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German Pages 282 [292] Year 2003
Friedrich Lotter Völkerverschiebungen im Ostalpen-Mitteldonau-Raum zwischen Antike und Mittelalter (375-600)
Ergänzungsbände zum Reallexikon der Germanischen Altertumskunde Herausgegeben von Heinrich Beck, Dieter Geuenich, Heiko Steuer
Band 39
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G_ Walter de Gruyter · Berlin · New York 2003
Völkerverschiebungen im Ostalpen-Mitteldonau-Raum zwischen Antike und Mittelalter (375-600) von Friedrich Lotter unter Mitarbeit von Rajko Bratoz und Helmut Castritius
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Walter de Gruyter · Berlin · New York 2003
® Gedruckt auf säurefreiem Papier, das die US-ANSI-Norm über Haltbarkeit erfüllt. ISBN 3-11-017855-9 Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
© Copyright 2003 by Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, D-10785 Berlin. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany Einbandgestaltung: Christopher Schneider, Berlin
Vorwort Die vorliegende Untersuchung ist im Rahmen eines umfangreichen Projekts in ihrem Kernbestand im wesentlichen schon vor zwanzig Jahren verfaßt worden. Dieses Vorhaben ist jedoch in der ursprünglich vorgesehenen Form nicht verwirklicht und der Text nicht abgerufen worden. Dennoch ist die Darstellung in ihrer Substanz bis heute nicht überholt, obwohl sie naturgemäß einer Aktualisierung bedurfte. Diese hat dankenswerterweise in wesentlichen Teilen Rajko Bratoz als berufener Fachmann fiir die Geschichte des Ostalpen-Mitteldonau-Raums in der Spätantike übernommen. Ohne dessen umfangreiche Ergänzungen und Korrekturen insbesondere in den Anmerkungen hätte das Buch nicht erscheinen können. Darüber hinaus habe ich auch Helmut Castritius, der als ausgewiesener Althistoriker die Arbeit mit unermüdlichem Interesse begleitete, für nicht unwesentliche Hinweise, Anregungen und Ergänzungen zu danken. So ist das Vorhaben gewissermaßen zu einer Gemeinschaftsarbeit geworden, doch liegt die Verantwortung allein beim Unterzeichneten. Den Herausgebern der 2. Auflage des Reallexikons der Germanischen Altertumskunde von Johannes Hoops, Heinrich Beck, Dieter Geuenich und Heiko Steuer danke ich sehr herzlich für die Aufnahme in die Reihe der Ergänzungsbände. Bei Ingo Runde bedanke ich mich fur die nicht unkomplizierte Betreuung des Satzes.
Kassel, im Mai 2003
Friedrich Lotter
Inhaltsübersicht Vorwort
V
I.
Einfuhrung
1
Π.
Die pannonisch-westillyrische Diözese als Streitobjekt zwischen weströmischen und oströmischen Reich
7
ΙΠ.
Die Zivil- und Militärverwaltung und deren allmähliche Auflösung
31
IV.
Die kirchliche Organisation und ihr Funktionswandel
53
V.
Die gentilen Verbände a) Die Terwingen/Visigoten, die Greutungen/Ostrogoten, die ostrogotisch-hunnisch-alanische Dreivölkergruppe (Alatheus-Saphrax) und die „westgotische" Ethnogenese b) Die Donausueben, die „walamerischen" Ostrogoten und die „ostgotische" Ethnogenese c) Die Langobarden, Bajuwaren, Awaren und Slawen
70
99 133
Die Bevölkerungsverluste der Provinzialen und die romanische RestBevölkerung
156
VI.
70
VII. Zusammenfassung und Ausblick: Dlyricum und der Untergang des (West-)Römischen Reiches Vm. Bibliographie
IX.
193 205
a) Abkürzungs- und Siglenverzeichnis b) Quellenverzeichnis
205 214
c) Literaturverzeichnis
221
Register
267
a) Abkürzungsverzeichnis
267
b) Personen-, Gruppen-, Völkernamen und -bezeichnungen c) Orte und Räume d) Sachen und Begriffe
268 273 279
I. Einführung Die administrativen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Strukturen der Spätantike ändern sich mit dem Übergang von der Epoche der Militärmonarchie zur Tetrarchie und dem sich aus dieser entwickelnden christlichen Dominât um die Wende des 3./4. Jh. grundlegend. Ebenso ändern sich auch die Bedingungen der Erschließung von Quellen für Zustände und Entwicklungen im gesamten Reichsgebiet, in besonderem Maße jedoch im Ostalpen-Mitteldonau-Raum. Unmittelbar im Grenzbereich beider Reichsteile hegend hatte dieser nicht nur am stärksten unter den aufeinander folgenden Wellen der Barbareninvasionen zu leiden, sondern stellte zugleich auch ein Streitobjekt zwischen den Regierungen des oströmisch-byzantinischen und des weströmischen Reiches dar. Die Masse der Inschriften, die bis zur Mitte des 3. Jh. auch in diesem Raum eine solide Grundlage fur eine Darstellung der inneren Entwicklung der Provinzen bieten, bricht plötzlich ab und fließt auch nach der neuerlichen Konsolidierung um die Wende des 3./4. Jh. nur noch in einem so dünnen Rinnsal, daß eine flächendeckende Auswertung auch nicht annähernd mehr möglich ist'. Vergleichbares gilt für die Münzen, die andere kaum weniger wichtige Gattung antiker Überreste. Zwar erschließt die Auswertung von Münz- und Münzschatzfunden auch für den größten Teil des 4. Jh. noch zuverlässige Aussagen über die Intensität römischen Lebens und römischer Verwaltung, doch erfolgt hier gerade im letzten Viertel des 4. Jh. ein ähnlicher Bruch, so daß fortan weder das Abbrechen der Funde noch das gelegentliche Auftreten noch späterer Münzen weiterhin zuverlässige Schlüsse über die Fortdauer römischen Lebens und römischer Institutionen zulassen2. Demgegenüber gewinnt die historiographische Überlieferung gerade seit dem 4. Jh. wieder an Bedeutung, erlebte doch die Geschichtsschreibung zumal im griechisch geprägten Osten des Reiches damals eine gewisse Renaissance. Diese naturgemäß vorwiegend vom oströmischem Standort aus geschriebenen Quellen erfassen freilich den westlichen Donauraum meist nur am Rande, dennoch aber noch deutlicher als etwa Gallien, Spanien und selbst Italien. Die wachsenden Kommunikationsschwie1
2
Regionale Übersichten der (vorwiegendfrühchristlichen)Inschriften: AIT 16, S. 63-73; 442-444; MIGOTN, Evidence, S. 39-55; THOMAS, Das frühe Christentum; CAILLET, L'éuergétisme, S. 347379; BRATOZ/CIGLENECKI, L'odierna Slovenia; PILUNGER, Frühes Christentum; UBL, Christianisierung; GLASER, Frühes Christentum; GASPAR, Christianity, S. 42-49, 58-61, 100-112, 114-129, 134 ff. Teilübersichten: FMRÖ; FMRS1; DEMBSKI, Münzprägung; DERS., Fundmünzen; M.R.-ALFÖLDI, Münzumlauf; Kos, Monetary circulation, S. 133-238; DERS., Numismatic evidence; DEMO, Ostrogothic coinage; DERS., Novae germanskih vladara.
2
I. Einführung
rigkeiten infolge der seit der Âufiiahme der terwingischen Visigoten im Jahre 375 nicht mehr endenden Verwüstungen und Entvölkerungrai des Donauraums und der allmähliche Verfall der weströmischen Verwaltungs- und Militärorganisation in den rätischen, norischen und pannonischen Provinzen wirken sich jedoch zunehmend auf die Nachrichtenübermittlung aus, geben den Berichten immer mehr zufalligen Charakter und erlauben vielfach keine Überprüfimg durch Parallelüberlieferung mehr. Dies gilt auch für jene wichtige historiographische Quelle für den Raum der pannonischen Diözese, die um 551 verfaßte Gotengeschichte des Oströmers Jordanes, die im wesentlichen auf der in Italien verfaßten Gotengeschichte Cassiodors von 533 beruht und für uns die wichtigste Quelle zur Geschichte der gotischen Wanderungen ist3. Daneben ist zunächst der lateinisch schreibende Grieche aus Antiochia, Ammianus Marcellinus (330 - ca.395) zu nennen, der an Tacitus anknüpfend noch einmal eine römische Geschichte schrieb, von der nur die Bücher 14-31 erhalten sind. Sie beschreiben die Ereignisse der Jahre 353-378, von denen er durch Militärdienst, Reisen und gesellschaftliche Beziehungen ausgezeichnete Kenntnis hatte. Andere für uns wichtige Historiker des Ostens schrieben griechisch. So verfaßte Zosimos als letzter literarischer Vertreter des Heidentums um 500 die ' Ιστορία νέα (Nea historia), eine Kaisergeschichte, deren erhaltener Teil wichtige Aufschlüsse über die Jahre 378-420 liefert. Des weiteren sind vor allem die großen oströmischen Kirchenhistoriker der Epoche Theodosius Π. von Bedeutung, Sokrates Scholastikos, der als Fortsetzer des Eusebius von Caesarea eine Kirchengeschichte von 305 bis 437 schrieb, und seine Zeitgenossen Sozomenos und Theodoret von Kyrrhos, die nahezu die gleiche Zeit, 324-439 bzw. 325-428, abdecken. Für die sich anschließende Epoche der Hunnenherrschaft stellt die byzantinische Geschichte des Priskos aus Panion in Thrakien mit größeren Fragmenten aus den Jahren 433-471 die wichtigste Quelle dar. Um die Mitte des 6. Jh. beschrieb Prokop von Caesarea u. a. den Gotenkrieg, in der 2. Hälfte des Jahrhunderts kompilierte der Antiochener Johannes Malalas mit seiner Chronographia ziemlich kritiklos eine bis 563 erhaltene Weltchronik, während das Geschichtswerk des Menander Protektor uns nur in Fragmenten überkommen ist, die jedoch wichtige Nachrichten über die Jahre zwischen 558-582 enthalten4. Neben den rein historiographischen Traditionen stellen in dieser Zeit auch Quellen panegyrischen Charakters eine späte und etwas zweifelhafte Nachblüte der antiken Rhetorik dar; doch helfen diese meist ganz einseitigen und übertriebenen 3
SVENNUNG, Jordanes und Scandia; VARADY, Jordanes-Studien; GOFFART, Narratore, S. 3-111; WEISSENSTEINER, Cassiodor/Jordanes.
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MOMIGLIANO, Historiography, CHESNUT, Christian Historians; SYME, Ammianus and the Historia Augusta; WINKELMANN, Kirchengeschichtswerke; FLACH, Von Tacitus zu Ammian; THOMPSON, Ammianus; CAMUS, Ammien Marcellin; MACMULLEN, Pictures; PASCHOUD, Zosimos; DERS., Zosime I; VEH/REBENICH: Zosimos, S. 1-29; RUBIN, Prokopios; VEH, Geschichtsschreibung; BLOCKLEY, The Fragmentary Classicising Historians; CROKE, Count Marcellinus; BLOCKLEY, The History of Menander.
I. Einführung
3
Darstellungen oft die gähnenden Lücken zu füllen, die von anderen zuverlässigeren Überlieferungen nicht oder kaum erfaßt werden. In erster Linie sind hier die Lobredner spätantiker Kaiser und Heermeister zu nennen, so Apollinaris Sidonius, Claudian und Ennodius. Im übrigen zählen auch die aus dieser Zeit erhaltenen Briefe vorwiegend zur rhetorischen Literatur5. Daneben finden sich Heiligenviten, bei denen entweder rhetorisch-enkomiastische Züge dominieren oder die hagiographische Schilderung beispielhafter Verwirklichung eines vollkommenen Christentums als Beweis der Macht und Gnade Gottes im Vordergrund steht. Nichtsdestoweniger muß die rein hagiographisch konzipierte Vita Severini mit ihrer Detailkenntnis von Vorgängen und Entwicklungen in der entscheidenden Epoche des Umbruchs im Ostalpenraum während der 2. Hälfte des 5. Jh., in der die historiographische Überlieferung nahezu versiegt, eine schmerzliche Lücke füllen6. Wegen der mangelnden Überprüfbarkeit ihrer Aussagen erfordert deren Auswertung allerdings ebenso große Umsicht, Erfahrung im Umgang mit hagiographischen Quellen wie spezielle Kenntnis in klassischer sowie insbesondere spätantik-mittellateimscher Philologie und historischer Methodik. Ein durchschnittlicher Mittelalterhistoriker ist hier überfordert, ein positivistisches Quellenverständnis verschließt geradezu den Zugang7.
CAMERON, Claudian; LoYEN, Sidonie Apollinaire; NDCON/SAYLOR RODGERS, Panegirici; SUNDVALL, E n n o d i u s ; ROHR, Theoderich-Panegyricus. 6
BONA, Severi(ni)ana; BRATOZ, Severinus; DERS., Der „heilige Mann"; LOITER, Severinus von Noricum; DERS., Daten; FONTAINE, Rez.Lotter; KUSTERNIG, Rez.Lotter; RÉGERAT, Saint Séverin, S. 8 - 1 3 6 ; LOTTER, R e z . Régerat; POHL, Einleitung: Comemoratorium, in: POHL/ DLE-
7
SENBERGER (Hgg.) (s.u.), S. 9-23; VAN UYTFANGHE, Les avatars; DERS., Die Vita im Spannungsfeld, bes. S. 205 ff.; DERS., Biographie Π, 2001, Sp. 304-310; WIRTH, Anmerkungen; DERS., St Severin XL d. Germanen; ferner vor allem zum Nachleben ZINNHOBLER, Der heilige Severin; DERS., Katalog SevRVW 1982; ebd. zur Archäologie: UBL, Severinsorte; Literaturübersicht von 1980 bis 1998 bei PHJJNGER, Bibliographie. Vgl. WOLFF, Ein Konsular; DERS., Kritische Bemerkungen; dazu LOITER, Zur Kontroverse; DERS., Interpretation. In obigem Sinne sind auch die .Literaturberichte' von NOLL einseitig, defizitär und letztlich irreführend, vgl. demgegenüber LOITER, Daten, S. 36-52. Auch der Wiener Workshop der ÖAW über Severin von 1999 hat trotz dem Anspruch des Themas den Hauptaspekt des „Heiligen" (neben dem der Archäologie) ausgeblendet, trotz weitreichender Einladungen kaum Experten, insbesondere keine fur Hagiographie, herangezogen und bleibt im Gegensatz zur mehr versprechenden Einleitung von POHL in grundlegenden Voraussetzungen teilweise hinter bereits erreichten Positionen (s.o. Anm. 6) zurück, s. POHL/DIESENBERGER (Hgg.), Eugippius und Severin; vgl dazu ausführliche Rez. LOTTER, MLJb (im Druck). So erweist sich etwa SCHWARCZ, Fact and Fiction, ebd. S. 25-31 nur als miserables Zerrbild einer angeblichen „Zusammenfassung der wissenschaftlichen Diskussion", indem er THOMPSON, Romans, S. 113-121 mit seinen oberflächlichen z.T. ganz verfehlten Randbemerkungen zum Thema Severin (s. dazu Rez. LOITER, 1986) und auch BARTON, Frühzeit mit ähnlich fragwürdigen Aussagen (S. 121: „Severin ein begeisterter Priestermönch", S. 127: „nicht nur ... typischer pastoraler Schnorrertyp") übertrieben lobend heraushebt und auch mit zahlreichen weiteren Fehlurteilen erkennen läßt, daß er von der eigentlichen Problematik keine Ahnung hat; ein Eindruck, den auch andere - in Nebenaspekten mitunter weiterfuhrende - Beiträge vermitteln; vgl. des weiteren auch unten Anm. 62.
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I. Einführung
Doch wenn auch die literarische Tradition für diese Epoche weit größere Bedeutung besitzt als fur die des Prinzipats, so verlieren daneben andere Quellengattungen nicht an Bedeutung. So stehen uns auch für den Donauraum dieser Zeit drei Komplexe administrativer Quellen zur Verfugung. Zunächst ist die kaiserliche Gesetzgebung zu nennen, die seit dem 4. Jh. zunehmende Bedeutung gewinnt und mit ihren wichtigsten Bestandteilen in den amtlichen Konstitutionensammlungen des Codex Theodosianus von 438 und des Codex Justinianus von 534 sowie den in Ergänzung dazu veröffentlichten Novellae festgehalten wurde8. Die erwähnten Kompilationen enthalten wichtige Nachrichten über Verwaltungsmaßnahmen auch im Donauraum, die wiederum Rückschlüsse auf Zustände und Entwicklungen zulassen. Bei dem zweiten Dokument, der sogenannten Notitia dignitatum, handelt es sich um eine ganz einzigartige Quelle, die Kopie eines offiziellen Handbuchs bzw. von Listen unterschiedlicher Zeitstellung aus einem mehrfach ergänzten Handbuch der Verwaltungsgliederung, Ämter und Truppenteile des ost- und des weströmischen Reiches9. Leider sind die Probleme, vor die uns die Auswertung dieser wertvollen Quelle insbesondere für die Verwaltungs- und Militärorganisation der Grenzprovinzen des Alpen-Donau-Raumes stellt, bei weitem noch nicht gelöst. Zwar dürften neuere Forschungen gesichert haben, daß die Angaben über das spätantike Feldheer des weströmischen Reiches {palatini und comitatenses) im wesentlichen noch dem nominellen Stand etwa der Jahre 423-425 entsprechen, die des Ostheeres dagegen für die Zeit nach 394 im allgemeinen keine Gültigkeit mehr besitzen, lediglich die Liste des ostillyrischen Heeres zwischen 396 und 410 noch einmal korrigiert und dem neuen Stand angepaßt wurde10. Dieses Ergebnis hat jedoch fur die Limitantruppen keine Gültigkeit. Die einzelnen Listen der Limitanverbände weisen derartig unterschiedliche und widersprüchliche Züge auf, daß nicht nur die Gleichzeitigkeit der verschiedenen Listen und der in diesen Listen auftretenden Verbände, sondern auch die der in den einzelnen Listen nebeneinander aufgeführten Formationen gerade bei den Truppen der Donaufront vielfach in Frage zu stellen und gestellt worden ist. Insbesondere erscheint es fraglich, ob selbst Korrekturen und Nachträge in den Limitanlisten der rätischnorisch-pannonischen Donaufront noch über die Katastrophenjahre zwischen 375 und 378 hinausreichen11. Ein dritter Komplex administrativer Quellen tritt uns in seltener Fülle für die Zeit von etwa 506-537 in den sog. Variae Cassiodors entgegen, einer Sammlung amtlicher Schreiben der Verwaltungsspitze des italisch-gotischen Reiches Theode-
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9 10 11
WIEACKER, Recht; GAUDEMET, Fonnation; HARRIES/WOOD, T h e Theodosian C o d e ; FLTZ, Ver-
waltung Pannoniens ΙΠ, S. 1335 ff. POLASCHEK, Notitia; LIPPOLD, Notitia; JOHNE, Notitia. HOFFMANN, Bewegungsheer; DŒTZ, Cohortes (mit ausführlichen Literaturangaben). CASTRITIUS, Grenzverteidigung; vgl. auch Frrz, Verwaltung Pannoniens ΙΠ, S. 1315 ff.
I. Einführung
5
richs, die ebenfalls überaus wichtige Mitteilungen über Vorgänge und Maßnahmen im Ostalpen-Mitteldonauraum dieser Jahrzehnte bieten12. Gegenüber diesen Gattungen seit langem erschlossener literarischer und administrativer Quellen stellt die wichtigste Gruppe von Überresten, die Befunde der archäologischen Forschung, das einzige Element dar, das noch in ständigem Wachstum begriffen ist. Die Ausgrabungen insbesondere im Bereich des Limes, aber auch im Binnenland, in Städten, Lagerfestungen und meist befestigten Bergkastellen und Zufluchtstätten der Provinzialen, vor allem auch die Kirchenanlagen an diesen Plätzen gewinnen für die Erhellung der Spätzeit der Antike noch immer zunehmende Bedeutung. Doch obwohl die gerade in diesem Raum in der Nachkriegszeit sich häufenden Ergebnisse intensiver Untersuchungen deutscher, österreichischer, ungarischer, slowenischer, kroatischer, serbischer,französischerund englischer Archäologen, die sich mit der Erforschung der spätantiken und völkerwanderungszeitlichen Überreste befaßt haben, immer neue aufsehenerregende Erkenntnisse zutage fördern, sind die Möglichkeiten doch begrenzt, mit ihrer Hilfe das aus der schriftlichen Überlieferung gewonnene Bild zu erweitern, zu korrigieren und abzurunden, geschweige denn aus ihnen allein größere Räume und Epochen überdeckende Darstellungen der Entwicklung zu gewinnen13. Meist erschließt die Archäologie ganz andere Bereiche historischer Wirklichkeit als das Material der literarischen Tradition. Doch wenn auch zweifelsfreie Aussagen etwa über Kontinuität oder Abbrechen römischer Besiedlung oder die Identität jeweils neuer vorübergehend in Erscheinung tretender ethnischer Gruppen nur in Einzelfallen möglich sind, bleiben die archäologischen Befunde dennoch unverzichtbar, um die aus der Auswertung Uterarischer und administrativer Quellen gewonnenen Ergebnisse auf einer anderen Ebene zu ergänzen und zu erweitern. Somit ergibt sich, daß eine Darstellung des Wandels von Organisationsstrukturen, politischen Kräfteverhältnissen und wirtschaftlich-sozialem Unterbau im Ostalpen-Mitteldonau-Raum der Völkerwanderungszeit sich in erster Linie auf literarische Überlieferung zu stützen hat, daß sie dabei aber vielfach auf Traditionsgut angewiesen ist, das aufgrund seiner Lückenhaftigkeit, der vielfach mangelnden Überprüfbarkeit, der nicht selten in der literarischen Gattung bereits angelegten tendenziösen Verzeichnung der Wirklichkeit oder auch wegen der oft nicht gelösten oder lösbaren Frage des zeitlichen Ansatzes der Nachrichten vielfach nur Schlüsse zuläßt, die hypothetischen Charakter tragen. Selten wird so deutlich wie hier, daß eine historische Wissenschaft, die mehr erschließen will als nur die Geschichte der Ereignisse und Institutionen, vielfach nur mit Annäherungswerten arbeiten kann. 12
HEERKLOTZ, Variae; FRIDH, Contributions; MEYER-FLÜGEL, Bild, S. 42-51; zuletzt SCHWARCZ,
Der Nordadria- und Westbalkanraum. 13
MÓCSY, Pannonia-Forschung I-IV; BÒNA, Völkerwanderungszeitforschung; DERS., A n b r a c h ;
MTTSCHA-MÄRHEIM, Spuren; WERNER, Langobarden; CIGLENECKI, Results and Problems; DERS., Investigations; GLASER, Frühes Christentum; DERS., Untergang; R. MÜLLER, Untergang; TOMlClé, Untergang.
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I. Einführung
Angesichts des fragwürdigen Anspruchs, auch in Epochen mit vorwiegend lückenhafter und zweifelhafter Überlieferung sichere Erkenntnis vermitteln zu können, bliebe nur die Alternative, auf eine solche Beschreibimg konsequenterweise ganz zu verzichten. Es liegt auf der Hand, daß eine Darstellung in dieser Situation weit stärker der Kritik ausgesetzt sein muß als eine auf der flächendeckenden Auswertung von Überresten, insbesondere von Inschriften beruhende Beschreibung der Verwaltungs- und Sozialstruktur dieser Regionen in der Prinzipatszeit. Es kann nicht ausbleiben, daß die Lückenhaftigkeit und Widersprüchlichkeit der vielfältigen Überlieferungen bei den Versuchen einer Rekonstruktion des historischen Geschehens oft verschiedene Möglichkeiten offen läßt und ganz entgegengesetzte Schlüsse zeitigen kann, die oft schon durch geringfügige Gewichtsverlagerungen bei der Interpretation bedingt sind. Wir folgen deshalb dem methodischen Prinzip, stets so nahe wie möglich an den Quellenaussagen zu bleiben. Eingefleischte Auffassungen, die diesen widersprechen, durch ständige unwidersprochene Wiederholung jedoch mitunter den Charakter von anerkannten Fakten gewonnen haben, werden stets in diesem Sinne überprüft. Selten tritt so überzeugend wie hier die Verfehltheit jener positivistischen Hyperkritik zutage, die mit dem vorgegebenen Anspruch strenger Wissenschaftlickeit nur gesicherte Fakten, nicht aber Wahrscheinlichkeitswerte gelten lassen will. Dies fuhrt dann dazu, isolierte Nachrichten auch durchaus sekundärer Überlieferung, nur weil sie nicht durch andere Aussagen falsifiziert werden können, als sichere Fakten auszugeben. Demgegenüber können auch gut begründete Hypothesen in quellenarmen Epochen der historischen Wirklichkeit insgesamt weit näher kommen als tatsächlich „zwingend bewiesene" Fakten, die möglicherweise nur partiell und ganz unrepräsentativ Fragmente historischer Wirklichkeit erfassen. Gut begründete Hypothesen verdienen erst recht gegenüber verdächtigen Tatsachenbehauptungen den Vorzug, wenn diese sich lediglich auf das Argument stützen, das Gegenteil sei nicht zwingend beweisbar.
Π. Die pannonische Diözese als Streitobjekt zwischen weströmischem und oströmischem Reich Die zunehmende Bedeutung des Donau-Balkan-Raumes im letzten Stadium des Prinzipats unter den sogenannten Soldatenkaisem wird vor allem in dem Umstand deutlich, daß das römische Reich die Rettung aus der schweren Existenzkrise des 3. Jh. in erster Linie den unverbrauchten Energien illyrischer Kaiser und dem überlegenen Kampfgeist ihrer illyrischen Truppen, der besten Soldaten der damaligen Zeit, verdankte. Nachdem Claudius Gothicus, Aurelian und Probus die in das Reich eingebrochenen Barbaren niedergeworfen, vernichtet oder vertrieben und unter weitgehender Aufgabe der agri decumates im rechtsrheinischen Gebiet das Reich militärisch wieder stabilisiert hatten, schuf Diokletian (284-305 [t 313/6]) die Grundlage für die innere Neuordnung, die noch einmal für ein Jahrhundert den Bestand des Gesamtreiches absichern sollte. Aus den zurückliegenden Krisen folgerte er, daß einer drohenden Katastrophe an einer oder mehreren der vier Hauptfronten des Imperiums am Rhein mit oberer Donau in Germanien/Rätien, an der mittleren Donau in Norikum/P annonien, an der unteren Donau in Dakien/ Thrakien und an der persischen Grenze in Mesopotamien nur durch entsprechende Teilung der Verantwortung und Befehlsgewalt wirksam begegnet werden könne. Daher errichtete er um 293 das System der Tetrarchie, das ihn zwar als Vierkaiserherrschaft nicht überlebte, als militärische und zivile Verwaltungsgliederung der Prätorianerpräfekturen und Sprengelmagisterien (Heermeisterämter für Gallien, Myricum, Thrakien und Oriens) in der Praxis jedoch bis zum Ende des weströmischen Reiches fortbestehen sollte14. Um die steuerliche Erfassung und Überwachung der Reichsbürger wirksamer durchführen zu können, wurden jeweils eine Anzahl der alten Provinzen zu insgesamt zwölf neuen Verwaltungskörpem, den Diözesen, zusammengefaßt, die Zahl der Provinzen selbst durch Teilung erheblich vermehrt. So entstanden bald nach 295 aus der alten Provinz Rätien durch eine etwa vom Ostufer des Bodensees über Arlberg - Münstertal - oberes Etschtal laufende Trennungslinie die Raetia Prima im SW und die Raetia Secunda (Alpenvorland), aus Norikum durch eine entlang dem Alpenkamm der Tauern laufende, im Norden vielleicht aber auch Salzkammergut und oberes Ennstal umfassende Linie Noricum Ripense ([Donau-]Ufernorikum) und Noricum Mediterraneum (Binnen14
Vgl. dazu zuletzt DEMOUGEOT, Fonnation Π, insb. S. 9-56; BLEICKEN, Römisches Kaiserreich I, passim; DEMANDT, Magister militimi; ENSSLIN, Praefectus praetorio, Sp. 2426-2502; JONES, Later Roman Empire (fortan: LRE) I, insb. S. 42-52; BARNES, New Empire, S. 195-225; KOLB, Diocletian, insb. S. 68 ff.; WEILER, Grenzziehung, S. 127 f.; KUHOFF, Diokletian, S. 107-381.
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Π. Die pannonische Diözese als Streitobjekt
norikum)15, aus Oberpannonien durch eine entlang der Drau laufende Linie die Pannonia Prima und die Savia, aus Unterpannonien entsprechend die Valeria im Norden und die den Donaulauf von Ad Novas-Zmajevac bis Taurunum-Zemun westlich und südlich der Dravemündung deckende Pannonia Secunda16. Die norischen und pannonischen Provinzen bildeten zusammen mit der ungeteilten Dalmatia und zunächst wohl auch den beiden Rätien die Diözese der Pannoniae, für die später auch der Name Illyricum (West) gebräuchlich war. Ursprünglich gehörte diese Diözese zusammen mit den Diözesen Dacia und Macedonia und zunächst auch der Thracia zur Prätorianerpräfektur Illyricum. Daher wurde sie auch im Jahre 308 bei dem Versuch, das zusammenbrechende System der Tetrarchie auf der Kaiserkonferenz in Carnuntum durch eine Neuverteilung noch einmal zu retten, dem dort zum Augustus erhobenen Valerius Licinianus Licinius übertragen, der seine Residenz in Sirmium aufschlug17. Von hier aus gewann Licinius im Jahre 313 die Herrschaft über den gesamten Osten des Reiches, nachdem Konstantin im Jahre zuvor bereits den ganzen Westen unterworfen hatte. Damit wurde die spätere Zweiteilung des Reiches vorweggenommen, zugleich aber auch schon der Streit um die Zuordnung der illyrischen Präfektur. Bereits im Dezember 314 (316?) zwang Constantin den Licinius, ihm nach siegreichem Einmarsch in den Donau-Balkan-Raum die illyrische Präfektur abzutreten, doch wurde nunmehr die thrakische Diözese der Präfektur Oriens zugeschlagen18. Die infolge dieser Maßnahme ebenfalls geteilte Verantwortung für die Verteidigung der besonders gefährdeten mittleren und der unteren Donaufront war bei der seit dem letzten Drittel des 4. Jh. sich immer mehr verfestigenden Abgrenzung beider Teilreiche die Ursache dafür, daß Illyricum und insbesondere Pannonien zu einem ständigen Streitobjekt der beiden Regierungen wurde. Darüber hinaus beeinträchtigte die hier geschaffene Lage die Verteidigung der Donaufront so sehr, daß eine ungeschützte Flanke entstehen konnte, von der aus die Zerstörung des weströmischen Reiches den Ausgang nahm. Nachdem Constantin gegen Ende seiner Regierungszeit den Präfekten die Militärgewalt in den Prätorianerpräfekturen entzogen hatte, treten vins dort als oberste Militärbefehlshaber Heermeister entgegen, die zunächst noch nicht deutlich als Kommandeure regional gegliederter Verbände erkennbar sind. Die Dreiteilung des Reiches unter den drei Söhnen Constantins führte jedoch zu einer Zusammenlegung der illyrischen und italischen Präfektur als Praefectura Praetorio lllyrici, 15
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Zu den Grenzen Noricums G. ALFÖLDY, Noricum, S. 57-61; TÓTH, Grenze; die Teilung erstmals bezeugt um 304/5, s. ebda., S. 199; zuletzt UBL, Noricum, S. 331 f. MÓCSY, Middle Danube, S. 273; DERS., Pannonia (RE), Sp. 588; Frrz, Administration, S. 1319; DERS., Verwaltung ΙΠ, 1175 ff.; BRATOZ, Pannonien, S. 473. STEIN, Bas-Empire (fortan:B-E) I, S. 85 f.; DEMOUGEOT, Formation Π, S. 56f.; FITZ, Administration, S.l ff. JONES, LRE I, S. 47; 107; 126; BARNES, N e w Empire, S. 73 (Jahr 316); GRÜNEWALD, Con-
stantinus, S. 108 ff. (eher 316 als 314); KÖNIG, Origo Constantini, S. 118 ff. (Jahr 314); ebenso WEILER, Grenzziehung, S. 130 f.
zwischen weströmischem und oströmischem Reich
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Italiae et Africae, die auch nach dem Tode des Westkaisers Constantin Π. 340 und des Kaisers Constane 350 in dem nunmehr wieder unter Constantius Π. vereinigten Reich neben den Praefecturae Galliarum (mit Spanien und Britannien) und Oriens bestehen blieb. Erst gegen Ende seiner Regierungszeit machte Constantius Π. niyricum wieder zur selbständigen Präfektur und ernannte 357 Anatolius, um 360/1 Florentius zum Praefectus Praetorio Illyrici19. Zur gleichen Zeit wurde für Illyricum wie zuvor schon für Gallien ein regionales Magisterium geschaffen, während die Reichsheermeister uns fortan als magistri militum praesentales begegnen. In niyricum ist daher vor 361 ein gewisser Lucillianus als Heermeister bezeugt, als dessen Nachfolger Jovinus auftritt, den Julian zum magister equitum per Illyricum ernannte20. Doch hob Julian gleichzeitig die illyrische Präfektur wieder auf. Einen wichtigen Einschnitt in der Geschichte des spätrömischen Reiches und insbesondere des illyrischen Raumes stellt nun das Jahr 364 dar. Einmal beginnt mit der Erhebung des Panonniers Valentinian I. zum Augustus die beinahe noch einmal ein Jahrhundert umfassende Epoche der letzten (west-)römischen, der valentinianisch-theodosianischen Dynastie. Zum andern erfolgte mit der Erhebung des Bruders des Valentinian, des Valens, zum Kaiser des Ostens eine neue Reichsteilung, die sich als dauerhaft erweisen sollte. Sie wurde nur scheinbar von 392-395 durch die dem Tod Valentinians Π. folgende Alleinherrschaft des Theodosius I. aufgehoben, die nur theoretisch beide Teile des Reichs durch Personalunion noch einmal zusammenfügte, wegen der Usurpation des Eugenius im Westreich praktisch jedoch nicht wirksam wurde. Die 364 vorgenommene Teilung von Gesamtreich und Reichsheer überdauerte daher diese Phase, die mit dem bald nach dem Untergang des Eugenius erfolgten Tod des Theodosius unmittelbar in die endgültige Reichsteilung unter den beiden Söhnen des Theodosius, Honorius und Arcadius, überleitete21. Inzwischen hatten sich auch die Präfektursprengel und Heermeisterämter so verfestigt, daß ihr Apparat ein Eigenleben entwickelte. Lediglich die illyrische Präfektur und das ihr entsprechende Sprengelmagisterium konnte sich nicht wirklich etablieren, da die Grenzlage zwischen den beiden Teilreichen ebenso wie die besondere Bedrohung des Limes in diesem Bereich zwangsläufig immer wieder Sonderregelungen begünstigten, die eine Stetigkeit der Entwicklung nicht zuließen. Doch wurde bereits 364 Equitius zunächst zum comes rei militaris, ein Jahr später als Heermeister beider Waffengattungen zum Oberbefehlshaber der illyrischen 19
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Ammian. Marcellin. XXI, 6,5, vgl. XIX, 11, 2; (fortan stets ed. SEYFARTH, Bd.I-IV:) Π, S.140; 70; s. ENSSLIN, Praefectus, Sp. 2428 ff.; 2433 f.; PLRE I, S. 59f., Anatolius 3; 365, Flavius Florentius 10; Frrz, Verwaltung, S.1212 ff DEMANDT, Magister, Sp. 575.f.; 581; PLRE I, S. 517f., Lucillianus 3; 462f. Flavius Iovinus 6; Frrz, Verwaltung ΠΙ, S. 1245 f.; zum Heenneisteramt allgemein HOFFMANN, Oberbefehl, S. 393 ff. Ausführlich dazu HOFFMANN, Bewegungsheer I, S. 117-130; 309-325; 520 ff. u. passim; zur Bedeutung der Reichsteilung von 364 s. auch LIPPOLD, Westillyricum, S. 18 f.; WEILER, Grenzziehung, S. 135 ff.
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Π. Die pannonische Diözese als Streitobjekt
Truppenverbände ernannt, einer Stellung, die er bis mindestens 375 bekleidete. Equitius trug erstmals den Titel eines magister utriusque militiae, der bald die herkömmlichen nach Waffengattungen scheidenden Titel des magister peditum und magister equitum verdrängen sollte22. Nach 375 tritt uns dann Frigeridus, dessen Name schon auf germanische Herkunft deutet23 und der als dux der Valeria vielleicht schon zum comes rei militaris erhoben war, als Befehlshaber der illyrischen Truppen im Kampf gegen die terwingischen Visigoten entgegen. Zu dieser Zeit wurde die illyrische Präfektur erneut verselbständigt und zunächst wohl Probus, bald darauf dem älteren Ausonius und schließlich Olybrius übertragen24. Nach dem Tod des Valens in der Schlacht von Adrianopel ernannte Gratian noch im Jahre 378 den jüngeren Theodosius zunächst zum magister equitum per Illyricum, um ihn im nächsten Jahr zum Kaiser des Ostreichs zu erheben. Gleichzeitig wurde Anfang 379 die illyrische Präfektur geteilt. Während Theodosius die auf die Diözesen Dacia und Macedonia reduzierte Prätorianerpräfektur und das entsprechende Sprengelmagisterium als Bestandteile des Ostreichs sich selbst unterstellte, wurde die pannonische Diözese wieder mit der italischen Präfektur des Westreichs vereinigt. Diese Maßnahme war vielleicht nur als Provisorium gedacht, um der augenblicklichen Not des Balkanraumes mit den vereinten Kräften des Westens und Ostens besser begegnen zu können und die unglückliche Aufteilung der Kompetenzen im unteren Donauraum zu beseitigen. Daher wurden mit der Beruhigung der Lage, die sich durch die Verträge mit der Dreivölkergruppe des Alatheus und Saphrax anbahnte, wohl schon im Spätsommer 380 in Sirmium neben der pannonischen auch die übrigen illyrischen Diözesen wieder der italischen Präfektur des Westreiches unterstellt25. Die Aufhebung der illyrischen Präfektur tritt auch darin zutage, daß der von Gratian mit dem Kommando der illyrischen Truppen betraute Vitalian offenbar nur den Rang eines comes rei militaris erhielt und uns auch in der Folge mehr als ein Jahrzehnt lang kein illyrischer Heermeister mehr begegnet. Seit 387 - nach dem Selbstmord des obersten Heermeisters des West22
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DEMANDT, Magister, Sp. 614 f.; PLRE I, S. 282 (Flavius Equitius 2); FITZ, Administration, S. 29 f., DERS., Verwaltung m, S. 1247 ff. Analog dem Namen der markomannischen Königin Frigitil/Fritigil = Fridhilt läßt sich auch der des Frigeridus als reziproke Metathese nach sprachpsychologischen Gesetzen des Lautwandels bei der Übernahme von Fremdworten von Fridericus ableiten, vgl. die Übergangsform Frigdaricus bei Isidor, Hist Goth. 30, S. 279. Ähnlich entsteht der Name Generidus aus (C)henricus. Ungewohnte Buchstabenfolgen werden dabei unbewußt einem Lateinern geläufigen Wortstock angepaßt; zu Fritigil vgl. LOITER, Donausueben, S. 281 mit Anm 21; unten Anm 356. Zu Frigeridus vgl. PLRE I, S. 373f.; Frrz, Administration, S. 30 f.; 66-72; DERS. Verwaltung m , S. 1249 f.; LöRINCZ, Duces, S. 104 f.; CASTRITIUS, Frigeridus, RLGA (im Druck). DEMANDT, Magister, Sp. 601; ENSSLIN, Praefectus, Sp. 2436; PLRE I, S. 736 ff., Sex. Claudius Petronius Probus 5; 139, Iulius Ausonius 5; 640 ff., Q. Clodius Hermogenianus Olybrius 3; Frrz, Verwaltung m, S. 1215 ff. (Probus); 1219 (Ausonius); 1220 (Olybrius). ENSSLIN, Praefectus, Sp. 2436f.; DEMOUGEOT, Partages, S. 16fif.; LIPPOLD, Theodosius I, Sp. 850; DERS., Westillyricum, S. 20; s. dazu unten S. 72 f. mit Anm. 259 ff.
zwischen weströmischem und oströmischem Reich
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reiches, Merobaudes, und der Eroberung Italiens durch den Usurpator Maximus übernahm jedoch Theodosius wieder die Verwaltung ganz Illyricums26, um 392, nach der Ermordung Valentinians Π., wie wir sahen, sogar die des gesamten Westens. Doch wurde dieser Anspruch durch die im Jahre 388 bis in den illyrischen Raum übergreifende Usurpation des Maximus, 392-394 durch die bis an die Grenzen der pannonischen Diözese vorgetragene Usurpation des Eugenius in Frage gestellt. Andererseits hatte Theodosius bereits im Frühjahr 393 seinen Sohn Honorius als Mitregenten nominell zum Augustus des Westens erhoben. Als Theodosius bald nach der Niederwerfung des Eugenius schon im Januar 395 starb, ließ die nun erfolgende Reichsteilung zwischen den Söhnen des Theodosius, Arcadius und Honorius, die illyrische Frage zunächst in der Schwebe27. Theodosius selbst hatte freilich nichts weniger als eine Realteilung des Reiches beabsichtigt, sondern eher eine Aufteilung der Kompetenzbereiche beider Teilherrscher. Diese Konzeption tritt auch darin zutage, daß die von beiden Kaisern erlassenen Gesetze und Verfügungen ebenso in beiden Reichsteilen gültig sein sollten, wie auch die von beiden Regierungen jeweils aus den Senaten von Rom und Konstantinopel berufenen Konsuln - jedenfalls im Prinzip - im Gesamtreich Anerkennung fanden. Die Kontinuität der Reichspolitik sollte nach dem Willen des Theodosius sein Vertrauter Stilicho gewährleisten, den er nicht nur zum obersten Heermeister des Westens ohne Kollegen, zum Regenten und Vormund für seinen mindeij ährigen Sohn Honorius ernannt, sondern durch Heirat mit seiner Nichte und Adoptivtochter Serena aufs engste mit seiner Familie verbunden hatte. Stilicho vermochte jedoch auf die Dauer nicht, gegenüber den die Politik des Ostreichs bestimmenden eigenständigen Kräften seinen Einfluß auch auf Arcadius weiterhin aufrecht zu erhalten. Ein Anlaß, Arcadius gegen Stilicho einzunehmen, war die Frage der Zuordnung der illyrischen Provinzen. Dem allmächtigen Prätorianerpräfekten am oströmischen Hof, Rufmus, gelang es, die aufständischen Goten Alarichs nach Hlyricum abzuschieben und schließlich Stilicho nicht nur zu zwingen, die von ihm befehligten oströmischen Truppen, die durch den Feldzug gegen Eugenius in den Westen gelangt waren, dem Ostreich zurückzuerstatten, sondern auch die ostillyrischen Diözesen Dacia und Macedonia dem Ostreich „abzutreten". Stilicho, den dringende Aufgaben nach dem Westen riefen, blieb nichts übrig als der Wiederherstellung des Zustandes von 379 zuzustimmen und Ostillyricum zu räumen28. Zwar gelang es ihm, durch seinen Vertrauensmann, den gotischen Heermeister Gainas, noch 395 Rufinus zu stürzen, doch gewann nunmehr der seinen Interessen nicht minder abträgliche Eunuch Eutropius entscheidenden Einfluß auf
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STEIN, Verwaltungsgeschichte, S. 348 FF; DEMOUGEOT, Partages, S.18 ff.; DEMANDT, Magister,
Sp. 602 f. 27
Dazu DEMOUGEOT, Unité, S. 93-142; WEILER, Grenzziehung, S. 136 ff.
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DEMOUGEOT, Unité, S. 172 ff; MAZZARINO, Stilicone, S. 69-76; 275-284; DEMANDT, Magister, Sp. 730 f.
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Π. Die pannonische Diözese als Streitobjekt
Arcadius29. Als Stilicho Anfang 397 noch einmal mit Heeresmacht in Ostillyricum eingriff, um der von Alarichs Visigoten dem Gesamtreich drohenden Gefahr Herr zu werden, wurden seine Pläne wiederum durchkreuzt. Der nicht ohne Beteiligung Ostroms erfolgte Abfall des zum Heermeister ernannten Statthalters Gildo in Nordafrika, die Erklärung des Stilicho zum Reichsfeind in Konstantinopel und die Ernennung des Alarich zum Heermeister Illyricums noch im Jahre 397 vollendeten den Bruch zwischen den beiden Reichsteilen30. Nachdem Alarichs Versuche, die Not des Westreiches auszunutzen, um sich dort eine noch bessere Stellung als im Ostreich zu erkämpfen, durch die in Norditalien erlittenen Niederlagen gescheitert waren, setzte Stilicho seinerseits Alarich ein, um die Frage der Zugehörigkeit der ostillyrischen Provinzen und der militärisch-politischen Zusammenarbeit beider Reichsteile mit Hilfe seiner Goten zu lösen. So wurde Alarich wohl um 404/5 nunmehr vom Kaiser des Westreiches zum Heermeister der illyrischen Präfektur ernannt31. Die Kämpfe zwischen Stilicho und Alarich hatten zweifellos die Invasion der Völker des Radagaisus im Jahre 405 begünstigt, doch gelang es Stilicho ohne Hilfe Alarichs die in Italien eingebrochene Hauptmacht des Feindes mit Hilfe hunnischer, alanischer und reichsgotischer Truppen entscheidend zu schlagen. Ein Großteil des gotischen Kernverbandes wurde in die römische Armee eingegliedert, weitere zehntausende Gefangene als Sklaven verkauñ.Die tödliche, nur mit äußerster Anstrengung abgewandte, doppelte Bedrohung Italiens durch Alarich und Radagaisus bestärkte Stilicho eher noch in seinem Entschluß, durch Beherrschung des gesamten illyrischen Raumes die Verteidigung des Westens besser abzusichern. Der Anspruch des Westens auf die illyrische Präfektur wurde daher spätestens 407 durch die Ernennung des Iovius zum illyrischen Prätorianerpräfekten unterstrichen32. Erst der Einbruch der wohl ebenfalls durch die Invasion des Radagaisus in Bewegung gesetzten Wandalen, Quaden-Sueben und Alanen nach Gallien zum Jahres29
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CAMERON, Claudian, S. 63-92; 124-155.
DEMOUGEOT, Unité, S. 143-234. Zosim. V, 26, 2-3, (fortan stets:) ed. PASCHOUD, Zosime, ΠΙ,Ι, S. 39: Τούς τήν ' Αρκαδίου βασιλείαν Λκονομοΰντας όρων b Στελίχων άλλοτρίως πρός odnòv έχοντας διενοείτο, κοινωνώ χρησάμενος ' Αλαρ'ιχφ, τη ' Ονωρίου βασιλεία τα 'εν Ίλλυριοίς έθνη πάντα προσθεΐναι,... Προσδεχομένου δέ' Αλλαρίχου τω παραγγέλματι πειθαρχήσειν ' Ροδογάισος ...ε'ις τήν Τιαλίαν ώρμητο διαβήναι. Dazu WOLFRAM, Goten1, S.178-182; Goten3'4, S. 160 ff.; CAMERON, Claudian, S. 156-179; 184 f.; PASCHOUD, Zosime m/1, S. 195-201; PLRE Π, S. 46. Sozomenos VIH, 25,3; IX, 4,2 f., S. 384 f.; 395: Στελίχων... καί στρατηγού' Ρωμαίων άξ'ιαν προξενήσας' Αλαρ'ιχφ τω ίγγουμένω των Γότθων προίπρέψατο καταλαβείν τούς Ιλλυριούς. Και βπαρχον αΊχκδν καταστάντα τόν ' Ιόβιον προπέμψας συνέθετο καί αύτός συνδραμείσθαι μετά των' Ρωμα'ιων στρατιωτών, ώστε καί τούς τηδε Υπηκόους Imò τήν ' Ονωρίου δήθεν ήγεμονίαν ποιήσαι. Vgl. DEMANDT, Magister, Sp. 73If. Nach Sozomenos wäre die zweite Bestallung Alarichs zum Heermeister und die des Jovius zum Praefekten etwa gleichzeitig erfolgt Zu den Vorgängen vgl. Demougeot, Unité, S. 353-375; STEIN, B-Ε I, S. 251; PLRE Π, S. 623 f., Iovius 3; J. Frrz, Verwaltung m, S. 1351 f.
zwischen weströmischem und oströmischem Reich
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beginn 407 und die Erfolge des Usurpators Constantin ΠΙ. in Britannien und Gallien zwangen Stilicho, diesen Anspruch aufeugeben, während der weströmische Hof über seinen Kopf die Verständigung mit Ostrom suchte. Dieser Verständigung fiel Stilicho selbst zum Opfer33. Daraufhin erhob Alarich erneut die Waffen gegen das durch die antigermanische Reaktion geschwächte Heer Westroms und griff wiederum das nunmehr fast ungeschützte Italien an. Dabei waren ihm die Ostrogoten Athaulfs ebenso wie Zehntausende germanischer Überläufer, hauptsächlich wohl die ehemaligen Radagais-Goten, die laufend zu ihm stießen, eine willkommene Hilfe. Auf diese Weise vollzog sich zur gleichen Zeit um den visigotischen Kern der Gefolgschaft Alarichs eine neue nunmehr „westgotische" Ethnogenese34. Nach dem Abzug der Alanen aus dem ehemaligen Foederatenbund der Dreivölkergruppe des Alatheus und Saphrax, die sich wohl an die Völkerlawine von Wandalen, (Quaden-)Sueben und anderen Alanen angeschlossen hatten, sowie der Ostrogoten Athaulfs, die zu dem Gefolgsverband Alarichs stießen, entstand in der pannonischen Diözese ein Vakuum, das die dort verbliebenen Hunnen nur unvollkommen ausfüllten. Honorius trug dem Rechnung, indem er im Winter 408/9 den germanischen Offizier Generidus mit dem Rang eines comes rei miliums oder eher noch eines magister militum Illyrici zum Befehlshaber aller in den pannonischen Provinzen noch stehenden Einheiten von Feld- und Limitanheer sowie von Foederaten ernannte und mit der Reorganisation der Reichsverteidigung in diesem Raum betraute35. Bemerkenswerterweise umfaßte der Amtsbereich des Generidus Dalmatien, Oberpannonien, die norischen und rätischen Provinzen, aber nicht mehr Unterpannonien. Möglicherweise hat Generidus ähnlich wie siebzig Jahre später sein oströmischer Kollege Sabinianus bei einer vergleichbaren Aufgabe der Reorganisation verwüsteter Landstriche mit weitgehender Zerstörung der administrativen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Infrastruktur die Funktionen der militärischen und zivilen Verwaltung in seiner Hand vereinigt36. Etwa zur gleichen Zeit wurde der comes sacrarum largitionum Attalus beauftragt, aus Dalmatien fünf Eliteeinheiten mit insgesamt 6000 Mann, die unter dem Befehl eines gewissen comes (Illyrici?) Valens standen, zum Schutze Roms 33 34
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Dazu VÁRADY, Stilicho proditor. Zur westgotischen Ethnogenese s. WOLFRAM, Goten1, S. 178-206; insb. 196 ff., 202 ff.; DERS., Goten3'4, S. 158-177, insb. 171 ff., 175 ff.; vgl unten S. 94 ff. Zosim. V, 46, 2ff, m , l , S. 68; 302 ff., Anm. 107: ...έταξε και Γενέριδον των ëv Δαλματίςι πάντων ήγεΐσθαι, όντα στρατηγόν και τών άλλων όσοι Παιονίαν τε τήν άνω καν Νωρικούς καί ' Ραιτούς έφύλαττον, και όσα αΊπών μέχρι των "Αλπεων. Dazu DEMANDT, Magister, S. 646f.; DEMOUGEOT, Unité, S. 376-443; PLRE Π, 500 f.; CASTRITIUS, Grenzverteidigung, 23 f. mit Anm. 24; Frrz, Administration; S. 81; DERS., Verwaltung ΙΠ, S. 1392; LlPPOLD, Westillyricum, S. 26. Zu Generidus s. oben Anm. 23; ferner unten S. 38 f. LIPPOLD, Zenon, S. 173 f.; 201; DERS., Vzhodni Goti, S. 210 f.; PLRE Π, S. 967, Sabinianus Magnus 4; SCHWARCZ, Goten, S. 75 ff.; Frrz, Verwaltung ffl, S. 1398 f.
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Π. Die pannonische Diözese als Streitobjekt
heranzuführen. Während diese Truppen in einen Hinterhalt gerieten und nahezu aufgerieben wurden, entkamen Valens und Attaiiis37. Ersterer wurde im Frühjahr 409 von Honorius zum obersten Heermeister, letzterer wenig später vom römischen Senat auf Veranlassung Alarichs zum Kaiser erhoben38. Während die einzige Quelle, die über Generidus berichtet, der etwa um 500 schreibende Oströmer Zosimos, den Charakter und die erfolgreiche Tätigkeit des Generidus in seinem pannonischen Amtsbereich weidlich herausstreicht, sagt er dennoch nichts Konkretes über seine Maßnahmen und die Dauer seines Kommandos aus. Im Zeichen des erneuerten antibarbarischen und antiheidnischen Kurses des weströmischen Hofes hat es vielleicht nicht allzulange gedauert. Die Notitia dignitatum läßt lediglich den Schluß zu, daß etwa um 425 im Bereich der pannonischen Diözese, die freilich nach dieser Quelle die Valeria nicht mehr einschloß, ein comes (rei militaris) Illyrici die in Pannonien stehenden Fußtruppen der Garde und des Feldheeres kommandierte. Sein Amt dürfte erst nach 410 gleichzeitig mit der ihm entsprechenden comitiva Hispaniae geschaffen worden sein, denn beide Positionen sind lediglich in der jüngeren Truppenverteilungsliste, nicht jedoch in der älteren Ämterliste und der Truppenliste der comités zu finden39. Inzwischen waren freilich die Spannungen zwischen Ost- und Westreich erneut gewachsen, da Hoffnungen des oströmischen Hofes, daß nach dem Tode des kinderlosen Honorius der östlichen Linie des Kaiserhauses die Herrschaft auch im Westen zufallen werde, durch die Heirat der Galla Placidia mit dem obersten Heermeister und Patricius Constantius (ΙΠ.) um 417, die Geburt eines Sohnes, der 37
Zosimos V, 45, 1 f.; VI, 7, 2, M,L, S. 65 f. mit Anm. 102 auf S. 292 ff.; M/2, S. 10 mit Anm.
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DEMOUGEOT, Unité, S. 441-462; PLRE Π, S. 1137, Valens 2; 180 f., Priscus Attalus 2. ND Oc. VU, 40 u. 118; vgl. I, 30-36 (Ämterliste); XXTV-XXDC (Truppenliste der comités). Während die Ämterliste noch einen früheren Zustand wiedergibt, läßt die Truppenliste der comités bereits die Aufhebung der drei comitivae Italiae, Argentoratensis und Britanniarum erkennen, da die entsprechenden comités nicht mehr über Truppen verfugen. Die Truppenverteilungsliste der Garde und Feldarmee Oc. VII gibt demgegenüber den Zustand nach der Errichtung der beiden neuen comitivae Hispaniarum und Πlyrici wieder. Die Anwesenheit des awcilium der Raeti und der comitatensischen Legionen der Tertiani und Tertia Hercúlea, die aus Rätien stammen, spricht dafür, daß dem Comes Illyrici auch der Schutz Rätiens anvertraut war. Dies entspräche ebenso dem Amtsbereich des Generidus wie das Fehlen der Valeria in der pannonischen Provinzliste Oc. Π, 28-34. Freilich sind dort die beiden Rätien noch der italischen Diözese zugeordnet, vgl. zur Frage HOFFMANN, Bewegungsheer I, S. 227 f.; Π, S. 5, Anm. 150; DERS., Oberbefehl, S. 390 f. Zu der abwegigen Erklärung des Ausscheidens der Valeria aus der pannonischen Diözese und ihrer angeblichen „Urbicarisation" bei VARADY, Jahrhundert, S. 39 f.; 131 f.; 527-552; vgl. die ausführlichen Besprechungen insb. von MÓCSY, AArchH 23, S. 347-360; NAGY, Last Century, S. 299-345; CASTRITIUS, Rezension, S. 393396, deren Einwände durch Váradys heftige Entgegnungen AArchH 24, 1972, S. 261-276 und Chiron 6,1976, S. 443 keineswegs entkräftet, eher bestätigt werden. Die Behauptung Váradys, zwei gleichnamige Provinzen Valeria in verschiedenen Diözesen hätten damals nicht nebeneinander existieren können, wird auch durch die Verwendung des differenzierenden Attributs Ripensis für die pannonische Valeria widerlegt, vgl. ND Oc. 1,42; V, 137; ΧΧΧΠΙ, 23, S. 104; 121; 192.
125 auf S. 43 f.; s. dazu VARADY, New Evidences, S.370 £F.; FITZ, Administration, S. 80 f. 39
zwischen weströmischem und oströmischem Reich
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Valentinian (ΙΠ.) genannt wurde, um 419, und schließlich die Erhebung des Constantius zum Augustus im Februar 421 vereitelt wurden. Der Hof von Konstantinopel versagte dieser Kaisererhebung nicht nur die Anerkennung, sondern unterstellte im Gegenzug die Präfektur Illyricum, die nach der alten Regelung kirchlich noch zum Patriarchatssprengel von Rom gehörte, dem Patriarchen von Konstantinopel. Constantius ΠΙ. plante seinerseits einen Feldzug gegen Ostrom, um die Rechte des weströmischen Reiches in Illyricum wiederherzustellen. Sein Tod führte vorübergehend zu einer Entspannung der Lage, und Ostrom gab nun in der Frage der kirchlichen Zugehörigkeit der illyrischen Präfektur nach40. Bald darauf entfachte der Bruch zwischen Honorius und seiner Halbschwester Galla Placidia, deren Flucht nach Konstantinopel und schließlich die durch den Tod des Honorius im Jahre 423 akut werdende Nachfolgefrage den Streit aufs Neue. Die Eigenständigkeit beider Reichsteile war inzwischen so stark geworden, daß der ravennatische Hof dem Anspruch des Theodosius Π. auf Gesamtherrschaft mit der Erhebung des primicerius notariorum Johannes zum Kaiser begegnete. Dadurch sah sich die oströmische Regierung gezwungen, den fünfjährigen Valentinian ΙΠ. zum Caesar des Westreiches zu erheben und ihn mit Eudoxia, der Tochter Theodosius Π., zu verloben. Während Aetius im Donau-Theiß-Raum für Johannes hunnische Truppen anwarb, konnte der oströmische Feldherr Ardabur den Johannes stürzen. Aetius unterwarf sich daraufhin der Regentin Galla Placidia, die ihren Sohn Valentinian ΙΠ. inzwischen zum Augustus des Westens erhoben hatte41. Aetius ging nun nach Gallien, um die aufständischen Westgoten niederzuwerfen42, während andere römische Truppen wohl im Auftrag des Heermeisters Felix - vielleicht mit Hilfe föderierter westgotischer Kontingente - die Hunnen in Pannonien zurückdrängten. Jedenfalls wurde Pannonien - zumindest West- und Südpannonien, um 427 vorübergehend wieder römischer Herrschaft unterstellt, wie Marcellinus Comes berichtet. Dabei unterstreicht sein Hinweis auf die „fast" 50 Jahre hunnischer Präsenz, daß die 427 vertriebenen Hunnen die Reste des um 380 von Theodosius hier angesiedelten Dreivölkerverbandes darstellen43. Die Reorgani40
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Cod. Theod. XVI, 5, 3, S. 855; STEIN, BE I, S. 274; BURY, Later Roman Empire (fortan=BLRE) I, S. 209 ff.; BAUS /EWIG, HbKG II, 1, S. 264-271; PLRE Π, 321-325, Fl. Constantius 17. Chron. Gall. Α. 452, 100, S. 658; Gregor. Tur. Hist. Π, 8, S. 50f.; Prosper Epit 1288, S. 470; dazu STEIN, BE I, S. 274 f.; 282 ff; BURY, BURE I, S. 221-225; PLRE Π, S. 594 f., Iohannes 6. DEMOUGEOT, Formation Π, S. 477; WOLFRAM, Goten1, S. 211; Goten3'4, S. 180 f. Marcellin. Comes A. 427, S. 76: Pannoniae, quae per L annos ab Hunnis retinebantur, a Romanis receptae stmt...; Jordanes, Get. ΧΧΧΠ, 166, S. 101:... duodecimo anno regno Valiae, quando et Hunni post pene L annorum invasam Pannoniam a Romanis et Gothis expulsi sunt ... eo fere tempore, quo Hierius et Ardabures cónsules processi sunt...; vgl. dazu NAGY, Reoccupation, ferner DEMOUGEOT, Formation Π , S. 515ff.;STEIN, B E I, S. 318; VARADY, Jahrhundert, S. 292-299; zuletzt (mit einigen neueren Literaturangaben) kurz POHL, Hunnen, S. 250; s. femer dazu unten S. 90 f., 98. Trotz der Unkenntnis über die Nachfolge des Westgotenkönigs Theoderichs und der Weiterzählung der Regierungsjahre des längst verstorbenen Walia ist die zweifache Jahresangabe bei Jordanes erstaunlich präzise und könnte sehr wohl auf guter Tradi-
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Π. Die pannonische Diözese als Streitobjekt
sation der römischen Verwaltung in den verwüsteten Gebieten des OstalpenMitteldonau-Raumes wurde jedoch um 430 durch einen Einfall der Juthungen in Rätien und einen offenbar davon - und vermutlich dem erneuerten Steuerdruck ausgelösten Aufstand der Provinzialen in Norikum und Vindelizien (Nordrätien) unterbrochen. Aetius benötigte zwei Jahre, um nach der Vertreibung der Juthungen auch der norischen Rebellen Herr zu werden. Der Aufstand der Provinzialen könnte sich in der Zerstörung der Kaiserstatuen in zahlreichen Kastellen dieses Raumes etwa zu dieser Zeit, u.a. in Klosterneuburg, Zeiselmauer, Zwentendorf, Traismauer, Mautern, Wallsee widerspiegeln44. Diese Feldzüge und der anschließend wiederausbrechende Streit zwischen der Regentin Galla Placidia und Aetius führten naturgemäß zu einer erneuten Schwächung der Stellung Roms in Pannonien. Zwar hatten die Hunnen unter ihrem König Oktar eine Niederlage erlitten, als sie unter Ausnutzung der Wirren im Ostalpenraum um 430 die Burgunder im Maingebiet angriffen45. Als Aetius jedoch nach dem Norikumfeldzug von der Kaiserin abgesetzt wurde, sah er sich genötigt, bei Oktars Nachfolger Ruas im Theißgebiet Zuflucht zu suchen. Um 433 verstand er sich dann dazu, den Hunnen Pannonien, d.h. außer der Valeria auch Oberpannonien bis zur Save, zu überlassen46. Mit diesem Zugeständnis sicherte er sich
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tion beruhen, die auch der Angabe des Marcellinus zugrunde liegen dürfte. Der Zusammenhang bei Jordanes läßt keinen Zweifel, daß die Rückgewinnung Pannomens oder zumindest Teilen Pannoniens damals vom Westreich ausging. Im übrigen scheint Prosper Tiro zu bestätigen, daß Pannonien noch 432 von Hunnen frei war, da Aetius auf seiner Flucht zu diesen Dalmatien und Pannonien durchqueren mußte, s. Prosper Epit. A. 432, 1310, S. 473 f.: ... per Pannoniam ad Hunnos pervertit ... Zu dieser Zeit müssen auch die äußeren Hunnen eine Schwächeperiode durchgemacht haben, wurde doch etwa um 430 der Hunnenkönig Oktar von den östlichen Burgundern, wie es heißt, vernichtend geschlagen, s. dazu unten Anm. 45. Daß übrigens Teile der Westgoten auch während eines Krieges des Kernstamms unter ihrem König mit den Römern auf der Seite der letzteren stehen können, erleben wir auch 439. Damals wird der Amalerfurst Widirich-Vitericus, der sich nach Athaulfs Tod - sicher mit einer ansehnlichen Gefolgsschaft - den Westgoten angeschlossen hatte, zur gleichen Zeit von den Römern wegen seiner Verdienste gepriesen, als Litorius den Westgotenkönig Theoderich in Toulouse belagerte, s. Prosper Epit. A. 439, 1337 f., S. 477. Hydatius Chron. 93 u. 95, S. 131: Juthungi... debellantur et Nori; ... Aetius ... Noros edomat rebellantes', Sidonius Apoll. Carm VII, Paneg. Avito, 230 ff., S. 63: Aetium ... sequeris, qui... nil sine te gessit... Nam post Iuthungos et Nerica bella subacto victor Vindelico...; zu den Kaiserstatuen s. Ubi, Severinsorte, S. 86; STICKLER, Aetius, S. 189 f. Sokrates, Hist. Eccl. VE, 30, ed. Hansen, S. 380; THOMPSON, Attila, S. 66 f. Prosper Epit. A. 432, 1310, S. 473 f.: ... ad Hunos pervenit, quorum amicitia auxilioque usus pacem principum et ius interpolatile potestatis optinuit ...; Chron. Gall. Α. 452, 112; 116; S. 658 f.; zu den Gebieten, die den Hunnen eingeräumt wurden, s. Priscus, frg. 11, ed. BLOCKLEY, S. 242,2 ff.; HGM I, frg. 7, S. 286,24 ff.: ... συν ' Ορέστη, ός του ' Ρωμαϊκού γένους ών φκει τήν πρός τφ Σάω ποταμω Παιόνων χώραν τω βαρβάρφ κατά τάς' Αε-ήου στρατηγού των ' εσπερ'ιων ' Ρωμαίων συνθήκας 1>πακούασαν. Priscus, ed. BLOCKLEY, frg. 11,2, S. 276, Ζ. 578 f.; HGM I, frg. 8, 312,2 f.: ... Κώνσταντιόλου, άνδρόςfeieτης Παιόνων χώρας της ΎΠΌ ' Αττήλα ταττομένης...; vgl. dazu DEMOUGEOT, Formation Π, S. 525 f.; SoPRONI, Letzte Jahrzehnte, S.105 f.; THOMPSON, Attila, S. 63f.; VARADY, Jahrhundert, S. 251 ff.; 303-314; 346 ff., doch mit irrigen Folgerungen. Da Sirmium nicht an die Hunnen abgetreten
zwischen weströmischem und oströmischem Reich
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einerseits hunnische Hilfstrappen, die seine Stellung gegenüber der Regentin stärkten, andererseits konnte er dem Westreich - auf Kosten des Ostreichs - für anderthalb Jahrzehnte Frieden mit den Hunnen erkaufen. Friede und Bündnisvertrag wurde wenig später, wohl schon unter Ruas Nachfolgern Attila und Bleda, in Rom ratifiziert. Die Abtretung Pannoniens wurde vermutlich dadurch verschleiert, daß Attila pro forma zum illyrischen Heermeister ernannt wurde47. Um ganz jeder Verstrickung in die Probleme des mittleren Donauraumes ledig zu sein, trat Aetius spätestens im Jahre 437 auch Sirmium an Ostrom ab und behauptete fortan nur noch Dalmatien und die rätisch-norischen Ostalpenprovinzen für das Westreich48. Diese Regelung führte dazu, daß Ostrom folgerichtig nach dem Zusammenbruch des Hunnenreiches die Verfügungsgewalt zumindest über Unterpannonien in Anspruch nahm. Daher setzte der Kaiser Markianos nach dem Abschluß eines Bündnisses hier die walamerischen Ostrogoten an, denen er gleichzeitig Jahresgelder aussetzte. Auch der Nachfolger Markians, Leo I., mußte nach anfanglicher Weigerung diese Regelung im Jahre 459 anerkennen49. Trotz des faktischen Verzichts des Aetius auf die eigentlichen pannonischen Provinzen und der Übertragung des illyrischen Magisterium an Attila hat das in der Notitia bezeugte Amt eines weströmischen comes Illyrici vermutlich auch noch um die Mitte des 5.Jh. bestanden. Jedenfalls tritt uns bei Priscus im Jahre 448 an der Spitze einer im Auftrag des Aetius an Attilas Hof reisenden Gesandtschaft ein comes Romulus entgegen, der aus Poetovio stammt, ferner ein άρχων (archon) Norikums namens Promutus (Promotus?) sowie ein militärischer Bewurde, jedoch durch die Abtretungen die Verbindungen dorthin unterbrochen waren, muß das den Hunnen überlassene Gebiet an der Save die Savia, damit aber auch die Valeria und Pannonia I. umfaßt haben. Zum Magistertitel Attilas s. Priscus, ed. BLOCKLEY, frg. 11,2, S. 278, Z. 623ff.; HGM I, frg. 8, 313,25 ff.: νϋν μέν γαρ τό χρυσίον κομ'ιζεσθαι παρ' αϋτών της άξιας ένεκα. ...fjv δέ άξια... στρατηγού ' Ρωμαίων, % χάριν ο ' Αττήλας παρά βασιλέως έδέδεκτο... του τοις στρατεγοίς χορηγουμένου τάς συντάξεις έκπέμπεσθαι. ... μετά Μήδους και Πάρθους και Πέρσας τούτο τό όνομα, όπερ ainòv βούλονται ' Ρωμαίοι καλείν, κα'ι τήν άξίαν, fi abròv τετιμηκέναι νομίζουσιν, άποσεισάμενον άναγκάσειν σφάς άντί στρατηγού βασιλέα προσαγορεύειν... Die Übertragung des Magisterium an Attila wird mit den selben Worten ausgedrückt wie wenig später die der comes- Würde an einen Römer, s. unten Anm. 50. Auch der Umstand, daß die Tribute ausdrücklich als Soldzahlungen deklariert werden, spricht dafür, das es sich hier formal um ein echtes Magisterium und nicht um einen Magistertitel honoris causa gehandelt hat. Zur Archäologie des Hunnenreiches unter Attila s. WERNER, Attila-Reich. 47
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Priscus, ed. BLOCKLEY, frg. 11,2, S. 278 Z. 602 f.; H G M I, frg. 8, S. 312,31 f.: Β α σ ι χ κ α ΐ
Κουρσίχ τους ύστερον ες τήν ' Ρώμην έληλυθί>τας εις ομαιχμίαν. Cassiodor, Variae XI, 1, 9, ed. MOMMSEN, S. 328 f.; ed. FRIDH, S. 423, Z. 65f.: (Placidia) nurum denique sibi omissione Illyrici comparauit factaque est coniunctio regnantis divisio dolendoprouinciis...; dazu STEIN, Verwaltungsgeschichte, S. 354-359. Jordanes, Getica, L, 263 u. LII, 270 f., S. 126 u. 128; Priscus, FHG, frg. 28, S. 103b = Exc. de Leg. Rom. 9, ed. DE BOOR, S. 152 bzw. Priscus ed. Blockley, frg. 37, S. 340 f.; WOLFRAM,
Goten1, S. 324f.; 327f.;3/4 S. 259 ff.; POHL, Gepiden, S. 263 ff.; SCHWARCZ, Goten, S. 50 ff; 57 ff; WOZNIAK, East Rome, S. 351 ff.
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Q. Die pannonische Diözese als Streitobjekt
fehlshaber Romanus50. Von den genannten Personen ist Promutus wohl als praeses der Provinz Noricum Mediterraneum, Romanus entweder als Befehlshaber einer militärischen Einheit oder eher noch als dux Notici, d.h. als Befehlshaber aller in Noricum stehenden Limitantruppen anzusprechen51. Da sich im übrigen gerade aus unserer - wiederum einzigen — Quelle, Priscus, ergibt, daß Gesandtschaften an Attila überwiegend unter der Führung der Militärkommandeure der Grenzregionen, in der Regel der Heermeister, standen, liegt nahe, daß Romulus als comes lllyrici das Amt des ranghöchsten Oberbefehlshabers der Garde und Feldtruppen der unmittelbar an den hunnischen Machtbereich angrenzenden Region des weströmischen Reiches bekleidete52. Als Schutzmaßnahme für das durch das Vordringen der Hunnen vom Alpenraum abgeschnittene Dalmatien ist damals vermutlich neben der fortbestehenden comitiva lllyrici - auch das Amt eines comes Dalmatiarum neu geschaffen worden, das seit der Mitte des 5. Jh. der mit Aetius befreundete Marcellinus innehatte. Vielleicht ist die Errichtung der dalmatischen comitiva aber auch erst eine Folge des Zusammenbruchs der römischen Verteidigung im Ostalpenraum während des Attilazuges, wovon keine schriftliche Überlieferung, wohl aber Brandschichten in Städten und Kastellen des OstalpenDonau-Raumes Zeugnis ablegen53. Wie wir wissen, gelang es dem obersten Heermeister und Patricius Aetius durch das Aufgebot nicht nur der Foederaten, sondern auch der inzwischen als autonome Einheiten sich organisierenden Völkerschaften Galliens in der gewaltigen Schlacht auf den katalaunischen oder mauriacensischen Feldern den Hunnen eine entscheidende Niederlage beizubringen. Auf römischer Seite kämpften dabei (West-)Goten, Franken, Sarmaten, Armorikaner, 50
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Priscus, ed. BLOCKLEY, frg. 11, 2, S. 262, Z. 316 ff. und S. 276 Z. 575 f.; HGM I, fig. 8, S. 301,
Ζ. 25 ff. und S. 311, Ζ. 30 f.: ...τυγχάνομεν άνδράσι των εσπερ'ιωυ ' Ρωμαίων και αΊποίς παρά τόν ' Αττήλαν πρεσβευομένοις- ών ' Ρωμύλος ήν, ώνήρ τη του κόμητος άξίςχ τετιμημένος, και Προμσυτος της Νωρ'ικων άρχων χώρας, καί ' Ρωμανός στρατιωτικού τάγματος ήγεμών... ' Ρωμύλος καί Προμοΰτος και Ρωμανός di εξ Ιταλίας έλθόντες παρά τόν ' Αττήλαν πρέσβεις ...; vgl. dazu VARADY, Jahrhundert, S. 319 ff; SASEL Kos, Embassy, S. 104 ff. Vgl. ND Oc. I, 89; 40; V, 138; XXXIV. Die Limitantruppen der Pannonia I wären naturgemäß nun zum Schutz der offenen Ostgrenze Noricums eingesetzt worden. Vgl. PLRE Π, S. 926,
Promotus 1; („vielleicht praeses Notici ripensis"); S. 946 f., Romanus 2 (comes rei militaris 32
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oder dwc7); CASTRITIUS, Grenzverteidigung, S. 25. Heermeister an der Spitze von (oströmischen) Gesandtschaften an Attila: Plinthas, Dionysius (ca. 433), Anatolius (447), Anatolius u. Nomus (449), Apollonius (450); Priscus, ed. BLOCKLEY, frg. 2; 33,2; 9,2; 13,1; 23,3, S. 225; 339; 237; 283; 315; HGM, frg. 1; 5; 13; 14; 18,26,1; S. 276; 284; 315; 330; 337 f.; ed. DEBOOR, 1; 3; 4; 5; 6, S. 121; 576; 149; 150 f. Attila legte Wert darauf, daß an der Spitze der Gesandtschaften nur Männer höchsten Ranges standen, s. Priscus, ed. BLOCKLEY, 2, S. 248 f.; 278 f ; FHG 4, frg.8, S. 78a; 90a; Exc. de Leg. Rom. 3; ed. DEBOOR, S. 123; 142. Von Romulus sagt Priscus, ed. BLOCKLEY, frg. 11,2, S. 276, Z. 587 f.; HGM I, S. 312, Z. 12 f., er sei ein überaus erfahrener Gesandter: ... ' Ρωμύλος πρεσβευτής άνήρ καί πολλών πραγμάτων έμπειρος... ENSSLIN, Marcellinus, Sp. 1447 ff.; WILKES, Dalmatìa, S. 420 ff.; PLRE Π, S. 708 ff., Marcelli-
nus 6; FITZ, Verwaltung ΠΙ, S. 1390; 1393 f.; zum Attilazug vgl auch unten S. 166 mit Anm. 621.
zwischen weströmischem und oströmischem Reich
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Laeten (Liticiani), Burgunder, (gallische) Sachsen, Rheinanwohner (Uferlimitanen=Riparioli), Breonen und (gallische) Alanen, mit den Hunnen ihrerseits die Aufgebote zahlreicher unterworfener Völker oft gleicher Herkunft, der (Ostro-) Goten, Gepiden, Rugier, Burgunder, Skiren, Thüringer und Franken54. Mit diesem Ereignis begann der Niedergang der Hunnenherrschaft, obwohl Attila im nächsten Jahr über Pannonien noch einmal in Norditalien einzudringen vermochte. Der Tod Attilas und der bald darauf erfolgende Zusammenbruch des Hunnenreiches schufen eine neue Situation, die dem weströmischen Reich noch einmal Gelegenheit bot, seine Herrschaft in Pannonien wiederaufzurichten. Daß es tatsächlich zu einer Restauration der römischen Macht im Ostalpenraum von Westrom aus kam, bezeugen vor allem die Berichte der Vita Severini über die Zustände in Ufernoricum in den Jahren etwa zwischen 467-488, die für die Zeit bis 476 sogar die wiederhergestellte Wirksamkeit der Limesorganisation im Abschnitt zwischen Quintanis-Künzing in der Raetia Secunda bis zur Westgrenze der Pannonia Prima am Wienerwald belegen55. Über die näheren Umstände dieser weströmischen Aktivitäten erfahren wir so gut wie nichts, etwas mehr hingegen über die Maßnahmen Ostroms im pannonischen Raum. So wissen wir, daß der dalmatinische Comes Marcellinus nach Empfang der Nachricht von der Ermordung des Aetius um 454 sich vom Westreich lossagte und an das Ostreich anlehnte, und daß etwa zur gleichen Zeit der oströmische Kaiser Markian über den Ostteil der pannonischen Diözese verfügte und hier, in der Valeria und Pannonia Secunda bis hin zum Plattensee und Donauknie die Ostrogoten unter König Val amer ansiedelte56. Andererseits berichtet Sidonius Apollinaris in lakonischer Kürze, daß der mit Unterstützung der Westgoten vom gallischen Senatorenadel im Juli 455 in Arles zum Kaiser erhobene Avitus noch im Herbst des gleichen Jahres dem Reich die seit langem verlorenen pannonischen Provinzen zurückgewonnen habe. Da Avitus erst am 21. September nach Italien kam und gegen Jahresende bereits wieder in Rom war, standen ihm für seine Maßnahmen in Pannonien in der Zwischenzeit nur wenige Wochen zur Verfugung. Da er im übrigen von Konstantinopel nicht anerkannt und bereits im folgenden Jahr gestürzt wurde, erhebt sich die Frage, auf welchem Wege ihm die Rückgewinnung wenigstens der westpannonischen Provinzen gelungen ist. Immerhin spricht die Erwähnung des Erdbebens von Sabaria 54
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Jordanes, Get. XXVI-XLI, 185-217, S.106-113; Sidonius Apoll. Carm.VII, v. 319 ff., S. 211; dazu CASTRrnus, Katalaunische Felder; femer noch immer ZEUSS, Die Deutschen u. d. Nachbarstämme, S. 578-582; ZÖLLNER, Franken, S. 30 f.; zu der Lesung Riparioli-Briones schon ebenda, S. 31, Anm.l; ferner SCHARF, Ripari; zur Ethnogenese der Armoricani/Britones, Breones und der Riparioli s. CASTRTITUS, Ethnogenetische Vorgänge, S. 333-337; M . SPRINGER, Riparli; zu den Liticiani/Laeti s. CASTRTTIUS, Laeten und Laetengräber (mit Lit). Zur Unterscheidung von Visi- und Westgoten bzw. Ostro-und Ostgoten s. unten S. 94 ff.; 98 mit Anm. 333 ff.; 347; S. 117 f. mit Anm. 423 u. passim. Eugipp. V. Sev. c. 11, 1; 20, 1; dazu LOITER, Severinus von Noricum, S. 204 ff.; 261 ff. u. passim; DERS., Daten, S. 76 ff.; CASTRTTIUS, Grenzverteidigung, S. 26 ff. S. oben S. 17, Anm. 49; unten S. 104, Anm. 370 f.
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Π. Die pannonische Diözese als Streitobjekt
im September 456 in den Fasti dafür, das zumindest Oberpannonien damals tatsächlich wieder zum Westreich gehörte57. In der Tat muß die ravennatische Regierung trotz der Gegnerschaft Ostroms und des Marcellinus ihre Autorität in diesem Raum in dieser Zeit wieder zur Geltung gebracht haben. Denn anders wäre es nicht zu verstehen, daß der Nachfolger des Avitus, der Kaiser Maiorian, seinen gigantischen Versuch, im Kampf gegen Burgunder, Westgoten und Wandalen den gesamten Westen des Reiches der Autorität Roms wieder zu unterwerfen, mit Truppen unternahm, die fast ausschließlich aus den im Donauraum angesiedelten Völkern angeworben worden waren58. Dieses Heer wurde ihm von einem Heermeister zugeführt, dessen Charakter und Verdienste Sidonius mit den höchsten Lobesworten preist, ohne uns seinen Namen zu verraten. Wir sind versucht, diesem Heermeister das eigentliche Verdienst zuzuschreiben, Roms Autorität im Ostalpen-Donauraum nach dem Zusammenbruch des Hunnenreiches wieder zur Geltung gebracht zu haben. Um Marcellinus kann es sich dabei nicht handeln, da dieser zu dieser Zeit kaum schon den Heermeistertitel trug, unter Avitus gegen das Westreich Stellung bezogen und erst von Maiorian dafür gewonnen wurde, mit seiner Flotte und hunnischen Truppen Sizilien gegen Geiserich zu decken. Ebensowenig können wir den aus Pannonien anrückenden Heermeister mit dem obersten Heermeister und Patricius, Ricimer oder gar dem in Nordgallien abgeschnittenen Aegidius identifizieren. Von den uns bekannten Heermeistern unter Maiorian wäre der einzige, der für diese Rolle infrage käme, der zweite magister praesentalis Nepotianus. Da er mit der Schwester des dalmatinischen Comes Marcellinus verheiratet war, könnte er Beziehungen zum pannonischen Raum gehabt haben, andererseits sind aber auch Verbindungen des Marcellinus zu gallischen Senatorenkreisen bekannt, die ihn sogar als Nachfolger des Avitus zum Kaiser erheben wollten. Auch die Tätigkeit Sidonius Apoll. Carm. VII, 588 ff.:... tibi restituet... cuius solum amissaspost saecula multa Pannonias revocavit iter, iam credere promptum est, quid faciat bellis ...; vgl. Auct. Prosp. Havn. u. Fasti Vind. pr. a. 455, S. 304. Zum Erdbebens von Sabana s. Fast. Vindobon. A. 455, S. 304: eversa est Sobaría a terrae motu VII id. sept, die Veneris. Der angegebene Wochentag paßt in das Jahr 456; s. WOLFRAM, Goten1, S. 324 f.; Goten3'4, S. 261 und 474 Anm. 14; SCHWARCZ, Goten, S. 51 f.; BALLA, Savaria, insb. S. 37-43; MAENCHEN-HELFEN, Huns, S. 144-147; LOITER, Severinus v. Noricum, S. 219 ff.; 241 ff.; vgl. auch unten S. 106, Anm. 383; S. 157, Anm. 589. Sidonius Apoll. Carm. VI, 471-487; 553-557: ... rigidum semptemplicis Histri agmen in arma rapis ... tibi militât omnis Caucasus et Scythicae potor Tanaiticus undae ... quantusque magister militiae, vestrumpost vos qui compulit agmen...; dazu LOTTER, Severinus von Noricum, S. 2 4 2 - 2 4 6 ; DEMOUGEOT, F o r m a t i o n Π, S. 5 8 3 ff.; VARADY, Jahrhundert, S. 3 4 0 ff.; CANTA-
RELLI, Maioriano, S. 271 f.; STEIN, BE I, S. 377 ff.; MAX, Majorian, 127-137; ferner unten S. 108 mit Anm. 388. Die Name der wirklich existierenden ebenso wie der mythischen Völker weisen so gut wie ausschließlich, die Ortsbestimmungen durchweg auf den Donauraum und die Steppengebiete des Südostens hin. Eine angeblich viel präzisere Beschreibung des Heeres Maiorians, die WOLFRAM, Goten1, S. 329, Anm. 33; Goten3'4, S. 264 und 476 Anm. 33 bei Priscus, FHG 4, frg. 27; ed. BLOCKLEY, frg. 36, S. 338 f. ausmachen will, kann ich nicht entdecken.
zwischen weströmischem und oströmischem Reich
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des Nepotianus erstreckte sich später, soweit wir wissen, gerade auf den gallischspanischen Raum59. Angesichts dieser Situation muß auch die Möglichkeit einer Erneuerung des pannonisch-westillyrischen Sprengelmagisteriums durch Maiorianus oder einen seiner Vorgänger in Betracht gezogen werden, das zuletzt, wie wir sahen, Attila übertragen worden war. In der Tat käme für ein solches Amt noch eine hochgestellte Persönlichkeit in Frage, über deren Tätigkeit im einzelnen wir wenig wissen. Im Jahre 461 wurde der weströmische Konsulat von einem gewissen Flavius Severinus bekleidet, dessen Verdienste die des Nepotianus noch in den Schatten gestellt haben dürften, da er diesem bei der Ehrung durch den Konsulat vorgezogen wurde. Da seit längerem neben den Kaisern selbst nur ehemalige Prätorianerpräfekten, Präfekten der Stadt Rom oder Heermeister zum Konsulat aufstiegen, kann auch für Severinus eine Amtsstellung dieser Art vorausgesetzt werden. Von Apollinaris Sidonius erfahren wir aber nur, daß der Konsul von 461 bereits mehreren Kaisern treu gedient hatte60. Dies schließt bei dem mehrmaligen Wechsel der von verschiedenen Adelsfaktionen zwischen 454 und 457 erhobenen Kaiser und entsprechendem Austausch der Führungskräfte eigentlich eine Stellung in unmittelbarer Nähe der Kaiser aus und würde im übrigen über Avitus zurück auf Maximus oder eher noch Valentinian ΙΠ. als ersten Förderer des Severinus hindeuten. Darüber hinaus weist sie den späteren Konsul Severinus als einen überaus verträglichen und auf Ausgleich bedachten Mann aus. Nun gibt es in der Tat noch einen weiteren Hinweis. In der um 506 von Ennodius verfaßten Vita eines Eremiten Antonius von Lérins, da' aus Ρ armoni en stammte, wird ein inlustrissimus vir Severinus genannt, der nach der Mitte des 5. Jh. eine dieses Prädikat rechtfertigende Funktion bekleidet haben muß. Zwar ist die Bezeichnung inlustrissimus vir + Cognomen nicht selbst schon eine Rangtitulatur für eines der höchsten militärischen oder zivilen Ämter wie das entsprechende illustris vir + Cognomen, wird jedoch in der fraglischen Epoche in seinem Bedeutungsfeld von diesem bestimmt, ein Bezug auf die Heiligkeit ist angesichts zahlloser Belege auszuschließen61. Tatsächlich begann, wie wir hören, Antonius bei Severinus mit den incipientis tirocinia, d.h. er erlernte hier die Grundkenntnisse weltlicher Bil59
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Marcellinus, Sp. 1446ff.;O E R S . , Nepotianus, Sp. 2513; PLRE Π, S.778, Nepotianus 2. Sidonius Apoll. Ep. I, 11, 10, S. 18:... consul Ordinarius Severinus, vir inter ingentes principum molus atque inaequalem reipublicae statum gratiae semper aequalis...; Vgl. dazu PLRE Π, S. 1001, Fl. Severinus 5. Ennodius, V. Anton. Lir. c. 9, S. 186 f.:... annorum ferme octo genitoris tutela nudatus est. Mox tarnen ad illustrissimum virum Severinum ... evolavit... Ule hunc sibi futurumparticipem pia ubique voce praedicabat, credo, ut incipientis tirocinia spes adnuntiata solidaret...; dazu L O I T E R , Severinus von Noricum, S. 223-260; D E R S . , Daten, 82-86. Die Ausbildung bei Severinus und Bischof Constantius bietet dem Antonius mit seiner Übersiedlung nach Italien auch zunächst nur die Möglichkeit, in einem clericorum ... collegio et inter ecclesiasticos coetus ein ehrenvolles Kirchenamt (honorem... potentiam) auszuüben, das er freilich „wie einen Gifttrank" verabscheut. Danach erst folgt seine eigentliche conversio mit der Abwendung von den humanae conversationis... inlecebris und der Niederlassung in der Einsiedelei. ENSSLIN,
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Π. Die pannonische Diözese als Streitobjekt
dung, die ihn dann, nach dem Tode des Severinus, dazu befähigten, als Schreiber (exceptor) des Bischofs Constantius in den Dienst der Kirche (caelestis militia) einzutreten, die jedoch in dieser Notsituation ebenfalls Funktionen weltlicher Administration übernommen hatte. Die eigentliche conversio des Antonius und seine Abwendung von den Verlockungen weltlichen Umgangs erfolgte erst Jahre später, nachdem er nach Italien übergesiedelt war und dort zunächst in einem Klerikerkollegium gewirkt hatte, sich dann aber in eine Eremitage nahe dem Grab des Märtyrers Felix zurückzog. Die Begegnung mit Severinus hatte also - außer den im übrigen nicht eingetretenen Prophezeiungen des Heiligen - noch keine unmittelbaren Auswirkungen auf einen heiligmäßigen Lebenswandel des Antonius. Dementsprechend dürfen wir auch den futurum participem wohl eher als Helfer bei den vielfältigen weltlichen Funktionen des inlustrissimus vir Severinus verstehen. Dementsprechend hätte Ennodius hier auch die weltliche Stellung des Severinus betont, obwohl er auch über dessen Conversio und Heiligkeit unterrichtet war. Der allgemeine Sprachgebrauch der Epoche wie insbesondere auch der des Ennodius zeugten also dafür, daß ebenso wie das seit etwa der Mitte des 5. Jh. nur noch als Rangtitulatur zu verstehende inlustris vir mit Cognomen auch das diese noch überhöhende Prädikat inlustrissimus vir den bei Ennodius erwähnten Severinus als Angehörigen der obersten Rangklasse des Senatorenadels und Inhaber eines der höchsten Zivil- oder Militärämter ausweist62. Dies ist nun insofern bemerkenswert, als der Severinus des Ennodius wiederum mit dem in Norikum bis zu seinem Tode im Jahre 482 wirkenden gleichnamigen Heiligen identisch ist, über den der Abt Eugippius um 511 eine Heiligenvita verLOTTER, Severinus von Noricum, insb. S. 235-241. Trotz angestrengter Bemühungen, diese Feststellungen zu widerlegen, ist dies bisher nicht gelungen. So hat etwa Hartmut WOLFF in zwei längeren Abhandlungen (Kritische Bemerkungen; Ein Konsular) behauptet, daß der untechnische Sprachgebrauch von illustris(simus) „neben dem staatlichen Rangtitel natürlich nicht ausgemerzt wurde", ja diese Vorstellung „selbst ohne gegenteilige Belege absurd" sei. In Wirklichkeit bestätigen WOLFFS Untersuchungen gerade, daß von ca. 450 bis 650 und auch späterhin - von spezifischen Ausnahmen (England, Spanien) im 7./8.Jh. abgesehen - die Kombination von vir illustris(simus) + Cognomen nie mehr anders als im Sinne des Rangtitels gebraucht und keineswegs als Ausweis von Heiligkeit verstanden werden konnte; vgl. dazu LOTTER, Interpretation; DERS., Inlustrissimus vir. Allerdings findet sich auch anderswo noch immer Skepsis gegenüber LOITERS fflustris(simus)-These. So gehen BRATOZ, Severinus, S. 19 f.; DERS., Der „heilige Mann", S. 248 ff. sowie RÉGERAT, Eugippe, S. 96 ff. davon aus, daß man die sehr breite und verschiedene Gebiete des öffentlichen Lebens umfassende Tätigkeit Severins durchaus auch auf seine besondere Stellung als homo Dei in der damaligen Gesellschaft zurückführen könnte. Zum „geographischen" und „sozialen" Ursprung Severins s. BERG, Bischöfe, S. 67 Anm. 57: „Sein Name verweist in die Familie des Boethius". KNAPP-MENZL, Mönchtum, S. 35-41 spricht in referierender Übersicht obiger und anderer Erwägungen zur Herkunft Severins von „Unsicherheit der einzelnen Thesen", ohne sie auszuschliessen; in Anmerkungen fuhrt er die zustimmenden oder ablehnenden Stellungnahmen verschiedener Forscher an. Eine nuancierte und gut ausgewogene Beurteilung gibt WOLFRAM, Grenzen, S. 47 f.; vgl. auch DERS., Geburt, insb. S. 60-63 mit Anm. 31-69; ähnlich auch FOHL, Einführung; s. auch o. Anm. 6 f. Zum „Severinsgrab" in Heiligenstadt s. unten S. 169, Anm. 634.
zwischen weströmischem und oströmischem Reich
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faßt hat. Trotz aller hagiographischen Stilisierung verdeutlicht auch die Vita, daß der Heilige in den rätisch-norischen Restgebieten der pannonischen Diözese vor 476 bzw. 482 praktisch nicht nur die oberste zivile, sondern auch militärische Führungsinstanz darstellte. Wenn sie des weiteren zu erkennen gibt, daß die Limesorganisation in Ufernorikum noch bis zum Jahre 476 einigermaßen funktionierte und von der Zentralgewalt in Italien unterhalten wurde, setzt auch dies damals noch ein Fortbestehen bzw. eine Reorganisation der Militäradministration mit den der Regierung in Ravenna verantwortlichen oberen Chargen voraus. Als eine solche ist aber in der Vita wiederum nur Severinus zu erkennen, und es ist nicht einzusehen, warum der Autor, Eugippius, einen neben Severinus amtierenden militärischen Befehlshaber oder Zivilgouverneur mit Schweigen übergangen haben sollte. Von Severinus aber sagt er ausdrücklich, er sei bald nach dem Zusammenbruch des Hunnenreiches - eigentlich gegen seinen Willen auf göttliches Geheiß - nach Ρ arnioni en und Noricum gekommen. Der Umstand, daß Eugippius über eine frühere Amtsstellung bzw. den gesellschaftlichen Rang des Heiligen nichts verlauten läßt, begründet er selbst in einem vermutlich fingierten Gespräch: Der Heilige wünschte nicht, daß über seine Herkunft (natio), seinen gesellschaftlichen Rang (locus) und seinen Stand (genus) gesprochen werde, um so der verderblichen Verfuhrung zum Hochmut leichter entgehen zu können63. Des weiteren sprechen für die herausgehobene gesellschaftliche Stellung des Severinus gerade auch seine engen Beziehungen einerseits zu Mitgliedern des Kaiserhofes und führender Senatorenkreise, so der in Pannonien beheimateten Familie des Orestes und Romulus, aber auch solchen in Italien, andererseits zu Königen und Fürsten der im Ostalpen-Donau-Raum auftretenden germanischen Stämme und Verbände. Es erscheint m. E. fraglich, ob dies alles mit seinem Status als Heiliger bzw. homo Dei allein erklärt werden kann. Andererseits muß nochmals betont werden, daß sich in Severin der hohe säkulare Rang und der Status als Heiliger (nach seiner Konversion) nicht ausschließen, sondern eng miteinander verbunden sind, wie dies ähnlich auch für andere Persönlichkeiten der Spätantike gilt. Wenn nun der spätere Heilige mit dem gleichnamigen Konsul von 461 und/ oder dem unbekannten pannonischen Heermeister von 458 identisch wäre, müßte er in den Sturz des Maiorian verwickelt worden sein. Tatsächlich könnten die Angaben der Vita darauf hindeuten, daß Severinus nach einem ersten Aufenthalt in Pannonien zwischen 455 und 461 sich „auf einer gefahrvollen Reise" in den 63
Eugippius, Ep. ad Pasch. 10; dazu LOITER, Severinus von Noricum, S. 62 ff.; DERS., Daten, S. 85 f. Die durchweg auf Herkunft von Geburt, Rang und Stand hinweisenden Bedeutungen insbesondere von natio, locus und gertus in dem Primeniusgespräch, die dem klassischen Philologen nicht entgehen, dem Nicht-Philologen aber auch ein Blick in einschlägige Lexika mit Stellenvergleichen vermitteln können, werden weithin nicht zur Kenntnis genommen und noch immer als „Volk/nation", „Geburtsort/lieu de naissance", „race" und dergleichen wiedergegeben, vgl. RÉGERAT, Eugippe, S. 153.
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Π. Die pannonische Diözese als Streitobjekt
Osten abgesetzt hat, wo er mehrere größere Städte {urbes) besuchte und sich schließlich in die Wüste zurückzog. Hier erlebte er eine innere conversio, wie dies für Personen seines Standes in dieser Zeit durchaus nicht außergewöhnlich ist. Die in der Vita geschilderten Ereignisse ließen dann die Folgerung zu, daß Severinus etwa um 467 nach Norikum zurückkehrte, allerdings wohl kaum noch in amtlicher Funktion64. Alles dies - auch dies muß nochmals betont werden - sind freilich nur auf gewisse Indizien gestützte Hypothesen, keineswegs Tatsachenbehauptungen bzw. zwingend beweisbare Schlüsse. Als solche sind sie daher durchaus legitim und ebensowenig zu widerlegen wie auszuschließen, würden freilich viele offene Fragen beantworten. Wenn jedoch obige Vermutungen in einer Zeitspanne, in der historiographische Überlieferung weitgehend aussetzt, der Wirklichkeit nahe kämen, stände die Rückkehr des Severinus etwa um 467 mit dem Versuch des Anthemius in Zusammenhang, mit oströmischer Unterstützung das weströmische Kaisertum noch einmal zu erneuern65. Dieser Versuch wurde auch von Marcellinus unterstützt, der Dalmatien wieder dem Westreich zuführte und dafür von Anthemius mit der Ernennung zum zweiten präsentalischen Heermeister und Patricius belohnt wurde. Als Marcellinus ein Jahr darauf, wohl nicht ohne Zutun seines Rivalen, des patricius Ricimer, ermordet wurde, übertrug vielleicht noch Anthemius dessen Neffen Nepos, dem Sohn des Nepotianus, das Amt des illyrischen Heermeisters66. Der Titel, magister militum Dalmatiae, dürfte sich dabei aus der Notwendigkeit erklären, das illyrische Sprengelmagisterium des Westreichs von dem des Ostreichs abzuheben. Beziehungen zwischen Severinus und Nepos lassen sich im übrigen nicht nachweisen, auch bleibt ungewiß, ob das Magisterium des Nepos den von Severinus verwalteten Ostalpenraum mit umfaßte. Nepos selbst scheint sich nach dem Sturz des Anthemius durch Ricimer wieder an das oströmische Reich angeschlossen zu haben. Noch im Jahre 473 betraute ihn Kaiser Leo I. mit der Wahrnehmung der Reichsverwaltung im zusammenschmelzenden Westreich, erhob ihn zum Kaiser und gab ihm Verina, eine Nichte der Kaiserin, zur Frau67. Wie wir wissen, scheiterte auch dieser Versuch, mit Hilfe oströmischer und dalmatinischer Truppen von Osten her das weströmische Reich noch einmal aufzurichten, als der Pannonier Orestes, von Nepos zum präsentalischen Heermeister und Patricius ernannt, den Kaiser mit Hilfe seiner hauptsächlich aus Donaugermanen bestehenden Truppen im Sommer 475 stürzte. Daraufhin zog Nepos sich in 64 65
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LOTTER, Severinus von Noricum, S. 201-222; vgl. o. Anm. 55. S. insb. Hydatius 234, S. 34: De Constantinopoli a Leone Augusto Anthemius frater Procopi cum Marcellino aliisque comitibus viris electis et cum ingenti multitudine exercitus copiosi ad Italiam deo ordinante directus ascendit, vgl. Cassiodor, Chron. 1283, S. 158; STEIN, BE I, S. 359; 389 ff.; PLRE Π, S. 96-98, Anthemius 3; Frrz, Verwaltung m, S. 1394 f. ENSSLIN, Nepos, Sp. 2505-2513; WES, Ende, S. 143; DEMANDT, Magister, S. 677 f.; 683; PLRE Π, S. 777 f., Iulius Nepos 3; FITZ, Verwaltung m, S. 1396 f. Nepos hat ähnlich wie Severinus militärische und administrative Funktionen ausgeübt, s. ebda. WES, Ende, S. 142 ff.
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sein Herrschaftsgebiet Dalmatien zurück, wo er bis zu seinem Tode im Jahre 480 den Anspruch auf das Kaisertum des Westens aufrecht erhielt. Orestes selbst, der seinen Sohn Romulus mit dem kaiserlichen Purpur bekleidete, erlag ein Jahr später dem Aufstand seiner donaugermanischen Söldner, die Odoaker zu ihrem König erhoben68. Da der Aufstand Odoakers gegen Orestes als Beseitigung eines Usurpators verstanden werden konnte, fand Zenon, der eben den Thron wiedererlangt hatte, sich notgedrungen mit der Konstruktion ab, daß der Söldneranführer den Westen im Auftrag des legitimen Kaisers Nepos verwalte, und gestand ihm den Patriciustitel zu. Freilich wurde die Machtergreifung des Odoaker und der Sturz des Romulus schon um die Jahrhundertwende als Ende des römischen Reiches aufgefaßt69. Tatsächlich beschränkte sich die Macht Odoakers auf Italien selbst, da sich alle noch vorhandenen Außenposten des Reiches jenseits der Alpen von ihm lossagten, der Machtbereich des Syagrius in Nordgallien, die Provence und schließlich die Restprovinzen des Ostalpenraumes unter Severinus. An der unteren Rhone ebenso wie am Donauabschnitt zwischen Künzing und Mautern lösten sich die letzten Limitanformationen des römischen Heeres auf. Zwischen Westalpen und Rhone füllten die Westgoten, an der Donau im Raum zwischen Wachau und Wienerwald die Rugier das hier entstehende Vakuum70. Freilich konnte die 476 geschaffene Lage nicht von Dauer sein, doch vermochte Ostrom Abhilfe wiederum nur durch den Einsatz donauvölkischer Verbände zu schaffen. Tatsächlich hatte Odoaker unmittelbar nach dem Tode des Nepos Dalmatien besetzt und war damit bis unmittelbar an die Grenze oströmischen Gebietes vorgestoßen71. Als er auch noch mit dem kleinasiatischen Empörer Hlus Verbindung aufnahm, knüpfte Zenon Verhandlungen mit den Rugiern an, um mit ihrer Hilfe Odoaker zu stürzen72. Das Anerbieten löste wohl einen Konflikt zwischen den beiden Parteien aus, an deren Spitze der König Feletheus und sein Bruder Ferderuchus standen. Ersterer neigte den Goten, letzterer Odoaker zu. Der Streit gipfelte in der Ermordung des Bruders des Königs, Ferderuchus, des Parteigängers Odoakers. Odoaker selbst kam daraufhin einem möglichen Angriff von dieser Seite zuvor, zog gegen die Rugier zu Felde und schlug sie am Ufer der Donau im östlichen Ufernorikum. Der König Feletheus (= Fewa) und dessen Gattin 68
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S. insb. Cons. ItaL, Auct. Havn. post. a. 476, S. 309 ff.; dazu WES, Ende, S. 123-148; 149 ff. Zur Herkunft Odoakers s. unten S. 113, Anm. 408. WES, Ende, insb. S. 52-88; CASTRITIUS, Problem, S. 14 f.; MARTIN, Spätantike, S. 173 f. Prokop, Bell. Goth. I, 12, 20, S. 65 f.; Eugippius, V. Sev. c. 20, 1; dazu LOTTER, Severinus vonNoricum, S. 204-210; DERS., Stammesverbände, S. 48 f.; WES, Ende, insb. S. 68 ff.; 71 f.; 73 ff; CASTOrnus, Problem, S. 15. Auct. Havn. a. 482, S. 313; dazu SCHMIDT, Ostgermanen, S. 334 ff; LIPPOLD, Zenon, Sp. 178. Johann. Antioch. frg. 214, 2 u. 7, S. 620 f.: ...Ζήνων πρός τόν ' Οδόακρον τό των ' Ρόγων έπαι/έστησε γένος, ώς έγνω τοΰτον πρός τήν Ίλλοΰ συμμαχίαν παρασκευαζόμενου... ; dazu LIPPOLD, Zenon, Sp. 164-192, insb. 190 ff; MCCORMICK, Odoacer; zu Illus vgl. PLRE Π, S.586-590, Illus 1; ELTON, Illus.
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Π. Die pannonische Diözese als Streitobjekt
Giso gerieten in Gefangenschaft und wurden später in Italien hingerichtet, während der Königssohn Friderich mit der rugischen Reiterei entkam. Seinen Versuch, im folgenden Jahr das Rugierreich wiederherzustellen, vereitelte der Heermeister Hunulf, der Bruder Odoakers. In dessen Auftrag evakuierte dann der Comes domesticorum Pierius die gesamte römische Bevölkerung des ehemaligen rugischen Protektorats im Osten Ufernorikums nach Italien, um einer möglichen Neugründung des Rugierreiches die wirtschaftliche Basis zu entziehen73. Die Ablösung der Herrschaft Odoakers und seiner donaugermanischen Krieger durch den ostgotischen Verband Theoderichs um 493 stabilisierte die Lage nicht nur in Italien, sondern auch im Ostalpen-Donauraum für die nächsten vier Jahrzehnte. Nach der Konsolidierung seiner Herrschaft in Italien ging Theoderich daran, auch die an Italien angrenzenden Gebiete seinem Herrschaftsbereich anzugliedern und darüber hinaus durch Bündnisverträge und Heiratspolitik mit den näheren und ferneren Nachbarn nicht nur eine seinem Reich vorgelagerte Sicherheitszone, sondern zugleich ein Friedenssystem zu schaffen, das dem um 500 erreichten Zustand Bestand verleihen und neuerliche Umwälzungen verhindern sollte. Unmittelbar zum italischen Reich Theoderichs dürften von Anfang an die Provinzen der pannonischen Diözese Dalmatia, Savia bzw. Suavia und wohl auch Noricum Mediterraneum (Binnennorikum) gehört haben, die Odoaker bereits 480 und 487 seiner Herrschaft unterworfen hatte74. Nicht nur, weil in Pannonien die jüngere Reichsbildung der Ostgoten ihren Anfang genommen hatte, sondern auch als Erbe und Nachfolger der weströmischen Kaiser hielt Theoderich den Anspruch auf das gesamte Pannonien aufrecht. Nun hatten sich jedoch nach 473 im Bereich der Pannonia Π die Gepiden festgesetzt. Theoderich sah daher seine Stellung nicht nur durch die wachsende Macht der Gepiden im mittleren Donauraum gefährdet, sondern fürchtete vermutlich auch, daß Ostrom die Gepiden in ähnlicher Weise gegen ihn wie seinerzeit die Ostgoten gegen Odoaker einsetzen könnte. Als daher der bisher mit ihm verbündete König der sirmischen Gepiden, Thrasarich, sich dem König des Hauptstammes, Gunderith, der Theoderich gegenüber stets feindlich gesinnt blieb, annäherte, beauftragte Theoderich im Jahre 504 die comités Pitzia und Herduic, mit dem Aufgebot der gotischen Jungmannschaft Sirmium einzunehmen75. 73
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Eugippius, V. Sev. c. 44, 3 ff.; Auct. Havn. pr. a. 487, 1, S. 313; dazu LOTTER, Severinus von Noricum, S. 159 f.; SCHMIDT, Ostgermanen, S. 122f.; PLRE Π, S. 806, Onoulphus; 885, Pierius 5. Dazu allgemein WOLFRAM, Goten1, S. 350-361; 381 f.; 39(M00; Goten374, S. 281-290; 306 f.; 315-324; ENSSUN, Theoderich, S. 62-86; 128-146; SCHWARCZ, Nordadria- und Westbalkanraum. Zum Namen der Suavia s. unten S. 28, Anm. 83; S. 123 mit Anm. 442. Ennodius, Paneg. Theod., ed. VOGEL, S. 60-62, ed. ROHR, S. 238 ff.: ... Sermiensium civitas olim limes Italiae fuit, in qua seniores domini excubabant ... Haec postea per regentiwn neglectum in Gepidarum iura concessit...; Cassiodor, Var. m, 23, 2, ed. MOMMSEN, S. 91; ed. FRIDH, S. 113 f.: ... ad Sirmiensem Pannoniam, quondam sedem Gothorum, proficiscere ..., quae se nostris parentibus feliciter paraisse cognoscit ...; DERS., Chron 1344, S. 160: ...
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Mit dieser Maßnahme brach der alte Streit um die Zugehörigkeit Pannoniens wieder aus; Ostrom, das sich auch auf die offizielle Abtretung Sirmiums durch das Westreich im Jahre 437 berufen konnte, erhob Einspruch. Während der oströmische Feldherr Sabinianus mit bulgarischen Truppen heranrückte, verbündete sich Theoderich mit dem hunnisch-gepidischen Skamarerhäuptling Mundo. Gemeinsam mit Mundos Scharen gelang es nun dem comes Pitzia und seinen Goten, Sabinianus in der Morawaebene vernichtend zu schlagen76. Daraufhin knüpfte Ostrom Beziehtingen zu Chlodwig an, den es 506 zur endgültigen Unterwerfung der Alemannen und 507 zum Angriff auf das Westgotenreich ermutigte. Da die oströmische Flotte zur gleichen Zeit die Küsten Italiens brandschatzte, konnte Theoderich den westgotischen Stammesbrüdern keine Hilfe bringen und sah sich schließlich zum Einlenken genötigt. Vermutlich um 510 traf der Ostgotenkönig ein Abkommen mit Byzanz, in dem er den Oströmern den östlichen Zipfel der Pannonia Secunda mit der Stadt Bassiana abtrat, wofür ihm seinerseits der Besitz von Sirmium bestätigt wurde77. Die Verständigung mit Konstantinopel ermöglichte es Theoderich, in den Krieg der Franken und Burgunder gegen die Westgoten einzugreifen, die Provence in Besitz zu nehmen und dem Westgotenreich Septimanien und damit die unmittelbare Verbindung zum Herrschaftsbereich Theoderichs zu erhalten. Da ihm zuvor der endgültige Zusammenbruch des Alemannenreiches ermöglicht hatte, im Jahre 506 die gotische Einflußsphäre auch im Raum der Raetia bis hin zur oberen Donau vorzuschieben, ging das Ostgotenreich insgesamt gestärkt aus den Wirren hervor, die durch die Expansion des Frankenreichs unter Chlodwig zwischen 506 und 511 verursacht wurden78. Da die Verwaltungsorganisation des italischen Reichs Theoderichs, das nominell ja immer noch Teil des römischen Reiches war, unmittelbar an den Staatsapparat der Spätantike anknüpfte, ja diesen, wo es möglich war, restaurierte, wurden die Provinzen im nördlichen und nordöstlichen Vorland Italiens, Raetia, Noricum, Suavia, Dalmatia und Pannonia Sirmiensis administrativ dem Praefectus Praetorio unterstellt, der damit als unmittelbarer Amtsnachfolger des Praefectus Italiae,
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Sirmium recepii Italia ...; Jordanes, Get. LVM, 300, S. 135; dazu WOLFRAM, Goten1, S. 396 ff.; Goten3'4, S. 320 ff.; ENSSLIN, Theoderich, S. 129 ff.; POHL, Gepiden, S. 293 ff. Iordanes, Get. LVIII, 300, S. 135: (Petza) ... contra Savinianum Iilyricum mag. mil.... in Mundonis solada veniens Blyricianum exercitwn demolivit... Mundo de Attilanis quondam origine descendens Gepidarum gentem fiigiens ultra Danubium in incultis locis ... plerisque abactoribus scamarisque et latronibus undecumque collectis turrem, quae Herta dicitur super Danubii ripam positam occupons ... regem se suis grassatoribus fecerat...; Johannes Malalas, Chron. XVm, S. 451; MPG 97, Sp. 661; Marcellin. Chron. a. 505, S. 96; Ennodius, Paneg. Theod. ΧΠ, ed. VOGEL, S. 62-69; ed. ROHR, S. 240-247; WOLFRAM, Goten1, S. 397 f.; Goten3'4, S. 321 f.; WOZNIAK, East Rome, S. 374. ENSSLIN, Theoderich, S.130-151, insb. 149 ff.; SCHMIDT, Ostgermanen, S. 3 4 9 f.; WOLFRAM,
Goten3'4, S. 322. Ennodius, Pan. Theod. XV, ed. VOGEL, S. 72-73; ed. ROHR, S. 248 ff.; Cassiodor, Var. Π, 41, ed. MOMMSEN, S.73; ed. FRIDH, S. 91 f.; WOLFRAM, Goten 1 , 3 8 8 ff; Goten 3 ' 4 , S. 3 1 3 ff;
BEHR, Herzogtum, S. 45-64.
