spielte dabei keine Rolle. Um in diesem Sinne die innere Ordnung zu gewährleisten und die Machtansprüche durchzusetzen, mußte aus der Sicht der SED-Führung der Einfluß auf das dafür geeignete Organ, die Polizei, weiter ausgebaut werden. Seit dem Sommer 1945 waren auf allen Ebenen in der SBZ auf Befehl der SMAD Polizeikräfte gebildet worden24. Ihre Aufgaben bestanden vor allem in der Durchführung der Direktiven der SMAD und der noch geltenden deutschen Gesetze zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit. Sie durften jedoch keine militärischen oder halbmilitärischen Übungen durchführen. Die Polizeiverwaltungen der Provinzen und Länder bestanden aus dem Kriminal-, dem Sicherheits- und dem Verwaltungsdienst. Außerdem gab es noch die Bahnpolizei, die der Reichsbahnverwaltung unterstand25. Diese vorhandenen Polizeikräfte galt es nun, in Abstimmung mit der Besatzungsmacht nach und nach auch als Machtinstrument der SED nutzbar zu machen. 22
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25
Protokoll der 3. Sitzung des Parteivorstandes vom 18.-20.6.1946, ZPA, IV 2/1/2; Zitate Bl. 133. Protokoll des Vereinigungsparteitages, S. 176. Aus einem Bericht der Abteilung Polizei bei der Provinzialabteilung Sachsen vom 10.5.1946 ging hervor, daß sie über 5 107 Schutz- und Landpolizeibeamte verfügte, die mit 2 272 Pistolen, 22 Karabinern, einem Gewehr und einer Leuchtpistole ausgerüstet waren. Dazu kam eine aufzubauende Einsatzreserve von 250 Mann zur Bekämpfung des Bandenunwesens. Sie sollten motorisiert und bewaffnet sein sowie möglichst kaserniert untergebracht werden. Zum Polizeiapparat gehörten weiterhin die Verwaltungs-, die Verkehrs- und die Feuerlöschpolizei. Vgl. Berichte der Landes- und ProvinzialVerwaltungen, S. 217 ff. Ein ähnlicher Aufbau der Polizei existierte auch in den anderen Ländern und Provinzen der SBZ. Vgl. Um ein antifaschistisch-demokratisches Deutschland, S. 400f
Vgl.
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Die
Bildung der Deutschen Verwaltung des Innern
Um in der SBZ im Sinne des Potsdamer Abkommens den »deutschen Militarismus und Nazismus« auszurotten sowie die »übermäßige Konzentration der Wirtschaftskraft« zu vernichten26, bereitete die SED-Führung in Sachsen für den 30. Juni 1946 einen exemplarischen Volksentscheid zur Enteignung der »Kriegsverbrecher und Naziaktivisten« vor. Das erklärte Ziel bestand darin, ihnen ihre ökonomische Basis zu entziehen, damit sie diese nicht mehr für politische Zwecke mißbrauchen konnten. In den anderen Ländern und Provinzen der SBZ erfolgten ähnliche Maßnahmen bis Mitte August 1946 durch Verordnungen ohne Volksentscheid. Im Grunde ging es jedoch wie schon bei anderen Maßnahmen der antifaschistischdemokratischen Umgestaltung darum, gestützt und gedeckt von der Besatzungsmacht, politische, ökonomische und soziale Bedingungen zu schaffen, welche die Machtpositionen der SED und ihrer Führung gewährleisteten. Solange die Aktivitäten nicht in Widerspruch zur jeweiligen Deutschlandpolitik der UdSSR gerieten und die Vorbildrolle der Sowjetunion nicht in Frage gestellt wurde, konnte die SED-Führung eigene Interessen verfolgen27. Die damit verbundenen Veränderungen der gesellschaftlichen Verhältnisse in der SBZ, die immer mehr im Gegensatz zur Entwicklung in den Westzonen verliefen, erzeugten freilich politische Spannungen, die eine weitere Vervollkommnung des inneren Sicherheitsapparates erforderlich machten. Als wichtiger praktischer Schritt erfolgte dazu die Bildung der Deutschen Verwaltung des Innern (DVdl). Der entsprechende Befehl der SMAD dazu wurde nie veröffentlicht28. Er ging noch nicht einmal den Chefs der Sowjetischen Militäradministrationen in den einzelnen Ländern der SBZ zu. Der Aufbau begann im August 1946. Die dafür erforderlichen personellen, strukturellen und organisatorischen Entscheidungen kamen von der SMAD. Laut Befehl Nr. 0212 vom 30. Juli 194629 ernannte der Chef der SMAD Erich Reschke zum Präsidenten der DVdl. Als Vizepräsidenten setzte die SMAD Kurt Wagner, Willi Seifert und Erich Mielke ein30. Die DVdl sollte die zentrale Leitung sämtlicher Einrichtungen übernehmen, die mit der inneren Verwaltung sowie der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zu tun hatten. Zu den letzteren Bereichen gehörten vor allem die Schutz-, die Kriminal-, die Verwaltungs-, die Verkehrs-, die Eisenbahn- und Wasserpolizei sowie die Feuerwehr31. Der Aufbau der DVdl als Führungsorgan für die Polizeikräfte erfolgte unter strenger Geheimhaltung, um nicht den Einspruch der Westalliierten zu provozieren. Eine Zentralisierung der Polizei stand nicht im Einklang mit den Beschlüssen von Potsdam, in denen die Verwaltung Deutschlands »in Richtung auf eine Dezentralisierung der politi26 27
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30 31
Vgl. Zur Deutschlandpolitik der Anti-Hitler-Koalition, S. 71 ff. Vgl. Staritz, Aufbau des Sozialismus, S. 688 f. Vgl. Niederschrift einer Beratung der Leitung der DVdl mit der Abteilung des Innern der SMAD in Karlshorst am 23.10.1946, BArch P, Mdl 7/5, Bl. 5 ff. Der Befehl trug die Unterschrift des Stellvertretenden Chefs für Innere Angelegenheiten der SMAD, Oberst Lapenkov, ebd., Mdl 7/15 und 7/05, Bl. 29. Vgl. Arbeitsverteilungsplan des Präsidiums der DVdl vom 23.8.1946, BArch P, Mdl 7/15, Bl. 1. Vgl. Aktennotiz vom 9.1.1948 über die Gründung der DVdl, Mdl 7/1, Bl. 17.
Zu den
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Anfangen der Sicherheits- und Militärpolitik der SED-Führung
sehen Struktur und der Entwicklung einer örtlichen Selbstverantwortung« vorgesehen war. Die Polizei gehörte auch nicht zu den als notwendig erachteten zentralen deutschen Verwaltungsabteilungen32. Für die SMAD war die DVdl als Hilfsorgan bei der effektiven Durchsetzung ihrer Besatzungspolitik gedacht. Zugleich entstand eine wichtige Einrichtung, die der SED-Führung als Machtmittel dienen konnte. Folgerichtig sorgte die SMAD dafür, daß nicht nur das Präsidium, sondern alle Leitungsfunktionen mit bewährten SED-Mitgliedern besetzt wurden. Damit war der alleinige Einfluß der SED insbesondere durch den dafür zuständigen Sekretär des Parteivorstandes, Ulbricht, von vornherein gesichert. Der geheime Aufbau der DVdl sollte auch verhindern, daß die mit der SED verbündeten Parteien unbequeme Fragen zum Sinn des Organs und seiner einseitigen kadermäßigen Besetzung stellten. Was vor den Wahlen vom Herbst 1946 zentralisiert und fest in der Hand der SED war, brauchte nicht auf die Länder verteilt werden33. Da in der Aufbauphase der DVdl die inneren Verwaltungen in den Ländern und Provinzen unterschiedliche Strukturen hatten, mußten mit Hilfe der SMAD die Voraussetzungen für die Zentralisierung der Polizeikräfte geschaffen werden. Auf einer Besprechung der zuständigen Vertreter der SMAD mit dem Präsidium der DVdl am 12. September 1946 wurde erst einmal festgelegt, daß der administrative Aufbau der Polizei in den Ländern unverändert blieb34. Die operativen Aufgaben für die Polizeikräfte stellte die DVdl, die für die Chefs der Polizei in den Ländern und Provinzen bindend waren. Sie unterstanden damit verwaltungsmäßig weiterhin den Präsidenten der Länder, aber z.B. über den Einsatz und die Ausbildung konnte zentral die DVdl entscheiden. Auf ähnlichen Beratungen bis Ende 1946 erfolgten die Absprachen und Festlegungen zur Materialbereitstellung, zur Ausstattung mit Fahrzeugen und Fernmeldemitteln sowie zu den Stellen- und Organisationsplänen. Von der Verwaltung für Innere Angelegenheiten der SMAD nahmen daran meist Generalmajor Malkov, Oberst Lapenkov und Major Smirnov teil35. Damit diese zentrale Führung der Polizeikräfte funktionierte, mußten die Polizeichefs der Länder entsprechend instruiert werden. Zu diesem Zweck berief der Präsident der DVdl eine erste gemeinsame Konferenz mit den Chefs der Polizei der Länder und Provinzen am 30. Oktober 1946 ein. Unmißverständlich erklärte Vizepräsident Seifert den Anwesenden, welche Bedeutung der Polizeiapparat für die weitere Entwicklung in der SBZ und für die Westzonen hatte: »Die Polizei muß das Instrument unseres Staates oder im Moment unserer Zone sein, das in der Lage ist, alle Errungenschaften und jede von uns politisch und wirtschaftlich vollzogene Tatsache zu sichern.« Im übrigen wisse man zwar noch nicht, »in welcher Form sich ein neuer deutscher Staat« organisiere, es stehe aber fest, daß »bereits Erkämpftes zu sichern und noch zu Schaffendes mit durchzusetzen« sei. »Und darauf«, so Seifert, »wollen wir uns vorbereiten«36. 32 33 34
35
36
Vgl. Zur Deutschlandpolitik der Anti-Hitler-Koalition, S. 74. Vgl. Laufer, Ursprünge, S. 156. Vgl. Notizen von einer Besprechung zwischen Vertretern der SMAD und dem Präsidium der DVdl,
BArch P, Mdl 7/5, Bl. 5 ff. u.a. Niederschrift einer Beratung der SMAD mit dem Präsidium der DVdl ebd., Mdl 7/5, Bl. 2f. Zit. nach Laufer, Ursprünge, S. 157.
Vgl.
am
19.11.1946,
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Wolfgang Eisert
Ebenso klar hatte Vizepräsident Mielke die DVdl als »scharfe Waffe des demokratischen Aufbaus« bezeichnet, die dem »Wohle der werktätigen Bevölkerung Deutschlands und zum Schrecken der Feinde des demokratischen Aufbaus« diente. Mit Blick auf eine mögliche Beeinflussung der Entwicklung in den anderen Besatzungszonen, die schon nicht mehr so verlief, wie es sich die SED-Führung wünschte, machte er deutlich, worauf es neben der Stabilisierung der politischen Verhältnisse in der SBZ noch ankam:
»Ohne Zweifel wäre es falsch, nun hier in der Sowjetzone langsam zu treten oder weniger gründlich die demokratische Entwicklung voranzutreiben. Die reaktionäre Entwicklung in der anderen Zone wird nicht dadurch aufgehalten, daß wir stehenbleiben, im Gegenteil, die demokratischen Kräfte der westlichen Zonen erhalten durch die konsequente Weiterführung unseres demokratischen Aufbaus eine wirksame Unterstützung37.« Damit die DVdl entsprechend diesen Vorstellungen wenigstens in der SBZ agieren konnte, mußten weitere organisatorische und personelle Voraussetzungen geschaffen werden. Bis Ende 1946 blieb sie jedoch erst einmal ein Provisorium mit etwa 70 Mitarbeitern38. Auch wenn sie in dieser Zeit als Führungsorgan noch nicht effektiv funktionierte, gab es im Präsidium der DVdl und bei den Polizeichefs der Länder und Provinzen keine Zweifel mehr darüber, daß die zentrale Leitung der Polizei eine wichtige Voraussetzung bei der Erringung und Festigung der Macht der SED in der SBZ und der möglichen Einflußnahme in den Westzonen sei. Der Polizeichef der Provinz Brandenburg äußerte sogar schon perspektivische Überlegungen zu den Aufgaben einer kasernierten Schutzpolizei, deren Einsatz in »Bayern oder anderen reaktionären Gebieten erforderlich« werden könne39. Für die Bemühungen in der SBZ in der zweiten Hälfte des Jahres 1946, die Polizei zur weiteren Stabilisierung der inneren Ordnung und Sicherheit auszubauen, gab es auch objektive Erfordernisse. In den Beratungen in der SED-Führung, bei Besprechungen der Innenminister der Länder sowie der Polizeiführung wurde immer wieder auf die wachsende Kriminalität aufmerksam gemacht. Oft traten die Täter in sowjetischen Uniformen auf. Dabei handelte es sich sowohl um Angehörige der Besatzungstruppen als auch um Deutsche, die sich so tarnen wollten40. Um Schwarzhandel, Schiebergeschäfte und kriminelle Delikte aller Art wirksamer zu bekämpfen und dabei nicht durch Kompetenzprobleme zwischen den Ländern und Provinzen behindert zu werden, erschien eine zentrale Führung als logischer und notwendiger Schritt. Ihre praktische Wirksamkeit blieb aber hinter den Erwartungen zurück. Die SMAD war zu dieser Zeit mit Rücksicht auf den Argwohn oder mögliche Einsprüche der westlichen Besatzungsmächte vorerst nicht bereit, eine weitere personelle Verstärkung der Polizeikräfte in ihrer Zone in die Wege zu leiten41. 37 38
Zit. nach ebd., S. 146 bzw. S. 152.
Vgl. Notizen von einer Besprechung zwischen Vertretern der SMAD und dem Präsidium der DVdl vom
39 40
41
12.9.1946, BArch P, Mdl 7/5, Bl. 5ff.
Vgl. Laufer, Ursprünge, S. 158. Vgl. u. a. ZPA, NL 90/314, sowie IV 2/13/407, IV 2/1/1, IV 2/1/2. Die Problematik der Nachkriegskriminalität in der SBZ sowie die Maßnahmen zu ihrer Bekämpfung müßten genauer untersucht werden. Man könnte zu Erkenntnissen über das Verhältnis von notwendigen Schritten zur Gewährleistung der Sicherheit und der Herausbildung eines überzogenen Sicherheitsdenkens kommen. Vgl. Niederschrift über die am 19.11.1946 stattgefundene Besprechung zu Haushaltsfragen der Polizei, BArch P, Mdl 7/5, Bl. 2f.
Zu den
Anfängen der Sicherheits- und Militärpolitik der SED-Führung
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Im November 1946 begann die Besatzungsmacht, deutsche Kräfte zum Schutz und Kontrolle an den Grenzen sowie der Demarkationslinie einzubeziehen. Über deren Status notierte der Vizepräsident der DVdl, Seifert, auf einer Beratung mit Vertretern der SMAD: »Es wird kein Grenzschutz gebildet, der unter der Leitung der Polizei steht. Anforderung für Kräfte des Grenzschutzes wird durch die SMAD vorgenommen [...] Etatmässig wird die Polizeibehörde mit diesen Leuten nichts mehr zu tun haben, da sie das Gehalt von der zuständigen Dienststelle der SMAD erhalten werden. Lediglich in Kaderfragen wären wir zuständig. Wir sind berechtigt, für die abgehenden 100 Mann wieder 100 neue Leute in die Polizei aufzunehmen42.« Damit entstand ein weiterer Zweig der Polizei, der vorerst allein durch die SMAD geführt wurde. Bei der Auswahl des Personals verließ sich die Besatzungsmacht schon auf ihre SED-Kader in der DVdl und in den Polizeiführungen der Länder. Die SED-Führung konnte am Beginn des Jahres 1947 eine positive Bilanz ziehen, was die Sicherung und den Ausbau ihres politischen Einflusses betraf, aber sie mußte sich weiterhin bei allen Vorhaben zur Erweiterung ihrer Macht und der Durchsetzung ihrer politischen Ziele der jeweiligen Deutschlandpolitik der UdSSR unterordnen. Wenn es der sowjetischen Führung angebracht schien, den deutschlandpolitischen Kurs zu präzisieren und die SED-Führung darüber zu informieren, beorderte sie einige Spitzenfunktionäre, die ihr besonderes Vertrauen genossen, nach Moskau, um ihnen die neuen Aufgaben mitzuteilen. Generelle Einwände oder Widerspruch waren nicht zu erwarten, da die entscheidenden Führungspositionen in der SED in den Händen von Personen lagen, die durch ihre Tätigkeit in der Kommunistischen Internationale und während ihrer Emigrationszeit in der UdSSR bewiesen hatten, daß sie bedingungslos der von Stalin geführten KPdSU gehorchten43. Mit der Bildung der Bizone seit dem 1. Januar 1947 waren neue unübersehbare Anzeichen vorhanden, daß die Westmächte sich gegen die Bemühungen der UdSSR stellten, deren Einfluß auf die Westzonen auszudehnen44. Zu einer offenen Konfrontation mit den ehemaligen Verbündeten wollte es die Sowjetunion aber offensichtlich noch nicht kommen lassen. Sie ließ die Entscheidung der deutschen Frage weiter formal offen. Mögliche positive Lösungen erwartete die Regierung der UdSSR von der für März/April 1947 geplanten Außenministerkonferenz in Moskau. Was die SED-Führung angesichts der veränderten Situation zu tun hatte, erfuhr eine nach Moskau beorderte Delegation des Parteivorstandes, die sich dort vom 30. Januar bis zum 7. Februar 1947 aufhielt45. Als wichtigste Aufgabe blieb, die Sicherung des Einflusses der SED in der SBZ fortzusetzen und endlich in den Westzonen Fuß zu fassen. zur
42 43 44
45
Ebd., Bl. 2. Vgl. Badstübner, Beratungen, S. 99-102.
Eine Beurteilung dieses Vorgehens durch die Sowjetunion gab der Chef der SMAD, Marschall V. Sokolovskij, vor dem Alliierten Kontrollrat am 25. Februar 1947 ab. Vgl. Um ein antifaschistisch-demokratisches Deutschland, S. 417^125. Vgl. handschriftliche Notizen Piecks von der Besprechung am 31.1.1947 in Moskau, ZPA, NL 36/694, Bl. 3. Der Delegation gehörten an: Ulbricht, Pieck, Grotewohl, Fechner und Fred Oelßner.
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Schlußfolgerungen für die praktische Politik zog der Parteivorstand auf seiner 9. Tagung im Februar 1947 in Form von Thesen über die Lage und die Aufgaben der Partei. Im Mittelpunkt standen die Forderungen nach der »Einheit Deutschlands« und die Schaffung von Voraussetzungen zur »Bildung einer deutschen Regierung«. Als Vorstufen dafür sollten erst einmal »deutsche Zentralverwaltungen« entstehen. Unmittelbar in Angriff zu nehmen war dazu eine umfassende Wirtschaftsplanung für ganz Deutschland46. Angesichts der schwierigen Versorgungslage und der zu lösenden Probleme beim Aufbau der Nachkriegswirtschaft in Deutschland setzte der Parteivorstand offensichtlich darauf, daß die Bevölkerung in den Westzonen unter diesem Gesichtspunkt die Forderungen der SED nach einem einheitlichen Deutschland unterstützen würde. Die Überwindung der in allen Besatzungszonen vorhandenen Schwierigkeiten erschien im gesamtdeutschen Rahmen einfacher, als dies in jeder Zone mit den unterschiedlichen ökonomischen Voraussetzungen allein zu schaffen war. Solche auf den ersten Blick scheinbar vernünftigen Vorschläge der SED-Führung schlössen ein, daß sie die eigene Partei dabei als führende politische Kraft verstand und deshalb ihre Einwirkung auf die gesellschaftliche Veränderung in den Westzonen auszudehnen gedachte. Angesichts der zunehmenden Polarisierung in zwei sich gegenüberstehende Blöcke fanden solche Bestrebungen naturgemäß bei den Westmächten und den mit ihnen verbündeten politischen Kräften in ihren Zonen keine Unterstützung. Das zeigte sich sehr klar auf der Außenministerkonferenz in Moskau, die am 10. März begann und am 24. April 1947 ohne konstruktive Vereinbarungen zur Deutschlandfrage endete. Zwischen den Westmächten und der Sowjetunion gab es konträre Auffassungen zum Staatsaufbau in Deutschland, zur Ableistung der Reparationen, der Ruhrkontrolle sowie in Grenzfragen47. Es zeichnete sich ab, daß beide Seiten nun nach Wegen suchten, ihre Interessen in Deutschland vorrangig in ihren Zonen zu sichern. Die USA bereiteten dazu im Einvernehmen mit Großbritannien eine politischökonomische Offensive für Europa vor, deren äußere Anzeichen in der Bildung des Bizonenwirtschaftsrates am 25. Mai 1947 und der Verkündung des Marshall-Planes im Juni 1947 bestanden48. Angesichts dieser internationalen Entwicklung und als Ergänzung zu den Bestrebungen der SED, in den Westzonen politischen Einfluß zu erlangen, wurden in der SBZ selbst weitere Anstrengungen unternommen, die entstandenen politischen Verhältnisse zu sichern49. Als wichtige Aufgabe blieb dabei, die DVdl als zentrales koordinierendes Organ für die Polizei und alle anderen inneren Verwaltungseinrichtungen auszugestalten. Dazu gab es zahlreiche Kompetenzfragen zwischen diesen beiden Stellen und den Ländern zu klären50. Wollte die DVdl z.B. Aufgaben für die Polizei stellen, mußte sie die Zustimmung aus Karlshorst einholen und sich mit den Ländern oder anderen Zen46
47
48 49
30
Vgl. Protokoll der 9. Tagung des PV der SED, ZPA, NL 36/655. Vgl. Anfange westdeutscher Sicherheitspolitik, Bd 1, S. 71 ff. Vgl. Beitrag Thoß, S. 60 f. Vgl. Protokoll der 10. Tagung des PV der SED am 26727.3.1947, ZPA,
IV 2/1/9, sowie NL 36/655. Vgl. Protokolle und Aktennotizen zu den Besprechungen der SMAD mit dem Präsidium der DVdl Ende 1946 bis Mitte 1947, BArch P, Mdl 7/5.
Zu den
Anfangen der Sicherheits- und Militärpolitik der SED-Führung
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tralVerwaltungen verständigen. Die erwartete Wirksamkeit dieses zentralen Führungsorgans konnte so nicht zum Tragen kommen. Um das zu verändern, mußten konkrete Festlegungen über die Aufgaben und Befugnisse der DVdl getroffen sowie gegenüber den Ländern durchgesetzt werden. Worauf es dabei ankam, spiegelte sich in einer Verordnung vom 13. Mai 1947 wider:
»1.) Die Deutsche Verwaltung des Innern wird zur Leitung sämtlicher Einrichtungen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gebildet. 2.) Sämtliche polizeilichen Einrichtungen unterstehen der Deutschen Verwaltung des Innern. Sie erlässt, verordnet, verfügt und erteilt Direktiven, Anweisungen und Befehle und überprüft die gesamte Tätigkeit der genannten
Einrichtungen51.«
Dazu gab es Abteilungen in der DVdl, die analog auch im Apparat aller Polizeiorgane der Länder und Provinzen der SBZ zu bilden waren, um eine direkte Führung von oben nach unten zu gewährleisten. Eine wichtige Rolle bei der Durchsetzung der Politik der SED zur Gewährleistung der inneren Sicherheit spielten die Konferenzen des Parteivorstandes unter Federführung Ulbrichts mit den Innenministern der Länder und dem Präsidium der DVdl52. Diese Innenministerkonferenzen dienten bis Ende 1948 dazu, eine einheitliche innere politische Leitung, Organisation und Struktur der Innenministerien in der SBZ zu entwickeln. An der Spitze dieser Ministerien standen ausnahmslos Personen, die sowohl das Vertrauen der SMAD als auch der SED-Führung besaßen. Dadurch konnten direkt Befehle der SMAD und Beschlüsse oder Entscheidungen aus dem Parteivorstand in den Ländern wirksam werden, ohne daß die mit der SED verbündeten Parteien davon Kenntnis oder gar Einfluß darauf bekamen. Praktische Schritte in diesem Sinne standen auf der Konferenz der Innenminister vom 1. Juni 1947 auf der Tagesordnung. Es ging unter anderem um die Weiterführung der Entnazifizierung, die Einschätzung der Aktivitäten des Gegners sowie um die Einführung eines Polizeigesetzes in der SBZ. Ulbricht, der zu allen Tagesordnungspunkten sprach, verwies darauf, daß der gesamte Verwaltungsapparat und besonders die Polizei politisch gefestigt werden müßten, um nicht auf die »westliche Propaganda« hereinzufallen. Aufgabe der Polizei sei es nicht nur, Ruhe und Ordnung herzustellen, Schiebergeschäfte und den schwarzen Markt zu bekämpfen, sondern auch »Schumacher-Agenten« festzusetzen, um ihnen zur »Abschreckung« den Prozeß zu machen53. Damit die Polizei effektiver zur Bekämpfung der Kriminalität, zur Gewährleistung von Ruhe und Ordnung sowie zur Niederhaltung oppositioneller politischer Kräfte eingesetzt werden konnte, war ein Polizeigesetz ausgearbeitet worden. Es enthielt Festle51
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"
Verordnung
über die Deutsche Verwaltung des Innern in der Sowjetischen Besatzungszone, ebd., Mdl 7/1, Bl. 29. Weitere solche Konferenzen, bei denen vor allem Fragen der Organisation der Verwaltung der SBZ im Mittelpunkt standen, fanden 1947 am 26V27.7. in Schwerin, am 11./12.8. in Warnemünde, am 12.10. in Rehfelde und am 29./30.11. in Schierke statt. Zu den Innenministerien gehörten in der Regel folgende Bereiche: Landeskommissionen für Bodenreform, Sequestierung und Entnazifizierung; Organe der Innenministerien; Verfassungs- und Kommunalwesen; Personal und Schulung; Landespolizeibehörde; Verwertungsabteilung; Landesnachrichtenamt sowie das Post- und Fernmeldewesen. Vgl. ZPA, NL 182/1133. Vgl. Protokoll der Konferenz der Innenminister der SBZ am 1.6.1947, ZPA, NL 182/1085.
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Wolfgang Eisen
gungen über die Führung der Polizei auf Länder- und Provinzebene durch die Innenminister nach den Richtlinien des DVdl sowie über die Aufgaben und Befugnisse der einzelnen Zweige und Bereiche der Polizei auf den verschiedenen Leitungsebenen54. Überlegungen über die damit verbundenen Schritte zur Reorganisation der Polizei waren schon Anfang 1947 angestellt worden. In einer entsprechenden Denkschrift hieß es zum grundsätzlichen Verständnis über die Rolle der Polizei: »Die Polizei ist von jeher das Machtmittel des Staates zur Erhaltung seines Ansehens und zur Aufrechterhaltung von Ruhe, Sicherheit und Ordnung gewesen und wird es auch in Zukunft sein.« In Abgrenzung zur Polizei vor 1945 stand dagegen nun die Aufgabe: »Es ist vielmehr notwendig in der antifaschistisch-demokratischen Republik, eine neue Ordnung auf der Grundlage und in der Form vollendeter Demokratie zu entwickeln mit dem Ziel des Schutzes von Persönlichkeits- und Sachwerten und der Verhütung zukünftigen Übels für Staat und Gesellschaft, aber auch für den einzelnen55.« Wer als »Übel« für die Gesellschaft galt und deshalb mit der Polizeigewalt rechnen mußte, war nicht definiert. Die Praxis sollte darauf eine Antwort geben. Die so angedachte Reorganisation der Polizei entsprach den Vorstellungen der SEDFührung, den Einfluß ihrer Partei in der SBZ und gegebenenfalls auf ganz Deutschland auszudehnen. Für den Fall, daß dies gelingen sollte, wollte man darauf vorbereitet sein, sofort über zentrale Verwaltungsorgane zu verfügen, die zur Wahrung der eigenen Interessen wirken konnten. Da nicht abzusehen war, ob dieses Konzept tatsächlich so für ganz Deutschland funktionierte, hielt man in den Schlußbemerkungen fest: »Im Hinblick auf die noch nicht endgültige Entscheidung über die künftige Übertragung der Polizeigewalt auf die Zentralregierung eines Einheitsstaates oder auf die einzelnen Länderregierungen eines Bundesstaates Deutschland, waren zunächst lediglich diejenigen Grundlagen herauszustellen, die im Brennpunkt des öffentlichen Interesses liegen und deren Durchführbarkeit im Rahmen des zeitig Möglichen gegeben ist56.« Besonders wollte sich die SED dafür einsetzen, daß die Polizeigewalt nicht wieder geteilt wurde. Das galt für alle Dienstzweige, die im Ergebnis der Reform in einen »organisatorischen Gesamtaufbau« der Polizei57 eingefügt werden sollten. Diese Vorstellungen wurden nun im Sommer 1947, so weit es ging, in die Tat umgesetzt58. Die auf der Londoner Außenministerkonferenz im Frühjahr und der Konferenz der Ministerpräsidenten der deutschen Länder im Juni in München gefallenen Entscheidungen über die Ablehnung eines deutschen Einheitsstaates nach den Wünschen der So54
53 56 57
58
Vgl.
Entwurf Polizeigesetz vom ersten Halbjahr 1947 (der Entwurf trägt kein genaues Datum), BArch P, Mdl 7/18, Bl. 21-27. Denkschrift zum Neuaufbau der Polizei in der SBZ, 5.2.1947, ebd., Mdl 7/18, Bl. 1. Ebd., Bl. 9. Das schloß auch die Eingliederung der Grenzpolizei in die allgemeine Organisation der Polizei der Länder und Provinzen ein. Als Begründung dafür hieß es, daß »ihr jederzeitiger Einsatz zu landessicherheitspolizeilichen Zwecken durch die Landes- (Provinzial) Polizeichefs erfolgen kann«, ebd. Bl. 7 f. Dies deutet eventuell auf erste Überlegungen hin, zusätzliche Polizeikräfte zur Verfügung zu haben, die jederzeit einsatzfähig waren bei Aufgaben, die über übliche Polizeieinsätze hinausgingen. Aus den z.Z. zugänglichen Akten läßt es sich nicht belegen. Die DVdl führte z. B. Beratungen durch, auf denen zentrale Anleitungen für die einzelnen Bereiche der Polizei erfolgten, so für die Schutzpolizei am 28729.8.1947, vgl. ebd., Mdl 7/9.
Zu den
Anfangen der Sicherheits- und Militärpolitik der SED-Führung
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wjetunion veranlaßten die SED-Führung, weitere Schritte zur Sicherung der Machtverhältnisse in der SBZ zu ergreifen59. Die Reorganisation der Polizei erfolgte auf der Grundlage des Polizeigesetzes, dessen Entwurf auf der Innenministerkonferenz am 1. Juni zur Diskussion stand. Als noch nicht zufriedenstellend galt in diesem Zusammenhang nach wie vor das Verhältnis der zentralen Verwaltung des Innern zu den Innenministern und Polizeichefs zugunsten einer zentralen Führung der Polizeikräfte60. Die bisherigen Versuche in dieser Richtung hatten offensichtlich noch nicht zu den gewünschten Resultaten geführt. Im Juli 1947 wurde deshalb eine weitere Verordnung über das Wirken und die Befugnisse der DVdl in Kraft gesetzt. Ausgehend von der bereits vorher getroffenen Festlegung, daß sie alle Polizeiorgane in den Provinzen und Ländern leiten sollte, bestanden die Hauptaufgaben der DVdl und der Polizeiorgane darin: »a) einen energischen Kampf gegen das Verbrechertum und die Störenfriede der öffentlichen Ordnung und Gesetze, die vom Alliierten Kontrollrat, der SMAD und den demokratischen Organen der Selbstverwaltungen festgelegt wurden, zu führen, b) den Aufbau Deutschlands nach demokratischen Grundsätzen zu fördern c) täglich den Schutz der Rechte der deutschen Bevölkerung, die durch Gesetze der Länder und Provinzen festgelegt sind, zu gewährleisten. d) einen entschiedenen Kampf gegen die Nazisten und andere Verbrecher, die den demokratischen Aufbau Deutschlands hemmen, zu führen61.« Die Verordnung bot damit genügend Spielraum, sowohl gegen kriminelle Straftäter als auch gegen oppositionelle Kräfte vorzugehen. Die Regierungen der Länder und Provinzen behielten zwar noch die Kontrolle und das Weisungsrecht gegenüber den Polizeiorganen, aber Gesetze und Verordnungen der DVdl durften auf dieser Ebene nicht aufgehoben oder verändert werden62. In der SED-Führung konnte man zufrieden sein mit dieser Entwicklung. Es war in kurzer Zeit gelungen, mit Unterstützung der Besatzungsmacht ein von der SED kontrolliertes und gesteuertes zentrales Führungsorgan zu schaffen. Damit war es möglich, die inneren Verwaltungsorgane und die Polizei im Interesse des weiteren Ausbaues der Herrschaft der SED in der SBZ einzusetzen. Die getroffenen Maßnahmen bewegten sich dabei immer am Rande dessen, was unter Besatzungsbedingungen möglich war. Um keine unnötigen Diskussionen in der SBZ, in den Westzonen oder im Ausland aufkommen zu lassen, bemühte man sich darum, alle Schritte zur Verstärkung der Polizei und der Sicherung des Einflusses der SED in allen zentralen Verwaltungsorganen unter strikter Geheimhaltung und ohne großes Aufsehen durchzuführen. In diesem Bereich niemanden »in die Karten sehen lassen«, 59
60 "
62
Vgl. Pressekonferenz der Ministerpräsidenten der sowjetischen Zone, 10.6.1947, ZPA, IV 2/1.01/48. Offiziell propagierte die SED weiter die Schaffung der Einheit Deutschlands. Es wurde zwar erkannt, daß sich die Westmächte nicht auf die Schaffung einer Zentralregierung einlassen würden,
aber im PV hoffte man immer noch, die Initiative in die Hand zu bekommen und den Willen der Bevölkerung zur Einheit in Aktionen gegen die Westmächte und die führenden Parteien in den Westzonen umzuleiten. Vgl. Protokoll der Innenministerkonferenz vom 1.6.1947, ZPA, NL 182/1085. Verordnung über die DVdl der Sowj. Besatzungszone Deutschlands vom Juli 1947, BArch P, Mdl 7/1, Bl. 55 f. Vgl. ebd.
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Wolfgang Eisert
blieb bestimmend für alle Phasen der Herausbildung der Sicherheitspolitik der SED. Die Abschirmung der SBZ nach außen blieb weiterhin Sache der UdSSR, obwohl auch hier der Grenzpolizei schon einige Aufgaben zur Bewachung der Demarkationslinie übertragen worden waren63. Ein weiterer wichtiger Schritt zur Sicherung der Entwicklung der gesellschaftlichen Verhältnisse nach sowjetischem Vorbild war der Befehl Nr. 201 der SMAD vom 16. August 1947, der die »Richtlinien zur Anwendung der Direktiven Nr. 24M und Nr. 3865 des Kontrollrats über die Entnazifizierung« enthielt66. In erster Linie sollten damit noch vorhandene NS-Täter und Kriegsverbrecher ihrer Bestrafung zugeführt werden, wofür jede der vier Besatzungsmächte in ihrer Zone die Verantwortung trug. Entsprechend der Durchführungsbestimmung Nr. 3 zum Befehl 201 vom 21. August 1947 übertrug die SMAD den Innenministerien der Länder die erforderlichen Untersuchungen67. Dazu mußten spezielle Ermittlungs- und Untersuchungsorgane auf Länderund Kreisebene bei der Polizei gebildet werden, die die Bezeichnung Kommissariat 5 erhielten. Diese gehörten offiziell zur Kriminalpolizei, nahmen aber eine Sonderstellung ein68. Sie fertigten auf der Grundlage der Ermittlungsergebnisse auch die Anklageschriften an, die dann nur noch von der Staatsanwaltschaft zu bestätigen waren. Die letzten Entscheidungen trafen jedoch immer die zuständigen Organe der SMAD. Der Aufgabenbereich dieser Kommissariate wurde bald durch die Besatzungsmacht ausgeweitet. Sie bekamen die Bearbeitung von Fällen übertragen, die nichts mehr mit der Verfolgung von Nazi- und Kriegsverbrechen zu tun hatten. Es ging mehr und mehr um die Überwachung und Bekämpfung tatsächlicher oder mutmaßlicher »Gegner des antifaschistisch-demokratischen Aufbaues« in der SBZ, was durchaus auch im Interesse der SED-Führung lag. Wer sich, aus welchen Gründen auch immer, gegen die politischen Ziele der SED aussprach oder sogar ihre Realisierung behinderte, mußte mit seiner Verfolgung und Verurteilung rechnen69. Eine ernsthafte politische Gegnerschaft in der SBZ brauchte unter diesen Bedingungen nicht mehr befürchtet werden, was nicht
63
Vgl. Notizen
aus
dem Referat S 1 der DVdl
zum
systematischen
Aufbau der
Grenzpolizei vom zur Bewachung
10.3.1947, ebd., Mdl 7/251, Bl. 31 ff, sowie Dienstanweisung für die Grenzpolizei
64
65
66
67
68 69
der Demarkationslinie in der Sowjetischen Okkupationszone Deutschlands vom 23.8.1947, BA MZAP, Pt 7122, Bl. 2 ff. Direktive Nr. 24 über die Entfernung von Nationalsozialisten und Personen, die den Bestrebungen der Alliierten feindlich gegenüberstehen, aus Ämtern und verantwortlichen Stellungen vom 12.1.1946, BArch P, Mdl 7/420, S. 51-66. Direktive Nr. 38 Verhaftung und Bestrafung von Kriegsverbrechern, Nationalsozialisten und Militaristen und Internierung, Kontrolle und Überwachung von möglicherweise gefährlichen Deutschen vom 12.10.1946, ebd., S. 17-50. Vgl. ebd., S. 1-16. Der Befehl Nr. 201 der SMAD diente nicht nur dazu, NS-Täter und Kriegsverbrecher einer gerechten Bestrafung zuzuführen, sondern er wurde in zunehmendem Maße auch für die Verfolgung und Verurteilung politischer Gegner genutzt, vgl. Fricke, Politik und Justiz, S. 13-54. Vgl. BArch P, Mdl 7/420, S. 11-16. Vgl. Fricke, DDR-Staatssicherheit, S. 17-23, oder Laufer, Ursprünge, S. 161-164. Vgl. Besprechung des Zentralsekretariats der SED, der Justizverwaltung und der DVdl zur Durchführung des Befehls Nr. 201 im April 1948, ZPA, IV 2/13/4.
Zu den Anfangen der Sicherheits- und Militärpolitik der SED-Führung
157
bedeutete, daß der Unterdrückungsapparat nach innen nicht weiter vervollkommnet werden mußte.
Die Konkretisierung der politischen Ziele und ihre mögliche bewaffnete Sicherung Auf ihrem II. Parteitag im September 1947 zog die SED Bilanz über die erreichten Ergebnisse der gesellschaftlichen Veränderungen in Deutschland und insbesondere in der SBZ seit April 1946. Sie verstand sich dabei als geschlossenste und aktivste Kraft, die tiefgreifende Wandlungen der sozialen und ökonomischen Verhältnisse eingeleitet hatte, auch wenn sie sich vorerst auf die SBZ beschränkten. Erklärtes Ziel blieb, wie Fechner in der Eröffnungsrede feststellte, in diesem Sinne auch in den anderen Zonen wirksam zu werden. Eine Restauration der alten wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse sollte nicht mehr zugelassen werden. »Die erste Phase der Abwehr ist zugleich die Phase der Sicherung der demokratischen Entwicklung in Deutschland, und ohne eine umfassende Sicherung der Demokratie gegen den Nazismus und seine wirtschaftlich tragenden Kräfte ist die Erringung der politischen Macht durch die Arbeiterbewegung mit friedlichen Mitteln nicht denkbar.« Als grundsätzliche Orientierung galt dabei: »Es gibt keine Freiheit für die Feinde der Freiheit! Es gibt keine Demokratie für die Feinde der Demokratie70.« Ohne sie als solche zu bezeichnen, hatte die SED damit eine wichtige sicherheitspolitische Aufgabe entsprechend den bisherigen Erfahrungen im Kampf um die politische Macht formuliert. Wer sie ausüben wollte, mußte über die dafür erforderlichen ökonomischen Grundlagen verfügen und in der Lage sein, jeden Widerstand gegen die damit verbundenen Enteignungen niederzuhalten. Deshalb hielt die SED an ihrer Forderung fest, die »großkapitalistischen und großgrundbesitzerischen Kriegsverbrecher wirtschaftlich und politisch« zu entmachten. Nur auf dieser Basis konnte nach ihrem Selbstverständnis ein »einheitliches, antifaschistisch-demokratisches Deutschland« entstehen. Für die drei westlichen Besatzungszonen standen die dazu notwendigen Maßnahmen noch aus. Angesichts der Gefahr der Zerreißung Deutschlands und des »demokratischen Nachholbedarfs« im Westen wurde daher auch kein neues Parteiprogramm auf dem II. Parteitag beschlossen71. Ulbricht forderte vielmehr folgerichtig in seinem Schlußwort, endlich in den Westzonen nach dem Vorbild der SBZ die Bodenreform vorzubereiten, die Verwaltungen zu säubern und die Nazi- und Kriegsverbrecher zu enteignen72. Seitens der SED-Führung hielt man mithin an Vorstellungen fest, daß auch im Westen ein Zusammengehen von KPD und Teilen der SPD möglich war. Es mußte nur gelingen, die Bevölkerung von den eigenen politischen Zielen zu überzeugen, um die Aktionsbereitschaft der Massen in den Westzonen hervorzurufen. Allerdings fehlte ein brauchbares Konzept, wie die SED dort ihren Einfluß verstärken konnte. 70 71 72
Protokoll des II. Parteitages, S. 48 ff. und 53 f. Vgl. ebd., S. 66-102. Vgl. ebd., S. 48Iff
158
Wolfgang Eisert
Um die eigene politische Wirksamkeit zu erhöhen, stellte der II. Parteitag die Aufgabe, die SED so schnell wie möglich zu einer Partei »neuen Typus« zu entwickeln73. Das hieß nichts anderes, als eine straffe zentralistische Führung durchzusetzen und die Mitglieder auf die Lehren des Marxismus-Leninismus auszurichten. Entstehen sollte eine stalinistische Partei nach dem Vorbild der KPdSU, die in der Lage war, in Deutschland den Sozialismus als Diktatur des Proletariats zu erkämpfen. Das schloß ein, noch vorhandenes sozialdemokratisches Gedankengut auszumerzen und Gegner dieser Entwicklung aus den Reihen der ehemaligen SPD auszuschalten. Zwar hielt sich die SED-Führung bei der Formulierung dieser Zielstellung noch sehr zurück, um ihre Sympathisanten und Bündnispartner nicht abzuschrecken, aber der Sozialismus als Ziel der Politik stand fest. Man erkannte in der Parteiführung die zunehmende Tendenz zur Spaltung Deutschlands, sah aber keinerlei Ursachen dafür in der eigenen, von der UdSSR geprägten Politik. Alles, was man an politischen Zielen nicht erreichte, wurde auf das Wirken der »Klassenfeinde« innerhalb und außerhalb der SBZ zurückgeführt. Damit galt die Politik der Westmächte sowie der Parteien in den westlichen Besatzungszonen, die sie unterstützten, aus der Sicht der SED-Führung als »friedensgefährdend« und gegen die Interessen des deutschen Volkes gerichtet. Sie verkörperten die »imperialistischen Gegner« des »demokratischen Einheitsstaates«, die es zu bekämpfen galt. Das aus dieser Einschätzung abgeleitete »Feindbild« diente zur Begründung aller Maßnahmen der inneren und äußeren Sicherheit. Darin ließen sich alle möglichen Facetten einpassen, um Anstrengungen zur Ausgestaltung der bewaffneten und anderer Sicherheitskräfte zu »recht-
fertigen«.
Daß weiterer Widerstand sogar in den eigenen Reihen gegen die »Einheit Deutschlands« nach den Vorstellungen der SED-Führung zu erwarten war, zeigte sich schon auf der ersten Sitzung des Parteivorstandes nach dem Parteitag. Viele ehemalige Sozialdemokraten in der SED konnten sich mit dem nun eingeschlagenen Weg zum Sozialismus nach dem Vorbild der Sowjetunion nicht anfreunden. Grundsätzliche Orientierung für die Ausgestaltung der Machtverhältnisse in der SBZ blieb deshalb, den Einfluß der SED in allen Bereichen zu stärken und weiterhin dabei ein besonderes Augenmerk auf die Polizei zu richten74. Die SED-Führung bemühte sich in diesem Zusammenhang darum, der Besatzungsmacht zu beweisen, daß man fest an ihrer Seite stand und Vertrauen verdiente. Die Besatzungsorgane honorierten ihrerseits diese Anstrengungen mit der zunehmenden Einbeziehung der Polizei bei der Durchsetzung von Ordnung und Sicherheit und übertrugen dazu teilweise die Verantwortung den zuständigen deutschen Führungskräften. Eine Maßnahme in diesem Sinne bestand im weiteren Ausbau der Grenzpolizei im Oktober 1947. Sie unterstand zwar weiterhin in »allen Dienstfragen gebietsmäßig dem Truppenkommando der sowjetischen Besatzungsarmee«, aber die administrative Leitung durften in den Ländern die Chefs der Polizeiverwaltungen übernehmen. Für Fragen der Versorgung, Finanzierung, Bekleidung sowie andere sicherstellende Bereiche waren die Minister des Innern der Länder und Chefs der Landespolizei zuständig. Alle grundsätzlichen 73 74
Vgl. ebd., S.479ff. Vgl. Protokoll der 1. Sitzung des PV vom 25.9.1947, ZPA, IV 2/1/14, sowie zen zur 1. Sitzung des Parteivorstandes am 25.9.1947, ebd., NL 36/656.
Nachlaß Pieck, Noti-
Zu den Anfangen der Sicherheits- und Militärpolitik der SED-Führung
159
des Einsatzes, der Bereitstellung von Waffen, Munition und Nachrichtentechnik fielen allerdings weiterhin in den zuständigen sowjetischen Truppenkommandos75. Die dazu im Oktober 1947 erlassene Verordnung regelte Fragen der Struktur, der Rechte und Pflichten, der Dienstregeln sowie der Festnahme und Erfassung für die Grenzpolizei. Sie bekam bei der Sicherung der Grenzen und der Demarkationslinie von der sowjetischen Seite mehr eigenständige Verantwortung übertragen. Aus der Grenzpolizei als Hilfsorgan der Besatzungsmacht begann sich ein eigenständiger Polizeizweig unter Führung der DVdl und der Landespolizeibehörden zu entwickeln. Die geplante Bildung von Polizeiabteilungen für den Grenzdienst enthielt wahrscheinlich auch erste Überlegungen zu deren kasernierter Unterbringung76. Über die vorhandenen Führungsstrukturen war der Einfluß der SED sowohl politisch als auch kadermäßig gesichert. Die Auswertung der Beschlüsse des II. Parteitages der SED für die innere Verwaltung und die Polizei erfolgte auf einer Konferenz der Innenminister in Rehfelde (Sachsen) am 12. Oktober 1947. Ulbricht referierte vor dem Präsidium der DVdl und den Innenministern der Länder über die nun zu lösenden Aufgaben. Grundgedanke war, daß alle Angestellten des öffentlichen Dienstes und die gesamte Polizei die Beschlüsse dieses Parteitages auswerten mußten, um sie aktiv umzusetzen77. Die Polizeiorgane bekamen den Auftrag, jetzt vor allem den Kampf gegen die »faschistischen und militaristischen« Kräfte auf dem Dorf zu mobilisieren. Im Klartext hieß das, die Großbauern aus den Dörfern zu vertreiben. Nach der Enteignung der Großgrundbesitzer war das aus der Sicht der SED-Führung der nächste Schritt, weiteren ehemaligen Trägern der gestürzten Macht ihre ökonomische Basis zu entziehen und sie damit als politische Gegner auszuschalten. Die SED-Führung hielt offensichtlich die Zeit für gekommen, mit Hilfe der Polizeigewalt politische Zielsetzungen zu realisieren78. Allerdings sollte das nicht vordergründig geschehen. Entsprechende Aktionen in den Dörfern waren so zu organisieren, daß sie als Willen der Bevölkerung erschienen. Es mußte aussehen, als würde die Polizei nur noch ausführen, was die Bevölkerung forderte. Diese Art der Rechtfertigung für den Einsatz von bewaffneter Gewalt oder der Vorbereitung entsprechender Maßnahmen gegen innere und äußere Feinde wurde typisch für die Propagierung der Sicherheits- und später auch der Militärpolitik der SED. Günstig war dabei, wenn man z. B. auf tatsächliche Vorfalle von Sabotage gegen volkseigene Betriebe, kriminellen Schiebergeschäften oder Angriffen auf Organe der Besatzungsmacht sowie der Polizei zurückgreifen konnte. Notwendige Maßnahmen gegen Kriminalität und schwarzen Markt sowie die Verfolgung von NS- und Kriegsverbrechern ließen sich aber auch gut gebrauchen, um den Einsatz bewaffneter Gewalt gegen jegliche Art von Feinden zu begründen und zu rechtfertigen.
Entscheidungen
Vgl. Verordnung über die Organe der Polizei zum Schütze der Grenzen und der Demarkationslinie in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands, BArch P, Mdl 7/251, Bl. 38^45. Vgl. ebd., Bl. 38-42. Vgl. Material zur Innenministerkonferenz in Rehfelde am 12.10.1947, ZPA, NL 182/1085. Vgl. ebd., Bl. 319ff.
160
Wolfgang Eisen
Die verantwortlichen Funktionäre in der SED waren sich dabei auch darüber klar, man beim Einsatz von bewaffneter Gewalt vorsichtig sein mußte. Vorwürfe gegen die SED, »totalitäre« Politik zu betreiben, gab es nicht nur in den Westzonen. Darüber, wie das Vertrauen der Bevölkerung zu erlangen sei und wie man solchen Vorwürfen begegnen konnte, gab es offensichtlich noch vereinfachte Vorstellungen. Ulbricht regte in Rehfelde an, daß die Polizeiführung besser auf die Bevölkerung einwirken mußte. Sie sollte dazu in öffentlichen Versammlungen auftreten und die Aufgaben der Polizei erläutern: »Dadurch kommt auch mehr heraus, daß wir nicht als Partei für alles verantwortlich sind. Wir sind nur verantwortlich für das Gute und nicht für die Dummheiten, die gemacht werden79.« So einfach funktionierte es dann doch nicht. Angesichts der Verhärtung der Fronten zwischen den Westalliierten und der Sowjetunion schien Ende 1947/Anfang 1948 ein einheitliches Deutschland unter Federführung der SED immer schwerer erreichbar zu werden. Zwar blieb die SED auf ihrem Kurs, für die Einheit zu kämpfen und doch noch eine zentrale Regierung ins Leben zu rufen, aber es gab auch immer mehr Bestrebungen, für den Fall der Spaltung gerüstet zu sein, einschließlich der dazu erforderlichen Sicherungsmaßnahmen nach innen sowie gegebenenfalls auch nach außen80. In der SED-Führung war man bereit, aus der SBZ einen eigenständigen Staat zu machen, was allerdings nur dann möglich war, wenn sich die UdSSR zu einer entsprechenden Deutschlandpolitik durchrang.
daß
2. Die ersten sicherheits- und militärpolitischen Aufgabenstellungen und der Beginn der verdeckten
Aufrüstung (1948-1949)
Die
Vorbereitungen zur Verstärkung der Polizeikräfte
Hatte die SED-Führung auf dem II. Parteitag im September 1947 noch optimistisch auf die Schaffung eines deutschen Einheitsstaates unter ihrer Vorherrschaft gesetzt, so mußte sie sich Ende 1947/Anfang 1948 auf politische Entwicklungen einstellen, die den Weg dorthin immer mehr verbauten. Die drohende Spaltung Deutschlands schien immer greifbarer. Angesichts der sich verhärtenden Fronten des »Kalten Krieges« zwischen den Westmächten und der Sowjetunion waren die Chancen für die SED, ihre Vorstellungen von einem einheitliche Deutschland durchzusetzen, rapide gesunken81. In den Westzonen und der SBZ hatten sich unter der Einwirkung der Besatzungsmächte wirtschaftliche und soziale Verhältnisse herausgebildet, die weitere Maßnahmen zur Gestaltung der administrativen Strukturen in Richtung einer möglichen Integration in die jeweiligen Blocksysteme erforderten. In der Bizone war ein Wirtschaftsrat gebil"
Ebd., Bl. 322.
""
Vgl.
Protokolle der Tagungen des Parteivorstandes vom 12713.11., ebd., NL 36/656; 26.11., 2/1/17, sowie 8.12.1947, IV 2/1/18. Vgl. Staritz, Gründung, S. 4f; ders., Aufbau des Sozialismus, S. 688 ff. IV
81
Zu den
Anfängen der Sicherheits- und Militärpolitik der SED-Führung
161
det worden, und es zeichnete sich die Einbeziehung der Westzonen in den MarshallPlan ab. In der SED-Führung reifte die Einsicht, daß man sich ebenfalls stärker auf die Schaffung selbständiger staatlicher Strukturen in der SBZ konzentrieren mußte. Noch wollte die UdSSR jedoch in ihrer Deutschlandpolitik keine vollendeten Tatsachen präsentieren. Die Politik der SED blieb entsprechend der Vorgaben aus Moskau82 darauf gerichtet, erst einmal weiter im Sinne der Einheit Deutschlands zu wirken. Dafür wollte sie auf der Grundlage der Beschlüsse des 1. Volkskongresses vom 6./7. Dezember 1947 endlich eine Massenbasis in Ost und West initiieren. Nach wie vor stießen aber diese Versuche der SED, in den Westzonen politischen Einfluß zu erlangen, auf die ablehnende Haltung der Westmächte und aller Parteien außer der KPD. Vorstöße der UdSSR im Alliierten Kontrollrat, durch entsprechende Erklärungen die Westmächte von ihrem Kurs einer separaten Entwicklung der Westzonen abzubringen, brachten keine Resultate83. Auf beiden Seiten gab es kaum noch Ansätze zu möglichen gemeinsamen Schritten für ein einheitliches Nachkriegsdeutschland. Bestimmend für die jeweilige Deutschlandpolitik wurden die eigenen politischen und ökonomischen Interessen84. Aber nicht nur in den Westzonen wuchsen immer mehr Vorbehalte gegen das Streben der SED nach umfassender politischer Herrschaft heran. Widerspruch gegen eine Entwicklung nach sowjetischem Vorbild regte sich auch im eigenen Lager. In den Sitzungen des Parteivorstandes Anfang 1948 gab es ständig kritische Bemerkungen zur Haltung und zu unliebsamen Aktivitäten der Blockparteien. Grotewohl stellte in diesem Zusammenhang auf der 6. Tagung des Parteivorstandes fest, »daß die beiden bürgerlichen Parteien unserer Zone, so fortschrittlich sie sich auch gebärden mögen, im Grunde genommen reaktionäre Tendenzen im Leibe haben, die weit von dem abgehen, was wir für richtig halten«85. Auch die Intelligenz entsprach in ihrem Auftreten nicht den Wunschvorstellungen der SED. Noch zu viele Angehörige dieser sozialen Gruppe standen nach Einschätzung der SED-Führung der Politik ihrer Partei skeptisch gegenüber86. Zum wachsenden Widerspruch im Inneren kamen die Ergebnisse der Londoner Konferenz der Westmächte und der Beneluxstaaten, die am 6. März 1948 zu Ende ging. Die dort erstmals öffentlich verkündete Absicht, die drei Westzonen staatlich zu organisieren und sie in den Marshall-Plan einzubeziehen, zwang die SED zur Suche nach Ge82
grundsätzliche Orientierung der SED-Führung in dieser Richtung hatte schon während der Reieiniger Spitzenfunktionäre vom 31.1. bis zum 7.2.1947 stattgefunden, vgl. Besprechung am Freitag, 31.1.1947, ZPA, NL 36/694, Bl. 3 ff. Siehe dazu z. B. »Vorschläge des Oberkommandos der sowjetischen Besatzungstruppen in Deutschland zur Erfüllung der Beschlüsse des Rates der Außenminister über die Entmilitarisierung Deutschlands«, 29.1., oder »Erklärung des Oberkommandierenden der sowjetischen BesatzungsDie se
83
84 85
86
truppen in Deutschland, Marschall Sokolovskij, vor dem Alliierten Kontrollrat in Deutschland zu den separaten Maßnahmen der amerikanischen und britischen Besatzungsbehörden für die Bizone«, 11.2.1948, in: Um ein antifaschistisch-demokratisches Deutschland, S. 575 f., 581 ff. Vgl. Beitrag Thoß S. 63 ff. Vgl. Protokoll vom 14./15.1.1948, ZPA, IV 2/1/19, Bl. 22. Ähnliche Aussagen wie auf der 6. Tagung des PV zu den Blockparteien sowie zur Intelligenz finden sich in den Protokollen der Tagungen des PV vom 11./12.2.1948, ebd., IV 2/1/20, und vom 20.3.1948, ebd., IV 2/1/21.
162
Wolfgang Eisert
genmaßnahmen. Hatte es in Moskau Anfang 1947 noch keine Einwilligung zur Bildung eines »Zonenorgans«87 als eine Art Regierung in der SBZ gegeben, so waren inzwischen
mit den vorhandenen zentralen Verwaltungen, mit der Bildung der DVdl und der Erweiterung der Vollmachten für die Deutsche Wirtschaftskommission (DWK) wichtige Voraussetzungen dafür geschaffen worden88. Für die SED-Führung schien die Zeit gekommen, geeignete Maßnahmen einzuleiten, um ihre Herrschaft zumindest in der SBZ weiter abzusichern. Dazu brauchte sie aber die Zustimmung und Unterstützung der Sowjetunion. Klarheit erhoffte man sich von einem Treffen mit Vertretern der KPdSU Ende März 194889. Am 26. März 1948 erstattete Pieck hier einen internen Bericht über die Lage in der SBZ und den Kampf der SED um die deutsche Einheit. Dabei mußte er eingestehen, daß die erhofften Erfolge im Kampf um die Einheit Deutschlands ausgeblieben waren und der Widerstand gegen die Politik der SED zunahm. Als wesentliche Faktoren nannte er dafür die Hetze gegen die Sowjetunion und die SED im Westen, die Angst vor den »Sicherheitsmaßnahmen in der Ostzone«, die geplante Einbeziehung der Westzonen in den Marshall-Plan und ihren Zusammenschluß zu einem separaten Staat. Was als Antwort auf die drohende »Zerreißung Deutschlands« geschehen sollte, blieb unbeantwortet. Grünes Licht für eine ostdeutsche Regierung und einen eigenen Staat gab es noch nicht90. Dafür unterstützte die Besatzungsmacht erst einmal die Vorstöße der SED-Führung, die Polizei zu verstärken und einsatzfähiger zu machen, weil es den beiderseitigen Interessen an stabilen Machtverhältnissen in der Sowjetzone diente. So wandte sich die DVdl im März/April 1948 mit dem Vorschlag an die Verwaltung für Innere Angelegenheiten der SMAD, zusätzliche Polizeieinheiten aufzustellen. In der Begründung hieß es: »Zur schlagartigen Bekämpfung der Schieber, Schwarzhändler und Spekulanten, der Beraubung von Kohlen-, Lebensmittel- und Reparationszügen, zum Kampf gegen Banditen und Verbrecher einschließlich des Einsatzes bei Groß-Fahndungen in Zusammenarbeit mit der Kriminalpolizei, zum sofortigen Einsatz bei Aktionen neofaschistischer Elemente, für den Schutz von im öffentlichen Leben stehenden Personen und Gebäuden öffentlicher Behörden sowie sonst notwendig werdende polizeiliche Sofortmaßnahmen fehlt es an schutzpolizeilichen Sonderformationen, welche innerhalb von wenigen Minuten einsatzbereit sind, um den polizeilichen Erfolg zu sichern91.« Neben der Vollmotorisierung war auch an eine Unterbringung in »besonderen Polizeiunterkünften« gedacht. Es sollten insgesamt 2 000 Mann sein. Die Stärken in den Ländern lagen zwischen 300 und 500 Mann92. Was die gedachten Aufgaben dieser Sonderformationen betraf, so entsprachen sie tatsächlichen Erfordernissen zur Verbesserung der Polizeiarbeit. Aber sie ließen sich unter dieser weitgefaßten Aufgabenstellung auch 87 88 89
90 91
Vgl. Besprechung am Freitag, 31.1.1947, ebd., NL 36/694, Bl. 3 ff. Vgl. Protokoll des PV vom 20.3.1948, ebd., IV 2/1/21. Die Delegation des SED-Parteivorstandes hielt sich vom 25. bis zum 31.3.1948 in Moskau auf. Vgl. Interner Bericht in Moskau am 26.3.1948, ZPA, NL 36/695, Bl. 2-6. Die Abschrift des Briefes der DVdl an die SMAD Verwaltung für Innere Angelegenheiten trägt kein genaues Datum, vgl. BAarch P, Mdl 7/251, Bl. 9-14, Zitat Bl. 9. Vgl. ebd., Bl. 9f. —
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Anfängen der Sicherheits- und Militärpolitik der SED-Führung
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Zwecken einsetzen, die nicht nur im Verständnis der SED-Führung über den Rahmen von Polizeimaßnahmen zur inneren Sicherheit hinausgingen. Aus der Sicht des Oberkommandos der Gruppe der sowjetischen Besatzungstruppen waren es eventuell schnell verfügbare Teile jener deutschen Polizeikräfte, die nach dem operativen Plan vom 5. November 1946 im Fall von Kriegshandlungen als »dichtes Postennetz« an der Berührungslinie der sowjetischen Truppen mit ihren westlichen Gegnern zum Einsatz kommen sollten93. Es ist allerdings fraglich, ob die SED-Führung überhaupt etwas von diesem Plan wußte. Sie richtete ihr Hauptaugenmerk darauf, die vorhandenen Polizeikräfte, insbesondere im Bereich der Schutzpolizei, personell zu verstärken und eine effektive zentrale Führung durch die DVdl zu gewährleisten. Zur gleichen Zeit erfolgte deshalb bei der Abteilung Schutzpolizei die Bildung eines Referates »Grenzpolizei« (Referat S 8) zur Bearbeitung aller Grenzpolizeiangelegenheiten94. In welcher Weise und in welchen Gremien weitere Entscheidungen getroffen wurden, kann mit den bisher zur Verfügung stehenden Akten nicht eindeutig belegt werden95. Das historische Geschehen bestätigte, daß ziemlich schnell praktische Schritte zur weiteren Zentralisierung der Polizei erfolgzu
ten.
Auf einer Innenministerkonferenz in Werder (Havel) am 21./22. April 1948 stand das Problem schon auf der Tagesordnung96. Ulbricht informierte das Präsidium der DVdl und die Innenminister der Länder darüber, daß eine »kasernierte« Polizei geschaffen werde und in der gesamten Polizei zur Verbesserung der Arbeit »politische Leiter« eingesetzt würden97. Es handle sich dabei nicht um Vorschläge, sondern um im Zentralsekretariat beschlossene Maßnahmen, die nicht zu diskutieren, sondern zu realisieren seien. Mit der Einführung der »politischen Leiter, oder wie man sie nennen wird«, sollte in der Grenz93
94
Garelow, Woher droht die Gefahr?, enthält den Operativen Plan der Handlungen der Gruppe der
sowjetischen Besatzungstruppen in Deutschland vom 5.11.1946. Ob sich diese Vermutung bestätigt und welche weiteren Vorstellungen es bei der Besatzungsmacht gab, deutsche Polizeikräfte im Falle einer bewaffneten Auseinandersetzung mit dem Westen einzusetzen, muß späteren Untersuchungen auf der Grundlage sowjetischer Akten vorbehalten bleiben. Vgl. Aktennotiz über die Bildung des Referats »Grenzpolizei« bei der Abteilung Schutzpolizei,
7.4.1948, BArch P, Mdl 7/251. 95
96
97
Hier könnten eventuell die Akten des ehemaligen Ministeriums für Staatssicherheit Auskunft geben, wenn sie für die wissenschaftliche Arbeit nutzbar werden. Mielke war einer der Vizepräsidenten der DVdl zu dieser Zeit. Entsprechende Befehle oder Anordnungen der SMAD über die im April 1948 in Werder/Havel verkündeten Schritte zur Schaffung kasernierter Kräfte der Polizei in der SBZ sind bisher nicht in den zugänglichen Archivalien gefunden worden. Eventuell gibt es Anhaltspunkte in den noch nicht zugänglichen Dokumenten des ZPA aus dem Bereich des Politbüros des ZK der SED. Siehe auch Glaser, Errichtung, S. 336-348. Vgl. Protokoll der Konferenz der Innenminister der Länder der SBZ in Werder/Havel am 21./22.4. 1948, ZPA, IV 2/13/109, Bl. 226-228. Zur Tagesordnung sprachen neben Ulbricht auch Mielke und Wagner als Vizepräsidenten der DVdl. Ihre Referate befanden sich nicht bei den vorhandenen Akten. Vgl. ebd., Bl. 292 ff. Auch wenn z. Z. dieser Schritt nicht mit einem konkreten Befehl der SMAD zu belegen ist, kann nach der Kenntnis der Entwicklung in der SBZ und der heute auswertbaren Akten davon ausgegangen werden, daß er nur auf der Grundlage eines solchen erfolgen konnte. Denkbar ist, daß eine direkte Weisung aus Karlshorst an Ulbricht erging, die notwendigen Maßnahmen einzuleiten. Von solchen Praktiken berichtet u. a. Stern, Ulbricht, S. 143 f.
164
Wolfgang Eisert
Die »kasernierte« Polizei solle man lieber »Bereitschaften« oder »sonstwie« nennen, um Schwierigkeiten im Kontrollrat zu vermeiden. Ulbricht setzte sich bei dieser Gelegenheit auch mit Vorbehalten zu diesen Maßnahmen auseinander. Man habe sich bei dieser Zentralisierung schon »etwas gedacht«. Die Entwicklung der Polizei sei in einem Stadium, da die Kreis- und Gemeindepolizei nicht mehr ausreiche, um den Gegner daran zu hindern, uns »den Kopf zu zerschlagen«. Daß als »Gegner« nicht nur kriminelle Verbrecher gemeint waren, ging aus seinen weiteren Ausführungen hervor:
polizei begonnen werden, bevor dies in allen Zweigen der Polizei geschah.
»Wenn der rechte Flügel der bürgerlichen Parteien kämpft, muß er kämpfen mit dem Ziel der Erweiterung der Selbstverwaltung. Aber wir als diejenigen, die den entscheidenden Einfluß auf den Staatsapparat haben, müssen es umgekehrt machen, den Staatsapparat benutzen, um die reaktionären Kräfte zu schlagen.« Und wem diese »Argumente« immer noch nicht einleuchteten, dem erklärte Ulbricht
noch einmal unmißverständlich: »Wenn wir als Mitglieder der Sozialistischen Einheitspartei der Meinung sind, daß bestimmte demokratische Maßnahmen im Interesse der Durchführung der demokratischen Ordnung notwendig sind und obendrein noch ein Befehl der Besatzungsmacht vorliegt, wo genau gesagt wird, was wir machen sollen, warum können wir nicht aus eigener politischer Initiative das dann auch durchführen98.« An Befehlen der Besatzungsmacht gab es nichts zu diskutieren und ebenfalls nicht an dem, was Parteibeschluß war. Jedes Mitglied der SED hatte sich für ihre Erfüllung einzusetzen und erst recht, wenn er der Polizei angehörte oder in leitenden Organen tätig war.
Ein wichtiger Bereich bei der Verstärkung der Polizei, in die sich die SMAD und die SED-Führung von Anfang an nicht hineinreden ließen, blieb die Personalpolitik99. Die Vorstellungen der SED-Führung dazu verkündete Ulbricht bereits in Werder. Ausgehend von der Feststellung, daß man »in Polizeifragen keinen Spaß verstehe«, forderte er für »leitende Stellungen in der Polizei« vor allem »kampferfahrene Leute«, die in Spanien oder an der Seite der Sowjetarmee gekämpft hatten: »Jetzt haben wir die Polizei in den Händen und sind deshalb für eine einheitliche und disziplinierte Leitung der Polizei. Denn die Lage hat sich grundlegend geändert. Das kann man nicht öffentlich ausschreiben, aber das muß in unseren Parteigruppen und in der Partei klar sein'00.« Vorerst fielen solche klaren Aussagen zur Sicherheitspolitik nur in kleinen, ausgewählten Funktionärskreisen, aus denen nichts an die Öffentlichkeit drang. Entscheidungen über Fragen der Sicherheit und der dazugehörigen Maßnahmen waren kein Gegenstand der öffentlichen Diskussion. Man wollte beim »imperialistischen Gegner im Westen« möglichst wenig Aufmerksamkeit erregen, was die Entwicklung der Polizeikräfte be98
99
100
Protokoll der Konferenz der Innenminister (wie Anm. 96), ZPA, IV 2/13/109, Bl. 267 und 227. Eine ausführliche Behandlung aller damit verbundenen Probleme erfolgt in diesem Band bei Wenzke, S. 205-272. ZPA, IV 2/13/109, Bl. 267.
Vgl.
Zu den
Anfängen der Sicherheits- und Militärpolitik der SED-Führung
165
Zugleich sollte verhindert werden, daß die »verbündeten« bürgerlichen Parteien Mitsprache in diesem Bereich der Politik forderten. Als Vorbild für die praktischen Schritte bei der Vervollkommnung der bewaffneten Machtorgane dienten die UdSSR und ihre Armee, so vor allem beim Aufbau des Politapparates zur Sicherung des Einflusses der Partei101. Erst wenn es die SED-Führung für notwendig erachtete, wurden weitere nachgeordnete Partei- und Führungsebenen, die Mitglieder, die Blockparteien sowie die Bevölkerung informiert. In den Beratungen der
traf.
Innenminister brauchte man darauf keine Rücksichten nehmen, da nur Personen teilnahmen, die das absolute Vertrauen der entscheidenden Funktionäre des Parteivorstandes genossen. Die anwesenden Innenminister standen voll hinter den Beschlüssen des Parteivorstandes und waren bereit, die erforderlichen praktischen Maßnahmen in die Hand zu nehmen. Der Innenminister des Landes Sachsen, Kurt Fischer, bezeichnete in seinem Diskussionsbeitrag in Werder im April 1948 das Innenministerium als »das Parteiministerium«, das für die Durchführung der Beschlüsse der SED eine besondere Verantwortung trage1"2. Auf einer Polizeikonferenz im Mai in Dresden zur Auswertung der in Werder getroffenen Festlegungen hob Fischer erneut die besondere Rolle der Innenministerien hervor, die beim Aufbau eines neuen Staates dessen »Schutz« zu organisieren hatten und zugleich »Motor und Lenker dieser Entwicklung« sein mußten. Daraus leitet er neue Anforderungen für die ideologische, technische und personelle Stärkung der Polizei ab. Angesichts der »Verschärfung des Klassenkampfes durch die drohende Spaltung Deutschlands« sollte die Polizei straff von oben nach unten geführt werden, ohne daß auf kommunaler Ebene oder durch andere Kräfte hineinregiert werden konnte"13. In den Ländern der SBZ begannen nach der Konferenz von Werder im April 1948 die geheimgehaltenen Vorbereitungen, um die geforderten kasernierten Verbände der Polizei aufzubauen. Als Bezeichnung setzte sich »Bereitschaften« durch. Zur materiellen Sicherstellung fanden Besprechungen zwischen der DVdl und der DWK statt, bei denen sich zeigte, daß noch zahlreiche Probleme zu lösen waren104. Schon allein die Uniformierung und die technische Ausrüstung der Unterkünfte bereitete große Schwierigkeiten, was jedoch kein Hinderungsgrund für die Aktion sein konnte und durfte. Zur gleichen Zeit begann in der SBZ die Errichtung eines zweiten Sicherheitsapparates neben der Polizei. Am 5. Mai 1948 entstand auf Beschluß der DWK ein »Ausschuß zum Schutz des Volkseigentums«. Zu seinen Aufgaben gehörte die Durchführung der administrativen Kontrolle des Volkseigentums in allen Verwaltungszweigen und auf allen
Verwaltungsebenen'"5. ""
1,12 ""
IM
105
Vgl.
auch Protokoll aus der Abteilung Landespolitik in Werder/Havel am 23724.7. 1948, ebd., IV 2/13/110, und Protokoll der Konferenz der Innenminister, Landesvorsitzenden und Wirtschaftsfunktionäre in Potsdam am 10. 10. 1948, ebd.. IV 2/1.01/100. Vgl. ZPA, IV 2/13/109, Bl. 285 f. Vgl. Redemanuskript K. Fischer für die Polizeikonferenz in Dresden am 5.5. 1948, ebd., NL 172/5. Siehe auch Fischer, Die neue Polizei, S. 2f. Vgl. BArch P, Mdl 7/6. Die Akte enthält u. a. Aufzeichnungen zu den Beratungen der DVdl mit der DWK im zweiten Halbjahr 1948. Vgl. Fricke, DDR-Staatssicherheit, S. 21 ff. Über diese Entwicklung, die später in die Bildung des Ministeriums für Staatssicherheit mündete, liegen z.Z. noch kaum Archivdokumente vor.
166
Wolfgang Eisert
Die weitere Entwicklung bestärkte die SED-Führung, daß die eingeleiteten Schritte bewaffneten Machtsicherung richtig waren. Anfang Mai 1948 bekam Pieck von Generalmajor S.I. Tjulpanov, Chef der Informationsverwaltung der SMAD, in Form eines Memorandums die Orientierung, angesichts der Veränderungen der politischen und staatlichen Situation in der SBZ als Partei »neuen Typs« in die Offensive zu gehen106. Auf der 10. Tagung des ParteiVorstandes am 12713. Mai 1948 verkündete er deshalb eine strategische Veränderung im Kampf der SED: »Durch die Aufteilung Deutschlands in zwei Teile ergeben sich nun für die sowj. Besatzungszone Perspektiven, die neben der Verschärfung unseres Kampfes auch eine Änderung unserer Strategie und der Rolle unserer Partei bedingen. Die SED als Partei der Arbeiter und Bauern und der fortschrittlichen Intelligenz wird zur führenden Kraft, die die volle Verantwortung für die Gestaltung der politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Lage übernimmt. Die SED kommt tatsächlich an die Macht und nimmt eine herrschende Stellung im Staate ein, die ihren Kampf auf die Festigung der Zone, auf die Hebung der Lebenslage der Bevölkerung und des allgemeinen Wirtschaftsniveaus zu richten hat. Die SED muss den Kampf um ganz Deutschland führen und dabei immer auf die Notwendigkeit der Entfaltung der Demokratie und der Verwirklichung des Sozialismus hinwirken. Ihre Politik ist eine absolut selbständige und ist auf die Interessen der Bevölkerung ausgerichtet, wobei selbstverständlich eine erspriessliche Zusammenarbeit mit der sowjetischen Besatzungsmacht zu sichern ist'07.« Diese programmatische Erklärung fand nicht nur Zustimmung in den Reihen der SED. Maßnahmen zur Verbesserung des Lebens und der Kampf um ein einheitliches Deutschland waren für viele Mitglieder der Blockparteien und große Teile der Bevölkerung akzeptable Ziele. Zugleich sorgte die offizielle Propaganda dafür, daß die Entwicklung in den Westzonen nicht unbedingt als Alternative angesehen wurde. Die Forderung nach einer herrschenden Stellung im Staate bestärkte wohl eher die Kritiker des alleinigen SEDMachtanspruchs aus den Reihen der ehemaligen SPD wie bei CDU und LDPD. Um diesen keinen Spielraum zu lassen, sorgte die SED-Führung daher zur gleichen Zeit dafür, daß die heimliche Verstärkung der Polizeikräfte systematisch und konsequent fortgesetzt wurde. Die dazu notwendige Unterstützung der SMAD war vorhanden, wie aus den Notizen von Pieck über die regelmäßig stattfindenden Beratungen mit Vertretern der SMAD in Karlshorst hervorging. Besondere Aufmerksamkeit fanden die Reorganisation der Grenzpolizei, die Aufstellung der kasernierten Einheiten und die wirksamere Arbeit der Kriminalpolizei sowie die Regelung aller damit verbundenen personellen Angelegenheiten108. Am 5. Juni 1948 gab es offensichtlich eine Verständigung darüber, auch personelle Veränderungen im Präsidium der DVdl vorzunehmen. Als Ersatz für Reschke notierte Pieck den Innenminister Sachsens, Fischer109. Bis zu seiner Ernennung am 12. Juli 1948 no traten jedoch erst einmal weitere gravierende Veränderungen in den Westzonen zur
106
107 108
109 "°
Vgl. handschriftliche Aufzeichnungen Piecks vom Mai 1948, ZPA, NL 36/735, Bl. 54 ff.
Rede Piecks im PV am 12713.5.1948, ebd., NL 36/656, Bl. 55. Vgl. handschriftliche Notizen Piecks zur Besprechung am 14.5.1948, ebd., IV 36/735, Bl. 84-87. Vgl. handschriftliche Notizen Piecks, Besprechung am 5.6.1948, ebd., Bl. 89. Vgl. Protokoll der Präsidiumssitzung der DVdl vom 13.7.1948, BArch P, Mdl 7/06, Bl. 1. Als Da-
Zu den
Anfängen der Sicherheits- und Militärpolitik der SED-Führung
167
und der SBZ ein, die nicht ohne Einfluß auf die Überlegungen in der SED zur Sicherung ihrer Herrschaft blieben. Nachdem sich die drei Westmächte und die Beneluxstaaten bei ihren Londoner Verhandlungen schon im April 1948 auf die Einbeziehung der Westzonen in den MarshallPlan geeinigt hatten, waren nun mit den »Londoner Empfehlungen« die Weichen für den Aufbau eines westdeutschen Staates gestellt. Am 20. Juni trat für die Westzonen eine separate Währungsreform in Kraft, die für die SBZ schwere ökonomische Probleme heraufbeschwor. Von der UdSSR initiierte Gegenaktionen, wie die Warschauer Konferenz der Ostblockstaaten vom 23724 Juni, blieben erfolglos. Als dann die Währungsreform am 25. Juni auch auf die Westsektoren Berlins ausgedehnt wurde, sperrte die UdSSR die Zufahrtswege. Mit der Blockade sollte der letzte Versuch erfolgen, die Westmächte doch noch dazu zu bewegen, den geplanten westdeutschen Staat nicht zu bilden. Mit der Entscheidung, die Westsektoren Berlins nicht aufzugeben, war die Berlin-Krise perfekt1". Auf der 11. Tagung des Parteivorstandes der SED am 29./30 Juni 1948 standen Fragen der Wirtschaftsplanung für die SBZ unter den Bedingungen eines eigenen ostdeutschen Staates auf der Tagesordnung. Kompromißlösung mit den Westmächten konnte aus der Sicht der SED bestenfalls die Wiedererrichtung einer gewöhnlichen bürgerlichen Republik sein, was nicht in Frage kam. Als einzige Alternative blieb daher eine Entwicklung nach dem Vorbild der Volksdemokratien. Die ökonomischen Grundlagen dafür sollten mit dem Zweijahrplan für 1949/1950 geschaffen werden"2. Ohne öffentliche Argumentation und Information ging während dessen unter der Regie der SEDFührung die begonnene Zentralisierung der Polizei weiter. Damit im Zusammenhang stehende Organisationsprobleme beim Aufbau der Polizeibereitschaften"3 und die Richtlinien für den Einsatz der Polit-Kultur-Leiter besprach der Parteivorstand mit den Innenministern und dem Präsidium der DVdl am 9./10. Juli 1948"4. Am 13. Juli 1948 entstand auf Befehl der DVdl zur Leitung der territorialen Bereitschaften und der Grenzpolizeibereitschaften die Hauptabteilung Grenzpolizei und Bereitschaften (HA GP/B). Ihr Chef wurde Hermann Rentzsch, der PK-Leiter Robert Bialek"5. Nachdem die grundsätzlichen Entscheidungen zur Ausgestaltung bestimmter Polizeibereiche vorlagen, sorgte die SED-Führung dafür, daß auch ihre alleinige Einflußnahme und Verfügungsgewalt gewährleistet wurde. Eine wichtige Grundlage dafür war der Beschluß des Zentralsekretariats des Partei Vorstandes vom 19. Juli 1948 über in anderen Akten wird auch der 12.7. genannt, was für den Fakt an sich ohne Bedeutung ist. Reschke bekam eine Funktion in der Zentralen Kontrollkommission des PV der SED, in seiner Position eine Versetzung in die zweite Reihe. Später fiel er völlig in Ungnade und wurde 1951 von einem sowjetischen Militärtribunal verurteilt, in die Sowjetunion gebracht und später wieder rehabilitiert. Vgl. Anfange westdeutscher Sicherheitspolitik, Bd 1, S. 89-92. Vgl. Dokumente der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, Bd 2, S. 20-69. Der in der Literatur oft zitierte Befehl der SMAD über die Aufstellungen der Bereitschaften, meist datiert mit dem 3.7.1948, wurde in den bisher zugänglichen Archivalien nicht gefunden. Vgl. Protokoll der Innenministerkonferenz am 9./10.10.1948 in Hiddensee, ZPA, IV 2/13/109, Bl. 312f Vgl. Befehl des Präsidiums der DVdl vom 13.7.1948, BArch P, Mdl 7/6, Bl. 1. turn
111 112
113
114
1,5
168
Wolfgang Eisen
die Aufgabenstellung für die Leiter der politischen und kulturellen Arbeit in der Polizei"6. Neben einer Reihe von Aufgaben zur Gestaltung des Dienstbetriebes und der Freizeit in den Kasernen sicherte dieser Beschluß in erster Linie den Führungsanspruch der SED in der Grenzpolizei und den Bereitschaften. Dazu wurde jeder Polizei-Angehörige verpflichtet, sich mit der »fortschrittlichsten demokratischen Partei« verbunden zu fühlen, die Sowjetunion als Vorbild zu sehen und ein »bewußter Gegner« des Imperialismus sowie der Reaktion zu sein"7. Dieses Einschwören der Polizeiangehörigen auf die Ideologie und Politik der SED war noch etwas vorsichtig und verklausuliert formuliert, aber dennoch eindeutig in der Zielsetzung. Dementsprechend legte der Beschluß die Stellung der PK-Leiter fest. Er war »in seiner dienstlichen Stellung immer der 1. Stellvertreter des Leiters« der jeweiligen Einheit. Die Befehle des Kommandeurs waren nur gültig, wenn sie der PK-Leiter bestätigte. Ohne sein Wissen und seine Zustimmung als Interessenwahrer der SED-Politik geschah nichts mehr in den Dienststellen und Einheiten der Polizei. Seine Anweisungen mußten auch die entsprechend dem Statut der SED gewählten Parteileitungen der Einheiten und Dienststellen akzeptieren. Die Aktivitäten der gewählten Leitungen der Parteiorganisationen blieben auf die »Verwirklichung der Aufgabenstellung der Polit-Kulturarbeit« beschränkt"8. Damit diese Maßnahmen zur Sicherung des Einflusses der SED-Führung auf die Polizei funktionierten, spielte die Kaderauswahl eine entscheidende Rolle. Sie sorgte von Anfang an dafür, daß in die Polizei möglichst nur Personen aufgenommen wurden, die man dafür vor allem auch nach ideologischen Gesichtspunkten auswählte. Wer nicht mit dem Wirken der Besatzungsmacht und der Politik der SED im Einklang war, blieb nicht lange bei der Polizei. Die meisten führenden Positionen besetzten Mitglieder der SED. Mit einer straff von oben nach unten geführten politischen Arbeit durch die PK-Organe sollte gewährleistet werden, daß sich die Polizisten als konsequente Kämpfer für eine neue sozialistische Ordnung verstanden und bedingungslos alle Befehle ausführten. In der Praxis zeigte sich jedoch, daß der angestrebte Idealzustand nie erreicht wurde"9. Die von der SED-Führung mit Unterstützung der SMAD seit Beginn des Jahres 1948 eingeleiteten Maßnahmen zur Ausgestaltung der Polizei als bewaffnetes Organ bildeten die Grundlage für weitere sicherheits- und militärpolitische Überlegungen. Die inneren und äußeren Feinde waren benannt und Mittel zu ihrer Ausschaltung und Niederhaltung geschaffen. Angesichts der Aufgabe, sich auf die Bildung eines ostdeutschen Staates vorzubereiten, sah der Parteivorstand der SED die Zeit gekommen, einen breiteren Führungskreis in die dazugehörigen sicherheits- und militärpolitischen Aufgaben einzuweihen.
