Vision ›Gesamtkunstwerk‹: Performative Interaktion als künstlerische Form 9783839441381

The »cooperative of all forms of art« - the »overall work of art« as a central concept in the arts of the 19th and 20th

198 42 12MB

German Pages 456 Year 2018

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Table of contents :
Inhalt
I. Einleitung: Transformationen einer Vision
II. Anfänge des Begriffs und Konzepts ›Gesamtkunstwerk‹: Definitorische Überlegungen
III. Kunst und Politik: Das ›Gesamtkunstwerk‹ von 1900 bis 1945
IV. Kunst und Leben: Das ›Gesamtkunstwerk‹ ab 1945
V. Demokratie und Anarchie: Ein Ausblick mit Christoph Schlingensief und Jonathan Meese
VI. Anhang
Dank
Literatur
Abbildungen
Personenregister
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Vision ›Gesamtkunstwerk‹: Performative Interaktion als künstlerische Form
 9783839441381

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Alexandra Vinzenz Vision ›Gesamtkunstwerk‹

Image  | Band 127

Alexandra Vinzenz (Dr. phil.), geb. 1983, ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Europäische Kunstgeschichte der Universität Heidelberg. Vorher war sie u.a. am Kunstgeschichtlichen Institut der Philipps-Universität Marburg beschäftigt. Sie promovierte am Institut für Kunstgeschichte der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und erhielt dafür ein Promotionsstipendium des Landes Rheinland-Pfalz.

Alexandra Vinzenz

Vision ›Gesamtkunstwerk‹ Performative Interaktion als künstlerische Form

Die vorliegende Arbeit wurde vom Fachbereich 07 Geschichts- und Kulturwissenschaften der Johannes Gutenberg-Universität Mainz im Jahr 2014 als Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades eines Doktors der Philosophie (Dr. Phil.) angenommen.

© 2018 transcript Verlag, Bielefeld Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Umschlaggestaltung: Kordula Röckenhaus, Bielefeld Druck: docupoint GmbH, Magdeburg Print-ISBN 978-3-8376-4138-7 PDF-ISBN 978-3-8394-4138-1 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: http://www.transcript-verlag.de Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter: [email protected]

Inhalt

I

Einleitung: Transformationen einer Vision

| 9

II Anfänge des Begriffs und Konzepts ›Gesamtkunstwerk‹: Definitorische Überlegungen | 31 1.

Das transformierende Potenzial der Kunst: Richard Wagners utopischer Entwurf | 34

2.

Überlegungen zu einer neuen Theaterform: Adolphe Appias und Edward Gordon Craigs Überwindung des Naturalismus | 54

III Kunst und Politik: Das ›Gesamtkunstwerk‹ von 1900 bis 1945 1.

Die Fusion von Kunst und Leben: Gesamtkunstwerksbestrebungen von 1900 bis 1933 | 71

1.1

Entgrenzungen in der Lebensreform: Synästhesie zur Stimulation | 72

1.1.1

Von Festspielhäusern und Lebensräumen: Architekturen in Darmstadt und Hellerau | 86

1.1.2

Entfesselung des Körpers: Ausdruckstanz bei Dalcroze, Laban und Wigman | 105

1.1.3

Stimulation aller Sinne: Synästhetische Bestrebungen bei Skrjabin, Kandinsky und Schönberg | 125

| 69

1.2 1.2.1

Zusammenleben auf einem anderen grünen Hügel: Die Anthroposophische Gesellscha | 145 Architektur als Ausdruck der Anthroposophie: Das Goetheanum in Dornach | 150

1.2.2

Sichtbarmachung des inneren Menschen: Mysteriendramen und Eurythmie bei den Anthroposophen | 161

1.2.3

Gelebte Utopie? Das ›Gesamtkunstwerk‹ bei Rudolf Steiner | 172

1.3

Vom Expressionismus zur technoiden Stilikone: Das Bauhaus | 176

1.3.1

Das Ziel ist der Bau: Architektur und Esoterik am frühen Bauhaus | 182

1.3.2

Vom Expressionismus zum Mechanismus: Arbeiten der frühen Bauhausbühne | 190

1.3.3

Das ›Gesamtkunstwerk‹ am Bauhaus | 206

2.