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Π. Die paDnonische Diözese als Streitobjekt
Illyrici et Africae anzusehen ist. Dem entspricht der Umstand, daß nach der Angliederung der Provence entsprechend dem Herkommen hier die gallische Präfektur wiedererrichtet wurde, obwohl sie nur noch einen winzigen Bruchteil der ehemaligen Praefectura Galliarum, Hispaniarum et Britanniarum umfaßte79 und größenmäßig in gar keinem Verhältnis zu der italischen Präfektur stand. Im Gegensatz zur zivilen Verwaltung entsprach die Militärorganisation des theodoricianischen Reiches nicht mehr dem System der Spätantike. Sowohl die Heermeisterämter wie auch die Distriktkommandos der Garde- und Feldarmeen (comitivae) waren weggefallen, mit ihnen also auch das illyrische Sprengelmagisterium und das Amt des comes per Illyricum. Nachfolger des letzteren war der gotische Militärbefehlshaber der Dalmatici, als comes primi ordinis mit dem Rangtitel des vir illustris ausgestattet. Als solcher tritt uns Oswin entgegen, dem zumindest unter Athalarich um 526 auch die in der Suavia aufzubietenden Truppen unterstanden80. Neben ihm begegnet uns in der Ρarmonia Sirmiensis ein weiterer comes und vir illustris Colosseus, der freilich als Romane in der Grenzprovinz neben der Militärgewalt auch die Zivilverwaltung ausübte81. Auch in Noricum dürfte ebenso wie in Rätien ein romanischer dux - freilich nur mit dem Rang eines vir spectabilis - militärische und zivile Funktionen in einer Hand vereinigt haben. Diesen duces unterstanden die offenbar aus der autochthonen Bevölkerung rekrutierten Grenztruppen, die sich in gewissem Sinne noch mit den spätantiken limitami vergleichen lassen82. Wie weit die von der Zivil- und Militärverwaltung des ostgotischen Reiches noch unmittelbar erfaßten Gebiete der alten pannonisch-westillyrischen Diözese damals nach Norden reichten, entzieht sich unserer Kenntris. Wenn freilich der Name der alten pannonischen Provinz Savia in Angleichung an den Namen der inzwischen hier angesiedelten Sueben (Suavi) zur Suavia wurde83, bedeutet dies zugleich, daß die neue Provinz durchaus auch noch alte Siedlungsgebiete der Markomannen-Sueben im Bereich der Pannonia I mitumfaßt haben kann, Gebiete, in denen erst unmittelbar nach dem Tode Theoderichs die Langobarden Fuß faßten. Einen neuen, den letzten Akt des Streites um die Zugehörigkeit der pannonischen Diözese leitet schließlich Justinian mit seiner Politik der Reconquista ein. Tatsächlich beginnen die Auseinandersetzungen zwischen dem oströmischen und dem ostgotischen Reich schon bald nach dem Regierungsantritt Justinians mit Angriffen auf die gotische Grenzbastion Sirmium. Vermutlich nicht ohne Einver79
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Vgl. ND Oc. II, 5-8; III, 1-4; MOMMSEN, Cassiodor, Prooemium S. XXVIII u. Index m , s. v. praefectus praetorio; Pr. pr. Galliarum, S. 570. Cassiodor, Var. I, 40; ΙΠ, 26; IV, 9; IX, 8; 9, ed. MOMMSEN, S. 36 f.; 92 f.; 118 f.; 274 f.; ed. FRIDH, S. 4 5 ; 116; 149; 3 5 5 ff.; vgl. P L R E II, S. 8 1 5 , O s u i n ; SCHWARCZ, Nordadria- u n d
Westbalkanraum, S. 67 ff. 81
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Cassiodor, Var. ΙΠ, 2 3 ; 2 4 ; I V , 13, ed. MOMMSEN, S. 9 1 f.; 120; ed. FRIDH, S. 113 ff; 151;
PLRE Π, 305, Collosseus; SCHWARCZ, Nordadria- und Westbalkanraum, S. 68. S. dazu WOLFRAM, Goten1, S. 392; Goten3'4, S. 316; 497 f. LOTTER, Donausueben, S. 277 ff.; CASTRIITUS, Barbari-Antiqui barbari.
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ständnis mit den oströmischen Instanzen machten die Gepiden etwa um 530 einen Versuch, Sirmium zurückzuerobern. Sie wurden dabei jedoch von dan ostgotischen comes Witigis, dem späteren König, zurückgeschlagen. Auf der Verfolgung stieß das gotische Heer in Obermösien weit in oströmisches Gebiet vor84. Wenig später tritt uns Mundo, der ehemalige Skamarerhäuptling und Bundesgenosse Theoderichs, als illyrischer Heermeister im Auftrag Ostroms entgegen. Er eröffnete im Jahre 535 von Mösien aus die Offensive, überrannte Sirmium und drang in Dalmatien ein, dessen Hauptstadt Salonae ebenfalls in seine Hand fiel. Zwar gelang es den Goten im folgenden Jahr in wechselhaften Kämpfen, bei denen Mundo den Tod fand, Dalmatien zurückzugewinnen, doch konnte schon 536 der oströmische comes stabuli Constantianus mit einem zur See herangeführten Heer Dalmatien erneut einnehmen. Mit Hilfe des Aufgebots der in der Suavia angesiedelten Germanen starteten die Goten eine Gegenoffensive, die jedoch vor den Mauern von Salonae scheiterte85. Damit war Dalmatien endgültig für den Westen verloren, die pannonischen Restprovinzen wurden wieder in die oströmische Präfektur Illyricum eingegliedert86. Dementsprechend begegnet uns um 550 in Salonae noch einmal ein oströmischer Heermeister Qlyricums namens Johannes, und noch 592 untersteht Dalmatien einem illyrischen Prätorianerpräfekten namens Iovinus87. Die an das oströmische Reich zurückgefallenen Gebiete der pannonischen Diözese umfaßten jedoch kaum noch mehr als Dalmatien, da Ostrom sich wegen des fortdauernden Gotenkrieges genötigt sah, den territorialen Ambitionen seiner Verbündeten, der Franken, Langobarden und Gepiden, entgegenzukommen. So mußte Justinian nach 540 wider seinen Willen den Gepiden den Besitz von Sirmium und der Pannonia Π, den Franken den eines Großteils von Binnennorikum zugestehen. Um einer weiteren Expansion und möglichen gegen Ostrom gerichteten Aktivitäten dieser Bundesgenossen Schranken zu setzen und ein gewisses Gleichgewicht im pannonischen Raum wiederherzustellen, trat Justinian um 546 schließlich den Langobarden den Rest Binnennorikums um Celeia und die Savia mit den zahlreichen dort errichteten Kastellen ab88. 84
STEIN, BE Π, S. 307 f.; DICULESCU, Die Gepiden, S. 120-124; WOLFRAM, Goten 1 , S. 399;
85
Prokop, Bell. Goth, 1 , 5 , 2 u. 11; 7,1-10; 26-36; 16,7-18, ed. HAURY/WIRTH, Procop. Π, S. 25 f.;
Goten3'4, S. 322 f. 32 ff.; 3 6 ff.; 8 4 f.; ed. DEWING, i n , S. 4 2 u. 4 6 ; 56-60; 64-68; 158-162; ΠΙ, 35, 23-30, ed. HAURY/WIRTH, Procop. Π, S. 4 5 6 ff.; ed. DEWING, IV, S. 4 6 4 ff.; WILKES, Dalmatia, S. 4 2 5 ff.; 86
87
SCHWARCZ, Nordadria- und Westbalkanraum, S. 69. Vgl. dazu schon Iustinian Nov. XI, 2 (15. 4. 535), S. 94: ... necessarium duximus ipsam gloriosissimam praefecturam, quae in Pannonia fiierit constituía, iuxta Pannoniam in nostra felicissima patria collocare... Prokop, BeU. Goth, M, 39, 10; 40, 10; 27; 30; IV, 21, 4 f.; 22, 1; 23, 4-8, ed. HAURY/WIRTH, P r o c o p . Π, S. 4 7 2 ; 4 7 8 ; 4 8 0 f.; 6 0 0 f.; 6 0 3 ; 609; ed. DEWING, V , S. 30; 4 0 ; 4 6 ; 2 7 2 ; 2 7 6 ; 2 8 8 ;
Gregor. I. Ep. 1,43; II, 20, ed. EWALD, S. 69 f.; 116 f.; ed. NORBERG, S. 57; 107 f. Vgl. PLRE 88
ffl, S. 652-661, insb. 659 ff., Iohannes 46; 716 Iovinus 2. f.; Iohannes 46. S. dazu CHRISTOU, Byzanz, S. 78 ff.; JARNUT, Langobarden zwischen Pannonien, S. 74 f.; zu den archäologischen Forschungen CIGLENECKI, Polis Norikon; DERS., Results, S. 295 ff.
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II. Die pannonische Diözese als Streitobjekt
Nach dem Abschluß des Gotenkrieges reichten die Kräfte Ostroms kaum noch aus, sich der seit einiger Zeit erfolgenden slawischen Einfalle von der unteren Donau her zu erwehren, nachdem diese Front allzulange vernachlässigt worden war. An eine Festigung der oströmischen Stellung im mittleren Donauraum war vollends nicht zu denken. Nur eine behutsame Politik des Gleichgewichts durch Ausspielen der verschiedenen germanischen Volksstämme gegeneinander konnte den Oströmern hier noch für einige Zeit Einfluß verschaffen. Als dann das Bündnis zwischen Langobarden und Awaren zur Vernichtung des Gepidenreiches führte, war diese Möglichkeit vertan. Zwar konnten die Oströmer um 567 vorübergehend noch einmal Sirmium und die Pannonia II zurückgewinnen89, doch leitete der Einmarsch der Langobarden in Italien90 den endgültigen Zusammenbruch der oströmischen Macht im Westen ein. Nachdem die Awaren um 581 die Donauund Saveübergänge in ihre Hand gebracht und Sirmium eingenommen hatten91, vermochten die Oströmer auch Dalmatien nicht mehr zu halten. Innerhalb von drei Jahrzehnten ging diese Provinz endgültig verloren, nur wenige Stützpunkte in schwer zugänglichen Küstenregionen blieben unter byzantinischer Herrschaft92. So konnte also auch Ostrom sich nicht des Erwerbs jener pannonischen Provinzen erfreuen, um die es anderthalb Jahrhunderte mit Westrom gestritten hatte. Freilich war über diesem Streit und nicht zuletzt auch infolge dieses Streites das weströmische Reich untergegangen und das oströmische fast tödlich geschwächt worden. Erst die Lösung aus den Verstrickungen in die Vorgänge im Westen und die Ausrichtung der oströmischen Politik auf den unteren Donauraum und den Osten ermöglichte diesem Teil des alten römischen Reiches einen neuen Aufstieg unter veränderten Vorzeichen und mit begrenzterer Zielsetzung.
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POHL, Awaren, S. 58 und 354 Anm. 1 (mit Quellen- und Literaturangaben); PLRE m, S. 241 f., Bonus 3. JARNUT, Langobarden zwischen Pannonien, S. 76 ff. POHL, Awaren, S. 7 0 ff.; NOLL, Ein Ziegel. FERJANélé, Invasions, S. 92; 103 ff.
ΠΙ. Die Zivil- und Militärverwaltung und deren allmähliche Auflösung Den Aufbau der Zivil- und Militärverwaltung der römischen Provinzen des Ostalpen-Mitteldonau-Raumes im 4. und teilweise noch den ersten Jahrzehnten des 5. Jh. spiegelt die Liste aller zivilen und militärischen Ämter, die Notitia dignitatum omnium, tarn civilium quam militarium wider. Danach standen an der Spitze der Ziviladministration in den Provinzen Dalmatici, Pannonia I, Noricum Mediterraneum und Noricum Ripense ebenso wie in den beiden Rätien ein praeses, an der der Pannonia II ein consularis, der Savia ein corrector, alle im Range eines vir spectabilis93. In der Steuerverwaltung bildete Rätien als Teil der italischen Diözese mit dieser einen Bezirk unter einem rationalis summarum, während die pannonische Diözese in zwei Steuerbezirke aufgeteilt war. Einen bildeten die Dalmatia, Savia und Pannonia II, den andern die beiden Noricum, Pannonia I und Valeria, auch sie unterstanden jeweils einem rationalis, der seinerseits dem comes largitionum per Illyricum verantwortlich war94. Dieser verfügte des weiteren auch über Schatzmeister, die praepositi thesaurorum in Salonae (Dalmatia), Siscia (Savia) und Sabaria (Pannonia I) ebenso wie ein weiterer in Augusta Vindelicorum (Raetia II) dem Comes largitionum Italicianarum verantwortlich war35. Diese Angaben dürften freilich für das fünfte Jahrhundert ebensowenig mehr Gültigkeit besitzen wie die Erwähnung eines Münzmeisters, eines procurator monetae, in Siscia, da diese Münzstätte ihre Emission spätestens am Anfang des 5. Jh. eingestellt hatte96. Wenn wir demgegenüber bei den Direktoren der Textilfabriken (procuratores gynaecii) von Bassianae in der Pannonia II und vermutlich von dem in der Valeria gelegenen Iovia erfahren, daß diese nach Salonae und Spalato verlegt worden seien, wird diese Verlegung in ersterem Falle einige Zeit früher, vermutlich zwischen 378 und 382, im zweiten Falle noch früher anzusetzen sein, da diese Verlegung schon zum Zeitpunkt der Abfassung der ersten Redaktion der Notitia, also wohl um 364, stattgefunden hatte. Demgegenüber blieb die Textilwerkstätte in dem geschützten Sirmium wohl noch über die Jahrhundertwende hinaus in Betrieb97. 93 94 95 96
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ND Oc. 1,50 f.; 82 f.; 84-89; 92 f. ND Oc. XI, 4; 10 ff.; dazu VÁRADY, Military Economy, S. 403 ff. ND Oc. XI, 7; 21-25; 30. ND Oc. XI, 38 f.; dazu SOPRONI, Münzumlauf; M.R.-ALFÖLDI, Münzumlauf; Kos, Leksikon, S. 316 (s.v. Siscia); ELMER, Geldverkebr Camuntum; DERS., Geldverkehr Lauriacum/Ovilava; MÓCSY, Moesia Superior, S. 258 f. ND Oc. XI, 45-48.
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HI. Die Zivil- und Militärverwaltung
Für die norischen Provinzen ebenso wie für Dalmatien werden wir im ganzen trotz aller zeitweiligen Gefährdungen ein relativ ungestörtes Funktionieren der römischen Verwaltung noch bis zu den Barbareninvasionen zu Beginn des 5. Jh. voraussetzen dürfen. Demgegenüber hat die römische Verwaltung in weiten Bereichen des eigentlichen Pannonien, soweit dort um 380 die Foederaten des sogenannten Dreivölkerverbandes unter Alatheus und Saphrax angesiedelt worden waren, kaum noch arbeiten können, zumindest nicht auf dem offenen Land98. Erst nachdem Stilicho um 399 die immer wieder rebellierenden Foederaten unterworfen hatte, ermöglichte die Pazifizierung mit der Rückkehr der Bauern aus den belagerten Städten auf das Land vorübergehend die Reorganisation des Steuerwesens99. Der Versuch, die Landbevölkerung wieder zu geregelter Arbeit und gleichzeitig zur Abführung von Steuern anzuhalten, schlug jedoch fehl. Als um 405 die Gotenscharen des Radagais neben anderen Völkersplittern auch die (asdingischen) Wandalen und die Quadensueben in Bewegung setzten, veranlaßte die über Pannonien hinwegrollende Völkerlawine nicht nur große Teils der Provinzialen zur Flucht, sondern riß neben den Alanen des Foederatenverbandes auch zahlreiche Pannonier mit sich. Offenbar liefen Scharen von Provinzialen zu den Invasoren über und zogen gemeinsam mit Wandalen, (Quaden-)Sueben, Alanen und anderen Barbaren über Gallien nach Spanien100. Die Völkerlawine muß vor allem Ufernorikum schwer heimgesucht haben. Dies bezeugen ebenso Brandschichten, wie auch die für 409 belegte Nachricht, daß die norischen Provinzen kaum noch einen nennenswerten Steuerertrag aufzu98 99
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Vgl. dazu VARADY, Jahrhundert, S. 31-41; 87-94; 120-139 und unten S. 72 ff. Claudian. Stilicho Π, 190-207, S. 209 f.: ... obsidione solutus Pannonius potorque Savi ... clausa tot annis oppida laxatis ausus iam pondere portis ... opacum vitibus Histrum consent et patrium vectigal solvere gaudet inmunis qui clade fuit... Inque suos tandem fines redeunte colono niyricis iterum ditabitur aula tributis...; dazu VÀRADY, Jahrhundert, S. 140 ff. Hieronymus Ep. 123, 16 ad Ageruchiam, a. 409, S. 92:... innumerabiles et ferocissimae nationes universas Gallias occuparunt ... Quadus, Vandalus, Sarmata, Halani, Oypedes, Heruli, Saxones, Bwgundiones, Alamanni et-o lugenda res publica! - hostes Pannonii vastaverunt... Unter letzteren sind, wie der Wehruf auf das römische Reich unterstreicht, niemand anders als pannonische Provinzialen zu verstehen, nie werden etwa die Foederaten, die sich niemals assimilierten, als Pannonier bezeichnet, so irrig VARADY, Jahrhundert, S. 218-223. Pannonier in Gemeinschaft mit barbarischen Kriegern treten auch in Heere Maiorians um 458 auf; Sidonius Apoll. Carm. V, 474 f.; S. 46:... Bastarna, Suebus, Pannonius,... Chunus, Geta, Dacus, Haianus ... etc.; s. TOTH, Survivance, S. 108 ff. Pannonier waren neben einer der frühesten Erwähnung von Slawen, wenn wir einem ähnlichen Völkerkatalog des Widmungsgedichtes der Kathedrale von Bracara (um 558), Versus Martini Dumiensis episc. in basilica, AA VI/2, S. 194 f. nicht jede Glaubwürdigkeit absprechen wollen, auch das Ziel der missionarischen Bestrebungen des späteren Bischofs Martinus von Braga (510/20-579), der selbst aus Pannonien gebürtig war und etwa seit 552 in Galicien wirkte: ... pio sub foedere Christi adsciscis gentes: Alamannus, Saxo, Turingus, Pannonius, Rugus, Sclavus, Nora, Sarmata, Datus, Ostrogotus, Francus, Burgundio, Dacus, Alanus... Suevus; vgl. WALDMÜLLER, Begegnungen, S. 317; SASEL, Divinis nutibus, S. 740 ff.; Pannonier und Noriker schließen sich auch noch den Langobarden bei deren Abzug nach Italien um 568 an, Paulus Diac., Hist. Lang. Π, 26, S. 103: ... Gepidos, Vulgares, Sarmatas, Pannonios, Suavos, Noricos...; vgl auch unten S. 91 f., Anm. 319 ff.
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bringen imstande seien101. Als dann zwei Jahrzehnte später nach der Vertreibung der in Pannonien noch immer sitzenden hunnischen Foederaten durch Aetius um 427 die unmittelbare römische Herrschaft wieder etabliert wurde, dürfte auch das Steuersystem reorganisiert worden sein. Dies war jedenfalls, wie zu vermuten ist, die Ursache dafür, daß Noriker und Vindelizier in Zusammenhang mit einem Juthungeneinfall in Rätien rebellierten und sich von Rom lossagten102. Dieses Ereignis muß ebenso wie das Überlaufen pannonischer Provinzialen zu den Reichsfeinden wohl mit Vorgängen in Beziehung gesetzt werden, die wir in der ersten Hälfte des 5. Jh. auch in anderen Regionen des weströmischen Reiches beobachten. Tatsächlich förderte damals die zunehmend sichtbar werdende Unfähigkeit der Zentralgewalt, ihre Schutzfunktion bei den Barbareninvasionen noch wahrnehmen zu können, in Verbindung mit dem gleichzeitig immer unerträglicher werdenden Steuerdruck vor allem in den Randgebieten des Imperiums meist in Zusammenhang mit Barbareninvasionen - separatistische Tendenzen und Abfallbewegungen. Solche treten uns ebenso in der keltischen Reaktion in Britannien und der Aremorica103, dem im Gildo-Aufstand gipfelnden donatistischen Schisma und den Aktionen der Circumcellionen in Africa104, schließlich dem Wiederaufleben der Bagaudenaufstände in Gallien und Spanien entgegen. Gerade der Einfall der Völkerlawine von Wandalen, (Quaden-)Sueben, Alanen und pannonischer Gruppen in Gallien gab der Bagaudenbewegung in Nordgallien nach 407 neuen Auftrieb. Wenn die Erhebungen auch in zehnjährigen Kämpfen noch einmal unterdrückt wurden, so lebten sie doch - sicherlich im Zusammenhang mit der Ausbreitung der Westgoten in Aquitanien - unter Führung des Tibatto um 435 wieder auf, um schließlich in den 40er Jahren zur Gründling eines selbstständigen politischen Verbandes in der Aremorica zu führen105. Auch in der Tarraconensis mußte der Heermeister Asturius um 441 einen Feldzug gegen Bagauden fuhren, die sich von der römischen Staatsgewalt losgesagt hatten und trotz schwerer Niederlagen auch in der Folgezeit immer wieder von sich hören ließen. Noch im Jahre 473 stießen die Westgoten in diesem Raum auf den starken Widerstand einheimischer Kräfte106. Noch vor der Mitte des 5. Jh. 101 102 103
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S. unten S. 93; 99 mit Anm. 329; 350. S. oben S. 16 f. mit Anm. 44. S. insb. Zosimos VI, 5, 2-3, M/2, S. 9, um 409: ... πάντα κ α ι έξουσίαν έπιόντες di ύπέρ TOI/ Ρηνον βάρβαροι κατέστησαν εις άνάγκην ταύς te τήν Βρεττανικήν νησον ο'ικοΰντας καΐ των έν Κελτοίς εθνών ένια της ' Ρωμαίων άρχής άποστηναι καΐ καθ' έαυτά βιοτεύειν, ούκέτι τοις τούτων Υπακούοντα νόμοις. Od τε σ6ν έκ της ΒρετανιΛας δπλα ένδύντες ... ήλευθέρωσαν των Επικειμένων βαρβάρων τάς πόλεις, και ò ' Αρμόριχος άπας και ετεραι Γαλατών έπαρχίαι, Βρεττανούς μιμησάμεναι, κατά τόν ισον σφάς ήλευθέρωσαν τρόπον, έκβάλλουσαι μέν τούς ' Ρωμαίων άρχοντας, οϊκειον δέ κατ' έξουσίαν πολίτευμα καθιστάσαι. Vgl. FRERE, Britannia, S. 404-429. Dazu BRISSON, Autonomisme. Vgl. dazu CASTRITIUS, Ethnogenetische Vorgänge, S. 333; PLRE Π, 1118 f., Tibatto. Vgl. oben Anm. 103; Paulinus Pell., Euchar., v.334-340, zu 408/14; Chron. Gall. 117, S. 660, a. 435: Gallia ulterior Tibattonem principen* rebellionis secuta a Romana societate discessit,
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ΠΙ. Die Zivil- und Militärverwaltung
muß es auch in Ost- und Zentralgallien wieder zu ähnlichen Abfallbewegungen gekommen sein, die wie in der Aremorica zur Bildung autonomer Regionen führten. Dennoch verstärkten ihre Aufgebote als Bundesgenossen, wie wir oben bereits sahen, die römischen und föderierten Kontingente des Aetius in der Hunnenschlacht auf den katalaunischen bzw. mauriacensischen Feldern. Jordanes nennt neben den Armorikanern und „anderen keltischen Stämmen" namentlich Liticiani, die wohl aus ehemaligen Laeten hervorgegangen sind. Andererseits spricht er wohl nicht von „Olybriones", in denen man wohl falschlich die alten Allobroger wiedererstanden sehen wollte, sondern meint eher die uns gut bekannten Briones/ Breones aus dem mittleren Alpenraum107. Über die Motive des Abfalls dieser Provinzialen und des Auflebens vergessen geglaubter gentiler Traditionen unterrichten uns eben für diese Epoche Salvian und Orosius: Die verarmten Provinzialen könnten die barbarische Unmenschlichkeit der Römer nicht mehr ertragen, sie verzichteten freiwillig auf den Status römischer Bürger, weil sie von korrupten Beamten ausgeraubt, gepeinigt und getötet würden. Diese wären schuld daran, daß die Steuerveranlagung zur Ausplünderung entartet sei. Daher wollten viele Provinzialen ,lieber unter Barbaren eine arme Freiheit als unter Römern die Heimsuchung durch das Steuersystem' ertragen108. Die unerträglichen Zustände förderten auch die Bildung von Räuberbanden, die sich auf eigene Faust schadlos hielten. In diesem Sinne lassen sich die sogenannten Skamarer, die seit dem 5. Jh. im gesamten Donnauraum auftreten, durchaus mit den Bagauden in Gallien und Spanien vergleichen. Sie sind durch Eugippius in der zweiter Hälfte des 5. Jh. auch für Ufernorikum bezeugt und lassen auch später noch Ansätze zur Gründung politischer Verbände erkennen109.
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a quo tracto initio omnia paene Galliarum servitia in Bacaudam conspiravere ...; vgl. Hydatius Cont. 125, 128, 141, 158; S. 24 f.; 27; dazu STEIN, BE I, S. 323; 330 ff.; 344 ff.; DEMOUGEOT, Formation Π, S. 441 ff.; 472; 500 ff.; PLRE Π, S. 174 f., Fl. Astyrius. Jordanes, Get. XXXVI, 191, S. 108; hierzu und zu den Riparioli-Briones s. oben S. 19, Anm. 54. Salvian, Gubem. V, 5, 21 ff; 6, 24 ff. u. passim (M. 5. Jh.): ... pauperes... apud Romanos barbaram inhumanitatem ferre nonpossunt... nomen civium Romanorum ... ultro repudiatur ac fiigitur ... per malos iudices et cruentos spoliati afflicti necati... vocamus rebelies ... Bacaudae facti sunt... iudicum ... prosciptionibus et rapinis, qui... indictiones tributarias praedas suas esse fecerunt... etc.; s. auch Orosius VII, 41, 7, S. 296:... quidam Romani... malint inter barbaros pauperem libertatem quam inter Romanos tributariam sollicitudinem sustinere; vgl. auch Priscus, ed. BLOCKLEY, frg. 11,2, S. 268, 436 ff.; ed. De Boor, 3, S. 136, 7 ff, der die Aussage eines Römers unter hunnischer Herrschaft wiedergibt:... Τους μέν γαρ παρά Σκύθαις μετά τόν πόλεμον εν άπραγμοσύνη διατελέίν, εκάστου των παρόντων άπολαύοντος καί ουδαμώς f| όλίγα ένοχλοΰντος ή ένοχλσυμένου, τους μέντοι παρά ' Ρωμαίοις fev μέν πολέμφ ρςιδίως άναλ'ισκεσθαι... fev δέ τη ε'ιρένη οδυνηρότερα ^πάρχενν τά συμβαίνοντα ... δια τε τήν βαρυτώτην εί,σπραξιν των δασμών καί τάς έκ των πονηρών βλάβας, τών νόμων ob κατά πάντων κειμένων Vgl. dazu THOMPSON, Revolts; JONES, LRE, S. 187 ff.; 811 f.; GAGÉ, Classes, S. 404 ff; 432-437. Eugippius, V. Sev. c. 10, 2; s. auch oben S. 27 mit Anm. 76; zu den Skamarem s. KOLLAUTZ, Awaren, Franken, S. 241 f. u. Anm. 30; CASTRrrius, Ethnogenetische Vorgänge, S. 337; RRAHWINKLER, Friaul, S. 56 Anm. 133.
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Während nun die Aussagen der Notitia schon für das ausgehende 4. Jh. vielfach keine zuverlässigen Schlüsse über den Aufbau der zivilen Verwaltung in den Ostalpen-Mitteldonau-Provinzen mehr zulassen, fehlen für die erste Hälfte des 5. Jh. vollends alle Hinweise, bis uns bei Priscus um 448 plötzlich wieder ein της Νωρικών άρχων χώρας (praeses Norici) entgegentritt. Wir dürfen annehmen, daß zu dieser Zeit im eigentlichen Pannonien zumindest nördlich der Drau nicht nur die staatliche Administration, sondern auch die munizipale Selbstverwaltung zusammengebrochen war. Während aus der pannonischen (ungarischen) Tiefebene nicht nur die Angehörigen der besitzenden Schichten, sondern auch große Teile der städtischen und bäuerlichen Bevölkerung seit dem ausgehenden 4. Jh. geflüchtet waren, ist für Ufernorikum die Abwanderung führender Gruppen von nobiles erst für die 2. Hälfte des 5. Jh. bezeugt, während Teile der dort in den Städten Schutz suchenden Landbevölkerung noch im Jahre 488 von Odoaker zwangsweise nach Italien evakuiert wurden110. Wo die das System der munizipalen Selbstverwaltung tragende Schicht der possessores abwanderte, jedoch noch erhebliche Reste der ärmeren Unterschichten zurückblieben, übernahmen die Amtsträger der Kirchenorganisation, Bischöfe und Priester mit dem ganzen Apparat ihres Personals die Aufgaben der örtlichen Verwaltung einschließlich des militärischen Schutzes und der sozialen Fürsorge, die durch Aufstellung örtlicher Milizen und steuerähnliche Sammlungen ermöglicht wurde. Auf das Bestehen einer lokalen Verwaltung mit schriftlicher Aufzeichnung von Amtsvorgängen durch Notare im Rahmen der kirchlichen Organisation deutet noch für die 80er Jahre des 5. Jh. die Ausbildung von exceptores und deren Verwendung in den protokollarischen Techniken am Bischofssitz des Constantius in Ufernorikum. Die gleiche Quelle bezeugt freilich auch das Erlöschen dieses Bistums, Lauriacum, noch vor dem Ende des 5. Jh.111. Die fortschreitende Entromanisierung dürfte in den nördlichen Provinzen der pannonischen Diözese der spätantiken Staats- und Munizipalverwaltung im Laufe des 5. Jh. zunehmend die Basis entzogen haben. Wie weit freilich Aussagen des Sidonius Apollinaris und des Ennodius sowie der archäologische Befund noch die Fortdauer Urbanen Lebens bis in die 60er/70er Jahre des 5. Jh. für Aquincum bezeugen, bleibe dahingestellt112. Jedenfalls konnte in den südlichen Provinzen, 110
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LOITER, Severinus von Noricum, S. 196-201; 231; 270 f. u. passim; vgl auch unten S. 166 ff.; Anm. 624; 629.; zur Priscus-Stelle s. oben S. 18, Anm. 50. Ennodius, V. Antonii 10; 14, S. 186 f.: Constanti antistitis...iunctus obsequiis..., qui eum inter ecclesiastìcos exceptores caelestem miìitiam iussit orditi...14 Inter quas temporum procellas Constantius pontifex, ne quid in mundo haberet subsidii terra hostibus deputata, humana lege liberatus est...; dazu LOTTER, Severinus von Noricum, S. 223; 235; 280. S. Sidonius Apollinaris, Panegyr. Maioriano Augusto (Α. 457-461), Ζ. 107 ff., S. 190: Fertur Pannoniae qua Martia pollet Acinous, Rlyricum rexisse solum cum tractibus Histri huius avus...; Ennodius, V.Antonii, 7, S.186: Deus noster...Antonium...circa Danubiifluminis ripas in civitate Valeria Secundino patre huius lucis ianuam iussit intrare; s. ZsiDI, Aquincum, S. 586 f. Das erste Zitat bezieht sich eher auf den Großvater und Heermeister um 379, das
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ΙΠ. Die Zivil- und Militärverwaltung
der Savia (Suavia) und Dalmatìa, vermutlich auch Teilen der Pannonia Secunda, die wirtschaftlich-soziale Infrastruktur des spätantiken Gesellschaftssystems soweit überdauern, daß sich hier Formen der spätantiken Regionalverwaltung über das Ende des 5. Jh. hinaus erhielten oder zumindest unter der Herrschaft Theoderichs wiederbelebt werden konnten. Dies ist umso bemerkenswerter, als sich in der Savia (Suavia) mit der Hauptstadt Siscia schon einige Zeit vor der Herrschaftsgründung Theoderichs Donausueben niedergelassen hatten oder angesiedelt worden waren, weshalb auch der Name der Provinz dem der Neuankömmlinge angeglichen wurde. Doch erfolgte die Ansiedlung der Sueben in friedlicher Form sogar mit dem Recht des conubium - , ohne die Verfassungs- und Gesellschaftsstruktur der Provinz zu zerstören113. Daher belegen die an die Verwaltungsinstanzen der Provinz Suavia gerichteten Erlasse Theoderichs nicht nur ein Fortbestehen der provinzialrömischen Schicht mittlerer Grundbesitzer, derpossessores, sondern auch der Organe der spätantiken Steuer- und der Munizipalverwaltung, der curiales und defensores114. Besonders aufschlußreich ist der Auftrag an den vir illustris Severinus (ΙΠ.) als römischem Staatsbeamten der höchsten Rangstufe des Illustrats, vermutlich als comes sacrarum largitionum, nach früheren fehlgeschlagenen Versuchen etwa um 523/6 die Mißstände bei der Verteilung und Erhebung der Steuern in der Suavia endlich abzustellen. Danach hatten sich Provinzialen aus der Suavia bei der Regierung beschwert, daß possessores, die als idonei curiales mit der Steuererhebung betraut waren, sie durch die auf den Häusern lastenden Steuern ruiniert und überhöhte Einnahmen zu ihren Gunsten verwendet hatten115. Wir erfahren bei dieser Gelegenheit, daß in der Suavia die Steuer noch immer in der Form der capitatio/ iugatio nach dem Umfang des Landbesitzes und der Zahl der darauf sitzenden Menschen erhoben und die Curialen als Munizipalbehörde aufgrund ihres Vermö-
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zweite könnte mit civitas Valeria auch (und wohl eher) Sopianae/Pécs meinen. Die von gewissen Autoren gebetsmühlenartig immer wieder verworfene Fußnotenerwägung einer Gleichsetzung der civitas Valeria mit Lauriacum bei LOTTER, Severinus von Noricum, S. 232 Anm. 193 darf getrost endlich vergessen werden; s. aber unten S. 161 f. mit Anm. 607. LOTTER, Stammesverbände, S. 45ff.; CASTRUMS, Barbari-Antiqui barbari; unten S. 100 ff. mit Anm. 356 f.; S. 122 ff. mit Anm. 442-446. Cassiodor, Var. IV, 49, ed. MOMMSEN, S. 136; ed. FRIDH, S. 175: Universis provincialibus et capillatis, defensoribus et curialibus Siscia vel Suavia consistentibus...; V, 15, ed. MOMMSEN, S.151; ed. FRIDH, S. 194: Universis possessoribus in Suavia provincia constitutis ...; vgl. V, 14, 1, ed. MOMMSEN, S.150; ed. FRIDH, S. 192:... possessores idoneos Sauiae... (auch suauiae und sueuiae). Zu possessores, defensores und curiales vgl. MEYER-FLÜGEL, Bild, S. 303-317. Cassiodor, Var. V , 14, ed. MOMMSEN, S . 1 5 0 f.; ed. FRIDH, S. 192 fif. Z u m B e g r i f f der
possessores idonei bzw. idonei curiales als der aufgrund ihres Vermögens haftungs- und bürgschaftsfähigen Schicht der städtischen Bürgerschaft s. Cassiodor, Var., ed. Th. MOMMSEN, Index s. v. idoneus, S. 546. Curiales sind possessores, die im Rahmen der lokalen Administration eine amtliche Funktion ausüben, vgl. auch Cassiodor, Var. Π, 25; IV, 11; Vm, 31; ed. MOMMSEN, S. 6 0 ; 119; 2 6 0 , 2 1 ; ed. FRIDH, S. 7 4 f.; 150; 3 3 6 ff. u n d die f o l g e n d e A n m .
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gens mit der Steuerveranlagung beauftragt waren116. Theoderich fordert den Provinzstatthalter, den iudex Romanus, auf, jährlich einmal jedes municipium aufzusuchen und die Steuerbelastung der Provinzialen zu überprüfen, jedoch laut Gesetz nicht für mehr als drei Tage Unterhalt zu verlangen117. Neben dem iudex provinciae, der entweder wie in der Notifia noch immer den Amtstitel eines corrector oder wie in der benachbarten Dalmatia den eines consularis trug, treten in der Suavia indices niederer Ränge auf, die offenbar mit den curiales identisch sind oder aus ihren Reihen stammen118. Des weiteren begegnen uns hier auch noch die den curiales übergeordneten defensores civitatis, deren Funktion Cassiodor in einer Formel umreißt: Der defensor wird auf Antrag der Bürgerschaft vom König für den Zeitraum einer indictio, d.h. für 15 Jahre eingesetzt, um Handel und Warenpreise zu überwachen und den Mißbrauch der Gesetze zu verhindern119. Wie freilich die Bestallung des Severinus erkennen läßt, mißbrauchen in der Suavia die iudices provinciae ebenso wie die defensores und curiales ihre Gewalt, indem sie von nichtbeamteten possessores, offenbar den ärmeren Grundbesitzern, unerlaubte Abgaben einfordern120. Interessant ist auch die Anweisung, dafür zu sorgen, daß auch die „alten Barbaren {antiqui barbari)", die römische Frauen geheiratet und teilweise dadurch Güter erworben haben, in Zukunft die entsprechende Steuer und die Zusatzausschreibung (superindictio) entrichten. Der Befehl Theoderichs, alle Verhandlungen sorgfältig aktenkundig zu machen, bezeugt die ungebrochene Funktionsfahigkeit der spätantiken Bürokratie im südwestpannonischen Raum der Epoche Theoderichs121. Auch archäologische Zeug116
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Ebda., V, 14, 2-3, ed. MOMMSEN, S. 150f.; FRIDH, S. 192f.: ... propossessionum atque hominum qualitate assispublicus imponatur... quicquid ab octava indictione nuper exempta super tributarium solidum se possessor probauerit intulisse nec nostro aerario constat illatum aut in expensis necessariis ... erogatum, ... modis omnibus corrigatur...; ebda., 5:... Iudices quoque prouinciae uel curiales atque defensores tarn de cursu quam de aliis rebus illicita dicuntur possessoribus irrogare dispendio: quod te perquirere et sub ratione legum emendare censemus. Zum theodoricianischen Steuersystem s. ENSSLIN, Theoderich, S. 197-207. Cassiodor, V, 14, 7, ed. MOMMSEN, S. 151; ed. FRIDH, S. 193: Iudex uero Romanus propter expensas prouincialium ... per annum in unumquodque municipium semel accedat; cui non amplius quam triduanaepraebeantur annonae... ND Oc. I, 78 u. 83; laut Notitia trug der Zivilgouverneur der Dalmatia im 4. Jh. den Amtstitel praeses, gegen Ende der Regierungszeit Theoderichs jedoch den eines consularis, ND Oc. I, 8 4 u. 8 6 ; Cassiodor. Var. V , 2 4 , ed. MOMMSEN, S. 157; ed. FRIDH, S. 2 0 2 f. Z u d e n A m t s -
aufgaben des iudex bzw. rector proviciae s. ebda., VI, 20; 21; XI, 7; 8; ΧΠ, 2, ed. MOMMSEN, S. 1 9 2 ff.; 3 3 6 f.; 3 3 9 f.; 3 6 0 f.; ed. FRIDH, S. 2 5 0 ff.; S. 4 3 3 ff.; 4 6 4 ff.; d a z u ENSSLIN,
Theoderich, S. 176 ff. zu den iudices der Suavia s. Cassiodor, Var. V, 14, 5; VIII, 17, 6, ed. MOMMSEN, S. 1 5 1 , 1 4 ; 2 4 8 , 2 5 , ed. FRIDH, S. 193; 3 2 2 . 119
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Ebda., VII, 11, ed. MOMMSEN, S. 209; ed. FRIDH, S. 271 f. Zum defensor civitatis in der Spätantike s. JONES, LRE I, S. 716 f.; Π, S. 1299, Anm. 31 f.; 1312, Anm. 88. S. oben Anm. 116. Ebda., V, 14, 6, ed. MOMMSEN, S.151; ed. FRIDH, S. 193 f.: Antiqui barbari, qui Romanis mulieribus elegerunt nuptiali foedere sociari, quolibet titulo praedia quaesiuerunt, fiscum possessi cespitis persoluere ac superindicticiis oneribus parere cogantur...omnibus a te sollicita atque aequabili indagatione compertispolyptychi iubeantur ascribi...; zur superindictio s.
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ΠΙ. Die Zivil- und Militärverwaltung
nisse sprechen für die Fortdauer antiker Verwaltungstechniken und eines entsprechenden Bildungniveaus, so etwa das metrische Epitaph des Bischofs Gaudentius von Celeia aus der Gotenzeit oder das im Kirchenkomplex von Vranje aufgefundene Relief eines Schreibers 122. Über die Militärorganisation der Provinzen des Ostalpen-Mitteldonauraums unterrichtet uns zunächst wiederum die Notitia. Etwa seit Beginn des 4.Jhs. standen vier duces an der Spitze der Limitantruppen der sechs Donauuferprovinzen, wobei im Westabschnitt zwei mal zwei Provinzen je zu einem Limitanabschnitt zusammengefaßt waren: So bilden die beiden Raetiae, Noricum Ripense mit Pannonia I, neben der Valeria und der Pannonia //jeweils einen Abschnitt123. Diese Verteilung läßt bereits erkennen, daß dem relativ kurzen Limesabschnitt der Pannonia II von Ad Novas-Zmajevac bis Singidunum-Belgrad unvergleichlich viel mehr Gewicht zugesprochen wurde als den anderen und er offenbar einen Angelpunkt der Reichsverteidigung darstellte. Die pannonischen Hinterlandprovinzen Dalmatìa und Noricum Mediterraneum blieben nach der Notitia im 4. Jh. noch ohne eigenes Militärkommando. Allerdings lagen in mehreren Festungen an der Save Kohorten, die dem dux der Pannonia Secunda unterstanden. Außerdem dürften in den Binnenprovinzen auch Truppenabteilungen der Garde- und der Feldarmee gestanden haben, die dem Kommando des comes Illyrici gehorchten124. Ein solcher comes Illyrici könnte jener Valens gewesen sein, den Honorius mit fünf Einheiten römischer Elitetruppen in Stärke von je 1200 Mann im Frühjahr 409 zum Schutze Italiens aus Dalmatien abberief. Die Stärke der Einheiten ebenso wie ihre Bezeichnung als Eliteverbände spricht dagegen, daß es sich hier um Limitantruppen handelt, die von der Donaugrenze abgezogen worden seien125. Die Verbände der illyrischen Feldarmee, die in der Notitia genannt sind, spiegeln nach Hoffmann den Zustand nach der Reorganisation der pannonisch-westillyrischen Diözese unter Generidus wider, wie er im Prinzip bis 425 bestanden haben könnte. ENSSLIN, Theoderich, S. 198 f., zur Stelle a u c h SASEL, L ' anthroponymie, S. 135 f.; CASTRI122
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TIUS, Barbari - antiqui barbari, S. 77 ff. S. BRATO2., Christentum, S. 40; 52 mit Anm. 90 ff.; DERS., Einfluß Aquilejas, S. 53 f. mit Anm. 104. ND Oc. I, 37; 40^3; ΧΧΧΠ-XXXV; vgl. Frrz, Neue Ergebnisse; Hoffinann, Oberbefehl, S. 383-388. ND Oc. Vn, 40-62, vgl. dazu oben S. 14 mit Anm. 39; DlETZ, Cohortes, S. 295 ff. Zosimos V. 45, 1-2, ΙΠ,Ι, S. 65 f.: ... έδοξε τω βασιλέΐ πέντε τών άπό Δαλματίας στρατιωτικά τάγματα, της οικείας μεταστάντα καθέδρας, feid φυλακή της' Ρώμης έλθεΐν. Τά δέ τάγματα ταΰτα &πλήρουν άνδρες εξακισχίλιοι, τόλμχ] καΐ ρώμη του ' Ρωμαϊκού στρατεύματος κεφάλαιον &ντες. ' Ηγείτσ δέ αΊιτών ΟΜλης ... Nichts deutet daraufhin, daß es sich bei den erwähnten Einheiten um dalmatische egi/z/es-Formationen gehandelt habe, so VÁRADY, New evidences; Additional notes; vgl. demgegenüber HOFFMANN, Bewegungsheer I, S. 4 3 1 ; II, 178 f., A n m . 2 6 u n d o b e n S. 14; PASCHOUD, Z o s i m e m / 1 , S. 2 9 2 ff., A n m . 102.
Einen Hinweis auf Einheiten, die in Dalmatien stehen, jedoch nicht zu den Limitanformationen gehören, finden wir auch bei Zosimos V, 46, 2 ff, s. oben S. 13, Anm. 35. Zu Valens vgl. PLRE Π, S. 1137, Valens 2.
und deren allmähliche Auflösung
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Dafìir spricht auch, daß mit den Valentinianenses und Catarienses zwei Einheiten in der Truppenliste der illyrischen Feldarmee nachgetragen wurden, die offenbar im Zeichen zunehmenden hunnischen Drucks erst kurz zuvor von der im Augenblick weniger bedrohten Rheinfront an die Donaufront verlegt worden waren126. Vermutlich auch erst verhältnismäßig spät, vielleicht im Zusammenhang mit den Invasionen zu Beginn des 5. Jh., sind mit den lancearii Lauriacenses und Comaginenses sowie der Secunda Julia pseudocomitatensische Einheiten in die illyrische Feldarmee überfuhrt worden, die aus den Limitanlegionen der II Italica, der erst von Diokletian gegründeten I Noricorum - beide in Ufernorikum - sowie der II Iulia Alpina hervorgegangen sind127. Noch früher könnten die bereits in den Rang von legiones comitatenses aufgestiegenen Tertiani und die Tertia Hercúlea, die aus den rätischen Einheiten der legio III Italica und der dort früher vertretenen Tertia Hercúlea entstanden sind, in das illyrische Feldheer eingegliedert worden sein. Dies spricht ebenso wie die Anwesenheit des palatinischen auxilium der Raeti dafür, daß die Raetia seit längerem, möglicherweise schon vor der Zeit des Generidus, zum Amtsbereich des comes Illyrici gehörte128. Insgesamt umfassen die dem comes Illyrici unterstellten Truppen des Gardeund Feldheeres zum Zeitpunkt der letzten Redaktion der Notitia gegen 425 laut deren Angaben insgesamt 22 Einheiten mit einer Sollstärke von ca. 26000 Mann, wenn wir die bei Zosimos um 409 für fünf dieser Formationen belegte Mannschaftsstärke von 1200 Mann zugrundelegen129. Diese Truppen setzten sich aus vierzehn auxilia der Garde, fünf komitatensischen und drei pseudokomitatensischen Legionen des Feldheeres zusammen130. Es waren, so weit wir sehen, ausschließlich Fußtruppen, während der Donaulimes demgegenüber großenteils mit Reiterschwadronen besetzt war.
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ND Oc. VE, 61 f.: Valentinianenses, Catarienses. Der Nachtrag ist dadurch erkennbar, daß die Valentinianenses nicht ihrem Rang entsprechend in die Liste der auxilia palatina (41-52) eingereiht sind, sondern erst hinter den legiones pseudocomitatenses aufgeführt werden. Außerdem sind sie auch noch in der Truppenliste des gallischen Heermeisters aufgeführt, wo sie also in der Zwischenzeit noch nicht gestrichen wurden, s. ebda., 71. Die Catarienses, deren Nachtrag daraus hervorgeht, daß sie überhaupt noch nicht klassifiziert worden sind, dürften mit den Catharenses identisch sein, die im 3. Jh. als limes-Numerus im Kastell Alteburg-Heftrich an der Straße von Idstein nach Oberreifenberg am Taunusrand und in der Epoche der Tetrarchie in Mainz-Kastell nachzuweisen sind, s. HOFFMANN, Bewegungsheer I, S. 171 f. mit Anm. 419-421. ND Oc. VN, 58-60; vgl. XXXIV, 39: Praefectus legionis II Italicae Lauriaco. Comagenis lag im Bereich der I Noricorum, die auch in Adiuvense und Favianis nachzuweisen ist. Not. XXXIV, 40f. Laut Notitia, ebda., 37 lag in Comagenis eine Abteilung équités promoti, die ebenfalls aus der I Noricorum hervorgegangen sein dürfte; vgl. HOFFMANN, Bewegungsheer I, S. 227 ff.; ferner 73; 226,405; Π, S. 5, Anm. 150; S. 151 f., Anm. 323. N D O c . V A , 4 4 ; 53 f.; HOFFMANN, B e w e g u n g s h e e r I, S. 2 1 7 ; 2 2 7 f.; Π, S. 5, A n m . 150; 170,
Anm. 740. Vgl. dazu VÁRADY, New evidences, S. 367-370, s. im übrigen oben Anm. 125. ND Oc. VU, 40-62, S. 134 f.
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ΠΙ. Die Zivil- und Militärverwaltung
Während nun die Gültigkeit der Feldtruppenlisten der westillyrischen comitiva fur den Zeitraum zwischen 410 und 425 noch mit annähernder Sicherheit vorausgesetzt werden kann, ist dies für die entsprechenden Listen der Limitanformationen wohl auszuschließen. Schon ein oberflächlicher Vergleich der Limitanlisten verschiedener Provinzen läßt die verschiedenen Prinzipien der Abfassung hervortreten. So weisen etwa die Listen des dux tractus Armoricani und des dux Mogontiacensis, zweier erst spät eingerichteter Dukate, die jedoch in der Ämterliste bereits aufgeführt sind, eine nahezu einheitliche Gliederung nach Befehlshabern und Truppeneinheiten mit dem Schema praefectus militum auf, wobei nur die nach unterschiedlichen Gesichtspunkten gebildeten Beinamen der Militesverbände eine Differenzierung erlauben131. Ein nach wiederum anderen Gesichtspunkten vereinheitlichendes System nach dem Schema praepositus limitis lediglich mit der Angabe des örtlichen Abschnitts tritt uns in der Limitanliste des comes Africae entgegen132. Weitere wiederum in sich relativ einheitliche Typen finden sich in den Limitanlisten der oströmischen Donauprovinzen. So werden die Truppeneinheiten der Scythia und Moesia Secunda in der Rangfolge cunei equitum, milites, praefectus legionis bzw. ripae legionis, die der Moesia Prima und Dacia Ripensis entsprechend in der Folge cunei equitum, auxilia, praefectus legionis bzw. classis aneinandergereiht133. Der ganz unterschiedliche, in sich jedoch jeweils relativ einheitliche Charakter der einzelnen Truppenlisten verschiedener Provinzen und Diözesen deutet zunächst darauf hin, daß sie von verschiedenen Verfassern stammen müssen, daß sie aber auch zu verschiedenen Zeiten abgefaßt wurden und jeweils unterschiedliche Stadien der Entwicklung des Grenzschutzsystems wiedergeben. Dabei muß freilich auch beachtet werden, daß Reformen der Grenzverteidigung jeweils nur abschnittsweise erfolgten und ganz unterschiedliche Entwicklungsstufen gleichzeitig nebeneinander auftreten können. Betrachten wir im Lichte dieser Erkenntnis nun die Limitantruppenlisten der Provinzen an der oberen und mittleren Donau, so stellt sich für die drei pannonischen Frontabschnitte wiederum ein im wesentlichen in sich einheitliches System heraus mit der Reihenfolge cunei equitum, équités, auxilia, praefecti legionis bzw. classis, tribuni cohortis134. Einige Unregelmäßigkeiten stellen in der Pannonia II ein eingeschobener praefectus militum, eine offenbar nachgetragene Ala Sirmensis ;md ein in die praefecti-Aufzäiblung eingeschobener tribunus cohortis, in der Pannonia I ein tribunus gentis Marcomannorum, in Pannonia I und in Noricum Ripense - wie übrigens auch in der Raetia - allenfalls die fehlenden cunei und auxilia dar. Noch auffalliger ist bei näherem Hinsehen die Tatsache, daß die mei131 132 133
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ND Oc. XXXVII u. XLI; S. 204 f.; 213 f. ND Oc. XXV, S. 174 ff. ND Or. XXXIX; XL; XLI; XLII; S. 86-97; dazu HOFFMANN, Bewegungsheer, S. 247-257; DŒTZ, Cohortes, S. 292 ff. ND Oc. XXXII: Pannonia II; ΧΧΧΠΙ: Valeria; XXXIV: Pannonia I u. Noricum Ripense; S. 188-199.
und deren allmähliche Auflösung
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sten Garnisonen der Pannonia II und Valeria, aber auch einige der Ραηηοηία I doppelt belegt sind, wobei in den meisten Standorten der egwz'tes-Formationen auch entweder cunei equitum oder auxilia, seltener praefecti legionis oder tribuni cohortis genannt werden135. Da Doppelbelegungen zwar auftreten, jedoch in diesem Ausmaß sonst nicht zu finden sind, lag die Folgerung nahe, daß hier verschiedene Stadien der Entwicklung bzw. Belegung der Kastelle miteinander kontaminiert sind. Diese Folgerung scheint eine Stütze auch darin zu finden, daß in den entsprechenden Limitanlisten der unteren Donauprovinzen équités-Formationen nicht mehr auftauchen, sondern durchweg durch cunei-equitum-Einheiten ersetzt wurden136. Dies läßt sich kaum damit erklären, daß inzwischen hier alle e^w/tes-Formationen vernichtet worden sein, an der mittleren Donau jedoch die Katastrophen der späten 70er Jahre unversehrt überstanden haben sollen. Tatsächlich scheint sich aus kaiserlichen Erlassen zu ergeben, daß spätestens um die Mitte des 4. Jh. die Grenztruppen in cunei und auxilia aufgegliedert waren. Dementsprechend nennt auch Claudian um 389 die cuneos, welche die Flußgrenze der ripa Sarmatica bewachen, erwähnt daneben freilich auch noch legio, cohors und miles, nicht jedoch eques bzw. équités131. Demnach spricht vieles dafür, daß an den Donaufronten die Limitantruppenlisten des oströmischen Reiches einen späteren Zustand wiedergeben als die des weströmischen Reiches. Tatsächlich hat Hoffmann wahrscheinlich gemacht, daß die Grenztruppenverzeichnisse des Ostreichs im allgemeinen die Situation der endgültigen Reichsteilung von 395 festhalten, hält es sogar für möglich, daß ebenso wie die Listen des (ost-)illyrischen Feldheeres auch die der Grenztruppen in der Scythia und Moesia I zwischen 396 und 410 noch einmal überarbeitet worden sind138. Für die Limitantruppenlisten der pannonisch-westillyrischen Diözese ergeben sich nun zwei wichtige Fragenkomplexe: 1. Haben alle in den Listen jeweils einer Grenzprovinz aufgezählten Truppeneinheiten gleichzeitig nebeneinander existiert und ist demnach mit Doppelbelegungen von Kastellen in größerem Umfang zu rechnen?
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In der Pannonia Π finden sich demnach zwei Dreifach- und sechs Doppelbelegungen in Verbindung mit Equites-Fonnationen, wobei ΧΧΧΠ, 43 bereits eine Verlegung notiert ist; in der Valeria desgleichen drei Dreifach- und sechs Doppelbelegungen, davon ΧΧΧΙΠ, 26 eine bereits angezeigte Verlegung; in der Pannonia I hingegen nur zwei Doppelbelegungen. ND Or. XXXDÍ-XLO, S. 86-97; vgl. HOFFMANN, Bewegungsheer I, S. 211; 247-277. Cod. Theod. VE, 13, 7. A. 375, S. 337: ... Ii vero, qui in ripa per cuneos auxiliaque fuerint constituti ...; vgl. VII, 13, 1, a. 353, S. 335: de auxiliaribus sane cunéis minime ducibus licentia concedatur...; V, 6, 1, a. 347, S. 221: ... tarn legionibus quam vexillationibus comitatensibus seu cunéis ...; Claudian Epithal. Pallad. 86 ff., S. 305 (a. 389): ... constringit in unum sparsas imperii vires cuneosque recenset dispositos: quae Sarmaticis custodia ripis, quae saevis obiecta Getis, quae Saxona frenai vel Scottum legio, quantae cinxere cohortes Oceanum, quantopacatur milite Rhenus... HOFFMANN, Bewegungsheer I, S. 52 f.; vgl. 22 ff.
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ΠΙ. Die Zivil- und Militärverwaltung
2. Wann sind die pannonischen Limitanlisten abgefaßt bzw. die letzten Eintragungen vorgenommen worden, d.h. für welchen Zeitpunkt können sie spätestens als zuverlässiges Zeugnis der Truppendislokation dienen? Die erste Frage, deren Beantwortung schon grundlegende Bedeutung auch für die Lösung der zweiten Frage besitzt, ist in der Forschung heftig umstritten. Freilich hat sich gegen A. Alfoldi und O. Seeck inzwischen allgemein die Auffassung durchgesetzt, daß die e^Mi/es-Formationen der Notitia früher anzusetzen sind als die cunei equitum, spielen doch die Schwadronen der équités Dalmatae und Mauri bereits in der zweiten Hälfte des 3. Jh. eine wichtige Rolle139. Neben den équités Dalmatae treten nun in den westillyrischen Limitanlisten auffallend regelmäßig im Bereich der alten Legionsstandorte jeweils zwei Abteilungen équités promoti und équités sagittarii auf. Die früher herrschende Meinung, daß die équités promoti von Diokletian aus der alten Legionsreiterei gebildet worden sind, wird heute von D. Hoffmann bestritten140. Tatsächlich scheint die Legionsreiterei der II Italica aus Ufernorikum als selbständiger cuneus in die Pannonia Π verlegt worden zu sein, doch spricht die Truppenbezeichnung als cuneus dafür, daß jedenfalls diese Aussonderung der Legionsreiterei zu einem weit späteren Zeitpunkt erfolgte als er für die der équités promoti anzunehmen ist141. Doch wie dem auch sei, das regelmäßige Auftreten der promoti und sagittarii unter den équités-Formationen scheint darauf hinzudeuten, daß hier ein früher Zustand vermutlich der Epoche Diokletians - auf dem Papier unverändert festgehalten wurde, obwohl er in dieser Form kaum die zahlreichen Umdispositionen und Einbrüche an der Donaufront im 4. Jh. überstanden haben dürfte. Demnach wäre die insbesondere aus den Limitanlisten der Pannonia II und Valeria zu folgernde Schichtentheorie nicht ganz abwegig, wonach die teilweise mit Korrekturen versehenen Angaben über die Dislokation der équités- Verbände die Situation der diokletianischen Limitanorganisation wiedergeben und in der Liste stehengeblieben sind, obwohl sie durch die Verlegung von cunei-equitumund aiürifta-Formationen in den größten Teil der zuvor von équités- Verbänden belegten Kastelle überholt waren. Diese Schichtentheorie wird insbesondere von T. Nagy vertreten, der in einer Untersuchung über die Residenzen der beiden Legionspräfekten in der Valeria wahrscheinlich zu machen versuchte, daß - insbesondere im Falle der legio II Adiutrix - mindestens zwei, möglicherweise drei Stadien der Truppendislokation nebeneinander festgehalten seien. Desgleichen glaubt D. Hoffmann, daß die cuneus-equitum-FormaHonen die e^w/tej-Einheiten abgelöst haben und mit deren
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A. ALFOLDI, Untergang I, S. 78 f.; dagegen HOFFMANN, Bewegungsheer I, S. 247-257.
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E b d a . , S. 2 4 7 - 2 6 5 ; V a n BERCHEM, D i o c l e t i e n , S. 104.
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ND Oc. ΧΧΧΠ, 27: cuneus equitum secundanorum Italicianorum; HOFFMANN, Bewegungsheer I, S. 176.
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Aufzählung ein früheres Stadium der Truppengliederung fälschlich stehen geblieben sei142. Demgegenüber vertritt Soproni entschieden die Auffassung, daß die Donaulisten durch die Hinzufügung der cuneus- und auxiV/a-Formationen nur ergänzt wurden, insgesamt jedoch eine gleichzeitige Truppenaufstellung wiedergeben. Eine Verminderung der e^wies-Formationen sei nicht erfolgt, vielmehr habe Constantius Π. die mittlere Donaufiront durch die Zuführung neuer cunei- und auxiliaVerbände verstärkt. Dies ergebe sich auch daraus, daß auxilia vorwiegend in der Gegend des Donauknies, cunei dagegen im südlichen Frontabschnitt zusätzlich eingesetzt wurden. Doppelbelegungen der Lager seien nicht ungewöhnlich, und bei der zahlenmäßigen Stärke der spätantiken Limitanformationen, die jeweils nur einige hundert Mann betrugen, hätten zwei und gegebenenfalls auch drei Einheiten ohne Schwierigkeit in einem Kastell, das jeweils auch eine Anzahl benachbarter bürgt mitzubesetzen hatte, Platz gefunden143. Zwischen den alten Lagerfestungen lind Limeskastellen waren nach dem archäologischen Befund etwa seit 370 zahlreiche Kleinfestungen, burgi, errichtet worden, die am Oberlauf der Donau beginnend donauabwärts in fortlaufender Linie die Grenzüberwachung verbessern sollten144. Demgegenüber scheinen die Kleinkastelle, die jeweils in einer Ecke der alten Lagerfestungen errichtet wurden, erst nach 380 errichtet worden zu •145
sem Soproni weist des weiteren nach, daß eine Anzahl von Kastellen in der Valeria, in denen nach den Angaben der Notitia nur ein équités- Verband stand, noch bis in die letzten Jahrzehnte des 4. Jh.s belegt war. Noch gewichtiger ist sein Hinweis, daß auch in Castra Constantia eine equites-l&ìi&iéA genannt wird, die demnach auch unter Constantius, dessen Namen dieses Lager trägt, hier gelegen haben muß, zur gleichen Zeit, als andere Kastelle durch die cwnews-Formationen verstärkt wurden. Soproni bringt auch die in der Notitia mit nunc gekennzeichneten Verlegungen von e^wz'i&s-Formationen in andere Lager mit der Reorganisation des Limessystems an der mittleren Donau unter Constantius Π. in Verbindung und vermutet mit guten Gründen, daß die Liste mit den angeführten Korrekturen und Nachträgen am ehesten den Stand zur Zeit der Reichsteilung um 364 wiedergebe, der terminus ante quem jedoch durch das Datum der Ansiedlung der Foederaten des Dreivölkerverbandes um 379/80 fixiert sei146. Demnach erweist sich fur unsere Untersuchung das Problem der gleichzeitigen Gültigkeit aller Angaben für Truppendislokationen in den Limitanlisten der Do142
NAGY, Militärbezirke, S. 184 ff.; vgl. auch HOFFMANN, Bewegungsheer I, S. 211; 247-277; SOPRONI, Valeria, S. 164 f.
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SOPRONI, Valeria, insb. S. 156-168; DERS., Liste der Valeria, S. 59 ff. SOPRONI, Burgus-Bauinschrifì, S. 132; vgl. GARBSCH, Burgi, S. 75 ff. UBL, Donaulimes, S. 596 f. mit Anm. 10; DERS., Limesforschung, S. 146; 152 ff.; DERS., Severinsorte, S. 74; DERS., Zeiselmauer; DERS., Noricum, S. 333; SOPRONI, Letzte Jahrzehnte, S. 95-100; MÓCSY, Probleme Forschungen 1979/80, S. 633; STIGUTZ-THALLER, Umbauten. SOPRONI, Valeria, S. 158-163.
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ΠΙ. Die Zivil- und Militärverwaltung
nauprovinzen als zweitrangig gegenüber der Frage, bis zu welchen Zeitpunkt die Aufstellungen in den Listen der einzelnen Provinzen des Ostalpen-MitteldonauRaumes überhaupt noch Gültigkeit besitzen. Nun hat seinerzeit schon Mommsen festgestellt, daß die Truppenlisten der drei pannonischen Uferprovinzen neben der schon früh aufgegebenen Belgica Secunda einen früheren Zustand als alle anderen Limitanlisten wiedergeben, da nur sie noch die alte Ordnung der Bestellung des princeps officii ducis aus dem Personal des jeweiligen Ducats selbst kennen, während alle anderen der spätestens 398 geltenden Regelung folgen, wonach der princeps aus den officia der präsentalischen Heermeister kommt147. Angesichts dieser Feststellung erinnern wir uns an den durch Vergleich der einzelnen Limitanlisten sich ergebenden Eindruck der Altertümlichkeit der pannonischen Verzeichnisse, in denen etwa der „moderne" Typ der mZ/ííes-Formationen nur in einem - vermutlich späten - Nachtrag auftritt148. Demgegenüber werden cunei und auxilia in Valeria, Pannonia II und I neben e^wiies-Formationen genannt, fehlen jedoch in Ufernorikum und Raetia. Diese Feststellungen sind umso bemerkenswerter, als Truppengattungen des moderneren milites-Typs für die 2. Hälfte des 4. Jh.s für den Ostalpen-Mitteldonau-Raum durch Inschriften durchaus bezeugt sind. So begegnen uns in einer Bauinschrift aus Ybbs um 370 und vermutlich auch auf einer Anzahl von Ziegelstempeln eine Einheit von milites auxiliares Lauriacenses unter einem praepositus149, desgleichen in der Raetia in Foetes-Füssen (Lech) milites Foetenses ebenfalls unter einem praepositus, der aus Rätien selbst stammt150, schließlich in der Gegend von Alcsútdoboz ca. 35 km westlich von Aquincum-BaàaçesX. wiederum der praepositus einer Einheit von milites Histrici. Nach Nagy finden sich in der Pannonia I nach 395 mehrere »»'/to-Einheiten, fehlen jedoch in der Valeria 151. Des weiteren hat Hoffmann die Herkunft einer Einheit von auxiliares milites Latovices bzw. Latobicenses aus Praetorium Latobicorum in Südwestpannonien (h. Unterkrain/Dolenjsko in Slowenien) wahrscheinlich gemacht, die ebenfalls unter einem praepositus stand und um 394/5 im 147
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ND Oc. ΧΧΧΠ, 61: principem de eodem officio-, vgl. ΧΧΧΠΙ, 67; XXXIV, 48; XXXVIII, 11: principan ex eodem corpore; dagegen XXXV, Dux Raetiae, 36: principem ex officiis magistrorum militum praesentalium alternis annis, so auch alle anderen. Die Neuerung war 398 schon eine Zeit lang in Gebrauch, s. Cod. Theod. I, 7, 3, a. 398: ... sicut clarissimis viris comitibus et ducibus diversarum provinciarum et limitum ... principes et numerarti ex officio magisteriopotestatis mittantur...; JONES, LRE I, S. 174 f.; II, S. 565 f.; 579 ff. ND Oc. XXV, Dux Raetiae 20, S. 200: Praefectus militum Ursariensium, Guntiae. CIL ΙΠ, 5670a; DESSAU, 2786: ... Leontio p(rae)p(osito) milites auxiliares Lauriacenses cur(a)e eius commisi...; s. HOFFMANN, Bewegungsheer I, S. 73 f.; Π, S. 151 f., Amn. 323; 331; EGGER, Militärziegelei, S. 183 ff. Zu auxiliares als Sammelbezeichnung für Soldaten von auxilia s. HOFFMANN, ebda., Π, S. 26, Anm. 176. CIL IV, 32969; DESSAU, 2786: ... Heraclius civis secundus Retus .... qui fuit praepositus militum Fo(e)tensium; HOFFMANN, Bewegungsheer II, S. 26, Anm. 186. C I L III, 3 3 7 0 ; DESSAU 2 7 8 7 : Fl. Iovinus
ex p. p. militum
gungsheer, S. 27, Anm. 191; NAGY, Aquincum, S. 380.
Histricorum;
HOFFMANN, B e w e -
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Zusammenhang mit dem Feldzug des Theodosius I. gegen Eugenius, vielleicht als pseudocomitatensische Truppe, nach Concordia gelangt ist152. Neben diese in der Notitia nicht aufgeführten Truppenteile treten weitere Einheiten, die als Pseudocomitatenses jeweils erst später zur Feldarmee abgeordnet wurden, jedoch aufgrund ihrer Namengebung ebenfalls aus den westlichen Donauprovinzen stammen müssen, wie die Lancearii Lauriacenses und Comaginenses aus Ufemorikum im westillyrischen Feldheer153, die Pontaenenses aus der Raetia Secunda im italischen Feldheer154, vermutlich auch die Fortenses auxiliarii im Feldheer des oströmischen Oriensmagisteriums155. Die naheliegende Gleichsetzung letzterer mit den auxilia Fortensia in der Limitanliste der Valeria würde voraussetzen, daß diese Liste nicht bis an den Zeitpunkt der Teilung der illyrischen Präfektur von spätestens 396, vermutlich nicht einmal an den früheren Termin von 364 heranreicht. Diese Folgerung wird gestützt durch die Feststellung, daß das zwischen 364 und 367 westlich des Donauknies erbaute Kastell von Hideglelöskereszt ebensowenig in der Notitia erwähnt wird wie das etwa zur gleichen Zeit im Quadengebiet jenseits der Donau erbaute Lager156. Nichtsdestoweniger glaubt Soprani, daß die durch nunc gekennzeichneten Verlegungen von Einheiten in den pannonischen Limitanlisten, die sowohl équités- wie cuneus- und auxz'/zVz-Formationen wie auch einen praefectus legionis betreffen - ebenso wie wohl auch bei entsprechenden Fällen in der Raetia Secunda - mit der letzten Reorganisation der Limesverteidigung unter Valens und Gratian vor dem Einbruch des Dreivölkerverbandes und dessen Ansiedlung zwischen 378 und 380 zusammenhängen157. Freilich könnten für derartige Reorganisationen der Mitteldonaufront auch schon frühere Termine im dritten Viertel des 4. Jh. in Ansatz gebracht werden, etwa die den Sarmatenund Quadenkrieg des Constantius (Π.) von 357-359 auslösenden Einfalle dieser Völker, die Pannonien weithin verheerten. Der Krieg endete zwar mit einem Friedensschluß, doch blieb die Grenze unsicher. Unter Valentinian I. führte der verstärkte Bau von burgi und Kastellen nicht nur am Donaulimes, sondern auch im Gebiet der Quaden selbst bald zu neuen Spannungen. Schließlich lösten die vielerorts noch sichtbaren Maßnahmen im Jahre 374 eine neuerliche Invasion der 152 153 154 155
HOFFMANN, Bewegungsheer I, S. 72 ff.; zur Datierung S. 85 ff. ND Oc. V, 259f.; VII, 58f.; HOFFMANN, ebda I, S. 226; 405 ff.; II, S. 151 f., Anm. 323. ND Oc. V, 263; Vn, 39; HOFFMANN, wie Anm. 153. ND Or. Vn, 51; Oc. ΧΧΧΙΠ, 49; HOFFMANN, Bewegungsheer I, S. 233 ff.; Π., S. 3, Anm. 111 ; Vgl. JONES, L R E m , S. 355.
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Ammian. XXIX, 6, 2, IV, S. 190: ... trans flumen Histrum in ipsis Quadorum terris ... aedificari praesidia castra mandavit ...; dazu MÓCSY, Pannonia, RE, Sp. 640ff; DERS., Middle Danube, S. 269 ff.; 293; SOPRONI, Valeria, S. 162; 26 ff. Demgegenüber ist zumindest das unter Constantius Π. (f 361) am linken Ufer der Donau errichtete Brückenkopfkastell Contra Constantiam (=Tantantum)-Felsögöd noch in die Notitia eingetragen worden, s. ND Oc. ΧΧΧΙΠ, 55, S. 194, dazu SOPRONI, Valeria, S. 171 f. Ebda., S. 161 ff.; 204 f.
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Quaden und Sarmaten, neue Verwüstungen und einen neuen Rachefeldzug aus. Diesen schloß im Spätherbst 375 wiederum ein Friedenvertrag ab, den der Kaiser freilich, wie wir bereits feststellten, nicht überlebte. Doch wie dem immer sei, auch die in den Listen der pannonischen Grenzprovinzen noch aufgeführten cunei-equitum- und auxi/ia-Formationen dürften in keinem Fall mehr in die Zeit der Ansiedlung der Foederaten des Dreivölkerverbandes um 380 hineinreichen. Wir können auch davon ausgehen, daß die Verbände des Donaugrenzheeres, insbesondere dessen Reiterformationen, durch die Ereignisse seit dem Quadenkrieg des Constantius wiederholt geschwächt, abgezogen oder gar vollends aufgerieben worden sind. Zunächst wurde das eben erst durch die Niederwerfung von Sarmaten und Quaden abgesicherte Pannonien weithin von Truppen entblößt, als Julian um 361 bei seinem Marsch gegen Constantius und anschließend für den Perserkrieg insbesondere auch illyrische Einheiten aufbot, die wohl nur teilweise wieder zurückgeführt bzw. ersetzt wurden. Vor allem wurden illyrische Truppen, insbesondere die Reiterei, teils in die Katastrophe von Adrianopel hineingerissen, teils erlitten sie auch beim Einfall des Dreivölkerverbandes linter Alatheus und Saphrax zumindest schwere Verluste. Ihre Reste dürften bei dem Abschluß des Foederatenvertrages mit der Alatheus-Saphrax-Gruppe weitgehend vom Limes zumindest der Pannonia I und Valeria abgezogen worden sein. Von alldem weiß die Notitia nichts mehr. Zu fragen bleibt, ob nicht auch das Auftreten eines markomannischen Gentilverbandes unter Führung eines tribunus, das in der deutsch-österreichischen Literatur bisher mit dem Übertritt der Markomannen unter dem Gatten der Königin Fritigil gegen Ausgang des 4. Jh. in Verbindimg gebracht wurde, in frühere Zusammenhänge einzuordnen ist158. Es könnte sich hier sehr wohl noch um die Nachkommen jener Markomannen des Königs Attalus handeln, denen nach Aurelius Victor um 259 ein Teil Oberpannoniens zur Ansiedlung zugewiesen worden war159. Die Bedeutung des Vorgangs wird auch dadurch unterstrichen, daß Kaiser Gallienus damals eine Tochter des Attalus, Pipa(ra), als Nebenfrau heiratete. Dem steht freilich nicht entgegen, daß auch im letzten Jahrzehnt des 4. Jh. wiederum ein markomannischer Verband mit der christlichen Königin Fritigil auf Reichsgebiet übertrat und hier in ein Foederatenverhältnis aufgenommen wurde. Diese Foederaten konnten möglicherweise ein erwünschtes Gegengewicht gegen die Krieger des Dreivölkerverbandes bilden, da diese sich zunehmend als unzuverlässig erwiesen. Der Übertritt markomannischer Foederaten unter Honorius wird
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ND Oc. XXXIV, 24, s. dazu L O T T E R , Donausueben, S. 281. AUT. Victor, Caes. 33, 6; Epitome de Caes. 33,1, S. 109; 160; vgl. auch Scriptores Historiae Augustae, Galliern duo, 21,3; dazu M Ó C S Y , Pannonia, Sp. 566; DERS., Middle Donube, S. 206 f.; S O P R O N I , Limes, S. 176; zu den Markomannen s. V. B E R C H E M , Marcomans, S. 13ff.; K E H N E , Markomannen. Historisches; T E J R A L , Archäologisches.
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auch durch die Aufrahme von mindestens zwei markomannischen Einheiten in die weströmische Gardearmee zu dieser Zeit bestätigt160. Doch wenn schon die Limitanlisten der pannonischen Donauabschnitte kaum noch Zustände der Zeit nach 375/80 wiedergeben, gilt dies erst recht für Ufernorikum - und wohl auch Rätien. Das unversehrte Auftreten der équités- Verbände mit dem obligatorischen Paar der promoti und sagittarii legt ebenso wie das Fehlen der cuneus- und auxilia-Formationen nahe, daß hier eher ein noch früheres Stadium festgehalten ist, das etwa dem der älteren Schicht der pannonischen Limitanlisten entspricht und demnach bis in vorkonstantinische Zeit zurückreichen könnte. Immerhin scheinen einige Nachträge vorgenommen worden zu sein, auch muß berücksichtigt werden, daß die Invasionen, Heimsuchungen und Umwälzungen des 4. Jh. zunächst die pannonischen Ebenen weit stärker in Mitleidenschaft zogen als zumindest Ufernorikum. Es ist daher denkbar, daß die Truppendislokation der ersten Jahrzehnte des 4. Jh. am rätisch-norischen Donaulimes im wesentlichen noch bis in die 60/70er Jahre bestanden hat161. Unter allem Vorbehalt und unter der Voraussetzung, daß, wie Soprani wahrscheinlich zu machen versuchte, alle in der Notitia aufgezählten Limitanverbände gleichzeitig an den genannten Standorten existierten, ergibt sich folgendes Bild: Vom Bodensee bis zur Savemündung umfaßte das Limitanheer der oberen und mittleren Donaugrenze laut Notitia um 364/75 insgesamt 133 Einheiten, 62 Reiterschwadronen und 71 Fußtruppenabteilungen, davon 25 aus 9 Legionen gebildete Formationen. Die Mannschaftsstärke dieser Einheiten ist umstritten. Während früher im allgemeinen pro Einheit der Grenztruppen 500 Mann angesetzt wurden, billigt D. Hoffmann den Reiterschwadronen nicht mehr als 100-200 Mann zu162. Wenn wir demnach von einer annähernden Stärke der Fußtruppenverbände von 500 und der Reiterschwadronen von 200 ausgehen, ergäbe sich eine Gesamtstärke des Limitanheeres der pannonischen Diözese von ca. 12.400 Mann Reiter und 35.000 Mann Fußtruppen. So groß diese Zahl (Sollstärke), zumal wenn die 26.000 Mann Garde- und Feldtruppen hinzugezählt werden163, auch immer scheinen mag, festzuhalten bleibt doch, daß davon mindestens 4/5 sich auf eine Flußgrenze von etwa 1600 km Länge verteilten. Und wenn auch die Zahlen insgesamt zu hoch angesetzt sein sollten, so mögen doch die Relationen in den Kräfteverteilungen innerhalb des Limitanheeres als relativ zuverlässige Aussage gelten.
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ND Oc. V, 49 f.; 198 f.; vgl. Vn, 38; ferner VI, 22; 65; Vü, 183; S. 117; 123; 134; 129; 131; 141; Paulin. V. Ambras., c. 36, ed. BASTIAENSEN, S. 100; dazu JONES, LRE I, S. 652 f.; VETTERS, Kontinuität m , S. 492 f.; vgl. jedoch Van BERCHEM, Marcomans, S. 12 ff. Zum Vorgang und zur Lesart Fritigil s. LOTTER, Donausueben, S. 281, Anm. 21 und unten, S. 100 mit Anm. 356. Anders NAGY, Aquincum, S. 380. Dazu SOPRONI, Valeria, S. 166 mit Anm. 103; HOFFMANN, Bewegungsheer I, S. 256. Zu den Truppenstärken vgl. auch CASTRITIUS, Die Wehrverfasssung. Vgl. oben S. 39 mit Anm. 129.
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ΠΙ. Die Zivil- und Militärverwaltung
Dabei ist nicht zu übersehen, daß die Belegungsstärke von Rätien bis zum sirmischen Pannonien allmählich bis auf nahezu das Dreifache ansteigt und das pannonische Limitanheer allein nach unseren Berechnungen 30.000 Mann, davon 10.000 Reiter, umfaßte. Auch wenn anzunehmen ist, daß massierte Angriffe von Barbarenheeren, die in der Regel auch kaum mehr als 10.000 kampferprobte Krieger umfaßten, dennoch Durchbrüche erzielen konnten, so bot doch ein überlegter Einsatz der Kräfte bei strategischem Zusammenwirken der in gut ausgebauten Festungen sich verteidigenden Limitantruppen mit der Feldarmee im Prinzip gute Chancen, auch starke Verbände aufzufangen, abzuriegeln und zu vernichten. Freilich waren diese Idealvoraussetzungen nach den unersetzbaren Verlusten gerade an Elitetruppen der Limes- und Feldarmee bei Adrianopel nicht mehr gegeben, zumal auch in den folgenden Jahrzehnten gerade die bewährtesten Einheiten durch die sich häufenden Usurpationen und Bürgerkriege immer wieder dezimiert und teilweise aufgerieben wurden. Als dazu noch der Großteil der pannonischen Limesverbände um 380 von der Foederatenreiterei des Dreivölkerverbandes abgelöst wurde, die nur beweglich operierte und zur stationären Verteidigung der Limeskastelle kaum geeignet war, entfiel auch der zusätzliche Nutzen dieser bis 375 ständig nach den Erfordernissen moderner Befestigungstechnik verbesserten und anstelle der älteren Hufeisen- und Fächertürme nunmehr teilweise mit Rundtürmen verstärkten Anlagen164. Wenn nun die Angaben der Notitia über Besetzung und Armierung der einzelnen Limesabschnitte der pannonischen Diözese schon für die Zeit des letzten Drittels des 4. Jh. nicht ohne Vorbehalt zu benutzen sind, so bieten sie doch annähernd zuverlässige Auskunft wenigstens über die Anzahl, Bedeutung und Verteilung der wichtigsten Grenzkastelle und der Festungen der rückwärtigen Verteidigungslinie des Hinterlands. Vor allem ist die Notitia ein unentbehrliches Hilfsmittel für die Identifizierung der durch die Limesforschung festgestellten Anlagen. Tatsächlich ergänzen sich nirgends so wie hier die Aussagen der schriftlichen Überlieferung und des archäologischen Befundes auf beispielhafte Weise165. Aus der Kombination dieser administrativen Überlieferung mit den Ergebnissen archäologischer Untersuchungen konnte S. Soprani das von Konstantin und seinem Nachfolger Constantius Π. im pannonischen Raum aufgebaute und von Valentinian I. erneuerte dreilineare Verteidigungssystem herausarbeiten, wie es bis 378/80 Bestand hatte166. Die von Diokletian durch den Wiederaufbau und die Errichtung neuer Kastelle wiederhergestellte Frontlinie des mittleren Donaulimes verstärkte Konstantin nach 323 durch die Errichtung eines tiefgestaffelten Verteidigungssystems. Nachdem er mit Sarmaten und Jazygen Bündnisverträge geschlossen hatte, ließ er das Sarmatengebiet im Norden und Osten mit einem Wallsystem umgeben, das nahezu 200 km östlich des mittleren Donaulaufes und 100 km östlich der Theiß die Rolle eines 164 165 166
Vgl. dazu insb. SOPRONI, Valeria, S. 15-96. Ebda., S. 156-177; DERS., Letzte Jahrzehnte, S. 21-26. SOPRONI, Valeria, insb. S. 192-207; DERS., letzte Jahrzehnte, insb. S. 13-20.
und deren allmähliche Auflösung
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vorgeschobenen Grenzschutzes spielte. Mit dieser Linie standen die teils schon unter Diokletian, teils von Konstantin errichteten Brückenkopfkastelle jenseits der mittleren Donau in Verbindung. Auch der Umstand, daß im Gegensatz zu anderen Grenzen die Kastelle an der mittleren Donau vorwiegend mit Reiterschwadronen besetzt waren, läßt sich mit dem System der Vorwärtsverteidigung des Donaulimes im Al fold (Theißbecken) erklären. Gemeinsam mit den verbündeten Sarmaten und Jazygen verteidigten die römischen équités- und cunei-equitum-Formationen das Sarmatenland und damit das Vorfeld des Limes gegen jeden von Osten drohenden Angriff167. Doch nicht genug damit traf Konstantin auch Vorkehrungen gegen einen möglichen Durchbruch durch die Limesfront selbst, indem er durch Errichtung und Ausbau einer Anzahl von Binnenfestungen und deren Belegung mit Truppen einen doppelten rückwärtigen Verteidungsgürtel schuf. Die erste rückwärtige Verteidigungslinie wurde ca. 30 bis 60 km hinter dem Uferlimes durch die ummauerten Städte und neu errichteten Binnenfestungen Scarabantia-Sopron (Ödenburg), Mursella-Kisárpás, Tokod-Cardabiaca, Környe-Vincentia, Gorsium/Herculia-Tác, Quadriburgium- S ágvár, Iovia-Alsóhetény, ferner vermutlich Sopianae-Pécs (Fünfldrchen), Mursa-Osijek und Sinnium-Mitrovica gebildet168. In West- und Südpannonien entsprach dieser ersten rückwärtigen Linie eine zweite, die zugleich die nach Italien führenden Hauptstraßen schützte. Zu ihr gehörten, wie es scheint, SavariaSzombathely (Steinamanger), Fenékpuszta (Valcum?) am Südwestende des Plattensees, Siscia-Sisak sowie des weiteren Servitium-Bosanska Gradiska, Leonatae und Caput Basensis im Saveraum169. Die Festungen an der Savelinie schlossen im Osten an die Uferkastelle und rückwärtigen Festungsstädte des sirmischen Pannonien, im Westen über EmonaLjubljana (Laibach) an das wohl erst nach Diokletian errichtete Grenzsperrensystem der Claustra Alpium Iuliarum an, das mit den Legionen Iulia Alpina Ι-ΙΠ
besetzt war. In den Festungen der rückwärtigen Verteidigungslinien standen um 375 fast durchweg von Tribunen befehligte Kohorten, die wohl meist von Konstantin eigens zu diesem Zweck aufgestellt worden waren170. Dieses tief gestaffelte Verteidigungssystem, das unter Constantius Π. und Valentinian I. ständig weiter verstärkt und ausgebaut wurde, hat zwar, wie es scheint, während der Einfalle der sich gegen Rom verbündenden Quaden und Sarmaten 356/7 ebenso wie 365 und wohl auch 374 im ganzen seine Bewährungsprobe bestanden, überlebte jedoch nicht den durch die Hunnen ausgelösten Ansturm goti167 168
169 170
Ebda., S. 113-131; vgl. dazuMÓCSY, Szomszédság, S. 94 ff.; SOPRONI, Militärstation. SOPRONI, Limes, insb. S. 142-146; 172-177, 199; DERS., Iovia, S. 184 ff.; MÓCSY, Tokod; FITZ, Gorsium, Székesfehérvár, insb. S. 12 f.; 34 f.; 51 f.; DERS., Gorsium 4. Jh., S. 383-388. SOPRONI, Valeria, S. 138-150. ND Oc. ΧΧΧΠ, 49; 53-59; ΧΧΧΠΙ, 59-62; XXXIV, 24; 29 f.; XXXV, 21 f.; S. 190; 194; 197; 200. Vgl. SASEL, Alpium Iuliarum Claustra; DERS., Sistemi di difesa; DERS., L'organizzazione del confine, Opera, S. 386 f.; 795 ff.; 813 ff.; DERS., Κ zgodovini; ULBERT, Ad Pirum; Kos, Monetary Circulation, S. 195 ff.
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ΠΙ. Die Zivil- und Militärverwaltung
scher und anderer Verbände zwischen 376 und 380171. Spätestens 378 mußte das Wallsystem östlich der Theiß und damit Sarmatien aufgegeben werden, möglicherweise sind damals zahlreiche sarmatische Gruppen, die bisher als Foederaten Roms das Vorland des Limes schützten, als gentiles unter römischen Präfekten in Italien und Gallien angesiedelt worden, wo sie die Notitia noch aufführt 172 Die Räumung des sarmatischen Glacis rettete den mittleren Donaulimes nicht, vielmehr wurde dieser nun von Süden her aufgerollt. Das Foedus mit den Barbaren des Dreivölkerverbandes unter Alatheus und Saphrax und dessen Einweisung in die Uferkastelle der Valeria und Pannonia I stellte eine Notlösung dar, welche die Sicherheit des alten Systems nicht ersetzte. Umso größere Bedeutung gewannen nun die Festungen der rückwärtigen Linie an der Save und westlich des Plattensees, die über Scar(a)bantia-Sopron, Vindomana-Wien, Ala Nova-Schwechat und Klosterneuburg an den noch intakten Gürtel der norisch-osträtischen Limeskastelle von Zeiselmauer (Cannabiacal) bis Quintanis-Kimzing anschlossen. Da die Katastrophen der Jahre 376-380 gezeigt hatten, wie wenig die Limitantruppen, das so sicher scheinende Grenzschutzsystem und der gesamte Militärapparat des Reiches die Bevölkerung auch des Hinterlandes vor den Invasionen der Barbaren zu schützen vermochten, übernahmen nun vielfach die Provinzialen selbst unter Führung der kirchlichen Instanzen die Aufgabe des Schutzes der Bevölkerung. So entstand jetzt in den gefährdeten Zonen des südöstlichen Alpenrandes ein dichtes Netz von Bergfestungen, die durchweg mit Kirchen ausgestattet waren und der Bevölkerung zunächst wohl nur Zuflucht in Zeiten der Gefahr, später jedoch auf Dauer sichere Unterkunft gewährten. Eine ähnliche Funktion übten die gut befestigten Uferkastelle an der oberen Donau aus, in denen die umwohnende Landbevölkerung Schutz suchte und fand. Den zahlreichen Berg- und Uferkastellen in Ober-und Niederösterreich, Tirol, Kärnten und Slowenien entsprechen ähnliche Anlagen auch im nördlichen Alpenvorland und den dortigen Zugängen173. Ahnlich wie die Bevölkerung in den Bergfestungen die Verteidigung ihrer Heimstätten selbst in die Hand nahm, zog sie sich im Tal der rätisch-norischen Donau in die Uferkastelle zurück, um gemeinsam mit den dort noch verbliebenen Truppen deren Wälle zu verteidigen. In diese Zeit dürften auch die Kleinkastelle gehören, die im gesamten Raum der oberen und mittleren Donau teilweise neu erbaut, meist jedoch in Teilen bzw. einer Ecke der alten Limeskastelle errichtet wurden und den verkleinerten Besatzungen entsprachen174. Freilich wurden diese Limitantruppen wie an der mittleren Donau auch weiter oberhalb vielfach von 171
172 173 174
So wurde die Festung Fenékpuszta (-Valcum?) am Südrand des Plattensees erstürmt und völlig zerstört, s. SÁGI, Zweite Basilika, S. 397 f.; vgl. SASEL Kos, Defensive policy, S. 165 ff. ND Oc. XLn, 46-70; S. 218 f.; dazu SOPRONI, Valeria, S. 125 ff.; DERS., Militäistation. MACKENSEN, Rätien in der Spätantike, insb. S. 214 ff.; WERNER, Lorenzberg, S. 264; 268 ff. Dazu SOPRONI, Letzte Jahrzehnte, S. 98 ff. u. passim; DERS., Valeria, S. 204 ff; zu den Bergkastellen s. unten S. 52, Anm. 179; S. 58, Anm. 205-211; MACKENSEN, Rätien in der Spätantike, S. 217.
und deren allmähliche Auflösung
51
Einheiten foederierter Barbaren ersetzt, die nur wenig zuverlässigen Schutz boten. So haben etwa die Foederaten des Dreivölkerverbandes die im Verlauf der Radagaisinvasion über die Ebenen Transdanubiens rollende Völkerlawine nicht nur nicht aufgehalten, vielmehr haben sich offenbar Teile von ihnen, vor allem die Alanen, den Invasoren ebenso angeschlossen wie Scharen der verarmten pannonischen Provinzialen. In ähnlicher Weise sind wenig später die Ostrogoten dieses Verbandes, deren Anführer ursprünglich Alatheus, später Athaulf war, zu den Visigoten Alarichs übergegangen und haben ihnen den Zugang zu den ausgebluteten norischen Provinzen geöffnet175. Wie der im Jahre 409 nach dem Abzug der Visigoten Alarichs und der Ostrogoten Athaulfs von Kaiser Honorius in Pannonien eingesetzte Militärkommandeur Generidus die Grenzverteidigung organisierte, entzieht sich unserer Kenntnis, vermutlich konnte er außer auf Reste der alten Limitanorganisation hier damals noch auf Teile der foederierten Hunnen als letzten Rest des seit 380 hier angesetzten Dreivölkerverbandes zurückgreifen. Wie unzuverlässig auch diese Hunnen waren, erhellt daraus, daß ihre Ausschaltung durch Aetius im Jahre 427 von den Zeitgenossen als Befreiung Pannoniens von nahezu 50-jähriger Fremdherrschaft gefeiert wurde176. Doch hat auch dieser Sieg die Stellung Roms in diesem Raum nicht festigen können, wenn Aetius auch, wie wir bereits sahen, in den Jahren 430/31 in gewaltsamer Auseinandersetzung mit den Provinzialen in Rätien und Norikum Roms militärische Präsenz wieder etablierte. Schon bald darauf - 433 mußte er jedoch ganz Pannonien nördlich der Save - unter Abschluß eines neuartigen Foederatenvertrages mit einem mit Schwergewicht außerhalb der Reichsgrenzen verbleibenden mächtigen Völkerverband - dem zum illyrischen Heermeister ernannten Hunnenkönig Attila einräumen177. Dennoch gelang es den Nachfolgern Valentinians ΙΠ. nach der neuerlichen Katastrophe, die nach der Jahrhundertmitte mit den Attilazügen über den norischrätischen Donaulimes und Südwestpannonien hereingebrochen war, die römische Autorität in Osträtien, Norikum und zumindest Teilen West- und Südpannoniens wiederum zur Geltung zu bringen und hier noch einmal ein Grenzschutzsystem aufzubauen. Die Vita Severini bezeugt ausdrücklich, daß nach dem Zusammenbruch des Attila-Reiches die Grenzkastelle in den Randgebieten Rätiens und Ufernorikums wieder besetzt waren, die milites von der Regierung in Ravenna besoldet wurden und diesen Raum bis zum Sturz des Romulus im ganzen noch wirksam verteidigen konnten178. Ebendort wird auch bezeugt, wie die Bergkastelle im 175 176
177 178
Vgl. dazu unten S. 86 ff., Anm. 298-310. Zur Reorganisation der Verteidigung unter Generidus s. SOPRONI, Letzte Jahrzehnte, S. 104 f.; vgl. im übrigen oben S. 15 f., Anm. 43. SOPRONI, Letzte Jahrzehnte, S. 105 f.; vgl. auch oben S. 16 f., Anm. 46. Eugipp. V. Sev., c. 20, 1: Per idem tempus, quo Romanum constabat Imperium, multorum milites oppidorum pro custodia limitis publicis stipendiis alebantur ...; vgl. dazu LOTTER, Severinus von Noricum, S. 204 ff.; 261 ff. u. passim; DERS., Daten, S. 76 ff.
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ΠΙ. Die Zivil- und Militärverwaltung
Bereich der binnennorischen Diözesen die Bevölkerung vor den Einfallen barbarischer Raubscharen zu schützen vermochten179. Die in den ufernorisch-rätischen Donaukastellen garnisonierten milites hatten gewiß mit den in der Notitia erwähnten Formationen kaum noch etwas zu tun. Am ehesten ist anzunehmen, daß diese Einheiten entsprechend dem „modernen" Typ, wie er in der Notitia schon für die afrikanischen Provinzen, teilweise auch für Britannien und die Aremorica bezeugt ist, einfach nach den Garnisonsorten benannt wurden. Tatsächlich erwähnt die Vita Severini in Batavis eine Truppe, die einfach als numerus Batavinus auftritt180. Unter Verwendung der jüngeren Typen der Limitantruppenbezeichnungen könnte in Verbindung mit Angaben der Vita Severini auch an Bezeichnungen wie milites Lauriacenses, Favianenses gedacht werden181. Das Ende dieser letzten regulären Einheiten des weströmischen Limitanheeres kam mit der Usurpation Odoakers. Das Ausbleiben der Löhnung führte zur Auflösimg der Verbände in Ufernorikum-Rätien wie in der Provence. An ihre Stelle traten Milizeinheiten der Grenzbevölkerung, die noch für einige Zeit die Verteidigung der Kastelle übernahmen. Als Severinus die Räumung der oberhalb von Lauriacum gelegenen Donauorte befahl und den Rest der Bevölkerung Ufernorikums östlich der Enns dem Schutz der Rugier unterstellte, lösten auch diese Einheiten sich auf. Provinzialrömische Soldaten traten in die Gefolgschaften rugischer Herren ein, wie wir das von einem gewissen Avitianus wissen182. Diese Römer kämpften zweifellos auf Seiten der Rugier gegen die Truppen Odoakers im Jahre 487, sie teilten das Schicksal des Rugiervolkes ebenso wie die römischen Provinzialen, die Odoaker wie Kriegsgefangene nach Italien deportierte183.
179
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181 182 183
Eugipp. V. Sev., c. 25, 2 f.: ... memoratus antistes ... universa diócesis suae castella scriptis propriis admonuit... Alamanorum copiosissima multitude feraliter cuneta vastavit; castella vero nullum senserepericulum... ND Oc. XXV, 21-36, S. 174 f.: Praepositus limitis Thamallensis ... etc.; XXVIII, 13ff., S. 180 f.: Praepositus numeri Fortensium, Othonae ... etc.; XXX, 12-19, S. 184 f.; XXXVII, 15-23, S. 204 f.: Praefectus militum Grannonensium, Grannono; XL, 22-31, S. 210: Praefectus numeri Longovicanorum, Longovicio ...; Eugipp. V. Sev., c. 20, 1 : ... militares turmae sunt deletae cum limite, Batavino utcumque numero perdurante ...; dazu CASTRITIUS, Grenzverteidigung; DERS., Wehrverfassung, S. 226; BOSHOF u.a. (Hgg.), Geschichte der Stadt Passau, S. 53 ff. Eugipp. V. Sev., c. 20,1 :... milites oppidorum ...; vgl. c. 4,2. Eugipp. V. Sev., c. 44, 2. S. dazu unten S. 167 ff., Anm. 629 f.; 633 ff. Zur Militärorganisation derpannonischen Provinzen unter Theoderich s. oben S. 28 mit Anm. 82.
IV. Die kirchliche Organisation und ihr Funktionswandel Unserer Kenntnis entzieht es sich, wieweit gegen Ende der Regierungszeit Valentin! ans I. um 375 das Netz der kirchlichen Organisation schon den ganzen Bereich der pannonischen Diözese erfaßt hatte. Wir werden damit rechnen müssen, daß in stärker christianisierten Gebieten auch unbedeutendere Orte Bischofssitze waren, während andererseits auch in bedeutenderen civitates solche noch nicht bestanden184. Wie in Gallien dürfte auch in Pannonien das Heidentum noch in der zweiten Hälfte des 4. Jh. eine starke Stellung besessen haben. Noch 388 berichtet der Panegyriker Pacatus in Emona nur von heidnischen Priestern, die in feierlichem Ornat den Kaiser Theodosius bei seinem Einzug begrüßten, während er - freilich selbst als Heide - den andernorts für diese Zeit schon nachgewiesenen christlichen Bischof der Stadt nicht erwähnt185. Auch riefen die Religionsgesetze des Theodosius von 392 im Zusammenhang mit der Usurpation des Eugenius eine heidnische Reaktion hervor, die noch einmal die Christianisierung des Reiches inirage stellte186. Darüber hinaus wurde die Überzeugungskraft des christlichen Glaubens im 4. Jh. gerade in Illyricum und vor allem in Pannonien durch die hier besonders heftige Auseinandersetzung um das christologische Dogma zwischen Semiarianern (Homöera) und den Anhängern des Athanasius beeinträchtigt. Zwar behauptet um 358 Athanasius in seiner Historia Arianorum, daß die Bischöfe beider Pannonien, Norikums, Siscias (Savias) und Dalmatiens auf seiner Seite stünden, doch traf dies in seinen späteren Jahren gewiß nicht mehr zu187. Sirmium, Sitz des Obermetropoliten der pannonischen Diözese, war ein halbes Jahrhundert Zentrum 184
185
Das Konzil von Serdica beschloß bereits um 342/3, daß Bischofeitze nicht in Dörfern oder unbedeutenden Städten errichtet werden dürften, s. Conc. Serd. can. 6; vgl. dazu HEFELE-LECLERQ I, 2, S. 777 f.; BAUS/EWIG, HbKG Π.1, S. 38FF.; HESS, Canons, insb. S. lOOff; im gleichen Sinne auch Synode in Laodikeia, can. 57 s. HEFELE-LECLERQ I, 2, S. 1024, und Leo Magnus, Epist 12, 10, PL 54, Sp. 654. Zur Entwicklung der Kirchenorganisation im 4. Jh. vgl. BRATO2, Entwicklung, S. 153 ff.; 189 ff. (Tabelle); DERS., Geschichte, S. 536 ff. Pacatus, Pan. Theodos. 37, 4; (fortan stets:) ed. NIXON/ SAYLOR RODGERS, S. 503 f.; 667 f.; s. auch BARTON, Frühzeit, S. 37 f.; 98 f. und BRATO2, Christianisierung, S. 336.
186
J. GEFFKEN, Ausgang, S. 160 ff.; 299 f. mit Anm. 138-152; BRATOZ, Christianisierung, S. 338 ff.
187
Athanas. Hist. Arian. 28, Sp. 725; Apologia c. Arianos 1, Sp. 249 A; vgl. demgegenüber aber Sulp. Sev. V. Martini c. 6, 4 zu 356, S. 264 ff.; 582 ff.: ... cum haeresis Ariana ... maxime intra Illyricum pullulasset ...; DERS., Chron. Π, 38, 2, S. 91: ... nam omnes fere duarum Pannoniarum episcopi... in perfidia eorum coniuraverant...; dazu BARTON, Frühzeit, S. 7888; MESLIN, Ariens, S. 59-91; ZEILLER, Origines, S. 138-148; 259-343; SLMONETTI, La crisi ariana, S. 135 ff.; BRENNECKE, Hilarius, S. 17 ff.; DUVAL, Aquilée et Sirmium, S. 333ff.; BRATO2, Christianisierung, S. 319 ff.
54
IV. Die kirchliche Organisation
arianischer und semi ari anischer Aktivitäten, bis der Bischof der Reichshauptstadt Ambrosius von Mailand im Jahre 375 hier die Wahl des Nizäners Anemius zum Oberhirten durchsetzen konnte. Der Eingriff des Ambrosius von Mailand vollzog sich auf dem Hintergrund einer starken Einflußnahme des rechtgläubigen Bischofs Valerian von Aquileja (ca. 369-387) auf die illyrischen Angelegenheiten. Die Frucht dieser Tätigkeiten reifte auf den Synoden von Sirmium (378?) und von Aquileja um 381, auf denen mindestens acht arianische Bischöfe abgesetzt wurden188. Während die Christianisierung des eigentlichen Pannonien von Sirmium aus, die der norischen Provinzen wohl eher von Aquileja aus erfolgt war, dürfte auch Norikum spätestens in der zweiten Hälfte des 4. Jh. dem der staatlichen Verwaltungseinheit der pannonischen Diözese entsprechenden kirchlichen Metropolitanverband von Sirmium unterstellt worden sein. Nachdem schon auf den Konzilien von Nicaea 325 und Antiochia (341) die unteren Verwaltungseinheiten der civitas (παροικία) und provincia (biapx'ux)auf die kirchliche Organisation übertragen und den Bischöfen der Provinzhauptstädte (Metropoliten) Vorrang und Oberaufsichtsrecht gegenüber den Komprovinzialen zugesprochen worden waren189, setzte das ökumenische Konzil von Konstantinopel, das im übrigen die endgültige Verurteilung des Arianismus und aller ihm nahestehenden Doktrinen aussprach, im Jahre 381 auch die Übernahme der nächsthöheren Verwaltungseinheit der Diözese in die kirchliche Organisation voraus. Es verfügte nämlich can. 2, daß die Obermetropoliten (Τούς ίιπέρ διοίκησιν Επισκόπους) nur Aufsichtsbefugnisse über ihre Diözese hätten190, hingegen sollten die Bischöfe einer Provinz Anklagen gegen einen Mitbischof (Komprovinzialen), die in der Provinzialsynode nicht entschieden werden könnten, der nächsthöheren Instanz der Synode der Diözese, zu der jene Provinz gehörte, vorlegen, nicht damit aber den Kaiser, die Gerichtshöfe der höheren Staatsbeamten oder das ökumenische Konzil belästigen191. Daß die pan188
Zur Synode von Sirmium s. Theodoret, Hist. eccl. 4, 8-9, S. 220 ff.; zur Synode von Aquileia s. Gesta concilii Aquileiensis und Scholia Arriaría in concilium Aquileiense. Literatur (im Auswahl): MENIS, Rapporti, S. 369-373; BARTON, Frühzeit, S. 85 ff.; EGGER, Studien, S. 62 f.; MESUN, Ariens, S. 85 ff; 89 ff; SIMONEITI, La crisi ariana, S. 439 ff; GOTTLIEB, Konzil; Atti del colloquio; DUVAL, Aquilée et Sirmium, S. 369 ff; GRYSON, Scolies Ariennes, Introduction, S. 107 ff; mit Literatur S. 121-143; BRATOZ, Christianisierung, 329 ff; BRATOZ/CIGLE-
189
190
191
NEÖKI, Slovenia, 494 ff Cone. Nicaen. A. 325, can. 4 u. 6, S. 26ff; Cone. Antioch. A. 341, can. 9 u. 20, Sp. 1311/12 u. 1315-1318; dazu HEFELE-LECLERCQ I, 1, S. 539 ff; 717; 720; REINDEL, Bistumsorganisation, S. 285 f. Cone. Constantinop. A. 381, can. 2, S. 46 f.: Qui sunt super dioecesin episcopi... Thraciarum, quae in Thraciis sunt, gubernent... Die „Diözese" ist hier natürlich als der mehrere Provinzen um&ssende Verwaltungsdistrikt im Sinne der diokletianischen Reichsadministration aulzufassen (der Kanon erwähnt explizit die folgenden Diözesen: Aegyptus, Oriens, Asiana, Pontus, Thracia). Conc. Constantinop. a. 381, can. 6, S. 49 ff. Das Konzil von Chalkedon a. 451, can. 9 u. 17, S. 76 f.; 82f. erweitert die Verfügungsgewalt des Obermetropoliten, indem es jedem Kleriker und Bischof ein Appellationsrecht gegen den Metropoliten an den Obermetropoliten παρά τφ έξάρχω της διοικήσεως = apud primatem dioeceseos) oder den Patriarchen von Konstantinopel zugesteht.
und ihr Funktionswandel
55
iranische Diözese tatsächlich auch eine kirchliche Verwaltungseinheit bildete und der Bischof von Sirmium schon im 4. Jh. die Befugnisse eines Obermetropoliten ausübte, wird tatsächlich mehrfach bezeugt192. Doch beweist auch dies noch nicht die Existenz eines Bistums in jeder civitas. Erst das ökumenische Konzil von Chalkedon um 451 setzte voraus, daß die kirchliche Organisation grundsätzlich der staatlichen zu folgen hätte und folglich in jeder mit Stadtrecht begabten civitas ein Bistum zu errichten sei193. Da jedoch seit 376/8 die pannonische Diözese unablässig von Barbareneinfällen heimgesucht wurde oder Barbaren beherbergte und weithin - in mehreren Schöben - auch von der angestammten Bevölkerung aufgegeben worden war, dürfte hier der Ausbau der kirchlichen Organisation kaum je zum Abschluß gekommen sein. Dennoch ist damit zu rechnen, daß auch hier zumindest vorübergehend eine größere Zahl von Bistümern bestand, von deren Existenz nichts überliefert ist. Für die vorkonstantinische Zeit sind durch Märtyrerbischöfe die Bistümer Sirmium in der Pannonia II, Siscia in der Savia, Poetovio in Noricum mediterraneum und Salonae in derDalmatia bezeugt. Auch für Cibalae in der Pannonia II ist ein solches frühes Bistum anzunehmen194. Später begegnen uns dann als Parteigänger der homoiischen Lehre die Bischöfe Valens schon um 335 in Mursa (.Pannonia II), um die Mitte des 4. Jh. Gaius, wahrscheinlich in Savaria, und Iulianus Valens um 375/80 in Poetovio (Binnennorikum)195. Die große Zahl der damals auf den Synoden von Sirmium und Aquileia abgesetzten arianischen Bischöfe, deren Sitze nicht genannt werden und teilweise auch außerhalb Pannoniens gelegen haben können, spricht immerhin für die Existenz einer Anzahl weiterer Bistümer in der westillyrischen Diözese196. Als Teilnehmer der Synode von Aquileia treten um 381 aus Pannonien nur die rechtgläubigen Bischöfe von Emona (Ljubljana-Laibach), damals Teil der Provinz Venetia et Histria, von lader in Dalmatia, von Siscia in Savia und von Iovia auf497. 192
Gesta concilii Aquileiens. a. 381, 16, S. 335; Scholia Ariana in Concilium Aquileiense, 20, S. 158; Socrates, Hist Eccl. Π, 18,7, S. 112: ... έπεφύη fcv Σιρμ'ιψ, πόλις δέ αίπη ' Ιλλυριών, αίρεσις έτέρα. Φωτεινός γάρ της έκεΐσε εκκλησίας προεστώς ... Iustinian. Nov. XI,1, S. 94:... in antiquis temporibus Sirmii praefectura fiierit constituía ibique omnefiierat Myrici fastigium tam in civilibus quam in episcopalibus causis ...; BARTON, Frühzeit, S. 76 f.; ZFFIERMAYR, Noricum, S. 38 f.; BRATOZ, Geschichte, S. 537 ff.
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Cone. Chalcedon. A. 451, can. 17, S. 95: ... Si qua vero civitas imperialipotestate novata est, out si protinus innovetur civiles dispositiones et publicas, etiam ecclesiasticarum paroeciarum ordines subsequantur; dazu HEFELE-LECLERCQ Π, 2, S. 805; REINDEL, Bistumsorganisation, S. 286. BARTON, Frühzeit, S. 44-48; REINDEL, Bistumsorganisation, S. 286 f.; BRATOZ, Entwicklung, S. 151 f.; 189 ff.; DERS., Cristianesimo, S. 267 ff.; JARAK, Martyres, S. 268 ff. ENSSLIN, Valens (21); M. MESUN, DHGE 19, 1981, Sp. 691 (Gaius); BRATOZ/CIGLENECKJ,
Slovenia, S. 494 ff. S. oben S. 54, Anm. 188; BRATOÉ, Christianisierung, S. 328 f. BARTON, Frühzeit, S. 79 ff; EGGER, Zerstörung, S. 36 ff; BRATOZ, Entwicklung, S. 155; 174 f. Anm. 53; DERS., Christianisierung, S. 355 ff.