116
Vgl. Aufgabenstellung für die Leiter für politische und kulturelle Arbeit in der Polizei, Anlage zum
117
Vgl. ebd., Bl. 5. Vgl. ebd., Bl. 6 f. Vgl. Beitrag Wenzke, S. 228 ff.
Protokoll Nr. 95 (II)
118 "9
vom
19.7.1948, ZPA, IV 2/2.1/217, Bl. 5-9.
Zu den
Anfangen der Sicherheits- und Militärpolitik der SED-Führung
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Die Konferenz von Werder im Juli 1948 und die Aufstellung kasernierter Polizeiverbände Nachdem der Aufbau der VP-Bereitschaften, die Umgestaltung der Grenzpolizei sowie die Installierung des PK-Apparates beschlossen waren, ging die SED-Führung an die Realisierung der damit verbundenen Aufgaben. Als eine der wichtigsten Maßnahmen dazu begann im Juli 1948 mit der Berufung von Fischer zum neuen Präsidenten der DVdl deren Reorganisation12". Offensichtlich erwarteten die verantwortlichen Funktionäre des Parteivorstandes von diesem Mann an der Spitze bessere Voraussetzungen als bei seinem Vorgänger, um die DVdl tatsächlich zum zentralen Leitungsorgan der Polizei zu machen. Seine militärische Ausbildung in der Sowjetunion und seine Erfahrungen aus der Tätigkeit als Innenminister Sachsens schienen gute Grundlagen dafür zu bieten, auch die Aufstellung und Ausbildung der kasernierten Bereitschaften in den Griff zu bekommen.
Zu den ersten Schritten der Reorganisation gehörte die Ausarbeitung eines neuen Stellenplanes, um die vorhandenen und zu schaffenden Bereiche der Polizei effektiver zu führen. Neu entstanden die Hauptabteilung (HA) Grenzpolizei und Bereitschaften, HA Verwaltung, HA Polit-Kulturarbeit und die HA Personal und Schulung. Um auf die Innenministerien der Länder Einfluß zu nehmen, sollten in allen Abteilungen Instrukteurgruppen entstehen, um vor Ort »maximale Hilfe« zu leisten. Die personelle Absicherung erfolgte durch die Umbesetzung vorhandener Mitarbeiter121. Anzumerken ist in diesem Zusammenhang, daß die Personalarbeit der DVdl sich zu dieser Zeit schon nicht mehr nur auf die eigenen Organe beschränkte. Sie überwachte und kontrollierte die Personalpolitik in allen Verwaltungsorganen der SBZ einschließlich der DWK122. Eine wichtige Rolle bei der Festigung und Weiterentwicklung der Machtverhältnisse spielte die Konferenz der Abteilung Landespolitik des Zentralskretariats der SED in Werder/Havel am 23724. Juli 1948. Vor einer breiteren Führungsschicht begründete der Parteivorstand die anstehenden neuen Aufgaben der staatlichen Verwaltung. Als Hauptargument für die Zentralisierung und Vervollkommnung der staatlichen Organe dienten die mit dem Zweijahrplan verkündeten wirtschaftlichen Aufgaben. Im Kern ging es darum, der zentralen Staatsmacht besondere Rechte einzuräumen und die Länderparlamente zu ausführenden Organen der SED-Politik zu machen. Die Selbstverwaltung der Länder und Kommunen sollte der »demokratischen Staatsverwaltung« untergeordnet und der Staatsapparat zum »staatlichen Parteiapparat« werden123. Zu diesen Bestrebungen gehörten auch die begonnenen Maßnahmen zur Verstärkung der Polizei. Als Begründung mußte die von Stalin verkündete allgemeine Ver-
Sitzung
21.7.1948, BArch P, Mdl 7/6,
120
Vgl. Protokoll Nr. 4 der Bl. 6f.
121
Vgl. ebd. Vgl. Vorschlag der DVdl zur Bildung einer zentralen Zonenleitung der Grenzpolizei und der Errichtung von Bereitschaften vom September 1948, ZPA, IV 2/13/109, Bl. 351-361, sowie Material der DVdl zur Auswertung der Konferenz von Werder (23724.7.1948) vom 10.9.1948, BArch P,
122
123
Mdl 7/8. Vgl. Konferenz der Abteilung IV 2/13/110.
des Präsidiums der DVdl
am
Landespolitik, Werder/Havel, 23724.7.1948, ZPA, IV 2/1.01/95 und
170
Wolfgang Eisert
schärfung des Klassenkampfes herhalten. Vor dem Hintergrund der drohenden Spaltung
Deutschlands, der Berlinkrise, der Währungsreformen in West und Ost sowie der einsei-
tigen propagandistischen Widerspiegelung der Entwicklung in den Westzonen ließen sich nicht nur SED-Mitglieder vom heraufbeschworenen Feindbild des »friedensbedrohenden USA-Imperialismus und seinen Helfern« beeindrucken. Teile der Bevölkerung in der SBZ glaubten noch an die antifaschistisch-demokratischen Ziele der SED-Politik und verbanden damit ihre Hoffnungen auf ein einheitliches Deutschland. Aber es gab nicht nur eine gewisse Akzeptanz für die SED bei den Bewohnern der SBZ. Viele verhielten sich ihr und ihrer Politik gegenüber abwartend und blieben skeptisch. Nicht wenige gehörten in das Lager der Kritiker. Ihre Vertreter, auch wenn sie Mitglieder der mit der SED verbündeten Blockparteien waren, fanden sich sehr schnell in der Kategorie der »reaktionären Elemente« wieder, die es genauso niederzuhalten galt wie die Feinde im Westen. Mit Blick auf einen selbständigen Staat auf dem Gebiet der SBZ und die rechtzeitige Sicherung ihres Machtanspruches ging die SED-Führung Mitte 1948 daran, die Mittel und Möglichkeiten zum Ausschalten ihrer Gegner ohne großes Aufsehen, aber konsequent, zu vervollkommnen. Ulbricht schilderte dazu im Juli 1948 in Werder vor ausgewählten Führungskadern die aktuelle Lage: Gegner führt den Kampf mit allen Mitteln, und wir erlauben uns, uns auf diesen Kampf vorzubereiten und uns entsprechend einzustellen. Der Gegner in Berlin organisiert schon die Bewaffnung illegaler Gruppen von den Besatzungsmächten aus. Naive Jünglinge bei uns bilden sich ein, in der Polizei brauchen wir doch nicht so streng vorzugehen. Nein, Genossen, der Gegner verschärft den Klassenkampf, und dementsprechend müssen wir unsere Polizeiorgane festigen. Das bedeutet, dass es keine lokalen, kommunalen oder kreismässigen Anweisungen an die Polizei gibt, sondern es besteht eine einheitliche Polizeibehörde, es gibt Polizeibereitschaften, die ordentlich organisiert und ausgebildet sein müssen, wo es nicht so sein kann wie in Weimar, dass man nicht erst darüber diskutiert wie vor einiger Zeit, ob man Befehle ausführt oder nicht124.« »Der
Eigentlich konnte niemand gegen diese Entwicklung etwas einwenden, da sie zur Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung sowie zur Bekämpfung der Kriminalität notwendig erschien. Aber da nicht nur kriminelle Verbrecher in die Gefängnisse gekommen waren und die Zentralisierung der Polizeikräfte nicht im Sinne des Potsdamer Abkommens erfolgte, hatte man bisher auf strenge Geheimhaltung geachtet. Nun lieferte Ulbricht den anwesenden Führungskräften der Länder und der Polizei eine Version, wie man auch gegenüber der Bevölkerung die Verstärkung der Polizei und die Schaffung kasernierter Kräfte erklären sollte. Das schien um so notwendiger, verborgen bleiben konnten:
je weniger die
damit verbundenen Aktivitäten noch
»Soll die ganze Arbeiterklasse und Bevölkerung wissen, wo wir stehen. Was ist das für eine Geheimdiplomatie? Haben wir das nötig? Die Leute denken Wunder, was alles vor sich geht. Wir festigen die Polizei, weiter nichts, und werden ihr noch ein bißchen Waffen geben, damit sie nicht so hilflos dasteht. Das ist notwendig. Wir sollen also nicht so 124
ZPA, IV 2/1.01/95, Bl. 38.
Zu den Anfängen der Sicherheits- und Militärpolitik der SED-Führung
171
tun, als ob solche Maßnahmen vor der Bevölkerung oder der Arbeiterklasse zu verehimlichen [sie!] wären. (Sehr wahr!) Wir sollen in der Partei sprechen, wie die Lage ist, dass es mit zur Festigung der demokratischen Ordnung gehört, eine ordentliche Polizei zu haben, eine Volkspolizei125.«
Im gleichen Zusammenhang erläuterte Ulbricht dann auch noch, wie die Einführung der PK-Leiter zu sehen war: »Wir müssen die Volkspolizei popularisieren und dafür sorgen, dass sie ideologisch in solchem Zustand ist, dass sie unsere Politik begreift. Aus dem Grunde ist beschlossen worden, dass neben dem Leiter der Polizei immer ein Politkulturleiter steht, der die Befehle mit gegenzeichnet und persönlich für den politischen und ideologischen Zustand jedes einzelnen Angehörigen der Partei verantwortlich ist, dafür, dass es innerhalb der Polizei in den Bereitschaften eine einheitliche Parteiorganisation gibt, die nicht den örtlichen Parteiorganisationen oder denen im Kreis oder im Lande untersteht, sondern die unseren Anweisungen und unserer Disziplin unterliegt126.« Damit war zumindest erst einmal für die Innenminister der Länder und die Polizeiführungen dargelegt, was zur Verstärkung der Polizei geschah und in welche Richtung aufkommende Fragen nach der Notwendigkeit dieser Maßnahmen zu erklären waren. Bei den Teilnehmern der Konferenz gab es volles Verständnis für die eingeleitete Ausgestaltung der Polizei als wichtigstes bewaffnetes Machtorgan der führenden Partei. Niemand zweifelte daran, daß die Verschärfung des Klassenkampfes einen wirksameren Schutz der antifaschistisch-demokratischen Entwicklung in der SBZ erforderte. Vereinzelt meldeten Teilnehmer der Konferenz Widerspruch an, was die alleinige Einflußnahme der SED in der Polizei und insbesondere nun in der Grenzpolizei und den Bereit-
schaften betraf. Den Versuch eines Gewerkschaftsvertreters, in der Polizei und besonders in den Bereitschaften dafür zu sorgen, daß die Gewerkschaft bei Tarifverhandlungen mitwirken durfte und Betriebsräte als Interessenvertreter der Belegschaften gewählt werden sollten, wehrten Ulbricht und Fischer konsequent ab. Sie sahen in der gewerkschaftlichen Einflußnahme nicht nur eine Gefahr für die Durchsetzung der führenden Rolle der SED, sondern sie befürchteten auch, daß es bei Einsätzen erst Diskussionen über die Ausführung der Befehle geben könnte. Ulbricht hatte konkrete Vorkommnisse dieser Art in seinem Referat angesprochen127. Alle Faktoren, die ein solches Demokratieverständnis in den bewaffneten Organen begünstigten, mußten aus der Sicht des Parteivorstandes ausgeschaltet werden. Die Polizei und ihre neuen Zweige waren als Machtorgane nur zu gebrauchen, wenn sie reibungslos nach dem Willen der SED-Führung funktionierten. Eine zweite zentral geführte Leitungsebene über die Gewerkschaft durfte nicht zugelassen werden. Das widersprach der angestrebten »Festigung der Parteipositionen in der Verwaltung«, die es entsprechend ihrer geschichtlichen Rolle zu sichern und auszubauen galt. Wer es immer noch nicht begriffen haben sollte, welche Rolle die Polizei bei der Durchsetzung der Herrschaftsansprüche der SED-Führung spielte, dem erklärte es Fischer noch einmal: 125
Ebd.
126
Ebd., Bl. 38 f. Vgl. ebd., Bl. 27-37 und 90ff.
127
172
Wolfgang Eisert
»Wir alle wissen, dass sich der Klassenkampf verschärft. In dieser Situation müssen wir natürlich unsere Polizei zu einem sehr schlagkräftigen Instrument machen. Wir sprechen sehr viel davon, dass wir die Herrschaft der Arbeiterklasse sichern wollen. In der Polizei haben wir dazu das Instrument; dort sind 90 % unserer Genossen eingestellt und damit die führende Rolle unserer Partei absolut gesichert.« Um diese weiter durchzusetzen, mußten »unerwünschte Elemente« aus der Polizei entfernt werden, wobei das Mitspracherecht der Betriebsräte bei dazu notwendigen Entlassungen hinderlich war. Fischer hielt die Interessenvertretung der Polizisten durch die Gewerkschaft mit der Einführung der PK-Leiter für überflüssig: »Wenn ein solcher Apparat besteht, der hundertprozentig das Instrument unserer Partei ist, sind dann noch Betriebsräte nötig? (Rufe: Nein!) Deshalb hat das ZS beschlossen, die Betriebsräte bei der gesamten Polizei abzuschaffen. (Oltersdorf28: Einverstanden!) Das freut mich, Gen. Oltersdorf!« Damit war diese Sache für die Parteiführung geklärt. Gegen trotzdem noch vorhandene Zweifel unterstrich der Präsident der DVdl noch einmal: »Die Parteiorganisation hat, wie wir aus dem Munde von Walter Ulbricht gehört haben, bereits die Änderung vorgenommen, und es ist eine zentralisierte Parteiorganisation, Bereitschaften und Grenzpolizei geschaffen worden. Dann aber bleibt kein Platz mehr in den Bereitschaften und in der Grenzpolizei für die Gewerkschaftsorganisation.« Solchen »klaren« Argumenten konnte sich wohl niemand verschließen, wollte er nicht zum »unerwünschten Element« werden. Interessant waren auch Fischers Ausführungen über die Aufgaben und den Charakter der Bereitschaften: »Bei dieser Lage, bei der Bewaffnung der Industriepolizei für den Bürgerkrieg und der Verschärfung des Klassenkampfes haben wir keine operative Reserve für den Fall der Fälle. Wir werden deshalb einige Bereitschaften schaffen, die gewissermaßen die Verstärkung für unsere Grenzpolizei bilden werden, die ja heute schon im operativen Einsatz steht, kaserniert ist und unter strenger militärischer Disziplin steht und stehen muss. Diese Hundertschaften werden militärisch diszipliniert aufgebaut sein; anders kann man das bei Kasernierten nicht machen129.« Diese Feststellung, daß beim Aufbau der kasernierten Polizeiformationen militärische Gesichtspunkte für unerläßlich gehalten wurden und ihr Einsatz über allgemeine polizeiliche Sicherungsaufgaben hinausgehen konnte, war nicht für eine breite Öffentlichkeit bestimmt. Sie stand nicht nur im Widerspruch zu den Festlegungen des Potsdamer Abkommens, dessen alleinige Erfüllung die SED-Führung in der Entwicklung der SBZ sah und auch so propagierte. Zugleich wäre es das Eingeständnis für den Beginn der Aufrüstung und den Aufbau militärischer ausgebildeter Polizeitruppen in der SBZ gewesen, was laut offizieller SED-Propaganda nur in den Westzonen stattfand, obwohl zu —
128
i29
Karl Oltersdorf, 1. Vorsitzender der Industriegewerkschaft 15, Öffentliche Betriebe und Verwaltung, im FDGB der SBZ, gehörte zu den wenigen Konferenzteilnehmern in Werder, die sich gegen die Art der Durchsetzung der führenden Rolle der SED in der Polizei Ebd., Bl. 124 ff.
aussprachen.
Zu den
Anfangen der Sicherheits- und Militärpolitik der SED-Führung
173
diesem Zeitpunkt dort noch keine Aufstellung solcher militärischer Formationen und keine praktischen Aufrüstungsmaßnahmen erfolgten130. Die im Juli 1948 in Werder verkündeten Maßnahmen zur Ausgestaltung zentraler staatlicher Leitungsstrukturen einschließlich der Polizei als wichtigstes bewaffnetes Organ unter der alleinigen Führung der SED bestätigte das Zentralsekretariat am 2. August mit einem entsprechenden Beschluß131. Damit war die uneingeschränkte Vormachtstellung der SED mit Blick auf einen möglichen eigenen Staat entscheidend vorangebracht. Die bestehenden, mit einem demokratischen Anstrich versehenen Machtverhältnisse sollten entsprechend den Bedürfnissen der SED-Führung so umgestaltet werden, daß der Weg zur Diktatur des Proletariats vorbereitet wurde, obwohl man dieses Ziel noch nicht offen propagierte. Auch wenn die SED-Führung zu dieser Zeit noch nicht über ein geschlossenes sicherheits- und militärpolitisches Konzept verfügte, waren wesentliche Entscheidungen dazu im Zusammenhang mit der Erringung und Sicherung ihrer Herrschaft gefallen. Klarheit gab es darüber, daß auf die Dauer die Macht nicht ohne bewaffnete Organe zu halten sein würde. Die Anwendung von Gewalt, auch bewaffneter, gegen erklärte und vorhandene Gegner aus allen politischen Richtungen, war im Verständnis der maßgeblichen Vertreter des Parteivorstands entsprechend ihren Erfahrungen aus der Emigrationszeit in der Sowjetunion etwas Normales. Sie konnte sogar mit der marxistisch-leninistischen Lehre von der Rolle der Gewalt und der Notwendigkeit des bewaffneten Schutzes der sozialistischen Revolution »wissenschaftlich legitimiert« werden. Als Vorwand für die Unterdrückung tatsächlicher oder potentieller Feinde, einschließlich des Einsatzes von bewaffneten Kräften, diente die Formel von der Verschärfung des Klassenkampfes. Die »zeitgemäßen Begründungen« für das erforderliche Feindbild wurden vor allem aus der jeweiligen politischen Situation in der Auseinandersetzung der beiden sich feindlich gegenüberstehenden Systeme abgeleitet. Reale Momente der Bedrohung und des Widerstandes von innen und außen mußten dabei ebenso herhalten wie die zu dieser Zeit stark von Stalin geprägten Lehren des Marxismus/Leninismus. Mit der Konferenz von Werder im Juli 1948 hatte die SED-Führung weitere entscheidende Schritte in diese Richtung vorbereitet. Die Leitungsgremien des bewaffneten Organs und aller zentralen staatlichen Organe waren auf die Politik der SED und ihre besondere Rolle zu deren Realisierung eingeschworen. Nun mußte die gesamte Mitgliedschaft der SED aktiviert werden, um eine möglichst breite Basis für die angestrebten politischen Ziele zu bekommen und um sich als führende Partei in der SBZ zu be-
haupten.
Worauf es dabei ankam, stand im Mittelpunkt der Tagungen des Parteivorstandes im Sommer 1948'32. Ulbricht formulierte im Zusammenhang mit der Absage an einen »besonderen deutschen Weg zum Sozialismus«133 als Aufgabe der Partei, »den Weg der völ130 131
132
133
Vgl. Beitrag Thoß, S. 76 f. Vgl. Bestätigung der Beschlüsse
der Arbeitstagung für Verwaltungsfragen und Landespolitik am 23724.7.1948 in Werder durch das Zentralsekretariat der SED am 2.8.1948, BArch P, Mdl 7/9. Vgl. Protokolle der Tagungen des PV vom 28729.7.1948, ZPA, IV 2/1/25, und vom 15716.9.1948, ebd., IV 2/1/26. Vgl. Staritz, Aufbau des Sozialismus, S. 690 ff.
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ligen Beseitigung und Liquidierung der kapitalistischen Elemente sowohl auf dem Lande wie in den Städten zu beschreiten. Diese Aufgabe ist, kurz gesagt, die des sozialistischen Aufbaus«134. Welche Bedeutung dabei der Gewalt zukam, erklärte ein Mitglied des Parteivorstandes auf der Septembertagung: »Die Gewaltanwendung besteht nicht nur darin, daß eine kleine Gruppe bewaffneter Revolutionäre die Macht ergreift, sondern daß wir mit dieser Macht eines neuen volksdemokratischen Staates, mit brutaler Waffengewalt der Polizei u.s.w. den Klassenkampf mit aller Entschlossenheit führen135.« Im Parteivorstand setzte sich die Auffassung durch, daß es an der Zeit war, im Kampf um die Macht entschiedener zu handeln. Die Maßnahmen zur Zentralisierung und Verstärkung der Polizei fanden deshalb die Zustimmung der Mitglieder dieses Gremiums136. Zu den praktischen Schritten gehörten die im Juli begonnenen Vorbereitungen zur »Umunterstellung« der Grenzpolizei. Weiterhin mußte die Aufstellung der Bereitschaften personell abgesichert werden. Eine »Umverteilung« der Kräfte innerhalb der Polizei reichte nicht aus. Neben Werbeaktionen in der SBZ sollten mit Hilfe der Besatzungsmacht in den Kriegsgefangenenlagern der Sowjetunion eine beträchtliche Zahl von Polizeianwärtern gewonnen werden137. Im September 1948 bekam die DVdl nach Abstimmung zwischen der SMAD und dem ZS der SED den Auftrag, auch eine Verstärkung der Wasserschutzpolizei vorzunehmen. Nach Angliederung der Wasserschutzpolizei an die Grenzpolizei wollte man ihr die Grenzsicherung an der Küste übertragen. Dazu plante man den Bau von sechs Küstenschutzbooten138. Ebenfalls im September unterbreitete die DVdl dem Parteivorstand der SED ihre Vorstellungen, wie die Zonenleitung »Grenzpolizei« auszusehen habe und wie die Bereitschaften aufzubauen seien139. In der Parteiführung konnte man mit der Ausgestaltung der Grenzpolizei und dem Aufbau kasernierter Bereitschaften zufrieden sein. Die Registrierung und Kommentierung dieser Maßnahmen im Westen ließ nicht lange auf sich warten. So berichtete z. B. »Die Welt« am 25. September 1948 über die Reorganisation der SED und der Volkspolizei als wichtige Maßnahmen zur Sicherung der einmal erlangten Macht140. Auch in der sowjetischen Zone waren die Aktivitäten zur Verstärkung der Polizei nicht verborgen geblieben. Die kritische Stimmung gegen die Politik der SED und insbesondere gegen ihre übersteigerten Sicherheitsvorkehrungen nahm zu. Die SED-Führung sah sich gezwungen, wenigstens erst einmal propagandistisch zu reagieren und vor allem ihre Sicherheitspolitik zu rechtfertigen. 134 135 136 137 ""
ZPA, IV 2/1/26, Bl. 43. Ebd., Bl. 209. Vgl. ZPA, IV 2/1/25, bes. Bl. 32f, 95ff, 180ff. Vgl. die Beiträge Arlt, S. 134, und Wenzke, S. 224 ff.
Vgl.
Bericht über Entstehen und
MZAP, Pt 2073, Bl. 21. 139
140
Entwicklung
der Kasernierten Polizei
vom
16.12.1953, BA
Vgl. Vorschlag der DVdl für eine zentrale Zonenleitung »Grenzpolizei« und die Errichtung von Bereitschaften vom September 1948, ZPA, IV 2/13/109, Bl. 351-361. Vgl. Sowjetisierung der Ostzone, in: Die Welt, 25.9.1948. Weiteres Material enthält u. a. die Zeitungsausschnittsammlung des Archivs der Sozialen Demokratie, Friedrich-Ebert-Stiftung, Bonn (AdSD).
Zu den
Anfängen der Sicherheits- und Militärpolitik der SED-Führung
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Diese Aufgabe bekam der Präsident der DVdl übertragen. Als massenwirksames Mittel bot sich die Presse an, und am 30. September 1948 erschien ein entsprechender Artikel von ihm über »Die Aufgaben der Volkspolizei« im »Neuen Deutschland« (ND). Einen breiten Raum nahm die ausführliche Darstellung der »feindlichen Aktivitäten und der Hetze aus dem Westen« gegen die »neue wirtschaftliche, staatliche Ordnung und ihre Träger in der sowjetischen Besatzungszone« ein. Dabei konnte Fischer auf tatsächliche Beispiele von Sabotage, Spionage, Bombenanschläge, Schiebertum, Schwarzhandel und sogar von Schüssen auf Polizisten aus den Westsektoren verweisen. Auch die »Dienstgruppen«, die »Industriepolizei«, die »Spionagetätigkeit des Ostbüros« der »Schumacher-SPD«, eine »schwarze Reichswehr« und die »bedeutende Verstärkung der Westpolizei mit feldmarschmäßig ausgerüsteten Einheiten, die oft von Panzerwagen begleitet werden«, mußten als Argumente für die These vom verschärften Klassenkampf herhalten141. Dabei kam es nicht darauf an, seriöse Beispiele zu suchen oder den tatsächlichen Grad der gegenseitigen Bedrohung zu analysieren. Unter den Bedingungen des Kalten Krieges genügten alle als geeignet erscheinenden Ereignisse, Fakten oder sogar bloße Anschuldigungen, um die »zunehmenden Attacken der Klassenfeinde« zu beweisen. Vor diesem Hintergrund ließen sich dann die »unerläßlichen Gegenmaßnahmen« begründen. Gut machten sich dabei brauchbare Vorkommnisse aus der jüngeren oder älteren Geschichte: »Als im Frühjahr dieses Jahres Räuber- und Mörderbanden aus den westlichen Besatzungszonen in den Grenzkreisen der Ostzone operierten, da haben die Werktätigen nicht
ruhig zugesehen. Auf ihr Verlangen verstärkte die deutsche Volkspolizei die Bewachung der Zonengrenzen und schuf Ordnung. Auch heute haben die Werktätigen der sowjetischen Besatzungszone das volle Recht, von ihrer Volkspolizei zu verlangen, daß sie angesichts der alarmierenden Bürgerkriegsvorbereitungen in Westdeutschland auf alle Provokationen vorbereitet ist142.« Nach solcher Einstimmung mußten dem Leser die neuen Aufgaben der Polizei einleuchten. Neben der »Bekämpfung der Kriminalität« sorgte sie für den »Schutz der jungen Demokratie gegen Anschläge der Faschisten und Reaktionäre«. Daß die Praxis zu dieser Zeit schon anders aussah, ahnten wahrscheinlich nur wenige. In den Gefängnissen der SMAD und den sowjetischen Internierungslagern saßen inzwischen viele, die nicht in die Kategorie der »Nazi- und Kriegsverbrecher« gehörten oder konkrete Straftaten gegen die Besatzungsmacht und die neue Ordnung in der SBZ begangen hatten. Darüber lag der Mantel des Schweigens. Daß alle Dienstzweige der Polizei solides fachliches Können durch eine verstärkte Ausbildung erreichen sollten und starke dienstliche Disziplin notwendig war, brauchte niemanden ängstigen, handelte es sich doch um Dinge, die man als Bürger von der Polizei erwarten durfte. Worin die wirklich neue Dimension der Verstärkung der Polizei zum Ausdruck kam, erläuterte Fischer dann auch etwas vorsichtiger als im Juli in Werder: »Insbesondere verlangen die Werktätigen der sowjetischen Besatzungszone von ihrer Polizei, der Beschützerin der fortschrittlichen Reformen, daß ihre Volkspolizei über Kräfte 141
142
Vgl. ND, 30.9.1948. Ebd.
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verfügt, die getragen von hohem demokratischen Bewußtsein, schlagkräftig und jederzeit einsatzbereit, bestens organisiert, hervorragend diszipliniert, gut bewaffnet und ausgebildet sind, unter Einschaltung von Spezialisten auf dem Gebiet des Waffen- und Ausbildungswesens, die unerschütterlich im Lager des demokratischen Fortschritts stehen143.« Wer sollte etwas gegen Veränderungen in der Polizei haben, wenn es der Ruhe und Ordnung diente? Der Beitrag enthielt als Information über die neuen Aufgaben der Poli-
zei eine Mischung von nicht mehr zu verheimlichenden Fakten und der verharmlosenden Darstellung wesentlicher Dinge. Kaum jemand kam beim Lesen dieses Beitrages zwingend zu der Schlußfolgerung, daß hier militärische Strukturen in der Polizei vorbereitet wurden. Diese Art der Erklärung von Maßnahmen zur Ausgestaltung der bewaffneten Sicherheitsorgane enthielt Elemente, die auch später immer wieder nach gleichem Muster angewandt wurden. Nachdem in der Parteiführung der SED die Entscheidungen gefallen waren und geschaffene Tatsachen im sicherheits- oder militärpolitischen Bereich vorlagen, erfolgte eine der zentralen Leitungsstruktur angepaßte Information von oben nach unten. Als hauptsächliche Begründung diente stets die »Verschärfung des Klassenkampfes«. Für die Bevölkerung mußte der Eindruck entstehen, daß die SED die »richtigen und einzig möglichen Schritte im Interesse der Gewährleistung von Ordnung und Sicherheit« sowie zur Bewahrung des Friedens einleitete, daß alles eigentlich »zum Wohle des ganzen Volkes« geschah. Der Artikel von Fischer diente aber nicht nur dazu, die Bevölkerung auf den Ausbau der Polizeikräfte einzustimmen. Auch die Angehörigen der Polizei sollten ihn nutzen, um die ihnen zugedachten Aufgaben besser zu verstehen und sie entsprechend in der Öffentlichkeit vertreten zu können. In einer Dienstanweisung des sächsischen Ministeriums des Innern hieß es dazu: »Die
wiedergegebenen Tatsachen und die daraus zu ziehenden Schlußfolgerungen müsjedem Angehörigen der Volkspolizei zur Kenntnis gelangen und von der gesamten Volkspolizei zur Grundlage ihrer weiteren Tätigkeit genommen werden144.« sen
In ähnlicher Weise verfuhr man auch in den anderen Ländern. Was bei der Verstärkung der Polizei bis zum Herbst 1948 erreicht worden war, ging aus den Ausführungen Fischers auf einer Konferenz der Ministerpräsidenten, der Landesvorsitzenden der SED und führender Wirtschaftsfunktionäre am 10. Oktober 1948 in Potsdam hervor. Auf die ausführliche Darstellung der »Verschärfung des Klassenkampfes« zur Begründung des weiteren Vorgehens konnte er verzichten. Ulbricht hatte schon in seiner Rede die Linie ausgegeben: »Wenn wir auch sagen: der Gegner hat den Klassenkampf verschärft, so haben wir selbstverständlich mit Hilfe des Zweijahrplanes ihn auch verschärft. In der Öffentlichkeit aber sagen wir, daß der Gegner ihn verschärft hat. Wir kämpfen sozusagen aus der Verteidigung gegen ihn, was etwas leichter ist'45.« 143
Ebd.
144
Dienstanweisung
145
Material der Konferenz der Ministerpräsidenten, der Landesvorsitzenden und führender Wirtschaftsfunktionäre in Potsdam am 10.10.1948, ZPA, IV 2/1.01/100, Bl. 8.
Nr. 94a/48, Landesregierung Sachsen, Ministerium des Innern BAMZAP, Pt 151, Bl. 66.
vom
20.10.1948,
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Fischer informierte die anwesenden SED-Spitzenfunktionäre sowie die Führungskader des Staatsapparates und der Wirtschaft über den tatsächlich erreichten Entwicklungsstand der Polizei und die dabei aufgetretenen Probleme. Er bezeichnete sie als denjenigen »Teil des Staatsapparates, der zur Niederhaltung und Bekämpfung der Feinde der demokratischen Ordnung und des Neuaufbaues« berufen war. Als einschneidende Maßnahmen nannte er die Aufstellung der kasernierten Bereitschaften und die Schaffung des Politapparates. Er verschwieg auch nicht die Schwierigkeiten bei der materiellen Absicherung der Kasernierung und bei der personellen Auffüllung. Zwar konnten durch eine gute Besoldung und Lebensmittelversorgung sogar Arbeiter für den Polizeidienst gewonnen werden, aber noch zu wenige. Die Auffüllung ging nicht so voran, wie man es sich wünschte146. Als problematisch erwies sich weiterhin, daß man entsprechend der geplanten militärischen Ausbildung darauf angewiesen war, einige ehemalige Wehrmachtoffiziere als Spezialisten für die Waffenausbildung, die taktische Ausbildung und vor allem zur Organisation der Versorgung, des Nachschubs sowie der Intendantur einzustellen. Der Umgang mit diesen Personen erschien der SED-Führung insbesondere in zweierlei Hinsicht problematisch. Einmal handelte es sich nicht um »proletarische« Kader aus den eigenen Reihen, die sich schon durch ihre politische Entwicklung und Treue zur KPD/SED empfohlen hatten. Zum anderen sollte ihr Einsatz verborgen bleiben, weil man unbequemen Fragen nach der Verwendung von Militärspezialisten in Polizeiformationen aus dem Wege gehen wollte. Solche »nichtproletarischen« Kader bedurften deshalb der »starken politischen Führung durch den Politapparat«, um sie stets unter Kontrolle zu haben. In diesem Zusammenhang nannte Fischer auch erstmals Zahlen. In den fünf Ländern dienten inzwischen 10000 Mann in den Bereitschaften, wovon über die Hälfte Heimkehrer waren. Unter ihnen befanden sich »keine hundert Offiziere und vier Generale« der ehemaligen Wehrmacht, die man als Stabschefs oder Spezialisten eingesetzt hatte147. Unzufriedenheit äußerte Fischer über die mangelnde Sorgfalt der Parteiorganisationen und der Landesleitungen der SED bei den Vorschlägen von Personen, die als PKLeiter zur Polizei gehen sollten. Noch zu viele »graue Elemente« und Leute, die man loswerden wollte, seien dabei. Die unbefriedigende Kadersituation im Politapparat bezeichnete er als wesentliche Ursache für die noch zu schwache Politarbeit in den Bereitschaften. Weiterhin erfuhren die Anwesenden, daß die kasernierten Bereitschaften und die Grenzpolizei bald aus der Kommandogewalt der Polizeichefs der Länder herausgelöst werden, und daß zur Koordinierung der Polizeiarbeit unter Leitung des Präsidenten der DVdl regelmäßig Beratungen des Präsidiums und der Hauptabteilungsleiter stattfinden sollten148. Die erste Bilanz der Verstärkung und Reorganisation der Polizei war für die SEDFührung zufriedenstellend. Sie hatte ihre alleinige ideologische und organisatorische Einflußnahme auf die Polizei als wichtigstes bewaffnetes Machtorgan gesichert. Mit den kasernierten Bereitschaften und der verstärkten Grenzpolizei waren Voraussetzun146 147 148
Vgl. ebd., Bl. 63-69. Vgl. ebd., Bl. 64f. Vgl. ebd., Bl. 66 ff. und 70 f.
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gen entstanden, mit der Ausbildung von militärisch geschulten Kadern zu beginnen. Die Bereitschaften dienten als stets verfügbare Reserve, die auch Aufgaben erfüllen konnte, die über normale Polizeieinsätze hinausgingen. Bis jedoch alles funktionierte und immer mehr militärische Komponenten bei der Ausbildung eingeführt wurden, sollte noch einige Zeit vergehen. Am 5. November 1948 erließ der Präsident der DVdl den Befehl, die Grenzpolizei und die Bereitschaften, für die bisher die Länder zuständig waren, bis zum 15. November 1948 direkt der Hauptabteilung Grenzpolizei/Bereitschaften der DVdl zu unterstellen. Nur die personelle Auffüllung blieb Sache der Landespolizeibehörden149. Wie von Fischer in Potsdam angekündigt, erfolgte am 27. Oktober 1948 die erste polizeiliche Beratung in der DVdl. Entsprechend dem Statut der DVdl gab es bei ihrer Leitung zur Behandlung der grundsätzlichen Fragen die Verwaltungsberatung und die polizeiliche Beratung150. Alle wichtigen Entscheidungen zur Durchsetzung der zentralen Leitung der Polizei fielen in diesen beiden Gremien. Die polizeiliche Beratung beschloß z.B. so wichtige Führungsdokumente wie das neue Statut der DVdl oder die allgemeinen Dienstvorschriften für die Volkspolizei151. Diese neue Leitungsmethode trug wesentlich dazu bei, in der DVdl eine wirksame zentrale Führung gegenüber den Ländern durchzusetzen und den Einfluß der Parteiführung der SED zu gewährleisten. Die DVdl wurde mit Fischer an der Spitze zu dem Leitungsorgan, als das es seit seiner Bildung 1946 gedacht war.
Die kasernierten Polizeiverbände im Vorfeld der Gründung zweier deutscher Staaten Die Entscheidungen darüber, wie die Entwicklung in der SBZ weitergehen sollte, fielen beim Besuch einer Delegation des Parteivorstandes der SED in Moskau vom 12. bis 21. Dezember 1948. Zur Vorbereitung auf ein Treffen mit Stalin hatte Pieck die dabei zu besprechenden Fragen zur Lage in Deutschland, zu Staats- und verwaltungspolitischen Maßnahmen und zur weiteren Entwicklung der Partei stichpunktartig vorbereitet. Im Zusammenhang mit dem zweiten Fragenkomplex notierte er sich zur staatlichen Si149
150
Vgl.
Befehl für den
Übergang der Leitung der Grenzpolizei und Bereitschaften auf die DVdl vom
5.11.1948, BA MZAP, Pt 7004. Vgl. Statut der DVdl vom 5.11.1948, BArch P, Mdl 7/6, Bl. 122-126. Zur Zusammensetzung der
beiden Gremien ist vermerkt:
Verwaltungsberatung
Präsident und Vizepräsidenten, Stellvertreter des Hauptabteilungsleiters PK, die Leiter der Hauptabteilung Verwaltung, Personal, Schulung, Intendantur und die Leiter der Abteilungen Umsiedler und Verwaltungspolizei; -polizeiliche Beratung Präsident, Vizepräsidenten, Stellvertretender des Abteilungsleiters PK, die Leiter der Hauptabteilungen Schutzpolizei, Intendantur, Schulung, Grenzpolizei/Bereitschaften, die Leiter der Abteilungen Eisenbahnpolizei, Verwaltungspolizei und der Höheren Polizeischule. Vgl. Bl. 123. Vgl. ebd. und Allgemeine Dienstvorschriften für die Volkspolizei vom 30.11.1948, ebd., Mdl, 7/6, -
151
Bl. 214-238.
Zu den
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179
cherheit, daß die Volkspolizei 85 000 Mann (davon 10 000 an der Grenze und 10 000 in den Bereitschaften) umfaßte, mit deren »politischer und technischer« Schulung begon-
worden sei. Weiterhin verwies er auf die »Bildung der Hauptabteilung zum Schutz der Wirtschaft und der demokratischen Ordnung«, die Einrichtung der »Volkskontrolle« sowie den Einsatz von »Beauftragten zur Sabotageabwehr« in den Betrieben152. Im Ergebnis der Besprechung zeigte sich, daß die Führung der KPdSU mit der Entwicklung in der SBZ zufrieden war, aber der sofortigen Bildung eines ostdeutschen Staates nicht zustimmte. Die Verhältnisse sollten aus sowjetischer Sicht zwar unter Kontrolle bleiben, aber die SBZ in die Volksdemokratien einzureihen, hielt man für verfrüht. Offensichtlich wollte man auch die letzten noch denkbaren Chancen zur Schaffung eines einheitlichen deutschen Staates unter maßgeblicher Mitbestimmung der UdSSR nicht zu früh aufgeben. Die Bildung einer Regierung in der SBZ war erst dann denkbar, wenn in den Westzonen dieser Schritt vollzogen war. Der in der SBZ beschnittene Weg zur Vorbereitung der dazu notwendigen zentralen Führungsorgane sollte fortgesetzt werden. Zu den wichtigsten Aufgaben für die SED gehörten die »Verstärkung des Kampfes um die Einheit Deutschlands« und die konsequentere Profilierung zur »Partei neuen Typus'«153. Zu den bisher in der SBZ eingeleiteten Sicherheitsmaßnahmen gab es von sowjetischer Seite keine Einwände. Weshalb auch, wenn alles unter direkter Regie der Besatzungsorgane erfolgte. Als Neuerung wurde der Schaffung der »Hauptabteilung zum Schutz der Wirtschaft und der demokratischen Ordnung« zugestimmt. Zu ihren Aufgaben gehörte die Abwehr von Sabotage (Brandstiftung, Zerstörung an Werksanlagen und andere Sabotage am Volkseigentum), von Attentaten und sonstigen Verbrechen einschließlich Sprengstoff- und Waffenvergehen, die Bekämpfung illegaler Organisationen sowie der Kampf gegen jegliche »antidemokratische« Tätigkeit. Etatmäßig gehörte diese Hauptabteilung zur Kriminalpolizei. Tatsächlich arbeitete sie selbständig unter direkter Leitung der sowjetischen Besatzungsorgane sowie des Präsidenten der DVdl und des Chefs der Landespolizei154. Das bis dahin für solche Vergehen zuständige Kommissariat 5 der Kriminalpolizei sollte aufgelöst werden. Diese neue Hauptabteilung, deren Angehörige einem besonderen Auswahlverfahren unterlagen, war als eine wichtige Ergänzung zu den vorhandenen regulären Polizeikräften und den kasernierten Einheiten der Grenzpolizei sowie der Bereitschaften gedacht. Die Aufstellung erfolgte im Verlaufe des Jahres 1949155. Die bewaffneten Sicherheitsorgane für eine mögliche Staatsgründung in der SBZ existierten damit erst einmal. Nun kam es darauf an, sie entsprechend ihrer Bestimmung weiter auszugestalten. Ihr besonderes Augenmerk lenkte die SED-Führung dabei auf die kasernierten Polizeibereitschaften, da diese ständig als Reserve für alle denkbaren Einsätze zur Verfügung standen. Alle Maßnahmen zur Verbesserung der Einsatzfähigkeit der bewaffneten Organe verliefen weiterhin unter strenger Geheimhaltung. nen
Vgl. Notizen für die Besprechung in Moskau, Dezember 1948, ZPA, NL 36/695, gebnisse der 4stündigen Besprechung am 18.12.1948, ebd, Bl. 44. Vgl. Antwort auf die Fragen zur Besprechung am 18.12. 1948, ebd., Bl. 48-51. Vgl. ebd., Bl. 56. Vgl. Protokoll der Sitzung des Politbüros vom 10.9. 1949, ebd., IV 2/2/43.
Bl. 36, und Er-
180
Wolfgang Eisert
Wie schon seit Beginn des Aufbaus der Polizeikräfte angestrebt, kümmerte sich die SED-Führung weiterhin sehr darum, nur solche Personen in den Polizeidienst zu bekommen, die dafür geeignet schienen. Zu den entscheidenden Voraussetzungen gehörte ihre politische Integrität und die Bereitschaft, die Politik der SED aktiv und konsequent durchzusetzen. Das inzwischen stark überzogene Sicherheitsverständnis der Parteiführung, vor allem genährt durch die These von der »Verschärfung des Klassenkampfes«, der Zuspitzung des Kalten Krieges sowie der Angst vor dem Verlust gewonnener Machtpositionen, trug maßgeblich dazu bei, vor allem dafür zu sorgen, daß es in den entscheidenden bewaffneten Stützen dieser Macht keine politisch unzuverlässigen Elemente gab. Der besonderen Bedeutung nach, die der Grenzpolizei als Teil der kasernierten Kräfte zukam, begann dort im Januar 1949 die Überprüfung des gesamten Personalbestandes auf der Grundlage des Befehls Nr. 2 des Präsidenten der DVdl, die dann auch auf die Bereitschaften und andere Bereiche der Polizei ausgedehnt wurde156. Ausgehend von der Feststellung, daß viele Grenzpolizisten nicht den politischen und fachlichen Anforderungen entsprachen, leitete der Befehl eine gründliche Überprüfung des Personalbestandes ein. Entlassen oder in den einfachen Polizeidienst versetzt werden sollten vor allem Grenzpolizisten, die in westlicher Kriegsgefangenschaft gewesen waren, die nahe Verwandte in den Westzonen hatten oder wegen moralischer, politischer, disziplinarischer sowie charakterlicher Schwächen als unzuverlässig galten157. Die Aktion mußte schnell und ohne großes Aufsehen nach außen abgeschlossen werden. Die nächsten Aufgaben zur Umsetzung des in Moskau im Dezember 1948 abgesprochenen Kurses der SED angesichts der bevorstehenden Spaltung Deutschlands präsentierte die Parteiführung auf der 1. Parteikonferenz der SED vom 25. bis zum 28. Januar 1949. »Grundorientierung« blieb zunächst die »Festigung der antifaschistisch-demokratischen Ordnung«. Der »Sozialismus als Tagesaufgabe« rückte aus taktischen Erwägungen vorerst in den Hintergrund. Keine Abstriche gab es im Bestreben, die »Einheit Deutschlands nach den Vorstellungen der SED« zu retten158. Breiten Raum nahm die Entwicklung in den Westzonen ein, die Charakterisierung der Politik der Westmächte als Vorbereitung eines neuen Weltkrieges sowie der Nachweis der »Remilitarisierung in den Westzonen«159. Anknüpfend an reale Vorgänge in den Westzonen in Richtung eines westdeutschen Separatstaates ließ die SED nichts unversucht, das Bild von Freund und Feind im Sinne des verschärften Klassenkampfes auszugestalten: »Der Kampf zwischen den Kriegsprovokateuren und den Friedensfreunden hat solche Schärfe angenommen, daß er alle Menschen erfaßt. Das kann auch nicht anders sein, geht es hier doch um die Schicksalsfrage der ganzen Menschheit. Darum kann es aber in diesem Kampfe auch keine Neutralität geben. Wer sich nicht dem Lager des Friedens anschließt, hilft bewußt oder unbewußt den Kriegstreibern bei ihrem verbrecherischen 156
1,7
158 ""
Vgl. Befehl des Präsidenten der DVdl in der SBZ über die Festigung der Grenzpolizei, BA MZAP, Pt 7005, Bl. 4-7. Ausführlicher dazu Beitrag Wenzke, S. 231-236. Vgl. BA MZAP, Pt 7005, Bl. 4. Staritz, Aufbau des Sozialismus, S. 692 f. Vgl. u. a. Protokoll der Ersten Parteikonferenz, S. 55-102.
Zu den
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Handwerk. Es kann aber keinen anderen Kampf für den Frieden geben als den Kampf an der Seite der Sowjetunion160.« Auf der 1. Parteikonferenz beschränkte sich die SED-Führung auf die Propagierung des »imperialistischen Feindbildes«. Um nicht die eigenen Anstrengungen bei der Ausgestaltung der bewaffneten Machtmittel ins Blickfeld zu rücken, verzichtete man offensichtlich darauf, die »KriegsVorbereitungen« des Klassenfeindes zur Rechtfertigung der Verstärkung der Polizei heranzuziehen. Sehr zurückhaltend stellte Pieck nur fest: »Je mehr wir unsere Volkspolizei verstärken, je mehr wir den Justiz- und Verwaltungsapparat von Reaktionären säubern, um so mehr tun wir für den Frieden. Gleichzeitig mit der Stärkung des Verwaltungsapparates muß die von uns geschaffene demokratische Gesetzmäßigkeit allseitig gefestigt werden. Sie ist ein wichtiges Mittel zur Stabilisierung unserer demokratischen Ordnung und zum Kampf gegen Kriegshetzer, Schädlinge und Saboteure161.« In der propagandistischen Arbeit setzte die SED alles daran, die Besatzungsmacht in den Augen der Bevölkerung der SBZ aufzuwerten. Anknüpfend an die Verdienste der UdSSR im Kampf gegen die faschistische Diktatur in Deutschland und bei der Gestaltung der Nachkriegsverhältnisse sowie unter Verdrängung der negativen Seiten der Besatzungspolitik sollte die Bereitschaft geweckt werden, sich als Verbündeter der Sowjetunion zu sehen. Angesichts zweier feindlicher Lager und der jeweiligen Einbindung der Westzonen wie der Ostzone sah die SED-Führung die Zeit gekommen, ihre Position dazu klar zu formulieren. Im Sinne der von Stalin verkündeten »Verschärfung des Klassenkampfes« sowie den Einschätzungen von der »Kriegshetze und den unmittelbaren Kriegsvorbereitungen der westlichen Besatzungsmächte gegen die Sowjetunion und der drohenden Gefahr eines neuen Krieges« gab das Politbüro der SED deshalb am 1. März 1949 die Erklärung »Gegen Aggression für Unterstützung der Sowjetarmee« ab. Ausgehend von der richtigen Erkenntnis, daß bei einem neuen Krieg »der Rest von Deutschland zerstört werden würde«, rief man das deutsche Volk auf, »sich mit aller Entschiedenheit gegen die Kriegshetze und die Kriegsvorbereitungen der Westmächte gegen die Sowjetunion zur Wehr zu setzen. Im Falle der Aggression muß das deutsche Volk gegen die Aggressoren kämpfen und die Sowjetarmee in der Herbeiführung des Friedens unterstützen162.« Der Versuch der SED-Führung, mit dieser Erklärung der Bevölkerung den zukünftigen Platz dieses Teils Deutschlands an der Seite der nicht eben beliebten Besatzungsmacht bewußt zu machen und sie auch noch dafür zu gewinnen, gegebenenfalls gemeinsam mit der Sowjetunion in einem neuen Krieg zu kämpfen, schlug fehl. Daß diese Linie der SED bei der Bevölkerung auf Unverständnis und Ablehnung stieß, mußte sich die Parteiführung schon kurz darauf im Mai eingestehen. Die Erklärung hatte viel Unruhe gebracht. Es war der Eindruck entstanden, daß bald ein neuer Krieg bevorstand, in dem man an der Seite der Sowjetunion schon wieder zu den Waffen greifen sollte, eine Vorstellung, mit der sich kaum jemand anfreunden wollte. —
160 161 162
Ebd., S. 83. Ebd., S. 96.
Vgl.
Dokumente der Sozialistischen
Einheitspartei Deutschlands, Bd 2, S. 203.
182
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Die damit verbundene Chance, zur Legitimation der eigenen Polizeiverstärkung und ihrer militärischen Elemente in die Offensive zu kommen, war ebenfalls gescheitert. Das Zentralsekretariat der SED stellte als neue Linie in der propagandistischen Arbeit erst einmal die Aufgabe, den Massen die Überlegenheit der Sowjetunion klar zu machen. Es sollte die Überzeugung entstehen, daß die Gefahr eines Krieges zwar bestehe, die Sowjetunion und ihre Verbündeten ihn aber verhindern könnten. Was die weitere Entwicklung der eigenen bewaffneten Kräfte und einen eventuellen Beitrag der SBZ an der Seite der Sowjetunion in einem Krieg betraf, wollte man die Bevölkerung lieber vor vollendete Tatsachen stellen163. In der Praxis bedeutete dies, die begonnene Reorganisation der Polizei und den Aufbau ihrer kasernierten Einheiten ohne großes Aufsehen unter der bisherigen Geheimhaltung fortzusetzen164. Zu den Maßnahmen gehörte die Annahme eines neuen Statuts der DVdl durch das Politbüro im März 1949. Die Aufgaben und Befugnisse der DVdl wurden entsprechend den neugeschaffenen Strukturelementen erweitert. Neben der Verantwortung für die bis dahin existierenden Bereiche der Polizei kamen nun die Hauptabteilung Polit-Kultur und die Hauptabteilung Grenzpolizei und Bereitschaften hinzu, für die jeweils ein Stellvertreter des Präsidenten zuständig war165. Am 1. April 1949 erfolgte die Eröffnung des ersten Lehrgangs für höhere Polizeioffiziere an der Polizeihochschule in Kochstedt. Die aus diesem Anlaß stattfindende polizeiliche Beratung beschäftigte sich mit den bis dahin erreichten Ergebnissen bei der Erfüllung des Befehls Nr. 2 der DVdl und aufgetretenen Problemen bei der Entwicklung der Grenzpolizei. Viele Mängel gab es nach Ansicht der Polizeiführung noch in der Ausbildung und in der Ausprägung des nötigen politischen Bewußtseins bei den VPAngehörigen. Dazu kamen Schwierigkeiten bei der materiellen Ausstattung der Kasernen und der Bereitstellung der Bewaffnung und Technik166. Als problematisch erwies sich auch weiterhin die personelle Sicherstellung der Polizei und insbesondere der kasernierten Einheiten. Im April 1949 setzten verstärkte Werbeaktionen ein, in die von den Massenorganisationen vor allem die Freie Deutsche Jugend (FDJ), der Freie Deutsche Gewerkschaftsbund (FDGB) und der Demokratische Frauenbund Deutschlands (DFD) einbezogen werden sollten. Die Schaffung von festen Werbekommissionen wurde vorbereitet167. Im April begannen auf Befehl des Chefs der SMAD auch die personellen und materiellen Vorbereitungen zur Einrichtung von Polizeischulen in der SBZ168. Auf einer Festveranstaltung zum vierjährigen Bestehen der Volkspolizei am 31. Mai 1949 stellte Ulbricht fest, daß die SED-Führung mit dem Entwicklungsstand der Volks163 164
165 '**
Vgl. Protokoll der Tagung des Parteivorstandes der SED am 475.5.1948, ZPA, IV 2/1/32. Vgl. Protokoll der Konferenz über Fragen der staatlichen und wirtschaftlichen Verwaltung Vgl.
Protokoll der 6.
ebd., Mdl 7/8. 167
168
am
13714.3.1949, ebd., 2/1.01/107, Bl. 163-170. Vgl. Statut der DVdl in der SBZ, 29.3.1949, BArch P, Mdl 7/1, Bl. 131-135.
polizeilichen Beratung
am
1.4.1948
an
der Polizeihochschule in
Kochstedt,
Vgl. Aktennotiz der Chefbesprechung vom 21.4.1949, ebd., Mdl 7/8, Bl. 11 ff. Vgl. Auszug aus dem Befehl des Obersten Chefs der SMAD, des Oberkommandierenden der sowjetischen Besatzungstruppen in Deutschland Nr. 175, 26.4.1949, Einrichtung von Polizeischulen in der SBZ, ebd., Mdl 7/45, Bl. 41 f.
Zu den
Anfängen der Sicherheits- und Militärpolitik der SED-Führung
183
zufrieden war169. Was die kasernierten Bereiche betraf, machte er keine gesonderten Ausführungen. Ein Bericht über die Entwicklung der Grenzpolizei im 1. Halbjahr 1949 gab zu diesem Bereich etwas genauere Auskunft. Danach unterstand die Grenzpolizei seit dem 15.11.1948 durch die Aufstellung der Hauptabteilung Grenzpolizei und Bereitschaften direkt der Deutschen Verwaltung des Innern. Durch diese Maßnahme und die damit verbundene Aufstellung von Abteilungsstäben in den fünf Ländern der SBZ sei ein entscheidender Fortschritt bei der Organisation und Weiterentwicklung der Grenzpolizei erreicht worden170. Auf der Grundlage von einheitlichen Richtlinien und Anweisungen wurde die »Arbeit der Grenzpolizei in allen fünf Ländern auf eine einheitliche Basis gedrängt«. Verbesserungen gab es weiterhin bei der Versorgung der Grenzpolizei mit Bekleidung, Ausrüstung, Inventar und Geräten. Die personelle Aufstockung ging von etwa 9 300 Mann 1948 auf knapp 17 000 Mann im Jahre 1949. Dazu kamen noch die rund 1 500 Mann der seit dem 5. Februar 1949 aufgestellten Grenzbereitschaft »Ring um Berlin«171. Es zeigte sich jedoch auch, daß eine einheitliche stabsmäßige Leitung der kasernierten Bereitschaften und der kasernierten Grenzpolizei durch die Hauptabteilung Grenzpolizei/Bereitschaften nicht effektiv war. Charakter und Aufgaben beider Bereiche unterschieden sich doch zunehmend. Ende Mai 1949 informierte Ulbricht deshalb nach Abstimmung mit der SMAD den Leiter der Hauptabteilung GP/B darüber, daß die Trennung beider Organe einzuleiten sei172. Die praktische Umsetzung erfolgte im Juli 1949. Mit dem 20. Juli war die Grenzpolizei aus der HA GP/B herauszulösen und den Chefs der Landespolizeibehörden zu unterstellen. Als zentrales Führungsorgan wurde die Hauptabteilung Grenzpolizei bei der DVdl gebildet173. Damit war der Weg frei, eine neue Phase der Verstärkung und Reorganisation der VP einzuleiten. Innerhalb der Polizei konnte mit der Ausbildung von militärischen Kadern begonnen werden, die darauf vorbereitet wurden, die zukünftige Armee eines selbständigen Staates auf dem Territorium der SBZ zu führen. Unter dem Deckmantel einer antifaschistisch-demokratischen Entwicklung war es der SED-Führung mit Hilfe der sowjetischen Besatzungsmacht in der zweiten Hälfte des Jahres 1948 gelungen, erste Schritte zur Aufrüstung und Militarisierung in ihrem Herrschaftsbereich einzuleiten, die im Widerspruch zur immer wieder erklärten Einhaltung des Potsdamer Abkommens standen. Ohne sich mit der Ausarbeitung eines sicherheits- und militärpolitischen Konzepts aufzuhalten und dieses dann eventuell noch einer öffentlichen Diskussion oder Kritik auszusetzen, waren durch praktische Maßnahmen erste militärische Tatsachen geschaffen worden, die weit über das hinausgingen, was man den »imperialistischen Gegnern« als »Remilitarisierung und Wiederaufrüstung« vorwarf.
polizei
169
170
171
172
Vgl. W. Ulbricht, Die Aufgaben der Volkspolizei, in: Die Volkspolizei, 10.6.1949. Vgl. Kurzer Lagebericht von der Grenze und Demarkationslinie für die Zeit vom 1.1. bis 30.6.1949 im Vergleich zum letzten Halbjahr, 11.7.1949, BA MZAP, Pt 7433, Bl. 21 ff. Vgl. ebd., Bl. 23. Vgl. Bericht über Entstehen und Entwicklung der Kasernierten Volkspolizei vom 16.12.1953, ebd., Pt
173
2073, Bl. 5.
Vgl. Befehl 70/49 des Präsidenten der DVdl
vom
19.7.1949, ebd., Pt 002, Bl. 5f.
184
Wolfgang Eisert
3. Die
Entwicklung des sicherheits- und militärpolitischen Konzepts bei der Vorbereitung des Kurses zum Sozialismus (1949-1952)
Die Gründung der DDR und ihre ersten sicherheits- und militärpolitischen Maßnahmen Mit der »Herauslösung« der Grenzpolizei aus der Hauptabteilung Grenzpolizei/Bereitschaften existierte diese ab dem 20. Juli 1949 kurzzeitig als Hauptabteilung Bereitschaften weiter174. Ihr unterstanden 40 Bereitschaften, 5 Schulen und ein Speziallehrgang für Schießlehre und Bewaffnung175. Nachdem die kasernierten Einheiten der Grenzpolizei personell, materiell und ausbildungsmäßig ein brauchbares Niveau erreicht hatten, lenkte die SED-Führung die Aufmerksamkeit der DVdl und der leitenden Polizeiorgane verstärkt auf die bestehenden Bereitschaften. Sie sollten endlich zu funktionierenden militärischen Ausbildungseinheiten für zukünftige Streitkräfte gemacht werden. Mit dem Befehl Nr. 98/49 der DVdl vom 25. August 1949 erfolgte als erster Schritt dazu die Umbenennung der Hauptabteilung Bereitschaften in Verwaltung für Schulung. Damit begann die »Umstrukturierung« und die neue Standortverteilung der Bereitschaften und Schulen sowie die »Neuprofilierung« des bevorstehenden Ausbildungsabschnitts176. Die Leitung übertrug man dem Generalinspekteur der VP, Wilhelm Zaisser. Was sich hinter der unverfänglichen Bezeichnung »Verwaltung für Schulung« verbarg, machte ein Blick auf die Struktur deutlich. Aus den bisherigen 40 Bereitschaften entstanden entsprechend der neuen Ausbildungsschwerpunkte 24 Infanterie-, 8 Artillerie- und 3 Panzerbereitschaften. Ende 1949 kamen je zwei Pionier- und Nachrichtenbereitschaften hinzu. Ziel dieser Bereitschaften war es, Unterführer (VP-Ober- und Hauptwachtmeister) mit militärischen Spezialkenntnissen auszubilden. Die Qualifizierung der Offiziere (VP-Kommissare und Oberkommissare) sollte an den VP-Schulen erfolgen. Im einzelnen handelte es sich anfänglich um 5 Infanterie-, 3 Artillerie-, eine Panzer-, eine Polit- sowie eine Nachrichten- und Pionierschule. Im weiteren Verlauf der Entwicklung gab es einige Korrekturen gegenüber der Anzahl und den Ausbildungsschwerpunkten der ursprünglich vorhandenen Bereitschaften und Schulen. Vom geplanten Gesamtsoll von etwa 45 600 Mann waren im Herbst 1949 erst einmal circa 35 300 Mann vorhanden177. Die Schulen und Bereitschaften bekamen Tarnbezeichnungen. In den A-Bereitschaften erfolgte die Ausbildung der Schützengruppenführer, in den B-Bereitschaften die der Geschützführer, Rechner und B-Stellenorgane, in den C-Bereitschaften die der Panzerkommandanten, Rieht- und Ladeschützen, der Panzerfahrer und des Wartungspersonals und in D-Schulen die der Funktruppführer, Fernsprechtruppführer und Pioniergruppen74
175
176
177
Vgl. Befehl Nr. 70/49 des Präsidenten der DVdl vom 19.7.1949, ebd., Pt 7007, Bl. 3. Vgl. Bericht über Entstehen und Entwicklung der Kasernierten Volkspolizei, 16.12.1953, ebd.,
Pt 2073, Bl. 4. Vgl. ebd., Bl. 5 f., sowie Befehl Nr. 98/47 des Präsidenten der DVdl vom 25. August 1949, PtOOl. Vgl. Bericht über Entstehen, ebd., Pt 2073, Bl. 6ff. Vgl. auch Beitrag Wenzke, S. 237 ff.
ebd.,
Zu den
Anfangen der Sicherheits- und Militärpolitik der SED-Führung
185
führer. Die Schulen für die Offizierausbildung führten analoge Tarnbezeichnungen. Dazu kamen spezielle Schulen für PK-Offiziere (Torgau), höhere Führungsoffiziere (Kochstedt), Sportoffiziere (Potsdam) und für Offiziere mit technischen Spezialkenntnissen (Doberlug und Apolda)178. Die Ausbildung in den Schulen und Bereitschaften sollte in fünf bzw. vier Etappen vom September 1949 bis zum Oktober 1950 erfolgen. Um schnell auch über Offiziere zur Führung größerer militärischer Formationen zu verfügen, ermöglichte die Sowjetunion die dafür erforderliche Ausbildung. Im August/September 1949 wählte der Zentralvorstand der SED etwa 150 politisch zuverlässige und militärisch vorgebildete Personen aus, die den ersten einjährigen Speziallehrgang in Privol'sk (UdSSR) zu absolvieren hatten179. Bevor jedoch mit der Ausbildung in den Bereitschaften und Schulen im geplanten Umfang begonnen werden konnte, waren die personellen Voraussetzungen zu schaffen. Die Verantwortung dafür trugen die VP-Kreisämter sowie die Leitungen der Schulen und Bereitschaften, die bei ihren Werbeaktionen in den Betrieben und Verwaltungseinrichtungen von den Parteileitungen der SED unterstützt wurden180. Die personelle Auffüllung der Bereitschaften und Schulen erwies sich als sehr schwierig. Es war nicht leicht, so wenige Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg eine genügende Anzahl von Freiwilligen für den Dienst in der Polizei oder gar in kasernierten Verbänden mit militärischer Ausbildung zu gewinnen. Dazu kam, daß die Ausbildung selbst unter strenger Geheimhaltung verlaufen mußte und nicht jeder genommem werden konnte. Neben einer gewissen Eignung für eine militärische Laufbahn gehörte vor allem politische Zuverlässigkeit im Sinne der SED-Politik zu den Auswahlkriterien. Um das vorhandene Personal der Bereitschaften und Schulen zu verstärken, sollten deshalb hauptsächlich VP-Angehörige aus anderen Dienstbereichen dorthin versetzt oder neue Kräfte über die Werbekampagnen aus dem zivilen Bereich verpflichtet werden. Eine große Anzahl der neu einzustellenden Polizisten hatte man mit Hilfe der UdSSR in so-
wjetischen Kriegsgefangenenlagern angeworben181. Aber es war nicht nur problematisch, die geplante Personalstärke von circa 45 000 Mann zu erreichen, sondern sie dann auch zu halten. Falsche Versprechungen bei der Werbung, ungenügende Vorstellungen vom Kasernenleben oder vielfältige persönliche Gründe führten immer wieder dazu, daß Polizisten den Dienst quittieren wollten oder einfach desertierten. Viel Unzufriedenheit entstand durch die schlechte Organisation des Dienstes sowie das Fehlen von Waffen und Geräten für die Ausbildung. Weiterhin erfüllten viele Leiter, PK-Leiter und Führungskräfte ihre Aufgaben nicht ordentlich und kümmerten sich nicht genügend um ihre Unterstellten. Die Unterbringung in den Kaser178
Vgl.
Bericht über den Verlauf der
Pt 041, Bl. 2-18. 179
180
polizeifachlichen Ausbildung
Oktober 1950, BA
MZAP,
Vgl. Erinnerungen von Bernhard Bechler, Gespräch im MGI Potsdam am 17.5.1990, Quelle beim Autor, sowie Erinnerungsbericht des Oberst a. D. G. Tschitschke über den ersten Lehrgang von Militärs der DDR in Vol'sk (UdSSR) 1949/50, Diedrich, Die Organisation der Verteidigungsbereitschaft, Kap. I, Anhang IV. Vgl. Bericht über den Verlauf der polizeifachlichen Ausbildung vom Oktober 1950, BA MZAP,
Pt041,Bl. 2-8. 181
vom
Ausführliche
Darstellung im Beitrag Wenzke, S. 218 f.
186
Wolfgang Eisen
die Bereitstellung der Bekleidung und Ausrüstung sowie die Qualität der Verpflegung ließen oft zu wünschen übrig182. Desertionen und Schwierigkeiten in der Dienstdurchführung gab es zu dieser Zeit aber nicht nur in den Bereitschaften und Schulen. Auch bei der Grenzpolizei mußte man sich mit solchen Erscheinungen auseinandersetzen, wie aus einem Befehl vom September 1949 hervorging. Er verpflichtete alle Chefs der Landesbehörden der Volkspolizei, der Abteilungen Polit-Kultur und alle Offiziere des Grenzdienstes, ihrer Verantwortung für den Zustand und die Organisation des Grenzdienstes zur Sicherung der Demarkationslinie besser nachzukommen. Sie hätten sich darum zu bemühen, der »Erziehung des Personals im fortschrittlich-demokratischen Sinne«, der »Festigung des politisch-moralischen Standes«, der Disziplin und der Ordnung mehr Aufmerksamkeit zu widmen. Die Flucht aus der Volkspolizei müsse in Zukunft als außergewöhnliches Vorkommnis angesehen und als Desertion aus der Volkspolizei bestraft werden. Schuldige sollte man »disziplinarisch und parteimäßig« zur Verantwortung ziehen'83. Die in den Schulen und Bereitschaften angelaufenen Ausbildungsmaßnahmen schienen anfangs mehr experimentellen Charakter zu haben. Entscheidend blieb allerdings trotz der noch vorhandenen Mängel und Probleme die Tatsache, daß in der SBZ die Vorbereitungen zur Ausbildung militärischer Kader begonnen hatte. Die SED-Führung machte damit heimlich das, was sie in den Westzonen »als Remilitarisierung« anprangerte, ohne daß dort solche konkreten Maßnahmen angelaufen waren. Unter Bruch des Potsdamer Abkommens erfolgte schon im Vorfeld des Entstehens zweier deutscher Staaten in der SBZ der Aufbau militärischer Verbände verbunden mit ersten Aufrünen,
stungsschrittenl84.
Den entscheidenden Weg dazu, die Disziplin, die Ausbildung und die Einsatzfähigkeit in allen Zweigen der Polizei mit Blick auf deren Aufgaben beim Entstehen von zwei deutschen Staaten zu verbessern, sah die SED-Führung in der weiteren Ausgestaltung ihrer führenden Rolle in den bewaffneten Organen. Die Voraussetzungen dafür waren mit der Installierung des Polit-Kultur-Apparates geschaffen worden. Damit die PKLeiter und ihre Mitarbeiter in den einzelnen Bereichen der Polizei die Politik der SED mit den jeweiligen Korrekturen und Präzisierungen auch konsequent vertreten und durchsetzen konnten, mußten sie in bestimmten Abständen politisch-ideologisch »geschult« werden. Das geschah vor allem in zentralen Anleitungen des Parteivorstandes der SED mit der Führung der DVdl und den PK-Leitern. Eine besondere Bedeutung im Vorfeld der Gründung der DDR hatte die 2. PK-Tagung vom September 1949185. Als Hauptaufgabe in der nächsten Zeit nannte der neue Vizepräsident der DVdl, Generalinspekteur Heinz Hoffmann, den »Kampf um die innere Festigung« der Volkspolizei durch die Verbesserung der gesamten Arbeit. Dazu gehörte nach seinen Ausführun182
183 184 185
über Entstehen und Entwicklung der Kasernierten Volkspolizei, BA MZAP, Pt 2073, Bl. 6ff. Siehe dazu auch Schützle, Zur geschichtlichen Entwicklung S. 2-14. Vgl. Befehl Nr. 100/49 des Präsidenten der DVdl vom 6.9.1949, BA MZAP, Pt 7003, Bl. 29 f. Siehe dazu Fischer, Anfänge, S. 21-27; Meyer, Innenpolitische Voraussetzungen, S. 32-40. Archivmaterialien der 1. PK-Leiter-Konferenz vom Dezember 1948 sind bisher nicht aufgefunden worden. Es gibt Hinweise darauf, daß sich Unterlagen im Archiv des MfS befinden könnten. Die 2. PK-Tagung der Polizei fand am 879.9.1949 statt.
Vgl. Bericht
Zu den
Anfangen der Sicherheits- und Militärpolitik der SED-Führung
187
»Hebung des politischen und fachlichen Niveaus und der Erziehung der Volkspolizisten zur Wachsamkeit und einer straffen Disziplin in der Erfüllung aller Aufgaben«186. Um das zu erreichen, sollte insbesondere die politisch-ideologische Arbeit verbessert werden. Jeder Polizist mußte sich seiner »besonderen Rolle bei der Verwirklichung der Politik der SED« bewußt werden. Eine der entscheidenden Voraussetzungen dafür lag schon in der richtigen Auswahl der Kader, die nach wie vor nicht zufriedenstellend vergen die
lief. Damit die Polizei die ihr von der SED-Führung zugedachten Aufgaben erfüllen konnte, mußte der Einfluß der SED auf alle Bereiche der Polizeiarbeit und ihre führende Rolle in allen Zweigen der VP erstrangiges Anliegen bleiben. Die Gewähr dafür bestand in der wirksameren Tätigkeit der PK-Leiter. Gerade wegen ihrer großen Bedeutung als Kontrolleure zur Einhaltung der politischen Vorgaben der SED hatte man sie zu den ersten Stellvertretern der Dienststellenleiter gemacht. Ohne die Zustimmung der PK-Leiter waren die Befehle und Anordnungen der Kommandeure und Leiter ungültig. Hoffmann umschrieb die parteiliche Kontrollfunktion und die Befehlsgewalt der ersten Stellvertreter mit der Feststellung, daß sie »die gesamte Arbeit der Volkspolizei politisch zu durchdringen und zu befruchten« hatten. Er begründete das damit, daß es keine »Trennung zwischen der politischen und der polizei-fachlichen Arbeit der Volkspolizei« geben durfte. Jede polizeiliche Aufgabe sei ihrer Bedeutung nach eine politische Aufgabe, und jede politische Aufgabe stehe wiederum in enger Beziehung zu den polizeilichen Aufgaben. Nur wenn man die Polit-Kulturarbeit so betrachte, könnten die PKOrgane den richtigen Platz in der Volkspolizei einnehmen. Sie seien schließlich dazu »geschaffen, um die gesamte polizeiliche Arbeit nach den politischen Notwendigkeiten unserer demokratischen Ordnung auszurichten und zu bestimmen. Deshalb ist der PKLeiter der erste Stellvertreter des Chefs«187. Diese straffe zentrale politische und disziplinarische Führung der Polizei trug dazu bei, tatsächlich die Wirksamkeit der Polizeikräfte in der von der SED beabsichtigten Weise zu erhöhen. Aber die negativen Auswirkungen der faktisch von der SED-Spitze gelenkten VP überwogen zunehmend. Indem die Polizei immer mehr zum funktionierenden bewaffneten Machtinstrument der SED wurde, half sie mit, der Entwicklung von Ansätzen einer demokratischen Ordnung entgegenzuwirken. Notwendige Schutzfunktionen der Polizei im Interesse einer möglichen antifaschistisch-demokratischen Entwicklung verloren an Bedeutung zugunsten der Durchsetzung politischer Machtansprüche der SED. Diese Gefahr für eine tatsächliche demokratische Entwicklung erkannten allerdings nur wenige höhere Polizeioffiziere. Auf der 2. PK-Leiter-Konferenz gab es zwei Wortmeldungen von VP-Kommandeuren, die ihre Bedenken äußerten über die Art und Weise der bisher praktizierte Durchsetzung der führenden Rolle der SED in der Polizei. Dabei ging es noch nicht einmal darum, diesen »Führungsanspruch« generell abzulehnen. Ihre Hauptkritik richtete sich lediglich gegen die direkte Einflußnahme des Politbüros und des Zentralsekretariats der SED unter Ausschluß der nach dem Parteistatut zugesi186
187
H. Hoffmann, Die Arbeiten der 2. PK-Leiter-Konferenz, in: Die S. If. Vgl. ebd., S. 2 f.
Vgl.
Volkspolizei, Nr. 15, 25.9.1949,
188
Wolfgang Eisert
cherten innerparteilichen Demokratie. Sie vertraten die Auffassung, daß die Führung nicht allein darin zum Ausdruck kommen dürfe, daß das Zentralsekretariat und das Politbüro die Führung der Parteiorganisation in der Volkspolizei direkt übernahmen. Es solle eine klare Trennung zwischen den Parteiorganisationen und den staatlichen Lei-
tungen erfolgen188.
Mit ihrer Kritik an den PK-Leitern als erste Stellvertreter des Chefs wandten sie sich freilich gerade gegen das, was erreicht werden sollte. Ihre vorsichtig formulierten Zweifel fanden deshalb kein Gehör. Die führende Rolle der SED in der Polizei, wie sie von der SED-Führung gebraucht wurde, mußte über diesen direkten Weg erfolgen, um das Funktionieren des wichtigsten bewaffneten Machtorgans in ihrem Sinne zu garantieren. Daß es kein Abweichen von der bisher durchgesetzten Linien geben durfte, bestätigte das Politbüro noch einmal ausdrücklich189. In dieser Richtung immer wieder aktiv zu werden, blieb ein wichtiges Element aller weiteren sicherheits- und militärpolitischen
Überlegungen.
Die weitere Stärkung der Polizei sowie die Vorbereitungen zur Ausbildung militärischer Kader in den kasernierten Bereitschaften und Schulen erfolgte vor dem Hintergrund der Bildung von zwei deutschen Staaten, die mit ihrem Entstehen in die sich feindlich gegenüberstehenden Systeme einbezogen wurden190. Die Gründung der Bundesrepublik aus den drei ehemaligen Westzonen war am 7. September 1949 vollzogen. Eine Delegation des Zentralsekretariats der SED reiste deshalb vom 19. bis 28. September nach Moskau, um vom Zentralkommitee der KPdSU die weiteren Vorgaben für die Entwicklung der SBZ zu erfahren. Endlich gab es dort eine positive Antwort auf die Frage, ob auch in der SBZ eine provisorische deutsche Regierung gebildet werden dürfe191. Nachdem sich die Hoffnungen der Sowjetuion zerschlagen hatten, mit Hilfe der SED die Bildung der Bundesrepublik zu verhindern, sollte der Einfluß auf Deutschland wenigstens durch die Gründung eines Staates auf dem Territorium ihrer Besatzungszone unter ihrer weiteren Kontrolle gesichert werden. Die SED-Führung war mit der ihr übertragenen Aufgabe, als führende politische Kraft zu agieren, zufrieden. Es war ihr nicht gelungen, politischen Einfluß in ganz Deutschland zu gewinnen, aber die Anstrengungen zur Sicherung aller entscheidenden Machtpositionen in der SBZ hatten sich gelohnt. Die praktische Ausgestaltung ihrer politischen Alleinherrschaft mußte nun nur konsequent fortgesetzt werden192. Am 7. Oktober 1949 erklärte sich der Deutsche Volksrat zur Provisorischen Volkskammer der DDR und setzte die Verfassung in Kraft. Der zweite deutsche Staat verstand sich als antifaschistisch-demokratische Alternative zur Bundesrepublik. Sicherheits- und militärpolitische Fragen spielten in der Verfassung keine Rolle. Sehr allgemein wurde '"
189 190
I9'
Vgl. Diskussionsbeiträge Würzburgers und Dankers auf der 2. PK-Tagung der Polizei am 879.9.1949, BArch P, Mdl 7/102, Bl. 161-164 bzw. Bl. 222. Vgl. Protokoll Nr. 43 der Sitzung des Politbüros vom 10.9.1949, ZPA, IV/2/43. Vgl. Beitrag Thoß, S. 74 ff. Vgl. handschriftliche Notizen Piecks zur Einleitung der Besprechung am 19.9. 1949, ZPA,
NL 36/695, Bl. 108-121. 192
Vgl. Suckut, Innenpolitische Aspekte, S. 370-379.
Zu den Anfängen der Sicherheits- und Militärpolitik der SED-Führung
189
im Artikel 4 festgehalten, daß jeder Bürger verpflichtet sei, »im Sinne der Verfassung zu handeln und sie gegen ihre Feinde zu verteidigen«. Im Artikel 5 hieß es weiter, daß kein Bürger an »kriegerischen Handlungen teilnehmen« dürfe, »die der Unterdrückung eines Volkes dienen«193. Ministerpräsident Grotewohl stellte in seiner Regierungserklärung vom 12. Oktober zudem fest: »Der Weg des Friedens, den die Regierung zu gehen entschlossen ist, enthält auch die Anerkennung der uns auferlegten Reparationsverpflichtungen, den Kampf gegen den Geist des Faschismus und Militarismus und deren organisatorische Wiederbelebung, die Errichtung eines demokratischen Staatswesens und die Herstellung friedlicher und freundschaftlicher Beziehungen zu allen Völkern der Erde194.« Die Regierung der DDR konnte und mußte zunächst weiter darauf verzichten, ein eigenständiges sicherheits- und militärpolitisches Konzept auszuarbeiten. Militärische Formationen oder deutsche Streitkräfte durfte es entsprechend den Bestimmungen des Potsdamer Abkommens nicht geben. Eine nachträgliche »Rechtfertigung oder Erklärung« der schon begonnenen Militarisierung und Aufrüstung als »notwendige Vorleistungen« zum Schutz der neuen Ordnung verbot sich ebenfalls. Schließlich erhob die SED-Führung von Anfang an den Anspruch, daß die DDR den »besseren deutschen Staat« verkörpere. Es gab keinen Grund, die bisherigen »Erfolge« bei der Aufstellung bewaffneter Machtorgane zu propagieren. Die notwendigen Mittel zur Ausschaltung aller möglichen Gegner der neuen Ordnung sowie zur Sicherung der Grenzen waren vorhanden, und die SED-Führung verfügte über den notwendigen Einfluß auf sie. Aus der DVdl ging das Ministerium des Innern (Mdl) mit Karl Steinhoff an der Spitze hervor. Es wurde nun offiziell zu der Einrichtung, als die es 1946 gebildet worden war das zentrale Fühfür alle bewaffneten Kräfte. rungsorgan Der Schutz des Territoriums gegen mögliche Angriffe von außen lag noch voll in den Händen der UdSSR. Diese hatte zwar viele Funktionen der Besatzungsbehörden an deutsche Organe übertragen, behielt aber mit der Sowjetischen Kontrollkommission (SKK) die Entwicklung in ihrer Besatzungszone fest in der Hand. Dabei konnte sie sich auf die SED als Verbündeten auch weiterhin voll verlassen. Im Zusammenhang mit der Konstituierung der zentralen Staatsorgane der DDR erfolgte Ende Oktober 1949 im Mdl die Bildung der Hauptverwaltung Ausbildung (HVA). Der Minister des Innern ernannte Generalinspekteur der VP Zaisser zu ihrem Leiter195. Die HVA war dem Innenminister direkt unterstellt, was ihre besondere Stellung unterstrich. Zu ihrem Bestand gehörten die Schulen und Bereitschaften der ehemaligen Verwaltung für Schulung. Daraus resultierte auch ihre Aufgabe. Sie hatte den begonnenen organisatorischen und strukturellen Aufbau der Schulen und Bereitschaften fortzusetzen, um die personellen und materiellen Voraussetzungen für die Ausbildung der militärischen Kader einer künftigen Armee zu sichern. Die dabei zu lösenden Probleme ähnelten denen, die man auch schon in der Verwaltung für Schulung hatte. Nach wie vor mangelte es an der für die Ausbildung unbedingt —
193 194
195
Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik, S. 10. Regierungserklärung des Ministerpräsidenten Otto Grotewohl vom mente zur Außenpolitik, Bd 1, S. 25. Vgl. Bericht über Entstehen, BA MZAP, Pt 2073, Bl. 7. Die
12. Oktober 1949, in: Doku-
190
Wolfgang Eisen
Ausrüstung. An Waffen verfügten die Schulen und Bereitschaften über Pistolen, Karabiner, Maschinenpistolen, leichte und schwere Maschinengewehre, einige 80-mm-Granatwerfer und 20-mm-Bordkanonen. Dazu kamen Kleinkaliber- und Luftgewehre sowie Leuchtpistolen. Munition gab es kaum, und ein Teil der notwendigen
Technik und
Waffen funktionierte nicht. Das sollte sich ändern, da sich die SKK dafür einsetzte, daß dieser Bereich der VP seinen Aufgaben besser gerecht werden konnte. In den regelmäßigen Besprechungen zwischen der SED-Führung und den Vertretern der SKK über alle Fragen des staatlichen und wirtschaftlichen Aufbaues der DDR spielten daher auch immer wieder die Probleme der Ausgestaltung der bewaffneten Organe eine Rolle196. Trotzdem konnten schnelle Erfolge in der militärischen Ausbildung nicht erwartet werden. Die Bereitstellung von Ausbildungstechnik hing nicht zuletzt auf beiden Seiten von den finanziellen Möglichkeiten ab, die entsprechend der ökonomischen Situation sehr beengt waren197. Dazu kam noch ein weiterer Gesichtspunkt, der in diesem Zusammenhang offensichtlich eine Rolle gespielt hat. Die sowjetische Seite war zwar weiter daran interessiert, auch den Aufbau der bewaffneten Organe der DDR zu ermöglichen und zu unterstützen, aber andererseits wollte sie die Kontrolle über den Stand der Ausbildung und die dazu erforderliche Technik und Bewaffnung nicht aus der Hand geben. Die spärliche, auf das Notwendigste beschränkte Bereitstellung der Waffen und Geräte läßt den Schluß zu, daß man gegenüber den deutschen bewaffneten Kräften vorsichtig oder sogar mißtrauisch blieb. Dazu kam, daß man von sowjetischer Seite die Westmächte nicht unnötig provozieren wollte. Schon bei der Ausrüstung der Polizeikräfte mit Schußwaffen hatte die Besatzungsmacht sich sehr zurückgehalten. Nun ging es um Panzer, Kanonen und größere Waffen für militärische Einheiten. Diese wurden zwar zur Ausbildung gebraucht, aber die damit ausgerüsteten Polizeieinheiten sollten zugleich nicht zu stark und eigenständig werden. Die dazu erforderliche Kontrolle und direkte Einflußnahme der Sowjetunion auf die Entwicklung und Ausbildung der Polizei und insbesondere der kasernierten Bereitschaften und Schulen erfolgte nicht nur über die Kontakte auf höchster Ebene zwischen der SMAD/SKK mit dem Parteivorstand der SED und den Führungsspitzen der DVdl oder des Ministerium des Innern. Seit dem 15. September 1949 wirkten in allen Bereitschaften und Schulen Angehörige der Sowjetarmee als »Gehilfen« der Leiter. Sie konnten als »Berater« damit unmittelbar vor Ort die beginnende militärische Ausbildung anleiten, die nach dem Vorbild der Sowjetarmee erfolgte198. Bei den konkreten Maßnahmen zur Vervollkommnung der militärischen Ausbildung nach Gründung der DDR wurde weiter auf strenge Geheimhaltung geachtet. Im Dezember 1949 veranlaßte die Hauptverwaltung Deutsche Volkspolizei des Mdl dazu einige spezielle Untersuchungen. Es sollte geprüft werden, über welche Möglichkeiten eventu196 197 198
Vgl. handschriftliche Notizen Piecks zur Besprechung am 10.11.1949, ZPA, NL 36/736, Bl. 5 f. Ausführliche Darstellung im Beitrag Diedrich. Vgl. Bericht über Entstehen, BA MZAP, Pt 2073 Bl. 5; Befehl Nr. 535/49 der Verwaltung für Schulung der DVdl über die Ernennung der Gehilfen der Leiter der Schulen mit dem Dienstgrad VP-Inspekteur vom 15.9.1949 und Befehl Nr. 536/49 der Verwaltung für Schulung der DVdl über die Ernennung der Gehilfen der Leiter der Bereitschaften mit dem Dienstgrad VP-Oberrat vom 15.9.1949, ebd., Pt 028.