Die Ästhetisierung der Politik: ›Totalitarismus‹ in der NS-Zeit | 211

2.1

Künstlerische Disziplinen im politischen Einsatz: Ausgangspunkt Leni Riefenstahl | 213 Propagandistischer Einsatz der Kunst: Adolf Hitlers Ideologie | 234 Perfide Realisierung des ›Gesamtkunstwerks‹? | 244

2.2 2.3

IV Kunst und Leben: Das ›Gesamtkunstwerk‹ ab 1945

| 249

1.

Kunst = Leben: Von John Cage zu Fluxus und Bazon Brock | 252

2.

Rituelle Handlung als Initialzündung: Hermann Nitschs Transformationsidee | 266

2.1

›Orgien Mysterien Theater‹ als großes dionysisches Fest: Bewegung der Massen | 271 Von den Griechen über Wagner bis zu den Wiener Aktionisten: Selbsteinordnung in eine lange Traditionslinie | 284 Festspiel zur Initiation der Transformation: Hermann Nitsch und das ›Gesamtkunstwerk‹ | 301

2.2 2.3

3.

Revolution der Gesellscha: Joseph Beuys’ Selbstfindungs- und Reinigungsprozesse | 306

3.1

Zwischen Solodemonstration bei DER CHEF und Massenmobilisierung bei 7000 Eichen: Stimulation des Einzelnen | 311 ›Soziale Plastik‹ als ein Gesellschasmodell: Politische Visionen | 324 Von der Walküre zur Feecke: Joseph Beuys und das ›Gesamtkunstwerk‹ | 338

3.2 3.3

V Demokratie und Anarchie: Ein Ausblick mit Christoph Schlingensief und Jonathan Meese VI Anhang

| 363

Dank | 363 Literatur | 365 Abbildungen | 443 Personenregister | 445

| 343

I

Einleitung Transformationen einer Vision

»Ein neuer Wert in der Kunst ist erfunden. Die Ästhetik des Lebens als Kunstwerk ist nicht bloss Form, geschweige denn nur Technik, sondern zugleich auch ein Akt der Abwendung von Leben und Kunst um einer neuen, produktiven Zuwendung willen. […] Im Mensch- und Lebensbild des subversiven Gastarbeiters verbinden sich Denken, Wort und Tat mit dem Ziel, sich von der Kunst zu befreien, um sein eigenes Leben leben zu können. […] Die alte Vision des Gesamtkunstwerks verliert ihren Platz an der Sonne, was im Klartext meint: Die Menschen nötigen, nur noch im Gesamtkunstwerk zu leben, weil dieses Kunstwerk die vollkommenste Wirklichkeit sei. Das hält niemand aus. Die Befreiung unternehmen jetzt – ohne gigantisches Getöse, ohne grosse Gesten und Rebellion, unruhig, unabhängig und ungreiar – Lebenskunstwerke als lustvolle, innovative Interaktionen von Leben / Erleben, Kunst / Kultur und Werk / Arbeit, als reale und nicht nur simulierte freie Assoziationen freier Individuen, was eine Steigerung der Lebensintensität verspricht – existentielles Risiko inklusive. Das Lebenskunstwerk (abgekürzt LKW) ist ein Korrektiv zur Überwindung nicht zur Zerschlagung, des Gesamtkunstwerks.«1

Paolo Bianchi (geb. 1964) schlägt hier als Herausgeber der beiden sich gesamtheitlichen Konzepten der zeitgenössischen Kunst zuwendenden Bände des Kunst­forums von 1998 und 1999 mit der Neueinführung des Begriffs ›Lebenskunstwerk‹ vor, das in seinen Augen überholte Konzept ›Gesamtkunstwerk‹ abzulösen. Mit diesem der Philosophie entliehenen Begriff (ohne jedoch darauf weiter Bezug zu

1

BIANcHI 1998, S. 50.