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IV. Die kirchliche Organisation
Der Bischofssitz Iovia dürfte nicht, wie lange angenommen wurde, in der auch unter dem Namen Botivo (Ludbreg südlich der Drau) bekannten Stadt der Provinz Savia zu suchen sein, deren Thermalanlagen im 4. Jh. in eine Kirche umgebaut wurden198, sondern eher wohl in der bei Alsóhetény (Heténypuszta) ca. 50 km südostwärts des Plattensees im Hinterland der Valeria ergrabenen spätantiken Festung mit umfangreicher Zivilsiedlung und einem um 360 gebauten Mausoleum199. Es handelt sich dabei um das Bistum des Amantius, der, wenn wir seine Grabinschrift richtig deuten, etwa um 380 von Aquileja aus in das Gebiet der Valeria (oder in das Grenzgebiet zwischen Savia und Pannonia I) entsandt wurde, um ca. 20 Jahre lang die dort angesiedelten Foederaten mit ihren beiden Fürsten, unter denen wir wohl die ostrogotisch-hunnische Gruppe unter Alatheus und die alanische Gruppe unter Saphrax (Saphrac) zu verstehen haben, geistlich zu betreuen200. Da das in der Grabinschrift angegebene Datum das Jahr 398 oder 413 meint, lassen sich verschiedene Gründe dafür anfuhren, warum Amantius sein Bistum aufgegeben hat und vor seinem Tod nach Aquileja zurückgekehrt ist: Doch war dies wohl eher der Aufstand der Foederaten nach dem Tode des Theodosius um 396 als der Zusammenbruch des gesamten Verteidigungssystems, der durch den Anmarsch des Alarich mit seinem tervingisch-vesischen Verband und den Einbruch der Radagais-Goten und der mit diesen in Bewegung gesetzten Stammesverbänden - freilich schon Mitte des ersten Jahrzehnts des 5. Jh. - herbeigeführt worden war. Das nun folgende Halbjahrhundert, das ganz unter dem Zeichen des zunehmenden Druckes der Hunnen stand, dürfte die bis dahin bestehenden oder überlebenden Ansätze einer kirchlichen Organisation zumindest im Raum der Valeria und Pannonia I weitgehend zerstört haben. Auch in der Pannonia II wird damals die Bistumsverfassung schweren Schaden genommen, wenn nicht eine Unterbrechung erfahren haben. Jedenfalls spricht die Erwähnung eines Bischofs der rätischen Provinzen - Raetiarum quondam episcopi namens Valentinus in der Vita Severini für einen etwas unbestimmten Zeitraum im 3. Viertel des 5. Jh. dafür, daß es damals nur einen Bischof in Rätien oder zumindest der Raetia II gab, so wie die zweimalige Erwähnung des Bischofs von Säben, Ingenuus/Ingenuinus als Bischof der secunda Raetia um 579 und 591, ein weiteres Bistum dortselbst gegen
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199
200
Dazu MÓCSY, Middle Danube, S. 305 ff.; DERS., Pann.-Forschung IV, 1977, S. 376; SOPRONI, Valeria, S. 138-142; NAGY, Last century, S. 320; HARMATTA, Last century, S. 365; TÓTH, Christentum, 250 ff. (mit weiterführenden Literaturangaben); KoVAÍEVlé, Rapports, S. 14 f.; vgl. unten S. 74, Anm. 263 ff. Vgl. dazu oben S. 49 mit Anm. 168. Nach MIGOTTI, Evidence, S. 23 ff. bleibt die Frage der Lokalisierung des Bischofssitzes Iovia (Heténypuszta oder Ludbreg) offen; vgl. TÓTH, Christentum, S. 250; GÁSPÁR, Christianity, S. 49 f. ILChV 1061a-b oder LA. 2904; s. dazu unten S. 74 mit Anm. 262; vgl. EGGER, Studien, S. 5767; VÁRADY, Jahrhundert, S. 168 ff; 417 f. Anm. 81; z.T. andere Auslegung bei THOMPSON, Christianity, S. 56-78 und BRATOZ, Chiesa aquileiese, S. 103 f.
und ihr Funktionswandel
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Ende des 6. Jh. ausschließen dürfte. Im ganzen 5. Jh. sind für das eigentliche Pannonien nur wenige Bischöfe, zwei oder drei aus Sirmium, bezeugt201. Demgegenüber gewinnen wir für die norischen Provinzen in der 2. Hälfte des 5. Jh. vor allem durch die Berichte der Vita Severini aufschlußreiche Einblicke. Hier wird besonders deutlich, daß mit dem zunehmenden Verfall der zivilen Administration und dem Rückzug der regionalen und lokalen Instanzen die kirchliche Organisation Aufgaben der säkularen Verwaltung übernahm. Die Vita bezeugt direkt je ein Bistum in den derzeitigen Hauptstädten, Tiburnia für Binnennorikum, Lauriacum für Ufernorikum. Paulinus, der wohl bald nach 476 und nicht ohne Zutun des vir illustris Severinus durch die Bürger von Tiburnia auf den Bischofsstuhl erhoben wurde, unterhielt enge Beziehungen zu Severinus202. Demgegenüber scheint das Verhältnis des Severinus zu dem Bischof Constantius von Lauriacum zur gleichen Zeit nicht ohne Spannungen gewesen zu sein. Jedenfalls ließ sich Constantius von diesem nur mit Mühe überreden, geeignete Maßnahmen zum Schutz der Stadt gegenüber einem drohenden Überfall der Barbaren zu treffen, und vermutlich ist er auch mit einem Großteil der Einwohner in der Stadt verblieben, als Severinus die Westregion Ufemorikums räumte. Im übrigen hat Constantius, wenn wir Ennodius glauben wollen, den Severinus um einige Jahre überlebt, doch ist mit seinem Tode das Bistum Lauriacum erloschen203. Über die Existenz weiterer Bistümer in den norischen Provinzen sind der Vita Severini nur indirekte Aussagen zu entnehmen. Da Eugippius Tiburnia im Zusammenhang mit der Erhebung des Paulinus ausdrücklich als metropolis Notici bezeichnet, kann gefolgert werden, daß Paulinus als Metropolit ein Oberaufsichtsrecht über weitere Bischöfe ausübte. Fraglich bleibt freilich, ob in der kirchlichen Organisation zu dieser Zeit nicht ganz Norikum als eine Provinz betrachtet wurde, was die erwähnte Wendung zuließe. Der Bischof von Lauriacum wäre dann als Suffraganbischof dem Aufsichts- und Fürsorgerecht des Bischofs von Tiburnia unterstellt gewesen. Dafür gibt es jedoch wiederum keinerlei Anhaltspunkte. Andererseits ist noch für das letzte Drittel des 6. Jh. für Binnennorikum wiederholt die Existenz mehrerer Bistümer, nämlich außer Tiburnia und Aguntum die von Celeia, bezeugt, wohingegen die eines Bistums Virunum nicht ganz gesichert erscheint204. 201
Dazu WOLFF, Kontinuität, insb. S. 7 f.; 12 f. (ohne die hier gezogenen Schlüsse); zu Säben BIERBRAUER/NOTHDURFTER, Sabiona-Säben; BRATOZ, Entwicklung, S. 157 f.; 177 f.; 190;
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VONFICHT, Sancta ecclesia Sabionensis; HUTER, Säben; des weiteren unten Anm. 229; 247. Eugipp., V. Sev. c. 21; 25; dazu LOTTER, Daten, S. 78 ff.; BERG, Bischöfe, S. 65 f.; zu den wichtigen archäologischen Forschungen des Bischofszentrums s. der zusammenfassende Überblick von GLASER, Frühes Christentum, S. 131-141; DERS., Teurnia, S. 141 f. Eugipp. V. Sev. c. 48; Ennodius, V. Anton. LIR., c. 14, S. 187; dazu LOITER, Severinus v. Noricum, S. 173 f.; 233 f. u. passim; REINDEL, Bistumsorganisation, S. 289 f.; BERG, Bischöfe, S. 66fif.;UBL, Christianisierung, S. 146 ff.; WOLFF, Kontinuität, S. 14. F ü r A g u n t u m vgl. GLASER in TAVANO - BERGAMINI, Patriarchi, S. 195; f ü r Celeia BRATOZ CIGLENECKI, Slovenia, S. 5 1 7 fif.; BRATOZ in TAVANO - BERGAMINI, Patriarchi, S. 197; fur
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IV. Die kirchliche Organisation
Freilich sind die Bischofssitze selbst zu dieser Zeit vielfach nicht mehr in den alten städtischen Zentren der bischöflichen Diözesen, sondern in befestigten Bergsiedlungen im näheren oder weiteren Umkreis zu suchen. Neben den befestigten Bischofssitzen entstanden seit dem frühem 5. Jh. in den einzelnen Diözesen noch weitere Fliehburgen, die durchweg mit Kirchen ausgestattet waren und in die sich die Bevölkerung aus den ungeschützten Ebenen zunächst in Notfallen, später auf Dauer zurückgezogen hatte. Von derartigen Höhenburgen, die gerade in Kärnten und Slowenien in größerer Zahl nachgewiesen sind, berichtet auch die Vita Severini. Danach hat der Bischof Paulinus die in seiner Diözese liegenden Bergkastelle von einem Einfall der Alemannen unterrichtet und aufgefordert, entsprechende Maßnahmen zu treffen20s. Als archäologisch nachgewiesene Bergkastelle und Bergkirchen im Bereich der Diözese von Tiburnia bieten sich die Anlagen von Laubendorf, auf dem Duel bei Feistritz, auf dem Tscheltschniggkogel bei Warmbad Villach und auf dem Hoischhûgel bei Thörgl-Maglern an206. Eine weitere Gruppe von Bergkirchen und -kasteilen findet sich im näheren Umkreis des Zollfeldes im Bereich der civitas Virunum auf dem Ulrichsberg, dem Grazerkogel, Kathreinkogel, St. Stephan ob Waiern207. Die Anlage auf dem Hemmaberg könnte demgegenüber auf den vicus Iuenna bezogen werden208. Entsprechende zum Bistum Agunt gehörende Anlagen finden sich in Lavant, Lienz und Oberlienz209. Vergleichbar sind in Slowenien erschlossene spätantike Siedlungen wie Ajdna, Bled, Baselj, Kranj, Polhov Gradee, Trnje, Sora, Krizevska vas, Smartno ν Tuhinju, die wohl zum Einzugsbereiche von Emona-Ljubljana (Laibach) gehören210. Demgegenüber sind die Höhensiedlungen von Rifiiik, Vranje, Vipota, Laska Vas, Tinje bei ¿usem, Gradee bei Prapretno, Svete gore an der Sotla und andere mit Celeia in Verbindung zu bringen211. Wir werden demnach V i r u n u m GLASER in TAVANO - BERGAMINI, Patriarchi, S. 207. Vgl. d a z u BERG, Bischöfe,
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S. 69; 83 ff.; 88; WOLFF, Kontinuität, S. 15 ff. mit z.T. anderen Schlüssen; s. dazu unten S. 65 f. mit Anm. 2 3 8 . Eugipp. V. Sev. c. 25; s. oben S. 52 f., Anm. 179, unten S. 191 f. mit Anm. 716-721. Vgl. GLASER, Teurnia, S. 136 ff.; 147 ff.; 152 ff; DERS., Christianisierung, S. 2 1 5 ff.; DERS.,
Frühes Christentum, S. 126ff. Vgl. GLASER, Christianisierung, S. 211 ff; DERS., Frühes Christentum, S. 120 ff Vgl. GLASER, Christianisierung, S. 193 ff.; DERS., Das frühchristliche Pilgerheiligtum (grundlegende Studie); DERS., Frühes Christentum, S. 96-120; DERS., Untergang, S. 200 ff; BARTON, Frühzeit, S. 110-115; 139-148; vgl. auch H.-D. KAHL, Restchristentum, insb. S. 49 u. 63. Vgl. GLASER, Christianisierung, S. 218 ff; DERS., Frühes Christentum, S. 141 ff; BARTON, Frühzeit, S. 91ff; 146 ff; STOCKMEŒR, Kirchenorganisation, S. 55-60; VEITERS, Kontinuität Π, S. 501-512; DERS., Episcopus; MILTNER, Bischofsburg; alle mit Literatur. Vgl. CIGLENECKI, Höhenbefestigungen, S. 69 ff; 74; 84 ff; DERS., Archaeological Investigations; BRATOÉ/CIGLENECKJ, Slovenia, S. 521 f. (mit weiterführenden Literaturangaben). CIGLENECKI, Höhenbefestigungen, S. 43 ff; 53 f.; 56 ff; 65 ff; DERS., Polis Norikon; DERS., Archaeological investigations; ULBERT, Siedlungskontinuität; KOROSEC, Svete Gore; PETRUULBERT, Vranje. Eine weitere Massierung von spätantiken Fundstätten ist in der Provinz Savia, bes. im deren Westteil, festzustellen; vgl. CIGLENECKI, Höhenbefestigungen, S. 93-104; DERS., Archaeological Investigations; BRATO¿/ CIGLENECKI, Slovenia, S. 522 ff.
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voraussetzen dürfen, daß auch im 5. Jh. in Binnennorikum noch weitere Bistümer bestanden, zumindest diejenigen, die auch in der zweiten Hälfte des 6. Jh. noch bezeugt sind, und daß in diesen Diözesen die Bischöfe jeweils eine Anzahl von Kastellen, die mit Kirchen ausgestattet waren, betreuten. Auch für Ufernorikum mit dem Restteil der Raetia Π um Batavis-Passau und Quintanis-Künzing ist in der 2. Hälfte des 5. Jh. mit der Existenz mindestens noch eines weiteren Bistums zur Zeit des Severinus zu rechnen. Es fällt schon auf, daß Eugippius dem Bischof von Lauriacum ebenso wie Papst Gelasius auch den Titel pontifex beilegt und außerdem die Stellung der Stadt Lauriacum, der eigentlichen Metropole von Ufernorikum dadurch heraushebt, daß er ihr als einzigem Ort in Norikum neben einigen Städten des Ostens zweimal die Bezeichnung urbs beilegt. Des weiteren verdient Beachtung, daß Eugippius zwar einerseits die Begriffe oppidum und castellum ohne deutlichen Unterschied als allgemeine Bezeichnung der Ortschaften Norikums verwendet, andererseits den Terminus civitas eindeutig von diesen austauschbaren Benennungen abhebt und nur drei Siedlungen im Donauuferland vorbehält: Lauriacum als Bischofsstadt und Hauptort der ufernorischen Westregion, Favianis in der Ostregion und Batavis in der rätischen Restprovinz212 . Wenn demgegenüber die alten civitates im Hinterland Ufernorikums, Ovilavis lind Cetium überhaupt nicht mehr erwähnt werden, spricht dies dafür, daß ihre Funktion als zivile und vielleicht auch kirchliche Verwaltungszentren auf Lauriacum bzw. Favianis übergegangen war. Allerdings waren auch diese alten Städte, wie es scheint, damals nicht völlig verödet, denn ausgerechnet hier traten je ein Goldsolidus des Kaisers Anthemius (467-472) zu Tage213. Des weiteren fanden sich ein Solidus Leos I. (465-72) in Hadersdorf am Kamp, ein Solidus des Odoaker im Namen des Zeno (476/480) in Mannersdorf am Leithagebirge und ein Tremissis des Zeno (474/91) in Schwechat. Die Bedeutung der von Eugippius civitates genannten Orte wird dadurch unterstrichen, daß sie jeweils auch Standorte der Tätigkeiten des Severinus waren, der freilich seine Herberge stets bei einer vor den Mauern gelegenen Kirche nahm, im Falle von Batavis-Passau bei der Kirche von Boiotro jenseits des Inn. Tatsächlich gibt es nun noch weitere Indizien, die dafür ins Feld geführt werden können, daß die civitates der Vita Severini tatsächlich Bischofssitze gewesen sein könnten. Relativ früh berichtet Eugippius, der Tribun der milites von Favianis, Mamertinus, sei später Bischof geworden. Da des weiteren zu einem Zeitpunkt, der wohl mehrere Jahre vor 476 anzusetzen wäre - wenn wir die im einzelnen freilich nicht immer zuverlässige Chronologie der Vita zugrundelegen - , Severinus selbst während eines Aufenthaltes in Favianis ein Bischofsamt angetragen wurde, ist die Folgerung nicht abwegig, daß es sich in beiden Fällen um das 212 213
S. dazu LOTTER, Daten, S. 57 ff.; BRATO2, Severinus, S. 36. JUNG, Münzwesen, S. 41 mit Anm. 10; HAHN, Fundmünzen, S. 459 (Linz, Wels); 453 ff.; WOLFRAM, Geburt, S. 39 u. 55.; zum Geldumlauf vgl. CASTRITIUS, Das Ende der Geldwirtschaft.
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IV. Die kirchliche Organisation
gleiche Bistum, das der civitas Favianis, gehandelt haben könnte214. Es liegt nahe, daß Mamertinus erst nach Auflösung der Limesorganisation um 476 für das Bischofsamt frei wurde, immerhin zu einer Zeit, als Constantius bereits als Bischof von Lauriacum auftrat, dieses Bistum also für Mamertinus nicht zur Verfügung stand. Gegen Favianis als möglichen Bischofssitz kann jedenfalls nicht die geringe Größe der Siedlung ins Feld gefuhrt werden, könnte es sich doch ähnlich wie bei Agunt oder vermutlich Virunum um eine Art von Rückzugsbistum, handeln, das von der ungeschützten Stadt Ovilavis in das durch seine Mauern sicherere Favianis verlegt worden war. Noch unsicherer sind die Indizien, die für Passau als Bischofssitz, zumindest für die Zeit des Severinus, ins Feld zu führen wären. Eugippius spricht von einem verstorbenen Bischof der rätischen Provinzen — Raetiarum quondam epìscopi —, Valentinus, dem geistlichen Lehrer des Lucillus, der später zu Severinus kam und wohl noch zu dessen Lebzeiten Abt der von diesem ins Leben gerufenen Mönchsgemeinde wurde. Da im 6. Jh. der Bischof von Säben Ingenuus/Ingenuinus zweimal als Bischof der Raetia II bezeichnet wird, könnte man auch Valentinus hier suchen, zumal sich bis 764 die Ruhestätte eines hl. Confessor Valentinus in Mais bei Meran, also nicht allzu weit von Säben entfernt, befand. Die Identität des Bischofs und des Confessor ist freilich nicht bewiesen. Ob auch Lucillus aus dem Südtiroler Raum, aus Augsburg oder aus der rätischen Restprovinz um BatavisPassau stammt, muß offen bleiben. Für Passau bezeugt Eugippius an anderer Stelle die Existenz eines Baptisteriums sowie mehrerer Presbyter, so daß zumindest ein aufgegebenes Bistum hier nicht auszuschließen ist215. Einzig die Vita Severini unterrichtet uns auch über Mönche und Klosterwesen in Ufernorikum in der 2. Hälfte des 5. Jh216. Schon längst ist aufgefallen, daß Eugippius entgegen dem üblichen Sprachgebrauch eine Gemeindekirche stets ecclesia, eine Kirche, bei der eine Mönchsgemeinschaft festzustellen ist, in der Regel basilica nennt. So finden sich Gemeindekirchen in Asturis, Comagenis, Cucullis und Quintanis, bei dreien von ihnen treten presbyteri als Gemeindepfarrer auf. Daher deutet die Erwähnung eines oder mehrerer Presbyter auch in BatavisPassau und Ioviaco-Aschach auf das Vorhandensein von Gemeindekirchen hin. 214
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Eugipp. V. Sev. c. 4, 2; 9, 4; dazu LOITER, Daten, S. 57 ff.; zur Frage des Bischofssitzes in Favianis vgl. auch BRATOZ, Severinus, S. 23 (mit Vorbehalt); BERG, Bischöfe, S. 68 f. („sehr unsicher"); WOLFF, Über die Rolle, S. 280; DERS., Kontinuität, S. 15 („unbegründete Annahme", als Hypothese kommt eher Cetium in Betracht).; zur Archäologie des „Severinsklosters" in Favianis/Mautern s. POLLAK, Gräberfelder, insb. S. 154 ff. Eugipp. V. Sev. c. 22, 2 u. 5; 19, 5; 41,1; vgl. STOCKMEIER, Kirchenorganisation, S. 60; 71 f.; zur Archäologie TH. FISCHER, Severinszeit, S. 93-111. Das Baptisterium und die dazugehörige Gemeinde- bzw. Friedhofskirche ist wohl im Dombereich von Passau zu suchen, dazu zuletzt NŒMEŒR/WOLFF, Im römischen Reich, S. 54 f.; 57; zur Frage der Lokalisierung des Raetiarum ... episcopus Valentinus s. WOLFF, Kontinuität, S. 7 f. (wahrscheinlich Augusta Vindelicum); ferner ebd., S. 12 f.; 26 mit Bischofslisten des 6. Jh.; vgl. im übrigen unten Anm. 238. Vgl. d a z u KNAPP-MENZL, M ö n c h t u m ; RÉGERAT, St. Séverin, S. 122-135; BRATOZ, Severinus,
S. 27 ff.; DERS., Östliche und westliche Elemente.
und ihr Funktionswandel
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Basilicae werden demgegenüber in Favianis, Boiotro vor Batavis, Iuvavum und Lauriacum genannt. Im Gegensatz zu den Gemeindekirchen befinden sie sich durchweg vor den Mauern der Städte. Wir können davon ausgehen, daß es überall dort, wo sie sich finden, auch noch Gemeindekirchen innerhalb der Ortschaften selbst gab. Die basilicae haben wahrscheinlich überall zugleich die Funktion von Friedhofskirchen. Im übrigen sind sie es, wo Severinus jeweils während seiner Anwesenheit in den betreffenden Orten sein Quartier aufschlägt217. Die Erwähnung eines monasterium und das Auftreten von monachi weist nun die basilica von Favianis ebenso wie die von Boiotro eindeutig als Gotteshaus einer monastischen Gemeinschaft aus. Eugippius bezeichnet darüber hinaus das monasterium von Favianis als das älteste und größte aller von Severinus gegründeten Klöster. Demnach müßten wir neben Boiotro noch mit weiteren Klöstern rechnen. Bei der Suche hilft uns der Begriff cellula weiter. Als cellula bezeichnet Eugippius einmal die Eremitenklause, die Severinus in einem alten burgus ad Vineas eine Meile von Favianis entfernt zeitweise bewohnte, ferner die Zelle, die Severinus in dem Kloster von Favianis selbst bewohnte, schließlich aber zweifellos und wiederholt auch das Kloster von Favianis wie das von Boiotro selbst. Demzufolge dürfte Eugippius unter der für /wvavwm-Salzburg bezeugten cellula sancti viri entweder die Zelle des Heiligen in einem Kloster oder ein solches selbst verstehen. Das trifft sich mit der Beobachtung, daß wir bei Iuvavum ebenfalls eine basilica antreffen und uns in dieser basilica keine presbyteri, sondern spiritales viri entgegentreten. Solche aber hebt Eugippius auch an anderer Stelle deutlich von den sacerdotes ab, es dürfte sich also um Angehörige einer religiösen Gemeinschaft handeln, die keine priesterlichen Funktionen ausüben. Wenn Eugippius hier den Begriff monachi vermeidet, scheint dies zu bedeuten, daß diese spiritales viri eine andere geistliche Richtung vertreten als die Mönche der Klöster des Severinus. Im ganzen ist ja die Beziehung des Severinus zum Raum um Iuvavum-Salzburg relativ flüchtiger Art, spielen doch hier von insgesamt etwa vierzig Wunderepisoden nur vier, die sich, da eine von ihnen eine Dublette ist, noch um eine verringern könnten. Nachdem nun aber in drei Fällen die Verbindung von basilica und monastischer Gemeinschaft nachgewiesen wurde, liegt es nahe, eine solche Verbindung auch für den vierten Standort einer basilica, in Lauriacum, anzunehmen. Tatsächlich stimmen die Merkmale dieser basilica als eigentlicher Aufenthaltsort des Severinus vor den Mauern mit denen der übrigen überein. Anzumerken ist auch, daß Severinus von hier aus einen Mönch mit einem Auftrag zum Bischof in die Stadt schickt, und daß an diesem Ort keine presbyteri auftreten. Demnach haben um 475 ein größeres Kloster in Favianis und drei wohl kleinere Gemeinschaften in Boiotro, Iuvavum und vermutlich auch in Lauriacum bestanden. Demgegenüber beruht die wiederholt behauptete Existenz eines weiteren Klösterleins {cellula) in Batavis auf einem Mißverständnis der Quelle, welche die Entste217
Hierzu und zum folgenden LOTTER, Daten, S. 60-63.
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IV. Die kirchliche Organisation
hungsbedingungen der Episodenerzählungen in der Vita Severini nicht genügend berücksichtigt. Die beiden Hinweise, daß der heilige Severin cellulam paucis monachis errichtet hatte, beziehen sich auf ein und denselben Ort, nämlich Boiotro: c. 19,1: extra muros oppidi Batavini in loco nomine Boiotro trans Aenum fluvium21*. Über die Form des von Severinus in Ufernorikum geförderten Mönchtums lassen sich aus der Vita Severini keine sicheren Aussagen ableiten219. Deutlich wird nur, daß Severinus selbst weder Mönch - im Sinne der Zugehörigkeit zu einem monastischen Konvent - noch Abt oder gar Priester war und offenbar längere Zeit einen schweren inneren Konflikt zwischen seinen asketischen Neigungen und den politisch-administrativen Verpflichtungen gegenüber der Bevölkerung von Norikum durchzufechten hatte. Der starke caritative Zug der severinischen Frömmigkeit und die offensichtliche Verwendung der Mönche für Verwaltungsaufgaben läßt in deren praktischer Tätigkeit demgemäß eine starke Hinwendung zum Ideal der Vita activa zutage treten220. Wie weit im übrigen die erst in letzter Zeit erschlossene und Eugippius zugesprochene regula von Vorstellungen des Severinus beeinflußt oder eher als Fazit der persönlichen Erfahrungen des Eugippius selbst zu betrachten ist, wird erst eine gründliche Untersuchung dieser Schrift und ein Vergleich mit der aus der Vita zu erschließenden geistigen Haltung des Severinus deutlich machen können221. Eingehender unterrichtet uns Eugippius über Aufgaben und Funktionen des Episkopats in der rätisch-norischen Restprovinz der 2. Hälfte des 5. Jh. Zunächst treten uns die Bischöfe Paulinus von Tiburnia und Constantius von Lauriacum als Organisatoren der militärischen Verteidigung ihrer Bischofsstadt und der befestigten Kastelle im Raum ihrer Diözesen entgegen222. Eine übergeordnete Funktion übte lediglich Severinus aus, der ebenso wie den Bischöfen auch dem Kommandeur der Limitantruppe von Favianis Weisungen erteilte223. In den einzelnen Ka218
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Eugippius, Vita Severini, c. 22; 1; vgl. c. 36,1; LOTTER, Severinus v. Noricum, S. 150 f.; DERS., Daten, S. 62 f.; die Vorstellung der verschiedenen Meinungen bei KNAPP-MENZL, Mönchtum, S. 74 ff; zu dem Prozeß der mündlichen Überlieferung der hagiographischen Erzähleinheiten, der typologischen Stilisierung und der dabei entstehenden Dubletten in der Vita Severini s. LOITER, Severinus v. Noricum, S. 141-177. Vgl. dazu PAVAN, Monachesimo, insb. S. 351 ff.; 354 ff; KOLLER, Klöster, insb. S. 202; BRATOZ, Östliche und westliche Elemente, S. 37-42 (Einflüße aus dem syrisch-palästinensischen Raum); KNAPP-MENZL, Mönchtum, S. 165 ff. (ägyptische Vorbilder). LOTTER, Severinus v. Noricum, S. 65 f.; 79 ff; DERS., Daten, S. 87 f.; HÄUSLING, Commemoratorium. Eugippii Regula, ed. VILLEGAS - DE VOGÜÉ; dazu DE VOGÛÉ, Règle; KRAUSGRUBER, Regel; HÄUSLING, Comemoratorium. Als Kompilation aus verschiedenen westlichen Mönchsregeln bringt diese - mit Ausnahme einiger gemeinsamer Züge - vgl. BRATOZ, Severinus, S. 28 Anm 100 - kaum neue Erkenntnisse über das Mönchtum Severins. Eugipp. V. Sev. c. 25, 2 f.; 30, 1 ff. Zur bischöflichen Stadtherrschaft in der Spätantike s. PRINZ, Stadtherrschaft; HEINZELMANN, Bischofsheirschaft; WOLFF, Über die Rolle, S. 273 f. (mit kritischer Stellungnahme zur Vorstellung einer bischöflichen Stadtheirschaft des Constantius von Lauriacum). LOTTER, Severinus v. Noricum, S. 178-201.
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stellen und Ortschaften der Donauuferregion begegnen uns im übrigen Presbyter, die als die Spitzen der örtlichen Geistlichkeit zugleich auch die lokale Verwaltung repräsentieren. Freilich fällt auf, daß neben den Organen der kirchlichen Verwaltung auch die Gemeinden selbst wiederholt als handelnder Faktor in Erscheinung treten. Dies spräche daför, daß neben der Wahl der Organe der kirchlichen und zugleich weltlichen Administration den Gemeinden auch sonst ein gewisses Maß an Mitbestimmung eingeräumt wurde224. Vielleicht ist auch die wiederholte Betonung der Freiheit der Provinzialen, die in einem Falle sogar deutlich abgesetzt wird von den Verhältnissen in Italien zur Abfassungszeit der Vita, in diesem Zusammenhang zu sehen. Offensichtlich bedingt die besondere Situation der Grenzprovinzen nach der Abwanderung erheblicher Teile der grundbesitzenden possessores spezifische Formen der Selbstverwaltung, die der spätantiken Verfassungsstruktur sonst nicht entsprechen. Dieser in der Vita Severini in Ansätzen erkennbare Zustand hat freilich keinen Bestand gehabt, da bald nach 476 Severinus selbst die Westregion Ufernorikums mit dem osträtischen Zipfel geräumt hat. Bei dieser Räumungsaktion dürften freilich weder die Orte im Binnenland, Iitvavum und Cucullis, noch die Lagerfestung Lauriacum von der Bevölkerung aufgegeben worden sein; vielmehr bestand das Bistum Lauriacum vermutlich noch eine Zeitlang bis zum Tode des Bischofs Constantius, der Severinus um einige Jahre überlebte225. Die Ostregion Ufernorikums hat noch etwa zehn Jahre unter der Schutzherrschaft der Rugier eine relative Autonomie genossen, bis der Rugierkrieg Odoakers 487/8 das Rugierreich zerstörte und mit der Deportation der römischen Bevölkerung nach Italien das letzte Überbleibsel römischer Staatlichkeit und damit auch die Basis der kirchlichen Organisation in Ufernorikum endgültig beseitigte226. Dennoch hat sich die kirchliche Organisation nicht nur in Binnennorikum, Rätien und den Südprovinzen der pannonischen Diözese, sondern auch in Teilen Nordpannoniens in der Epoche der Ostgotenherrschaft über Italien und sein Vorland im Nordosten halten oder zumindest regenerieren können. Für die Ostgotenzeit selbst sind uns freilich direkt nur Bischöfe von Siscia als Teilnehmer an zwei Synoden um 530 und 532 in Salonae - dazu noch in sehr später, erst hochmittelalterlicher Überlieferung - bezeugt227. Vielleicht ist auch die Grabinschrift des Bischofs Gaudentius von Celeia noch in der gleichen Zeit anzusetzen, das einzige 224
LOITER, Daten, S. 63-72; 76 ff.; zur soziopolitischen Rolle der Priester vgl. auch WOLFF, Über die Rolle, S. 279 ff.
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LOITER, Severinus v. Noricum, S. 163 ff.; 170-174; DERS., Antonius, insb. S. 280 ff.; ECK-
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HART, Schlange, datiert das Bruchstück einer reliefierten Marmorplatte mit einein Heraklesmotiv aus Lauriacum in die 2. H. des 5. Jh., das demnach ebenfalls für die Fortdauer antiker Kulturtechniken dortselbst in severinischer Zeit spräche. Dazu oben S. 26, Anm. 73; vgl. auch unten S. 168 f., Anm. 632 f. Thomas Aichidiaconus, Historia Salonitana, S. 15; 18; Historia Salonitana maior, S. 81; 85; vgl. dazu BRATOZ, Geschichte, S. 540 f. Anm. 157; DERS., Entwicklung, S. 182 f. Anm. 73 f.; 189; REINDEL, Bistumsorganisation, S. 286; zur Quelle vgl. KuNTlÉ-MAKVlé, Honorius Iunior.
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IV. Die kirchliche Organisation
Bischofsepitaph aus Norikum, das leider keine näher verwertbaren Aussagen über den Zeitansatz und die Tätigkeit des Bischofs zuläßt228. Des weiteren sind uns Bischofsnamen aus dieser Region aus den in verschiedenen Fassungen überlieferten Teilnehmerlisten zweier Synoden von Grado bekannt, von denen die eine zwischen 572 und 576, die andere um 579 zu datieren ist. Hier treten uns aus Binnennorikum die Bischöfe Leonianus von Tiburnia, Johannes von Celeia und Aaron von Aguntum-Lavant, aus dem benachbarten Ostteil von Venetia et Histria Patricius von Emona, aus der Raetia II in der früheren Liste Mateminus, in der späteren Ingenuus/Ingenuinus (sein Stellvertreter an der Synode war Marcianus presbyter) von Sabiona/Säben entgegen229. Während nun Ingenuus/Ingenuinus noch 590 als Bischof von Säben - de Sabione - und noch 591 als Bischof der Retia II signiert, könnten wir in Materninus entsprechend dem Zeugnis des Dandolo vielleicht eher einen Vertreter des Ingenuus als einen Vorgänger sehen230. Neben den Genannten wird nun noch ein Bischof Vigilius Scaravansiensis erwähnt. Während über die Herkunft der übrigen kein Zweifel besteht, wurde letzterer lange Zeit mit den Karawanken oder Karnburg (in der falschen Lesung Caravaciensis) in Verbindung gebracht. Heute neigt die ungarische Forschung aufgrund neuerer Erkenntnisse über das Fortleben romanisch-christlicher Bevölkerung auch in Nordpannonien und insbesondere auch in Scarabantia-Sopron-Ödenburg in der Pannonia I noch im 6. Jh. dazu, diesen Bischof tatsächlich hier zu suchen231. Die angeführten Belege bezeugen zugleich, daß die genannten Bistümer spätestens im 6. Jh., vermutlich jedoch schon seit der ersten Hälfte des 5. Jh. dem Metropolitanverband von Aquileia unterstellt worden waren232. Allerdings dürften einige Bistümer des Ostalpengebietes schon um die Mitte des 6. Jh. unter fränkischen Einfluß geraten sein, als während des Niedergangs der Ostgotenherrschaft die Könige Theudebert I. (f548) und sein Sohn Theudebald (f 555) ihre Macht in diesen Raum hinein ausdehnten. Nach dem endgültigen Zu228
AIJ 16; EGGER, Bischofeinschrift, S. 111-115; BRATOZ in TAVANO - BERGAMINI, Patriarchi, S. 130 ff.
229
Zu 572/7 s. Act. Cone. Mantuan. a. 827, S. 588; verbesserte Lesung bei BERG, Bischöfe, S. 79; zu 579 s. Joh. Diac., Chron. Venet. et Grad., S. 7; Chron. Patr. Grad., c. 1, S. 393; vgl. dazu St. KARWŒSE, Suffragane, S. 188 ff. Eine Zusammenstellung der Bischofslisten bringt WOLFF, Kontinuität, S. 26. Zur Frage, ob es zwei Synoden gab oder nur eine (letztere These bes. in italienischer Literatur) kurz BRATO¿, Einfluß, 38 f. Anm 41, mit älteren Literaturangaben. Hier nur die neuere Literatur nach 1980: CUSCITO, La fede calcedonese; VONFICHT, Sancta ecclesia Sabionensis; MARGETIÉ, Histrica et Adriatica, S. 135-140; BERG, Bischöfe, S. 78 ff.; HAGENEDER, Kirchliche Organisation, S. 204 ff.; WOLFF, Kontinuität, S. 12 f.; KRAHWINKLER,
Friaul, S. 73 f. mit Skizze IV/1; FEDALTO, Aquileia, 111 ff.; HUTER, Säben; zur Archäologie Säbens s. unten Anm. 247. 230
231
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S. dazu EGGER, Ecclesia, S. 74 f.; WOLFF, Kontinuität, S. 13 u. 26; BRATO2 in TAVANO - BER-
GAMINI, Patriarchi, S. 204; vgl. S. 152 f. (Grabinschrift des Marcianus). REINDEL, Bistumsorganisation, S. 288 ff; TÓTH, Vigilius; BERG, Bischöfe, S. 85; vgl. demgegenüber EGGER, Ecclesia, S. 83; KARWIESE, Suffragane, S. 180; femer unten S. 189, Anm. 705. Vgl. BRATO2, Geschichte, S. 540 f.; DERS., Einfluß, S. 37 f.; FEDALTO, Aquileia, S. 156 ff.
und ihr Funktionswandel
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sammenbruch des Ostgotenreiches mußten die Franken zunächst Norditalien, in den Jahren zwischen 561 und 567 schließlich auch die Gebiete im südöstlichen Alpenraum unter oströmischem Druck wieder räumen. Paulus Diaconus berichtet in diesem Zusammenhang, daß der Bischof Vitalis von Altinum, der zu den Franken geflohen war und sich jahrelang in Agunt aufgehalten hatte, um 567 von Narses gefangengenommen und nach Sizilien verbannt wurde233. In Verbindung mit der Invasion der Langobarden in Italien konnten die Franken jedoch etwa seit der Mitte der 70er Jahre hier wieder Raum gewinnen, als sie um 589/90 den Baiemherzog Garibald absetzten, der sich mit den Langobarden verbündet hatte234. In diesen Zusammenhang gehört nun ein Schreiben der Bischöfe Venetiens und Rätiens, die sich im sogenannten Dreikapitelstreit von Rom losgesagt hatten und sich um 591 an Kaiser Maurikios wandten, um in Konstantinopel einen Rückhalt gegen Forderungen des Papstes Gregor I. zu gewinnen. In diesem Schreiben warnten sie den byzantinischen Kaiser vor der Gefahr, die den schismatischen Kirchen durch das Vorgehen der Franken drohen könnte, und wiesen daraufhin, daß vor Jahren - zur Zeit Justini ans - schon einmal drei Bistümern des Sprengeis von Aquileia von den Franken Bischöfe aufoktroyiert worden seien235. Damit wird wohlgemerkt nicht für die Zeit des Briefes, sondern für die der Gotenkriege unter Justinian die Existenz von drei fränkischen Bistümern im östlichen Alpenraum bestätigt. Deren Identifizierung bereitet uns freilich teilweise fast unlösbare Schwierigkeiten. Von den drei in dem Brief genannten Bischofssitzen wurde die Identifizierung von Tiburniensi mit dem von Tiburnia lange Zeit nicht in Zweifel gezogen. Trotz der Einwände von Karwiese ist daran wohl auch festzuhalten236. Schwieriger ist es schon, an der auf einer schlechten Variante gegründeten Gleichsetzung von Augustana mit Aguntina (=Agunt/Lavant) festzuhalten und nicht mit Karwiese an ein Rückzugsbistum der Raetia Π, das zunächst den Namen Augsburgs 233
Paul. Diac. Hist. Lang. Π, 4, S. 87: ... Iustiniano principe vita decidente... His quoque temporibus Narsis patricius ... Vitalem episcopum Altinae civitatis, qui ante annos plurimos ad Francorum regnum configgerai, hoc est ad Agothiensem civitatem, tandem conprehensum aput Siciliam exilio damnavit; s. des weiteren BÜTTNER, Bistumsgrenzen, S. 119 ff.; ZÖLLNER, Franken, S. 89-95; dagegen, ohne überzeugen zu können, KARWIESE, Suffragane, S. 178 f.; ferner BERG, Bischöfe, S. 84 f.
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BÜTTNER, Bistumsgrenzen, S. 124 ff.; K. REINDEL, Agilolfinger, S. 106 ff.
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Gregor. I. Reg. Epp. I, 16a, ed. EWALD, S. 17 ff.; 20 f.; nach der verbesserten Ausgabe in ACO IV/2, S. 135,10 ff.: ... dissoluetur metropolitana Aquiliensis ecclesia sub uestro imperio constituía ... quod ante annos iam fieri coeperat et in tribus ecclesiis nostri concilii, id est Breonensi, Tiburniensi et Augustana, Galliarum episcopi constitueront sacerdotes; et nisi eiusdem tunc diuae memoriae lustiniani principis iussione commotio partium nostrarum remota fiiisset...Subscriptio: Ingenuinus episcopus sanctae ecclesiae Sabionensis (Var.\santae ecclesiae secundae Raetiae)...Iunior episcopus sanctae ecclesiae Veronensis...; s. SPEIGEL, Aquileja. Die Annahme KARWŒSES, Suffragane, S. 185 ff. von der Verlesung des Tiburniensi aus Tiliarnensi würde erst dann an Gewicht gewinnen, wenn sich irgendwelche Indizien für die Existenz eines Bischofssitzes in Tiliamum finden ließen.
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IV. Die kirchliche Organisation
beibehielt, wenn nicht überhaupt an Augsburg selbst, zu glauben237. Am umstrittensten war lange, Breonensi auf Virunum zu beziehen238. So wollte Karwiese, der das concilium nostrum auf die Bistümer der Venetiae und der Raetia //beschränken möchte und nur hier die drei genannten Bistümer sucht, Breonensi(=Beronensi) mit Verona in Verbindung bringen239. Doch wäre der Bezug auf Virunum eher zu akzeptieren als eine Verbindung mit Verona, falls man nicht an den Breonen festhält. Abgesehen davon daß Verona zu weit abliegt, wird es in der Unterschriftenliste selbst noch in richtiger Schreibweise genannt. Doch auch die Benennung nach einem Volksstamm wäre nicht nur recht ungewöhnlich, sondern wohl auch deshalb auszuschließen, weil das den Raum der Breonen in etwa abdeckende Bistum Sabiona/Säben mit seinem Oberhirten Ingenuus in der Subskriptionsliste ebenfalls selbst noch erscheint. Demgegenüber wies Glaser darauf hin, daß Βηρούιον als griechische Form des Stadtnamens für Virunum bei Suda (s.v.) belegt sei und es sich bei Breonensis [Beronensis] wahrscheinlich um die lateinische Transkribierung dieser Namensform handelt. Bei einer Gleichsetzung mit Virunum wäre der Sitz dieses Bistums gewiß nicht an der Stätte der alten längst zerstörten Metropole, sondern in einem der mit mehreren Kirchen ausgestatteten Höhensiedlungen am Rande des Zollfelds, am ehesten dem Grazerkogel mit seiner Doppelkirchen237
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REINDEL, Bistamsorganisation, S. 290 ff.; KARWIESE, Suffragane, S. 182 ff., der die Augustana als Augsburger Rückzugsbistum der Raetia Secunda in Sabiona/Säben lokalisiert, das jedoch in der Unterschriftenliste auch in richtiger Schreibweise genannt wird. Bei dem vorgeblichen Beleg für die Lesart Augustum statt Aguntum bei Paulus Diac. Hist. Lang. 2,13, S. 94 handelt es sich um eine Variante, die von dem kurz darauf folgenden Augustam civitatem =Augsburg beeinflußt worden sein könnte; vgl auch die folgende Anm. REINDEL, Bistumsorganisation, S. 292 f.; VETTERS, Kontinuität Π, S. 501 ff.; Zur Lesart Breonensi s. KARWIESE, Suffragane, S. 179, Anm. 77. Der Frage der Lokalisierung der genannten Bistümer widmeten sich - in Auseinandersetzung mit der Abhandlung von FRIEDRICH über die Ecclesia Augustana (1906) - in letzter Zeit noch folgende Autoren: VONFICHT, Sancta ecclesia Sabionensis, S. 458; HAGENEDER, Kirchliche Organisation, S. 217 ff.; BERG, Bischöfe, 83; WOLFRAM, Geburt, 83; DERS., Grenzen, S. 98; KRAHWINKLER, Friaul, S. 75f.; BRATO2, Aquileia und der Alpen-Adria-Raum, S. 156 (alle im Grunde der These Friedrichs zustimmend); GLASER in TAVANO/BERGAMINI, Patriarchi, S. 207; DERS., Frühes Christentum, S. 120 f.; DERS., Untergang, S. 208 f. Andere Vorschläge bei KARWIESE (s. o.); GALUSTL, Brief (eccl. Breonensis nicht identifiziert); WOLFF, Kontinuität, S. 8 ff.; der die eccl. Breonensis wieder mit den Breones im Inntal und die eccl. Augustana direkt mit Augusta Vindelicum in Verbindung bringt Letzteres ist - auch im Vergleich mit der Situation in Scarabantia - unter der Frankenherrschaft zur Zeit Justinians insofern durchaus nicht abwegig, als Venantius Fortunatas, V. Martini IV, v. 642 f., S. 368 noch für 568 einen Aufenthalt in Augusta und die dort fortdauernde Verehrung der hl. Afra erwähnt. Ferner spricht im 6. Jh. auch der archäologische Befund eher für eine Kontinuität christlicher romanischer Bevölkerung, er schließt auch die Existenz einer Bischofskirche im 5./6. Jh. nicht aus, s. BIERBRAUER, Alamannische Besiedlung, S. 89; vgl. SAGE, Frühes Christentum, S. 108 ff; zurückhaltender BAKKER, Spätrömische Zeit, S. 82 ff. Ein noch in den letzten Jahrzehnten des 6. Jh. in Augsburg fortdauerndes Bistum wird allerdings durch die Kennzeichnung des Bischofs von Säben um 579 und 591 als episcopus (ecclesiae) secundae Raetiae praktisch ausgeschlossen; s. oben Anm 215; 235. Zu Scarabantia s. oben Anm. 231. KARWIESE, Suffragane, S. 174 ff; 179 ff. mit früherer Literatur.
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anlage, zu suchen240. Dies entspräche der Verlegung des Bistums Aguntum, das sich in dieser Spätzeit auf dem Kirchbichl von Lavant - ebenfalls mit einer Zweikirchenanlage - etabliert hatte. Damit wenden wir uns nun den Versuchen zu, neben schriftlichen Mitteilungen auch archäologische Befunde als Zeugnisse für die Existenz spätantiker Bischofssitze heranzuziehen. Wie wir bereits sahen, führten die unsicheren Verhältnisse in Spätantike und Völkerwanderungszeit dazu, daß die Bischöfe sich entweder aus den in den Ebenen liegenden und feindlichem Zugriff offenen Städten in befestigte Bergkastelle oder auch Uferkastelle zurückzogen oder zumindest in ihren Diözesen Bergkastelle zum Schutz der Bevölkerung und als Ausweichstationen für den Bischofssitz anlegten. Während nun die Archäologen lange Zeit als ausreichendes Zeugnis für eine Bischofskirche die in der halbkreisförmigen Priesterbank eingelassene steinerne Kathedra ansahen, ist inzwischen erkannt worden, daß das Vorhandensein einer Kathedra ebensowenig für die Annahme eines ständigen Bischofssitzes wie deren Fehlen dagegen spricht, da an Stelle der Stein- auch eine Holzkonstruktion vorausgesetzt werden kann241. Demgegenüber werden die im gesamten istrisch-pannonischen, nord- und ostalpinen Raum anzutreffenden Kirchenfamilien, die sich meist aus einer Doppel- oder Zweikirchenanlage mit Gemeinde- und Kathechumenkirche bzw. consignatorium sowie einem Baptisterium zusammensetzen, in der Regel als Bischofskirchen oder zumindest als zeitweilige Residenzen und Ausweichstationen eines Bischofs in Betracht zu ziehen sein242. Nach Sodini fanden sich linter 71 von ihm behandelten Doppelkirchen 41 % Bischofskirchen, ebensoviele „Pfarrkirchen", 7 % Klosterkirchen, 5,5 % Pilgerkirchen und 4 % Friedhofskirchen. Immerhin heben sich die Doppelkirchenanlagen von den ebenfalls mit Gemeindekirchen ausgestatteten Höhen- bzw. Fliehburgen der Bevölkerung in den einzelnen Diözesen jeweils deutlich ab. Tatsächlich scheint die Aussage des Venantius Fortunatus, welche den Bischofssitz von Agunt im 6. Jh. auf der Höhe von Lavant lokalisiert, durch das Vorhandensein einer Zweikirchenanlage mit Baptisterium bestätigt zu werden243. Ebenso könnte die Zweikirchenanlage auf dem 240
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S. oben S. 58 mit Anm. 207; GLASER, Frühes Christentum, S. 121, der die Entfernung zwischen den beiden Gebäuden [22 m] für zu groß hält, um die beiden Gebäude als eine Doppelkirche zu interpretieren. VETTERS, Kontinuität m, S. 502; DERS., Episcopus, S. 77 f.; KAHL, Restchristentum, insb. S. 37 ff. Zum Thema grundlegend SODINI, Aliki, S. 255 ff.; s. ferner DUVAIVCAILLET (Hgg.), Les églises doubles, S. 19-234.; für das Gebiet Sloweniens und des Ostalpenraumes BRATOZ, Doppelkirchen; GLASER, Églises doubles; CIGLENEÔKI in J. DULAR/CIGLENEÒKI/A. DULAR, Kufiar,
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S. 179 ff. (alle mit weiterführender Literatur); vgl ferner. VETTERS, Episcopus, S. 77 ff.; HUBERT, Cathedrales doubles; KEMPF, Ecclesia cathedralis, S. 3-10; DYGGVE, Salonitan Christianity, S. 29 ff; BARTON, Frühzeit, S. 73; 116. STOCKMEIER, Kirchenorganisation, S. 56 f.; VEITERS, Kontinuität ΙΠ, S. 509 ff; vgl. dagegen SODINI, Aliki, S. 270 ff u. 306 mit Anm.157: „église de village". GLASER, Frühes Christentum, S. 143 ff deutet den Befund als Sitz des arianischen gotischen Bischof zur Zeit der Go-
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Grazerkogel der eigentliche Bischofssitz von Virunum sein244, die auf dem Kucar der von Neviodunum-Drnovo pri Krskem245. Auf dem Hemmaberg, wo sogar fiinf Kirchen, zwei Komplexe von Doppelkirchen und eine weitere Kirche entdeckt wurden, wäre möglicherweise der Bischofsitz von Iuenna zu suchen. Nach Glaser deuten die verschiedenen Kirchenkomplexe hier auf ein Pilgerzentrum hin, wo nebeneinander zwei Doppelkirchen entstanden, eine katholische für die Romanen und eine arianische für die Goten, so wie er auch anderswo bei Zweikirchenanlagen eine der katholisch-romanischen, die andere der arianisch-gotischen Christengemeinde zuweisen möchte246. Analog den oben erwähnten Befunden könnte jedoch auch die Anlage von Vranje zum Bistum Celeia-Cilli gehören, wie auch Sabiona, offenbar - zumindest gegen Ende des 6. Jh. - einziges Bistum der Raetia II, zu dieser Zeit als Sitz des Bischofs der ehemaligen Metropole Augsburg gedeutet werden kann 247. Demgegenüber bleibt die Funktion der Doppelkirchenanlagen bei Kékkút nördlich des Plattensees und in Aquincum offen; Thomas vermutete an ersterem Ort ein Chorepiskopat, während Toth die Doppelkirche von Aquincum als „Gemeindebasilika" deutet248. Bischofssitze sind jedenfalls auch hier für die Spätzeit durchaus nicht auszuschließen. Auch in Vindobona-Vindomana und Camuntum legt der archäologische Befund die Existenz von Bischofskirchen zumindest für das 4. Jh. durchaus nahe249. Neue archäologische Entdeckungen können hier das Bild in Zukunft durchaus noch ergänzen und vervollständigen. Im übrigen liegen die letzten schriftlichen Zeugnisse für die Existenz von Bistümern im Raum der pannonischen Diözese um 591 schon unmittelbar an der Schwelle des Untergangs der spätrömischen Kirchenorganisation in diesem Raum. Bereits 582 war der Sitz des ehemaligen Obermetropoliten, Sirmium, von den Awaren erobert worden, und spätestens zu Beginn des letzten Jahrzehnt des 6. Jh. stießen die Slawen im Gefolge der Awaren nach Emona, Celeia und in das Gailtal
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tenherrschaft, während er in der 1993 unter der Pfarrkirche St. Ulrich entdeckten Kirche das Gotteshaus der katholischen romanischen Bevölkerung erkenen möchte. PLCCOTTINI, Römer, S. 56 ff.; vgl. GLASER, Christianisierung, S. 213 f.; DERS., Frühes Christentum, S. 121. CIGLENECKI in: DULAR/CIGLENECKJ/DULAR, Kuöar, S. 186 ff.; vgl. auch BRATOZ, Doppelkir-
chen, 138 und BRATOZ/CIGLENECKI, Slovenia, S. 524 ff. GLASER, Hemmaberg, RLGA; DERS., Hemmaberg; DERS., Églises doubles; DERS., Frühes Christentum, S. 96-120; 143 ff.; DERS., Norico, S. 477 ff; DERS., Untergang, S. 200 ff.: ein Pilgerzentrum; GAMBER, Domus ecclesiae, S. 29 ff; LADSTÄTTER, Von Noricum mediterraneum, S. 227 ff. Vgl. ULBERT, Vranje bei Sevnica, S. 68, der die Möglichkeit als zeitweiliger Fluchtplatz für den Bischof nicht ausschließt; CIGLENECKI, Polis Norikon, S. 60; mit Skepsis auch BRATOZ, Doppelkirchen, S. 136; NOTHDURFTER, Rätien in Spätantike, S. 201 f.; vgl. zuletzt CIGLENECKI in DULAR/CIGLENECKI/DULAR, KuCar, S. 186 ff; vgl. BARTON, Frühzeit, S. 62-72; 110-117; BIERBRAUER, Aufsiedlung, insb. S. 36 ff.; ferner oben Anm. 200-211; 229 f.; 237 f. BARTON, Frühzeit, S. 72 f.; vgl. THOMAS, Das frühe Christentum, S. 267 f.; TÓTH, Christentum, S. 248; 262; SODINI, Aliki, S. 279. BARTON, Frühzeit, S. 67 ff; 57 ff; VETTERS, Christentum, S. 106 f.
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vor2S0. Mit dem Sieg der karantanischen Slawen über das Baiernheer des Herzogs Garibald um das Jahr 610 dürfte das Schicksal der letzten spätrömischen Bischofssitze im Ostalpen-Mitteldonau-Raum besiegelt worden sein. Dennoch haben sich einzelne Kastelle wohl noch längere Zeit gehalten. Zu ihnen gehört Lavant und möglicherweise auch ein Platz im hügeligen Südteil des Territoriums von Celeia, wo um 680 noch ein Bischof Andreas der Kirche von Celeia (έκκλεσία Κελαιάνη, einer Kirche unter den Heiden bzw. inmitten der Slawen (ecclesia in gentibus bzw. έν μέσω των ... Σκλάβων), residiert haben könnte251. Tatsächlich hat das Christentum unter der römischen Restbevölkerung - wenn auch in Kümmerformen - nicht nur im Gebiet der östlichen Alpen, sondern vereinzelt wohl auch im Mitteldonauraum die Awaren- und Slaweninvasion überdauert.
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Vgl. dazu oben S. 30, Anm. 91. Zur Frage des Überlebens der kirchlichen Strukturen bis zum späten 7. Jh. in Celeia und Siscia (um 680) sowie die Existenz von Bischöfen „unter den Slawen" in dieser Zeit vgl. BRATOZ, Patriarchat Grado, S. 644 ff.; DERS., La chiesa aquileiese, S. 135-140; BUDAK, Prva stoljeca Hrvatske, S. 83 ff.; 106 ff.; femer allgemein unten S. 184 ff. mit Anm. 687-696. Zur Bedeutung der Nonnosus-Inschrift aus Molzbichl unweit von Teurnia als Beweis der Kontinuität antiker Heiligenverehning unter der romanischen Bevölkerung bis in die karolingische Epoche s. unten S. 173 mit Anm. 653.
V. Die gentilen Verbände a) Die Terwingen/Visigoten, die Greutungen/Ostrogoten, die ostrogotisch-hunnisch-alanische Dreivölkergruppe (Alatheus-Saphrax-Verband) und die „westgotische" Ethnogenese An der mittleren und unteren Donau war nach früheren intensiven Baumaßnahmen unter den Kaisern Diokletian, Constantin und Constantius Π. von Valentinian I. (364-375) die „dreifache Verteidigungslinie" durch weiteren Ausbau der Grenzanlagen mit zahlreichen Wachttürmen (bürgt) und Kleinkastellen sowie des rückwärtigen Gürtels mauerbewehrter Städte und Binnenfestungen, ferner die Absicherung des Glacis des Donaulimes durch vorgeschobene Kastelle und Wallsysteme und schließlich die Ergänzung der mobilen und der Limitantruppen auf einen lange nicht erreichten Stand gebracht worden252. Dennoch sollte dieses Werk seinen Schöpfer kaum überleben. Etwa zur gleichen Zeit, als Valentinian anläßlich einer Auseinandersetzung mit den Quaden gerade um den Festungsbau in ihrem Territorium an einem tödlichen Schlaganfall starb, setzte der verheerende Einbruch der Hunnen und Alanen in das Gotenreich des Ermanarich eine Völkerlawine in Bewegung, die den Donaulimes auf seiner ganzen Länge zerbrechen und schließlich das römische Reich im Westen zerstören sollte253. Nachdem die oströmischen Instanzen im Jahre 376 die Aufnahme der Masse der terwingisch-vesischen Goten unter ihren Fürsten Alaviv und Fritigern auf Reichsgebiet zugestanden hatten, ergaben sich so schwerwiegende Probleme, daß die Grenztruppen der unteren Donaufront für längere Zeit voll damit beschäftigt waren, die im Raum von Novae über die Donau gegangenen Scharen zu überwachen254. Diesen Umstand konnten zwei weitere zahlenmäßig starke Verbände aus252
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SEECK, Untergang 5, S. 33-36; 437 f.; HOFFMANN, Bewegungsheer, S. 273 ff.; STALLKNECHT, Außenpolitik, S. 58-91; SOPRONI, Letzte Jahrzehnte, S. 11-21; SASEL KOS, Defensive policy, insb. S. 154-161; BERTOK, Ripa Sarmatica; ZSOLD, Valentinianus. Zum Gotenreich Ermanarichs WOLFRAM, Goten1, S. 97-102; Goten3'4, S. 95-98; zu den Goten fortan auch POHL, Goten II; BIERBRAUER, Goten ΙΠ; zu Hunnen und Alanen grundlegend: ALTHEIM, H u n n e n I, S. 5 7 - 8 4 ; 2 9 1 - 3 7 2 ; ferner MAENCHEN-HELFEN, Huns; POHL, Hunnen; TOMLCTÓ, Untergang, S. 2 6 6 ff.; DEMOUGEOT, F o n n a t i o n Π, S. 3 6 9 - 3 8 6 ; WENSKUS, A l a n e n ;
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BACHRACH, Alans; zu Ermanarich WOLFRAM/BECK, Ermanarich. Ammian. XXXI, 4, 5f.; IV, S. 254 ahnt bereits, daß die hier geßllte Entscheidung den Untergang des römischen Reiches herbeifuhren werde: ... navabatur opera diligens, ne qui Romanam rem eversurus relinquebatur ... Ita túrbido instantium studio orbis Romani pemicies ducebatur ...; dazu WOLFRAM, Goten1, S. 68-83; 103-143 mit Literatur; Goten3'4, S. 73-84; 100-124; CESA, Romani e Barbari; VETTERS, Dacia, S. 28-34.
a) Die Terwingen/Visigoten, die Greutungen/Ostrogoten
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nutzen, um die Donau weiter stromaufwärts ebenfalls zu überschreiten und in die dakische Diözese einzubrechen. Es handelte sich dabei um eine gotisch-taifalische Gruppe unter Führung des Farnobius und eine Vereinigung von drei Stammesgruppen unter zwei Fürsten, Alatheus, der wohl Ostrogoten und Hunnen, und Saphrax, der Alanen befehligte255. Die Notlage zwang den Kaiser des Ostreichs, Valens, den Westkaiser Gratian um Hilfe zu bitten, und dieser entsandte zunächst den dux der Valeria Frigeridus mit Truppen, die aus Pannonien und den Nordalpenregionen abgezogen waren. Zwar gelang es Frigeridus, den gotisch-taifalischen Verband unter Farnobius auszuschalten, doch blieb die Entblößung der Donaufront in den oberen Abschnitten nicht ohne Folgen. Die Alemannen nutzten nämlich die Situation aus und stießen mit starken Verbänden über den Oberrhein vor, so daß sich Kaiser Gratian genötigt sah, die für den Balkanfeldzug bereitgestellten Truppen zunächst gegen sie einzusetzen. Die dadurch eingetretene Verzögerung sollte das Schicksal der oströmischen Armee in Thrakien besiegeln256. Zwar bemühte sich Gratian, nach der Niederwerfung der Alemannen im Frühjahr 378 mit seiner Armee den Oströmern so schnell wie möglich zu Hilfe zu kommen, doch hatte sich nach der Niederlage des Farnobius Fritigern inzwischen mit Alatheus und Saphrax verständigt und gemeinsames Vorgehen abgesprochen. Als nun Gratian mit der auf der Donau herangeführten Vorausabteilung seiner Armee in Obermösien eintraf, wurde er unvermutet bei Castra Martis von alanischen Reitertruppen angegriffen und genötigt, zunächst das Eintreffen der Hauptmacht seines Heeres abzuwarten257. Inzwischen war aber auch für Fritigern die Lage kritisch geworden, da die oströmische Armee gegen die verstreut operierenden Barbaren zunehmend Erfolge erzielte. Fritigern zog daher seine Verbände zusammen und rief auch die Masse der Reiterei der Alatheus-Saphrax-Gruppe zu Hilfe, um vor dem Eintreffen der Armee Gratians noch die Entscheidung herbeiführen zu können. Tatsächlich ist wohl den Reitern des Dreivölkerverbandes die verheerende Niederlage des oströmischen Heeres bei Adrianopel im August 378 zuzuschreiben, die letztlich nicht das Schicksal des oströmischen, sondern das des weströmischen Reiches entschieden hat. Schon Zeitgenossen verglichen die Niederlage von Adrianopel mit der von Cannae258. 255
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Ammian. XXXI, 4,12; 5,1 ff.; 9,3; IV, S. 256; 272; vgl. 3,1 ff.; S.250; Jordanes, Get XXVI, 134; S. 93; WOLFRAM, Goten1, S. 16, Anm. 13; S. 137-140; 310f.; Goten3'4, S. 36 und 384 Anm. 13; 125-128; DERS., Adrianopel, S. 229 f.; VARADY, Jahrhundert, S. 22 ff.; 29 ff. Ammian. XXXI, 10,1-5; 11,6, IV, S. 274; 282. Ammian. XXXI, 11,6, ebd.: ... cum expeditiore militum manu permeato Danubio delatus Bononiam Sirmium introiti et quadriduum ibi moratus per idem flumen ad Martis Castra descendit ... In quo tractu Halanorum ímpetu repentino temptatus amisit sequentium paucos ...; vgl. 12, 4 ff.; S. 282 ff. Castra Martis, das auch Procop. Aedif., 4, 6, 33 erwähnt, liegt im Binnenland der Dacia Ripensis; dazu VETTERS, Dacia, S. 11 ff. Ammian. XXXI, 8, 4, IV, S. 270: ... cum obruerentur vigore nostrorum ... adacti necessitate postrema Hunorum et Halanorum aliquos adsocietatem spepraedarum ingentium asciverunt...;
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V. Die gentilen Verbände
Da es nach Adrianopel vollends nicht mehr möglich war, sich der nun auch in geschlossenen Stammesverbänden innerhalb der Reichsgrenzen behauptenden Barbaren noch zu entledigen, ging die römische Führung zu einer neuen Strategie über. Sie gliederte die „Reichsbarbaren" nun großenteils nicht mehr direkt in die römische Armee ein, sondern erkannte fortan Volksgruppen innerhalb der Reichsgrenzen als ,Foederaten' einen quasi-autonomen Status zu und band sie durch Verträge, um sie jeweils im Bedarfsfall auch als geschlossene gentile Verbände einsetzen zu können. Mit ihrer Hilfe hoffte man, weitere von außen andringende Barbaren abwehren zu können, man glaubte wohl auch, sie wie bisher die einzeln oder in kleineren Gruppen übergetretenen Barbaren allmählich kulturell assimilieren und in die Reichsgesellschaft integrieren zu können. Diese Konzeption wurde erstmals in dem wohl Ende 380 zwischen den Kaisern beider Teilreiche und den Anführern des Dreivölkerverbandes in Sirmium abgeschlossenen Bündnisvertrag realisiert259. Die Scharen des Alatheus und Saphrax hatten zunächst gemeinsam mit den Goten Fritigerns Thrakien heimgesucht, jedoch verschiedentlich wiederum Schlappen erlitten. Schließlich hatten sie sich endgültig von den vesischen Goten getrennt und waren - vielleicht nicht ohne Zutun der oströmischen Führungsinstanzen - nach Westen, in den Raum der pannonischen Diözese vorgestoßen260. Sie wurden nun wohl vor allem in der Valeria 12, 12, S. 284: ... cornu autem equitum laevum disiectis adhuc per itinera plurimis ... ferriti barbari, quoniam pars eorum cum Alatheo et Saphrace procul agens et accita nondum venerat ... 17, S. 286: ...equitatus Gothorum cum Alatheo reversus et Saphrace Halanorum manu permixta ut fulmen prope montes celsos excussus, quoscumque accursu veloci invenire comminuspotuit, incitata caede turbavit... 13,19, S. 292: vix... annalibuspraeter Cannensem pugnam ita ad internecionem res legitur gesta ... VÂRADY, Jahrhundert, S. 32 f. mit Anm. 64; WOLFRAM, Adrianopel, S. 243 f.; DERS., Goten1, S. 155 mit Anm. 92; Goten3'4, S. 139 und 420 Anm. 92. Zum Verlauf der Schlacht vgl. WANKE, Gotenkriege; SPRINGER, Novi odgovori (Neue Antworten); zur Bedeutung DEMANDT, Entscheidnungsschlachten, bes. S. 43; STALLKNECHT, Außenpolitik, S. 7 3 f. 259
Arrunian. XXXI, 16, 3, IV, S. 300: ... Gothi Hunis Halanisque permixti nimium bellicosis et fortibus .... quos mirispraemiorum illecebris sibi sociarat sollertia Fritigerni...; Epit. Caes. 47, 3, S. 173: ... Thraciam Daciamque ... possidentibus Gothis Taifalisque atque omnipernicie atrocioribus Hunnis et Alanis extremum periculum instare nomini Romano ...; 48, 5: ... Theodosius ... Hunnos et Gothos ... diversis proeliis vicit ...; Cons. Constantinop. a. 379, 3, S. 243: ... victoriae nuntiatae sunt adversus Gothos, Alanos atque Hunos ...; vgl. Marcellin. a. 379, S. 60; Symm., Syagrio, Ep. I, 95, 2, S. 38; Orosius VÜ, 34, 5, ed. LIPPOLD, Π, S. 354; Philostorgios IX, 19, S. 125; Socrates, Hist. Eccl. V, 6, ed. HANSEN, S. 277f.; dazu WOLFRAM, Goten1, S. 153-157; 310 f.; Goten3'4, S. 138-141; 417; PAVAN, Politica; VÁRADY, Jahrhundert,
260
Ammian. XXXI, 16, 7; IV, S.302: ... post accepta maiora jiinera quam illata exinde digressi sunt effüsorie per arctoas provincias, quas peragravere licenter ad usque radices Alpium Iuliarum ...; Jordanes Get. XXVII, 140, S. 95: ... Theodosio principe... egrotanti datur iterum Gothis audacia divisoque exercitu Fritigernus ad Thessaliam praedandam ... digressus est, Alatheus vero et Safrac cum residuis copiis Pannoniam petierunt ...; Pacatus Pan. Theodos. 11, 4, ed. NIXON - SAYLOR RODGERS, S. 462 u. 653: ... quicquid atterit Gothus, ... rapit Chunus, ... aufert Haianus ... Perdidi infortunata Pannonias, lugeo fiinus Ulyrici...; Ambrosius, De fide II, 139f., S. 106 (A. 378): ... de Thraciae partibus per Ripensem Daciam et My-
S. 3 6 ff.; DEMOUGEOT, Formation II, S. 145 ff.; DIES. Modalités.
a) Die Terwingen/Visigoten, die Greutungen/Ostrogoten
73
und Pannonia I angesetzt. Der Dreivölkerverband dürfte sich verpflichtet haben, gegen Zahlung von - als Sold deklarierten - Jahresgeldern und Lieferung von Lebensmitteln die Grenzverteidigung zu übernehmen und jeweils auf Anforderung hin für begrenzte Zeit Truppenkontingente zu stellen261. Unmittelbar nach dem Abschluß der Verträge, spätestens 381 beauftragte der Metropolit von Aquileja - vermutlich auf Anregung des weströmischen Kaiserhofes - einen Bischof, Amantius, mit der Missionierung und kirchlichen Betreuung der in der pannonischen Diözese angesiedelten Barbaren, um dadurch ihre Integration in den weströmischen Reichs- und Gesellschaftsverband zu fördern. Dies ergibt die Grabinschrift des Amantius aus Aquileja. Danach ist die plebs aliena das fremde Volk der Goten, Hunnen und Alanen, das den Amantius ruft, in den geminis ducibus erkennen wir dementsprechend die beiden Heerführer Alatheus und Saphrax, mit denen der Bischof an der heiligen Gemeinschaft Anteil hat und die er mit seinem Rat des Glaubens lenkt, während wir unter den binis siam, omnemque Valeriam Pannoniorum, totum illum limitem sacrilegis pariter vocibus et barbaricis motibus audivimus inhorrentem ...; Damals fiel neben Stridon in Dalmatien wohl auch Poetovio den Barbaren zum Opfer, s. Hieronymus, De viris illustribus 135, Sp. 715: ... oppido Stridonis, quod, a Gothis eversum, Dalmatiae quondam Pannoniaeque confinium fuit... Zur Lokalisierung vgl. BRATOZ, Geschichte, S. 533 ff.; vgl. Ambros. Ep. 2 (Maur. 10), 9-10, CSEL 82/3, S. 322 f. Gegen EGGER, Zerstörung und VÁRADY, Jahrhundert, S. 418 f. dürfte Ambrosius mit dem Vorwurf gegen den arianischen Elekten von Poetovio, Valens, eversionem patriae dicamus proditionem wohl die - durch eine überspitzt als Verrat bezeichnete Haltung verursachte - Zerstörung der Vaterstadt meinen. Nur deshalb kann er von den Seinen, „falls noch einige überlebt haben", eines ruchlosen Verbrechens - nefandi sceleris - angeklagt werden. Daß die Anklagen übertrieben sind, liegt auf der Hand, sie beruhen wohl auf dem Versuch des Valens, angesichts römischer Truppen in gotischer Tracht mit den Feinden - offenbar erfolglos - verhandelt zu haben. Vgl. dazu etwa das ebenfalls als Verrat gebrandmarkte Verhalten des Rufinus bei seinen Verhandlungen mit Alarich, Claudian, In Rufinum Π, 78 ff., S. 37. Auch von Kaiser Gratian selbst wird tadelnd berichtet, er habe sich den Zorn seiner Soldaten zugezogen, weil er seine alanischen Leibwächter bevorzugte und sogar alanische Tracht anlegte, Epit. Caes. 47, 6, S. 174; Zosimos IV, 35,2 f., Π,2, S. 299 u. 411 f. mit Anm. 170. Es muß einen Grund dafür gegeben haben, daß Valens vor römischen Soldaten gotische Tracht anlegte, und es müssen schwerwiegendere Ereignisse vorgefallen sein, deren Kenntnis der Verfasser beim Adressaten voraussetzt. Sichere Folgerungen lassen die Andeutungen freilich nicht zu. Vgl. auch ΒRATOZ/CIGLENECKI, Slovenia, S. 498 ff. 261
Zosimos, IV, 34, 2; Π,2, S. 297: ... δύω μοίραι των bitèp τόν ' Ρηνον Γερμανικών εθνών, ή μέν ·ήγεμόνι Φριτιγέρνφ χρωμένη, ή δέ totò ' Αλλόθεον καν Σάφρακα τεταγμένη, ... κατέστησαν εις Ανάγκην τόν βασιλέα Γρατιανόν ένδουσαι σφ'ισιν, ... δια τοϋ "Ιστρου Παιονίαν και τήν άνω Μιχήαν καταλαβεΐν ... Jordanes, Get. XXVN, 141, S. 95:... Gratianus..., quia... Gothi maius saevissent... gratia eos muneribusque victuruspacemque victualia illis concedens, cum ipsis inito foedere fecit. XXVII, 142: ... Theodosius ... repperit ... pepigisse, quod ipse optaverat, admodum grato animo ferens et ipse in hac pace consensu ...; WOLFRAM, Goten1, S. 143, Anm. 29; 310 f.; Goten374, S. 130 und 417 Anm. 29; 251 f.; VÁRADY, Jahrhundert, S. 36-39; 72 ff.; DERS., N e w evidences, S. 352 ff; STALLKNECHT,
Außenpolitik, insb. S. 72-76; SOPRONI, Letzte Jahrzehnte, S. 86-93; VEITERS, Dacia, S. 34 ff.; WIRTH, Föderierte Staaten, S. 2 4 0 ff.; SCHWARCZ, Foederati; CHRYSOS, Concepts; CHRISTOU,
Byzanz, S. 21-35; DEMOUGEOT, Formation Π, S. 147 ff.; vgl. aber HEATHER, Goths and Romans, S. 333-334.
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V. Die gentilen Verbände
populis wohl eher die beiden Völker der Römer und Barbaren zu verstehen haben, die gemeinsam der geistlichen Obhut des Amantius anvertraut sind262. Die Frage nach dem Amtssitz des Bischofs Amantius, Iovia, rollt zugleich die Frage nach dem engeren Siedlungsraum der pannonischen Foederaten auf. Wie bereits erwähnt, ist dieser Bischofssitz kaum in der Stadt Iovia=Botivo (Ludbreg) in der Savia, sondern eher in der mächtigen Lagerfestung von Hétenypuszta im Hinterland der Valeria zu suchen. Daher ist auch anzunehmen, daß die Foederaten, deren Zuverlässigkeit ja durchaus zweifelhaft war, auf keinen Fall an dem lebenswichtigen Verbindungsstück zwischen Ost- und Westrom in der Pannonia Secunda263, sondern in den weiter entfernten Limesabschnitten der Valeria und Pannonia I angesetzt worden sind. Tatsächlich ergeben die archäologischen Befunde in den Kastellen dieser Limesstrecke, daß diese vielfach nicht nur bis zur Wende des 4./5. Jh. belegt waren264, sondern daß damals hier zumindest teilweise auch hunnische, alanische und germanische Soldaten garnisoniert waren265. 262
263
264
265
IA 2904 (bzw. ILChV 1061a-b): Egregius fldei sanctus mitis(que) / sacerdos dignus quem cuper / et ple(b)s aliena suum, / dign(u)s ita geminis ducibus / consortia sacra parti / cipare fldei Consilio regere, / hoc iacet in tumulo proprium cui / nomen Amanti venturi meriti / pr(a)escia causa dedit. Bis denis / binis populis pr(a)esedit in annis. / Si non migrasset, laus erat ista / minor. Depos(itus) s(u)b d(ie) Vili idus Aprilis / ind(ictione) XI, / D(e)p(ositus) Ambrosius diac(onus) kal(endas) Decemb(ribus) /Mariniano et Asclepiodoto w(=viris) cc(=clarissimis) conss(=consulibus) / indfictione) VII. Grundlegend dazu EGGER, Studien, S. 5 7 ff. Iiidiktion und Tagesdatum des Todes legen diesen auf 398 oder 413 fest, doch spricht der Zeitraum von zwanzig Jahren und die Nennung des Amantius als Bischof von Iovia in den Acta des Konzils von Aquileja 381 für dasfrühereTodesdatum des Amantius. Wir kommen nicht umhin, mit Egger in der aliena plebs die Barbaren, unter den geminis ducibus Alatheus und Saphrax zu erkennen. Dennoch scheinen uns unter den binis populis nicht der Dreivölkerverband, sondern eher Römer und Barbaren gemeint zu sein, da Amantius auf dem Konzil von Aquileia 381 auch die lokale katholische Gemeinde vertrat; vgl. THOMPSON, Christianity, S. 67 Anm. 3, BRATO2, La chiesa aquileiese, S. 103 ff.; vgl. TÓTH, Christentum, S. 251 f. mit Anm. 48; anders Wolfram, Goten S. 311; Goten3/4, S. 252. Zu Iovia s. oben S. 56 mit Anm. 198 ff.; zur Archäologie der Dreivölkergruppe MÜLLER/STRAUB, Germanen, S. 7 ff. So im Banne seiner verfehlten Theorie von der „Urbicarisation" der pannonischen Valeria VARADY, Jahrhundert, S. 36 mit Anm. 80 ff; vgl. auch WOLFRAM, Goten1, S. 155; Goten3'4, S. 139. ND Oc. XXXm, 27-45. SOPRONI, Liste, S. 62 f.; Valeria, S. 159 f. möchte durch den Nachweis, daß die in der Valeria-Liste nicht doppelt, sondern nur einfach mit erwies-Verbänden belegten Kastelle Azaum (Odiabo)-Almasfiizitö, Crumerum-Nyergesujfalu, Constantia (Ulcisia)-Szentendre, Campona-Budapest-Nagytétény, Matrica-Százhalombatta, Vetus Salina-Adony und Annamatia-Baracs bis Ende des 4., bzw. um die Wende des 4./5. Jh.s belegt waren, zugleich beweisen, daß noch zu dieser Zeit e^Ki'fes-Formationen neben den cunei existierten. Bewiesen wird jedoch vor allem, daß die betreffenden Kastelle zu dieser Zeit noch genutzt wurden. Spuren ursprünglich als „hunnisch" definierter barbarischer Belegschaften fänden sich in den Kastellen von Wien-Simmering, Carnuntum, Arrabona-Györ, Ad Mures-Komárom, BrigetioSzöny in der Pannonia I, sowie von Intercisa in der Valeria. Goten und Alanen scheinen dagegen auf Gräberfeldern vom Ende des 4. Jh. bei Fenékpuszta-Keszthely am Südrand des Plattensees nachgewiesen zu sein, Germanen bzw. Barbaren neben Provinzialen femer auch auf den Friedhöfen von Szabadbattyan ca. 25 km nö. des Plattensees sowie von Csákvár weitere
a) Die Terwingen/Visigoten, die Greutungen/Ostrogoten
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Über die Entstehung der Alatheus-Saphrax-Gruppe unterrichtet uns noch der Zeitgenosse Ammianus Marcellinus, dessen Mitteilungen sich freilich kaum mit den weit ausführlicheren, aber auch späteren der Gotengeschichte des CassiodorJordanes vereinbaren lassen. Nur soviel dürfte sicher sein, daß der mächtige ostrogotische Verband Ermanarichs unter dem Ansturm der Hunnen und Alanen in mehrere Teile zerfiel, und daß von dieser Auflösung auch die führende Amalersippe selbst betroffen wurde. Nach der späten Überlieferung des CassiodorJordanes hätten sich die Ostrogoten nach dem Tode des Ermanarich den Hunnen unterworfen und seien im Lande geblieben, während der Amaler Vinitharius, der Neffe des Ermanarich, die Insigni en der Herrschaft über die Goten in Anspruch genommen habe266. Die Betonung der amalischen Herkunft und des Besitzes der Herrschaftsinsignien erweckt ebenso den Eindruck, als ob hier ein Herrschaftsrecht gegen einen anderen Anspruch verteidigt wird, wie die nachdrückliche Feststellung, die Goten seien in ihrer Heimat geblieben, an andere Gruppen denken läßt, die sie verlassen haben. Freilich weiß auch Cassiodor-Jordanes von einer Spaltung, doch vollzieht sich diese im Bereich jener Mehrheit der Ostrogoten, die in ihrer alten Heimat verblieb. Demnach soll sich nämlich der Amaler Vinithar mit seinem Verband, offenbar Teilen des traditionstragenden Kerns des greutungisch-ostrogotischen Völkerkonglomerats, bald wieder der hunnischen Herrschaft entzogen haben, im Gegensatz zu einem anderen größeren Stammesverband, an dessen Spitze Hunimund, der Sohn Ermanarichs, und dessen Waffen- bzw. Adoptivsohn Gensimund standen. Vinithar habe mit seiner Stammesgruppe zunächst die Anten blutig unterworfen. Da diese damals vielleicht schon den Slawen (= Veneti) zuzurechnen sind, könnte die wohl als ehrender Beiname aufzufassende Bezeichnung Vinithar= Wendensieger damit zusammenhängen. Nach kaum einem Jahr - immer nach den Getica des Cassiodor-Jordanes - sei dann Vinithar mit seinem Verband von dem Hunnenkönig Balamber, der erstaunlicherweise ebenfalls einen Amalernamen (Walamer) zu tragen scheint, und dem treugebliebenen Teil der Goten unter Genca. 50 km nö. davon in der Valeria, s. SALAMON, Csákvár, insb. S.71-75 sowie DIES., Pannonien; SÁLAMON/BARKÓCZI, Angaben, S. 91 f.; MÓCSY, Pannonia-Forsch.ni, S. 380, IV, S. 376; BÒNA, Hunnenreich, passim, bes. die Kartenbeilage „Hunnische und ,nomadische' Funde im Karpatenbecken"; SOPRONI, Valeria, S. 206 f. Zu den Alanen des Verbandes BACHRACH, Alans, insb. S. 27-33; zu den Hunnen an der mittleren Donau (ohne sichere Zeitstellung) PARDUCZ, Probleme, S. 40 ff.; ähnlich BARKÓCZY/SALAMON, Szabadbattyán, insb. S. 109 f.; vgl. auch SALAMON, Intercisa, insb. S.54; NAGY, Aquincum, S. 376 ff.; ZsiDi, Continuity in Aquincum, S.S89 f.; Alanen und Hunnen lassen sich gegen Ende des 4.Jhs. auch in Camuntum und Wien nachweisen, s. LIPPERT, Germanen, S. 220 f.; SOPRONI, Letzte Jahrzehnte, S. 80; NEUMANN, V i n d o b o n a , insb. S. 57; 148; vgl. GRÜNEWALD, C a m u n t u m , S.165 f.; HARMATTA, 266
Goten, S. 296 f. Jordan. Get. XLVHI, 246, S. 121: ... (Ostrogothae) quos constat morte Hermanarici regis sui decessione a Vesegothis divisos Hunnorum subditos dicioni, in ea patria remorasse, Vinithario tamen Amalo principatus sui insignia retínente...; vgl. XIV, 79 ff., S. 76 f.; ferner Cassiodor, V a r . X I , 1 , 1 9 , ed. MOMMSEN, S. 330; ed. FRIDH, S. 2 5 f.
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V. Die gentilen Verbände
simund angegriffen worden. Zweimal sei Balamber unterlegen, habe beim drittenmal jedoch Vinithar am Flusse Erac töten und seine Goten unterwerfen können, die nunmehr alle Hunimund als ihrem König - unter Anerkennung der hunnischen Oberhoheit - gehorchten267. Während nun die Amalerlinie Hunimunds mit seinem angeblichen Sohn Thorismu(n)d erlischt, lebt die Linie Vinithars in dessen Sohn Vandalar fort. Dieser Vandalar, dessen Name als ehrender Beiname wiederum auf Wandalensiege hindeuten könnte, hat den Getica zufolge jedoch keine eigentliche Herrschaftsfunktion ausgeübt, tritt jedoch als Vater Walamirs, Thiudimirs und Widimirs auf. Von diesen drei Brüdern soll Walamir nach einem vierzigjährigen Interregnum unter Attila König der unter hunnischer Herrschaft stehenden Ostrogoten geworden sein, sein Bruder Thiudimir, der nach der Abschüttelung der Hunnenherrschaft später seine Nachfolge antrat, war wiederum der Vater Theoderichs des Großen268. 267 268
Jordan. Get. XLVm, 247-250, S. 121 f. Jordan. Get. XLVII, 251 ff., S. 122 f.; vgl. XIV, 79 f., S. 77. Da laut Cassiodor, Var. Vm, 9, 8, ed. MOMMSEN, S. 241; ed. FRIDH, S. 309, der Adoptivsohn des Gotenkönigs Hunimund, Ge(n)simund die noch kleinen Söhne des Vandalar betreute, müßte Vandalar früh gestorben sein. Die Problematik der von Cassiodor rekonstruierten Amalergenealogie enthüllt Cassiodor, Var. IX, 25, 4 f., ed. MOMMSEN, S. 291 f.; ed. FRIDH, S. 379: Tetendit se etiam in antiquam prosapiem nostram, lectione discens quod uix maiorum notitia cana retinebat... Iste Amalos cum generis sui claritate restituii ... Demnach war am Hofe Theoderichs selbst die Amalerdeszendenz kaum noch bekannt. Dennoch wird man davon ausgehen können, daß Cassiodor die Zeugen, Theoderich und Eutharich, schon vor der Abfassung der Getica zu ihren Lebzeiten befragt hat, da die Klärung der Abstammung Eutharichs von den Amalem wichtige Voraussetzung seiner Herrschafisnachfolge im Reiche Theoderichs war. Zur Amalergenealogie auch im folgenden vgl. WENSKUS, Art. Amaler; LOTTER, Stammesverbände, S. 31-34 mit Stammtafel S. 58; weiterführend CASTRITIUS, Namenkundliche Argumentation, S. 257-270 mit Stammtafel S. 271; DERS., Sozialgeschichte, S. 8-22. Vgl. demgegenüber die herkömmliche Theorie noch bei WOLFRAM, Goten1, S. 311-317; DERS., Stammbaum, insb. S. 83 ff. mit teilweise gewagten Hypothesen. Allerdings rückt WOLFRAM, Das Reich, S. 56 f. sowie Goten3'4, S. 252-257 und mit neuen Stammbäumen der Amaler S. 370 f. vorsichtig von den alten Positionen ab, ohne jedoch klar Stellung zu beziehen und die Gegenpositionen zu diskutieren, vgl. auch J.P. HEATHER, Cassiodonis and the Rise of the Amals. Gewiß ist der so hochgepriesene Gotenkönig Hunimund nicht einfach mit dem zwei Generationen jüngeren gleichnamigen Suebenkönig gleichzusetzen, der in die gotische Uberlieferung als heimtückischer Todfeind der Goten eingegangen ist, s. Cassiodor, Var. XI, 1, 19, ed. MOMMSEN, S. 330, ed. FRIDH, S. 426; Jordan. Get. XIV, 81, S. 77; XLVII, 248; 250, S. 121 f. gegenüber L m f., S. 273-279. Vielmehr könnte der Suebensieg des Hunnimundus Magnus daraufhindeuten, daß der Fürstenname Hunimund - ebenso wie Alarich - nach der Unterwerfung der Donausueben unter die Goten durch Versippung mit deren Fürstenhäusern und somit durch Nachbenennung zu den Sueben gelangt ist. Variation mit dem zweiten Kompositionsbestandteil -mund als Form der Namensgebung in der Amalersippe bezeugt auch Malchus, frg. 20, ed. BLOCKLEY, S. 438,64 f.: ... Σιδιμοΰνδον, εκ μέν της αΊπής φυλής τό άνέκαθεν δντα ... vgl. ebd., S. 440,112 f.:... Θευδιμοΰνδος δέ b έτερος των Βαλαμήρου παίδων ... Abwegig dürfte auch die Gleichsetzung des „Hunnenkönigs" Balam(b)er=Valamer mit dem wiederum zwei Generationen jüngeren Gotenkönig Valamer bei WOLFRAM, Goten1, S. 315; DERS., Stammbaum, S. 89 sein; s. dagegen Goten374, S. 255, doch liegt der Verdacht auf gotisch-amalische Herkunft Balambers trotz DEMOUGEOT, Formation Π, S. 284 f. nahe. Auch in diesem Fall ist bei dem jüngeren Walamer wohl eher mit Nachbennenung zu rechnea S. des weiteren unten Anm. 270-276; zur
a) Die Terwingen/Visigoten, die Greutungen/Ostrogoten
77
Bei Ammianus Marcellinus, dem wir als Zeitgenossen im Zweifelsfall eher zuzustimmen geneigt sind, werden nun die Entwicklungen bei den Ostrogoten nach dem Tode Ermanarichs ganz anders dargestellt. Dort sind es die Alanen, die gemeinsam mit den Hunnen dem Reich der Greutungen die vernichtenden Schläge versetzen. Nach dem Tode Ermanarichs wird hier Vitiiimiris/Widimir (I.) zum König gewählt. Dieser nimmt Hunnen in Sold und leistet mit ihnen den Alanen noch eine Zeitlang Widerstand. Doch wird er wiederholt geschlagen und fallt schließlich im Kampf. Daraufhin übernehmen die erfahrenen Heerführer Alatheus und Saphrax die Regentschaft für den kleinen Sohn des Widimir (I.), Widirich (I.)269. Mit ihren Goten und Hunnen, denen sich anscheinend bald auch eine größere Schar von Alanen anschloß, wichen die beiden Fürsten bis zum Dnjestr zurück. Als der Versuch, in Abstimmung mit den Terwingen Athanarichs die DnjestrLinie zu halten, gescheitert war, zog der Dreivölkerverband zur Donau ab, wo er im Zusammenspiel mit den Terwingen des Fritigern den Übergang erzwang. In der Forschung herrschte nun längere Zeit die Auffassung, daß der Vinithar des Jordanes mit dem Widimir (I.) des Ammianus und dementsprechend Vandalar mit Widirich (I.) gleichzusetzen seien270. Dies wäre bei der Unsicherheit der Überlieferung vielleicht nicht ganz auszuschließen, ist aus verschiedenen Gründen jedoch unwahrscheinlich, auch wenn die Deutung der Namen Vinithar und Vandalar als ehrende erst später verliehene Beinamen zu akzeptieren ist. Es ist nämlich kaum zu übersehen, daß sich das Schicksal beider Amalerlinien mit den dazugehörigen Verbänden ohne fragwürdige Hilfskonstruktionen kaum auf einen Nenner bringen läßt. Während nämlich die Vinithar-Vandalar-Goten ständig in der alten Heimat blieben und trotz erbittertem Widerstand sich nach einiger Zeit den Hunnen unterwarfen, haben sich die Widimir-Widirich-AlatheusGoten niemals den Hunnen gebeugt und nach mehreren Niederlagen schon um 376 endgültig dem hunnischen Machtbereich entzogen. Dabei ist nun des weiteren zu berücksichtigen, daß Cassiodor-Jordanes vor allem Wert darauf legen, die Rechtmäßigkeit der Herrschaft jener Amalerlinie, der Theoderich selbst entstammte, nachzuweisen und sie unmittelbar auf Ermanarich zurückzuführen, zugleich aber den Anspruch anderer Linien, der möglicherweise gleich gut oder gar besser begründet war, zu verwerfen. So würde sich das völlige Schweigen über die
269
270
Methode insb. LOTTER, Stammesverbände, S. 29 f.; CASTRITIUS, Namenkundliche Argumentation, S. 257 ff. Ammian. XXXI, 3, 1-3, IV, S. 250: ... rex Vithimiris creatus restitit aliquantisper Haianis, Hunis aliis fretus, quos mercede sociaverat partibus suis. Verum post multas ... clades animam effudit... cuius parvi filli Viderichi nomine curam susceptam Alatheus tuebatur et Safrax, duces exerciti...; 4, 12 ; S. 256:... Viderichus Greuthungorum rex cum Alatheo et Safrace, quorum arbitrio regebatur...; 12, 17, S. 286: ... equitatus Gothorum cum Alatheo ... etSafrace Halanorum manupermixta... WOLFRAM, Goten1, S. 313 f.; Goten3'4, S. 253 f.; DERS., Stammbaum, S. 85-88; 97; WAGNER, Amalergenealogie, S. 32 FF.; WENSKUS, Amaler, S. 247 (noch mit Vorbehalt); vgl. aber DERS., Germanische Herrschaftbildungen, S. 217 mit Anm. 2; s. im übrigen oben Anm. 268.
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V. Die gentilen Verbände
bei Ammianus Marcellinus auftretende Linie Withimiris (Widimir I) - Widerichus (Widirich I) gut erklären, die ja im übrigen sich, wie es scheint, später den Westgoten anschloß und erst in ihrem vermutlichen Sproß Eutharich wieder das Interesse der ostgotischen Geschichtsschreiber erweckte. Das Schweigen des Cassiodor/Jordanes ist umso auffälliger, als dieser bekanntlich das Werk des Ammianus Marcellinus benutzte, ihm also die dort genannten Namen der Amai er durchaus bekannt waren. Daß Ammianus Marcellinus wiederum nur deren ostrogotischen Verband kannte, läßt sich seinerseits gut damit erklären, daß allein dieser Verband damals mit den Römern in Berührung kam, während die Vinithar-Vandalar-Goten außerhalb ihres Gesichtskreises verblieben. Das gewichtigste Argument für die Gleichsetzung Vinithar-Widimir und Vandal ar-Widirich war demgegenüber die angebliche Nachbenennung von des letzteren Sohn Widimir (Π) nach Widirichs angeblichem Vater, dem mit Vandalar gleichgesetzten Withimir (Widimir I) des Ammianus271. Gegen diese Gleichsetzung spricht jedoch schon, daß es sich bei Widimir (Π) um den dritten Sohn Vandalars handelt, daß eine Nachbenennung in dieser Form bei den Amalern vorher nicht auftritt und daß sich der Name Widimir auch ganz zwanglos aus dem Prinzip der Variation der Namen der drei Brüder ergibt. Außerdem würde diese Gleichsetzung eine Rückkehr des Widirich-Vandalar zu den hunnischen Goten und somit eine Trennung von seinem Verband voraussetzen. Dies hat wenig innere Wahrscheinlichkeit für sich272. Demgegenüber erfahren wir von Jordanes, daß nach dem Tode König Wallias, den er wiederholt fälschlich erst um 427 ansetzt, wiederum ein wohl noch unmündiger Amaler namens Witirich (Widirich Π) mit seinem Vater Beremu(n)d, angeblich dem Sohn Thorismu(n)ds und als Enkel Hunimunds Nachkomme Ermanarichs in direkter Linie, von den Ostrogoten, die von den Hunnen unterdrückt 271
272
ECKHARDT, N a c h b e n n e n u n g e n , S. 4 2 ff.; WAGNER, Amalergenealogie, S. 32 ff.; WOLFRAM,
Goten1, S. 313 ff.; 317 f.; Goten3'4, S. 253 ff.; 256 f. Die Gleichsetzung wird nicht dadurch wahrscheinlicher, daß man den jüngeren Widimir (ΙΠ), der einen Teil der walamerischen Goten um 473/4 den Westgoten zuführte, dem Zwang der Nachbenennungsthese folgend nach seinem angeblichen Großvater Widerich (I) = Vandalar ebenfalls in Widerich umbenennt; s. WAGNER, Amalergenealogie, S. 32-43; WOLFRAM, Goten1, S. 228-293; DERS., Stammbaum, S. 86ff. Dieser neugewonnene Widirich (=Widimir ΠΙ) kann bei WOLFRAM, Goten1, S. 247f. dann zum Vater Eutharichs werden. Was den älteren Widerich (I) (=Vandalar) anbelangt, erreichen die Unwahrscheinlichkeiten den Höhepunkt, wenn dieser nach seiner Rückkehr zu den Hunnen dort drei tüchtige Söhne zeugt, diese dann aber im Stich läßt, (oder mitnimmt und später wiederum zurückkehren läßt!), um zum zweiten Mal aus dem Hunnenreich zu fliehen, um 427 zu den Westgoten zu gehen und noch um 439 als mindestens 70-jähriger (nicht 60-jähriger!) durch kriegerischen Ruhm im Dienste der Römer von sich reden zu machen, etwa zur gleichen Zeit, als sein angeblicher Sohn Walamir zum König der hunnischen Goten erhoben wurde; s. Stammbaum, S. 83 ff.; 87 f.; Goten1, S. 198; 213; 317 ff.; dazu schon ablehnend WAGNER, Amalergenealogie, S. 34-38. Vgl. auch PLRE Π, S. 1330 sowie die Stammtafeln der Amaler bei CASTRITIUS; LOTTER; WOLFRAM, Goten3'4, S. 370 f., oben Anm. 268.
a) Die Terwingen/Visigoten, die Greutungen/Ostrogoten
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würden, zu den Westgoten gekommen sei, und daß Beremu(n)d sich hier Hoffnungen auf die Nachfolge gemacht hätte273. Während nun durchaus Zweifel angebracht sind, ob der hier genannte Thorismund wirklich in der Amalerdeszendenz und nicht eher im westgotischen Königshaus der Balthen zu suchen wäre274, ist Widirich (Π) zweifellos als echter Amaler anzusehen. Er war - laut Jordanes - nicht nur der Vater Eutharichs, den Theoderich wegen seiner Amalerabstammung zu seinem Schwiegersohn und präsumptiven Nachfolger machte, sondern dürfte auch mit jenem Vitericus identisch sein, der 439 - während des Westgotenkrieges - als selbständig handelnder Truppenfuhrer in römischen Diensten großes Lob erntete275. Dennoch ist bezweifelt worden, ob Eutharichs Vater tatsächlich jener Witirich (Π.) war, der um 418 oder 427 in das Westgotenreich kam. Aus dieser Frage ergibt sich die nach den Lebensdaten Eutharichs. Über sein Alter bei der Heirat mit Amalaswintha liegen zwei auf den ersten Blick sich widersprechende Nachrichten vor. Der Ostgotenkönig Athalarich stellt nämlich um 526 in einem Schreiben an Kaiser Justinus I. fest, sein Vater Eutharich sei nahezu von gleichem Alter wie dieser gewesen, während Jordanes behauptet, Eutharich sei zu der Zeit, als Theoderich von ihm hörte, also jedenfalls vor 315, iuvenili aetate gewesen. Von diesen 273
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Jordan. Get. XXXIII, 173ff., S. 103:... Vallia ... Vandales... voluisset... in Africa persequi... eo videlicet tempore ... Beremud... cum filio Vitiricho ab Ostrogothis, qui adhuc in Scythiae terras Hunnorum oppressionibus subiacebant, ad Vesegotharum regnum migravit vgl. ΧΧΧΠ, 166, S. 101:... duodecimo anno regni Valiae...; femer XLVm, 251, S. 122. ECKHARDT, Nachbenennung, S. 46 f. erklärt in diesem Fall unter Hinweis auf die bemerkenswerte Stelle bei Jordan. Get. LVIII, 298, S. 134: ..Mutharicum Veterici filium Beretmodi et Thorismodi nepotem, Amalorum de stirpe descendentem...recht plausibel, wie der Westgotenkönig und Balthe Thorismund in die Amalerdeszendenz gelangte. Die zahlreichen Parallelen, die Eckhardt anführt, lassen m.E. wenig Zweifel an der Identität des angeblichen Amalers zu. Der Westgotenkönig Thorismu(n)d war, wie die zitierte Stelle erkennen läßt, der Großvater und nicht der Urgroßvater Eutharichs, wie Jordan. Get. XIV, 81, S. 77 fälschlich berichtet, d. h. er wird zum Schwiegervater des Vetericus-Widerich und fällt damit als Glied der Amalerdeszendenz aus; vgl aber CASTRITIUS und WOLFRAM, Goten3'4 wie Anm. 268 u. 272. Demgegenüber kann jedoch Beremu(n)d durchaus als Großvater väterlicherseits des Eutharich bzw. Vater des Vetericus angesehen werden. Der erste Namenbestandteil Ber(e)- erinnert nicht nur an den sagenhaften Gotenkönig Berich, sondern auch an den Gesandten und reichbegüterten Höfling Attilas namens Berichos s. Jordan. Get. IV, 26; XVII, 94; Priscus, ed. BLOCKLEY, frg. 14, S. 292,54 = De Boor, 3, S. 147,10. Zu Berimu(n)d/ Verimodus s. insbesondere CASTRITIUS, Namenkundliche Argumentation. Zum zweiten Namensbestandteil -mund bei Amalemamen s. oben S. 76 mit Anm. 268, dort auch zu den verbesserten Amalerstammtafeln von Castritius, Lotter und Wolfram. Es ist schwer vorstellbar, daß Eutharich dem Cassiodor - auch wenn dieser die Ahnenreihe der Amaler erst später zusammenstellte - dennoch zu Lebzeiten die Namen seines Vaters und Großvaters aus der Amalersippe nicht richtig vermittelt haben sollte, zumal doch gerade die Amalerherkunft Eutharichs ihn nicht nur als Schwiegersohn, sondern auch als Nachfolger Theoderichs empfahl. Es bestand am Hofe Theoderichs doch größtes Interesse daran, die Verwandtschaftsverhältnisse zu klären, und zwar schon zu der Zeit, als Eutharich erst als Bewerber in Betracht gezogen wurde. Prosper, Epit 1337, S. 477: Per idem tempus Vitericus rei publicae nostrae fidelis et multis documentis bellicis clarus habebatur, Jordan. Get. XIV, 81; XLVffl, 251, S. 122; LVIII, 298.
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V. Die gentilen Verbände
Aussagen verdient zunächst die des unmittelbaren Zeugen, des Athalarich bzw. Cassiodors in dem amtlichen Schreiben an den oströmischen Kaiser den Vorzug vor der recht vagen in Lobpreisungen eingeschlossenen Angabe des den Ereignissen zeitlich und örtlich ferner stehenden Jordanes, der als Verfasser dieses Teils der Getica zu gelten hat276. Da nach der amtlichen Mitteilung vom Datum der Geburt des Justinus um oder bald nach 450 auszugehen ist, andererseits Eutharich als vorgesehener Nachfolger Theoderichs gewiß jünger als sein Schwiegervater war, liegt ein Kompromiß auf der Basis des Begriffs iuvenilis-iuvenis nahe277. Tatsächlich reicht die Altersstufe des iuvenis bis zum 50sten Lebensjahr, so daß die Geburt des Eutharich, wenn wir diese Altersangabe ernst nehmen, durchaus noch in den Jahren zwischen 460 und 465 angesetzt werden kann. Ein derartiger Ansatz würde den scheinbaren Widerspruch nahezu auflösen. Wenn wir nun unterstellen, daß, wie mit guten Gründen vertreten wird, der von Jordanes genannte Vater Beremu(n)ds, Thorismu(n)d, kein Amaler war, sondern es sich hier um den gleichnamigen Westgotenkönig, den ältesten Sohn Theoderiths (Theoderich I., 418-451) handelt278, und dieser demnach nicht der Vater Beremu(n)ds, sondern der Schwiegervater von dessen Sohn Widirich (Π), gleichwohl der Großvater Eutharichs war, ließe sich dies mit obigen Folgerungen sehr wohl vereinbaren. Widirich (II), der uns 427 (oder 418) wohl noch in jungen Jahren und 439 als selbständiger Führer eines foederierten Verbandes entgegentritt, könnte bald nach dem Regierungsantritt Thorismunds um 451 dessen Tochter geheiratet und um 460/5 einen Sohn Eutharich gezeugt haben. Dies schließt allerdings seine ebenfalls schon behauptete Gleichsetzung mit Widirich (I) aus, die jedoch auch aus anderen Gründen unwahrscheinlich ist. Immerhin bleibt auffallig, daß sich zweimal minderjährige Amalersprößlinge namens Widirich unter ähnlichen Bedingungen der Hunnenherrschaft entzogen haben sollen. Die Frage erscheint daher nicht abwegig, ob in der Nachricht von der Flucht Beremu(n)ds mit Witirich (II) nicht eine Erinnerung an die Flucht Widirichs (I) mit Alatheus und dem Dreivölkerverband verarbeitet worden ist. Da kaum zu bezweifeln ist, daß die Ostrogoten dieses Verbandes sich 408 unter Athaulf der ,visi'-gotischen Stammesgruppe des Alarich angeschlossen haben, 276
277 278
Cassiodor, Variae VIII, 1, ed. M O M M S E N . S. 231, ed. FRIDH, S. 299: Instino imperatori Athalaricus rex ... atium nostrum ... extulistis ... factus est per arma filius, qui annis uobis paene videbatur aequaevus ...; Jordan. Get. LVHI, 298, S. 134 f.: Theodericus ... comperit Eutharicum ... in Spania degi, iuvenili aetate, prudentia et virtute corporisque integritatepollentem ... Immerhin reicht das Alter des iuvenis gewöhnlich bis ins 50. Lebensjahr, die nächste Stufe stellt bereits die aetas senioris dar, die zur senectus überleitet, s. Isidor ep. Hispal., Ethym. XI, 2,5 f. Demnach vermindert sich die Differenz zwischen den beiden Altersangaben auf ca. ΙΟΙ 5 Jahren; vgl. aber dazu W O L F R A M , Stammbaum, S. 8 5 ff. Zum Geburtsdatum Theoderichs um 4 5 1 s. WOLFRAM, Goten1, S . 3 2 7 ; Goten374, S . 2 6 3 . Prosper Epit. 1371, a. 453, S. 483: ... Thorismodus maximus natu patri successerat ...; vgl. Add. Prosper Havn. a. 451, S. 302. Wenn der Westgotenkönig Thorismu(n)d spätestens um 420 geboren wurde, kann um 453 mit der Existenz einer heiratsfähigen Tochter gerechnet werden. Zu den Nachkommen Theoderichs I. vgl. WOLFRAM, Goten1, S. 246 £f.; Goten3'4, S. 206 ff.
a) Die Terwingen/Visigoten, die Greutungen/Ostrogoten
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liegt es nahe, daß die Amaler der Linie Widimir (I) - Widirich (I), falls Nachkommen noch lebten, auf diesem Wege oder in diesem Zusammenhang in das Westgotenreich gelangten. Hier drängt sich nun das Argument der Nachbenennung in der Tat auf. Nichts liegt näher, als den Namen Witirichs (Π) mit jenem älteren Widirich (I) in Verbindung zu bringen. Freilich ist dieser ältere Widirich, dessen angeborenes Königsrecht im Jahre 376 offenbar nicht bezweifelt wurde, soweit wir wissen, bei den Ostrogoten der Dreivölkergruppe in Pannonien nie zur Herrschaft gelangt. Entweder ist er schon in jungen Jahren verstorben, oder, wie dies in ähnlichen Situationen immer wieder geschehen ist, von den tatsächlichen Machthabern Alatheus oder dessen Nachfolger Athaulf verdrängt oder ermordet worden. Tatsächlich bezeugt Olympiodor in seinem Bericht von der Ermordung des Athaulf, daß dieser Mord ein Akt der Blutrache dafür gewesen sei, daß Athaulf vor längerer Zeit den Herrn seines Mörders, den König eines gotischen Teilstammes, umgebracht habe279. Bei diesem leider nicht namentlich genannten gotischen Teilstammkönig kann es sich kaum um Sarus handeln, da dessen Ermordung auf Veranlassung Athaulfs erst kurze Zeit zurücklag und es fraglich erscheint, ob er als König eines gotischen Teilstamms gelten kann. Jedenfalls trifft diese Bezeichnung eher fur den älteren Widirich zu. Die Ermordung des älteren Widirich durch Athaulf würde sogar erklären, warum die Amaler Beremu(n)d und der jüngere Widirich, möglicherweise die unmittelbaren Nachkommen des älteren Widirich, erst nach dem Tode des Athaulf bzw. seines kurzlebigen Nachfolgers Wallia (t 418) zu den Westgoten stießen, wo sie auch die ihnen vertrauten Stammesbrüder aus dem ostrogotischen AlatheusVerband antrafen. Auch der Herrschaftsanspruch Beremu(d)s würde sich gut erklären, wenn wir in ihm den Sohn des älteren Widirich sähen, der aufgrund des Geburtsrechts als Gefolgsherr der Alatheusgruppe auftrat280. Doch wie dem immer sei, bei den pannonischen Foederaten nahmen jedenfalls die Ostrogoten des Amalers Widirich (I) bzw. seines Vormunds Alatheus eine dominierende Stellung ein. Bei ihnen handelt es sich zweifellos um einen Teil des traditionstragenden Kernstammes, der durchweg aus Berittenen bestanden haben dürfte. Zusammen mit den Hunnen und den Alanen des Saphrax stellten die Foe279
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Olympiodor, ed. BLOCKLEY, fgr. 26, S. 188,6 ff.: Είτα άναιρείται και ' Αδαοϋλφος ... ' Αναιρεί δέ ainòv εις των οικείων Γόθων Δούβιος τούνομα, έχθραν παλαιών καιροφυλακήσαςπάλαι γάρ ήν b τούτου δεσπότης μοίρας Γοθικης ρήξ, iwcò ' Αδασύλφου άν^ρη μένος... b δέ τω πρώτω δεσπότη άμύνων τόν δεύτερον διεχρησατο. Vgl. dazu SCHMIDT, Ostgermanen, S. 459 mit Anm. 2; WOLFRAM, Stammbaum, S. 87 f.; DERS., Goten1, S. 29 f.; 192 ff.; 197 ff.; Goten"4, S. 45 f.; 168 ff.; 171 ff.; 257. Zu Sanis s. unten S. 97 mit Anm. 344 f. Jordan. Get. ΧΧΧΙΠ, 173ff., S, 103: Valila ... rebus humanis excessit eo ... tempore, quo Beremud ... ab Ostrogothis ... ad Vesegotharum regnum migravit. conscius enim virtutis et generis nobilitate facilius sibi credens principatum a parentibus deferre, quem heredem regum constabat esse multorum ...; vgl. jedoch ebda., 175, wo Jordanes behauptet, Beremu(n)d hätte König Theoderich seine Abstammung verschwiegen sciens regnantibus semper regali stirpe genitos esse suspectos...