Zu den
Anfangen der Sicherheits- und Militärpolitik der SED-Führung
191
eil zivile Verwaltungen wie Arbeitsämter, Meldestellen, Sozialversicherung oder Lebensmittelkartenstellen verfügten, um Angaben über die Struktur und Stärke der VP zusammenzustellen. Alles, was auch nur die geringste Chance dafür bot, wurde so geregelt, daß Rückschlüsse zu solchen Fragen ausgeschlossen waren199. Zu den ersten praktischen Schritten im sicherheitspolitischen Bereich nach Gründung der DDR gehörte die Eingliederung der HA Grenzpolizei in die HA Deutsche Volkspolizei im Mdl im Dezember 1949. Auch in der Grenzpolizei waren im Herbst 1949 die Bemühungen fortgesetzt worden, brauchbare Kader zu werben, die Ausbildung und den Dienst zu verbessern sowie mit Hilfe des PK-Apparates eine straffere Disziplin durchzusetzen200. Eingeschlossen in diese Anstrengungen zur effektiveren Grenzsicherung war auch die Reorganisation des »Rings um Berlin«, die mit dem Befehl Nr. 108/49 der DVdl vom 1. Oktober 1949 begann. Die Verstärkung der Sicherung und der Kontrollen an den Grenzen der Westsektoren richteten sich nicht nur gegen Schieber und Spekulanten. Auch für die Gegner des neuen Staates sollten diese Grenzen schwerer passierbar werden, was für solche Fälle verständlich war, wo Personen bereit waren, durch Sabotage oder Gewaltakte der DDR zu schaden201. Anfang 1950 bereitete die SED-Führung die Verstärkung des inneren Sicherheitsapparates vor. Auf einer Tagung des Parteivorstandes im Januar bewertete sie die Gründung der DDR als geschichtlichen »Sieg des Weltfriedenslagers«. Zugleich sah sie sich veranlaßt, auf verstärkte Aktivitäten gegen die neue Staatsmacht hinzuweisen. In der Bundesrepublik und in der DDR gebe es Kräfte, die »nicht davor zurückschreckten, Mittel der Gewalt gegen Einrichtungen und Betriebe in der DDR einzusetzen«. Daß solche Aktivitäten die innere Ordnung und in der angespannten politischen Situation auch den Frieden gefährdeten, sei nicht von der Hand zu weisen. Diese Art der Argumentation, die sich nach wie vor hauptsächlich auf die Stalinsche These von der permanenten Verschärfung des Klassenkampfes und ihre Untermauerung mit geeigneten Fakten stützte, diente zugleich als »Beweis« für »Kriegshetze und Remilitarisierung« in der Bundesrepublik, die aus der Sicht der SED zum Aufmarschgebiet eines neuen Krieges gegen die Sowjetunion und ihre Verbündeten werden sollte202. Unzufrieden war die SED-Führung aber auch mit der Entwicklung in der DDR selbst. Obwohl die DDR den »Kampf um die Einheit« Deutschlands mit ihrem »demokratischen Beispiel, ihrer wirtschaftlichen Entwicklung sowie ihrer fortschrittlichen Kultur« für sich entscheiden wollte, gab es Probleme vielfältiger Art, die immer wieder Gegenstand der Besprechungen zwischen dem Parteivorstand und der SKK waren203. Im Zentralsekretariat rechnete man insbesondere mit weiterem Widerstand der CDU und 199
i» 201
a« 21,3
Vgl.
Schreiben der Hauptverwaltung Volkspolizei, Sekretariat, Abteilung Organisation, an den stellvertretenden Chef der VP zur Geheimhaltung von Struktur und Stärke der VP, 3.12. 1949, BArch P, Mdl 7/14, Bl. 175-178. vgl. Protokoll der polizeilichen Beratung vom 30.9.1949, ebd., Mdl 7/8, Bl. 163 ff. Vgl. Schreiben der Abteilung Grenzpolizei, Ring um Berlin, an die Hauptabteilung Grenzpolizei vom 19. 11. 1949 zum Termin über die organisatorische Entwicklung der Grenzpolizei, BA MZAP, Pt7433, Bl. 126 ff. Vgi Protokoll der 24. Tagung des PV der SED am 10711.1.1950, ZPA, IV 2/1/76. Vgl. handschriftliche Notizen Piecks zur Besprechung am 23.1.1950, ebd., NL 36/736, Bl. 35-38.
192
Wolfgang Eisen
LDPD gegen die Vormachtstellung der SED204. Was lag näher, als geeignete Schritte zur Verstärkung der inneren Sicherheit einzuleiten. Am 26. Januar 1950 faßte die Regierung der DDR den »Beschluß über die Abwehr gegen Sabotage«. Angesichts der zunehmenden Agenten-, Spionage- und Sabotagetätigkeit sollten geeignete Organe geschaffen werden, die eine Verfolgung dieser Täter ermöglichten205. Damit war die Gründung des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) vorprogrammiert, die am 8. Februar 1950 auf Beschluß der Provisorischen Volkskammer der DDR erfolgte. In einem Brief teilte der Stellvertretende Ministerpräsident, Ulbricht, dem Präsidenten der Volkskammer, Johannes Dieckmann, am 17. Februar mit, daß nach der Umwandlung der Hauptverwaltung zum Schutz des Volkswirtschaft der bisherige Chef der HVA, Zaisser, als neuer Minister des MfS berufen werde. Als Staatssekretär ernannte man den Chef der Hauptverwaltung zum Schutz der Volkswirtschaft, Mielke206. Damit entstand ein Ministerium, das für die Bekämpfung der inneren Opposition wie bei der Organisation der Geheimdiensttätigkeit gegen andere Staaten die entscheidende Rolle spielten sollte207. Entscheidungen über die weitere Verbesserung der materiellen Voraussetzungen für die militärische Ausbildung in der HVA fielen in einem der Koordinierungsgespräche zwischen der SKK und den höchsten Parteiführern am 4. Februar 1950. Aus den Gesprächsnotizen Piecks ging hervor, über welche Waffen die HVA zusätzlich zu den vorhandenen in der bevorstehenden Ausbildungsphase verfügen konnte. Die Übergabe erfolgte im März/April 1950. Besprochen wurde auch die Einrichtung einer Marineschule sowie einer Bootswerft zum Bau von Kuttern für den Küstenschutz208. Dennoch blieben die materiellen Voraussetzungen für die Bereitschaften und Schulen unbefriedigend. Der Bestand an Handfeuerwaffen umfaßte viele unterschiedliche Modelle und Bauarten aus mehreren Ländern. Munition stand kaum zur Verfügung. Die wenigen Artilleriewaffen, darunter schon seit Dezember 1949 Panzerabwehrkanonen, 100-mm-Kanonen, schwere und leichte Feldhaubitzen, Fliegerabwehrkanonen und Granatwerfer, konnten nur für Ausbildungs- und Lehrzwecke verwendet werden. Weiterhin fehlten der HVA geeignete Übungsplätze209. Unter diesen Bedingungen konnte die praktische militärische Ausbildung nicht auf dem Niveau erfolgen, das in der theoretischen Planung vorgegeben war. Der Anfang 1950 erreichte Grad der Ausrüstung und der Stand der Ausbildung machten deutlich, daß es noch »großer Anstrengungen« bedurfte, bis daraus »einsatzfähige militärische Verbände« hervorgingen.
Vgl. Suckut, Innenpolitische Aspekte, S. 379 ff. Vgl. ND, 28.1.1950. Vgl. Brief des stellvertretenden Ministerpräsidenten, Ulbricht,
an
den Präsidenten der Volkskam-
Dieckmann, 17.2. 1950, ZPA, NL 182/1194. Zu Aufbau und Entwicklung des MfS generell Fricke, DDR-Staatssicherheit. Vgl. handschriftliche Notizen Piecks zur Besprechung am 4.2.1950, ZPA, NL 36/736, Bl. 50 f. Er notierte folgende Posten: 1272 Karabiner, 1272 Maschinenpistolen, 141 leichte und 141 schwere mer,
Maschinengewehre,
141 Minenwerfer 82 mm, 42 Minenwerfer 120 mm, 33 Kanonen 76 mm, 30 Haubitzen 30 mm, 9 Haubitzen 122 mm, 15 Panzer T 34, 15 Artilleriegeschütze 76 mm und 15
Panzerwagen. Vgl. Bericht über Entstehen, BA MZAP, Pt 2073, Bl. 36-39.
Zu den
Anfängen der Sicherheits- und Militärpolitik der SED-Führung
193
wichtiges Mittel, um vorhandene Mängel zu kompensieren, war für die SEDFührung stets eine Verbesserung der politisch-ideologischen Arbeit. Mit Hilfe der Parteiarbeit in den Grundorganisationen der SED in der HVA sollten die Ausbildung und Erziehung auf das erforderliche Niveau gebracht werden. Um die damit verbundenen Aufgaben allen Mitgliedern in der HVA bewußt zu machen, wurde die erste zentrale Konferenz der Parteiorganisationen der SED in der HVA am 18719. März 1950 durchgeführt. Die Resolution der Konferenz enthielt die Forderungen, daß jedes Parteimitglied die »fachliche Ausbildung mit allem Ernst« betreiben und sich für eine »eiserne Disziplin« einsetzen müsse. Die Parteiorganisationen bekamen die Aufgabe gestellt, verstärkt darauf einzuwirken, daß alle Angehörigen der HVA sich zur »bedingungslosen Ein
und vorbehaltlosen Freundschaft zur Sowjetunion« bekannten210. Über die Parteiorganisationen in der HVA konnte jedes Parteimitglied zur Erfüllung der Beschlüsse solcher Konferenzen oder der Parteiorgane verpflichtet werden. Damit war gewährleistet, daß in den jeweiligen bewaffneten Organen nichts geschah, was im Widerspruch zu den Interessen der SED stand und die Verwirklichung der sicherheitsund militärpolitischen Maßnahmen behinderte. Beim Aufbau und der Ausgestaltung der bewaffneten Machtmittel sorgte die SED-Führung immer wieder konsequent dafür, daß sie ihre führende Rolle durchsetzte und damit allein über diese entscheidenden Machtmittel verfügte. In der HVA setzte man im ersten Halbjahr 1950 alles daran, die begonnene militärische Ausbildung entsprechend dem geplanten Ablauf durchzuführen. Seit dem 26. April 1950 war dafür als neuer Leiter der HVA VP-Generalinspekteur Hoffmann zuständig2". Nach Verlegung oder Auflösung einiger Dienststellen seit Beginn des Jahres gab es nun 10 VP-Schulen und 38 VP-Bereitschaften. Dazu kamen einige Dienststellen für die spezielle Ausbildung des Sanitätspersonals, der Sportoffiziere, der Techniker usw.212. Die im Februar von der Sowjetischen Kontrollkommission zugesagten Waffen waren inzwischen geliefert worden. Um sie für die Ausbildung nutzen zu können, mußten die dazu erforderlichen taktisch-technischen Daten und Beschreibungen von der SKK beschafft werden, was über den Tisch Ulbrichts im Parteivorstand lief13. Auch die Beschaffung der Munition für im Sommer geplante Übungsschießen wie die Zuweisung der Schießplätze durch die SKK mußten über ihn beantragt werden214. Das galt ebenfalls für die Beschaffung von Waffen für andere Bereiche der VP215. Diese Beispiele unterstreichen, daß auch nebensächliche Detailfragen nur mit Zustimmung und Unterstützung des zuständigen Sekretärs des Zentralsekretariats getroffen werden durften. Das 2,0 211
212
213
214
2,5
Resolution der 1. Parteikonferenz in der HVA, ebd., Pt 694, Bl. 97 ff. Vgl. Befehl 57/50 der HVA über Berufung von Generalinspekteur Hoffmann zum Leiter der HVA, ebd., Pt 005. Vgl. Bericht über Entstehen, ebd., Pt 2073, Bl. 8 f. Vgl. Schreiben HVA an Ulbricht zur Beschaffung von sowjetischen Vorschriften vom 4.5.1950, ZPA, NL 182/1096, Bl. 11. Vgl. Schreiben der HVA an Ulbricht zur Übermittlung an Generalmajor Petrakowski von der SKK vom 5.5.1950, BA MZAP, Pt 04, Bl. 12. Vgl. Schreiben des Chefs der DVP an Ulbricht zur Beschaffung von Waffen und Munition vom 24.5.1950, ZPA, NL 182/1096, Bl. 200.
194
Wolfgang Eisen
entsprach dem Selbstverständnis der SED-Führung zur Durchsetzung ihres Führungsanspruchs in diesem Bereich. Es gab aus dieser Sicht keine unwichtigen Fragen. Eine Überprüfung der polizeilichen und politischen Ausbildung in der HVA im Juni 1950 zeigte erneut, daß es nach wie vor erhebliche Mängel gab. Die von der militärischen Abteilung der SKK vorgegebenen Ausbildungsziele konnten nicht realisiert werden. Das lag teilweise an den immer noch unzulänglichen materiellen Ausbildungsbedingungen, aber auch an den ungenügenden Fähigkeiten der für die Ausbildung zuständigen Offiziere. Es fehlten häufig Ausbildungsunterlagen. Man behalf sich mit Wehrmachtvorschriften, bis nach und nach die Übersetzungen der sowjetischen Dienstvorschriften vorlagen. Oft wirkten sich die schlechten Lebensbedingungen in den Kasernen negativ auf das Dienstgeschehen aus. Zu den Ursachen dafür gehörten die oftmals schlechte Unterbringung und die unbefriedigende Ausstattung der Unterkünfte
ebenso wie das undisziplinierte Verhalten mancher VP-Angehöriger in den Unterkünften, was das Kasernenleben nicht einfacher machte216. Am 15. Juni 1950 erfolgte die Bildung der Hauptverwaltung Seepolizei (HVS) im Mdl, um mit der Ausbildung militärischer Kader der zukünftigen Seestreitkräfte beginnen zu können. Der Personalbestand rekrutierte sich vor allem aus dem Bereich der Wasserschutzpolizei und den Kräften des Küstenschutzes der Grenzpolizei217. Die Vorbesprechungen dafür waren schon im März 1950 zwischen SKK und führenden Funktionären der SED erfolgt218. Die Besetzung der Leitungsfunktionen stimmte Ulbricht im Mai mit der SKK ab. Als Leiter der HVA wurde VP-Generalinspekteur Waldemar Verner
eingesetzt219.
Im Sommer 1950 bereitete die SED ihren III. Parteitag vor, auf dem der weitere Kurs zur Entwicklung der DDR abgesteckt werden sollte. Der Ausbruch des Koreakrieges im Juni 1950 hatte politische und militärische Reaktionen in beiden sich gegenüberstehenden Systemen in Gang gebracht, die auch für die DDR als potentiellen Verbündeten der UdSSR nicht ohne Konsequenzen blieben. Auf der Delegiertenkonferenz der Parteiorganisationen der HVA im Juli 1950 wurde angesichts dieser Entwicklung beschlossen, den Parteimitgliedern und darüber hinaus allen anderen VP-Angehörigen bewußt zu machen, daß eine »ernste Kriegsgefahr« bestehe. Deshalb sollten sie an Hand konkreter Beispiele zum »glühenden Hass« gegenüber den »imperialistischen Kriegsbrandstiftern« erzogen werden. Das erforderte von allen Parteimitgliedern die feste Überzeugung, daß der Krieg nur verhindert werden könne in engster Freundschaft mit der Sowjetunion und den Ländern der Volksdemokratien. Im Falle einer Aggression sei es die Pflicht des deutschen Volkes, gegen die Aggressoren zu kämpfen und die Sowjetarmee in der Herbeiführung des Friedens zu unterstützen22". Damit war eine erste allge216 217
218
Vgl. Bericht über die Überprüfung der HVA vom 7.-10.6.1950, BA MZAP, Pt 052. Vgl. Bericht über Entstehen, ebd., Pt 2073, Bl. 21 f. Vgl. handschriftliche Notizen Piecks zur Besprechung mitCujkov und Iljitschow am ZPA, NL 36/736, Bl. 100.
219
220
Vgl.
29.3. 1950,
Schreiben Ulbrichts an den Vorsitzenden der SKK, Cujkov, vom 26.5.1950, ebd., NL 182/1195. Vgl. Resolution der Delegiertenkonferenz der SED in der HVA zur Vorbereitung des III. Parteitages, Berlin, 172.7.1950, BA MZAP, Pt 694, Bl. 39 ff.
Zu den
Anfangen der Sicherheits- und Militärpolitik der SED-Führung
195
meine Orientierung für die weitere Ausgestaltung der HVA gegeben. Es ging um die weitere Forcierung der militärischen Ausbildung in der HVA und die Entwicklung der dazu notwendigen Motivationen bei den VP-Angehörigen.
Die Sicherheits- und
Militärpolitik nimmt Konturen an
Auf dem III. Parteitag der SED, der vom 20. bis 24. Juli 1950 in Berlin stattfand, stand der direkte Kurs zum Aufbau des Sozialismus noch nicht zur Debatte. Es war der SEDFührung nicht gelungen, die Vorbehalte in der Bevölkerung gegen eine Entwicklung nach dem Vorbild der Sowjetunion abzubauen221. Der Versuch, sich wenigstens als Verbündeter der Sowjetunion im Falle eines Krieges zu präsentieren, war im März 1949 schon einmal mißlungen. Eine zu frühe Festschreibung auf den Sozialismus als Nahziel hätte von der CDU oder der LDPD eventuell gegen die Politik der SED genutzt werden können, was es zu verhindern galt. Für den Oktober 1950 waren außerdem Wahlen zur Volkskammer geplant, bei der die SED über die Einheitslisten im demokratischen Block als Sieger hervorgehen wollte222. In der Führung der SED war man einerseits bereit, alles zu tun, um einen sozialistischen Staat nach den eigenen Vorstellungen zu errichten. Andererseits durfte man die Hoffnungen der Menschen in der DDR auf ein einheitliches Deutschland nicht ignorieren. Außerdem erwartete die Führung der KPdSU immer noch, daß die SED mit einer gesamtdeutschen »Politik zur Erhaltung und Sicherung des Friedens, für eine einheitliche und unabhängige demokratische deutsche Republik« zum Zuge kam223. In einem Telegramm an Stalin versprach die SED-Führung sogar, eine »ernste Wendung des Kampfes der Friedenskräfte und der Kräfte der Demokratie« zu erreichen224. Es erwies sich als recht schwierig, alle diese Momente in ein politisches Konzept einzupassen. Im Bericht des Parteivorstandes nannte Pieck als Ziel den Kampf um den Frieden, den es nur geben könne, wenn die Zerreißung Deutschland überwunden werde. Dazu sei die »Nationale Front« als breite Basis zu gewinnen. Die wirtschaftlichen Grundlagen dafür sollten durch die »Entfaltung der Friedenswirtschaft« mit Hilfe eines »großangelegten und langfristigen Wirtschaftsplanes« entstehen. Über die angestrebte »wirtschaftliche Stabilisierung«, die »Erweiterung des sozialistischen Sektors in der Volkswirtschaft« und die daraus erwachsenden Möglichkeiten zur »Verbesserung der Lebensbedingungen« erhoffte die SED-Führung eine Stabilisierung der Machtverhältnisse zu erreichen225. Damit setzte sie ihre bisher betriebene Politik in Anpassung an die veränderten inneren und äußeren Bedingungen fort. Aus ihrer Sicht hatte es sich bewährt, zur Durchsetzung ihres Herrschaftsanspruches die dazu erforderlichen ökonomischen, politischen sowie sicherheits- und militärpolitischen Maßnahmen aufeinander abzustimmen.
221 222 223 224 225
Vgl. Suckut, Innenpolitische Aspekte, S. 379. Vgl. Staritz, Aufbau des Sozialismus, S. 692-695. Vgl. Protokoll des III. Parteitages, Bd 2, S. 231-242. Vgl. ebd., Bd 1,S. 180. Vgl. ebd., S. 71-108.
196
Wolfgang Eisen
Auch die Verschärfung der Widersprüche im internationalen Rahmen durch den Ausbruch des Koreakrieges blieb nicht ohne Einfluß auf die weitere Politik der SEDFührung zur Errichtung des Sozialismus. Sie leitete aus der entstandenen politischen Situation ernsthafte Gefahren für den Frieden ab. Er wurde als möglicher Ausgangspunkt eines neuen Weltkrieges bewertet, der dann als Krieg der imperialistischen Großmächte unter Führung der USA gegen das sozialistische Weltsystem, als Fortsetzung der Klassenauseinandersetzung zwischen Fortschritt und Reaktion mit militärischen Mitteln zu führen war226. Die Bundesrepublik habe in den militärischen Plänen der USA die Rolle als »Provokations- und Aufmarschgebiet des Imperialismus« und als »potentieller Kriegsentfessler« übernommen227. Am Beispiel des Koreakrieges sollte in der politisch-ideologischen Arbeit die Diskussion über gerechte und ungerechte Kriege geführt werden, um die Überzeugung zu entwickeln, daß der Frieden unter konkreten politischen Bedingungen auch mit der Waffe verteidigt werden müsse228. Auf diese Weise hoffte man die weitverbreiteten Vorbehalte gegen alles, was mit Waffen und Militär zu tun hatte, abbauen zu können. Für den Fall, daß die »imperialistischen Aggressoren das verbrecherische Abenteuer eines Krieges gegen die Sowjetunion« wagen würden, müsse das »deutsche Volk mit allen Kräften die Sowjetunion und das Friedenslager in ihrem Kampfe gegen die imperialistischen Aggressoren« unterstützen229. Damit knüpfte die SED-Führung offensichtlich an die in den Beschluß des Politbüros vom 1. März 1949 gesetzte Hoffnung an, daß angesichts der angenommenen Kriegsgefahr und der tatsächlichen Verschärfung des Kalten Krieges zwischen beiden Systemen nun diese Forderung Akzeptanz finden könnte. Das war eine klare Stellungnahme der DDR, auf wessen Seite sie stand und was sie im Falle eines Angriffs auf die UdSSR zu unternehmen gedachte. Welche Mittel und Möglichkeiten sie dabei zur Verfügung hatte, wurde nicht so deutlich ausgesprochen. Auch auf diesem Parteitag hielt sich die SED-Führung noch damit zurück, ein sicherheits- und militärpolitisches Konzept vorzustellen. Sehr allgemein wurde lediglich beschlossen, daß die »Volkspolizei, die Organe der Staatssicherheit und der Justiz« weiter zu festigen seien230. Mit der auf dem III. Parteitag beschlossenen Politik waren die weiteren Schritte auf dem Weg zu einem sozialistischen Staat nach sowjetischem Muster vorgegeben, ohne dieses Ziel als solches allzu vordergründig zu präsentieren. Die politischen und ökonomischen Machtpositionen der SED sollten konsequent ausgebaut werden. Mit dem »Kampf um die Einheit Deutschlands auf demokratischer Grundlage« blieb die Hoffnung der SED-Führung verbunden, ihren politischen Einfluß doch noch auf ganz Deutschland auszuweiten. Die Blockparteien hatten sich der SED weiter unterzuordnen. Welche Maßnahmen notwendig waren im zweiten Halbjahr 1950, um den wichtigsten Bereich der VP, die HVA, als militärisches Machtorgan zu stärken, sollte sich im Ergebnis einer Überprüfung der Schulen und Bereitschaften im Juli/August herausstel226 227 228
229 230
Vgl. ebd., S. 29-38. Vgl. ebd., Bd 2, S. 227-234. Vgl. ebd., Bd 1,S. 28-33. Vgl. ebd., S. 37. Vgl. ebd., S. 65.
Zu den
Anfängen der Sicherheits- und Militärpolitik der SED-Führung
197
len. Zwar konstatierte man allgemein gute Fortschritte in der politischen und fachlichen Entwicklung der VP-Angehörigen, aber die Aufzählung der noch vorhandenen gravierenden Mängel blieb recht umfangreich. Die Offiziere lösten die ihnen übertragenen Aufgaben meist nur formal, ohne ihrer Verantwortung als fachliche und politische Leiter nachzukommen. Die Planung der Ausbildung erfolgte schematisch und war damit unwirksam. Die Ausbildung selbst litt unter der ungenügenden Vorbereitung der Unterführer und Offiziere. Auch die Arbeit der PK-Organe ließ sehr zu wünschen übrig. Kritisiert werden mußte weiterhin die schlechte taktische Ausbildung, die noch nicht das angestrebte Niveau hatte. Dazu kam die oft unzureichende innere Ordnung in den Schulen und Bereitschaften231. Um die Mängel abzustellen, sollten vor allem die Parteiorganisationen in der HVA und der PK-Apparat mobilisiert werden. Alle VP-Angehörigen mußten die Beschlüsse des III. Parteitages der SED »studieren« und in den Mitgliederversammlungen der Parteiorganisationen darüber diskutieren, um daraus Verpflichtungen zur Verbesserung der politischen und fachlichen Ausbildung abzuleiten. Die Verantwortung dafür, mit Hilfe der Parteiarbeit die bekannten Schwächen des Dienstbetriebes in den einzelnen Schulen und Bereitschaften zu überwinden, bekamen die PK-Stellvertreter und der PK-Apparat übertragen. Die Anleitung zur Durchsetzung einer einheitlichen politischen Linie bei der Parteitagsauswertung in allen Dienststellen der VP erfolgte in zentralen PK-Leiter-
Tagungen232. Entsprechend
den Beschlüssen des III. Parteitages, die Volkspolizei zu festigen, sich die kümmerte SED-Führung auch darum, die Polizei insgesamt besser auszubilden und auszurüsten. Ulbricht wandte sich z. B. an den Vorsitzenden der SKK, Armeegeneral Cujkov, um vor allem weitere Waffen und Munition für die Hauptverwaltungen Deutsche Volkspolizei und Schulung zu bekommen233. Auf diesem Wege fiel ebenfalls die Entscheidung über die Berufung von Karl Maron zum Chef der Deutschen Volkspolizei (DVP) im August 1950234. Selbst nach der »Übertragung der Regierungsgewalt« auf die DDR blieb es dabei, daß Entscheidungen zur Entwicklung der VP nur mit Zustimmung der SKK fielen. Die dazu erforderlichen Absprachen führte weiterhin Ulbricht als zuständiger Sekretär. Unterstützt wurde er dabei von der neugebildeten Abteilung Sicherheit (S) im Zentralkommitee (ZK) der SED, die ihm unterstand. Mit der Bildung des ZK an Stelle des ParteiVorstandes als höchstem Leitungsorgan zwischen den Parteitagen, beschlossen mit der Annahme des Statuts der SED auf dem III. Parteitag235, entstand diese Abteilung aus der Abteilung zum Schutz des Volkseigentums beim Parteivorstand236. Ihr Leiter war Chefinspekteur Gustav Röbelen. Seiner Abteilung oblag die Anleitung und Kontrolle des MfS und des Mdl, oder treffender formu231
232 233 2.4 2.5
236
Bericht über die Überprüfung der VP-Schulen und VP-Bereitschaften im Juli/August 1950, 13.9. 1950, BA MZAP, Pt 005. Vgl. Material der PK-Tagung vom 11.8.1950, ebd., Pt 044. Vgl. Schreiben Ulbrichts an Cujkov, 9.8.1950, ZPA, NL 182/1194. Vgl. Schreiben Ulbrichts anCujkov, 17.8.1950, ebd., NL 182/1195, Bl. 47. Vgl. Protokoll des III. Parteitages, Bd 2, S. 315. Akten aus dieser Abteilung des ZK der SED im ZPA liegen erst ab Mitte der fünfziger Jahre vor. Für diese Studie konnte der Bestand nicht genutzt werden. Vorhandene weitere Akten befinden sich vermutlich im Bestand des Archivs des MfS oder in den Akten des Politbüros.
Vgl.
198
Wolfgang Eisen
liert, die Durchsetzung der Beschlüsse der SED in diesen Ministerien237. Über die Abtei-
lung S konnte die SED-Führung ihren Einfluß direkt in diesen für die Sicherung ihrer Macht entscheidenden Staatsorganen jederzeit und effektiver als bisher geltend machen. Um die Disziplin insbesondere in der HVA besser in den Griff zu bekommen, regte ihr Leiter bei Ulbricht an, eine eigene polizeiliche Gerichtsbarkeit einzuführen. Es ging ihm um die strafrechtliche Verfolgung aller »jener strafbaren Handlungen, die gegen die Disziplin gerichtet sind und gröblichste Dienstverletzungen darstellen«. Gemeint waren damit vor allem Desertionen, Körperverletzungen, fahrlässige Tötungen, ausdrückliche Gehorsamsverweigerungen, Preisgabe von Dienstgeheimnissen, Verstöße gegen die Wachsamkeit usw. Als disziplinarische Bestrafungen gab es nur die Möglichkeit, 10 Tage Arrest auszusprechen oder den Betreffenden aus der Polizei zu entlassen. Als weiteren Grund für seinen Vorschlag führte Hoffmann an, daß die Verfolgung solcher Vergehen über die Organe des Justizministeriums nur selten möglich seien, »da der besondere Charakter unserer Organisation eine strenge Geheimhaltung über Dienstablauf und Dienstinhalt verlangt«. Daneben spielten auch erzieherische Momente eine wichtige Rolle, wenn man typisch militärische Vergehen in eigener Zuständigkeit erledigen konnte. Offensichtlich wollte man noch nicht einmal der Kriminalpolizei oder den Gerichten Einblick in den Charakter und die Aufgaben der HVA gewähren238. Bis zur praktischen Realisierung dieses Vorschlages verging dann doch noch einige Zeit. Der Vorstoß belegte erneut die Tatsache, daß es ein wichtiges Moment bei der Umsetzung der sicherheits- und militärpolitischen Maßnahmen der SED blieb, daß außerhalb dieses Bereiches niemand mehr als unbedingt erforderlich über die tatsächlichen Vorgänge wissen durfte. Die bewaffneten Organe konnten und sollten zum »Staat im Staate« werden, in dem nur die SED zur Verwirklichung ihrer Politik wirkte. Auch bei der Gewährleistung der inneren Sicherheit, die im Zusammenhang mit der Ausschaltung und Niederhaltung jeglicher politischer Opposition mehr und mehr zum Aufgabengebiet des MfS wurde, ließ man seitens der SED-Führung nicht nach. Insbesondere in Vorbereitung der Wahlen im Oktober 1950 wollte man den politischen Gegnern in der DDR und denen, die von außen wirksam zu werden versuchten, keinen Spielraum lassen. Man vermutete sogar »feindliche illegale Gruppen innerhalb der SED«. In einer entsprechenden Information an Pieck über Aktivitäten zur Absicherung der Wahlen hieß es unter dem Punkt »Verteidigung der demokratischen Ordnung und Gesetze«: »Die Durchführung von Prozessen gegen die Agenten des anglo-amerikanischen Geheimdienstes, die Wahlen und den friedlichen Aufbau in der Deutschen Demokratischen
Republik verhindern wollen. Verbot der Sekte >Zeugen JehovasAntifa< tat ein übriges. So kam es, daß ein Teil der Kriegsgefangenen sich zur Volkspolizei verpflichtein der Hoffnung auf eine schnellere Heimkehr. Das betrifft vor allem die 1948 Entte lassenen. Es gab andere, ohne rechten Beruf, die ihre Perspektive im Eintritt in die bewaffneten Organe< sahen, was ihnen einen gut bezahlten Job versprach. Sicher war auch eine große Zahl vor allem derjenigen, die eine Lager-, Gebiets- oder sogar Zentralschule der Antifa durchlaufen hatten, politisch für den Eintritt in die bewaffneten Kräfte< moti»waren
—
viert48.« Mitte Juli 1948 wurde Erich Mielke vom Präsidium der DVdl beauftragt, Ulbricht und dem Zentralsekretariat der SED einen Vorschlag für die Bildung einer Kommission einzureichen, die »zum Zwecke der Werbung antifaschistischer Kriegsgefangener für die Polizei in die Kriegsgefangenenlager der SU entsandt werden soll«49. Über die praktische Tätigkeit einer solchen Kommission liegen aber keine Angaben vor. Die »Werbemethoden« der sowjetischen Behörden waren in einigen Lagern oft »sehr nachdrücklich«, wie sogar in einem zeitgenössischen offiziellen Bericht konstatiert werden mußte. NKVD-Mitarbeiter »prüften« des öfteren nachts die »antifaschistische Einstellung« der Gefangenen. Wer sich im Ergebnis dieser Gespräche nicht zu einer Unterschriftslei46 47
48 49
Vgl. Notizen Piecks über Beratungen mit Tulpanov, 14.5.1948, ebd., NL 36/735, Bl. 86. Vgl. u. a. Erinnerungsbericht von G. Tschitschke, Fonds Befragungen und Erinnerungen
litärgeschichtlichen Instituts, Potsdam 1987, S.
12 f.
Kunze, Feind und Kamerad, S. 75. Protokoll der Präsidiumssitzung der DVdl, 13.7.1948, BArch P, 7/06, Bl. 2.
des Mi-
Auf dem Wege
zur
Kaderarmee
219
abgesondert50. Falsche Versprechungen der Sowjets über eine nichtkasernierte Unterbringung und über die Tätigkeit der künftigen Polizisten sollstung bereit erklärte, wurde
die Bedenken unter den Soldaten zerstreuen. Am 14. September 1948 traf der erste Transport mit den speziell für die bewaffneten Organe vorgesehenen deutschen Kriegsgefangenen aus der UdSSR über Frankfurt/Oder im Lager Fürstenwalde ein. Zur Enttäuschung der DVdl-Mitarbeiter hatten die meisten der 897 Männer des Transportes im Unterschied zu früheren sogenannten Antifa-Heimkehrem kaum eine antifaschistische Schulung besucht. Antisowjetische Stimmungen und Ablehnung waren deutlich zu spüren. Unter den Kriegsgefangenen befanden sich ehemalige Mitglieder der NSDAP sowie eine große Zahl von Berufsunteroffizieren. Zudem bestand insgesamt »eine starke Abneigung gegen Kasernierung und Uniformierung«51. Erst nachdem »«durchsickerte«, daß bei Ablehnung des Eintritts in die Polizei der Rücktransport in die sowjetischen Lager drohte und tatsächlich einige Exempel statuiert worden waren, änderte sich die Haltung der Heimkehrer. Aus den folgenden drei Transporten lehnte niemand mehr den Eintritt in die Polizeibereitschaften ab, denn Warnungen durch das Eisenbahnpersonal und die Lagerleitung in Frankfurt/Oder hatten bewirkt, daß sich die Gefangenen nunmehr mit jeglichen negativen Äußerungen zurückhielten und einige sogar befürchteten, eventuell nicht in der Polizei eingesetzt zu werden52. Insgesamt wurden in der Zeit vom 13. September bis zum 6. Oktober 1948 von den 4 934 Heimkehrern 4 774 Mann für die Polizeibereitschaften verpflichtet. Ihre soziale Zusammensetzung entsprach durchaus den Vorstellungen der SED über einen »proletarischen Kern« für die kasernierten Truppen: 81 Prozent waren Arbeiter, 8 Prozent Angestellte, 7 Prozent Bauern und 4 Prozent Handwerker oder Gewerbetreibende53. DVdl-Präsident Fischer schätzte daher im Oktober 1948 die Bedeutung der Aktion für den Polizeiaufbau hoch ein. Alle Heimkehrer seien »mit Handkuß« für die Bereitschaften geworben worden. Sein lapidarer Hinweis auf »andere Elemente«, die man ebenfalls bekommen habe, deutete aber daraufhin, daß man in dem zur Verfügung stehenden Kaderpotential keineswegs die Idealvorstellungen verwirklicht sah54. Peinliche Diskussionen entstanden, als Heimkehrer »plötzlich anfingen zu opponieren« und ihre dreijährige in der als da sie Verpflichtung ungültig betrachteten, Sowjetunion dazu gezwungen worden seien55. Das allgemeine »ideologische« Niveau der ehemaligen Soldaten und Unteroffiziere wurde daher insgesamt als »sehr schwach« eingeschätzt56. ten
50
51 52
" 54
55
56
Bericht über den ersten Heimkehrertransport im Lager Fürstenwalde, September 1948, BA, MZAP, Pt7187, Bl. 6Iff Ebd., Bl. 64. Einige Heimkehrer des 4. Transportes hatten sogar auf dem russischen Grenzbahnhof Brest einen Eisenbahnwaggon mit »Verweigerern« gesehen, die in die UdSSR zurückgebracht werden sollten. Vgl. Gesamtbericht über die Heimkehrertransporte vom Herbst 1948, ebd., Bl. 87. Vgl. ebd., Bl. 84ff. Vgl. Referat Fischers auf der Konferenz der Ministerpräsidenten in Potsdam, 10.10.1948, ZPA, IV 2/1.01/100, Bl. 65. Der sächsische Innenminister Wilhelm Zaisser hatte diese Problematik in seinem Diskussionsbeitrag auf der Ministerpräsidentenkonferenz angesprochen, ebd., Bl. 72. Gesamtbericht über Heimkehrertransporte vom Herbst 1948, 7.10.1948, BA, MZAP, Pt 7187, Bl. 88.
220
Rüdiger Wenzke
Die »48er-Heimkehrer« aus der UdSSR teilte man auf die DVdl (173 Personen) sowie auf die einzelnen Länder auf. Sie bildeten eine der wesentlichsten Grundlagen für die quantitative personelle Ergänzung der sich im Aufbau befindlichen Polizeibereitschaften. Auf Anordnung der SMAD vom September 1948 sollten sie aber keine geschlossenen Einheiten bilden. Es entstanden vielmehr Formationen, die sich wie in aus 150 ehemaligen Kriegsgefangenen und 100 anderen VP-AngehöriMühlhausen gen zusammensetzten57. Damit wollte man offensichtlich größere Konzentrationen von ehemaligen Wehrmachtsoldaten vermeiden. Die Forderung der SMAD nach täglichen Meldungen über die »Stimmung« in den Bereitschaften machte darüber hinaus deutlich, daß die sowjetischen Behörden ihr Experiment, nur drei Jahre nach Kriegsende eine große Zahl ehemaliger Kriegsgefangener unter deutscher Führung zu bewaffnen und auszubilden, mit wachen Augen und sicherlich nicht ohne Mißtrauen verfolgten. Noch zu Beginn der praktischen Aufbauphase der kasernierten Truppen, am 12. Juli 1948, hatte an der Spitze der DVdl ein entscheidendes personelles Revirement stattgefunden, das mit bestimmten Strukturveränderungen in der Polizei gekoppelt war. Der bisherige sächsische Innenminister Fischer löste Reschke in der Führung der DVdl ab. Der Wechsel im Präsidentenamt wurde bereits Anfang Juni zwischen Pieck und dem Politischen Berater des SMAD-Chefs, Semënov, beschlossen, wobei bisher nicht zu klären ist, auf wessen Initiative die Ablösung erfolgte58. Fischer, Jahrgang 1900, war in der Weimarer Republik im Militärapparat der KPD tätig gewesen. Noch in den zwanziger Jahren ging er in die UdSSR und arbeitete dort als sowjetischer »Kundschafter« sowie in verschiedenen Militärbehörden. Als Absolvent der Moskauer Militärakademie »M.V. Frunze« und Mitglied der KPR(B)/KPdSU(B) seit 1924 genoß er ohne Zweifel das besondere Vertrauen der SMAD. Unter seiner straffen Leitung wurde die DVdl zum zentralen Führungsorgan für die gesamte Polizei ausgebaut. Im Zuge der Organisationsveränderungen entstanden neue Strukturelemente, so unter anderen die Hauptabteilung Polit-Kultur (PK), die der Altkommunist Robert Bialek leitete. Vor allem aber die Aufgaben zur Schaffung militärisch orientierter Polizeitruppen erfuhren nunmehr eine konsequentere Verwirklichung. Zur Führung der Abteilungen Grenzpolizei/Bereitschaften der Länder und damit aller kasernierter Einheiten wurde die Hauptabteilung Grenzpolizei/Bereitschaften (GP/B) gebildet59. Sie war dem Präsidenten der DVdl direkt unterstellt. Zu ihrem Leiter avancierte der ehemalige Wehrmachtoberleutnant und NKFD-Angehörige Hermann Rentzsch. —
—
Wehrmachtoffiziere
Kader der ersten Stunde —
Die Übergabe einer zentralen Führungsfunktion an Hermann Rentzsch machte deutlich, daß mit dem Aufbau einer militärischen Organisation offensichtlich auch eine Wende 57 58 59
Vgl. Aktennotiz zur Anordnung der SMAD, 3.9.1948, ebd., Pt 7188, Bl. 21. Vgl. Notizen Piecks über Gespräche mit Semënov, 5.6.1948, ZPA, NL 36/735, Bl. 99ff. Vgl. Protokoll der Präsidiumssitzung der DVdl, 13.7.1948, BArch P, 7/06, Bl. 1.
Auf dem Wege
zur
221
Kaderarmee
bei der Heranziehung ehemaliger Wehrmachtoffiziere eingeleitet wurde. Bisher hatten Offiziere der einstigen Wehrmacht in der Führung der Polizei kaum eine Rolle gespielt und waren eher Ausnahmen. So befanden sich im August 1947, also ein Jahr nach Gründung der DVdl, unter den 459 Angestellten dieser Behörde insgesamt acht Reichswehr- und nur zwei Wehrmachtoffiziere60.
Anteil ehemaliger Polizei- und Wehrmachtangehöriger in der DVdl, August 1947 (in Prozent)6' Anzahl der Mitarbeiter
Leitendes Personal 36 (= 100 %)
Gesamt-Personal 459 (= 100%)
Zugehörigkeit zur Polizei bis 1933: Leitendes Personal Wachtmeister 1933-1945: Leitendes Personal Wachtmeister Dienst in der ReichswehrOffizier Unteroffizier Dienst in der Wehrmacht: Offizier Unteroffizier
19,5 2,8
2,4 0,4
8,3 2,8
1,9 1,7
16,7 2,8
1,5 1,5
5,6 28,0
0,6 10,2
Die offiziellen Einstellungsrichtlinien für die Polizei, die im Juli 1947 vom DVdl-Vizepräsidenten Mielke an die SMAD zur Bestätigung übersandt wurden, schlössen eigentlich den Eintritt ehemaliger Berufssoldaten (Offiziere und Unteroffiziere) aus62. Die Überarbeitung dieser Richtlinien ergab wenige Monate später aber schon ein etwas verändertes Bild. Nunmehr galten Berufssoldaten sämtlicher Unteroffizierdienstgrade als bedingt zugelassen, wobei ausdrücklich vermerkt worden war: »Der Bewerber muß in der Zeit seit Mai 1945 erkennbar bewiesen haben, daß er mit der faschistischen und militaristischen Denkweise gebrochen hat und treu und vorbehaltlos für die Sache der Demokratie eintreten und tätig sein will63.« Dafür genügten oft schon der Eintritt in die »fortgeschrittenste demokratische Partei«, die SED, oder einfach nur gute Beziehungen zum örtlichen sowjetischen Kommandanten.
In der Praxis galt die Polizei dennoch bereits 1947 als ein »Anlaufpunkt« für ehemalige Unteroffiziere. Das war auch darauf zurückzuführen, daß traditionell untere und mittlere Polizeidienststellungen den aus der Armee entlassenen Unteroffizieren vorbe60 61
62 63
Vgl. Personalstatistik der DVdl, 31.8.1947, ebd., 7/144, Bl. 40. Zusammengestellt nach ebd. Vgl. Einstellungsrichtlinien für die Polizei (Entwurf), 17.7.1947, ebd., 7/236, Bl. 10. Einstellungsrichtlinien für die Polizei, ohne Datum (1948), ebd., 7/132, Bl. 47.
222
Rüdiger Wenzke
halten waren, so daß viele Heimkehrer versuchten, auch nach 1945 diese Möglichkeit zu nutzen. Ihre soziale Herkunft aus der Arbeiterschicht bzw. aus dem Kleinbürgertum half ihnen dabei. Regional unterschiedlich betrug der Anteil der Wehrmachtunteroffiziere am Gesamtpersonalbestand der Polizei der Länder etwa 10 Prozent64. Größere Konzentrationen wie in Thüringen, wo sich 1947 die Leitung der Schutzpolizei zu fast 35 Prozent aus ehemaligen Berufssoldaten zusammensetzte, lagen jedoch nicht im Interesse der politisch Verantwortlichen, die dadurch die Zuverlässigkeit »ihres« bewaffneten Organs gefährdet sahen. Verschiedene Maßnahmen sollten deshalb dazu dienen, die Zusammensetzung des Personalbestands hinsichtlich des Anteils an ehemaligen Wehrmachtangehörigen stärker zu kontrollieren und zu verändern. Von der Einstellung in den Polizeidienst weiterhin ausgeschlossen blieben offiziell noch »Angehörige der Wehrmacht und wehrmachtsähnlicher Organisationen (z. B. Organisation Todt, Transportgruppe Speer, RAD) im Offiziersrang«, wenn sie nicht eine »aktive antifaschistische Tätigkeit« nachweisen konnten65. Die Situation veränderte sich indes ab 1948 spürbar. Mit der Aufstellung kasernierter Polizeiformationen entstand ein völlig neuer Zweig innerhalb der DVdl, der sich von der allgemeinen Ordnungspolizei wesentlich unterschied. Der Aufbau, die Art der Bewaffnung, die Dienstorganisation und vor allem die Aufgaben der neuen bewaffneten Kräfte erforderten nunmehr militärisches Fachwissen, das nicht allein durch die wenigen Militärkader der Kommunisten und auch nicht durch die Kenntnisse der Mannschafts- und Unteroffizierdienstgrade der ehemaligen Wehrmacht abzudecken war. Diese Aufgaben konnten nur ausgebildete und geschulte Berufskader lösen: Offiziere und Generale, die ihre militärischen Kenntnisse in der Reichswehr und vor allem in der Wehrmacht erworben hatten. Die Einbeziehung von sogenannten »klassenfremden« Militärspezialisten war keine Erfindung der SED. Bereits die »Klassiker« des Marxismus-Leninismus hatten auf die Notwendigkeit und Möglichkeit des Einsatzes militärisch geschulter Kader für den Aufbau eines neuen, proletarisch-militärischen Machtorgans verwiesen:
»Was von Offizieren zu gewinnen ist, wird gewonnen. Dies ist bei der Unmöglichkeit, in 2 Monaten Offiziere zu hexen, sehr wichtig66.« Im übrigen konnten die deutschen Kommunisten und die SMAD-Funktionäre bei der Lösung des Problems auf die praktischen Erfahrungen der Bolschewiki aus der Zeit des Aufbaus der Roten Armee zurückgreifen, die sich während des Bürgerkrieges 1918/22 mit ähnlichen Fragen konfrontiert sahen. Damals waren 60 Prozent der Kommandeursstellungen der Roten Armee nicht besetzt. Hunderttausende Unteroffiziere und zehntausende ehemalige zaristische Offiziere und Generale mußten deshalb für die Schaffung der neuen Streitkräfte herangezogen werden67. Der Führer der Bolschewiki, Lenin, hatte die Bedeutung dieser Maßnahmen nachträglich noch einmal unterstrichen: »Hätten wir sie nicht in unseren Dienst genommen und sie nicht gezwungen, uns zu dienen, so hätten wir keine Armee aufbauen können68.« M
65 **
67 68
Vgl. Berichte der Personalabteilung der DVdl, 1946/1947, ebd., 7/138, Bl. 53ff. und 76ff. Einstellungsrichtlinien für die Polizei, ohne Datum (1948), ebd., 7/132, Bl. 48. Engels, Bedingungen, S. 489. Vgl. Kawtaradse, Militärspezialisten, S. 3 ff. Lenin, Rede auf der I. Gesamtrussischen Konferenz, S. 132.
Auf dem
223
Wege zur Kaderarmee
Wie seinerzeit im russischen Bürgerkrieg wurde der Aufbau militärischer Formationen in der Sowjetischen Besatzungszone vorangetrieben, ohne daß die kommunistische Führung bereits über eine ausreichende Anzahl politisch treu ergebener, militärisch geschulter Kader verfügte. Zweifellos kannten die SED-Funktionäre die Theorien von Marx, Engels, Lenin und Stalin ebenso wie die praktischen Erfahrungen der UdSSR im Umgang mit alten Militärkadern. DVdl-Präsident Fischer ging im Herbst 1948 darauf ein:
»Unbedingt notwendig ist, einen Teil militärischer Spezialisten in die Polizei
aufzunehOffiziere und wir haben in der Arbeiterd.h. auch hohe denn Offiziere; men, sogar ganz klasse und auch in unserer Partei solche Spezialisten nicht, die die Waffenausbildung, die taktische Ausbildung und vor allen Dingen auch die Versorgung des Nachschubs, der Intendantur besorgen können und die nötigen Voraussetzungen mitbringen. Deshalb war es notwendig, von vornherein auch Kurs darauf zu nehmen, bestimmte Spezialisten in diese Arbeit einzuschalten69.«
Bereits im April 1948 hatte der Brandenburger Polizeichef Richard Staimer auf der Innenministerkonferenz einen partiellen Wandel in der Personalpolitik angeregt:
»Ich glaube, daß wir auch bereits politisch so stark sind, einige ehemalige Berufssoldaten verdauen zu können, so daß wir zur Behebung des Mangels [an qualifizierten Kadern in der Grenzpolizei] unser Tor etwas weiter öffnen und selbst Soldaten, die es zum Unteroffizier, Feldwebel u.s.w. gebracht haben, die Möglichkeit bieten, nach Bewährung in die Polizei aufgenommen zu werden70.«
Bei aller Verbindlichkeit des sowjetischen Modells vollzog sich in Ostdeutschland die Einbeziehung ehemaliger Offiziere beim Aufbau neuer bewaffneter Organe jedoch nicht streng schematisch nach dem Vorbild des »großen Bruders«. Zum einen stand der öffentliche Anspruch dagegen, einen vollständigen Bruch mit dem militaristischen Erbe der Vergangenheit und ihren Vertretern in Gestalt der alten »Offizierkaste« zu vollziehen. Nur wenige Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges war es für die sich als »Arbeiter-und-Bauern-Macht« formierende DDR politisch nicht opportun, offen auf Tausende ehemaliger Offizierkader der Wehrmacht zurückgreifen zu müssen. Das entstehende Militär sollte in seinem Sozialprofil, seiner Tradition und seinem Auftrag von Anfang an als Gegenbild zu Entwicklungen in Westdeutschland entstehen, wo sich ehemalige Wehrmachtgenerale und -Offiziere anschickten, nahezu ohne Unterbrechung die
alte militärische Elite wieder neu zu bilden. Auch war die Situation nicht mit der der Bolschewiki vergleichbar, die bei Strafe ihres Untergangs in den Jahren 1918/19 Zehntausende zaristischer Offiziere zwangsweise für Streitkräfte verpflichten mußten, um ihre gerade gewonnene politische Macht gegen äußere Feinde verteidigen zu können. Zudem trug nach 1945 die Anwesenheit sowjetischer Militärkader dazu bei, daß ei—
—
Referat auf der Konferenz der Ministerpräsidenten in Potsdam, 10.10.1948, ZPA, IV 2/1.01/100, Bl. 64f. Darüber hinaus nahm Fischer ein Jahr später auf die Erfahrungen der Bolschewiki direkt Bezug und wies sie als Vorbild für den Aufbau der bewaffneten Organe in der DDR aus, vgl. Referat auf der 2. PK-Leiter-Tagung der DVdl, 8.9.1949, BArch P, 7/102, Bl. 3 f. Diskussionsbeitrag auf der Innenministerkonferenz in Werder/Havel, 21./22.4.1948, ZPA, IV 2/13/109, Bl. 285.
224
Rüdiger Wenzke
Reihe von Fragen beim Aufbau der kasernierten Einheiten ohne den massenhaften Einsatz alter Wehrmachtfachleute gelöst werden konnte. Im Osten Deutschlands ging man deshalb den Weg, nur einen relativ kleinen Teil der dringend erforderlichen militärischen Spezialisten aus dem Offizierkorps der ehemaligen Wehrmacht auszuwählen und heranzuziehen. Dazu hatten sowjetische Offiziere und KPD-Funktionäre in den Kriegsgefangenen- und Antifalagern der UdSSR nicht selten durch Ausübung politischen und moralischen Drucks ein frühzeitig gewisses Potential willfähriger Wehrmachtoffiziere schaffen können, von denen sich ein Teil später rasch mit der SED-Politik arrangierte. Die Masse der kriegsgefangenen Offiziere lehnte aber jede Zusammenarbeit mit den Kommunisten ab. Generell hielt man den Einsatz und die Tätigkeit von Wehrmachtoffizieren in den bewaffneten Kräften weitestgehend geheim. In der späteren DDR-Propaganda wurde offiziell der Mythos gepflegt, beim Aufbau der »ersten deutschen Arbeiter-und-BauernArmee« auf die Hilfe von »Hitler-Generalen« völlig verzichtet zu haben. Im Frühsommer 1948 wurden etwa 150 Offiziere der Wehrmacht in einem Speziallager bei Moskau zusammengezogen. Für ihre Auswahl war vor allem ihr Fachwissen und eine gewisse »positive« politische Grundeinstellung ausschlaggebend. Sie konnten sich zum Dienst in der ostdeutschen Polizei verpflichten, was allgemein eine schnelle Rückkehr in die Heimat versprach. Im September 1948 trafen 5 Generale und 100 Offiziere aus der sowjetischen Kriegsgefangenschaft in der Sowjetischen Besatzungszone ein71. Die Wehrmachtgenerale, unter ihnen Generalleutnant Vincenz Müller und Generalarzt Prof. Dr. Walter Schreiber, sollten nach einem kurzen Erholungsaufenthalt in einem Heim in Rehefeld/Sa. verantwortliche Funktionen beim Aufbau der Hauptabteilung Grenzpolizei/Bereitschaften wahrnehmen: Müller als Stabschef der Hauptabteilung, Schreiber als Chef des Sanitätsdienstes; die anderen drei Generale sollten Stabchefs in den Abteilungen GP/B der Länder werden. Von den zurückgekehrten 100 Offizieren waren etwa 40 Prozent für Leitungsfunktionen auf Zonen- bzw. Landesebene vorgesehen, zumeist als Stabschefs und im Intendanturbereich. Dienstbeginn für alle war der 1. Oktober 194872. Einige ehemalige Offiziere, die aus der sowjetischen Gefangenschaft entlassen worden und bereits in der UdSSR offen ins Lager des Kommunismus übergewechselt waren, boten sich nach ihrer Rückkehr selbständig der SED-Spitze an, um, wie es in einem Schreiben an Pieck hieß, »etwas zum Aufbau und zur inneren Festigung unserer Volkspolizei beitragen zu können«73. Der SED-Vorsitzende antwortete: »Ihr Arbeitsgebiet ist außerordentlich wichtig, zumal es darauf ankommt, innerhalb der Volkspolizei eine feste zuverlässige Führung und Disziplin zu schaffen74.« Über den Einsatz hochrangiger Wehrmachtoffiziere entschieden offensichtlich Ulbricht und Pieck persönlich, bzw. sie gaben des öfteren Empfehlungen über die Einstellung oder Nichteinsteilung dieser Perne
—
—
71 72 73
74
Vgl. Schreiben Fischers an die SMAD, 14.9.1948, BArch P, 7/42, Bl. 50. Vgl. ebd. Schreiben des ehemaligen Wehrmachtmajors Herrmann Lewerenz an Pieck, 28.10.1948, ZPA, NL
36/745, Bl. 128. Antwortschreiben Piecks, 5.11.1948, ebd., S. 129.
Auf dem Wege zur Kaderarmee
225
in die Reihen der Polizei75. Einzelne Heimkehrer im Offizierrang versuchten aus unterschiedlichsten Motiven heraus, sich ihrer »Verpflichtung« zum Eintritt in die Polizei zu entziehen, was ihnen aber meist nur durch Flucht in die Westzonen gelang76. Obwohl sich im Zuge des weiteren Aufbaus der kasernierten Polizeikräfte die Personalstärken kontinuierlich erhöhten, blieb die Zahl der diensttuenden Wehrmachtoffiziere mit etwa 100 bis 150 Mann relativ konstant. DVdl-Präsident Fischer resümierte im Oktober 1948 vor führenden SED-Funktionären: »Es sind noch keine hundert Offiziere, die wir jetzt als Stabschefs und Spezialisten in den Bereitschaften aufgenommen haben, damit sie uns in der Organisation, an der Schaffung dieser Dienstzweige helfen, wo wir noch keine Spezialisten haben. An der Spitze brauchen wir sogar noch vier ehemalige Generale, die jahrelang in Antifaschulen in der Gefangenschaft zeigen konnten, daß sie mit ihren Traditionen gebrochen haben, zum mindesten theoretisch fest im Lager des Fortschritts stehen. Die erste Zeit ihrer Arbeit zeigt schon, daß sie tatsächlich ehrlich gewillt sind, alles zu geben und sogar einen Teil dessen gutzumachen, was sie früher in der Führung der Hitlerarmee mitverschuldet hatten77.« Diese »großzügig« offerierte Möglichkeit der »Wiedergutmachung« diente der SEDFührung lange Zeit nicht nur intern als Rechtfertigung für den Einsatz von hohen Wehrmachtangehörigen beim Aufbau des ostdeutschen Staates. Die »Schuldfrage« war zudem ein willkommenes moralisches Druckmittel in den Händen der SED, ehemalige Berufssoldaten wieder für den militärischen Dienst zu gewinnen. Aber ungeachtet ihres Lebensweges und ihrer politischen Einstellung haftete den »Ehemaligen« stets der Makel der nichtproletarischen Klassenherkunft und »einer für die Kommunisten schwer einschätzbaren ideellen Geistesverfassung an«78. Sie blieben in den Augen der SED eher ein notwendiges Übel, das der ständigen Kontrolle bedurfte. Im Februar 1949 befanden sich unter den circa 600 Angestellten der DVdl 19 ehemalige Offiziere, darunter 4 Generale79. Sie waren vor allem in der Hauptverwaltung Grenzpolizei/Bereitschaften (6), im Bereich Schulung (2) sowie im VP-Gesundheitswesen und in der Intendantur eingesetzt. Herausragende Führungsfunktionen hatten dabei Chefinspekteur Arthur Brandt80 als Leiter der Hauptabteilung Intendantur sowie Chefinsonen
75 76
77
78
79
"
Vgl. entsprechende Dokumente im Nachlaß Ulbricht, ebd., NL 182/902, Bl. 4 und 239. Generalarzt Schreiber bat noch im September 1948 um NichtVerwendung in der Polizei. Ulbricht und Tulpanov stimmten dem zwar zu, drängten aber darauf, Schreiber unbedingt in der sowjetischen Besatzungszone zu halten. Der Generalarzt setzte sich jedoch am 17./18.10.1948 in die Westzonen ab, vgl. Schreiben Fischers an den Chef der Innen Verwaltung der SMAD, 19.10.1948,
BArch P, 7/41, Bl. 32. Referat auf der Konferenz der Ministerpräsidenten in Potsdam, 10.10.1948, ZPA, IV 2/1.01/100, Bl. 65. Jungermann, Wehrideologie, S. 84. Vgl. Liste der in der DVdl beschäftigten ehemaligen Wehrmachtoffiziere, 12.2.1949, BArch P, 7/211,B1. 148. Arthur Brandt, ehemaliger Generalmajor, war zu diesem Zeitpunkt bereits 61 Jahre alt. Er wurde »als noch stark bürgerlich beeinflußt« eingeschätzt. Er hatte keine politischen Ambitionen, galt aber anfangs als unentbehrlicher Spezialist. Brandt war als einziger Hauptabteilungsleiter der DVdl nicht Mitglied der SED.
226
Rüdiger Wenzke
spekteur Hermann Rentzsch81 als Hauptabteilungsleiter Grenzpolizei/Bereitschaften. ehemalige Generalleutnant Müller besetzte die Dienststellung des Stabschefs der Hauptabteilung GP/B; der Wehrmachtgeneral Hans v. Weech leitete die Intendantur dieser Hauptabteilung. Hans Wulz, ehemals Generalmajor, fungierte als stellvertreten-
Der
der Leiter der Höheren Polizeischule.
Ehemalige Reichswehr- und Wehrmachtangehörige in der Volkspolizei, März 1949s2 Personalstärke Dienst in der Reichswehr:
Offizier Unteroffizier Mannschaften Dienst in der Wehrmacht: Offizier Unteroffizier Mannschaften
74 502 Mann
(=
100 %)
8 117 70
(0,01) (0,16) (0,09)
84 11931 40 736
(0,11) (16,01) (54,67)
Am 28. August trafen drei weitere Transporte mit über 3 000 ehemaligen Kriegsgefangenen aus der UdSSR ein. Unter diesen Heimkehrern befanden sich auch 134 »AntifaSchüler« und neun Wehrmachtgenerale. Letzteren galt die besondere Aufmerksamkeit der SED-Führung. In einer Mitteilung hieß es dazu: »Unsere Freunde [die Sowjets] wünschen ausdrücklich, daß bei der Aussprache mit den Generälen denselben größte Aufmerksamkeit und Höflichkeit entgegengebracht wird [...] Die Generäle wurden von unseren Freunden mit größtmöglicher Aufmerksamkeit und Achtung behandelt. Sie wurden von Moskau bis Frankfurt/Oder in 54 Stunden per Schlafwagen transportiert, hatten eine vorzügliche Bedienung und führen umfangreiches Gepäck mit sich83.« Weiter vermerkte der Bericht, daß die Generale auf Anordnung der Sowjets in der Horn-Kaserne in Frankfurt übernachteten, da es im Lager Gronenfelde nicht möglich war, sie »mit dem Komfort unterzubringen [...] weisse Betten, helle, saubere Räume usw.«84. Drei von den so hofierten Generalen (Walter Freytag, Martin Lattmann und Prof. Karl Walther) wurden als Antifaschisten eingeschätzt. Sie hatten offensichtlich ihre Be81
82 83
84
Der damals
36jährige ehemalige
Wehrmachtoberleutnant Rentzsch,
Mitglied der
KPD/SED seit
1945, verkörperte den karrierebewußten, schnell zum Kommunismus übergewechselten Offizier, über den seine neuen politischen Ziehväter meinten, er sei zwar »ohne sicheren Klasseninstinkt«, besäße aber dennoch eine klare politische Linie im Sinne der Partei, vgl. Aufstellung leitender Mitarbeiter der DVdl, 28.7.1949, BArch P, 7/211, Bl. 37. Vgl. Personalstatistiken der DVdl, März 1949, ebd. 7/163, Bl. 27 f. Mitteilung an Ulbricht betr. Transport von Heimkehrern und Generalen aus der UdSSR, 29.8.1949, ZPA, NL 182/902, Bl. 1. Ebd.
Auf dem Wege zur Kaderarmee
227
reitschaft gezeigt, in der Ostzone tätig zu werden. Den anderen sechs Generalen ging der Ruf voraus, sich weder politisch noch militärisch vereinnahmen lassen zu wollen85. Die Besetzung der Führung der Hauptabteilung GP/B mit ausgewählten Fachleuten der Wehrmacht offenbarte bereits zu diesem Zeitpunkt die eindeutige Orientierung der ihr unterstellten Einheiten. Der schnelle quantitative und qualitative Aufbau der kasernierten Truppen erforderte jedoch die Einbeziehung weiterer ehemaliger Offiziere. Zur Feststellung des vorhandenen Potentials ließ die Besatzungsmacht im Sommer 1949 von der deutschen Verwaltungspolizei Listen über alle in ihrer Zone ansässigen ehemaligen Generale und Offiziere (bis einschließlich Oberstleutnant) anfertigen. Mit speziellen Formblättern, die teilweise in russischer Sprache auszufüllen waren, sollten unter anderem Truppengattung, Alter sowie Beförderungen und Schulungen erfaßt werden86. Schon im Februar war darüber hinaus verfügt worden, innerhalb der Reihen der Grenzpolizei/Bereitschaften interne Aufstellungen über die militärischen Spezialkenntnisse der Polizeiangehörigen anzulegen, um eine spätere Auswahl und Qualifizierung dieses Personenkreises für einzelne Waffengattungen zu erleichtern87.
Die
Sicherung des Machtmonopols der SED in den bewaffneten Kräften und ihre personalpolitischen Konsequenzen
Bei der Schaffung des militärischen Grundstocks einer künftigen Armee maß die SED getreu dem Vorbild der Sowjetunion den sogenannten militärpolitischen Kadern und dem Aufbau eines parteipolitischen Apparates erstrangige Bedeutung bei. Eine zentrale Rolle spielten die Mitglieder der Partei selbst, über die die SED ihren direkten Einfluß in den Stäben und Einheiten gewährleisten konnte. Der Anteil von SED-Mitgliedern am Personalbestand der kasernierten Polizeikräfte betrug 1948/49 etwa 86 Prozent. Er lag damit um rund 6 Prozent höher als innerhalb der Gesamtpolizei, was den besonderen Stellenwert der Grenzpolizei und der Bereitschaften im Kalkül der SED-Führung unterstrich88. Zugleich wurde der Aufbau von SED-Parteiorganisationen in der Polizei verstärkt. Ein Beschluß des Zentralsekretariats sah vor, die bisherige Länderstruktur aufzulösen 85
86
87
88
Als Namen der sechs Generale sind in den Dokumenten genannt: Arnold, Breithaupt, Heinemann, Kunze, Schröder und Ulex, vgl. ebd. Vgl. Schreiben des Chefs der Verwaltung des Innern der SMAD, Generalmajor Gorochov, an Fischer betr. Kontrolle ehemaliger Generale und Offiziere, 18.5.1949, BArch P, 7/45, Bl. 49 f., sowie das »persönliche und streng vertrauliche« Schreiben Fischers an die Chefs der Landespolizeibehörden, 27.7.1949, ebd., 7/54, Bl. 76. Wenige Monate zuvor, im April 1949, hatte Fischer an Gorochov Listen übersandt, die Aufstellungen über sogenannte besondere Heimkehrer enthielten. Zu den 51 »wertvollen« Personen gehörten zu diesem Zeitpunkt u.a. die Generale Brandt, v. Weech und Wulz, die Majore Herrmann Lewerenz und Job v. Witzleben sowie die Oberleutnante Eberhard Charisius, Emmanuel Göhringer und Reinhold Tappert. Die Liste »B« enthielt die Namen von 33 »weniger qualifizierten« Offizieren, vgl. ebd., 7/45, Bl. 82 f. Vgl. Rundschreiben Nr. 53 der Abteilung Grenzpolizei/Bereitschaften Thüringen, 23.2.1949, BA, MZAP, Pt 7075, Bl. 221 f. Errechnet nach Statistiken der Personalabteilung der DVdl, BArch P, 7/165, Bl. 3.
228
Rüdiger Wenzke
und eine eigene Kreisparteiorganisation in der Volkspolizei zu schaffen. Diese unterstand direkt der obersten Parteiführung und sollte von der neu gebildeten Hauptabteilung Polit-Kultur angeleitet werden. DVdl-Präsident Fischer hob in diesem Zusammenhang hervor, daß damit die führende Rolle der Partei »absolut gesichert« sei89.
SED-Mitgliedschaft in der Grenzpolizei und in den Bereitschaften, März 1949 (in Prozent)90
kasernierten
Grenzpolizei Höhere Laufbahn Mittlere Laufbahn Untere Laufbahn PK-Mitarbeiter
87,5 89,0 86,9 100,0
Bereitschaften
100,0 89,4 58,4 97,0
Selbst im Mannschaftsbestand der Bereitschaften gehörten fast 60 Prozent des Personals der SED an. Besonderer Wert wurde aber auf die Parteimitgliedschaft der Offiziere gelegt. Sie sollte eine starke Bindung an die SED-Politik garantieren. Ab Mitte 1949 ging indes der Anteil der Parteimitglieder in den kasernierten Truppen zurück. Als Ursachen dafür können vor allem die sich verjüngende Altersstruktur sowie die im Zuge der großen Werbeaktionen gelockerten, zumeist oberflächlichen Einstellungsbedingungen genannt werden. Der bestimmende Einfluß der SED, insbesondere in der sich konstituierenden militärischen Führungsschicht, war jedoch zu keinem Zeitpunkt ernsthaft gefährdet, wenn auch bereits damals die reine Mitgliedschaft in der SED generell nichts über die politische Gesinnung des einzelnen aussagte. Zur weiteren Sicherung des alleinigen Machtanspruchs der Partei erfolgte im Frühjahr 1948 die Einführung der Institution der Polit-Kultur (PK)-Organe91. Als ihre vornehmste Aufgabe galt im Selbstverständnis der SED »die unermüdliche Arbeit zur Hebung des ideologischen, moralischen und fachlichen Zustandes der Volkspolizei«. Dazu gehörte die Erziehung der VP-Angehörigen im »Geiste der Demokratie«, zur »Liebe gegenüber der Heimat und dem werktätigen Volk«, zur Freundschaft mit der UdSSR und zum »unversöhnlichen Haß« gegen »Reaktion und Kriegstreiber«. Die Arbeit schloß ebenso die kulturelle und bildungsmäßige Betreuung der Polizisten wie die Organisation der Zusammenarbeit mit der Bevölkerung ein92. Die Schaffung der PK-Organe war für den weiteren personellen Auf- und Ausbau im Bereich der bewaffneten Kräfte in zweierlei Hinsicht von entscheidender Bedeu89
Diskussionsbeitrag
IV 90
91
92
auf der I.
2/13/110, Bl. 158.
Staatspolitischen
Konferenz in Werder/Havel, 23V24.7.1948, ZPA,
Zusammengestellt nach Statistiken der Personalabteilung der DVdl, BArch P, 7/165, Bl. 3. Vgl. Beschluß des Zentralsekretariats der SED über die Aufgaben der PK-Leiter, 19.7.1948, ZPA, 2/2.1/217, Bl. 5ff. Ulbricht ging auch auf der 12. Tagung des SED-Parteivorstandes am 28729.7.1948 auf die Rolle der neugeschaffenen Polit-Kultur-Organe ein, vgl. dazu ebd., IV 2/1/25, Bl. 29 f. Erstes Statut der PK-Organe,
September 1949, BArch P, 11/143, Bl. 4.
Auf dem Wege
zur
229
Kaderarmee
tung93. Zum einen entstand damit ein spezifischer Personalkörper, der ausgestattet mit außergewöhnlichen Partei- und staatlichen Befugnissen die Weisungen der politischen Führung direkt, bedingungs- und kompromißlos durchzusetzen bereit war. Zum anderen schuf sich die Partei ein Kontrollorgan, das die Auswahl und die Tätigkeit des Personalbestandes ideologisch und politisch zu überwachen hatte. Der PK-Stellvertreter —
—
in jedem Fall der erste Stellvertreter des Kommandeurs94. Die Parteiorganisationen der SED hatten für die Auswahl der Politfunktionäre, die »sozusagen das Auge und das Ohr«95 der Partei in den Bereitschaften sein sollten, besondere Verantwortung zu tragen. Da die »Personaldecke« der militärisch gebildeten Altkommunisten sehr dünn war und nur eine begrenzte Anzahl von ihnen aus den anderen Polizeizweigen gewonnen werden konnte, legte Fischer im Oktober 1948 fest, die PK-Mitarbeiter vor allem aus den Reihen der SED zu rekrutieren und vorerst in speziellen »politischen Fakultäten« an den Polizeischulen auszubilden96. Die Polit-Kultur-Offiziere waren grundsätzlich SED-Mitglieder und wurden in den meisten Fällen mit Parteiauftrag in die bewaffneten Kräfte delegiert. Das Statut der Politorgane sah vor, daß die PK-Leiter auf allen Ebenen »gemeinsam mit den Chefs alle grundsätzlichen Befehle, Anordnungen und Anweisungen« unterzeichnen sollten97. Dieses Recht galt bis zur Durchsetzung der sogenannten Einzelleitung in der Kasernierten Volkspolizei98. Darüber hinaus hatten die PK-Mitarbeiter das Recht, dirigistisch auf Beschlüsse der gewählten Gremien der SED und der FDJ in der Polizei einzuwirken und außer Kraft zu setzen. Damit entstand ein parteipolitisches wenn notwendig sie Befehls- und Kontrollsystem, das praktisch dem Vorbild der Kommissare in der Sowjetarmee aus den frühen zwanziger Jahren entsprach, auch wenn der neu eingesetzte Vizepräsident und Politchef der DVdl, Heinz Hoffmann, offiziell dagegen polemisierte und feststellte, daß man in der Sowjetischen Besatzungszone keine Kommissare brauche99. Die Einführung dieses Systems war anfangs zweifellos noch besonders stark auf die Überwachung ehemaliger Wehrmachtoffiziere ausgerichtet, die im Selbstverständnis der Kommunisten prinzipiell als »klassenfremde Elemente« galten. Entsprechend den war
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94
95
96 97 98
—
In der Literatur wurde auf diesen wichtigen Aspekt bisher nur punktuell eingegangen, vgl. vor allem Glaser, Errichtung, S. 336 ff. Im Jahre 1948 war Vizepräsident Mielke verantwortlich für den PK-Apparat in der DVdl. Sein Nachfolger wurde Mitte 1949 Heinz Hoffmann. Referat Fischers auf der Konferenz der Ministerpräsidenten in Potsdam, 10.10.1948, ZPA, IV 2/1.01/100, Bl. 66. Vgl. ebd., Bl. 70. Erstes Statut der PK-Organe, September 1949, BArch P, 11/143, Bl. 4. Unter Einzelleitung verstand man ein Prinzip, das die Einheit von politischer und militärischer Truppenführung verkörperte. Es beinhaltete anders als beim Kommissarprinzip die Übertragung der ungeteilten, vollen Befehlsgewalt in allen politisch-ideologischen Belangen in die Hände eines parteiergebenen Kommandeurs. Die Einzelleitung wurde in der KVP schrittweise seit Anfang der 50er Jahre durchgesetzt. Hoffmann begründete das in seinem Referat auf der 2. PK-Leiter-Tagung vom September 1949 mit dem Status der bewaffneten Kräfte als Polizei, mit der Besetzung der höheren Kommandostellen mit »treuen Söhnen der Arbeiterklasse und der Partei der Arbeiterklasse« und mit der Anwesenheit der sowjetischen Besatzungsmacht als Kontrollorgan, vgl. BArch P, 7/101, Bl. 5. —
"
—
230
Rüdiger Wenzke
sollten diese zwar »arbeiten« dürfen, mußten aber zugleich »sorgfältig« überwacht werden100. Über die PK-Organe konnte die Partei auch ihren direkten Einfluß auf die personelle Auswahl und Zusammensetzung der Polizeieinheiten verstärken. Dem Statut folgend, hatten sie dafür Sorge zu tragen, daß »neu eingestellte Volkspolizisten den werktätidie Gewähr dafür bieten, daß sie den Dienst der Volkspogen Schichten entstammend lizei als bewußte und überzeugte Demokraten ausüben«101. Die Begriffe »Demokraten« und »Demokratie« wurden dabei nur als Synonym für das Bekenntnis zur herrschenden Partei verwandt. Eine reale Vorstellung von Demokratie existierte bei den wenigsten Volkspolizisten, da deren Leben sich bisher unter der NS-Diktatur und dem sowjetischen Besatzungsregime vollzogen hatte. Die westliche Demokratie, so wie sie sich ab 1949 in der Bundesrepublik entwickelte, galt als Scheindemokratie. Zu einer der wichtigsten Aufgaben der Polit-Kultur-Offiziere gehörte von Anfang an die politische und ideologische Überwachung des gesamten Personalbestandes vom Offizier bis zum VP-Anwärter. Die Tätigkeitsfelder der »Kämpfer an der ideologischen Front«, wie sie sich im Selbstverständnis sahen102, umfaßten 1948/49 das rigorose Vorgehen gegen das »Eindringen klassenfeindlicher Ideologie«, das Aufdecken »der Gefährlichkeit Schuhmacherischer Tendenzen« und »trotzkistischer Einflüsse«, die Entlarvung von »Agenten« und »Saboteuren« ebenso wie das Zurückdrängen jeglicher westlicher Einflüsse. Ihre Aufmerksamkeit galt aber auch den immer wieder auftretenden nationalistischen und antisowjetischen Haltungen und Stimmungen in den VP-Einheiten. Neben der Überwachung durch ihren eigenen Apparat baute die SED frühzeitig auch die Organisation für eine geheimpolizeiliche Kontrolle auf. Die institutionalisierte sicherheitsspezifische Durchdringung der Bereitschaften, Schulen und Stäbe begann spätestens mit der Gründung des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) im Februar 1950. Verbindungsoffiziere des MfS nahmen in den VP-Einheiten ihre Arbeit auf, die sich aber keineswegs auf militärische Abwehraufgaben beschränkte, sondern in hohem Maße der Observation und Kontrolle des Personalbestandes diente103. Die verantwortlichen SED-Funktionäre forderten generell ein hartes Durchgreifen, was einerseits die »bolschewistische Wachsamkeit« erhöhen sollte und andererseits die Verstärkung der politischen Indoktrination der VP-Angehörigen zur Folge hatte104. Jeder Abweichung von der Parteilinie trat man energisch entgegen. Kompromisse gab es bolschewistischen
Erfahrungen
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100
101 102
103
[M
Lenin hatte 1919 formuliert: »Man muß sie arbeiten lassen, sie aber zugleich sorgfältig überwachen, indem man sie Kommissaren unterstellt und ihre konterrevolutionären Pläne durchkreuzt«, vgl. Lenin, Sitzung des Petrograder Sowjets, S. 6 f. Erstes Statut der PK-Organe, September 1949, BArch P, 11/143, Bl. 4. Peter, Politoffizier, S. 579. Da die MfS-Mitarbeiter über gesonderte Dienst- und Meldewege verfügten und nicht dem Minister des Innern unterstanden, lassen sich die Aktivitäten des MfS in den kasernierten Kräften aus den Militärakten der DDR kaum nachweisen. Weitergehende Erkenntnisse bleiben daher vor allem einer noch ausstehenden Auswertung von MfS-Akten vorbehalten. So DVdl-Vizepräsident Hoffmann in seinem Referat »Die Aufgaben der PK-Abteilung im Kampf um die ideologische Festigung der Volkspolizei« auf der 2. PK-Leiter-Konferenz, 8.9.1949, BArch P, 7/101, Bl. 2ff
Auf dem Wege zur Kaderarmee
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nicht. Das Verbot des Lesens »gegnerischer Presse« und des Hörens »feindlichen Rundfunks« in den Polizeieinheiten war nur ein Mosaikstein bei der immer komplexer werdenden Kontrolle, Indoktrinierung und Manipulierung des Personalbestandes, insbesondere ihrer sich etablierenden militärischen Führungsschicht. Die Ursachen der Mißstände in den kasernierten Einheiten wurden dagegen nicht realistisch analysiert, sondern vor allem in den »westlichen Verbindungen« eines Teils der Mannschaften, Unterführer und Offiziere gesucht. Der Befehl Nr. 2 Grundlage für die größte Säuberungsaktion in der Polizei —
Als
Bestandteil des 1947/48 beginnenden Stalinierungsprozesses der SED Ende der 40er Jahre in allen Bereichen der Gesellschaft eine »Säuberungsaktion« ein. Die These von der »Verschärfung des Klassenkampfes« sowie die Hysterie des Kalten Krieges, die sich in der Angst vor feindlichen Agenten und Saboteuren manifestierte, verbreiteten sich unter dem Einfluß Stalins schnell in den Ländern Osteuropas. Sie waren auch in der Sowjetischen Besatzungszone das Mittel zum Zweck, unter dem Mantel der Entlarvung vermeintlicher und real vorhandener feindlicher Absichten, die Macht der stalinistischen SED-Führung in allen Bereichen der Gesellschaft systematisch auf- bzw. auszubauen. Parallelen zu ähnlichen Entwicklungen in den Volksdemokratien der späten 40er und frühen 50er Jahre, gerade im militärischen Bereich, sind dabei nicht zufällig105. In diesem Zusammenhang forderte DVdl-Präsident Fischer schon im Juli 1948, die »Polizei von allen unerwünschten Elementen [zu] reinigen«106. Den eigentlichen Beginn für eine mehrjährige Überprüfungs- und Säuberungsaktion bildete sein »Befehl Nr. 2« vom 14. Januar 1949107. Ursprünglich auf die Grenzpolizei wegen ihrer zentralen politischen Bedeutung beschränkt, wurden die Bestimmungen des Befehls später auch auf andere Dienstzweige,
integraler
setzte
105
106
107
am
Vgl. u. a. Zur Geschichte der europäischen Volksarmeen. Einen Anlaß dafür lieferten die Prozesse in Ungarn (Rajk) und Bulgarien (Kostoff), in denen den Beschuldigten vorgeworfen wurde, während des Zweiten Weltkrieges mit dem amerikanischen Staatsbürger N.H. Field Kontakt gehabt zu haben und weiter mit westlichen »Geheimdiensten« in Verbindung zu stehen. In diesen Zusammenhang läßt sich auch der Beschluß des Parteivorstandes der SED vom 29.7.1948 »Für die organisatorische Festigung der Partei und für die Säuberung von feindlichen und entarteten Elementen« einordnen, vgl. Dokumente der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, Bd 2, S. 83ff. Diskussionsbeitrag auf der I. Staatspolitischen Konferenz in Werder/Havel, 23724.7.1948, ZPA, IV 2/13/110, Bl. 158. Kurz zuvor hatte ein hochrangiger SMAD-Vertreter in einem Brief an Fischer gefordert, »Verbrechen gegen die bestehende antifaschistische Ordnung« und gegen »Vertreter der Macht« in der SBZ mit aller Härte zu bekämpfen, BArch P, 7/45, Bl. 242f. Befehl Nr. 2 des Präsidenten der Deutschen Verwaltung des Innern in der sowjetischen Besatzungszone über die Festigung der Grenzpolizei, BA, MZAP, Pt 7005, Bl. 4 ff. Dem Befehl Nr. 2/49 lag wahrscheinlich ein gleichlautender Befehl bzw. eine Anordnung der SMAD zugrunde. In der Literatur wurde bisher generell von einem erst am 30.5.1949 datierten »SMAD-Befehl Nr. 2« ausgegangen, vgl. Koop, Chronik, S. 45. Ein solches Dokument konnte aber bislang nicht ermittelt werden.