10 | Vision ›Gesamtkunstwerk‹

nehmen)2 will Bianchi die Auebung der Grenzen zwischen Kunst und Leben in der Kunst nach 1945 fassen. Selbst wenn im weiteren Verlauf die ›LKW-Kunst‹ nicht weiter definiert wird, scheint es Bianchi dennoch wichtig, sich vom ›Gesamtkunstwerk‹ insofern abzugrenzen, als die ›Lebenskunstwerke‹ den »totalitären Zug [des ›Gesamtkunstwerks‹] brechen und zeigen, dass es nicht länger um Offenbarung von etwas Höherem geht, sondern schlicht und einfach ums eigene Leben.«3 Andererseits konstatiert der Philosoph Wilhelm Schmid (geb. 1963) nur wenige Seiten später, dass »ein Zusammenziehen von Kunst und Leben im Begriff der Lebenskunst« nicht ohne weiteres möglich ist, denn »Kunst ist als Tätigkeit der Gestaltung zwar Teil des Lebens, nur eben nicht des gewöhnlichen, alltäglich gelebten Lebens, sondern willentlich eines anderen, das quer zum Gegebenen steht oder abseits davon liegt. Lebenskunst mag das Leben mit den Künsten sein, um mit ihrer Hilfe das gelebte Leben und das Selbst zu gestalten und diese Praxis der Gestaltung selbst zur Kunst zu machen, aber weder das Leben noch die Kunst unterliegen dabei beliebiger Verfügbarkeit.«4 Schon diese beiden Stellungnahmen markieren die Breite des Diskussionsfelds: Während einerseits nahezu alles unter dem Begriff des ›Lebenskunstwerks‹ firmieren kann, wird ihm andererseits die von ihm postulierte Möglichkeit einer Einheit von Kunst und Leben abgesprochen. Hierin liegen vermutlich doch wieder größere Parallelen zum Konzept des ›Gesamtkunstwerks‹ als angenommen, sodass der Unterschied zwischen beiden nicht so evident zu sein scheint. So stellt sich die Frage, was das ›Gesamtkunstwerk‹ eigentlich ist und ob dieses Konzept wirklich überholt ist. Im Gegensatz zu Bianchi gehe ich davon aus, dass hierbei durchaus von einem Konzept gesprochen werden kann, das bis in die aktuelle Gegenwart hinein aufgegriffen wird, wenn auch milerweile in verschiedenen Modifikationen. Der Begriff des ›Gesamtkunstwerks‹ wird erstmals 1827 von Karl Friedrich Eusebius Trahndorff (1728–1863) in seiner Schri Ästhetik oder­Lehre­der­Weltan­schauung­und­Kunst verwendet und meint hier die Gleichwertigkeit aller künstlerischen Disziplinen.5 Die darin entwickelten Ideen grei der Komponist Richard Wagner (1813–83) auf und ergänzt sie, indem er der Kunst

2

3 4 5

Mit dem ›Lebenskunstwerk‹ und dessen Entwicklung seit der Antike beschäigt sich im gleichen Band überblicksartig ScHMID 1998, allerdings bleibt auch hier eine klare Fassung des Begriffs oder auch Konzepts sowie dessen Entwicklung aus. BIANcHI 1998, S. 53. ScHMID 1998, S. 78. S. TRAHNDORFF 1827.

Einleitung | 11

die Möglichkeit zur Transformation der Gesellscha zuschreibt. Insofern scheint es zu kurz gegriffen, Wagner als Gipfelpunkt der Romantiker zu verstehen, deren Bestreben, dass das Leben selbst ästhetisch und als Kunstwerk gelebt werden möge, zwar in Wagners Ästhetik einfließt, jedoch mit dessen dialektischer Konzeption des Verhältnisses zwischen Kunst und Leben eine entscheidende Veränderung und Erweiterung erfährt: Wagner entwickelt eine sensualistisch-materialistische Konzeption und stößt damit die gesamte transzendentalphilosophische Grundlage um. Die Rückbindung von Wagners Idee des ›Gesamtkunstwerks‹ an das romantische ›Universalkunstwerk‹ ist daher komplizierter als meist dargestellt.6 Auch die Annäherung an eine künstlerische Einheit erfolgt in vollkommen anderer Art und Weise: Wagner wird, aus der eaterpraxis kommend, von der Separierung der künstlerischen Disziplinen zu neuen Konzepten angeregt, wohingegen die Romantiker das ›Universalkunstwerk‹7 zunächst als theoretische Neuschöpfung entstehen lassen wollen.8 Geht es den Romantikern noch in erster Linie um eine ästhetische Synthese der Künste, so ergänzt Wagner diese im ›Gesamtkunstwerk‹ um einen soziokulturellen Zug und zeigt sich bei seinem Entwurf dieser utopischen Idee wesentlich durch die Überlegungen Ludwig Feuerbachs (1804–72), Arthur Schopenhauers (1788–1860) und Friedrich Nietz-