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V. Die gentilen Verbände
deraten einen Elite-Reiterverband dar, der in der Folge noch oft von sich reden machte. Über die Kampfkraft der Reitertruppen dieses Verbandes äußert sich der Zeitgenosse Vegetius, daß seit dem Auftreten der Goten, Alanen und Hunnen die bis zur Zeit Gratians geübte Bewaffnung und Kampftaktik aufgegeben worden und der nach dem Muster jener Völker ausgerüsteten Reiterei gegenüber den Fußtruppen nunmehr die entscheidende Bedeutung zugekommen sei281. Tatsächlich waren die kampferfahrenen Reitertruppen der pannonischen Foederaten in Zukunft nicht mehr zu entbehren und haben zunächst auch entscheidend zur Stabilisierung der Lage im mittleren Donauraum beigetragen. Während im Jahre 380 in Pannonien noch Hungersnot und Unsicherheit herrschte, scheint mit der Ansiedlung der Dreivölkergruppe eine deutliche Beruhigung eingetreten zu sein. So kann Hieronymus schon zum Jahre 383 berichten, Pannonien habe eine so reiche Getreideernte gehabt, daß es die Überschüsse im Austausch gegen Wein nach Italien verkaufen konnte. Die von jenseits der Donau drohenden Gefahren waren so weitgehend gebannt, daß wohl nicht allzulange nach 383/88 der ehemalige praeses der gallischen Provinz Lugdunensis III, Valerius Dalmatius, sich auf seine unweit von Sopianae-Pécs gelegene Villa als Ruhesitz zurückziehen konnte282. Die Reiterverbände der pannonischen Foederaten treten uns nun in den Feldzügen der kommenden Jahre und Jahrzehnte wiederholt als Elitetruppen im Verband der römischen Feldarmeen entgegen. Zunächst dürften sie durch ihren Einsatz auf Seiten des Theodosius im Jahre 382 dazu beigetragen haben, die früheren Foederaten, die Terwingen-Visigoten, die zuvor von Fritigern angeführt worden waren, zur Erneuerung des alten Bündnisvertrages unter präziseren Bedingungen zu nötigen. Dabei wurden ihnen Siedlungsgebiete wohl in der Moesia Inferior im nördlichen Thrakien zugewiesen und sie verpflichtet, den Grenzschutz zu übernehmen, Soldaten für römische Truppeneinheiten zu stellen und gegebenenfalls mit ihrem Aufgebot unter eigenen Führern dem Kaiser Waffenhilfe zu leisten. Nachdem sich nun im Sommer 383 in Gallien der Usurpator Maximus durchgesetzt, Gratian den Tod gefunden und der zwölfjährige Valentinian Π. nominell die Herrschaft im Westen übernommen hatte, setzte sein fränkischer Heermeister Bauto zur Sicherung des Vorfelds Italiens in Rätien hunnische und alanische Reiterformationen ein, die wohl aus den pannonischen Foederaten rekrutiert waren. 281
282
Vegetius, Epit. rei milit. I, 20, S. 21 f.: Sed in hacparte antiquapenitus consuetudo deleta est; nam licet exemple Gothorum et Alanorum Hunnorumque equitum arma profecerint, pedites constat esse nudatos ... usque ad tempus divi Gratiani et cataphractis et galeis muniebatur pedestris exercitus. Sed... sic detectis pectoribus et capitibus congressi contra Gothos milites nostri multitudine sagittariorum saepe deleti sunt... Ambras., Ep. 73 (Maur. 18), 21, ed. ZELZER, S. 46: ... frumentum Pannoniae quod non severant vendiderunt et secunda Raetia fertilitatis suae movit invidiam; nam... fecunditate hostem in se excitavit...; vgl. Ders., Off. ΙΠ, 7,49, S. 172:... arriserat annifecunditas, invectitio Urbs sola egebat frumento ...; ILS 8987, dazu A. MÓCSY, Rez. Váiady, S. 357 gegen VÁRADY, Jahrhundert, S. 321; vgl. auch PLRE1,241, Valerius Dalmatius 8; FITZ, Verwaltung, S. 1310.
a) Die Terwingen/Visigoten, die Greutungen/Ostrogoten
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Anlaß zu dieser Maßnahme gab ein Einfall der alemannischen Juthungen, der sich in Brandschichten und Hortfunde in Bürgle und Epfach/Abodiacum manifestiert. Bauto scheint jedoch zugleich die Absicht verfolgt zu haben, Maximus durch das Auftreten dieser barbarischen Elitetruppen im Rücken seiner Verbände einzuschüchtern283. Zur gleichen Zeit treten uns am Hofe Valentinians Π. selbst ostrogotische Gardeeinheiten entgegen, die nur mit Mühe zu bewegen waren, zugunsten der Katholiken im Kampf gegen die Arianer um die Basilica Porciana in Mailand einzugreifen284. Auf Spannungen zwischen den Foederaten und der Mailänder Regierung deutet auch im Jahre 387 das Angebot des Maximus, Truppen zur Hilfe gegen die Pannonien so schwer belastenden Barbaren zu schicken, ein Angebot, das natürlich nur ein Vorwand war, um Zugang nach Italien zu gewinnen285. Valentinian Π. floh schließlich vor Maximus in den Osten und traf mit Theodosius in Thessaloniki zusammen. Inzwischen war Maximus über Italien in Pannonien eingerückt und stieß bis Siscia vor, wo er gewaltige Vorräte ansammelte. Obwohl die pannonischen Foederaten mit ihrer Situation unzufrieden waren, versagten sie sich jedoch offensichtlich den Angeboten des Maximus, vor allem wohl aus einer eingefleischten Feindschaft zwischen ihnen und den westgermanischen Truppen und Heerführern der Gallienarmee, der wir auch in der Folge immer wieder begegnen286. So stellten sie sich Theodosius zur Verfügung, der ohne sie und starke visigotische Kontingente aus Thrakien verloren gewesen wäre. Der Panegyriker Pacatus schildert den Einsatz der Foederaten folgendermaßen: „Den Limes räumt die beargwöhnte Schar und tritt dem Soldaten als Helfer zur Seite. Durch des Kaisers Güte angezogen, strömen alle skythischen Völker scharenweise herbei und stellen sich freiwillig der Aushebung, als ob sie befohlen sei. Unter römischen Feldherrn und Bannern marschiert nun der einstige Feind der Römer; die Städte Pannoniens, die er lange verheert und verwüstet hat, besetzt er nun als Soldat; jener Gote, Hunne und Alane meldet sich zum Appell, löst sich im Wachdienst ab und furchtet sich zuweilen vor Disziplinarstrafen!"287 283
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Ambras. Ep. 30 (Maur. 24), 8 (a. 384), ed. FALLER, S. 212: ... Valentinianus Hunnos atque Alanos appropinquantes Galliae per Alemanniae terras reflexit ...; dazu VÂRADY, Jahrhundert, S. 422 ff.; MACKENSEN, Rätien in der Spätantike, S. 217; zum archäologischen Befirnd KELLNER, Datierungsftagen, insb. S. 57 ff. Ambras. Ep. 74 (Maur. 20), 9, ed. ZELZER, S. 113; dazu VÁRADY, Jahrhundert, S. 425; 523; BAUS, HbKG Π, 1,S. 89 ff. Zosim. IV, 42, 5; Π,2, S.310. Zosim. IV, 45, 3; Π,2, S. 313 f.; 440, Anm. 190. Pacat. Pan. Theodos. ΧΧΧΠ, 3-4, (wie oben Anm. 185), S. 497; 665: Postremo populis barbarorum ultroneam tibi operant ferre uouentibus commilitum munus indulges, ut et limiti manus suspecta decederet et militi auxiliator accederei; qua tua benignitate pellectae omnes Schythicae nationes tantis examinibus confluebant, ut quem remiserat tuis, barbaris uidereris imperasse dilectum. ... Ibat sub ducibus uexillisque Romanis hostis aliquando Romanus, et signa contra quae steterat sequebatur, urbesque Pannoniae quas inimica dudum populatione
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V. Die gentilen Verbände
Kein Zweifel, daß Pacatas hier neben den Visigoten den ostrogotisch-hunnisch-alanischen Dreivölkerverband meint, der einst die pannonischen Städte verheert hatte, dann am sarmatischen Ufer zu einer wenig zuverlässigen Grenzwacht eingesetzt worden war und nun dem Kaiser zu Hilfe eilte, um die verhaßten fränkischen Elitetruppen des gallischen Heeres zurückzuschlagen. Die entschiedene Parteinahme der pannonischen Foederaten für Theodosius ist umso bemerkenswerter, als sie erhebliche Engpässe bei der Versorgung mit Lebensmitteln in Kauf nehmen mußten. Tatsächlich gab es bei den visigotischen, zahlenmäßig wohl noch stärkeren aus Thrakien herbeigeholten Kontingenten erhebliche Schwierigkeiten, hier wurden auch verräterische Beziehungen zu Maximus angeknüpft288. Inzwischen war Maximus mit einem Teil seiner Armee über Siscia hinaus nach Osten vorgestoßen, während sein Bruder Marcellinus mit der Hauptmacht auf der Straße von Celeia nach Poetovio vorrückend die pannonischen Donauprovinzen zu gewinnen und damit die Flanke für den Vormarsch in das östliche Dlyrikum abzusichern suchte. Theodosius war währenddessen im Frühjahr 388 in den oberen Saveraum vorgerückt und hatte hier die Reitertruppen der pannonischen Foederaten an sich gezogen. Mit diesen stieß er nun seinerseits gegen Siscia vor, auf das Maximus zurückwich. Das Gefecht von Siscia, über das ebenfalls Pacatas berichtet, war eine überfallartige Überrumpelung der Truppen des Maximus durch die Reiterei des Theodosius, die, nach längerem Anritt von Nordosten her die Save überschreitend, dem zahlenmäßig überlegenen, doch völlig überraschten Gegner eine vernichtende Niederlage beibrachte289. Zweifellos handelt es sich hier wiederum um die Kampftaktik der gotischhunnisch-alanischen Reiterei, die in rasendem Ansturm den Feind zu überreiten pflegte, ehe dieser Zeit fand, sich zur Abwehr zu formieren, die gleiche Taktik, die auch die Schlacht von Adrianopel entschieden hatte. Von der Überlegenheit der schnellen Reiterei der Goten, Hunnen und Alanen über das aufgrund der Barbarisierung nicht mehr in altrömischer Weise durch Panzer und Helm geschützte Fußvolk gibt etwa zur gleichen Zeit Vegetius jene Beschreibung, die fast wie eine kritische Analyse der Schlachten von Adrianopel und Siscia anmutet290. Den entscheidenden Sieg über die Hauptmacht des Maximus errang Theodosius dann in der Schlacht bei Poetovio, die nach der Beschreibung des Pacatas wohl eher in der klassichen Form als pugna stataria geschlagen wurde, wobei eine
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uacuauerat, miles impleverat. Gothus ille et Chunus et Haianus respondebat ad nomen et alternabat exeubias et notari infrequens uerebatur ...; dazu VÁRADY, Jahrhundert, S. 47-58, der nur den hier erwähnten Limes-Abschnitt irrig in der Pannonia Π und Savia sucht. Pacat. Pan. Theodos. XXXII, 5, S. 498; 665: ... Quin ... inopiampatienter ferebat et... annonam comparcendo laxabat...; Ambros. Ep. 74 (Maur. 40), 22, ed. ZELZER, S. 67: ... Frumentum non habebas ad exercitus alimoniam... Pacat. Pan. Theodos. XXXIV, S. 499 ff.; 666: Testis es, Siscia, testis pulcherrimi, Saue, conflictus ...Fix fluuium manus inuicta transierat... Vix hostem inuenerat; iam urgebat... iam terga caedebat... continuisquefitneribus cuncta late operiuntur...; VÁRADY, Jahrhundert, S. 58 ff. S. oben Anm. 281.
a) Die Terwingen/Visigoten, die Greutungen/Ostrogoten
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schlachtentscheidende Rolle der auf den Flügeln aufgestellten Reiterei nur zu vermuten ist291 . Bald nach dem Sieg über Maximus scheint Theodosius die Foederaten wiederum in ihre pannonischen und thrakischen Siedlungsgebiete entlassen zu haben, weil er nach Italien offensichtlich nur mit den regulären Einheiten der römischen Armee, nicht aber mit den barbarischen Reitern einrücken wollte292. Die Niederwerfung der Usurpation des Maximus verschaffte Theodosiiis nur eine kurze Atempause, die durch den Aufstieg des fränkischen obersten Heermeisters Arbogast im Westen, neue Barbareneinfalle über die untere Donau und den davon ausgelösten Aufstand von Visigoten im Osten bald wieder überschattet wurde. Erst nach längeren verlustreichen Kämpfen konnte der neuernannte Heermeister Stilicho in Thrakien den Verband, als dessen Führer erstmal der mösogotische „Balthe" Alarich auftrat und bei dem sich einem (vesi-)gotischen Kern wiederum andere Gruppen, u.a. wohl Hunnen, Alanen und Sarmaten angeschlossen hatten, im Jahre 392 wieder befrieden293. Bald nach der Unterwerfung der Visigoten Alarichs kamen aus dem Westen die Nachrichten vom gewaltsamen Tod des Valentinian Π. und der Usurpation des Eugenius. Diesem fiel 393 auch Italien zu294. Der neuerlichen, mit einer heidnischen Reaktion verbundenen Bedrohung konnte jetzt wiederum nur mit Hilfe der pannonischen und thrakischen Foederaten wirksam begegnet werden. Theodosius bot eine gewaltige Streitmacht auf, die sich neben den regulären Einheiten wiederum aus den geschlossenen Aufgeboten der Foederaten zusammensetzte. Die unterschiedliche ethnische und geographische Herkunft der Foederatenkontingente spiegelt sich auch in der Aufteilung der Kommandogewalten wider. Die regulären römischen Truppen wurden von den Heermeistern Timasius und Stilicho, die zahlreichen Foederatenverbände von dem Goten Gainas und dem ,heidnischen' Alanen Saul befehligt, neben ihnen nennt Zosimus als Anfuhrer noch den Armenier Β akurios, nur Sokrates erwähnt in einer sehr summarischen Zusammenfasung die Teilnahme Alarichs als Verbündeten des Theodosius295. 291
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Pacat. Pan. Theodos. XXXV f., S. 501 ff.; 666 f.: ... diuisi in cornua équités... dispositele manipulatim cohortes ... disciplina uincebat; dazu VÂRADY, Jahrhundert, S. 60 f., jedoch mit zu weitgehenden Folgerungen im einzelnen. Zu den anderen Quellen und Literatur vgl. SASEL, Claustra, Nr. 12, 14, 24, 31, 41, 46; DUVAL, Aquilée sur la route, 265 f.; BRATO¿, Christianisierung, 334. Ambros. Ep. 74 (Maur. 40), 22, ed. ZELZER, S. 68: Ego cum periculum summum esset ne Alpes infida barbarorum penetrarent Consilia, intra ipsum Alpium vallum victoriam tibi contuli, ut sine damno vinceres, etsi... de mimico tuo; dazu VÁRADY, Jahrhundert, S. 62 f.; SASEL, Claustra, S. 27 f. Zosimos IV, 45, 3 f.; 48 f., Π,2, S. 313-318; 442^47; Claudian. Cons. Stilich. I, 94-115, S. 192 f.; WOLFRAM, Goten 1 , S. 2 7 f.; 159-162; Goten 3 ' 4 , S. 142-144; DERS., Studien I, S. 11 ff.;
VÁRADY, Jahrhundert, S. 75 ff.; DEMOUGEOT, Formation Π, S. 156 f.; DIES., Unité, S. 236 ff. 294
S T E I N , B E I , S. 2 1 6 FF.
295
Zos. IV, 57, 2f.; 58; Π,2, S. 213 ff; V, 5, 4; ΙΠ,Ι, S. 221; Johann. Antioch. FHG, frg. 187, S. 609 b; Socrat. Hist. Eccl. VII, 10, S. 747 f.; dazu WOLFRAM, Goten1, S. 162 f.; Goten3'4, S. 144 f.; VÁRADY, Jahrhundert, S. 78-87. Die Quellen und Literatur zum Bürgerkrieg und
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V. Die gentilen Verbände
Während Saul demnach offenbar einen starken alanischen Verband befehligte, war Alarich wohl als Führer eines gotischen Teilverbandes, sicherlich von Visigoten, Gainas unterstellt. Offenbar haben verschiedene gotische Gruppen am Feldzug teilgenommen, ebenso wie wir auch von starken Verbänden thrakischer Hunnen hören. Die pannonischen Foederaten sind demnach in diesem Vielvölkeraufgebot nicht deutlich auszumachen, doch spricht manches dafür, daß Saul als Nachfolger des Saphrax den alanischen Verband der Foederaten anführte. Über Saul erfahren wir anläßlich Claudians Schilderung der Schlacht von Pollentia im Jahre 402, er sei der praefectus gentis Alanae gewesen, und die Treue dieses von Narben bedeckten Anfuhrers hätte vorher zu Zweifeln Ani aß gegeben, doch habe er durch seinen Tod im Kampf gegen Alarich diesen Zweifel ausgelöscht296. Er muß also schon längere Zeit eine etwas fragwürdige Rolle als Verbündeter Roms gespielt haben. Zu dieser Zeit dürften die gotischen und hunnischen Verbände der pannonischen Foederaten schon mit Alarich sympathisiert, ja vielleicht auch schon auf seiner Seite gekämpft haben. Für ein Zerwürfiiis unter den pannonischen Foederaten und die Abspaltung der Alanen unter Saul spricht auch eine Bemerkung des Orosius, daß nicht nur die beiden Verbände der Goten unter Alarich und Radagaisus, sondern auch die Alanen und Hunnen sich gegenseitig häufig bekämpften297. Vermutlich kam es schon während des Feldzugs gegen Eugenius zu engeren Kontakten zwischen den ostrogotisch-hunnischen Foederaten aus Pannonien und den Visigoten Alarichs. Beide Gruppen dürften wohl im wesentlichen die 20.000 Mann Goten ausgemacht haben, die als foederierte Hilfstruppen Theodosius folgten, von denen laut Orosius in der Schlacht am Frigidus 10.000 gefallen sein sollen298. Die wohl nicht ganz unbegründete Meinung, daß Theodosius die regulären Truppen geschont und die foederierten Goten bewußt geopfert habe, dürfte insbesondere für die Schlacht am Frigidus behandeln SASEL, Claustra; PASCHOUD, Zosime 11,2, S. 474-500; DERS., Pour une ... anniversaire, bes. S. 279; BRATOZ, Bitka pri Frigidu; SPRINGER, Die Schlacht am Frigidus; DUVAL, Les aurea filmina. Zum Charakter und zur Bedeutung der Schlacht vgl. DEMANDT, Entscheidungsschlachten; BRATOÉ, Christianisierung, S. 3 3 8 ff.; LIPPOLD, Schlußbetrachtungen, S. 3 6 7 ff. 296
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Claudian., Bell. Poll., 581-603, S. 280 f.: ... externis praecepta ferebat auxiliis. Ibat patiens dicionis Alanus, ... mortemque petebat pro Latio ... mandante procul Stilichone citatis acceleravit equis Italamque momordit harertam... qui male suspectam nobis impensius arsit vel leto purgare fldem ...; Orosius VII, 37, 1 ff. ed. LIPPOLD, Π, S. 370 ff.; 518 f.: ... apudPollentiam ... cum barbaro et pagano duci, hoc est Bauli, belli summa commissa est...; vgl. VÁRADY, Jahrhundert, S. 82-86. Die Zweifel an der Treue Sauls und seiner Alanen erinnern an die limiti manus suspecta bei Pacatus, s. oben Anm. 287. Orosius VII, 37, 3, (fortan stets:) ed. LIPPOLD, Π, S. 372; 519: Taceo de ipsorum inter se barbarorum crebris dilacerationibus, cum se invicem Gothorum cunei duo, deinde Alani atque Huni variis caedibus populabantur. Jordan. Get. XXVHI, 145, S. 96:... imperator contra Eugenium tyrannum... plus quam viginti milia armatorum fideles sibi ... duxit; Orosius VII, 35; 19; Π, S. 364, 285: ... absque Ulis decern milibus Gothorum, quos praemissos a Theodosio Arbogastes delesse funditus fertur: quos utique perdidisse lucrum et vinci vincere fuit...; vgl. Rufinus, Hist. eccl. Π, 33, Sp. 539 f.; s. ferner Zosim. V, 5,4; ΙΠ,Ι, 11, S. 89 ff.
a) Die Terwingen/Visigoten, die Greutungen/Ostrogoten
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beide Kontingente noch enger verbunden haben. Alarich selbst fühlte sich im übrigen zurückgesetzt, da ihm nur das Kommando über einen Teil der Foederaten und nicht der Oberbefehl übertragen worden war299. Der Aufruhr der Foederaten veranlaßte Stilicho, nach errungenem Sieg über Eugenius und dem kurze Zeit darauf erfolgten Ableben des Theodosius diese Truppen Anfang 395 in ihre Heimat zu entlassen. Ausschreitungen dieser Barbaren auf dem Heimweg veranlaßten ihn, auch die Subsidienzahlungen einzustellen, was freilich den Aufstand - zumindest der Visigothen - erst recht anheizte300. Manches spricht allerdings dafür, daß mit den Visigothen auch die pannonischen ,Reichsbarbaren' sich empörten und gemeinsam mit andern Barbaren, nämlich Markomannen, Quaden, Wandalen und Sarmaten, die über die mittlere Donau vorbrachen, Pannonien heimsuchten. Claudian hebt dabei, wie Varady richtig gesehen hat, von den „scheußlichen" Hunnen und „unbefriedeten" Alanen die pannonischen Foederaten gleicher Stammeszugehörigkeit ab301. Erst 399 gelang es Stilicho, die Foederaten wieder in Pflicht zu nehmen und die mittleren Donauprovinzen zu pazifîzieren. Zu den Befriedungsmaßnahmen gehörte schon um 397 die Aufnahme eines markomannischen Stammesverbandes als Foederaten in der Pannonia I302, die Wiederherstellung der Limesorganisation an der Ripa Sarmatica in der Valeria und Pannonia /7303 und schließlich die erneuerte Steuerveranlagung für die pannonischen Provinzialen304. 299
Zosim. V, 5, 4; ΠΙ,Ι, S. 11; 89 f.: ...' Ρουφίνος ... στασιάζοντα καΐ άλλοτριώσαντα των νόμων εαυτόν εθεώρησεν ' Αλάριχον ήγανάκτει γαρ ότι μή στρατιωτικών ήγεΐτο δυνάμεων άλλα μόνους είχε τούς βαρβάρους, οΐ>ς Θεοδόσιος έτυχεν aincp παραδούς 6τε σόν αΊπω την Ευγενίου τυραννίδα καθειλε. Vgl. VÁRADY, Jahrhundert, S. 80 f.; 87 ff.; DEMOUGEOT, Unité, S. 117 f.
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Zosim. V, 4, 2; m , l , S. 10; Jordan. Get. XXIX, 146, S. 96: ... Theodosius ... rebus excessif humarás coeperuntque eius filii utramque rem publicam ... adnihilare auxiliariisque suis, id est Gothis, consueta dona subtrahere, mox Gothis fastidium eorum increvit...; dazu VÁRADY, Jahrhundert, S. 90 ff. Hieronymus, Ep. 60, Epitaph. Nepot. 2 f., a. 396, S. 570 f.: ... viginti et eo amplius anni sunt, quod inter Constantinopolim et Alpes Iulias cotidie Romanus sanguis effiinditur. Scythiam, Thraciam, Macedoniam, Thessaliam, Dardaniam, Daciam, Epiros, Dalmatiam cunctasque Pannonias Gothus, Sarmata, Quadus, Alanus, Huni, Vandali, Marcomanni vastant... Romanus orbis ruit...; Claudian. Rufin. Π, v. 36-53: ... Geticis Europa catervis ludibriopraedaeque datur frondentis ad usque Dalmatiae fines; Omnis quae mobile Ponti aequor et Adriaticas tellus interiacet undas squalet... Nam plaga Pannoniae miserandaque moenia Thracum Arvaque Mysorum iam nulli flebile damnum ...; Rufin. Π, v. 270 f.: ... nos aut turpibus Hunis aut impacatis fámulos praebebit Alants ...; s. VÀRADY, Jahrhundert, S. 93-107; 115-127, freilich immer mit dem Ziel, die Unversehrtheit der Valeria zu betonen, ohne wirkliche Zeugnisse dafür beibringen zu können. S. dazu unten S. 100, Anm. 356. Claudian, Epithalam. Pall. V. 85-89, a. 399, S. 305:... cunctorum tabulas adsignat honorum ... cuneosque recenset dispositos: quae Sarmaticis custodia ripis, quae saevis obiecta Getis ..., vgl. VARADY, Jahrhundert, s. 127-136.
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Claudian., Cons. Stilich. m, v. 12 f., a. 400, S. 221: ... Hic estfelix bellator ubique ... Rheni pacator et Histri...; ebda., Π, v. 191-207, a. 399, S. 209: ... Hinc obsidione solutus Pannonius
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V. Die gentilen Verbände
Der Frieden dauerte freilich nicht lange. Im Jahre 401 erhoben sich in Raetien und Ufernorikum angesiedelte Foederaten, vermutlich im Zusammenhang mit einem Einfall von Wandalen, zumal es sich bei den Rebellen selbst um Wandalen gehandelt haben könnte305. Der Aufstand der Foederaten und die Fesselung der römischen Truppen im Ostalpenraum ermöglichte es wiederum dem inzwischen zum König erhoben Alarich — vielleicht nicht ohne einen Anstoß von oströmischer Seite- mit seinem starken Verband von .Visigoten' in das Westreich einzubrechen und unversehends über die Mischen Alpen nach Norditalien zu gelangen306. Alarich, der noch 397 von Arcadius zum illyrischen Heermeister ernannt worden war, sah nach dem Sieg der antigermanischen Reaktion und dem Sturz des Gainas in potorque Savi, quid clausa tot annis oppida laxatis ausus iam pandere portis ... agnoscit casas ... exsectis, inculta dabant quas saecula, silvis restituii terras et opacum vitribus Histrum consent ...; s. auch oben Anm. 99; dazu VARADY, Jahrhundert, S. 137-151; 160-170; DEMOUGEOT, Unité, S. 205-208. 305
Die Vorgänge sind unklar und nur aus vagen Andeutungen bei Claudian, Bell. Poll. v. 363-403 u. 414 f., S.273 f. zu entnehmen:... iam foedera gentes exuerant Latiique audita clade feroces Vindelicos saltus et Norica rura tenebant... ducis aspectu cuncti stupuere rebelles ... Getici fiducia belli erigit ... nascentia bella repressit et bellos quaesivit opes legitque precantes auxilio mensus numerum, qui congruus esset nec gravis Italiae ... adcurrit vicina manus, quam Raetia nuper Vandalicis auctam spoliis defensaprobavit...; vgl. ebda., v. 278 ff. Von der Ansiedlung wandalischer Foederaten in Pannonien etwa um 335-337 durch Constantin berichtet Jordanes, Get. ΧΧΠ, 114 f., S. 87: ... perpauci Vandali... collecta imbellium suorum manu, infortunata patria relinquentes Pannoniam sibi a Constantino principe petierunt ibique per IX annos plus minus sedibus locatis imperatorum decretis ut incolae famularunt. Unde iam post longum ab Stiliconae mag. mil. invitati Gallias occupaverunt... Die Nachricht kann nicht völlig in den Wind geschlagen werden, sie geht auf die Gotengeschichte Cassiodors zurück, wie die geographische Präzisierung erkennen läßt. Vgl. auch Latere. Veron. ΧΙΠ, 28; ND Or. XXVm, 25. Befehlshaber dieser Ala octava Vandilorum in Ägypten könnte der Vater Stilichos gewesen sein, s. Claudian, Cons. Stilich. I, v. 36 ff., S. 190. Den Einsatz von Barbaren zum Grenzschutz in Rätien im 4. Jh. bezeugt auch die Notitia Oc. XXXV, 31: Tribunus gentis per Raetias deputatae, Teriolis. Die Erwähnung Noricums läßt im übrigen auch an markomannische Foederaten denken, s. dazu unten S. 100 f. mit Anm. 356 f. Tatsächlich schützte Rätien eine vicina manus vor dem Angriff einer wandalischen Stammesgruppe, wie ihn Claudian, Bell. Polent., v. 414 f., S. 274 schildert: quam Raetia nuper Vandalicis auctam spoliis defensa probavit. In den Angreifern haben wir wohl eher silingische Wandalen zu sehen, da der Einfall offenbar Pannonien noch nicht berührte und die asdingischen Wandalen wohl eist in Zusammenhang mit der Völkerlawine des Radagaisus in Bewegung gerieten; vgl. dazu DEMOUGEOT, Formation II, S. 171 ff.; 3 1 4 f.; VÁRADY, Jahrhundert, S. 180 ff, d e m ich hier
weitgehend folge; vgl. aber demgegenüber SCHMIDT, Wandalen, S. 13 ff. 306
Fasti Vindob. pr. a. 401; Prosper Havn. Add., S. 299; Jordan. Get. XXIX, 147, S. 96: ... Halaríais creatus est rex, ...et sumpto exercitu per Pannonias ...et per Sirmium dextroque latere quasi viris vacuarti intravit Italiam nulloquepenitus obsistente...; Claudian. Bell. Poil. v. 278288, S. 270: ... perfìdia nacti penetrabile tempus, irrupere Getae ... geminis clades repetita tyrannis famosum vulgavit iter nec nota fefellit semita praestructum bellis civilibus hostem. Per sólitas venere vias ... Durch den Einsatz gegen die Usurpatoren Maximus und Eugenius kannten die Goten den Weg, der ihnen durch Verrat geöffnet wurde. Aus dem Zusammenhang ergibt sich, daß hier eher an den Abfall der Foederaten in Noricum und Rätien als etwa ein verräterisches Einverständnis Alarichs mit den Führern der pannonischen Foederaten des Dreivölkerverbandes zu denken ist. Vgl. BRATOZ, L'Isonzo, S. 28 ff.
a) Die Terwingen/Visigoten, die Greutungen/Ostrogoten
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Konstantinopel um 400 seine Stellung im Ostreich mehr denn je gefährdet. Er glaubte nun, die offensichtliche Schwäche des Westreiches dazu nutzen zu können, die Existenz seines Gotenverbandes besser abzusichern. Dieser Vorstoß scheint den Zerfall der Foederaten weiter gefördert zu haben. Während die Alanen Sauls Stilicho bei der Verteidigung Italiens entscheidende Hilfe leisteten307, hat wohl nur ein Teil der Goten und Hunnen, die schon vorher als buccellarii oder in Einheiten des römischen Heeres dienten, sich Stilicho zur Verfügung gestellt. Die Masse der Goten und Hunnen, die wohl weitab vom Marschweg Alarichs in der Pannonia I stand, sympathisierte demgegenüber, wie wir sahen, wohl schon seit den gemeinsamen Feldzügen gegen Maximus und Eugenius mit den Visigothen, falls die alten Beziehungen aus der Zeit des Alatheus und Fritigera überhaupt je abgerissen waren. Jedenfalls dürften die jetzt unter den Befehl des Athaulf stehenden gotisch-hunnischen Foederaten Alarich bei seinen Unternehmungen gegen Rom zumindest Rückendeckung, wenn nicht aktive Unterstützung, gewährt haben. Sie sind es vielleicht auch, die nach Alarichs Scheitern bei Verona und während der Blockade durch die Truppen Stilichos zum Teil wieder die Seite wechselten308. Nach dem Abzug Alarichs scheinen sie nach Pannonien zurückgekehrt zu sein, während der visigotische Verband Alarichs sich in abgelegene Gebiete Dalmatiens und Pannoniens zurückzog und hier regenerierte309. Inzwischen ließ auch Stilicho die Kontakte mit Alarich nicht abreißen und ernannte ihn schließlich, wie bereits erwähnt, im Jahre 405 zum illyrischen Heermeister mit der Aufgabe, das oströmische Ostillyricum für das Westreich wieder in Besitz zu nehmen310. Doch noch im Herbst des Jahres wurde der Donauraum von einer neuen Katastrophe heimgesucht, die letztlich das Endstadium der Zerstörung des weströmischen Reiches einleitete. Eine Völkerlawine bisher nicht gekannten Ausmaßes durchbrach die mittlere Donaufront, überrollte Pannonien und erreichte in kurzer Zeit Norditalien und Rätien. Die Quellen erlauben uns wiederum nicht, die Vorgänge im einzelnen genau zu rekonstruieren. Sicher übertreibend wird die Gesamtzahl der Invasoren von Zosimos mit 400.000, die des im Sommer 406 bei Fiesole vernichteten Gotenverbandes des Radagais von mehreren Autoren mit 200.000 wiedergegeben311. Aufschlußreich dürfte die Angabe der Chronica Gallica 307 308
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S. dazu oben S. 86 mit Anm. 296 f. Ebda., v. 250-259, S. 244: ... iamque frequens rarum decerpere transfuga robur coeperat... nec iam deditio paucis occulta parari, sed cunei totaeque palam discedere turmae ...; WOLFRAM, Goten1, S. 180 ff.; Goten3'4, S. 159 ff. Sozomenos IX, 4, 4, S. 395: ... b μέυ ' Αλάριχος εκ της πρός τη Δαλματία καί Παννον'ιςι βαρβάρου γης, ου διήγεν, παραλαβών τούς im' αΊπόν ήκεν εις τάς ' Ηπείρους .... Es könnte sich hier durchaus auch um nicht urbanisierte und romanisierte Gebirgsgegenden in Ostdalmatien handeln, in denen illyrische Stämme, aus denen später die Albaner hervorgingen, barbarische Lebensart bewahrt hatten. S. dazu oben S. 12 mit Anm. 31. Zosimos V, 26, 3, m , l , S. 39; 200 f.: ... 'Ροδογάισος εκ των iacèp τόν "Ιστρον καί τόν
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V. Die gentilen Verbände
sein, wonach die zunächst unter Führung des Radagais gemeinsam angreifenden Völkerscharen sich bald in drei Heere unter verschiedenen Führern aufteilten und die bei Fiesole vernichteten Goten nur einen Teil der Angreifer umfaßten312. Dies bedeutet offenbar, daß auch die um die Jahreswende 406/7 über den Mittelrhein nach Gallien vorstoßenden Stammesgruppen der (asdingischen und der silingischen) Wandalen, Alanen und Quadensueben sowie weitere Stammesplitter der Gepiden, Sarmaten und Heruler ursprünglich zu der Völkerlawine gehört und gemeinsam mit Radagais die mittlere Donau überschritten haben313. Denn alle diese Völker saßen vor der Invasion jenseits der mittleren Donau von der Slowakei über die Theißebene und Transsilvanien bis hin zum Banat. Daraus ergibt sich, daß wohl die gesamte Limesverteidigung der Donaufront der Valeria und nördlichen Pannonia Π bis hin zur Dravemündung zusammenbrach. Die römischen Einheiten verließen vielfach fluchtartig ihre Stützpunkte, wie kaiserliche Erlasse verraten314, oder gingen - wie vermutlich die alanischen Foederaten und pannonischen Kolonen - zu den Angreifern über315. Die gewaltige Wanderbewegung ist ohne Zweifel durch die Hunnen ausgelöst worden, die über die Karpaten und von der Walachei her gegen die mittlere Donau vorrückten. Alle Stammesverbände, ' Ρηνον Κελτικών τε και Γερμανικών έθνων ές τεσσαράκοντα συναγαγών μυριάδας εις τήν ' Ιχαλ'ιαν ώρμη-ιο διαβηναι ... Orosius VE, 37, 4, ed. L I P P O L D , Π , S . 372; 519: ... Radagaisus ... totam inundavit Italiani. Nam fiiisse in populo eiusplus quam ducenta milia Gothorum ferunt...; Marcellin. Chron. a. 406, S. 68: ... Radagaisuspaganas et Scytha cum ducentis milibus suorum totam Italiam inundavit...; vgl. Jordan. Rom. 321, S. 41; laut Augustin, Civ. Dei V, 23, ed. DOMBART/KALB, S. 159 war das Gotenheer des Radagaisus nur „weit über 100.000 Mann stark"; dazu DEMOUGEOT, Fonnation Π, S. 421-427; VÁRADY, Jahrhundert, S. 189-205, der es im Banne seiner Urbaricationstheorie fertigbringt, seine Valeria auch die Radagais-Invasion unversehrt überstehen zu lassen. Vgl. auch PLRE Π, 934, Radagaisus; DuVAL, Invasions, S. 280; S A S E L , Claustra, S. 41. Zum archäologischen Befund s. ROEREN, Archäologie, S. 223; 245; 261. 312 Chron. Gall. A. CCCCLII, 52, XII, S. 652: ... Radagaisus occubuit. cuius in tres partes per diversos principes divisus exercitus aliquam repugnandi Romanis aperuit facullatem.insigni triumpho exercitum tertiae partis hostium circumactis Chunorum auxiliariis Stilico ... delevit ... Auch Zosimos V, 26, 3 (wie Anm. 311) läßt erkennen, daß zahlreiche Völker,jenseits von Donau und Rhein" sich unter Führung des Radagais in Bewegung setzten. 313 Hieronym. Ep. 123, a. 409, S. 92: ... quod Oceano Rhenoque concluditur, Quadus, Vandalus, Sarmata, Halani, Gypedes, Heruli, Saxones, Burgundiones, Alamanni... vastaverunt ...; vgl. oben S. 32, Amn. 100. Demgegenüber nennen Chron. Gall. A. DXI, S. 653; Orosius VE, 38, 3; Π, S. 378; 521; Zosimos, VI, 3, 1; ΙΠ,2, S. 7; 28 ff.: insbesondere Alanen, Wandalen und Sueben; Prosper Epit. 1230, S. 465; Prosper Havn. Add. a. 406, S. 299; Jordanes Get. XXX, 161, S. 100; Frigeridus bei Gregor Tur., Hist. II, 9, S. 55 f.: nur Alanen und Wandalen. Zum archäologischen Befund s. R O E R E N , Archäologie, insb. S. 223; 245; 261; P L E S N I Í A R / G E C , Emona 1972, S. 372 f.; N A G Y , Aquincum, S. 378 f. 314 Cod. Theod. VII, 18, 15,406 Mart. 24, S. 348: ... qui relictis militaribus castris se ad depraedationes vel latrocinium contulerint, severitatem publicam non évadant. Ahnliche Verordnungen waren schon im Laufe des Jahres 403 mehrmals erlassen worden, s. ebda., 18, 11-14, S. 347 f. Zum archäologischen Befund s. ROEREN, Archäologie, insb. S. 223; 245; 261. 315 Die Alanen sind seit der Radagaisinvasion aus Pannonien verschwunden, s. oben Anm. 313; tinten Anm. 318.
a) Die Terwingen/Visigoten, die Greutungen/Ostrogoten
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die sich damals nicht dem Auszug anschlössen und uns in der zweiten Hälfte des 5. Jh. im mittleren Donauraum begegnen, gerieten spätestens damals unter hunnische Herrschaft. Aus den Nachrichten über die Gallieninvasion und die Niederlassungen in Spanien lassen sich in etwa die Anführer und die Zusammensetzung der beiden anderen Heeresverbände entnehmen. Einen Verband bildeten Alanen unter der Führung des Königs Respendial, dem sich vermutlich später im Mainraum die silingischen Wandalen anschlossen. Sie besetzten den Westen und Süden Spaniens, die Lusitania, Carthaginiensis und Baetica316. Ein weiterer alanischer Verband tritt uns unter Führung des Königs Goar entgegen. Da dieser bald nach dem Einbruch in Gallien es vorzog, sich trotz der verzweifelten Situation der Römer mit diesen zu arrangieren und einen Bündnisvertrag zu schließen317, könnte es sich hier vielleicht im Kern um das alanische Kontingent des Dreivölkerverbandes handeln, das sich im Jahr zuvor den Invasoren angeschlossen haben muß. Dies läßt sich auch dadurch untermauern, daß die barbarischen Hilfstruppen des Stilicho im Kampf gegen die Radagais-Goten sich anscheinend nur noch aus Hunnen und Goten zusammensetzten, demnach die alanischen Foederaten - im Gegensatz zu den Kämpfen gegen Alarich 401/2 nunmehr keine Rolle mehr spielten318. Da einige Jahre später sich auch die Athaulf-Goten von der hunnischen Komponente trennten und sich dem Verband Alarichs anschlossen, kündigte sich hier bereits der Zerfall des Dreivölkerverbands in seine Bestandteile an. Das Kampfbündnis der drei Völker hat demnach die ethnischen Gegensätze auf die Dauer nicht ausgleichen können. Den Kern des anderen Verbandes bildeten die asdingischen Wandalen unter ihrem König Godegisel und später dessen Sohn Gunderich. Ihm haben sich offenbar die benachbarten Quadensueben angeschlossen, denn beide Stammesgruppen suchen sich später gemeinsam in Galaecia in Nordwestspanien neue Wohnsitze319. Eben dies könnte auch dafür sprechen, daß die asdingischen Wandalen 316
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Gregor. Tur. Hist. Π, 9, S. 55 f.; Hydat. Lem. 49, S. 18: ... Alani Lusitaniam et Carthaginiensem provincias, et Vandali cognomine Silingi Baeticam sortiuntur ...; s. dazu BACHRACH, Alans, S. 52-56; kurz PLRE Π, 950, Respendial. Gregor. Tur., Hist. Π, 9, S. 55 f: ...Goare ad Romanos transgressa, de Rheno agmen suorum convertit...', zu Goars Alanengruppe s. des weiteren BACHRACH, Alans, S. 59-71; PLRE Π, S. 514 f., Goar. Orosius VU, 37, 12, ed. A. Lippold, Bd. 2, S. 374; 520: ... adsunt Uldin et Sarus, Hunorum et Gothorum duces, praesidio Romanorum ...; Jordan. Rom. 321, S. 41: ... Huldin et Sarus Hunnorum Gothorumque reges ...; Maicellin. Chron. a. 405, 3, S. 69; dazu VÁRADY, Jahrhundert, S. 200-218. Sarus ist der Anführer gotischer Foederatenreiterei, Uldin dagegen ein hunnischer Fürst, der vorher im Bereich der unteren Donau auftrat, s. dazu THOMPSON, Attila, S. 29 f.; 32 f.; 58 ff. Alanen werden neben Hunnen nur noch bei dem hier ungewöhnlich schlecht unterrichteten Zosimos V, 26,4; ΙΠ,Ι, S. 38; 201f. genannt. Zum Anschluß der alanischen Foederaten des Dreivölkerverbandes an die Wandalen s. BACHRACH, Alans, S. 51 ff. Gregor. Tur. Hist. Π, 9, S. 55 f.: ... Wandalis Francorum bello laborantibus Godigyselo rege absumpto ...; ebda., Π, 2, S. 39:... Wandali... cum Gunedrigo rege in Gallias ruunt... Spanias
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V. Die gentilen Verbände
nicht schon 401, sondern erst zusammen mit den (Quaden-)Sueben in Abstimmung mit Radagais und den anderen Stammesverbänden ihre Sitze im oberen Theißbecken verlassen haben. Daß es sich bei den mit ihnen ziehenden Sueben im wesentlichen um die alten Quaden handelt, bezeugt Hieronymus320, auch spricht dafür gerade ihre Nachbarschaft zu den asdingischen Wandalen und der Umstand, daß die Quaden in der Südslowakei321 der unmittelbaren Bedrohung durch die Hunnen weit stärker ausgesetzt waren als die weiter westlich sitzenden und großenteils wohl schon als Foederaten in das römische Verteidigungssystem integrierten Markomannen322. In Nordwestspanien (Galaecia) treten uns die (Quaden-) Sueben bald wieder unter eigenen Königen entgegen, nachdem sie sich ihrerseits von den asdingischen Wandalen abgesetzt hatten. Diese vernichteten um 422 ein römisches Heer, stießen ihrerseits an die südostspanische Küste vor und setzten schließlich unter Führung Geiserichs im Jahre 429 nach Africa über, wo sie zur eigenen Reichsgründung schritten323. Wo nun die Masse der Goten des engeren Radagais-Verbandes herstammt, geht aus den Quellen nicht hervor. Die Erwähnung von 12.000 „Optimates", die in Fiesole geschlossen in die römische Armee aufgenommen wurden, spricht dafür, daß ein traditionstragender Kern die unmittelbare Gefolgschaft des Radagais bildete324. Radagais und sein engeres Gefolge scheinen fanatische Heiden gewesen zu sein, während sich andererseits auch Arianer unter den Invasoren befunden haben325. Alle diese Indizien lassen keine klare Entscheidung zu, doch liegt näher, daß der Kern dieser Goten nicht schon wieder ein ostrogotischer Verband war, wie solche sich schon wiederholt der hunnischen Herrschaft entzogen hatten, sondern es sich hier eher um den im „Caucaland" in Südsiebenbürgen bzw. dem Banat verbliebenen heidnischen Visigotenverband des Athanarich gehandelt hat326. In
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adpetunt. Hos secuti Suebi... Gallitiam adpraehendunt...; Prokop., Bell. Vand. I, 3 , 2 u. 22 f., ed. Dewing, Procop. Π, S. 22 u. 28; Prosper. Havn. Add. a. 406, S. 299: Wandali rege Gunderico transito Reno totam Galliam vastant collocatis secum in comitatu Alanis; Hydatius Lem. 49, XVn, S. 18: ... Gallaeciam Vandali occupant et Suebi ...; s. DEMOUGEOT, Formation Π, S. 444-449; vgl auch oben S. 32 mit Anm. 100; unten S. 101 f. S. oben Anm. 100. Zuletzt DEMOUGEOT, Formation Π, S. 303 ff.; 313-317; BÒNA, Quaden. Dazu unten S. 100 mit Anm. 356 f. Orosius Vn, 43, 14; Π, S. 400 ff.; 535 f. setzt schon für die Zeit der Landnahme auch einen Suebenkönig voraus. Bereits zum Jahre 419 berichtet Hydatius 71, XXV, S. 20 von einem Krieg zwischen dem Wandalenkönig Gunderich und dem Suebenkönig Hermenerich, s. SCHMIDT, Westgermanen, S. 206 ff. Olympiodor ed. BLOCKLEY, frg. 9, S. 162; dazu VÁRADY, Jahrhundert, S. 194-200; WENSKUS, Stammesbildung, S. 440 ff. und passim. Orosius Vn, 37, 5, Π, S. 289; Marcellin. Chron. a. 406, S. 68, s. oben Anm. 61; Augustin. Sermo 105, 10, MPL 38, Sp. 624 f.; DERS., Civ. Dei V, 23, S. 159; ferner Chron. Gall. Α. CCCCLn, 51, XI, S. 652:... ex hoc Arriani... barbarorum nationum ...praesidio erigi coepere. Zu gotischen Absetzbewegung s. WOLFRAM, Goten1, S. 157-162; Goten3'4, S. 140-144; zu Athanarichs Verband DERS., Goten1, S. 68-83; Goten3'4, S. 73-84; zur Herkunft des Radagaisus WENSKUS, HbEG I, S. 218 mit Anm. 8, anders WOLFRAM, Goten1, S. 315; Goten3'4,
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jedem Falle aber dürften gotische Scharen sowohl greutungisch-ostrogotischer wie auch terwingisch-visigotischer Herkunft von der Wanderlawine mitgerissen worden sein. Daß sich jenseits der mittleren Donau ein neuer gefährlicher Gotenverband bemerkbar machte, signalisiert bereits um 399 Claudian mit dem Hinweis auf den Grenzschutz, der den saevis...Gotis gegenüber erforderlich war. Diese Goten, die wohl eher im Süden der Ripa Sarmatica am Limesabschnitt der Pannonia Π zu suchen sind, setzt er durch das Attribut deutlich ab von den „Reichsgoten" in Pannonien und - damals - Ostillyrikum, so wie auch später Radagais und Alarich vergleichend gegenübergestellt werden327. Auch über den Weg, den die Scharen der Radagais-Barbaren genommen haben, läßt sich Genaueres nicht ausmachen. Radagais selbst soll mit seinem Goten über den Italiae limitem, demnach wohl die julischen Alpen gezogen sein328. Der archäologische Befund scheint zu ergeben, daß damals die Kastelle am Donaulimes der Valeria verlassen und in Binnennorikum die Städte Flavia Solva und Aguntum, des weiteren Emona zerstört wurden. Nicht sicher ist, ob die Zerstörung von Uferkastellen wie Carnuntum, Vindobona, ferner der Lagerfestung Lauriacum und entsprechende Münzschatzfunde ebenfalls mit der RadagaisInvasion oder nicht schon mit früheren Invasionen in Ufernorikum und Rätien nach der Jahrhunderwende in Verbindung zu bringen sind329. Es könnte daher sein, daß die beiden Stammesgruppen, die der Katastrophe von Fiesole entgingen, über die Pässe der östlichen Alpen nach Rätien und von dort in den Rhein-MainRaum gelangt sind330. Unklar ist auch das Verhalten der pannonischen Foederaten des Dreivölkerverbandes gegenüber den Invasoren. Wie wir bereits hörten, dürfte sich das alanische Kontingent den Angreifern angeschlossen haben. Dagegen haben Teile der
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S. 256. Bei den kaukaländischen Goten suchte offenbar auch der um 400 aus Konstantinopel vertriebene „Vesier" Gainas Zuflucht, s. Zosim. V, 21, 6; m , l , S. 33; 166 ff.: Γαίνης δέ τό πολύ της δυνάμεως μέρος άποβαλώυ fijrep ειρηται, μετά των λειπομένων επί τόν 1στρον ώπέτρεχε ... άμα δέ τοις βαρβάροις έπεραιώθη τόν Τστρον, εις τά οικεία έπανελθείν διανοούμενος, αύτόθι του λοιποΰ βιοτεύειν. Claudian, Epithal. Pall., v. 88 f., S. 305: ... quae Sarmaticis custodia ripis, quae saevis obiecta Getis ...; dazu VARADY, Jahrhundert, S. 89-193; Orosius, VII, 37, 8 f., S. 372 ff.; 519 f.; dazu WOLFRAM, Goten1, S. 161 f.; Goten3'4, S. 143 f. Chron. Gall. A. CCCCLII, 50, XI, S. 652: ... Radagaisus rex Gothorum Italiae limitem vastaturus transgreditur. Zum Italiae limes und dem Weg der Barbaren kurz BRATOZ, La chiesa aquileiese, S. 106 f. ALZINGER, Aguntum, S. 403; HUDECZEK, Flavia Solva, S. 467; L. PLESNICAR/GEC, Città di Emona; S. 372 f. Leider läßt sich die in der Passio Quirini geschilderte Räumung ScarabantiaSoprons (Odenburg) und die Evakuierung der Quirinusreliquien aus Sabaria-Szombathely (Steinamanger) in der Zeitspanne zwischen 402/3 und 455 nicht näher datieren, s. EGGER, Hermagoras Π, S. 216. Zur Zerstörung von Camuntum, Vindobona und Lauriacum und den Münzschatzfund in Lauriacum zum Beginn des 5. Jh. s. JUNG, Münzwesen, S. 41; MITSCHAMÄRHEIM, Spuren, S. 41; zum Wanderweg der Wandalen s. auch W. SCHNEIDER, Frühgeschichte, S. 99. S. dazu DEMOUGEOT, Formation Π, S. 423-434.
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V. Die gentilen Verbände
Goten unter dem ostrogotischen Fürsten Sarus und vielleicht auch Hunnen, die aber bereits um 403 von Stilicho in Dienst genommen worden waren, mit diesem in Italien gegen Radagais gekämpft. Dies gilt jedoch nicht für die Hauptmasse der gotischen und hunnischen Foederaten, die uns unter dem Todfeind des Sarus, Athaulf, noch um 408 in Oberpannonien begegnen331. Sie dürften sich wohl ebenso wie die Markomannensueben und die Visigoten Alarichs neutral verhalten, vielleicht durch Abmachungen abgesichert haben. Das Schweigen der Quellen deutet darauf hin, daß die Gebiete Pannoniens, wo der Verband des Athaulf zu suchen ist, von der Invasionswelle ebenso umgangen wurden wie Ostdalmatien, wo sich Alarich mit seiner Stammesgruppe befand. Für ein einvernehmliches Verhalten der Foederaten in Oberpannonien und der Visigoten Alarichs spricht auch, daß beide Gruppen sich bald vereinigen sollten. Alarich, dessen Verband während des ersten Einfalls in Italien schwere Verluste erlitten hatte, intensivierte die Verbindung mit den pannonischen Foederaten, indem er spätestens jetzt deren Anführer Athaulf durch die Heirat mit dessen Schwester an sich band332. Als er im Herbst 408 zu seinem zweiten Italienzug aufbrach, beauftragte er Athaulf, mit seinen Goten aus Oberpannonien ihm zu folgen333. Bei diesen Goten dürfte es sich tatsächlich noch immer um die Foederaten der Dreivölkergruppe gehandelt haben, die hier vor dreißig Jahren angesetzt wurden und nach dem Abzug der Alanen um 406 nur noch aus Goten und Hunnen bestanden. Freilich dürfte hier wie bei den Führern bereits eine neue Generation herangewachsen sein. Daß dieser Verband noch um die Zeit der Jahrhundertwende bestand, bezeugen die Inschrift des Bischofs Amantius von Jovia und eine Bemerkung des Hieronymus vom Jahre 396334. Desgleichen äußert Hieronymus im Jahre 409 nach dem Abzug der Scharen des Athaulf, die sich noch immer wie die des Dreivölkerverbandes als Elitereiterei darstellen, daß Rom dreißig Jahre hindurch - bis vor kurzem - vom Schwarzen Meer bis zu den julischen Alpen keine Verfügungsgewalt hatte und die Menschen in captivitate et obsidione aufwuchsen. Freilich kreidet er diesen Dauerzustand, der mit dem Abzug der Krieger Alarichs und Athaulfs
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S. dazu die folgenden Anm. 332-335. Sozomenos IX, 8, 2, S. 399; Zosim. V, 37, 1; m , l , S. 54: ' Αλλάριχος ... μεταπέμπεται τόν της γαμέτης άδελφόν ' Ατάουλφον έκ της άνωτάτω ΠανοιΛας, ώς άν airaô κοινωνήσοι της πράξεως, Ούνυων καΐ Γόθων πλήθος σΐικ εΌκαταφρόνητον έχων. Vgl. Iordan. Get. XXX, 158, S. 99: ... regnum Vesegotharum Atauulfo eius consanguineo... tradent... Claudian erwähnt Bell. Poil., v. 84 f.; 625-630 und VI. Cons. Honor. 297 f.; S. 263; 282; 246 eine Gattin sowie mehrere verheiratete Frauen und Kinder aus der Verwandtschaft Alarichs:... pulsaretque tuas ululatus coniugis aures ...;pignora nobis Romanus carasque nurus... tenebat... Sollte es sich hier schon um die Schwester Athaulfs handeln, wäre die Heiratsverbindung in die Zeit vor dem 1. Einfalt Alarichs in Italien zurückzuverlegen. Zosim. V,37, 1,111,1, S. 54. S. oben Anm. 262 u. 301; ferner zum folgenden VÄRADY, Jahrhundert, S. 241 ff.; 245 fif.
a) Die Terwingen/Visigoten, die Greutungen/Ostrogoten
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sein Ende fand, allein Stilicho an, der verräterisch mit römischem Geld Roms Feinde bewaffnet habe335. Unverständlicherweise sah die Forschung in dem Führer der Goten der Dreivölkergruppe früher meist einen „westgotischen" Edlen, der von Alarich abgeordnet worden sei, um ihm die Goten aus Pannonien zuzuführen336. Auffällig ist jedoch, daß Athaulf neben Alarich schon zu dessen Lebzeiten eine selbständige Stellung an der Spitze jenes Reiterverbandes einnahm, der jetzt zu einer Kerntruppe des westgotischen Heeres wurde337. Wenn Jordanes Athaulf einen consanguineus Alarichs nennt, bedeutet dies nicht allzuviel, da auch eine enge vertragliche Bindung - etwa durch Waffensohnschaft - gemeint sein kann, abgesehen davon, daß auch an die Verschwägerung zu denken ist. Wenn aber Athaulf Führer einer selbständigen Stammesgruppe war, nimmt die Heirat Alarichs mit dessen Schwester den Charakter einer dynastischen Verbindung an. Tatsächlich ist in keiner Weise einzusehen, wieso entweder das ostrogotische Kontingent der Dreivölkergruppe, dessen Existenz uns Hieronymus noch am Ende des 4. Jh. bestätigt, sich plötzlich in Luft aufgelöst und durch eine Absplitterung der Alarichgoten unter einem Visigoten Athaulf im gleichen Raum ersetzt worden sein sollte oder, falls mit dem Fortbestehen des ostrogotisch-hunnischen Verbandes gerechnet wird, dieser sich einem Visigoten unterstellt haben sollte. Dafür, daß es sich bei Athaulfs Goten um eben die Ostrogoten des Widerich-Alatheus-Verbandes handelt, spricht einmal der Raum, in dem sie auftreten, des weiteren, daß sie wie jene mit Hunnen vergesellschaftet sind, schließlich, daß es sich vorwiegend um eine Reiterelite handelt, denn eben deshalb tritt doch wohl Athaulf nach seinem Anschluß an Alarich als Befehlshaber der Reitertruppen auf. Als Führer des starken ostrogotischen Reiterverbandes übertraf Athaulf an Macht und Ansehen offenbar jeden anderen adligen Gefolgsherrn im visigotischen Verband Alarichs und war deshalb nach dessen Tod zur Nachfolge prädestiniert, zumal Alarichs Söhne offenbar noch mindeijährig waren. Später begründet vermutlich die Ausrottung der Familie Athaulfs wieder den Führungsanspruch des Amalers Beremu(n)d, der wohl ohne einen starken ostrogotischen Anhang innerhalb der „west"-gotischen gens überhaupt keine Hoffnung auf eine Königserhebung hätte hegen können. 335
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Hieronym. Ep. 123, 16, S. 93: ... olim a mari Pontico usque ad Alpes Iulias non erant nostra, quae nostra sunt, et per anuos triginta fracto Danubii limite in mediis Romani imperii regionibus pugnabatur. praeter paucos senes omnes in captivitate et obsidione generati non desiderabant, quam non noverant, libertatem ... quod ... scelere semibarbari accidit proditoris, qui nostros contra nos armavit inimicos... Vgl. dazu WOLFRAM, Goten1, S. 196 ff.; Goten3'4, S. 171 ff.; s. demgegenüber schon ROSENFELD, O.- u. W.-Goten, S. 248 f. Zu Athaulf vgl. auch PLRE Π, S. 176 ff, Athaulfus; DoBESCH, Vom äußerem Proletariat, S. 79-94; SCHARF, Foederati, S. 8 f. Laut Sozomenos IX, 8, 2, S. 399 wird Athaulf unter Kaiser Attalus comes domesticorum equitum neben Alarich als Heermeister; vgl. ND Oc. I, 13. CLAUDE, Adel, S. 26 degradiert Athaulf zum Anführer der berittenen Gefolgsleute Alarichs. Zu Athaulfs Stellung neben Alarich vgl. auch WOLFRAM, Goten1, S. 188; Goten3'4, S. 165.
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V. Die gentilen Verbände
Demgegenüber ist der Einwand, Athaulf hätte als Nachfolger Alarichs und Westgotenkönig selbst „Westgote" sein müssen, nicht stichhaltig, wenn wir die Herkunft meinen. Vielmehr hat er er sich als .Ostrogote' dem sich unter Alarich bildenden Westgotenverband angeschlossen. Die westgotische Ethnogenese, die während der Wanderung der Alarichgoten im Gange war, hat nicht nur in den Mittel- und Unterschichten, sondern auch im Bereich der Führungsgruppen zahlreiche Elemente greutungisch-ostrogotischer Herkunft aufgenommen, die mit dem visigotischen Kern zu „echten" Westgoten verschmolzen sind. Andererseits gelten auch später - noch über ein Jahrhundert lang - nicht nur Amaler, sondern auch andere Ostrogoten und sogar „echte" Ostgoten bei den „Westgoten" noch als königsfähig338. In diese Zusammenhänge ist Athaulfs kurzfristiger Nachfolger Sigerich, Bruder des Sarus ebenso einzuordnen wie der Amaler Beremu(n)d, der sich, wie wir sahen, Hoffhungen auf das westgotische Königtum machen konnte339, so wie schließlich auch der Amaler Theoderich und schließlich auch der Ostgote Theudis, der kein Amaler war, später Westgotenkönige wurden340. Angesichts dieser Tatsache bleibe dahingestellt, wieweit sich „Westgoten" und „Ostgoten", die sich auch nach den Ethnogenesen während der Wanderungen stets selbst nur als „Goten" bezeichneten, als verschiedene Völker empfanden. Dies ist auch nicht mit dem Argument zu widerlegen, daß römische Autoren die „Westgoten" auch später gelegentlich noch „Visi"-Goten nannten. Nichts steht dem also im Wege, in Athaulf einen aus der greutungischen Gruppe des Dreivölkerverbandes selbst hervorgegangenen Fürsten zu sehen. Er könnte der Sohn des Alatheus gewesen sein, wofür nicht nur die Nachfolge in der Führung, sondern auch die Allitteration in der Namensgebung spräche. Daß ihm der Mord an dem König eines gotischen Teilstammes angelastet und die Gefolgsleute jenes Königs in seine eigene Gefolgschaft aufgenommen wurden, könnte als weiteres Indiz dafür herangezogen werden, daß Athaulf den zum Königtum berufenen legitimen Amalersproß Widerich (I) beseitigt und so seine Herrschaft gefestigt hatte. Jedenfalls ist in keiner Weise auszuschließen, daß es sich bei dem ermordeten ungenannten „König" eines Teilstammes um eben diesen Widerich (I) gehandelt hat. Möglicherweise hängt die Todfeindschaft zwischen den Sippen des Athaulf und des Sarus (=Rosomonen?) auch mit der Verdrängung der Amalerlinie des Widerich von der Führungsposition des Verbandes zusammen341. Für eine lange Verwurzelung Athaulfs im pannonischen Raum sprechen nun noch weitere in diesem Zusammenhang bisher nicht herangezogene hagiographi338
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Dazu insbesondere W O L F R A M , Goten1, S. 110 ff.; 141 ff.; 160 ff; 173 ff; 181; 183 ff. u. passim; Goten3'4, S. 105 ff; 128 ff; 143 ff; 153 ff; 160; 161 ff u. passim. W E N S K U S , Stammesbildung, S. 439-458; 474-485. Jordanes, Get. ΧΧΧΠΙ, 174, S. 103: ... conscius enim virtutis et generis nobilitate facilius sibi credens principatum a parentibus deferre, quem heredem regum constabat esse multorum. Quis namque de Amalo dubitaret, si vacasset elegere? CASTRTTIUS, Sozialgeschichte, S. 7 FF. Vgl. oben Anm. 279 f.
a) Die Terwingen/Visigoten, die Greutungen/Ostrogoten
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sehe Quellen. So wird in der wohl im 9. Jh. im Raum von Aquileia entstandenen Passio der Heiligen Hermagoras und Fortunatos gleich anfangs von der Heilung eines jungen Mannes berichtet, eines gewissen Athulphus, Sohn eines illustris und ersten unter der Bürgerschaft Aquileias (primus civitatis) namens Ulfius342. Die Darstellung gibt eine typisch späte Legendenbildung wieder und macht den Hermagoras zum unmittelbaren Apostelschüler. Obwohl das Werk als ganzes kaum historischen Wert besitzt, müssen wir doch damit rechnen, daß es noch historische Reminiszenzen enthält. Ahnliches gilt für die triestinische Legende des hl. Servulus, in der ein Attulfus als vicarius des praeses Iunillus auftritt, und schließlich begegnet uns in einer gefälschten Urkunde für die Kirche von Cittanova aus dem 12. Jh. eine Laurentia regina, Ataulfi Aquileiensis filia343. Sicher ist der in verschiedenen legendenhaften Überlieferungen auftauchende Name Athulphus/Attulfus/Ataulf, in dem wir unschwer unsern Athaulf wiedererkennen, nicht als reine Erfindung abzutun. Vielmehr scheint er eine Erinnerung widerzuspiegeln, die von der historiographischen Uberlieferung über den uns so gut bekannten gleichnamigen Führer der von den römischen Instanzen in Pannonien angesiedelten Foederaten ganz unabhängig ist. Diese lang andauernden Reminiszenzen an eine hochgestellte Persönlichkeit namens At(ha)ulf in den südwestlichen Randzonen Pannoniens machen es unwahrscheinlich, daß der dux Athaulf nur kurzfristig als Abgesandter des Westgotenkönigs Alarich in Pannonien weilte. Vielmehr scheint alles dies zu bestätigen, daß er von vornherein zur Führungsspitze der greutungischostrogotischen Gruppe des Dreivölkerverbandes gehörte, die im Auftrag Roms Jahrzehnte lang dort die eigentliche Macht ausgeübt hat. Ahnliches dürfte für seinen Todfeind, jenen Sarus, gelten, der sogar mit dem „Rosomonen" Sarus-Sörli identifiziert wurde, der um 375 jenes Attentat auf Ermanarich verübte 344. Dies ist nicht völlig auszuschließen, jedoch auch nicht zu beweisen, ebensowenig wie der Grund der Todfeindschaft zwischen Athaulf und der Sippe des Sarus erkennbar ist, der sich nur auf die Familien selbst und nicht 342
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BHL 3838, längere Fassung: AASS Jul. 3, 1867, Sp. 240E-244D; BHL 3841, kürzere und sprachlich elegantere Fassung: AnBoll 2, 1883, 311-316; BHL 3840, im Einfuhrungsteil veränderte längere Fassung: BRATOZ, Cristianesimo aquileiese, S. 487-502; vgl. EGGER, Hermagoras I, S. 40; Π, S. 222 f.; BRATOZ, Cristianesimo aquileiese, S. 41-90, hier insb. 44 ff.; DERS., La chiesa aquileiese, S. 110 ff. Dazu BRATOZ, Cristianesimo aquileiese, S. 86; 208; 212; s. BHL 7642. Nicht auszuschließen ist auch, daß der sonst unbekannte praeses Sapricius aus der triestinischen Legende von Justina und Zeno, BHL 9000, eine Erinnerung an den Alanenfürsten Saphrax widerspiegeln könnte, vgl. dazu BRATOÉ, Cristianesimo aquileiese, S. 425 Anm. 221; DERS., La chiesa aquileiese, S. 111. O. SEECK, Art. Sarus, Sp. 54; VÁRADY, Jahrhundert, S. 207-210; 213-218; GSCHWANTLER, Rosomonen; WOLFRAM, Goten1, S. 29 mit Anm. 36; 181 ff. u. passim; Goten3'4, S. 45 und 388 Anm. 36; 160 ff.; DIESNER, Buccellariertum. Die Gleichsetzung des gotischen dux und Heermeisters Sarus mit dem Mörder Ermanarichs Sörli und seine Bezeichnung als „Rosomone" hätte bei WENSKUS, Art. Balthen, S. 14 immerhin eines Fragezeichens bedurft; vgl. VÁRADY, Jahrhundert, S. 217 f.; CASTRTTIUS, Sozialgeschichte, S. 11-13.
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V. Die gentilen Verbände
auf den Verband, dem beide angehörten, erstreckte. Hatte doch auch die Sippe des Sarus dort einen so starken Anhang, daß der Bruder des Sarus, Sigerich für kurze Zeit zum Westgotenkönig erhoben werden konnte34S. Mit dem Anschluß des ostrogotischen Reiterverbandes Athaulfs an die Gefolgschaft des Alarich geht die Geschichte der pannonischen Foederaten in die der „Westgoten" über. Zugleich setzt sich der Zerfall des Dreivölkerverbandes fort, denn obwohl anscheinend auch Hunnen Athaulf folgten, scheint doch ein Großteil der hunnischen Foederaten noch bis 527 in Pannonien verblieben zu sein, wie wir oben gesehen haben. Im übrigen handelt es sich bei Athaulfs Gefolge keineswegs um die einzigen Ostrogoten, die zu Westgoten wurden, waren doch gewiß von den 30.000 Mann, die nach der Ermordung des Stilicho zu Alarich übergingen, ein Großteil Ostrogoten. Andererseits dürften jene 12.000 edlen Goten des Radagaisus, die Stilicho einst aus der Konkursmasse der Scharen des Radagaisus übernommen hatte und die ebenfalls zu den Überläufern gehörten346, eher Visigoten gewesen sein. Außerdem waren sicher auch zahlreiche Goten, Ostro-sowie Visigoten, aus dem Völkerschwarm des Radagaisus wiederum unter den — angeblich 40.000 Sklaven, die während der ersten Belagerung Roms im Jahre 408 zu Alarich überliefen347. Später, etwa um 472/3, Schloß sich auch noch ein Teil der walamerischen Ostrogoten unter Widimer (III) den „Westgoten" an348. Angesichts dieser Umstände ist die Frage berechtigt, welches Gewicht bei den Westgoten dem visigotischen Kern angesichts des ostrogotisch-greutungischen Anteils bei der Ethnogenese überhaupt noch zuzusprechen ist. Es ist jedenfalls nicht einfach, eine durchgehende Traditionslinie von dem terwingisch-visigotischen Stammesverband des 4. Jh. zu den Westgoten zu ziehen, die im 5. Jh. das tolosanische und im 6. das toletanische Reich gründeten. Ahnliches gilt fur die ostgotische Ethnogenese unter dem Amaler Theoderich, der größte Mühe hatte, die ostrogotische Amalerdeszendenz selbst für die Herrschersippe korrekt zu rekonstruieren. Im Zusammenhang mit dem Anschluß der greutungisch-ostrogotischen Gruppe des Athaulf an die („West"-)Goten Alarichs sind noch die Forderungen bedeutsam, die Alarich 408/9 Kaiser Honorais im Rahmen der Friedensverhandlungen stellte. Noch vor dem Eintreffen der Reitertruppen des Athaulf hatte Alarich die Abtretung Norikums, Venetiens und Dalmatiens, femer Jahresgelder und Lebensmittellieferungen verlangt, ferner suchte er für sich selbst die Wiedereinsetzung als illyrischer Heermeister zu erreichen349. Daß Alarich die pannonischen Provinzen nicht ausdrücklich nannte, erklärt sich leicht. Diese Provinzen waren schon 345 346
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CLAUDE, Adel, S. 30 f.; 33. Zum folgenden s. oben S. 15; 93 f. Zosim. V, 35, 6; ΙΠ,Ι, S. 53; 246 f.; Olympiodor, ed. BLOCKLEY, frg. 9, S. 162; vgl. DEMOUGEOT, Formation Π, S. 452-456. Zosim. V, 42,3; ΙΠ,Ι, S. 63 f.; 286 ff. S. dazu unten S. 117 f. mit Anm. 422. Zosim. V, 48, 3 f.; ΠΙ,Ι, S. 70 f.; 309 f.:' Απήτει δέ' Αλάριχος χρυσίον μέν έτους εκάστου δ'ιδοσθαι ... οίκείν δέ otbxòv άμα τοις σύν αί>τφ πάσι Βενετίας άμφω και Νωρικούς καΐ Δαλματίαν ... Vgl. dazuGRASSL, Südostalpenraum, S. 181 f.
b) Die Donausueben, die „walamerischen" Ostrogoten und die „ostgotische" Ethnogenese
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seit langem das Siedlungsgebiet der ostrogotisch-hunnischen Foederaten des Athaulf, ihre Abtretung mußte nicht erst gefordert werden. Die Verhandlungen scheiterten, doch unterbreitete Alarich Ende des Jahres neue erheblich reduzierte Forderungen. Nunmehr verlangte er außer Getreidelieferungen für seinen Gotenverband nur noch die beiden norischen Provinzen mit der Begründung, sie lägen doch ganz weit ab an der Donau und brächten dem Staat nur noch wenig Steuern ein350. Die Regierung lehnte auch diese Forderung ab, zumal sie schon bald nach dem Abzug des Athaulf den heidnischen Militärbefehlshaber Generidus mit der Reorganisation der pannonischen Diözese beauftragt hatte. Die Folge war die Einnahme Roms durch Alarich, doch sahen sich die Westgoten unter Alarichs Nachfolger Athaulf schon zwei Jahre später genötigt, Italien zu räumen und nach Gallien abzuziehen, wo sie schließlich aufgrund neuer Foederatenverträge in Aquitanien angesiedelt wurden. Von hier aus drangen sie in Spanien ein und wurden im Jahre 416 wiederum eingesetzt, um die Völkerstämme, die dort Fuß gefaßt haten, Rom zu unterwerfen. Dabei schluegen sie die silingischen Wandalen vernichtend, die Überlebenden schlossen sich den asdingischen Stammesbrüdern an. Die Westgoten kehrten im Jahre 418 nach Aquitanien zurück, wo sie nun endgültig angesiedelt wurden und Toulouse zur Hauptstadt ihres Herrschaftsbereiches machten, der sich immer mehr aus der Abhängigkeit von Rom löste und schließlich zu einem eigenständigen Reich wurde351.
b) Die Donausueben, die „walamerischen" Ostrogoten und die „ostgotische" Ethnogenese Als Donausueben verstehen wir die aus Elbsueben hervorgegangenen beiden Stämme der Markomannen und Quaden, die um die Wende des 1./2. Jh. vom böhmisch-mährischen und westslowakischen Raum her in breiter Front die mittlere Donau von der Wachau bis etwa zu den Flüssen Gran und Eipel erreichten. Von hier aus griffen beide Stämme in den folgenden drei Jahrhunderten immer wieder den seit den Markomannenkriegen Mark Aurels unverhältnismäßig stark befestigten Donaulimes an, und wiederholt gelang es ihnen, in die weiten Ebenen Westungarns einzubrechen und bis zur Adriaküste vorzustoßen. Andererseits sind seit dem 1. Jh. immer wieder auch Gruppen von kriegsgefangenen oder freiwillig übergetretenen Markomannen und Quaden im nördlichen Pannonien angesiedelt
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Zosim. V, 50, 3; ΙΠ,Ι, S. 73; 313 ff: ... βούλεσθαι ... μόνους άμφω Νωρικούς, fev ταΐς εσχατιαίς που του Ιστρου κειμένους, συνεχείς τε Υφισταμένους έφόδους καί εΌτελή φόρον τφ δημοσίφ εισφέροντας, καί σΐτον felli τούτοις ...; dazu VÁRADY, Jahrhundert, S. 243 ff.; WOLFRAM, Goten1, S. 184-187; Goten3'4, S. 162-165. Hierzu im einzelnen WOLFRAM, Goten1, S. 192-219; Goten3'4, S. 170-189; DERS., Ansiedlung, zu GOFFART, Barbarians, insb. S.40-55; 103-126.
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V. Die gentilen Verbände
worden, wo sie durch Bodenfunde und Inschriften nachgewiesen werden kön352
nen Seit dem Ende des 3. Jh. vollzog sich bei den Quaden unter dem Einfluß der sarmatischen, alanischen und bald auch gotischen Nachbarn allmählich ein Akkulturationsprozeß an die östlichen Reitervölker, während die Markomannen, wie es scheint, eher in bäuerlichen Lebensformen verharrten353. Daher traten sie auch seit dem dritten Jahrhundert gegenüber den kriegerischen Quaden in den Quellen zurück. Der durch den Hunneneinbruch nach 370 neuerlich ausgelöste Druck der ostgermanischen und alanisch-skythischen Stämme drängte schließlich auch die Donausueben aus ihren Wohnsitzen. Gemeinsam mit den gleichfalls bedrängten Sarmaten brachen die Quaden im Sommer 374 in die Valeria ein, die sie nachhaltig verwüsteten. Nach einer Strafexpedition Valentinians I ins Gebiet der Sarmaten kam es zu Friedensverhandlungen und - nach dem Tod Valentinians zu einem Vertragsabschluß, aufgrund dessen die Quaden Truppenkontingente zum römischen Heer stellten und gelobten, fortan Frieden zu halten354. Erst der Aufstand der Visigoten unter Alarich und wohl auch der pannonischen Foederaten um 395 scheint Quaden und Markomannen erneut zu verheerenden Einfallen über die Donau provoziert zu haben355. Dennoch muß es bald gelungen sein, mit einem nach Pannonien übergetretenen größeren Verband der Markomannen um 397 einen Bündnisvertrag wohl nach dem Muster der mit den Visigoten und dem Dreivölkerverband getroffenen Abmachungen abzuschließen. Ahnlich wie bei den pannonischen Foederaten wurde auch diesmal die Kirche beteiligt, um die Pazifizierung der Barbaren und ihre Integrierung in das Reich zu untermauern. Diesmal war es der Bischof der Reichshauptstadt Mailand, Ambrosius, persönlich, der die vielleicht schon früher zum katholischen Glauben bekehrte Königin Fritigil dazu bewegte, ihren Gatten zu überreden, sich mit seinem Volk den Römern zu unterstellen356. 352
353
GÖSSLER, Quadi, Sp. 623-647; MÓCSY, Pannonia, Sp. 712 f.; DERS., Middle Danube, S. 206 f.; 209; 345 u. passim; EBERL, Bajuwaren, S. 52-83; DEMOUGEOT, Formation Π, S. 296-305; s. auch oben S. 46 f. mit Anm. 158 ff. WENSKUS, Stammesbildung, S. 561.
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DEMOUGEOT, Formation II, S. 302 ff.
355
Der einzige Beleg dafür ist die fieilich etwas vage Aussage des Hieronymus, Ep. 60,2, S. 570 f., die zu 396 u. a. Quadus und Marcomanni unter den Verwüstern u. a. der pannonischen Provinzen und Dalmatiens nennt, aber zugleich zwanzig und mehr Jahre zurückliegende Vorgänge einbezieht, s. oben S. 87, Anm. 301; zu den Markomannen oben S. 46 f. mit Anm. 158 f. Paulin. V. Ambros., c. 36, S. 102: ... Fritigil quaedam regina Marcomannorum ... Christo credidit... suasit viro, ut cum populo suo se Romanis traderet,...; Die Lesart Fritigil verdient den Vorzug gegenüber Frigitil, da nur sie sich semasiologisch - als Fridhild - erklären und belegen läßt, s. FOERSTEMANN, Namenbuch I, S. 533; BACH, Namenkunde, S. 83 u. 85. Die Variante Frigitil erweist sich als reziproke Metathese nach sprachpsychologischen Gesetzen des Lautwandels bei Übernahme von Fremdworten: Die ungewohnte Artikulationsfolge Fritig- wurde dem Wortstamm frigid- angepaßt, der einem Latein Sprechenden geläufiger war; vgl. BRUGMANN, Indogermanische Sprachen, S. 245 f. In änlicher Weise verwandelt sich der germanische Name
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b) Die Donausueben, die „walamerischen" Ostrogoten und die „ostgotische" Ethnogenese 101
Etwa 3000 markomannische Krieger müssen damals unmittelbar in römische Dienste getreten sein, erscheinen doch zu dieser Zeit nicht weniger als drei aus Markomannen gebildete und nach ihnen benannte Eliteeinheiten der Garde im Verband der regulären römischen Armee. Da einer dieser Verbände aus équités besteht, dürfen wir folgern, daß der Prozeß der „Verreiterung" zu dieser Zeit auch bei den Markomannen schon im Gange war. Die große Zahl der in die römische Armee aufgenommenen Markomannen läßt erkennen, daß der übergetretene Verband nicht gering an Zahl gewesen sein kann, vielleicht die Masse des Stammes umfaßt hat. Dafür spricht auch, daß der Name der Markomannen - ebenso wie ihre archäologische Hinterlassenschaft - im Räume nördlich der Donau zu dieser Zeit verschwindet. Vermutlich wurde die Stammesgruppe im Raum VindobonaCarnuntum zur Verstärkung der schwach gewordenen Grenzverteidigung eingesetzt, und wenn wir in dem tribunus gentis Marcomannorum dieses Raumes in der Notitia dignitatum mit Soprani einen späteren Nachtrag sehen könnten, wäre diese Nachricht als Beleg dafür zu werten357. Die Aufgabe der Grenzwacht dürften die Markomannen in der Pannonia I freilich ebensowenig zuverlässig erfüllt haben wie die Foederaten der Dreivölkergruppe in der Valeria. Schon um 401 brachen die asdingischen Wandalen aus dem oberen Theißgebiet auf, überschritten die Donau und zogen wohl entlang der Donau nach Rätien. Diesem Zuge haben sich wohl schon die Alanen der Dreivölkergruppe angeschlossen. Zwar gelang es Stilicho, Wandalen und Alanen in Rätien wieder zu unterwerfen und in ein Foederatenverhältnis einzubinden, doch hielt dies nur solange, bis um 406 die gewaltige Invasion des Völkerschwarms, der sich gemeinsam mit den Goten des Radagaisus sich in Bewegung setzte, über Pannonien hereinbrach358. Dabei überschritten auch die Quaden die Donau und zogen wohl über die Ostalpen und Rätien in den Raum um den unteren Main, wo sie vereint mit den Wandalen und Alanen um die Jahreswende 406/7 im Kampf gegen die fränkischen Foederaten den Übergang über den Rhein erzwangen. Schließlich erreichten sie mit den wandalischen Stämmen Spanien, wo ihnen im Jahre 411 von Kaiser Honorius nach Abschluß eines Bündnisvertrages ein Teil der Provinz Gallaecia als Siedlungsgebiet zugewiesen wurde359. Hier entstand in der Folge das spanische Suebenreich. Nach ihrer Trennung von den Markomannen hat sich bei den Quaden fortan wieder der alte Name des Ursprungsvolkes, der Sueben, durchgesetzt. Eine ähnliche Entwicklung erleben wir bei den Markomannen in Pannonien, die sich fortan ebenfalls nur noch Sueben nannten, obwohl ihre Herkunft nicht in Vergessenheit geriet. Sicher ist
357
358 359
Fridericus in lateinischer Artikulation zu Frigeridus; s. oben Anm 23. Zur Ansiedlung der Markomannen in der Pannonia I s. SOPRONI, Letzte Jahrzehnte, S. 102; ferner oben S. 46 f. ND Oc. V, 49 f.; 198 f.; Vü, 38; 183; VI, 22; 65; dazu HOFFMANN, Bewegungsheer, S. 168 f. Die gens Marcomannorum ND Oc. XXXIV, 24, s. dazu aber oben S. 46 f. mit Anm. 158 ff. S. oben S. 89 f., Anm. 311 ff. Vgl. dazu oben S. 92 mit Anm. 319 f.; unten S. 160 mit Anm. 603.
102
V. Die geiitilen Verbände
nicht auszuschließen, daß die Auswanderung aus den alten Sitzen jeweils Teile verwandter und nicht verwandter Stämme mitriß und in den neuen Verband integrierte, doch erweist sich zugleich, daß die Bezeichnungen der Quaden und Markomannen wie der Alemannen differenzierende Namen sind, die den alten Stammesnamen der Sueben nicht ablösen und diesen wieder hervortreten lassen, sobald die Notwendigkeit der Abhebung von benachbarten Suebenstämmen nicht mehr besteht360. In der ersten Hälfte des 5. Jh. müssen nun die Markomannen in Oberpannonien ebenso wie Reste der Quaden unter hunnische Herrschaft geraten sein, denn beide Stämme werden - freilich erst in einer sehr späten Überlieferung bei Paulus Diaconus - unter den von Attila im Jahre 451 gegen das weströmische Reich aufgebotenen Völkern genannt, und zwar in der bemerkenswerten Verbindung Marcomanni Suevi Quadi. Auffällig ist die Anordnung, welche die Markomannen hier vor den - übrigens zum letztenmal erwähnten - Quadi nennt, also die geringere Bedeutung der letzteren unter den Hilfsvölkern Attilas widerzuspiegeln scheint. Auch könnte die Verbindung Marcomanni Suevi ebenso auf den sich inzwischen vollziehenden Namenswechsel deuten wie den Umstand, daß eben die Markomannen den Kern der pannonischen Sueben bildeten361. Zur Zeit der Hunnenherrschaft könnte es geschehen sein, daß die Markomannen nach der Abtretung der oberpannonischen Provinzen an Attila um 433 sich in den Saveraum vorgeschoben haben, wo sie uns in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts entgegentreten. Dafür spricht jedenfalls der archäologische Befund mit einer größeren Zahl reich ausgestatteter germanischer Frauen- sowie Waffengräber in Nordpannonien362. Ob und wie weit Donausueben nach der Abwanderung der Quaden aus der Südslowakei damals noch nördlich der Donau sitzen blieben, läßt sich nicht eindeutig feststellen. Deutlicher sind die Gepiden zu fassen, die sich noch im 4. Jh. in den Ebenen der oberen Theiß und in Westsiebenbürgen festgesetzt hatten. Ostlich von ihnen waren im Gefolge der Hunnen wohl schon in der ersten Hälfte des 5. Jh. Ostrogoten in die nördliche Moldau, Ostsiebenbürgen und Oltenien vorgerückt 363. Skiren siedelten Anfang des 5. Jh. in der Walachei, eine Kerngruppe scheint jedoch mit den Hunnen nach Westen gezogen zu sein und tritt uns später unter dem Fürsten Edika im südlichen Teil des Donau-Theiß-Zwischenstromlandes entgegen, im Anschluß an dort zurückgebliebene Reste des einst so
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S. LOTTER, Donausueben, S. 2 8 2 f.
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Paul. Diacon. Hist. Rom., XIV, 2, S. 111: ... erant... eins subiecti dominio ... fortissimae ... gentes Marcomanni Suevi Quadi, praeterea ... Das Siedlungsgebiet der Donausueben glaubte BÒNA, Grundlagen, insb. S. 78 ff.; 82 ff. für die Zeit nach 455 auf den Raum zwischen Donau und einer Linie vom Südrand des Neusiedler Sees über den Nordrand des Plattensees bis hin zur Donau bei Dunaújváros-Intercisa festlegen zu können, hat diese These jedoch später erheblich eingeschränkt, s. DERS., Vierteljahrhundert, S. 280; vgl. Kiss, Siedlungsgebiet. PARDUCZ, Probleme, S. 33-39; POHL, Gepiden, S. 249 f.; 275; BÒNA, Gepiden.
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b) Die Donausueben, die „walamerischen" Ostrogoten und die „ostgotische" Etbnogenese 103
mächtigen Sarmatenvolkes364. Demgegenüber hatten sich die Rugier zu dieser Zeit wohl am nordöstlichen Karpatenrand niedergelassen, von wo aus sie etwa um 435 die Stadt Noviodunum in der Scythia überfielen. Vermutlich ist jedoch eine Kerngruppe in Zusammenhang mit der hunnischen Westbewegung schon vor der Mitte des 5. Jh. in den Raum des niederösterreichischen Waldviertels und westlichen Weinviertels eingewandert365. Diese hunnische Westbewegung könnte auch schon einen starken Verband der Heruler vor der Jahrhundertmitte in den südslowakisch-südmährischen Raum mitgezogen haben, wo sie uns jedenfalls nach dem Zusammenbruch des Attilareiches begegnen. Ihre Vergesellschaftung mit Skiren und Rugiern etwa im Gefolge des Odoaker spricht jedenfalls dafür, daß sie in der Nähe beider Stammesgruppen zu suchen sind366. Auffallend bleibt demgegenüber, daß die pannonischen Donausueben unter den donaugermanischen Völkern, die sich nach dem Tode Attilas unter Führung der Gepiden mit deren König Ardarich gegen die Hunnen erhoben, eine gewichtige Stellung einnahmen. Gemeinsam mit den Gepiden und anderen Stammesgruppen, die sich ihnen anschlossen, brachten sie den Hunnen und den diesen treugebliebenen Verbündeten am Flusse Nedao - wohl in Südpannonien - eine vernichtende Niederlage bei367. Dabei ist zu bemerken, daß nicht nur die Masse der Ostrogoten, sondern auch Teile der Skiren, Alanen und Rugier und wohl auch Heruler zunächst den Hunnen die Treue hielten. Bei diesen Stämmen führte der Aufstand gegen die Hunnen, der demnach hauptsächlich von Gepiden und Donausueben getragen wurde, offenbar zu Spaltungen. Die mit den Hunnen geschlagenen Skiren, Alanen, Heruler und Rugier traten nämlich mit hunnischen und ostrogotischen Gruppen später auf oströmisches Gebiet über, wo sie als Foederaten angesiedelt wurden368. Die Hauptmasse der Rugier, Heruler und Skiren, die sich den 364
POHL, Gepiden, S. 273 f.; 276; BÒNA, Vierteljahrhundert, S. 277; Kiss, Skiren; zu Edika/ Edeco s. CASTRITIUS, Heermeister, S. 23-27.
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Priscus, ed. BLOCKLEY, frg. 5, S. 228; FHG V, S. 24 f.; POHL, Gepiden, S. 250; 278 f.; STEFAN, Landnahme, S. 51 sucht dieses Noviodunum im Saveraum, trotz der eindeutigen Aussage der Quelle, die von einem Vorstoß in oströmisches Gebiet spricht. POHL, Gepiden, S. 277; TAYLOR, Heruler. Jordan.Get. L, 259 ff., S. 125:... Gepidarum rex... Ardarichus... primus insurgit... nec solum suam gentem, sed et celeras ... absolvit... bellumque committitur in Pannonia iuxta flumen, cui nomen est Nedao ... dividuntur regna cum populis, fiuntque ex uno corpore membra diversa ...; Prosper Epit 1370, S. 482 f.; vgl. dazu insb. ROSENFELD, O. U. W.- Goten, S. 252 f.; ALFÖLDI, Untergang, S. 97 ff.; ALTHEIM, Hunnen IV, S. 340-347; POHL, Gepiden, S. 250 f.; 259 f. Der Versuch, aus dem stilistischen Aufbau der Beschreibung der Schlacht und der an ihr beteiligten Stämme bei Jordanes deren Parteinahme abzuleiten, ist wenig fiberzeugend, vielmehr lassen sich die Konstellationen beider Parteien eher aus dem Verhalten der verschiedenen Gruppen nach der Schlacht erschließen. Der Fluß Nedao, der auch mit der Leitha identifiziert wurde, ist wohl eher im näheren Umkreis der unteren Save zu suchen, s. gegen STEINHAUSER, Leitha schon DICULESCU, Gepiden, S. 64 ff. mit dem Hinweis auf die Stadt Netavio in Pannonien beim Geograph. Ravenn. IV, 19; femer MAENCHEN-HELFEN, Huns, S. 147 ff; SCHWARCZ, Goten, S. 50 ff; POHL, Gepiden, S. 134. Jordan. Get. L, 263-266, S. 126 f.
104
V. Die gentilen Verbände
Aufständischen angeschlossen hatten, besetzten demgegenüber spätestens zu dieser Zeit die früher von den Markomannen und Quaden bewohnten Gebiete nördlich und östlich der mittleren Donau. Zur gleichen Zeit rückten die Gepiden im Einverständnis mit Konstantinopel von Siebenbürgen aus in die von den Sarmaten verlassenen Gebiete des Theißbeckens bis hin zur mittleren Donau im Bereich der ehemaligen ripa Sarmatica ein, wo sie fortan archäologisch gut zu fassen sind369. Inzwischen hatte sich auch die Masse der bisher noch im Raum beiderseits der östlichen Karpaten verbliebenen Ostrogoten unter ihren Königen Walamir, Thiudimir und Widimir (II) nach schweren Kämpfen der hunnischen Oberhoheit entzogen370. In Verhandlungen mit den oströmischen Instanzen erreichten sie einen Bündnisvertrag, der ihnen Jahresgelder und feste Sitze in Pannonien zuwies371. Wahrscheinlich kam es auch hierbei wiederum zu Abspaltungen. Jedenfalls finden wir später im oströmischen Bereich unter der Führung des Theoderich Strabo einen so starken ostrogotischen Verband vor, daß er an Bedeutung den Verband der von dem Am al er Theoderich geführten „walamerischen" Ostrogoten zeitweise erheblich übertraf. Andere Goten verblieben hingegen weiterhin unter hunnischer Oberherrschaft372. Kaiser Markian setzte nun die Ostrogoten Walamirs so an, daß sie die Lücke zwischen dem unter dem comes Marcellinus von regulären römischen Truppen geschützten Dalmatien und den durch Bündnisvertrag im Vorland der dakischen Donau angesetzten Gepiden und Skiren in Richtung nach Nordwesten deckten373. Obwohl es kaum möglich ist, mit Sicherheit die von Jordanes angegebenen kleineren Flüsse Pannoniens zu identifizieren, welche die unter den drei königlichen 369
370
BÒNA, A n b r a c h , S. 2 0 f.; 2 8 ff.; 58 ff.; 112; DERS., G e p i d e n ; CSALLÁNY, D e n k m ä l e r der
Gepiden, S. 11 f.; TOMLCLÓ, Untergang, S. 275 f.; TOTH/NAGY, Gepiden. Archäologisches. Jordan. Get. L, 264, S. 126, s. auch die folgende Anm. 371; vgl. WOLFRAM, Goten1, S. 332 f. A n m . 6f.; Goten 3 ' 4 , S. 2 6 0 u n d 4 7 3 A n m . 6 f. VÁRADY, Jahrhundert, S. 328 ff.; TOMlClé,
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Untergang, S. 269-274. Dennoch muß offen bleiben, ob die Masse der „walamerischen" Ostrogoten überhaupt an der Schlacht am Nedao teilgenommen hat. Erst Paulus Diaconus, Hist. Rom. XV, 11, S. 122 macht Walamir zum Anstifter des Au&tandes, doch hätte dies Jordanes gewiß nicht zugunsten des Ardarich verschwiegen, vgl. auch THOMPSON, Attila, S. 153. Jordan. Get. L, 264; S. 126: Gothi vero cementes ... Hunnorumque populum suis antiquis sedibus occupare, maluerunt a Romano regno terras petere quam cum discrimine suo invadere alienas, accipientesque Pannoniam ...; LII, 268, S. 127, dazu unten Anm. 373; ferner 270; S. 128: ... consueta dum tardarent dona a principe Marciano, quae ad instar strenuae acciperent et pads foedere custodirent...; s. dazu VÁRADY, Jahrhundert, S. 331 f. WOLFRAM, Goten1, S. 323 f. mit Literaturhinweisen; Goten3'4, S. 260 f. Jordan. Get. LU, 268, S. 127: ... in Pannonia sub rege Valamir eiusque germani Thiudimer et Videmer ..., quamvis divisa loca, Consilia tarnen unita, nam Valamer inter Scarniungam et Aqua Nigra fluvios, Thiudimer iuxta lacum Pelsois, Vidimer inter utrosque ...; dazu WOLFRAM, Goten1, S. 325; Goten3'4, S. 262. VÀRADY, Jahrhundert, S. 336 f.; ALFÖLDI, Untergang II, S. 101-104; kurz POHL, Goten, S. 434; zum archäologischen Bild der ostgotischen Siedlung in Pannonien vgl. BIERBRAUER, Archäologie und Geschichte, S. 134-140, bes. 139 f.; DERS., Goten Π., S. 418 f.; Kiss, Siedlungsgebiet; PARDUCZ, Probleme, S. 24 ff; 29; 40; SCHWARCZ, Goten, S. 52 ff.; VLNSKI, Spuren; MÜLLER/STRAUB, Germanen, S. 9 ff.
b) Die Donausueben, die „walamerischen" Ostrogoten und die „ostgotische" Etbnogenese 105
Brüdern stehenden ostrogotischen Teilverbände voneinander abgrenzten, läßt sich die den Ostrogoten zugewiesene Zone dennoch aus anderen Indizien einigermaßen genau bestimmen. Auf jeden Fall erstreckten sich die neuen Wohnsitze der walamerischen Goten vom Raum um den Plattensee bis zum Gebiet von Sirmium, das Cassiodor noch später als die alte Heimat der (Ostro-)Goten bezeichnet374, dürften also im wesentlichen die beiden Provinzen Valeria und Pannonia II, vielleicht mit Randbezirken der Pannonia I und Savia umfaßt haben. Dies entspricht auch der Angabe des Eugippius zur Zeit um 467/8, wonach die Goten damals aus der Pannonia Inferior kamen, sowie der Angabe des Jordanes über das Ausgreifen der Goten um 467 ins Innere Pannomens, wo sie demnach vorher nicht saßen375. Da nach Jordanes Thiudimir der Nordabschnitt um den Plattensee zugesprochen und Vidimir zwischen beiden Brüdern angesetzt wurde, dürfte Walamer als Oberkönig im Raum von Sirmium in der Pannonia II gesessen haben376. Tatsächlich war es Thiudimir, der die Interessen seines Sektors durch einen Raubzug des Suebenfursten Hunimund nach Dalmatien bedroht sah und Hunimund im Raum südlich des Plattensees überfiel377. Auf Walamir hingegen traf im Jahre 456 unvermutet und ohne Wissen seiner Brüder der Stoß der Hunnen, die unter der Führung einiger Söhne Attilas die Ostrogoten wie flüchtige Sklaven wieder ihrer Herrschaft zu unterwerfen versuchten378. Dieser Einfall aber erfolgte gewiß nicht über die Kaipaten und die obere Theißebene in Richtung auf das Donauknie hin, sondern umging die Karpaten im Süden, ebenso wie auch später die Stoßrichtung des Angriffs Dintzigs mit den ihm noch verbliebenen Hunnen auf das sirmische Pannonien zielte379. So erklärt es sich auch, daß nach dem Tode Walamirs und der Übernahme von dessen Herrschaftsbereich durch seinen Bruder Thiudimir dessen Sohn Theoderich mit seinem Gefolge in diesem Raum auftrat und hier seinen 374
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Cassiodor, Variae m , 23,2; ed. MOMMSEN, S.91; ed. FRIDH, S. 113 f.: ... Sirmiensem Pannoniam, quondam sedes Gothorum... Eugipp. V. Sev. c. 5,1: ... Habens Gothos ex Inferiore Pannonia vehementer infensos ...; Jordan. Get. LIU, 272, S. 128: ... Gothi... primum contra Sadages, qui inferiorem Pannoniam possidebant, arma moventes ... Daß auch die Savia nicht zu den gotischen Siedlungsgebieten gehörte, geht aus Jordan, ebda., 273, S. 129 hervor: ... Dalmatia Suaviae vicina erat nec a Pannoniosfines multum distabat, praesertim ubi tunc Gothi residebant... Zur ,JSavia" s. unten S. 123 mit Anm. 442 f. Vgl. LOTTER, Donausueben, S. 286 ff., doch bedürfen die dortigen Angaben über die Siedlungsgebiete der Teilstämme entsprechend diesen Ausführungen der Korrektur; s. auch oben Anm. 373. Jordan., Get. Lin, 274, S. 129: ... Hunimundus cum Suavis vastatis Dalmatiis ad sua revertens, Thiudimir ...ad lacum Pelsodis ...eos oppressit... Jordan., Get. LII, 268 f., S. 127: ... Attilae filii contra Gothos quasi desertores dominationis suae velut fiigacia mancipio requirentes venirent ignarisque aliis fratribus super Valamer solum inruerent; quos tarnen ille quamvis cum paucis excepit...; vgl. dazu und zum folgenden MAENCHEN-HELFEN, H u n s , S. 149 ff.; 156 ff.; 162-168.
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Jordan. Get. LUI, 272 f., S. 128: ... rex Hunnorum Dintzig ... collectis secum qui adhuc videbantur ... remansisse ... venientesque ad Basianam Pannoniae civitatem ...; vgl. A. ALFÖLDI, Untergang II, S. 102 f.
106
V. Die gentilen Verbände
Ruhm begründete. Demgegenüber ist die Tatsache, daß Walamir mit den Goten den ans dem nördlichen Donau-Theiß-Zwischenstromland kommenden Skiren entgegentrat, nicht als Indiz fur seinen Standort zu werten, da er hier das Gesamtaufgebot der Goten befehligte380. Erst von diesen Prämissen aus kann der Versuch gemacht werden, die bei Jordanes erwähnten, das Gebiet des Walamir abgrenzenden Flüsse bzw. Gewässer Scarniunga und Aqua nigra zu bestimmen. Offenbar handelt es sich um unbedeutendere Wasserläufe, von denen einer die Grenze gotischer Siedlung gegen Westen, der andere als Nebenfluß der Donau die Abgrenzung zum Bereich des Widimir nach Norden hin bilden könnte. Als letzterer bietet sich der Karassó (Karasica) im Unterlauf an, der etwa die Grenze der alten Provinzen Valeria und Ρarmonia //begleitet und in seinem Namen die genaue türkische Entsprechung zu Aqua nigra darstellt. Der Name ist bereits im 13. Jh., also vor der türkischen Invasion, nachzuweisen381. Für die Scarniunga bietet sich dann als Abgrenzung nach Westen hin am ehesten das System der Lonja-Cazma-Kamesnica-Glogovnica an, das teilweise durch ausgedehnte Sumpfgebiete fuhrt. Der Bereich Vidimirs dürfte im wesentlichen den Südteil der Valeria umfaßt und sich von dort bis hin zum mittleren Drautal erstreckt haben, während Thiudimirs Bereich im Norden wohl die Ufer des Balaton einschloß und bis zum Bakonywald und einer Linie vom Nordrand des Gebirges bis hin zur Donau im Raum etwa des großen Knies reichte. Jedenfalls liegt nahe, daß es hier an das Gebiet der Skiren anschloß, die wohl ebenfalls in das oströmische Bündnissystem einbezogen waren382. Etwa gleichzeitig mit der Reorganisation der ostpannonischen Gebiete von Konstantinopel aus erfolgte von Westen her die Aktion des Avitus, von der wir oben gehört haben. Daß Teile Pannoniens damals wieder in den Verband des Weströmischen Reiches eingegliedert wurden, ist nicht zu bezweifeln. Die italischen Konsularfasten hätten nämlich kaum die Zerstörung der Stadt Sabaria in der Ρ armonia I durch ein Erdbeben am 7. September 456 verzeichnet, wenn diese Stadt nicht damals noch bewohnt und civitas des weströmischen Reiches gewesen wäre383. Auch wissen wir bereits aus der Vita Severini, daß die Grenzverteidigungsorganisation in Ufernorikum im dritten Viertel des 5. Jh. von der Zentralgewalt wieder unterhalten wurde und leidlich funktionierte. Freilich kann die Wiedereingliederung der norisch-westpannonischen Gebiete in den weströmischen Reichsverband nur in engem Einvernehmen mit den Donaugermanen erfolgt sein und muß sich auch hier auf entsprechende Verträge gestützt haben. Ein solcher Vertrag ist vermutlich mit den Rugiern im Raum des Waldvier380
381
Jordan. Get. Lin, 275 f., S. 129; s. noch SCHMIDT, Ostgermanen, S. 270; SCHWARZ, Stammeskunde, S. 90. ALFÖLDI, Untergang Π, S. 103 f.; vgl. SCHWARCZ, Nordadria- und Westbalkanraum, S. 60 f.
382
Priscus, ed. BLOCKLEY, frg. 45, S. 352; ed. DE BOOR, EXC. de leg. gent. 17, S. 587.
383
S. oben S. 20 mit Anm. 57. dazu MAENCHEN-HELFEN, Huns, S. 144-147; LOTTER, Severinus v. Noricum, S. 219 ff.; 241 ff.
b) Die Donausueben, die „walamerischen" Ostrogoten und die „ostgotische" Etbnogenese 107
tels abgeschlossen worden, welche das System nach Norden hin abdeckten384. Im westpannoni sehen Raum dürften die alten markomannisch-suebischen Foederaten in ähnlicher Form, vielleicht mit noch stärker bindenden Verpflichtungen, in den weströmischen Machtbereich eingegliedert worden sein. Cassiodor-Jordanes berichtet wenig später, das Gebiet der Sueben habe nahe bei Dalmatien und dem Teil Pannoniens gelegen, wo damals die Goten saßen385. Wenn die Vita Severini noch für die Zeit um 467/8 im ostnorischen Uferkastell Comagenis-Tulln eine barbarische Foederatenbesatzung unter römischem Oberkommando bezeugt, werden wir auch in ihnen am ehesten Markomannen-Sueben vermuten dürfen386. Die Mitteilung verrät freilich auch die Problematik des Zusammenlebens von römischen Provinzialen und barbarischen Foederaten innerhalb des gleichen Mauerrings. Die Assimilation dieser germanischen Truppe an die Lebensweise der Provinzialen, ihre Integration in die provinzialrömische Gesellschaft war damals jedenfalls noch nicht sehr weit gediehen. Immerhin werden die Wiederherstellung auch der weströmischen Autorität im Ostalpen-Mitteldonau-Raum nach 454 und die guten Beziehungen zu den Donauvölkern in dieser Zeit auch durch den Umstand belegt, daß Kaiser Maiorian (457461) trotz gespannter Beziehungen zum oströmischen Reich diesen Raum als letzte Kraftreserve des weströmischen Reiches erschloß und um 4S7/8 mit Hilfe der hier eingesetzten weströmischen Beamten aus den dort und im näheren Umkreis sitzenden Stämmen und Stammesverbänden ein gewaltiges Heer rekrutierte. Mit diesem unternahm er den wahrhaft gigantischen Versuch, die überall außerhalb Italiens schon nahezu völlig niedergebrochene Macht Roms wieder aufzurichten und das Reich in seinem ganzen Umfang wiederherzustellen, zunächst durch Unterwerfung der unbotmäßigen Burgunder und Westgoten in Süd- und Mittelgallien, sodann der Sueben in Nord- und Westspanien. Schließlich plante er, auch die Wandalen in Afrika, die durch Verfügung über die Getreidezufuhren die tödlichste Bedrohung für das Weiterleben des Westreiches darstellten, wieder in den Reichsverband einzugliedern387. Es besteht kein Zweifel, daß die Armee Maiorians so gut wie ausschließlich aus Völkern im Umkreis der Donau rekrutiert wurde. Unser Gewährsmann Apollinaris Sidonius nennt in seinem Panegyricus auf Maiorian neben mythischen Völkern des Ostens Bastarner, (Donau-)Sueben, Pannonier, Hunnen, Geten, Daker, Alanen, Rugier, Ostrogoten und Sarmaten als Teilnehmer, nicht aber westgerma384
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387
Über die Beziehungen des Severinus zwischen spätestens 467 und 482 zu den Rugierkönigen s. LOTTER, Severinus v. Noricum, S. 189 ff.; 201 ff.; 218 ff; 266 f. S. oben Anm. 375; vgl. LOTTER, Donausueben, S. 289 f. Eugipp. V. Sev. c. 1, 3 ff.: Comagenis ... barbarorum intrinsecus consistentium, qui cum Romanis foedus inierant, custodia servabatur artissima ...; c. 2, 1: ... barbari intrinsecus habitantes ... portas sibi Romanos cogerent aperire... Da die Römer über die Torschlüssel verfügen, dürften die Barbaren unter deren Kommando stehen; vgl. dazu LOTTER, Severinus v. Noricum, S. 214 ff. STEIN, BE I, S. 377 ff.; BURY, BLRE I, S. 328 ff.
108
V. Die gentilen Verbände
nische Völker wie Thüringer, Brukterer und Franken, wie sie der vergleichbare Hunnenzug-Katalog außerdem noch auffuhrt. Auch die geographischen Angaben weisen eindeutig auf den Donauraum bzw. die Steppengebiete des Südostens hin. Ob das Fehlen der Gepiden, die ebenfalls im Hunnenzug-Katalog aufgezählt werden, von Bedeutung ist, bleibe dahingestellt; vielleicht verstecken sie sich hinter dem klassischen Dacus. Andererseits kann auch die Erwähnung von Vesus und Burgundio den eindeutig als Aufgebot von Donaugermanen und östlichen Reitervölkern ausgewiesenen Charakter dieses Heeres nicht in Frage stellen388. Der engere Anschluß der Donauvölker an Westrom, wie er unter Maiorian sichtbar wird, dürfte den 457 erhobenen Kaiser des Ostens, Leo I., veranlaßt haben, die vertraglich zugesagte Zahlung der Jahrgelder an die pannonischen Ostrogoten einzustellen. Als die Gesandten Walamirs am Kaiserhof erkennen mußten, daß ihr Rivale Theoderich Strabo mit seinen Goten dort alle Vorzüge genoß, die den valamerischen Goten verweigert wurden, eröffneten sie den Krieg und drangen über das Morawatal plündernd in Epirus ein. Daher erklärte sich die oströmische Regierung im Jahre 459 bereit, die Verträge zu erneuern und die Jahresgelder wieder zu zahlen. Die Goten kehrten nach Pannonien zurück, während der achtjährige Sohn Thiudimirs, Theoderich, als Garant des Friedens für zehn Jahre als Geisel an den Kaiserhof von Konstantinopel ging389. Nur wenige Jahre scheint der Friede in Pannonien gehalten zu haben, denn weder die relativ geringen Jahresgelder noch ein in Ostpannonien nach den nachhaltigen Verheerungen möglicherweise noch verbliebenes bäuerliches Substrat dürfte ausgereicht haben, die „verreiterten" und daher zu bäuerlicher Tätigkeit selbst nicht mehr fähigen Ostrogoten auf die Dauer zu unterhalten. Sie begannen also erneut, sich durch kriegerische Unternehmungen Luft zu verschaffen. Die seit spätestens 467 im Donauraum zu bemerkende Unruhe könnte freilich auch mit der Erhebung des Oströmers Anthemius zum Kaiser des Westreiches zu tun haben. Anthemius war als Gotenfeind bekannt und hatte bereits 459 gegen die Walamergoten gekämpft390. Jetzt sah er seine Hauptaufgabe freilich zunächst darin, mit Hilfe oströmischer Truppen und in Zusammenarbeit mit Marcellinus, der vom comes Dalmatiae jetzt zum magister militum und patricins aufgestiegen war, der 388
Apoll. Sidon. Carm. V, 470-486, S. 46, vgl. Carm. VII, 320-325, S. 211; vgl. dazu oben S. 20, Anm. 58; ferner LOTTER, Severinus v. Noricum, S. 243 ff.; MAENCHEN - HELFEN, Huns, S. 161 f. Mit den Vesi könnte Sidonius auch die thrakischen Besser gemeint haben, wenn er sie nicht analog zu der Gleichsetzung von Getae und Gothi überhaupt mit den Vesi/Visigothi zusammenbringt, jedenfalls schließen die unterschiedlichen Schreibweisen Besus/Vessus für Vesus dies trotz des allzu schroffen Widerspruchs von WOLFRAM, Goten1, S. 17, Anm. 14; Goten3'4, S. 384 Anm. 14 keineswegs aus; vgl. LOTTER, a.a.O.., S. 244 f. mit Anm. 225; ferner unten S. 161 mit Anm. 605.
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Jordan. Get. LH, 270 f., S. 128; Priscus, ed. BLOCKLEY, frg. 37, S. 340; ed. DE BOOR, Exc. de
390
leg. Rom. 9, S. 152; dazu WOLFRAM, Goten1, S. 327 ff.; Goten3'4, S. 363 ff.; DEMOUGEOT, Formation Π, S. 777 f. Sidon. Apoll. Carm. II, v. 224 ff., S. 179: ... perstrinxisse libet, quos Illyris ora triumphos/ viderit, excisam quae se Walamerìs ab armis/forte ducis nostri vitio deserta gemebat.
b) Die Donausueben, die „walamerischen" Ostrogoten und die „ostgotische" Ethnogenese 109
mehr denn je tödlichen Bedrohung des Westreichs durch die Wandalen endlich Herr zu werden. Freilich erzeugte die weitgehende Entblößung Dalmatiens von regulären Truppen in Pannonien ein Kräftevakuum, das die Goten erst recht zu Aktionen ermutigte. Vielleicht ist mit dieser Situation auch die Ankunft des illustrissimus vir Severinus in Norikum bzw. die Rückkehr dorthin von Ostrom her in Verbindung zu bringen, für welche die oben erwähnten inhaltlichen Indizien der Vita sprechen könnten391. Für die Ereignisse in Pannonien in den folgenden Jahren ist Jordanes die Hauptquelle. Allerdings sucht er die Schuld der Goten an der krisenhaften Entwicklung dabei nach Kräften zu verschleiern. Zunächst erfahren wir bei ihm, daß - wohl zwischen 465 und 467 - die walamerischen Goten ins Innere Pannoniens vorgestoßen seien, um die dort sitzenden - vielleicht hunnischen - Sadagen zu unterwerfen392. Der Angriff muß darüber hinaus auch die in Oberpannonien sitzenden Sueben getroffen und sogar Norikum erreicht haben, denn Apollinaris Sidonius berichtet in seinem Panegyricus auf Anthemius zum Jahre 467, daß die Ostrogoten an den Grenzen Norikums von den dort stehenden Truppen erfolgreich abgewehrt worden seien393. Doch gab es für die Goten wohl noch einen anderen Grund, den Vorstoß nach Oberpannonien und Norikum abzubrechen, denn während des Feldzugs brach plötzlich der Attilasohn Dintzig mit den seiner Herrschaft noch unterstehenden hunnischen Stämmen in das sirmische Pannonien ein, belagerte die Stadt Bassianae und verwüstete das umliegende Land. Die Goten Walamirs zogen daraufhin mit dem ganzen Heerbann gegen die Hunnen Dintzigs und schlugen sie so nachhaltig, daß sie, wie Jordanes berichtet, sich fortan nicht mehr mit den Goten zu messen wagten394.