232
Rüdiger Wenzke
insbesondere auf die entstehenden kasernierten Einheiten der Verwaltung für Schulung und der Hauptverwaltung für Ausbildung angewandt108. In der Präambel hieß es, daß »der jetzige Personalbestand der Grenzpolizei nicht den Anforderungen entspricht, die in politischer und fachlicher Hinsicht an das Personal gestellt werden müssen«. Deshalb sei er zu überprüfen und bis auf Ausnahmen »diejenigen Grenzpolizisten aus der Grenzpolizei zu entfernen und zu den Kreispolizeiämtern, Polizeidirektionen oder Polizeipräsidien zu versetzen bzw. aus dem Polizeidienst zu entlassen, a) die Angehörige in gerader Linie in den Westzonen haben, b) die in Kriegsgefangenschaft der Westmächte gewesen sind, c) die mehrere Disziplinarstrafen erhalten haben, d) die sich moralisch oder charakterlich als unzuverlässig erwiesen haben, e) die Umsiedler sind und politisch nicht zuverlässig erscheinen.« Die Überprüfung des Personals erfolgte durch Kommissionen unter Vorsitz des Chefs der jeweiligen Landespolizeibehörde. Mitglieder der Kommissionen waren u. a. Vertreter der Hauptabteilung PK oder Personal (P) der DVdl, die PK-Leiter und Personalchefs der Landespolizeibehörde, die Leiter sowie die PK- und Personalleiter der Abteilungen GP/B in den Ländern. Nach den sollte das »Herauslösen des nicht zuverlässigen Personals aus der Grenzpolizei« erfolgen, gleichzeitig war das »Einschieben
Überprüfungen
der neuen Polizeikräfte« geplant. Brandenburg, Mecklenburg, Sachsen-Anhalt und Sachsen hatten die Bereitstellung neuer Kräfte mit eigenem Personal vorzunehmen. Thüringen, das aufgrund seiner Grenzen einen besonders hohen Personalbedarf hatte, sollte durch die Landespolizeibehörde Sachsen mit 600 »zuverlässigen Kräften« unterstützt werden. Zur Schließung der durch die Säuberungen entstandenen Lücken wies der Befehl an, daß eine entsprechende Werbung mit Hilfe der Polizeidienststellen und in »Zusammenarbeit mit der fortgeschrittensten demokratischen Partei sowie der FDJ« erfolgen mußte. Die neuen, im Verständnis von Partei und DVdl-Führung nunmehr zuverlässigen Grenzer, waren in 14-Tage-Lehrgängen für den Grenzdienst zu schulen, um rasch einsatzbereit zu sein. Der Befehl sah aber auch Maßnahmen vor, die der Verbesserung der Polit-Kultur-Arbeit sowie der Ausstattung in den Grenzeinheiten dienen sollten. Die ganze Aktion sollte weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit (»ohne besondere Ankündigung nach außen«) und vor allem in kurzer Zeit abgeschlossen werden. Die Umsetzung des Befehls Nr. 2/49 lief in den folgenden Wochen an. Eine erste Zwischenbilanz aus Sachsen erwartete die DVdl bereits im Februar 1949. Offensichtlich hatte man jedoch das Ausmaß der Aktion unterschätzt. Chefinspekteur Rentzsch mußte noch Anfang April vor leitenden Polizeikadern konstatieren, daß nicht alle Länder bei der Durchführung des Befehls mit gleicher Sorgfalt gearbeitet hätten109. Erste Teilergebnisse der Säuberungen liegen daher erst vom Frühjahr 1949 vor. Vom Januar 108
m
Die im Befehl genannten Kriterien, vor allem die »Westverwandtschaft«, wurden in der Folge auch auf die Überprüfung aller öffentlich Bediensteten und teilweise auch auf leitende Mitarbeiter von Großbetrieben und Massenorganisationen angewandt. Insofern wurde der Befehl Nr. 2 als »Säuberungsbefehl« allgemein bekannt und erhielt wahrscheinlich im Frühjahr 1949 nochmals eine spezifische Ausprägung. Vgl. Protokoll der 6. Polizeilichen Beratung, 1.4.1949, BArch P, 7/08, Bl. 3.
233
Auf dem Wege zur Kaderarmee
1. Juni 1949 sind z. B. in Thüringen insgesamt 995 Personen dokumentiert, die den Befehl Nr. 2 fielen. Davon hatten 303 Grenzpolizeiangehörige Verwandte im Westen, 348 kamen aus westlicher Kriegsgefangenschaft. Vier Personen wurden als »unzuverlässige Umsiedler« eingestuft. 340 Angehörige kamen aufgrund ihrer Disziplinarstrafen sowie »moralischer und charakterlicher« Verfehlungen auf die Listen. Bis zum 1. Juni waren von den 995 Betroffenen bereits 384 entlassen und 96 versetzt. Insgesamt standen 404 Personen zur Entlassung. 591 sollten versetzt werden. Für die freigewordenen Stellen hatte man bereits Ersatz gefunden, der in sechs Lehrgängen für den Grenzdienst ausgebildet worden war"0. In Mecklenburg mußten bis zum 1. Juni 263 Polizisten aus dem Grenzdienst ausscheiden, 48 aufgrund von Westverwandtschaft, 135 wegen westlicher Gefangenschaft und 29 Personen, weil sie »Umsiedler« waren. 51 galten aus disziplinarischen Gründen als unzuverlässig1". In den folgenden Wochen kam es in den Ländern auf Anforderung der DVdl noch mehrmals zu Überprüfungen bzw. zu Änderungen in den Listen der »Betroffenen«. Exakte, genau aufgeschlüsselte Angaben über das Gesamtausmaß der Säuberungen von 1949 lassen sich indes nur schwer aufstellen. Die Auswertung von verschiedenen Berichten und Teilberichten ergab, daß von Januar bis August 1949 etwa 3 300 Grenzpolizisten vom Offizier bis zum Wachtmeister von den Bestimmungen des Befehls Nr. 2/49 direkt betroffen waren. Diese Zahl entspricht etwa einem Drittel des Gesamtpersonalbestandes der Grenzpolizei zum damaligen Zeitpunkt. Die rigorose, undifferenzierte Durchsetzung des Befehls Nr. 2 führte in den Grenzpolizeieinheiten zu starken Verunsicherungen und stieß nicht selten auf Unverständnis. Fragen wie »Wer wird entlassen?« und »Wer wird heute an die Reihe kommen?« beschäftigten die Polizeiangehörigen in starkem Maße und ließen die Gerüchteküche kochen. Viele konnten nicht verstehen, daß man ihre Kameraden für etwas zur Rechenschaft zog, wofür sie objektiv nichts konnten, wie z.B. für den Ort ihrer Gefangenschaft. Die aufkommenden Mißstimmungen und die damit verbundenen Probleme bei der strikten Durchsetzung des Befehls machten es für die DVdl erforderlich, die allgemeinen Festlegungen vom Januar 1949 zu konkretisieren. Anfang Juli 1949 wurden dazu erste Überlegungen beraten. In einem Blitz-Fernschreiben an die Chefs der Landespolizeibehörden vom 11. Juli forderte Fischer nochmals, den Befehl Nr. 2 »in allen Dienstzweigen vernünftig entsprechend den auf der Polizeilichen Beratung vom 8.7.49 behandelten Richtlinien durchzusetzen«"2. Diese »Richtlinien«"3 beinhalteten jene Regelungen und Konkretisierungen, die bei der Überprüfung der Betroffenen beachtet werden sollten oder als sogenannte Ausnahmeregelungen galten. Dazu zählte die Einschätzung, daß für ehemalige Kriegsgefangebis
zum
unter
—
110
111
112 113
—
Vgl. Zusammenstellung über die Durchführung des Befehls Nr. Pt9078, Bl. 1. Vgl. ebd., Bl. 4. BArch P, 7/54, Bl. 71.
2 in der Länderpolizei, BA,
MZAP,
»Richtlinien über die Behandlung von ehemaligen Kriegsgefangenen der Westmächte sowie derjenigen, die Verwandte in gerader Linie in den Westzonen haben«, 8.7.1949, BA, MZAP, Pt 7076, Bl. 20ff.
234
Rüdiger Wenzke
(8.5.45) nur kurzfristig und nicht länger als bis Jahresende 1945 in westlicher Kriegsgefangenschaft waren«, der Befehl Nr. 2 nicht mehr zutraf. Eine längere westliche Gefangenschaft konnte ebenfalls als Ausnahme gelten, wenn man dort an keiner politischen Schulung teilgenommen bzw. im Lager keine Funktion innegehabt hatte. Herausgenommen waren auch Angehörige des Strafbataillons 999, die aus westlicher Gefangenschaft kamen, sowie ehemalige Widerstandskämpfer und »bewährte Antifaschisten« in westlicher Internierung, soweit sie dort nicht an politischen Schulungen teilgenommen hatten. Besonders überprüft werden sollten dagegen ehemalige Wehrmachtangehörige, vor allem Dienstgrade ab Feldwebel aufwärts, die sich bereits im Mai 1945 in Gefangenschaft befanden und »bevorzugt zur Entlassung kamen«, sowie diejenigen, die sich nach ihrer Entlassung längere Zeit in den Westzonen aufgehalten hatten. Zum Problem Jugoslawien wurde angeführt, daß die »jugoslawische Kriegsgefangenschaft der westlichen gleichzustellen [ist], wenn eine längere Schulung erfolgte« und weiterhin schriftliche Beziehungen zu Personen dieses Landes unterhalten wurden. Die Richtlinien gaben auch Auskunft über die Verfahrensweise gegenüber den Volkspolizisten, die zwar Verwandte 1. Grades im Westen hatten, aber trotzdem nicht unter den Befehl Nr. 2 fallen sollten. Das galt dann, wenn sie »nachweislich aktive Mitglieder oder Funktionäre der fortschrittlich demokratischen Partei sind« oder als Heimkehrer aus der UdSSR nicht in ihr Heimatgebiet (Westzonen) zurückkehren wollten. Insgesamt orientierten die Richtlinien vom Juli 1949 auf eine stärkere individuelle Prüfung der Betroffenen, um offensichtliche Überspitzungen und Fehler der vergangenen Monate für die noch ausstehenden Überprüfungen zu vermeiden. Trotz aller eingeleiteten Maßnahmen zur schnellen Säuberung der Grenzpolizei von »unzuverlässigen Elementen« und enormer Anstrengungen zur Auffüllung des Personals konnten die gesteckten Ziele nicht erreicht werden. Auf der einen Seite mußten oft qualifizierte Volkspolizisten wegen »Westverwandtschaft« u.a. entlassen werden, was große Lücken in den Einheiten hinterließ. Auf der anderen Seite versuchte man mittels großer Werbeaktionen Tausende junger Menschen zu gewinnen, die die Bedingungen des Befehls Nr. 2 erfüllen mußten. Dies kam einer Quadratur des Kreises nahe, wie sich bereits im Sommer 1949 zeigen sollte. Anfang September 1949 sah sich deshalb der Präsident der DVdl erneut gezwungen, auf die mangelhafte Umsetzung des Befehls Nr. 2 einzugehen"4. Mit großer Offenheit wurde dabei auf Mißstände in der Grenzpolizei verwiesen. Vor allem die Desertionen beunruhigten die Polizeiführung. Allein im Juli/August waren 106 Angehörige der Grenzpolizei desertiert. Als Hauptursachen dafür nannte Fischer die »sehr schlechte Auslese«, ein niedriges Erziehungsniveau, eine »Abstumpfung der Wachsamkeit« und die schlechte materielle Ausrüstung. All das führe dazu, daß »in den Einheiten der ne, die »nach dem Zusammenbruch
Volkspolizei die anglo-amerikanische Reaktion und ihre schuhmachersche Agentur ihre Arbeit durchzuführen beginnen, die Polizei zersetzen und die weniger standhaften Leute in die Westzonen entführen«. Daraus schlußfolgerte er: »Mein Befehl Nr. 2 mit den dazu erlassenen Richtlinien wurde bis heute nicht zufriedenstellend ausgeführt. Mehr noch: Selbst das neu eingestellte Personal wird nicht gründlich 114
Befehl Nr. 100/49 des Präsidenten der DVdl, 6.9.1949, ebd., Pt 7005, Bl. 29ff.
Auf dem Wege
zur
235
Kaderarmee
überprüft und anstelle der Entlassungen stellt man andere, für die Polizei nicht erwünschte Elemente ein.« Deshalb legte er nochmals unmißverständlich fest, daß bis zum 15. September 1949 entsprechend dem Befehl Nr. 2 »aus der Grenzpolizei alle Polizisten zu entlassen [sind], welche in der anglo-amerikanischen oder französischen Gefangenschaft waren, nahe Verwandte (Mutter, Vater, Frau, Bruder, Schwester) in den Westzonen Deutschlands haben, oder moralisch zersetzt und politisch unzuverlässig sind«. Ende September 1949 zeichnete sich dann offensichtlich ein Abschluß der Überprüfungsaktionen ab. Die Innenministerien der Länder meldeten zwar offiziell den Vollzug in ihren Verantwortungsbereichen, gleichzeitig brachten sie aber auf der polizeilichen Beratung am 30. September 1949 wieder Probleme der Durchsetzung der Befehle Nr. 2 und Nr. 100 zur Sprache, was darauf hindeutet, daß die Problematik noch keineswegs zu den Akten gelegt worden war. VP-Inspekteur Zaisser machte beispielsweise deutlich, daß selbst Leute, die sich nur 24 Stunden in westlicher Gefangenschaft befunden hatten, entlassen wurden. Fischer sah sich daher veranlaßt, nochmals darauf zu verweisen, daß die Entlassungen nicht formal durchgeführt werden dürften: »Man muß sich um den Menschen kümmern und ihnen [sie] behilflich sein. Nicht jeder, der in amerikanischer Gefangenschaft war, ist ein Agent"5.« Diese in der Tat realistische Erkenntnis hatte aber weder bis zu diesem Zeitpunkt in der Grenzpolizei, noch bei späteren Überprüfungen in anderen Polizeiorganen Einfluß auf die Versetzungen und Entlassungen der Betroffenen. Sie stand zudem zumindest verbal im Widerspruch zur »harten Linie«, die im Zusammenhang mit dem Befehl Nr. 2 vor allem von Ulbricht und dem Vizepräsidenten der DVdl, Hoffmann, noch wenige Wochen zuvor, auf der 2. PK-Leiter-Konferenz in Berlin, ausgegeben worden war. Hoffmann hatte unmißverständlich klargemacht: »In den letzten Monaten haben wir eine große Anzahl von Desertionen, auch unter Mitnahme von Waffen, gehabt. Welches sind die Ursachen für diese Erscheinungen? Die erste entscheidende Ursache ist, dass die Reinigung in der Grenzpolizei bis heute nicht energisch und konsequent durchgeführt wurde. Der Befehl Nr. 2, der als Richtlinie gegeben wurde, ist nicht durchgeführt worden. Die Auswirkungen zeigen sich jetzt. An einem Beispiel kann ich das erläutern: 80 % aller aus der Grenzpolizei Geflüchteten waren ehemalige Kriegsgefangene in England, Amerika oder Frankreich. Das zeigt uns, wie notwendig es ist, diesen Befehl Nr. 2 durchzuführen, und wie richtig es war, diesen Befehl Nr. 2 zu erlassen. Daraus ergibt sich, daß wir jetzt mit aller Energie und aller Konsequenz an die Reinigung der Grenzpolizei herangehen und unter Einsatz aller Mittel neue Menschen in die verantwortlichen Funktionen bringen müssen, die dafür bürgen, daß die Grenzpolizei ihre Arbeit verbessert"6.« Und Ulbricht unterstrich, eingehend auf Bedenken der anwesenden Konferenzteilnehmer zur Härte und Notwendigkeit des Befehls Nr. 2, mit Nachdruck die politische Relevanz der Überprüfungen: —
—
115
1,6
Protokoll der Polizeilichen Beratung, 30.9.1949, BArch P, 7/08, Bl. 166. Referat auf der 2. PK-Leiter-Tagung, 879.9.1949, ebd., 7/101, Bl. 19.
236
Rüdiger Wenzke
»Wir müssen eine absolute innere Festigkeit der Volkspolizei erreichen und können nicht zulassen, daß der Gegner irgendwelche Verbindungen, die früher einmal bestanden, vielleicht erst in einem Jahr mit diesen Volkspolizisten wieder aufnimmt"7.« Wie in den anderen Bereichen der Gesellschaft ging es bei der Durchsetzung des Befehls Nr. 2/49 in der Polizei von Anfang an nicht um eine »normale« Aktion zur Aussonderung fachlich nicht geeigneter Mitarbeiter, sondern um die eindeutig politisch motivierte Ausgrenzung von unerwünschten Personen. Man wollte gerade in den bewaffneten Organen einen in erster Linie politisch und ideologisch zuverlässigen Kaderstamm schaffen. Die fachliche Qualifikation kam dabei erst an zweiter Stelle. Zugleich dienten die Bestimmungen des Befehls dazu, von den eigenen Fehlern beim Aufbau der Polizei abzulenken und die wahren Ursachen für die Mißstände und Probleme in den kasernierten Einheiten zu verschleiern. Die Bestimmungen des Befehls Nr. 2 traten im Herbst 1949 daher auch nicht außer Kraft. Im Gegenteil: Sie wurden nunmehr stillschweigend auf die Angehörigen der neugebildeten VP-Bereitschaften und Schulen
übertragen.
Polizei und kasernierte
Truppen vor der Gründung der DDR
Bereits vor Gründung des »ersten deutschen Arbeiter-und-Bauern-Staates«, sozusagen im Prozeß der Konstituierung ihrer staatlichen Macht, hatte sich die SED mit Unterstützung der SMAD in Gestalt der Volkspolizei somit ein zuverlässiges bewaffnetes Machtinstrument geschaffen, dessen Führung in den Händen bewährter Kader lag.
Leitung der DVdl (Auswahl), Juli 1949 Präsident
Vizepräsidenten
Leiter der Hauptabteilungen Polit-Kultur
Grenzpolizei/Bereitschaften Personal
Schutzpolizei Kriminalpolizei Intendantur
Verwaltung Schulung Ebd., Bl. 29.
Generalinspekteur Kurt Fischer Generalinspekteur Heinz Hoffmann Generalinspekteur Wilhelm Zaisser Generalinspekteur Erich Mielke Generalinspekteur Kurt Wagner Generalinspekteur Willi Seifert Generalinspekteur Heinz Hoffmann Chefinspekteur Hermann Rentzsch Inspekteur Richard Wenzel Chefinspekteur Kurt Vogel Chefinspekteur August Mayer Chefinspekteur Arthur Brandt Chefinspekteur Alfred Malz Chefinspekteur Max Zaspel
237
Auf dem Wege zur Kaderarmee
Mit Ausnahme von Brandt und Rentzsch waren alle Vizepräsidenten und Hauptabteilungsleiter bereits vor 1933 Mitglied der KPD. Mitte 1949 umfaßte das leitende Polizeipersonal etwa 3 800 Personen. 97,4 % davon gehörten der SED an, nur wenige waren in den sogenannten Blockparteien organisiert. Als langjährige Mitglieder der KPD und der SPD (vor 1933) waren knapp 30 bzw. 12,8 Prozent ausgewiesen. Über 600 Personen besaßen den Status »Opfer des Faschismus«. Dem gegenüber standen diejenigen Polizeiangehörigen, die zumindest keine langjährige kommunistische Gesinnung nachweisen konnten. Zu ihnen gehörten die ehemaligen Mitglieder der NSDAP und ihrer Gliederungen (9,9 %) sowie ehemalige Reichswehrund Wehrmachtoffiziere (2,1 %) und vor allem ehemalige Polizeibeamte aus der Zeit vor 1933, die immerhin zusammen fast noch ein Drittel des Leitungspersonals stellten"8. Die Gesamtstärke der Volkspolizei verdoppelte sich von 1946/47 bis Mitte 1949 nahezu und umfaßte im Gründungsjahr der DDR über 80 000 Männer und Frauen.
Gesamtpersonalstärken (Männer und Frauen) der Volkspolizei, 1946-1949"9
Januar 1946
Juli 1947
21973
38 767
April 1948 54 729
September 1948 68 148
März 1949 83 178
Im besonderen Maße galt die Aufmerksamkeit der SED-Führung der »klassenmäßigen« der bewaffneten Kräfte. Eine wie auch immer definierte »proletarische Herkunft« und die »richtige« politische Gesinnung bildeten nach wie vor die entscheidenden Voraussetzungen für den Eintritt in die Volkspolizei. So wie bei den Führungskadern wurde auch bei den Unterführern und Wachtmeistern versucht, das »Klassenprinzip« durchzusetzen. Ohne Zweifel erlangte die SED mit dem Aufbau kasernierter Truppenformationen einen bedeutenden Machtzuwachs. Die erste Phase der Verstärkung der Grenzpolizei sowie die Aufstellungsetappe der Bereitschaften hatten Ende 1948/Anfang 1949 ihren vorläufigen Abschluß gefunden. Knapp vier Jahre nach der bedingungslosen Kapitulation waren im Osten Deutschlands fast 20 000 Mann in Formationen zusammengefaßt, die Keime einer schrittweisen Militarisierung in sich trugen: Sie wurden zentral gelenkt, von ehemaligen Militärs geführt und unterlagen militärischen Dienstbestimmungen. Ausbildung und Bewaffnung begannen sich immer deutlicher von denen der Schutzpoli-
Zusammensetzung
118
119
Zusammengestellt und errechnet nach Personalerhebungen der DVdl, März 1949, ebd., 7/163, Bl. 28. Zusammengestellt nach Statistiken und Personalerhebungen der DVdl, 1946-1949, ebd., 7/47, Bl. 11; 7/161, Bl. 32; 7/164, Bl. 6; 7/165, Bl. 2, und 7/166, Bl. 57. Zu beachten ist, daß die Angaben zur Gesamtstärke der SBZ-Polizei von 1946 bis 1949 nicht nach einheitlichen Gesichtspunkten zusammengestellt wurden. Bei den Angaben 1946/48 fehlt offensichtlich die Eisenbahnpolizei in
einer Stärke von etwa 5 000 bis 6 000 Mann. Unklar ist auch, inwieweit das Personal der Berliner Polizei einbezogen wurde. Die vorliegende Zahl vom März 1949 (wahrscheinlich mit Stichtag 31.12.1948) umfaßt dagegen alle zu diesem Zeitpunkt in der SBZ vorhandenen bewaffneten Kräfte: Landespolizei, Verwaltungspolizei, Schutzpolizei, Kriminalpolizei, Grenzpolizei, Bereitschaften, Eisenbahnpolizei und Wasserschutzpolizei.
238
Rüdiger Wenzke
zei zu unterscheiden. Die Bereitschaften, deren Kasernen sich über die fünf ostdeutschen Länder verteilten, bildeten somit nur noch einen nominellen Teil der Volkspolizei.
Soziale Herkunft der Volkspolizeiangehörigen, 1947-1949
(in Prozent)'20 Dez. 1947 Arbeiter Bauern
Angestellte Sonstige
78,0 2,6 7,6 11,8
Juni 1948 78,5 2,8 7,4 11,3
Nov. 1948
Sept. 1949
82,6 2,7 5,8 8,9
85,9 2,6 5,2 6,3
Personalstärken der Polizeikräfte, Dezember 1948'2'
Gesamtpersonalstärke SBZ Grenzpolizei Bereitschaften übrige Polizeikräfte
83 178 Mann 9 289 Mann 9 874 Mann 64 015 Mann
(= (= (= (=
100,0 %)
11,2%) 11,8%) 77,0%)
Mit der
Gewinnung von etwa 10 000 Mann für die kasernierten Polizeibereitschaften der Prozeß des Aufbaus des personellen Kerns für einen größeren Truppenkörper keineswegs abgeschlossen. Im Gegenteil. Im Frühjahr 1949 begann eine weitere, von der SED und der SMAD initiierte und unterstützte Aktion zur Verstärkung und insbesondere zur Schulung des Personals der Bereitschaften. Sie übertraf letztlich alle bisherigen Maßnahmen. Am 26. April 1949 genehmigte der Chef der SMAD den deutschen Behörden, »zum Zwecke der Schulung von Polizeikadern« Stellen- und Lehrpläne für Polizeischulen auszuarbeiten sowie das Lehrpersonal und »Kursteilnehmer« aus den »fortschrittlichen Schichten« der Bevölkerung auszuwählen122. Die Zielsetzung dieser Maßnahmen lag auf der Hand. Sie wurde nochmals in den Weisungen, die Pieck auf einer Beratung mit SMAD-Generalen am 1. Juli 1949 erhalten hatte, bestätigt. Danach mußten sieben zusätzliche Schulen geschaffen werden, an denen in 9-Monats-Kursen 11 000 Batterie- und Kompanieführer (Offiziere) sowie 35 000 Zugführer (überwiegend Unterführerdienstgrade) auszubilden waren. Aus diesem mittleren und unteren Führungspersonal sowie über die »Auswahl und Schulung von 150 Funktionären« und deren ab September 1949 geplante Ausbildung zum »Regimentskommandeur« in der UdSSR sollte in kürzester Zeit das Kadergerüst für eine personalstarke Armee entstehen123. war
120
Vgl.
Personalstrukturübersicht der SBZ-Polizei, 4.1.1949, sowie Zusammenstellungen der DVdl September 1949, ZPA, IV 2/12/87, und BArch P, 7/163, Bl. 112f Zusammengestellt nach einer Analyse der DVdl, 13.1.1949, BArch P, 7/47, Bl. 11. Auszug aus dem Befehl 0175 des Obersten Chefs der SMAD über die Einrichtung von Polizeischuvom
121 122
len, 26.4.1949, ebd., 7/45, Bl. 41.
123
Notizen Piecks über eine
Besprechung mit General Gorochov, 1.7.1949, ZPA, NL 36/735, Bl. 201 f.
239
Auf dem Wege zur Kaderarmee
Die schon bestehenden kasernierten Formationen hatten das Stammpersonal für die im Herbst 1949 beginnende sogenannte »Massenschulung« zu bilden. Etwa 8 000 Mann sollten aus der Länderpolizei und dem Polizeipräsidium Berlin herausgelöst werden. Dennoch waren noch rund 20 000 junge Männer im Alter zwischen 18 und 25 Jahren neu zu werben124. »Hierzu sollen außer den Angehörigen der Polizei die Partei und Massenorganisationen herangezogen werden. Werbeaktionen in Groß- und Mittelbetrieben sollen durchgeführt werden, wobei auf jüngere Kräfte besonderen Wert gelegt wird«125,
forderte Fischer auf einer Chefbesprechung der DVdl am 21. April 1949 in Berlin. Die als »Aktion Kerber«126 durchgeführte Werbekampagne unter jungen, qualifizierten Arbeitern brachte aber nicht die gewünschten Erfolge. Um dennoch die hohen Sollzahlen zu erfüllen, fand im Grunde keine gezielte qualitative Auswahl der Bewerber etwa nach persönlichen und gesundheitlichen Voraussetzungen mehr statt. Diese oberflächliche Vorgehensweise bei der Einstellung neuen Personals wirkte sich noch längere Zeit negativ auf den inneren Zustand der entstehenden militärischen Formationen und insbesondere auf die Qualität der Offizier- und Unterführerkader aus. —
—
3. Die HVA als »Kaderschmiede« zur Herausbildung einer militärischen Führungsschicht in der DDR (1949-1952)
Auffüllung, Formierung und Ausbildung des Personalbestandes der HVA
Angesichts der immer stärker zu Tage tretenden Unterschiede zwischen den militärisch orientierten Bereitschaften und der Grenzpolizei löste man letztere mit Wirkung vom 20. Juli 1949 aus der Unterstellung der Hauptabteilung GP/B der DVdl heraus127. Wenige Wochen später ging aus diesem nunmehr nur noch für die Führung der Bereitschaften zuständigen Bereich die »Verwaltung für Schulung« hervor. Sie übernahm für kurze Zeit die zentrale Leitung der kasernierten Einheiten, bis dann Ende Oktober 1949 die »Hauptverwaltung für Ausbildung« (HVA) als neues Führungsorgan entstand128. Die HVA war dem Minister des Innern direkt unterstellt. Ihr Leiter wurde im 1950 Generalinspekteur Hoffmann.
124
nach dem Ärmelabzeichen G für Grenze benannt Unter der Bezeichnung »G-stark« lief seit dem Frühjahr 1949 auch eine Werbeaktion zur Auffüllung der Grenzpolizei. Ihre Personalstärke betrug nach der Reorganisation im zweiten Halbjahr 1949 etwa 12 700 Mann. Sie sollte im Jahr 1950 auf über 20 000 Mann ansteigen. BArch P, 7/05, Bl. 132f. Der Name der Werbekampagne geht wahrscheinlich auf den damals für diese Aktion verantwortlichen Funktionär Erwin Kerber zurück. Vgl. Befehl Nr. 70/49 des Präsidenten der DVdl, 19.7.1949, BA, MZAP, Pt 7007, Bl. 3; Befehl Nr. 507/49 des Leiters der Hauptabteilung Bereitschaften, 21.7.1949, ebd., Pt. 002, Bl. 5f. Vgl. Befehl Nr. 98/49, 25.8.1949, ebd., Pt 7007, Bl. 48. Die Umbenennung der HA G/B in die »Verwaltung für Schulung« erfolgte gemäß Befehl Nr. 98/49 vom 25.8.1949, ebd., Pt 7005, —
125
126
I2'
128
April
Bl. 14f.
—
240
Rüdiger Wenzke
Leitende Kader der »Verwaltung für Schulung«, 15. Oktober 1949 Leiter der Verwaltung Stabschef Leiter der Hauptabteilung Polit-Kultur Leiter der Hauptabteilung Intendantur
Allgemeines Leiter der Inspektion Leiter der Personalabteilung
Generalinspekteur Wilhelm Zaisser Chefinspekteur Heinrich Heitsch Chefinspekteur Rudolf Dölling Chefinspekteur Hans von Weech Chefinspekteur Hans Wulz Chefinspekteur Heinz-Bernhard Zorn Inspekteur Fritz Köhn
Der HVA unterstanden die bisherigen VP-Bereitschaften, die nun grundlegend reorganisiert wurden, sowie die seit Mitte 1949 bestehenden VP-Schulen. Beiden Institutionen kam die Aufgabe zu, in kürzester Zeit Offiziere und Unteroffiziere aus der Arbeiterschaft heranzubilden, die militärische Einheiten führen konnten. Die VP-Schulen entwickelten sich zu militärischen Lehranstalten für Offiziere. Die Bereitschaften wurden zu Ausbildungskörpern für das Unterführerpersonal. In der Idealvorstellung der SED sollte die Ausbildung in der HVA auch dazu dienen, die jungen Männer im Alter zwischen 18 und 25 Jahren »zu kämpferischen Menschen zu erziehen, die sich mit ihrer ganzen Person für den Schutz der Deutschen Demokratischen Republik einsetzen und die sich dabei mit allen für Frieden und Fortschritt kämpfenden Menschen verbunden fühlen«129. Besondere Aufmerksamkeit galt der Ausbildung der künftigen Offiziere. Die Herausbildung der militärischen Führungsschicht war ein Vorgang, der in der deutschen Militärgeschichte durchaus das Prädikat der Einmaligkeit verdient. Die traditionelle soziale Exklusivität der Auswahl des Offiziernachwuchses aus den sogenannten »erwünschten Kreisen« des Adels und des Bügertums, die sich bis in die Anfangsphase der Bundeswehr auswirkte, sollte im Osten Deutschlands rigoros zerstört werden. Grundlage und Vorbild dazu bildeten die Dogmen der leninistischen Theorie sowie die Erfahrungen der Roten Armee. Die neuen militärischen Kader hatten die Ideologie und Politik der Partei und des Staates in den bewaffneten Kräften richtungweisend durchzusetzen, das Militärwesen zu beherrschen und die Truppen zu führen. Für ausgewählte Spitzenkader der künftigen Militärformationen begann im Herbst 1949 unter strengster Geheimhaltung der erste Ausbildungslehrgang. Er wurde in der Nähe von Vol'sk, einer russischen Stadt unweit von Saratov an der Volga, durchgeführt. Die etwa 100 bis 150 Teilnehmer dieses knapp einjährigen Kurses erhielten grundlegende theoretische und praktische Kenntnisse der sowjetischen Militärwissenschaft vermittelt. Sie sollten befähigt werden, später als Regimentskommandeure zu arbeiten. Der Unterricht erfolgte in russischer Sprache. Die Lehrgangsteilnehmer, darunter viele ehemalige Wehrmachtoffiziere und -Unteroffiziere im VP-Offizierrang, trugen sowjetische Uniformen ohne Schulterstücke. Nach ihrer Rückkehr in die DDR übernahmen sie wichtige Leitungsfunktionen in der HVA/KVP130. Andere Führungskader erhielten eine 129 130
Ausbildungsbericht der HVA 1949/50, BA, MZAP, Pt 041, Bl. 2. Vgl. Erinnerungsberichte von K. Ebel und H. Geisler, Fonds Befragungen und Erinnerungen des Militärgeschichtlichen Instituts, Potsdam 1985/1987. Zu den Teilnehmern der Lehrgänge gehörten
Auf dem Wege
militärische
Qualifikation
an
zur
241
Kaderarmee
der Höheren Polizeischule Kochstedt,
aus
der später die
KVP-Hochschule Dresden
hervorging. Zur Eröffnung der Kochstedter Schule im April 1949 hatte Generalinspekteur Fischer bei den Anwesenden keinen Zweifel darüber aufkommen lassen, welche Zielstellung ihre Ausbildung verfolgte:
»Sie müssen Fachleute werden in der Waffenkunde, in der Schießausbildung, in der militärischen Ausbildung, selber nicht nur Kompanien, sondern Bataillone ausbilden, Fachleute für den Einsatz als höhere Offiziere, als Stabschef größerer Einheiten, ja vielleicht kleinerer Verbände. Das ist die Aufgabe, die die Arbeiterklasse, die die Partei der Arbeiterklasse an Sie stellt131.« Der schrittweisen militärfachlichen Qualifizierung der Stabsoffiziere wurde größte Aufmerksamkeit beigemessen. Im Jahre 1950 befanden sich nur sehr wenige Führungskader in der HVA, die eine intensivere militärische Ausbildung nachweisen konnten. Mit Hilfe der Sowjetunion gelang es aber in den folgenden Jahren, den größten Teil der Kommandeurskader (vom Regimentskommandeur aufwärts) auf einem höheren Niveau weiterzubilden132. Entsprechend dem sowjetischen Vorbild der 20er Jahre sollte eine große Zahl von Lehrgängen, Schulen und Lehranstalten den mittleren und unteren Führungsbestand hervorbringen. Diese Aufgabe wurde den VP-Schulen übertragen. Sie hatten VP-Kommissare (dem militärischen Dienstgrad Leutnant entsprechend) auszubilden, die später als Kompanie-, Batterie- oder Zugführer eingesetzt werden sollten. Die Anzahl der vorhandenen »Polizei«-Schulen erhöhte sich demgemäß von ursprünglich fünf auf elf. Anfang September 1949 bestanden im Bereich der »Verwaltung für Schulen« fünf Infanterieschulen (Tarnbezeichnung »A«), drei Artillerieschulen (»B«), eine Panzerschule (»C«), eine kombinierte Nachrichten-, Fernmelde- und Pionierschule (»D«) sowie eine Politschule. Dazu kamen drei Schulen mit besonderer Aufgabenstellung, die der Ausbildung von Sportoffizieren, von qualifiziertem waffentechnischen Personal und von Kraftfahrzeuginstandsetzungsoffizieren dienten, sowie die bereits erwähnte Schule in Kochstedt133. Leitungen und Ausbilder an den Schulen und in den Bereitschaften rekrutierten sich vornehmlich aus Polizeioffizieren der ehemaligen kasernierten DVdlEinheiten, aus Heimkehrern und einigen Neueinstellungen. Sie konnten selbst oft nur geringe lehrmethodische Kenntnisse vorweisen und mußten daher in Kurzlehrgängen auf ihre künftigen Ausbildungsaufgaben vorbereitet werden. Die Unterführer an den Schulen wurden in der Regel aus den Kursanten ausgewählt. Hinzu kamen wenige
Heimkehrer. In den Bereitschaften setzte sich das Führungskorps ebenfalls aus ehemaligen Angehörigen der kasernierten Einheiten der DVdl sowie aus Schutzpolizisten zusammen.
u. a. die späteren NVA-Generale Bechler, Borufka, Dollwetzel, Johne, Peter, Poppe, Rentzsch, Stechbarth und Streletz. Ansprache anläßlich der Eröffnung der Polizeihochschule Kochstedt, 1.4.1949, ZPA, NL 172/6, Bl. 71. Bis zum Jahre 1955 konnte über die Hälfte aller Regimentskommandeure der KVP eine militärische Ausbildung in Vol'sk nachweisen, vgl. Bericht über den Offrzierkaderbestand in der KVP, 9.6.1955, BA, MZAP, Pt 3847, Bl. 153 f. Vgl. Ausbildungsbericht der HVA 1949/50, ebd., Pt 041, Bl. 2f.
242
Rüdiger Wenzke
Soziale Herkunft und Parteimitgliedschaft des HVA-Stammpersonáis, Juli 1950 (in Prozent)'34 Offiziere
Soziale Herkunft: Arbeiter Bauern
Angestellte Sonstige Parteizugehörigkeit: SED andere Parteien FDJ
Unterführer/Mannschaften
61,3 0,3 28,7 9,7
80,6 0,4 14,7 4,3
92,3 0,1 41,9
52,3 0,1 58,4
Ihre Hauptaufgabe war die Ausbildung von Kadern der Unteroffiziersebene. In 24 VPBereitschaften erfolgte ab Herbst 1949 die Ausbildung der Kursanten zum Zug- bzw. Gruppenführer. Acht sogenannte »B«-Bereitschaften zeichneten speziell für die Heranbildung von Geschützführern verantwortlich. In den verbleibenden sieben Formationen erhielten die künftigen Volkspolizei-Oberwachtmeister eine Ausbildung zum Panzerkommandanten bzw. als Funktrupp-, Fernsprech- oder Pioniergruppenführer135. Die personellen Voraussetzungen für den raschen Aufbau der HVA konnten nur durch groß angelegte Werbeaktionen erbracht werden, bei denen die Kursanten für die »Massenschulungen« ausgewählt werden sollten. Besondere Bedeutung hatte dabei die schon erwähnte Aktion »Kerber«, die im September 1949 zu Ende gegangen war. Um das festgelegte Werbesoll zu erreichen, hatte man im Prinzip jeden Interessenten eingestellt. Zahlreiche Bewerber waren mit falschen Versprechungen gelockt worden, indem man ihnen die Dauer der Verpflichtung, die Notwendigkeit der kasernierten Unterbringung und das militärische Ausbildungsprofil bewußt verschwieg. All das führte insbesondere Anfang 1950 zu beträchtlichem Unmut, zu Enttäuschungen und letztendlich zu Spannungen im Personalkörper der HVA. Eine hohe Zahl von Entlassungsgesuchen und unerlaubten Entfernungen sowie Desertionen aus dem aktiven Dienst waren die Folge. Die offizielle Statistik wies für das Jahr 1950 knapp 600 Deserteure aus. Nachdem die Desertionsrate 1951 auf 395 zurückging, verdreifachte sie sich jedoch im darauffolgenden Jahr wiederl36.Den Hauptteil der Deserteure machten 1951 ehemalige Oberschüler aus, die offenbar von dem sehr niedrigen Niveau der Ausbildung und der Erziehung enttäuscht waren. Es desertierten auch Mitglieder der SED (13,6 %) und der FDJ (23 %). Ohne Zweifel war die relativ hohe Desertionsrate für die politisch Verantwortlichen der DDR ein alarmierendes Zeichen, das auf die Unzuverlässigkeit eines Teils des HVA-Personals hinwies. Gezielte Entlassungen von VP-Angehörigen sollten zur quali134 135 136
Errechnet nach
Personalstrukturmeldungen der HVA, Stichtag 25.7.1950, ebd., Pt 809, Bl. 37. Vgl. Ausbildungsbericht der HVA 1949/50, ebd., Pt 041, Bl. 3. Vgl. Jahresbericht über die Durchführung und den Stand der Ausbildung der HVA 1951, 29.12.1951, ebd., Pt 034, Bl. 17, sowie Jahresbericht der Politischen Verwaltung der KVP, Dezember
1952, ebd., Pt 3419, Bl. 7.
Auf dem Wege
zur
243
Kaderarmee
tativen »Säuberung« des Personalbestandes beitragen. Allein zwischen September 1949 und Oktober 1950 wurden knapp 10 000 Mann aus dem HVA-Dienst entlassen, davon etwa 8 300 Kursanten, die ihre Ausbildung in der Polizei gerade erst begonnen hatten. Dienstg radmäßige Zusammensetzung der Deserteure im HVA-Bereich, 195V37 61 42 91 105 17 6
VP-Anwärter VP-Wachtmeister VP-Oberwachtmeister
37 VP-Unterkommissare 29 VP-Kommissare 5 VP-Oberkommissare 1 VP-Rat 1 VP-Kommandeur
VP-Hauptwachtmeister VP-Meister VP-Offiziersschüler
Hauptentlassungsgrund war in fast 3 000 Fällen eine nicht weiter definierte allgemeine »Nichteignung«. Etwa 2 900 Personen schieden durch Krankheit und Tod aus. 1 137 VP-Angehörige mußten dagegen die HVA verlassen, da man sie als »politisch unzuverlässig« einschätzte138. Nach Abschluß der zentralen Aktion »Kerber« wurde die Werbung wieder den einzelnen Schulen und Bereitschaften eigenverantwortlich übergeben. Ausdrücklich verwiesen nunmehr Richtlinien vom Februar 1950 darauf, das »Prinzip der Freiwilligkeit« zu beachten139. Die Mitgliedschaft in der SED war danach nicht Voraussetzung für den Eintritt in die HVA, wenn auch für eine schnelle Karriere von Nutzen. Besonders zu überprüfen waren ehemalige Mitglieder der NSDAP und SS-Angehörige, denen man es in Ausnahmefällen dennoch gestattete, in die bewaffneten Formationen einzutreten. Keinesfalls ein-
gestellt werden durften dagegen jene Bewerber, die unter die politischen Bestimmungen
des Befehls Nr. 2/49 fielen oder sich noch in der Lehre befanden. Die Erfolge der Werbe- und Einstellungskampagnen blieben aber vor allem hinsichtlich der qualitativen Zusammsetzung unbefriedigend. In den Betrieben war man oft nicht gewillt, die gerade ausgebildeten jungen Facharbeiter zu verlieren, zumal sich andere zentrale Werbeaktionen, wie zum Beispiel für die Staatssicherheit, den Lehrerberuf oder die FDJ-Funktionärslaufbahn, überschnitten und den Facharbeiterstamm ohnehin ausdünnten. Die qualifizierteren Jugendlichen zeigten selbst wenig Interesse an der HVA, in der sie keine berufliche Perspektive sahen, sondern eher eine Einschränkung ihrer persönlichen Freiheit befürchteten. Ein Bericht der Werbestelle in Thüringen vom Dezember 1950 faßte die Situation treffend zusammen: »Allgemein muß festgestellt werden, daß bei den Jugendlichen wenig Neigung für die Volkspolizei vorhanden ist140.« 137
Vgl. hierzu den Jahresbericht über die Durchführung und den Stand der Ausbildung der HVA 1951,
138
Vgl.
29.12.1951, ebd., Pt 034, Bl. 17. Bericht der
Hauptabteilung
Kader der HVA über die
nalbestandes, 23.11.1950, ebd., Pt 809, Bl. 70ff.
139
140
Vgl. Richtlinie
Formierung
und
Auffüllung
des Perso-
zur Durchführung der Eigenwerbung, 3.2.1950, ebd., Pt 365, Bl. 92f.; Richtlinien für die Einstellung von Freiwilligen in die HVA, 17.11.1950, ebd., Pt 501, Bl. 73 ff. Bericht der Werbestelle Thüringen, 6.12.1950, ebd., Pt 326, Bl. 17.
244
Rüdiger Wenzke
Die ersten Kursanten der HVA waren daher in der Regel wenig qualifizierte ArbeiLandarbeiter. Kaum einer von ihnen verfügte über eine ausreichende Schulbil-
ter und
dung.
Soziale Herkunft und Parteimitgliedschaft der Kursanten in der HVA, Juli 1950 (in Prozent)'41 Soziale Herkunft: Arbeiter Bauern
93,9 0,6 3,5 2,0
Angestellte Sonstige Parteizugehörigkeit: SED andere Parteien FDJ
20,4 0,3 77,3
Alle Kursanten erwartete eine Ausbildung, die keinerlei Bezug mehr zur Polizei hatte. Die erste einheitliche Ausbildungsperiode dauerte von September 1949 bis Oktober/November 1950. Zum Lehrprofil gehörten eine militärische Grund- und Schießausbildung, Kartenkunde, Taktik-, Waffen- und Nachrichtenausbildung sowie politische Schulungen und Sport142. Als Lehrgrundlagen dafür galten im fachlichen Bereich anfangs ausschließlich die Dienstvorschriften der Wehrmacht.
Militärische Vorkenntnisse der HVA-Angehörigen der Wehrmacht (Auswahl), Juli 1950 (in Prozent)'43
aus
Waffengattung
in der Wehrmacht Infanterie Artillerie Panzer Marine
Ungedient
Offiziere
Unterführer/ Mannschaften
Kursanten
29,4 8,9 7,4 6,2 18,5
18,9 2,9 12,4 3,9 55,1
6,2 1,3 86,8
Ab Mitte des Jahres 1950 setzten hier Wandlungen insofern ein, als nunmehr immer stärker sowjetische Ausbildungs- und Exerziervorschriften zur Anwendung kamen. Wortgetreue Übersetzungen dieser Vorschriften führten nicht selten zu Verwirrungen und auch zu Kuriosa, wie die zeitweise Einführung des Kommandos »Augen zur Mitte« 141
142 143
Errechnet nach Personalstrukturmeldungen der HVA, Stichtag 25.7.1950, ebd., Pt 809, Bl. 37. Vgl. Ausbildungsbericht der HVA 1949/50, ebd., Pt 041, Bl. 9 f. Vgl. Personalstrukturmeldungen der HVA, Stichtag 25.7.1950, ebd., Pt 809, Bl. 37.
Auf dem Wege zur Kaderarmee
245
»Augen geradeaus« verdeutlichte. Ein noch stärkerer Einfluß auf die inneren Verging von der formalen Übernahme bzw. Einführung sowjetischen Führungsverhaltens und russischer Lebensformen aus. Das betraf Fragen wie den Kasernenbau und die Unterbringung der Mannschaften in Massenschlafsälen, die Verpflegung und die Gestaltung des Tagesdienstablaufes sowie die Formen der Polit- und Freizeitarbeit. Einige Maßnahmen, die zu offensichtlich der deutschen Mentalität und den Gegebenheiten der HVA widersprachen, wurden alsbald revidiert, andere sollten das innere Gefüge der ostdeutschen Streitkräfte für lange Zeit mitbestimmen. Die zunehmende Sowjetisierung war sowohl eine Folge des Einflusses der aus der UdSSR zurückkehrenden HVA-Offiziere als auch der sowjetischen Berater, die in den Stäben, in jeder statt
hältnisse der HVA
Bereitschaft und in den Schulen
an
der Seite der deutschen Kommandeure standen. Sie
unterstützten und überwachten die VP-Offlziere bei der inhaltlichen und methodischen
Gestaltung der taktischen, technischen und politischen Ausbildung144. Soziale Herkunft und Qualifikation der PK-Funktionäre, Oktober 1950 (in Prozent)'45 Stärke des
PK-Apparates
1116
Mann
Soziale Herkunft: Arbeiter Bauern
Angestellte Beamte
Sonstige
Politische Qualifikation: Antifa-Schule/UdSSR SED-Parteihochschule
SED-Landesparteischule SED-Kreisparteischule FDJ-Schule
88,2 1,9 6,0 1,1 2,8 20,5 0,9 9,5 36,5 10,9
Dennoch konnte 1949/50 von einer qualifizierten militärischen Fachausbildung insgesamt noch keine Rede sein. Neben den personellen Unzulänglichkeiten ergaben sich in materieller Hinsicht gravierende Schwierigkeiten. Vor allem fehlte es an geeigneten Unterbringungsmöglichkeiten. In der VP-Schule Glöwen standen zum Beispiel für 40 Züge von Offizieranwärtern nur 16 Unterkunftsräume bereit. Die vorhandenen Kasernen mußten aus- und umgebaut werden, vieles blieb längere Zeit improvisiert. Nur jeden 4. bis 5. Kursanten konnte man mit einer Handfeuerwaffe ausstatten. Die Ausbildung an schwerem Gerät (Granatwerfer) oder an Funkstationen erfolgte über Monate hinweg nur theoretisch, da diese Waffen und Geräte fehlten. Dazu kam die oft schlechte Ausrüstung 144
145
Vgl. Bohn, Aufrüstung, S. 38f. Zusammengestellt und errechnet
1951, BA, MZAP, Pt 698, Bl. 15f.
nach einem Bericht der
Hauptabteilung Polit-Kultur,
Oktober
246
Rüdiger Wenzke
der Kursanten mit Uniformen und anderen persönlichen Gegenständen. Berichte erwähnen immer wieder die besonders schlechte Ausstattung mit Schuhwerk146. Auch bei der Durchsetzung einer gezielten »politisch-ideologischen Arbeit« und der »führenden Rolle« der SED klafften Anspruch und Wirklichkeit weit auseinander. Die meisten jungen PK-Offiziere waren fachlich und intellektuell überfordert, so daß sie ihren Erziehungs-, Schulungs- und Überwachungsauftrag nicht in dem von der Partei erwarteten Maße wahrnehmen konnten. Um die »ideologische Erziehung« zu verbessern, baute die SED zu Beginn des Jahres 1950 die Einflußmöglichkeiten ihrer Parteiorganisationen weiter aus. Innerhalb eines Jahres gelang es ihr, mehr als 700 neue Mitglieder und rund 4 800 Kandidaten zu gewinnen. Im Oktober 1950 waren 17 783 HVA-Angehörige aller Dienstgrade Mitglied bzw. Kandidat der SED. Ihr Anteil am Gesamtpersonalbestand betrug damit etwa 36 Prozent147. Im Frühjahr 1950 hatten die Schulen und Bereitschaften den Stand erreicht, der im wesentlichen die Ausbildung bis Oktober/November bestimmte. Trotz fehlender Unterbringungsmöglichkeiten befanden sich an den Schulen jeweils circa 1 200 Mann. Die durchschnittliche Bereitschaftsstärke betrug etwa 1 000 bis 1 200 Mann. Abschlußprüfungen beendeten die Ausbildungsperiode. Annähernd 36000 Kursanten wurden entsprechend den von ihnen erreichten Bewertungsziffern nach russischem Vorbild galt die Note 5 als »sehr gut« befördert. An den Schulen erhielten 3 885 Kursanten den Dienstgrad »VP-Kommissar«. Ab Januar 1951 erfolgte die Einführung des neuen Dienstgrades »Unterkommissar«, der nach sowjetischem Muster dem ersten Offiziersrang Unterleutnant entsprach. Alle anderen Kursanten bekamen in der Regel Unterführerdienstgrade. In den Bereitschaften legten circa 25 000 Anwärter Prüfungen ab, die sich mit einer Beförderung zum VP-Meister, VP-Hauptwacht-, Oberwacht- und Wachtmeister verbanden. Für die Besten stand darüber hinaus der Weg zur Offizierlaufbahn offen148. Die personelle Aufstockung und Ausbildung der militärischen Kader erfolgte unter strenger Geheimhaltung149. Dennoch blieben die Aktivitäten des personellen Aufbaus neuer bewaffneter Einheiten weder der Bevölkerung noch den westlichen Geheimdiensten, Politikern und Medien verborgen. Überläufer in die Bundesrepublik und »Quellen« im Bereich der HVA hatten dafür gesorgt, daß man dort über Stärke und Strukturen der bewaffneten Kräfte im Osten relativ gut informiert war150. Im Frühjahr 1950 häuften sich in der westdeutschen Presse Meldungen über —
—
146
147
148
149 150
Vgl. Ausbildungsbericht der HVA 1949/50, BA, MZAP,
Pt 041, Bl. 37f Ähnlich Rupieper, Probleme, S. 177 ff. Vgl. ebd., Bl. 51, sowie Jahresbericht über die Durchführung und den Stand der Ausbildung der HVA 1951, 29.12.1951, ebd., Pt 034, Bl. 42.
Vgl. Bericht
der
Hauptabteilung
Kader der HVA über die
nalbestandes, 23.11.1950, ebd., Pt 809, Bl. 72. Vgl. Beitrag Eisen, S. 184 ff.
Formierung
Vgl. Konfidentenberichte, die sich in den Beständen der Ostbüros
und
Auffüllung
des Perso-
von SPD und FDP im Archiv der Sozialen Demokratie, Friedrich-Ebert-Stiftung Bonn, bzw. im Archiv des deutschen Liberalismus Gummersbach befinden.
Auf dem
Wege zur Kaderarmee
247
die Militarisierung in der DDR. In den zumeist sachlichen Darstellungen wurden aber teilweise Zahlen zur Stärke der »Volkstruppenpolizei« bis zu 150 000 Mann genannt151. In Mai 1950 veröffentlichte die amerikanische Hohe Kommission ausführlichere Angaben über die DDR-Volkspolizei, die den zuvor an Moskau gerichteten Protest der Westmächte gegen die Vorgänge im Osten Deutschlands untermauern sollten. Die amerikanischen Zahlen gingen von einer militärähnlichen Truppe in Stärke von etwa 40 000 bis 50 000 Mann aus152. Das entsprach im wesentlichen den Tatsachen, wie die folgenden, erstmalig nach den geheimen offiziellen Stärkemeldungen der HVA-Kaderverwaltung zusammengestellten Übersichten verdeutlichen. Beide Übersichten machen die enormen Anstrengungen der politisch Verantwortlichen in der DDR deutlich, in kürzester Frist eine neue militärische Führungsschicht heranzubilden. Innerhalb von zwei Jahren erhöhte sich nicht nur der Personalbestand der HVA um etwa 20 000 Mann. Das Offizierkorps erhielt seine entscheidende quantitative Ausprägung, indem es sich verzehnfachte. Der Bestand an Unterführern war nach zwei Ausbildungsetappen 1951 im wesentlichen gedeckt. Auf der anderen Seite führten die Erfordernisse des schnellen Aufbaus aber zu einer oft oberflächlichen Ausbildung, die sich für längere Zeit negativ auf die Leistungsfähigkeit des ostdeutschen Militärs auswirken mußte. Insgesamt konnten die geplanten Personalstärken bis Ende 1951 erfüllt werden. Es entstand eine Kadertruppe, die sich zu zwei Dritteln aus Offizieren und Unteroffizieren zusammensetzte. Dazu kamen noch etwa 6 000 Kursanten zur weiteren Auffüllung des Unteroffizier- und Offizierkorps. Praktisch waren für alle im Jahre 1949 eingestellten Rekruten militärische Führungsfunktionen vorgesehen. Ein Mannschaftsbestand im eigentlichen Sinne existierte dagegen bis 1950 nicht. Der Anteil an Offizieren und Unterführern lag damit doppelt so hoch als sonst beim Aufbau von Streitkräften üblich. Auch bei Berücksichtigung des Umstandes, daß in der späteren Nationalen Volksarmee der Offizieranteil generell höher war als beispielsweise in der Bundeswehr, hatten die ausgeprägten Kadereinheiten der HVA doch spezifische Aufgaben zu erfüllen: Ohne Zweifel bildeten sie das Grundgerüst eines Truppenkörpers, aus dem sich das militärische und politische Rückgrat der künftigen regulären Streitkräfte entwickelte. Als Vorstufe einer Massenarmee waren sie deshalb von Beginn an nicht nur auf die Ausbildung und Schulung der vorhandenen Kader, sondern vor allem auch auf eine beträchtliche personelle Vermehrung angelegt. Zugleich versuchte sich die SED in Form der HVA bereits frühzeitig eine einsatzfähige Truppe zu schaffen, die in der Lage sein sollte, über innere Sicherungsaufgaben hinaus auch partiell militärische Aktionen an der Seite der Sowjetarmee durchzuführen. Darüber hinaus spielte die große Zahl der im Schnellverfahren ausgebildeten Offiziere und Unteroffiziere im Wiedervereinigungskalkül der ostdeutschen Partei- und Staatsführung eine Rolle. Für mögliche, immer wieder in die Diskussion gebrachte gesamtdeutsche »Nationale Streitkräfte« war es ohne Zweifel wichtig und von Vorteil, wenn man von Anfang an »eigene« militärische Kader einbringen konnte bzw. über entsprechende Reserven verfügte, die den Einfluß der Partei
Vgl. u. a. Stuttgarter Nachrichten, 15.3.1950. Vgl. ebd., 23.5.1950; ähnlich Rupieper, Probleme, S.
177.
248
Rüdiger Wenzke
in der neuen Armee zu gewährleisten hatten. Das Problem des »zweiten Mannes«, das heißt der zeitweisen gemeinsamen Dienstdurchführung von »alten« und neu ausgebildeten Truppenkommandeuren, spielte dagegen als Ursache für die enormen Kaderhäufungen in der HVA auf Grund des nur langfristig möglichen Austausches und der relativ kleinen Zahl von Wehrmachtoffizieren eine untergeordnete Rolle.
Gesamtpersonalstärken der HVA, 1949-1951133 Stichtag
Schulen
Bereitschaften
Gesamtstärke
18.9.1949 Soll Ist
11954 9 252
32123 22 006
44 077
13 745 11265
32 123 24 040
45 604 35 305
14 145 13 364
38 187 35 279
52 332 48 643
8 754 8 832
43 200 40 537
54 659 52 006
31258
25.10.1949 Soll Ist
31.10.1950 Soll Ist
31.10.1951 Soll Ist
Offiziers-, Unterführer- und Mannschaftsbestände der HVA, 1949-1951'54
Personalstärken der
Stichtag 25.10.1949 Soll Ist
31.10.1950 Soll Ist 31.10.1951 Soll Ist
Offiziere
Unterführer
(ohne PK)
Mannschaften/ Kursanten
2516 886
2 859 1308
39 365 32 603
4 676 3 284
5 249 5 550
42 497 39 624
10 907 11556
24 709 24 040
19 043 16410
Zusammengestellt und errechnet nach Statistiken und Personalerhebungen der HVA, BA, MZAP, Pt 032, Bl. 47; Pt 809, Bl. 1 ff. und 71, sowie Pt 2070, Bl. 7ff. Die Angaben zur Gesamtstärke differieren in den zur Verfügung stehenden Unterlagen unwesentlich. Das ist vor allem auf die unterschiedliche Einbeziehung einiger Stäbe und Sonderkommandos zurückzuführen. Zusammengestellt und errechnet nach ebd.
Auf dem Wege
zur
249
Kaderarmee
Der Typ des »Arbeiter-Offiziers«. Zur Sozialstruktur und politischen Zusammensetzung der neuen HVA-Kader Die vorgesehene Auffüllung des Offizierkaderbestandes war im Jahr 1951 im wesentlichen abgeschlossen. Annähernd alle Planstellen, außer im Gesundheitswesen, im Versorgungsbereich und in einigen technischen Zweigen, konnten besetzt werden. Besonderer Mangel herrschte an Ärzten155. Ab 1950 begann man auch die personellen Voraussetzungen für künftige See- und Lufteinheiten zu schaffen. Im Februar 1950 entstand die Hauptabteilung z. b. V., aus der wenige Monate später die Hauptverwaltung für Seepolizei (HVS) hervorging. Als Leiter wurde der 36jährige Generalinspekteur Waldemar Verner eingesetzt, der seit 1930 der KPD angehörte und während des Krieges im dänischen Exil gelebt hatte. Anfangs aus wenigen Offizieren und Unterführern bestehend, vergrößerte sich der Personalbestand der HVS (ab 1952 VP-See) rasch. 1951 setzte die systematische Ausbildung von Offizieren, Maaten und Matrosen ein, wobei der Herausbildung eines qualifizierten Seeoffizierkorps besondere Aufmerksamkeit galt. Dazu begannen Lehrgänge an der Seepolizeischule Parow. Später entstanden drei Offizierlehranstalten an der Ostseeküste.
Personalstärken der HVS/VP-See, 1950-1952156 1950 Ende 1950 Ende 1951 Ende 1952
32 Mann 2071 Mann 2 558 Mann 5 904 Mann
April
Bei der
Aufstellung
der maritimen
Komponente
der Polizei
zeigten
sich
einige
Beson-
derheiten, die den weiteren Entwicklungsweg der Seestreitkräfte bestimmten. Zwar be-
setzten auch hier Funktionäre der KPD/SED die Führungspositionen. Den Grundstock der HVS/VP-See bildeten jedoch zahlreiche Unteroffiziere und Mannschaften der ehemaligen deutschen Kriegsmarine sowie einige Angehörige der zivilen Schiffahrt, die alle über gute Kenntnisse auf ihren Spezialgebieten (Nautik, Signaldienst, Sperrwesen usw.) verfügten und sofort Offizierdienstgrade erhielten. Frühere Marineoffiziee standen kaum zur Verfügung, so daß wichtige Gebiete wie etwa die Leitung eines taktischen Einsatzes anfangs von den sowjetischen Beratern übernommen werden mußten. Bei der Nachwuchsgewinnung gab es kaum Probleme. Der Auffüllungsgrad der Einheiten betrug 1952 annähernd 90 Prozent157. Diese spezifische Personalbasis trug dazu bei, daß »von Beginn an auf seemännische Ordnung und Verhaltensweisen, einschließlich der Übernahme seemännischen Brauchtums aus ihrer Kriegsmarinezeit«, geachtet wurde158. 155 156
Vgl. Zöllner, Entwicklungsprobleme, S. 137 ff. Vgl. Bericht über die Entstehung und Entwicklung der KVP, 16.12.1953, BA, MZAP, Pt 2070, Bl. 2 Iff
157 158
Vgl. Bericht über die Entwicklung der VP-See, 9.12.1953, ebd., Pt 1211, Bl. Pöschel, Seefahrt, S. 152.
102.
250
Rüdiger Wenzke
Aus dem im Oktober 1950 geschaffenen Referat z. b. V. (Luft) entwickelte sich in den folgenden Monaten der Vorläufer der Luftstreitkräfte die Hauptverwaltung Luftpolizei (HVL). Auch hier kam es zu einer schnellen personellen Aufstockung, insbesondere des Offizierkorps. —
Personalstärken der HVUVP-Luft, 1950-1952'59 26 Mann 121 Mann 4 954 Mann
Ende 1950 Ende 1951 Ende 1952
Die Aufbauphase der sich ab 1952 als VP-Luft bezeichnenden Stäbe und Einheiten der HVL wurde führungsmäßig von einer größeren Anzahl ehemals hauptamtlicher FDJFunktionäre bestimmt160. Im Oktober 1950 hatte das SED-Politbüro den bisherigen Sekretär des FDJ-Zentralrates, Heinz Keßler, als Leiter der HVL bestätigt16'. Keßler, ehemaliger Infanterist und Gründungsmitglied des Nationalkomitees »Freies Deutschland«, erhielt den Rang eines Generalinspekteurs der VP. Das sich in der HVA sowie in den See- und Luftstreitkräften formierende Offizierkorps unterschied sich grundlegend von früheren militärischen Führungsschichten in Deutschland. Eine detailliertere Untersuchung der sozialen Herkunft der Offiziere (nach dem Beruf des Vaters) soll im folgenden über wesentliche Aspekte dieses Bruches Auskunft geben. Zugleich wird auf daraus resultierende gesellschaftliche und politische Einstellungen und Verhaltensweisen des Offizierkorps aufmerksam gemacht.
Anteile der »sozial erwünschten Kreise« am 1899-1962 (in Prozent)162
Offiziernachwuchs in Deutschland, Offizier Höherer Beamter Gutsbesitzer
1899 32 29 16
1905 28 34 14
1913 28 37 11
1930 54 28 5
1962 11 21 6
Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts rekrutierte sich traditionell der Offiziernachwuchs aus Adels- und Gutsbesitzerkreisen sowie aus dem »Adel der Gesinnung«, dem Offiziere, höhere Beamten- und Bürgerschichten zuzurechnen waren. Diese von ihrer »erwünschten Kreise« dominierten und beeinflußsozialen Stellung her bevorzugten ten jahrzehntelang die militärische Führungselite Deutschlands163. Das galt auch anfangs 159 Vgl. Bericht über die Entstehung und Entwicklung der KVP, 16.12.1953, BA, MZAP, Pt 2070, Bl. —
—
28 ff.
m 161
162 163
Vgl. Böhme, Anfang, S. 131. Vgl. Protokoll Nr. 17 der Sekretariatssitzung des ZK der SED, 6.12.1950, ZPA, Inneres Archiv (I), IV 2/3/143, Bl. 10. Nach Bald, Vom Kaiserheer zur Bundeswehr, S. 21. Vgl. Bald, Der deutsche Offizier, S. 43 ff.
Auf dem
251
Wege zur Kaderarmee
für die Personalpolitik der Bundeswehr, bei der keine radikale Lösung verwirklicht, den selbst wenn bereits abgeschwächt sondern aus pragmatischen Gründen eher Kreise« »erwünschten wurde. der Forderungen entsprochen Erste Ansätze zur Veränderung der Anteile der »erwünschten Kreise« im Offizierkorps gab es bereits in der Zeit des Nationalsozialismus mit dem Versuch, den sogenannten »Volksoffizier« zu schaffen164. Vor allem Angehörige der unteren Mittelschichten, der Bauernschaft, der nationalsozialistischen »Bewegung« sowie Mannschafts- und Unteroffizierdienstgrade sollten die Möglichkeit zum sozialen Aufstieg in das Offizierkorps der Wehrmacht erhalten. Zu einer völligen Negierung des Prinzips der »erwünschten Kreise« kam es jedoch bis 1945 nicht. Die folgenden Übersichten zeigen, daß sich das neue Offizierkorps der DDR, dessen Grundlagen am Ende der 40er Jahre gelegt worden waren, von Anfang an aus Bevölkerungsschichten rekrutierte, die bisher in der sozialen Zusammensetzung dieser Berufsgruppe keine oder nur eine periphere Rolle gespielt hatten. —
—
Soziale Herkunft und soziale Lage der HVA-Offiziere, Juni 1951 (in Prozent)'65 Arbeiter
Bauern
Soziale Herkunft
91,5 2,2 (nach dem Beruf des Vaters) Soziale Lage 84,3 0,6 dem vor Beruf Eintritt in die (nach VP)
Angestellte
Beamte
Sonstige
3,8
0,9
1,6
11,4
0,1
3,6
Die soziale Struktur des Offiziernachwuchses der HVA wurde eindeutig von dessen Herkunft aus der Arbeiterschaft bestimmt. Die Dominanz dieser Gruppe, die in der Rekrutierungspolitik des Kaiserreiches und der Weimarer Republik überhaupt keine Rolle gespielt hatte, stellte das eigentlich Neue dar. Die in den Statistiken unter der sozialen Rubrik »Arbeiter« subsumierten HVA-Angehörigen bildeten aber keineswegs einen monolithischen Block. Nach verschiedentlichen Angaben der zuständigen Kaderverwaltung entstammte nur ein Teil von ihnen wirklich der Industriearbeiterschaft. Die Mehrzahl kam aus kleineren Betrieben oder »vom Bau«. Viele Offiziere waren vor ihrem Eintritt in die Volkspolizei Landarbeiter und oftmals auch Hilfsarbeiter gewesen. Aus der sozialen Schicht der Angestellten rekrutierte sich der zweitgrößte Kreis der neuen Offiziere. Sie bildeten in den folgenden Jahren eine immer stärker werdende Basis. Der Anteil an Bauern war dagegen relativ klein und konnte nur geringfügig geändert werden. Kaum ein Bauernsohn verließ Anfang der 50er Jahre freiwillig seinen Hof, den er später einmal übernehmen sollte. Hier lag ein wesentlicher Unterschied zur Aufbauphase der Roten Armee, die sich aufgrund der damaligen Bevölkerungsstruktur vor allem auf bäuerliche Kräfte stützen mußte.
164
165
Vgl. ebd., S. 53 ff. sowie ders, Vom Kaiserheer zur Bundeswehr, S. 71. Zusammengestellt und errechnet nach Strukturübersichten zum Offizierbestand in der HVA, tag 30.6.1951, BA, MZAP, Pt 3878, Bl. 71 f.
Stich-
252
Rüdiger Wenzke
In den folgenden Jahren kam es in der Sozialstruktur des Offizierkorps der DDR zu keinen einschneidenden Veränderungen mehr. Die Wahrung der überproportionalen Repräsentanz der »Arbeiter« in den bewaffneten Kräften wurde von der SED und den verantwortlichen Kaderorganen mit allen Mitteln gesteuert und gefördert. Damit entstand auch eine Basis für die Durchsetzung ideologischer Einseitigkeiten. Mit dem sozialen Aufstieg vom »einfachen« Arbeiter zum Offizier entwickelten sich nicht zuletzt Ansätze eines spezifischen Selbstbewußtseins und Stolzes, wobei insbesondere Politoffiziere ihre Autorität vordergründig aus der »führenden Rolle« der Partei herleiteten. Der totale Bruch mit dem preußisch-deutschen Konservatismus und seiner militärischen Rekrutierungspolitik hatte die Chance geboten, den historisch überlebten Tendenzen der Abkapselung des Militärs von der Gesellschaft eine Absage zu erteilen. Es zeigte sich jedoch sehr schnell, daß es nicht das Ziel der SED-Politik war, ein wirklich demokratisches, pluralistisch geprägtes Offizierkorps aus dem Volk entstehen zu lassen. »Proletarische Herkunft« und Treue zur »Partei der Arbeiterklasse« galten nunmehr als die entscheidenden sozialen und politischen Auswahlkriterien für die neue militärische Führungsschicht, die sich der SED unterzuordnen hatte und mehr und mehr zu deren fester Stütze und Werkzeug wurde. Die prononcierte soziale und politische Orientierung bei der Kaderauswahl wirkte sich besonders deutlich auf die Bildungsstruktur und Qualifikation aus, denn kaum ein Arbeiter oder Landarbeiter konnte zu diesem Zeitpunkt auf eine umfangreiche schulische Bildung verweisen. Damit hatte die Bildung automatisch ihre ursprüngliche Auslesefunktion verloren, galt doch in Deutschland seit der Jahrhundertwende eigentlich das Abitur als »Eingangsvoraussetzung« für den Offizierberuf. Im Interesse der spezifischen Auswahl und des extrem forcierten Aufbaus der Einheiten spielte der schwache Bildungsstand der Bewerber von Anfang an keine Rolle. 88,1 Prozent der Angehörigen des Offizierkorps der HVA besaßen im Jahre 1951 nur eine 8klassige Volksschulausbildung oder oft sogar ein noch geringeres Bildungsniveau. Nur etwa jeder zehnte Offizier verfügte über einen darüber liegenden Abschluß, zumeist über die mittlere Reife. Abiturienten bildeten Anfang der 50er Jahre eher die Ausnahme unter den Offizierbewerbern166. Ein ähnliches Bild zeigte sich bei der militärischen Qualifikation. Permanente Lehrgänge und Kurse zur Qualifizierung der Kader nahmen zwar seit 1950/51 einen festen Platz in der politischen und fachlichen Ausbildungsstrategie zur Schaffung einer zuverlässigen Führungsschicht ein, konnten jedoch nur langsam das Aus- und Weiterbildungsniveau des Offizierkorps verbessern. Die konsequente Kaderpolitik der Kommunisten hatte im Sicherheitsbereich wunschgemäß dazu geführt, einen, in der Masse der Partei bedingungslos ergebenen, neuen Typ des Staatsfunktionärs herauszubilden: den aus der Arbeiterschaft und dem Kleinbürgertum stammenden Offizier, dessen mangelnde fachliche Befähigung als Makel in Kauf genommen wurde. Die Altersstruktur im Dienstbereich der HVA offenbarte 1951 ein überdurchschnittlichjunges Offizierkorps. Fast 90 Prozent der Offiziere waren jünger als 30 Jahre. Über 2 000 Offiziere in den Bereitschaften waren sogar jünger als 20 Jahre. Das unterstrich nochmals die Vorgaben der SED, bewußt junge Kader zu rekrutieren, die von 166
Vgl. ebd.
Auf dem
Wege zur Kaderarmee
253
Anfang an in den Reihen der bewaffneten Kräfte der DDR geformt und erzogen werden sollten. Im Ergebnis dessen hatten bereits bis Ende 1951 etwa 67 Prozent aller Offiziere der HVA ihre militärische Ausbildung in der Volkspolizei erhalten167. Aus der sehr jungen Altersstruktur resultierte einerseits eine hohe physische Belastbarkeit, andererseits zeigte aber die Praxis, daß die jungen Offiziere den Anforderungen des Dienstes und insbesondere der Menschenführung oft nicht gewachsen waren und dies aufgrund ihrer Herkunft, Bildung und Ausbildung auch nicht sein konnten. Der relativ schnelle Aufstieg in höhere Funktionen, der ohne ein systematisches Durchlaufen verschiedener Dienststellungen erfolgte, verstärkte die schon bestehenden fachlichen und moralischen Mängel bei einem Großteil der jungen Offiziere und beeinflußte die Qualität der Führungstätigkeit in der HVA insgesamt negativ.
Altersgliederung des Offizierbestandes der HVA, Juni 1951 (in Prozent)168 Alter Bis 20 Jahre Bis 25 Jahre Bis 30 Jahre Bis 40 Jahre Bis 50 Jahre Bis 60 Jahre
Anteil am Offizierbestand
20,5 55,1 10,8 10,8 2,1 0,6
Auf die soziale und politische Zusammensetzung des Personalbestandes der HVA wirkten sich nicht zuletzt die Bestimmungen des Befehls Nr. 2/49 aus, die weiterhin Gültigkeit besaßen. Im Herbst 1950, im Zuge der für Jahresende geplanten Umstrukturierung der HVA zur Aufstellung gemischter Bereitschaften, fand eine erneute Überprüfung durch die Hauptabteilung Kader statt, die alle VP-Angehörigen mit einer länger als sechs Monate währenden westlichen Gefangenschaft einbezog. Das betraf fast 2 000 Mann. Auf Befehl des Leiters der HVA wurden sofort 122 Offiziere beurlaubt und zum 31. Dezember 1950 entlassen169. Ihre Entlassung erhielten auch 501 Unterführer, Mannschaften und Kursanten. Dazu kamen 316 VP-Angehörige, die eine »mangelhafte Dienstauffassung« an den Tag gelegt hatten und außerdem länger als sechs Monate in westlicher Gefangenschaft bzw. in Westdeutschland gewesen waren. 504 Personen sollten zur Hauptverwaltung Deutsche Volkspolizei versetzt werden, da sie nicht für den Dienst in der HVA geeignet erschienen, obwohl »Nachteiliges« im politischen und moralischen Bereich nicht vorlag. 410 VP-Angehörige, darunter 73 Offiziere, die nicht länger als ein halbes Jahr in westlicher Gefangenschaft waren, durften in der HVA verblei167 168 ""
Vgl. ebd., Bl. 73. Vgl. ebd., Bl. 71 f.
Der Befehl Nr. 395/50 des Leiters der HVA war vom 4.11.1950 datiert; vgl. auch das Schreiben des HVA-Kaderchefs Fritz Köhn an Hoffmann, 17.11.1950, ebd., Bl. 159ff. bzw. 173ff.
254
Rüdiger Wenzke
ben. Hierbei handelte es sich offensichtlich um Fach- und Führungskräfte, auf deren Tätigkeit man noch nicht verzichten konnte. Im Rahmen dieser Überprüfungen wurden Ende 1950/Anfang 1951 in kürzester Zeit mehrere Hundert VP-Angehörige, darunter auch 2 Inspekteure, ein Kommandeur, 8 Oberräte und 24 Räte aus der HVA entlassen bzw. versetzt170. Die Säuberungsaktionen zeigten nunmehr Wirkung. Waren im Herbst 1950 noch etwa 4 200 Personen mit dem Makel der westlichen Kriegsgefangenschaft in ihren Kaderakten behaftet, so sank ihre Zahl bis Ende 1951 auf 2 400. Sie bildeten damit rund 4,5 Prozent des Personalbestandes171. Wie formal aber die Überprüfungen durchgeführt wurden, mußte selbst Chefinspekteur Köhn als verantwortlicher »Kaderchef« der HVA eingestehen. Er berichtete dem ZK der SED, daß die Entlassungen vieler Leute »wegen ihrer westlichen Gefangenschaft« erfolgten. Die Betroffenen hätten sich »nichts zuschulden kommen lassen. Auch in politischer Hinsicht ist Nachteiliges nicht bekannt172.« Insgesamt kam die Kaderverwaltung der HVA 1951 zu dem Ergebnis, daß die Säuberungen von »unzuverlässigen Elementen« zwar langsam, doch weitgehend erfolgreich verliefen. Eine Reihe von Offizieren, die während oder nach dem Krieg Gefangene der westlichen Alliierten waren oder enge Beziehungen zu Verwandten im Westteil Deutschlands unterhielten, hatten ihre Entlassung oder Versetzung erhalten. Dennoch schien der Stand der »Reinigung« noch nicht zu befriedigen. Mitte des Jahres 1951 gab es rund 1 000 Offiziere, davon 49 im Stab der HVA, die eine westliche Gefangenschaft hinter sich hatten173. Anfang 1952 erging daher die Weisung, alle VPAngehörigen mit einem 12monatigen Aufenthalt in westlichen Gefangenenlagern sowie grundsätzlich alle »belasteten« Kader aus der HVA-Leitung zu entfernen. Der Befehl Nr. 2/49 bedeutete für Tausende VP-Angehörige das abrupte Ende des sozialen Aufstiegs. Viele fühlten sich mit ihrer Entlassung ungerecht behandelt, waren verbittert und wandten sich letztendlich vom stalinistischen System ab, indem sie die DDR in Richtung Westen verließen. Mit der zunehmenden Stabilisierung der bewaffneten Organe und dem wachsenden Einfluß der politischen und Parteiinstitutionen in den Einheiten wurde neben der »klassenmäßigen Herkunft« mehr und mehr die politische Einstellung des Offizierbewerbers zu einem wichtigen Kriterium der Kaderauslese. In Richtlinien für die Werbung aus dem Jahre 1951 waren die Auswahlbedingungen für zivile Bewerber und Kursanten der Bereitschaften für die Offizierlaufbahn festgelegt: »
1,11
1. Soziale Lage, vorwiegend Arbeiter 2. Klare politische Einstellung zur DDR 3. keine Verwandten 1. Grades in Westdeutschland
Vgl. Schreiben Köhns an Hoffmann, 17.11.1950, ebd., Bl. 177. Als Hintergrund für die Entfernung der beiden Inspekteure aus der HVA wurden in einem internen Papier »Gründe der Wachsamkeit«
angegeben. Vgl. Jahresbericht
über die
172
Schreiben
an
173
Vgl. Übersicht über westliche Kriegsgefangenschaft von VP-Angehörigen, 1.11.1951, ebd., Jahresbericht der Kaderverwaltung der HVA, 30.6.1951, ebd., Pt 3851, Bl. 61.
'"
Durchführung
und den Stand der
29.12.1951, ebd., Pt 034, Bl. 16. von
Köhn
den ZK-Mitarbeiter Gustav Szinda,
Ausbildung
der HVA 1951,
16.11.1950, ebd., Pt 3878, Bl. 165. Bl. 94;
Auf dem Wege
zur
Kaderarmee
255
keine Verwandten 1. und 2. Grades in Westberlin keine Verwandten in kapitalistischen Ländern keine Verbindungen zu Personen in diesen Gebieten 4. keine westliche oder jugoslawische Gefangenschaft 5. Alter zwischen 18 und 25 Jahren 6. Bisher gute dienstliche und außerdienstliche Führung 7. Bereitschaft zu unbegrenztem Dienst in der VP als VP-Offizier und Interesse an der Ausbildung in einem Offizierslehrgang 8. Voll VP-diensttauglich (tauglich I und II). Körperlich so entwickelt, daß dieVoraussetzungen für die Ablegung der Übungen des Sportleistungsabzeichens im Verlauf der Ausbildung vorhanden sind174.« Für die einzelnen Waffengattungen kamen noch besondere Bedingungen hinzu. Das hier zitierte Beurteilungsschema wurde in ähnlicher Form auch bei Dienstverwendungen und Beförderungen angelegt. Die »Klassifizierungen« der Offiziere, Unterführer, Soldaten und Kursanten nach ihrer sozialen Herkunft, ihren »Westverbindungen«, nach dem Aufenthalt in westlicher Gefangenschaft und einer allgemein-politischen Zuverlässigkeit bestimmten bis in die Mitte der 50er Jahre nicht nur die Personalpolitik, sondern prägten auch das Klima der inneren Verhältnisse. Die politische Haltung der Offiziere war in den großen Einstellungskampagnen 1948/1949 nicht generell von der Mitgliedschaft in der SED abhängig gemacht worden. Ein formales Bekenntnis zur »neuen Ordnung« und zur Freundschaft mit der Sowjetunion galten oftmals als Zeichen eines »fortschrittlichen Bewußtseins«. 1951 gehörten etwa 60 Prozent aller Offiziere der SED an. Im HVA-Stab waren 90 Prozent der dort Beschäftigten Mitglieder oder Kandidaten der Partei. Die SED nahm ihre unangetastete politische Führungsrolle im militärischen Bereich konsequent wahr und baute sie weiter aus.
Mitgliedschaft der HVA-Offiziere in politischen Parteien, Mitte 1951 (in Prozent)175 Partei SED-Gesamt davon
Mitglieder Kandidaten NDPD/DBD KPD/SPD vor 1933 NSDAP KPD/SPD 1945 FDJ
Anteil
58,50 43,70 14,80 0,04
1,10 0,20 6,70 74,30
Dienstbesprechung im Stab der HVA, 23.11.1951, ebd., Pt 046, Bl. 78. Vgl. Strukturübersicht zum Offizierbestand in der HVA, Stichtag 30.6.1951, ebd., Pt 3878, Bl. 72.