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7

8

STORcH 2001 (S. 731–748), FRIEDRIcH 1996 (S. 42–53) und RUMMENHöLLER 1965 gehen beispielsweise nicht auf die etymologische Ebene ein und unterscheiden nicht ausreichend zwischen Wagners ›Gesamtkunstwerk‹ und den romantischen Bestrebungen. Lediglich FORNOFF 2004 (S. 25–37, 162–164) weist auf teils grundlegende Unterschiede hin. Die romantische Ästhetik ist geprägt von der Idee eines höheren, universalen Kunstwerks. Die Kunst besitzt – egal ob im Sinne Friedrich Wilhelm Joseph Schellings (1775–1854) als Versinnlichung philosophischer Ideen oder nach Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770–1831) als Synthese von Abstraktem und Konkretem – transzendenten charakter und wird dadurch zu einer Art Über-Realität. Dieses universale Kunstwerk »ist für die Romantiker Schöpfungssprache, Ausdruck des rein Menschlichen und einzig wahre Form des Sprechens« (FRIEDRIcH 1996, S. 43). Bestrebungen in diese Richtung lassen sich auch in Gesprächen, Notizen und theoretischen Überlegungen bei Friedrich Schlegel (1772–1829), Novalis (1772–1801), Ludwig Tieck (1773–1853), Philipp Oo Runge (1777–1810) und Friedrich Hölderlin (1770–1843) finden. Dieser essenzielle Unterschied macht es meiner Meinung nach möglich, wenn nicht gar notwendig, die wagnersche Konzeption des ›Gesamtkunstwerks‹ separat zu betrachten, ohne die romantische Kunstauffassung erneut darzulegen – auch wenn Wagners Idee nicht im luleeren Raum stand; vgl. ScHNELLER 1997.

12 | Vision ›Gesamtkunstwerk‹

sches (1844–1900) beeinflusst.9 Das ›Gesamtkunstwerk‹ nach Wagner ist demnach als ein zweipoliges Modell aus einer ästhetischen und einer soziokulturellen Komponente zu verstehen. Das Konzept bleibt in hohem Maße flexibel und animierte damit in Wagners Nachfolge zahlreiche Künstler, sich auf ähnliche Weise mit der Utopie der Kunst als den Menschen und die Gesellscha verändernde Kra zu beschäigen. In direkter Auseinandersetzung mit Wagner geht v. a. der Bühnenbildner Adolphe Appia (1862–1928), genauso wie sein Kollege Edward Gordon craig (1872–1966), die naturalistische, illusionistische Darstellung an, indem die Suggestion über die Illusion siegen sollte. Die Lösung des eaters aus den Grenzen der Literatur wurde zur Überwindung des in aulärerisch-rationalistischen Grundlagen verhaeten Naturalismus stilbildend. Die theaterreformerischen Überlegungen werden um 1900 geweitet und vielerorts diskutiert: So beispielsweise von Peter Behrens (1868–1940), der nicht mehr einen eaterbau im üblichen Sinn imaginiert, sondern einen durch synästhetische Gedanken und Überlegungen zu liturgischen Handlungen zu schaffenden Tempel. Diese Ideen versucht er schließlich auch bei seiner Beteiligung bei den Eröffnungsfeierlichkeiten der Darmstädter Mathildenhöhe 1901 mit der Inszenierung von Georg Fuchs’ (1868–1949) Das­Zeichen umzusetzen. Gleichzeitig zeigt sich hier die größte Schwierigkeit bei der Umsetzung des ›Gesamtkunstwerks‹ in dessen Vergänglichkeit: Die Eröffnungszeremonie ist, auch wenn sie transzendentale Züge aufweist, eine einmalige Veranstaltung und somit nicht von Bestand. Zudem wird die von Wagner intendierte Rezeptionshaltung des Zuschauers als Koproduzent des Festspiels nicht eingelöst; an diesen Umständen kann auch das ephemere Schauspielhaus Joseph Maria Olbrichs (1867–1908) im Rahmen der Ausstellung nichts ändern. Eine ähnliche Problematik zeigt sich auch im Zusammenhang mit der Arbeitersiedlung in Dresden-Hellerau, deren von Heinrich Tessenow (1876–1950) im Stil der wilhelminischen Reformarchitektur und des Funktionalismus 1911 errichtetes Festspielhaus innovative Ideen zur Raumgestaltung präsentiert. Mit dem regelmäßigen Einsatz von Appias Bühnenbildern und der sog. ›Rhythmischen Gymnastik‹ Émile Jaques-Dalcroze’ (1865–1950) hat diese Institution etwas mehr Beständigkeit. Den neuen Schu-

9

Die differenzierten Verweise Wagners auf Philosophen und die damit vorgenommene Eigenverortung kann in der vorliegenden Arbeit nicht in ihrer Bandbreite vorgestellt werden; so wird nur auf für die Fragestellung relevante Aspekte verwiesen.