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LOTTER, Severinus v. Noricum, S. 201-222; vgl. dazu oben S. 23 f. mit Anm. 64. S. oben Anm. 375. Nach DEMOUGEOT, Fonnation Π, S. 778 begann der Vorstoß der Goten schon 463 mit der Vertreibung eines Alanenverbandes unter König Beorgor, der im Februar 464 bei Bergamo von Ricimer vernichtet wurde. Dementsprechend setzt DEMOUGEOT den Vorstoß gegen die Sadagen schon 465 an. STEIN, BE I, S. 382 vermutet demgegenüber wohl mit mehr Recht, daß die Alanen Beorgors aus Gallien kamen. Sidon. Apoll. Carm. II, v. 377 f., S. 182: ... Noricus Ostrogothum quod continet, iste timetur, / Gallia quod Rheni martern ligat, iste pavori est. Zu dieser Stelle und deren Mißverständnis s. LOITER, Severinus v. Noricum, S. 213; BÒNA, Severi(ni)ana, S. 309: Zum Zeitansatz des Gotenvorstoßes s. unten S. 115 ff. mit Anm. 415-421. Zur Frage, ob auch die bei Eugipp. V. Sev. c. 17 erwähnte Belagerung von Tiburnia schon in diesen Zusammenhang gehört, s. WIRTH, Anmerkungen, S. 235, Anm. 29. Dies ist nicht auszuschließen, zumal die Chronologie Eugipps in diesem Punkt wenig zuverläsig ist, ordnet er doch die Belagerung Tiburnias thematisch der Strafe für säumige Zehntablieferung und damit dem entsprechenden in c. 18 erwähnten Vorgang in Lauriacum zu. Jordan. Get. LIÜ, S. 272 f.; MAENCHEN-HELFEN, Huns, S. 162 ff. setzt den gotisch-hunnischen Krieg zwischen 463/4 und 466 an. Dagegen spricht jedoch auch, daß Dengizich-Dintzig sich gegen Ostrom wandte und 469 in Thrakien einbrach, wo er den Tod fand, s. Priscus, ed. BLOCKLEY, frg. 46 u. 48, S. 352 ff.; ed. DEBOOR, EXC. de legat. gent. 18; 20, S. 587 f.; Mar-
cellin. a. 469, S. 90.
110
V. Die gentilen Verbände
Kaum war wieder Friede eingetreten, als sich ein neuer Konflikt mit den Sueben anbahnte, der bald weitere Kreise ziehen sollte. Der Suebenfürst Hunimund soll nämlich nach Dalmatien gezogen sein und auf dem Wege auch Vieh der Goten geraubt haben. Zu fragen wäre, warum Hunimund auf einem Zug nach Dalmatien das Gebiet der Goten nicht umgangen hat. Möglicherweise handelt es sich hier um einen Rachezug der Sueben, die den Einfalt der Goten in ihr Land zurückzahlen wollten, während deren Krieger in Sirmien gebunden waren. Doch bot Thiudimir nach Eingang dieser Nachricht sofort seine Mannschaft auf, überraschte den zurückkehrenden Hunimund am Plattensee, schlug ihn und zwang ihn zu einem Vertrag, wobei die Anerkennung der gotischen Oberherrschaft offenbar durch Adoption des Hunimund in ein Waffensohnverhältnis abgemildert werden sollte395. Laut Jordanes hielt sich Hunimund jedoch nicht an diesen Bündnisvertrag, sondern hat bald danach die Skiren, die jenseits der Donau saßen, ihrerseits zum Bruch ihres Bündnisses mit den Goten und zum Angriff auf diese veranlaßt396. Allerdings dürften die Skiren ohnehin wie andere donaugermanische Völker durch die expansive Politik der Goten gereizt worden sein. Auch hören wir, daß der oströmische Kaiser Leo I. den Skiren gegen die Goten Hilfe leistete397. Der Angriff der Skiren stieß auf das gotische Aufgebot unter Walamir, die Skiren wurden vernichtend geschlagen, doch fiel auch Walamir in der Schlacht. Daraufhin übernahm sein nächstjüngerer Bruder Thiudimir den Oberbefehl über die Gesamtheit der Walamirgoten und zugleich Heer und Herrschaftsgebiet des Walamir im Südosten. Nach einer etwas unsicheren Angabe des Johannes Antiochenus erfolgte der Herrschaftsübergang von Walamir auf Thiudimir um 469 oder nicht lange davor398. An dieser keineswegs sicheren Datierung orientiert sich das ganze chronologische Gerüst auch der vorhergehenden Vorgänge im Donauraum. 395
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Jordan. Get. Lin, 273 f., S. 128 f. Die Unruhe unter den Donausueben könnte auch durch die mit der Ermordung des Kaisers Libius Severus im November 465 eingetretene längere Thronvakanz im Westen und die Auseinandersetzungen zwischen dem Comes Dalmatiae Marcellinus und dem Heermeister und Reichsverweser Ricimer zu erklären sein, s. STEIN, BE I, S. 387 f. Auch diese Erwägung spräche dafür, den Einfall Hunimunds in Dalmatien vor der Zeit des kurzfristigen Aufschwungs des weströmischen Reiches mit der Erhebung des Anthemius um 467 anzusetzen. Jordan. Get. LUI, 275 f., S. 129: ... ille dolum parturiens Scirorumque gentem incitons, qui tunc super Danubium consedebant... Priscus ed. BLOCKLEY, frg 45, S. 352; ed. DE BOOR, Exc. de legat. gent. 17, S. 587: "Οτι Σκίροι και Γότθοι feç πόλεμον συνελθόντες καΐ διαχωρισθέντες άμφότεροι πρός συμμάχων μετάκλησιν παρεσκευάζοντο- έν οΐς καί παρά ιούς εωους ήλθον ... ò δέ αυτοκράτωρ Λέων έβούλετο Σκιροις έπικουρείν. καν δή γράμματα πρός τόν έν ΐλλυριοίς στρατηγών έπεμπεν έντελλόμενος σφίσι κατά των Γότθων βοήθειαν τήν προσήκουσαν πέμπειν. Johann. Antioch. frg. 206, 2, FGH IV, S. 617 a; DE BOOR, Exc.insid. 90, S. 129 f. : ... τοΰ βασιλέως γαμβρός Ζήνων, τήν ΐιπατον έχων άρχήν... Διανέστη δέ τότε πρός πόλεμον και τό Γότθων έθνος, Γαλατίαν τήν πρός εσπέρας νεμόμενον- οίπερ πάλαι μέν ' Αλλαρίχου ώνομάζοντο ... έτι μήν και τό έν Παιονία βαρβαρικών πλήθος, πρότερον μέν imò Βαλίμερι, μετά δε τήν εκείνου άναίρεσιν twtò θευδόμερι ταττόμενον, τφ Βαλίμερος
b) Die Donausueben, die „walamerischen" Ostrogoten und die „ostgotische" Ethnogenese H I
Nach der Niederlage der Skiren kam es wohl noch im gleichen Jahr zu einer umfassenden Koalition aller im mittleren Donauraum sitzenden Völker gegen die walamerischen Goten, an der wiederum auch der oströmische Kaiser Leo I. seinen Anteil hatte. An dem Bündnis beteiligten sich die Sueben unter Hunimund und Alarich, die Sarmaten unter ihren Königen Beuca und Babai, die Skiren unter ihren Fürsten Edika und Hunulf, ferner Kontingente der Gepiden und Rugier. Vermutlich handelte es sich um eine mit dem Westreich abgesprochene Aktion, denn zur gleichen Zeit versuchte Anthemius in Gallien die Westgoten Ellrichs durch eine Koalition der restlichen römischen Truppen unter Paulus mit Franken, Burgundern, Bretonen und Loire-Alanen in Zusammenarbeit mit den spanischen Sueben in die Enge zu treiben399. Doch ebenso wie sich die Westgoten in Aquitanien behaupten konnten, gelang es auch den Goten in Pannonien, ihrer Gegner Herr zu werden. Sie schlugen die Verbündeten am Fluß Bolia in Pannonien - vielleicht tatsächlich gegenüber der Eipel-Ipoly-Mündung im Raum westlich des Donauknies - vernichtend. Daraufhin zerfiel die antigotische Koalition. Der skirische Fürst Edika scheint in der Schlacht gefallen zu sein400. Zunächst machte der Sieg der Goten der Selbständigkeit der Donausueben ein Ende. Während die Masse des Stammesverbandes sich offenbar den Goten unterwarf, floh Hunimund mit seiner engeren Gefolgschaft zu den stammverwandten Alemannen. Thiudimir, der in Hunimund wohl nicht zu Unrecht nicht nur den eigentlichen Initiator der antigotischen Koalition, sondern auch den wortbrüchigen Verräter und eigentlich Schuldigen am Tode Walamirs sah, verfolgte diesen mit unbändigem Haß über die Ostalpen hinweg und gelangte bei hereinbrechendem Winter wohl über die zugefrorene obere Donau in das alemannische Stammesgebiet im nördlichen Alpenvorland401. Erstaunlicherweise hat sich demgegenüber in der Forschung eine Auffassung durchgesetzt, welche die eindeutige Aussage des Cassiodor-Jordanes verwirft und den Alemannensieg der Goten in die Slowakei verlegt. Dabei wird vorausgesetzt, daß Hunimund über die mittlere Donau in den westslowakischen Raum geflohen sei, daß ihm die Alemannen dorthin zu Hilfe geeilt
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άδελφώ. Die Aussage des Johannes bietet kaum mehr als einen Terminus ante fur den Tod des Walamir und den Skirensieg, keineswegs ein sicheres Datum, wie WOLFRAM, Goten1, S. 330, Anm. 40 - vgl. auch Goten3'4, S. 476 f. Anm. 40 - annimmt. Sicher ist nur die Angabe des Sidonius Apoll. Π, 377 f. oben Anm. 393, mit der die erfolgreiche Abwehr der Goten an der Grenze Norikums 467 zu datieren ist. Sollte dieser Vorgang, wie denkbar wäre, erst mit dem zweiten Vorstoß der Goten gegen die Sueben Hunimunds nach dem Sieg an der Bolia zusammenhängen, müssen alle oben erwähnten Ereignisse von ersten Vorstoß der Goten gegen die Sadagen an um zwei bis drei Jahre zurückdatiert werden, s. oben Anm. 392 f., unten S. 115 f. Vgl. WOLFRAM, Goten1, S. 330 f.; Goten3'4, S. 265 f. Jordan. Get. LIV, 277 ff., S. 130. Zu den Alemannen s. GEUENICH, Alemannen; STROHEKER, Alemannen; STEUER, Alemannen, insb. S. 144 f.; BEUMANN, Transalpine Verbindungen; CHRISTLEIN, Alamannen; MARTIN, Alemannen; zur Ethnogenese der Alemannen s. auch CASTRITTUS, Von Vielfalt zur Einheit; DERS., Semnonen; DERS./GEUENICH, Reichsbildung; vgl. auch unten S. 125 f. mit Anm. 449.
112
V. Die gentilen Verbände
wären und daß die Darstellung des Cassiodor-Jordanes fälschlich die Schlacht zwischen Goten und Alemannen im eigentlichen Alemannengebiet lokalisiert habe. Dies setzt eine nicht unerhebliche Korrektur, ja eine Verwerfung der Quellenaussage in ihren wesentlichen Punkten voraus. Um einen späteren Einschub kann es sich bei der genauen Lokalisierung dieses Vorgangs jedoch kaum handeln, da die hier anzutreffende Form der geographischen Ortung von Stämmen und Völkern für die ursprüngliche Darstellung Cassiodors typisch ist402. Für den frühen Ansatz dieser Stelle spricht auch die Nennung der Thüringer als nördliche Nachbarn, die nach der Vernichtung des Thüringerreiches um 531/34 kaum noch denkbar ist. Daher erscheint es uns doch als die einfachste und naheliegendste Lösung, die unmißverständliche Aussage der Quellen ernst zu nehmen. Jedenfalls kommen Alpenüberquerungen im Verlauf kriegerischer Unternehmungen auch damals so häufig vor, daß es sich erübrigt, hier Beispiele anzuführen. Doch wie dem auch sei, der Winterfeldzug des Goten blieb erfolglos, Hunimund begegnet uns noch kurz nach dem Jahre 476 in Rätien bei einem Überfall auf die Stadt Passau, auch dies ein Indiz dafür, daß er sich mit seiner Gruppe tatsächlich in das nördliche Alpenvorland abgesetzt hat403. Wie weit die bei Eugippius erwähnten Vorstöße der walamerischen Goten in die ostnorische, an das Rugierreich nördlich der Donau angrenzende und später diesem eingegliederte Region schon 467 erfolgt und in Zusammenhang mit der Nachricht des Sidonius Apollinaris über Abwehrerfolge der Noriker zu bringen sind, ob sie nach 467 oder vielleicht sogar schon 456 anzusetzen sind, ist nicht mit letzter Sicherheit zu entscheiden. Der einzige Anhaltspunkt ist die im Prinzip chronologische Anordnung bei unserm Berichterstatter Eugippius, und diese spricht eher dafür, daß die Vorstöße gotischer Scharen gegen Asturis, Comagenis und vielleicht auch Favianis (c. 1-4) nicht unmittelbar mit den auf die Schlacht am Bolia folgenden Absetzbewegungen von Führern und Stammesteilen der an der antigotischen Koalition beteiligten Donauvölker zusammenhängen, die erst in c. 5-7 ihren Niederschlag finden404. 402
Jordan. Get. LV, 280 f., S. 130: ... instanti hiemali fiigore amnemque Danubii solite congelato... Thiodimer Gothorum rex ... emensoque Danubio Suavis inprovisus a tergo apparuit. Nam regio illa Suavorum ab oriente Baibaros habet, ab occidente Francos, a meridie Burgundzones, a septentrione Thuringos. Quibus Suavis tunc iuncti aderant etiam Alamanni ipsique Alpes erectos omnino regentes, unde nonnulla fluenta Danubium influunt...; vgl. dazu unten S. 132 mit Anm. 477; ferner LOTTER, Donausueben, S. 275 ff.; W. SCHNEIDER, Frühgeschichte, S. 95 ff., demgegenüber POHL, Gepiden, S. 266. Pohl verwirft jedoch hier die Teilnahme der Alemannen überhaupt und tut paradoxerweise die an den Quellen orientierte Auffassung als Hypothese ab. Dies ein eklatantes Beispiel dafür, wie auch quellenmäßig schlecht oder gar nicht begründbare Auffassungen durch ständige Wiederholungen als communis opimo allmählich den Charakter von unanfechtbaren Tatsachenbehauptungen annehmen. Auch die Feststellung, daß die zugefrorene Donau zum Topos geworden sei, schließt nicht aus, daß sie im Winter tatsächlich zufrieren konnte, insbesondere am Oberlauf.
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Eugipp. V. Sev. c. 22,4 f. Vgl. dazu LOITER, Severinus v. Noricum, S. 201-222.
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b) Die Donausueben, die „walamerischen" Ostrogoten und die „ostgotische" Ethnogenese 113
Der Vorstoß gegen Asturis, der mit der Zerstörung dieses Kastells endete, könnte über den Wienerwald erfolgt sein, wenn Asturis wirklich, wie Herma Stiglitz-Thaller mit guten Gründen vermutet, im heutigen Zwentendorf westlich von Comagenis-Tulln zu suchen ist405. Dafür spräche nicht nur die Bemerkung in der Vita Severini, daß Severinus von Asturis aus nach Comagenis - entgegen seiner ursprünglich westwärts gewandten Marschrichtung - „abbog" (declinavit), sondern auch der Umstand, daß die Besatzung von Comagenis sich nach dem Fall von Asturis von den Feinden eingeschlossen wähnte406, diese demnach die Stadt vom Hinterland im Westen abgeschnitten hatten. Nichts liegt näher als anzunehmen, daß die von so großer Furcht erfüllte barbarische Garnison von Comagenis, die von römischen Offizieren befehligt wurde, aus Sueben bestand, die damals allen Grund hatten, die Goten zu fürchten. Vielleicht hatte auch in Asturis eine Foederatenbesatzung gelegen. Von einem weiteren Vorstoß einer „barbarischen Räuberschar" im Umland von Asturis erfahren wir in c. 4 der Vita. Severinus gibt dem Kommandanten der in Favianis garnisonierten Limitaneinheit den Auftrag, die Schar zu verfolgen, diese wird geschlagen, die Gefangenen vor Severinus geführt. Dieser trifft, wie es den Anschein hat, Abmachungen, welche die gesamte Stammesgruppe betreffen, und entläßt die Gefangenen mit der Mahnung, fortan das römische Gebiet zu schonen407. Tatsächlich hielt sich die Ostregion Ufernorikums nach der Zerstörung von Asturis spätestens um 467/9 bis zur endgültigen Evakuierung durch Odoaker 488, seit 476 freilich unter rugischem Protektorat, ohne weitere Einbußen. Demgegenüber schildern die cc. 5-7 der Vita, die auch zeitlich und durch einen deskriptiven Exkurs über die asketische Lebensweise des Severinus von den vorhergehenden Kapiteln abgesetzt sind, Folgeerscheinungen der Schlacht am Bolia nach 469. Ahnlich, wie sich Hunimund mit seinem Gefolge aus Pannonien absetzte, haben sich auch die Fürsten der Skiren, die Söhne Edikas, Hunulf und vielleicht auch Odoaker, bald dem Machtbereich der Goten entzogen. Hunulf trat mit einem wohl nur unbedeutenden Gefolge auf oströmisches Gebiet über, wo er bald comes wurde und uns zur Zeit, als sein Bruder (väterlicherseits ), Odoaker, sich zum König von Italien erheben ließ, als illyrischer Heermeister entgegentritt408. Odoaker, der selbst nicht als Teilnehmer an der Schlacht am Bolia-Fluß 405
Zwentendorf, S. 8 7 - 9 3 ; vgl. auch GENSER, Donaulimes, S. 3 3 7 ff.; Limes, S. 148 ff. Eugipp. V. Sev. c. 1, 3: ... Inde adproximum, quod Comagenis appellabatur, oppidum declinavit ...; 2, 2: ... exeuntes igitur conciti diffugerunt, aestimantes se vicinorum hostium obsidione vallatos... Eugipp. V. Sev. c. 4,4: ... quos absolutos vinculis cibo potuque refectospaucis alloquitur: Ite et vestris renuntiate complicibus, ne aviditate praedandi ultra hue audeant propinquare ...; dazu LOITER, Severinus v. Noricum, S. 212 ff. Malchus ed. BLOCKLEY, fgr. 8; 9,4, S. 117; 416 f.: ... ' Ονόουλφος δέ ainòv διεχρήσατο, δ irava b ' Αρμάτιος πένητα καν άρτι εκ βαρβάρων ήκοντα προσλαβών φνλοφρόνως τό μέν πρώτον κόμητα έπο'νησεν, έπειτα και στρατηγόν Ιλλυριών ... Hunulf und Odoaker STIGLITZ(-THALLER),
KANDLER/ VETTERS,
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V. Die gentilen Verbände
bezeugt ist, dessen Name uns damals jedoch in Gallien auch als Anführer einer „sächsischen" Gruppe genannt wird, machte bald darauf - etwa um 470 - mit damals nur geringem Gefolge Severin seine Aufwartung, der ihm angeblich die Königherrschaft in Italien prophezeite. Tatsächlich begegnet er uns um 472 in der Palastgarde des Anthemius, dessen Sturz er freilich nicht verhinderte. Mit Hilfe seines donaugermanischen Gefolges aus Skiren, Herulern, Rugiern und sog. Turkilingen (= Thüringern?) setzte er sechs Jahre später, wie wir wissen, den letzten in Italien residierenden weströmischen Kaiser, Romulus Augustus, ab409. Ähnlich wie Odoaker beabsichtigte auch der eben erst zur Herrschaft gelangte Rugierkönig Flaccitheus, sich dem gotischen Druck durch Abwanderung nach Italien zu entziehen. Doch verweigerten ihm die Goten den Durchmarsch auf der pannonischen Straße über Scarbantia-Savaria-Poetovio, auf die er wegen der Frauen und Kinder, anders als Odoaker - angewiesen war. Severinus konnte Flaccitheus jedoch beruhigen; er ermähnte ihn lediglich, sich gegenüber den Goten zurückzuhalten und auf keinen Fall die Donau zu überschreiten, selbst wenn diese ihn provozierten410. Vermutlich hatte Flaccitheus mit der Hauptmacht der Rugier nicht am Krieg gegen die Goten teilgenommen. Offenbar gab es schon zu dieser Zeit wie auch um 487 eine gotenfreundliche und eine antigotische Partei bei den Rugiern. Während später einer der Söhne des Flaccitheus, Ferderuchus, als Anführer der odoakerfreundlichen und wohl antigotischen Partei auftrat, gelang offenbar Flaccitheus eine Annäherung an die Goten, die vermutlich durch eine gotische Eheverbindung, die Verheiratung der Giso mit seinem Sohn Feletheus-Fewa, bekräftigt wurde. Aus dieser Ehe ging der junge Friderich hervor, der später seinen Oheim Ferderuchus tötete und sich nach der Vernichtung des Rugierreiches durch Odoaker in den Jahren 487/8 den Ostgoten Theoderichs anschloß411.
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scheinen einer thüringisch-skirischen Mischehe zu entstammen; s. CASTRITIUS, Heermeister, S. 22-30; vgl. DEMANDT, Spätantike, S. 176; CIPOLLA, Considerazioni; anders REYNOLDS/ LOPEZ, Odoacer. Zu Odoaker s. auch KRAUTSCHICK, Zwei Aspekte. Eugipp. V. Sev. c. 6,6; 7,1; Jordan. Get. XLVI, 242, S. 120; Rom. 344, S. 44; Iohann. Antioch. frg. 209, S. 617; zur Parteinahme Odoakers für Ricimer gegen Anthemius um 472 und zum folgenden s. Joh.Antioch., FHG IV, frg. 209,1, S. 617; DE BOOR, Exc.insid. 93, S. 131; vgl. Prokop, Bell. Goth I, 1, 2-8 ed. DEWING, ΙΠ, S. 2 ff.; dazu WES, Ende, S. 52-88. Eugippius bezeichnet Odoacer während des Besuchs bei Severinus c.7 als iuvenis, im einleitenden capitulum dagegen als adulescentulus. Letzteres reicht für THOMPSON, Romans, S.l 17 aus, den Besuch um 461 zu datieren. Da die Inventus bis zum SO. Lebensjahr reicht, werden die sich widersprechenden Altersbezeichnungen jedoch für die Datierung des Besuchs unbrauchbar, s. dazu LOTTER, Rez. THOMPSON, Romans. Eugipp. V. Sev. c. 5; dazu CSENDES, Flaccitheus, S. 289 ff. Eugipp. V. Sev. c. 42; 44, 1-4; WOLFRAM, Goten1, S. 333 mit Anm. 53; Goten374, S. 267 und 477 Anm. 53. Der Rugierkönig Flaccitheus dürfte nur wenige Jahre, etwa von 467-472, regiert haben, da Eugipp. V. Sev. c. 5 seine Anfänge in die Zeit der gotischen Angriffe setzt, am Ende des c. von seinem Tode in Frieden, offenbar nach dem Abzug der Goten, berichtet und bereits c. 8 unmittelbar nach dem Besuch Odoakers bei Severinus von den Anfingen der Regierung des Feletheus-Fewa spricht. Zum chronologischen Aufbau der Vita Severmi s. LOTTER, Severinus v. Noricum, S. 201-222.
b) Die Donausueben, die „walamerischen" Ostrogoten und die „ostgotische" Ethnogenese 115
Die Rugier konnten sich im übrigen auch deshalb vor den Goten sicher fühlen, weil diese bald erkannten, daß alle Siege über ihre donaugermanischen Nachbarn ihre Situation in dem ausgebluteten Land nicht verbesserten. Zunächst hatte die Entfremdung zwischen Konstantinopel und den walamerischen Goten den Kaiser veranlaßt, Thiudimirs Sohn Theoderich heimzuschicken, wohl im Glauben, daß Theoderich in Konstantinopel zu einem Römerfreund geworden sei und nun im Sinne der oströmischen Politik wirken würde412. Der junge Theoderich übernahm mit einer Heeresmacht von 6000 Kriegern, vielleicht dem unmittelbaren Gefolge Walamirs, dessen Herrschaftsbereich im sirmischen Pannonien und griff alsbald einen weiteren Gegner aus der Schlacht am Bolia, den Sarmatenkönig Babai, an, der sich in Singidunum-Belgrad in Obermösien auf oströmischem Gebiet festgesetzt hatte. Gewissermaßen als Verbündeter Ostroms besiegte und tötete Theoderich Babai und nahm spätestens um 471 Singidunum ein, ohne es freilich an die oströmische Regierung zurückzugeben. Die Sarmaten scheinen nach dem Abzug der walamerischen Goten vor dem Druck der Gepiden in den südpannonischen Raum ausgewichen zu sein413. Nach Jordanes hat der Friede den Goten damals nicht behagt, da von den Nachbarvölkern keine Beute mehr zu erwarten war und sie bald wieder Mangel an Nahrung und Kleidung litten. Sie hätten daher ihren König Thiudimir nachdrücklich aufgefordert, sie in andere Länder zu führen. Thiudimir und Widimir hätten ausgelost, daß letzterer nach Italien, wo damals Glycerius herrschte, ersterer als der Mächtigere gegen das stärkere Ostreich ziehen solle414. Der Hinweis auf die größere Stärke widerspricht der Auslosung ebenso wie das Unternehmen Theoderichs gegen Singidunum, das wie eine Art Vorhutsgefecht wirkt, um der Hauptmacht der Thiudimir-Goten den wohl bereits geplanten Weg nach Osten freizukämpfen. Die Trennung der bisher doch scheinbar so auf Einheit bedachten Walamirgoten spricht dafür, daß auch Widimir ein bestimmtes Ziel hatte. Die widersprüchlichen chronologischen Angaben haben eine Kontroverse gezeitigt, in der eine Entscheidung kaum zu fällen ist. Schon die Angabe des Johannes Antiochenus, welche den Übergang der Herrschaft von Walamir auf Thiudimir nach der Schlacht am Bolia mit dem Jahre 469 in Verbindung bringt, ist nicht eindeutig, wie wir oben bereits feststellten. Die Möglichkeit ist nicht auszuschließen, daß die ganze Chronologie der donaugermanischen Kriege um zwei bis drei Jahre zurückzuverschieben ist, womit auch eine bessere Übereinstimmung mit der Nachricht des Apollinaris Sidonius über die Bedrohung Norikums durch die Goten 467 erzielt würde415. Im übrigen müßten wir auch den Sieg Theoderichs über die Sarmaten und die Einnahme Singidunums auf 469 vordatieren, wenn wir 412 413
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Jordan. Get. LV, 281, S. 130; ENSSLIN, Theoderich, S. 33. Jordan. Get. LV, 282, S. 130.; zur Frage der Datierung s. WOLFRAM, Goten1, S. 333 f. mit Anm. 55; Goten3'4, S. 267 und 477 f., Anm. 55; ferner POHL, Gepiden, S. 276. Jordan. Get LVI, 283, S. 131; Rom. 347, S. 44 f. S. oben Anm. 393; 398.
116
V. Die gentilen Verbände
die Angabe des Jordanes, Theoderich sei damals achtzehn Jahre alt gewesen, akzeptieren und gleichzeitig mit Wolfram sein Geburtsjahr 451 ansetzen. Eine weitere crux ist die Tricennalienfeier der Königserhebung Theoderichs im Jahre 500, wonach dieser Akt um 471 erfolgt sein müßte. In der Regel wird dieses Ereignis jedoch mit dem Tode Thiudimirs in Verbindung gebracht und nicht vor 474 angesetzt. Demgegenüber hat Wolfram eine Erhebung Theoderichs zum Gotenkönig durch seine Gefolgschaft nach dem Sieg über Babai im Jahre 471 erschlossen. Dem widerspräche nur der Bericht des Jordanes von der Designation Theoderichs durch seinen sterbenden Vater416. Andererseits aber liegt es nahe, den Einmarsch der Goten Thiudimirs in das oströmische Illyricum mit dem Aufstand der Goten Theoderich Strabos nach dem Sturz des allmächtigen Heermeisters und Patricius des Ostens, Aspar, im Jahre 471 in Verbindung zu bringen. Der günstige Vertragsabschluß, den noch Leo I. im Jahre 473 dem Theoderich Strabo gewährte, wäre dann ebenso wie dessen Königserhebung durch seine gotische Gefolgschaft bereits eine Reaktion auf die Invasion der Thiudimirgoten in Ostillyricum. Da diese dann wohl spätestens im Jahre 472 angesetzt werden müßte417, ist nicht auszuschließen, daß der Tod Thiudimirs und die Erhebung Theoderichs tatsächlich schon 471 erfolgt ist. Dem widerspricht nun wiederum die Angabe des Jordanes, Widimir sei während der Regierungszeit des Glycerius nach Italien gezogen. Wenn der wenig mehr als ein Jahr (5. 3. 473 - 24. 6. 474) regierende Glycerius, wie Jordanes berichtet, den jüngeren Widimir (III) nach dem Tod des Vaters und einer Niederlage reich beschenkt nach Gallien abschob418, ist es angesichts der Chronologie des Thiudimirzuges denkbar, daß der vom älteren Widimir (Π) unternommene Italienzug erst nachträglich mit dem Namen des Glycerius in Verbindung gebracht worden ist, in Wirklichkeit jedoch gleichzeitig mit dem Zug Thiudimirs ein bis zwei Jahre früher erfolgte. Daher liegt die Identifizierung Widimirs (Π) mit dem in der Jahrhunderte späteren Überlieferung des Paulus Diaconus erwähnten angeblichen gallischen Heermeister Bilimer, der den von Ricimers Truppen in Rom belagerten Anthemius im Frühjahr 472 vergeblich zu entsetzen versuchte, durchaus im Bereich der Möglichkeit, ja Wahrscheinlichkeit419. Als gallischer Heermeister ist Bilimer 416
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419
Jordan. Get. LVI, 288, S. 132; WOLFRAM, Goten1, S. 333 f.; Goten3, S. 267 f. Zu den Phasen der Königserhebung Theoderichs s. auch CLAUDE, Königserhebungen, S. 153 ff.; DERS. Königserhebung. STEIN, B E I, S. 356f.; DEMOUGEOT, Formation Π, S. 781 f.
Jordan. Get. LVI, 283 f., S. 131: Vidimer Italiae terras intravit ... excessif... successorem relinquens Vidimer filium suumque synonymum. Quem Glycerius imperator muneribus datis de Italia ad Gallias transtulit... Vidimer acceptis muneribus simulque mandata a Glycerio imperatore Gallias tendit...; Rom. 347, S. 45:... relictaque ergo Pannonia alter Italiam, alter Illyricum suscepit populandum. Sed utrique reges ... ilico rebus humanis excedunt... relictis flliis ... quorum Vidimer ab Italis proeliis victus ad partes Galliae Spaniaeque omissa Italia tendit. Paulus Diaconus, Hist. Rom. XV, 4, S. 119: ... Bilimer Galliarum rector cognita adversus Anthemium conspiratione Ricimeris Anthemio ferre praesidium cupiens Romam properavit. Is
b) Die Donausueben, die „walamerischen" Ostrogoten und die „ostgotische" Ethnogenese 117
ohnehin nicht unterzubringen; die notorische Verderbtheit der Namensüberlieferung bei Paulus Diaconus legt die durch griechische Transskription bedingte Verschreibung Bilimer aus Widimir geradezu nahe - erst recht, wenn auch die Namensform Bilimer möglich ist; die irrtümliche Verbindung mit Gallien wird durch den Abzug des jüngeren Widimir dorthin erklärlich. Auf jeden Fall muß die Parallelität der Vorgänge in beiden Quellen auffallen, ist doch beide Male von einer Niederlage und dem Tod des Heerführers in Italien die Rede420. Für uns bleibt festzuhalten, daß die Walamirgoten etwa um 471/472 Pannonien räumten. Ob die Scharen Widimirs (Π) auf dem Marsch nach Italien in Binnennorikum eingedrungen sind und ob die Belagerung Tibumias durch Goten und deren durch Subsidien- und Textilienlieferungen erwirkter Abzug damit in Verbindung zu bringen ist, bleibt zweifelhaft, da eine derartige Unternehmung von dem eigentlichen Ziel des Widimirzuges, Italien, eher ablenkte421. Nach der in Italien erlittenen Niederlage und dem Tod Widimers (Π) zog Widimer (ΙΠ) nach Gallien, wo er sich den stammverwandten Westgoten anschloß, bei denen er andere Glieder seiner Sippe, Angehörige des Widerich-Zweiges der Amaler, antraf. Vielleicht ist es sein Verband, der später - als Theoderich im Jahre 490 in Norditalien von Odoakers Truppen in Pavia eingeschlossen wurde und den Westgotenkönig Alarich Π. um Hilfe bat - von diesem dem Ostgotenkönig zu Hilfe geschickt wurde und sich nach dessen Entsetzung wieder mit den alten Stammesbrüdern vereinigte 422.
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cum Ricimere apud Hadriani pontem proelium committens continuo ab eo superatus atque occisus est. extincto Bilimere mox victor Ricimer urbem invadens ... Anthemium gladio peremit...; s. dazu STEIN, BE I, S. 394 f.; DEMANDT, Magister, Sp. 696 ff. WOLFRAM, Goten1, S. 334 mit Anm. 61; Goten3'4 S. 268 und 478 Anm. 61 behauptet, Demandt habe Stein „überzeugend widerlegt". In Wirklichkeit stellt Demandt, dem keine anderen Nachrichten als Stein zur Verfugung stehen, Steins These nur mit aller Vorsicht unter Berufung auf die von Jordanes angegebenen Regierungszeit des Glycerius in Frage, obwohl ihm andererseits die Existenz eines gallischen Magisteriums des Bilimer durchaus problematisch erscheint. Die späte Chronologie des Paulus Diaconus, vor allem wenn es um Feindatierungen im Bereich eines Jahres geht, wird niemand ernsthaft als zuverlässig bezeichnen können. Wie im übrigen die aus verschiedenen Quellen entnommenen Personennamen bei Paulus Diaconus entstellt werden, zeigt das Beispiel des Glycerius, der Hist. Rom. XV, S, S. 120 Licerius, in den direkt aus Jordanes entlehnten Teilen XV, 12, S. 123 dagegen richtig Glycerius heißt, ebendort, wo auch der Name Widimirs richtig genannt wird. Zur Verschreibung: aus ΒΙΔΙΜΕΡ wird ΒΙΛΙΜΕΡ. Β entspricht im griechischen phonetisch ohnehin dem W-Laut, beim Verlesen ist also lediglich der Querstrich des A=D weggefallen. Vgl. im übrigen auch den Bericht des Johann. Antioch. fgr. 209, 1, S. 617 zum Untergang des Anthemius, der nur von einer Niederlage und dem Abfall der Anhänger des Kaisers berichtet, von einem Heermeister Bilimer jedoch nichts weiß, ebensowenig freilich Widimirs Goten erwähnt. Eugipp. V. Sev. c. 17, 4: ... vestium copiam ... ex oppido Tiburniae similis collatio ... cives Tiburniae vario cum obsidentibus Gothis certamine dimicantes vix initi foederis pactione inter cetera etiam largitionem iam in unum collatam ... hostibus obtulerunt; dazu WOLFRAM, Goten1, S. 335 mit Anm. 63; Goten3'4, S. 269. Excerpt. Vales. 53, S. 15: ... Tunc venerunt Wisigothae in adiutorium Theoderici... Vgl. KÖNIG,
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V. Die gentilen Verbände
Die Schicksale Theoderichs und der Thiudimirgoten in (Ost-)Dlyricum und Thrakien in der Zwischenzeit haben uns hier nicht zu beschäftigen. Nur soviel bleibt festzuhalten, daß Theoderichs nunmehr „ostgotischer" Verband, mit dem er im Frühjahr 488 von Novae in Untermösien aufbrach, um im Auftrag des oströmischen Kaisers Odoakers Herrschaft in Italien zu stürzen, nur noch zum weitaus geringeren Teil aus den walamerischen „Ostro"-Goten bestand, mit denen Thiudimir bzw. sein Sohn Theoderich um 471/2 in die oströmische Praefektur Illyricum einmarschiert war. Waren diese doch in den wechselvollen Kämpfen mit den Goten des Theoderich Strabo und den oströmischen Armeen weitgehend aufgerieben worden, bis es dem Amai er nach dem Tode seines gleichnamigen Rivalen gelang, den größten Teil von dessen Anhang an sich zu ziehen und mit diesem einen neuen kampfstarken Verband zu bilden, der bald seinerseits weitere ethnische Gruppen und Volkssplitter aufsaugte . Wie weit der „Goten"-Verband des Theoderich Strabo sich aus Ostrogoten, Visigoten und anderen Völkersplittern zusammensetzte, bleibe hier dahingestellt. Auf jeden Fall fassen wir mit dem Übergang dieses Verbandes und weiterer Gruppen an den Amaler Theoderich auch hier einen mit der früheren westgotischen Ethnogenese vergleichbaren Vorgang einer auf Wanderungsbewegungen erfolgenden neuen gotischen Ethnogenese, aus der die „ostgotische" Kriegerkaste des späteren Reiches Theoderichs hervorging. Freilich lehnten mehrere gotische Gruppen im oströmischen Reich, deren Akkulturationsprozeß bereits fortgeschritten war, es ab, sich Theoderichs Verband anzuschließen 423. Bei dem Zug Theoderichs nach Italien 488/89 sollen bis zu rund 100.000 Goten beteiligt gewesen sein, doch dürfte nur ein Bruchteil davon aus Kämpfern bestanden haben. Es lag im Interesse Ostroms, dass die Goten Theoderichs und der aus ostgermanischen Stammessplittern in römischem Dienst zusammengewachsene Verband Odoakers sich gegenseitig aufrieben. Schon am Grenzfluß, der Ulca-Vuka, verlegten die Gepiden unter König Thraustila den Goten den Weg. Theoderich zog daher unter Umgehung Sirmiums offenbar auf der Straße am Südufer der Donau entlang nach Nordwesten, um von dort aus dann die durch das Drautal fuhrende Straße zu erreichen. Nur unter schweren Verlusten konnten die Goten, denen schon die Lebensmittel ausgingen, schließlich den Durchbruch erzwingen. Auch nach dem Einmarsch in Italien im Frühjahr 489 kam es noch zu wechselhaften und verlustreichen Kämpfen, doch befreite jener bereits erwähnte Zuzug von westgotischer Seite Theoderich aus kritischer Lage. Erst 493 gelang die Einnahme von Ravenna durch einen trügerischen Vertrag, der Odoaker das
Theoderich, S. 128 f.; s. des weiteren oben S. 74 mit Anm. 273, vgl. die Stammtafeln der 423
Amaler bei CASTRITIUS, WOLFRAM, Goten 3 ' 4 und LOTTER, s. oben Anm. 268. S. dazu WOLFRAM, Goten 1 , S. 335-352; Goten 3 ' 4 , S. 268-283; DEMOUGEOT, Formation Π, S. 7 8 1 - 7 9 5 ; KÖNIG, T h e o d e r i c h , S. 122; MOORHEAD, T h e o d e r i c , S. 17-31.
b) Die Donausueben, die „walamerischen" Ostrogoten und die „ostgotische" Ethnogenese 119
Leben kostete. Theoderich wurde schließlich als rex und sozusagen Statthalter des Kaisers in seiner Herrschaft über Goten und Römer im Westen anerkannt424. In Noricum und Pannonien hatte der Abzug der dort längere Zeit sitzenden Ostrogoten den verbliebenen römischen Provinzialen und den Sueben zunächst Luft verschafft, doch fiel damit zugleich auch ein Machtfaktor aus, der insbesondere im Ostalpenraum die germanischen Nachbarn der Provinzialen bislang bei ihren Aktionen zur Zurückhaltung genötigt hatte. Wenn auch am rätisch-norischen Donaulimes von Quintanis-K\mzm% bis zum Raum etwa von Vindobona die Grenzverteidigungsorganisation bis 476 noch leidlich funktionierte und gelegentliche Streifzüge von Banden etwa der H eruier und Thüringer, die es nur auf Beute abgesehen hatten, abwehren konnte425, verstärkte sich nun zunehmend von Westen her der Druck der Alemannen, von Norden aus der Rugier. Der Rugierkönig Flaccitheus, der die Autorität des Severinus stets achtete, wurde schon bald, etwa um 472, von seinem Sohn Feletheus-Fewa abgelöst, dessen Haltung nicht eindeutig war. Zwar vermittelte er, als die Königin Giso - wohl ostrogotischer Herkunft - katholische Provinzialen nicht nur verschleppte, sondern auch zwangsweise zum Arianismus zu bekehren versuchte426. Severinus konnte auf die Dauer jedoch nicht verhindern, daß sich der Bündnisvertrag mit den Rugiern allmählich in ein tributares Schutzverhältnis verwandelte. Dieses anzunehmen zwangen Severinus die zunehmenden Vorstöße der Alemannen. Allerdings gelang es Severinus, ebenfalls noch vor 476 mit deren König Gibuld bei fiatav/s-Passau eine Abmachung zu treffen, aufgrund derer Gibuld nicht nur die Räumung des römischen Gebiets, sondern auch die Freilassung römischer Gefangener zusagte. Tatsächlich sind in der Folge eine Anzahl gefangener Provinzialen von dem Vertreter des Severinus aus dem Alemannengebiet herausgeholt worden427. Noch immer ist umstritten, ob Gibuld bereits als alemannischer Stammeskönig anzusehen ist, wie er uns wohl auch in den Alemannenkriegen
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S. unten S. 127 mit Anm. 457. Zum Status der Herrschaft Theoderichs über Goten und Römer, s. WOLFRAM, Goten1, S. 353-361; Goten374, S. 283-289; MOORHEAD, Theoderic, S.32-51; insb. 39 ff.; 65 ff. (mit weiteren Literaturangaben); ENDUN, Theoderich, S. 54 ff.; 74-79; GOFFART, Barbarians, insb. S. 58-102; dazu WOLFRAM, Ansiedlung, insb. S. 12-20. Eugipp. V. Sev. c. 4, 1: ... praedones barbari, quaecumque extra muros hominum pecudumque reppererant, duxere captiva ...; vgl. c. 9, 1; 10, 1; ferner 11, 1: Dum adhuc Norici Ripensis oppida superiora constarent et paene nullum castellum barbarorum vitaret incursus, ... certatim eum ad se castella singula pro suis munitionibus invitarent...; c. 20,1, s. oben S. 19, Anm. 55. Die Heruler und Thüringer werden namentlich erst c. 24, 3; 27, 3 und 31, 4 in Zusammenhang mit Vorgängen, die nach 476 anzusetzen sind, genannt. Zu der Bedeutung der Stelle c. 20, 1 als chronologischem Fixpunkt s. LOITER, Severinus v. Noricum, S. 204-210; vgl. ferner DERS., Daten, S. 63-67. Eugipp. V. Sev. c. 8, 1 f., vgl. oben Anm. 384; ferner LOTTER, Severinus v. Noricum, S. 189 f.; RÉGERAT, Arianismus; BRATOZ, Beziehungen, S. 80 f. Eugipp. V. Sev. c. 19: propter Alamannorum incursus assiduos, quorum rex Gibuldus summa eum reverentia diligebat...
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V. Die gentilen Verbände
Chlodwigs um 497 und 506 entgegentritt428. Eugippius zählt ihn jedenfalls ausdrücklich als Alamannorum ... rex zu den gentium regibus, stellt ihn als rex einer gens dar mit dem Recht, seinen Leuten die römischen Gefangenen ohne Entgelt fortzunehmen. Doch wäre er der einzige, dessen Namen wir kennen. Im übrigen erfahren wir von Gibuld-Gebavult in der Vita Lupi, daß er etwa um die gleiche Zeit an der Spitze eines alemannischen Verbandes bis in die Gegend des Plateau von Langres und in den Bereich der Diözese von Troyes vorgestoßen ist, wo der Bischof Lupus mit ihm ebenfalls über die Freilassung römischer Gefangener verhandelte429. Die Auffassung von Krusch, wonach der Autor der Vita Lupi hier einfach die Erzählung der Severinvita übernommen hat, ist von Ewig widerlegt worden430. Andererseits ist aber auch das Argument Ewigs, wegen der Entfernung der beiden Schauplätze des Gibuld-Gebavult voneinander sei an zwei verschiedene Persönlichkeiten zu denken, wenig überzeugend. So spricht schon die geringe Wahrscheinlichkeit, daß zwei alemannische Klein-Stammfürsten gleichen Namens zur gleichen Zeit nebeneinander auftreten sollen, gegen Ewigs These. Tatsächlich scheinen die Quellen knapp zwanzig Jahre später die Existenz eines alemannischen Stammeskönigtums zu bestätigen. Nicht zuletzt spricht dafür auch ein Vergleich mit der Entwicklung im Frankenreich, wo etwa zur gleichen Zeit Chlodwig die Könige der verschiedenen fränkischen Teilstämme ausschaltete und so die Königsherschaft über den Gesamtstamm errichtete. Auch ihn finden wir kurz nacheinander in Räumen, die eher noch weiter voneinander entfernt sind als die, auf die sich die Aktionen des Gibuld/Gebavult erstrecken. Gerade das Auftreten in den Grenzbereichen des jeweiligen Stammesgebietes bzw. der von ihm erfaßten Zonen spricht eher dafür, daß es sich in beiden Fällen um einen und denselben König des Gesamtstammes gehandelt hat431. Dies bedeutet freilich nicht, daß der 428
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Gregor. Tur. Hist Franc. Π, 30; Fredegar, Chron. ΠΙ, 21; Cassiodor, Var. Π, 41, ed. MOMMSEN S. 73, ed. FRIDH, S. 91 f.; Ennod. Pan. Theod. XV, 72, ed. ROHR, S. 248 ff. Der Alemannenkönig dürfte erst 506 gefallen sein, s. CASTRITIUS, Vielfalt zur Einheit, S. 83 f.; CLAUDE, Alemannisches Königtum, S. 7 ff; EWIG, Fränkische Reichsbildung, S. 256 f.; LOITER, Severinus v. Noricum, S. 225 mit Anm. 170; vgl. oben Anm. 401, unten Anm. 431 u. 449; zur Kontroverse um die Existenz eines Stammeskönigs der Alemannen zuletzt HELMUT CASTRITIUS und DIETER GEUENICH, Zur alemannischen Reichsbildung im 5. Jh., in: Integration und Herrschaft. Ethnische Identitäten und soziale Organisation im Frühmittelalter, hg. WALTER POHL/ MAXIMILIAN DŒSENBERGER, Österr.AkdW Phil.-hist.Kl.Denkschriften 301, Forschungen z. Geschichte des MA, 3, Wien 2002, S. 107-118; vgl. auch Anm. 431. V. Lupi ep. Tree. c. 10, SSRM 7, S. 300 f.: ... cum ab omnibus gentium regibus eidem reverentiae servaretur ajfectus, specialius a rege Gebavulto oboedientiae fuit honor inpensus. Nam Brigonenses, videlicet quos Alamannorum condam cepit immanitas ... cunctos dempsit hostiii servitio... Zum Quellenwert der Vita Lupi allgemein und zur angegebenen Stelle EWIG, Lupus von Troyes, S. 15 ff; 20-23. S. dazu noch CLAUDE, Alemannisches Königtum, insb. S. 9 ff.; CASTRITIUS, Vielfalt zur Einheit, insb. S.81; DERS., Mittelrhein, S. 69 f.; ZÖLLNER, Franken, S. 56 f.; vgl. demgegenüber etwa GEUENICH, Alemannen, S. 73 ff; DERS., Gibuld; GEUENICH/KELLER, Alamannen, S. 144 ff; CASTRÜTUS/GEUENICH, Reichsbildung; vgl. unten S. 125 mit Anm. 449.
b) Die Donausueben, die „walamerischen" Ostrogoten und die „ostgotische" Ethnogenese 121
Zusammenschluß des alemannischen Gesamtstammes in gleicher Weise wie bei Chlodwig durch Ausschaltung der Führer der Teilstämme erfolgt sein muß. Die Stellung des Gibuld als Stammeskönig der Alemannen verhinderte jedenfalls nicht, daß alemannische Fürsten oder Kleinkönige auch gegen seinen Willen weiterhin Raubzüge und Vorstöße gegen die römische Restprovinz unternahmen432. Als ein solcher Unterführer könnte auch der Suebe Hunimund mit seiner zusammengeschmolzenen Gefolgschaft gelten, der sich vermutlich nach seiner Flucht dem alemannischen Stammesverband angeschlossen hatte, dennoch aber eine verhältnismäßig selbständige Stellung wahrte. Wohl bald nach 476 überfiel er im Spätsommer - während der Erntezeit - die Stadt Batavis-Passau und metzelte die im Ort verbliebene Besatzung nieder433. Nach der Auflösung der Limesorganisation infolge der Usurpation Odoakers um 476 steigerten sich die Überfälle und Angriffe der Alemannen vor allem auf die oberhalb von Lauriacum gelegenen Kastelle, die nunmehr nur noch von örtlichen Milizen verteidigt wurden434. Der Zusammenbruch des Grenzschutzsystems öffnete den Alemannen den Weg über die Alpenpässe, so daß sie wie damals von Norden her nach Ufernorikum nun auch nach Binnennorikum vorstoßen konnten. Dort waren freilich die Möglichkeiten, Beute zu machen, ebenso wie in Ufernorikum durch ein gutes Vorwarnsystem und die Unterbringung der Bevölkerung in befestigten Bergkastellen beschränkt435. Als aber die Einwohnerschaft des kleinen Uferkastells Joviaco-Aschach unter schrecklichen Begleiterscheinungen einem verheerenden Einfall der Heruler zum Opfer gefallen war und die Alemannen neuerlich mit starken Kräften BatavisPassau angriffen, entschloß sich Severinus schließlich, alle oberhalb der Enns gelegenen Uferkastelle zu räumen und sich mit den Provinzialen, die ihm folgten, in die Ostregion zurückzuziehen436. Unser Berichterstatter, Eugippius, läßt jedoch 432 433
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Eugipp. V. Sev. c. 25,3; 27, 1 f.; 31,4. Eugipp. V. Sev. c. 22, 4: ... Hunumundus paucis barbaris comitatus oppidum ... Batavis invasit ac paene cundís mansoribus in messe detentis quadraginta viros, qui ad custodiam remanserant, interemit... Zur Identität dieses Hunimund mit dem bei Jordanes erwähnten Suebenfîirst s. LOTTER, Donausueben, S. 291 ff.; vgl. auch WOLFF bei BOSHOF (Hg.), Geschichte der Stadt Passau, S. 57; CASTRITIUS, Wehrverfassung, S. 226. Eugipp. V. Sev. c. 20, 1: ... qua consuetudine desinente simul militares turmae sunt deletae, cum limite, Batavino utcumque numero perdurante ...; 27, 2: ... Romani... adversus Alamannos instruxerunt aciem ...; 30, 2 f.: ... dispositis per muros ex more vigiliis districtius excubate supervenientis hostis cávenles insidias... Eugipp. V. Sev. c. 25, 2 f., s. oben Anm. 179; 30,1: Cives item oppidi Lauriaci et superiorum transfugae castellorum ad suspecta ¡oca exploratoribus destinatis hostes quantum humana poterant sollicitudine praecavebant... Eugipp. V. Sev. c. 24, 3: ... qua nocte Heruli insperateprotinus irruentes oppidumque vexantes plurimos duxere captivos, presbyterum ... patíbulo suspendentes...; c. 22, 1 f.: ... eodem tempore mansores oppidi Quintanensis, creberrimis Alamannorum incursionibus iam defessi, sedes proprias relinquentes in Batavis oppidum migraverunt...: 'hinc parvo intervallo temporis... discedatis ...ad oppidum Lauriacum congregati descendue... quamvis et illud oppidum, quopergimus, ingruente barbarie sit quantocius relinquendum'...; 31, 1 ff.; oben Anm. 433; unten Anm. 438; dazu LOITER, Severinus v. Noricum, S. 230 f.
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V. Die gentilen Verbände
erkennen, daß Einwohner am Ort verblieben sind437. Die Evakuierten unterstellten sich dem Schutz der Rugier, doch setzte dies voraus, daß die Rugier gelegentlich auch mit Kriegerabteilungen über die Donau setzten und sich dabei gegenüber der Bevölkerung Übergriffe erlaubten438. Im übrigen traten damals, nach der Auflösung der Limesorganisation, römische Soldaten auch in die Gefolgschaft rugischer Edler ein439. Severinus selbst hat das gute Einvernehmen zwischen Rugiern und Provinzialen nach Kräften gefördert. Als Odoaker 487 das Rugierreich angriff, dürften Provinzialen auf Seiten der Rugier gekämpft haben. Daher betrachtete Odoaker auch die norischen Provinzialen als Feinde und befahl ihre zwangsweise Evakuierung nach Italien440. Die Reste der rugischen Mannschaft, vor allem die Reiterei unter dem jungen Königssohn Friderich, die dem Verderben entronnen war, schloß sich den Ostgoten Theoderichs an, die gerade damals von Novae aus den Marsch nach Italien angetreten hatten441. In Pannonien war nach dem Abzug der Walamergoten um 471/2 ein Vakuum entstanden, das im Westen den Sueben, im Südosten den Gepiden Raum gab. Aus den weitgehend entvölkerten und verödeten Gebieten Nordpannoniens scheinen die Sueben damals in größerer Zahl in den Saveraum eingewandert zu sein, wo die Provinzialen zum großen Teil die Heimsuchungen und Durchzüge überstanden hatten und daher ökonomisch-soziale Voraussetzungen gegeben waren, die den barbarischen Einwanderern dauerhafte Existenzmöglichkeiten versprachen. Die Zahl der suebischen Einwanderer muß so groß gewesen sein, daß der Name der Provinz Savia von den Zeitgenossen als Wohnsitz der Suavi, der Swâboz, wie sie 437
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Eugipp. V. Sev. c. 27, 3: ... Batavinis genitale solum relinquere dubitantibus ... quidam vero reperti sunt contumaces ... quicumque enim ibidem contra hominis Dei interdicta manserunt ... poenas dedere contemptui; vgl. c. 24, 1 f.: ... praecipiens, ut habitationem loci illius omnes sine cunctatione relinquerent ... aliis ergo de tanto nuntio dubitantibus, aliis prorsus non credentibus ... presbytero et reliquis incredulitate nutantibus ...; s. dazu LOTTER, Antonius, S. 278 ff. Eugipp. V. Sev. c. 31, 1-6: Feletheus, Rugorum rex, ... assumpto veniebat exercitu cogitans repente detentes abducere et in oppidis sibi tributariis atque vicinis ... collocare... Romani... de Lauriaco discedentes pacificis dispositionibus in oppidis ordinati benivola cum Rugis societate vixerunt...; 42,1 f.; 44,1 f. Eugipp. V. Sev. 44, 2: ...Ferderuchus ... barbara cupiditate semper immanior... quendam militem Avitianum nomine compulit diripere memorata...; s. dazu LOTTER, Severinus v. Noricum, S. 164 ff.; 277 ff. mit Anm. 345. Eugipp. V. Sev. c. 44, 5: Onoulfus vero praecepto fratris admonitus universos iussit ad Italiani migrare Romanos ... dum universi per comitem Pierium compellerentur exire ...; Origo gent. Langob., c. 2, S. 3: ... rex Audoachari ... venit in Rugilanda et impugnavit Rugos et occidit Theuvane regem Rugorum secumque multos captivos duxit in Italiam ...; Paulus Diac. Hist. Lang. c. 19, S. 57: ... Odoacar ... Italiam repetens copiosam secum captivorum multitudinem abduxit...; dazu LOTTER, Antonius, S. 285 f.; DERS., Severinus, S. 164 f. Eugipp. V. Sev. c. 44, 4: ... denuo fiigiens Fredericus ad Theudericum regem, qui tunc apud Novas, civitatem provinciae Moesiae, morabatur, profectus est ...; zum weiteren Schicksal dieses Rugierverbandes s. SCHMIDT, Ostgermanen, S. 123; 297; WOLFRAM, Goten1, S. 351 mit Anm. 8; 434; Goten3'4, S. 282 und 481, Anm. 8; 351.
b) Die Donausueben, die „walamerischen" Ostrogoten und die „ostgotische" Ethnogenese 123
sich selbst nannten, aufgefaßt und so zur Suavia wurde442. Jordanes berichtet mit Cassiodor ebenso wie Prokop, daß Suavi nicht nur im Alemannenland nördlich der Alpen, sondern auch in der Suavia zwischen Dalmatien und Noricum sitzen443. Daß es sich dabei eher um Markomannen-Sueben handelt, bezeugt der anonyme Geograph von Ravenna, der vielfach Zustände des 5. Jh. wiedergibt. Er weiß noch Anfang des 9. Jh., daß einst das Volk der Mark(om)annen die „Provinz Valeria, die der gewaltige Savefluß begrenzt", innehatte. Unter Valeria versteht er jedoch nicht die alte Provinz östlich vom Plattensee, sondern eben den Raum, der bei Cassiodor, Jordanes und Prokop als Suavia bezeichnet wird, denn hier lokalisiert er Städte wie Sicce-Siscia, Nomiduni-Neviodunum, Atamine-Emona, Fines, Acervo und Romula444. Möglicherweise sind diese Sueben nach dem Abzug der Walamirgoten, d.h. nach 472 aufgrund von Verträgen mit den weströmischen Instanzen hier angesiedelt worden. Es fallt nämlich auf, daß diese antiqui barbari, die uns als nichtgotische germanische Siedler aus der Zeit vor der gotischen Herschaft in den Variae Cassiodors begegnen, im Gegensatz zu den Goten und anderen Foederaten das conubium besitzen und sogar Frauen aus der provinzialen Oberschicht der possessores heiraten durften. Dies ist umso bemerkenswerter, als das conubium zwischen Römern und Barbaren sonst nicht üblich und noch 370 durch einen Erlaß Valentinians I. unter Todesstrafe verboten worden war. Die Erlasse Theoderichs lassen auch erkennen, daß diese Barbaren offenbar keine der tertia Gotorum entsprechende Landzuweisung erhalten hatten und nur durch gewaltsame Okkupation oder Heirat mit Töchtern oder Witwen römischer possessores in die landbesitzende Oberschicht aufsteigen konnten443. 442
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Jordan. Rom. 218, S. 28; Get. LIE, 273, S. 129; zu Cassiodor, Variae s. MOMMSEN, Index, S. 508 s. v. Savia: Suavia libri omnibus locis; vgl. oben Anm. 74; LOITER, Donausueben, S. 277 ff.; CASTRmus, Barbari-antiqui barbari, S. 73 ff. Jordan. Get. Lm, 273 f., s. oben S. 110, Anm. 395; vgl. LV, 280, S. 130, s. oben S. 112 mit Anm. 402; Prokop, Bell. Goth. 1,15,25 f., ed. HAURY/WIRTH, S. 82; ed. DEWING,. ΠΙ, S. 154 ff.: μεθ' f|v Δαλματία επικαλείται... τό δέ έντεΰθεν Λιβουρνία τε και Τστρ'ια καΐ Βενετίων •ή χώρα εστί ... ύπερθεν δέ αΊπώυ Σίσκιοί τε καΐ Σούαβοι οίιχ Λ Φράγγων κατήκοοι, άλλά παρά τούτοις ετερο'ι χώραν τήν μεσόγειον έχουσι. καΐ Imèp τούτους Κάρι/ιοί τε και Νωρικοί "ιδρυνται. τούτων δέ Δάκαί τε καΐ Παννόυες εν δεξΐφ ο'ικοΰσιυ ... άχρι feç ποταμόνίστρου δνήκοντες ...; s. dazu LOTTER, Donausueben, S. 275 ff. Ravenn. Anon. IV, 20, S. 57: ... quam Valeriam aliquando Marcannorum gens obtinuit ... quam Valeriam finit fluvius maximus qui dicitur Saus. Zum Zeitansatz der Cosmographia des Geographus Ravennas s. STAAB, Geographers S. 31 ff; DERS., Geograph. Hier ist die bemerkenswerte Westwanderung des geographischen Begriffe Valeria zu fassen, die uns noch verschiedentlich in frühmittelalterlichen Quellen begegnet, s. Aethicus Ister, c. 26 u. 103: Arbeo, V. Corbin. c. 15, S. 202 u. 204:... afinibus Valeriae atque Noricensis Cisalpina in Caput Italiae ...; zu Aethicus Ister s. BRUNHÒLZL, Literatur, S. 63 f.; 517 f.; Dl BRAZZANO, La Bibbia (mit neueren Literaturangaben). Zu Valeria beim Anon. von Ravenna s. HÄRTEL, Provinz Valeria; TÓTH, Valeria Media; zuletzt WOLFF, Die Frage der Besiedlung, S. 100 ff; s. dazu auch unten S. 161 f. mit Anm. 607. Cassiodor Var. V , 14, 6; ed. MOMMSEN, S. 151; ed. FRIDH, S. 193; vgl. o b e n A n m . 113; zur
Tertia Gothorum s. Var. Π, 16, 5; dazu WOLFRAM, Goten1, S. 368 ff. mit Anm. 33; vgl. Goten"4, S. 295 ff, femer ENSSLIN, Theoderich, S. 901 188 f.; MOORHEAD, Theoderic, S. 32-
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V. Die gentilen Verbände
Über die Lebensgewohnheiten dieser Barbaren in der Suavia hatte sich Theoderich schon früher beklagt. In einem von Mommsen zwischen 507 und 511 angesetzten Erlaß hatte er die Provinzialen, den barbarischen Adel, die defensores und curiales in Siscia bzw. der Suavia davon unterrichtet, daß er - offenbar auf entsprechende Beschwerden hin - einen gewissen Fridibad, wohl den gotischen comes der Suavia, beauftragt habe, die dortigen Mißstände abzustellen. Es handelt sich um Viehraub, Mord und Diebstahl, die er rechtswidriger Anmaßung anlastet. Er schließt mit der Mahnung, gemäß der Rechtsordnung wie die in guten Sitten Erzogenen zu leben, denn wer üble Gewohnheiten pflege, müsse eine Strafe erwarten446. Offensichtlich stehen die angesprochenen Barbaren in der Suavia noch weniger der Lebensweise der spätantiken Gesellschaft nahe als die Goten, die nach der Landaufteilung selbst in die besitzende Schicht der possessores aufgestiegen waren. Allerdings suchten auch diese Barbaren, denen in der Masse wohl eher ein kleinbäuerlicher Status zuzusprechen ist, durch Erwerb von Landgütern sich den possessores und den Goten gleichzustellen. Neben dem Aufstieg durch Heirat mit römischen Gutsherrinnen kam es zweifellos häufig auch zu gewaltsamer Aneignung von Besitz. Davon erfahren wir in einem ebenfalls zwischen 507 und 511 angesetzten Responsum Theoderichs an die Zivil- und Militärgouverneure der Provinz Venetien und Istrien, den römischen Consularis Domitianus und den gotischen comes Willia. Demnach hat ein praesumptor barbarus, also kein Gote, das Landgut eines Römers in der Zeit vor oder nach dem Übergang der Goten über den Isonzo und ihrer Ankunft in Italien (Ende August 489) in Besitz genommen. Theoderich entscheidet, falls diese Aneignung ohne Zuweisungsurkunde des dafür zuständigen Beamten, des delegator, widerrechtlich erfolgt sei, müsse der Besitz dem früheren Herrn zurückerstattet werden. Sei die Besitznahme jedoch vor einem Zeitraum von dreißig Jahren erfolgt, müsse laut entsprechendem Gesetz der Antrag des Klägers zurückgewiesen werden, da der Fall verjährt sei. Denn nur diejenigen Angelegenheiten seien vor Gericht zu klären, die zu seiner Zeit gegen das Recht verstoßen hätten und über die er selbst zu urteilen habe447. Das Responsum
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35; zu den antiqui barbari SASEL, Antiqui barbari, S. 134 ff. = Opera, S. 755 ff.; CASTRJTIUS, Barbari-antiqui barbari, S. 77 ff. Zum Verbot des conubium durch Valentinian s. KoVAÒEVlé, Rapports, S. 30. Cassiodor Var. IV, 49, ed. MOMMSEN, S. 136; ed. FRIDH, S. 175,: ... Fridibadum locis vestris praeesse censuimus, qui abactores animalium legitima severitate coerceat, homicidio resecet, furta condemnet quietosque vos ab sceleritas ausibus reddat... vivite compositi, vivite bonis moribus instituti, nullum ratio, nullum promeritus honor excuset ...; vgl. oben S. 36 mit Anm. 114; dazu SCHWARCZ, Nordadria- und Westbalkanraum, S. 68 f. Cassiodor Var. 1,18, 2-3, ed. MOMMSEN, S. 24; ed. FRIDH, S. 27 f.:... Si Romanipraedium, ex quo deo propitio Sontifluenta transmisimus, ubi primum Italiae nos suscepit imperium, sine delegatoris cuiuspiam pittacio praesumptor barbarus occupavit, eum priori domino ... restituât. Quod si ante designation tempus rem uidetur ingressus, quoniam praescriptio probatur obviare tricennii, petitionem iubemus quiescerepulsatoris... locus calumniandi non relinquitur, cum longi temporis obscuritas praeteritur. Zur praescriptio tricennalis, der 30jährigen Veijährungsfiist, s. auch Var. Π, 27, 2; m , 31, 3; V, 37, 2, S. 62; 95; 163; Prokop.
b) Die Donausueben, die „walamerischen" Ostrogoten und die „ostgotische" Ethnogenese 125
geht demnach davon aus, daß derartige Enteignungen durch Barbaren dort schon vor der Zeit des Herrschaftsantritts des Theoderich vorkamen, wir also schon damals mit germanischer Landnahme in diesem Raum, vielleicht durch Gefolgsleute Odoakers, zu rechnen haben. Im übrigen läßt der oben erwähnte Erlaß den Schluß zu, daß es unter den Sueben in der Suavia auch einen eigenen Adel gab, die sogenannten capillati. Sie werden bemerkenswerterweise noch vor den Angehörigen der provinzialen Oberschicht, den defensores und curiales, genannt. Der Begriff kann sich kaum auf Goten beziehen, da er von Cassiodor nur einmal im Zusammenhang mit den Barbaren in der Suavia gebracht wird. Zwar sagt Jordanes einmal, es handele sich um einen Ehrennamen für die gotische Oberschicht, doch werde er zu seiner Zeit nur noch in den alten Heldenliedern gebraucht448. Da Cassiodor capillati und curiales in gleicher Weise für die erwähnten Mißstände verantwortlich macht, ergibt sich, daß dieser Adel im Auftrag der Goten in den Barbarengebieten auch Ordnungsfunktionen ausübte. Wie die Curialen und die Goten in deren Siedlungsgebieten dürfte er zu den possessores gezählt haben. Die antiqui barbari in der Suavia erhielten nach 506 offenbar Zuzug von den stammesverwandten Alemannen, nachdem diese nach einer erneuten Auflehnung gegen die Franken noch einmal eine vernichtende Niederlage erlitten hatten und dabei auch der letzte alemannische Stammeskönig gefallen war449. Die Alemannen mußten daraufhin die Gebiete am Mittelrhein und unteren Main räumen, wo sie vermutlich bis dahin noch eine starke Stellung gehalten hatten. Jedenfalls schreibt ihnen der ravennatische Geograph hier noch den Besitz der Städte Bell. Vand. I, 3, 3, ed. HAURY/WIRTH, S. 317 f., ed. DEWING, Π, S. 22: ... νόμου δέ δντος ' Ρωμαίοις, f|v τίνες οίιχ imo ταΐς ο'ικε'ιαις χερσί. τά σφέτερα αΊπών έχοιεν καν τρ'ιβοντο χρόνος εις τριάκοντα έι/ιαυτοϋς ήκων, τούτοις δή σβκέτι είναι κυρίοις επί τους βιασαμένους ίέναι ...; s. ferner Edict. Theod. 12; 69, ed. Bluhme, S. 153; 159; vgl. Cod. Theod. IV, 14, 1, A. 424, S. 194 ff.; Nov. Valentin. ΙΠ., 35, 12 f.; S. 135 f.; Brev. Alarici IV, 20, 2. Zur Landzuteilung und der Rolle des delegator s. GOFFART, Barbarians, S.60 f.; MOORHEAD, Theoderic, S. 32 ff. Zur Rolle der Isonzo-Schlacht Theoderichs (28. Aug. 489) als entscheidender Schritt bei der Eroberung Italiens vgl. BRATOZ, L'Isonzo, S. 31-38. 448 S. oben Anm. 114; Jordan. Get. XI, 72, S. 75: ... reliquam gentem capillatos dicere iussit, quod nomen Gothi pro magno suscipientes adhuc odie suis cantionibus reminiscent, s. ferner Edict. Theod. 43, 145 si quis barbarorum ... quemlibet capillatorum ...; Gelasius, fr. 13, ed. 1 THIEL, S. 490; s. dazu ENSSLIN, Theoderich, S. 189; anders WOLFRAM, Goten , S. 373 f. mit 34 Anm. 66; Goten ' , S. 301 f. und 492 Anm. 492; DERS., Studien II, S.308. 449 Cassiodor, Var. ΠΙ, 50, ed. MOMMSEN, S. 104 f.; ed. FRIDH, S. 132f.: Provincialibus Noricis ... Alamannorum boves, qui... itineris longinquitate defecti sunt, commutali vobiscum liceat ..., ut et illorumprofectio... adiuvetur...; Var. Π, 41, S. 73: Luduin regi Francorum... Alamannicos populos caesis fortioribus inclinatos ... subdidistis ... motus vestros in fessas reliquias temperate, ... quos ad parentum vestrorum defensionem respicitis confiigisse ... qui nostris flnibus celantur exterriti... sufficiat illum regem cum gentis cecidisse superbia ...; Ennodius, Pan. Theod. XV, 72, S. 212, ed. ROHR, Panegyricus, S. 248 ff.: ... Alamanniae generalitas ultra Italiae términos... inclusa est, cui evenit habere regempostquam meruitperdidisse. Facta est Latiaris custos imperii... cui feliciter cessit fugissepatriam suam ..; zum König der „Alamanniae generalitàs" s. oben S. 120 f. mit Anm. 431.
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V. Die gentilen Verbände
Worms, Altrip, Speyer sowie Aschaffenburg und Würzburg zu450. Theoderich sah sich genötigt, beim Frankenkönig zu intervenieren. Er erhielt den Alemannen wenigstens noch den Raum als Siedlungsgebiet, den im wesentlichen die heutige fränkisch-alemannische Dialektgrenze markieren dürfte. Während demnach der Süden des stark reduzierten alemannischen Stammesgebietes dem Schutz des Ostgotenreiches unterstellt wurde, nahm Theoderich gleichzeitig Scharen von Alemannen in das unmittelbare Reichsgebiet auf, die sich der Verfolgung durch die Franken nur durch Auswanderung entziehen konnten. Sie wurden teils wohl im nordwestlichen Alpenvorland der Raetia I und Teilen der Maxima Sequanorum, teils in Oberpannonien angesiedelt. Jedenfalls zog eine Abteilung von Alemannen mit Familien, Wagen und Vieh über die Alpenpässe Binnennorikums. Theoderich wies die Noriker damals an, ihre kleinen Bergrinder gegen die größeren der Alemannen auszutauschen, um so einerseits die Rasse ihres Zuchtviehs zu verbessern, andererseits den durchziehenden Alemannen ausgeruhte Zugtiere zur Verfugung stellen zu können. Die pannonischen Sueben, die unter gotischer Herrschaft standen, waren auch der Heerfolgepflicht unterworfen, so daß Witigis im Jahre 537 dem comes Asinarius den Auftrag erteilen konnte, aus ihnen Truppen auszuheben und mit diesen die Offensive gegen die oströmischen Verbindungslinien in Dalmatien zu eröffnen. Asinarius brachte tatsächlich, wie es heißt, ein sehr großes Heer zusammen, mit dem er gemeinsam mit den gotischen Truppen des Uligisalos Salonae belagerte451. Spätestens mit der Kapitulation des Witigis um 540 endete auch die gotische Herrschaft in Dalmatien und Pannonien452. Die Sueben wurden nun Untertanen Ostroms, bis Justinian mit der Provinz Norikum und den Kastellen Südpannoniens etwa um 548 auch die Sueben an die Langobarden abtrat453. Damit mündet die Geschichte der Donausueben in die der Langobarden ein. Neben den Donausueben spielten auch die Gepiden im südpannonischen Raum in der Epoche der ostrogotischen Vorherrschaft eine Rolle. Wie wir wissen, hatten die Gepiden unter König Ardarich nach dem Sieg über die Hunnen um 454 von Siebenbürgen aus auch die Ebenen östlich der Theiß besetzt454. Der Ausgang des donaugermanischen Krieges gegen die walamerischen Goten mit der Schlacht am 450
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Ravennas Anon. IV, 26, 5, S. 61; J. SCHNETZ, Itineraria Romana Π, S. 61; s. BEYERLE, Süddeutschland, S. 72 ff.; zum Geographus Ravennas vgl. auch STAAB, Geographers, S. 31 ff.; DERS., Geograph. Prokop, Bell. Goth. I, 16, 8 f., ed. HAURY/WIRTH, S. 84, ed. DEWING, ΠΙ, S. 160: ... ες μέν οΰν Δαλματίαν στρατιών τε πολλήν καν άρχοντας ' Ασιυάριόυ τε καΐ Ούλιγίσαλον έπεμψευ |και αΊηοίς έπέστελλεν έκ των άμφΐ Σουαβίαν χωρίων στράτευμα έταιρισαμένοις των ταύτη βαρβάρων ούτω δή εύθύ Δαλματίας τε και Σαλώνων 'ιέναι...; vgl. 12 f.; 15; S. 85. Vgl. zuletzt SCHWARCZ, Nordadria- und Westbalkanraum, S. 70. S. oben S. 29 mit Anm. 85 ff. S. dazu unten S. 136 mit Anm. 497. BÒNA, Anbruch, S. 16; 20 f.; 86-90; SEVIN, Gebiden, S. 28-72; DICULESCU, Gepiden, S. 5984, vgl. oben S. 104 mit Anm. 369.
b) Die Donausueben, die „walamerischen" Ostrogoten und die „ostgotische" Ethnogenese 127
Bolia, bei der offenbar nur Teile der Gepiden betroffen wurden, hat die Stellung der Gepiden nicht erkennbar beeinträchtigt455. Nach der vernichtenden Niederlage der Sarmaten des Babai durch die Ostrogoten Theoderichs um 470/1 drangen die Gepiden auch in die spätere Wojwodina nördlich von Singidunum-Belgrad ein und stießen von hier aus nach dem Abzug der Thiudimir-Goten in das sirmische Pannonien vor. Offenbar entstand hier ein neuer gepidischer Teilstamm, dessen König Thraustila seine Residenz in Sirmium selbst aufschlug, während Gundarith den Hauptstamm der Gepiden im Alföld und in Siebenbürgen regierte456. Als nun Theoderich mit den Ostgoten im Herbst 488 nach Italien marschierte, verlegte ihm Thraustila mit seinem Stammesaufgebot, wie wir bereits sahen, an der Ulca-Vvka den Weg. Bei den schweren Kämpfen mit den Goten Theoderichs scheint der Gepidenkönig Thraustila gefallen zu sein, jedenfalls Schloß Theoderich mit seinem Sohn Thrasarich einen Vertrag, der die Versorgung der Goten für den Winter sicherte, die Gepiden aber im Besitz des sirmischen Pannonien beließ457. Das Verhältnis zwischen Theoderich und Thrasarich blieb freundschaftlich, solange letzterer mit dem König des gepidischen Hauptstammes, Gundarith, verfeindet war. Doch je mehr die Macht Theoderichs wuchs, umso bedrohter mußte sich Thrasarich fühlen, so daß er sich schließlich Gundarith wieder annäherte. Theoderich sah dadurch seinerseits seine Stellung in Pannonien bedroht, weil er vor allem fürchtete, daß die Oströmer gemeinsam mit den wieder vereinten Gepiden gegen ihn vorgehen könnten. Gegen diese Gefahr suchte er sich abzusichern, indem er um 504 die comités Pitzia und Herduic beauftragte, Thrasarich
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Jordanes Get. LIV, 277, S. 130: ... habuerunt simul secum tarn Gepidas quam ex gente Rugorum non parva solada ... Die Nennung der Gepiden in dieser Form am Schluß der Aufzählung der Hilfsvölker und der Umstand, daß offenbar das Gepidenkontingent nicht vom König angeführt wurde, läßt die Folgerung zu, daß es sich hier keineswegs um das Aufgebot des ganzen Stammes gehandelt hat. Ennod. Pan. Theod. ΧΠ, 60 f., ed. VOGEL, S. 210; ed. ROHR, S. 238 ff.: ... Sermiensium civitas ... postea per regentium neglectum in Gepidarum iura concessit... urebant animum principis dolosi blandimento conmenti et circa alios Gepidas, quorum ductor est Gunderith, intempestiva Traserici familiaritas ...; Prokop. Bell. Vand. I, 2, 6, ed. HAURY/WLRTH, S. 311; ed. DEWING, Π, S. 10 ... έπειτα Γήπαιδες μέν τά ώμφν Σιγγιδόνον τε καί Σίρμιου χωρία έσχον, έντός δε καί εκτός ποταμού Ιστρου, ένθα δή και ές έμέ \δρυνται; dazu DISCULESCU, Gepiden, S.105 ff., POHL, Gepiden, S. 288 ff. Paul. Diac. Hist. Rom. XV, 15, S. 124: ... prius quam Italiam adventaret, Trapstilam Gepidarum regem insidias sibi molientem bello superans extinxit...; Ennod. Pan. Theod. VII, 28 ff. ed.VOGEL, S. 206 f., ed. ROHR, Panegyricus, S. 216 ff.: Ulca fluvius est tutela Gepidarum ... ubi pro legatis et gratiae postulatione obsistendi animo gens diu invicta properavit, cum paene cohortes tuas ... fiamis nécessitas obsiderat... Auf den abseits gelegenen Marschweg und die sumpfige Beschaffenheit weist Ennodius VII, 29, ed. VOGEL, S. 206; ed. ROHR, S. 218 eigens hin: ... instantibus Gepidis amne pestilentia iter, quod declinasset fitgiens, ... transvolasti. nullius inscii mersa caeno haesere vestigia ...; vgl. LÖWE, Gepidensieg, S. 2-10; POHL, Gepiden, S. 291 f.; SEVIN, Gebiden, S. 128 ff.; vgl. oben S. 118 f.
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V. Die gentilen Verbände
zu vertreiben und das sirmische Pannonien zu besetzen. Daraufhin unterwarfen sich die sirmischen Gepiden der Herrschaft Theoderichs458. Diese Gepiden sind es offenbar, deren barbarische Sitten Theoderich in zwei Erlassen anläßlich der Ernennung des Colosseus zum comes der Pannonia Sirmiensis geißelte. In einem Schreiben an Barbaren und Römer unterrichtet er die Einwohner des sirmischen Pannonien, daß er den comes Colosseus mit der Wahrnehmung ihrer Interessen betraut habe. Zugleich ermahnt er die Adressaten, nicht gegeneinander, sondern gegen die Feinde zu kämpfen. Da sie unbestechliche Richter hätten, müßten sie die Unsitte des Zweikampfes aufgeben, denn in einem zivilisierten Land müsse Friede herrschen. Der dramatische Aufruf, seine Goten nachzuahmen, die gegen die Feinde kämpften und im Innern Frieden hielten, ist offenbar an die sirmischen Gepiden gerichtet459. Auch in dem entsprechenden Bestallungsschreiben für Colosseus stellt Theoderich die entarteten Gewohnheiten der Barbarenstämme dem Gerechtigkeitssinn der Goten gegenüber, die einerseits die Klugheit der Römer aufgenommen, andererseits aber auch die Tugend der Barbaren beibehalten hätten460. Der Tenor der beiden Schriftstücke ist in Parallele zu setzen mit den Versuchen Theoderichs, die Barbaren in der Suavia an die römische Rechtsordnung zu gewöhnen461. Offensichtlich hat Theoderich jedoch der Zuverlässigkeit der sirmischen Gepiden auf die Dauer nicht vertraut. Er verlegte daher etwa um 523/26 zumindest eine starke Abteilung von ihnen an die Rhône, um dort die Aufgabe des Grenzschutzes zu übernehmen. Diese Gepiden zogen mit Wagen und Vieh, offensichtlich also auch mit, ihren Familien, an ihren neuen Bestimmungsort462. Dennoch war die 458
Jordan. Get. LVTO, 300, S. 135: ... Pitzamum ... comitem ... ad obtinendam Sirmensem dirigit civitatem. quam ille expulso rege eius Trasarico, filio Trapstilae, retenta eius matre obtinuit...; Ennod. Pan. Theod. ΧΠ, 62, ed. VOGEL, S. 210; ed. ROHR, S. 240:... postquam tarnen liquido Traserici patuere conmenta, Gothorum nobilissimos Pitzia Herduic ... destinasti ...; 69, ed. VOGEL, S. 136, ed. ROHR, S. 246: ... ad limitem suum Romana regna remearunt: dictas more veterum praecepta Sermiensibus ...; vgl. Cassiodor, Chron. 1344, a. 504, S. 160; Var. III, 23; IV, 13, 1; V M , 1 0 , 4 ; V , 2 9 , 2 f., ed. FRJDH, S. 113 f.; 151; 3 1 0 ; 2 0 5 , ed. MOMMSEN, S. 91; 120;
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238; 159 f.; dazu WOLFRAM, Goten1, S. 397 ff.; Goten3'4, S. 321 ff.; POHL, Gepiden, S. 293 f. Cassiodor, Var. III, 24, ed. MOMMSEN, S. 91 f. ; ed. FRIDH, S. 114 f.: Universis barbaris et Romanis per Pannoniam constitutis ... Colosseo viro illustri... gubernationem vestram defensionemque commisimus ... Illudpraeterea vos credidimus ammonendos, ut non in vos, sed in hostem saevire cupiatis ... adquiescite iustitiae ... Cur ad monomachiam recurratis? ... Pessime contra parentes erigitis brachium... Imitamini certe Gothos nostros, qui forisproelia, intus norunt exercere modestiam... Cassiodor Var. III, 23, ed. MOMMSEN, S. 91; ed. FRIDH, S. 113 f.: Colosseo v. i. corniti... inter nationum consuetudine»! perversam Gothorum possis demonstrare iustitiam ... remove consuetudines abominanter inolitas ... scuta in hostes erigant, non parentes ... consuetudo nostra feris mentibus inseratur, donec truculentus animus belle vivere consuescat. S. oben S. 124, Anm. 446; vgl. ENSSLIN, Theoderich, S. 218 ff. Cassiodor, Var. V, 10, 2, ed. MOMMSEN, S. 149; ed. FRIDH, S. 190: ... multitudinem Gepidarum, quam fecimus ad Gallias custodiae causa properare, per Venetiam atque Liguriam sub omni facias moderatione transiré ... si aut eorum carpento itinere longiore quassantur aut ammalia attrita languescunt te custode... mutentur...
b) Die Donausueben, die „walamerischen" Ostrogoten und die „ostgotische" Ethnogenese 129
vorgeschobene Bastion des Gotenreiches in Sirmien nicht zu halten, als Justinian die Vernichtung des Gotenreiches beschloß. Schon bald nach dem Tode Theoderichs war der hunnisch-gepidische Königsproß Mundo, der offenbar unter Theoderichs Herrschaft zuletzt in Sirmium residiert hatte, zu den Oströmern übergegangen und von Justinian alsbald zum illyrischen Heermeister ernannt worden463. Als solcher eröffnete er im Jahre 535 die Offensive gegen die Goten in Pannonien und Dalmatien und nahm nicht nur Sirmium, sondern auch Salonae ein. Doch fiel er im nächsten Jahr im Kampf gegen die Goten. Das sirmische Pannonien blieb fortan freilich im Besitz der Gepiden, sehr zum Ärger der Oströmer, die durch den Ostgotenkrieg gebunden waren464. Offen bleibt noch die Frage der gotischen Präsenz im östlichen Rätien und Ufernorikum. Es besteht kein Zweifel, daß Theoderich durch Einbeziehung der Südzone des alemannischen Siedlungsgebietes im Bereich des Oberrheins und der oberen Donau nach 506 sein Vorfeld erweiterte465. Dies beweist der Umstand, daß noch um etwa 533 der Donaukarpfen und der Rheinsalm zu den aus den verschiedensten Teilen des Reiches angelieferten Spezialitäten der königlichen Tafel gehörte466. Athalarich selbst bezeugt etwa um 527, daß unter seinem Großvater Theoderich die damals noch heidnische Donau ein römisch-gotisches Heer sah467. Tatsächlich gab es einen dux beider Raetien, Servatus, den Theoderich in einem seiner ersten Erlasse anwies, gegen Übergriffe der Breonen einzuschreiten, die im ständigen Einsatz zum Schutz der Grenze standen468. Die Tätigkeit des dux Raetiarum umreißt auch eine als Formular noch erhaltene Bestallungsurkunde, die ebenfalls noch recht früh anzusetzen ist: Seine Aufgabe sei besonders verantwortungsvoll, da er nicht in einer befriedeten Region Recht zu sprechen, sondern gefahrliche Nachbarvölker zu überwachen habe, von denen ständig Krieg drohe469. 463
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Johann. Malalas, Chron. XVffl, S. 451, Sp. 661; Jordan. Get. LVffl, 300 f., S. 135, s. W o u RAM, Goten1, S. 398 f., 417 ff; Goten3'4, S. 321 ff.; 338 ff; POHL, Gepiden, S. 290 ff Vgl. dazu oben S. 127 mit Anm. 456 . Dazu HEUBERGER, OstgotRätien, insb. S. 78 ff; SCHAFFRAN, Nordgrenze, insb. S. 113 ff; vgl. oben S. 125, Anm. 449 f.; BIERBRAUER, Grab- u.Schatzfonde, S. 19 ff u. passim. Cassiodor. Var. ΧΠ, 4, 1, ed. MOMMSEN, S. 362; ed. FRIDH, S. 467: ... mensae regali apparatus ditissimus... destinet carpam Danuvius, a Rheno veniat anchorage... Cassiodor. Var. V m , 21,3, ed. MOMMSEN, S. 252; ed. FRIDH, S. 327: Cypriano v. i. ... Habuisti sub divae memoriae avo nostro in utraque parte laudatas semper excubias. Vidit te adhuc gentilis Danuvius bellatorem, non te terruit Bulgarum globus ... das in utraque parte deutet ebenso wie das adhuc gentilis (im Gegensatz zu den Bulgaren) auf die obere Donau, die damals unter Theoderich, d. h. christliche Herrschaft kam. Cassiodor Var. I, 11, ed. MOMMSEN, S. 20; ed. FRIDH, S. 22: Servato duci Raetiarum ... per provinciam, cui praesides, nulla fieri violentia patiaris ... Breones ... militaribus officiis assueti civilitatempremere dicuntur armati et ob hoc iustitiaeparere despiciunt... Cassiodor Var. VII, 4, ed. MOMMSEN, S. 203 f.; ed. FRIDH, S. 263 f.: Formula ducatus Raetiarum ... multum his creditum videtur quibus confinales populi deputantur, quia non est tale pacatis regionibus ius dicere quale suspectis gentibus assidere ... Raetiae namque munimina sunt Italiae et claustra provinciae ... contra feras et agrestissimas gentes velut quaedam plagarum obstáculo disponuntur. ibi enim impetus gentilis excipitur ... ducatum tibi cedimus
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V. Die gentilen Verbände
Eine ähnliche Funktion wie Servatus in Raetien dürfte ein nur durch Inschrift bekannter vir spectabilis Ursus in Noricum ausgeübt haben470. Das Formular für den rätischen Dukat spiegelt die Situation im nördlichen Λ1penrandgebiet wider, nachdem das durch die Heirat Theoderichs mit Chlodwigs Schwester bekräftigte Bündnis mit den Franken zerbrochen war, diese die Alemannen als Puffer ausgeschaltet und die Burgunder als Verbündete gegen die Goten gewonnen hatten471. Theoderich suchte sich nun durch eine neue Bündnispolitik wenigstens im nordöstlichen Vorfeld von Ostalpen und oberer Donau abzusichern. Wohl zur gleichen Zeit, als er die flüchtenden Alemannen in Oberpannonien ansiedelte, schloß er einen Bündnisvertrag mit dem Herulerkönig Rodulf, den er gleichzeitig als Waffensohn adoptierte472. Die Heruler stellten nach dem Abzug der Rugier in mährisch-westslowakischen Raum einen unübersehbaren Machtfaktor dar, zumal sie auch die in das Gebiet der Rugier eingerückten Langobarden zur Anerkennung ihrer Oberherrschaft genötigt hatten. Als die Langobarden nun ihrerseits sich wieder in Bewegung setzten und neuerlich freigewordene Räume wohl im Marchfeld - in Besitz nahmen, kam es zu einem Zerwürfiiis zwischen ihnen und den Herulern. Diese, durch das kürzlich mit den Ostgoten abgeschlossene Bündnis ermutigt, griffen um 508 die Langobarden an, wurden jedoch vernichtend geschlagen, ihr König Rodulf fiel473. Die Niederlage bedeutete das Ende des Herulerreiches, dem das Bündnis mit Theoderich nichts genützt hatte. Der Hauptteil der überlebenden Heruler zog in das verödete Rugierland im Wald- und Weinviertel, von dort jedoch bald zu den Gepiden ab, von denen er
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Raetiarum, ut milites et in pace regas et cum eis fines nostros sollemni alacritate circueas ...; vgl. dazu WOLFRAM, Goten1, S. 390 ff.; Goten3, S. 315 ff. S. PLCOTTINI, Frühes Christentum, S. 26: URS(u)S V(ir) S(pectabilis) CUM CONI(u)G(e) SUA URSINA PRO (v)OTO SUS(cepto) FECER(u)NT H(a)EC. Ursus kann kaum Praeses = Zivilgouverneur gewesen sein. Da analog der Stellung des Servatus an die Existenz eines Praeses in der Grenzprovinz kaum zu denken ist, dürfte Ursus wie Servatus dux gewesen sein und militärische wie zivile Verwaltungsaufgaben ausgeübt haben, s. dazu WOLFRAM, Goten1, S. 392 mit Anm. 63; Goten3'4, S. 316 und 497 f. Anm. 63; vgl. auch WINKLER, Reichsbeamte, S. 114, CAJLLET, L'évergétisme, S. 349 f. Abwegig ist dagegen die Auslegung des Textes bei PILLINGER, Interpretation, bes. S. 85 f. Anm. 20, die v.J. als vir sacer bzw. v. sanctus, also als „heiliger Mann" las, der vielleicht ein Bischof gewesen sei. Dazu am besten ENSSLIN, Theoderich, S. 128 ff.; 131 ff; oben S. 125 f. mit Anm. 449 f. Cassiodor. Var. IV, 2, ed. MOMMSEN, S. 114 f.; ed. FRIDH, S. 144:... more gentium ...filium te praesenti muñere procreamus ... summus enim inter gentes crederis, qui Theoderici sententia comprobaris...; zur Waffensohnschaft vgl. ebda., VM, 9, 8, ed. MOMMSEN, S. 239; ed. FRIDH, S.309: ... Gensimundus ... solum armis filius factus tanta se Hamalis devotione coniunxit...; WOLFRAM, Goten1, S. 394 f.; Goten3, S. 318 f.; SCHMIDT, Ostgermanen, S. 551 f.; 561 f. Die Adoption des Rodulf als Waffensohn hat wohl erst nach 506 stattgefunden, da Ennodius in der 506 verfaßten Antoniusvita, in der er deutlich auf die mit Theoderich verbündeten Germanenstämme Rücksicht nimmt, die Heruler noch neben den Franken als besonders grausame und heidnische Barbaren brandmarkt, s. dazu LOITER, Antonius, S. 292 ff Prokop. Bell. Goth. Π, 14, 8-22, ed. HAURY/WIRTH, Procop. Π, S. 209-212; ed. DEWING, ΙΠ, S. 404-408; Paul. Diac. Hist. Lang. I, 20, S. 65-68; vgl. Origo Lang. 3 f., S. 3; Cod. Goth. c. 4, S. 8 f.; SCHMIDT, Ostgermanen S. 552; WENSKUS, Germanische Herrschaftsbildungen, S. 222 f.
b) Die Donausueben, die „walamerischen" Ostrogoten und die „ostgotische" Etbnogenese 131
zunächst im Raum der unteren Theiß angesiedelt wurde. Eine Gruppe mit den Mitgliedern der Königsfamilie kehrte in die nordische Heimat zurück, andere suchten bei den Ostgoten Schutz474. Trotz des engen Bündnisses war Theoderich demnach nicht imstande, durch den Einsatz eigener Kräfte den Untergang seines Waffensohnes zu verhindern. Auch daß die geschlagenen H eruier in der Masse nicht von den Goten, sondern deren Feinden, den Gepiden, aufgenommen wurden, spricht dagegen, daß Ufernorikum und Nordpannonien direkt in den gotischen Herrschaftsbereich einbezogen war. Etwa zur gleichen Zeit - vielleicht gerade infolge der Ausschaltung der Heruler - gelang es Theoderich, wenigstens nach Norden hin das Vorfeld seiner Herrschaft abzusichern, indem er ein Bündnis mit den Thüringern Schloß. Deren Reich erstreckte sich damals über den mittleren Main hinaus bis zur oberen Donau. Durch den Zusammenbruch des Alemannenreiches waren die Thüringer in Gegensatz zu den Franken geraten. Theoderich konnte das Bündnis durch eine dynastische Ehe, die Hochzeit seiner Nichte Amalaberga mit dem Thüringerkönig Herminafrid absichern475. Es liegt auf der Hand, daß Theoderich - vor allem nach der tragischen Erfahrung mit dem Herulerreich, daran interessiert sein mußte, die Verbindung mit den Thüringern durch die Auffüllung des nach dem Zusammenbruch des Alemannenreiches zwischen Hier und Enns entstandenen Vakuums abzusichern. So könnte, sicher im Zusammenhang mit dem Untergang des Herulerreiches und den sich daraus ergebenden Möglichkeiten freierer Beweglichkeit der bisher von den Herulern abhängigen Stämme und Stammessplitter im osträtischwestufernorischen Raum um den Kern eines aus dem böhmischen Raum eingewanderten suebischen Traditionskerns die Ethnogenese des bairischen Großstammes — unter ostgotischer Einflußnahme - eingeleitet worden sein476. Komponenten dieser Neustammbildung dürften neben dem aus Böhmen stammenden Traditionskern Überbleibsel donaugermanischer Stämme wie etwa der Markomannen, Teile der Skiren und des zerschlagenen Herulerverbandes, aber auch Hunnen und nicht zuletzt ortsansässige Provinzialen gewesen sein. 474
Prokop, Bell. Goth. • , 14, 23-27; 15, 1-4, ed. HAURY/WIRTH, Procop. II, S. 212; 214 f.; ed. DEWING, m , S. 4 0 8 ff.; 4 1 4 ; Cassiodor. V a r . IV, 4 5 , ed. MOMMSEN, S. 134; ed. FRIDH, S. 172;
475
ENSSLIN, Theoderich, S. 148, POHL, Gepiden, S. 297 f. Cassiodor. Var. IV, 1, ed. MOMMSEN, S. 114; ed. FRIDH, S. 143,; Anón. Vales. 70, S. 20; vgl. dazu KÖNIG, Theoderich, S. 168 ff.; Prokop. Bell. Goth. I, 12,22, ed. HAURY/WIRTH, Procop. Π, S. 66; ed. DEWING, m , S. 122 ff. Z u m Thüringerreich DEMOUGEOT, F o r m . Π, S. 7 5 0 ff.
476
WENSKUS, Germanische Herrschaftsbildungen, S. 224 ff. Zur Archäologie s. B.SCHMIDT, Völkerwanderungszeit, S. 160-175. Zur Stammesbildung der Baiern REINDEL, Agilolfinger, S. 75-92; DERS., Herkunft; vgl. auch DERS., Staat und Herrschaft, S. 38 ff.; WOLFRAM, Goten1, S. 393 f.; Goten3'4, S. 317 f.; DERS., Ethnogenesen, S. 105-112; FISCHER/GEISLER, Herkunft; DOPSCH, Anteil; MENKE, Landschaften. Zur archäologischen Untermauerung s. BENINGER/KLOIBER, Bodenfunde; insb. S. 194200; SVOBODA, Verhältnis, S. 113 ff.; DANNHEIMER, Funde, insb. S. 81-85; SAGE, Landnahme, insb. S. 46; DERS., Gräber, S. 286 f.; E. KELLER, Geimanenpolitik, S. 205 ff.; zur gotischen Präsenz: BIERBRAUER, Bügelfibeln.
132
V. Die gentilen Verbände
Über die Zeit der Entstehung des bairischen Großstammes lassen sich den Getica des Jordanes gewichtige Indizien entnehmen. Die erste Nennung der Baiern, die sie bereits als Großstamm kennt und östlich der Alemannen in ihrem späteren Siedlungsraum lokalisiert, erfolgt nämlich in der Form (regio illa habet) ...ab oriente ... occidente/occasu ... septentrione ... meridie, wie sie mehr oder weniger voll ausgebildet in den verschiedensten Abschnitten des auf Cassiodor beruhenden Hauptteils der Getica des Jordanes nicht weniger als noch weitere siebenmal auftritt477. Es liegt nahe, diese Form der Lokalisierung, die stets eingebettet ist in eine Beschreibung der betreffenden Ortlichkeiten, einem bestimmten Verfasser zuzuschreiben, und da wohl auszuschließen ist, daß Jordanes an allen diesen Stellen die Vorlage in derselben Weise ergänzt haben sollte, liegt der Schluß nahe, das diese typischen Formen geographischer Beschreibung auf die Vorlage des Jordanes, Cassiodor, zurückzuführen sind. Cassiodor aber verfaßte seine Gotengeschichte während der Regierungszeit des Athalarich zwischen 526 und 533. Für die gleiche Zeit spricht auch die Erwähnung der Thüringer als der nördlichen Nachbarn der Baibari, die nach der vernichtenden Niederlage der Thüringer im Krieg gegen die Franken unter Chlotar I. um 531 kaum noch denkbar ist 478. Da anzunehmen ist, daß die Ethnogenese des Großstamms bis zur Zeit der ersten Erwähnung der Baiern bereits mindestens zwei bis drei Jahrzehnte im Gange war, ist mit der Einwanderung des namengebenden Elements tatsächlich etwa in der Zeit der Vernichtung des Herulerreiches durch die Langobarden zu rechnen, als Theoderich mit dem Abschluß des Thüringerbündnisses besonderes Interesse an der Stabilisierung des nördlichen Vorfelds der Ostalpen zu erkennen gab479.
477
478
479
Jordan. Get. LV, 280, S. 130, s. oben S. 411 f. mit Anm. 402. Die Formel habet ab oriente (1) ... occidente/occasu (2)... septentrione (3) ... meridie (4) tritt in dieser Form und Reihenfolge noch m , 17, S. 58 (ohne 4) für Scandza, V, 31, S. 61 f. fur Scythia, XXIX, 149 f., S. 97 für Ravenna, XLIV, 230, S. 116 für Galticia et Lysitania, ohne habet noch ΧΠ, 74, S. 75 für Dacia und ΧΧΠ, 114, S. 87 für die Vandalii, in der abgewandelten Reihenfolge 1. 3. 2. 4. mit habet noch L, 264, S. 126 für Pannonia auf, vgl. dazu MOMMSEN, Cassiodor. Prooemium, S. XXXI ff. Damit dürften sich auch die Einwände von EBERL, Bajuwaren, S. 44 f. u. POHL, Gepiden, S. 267 gegen die angeführte Jordanesstelle erledigen. Zum Verhältnis der Getica des Jordanes zu Cassiodors Werk s. HACHMANN, Goten, S. 35-58; WAGNER, Getica, insb. S. 50 ff., 58 ff.; WOLFRAM, Goten1, S. 6 mit Anm. 8; Goten3'4, S. 30 und 379 mit Anm. 8; WEISSENSTEINER, Cassiodor/Jordanes.; zur Erwähnung der Thüringer HEUBERGER, Ostgot-Rätien, S. 90 f. Daß die späte bairische Stammessage im 12. Jh. die Einwanderung der Baiern tatsächlich im Jahre 508 ansetzt und auf Theoderichs Oberherrschaft hinweist, sei hier nur erwähnt, nicht als Indiz geweitet, s. dazu REDMDEL, Agilolfinger, S. 75 f. mit Literatur; zu den Anfangen der Ethnogenese bereits nach 476 s. E. KELLER, Gennanenpolitik, S. 205 ff.
c) Die Langobarden, Bajuwaren, A waren und Slawen
133
c) Die Langobarden, Bajuwaren, Awaren und Slawen Im Gegensatz zu der sich über ein Jahrhundert erstreckenden und so ereignisreichen Epoche der ostrogotischen Vorherrschaft im Ostalpen-Mitteldonau-Raum stellt die Zeit der langobardischen Präsenz in diesem Raum nur eine kurze Episode dar. Freilich entwickelten sich die Langobarden nach der Vernichtung des Herulerreiches schnell zum dominierenden Machtfaktor nördlich der mittleren Donau, zunächst mit Zentrum im mährisch-niederösterreichischen Raum480. Bald nach dem Sieg über die Heruler wurde König Tato und später auch dessen Sohn Risiulf von seinem Neffen Wacho erschlagen. Ein Sohn Risiulfs, Hildigis, der mit seiner Gefolgschaft Widerstand leistete, mußte bei den Slawen Zuflucht suchen, die damals von den nördlichen Karpaten her wohl schon in den slowakischen Raum vorgedrungen waren481. Über die von König Wacho verfolgte Politik bieten seine Heiraten Anhaltspunkte. In seiner ersten Heirat mit Radegunde, der Schwester des Thüringerkönigs Herminafrid, der zu gleicher Zeit die Nichte Theoderichs heiratete, wird noch eine Anlehnung an das ostgotische Bündnissystem sichtbar. Da Radegunde schon bald starb, nahm Wacho in zweiter Ehe Austrigusa, die Tochter des Gepidenkönigs zur Frau. Diese Ehe signalisiert bereits eine Verständigung von Langobarden und Gepiden, die sich nur gegen die Ostgoten gerichtet haben kann482. Das Bündnis mit den Gepiden ermöglichte es Wacho, unmittelbar nach dem Tode Theoderichs um 526/7 die Donau zu überschreiten und die Sueben in Oberpannonien seiner Herrschaft zu unterwerfen483. Offenbar hat Wacho zielbewußt eine Politik der Aufiiah480
481
Vgl. J. WERNER, Langobarden, S. 131-137, insbes. auch zur Frage einer Ausdehnung des Langobardenreiches über Böhmen. Zu den Langobarden allgemein s. POHL, Langobarden. Historisches; EGER/BERBRAUER, Archäologisches; zur Herkunft und Ethnogenese vgl. JARNUT, Ethnogenese; TAGLIAFERRI, Longobardi, S. 15-20; zur Zeit und den Umständen der Ankunft der Langobarden im Ostalpen-Mitteldonauraum vgl. auch SCHMIDT, Ostgermanen, S. 578 ff.; JARNUT, Langobardische Herrschaft; DERS., Langobarden, S. 19 f.; CHRISTOU, Byzanz, S. 54 ff.; WOLFRAM, Grenzen, S. 66 ff.; zum archäologischen Bild der Langobarden in Pannonien und in angrenzenden Gebieten vgl. BÒNA, Langobarden in Ungarn; MARTIN, Mit Sax und Gürtel; MENGHIN, Langobarden, Archäologie; DERS. Langobarden, S. 87 ff.; TOMLCLC, Untergang, S. 276 ff.; CIGLENEÔKI, Romani e Longobardi; MÜLLER/STRAUB, Germanen, S. 17 ff. Zur Urheimat und Herkunft der Slawen s. GOLAB, Origins; KURNATOWSKA, Sclaveni, S. 5165; WALDMÜLLER, Slawen, S. 6 ff. mit Lit., s. auch ebda., S. 18 f.; 21 ff.; 40; TYSKIEWICZ, Slowianie; GIEYSZTOR, Antiquités; FRITZE, Untersuchungen; DERS., Altertumswissenschaft; GODLOWSKI, Slawen 5./6.Jh.; SCHRAMM, Venedi; KAZANSKI, Slaves; POHL, Awaren, S. 94-98; K . W . STRUVE, Ethnogenese; JAZDZEWSKI, Verhältnis, S. 53 ff.; AVENARIUS, Awaren, S. 18 ff.;
482
483
80 ff. u. passim; zur Literatur CURTA, Slavs in Fredegar; DERS., Jordanes; vgl. auch unten S. 138 f f , Anm. 510 ff. WERNER, Langobarden, S. 238 f. Es ist wenig wahrscheinlich, daß Wachos Heirat mit der Thüringeiprinzessin schon vor seiner Machtergreifung anzusetzen ist, da ja doch mit seiner Nachfolge nicht zu rechnen war. Vielmehr legt diese Heirat nahe, daß der Sturz Tatos so bald nach seinem Herulersieg zugleich eine Annäherung an die Ostgoten Theoderichs einleitet, vgl. dazu auch FRÖHLICH, Thronfolge, S. 49 f.; R. SCHNEIDER, Königswahl, S. 14 f. Zum Datum der ersten Phase der pannonischen Landnahme der Langobarden LOTTER, Donau-
134
V. Die gentilen Verbände
me von Angehörigen fremder Stämme in den langobardischen Heeresverband betrieben und so das militärische Gewicht des Stammes in relativ kurzer Zeit erheblich verstärkt484. Diesem Ziel diente wohl auch die dritte Heirat mit einer Tochter des von seinem Vorgänger getöteten Herulerkönigs, Silinga, etwa um 530485. Spätestens seit dieser Zeit war das Verhältnis zwischen Langobarden und Gepiden gespannt. Daher sicherte Wacho die pannonischen Neuerwerbungen durch ein Bündnis mit den Franken ab, indem er seine Tochter von der Austrigusa, Wisigarde, mit dem fränkischen Thronfolger Theudebert verlobte. Die Verlobung bedeutete zugleich die Zustimmung zum fränkischen Angriff auf das Thüringerreich, dem dieses in den Jahren zwischen 531 und 533 erlag486. Die Ausschaltung des Thüringerreiches vollendete die Einkreisung der Ostgoten, die veränderte Lage tritt in einem ersten Versuch der Gepiden zutage, um 530 das sirmische Pannonien zurückzugewinnen487. Auch die Annexion des Burgunderreiches durch die Franken in den Jahren 532-534, das den letzten Puffer zwischen Franken- und Ostgotenreich beseitigte, ist in diesem Zusammenhang zu sehen. Hinter all diesen Ereignissen wird bereits die antigotische Politik Kaiser Justinians sichtbar, der 535 den offenen Krieg gegen das Ostgotenreich eröffnete. Nach den ersten katastrophalen Niederlagen sah der 536 zum König der Ostgoten erhobene Vitigis keine andere Möglichkeit, als Theudebert durch die Abtretung der Provence und des Alemannengebietes nördlich der rätischen Pässe sowie die Zahlung von 2000 Pf. Gold zu Abschluß eines Bündnisses mit ihm zu veranlassen488. Theudebert, der etwa 539/40 durch die mit Wisigarde vollzogene Heirat das Bündnis mit den Langobarden bekräftigte, intervenierte dennoch 539 in Norditalien, trieb dabei freilich Oströmer und Goten in gleicher Weise zu Paaren489. Mittlerweile hatten die Gepiden das sirmische Pannonien in Besitz genommen, König Wacho hatte im Jahre 530 eine gotische Gesandtschaft, die im Auftrag des Vitigis ein Bündnisangebot machte, zurückgewiesen. Damals dürften die Langobarden weitere Gebiete Pannoniens von der Valeria bis hin zur Draulinie in Besitz genommen haben und so in unmittelbare Berührung mit den Gepiden in der Pannonia Sirmiensis gekommen sein. Gleichzeitig stellten die Franken den Anschluß an das langobardische Gebiet her, indem sie Rätien und Norikum bis hin zur Dosueben, S. 2 9 3 - 2 9 7 ; WERNER, Langobarden, S. 240; CHRISTOU, Byzanz, S. 6 2 ff.; WOLFRAM,
Grenzen, S. 66 ff. Zur Archäologie, WERNER, S. 239 ff..; MENGHIN, Langobarden, S. 57 ff.; BÒNA, Besetzung. 484
WENSKUS, Stammesbildung, S. 453; 491 ff.; LOITER, Donausueben, S. 297 f. mit Anm. 72.
485
Origo. Lang. c. 5, S. 3f.
486
WERNER, Langobarden, S. 239 f.; CHRISTOU, Byzanz, S. 67 f.
487
S. dazu oben S. 129 mit Anm. 463. Prokop, Bell. Goth. I, 13, 14 ff.; 26 ff, ed. HAURYAVIRTH, S. 73 ff; ed. DEWING, III, S. 136; 140; Agathias I, 6,4 f., S. 17; ZÖLLNER, Franken, S. 89.
488
489
ZÖLLNER, Franken, S. 90; WERNER, Langobarden, S. 239 ff.; WOLFRAM, Goten 1 , S. 428 f.;
Goten3'4, S. 346 f.
c) Die Langobarden, Bajuwaren, Awaren und Slawen
135
nau und den Karawanken besetzten und damit auch die Baiern ihrem Herrschaftsbereich eingliederten. In einem Brief an Kaiser Justinian rühmt sich der König des Reimser Teilreichs, Theudebert zwischen 540 und 545, daß sich seine Herrschaft von den Grenzen Pannoniens über die Donau bis hin zum Gestade des Nordmeers erstrecke490. Wir erinnern uns, daß damals fränkische Bischöfe außer vermutlich in Virunum-Grazerkogel und Agunt-Lavant (oder Augsburg) auch in Tiburnia amtierten491. Dies bedeutet, daß auch die Baiern damals der Oberherrschaft der Franken unterworfen waren, die vermutlich damals einen Herzog wohl aus dem fränkisch-langobardischen Haus der Agilolfinger einsetzten492. Inzwischen war Wacho um 539/41 gestorben. Für seinen minderjährigen Sohn Waltari übernahm Audoin aus dem Geschlecht der Gausen die Vormundschaft und bestieg nach dem Tod des jungen Königs um 545 den Langobardenthron493. Theudebert, der zuvor noch versucht hatte, die Bindung mit den Langobarden durch die Verlobung seines Sohnes Theudebald mit Wachos Tochter Walderada enger zu knüpfen, bemühte sich nun um einen Ausgleich mit den wieder erstarkten Ostgoten und um gemeinsames Vorgehen auch mit Langobarden und Gepiden gegen Ostrom. Tatsächlich nutzten damals Gepiden, Heruler und Langobarden die Gelegenheit, daß den Oströmern durch den ungünstig verlaufenden Gotenkrieg die Hände gebunden waren. Während die Gepiden und Heruler das oströmische Illyrien und Thrakien heimsuchten, plünderten die Langobarden in Dalmatien und an der epirotischen Küste 494. Doch kam es dann zu einem Zusammenstoß zwischen Gepiden und Langobarden, beide schickten Gesandten an den Kaiser und baten um Hilfe495. Der Gegensatz zwischen Langobarden und Gepiden hatte sich dadurch verschärft, daß der lethingische Thronprätendent Hildigis damals mit seinem Gefolge von Langobarden und Slawen bei den Gepiden Zuflucht gefunden und diese ihm Unterstützung für seine Pläne versprochen hatten496.