256
Rüdiger Wenzke
Zwanzig
VP-Offiziere gaben 1951 in Personalbögen ihre ehemalige Mitgliedschaft in der NSDAP oder SA an. Sie hatten nach 1945 parteipolitisch die Farbe gewechselt, indem sie fast alle in die SED eintraten. Die wenigen Mitglieder der sogenannten Blockparteien in der HVA, vorrangig der NDPD, wurden 1950/51 intern von ihren dienstlichen Vorgesetzten aufgefordert, entweder die Polizei zu verlassen oder der SED beizutreten. Aufgrund von Beschwerden der Betroffenen sah sich Generalinspekteur Hoffmann aber veranlaßt, allen Mitgliedern von Blockparteien »freie Entwicklungsmöglichkeiten« zuzusichern176. Der NDPD kam als erklärtem Sammelbecken ehemaliger Offiziere und nomineller Mitglieder der NSDAP besondere Bedeutung zu. Ohne die allgemein übliche vordergründige kommunistische Propaganda sollten vor allem bürgerlich-nationale Kreise, insbesondere Wehrmachtoffiziere, angesprochen und für die Durchsetzung der wehrpolitischen Ziele der SED vereinnahmt werden. In diesem Zusammenhang sind auch die Bemühungen der SED-Führung einzuordnen, ehemalige Wehrmachtoffiziere aus der Bundesrepublik für die HVA/KVP zu werben bzw. sie gegen die Sicherheits- und Militärpolitik der westdeutschen Regierung und der NATO zu lenken177. Dem Offizierkorps gehörten im Jahre 1952 zehn Nationaldemokraten an. Unter ihnen befanden sich die namhaften Mitglieder des NDPD-Hauptvorstandes Vincenz Müller, Wilhelm Adam, Arno v. Lenski, Günther Ludwig, Otto Korfes und Fritz Ring. Obwohl sich die Anzahl der Offiziere mit NDPD-Parteibuch in den folgenden Jahren noch im Januar 1956 wurden 28 Personen gezählt, das waren 0,2 Prozent alleicht erhöhte ler Offiziere blieben sie eher geduldete Ausnahmen ohne jegliche politische Releden vanz. Seit späten 50er Jahren mußten die Offiziere in der DDR ausschließlich MitSED sein. glied der Mit Aufmerksamkeit verfolgten die SED und die Kaderorgane weiterhin die Tätigkeit der Angehörigen der einstigen Wehrmacht, die Mitte 1951 etwa ein Drittel des HVA-Offizierkorps stellten. Sie setzten sich aus 431 ehemaligen Offizieren, 956 Unteroffizieren und 2 004 Mannschaftsdienstgraden zusammen. Vor allem die einstigen Wehrmachtoffiziere waren zum größten Teil in wichtigen militärischen Dienststellungen zu finden. Aus ihrem Kreis kamen unter anderen der Stabschef der HVA, ein Hauptabteilungsleiter und 11 Abteilungsleiter des Stabes, 17 Bereitschafts- bzw. Schulleiter, 22 Hauptfachlehrer sowie Stabsoffiziere in den verschiedenen Stäben und Einhei—
—
ten178. Eine besondere Rekrutierungsbasis für das sich formierende Offizierkorps bildeten nach wie vor das Unterführerkorps und teilweise auch der Mannschaftsbestand der 176
Schreiben Hoffmanns an den stellvertretenden Vorsitzenden der NDPD, Vincenz Müller, Dezem1951, ebd., Pt 123, Bl. 89 ff. Ungeachtet dessen verbuchte die SED als einen Erfolg ihrer »Aufklärungsarbeit«, daß es ihr 1951 gelungen war, 62 VP-Angehörige zum Austritt aus »anderen Parteien« bewegt und die Entlassung weiterer 19 Personen aus der HVA, die »noch bürgerlichen Parteien angehörten«, veranlaßt zu haben, Jahresbericht über die Durchführung und den Stand der Ausbildung der HVA 1951, 29.12.1951, ebd., Pt 034, Bl. 46. Vgl. Rehm, Wiederbewaffnung, S. 93 ff. Vgl. Analyse der Wehrmachtzugehörigkeit von VP-Offizieren, 18.7.1951, sowie Jahresbericht über die Durchführung und den Stand der Ausbildung der HVA 1951, 29.12.1951, BA, MZAP, Pt ber
177
178
3878, Bl. 80ff., bzw. Pt 034, Bl. 8.
257
Auf dem Wege zur Kaderarmee
HVA. Die soziale Zusammensetzung dieser Personalgruppen unterschied sich nicht wesentlich von der der Offiziere. Auch hier galt als oberster Grundsatz die Durchsetzung des »Klassenprinzips«.
Soziale Zusammensetzung der Mannschaften, Unterführer und
Offizierschüler (nach ihrem Beruf vor Eintritt in die VP), Dezember 1951 (in Prozent)179
Personalstärken Arbeiter Bauern
Angestellte
selbständige Handwerker Schüler freie Berufe Berufssoldaten Gewerbetreibende
Sonstige
Mannschaften 10445 (= 100 %)
Unterführer 24 040 (= 100 %)
86,38 1,04 3,42 0,48 5,58 2,49 0,03 0,10 0,48
Offizierschüler 5 802 (= 100 %)
87,33 0,97 4,68 0,38 4,16 2,28 0,02 0,05 0,13
90,55 0,69 5,24 0,05 3,14 0,31 0,02
Der hierarchische Mittelbau im deutschen Militär rekrutierte sich traditionell vor allem aus landwirtschaftlichen Berufen sowie aus Familien von Soldaten, Angestellten und mittleren Beamten180. Im entstehenden H VA-Unterführerkorps überwog von Anfang an aber die Herkunft aus der Arbeiterschaft und den unteren Mittelschichten. Bäuerliche Elemente spielten hier keine Rolle, wobei sich generell der exakte Anteil und der soziale Status des »Landarbeiters« nicht näher ermitteln ließ. Die Unteroffiziere waren deshalb schon allein aufgrund ihrer sozialen Herkunft anders als in früheren Zeiten enger mit dem Offizierkorps verbunden. Der allgemeine Bildungsstand der Unteroffiziere und besonders der Mannschaften ließ im Grunde genommen eigentlich keine qualifizierte militärische Tätigkeit zu. Das erreichte Niveau in der Schulbildung lag 1951/52 in einigen Einheiten im Mannschaftsbestand bei durchschnittlich fünf Volks—
—
schuljahren181.
Dennoch wurden die Aufstiegsmöglichkeiten der Unterführer zum Offizier im Dienst bewußt gefördert. Die DDR ging damit auch hier einen etwas anderen Weg als 179
180
181
Vgl.
Jahresbericht über die Durchführung und den Stand der Ausbildung der HVA 1951, 29.12.1951, ebd., Pt 034, Bl. 15. Vgl. Bald, Vom Kaiserheer zur Bundeswehr, S. 58 ff. ; sowie ders., Bildung und Herkunft, S. 53 ff.
SED-Politbüromitglied Friedrich Eben berichtete dem ZK der Partei im November 1952 von einem Besuch in einer KVP-Einheit: »Zu meiner großen Überraschung habe ich einen für meine Begriffe
großen
Prozentsatz
von
Leuten feststellen müssen, die sowohl des Lesens als auch des Schreibens
unkundig sind«, ZPA, IV 2/1/57, Bl. 67.
258
Rüdiger Wenzke
die Bundesrepublik. Dort hatte man sich in den 50er Jahren von der bereits während des Nationalsozialismus praktizierten Durchlässigkeit der Korps distanziert und wieder auf die Trennung der Offiziere von den Unteroffizieren zurückgegriffen182. Ähnlich dem Offizierberuf bot aber auch der Unteroffizierdienst den aus einfachen Verhältnissen kommenden Menschen eine Chance für einen beruflichen Neuanfang und einen schnellen sozialen Aufstieg. Das galt vor allem für diejenigen, die während oder nach dem Zweiten Weltkrieg aus ihrer Heimat vertrieben worden waren und nun im Osten Deutschlands versuchten, sich eine neue Existenz aufzubauen. Etwa ein Viertel aller H VA-Angehörigen war 1951 dieser Bevölkerungsgruppe zuzurechnen, die in der DDR offiziell die Bezeichnung »Umsiedler« trug. Das entsprach in etwa ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung der DDR, der 1949 bei 24,2 Prozent lag183.
Anteil der »Umsiedler« am Personalbestand der HVA, Dezember 1951 (in Prozent)"34 Fachoffiziere Polit-Kultur-Offiziere Offizierschüler Unterführer Mannschaften
31,0 19,9 29,9 20,4 26,8
Die Heimatvertriebenen in der HVA wurden von den Kaderorganen sorgfältig beobachtet. Bei der personellen Auffüllung bestimmter Einheiten im Raum Berlin-Potsdam versuchte man z.B. gezielt, den Anteil der »Umsiedler« sowie der Offiziere und Unteroffiziere mit Westverwandtschaft niedrig zu halten. In den Statistiken waren für sie stets besondere Rubriken angelegt. Das Mißtrauen der verantwortlichen Funktionäre ihnen gegenüber beruhte vor allem darauf, daß ein Teil auch in den Reihen der Volkspolizei nicht gewillt war, sich mit dem Verlust der alten Heimat abzufinden und insbesondere die Oder-Neiße-Grenze als endgültig anzusehen. Aufgrund dieser Haltung galten die Vertriebenen und Ausgesiedelten lange Zeit als politisch wankelmütig, wenn nicht gar als unzuverlässig. 1950/51 endete eine Hauptetappe bei der grundlegenden Herausbildung des militärischen Kaderstammes für die ostdeutschen Streitkräfte. Die Struktur der HVA wurde Ende 1950 reorganisiert. An die Stelle der bisherigen Bereitschaften traten 24 gemischte Formationen, die prinzipiell der sowjetischen Regimentsstruktur entsprachen. Jede Bereitschaft, nunmehr offiziell als »VP-Dienststelle (VPD)« bezeichnet, umfaßte Einheiten verschiedenster Waffengattungen: Infanterie, Artillerie, Panzer, Pioniere, Flak, Nachrichten- und Versorgungseinheiten. Diese Gliederung und auch der Umstand, daß sich der Personalbestand weiterhin überwiegend aus Offizieren und Unterführern zusam182 183 184
Vgl. Bald, Der deutsche Offizier, S. 56ff. Vgl. Meinicke, Integration, S. 868. Vgl. Jahresbericht über die Durchführung 29.12.1951, BA, MZAP, Pt 034, Bl. 16.
und den Stand der
Ausbildung
der HVA 1951,
Auf dem
259
Wege zur Kaderarmee
mensetzte, ließ nunmehr eine rasche personelle Vermehrung und damit die Aufstellung militärischer Kampfverbände nach sowjetischem Vorbild zu. Die 14 Offiziersschulen blieben bestehen. Insgesamt zeigten sowohl die neue Organisationsstruktur der HVA, der Stand der Ausbildung ihrer Kader als auch die Bewaffnung der Einheiten, daß die HVA spätestens ab 1950 rein militärischen Zweckcharakter trug. Während des Jahres 1951 erfolgten rund 6 000 Neueinstellungen und knapp 4 000 Entlassungen, die den Personalbestand der HVA weiter stabilisieren sollten. Da größere Neuaufstellungen von Einheiten nicht stattfanden, veränderte sich die Stärke der Truppen während des Jahres 1951 nur unwesentlich. Insgesamt schätzte die H VA-Führung den »politisch-moralischen Zustand« ihrer Einheiten Ende 1951 als »zufriedenstellend« ein185. Die verbesserte Werbung, die verstärkte politische Indoktrinierung sowie die Maßnahmen des Befehls Nr. 2/49 hatten dazu geführt, die soziale und politische Zusammensetzung der HVA und ihrer Führungsschicht im Sinne der SED zu stabilisieren und auszubauen. Von ihren rund 51 000 Mann entstammten zu diesem Zeitpunkt 87 Prozent der »Arbeiterklasse«. Damit wurde beim Kriterium der sozialen Herkunft ein höherer Arbeiteranteil als in den Staatsorganen der Regierung und der örtlichen Verwaltungen erreicht. Dort waren 48,6 bzw. 54,3 Prozent (Stand: Oktober 1950) als aus der »Arbeiterschaft stammend« eingestuft186. 31,5 Prozent aller HVA-Angehörigen gehörten der SED an.
Organisationsgrad von SED und FDJ in der HVA, November 195V87 Anzahl der SED-Grundorganisationen
SED-Mitglieder
425 11 148 4 969
FDJ-Mitglieder
41 284
SED-Kandidaten Anzahl der FDJ-Grundorganisationen
416
Die
Parteiorganisationen bauten 1951 ihre Führungsrolle bei der ideologischen Erziehung der VP-Angehörigen sowie ihre Kontroll- und Überwachungsmechanismen weiter aus. Im Rahmen einer vom ZK der SED im Oktober 1950 angewiesenen Überprüfung der Parteimitglieder und Kandidaten erfolgte bis zum Juli 1951 auch in den Reihen der HVA eine Säuberung von »parteifeindlichen und anderen Elementen«188. In ihrem Ergebnis mußten 109 Parteisekretäre abberufen sowie 236 Parteileitungsmitglieder neu gewählt werden. Aus der Partei ausgeschlossen wurden insgesamt 198 H VA-Angehörige aller Dienstgradgruppen, wobei man 125 Personen »parteifeindliches Verhalten« vorwarf. Eine Intensivierung erfuhr die Tätigkeit der SED-Parteikontrollkommission in den Stäben und Einheiten. Sie konnte 1951 auf über 1 400 Parteiverfahren verweisen, von 185 186 187
188
Jahresbericht der Hauptabteilung Polit-Kultur, Dezember 1951, ebd., Pt 699, Bl. 63. Vgl. Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, Bd 7, S. 99. Vgl. Jahresbericht über die Durchführung und den Stand der Ausbildung der HVA 1951, 29.12.1951, BA, MZAP, Pt 034, Bl. 41 f., 56. Ebd., S. 35 ff.
260
Rüdiger Wenzke
denen etwa ein Drittel mit dem Parteiausschluß endeten, was zumeist auch ein Ausscheiden aus dem H VA-Dienst nach sich zog189. In annähernd 200 Fällen führten politische Gründe zu Ausschlußverfahren. Dazu gehörten solche »Tatbestände« wie »Feindliche Haltung zur Sowjetunion« (31 Fälle), »Nichtanerkennung der Oder-Neiße-Friedensgrenze und Hetze gegen die Volksdemokratien« (11 Fälle), »Ablehnung der Politik der DDR« (68 Fälle), »Verbreitung von RIAS-Meldungen« (7 Fälle) sowie »Versöhnlertum, Pazifismus, Objektivismus und Sozialdemokratismus« (46 Fälle). In zunehmendem Maße schaltete sich die SED in dienstliche Disziplinarverfahren ein. Bereits im Sommer 1950 waren die ersten Schritte zur Einführung einer »eigenen polizeilichen Gerichtsbarkeit« eingeleitet worden, womit die Grundlagen der späteren Militärgerichtsbarkeit der DDR gelegt waren190. Systematisch wurde die »Erziehung« der HVA-Angehörigen verstärkt. Dabei kam der politischen Schulung der Mannschaften und Unterführer besondere Bedeutung zu. Für sie standen 320 Unterrichtsstunden, das waren etwa 30 Prozent der Gesamtausbildungszeit, zur Verfügung. Für die politische Schulung der Offiziere waren 180 Stunden vorgesehen191. Die permanente, oft plumpe politische Indoktrinierung erzeugte aber nicht automatisch den von der SED gewünschten »hohen Bewußtseinsstand«, der sich bei den Volkspolizisten in der Treue zur Partei, in der Liebe zur Heimat, in der Freundschaft mit der UdSSR und im Haß auf die »imperialistischen Feinde« manifestieren sollte. Generalinspekteur Hoffmann mußte Anfang 1952 vor SED-Funktionären eingestehen, daß besonders die Haltung zur Sowjetunion für viele HVA-Angehörige nur »eine äußere Angelegenheit« sei192. Ebenso konstatierte er ein kaum entwickeltes Nationalbewußtsein und den fehlenden Stolz auf das »Ehrenkleid der Volkspolizei«. Laut Hoffmann mußte man auch »pazifistischen Tendenzen« in der HVA entgegentreten. Diese zeigten sich unter anderem in Diskussionen über die Ausbildung an den vor der Öffentlichkeit versteckt gehaltenen Panzern und gingen bis zu Dienstverweigerungen. Ende 1951 galten die Einheiten der HVA trotz vieler ungelöster Probleme und Mängel im Selbstverständnis ihrer Führung als generell »einsatzfähig« und »einsatzbereit«193. Die weitere Aufgabenstellung war klar: In der DDR sollten reguläre Streitkräfte entstehen. Das bedeutete nach den Worten Ulbrichts, daß sich die SED-Kader im militärischen Bereich »bewußt sein müssen der großen Aufgabe, [...] die sie haben in einer künftigen deutschen Armee, wo sie sicher auch etwas zu bestimmen haben«"4. —
—
Vgl. ebd., Bl. 44, sowie Bericht der Parteikontrollkommission in
der HVA 1951,
ebd., Pt 696,
Bl. 215ff.
Vorschlag Hoffmanns betr. »Polizeigerichte« an Ulbricht, 21.8.1950, ebd., Pt 063, Bl. 251 f. Vgl. Jahresbericht über die Durchführung und den Stand der Ausbildung der HVA 1951, 29.12.1951, ebd., Pt 034, Bl. 60.
Referat auf der IV. Parteikonferenz der SED in der HVA, 15./16.3.1952, ebd., Pt 696, Bl. 27 ff. Jahresbericht über die Durchführung und den Stand der Ausbildung der HVA 1951, 29.12.1951, ebd., Pt 034, Bl. 27. Referat auf der IV. Parteikonferenz der SED in der HVA, 15./16.3.1952, ebd., Pt 696, Bl. 156.
261
Auf dem Wege zur Kaderarmee
4. Die militärischen Kader im Aufstellungsprozeß »nationaler Streitkräfte« (1952/1953) Die
Personalwerbung als »wichtigste Aufgabe im gegebenen Moment«
Zusammenhang mit der Entwicklung der internationalen Lage in Mitteleuropa Anfang 1952, die unter anderem durch die Konsolidierung und Stärkung eines militärischen Westblocks und durch die politischen Turbulenzen um die Stalin-Note vom März 1952 charakterisiert wurde, forcierte die sowjetische Führung die Mobilisierung der militärischen Macht im eigenen Lager195. Die von dieser Politik ausstrahlenden Aktivitäten betrafen auch den weiteren Ausbau der militärischen Organe in der DDR. Die Schaffung von regulären Streitkräften rückte in den Mittelpunkt der Anstrengungen, wenngleich die damit verbundenen Zielvorstellungen entweder als Beitrag für die eventuell zu bildenden gesamtdeutschen Streitkräfte oder als ostdeutscher Bündnispart im militärischen Kräftespiel der UdSSR in Mitteleuropa offensichtlich noch unklar waren. Die sowjetischen Intentionen kamen der DDR-Führung sicherlich nicht ungelegen, gehörte doch eine »richtige« Armee zu jedem Staat, zumal sich die DDR selbst als souveräner Staat verstand, der sich permanent in seiner Existenz bedroht sah. Zugleich konnte sie sich dadurch im eigenen Lager stärker profilieren und mit den Volksdemokratien »gleichziehen«196. Auf jeden Fall notierte DDR-Präsident Pieck als ein Ergebnis seiner Gespräche mit der sowjetischen Führung in Moskau am 1. April 1952: »Volksarmee schaffen ohne Geschrei«197. Zwei Wochen später, nunmehr in Gesprächen in Berlin mit General Cujkov und anderen hohen Sowjetfunktionären, konzentrierte man sich schon auf detailliertere Vorstellungen über die weitere Bewaffnung und Organisation einer Armee. »Zuerst freiwillig, dann Rekrutierung der Polizei«, so lautete der Fahrplan, um nur »geprüfte Leute« für die künftigen Streitkräfte zu gewinnen. Weiterhin ging es darum, den Keim eines »Kriegsministeriums« zu schaffen und die Personalauswahl dafür vorzubereiten198. Die praktische Umsetzung dieser Beratungsergebnisse führte dazu, daß man im Frühjahr 1952 in der DDR nunmehr ziemlich offen die Aufstellung »nationaler Streitkräfte« vorbereitete. Ulbricht wies noch im April die 1. Kreissekretäre der SED an, die Werbung für die Volkspolizei als eine der »vordringlichsten Aufgaben der Partei und der FDJ« zu betrachten und die Überzeugungsarbeit für die Akzeptanz einer Armee in der Bevölkerung zu verstärken. Zu diesem Zeitpunkt sei es aber nicht notwendig, in der Presse bereits ausführlich über interne Parteiargumentationen zu berichten'99. Im Frühjahr 1952 begann die forcierte Auffüllung des vorhandenen Nukleus der HVA zu regulären, einsatzfähigen Linieneinheiten. Als offizielle Geburtsstunde dieser Im
—
—
195 196 197
198
Vgl. Wettig, Stalin-Note, S. 166 f. Heitzer, Entscheidungen, S. 29. Aufzeichnung über eine Besprechung in Moskau vom 1.4.1952, ZPA, NL 36/696, Bl. 26. Vgl. Aufzeichnungen Piecks über eine Besprechung mit Ulbricht, Grotewohl, Cujkov und nov,
199
Semë-
14.4.1952, ebd., NL 36/736, Bl. 301 ff.
Ausführungen auf der Konferenz der Ersten Kreissekretäre, 23.4.1952, ebd., IV 2/1.01/191, Bl.
15.
262
Rüdiger Wenzke
qualitativ und quantitativ neu konzipierten Truppen, die den Namen »Kasernierte Volkspolizei (KVP)« erhielten, wurde der 1. Juli 1952 deklariert200. Die Aufgabe der politischen und militärischen Qualifizierung des bereits vorhandenen Kaderbestandes blieb jedoch bestehen. Die Aufstellung des neuen Truppenkörpers setzte umfangreiche Anstrengungen zur Gewinnung des dafür nötigen Personals voraus. Allein für den Aufbau der Einheiten der Territorialen Verwaltung Pasewalk, eines neu zu formierenden operativen Verbandes vergleichbar einem Korps im Norden der DDR, waren rund vier Fünftel des Gesamtpersonalbestandes der ehemaligen HVA vorgesehen. Die laufende Werbung für die HVA/KVP wurde verstärkt. Im Frühsommer 1952 (und dann noch einmal im Jahre 1955) begann eine zentral gesteuerte und groß angelegte Aktion unter der DDR-Jugend. Als Träger fungierte anfangs wieder der Apparat der —
—
SED. Er unterstützte die Werbekommissionen, in denen Vertreter der FDJ, des Gewerkschaftsbundes und staatlicher Institutionen mitarbeiteten. Im Herbst 1952 übernahm dann das Ministerium des Innern die Durchführung der Rekrutierungsmaßnahmen. Dazu erfolgte die Schaffung von 225 Kreisregistrierabteilungen, die die militärdienstfähigen Jahrgänge systematisch zu erfassen und zu verwalten hatten. Aus ihnen entstanden nach Bildung der Nationalen Volksarmee die Wehrkreis- und Wehrbezirkskommandos. Gesetze, die die jungen Männer zum Waffendienst hätten zwingen können, existierten nicht, wenngleich in der SED-Spitze offenbar seit 1952 mehrfach über die Einführung einer Militärpflicht nachgedacht wurde201. Ulbricht unterstrich daher den Stellenwert der Werbeaktionen vor regionalen Parteiführern im September 1952: »Das Zentralkomitee der SED hält die Werbung für die bewaffneten Streitkräfte und die Organisierung der Verteidigung der DDR für eine der wichtigsten Aufgaben im gegebenen Moment.« Auf die Herausbildung der Führungskader eingehend, führte er weiter aus: »Jetzt stehen vor uns Aufgaben, die keine geringere Bedeutung haben Offizierskader für unsere nationalen Streitkräfte heranzubilden. Wir brauchen Offiziere und Generäle, die die moderne Kriegführung gut kennen und mit dem Volk aufs engste verbunden sind, die in der selbstlosen Verteidigung der Interessen der Werktätigen ihre höchste Pflicht sehen. Wir brauchen Kader von qualifizierten Panzerfahrern, Fliegern, Artilleristen, Pionieren, Nachrichtenleuten, Verbindungsleuten, Matrosen, Militäringenieuren sowie Offizieren für alle Gattungen, die ihren Dienst in der Armee als ihre Lebensaufgabe ansehen202.« Bemerkenswert an diesen Äußerungen war nicht nur die auch in der Öffentlichkeit benutzte Fiktion, daß die Armee erst völlig neu aufgestellt werden müsse, was ja der Realität nicht ganz entsprach, und man jetzt dazu die entsprechenden Kader suche, sondern auch der Hinweis Ulbrichts auf die Stellung des Armeeoffiziers als Lebensberuf mit einer weitreichenden Perspektive. —
200 201
202
Vgl. Befehl Nr. 555/52, 28.6.1952, BA, MZAP, Pt 3912, Bl. 32. Vgl. Gesprächsplan Piecks für eine Beratung in Moskau, 1.4.1952, ZPA, NL 36/696, Bl. 21 ; Notizen Piecks über eine Besprechung mit Cujkov, 18.4.1952, ebd., NL 36/736, Bl. 304; Auskunftsbericht Hoffmanns an das Politbüro der SED, Ende 1953, ebd., IIV 2/202/64, Bl. 1 ff. Brief Ulbrichts an die 1. Sekretäre der Bezirks- und Kreisleitungen der SED und an die Vorsitzenden der Räte der Bezirke und Kreise, 3.9.1952, ebd., IIV 2/2/229, Bl. 16 bzw. 15.
Auf dem
263
Wege zur Kaderarmee
Eine besondere Verantwortung für die Auffüllung der KVP hatte die SED der Jugendorganisation FDJ im Rahmen einer sogenannten Patenschaft über die Volkspolizei übertragen203. Das bedeutete im Klartext, daß die FDJ die Funktion des wichtigsten Werbeträgers übernehmen sollte. Pieck hatte dazu auf der 2. Parteikonferenz der SED, auf deren grundlegende Bedeutung für die weitere Umsetzung der stalinistischen Transformationskonzeption in der DDR hier nicht weiter eingegangen werden kann204, im Juli 1952 gefordert, daß sich die Jugend nicht mehr auf das Kleinkaliberschießen und die sportliche Ausbildung beschränken dürfe. Sie müsse »die moderne Militärwissenschaft und die modernen Waffengattungen meistern, was eine besondere Ausbildung erfordert«205. Im Sommer 1952, vom Juli bis September, sollten demgemäß auf Beschluß der Partei in sogenannten FDJ-Aufgeboten etwa 37 000 junge Männer für die KVP und die Grenzpolizei geworben werden. Im Rahmen dieses Werbesolls waren allein 5 000 SEDMitglieder für den Eintritt in die bewaffneten Organe zu überzeugen bzw. »zu delegieren«206. Die geforderten Ergebnisse konnten in der kurzen Zeit trotz beträchtlicher Anstrengungen nicht erreicht werden. Betrug im Juli/August 1952 die durchschnittliche Einstellungsquote 294 Mann pro Tag, so sank sie bis Ende September auf 206. Dagegen stieg der Anteil der SED-Mitglieder unter den Geworbenen von anfangs 5 auf 13 Prozent. Bis zum Ende der Gesamtkampagne konnten 13 434 Anwärter in den KVP-Dienst und 6 810 Mann in die Grenzpolizei eingestellt werden; das entsprach circa 54 Prozent der vorgegebenen Zahlen207. Ein Teil der Jugendlichen kam der Aufforderung zum Eintritt in die bewaffneten Organe der DDR freiwillig und aus Überzeugung nach. Dabei handelte es sich in der Mehrzahl um jene, die im Elternhaus und im Jugendverband bereits zu Anhängern des Regimes erzogen worden waren und die idealistisch motiviert den ehrlichen Willen mitbrachten, ihre Heimat verteidigen zu wollen. Viele Jugendliche erhielten einen »Verbandsauftrag« der FDJ, der sie moralisch verpflichtete, in die KVP einzutreten. SED-Organisationen konnten ihren Mitgliedern entsprechende Parteiaufträge erteilen. Mit der dreijährigen Verpflichtung waren oft Versprechungen über eine bessere berufliche Perspektive, z. B. über die bevorzugte Aufnahme eines Studiums verbunden. Zudem lockten bei Wahl der Offizierlaufbahn die weit über dem DDR-Durchschnitt liegenden Gehälter dieser Berufsgruppe208. Andere Motive für den Eintritt in die KVP —
201 2a> 205 206
21,7 208
Vgl. Turra, Übernahme, S. 465 ff. Vgl. Staritz, Gründung, S. 184; Schützle, 2. Parteikonferenz, S. 502ff.
—
Protokoll der II. Parteikonferenz, S. 217. Vgl. Bericht über den Verlauf der VP-Werbung, 20.9.1952, ZPA, NL 36/657, Bl. 17f; Protokoll Nr. 180 der Sitzung des Sekretariats des ZK der SED, 21.7.1952, ebd., IIV 2/3/309, Bl. 11 f. Vgl. Bericht über den Verlauf der VP-Werbung, 20.9.1952, ebd., NL 36/657, Bl. 18. Als monatliche Dienstvergütung erhielt ein Soldat der KVP im Herbst 1952 knapp über 300 Mark. Das lag nur wenig über dem Durchschnittsverdienst eines Arbeiters in der Industrie, aber deutlich über dem Lohn eines Landarbeiters oder Handwerksgesellen. Ein Kompaniechef (Oberleutnant) kam dagegen auf 900 Mark (plus Zulagen). Er erhielt also dreimal soviel wie ein »Durchschnittsverdiener« und etwa das Doppelte eines Ingenieurgehaltes, vgl. Befehle des Ministers des Innern, 5. und 11.9.1952, BA, MZAP, Pt 2002, Bl. 14ff. bzw. 57ff; Jahrbuch der Deutschen Demokratischen Republik 1956, S. 226, bzw. 1959, S. 118.
264
Rüdiger Wenzke
bildeten das Interesse an Technik, der versprochene soziale Aufstieg vom Landarbeiter zum Offizier oder auch einfach Neugier. Unter dem größten Teil der Jugend zeigten sich jedoch Vorbehalte und offene Ablehnung gegenüber jeglichem Militärdienst209. Stimmen wie »Freiwillig gehen wir nicht« und »Ich würde niemals auf Menschen schießen« waren weit verbreitet und offenbarten damit eine erstaunliche Parallele zu ähnlichen Auffassungen der »Ohne-mich-Bewegung« in der jungen Bundesrepublik. Anders als im Westen trat man den »unwilligen« jungen Menschen in der DDR entgegen: Die Verantwortlichen erhöhten den Druck auf sie, indem man ihnen unter anderem mit beruflichen und persönlichen Konsequenzen drohte. Gesonderte Bestimmungen in den Statuten und Dokumenten von Partei und FDJ hatten das Ziel, bestimmte »Pflichten« festzulegen, mit denen jedes Mitglied zur »freiwilligen« Meldung für die bewaffneten Organe genötigt werden konnte210. Auf der anderen Seite gab es jedoch auch in Behörden, Organisationen und Betrieben Funktionäre, die sich der Abwerbung ihrer Mitarbeiter widersetzten bzw. den jungen Männern vom Dienst in der KVP abrieten. So gab der Betriebsleiter von Zeiss-Jena die Anweisung, Werber vom Firmengelände zu entfernen. Dabei holte er sich sogar Unterstützung durch Polizeikräfte des Landes. Andere Leiter verboten ebenfalls jegliche Werbungen in ihren Betrieben und Institutionen. In Stendal organisierten sogar Bürgermeister und Parteisekretär Aktionen gegen die Abwerbung junger Landarbeiter und Bauern2". Die nach den Juni-Ereignissen 1953 einsetzende Werbung für die KVP verlief »völlig unbefriedigend«212. Ende 1953 forderte KVP-Chef Hoffmann daher, »ohne die Frage nach der Schaffung einer Dienstpflicht zu stellen«, das System der Auffüllung der KVP mit Soldaten zu ändern. Dabei sollte das Prinzip der Freiwilligkeit durch eine »organisierte Einberufung« des »besten Teils« der Arbeiter- und Bauernschaft sowie von SEDund FDJ-Mitgliedern ab dem 18. Lebensjahr erfolgen. Die Registrierabteilungen sollten dazu den Auftrag erhalten, in »getarnter Form« die männliche Bevölkerung im Alter von 18 bis 50 Jahren zu registrieren, um letztlich die Einstellung von 30 000 bis 35 000 Mann jährlich zu gewährleisten213. Ein Teil der Jugendlichen war dem zunehmenden Druck nicht mehr gewachsen und entzog sich dem Drängen der Werber durch Flucht in den Westen. Das sprunghafte Ansteigen der Flüchtlingszahlen von jungen DDR-Bürgern verdeutbei aller Differenziertheit der individuellen Ursachen und Motive einen oflichte fensichtlichen Zusammenhang mit den großen Werbeaktionen zur kasernierten Polizei 1952 und 1955. Ein ähnliches Phänomen läßt sich auch für die Zeit vor der Einführung der Wehrpflicht in der DDR 1960/61 nachweisen. —
2m
210
211
212
2,3
Vgl. Informationsmeldungen
—
an die ZK-Abteilung »Jugend«, Sommer 1952, ZPA, IV 2/16/9, Bl. 34 ff. Vgl. Dokumente der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, Bd V, S. 92; Geschichte der Freien Deutschen Jugend, S. 273; Geschichte des FDGB, S. 102. Vgl. Anlage Nr. 3 zum Protokoll der Sekretariatssitzung des ZK der SED, 12.5.1952, ZPA, I IV 2/3/288, Bl. 33 ff. Beschluß des Politbüros über die Lage in der KVP, Anlage Nr. 3 zur Sitzung des Politbüros, 15.12.1953, ebd., IIV 2/2/337, Bl. 27. Auskunftsbericht Hoffmanns an das Politbüro der SED, ebd., IIV 2/202/64.
Auf dem Wege
zur
265
Kaderarmee
Anzahl der Flüchtlinge aus der DDR im Alter von 18 bis 25 Jahren, 1952-19562'4 % dieser Altersgruppe
Anzahl 22 209 26 323 15 270 41290 36 035
Jahr 1952 1953 1954 1955 1956
14,9 7,9 8,3 16,3 12,9
Insgesamt hatten die Methoden der Werbung und Rekrutierung geeigneten Personals für die KVP ab 1952/53 immer mehr Formen einer versteckten Wehrpflicht angenommen. Mit der Konzentration auf besonders »bewußte« Kreise der Jugendlichen, also vorrangig auf SED-Mitglieder und FDJ-Funktionäre, sollte nicht zuletzt der »klassenmäßige« Kern und damit die politische Zuverlässigkeit der Streitkräfte weiter gestärkt werden.
Kaderentwicklungen im Rahmen neuer zur Schaffung der NVA
Streitkräftestrukturen bis
1952/53 vollzog sich der endgültige Übergang zu militärischen Strukturen im bis dahin »stärksten bewaffneten Organ« der DDR. Die Bildung der KVP hatte eine weitere Verselbständigung und Abgrenzung von den übrigen Bereichen der Polizei zur Folge: Ihre militärische Führung wurde einem (General-)Stab übertragen. Für die zentrale politische Führung entstand die Politische Verwaltung. Alle »prinzipiellen und wichtigen Fragen« sollten zudem in einem neu geschaffenen Gremium, dem sogenannten Kollegium, beraten werden215. KVP-Chef Hoffmann avancierte zum stellvertretenden Innenminister, dem ab Ende 1953 auch die VP-See und die VP-Luft (Aero-Klubs) unterstanden. Die bereits im Bereich der HVA angewandten militärischen Organisationsprinzipien in den Strukturen, der Ausbildung und der politischen Indoktrinierung wurden vervollkommnet und erweitert. All dies geschah unter dem Deckmantel der KVP, da die SED den offenen Aufbau einer Volksarmee aus verschiedenen innen- und außenpolitischen Gründen 1952/1953 wieder zurückstellen mußte. Das sichtbarste äußere Kennzeichen der Hinwendung zu »nationalen Streitkräften« bildete dennoch die Einführung von militärischen Dienstgraden und Rangabzeichen sowie neuer Uniformen im Herbst 1952. Der Übergang zur KVP zog auch personalpolitische Konsequenzen nach sich. Zur effektiven Führung der militärischen Einheiten entstanden sogenannte Territoriale Verwaltungen (TV), die die Aufgaben eines operativen Korps zu erfüllen hatten. Ihnen waren »Bereitschaften« in Divisionsstärke unterstellt. Obwohl es gelungen war, »bestimmte Kader für die Schaffung nationaler Streitkräfte zu entwickeln«, beklagte die KVP-Führung aber weiterhin »entscheidende Mängel und Schwächen« in der Qualifika214 215
Nach Bohn,
Aufrüstung, S. 100. Vgl. Anweisung des Innenministers MZAP, Pt 2072, Bl. 1 f.
über die
Bildung
des
Kollegiums
im Mdl,
26.7.1952, BA,
266
Rüdiger Wenzke
tion und in der Autorität des Offizier- und Unterführerstandes216. Viele Offiziere bekamen in Folge dieser Neu- und Umstrukturierungen Dienstfunktionen übertragen, für die sie noch keine Qualifikation und keinerlei Erfahrungen besaßen. 68 Prozent der rund 12 500 Offiziere gehörten erst seit Ende 1950 der militärischen Führungsschicht an. Großer Mangel herrschte nach wie vor an ausgebildeten Spezialisten und Fachkräften in den technischen Bereichen, in der Logistik und im medizinischen Dienst, wo nur etwa ein Fünftel der notwendigen Arztstellen besetzt werden konnte. Dagegen wurde die Personalstärke des Politapparates innerhalb eines Jahres verdreifacht217. Eine grundlegende Verbesserung des inneren Zustandes der KVP, die vor allem über eine verstärkte politisch-ideologische Erziehung erreicht werden sollte, war dadurch trotz wiederholter kaum zu verzeichnen. massiver Kritik seitens des Politbüros218 Die »Führungsmannschaft« der KVP vom Regimentskommandeur aufwärts setzte sich Ende 1952 zum überwiegenden Teil aus dem Kreis der nach 1945 herangebildeten Offiziere zusammen. Bewährte kommunistische Funktionäre sowie einige Generale und Offiziere der einstigen Wehrmacht bildeten die neue militärische Elite. Der Altersdurchschnitt der leitenden Kader betrug 44 Jahre219. 34 Jahre Altersunterschied trennten z. B. den damals ältesten KVP-General, den ehemaligen Wehrmachtoffizier Walter Freytag (Schulleiter in Dresden), vom jüngsten Verbandskommandeur, dem damals 26jährigen Oberstleutnant Fritz Streletz. Allen war die Aufgabe gestellt, »aus der Polizeivereinigung eine kampffähige militärische Truppe zu machen«220. Verantwortlich für den Einsatz, die Verwendung, Förderung und Erziehung der über 10 000 Fachoffiziere war die Kaderverwaltung der KVP. Sie verfügte im Herbst 1953 über 60 Mitarbeiter. Ihrer Bedeutung als politisches Organ der Partei entsprechend stanEwald Munschke, Fritz Köhn und Richard Fischer -, die den ihr drei Generale vor alle den Altkommunisten zuzurechnen waren. Die Kaderverwaltung befand sich damit fest in der Hand der SED. Ein konstitutives Element zur Durchsetzung des uneingeschränkten Führungsanspruchs der Partei, das der Steuerung und Kontrolle des gesamten Staatsapparates diente, war das Nomenklatursystem. Es erfaßte nach sowjetischem Vorbild alle entscheidenden Führungspositionen und ordnete die Spitzenfunktionen der personalpolitischen Zuständigkeit der höchsten Parteigremien zu. Für die Einführung des Nomenklatursystems in die bewaffneten Kräfte hatten sich Mielke und Hoffmann bereits während des Aufbaus der DVdl ausgesprochen221. Als Nomenklaturkader der KVP galten diejenigen Generale und Offiziere, die aufgrund ihrer Führungsposition bzw. ihrer »Entwicklungsfähigkeit« als leitende Kader ei—
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—
216
217
218
219
220 221
10. Tagung des ZK der SED, 22.11.1952, ZPA, IV 2/1/108, Bl. 248 ff. Vgl. Jahresbericht der Politischen Verwaltung der KVP 1952, Januar 1953, BA, MZAP, Pt 3419, Bl. 149. Vgl. u. a. die massive Kritik der SED-Führung in einem Brief an die Mitglieder und Kandidaten der SED in den bewaffneten Kräften der DDR vom Januar 1953, ZPA, NL 90/449, Bl. 40 ff. Errechnet nach einer Personalaufstellung der Mdl-Führung, Ende 1952, BA, MZAP, Pt 793, Bl. 43 ff. Rede Ulbrichts auf der Kollegiumssitzung der KVP, 9.1.1953, ebd., Pt 2061, Bl. 125. Vgl. Protokoll der 2. PK-Leiter-Konferenz der DVdl, 879.9.1949, BArch P, 7/101, Bl. 11.
Diskussionsbeitrag Hoffmanns auf der
267
Auf dem Wege zur Kaderarmee
besonderen Erfassung und Bestätigung durch die SED bedurften. Laut der Nomenklatur des Ministeriums des Innern vom September 1953 mußten vom Politbüro unter anderen bestätigt werden: die Stellvertreter des Chefs der KVP, die Chefs der Territorialen Verwaltungen und Bereitschaften, die Chefs der VP-See und der Aero-Klubs sowie der KVP-Hochschule. Das Politbüro entschied außerdem über sämtliche Ernennungen zum General und über Beförderungen im Generalsrang. Vom Sekretariat des ZK der SED wurden unter anderen die Leiter der Offizierschulen, die Leiter der Politabteilungen und die Chefredakteure der Militärpresseorgane bestätigt. Regimentskommandeure, stellvertretende Bereitschafts- und Schulleiter sowie Parteisekretäre im Stab der KVP erhielten ihre Bestätigung von der dritten Ebene der SED-Hierarchie, hier von der ZKAbteilung für Sicherheitsfragen. Die der Nomenklatur des Politbüros unterliegenden Kader wurden nach der Bestätigung durch das Parteiorgan auf der staatlichen Linie vom Ministerpräsidenten ernannt. Für die Kader der »zweiten und dritten Ebene« erfolgte die Ernennung über den Innenminister bzw. seinen Stellvertreter in Gestalt des Chefs der KVP222. Ab Sommer 1953 traten weitere Maßnahmen zum Ausbau der kasernierten Formationen in Kraft. Sie standen diesmal im unmittelbaren Zusammenhang mit der Auswertung der Juni-Ereignisse von 195322'. Eine Schlußfolgerung der politischen und militärischen Führung vermutlich unter sowjetischem Druck bestand darin, den der zu Aufbau Streitkräfte zahlenmäßigen vorübergehend verlangsamen. Auf Beschluß der Partei wurde daher die Gesamtstärke der KVP verringert und begrenzt. Der Befehl Nr. 7/53 des Ministers des Innern vom September 1953 legte die Personalstärke der Kasernierten Volkspolizei auf 99 784 Mann neu fest; davon waren 86 276 Mann Landeinheiten, 7 727 Mann in der VP-See und 5 881 Angehörige der Aero-Klubs224. Noch Ende 1952 hatten allein die Landeinheiten über 90 250 Mann verfügt225.Diese Verringerung der Truppenstärke zog erneut eine Reihe von strukturellen und organisatorischen Veränderungen in den Einheiten und in der Führung nach sich226. Die Auswirkungen trafen auch das Offizierkorps. Im Jahre 1953 kamen fast 3 500 Offiziere zur Entlassung. Der Bestand an Politarbeitern verringerte sich von 4 323 auf 3 677 Mann. Der größte Teil der Entlassenen mußte aufgrund der Stellenplanänderungen aus der KVP ausscheiden. Jedoch wurde die Verringerung des Personals auch zum Anlaß genommen, die als »unzuverlässig« geltenden Personen aus dem Offizierkorps sowie aus dem Unteroffizier- und Mannschaftsbestand zu entfernen. ner
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—
Vgl. Nomenklatur der leitenden Kader des Mdl, 25.3.1953, BA, MZAP, Pt 3895, Bl. 6 ff. Vgl. Diedrich, Der 17. Juni, S. 178 ff. Vgl. Befehl Nr. 7/53 des Ministers des Innern, 23.9.1953, BA, MZAP, Pt 2006, Bl. 70. Vgl. Bericht über die Entstehung und Entwicklung der KVP, 16.12.1953, ebd., Pt 2070, Bl. 14. Die KVP gliederte sich 1953 in zwei Territoriale Verwaltungen mit jeweils drei Bereitschaften (Divisionen) sowie der Mechanisierten Bereitschaft Potsdam und fünf selbständigen Kommandos (Regimenter). Hinzu kamen noch 21 Schulen, einschließlich der Hochschule für Offiziere und der Politschule. Zur VP-See gehörten neben den Einheiten einer Flottenbasis sechs Lehreinrichtungen. Die Aero-Klubs gliederten sich in einen Aero-Klub, eine aerotechnische Bereitschaft und zwei Schulen. Vgl. Befehl Nr. 7/53 des Ministers des Innern, 23.9.1953, ebd., Pt 2006, Bl. 70ff.
268
Rüdiger Wenzke
Veränderungen des Offizierbestandes der KVP, 1953227 Monat Januar Juni
Dezember
Ist-Bestand 15 367 Mann 15 389 Mann 12 521 Mann
Soll-Bestand 19 652 Mann 18 692 Mann 15 094 Mann
Die Aussonderung mißliebiger KVP-Angehöriger sollte offenbar zu einer Beruhigung der Lage in den Einheiten, die zeitweise sehr angespannt war228, beitragen. So gelang es z. B., die Zahl der Desertionen spürbar zu verringern. Sie sank von insgesamt 1 946 Fälein len im Jahr 1953 auf 911. Im Ausbildungsjahr 1954/55 desertierten 13 Offiziere Jahr zuvor waren es noch 82 gewesen229. Die Ursachen zur Flucht aus der KVP lagen aber immer noch vor allem in den inneren Verhältnissen des ostdeutschen Militärs begründet. Hier sind die katastrophale Unterbringung, die beispielsweise in der Eggesiner Division noch überwiegend in Zelten erfolgte, die »lieblose«, oft schlechte Verpflegung, die mangelnde kulturelle und Freizeitbetreuung der jungen Soldaten sowie der zum Teil menschenverachtende Umgang mit den Unterstellten, der bis zum Schlagen von Soldaten reichte, an vorderster Stelle zu nennen230. Eine große Verantwortung für die schlechten Zustände in der KVP trug das Offizierkorps. Obwohl seine allgemeine soziale und politische Zusammensetzung im wesentlichen den von der SED gestellten Anforderungen entsprach 77,7 Prozent der Offizie1953 ihrer sozialen Herkunft re entstammten nach der Arbeiterschaft und 67,4 gehörten inzwischen der Partei an231 -, war es der SED noch nicht gelungen, ein wirklich geschlossenes Offizierkorps zusammenzuschweißen. Mangelnde Autorität und ungenügende Führungseigenschaften waren ohne Zweifel Folgen des allgemein schwachen Bildungsniveaus und des niedrigen fachlichen Ausbildungsstandes. So wurden nicht zuletzt zum wiederholten Male die Auswirkungen jener Kaderauslese sichtbar, die Herkunft und Parteiverbundenheit höher bewertete als die anforderungsgerechte Befähigung und die notwendige Motivation zum Offizierberuf. Der rasche Aufbau der bewaffneten Organe nach dem Prinzip »Erst die Organisation, dann die Fachkräfte« hatte insgesamt dazu geführt, daß sich die militärische Führungsschicht bis weit in die 50er Jahre nicht nur sehr heterogen zusammensetzte, sondern auch bei weitem nicht den qualitativen Anforderungen moderner Streitkräfte gewachsen war. —
—
Vgl. Bericht der Kaderverwaltung der KVP 1953, 14.1.1954, ebd., Pt 3852, Bl. 83. Vgl. Beschluß des SED-Politbüros über die Lage in der KVP, Anlage Nr. 3 zur Sitzung
des Polit-
büros, 15.12. 1953, ZPA, IIV 2/2/337, Bl. 23ff.
Vgl.
Bericht der Politischen Verwaltung der KVP 1953, Januar 1954, BA, MZAP, Pt 3420, Bl. 9. Unter den 82 Offizieren befanden sich 2 Oberste, 2 Oberstleutnante, 4 Hauptleute, 1 Kapitänleutnant, 9 Oberleutnante, 32 Leutnante und 32 Unterleutnante. Vgl. Analyse zum inneren Zustand der KVP, 7.9.1953, sowie den Bericht der SED-Führung über ihre Kontrolle bei der Bereitschaft Eggesin, 9.-13.3.1954, ebd., Pt 2073, Bl. 119 ff. bzw. 176 ff. Vgl. Bericht der Kaderverwaltung der KVP 1953, 14.1.1954, ebd., Pt 3852, Bl. 101 f.
Auf dem Wege
zur
269
Kaderarmee
Soziale und politische Zusammensetzung des Offizierkorps der KVP (Land), der VP-See und Aero-Klubs (ohne Politoffiziere), Dezember 1953 (in Prozent)232 KVP
Soziale Herkunft: Industriearbeiter Landarbeiter Bauern
Angestellte Beamte
Berufssoldaten
Selbständige
Freie Berufe
Parteizugehörigkeit: SED-Mitglieder SED-Kandidaten
NDPD DBD/CDU KPD vor 1933 nach 1945 SPD vor 1933 nach 1945 NSDAP SA, SS Das
VP-See
Aero-Klubs
75,5 9,4 2,7 8,0 0,8 0,2 2,2 L2
72,7 2,3 1,6 17,0 3,0 0,1 3,0 0,3
85,2 2,4 1,3 7,6 1,2 0,4 1,8 0,1
49,5 16,0 0,2 0,05 0,8 4,3 0,4 3,0 0,4 0,1
66,7 11,5 0,4
57,8 10,8 0,1
2,0 9,0 1,0
0,7 8,9 1,6 8,4 2,5 0,7
(Land)
8,0 1,8
0,3
Offizierkorps (Unterleutnant bis einschließlich Hauptmann) bestand aus sehr im Alter bis zu 25 Jahren. Sie waren zumeist im Rahmen der großen Offizieren jungen Werbeaktionen in die HVA eingetreten. Sowohl ihr Allgemeinwissen als auch ihr bereits in der Volkspolizei erworbenes militärisches Wissen bewegte sich auf einem sehr niedrigen Niveau. Sie führten die Ausbildung oft nur formal durch und waren teilweise nicht in der Lage, sich bei ihren Unterstellten durchzusetzen. Mangelnde Bildung und wenig fachliche Erfahrungen wurden nicht selten durch einen rüden Kasernenhofton überspielt. Ein kleiner Teil setzte sich aus jungen Menschen zusammen, die anfangs mit ehrlicher Überzeugung und großen Erwartungen in die bewaffneten Kräfte eintraten. Diese Offiziere, in der Mehrzahl aktive Mitglieder der SED und der FDJ, versuchten eine engagierte Arbeit zu leisten, scheiterten jedoch oftmals an den gegebenen Verhältnisuntere
Die Folgen waren Resignation oder die Bitte um Entlassung. Das mittlere Offizierkorps umfaßte die Regimentskommandeure sowie leitende Offiziere im Stab der KVP, in den Divisionsstäben, in den Stäben der Territorialen Verwaltungen und das Lehrpersonal an den Schulen. Auffällig war auch hier das niedrige Alter, in dem diese Offiziere verantwortliche Dienststellungen einnahmen. Das Durchschnittsen.
zusammengestellt und errechnet nach ebd.
270
Rüdiger Wenzke
salter der
Regimentskommandeure lag im Herbst 1953 bei etwa 30 Jahren. Im mittleren Offizierkorps befand sich ein hoher Anteil Offizier- und Unteroffizierdienstgrade der ehemaligen Wehrmacht, der die Ausbildungsmethoden und die Dienstverhältnisse in der KVP stark prägte. So hatten von 18 Schulleitern bereits 11 als Offizier, 4 als Oberfeldwebel und 2 als Unteroffizier der Wehrmacht gedient. Das höhere Offizierkorps, worunter die Chefs der Verwaltungen und ihre Stellvertreter, die Chefs der Aero-Klubs und der VP-See, die Chefs der Territorialen Verwaltungen und Kommandeure der Divisionen verstanden wurden, war ebenfalls sehr heterogen zusammengesetzt. Die Generalität der KVP bestand im Herbst 1953 aus 29 Generalen und Admiralen. Darüber hinaus existierten noch einige Generalplanstellen, die von hohen Stabsoffizieren besetzt waren. Zwar befanden sich die Spitzenfunktionen und damit die maßgebliche politisch-militärische Verantwortung nach wie vor in den Händen »bewährter Kader der Partei«, doch immerhin 13 Generale der KVP hatten bereits in der Wehrmacht hohe und mittlere Führungspositionen innegehabt. Als Stabschef fungierte der ehemalige Wehrmachtgeneral Vincenz Müller im Range eines Generalleutnants. Sein Stellvertreter war der vom Wehrmachtmajor zum KVP-General avancierte Bernhard Bechler, der bei Abwesenheit von Oberst Göhringer vormals Oberleutnant vertreten wurde. Auch bei der VP-See und den Aero-Klubs waren die Stabschefposten mit ehemaligen Wehrmachtoffizieren besetzt. Eine dem SED-Politbüro im Herbst 1953 zugegangene Analyse über »36 Führungskader der KVP« machte darüber hinaus sichtbar, daß sich unter den dort Genannten nur zwei Offiziere befanden, die bereits vor 1933 der KPD angehört hatten. Die soziale Lage dieser Gruppe vor ihrem Eintritt in die bewaffneten Kräfte der SBZ/DDR zeigte ein Bild, das beträchtlich von dem des gesamten Offizierkorps abwich. 44,4 Prozent rekrutierten sich aus dem Stand ehemaliger Berufssoldaten, nur 22,2 Prozent waren vorher Arbeiter und Landarbeiter gewesen233. Die Gruppe der Generale und Offiziere der einstigen Wehrmacht bildete auch im Offizierkorps der KVP eine feste Größe. Obwohl ihr Anteil am Gesamtoffizierbestand nur bei etwa 4 Prozent lag, leisteten sie gerade in der ersten Hälfte der 50er Jahre einen nicht zu unterschätzenden Beitrag zum Aufbau des ostdeutschen Militärs. Die Bewertung ihres Einsatzes und Engagements im militärischen Bereich war jedoch bei der politischen Führung und in der Truppe keinesfalls einheitlich, sondern eher umstritten. Generell wie bereits bei der DVdl und der HVA unterlagen sie einer ständigen und Kontrolle. Mißtrauen vor allem die militärisch inkomTiefes hegten Beobachtung Politoffiziere ihren Sie warfen ihnen vor, sich Offizierkameraden. petenten gegenüber der Parteikontrolle zu entziehen und mit ihren »persönlichen Allüren und Karrieren« der unmittelbare Anlaß für die schlechte Disziplin und die Mißstimmungen in der KVP zu sein234. Insbesondere die Verwendung ehemaliger Generale stieß sowohl bei Kriegsteilnehmern wie bei überzeugten Antifaschisten auf Ablehnung. Viele verstanden die Notwendigkeit ihrer Tätigkeit in den bewaffneten Einheiten nicht und empfanden es als unangenehm, wieder unter ihnen dienen zu müssen. Nach Aussagen anderer Zeitzeugen —
—
233
234
Vgl.
Bericht
—
—
an
das Politbüro über die
27.10.1953, ZPA, IIV 2/2J/6, Bl. 10. Vgl. ebd., Bl. 9f.
ernste
Situation in der Kasernierten
Volkspolizei,
Auf dem Wege
zur
271
Kaderarmee
wurden ehemalige Generale, insbesondere Vincenz Müller, in den Stäben und Truppenteilen geachtet. Die SED-Führung respektierte sie zumindest nach außen. So erhielten die Generale bei ihrer Pensionierung eine Altersrente, bei deren Berechnung man auch 25 Prozent der Wehrmachtdienstzeit berücksichtigte235. Regelrecht hofiert wurde Generalfeldmarschall Friedrich Paulus, als er im Oktober 1953 aus sowjetischer Gefangenschaft nach Dresden zurückkehrte. Innenminister Stoph gebrauchte im Schriftverkehr mit ihm grundsätzlich die Anrede »Herr Generalfeldmarschall«. Die KVP stellte ihm Haus, Geld und ein Auto zur Verfügung. Im Dezember 1953 übergab ihm KVP-Chef Hoffmann eine Pistole. Offiziell nicht in den bewaffneten Organen der DDR tätig, wirkte Paulus aber als Referent an der Dresdener KVP-Hochschule und sollte vor allem für die Propagandaarbeit der SED unter den ehemaligen Wehrmachtoffizieren in der Bundesrepublik vereinnahmt werden236.
Ehemalige Wehrmachtangehörige im Offizierkorps des DDR-Militärs, 1951-1956237 Dienstgradgruppe
in der Wehrmacht Offiziere Unteroffiziere Mannschaften Gesamt
Juni 1951
September 1953
Juli 1956
431(4,2%) 956(9,4%) 2 004(19,6%) 3 391(33,2%)
461(3,5%) 1187(9,1%) 2 529(19,4%) 4177(32,0%)
494(2,8%) 1623(9,2% 2 612(14,8%) 4 729(26,8%)
In sehr starkem Maße prägten ehemalige Unteroffiziere das Offizierkorps der KVP sowie der späteren Nationalen Volksarmee. Aufgrund ihres Avancements, das ihnen in der Wehrmacht versagt geblieben war, fühlten sie sich dem neuen Staat besonders verpflichtet und galten deshalb als politisch und militärisch zuverlässig. In der KVP liefen 1954/55 die letzten intensiven Vorbereitungen für den offenen Übergang zur Schaffung regulärer Streitkräfte an. Dieser Kurs wurde von Ulbricht im Dezember 1954 mit der »neuen politischen Lage« begründet: »Im Falle der Ratifizierung der Pariser Verträge wird die Deutsche Demokratische Republik auf der Grundlage der Moskauer Deklaration und der Entschließung der Volkskammer gezwungen sein, Nationale Streitkräfte zu bilden. Den Kern dieser Nationalen Streitkräfte und die Grundlage ihrer Bildung stellt die KVP dar238.« 235 236
Vgl. Vgl.
Kaderbefehl Nr. 23/53 des Ministers des Innern, 5.3.1953, BA, MZAP, Pt 2004, Bl. 155. Schreiben Hoffmanns an den Chef der Politischen Verwaltung der KVP, Delling, 22.12.1953,
ebd., Pt 2069, Bl. 97. 257
Zusammengestellt nach Übersichten über die Zugehörigkeit von VP-Offizieren zur ehemaligen Wehrmacht, Stichtag 15.6.1951, ebd., Pt 3878, Bl. 81; zur Sozialstruktur der Offiziere in der KVP, Stichtag 15.9.1953, ebd., Pt 3879, Bl. 20, sowie zur Sozialstruktur des NVA-Offizierkorps, Stichtag 1.7.1956, ebd., VA-01/21 887, Bl. 124.
238
Rede auf einer Parteikonferenz von Offizieren und Soldaten der KVP einer territorialen Einheit, 18.12.1954, ebd., Pt 2066, Bl. 22; vgl. auch Aussagen auf der 22. Tagung des ZK der SED, 7.12.1954, ZPA, IV 2/1/140, Bl. 27.
272
Rüdiger Wenzke
Damit hob er eigentlich nur noch jene Orientierung mit aller Deutlichkeit hervor, die bereits seit Beginn der 50er Jahre für die Entwicklung der kasernierten Truppen feststand. Wie schon lange erwartet, wurden die politischen Weichen endgültig Mitte 1955 gestellt. Als Gegengewicht zur NATO und der begonnenen Einbeziehung der Bundesrepublik in den westlichen Militärpakt, dessen Politik und Ziele man im Osten als unmittelbare, ja existentielle Bedrohung beurteilte, hob die östliche Führungsmacht im Mai 1955 den Warschauer Vertrag aus der Taufe. Der Vertrag sah vor, künftig auch die Armee der DDR in die Vereinten Streitkräfte der Allianz zu integrieren. Der Weg für die offizielle Gründung einer Volksarmee wurde aber letztlich erst frei, als die sowjetische Führung ihre gesamtdeutsch orientierte Deutschlandpolitik aufgab und die DDR völkerrechtlich in ihre »Souveränität« entließ. In der KVP selbst liefen alle Maßnahmen auf einen problemlosen Übergang von der »Polizeitruppe«, die sie schon längst nicht mehr war, zu regulären Streitkräften hinaus. Alle Anforderungen an die Weiterentwicklung der KVP waren an der »Umwandlung der Kasernierten Volkspolizei in eine bewußte, schlagkräftige Kaderarmee« orientiert239. Dazu sollte unter anderem planmäßig die Gesamtstärke der Land-, See- und Lufteinheiten auf insgesamt knapp 115 000 Mann erhöht werden. Jeder Offizier hatte sich für die nächsthöhere Dienststellung zu qualifizieren. Die Kampfausbildung war »kriegsmäßig« zu gestalten und die politisch-ideologische Erziehung zu intensivieren. Ulbricht forderte, alle notwendigen Maßnahmen konsequent durchzusetzen: »Niemand soll denken, wir machen nur eine halbe Geschichte mit ein bißchen Militär.
Nein, wir schaffen eine wirklich schlagkräftige Armee wie sich das gehört, wenn man in Westdeutschland die Remilitarisierung durchführt240.« Die überwiegende Mehrheit der KVP-Offiziere vollzog 1956 den zumeist nur noch formalen Übergang zur Nationalen Volksarmee. Als am 18. Januar 1956 die Volkskammer der DDR das Gesetz zur Schaffung der NVA beschloß und die DDR-Führung damit offiziell den Aufbau von regulären Streitkräften im Osten Deutschlands verkünden ließ, konnte die SED bereits auf eine Kader-Armee zurückgreifen, deren Kern das knapp 20 000 Mann starke, politisch prinzipiell zuverlässige Offizierkorps der KVP bildete.
Direktive Nr. 6/55 des Chefs der KVP, 9.7.1955, ebd., Pt 2040, Bl. 62. Protokoll eines Gesprächs mit sozialdemokratischen Funktionären 13.11.1955, ZPA, NL 182/487, Bl. 8
aus
der
Bundesrepublik,
Torsten Diedrich
Aufrüstungsvorbereitung und -finanzierung in der SBZ/DDR in den Jahren 1948 bis 1953 und deren Rückwirkungen auf die Wirtschaft
Vorbemerkungen Militär war und ist Bestandteil jeder staatlichen Organisationsform. Es dient der Befriedigung von inneren und äußeren Sicherheitsinteressen, der Gewährleistung territorialer Integrität, ist aber auch Macht- und Druckmittel in der Außenpolitik. Deshalb bildet der Finanzbedarf für das Militär auch eine immanente Ingrediens der Staatsausgaben. Das Ausmaß der Rüstungs- und Sicherheitsbedürfnisse, die Art und Weise der Finanzierung des Militärs sowie die Stellung der Rüstungsindustrie im allgemeinen Wirtschaftsgefüge charakterisieren einen Staat, seine Politik und sein nationales und internationales Selbstverständnis. Das interdisziplinäre Forschungsthema der Aufrüstungsfinanzierung in der SBZ/DDR, angelegt zwischen allgemeiner, Wirtschafts- und Militärgeschichte, ist eine notwendige Komponente der historischen Analyse des ostdeutschen Staates in seiner Entstehung und Entwicklung. Es vermittelt nicht nur Grundzüge der Militärpolitik und der Aufrüstung im besonderen, sondern gibt gleichzeitig Einblicke in die wirtschaftliche Strategie, in innen- und außenpolitische Auffassungen und Prozesse bei der Aufrüstung und Militarisierung Ostdeutschlands. Dem bedeutenden Stellenwert dieses Bereichs der SBZ- und der frühen DDR-Geschichte steht eine bislang kaum tiefgründige historische Aufarbeitung entgegen. Das nimmt vorerst einmal wunder, sind doch die Aufrüstungsfinanzierung wie die Versuche des Aufbaus einer Rüstungsindustrie mitentscheidende Ursachen für ökonomische Probleme und Krisenerscheinungen in der DDR nicht nur 1952/53 gewesen. Das erklärt sich jedoch relativ einfach. Die Thematik gehörte in der DDR-Historiographie zu den Tabuthemen. Unterlagen und Informationen über die Rüstungsindustrie unterlagen zumeist dem höchsten Geheimhaltungsgrad. An einer tiefschürfenden historischen Aufarbeitung der Prozesse bestand kein Interesse. Veröffentlichungen zu Militärpolitik und Militärwesen schnitten die Thematik1, wenn überhaupt, nur peripher an. Erfolgte dies dennoch, dann trugen die Sicherheitsbestimmungen dazu bei, daß kaum statistisches Material zur Stützung der Aussagen verwendet wurde. Wenige Forschungs1
z.B. Armee für Frieden und Sozialismus; Hansel, Entwicklung; Die Militär- und Sicherheitspolitik der SED; Zur geschichtlichen Entwicklung und Rolle der Nationalen Volksarmee.
Vgl.
274
Torsten Diedrich
arbeiten existieren als ehemalig interne Untersuchungen mit Geheimhaltungscharakter. Hier sind zwei Arbeiten von B. Pomp (Spiegier) erwähnenswert, die jedoch mehr der Analyse militärökonomischer Aspekte im rüstungswirtschaftlichen Sektor der Volkswirtschaft dienten2. Auch in der westdeutschen DDR-Geschichtsschreibung ist das Sachgebiet trotz vorhandenen Interesses wegen fehlender Quellen nahezu unbearbeitet. Die Aspekte der Aufrüstungsfinanzierung werden hier vor allem im Kontext allgemeiner Aufrüstungsmaßnahmen in Aussagen über die Rüstungsindustrie der DDR angeschnitten, in denen sich auch Bezüge zur historischen Entwicklung finden3. Dabei ist der hier zu behandelnde Zeitraum jedoch wenig ergründet. Die vorliegende Studie bemüht sich daher insbesondere um die Aufdeckung der Strukturen und Finanzierungsmechanismen beim Aufbau und der Sicherstellung der militärischen Formationen auf dem Gebiet der SBZ/DDR. Das Hauptaugenmerk richtet sich auf die deutschen Militärformationen. Die Versorgung und die Kosten der sowjetischen Besatzungstruppen können nur marginal angesprochen werden. Die Analyse verdeutlicht Möglichkeiten und Hemmnisse, die der Rahmen der sich entwickelnden Planwirtschaft für den militärischen Sektor absteckte. Überdies wird die untersuchte Problematik in den politischen und wirtschaftlichen Gesamtzusammenhang der DDR-
Entwicklung gestellt. Als Grundlage dienten vor allem die Quellen des Militärischen Zwischenarchivs Potsdam zur Entwicklung der militärischen und paramilitärischen Formationen, die Be-
stände des Bundesarchivs Potsdam mit Akten des Ministerrats, der Deutschen Wirtschaftskommission (DWK) und anderer wirtschaftsleitender Institutionen der SBZ/DDR sowie die Materialien der Außenstelle Coswig zur Staatlichen Plankommission (SPK), dem Ministerium für Finanzen (MdF) und der Deutschen Notenbank, die bis 1989 in der DDR Verschlußcharakter besaßen. Im Zentralen Parteiarchiv der SED in Berlin standen Quellen zur Innen- und Außenpolitik, zur Militär- und Wirtschaftspolitik der SED sowie zu internen Entscheidungen der Führungsinstanz der Staatspartei, dem Politbüro, zur Verfügung, wenngleich darauf hingewiesen werden muß, daß die Akten nur schrittweise zugänglich gemacht wurden und ein Teil bis heute noch nicht eingesehen werden kann. Des weiteren wurden Aktenbestände des damaligen Zentralarchivs des Ministeriums des Innern (heute in den Beständen des Bundesarchivs) und der Altschriftgutverwahrung des Mdl benutzt. Anzumerken bleibt, daß die Quellenlage bis 1950 für die untersuchten Prozesse nicht befriedigen kann. Das liegt zum Teil daran, daß vor der Gründung der DDR viele Entscheidungen aus Geheimhaltungsgründen mündlich weitergegeben und viele schriftliche Quellen planmäßig vernichtet worden sind. Im Zusammenhang mit der sich entwickelnden Planwirtschaft in der DDR, speziell bei der Ausarbeitung des ersten Fünfjahrplans, verbessert sich die Quellenlage bedeutend. Geschlossene Aktenbestände zur Aufrüstungsfinanzierung und Entwicklung der Rüstungsgüterproduktion existieren jedoch erst für die Zeit des Aufbaus der NVA ab 1955/56. 2
Vgl. Spiegler, Entwicklung; Pomp, Untersuchungen. Vgl. z.B. Winkler, Warum 17. Juni, S. 54ff.; Die Aufrüstung in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands, S. 94ff., sowie generell: Albrecht/Tiedtke, Rüstungswirtschaft; Forster, NVA.
Aufrüstungsvorbereitung und -finanzierung in der SBZ/DDR
1948-1953
275
Die interdisziplinäre Anlage des Themas macht um der allgemeinen Verständlichkeit Willen größere Exkurse in den Bereich der allgemeinen Wirtschaftsgeschichte erforderlich, ohne daß bei der Analyse der Rückwirkungen auf die Ökonomie schon auf einen neuen Forschungsstand zurückgegriffen werden konnte. Vorliegende Untersuchungsergebnisse der DDR-Wirtschaftshistoriographie konnten dabei nur sehr bedingt genutzt werden, weil hier zumeist mit nicht korrektem offiziellem Zahlenmaterial gearbeitet wurde. Die Mehrzahl der erschienenen Publikationen hatte überdies nicht die Analyse der DDR-Wirtschaft zum Ziel, sondern die Rechtfertigung der ökonomischen Politik der SED, womit zwangsläufig das Ergebnis der Untersuchung vorweggenommen war. Aufgrund der fehlenden gesamtwirtschaftlichen Analyse können bei der Darstellung der Rückwirkungen der Aufrüstungsmaßnahmen auf die Wirtschaft derzeit nur Näherungswerte erzielt werden. Nähere Untersuchungen zu einzelnen Industriezweigen mit rüstungswirtschaftlichen Aufgabenstellungen oder gar Effektivitätsuntersuchungen einzelner Industriebereiche müssen gezielten Einzelstudien vorbehalten bleiben. Das betrifft auch die hier nur angedeuteten Bereiche des speziellen Außenhandels der DDR sowie der beginnenden Zusammenarbeit der DDR mit anderen osteuropäischen Ländern im RGW auf rüstungswirtschaftlichem Gebiet. Militär- und Staatsfinanzen sind in einem diktatorischen Staatsgefüge deutlich enger verknüpft, als in jedem anderen System. Somit kennzeichnen neben den allgemeinen Problemen eine Reihe Staats- und wirtschaftsorganisatorischer Besonderheiten den Aufbau eines Systems der materiellen Sicherstellung und eines Bereiches der Rüstungsproduktion in der SBZ/DDR4. Sie sind vor allem planwirtschaftlich/zentralistischen Ursprungs, resultieren jedoch auch aus den Folgen des verlorenen Krieges und den Bedingungen für das besetzte Nachkriegsdeutschland. Die Gestaltung eines Versorgungsapparates für die bewaffneten Organe der SBZ/DDR sowie die schrittweise Entwicklung einer Rüstungsproduktion fügten sich in den Prozeß der Entwicklung der Eigenstaatlichkeit auf ostdeutschem Territorium und die Ausprägung des sozialistischen Gesellschaftsmodells ein. Politische Kursänderungen im allgemeinen und die Staatsgründung und der Beschluß zur Schaffung einer Armee nach kommunistischen Vorstellungen im besonderen veränderten dabei die Strategie des Aufbaus und die Entwicklung der Struktur von Versorgung und Ausrüstung der Militärformationen tiefgreifend. 4
der für die NATO-Streitkräfte übliche Begriff der Logistik, der die gesamte Mateder Infrastruktur der Streitkräfte umfaßt, nicht gebräuchlich. Zur untersuchten Zeit verwendete man hier den nicht deckungsgleichen Begriff der materiellen Sicherstellung, der die Versorgung und die Prozesse von der Planung über die Erzeugung bis zur Abrechnung erfaßte. Unter materieller Sicherstellung werden Lieferungen aller Erzeugnisse der DDR-Wirtschaft an die bewaffneten Formationen der DDR, unabhängig von ihrer produktionellen Zweckbestimmung verstanden; Rüstungsproduktion im weiteren Sinne kennzeichnet demgegenüber die Erzeugung all jener Produkte, die unmittelbar für die Verwendung in diesen Organen vorgesehen waren, unabhängig davon, ob der entsprechende Betrieb auch Erzeugnisse für den zivilen Bereich herstellte. Faßt man den Begriff enger, so sind hier unter Rüstungsprodukten all jene Güter und Leistungen zu verstehen, welche ausschließlich für die Ausrüstung der bewaffneten Formationen und deren InIn der DDR
war
rialversorgung einschließlich
standhaltung aufzubringen waren.
276
Torsten Diedrich
Das Selbstverständnis der SED-Führung aus ihrer marxistisch/leninistischen Theorie und der 1949 gewonnenen Staatsherrschaft heraus sowie die überspannte Bedrohungsperzeption als Reflexion des Kalten Krieges prägten Auffassungen zu Aufbau und Entwicklung von militärischen Organen und deren materieller Versorgung. Eine besonders gravierende Rolle spielte die Auseinandersetzung mit dem westdeutschen Staat. Überdies wirkten das oktroyierte Vorbild des sowjetischen Staats- und Streitkräftemodells und der permanente Einfluß der UdSSR auf die Entwicklungen in der SBZ/DDR. Das Sicherheitsbedürfnis der DDR-Staatsführung befand sich im Einklang mit sowjetischen Interessen. Das läßt sich anhand des Bestrebens nachweisen, eine materiell-technische Basis für die Versorgung der sowjetischen Streitkräfte in Deutschland zu schaffen. Die Staats- und Parteiführung der DDR begründete die materiellen und finanziellen Aufwendungen für ihre Sicherheitspolitik mit den »Lehren zur Verteidigung der sozialistischen Heimat« und aus historischen Erfahrungen. Der Militärhistoriker Friedrich Engels stellte in seiner Analyse der Kriege des 18. und 19. Jahrhunderts fest, daß nichts von der Wirtschaftskraft des Landes abhängiger sei, als das Heer und die Flotte5. Diese Auffassung bestätigte sich in den beiden Weltkriegen. Es erwies sich, daß letztendlich die Fähigkeit zur Mobilisierung ökonomischer Reserven kriegsentscheidend war. Lenins Schlußfolgerungen aus Bürgerkrieg und Intervention, »das ganze Land in ein einheitliches Heerlager [zu] verwandeln«6, bediente sich Stalin nach den Erfahrungen des Zweiten Weltkrieges nur zu gern, um Sicherheitsansprüchen und Großmachtambitionen der UdSSR in der sich verschärfenden Systemauseinandersetzung den ideologischen Mantel umzuhängen. Die SED-Führung folgte den Auffassungen über die ökonomische Kriegsvorbereitung vor Ausbruch eines Krieges. Die »Lehre«, besser gerüstet zu sein als der potentielle Gegner und die Vorbereitungen auf den Krieg schon in Friedenszeiten zu beginnen, bestimmte das Verteidigungsdenken bis zum Anfang der achtziger Jahre durchgängig. Dieses Theorem bildete gleichsam die Grundlage des militärökonomischen Handelns in der DDR7. Von weit entscheidenderer Bedeutung aber ist das noch einer ausführlichen Untersuchung harrende Faktum, daß der militärische Kampf um die Existenz der jungen Sowjetmacht, der Kriegskommunismus und ein den Verteidigungsbedürfnissen untergeordnetes Wirtschaftssystem 1918-1922 sowohl dem politischen als auch dem wirtschaftlichen Gefüge der UdSSR bis in die jüngste Gegenwart sein deutliches Gepräge gab. Dieses mit allen nationalen und entwicklungsgeschichtlich bedingten Besonderheiten behaftete System von Auffassungen und Modellen transmittierten die sowjetischen Truppen und die nachfolgende Staatsbürokratie kaum modifiziert in die südosteuropäischen Länder und mithin in die SBZ/DDR. Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang, daß sich die Struktur des zentralistischen Wirtschaftsgefüges in der SBZ zumindest auf wirtschaftlichem Gebiet im Aufbau der SMAD widerspiegelte. Jeder SMAD-Bereich besaß ein ent-
Vgl. Engels, Herrn Eugen Dürings Umwälzung, S. Vgl. Lenin, Ergebnisse, S. 58. Vgl. Schönherr, Militärökonomie, S. 272f.
155.
Aufrüstungsvorbereitung und -finanzierung in der SBZ/DDR
1948-1953
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sprechendes Pendant und damit seine spezielle Einflußsphäre in der SBZ-Wirtschaft. Er verfügte hier über einschneidende Weisungsrechte8. Mit diesem System wurden Prozesse aus der Frühphase der Entwicklung der UdSSR auf politischem, wirtschaftlichem, aber auch militärischem Gebiet Ende der vierziger/Anfang der fünfziger Jahre regelrecht kopiert. Die politischen Führungen der UdSSR wie der SBZ/DDR vertraten übereinstimmend die Auffassung, daß der ostdeutsche Staat »gesetzmäßig« die gleiche gesellschaftliche Entwicklung durchlaufe wie die UdSSR. In den Anfangsjahren finden sich somit immer wieder Bezugnahmen auf sowjetische Prozesse in Wirtschaft und Politik der späten zwanziger Jahre. Durchgängig erhielten die militärische »Friedenserhaltung« und Machtsicherung als Grundvorausset-
zungen für die Entwicklung des Sozialismus das absolute Primat vor allen anderen Fragen der gesellschaftlichen Entwicklung und damit auch ökonomischen Vorrang. Die sich sukzessiv herausbildende diktatorische Herrschaft der SED-Führung und die im Gleichklang entstehende Staats- und wirtschaftstragende, bürokratische Leitungsschicht übten auf Politik, Wirtschaft und Militär entscheidenden Einfluß aus. Die SED wirkte in ihrer zentralen und einheitlichen Machtkonzentration von Anbeginn systemstabilisierend und oligarchisch. Der Stalinismus in der Staatsphilosophie, in Politik und Wirtschaft war dem sowjetischen System immanent und übertrug sich genetisch auf den Sozialismusversuch auf deutschem Boden. In diesem Zusammenhang sind der Militäraufbau und seine materielle Absicherung im Rahmen des gesamtstaatlichen Konzepts und der internationalen Lage in Europa zu untersuchen. Politik, Wirtschaft und Militär durchdrangen sich dialektisch. Sie sind nur in ihrer Ganzheit verständlich. Die entscheidenden Prämissen für die Entwicklung einer Rüstungsindustrie schufen Politik und Militärpolitik der DDR, in der Regel auf Weisung oder Forderung der UdSSR. Zumeist blieben ökonomische Kriterien sekundär, obwohl sie sich letztlich durchsetzten und wesentlichen Einfluß auf Umfang und Struktur der militärischen Produktion ausübten. Die sich herausbildende Planwirtschaft mit ihrer staatsmonopolistisch/zentralistischen Führung9 ermöglichte es, trotz latenter Mangelwirtschaft Entwicklungsprioritäten zu setzen. Über staatliche Reglementierungen konnten perzipierte Notwendigkeiten zum Ausbau der Verteidigung kurzfristig in großem Umfang in Angriff genommen werden. Dies geschah nicht selten unabhängig von ihren ökonomischen Folgen für den gesamten Wirtschaftsorganismus. Das System materieller und finanzieller Sicherstellung der Polizeitruppen war in die sozialistische Planwirtschaft eingebettet. Es funktionierte nach den gleichen Grundsätzen und Bestimmungen wirtschaftlicher Prozesse und Rechnungsführung. Somit kamen alle Vor- und Nachteile der zentralistischen Wirtschaftsführung und -kontrolle mit den für die sozialistische Ökonomie typischen, nahezu uneingeschränkten staatlichen Regulierungsmechanismen
Tragen. große Interesse der politischen Führung am Ausbau der Verteidigungsfähigkeit räumte dem für die wirtschaftliche Entwicklung wenig effizienten Bereich der Rüstungsproduktion Prioritäten ein. Das förderte wohl die Befriedigung der materiellen zum
Das
8
9
Vgl. Beitrag Arlt, S. 107 f. Der Zentralismus in der Wirtschaft und insbesondere im Finanzsystem der DDR entwickelte sich allerdings weit langsamer als in anderen gesellschaftlichen Bereichen. Vgl. Zschaler, Entwicklung.
278
Torsten Diedrich
Bedürfnisse der Streitkräfte, vergrößerte jedoch die Disproportionen in der DDR-Volkswirtschaft insgesamt. Alle entscheidenden Maßnahmen zur Festlegung des ökonomischen Kurses durch die SED-Führung sind auch vor dem Hintergrund der inneren und äußeren Sicherheits- und Systemerhaltungsinteressen zu untersuchen, seien es die vorrangige Entwicklung der Grundstoff- und Schwerindustrie 1952, der ökonomische Feldzug gegen die privatwirtschaftliche Produktion oder die Konzepte zur Ausgewogenheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik nach dem 17. Juni 1953. In der DDR-Wirtschaft gab es bis 1953 keine eigenständige Rüstungsindustrie, versteht man diesen Begriff als signifikant für einen relativ autarken Bereich innerhalb des gesamten Wirtschaftsgeflechts10. Damit stand die DDR in deutlichem Unterschied zum eigentlich kopierten Modell in der UdSSR mit seinen nahezu homogenen Rüstungsbereichen von der Zulieferung über Halbzeugproduktion bis zur Endfertigung. Auch die vergleichbaren Nachbarstaaten Tschechoslowakei und Polen entwickelten von Anbeginn Bereiche der Rüstungsproduktion bzw. bauten Bestehendes aus. Im Rahmen der Militarisierung der DDR im Gefolge der II. Parteikonferenz ist jedoch der Versuch nachweisbar, eine solche Rüstungsindustrie zu schaffen. Diese sollte den Möglichkeiten und Gegebenheiten in der DDR angepaßt werden und richtete sich zunächst auf die Bildung einiger relativ autarker Industriezweige. Das Programm mußte die SED-Führung jedoch nach der Arbeitererhebung 1953 stoppen. Es erfuhr seine Renaissance mit der zweiten Militarisierungsphase im Zusammenhang mit der Schaffung der NVA.
1. Zur Herausbildung und Finanzierung der materiellen Sicherstellung der militärischen Polizeiformationen von 1948/49 bis Anfang 1952
Die
Anfänge der Versorgung von bewaffneten Einheiten
Als 1949 auf dem Territorium der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) die DDR gegründet wurde, wies dieser Teil Deutschlands in jeder Beziehung noch die Merkmale des verlorenen Krieges auf. Seine Souveränität war in hohem Maße eingeschränkt. In "'
In der DDR wurde verschiedentlich versucht, einen eigenen militärökonomischen Reproduktionsprozeß innerhalb der Volkswirtschaft nachzuweisen (vgl. Ökonomie und Landesverteidigung). Anhand der untersuchten Materialien läßt sich im Ganzen gesehen jedoch schlußfolgern, daß sich mit Ausnahme des Kombinats Spezialtechnik Dresden weder eine relativ autarke militärische Produktion in den für die NVA und die Warschauer Paktstaaten erzeugenden Betrieben nachweisen, noch sich deren Reproduktionsprozeß deutlich von dem allgemeinen volkswirtschaftlichen abkoppeln läßt. Selbst wenn in späterer Zeit Endproduzenten wie das Motorenwerk Würzen oder das Reparaturwerk Neubrandenburg 70-80 % ihrer industriellen Warenproduktion für militärische Zwecke fertigten, sind die Zulieferbereiche zumeist ziviler Produktion. Diese enge Verknüpfung allein läßt m.E. die Herausfilterung eines militärischen Reproduktionsprozesses als solchen nicht zu.
Aufrüstungsvorbereitung und -finanzierung in der SBZ/DDR
1948-1953
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fast allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens übte die Besatzungsmacht ihr Kontroll- und Weisungsrecht aus, gestaltete Entwicklungsprozesse bewußt in ihrem Interesse. Das Potsdamer Abkommen legte die Oberhoheit der jeweiligen Besatzungsmacht über das von ihr besetzte Territorium fest. Es verfügte einschneidende wirtschaftliche Veränderungen durch die Entflechtung der Monopole und Kartelle. Letztlich verboten die Vereinbarungen den Aufbau militärischer Formationen sowie die Produktion von Rüstungsgütern bis zum Abschluß eines Friedensvertrages mit Deutschland". Die langsam wiederauflebende Wirtschaft krankte an den unmittelbaren Kriegsfolgen, d.h. an Zerstörungen, Demontagen12 und Disproportionen, welche durch die Teilung des einst homogenen Wirtschaftsraums in Deutschland entstanden waren. Im Rahmen ihrer Interpretation der wirtschaftlichen Entflechtung und Reparationszahlung hatte die UdSSR nahezu alle strategisch wichtigen Großbetriebe in der SBZ enteignet und in Betriebe der Sowjetischen Aktiengesellschaft (SAG) umgewandelt. Der Auffassung, daß die UdSSR über die SAG-Betriebe von Anfang an einen beherrschenden Einfluß auf die ostdeutsche Wirtschaft ausgeübt habe11, ist daher vorbehaltlos zuzustimmen. Der SMAD-Befehl 124 vom 30. Oktober 1945 stellte außerdem die Weichen für die Verstaatlichung eines Großteils des Industriepotentials in der SBZ. Ein weiterer Befehl vom 23. Juli 1945 verfügte das gesamte Finanzsystem unter die Kontrolle der regionalen und
Länderverwaltungen14.