Einleitung | 13

lungsmethoden des Körpers, z. B. auch bei Rudolf von Laban (1879–1958) und Mary Wigman (1886–1973), kommt dabei eine wesentliche Position zu. Ähnlich intensiv wie die Beschäigung mit Körperlichkeit im Bereich des Tanzes erfolgt eine Auseinandersetzung mit dem emenfeld der Synästhesie. Arnold Schönberg (1874–1951), Wassily Kandinsky (1866–1944) und Alexander Skrjabin (1872–1915) beziehen in ihren synästhetischen Projekten mehrere Sinne mit ein und wollen sie zusammenführen; die Ideen und Zugänge sind dabei divergent. Mit der von Rudolf Steiner (1861–1925) aus der eosophischen Gesellscha entwickelten Anthroposophischen Gesellscha und dem von Walter Gropius (1883–1969) gegründeten Bauhaus rücken zwei weitere Gruppen, die Glaubensgemeinscha und die Schule, in den Blick. Diese geschlossenen Personenkreise bieten den Nährboden, um im Mikrokosmos zu erproben, was später auf den Makrokosmos der Gesellscha übertragen werden sollte: die Transformation der Gesellscha durch Kunst. Beide Gruppierungen erscheinen auf den ersten Blick denkbar unterschiedlich. Ihre Organisationsformen gelten heute als divergent und unvereinbar, die Formensprache der Produkte und ihre gedanklichen Hintergründe scheinen sich diametral zu unterscheiden. Doch sind gerade die frühen Jahre des Bauhauses um Johannes Ien(1888–1967) und Lothar Schreyer (1886– 1966) von esoterischem Gedankengut geprägt. Diese bisher von der Forschung nicht ausreichend wahrgenommenen Parallelen zur Anthroposophischen Gesellscha werden gerade vor der Betrachtung gesamtheitlicher Konzepte transparent. Mit der Übernahme der Bühnenwerksta am Bauhaus 1923 durch Oskar Schlemmer (1888–1943) löst die Mechanisierung der Bühne den Expressionismus ab und schließt damit zugleich an Überlegungen etwa craigs zur ›Über-Marionee‹ an; es vollzieht sich ein ästhetischer Wandel, wie er in allen Bereichen des Bauhauses zu beobachten ist und vom ersten Direktor Walter Gropius forciert wurde. Die Anthroposophische Gesellscha verbleibt hingegen in ihrer esoterisch-expressionistisch-organischen Formensprache. Mit der Untersuchung der Weiterentwicklung der künstlerischen Disziplinen – Architektur, Tanz, Musik – und den neuen Schwerpunkten dieser Zeit von 1900 bis 1933 wird der Schri aus dem eaterbereich heraus in den Alltag hinein nachvollziehbar und so die Verlagerung des ›Gesamtkunstwerks‹ aus dem eater in neue Räumlichkeiten und von der Bühnendarstellung hin zur Interaktion (was auch die Position des Zuschauers erheblich verändert) nachvollziehbar. Während des Nationalsozialismus bilden Ästhetik und Politik in der systemkonformen Selbstdarstellung eine Einheit. Anschaulich wird dies an Leni Riefenstahls (1902–2003) Parteitagsfilm Triumph­des­Willens (1935): Hierin präsentieren sich