490
491 492
Epp. Austras. 20, MG Epp. ΠΙ, S. 133: ... in quibus provinciis habitemus aut quae gentes nostrae sint ...: ... subactis Thoringis et eorum provinciis adquisitis, extinctis ipsorum tunc tempore regibus, Norsavorum itaque gentem nobis placata maiestate, colla subdentibus edictis ... Wesigotis incolomes Franciae, septentrionalem plagam Italiaeque Pannoniae cum Saxonibus Euciis, qui se nobis volúntate propria tradiderunt, per Danubium et limitem Pannoniae usque in oceanis litoribus custodíente Deo dominatio nostra porrigetur ...; dazu ZÖLLNER, Franken, S. 92 f. S. dazu oben S. 65 ff. mit Anni 233-240. GOEZ, Agilulfinger; vgl. aber zum Gesamtproblem, JARNUT, Agilolfingerstudien; REINDEL, Agilolfinger, S. 102 f.; EWIG, Merowingisches Frankenreich, S. 430; 433; WEIDEMANN, Forschungen.
493
FRÖHLICH, Thronfolge, S. 56-60; SCHNEIDER, Königswahl, S. 16 ff.
494
Agathias 1,4,1 ff., S. 13 f.; Prokop, Bell. Goth. ΙΠ, 33, 8; 12f„ S. 434 ff.
495
CHRISTOU, B y z a n z , S. 84-90.
496
Prokop. Bell. Goth. ΠΙ, 35, 19, ed. HAURY/WIRTH, S. 456; ed. DEWING, IV, S. 462 ff.: ... Ίλδίγης ebfrùç Λαγγοβαρδών τε τούς di έπισπομένους καν Σκλαβηνών πολλούς έπαγαγόμευος feç Γήπαιδας ήλθε, και αΐπόν Γήπαιδες κατάξεινfeïn.τήν άρχήν ελπίδα ειχον ...; Paul. Diac. Hist. Lang. I, 21, S. 68:... Hildechis ... superante Wacchone devictus ad Gepi-
136
V. Die gentilen Verbände
In dieser Situation gelang es nun Justinian, die fränkischen Bemühungen zu durchkreuzen und um 548 mit den Langobarden einen Vertrag zu schließen, der ihm zugleich im Balkanraum, in Italien und an der Persergrenze Luft verschaffte. Die Niederlassung der Langobarden in Süd- und Ostpannonien und ihre Vorstöße nach Dalmatien dürften demnach nicht eine Folge des Vertrags mit Justinian gewesen, sondern ihm vorausgegangen sein. Justinian spielte mit dem Vertrag die zwar gleich gefahrlichen, doch vom Zentrum des Reiches weiter entfernten Langobarden gegen die dieses unmittelbarer bedrohenden Gepiden aus. Gegen die offizielle Abtretung von Teilen Binneimorikums und der Kastelle Südpannoniens schlossen die Langobarden nun mit den Oströmern ein Kriegsbündnis gegen die Gepiden und erklärten sich zugleich bereit, starke Truppenabteilungen fur den Krieg gegen Goten und Perser zu stellen497. Das Bündnis zwischen Byzanz und den Langobarden wurde wiederum durch eine Ehe gefestigt: Justinian gab dem Auduin in zweiter Ehe die Tochter des letzten Thüringerkönigs Herminafried und Großnichte Theoderichs zur Frau498. Diese Ehe bedeutete ebenso einen Affront gegen die Franken wie die Besetzung der norischen und pannonischen Kastelle, die den Franken den Weg nach Osten verlegte. Auch wirkte die Ehe der Walderada, der Tochter Wachos mit dem Frankenkönig Theudebald (547555) sich jetzt — nach der Ablösung der Lethinger- durch die Gausendynastie nachteilig für die Beziehungen von Franken und Langobarden aus. Tatsächlich versuchten fränkische Truppen Theudebalds im Jahre 552, der Armee des Narses den Durchzug durch Venetien mit der Begründung zu verlegen, daß ein Kontingent ihrer schlimmsten Feinde, der Langobarden, mit Narses ziehe499. Das Langobardenbündnis diente Ostrom jedoch zunächst vor allem dazu, die Gepiden in die Schranken zu weisen. Nachdem Ostrom den Gepiden wegen ihrer Unbotmäßigkeit die Jahresgelder gesperrt und ein Hilfegesuch gegen die Langobarden abgelehnt hatte, sandte es letzteren um 548 ein Heer von 10.000 Reitern und 1500 herulischen Foederaten zu Hilfe. Noch vor der Vereinigung mit den Langobarden gelang es jedoch den Oströmern, die mit den Gepiden verbündeten Heruler vernichtend zu schlagen. Daraufhin Schloß der Gepidenkönig mit den Langobarden einen Vertrag und verbannte Hildigis mit seinem Gefolge, der zu den Slawen zurückkehrte. Er sammelte hier ein Heer von 6000 Mann, mit dem er wiederum die Donau überschritt und bis Venetien vordrang, wo er wohl im Frühjahr 549 eine oströmische Abteilung
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dos confugit, ibique prófugas ad vitae fine usque permansit. Quam ob causam Gepidi cum Langobardis extunc inimicitias contraxere ...; vgl. DLCULESCU, Gepiden, S. 136 ff. Prokop, Bell. Goth. III, 33, 10, 34, 1-5; 40 ff.; IV, 26,12; ed. HAURY/WIRTH, S. 435; 444 f.; 451 f.; 631; ed. DEWING, IV, S. 440; 442 ff.; 454 ff.; V, S. 330; vgl. Agathias ΠΙ, 20, S. 109 ff. J. WERNER, Langobarden, S. 246 f.
Prokop, Bell. Goth. IV, 26, 18 ff., ed. HAURY/WIRTH, S. 639; ed. DEWING,. V, S. 332: ... tlxeÌTO τήν δ'ιοδον σφίσιν άτε φίλοις οΰσι παρέχεσθαι. οι δè ιοΰτο Ναρση έπιτρέψειν σύδεμιά μηχανή έφασαν ... ότι δη Λαγγοβάρδας τσύς σφίσι πολεμιωτάτους ούτος Επαγόμενος ·ήκει...
c) Die Langobarden, Bajuwaren, Awaren und Slawen
137
schlug. Dieser erste Slaweneinfall im mittleren Donauraum blieb jedoch Episode, da sich Hildigis zwischen den ihm feindlichen Langobarden und Oströmern zu schwach fühlte, um sich behaupten zu können, und mit seiner Abteilung bald wieder in das Slawengebiet zurückkehrte500. In der Folgezeit blieb das Verhältnis von Langobarden und Gepiden gespannt, zumal inzwischen der gepidische Thronprätendent, Ostrogota, nach Thurisinds Machtergreifung bei dem Langobardenkönig Auduin Unterschlupf gefunden hatte501. Um 549 zogen beide Könige gegeneinander, doch scheinen ihre Heere den Kampf verweigert zu haben, so daß sie sich genötigt sahen, einen Waffenstillstand zu schließen502. Während nun die Langobarden in der Folge weiterhin gute Beziehungen zu Ostrom pflegten und dem Kaiser Truppen für den Ostgotenkrieg zur Verfügung stellten, zogen die Gepiden 12.000 Mann kutrigurische Hunnen an sich, um mit deren Hilfe sich den Oströmern gegenüber eine überlegene Stellung zu verschaffen503. Als es Byzanz mit Hilfe anderer Hunnen (der Utriguren?) gelang, die Kutriguren zum Rückzug zu nötigen504, knüpften die Gepiden Verbindungen zu den seit einiger Zeit in breiter Front in die Ebenen nördlich der unteren Donau einwandernden Slawen an und boten diesen tätige Hilfe bei ihren verheerenden Einfallen in oströmisches Gebiet505. Diesem neuen zahlenmäßig weit überlegenen Feind waren die Oströmer nicht mehr gewachsen. Justinian erneuerte daher den Vertrag mit den Gepiden, was ihn jedoch nicht hinderte, gleichzeitig insgeheim mit den Langobarden ein neues Kriegsbiindnis gegen sie abzuschließen506. Trotzdem hielt er das Heer, das die Gepiden im Rücken fassen sollte, zurück. Als Auduin ihn dringend um Hilfe bat, begnügte er sich damit, ihm lediglich eine Abteilung oströmischer Truppen unter dessen Schwager, dem Thüringerprinzen Herminafrid, zu schicken507. Die Langobarden drangen nun in das gepidische Pannonien ein und schlugen die Gepiden in einer überaus blutigen Schlacht. Auch der Sohn Thurisinds, Thorismund, fiel im Kampfe508. Die Verluste waren auf beiden Seiten so groß, daß Langobarden und Gepiden zum Frieden bereit waren. Dieser wurde vom Kaiser und beiden Königen 500
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Prokop. Bell. Goth. ΙΠ, 34, 40-45; 35, 20 ff., ed. HAURY/WIRTH, S. 451 f.; 456; ed. DEWING,
Procop. IV, S. 454 ff.; 464; dazu Prokop. Bell. Goth. IV, 27, 19-22; ed. HAURY/WIRTH, S. 638, ed. DEWING, V, S. 342 ff. Ebda., I V , 18, 1-11, ed. HAURY/WIRTH, S. 5 8 0 f.; ed. DEWING, V , S. 2 3 4 ff.; DLCULESCU,
Gepiden, S. 140 f. Prokop. Bell. Goth. IV, 18,13-18, ed. HAURY/WIRTH, S. 581 f., ed. DEWING, V, S. 238 ff. Ebda., IV, 18, 19; 25; 19, 1-5; ed. HAURY/WIRTH, S. 583 ff, ed. DEWING, V , S. 2 4 0 ff.;
WALDMÜLLER, Slawen, S. 45. 505
Prokop., Bell. Goth. IV, 25, 1-5; vgl. III, 40, 1-8; ed. HAURY/WIRTH, S. 623 f.; 475 ff; ed. DEWING, V, 3 1 6 ; S. 4 7 5 ff; 36 ff; WALDMÜLLER, Slawen, S. 4 6 ; P. LEMERLE, Invasions,
506
S. 285 f. Prokop. Bell. Goth. IV, 25, 7 ff; ed. HAURY/WIRTH, S. 624 f.; ed. DEWING, V, S. 318.
507
Ebda., IV, 25, 13; ed. HAURY/WIRTH, S. 626; ed. DEWING, V, S. 3 2 0 .
508
Ebda., IV, 25, 14 f.; ed. HAURY/WIRTH; ed. DEWING, V, S. 320; Paul. Diac., Hist. Lang. I, 23, S. 70; Jordan. Rom. 386 f., S. 52; dazu DICULESCU, Gepiden, S. 145 ff.
138
V. Die gentilen Verbände
beschworen. Die Gepiden räumten Uferdakien, behielten jedoch Sirmium aufgrund eines neuen Bündnisvertrages, der sie verpflichtete, gegen Zahlung von Jahresgeldern Truppen für den Gotenkrieg zu stellen. Der Vertrag zwischen Langobarden und Gepiden wurde durch die Ermordung der jeweils von der Gegenseite beherbergten Thronaspiranten, des Hildigis bei den Gepiden, des Ostrogota bei den Langobarden, besiegelt509. Der Friedensschluß mit den Gepiden war für Ostrom umso unumgänglicher, als einerseits im Gotenkrieg noch immer kein Ende abzusehen war, andererseits der militärische Kraftaufwand für diesen Krieg und die Auseinandersetzung mit den Donaugermanen die untere Donaufront so geschwächt hatte, daß sich hier die Slawen zu einer die Existenz des Reiches bedrohenden Gefahr entwickeln konnten. Schon zum Jahre 537 vermeldet Prokop, daß von den 1600 Reitern, die Beiisar nach der Einnahme des Hafens Portus bei Rom zugeführt wurden, die meisten Hunnen, Sklavenen und Anten gewesen seien, die jenseits der (unteren) Donau nicht weit vom Ufer entfernt ihre Wohnsitze hätten. Wenig später erfahren wir, daß den Sklavenen und Anten der größte Teil des jenseitigen Donauufers gehöre510. Prokop berichtet auch, daß Hunnen, Sklavenen und Anten schon nahezu seit Beginn der Regierungszeit Justinians (527) immer wieder die untere Donau überschritten und schreckliche Grausamkeiten unter der Bevölkerung Thrakiens und Illyricums verübt hätten511. Nachdem die Sklavenen um 533 mit ihrem ganzen Aufgebot, wie es heißt, ein oströmisches Heer, das sie in ihren eigenen Heimstätten nördlich der Donau angriff, vernichtet hatten, gab es vollends kein Halten mehr512. Besonders schwere Einfalle erfolgten in den Jahren 548-551. 549 stießen die Slawen nach Vernichtung mehrerer oströmischer Heere bis zur Küste vor und ero509
510
511
Prokop. Bell. Goth. III, 35, 19ff.; IV, 27, 21-29; ed. HAURY/WIRTH, S. 456; 638 f., ed. DEWING, IV, S. 462 ff.; V, S. 342 ff.; Menander, FHG, frg. 28, S. 234 b = ed. D E BOOR, EXC. de legat. Rom. 9, S. 197; ed. BLOCKLEY, S. 138ff.;dazu DLCULESCU, Gepiden, S. 147. Prokop. Bell. Goth. I, 27, 1 f.; II, 15, 2; 26, 18 f.; III, 14, 29 f.; ed. HAURY/WIRTH, S. 130; 215; 268; ed. DEWING, ΠΙ, S. 252; 414; IV, S. 98; 272; WALDMÜLLER, Slawen, S. 32 ff.; 56 ff; 60 f.; JAZDZEWSKI, Slaven, S.53 f.; KURNATOWSKA, Sclaveni, S.51 f.; zu den frühen Bezeichnungen der Slawen s. SCHRAMM, Venedi. Prokop, Hist. Arc. 18, 20, ed. HAURY/WIRTH, S. 114; ed. DEWING, VI, S. 216: ... Οΰννοί τε και ΣκλαβηνοΙ καί " Ανται σχεδόν τι άνά πάν καταθέοντες έτος, έξ οΰ Ιουστινιανός παρέλαβε τήν ' Ρωμαίων άρχήν, άνήκεστα έργα ε'ιργάσαντο ... Freilich ist hier die Tendenz, Justinian durch Übertreibung des Versagens der Reichsregierung herabzusetzen, in Rechnung zu stellen; vgl. jedoch auch Prokop, Bell.Goth. ΙΠ, 40,5 f., ed. HAURY/WIRTH, S. 476; ed. DEWING, V, S. 38 zu ca. 525 (statt Justinian ist hier Justinus I. gemeint); 14,2, ed. HAURYAVIRTH, S . 3 5 4 , e d . DEWING, I V , S. 2 6 2 z u 5 3 3 ; s. WALDMÜLLER, S l a w e n , S. 3 5
512
ff;
Avenarius, Awaren, S. 30 f. und die folgende A i m 512. Prokop, Bell.Goth, m, 1 4 , 2 - 6 ; ed. HAURY/WIRTH, S. 3 5 4 ff; ed. DEWING, IV, S. 2 6 2 ff:... και τό λοιπόν δ τε ποταμός έσβατός άεί τοις βαρβαροις κατ' έξουσίαν και τα ' Ρωμαίων πράγματα εΊιέφοδα γέγονε, ξύμπασά τε ή Ρωμαίων άρχή ... οίιδαμή Ίσχυσε. Vgl. ebda., 11; ferner III, 13, 2 4 ; 2 9 , 1 ff, ed. HAURY/WIRTH, S. 3 5 3 ; 4 2 3 ; ed. DEWING, IV, S. 2 6 4 ; 3 9 9 ; s. WALDMÜLLER, Slawen, S. 3 6 ff; FERJANCI , Invasions, S. 8 8 ff.
c) Die Langobarden, Bajuwaren, Awaren und Slawen
139
berten mehrere Städte513, 550 belagerten sie Naissus-Nisch, besiegten eine oströmische Armee bei Adrianopel und suchten, nachdem sie sich in mehrere Kolonnen aufgeteilt hatten, nicht nur Myrikum und Thrakien bis hin zu den Mauern Konstantinopels heim, sondern drangen erstmals mit starken Kräften auch in Dalmatien ein. Zum erstenmal überwinterten sie jetzt auch in den eroberten Gebieten, ein erster Ansatz zur Landnahme im Raum südlich der Donau514. Das Einverständnis zwischen Slawen und Gepiden zu dieser Zeit wird auch darin sichtbar, daß die Gepiden um 551 den slawischen Invasoren durch Stellung von Schiffen freilich gegen teure Bezahlung - die Rückkehr über die Donau ermöglichten515. Erst der um die Wende 551/52 durch die Verbindung von Gepiden und Slawen, vielleicht aber auch durch die Erfordernisse des Gotenkrieges bewirkte Bündnisvertrag Ostroms mit Gepiden und Langobarden trug dazu bei, daß die Slawen fur einige Jahre Ruhe hielten516. Freilich wissen wir nicht, was sich in diesen Jahren im Raum zwischen Karpaten und Dnjepr abgespielt hat, wo etwa um 556/7 aus den innerasiatischen Steppen ein neues Reitervolk auftauchte, die Awaren517. Ungefähr zur gleichen Zeit erschien ein weiteres östliches Reitervolk, die türkischen Onoguren = Bulgaren, von dem Gebiet nordöstlich des Asowschen Meeres her kommend, im Rücken der Slawen am Nordufer der unteren Donau518. Sie setzten eine neuerliche Völkerbe_
519
wegung in Gang . Inzwischen war auch im Alpen-Donau-Raum wieder ein Wandel eingetreten. Während die Oströmer - vor allem dank der Unterstützung durch Langobarden und Gepiden - in den Jahren 552/3 die Ostgotenheirschaft in Italien endgültig 513
514
Prokop, Bell.Goth., ΠΙ, 38, 1-23; ed. HAURY/WIRTH, S. 467 ff.; ed. DEWING, V, S. 20-26; WALDMÜLLER, Slawen, S. 40 if.; GRAFENAUER, Nekaj vprasanj, S. 31 ff. Nach dem Völkerkatalog des Widmungsgedichtes der Kathedrale von Bracara (um 558), Versus Martini Dumiensis episc. in basilica, AA VI/2, S. 194 f. sollen auch Slawen noch vor der Jahrhundertmitte in Pamionien Ziel der Mission des späteren Bischofs Martinus von Braga (510/20-579) gewesen sein. Dieser stammte selbst aus Pannonien und wirkte etwa seit 552 in Galicien:... pio sub foedere Christi adsciscis gentes: Alamannus, Saxo, Turingus, Pannonius, Rugus, Sclavus, Nara, Sarmata, Datus, Ostrogotus, Francus, Burgundio, Dacus, Alanus ... Suevus; vgl. WALDMÜLLER, Begegnungen, S. 317; SASEL, Divinis nutibus, S. 740 ff.; vgl auch oben S. 32, Anm.100. Prokop, Bell.Goth., III, 40, 1-7; 31-45; ed. HAURY/WLRTH, S. 475 ff.; 481 ff., ed. DEWING, V, S. 36 ff.; 4 8 ff.; WALDMÜLLER, Slawen, S. 4 2 f.
515
Prokop, Bell. Goth., IV, 25, 1-5; ed. HAURY/WIRTH; S. 623 f.; ed. DEWING, V, 316; WALDMÜLLER, Slawen, S. 46.
516
517
Prokop, Bell. Goth. IV, 25, 5; ed. HAURY/WIRTH, S. 624; ed. DEWING, V, S. 316 ; vgl. oben S. 129, Anm. 509; POHL, Empire and Lombards; SCHWARTZ, Slawen, S. 99. S. dazu KOLLAUTZ/MIYAKAWA, Nomadenvolk, insb. S. 138-167; HELLMANN, Neue Kräfte, S. 357 ff. mit Lit.; AVENARIUS, Awaren, insb. S. 39-60; 75 ff.; POHL, Awaren, S. 18 ff.; 37 ff.;
518 519
GÖCKENJAN, Landnahme; zur Archäologie: SZENTPÉTERI, Waffenträger; TOMLCLT, Untergang, S. 283-294; BÁLINT, Awarische Landnahme; GARAM, Münzdatierte Gräber. HELLMANN, Neue Kräfte, S. 366 mit Lit. Joh. Malalas, S. 490; Agathias V, 25, S. 196 f.
V. Die gentilen Verbände
140
niederwarfen, nahmen die Auseinandersetzungen der Langobarden mit den Franken an Schärfe zu520. Doch führte die wieder wachsende Entfremdung zwischen Franken und Oströmern allmählich zu einer erneuten Annäherung der Franken an die Langobarden521. Nachdem der König des Reimser Teilreichs, Theudebald, um 555 gestorben war, übernahm Chlothar I. mit dessen Reichsteil zugleich dessen Gattin, die Tochter Wachos, Walderada. Er trennte sich jedoch bald wieder von ihr, um sie dem Baiernherzog Garibald zur Frau zu geben522. Vermutlich signalisiert schon die Trennung Chlothars von der Lethingin Walderada, die mit der bei den Langobarden inzwischen zur Herrschaft gelangten gausischen Dynastie verfeindet war, eine Änderung der fränkischen Politik gegenüber den Langobarden. Die Heirat Walderadas mit dem Baiernherzog Garibald I. war gleichzeitig ein kluger Schachzug, um zu enge Beziehungen zwischen den bairischen Herzögen und dem gausischen Königshaus der Langobarden zu hintertreiben523. Die Annäherung zwischen Franken und Langobarden wird vollends sichtbar, als Chlothar seine Tochter Chlodoswinth mit Auduins Sohn und Nachfolger, Alboin, verheiratete524. Diese Politik scheint durch gleichzeitige Niederlagen der Franken durch die Oströmer in Norditalien und durch die Sachsen im ostrheinischen Gebiet um 556 mitbedingt worden zu sein. Zwar konnten die Franken ihre Stellung in Thüringen behaupten, mußten jedoch ihre vorgeschobenen Positionen in Norditalien räumen525. Die Annäherung der Langobarden an die Franken bedrohte freilich neuerlich die Stellung Ostroms in dem für die Verbindung mit Italien so wichtigen Dalmatien. Doch inzwischen war auch an der unteren Donau die Bedrohung wieder gewachsen, als 559 starke hunnische, slawische und bulgarische Verbände den Strom überschritten, sich wiederum in mehrere Kolonnen teilten und von neuem Illyrikum und Thrakien bis hin zu den Mauern Konstantinopels verwüsteten526. Zwar gelang es dem byzantinischen Feldherrn Beiisar, die Utriguren gegen die Kutriguren zu mobilisieren, letzteren eine Niederlage beizubringen und sie gegen Zahlung von Jahresgeldern zum Abzug über die Donau zu bewegen, doch glaubte Justinian der doppelten Bedrohung an mittlerer und unterer Donau besser begegnen zu können, indem er zu den damals im südrussischen Raum im Rücken der Slawen und Bulgaren aufgetauchten Awaren Verbindung aufnahm.
520
Prokop, Bell. Goth. IV, 26, ed. H A U R Y / W I R T H , S . 629 ff.; ed. Langobarden, S. 140 f.; Z Ö L L N E R , Franken, S. 97 f. Ebda., S. 98 ff. Gregor. Tur. Hist. Franc. IV, 9, S. 141.
DEWING,
V,
S.
326-336; dazu
WERNER, 521 522 523
Vgl. dazu aber ZÖLLNER, Franken, S. 102.
524
Gregor. Tur. Hist. Franc. IV, 3, S. 137; Paul. Diac. Hist. Lang. I, 27, S. 79; vgl. Nicetius Trev. Ep. Austras. 8, S. 119 f. ; s. R . S C H N E I D E R , Königswahl, S. 22.
525
ZÖLLNER, Franken, S. 98-104.
526
WALDMÜLLER,
Slawen,
KOLLAUTZ/MIYAKAWA,
48 ff.; L E M E R L E , Invasions, S . 286 ff.; S T E I N , Awaren I, S . 147-158; vgl. oben Anm. 519.
S.
BE
II,
S.
535-540;
c) Die Langobarden, Bajuwaren, Awaren und Slawen
141
Deren Herrscher, der Khagan, hatte schon um 558 mit dem oströmischen Statthalter der Lazika im Westkaukasus, dem Großneffen des Kaisers Justinian, dem späteren Kaiser Justin Π., Beziehungen angeknüpft527. Justinian erkannte die Niederlassung der Awaren im Norden des Donaudeltas an und Schloß einen Vertrag mit dem Khagan, der diesem gegen Soldzahlung die Unterwerfung der räuberischen Hunnen- und Slawenstämme im Raum zwischen Ostkarpathen und Dnjepr, der Kutriguren, Utriguren und der Anten, auftrug. Um 562 scheint es zu neuen Verhandlungen gekommen zu sein, bei denen Justinian nun seinerseits den Awaren die noch von den Gepiden besetzte Pannonia Sirmiensis als Wohnsitz anbot. Offenbar hoffte er damit Gepiden und Langobarden, die sich vorübergehend ausgesöhnt hatten, gleichzeitig in Schach halten zu können. Der Khagan lehnte es jedoch ab, diese Aufgabe zu übernehmen. Stattdessen beschloß er, sicherlich ebenfalls mit Zustimmung Ostroms, direkt gegen die Franken vorzugehen528. Da es Justinian nicht gelang, die Awaren unmittelbar zum Schutz der byzantinischen Verbindungen nach Italien einzusetzen, lag es ihm zweifellos daran, sie wenigstens vom unteren Donauraum abzulenken und in den Rücken der Franken zu führen, deren Macht die byzantinische Stellung im Westen am stärksten bedrohte. Vielleicht hat auch die Kunde vom Tode Chlothars I. 561 den Khagan zu seinem Zug gegen das Frankenreich bewogen. Der König des neuen Reimser Teilreichs, Sigibert, trat den Awaren jedoch wohl schon an der Elbe entgegen und besiegte sie, wenn wir Gregor von Tours glauben wollen. Die in seinem Rücken sich inzwischen zum Bürgerkrieg steigernde Feindschaft seiner Brüder bewog ihn jedoch, mit dem Awarenkhagan Frieden zu schließen und ihn zum Abzug zu be529
wegen Die nach dem Tode Chlotars I. erfolgte neuerliche Teilung des Frankenreichs und der sich daraus ergebende Streit der Söhne um das Erbe hatte jedoch zugleich auch Byzanz von der fränkischen Bedrohung vom Ostalpenraum her befreit. Wenig später schien auch der mit aller Schärfe wieder ausbrechende Konflikt zwischen Langobarden und Gepiden die Stellung Ostroms im Mitteldonauraum wieder zu verbessern. Zwischen 560 und 564 starben innerhalb kurzer Zeit die Könige Auduin und Thurisind, ihre Nachfolge traten ihre beiden Söhne an, Alboin bei den
527
528
529
STEIN, B E II, S. 5 4 1 ff.; KOLLAUTZ / MIYAKAWA, A w a r e n , S. 155; 158 f.; 165, A n m . 1;
HAUPTMANN, Rapports, S. 148 f.; WALDMÜLLER, Slawen, S. 84 f. Menander FHG, frg. 9, S. 205; ed. DE BOOR, Exc. de legat. gent. 4, S. 443 f.; ed. BLOCKLEY, S. 52: ... Kai b μέν βασιλεύς, ...έν βουλή έποιήσατο ές τήν ' Ελούρων χώραν κατοικίσαι τό έθνος, ... δευτέρα δέ προσαγορεύεται ΠαιονΙα ... άλλ' εκείνοι Σκυθίας ούτι φουτο δειν έσεσθαι εκτός ...; vgl. HAUPTMANN, Rapports, S. 149; DICULESCU, Gepiden, S. 155 f.; WALDMÜLLER, Slawen, S. 85 ff.; POHL, Awaren, S. 43 ff. Gregor. Tur. Hist. Franc. IV, 23, S. 155; Paul. Diac. Hist. Lang. Π, 10, S. 92 f.; KLEBEL, Langobarden, S. 80 ff; KOLLAUTZ/MIYAKAWA, Awaren, S. 165 ff.; WALDMÜLLER, Slawen, S. 87 ff; AVENARIUS, A w a r e n , S. 5 7 ff.; POHL, Awaren, S. 4 5 ff.
142
V. Die gentilen Verbände
Langobarden, Kunimund bei den Gepiden. Beide waren seit langem tödlich verfeindet, wie die langobardische Tradition zu berichten weiß530. Zunächst scheinen die Gepiden sich noch an Byzanz angelehnt zu haben, wie ein vielleicht um 564 anzusetzender Feldzug gegen die Slawen in der Walachei vermuten läßt531. Während nun im folgenden Jahr in Byzanz Kaiser Justin die Nachfolge Justinians antrat, entbrannte der Krieg zwischen Langobarden und Gepiden aufs neue. Als die Langobarden in einer Schlacht zunächst Sieger blieben,532 wandte sich Kunimund um Hilfe an Kaiser Justin und versprach als Preis die Abtretung Sirmiums. Dieser schickte seinen Schwiegersohn und Patrizier, den Kuropalaten Badurius mit der thrakischen Armee den Gepiden zu Hilfe. Damit wird deutlich, wie sehr es Justin damals noch um die Stützung der Gepiden und die Erhaltung des Gleichgewichts im mittleren Donauraum ging533. Alboin suchte nunmehr die Verständigung mit Kunimund, die dieser jedoch brüsk zurückwies. Mit Hilfe der byzantinischen Truppen wurden die Langobarden empfindlich gedemütigt534. Kunimund fugte nun jedoch zu seinem ersten Fehler, die Verständigimg mit den Langobarden ausgeschlagen zu haben, einen zweiten, fur sein Reich tödlichen hinzu: Er verprellte den eben erst zur Herrschaft gelangten Kaiser Justin, indem er die versprochene Auslieferung Sirmiums, vielleicht aufgrund eines Beschlusses der Volksversammlung, verweigerte. Justin verließ seinerseits nun die von Justinian lange mit Erfolg praktizierte Politik des Kräfteausgleichs und -gleichgewichts, indem er einerseits dem Awarenkhagan die diesem von Justinian gewährten Jahresgelder verweigerte, andererseits aber wohl auch Bündnisanträge des geschlagenen Langobardenkönigs Alboin zurückwies535. Dies führte folgerichtig dazu, daß sich nun die Langobarden mit den inzwischen weiter erstarkten Awaren zusammentaten, um das verhaßte Gepidenreich zu vernichten. Noch im Jahre 565, vielleicht noch auf Veranlassung Justinians, vielleicht aber auch verlockt durch die fortdauernden Machtkämpfe unter den Söhnen Chlothars I., 530
Paul. Diac. I, 24, S. 71; 27, S. 79 f.; dazu FRÖHLICH, Thronfolge, S. 62 ff.; zu Alboin s. auch R. SCHNEIDER, Königswahl, S. 19 f.
531
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534
535
Gepiden, S. 152; WALDMÜLLER, Slawen, S. 88 f. Theophylakt. Sim. VI, 10, 8 f., S. 240; DlCULESCU, Gepiden, S. 152 f.; CHRISTOU, Byzanz, S. 100 ff.; JARNUT, Geschichte der Langobarden, S. 30-33. Theophyl. Sim. VI, 10, 9 f., S. 240; vgl. MenanderFHG, frg. 25, S. 231; ed. DEBOOR, EXC. de legat. gent. 12, S. 455; ed. BLOCKLEY, S. 130: ... Κονιμοΰνδος ... αΰθις παρά βασιλέα Τουσ-άνον έπεμψε πρέσβεις, και ώς οίιδέν ήττον ή πρότεροι» ξυνεπιλαβέσθαι di τοΰ κινδύνου 'ικέτευε ... Theophyl. Sim. VI, 10, 11; Menander FHG, frg. 2 4 , S. 2 3 0 b; ed. D E BOOR, EXC. de legat. gent. 11, S. 454; ed. BLOCKLEY, S. 128: ... σφάς ύπό Γηπαίδων τά άνήκεστα πεπονθότας, μάλιστα και ' Ρωμαίων ... συμμάχουντων τοις Γήπαισιν ...; vgl. FHG, frg. 28, S. 234; ed. DE BOOR, EXC. de legat. Rom. 9, S. 197, 11 ff.; ed. BLOCKLEY, S. 140: είτα και πολέμου κινηθέντος αύτοίς ώς Λογγιβάρδους ... ξυνεπελαβόμεθα τοΰ κινδύνου τοις ο'ικείοις ...; DlCULESCU, Gepiden, S. 153 ff; JARNUT, Geschichte der Langobarden, S. 26. Menander, FHG, frg. 24; 25, S. 230 f.; ed. DE BOOR, EXC. de legat. gent. 11; 12; S. 454 ff.; DLCULESCU,
WALDMÜLLER, Slawen, S. 89.
c) Die Langobarden, Bajuwaren, Awaren und Slawen
143
waren die Awaren neuerlich in den mitteldeutschen Raum vorgestoßen und hatten an der mittleren Elbe im Frühjahr 566 den austrasischen Heerbann unter Führung Sigiberts in die Flucht geschlagen536. Dennoch war es, vermutlich durch die Vermittlung Alboins, zu einer Verständigung und zum Friedensschluß zwischen austrasischen Franken und Awaren gekommen, in dem beide Herrscher versprachen, nie mehr gegeneinander Krieg fuhren zu wollen. Dieser Vertrag steht sicher in Zusammenhang mit der verhängnisvollen Entscheidung Justins, die Zahlung der Jahresgelder einzustellen, und ist sicherlich auch mit den Verhandlungen zwischen Alboin und dem Awarenkhagan Baian vom gleichen Jahre in Verbindung zu bringen. Alboin bot dem Awarenkhagan ein Kriegsbündnis mit dem Ziel der Vernichtung des Gepidenreiches an und stellte ihm vor Augen, daß die Awaren nicht nur die Schätze des Gepidenreiches gewinnen würden, sondern auch ganz Thrakien bis hin nach Byzanz ihnen dann offenliege. Der Khagan ging zunächst auf diese Bedingungen nicht ein, sondern forderte von den Langobarden, sie sollten ihm, offenbar als Verpflegung für seine Scharen, noch vor Beginn des Krieges den zehnten Teil ihres Viehs abliefern, nach errungenem Sieg sich mit der Hälfte der Beute begnügen und keinen Anspruch auf das Land der Gepiden erheben. Gegen Lieferung von Nahrungsmitteln, Korn, Gemüse und Vieh hatte der Awarenkhagan zuvor auch dem Frankenkönig Sigibert die Räumung Thüringens im Rahmen des Friedensvertrages - wohl von 562 - zugesagt. Diese Vorgänge bestätigen erneut, daß reine Reiterkriegervölker wie die Awaren stets auf abhängige Bauern als Nahrungsmittellieferanten angewiesen waren. Alboin nahm tatsächlich die ungewöhnlichen Bedingungen an, so daß der Khagan dem Bündnis schließlich zustimmte537. Nichts zeigt deutlicher als die Annahme der Bedingungen des Awarenkhagans, daß Alboin um jeden Preis zur Vernichtung des Gepidenreiches entschlossen war. Als Kunimund die Nachricht von diesem gefährlichen Vertrag erhielt, wandte er sich wiederum an den Kaiser mit dem Versprechen, ihm Sirmium und Pannonien südlich der Drau nunmehr abtreten zu wollen. Justin, der schon einmal von Kunimund betrogen worden war, hielt diesen jedoch mit leeren Versprechungen hin. Auch Alboin schickte Gesandte zum Kaiser, wies ihn auf die Treulosigkeit der Gepiden hin und bestärkte ihn, sich zumindest neutral zu verhalten538. So nahm ein Schicksal seinen Lauf, das Gepiden und Oströmer in gleicher Weise verschuldet haben. 536
Gregor. Tur. Hist. Franc. IV, 29, S. 161 f.; Paul. Diac. Hist. Lang. Π, 10, S. 93; KLEBEL, Langobarden, S. 81; WALDMÜLLER, Slawen, S. 90 f.; CHRISTOU, Byzanz, S. 102 ff.; AVENA-
537
RIUS, Awaren, S.57 ff; POHL, Awaren, S. 46-51. Menander FHG, frg. 23, S. 230; ed. DE BOOR, EXC. de legat. gent. 10, S. 454; ed. BLOCKLEY, S. 126 ff.; vgl. des weiteren Anm. 435; s. dazu DICULESCU, Gepiden, s. 158 ff; KOLLAUTZ/ MLYAKAWA, Awaren, S. 166-170; WALDMÜLLER, Slawen, S. 92 f.; AVENARIUS, Awaren, S. 76 f.; POHL, Awaren, S.50 f.
538
Menander FHG, frg. 25, S. 231; ed. DE BOOR, EXC. de legat. gent. 12, S. 455 f.; ed. BLOCKLEY, S. 128 ff.; s. POHL, Empire and Lombards.
144
V. Die gentilen Verbände
Im Frühjahr 567 brachen die Heere der Verbündeten von zwei Seiten in das Gepidenreich ein. Die Awaren zogen - offenbar im Einverständnis mit den römischen Instanzen - von Kleinskythien (Dobrudscha) aus entlang der unteren Donau und drangen von Südosten her in das Banat ein, von Westen rückten zu gleicher Zeit die Langobarden heran. Kunimund wandte sich mit dem Hauptteil des gepidischen Aufgebots gegen diese und wurde in einer überaus blutigen Schlacht vernichtend geschlagen. Alboin ließ aus dem Schädel des von ihm selbst im Kampf getöteten feindlichen Königs ein Trinkgefäß herstellen, das noch zwei Jahrhunderte später am langobardischen Königshofe gezeigt wurde. Der siegreiche Langobardenkönig nahm die Tochter Kunimunds, Rosamunde, zur Frau, die auch schon Anlaß zu den früheren Kriegen gewesen sein soll539. Dem Kaiser schien der Krieg zunächst reichen Gewinn einzubringen, ohne einen Schwertstreich lieferte der gepidische Unterführer Usdebad dem oströmischen Feldherrn Bonus die Festung Sirmium aus, noch ehe die Entscheidungsschlacht geschlagen war - ein Zeichen dafür, daß die Gepiden sich diesmal bewußt waren, auf die Unterstützung von Byzanz angewiesen zu sein540. Als sich herausstellte, daß die Gepiden nach dem Abzug der siegreichen Langobarden der nunmehr über ihr Land hinwegfegenden Übermacht der Awaren und Slawen auch in ihrer siebenbürgischen Heimat auf die Dauer nicht standzuhalten vermochten, suchten der arianische Gepidenbischof Thrasarich und Prinz Reptila, der Neffe Kunimunds, um 571 Zuflucht in Konstantinopel und überbrachten dem Kaiser den reichen Königshort541. Die Gepiden schieden mit diesem Krieg als aktiver Faktor aus dem historischen Geschehen aus, sie mußten sich teils den Langobarden, teils den Awaren unterwerfen. Die einen zogen mit den Langobarden nach Italien542, die anderen treten uns noch jahrhundertelang als Krieger in den Heeren der Awaren bei ihren Feldzügen gegen Byzanz entgegen543. Die katastrophalen Folgen der Vernichtung des Gepidenreiches und der dadurch herbeigeführten Zerstörung des Gleichgewichts im Donauraum waren für Byzanz bald nicht mehr zu übersehen. Justins Fehler in seiner Politik gegenüber Awaren und Donauvölkern brachten die oströ539 540
541 542
543
Paul. Diac. Hist. Lang. I, 27, S. 69; vgl. II, 28, S. 104 f.; DlCULESCU, Gepiden, S. 160 ff. Euagrios, Hist. Eccl. V, 12, S. 208; vgl. Menander FHG, frg. 28 f., S. 234 ff.; ed. DE BOOR, Exc. de legat. Rom. 9, S. 196 ff.; Exc. de legat. gent. 15, S. 458 f.; ed. BLOCKLEY, S. 138-142; POHL, Gepiden, S. 300 f.; PLREΙΠ, 241 f., Bonus 4; 1396, Usdibadus. Johannes Biclar. Chion. A. 572, S. 212. Paul. Diac. Hist. Lang. I, 27, S. 81: Gepidorum vero ita genus est deminutum, ut ex ilio iam tempore ultra non habuerint regem. Sed universi qui superesse bellos poterant aut Langobardis subiecti sunt aut usque hodie Hunnis eorum patriam possidentibus duro imperio gemunt ...; vgl. II, 26, S. 103: Certum est autem tunc Alboinus multos secum ex diversis, quas vel alti reges vel ipse ceperat, gentibus ad Italiam adduxisse. Unde usque hodie eorum in quibus habitant vicos Gepidos, Vulgares, Sarmatas, Pannonios, Suavos, Noricos sive aliis huiuscemodi nominibus appellamus ...; s. DlCULESCU, Gepiden, S. 211-214; SEVIN, Gebiden, S. 200 f. DlCULESCU, G e p i d e n , S. 2 1 8 - 2 2 7 ; SEVIN, Gebiden, S. 178-192; POHL, A w a r e n , S. 2 2 9 ff.;
Kiss, Germanen, S. 37-64.
c) Die Langobarden, Bajuwaren, Awaren und Slawen
145
mische Stellung im unteren Donauraum, die nach dem Abzug der Goten mühsam wieder aufgebaut worden war, ebenso wie in Italien und Südspanien endgültig zum Einsturz und auch das byzantinische Reich an den Rand des Untergangs. Nachdem so das Gleichgewichtssystem im Donauraum durch den Untergang des Gepidenreiches beseitigt worden war, blieben auch die Langobarden nicht mehr der für Ostrom bisher unentbehrliche Faktor der Balance, sondern fielen nun mit ihrem ganzen Gewicht in die Waagschale der Gegenseite. Alboin selbst erkannte wohl unmittelbar nach dem verlustreichen Sieg über die Gepiden, daß die Stellung der geschwächten Langobarden in Pannonien gegenüber dem von Norden, Westen und Süden her sich ständig verstärkenden Druck der Slawen und vollends gegen die im Theißbecken sich konsolidierende Macht der Awaren auch durch ein Bündnis mit Byzanz nicht mehr zu halten war, zumal ja der Anschauungsunterricht des Untergangs der den Oströmern viel näher stehenden Gepiden gezeigt hatte, wie wenig Byzanz willens oder fähig war, die Existenz seiner Verbündeten zu garantieren. Die nach dem fühlbaren Ausfall donaugermanischer Rekruten und Hilfstruppen immer sichtbarer werdende militärische Schwäche der Oströmer veranlaßte Alboin wohl ebenso wie die im Gotenkrieg gewonnene Kenntnis von den - trotz aller Heimsuchungen gegenüber dem ausgebluteten Pannonien noch immer ansehnlichen - Reichtümern Italiens, für die Langobarden auf der Appenninenhalbinsel eine unvergleichlich bessere und nahezu unangreifbare Stellung, ja damit zugleich Ausweg und Rettung aus einer tödlichen Umklammerung zu finden544. Ermutigt wurde er zu diesem Unternehmen wohl auch durch die kurz zuvor erfolgte Absetzung des gefürchteten Narses als Statthalter Ostroms in Italien, vielleicht auch durch Nachrichten über die Unzufriedenheit der Bevölkerung Italiens mit der byzantinischen Herrschaft. Falsch ist wohl die Mitteilung, Narses selbst habe die Langobarden nach Italien gerufen545, doch ist nicht auszuschließen, daß einheimische, unter der byzantinischen Steuerpolitik leidende Kreise in nachträglich verklärender Erinnerung an die segensreiche Zeit der Ostgotenherrschaft die Langobarden tatsächlich einluden, nach Italien zu kommen und die Byzantiner zu vertreiben. 544
545
SCHMIDT, Ostgermanen, S. 588 f.; BÒNA, Anbruch, S. 102-109; TAGLIAFERRI, Longobardi, insb. S. 47 ff.; FRÖHLICH, Thronfolge, S. 65 f. mit Stellungnahme zur These von BOGNETTI, L'età longobarda II, S. 49 ff. von einem angeblichen Erbanspruch Alboins auf das Ostgotenreich. Isidor. Chron. 402, S. 476: Narsispatricius ... Sophiae Augustae lustini coniugis minisperterritus Langobardos a Pannoniis invitavit eosque in Italiani introducit; Contin. Epit. Hisp. Hydat., S. 36; Cod. Goth. c. 5, S. 9; s. ferner Paul. Diac. Hist. Lang. II. 5, S. 87 f.: ... Narsis... dum multum auri sive argenti seu ceterarum specierum divitias adquisisset, magnam a Romanis ... invidiam pertulit. Qui contra eum Iustiniano (sic!) Augusto et eius coniugi Sophiae... dicentes quia: „Expedient Romanis Gothis potius servire quam Grecis ubi Narsis eunuchus imperai et nos servitio premit... Aut libera nos de manu eius aut certe et civitatem Romanam et nosmet ipsos gentibus tradimus" ...; s. dazu SCHMIDT, Ostgermanen, S. 589, Anm. 2.
146
V. Die gentilen Verbände
Allerdings fühlte sich Alboin nach den verlustreichen Kriegen gegen die Gepiden zunächst auch für den Italienzug zu schwach. Er erbat daher von den seit alters mit den Langobarden befreundeten Sachsen Hilfe und erhielt von ihnen Zuzug - wie es heißt - von 20.000 Kriegern mit ihren Familien. Desgleichen schlossen sich auch Bulgaren seinem Heer an. Ferner reihte Alboin in größerer Zahl auch Angehörige der von den Langobarden unterworfenen Völker in das langobardische Heer ein, genannt werden Gepiden, Sueben, Sarmaten, schließlich auch die noch im Lande verbliebenen Romanen, Noriker und Pannonier546. Mit der Entwicklung zum Großstamm erfolgte demnach auch hier sozusagen eine zweite langobardische Ethnogenese. Im übrigen sicherte sich Alboin auch gegenüber den Awaren ab, indem er auf der Grundlage der von ihm offerierten Räumung Pannoniens mit dem Khagan Bajan ein ewiges Bündnis gegen Ostrom Schloß, das den Langobarden unter dem Vorbehalt der Rückkehr nach Pannonien für zwei volle Jahrhunderte die Freundschaft und den Rückhalt der Awaren bei der Eroberung und Besitznahme Italiens sichern sollte. Den Awaren ermöglichte dieses Bündnis gleichzeitig, durch die Bindung byzantinischer Kräfte in Italien durch die Langobarden ihre eigene Macht im Karpathen-Donau-Raum auszubauen und abzusichern, gegebenenfalls auch auf Kosten der Oströmer in den Balkanraum hinein auszuweiten547. Nachdem die Langobarden ihr letztes Osterfest in Pannonien gefeiert hatten, verbrannten sie hinter sich ihre Siedlungen und Gehöfte und traten dann den Marsch über den Birnbaumer Wald nach Italien an548. Mit dem Abmarsch der Langobarden endet die nahezu sechshundertjährige Geschichte ununterbrochener germanischer Präsenz im Mitteldonau-Karpathen-Raum. Damit endet zugleich auch die letzte zweihundertjährige Phase dieses Zeitabschnitts, die bei zunehmender germanischer Dominanz trotz aller Heimsuchungen der antiken Welt dieser im Raum zwischen Alpen, Drau und Adria noch ein - wenn auch immer stärker 546
547
Vgl. oben Anm. 542; WENSKUS, Stammesbildung, insb. S. 492 ff.; FRÖHLICH, Thronfolge, S. 78 ff. mit Lit. Cod. Goth., c. 5, S. 9: ... tunc feceruntpactum et foedus amiciciae Abari cum ipsis Langobardis et cartam conscriptionis, ut usque ad annos ducentos, si eorum oporte esset Pannoniam requirere, sine omnia bella certaminis ad eorum partem ipsam terram relaxarent. Et in Italiam, in quam ipsi perrexerant, usque ad plenos ducentos annos in eorum auxilium essent parati...; vgl. Paul. Diac. Hist. Lang. II, 7, S. 99; dazu FRÖHLICH, Thronfolge II, Anm. II, 131, S. 102 ; AVENARIUS, A w a r e n , S. 73 ff.
548
Marius Avent. A. 569, S. 238: ... Alboenus rex Langobardorum cum omni exercitu relinquens atque incendens Pannoniam suampatriam ...; Origo g. Lang., c. 5, S. 4: ... movit Albuin ... de Pannonia mense Aprilis a pascha indictione /; s. FRÖHLICH, Thronfolge II, Anm. Π, 132, S. 102; MOR, Marcia, S. 179-198. Zur Landnahme der Langobarden vgl. JARNUT, Geschichte der Langobarden, S. 47-52; DERS., Die Langobarden zwischen Pannonien und Italien, S. 73 ff.; KRAHWINKLER, Friaul, S. 29 ff.; aus archäologischer Sicht BIERBRAUER, L'occupazione (für das gesamte Italien); DERS., Friaul (Veränderungen in der Siedlungsstruktur im Friaul); zur außerordentlich reichen Überlieferung über den Zug der Langobarden in der mittelalterlichen Historiographie vgl. BRATOZ, Die antike Geschichte, S. 284.
c) Die Langobarden, Bajuwaren, Awaren und Slawen
147
reduziertes - Nachleben gestattet hatte. Fortan sollte dieses Land den Slawen und den mit ihnen und auf ihrer Spur nachdrängenden asiatischen Reitervölkern, den Awaren - und später den Ungarn - gehören. Über den Aufbau von Heer und Gesellschaft der Langobarden in dieser Epoche vermittelt uns der archäologische Befund im Zusammenhang mit den Angaben des älteren Kerns des in Italien aufgezeichneten Langobardenrechts im sogenannten Edictus Rothari bemerkenswerte Aufschlüsse. Die zahlreichen in Westungarn, Niederösterreich und Mähren erschlossenen langobardischen Friedhöfe und Einzelgräber lassen ein weit klareres Bild über die Schichtung der langobardischen Gesellschaft sichtbar werden, als dies bei den anderen germanischen Verbänden, die zeitweise in Pannonien lebten, möglich ist. Aus allen Befunden zusammengenommen ergibt sich ein Anteil von etwa 20 % sicheren Adels- und Kriegergräbern. Neben den Gräbern eines Königs (Brno-Brünn) und eines Herzogs (dux, Veskény) heben sich die von drei - vier Adligen und zwei „Hofaristokraten" ab. Des weiteren finden sich hier die Besitzungen von 21 mit Schwert, Lanze und eisenblechbeschlagenem Schild und von 25 nur mit Schwert oder Schild ausgestatteten, teilweise wohl berittenen, ferner von 20 nur mit Lanze ausgerüsteten und vermutlich zu Fuß kämpfenden Kriegern, sowie von 19 Bogenschützen. Nach Bòna gehören die ersten beiden Gruppen, also 46 Elitekrieger, zu den vollfreien arimannibarones, die nur mit Lanze bestatteten zu den mittellosen oder jungen Freien, die Bogenschützen zu den halbfreien aldiones aus den unterworfenen Völkern549. Bemerkenswert sind auch die Ergebnisse anthropologischer Untersuchungen des Gräberfeldes von Szentendre. Danach gehört die Mehrzahl der als Arimannen eingestuften Krieger dem hochgewachsenen Cro-Magnon-Typus an, während bei den Aldionen verschiedene Typen, ebenso wohl Germanen wie Römer, begegnen. Bei den Frauen läßt sich anhand des beigegebenen Schmuckes und der Zahl etwa der Fibelgamituren eine Schichtung feststellen, die der der Männer entspricht, doch treten bei der anthropologischen Bestimmung deutliche Unterschiede hervor. Hier finden sich nämlich auch bei den den Arimanni zuzuweisenden Frauen in weit stärkerem Maße als bei den Männern verschiedene Typen. Die meisten sind dem kleingewachsenen mediterranen oder alpinen Typus zuzuordnen, dürften also nichtgermanischer Herkunft sein550. Die erheblichen Unterschiede zwischen Freien, Halbfreien und Unfreien unterstreichen auch die unterschiedlichen Bußsummen und Wergeidsätze des um 643 verfaßten Edictus Rothari, doch können diese schon die durch die Landnahme in 549
S. dazu zusammenfassend BÒNA, Anbruch, S. 75-85 u. 112 f. mit weiterführender Lit.; DERS., Langobarden in Ungarn (zur Struktur der langobardischen Nekropolen am Beispiel der Nekropole von Krain); MARTIN, Mit Sax und Gürtel (mit ausführlichen Literaturangaben). Die Abstufung der Waffenträger erinnert noch an die späte Verfügung des Langobardenkönigs Aistulf vom Jahre 750 über die sich am Vermögen orientierende Bewaffnung, Aistulfi LL I, 2 f., S. 1 9 4 f.
550
KISZELY, S z e n t e n d r e i t e m e t ö , S. 5 7 - 9 0 .
148
V. Die gentilen Verbände
Italien veränderten Verhältnisse widerspiegeln. So stand auf der Tötung eines Freien die hohe Summe von 900 Solidi, während für einen Aldio nur 60, für einen Haussklaven 50, für einen Ackersklaven nur 16 Solidi Wergeid zu entrichten waren551. Die langobardische Gesellschaft gliederte sich in Faras, Sippenverbände, die zugleich militärische Einheiten, Siedlungsgemeinschaften und Wandergruppen darstellten. Zur fara gehörten jeweils auch Halbfreie und Unfreie. An der Spitze der fara stand das Oberhaupt einer führenden Adelsfamilie552. Aus den Oberhäuptern der faras gingen die Herzöge, die militärischen Führer von Stammesabteilungen, hervor. Wir dürfen annehmen, daß in Pannonien die Versammlung (gairethinx) des Heerbanns neben König und Adel noch eine gewisse Bedeutung besaß, wenn diese sich auch im Laufe der Wanderung zunehmend verminderte553. Als „verreitertes" Volk werden die Langobarden selbst wohl Viehzucht554, kaum aber in nennenswertem Umfang Ackerbau betrieben haben, dafür spricht auch die Verteilung ihrer Siedlungen. Bezeichnend ist, daß, wie erwähnt, ein Ackersklave ein Wergeid von 16, ein Pferde- oder Rinderhirte dagegen 50 Solidi wert war. Ackerbau trieben unter den Langobarden vornehmlich die unter und vor ihnen dort ansässigen Völkerschaften, die Romanen und die (Donau-) Sueben. Der archäologische Befund gibt auch über die Militär- und Sozialorganisation der Awaren in der Frühzeit ihrer Anwesenheit im Becken der mittleren Donau und der Theiß einigen Aufschluß. In den Kriegergräbern hebt sich deutlich eine Schicht schwerer Panzerreiter von der Masse der berittenen Bogenschützen ab. Erstere waren mit Leder oder Metallhelm, Schuppenpanzer, Lanze, langem, einschneidigen Reiterschwert und Reflexbogen ausgestattet. Eine furchtbare Waffe waren die mit dem Reflexbogen verschossenen Pfeile mit dreiflügeliger Eisenspitze, die fast doppelt so schwer wie die bisher gebräuchlichen Pfeile waren, jedoch auch doppelte Durchschlagskraft und Reichweite besaßen. Auch die schweren Lanzen mit stahlhart geschmiedeter lanzettförmiger Spitze konnten Panzer durchstoßen. Die Überlegenheit der Awaren über jede andere bisher bekannte Reiterei bedingte vor allem aber der hier zuerst anzutreffende eiserne Steigbügel und der beiderseits erhöhte Sattel, Neuerungen, die eine bisher nicht gekannte Standfestigkeit und Zielsicherheit des Reiters gewährleisteten555. In den schweren Panzerreitern haben wir wohl den awarischen Kriegeradel vor uns, neben den Abteilungen der leicht bewaffneten Bogenschützen traten. Als dritte Waffengattung 551 552
553
554
555
Ed. Rothari, c. 13 f.; 74; 129 f.; 134; S. 19 f.; 28; 34 f. Ed. Rothari, c. 177, S. 46; vgl. ebda, S. 221 s. v. fara; Paul. Diac. Hist. Lang. II, 9, S. 91; Marius Avent. Chron. A. 569, S. 238; s. dazu WERNER, Langobarden, S. 119 f.; KRAHWINKLER, Friaul, 33 ff. Zum gairethinx s. Ed. Rothari, c. 167; 172 ff.; 222; 224; 375; 386; S. 43; 45; 59 f.; 90 f.; s. BÒNA, Anbruch, S. 77 f. WENSKUS, Stammesbildung, S. 491 f.; vgl. S. 469 f.; zur Viehzucht der Langobarden s. BÒNA, Anbrach, S. 48 ff. KOLLAUTZ, D i e Awaren; BÒNA, Anbruch, S. 103 ff; DERS., Vierteljahrhundert, S. 2 9 0 ; POHL,
Awaren, S. 163-225; s. femer die Beiträge in DAIM, Awarenforschungen I-II.
c) Die Langobarden, Bajuwaren, Awaren und Slawen
149
folgte den awarischen Heeren die Masse des Fußvolks der unterworfenen gentes, so der verschiedenen Stämme der Slawen, Kutriguren, Gepiden und andere. In den früheren pannonischen Gräbern ist diese Schicht freilich noch kaum zu fassen, doch läßt die Art der Gürtelbeschläge und der sonstigen Beigaben auch hier schon deutliche soziale Abstufungen erkennen, von Fürsten- über Adels- zu reinen Kriegergräbern556. Die überlegene Bewaffnung der Awaren bietet ein weiteres Argument, das Alboin bewogen haben dürfte, sich die Freundschaft dieses Kriegervolkes dadurch zu sichern, daß er die pannonische Position, die über kurz oder lang zu Konflikten geführt haben würde, kampflos räumte557. Zunächst hielt Byzanz freilich noch die Schlüsselstellung Sirmium, die fur die Oströmer die Verbindungen mit Italien deckte, den Awaren hingegen den Zugang nach Süden und Südwesten verlegte. Schon unmittelbar nach der vernichtenden Niederlage der Gepiden durch die Langobarden und noch bevor die Awaren gegen den sich in Siebenbürgen noch einmal versteifenden Widerstand die Eroberung des Gepidenreiches abgeschlossen hatten, forderte der Khagan sozusagen als Rechtsnachfolger des Gepidenkönigs von Kaiser Justin die Übergabe Sirmiums und des sirmischen Pannonien sowie die Auslieferung des Usdibad und seiner gepidischen Schar. Als die Vorschläge abgelehnt wurden, griff er Sirmium an, erlitt jedoch durch dessen Verteidiger Bonus, der wohl illyrischer Heermeister war, eine Schlappe, die ihn zu Waffenstillstand und Friedensverhandlungen geneigt machte558. Da diese sich jedoch hinzogen, schickte der Khagan, um seinen Forderungen Nachdruck zu verleiehn, 10.000 hunnische Kutriguren über die Save mit dem Auftrag, Dalmatien zu verwüsten, während er selbst mit dem Awarenheer in das Gepidenland abrückte559. Da auch die weiteren Verhandlungen zu keinem Ende führten, drangen die Awaren 570 in Thrakien ein, nach wechselvollen Kämpfen mit dem kaiserlichen Feldherrn Tiberius wurde schließlich etwa 571/2 ein Friede geschlossen, in dem den Awaren wohl zumindest jährliche Tributzahlungen in Höhe von 180.000 Solidi zugestanden wurden560. 556
557
558
559
560
KOLLAUTZ/MIYAKAWA, Nomadenvolk Π, insb. S. 47-55, 89-163; LÁSZLÓ, Steppenvölker, S. 46-55 u. passim, S. 154 mit Lit.; DERS., Société des Avars, insb. S. 99 ff.; 110 ff.; 117 ff.; 134-186: 219 ff.; 239 ff.; 286-293; J. SZENTPÉTERI, Waffenträger I und Π; insb. Π, S. 231-235; POHL, Awaren, S. 170-174; 186 ff.; CSALLÁNY, Awarenzeit; s. auch den Forschungsbericht 1971 von BÒNA, Vierteljahrhundert, S. 283-324. Zum Verhältnis von Awaren und Slawen s. FRITZE, Bedeutung; TOMIÒTÓ, Untergang, S.283-294; POHL, Awaren, S. 94-127; 147 ff.; 235 f. Der archäologische Befund spricht dafür, daß neben Awaren, Slawen und Romanen auch Germanen in Pannonien sitzen blieben, s. KOLLAUTZ/MIYAKAWA I., insb. S. 185 ff.; KlSS, Germanen; POHL, Awaren, S. 229 f f ; MÜLLER/STRAUB, Germanen, S. 23 ff. Menander, FHG, frg. 26-28, S. 231b-234; ed. DEBOOR, EXC. de legat. Rom. 9, S. 195 ff; ed. DE BOOR, EXC. de legat. gent. 13 f.; 15, S. 456-459; dazu MORAVSCK, Byzantinoturcica I, S. 255 f.; WALDMÜLLER, Slawen, S. 96-101; POHL, Awaren, S. 58 ff. Menander, FHG, frg. 27 f. u. 31 (Suda), S. 231b-235a, 235b ; ed. DE BOOR, EXC. de legat. gent. 14, S. 456 ff.; Exc. de legat. Rom 9, S. 195-198; MORAVSCK, Byzantinoturcica I, S. 256. Johann. Biclar. A. 570 (?), 3, S. 212; Menander, FHG, frg. 33 ff., S. 237; ed. DE BOOR, EXC. de legat. gent. 17 ff., S. 459 f.
150
V. Die gentilen Verbände
Der Friede hielt nur so lange, wie die Awaren brauchten, um ihre Herrschaft im Mitteldonau-Theiß-Becken zu konsolidieren. Schon 576/7 drangen die Slawen wieder in Thrakien und Mösien ein, und 578, unmittelbar nach seinem Herrschaftsantritt, erneuerte Kaiser Tiberius Π. die Verträge mit den Awaren und rief sie gegen die Slawen zu Hilfe. Der Khagan kam zunächst dem Hilfeersuchen nach und befreite in der Walachei eine große Zahl von Römern, die in die Hände der Slawen gefallen waren561. Er nutzte jedoch dann die Gelegenheit, um unter dem Vorwand, gegen die Slawen im Hinterland Mösiens vorzugehen, die Stadt Sirmium einzuschließen. Nachdem er von den oberhalb gelegenen pannonischen Ufern der Donau eine große Zahl von Schiffen zusammengebracht hatte, überschritt er im Jahre 579 den Fluß im Bereich der Theißmündung, errichtete ein befestigtes Lager östlich von Sirmium zum Schutz gegen mögliche Angriffe von Singidunum her und erbaute eine Brücke über die Save, um Sirmium auch von Süden her von jeder Zufuhr abzuschneiden. Um den Kaiser zu täuschen, erbat er auch von diesem Schiffe, um nach dem Übergang über die Save die Slawen verfolgen zu können, und schwor heilige Eide, daß seine Maßnahmen sich nicht gegen die Römer richteten. Sobald die Brücke fertiggestellt und Sirmium von allem Nachschub abgeschnitten war, ließ Bajan die Maske fallen562. Nachdem in dreijähriger Belagerung alle Hoffnung auf Entsatz durch die in Persien und Armenien gebundene oströmische Armee aufgegeben und die Vorräte ausgegangen waren, kapitulierte der römische Kommandant der Stadt, nachdem Kaiser Tiberius den römischen Oberbefehlshaber Theognis dazu ermächtigt hatte. Tiberius verstand sich dazu, mit dem Khagan unter der Bedingung Frieden zu schließen, ihm Sirmium und die Pannonia II— offenbar formal als Bundesgenossengebiet - zu übergeben und den in den letzten drei Jahren einbehaltenen Subsidienbetrag nachzuzahlen, während Baian der römischen Besatzung und der Einwohnerschaft freien Abzug - unter Rücklassung aller Habe - zugestand. Die Stadt selbst ging im folgenden Jahr durch eine Feuersbrunst zugrunde563. Die Einnahme von Sirmium durch die Awaren hatte eine Bresche geöffnet, die 584-586 durch die Eroberung der wichtigsten Donaufestungen Obermösiens nach Osten hin erweitert wurde. Durch diese Bresche strömten wohl schon seit der 561
562
M e n a n d e r , F H G , frg. 4 8 , S. 2 5 2 ; ed. D E B O O R , EXC. d e legat. R o m . 15, S. 2 0 8 f.; ed. BLOCKLEY,
S. 192 f f ; Joh. Biclar. A. 576, 4 f.; 577, A.I.Tib., 1; 579; S. 214 f., MORAVSCK, Byzantinoturcica I, S. 255 f.; WALDMÜLLER, Slawen, S. 110 f.; STEIN, Studien, S. 109; POHL, Awaren, S. 66 ff. Menander, FHG, frg. 63f., S. 263b-267; ed. DEBOOR, EXC. de legat. gent. 30 f., S. 471-476; e d . BLOCKLEY, S. 2 1 6 ff.; KOLLAUTZ/MIYAKAWA I, S. 2 4 0 f f . WALDMÜLLER, S l a w e n , S. 1 1 1 -
121; AVENARIUS, Awaren, S. 91-118; POHL, Awaren, S. 70-76. 563
M e n a n d e r , F H G , frg. 6 6 , S. 2 6 8 ; e d . D E BOOR, EXC. d e l e g a t . R o m . 2 0 , S. 2 2 0 ; e d . BLOCKLEY,
S. 240 ff.; vgl. unten Anm. 639; Theophylact, I, 3, S. 44 f.; LEMERLE, Invasions, S. 289 f. mit A n m . 2 9 0 , 1 ; KOLLAUTZ/MIYAKAWA, N o m a d e n v o l k I, S. 2 4 1 - 2 4 5 ; STEIN, S t u d i e n , S. 1 0 9 - 1 1 3 .
Zur awarischen Eroberung Sirmiums vgl. AVENARIUS, Awaren, S. 90 f f ; POHL, Awaren, S. 70 ff.; MLRKOVIC, Sirmium, S. 52 ff.; MAKSIMOVIC, Severni Ilirik, S. 44 ff.; WHITBY, Emperor Maurice, S. 87 ff.; NOLL, Ein Ziegel.
c) Die Langobarden, Bajuwaren, Awaren und Slawen
151
Mitte der 80er Jahre immer neue slawische Verbände entlang der Save und ihrer südlichen Nebenflüsse nach Dalmatien, entlang der Drau nach Südpannonien und Binnennorikum564. Hier, im südwestlichen Transdanubien, versprachen die bislang der Vernichtung entgangenen Städte und Siedlungen der provinzialrömischen Bevölkerung den Invasoren noch immer reiche Beute, hier lud das noch immer bewirtschaftete Land eher zur dauernden Niederlassung ein als die verödeten Gebiete des Nordens. Hier, nördlich einer Linie Pécs-Keszthely, haben sich nach dem archäologischen Befund laut Bòna die frühen Awaren niedergelassen 565. Obwohl die Awaren ihre Vorstöße zunächst gegen die Hauptmacht der Byzantiner in Mösien, Thrakien und Makedonien richteten, müssen sie um 590 auch schon bis nach Istrien und Friaul vorgedrungen sein. In diesem Jahr registriert Paulus Diaconus nämlich einen Friedensschluß zwischen König Agilulf und den Awaren, der vorausgehende Kämpfe der letzteren mit den Langobarden voraussetzt. Vielleicht hängt damit auch der Feldzug in Istrien zusammen, den Herzog Ewin von Trient im Auftrag des Königs Authari um 589 führte 566.Auf jeden Fall aber saßen die Slawen um 592 schon im Kärntner Drautal, wo sie um diese Zeit von dem bairischen Heerbann unter Herzog Tassilo angegriffen wurden. Wenn Paulus Diaconus in diesem Zusammenhang das Kampfgebiet als Sclaborum provinciam bezeichnet, deutet auch dies schon auf beständige Niederlassung hin. Tassilo war nach der Absetzung Garibalds um 591 im Zusammenhang mit dem Friedenschluß zwischen Franken und Langobarden von Childebert Π. als Herzog in Bayern eingesetzt worden Er dürfte sich seinerseits mit dem Herzog Gisulf von Friaul verbündet haben, der im Gegensatz zum Langobardenkönig Authari im Einvernehmen mit Byzanz Slawen und Awaren bekämpfte, die 592 erstmals nach Norditalien vorgestoßen waren567. Die byzantinische Gegenoffensive, die nach Beendigung des Perserkrieges nach 592 erstmals wieder in die Siedlungsgebiete der Slawen nördlich der unteren Donau vorstieß und 596 sogar Singidunum für Byzanz zurückgewann, lenkte die Offensivkraft der Awaren und Slawen erst recht nach Westen ab, wo bald eine
564
565 566
567
KOLLAUTZ/MIYAKAWA, N o m a d e n v o l k I, S. 2 4 5 - 2 4 8 ; FRITZE, B e d e u t u n g , S. 6 3 ff.; BIRNBAUM,
Landnahme; POHL, Awaren, S. 147 ff. BÒNA, Ethnische Verhältnisse, S. 62 f.; POHL, Awaren, S. 76-93. Paul. Diac., Hist. Lang. IV, 12, S.150; III, 27, S. 132. Mit „Histria" ist in diesem Fall wahrscheinlich die byzantinische Küstenregion Venetiens gemeint; vgl. CHRISTOU, Byzanz, S. 142; zu dem auch den Küstenteil Venetiens umfassenden Begriff „Istrien" vom Ende des 6. bis Ende des 7. Jhs. vgl. BRATO2, Patriarchat Grado, S. 638 f.; WALDMÜLLER, Slawen, S. 172 f.; AVENARIUS, Awaren, S. 120 f.; POHL, Awaren, S.l 17-127. Zur Verschiebung von Provinzund Regionalnamen s. auch unten S. 161 f., Anm. 607. Paul. Diac. Hist. Lang. IV, 7, S. 146: His diebus Tassilo a Childeberto rege Francorum aput Baioariam rex ordinatus est. Qui mox cum excercitu in Sclaborum provinciam introiens patrata victoria ad solum proprium cum maxima praeda remeavit; dazu KOLLAUTZ, Awaren, Langobarden, S. 633 ff. Zu den innerlangobardischen Gegensätzen s. EBERL, Bajuwaren, S. 108 ff.; 114; AVENARIUS, Awaren S. 121.
152
V. Die gentilen Verbände
neuerliche Verschlechterung der Lage zu beobachten ist 568. Schon im Jahre 596 traten die Awaren einem neuen bairischen Angriff auf die karantanischen Slawen entgegen und vernichteten das bairische Heer in Stärke von 2000 Mann569. Da die von den Baiern verteidigten Alpen sich jedoch als unüberwindliche Hürde erwiesen, wurden die Slawen in der Folge wieder stärker nach Süden hin abgelenkt. Zum Mai 599 erfahren wir von Kämpfen des Exarchen von Ravenna, Kallinikos, gegen die in Istrien eingedrungenen Slawen570, und im Juli 600 waren die Slawen bereits von Istrien aus in Norditalien eingedrungen, während sie zu gleicher Zeit auch die Hauptstadt Dalmatiens, Salonae, bedrohten571. Um 597 erschienen die Awaren auch wieder in Thüringen und griffen die Franken erneut von Osten her an572. Es sieht so aus, als ob die Slawen Pannoniens, Böhmens und des Elbe-Saale-Raums damals unter awarischer Oberherrschaft standen. Auch wurde das von Agilulf seinerseits wiederhergestellte Bündnis zwischen Langobarden und Awaren gegen die Oströmer vom Kaghan jetzt erneut bekräftigt573. Der Khagan war mächtig genug, der Frankenkönigin Brunichild einen Tributfrieden zu diktieren und zugleich Frieden zwischen Franken und Langobarden anzuordnen. Nachdem sich auch Herzog Gisulf von Friaul mit König Agilulf versöhnt hatte, plünderten Langobarden und Awaren um 602 gemeinsam Istrien. 603 unterstützten slawische Hilfstruppen im Auftrag des Khagans die Langobarden bei der Eroberung von Cremona und Mantua574. Doch kam es
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KOLLAUTZ/MIYAKAWA, N o m a d e n v o l k I, S. 2 4 9 ff.; WALDMÜLLER, Slawen, S. 172 f.; POHL,
Awaren, S. 145 ff. Paul. Diac. IV, 10, S. 150: ... Isdem ipsis diebus Baioarii usque ad duo milia virorum dum super Sclavos irruunt, superveniente Cacano omnes interficiuntur ...; REINDEL, Agilolfinger, S. l l l f . ; POHL, Awaren, S. 150; WOLFRAM, Salzburg, S. 41 f.; KAHL, Die Bayern, S. 194 ff. Gregor. I. Ep. DC, 141 ( 5 9 9 , Mai), ed. EWALD, S. 139; DC, 142, ed. NORBERG, S . 6 9 3 f.: ...
inter curas bellicos ... corpus ab exteriori hoste ... protegitis ...; DC, 154, ed. EWALD, S. 154; DC, 155, ed. NORBERG, S. 710: ... mihi de Sclavis victorias nuntiastis ...; vgl. dazu BRATOZ, Koprska skofija/Diocesi, S. 41 ff.; 57 ff.; AVENARIUS, Awaren, S. 120. 571 Gregor. I. Ep. X, 15 (600, Juli), ed. EWALD, S. 249; DC, 156, ed. NORBERG, S. 842: Maximo episcopo Salonitano ...De Sclavorum gente, quae vobis valde inminet, et affliger vehementer et conturbor ...; quia per Histriae aditum iam ad Italiam intrare coeperunt ...; KOLLAUTZ, Awaren, Langobarden, S. 625 f.; MARGETIC, Histrica, S. 145; BRATOZ, Koprska skofija/ Diocesi, S. 43/58. 572 Paul. Diac. Hist. Lang. IV, 11, S. 150: ... Hunni quoque qui et Abares dicuntur, a Pannonia in Thuringam ingressi bella gravissima cum Francis gesserunt. Brunichildis tunc regina cum nepotibus... regebat Gallias, a quibus accepta Hunni pecunia revertuntur ad propria·, FRITZE, Bedeutung, S. 536 ff; AVENARIUS, Awaren, S. 119; POHL, Awaren, S. 150. s " Paul. Diac. Hist. Lang. IV, 12, S. 150; 20, S. 154: ... Hoc quoque tempore misit Agilulf rex cacano regi Avarorum artifices adfaciandas naves, cum quibus isdem cacanus insulam quondam in Thracia expugnavit. Vgl. STIH, Ostgrenze, S. 29. 574 Paul. Diac. Hist. Lang. IV, 24, S. 156: Hoc tempestate legati Agilulfi regressi a cacano pacem perpetuam factam cum Avaribus nuntiarunt. Legatus quoque caconi cum eis adveniens ad Gallias perrexit, denuntians Francorum regibus, ut, sicut cum Avaribus, ita pacem habeant cum Langobardis. Inter haec Longobardi cum Avaribus et Sclavis Histrorum fines ingressi
c) Die Langobarden, Bajuwaren, Awaren und Slawen
153
im Streit um Friaul zwischen dem Awarenkhagan und den Langobarden bald erneut zum Bruch. Im Jahre 610 brachen die Awaren in Friaul ein, besiegten Herzog Gisulf und eroberten Cividale, konnten jedoch ihre Stellung am südlichen Alpenrand nicht behaupten575. Vielleicht hängt dies mit einem Vorstoß der Baiem unter Tassilos Sohn Garibald Π. bis in das obere Drautal zusammen. Die Bayern erlitten zwar eine Niederlage durch die Slawen, konnten jedoch neue Einfälle der Slawen in bairisches Gebiet zurückschlagen576. Bald gelang es auch den Langobarden, von Friaul aus in Richtung auf das Drautal wieder Boden zu gewinnen, die dort sitzenden Slawen tributpflichtig zu machen und jenseits der julischen Alpen bei Maglern Kastelle zu besetzen, die den Zugang nach Italien besser absicherten577. Wie es scheint, setzten die Langobarden Friauls im Zusammenwirken mit den Baiem nun dem slawischen Vormarsch nach Westen eine Grenze. Der Baiernstamm hatte sich inzwischen teils unter fränkischer Ägide, teils auch im Einvernehmen mit den Langobarden im nördlichen Alpenvorland der Raetia II zwischen Lech und Enns fest etabliert und von hier aus in Richtung auf die Pässe, im Etsch- und Pustertal noch darüber hinaus im eigentlichen Alpenbereich Raum gewonnen578. Wohl kurz nach 555 hatte Chlothar seinem getreuen Gefolgsmann wohl langobardisch-fränkischer Herkunft579, dem Agilolfinger Garibald, die Lethingin Walderada zur Frau gegeben und ihn als Herzog in Baiern eingesetzt580, um die nach dem Zusammenbruch des Ostgotenreiches durch die frei werdenden Kräfte Ostroms zunächst geschwächte fränkische Stellung im Ostalpenraum wieder zu stärken. Etwa um 565/71 erfahren wir von dem Dichter Venantius Fortunatas, daß das Land der Baiern im Westen bis zum Lech reiche und die Baiern die Zugänge zum oberen Inntal und Brennerpaß bedrohen, dort jedoch noch die Breonen säßen581.
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universa ignibus et rapinis vastavere; 28, S. 157: ... rex Agilulf... obsedit civitate Cremonensem cum Sclavis, quos ei Cacanus rex Avarorum in solacium miserai, et cepit earn ... Pari etiam modo expugnavit etiam Mantuam...; s. AVENARIUS, Awaren, S. 121. Paul. Diac. Hist. Lang. IV, 37, S. 161 ff.; KRAHWINKLER, Friaul, S. 39 ff.; zu den langobardischen Castra BIERBRAUER, Friaul, S. 304 ff. Paul. Diac. Hist. Lang. IV, 39, S. 167: ... His temporibus mortuo Tassilone duce Baioariorum filius eius Garibaldus in Agunto a Sclavis devictus est, et Baioariorum termini depraedantur. Resumptis tamen Baioarii viribus et praedas ab hostibus excutiunt et hostes de suos finibus pepulerunt. Ebda., IV, 38, S. 166: Mortuo ... Gisulfo duce Foroiuliensi... fllii eius ... suo tempore Sclavorum regionem, quae Zellia appellatur, usque ad locum qui Meclaria dicitur possiderunt. Unde usque ad tempora Ratchis ducis idem Sciavi pensionem Foroiulianis ducibus persolverunt...; KOLLAUTZ, Awaren, Langobarden, S. 626; KRAHWINKLER, Friaul, S. 45. REINDEL, Agilolfinger, S. 86-92; 108 ff. mit Lit.; vgl. auch oben S. 123 mit A n m . 4 7 7 ff.
So mit guten Gründen GOEZ, Agilolfinger, S. 150 ff., s. aber ZÖLLNER, Herkunft, S. 245 ff. und REINDEL, Agilolfinger, S. 101 ff. mit weiterer Lit. REINDEL, Agilolfinger, S. 104 f.; BARTON, Frühzeit, S. 166 ff.; WERNER, Herkunft, S. 247 ff.
= Wdf 60, S. 38 f. Venantius Fort. V. S. Martini IV, 640-650, S. 368: ... si vacai ire viam ñeque te Baioarius obstat, / qua vicina sedent Breonum loca, perge per Alpem / ingrediens rapido qua gurgite
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V. Die gentilen Verbände
In dieser Zeit dürfte der fränkische Einfluß im Ostalpenraum gering gewesen sein, doch auch die Byzantiner begnügten sich damit, alte gotische Grenzfestungen vor den südlichen Ausgängen der Paßstraßen wieder zu besetzen. Bald mußten sie sie freilich den erneut über den Alpenkamm vorstoßenden Franken einräumen. Gleichzeitig mit dem Ausgreifen der Franko-Burgunder König Gunthrams über den Mont Cenis stieß der fränkische Herzog Chramnichis, vielleicht der dux Raetiarum, auf der Brennerstraße nach Süden vor, wurde hier jedoch von dem langobardischen Herzog Ewin von Trient zurückgeschlagen. Da Ewin etwa zur gleichen Zeit eine Tochter des Baiernherzogs Garibald heiratete, dürfen wir zu dieser Zeit mit einer Annäherung der Baiern an die Langobarden rechnen, die sich gegen die fränkische Oberherrschaft richtete582. Das bairisch-langobardische Bündnis provozierte 589 einen Angriff der austrasischen Franken gegen die Baiern, 590 gegen die Langobarden. Die Tochter Garibalds, Theudelinde, suchte damals bei dem Langobardenkönig Authari Zuflucht, die Heirat zwischen beiden bekräftigte das bairisch-langobardische Bündnis. Als Authari bald darauf starb, wurde Theudelinde die Gattin seines Nachfolgers Agilulf583. Franken und Langobarden schlossen jedoch unter Vermittlung Ewins von Trient um 591 Frieden, der sicherlich auch die Baiern einbezog. Hier mußte Garibald die Herrschaft an Tassilo abtreten, der ebenfalls Agilolfinger, vielleicht gar der Sohn Garibalds, war, doch offensichtlich der frankenfreundlichen Partei angehörte584. Zusammenstöße der Baiern mit den Slawen im oberen Drautal lassen darauf schließen, daß sie sich damals bereits das Breonengebiet einverleibt und über den Brenner hinaus im oberen Etschtal Raum gewonnen hatten. Während die Quellenaussagen zu Entstehung und Ausbreitung des Baiemstammes im 6. Jh. im westlichen Bereich zwischen Lech, Brenner und oberem Drautal schon dünn gesät sind, fehlen sie für die Ostregion völlig. Hier kann allein der archäologische Befund weiterhelfen. Die bairische Siedlung ordnet sich dabei in den von Joachim Werner erschlossenen „östlich-merowingischen Reihengräberkreis" ein, doch heben sich dabei typisch „bairische" Merkmale nicht deutlich genug ab. So werden Reihengräberfelder im ausgehenden 5. und beginnenden 6. Jh. in Baiern zunächst noch nicht den Bajuwaren, sondern ,vorbajuwarischen' Germanen zuzuweisen sein, fortdauernde Belegung bezeugt jedoch, daß die dazugehörige Bevölkerung früher oder später in den Baiernstamm integriert worden ist585. volvitur Aenus ...; Praef. 4, S. 2: ... Liccam Baiuvaria ... transiens... Vgl. WOLFRAM, Salzburg, S. 25 ff.; DERS., Grenzen, S. 281 ff. 582 583
BÜTTNER, Alpenpolitik, S. 71 f.; 7 4 f. REINDEL, Agilofinger, S. 106 f.; EBERL, Bajuwaren, S. 111 ff.; vgl. auch PLRE III, 27 ff., Agi-
lulfiis; 1235 f., Theodelinda. 584
REINDEL, Agilolfinger, s. 107 ff. mit Lit.
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REINDEL, Agilolfinger, S. 108-114; WERNER, Herkunft, insb. S. 231-235 = 14-20; LOTTER, Germanische Stammesverbände, S. 54 ff. Zur Entwicklung des bairischen Siedlungsraumes vgl. WOLFRAM, Grenzen, S. 228 ff; HOLTER, Grenzprobleme; aus der Sicht der topographischlinguistischen Forschungen: WIESINGER, Probleme; aus der Sicht der archäologischen For-
c) Die Langobarden, Bajuwaren, Awaren und Slawen
155
Eine Karte der Fundstätten des 6. Jh. bestätigt, daß die durch die Friedhöfe ausgewiesene nunmehr als bairisch zu definierende Siedlung zunächst den unmittelbaren nördlichen Âlpenraum etwa bis zur Seenzone noch aussparte, sie massierte sich in den waldfreien Niederungen einmal der Donau von etwa Kelheim bis hin zur Isarmündung, an der mittleren Isar im weiteren Umkreis von München und beiderseits des unteren Inn. Hier griff die bairische Siedlung mit mehreren nicht ganz zweifelsfreien Befunden im Gebiet unmittelbar westlich der unteren Enns vielleicht noch im 6. Jh. in den noch von romanischer Restbevölkerung stärker durchsetzten Raum der Westregion des alten Ufernorikum aus. Der Siedlungsbefund ergibt jedoch noch keine sicheren Indizien darüber, von welchem Kernraum aus sich die Genese und Ausbreitung des Baiernstammes vollzogen hat. Im übrigen war der bairische, noricoromanische und slawische Siedlungsraum in den Ostalpen und im Bereich östlich der Enns kaum deutlich gegeneinander abgegrenzt. Die Slawen scheinen sich zunächst auf die noch stärker durch spätantike Siedlung aufgeschlossenen Räume Südpannoniens, Dalmatiens und Binnennorikums konzentriert zu haben, während sich die frühawarische Siedlung in Pannonien im 6. Jh. im wesentlichen noch auf den Donauuferstreifen südlich von Aquincum-Budapest beschränkt haben dürfte. Wir müssen daher in Nordpannonien und der Ostregion Ufernorikums zunächst noch mit siedlungsarmen Räumen rechnen, die von Awaren und Slawen erst allmählich von Osten, Süden und Norden her aufgefüllt wurden. Innerhalb dieser Zonen gab es freilich noch immer nicht unerhebliche Restbestände provinzialrömisch-romanischer Bevölkerung, die alle Katastrophen der letzten beiden Jahrhunderte überdauert hatten586.
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schungen und der Beziehungen zu den Nachbarn bes. DANNHEIMER-DOPSCH, Die Bajuwaren; FRIESINGER-DAIM (Hg.), Die Bayern Π (passim). LASZLO, Société des Avars, insb. S. 286-293; vgl. GARAM, Die münzdatierten Gräber, S. 137 ff.; zur Besiedlung des pannonischen Raumes im späten 6. Jh. s. DAIM (Hg.), Awarenforschungen (passim); DAIM u.a. (Hg.), Reitervölker aus dem Osten Hunnen u. Awaren, S. 197-428; MENIS (Hg.), Avari (pasim); MÜLLER, Untergang, S. 246 FF.; TOMICIC, Untergang, S. 283 ff.; DAIM, Keszthely; zur Besiedlung Noricums gegen Ende des 6. Jh. vgl. SZAMEIT, Zum archäologischen Bild; LADSTÄTTER, Materielle Kultur; DIES., Von Noricum mediterraneum; DIES., Spätantike, S. 347 ff.; CIGLENECKJ, Archaeological investigations.
VI. Die Bevölkerungsverluste der Provinzialen und die romanische Restbevölkerung Wenn auch die Limesorganisation Pannoniens und Norikums vor 375 in einen relativ guten Zustand versetzt worden war, so befanden sich doch die Provinzen selbst schon seit längerem im wirtschaftlichen Niedergang. Dies fuhren die zeitgenössischen Autoren vor allem auf die brutale Steuerpolitik des illyrischen Prätorianerpräfekten Probus (368-376) zurück. Die rücksichtslose Eintreibung von Steuerrückständen vernichtete, wie Ammianus Marcellinus mitteilt, zahlreiche Existenzen, nicht nur des begüterten Bürgerstandes, sondern auch der ärmeren Bevölkerung, d.h. der Colonen, ja schließlich wurden durch ständige Erhöhung der Steuern und Abgaben auch die Angehörigen der höchsten Schicht (des Senatorenstandes) so bedrängt, daß sie vielfach das Land verließen und ihre Wohnsitze in andere Provinzen verlegten. Wie es heißt, wurden viele Bürger ins Schuldgefangnis geworfen und wählten schließlich den Strick als einzigen Ausweg aus der Misere. Ammianus Marcellinus spricht davon, Pannonien sei durch das Vorgehen des Probus nahezu zugrundegerichtet worden587. Diesen Tadel nimmt auch Hieronymus auf, indem er feststellt, Probus habe durch seine ungerechten Steuereintreibungen die von ihm regierten Provinzen schon von allen Mitteln entblößt, bevor sie von den Barbaren verwüstet wurden. Auf die Zustände in Pannonien vor den Barbareneinfállen bezieht sich auch Ps.-Augustin in den Quaestiones, wo er feststellt, Pannonien sei so zugrundegerichtet, daß es nicht mehr wiederhergestellt werden könne588. 587
588
Amm. Marc. 27, 11, 1-7; 30, 5, 4-10, (wie oben Arnn.19) IV, S. 86 ff.; 218 ff: ... exitialiaprovisorutn nomina titulorum iuxta opulentas et tenues enervatas succidere fortunas argumentis aliis, post validioribus aliis usu laedendi repperiente longaevo. denique per tributorum onera vectigaliumque augmenta multiplicata optimatum quosdam ultimorum metu exagitatos mutare compulit sedes et flagitantium ministrorum amaritudine quidam expressi, cum non suppeteret, quod daretur, erant perpetui carcerum inquilini, e quibus aliquos, vum vitae iam taederet et lucis, suspendiorum exoptata remedia consumpserunt ...; vgl. 17, 3, 3; Bd. I, S. 212: norat enim huiusmodi provisionum, immo eversionum (ut verius dixerim) insanabilia vulnera saepe ad ultimam egestatem provincias contrusisse, quae res, ut docebitur postea, penitus evertit Illyricum; ferner 19, 11, 3; Bd. II, S. 70; s. dazu A.H.M. JONES, LRE I, S. 147 f.; VÁRADY, Jahrhundert, S. 33 ff; A. ALFÖLDI, Conflict, S. 23 f.; FITZ, L'administration, S. 41 f.; DERS., Verwaltung, S. 1215-1219; MÓCSY, Pannonia, Sp. 697;NAGY, Aquincum, S. 371 ff.; BALLA, Savaria, S. 41 ff. Hieronym. Chron. 18-21, S. 246: ... Probus Praefectus Illyrici iniquissimus tributorum exactionibus ante provincias quas regebat, quam a barbaris vastarentur, erasit...; Ps.-Augustin. Quaestiones 115, 49, S. 334: ... Quid dicemus de Pannonia, quae sic erasa est, ut remedium habere non possit?
und die romanische Restbevölkerung
157
Tatsächlich liefert uns Ammianus Marcellinus auch für einzelne Städte Angaben, die diese Verhältnisse bestätigen. So sagt er von Carnuntum, wo Kaiser Valentinian I. um 375 Vorbereitungen zum Feldzug gegen die Quaden und Sarmaten traf, die Stadt sei damals schon verlassen und verkommen gewesen. Vermutlich wurde die Stadt um die Mitte des 4. Jh. von einem Erdbeben heimgesucht, die in diesem Alpenrandgebiet nicht selten sind589. Noch plastischer ist die Schilderung von Savana-Szombathely (Steinamanger), das zu jener Zeit wegen des Verfalls der Befestigungen ungeschützt und von zahlreichen Katastrophen heimgesucht worden war. Vielleicht ist auch dabei an Erdbeben zu denken, ist doch eines, wie wir bereits wissen, für das Jahr 456 gerade hier belegt. Ammianus berichtet des weiteren, daß das Tor an der Straße nach Poetovio durch angehäuften Schutt und den Einsturz einer Wehranlage versperrt war und innerhalb eines Tages nicht freigeräumt werden konnte590. Auch von Sirmium hören wir, daß die Mauern infolge langer Vernachlässigung zum Teil eingestürzt und die Gräben mit Schutt angefüllt waren. Freilich ließ der Präfekt Probus die Befestigung von Sirmium damals „bis zu den Zinnen der hohen Türme" unter Zuhilfenahme des für den Bau eines Theaters bereitliegenden Steinmaterials wiederherstellen591. Dieser Vorgang steht schon im Zusammenhang mit der ersten schweren Heimsuchung, welche die Verwüstung Pannoniens in den letzten drei Jahrzehnten des 4. Jh. einleitete, dem Einfall der Quaden(-Sueben) und der Sarmaten um 374, der ganz Nord- und Ostpannonien erfaßte und erst vor den Mauern Sirmiums zum Stehen kam592. Die große Zahl von Münzschatzfunden bis hin nach Wien bezeugt die eingetretenen Bevölkerungsverluste593, freilich können sie nicht in jedem Fall deutlich von denjenigen unterschieden werden, die in die Zeit der Invasion der ostrogotisch-alanisch-hunnischen Dreivölkergrupe des Alatheus und des Saphrax um 378-80 oder späterer Plünderungszüge dieser Scharen gehören. Im Zusammenhang mit diesem Ereignissen und einem neuen Sarmateneinfall um 384 stehen nun 589
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Amm. Marc. 30, 5, 2; IV, S. 218: ... Carnuntum Illyriorum oppidum ... desertum quidem nunc et squalens, sed ductori exercitus perquam opportunum, ubi fors copiam dedisset aut ratio, e statione próxima reprimebat barbaricos appetitus. Aus dem Zusammenhang ergibt sich zweifelsfrei, daß Ammian hier mit nunc den Zustand während des Aufenthalts der kaiserlichen Truppen wiedergibt, anders VÁRADY, Jahrhundert, S. 415. Zu der möglichen Zerstörung Carnuntums durch ein Erdbeben um die Mitte des 4. Jhs. s. KANDLER, Erdbebenkatastrophe; zum Erdbeben von 456 s. oben S. 20 mit Anm. 57. Amm. Marc. 30, 5, 14 ff., ebd., S. 222: ... (Valentinianus) commoda quaerebat hibernia nullaque sedes idonea repperiri praeter Savariam poterai, quamvis eo invalidam tempore assiduisque malis ajjflictam ... dumque locus aggestis ruderibus neglectus purgatur, lapsam forem ferratam, quae exitum obseravit, multitudo removere nonpotuit ... Amm. Marc. 29, 6, 11, ebd., S. 194: ... ad arripienda, quae urgebant, acri nisu assurgens retersit obrutas ruderibus fossas murorumque maximam partem pads diutumitate contemptam et subversam ad usque celsarum turrium minas expediit studio aedificandi coalitus ... impensas aedificandi causa theatri dudum congestas sufficientes ad id... invenit...
592
DEMOUGEOT, Formation II, S. 3 0 2 ; STEIN, B E I, S. 182 f.
593
MÓCSY, Pannonia, Sp. 5 7 6 ; DERS., M i d d l e Danube, S. 2 9 4 mit A n m . 1 1 9 f.; NAGY, Aquin-
cum, S. 376; SOPRONI, Letzte Jahrzehnte, S. 91.
158
VI. Die Bevölkerungsverluste der Provinzialen
Äußerungen von Zeitgenossen über die pannonischen Heimsuchungen, die sich fortan ständig wiederholen und geradezu zu einem Topos werden sollten. Doch bietet dieser Umstand keinen Anlaß, die ernste Situation und die tatsächlich durch feindliche Einwirkung, Menschenraub und Abwanderung eingetretene Bevölkerungsabnahme zu bezweifeln. So äußert Ambrosius - wenn auch übertreibend - etwa um 386, daß die Römer, um 379 selbst aus ihrer Heimat in Illyricum vertrieben, den ihrerseits vertriebenen Goten ein Exil gewährten, und daß noch immer kein Ende dieser Entwicklung eingetreten sei594. In seinem nach 386 verfaßten Werk De officiti ministrorum weist Ambrosius zur Illustration der Christenpflicht, Kriegsgefangene freizukaufen und den Händen der Feinde zu entreißen, auf die vastitas, die Entvölkerung Thrakiens und Illyrikums hin, die er als bekannt voraussetzt. Hier komme es darauf an, Menschen vor dem Tode und Frauen vor der Schändung zu bewahren, Kinder den Eltern, Eltern den Kindern, Bürger dem Vaterland wiederzugeben. So viele Kriegsgefangene hätten überall zum Verkauf gestanden, daß ihre Zahl die der Einwohner einer ganzen Provinz übertraf. Doch gab es Leute, welche gegen die Befreiung dieser Unglücklichen durch die Kirchen Einspruch erhoben und sie als Sklaven beanspruchten. Dabei sei die Sklaverei doch schlimmer als die Gefangenschaft, da Gefangene zwar dienen müßten, jedoch (rechtlich) frei seien; doch wenn sie verkauft seien, dürften sie den Knechtsdienst nicht verweigern595. Der Bischof von Mailand prangert sicher nicht ohne Grund eine Haltung an, bei der römische Bürger nur dann aus der unverdienten Sklaverei frei kommen konnten, wenn der Käufer bereit war, den römischen Sklaven gegen Entrichtung des Kaufpreises freizugeben. Tatsächlich scheint es demnach damals noch keine Rechtsmittel gegeben zu haben, die römische Sklavenhalter verpflichteten, in die Gefangenschaft von Barbaren gefallene und in die Sklaverei verkaufte Bürger selbst gegen Entrichtung des Kaufpreises freizulassen 596. Im Lichte dieser Ausführungen werden wir annehmen, daß die Klage des Pacatus über die Heimsuchungen Pannoniens durch den Dreivölkerverband im Sommer 389 zwar wiederum rhetorisch übertreibt, doch letztlich die allen bekannten Zustände im Auge hat. Pacatus läßt die Res publica selbst in den Weheruf über den Verlust Pannoniens und den Untergang Illyrikums ausbrechen und behauptet später im Rückblick, die barbarischen Feinde hätten lange Zeit die Städte Panno-
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Ambros. Exp. Luc. X,10, S. 160: ... nos quoque in Illyrico exules patriae Gothorum exilia fecerunt et nondum est finis ...; dazu VARADY, Jahrhundert, S. 40 f. Ambros., De off. Π, XV, 70, S. 122: Summa etiam liberalitas, captos redimere, eripere ex hostium manibus, subtrahere ned homines, et maxime feminas turpitudini, reddere parentibus Iiberos, parentes liberis, cives patriae restituere. Nota sunt haec nimis fllyrici vastitate et Thraciae: quanti ubique venales erant toto captivi orbe, quos si revoces, unius provinciae numerum explere non possint... etc. Zu der von vielen christlichen Autoren betonten moralischen Pflicht, Kriegsgegfangene freizukaufen vgl. BRATOZ, La chiesa aquileiese, S. 107 ff. Vgl. jedoch unten S. 161 ff. mit Anm. 608 f.
159
und die romanische Restbevölkerung
niens durch Verwüstung entvölkert597. In diesen Zusammenhang dürften auch noch die Äußerungen des Hieronymus etwa vom Jahre 392 gehören, in denen er die verwüsteten Städte, die getöteten Menschen und die allgemeine Verödung auf den Zorn Gottes zurückfuhrt und Myricum, Thrakien und insbesondere seine Heimat Dalmatien als Zeugen anruft, wo außer Himmel und Erde, wucherndem Gestrüpp und Wälderdickicht alles zugrunde gegangen sei598. Während in der Folge der Aufruhr visigotischer Foederaten in Makedonien um 388 und die in den nächsten Jahren wütenden Kämpfe ebenso wie der Einbruch größerer hunnischer Verbände über die untere Donau im Jahre 391 den pannonischen Raum wohl nur am Rande berührten, hatte der Abfall der visigotischen und wohl auch von Teilen der pannonischen Foederaten nach der Schlacht am Frigidus und dem Tode des Theodosius I. um 395 wieder tiefergreifende Folgen599. Sicher können wir nicht umhin, auf sie die Äußerungen des Hieronymus im Epitaphium Nepotiani vom Jahre 396 zu beziehen, die freilich die Vorgänge in Pannonien und Dalmatien seit 374 mitumfassen: „Seit mehr als zwanzig Jahren wird zwischen Konstantinopel und den julischen Alpen täglich römisches Blut vergossen. Goten, Sarmaten, Quaden, Alanen, Hunnen, Wandalen und Markomannen verwüsten, entvölkern, plündern Skythien, Thrakien... Dakièn, Epirus, Dalmatien und alle pannonischen Provinzen." Hieronymus zählt im einzelnen die Leiden der Bevölkerung auf: „Edle Matronen, gottgeweihte Jungfrauen, freie und vornehme Männer sind den Bestien preisgegeben, Bischöfe werden gefangen, Priester und Kleriker aller Ränge getötet, Kirchen zerstört..., die Reliquien der Märtyrer ausgegraben, überall herrscht Trauer, Wehklagen und der Anblick vielfältigen Todes. Die römische Welt geht unter..." Sicher trägt auch Hieronymus dem Charakter des literarischen Epitaphium entsprechend, hier etwas zu starke Farben auf, spricht er ein Jahr später doch auch wieder von semirutae villulae, die den Feinden entgangen seien, und die er - von seinen Eltern ererbt - auch jetzt noch glaubt verkaufen zu können 600. 597
Pact. Pan. XI, 4 , ed. NIXON - SAYLOR RODGERS, S. 4 6 2 u. 6 5 3 ; ed.. GALLETIER, S. 7 8 : . . .
Per-
didi infortunata Pannonias, lugeo fiinus illyrici, spedo excidium Galliarum ...; XXXII, 4, ed. NIXON - SAYLOR RODGERS, S. 4 9 7 f. u. 6 6 5 ; ed. GALLETIER, S. 9 9 : ... urbesque
598
599 600
Pannoniae,
quas inimica dudum populatione vacaverat, miles impleverat Gothus ille et Hunus et Haianus ...; zur Abfassungszeit s. GALLETŒR, Panégyriques I, S. 51 f. Hieron., In Sophon. 1,2,3, S. 658, 101 ff.: ... vastatis urbibus hominibusque interfectis, solitudinem et raritatem bestiarum quoque fieri et volatilium pisciumque testis Illyricum est, testis Thracia, testis in quo ortus sum solum, ubi praeter coelum et terram et crescentes vepres et condensa silvarum cuncta perierunt...; vgl. dazu VÁRADY, Jahrhundert, S. 37 ff. Vgl. dazu oben S. 85 mit Anm. 293. Hieron. Ep. 60, Epitaphium Nepotiani, 16, S. 570 f. :... capti episcopi, interfectipresbyteri et diversorum officia clericorum ... ubique luctus, ubique gemitus et plurima mortis imago. Romanus orbis ruit; Hieron. Ep. 66 Ad Pammachiuro, 14, S. 665: ... compulsi sumus fratrem Paulinianum ad patriam mittere, ut semirutas villulas, quae barbarorum effugerunt manus, et parentum communium ciñeres venderei ...; zum zeitlichen Ansatz CA VALLERA, Jérôme I, S. 181-184; Π, S. 44 ff.; vgl auch oben S. 87 mit Anm. 301 ; unten S. 166 f. mit Anm. 625.
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VI. Die Bevölkerungsverluste der Provinzialen
Doch tritt den Klagen des Hieronymus über die Heimsuchungen Pannoniens in dieser Zeit wiederum ein Panegyriker zur Seite, dessen Äußerungen zwar ebenfalls als rhetorisch übertrieben zu gelten haben, jedoch letztlich auf realen Vorgängen beruhen. Anfang 396 beschreibt der Dichter Claudius Claudianus in seiner Invektive gegen den allmächtigen Prätorianerpräfekten des Ostens, Rufinus, die Zustände im Donau-Balkan-Raum. Europa werde den getischen Scharen, den Visigoten zur Beute und zum Gespött ausgeliefert bis hin zu den blühenden Gefilden Dalmatiens. Zwischen Schwarzem Meer und Adria liege alles Land wüst, weder von Vieh noch von Bauern bewohnt, wie das vor Hitze stöhnende Libyen, das sich nie an menschliche Bearbeitung gewöhnen konnte. Er betont, daß nun auch Thessalien leide, denn über den Verlust des todwunden Pannonien, der Schutzwälle Thrakiens und der mösischen Äcker weine schon keiner mehr... das Gefühl fur den Schmerz gehe durch die ständige Wiederholung der Übel verloren 601. Das Thema der Klage über die Verwüstung Pannoniens nimmt Claudian noch einmal in seinem Panegyricus auf Stilicho auf, in dem er diesen als pacator Rheni et Histri nach der erfolgreichen Befriedung der Rhein- und Donaugrenze Ende 399 lobt. Neben dem von Feindesfurcht befreiten Gallier und Punier ist es vor allem der Pannonier und der Saveanwohner, der - aus langem Belagerungszustand befreit - nun wieder wagt, die viele Jahre verschlossenen Tore zu öffnen, der von Rost überzogene Sicheln und Hacken wieder zum Gebrauch fertig macht, der seine Hütte und die geliebten Hügel wieder erblickt, der die Scholle mit dem Pflug wieder bricht, die in langen Zeiten der Untätigkeit entstandenen Wälder abholzt, der das von Weinlaub beschattete Donauufer wieder bepflanzt und sich freut, wieder Steuern zu zahlen, nachdem er wegen des angerichteten Schadens so lange von Abgaben befreit war... Indem also nun der Bauer endlich auf sein Land zurückkehre, werde der kaiserliche Hof wieder durch die illyrische Steuer bereichert602. Wie wir wissen, war der wiederhergestellte Friede nur von kurzer Dauer. Allerdings findet weder der Aufbruch der asdingischen Wandalen nach Westen, der vielleicht schon um 401 anzusetzen ist, möglicherweise Pannonien aber gar nicht berührte, noch der erste Anmarsch des Alarich mit seinen Visigoten auf Italien im gleichen Jahre in der Überlieferung ein deutliches Echo. Auch die sicherlich verheerenden Auswirkungen des Einfalls des Radagaisus, der neben Goten auch Wandalen, Quaden, Sarmaten, Alanen, Gepiden und Heruler nach Pannonien und Rätien schwemmte, lassen sich in den Quellen ebensowenig wie im archäologischen Befund eindeutig von denjenigen abheben, die der neuerliche Aufstand der - nunmehr - Westgoten unter Alarich und dessen zweiten Zug nach Italien begleiteten603. 601
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Claudian. In Rufrnum II, 36-53, S. 35 f.: ... omnis, quae mobile Ponti aequor et Adriaticas tellus interiacet undas, squalet inops pecudum, nullis habitata colonis instar anhelantis Libyae... nam plaga Pannoniae meserandaque moenia Thracum arvaque Mysorum iam nulli flebile damnum ...; vgl. VARADY, Jahrhundert, S. 90 ff. S. oben S. 32 Aran. 99; vgl. VÁRADY, Jahrhundert, S. 139 ff.; 162 f. Zum archäologischen Befund s. UBL, Limesforschung, S. 149; 153 f.; DERS., Mannersdorf,
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Laut Hieronymus waren auch Pannonier - hostes Pannonii - unter den Scharen, die sich von der Hauptmasse der Goten des Radagaisus gelöst hatten, nicht in dessen Untergang hineingezogen worden waren und zu Beginn des Jahres 407 mit den Wandalen und (Quaden-)Sueben über den Mittelrhein nach Gallien hineinströmten. Dieser Vorgang, den Hieronymus als für das römische Reich höchst bedauernswert kennzeichnet, läßt sich nicht dadurch hinweginterpretieren, daß diese Pannonier zu romanisierten Foederaten gemacht werden604. Es ist nicht anzunehmen, daß Pannonien in einer Situation weitgehender Verwüstung und Verödung noch eine Assimilationskraft aufgebracht hätte, welche etwa die wilden Barbaren des Dreivölkerverbandes innerhalb von wenig mehr als zwei Jahrzehnten zu Pannoniern gemacht hätte. Anzumerken ist dabei, daß selbst Angehörige der Provinzialaristokratie um 375 untereinander noch illyrisch sprachen und auch der Gebrauch der Sprache der Besser in Thrakien sogar noch im 6.Jh. bezeugt ist, demnach selbst die Romanisierung der ortsansässigen Bevölkerung noch nicht abgeschlossen war 605. Alle Erwähnungen von Gruppen des Dreivölkerverbandes zeugen in der Zwischenzeit absolut dagegen, daß ihre Angehörigen die überkommenen Eigenschaften abgelegt und sich den römischen Gewohnheiten angepaßt hätten. Demnach kann es sich bei den hostes Pannonii nur um eingeborene Pannonier handeln, vermutlich bäuerliche Unterschichten, die vielleicht nach der langjährigen obsidio in den Städten und ihrer Rückkehr auf ihre Landgüter gerade die neuerliche Wiedereinführung der Steuer, von der Claudian berichtet, als besonders unerträglich empfunden haben. Ähnliche Erscheinungen der Sympathie mit Barbaren unter der römischen Landbevölkerung kennt wenig später Salvian auch in Gallien606. Die Anzahl der Provinzialen, die mit den Barbaren Pannonien verließen, dürfte nicht gering gewesen sein, da sie immerhin Aufsehen erregte. Es dürfte sich auch nicht um unfreie Knechte der Invasoren, sondern um Leute handeln, die aus freiem Entschluß - vermutlich in eigenen Verbänden - sich den Barbaren anschlossen. Im übrigen dürfte die lange Zeit der obsidio die Landbevölkerung entwurzelt haben. Dafür spricht auch, daß sich in den Jahren zwischen 401 und 408 auch eine Massenflucht aus Pannonien in die den Barbareneinfallen weniger ausgesetzten Provinzen Roms nachweisen läßt. Möglicherweise kam es, wie Tóth wahrscheinlich zu machen versucht, in diesem Zusammenhang damals auch zu einer geschlossenen Ansiedlung von Provinzialen aus der Valeria im Südwesten der PanS. 4 2 5 ; DERS., N o r i c u m , S. 3 3 3 f.; HEGER, Besiedlung; vgl. i m übrigen SCHRAMM, D o n a u 604 605
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grenze sowie oben S. 91 f. mitAnm. 319; S. 94 mit Anm. 332 f.; S. 101. S. dazu oben S. 32 mit Anm. 100. Ammian. 30, 5, 10, IV, S. 220: (Valentinianus) ... rimabatur genuino percunctando sermone, quos noscitabat, ubinam ille esset ...; s. auch Hieron. In Isaiam VII, 19, S. 280; vgl. dazu MÓCSY, Middle Danube, S. 259 ff.; 338; 358; skeptisch gegenüber dem Fortleben der illyrischen Sprache äußert sich TÓTH, Survivance, S. 114 f., doch bezeugt er S. 115 den Gebrauch der hessischen Sprache fur das 6. Jh. S. oben S. 32 ff. mit Anm. 100 u. 108.