Von einschneidender Bedeutung waren die Maßnahmen zur Zentralisierung der Ökonomie, die von der SMAD im Rahmen der Entscheidung zur eigenstaatlichen Entwicklung Ostdeutschlands eingeleitet wurden. Die nach Bodenreform und Zerschlagung monopolistischer Wirtschaftsstrukturen ab 1947/48 entgegen den Potsdamer Beschlüssen vorangetriebene Beschneidung der ökonomischen und politischen Kompetenzen der Länder ermöglichte es mehr und mehr, das sowjetische Modell sozialistischer Planwirtschaft nachzugestalten. Damit entstand schrittweise eine eigenständige zentralistische Wirtschaft. Dieser Prozeß vollzog sich jedoch deutlich langsamer als auf politischem und staatsorganisatorischem Gebiet15. Im zentralen Zweijahrplan der SBZ/DDR 1948/49 11
Vgl. Beitrag Arlt, S.93-96.
13
In der SBZ wurden über 2000 Betriebe völlig demontiert. Hauptsächlich betraf dies Firmen der Metallurgie, des Maschinenbaus und der chemischen Industrie, d.h. Bereiche, die durch die Teilung des einst einheitlichen Wirtschaftsgebiets Deutschland im Osten ohnehin bereits schwach entwickelt waren. Vgl. Heinrich, Einfluß, S. 16. Über das Ausmaß von Teildemontagen macht Heinrich keine Angaben. Zur Frage der Reparationsproblematik vgl. Karisch, Allein bezahlt?, S. 84ff. Vgl. Deuerlein, DDR-Geschichte, S. 36f. Vgl. BArch P, N-l/1523, o.B. Die Bereiche der allgemeinen Wirtschaft sowie speziell der Finanzwirtschaft waren in hohem Maße von Fachkräften des alten bürgerlichen Staates abhängig. Die in den Finanzverwaltungen auf allen Ebenen in der Deutschen Zentralen Finanzverwaltung, oder in den Ländern und Gemeinden Beschäftigten kamen in der Regel aus dem Finanzverwaltungsapparat oder aus dem Bankwesen des ehemaligen deutschen Staates. Sie besaßen somit eine herkömmliche Finanzausbildung und eine entsprechende Fachkompetenz. Schrittweise, insbesondere seit 1948, traten hier Veränderungen auf, vor allem in der zentralen Verwaltungsebene, der DWK. Auf der Länderebene vollzog sich der Umschwung 1949/50. Die Finanzminister, meist der LDP oder CDU angehörig, wurden abgelöst oder verließen die DDR, an ihre Stelle traten Kommunisten mit weit weniger Fachkompetenz. Insgesamt zeigte sich der Finanzverwaltungsapparat Ende der vierziger Jahre eher traditionell als so-
13 14
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bestand daher eine wesentliche Aufgabe der Wirtschaftsführung darin, dem wohl durchaus als staatsmonopolistischen Sektor der Wirtschaft zu verstehenden volkseigenen Produktionsbereich einen entscheidenden Anteil an der Wirtschaft und der Gesamtproduktion zu verschaffen. Seine volle Ausprägung und Funktionsfähigkeit erlangte das sozialistische Wirtschaftsmodell erst lange nach Gründung der DDR. Mit der sich entwickelnden Eigenstaatlichkeit begann die SED-Führung die zentrale Leitung und Kontrolle in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zu vervollkommnen. Damit entstanden jene umfassenden Kompetenzen innerhalb des Wirtschaftsgeflechts, die sowohl entscheidende Potenzen für einen Aufbau von Streitkräften schufen als auch bedeutende Rückwirkungen auf die Ökonomie der SBZ/DDR hatten. Der verlorene Krieg wirkte vor allem in der öffentlichen Finanzwirtschaft der SBZ nach. Er hinterließ einen gewaltigen Schuldenberg und große Kriegsfolgebelastungen, genannt seien nur die Reparationsverpflichtungen, die Verluste durch Demontagen und Überführungen des größten Teils der Großbetriebe in sowjetischen Besitz, Kriegszerstörungen, Entschädigungen, Renten und Pensionen16 etc. Die Verschuldung konnte nur schrittweise abgebaut werden. Die Währungsreform hatte wie in der Bundesrepublik auch im Osten Deutschlands entschieden zur Sanierung der Staatsfinanzen beigetragen. Erleichternd wirkte außerdem, daß im Gegensatz zu den westlichen Besatzungszonen große Teile industriellen Privatvermögens enteignet bzw. staatliche Verschuldungen einfach gestrichen wurden. Die öffentliche Finanzwirtschaft der DDR schloß das gesamte Rechnungswesen im staatlichen Einflußbereich ein: das Finanzsystem der staatlichen und genossenschaftlichen Wirtschaft, das Versicherungssystem, das Kreditsystem und den Staatshaushalt. Letzterer bildete im zentralistischen Wirtschaftssystem den entscheidenden Topf, in dem über Steuern und Abgaben bis hin zu Gewinnabführung der Betriebe fast die gesamte Finanzkraft Ostdeutschlands zusammenlief und von dem aus die Umverteilung
erfolgte17. was auch in vielen Fällen auf das Bankwesen zutrifft. Vgl. Zschaler, Entwicklung, S. 24 ff. Mit dem schrittweisen Austausch der Funktionäre in Wirtschaft und Finanzsystem ergaben sich neue Probleme. Die eingesetzten Funktionäre verfügten zwar über eine sozialistische Gesinnung, jedoch mehrheitlich kaum über ökonomische Ausbildung bzw. Erfahrungen. Das macht verständlich, warum gerade in dieser Zeit die sowjetische Einflußnahme dankbar als Hilfeleistung quittiert wurde, zumal eine sowjetische Weisung jedwede Verantwortung von den Schultern des Funktionärs zu nehmen schien. Bemerkt sei, daß Entschädigungen und Pensionen in der SBZ/DDR in weit geringerem Umfang gezahlt wurden als in der Bundesrepublik. Im Rahmen der Enteignungen erklärte man beispielsweise Staatsschulden an Betriebe als Kriegsgewinne und damit für nichtig. Vgl. Ökonomisches Lexikon, Bd 2, S. 717ff. Der Staatshaushalt ist nicht identisch mit der öffentlichen Finanzwirtschaft, jedoch ein entscheidender Teil davon. Beide sind im zentralistischen Planwirtschaftssystem eng verknüpft. Die Abführungen der Staatswirtschaft an den Staatshaushalt und die Art und Weise der Rückführungen in die Wirtschaft an Subventionen und Investitionen können als Indikator für das Maß der Zentralisierung angesehen werden. Im Staatshaushalt der DDR sind im Unterschied zum öffentlichen Haushalt der Bundesrepublik neben Steuern und Abgaben noch die Sozialversicherungsabgaben sowie die Gewinnabführungen der Betriebe enthalten. Der Staatshaushalt der DDR folgte seit der Haushaltsreform 1951 dem Einheitsprinzip. Er umfaßte den zen-
zialistisch,
16
17
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Durch die schrittweise geschaffene Wirtschaftsstruktur lagen Planung, Leitung und Kontrolle des gesamten ökonomischen Prozesses sowie die Distribution der Investitionsmittel, der Materialressourcen und letztlich des Maschinenparks und der Arbeitskräfte in zentraler Hand. Das waren zunächst die Wirtschaftsministerien auf Länderebene, später die Deutschen Wirtschaftskomission (DWK) und zwischenzeitlich das Ministerium für Planung. Ab 1950 zeichnete die Staatliche Plankommission (SPK), das höchste wirtschaftsleitende Organ der DDR, für alle Wirtschaftsregulierenden Prozesse verantwortlich. Hier liefen mehr und mehr alle Fäden zusammen, wurden sämtliche wirtschaftlichen Prozesse administrativ wie ökonomisch gelenkt. Entsprechend gestalteten die Staatspartei und ihre sowjetischen »Berater« auch das Finanzsystem und die Finanzpolitik18. Diesen Bereich verstanden die Kommunisten als ein wesentliches ökonomisches Machtmittel des Staates, als »Kommandohöhe der Wirtschaft«. Das Finanzsystem diente vorrangig zur Bildung und Verteilung zentraler gesellschaftlicher Fonds (Staatshaushalt, Kredit-, Versicherungs- und Valutasystem) und kontrollierte über die Distribution auch die dezentralen gesellschaftlichen Fonds in den Ländern, Städten und Gemeinden sowie die Wirtschaftseinrichtungen19. Die materielle Sicherstellung der bewaffneten Organe entwickelte sich schrittweise innerhalb der Reorganisation und Veränderung des gesamten Wirtschaftsmechanismus im östlichen Teil Deutschlands. An vorderster Stelle standen die Forderungen der Besatzungsmacht UdSSR zur Versorgung ihrer in Deutschland stationierten Besatzungstruppen. Für deren Versorgung verfügte die SMAD gleichlautend wie für Reparationsaufträge über die Priorität gegenüber den gesamten wirtschaftlichen Interessen der SBZ. Rüstungsbetriebe des untergegangenen Dritten Reiches wurden im Rahmen der Potsdamer Beschlüsse von 1945 größtenteils enteignet, jedoch nicht ausschließlich zerstört oder demontiert. Vielmehr nutzte die sowjetische Führung ihre noch vorhandenen Produktionspotenzen und vor allem ihr »know how«, indem sie diese in SAG-Betriebe umwandelte. Sie zeichneten mit ihrer Produktion fortan in hohem Maße für die Reparationslieferungen in die UdSSR und für die Versorgung und Ausrüstung der sowjetischen Besatzungstruppen verantwortlich. Die Produktion der ehemaligen Rüstungsbetriebe lief tatsächlich bis zum Herbst 1946 weiter. Erst zu diesem Zeitpunkt folgte eine groß
18
19
tralen Haushalt der Republik, den der Länder (1952 Bezirke), der Kreise und Gemeinden. Vordem gab es einen Zonenhaushalt seit dem Rechnungsjahr 1947/48, der noch dem alten deutschen Haushaltsjahr vom 1. April bis zum 31. März des nächsten Jahres folgte. Um im Zusammenhang mit dem Zweijahrplan Jahr und Haushaltsjahr identisch zu gestalten, existierte 1949 ein Rumpfhaushaltsjahr vom 1.4.-31.12.1949. Vgl. Zschaler, Entwicklung, S. 45. Vgl. Aktenbestand der Deutschen Wirtschaftskommission (DWK) im Bundesarchiv Potsdam (BArch P), C-15, die Akten 739, 34-41 und 521-536. Zunächst hatte die sowjetische Führung das
traditionelle deutsche Finanzsystem akzeptiert und z. T. stärker föderale Tendenzen erlaubt, als beispielsweise in Weimar üblich waren. 1948, mit dem Auszug der UdSSR aus dem Kontrollrat, setzte dann die Wende ein. Der Chef der SMAD-Finanzverwaltung Maletin wurde gegen Sitnin ausgetauscht, ebenso der Leiter der Hauptabteilung Finanzen der DWK Meyer gegen Rumpf. Zu den Einnahmen des Zonenhaushaltes ist festzuhalten, daß die Länder 1947/48 nur ca. 60 % ihrer Steuer- und Abgabeneinnahmen an die Deutsche Zentrale Finanzverwaltung abzuführen brauchten. Das entsprach in etwa dem Reichssteueraufkommen. Mit Gründung der DDR erhoben die Länder nur noch Länder- und Gemeindesteuern, 1950 verloren sie ihre Steuerhoheit völlig. Vgl. Zschaler, Entwicklung, S. 34 ff.
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angelegte Demontagewelle. Sämtliche Flugzeugwerke, ca. 95 Prozent der feinmechanisch/optischen Industrie und andere Betriebe der Metallverarbeitung, des Fahrzeugbaus und der chemischen Industrie wurden abgebaut und in die UdSSR verbracht. Die notwendigen Spezialkenntnisse importierte die UdSSR zwangsweise gleich mit. Im Oktober 1946 wurden circa 3 000 Spezialisten, unter ihnen Wissenschaftler, Ingenieure, Techniker und Meister mit ihren Familien zumeist unfreiwillig in die Sowjetunion verbracht. Die Kommandoaktion »Osoaviachim« war generalstabsmäßig geplant und zielte auf den »Import« von Experten der Kernforschung, der Chemie, der Luftfahrt, der
Raketentechnik und anderer die UdSSR interessierender Bereiche20. Damit verlor die SBZ neben bedeutenden Großbetrieben auch einen wesentlichen Teil ihrer Spezialisten auf Wirtschaftsgebieten, in denen das Deutsche Reich einst führend war. Das machte sich später bei den Bemühungen zum Aufbau einer Rüstungsindustrie bemerkbar, so z. B. in der Luftfahrt. Der überwiegende Teil der Versorgungsgüter für die Militäreinheiten auf ostdeutschem Territorium kam aus der laufenden Produktion der zivilen regionalen Betriebe. Das betraf vor allem Nahrungs- und Genußmittel, Treib- und Schmierstoffe, aber auch Uniformteile und Ausrüstungsgegenstände oder die Einrichtungen der Kasernen21. Für die Produktion von militärischen Ausrüstungsgegenständen, Munition oder Sprengstoffen nutzte die Besatzungsmacht hingegen vor allem Betriebe in ihrer Verfügungsgewalt, die derartige Erzeugnisse bereits vor 1945 produziert hatten. Mit dem Befehl 185 der SMAD vom 26. Juni 1946 legte die UdSSR fest, daß Baumaßnahmen zur Wiederherstellung von Wohn- und Zweckbauten für die Gruppe Sowjetischer Besatzungstruppen in Deutschland (GSBD) nicht als Besatzungskosten zu führen seien, sondern als Kosten zur Wiederherstellung der Wirtschaft zu gelten hätten und somit von den Länderhaushalten finanziert werden müßten22. Dazu wurden 1947/48 in den Ländern der SBZ Sonderbaubüros als selbständig wirtschaftende Einrichtungen geschaffen, die innerhalb des Bauwesens der Länder für die Bauprojekte der Besatzungstruppen verantwortlich zeichneten. Die Landesregierungen hatten diese Bauten in ihre Wirtschafts- und Finanzpläne aufzunehmen, die notwendigen Materialien über die der DWK unterstehende Hauptabteilung Materialversorgung zu beantragen und letztlich aus den zugewiesenen Kontingenten zur Verfügung zu stellen. 20
21
22
Vgl. Albrecht/Heinemann-Grüder/Wellmann, Spezialisten, S. 65 ff. Diese Art Kriegsbeute machten allerdings nicht nur die Sowjets. Im Juli 1945 wurden 350 deutsche Raketenwissenschaftler in die USA überführt, es folgten zwei weitere großangelegte Geheimoperationen, »Projekt Overcast« und »Projekt Paperclip«, zur Überführung von personifiziertem know-how in die USA. Vgl. Karisch,
Allein bezahlt?, S. 151 ff. 1950 produzierten z. B. das Kunstseidenwerk Zittau, die Mechanischen Webereien Zittau, das Kleiderwerk Zittau, das Bekleidungswerk Seifhennersdorf, der VEB Fortschritt Berlin, die Spinnerei und Weberei Ebersbach, die Baumwollspinnerei Löbau, die Tuchfabrik Werdau und das Textilwerk Pleißengrund Grimitschau sowjetische Uniformen. Vgl. BArch P, E-1/30207, Bl. 388 ff. Vgl. Geheimer Befehl Nr. 185 der SMAD vom 26. Juni 1946, ebd., N-l/929, Bl. 1 ff., sowie N-l (VS)/2115/1. Die Bezeichnung (VS) kennzeichnet in diesen Beständen die noch vorhandene Trennung der Ablagen in offene und verschlossene Archivalien entsprechend dem damalig verfügten Geheimhaltungsgrad. Ein großer Teil der Akten zur Wirtschaft speziell in der Außenstelle des Bundesarchivs in Coswig (Bestände N-6 und N-l sowie der VS-Teil dieser Bestände und der von E-l) ist noch nicht paginiert. Deshalb müssen die Angaben hier ohne Blattkennzeichnung erfolgen.
Aufrüstungsvorbereitung und -finanzierung in der SBZ/DDR
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1950 trat insofern eine Änderung ein, als die Bereitstellungskontore, die Sonderbaubüros und die Materiallager der zentralen Leitung der Landesprojektierungsbüros und wenig später dem Ministerium für Arbeit und Aufbau unterstellt wurden. Die Deutsche Handelszentrale (DHZ) »Steine und Erden« und die Hauptabteilung Materialversorgung waren beauftragt, diese nunmehr gesondert zu beliefern. Die in den Ländern bestehenden fünf zentralen Sonderbaubüros löste man auf Wunsch der Sowjetischen Kontrollkomission (SKK) bis Ende 1950 auf und erteilte die Aufträge fortan den regionalen volkseigenen Baubetrieben23. Zur materiellen Sicherstellung der Besatzungstruppen existierte demzufolge bereits ein relativ dichtes Versorgungsnetz für militärische Güter, als der Eigenbedarf bewaffneter Formationen in der SBZ beständig anwuchs. Die SBZ-Schutz- und Sicherheitsorgane wurden entsprechend sowjetischer Weisungen von Beginn an durch bestimmte Betriebe, die Versorgungsgüter und Ausrüstungsgegenstände für die sowjetischen Streitkräfte produzierten, beliefert. Mit sowjetischer Genehmigung erhielten diese Formationen auch Munition und andere militärische Güter aus der SAG-Produktion. Die Schutzorgane der SBZ gliederte man folglich einfach in die bestehenden Versorgungsstrukturen für die Besatzungsstreitkräfte ein. Damit verfügten diese bereits zu einer Zeit über ein funktionierendes Versorgungsnetz, als eigentlich im Zuge der Entmilitarisierung Deutschlands Kasernen und Rüstungsproduktionsstätten in der ostdeutschen Zone zerstört wurden. Die Belieferung der seit 1945/46 aufgestellten Schutzpolizeiformationen und Grenzpolizeieinheiten erfolgte nach dem mit den Besatzungstruppen praktizierten Modell. Das betraf sowohl die Fragen der Lebensmittelversorgung als auch der Bekleidung und Ausrüstung. Waffen und Munition allerdings teilte die SMAD zu. Bis 1948 handelte es sich bei der Waffenausstattung der Polizeieinheiten größtenteils um Handfeuerwaffen der Wehrmacht sowie Beuteschützenwaffen aus dem Weltkrieg, hier vor allem deutscher und englischer Produktion. Der Bedarf der Polizeiorgane wurde bis Juni 1947 direkt an die Provinzialen Länderverwaltungen gemeldet. In der Hauptverwaltung (HV) Wirtschaftsplanung, dem zentralen Koordinierungsorgan, liefen auch die Anforderungen der Sowjetischen Besatzungstruppen und der SMAD ein. Der ermittelte Gesamtbedarf erfuhr hier seine Bilanzierung. Über die Kontingentvergabe an die Länderverwaltungen erteilten die industriellen Hauptverwaltungen die entsprechenden Realisierungsaufträge an die Betriebe in den Ländern. Von dieser Regel gab es jedoch vielfältige Ausnahmen. Speziell im Bereich der Versorgung mit Lebens- und Genußmitteln unterhielten insbesondere die sowjetischen Truppenteile direkte Beziehungen zu Erzeugern bzw. Großhandelseinrichtungen. Sie legten zentral fest, daß nur die Erzeuger- bzw. die Großhandelspreise zu zahlen seien24. Entsprechende Lieferungen wurden in den zuständigen Stellen der Länder, später in der DWK erfaßt und zumeist über Zahlungen aus den Besatzungskosten von der SMAD finanziert. 33
34
Richtlinien zum Befehl 185 vom 26. Juni 1946 von 1948 bis 1950, vgl. ebd., N-l 929, Bl. 1 ff, sowie Besprechung des Leiters der Haushaltsabteilung der SKK, Moskin, mit dem Leiter der Hauptabteilung Haushalt des MdF, 20.2.1950, vgl. ebd., N-l 2115/1 o.B. Besprechung bei der Verwaltung für militärische Aufträge der GSBD, 26. 1. 1948, vgl. ebd., C15/37, Bl. 3, sowie Anweisungen über die Berechnung von Besatzungskosten an die DWK, o.D., vgl. ebd., C-15/661, Bl. 75.
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Ablauf der Bedarfsermittlung, Auftragserteilung und Realisierung zur materiellen Sicherstellung der bewaffneten Organe in der SBZ
Sowjetische
Militäradministration
Deutsche Verwaltung des Innern "*"
Bedarfsmeldung ^~
1 Deutsche Wirtschaftkommission
T
Gesamtbedarfsermittlung Bilanzierung Anweisung
Provinziale Länderv erw altungen Realisierungsanweisungen Lieferungen
an
die Polizeifor-
i Betriebe
Lieferungen an die sowj.
Armee/SMAD
Aufrüstungsvorbereitung und -finanzierung in der SBZ/DDR
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Bis 1948/1949 zog die SMAD im Rahmen ihrer Forderungen an Besatzungskosten jährlich circa 2 Milliarden DM unplanmäßig aus den Länderhaushalten und später aus dem zentralen Haushalt größere Summen ab. Mit festgeschriebenem Zahlungsmodus konnten die wirtschaftsleitenden Organe die Besatzungskosten erst im Verlauf des Jahres 1949 handhaben25. Derartige Sonderregelungen gab es für die Polizeiorgane der SBZ nicht. Ihr Haushalt befand sich bis 1948 in den öffentlichen Finanzhaushalten der Länder. Lieferungen an die Polizei wurden wie jede andere Lieferung geplant, bilanziert und abgerechnet. Mit der Zentralisierung des Verwaltungsapparates 1948/49 kehrten hier Veränderungen ein. Die Schutzpolizeikräfte verblieben mit ihren Haushalten zum überwiegenden Teil in den Ländern26. Die Grenzpolizei und die neu formierten militärischen Bereitschaften wurden ab 1. Januar 1949 aus dem Bereich der Länder ausgegliedert und nunmehr über den Republikhaushalt zentral finanziert27. Diese Maßnahme stand im Einklang mit dem sich entwickelnden Zentralismus. Sie sollte jedoch gleichzeitig aus Geheimhaltungsgründen nur einem kleinen Teil von Personen in den zentralen Planungs- und Finanzorganen Einblicke in die Finanzierung des Militäraufbaus gewähren. Mit der Bildung der Deutschen Wirtschaftskommission als dem zentralen ostdeutschen Verwaltungsorgan 1947 liefen die militärischen Bedarfsmeldungen der Besatzungstruppen und der deutschen Polizeiformationen über das neu geschaffene Organ zu den Provinzialen Länderverwaltungen. 1948 erhielt die DWK durch die SMAD weiterreichende Kompetenzen zur zentralen Wirtschaftsleitung und -kontrolle und blieb gleichzeitig das Organ der sowjetischen Wirtschaftskontrolle in der SBZ. Alle Entscheidungen, Planungen und Bilanzen sowie ökonomische Analysen mußten den entsprechenden SMAD-Wirtschaftsorganen zur Bestätigung vorgelegt werden28. von
25
26
27
28
Für den Zeitraum vom 1.4. bis 31.12.1949 wies die SMAD die Zahlung eines Sollbetrages von 1,96 Mrd. DM aus dem Haushalt der SBZ, Einzelplan XII (Finanzen), auf das Konto 153 an, vgl. Stellungnahme zur Anfrage B. Leuschners an die Verwaltung für Reparationen, 10.8.1949, ebd., C-15/661, Bl. 75. Davor gingen der HV Finanzen der DWK in unregelmäßigen Abständen Forderungen der Besatzungsmacht in Millionenhöhe zu, die unter Titel 394, Kapitel 240, zu verbuchen waren. (Z.B. 3.3.1949 39 Mio. DM, 22.3.1949 57 Mio. DM oder 1.4.1949 200 Mio. DM), vgl. Zahlungsabrechnungen des MdF aus dem Jahr 1948, ebd., N-l/1447. Ausnahmen bildeten hier der Suchdienst für Vermißte des Krieges, die Sonderlager, die die DDR 1950 von der UdSSR übernahm, die Behörden für die Umsiedlerproblematik sowie die höhere Polizeischule und natürlich die DVdl selbst. Die Finanzverwaltung der SMAD wies dies am 13.1.1949 dem Leiter der HV Finanzen in der DWK, Rumpf, an. Für diese Maßnahme mußten aus den Länderhaushalten für das 4. Quartal des Rechnungsjahres 1948 (1.1.-31.3.1949) Haushaltsmittel für die benannten Polizeigattungen herausgelöst werden. Das waren für Brandenburg 4,2 Mio. DM, Mecklenburg 3,4 Mio. DM, Sachsen/Anhalt 7,3 Mio. DM, Sachsen 8,5 Mio. DM, Thüringen 8,0 Mio. DM, also insgesamt gerechnet über 31 Mio. DM. Der beigefügte Quartalsplan für die zentralgeleiteten Objekte und Einrichtungen sah insgesamt für die DVdl Kosten in Höhe von 49,4 Mio. DM vor, wovon allein die kasernierten Einheiten und die Grenzpolizei 41,3 Mio. DM verbrauchen sollten. Vgl. ebd., N1/1447. Vgl. Stellungnahme zur Anfrage Leuschners an die Verwaltung für Reparationen, 10.8.1948, ebd., C-15/37, Bl. 3, sowie Analyse der Verwaltung für Reparationen über die Erfüllung des Reparationsplans 1948, 9.8.1948, ebd., C-15/664.
Torsten Diedrich
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Aufbau der Deutschen Wirtschaftskommission Ost (DWK) Deutsche Wirtschaftskommission (DWK) 1948 Vorsitzender Plenum Sekretariat Materialver-
Planung
Industrie
sorgung.
Interzonenund Außenhandel
Landwirtsch. Handel und
\fersorgung
Ausschuß zum Schutz des Volks-
eigentums
Verkehr
HV Wirtschafts-
HV
Kohle
planung Statist. Zentralamt
HV
Energie
HV
Metallurgie HA Personal und
HV Materialversorgung
HV Land- und Forstwirtschaft
HV Interzonenund Außenhandel
HV Handel und
HV \ferkehr
HA
HV
HV Chemie
HA
Fachschulen
HV Maschinenbau und Elektrotechnik
HV
Erfassung
und Aufkauf
Lebensmittelund Fischwirtschaft
Schulung
Verwaltung
Versorgung
Finanzen, Post- und Fernmelde-
HV
Reparationen
HV Arbeit und Sozial-
fürsorge HV Gesundheitswesen HV Wissenschaft und Technik HV Bauwesen
wesen
HV Leichtindustrie
HV Finanzen
HV Steine und Erde
HV Post- und Fernmeldewesen
HV Information
Aufrüstungsvorbereitung und -finanzierung in der SBZ/DDR
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1948-1953
Innerhalb der Deutschen Wirtschaftskommission existierten die Hauptverwaltung (HV) für Reparationen, verantwortlich für alle Reparationsleistungen an die UdSSR und Polen sowie die Hauptverwaltung Materialversorgung, die den gesamten Material- und Erzeugnisbedarf der SBZ ermittelte sowie Bestellungen koordinierte und die Realisierung überwachte. Innerhalb der HV zeichnete der Sonderbereich Kerber verantwortlich für die Material- und Warenversorgung aller in der SBZ dislozierten bewaffneten Formationen. Dem Leiter der HV Materialversorgung unterstanden die Abteilungen Aufkommensermittlung, Kohle, Treibstoff, Schwerpunktversorgung, Kontrolle und Bewirtschaftung sowie die Grundsatzabteilung25. Zu erwähnen ist innerhalb der DWK die Abteilung Regierungsaufträge30. Sie besaß Sondervollmachten zur Erteilung von Aufträgen mit Priorität, vor allem zur Erfüllung von Reparationsforderungen der UdSSR, Anforderungen der SMAD und der Besatzungstruppen sowie in wachsendem Maße der Polizeiorgane der SBZ. Die HV Finanzen verwaltete den größten Teil des zentralen Zonenhaushalts aus Steuern und Abgaben. Sie teilte den einzelnen Abteilungen die entsprechenden Kontingente zu und war außerdem in wachsendem Maße für die Finanzierung der Reparationsleistungen11 und die Deckung der Besatzungskosten verantwortlich. 1949 verfügte sie laut Plan über ein Finanzvolumen von 2,769 Mrd. DM32. Die HV Materialversorgung stellte das Bindeglied zwischen den bewaffneten Formationen und der Wirtschaft dar. Das implizierte weitreichende Kontakte zu den einzelnen Betrieben, die für militärische Zwecke produzierten. Die Hauptverwaltung war mit entsprechenden Rechten ausgestattet, um Verhandlungen mit den Betrieben über deren militärisches Produktionsangebot zu führen sowie letztere auch vertraglich zu binden. Außerdem konnte sie die Zufuhr von Material, Arbeitskräften und Produktionsmitteln für die Produzenten von Rüstungsgütern steuern. Der militärischen Produktion wurden dabei Prioritäten eingeräumt. Mit Regierungsaufträgen konnte die vorrangige Erzeugung für die bewaffneten Einheiten unabhängig von ökonomischen Aspekten erzwungen werden. Es entspricht jedoch nicht den Tatsachen, daß die Betriebe in der SBZ/DDR zur Rüstungsproduktion gezwungen wurden. Aufträge zur Realisierung von Reparationsleistungen bzw. Leistungen für die bewaffneten Organe waren zumeist willkommen, weil sie neben der Bezahlung eben die Zuführung von Arbeitskräften und Maschinen garan2g
Vgl.
Statut der HV
Die
Abteilung
Bewirtschaftung und Anweisung zur Bildung der HV Materialversorgung, o.D.,
ebd., C-15/527, Bl. 10f. 10
erhielt ihren Namen bereits
vor
Gründung
der DDR. Es kann
nur
gemutmaßt
wer-
den, ob sich das auf die Aufträge der Regierung der UdSSR bezog oder aber ein Vorgriff auf die
31
12
zentralistischen Maßnahmen in der SBZ war. Bis zur Gründung der DDR hatten die Länder noch die Hauptlast der Reparationen zu leisten. Über die HV Finanzen lief die Koordinierung sowie die Abrechnung der Leistungen, vgl. Analyse der Verwaltung für Reparationen über die Erfüllung des Reparationsplans 1948, 9.8.1948, ebd., C15/664, Bl. 173f. Vgl. Abrechnung der Staatsausgaben im einzelnen durch das MdF, 16.6.1950, ebd., N-l 380. Unter DM versteht sich in diesem Beitrag die von der DDR amtlich geführte Abkürzung für Deutsche Mark der SBZ und später der DDR-Emissionsbank »Deutsche Notenbank«. Die Abhebungen zur Deutschen Mark (DM) der Bundesrepublik erfolgen am Bezugsort.
288
Torsten Diedrich
tieren konnten. Allerdings stellte sich hinterher oft heraus, daß derartige Produktionsaufträge nur unökonomisch zu realisieren waren. Nicht selten stornierte die HV Materialversorgung erteilte Aufträge, weil entweder Finanzmittel oder Materialien fehlten bzw. veränderte Anforderungen der bewaffneten Organe rückwirkten. Hier entstanden den Betrieben nicht selten erhebliche finanzielle Verluste. Im unmittelbaren Vorfeld der Gründung der DDR entstanden eigenständige Polizeiformationen durch die Herauslösung der 1948 gebildeten Bereitschaften aus den Strukturen der Grenzpolizei. Diese Einheiten sollten stärker als bisher militärisch strukturiert, ausgebildet und schrittweise bewaffnet werden und den Grundstock für eine künftige Armee der DDR bilden13. Absprachen zur finanziellen Absicherung dieser durch die SMAD initiierten Maßnahmen fanden bereits im April und Mai des Jahres zwischen Generalmajor Gorochov, Walter Ulbricht und dem Leiter der HA Grenze und Bereitschaften statt. Im September 1948 wies die SMAD die Versorgungsleistungen an, die den Angehörigen der als »kasernierte Sicherheitspolizei« bezeichneten Formation ab dem 1. Oktober 1948 zustehen sollten. Die Einstufung der Polizisten wurde der der Grubenarbeiter unter Tage, d.h. Versorgungsgruppe B, gleichgesetzt und damit wurden Anrechte auf warme Verpflegung, zusätzliche Zuwendungen sowie 5 Zigaretten am Tage für die Polizisten geschaffen34. Die Angehörigen der kasernierten Polizeibereitschaften erfuhren eine versorgungsmäßige Gleichsetzung mit der Grenzpolizei. Damit schuf man Privilegien, die einerseits die Werbung für die Bereitschafts- und Grenzpolizei erleichtern und andererseits ideologisch/materiell korrumpierend wirken sollten. Eine derartige materielle Besserstellung war in den Zeiten der Lebensmittelrationierung dazu angetan, den schweren Dienst zu erdulden wie das Bewußtsein als Bessergestellte zu fördern. Im Rahmen der beschlossenen Maßnahmen erhielt die Hauptverwaltung Finanzen am 24. Mai 1949 die Anweisung, aus den Finanzreserven der SBZ von 100 Mio. DM einen Betrag von 8,4 Mio. DM für die auf Befehl des Chefs der SMAD, Generaloberst Cujkov, neu zu errichtenden Zonenschulen bereitzustellen. Es handelte sich dabei um die Schulen Pirna, Torgau und Eggesin, die neu eingerichtet, mit Fahrzeugen und Bekleidungs- sowie Ausrüstungsgegenständen versehen wurden. Mit der Herauslösung der Sonderformationen aus dem eigentlichen Polizeibereich erfolgten zusätzliche Investitionen an die Länderpolizeibehörden zur Sanierung bzw. zum Neuaufbau von Polizeischulen für die Länder: Brandenburg 336 Tausend DM (TDM), Thüringen 660 TDM, Sachsen 950 TDM und Mecklenburg 450 TDM. Ein Teil der Bauten war bereits 1948 begonnen worden35. Da die angeforderten Mittel weder im Haushalt der HV Finanzen noch in dem der Landespolizeibehörden (Kap. 38) vorhanden waren, sollte der Bedarf über die HV Materialversorgung an die HA Bauwesen weitergeleitet und zentral finanziert werden36.
33 34
Vgl. Beitrag Eisert, S. 162 ff. Vgl. Anweisung der Verwaltung Handel und Versorgung
der SMAD
an
den Vorsitzenden der
DWK, Rau, 19.9.1948, BArch P, C-15/739, Bl. 5. 35 36
Vgl. ebd. Vgl. Anweisung und Richtlinien der HV Wirtschaftsplanung, 30.3. 1949, ebd., N-l (VS)/7/927.
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Allgemein setzte sich durch, daß die zentralen Projekte für die bewaffneten Organe, seien es Bauvorhaben, andere Investitionen oder aber die materielle Versorgung der zentral geleiteten Polizeiformationen, nicht über die Länderhaushalte, sondern über die Fonds der Deutschen Verwaltung des Inneren, später des Innenministeriums, finanziert wurden. Allein die Verwaltungs- und Investitionskosten für die regionalen Schutzpolizeiformationen verblieben in den Finanzverwaltungen der Länder. So sah der Rumpfhaushaltsplan von 1949 (1.4.-31.12.1949) Ausgaben für Inneres in den Länder-, Stadtund Kreishaushalten von insgesamt 370,6 Mio. DM, der Zonenverwaltung von 270,3 Mio. DM vor. Während die Kosten für die Schutzpolizei in erstgenannten Haushalten mit 346,3 Mio DM unter Plan blieben, stiegen durch den Aufbau der Polizeibereitschaften die zentralen Ausgaben um 54 Prozent auf 416,4 Mio. DM an". Kosten der DVdl 1949 in Mark der DDR (DM) Sachkonto Kap 30 A Kap 38 A Kap 38 B Kap 38 C
Titel
Kap38D Kap 38 E
Polizeischulen (1.4.-1.8.) Wachbataillon
DVdl
(Verwaltung) Grenzpolizei
Kasernierte Bereitschaften
Eisenbahnpolizei
Spezial-Lager Kapitalinvestitionen
Zentraler Suchdienst Kap 39 ohne PS Kochstedt ohne Verwaltung für Schulen 1.8.-31.12. Gesamt Verwaltung d. Innern 1.1.-31.12. 028, Bl. 24 ff. MA, Pt Vgl.
Einnahmen 265 400 8 832 500 1489 400 135 000 367 500 129 600
225 000 46 000 11 941 700 23 432100
Aus-
gaben 32 304 600 74 897 000 20 795 900 29 674 200 2341300 1746 600 10 560 000 33 188 000 1118 000 1 345 000 217 454 500 430425100
Mit der Schaffung von Bereitschaften im Sommer 1948 verfügte die SMAD deren materielle Versorgung durch einzelne Betriebe. Dazu gab die Verwaltung Leichtindustrie der SMAD die Anweisung an die DWK, daß die Oberlausitzer Schuhfabrik Seifhennersdorf vorhandene Produktionsbestände von 4 500 Paar Lederschuhen für die kasernierten Polizeiformationen zur Verfügung zu stellen habe. Weitere 4 500 Paar Lederstiefel seien von diesem Betrieb und anderen benannten Firmen zu erzeugen und bis November des Jahres an die Deutsche Verwaltung des Innern (DVdl) zu übergeben. Zudem erging der Auftrag zur Produktion von 10 000 Lederkoppeln mit Schulterriemen. Die Verantwortung für die termingerechte Realisierung übertrug die SMAD der HV Leichtindustrie38. 37 18
Vgl. Abrechnung der öffentlichen Ausgaben durch das MdF, 16.6.1950, ebd., N-l/380, Bl. 19. Vgl. Anweisung der Verwaltung Leichtindustrie der SMAD an den Vorsitzenden der DWK, Rau, 10.9.1949, ebd., C-15 739, Bl. 4.
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Die SMAD machte sich dabei die bereits bestehenden zentralistischen Strukturen in volkseigenen Industrie der SBZ zunutze. Rückblickend wirkte sich die Führung und Steuerung der Wirtschaft von oben nach unten somit gerade für den Sektor der materiellen Versorgung der bewaffneten Organe und der Produktion von Rüstungsgütern als Vorteil aus. Die HV Materialversorgung war angewiesen, die entsprechenden Materialien für das Bauwesen oder die regionale Produktion von Versorgungsgütern für die Militäreinheiten gesondert im Kontingent den Ländern zur Verfügung zu stellen. Die Materialien waren zweckgebunden für die zentral angewiesenen Vorhaben zu verwenden. Die Deckung erfolgte aus den Finanzreserven des zentralen öffentlichen Haushaltes (Republikhaushalt). Diese Reserven beliefen sich üblicherweise auf 10 Prozent der Gesamt-
der
plansummen.
Damit verdeutlicht sich bereits ein Problem, das aus dem zentralistischen Wirtschaften bei gleichzeitiger relativ dezentraler Verwaltung durch die Länder resultierte. Die Finanzmittel ereilte das Schicksal aller öffentlichen Finanzen, sie mußten ständig umverteilt werden. Erschwerend wirkte sich aus, daß die zentralen Aufgabenstellungen der SMAD haushaltsmäßig und verwaltungstechnisch zu dezentralisieren waren und damit recht unterschiedlich realisiert wurden. Aus diesem Grunde zeigten die SMAD und die politische Führung der DDR 1949 Bestrebungen, die militärischen Organe und das System ihrer materiellen Sicherstellung von Anbeginn zentralistisch aufzubauen. Geheimhaltungsgründe sprachen zusätzlich für diese Verfahrensweise. In der zentralen Verwaltung brauchten so nur wenige Bereiche mit der materiellen Versorgung der Militäreinheiten in der SBZ befaßt zu werden.
Der
Beginn der Rüstungsgüterproduktion
Ausmaß und Struktur der Versorgung der Polizeikräfte mit Gütern aus der laufenden Produktion in der SBZ/DDR berechtigen im Zeitraum von 1948 bis 1952 keinesfalls dazu, von einer Rüstungsproduktion im engeren Sinne oder gar einem eigenen Sektor der Rüstungsindustrie39 innerhalb des Wirtschaftsorganismus zu sprechen. Im Verfügungsbereich der ostdeutschen Wirtschaft gab es noch keine Betriebe mit ausschließlicher Produktion für die bewaffneten Kräfte. Der Produktionsanteil von Versorgungsgütern für diese Bedarfsträger am Gesamtvolumen der betrieblichen Produktion, wenn auch nicht überall vollständig feststellbar, blieb verschwindend gering. Das Beispiel der Sprengstoffindustrie soll das verdeutlichen. Im Rahmen der Bruttoproduktion der drei 59
Rüstungsindustrie meint in diesem Beitrag einen relativ autarken Sektor in der Wirtschaft. Dies erin klarer Abgrenzung zur Deutung als Bereich der Volkswirtschaft, der für das Militär bzw. für bewaffnete Staatsorgane Güter und Leistungen produziert bzw. erbringt, einschließlich aller Vorstufen- und Zulieferbereiche. Letzteres wird mit Rüstungsproduktion im engeren bzw. weiteren Sinne zu fassen sein. Der Autor nutzt diesen Begriffsapparat im Unterschied z.B. von Albrecht/Tiedtke, die ihren Begriff Rüstungsindustrie selbst als einen Bereich erkennen, der nur auf wenige Branchen beschränkt ist und auf eine breit angelegte Rüstungsfertigung verzichtet, vgl. Albrecht/Tiedtke, Rüstungswirtschaft, S. 73, sowie Tiedtke, Warschauer Vertragsorganisation, folgt
S. 132 ff.
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DM im Jahr 1950 nahm die Produktion für militärische Zwecke mit 480 000 DM einen Anteil von einem Prozent ein40. In anderen Branchen lag der Anteil höher. Das betrifft vor allem den Fahrzeugbau, die Textilindustrie und das Bauwesen. Bekleidung und Ausrüstung wurden der HVA 1951 im Wert von 41,9 Mio., Fahrzeuge von 19,4 Mio. DM zur Verfügung gestellt41. Für das Bauwesen gab allein die HVA 1951 28,4 Mio. DM aus. Das entsprach einem Prozent des Gesamtbauleistungsvolumens in der DDR 1951 von 2 638 Mio. DM42. Zusammengenommen mit Bauvorhaben der Seepolizei von 14,6 Mio. DM43 wurden schon 1,6 Prozent des gesamten Bauvolumens erreicht, wobei zu beachten ist, daß in den 2,6 Mrd. DM Bauleistungen in der DDR der Verkehrswegebau enthalten ist. Im Zweiten Weltkrieg hatten zentralistische Strukturen in der Wirtschaft sowohl in der UdSSR als auch in Deutschland ermöglicht, letzte Reserven zu mobilisieren. Die UdSSR machte zudem die friedenswirtschaftliche Erfahrung, daß der Zentralismus in allen staatlichen und gesellschaftlichen Belangen den Vorteil bot, in einem nichtflorierenden Wirtschaftssystem Schwerpunktaufgaben, zu denen die Rüstung spätestens seit dem deutschen Überfall 1941 zählte, dennoch meistern zu können. Daß dies auf Kosten anderer Bereiche geschah, erschien den Regierenden vorerst als zweitrangig. Die Vorstellungen der sowjetischen Seite fanden über ihre Wirtschafts- und Militärberater Eingang in das ostdeutsche wirtschaftsstrategische Denken und wirkten besonders in den ersten Jahren der Mangelwirtschaft nachhaltig. Durch die Zentralisierung war es der SBZ- und später der DDR-Führung mittels Umverteilung kurzfristig möglich, spezielle Anforderungen zur Finanzierung bzw. materiellen Absicherung von Aufrüstungsmaßnahmen zu realisieren, auch wenn dabei Abstriche an anderen wirtschaftlichen Bereichen notwendig wurden. Bis 1949 existierte auf dem Gebiet der SBZ nur in SAG-Betrieben eine Rüstungsproduktion im engeren Sinne, die, wie auch im Potsdamer Abkommen verankert44, für den Bedarf der Besatzungstruppen produzierten. Das traf etwa auf das Motorenwerk Würzen oder Teile der ehemaligen Torpedoversuchsanstalt Neubrandenburg zu, in denen jetzt Fahrzeuge der sowjetischen Streitkräfte instandgesetzt wurden. Das Sprengstoffwerk in Gnaschwitz produzierte für denselben Auftraggeber Munition und Sprengmittel. Die Vereinbarungen der Alliierten sahen weiterhin vor, daß, abgesehen von dieser Sonderregelung, bis zum Abschluß eines Friedensvertrages mit Deutschland »mit dem Ziel der Vernichtung des deutschen Kriegspotentials die Produktion von Waffen, Kriegsausrüstung und Kriegsmitteln, ebenso die Herstellung aller Typen von Flugzeu-
zentralgeleiteten Betriebe dieses Industriezweigs von insgesamt 47,4 Mio.
411
Vgl.
Bericht über die
Bd2, Bl. 13. 41
42
43 44
Entwicklung
der
Sprengstoffindustrie, 26.6.1961,
BA
MZAP, VWR 087,
Vgl. Gesamtplanabrechnung, 19.3. 1952, ebd., Pt 068, Bl. 15. Vgl. Statistisches Jahrbuch der DDR 1955, S. 181. Vgl. Haushaltsplanentwurf der HVS, 9.12.1950, BA MZAP, Pt 838, Bl. 270. Der Teil von Rüstungsbetrieben, der für »die Sicherung der Warenproduktion und der Dienstleistungen, die zur Befriedigung der Bedürfnisse der Besatzungsstreitkräfte« notwendig war, durfte in der Verfügungsgewalt der Besatzungsmacht erhalten werden und weiterproduzieren. Vgl. Das Potsdamer Abkommen, S. 222.
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gen und Seeschiffen zu verbieten und zu unterbinden« sei. Die Industrie, die für eine Kriegsproduktion benutzt werden konnte, sollte überwacht werden45. Dementsprechend war von der Besatzungsmacht in der SBZ der größte Teil ehemaliger Rüstungsbetriebe demontiert oder über die SAG in sowjetische Verfügungsgewalt übernommen worden. Beispielsweise gingen die waffenproduzierenden Maschinen der Suhler Waffenbetriebe in die Reparationsleistungen an die UdSSR mit ein46. Im übrigen fiel ein nicht unbeträchtlicher Teil von Rüstungsbetrieben auf ostdeutschem Gebiet der hier besonders hartnäckig geführten militärischen Auseinandersetzung 1944/45 zum
Opfer.
Damit bestanden kaum Voraussetzungen für den Aufbau eines eigenständigen Sekder Rüstungsproduktion innerhalb der Wirtschaft. Bis zur Gründung der DDR im Jahre 1949 sind auch keine Anstrengungen zum Aufbau einer eigenständigen Rüstungsindustrie nachweisbar. Die Produktion der Ausrüstungen für die bewaffneten Kräfte der SBZ erfolgte in beauftragten Betrieben des zivilen Sektors, insbesondere wurden hierbei die Betriebe genutzt, die bereits vor dem Krieg ähnliche Erzeugnisse gefertigt hatten. Hier bestanden zumeist noch technische und arbeitskräftemäßige Voraussetzungen für die Produktion von militärischen Bedarfsgütern. Strukturell arbeiteten die Betriebe mit teilweiser Produktion für die bewaffneten Kräfte nach den gleichen Produktionsprinzipien wie die zivilen Betriebe der Volkswirtschaft. Ihre organisatorische Einbindung in die Industrieministerien bzw. Hauptverwaltungen glich der ziviler Fabriken und richtete sich hauptsächlich nach der Erzeugnispalette. Die einzelnen Betriebe wurden nach dem Produktionsprinzip leitungsmäßig einer Vereinigung Volkseigener Betriebe (VVB) unterstellt. Die VVB wiederum gehörte einem des immer breiter werdenden Netzes von Industrieministerien an, welches über die Staatliche Plankommission bzw. über die HA Regierungsaufträge ihre Produktionsaufgaben »spezieller Produktion«47 planmäßig oder außerplanmäßig erhielt. Um die militärischen Interessen der Staatsmacht durchzusetzen, wurde die Belieferung mit Engpaßmaterialien und die Absicherung der notwendigen Kooperationsbeziehungen nicht selten über Regierungsaufträge direkt gewährleistet. Das ermöglichte, kurzfristige Aufgabenstellungen relativ schnell umzusetzen, deckte aber auch oft mangelhafte Planungen und schlechtes uneffektives Wirtschaften in den Betrieben »spezieller Produktion«. Ein derartiger Mechanismus konnte in der Aufbauphase der HVA und deren relativ geringer technischer Ausstattung funktionieren, eignete sich jedoch nicht für jene Vorhaben, die sowohl in Moskau als auch in Pankow 1951 bereits kalkuliert wurden48. Die Wirtschaftspläne der HVA und der HVS sowie der beginnende Aufbau der Luftstreitkräfte deuten darauf hin, daß bereits Ende 1950/ Anfang 1951 ein weit größeres tors
45
Ebd, S. 219.
46
Vgl.
Bericht über die
Entwicklung des Industriezweiges Handfeuerwaffen- und Munitionsfertigung,
24.5.1961, BA MZAP, VWR 084, Bd 1, Bl. 23. 47
48
»Spezielle Produktion« ist die in Militär und Wirtschaft der DDR geführte Geheimbezeichnung für Rüstungsgüterproduktion. Sie findet sich in den Dokumenten wieder. Vgl. Besprechung der SKK-Führung mit Politbüromitgliedern der SED am 30.7. 1951 in Karlshorst, ZPA, NL 36/736.
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Militärprogramm angedacht war, als letztlich realisiert wurde49. Im Laufe des Planjahres 1951 konkretisierte man diese Vorstellungen. Auf einer Besprechung von führenden SED-Funktionären mit der Sowjetischen Kontrollkommission in Karlshorst am 30. Juli 1951 wurden Überlegungen angestellt,
wie zivile und militärische Interessen sowohl im Bereich der Luftfahrt als auch im Fahrzeugbau optimiert werden konnten50. Diese Unterredung fand ihren Niederschlag in einer Analyse zum Gesamtplan des militärischen Aufbaus vom 13. September 1951, in dem Möglichkeiten zur Erweiterung der Kfz-Produktion und des Schiffbaus geprüft wurden. Man erwog z.B. die Produktion von Raupenschleppern, welche laut Potsdamer Vereinbarungen noch untersagt war. Der HVA stellte man gar 5 Mio. DM aus Mitteln der Sozialversicherung zur Verfügung, um ihre Investitionsvorhaben zu decken51. Diese Pläne implizierten, daß ein Bereich zentralistischer Rüstungsproduktion in der DDR zu schaffen war. Mit Wirkung vom 1. April 1951 entstand in direkter Unterstellung unter die Abteilung Wirtschaftspolitik beim Zentralkomitee (ZK) der SED das Büro für Wirtschaftsfragen (BfW), Chef des Büros wurde der Leiter dieser ZK-Abteilung, Willi Stoph. Ihm unterstanden die Abteilungen Planung, Materialwirtschaft, Kooperation mit den sozialistischen Ländern, Regierungsaufträge, Finanzen, Kontrollgruppe der Deutschen Notenbank sowie die Verwaltung Bauwesen und Quartiernutzung. Das Büro für Wirtschaftsfragen zeichnete für alle Belange der Finanzierung und Versorgung der sowjetischen Streitkräfte in Deutschland und der bewaffneten Organe der DDR verantwortlich. Durch seine Anbindung an den Ministerrat erlangte es neben der Staatlichen Plankomission entscheidenden Einfluß auf die gesamte Wirtschaft der DDR und wurde auch mit den entsprechenden Weisungsrechten ausgestattet. Die Abteilung Planung unter der Leitung des späteren Oberst Koppatsch führte die gesamte Planung und Abrechnung der Leistungen für die militärischen Bereiche, für die Investitions- und Arbeitskräfteplanung durch. Sie stimmte ihre Pläne direkt mit der Staatlichen Plankommission ab. Über die Abteilung Materialwirtschaft erfolgte die Beschaffung, vertragliche Bindung von Erzeugern sowie die Abnahme von Gütern und Leistungen für die bewaffneten Organe. Die Kooperationsabteilung koordinierte die Bedürfnisse der militärischen Organe sowie der Rüstungsgüterproduktion in der DDR mit den Interessen der anderen sozialistischen Staaten und war für den speziellen Außenhandel verantwortlich. Bis 1954 gestalteten sich diese Beziehungen allerdings fast ausschließlich mit der UdSSR. Die Abteilung Regierungsaufträge verfügte über das Recht, verbindliche Aufträge an alle Wirtschaftsorgane der DDR zur Realisierung der Sicherheitsinteressen der DDR, der UdSSR und in Fragen der Reparationen zu erteilen. Sie arbeitete in ebenso enger ^
50
51
So findet man Planungen vom 19.12.1950 für das Referat Z.B.V. (Luft) in einer Gesamthöhe von 728 000 DM, vgl. BA MZAP, Pt 838, Bl. 347 f. Gleichzeitig sah das »D II«- Programm vom 13.9.1951 Investitionen in Höhe von 80 Mio. DM für den Bau von Flugplätzen vor, vgl. ebd., Pt 887/Bd 1, Bl. 197f. Auf die horrenden Plangrößen der HVA wurde bereits eingegangen. Die HVS veranschlagte allein für den Schiffbau 1951 42 Mio. DM Investmittel, vgl. ebd., Pt 838, Bl. 270. Vgl. ZPA, NL 36/736. Vgl. Analyse zum Gesamtplan 1951 und zum Planvorschlag 1952, BA MZAP, Pt 887, Bd 1, Bl. 197 ff.
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Abstimmung mit dem Amt für Reparationen wie die Abteilung Finanzen. Letztere hielt die Finanzierung der Leistungen für Streitkräfte und Sicherheitsorgane der DDR und der Sowjetarmee sowie die Haushaltsabrechnung in den Händen. Eine Kontrollgruppe stimmte mit der Deutschen Notenbank und dem Ministerium für Finanzen die Investitionen in den Sicherheitsbereich ab und kontrollierte die Verwendung der Mittel. Ebenso weitreichend waren die Befugnisse der Verwaltung Bauwesen und Quartiernutzung unter Führung des späteren Generalmajors Mayer. Dem Bereich Bauwesen unterstanden der VEB Bauunion Süd (Dresden) und der VEB Bauunion Küste (Stralsund), dem Bereich Quartiernutzung der VEB Zentrales Entwicklungs- und Konstruktionsbüro Berlin und der VEB Projektierungsbüro Süd (Dresden), welche allesamt mit ihren Leistungen im Ministerium für Aufbau volkswirtschaftlich bilanziert und abgerechnet wurden. Für die kurzfristige außerplanmäßige Bedarfsdeckung von Anforderungen der militärischen Formationen, eine in der Aufbauphase durchaus typische Erscheinung, existierte die Beschaffungsstelle der Zentralen Verwaltungen und Organisationen (ZVO) im Haus der Ministerien. Sie stand in unmittelbarer Korrespondenz mit dem Staatssekretariat für Materialversorgung52 und schloß Lieferverträge für die Bedarfsträger mit den Betrieben ab. Derartige Bedarfsanforderungen reichten bis hin zu Küchenausstattungen oder Ersatzteilen53. Als Regel blieb jedoch die längerfristige Planung, beginnend mit Quartalsplänen 1948 über Halbjahrespläne 1948/1949 bis hin zu Jahresplänen ab 1950. Die Erarbeitung der Planvorlagen begann zumeist schon im Frühjahr und Sommer des Planvorjahres und zog sich bis weit ins Planjahr. Nicht selten wurden Planpositionen im nachhinein den tatsächlichen Gegebenheiten angepaßt. Letztendlich ging der militärische Bedarf in die Fünfjahrplanung ein, jedoch zeigten allein die Veränderungen in der Streitkräfteplanung im ersten Planjahrfünft 1950-1955 die Relativität einer so langfristigen Konzipierung in der Aufbauphase einer Armee wie im Militärwesen überhaupt. Die jeweiligen bewaffneten Organe leiteten ihre Einzelplanungen und Bedarfsanmeldungen dem Büro für Wirtschaftsfragen zu. Es handelte sich hierbei um einen Haushaltsplan, den Waren- und Materialplan, den Bauleistungsplan, den Forschungs- und Entwicklungsplan sowie den Transportkostenplan, schließlich ein Papier mit speziellen Anforderungen an den Importplan. Der Haushaltsplan enthielt alle Positionen, die gemeinhin als Verwaltungskosten bezeichnet werden. Hier sind vor allem Löhne und Gehälter, Verpflegung, Inneneinrichtungs- und Instandhaltungskosten bis hin zu Treibund Schmierstoffen für die Fahrzeuge zu nennen. Aus allen Anforderungen ermittelte das BfW den Gesamtbedarf und leitete ihn zur planwirtschaftlichen Bilanzierung an die Staatliche Plankommission weiter. Diese nahm 52
53
Die Hauptverwaltung für Materialversorgung ging in das BfW im Rang eines Staatssekretariats ein und wurde von Staatssekretär Kerber geleitet. Mit der Umstrukturierung im Mai 1952 unterstand die nun in Staatliche Verwaltung für Materialversorgung umbenannte Institution unter der Leitung des einstigen Stellverteters von Kerber, Binz, direkt dem Ministerrat, vgl. Korrespondenz der Beschaffungsstelle des Ministerrats mit dem Staatssekretariat für Materialversorgung, BArch P, C-20 1/3-106, Bl. 97. Vgl. Waren- und Materialplanung 1952, BA MZAP, Pt 887, Bl. 46 ff.
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Bedarfsanforderungen in die Planung und Bilanzierung des gesellschaftlichen Gesamtprodukts, d.h. der Anforderungen aller Produktionen und Leistungen im DDR-Ge-
die
an die Ministerien. Rein planungstechnisch enthielten die Pläne und Abrechnungen der einzelnen Ministerien also auch die Rüstungsproduktion. Allerdings wurde diese nicht als solche ausgewiesen. Die Finanzierung der Rüstungsgüterproduktion erfolgte dann über Kontingente des zentralen öffentlichen Haushalts. Im öffentlichen Haushalt flössen seit 1950 fast alle Steuern und Abgaben sowie ein großer Teil an Gewinnabführungen aus der volkseigenen Industrie und Sozialversicherungsbeiträge zusammen und wurden umverteilt. Den größten Teil der Investitionen erhielten hierbei die Schwerpunktbereiche. Hierzu zählte, neben dem Aufbau der Grundstoff- und Schwerindustrie, dem Wohnungsbau und bestimmter Bereiche des Maschinenund Fahrzeugbaus, die Rüstungsproduktion. Besonders für die unmittelbare Nachkriegsperiode bis 1956 war für die DDR-Wirtschaft ein großer Mangel an Stahl- und Edelmetallwerkstoffen, Energieträgern und Maschinen typisch. Das betraf vor allem jene Produktionszweige mit besonderer Bedeutung für die Rüstungsproduktion. Das Kapazitätsreaktiv54 der Metallurgie war in der DDR bereits 1950 erschöpft. Notwendigen Neu- und Erweiterungsinvestitionen standen relativ geringe Mittel für die Akkumulation gegenüber. Bei der Textilindustrie dagegen konnten vorhandene Kapazitätsreserven wegen Rohstoffmangel nicht ausgelastet werden55. Somit mußte eine Produktion für die bewaffneten Organe in der DDR zwangsläufig den Sektor ziviler Konsumtion einschränken. Die Investitions- und Produktionsmöglichkeiten der SBZ/DDR reichten nach Abzug der Reparationsleistungen und Besatzungskosten nicht aus, um innovativ die gesamte Wirtschaft kontinuierlich zu entwickeln. Demzufolge konzentrierte man sich auf Schwerpunktbereiche. 1951 bis 1955 erfolgten extensiv angelegte Großinvestitionen insbesondere zum Aufbau des Eisenhüttenkombinats Ost (Eisenhüttenstadt) und des Stahlwerks Calbe sowie Erweiterungsinvestitionen zum Ausbau der Stahlwerke Brandenburg, Hennigsdorf, Riesa, Gröditz und Freital. Zudem wurden 24 Schwermaschinenbetriebe ausgebaut, darunter 3 Werften56. Bereits 1950 entstand Rohstoffknappheit durch die vorrangige Entwicklung der Metallurgie im Vergleich zum geringeren Wachstum im Bergbau57. Diese Schere mußte sich mit dem verstärkten Aufkommen der Metallurgie gerade für die Rüstung zwangsläufig erweitern. Zudem trat durch Dekumulation58 in der DDR-Wirtschaft ein offensichtlicher Substanzverlust auf, weil die Grundmittelreproduktion stark eingeschränkt
samtmaßstab, auf und erteilte entsprechende Aufgabenstellungen
54
Unter
versteht man die Fähigkeit, aus der vorhandenen Substanz mit relativ geInvestitionen durch Instandsetzung und Verbesserung der Auslastung Kapazitätsreserven zu erschließen. Bekanntlich waren zu diesem Zeitpunkt kaum Mittel für Neu- und Erweiterungsinvestitionen vorhanden. Vgl. Roesler, Herausbildung, S. 20 f. Vgl. ebd. Vgl. ebd, S. 10. Als Dekumulation bezeichnet man jene Entwicklung in Betrieben, Zweigen oder der gesamten Wirtschaft, in der mehr Grund- und Produktionsmittel verbraucht als erneuert werden können. Damit verliert die Wirtschaftseinheit schrittweise an Produktionskapazität.
ringen
55 56 57 58
Kapazitätsreaktiv
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und wesentliche Investitionsmittel mit Generalreparaturen und Instandsetzungen moralisch verschlissener Grundmittel59 gebunden wurden. Diese Prozesse wirkten auf die materielle Versorgung der bewaffneten Organe und diametral zurück auf die Wirtschaft. Mangelndes Investitionsvermögen zwang zur Umverteilung von Grundmitteln, Arbeitskräften und Materialien auf die genannten Schwerpunktbereiche. Damit entzog die Wirtschaftsführung der DDR dem Bereich ziviler Produktion, bis 1952 vor allem der Konsumgüterproduktion, in nicht mehr nachzuweisendem Maße das Produktionsvermögen, um es der Produktion von Rüstungsgütern zuzuführen. Die »Nichtschwerpunkt«-Bereiche der Wirtschaft hatten fast völlig ihre Amortisationsmittel abzuführen. Der Materialmangel insbesondere bei metallurgischen und textilen Rohstoffen führte zudem zu Stillstandszeiten in der privaten und Konsumgüterproduktion, und mancher Betrieb konnte sich nur noch mit Mühe einfach reproduzieren, d.h. die verschlissenen Maschinen ersetzen, jedoch keine Neuanschaffungen realisieren, um damit seine Produktpalette zu verbessern oder zu erweitern. Insofern waren Regierungsaufträge ein oft begehrter Rettungsanker für das wirtschaftliche Überleben eines Betriewar
bes. Die aufgezeigten allgemeinwirtschaftlichen Zusammenhänge machten wirtschaftliche Probleme innerhalb der materiellen Versorgung der bewaffneten Organe sichtbar. Gleichzeitig verdeutlichten sich schon zu diesem Zeitpunkt ökonomische Schranken für den Aufbau einer Rüstungsindustrie im Osten Deutschlands. Die wirtschaftlichen Ausgangsbedingungen, die begrenzten Rohstoffressourcen und Exportmöglichkeiten sowie die Reparationen und Besatzungskosten setzten der Wirtschaft der DDR von vornherein
engere Grenzen für die Schaffung eines Rüstungsbereiches. Tendenziell waren sich jedoch die Sowjetische Kontrollkommission und die DDRFührung schon Anfang der fünfziger Jahre einig, daß ein Rüstungssektor innerhalb der DDR-Wirtschaft zur Versorgung der im Aufbau befindlichen militärischen Formationen sowie der sowjetischen Streitkräfte auf deutschem Boden notwendig war. Darauf deutet die Schaffung einer zentralen Leitungsebene mit dem Büro für Wirtschaftsfragen 1951 hin. Außerdem unterstellte man dem Büro 1951 mit der Lehrmittel- und Gerätefabrik Mittenwalde, der Peenewerft Wolgast sowie dem Reservelager Mittenwalde/Telz erste Produktions- und Lagereinheiten direkt60. Das hatte jedoch auch ökonomische Gründe. Die politische und militärische Führung konnte mit der Realisierung ihrer Rüstungsaufträge bislang keinesfalls zufrieden sein. Dies mag eine Plangegenüberstellung der HVA 1951 verdeutlichen. Im SollPlan der HVA für 1951 befanden sich 286,4 Mio. DM allein an Investitionen zur Ausstattung der HVA. Die Erfüllungsanalyse konstatierte dagegen bis zum Jahresende nur Investitionen von 124 Mio. DM, die als neuer Planvorschlag unterbreitet wurden. So sollten Investitionen im Bereich Nachrichtenwesen von 34,6 auf 4,7 Mio., im Kfz-Wesen von 91,5 auf 25,5 Mio., im Gesundheitswesen von 8,7 auf 5,6 Mio., bei der Artille"
60
Als moralischer Verschleiß wird das Altern der Technik, d.h. der Substanzverlust nicht durch produktive Abnutzung, sondern durch technische Weiterentwicklung, bezeichnet. Vgl. Aktennotiz zum Ausbau des Werkes Mittenwalde/Telz, 27.11.1951, B A MZAP, Pt 887, Bd 2, Bl. 46, sowie Begründung zur Herauslösung der Peene-Werft Wolgast aus dem Bereich des Ministeriums für Maschinenbau, 15.11.1951, ebd., Pt 886, Bl. 236.
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rie von 8,5 auf 2,5 Mio. und bei Bekleidung und Ausrüstung von 100,5 auf 45,5 Mio. DM gekürzt werden. Allein bei Panzern (0,4 Mio.) und im Bauwesen (31,8 Mio.) konnten die Planzahlen gehalten werden61. Neben internen Entwicklungsproblemen in der HVA zeichneten hierfür vor allem wirtschaftliche Probleme in der industriellen Realisierung der Aufträge verantwortlich, wie die Aufschlüsselungen zur Abrechnung der Realisierung verdeutlichen. Bei den Kraftfahrzeugen konnten aus dem verkürzten Soll von 26,8 Mio. DM bis März 1952 nur 19,4 Mio. DM in Waren geliefert werden62. Produktionsumstellungen liefen langsamer als vorgesehen, der Bereich Forschung und Entwicklung hinkte hinter den Anforderungen des Militärs her und die Materialengpässe zwangen zu diesen Reduzierungen. Eine Vorreiterrolle für die Entwicklung eines eigenständigen Sektors der Rüstungsproduktion spielt der Schiffbau. Die Werftindustie nahm von Anbeginn innerhalb der Wirtschaft der SBZ/DDR eine Sonderstellung ein, die weit über den behandelten Zeitraum bis in die sechziger Jahre Bestand hatte. Für die sowjetischen Militärs waren das »know how« Deutschlands im Flugzeug- und im Schiffbau gleichermaßen von Interesse. Seit Ende des Krieges nutzte die UdSSR die ostdeutschen Schiffbau- und Reparaturkapazitäten in großem Maße als Reparationsleistungen aus. Dabei spielten Bergungsund Instandsetzungsarbeiten die entscheidende Rolle. Bis in die fünfziger Jahre hinein war die UdSSR eine Großmacht mit gewaltigen konventionellen Landstreitkräften, jedoch einer relativ kleinen Flotte. Die sowjetische Werftindustrie konzentrierte sich aus diesem Grunde auf ein großangelegtes Flottenbauprogramm. Die Kapazitäten der ostdeutschen Werften im Reparatur- und Instandsetzungsbereich bildeten dafür eine spürbare Entlastung. Aber auch der Schiffneubau in der SBZ/DDR war, wenn auch eher indirekt, von militärischem Interesse63. Schon 1946/47 zog die SMAD die Warnow-Werft in Warnemünde, die Mathias-Theesen-Werft in Wismar, die Rostocker Neptunwerft sowie die Schiffsreparaturwerft Stralsund zu Instandsetzungsarbeiten der sowjetischen Handelsflotte, die Neptunwerft auch der Kriegsmarine sowie zur Bergung und Reparatur gehobener Schiffseinheiten zu Lasten der Reparationszahlungen heran64. Die Binnenwerften Roßlau, Brandenburg und Berlin erhielten auf Befehl der SMAD nach vollständiger oder teil weiser Demontage 1945 im Folgejahr wieder Aufgabenstellungen zur Produktion von Loggern und Seinern65. Im Jahr 1946 erließ die Besatzungsmacht den Befehl, auf dem Gelände des Funkwerks Berlin/Köpenick ein technisch-wissenschaftliches Büro (abgekürzt MSP) zu gründen. Hierzu sollte auch ein Konstruktionsbereich Schiffbau gehörten. Mit diesem Befehl begann die Vorbereitung für den Schiffneubau auf ostdeutschen Werften, der in hohem Maße von militärischen Interessen geprägt war. Im September 1948 wies das Zentral Sekretariat der SED auf »Empfehlung« der SMAD die DVdl an, den Bau von 6 Küstenschutz-Booten (KS-Boote) zur Verstärkung der Sicherheit im Küstengebiet zu veranlassen. Diese Weisung widersprach eindeutig den Bestimmungen des Potsdamer 61 62
ffl " 65
Vgl. Planpapiere der HVA, 23.8.1951, ebd., Pt 838, Bl. 33. Vgl. Gesamtaufstellung der Warenlieferungen an die HVA 1951, 19.3.1952, ebd., Pt 068, Bl. 15. Vgl. Beitrag Thoß, S. 46 ff. Vgl. Bericht über die Betriebsdaten der DDR-Werften, 15.4.1953, BA MZAP, AfT 0003, Bl. 6ff. Vgl. ebd., Bl. 48.
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Abkommens, wenngleich die Boote für die Abteilung Wasserschutzpolizei vorgesehen und vorerst für die Unterbindung des Schmuggels gedacht waren66. Am 1. März 1949 erließ der Chef der SMAD an den Vorsitzenden der DWK, Rau, den Befehl 86 zum Bau von 20 Küstenschutz-Booten mit der Tarnbezeichnung »Seekutter«. Für die Realisierung dieses Projektes sollte 1949 eine Million Mark aus den für Großbauten der DVdl bewilligten Geldern zur Verfügung gestellt werden67. Diese Summe ist im Vergleich zu industriellen Investitionen relativ hoch, gab die DDR doch beispielsweise 1950 für die Entwicklung der Schiffahrt Investitionsmittel von insgesamt 27 Mio. DM aus68. Allerdings stellt die Summe eine erste Investition in die Produktion von Rüstungsgütern im engeren Sinne dar. Mit anderen Worten, es begann der Aufbau von Kapazitäten für die Rüstungsproduktion. Im gleichen Jahr wurden die Jachtwerft Berlin/Köpenick, die Volkswerft »Ernst Thälmann« in Brandenburg und die Staatswerft Rothensee beauftragt, den Bau der 20 Seekutter zu projektieren und mit der Realisierung zu beginnen. Die Hauptverwaltung Maschinenbau und Elektrotechnik hatte die Ausrüstungs- und Zulieferbetriebe auszuwählen. Verantwortlich für die Kontrolle und Durchführung zeichneten die DVdl und die Hauptverwaltung Schiffbau69. Im Bereich der DVdl, der Verwaltung für Schulung und später der HVA existierte zu dieser Zeit ein Referat z. B.V., das den Aufbau von Seestreitkräften vorbereitete. Als das Politbüro der SED am 28. Februar 1950 beschloß, eine Hauptabteilung z. B.V. (See) im Bereich der HVA zu schaffen, war die eigentliche Entscheidung zum Aufbau der Marine bereits gefallen. Am 29. Mai 1950 erhielt die DDR von der Besatzungsmacht 6 Räumboote aus Beutebeständen der Deutschen Kriegsmarine, wenig später 2 Minenleger, 1 Minensuchboot und 1 Fischereischutzboot, obwohl der Ministerrat der DDR erst am 15. Juni 1950 die Bildung der Hauptverwaltung der Seepolizei (HVS) beschloß70. Bereits 1949 hatte die DVdl die Projektierung von Minenleg- und -räumbooten (MLR-Boote) in Auftrag gegeben. Auch Zulieferbetriebe wurden festgelegt. Als Beispiel soll hier der VEB »Nolische-Werke« Weißenfels gelten, den man für die Produktion aller benötigten Schiffsketten auswählte. Der Betrieb kam damit in den Genuß von Investitionsmitteln (in den Investplan 1949 wurden die Nolischen-Werke mit 250 000 DM Zuwendungen aufgenommen). Die Lieferung aller notwendigen Maschinen, Ausrüstungen, Materialien sowie die Zuführung von befähigten Arbeitskräften erfolgte für diesen und andere Betriebe der anlaufenden Rüstungsgüterproduktion mittels Regierungsaufträgen ebenfalls bevorzugt71. 66
°
68 w
™
Vgl. Bericht über die Entstehung und Entwicklung der Kasernierten Volkspolizei, 16.12.1953, ebd., Pt2073, Bl. 21. Vgl. Elchlepp, Seekutter, S. 2, sowie Bericht der DWK über die Kontrolle geheimer Befehle der SMAD, 9.8.1949 und 10.9.1949, BArch P, N-l VS 7/922, Bl. 1 f. und 7f. Vgl. Gesamtumfang der Investitionen im Vergleich 1950 und 1955, o.D., ebd., C-20/354, Bl. 97. Vgl. Berichte der DWK über die Kontrolle geheimer Befehle der SMAD, 9.8. und 10.9.1949, ebd., N-l VS 7/922, Bl. 1 f. und 7f. Vgl. Bericht
über die
Pt2073, Bl. 22 ff. 71
Vgl. Anweisung
Entstehung
und
Entwicklung
der Kasernierten
Volkspolizei,
des Stellvertreters des Obersten Chefs der SMAD, Koval',
30.4.1949, BArch P, N-l VS 5/581, Bl. 46ff.
an
BA MZAP,
die DWK,
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Für den Zeitraum 1950/51 erhielt die HA Schiffbau im Ministerium für Maschinenbau den Auftrag, die von der UdSSR oder aus zivilen Beständen übernommenen Boote für militärische Zwecke aus- und umzubauen. 1950 sollte das erste KS-Boot, die weiteren 5 im folgenden Jahr an die HVS übergeben werden. Außerdem war das übernommene Flugzeug-Sicherungsboot als Schwimmboot in Dienst zu stellen sowie zwei ehemalige Torpedo-Fangboote als Feuerlöschboote umzufunktionieren. Letztlich bestand der Auftrag darin, einen übernommenen Bootskörper als Schulschiff aufzubauen72. Von dem Gesamtprojekt konnten bis Juni 1951 sechs Boote in Dienst gestellt werden. Verzögerungen gab es vor allem bei der Zulieferung von Stahlplatten für die Schiffskörper. Engpässe entstanden auch bei der Produktion der notwendigen Dieselmotoren und anderer Ausrüstungsgegenstände. Die Hauptursachen für diese Probleme sind vor allem im unzureichenden Montanbereich der DDR-Wirtschaft zu suchen, der im DDR-Schiffbau mangels genügend eigener Erzvorkommen und Verarbeitungskapazitäten bis in die jüngste Gegenwart Versorgungsschwierigkeiten bereitete. Hier verdeutlichen sich bereits erste Hemmnisse bei der Belastung der Wirtschaft durch zusätzliche
Rüstungsanforderungen.
Der militärische Schiffbau verfügte Mitte 1952, als die DDR im Rahmen der Schaffung einer Armee den Aufbau einer Rüstungsindustrie in Angriff nahm, bereits über relativ ausgeprägte Strukturen. Deshalb erfuhr dieser Bereich 1952 keine einschneidenden Veränderungen. Er existierte weiterhin relativ autark von den übrigen Rüstungsbereichen und deren Organisationsstruktur. Wohl wurde der militärische Schiffbau über das Mdl geplant, bilanziert und abgerechnet. Auch bestand die Anbindung an das Ministerium für Maschinenbau/HA Schiffbau im wirtschaftlich/organisatorischen Sinne weiter. Die VP-See jedoch entschied seit ihrer Schaffung 1950 im Rahmen sowjetischer Kontrolle relativ selbständig über ihre Bedürfnisse und pflegte unmittelbaren Kontakt zu den Produktionseinheiten. Es verwundert nicht, daß auf Befehl des Chefs der VP-See vom 15. Juli 1952 die Finanz- und die Bauabteilung aus der Verwaltung Versorgung der VP-See herausgelöst und zu einer selbständigen Abteilung erklärt wurden. Im gleichen Monat entstand in Wolgast ein Baulehrkommando, um technischen Nachwuchs für den Schiffbau und die fahrenden Einheiten auszubilden73. Anfang 1952 wurde die auf dem Gelände der Zellmehlfabrik Wolgast 1948 aufgebaute Peenewerft dem BfW direkt unterstellt und ausgebaut. Bereits seit 1951 wuchs hier der Anteil der »speziellen« Produktion am Gesamterzeugnisvolumen beständig an. Betrug er 1951/52 noch jährlich circa 15 Prozent der Warenproduktion, so stieg er 1953 auf 46 Prozent und 1954 gar auf 70 Prozent. Entsprechend dem großen Interesse der DDR-Führung an dieser Werft lag die Höhe der Investitionen, des Grundmittelzuwachses, der Grundfondsausstattung und des Produktionswachstums weit über dem Durchschnitt der DDR-Industrie. Die Peenewerft sollte dank ihrer strategischen Lage nunmehr zum Zentrum des Baus und der Reparatur von Kriegsschiffen in der DDR avancieren. 1952/53 flössen etwa 7
Vgl.
Bericht
zur
Entstehung
MZAP, Pt 2073, Bl. 24. 73
und
Entwicklung
der Kasernierten
Vgl. Chronik der Verwaltung der VP-See, ebd., Pt 3147, Bl. 30ff.
Volkspolizei,
16. 12. 1953, BA
300
Torsten Diedrich
Die
Jahr
wirtschaftlichen Parameter der Peene-Werft Wolgast im Vergleich zum industriellen Durchschnitt
Industrielle Wa-
renproduktion 1950 1951 1952 1953 1954
in TDM 8 168 13 380 18 258 26 671 35 667
RüstungsProduktion in TDM
1941 2 566 12 363 25 082
Anteil an Industriel1er Warenproduktion in%
14,5 14,1 46,4 70,3
Investitionen in TDM 1659 3 696 13 575 13 403 1039
Beschäftigte 1585 1975 2 328 2 803 2 778
Entwicklung wirtschaftlicher Größen im Zeitraum 1951-1955 in %
Produktionswachstum Investitionsintensität Grundmittelzuwachs
Grundfondsausstattung Wachstum der Arbeitsproduktivität Entnommen und zusammengestellt S. 280, 283 f., 288 ff, 322.
aus:
Industrieller Durchschnitt
Peene-Werft
13,6 0,3 9,7 16,2 9,2
36,7 1,1 38,2 23,1 25,8
Pomp, Untersuchungen zur Entwicklung der Rüstungsindustrie,
Millionen DM in ihren Ausbau74. Erst im Sommer 1953 stellte die Führung der DDR den weiteren Ausbau der Peenewerft ein und übergab das Objekt in das Fachressort des Ministerium für Maschinenbau/HV Schiffbau75. Die »spezielle« Produktion lief allerdings weiter. Insgesamt gesehen spielte der Schiffbau bis Anfang 1952 eine Sonderrolle innerhalb der materiellen Sicherstellung der bewaffneten Organe. Diese resultierte letztlich aus dem starken Interesse der UdSSR an der Entwicklung ihrer maritimen Präsenz sowohl im Handels- als auch im militärischen Bereich und der Nutzung der ostdeutschen Potenzen hierfür. Die Schiffbau- und die Schiffsreparaturkapazitäten der DDR hatten ähnlich der der Instandsetzung für Kfz- und Panzertechnik ihren gesonderten Stellenwert innerhalb Ein Dokument vom 15.11.1951 bezieht sich auf Rücksprachen mit Generalinspekteur Verner und dem Leiter der HV Schiffbau, Zillgitt, und begründet die für den 1.1.1952 vorgeschlagene Übernahme der Peene-Werft. Als Gründe werden angeführt, daß die Investitionen 1951, wie auch künftige, allein für die militärische Produktion erfolge, die Peene-Werft in der Zukunft nur der rüstungswirtschaftlichen Nutzung dienen solle und, solange die Werft der HV Schiffbau unterstehe, alle Planungen über das Ministerium für Maschinenbau laufe, was der Geheimhaltung nicht dienlich sei, vgl. ebd., Pt 886, Bl. 236, sowie für die Investitionen Pt 877, Bl. 69, und Pt 4024, Bl. 1 f. Vgl. Bericht über die Betriebsdaten von DDR-Werften, 15.4.1953, ebd., AfT 0003, Bl. 42.
Aufrüstungsvorbereitung und -finanzierung in der SBZ/DDR
301
1948-1953
der militärischen Interessen der UdSSR in Osteuropa76. Der militärische Schiffbau war zwar der erste Zweig der Rüstungsproduktion im engeren Sinne in der DDR. Er nahm sich im Verhältnis zum Schiffbau der DDR insgesamt jedoch noch relativ bescheiden aus. Wenn auch mit der Schaffung des Büros für Wirtschaftsfragen und der Direktunterstellung von Betrieben unter dieses Organ die Tendenz zur Schaffung einer eigenen Rüstungsindustrie in der DDR erste reale strukturelle Grundlagen erhielt, so bildete doch der Schiffbau mit seinem deutlichen Bereich militärischer Produktion vorerst eher die Ausnahme als die Regel innerhalb des Systems materieller Sicherstellung. Vergleichbare Tendenzen sind bei Kfz-Bau und -instandsetzung insbesondere in den Werken Werdau und Berlin-Friedrichsfelde zu beobachten, ohne daß diese jedoch eine vergleichbare Autarkie erhielten. Entsprechend eng blieb die Verzahnung zwischen ziviler und Rüstungsgüterproduktion in der Wirtschaft. Welche Bedeutung der Fahrzeugbau für die Befriedigung der Bedürfnisse der bewaffneten Organe spielte, läßt sich anhand einiger Zahlen festmachen. Im ursprünglichen Bedarfsplan des Mdl waren 1951 Anforderungen an den Fahrzeugbau von 91.4 Mio. DM vorgesehen. Aufgrund von Lieferschwierigkeiten mußte das Plansoll auf 25.5 Mio. DM gekürzt werden. Die geforderten Stückzahlen, z. B. Lkw Horch 3 A mit 3 537 oder Horch G 5 mit 811 Stück, überstiegen die Kapazitäten der Fahrzeugindustrie. Die weit höheren Plangrößen des folgenden Planjahres konnten allein schon wegen der DDR-Schmiedekapazität nicht abgedeckt werden. Demzufolge ergingen Vorschläge, die Fahrzeuge zu importieren oder aber die Produktionskapazitäten in der DDR entscheidend auszubauen77. Bereits 1950/51 stieß die relativ maßvolle Aufrüstung in der DDR deutlich an ökonomische Grenzen. Schon hier hätten Alarmsignale über die Divergenz von rüstungsmäßigem Wollen und wirtschaftlichem Können in der DDR die politische und militärische Führung hellhörig machen müssen.
Rückwirkungen auf die Wirtschaftskraft
1948 bis 1951
Von entscheidender Bedeutung bei der Betrachtung des beginnenden Aufrüstungsprobis etwa Mitte des Jahres 1952 ist die Frage nach seinen Rückwirkungen auf den Wirtschaftsmechanismus der SBZ/DDR. Die Klassifizierung der Militärausgaben erfordert dabei einen engeren und einen weiteren Rahmen. Die Besatzungszonen und später beide deutsche Staaten hatten als Folgen des Krieges die Kosten für die Stationierung und Unterhaltung der Besatzungstruppen zu tragen, die zu den Kosten eigener militärischer Organe und deren Versorgung addiert das Gesamtbudget der Ausgaben für das Militär ausmachten. Diese Militärausgaben im weiteren Sinne sollen sich von jenen abheben, die nur die Aufwendungen für den eigenen Militärapparat beinhalten und somit als Militärausgaben im engeren Sinne gefaßt werden. Die Aufrüstungsfinanzierung umfaßt alle Verwaltungsausgaben, einmaligen Aufwendungen und Investitionen für die Erhaltung und den Ausbau der Verteidigungszesses
—
—
76 77
Vgl. Gall, Technik und Bewaffnung, S. 297 ff. Vgl. Plananalyse zum Planvorschlag 1952, 12.9.1951, BA MZAP, Pt 887, Bd 1, Bl.