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nonia I bzw. der Savia, einem Raum, der später wiederholt als Valeria (qui et) Media bezeichnet wird, ohne daß hier die Neuorganisation einer Provinz nachzuweisen ist. Doch könnte diese mit einer Umsiedlung verbundene Verschiebung eines Provinznamens zu der Aufgabe der Dada Superior und Inferior unter Aurelian um 271/2 und der Neugründung einer Dacia Ripensis und Mediterranea südlich der Donau in Parallele gesetzt werden. Eine weitere Parallele könnte im 6./7. Jh. die Verschiebung des Namens der Region Istria an die Küste der Venetia darstellen607. Absetzbewegungen aus Pannonien in andere Provinzen finden im Jahre 408 auch in zwei Reskripten des ravennatischen Hofes vom 10. Dezember ihren Niederschlag. Wir werden jedoch davon ausgehen können, daß die Ursachen der hier beschriebenen Zustände, die schließlich zum Erlaß der genannten Verordnungen führten, schon einige Zeit zurückliegen und nicht erst in dem neuerlichen Aufstand Alarichs und seiner Visigoten begründet sind. Im übrigen bezeugt der Ausstellungsort der Urkunden, Ravenna, daß es sich hier eindeutig um Vorgänge in der westillyrischen Diözese, d.h. vor allem in Pannonien und Dalmatien, handelt. Der erste der beiden Erlasse spricht zunächst von zahlreichen Einwohnern der Illyrici partes, die in die Fremde zogen, als ein Einfall von Barbaren bevorstand. Es käme nun häufig vor, daß Bürger als Kläger diese Leute als Sklaven in Anspruch nähmen und ihnen widerrechtlich das Joch der Knechtschaft auferlegten. Die Kaiser geben dem Präfekten Theodor die Anweisung, nicht zuzulassen, daß Einwohner Illyricums weder dort noch in einer anderen Provinz als Sklaven auf dem Rechtsweg beansprucht werden. Nur eine Ausnahme müsse gemacht werden, aus Gründen des öffentlichen Nutzens: Wenn nachgewiesen werde, daß römische Gefangene von Barbaren gekauft wurden, seien die Käufer berechtigt, den Kaufpreis entsprechend dem Stand des Gefangenen zurückzufordern. Die Freigekauften müßten also dem Käufer entweder den für sie bezahlten Preis zurückerstatten oder durch Dienst und Arbeit in fünf Jahren den Wert der ihnen erwiesenen Gefälligkeit vergüten, wobei sie im übrigen die Freiheit, in der sie geboren sind, unversehrt bewahren608. Das zweite weit umfangreichere Reskript vom selben Tage des folgenden Jahres spricht, wenn es richtig datiert ist, ganz allgemein wiederum wie seinerzeit schon Ambrosius von römischen Bürgern, die von Barbaren ihrer Freiheit beraubt 607
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HÄRTEL, Fortleben; TÓTH, Valeria Media. Eine Provinz dieses Namens läßt sich freilich in der Gotenzeit nicht nachweisen. Zur Westwanderung des Provinznamen Valeria vgl. jedoch auch oben S. 123 mit Anm. 444; zur Dada Ripensis s. VETTERS, Dacia Ripensis; TOROPU, Frontiere; zur Verschiebung des Namens der Istria s. oben Anm. 566. Cod. Theod. X, 10, 25, S. 546, 408 Dec. 10: Cum per Illyrici partes barbaricus speraretur incursus, numerosa incolarum manus sedes quaesivit externas, in cuius ingenuitatem adsidua petitorum solet libido grassari eique inlicite iugum servitutis inponere. Igitur praescribtum tua sublimitas recognoscat, ut Illyricianos omnes, quos patria complectitur vel alia quaelibet terra susceperit, petere non liceat. Dat. IIII Id. Decemb. Rav Basso et Philippo conss; vgl. dazu auch oben S. 158 mit Anm. 595.
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worden sind. Es handelt sich um Menschen jedes Standes, Alters und Geschlechts. Die Kaiser ordnen an, niemand dürfe diese Menschen hindern, in ihre Heimat zurückzukehren. Was ihnen an Kleidung oder Nahrung gewährt worden sei, dürfe nicht später eingeklagt werden, da es der Menschlichkeit geschenkt worden sei. Offenbar konnten diese Regelungen bisher nicht durchgesetzt werden, denn die Kaiser fühlten sich veranlaßt, schwere Strafen gegen Zuwiderhandlung auszusprechen: Jeder Verwalter, Pächter oder Beamte, der dieser Verordnung zuwiderhandle, müsse mit Verbannung und Verurteilung zum Bergwerk, Grundbesitzer mit Vermögenskonfiskation und Verbannung rechnen. Die Kurialen werden ermahnt, sich solcher Fälle in ihrer Nachbarschaft anzunehmen und im Sinne des Gesetzes Hilfe zu leisten, den Provinzstatthaltern und ihren Beamten wird eine Strafe von 10 Pf. Gold angedroht, falls die die Verordnung nicht ausführen609. Wenn diese Erlasse teilweise noch damit rechneten, daß die Flüchtlinge oder zumindest die von den Barbaren als Gefangene Verschleppten in ihre Heimat zurückkehren wollten, so sprechen andere Zeugnisse dafür, daß in der ersten Hälfte des 5. Jh. der Großteil der Einwohnerschaft zumindest der Städte Nord- und Ostpannoniens ihre Heimat für immer verlassen hat. Mit diesen Flüchtlingen zogen nämlich nicht nur die führenden Kräfte der Selbstverwaltung, sondern auch der Klerus mit den Bischöfen an der Spitze ab, und sie nahmen die Reliquien der Ortsheiligen und Märtyrer an ihre neuen Wohnsitze mit. Das, was um 488 für den Ostteil Ufernorikums in der Vita Severini so eindrücklich geschildert wird, hat sich in den Städten Pannoniens bereits über ein halbes Jahrhundert zuvor schon in ähnlicher Weise abgespielt. Ein direktes Zeugnis besitzen wir freilich nur in der Passio des pannonischen Märtyrerbischofs Quirinus von ÄJc/a-Sisak, der jedoch in Savaria das Martyrium erlitt und dort auch in einer basilica ad Scarabetensem portant beigesetzt war. Die Passio besitzt in einigen Handschriften einen Anhang, in dem von der Überführung der Gebeine des Heiligen nach Rom in die Basilika San Sebastiano an der Via Appia die Rede ist. In dem Bericht erfahren wir, daß die christliche Bevölke609
Cod. Theod. V, 7, 2, S. 223 f: Diversarum homines (provin)ciarum cuiuslibet sexus condicionis aetatis, quos bar(bari)ca feritas captiva necessitate transduxerat, invites nem(o re)tineat, sed ad propria redire cupientibus libera sit facul(tas). (1) Quibus si quicquam in visum vestium vel alimoniae in(pen)sum est, humanitati sit praestitum, nec maneat vi(ctualis) sumptus repetitio: exceptis his, quos barbaris vende(ntibus) emptos esse docebitur, a quibus status sui pretium pr(opter) utilitatem publicam emptoribus aequum est redhibe(ri. Ne) quando enim damni considerano in tali necessitate (positis) negarifaciat emptionem, decet redemptos aut datum pr(o se pre)tium emptoribus restituere aut labore obsequio vel opfere quin)quennii vicem referre beneficii, habituros incolumfem, si) in ea nati sunt, libertatem...Reddantur igitur sedibus propriis sub moderatione, quae iussimus ... Si quis itaque huicpraecepto fuerit conatus obsistere actor conductor procuratorque, dari se metallis cum poena deportationis non ambigat; si vero possessionis dominus, rem suam fisco noverit vindicandam seque deportandum ... curiales quoque proximarum civitatum placuit admoneri ... noverint rectores universi decern librarum auri a se et tantumde a suis adparitoribus exigendum, sipraeceptum neglexerint...; vgl. dazu VÁRADY, Jahrhundert, S. 225-231.
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rung aus der Stadt Scarabantia-Sopran (Ödenburg) floh, als die Barbaren in Pannonien einbrachen. Da sie dabei den, wie wir an anderer Stelle erfahren, vor dem nördlichen Tor in Savaria-Szombathely ruhenden Leib des Quirinus mitnahmen, können wir folgern, daß der Fluchtweg nach Süden ging und sich auch ein Großteil der Einwohner Savarias mit den kirchlichen Instanzen an der Spitze dem Auszug anschloß, da sonst eine Mitnahme der Reliquien kaum denkbar wäre610. Für den Auszug ergibt sich ein Terminus post aus einer Angabe des Prudentius, der um 402/3 das Grab des Quirinus noch in Pannonien sucht, und ein terminus ante aus dem Schluß, daß die Quirinusreliquien zur Zeit des Wandalensturms um 455 zeitweilig in den Callistuskatakomben untergebracht waren. Es ist also gut möglich, daß die weitgehende Evakuierung der Städte der Pannonia I schon im Zusammenhang mit der Invasion der Scharen des Radagaisus erfolgte. Im letzten Jahrzehnt des 4. oder im ersten Jahrzehnt des 5. Jh. hat auch der Bischof Amantius von Iovia in der Valeria seine Diözese verlassen und ist nach Aquileja zurückgekehrt, je nachdem, ob sein Tod dortselbst, wie wahrscheinlicher ist, schon um 398 oder erst um 413 anzusetzen ist611. Ein weiteres, wenn auch schwaches Indiz dafür, daß der Auszug der Pannonier Anfang des 5. Jh. anzusetzen ist, findet Rudolf Egger in der Passio des 8.(?) Jh. der Heiligen Donatus, Romulus, Silvanus, Venustus und Hermogenes, Kleriker der Kirchen von Singidunum und Sirmium, die das Martyrium in Sirmium bzw. Cibalae (civitas Civalitana) erlitten hatten. Die Passio stammt aus Aquileja und beweist die Verehrung dieser pannonisch-mösischen Heiligen in der dortigen Kirche612. Die im 9. Jh. geschriebene Passio Hermacorae et Fortunati, deren Abhängigkeit von der Passio der genannten pannonischen Märtyrer nicht beweisbar ist, verbindet mit dieser Stadt den Namen des Attulf, in dem wir unschwer Athaulf wiedererkennen können, den Anfuhrer des ostrogotisch-hunnischen Verbandes, der 408 Alarichs Westgoten nach Italien folgte613. Wenn dies richtig ist, müßten wir damit rechnen, daß die Reliquien der sirmischen Märtyrer, die wir später in Aquileja und Grado wiederfinden, während einer von Osten kommenden Bedrohung vor 408 von der Pannonia II aus nach Westen gebracht worden sind. Dies könnte fur die Zeit des zweiten Italienzugs der Westgoten des Alarich zutreffen, die zuvor in Epirus gestanden hatten, zumal zu gleicher Zeit eine Hunneninvasion in Uferdakien/Obermösien den Fluchtweg nach Osten abschnitt. Daß diese und eine Anzahl weiterer unterpannonischer Märtyrerreliquien noch vor 427 auf der 610
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AASS Juni 1, S. 375; EGGER, Hermagoras II, S. 216 f.: ...facta autem incursione barbarorum in partes Pannoniae populus christianus de Scarabetensi urbe fugiens sanctum corpus beati Quirini episcopi et martyris auferentes secum deduxerunt... Vgl. JARAK, Martyres, S. 278 ff.; zur Archäologie TÓTH, Imperial Palace, insb. S. 120-125 mit Anm. 58. S. oben S. 56 mit Anm. 200; S. 73 f. mit Anm. 262 f. Acta sanctorum Aug. IV, Paris-Rom 1867, S. 412 f.; vgl. BRATOZ, Cristianesimo aquileiese, S. 71 ff.; 77 ff.; JARAK, Martyres, S. 273 f.
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EGGER, Hermagoras I, S. 29-40; II, S. 222 f.; vgl. dazu oben S. 95 ff. mit Anm. 337 f.; 342; BRATOZ, Cristianesimo aquileiese, S. 44 ff.; DERS., La chiesa aquileiese, S. 110 f.
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Savestraße nach Italien überführt werden konnten, bestätigt auch der Umstand, daß zu dieser Zeit Sirmium noch zum Westreich gehörte614. So fanden von den pannonischen Heiligen nicht nur Hermogenes und Fortunatas aus Sirmium in Aquileja, sondern auch Donatus und Venustas aus Singidunum sowie Romulus und Silvanus aus Sirmium im venetischen Concordia-Potíogmsio und im friaulischen Forum /u/ii-Cividale, desgleichen der Lektor Pollio aus Cibalae-Vinkovce in den Katakomben des Ponzian, die Vier Gekrönten der Fruska Gora aus Sopianae-Pécs auf dem Friedhof an der Via Labicana in Rom eine neue Heimat615. Die Abwanderung weiterer Blutzeugen aus Sirmium nach Osten, der Heiligen Anastasia und Ursicinus nach Konstantinopel und des Demetrius nach Thessaloniki dürfte zu einem späteren Zeitpunkt erfolgt sein, als die Pannonia Sirmiensis zum Ostreich gehörte und die Straße nach Westen versperrt war. Diese zweite Auswanderungswelle ist entweder mit dem hunnischen Ausgreifen nach Pannonien zwischen 433 und 451 oder mit der Einnahme Sirmiums durch die Gepiden in Verbindung zu bringen. Tatsächlich soll laut Theophanes der Patriarch Gennadius von Konstantinopel um 458 die Überführung der Anastasia aus Sirmium in die Reichshauptstadt angeordnet haben616. Demnach ist auch die Translatio des Demetrius nach Thessaloniki wohl kaum dem ostillyrischen Präfekten Leontius um 412/3, sondern eher einem der gleichnamigen späteren Präfekten oder Heermeister, vermutlich Leontius von Constantinopel zuzuschreiben, dessen Amtssitz als Praefekt Dlyricums zwischen 435 und 441 Thessaloniki war617 . Dennoch scheinen Teile der Reliquien der Anastasia und des Demetrius in Sirmium zurückgeblieben zu sein, da ihr Kult sich in der alten Heimat erhielt. Auffällig ist, daß außer den Gebeinen der Vier Gekrönten und denen des Bischofs Quirinus aus den nördlichen Provinzen Pannoniens damals keine weiteren Reliquien geborgen wurden, obwohl dort auch an anderen Orten, etwa in Aquincwm-Budapest und Quadriburgium-Ságvár, ebenso wie in Sopianae und Sirmium typische Friedhofsmemorien gefunden wurden618. Daß im übrigen der Abzug der Einheimischen kaum je ein vollständiger war, zeigt neben dem Beispiel von Sirmium, das zwei Abwanderungswellen kannte, wie wir sahen, auch die Stadt Savaria, die uns im Jahre 456 anläßlich eines Erdbebens noch immer oder wieder als bewohnte Ortschaft begegnet619. Wir werden vor allem damit rechnen müssen, daß Teile der ländlichen Unterschichten zunächst im Lande verblieben und von hier aus immer wieder Zuflucht in den inzwischen weitgehend verlassenen Städten 614 615 616
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S. dazu oben S. 96 f. mit Anm. 342 f. EGGER, Hermagoras II, S. 208; JARAK, Martyres, S. 276 ff.; 282 ff; TOMOVIC, The Passio. ZEILLER, Origines, S. 85, Anm. 1; BRANDI, Anastasia; VLCKERS, Sirmium, S. 341-350; vgl. auch POPOVIC, Süddanubische Provinzen; JARAK, Martyres, S. 274 ff.; 284. Photios Bibl., Sp. 104f.; ZEILLER, Origines, S. 83, Anm. 3; VlCKERS, Sirmium, S. 346 ff.; zum thrakischen Präfekten Leontius s. STEIN, BE II, S. 28 mit Anm. 2. MÓCSY, Middle Danube, S. 234 f.; FÜLEP, Sopianae, insb. S. 308-315. S. dazu oben S. 106 mit Anm. 383; zur Frage aus archäologischer Sicht zuletzt MÜLLER, Untergang, S. 245 ff.
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suchten, deren noch erhaltene Mauerringe auch bei neuen Heimsuchungen eher Schutz boten. Im übrigen wissen wir, daß die Abwanderungsbewegung aus Pannonien in der ersten Hälfte des 5. Jh. die südlichen Regionen, die Savia und Pannonia Π,620 erst recht Dalmatien und vor allem auch die beiden norischen Provinzen nur zum Teil oder gar nicht erfaßt hat. Freilich waren auch hier die offenen Städte des Binnenlandes verödet. Dies gilt etwa für die alten Munizipien Virunum und Flavia Solva in Binnennorikum, für Ovilavis, Cetium und wohl auch Iuvavum in Ufernorikum621. An letzterem Ort könnte sich die Einwohnerschaft auf ein auf dem Nonnberg errichtetes Castrum superius, das dort allerdings erst für Wende des 7./8. Jh. bezeugt ist, zurückgezogen haben622, ähnlich, wie dies auch bei Cucullis-Knchl im Salzachtal, bei Agunt, Virunum, Iuenna und anderen Ortschaften Binnenorikums der Fall war623. Über die Entwicklung in Ufernorikum in der 2. Hälfte des 5. Jh. sind wir nun durch die Vita Severini des Eugippius besonders gut unterrichtet. Hinzu treten noch Aussagen der Antoniusvita des Ennodius. Demnach war selbst in Ufernorikum nach der Mitte des 5. Jh. zumindest ein Teil der grundbesitzenden nobiles der ehemaligen städtischen Oberschicht noch im Lande verblieben, freilich scheinen diese possessores keine Funktionen in der Munizipalverwaltung mehr ausgeübt zu haben; auch erweist sich ihre Stellung als besonders gefährdet624. Severinus, der in diesem Raum in einer nicht deutlich erkennbaren Funktion offenbar die Zentralgewalt vertrat, nötigte während einer etwa um 468 anzusetzenden Hungersnot eine vornehme Witwe in Favianis, ihr gehortetes Kom unentgeltlich an die notleidende Bevölkerung zu verteilen. Ennodius berichtet, daß die ständigen Einfalle verschiedener Barbarenvölker, denen das Land nach der Auflösung des Limesorganisation um 476 und insbesondere nach dem Tode des Severinus um 482 ausgesetzt war, vor allem die Oberschicht der nobilitas und den Klerus trafen, welche die zum Teil noch heidnischen Germanen ihren Göttern als Opfer darbrachten625. Ennodius 620 621
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Dazu aus archäologischer Sicht TOMICIC, Untergang, 262 ff. VETTERS, Virunum, S. 350 ff.; HUDECZEK, Flavia Solva, S. 467 ff.; HEGER, Iuvavum, Sp. 178 ff.; vgl. GLASER, Untergang, S. 214 ff.; LADSTÄTTER, V o n Noricum mediterraneum, S. 219 ff. Conversio Bag., c. 1 (Vita Ruperti), ed. WOLFRAM, S. 34-38; ed. LOSEK, S. 96,11 f.: ... in superiori castro Iuvavensium ... colligens congregationem sanctimonialium ...; Notitia Arn., c. 1, SUB I, S. 4, ed. LOSEK, S. 80: ... predictum oppidum simulque et Castrum superiorem ...; c.7,1, S U B I, S. 13; ed. LOSEK, Notitia, S. 92: ... de monasterio puellarum, quod constructum est ... in castro superiore ...; Breves Notitiae, SUB II, S. A3; A5. Zu Castrum vgl. LOSEK, S. 65 ff., zu inhaltlich entsprechenden Stellen der Breves Notitiae c. 2,2; 4,1 ebd. S. 102; 108. S. dazu oben S. 58 f.; 67 f. mit Anm. 205-211; 242-249. LOTTER, Daten, S. 69 f.; DERS., Severinus v. Noricum, S. 270 ff. Ennod. V. Ant. c. 12 ff, S. 186 f.: ... peccatorum consummatio Pannoniis minabatur excidium. Nam succisa radice substantiae regionis illius status in pronum deflexerat. Per incursus enim variarum gentium quotidiana gladiorum seges messem nobilitatis absciderat, et fecundas humani generis terras, ira populante desolabat... nationum diversitas superstitiosis mancipata culturis, déos suos humana credebant caede mulceri ... quoscumque tamen religiosi
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nennt in diesem Zusammenhang die Heruler, und tatsächlich schildert Eugippius, wie die Heruler bald nach 476 das kleine Uferkastell /ov/aco-Aschach zerstörten und dabei den Priester des Ortes am Galgen aufhängten, offenbar eine heidnische Opferhandlung. Kurz zuvor war bei dem Überfall des Sueben Hunimund auf Batavw-Passau ebenfalls ein Presbyter im Baptisterium ermordet worden626. Dennoch kann die in der Vita Severini beschriebene Epoche von etwa 455-488 insgesamt nicht als eine Zeit ständiger Heimsuchungen betrachtet werden. Vielmehr läßt die Vita bei eingehenderer Analyse deutlich erkennen, daß nach der Konsolidierung der Verhältnisse im Mitteldonau-Raum um 455 in Norikum noch einmal für zwei Jahrzehnte der Frieden einigermaßen gesichert werden konnte627. Zwischen etwa 467 und 471/472 berührte jedoch eine von den in Unterpannonien angesetzten walamerischen Ostrogoten ausgehende Unruhebewegung Norikum zumindest am Rande. Diese dürften damals bei ihren Vorstößen nach Westen das Uferkastell Asturis, vermutlich Zwentendorf westlich Tulln, zerstört und die Einwohnerschaft verschleppt oder getötet haben628. Im übrigen leitet erst der bereits erwähnte Überfall der Sueben auf fiatovz's-Passau und die Zerstörung von IoviacoAschach durch die Heruler nach der um 476 erfolgten Auflösung der Limitanorganisation das Ende ein. Severinus erkannte, daß die Uferkastelle oberhalb der Ennsmündung gegen den zunehmenden Druck der Alemannen und Thüringer nicht mehr zu halten waren, und ordnete die Räumung zunächst von Quintanis, dann auch von Batavis, Boiotro und anderen Ortschaften oberhalb der Enns an. Dem Räumungsbefehl kam jedoch nur ein Teil der Bevölkerung nach, und es hat auch den Anschein, als ob die Ortschaften im Salzachtal, Iuvavum und Cucullis ebenso wie die alte Lagerfestung Lauriacum an der Donau, Munizipium und Bischofsstadt, von der Evakuierung nicht betroffen waren 629. Jedenfalls blieb der
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titulus declarabat officii, hos quasi seretiiores hostias immolabant...; zum germanischen Menschenopfer s. auch LOTTER, Severinus von Noricum, S. 231 f. mit Anm. 192; HULTGARD, Menschenopfer; BRATOZ, Beziehungen, S. 84 f.; vgl. auch oben S. 159 mit Anm. 600. Eug. V. Sev. c. 24: ... Heruli insperate protinus irruentes oppidumque vexantes plurimos duxere captivos, presbyterum memoratum patíbulo suspendentes\ 22,4f.:... in baptisterio loquebatur ... mox ... Hunumundus paucis barbaris comitatus oppidum ... Batavis invasit ac ... quadraginta viros oppidi, qui ad custodiam remanserant, interemit; presbyterum quoque ilium ...ad eundem locum confugientem insequentes barbari peremerunt...; vgl. dazu LOTTER, Severinus v. Noricum, S. 231 mit Anm. 192 zu heidnischen Menschenopfern; zur Rohheit der Heruler kurz auch TAYLOR, Heruler, S. 472. LOTTER, Daten, insb. S. 76 ff.; DERS., Severinus v. Noricum, insb. S. 211 ff.; 267 ff. Eug. V. Sev. c. 1; dazu LOTTER, Severinus v. Noricum, S. 156 ff.; 211 f.; 215 ff.; zur Archäologie zusammenfassend TH. FISCHER, Severinszeit, S. 96-127; zur Identifizierung von AsturisZwentendorf s. oben S. 113 Anm. 405. Eug. V. Sev. c. 27, 1: Eodem tempore mansores oppidi Quintanensis creberrimis Alamannorum incursionibus iam defessi sedes proprias relinquentes in Batavis oppidum migraverant... vir de i...:... „hinc... discedatis, mecum itaque ad oppidum Lauriacum congregati discendite" ...; vgl. c. 22, 2: ... tempus huius oppido (Batavis) propinquavit, ut desertum sicut cetera superiora castella cultore destituía remaneat...; 24, 1: Ad habitatores ... oppidi, quod Iobiaco vocabatur... destinavapraecipiens, ut habitationem loci illius omnes sine cunctatione relinque-
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Bischof Constantius mit dem Klerus dort zurück. Dies bestätigt auch der Verbleib der Reliquien der 40 Märtyrer, wohl der Gefährten des Florian, bis in die Gegenwart unter dem Altar der Laurentiuskirche vor den Mauern Lauriacums. Diese wurden nämlich nicht wie die von Severinus selbst erworbenen Reliquien Johannes des Täufers aus Boiotro sowie des Gervasius und Protasius aus Favianis mit dem Leib des Severinus nach Italien mitgenommen630. Die Räter und Noriker, die der Räumungsorder folgten, zogen damals in die Ostregion Ufernorikums, wo sie auf die befestigten Ortschaften verteilt wurden. Dieser Teil stand seit 476 unter dem Protektorat der Rugier, die zwar Abgaben forderten, im übrigen jedoch die Sicherheit der Provinzialen für ein weiteres Jahrzehnt gewährleisteten631. Um 487/8 wurden diese Provinzialen dann in den Untergang des Rugierreiches hineingezogen. Nach seinem Sieg über die Rugier fürchtete Odoaker, daß die provinzialrömische Bevölkerung weiterhin eine Basis für die Wiederherstellung des Rugierreiches durch den mit der Reiterei geflohenen Königssohn Friderich bieten könnte. Er befahl daher seinem Bruder Hunulf, dem Befehlshaber seines Heeres, die Bevölkerung Ufernorikums zur Auswanderung nach Italien zu nötigen632. Da die Provinzialen dieser Anordnimg zunächst offenbar nicht Folge leisteten, ließ Odoaker durch den römischen comes Pierius die Evakuierung zwangsweise durchführen633. Es scheint, daß nur wenige Bewohner der Ostregion sich dieser Zwangsmaßnahme entziehen konnten. Auch die Mönche des Klosters von Favianis mußten sich dem Zug der Auswanderer anschließen und nahmen den Leichnahm ihres Klostergründers, des heiligen Severin, desgleichen auch die von ihm geborgenen Reliquien, wie schon erwähnt, an ihre neue Wir-
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rent...2: ... aliis ergo de tanto nuntio dubitantibus, aliisprorsus non credentibus ... 3: ... quo audito servus dei graviter doluit praemonitos non curasse·, 27, 3: ... Batavinis genitale solum relinquere dubitantibus... secuti sunt plurimi, quidam vero reperti sunt contumaces, nec defuit contemptoribus gladius inimici. Quicumque enim ibidem contra hominis dei interdicta manserunt ... alii quidem trucidati, alii in captivitatem deducti poenas dedere contemptui·, vgl. dazu LOTTER, Severinus v.Noricum, S. 161 ff.; 187 f. LOTTER, Severinus v. Noricum, insb. S. 168-174; zu den Reliquien in St. Laurenz s. ECKHART, St.Laurentius; UBL, Christianisierung, S. 142 ff.; allgemein ebd., S. 145 ff.; zu den in der Vita Severini erwähnten Reliquien s. ZINNHOBLER, Severin, S. 45 ff.; 61 f. Eug. V. Sev. c. 31: Feletheus, Rugorum rex ... assumpto veniebat exercitu cogitans repente detentes abducere et in oppidis sibi tributariis atque vicinis, ex quibus unum erat Favianis, quae a Rugis tantummodo dirimebantur Danuvio, collocare ... Romani... de Lauriaco discendentes pacificis dispositionibus in oppidis ordinati benivola cum Rugis societate vixerunt...; 42, 1: ... Ferderuchus a fratre suo Rugorum rege Feba expaucis, quae super ripam Danuvii remanserant oppidis unum acceperat Favianis ...; vgl. LOTTER, Severinus v.Noricum, S. 190 ff.; 278 f. Eug. V. Sev. c. 44, 4 f.: ... quibus etiam devictis etFrederico fugato... audiens idem Odoacar Fredericum ad propria revertisse statim fratrem suum misit... Onoulfus vero praecepto fratris admonitus universos iussit adItaliam migrare Romanos... Ebda., 5 ff.: ... dum universi per comitem Pierium compellerentur exire ... cunctis nobiscum provincialibus idem iter agentibus, qui oppidis super ripam Danuvii derelictis per diversas Italiae regiones varias suae peregrinationis sortiti sunt sedes...
und die romanische Restbevölkenmg
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kungsstätte mit. Erst im Nachhinein wurde die erzwungene Räumung Ufernorikums im Sinne alttestamentlicher Typologie als freiwilliger Exodus in ein gelobtes Land der Freiheit gedeutet, den der Heilige vorausgesagt habe634. Die Evakuierung Ufernorikums schloß ein nur relativ kurzes Intermezzo neuerlicher Bedrohung und Bevölkerungseinbuße ab, das freilich zugleich auch im sirmischen Raum durch das Ausgreifen der Gepiden sichtbar wird und auch hier, wie oben gefolgert wurde, zu Bevölkerungsabwanderungen nach Osten gefuhrt hat. Die Etablierung der Herrschaft der Ostgoten unter Theoderich in Italien leitete jedoch wiederum eine Epoche vorübergehender Stabilisierung der Verhältnisse im Ostalpen-Mitteldonau-Raum ein, die fast ein halbes Jahrhundert andauerte635. Dieser Zustand wurde wohl auch durch die langobardische Landnahme in den weitgehend verödeten Räumen Ostufemorikums und Nordpannoniens nach 526 kaum verändert, da sie vertragsgemäß und im Einvernehmen mit den oströmischen Instanzen erfolgte, ebensowenig wie die nach 535 in Südpannonien und insbesondere Dalmatien entbrennenden Kämpfe zwischen Ostgoten und Oströmern die Provinzialen kaum allzustark in Mitleidenschaft zogen, da beide Seiten diese für sich zu gewinnen suchten. Diese diesmal fast 80 Jahre umfassende selbst durch die Attilazüge nicht allzu nachhaltig gestörte Periode scheint in Südpannonien mancherorts zu einer gewissen Erholung und Regeneration auch der provinzialrömischen Bevölkerung gefuhrt zu haben. So spricht etwa Venantius Fortunatus in einem Lobgedicht, das er zwischen 565/579 dem Bischof Martinus von Braga widmet, von dem pars Pannoniae Quiritis, dem Teil Pannoniens, den römische Bürger noch bewohnen, den der spätere Bischof allerdings etwa um 552 verlassen hat 636. Für die Existenz von nicht unbedeutenden Resten provinzialrömischer Bevölkerung sprechen archäologische Befunde dieser Epoche auch im nordpannonischen Raum im 6.Jh. So fanden sich hier an mehreren Orten Fragmente von Marmorskulpturen auf Platten, Pfeilern, Kapitell und Reliquienaltären noch aus dem 5. und 6. Jh., so in Savaria-Szombathely, Györ-Arrabona, Felsödörgicse am nörd634
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LOTTER, Severinus v.Noricum, insb. S. 117 f.; 164 ff.; 176 f.; 278 ff.; RÉGERAT, Italien, insb. S. 204 ff. ZINNHOBLER, Severin, S. 46 f.; 61 f. Die heftige Kontroverse um die Identifizierung des leeren Grabes in der Jakobskirche von Heiligenstadt mit dem zeitweiligen Begräbnisort des Severinus hätte an Schärfe verlieren können, wenn man sie nicht mit der unhaltbaren Gleichsetzung von Heiligenstadt bzw. Wien mit Favianis verbunden hätte; vgl dazu J. HABERL, Severins Grab; DŒS., Wien-Favianis; KRAMERT, Das Grab; KRAMERT-WINTER, St. Severin; ferner NEUMANN, Ausgrabungen; zuletzt STIGLITZ-THALLER, Mautern-Favianis, S. 23. Es ist keineswegs abzuschließen, daß die Mönche des Severinus nach der Zerstörung der Klosterkirche in Favianis um 482 durch Ferderuchus und während der folgenden Kriegswirren vor dem Auszug nach Italien um 488 sich an einen sichereren Ort, etwa am Hange des Wiener Waldes, zurückgezogen haben und dort dann auch Severinus zeitweilig beigesetzt wurde. S. dazu oben S. 122-132. Venantius Fortunatus, Opera Poetica, V,2, z.21, S. 104: Martino servata novo, Gallicia, plaude ... Pannoniae, ut perhibent, veniens e parte Quiritis-, TÓTH, Survivance, S. 110 f. Zu Martin von Braga (ca. 510/20-579) vgl. auch oben S. 139 mit Anm. 513.
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VI. Die Bevölkerungsverluste der Provinzialen
liehen Balaton, Székesfehérvár-Gorsium, Aquincum-Pest; ferner ein Bronzekreuz aus Komárom-Brigetio. Obwohl für Scarabantia bereits Anfang des 5. Jh. eine Abwanderungswelle festzustellen ist, konnte die archäologische Forschung ein Fortleben provinzialrömischer Bevölkerung nachweisen, und dies würde auch erklären, daß uns dort um 572 (oder sogar 579) plötzlich wieder ein Bischof entgegentritt637. Ob auch die von den walamerischen Ostrogoten besetzte Valeria nach der Mitte des 6. Jh. eine Regenerationsperiode erlebte und für diese Zeit auch in Aquincum noch urbanes Leben anzunehmen ist, erscheint jedoch fraglich638. Bald begann freilich der letzte Akt des Todeskampfes der pannonischen Diözese, als nach der Vernichtung des Gepidenreiches und dem Abzug der Langobarden die Awaren die Abtretung der sirmischen Provinz forderten und alsbald darangingen, sich den Zugang zu Südpannonien und Dalmatien gewaltsam zu öffnen. Als Sirmium nach längerer Belagerung schließlich 582 kapitulierte, gewährte der Khagan aufgrund eines Vertrages der gesamten Bevölkerung freien Abzug639. Die Einwohner Sirmiums scheinen vor allem in Dalmatien Zuflucht gefunden zu haben, jedenfalls fanden zwei von ihnen, die als Kinder geflüchtet waren, in Salonae eine neue Heimat. Zur selben Zeit dürften die Awaren oder die mit ihnen zugleich vordringenden Slawen über das Neretva-Tal bereits die Adriaküste erreicht haben, wie ein Goldschatzfund aus Narona bei Metkovic wahrscheinlich macht640. Der Fall Sirmiums öffnete den Slawen endgültig den mittleren Donauraum. Während die oströmischen Truppen in schweren Abwehrkämpfen jahrzehntelang in Thrakien gebunden waren, strömte die Slawenflut im Westen ungehindert bis nach Istrien hinein und an die südlichen Paßausgänge der Alpen heran. Innerhalb von drei Jahrzehnten gingen etwa zwanzig Bistümer und die meisten Städte Dalmatiens, Pannoniens und Binnennorikums zugrunde, die bis dahin alle Katastrophen noch überdauert hatten641. Im Mai 591 gab Papst Gregor I. an die Bischöfe der illyrischen Diözese einen Erlaß des Präfekten Jovinus weiter, in dem er alle Amtsbrüder, die sich in ihren Städten noch halten konnten, aufforderte, die durch das Wüten der Feinde aus ihren Sitzen vertriebenen Bischöfe aufzunehmen und zu unterhalten, auch wenn sie Schismatiker seien und er ihre Gegnerschaft dulden müsse642. Da Bischöfe nach kanonischem Recht ihre Gemeinden nicht im Stich 637
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THÓT, Transdanubien; DERS., Survivance; DERS., Nordpannonischer Raum ; vgl. oben S. 64 mit Anm. 231. S. dazu oben S. 35 mit Anm 112. Menander F G H , frg. 6 6 , S. 2 6 8 ; ed. DE BOOR, EXC. de legat. R o m . 20, S. 2 2 0 ; ed. BLOCKLEY,
S. 240: ... καΐ δή συνέβησαν fcid ταίς τοιαίσδε ξυνθήκαις, και τά τοχ> πολέμου έλώφησεν, εφ' φ παραχωρησαι μέν ' Ρωμαίους ' Αβάροις της πόλεως, ' Α βάρους δέ ' Ρωμαίονς του tv τη πόλει πλήθους, άνευ τών δσα έκάστω fev περιουσία Ιιπηρχεν; vgl. KOLLAUTZ/ MIYAKAWA, Nomadenvolk I, S. 244; POHL, Awaren, S. 75 f. ; vgl oben S. 150 mit Anm. 563. KOLLAUTZ/MIYAKAWA, Nomadenvolk I, S. 240 mit Anm 4; MOCSY, Middle Danube, S. 354 mit A n m . 7 8 ; WILKES, Dalmatia, S. 4 3 6 mit A n m 2.
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S. WALDMÜLLER, Slawen, S. 202 f.; vgl. oben S. 68 f.; 150 ff. Gregor. I. Reg. Epp. I, 43, ed. EWALD, S. 69 f.; ed. NORBERG, S. 57: Gregorius universis episcopis per Illyricum. Iobinus ... nobis indicasse ... episcopos, quod e propriis locis hostili-
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lassen dürfen, bedeutet die Flucht des Bischofs in der Regel, daß mit ihm auch die Masse der Gemeindemitglieder abgewandert ist643. Bei den erwähnten Flüchtlingen muß es sich zumindest zum Teil um pannonische und norische Bischöfe der Kirchenprovinz von Aquileja gehandelt haben, da diese vielfach im Dreikapitelstreit eine antipäpstliche Haltung vertraten und Gregor darauf ausdrücklich Bezug nimmt644. Die Gültigkeit des Erlasses des Präfekten Jovinus ist auch für das Jahr 599 noch bezeugt645. Zu den schismatischen Bischöfen zählten gewiß Patricius von Emona und Johannes von Celeia. Sie traten schon auf den Synoden von Grado zwischen 572 und 577 (579?) neben Leonianus von Tibumia und Aaron von Agunt auf 646 und sagten sich 589 vorübergehend von den drei Kapiteln los. Nachdem der Patriarch Severus in Ravenna mit drei weiteren Suffraganen zum Widerruf gezwungen worden war, bekannten sich jedoch auf der Synode von Marianum um 589/90 mit den übrigen Bischöfen der Kirchenprovinz Venetien-Istrien wieder zu ihnen647. Da sich die beiden Bischöfe jedoch schon 589/90 in Grado beim Patriarchen aufhielten, ist es denkbar, daß sie zu dieser Zeit ihre Diözesen bereits aufgegeben hatten. Auch gibt zu denken, daß 590 in Marianum wie 591 in Aquileja-Grado
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tatis fitror expulerat, ad eos episcopos, qui nunc usque in locis propriis degunt, pro sustentatione ac stipendiis praesentis esse vitae iungendos. Et licet ad hoc Fraternitatem Vestram iussio principalis admoneat, habemus tarnen maius horum mandatum, quo ad haec terribilius peragenda compellimur, ut non dico fratres et coepiscopos nostros, sed ipsos etiam, quos nobis contrarios patimur, cum opportunitas postulat, in conferendis subsidiis necessitatimi camalium diligamus... Nicaen., A. 325, can. 15, ed. JOANNOU, Fonti, S. 36 f.: Quod non oporteat demigrari...; vgl. Chalcedon. A. 451, can. 5, ed. JOANNOU, Fonti, S. 74; vgl. HEFELE/LECLERCQ, Histoire I, S. 281; 597 ff.; 720 f.; vgl. JOANNOU, Discipline générale, S. 36; 74; BRATOZ, Ecclesia in gentibus, S. 216 ff. S. oben Anm. 642, ferner Gregor. I, Reg. Epp. I, IV, 14; VI, 36; 45 f.; Π, IX, 141; 148; 150; 152-155; 158; 160 f.; ΧΠ, 7; XIII, 36; App. 1-3; ed. EWALD, I., S. 247; 413 f.; 420 ff.; II., S. 138 f.; 149-156; 159-162; 353 f.; 398 ff.; 442-467; IV,14; VI, 38; 47 f.; IX, 142; 149; 151; 153-56; 159; 161 f. XII, 7; ΧΠΙ, 34; ed. NORBERG, S. 232; 412; 419fif.;693 f.; 704-714; 718; 718 f.; 977 f.; 1035 ff. Zum Dreikapitelstreit s. VOGT, Innerkirchl. Leben, S. 307 ff.; BOGNETTI, Continuità, insb. S. 427-442; ZEILLER, Origines, S. 396-406; R. SCHŒFFER, Zur Beurteilung; MARKUS, Gregory the Great, S. 125-142; SOTINEL, Le concile. Gregor. I. Reg. Epp. IX, 154 (Α. 599, Mai), ed. EWALD, S. 154 f.; IX, 155, ed. NORBERG,
S. 710 f.: ... Callinico exarcho Italiae ... exemplar iussionis, quae vobis pro scismaticorum defensione transmissa est, ... non tarnen in ea vobis praeceptum est, ut venientes ad unitatem ecclesiae repellatis, sed ut venire nolentes hoc incerto tempore minime compellatis ...; IX, 155, ed. EWALD, S. 155; IX,156, ed. NORBERG, S. 712: ... in castello, quod Novas dicitur, episcopus quidam Iohannes nomine de Pannoniis veniens fiierit constitutus ... Vgl. dazu BRATOZ, Koprska Skofija/Diocesi, S. 43fif.;58 f. Synod.Grad., MG Cone. II, 1, 47, S. 58; s. REINDEL, Bistumsorganisation, S. 288 ff.; KARWŒSE, Suffragane, S. 188 ff.; BERG, Bischöfe, S. 78 ff.; BRATOZ, Aquileia und der AlpenAdria-Raum, S. 153 fif. Paul. Diac. Hist. Lang, m, 26, S. 129-132; s. dazu KRAHWINKLER, Friaul, S. 74; WOLFF, Kontinuität, S. 26.
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VI. Die Bevölkerungsverluste der Provinzialen
keine weiteren Bischöfe von Norikum mehr auftreten, die doch in den 60er und 70er Jahren für diese Kirchenprovinz noch bezeugt sind648. Den vertriebenen Bischöfen wurden teilweise neue Bischofssitze in den leichter zu verteidigenden Küstenregionen zugewiesen. So tritt uns vor 599 in der istrischen Ortschaft Civitas Nova-Novigrad - dem Namen nach zu urteilen einer Neugründung - ein aus Pannonien geflüchteter Bischof namens Johannes entgegen. Dieser Johannes hatte im Dreikapitelstreit zunächst die antipäpstliche Auffassung vertreten, wollte dann aber mit seiner Gemeinde zur orthodoxen Kirche übertreten, um sich schließlich doch wieder zu den Schismatikern zu bekennen. Dieser pannonische Bischof Johannes könnte mit dem gleichnamigen Bischof von Celeia identisch sein, der sich zehn Jahre zuvor ebenfalls vorübergehend, freilich unter Zwang, von dem Schisma losgesagt hatte 649. Der letzte celeianische Bischof war Andreas, der an der antimonotheletischen Synode in Rom 680 teilnahm. Ob er damals als Flüchtlingbischof irgendwo in Istrien saß oder noch Verbindungen mit der romanischen Restbevölkerung hatte, wo sich laut der Synodalschrift noch immer Bischöfe „unter den Slawen" befanden, läßt sich nicht mit Sicherheit sagen650. Doch wie dem immer sei, es liegt nahe, daß mit dem Untergang der kirchlichen Organisation in Westpannonien und Binnennorikum um die Wende des 6. Jh. auch die Masse der bis dahin dort noch ausharrenden romanischen Restbevölkerung mit ihren Bischofen abgewandert ist. So tritt uns der Bischof Sebastianus von Risan-Risinium in Dalmatien als Flüchtling entgegen. Es könnte sich um den gleichen Bischof Sebastianus handeln, der bereits 584 von Papst Pelagius Π. als Flüchtling aufgenommen und von diesem nach Konstantinopel geschickt wurde. Gregor bietet dem Sebastianus in Sizilien ein vakantes Bistum an. Einen weiteren schismatischen Bischof aus Istrien, der sich der rechtgläubigen Kirche anzuschließen beabsichtigt, erwähnt Papst Gregor I. als in Sizilien lebend. Desgleichen begegnen uns in Sizilien der schismatische Geistliche Johannes und in Syrakus ein Diakon Felix, die aus Istrien (oder Dalmatien?) stammen651. In Dalmatien zog sich 648
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Gregor. I. Reg. Epp. I, 16, a u. b, ed. EWALD, S. 16-26; verbesserte Ausg. von E. SCHWARTZ, ACO IV/2, 135 ff.; dazu FISCHER, Gregor, S. 54 ff.; BRATOZ, La chiesa aquileiese, S. 129 f. Gregor. I. Reg. Epp. IX, 154 f.; ed. EWALD, S. 154 ff; I X , 1 5 5 f., ed. NORBERG, S. 7 0 9
ff;
nach KOLLAUTZ, Awaren, S. 634 ist Johannes nach Pirano, Patricius von Emona dagegen nach Civitas Nova übergesiedelt, doch werden keine Belege angeführt, vgl. dagegen L. PLESNICAR/ I. SlVEC, Beginning, S. 62. Zur kirchenpolitischen Stellungnahme des Bischof Johannes von Novas mit z.T. anderen Schlüssen BRATO2, Koprska skofija/Diocesi, S. 44 f. Concilium Constantinopoitanum III, Concilii Actiones I-IX, S. 52-159; der Bischof Andreas von Celeia erscheint im Unterschriftenveizeichnis auf S. 154/155, Nr. 92. Vgl. dazu BRATOZ, Ecclesia in gentibus, S. 211 ff. (mit Analogien im Balkan-Donau-Raum); DERS., Patriarchat Grado, S. 644 ff. S. Gregor. I. Reg. I, 27 (A. 591, Febr.), V, 40 (A. 595, Juni); IX, 150 f. (A.599, Mai); VI, 36 u. 45 (A. 596, Juni/Juli); IV, 14 (A. 593); ed. EWALD, S. 40 f.; 329 ff; II, 151 f.; 413 f.; 420; 247; ed. NORBERG, S. 35; 3 1 8 f.; 7 0 5 f.; (VI,38 u. 4 7 f.:) 4 1 2 ; 4 1 9 f.; 2 3 2 . D a z u WILKES,
Dalmatien, S. 436 mit Hinweisen; weiterführende Lit. bei BRATOZ, Entwicklung, S. 188.
und die romanische Restbevölkerung
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der Endkampf der römischen Städte und Gemeinden noch etwa 20 Jahre hin, in der Küstenregion konnten auch später noch letzte Stützpunkte gehalten werden. Den weitgehenden Untergang der provinzialrömischen Gemeinden im südöstlichen Alpenrandgebiet scheint auf den ersten Blick auch der archäologische Befund zu bestätigen652. Dennoch findet sich hier auch ein spätes epigraphisches Zeugnis, das für ein Weiterleben von Resten provinzialrömischer christlicher Bevölkerung in Kärnten spricht. Auf das Überleben nicht nur romanischer christlicher Bevölkerung, sondern auch antiker Heiligenverehrung weist die Nonnosus-Inschrift aus Molzbichl (zw. Drau und Millstätter See) aus dem Jahre 533 hin. Danach verehrte man dort den lokalen Diakon Nonnosus im 7. und 8. Jh. als Heiligen, seine Gebeine wurden zwischen 772 und 788 in die neue karolingerzeitliche Klosterkirche gebracht und unter dem Altar deponiert653. Als wichtiges Indiz für ein Überleben indigener Bevölkerung kommt auch der Kontinuität der Ortsnamenüberlieferung erhebliches Gewicht zu, die sich freilich vor allem auf den nordöstlichen Alpenraum und das dortige Alpenvorland konzentriert. Überall dort, wo antike Orts- und Flurnamen weiterleben, dürfte das romanische bzw. romanisierte Bevölkerungssubstrat noch längere Zeit so stark gewesen sein, daß es seine Namengebung gegenüber Tendenzen einer Neubenennung durch die neu eingewanderte Bevölkerung durchsetzen konnte654. Daß auch die einwandernden Germanen zu eigener Namengebung tendierten, beweisen die Umstände gerade im nördlichen Bereich der rätisch-norischen Restprovinz, in dem sich die provinzialrömische Bevölkerung bis ins 8./9. Jh. in der dichtesten Massierung gehalten hat, die wir in dem von uns erfaßten OstalpenMitteldonauraum überhaupt antreffen,. Hier steht uns für die Zeit um die Wende des 8./9. Jh. in den Güterverzeichnissen des Indiculus Arnonis (Notitia
Arnonis)
und der Breves Notitiae neben der sonstigen frühen urkundlichen Überlieferung insbesondere für Salzburg, Passau, Freising, Regensburg, Niederaltaich und Mondsee einzigartiges Quellenmaterial zur Verfügung, das teilweise bis in die Zeit um die Wende des 6./7. Jh. zurückreicht und uns über das Fortleben der Bevölkerung provinzialrömischer Herkunft näheren Aufschluß gibt655.
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Vgl. dazu KAHL, Restchristentum, insb. S. 73-79; BARTON, Frühzeit, S. 185ff.; BRATOZ, Ecclesia in gentibus, insb. S. 213 ff. (mit weiterführenden Lit., besonders für den heutigen slowenischen Raum); CIGLENECKJ, Investigations, insb. 130 f.; MÜLLER, Untergang, insb. S. 248 ff.; TOMLCLC, Untergang; GLASER, Untergang, S. 211 ff.; LADSTÄTTER, Von Noricum mediterraneum, bes. S. 229 ff.; zuletzt KAHL, Karantanen, S. 100-110.
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GLASER, Untergang, S. 2 0 8 f.; DERS., Christianisierung, S. 201 ff.; AMON/FRANKL/TROPPER
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(Hg.), Der heilige Nonnosus (grundlegende Publikation); vgl. dazu unten S. 184. S. dazu WIESINGER, Besiedlung 1980, insb. S.147-156; DERS., Kontinuitäten. Dazu WOLFRAM, Libellus, S. 177 ff.; LHOTSKY, Quellenkunde, S. 151 ff.; 165 ff.; LOSEK, Notitia, insb. S. 167-174; WOLFRAM, Salzburg, insb. S. 27-39; PRINZ, Kontinuität, insb. S. 710 ff. Zur Besiedlung des Salzburger Landes in der Spätantike s. HEGER, Besiedlung.
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VI. Die Bevölkerungsverluste der Provinzialen
In den beiden Güterverzeichnissen sind zunächst Schenkungen von Romani tribútales mit ihren mansi an St. Peter und St. Maria in Salzburg im 8. Jh. festgehalten. Demnach schenkte Herzog Theodo (f ca. 725/28) an St. Peter 80 Romanen aus dem Salzburg- und 5 aus dem Attergau, sein Sohn und Nachfolger Theodebert an das Marienstift auf dem Nonnberg 116 Romanen aus dem Salzburg-, 80 aus dem Chiem- und 3(4) aus dem Attergau. Schließlich schenkte Herzog Tassilo (748-788) noch einmal 30 Romanen mit der villula Campus im Salzburggau an St. Peter656. Alle diese Schenkungen werden in beiden Verzeichnissen registriert. Da jedoch die Breves Notitiae bei der Schenkung der 30 tributales aus Campus an St. Peter und der 3(4) aus dem Attergau an St. Maria jeweils nicht erwähnen, daß es sich dabei um Romanen handelt, dürfen wir folgern, daß auch in anderen Fällen, wo tribútales homines geschenkt wurden, es sich um Romanen handeln kann. Diesen beiden Salzburger Besitzverzeichnissen lassen sich nun noch weit detailliertere Angaben über die Verbreitung romanischer Bevölkerung im Raum Südbayern-nördliche Ostalpen entnehmen, wenn wir die Orts- und die Personennamen eingehender in Betracht ziehen. Zunächst fallt auf, daß sich romanische Ortsnamen, die sich vielfach bis heute erhalten haben, im Bereich von Salzburg häufen. Im näheren Umkreis der heutigen Stadtgemarkung begegnen uns im Osten Glanicle (Gnigl), im Westen Glana (Glanhofen, Maxglan), vicus RomaniscusWal(ch)wis (Wals), im Süden Marciago (Morzg), im Südosten Glasa (Glas, Glasenbach), weiter aufwärts westlich der Salzach Anua (Anif), Crethica (Grödig), schließlich noch weiter im Westen im Saalachtal Marciolas (Marzoll), Salmas (Reichenhall), Mona (Groß-Gmain), Nana (Nonn). Kehren wir an die Salzach zurück, finden sich im Umkreis von Hallein Albina (Oberalm), Atanate (Adnet), Campus villula (Gamp), weiter aufwärts Fuginas-Figun (Vigaun) und Cucullis (Kuchl). Östlich davon sind im Bereich von Schmittenstein und Trattberg die Alpen Cuudicus (Gilsche?), Cuculana (Gugilan), Alpicula (Alpichl, Altbühl) und Lacuana (Laogang), im Südwesten im Berchtesgadener Land die Alpen Gauzo (Gotzenalm) und Ladusa (Larosenalm) zu suchen657. Im oberen Salzachtal gab Bisontio (Zell am See) dem Pinzgau den Namen, noch weiter im Westen bildet Prixina (Brixen im Brixental) den Übergang zum oberen Inntal mit Quantalas (Kundl), Prissiech (Brixlegg), Episas (Ebbs), Orianus mons (Erl), Burones (Alt-Beuern) und Ä>wa-Simssee östlich von Rosenheim. 656
657
Ind. Arn., SUB I, S. 5; 7; 14 f.; Brev. Not., SUB Π, S. A3; 6; 11; vgl. ed. LOSEK, Not.Arn. 5,3, S. 84; Brev. Not. 2,8; 4,3, S. 104; 108. Ind. A m , SUB I, S. 4 ff.; 8 f.; 11; 14; Brev. Not., SUB II, S. A2 ff.; 6 f.; 10-13; 15; 18 f.; ed. LoSEK, Not. Arn. 1,6; 2,2; 5,3; 6,26; 7,8, S. 80; 82; 84; 90; 92; Brev. Not. 2,4; 2,7; 4,3; 4,6; 8,4; 9,4; 12,1; 12,3; 14,10, S. 102; 104; 108; 112; 116; 118; 120; 124; vgl. dazu und zum folgenden auch REINDEL, Agilolfinger, S. 93-97; HÖRBURGER, Ortsnamenbuch, insb. S. 31 ff.; 45 ff. und Lit. Verz. S. 41 ff.; SCHWARZ, Baiem u. Walchen, S. 857 ff. u. passim mit Namenverweisen, S. 934-938; PRINZ, Salzburg, S. 15 u. passim mit Ortsnamen S. 26-35; LoSEK, Not. Arn, S. 175-184 (Index locoram).
und die romanische Restbevölkerung
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Im Osten schließt sich der bereits erwähnte Chiemgau an, mit den Orten Pontena (Seebruck), Traunwalchen, Chamara (Kammer) und Lutra (Lauter). Hier wechseln wir wieder in den Salzburggau über und treffen vor der Salzach auf Sura (Surheim), jenseits liegt Monticulus (Muntigl), weiter die Fischach aufwärts, wo Romanen durch die Breves Notitiae eigens erwähnt werden, Jupindotf (Eugendorf), Straza (Straß), Walarse-Walardorf (Seekirchen), Chessindorf (Köstendorf) und Summus Lacus (Summerlach-Sommerholz). Vereinzelt finden sich romanische Ortsnamen auch noch weiter im Norden, im Mattich-, Isen- und Rottgau, so Austrum (Asten?), Isana (Kirchisen), Turtin Rota (Unterdietfurt), Chomindorf (Gendorf?), Savarstedi (Safferstetten). Neben den Ortsnamen bezeugen auch die Personennamen der beiden Besitzverzeichnisse, daß neben den Bayern vielfach noch Romanen saßen. Diese namentlich genannten Romanen treten uns bemerkenswerterweise aber nicht als tribútales, sondern als liberi, ja teilweise sogar als nobiles viri entgegen. Hierbei ist freilich zu beachten, daß die Namen nicht in jedem Fall eindeutig die ethnische Herkunft bezeugen. Dies gilt etwa für alttestamentarisch-christliche Namen wie Johannes, Jacob, Jonas, David, Salomon und Noe658. Es ist auch nicht auszuschließen, daß insbesondere für das geistliche Leben bestimmte Kinder einen römischen Namen erhielten, wie etwa der Presbyter Dulcissimus, Bruder des Othmarus, der allerdings ebenfalls Presbyter wurde659. Wir müssen hier freilich eher mit dem im 8. Jh. längst weit fortgeschrittenen Prozeß der Assimilierung und Germanisierung der Romanen rechnen, begegnen uns doch neben den letztgenannten Priesterbrüdern auch sonst Geschwister, bei denen germanische neben romanischen Namen auftreten. Zu nennen wären hier als jüngere Vertreter des romanischen Geschlechts der Albina Uurmhari (Wernher) und Cissimo (Dulcissimus), die Schwestern Wilpurch und Sprata aus Reichenhall oder jene Caecilia mit ihrer Tochter Hilta. Ein Problem stellen auch die Kurznamen dar, da hier nicht immer eindeutig zu entscheiden ist, ob eine romanische oder germanische Wurzel zugrundeliegt. Ersteres wird wohl, soweit ich sehe, bei den Namen Pato-Patto, Tepizzo, Tisa, Sprata und Into vorauszusetzen sein, fraglich bleiben Appo (Andbold? Appianus?), Petto (Berthold? Petrus?) und andere660. Möglicherweise ist auch die Häufigkeit von Kurznamen dieser Art, die 658 659
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S. dazu STÖRMER, Adelsgruppen, S. 80-89; SCHWARZ, Baiern und Walchen, S. 863 ff. Brev. Not., SUB Π, S. A9; ed. LOSEK, 8,14, S. 114: ... Dulcissimuspresbiter. Othmarusfrater eius presbiter, ein Gegenstück stellen Boso liber, qui et presbiter, et Johannes frater eius dar, die in ausgesprochenen Romanenorten, Bisonzio-Zell und Salafeld im Pinzgau und in Vico Romanisco-Wals im Salzburggau begütert sind, s. Ind. Arn., SUb I, S. 8; Brev. Not., SUB II, S. A13; ed. LoSEK, Not.Arn„ 6,2, S. 84; Brev.Not. 10,5; 14,3; 14,21; S. 118; 122; 126; zu christlichen und insbesondere alttestamentlichen Namen s. SCHWARZ, Baiern u. Walchen, S. 863 ff; STÖRMER, Früher Adel, S. 42. Vgl. ed. LO§EK, Brev. Not. 8,14; 14,15; S. 114; 124. Ind. Am, SUB I, S. 16; Brev. Not., SUB Π, S. A21; 5; 15; 22; ed. LoSEK, Not. Arn. 8,5, S. 94; Brev. Not. 14,23; 21,5, S. 126; 138. Vgl. dazu E. FÖRSTEMANN, Personennamen, Sp. 1357; 955 f.; SCHÖNEFELD, Wörterbuch, S. 180; 135.
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VI. Die Bevölkerungsverluste der Provinzialen
sich leicht germanisch deuten ließen, mit dem Assimilationsprozeß in Verbindung zu bringen. Wir beschränken uns in der Folge auf die Namen, bei denen romanische Herkunft zumindest naheliegt. Unter den in den Salzburger Güterverzeichnissen erwähnten Romanen ragt das bereits erwähnte Geschlecht der Albina hervor, das aus villa Albina, dem heutigen Oberalm am Almbach bei Hallein stammt. Gegen Herbert Klein hat Friedrich Prinz wahrscheinlich gemacht, daß hier eine alteingesessene römische possessoras-Familie im Herzogsdienst ihren sozialen Status halten konnte und in die bayrische Oberschicht integriert wurde661. Neben den Vertretern des Geschlechts De Albina, Donatianus, Urso (Ursus), Ledi-Latinus, Wurmhari-Wernhar, Dulcissimus treten uns im 8. Jh. in den beiden Güterverzeichnissen jedoch noch weitere Träger romanischer Namen auch unter Laien entgegen, die in den Breves Notitiae ausdrücklich als nobiles viri bezeichnet werden und meist auch als freie Grundbesitzer erkennbar sind. Zunächst fallen uns in den Zeugenreihen zur Untersuchung über die Besitzansprüche der Salzburger Kirche auf die Maximilianszelle im Pongau neben der Mehrzahl der romanischen Namen unter den geistlichen Zeugen auch unter den Laien, die als viri nobiles ausgewiesen sind, romanische Namen auf: Neben den beiden nur in der späteren Urkunde erwähnten Johannes ein Jubian und ein Jovinianus (Iuuinan)662. Daneben finden sich in den Breves Notitiae weitere viri nobiles, die jeweils Grundbesitz an einem oder mehreren Orten schenken, so Milo in Glanicle-Gnigl, Santulus in Vico-Romanisco (Wals) und Figûn (Vigaun), an letzterem Ort auch der Presbyter Angelus, Dignolus in LiberingaLiefering; Johannes in &z/;m's-Reichenhall, Sprata nobilis femina mit ihrer Schwester Wilpurch ebenfalls in Salinis und in Jl/we«-Gmain, Morich (Mauricius) in Wallersee-Seekirchen; der Presbyter Tepizzo in Spanswag nördlich vom Wallersee; Maio mit seinem Bruder Wich in Saaldorf nordwestlich von Freilassing; Pato in Weildorf, Pabing und Henndorf663. Alle diese Schenkungen von viri et feminae nobiles in den Breves Notitiae werden stets als proprietas- propria hereditas - totum quod habuit — gekennzeichnet. Dennoch heißt es in den zwei Fällen, wo Parallelüberlieferung im Indiculus Arnonis vorliegt, bei Dignolus und Tisa, daß die Schenkung mit Genehmigung des Herzogs - per licentiam ducis - vorgenommen wird. Diese Fälle heben sich je661
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Ind. Arn., SUB I, S. 15f.; Brev. Not., SUB II, S. A 4; 7; 8; ed. LoäEK, 8, S. 112 ff.; dazu PRINZ, Salzburg, S. 18 f.; WOLFRAM, Libellus, S. 191 f.; 199 ff.; STÖRMER, Früher Adel, S. 212 f. Vgl. ebendort auch zur Bezeichnung servus in der Bedeutung „Vasall". Brev. Not., SUB II, S. A9; ed. LOSEK, Brev. Not. 8,15, S. 114 ff.: ... et isti laici: Uogo comes etc ... item ... Iubian, Iovinianus, ... Omnes isti nobiles et veraces virífuerunt; Ind. Arn., SUB I, S. 16; ed. LOSEK, Not.Arn. 8,8, S. 96: ... a viris valde senibus et veracibus diligentissime exquisivi... Laicorum nomina ista sunt... lubianus... Iuuinan... Brev. Not., SUB II, S. A l l ; ed. LOSEK, 12,1, S. 118: ... Exhinc adnotantur traditiones nobilium hominum de propriis rebus eorum ... Milo quidam vir nobilis ... 13: ... Nomina etpredia fidelium virorum nobilium et mediocrium ... 14 f.; 17 f.; 20; Ind. Arn., SUB I, VI, 10 ff., S. 9; S. 12 f.; ed. LoäEK, Brev. Not. 14, S. 122.
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doch auch in den Breves Notitiae dadurch von allen anderen Besitzübertragungen ab, daß Mansen bzw. coloniae aufgezählt werden. Es dürfte sich hier also um herzogliches Lehen handeln, obwohl im Fall der Tisa der Besitz in Muntigl in den Breves Notitiae ebenfalls als proprietas bezeichnet wird664. Auffällig ist, daß alle anderen Schenkungen von nobiles im Indiculus nicht aufgeführt sind, vielmehr als Schenker de genere nobilium hominum lediglich ein Guntharius comes genannt wird, der jedoch ebenfalls nur mit herzoglicher Genehmigung tradiert665. Demgegenüber sprechen die Breves Notitiae in der Liste der Güterübertragungen an die Salzburger Kirche ausdrücklich von predia der nobiles et mediocres, und tatsächlich werden in der Folge nur etwa die Hälfte der Schenker als nobiles viri bzw. feminae bezeichnet, während bei den übrigen Standesbezeichnungen meist fehlen. Lediglich einmal tritt ein liber homo, Sitil, auf, dem im Indiculus Arnonis ein servus, Johannes, zur Seite tritt. Der Indiculus fuhrt demgegenüber Personen, die in den Breves Notitiae als nobiles erscheinen, unter den liberi Baioarii auf. Einmal bezeichnet er auch eine Frau, die Tisa nobilis femina der Breves Notitiae, ausdrücklich als libera666. Da demgegenüber der einzige vermutlich romanische liber homo der Breves Notitiae, Sitil, deutlich von den nobiles abgesetzt erscheint, andererseits der Indiculus nur einen comes zu den nobiles homines zählt, ergibt sich, daß die Standesbezeichnungen nobilis und liber in beiden Güterverzeichnissen nicht das Gleiche bedeuten und hier jeweils unterschiedliche rechtlich-soziale Rangstufensysteme zugrundegelegt werden. Dieser bemerkenswerte Umstand stellt uns vor Probleme, die Wilhelm Stornier aufgezeigt hat667. Der Indiculus Arnonis steht in engem Zusammenhang mit dem Sturz Tassilos und der erneuten festeren Einbindung Bayerns in das Frankenreich. Daher gibt der Indiculus, von dem mit den westfränkischen Verhältnissen vertrauten Bischof Arn in engem Einvernehmen, wenn nicht auf Veranlassung 664
Ind. Arn., SUB I, S. 9; LOSEK, Not. Am. 6,10 u. 6,12, S. 86: Dignolus tradiditper licentiam ut supra in pago Salzburgaoe in loco, qui diciíur Liveringa, mansos III apsos ... Tisa libera tradidit per licentiam Ottiloni ducis in pago Salzburgaoe in loco nuncupante Monticulus ... mansos VII vestìtos ... Das jeweils folgende qui fuit similiter ut supra bezieht sich zweifellos auf den oben angeführten Satz quod et fuit ex causa dominica eis beneficiatum; vgl. zu den beiden Tradenten Brev. Not., SUB II, S. Al 1 f.; ed. LOSEK, 12,2, S. 120: ... Tisa quedam nobilis femina temporibus Theodberti dedit proprietatem suam in loco dicto Monticulus ... cum mansis VI et aliis rebus suis ...; ed. LOSEK, 14,9, S. 124: ... Dignolus quidam vir nobilis tradidit ibidem res suas in vico, qui dicitur Liveringe, id est colonia III cum aliis appendiciis suis... Einen dritten Parallelfall bieten Jacob et Alexandra mater eius, Ind. Am., SUb I, S. 8 f.; Brev. Not., S U B II, S. A 17 f. =; ed. LOSEK, 14,42, S. 130, s. u n t e n A n m . 669.
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Ind. Am. SUB I, VI, 23 ff., S. 10; ed. LOSEK, Not. Am. 6,24, S. 88: Reliqua vero, quae ibi traditum est, de genere nobilium hominum esse videtur... Cella, quae vocatur ζ Ottinga, quam construxit Guntharius comis in iure hereditario... Brev. Not., SUB II, S. A. 13, s. oben Anm. 663; 18 u. 21; ed. LOSEK, 14, 48, S. 132: ... Sitil (liber homo) tradidit semetipsum et totum, quod habuit...; des weiteren oben Anm. 664; vgl. Ind. Am., SUB I, VI, 13, S.9; ed. LOSEK, Not. Am. 6,13, S. 86: Iohannis servus tradidit per licentiam Tassilonis... manso I vestito, qui fuit simili modo ut supra ex causa dominica... STÖRMER, Früher Adel, S. 15-22; DERS., Adelsgruppen, vgl. WOLFRAM, Notitia, S. 127.
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VI. Die Bevölkerungsverluste der Provinzialen
Karls des Großen verfaßt, Standesgliederungen wieder, wie sie dem fränkischen Recht, nicht aber der bairischen Verfassungswirklichkeit am Ende des 8. Jh. Entsprechen. Diese spiegelt sich eher in den differenzierenden Bezeichnungen der Breves Notitiae wieder, die einen Prozeß der Differenzierung des Standes der liberi und einer sozialen Mobilität erkennen lassen. Dabei hebt sich aus den liberi im Rechtssinne in der Lex Baiuvariorum eine Oberschicht von nobiles heraus, wie sie auch in dem Artikeln 2, 5 und 8 der Synode von Dingolfíng im Jahre 769 zutage tritt668. Diese nobiles unterscheiden sich von anderen liberi dadurch, daß sie über hereditas...in sua potestate verfügen. Dies entspricht der Unterscheidung des Indiculus Amortis in liberi Baioarii, die herzogliche Lehen haben, und solche potestatem non habentes de se. Die liberi Baioarii des Indiculus sind offenbar identisch mit den nobiles et potestativi homines der Breves Notitiae, die de propriis rebus tradiderunt und bemerkenswerterweise hinter den Amtsträgern genannt werden669. Die Frage ist nun, ob die Apposition potestativus homo in den Breves Notitiae schon für sich allein die Zuordnung zu den nobiles, und ob das Fehlen einer Apposition in jedem Fall die Zuweisung zu den mediocres rechtfertigt. Sicher gehen wir nicht fehl, wenn wir in diesen Fällen auf gewisse Unsicherheiten in der Zuweisung schließen. Während die potestativi homines Jacob und seine Mutter Alexandra laut Aussage des Indiculus als Inhaber herzoglichen Lehens ausgewiesen sind, finden sich unter den nicht als nobiles bezeichneten Tradenten der Breves Notitiae nicht nur Besitzer von Eigengut, proprietas, sondern auch jener ausdrücklich als liber homo bezeichnete Sitil, der sich selbst mit allem, was er besaß, tradierte. Im wesentlichen tritt uns diese offenbar in sich uneinheitliche Gruppe in den gleichen Räumen wie die der nobiles entgegen, so die Brüder Vitalis und Germanus in Walwis-Wals als Mühlenbesitzer, ebendort der presbyter Johannes, der wohl von einem anderen Johannes zu unterscheiden ist, der zusammen mit seinem Bruder, dem presbyter Boso, Lehensgut in Wals, Pinzgau und Saalfeld schenkt. 668
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Cone. Dingolf. A.769/770, S. 94 f.: ... cum ... testibus fidelibus et nobilibus testificetur ... ;... ius ad legem, quam habuerunt... nobiles et liberi et servi eius ...; ... quodcumquepraestatum fiiisset nobilibus intra Baiuvarios, hoc constituit, ut permanerei et esset sub potestate uniuscuiusque relinquendum posteris, quamdiu stabiles federe semassent apud principem ad serviendum sibi...; dazu STÜRMER, Adel, S. 15 ff.; 26. Ind. Arn. SUB I, VI, 1; S. 8; ed. LoSEK, Not. Arn. 6,1, S. 84: ... quod tradiderunt liberi Baioarii per licentiam Tassilonis ad supradictum episcopatum, quod fuit eis ex causa dominica beneficiatum, similiter et de Ulis potestatem non habentes de se ...; 6,4, ebd.: Mazzo et Appo et Arbertus non potestatem habentibus tradiderunt per licentiam ...; 6,7, ebd.: Alexandra et Iacob filius eius tradiderunt per licentiam ut supra ...; quod et fuit ex causa dominica eis beneficiatum ...; vgl. Ind. Arn., SUB II, Brev. Not. S. A 13 f.; ed. LoäEK, Not. Arn. 6,7, S. 86: ... nobiles et potestativi homines de propriis rebus tradiderunt...; Brev. Not. 14,42, S. 130:... Jacob et Alexandra mater eius potestativi homines tradiderunt omnia, que habuerunt propria ... et Iacob tradidit semetipsum ...; zu Iacob und Alexandra vgl. STÖRMER, Adelsgruppen, S. 81 f.
und die romanische Restbevölkerung
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Des weiteren finden sich ein Severinus quidam wohl in Ziveräga-Liefering, Tepizzo in Spanswag nördlich vom Wallersee, Patto in Weildorf, Lyra quedam βemina in Laufen, der liber homo Sitil in Tittmoning, Christina und Into in Tacherting, Cecilia mit ihrer Tochter Hilta in Mgo/fesowe-Niedergottsau nördlich der Salzachmündung, ferner ein Milo in Henndorf östlich vom Wallersee670. Auch wenn bei einzelnen dieser Namen die romanische Herkunft nicht eindeutig gesichert ist, so macht die Übersicht im ganzen doch deutlich, daß im 8. Jh. in einem Raum beiderseits der Salzach nördlich von Salzburg zwischen Chiemsee, Wallersee und mittlerem Inn verstreut zwischen Baiern germanischer Herkunft auch solche romanischer Herkunft saßen, die zumindest die romanische Namenstradition noch weiterführten. Wenn auch nicht auszuschließen ist, daß bei der Wiederbesiedlung des betreffenden Raumes im 6./7. Jh. Romanen aus dem Salzburger Land beteiligt waren, so kann doch auch in diesem Gebiet mit romanischer Bevölkerungskontinuität gerechnet werden, worauf ja auch das gelegentliche Auftreten romanischer Ortsnamen oder Walchennamen in diesem Raum hinweist. Zumindest wird deutlich, daß es keine scharfe germanisch-romanische Sprachund Siedlungsgrenze in diesem Bereich gab, sondern ebenso, wie bairische Siedlung schon früh in den Salzburger Raum selbst vordrang und hier germanische Ortsnamen etablierte, sich auch romanische Restbevölkerung neben den einwandernden Germanen in den Niederungen des nördlichen Alpenvorlands weit über die Seenkette und den Bereich dichterer romanischer Ortsnamenstreuung hinaus halten oder wieder Fuß fassen konnte. Noch wichtiger aber ist die Erkenntnis, daß diese romanische Bevölkerung gerade in den Räumen um und nördlich der Seenkette in ihrer ständischen Schichtung voll in die bairische Stammesgesellschaft integriert war und sich hier neben der gehobenen Freienschicht der nobiles mit verstreutem Eigenbesitz, die am ehesten den provinzialrömischen possessores entsprachen, sich mindere Freie, mediocres, ferner tribútales und servi finden. Es fällt auf, daß in den Gebieten gehäufter romanischer Siedlung im Salzburg- und im Chiemgau die Masse dieser Bevölkerung im 8. Jh. uns als dem Herzog zinspflichtige tribútales entgegentritt, die Zahl der Romanen gehobeneren Standes dagegen hier vergleichsweise gering zu sein scheint. Die für den Raum des Salzburger Sprengeis erzielten Ergebnisse erlauben uns, Angaben von Urkunden des 8. Jh. auch für das Gebiet der Passauer Diözese richtig zu deuten. Tatsächlich lassen sich damals auch im Bereich der Diözese Passau noch eine ganze Reihe lateinischer Orts- und Personennamen nachweisen. Freilich sind weder Orts- noch Personennamen hier am Ende des 8. Jh. noch in so dichter
670
Brev. Not., SUB II, S. A 13 ff; 17 f.; 21 f.; Ind. Am. SUB I, VI, 7 ff., S. 8 f.; ed. LOSEK, Brev. Not. 14,10, S. 124 (Seuerinus); 14,41, S. 130 (Tepizzo); 14,24, S. 126 (Pato); 14,34, S. 128 (Lyra); 19,2, S. 136 (Sitil); 18,4, S. 136 (Christina); 18,6, S. 136 (Into); 21,5, S. 138 (Cecilia, Hilta); 14,51, S. 132 (Milo).
180
VT. Die Bevölkerungsverluste der Provinzialen
Massierung zu finden, wie dies im näheren und weiteren Umkreis von Salzburg der Fall ist. Neben den bereits bekannten romanischen Ortsnamen im engeren Umkreis von Batavis-Passau selbst, nämlich Quintanis-Cuncina-Kimzing und BoiotroPeitra-Beider(-wies)671 ergibt das Passauer Traditionsbuch für das 8. Jh. an Romanenorten nur noch einen nicht identifizierten vicus Fonaluae, ferner Antes(o)naAndiesen im Rottach- und Curtuna-Curtina-Gmten im Mattachgau672. Die früheste Urkunde, das sogenannte Rottachgaufragment, das Rodeland beim vicus Fonaluae betrifft, ist wohl in das 2. Viertel des 8. Jh. zu datieren und führt uns in eine rein romanische Umwelt mit den am Kauf beteiligten Mai(o)ranus, Dominicus und Dominica, den Zeugen, einem praepositus Floritus und einem miles Vigilius, schließlich dem Notar Quartinus673. Später stoßen wir im Passauer Sprengel nirgends mehr auf eine so geschlossene romanische Gruppe, nur in Gurten scheint sich um 786/88 in zwei Besitzübertragungen noch eine stärkere romanische Besiedlung abzuzeichnen. Dem Schenker Gogo clericus tritt dabei ein eindeutig romanischer Cito gegenüber, während in den teilweise identischen Zeugenlisten neben Bonifacius auch Tito, Amo und vielleicht der presbyter Alb(u)inus romanische Namen tragen könnten674. Als Romanen sind bis um die Wende des 8./9. Jh. des weiteren im Mattachgau wohl einzustufen ein Rumol (Romulus, oder Rumolt?) in Heipfau, ein Schenker Ledi (Latinus) in Aznanu, eine ancilla Domnica in Lengau, ein Grundbesitzer Popili in Enknach, der als Zeuge neben Salamon und Jonathan auch in Machendorf auftritt. Im Rottachgau finden sich noch ein Romanus in Kiihbach-Rotthalmiinster, ein möglicherweise weiterer Ruman-Romanus, Bruder eines Gerhard in Tutting, dessen Schenkung u.a. ein Peregrin bezeugt, schließlich ein Meiol (Maiolus) in Rimbach675. Diese gegenüber dem Salzburger Raum relativ spärliche Ausbeute bestätigt immerhin unsere für den Salzburger Raum getroffenen Feststellungen auch für den Umkreis von Passau. Auch hier finden sich Romanen als Grundbesitzer - in einem Fall gar als miles - , auch hier hat sich noch eine ständische Schichtung erhalten, des weiteren treten auch hier germanische und romanische Namen in den 671
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S. zu Kiinzing CHRISTLEIN, Quintanis, S. 37 ff. mit Lit.; zu Boiotro DERS., Kastell Boiotro, insb. S. 118 mit Anni. 52; DERS., Ausgrabungen, S. 37 f.; TH. FISCHER, Bemerkungen; kurz BOSHOF (Hg.), Geschichte der Stadt Passau, S. 55 ff. Trad. Pass. Nr. 1, S. 1 f.; 28, S. 23 f.; 14, S. 13; 38, S. 34 f.; vgl. 15 f., S. 13 ff.; vgl. HAIDER, Zum Niederkirchenwesen. Trad. Pass. Nr. 1, S. 1 f.: ... Actum in vico Fonaluae die consule. Et testes de presente rogaverunt: Signum manus Marrani, Dominici et Dominicantes que strumentum fecerunt. Signum manus Fioriti prepositi testes. Signum manus Vigili milites testes. Ego Quartinus qui escrìpsi. Zur Urkunde vgl. KOLLER, Donauraum, S. 23; 28-31; FICHTENAU, Urkundenwesen, S. 12 ff. Trad. Pass. Nr. 15 f., S. 14 f. Trad. Pass. Nr. 30; 27; 37; 57 f.; 60; 33; 63; 86; 53; 73; S. 26; 22; 34; 49 fif.; 31; 53 f.; 45; 61; zu Popili s. aber JuRASCHEK, Passauer Codex, S. 286 f.
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gleichen Familien nebeneinander auf. Im Gegensatz zu dem Salzburger Raum kann jedoch von geschlossener romanischer Siedlung im Bereich der Passauer Diözese gegen Ende des 8. Jh. nicht mehr die Rede sein, vielmehr handelt es sich hier nur noch um eine verstreute Restbevölkerung, die im Begriff war, der Germanisierung vollends zu erliegen. Eine umfassende Auswertung der gesamten Personen- und Ortsnamenüberlieferung des 8./9. Jh., die auch die urkundliche Tradition der Bistümer Freising und Regensburg sowie des Klosters Schäftlarn miteinbezieht, ergibt darüber hinaus neben Einzelbefimden Reliktgebiete romanischer Restsiedlung inmitten des geschlossenen bairischen Siedlungsgebietes bei Regensburg (Prüfening, Barbing, Traubling, Massing), östlich von Ingolstadt (Mehring, Kösching, Irsching), in einem breiten Streifen um das Isarknie bei Freising (Jaibling, Zellhausen, Marzling, Preising, Figelsdorf), am mittleren Inn westlich Rosenheim (Aibling, Pang, Maxirein, Irschenberg, Langenpfunzen, Valley) und im Raum Partenkirchen-Wallgau-Walchensee-Bad Tölz bis Königsdorf-Irschenhausen an der oberen Isar676. Dort, wo die bayerische Einwanderung auf geschlossenes romanisches Siedlungsgebiet stieß, häufen sich vornehmlich die Walchennamen, so nordöstlich von Salzburg zwischen Waller- und Attersee Seewalchen (s. Waller- und n. Attersee), Walchen, Roitwalchen, Einwalchen, Ehwalchen, vergesellschaftet mit romanischen Ortsnamen wie Gampern, Irrsdorf, Eugendorf; nordöstlich vom Chiemsee Traunwalchen, Litzlwalchen, Reitwalchen und nochmals Walchen. Über Jolling findet diese Gruppe ihren Anschluß an die oben erwähnten Inseln am mittleren Inn und der oberen Isar und bildet so eine breite Übergangszone im Alpenvorland vor den eigentlichen Rückzugsgebieten der Räto- und Noriko-Romanen im gesamten Gebirgsbereich des Ostalpenraums677. Auch die Personennamenüberlieferung des 8./9. Jh. weist neben zahlreichen Einzelvorkommen eine besondere Häufung romanischer Namen gerade in diesen Reliktinseln und der Übergangszone auf. Immer wieder bestätigt sich auch hier der Befund eines friedlichen Zusammenlebens von Baiuwaren und Romanen, eines seit langem praktizierten conubium zwischen beiden ethnischen Gruppen und das Auftreten von Romanennamen auch in den oberen Schichten der bairischen Stammesgesellschaft. Während sich die bayrische Siedlung schon früh in die leichter zugänglichen und durch die Räumungsaktionen des Severinus nach 476 ausgedünnten Bereiche der Donauniederung zwischen Inn und Enns vorgeschoben hatte, blieben die gebirgigen Zonen des ehemaligen Ufernorikums und vor allem Binnennorikums bis hin zum Eisachtal noch länger die Domäne der Noriko-Romanen, an deren Siedlungsraum sich ohne Bruch der der Rätoromanen anschloß. So hat Vetters ein Siedlungkontinuum etwa für das obere Kremstal an der Stelle der antiken Poststation Tutatio in Michelstadt nachgewiesen678. Obwohl die Baiern schon gegen 676 677 678
SCHWARZ, Baiem und Walchen, passim, insb. Abb. 1, S. 870. Ebda, insb. Abb. 2, S. 886. VETTERS, Tutatio, insb. S. 35 f.; vgl. des weiteren oben S. 145 ff.
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VI. Die Bevölkerungsverluste der Provinzialen
Ende des 6. Jh. über das Pustertal an die obere Drau vorstießen und hier wie an der Enns in der Auseinandersetzung mit Awaren und Slawen den Schutz der Noriko-Romanen übernahmen, konnten bairische Siedlung und Germanisierungsprozeß in diesen Bereichen offenbar erst seit dem 8. Jh. allmählich an Boden gewinnen. Die enge Verbindung zwischen der romanischen Ortsnamenüberlieferung und dem in der schriftlichen Tradition für das nördliche Vorland der Ostalpen weithin zu belegenden Fortleben beträchtlicher Teile von romanischer Restbevölkerung an den entsprechenden Örtlichkeiten berechtigt uns zu der Folgerung, schon in der Ortsnamenüberlieferung allein ein gewichtiges Indiz für das Fortleben romanischer Bevölkerung auch dort zu sehen, wo der direkte Nachweis wegen des Fehlens entsprechender urkundlicher Überlieferung nicht geführt werden kann. Das gilt auch für das eigentliche Donauuferland des ehemaligen Noricum Ripense. Hier ist seit je aufgefallen, daß romanische Ortsnamen an den bedeutenderen Ortschaften westlich der Enns haften geblieben sind: Beider(-bach, -wies)-Boiotro, Wels-Ovilavis, Linz-Lentia, Lorch-Lauriacum679. Östlich der Enns sind sie dagegen größtenteils verschwunden, erst in Westpannonien taucht mit Venenia-Wien das erste Namenskontinuum wieder auf680. Das Uberleben mehr oder weniger beträchtlicher noriko-romanischer Bevölkerungsreste zwischen Innmündung und Enns, das durch frühe Passauer Urkunden für den Mattichgau belegt ist, läßt sich gerade für die Orte am Donauufer auch durch archäologische Befunde erhärten. So konnte Lothar Eckhart für die Laurentiuskirche vor den Mauern des ehemaligen Legionskastells Lauriacum eine durchgehende Benutzung der Basilica Π vom 5. Jh. bis in die Karolingerzeit nachweisen, war doch während dieser ganzen Epoche ein bereits im 4. Jh nachzuweisendes Reliquiar Mittelpunkt der Verehrung681. Auch der Grabungsbefund im Lagerbereich, in der Zivilstadt von Lauriacum um die Laurentiuskirche und insbesondere auf dem von Kloiber freigelegten Friedhof des Ziegelfeldes spricht für ein Bevölkerungskontinuum, freilich tritt dabei seit dem 6. Jh. das germanische Element in den Vordergrund. Dies wird auch deshalb sichtbar, weil bei den germanischen Zuwanderern - im Gegensatz zu der romanischen Bevölkerung - die Sitte der Grabbeigaben fortdauert. In ähnlicher Weise wurde auch auf dem Gräberfeld von Linz-Zizlau ein Belegungskontinuum mit zuletzt germanischen christlichen Gräbern festgestellt, das freilich um 700, offenbar durch den Awareneinfall, abbricht 682. 679
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STIGLITZ-TIIALLER, Städte, S. 317; DIES., Lager, insb. Sp. 149; LOTTER, Daten, S. 52 ff.; ECKHART, Nach-und Weiterleben; GLASER, Untergang, S. 214 ff.; zur onomastischen Forschung vgl. WIESINGER, Antik-romanische Kontinuitäten (bes. Karte 1 und 2). Zum archäologischen Befund in Ostufemoricum s. POLLAK, Gräberfelder, insb. S. 164 ff.; zu Obeipannonien WIESINGER, Probleme, S. 323 ff. mit Karte 1; NEUMANN, Vindobona, S. 57; 148.
682
ECKHART, Kaplaneikirche, insb. S. 66 ff.; s. auch oben S. 167 f. mit Anm. 630. VETTERS, Lauriacum, S. 377 f.; DERS., Straten, S. 20 ff. mit Lit.; vgl. jedoch demgegenüber ECKHART, Kontinuität, S. 25 ff.; LADENBAUER-OREL, Linz-Zizlau, insb. S. 85.
und die romanische Restbevölkerung
183
Ein romanisches Bevölkerungskontinuum hat Rainer Christlein auch für das kleine spätrömische Kastell von Boiotro in Passau-Innstadt wahrscheinlich gemacht, das erst 1974 entdeckt wurde683. Obwohl der Forschungsstand eine Feindatierung der sogenannten ,.Horreumkeramik" von Boiotro noch nicht zuläßt, ist sie auf jeden Fall jünger als das 4. Jh., verschiedene Indizien sprechen für ihren Ansatz im 5., vermutlich dem späten 5. Jh. Zwischen dieser von einer Brandschicht überdeckten „Horreumkeramik" und der eindeutig in das 7./8. Jh. zu datierenden frühmittelalterlichen Keramik findet sich auf dem Kastellgelände noch eine weitere Keramikgattung, die in der Zwischenzeit anzusetzen ist und die durchgehende Besiedlung von Boiotro durch Nachkommen der Provinzialen über die Zeit der Völkerwanderung hinaus nahelegt. Dieser Befund wird durch den 1976 von Walter Sage erbrachten Nachweis gestützt, daß die nur 150 m westlich des neuentdeckten spätantiken Kastells von Boiotro sich befindende Kirche St. Severin nicht nur über einem spätkarolingisch-ottonischen, sondern auch einem spätantiken Vorgängerbau des 4./5. Jh. errichtet ist684. Letzterer ist zweifellos mit der in der Vita Severini erwähnten Johanneskirche identisch. Die Errichtung eines wesentlich größeren Kirchenbaus über den Langhausmauern des spätantiken Gotteshauses etwa im 10. Jh. läßt sich kaum mit dem Bedarf der kleinen Siedlung südlich der Innmündung, sondern eher mit einem Wiederaufleben der Severinverehrung erklären, damit dürfte auch die Änderung des Patroziniums zusammenhängen. Der schon bei der spätantiken Kirche vorauszusetzende Friedhof wird bis in die Gegenwart hinein genutzt. Der Befund in ¿toZoíro-Innstadt läßt entsprechende Schlüsse für das jenseits des Inns liegende Batavis-Passau zu, dem gegenüber Boiotro schon in der Spätantike die Funktion eines Vorortes hatte. Tatsächlich weist das Fundmaterial aus dem 4. und 5. Jh., wie die noch von Christlein durchgeführten Grabungen in Niedernburg ergaben, deutliche Parallelen mit dem von Boiotro auf, doch bricht dieses gegen Ende des 5. Jh. ab685. Demgegenüber ließ sich zumindest ein Siedlungskontinuum wiederum für das in der Vita Severini beschriebene nördlich von Passau gelegene Kastell QuintanisKünzing nachweisen. Zwar gelang es bislang hier weder - wie in Boiotro-Innstadt - die spätantike Siedlung aufzufinden, noch bei der Pfarrkirche, die bemerkenswerterweise wiederum das Patrozinium des hl. Laurentius aufweist, einen spätantiken Vorgängerbau nachzuweisen. Dennoch haben Einzelfunde sowie Körpergräber im Bereich des Gemeindefriedhofs bei St. Laurentius aus dem 6. sowie eine Gräbergruppe südwestlich davon am Nordwestrand des mittelkaiserzeitlichen Kastells und eine Einzelbestattung im Süden aus dem 7. Jh. ergeben, daß der Ort 683
684 685
CHRISTLEIN, Kastell Boiotro, insb. S. 109-117; DERS., Ausgrabungen, S. 37 f.; TH. FISCHER,
Severinszeit, insb. S. 102-126;.BOSHOF (Hg.), Geschichte der Stadt Passau, S. 59 f. SAGE, Boiotro, insb. S. 68 ff.; CHRISTLEIN, Kastell Boiotro, S. 118 ff. CHRISTLEIN, Niedemburg, S. 126 f.; TH. FISCHER, Severinszeit, S. 98-102 mit weiterführender Literatur.
VI. Die Bevölkerungsverluste der Provinzialen
184
im 6. und 7. Jh. fortlaufend von einer sozial deutlich differenzierten Bevölkerung bewohnt wurde686. Daß die romanische Restbevölkerung im ufernorischen Binnenland auch in der ersten Hälfte des 6. Jh. das kulturelle Erbe Roms noch wahrte und zumindest Teile der kulturtragenden Schichten auch in diesem Raum verblieben sind, dürfte ein von Lothar Eckhart in diese Zeit datiertes spätantikes Grabrelief aus St. Georgen im Attergau bezeugen. In einem Raum, der durch das gehäufte Auftreten von Walchennamen wie auch romanischer Ortsnamen - wie wir oben sahen - als norikoromanisches Rückzugsgebiet ausgewiesen ist, entstand demnach nach dem Muster römischer Zweipersonengrabsteine ein spätes Relief in barbarisch-rustikaler Ausführung. Haartracht und insbesondere der Schmuck der Frau ermöglichen, wie Eckhart zeigte, eine Datierung in die erste Hälfte des 6. Jh., d.h. in die gleiche Epoche wie die oben erwähnte und um 533 zu datierende Nonnosusinschrift aus Molzbichl in Kärnten. Damals dürfte bairische Landnahme den Attergau noch nicht erreicht haben. Das Relief mit dem hier erstmals auftretenden, wohl aus dem Orient herrührenden Gestus des Gebets mit zusammengelegten Händen zeugt zugleich für die Fortdauer des Christentums unter der romanischen Bevölkerung des westlichen Ufernorikum687. Das gleiche gilt für das Vorland der rätischen Alpen, wie das Oratorium von Mühltal an der oberen Isar - ebenfalls im weiteren Umkreis von Walchennamen (Walchensee) - bezeugt, das Milojcic zwischen 500 und 700 ansetzt688. Diese Romanen waren es, die schon seit dem 6. Jh. den christlichen Glauben in der Form des katholischen Bekenntnisses als antikes Kulturelement an die einwandernden Bayern weitergaben. Wie weit es sich bei der in Bischofshofen im Pongau - nicht allzuweit von St.Georgen im Attergau - um 711/12 von Romanen übernommenen Verehrung des (angeblichen) hl. Bischofs und Märtyrers Maximilian von Celeia noch um echte frühchristliche Überlieferung handelt, bleibe dahingestellt, immerhin ist auch bei Bischofshofen vor einiger Zeit eine befestigte spätantike Siedlung entdeckt worden689. Auffällig ist, daß in den späteren Berichten über die irische und fränkische Missionstätigkeit seit dem 7. Jh. bei den Baiern ein wirkliches Heidentum kaum zu fassen ist, vielmehr bis hin zu den Zeiten des Bonifatius immer wieder nur von einem falschen oder ketzerischen Christentum gesprochen wird. Dieses kann sich ebenso auf irische Formen des christlichen Kults und der Lehre beziehen wie auch auf Kümmerformen eines Christentums, das sich ohne Verbindung mit den geistlichen Zentren längere Zeit unter den Norikoromanen gehalten hatte. So bereiteten 686
CHRISTLEIN, Quintanis, S. 4 0 ff.; RIECKHOFF-PAULI, Quintanis, S. 52-64; TH FISCHER, Seve-
687
ECKHART,
688
MILOJCIC, Zeitstellung.
689
BRAT02,
rinszeit, S. 96 ff. Grabstein, insb. S. 93 ff.; 104 ff.; 111 ff Zur Deutung von HEGER, CSIRÖ. III, 1, Wien 1975, Nr. 77 s. ECKHART, Nach- und Weiterleben, Anm. 48. Für den südöstlichen Alpenraum vgl oben S. 173 mit Anm. 653. Einfluß Aquilejas,
S. 5 0
f. (mit Literatur); HEGER, Besiedlung,
S. 172
f.
und die romanische Restbevölkerung
185
dem Bonifatius in Bayern nicht nur die von der offiziellen Lehre abweichenden Riten und Sitten irischer und fränkischer Priester Sorge, sondern auch Formen des Kultus, die allein auf dem Niedergang der Bildung beruhten. Bonifatius sah sich veranlaßt, die Taufe nicht nur dann wiederholen zu lassen, wenn die Dreifaltigkeit beim Taufakt nicht angerufen worden war, sondern auch in Fällen, wo der Priester aus mangelnder Bildung die Personen der Trinität falsch ausgesprochen hatte. Letzteres wurde ihm jedoch von Papst Zacharias aufgrund einer Beschwerde der Bischöfe Sidonius von Passau und Virgilius von Salzburg untersagt690. Der betreffende Priester hatte „in Unkenntnis des lateinischen Wortlauts nur den Ausdruck ungenau wiedergegeben, ohne eine Irrlehre oder Ketzerei einzuführen", hatte er doch, wie das angeführte Beispiel erkennen läßt, bei den Worten patris und filii lediglich die Endungen falsch ausgesprochen. Demnach könnte es sich hier sehr wohl um einen norikoromanischen Geistlichen gehandelt haben, dessen Latein sich von der korrekten Aussprache wie sie die irischen, angelsächsischen und fränkischen Priester pflegten, entfernt hatte. Jedenfalls nahmen weder der Ire Virgil noch der - vermutliche - Gallorömer Sidonius und ebensowenig der Papst Zacharias Anstoß an der ungenauen Aussprache der Taufformel. Es könnte sich hier demnach ebenso um clerici inlitterati aus der bodenständigen romanischen Bevölkerung handeln wie bei jenen, von denen auf der Donausynode von 796 die Rede ist. Auch dort stellen die versammelten Bischöfe in Anwesenheit des Patriarchen von Aquileia und des damaligen Bischofs von Salzburg, Arn, fest, daß es im Gebiet der eben unterworfenen Awaren Christen gebe, die von Priestern und Klerikern dieses Landes getauft seien. Wenn sich nach sorgfältiger Prüfung herausstelle, daß sie im Namen der hl. Dreifaltigkeit getauft seien, dürfe die Taufe nicht wiederholt werden. Erweise sich jedoch, daß die Betreffenden lediglich mit ungeweihtem Wasser von ungebildeten Klerikern getauft seien, die das Glaubensbekenntnis nicht beherrschen und, wie sich durch die Aussage dieser Stümper (idiotae) herausgestellt habe, auch die Taufformel nicht gesprochen hätten, sei die Taufe als ungültig anzusehen691. Der Vorgang deutet daraufhin, daß 690
Epp. Bonif. Nr. 68, S. 141: ... Virgilius etSedonius religiosi viri... retulerunt quippe, quodfuerit in eadem provincia sacerdos, qui Latinam linguam penitus ignorabat et, dum baptizaret, nesciens Latini eloquii infringens linguam diceret: Baptizo te in nomine patria et filia et spiritus sancii... Sed, ... si ille ... non errorem introducens aut heresim, sed pro sola ignorantia Romane locutionis infrangendo linguam, ut supra fati sumus, baptizans dixisset, non possumus consentire, ut denuo baptizentur... Zum Konflikt zwischen Bonifatius und Virgü von Salzburg s. auch Th.SCHIEFFER, Bonifatius, S. 2 4 6 ff.; vgl. allgemein E. EWIG / K . SCHÄFERDIEK, Ex-
6,1
pansion, insb. S. 138-145 mit Anm. 81; Löwe, Pirmin, S.192-200 mit Anm. 3; 215 ff.; 218 mit Lit.; REINDEL, Amolfinger, S. 152 mit Lit.; KLEBEL, Christentum in Bayern, insb. S. 100 ff.; 111 ff.; 114 ff.; 119 ff.; Th. SCHŒFFER, Bonifatius, S. 92 ff; LÖWE, Arbeo, insb. S. 102 ff. mit Anm. 73; DERS., Widersacher, S. 956 ff. Conv. Epp. A. 796, S. 175 f.: ... qui iam baptizati a sacerdotibus terrae illius in nomine sanctae Trinitatis esseprobantur... placuit non oportere Herum baptizari... Illi vero, qui ab illiteratis clericis baptizati existunt... nec illifidem ... professi sunt nec ille, qui baptizabat, dixit: „Baptizo te in nomine etc. ..., sicut cuiusdam horum idiotarum professione comperimus ... hi
186
VI. Die Bevölkerungsverluste der Provinzialen
sich auch im ehemaligen Pannonien selbst unter der Awarenherrschaft noch Kümmerformen eines primitiven christlichen Kultus erhalten hatten. Die Tendenz der Überlieferung, die Leistungen der Missionare herauszustreichen, führt zweifellos auch dazu, Zeugnisse eines bodenständigen Christentums zu verschweigen oder als Häresie abzutun. Demgegenüber spricht einiges dafür, daß die irofränkische Mission in Bayern im 7./8. Jh. sich auf die christlichen Romanen stützen konnte. Besonders deutlich wird dies in den Berichten der Urfassung der vermutlich schon um 774 verfaßten Vita Hrodperti über die Tätigkeit Ruperts von Salzburg. Nachdem Rupert um 696 das Herzogshaus, das bekanntlich schon im 6. Jh. christlich war, und „viele andere vornehme Männer" zur rechtgläubigen Lehre bekehrt hatte, erhielt er den Auftrag, sich einen geeigneten Stützpunkt fur seine Bekehrungsarbeit zu suchen „und die Kirchen Gottes wiederherzustellen"692. Rupert fuhr daraufhin auf der Donau zunächst nach Lauriacum, wo er predigte und viele Kranke, wie es heißt, durch Gottes Kraft heilte. Von eigentlicher Missionstätigkeit ist dabei nicht die Rede, vielmehr setzen die Wunderheilungen eine gläubige Bevölkerung voraus. Von Lauriacum aus begab sich Rupert dann an den Wallersee, ein anderes Reliktgebiet romanischer Siedlung, wo er sich zunächst im späteren Seekirchen niederließ und dort eine Peterskirche erbaute. Bald erkannte er jedoch, daß das oppidum Salzburg als Basis „zur Gewinnimg gläubiger Seelen" besser geeignet sei und schlug hier seinen Sitz auf693. Manches deutet darauf hin, daß das von ihm hier errichtete Petersstift an eine schon bestehende monastische Institution anknüpfte. So umfaßt der Anteil der
692
693
profecto pro non baptizatis habendi sunt"... Vgl. zuletzt ΕΚΑΤΟ;?:, Cristianizzazione, S. 159 ff., insb. 174 ff. Gesta s. Hrodberti coni, 4 = Conv. Bagoar. et Carant. c. 1, ed. WOLFRAM, S. 36; ed. LOSEK, S. 90 ff: ... quem vir Domini coepit de Christiana conversatione ammonere et de fide catholica inbuere ipsumque et multos alios illius gentis nobiles viros ad veram Christi fidem convertit et in sacra corroborava religione ...; 5: Praefectus itaque dux sancto viro concessit licentiam ... ecclesias Dei restaurare ...; zur Rekonstruktion der Urfassung der Vita Hrodberti aus Conversio und Gesta s. H. BEUMANN, Textgeschichte, insb. S. 167 ff.; 177 ff.; 188 ff. = Ausgewählte Aufs., S. 242 ff.; 252 ff.; 263 ff. Die Nachricht sacroque baptismate regeneravit erweist sich dabei als Interpolation der späteren Fassung; vgl. im übrigen auch F.SCHMITT, Zur Vita Ruperti. An der Ankunft Ruperts in Bayern um 696 ist wohl festzuhalten; s. DOPSCH, Salzburg als Missions- und Kirchenzentrum, S. 660 ff; WOLFRAM, Salzburg, S. 245 ff. Gesta 5 ff.; Conv. c. 1, ed. WOLFRAM, S. 36 ff; ed. LOSEK, S. 92 ff.: ... per alveum Danubii navigando iter arripuit... perveniens ad Lavoriacensem civitatem praedicando verbum doctrinae vitae multosque infirmes ... orando per virtutem Domini sanavit... 6: Deinde arrepto itinere pervenit ad quendam lacum, qui vocatur Walarium ... Postea vero ad notitiam pervenit ... aliquem esse locum ... antiquo vocabulo Iuvavensem vocatum, ubi antiquis scilicet temporibus multa fiierunt mirabiliter constructa aedificia tune paene dilapsa silvisque cooperta. 7: Hoc audiens vir Domini... propterfidelium animarum lucrum divina disponente gratia coepit ... rogare ducem, ut illius loci ei potestatem tribueret ad extirpando et purificando loca et ecclesiasticum, prout ei libitum foret, ordinare officium. Quod ipse dux consensu ... 8: Tunc vir Domini coepit renovare loca...
und die romanische Restbevölkerung
187
romanischen Personennamen unter den Mönchen von St. Peter bis zum Ende des Episkopats Virgils um 784 ein volles Drittel694. Aus der Vita und den auf Urkunden aus der Zeit Ruperts selbst beruhenden Angaben der Salzburger Güterverzeichnisse von 788/798 ergibt sich, daß neben dem fast verfallenen oppidum in der Salzachebene sich auf dem Nonnberg ein Castrum superius befand, vielleicht eine der Bergfestungen mit Kirche, wie sie uns überall im weiteren Ostalpenbereich als Fluchtburgen der romanischen Bevölkerung begegnen695. Hier gründete Rupert ein Kanonissenstift, unter dessen Insassen die Romanennamen zwar nicht fehlen, jedoch einen auffällig geringeren Prozentsatz ausmachen als im Petersstift696. Diese Beispiele mögen für den Nachweis eines Fortlebens des Christentums unter den Norikoromanen im 6./7. Jh. genügen. Die Kontinuität des Christentums im rätisch-norischen Raum wird auch dadurch unterstrichen, daß auch die übrigen Bistümer Bayerns - Regensburg, Passau und Freising - jeweils in Orten bzw. Regionen errichtet wurden, wo, wie wir sahen, das Überleben eines romanischen und damit christlichen Bevölkerungselements gesichert ist. Das Überleben des Christentums als stärkstem die Völkerwanderungszeit überdauernden Kulturfaktor der Antike läßt es nicht mehr als überraschend erscheinen, daß auch weitere Kulturelemente im Ostalpenraum und -vorland unmittelbar an die Baiern weitergegeben wurden. Dies dürfte, wie Heinrich Koller unterstrichen hat, für das frühmittelalterliche Urkundenwesen in Bayern gelten, das deutlich noch spätantike Traditionen und römisch-rechtliche Vorstellungen wiedergibt, die mit dem Niedergang des Urkundenwesens im 9./10. Jh. verschwinden. Dieses karolingerzeitliche Urkundenwesen setzt nicht nur noch die Existenz von Notaren, sondern die schriftliche Abwicklung von Rechtsgeschäften auch im weltlichen Bereich voraus, wie sie im übrigen auch die Lex Baiuwariorum fordert697. Neben diesen Faktoren des Überlebens römischer Kulturformen verdient noch ein weiteres Element Erwähnung, die gerade in den Rückzugsgebieten romanischer Besiedlung offenbar vielerorts noch nachzuweisenden römischen Flurmaße. Nachdem schon um die vorige Jahrhundertwende spätantike Flurgefuge in Wallgau südlich vom Walchensee und zwischen Rietz und Haiming entdeckt worden waren, konnten auf Hinweise Hermann Wopfhers hin seine Schüler Bachmann und Pekny solche u.a. auch in Thaur bei Innsbruck, in Wörgl und Erl ausmachen, d.h. ausnahmslos in Gebieten, die noch bis weit ins Frühmittelalter hinein geschlossene romanische Besiedlung aufwiesen698. Fußend auf diesen Ergebnissen 694
PRINZ,
695
S.
696 697 698
Bayern, Salzburg, insb. S. 2 0 - 2 6 . dazu oben S. 5 8 f. mit Anm. 2 0 5 - 2 1 1 ; vgl. KLEIN, Iuvavum, S. 8 2 ff. PRINZ, Bayern, Salzburg, S. 24 ff. KOLLER, Donauraum, insb. S. 24-34; 36 f.; FICHTENAU, Urkundenwesen, S.l 1 ff. BACHMANN, Flurgeschichte, S. 13 ff.; PEKNY, Spuren, S. 191 ff.; BROSCH, Quadrafluren, S. 125 f.; VETTERS, Kontinuität II, S. 498 ff.
188
VI. Die Bevölkerungsverluste der Provinzialen
hat Franz Brosch in den 50er Jahren den Raum des westlichen Ufernorikum systematisch untersucht und von ihm als Quadrafluren bezeichnete römische Feldabmessungen an zahlreichen Orten nachgewiesen oder zumindest vermutet699. Die von ihm als sicher (ebenso wie die als zweifelhaft) bezeichneten Funde häufen sich bemerkenswerterweise im Tal der oberen Salzach (Siezenheim, Maxglan, Schallmoss, Adnet, Unterlangenberg, Asten) und ostwärts in Richtung Mondsee (Ziegelstadl, Eugendorf, Watzing, Thalgau, Vetterbach, Mondsee), im Raum nördlich und nordwestlich des Attersees (Bergham w., Sachsigen, Dorf, Fischhammering, Pöring, Mösendorf, Walchen, Gampern, Bergham ö., St. Georgen, Seewalchen), schließlich bei und im Umkreis von Lorch westlich der Enns (Audorf, Pichling, Kristein, Moss, Hiesendorf, Schieferegg, Schmiding). Daneben treten außer einigen Streuvorkommen noch drei kleinere Massierungen hervor, so am mittleren Inn bei und ö. Braunau (St. Peter, Mauerkirchen, Parschalling), im Umkreis von Wels (Lichtenegg, Eisenfeld, Pernau, Steinhaus) und südwestlich Kremsmünster (Voitsdorf, Akamphub, Straß) und schließlich Micheldorf bei St. Georgen im oberen Kremstal vor dem Pyrhnpaß. Alle diese Befunde runden das Bild vom Fortleben der provinzialrömischen Bevölkerung Ufernorikums in den Ebenen und Flußtälern des unmittelbaren Vorlandes der Ostalpen ab und decken sich durchweg mit den oben angeführten Ergebnissen der Orts- und Personennamenforschung für das Frühmittelalter im Norden des Ostalpenraumes. Von den überzeugenden Belegen fur ein Bevölkerungskontinuum im Westen Ufernorikums und den Gebirgsregionen Binnennorikums hebt sich der magere Befund für das Gebiet östlich der Enns und am Südrand der Ostalpen deutlich ab. So haben sich im Ostteil Ufernorikums im Gegensatz zum Gebiet westlich der Enns die antiken Ortsnamen in direkter Überlieferung kaum je erhalten, obwohl die mittelalterlichen Siedlungen am südlichen Donauufer fast durchweg über den spätrömischen Kastellen liegen. Allerdings sind auch hier wie fast überall im rätisch-norisch-pannonischen Raum die Flußnamen tradiert worden: Ybbs-Yvesis, Erlauf-Arlape, Traisen-Tragisamum, Tulln-Tullina. Vom Namen der Traisen leitet sich wiederum der Name Traismauer ab. Spuren römischer Ortsnamenüberlieferung liegen auch in Zeiselmauer-Zeizinmure und den Bierbaumorten um Zwentendorf vor, sie knüpfen an die in Citium und Piro Torto vorliegenden römischen Ortsnamen an, ohne daß diese Namen unmittelbar am Orte haftengeblieben sind. Auch hat sich der Name des Kastells Comagenis bis in die Karolingerzeit hinein in der Bezeichnung des Wiener Waldes als Cumeoberg oder gar Comagenus mons erhalten. Auch Walchennamen im Quellgebiet der Kleinen Tulln deuten auf sitzengebliebene romanische Vorbevölkerung700. Doch spricht dies alles dafür, daß im Gegensatz zum Gebiet westlich der Enns im Osten Ufernorikums die Ortschaften verödet waren und sich nur vereinzelt in 699
BROSCH,
700
STKJLITZ-THALLER,
Quadrafluren, insb. S. 150 ff.; 158-167; JANDAUREK, Alpenvorland, S. 21 ff. Städte, S . 317 ff.; DIES., Lager, passim; DIES., Zwebendorf, insb. S. 87-93; WIESINGER, Probleme, S. 362 f.; DERS., Antik-romanische Kontinuitäten, S. 393 ff.; Karte 2.
und die romanische Restbevölkerung
189
den oberen Flußtälern des offenen Landes Reste der norikoromanischen Bevölkerung gehalten haben. Dies entspricht auch der Nachricht des Eugippius vom Beginn des 6. Jh., daß dieses Gebiet nunmehr völlig verlassen sei701. Auch der archäologische Befund scheint in diesem Bereich zu ergeben, daß die Besiedlung in den Kastellbereichen etwa in Mautem-Favianis, Tulln-Comagenis, AugustianisTraismauer und Zwentendorf-Asturis (?) Ende des 5. Jh. abbricht. Der ostufernorische Raum ist demnach besonders nachhaltig ausgeräumt worden, durchgreifender als dies selbst die Awaren- und Slaweninvasion im pannonisch-dalmatinischen Raum vermochte. Diese Beobachtung läßt die Folgerung zu, daß vor allem die von Eugippius beschriebene Evakuierung der Provinzialen aus dem bis dahin dem rugischem Protektorat unterstehenden Ostteil Ufernorikums um 487/8 diese Wirkung gezeitigt haben muß, ungeachtet der Tatsache, daß auch der Durchmarsch der Langobarden und die awarisch-slawische Landnahme in Pannonien diesen Grenzraum auch später noch in besonderem Maße in Mitleidenschaft gezogen und eine Regeneration der bodenständigen Bevölkerung nicht zugelassen haben. Diese Folgerung wird dadurch gestützt, daß sich in Oberpannonien, das ebenfalls sowohl eine Epoche langobardischer Niederlassung als auch der awarischslawischen Landnahme erlebte, ein wenn auch begrenztes Bevölkerungskontinuum nachweisen läßt. Dieses reicht bis zum Ende des 6. Jh., teilweise sogar bis in die Karolingerzeit hinein. Zunächst läßt sich eine ununterbrochene Fortdauer der Besiedlung, wenn auch in eingeschränkten Arealen, etwa für Vindobona•
7/11
ΙΟΪ
Wien , Canna6iaca(?)-Klostemeuburg , Carnuntum-Altenbmg, ArrabonaGyör704, Scarabantia-Sopron (Ödenburg)705 und Savarz'a-Szombathely (Steinamanger)706 zumindest noch für das ganze 6. Jh. belegen. In Carnuntum scheint sich eine spätere slawisch-awarische Belegung nachweisen zu lassen, denn durch den Awarensturm dürfte hier ebenso wie in Klosterneuburg und Scarabantia mit der Namenstradition auch das spätantike Bevölkerungskontinuum abgerissen sein. Neben dem archäologisch nachweisbaren Siedlungskontinuum in den genannten Ortschaften verdienen auch Friedhöfe Beachtung, die sich im nordwestpannonischen Raum des 6. Jh. von den Friedhöfen der Langobarden und später der Awaren abheben. So wurden in Hegykö östlich von Scarabantia am Südrand des 701
702
703 704
705
706
Eugipp. V. Sev. c. 40, 5 f.: ... ,haec quippe loca nunc frequentata cultoribus in tarn vastissimam solitudinem redigentur, ut hostes aestimantes auri se quippiam reperturos etiam mortuorum sepulturas effodiant'. Cuius vaticinii veritatem eventus rerumpraesentium comprobavit... LADENBAUER-OREL, Wien, S. 336; DIES., Berghof, passim; NEUMANN, Forschungen; VETTERS, Kontinuität II, S. 492 ff.; SOPRONI, Letzte Jahrzehnte, S. 80 f. SCHMELLER, Klosterneuburg, S. 291 ff. GRUNEWALD, Nachvalentinianische Bewohner; VETTERS, Kontinuität m, S. 5 1 - 6 7 ; KANDLER, Archäologische Beobachtungen. PÓCSY, Städte, S. 32f.; TÓTH, Vigilius, insb. S. 274 mit Anm. 56 f.; MÓCSY, Pannonia-Forschung IV, S. 398 f. mit Lit.; vgl. auch oben Anm. 231. TÓTH, Savaria, S. 100 ff.