199ff.
302
Torsten Diedrich
nach innen und außen. Nicht alle Kosten können dabei auf die alleinige militärische Zweckbestimmung festgelegt werden. Das betrifft beispielsweise allgemein notwendige Maßnahmen wie den Straßen- und Eisenbahnbau, die Entwicklung des Nachrichten- und Fernmeldenetzes u.a.m. Von maßgeblicher Bedeutung für die Einschätzung der Rüstungsbelastungen ist sicherlich die Ermittlung des Anteils an den Gesamtausgaben eines Staates. Rückwirkungen durch die Abwerbung von Arbeitskräften aus dem Produktionsprozeß, durch Verlagerungen von Produktionsmitteln aus dem produktiven in den destruktiven Bereich der Wirtschaft oder aber Folgen der bevorzugten Belieferung der Rüstungsbereiche und des militärischen Bauwesens lassen sich heute nicht mehr nachweisen und können somit nur pauschal benannt werden. Betrachtet man die Rückwirkungen der beginnenden Aufrüstung 1948 bis 1951 auf die Ökonomie der SBZ/DDR, so überrascht vorab, wie wenig sie sich im Wirtschaftsgefüge bemerkbar machte. Das trifft zu, obwohl gerade jene Bereiche der Wirtschaft mit der meisten Relevanz für das Militär wie Metallurgie und Maschinenbau oder Leichtindustrie auch jene mit den meisten Engpässen waren. Das Ursachengeflecht ist vielfältig. Es fallen jedoch vor allem zwei gegensätzliche Tendenzen mit ihrer nivellierenden Wirkung besonders auf. Einmal ist gleichzeitig mit den wachsenden militärischen Aufgaben eine allgemeine staatliche und wirtschaftliche Konsolidierung in der SBZ/DDR feststellbar. Gemeint ist sowohl die Festigung der politischen Strukturen als auch eine wachsende Einflußnahme der Regierenden auf die sowjetisch gelenkten Prozesse und Entscheidungen. Wirtschaftlich hieß dies eine straffere zentralistische Planung, Leitung und Kontrolle durch die Staatsorgane der sich im Aufschwung befindenden Wirtschaftszweige. Sowjetische Bedürfnisse, insbesondere im Reparations- und Besatzungskostenbereich, mußten sich mehr und mehr in das besser funktionierende Plansystem einfügen, wurden überschau- und beherrschbar. Gleichzeitig waren aufs Ganze gesehen sowohl die Reparationsforderungen als auch die Kriegsfolgekosten in ihrem Verhältnis zu den Staatseinnahmen rückläufig. Das Jahr 1950 macht hierbei allerdings eine Ausnahme. Damit fing das Sinken dieser Hauptbelastungsgrößen im Staatshaushalt in hohem Maße die steigenden Kosten für militärische Aufrüstung auf. Die Einsparungen gingen nicht in die Akkumulation oder die individuelle Konsumtion ein, sondern fielen dem gesellschaftlichen Verbrauch als Rüstungsausgaben zum Opfer. Das heißt, die Aufrüstung wurde letztendlich vor allem zu Lasten des Lebensniveaus der Bevölkerung vollzogen. Die Belastungen durch Reparationsleistungen fielen in prozentualer Größe zu den Staatseinnahmen 1949 von 16,1 auf 1951 7,1 Prozent. Innerhalb der allgemeinen wirtschaftlichen Stabilisierung nach dem Krieg wurde nicht nur die Wirtschaft, sondern auch der Staatshaushalt durch höhere Abgaben und Steuern gestärkt, zumal durch Beschluß des Alliierten Kontrollrats und mithin der UdSSR Preise und Steuern auf einem bestimmten Niveau festgeschrieben waren78.
fähigkeit
™
Der Alliierte Kontrollrat hatte 1946 Steuererhöhungen für ganz Deutschland festgelegt. Preise, die für die Reparationen und Besatzungsleistungen von Bedeutung waren, wurden auf den Stand von 1944 eingefroren. Sie deckten bald kaum mehr die Produktionskosten. Überdurchschnittlich hohe Preise offerierten die HO-Geschäfte. Die so erzielten, als versteckte Verbrauchssteuer zu bezeichnenden Einnahmen gingen an den zentralen Zonenhaushalt und später an den DDR-Staatshaushalt, vgl. Zschaler, Entwicklung, S. 8 f.
Aufrüstungsvorbereitung und -finanzierung in der SBZ/DDR
303
1948-1953
Belastungen des Staatshaushaltes durch Reparationen und Kriegsfolgekosten nach offiziellen Angaben in Mio. DM Jahr
Reparationen
1949 1950 1951 1952 1953
1035 1494 1 159 1 109 1000
in % des BesatzungsHaushalts kosten 2 182 9,6 1993 9,8 2 099,9 4,7 2 093 3,8 2 075 2,9
in % des Haushalts
20,2 13,1 8,5
Staatshaushalt 10 809,9 15 219,2 24 646,6 29 111,6 34 082,2
7,2 6,1
Angaben zu Reparationen: vgl. Ulbricht, Geschichte der Arbeiterbewegung, S. 390. Angaben zu Besatzungskosten: vgl. Grotewohl, Kampf, S. 512. Die Angaben zu den Reparationszahlungen sind über —
die Akten: BArch P, E-l (VS) 31256, Bl. 12; E-l (VS) 31157, Bl. 37; E-l (VS) 31329, Bl. 88, sowie N1/380, Bl. 163, nachzuvollziehen. Die Angaben zu den Besatzungskosten wurden um den Teil ergänzt, der lt. SMAD-Befehl Nr. 185 und 245 nicht als Besatzungskosten zu führenden Ausgaben für Bauvorhaben und Mieten der Sowjetarmee der Rubrik »sonstige Kriegsfolgekosten« enthielt. Der Befehl 185 umfaßte 1950 und in den Folgejahren jährlich ein Volumen von 125 Mio. DM. Vgl. BArch P, E-l (VS) 31063, Bl. 131, sowie E-l (VS) 31329, Bl. 88. —
—
Belastungen des öffentlichen Haushaltes der SBZ/DDR durch Besatzungskosten und Reparationsleistungen in Mrd. DM nach ermittelten Werten
Jahr 1946 1947 1948 1949 1950 1951 1952 1953
gesamt
Haushaltseinnahmen
8,475 9,302 9,442 10,481 11,833 16,535 19,717 23,077 108,862
Besatzungskosten
1,5 2
2,2 2,18 2,13 2,1 2,09 2,1 16,30
% des Haushaltes
17,7
21,5 23,3 20,8 18
12,7 10,6 9,1 15,0
re des Reparationskosten Haushaltes 1
1,5 1,58 1,69 2,08 1,17 1,11 1,15 11,28
11,8 16,1 16,7 16,1 17,6 7,1 5,6 5
10,3
Die Haushaltseinahmen enthalten aus Gründen der Vergleichbarkeit mit denen des öffentlichen Haushalts der Bundesrepublik nicht die Abgaben der Betriebe und die Sozialversicherungseinnahmen, sondern nur die aus Steuern und Abgaben. Die Besatzungskosten sind Näherungswerte nach laufenden Preisen. Die Angaben der Reparationen erfolgen nach laufenden Preisen incl. Nebenkosten. Nicht enthalten sind verdeckte Reparationsleistungen wie nicht registrierte Aufkäufe sowjetischer Behörden, Pachtzahlungen der SAG-Betriebe bzw. Gewinntransfer, der Rückkaufwert der SAG-Betriebe, WismutKosten oder Beutegelder. Vgl. Karisch, Allein bezahlt?, S. 194, 221 und 230.
304
Torsten Diedrich
Letztlich sind die Maßnahmen zum Aufbau von Produktionskapazitäten für die Rüstung bis Anfang 1952 eher als bescheidene erste Versuche zu werten. Das verdeutlicht auch ihr Wertumfang. Es gab keine tieferen Einschnitte in die zivilen Strukturen der Wirtschaft. Innerhalb der Wirtschaft nahm die SED-Führung keine einschneidenden Maßnahmen zur Bildung eines homogenen Rüstungssektors vor. Man machte zunächst noch nicht den Versuch, wirtschaftliche Strukturen zu verändern, um eine autarke Rüstungsindustrie nach sowjetischem Vorbild zu erhalten. Damit blieb in den Betrieben die zivile Produktion die entscheidende wirtschaftliche Komponente, konnten oftmals die Unregelmäßigkeiten militärischer Anforderungen durch zivile Sortimente ausgeglichen werden. Der Anteil von Militärausgaben im engeren Sinne stieg von 1949 228 Mio. DM auf 644,6 Mio. DM im Jahr 1951.
Ausgaben des Staatshaushaltes für militärische Organe in Mio. Jahr
HVA/KVP 228
1949 1950 1951 1952 1953
495,3 572,4 959,5
VP-See
VP-Luft
Ausgaben gesamt 228
64,3 66,2
559,6 644,6 1 228,8 1 299,9
6
175
1020
DM
94,3 134,8
145,2
Vgl. BA MZAP, Pt 2070. Prozentual betrachtet gab die Staatsführung der DDR 1949 2,1, 1950 3,7 und 1951 2,6 Prozent der Staatsfinanzen für den Aufbau und die Versorgung ihrer Militäreinheiten aus. Bezieht man sich jedoch nur auf die Steuereinnahmen, vergleichbar dem Bundeshaushalt, dann wurden 1949 2,2, 1950 4,7 und 1951 3,9 Prozent dieser Staatseinkünfte für militärische Zwecke verwendet.
Die
Jahr 1949 1950 1951 1952 1953
Militärausgaben im Verhältnis zu den Steuereinnahmen des öffentlichen Haushalts in Mio. DM
Steuereinnahmen 10 481 11833 16 535 19717 23 077
Militärausgaben 228
559,6 644,6 1228,8 1299,9
Anteil in %
2,2 4,7 3,9 6,2 5,6
Zum Steueraufkommen vgl. Karisch, Allein bezahlt?, S. 221; 22073, Bl. 35; zum Staatshaushalt: BArch P, N-l (VS) 6/771.
zu
den
Staatshaushalt gesamt 10 809,9 15 219,2
Anteil in %
24 646,6 29 111,6 34 082,2
2,1 3,7 2,6 4,2 3,8
Militärausgaben:
BA MZAP, Pt
305
Aufrüstungsvorbereitung und -finanzierung in der SBZ/DDR 1948-1953
In Untersuchungen zum Verteidigungshaushalt der Bundesrepublik der frühen fünfziger Jahre wird gern als Verteidigungsausgaben eine zusammengefaßte Größe der Aufwendungen zur Finanzierung eigener Militärformationen und der Aufwendungen für die Besatzungstruppen7'' zugrunde gelegt. Unter diesem Blickwinkel mußte die SBZ/DDR 1949 mit 2 410 Mio. DM 23 Prozent, 1950 mit 2 689 Mio. DM 22,7 Prozent und 1951 mit 2 745 Mio. DM 16,6 Prozent zwar in absoluten Größen gesehen ständig mehr Geld für ihre Sicherheit ausgeben, das Verhältnis zu den steigenden staatlichen Einnahmen jedoch sank deutlich im Gegensatz zu den meisten anderen Ausgabepositionen des
Staatshaushalts.
Anteil der Ausgaben des »Sonderverbrauchs« in der DDR an den Staatshaushaltsausgaben (in Mio. DM)
Jahr
Militärausgaben und Kriegsfolgelasten
1949 1950 1951 1952 1953
Staatshaushalts-
Anteil
ausgaben
Gesamtausgaben
10 809,9 15 219,2 24 646,6
5 235 5 982 6 064 5 990 4 500
29111,6 34 082,2
an
den
48,2 39,3 24,6 20,5 13,2
Die Zahlen der »Sonderausgaben« richten sich von 1949 bis 1951 nach den von Karisch ermittelten offenen und verdeckten Kriegsfolgekosten im weitesten Sinne (vgl. Karisch, Allein bezahlt?, S. 230). Für 1952/53 wurden die Quellenangaben des Sonderverbrauchs herangezogen, um die Belastung des Staatshaushaltes durch diese
Im Verhältnis gleichszahlen der
Sonderpositionen sichtbar zu machen.
angegebenen DDR-Größenordnungen nehmen sich die VerBundesrepublik eher bescheiden aus. 1950 gab man 5,2 Prozent des Bruttosozialprodukts für militärische Zwecke aus, 1951 7 Prozent. In absoluten Zahlen allerdings lag die Bundesrepublik mit 4,6 und 7,9 Mrd. DM über denen der DDR80. Aufs Ganze gesehen waren jedenfalls sowohl das personelle und ausrüstungsmäßige Volumen der HVA und der HVS als auch das der Rüstungsproduktion in der DDR bei weitem noch nicht so groß, daß sich nachhaltige Auswirkungen auf das gesamte Wirtschaftssystem einstellten. zu
den
Vgl. Regung, Militärausgaben, S. 227, sowie Statistisches land 1954, S. 519.
Vgl. Regling, Militärausgaben, S.
227.
Jahrbuch der
Bundesrepublik
Deutsch-
306
Torsten Diedrich
2.
Militarisierung und ökonomische Krise 1952/53 in der DDR
Die
Militarisierung nach der 2. Parteikonferenz und ihre Kosten
Im Frühjahr 1952 veranlaßte die UdSSR die Ostblock-Länder und mithin die DDR zu einem politischen, ökonomischen und militärpolitischen Kurswechsel unter planwirtschaftlich/militärischen Aspekten. Die Beschlüsse der 2. Parteikonferenz der SED vom Sommer des Jahres bedeuteten entscheidende Veränderungen für die zentralgeleitete Wirtschaft der DDR sowie neue Anforderungen an diese durch den beschlossenen Aufbau »nationaler« Streitkräfte. Nach Stalins Vorstellungen sollten durch die Hinwendung zur vorrangigen Entwicklung der Grundstoff- und Schwerindustrie die weitere wirtschaftliche Loslösung der DDR vom westdeutschen Staat garantiert, die Potenzen deutscher Wirtschaftskraft für die UdSSR und die anderen sozialistischen Staaten nutzbar gemacht und gleichzeitig die ökonomischen Voraussetzungen in der DDR für eine als bevorstehend angesehene militärische Auseinandersetzung der Gesellschaftssysteme geschaffen werden81. In allen osteuropäischen Ländern der sowjetischen Einflußsphäre sind zu Beginn der fünfziger Jahre Veränderungen der politischen Linie zu erkennen. Sie entsprachen sich im wesentlichen und zielten auf die Durchsetzung der staatskontrollierten Planwirtschaft und die forcierte Entwicklung der Schwerindustrie. In allen gesellschaftlichen Bereichen ist eine Verstärkung der Kontrolle und Einflußnahme der Staatsmacht nachweisbar. In dieses Maßnahmenpaket gehörte der Auf- und Ausbau des Streitkräftepotentials sowie aller Zuführungsbereiche. Die UdSSR verfolgte nach dem Zweiten Weltkrieg und mithin in der ersten Hälfte der fünfziger Jahre eine Militärpolitik, die auf die konventionelle Überlegenheit in Europa abzielte. Zwar verfügte man bereits über Nuklearsprengköpfe, doch war die Entwicklung der Trägermittel noch nicht so weit fortgeschritten, um glaubhaft die westeuropäischen Staaten und die USA bedrohen zu können82. Außerdem bewirkten die Erfahrungen der UdSSR im Zweiten Weltkrieg ein militärstrategisches Konzept, das unter allen Umständen einen Krieg auf dem eigenen Territorium vermeiden wollte83. Durch die Betonung der konventionellen Kriegführung war für die sowjetische Militärstrategie die geographische Lage des ostdeutschen Staates in einem prognostizierten Krieg von herausragender Bedeutung. Die alliierten Rechte ermöglichten der UdSSR ei81
83 83
Die weit überspitzten Befürchtungen werden in den Ausführungen Ulbrichts auf der 10. Tagung des ZK der SED im November 1952 sichtbar. Er begründete die Maßnahmen in der DDR damit, daß im Falle des Erfolges der gegenwärtigen Friedensbewegung eine militärische Auseinandersetzung zwischen den Gesellschaftssystemen nur aufgeschoben sei. Aus dieser »Gesetzmäßigkeit« eines Krieges leitete er die Notwendigkeit der ökonomischen und militärischen »Mobilmachung« in der DDR ab. Vgl. ZPA, IV 2/1/56. Vgl. Tiedtke, Warschauer Vertragsorganisation, S. 15, sowie ders., Abschreckung, S. 50. Vgl. ders., Die Sowjetunion, Osteuropa und die Friedensbewegung, S. 30.
Aufrüstungsvorbereitung und -finanzierung in der SBZ/DDR
1948-1953
307
besonders starke Präsenz eigener Truppen in der SBZ/DDR. Deren Versorgung galt sicherzustellen. Die politischen Rahmenbedingungen implizierten somit vorrangig den Aufbau einer Reparatur- und Instandsetzungskapazität innerhalb der Rüstungswirtschaft des ostdeutschen Staates. Eine zu schaffende Rüstungsindustrie in der DDR sollte vornehmlich diese Bedürfnisse der sowjetischen Streitkräfte und den Bedarf der eigenen zu entwickelnden bewaffneten Formationen befriedigen. Sie mußte sich jedoch auch den ökonomischen Möglichkeiten der DDR anpassen. Der politischen Situation entsprechend schien es außerdem sicherer zu sein, die Ausstattung der ostdeutschen Truppen mit sowjetischer Kampftechnik vorzunehmen, was gleichzeitig eine gewisse politische Abhängigkeit des stärksten Organs der Staatsmacht der DDR determinierte84. Die Strategie der KPdSU- und SED-Führung deutet darauf hin, daß nach einem relativen Offenhalten der Deutschlandfrage als Faustpfand Stalin nunmehr klare Verhältnisse einer prosozialistischen Entwicklung des ostdeutschen Staates einzuleiten gedachte. Dabei sollte die DDR politisch wie wirtschaftlich und militärisch das Gegengewicht zur Bundesrepublik in Europa bilden85. Wie komplex die Vorstellungen zur Wiederbewaffnung in der DDR angedacht wurden, verdeutlichen die Stichpunkte Piecks auf den Moskauer Sitzungen. Am 1. April 1952 hielt er neben der Forderung nach Bildung einer Armee im erläuterten Sinne die Produktion von Rüstungsgütern und den Dienst der Jugend für Deutschland fest86. Die Regierungsdelegation der UdSSR schlug zudem die Schaffung einer Armee von 9-10 Armeekorps mit 30 Divisionen und einer Gesamtstärke von 300 000 Mann vor. Im Gespräch standen die Kaderausbildung der Armee-Führungskräfte in der UdSSR, die vormilitärische Ausbildung der Jugend sowie zivile Organisationen der Verteidigung87. Am 7. April 1952 präzisierte Stalin die für die DDR gestellten Aufgaben. Es gelte, nicht eine Miliz, sondern eine ausgebildete Armee zu schaffen, die vollkommen bewaffnet und aus Infanterie, Marine, Aviation, Unterseebooten, Panzern, Artillerie und Jägerdivisionen bestehen sollte. Auf eine Militarisierung der Gesellschaft zielten zudem die »Empfehlungen« zur Bildung des »Dienstes für Deutschland« (DD), der Organisation »Schutz der Heimat« (die spätere GST), zur Schaffung eines Amtes für Körperkultur und Sport sowie zur Bildung der Organisation »Rotes Kreuz«, die das Bild komplexer Verteidigungsvorbereitung abrundeten88. Bedeutend sind diese Aussagen vor allem vor dem Hintergrund der gigantischen wirtschaftlichen Belastung, die damit außerplanmäßig und kurzfristig auf die DDR zukam. Mit der Teilung des einst einheitlichen Wirtschaftsgebiets entstand im Osten eine relativ isolierte Wirtschaft. Durch die überkommene Industriestruktur war die DDRne
es
M
Schlußfolgerungen ergeben sich aus den Indizien, die sich bei der Untersuchung des Aufbaus rüstungswirtschaftlichen Strukturen herauskristallisierten. Definitivere Aussagen werden erst möglich, wenn die Archive der UdSSR genutzt werden können. Vgl. hierzu auch Pomp, UntersuDiese von
85
chungen, S. 9ff. Vgl. Protokoll der
2. Parteikonferenz, S. 199ff., sowie Rede Ulbrichts auf der 10. Tagung des ZK November 1952, ZPA, IV 2/1/56. Vgl. ebd., NL 36/696. Vgl. ebd. Vgl. ebd. sowie NL 36/736. Hier wird die spätere GST noch als Organisation »Schutz der Heimat« bezeichnet, allerdings geschah dies mit der Maßgabe, eine »sportlichere« Bezeichnung zu finden. der SED
86 "7 **
vom
308
Torsten Diedrich
Wirtschaft in weit höherem Maße von Zulieferungen aus dem Westen Deutschlands abhängig als umgekehrt. Über Rohstoffressourcen verfügte das kleine Land kaum. Die westliche Boykottpolitik verschärfte seit 1949/50 die ökonomischen Probleme zusehends. Weil die Disproportionen jedoch nicht allein durch Außenhandelsbeziehungen beseitigt werden konnten, wurden vorrangig die Investitionen für die Entwicklung von Industriezweigen der Grundstoff- und Schwerindustrie, des Maschinen- und Fahrzeugbaus und der chemischen Industrie betrieben. Diese Wirtschaftzweige bildeten zugleich die Grundlage für eine Rüstungsindustrie. Die UdSSR räumte der DDR zur Finanzierung ihrer militärischen Aufgabenstellungen vorerst keinerlei Zugeständnisse bei den beträchtlichen Summen ein, die als Reparationen bzw. Besatzungskosten zu zahlen waren. Der Rückverkauf von 66 SAG-Betrieben an die DDR hatte dabei einerseits wirtschaftliche Gründe, andererseits sollten gerade diese Schwerpunktbetriebe auch in sowjetischem Interesse das Industrie- und Rüstungspotential der DDR stärken89. Im Frühsommer 1952 empfahl die Sowjetische Kontrollkomission der DDRFührung, für den Aufbau nationaler Streitkräfte vorerst 1,5 Mrd. DM zu veranschlagen. Die im Fünfjahrplan nicht vorgesehenen Ausgaben sollten nach sowjetischen Vorstellungen aus Einsparungen bei der Sozialversicherung und -fürsorge in Höhe von 420 Mio. DM, durch Mehreinnahmen mittels Erhöhung der Besitz- und Einkommenssteuern in einem Volumen von 350 Mio. DM und durch die Reduzierung des Konsums der Bevölkerung in Höhe von 380 Mio. DM finanziert werden90. Im Sommer 1952 befanden sich 12 Divisionen der Landstreitkräfte (KVP) mit einer Sollstärke von rund 160 000 Mann im Aufbau. Die KVP, die VP-See und die VP-Luft erreichten bis Ende 1952 eine Gesamtstärke von 90 250 Mann91. Die im April notierten Größenordnungen können somit nur als ein sehr langfristig gedachtes Gesamtprogramm verstanden werden, zumal sich die DDR ökonomisch außerstande zeigte, selbst die im Juni in Angriff genommene Struktur zu verwirklichen. Wie unrealistisch der Aufbau und die Unterhaltung einer derart gewaltigen Streitmacht für das kleine, ökonomisch sehr geschwächte Ostdeutschland waren, sollen einige Zahlen verdeutlichen. Mit einem riesigen Aufwand zur Kaderwerbung 1952/53 gelang es bis Mitte 1953, den von der HVA übernommenen Kaderbestand zu verdoppeln und einen militärischen Personalbestand von circa 113 000 Mann zu erreichen92. Dem Produktionsprozeß entzog man damit an die 60 000 junge Facharbeiter, zumeist unmittelbar nach der Beendigung der Berufsausbildung. Auf dem Lande machte sich bald das Fehlen von qualifizierten Arbeitskräften insbesondere in technischen Berufen wie bei Traktoristen und Maschinenschlossern bemerkbar. So stellte eine geheime Analyse aus dem Jahr 1953 fest: 89
90 91
92
In den Mitschriften Piecks ist der
Zusammenhang zwischen den 66 SAG-Betrieben und dem Aufbau der Armee sowie deren Ausrüstung hergestellt, vgl. Beratung mit der SKK, 14.4.1952, ebd., NL 36/736. Vgl. Stöckigt, Direktiven, S. 83. Vgl. Bericht über die Entstehung und Entwicklung der Kasernierten Volkspolizei vom 16.12 1953, BA MZAP, Pt 2070, Bl. 32. Vgl. Dokument zur Reduzierung der KVP 1953, ebd., Pt 2073, Bl. 74, sowie Stärkemeldungen 1952/53, ebd., Pt 2002, Bl. 70.
Aufrüstungsvorbereitung und -finanzierung in der SBZ/DDR
1948-1953
309
Erhöhung unserer Verteidigungsbereitschaft ist der hauptsächliche Grund für die Notwendigkeit, eine so große Anzahl von Frauen neu in den Arbeitsprozeß einzugliedern93.« »Die
Diese Zahlen gewinnen vor dem Hintergrund, daß Hunderttausende 1952/53 die DDR in Richtung Bundesrepublik verließen, zusätzliche Bedeutung. Das Ausmaß der wirtschaftlichen Schäden ist heute nicht mehr zu erfassen, galt es doch nicht nur, die Frauen auszubilden bzw. anzulernen, sondern auch eine frauengerechte Gestaltung der Arbeitsplätze und ein entsprechendes Netz sozialer Einrichtungen zu schaffen. Der Aufbau nationaler Streitkräfte in der DDR wurde, wie in den Aprilgesprächen gefordert, durch einen Komplex von Aktivitäten zur Wehrmobilisierung und -Vorbereitung der Bevölkerung sowie zur materiellen Sicherstellung künftiger Streitkräfte in der Wirtschaft begleitet. Dazu zählten die Schaffung des DD, der GST, des DRK und des Amtes für Körperkultur und Sport. Zudem stellte der Staatshaushalt über den Einzelplan 8 unter dem Titel »Förderung Demokratischer Organisationen, Jugend und Sport« Massenorganisationen wie FDJ, FDGB, DFD u.a. Gelder in Millionenhöhe für die Werbung zum freiwilligen Dienst in der KVP und zur Wehrmobilisierung der Bevölkerung zur
Verfügung.
Die Kosten für den »Dienst für Deutschland« und die Wehrsportorganisation »Gesellschaft für Sport und Technik« allerdings flössen in die Finanzplanung des Mdl mit ein. Allein die haushaltsmäßige Einordnung der Organisationen innerhalb des Innenministeriums läßt deren wehrvorbereitende und -erzieherische Zweckbestimmung erkennen. Mit dem DD entstand eine Organisation ähnlich dem Reichsarbeitsdienst, welche die Dreieinigkeit des Einsatzes billiger Arbeitskräfte im Kasernenbauprojekt im Nordosten der DDR, der ideologischen Infiltration der Jugendlichen und deren wehrsportlicher Erziehung herstellen sollte. Die Planung sah für 1952 eine Gesamtgröße von 20 000 Mitgliedern beiderlei Geschlechts vor, eine Zahl, die 1953 auf 100 000 gesteigert werden sollte. Für die Aufnahme der Jugendlichen waren insgesamt 66 Lager in der gesamten DDR vorgesehen. Deren Erstausstattung veranschlagten die Planer mit Kosten von über 600 Mio. DM. Der Finanzierungvorschlag sah für 1952 insgesamt Haushaltsmittel in Höhe von 120 Mio DM vor94. Schließlich verschlang der DD 1952 an Verwaltungskosten aus zentralen Haushaltsmitteln allein 69 Mio. DM95. Ein Plan vom September 1952, der noch alle Illusionen der DDR-Führung über diese Organisation enthielt, erwog gar für 1953 Zuschüsse aus dem öffentlichen Haushalt von 370 Mio. DM, obwohl sich die Organisation zum großen Teil durch ihre Arbeitsleistungen selbst finanzieren sollte96. Ähnlich sahen die Aufwendungen für die GST aus. Vom 1. September bis 31. Dezember 1952 wurden staatliche Ausgaben von 40,8 Mio. DM für den Aufbau der Wehrsport-
Vgl. Bericht über die industrielle Entwicklung 31722, Bl. 27.
in der DDR
vom
Frühjahr 1953, BArch P, E-l (VS)
179. Sitzung des Sekretariats des Politbüros, 17.7.1952, IIV 2/3/308 sowie NL 90/449. Vgl. Haushaltsplan des DD (1.8.-31.12.1952), 26.9.1952, BA MZAP, Pt 4053, Bl. 3 f. Vgl. Haushaltsgrobplan der HVDD, 9.9.1952, ebd., Pt 4032, Bl. 46.
Vgl. Finanzplan des DD, Anlage zur
ZPA,
310
Torsten Diedrich
organisation veranschlagt97. Das Folgejahr brachte Kosten Kostenarten fanden im Budget der KVP ihre Aufnahme.
von
274,7 Mio. DM98. Beide
Der durch die UdSSR angewiesene und von der Staats- und Parteiführung der DDR mit aller Konsequenz umgesetzte Aufrüstungs- und Militarisierungskurs erforderte jedoch nicht nur immense finanzielle Mittel, er wirkte sich ebenso deutlich auf die Wirtschaft aus. Ohne das gesamte Ausmaß nachweisbar machen zu können, sind Folgeerscheinungen in den verschiedensten Bereichen zu erkennen. Berichte des Büros für Wirtschaftsfragen geben beispielsweise darüber Auskunft, daß es in der Leichtindustrie zu bedeutenden Verschiebungen im Produktionssortiment kam. So flössen ähnlich wie 1949 bedeutende Investitionsmittel des zentralen Republikhaushalts in die Textilverarbeitung. Diese hatte vor allem die Herstellung von Uniformen für die KVP, die GST und den DD sicherzustellen. Das wiederum konnte, weil außerplanmäßig, nur ermöglicht werden, wenn in anderen Bereichen die Produktion zurückgenommen wurde. Es nimmt also nicht wunder, daß sich die Versorgung der Bevölkerung mit Textilien 1952/53 deutlich verschlechterte. Zwischen der Fünfjahrplanposition Wollproduktion für die Bevölkerung von 25,4 Mio m2 und dem Plansoll 1953 von 21,5 Mio. m2 klaffte bereits ein deutliches Loch, welches mit der Verdoppelung der Regierungsaufträge begründet wurde99. Die Kunstseidenproduktion konnte 1952/53 ihre Planziele ebenfalls nicht erreichen. Ähnliche Aussagen können zur Bauwirtschaft und Holzverarbeitung getroffen werden. So mußte 1953 die Produktion des Barackenbaus von 32 auf 102 Mio. DM gesteigert werden. Das zeitigte Folgen für die Zuliefer- und Holzverarbeitungsindustrie. Als Ursache sind Anforderungen der »Verteidigung und des Dienstes für Deutschland« benannt100. Die Beispiele lassen sich fortführen. Im Rahmen des Gesamtüberblicks ist es notwendig, einige kursorische Gedankenansätze zum Außenhandel der DDR anzubieten. Der Außenhandel erfuhr in seiner Import- und Exportstruktur durch die Strategieänderungen von 1952 deutliche Veränderungen. Der Import von Konsumgütern mußte zugunsten von Rohstoffen und Stahlerzeugnissen gekürzt werden, andere Rohstoff- und Konsumgüterimporte flössen insbesondere in der Leichtindustrie direkt oder indirekt den militärischen und paramilitärischen Formationen zu. Das Import/Export-Aufkommen der DDR mußte zuungunsten der Bevölkerungsversorgung verändert werden. Das Importvolumen wurde seit dem Mai 1952 durch große Waffenlieferungen zur Ausrüstung der KVP, der VP-Luft und der VP-See belastet. So verringerten sich beispielsweise die Rohstoff- und Lebensmittelimporte aus der UdSSR anteilig, weil das Exportvolumen der DDR nicht beliebig erweitert werden konnte. Die Bezahlung der Waffen erforderte den Export hochwertiger Maschinenbau- und Elektro-
industrieprodukte. 97
98 99
Vgl. Bestätigter Haushaltsplan der GST (1.9.-31.12.1952), 11.11.1952, sowie Einnahme- und Ausgabeplan 1953 des Zentral Vorstandes der GST, ebd., Pt 4047, Bl. 2 f, Bl. 20 bzw. Bl. 38 f. Vgl. ebd., Bl. 20. Vgl. Bericht über die Probleme der Bau- und Leichtindustrie bei der Planerfüllung 1953, BArch P, E-l
,0°
(VS) 31719, Bl. 56f. Vgl. ebd., Bl. 55.
Aufrüstungsvorbereitung und -finanzierung in der SBZ/DDR
311
1948-1953
Das wirkte sowohl auf die extensiven als auch die intensiven Erweiterungsmöglichkeiten der DDR-Industrie negativ, besaßen doch Reparationsleistungen und Exporte Vorrang vor allen Bedürfnissen der DDR-Wirtschaft. Die sogenannten »Sonderexporte« machten neben den Reparationslieferungen einen entscheidenden Anteil der Handelsbeziehungen mit der UdSSR aus. Die Leistungen der DDR bestanden vor allem aus Produkten der Metallverarbeitung, des Maschinen- und Fahrzeugbaus, der Leicht- und chemischen Industrie sowie der Elektrotechnik. Das aber waren Erzeugnisse, die gleichzeitig wesentlich den deutsch/deutschen und internationalen Außenhandel der DDR als Gegenleistung für Lieferungen von Rohstoffen und anderen lebensnotwendigen Produkten bestimmten. Im eigenen Lande wurden diese Produkte Mangelware und damit Entwicklungshemmnisse in der Produktivität wie bei der Entwicklung der Er-
zeugnisqualität101. Seit dem Beginn
der
Aufrüstung
lieferten die
Besatzungstruppen Waffen
an
die
HVA, die Deutsche Volkspolizei (DVP) und die Deutsche Grenzpolizei (DGP). Handelte
es
sich
anfänglich
insbesondere
mee, so ist 1949/50 die
um
Handwaffen
aus
Beutebeständen der
Sowjetar-
Feuerwaffen und Munition aus sowjetischer Zulieferung Auch eine nachweisbar. Kriegsproduktion geringe Anzahl schwererer Waffen erhielt die HVA zu Ausbildungszwecken102. Mit den politischen Kursänderungen 1952 erlangten von
die Waffenlieferungen jedoch Größenordnungen, die sich auf den gegenseitigen Warenverkehr auswirken mußten103. Die Verrechnung des »speziellen Handels« oder der »Sonderimporte«, wie derartige Lieferungen zur Tarnung genannt wurden, erfolgte durch die Außenhandelsorgane der DDR über die normale Außenhandelsbilanz. Die nicht gekennzeichneten Sonderimporte gingen als Warenlieferungen in das Außenhandelsvolumen mit der UdSSR ein und wurden entsprechend mit den DDR-Exporten verrechnet. Die notwendigen Waffenlieferungen aus der UdSSR stimmte die Abteilung Koordinierung im Büro für Wirtschaftsfragen entsprechend den geplanten Importen mit sowjetischen Behörden des »speziellen Außenhandels« ab. Letztere sorgten ihrerseits dafür, daß entsprechende Lieferungen der UdSSR in die üblichen Handelsverträge wertmäßig eingingen. Die Rückwirkungen auf den Außenhandel sind derzeit noch nicht nachweisbar. Zum einen fehlt die entsprechende Aktenbasis. Hier sind Untersuchungen der Archivbestände des Ministeriums für Außenhandel der DDR notwendig. Zum anderen fällt der Nachweis deshalb schwer, weil die Bezahlung der Waffenlieferungen im Zeitraum von 1952 bis 1955/56 zumeist zu einem Drittel unmittelbar aus der laufenden Produktion, zu zwei Dritteln auf Kreditbasis mit durchschnittlichen Laufzeiten von fünf bis zehn Jahren bei einem relativ geringen Zinsfuß von 2 Prozent erfolgte104. Somit können gravierende Außenhandelsrückwirkungen allgemein erst mit der zweiten Rüstungswelle 1956 bis Anfang der sechziger Jahre erwartet und analysiert werden105. 101 102
103 104
105
Vgl. BArch P, E-l (VS) 31663, Bl. 19. Vgl. Bericht über die Entstehung und Entwicklung der Kasernierten Volkspolizei, 16.12.1953,
BA
MZAP, Pt 2070, Bl. 36ff. Vgl. ebd., Bl. 38 ff.
Vgl. Festlegungen über die Weiterentwicklung der KVP, Herbst 1953, ebd., Pt 2073, Bl. 82. Vgl. Befragungsprotokoll Generalleutnant Schönherr, 1.4.1992 in Berlin, Dokument beim Autor.
312
Torsten Diedrich
Damit war es der Wirtschaftsführung der DDR leicht möglich, derartige Staatsausgaben für Verteidigungszwecke in den allgemeinwirtschaftlichen Bilanzen zu belassen. Die Ausgaben konnten als gesellschaftliche oder individuelle Konsumtion erfaßt oder im Rahmen der jährlichen Subventionierung der Außenhandelsdefizite durch das Ministerium für Finanzen planmäßig beglichen werden106. Für den Zeitraum bis 1953 gilt nahezu ausnahmslos, daß Waffenlieferungen an die DDR aus der UdSSR kamen, auch wenn 1952 erste Koordinierungsabsprachen mit den anderen sozialistischen Nachbarländern (so im Flugzeugbau oder bei der Handfeuerwaffen- und Munitionsfertigung) erfolgten. Für 1954 und die Folgejahre sind intensiver werdende Handelsbeziehungen auf »speziellem« Gebiet mit der Tschechoslowakei und Polen, im Rahmen des Warschauer Paktes dann auch mit den anderen Vertragsstaaten nachweisbar. Durch das Waffenlieferungsmonopol der UdSSR gegenüber der DDR und den anderen Paktstaaten entstanden der DDR Vor- und Nachteile, die hier nur kurz umrissen werden können. Es war der ökonomisch schwachen und mit großen Disproportionen behafteten DDR-Wirtschaft vorerst nicht abverlangt, größere Teile von Grundfonds, Produktionsmitteln und Arbeitskräften aus der allgemeinen Volkswirtschaft herauszulösen, um Bedürfnisse der Streitkräfte und anderer Waffenträger zu befriedigen. Damit bewirkten die allgemeinen Nachteile der Rüstungsproduktion nicht, daß durch die rasanten Entwicklungen im Militärwesen ständig neue und veränderte Anforderungen an die Waffentechnik wirtschaftlich umgesetzt und insbesondere Unstetigkeit und Diskontinuitäten ausgeglichen werden mußten. Andererseits prägten sich aber, langfristig gesehen, innovative Momente der Forschung und Entwicklung auf dem Rüstungssektor für die übrige Wirtschaft nur in geringem Maße aus. Letztlich wurde die gewollte militärische Abhängigkeit der Paktstaaten von der UdSSR materiell abgesichert. Die Sowjetunion avancierte unangefochten zum Hauptrüstungsgüterlieferanten im sozialistischen Lager und darüber hinaus. Die Absicht, Streitkräfte in der DDR aufzustellen, implizierte gleichsam, den Apparat der materiellen Versorgung der bewaffneten Organe entsprechend den geplanten Größenordnungen der zu versorgenden Formationen in Organisationsstruktur und -große anzupassen. Im August 1952 erließ Innenminister Stoph hierfür die Strukturbefehle. Im Stellenplan Nr. 1 des Mdl wurde der Dienstposten des Stellvertreters des Ministers des Innern für Bauwesen und Quartiernutzung eingerichtet. Der vom späteren Generalmajor Mayer geleitete Bereich Verwaltung für Bauwesen entstand aus der Bauabteilung der HVA. Er erhielt wie vordem die Bauabteilung eine Sonderstellung zwischen dem Mdl und dem Ministerium für Aufbau und zeichnete für alle »Sonderbauten«, d.h. militärische Zweckbauten, verantwortlich. Der Verwaltung Bauwesen unterstanden weiterhin die Betriebe der Bauunionen Küste und Süd. Zudem war die Verwaltung ermächtigt, zivile Firmen des Bauwesens mit entsprechenden Regierungsaufträgen für militärische Zweckbauten zu binden. Volkswirtschaftlich erfolgten Planung und Bilanzierung sowie die Abrechnung innerhalb der Verwaltung Bauwesen. Die 106
Die Außenhandelsverluste der DDR wurden 1951 beispielsweise mit 1,6 Mrd. DM, 1952 mit 1,57 Mrd. DM durch das Ministerium der Finanzen gedeckt, vgl. BArch P, N-l 2115/1.
Aufrüstungsvorbereitung und -finanzierung in der SBZ/DDR
Struktur des Büros für
1948-1953
313
Wirtschaftsfragen vom 1.6.1952 bis 31.8.1955 Ministerium des Innern (Generaloberst) W. Stoph
Abteilung Planung
Stellvertr. des Ministers und Leiter der Abteilung
Büro für Wirtschaftsfragen (Generalmajor) B. Weinberger Aufgaben Planung und Abrechnung aller Leistungen Investitionsplanung
Abteilung Materialwirtschaft
Absprachen SMAD/SKK Vertragsabschluß
Beschaffung und Abnahme Abteilung Kooperation mit den
soz.
Ländern
Abteilung Regierungsaufträge
spezieller Außenhandel Absprachen/Koordinierung mit den Vertragspartnern Erteilung von Regierungsaufträgen an
Wirtschaft
Abteilung Finanzen
Finanzierung der Lieferungen aus Zuwendungen des Staatshaushalts Haushaltsabrechnung
Abteilung Kontrollgruppe
Abstimmung der Finanzen Kontrolle der Verwendung der Mittel
der Deutschen Notenbank
Verwaltung, Bauwesen und Quartiernutzung Bereich Bauwesen Bereich
Quartiernutzung
VEB Bauunion Süd, Dresden VEB Bauunion Küste, Stralsund VEB Zentrales Entwicklungs- und Konstruktionsbüro, Berlin VEB Projektierungsbüro Süd, Dresden
Die Struktur des BfW vom April 1951 bis zum 31. Mai 1952 entspricht im wesentlichen der obenstehenden, allein das von Stoph geleitete Büro war dem Zentralkomitee der SED, Abteilung Wirtschaftsfragen unterstellt. Stoph leitete die ZK-Abteilung im angegebenen Zeitraum. Das Schema wurde vom Autor zusammengestellt.
314
Torsten Diedrich
Finanzierung bestritt man aus den Fonds des MdL Die volkswirtschaftliche Abrechnung der erbrachten Leistungen nahm das Ministerium für Aufbau in den Statistiken unter der Rubrik Wohnungsbau bzw. Verwaltungsbauten vor107. Aus der Quartiernutzungsabteilung der HVA entstand die gleichnamige Verwaltung beim MdL Ihr oblag die Nutzung und Instandhaltung der militärischen und Wohnbauten der KVP. Sie verfügte über vorerst 6 Abteilungen auf dem gesamten Territorium der DDR entsprechend der Lage und Anzahl der militärischen Objekte. Für die Organisation, Planung und Wirtschaft innerhalb des Mdl befahl der Minister, in der Hauptverwaltung Organisation eine Wirtschaftsverwaltung sowie eine Unterabteilung Finanzen zu bilden. Die Hauptabteilung Versorgung, die die HVA und anfangs die KVP bewirtschaftete, wurde damit aufgelöst. Der Chef der Versorgung, Chefinspekteur
zum Stellvertreter des Leiters des BfW. Ihm unterstanden die gedes Mdl, die Intendanturverwaltung, die Medizinische Verwaltung Versorgung sowie die Abteilung für Treib- und Schmierstoffe. Dem BfW wurden die Organisationsverwaltung der KVP und die Inspektion BfW angegliedert108. Damit entstand eine unmittelbare Verknüpfung der wirtschaftsführenden Organe der KVP mit dem Büro für Wirtschaftsfragen, das letztendlich als das wirtschaftliche Führungsorgan der bewaffneten Formationen wie der Rüstungsgütererzeugung und einer künftigen Rüstungsindustrie überhaupt fungieren sollte. Im Büro für Wirtschaftsfragen liefen die gesamten wirtschaftlichen Fäden zusammen, beginnend mit den Planvorschlägen der einzelnen Verwaltungen der KVP und den Bilanzierungen des Gesamtbedarfs für die bewaffneten Organe. Das BfW überreichte der Staatlichen Plankommission die Vorschläge für die Finanzierungsfonds der bewaffneten Organe, die Waren- und Materialpläne, die Investitionsplanungen und die Anforderungen an den Außenhandel für Importaufkommen zur »speziellen« Produktion bzw. zur direkten Versorgung der bewaffneten Formationen. Die Staatliche Plankomission arbeitete diese Anforderungen in den Volkswirtschaftsplan ein. Entsprechende Finanzfonds wurden durch das Ministerium für Finanzen bereitgestellt. Betroffene Ministerien wie das des Außenhandels oder des Aufbaus beauflagte das oberste Wirtschaftsorgan nach den Vorabsprachen mit dem BfW entsprechend der Plangrößen. Das BfW war nach »Absegnung« der Planungen durch den Volkswirtschaftsplan im Politbüro ermächtigt, die entsprechenden Anforderungen an die Industrieministerien, VVBs oder Betriebe durch Auftragserteilung sicherzustellen. In den einzelnen Wirtschaftsebenen behandelte man alle diese Aufträge nach den üblichen Regeln der wirtschaftlichen Rechnungsführung. Sie tauchten in der Planung, Bilanzierung und Abrechnung als produzierte Konsumgüter, Produktionsmittel oder erbrachte Leistungen auf, ohne als militärische Güter oder Leistungen kenntlich gemacht
Heitsch, avancierte samte
107
108
Wegen der strikten Geheimhaltung dieser Praktiken läßt sich anhand des verfügbaren Archivmaterials derzeit der Gesamtumfang nicht nachweisen. In der Staatlichen Plankommission existierte für die Einarbeitung des militärischen Sektors (X-Bereich) eine gesonderte Abteilung. Unabhängig voneinander bestätigten Mitarbeiter des X-Sektors der SPK wie des BfW bzw. des Wirtschaftsbereichs der KVP eine derartige Abrechnungspraxis zur Verschleierung der Aufrüstung in der DDR. Vgl. Befehl über Maßnahmen zur Komplettierung des Apparates des Ministeriums des Innern, 28.8.1952, ebd., Pt 2056, Bl. 1-16.
Aufrüstungsvorbereitung und -finanzierung in der SBZ/DDR
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sein. Damit wurden sie Bestandteil des Bruttoprodukts der DDR und des Nationaleinkommens109 und standen somit in der Rechenschaftslegung an den Stellen ihrer wirtschaftlichen Abrechnung. Beispielsweise machten die Bauten für das Gesundheits- und Erholungswesen der Staatsfunktionäre und der Staatsorgane wie MfS, KVP, DGP und DVP einen nicht unbedeutenden Teil der Staatsausgaben für Gesundheitswesen und Soziales aus110. Diese Praxis erschwert bei der noch vorhandenen Quellenlage erheblich den Versuch, die wirklichen Gesamtkosten für den Aufbau und die Entwicklung des Sicherheitsapparats der DDR zu ergründen und zu verifizieren. In der KVP zeichneten die einzelnen Verwaltungen für die Planung und Beschaffung der benötigten Spezialtechnik verantwortlich. Genannt seien hier als Beispiele die Verwaltung Motorisierung, verantwortlich für Panzer- und Kfz-Technik, und die Verwaltung B-Versorgung für Artillerie- und Munitionsbeschaffung. Sie fungierten als selbstwirtschaftende Einheiten entsprechend ihrer Spezifik innerhalb der KVP, ermittelten den Bedarf ihres Fachbereichs, bilanzierten ihn im Rahmen der Anweisungen der Wirtschaftsführung an die KVP111 und pflegten auch direkte Verbindung zu den entsprechenden Rüstungsbetrieben. So sind unmittelbare Kontakte, aber auch Weisungsbefugzu
nisse der
Verwaltung Motorisierung beim Auf- und Ausbau des Instandsetzungs- und Reparaturwerks Neubrandenburg und des Spreewerks Lübben nachweisbar112. Eine derartige verwaltungsmäßige Strukturierung existierte entsprechend in der VP-See und der VP-Luft und funktionierte nach dem gleichen Schema in direkter Zusammenarbeit mit dem BfW. Eine »Verteidigungsindustrie« sollte entstehen. Nachdem bereits in den Aprilgesprächen 1952 in Moskau von führenden Politikern der UdSSR die Notwendigkeit der Schaffung einer Rüstungsindustrie in der DDR betont wurde"3, diskutierte man solche Fragen am 14. April zwischen Pieck, Grotewohl, Ulbricht, Cujkov und Semënov"4. Man war sich einig, daß ein Kriegsministerium »im Keime« zu schaffen sei. Gleichzeitig wurden der »Stoph-Apparat« und die Versorgung der Formationen angesprochen und Verbindungen zur Stahlerzeugung in der DDR hergestellt. Am 18. April 1952 fand scheinbar im gleichen Kreis eine erneute Diskussion darüber statt. Hier bereitete man die fortan gültige Zweiteilung des Ministeriums des In109
110
111
Das
Bruttosozialprodukt ist die Gesamtheit aller erzeugten Güter und Leistungen in einem bestimmten Zeitraum ohne Abzug des Produktionsaufwandes. Das Nationaleinkommen der DDR ist annähernd vergleichbar mit dem Bruttosozialprodukt der Bundesrepublik. Der Plan der Gesundheitsbauten allein der HVA sah für 1952 10,5 Mio. DM vor. Das waren knapp 8 % der geplanten Republiksausgaben für das Gesundheitswesen von 134,4 Mio. DM, vgl. Planungsunterlagen des Mdl, 24.9.1951, ebd., Pt 873, Bl. 34ff., sowie Staatshaushaltsplan 1952, 19.6.1952, BArch P, E-l (VS) 31063, Bl. 3. So ergingen durch Innenminister Stoph beispielsweise 1952 ganz konkrete Richtlinien zur Aufstellung von Planvorschlägen. Dem BfW waren entsprechend der Formblattnormen ein Gesamtplanvorschlag (A 10), die Zusammenfassung eines Warenplanes (P 10), ein Warenplan (P 11), ein
Transportkostenplan (T 10), ein Forschungs- und Entwicklungsplan (F 10) und Bauleistungspläne (J 10 und 11) einzureichen, die Planpositionen der allgemeinen Wirtschaft entsprachen und durch das BfW in die gesamtstaatliche Planung der SPK eingebracht wurden. Vgl. BA MZAP, Pt 887, Bd I, BL 141 ff.
112
113 1,4
Vgl. Dokumente zur Abwicklung des Projekts »Spreeufer« 1953, ebd., Pt 4023, Bl. 1 ff. Vgl. ZPA, NL 36/696. Vgl. ebd., NL 36/736.
316
Torsten Diedrich
in eine Staatliche Verwaltung des Innern und ein »Verteidigungsministerium« vor. In der grob skizzierten Struktur tauchte ein Bereich Versorgung auf, für den der damalige Leiter des Amtes für Reparationen, Weinberger, vorgesehen war. Nach diesen ersten Überlegungen beschloß das Politbüro am 29. Juli 1952 die Organisation einer »Verteinern
digungsindustrie«"5.
Der Aufbau von Streitkräften und der anwachsende Polizeiapparat waren in eine politische und militärstrategische Konzeption der SED eingebunden, die nun logischerweise ökonomisch einen eigenen Bereich innerhalb der Volkswirtschaft erforderte. Die SED-Führung beabsichtigte deshalb, im Rahmen der Bildung von Streitkräften, die von sowjetischer Seite immer wieder geforderte Rüstungsindustrie aufzubauen. Wenn sich auch die Anweisungen und Empfehlungen der KPdSU-Führung und der SKK im Zusammenhang mit der Schaffung eines volkseigenen Rüstungssektors noch nicht anhand konkreter Unterlagen widerspiegeln lassen, so verdeutlichen die eingeleiteten Maßnahmen durchaus das Interesse Moskaus daran, daß auf deutschem Boden ein auch für sie nutzbares rüstungswirtschaftliches Potential entstand. Die leitende Instanz für die künftige Rüstungsindustrie stellte das Büro für Wirtschaftsfragen dar. Es wurde nach beginnender Umstrukturierung im März mit Wirkung vom 1. Juni 1952 aus seiner Anbindung an den Ministerrat bzw. an das ZK der SED herausgelöst. Fortan unterstand es direkt dem Minister des Innern. Der vorherige Leiter des Büros, Stoph, avancierte nun zum Innenminister. Als Chef des Büros für Wirtschaftsfragen berief die SED-Führung Weinberger"6. Neben der materiellen Versorgung aller bewaffneten Organe auf dem Gebiet der DDR zeichnete das Büro für Wirtschaftsfragen für diejenigen Betriebe mit »spezieller Produktion« verantwortlich. Weitere Betriebe wurden dem BfW direkt unterstellt. Dies geschah offensichtlich mit der Absicht, schrittweise einen relativ autarken Rüstungssektor anzulegen. In der Hierarchie der Wirtschaftsleitung belegte das Büro den Rang eines Wirtschaftsministeriums, ausgestattet mit derart vielen Sonderrechten, daß über Regierungsaufträge selbst Weisungsrechte gegenüber der ministeriellen Wirtschaftsebene bestanden. Die spezielle Produktion umfaßte fast das gesamte Spektrum an Militärgütern, ausgenommen die aus der UdSSR gelieferten Waffen, Großtechnik und dazugehörige Munition. Neben dem bereits mit einer Sonderstellung bedachten militärischen Schiffbau strebte die DDR-Führung danach, nun insbesondere drei Bereiche zu einem eigenständigen Rüstungssektor auszubauen: 1. den Reparatur- und Instandsetzungssektor für die Kfz- und Panzertechnik, 2. den Sektor der Handfeuerwaffen- und Munitionsproduktion und 3. den Flugzeugbau. Dem Bereich des BfW war auch der Sektor Entwicklung angegliedert. Er arbeitete mit der Aufgabenstellung, militärtechnischen Forschungsvorlauf für die Rüstungsindustrie, aber auch für die zivile Produktion zu schaffen. Zu den Schwerpunktaufgaben dieses Bereichs gehörten Neuerungen in der Kfz-Produktion (z.B. die Produktion des LKW 115 116
Vgl. Protokoll der Politbürositzung, 29.7.1952, ebd., IIV 2/2/223. Vgl. BA MZAP, Pt 885, Bl. 1-14.
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und Optik sowie Forschungsim des Schiffbaus"7. Bereich aufgaben Im Jahre 1952 wurden im Auftrag des Mdl durch Mitarbeiter des militärwirtschaftlichen Apparates Exposés über den Aufbau einer Flugzeugindustrie und über die Produktion von Munition und Sprengmitteln erarbeitet"8. Beide Industriezweige (für die sowohl eine militärische als auch eine zivile Erzeugnisstruktur vorgesehen war) sollten schrittweise entwickelt werden, wobei sowohl für die Munitionsfertigung als auch für den Flugzeugbau bereits für 1953 ein Produktionsausstoß vorgesehen war. Hierzu bleibt zu bemerken, daß für beide Zweige unterschiedliche Voraussetzungen in der DDR existierten. Die Flugzeugindustrie hatte sich seit 1936 im mitteldeutschen Raum stark entwickelt. Genannt seien die Junkers-Werke in Dessau, die Heinkel-Werke in Warnemünde und Oranienburg, das Arado-Werk in Veiten, Focke-Wulf, Henschel und Maybach in Berlin-Johannisthai sowie ihre Zulieferindustrien wie die Aluminiumwerke Bitterfeld und Aken. Ein großer Teil dieser Werke war jedoch im Krieg zerstört bzw. nach dem Krieg von der Besatzungsmacht demontiert worden"9. Etwas anders gestaltete sich die Situation bei der Handfeuerwaffen- und Munitionserzeugung. In den Räumen Suhl/Zella-Mehlis und Halle/Magdeburg existierten bis 1945 entsprechende große Betriebe. Ihre Spezialmaschinen hatte die SMAD freilich zum großen Teil demontiert, jedoch verfügten die noch bestehenden Betriebe über eine beträchtliche Produktionskapazität. Alles in allem war es wesentlich leichter, mechanische Betriebe in ihrer Produktion auf Handfeuerwaffen oder Munition umzustellen, als eine Flugzeugindustrie aufzubauen. Die Verfahrensweise beim Aufbau der neuen Industriezweige ist für die Nachkriegsund Mangelwirtschaft in der DDR durchaus als typisch zu bezeichnen. 1952 wurden Untersuchungen angestellt, welche Gebiete und Betriebe bereits vor 1945 ähnliche Erzeugnisse hergestellt hatten und über welche Produktionskapazitäten sie noch verfügten. Betontes Kriterium für eine Auswahl des zukünftigen Standortes war die Entfernung zur Demarkationslinie zwischen den deutschen Staaten. Eine auf mindestens 50 km Abstand festgelegte Entfernung sollte hier garantiert werden. Damit kam ein Teil der ehemaligen Munitionsfertigungsbetriebe auf ostdeutschem Gebiet nicht mehr in Frage120. Für die Flugzeugindustrie wählte man die Räume Leipzig/Dessau und Dresden/Bautzen aus. Es entstand, langfristig gesehen, das Kombinat Spezialtechnik Dresden. Ihm wurden im Laufe der Zeit alle für die Flugzeugindustrie produzierenden Werke angeschlossen. Das Kombinat umfaßte bald nahezu geschlossen alle Zulieferer und Endproduzenten der Flugzeugproduktion ziviler und militärischer Verwendung. In dem relativ separaten Wirtschaftsbereich sollten Flugzeuge für die DDR angedacht auch für die Versorgung der RGW-Staaten werden. Mit dem »know how« produziert deutscher Konstrukteure und auf der Basis sowjetischer Lizenzen begann man mit der
G
5), Vorlagen für Innovationen in Funk, Feinmechanik
—
—
117 118
Vgl. ebd., Pt 885, Bl. 7. Vgl. zur Munitionsfertigung ebd., sowie
115
120
zum
VWR 084, Bde 1-3, Schiffbau ebd., AfT 0003, Bl. 1 ff.
zur
Luftfahrtindustrie ebd., Pt 888, Bl. 1 ff.,
Vgl. Exposé zur Luftfahrtindustrie, Firmennachweis, 17.6.1952, ebd., Pt 888, Bd 1, S. 86ff. Vgl. Untersuchung über die Möglichkeiten zur Aufnahme der Munitionsfertigung in der Deutschen Demokratischen Republik in den Jahren 1953-1956, 2.12.1952, ebd., Pt 4606, Bl. 17, sowie Pt 888, Bd 1 und 2.
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Torsten Diedrich
Projektierung und dem Versuchsbau der Flugzeuge »151«, »152« und »153«. Das waren Varianten der sowjetischen IL 14. Des weiteren wurde an Triebwerken und Ersatzteilen für Flugzeuge gebaut. Die Erzeugnispalette sollte in den kommenden Jahren we-
sentlich erweitert werden. Den VEB Waggonbau Gotha, das RAW und Elmo in Dessau, den VEB Abus-Kranbau Köthen, Nagema in Schkeuditz und Heidenau sowie das Druckmaschinenwerk Leipzig sahen die Planer als die tragenden Werke für die Luftfahrtindustrie der DDR vor. Hier war außerdem die Produktion von Flugzeugzellen, Fahrwerken, Luftschrauben und Triebwerken vorgesehen. An Bau- und Ausrüstungskosten ermittelte das Exposé für 1952 circa 16 Mio. DM, für 1953 mit Produktionskosten (27,3 Mio. DM) und Reserven (21,2 Mio. DM) insgesamt 110 Mio. DM an Investitionen. Diese plante man 1954 mit 255 Mio. DM bereits mehr als zu verdoppeln121. Schon 1953 sollten die Fertigungsstätten 160 (vorrangig Schulflugzeuge), 1954 1 002 Flugzeuge, darunter bereits 398 Jagdflugzeuge verlassen122. In der Planungsphase befand sich der Neubau eines Bomberwerkes. Dieses sollte entweder im Raum Mecklenburg oder Dresden entstehen. Die Baukosten wurden mit 10 Mio. DM veranschlagt. Dazu gesellten sich Investitionen für die Maschinenausrüstung von 6 Mio. und für einen Flugplatz von 9 Mio. DM. Für die Jahre 1954/55 erhoffte man sich bereits einen Produktionsausstoß von 34 Flugzeugzellen. Kalkuliert waren hierfür Produktionskosten von 19 Mio. DM123. Großen Wert legten sowohl die sowjetische als auch die DDR-Führung auf die Forschung und Entwicklung im Flugzeugbau. Insbesondere beim Triebwerkbau glaubte man, den internationalen Vorsprung der deutschen Wirtschaft nutzen zu können. In Pirna/Sonnenstein entstand eigens für die Entwicklungen im Flugzeugbau eine Forschungseinrichtung. Für deren Aufgabengebiet standen 1952 6 Mio. DM zur Verfügung, 1953 wurden bereits 116 Mio. DM Investmittel vorveranschlagt124. 1952 kamen 1 650 deutsche Spezialisten, die nach 1945/46 in sowjetische Dienste zwangsverpflichtet worden waren, aus der UdSSR zurück125. Sie wurden tragend am Aufbau der Flugzeugindustrie in der DDR beteiligt. An den ehemaligen Standorten des Flugzeugbaus, z. B. in Dessau, Bernburg, Halle, Rostock, Roßlau, Eisenach und Schönebeck, begann nunmehr die Anwerbung von Fachkräften. Das erwies sich als nicht ganz einfach. Sowohl unter den Spezialisten, die aus der UdSSR kamen, als auch bei den geworbenen Arbeitern traten immer wieder Diskussionen um die Rechtmäßigkeit der Flugzeugproduktion im Zusammenhang mit den geltenden Bestimmungen des Potsdamer Abkommens auf. Den »Vorkommnissen« begegnete man mit einer gezielteren Auswahl der Fachkräfte im Sinne einer sozialistischen Überzeugung, mit einer »Korrumpierung« durch deutliche materielle und finanzielle Besserstellung gegenüber anderen Arbeitern im zivilen Sektor und mit einer schriftlichen Verpflichtung zur Ver131
122 123 124 125
Vgl. Aufstellung
über den Finanzbedarf der
Bd2, Bl. 237 f. Vgl. ebd., Bd 2, Bl. 239. Vgl. ebd, Bl. 285.
Vgl. ebd. Vgl. ebd., Bl. 270 f.
Flugzeugindustrie, ebd.,
Pt 888, Bd 1, Bl. 160, sowie
Aufrüstungsvorbereitung und -finanzierung in der SBZ/DDR
1948-1953
319
schwiegenheit126. Gleichzeitig sollte die Personalentwicklung für den Flugzeugbau und die Luftfahrt durch die Gewinnung von Jugendlichen über den Modellbausport und das Segelfliegen in der Gesellschaft für Sport und Technik und in der Freien Deutschen Jugend langfristig gewährleistet werden127. Das Gesamtprogramm des Aufbaus einer Flugzeugindustrie sah für 1952 ein Investitionsvolumen von 27 Mio., für 1953 von 271 Mio. und bis 1955 insgesamt von 1,123 Mrd. DM vor128. Zu diesem Programm gehörten der Bau von Flugplätzen in Bautzen, Preschen, Müncheberg und im Raum Rügen mit Investitionen von 22-25 Mio. DM, von »Einsatzflugplätzen« für ca. 10-11 Mio. DM sowie die Kosten der Personalentwicklung von 1952/53. Allein für letztere waren 43 Mio. DM geplant.
Von einschneidender ökonomischer Bedeutung erwiesen sich zudem die Anforderungen dieses Industriezweiges an den schon sehr strapazierten Rohstoffonds der DDR. In den stahl- und aluminiumerzeugenden Zweigen der Grundstoffindustrie wurden größere Investitionen notwendig. Für 1953 plante man hier 6,4 Mio. DM. Die Importaufkommen an Chrom, Nickel, Molybdän und Vanadium mußten wesentlich gesteigert werden. Wie in anderen Schwerpunktbereichen erfolgte die notwendige Ausstattung mit Produktionsmitteln in hohem Maße durch die Umsetzungen von Maschinen aus den »Nichtschwerpunkt«-Bereichen. Die wirtschaftlichen Folgen vor allem für die Konsumgüterproduktion lassen sich heute kaum noch ermitteln. Sie sind jedoch mitentscheidend dafür, daß dieser Wirtschaftszweig sich oft lange Zeit lediglich einfach reproduzieren konnte129. Konstruktionsprobleme bei den Zellenwerken der Flugzeuge und insbesondere im Triebwerkbau sowie der schleppende Fortgang der Aus- und Umbauarbeiten in den vorgesehenen Betrieben ließen die weitgesteckten Planziele für die Flugzeugindustrie der DDR 1952/53 bald illusorisch werden. An eine serienmäßige Produktion war bis Mitte 1953 noch nicht zu denken. Die Arbeitererhebung im Juni 1953 zwang dazu, wesentliche Planbestandteile einzufrieren. Die Handfeuerwaffen- und Munitionsproduktion bildete in der Planung und Realisierung des Aufbaus einer Rüstungsindustrie einen weiteren Schwerpunkt. Sie sollte in der Zukunft einen wesentlichen Beitrag zur Ausrüstung der Armee und anderer bewaffneter Organe der DDR sowie zur Belieferung der sozialistischen Staaten im militärtechnischen Austausch innerhalb des RGW leisten. Die Munitions- und Handfeuerwaffenfertigung erstreckte sich insbesondere auf die Bezirke Magdeburg, Leipzig und Suhl, die Gebiete der früheren Handfeuerwaffenproduktion. Ein großer Teil der ausgewählten Betriebe befand sich noch in sowjetischer Verfügungsgewalt oder hatte auf sowjetische Anordnung nach der Enteignung und Verstaatlichung die Produktion insbesondere von Jagd- und Luftdruckwaffen wieder aufgenommen. Nach Kriegsende enteignete die SMAD im Raum Suhl/Zella-Mehlis Firmen wie Walther, Sauer & Sohn, Haenel, Simson oder Greifelt. Die Spezialmaschinen und ande126 127 128 129
Vgl. ebd., Bl. 270 und 281. Vgl. ebd., Bl. 272. Vgl. ebd., Bl. 285. Vgl. Exposé über den Aufbau (VS) 31722.
einer
Luftfahrtindustrie, ebd.,
Bd 1, Bl.
252, sowie BArch P, E-l
320
Torsten Diedrich
Einrichtungen wurden demontiert und in die UdSSR transportiert. Aus verschiedenen Betrieben der ehemaligen Waffenherstellung (vor allem der Firma Haenel) entstand
re
1948/49 das »Ernst-Thälmann-Werk« Suhl (ETW). Schon 1950 wurden in diesem Werk 23 400, im ehemaligen Simson-Werk 22 500 Jagdgewehre produziert. Sie dienten insbesondere dem Export in die UdSSR, aber auch ins westliche Ausland130. Jedoch auch zivile Produkte entstanden hier, so etwa sämtliche in der DDR verwendeten Druckluftwerkzeuge. 1953 faßte man weitere Betriebe, u.a. Fortuna (Sauer), Mewa-Jagdgewehre und den Lehrenbau (Greifelt) sowie die Jagdgewehrfabrik (Gebr. Merkel) unter dem VEB »ETW« Suhl zusammen. Das Werk sollte von nun an die Versorgung mit Pistolen (Walther 7,65 mm und Makarow 7,62 mm) sowie später mit weiteren Handfeuerwaffen (Lizenzproduktionen der sowjetischen Karabiner Simonow und MPi Kalaschnikow) übernehmen. Zur Produktion gehörten des weiteren Kleinkalibergewehre und -pistolen sowie Luftdruckwaffen, mit denen die KVP und die Wehrsportorganisationen, aber auch die FDJ und Sportorganisationen ausgerüstet wurden. Die Sprengstoffproduktion hatten die Besatzungstruppen schon vor 1952 aktiviert. Nach Kriegsende legte die SMAD alle Betriebe dieser Branche still und beschlagnahmten sie. Das Sprengstoffwerk in Schönebeck übernahm die Sowjetarmee zur Erzeugung der von ihr benötigten Sprengmittel. Mit der Wiederaufnahme der Erz- und Kaliförderung entstanden wirtschaftliche Anforderungen an die Sprengstofferzeugung seitens der Montanindustrie. Die Sprengstoffwerke I (Schönebeck) und II (Gnaschwitz) produzierten ab 1948/49 sowohl für die Besatzungstruppen als auch für vorrangig zivile Bedürfnisse der ostdeutschen Wirtschaft. Sie wurden zuerst von der VVB Organa und dann vom Ministerium für Schwerindustrie verwaltet. 1950 nahm Schönebeck die »spezielle« Produktion auf, die jedoch anteilmäßig nur ein Produktionsvolumen von 1,7 Prozent an der Gesamtbruttoproduktion ausmachte. 1953 folgte der VEB Pyrotechnik Silberhütte mit der Produktion militärischer Sprengund Zündmittel. Gemessen am Gesamtvolumen der Herstellung von Sprengmitteln besaß die Erzeugung von militärischen Sprengstoffen jedoch geringere Bedeutung. Sie betrug 1952 knapp 1 Prozent der Bruttoproduktion und stieg 1953 auf etwas über 2,5 Prozent131. Das lag zum Teil daran, daß die Herstellung von wichtigen militärischen Sprengstoffen mit den verfügbaren Produktionsanlagen nicht möglich war. Deshalb plante man 1952 den Bau eines neuen Sprengstoffwerkes (im Kalkül waren Strausberg, Eberswalde bzw. Görlitz/Bautzen). Die notwendigen Investitionen bezifferten die Planer mit 12,2 Mio. DM, bei Nutzung des von den sowjetischen Streitkräften genutzten Objektes der Märkischen Walzwerke in Strausberg mit 4 Mio. DM. Allein die Anlage zur Sprengkapselerzeugung sollte 1,5 Mio. DM kosten132. Auch im Bereich der Munitionsfertigung griff man in erheblichem Maße auf Betriebe zurück, die im Krieg bereits Munition gefertigt hatten. Diese lagen ursprünglich zum 130
Vgl.
Bericht über die
Entwicklung
des
Industriezweigs
24.5.1961, BA MZAP, VWR 084, Bl. 6. 131 132
Handfeuerwaffen und
Munitionsfertigung,
Vgl. Bericht über die Entwicklung der Sprengstoffindustrie, 26.6.1961, ebd., VWR 087, Bl. 13. Vgl. Untersuchung über die Möglichkeiten der Aufnahme der Munitionsfertigung in der Deutschen Demokratischen Republik in den Jahren 1953-1956, 2.12.1952, ebd., Pt 4606, Bl. 17ff.
Aufrüstungsvorbereitung und -finanzierung in der SBZ/DDR
1948-1953
321
großen Teil mit Standorten wie Magdeburg, Stendal, Treuenbrietzen, Neustadt, Genthin oder Strausberg in den 1952 neugebildeten Bezirken Magdeburg und Potsdam. Aufgrund ihrer Grenznähe entschloß man sich jedoch nunmehr, die Schwerpunkte der Munitionsfertigung in den Raum Halle/Leipzig zu verlegen. Entsprechend der Planung
wurden Patronen- und Geschoßhülsen in Halle (Polte), Geschosse im VEB TEWA Schraubenfabrik Elsterwerda, Zünder im VEB Büromaschinenwerk Rheinmetall Sömmerda sowie Geschoßkappen und Gurtglieder im VEB Leipziger Werke produziert. Für die Herstellung der Infanteriemunition wählte man die Lignos-Werke in Salzelm aus. Diese Werke waren zwar zum Teil demontiert und von sowjetischen Panzerreparatureinheiten genutzt, verfügten jedoch über eine gute gebäudemäßige Ausstattung für die schnelle Produktionsaufnahme. Hierfür veranschlagte Investitionen fielen wegen kaum benötigter Spezialmaschinen mit 3,5 Mio. DM für die gesamte Fertigung relativ gering
aus133.
Mit der Pionier-, Nahkampf- und Zündmittelherstellung beauftragte das BfW die Leipziger Werke (ehemals HASAG). Für die Bombenfertigung gab es auf dem Territorium der DDR kaum verfügbare Produktionskapazitäten. Deshalb erwog man die Erzeugung von Brandbomben in den Leipziger Werken, von Sprengbomben im Kabelwerk Oberspree Berlin, von Splitterbomben im VEB Vomag Bautzen und von Spreng- und Splitterbomben im ETW Magdeburg (damals noch SAG-Betrieb). In allen Betrieben erwies sich eine deutliche Umstellung der Produktion für die Realisierung der militärischen Anforderungen als notwendig134. Die geplante Bombenproduktion erforderte notwendigerweise eine gesonderte Stahlerzeugung. Hierfür erhielt das Stahlwerk Hennigsdorf zusätzliche Investitionen in Höhe von 3,5 Mio. DM (1953 allein 2,7 Mio. DM). Gleichzeitig wurden Versuchsplätze geschaffen. Für den Aufbau von Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen standen weitere 2,33 Mio. DM zur Verfügung135. Mit den Mechanischen Werkstätten Königswartha begann 1952/53 der Aufbau eines weiteren Produktionszentrums für Munitionsfertigung in der DDR136. Eine letzte tragende Säule der künftigen Rüstungsindustrie in der DDR sollte der Auf- und Ausbau des Instandsetzungsbereichs für Kfz- und Kettentechnik der KVP zu einem der größten Sektoren militärischer Produktion und Dienstleistungen überhaupt werden. Die Größenordnung dieses Bereiches läßt, obwohl sowjetische Vorstellungen nicht quellenmäßig belegt werden können, mit Sicherheit annehmen, daß zwei Komponenten für diese Entscheidung in mehr oder minder bilateralem Einvernehmen den Aus-
schlag gaben:
1. im Osten Deutschlands eine
2.
sozialistische
133 134 135 136
möglichst große Kapazität für die Instandsetzung und Kampf- und Fahrzeugtechnik der KVP/NVA, der sowjetischen
Generalreparatur Besatzungstruppen und letztlich der sozialistischen Armeen zu schaffen; trotz der Bestrebung der UdSSR, den Export von Groß- und Waffentechnik für das von
Lager in den
Vgl. ebd., Bl. 30. Vgl. ebd., Bl. 30 ff. Vgl. ebd. Vgl. ebd., VWR 084, Bl.
26.
Händen
zu
behalten, Möglichkeiten für eine rasche Um-
322
Stellung von Instandsetzung möglichen.
Torsten Diedrich
auf Produktion
von
Kettentechnik in der DDR
zu er-
Beide Faktoren konnten im Fall einer militärischen Auseinandersetzung von erstrangiger Bedeutung sein. Im September 1952 entschied der Innenminister der DDR, auf dem Gelände der ehemaligen Torpedoversuchsanstalt der Kriegsmarine in Neubrandenburg ein Panzerinstandsetzungswerk aufzubauen. Die Versuchanstalt war 1945 zu großen Teilen gesprengt, technische Ausrüstungen und Hallen demontiert und in die UdSSR verbracht worden. In den verbliebenen Gebäuden hatte eine Reparatureinheit der sowjetischen Armee die Arbeit aufgenommen, die nunmehr nach Gransee verlegte. 1952 leisteten das BfW und die Verwaltung Motorisierung der KVP die konzeptionellen Vorbereitungen für das Projekt »Elbe«, wie der Tarnname für diese Großinvestition lautete. Im Reparaturwerk Wünsdorf der sowjetischen Besatzungsarmee projektierte eine Ingenieurgruppe mit sowjetischer Unterstützung das Neubrandenburger Reparaturwerk. Seit Anfang 1953 lag dann die Verantwortung für den Auf- und Ausbau des Werkes in den Händen der Verwaltung Motorisierung der KVP. Bereits im Januar begann die beauftragte Bau-Union Rostock mit der Ausführung der Industriebauten, die Bau-Union Schwerin mit 300 Wohneinheiten für die Arbeiter des Werkes. Für das Jahr 1953 betrug die Bauplansumme allein 11,2 Mio. DM, für 1954 8,9 Mio. DM. Die Erfüllung lag nur unerheblich unter dem Plansoll137. Schon im Oktober und November 1952 stellte die Sowjetische Kontrollkommission deutsche Fachkräfte, die in ihren Reparaturwerkstätten beschäftigt waren, als Stammpersonal für das ostdeutsche Werk ab. Dies alles verdeutlicht das sowjetische Interesse und die Eile, mit der der Aufbau vorangetrieben wurde. 1953 arbeiteten bereits 707 Arbeiter aus sowjetischen Reparaturwerken in Neubrandenburg. Bis 1955 warb man 995 Arbeitskräfte aus dem Bezirk Neubrandenburg. Später wurde das gesamte Gebiet der DDR in die Werbemaßnahmen für das Reparaturwerk einbezogen. Die Facharbeiter und Spezialisten köderte man durch höhere Löhne und soziale Besserstellungen. Als Gegenleistung hatten sie über ihre Arbeitsaufgaben zu schweigen. In Neubrandenburg sollten vorerst alle Generalreparaturen und Instandsetzungsarbeiten für gepanzerte Fahrzeuge der KVP, die seit Mai 1952 zum Teil in sehr schlechtem Zustand aus der UdSSR geliefert wurden, durchgeführt werden. Im Mai begann in der Halle 5 die erste Panzerinstandsetzung. Bereits im März 1954 erreichte das Werk mit jährlich 30 Generalreparaturen seine volle Kapazität. Am 6. August des Jahres verließ der 100. generalüberholte Panzer das Reparaturwerk138. Die Lkw, Pkw und Kräder der KVP sowie der anderen Einheiten des Innenministeriums setzten der VEB Autoreparaturwerk Altenburg (AREWA) sowie der VEB Reparaturwerk Berlin/Friedrichsfelde instand. Mit dem von der Sowjetarmee bis 1954 genutzten und dann an das BfW übergebenen VEB Motorenwerk Würzen verfügte die KVP ab 1954 über ein Spezialwerk zur Instandsetzung und Ersatzteilproduktion von Panzermotoren139. Mit diesen Betrieben war die Instandsetzung der Panzer- und Kfz-Spezialtech137
138 139
Vgl. Bericht über die Entwicklung des Reparaturwerks Neubrandenburg, ebd., Pt 4567, Bl. 1 ff. Vgl. ebd. Vgl. Bericht über die Entwicklung des Industriezweigs Reparatur- und Instandsetzung, 10.8.1961,
Aufrüstungsvorbereitung und -finanzierung in der SBZ/DDR
1948-1953
323
nik der KVP sowie der anderen Mdl-Organe abgesichert und unter direkte Kontrolle des Mdl (BfW) gestellt. Durch die Vergabe von Forschungsaufträgen für den Bau militärischer Varianten des »G 5« und anderer Lkw-Typen sowie der Entwicklung und Produktion von Krädern und geländegängigen Personenkraftwagen an verschiedene Firmen wurde dieser Bereich der militärischen Ausrüstung schrittweise seit 1950 mehr und mehr durch zivile Produzenten aus der DDR-Wirtschaft abgedeckt140. Trotz bevorzugter Behandlung in der Zuführung von Produktionsmitteln, Arbeitskräften und Materialien krankte die »spezielle« Produktion in der DDR an den Auswirkungen der Mangelwirtschaft. Außerdem war 1952/53 eine allgemeine Aufrüstung in Angriff genommen worden, die sich bar jeder ökonomischen Grundlage erwies. Die Wirtschaft konnte auf die neuen Anforderungen nicht vorbereitet werden. Bei vielen Betrieben mußten große Teile der Produktion umgestellt werden. Das brachte Veränderungen mit sich, die teilweise gravierende Auswirkungen auf die gesamte Fertigungskette von der Rohstoffverarbeitung über die Zulieferbetriebe bis hin zum Endproduzenten hatten. Berichte über die Erfüllung des Warenplanes von 1952 und 1953 verdeutlichen die Schwierigkeiten innerhalb verschiedener Industriezweige selbst bei der privilegierten »speziellen« Produktion. Im November 1952 mußte festgestellt werden, daß in der Volkswerft Stralsund nur eins der sechs KS-Boote für die VP-See die Docks verlassen konnte. Die Terminverzögerung entstand durch Zulieferrückstände insbesondere von Schmiedeteilen, E-Motoren, Schaltgeräten, Getrieben u.a.m. Ähnliche Probleme traten bei der Jachtwerft Berlin und der Thälmann-Werft auf. Das Ministerium für Maschinenbau und das BfW reagierten mit Instrukteureinsätzen und Unterstützungen der Zulieferbetriebe. Nicht anders sah es im Fahrzeugbau aus. Von den für 1952 bestellten 400 Lkw »G 5«, die die KVP nun dringlichst anmahnte, lagen am 6. Dezember 1952 erst 12 Fahrgestelle auf dem Band. Das Gesamtliefersoll des Jahres 1952 mit 1 032 Lkw »Phänomen« konnte ebenfalls nicht gewährleistet werden. Bis zum 30. November 1952 hatten nur 302 Fahrzeuge das Werk verlassen. Als Ursachen für diese Rückstände benannte das Ministerium für Maschinenbau Ausschußlieferungen bei Blechen und Vorderachsen durch das Walzwerk Hennigsdorf. Die mangelnden Produktionsergebnisse im Fahrzeugwerk EMW-Eisenach führten die Verantwortlichen auf Anlaufschwierigkeiten bei der Produktionsumstellung zurück. Gleiche Probleme wie auch Lieferrückstände sind bei der Fertigung von Nachrichtengeräten und Zubehör festzustellen. Hier mangelte es vor allem an Kabeln aufgrund von Importschwierigkeiten. Im Bereich des Ministeriums für Leichtindustrie fehlten den Betrieben für die Warenproduktion oft Stoffe und Leder, bei der Herstellung von Inneneinrichtungen für die KVP entstanden 1952 Rückstände von 4 Mio. DM durch Holzmangel141. Die Verhandlungen der HV Holz- und Kulturwaren vom Januar und Februar 1953 zeigen die Probleebd., VWR 086, Bd 1, Bl. 2 a und Bl. 23. 140
141
Vgl. Protokolle der Kommissionssitzungen des BfW, 15.10. lung des Warenplans 1952, 17.12.1952, ebd., Pt 4501, Bl. 3, plan des Mdl 1952, ebd., Pt 855, Bl. 192. Vgl. ebd., Pt 4501, Bl. 91 ff.
und 27.10, sowie Bericht zur ErfülBl. 33f. und Bl. 45ff., sowie Invest-
324
me
Torsten Diedrich
der
same«
Aufrüstungsanforderungen im Industriezweig Holzbau auf. Hier hatten »gewaltPlanveränderungen durch Regierungsaufträge des Mdl in Höhe von 24,9 Mio.