190
VI. Die Bevölkerungsverluste der Provinzialen
Neusiedlersees für die erste Hälfte des 6. Jh.707, ferner in Kömye im Bereich einer spätantiken Festung auf halbem Wege zwischen Aquincum-Budapest und Arrabona-Raab (Györ)708 ebenso wie in und bei einer weiteren Festung bei Fenékpuszta am Südrand des Plattensees auf halbem Wege zwischen Savaria-Szombathely (Steinamanger) und Sopianae-Pécs (Fünfkirchen) Gräberfelder entdeckt, bei denen sich neben beigabenführenden Gräbern germanischer Einwanderer beigabenlose Gräber finden, die mit einiger Berechtigung den Nachkommen provinzialrömischer Bevölkerung zugewiesen werden können. Diese Friedhöfe brechen zwar mit dem Ende des 6. Jh. ab, doch findet der von Fenékpuszta in nächster Nähe eine Fortsetzung in den Friedhöfen der sogenannten Keszthély-Kultur, die bis zum Ende des 8. Jh. am Süd- und Südwestrand des Plattensees belegt wurden, sich mit ihren spezifischen Fundtypen der Stilus-Nadeln, Korbohrringe, Scheibenfibeln und Schlangenkopfarmringe deutlich von den gleichzeitigen Awarenfundstätten abheben und vermutlich einer romanisch-christlichen Restbevölkerung zuzuschreiben sind709. Auffallig ist, daß einige dieser Fundtypen, insbesondere StilusNadeln und Scheibenfibeln, gehäuft auch in der Baranya im Raum zwischen Pécs und Mohács auftreten und auch in diesem Gebiet noch das Fortleben einer stärkeren romanischen Restbevölkerung über das 6. Jh. hinaus signalisieren. Diese Folgerung wird untermauert durch die Auffindung eines Bronzekreuzes aus dem 7.Jh. bei Pécs, das eine griechische Inschrift trägt710. Demnach ist für bestimmte Bereiche des pannonischen Raums nördlich der Drau eine gewisse Bevölkerungskontinuität anzunehmen, die großenteils freilich mit der Abwanderung der Langobarden und der Awaren- und Slaweninvasion ihr Ende fand. Dennoch dürfte es hier noch romanische Siedlungsinseln gegeben haben, die auch die awarisch-slawische Landnahme überdauerten. Dafür spricht wiederum eine an einigen Punkten festzustellende Überlieferung nicht nur der spätantiken Gewässer-, sondern auch der Ortsnamen. So haben sich im östlichen Vorland der Ostalpen die Flußnamen der Rába (Arrabo), Marcai (Mursella) und Zala (Sala) erhalten, des weiteren über den keltischen Namen Vemania der Name Wiens, in Raab (Györ) der des Arrabo1 n. Auch blieb der Name Sabaria (Szombathely) über die Karolingerzeit hinweg bekannt712. Demgegenüber dürften die Namen Altenburg für Carnuntum oder Ödenburg für Scarabantia (Szombathely) 707
BÒNA, Grundlagen, S. 86 ff.; BARKÓCSY/ SALAMON, Remarks, S. 144 mit A n m . 30.
708
BARKÓCSY/ SALAMON, Remarks, S. 145 f. mit Lit.; A. SALAMON, Beziehungen, insb. S. 286-292.
709
710
Ebda., S. 139-145 mit Lit.; BARKÓCZI/SALAMON, Keszthely-Fenékpuszta, S. 275-311; R.
MOLLER, Neue archäologische Funde, bes. S. 278 FF.; DERS., Untergang, S. 246 ff; DAIM, Keszthely-Fenékpuszta, insb. S. 472 ff. BÒNA, Vierteljahrhundert, S. 294-297 mit Lit. (vgl. auch die vorhergehende Anm.); DERS., Ethnische Verhältnisse, insb. S. 62 f.; FÜLEP, Sopianae, insb. S. 285-301; MÜLLER, Neue archäologische Funde, S. 251-307; DERS., Untergang, S. 246 ff. Zum Bronzekreuz s. KOLLAUTZ, Denkmäler, S. 22 ff.
711 712
A. MÓCSY, Middle Danube, S. 354 f. Vgl. oben Anm. 706; 710.
und die romanische Restbevölkerung
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darauf deuten, daß die bayrischen Kolonisten der Karolingerzeit hier nur noch unbewohnte Ruinenfelder und Mauerringe vorgefunden haben. Daß im Hinblick auf das Überleben romanischer Bevölkerung in Südpannonien, das weit enger und länger an die Zentren der spätantiken Kultur gebunden blieb, prinzipiell mit anderen Voraussetzungen als in Nordpannonien zu rechnen ist, zeigt schon der Umstand, daß im Bereich der oberen Drau und Save nicht weniger als vier Namen römischer Munizipien überlebt haben: Poetovio-Ptuj, CeleiaCilli, Siscia-Sisak und schließlich Aguntum, dessen Name mit dem Bischofssitz oder zumindest einem Ausweichsitz auf den jenseits der Drau gelegenen Kirchbichl von Lavant wanderte713. Ferner liegt auch in Carnium-Krain-Kranj ein Namenskontinuum vor714. Parallel dazu begegnen uns auch in diesem Bereich wiederum die nunmehr slawischen Walchennamen, die sich besonders intensiv auf das Gebiet südlich von Celeia konzentrieren, hier und da tauchen sie auch in anderen Gegenden Sloweniens auf, wie z.B. Lahovce, Lasko, La§ka vas, Baselj, Belsinja vas, Laschitz usw715. Auf den Bergen und Bergspornen der südlichen Alpentäler und ihres Vorlandes gab es im 5./6.Jh. Jh. zahlreiche Bergkastelle, die, wie wir bereits gesehen haben, häufig durch eine Kathedra als Ausweichsitz eines Bischofs ausgewiesen sind716. Diese Kastelle boten der Bevölkerung des östlichen Binnennorikum und Südpannoniens im slowenisch-kroatischen Mittelgebirgsraum damals ausreichende Möglichkeiten des Überlebens. Im 6. Jh. lassen sich vielfach ostgotische und langobardische Besatzungen neben der bodenständigen Bevölkerung in diesen Bergsiedlungen feststellen, so etwa auf dem Ajdovski Gradee in Vranje 40 km südöstlich von Celeia über der Save an der Straße nach Neviodunum717 oder in Rifiiik bei Sentjur etwa 12 km östlich von Celeia, wo das zur Siedlung gehörende Gräberfeld auch langobardische Elemente enthielt718. In diesen Fällen, wie mehrfach auch in Kärnten, stellt sich die Frage der Existenz von germanischen (gotischen oder langobardischen) arianischen Kirchengemeinden neben katholischromanischen Gemeinden, auf die die bisherige Forschung keine eindeutige Antwort gab719. In Vranje ebenso wie in Rifiiik scheint die bodenständige Bevölke713
Zu Lavant s. oben S. 67 mit Anm. 243. SASEL, Carniola, Sp. 1569 ff. 715 PETRU, Poselitev (Settlement), insb. S. 360 f. u. 367; KRANZMAYER, Ortsnamenbuch, S. 115 f.; Kos, Vlahi; STANONK, Heiligenkulte; CIGLENECKJ, Archaeological investigations (mit weiterführender Literatur). 716 S. oben S. 58 mit Anm. 205-211. 717 ULBERT, Siedlungskontinuität, insb. S. 153 f.; P. PETRU / TH. ULBERT et al., Vranje, passim. "* L. BOLTA, GrobiSCe, insb. S. 139 f. 719 GLASER, Kirchenbau; DERS., Gotenherrschaft interpretierte so die gleichzeitige Existenz von zwei Kirchengebäuden in kleinen Ortschaften oder wie im Fall von Hemmaberg von zwei Doppelkirchensystemen, als Kirchen von Katholiken und Arianern, s. oben S. 67 f. mit Anm. 243 u. 246; vgl. zustimmend KAHL, Karantanen, S. 115. Gegen diese Auslegung wandte sich BIERBRAUER, Arianische Kirchen; eine differenzierte Stellungnahme bei BRATOZ, Beziehungen, S. 85-90. 714
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VI. Die Bevölkerungsverluste der Provinzialen
rung auch nach der Abwanderung der Langobarden noch verblieben zu sein, doch brechen die Funde mit der awarisch-slawischen Invasion gegen Ende des 6. Jh. ab. Dasselbe scheint für die weiteren bisher in Slowenien untersuchten Bergkastelle zu gelten wie Ajdna nördlich Bled im oberen Savetal, in Ajdovski gradee bei Bohinj (Wocheiner Save) oder in Polhograjska gora ca. 15 km westlich Ljubljana (Emona-Laibach). Die bisherigen Untersuchungen haben hierzu schon wichtige Resultate erbracht720. Ebenso sind die Bergkastelle Kärntens im Gebiet der Munizipien von Virunum, Tiburnia und Aguntum, die teilweise schon in der Zeit vor dem ersten Weltkrieg untersucht wurden, in den letzten Dezennien wieder ins Zentrum der archäologischen Forschungen gerückt worden. Neue gründliche Untersuchungen haben im diesen Räumen wichtige Aufschlüsse geliefert. Jedenfalls ist auch in diesen Gebieten mit Inseln romanischer Restbevölkerung zu rechnen, bes. im Gebiet Teurnias mit Molzbichl und auf dem Hemmaberg und in dessen Umgebung721. Denken wir nur daran, wie wenig bisher das durch zahlreiche schriftliche Zeugnisse und die Ortsnamenüberlieferung belegte Fortleben einer zahlreichen romanischen Bevölkerung im nördlichen Ostalpenraum und insbesondere im Umkreis von Salzburg bisher archäologisch untermauert werden konnte.
720
721
LEBEN/V ALIÒ, Ajdna, S. 5 3 4 ; 5 4 0 f.; CIGLENECKI, Archaeological Investigations; DERS.,
Results. Zahlreiche Beiträge von GLASER; vgl. seine zusammenfassenden Überblicke: Christianisierung; Frühes Christentum; Untergang (mit weiterführenden Literaturangaben). Zur Nonnosusinschrift von Molzbichl s. oben S. 173 mit Anm. 653.
VII. Zusammenfassung und Ausblick: Illyricum und der Untergang des (West-)Römischen Reiches Das spannungsreiche Szenario der Völkerverschiebungen in den römischen Ostalpen-Mitteldonau-Provinzen zwischen dem 4. und 6. Jh. hat uns Einblicke gewährt, die weit über die regionalen Auswirkungen der Ereignisse hinaus von grundlegender Bedeutung fur die Geschichte des Untergangs des (West-)Römischen Reiches und die Epoche des bis in die Gegenwart nachwirkenden Wandels der politischethnischen Neugliederung im europäischen Raum in dieser Epoche sind722. Ausgangspunkt war dabei die unter dem Kaiser Valentinian I. (364-375) reorganisierte und tiefgestaffelte Grenzverteidigung des römischen Reiches am gesamten Lauf der Donau bis hin zur Mündung, ferner die unter diesem Kaiser praktisch bereits endgültig vollzogene Teilung des Reiches mit der sich als verhängnisvoll erweisenden Position der illyrischen Praetorianerpraefektur. Sollte diese doch bald ihrerseits aufgeteilt und damit zum Zankapfel zwischen Ost- und Westrom und somit zum eigentlichen Schwachpunkt der Reichsverteidigung werden. Dabei ist darauf hinzuweisen, daß gerade diese Region, Illyricum und insbesondere Pannonien, sich im 3./4. Jh. zum eigentlichen Kernraum und Kraftquell des Reiches entwickelt hatte, der nicht nur fast alle Kaiser dieser Epoche stellte723, sondern auch zum nahezu unerschöpflichen Rekrutierungsraum für die bewährtesten Truppen der römischen Armee geworden war. Das scheinbar stabilisierte System der Reichsverteidigung wurde schon im Jahr des Todes Valentinians I. durch den Einbruch der Hunnen ins Gotenreich, den bald darauf sich dramatisch verstärkenden Druck mehrerer ostgermanischer und anderer Stammesgruppen auf die Donaufront und deren darauf erfolgende Aufnahme in den Grenzprovinzen südlich der unteren Donau auf schwerste erschüttert, schließlich in der Schlacht von Adrianopel im August 378 endgültig zum Einsturz gebracht. Hier schlugen die Visigoten Fritigerns mit ausschlaggebender Hilfe der Reiterei des Dreivölkerverbandes von Ostrogoten, Hunnen und Alanen unter den Anführern Alatheus und Saphrax das Heer des oströmischen Kaisers Valens im August 378 vernichtend. Valens selbst überlebte diese für die Zukunft entscheidende Niederlage nicht. Sie stellte einen Dammbruch dar, der wesentlich auch mit darauf zurückzuführen war, daß der weströmische Kaiser Gratian seinen Reichsteil zunächst vor einem Einfall der Alemannen schützen 722 723
Dazu zuletzt DEMANDT, Fall; FERRIL, Fall; POHL, Origini etniche. Nicht zu Unrecht hat JENÖ FITZ schon das dritte Jahrhundert als »das Jahrhundert der Pannonier« bezeichnet, s. die gleichnamige Veröffentlichung von 1982.
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VII. Zusammenfassung und Ausblick:
mußte und so dem oströmischen Partner in seiner Existenzkrise mit seinem Aufgebot nicht rechtzeitig zu Hilfe kommen konnte. Valens seinerseits hat auf den verhängnisvollen Rat seines Stabes hin die Ankunft des weströmischen Heeres nicht abgewartet und geglaubt, nur auf seine Kräfte gestützt die Entscheidungsschlacht wagen zu dürfen. Die weitreichenden Folgen von Adrianopel, die das oströmische Reich weniger stark als das weströmische betrafen, wurden nicht unmittelbar, sondern erst im Laufe der weiteren Entwicklung sichtbar. Gratian erhob bald den erfolgreichen Heermeister Theodosius zum Kaiser des Ostreiches, dem nun auch der Ostteil der illyrischen Präfektur zugeschlagen wurde. Theodosius gelang es zunächst, die schweren Verluste des oströmischen Heeres einigermaßen auszugleichen. Zugleich löste sich die Reiterei des Dreivölkerverbandes von den Visigoten und suchte zunächst Thrakien heim, drang später jedoch - vielleicht von oströmischen Amtsträgern bewogen - in das zum Westreich gehörende Pannonien ein. Nach schwersten Verwüstungen konnte jedoch Gratian um 380 durch einen Vertrag und die Ansiedlung dieses Verbandes Pannonien sichern. Nachdem diese Reiterei als berittene Eliteeinheit bereits die Schlacht von Adrianopel entschieden hatte, stand sie nunmehr Kaiser Theodosius I. in seinen Feldzügen zur Seite. Zunächst ging es gegen die ehemaligen Verbündeten, die Visigoten Fritigerns, die nun ebenfalls 382 durch neue Verträge gebunden und als in sich geschlossener Stammesverband zwischen unterer Donau und Balkangebirge, in Dazien, Mösien und Thrakien angesiedelt wurden. Die Erfahrungen der Schlacht von Adrianopel beschleunigten inzwischen auch bei den Visigoten den Prozeß der ,Verreiterung', wodurch die Visigoten sozusagen zu Berufskriegern wurden und ebenso wie zuvor der Dreivölkerverband die Fähigkeit verloren, durch bäuerliche Produktion sich selbst zu versorgen. Beide Gruppierungen, die des Alatheus und Saphrax wie die der Visigoten spielten in der Folge auch eine wesentliche Rolle bei der Niederwerfung der westlichen Usurpatoren, Maximus und später Eugenius. Damit begann die allmähliche Ersetzung der zunehmenden und nicht mehr auszugleichenden Verluste der regulären römischen Truppen durch halbautonome, nur durch wenig verläßliche Bündnisverpflichtungen dem Reich dienende barbarische Verbände vorwiegend von Reitertruppen unter eigener Führung, die sich durch Bewaffnung, Taktik und vor allem kriegerische Motivation den regulären Einheiten gegenüber immer deutlicher als überlegen erwiesen. Die in Thrakien angesiedelten foederierten Goten erhoben sich schon um 391 wieder gegen die Reichsgewalt. Im Verlauf dieses Aufstandes bildete sich unter Führung des „mösischen" Goten Alarich ein neuer visigotischer Verband, dem sich auch andere ethnische Gruppen anschlossen. Im ständigen Wechsel zwischen Bündnisgefolgschaft und Abfall, Sieg und Niederlage verwüstete Alarich weite Regionens des Balkanraums. In dieser Situation gelang es dem oströmischen Reich durch geschicktes Ausspielen verschiedener Verbände gegeneinander und mit Hilfe der Hunnen, sich der nicht akkulturierten gotischen Gruppen in Klein-
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asien und bei Konstantinopel zu entledigen und um 400/401 Alarich zu veranlassen, seine Operationsbasis nach Pannonien zu verlagern. Von dort aus stieß er bald nach Italien vor. Hier erlitt er in Kämpfen mit dem weströmischen Heermeister Stilicho schwere Verluste, doch war auch die weströmische Armee überaus geschwächt. Daher stieß eine neue Völkerlawine, die über Pannonien und Rätien hereinbrach, gegen Ende des Jahres 405 kaum auf Widerstand, zumal auch die Foederaten sich offenbar bewußt zurückhielten. Bald drang ein gewaltiges Heer heidnischer Goten, im Kern vermutlich Visigoten unter Führung des Radagaisus, wiederum in Italien ein. Zwar gelang es Stilicho durch Konzentration aller Kräfte mit Hilfe hunnischer, alanischer und gotischer Truppen, im Sommer 406 diese Bedrohung noch einmal auszuschalten. Die Entblößung der Rheingrenze von Truppen des Bewegungsheeres ermöglichte es jedoch anderen zunächst im Gefolge des Radagaisus über Pannonien eingefallenen Stammesverbänden, Wandalen, Quaden-Sueben und Alanen, zu denen sich im Maingebiet auch die Burgunder gesellten, um die Wende 406/407 nach schweren Kämpfen gegen die mit Westrom verbündeten Franken in einem zweiten großen Dammbruch nunmehr auch den Rheinlimes zu durchbrechen. Sie verwüsteten weite Regionen Galliens, bis Wandalen und (Quaden-)Sueben dann um 409 die Pyrenäen überschritten und in Spanien Fuß faßten. Die römischen Instanzen sahen keine andere Möglichkeit, als schließlich auch diesen Verbänden wiederum als Foederaten dort Wohnsitze anzuweisen. Damit leitete der Einbruch am Mittelrhein, indirekt durch die Invasion der Goten des Radagaisus ausgelöst und hauptsächlich von den ostgermanischen Wandalen getragen, den zweiten Akt der Zerstörung des weströmischen Reiches ein. Trotz aller früheren Vorstöße der westgermanischen Franken und Alemannen hatten diese bis zu diesem Zeitpunkt die römische Herrschaft in Gallien und Spanien nicht dauerhaft erschüttern können. Erst die Invasion der Wandalen, Quaden-Sueben, Burgunder und später der Westgoten sowie deren Landnahme in Südgallien, Spanien und schließlich Nordafrika entzogen dem weströmischen Reich die Basis seiner Existenz. Inzwischen hatte Alarich seine Verluste dadurch ausgeglichen, daß er die gotische Elitereiterei des Dreivölkerbundes unter Athaulf in seinen Verband eingliederte. Dadurch wurde er stark genug, es nochmals mit dem Kaiser Honorius aufzunehmen. Wieder erwies sich die führende Gruppe der Ostrogoten des Dreivölkerverbandes wie schon bei Adrianopel als Zünglein an der Waage, die das Schicksal des weströmischen Reiches entschied. Als die Ermordung Stilichos Alarich veranlaßte, erneut nach Italien vorzudringen, konnte er seine Kräfte durch den Zuzug von zahllosen gotischen Überläufern und anderen ehemaligen Gefolgsleuten des Radagaisus sowie Zehntausenden entlaufener Sklaven noch weiter verstärken und schließlich sogar Rom einnehmen. Nach Alarichs Tod übernahm Athaulf die Führung des hier neu entstandenen (west-)gotischen Großverbandes, mit dem er um 412 nach Südwestgallien zog, das seinerseits nach verlustreichen Kämpfen den (West-)Goten als Foederaten eingeräumt wurde. Wenn wir Orosius
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VII. Zusammenfassung und Ausblick:
glauben wollen, profilierte sich der in jahrzehntelangem Foederatenstatus aufgewachsene Athaulf damals anläßlich der Hochzeit mit Galla Placidia, Tochter und Schwester von römischen Kaisern, als führender Vertreter jener akkulturationswilligen Germanen, die ihre Aufgabe in der Erhaltung des römischen Reiches sahen724. Tatsächlich wurden die Westgoten in der Folge von der geschwächten Reichsgewalt wiederholt eingesetzt, um die barbarischen Invasoren Galliens und Spaniens in die Schranken zu weisen. Zwar gelang die Niederwerfung der silingischen Wandalen, doch dürften die Überlebenden zu den asdingischen Wandalen Geiserichs gestoßen sein, die um 429 nach Afrika, der Kornkammer Roms, übersetzten, um sich hier endgültig niederzulassen. Von hier aus suchten sie mit ihrer unüberwindlichen Flotte das westliche Mittelmeer und dessen Küsten heim und blockierten vor allem die lebenswichtige Kornzufuhr nach Italien. Damit war das Schicksal des weströmischen Reiches endgültig besiegelt. Alle weiteren Bemühungen des Kaiserhofes von Ravenna, alle weiteren Völkerverschiebungen und Landnahmen barbarischer Völker beschreiben nur noch den Todeskampf des weströmischen Reiches und seine Nachwehen. Zwar gelang es dem weströmischen Hof nach dem Abzug der Alarich-Goten, die Reichsgewalt im Süden und Westen des weithin verheerten Pannonien vorübergehend noch einmal zur Geltung zu bringen, doch mußten die nördlichen Provinzen nach 433 an die Hunnen abgetreten werden. Die hunnische Herrschaft band noch eine Zeitlang die nördlich der Donau ansässigen germanischen Völker. Als bald nach Attilas Tode um 453 das Hunnenreich zerfiel, befreiten sich die ostgermanischen Stammesgruppen und drängten nunmehr wiederum über den längst zerfallenen Donaulimes in die ausgebluteten Grenzprovinzen in den Ebenen Pannoniens. In ähnlicher Weise wie die kleineren Stammesgruppen hatten sich auch die Ostrogoten nach Attilas Tod wiederum geteilt. Einen geschlossenen Verband unter dem König Walamir, die „walamerischen" Goten, setzte Kaiser Markian um 456 in dem weithin verödeten Niederpannonien als Puffer gegen eine mögliche Bedrohung von Nordwesten her an, während er andere Gruppen in oströmisches Gebiet aufnahm. Unter ihnen bildete sich jedoch wiederum ein größerer Heerhaufen unter Führung des Theoderich Strabo heraus. Dieser hätte ebenso wie die aus den Walamirgoten entstandene Streitmacht des Amalers Theoderich zur existenziellen Bedrohung auch des Ostreichs werden können, wenn es der Politk des oströmischen Hofes nicht gelungen wäre, beide Großgruppen erfolgreich gegeneinander auszuspielen und schließlich den „walamerischen" Verband, der auch die Goten Strabos an sich gezogen hatte, in das Westreich abzuschieben, ähnlich wie dies seinerzeit mit den Visi-/Westgoten Alarichs - und vielleicht auch schon mit der Reiterei des Dreivölkerverbandes - geschehen war.
724
Orosius, Historia adv.paganos, VII,43,3-8; zur Heirat mit Galla Placidia vgl. CLAUDE, Begründung.
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Die zunehmende Schwäche des Westreiches wurde inzwischen auch darin sichtbar, daß wie schon der tüchtige Reichsverweser Stilicho auch Aerius, dann auch der Kaiser Valentinian ΙΠ. und seine Nachfolger, von Ostrom, falls überhaupt, nur mangelhaft unterstützt, fast durchweg durch Mord endeten. Die Politik im Ostalpen-Donau-Raum bestimmte zunehmend der oströmische Hof. Dabei gelang es diesem immer wieder, geschlossene Stammesgruppen aus seinem eigentlichen Machtbereich zu entfernen. So wurden die Kernverbände der Rugier, Heruler, Skiren und Gepiden nördlich und östlich der mittleren Donau angesetzt, während kleinere Splittergruppen dieser Stämme und der Hunnen in Thrakien angesiedelt wurden oder sich nach Italien wandten. Dort traten sie in die kaiserliche Garde ein, die schließlich im August 476 unter Führung Odoakers den letzten weströmischen Kaiserling Romulus Augustulus stürzte. Zwar wurde dieser Vorgang schon von einigen jüngeren Zeitgenossen als Ende des (west-)römischen Reiches aufgefaßt, doch war letztlich auch dieses Ende ein Prozeß, der sich noch über den Versuch der Restituierung des Gesamtreiches durch Justinian hinaus hinzog und erst mit der Invasion der Langobarden um 568 endgültig zum Abschluß kam. Erst diese beseitigte vollends ähnlich wie die Reichsgründungen von Franken und Westgoten in Gallien und Spanien die durch den Gotenkrieg Justinians bereits schwer mitgenommene politisch-administrative Infrastruktur des antiken Staatsapparates. Dagegen hatte sich die Reichsgründling Theoderichs in Italien - nominell im Namen des oströmischen Kaisers - noch weitgehend auf intakte antike Verwaltungsstrukturen einschließlich des ehrwürdigen römischen Senats stützen können. Im übrigen suchte der Gotenkönig nicht nur das Vorfeld durch ein Bündnissystem mit angrenzenden Stammesverbänden abzusichern, sondern es auch direkt durch Wiedereingliederung in das traditionelle Verwaltungssystem zu erweitern. Bis gegen Ende des 5. Jh. hatten die Franken ihrerseits vom Niederrhein aus den durch den Zerfall der Reichsgewalt des Schutzes entblößten Norden Galliens besetzt. Durch Beseitigung aller fränkischen Teilkönige, durch Ausschaltung der letzten Reste römischer Regionalherrschaft, schließlich auch der Alemannen und die Verdrängung der Westgoten aus großen Teilen Südwestgalliens etablierte Chlodwig dann hier bis 511 - nicht ohne Unterstützung durch Ostrom - das Frankenreich der Merowinger als neue nunmehr zu respektierende und auch von Byzanz anerkannte Großmacht. In diesem Zusammenhang dürfte Theoderich das in Rätien nach der Ausschaltung der alemannischen Machtbildung durch die Franken entstandene Vakuum durch Förderung des hier sich herausbildenden neuen Großstamms der Bajuwaren ausgefüllt haben. Nach dem Ableben Chlodwigs und Theoderichs dehnten der Herrscher des Teilreichs von Reims, Theuderich, und später sein Sohn Theudebert die fränkische Herrschaft über ganz Mittel-und Süddeutschland, Alamannien, Bayern und den Süden Thüringens bis an den Rand der Ostalpen aus. Hier stießen sie auf die Langobarden, die inzwischen vom mährischniederösterreichischen Raum her in Pannonien eingewandert waren, wo sie durch
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ΥΠ. Zusammenfassung und Ausblick:
Aufnahme zahlreicher anderer Stammesplitter sich ihrerseits zum Großstamm entwickelten. Die Langobarden, die Justinian zunächst wesentliche Hilfe bei der Niederwerfung des Ostgotenreiches in Italien leisteteten, vereitelten schließlich ihrerseits durch die Invasion Italiens auch den letzten Versuch dieses Kaisers, durch die Reconquista das Römische Reich in seinem ganzen Umfang wiederherzustellen. Obwohl auch das oströmisch-byzantinische Reich in der Folge noch schwere Existenzkrisen durchmachen sollte, erwies es sich in seiner Kernsubstanz immerhin als so stabil, daß es noch einen Zeitraum überdauerte, der den des bisherigen römischen Reiches - seit dessen Ausgreifen über Italien im zweiten punischen Krieg noch übertraf. Dieses Phänomen wirft unausweichlich die Frage nach den eigentlichen Ursachen des frühen Untergangs des (West-) Römischen Reiches auf. In einseitig verengter Sicht ist es seit längerem Mode geworden, für den Untergang des (West-)Römischen Reiches alle möglichen Gründe verantwortlich zu machen, den der Eroberung durch die Barbaren, insbesondere germanische Stammesverbände, jedoch geradezu auszuschließen. Demgegenüber wurde ein allmählicher Zerfallsprozeß des römischen Reiches angenommen, dem vor allem endogene Ursachen zugrundelagen. Alexander Demandi hat sie vier Themenbereichen zugeordnet und der Reihe nach widerlegt: Die durch die Christianisierung bewirkte Abwendimg von säkular-politischem Denken, die Zunahme und Unüberbrückbarkeit der sozial-ökonomischen Gegensätze, nachlassende Volkskraft durch Degeneration, Bevölkerungsschwund und Wehrmüdigkeit, schließlich der in verhängnisvollen Fehlentscheidungen und inneren Konflikten sich offenbarende Mangel an Führungskraft725. Gewiß lassen sich in diesem Rahmen zahlreiche Vorgänge anfuhren, die zum Versagen der vorher so gut organisierten römischen Reichsverteidigung und dem schließlichen Zusammenbruch der Staatsgewalt im Weströmischen Reich beitrugen, so insbesondere innerrömische Auseinandersetzungen durch häufige Usurpationen und Bürgerkriege, Ausbeutung durch Steuerlasten und gleichzeitige Abnahme des Steueraufkommens, Aufstände und Verselbständigung der Provinzialen, mangelnder Wehrwille, „Germanisierung" der Armee und andererseits Schrumpfung der regulären Truppeneinheiten, Aufstieg von Germanen bis in die höchsten Reichsämter, Preisgabe durch Ostrom usw. In Wirklichkeit handelt es sich jedoch hier eher um Symptome als um eigentliche Ursachen des Niedergangs, bei denen im übrigen mitunter sogar eher Ansätze zur Stabilisierung auszumachen sind. Hat der ständige Zustrom barbarischer Rekruten, Siedler und akkulturationswilliger Gruppen ebenso wie der Aufstieg und die verantwortungsvolle Führung germanischer Heermeister bis hin zu den obersten Chargen nicht lange Zeit die Lage eher stabilisiert als gefährdet? Lag es nicht im Rahmen historischer Möglichkeit, daß die Germanen allmählich die Illyrer als eigentliche Stütze der Reichsgewalt hätten ersetzen und den Bestand des 725
S. dazu vor allem DEMANDI, Fall, insb. S. 571-600; DERS., Spätantike, insb. S. 481-492.
Illyricum und der Untergang des (West-)Römischen Reiches
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Reiches für weitere Jahrhunderte festigen können? Sind nicht die Eroberer des weströmischen Reiches und Gründer seiner Nachfolgestaaten in Italien, Gallien und Spanien als Kriegeradel mit den unterworfenen Provinzialen zu neuen Völkern eigener romanischer Sprache verschmolzen und haben schließlich doch wesentliche Elemente der säkular-politischen, ökonomisch-sozialen und religiösen Tradition Roms aufgenommen? Wie Demandt mit guten Gründen ausführte, können die oben angeführten Vorgänge und Zustände nicht auschlaggebend für den Untergang Roms und das Scheitern der römisch-germanischen Symbiose gewesen sein. Dennoch war bei der Größe des Reiches und der demgegenüber relativ geringen Zahl der Invasoren eine eigentliche Eroberung und gewaltsame Besitzergreifung als einmalige Aktion natürlich nicht möglich und durchführbar. Andererseits verlief die römisch-germanische Symbiose, bei der das germanische Element die Wehrkraft des Reiches zunehmend verstärkte, in den ersten Jahrhunderten der Kaiserzeit durchaus erfolgversprechend. Entscheidend war schließlich jedoch, daß es dem weströmischen Reich seit den letzten Jahrzehnten des 4. Jh. nicht mehr gelang, die in größeren geschlossenen Verbänden als sogenannte Foederaten auf römische Seite übergetretenen und als solche eingesetzten vornehmlich ostgermanischen Stammesgruppen auch kulturell in den Reichsverband zu integrieren und allmählich zu assimilieren, so wie dies bis dahin bei der Aufnahme zahlloser Barbaren in kleineren Abteilungen noch der Fall gewesen war. Diese waren in der Regel in reguläre Heereseinheiten eingegliedert oder als solche organisiert oder auch verstreut als Kolonen angesiedelt und somit allmählich assimiliert worden. Tatsächlich wurde von Aquileia, d.h. von westlicher Seite aus mit der Mission des Bischofs Amantius auch nach 380 noch der Versuch unternommen, die Truppen des Dreivölkerverbandes durch Bekehrung und geistliche Betreuung sich auch kulturell anzugliedern. Doch ist dieser Ansatz gescheitert, vielmehr führte der Aufstand der Foederaten um 396, der Einmarsch der Visigoten unter Alarich in Pannonien und schließlich die Invasion der Völker des Radagaisus den Zerfall des Verbandes in seine ursprünglichen ethnischen Bestandteile herbei, die sich jeweils auch in der 2. Generation noch als Reiterkrieger und Eroberer erwiesen. Ein möglicher Prozeß der Akkulturation wurde durch die Geschlossenheit und Größe der aufgenommenen Verbände vereitelt, die zugleich die Bewahrung der kriegerischen Tradition, Lebensart und Mentalität bedingten. Einem Gelingen der Assimilation stand auch der religiöse Gegensatz zwischen der katholischen Reichsbevölkerung und den arianischen Verbänden meist berittener Elitesoldaten entgegen, die durch ihre immer offenkundiger werdende militärische Überlegenheit ein hohes Maß an Selbstbewußtsein entwickelten. Sie hielten daher an ihrer bisherigen kämpferischen Lebensauffassung fest, blieben im Prinzip beweglich, waren zu bäuerlicher Produktion nicht mehr fähig und daher auf ständige Subsidien angewiesen, bei deren Ausbleiben sie jederzeit zu Aufruhr und neuem Aufbruch in beuteverheißende Landstriche neigten. Sie bewahrten also innerhalb des
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VII. Zusammenfassung und Ausblick:
Reiches ihre eigene Identität, eine Identifizierung mit dem Reich, dessen Grenzen sie verteidigen sollten, fand letztlich nicht mehr statt. Die feste und massierte Niederlassung mit Frauen und Kindern bewirkte auch die Weitergabe der kriegerischen Traditionen an nachwachsende Generationen und schuf darüber hinaus auch die Voraussetzungen dafür, laufend andere Gruppen von Stammesgenossen und auch bereits teilweise akkulturierter Reichsbarbaren, auch Scharen von Sklaven und sogar der durch die Heimsuchungen entwurzelten Provinzialen an sich zu ziehen, die sich ihrerseits an die neuen Herren anpaßten. Damit wurde am mittleren und unteren Donaulimes ein Prozeß eingeleitet, der darauf hinauslief, daß sich innerhalb der Reichsgrenzen immer größere Bezirke herausbildeten, die von mehr oder weniger autonomen barbarischen Stammesgruppen besetzt und beherrscht wurden und sich trotz vorübergehender Bindung durch Foederatenverträge auf die Dauer aus dem Geltungsbereich römischer Herrschaft und Verwaltung herauslösten. Mit der mehr oder weniger erzwungenen Niederlassung geschlossener Stammesverbände auf weströmischem Reichsboden seit Adrianopel vollzog sich die .Eroberung' also nicht als einmaliger Vorgang, sondern als ein sich weit über ein Jahrhundert erstreckender Prozeß, wobei die in Schüben erfolgende meist durch Vertrag mit den römischen Instanzen erfolgende germanische Landnahme geschlossener größerer und nicht mehr zu akkulturierender Verbände mit vorgeblichem ,Foederatenstatus' den Ausschlag für den Untergang des (west-)römischen Reiches gab726. Gleichzeitig war es immer weniger möglich, die Verluste der regulären römischen Armee durch Neurekrutierungen einheimischer oder zumindest akkulturierter Jungmannschaften abzugleichen, so daß die Ist-Stärke der Einheiten rapide abnahm und damit das Verhältnis zwischen einheimischen und barbarischen Kämpfern sich immer mehr zu Ungunsten ersterer und damit des erforderlichen Gleichgewichts veränderte727. Diesen Prozeß spiegeln insbesondere die Vorgänge im Raum innerhalb der Grenzen des weströmischen Reiches südlich des Donaulimes in dem Jahrhundert zwischen 378 und 476 wieder. Ein Musterbeispiel ist der aus drei ethnischen Gruppen, Ostrogoten, Hunnen und Alanen bestehende Dreivölkerverband, der in 25 Jahren Foederatenstatus und erfolgreichem Einsatz im Dienst der Reichsverteidigung weder sich in die römische Gesellschaft innerlich einzugliedern und mit ihr zu identifizieren noch überhaupt die ethnischen Gegensätze innerhalb des Bundes abzugleichen vermochte. Vielmehr wurde die wohl stärkste Gruppe, der ursprünglich ostrogotische Eliteverband, zu einem wesentlichen, wenn nicht führenden Element der westgotischen Ethnogenese, stellte wiederholt Könige und trug ebenso zu den Erfolgen Alarichs I. im Kampf gegen den weströmischen Kaiserstaat wie auch, wie wir wohl annehmen dürfen, später zu den Reichsgründungen in Toulouse und Toledo bei. Seit 726 727
Vgl. dazu FERRIL, Fall, insb. S. 83 ff.; 97 ff.; 119-132 ; POHL, Konfliktverlauf. Dazu zuletzt insbes. CASTRITIUS, Wehrverfassung, insb. S. 225-230.
Illyricum und der Untergang des (West-)Römischen Reiches
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dem Dammbruch von Adrianopel um 378 und vollends dem am Mittelrhein um 406 hat die Politik vor allem des weströmischen Hofes in der sich laufend verschlechternden Situation nicht mehr tun können, als durch Lavieren und Gegeneinanderausspielen der verschiedenen Stammesgruppen vor und hinter den Reichsgrenzen das Ende hinauszuschieben. Zu einem dauerhaften Wandel der immer bedrohlicher werdenden Lage ist es trotz einiger erfolgversprechender Ansätze, etwa unter Stilicho oder noch Maiorian, im Westen nicht mehr gekommen. Dafür, daß diese Entwicklung nicht eine zwangsläufige war, gibt es genügend Gegenbeispiele gelungener Akkulturation und Assimilation sowohl von Einzelpersonen gehobener wie niederer Herkunft oder auch von kleineren oder größeren Gruppen von Barbaren, die durch Bildung von Eliteeinheiten der römischen Armee, durch den Aufstieg in der militärischen Laufbahn oder auch durch Ansiedlung als Kolonen ihrerseits in dieser Epoche immer wieder auch entscheidend zur Stärkung und Stabilisierung der römischen Reichsgewalt und Gesellschaft beigetragen haben. Wie jedoch etwa die Aufstände und Kämpfe reichsrömischer Goten um Fravitta, Eriulf, Gainas und Tribigild zeigen, war dieser Prozeß der Akkulturation stets gefährdet, sowie es zu größeren Zusammenballungen halbzivilisierter Barbaren unter tatkräftigen Führern kam728. Daher nimmt es nicht wunder, daß diese Vorgänge um die Wende des 4./5. Jh. schließlich antigermanische Reaktionen hervorriefen, welche die Situation nur noch verschlimmerten. Sie haben damit zwar die im oströmischen Reich von geschlossenen nichtintegrierten Verbänden drohende Gefahr beseitigt, doch wurden im Westen demgegenüber gerade die reichsstabilisierenden Elemente akkulturierter oder akkulturationswilliger Germanen ausgeschaltet oder auf die Seite der romfeindlichen Kräfte gedrängt. Als Beispiel dafür sei hier nur auf die Ermordung des ebenso tüchtigen wie loyalen Reichsregenten Stilicho und ihre verhängnisvollen Folgen hingewiesen. Diese Deutung wird auch dadurch bestätigt, daß die Entwicklung im Ostreich anders verlief, obwohl es zunächst auch dort Ansätze zu einer ähnlichen Entwicklung wie im Westen gab. Nachdem das oströmische-byzantinische Reich in den ersten Jahrzehnten des 6. Jh. wieder erstarkt war, unternahm Kaiser Justinian noch einmal den Versuch, das römische Reich in seiner Gesamtheit wiederherzustellen. Nach der schnellen Niederwerfung der Wandalen und der Rückeroberung Nordafrikas 531/33 gewann er Gepiden und Langobarden sowie die Franken für ein Bündnis gegen das Reich der Ostgoten. Zwar gelang es Byzanz, in zwanzigjährigen schweren Kämpfen auch Italien und den Süden Spaniens zurückzugewinnen. Doch hat der Pyrrhussieg des Gotenkrieges nicht nur Italien nicht auf Dauer gewinnen können, sondern letztlich auch den endgültigen Verlust des lange umkämpften Donau-Balkanraums bedingt. In der Tat schwächte der Gotenkrieg die römische Abwehrkraft so sehr, daß man den endgültigen Verlust des Balkanraumes als seine unmittelbare Folge be728
Hierzu insbes. WOLFRAM, Goten1, S.174-178;*, S. 153-157.
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ΥΠ. Zusammenfassung und Ausblick:
zeichnen kann. Seit der Mitte des 6. Jh. wurde das Reitervolk der Awaren, das weitere östliche Reitervölker und vor allem die volkreichen Stämme der Slawen mit sich riß, von mittlerer und unterer Donau her zunehmend zur existentiellen Bedrohung fur das oströmische Reich. Zwar gelang es Byzanz, im Bündnis mit Langobarden und Awaren, um 566 die unbequem gewordenen Gepiden auszuschalten. Damit war jedoch das Gleichgewicht im Balkanraum zerstört, die unmittelbare Folge zunächst die neuerliche Invasion Italiens durch die Langobarden und dessen endgültiger Verlust durch deren Landnahme ebendort. Des weiteren rückten in das ausgeblutete und verödete Pannonien nun die Awaren und mit ihnen die (Süd-) Slawen ein, deren Druck gegen Byzanz sich zugleich von der unteren Donau her verstärkte. Seit der Wende des 6./7. Jh. füllten die Slawen auch die durch die Abwanderung der ostgermanischen Stämme weitgehend entvölkerten Gebiete östlich der Elbe und in Böhmen auf und faßten endgültig auch in den zuvor verwüsteten oberen Donauprovinzen und Makedonien Fuß. Während des zweiten Jahrzehnts des 7. Jh. wuchs sich die gleichzeitige Bedrohung des oströmisch-byzantinischen Reiches durch die Awaren von Westen, die Perser von Osten her auch hier zur Existenzkrise aus. In dieser Situation zog Kaiser Herakleios (610-641) die Konsequenzen aus dem Versagen der bisherigen Reichsverfassung, insbesondere der ebenso kostspieligen wie unsicheren auf fremde Söldner und Foederaten sich stützenden Heeresorganisation. Mit seiner frühere Ansätze weiterentwickelnden Heeresreform erfolgte eine umfassende Mobilisierung der eigenen Kräfte, die Rekrutierung von Reichsangehörigen aus kriegstüchtigen Stämmen Kleinasiens, etwa der Isaurier, gräzisierter Goten sowie der Völker des Kaukasus für die Elitetruppen des Feldheers und schließlich die Ansiedlung von Militärkolonisten (Stratioten), die sich mit den neugeschaffenen Militärbezirken in der Folge zur systematischen Neuordnung der sog. Themenverfassung zunächst in Kleinasien entwickelte729. Obwohl diese Reform zu seiner Zeit noch in den Anfängen steckte, gelang es Herakleios mit den neuaufgestellten und gut einexerzierten Truppen zwischen 622 und 628 sowohl die Perser als auch die Awaren vernichtend zu schlagen und die an die Perser verlorenen Ostprovinzen zurückzugewinnen. Wenn diese Gebiete auch mit der Araberinvasion wieder verloren gingen, stabilisierte Herakleios mit der neuen Armee, neuer Strategie und der Schaffung zahlloser Stratiotengüter das byzantinische Reich in den Kemgebieten Kleinasiens und des Südbalkanraums für ein halbes Jahrtausend, bis es in weiteren jahrhundertelangen Kämpfen schließlich den Türken erlag. In der Zwischenzeit konnte es jedoch eine Schutzfunktion erfüllen, die dem europäischen Raum eine ungestörte Entwicklung sicherte und ihn vor allem vor der Islamisierung von Osten her bewahrte.
729
S. dazu Ostrogorski, Byzanzinischer Staat, S. Herakleios; DÖLGER, Ableitung.
63-78;
DERS., Livre des Thèmes;
ENSSLIN,
IUyricum und der Untergang des (West-)Römischen Reiches
203
Demnach war der Zusammenbrach des (west-)römischen Reiches ein knappes Jahrtausend vor dem Ende des oströmisch-byzantinischen Staates kein unausweichliches Schicksal. Nicht die Aufnahme von Germanen und anderen Barbaren in die römische Armee, auch nicht zeitweilige Einbrüche und Verwüstungen weiter Landstriche, sondern erst die Aufnahme, Ansiedlung und die faktische Duldung der Autonomie größerer geschlossener und nicht mehr zu akkulturierender Stammesverbände, die allmählich die Provinzen des Westreichs in Besitz nahmen, zerstörte die Basis des weströmischen Staatsgefuges. An seine Stelle traten nach und nach die von den germanischen, slawischen und awarischen Invasoren gegründeten Reiche, die als partielle Nachfolger der römischen Staatsgewalt auftraten. Dabei bildeten die germanischen Eroberer in den ehemaligen Binnenprovinzen des (west-)römischen Reiches - im Gegensatz zu dem von Awaren und vor allem Slawen besetzten Balkanraum - vielfach nur eine dünne Herrenschicht, die sich ihrerseits mit dem ortsansässigen Adel vermischte, so unmerklich in den noch von der antiken Überlieferung geprägten Kulturkreis hineinwuchs und sich in den Westprovinzen, wo die eingesessene Bevölkerung großenteils überlebt hatte, schließlich doch assimilierte. So waren etwa die Westgoten, welche in zwei Jahrhunderten römisch-germanischer Bündnisbeziehung und Koexistenz der Symbiose am nächsten kamen, schon im späten 6. Jh. in Spanien weitgehend romanisiert730. Nicht anders verlief die Entwicklung in den Reichen der Franken und der Langobarden, anders aber in den ehemaligen römischen Grenzprovinzen des DonauAlpenraums wie auch in den Regionen westlich von Mittel- und Unterrhein und oberer Maas. In diesen Bereichen hatten die immer häufiger aufeinander folgenden Invasionen und Verwüstungen weiter Landstriche, wie wir sahen, die römische Bevölkerung weitgehend ausgeräumt, so daß die landnehmenden Slawen und Germanen hier eine erdrückende Mehrheit darstellten, die zudem durch agrarische Produktion sich selbst zu unterhalten in der Lage war. Am ehesten fanden die Invasoren in den Ebenen Pannoniens weithin verödete und menschenleere Räume vor. Doch überall, wo gebirgige Landschaft, sei es im gesamten Ostalpenraum, sei es im istrischen Karst oder in den unübersichtlichen Küstenregionen Dalmatiens wie auch in den Mittelgebirgslandschaften westlich des Rheins den Provinzialen Zufluchtsmöglichkeiten oder Rückhalt boten, hielt sich in mehr oder weniger großer Zahl romanische Restbevölkerung oder ein romanisches Substrat. So reicht im eigentlichen Hochalpenraum von Tirol bis zum Bistum Chur rätoromanische Kontinuität bis in die Gegenwart hinein. Andererseits läßt sich in den Ostalpen vom Salzburger Land bis weit in das nördliche Alpenvorland hinein in urkundlicher Überlieferung verfolgen, wie am Ort verbliebene Romanen in ungestörter sozialer Schichtung, Adel, Freie und Unfreie ihrerseits friedlich in den bayerischen Stamm integriert wurden. Und vielerorts ist auch 730
Vgl. W.EBEL-ZEPENAUER, Studien zur Archäologie.
204
VII. Zusammenfassung und Ausblick:
die Kontinuität des Christentums und einer zumindest rudimentären kirchlichen Organisation bis weit in das Vorland des Gebirges hinein zu belegen. Nicht zuletzt war es die christliche Religion, die hier, wenn auch von den Zentren abgeschnitten und daher teilweise nur in Kümmerformen erhalten, dennoch den Eintritt der barbarischen Invasoren in die christliche dem Vermächtnis der Antike verpflichtete Kultur des Mittelalters vorbereitet und gefördert hat. Es überrascht dabei nicht, dass diese Romanen zugleich technische Fertigkeiten der römischen Antike bewahrten und an die neuen Herren, Germanen wie Slawen, weitergaben. Somit ist es wiederum der Ostalpen-Mitteldonau-Raum, in dem sich auch im Übergang zum Mittelalter beispielhaft europäisches Schicksal wiederspiegelt. Wenn wir von Pannonien absehen, wo Karl der Große im frühen 9. Jh. das Reich der Awaren vernichten sollte und nicht lange danach die Ungarn deren Stelle einnahmen, bildeten sich vom Ostalpen-Mitteldonau-Raum ausgehend in Mittel- und Westeuropa in den von uns behandelten Jahrhunderten mit der Entstehung neuer ethnischer Einheiten und der mehr oder weniger intensiven Aufnahme antiker Traditionen schon die Völkerkonstellationen heraus, die im wesentlichen bis heute Bestand haben.
VIII. Bibliographie a) Abkürzungs- und Siglenverzeichnis 1. Allgemein A. Abt AG AK AW Bh dt ErgBd FMA FG FS Gesch Hb Intern. Jb Lg MA, ma ND NF NÖ NS Ö OÖ Sb SBd Sh Zs
Abhandlungen, Akten/Actes, Anzeiger, Archäologie, -isch, Archiv Abteilung Arbeitsgemeinschaft Arbeitskreis Akademie der Wissenschaften, (phil.-hist.Abt.) Beiheft deutsch Ergänzungsband Frühmittelalter Festgabe Festschrift Geschichte Handbuch International Jahrbuch Landesgeschichte Mittelalter, mittelalterlich Neudruck neue Folge Niederösterreich neue Serie Österreich, -isch Oberösterreich Sitzungsberichte Sonderband Sonderheft Zeitschrift
2. Abkürzungen zu Quellen- u. Literaturangaben AA AAAd AANL AAntH AArchH AA SS AAust ABAW
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206 ACIAC
ACIN ACISH ACIStL ACO AÉ AFD
AFR 5; 9 AHGA AHR AHung AiD AIJ AKEp AJB AK AKbl AKuG AN ANL AnnBoll AnnUBud ANRW
ANSI AnTard Antiquitas AÖAW AÖG APEL
APM APrAW AR Ara ArchAust ArchPol Aro ArtBull ASFL
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a) Abkürzungs- und Siglenveizeichiiis AT AuA AUDeb AV AVÖR AVGT Bajuwaren BABKG BAR BdtLk BE BÉCh BHBl BHL BHL NS BiOÖ BJb BKAF BldLG BLRE BNF NF Bohemia BOPF BRGK BS
207
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Bslav BStM BT BTRO BVFG BVGB1 Byz ByzZs Car I Carn
CCSL CEFR CF CFHB Chiron
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208 ChrKu ChrMin CIL CJ Clio CMML COD Conflict CSEL CSIRÖ CTh Cumania DA DACIA Dessau DHGE DNP Doxa DRA Eirene FAP FEA FHG FiL FMASt FMRÖ FMRS1 FolA FontAmbr Fonti Francia FS BARKÓCZI FS EGGER FS PlTTIONl FS SOPRONI FVFGD GARG GAS GCS
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HJbLg Hermes HGM Historia Histórica HJbK HJbL HM HZ IA IBKW 1ER IKEp ILChV
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ILK
JbABKG JbAC JbFLF JbGOE JbLkNÖ JbNG JbOÖMV JbRGZM JbSTKI JbStL JbVGStW Joanneum JÖAI JPME JRSt KBNÖ
Intern-Limeskongreß, 11. (Székesfehérvár 1976), Budapest 1977; 13. (Aalen 1983), Stuttgart 1986; 14. (Carnuntum 1986), Wien 1990; vgl. LRK; LSt; AFR; RFSt; STMGR. Jb. f. altbayerische Kirchengeschichte, München 1962 ff. Jb. f. Antike u.Christentum, Münster 1958 ff. Jb. f. fränkische Landesforschung, Erlangen u.a., 1935 ff. Jbb. f. d. Geschichte Osteuropas, München 1936 ff. Jb.f. Landeskunde NÖ N.F., Wien 1902 ff. Jb. f. Numismatik und Geldgeschichte, München 1949 ff. Jb. d. OÖ Musealvereins, I.Abhandlungen, Linz 1926 ff. Jb. d. Römisch-german.Zentralmuseums, Mainz 1954 ff. Jb. d. Südtiroler Kulturinstituts, Bozen 1961 ff. Jb. d. Stadt Linz, 1949 ff. Jb. d. Vereins f.Geschichte d.Stadt Wien, Wien 1939 ff. Joanneum. Beiträge z. Naturkunde, Geschichte, Kunst u. Wirtschaft d. Ostalpenraumes, Graz 1940 ff. Jahreshefte d. Österreichischen Archäologischen Instituts, Wien 1898 ff. A Janus Pannonius Múzeum Évkônyve, Pécs 1956 ff. Journal of Roman Studies, London 1911 ff. Kulturberichte aus NÖ, Wien 1968 ff.
210 KFMAF3; 7 K1P KLA Klio KMG Kronika LARD Latomus LAW LCL LF LRE LRK LSt LThK2 LThK3 MAG MAI Mansi
MBVFG MEFRA MFMÉ MGH MGSLk MIÖG MiChA MLJb MonArch MonGMA MOÖLA MÖAG MPG MPL MUAG Münster Nat
ND Nov. NumZs
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a) Abkürzungs- und Siglenverzeichnis ObGM OÖHB1 Ozb ÖAI ÖAWDS ÖGL Ostamchi ÖZKD PAÖG PaP PAR PCEL
PLRE
PrBA PVWK QFSKGV RAC RAFC RALSc RAM RE REB RFNÖ RFSt
RGZM RH Rhdfé RhM RhVjBl RiA RivAC RivStChl RivStI RKÖ RLBK
211
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SacEr Saeculum SalzburgD SBaG SbÖAW SBKAW SBLG Schiern SchlSchr SChr SE Sett SevRVW SHS1 Sitala SlovArch SOF SOEJb SpAfMA Sprache SSRG SSRM SSz STAC StAUCSAV StG StHSlov StM StMGR StOM StPL StZv SUb
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a) Abkiirzungs- und Siglenverzeichnis Teth
THB1 Traditio TWSt Tyche UFrG II UH UrS VCC VChr VhVOPfR Viator VIÖG VKSOE VMF VMMK VSAP VS 1980 VSWG VuF VuF, Sbd. WÖG WABL WaG WbSt WdF WGB1 WPSt WSNÖ WSt ÏA ZBLG Zt ZDA ZGORh ZHVSt ZKG ZOF ZR ZRGKA
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IX. Register a) Abkürzungsverzeichnis A •Mg. Bf Br Bt Byz C Cnn D Fh Fl Hl,hl Hz Κ Kg(n) Ks(n) 1 M Mt(n) MM η Ρ Pa PP Pr S Τ
Abt allgemein Bischof Bruder d. Bistum byzantinisch Comes Comes rei militaris Diözese Feldherr Fluss Heiliger, heilig Herzog Kirche/n(patrozinium) König(in) Kaiser(in) legio Milites Märtyrer(in) Magister militum, Heermeister numerus, militärische Einheit Patricius Papst Praefectus Praetorio, Prätorianerpräfekt Provinz, Presbyter Sohnd. Tochter d.
268
IX. Register
b) Personen-, Gruppen-, Völkemamen und -bezeichnungen Aaron von Agunt, Bf 64, 171 Aegidius 20, Aerius, P, MM 15ff., 33f„ 197 Agilolfinger 135 Agiluf, Kg 152ff. Alani, -nen 12f„ 19, 32f„ 51, 56, 70ff„ 81fT., lOOff., 111, 157, 160, 193, 195 Alarich, MM, Kg 12ff„ 51, 56, 80, 85ff„ 91, 94ff, 111, 160, 162, 164, 194ff„ 199f. Alarich Π., Kg 117 Alarich, Suebenkg 111 Alatheus 10, 13, 32,46, 50f., 56, 70ff., 80f„ 89, 95f., 157, 193f. Alatheus-Saphrax-Verband, s. Dreivölkergruppe Alaviv 70 Albina, romanische Familie 175f. Alboin, Kg 140ff„ 149 Alemannen 27, 58, 71, 83, 102, 11 lf., 119ff. 129ff., 167, 193, 195, 197 Amalaberga 131 Amaler 75£f., 95f„ 98,104, 117, Amantius, Br 56, 73f., 94, 164, 199 Ambrosius, Bf 54, 100, 158, 162 Ammianus Marcellinus 2, 75, 77f., 156f. Anastasia, Mtn 165 Anatolius, PP 9 Andreas v. Celeia, Bf 69, 172 Anemius von Sirmium, Bf 54 Angelsachen, -sächsisch 185 Anten 75,138,141 Anthemius, Ks 24, 59, 108ff„ 114,116 Antiqui barbari 37, 123ff. Antonius v.Lérins 21, 35 f. Apollinaris Sidonius 3, 19, 21, 35, 107, 109, 112, 115 Arbogast, MM 85f. Arcadius, Ks 9, 11 f., 88 Ardarich, Kg 103f., 126 Arianer, -nisch 53ff., 68, 83, 92, 119,144, 191, 199 Arn v. Salzburg, Bf 177 Asinarius, C 126 Aspar, MM Ρ 116 Asturius, MM 33 Athalarich, Kg 28, 79f., 129, 132 Athanarich, Kg 77,92 Athanasius, Bf 53 Athaulf 13, 16, 51, 80f„ 89, 91, 94ff., 97ff., 164, 195f. Attalus, Ks 95
Attalus, Kg 46 Attalus, C 13f. Attila, Kg 17ff., 51, 76, 102f., 105, 109, 169, 196 Auduin, Kg 136f., 140f. Aurelian, Ks 7,162 Aurelius Victor 46 Ausonius 10 Austrigusa, Kgn 133f. Authari, Kg 151,154 Avitus, Ks 19ff., 106 Awaren 30, 68f., 133,139ff., 170,182, 185f„ 189f„ 192, 202ff. Babai, Sarmatenkg 111, 115f., 127 Badurius, Fh 142 Bagauden 33f. Baian, Awarenkaghan 143, 150 Baiuvarii, Bajuwaren, Baiern 65, 69, 131ff., 135, 140, 152fr., 179, 181, 184, 187, 197 Balamber, Kg 75f. Balthen 79,85 Bastami, -ner 32, 107 Bauto, MM 82f., 194 Beiisar, Fh 138, 140 Beremu(n)d 78fT., 95f. Bessi, -ser 108, 161 Beuca, Sarmatenkg 111 Bilimer 116f. Bonifatius 184f. Bonus, MM 144, 149 Breones, -en 19, 34, 66, 129, 153f Bretonen 111 Brukterer 108 Brunichild, Kgn 152 Bulgaren 27, 129, 139f„ 146 Burgunder 16, 19f., 27, 107f„ 111, 130, 134, 154, 195 Cassiodor(us) 2, 4, 37, 75, 77f., 80, 105, 107, l l l f . , 123, 125, 132 Catarienses, η 39 Childebert II., Kg 151 Chlodwig, Kg 27, 120f., 130, 197 Chlodoswinth, T. Chlotars I. 140 Chlotar I., Kg 130, 153, 199f. Chramnichis 154 Circumcelliones 33 Claudius Claudian(us) 3, 41, 86f., 93, 160f. Claudius Gothicus, Ks. 7
b) Personen-, Gruppen-, Völkernamen und -bezeichnungen Colosseus, C 28,128 Constane, Ks 9 Constantianus, C 29 Constantinus I./ Konstantin, Ks 8,48, 70 Constantinus II., Ks 9 Constantinus ΠΙ., Ks 15 Constantius Π., Ks 8f., 43,45f., 48, 70 Constantius ΠΙ., Ks 14f. Constantius v.Lauriacum, Bf 22, 35, 57, 60, 62f„ 168 Demetrius, Mt 165 Donatianus 176 Donatus, Mt 33, 164f. Dintzig, S .Attilas 105, 109 Diokletian, Ks 7, 39, 42, 48f„ 70 Domitianus, Consularis 124 Donatisten, -isch 33 Donausueben, s. auch Merkomannen-, Quadensueben 36, 99ff., 111,126 Dreivölkergruppe 10,13, 70, 81f., 94f., 101, 157 Dulcissimus, Pr 175f. Edico, Edika 102,111,113 Elbsueben 99 Ennodius 3, 21f„ 35, 57, 166 Equités Dalmatae 42 Equités Mauri 42 Equités Promoti 39,42,47 Equités Sagittarii 42,47 Equitius, Crm 9f. Ermanarich, Kg 70,75,77f„ 97 Eudoxia, Ksn 15 Eugenius, Ks 9, 11,45, 53, 85ff„ 89,194 Eugippius, Vita Severini 3,19ff., 22f., 34, 51 f., 56-61, 105ff., 112f., 119-122, 166flf., 183 Eusebios v. Caesarea 2 Eutharich 78ff. Eutropius, Ρ 11 Ewin, Hz 151,154 Famobius 71 Feletheus/Fewa, Kg 25, 114, 119 Felix, Märtyrer 22 Ferderuchus 25, 114, 122, 168f. Flaccitheus 114,119 Florentius, PP 9 Florian, Mt 168 Foederatenverband, s. Dreivölkergruppe Fortenses auxiliarii/ Fortensia auxiliaría 45 Fortunatas, Mt 67, 97, 153, 164f., 169
269
Franken, fränkisch 18f., 27, 29, 64f., 82, 84f„ 101, 108, 111, 120, 125f., 130ff„ 140ff., 151ff., 177f., 184ff„ 195, 197, 201, 203 Friderich 26,114,122,168 Fridibad, C(?) 124 Frigeridus, MM 10,71 Fritigem 70ff„ 77, 82, 89, 193f. Fritigil, Kgn 10,46f., 100 Gainas ll,85ff.,201 Gaius, Bf 55 Galla Placidia, Ksn 14ff, 196 Gallienus, Ks 46 Gallorömer 185 Garibald, Hz 65,69,140,151 Garibald II., Hz 153f. Gaudentius, Bf 38 Gausen 135f. Gebavult, s. Gibuld Geiserich, Kg 20, 92,196 Gelasius, Pa 59 Generidus, Crm(?) 13f., 38f„ 51, 99 Gennadius, Patriarch 165 Gensimund 75,130 Geograph von Ravenna 123, 126 Gepiden 19, 26f„ 29f„ 90, 102ff„ 108, 111, 115, 118, 122, 126ff., 149, 160, 165, 169f., 197, 201 f. Gervasius und Protasius, Mt 168 Geten 107 Getica 75f., 80, 132 Gibuld/Gebavult, Kg 119ff. Gildo, MM 12,33 Giso, Kgn 26,114,119 Gisulf, Hz 151ff. Glycerius, Ks 115ff. Goar, Kg 91 Godegisel, Kg 91 Goten, allgemein 2, llf., 19, 25, 27, 29f., 32, 38, 65, 68, 70, 72f., 75ff., 82, 84ff., 89ff., 98f., 101, 104ff., 124f., 127ff., 145, 158ff., 194ff„ 201 f. Goten, gräzisierte 202 Gratian(us), Ks 10,45, 71, 82, 193f. Gregor I., Pa 65, 170ff. Gregor von Tours 141 Greutungen, -gisch/Ostrogoten, -tisch 70, 75, 77, 93, 96ff. Gundarith, Kg 127 Gunderich, Kg 91f. Guntharius, C. 177 Gunthram, Kg 154
270
IX. Register
Herduic, C 26, 127f. Hermagoras, Mt 97 Hermogenes, Mt 164f. Herminafrid, Kg 131,133,137 Heruler 90, 103, 114, 119, 121, 130ff., 160, 167,197 Hildigis 133, 135£f. Hunimund, Kg 75f., 78 Hunimund, Suebenfürst 105, llOff., 121, 167 Homöer 53 Honorius, Ks 9, 11, 13ff„ 38,46, 51, 98, 101, 195 Hunnen 2,12f„ 15ff., 33f„ 39,49, 51, 56, 70ff., 80ff., 94f„ 98ff., 102ff„ 126, 129, 131, 137f, 140f., 149, 157, 159, 164f„ 193ff., 200 Hunulf, MM 26,111,113,168 Jazygen 48f. Illus, MM 25 Illyrische Kaiser 7 Ingenuus/Ingenuinus, Bf 56, 60, 64. 66 Johannes, Ks 15 Johannes, MM 29 Johannes Antiochenus 110,115 Johannes v. Celeia, Bf 64,171f. Johannes v. Civitas Nova, Bf 172 Johannes Malalas 2 Johannes der Täufer 168, 175f. Jordanes, Getica 2, 34,75, 77ff., 95, 104ff., 109ff„ 123, 125, 132 Iovinus, PP 29 Iovius, PP 12 Isaurier 202 Julianus Apostata, Ks 9,46 Iulianus Valens, Bf 9f., 13f„ 38, 45, 55, 71, 193 f. Justinian, Ks. 4, 28f., 65, 126, 129, 134ff., 140ff„ 197f„ 201 Justinus I., Ks 79f., 138 Justinus II., Ks 141-144 Juthungi, -en 16, 33, 83 Kallinikos, Exarch 152 Karl der Große, Ks 178,204 Kelten, -isch 33f., 190 Kutriguren, -risch 137, 140f., 149 Laeten 19, 34 Lancearii Comaginenses, η 39,45 Lancearii Lauriacenses, η 39,45
Langobarden 28ff., 65, 126, 130, 132ff., 151ff., 169f., 189ÍT., 197ff., 201ff. L Π adiutrix 42 LII. Italica 39,42 LIulia Alpina Ι-ΠΙ 39,49 Leo I, Ks 17, 24, 59, 108, llOf., 116 Leonianus v.Tibumia, Bf 64,171 Leontius, PP 165 Lethinger, -gisch 135f„ 140, 153 Licinius, Ks 8 Loire-Alanen 111 Lucillianus, MM 9 Lucillus, A 60 Lupus v.Troyes, Bf 120 Maiorian(us), Ks 20f., 23, 107f., 201 Mamertinus 59f. Marcellinus, Br d.Maximus 84 Marcellinus C 15, 18fT., 24, 104, 108 Markian, Ks 17, 19, 104, 196 Markomannen, s. Markomannen-Sueben Markomannen-Sueben 28, 46f., 92ff., 99fT., 107, 123, 131, 159 Martinus v. Braga, Bf 32, 139,169 Materninus, Bf 64 Maximiiianus v.Celeia, Bf, Mt (?) 176,184 Maximus, Ks 11, 21, 82ff, 194 Menander Protector 2 Merobaudes, MM 11 M auxiliares Latovic(ens)es 44 M auxiliares Lauriacenses 44 M Foetenses 44 M Histrici 44 Mösogoten, -tisch 85 Mundo, MM 27, 29, 129 Narses, Ρ MM 65,136,145 Nepos, Ks 24f. Nepotianus, MM 20f., 24 Nonnberg 166, 174, 187 Nonnosus, Hl 69,173,184 Noricoromanen, -nisch 155 Odoacer/Odoaker 25f., 35, 52, 59, 63, 103, 113f., 117f., 121f., 125, 168, 197 Olybrius, PP 10 Olympiodor 81 Onoguren 139 Orestes, Ρ MM 23ff. Orosius 34, 86, 195 Ostgoten, -isch 26fT., 63fT., 78f., 96, 98f., 114, 117f., 122, 126-131, 145, 153, 169, 191, 198, 201
b) Personen-, Gruppen-, Völkernamen und -bezeichnungen Ostrogota 137f. Ostrogoten, -isch, s. auch Greutungen, -gisch 13, 17, 19, 51, 56, 70f„ 75ff„ 80ff„ 86, 92ff„ 96-99,102ff„ 115-118,126f„ 133, 137f„ 157, 164, 167, 170, 193, 195f., 200 Othmarus, Pr 175 Pacatas 53, 83f., 158 Pannonier, -isch passim Patricius v.Emona, Bf 64,171 Paulinus, Bf 57f., 62 Paulus Diaconus 65, 102, 116f., 151 Pierius, C 26,168 Pipara, T. des Kg. Attalus 46 Pitzia, C. 26f., 127 Pollio, Mt. 165 Pontaenenses, η 45 Primenius 23 Priskos 2, 17f., 35 Probus, Ks 7,10 Probus, PP 156f. Prokop(ios) v. Caesarea 2, 123, 138 Promutus (Promotus?) 17f. Provinzialaristokratie 161 Provinzialen, provinzialrömisch 5,16, 32ff., 50ff„ 63, 87, 107, 119, 121ff., 131, 151, 155f., 161, 168ff„ 179, 183, 188ff., 198fT., 203 Prudentius 63, 164 Punier 160 Quaden, s. auch (Quaden-) Sueben 45f., 49, 70, 87, 92, 99ff„ 157, 159fif. (Quaden-)Sueben 12f., 32f., 90ff., 157, 161, 195 Quattuor Coronati, s. Vier Gekrönte, Mt Quirinus 93, 163ff. Radagaisus 12f., 32, 51, 56, 86, 89ff., 98, 101, 160f„ 164, 195, 199 Radegunde, Kgn 133 Raeti, -er 39, 56,129,154 Reichsbarbaren 72,87,200 Reichsgoten 12,93,201 Reptila 144 Respendial, Kg 91 Ricimer, Ρ MM 20, 24,109f., 116 Riparioh 19,34 Risiulf, Kg 133 Romanus, Fh 18 Romanus Judex 37 Romulus Augustus, Ks 23, 25, 51, 114, 197 Romulus, C 17f.
271
Romulus, Mt 164f. Rosamunde, Kgn 144 Rosomonen 96f. Ruas, Kg 16f. Rufinus, PP 11,73,160 Rugii, -gier 19,25f., 52, 63, 103, 106f„ 11 Iff., 119, 122, 130, 168, 189, 197 Rupert v.Salzburg, Bf 186f. Sabinianus 13,27 Sachsen 19,140,146 Sadagen 109 Salvian(us) 34,161 Saphrax (Saphrac) 10,13, 32,46, 50, 56, 70ff, 75, 77, 81, 86, 157, 193f. Sarmaten, -tisch 18, 32,41, 45f., 48ff., 84f., 87, 90, 93, 100, 103f„ 107, 111, 115, 127, 146, 157, 159f. Sarus 81,94, 96ff. Saul, alanischer Fh 85f., 89 Sebastianus von Risinium, Bf 172 Servatus, dux Raetiarum 129f. Servulus, Hl 97 Severinus v. Norikum, Hl., inlustrissimus vir 21-24, 57-63, 107ff., 113f., 119-122,166169, 181 Severinus Konsul 2Iff. Severinus (ΠΙ.), vir illustris 36f. Severinus quidam 179 Severus, Patriarch 171 Sidonius (Apollinaris), s. Apollinaris Sidonius v. Passau, Bf 185 Sigerich, Kg 96,98 Sigibert, Kg 141, 143 Silinga, Kgn 134 Silvanus, Mt 164f. Skamarer 27,29,34 Skiren 19, 102ff„ 106, 110f„ 113f., 131, 197 Sklavenen 138 Skyten, -tisch 83,100, 144, 159 Slawen, -isch 30, 32, 68f„ 75, 133, 135ff„ 144f„ 149ff., 170, 172, 182, 189ff„ 202ff. Sokrates Scholasticus 2, 85 Sozomenos 2 Stilicho, Ρ MM llff.,32, 85, 87,89,91, 94f., 98,101,160,195,197, 201 Suebi, -ben, s. auch MarkomannenS„ Quaden-S. 28, 36, 76, 92, lOlf., 105, 107, 109ff., 119, 121ff„ 131, 133, 146, 148, 167 Syagrius 25,72
272
IX. Register
Tassilo, Hz 151, 153f., 174, 177f. Tato, Kg 133 Taifalen,-lisch 71f. Tertia Hercúlea, 1 39 Tertia Italica, 1 39 Tertiani, η 14,39 Terwingen, -isch 2, 10, 70, 77, 82, 98, s. auch Visigoten, -isch Theoderich, Kg 1, 26ff., 36f., 76f„ 79f„ 96, 98, 114ff., 124ff., 130ff„ 136, 169, 196f. Theoderich Strabo 104, 108, 116, 118, 196 Theoderit/Theoderich, Westgotenkg 80 Theodor, PP 162 Theodoret(os) v. Kyrrhos 2 Theodosius I., Ks 9ff„ 45, 53, 56, 82ff„ 159, 194 Theodosius II., Ks 2, 15 Theognis, byz Fh 150 Theophanes 165 Theudebald, Kg 64, 135f., 140 Theudebert I., Kg 64, 134Í, 197 Theudelinde, Kgn 154 Theuderich I., Kg 197 Theudis, Kg 96 Thiudimir, Kg 76, 104ff„ 108, l l O f , 115f„ 118, 127 Thorismu(n)d, Kg 76, 78ff„ 137 Thrasarich, Kg 26, 127 Thrasarich, Bf 144 Thraustila, Kg 118,127 Thurisind, Kg 137,141 Thüringer 19, 108, 112, 113f„ 119, 131ff„ 140, 143, 152, 167, 197 Tibatto 33 Tiberius, byz.Fh 149 Tiberius II., byz Ks 150 Timasius, MM 85 Türken,-isch 106,139,202 Ungarn, -isch 5, 35, 64, 99, 147, 204 Ursicinus, Mt 165 Ursus, vir spectabilis 130 Usdebad 144 Utriguren 137, 140f. Uurmhari 175 Valamer, Kg, s. Walamir Valens, Ks 9f., 13f., 45, 71, 193f. Valens, Bf v. Mursa 55 Valens, C, MM 38 Valentinian I., Ks 9, 45, 48f„ 53, 70,100, 123, 157, 193 Valentinian II., Ks 9,11, 82f„ 85 Valentinian III., Ks 15, 21, 51, 197
Valentimanenses, η 39 Valentinus, Bf 56,60 Valerian, Bf v. Aquileia 54 Valerius Dalmatius 82 Vandalar(ius) 76ff. Vegetius 82, 84 Venantius Fortunatas 66f., 153 Veneti 75 Venustas, Mt 164f. Verina, Ksn 24 Vesus, -i, -sisch, s. Visigoten Vier Gekrönte/Quattuor Coronati, Mt 165 Vindelizier 16, 33 Virgil(ius) v. Salzburg, Bf 185,187 Vinithar(ius) 75ff. Visigoten, -isch 2, 10, 12f., 51, 70, 80, 82fT., 92ff„ 100, 108, 118, 159f„ 162, 193ff., 199, s. auch Terwingen, -isch Vitalian(us), C 10 Vitalis, Bf 65, 178 Vitericus 79 Vithimiris, s. Widimir I., Kg Vittamerus, s. Widimir III. Wacho, Kg 133ff„ 140 Walamir/Valamer(us), Kg 76, 78, 104ff., 108ff„ 115, 117, 123, 196 Walamerische Ostrogoten 17, 78, 98, 104f., 109, l l l f . , 115, 118, 127, 167, 170, 196 Walderada 135f„ 140, 153 Wallia, Kg 78,81 Waltari, Kg 135 Wandalen, allgemein 12f., 20, 33, 87f„ 90ff„ 99,101, 107, 109, 159ff., 164, 195f., 201 Wandalen, asdingische 20, 32, 88, 90ff., 99, 101, 160, 196 Wandalen, silingische 88, 90f., 99, 196 Westgermanen, -nisch 83, 107, 195 Westgoten, -tisch 13, 15,19f., 25, 27, 33, 70, 78ff„ 95ff., 107, 111, 117f„ 160, 164, 195ff„ 200, 203 Widimir I./Vithimiris, Kg 76ff., 115ff. Widimir II., Kg 78, 104, 106 Widimir III (Vittamerus(?)) 78 Widirich I. 77f., 80f Widirich Il./Vitericus 78fif„ 81 Willia, C 124 Wisigarde 134 Witigis, Kg 29, 126 Zacharias, Pa 185 Zenon, Ks 25 Zosimos 2,14, 39, 89
c) Orte und Räume
273
c) Orte und Räume Acervo 123 Adnet 174,188 Ad Novas/Zmajevac 8, 38 Adrianopel 10,46,48, 71f„ 84,139,193ff„ 200f. Aemona, s. Emona Africa, D 9 , 2 8 , 3 3 , 4 0 , 9 2 Agri decumates 7 Aguntum 57, 64, 67, 93, 191f. Aibling 181 Ajdna 58, 192 Ajdovski Gradee 191f. Akamphub 188 Ala Nova/Schwechat 50 Alföld (Theißbecken) 49,127 Alpen 4, 7, 18, 25, 34, 50, 65, 112, 121, 123, 126, 139, 146, 152ff„ 157, 170, 173f., 181, 191 Alpen, julische 88, 93f., 153, 159 Alpenvorland, nördliches 7, l l l f . , 126, 130, 153, 155, 173, 179, 203 Alpichl/Alpicula 174 Alsóhetény (Heténypuszta) 49, 56 Alt-Beuern/Burones 174 Altrip 126 Andiesen/Antes(o)na 180 Anif 174 Antiochia 2, 54 Aqua Nigra 106 Aquincum/Budapest 35,44, 68, 155, 165, 170, 190 Aquitanien 33,99,111 Aremorica 33f., 52 Arles 19 Arrabona/Györ 74, 169, 189f. Aschaffenburg 126 Asowsches Meer 139 Asten 188 Asturis/Zwentendorf(?) 60, 112f, 167, 189 Attergau 174, 184 Attersee 181, 188 Audorf 188 Augusta Videlicum/Augsburg 60, 65f., 68, 135 Augustianis/Traismauer, s. Traismauer 189 Austrum/Asten(?) 175 Aznanu 180 Bad Tölz 181 Baetica, Pr 91 Bakonywald 106
Balaton, s. Plattensee Banat 90, 92, 144 Baranya 190 Barbing 181 BaSelj 58, 191 Belsinja 191 Bassiana(e) 27,31,109 Batavis/Passau 52, 59ff., 119,121, 167, 180,183 Belgica Secunda 44 Bergham 188 Bierbaumorte 188 Binnennorikum, s. Noricum Mediterraneum Bischofshofen 184 Bisontio/Pinxgau 174 Bled 58, 192 Böhmen-Mähren 131,133,147,152, 202 Boiotro/Innstadt 59, 61f., 167f., 180, 182f. Bolia 11 Iff., 127 Botivo/Ludbreg 56, 74 Braunau, Inn 188 Brenner(pass) 153f., Brigetio/Komarom 170 Britannia/Britannien 9, 13, 28, 33, 52 Brixlegg 174 Brno/Brünn 147 Biirgle 83 Byzanz, -tinisch lf., 27, 30, 65, 136f., 140ff, 149, 151, 154, 197f. 201ff. Campus (villula)/Gamp 174 Cannabiaca (?)/Klosterneuburg 50, 189 Cannae 71 Caput Basensis 49,123 Cardabiaca/Tokod 49 Carnium/Krain/Kranj 191 Carnuntum/Altenburg 8, 68, 93, 101, 157, 189f. Carthaginensis, Pr 91 Castra Constantia 43 Castra Martis 71 Caucaland 92 Celeia/Cilli 29, 38, 57f., 63f, 68f„ 84, 171f., 184, 191 Cetium 59f., 166, 188 Chiemgau 175, 179 Cibalae/Vinkovee 55,164f. Citium, s. Cetium Cittanova 97 Cividale 153, 165 Civitas Nova/Novigrad 172
274
IX. Register
Chomindorf 175 Coloniae 177 Comagenis/Tulln 107, 113, 167, 188f. Concordia/Portogniaro 45,165 Cremona 152 Cucullis/Kuchl 60, 63,166f„ 174 Cumeoberg 188 Dacia/Dakien, -kisch, D 7f., 10f., 40, 71, 104, 138, 159, 162, 164 Dacia Inferior, Pr 162 Dacia Mediterranea, Pr 162 Dacia Superior, Pr 162 Dalmatia/Dalmatien, Pr 8, 13, 17ff., 24ff., 36ff„ 53, 55, 82, 89, 94, 98, 104f., 107ff., 110, 123, 126, 129, 135f., 139f., 149, 15 If., 155, 159f„ 162, 166, 169f., 172, 189, 103 Dnjepr 139,141 Dörgicse s. Felsödörgicse Donaugrenze, s. Donaulimes Donau(raum), allg. passim Donaulimes 39,45, 47ff., 70, 93, 99, 119, 196,200 Donau, mittlere, Mitteldonau 1,5, 16,31, 35, 38,44f„ 69, 107, 133, 141, 146, 150, 167, 169, 173, 193,204 Donau, obere 7, 27,40,47, 50, 71, 111, 129ff., 202 Donau, untere 7f., 10, 30,41, 70, 85,91, 137ff., 141, 144f., 151, 159, 193f., 200, 202 Dorf 188 Drau 8, 35, 56, 106, 118, 134, 143, 146, 151, 153f„ 173, 182, 190f. Duel 58 Ebbs/Episas 174 Einwalchen 181 Ehwalchen 181 Eipel (Ipoly) 99,111 Eisenfeld 188 Elbe-Saale-Raum 141, 143, 152, 202 Emona/Ljubljana 49, 53, 55, 58, 64, 68, 93, 123, 152, 171, 192 Enknach 180 Enns 7, 52, 121, 131, 153, 155, 167, 181f., 188 Epfach 83 Epirus, -rotisch 87, 108, 135, 159, 164 Erl/Orianus Möns 174 Erlauf/Erlape 188 EugendorCJupindorf 175, 181, 188 Favianis/Mautem 59fT., 112f., 166, 168, 189
Felsödörgicse 169 Fenékpuszta (Valcum?) 49f., 190 Feistritz 58 Fiesole 89f., 92f. Figelsdorf 181 Fischhammering 188 Flavia Solva 93,166 Forum Iulii/Cividale 165 Freilassing 176 Freising 173,181,187 Friaul 151ff„ 165 Frigidus, Fl 86,159 Fruska Gora 165 Galaecia/Galicien 91 f. Gallia/Gallien, allg. passim Galliae Hispaniae/Britanniae, PP 28 Gamp/Campus 174 Gampem 181, 188 Glanhofen 174 Glas 174 Glasenbach 174 Gnigl 174, 176 Gorsium/Herculia/Tác 49 Gorsium/Székesfehérvár 170 Gotzenalm/Gauzo 174 Gradee bei Prapetno 58, 191f. Grado 64, 164, 171 Gran 99 Grazerkogel 58, 66, 68, 135 Grödig 174 Gugilan/Cuculana 174 Gurten/Curtina 180 Györ, s. Arrabona Hadersdorf 59 Haiming 187 Hegykö 189 Heipfau 180 Hemmaberg 58, 68, 191f. Henndorf 176, 179 Hiesendorf 188 Hoischhügel 58 Hispania(e)/Spanien, -isch 1, 9, 14, 21, 28, 32ff„ 91f„ 99, 101, 107, 111, 145, 195ff„ 199,201,203 lader, Bt 55 Illyricum, -risch, allg. passim Ingolstadt 181 Inntal 66, 153, 174 Jolling 181 Iovia/Alsóhetény/Heténypuszta 31,49, 55
c) Orte und Räume Iovia/Botivo, s. Botivo Ioviaco/Aschach 60, 167 Irrsdorf 181 Irschenberg 181 Irsching 181 Isonzo 124f. Istria/Istrien 67, 124, 151f., 162, 170,172, 203 Italia et Afiica, PP 9 Italien passim Iuenna 58, 68, 166 Iuvavum, s. Salzburg Kärnten, -ner 50, 58, 151, 173, 184, 191f. Karantanien, -nisch 69, 152 Karassó/Karaáica 106 Karpaten 75, 90, 103£f„ 133,139,141,146 Karst, istrischer 203 katalaunische Felder, Schlacht, s. mauriacensische F. Kathreinkogel 58 Kelheim 155 Keszthély 151,190 Kirchisen/Isana 175 Kleinasien 1, 202 Kleinskytien (Dobrudscha) 144 Klosterneuburg 16, 50, 189 Komárom/ s. Brigetio Konstantinopel 1 lf., 15, 19, 27, 54, 65, 89, 93, 104,106,108, 115,139f., 144, 159, 165, 172, 195 Kremsmünster 188 Környe 49,190 Kroatien, -tisch 5, 191 Kösching 181 KöstendortfChessindorf 175 Kremstal 181,188 Kranj 58,191 Kristein 188 Krizevska Vas 58 Kuòar 68 Künzing, s. Quintanis Lahovce 191 Langenpfunzen 181 Langres 120 Laogang/Lacuana 174 Larosenalm/Ladusa 174 Laschitz 191 Lasko 191 LaSka Vas 58,191 Laubendorf 58 Laufen 179
275
Lauriacum/Lorch 35f., 52, 57, 59ff., 93, 121,167f„ 182, 186, 188 Lauter/Lutra 175 Lavant 58, 64f„ 67, 69, 135, 191 Lazika 141 Lengau 180 Leonatae 49 Libyen 160 Lichtenegg 188 Liefering/Liberinga (Liveringa) 176,179 Lienz 58,94,116,146,164 Linz/Lentia 182 Litzlwalchen 181 Lorch, s. Lauriacum Lusitania, Pr 91 Maas, Fl 203 Macedonia/Makedonien, D 8, lOf., 87, 151, 159,202 Machendorf 180 Mähren, -risch 99, 103, 130, 133,147,197 Maglern 58,153 Mailand/Mediolanum 54, 83, 100, 158 Main, Fl 16, 39,91,93, 101, 125, 131, 174, 176,195 Marchfeld 130 Marienstift, Nonnberg 174 Marcal/Mursella, Fl 190 Marzling 181 Marzoll 174 Massing 181 Mattachgau 180 Mattichgau 182 Mauerkirchen 188 Mauriacensische Felder, Schlacht 18, 34 Maurikios, Ks 65 Mautem, s. Favianis Maxglan/Glana 174, 188 Maxirein 181 Maxima Sequanorum, Pr 126 Mehring 181 Mesopotamien 7 Metkovic 170 Micheldorf, ob.Kremstal 188 Michelstadt 181 Mösendorf 188 Moesia/Moesien, -sich, Pr 40f., 122 Moesia Inferior/Untermösien 40, 82 Mogonticum/Mainz 39f. Mohács 190 Moldau 102 Molzbichl 69,173,184,192 Mondsee 173, 188
276
IX. Register
Morzg 174 Moss 188 Muen/Gmain 176 Mühltal 184 Muntigl/Monticulus 175, 177 Mursa/Osijek 49, 55 Mursella/Kisáipás 49,190 Naissus/Nisch 139 Narona 170 Neretva, Fl 170 Neusiedlersee 190 Nedao 103f. Neviodunum/Dmovo pri KrSkem 68, 123, 191 Niederaltaich 173 Niedergottsau/Nigoltesove 179 Niedernburg, Passau 183 Niederösterreich 50, 103, 133, 147, 197 Nordafrika, allgemein 12,195, 201 Nordgallien 20,25,33 Norditalien 12, 19, 65, 88f., 117, 134, 140, 151f. Noricum, -isch, allg. passim Noricum mediterraneum/Binnennorikum 7, 18, 26,31,38, 55,68, 155, 166, 173 Noricum ripense/Ufemorikum 7, 23, 25f., 31 f., 34f., 38f., 40,42, 44f„ 47, 51f„ 57, 59f., 62f., 88, 93, 106, 113, 121, 129, 131, 155, 163, 166, 168f., 181f., 184, 188f. Novae 70, 118, 122 Noviodunum (Scytia) 103 Oberalm/Albina 174, 176 Oberlienz 58 Obermösien, Moesia Superior, Pr 29, 71, 115, 150, 164 Oberpannonien, s. Ρ armonia Superior Oberrhein 71, 129 Oltenien 102 Oriens, PP 7ff„ 45, 54 Ostalpen(raum) 1,3,5, 16ff., 23ff., 31,35, 38,44, 64, 67,69, 88, 101, 107, 111, 119, 130, 132f., 141, 153ff., 169, 173f., 181f., 187f., 190, 192f., 197, 203f. Ostgermanen, -nisch 100, 118, 193, 195f., 199, 202 Ostillyrikum, -isch 4 , 1 lf., 89, 93, 116, 165 Ost(römisches) Reich, Ostrom passim OvilavisAVels 59f., 166, 182 Pabing 176 Pang 181
Pannonia, D s. Westillyrikum Pannonia/Pannonien, allg. passim Pannonia Inferior/Unterpannomen, - nisch, Pr 8, 13, 17, 105, 165, 167 Pannonia Prima, Pr 8, 19 Pannonia Quiri(ti)s 169 Pannonia Secunda, Pr 8, 19, 27, 36, 38, 74 Pannonia Sirmiensis, Pr 27f., 128, 134, 141, 165 Pannonia Superior/Oberpannonien, Pr 8, 13, 16, 20,46, 94, 102, 109, 126, 130, 133, 182, 189 pannonisch-westillyrische Diözese, s. Westillyrikum Parschalling 188 Partenkirchen 181 Pavia 117 Pécs, s. Sopianae Pernau 188 Persien, -isch 7,46, 136, 150f., 202 Pichling 188 Pinzgau 174f., 178 Piro Torto 188 Plattensee/Balaton 19,49f., 56, 68, 74, 102, 105f., 110, 123, 170, 190 Polhograjska gora 192 Polhov Gradee 58 Pollentia 86 Pongau 176, 184 Pöring 188 Praetorium Latobicorum/Dolensko 44 Preising 181 princeps officii 44 Prixina/Brixen 174 Provence 25, 27f., 52, 134 Prüfening 181 Pustertal 153, 182 Quadriburgium/Ságvár 49,165 Quintanis/Künzing 19, 50, 59f., 119, 167, 180, 183 Raab/Györ 190 Rába/Arrabo, Fl 74, 169, 189f. Raetia/Rätien, allg., Pr 27, 38ff, 44f., 56, 60, 129, 154 Raetia Prima, Pr 7, 38,126 Raetia Secunda, Pr 7, 19, 31, 38,45, 56, 59f., 64ff., 153 Raetische Alpen 184 Ravenna 15, 20, 23, 51, 118, 152, 162, 171, 196 Regensburg 173,181, 187
c) Orte und Räume Reichenhall/Salinas 174ff. Reitwalchen 181 Resinium/Resina 172 Rheingebiet 7, 19, 39, 71, 90, 101, 125, 129,140,160f., 195,197, 201, 203 Rhein-Main-Raum 93 Rhône 128 Riínik 58,191 Rietz 187 Rimbach 180 Ripa Saimatica 41, 87, 93,104 Roitwalchen 181 Rom passim Romani, -nen, s. auch Provinzialen 28, 35, 64, 68, 146, 148, 155f„ 161, 172ff., 179ff„ 199, 203f. Romani tribútales 174 Romula 123 Rosenheim 174,181 Rottachgau 180 Rottgau 175 Saaldorf 176 Sabiona/Säben 56f., 60, 64, 66, 68 Sachsigen 188 Safferstetten/Savarstedi 175 Salonae 29, 31, 55, 63, 126, 129, 152, 170 Salzach, Fl 166f„ 174f„ 179, 187f. Salzburg/Iuvavum 61, 173ff., 179£f., 185ff., 192, 203 Salzburggau 174f. St. Georgen, Attergau 184, 188 St. Laurentius, Κ 168, 182f. St. Maria, Salzburg, s. Marienstift St. Peter, Κ bei Braunau/Inn 188 St. Peter, K, Salzburg 174 St. Severin, K, Passau 183 St. Stephan ob Waiern, Κ 58 Save 16f„ 30, 38,47,49ff„ 84, 102, 122f„ 149ff„ 160, 165, 191f. Savaria/Sabaria/Szombathely 49, 55, 114, 157,163ff„ 169, 189f. Savia, Pr 8,17, 26f., 31, 36, 53, 55f„ 74, 105, 122, 162, 166 Scar(a)bantia/Sopron (Ödenburg) 43,45, 47ff„ 64, 66, 93, 101, 163f„ 170, 189f. Scarniunga 104,106 Schallmoss 188 Schäftlarn 181 Sentjur 191 Schieferegg 188 Schmiding 188 Schwechat 50,59
277
Scytia 40f., 79, 87, 103, 132 Seebrack/Pontena 175 Seekirchen a. Wallersee 175f., 186 Seewalchen 181, 188 Septimanien 27 Servitium/Bosanska Gradiska 49 Siebenbürgen 90, 92, 102, 104, 126f„ 144, 149 Siezenheim 188 Simssee/Sinsa 174 Singidunum/Belgrad 38, 115, 127, 150f., 164f. Sirmien, -misch 26ff., 48f., 105, 109f„ 115, 127ff„ 134, 141, 149, 164f„ 169f. Sirmium/Mitrovica 8, 10, 17, 27, 29ff., 49, 53fT., 57, 68, 72, 105, 118, 127, 129, 138, 142ff., 149f„ 157, 164f., 170 Siscia/Sisak 31, 36,49, 53, 55, 63, 83f., 123f„ 163, 191 Sizilien 20, 65, 172 Slowakei, -kisch 90,92, 99, 102, 111, 130, 133 Slowenien,-nisch 7,45, 51, 191f. Smartno ν Tuhinju 59 Sopianae/Peé 82, 151, 165, 190 Sora 59 Spalato(Palatium)/Split 32 Spanien s. Hispania Spanswag 176, 179 Speyer 126 Straß/Straza 175, 188 Steinhaus 188 Suavia, Pr 26ff„ 36f., 123ff., 128 Südpannonien 15,49, 51, 103, 115, 126, 136, 151, 155, 169Í, 191 Summerlach/Summus lacus 175 Surheim 175 S vete gore 58 Szentendre 74, 147 Tacherting 179 Tarraconensis, Pr 33 Taurunum 8 Thalgau 188 Thaur 187 Theißebene, Theißbecken 15f., 48ff., 90, 92, 101f„ 104ff„ 126, 131, 145, 148, 150 Thessalien 160 Thörgl-Maglem 58 Thracia/Thrakien, -isch, D 2, 7f., 54, 71f., 82ff, 135, 138ff, 142f„ 149ff„ 158ff„ 170, 194, 197 Tibumia 57f., 62ff., 109, 117,135,171,192
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IX. Register
Timavus 86 Tinje bei Zusem 58 Tittmoning 179 Toledo/Toletum, -tanisch 98,200 Toulouse/Tolosa, -anisch 16,98f., 200 Traisen/Tragisamum 188 Traismauer/Augustianis 16,188f. Transsilvanien, s. Siebenbürgen Traubling 181 Traunwalchen 175,181 Trnje 58 Tscheltschniggkogel 58 Tulln/Tullina 107, 113,167,188f. Tutting 180
Wals/Vicus Romaniscus 174, 176, 178 Watzing 188 Weildorf 176, 179 Weinviertel 103, 130 Westillyricum (Pannonia), D 21, 28, 38, 40ff., 45, 55, 162 Westpannonien 19, 37, 44, 51, 106f., 172, 182, 189 West(römisches) Reich, weströmisch passim Wien, s. Vindobona Worms 126 Wörgl 187 Würzburg 126
Uferdakien/Dacia Ripensis, Pr 40,71, 162 Ufernorikum, s. Noricum Ripense Ulca/Vuka 118,127 Ulrichsberg 58 Unterdietfurt/TurtinRota 175 Unterlangenberg 188 Unterpannonien, s. Pannonia Inferior
Ybbs/Yvesis 44, 188
Valeria, Pr 8,10,14,16,19, 31,35f., 38, 4Iff., 50,54, 56, 71f„ 74, 87,90,93,100f„ 105f, 123, 134, 161ff„ 170 Valeria Media 162 Valley 181 Venenia/Vemania, s. Vindobona Veneria et Histria, Pr 55, 64, 66, 128, 162 Venetien 65,98,124,136, 151, 171 Verona 66,89 Veskény 147 Vetterbach 188 Vicus Fonaluae 180 Vigaun/Fuginas 174,176 Villach, Wannbad 58 Vincentia/Környe 49 Vindobona/Vindomana/V emania/Venemia/W ien 68,93,101,119,182,189 Vipota 58 Virunum 57f., 60, 66,68,135,166,192 Voitsdorf 188 Vranje 38, 58, 68, 191 Wachau 25,99 Walachei 90,102,142,150 Walardorf 175 Walchen, Ort (mehrfach) 181,188 Walchensee 181, 184, 187 Wal(ch)wis 174 Waldviertel 103 Wallgau 181, 187
Zala/Sala, Fl 190 Zellhausen 181 Ziegelstadl 188 Zeiselmauer/Cannabiaca(?)
16, 50, 188
d) Sachen und Begriffe
279
d) Sachen und Begriffe Administration, -tiv 1, 4f., 13, 22f., 27, 31, 35,48, 57, 62f„ 197 Akkulturation 100, 118, 196, 198f„ 201 Ala(e) 40,50,88 Aldio(nes) 147f. Alpenüberquerung 112 Antibarbarisch 14 Antigermanismus, -isch 13, 88, 201 Antoniusvita, s. Vita A. Arianer, -isch 53ff., 65, 68, 83, 92,144, 171, 191, 199 Arianismus 54, 119 Arimanni, -nen 147 Assimilation 107, 161,176,199, 201 Auxilium (Hilfstruppe) 14, 39 Baptisterium 60, 67, 167 Baro(nes) 147 Basilica Porciana, Mailand 83 Bergkastell(e), Bergfestung(en) 5, 50f., 58, 67,121,187, 191f. Befestigungstechnik 48 Befimd, archäologischer 5, 35,43,48, 66ff.,74, 93, 102, 147f., 151, 154f„ 160, 169, 173, 18 Iff., 188f. Bevölkerungsverlust 156-173 Binnenfestunge(en) 49,70 Bischof, Bischöfe, allg. 35, 53ff, 63ff., 159, 163, 170ff, 185 Bischofssitze, allg. 53, 56, 58ff, 67ff., 74, 172,191 Blutzeuge(n), s. Märtyrer Bogenschützen 147f. Brückenkopfkastell(e) 45, 49 Buccellarii 89,97 Bundesgenossen, s. Foederaten, allg. Bündnis(vertrag) 17, 26, 30, 48, 50, 72, 82, 91, lOOf, 104,106f., llOf., 119,130ff, 136ff„ 142f„ 145f., 152, 154, 194, 197,201ff. Burgus,-i 43,45,61,70 Capillari 36,125 Capitatio/iugatio 36 Christianisierung 53f., 198 Chronica Gallica 89 Civitas, -ates 37, 53ff„ 58ff, 97,106,164, 172 Classis 40 Claustra Alpium (Iuliarum) 49 Codex Justinianus 4 Codex Theodosianus 4
Comes domesticorum 26, 95 Comes Illyrici 14, 17f., 38f. Comes rei militaris 9f., 13, 18 Comes (sacrarum) largitionum 13, 31, 36 Comes stabuli 29 Comitatenses, komitatensisch (Feldheer) 4, 14, 39,45 Comitiva 14,18, 28,40 Consanguineus 95 Conubium 36,123f., 181 Corrector 31,37 Cuneus, -i (equitum) 42f., 45, 47 Curiales/Kurialen 36f., 124f., 163 Curiales idonei 36 Decurio(nes), s. curiales Defensor 36f., 124f. Delegatar 124f. Diözese (Bistumsterritorium) 58ff., 120, 164, 179, 181 Diözese (Verwaltungseinheit einer Region) 2, 7ff, 13f. 19, 23, 26, 28f„ 31, 35, 38,40, 41,47f., 52ff„ 63, 67f„ 71ff„ 99, 162, 170f. Dominât 1 Donaulimes 39, 45,47ff., 70, 93, 99, 119, 196,200 Doppelkirchenanlage 1, 67f. Dreikapitelstreit 65,171f. Ducatus/Dukat 40, 44, 129f. Dux, duces (Militärbefehlshaber) 10, 18, 28, 38,40, 71, 97, 129f., 147, 154 Dux Mogontiacensis 40 Dux tractus Ar(e)moricani 40 Dynastie, gausische 136, 140 Edictus Rothari 147 Epitaph(e) 38, 64, 159 Equités (Reitereinheit) 38,40ff, 47,49,101 Erdbeben 19f., 106, 157, 165 Erlasse, s. Gesetz(gebung) Exarch v. Ravenna 152 Fara 148 Feldheer, s. Comitatenses Flotte 20, 27, 196 Flurmaße, s. auch Quadrafluren 187 Flurnamen 173 Foederaten, allg. 13,18, 32f., 43,46,48, 50f., 56, 72, 74, 81ff, 91ff., 97ff., 107, 113, 123,136, 159, 161, 195f„ 199f„ 202 Foederatenverband, s. Dreivölkergruppe (I)
280
EX. Register
Foedus, s. Bündnisvertrag Fränkisches Recht 178 Freie(r) 147f„ 161, 176, 179, 203 Friedhofsmemoria,-rien 165 Gairething 148 Garde, s. palatini Gattung, literarische 5,159 Gefangene« 12, 26, 52, 65, 99, 113, 119f„ 158f„ 162f. Gefangenenfreikauf 158f., 162 Germanisierung 175, 18 If., 198 Gesellschaft, -lieh If., 13, 22f., 36, 72f., 95, 103, 107, 124, 147f., 179, 181, 200f. Gesetz(gebung), kaiserliche, s. Codex Religionsgesetze 4 Grabfund(e), Grabungsbefund, s. Befund, archäologischer Gräberfeld 74, 147, 154, 182, 190f. Grenzschutz, -Verteidigung, -wacht 40, 49fT., 73, 82, 84, 88, 93, 101, 106, 119, 121, 128, 193 Grenztruppen, s. Limitanei Halbfreie(r) 147f. Häresie 186 Heermeister, s. auch magister militum (MM) 3, 7ff., 14, ff., 20f„ 23f„ 26, 28f., 33, 44, 51, 82, 85, 88f„ 98, 113, 116, 129, 149, 165, 194f„ 198 Heermeisteramt, s. Magisterium Heidentum) 2, 53, 69, 92,184 Heiliger 22f„ 61f„ 73, 97,163ff„ 168f„ 173 Heiligenvita 3,22 Hideglelöskereszt 45 Historiographie Iff., 24, 97 Höhenburg(en), s.Bergkastell(e) Jahresgelder 17, 73, 98, 104, 108, 136, 138, 140, 142f. Illustris(simus) vir 21, 28, 36, 57, 97, 109 Indiculus (Amonis), s. Notitia Arnonis Indictio 37 Inschriften, s. auch Epitaphe 1, 6, 44, 56, 63, 73, 94, 100, 130, 173, 184, 190 Iren, irisch 184f. Iudex 37 Karolinger(zeit) 69173, 182f. 187ff., 190f. Kastell(e), s. auch Donaukastell(e) 5, 16, 18, 29, 39,41 f., 45, 48ff„ 58f. 62, 67, 69f. 74, 93, 107, 113, 121, 126, 136, 153, 167, 182f„ 188f„ 191f.
Katakomben 164f. Khagan 141ff., 146, 149f„ 152f., 170 Kirchenfamilie 67 Kirchenorganisation 35, 53, 68 Kleinkastell(e) 43,50,70 Klerus 163, 166, 168 Kloster 60f., 168, 181 Klosterkirche 67, 169, 173 Konsularfasten, italische 106 Konsul(at) 11,21,23 Konzil v. Antiochia 54 Konzil v. Chalcedon 54f. Konzil v. Konstantinopel 54 Konzil v. Nicaea 54 Konzil, ökumenisches 54 Kriegsgefangene(r), s. Gefangene(r) Kurialen, s. Curiales Lagerfestung, s. auch Kastell, Binnenfestung 5,43,63, 74, 93, 167 Langobardenrecht 147 Lex Baiuvariorum 178,187 Liber(i), s. Freie(r) Limes 5, 9, 19, 23, 38f., 43,45f., 48ff., 60, 70, 74, 83, 87, 90, 93, 99, 119, 121f„ 156, 166, 195f„ 200 Limes Italiae 26 Limeskastell(e) 43, 48, 50 Limitanei 28 Limitanlisten 4, 40ff.,47 Limitanorganisation 42, 51, 167 Märtyrer, allg. 22, 159, 163f„ 168, 184 Märtyrerbischof 55,163 Magister(ium), Magister Militiae, allg. 9f., 13, 24, 108 Magister equitum 9f. Magister peditum 10 Mansus/Manse(n) 174, 177 Maximilianszelle 176 Mediocres 177ff. Menschenraub 158 Metropolit 53ff., 57, 64, 68, 73 Metropolitanorganisation,-verband 54, 64f. Militärkolonisten, s. Stratioten Militärorganisation/Militärverwaltung 2,4, 28, 31, 38, 52 Milites (Truppeneinheit), s. auch M 40,44, 5If., 59 Milizeinheiten 52 Mission 73, 184, 186, 199 Mission, irofränkische 186 Missionare) 186, 199
d) Sachen und Begriffe Munizipalverwaltung 35f., 166 Municipium 37 Münzschatzfunde 1, 93, 157 Nobilis, -les (vir(i) 35, 166, 175ff. Nobilitas 166 Noricoromanen 155 Notar(e) 35, 180, 187 Notitia Amonis 173 Notitia dignitatum 4, 14, 17, 31, 35, 37ff., 42f., 45ff„ 50, 52, 101 Obermetropolit 53ff., 68 Organisation, kirchliche, s. Kirchenorganisation Palatini/Gardetruppen 4, 14, 18, 28, 38f. 47, 83, 101, 114, 197 Panegyrik 2, 53, 83, 107, 109, 160 Panzerreiter 148 Passio Donati, Romuli, Silvani, Venusti et Hermogenis 164 Passio Hermacorae et Fortunati 97, 164 Patricius(titel) 14, 18, 20, 24f. 64, 108, 116, 171 Pontifex 59 Possessores 35ff., 63, 123ff„ 166, 176, 179 Potestativus homo 178 Praefectura praetorio 8 Praefectus legionis 40,45 Praefectus militami 40,44, 52 Praefectus praetorio 9, 27 Praepositus limitis 40, 44, 180 Praepositus thesaurorum 31 Praeses 18,31,35,82,97 Präfektur, s. praefectura praetorio Prätorianeipräfekt(ur), s. praefectus praetorio Prinzipat 4, 6f. Procurator gynaecei 31 Procurator monetae 31 Provincia/Provinz passim Provinzialen 5, 16, 32ff„ 50ff„ 54, 63, 87, 107, 119, 121ff„ 131, 156, 161, 168f„ 183, 189, 198ff„ 203 Provinzialsynode 54 Provinzstatthalter 37, 163 Ps.-Augustinus, Quaestiones 156 Pseudocomitatenses, isch 39, 45 Quadrafluren, s. auch Flurmaß(e) 188 Quellen(kritik) Iff., 89,92, 94, 97,100, 112, 117,120, 154, 160, 173
281
Rätoromanen 181,203 Rationalis summarum 31 Rechtsmittel, s. auch Gesetzgebung 158 Rechtssetzung, s. Gesetzgebung Reiter(abteilung), s. auch équités 26, 39, 42,46ff., 71, 82, 84f„ 91, 94f„ 98ff„ 108, 122, 136ff., 143, 147f„ 155, 168, 193ff„ 199, 202 Religionsgesetze, s. auch Gesetzgebung 53 Reliquie(n) 93, 159, 163ff„ 168f., 182 Reskript 162 Rhetorik, -risch 2f., 158,160 Romanisierung 35, 89, 161, 173, 203 Römisches Recht, römischrechtlich 15, 36, 120, 124, 128f., 158, 162, 177, 187 Schisma, -matisch, -matiker 33, 65, 170ff. Selbstverwaltung, munizipale, s. Munizipalverwaltung Senat, römischer 11, 14, 19f., 22f., 156, 197 Senatorenstand 156 Servus, servi, s. auch Sklaven/Unfreie 177, 179 Sklave(n)/Sklaverei 12, 98, 105, 138, 148, 158,162, 195, 200 Sozialstruktur 6 Spectabiiis (vir) 28,31,130 Sprengelmagisterium, s. Magisterium Stratioten/Militärkolonisten 202 Steuerdruck 16, 33 Steuer(verwaltung/ -wesen/ -system) 7, 16, 3 Iff., 36f„ 87, 99, 145, 156, 160f„ 198 Steuerpolitik 145, 156 Stilisierung, hagiographische 23, 62 Subsidien, s. Jahresgelder Superindictio 37 Synode v. Aquileia 55 Synode v. Dingolfing 178 Synode(n) v. Grado 64, 171 Synode v. Marianum 171 Synode v. Rom (680) 172 Synode v. Sirmium 54f. Tetrarchie l,7f., 39 Themenverfassung 202 Tradition, literarische 2-5, 159 Translatio(nes) 165 Tribunus, -i cohortis 40f., 49, 59 Tribunus gentis 40,46, 88, 101 Tributales (homines), s. auch Romani tr. 174f., 179
282
IX. Register
Truppen, mobile, s. auch Comitatenses, Palatini 70 Typologie 169 Uferkastell(e) 49f., 67, 93, 107, 121, 167 Unfreie(r) 147f„ 161, 203 Urbs 59 Variae Cassiodors 4,123 Verteidigung(sorganisation) 8,12f., 18, 38, 40,45,48ff„ 56, 62, 70, 73, 89f„ 92, 101, 106, 119, 193, 198, 200 Verwaltung, s. Administration Viri nobiles, s. Nobiles viri Vita Antonii Lirinensis 21 f., 166 Vita Hrodperti 186 Vita Lupi 120 Vita Severini, s. Eugippius Walchennamen 179, 181, 184, 188, 191 Wallsystem 48,50,70 Wergeid 147f. Wirtschaft, -lieh 1, 5, 13, 26, 36, 59, 151, 156 Zivilgouvemeui, s. praeses Zivilverwaltung, s. Administration
Reallexikon der Germanischen Altertumskunde - Ergänzungsbände Hrsg. v. Heinrich Beck, Dieter Geuenich und Heiko Steuer
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