DM letztlich dazu geführt, »daß diese Sachlage die Versorgung der Bevölkerung beeinflußt, da dem Markt jetzt Sortimente zugeführt werden müssen, die nicht dem Wunsch und Bedarf unserer Bevölkerung entsprechen«142. Schon im IV. Quartal 1952 war der Industriezweig Holzbau durch die Barackenanforderungen des Mdl mit Zusatzaufgaben weit über den Plan ausgelastet worden. Hinzu kamen ständige Auftragsänderungen der KVP, so daß in der Industrie 46 Aufträge storniert, umgeschrieben bzw. neu abgeschlossen werden mußten143. Die Liste von Beispielen ließe sich beliebig fortsetzen. Sie verdeutlicht jedoch bereits zur Genüge die allgemeinen Probleme der DDR-Wirtschaft. Zur Sicherstellung der oft durch Regierungsaufträge gebundenen »speziellen« Produktion begann in den Ministerien nun eine Umverteilung von Fertigungskapazitäten und Material zuungunsten der zivilen Produktion. Da der Zulieferung für das Militär Priorität eingeräumt wurde, entstanden nicht unbeträchtliche Folgen für die Planerfüllung anderer Erzeuger. Die Effektivität der für den Rüstungsbereich arbeitenden Betriebe litt vielfach darunter, daß der relativ plan- und voraussetzungslose Aufbau von Streitkräften und Wehrsportorganisationen in hohem Maße relativ kurzfristiges Reagieren der Wirtschaft erforderte, wozu die Planwirtschaft als solche und die DDR-Wirtschaft mit ihren Mangelproblemen schon gar nicht in der Lage waren. Ebenso stark trafen die Aufrüstungsmaßnahmen die Bauwirtschaft der DDR. Der Kasernenbau im Nordosten der DDR, der Beginn des U-Boot-Hafenbaus an der Ostseeküste und die Schaffung von Flugplätzen verschlangen einen Großteil der Mittel und Kapazitäten der Bauindustrie. Diese wären angesichts der allgemeinen Wohnungsnot wesentlich dringender für Wohnungsbaumaßnahmen benötigt worden144. Für jeglichen militärischen Bau auf dem Gebiet der DDR war die Verwaltung Bauwesen beim Minister des Innern verantwortlich. Integriert in das BfW kooperierte sie wirtschaftstechnisch mit der Hauptverwaltung Schwerpunktbau im Ministerium für Aufbau. Letztere zeichnete für die Planung, Bilanzierung und wirtschaftliche Rechnungsführung von Bauten mit besonderem staatlichen Interesse, z. B. im Erzbergbau, an der Stalinstadt sowie bei militärischen und anderen Sonderbauten verantwortlich. Innerhalb der Hauptverwaltung war die Abteilung Sonderbau speziell für die Sicherstellung und Abrechnung der militärischen Zweckbauten zuständig145. Der Aufgabenbereich der Verwaltung Quartiernutzung erstreckte sich von der Planung und Durchführung von General- und laufenden Reparaturen über den Erwerb und 142 143
144
145
Schreiben der HV Holz- und Kulturwaren, 14.2.1953, BArch P, E-l 30116, Bl. 88. Vgl. ebd, Bl. 77 ff. Gemäß Staatshaushaltsplan für 1953 sind für das Ministerium für Aufbau zentrale Ausgaben von 261,2 Mio., zusammen mit den Republiksausgaben insgesamt 427,0 Mio. DM, an Investitionen erfolgt. Die für den Militärbau verantwortlichen Projektierungsbüros verbrauchten zusammen mit Ausgaben für Kriegsfolgekosten (Befehl 185), davon 212,9 Mio, d.h. fast genau 50 %. Vgl. Kostenrechnung, ebd., N-l 340/4604 (alt), Bl. 542. Vgl. Bestimmungen der SKK zur Reorganisation der Sonderbaubüros, Januar 1952, ZPA, IV 2/606/32.
Aufrüstungsvorbereitung und -finanzierung in der SBZ/DDR
1948-1953
325
Verwaltung der Liegenschaften, die Ausstattung der Unterkünfte, die Verwaltung Wohnungen der KVP bis hin zum Brandschutz-, Forst- und Jagdwesen in ihrem Verfügungsbereich. Nachweisbar sind Ankäufe von Ländereien für den Bau von Flugplätzen, als Schießplätze bzw. für andere militärische Nutzung bis hin zum Wohnungsbau für KVP-Angehörige. So mußten Bauern im Landkreis Kamenz im September 1952 sofort ihre Felder abernten, weil größere Flächen im Flur Zschornau für den Bau eines Flugplatzes vorgesehen waren146. In welcher Größenordnung beispielsweise Immobilidie der
enkäufe insbesondere 1952 den Staatshaushalt belasteten, läßt sich derzeit noch nicht ermitteln. Auch die Frage nach Zwangsenteignungen aus militärischem Interesse bedarf einer eigenständigen Erforschung. Mit Beginn des Kasernenbaus im Nordosten der DDR entstand die Bau-Union Nord mit Verwaltungssitz Sagard auf Rügen. Für die nächsten fünf Jahre schätzte man für sie ein Bauvolumen von 1,5 Mrd. DM. Als notwendige Investitionen für Aufbau und Entwicklung waren im Jahr 1952 12 Mio. DM und für 1953 20 Mio. DM veranschlagt147. Die Planbegründung für die 12 Mio. DM enthielt Verwaltungsbauten in Glowe und Sagard, Wohnunterkünfte für die Bauarbeiter, die Aufstellung von Bauhöfen und Magazinen, Transportmittel und -anlagen, Werkstatteinrichtungen sowie Kultur- und Sozialein-
richtungen.
Die Gelder für diesen Bereich flössen aus dem Gesamtinvestitionsvolumen des Ministeriums für Aufbau und sind nicht als Mittel der Aufrüstungsfinanzierung ausgewiesen. Aus der Investmittelplanung der KVP-Bauverwaltung von 1953 geht jedoch hervor, daß allein für die KVP in diesem Jahr 110,7 Mio. DM, für die VP-See 19,2 Mio. DM und für die VP-Luft 57,5 Mio. DM für militärische Neubauten und Generalinstandsetzungen vorkalkuliert waren. Außerplanmäßig hatte der Innenminister noch einmal 17,4 Mio. DM bewilligt148. Diese Ausgaben erfuhren durch die Planänderungen im Juni/Juli 1953 eine Kürzung auf 134,6 Mio. DM, es waren aber weitere 4-6 Mio. DM zum zusätzlichen Wohnungsbau für KVP-Angehörige in der Debatte. Letztlich erreichte man eine Ausgabengrößenordnung von 187,4 Mio. DM149. Den geplanten Bauinvestitionen für den militärischen Zweck- und Wohnungsbau von 1953 über 200 Mio. DM standen öffentliche Republiksausgaben von 261,2 Mio. DM gegenüber. Zusammen mit den Ausgaben der Bezirke, Kreise und Gemeinden sollten 1953 insgesamt 427,0 Mio. DM Investitionsmittel im Bauwesen verbraucht werden150. Damit hielt das militärische Bauprogramm einen Anteil von mehr als 75 Prozent der zentral verausgabten und 45 Prozent der insgesamt zur Verfügung gestellten Mittel. Selbst nach der Kürzung verbrauchte das Militär noch circa 50 Prozent der gesamten zentralen Ausgaben für das Bauwesen. Damit waren der zivile Wohnungs- und Industriebau in der DDR zur Zweitrangigkeit verurteilt. 146
Vgl.
Schreiben des Rates des Landkreises Kamenz
zum
Landerwerb für den
2.9.1952, BA MZAP, Pt 881, Bl. 106 f. 147
Vgl. Betriebstechnisches Gutachten 14.8.1952, ebd., Pt 886, Bl. 206 ff.
'* 145
1511
über den
Investitionsplan
Flugplatz Kamenz,
1952 der Bau-Union Nord VEB,
Titelliste des Mdl und der KVP für Investitonsbauten des Jahres 1953, ebd., Pt 4083, Bl. 2. Vgl. Bauplanung des Mdl vom Juli 1953, ebd., Pt 5178, Bl. 1 ff. Vgl. Haushaltsabrechnung des MdF 1953 vom Mai 1954, ebd., N-l 340/4604 (alt), Bl. 542.
326
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Selbst die Ermittlung des Anteils von militärischen Aufwendungen am Gesamtvoluder Bauinvestitionen läßt sich nicht ohne größeren Aufwand vollziehen, da gerade die Verwendung von Investitionsmitteln in den offiziellen Statistiken nicht erscheinen sollte. Hier wäre es notwendig, die Unterlagen des Ministeriums für Aufbau zu analysieren, zumal die 125 Mio. DM für Militärbauten der Besatzungtruppen sowohl unter Kriegsfolgekosten als auch in Bauleistungsabrechnungen vorzufinden sind. In der offiziellen statistischen Abrechnung der DDR wird für das Jahr 1953 insgesamt ein Bruttovolumen der Bauleistung von 2,85 Mrd. DM angegeben151. Folgt man der Bauleistungsabrechnung der KVP 1953 von 150,2 Mio. DM152 und addiert die Bauaufwendungen der Besatzungstruppen von 125 Mio. DM hinzu, so ergibt sich ein Wert von 275,2 Mio DM, d.h. von 9,7 Prozent an der Gesamtbruttobauleistung der DDR für militärische Zweck- und Wohnungsbauten. Zu den ohnehin als typisch zu bezeichnenden Problemen bei der Erfassung von Aufrüstungskosten allgemein kommt bei der Untersuchung dieser Vorgänge in der SBZ/DDR die bewußte Verschleierung der Rüstungsausgaben erschwerend hinzu. Das Potsdamer Abkommen sowie die deutsch/deutsche Auseinandersetzung veranlaßten die DDR-Führung zu besonderer Geheimhaltung ihrer frühzeitigen Bemühungen um die Wiederbewaffnung. Damit erfolgten viele Veränderungen nicht mittels gereifter Entschlüsse und einer sorgfältigen Planungs- und Realisierungsphase. Sowjetische Wünsche wurden zumeist mündlich übermittelt und in der DDR spontan realisiert153. men
Die Militarisierung als wesentliche Ursache der Krise von 1953 Vom Sommer 1952 bis Mitte 1953 gab die Regierung der DDR für ihre Aufrüstungsmaßnahmen (Militärausgaben im engeren Sinne) über 2 Milliarden Mark aus. Die wirkliche Belastung des öffentlichen Haushalts durch die Militarisierung wird jedoch erst deutlich, wenn man sie in Beziehung zu den verfügbaren Staatsmitteln setzt. Der Staatshaushalt154 der DDR verfügte 1952 aus Steuereinnahmen über Mittel von 19,7 Mrd., 1953 über 23,1 Mrd. DM155. Das sind die Mittel, die nicht gebunden als Sozialversicherungsbeiträge bzw. als Gewinnabgaben der Wirtschaft eingenommen wurden und in den 151 152
153 154
155
Vgl. Statistisches Jahrbuch der DDR 1955, S. Vgl. BA MZAP, Pt 4085, Bl. 2f. Vgl. Leonhard, Revolution, S. 379 ff.
181.
Der Staatshaushalt der DDR kann mit dem öffentlichen Haushalt der Bundesrepublik nur verglichen werden, wenn man den Bereich der Sozialversicherung und die Gewinnabführungen der Betriebe herauslöst, die der Staatshaushalt mitvereinnahmte und umverteilte. Vgl. Karisch, Allein bezahlt?, S. 221. Hier sind aus Gründen der Vergleichbarkeit die zentralen Einnahmen aus der Sozialversicherung und der Gewinnabführung der Betriebe herausgerechnet. Nach Dokumenten der SPK betrugen die Gesamteinnahmen des Staatshaushalts 1952 29,1 Mrd. und 1953 34,1 Mrd. DDR-Mark, vgl. BArch P, N-l (VS) 6/771. Hier wird die Akkumulation im Jahr 1952 mit 4 005 Mio. und 1953 mit 5 405 Mio. DM angegeben. Demgegenüber stehen Zahlen für einen Sonderverbrauch (Besatzungsmacht, Mdl, Wismut) 1952 von 5 990 (Mdl/Wismut nicht angegeben) und 1953 von 4 500 Mio. DM (incl. Mdl 1 200, Wismut O.A.); vgl. ebd. E-l (VS) 31505, Bl. 60. =
Aufrüstungsvorbereitung und -finanzierung in der SBZ/DDR
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ökonomischen Prozeß zurückfließen sollten. Erinnert sei daran, daß aus dem Staatshaushalt der DDR gleichzeitig Besatzungskosten sowie noch zu leistende Reparationszahlungen an Polen und die UdSSR gezahlt werden mußten. Zusammengenommen beliefen sich diese Zahlungen sowohl 1952 als auch 1953 auf circa 3,2 Mrd. DM. Schon allein diese Tatsachen lassen ein immenses Ausmaß der Belastungen des öffentlichen Haushalts erkennen. Vergleichsweise stellte der Staatshaushalt im Jahr 1952 für den Gesamtbereich Bildung, Kultur und Wissenschaft 1,96 Mrd. und für das Gesundheitswesen 1,7 Mrd. DM zur Verfügung156. Die übrigen Mittel waren für die gesellschaftliche Konsumtion, für Akkumulation, Subventionen und Stützungen gebunden. Dazu kamen 1952 nunmehr die Kosten, die durch die politische Kursänderung der 2. Parteikonferenz in Wirtschaft und Gesellschaft entstanden und deren Deckung irgendwie realisiert werden mußte. Die Mittel für die Aufrüstung konnten aufgrund des spontanen Kurswechsels ebensowenig wie die für die Umgestaltung der Landwirtschaft und den Aufbau der Schwerindustrie im Volkswirtschaftsplan kalkuliert, die Lasten nicht proportional verteilt werden. Es galt, die finanzielle Deckung durch gesonderte Maßnahmen und Streichung an anderer Stelle freizusetzen. Bereits im Dezember 1951 beschloß der Ministerrat der DDR Investitionen in Millionenhöhe zum Ausbau des Stahl- und Hüttenwesens. Genannt sind der Neubau des Stahl- und Walzwerkes Calbe/West sowie der Ausbau der Walzwerke Hennigsdorf und Ilsenburg157. Im April 1952 erhielten die Industriezweige Kohle/Energie, Maschinenbau, Chemie, Steine und Erden, Leichtindustrie und Bauwirtschaft zusätzlich zum Plan Produktionsauflagen in einer Höhe von ca. 67 Mio. DM, die in hohem Maße durch Einsparungen im Materialbereich und durch Senkung der Verbrauchsnormen in den Bereichen selbsttätig sicherzustellen waren158. Im Mai 1952 schloß die DDR ein zusätzliches Handelsabkommen mit Polen sowie ein Handels- und Zahlungsabkommen mit der Volksrepublik China ab. Die beiden bilateralen Verträge dienten vor allem der Absicherung der politischen Maßnahmen des Jahres 1952. Durch die Zulieferung von Nahrungsmitteln sollte die umzugestaltende Landwirtschaft entlastet, mit zusätzlichen Rohstofflieferungen der Ausbau der Schwerindustrie gefördert und die Verteidigungsanforderungen sichergestellt werden159. Gleichzeitig ergingen Weisungen des Ministerrates zum Staatshaushaltsplan 1952, die besagten, daß in allen Bereichen die Möglichkeiten von Erhöhungen der Einnahmen und zusätzlichen Einsparungen zu prüfen seien. Letztlich diente die Schaffung von Bezirken und Kreisen in der DDR neben der Durchsetzung der Hegemonie der SED sowie Ein156
157
158
159
Zusammenfassung
des Staatshaushaltes nach Aufgaben in der Fünfjahrplanabrechnung 1951 bis 1955, vgl. ebd., E-l (VS) 31217, Bl. Ib. Vgl. Geheime Regierungssache über die Entwicklung des Ministeriums für Hüttenwesen und Erzbergbau auf einer Sitzung des Ministerrats 1952, ebd., N-6 4702. Vgl. Verordnung des Ministerrats zum Gesetz über den Volkswirtschaftsplan, 30.4.1952, ebd., N-6 4705. Vgl. Beschluß des Ministerrats über Maßnahmen zur Steigerung der Energieerzeugung in den Jahren 1952 und 1953 auf der 78. Sitzung am 17.4.1952, ebd., N-6 4706, sowie Beschluß des Ministerrats auf der 87. Sitzung vom 12.6.1952, ebd., N-6 4704.
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Torsten Diedrich
sparungen im Verwaltungsapparat auch der Wehrbezirke160. Im Juni und
Bildung kleinerer und besser handhabbarer
folgten schließlich Ministerratsbeschlüsse zur EinHaushaltsmitteln, sparung primären Durchführung von Regierungsaufträgen, zur Steigerung der Energieerzeugung sowie zur Erhöhung der Staatsreserven. Auch Steuererhöhungen für das Handwerk sollten zusätzliche Finanzen für den politischen Kurs der SED- und Staatsführung erbringen. Selbst die Umlaufmittel der volkseigenen Industrie mußten im August 1952 um 150 Mio. DM reduziert werden161. Die schon angeführten Kürzungen im sozialen Bereich und in der Konsumgüterproduktion waren nur ein Teil des Maßnahmekatalogs, der flankierend zur Finanzierung jener Veränderungen notwendig wurde, die Moskau der DDR-Führung seit April 1952 abgefordert hatte. Es wäre jedoch ein Trugschluß, zu folgern, daß Moskau seine Interessen der DDR einfach überstülpte. Die SED-Führung und insbesondere Ulbricht, der sich speziell der Militärfrage angenommen hatte, waren sich sehr wohl der Rolle des mivon
August
des Jahres
zur
litärischen Faktors bei der inneren und äußeren Stabilisierung des Staates bewußt162. Der historische Prozeß hat jedoch in der DDR bewiesen, daß eine derartige Umstellung im politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bereich, ohne die notwendigen Voraussetzungen vorher zu schaffen, nicht möglich ist und letztlich in die Krise führt. Dem ohnehin noch nicht homogenen Wirtschaftsorganismus in der DDR fehlten letztlich die Mittel, die in die Aufrüstung oder in die Zwangsumstellungen der Landwirtschaft sowie der Industrie flössen. Ihr Fehlen schränkte den Reproduktionsprozeß ein und verschärfte die Disproportionen. Sowohl die Aufrüstung als auch die einseitige Entwicklung von anderen Schwerpunktbereichen liefen letztlich zu Lasten der Konsumgüterindustrie und damit des Lebensstandards der Bevölkerung. Im Gesamtgefüge von systembedingten wirtschaftlichen Problemen und gravierenden Fehlentscheidungen der Regierenden stellte die Aufrüstung in der DDR 1952/53 eine wesentliche Mitursache für die Krise dar. Das soll im folgenden eine Hochrechnung belegen. Der 6. Planentwurf für die Volkswirtschaft der DDR vom März 1952 sah an Ausgaben für die HVA noch 178,2 Mio. DM, für die HVS 20,6 Mio. DM vor. Luftstreitkräfte enthielt das Plandokument noch nicht163. Demgegenüber standen tatsächliche Aufwendungen von 1 228,8 Mio. DM, das entspricht einer Steigerungsrate von über 600 Prozent. Nach VS-Angaben des Ministeriums der Finanzen (MdF) standen der DDR-Führung 1952 öffentliche Haushaltsmittel in einer Gesamthöhe von 29 111,6 Mio. DM zur Verfügung. Davon wurden unter anderem für die staatliche und wirtschaftliche Verwaltung (EP 0/1) 2 695,7 Mio., für die volkseigene Wirtschaft 5 706,5 Mio. und für sonstige Ausgaben (incl. EP 9, d.h. Ministerium der Finanzen mit allen Reparations- und Besatzungskosten) 10 225,6 Mio. DM ausgegeben164. 160
161
162 163
164
Vgl. Besprechung vom 14.4.1952, ZPA, NL 36/736. Vgl. Beschluß des Ministerrats, 12.6.1952, BArch P, N-6 4704, sowie Sitzungsprotokolle von Mai bis August 1952, ebd., 4707 und 4708. Vgl. Stern, Ulbricht, S. 125-144. Vgl. BArch P, E-l (VS) 31276, Bl. 12f. Die laufenden Kosten des Referats z.B.V. (Luft) wurden hier noch im Budget der HVA geführt. Vgl. Analyse zu den Staatshaushaltsplänen der Deutschen Demokratischen Republik, Ausgaben 1951 bis 1955, Geheime Verschlußsache, 29.6.1955, ebd., N-l (VS) 6/771.
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Summiert man nach dem Vorbild der Berechnungen für die Verteidigungsausgaben in der Bundesrepublik die Besatzungskosten zu den Kosten für die Streitkräfte der DDR hinzu, so erhält man eine Summe von 3,3 Mrd. DM Staatsausgaben für militärische Zwecke. In den Unterlagen finden sich Angaben zum materiellen »Sonderverbrauch« für 1952 von 5 990 Mio. DM165. Darin enthalten sind scheinbar alle Kosten, auch der Reparationen, der Wismut-AG, der anderen SAG-Betriebe sowie der eigenen Rüstungsindustrie. Leider sind die Kosten nicht weiter aufgeschlüsselt. Dieser nicht anzuzweifelnde Ausgabeposten macht letztlich einen Anteil an den Staatsausgaben von über 20 Prozent aus. In derselben Tabelle wird der Sonderverbrauch für das Jahr 1953 mit 4 500 Mio. DM beziffert. Hier werden aufgelistet: 3 300 Mio. für Besatzungsmacht und 1 200 Mio. für das MdL Die Position Wismut ist nicht belegt. Zurückgegriffen auf die Angaben zum Gesamtvolumen des Staatshaushalts 1953 von 34 082,2 Mio. DM entsprechen die Aufwendungen für den »Sonderverbrauch« nur noch 13,2 Prozent der Gesamtausgaben. Im Statistischen Jahrbuch der Bundesrepublik Deutschland 1954 sind die Militärausgaben im weiteren Sinne in bezug zum Bruttosozialprodukt aufgeschlüsselt. Für 1952 wurden demnach 6,3, im Jahr 1953 5,6 Prozent für die Verteidigungsbereitschaft ausgegeben. In der DDR belaufen sich die Kosten, bezogen auf das annähernd vergleichbare Nationaleinkommen, in den Jahren 1952 auf 8,4 und 1953 auf 8,2 Prozent, und liegen damit deutlich über denen der Bundesrepublik.
Vergleich der nach ähnlichen Kriterien zusammengefaßten Militärausgaben von BRD und DDR nach offiziellen Angaben in Mio. DM
Bundesrepublik Bruttosozialprodukt (BSP) Verteidigungsausgaben
Jahr 1950 1951 1952 1953 DDR Jahr 1950 1951 1952 1953
89 765 113 596 126 002 133 666
Nationaleinkommen 30 662 36 513 39 745 41521
4 646 7 916 7 896 7 391
Militärausgaben* 2 690 2 745 3 319 3 400
% des BSP
5,2 7
6,3 5,6 Anteil
an
Einnahmen in %
8,8 7,5 8,4 8,2
Militärausgaben umfassen hier Besatzungskosten und Aufwendungen für eigene militärische Organe. Vgl. zu den Angaben: Statistisches Jahrbuch der Bundesrepublik Deutschland 1954, S. 519; Regling, Militärausgaben, S. 227; Statistisches Jahrbuch der Deutschen Demokratischen Republik 1955, S. 93; *
BArch P, E-l 165
(VS) 317 sowie E-l (VS) 31505, Bl. 60 a.
Vgl. Analyse zur Entwicklung des Volkseinkommens 1950-1954 (in Effektivpreisen des jeweiligen Jahres), 18.3.1954, ebd., E-l (VS) 31505, Bl. 60 b.
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Die Militärausgaben der DDR für ihre eigenen militärischen Formationen sind 1953 im Unterschied zum materiellen »Sonderverbrauch« mit 1 299,9 Mio. DM ausgewiesen166. Eine andere Abrechnung, die neben allen Investitionen auch eine Rubrik Grenze mit über 11 Mio. DM enthält, belegt Ausgaben des militärischen Bereichs von 1 418,8 Mio. DM167. Der Plan der Ausgaben aus der Hochzeit der Aufrüstungsbestrebungen in der DDR weist für 1953 allein für die KVP 2 083,3 Mio (tatsächlich 912,0 Mio.) für die VP-See 362,1 Mio. DM (tatsächlich 265,7 Mio) und für die VP-Luft 225,4 Mio. DM (tatsächlich 20,1 Mio.) aus. An gesamten Militärausgaben (incl. Aufwendungen für das Büro für Wirtschaftsfragen, das Ministerium des Innern und den Seehydrographischen Dienst) waren 2 749,3 Mio. DM, davon allein 1 207,3 Mio. Investitionen veranschlagt168. Diese Zahlen beinhalten all jene kühnen Vorstellungen vom Aufbau einer Rüstungsindustrie und einer 300 000-Mann-Streitmacht. Der Versuch, dieses gigantische Militärinstrument zu schaffen, scheiterte vor allem an den ökonomischen Voraussetzungen in der DDR. Seit Ende 1952/Anfang 1953 befand sich die DDR-Wirtschaft in einer tiefen Krise, die in wesentlichem Maße aus unmäßigen sowjetischen Forderungen und der 1952 eingeleiteten Militarisierung herrührten, wenngleich diese Ursachen nicht allein für die Krise verantwortlich zu machen sind. Ein Bericht des Büros des Politbüros vom Frühjahr 1953 an die SKK169 macht die wirtschaftliche Gesamtmisere deutlich. Hier werden die zu lösenden Aufgaben nach ihrer
Rangfolge aufgelistet:
1. Die Reparationsverpflichtungen voll und pünktlich zu erfüllen; 2. Realisierung des Staatsvertrages; 3. Realisierung der Gewinne und sonstiger Leistungen der SAG (Konto T); 4. Exportverpflichtungen pünktlich exakt einzuhalten, Rückstände aufzuholen; 5. Produktion der Verteidigungsmittel 1953 auf breiter Basis vorzubereiten und den Aufbau der nationalen bewaffneten Streitkräfte voll zu sichern; 6. die Staatsreserven an wichtigen Rohstoffen, Materialien, Industrieerzeugnissen und Lebensmitteln entscheidend zu verstärken; 7. Rückstände in der Produktion von Rohstoffen und Produktionsinstrumenten sowie bei der Erweiterung des notwendigen Kapitals aufzuholen, um die Durchführung der vorgenommenen Hauptaufgaben zu garantieren und die Gesamterfüllung des Fünf-
jahrplanes zu sichern;
166
167
Vgl. Finanzplan der KVP für das Jahr
1954 im Vergleich zu den Ausgaben 1953, 1.10.1954, BA MZAP, Pt 2074, Bl. 2. (Das Dokument ist mit 1954 datiert, es liegt jedoch die Vermutung nahe, daß es aus dem Jahrl953 stammt.) Die Unterschiedlichkeit der Zahlen macht deutlich, daß die vorliegenden Archivquellen stark differierende Bezugsgrößen verwenden, die im einzelnen nicht immer nachvollziehbar sind. Die Angaben zum Sonderverbrauch gehen offensichtlich von den Waren- und Materialplänen aller »Sonder-
einrichtungen« aus und enthalten scheinbar auch alle verschleierten Ausgaben. Die KVPAbrechnung hingegen bezieht sich auf das Budget des Militärapparates und faßt die hier getätigten personellen und sachlichen Aufwendungen. Vgl. Haushaltsabrechnung, 31.12.1953, ebd., Pt4024,
Bl. 1. 168
,m
Vgl. Grobplanung des Mdl für das Jahr 1953, 5.9.1952, ebd., Pt 4032, Bl. 2. Vgl. Bericht des Büros des Politbüros der SED »Die Entwicklung der Parteiarbeit seit der 2. Partei-
konferenz«, o.D., ZPA, IV 2/201/1, Bl. 1-85.
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Befriedigung der hohen Kaufkraft der Bevölkerung genügend entsprechenden Qualität zur Verfügung zu stellen.
8. für die
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Waren in der
Allein in dieser Auflistung wird deutlich, wie dominant in der SED-Politik sowjetische Interessen und Aufgabenstellungen waren. Die erstgenannten vier Positionen beinhalteten jene, über die ein wesentlicher Teil des Bruttoprodukts der DDR-Wirtschaft das Land verließ. Diese Warenabwanderung mußte im Jahre 1953 mit seinen krisenhaften Mangelerscheinungen in allen Wirtschaftsbereichen um so nachhaltiger wirken. Die DDR-Führung versprach jedoch die Erfüllung der UdSSR-Forderungen. Allein bei den SAG-Gewinnen bat man darum, das Jahresvolumen auf 100 Mio. Rubel zu begrenzen. Es folgten in der Aufgabenerfassung zwei wesentliche Positionen der Aufrüstungssicherstellung, danach die Akkumulationsrealisierung der Wirtschaft und erst am Schluß erschienen die Bedürfnisse der Bevölkerung. Es war den Regierenden klar, daß das gesamte Programm durch die krankende Wirtschaft nicht realisiert werden konnte. So kam man denn auch zu dem Schluß: »In der gegenwärtigen ökonomischen Lage der Deutschen Demokratischen Republik kann die gleichzeitige Lösung dieser Probleme im vorgesehenen Umfang nicht gesichert werden. Die Einführung eines strengen Programms der Sparsamkeit und die Verbesserung der Wirtschaftsführung werden die Lage erleichtem, aber keinesfalls die Erfüllung der Hauptaufgaben garantieren können170.« Als Maßnahmen zur Lösung der Probleme wurden die Erweiterung der Energiekapazitäten, die verstärkte Durchsetzung des Zentralismus und das Sparsamkeitsprinzip genannt. Weiterhin wollte man »weg vom kapitalistischen Prinzip der Industrie-Normen« und hin zum sowjetischen Prinzip. Die Möglichkeit der Steigerung des Lebensstandards der Bevölkerung sahen die Verfasser in der stärkeren Einschränkung der Lebenshaltung der »kapitalistischen Elemente«. Dennoch wurde dieser Maßnahmenkatalog nicht als Allheilmittel erkannt. Nicht gelöst werden könnten vor allem Aufgaben, die den Aufbau der nationalen bewaffneten Streitkräfte und ihre Versorgung mit Material und Ausrüstung sicherstellen sollten. »Im Plan für das Jahr 1953 sind nicht die Voraussetzungen enthalten, die notwendig sind, um die Produktion für die Verteidigung im Jahr 1954 durchführen zu können171.« Als Aufgaben, die nicht wirtschaftlich geplant worden seien, werden die Luftfahrindustrie, strategische Maßnahmen auf dem Gebiet des Verkehrswesens, ungedeckte Forderungen für den Aufbau der Verteidigung genannt. In unmittelbarem Zusammenhang damit standen die erhöhten Forderungen der UdSSR an SAG- und Uranlieferungen sowie die Außenhandelsrückstände der DDR, die für die sozialistischen Länder mit 549 Mio. Rubel, für die UdSSR mit 382 Mio. Rubel angegeben werden. Die Ausrüstung der bewaffneten Streitkräfte erfordere aber Rohstoffe und Materialien, die zum Teil gar nicht oder bei weitem nicht in der erforderlichen Menge in der DDR vorhanden seien. Weiter heißt es:
17,1 171
Ebd., Bl. 29. Ebd., Bl. 36.
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»Hinzu kommt, daß im Jahr 1952 zusätzlich Aufgaben gestellt wurden, wie der Aufbau nationaler Streitkräfte, die in der zweiten Hälfte des Jahres nicht unwesentliche Mengen an Stahl und sonstigen wichtigen Materialien verbraucht haben172.« Außerdem hatte die UdSSR ihre Importwünsche in einem Volumen von 275 Mio. Rubel vor allem auf schwere Ausrüstungen und wichtige Chemikalien verlegt, was die Probleme der DDR-Wirtschaft weiter vergrößerte. Ungedeckt seien die Luftfahrtindustrie mit 150 Mio., strategische Maßnahmen des Verkehrswesens mit 120 Mio.sowie zu-
sätzliche Importe mit circa 100 Mio., zusätzliche Lieferungen an die UdSSR mit 350 Mio. und Außenhandelsrückstände mit 340 Mio. DM. Damit waren 1,1 Mrd. DM Staatsausgaben im Frühjahr nicht gedeckt. Sie sollten nunmehr durch Sparmaßnahmen, Normerhöhungen und zuungunsten des Lebensstandards der Bevölkerung aufgebracht werden. Letztlich mußten auch die eingeleiteten Maßnahmen zur Militarisierung in der DDR zurückgeschraubt werden. Die nach großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten erfolgte Planreduzierung vom 8. April 1953 sah insgesamt nur noch Kosten für die direkten Verteidigungsausgaben von 1 824,1 Mio. DM vor173. Mit Verkündung des »Neuen Kurses« korrigierte die Staatsführung den Plan für die KVP erneut. Er sah nun Finanzmittel für Bewaffnung und Ausrüstung in Höhe von 128,3 Mio, ein Bauvolumen von 134,6 Mio. und nichtmaterialgebundene Ausgaben von 732,7 Mio. DM vor. Das entsprach Gesamtausgaben in Höhe von 995,6 Mio. DM. Die tatsächlichen Ausgaben für die Landstreitkräfte lagen durch Einsparungen bei den Betriebskosten von über 22 Mio. DM nur noch bei 98 Prozent dieses Plansolls174. Es handelt sich hierbei jedoch ausschließlich um die direkten Ausgaben aus dem Fonds für die Militäreinheiten, die tatsächlichen Ausgaben mögen deutlich über dieser Summe gelegen haben. Letztlich stellte das MdF 1953 dem Ministerium des Innern finanzielle Mittel in Höhe von 2 544,8 Mio. DM zur Verfügung. Diese Summe umfaßte nunmehr auch die Kosten der innenministeriellen Verwaltungsebene, der Deutschen Volkspolizei, des Betriebsschutzes, der Feuerwehr, des Strafvollzugs u.a.m. Das Innenministerium verbrauchte 2 383,1 Mio. DM. Das waren 7 Prozent der gesamten Staatshaushaltsausgaben der DDR zur Verwendung für die bewaffneten und nichtbewaffneten inneren Organe und das Militär175. Im Zusammenhang mit den gewaltigen Vorabplanungen der Staats- und Wirtschaftsführung, deren Finanzierung offensichtlich nicht allein aus wirtschaftlichen Reserven bzw. Kürzungen in anderen Bereichen kommen konnte, deuten interne Aussagen von »DDR-Flüchtlingen« auf Finanzierungen durch Emissionen der Deutschen Notenbank hin176. Eine inflationäre Deckung der Rüstungsausgaben durch die Deutsche Notenbank ist anhand der Archivablagen der DDR-Emissionsbank bis 1953 nicht unmittelbar nach172
Ebd., Bl. 52.
173
Vgl. Gesamthaushaltsplan des Mdl 1953, 8.4.1953, BA MZAP, Pt 4033, Bl. 1. Vgl. Analyse zur Erfüllung des Finanzplans 1953, ebd., Pt 4035, Bl. 1 f. Vgl. Abschlußrechnung des Haushaltsjahres 1953 des Mdl an das MdF, o.D., ebd., Pt 2074, Bl. 14. Vgl. Bericht über die Finanzierung der KVP, Anfang Juni 1953, Archiv des deutschen Liberalis-
174 175 176
mus,
Gummersbach, Ostbüro 2925.
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weisbar. Die Geldemissionen liefen nach Überhängen bis 1950 durch die Währungsreform unter Kontrolle der Deutschen Notenbank relativ planmäßig. Die Deutsche Notenbank war angewiesen, ständig Untersuchungen über den Geldumlauf, die Umschlagszahl und die vorhandene Warendecke anzustellen. Die erzielten Ergebnisse dieser Recherchen können in der damaligen Wirtschaftssituation als durchaus normal angesehen werden177. Der Geldumlauf erhöhte sich in der DDR von 1949 mit 3 680 Mio. über 1952 mit 3 730 Mio. auf 3 855 Mio. DM 1953. Die Umschlaggeschwindigkeit stieg im gleichen Zeitraum von 4,4 auf 8,7. Ende 1953 lag die Geldmenge mit 200 Mio. DM über der Planmarke und kletterte im Januar 1954 auf 4 000 Mio. DM, was Rückschlüsse auf die Finanzierung des »Neuen Kurses« zuläßt178. Es bleibt festzuhalten, daß die DDR-Führung auch später die Geldmenge aus politischen Erwägungen (z. B. für Lohnerhöhungen oder Preissenkungen) erhöhte, ohne die gesamtwirtschaftliche Entwicklung zu beachten. Das Abrechnungssystem von Aufrüstungsmaßnahmen innerhalb der DDR-Wirtschaft insgesamt, darauf ist bereits hingewiesen worden, bedarf einer eigenständigen tiefgründigeren Untersuchung. Sie allein wird mehr als einen oberflächlichen Überblick über die Rückwirkungen der einzelnen Aufrüstungsphasen auf die Wirtschaft in der SBZ/DDR geben können, zumal dies nur im Zusammenhang mit der Analyse der allgemeinen ökonomischen Entwicklung dieses Staates erfolgen kann. Hier existieren bislang nur Eigendarstellungen der DDR, welche aufgrund von SED-geforderten Verschleierungen und Schönfärbereien bestenfalls bedingt genutzt werden können. Ein weiteres Problem, welches bislang immer die Aufarbeitung von Rüstungskosten in diesem Jahrhundert behinderte und weiter behindern wird, ist die Trennung von Ausgaben, die sowohl im Sinne militärischer Nutzung als auch für den zivilen Gebrauch bestimmt sind. Ein solches Projekt findet man im Jahr 1952 mit der schönen Tarnbezeichnung »Spinne«. Dahinter verbirgt sich nichts weiter als die Oberleitungsvernetzung vorerst der größten DDR-Städte und der Hauptstandorte der KVP. Notwendig für die zivile Entwicklung war diese Drahtvernetzung in der DDR allemal. Daß sie 1952 als ein Großprojekt bevorzugt in den Investplan aufgenommen wurde, verdankt sie jedoch den Aufrüstungsmaßnahmen. Ähnliche Aussagen könnten zum Ausbau des Straßen- und Wasserstraßennetzes, zur Entwicklung des kartographischen Dienstes (in der DDR an das Mdl angebunden) und zu so manchem anderen Bereich gemacht werden. Genannt sei hier noch der Bau von Wohneinheiten für die Arbeiter in den neuen Rüstungsstandorten der DDR. Derartige Projekte besaßen sowohl eine militärische als auch eine zivilwirtschaftliche Komponente. Beide sind nicht voneinander zu trennen. Nicht selten beförderten in solchen Bereichen militärische Überlegungen die zivile oder allgemeinwirtschaftliche Nutzung zum Vorteil von Bevölkerung und Wirtschaft. Man denke nur an den Straßenbau. Wohl ist eine allgemeine Einschätzung, wie hier vorgenommen, durchaus möglich, legitim und aussagekräftig, wenn man sich vor Augen führt, daß viele Zahlen nur in »verschleierter Form«, d.h. mit fehlerhaften Komponenten angeführt sind oder aber völ177
178
Vgl. Analyse zur Bargeldentwicklung in der SB27DDR, BArch P, N-6/15, sowie Analyse der Deutschen Notenbank über den Geldumlauf in der DDR, Anfang 1954, ebd., N-6/4326. Vgl. ebd., N-6/4326.
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lig aus dem Kalkül fallen müssen. So manche Aussage wird ihren Wert erst in einem Längsschnitt über einen breiteren Zeitraum von materieller Sicherstellung und Rüstungsproduktion in der DDR gewinnen. Das trifft insbesondere auf den Auf- und Ausbau einer Rüstungsindustrie zu, der im Betrachtungszeitraum erst begann und seine Probleme und Nachteile, aber auch seine Möglichkeiten vor allem in der zweiten Hälfte der fünfziger Jahre offenbarte. Nachweislich bleibt, daß die Militarisierung 1952/53 mitentscheidend zu krisenhaften Erscheinungen in der DDR führte. Sie trug maßgeblich dazu bei, daß die ohnehin schon nicht ausreichenden Investmittel zu großen Teilen in den unproduktiven militärischen Bereich flössen, die Disproportionen in der Wirtschaft durch den Export hochwertiger Maschinenbaugüter als Bezahlung für die sowjetische Kriegstechnik nicht behoben, ja weiter verschärft wurden. Allerdings zeigt die gesamte Wirtschaftsentwicklung mit ihren staatlich regulierenden Eingriffen bereits deutlich, daß die Ursachen der Krise nicht auf eine fehlerhafte Politik der SED 1952/53 bzw. allein auf den Aufrüstungsprozeß zurückgeführt werden können. Es wird vielmehr deutlich, daß ein Komplex von Ursachen für frühzeitige Fehlentwicklungen in der SBZ/DDR bis in die Krise 1952/53 hinein verantwortlich war. Das beginnt mit den überkommenen wirtschaftlichen Disproportionen, Kriegsbeschädigungen und tiefgreifenden Kriegsfolgebelastungen, führt über wirtschaftliche Aufgabenstellungen der SED, die politischen Interessen und nicht ökonomischen Erwägungen folgten, bis hin zu fehlerhaften Entscheidungen der Staatspartei im Rahmen des politischen Kurses der 2. Parteikonferenz. Letztendlich erwies sich, daß die kurzzeitigen Vorteile der zentralistischen Kommandowirtschaft relativ rasch in Disproportionen und Fehlentwicklungen umschlugen, die sich schwer wieder beseitigen ließen. Die Maßnahmen, die die SED mit dem »Neuen Kurs« zur Beruhigung der Bevölkerung und zur Verbesserung der Lage einleitete, waren Kredite auf die Zukunft, Anleihen auf Importe oder beschränkte Entwicklung einzelner Zweige, die bis zum Ende der Volkwirtschaft der DDR 1989 mehr und mehr von der Ausnahme zur Regel der Mangelwirtschaft wurden179. Im Bereich der militärischen Aufrüstung leitete die SED-Führung nach der Arbeitererhebung im Juni 1953 qualitative Veränderungen ein. KVP, VP-See und VP-Luft wurden in ihrer Sollstärke weit unter den bisherigen Plänen festgeschrieben (KVP 79 276,
VP-See 7 727 und VP-Luft 5 997 Mann) und bei der KVP 22 669, bei der VP-See 1 988 Mann ausgemustert180. Das Gesamtbudget der Ausgaben für das Militär wurde auf 1,3 Mrd. DM begrenzt181. Im Gefolge der Arbeitererhebung von 1953 war die militärische Führung und mit ihr die SED-Spitze jetzt nicht mehr um eine Vergrößerung des Apparats bemüht, sondern 179
180
181
Die Staatshaushaltsbilanz der DDR schloß Ende 1953 mit einer Verschuldung von 1 100 Mio. DM. Diese Zahl besagt jedoch noch nichts über die internen Probleme der DDR-Volkswirtschaft. Diese Schuldsalden entstanden einzig durch Kredite, nichtbezahlte Sonderimporte und Außenhandelsrückstände. Die Verschuldung des Staates gegenüber der Bevölkerung wurde nicht ausgewiesen, das Drängen der Staatsorgane zur Intensivierung des Sparverhaltens der Bevölkerung weist aber auf das besondere staatliche Interesse hin und läßt eine hohe innere Verschuldung vermuten. Vgl. ZPA, NL 97/8. Vgl. Maßnahmen zu Veränderungen innerhalb der KVP, o.D. (Sommer 1953), BA MZAP, Pt 2073, Bl. 74 f. Vgl. ebd., Bl. 78.
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die Hebung des Niveaus der Ausbildung und die weitere Indoktrination des Personalbestandes durch intensive politische Schulung und Verbesserung des sozialen Umfeldes. Kurzum, es ging der SED-Führung nicht um eine quantitative, sondern eine qualitative Ausgestaltung ihrer Streitmacht. Somit veränderte sich das Personalaufkommen für alle drei Teilstreitkräfte bis 1955 nur unerheblich. Am 15. Dezember 1953 erging durch das Politbüro der Beschluß »Über die Lage in der Kasernierten Volkspolizei«182. Darin hieß es: »Gegenwärtig, da die hauptsächliche organisatorische Arbeit zur Bildung von Formatioum
nen
der KVP
abgeschlossen ist,
gut auszubilden, sie
zu
besteht unsere Hauptaufgabe darin, diese Formationen erziehen, sie gut diszipliniert und vollkommen kampffähig zu
machen183.« Das bedeutete die Verbesserung der Versorgung und Soldzuschläge für Längerdienende zwischen 8 und 15 Prozent. Außerdem sollte das Zusatzbauprogramm bis hin zur wirtschaftlichen und sozialen Erschließung der Militärstandorte im Nordosten der DDR aus dem Jahr 1953 weiterhin verwirklicht werden. Hier entstanden nunmehr Wohnungen, Ambulatorien, Krankenhäuser, Kaufhäuser, Brot- und Fleischfabriken, Schulen und Kindergärten u.a.m. Der Maßnahmenkatalog, in den nahezu alle Industrieministerien einbezogen waren, reichte von der industriellen über die verkehrstechnische bis hin zur sozial/kulturellen Erschließung der Regionen militärischer Standorte. Der Politbürobeschluß verdeutlicht, daß der gesamte nordöstliche Raum der DDR nunmehr vom Aufbau des Militärwesens profitierte. Hier vereinten sich militärische und wirtschaftliche Interessen schwer sezierbar in einem Programm, das in den Folgejahren prägend für eine ganze Region werden sollte. Gleiche Entwicklungstendenzen sind für die Rüstungsindustrie zu beobachten. Es gab keinen Zweifel der Herrschenden in der DDR daran, daß das Militär eine tragende Säule der Staatsmacht war. Den Beweis hierfür hatte die KVP mit ihrem Eingreifen im Juni 1953 erbracht184. Demzufolge bemühte man sich darum, bestehende Versorgungsstrukturen zu erhalten und auszubauen, wenngleich die Dimensionen stark verringert wurden. Das gilt vor allem für die Flugzeugindustrie, aber auch für Handfeuerwaffenund Munitionsfertigung. Verschiedene Projekte legte man kurzzeitig auf Eis. So wurde das Spreewerk Lübben an die sowjetischen Streitkräfte in Deutschland übergeben, die Peenewerft in das Ministerium für Maschinenbau rücküberführt185. Die nachbewilligten außerplanmäßigen Investitionen vor allem im Bauwesen zeigen, daß Kasernenbau und andere notwendig erscheinende Maßnahmen im Militärwesen weitergeführt wurden186. Abschließend sei erwähnt, daß die staatliche und militärische Führung in der DDR aus den Fehlern der Aufrüstung 1952/53 Lehren zog. Als 1955/56 die zweite Periode der forcierten militärischen Aufrüstung im Rahmen der Bildung von Warschauer Pakt und NVA in Angriff genommen wurde, zeigte sich dieser Lernprozeß in Vorbereitung 182
183 184 185 186
Vgl. Protokoll der 83. Sitzung des Politbüros, 15.12.1953, ZPA, IIV
2/2/337.
Ebd.
Vgl. Diedrich, Der 17. Juni 1953, S. 158ff Vgl. Bericht über die Betriebsdaten von Werften, BA MZAP, AfT 0003, Bl. 42. Vgl. Haushaltsabrechnung des Mdl für das Haushaltsjahr 1953 an das MdF, Mai 1954, N-l 340/4604
(alt), Bl. 542.
BArch P,
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Durchführung der Aufgaben. Den Komplex wirtschaftlicher Vorbereitung gestaltete Ende 1954 beginnend, wesentlich vielschichtiger, die Maßnahmen zur Bildung der NVA und deren Ausrüstung trugen 1956 den Charakter eines planmäßig gestalteten Prozesses. Gleichzeitig bemühte sich die SED-Führung, als Begleiterscheinung für die und
man,
offensichtliche soziale Verbesserungen durchzuführen. Seit dem 17. Juni 1953 sahen die Regierenden Sozialmaßnahmen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen oder politischen Veränderungen als ein wesentliches Mittel innerer Stabilität und Sicherheit an.
Bevölkerung
Abkürzungsverzeichnis AdSD AfT AHR Antifa
Archiv der Sozialen Demokratie Amt für Technik American Historical Review Antifaschismus, antifaschistische
BA MZAP
Bundesarchiv, Militärisches Zwischenarchiv Potsdam Bundesarchiv, Abteilungen Potsdam
Bewegung
BArch P BDO BfW BzG
Bund Deutscher Offiziere Büro für Wirtschaftsfragen Beiträge zur Geschichte der Arbeiterbewegung
CAMO RF
Central'nyj
CDU CIA
archiv Ministerstva oborony Rossijskoj Federacii (Zentrales Archiv des Ministeriums für Verteidigung der Russischen Föderation) Christlich Demokratische Union Central Intelligence Agency
DA DBD DBPO DD DDP DDR DFD DGP DH
Deutschland-Archiv Demokratische Bauernpartei Deutschlands Documents on British Policy Overseas Dienst für Deutschland Dokumente zur Deutschlandpolitik Deutsche Demokratische Republik Demokratischer Frauenbund Deutschlands Deutsche Grenzpolizei
DHZ
Deutsche Handelszentrale Documents on Polish-Soviet Relations Deutsches Rotes Kreuz Deutsche Verwaltung des Innern Deutsche Volkspolizei Deutsche Wirtschaftskommission
DPSR DRK DVdl DVP DWK EA EMW EP ETW EVG
Diplomatie History
Europa-Archiv Elektro-Motoren-Werk
Einzelplan Ernst-Thälmann-Werk
Europäische Verteidigungsgemeinschaft
338
Abkürzungen
FDGB FDJ FRUS
Freier Deutscher Gewerkschaftsbund Freie Deutsche Jugend
GARF
Gosudarstvennyj
Foreign Relations of the United States schen
Archiv
Föderation)
Rossijskoj
Federacii
(Staatsarchiv der Russi-
GP/B GSBD GST GULAG
Grenzpolizei/Bereitschaften Gruppe der sowjetischen Besatzungstruppen in Deutschland Gesellschaft für Sport und Technik Glavnoe Upravlenie Lagerej (Hauptverwaltung für Lager)
HA HV HVA HVDD HVDVP HVL HVS HZ
Hauptabteilung Hauptverwaltung Hauptverwaltung Ausbildung Hauptverwaltung Dienst für Deutschland Hauptverwaltung Deutsche Volkspolizei Hauptverwaltung Luftpolizei Hauptverwaltung Seepolizei
I IGA
Inneres Archiv Institut für die Geschichte der Arbeiterbewegung
JCH JMH
Journal of Contemporary History Journal of Modern History
K
Kommissariat Keesing's Archiv der Gegenwart Kommunistisches Informationsbüro Kommunistische Internationale Kommunistische Partei Deutschlands Kommunistische Partei der Sowjetunion Kommunistische Partei Rußlands (Bolschewiki) Küstenschutzboot Kasernierte Volkspolizei
KAG Kominform Komintern KPD KPdSU KPR
(B)
KS-Boot KVP
Historische Zeitschrift
LDP, LDPD Liberal-Demokratische Partei Deutschlands MdF Mdl MfS MGM MLR-Boot
Ministerium der Finanzen Ministerium des Innern Ministerium für Staatssicherheit
MVD
Ministerstvo vnutrennich del (Ministerium für Innere
Militärgeschichtliche Mitteilungen Minenleg- und Räumboot
Angelegenheiten)
339
Abkürzungen
NATO ND NDPD NKFD NKVD
North Atlantic Treaty Neues Deutschland
Organisation
National-Demokratische Partei Deutschlands Nationalkomitee »Freies Deutschland« Narodnyj komissariat vnutrennich del (Volkskommissariat für Innere An-
gelegenheiten) NL NS NSC
NSDAP NVA
Nachlaß Nationalsozialismus National Security Council Nationalsozialistische Deutsche Nationale Volksarmee
Arbeiterpartei
Osoaviachim Obscestvo sodejstvia aviacii i chimii Luftfahrt und Chemie)
(Gesellschaft
zur
Förderung der
PK Pt PV
Polit-Kultur
RAD RAW RGW RIAS
Reichsarbeitsdienst
SA SAG SBZ SED SKK SMA SMAD SPD SPK SS SU
Sturmabteilung Sowjetische Aktiengesellschaft Sowjetische Besatzungszone Sozialistische Einheitspartei Deutschlands Sowjetische Kontrollkommission Sowjetische Militäradministration Sowjetische Militäradministration in Deutschland
TASS
Telegrafnoe agentstvo Sovetskogo Sojuza (Sowjetische Nachrichtenagen-
TDM TV
Tausend DDR-Mark Territoriale Verwaltung
UdSSR UN UNO
Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken United Nations United Nations Organization
Polizeitruppen Parteivorstand
Reichsbahnausbesserungswerk Rat für Gegenseitige Wirtschaftshilfe
Rundfunk im Amerikanischen Sektor
Sozialdemokratische Partei Deutschlands Staatliche Plankommission Schutzstaffel
Sowjetunion tur)
340
Abkürzungen
USA
United States of America
VEB
Volkseigener Betrieb Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte Volkspolizei Volkspolizei-Dienststelle Vereinigung Volkseigener Betriebe
VjZG VP VPD VVB VWR z.b.V. ZfG ZK ZPA ZS ZV ZVO
Volkswirtschaftsrat
zur besonderen Verwendung Zeitschrift für Geschichtswissenschaft Zentralkomitee Zentrales Parteiarchiv Zentralsekretariat Zentralvorstand Zentrale Verwaltungen und Organisationen
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Personenregister
Ackermann, Anton (1905-1973), Mitglied des
ZK der KPD seit 1935 Leiter einer Politschule bei den Internationalen Brigaden im Spanischen Bürgerkrieg 1936/37, Mitglied des PV bzw. des ZK der SED 1946-1953, Staatssekretär im Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der DDR 1949-1953, Ausschluß aus dem ZK 1954, rehabilitiert 1956 56 Adam, Wilhelm (1893-1978), Oberst (Wehrmacht), Mitglied des BDO seit 1944, Vorstandsmitglied der NDPD 1949-1978, Kommandeur der Hochschule für Offiziere der KVP seit 1953, Generalmajor der NVA 256 Adenauer, Konrad (1876-1967), Bundeskanzler 1949-1963 76,200 Anders, Wladislaw (1892-1970), polnischer General und Exilpolitiker 51
Brandt, Arthur (1887-1967), Generalmajor
(Wehrmacht), Chefinspekteur der VP und
,
Baruch, Bernard M. (1870-1965), Ständiger
Vertreter der USA im AtomenergieAusschuß der UNO seit 1946 58 Bechler, Bernhard (geb. 1911), Major (Wehrmacht), Mitglied der KPD 1945, Innenminister von Brandenburg 1945-1949, Stabschef der HVA 1950-1952, stellvertretender Chef des Hauptstabes der KVP bzw. NVA 1952-1957 131,270 Berija, Lavrentij (1899-1953), Volkskommissar für Innere Angelegenheiten (NKVD) 1938-1946, Mitglied des Politbüros der KPdSU und stellvertretender Ministerpräsident 1946-1953, hingerichtet 1953 42, 107, 122, 129 Bialek, Robert (1915-1965), Mitbegründer der FDJ 1946, Leiter der HA Polit-Kultur der DVdl 1948/49, Flucht nach Westberlin 1953 167,220
Bokov, Fëdor(geb. 1903), sowjetischer General, Mitglied des Militärrats der
GSBTD und der SMAD 1945/46 104
Leiter der HA Intendantur der DVdl 1948/49, danach Pensionierung 225, 236 f. Bulganin, Nikolaj (1895-1975), Marschall der Sowjetunion, Minister für Streitkräfte bzw. für Verteidigung 1947-1949 und 1952-1955, Vorsitzender des Ministerrats 1955-1958 107 Byrnes, James F. (1879-1972), USAußenminister 1945-1947 53,58
Churchill, Sir Winston Leonard Spencer (1874—1965), britischer Premierminister 1940-1945 und 1951-1955, Oppositionsführer 1945-1951 32, 34 f., 37, 41 f., 47, 52,97, 127 Cicerin, Georgij (1872-1936), zaristischer ^
Diplomat, Volkskommissar für Äußere Angelegenheiten 1918-1930 28 Clay, Lucius D. (1897-1978), US-General, Militärgouverneur in Deutschland und
Oberbefehlshaber der US-Streitkräfte in Europa 1947-1949 54, 66, 69 Clausewitz, Carl von (1780-1831), preußischer General und Militärtheoretiker 57 Cujkov, Vasilij (1900-1982), Marschall der Sowjetunion, Chef der SMA Thüringen 1945/46, Oberster Chef der SMAD bzw. Vorsitzender der SKK und Oberkommandierender der GSBTD 1948-1953 75, 136,
197,261,288,315
Dahlem, Franz (1892-1981), Leiter der Politischen Kommission der Internationalen Brigaden im Spanischen Bürgerkrieg 1937/38, Mitglied des PV bzw. des ZK der SED 1946-1953, Parteiausschluß 1953, rehabilitiert 1957 68 Dieckmann, Johannes (1893-1969), Generalsekretär der DVP 1919-1933, Mitbegründer der LDPD in Sachsen 1945,
354
Personenreister
Minister für Justiz des Landes Sachsen 1948-1950, stellvertretender Vorsitzender der LDP und Präsident der Volkskammer der DDR 1949-1969 192 Delling, Rudolf (1902-1975), Mitglied der KFC seit 1923, Mitarbeiter des PV der SED 1946-1949, stellvertretender Chef und Leiter des Polit-Kulturapparates und Generalmajor der HVA bzw. KVP 1949-1955 240 Dönitz, Karl (1891-1980), Großadmiral, Nachfolger Hitlers als Staatsoberhaupt und Oberster Befehlshaber der Wehrmacht 1945 31,45 Dulles, John Foster (1888-1959), USDelegierter bei der UNO 1946-1950, USAußenminister 1953-1959 25 Dzerzinskij, Feliks (1877-1926), Vorsitzender der russischen bzw. sowjetischen Geheimpolizei (Tscheka) seit 1917 122
Eden, Sir Anthony, Earl of Avon (1897-1977), britischer Außenminister 1935-1938, 1940-1945 und 1951-1955, Premierminister 1955-1957 32 f., 36, 38 Eisenhower, Dwight D. (1890-1969), USGeneral, Oberbefehlshaber der NATO (SACEUR) 1950-1952, US-Präsident 1953-1961 25,87
Engels, Friedrich (1820-1895), sozialistischer Theoretiker 223, 276
Fechner, Max (1892-1973), Mitglied der SPD seit 1912, einer der drei SPD-Vorsitzenden in der SBZ 1945/46, Mitglied des PV bzw. des ZK der SED 1946-1953, Minister für Justiz der DDR 1949-1953 146, 157 Fischer, Kurt (1900-1950), Mitglied der KPD seit 1919, Emigration und politischmilitärische
Tätigkeit in der UdSSR
1924—1945, Innenminister des Landes Sachsen 1945-1948, Präsident der DVdl und Chef der Volkspolizei 1948-1950 17, 68, 131, 134, 165 f., 169, 171 f., 175-178, 216 f., 219 f., 223, 225, 228 f., 231, 233-236,239,241 Fischer, Richard (geb. 1906), Mitglied der KPD seit 1930, leitende
Tätigkeit in der Kriminalpolizei 1945-1950, Abteilungslei-
ter im Mdl
1950-1954, Konteradmiral der
KVP 266 Freytag, Walter
(1892-1982), Generalmajor (Wehrmacht), Kommandeur der VPBereitschaft Kochstedt 1950/51, Komman-
deur der Offiziershochschule der KVP seit 1953, Generalmajor der NVA 226,266
Gaulle, Charles de (1890-1970), französischer General, Ministerpräsident 1945-1946,
Staatspräsident
1958-1969 50
Gniffke, Erich W. (1895-1964), Mitglied der SPD seit 1913, einer der drei SPDVorsitzenden in der SBZ 1945/46, Mitglied des PV der SED 1946-1948, Flucht nach Westdeutschland 1948 64, 133 Göhringer, Emmanuel (geb. 1917), Oberst und Chef der Verwaltung der KVP 270
Organisation/Planung
Gorochov, S., sowjetischer General, Chef der
Verwaltung Kommandanturdienst der
SMAD 1945-1948, dann Chef der Verwaltung für Innere Angelegenheiten der SMAD 288 Grotewohl, Otto (1894-1964), Mitglied der SPD seit 1912, einer der drei SPDVorsitzenden in der SBZ 1945/46, SEDVorsitzender (gemeinsam mit Pieck) 1946-1954, Ministerpräsident der DDR 1949-1964 67 f., 82, 86, 146, 161, 189, 315 Guderian, Heinz (1888-1954), Generaloberst (Wehrmacht), Chef des Generalstabes des Heeres 1944-1945 80
Gusev, Fedor(geb. 1905), sowjetischer
Diplomat, Botschafter in London 1943-1946 38,45
Halder, Franz (1884-1972), Generaloberst (Wehrmacht), Chef des Generalstabes des Heeres 1938-1942 80
Harriman, W. Averell (1891-1986), US-
Diplomat, Botschafter in Moskau
1943-1946 35,41,51 Heitsch, Heinrich (1916-1986), Oberstleutnant (Wehrmacht), Stabschef der HVA 1949/50, Leiter der HA Intendantur der HVA bzw. KVP 1951-1953, Generalleutnant der NVA 240,314 Hinde, Sir William Robert Norris (geb. 1900), britischer General, stellvertretender Militärgouverneur in Deutschland 1945-1948, Chef der Militärverwaltung der Britischen Besatzungszone 1949-1951 102 Hitler, Adolf (1889-1945), Führerund Reichskanzler 1933-1945 18, 24, 29-32, 36 f., 40 f., 207 Hoffmann, Heinz (1910-1985), Mitglied der KPD seit 1930, Bataillonskommandeur im
Spanischen Bürgerkrieg 1937-1939,
355
Personenregister Mitarbeiter im ZK der KPD bzw. im PV der SED 1946, Vizepräsident der DVdl und Leiter der HA Polit-Kultur 1949/50, stellvertretender Innenminister und Leiter der HVA bzw. Chef der KVP 1950-1955, Minister für Nationale Verteidigung der DDR 1960-1985, Armeegeneral der NVA 186 f., 193, 198, 200, 205, 229, 235 f., 239, 256, 260, 264-266, 271 Hopkins, Harry S. (1890-1946), Ratgeber und Sonderbotschafter der US-Präsidenten Roosevelt und Truman 33, 42, 45
Koppatsch, Bernhard (geb. 1915), Mitarbeiter des Büros für Wirtschaftsfragen 1951-1955 293
Korfes, Otto ( 1889-1964), Generalmajor (Wehrmacht), Mitarbeiter im Reichsarchiv 1920-1937, Gründungs- und Vorstandsmitglied des BDO 1943, Leiter des Zentralarchivs Potsdam, dann der HA Archivwesen im Mdl 1948-1952, Leiter der Historischen
Abteilung im Hauptstab der KVP 1952-1956, Generalmajor der NVA 256 Koval', Konstantin, sowjetischer Wirtschafts-
fachmann, Stellvertreter des Obersten Chefs
Jendretzky, Hans (1897-1992), Mitglied der KPD seit 1920, Mitglied des ZK der KPD bzw. SED 1945-1953 und 1957-1989, FDGB-Vorsitzender 1946-1948 217
Kaiser, Jakob (1888-1961), Vorsitzender der CDU in der SBZ 1945-1947, Bundesminifür gesamtdeutsche Fragen 1949-1957 63 Kennan, George F. (geb. 1904), US-Diplomat, stellvertretender Botschafter in Moskau 1946, Leiter Politischer Planungsstab im US-Außenministerium 1947-1950 24,65, 71, 73 f., 87 Kerber, Erwin (geb. 1908), Sonderbeauftragter der SMAD für ökonomische Fragen bis 1949, Sonderbevollmächtigter der DWK bzw. des Ministerrates für materielle Sicherstellung der bewaffneten Organe 1948-1951, Staatssekretär für speziellen Handel (militärische Güter) im Ministerium für Außenhandel seit 1951 242 f., 287 Keßler, Heinz (1920-1984), Gründungsmitglied des NKFD, Mitbegründer der FDJ 1946, Mitglied des PV bzw. des ZK der SED 1946-1989, Chef der VP-Luft 1950-1956, Minister für Nationale Verteidigung der DDR 1985-1989, Armeegeneral der NVA 250 Kissinger, Henry A. (geb. 1923), USAußenminister 1973-1977 87 Köhn, Fritz ( 1901 -1981 ), Mitglied der KPD seit 1928, Teilnehmer des Spanischen Bürgerkrieges 1936-1939, Leiter der HA Kader der HVA seit 1950, Generalmajor der NVA 240, 254, 266 Kolesnicenko, Ivan, sowjetischer Generalmajor, Chef der SMA Thüringen 1945-1949, Vertreter der SKK in Thüringen 1949/50 122 ster
der SMAD für ökonomische Fragen 1945-1949 99-101, 104, 106 Külz, Wilhelm (1875-1948), Reichsminister des Innern 1926/27, Vorsitzender der LDP in der SBZ 1945-1948 63 Kunze, Gerhard (geb. 1923), in der Volkspolizei bzw. KVP seit 1950, stellvertretender Chef des Hauptstabes der NVA 1965-1988, Generalleutnant der NVA 218 Kurasov, Vladimir (1897-1973), sowjetischer Armeegeneral, Chef des Stabes der SMAD 1945 104
Lapenkov, sowjetischer Oberst, stellvertretender Chef der Verwaltung für Innere Angelegenheiten der SMAD 149 Lattmann, Martin (1896-), Generalmajor (Wehrmacht), Mitglied des BDO 226 Lenin, Vladimir Iljic Uljanov gen.
( 1870-1924), kommunistischer Theoretiker,
Vorsitzender des Rates der Volkskommissa1917-1924 26-29, 85, 88, 122, 209, 222 f., 276 Lenski, Arno von (1893-1986), Generalmajor (Wehrmacht), Mitglied des BDO und des NKFD, Mitglied des NDPD-Vorstandes 1952-1986, Leiter der Verwaltung Motorisierung/Panzerdienst der KVP bzw. NVA 1952-1957, Generalmajor der NVA 256 Ludwig, Günther (1899-1971), Oberst (Wehrmacht), Mitbegründer der NDPD in Thüringen 1948, Inspekteur der VP in Thüringen 1948-1950, Minister für Justiz bzw. für Handel und Versorgung des Landes Mecklenburg 1950-1952, Oberst der NVA 256 re
MacLean, Donald Duart (1913-1983), britischer Spion 73
Diplomat und sowjetischer
356
Personenreister
Maiskij, Ivan (1884-1975), sowjetischer Diplomat, Botschafter in London
1932-1943, stellvertretender Außenminister 1943-1946 31,37-39 Malenkov, Georgij (1902-1988), Mitglied des Politbüros des ZK der KPdSU seit 1946, Vorsitzender des Ministerrats 1953-1955 44,74, 107
Mal'kov, P., sowjetischer General, Chef der
Verwaltung für Innere Angelegenheiten der SMAD 1945-1948 149 Malz, Alfred, Mitglied der KPD seit 1918, Mitarbeiter der Landesregierung Sachsen nach 1945, VP-Chefinspekteur und Leiter der HA Verwaltung der DVdl 236 Maron, Karl (1903-1975), Mitglied der KPD seit 1926, stellvertretender Innenminister und Chef der VP 1950-1955, Innenminister der DDR 1955-1963, Generaloberst der VP 197 Marshall, George C. (1880-1959), USGeneral, Außenminister 1947-1949, Verteidigungsminister 1950-1951 18, 43,
60 f., 66, 70, 127, 161 f., 167 Marx, Karl (1818-1883), sozialistischer Theoretiker 223 Mayer, August (geb. 1898), Mitglied der KPD, Chefinspekteur und Hauptabteilungsleiter der Kriminalpolizei der DVdl 1948 236 Mayer, Wilhelm (1886-1950), Generalmajor (Wehrmacht), Chef Bauwesen/Quartiernutzung der HVA bzw. KVP bis 1955, Generalmajor der KVP 294, 312 Mielke, Erich (geb. 1907), Mitglied der KPD seit 1925, Teilnehmer des Spanischen
Bürgerkrieges 1936-1939, Vizepräsident
der DVdl 1946-1949, Leiter der HV zum Schutz des Volkseigentums im Mdl 1949/50, Staatssekretär des Ministeriums für Staatssicherheit 1950-1953, Minister für Staatssicherheit 1957-1989, Armeegeneral im MfS 148, 150, 192, 210 f., 218, 221, 236, 266 Mikojan, Anastas (1895-1978), sowjetischer Außenhandelsminister und stellvertretender Ministerpräsident 107
Molotov, Vjaceslav (1890-1988), sowjetischer
Außenminister 1939-1949 und 1953-1956 33, 35, 38, 41, 50-53, 59, 61, 64 f., 69, 107 Monroe, James (1758-1831), US-Präsident 1817-1825 43 Müller, Vincenz (1894-1961), Generalleutnant (Wehrmacht), Mitglied des BDO seit 1944,
stellvertretender NDPD-Vorsitzender 1949-1952, Chefinspekteur der VP 1948, Chef des Stabes der KVP 1952-1955/56, stellvertretender Minister für Nationale Verteidigung und Chef des Hauptstabes der NVA 1956-1958, Generalleutnant der NVA 224, 226, 256, 270 f. Munschke, Ewald (1901-1981), Mitglied der KPD seit 1923, Teilnehmer am Spanischen Bürgerkrieg 1936-1939, Leiter der Kaderabteilung des PV der SED 1946-1950, Chef der Verwaltung Kader der HVA, KVP bzw. NVA 1951-1961, Generalmajor der NVA 266
Nenni, Pietro (1891-1980), Generalsekretär des Partito Socialista Italiano di Unità Proletaria 1947-1963 85
Oelßner, Fred (1903-1977), Mitglied der KPD seit 1920, Abteilungsleiter im ZK der KPD bzw. im PV der SED 1945/46, Mitglied des PV bzw. des ZK der SED 1947-1958 56
Oltersdorf, Karl (1889-1973), Mitglied der SPD seit 1914, Vorsitzender der IG
Öffentliche Betriebe und Verwaltungen in Groß-Berlin 1946-1949, Vorstandsmitglied desFDGB 1947-1951 172
Paulus, Friedrich (1890-1957), Generalfeldmarschall (Wehrmacht), Mitglied des BDO seit 1944, Vortragstätigkeit an der Offiziershochschule der KVP 1954 64, 271
Petrakovskij, Chef der Militärverwaltung in der SMAD 1949 136
Pieck, Wilhelm (1876-1960), Gründungsmitglied der KPD 1919, KPD-Vorsitzender 1935-1945, SED-Vorsitzender (gemeinsam mit Grotewohl) 1946-1954, Präsident der DDR 1949-1960 17, 45, 63, 67 f., 74 f., 84-86, 144, 146 f., 162, 166, 178 f., 181, 192, 195, 198, 204, 207 f., 217, 220, 224,
238,261,263,307,315
Rau, Heinrich (1899-1961), Mitglied der KPD seit 1919, Minister für Wirtschaftsplanung in Brandenburg 1946-1948, Vorsitzender der DWK 1948/49, Minister für Planung
und Vorsitzender der Staatlichen Plankommission seit 1949, stellvertretender Ministerpräsident der DDR 1950-1961 298 Rentzsch, Hermann (1913-1978), Oberleutnant
(Wehrmacht), Frontbeauftragter des
NKFD seit 1944, Leiter der HA GP/B der
357
Personenregister
1948/49, Chef TV Pasewalk/Nord 1952-1956, Generalmajor der NVA 167, 220, 226, 232, 236 f. Reschke, Erich (1902-1980), Mitglied der KPD seit 1922, Chef der Landespolizei Thüringen 1945/46, Präsident der DVdl 1946-1948 148,166,210,220 Ring, Friedrich (1915-1946), Militärarzt, Offizier (Wehrmacht), Chef des MediziniDVdl
schen Dienstes und Kapitän zur See der Volksmarine 256 Röbelen, Gustav (1905-1967), Mitglied der KPD, Teilnehmer am Spanischen Bürgerkrieg 1936-1939, Leiter der Abteilung Schutz des Volkseigentums bzw. der Abteilung Sicherheit im ZK der SED 1948-1958 197 Rokossovskij, Konstantin (1896-1968), Marschall der Sowjetunion und Polens, Minister für Verteidigung der Volksrepublik Polen 1949-1956 103 Roosevelt, Franklin D. (1882-1945), USPräsident 1933-1945 32 f., 35, 37 f., 97
Schreiber, Walter ( 1893-), Generalarzt (Wehrmacht), Rückkehr aus sowjetischer
Kriegsgefangenschaft in die SBZ und Flucht nach Westdeutschland 1948 224 Seifert, Willi (1915-1986), Mitglied der KPD seit 1930, stellvertretender Chef der Landespolizei Sachsen 1945, Vizepräsident der DVdl 1946-1948, stellvertretender Chef der VP 1949-1956, stellvertretender Innenminister der DDR 1957-1983, Generalleutnant der VP 148 f., 151, 210, 236 Semënov, Vladimir (1911-1992), sowjetischer Diplomat, Politischer Berater der SMAD bzw. SKK 1945-1953, Hoher Kommissar der UdSSR in Deutschland 1953-1955 220, 315 Serov, Ivan (geb. 1905), stellvertretender Volkskommissar für Innere Angelegenheiten (NKVD) seit 1941, Stellvertreter des Obersten Chefs der SMAD für Zivilangelegenheiten 1945-1947, stellvertretender Innenminister 1946-1954 104 Smirnov, sowjetischer Offizier, Mitarbeiter der Verwaltung für Innere Angelegenheiten der SMAD 149 Smith, Walter Bedell (1895-1961), USGeneral, Botschafter in Moskau 1946-1949, Leiter der CIA 1950-1952, stellvertretender Außenminister 1953/54 62
Sokolovskij, Vasilij (1897-1968), Marschall der Sowjetunion, Erster Stellvertreter, ab
1946 Oberster Chef der SMAD und Oberkommandierender der GSBTD 1945-1949 55,62,67,69, 104 Staimer, Richard (1907-1982), Mitglied der KPD seit 1924, Bataillons- und Brigadekommandeur im Spanischen Bürgerkrieg 1936-1939, Chef der Landespolizeibehörde Brandenburg 1947-1949, Kommandeur der
VP-Bereitschaft Leipzig 1950-1953, Generalmajor der NVA 223 Stalin, Iosif Dzugasvili gen. (1879-1953), Generalsekretär des ZK der KPdSU seit 1922, Vorsitzender des Rates der Volkskommissare bzw. des Ministerrats seit 1941 19 f., 24 f., 27-34, 36-39,41-49, 51-53, 57 f., 60-64, 68-75, 79, 82-88, 94,
97, 102, 107, 114, 127, 151, 169, 173, 178, 181, 191, 195, 203, 207 f., 223, 231, 261, 276, 306 f. Stassen, Harold E. (geb. 1907), Bewerberum die US-Präsidentschaft 1948, Abrüstungsbe-
auftragter des Präsidenten 1955-1958
60
Steinhoff, Karl (1892-1981), Mitglied der SPD seit 1923, Ministerpräsident von Brandenburg 1946-1949, Innenminister der DDR 1949-1952 189
Stoph, Willi (geb. 1914), Mitglied der KPD seit 1931, Leiter der Abteilung Wirtschaftspolitik beim PV der SED 1948-1950, Mitglied des ZK der SED 1950-1989,
Innenminister 1952-1955, Minister für Nationale Verteidigung 1956-1960, Ministerpräsident der DDR 1964-1973 und 1976-1989 271, 293, 312 f., 315 f. Streletz, Fritz (geb. 1926), in der VP seit 1948, stellvertretender Kommandeur bzw. Kommandeur verschiedener KVPBereitschaften, stellvertretender Minister für Nationale Verteidigung und Chef des Hauptstabes der NVA 1979-1989, Generaloberst der NVA 266
Telegin, Konstantin (1899-?), sowjetischer General, Mitglied des Militärrates der GSBTD 1945/46 117
Tito, Josip Broz gen. (1892-1980), jugoslawischer Staatschef 1945-1980 70 f., 73 Tjulpanov, Sergej (1901-1984), sowjetischer General, Chef der Verwaltung für
Propaganda bzw. Information der SMAD 1945-1949 67 f., 166
358
Personenreister
Trockij, Lev Bronstein gen. (1879-1940), Volkskommissar für Äußere Angelegenheiten 1917/18, für Verteidigung 1918-1924 27,88 Truman, Harry S. (1884-1972), US-Präsident 1945-1952 41-43,52,59-61,66,73,78, 82
Ulbricht, Walter (1893-1973), Mitglied der KPD seit 1919, stellvertretender SEDVorsitzender 1946-1950, stellvertretender Ministerpräsident der DDR 1949-1955, Generalsekretär, ab 1953 Erster Sekretär des ZK der SED 1950-1971 17,46,63,65,67, 142, 146 f., 149, 153, 157, 159 f., 163 f., 170-173, 176, 182 f., 192-194, 197 f., 214 f., 217 f., 224, 235, 260-262, 271 f., 288, 328
Varga, Evgenij (1879-1964), sowjetischer
Weech, Hans von (1890-1965), Generalmajor (Wehrmacht), Leiter der HA Ausbildung in der HV Deutsche Volkspolizei 1950/51, Chefinspekteur der VP 226, 240 Weinberger, Bernd (geb. 1904), Mitglied der KPD seit 1929, stellvertretender Minister des Innern der DDR für Wirtschaftsfragen, Generalmajor der KVP 313,316 Wenzel, Richard (1904-1980), Generalmajor der NVA, Referatsleiter bzw. Leiter der HA Personal in der DVdl 1946-1948, Kommandeur der Schutzpolizei Thüringen 1948, Leiter der HA Personal der HV Deutsche Volkspolizei 1950-1961 236 Wulz, Hans (1893-1975), Generalmajor (Wehrmacht), Chefinspekteur in der DVdl 1948, Chef der Verwaltung Artillerieversorgung 1952, Generalmajor der KVP 226, 240
Wirtschaftswissenschaftler 62,71 Verner, Waldemar (1914-1982), Mitglied der KPD seit 1930, Chef der Seepolizei bzw. VP-See 1950-1953, stellvertretender
Zaisser, Wilhelm (1893-1958), Mitglied der KPD seit 1919, Teilnehmer am Spanischen Bürgerkrieg 1936-1938, Chef der
Minister für Nationale Verteidigung der DDR und Chef der Politischen Verwaltung bzw. HV der NVA 1959-1979, Admiral der Volksmarine 194,249 Vogel, Kurt, Mitglied der KPD seit 1928, Teilnehmer am Spanischen Bürgerkrieg 1937-1939, Polizeipräsident von Potsdam 1945/46, Leiter der HA Schutzpolizei in der DVdl 1946-1949,KommandeurderTV Dresden 1952, Generalmajor der KVP 236
1947/48, Minister des Innern des Landes Sachsen 1948-1949, Leiter der VfS/HVA 1949/50, Minister für Staatssicherheit 1950-1953 17, 184, 189, 192, 235 f., 240 Zaspel, Max (geb. 1914), Chefinspekteur in der DVdl 1948, Chef der Verwaltung Artillerieversorgung 1952, Generalmajor der KVP 236 Zdanov, Andrej (1896-1948), Mitglied des Politbüros des ZK der KPdSU seit 1939 44,
Voznesenskij, Nikolaj (1903-1950), Mitglied
Landespolizeibehörde Sachsen-Anhalt
Vysinskij, Andrej (1883-1954), 1946
51,61,63,127 Zorn, Heinz-Bernhard (geb. 1912), Major (Wehrmacht), Leiter der HA Inspektion der HVA 1949, Stabschef der VP-Luft bzw. der Verwaltung Aeroklubs der KVP 1950-1955, Chef der Luftstreitkräfte der NVA 1956/57,
Wagner,
Zukov, Georgij (1896-1974), Marschall der
des Politbüros des ZK der KPdSU seit 1947 107
stellvertretender, ab 1949 Außenminister der UdSSR bis 1953 73, 104 Kurt
seit 1932,
(1904-1989), Mitglied der KPD
Vizepräsident der DVdl
1946-1948, Leiter einer VP-Bereitschaft 1950/51, Chef der Verwaltung Operativ im Hauptstab der KVP 1952-1955, stellvertre-
tender Minister für Nationale Verteidigung der DDR 1959-1967, Generaloberst der NVA 148.210,236 Walther, Karl (1895-1965), Generalarzt (Wehrmacht), Chef der Medizinischen Verwaltung der KVP seit 1952, Generalmajor der VP 226
Generalmajor der NVA
240
Sowjetunion, Oberster Chef der SMAD und Oberkommandierender der GSBTD 1945/46, Verteidigungsminister 1953-1957 103 f.
Die Autoren
Dipl.-Hist. Kurt Arlt, Jahrgang
1943
Veröffentlichungen u.a.
Die militärische und ökonomische Entwaffnung in Sachsen 1945 bis 1948. Aus einem zusammenfassenden Bericht der sowjetischen Militärverwaltung vom Oktober 1948, in: Militärgeschichtliche Mitteilungen, 52 (1993), S. 371-409
Dr. Torsten Diedrich,
Jahrgang
1956
Veröffentlichungen u.a.
Der 17. Juni in der DDR. Bewaffnete Gewalt gegen das Volk, Berlin 1991; Der 17. Juni 1953 in der DDR. Zu militärhistorischen Aspekten bei Ursachen und Verlauf der Unruhen, in: Militärgeschichtliche Mitteilungen, 51 (1992), S. 357-384; Putsch Volksaufstand Arbeitererhebung? Zur Arbeitererhebung 1953 in der deutschen Geschichtsschreibung, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, Beilage zur Wochenzeitung Das Parlament, B 25/1993, S. 3-21.
—
—
Dr.
Wolfgang Eisert, Jahrgang
Veröffentlichungen u.a. Zeittafel zur Militärgeschichte
1947
der Deutschen Demokratischen
Republik 1949
bis
1988, Berlin (Ost) 1989 (Mitautor); Die Militär- und Sicherheitspolitik der SED 1945 bis 1988. Dokumente und Materialien, Berlin (Ost) 1989 (Mitherausgeber); Die Waldheimer Prozesse. Der stalinistische Terror 1950. Ein dunkles Kapitel in der DDR-Justiz,
Esslingen/München
1993.
Dr. Bruno Thoß,
Jahrgang
1945
Veröffentlichungen u.a. Zwischen Kaltem Krieg und Entspannung. Sicherheits- und Deutschlandpolitik der Bundesrepublik im Mächtesystem der Jahre 1953-1956. Hrsg. v. Bruno Thoß u. HansErich Volkmann, Boppard 1988; Sicherheits- und deutschlandpolitische Komponenten der europäischen Integration zwischen EVG und EWG 1954-1957. In: Vom Marshallplan zur EWG. Die Eingliederung der Bundesrepublik Deutschland in die westliche
360
Die Autoren
Ludolf Herbst, Werner Bührer und Hanno Sowade, München 1990, S. 475-500; Der Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zur WEU und NATO im Spannungsfeld von Blockbildung und Entspannung (1954-1956). In: Anfänge westdeutscher Sicherheitspolitik 1945-1956, Bd 3, München 1993, S. 1-234; The Presence of American Troops in Germany and German-American Relations, 1949-1956. In: American Policy and the Reconstruction of West Germany, 1945-1955. Ed. by Jeffry M. Diefenbach, Axel Frohn and Hermann-Josef Rupieper, Washington, D.C. 1993, S. 411^432; Westintegration, Sicherheit und Deutsche Frage. Quellen zur Außenpolitik in der Ära Adenauer 1949-1963. Hrsg. v. Klaus A. Maier u. Bruno Thoß, Darmstadt 1993. Welt.
Hrsg.
v.
Dr.
Rüdiger Wenzke, Jahrgang
Veröffentlichungen u.a. Zeittafel zur Militärgeschichte
1955
der Deutschen Demokratischen
Republik
1949 bis
1988, Berlin (Ost) 1989 (Mitautor); Die Militär- und Sicherheitspolitik der SED 1945 bis 1988. Dokumente und Materialien, Berlin (Ost) 1989 (Mitautor); Prager Frühling
Herbst. Zur Intervention der Warschauer-Pakt-Streitkräfte in der CSSR 1968. Fakten und Zusammenhänge, Berlin (Ost) 1990; Die Geschichte des Offizierskorps der ehemaligen NVA, in: Soldat ein Berufsbild im Wandel, Bd. 2 "Offiziere". Im Auftrag des Deutschen Bundeswehr-Verbandes von Paul Klein, Jürgen Kuhlmann und Horst Rohde unter Mitarbeit von Christian Dewitz, Bonn/Dortmund 1993, S. 61-75 (gemeinsam mit Wilfried Hanisch).
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Prager
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Anfange westdeutscher Sicherheitspolitik 1945-1956 Herausgegeben vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt Band 1 : Von der Kapitulation bis zum
Pleven-Plan
Foerster, Christian Greiner, Georg Meyer, HansJoachim Rautenberg, Norbert
Von Roland G.
Wiggershaus 1982. XXV, 940 Seiten, 6 Karten, 4 Graphiken ISBN 3-486-50881-4
Band2:DieEVG-Phase Von Lutz Köllner, Klaus A. Maier, Wilhelm Meier-Dörnberg, HansErich Volkmann 1989. XXVI, 915 Seiten, 7 Karten, 5 Graphiken ISBN 3-486-51681-7
Band 3 : Die NATO-Option Von Hans Ehlert, Christian Greiner, Georg Meyer, Bruno Thoß 1993. XXI, 1219 Seiten, 9 Karten, 12 Graphiken ISBN 3-486-51691-4 Band 4: Wirtschaft, Recht und
Verwaltung
Von Werner Abelshauser, Walter Schwengler, Hartmut Schustereit In Vorbereitung.
Oldenbourg