14 | Vision ›Gesamtkunstwerk‹

die Nationalsozialisten so, wie sie gesehen werden wollen und offenbaren damit ein Gesicht, das nicht nur die Wagner-Vorliebe Adolf Hitlers (1889–1945) in der Filmmusik spiegelt, sondern auch in der Gestaltung und festlichen Schmückung des gesamten Nürnberger Geländes, den verschiedenen Uniformen, aber auch den zeremoniell anmutenden Handlungen die Ideale der Nationalsozialisten transportiert. So bedient sich die Politik zum Auau einer ästhetisch angelegten Fassade manipulativer Strategien, um letztlich durch Kunst ihre eigene Gesellscha zu formen; damit kommt dem Konzept ›Gesamtkunstwerk‹ im Nationalsozialismus eine entscheidende Bedeutung zu. Bislang stellt diese ese und Untersuchung ein Forschungsdesiderat dar, doch kann meiner Meinung nach dieser perfide Einsatz der wagnerschen Konzeption nicht verschwiegen werden, v. a. wenn nahtlos auf die gleiche konzeptuelle Anlage zurückgegriffen wird. Eine deutliche Rezeption der Gedanken Wagners findet sich nach 1945 bei Hermann Nitsch (geb. 1938) und dessen ›Orgien Mysterien eater‹. Hier lässt sich nicht nur auf praktische Weise – wenn auch in ästhetisch vollkommen anderer Formensprache – das Fest und Ritual als Initialzündung für die Transformation verstehen (ganz wie Wagner es in Bayreuth ebenfalls geplant hae): auch auf theoretischer Ebene beet sich der Künstler selbst in diesen Zusammenhang ein. Über das eindeutige Referenzsystem (Wagner, Skrjabin, Schönberg) stellt sich Nitsch in eine Tradition, über die er letztlich seine extremen Formen der im Idealfall sechs Tage dauernden Aktion legitimiert. Über kollektiv erlebte, synästhetische Erfahrungen und Handlungen sollen die Teilnehmenden – wobei die Grenzen zwischen Akteur und Zuschauer fließend sind – stimuliert werden und die Katharsis erreichen. Inwieweit Nitsch es tatsächlich scha, eine »ritualisierung des gesamten lebensablaufes«10 zu erreichen, ist nur schwer zu beantworten; letztendlich setzt sich eine derart radikale Form nicht durch. Als vermeintlicher Antipode Nitschs wendet sich auch Joseph Beuys (1921–86) dem Ziel des von Kunst durchdrungenen Lebens zu. Er geht in ähnlicher Konzeption wie Wagner von dem Prozess der Selbsransformation aus, der zu der von ihm logisch entwickelten Schlussfolgerung »Jeder Mensch ist ein Künstler« führt und damit der Kunst das Potenzial einer gesellschalichen Reform zuspricht. So wird in der Wendung vom künstlerischen »Ich« zum »Wir« die Einbeziehung aller Gesellschasschichten und Menschen aller Disziplinen, Berufe etc. zu einem kollektiven, evolutionären Prozess deutlich, der auf die

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NITScH 1969, S. 7.

Einleitung | 15

Erschaffung eines »Gesamtkunstwerks zuküniger Gesellschasordnung«,11 wie Beuys in Anlehnung an Wagner sagt, abzielte. Diese theoretische Vision, die sog. ›Soziale Plastik‹, vertrat Beuys unermüdlich in der öffentlichkeit, sei es im Fernsehen, bei politischen Wahlkampagnen, bei Ausstellungen oder auch in seinen Aktionen; letztere dienten von Anfang an der stetigen Veranschaulichung seiner theoretischen Prämissen. So zeigt bereits eine der ersten Aktionen – DER CHEF­THE­CHIEF­Fluxus­Gesang von 1964 in der Galerie René Blocks in Berlin – die für Beuys typischen Materialien (Filz, Fe und Kupfer), die über die Dauer von acht Stunden nicht bewegt wurden. Das einzig aktive Moment der Aktion waren die Geräusche, die Beuys aus seiner Filzrolle über Lautsprecher erklingen ließ. Den Besuchern blieb lediglich der meditative Mitvollzug, der zu dem gewünschten Umdenken führen könnte. Diese noch eher passive Haltung weicht in späteren großen Aktionen, wie beispielsweise 7000­Eichen anlässlich der documenta 7 in Kassel 1982, dem aktiven Einbezug der Bevölkerung und des öffentlichen Raums. Solche Großprojekte lassen das Ziel einer Revolution der Gesellscha erkennen und auch die Langfristigkeit, mit der sich Beuys diesem Gedanken widmete.



Die rezeptionsgeschichtliche Untersuchung des ›Gesamtkunstwerks‹ muss neben der Betrachtung der künstlerischen Disziplinen in besonderem Maße eine Analyse der soziokulturellen Ebene vornehmen. Die zur Bildung einer neuen Gesellscha durch Kunst notwendige performative Interaktion berührt in der eorie verschiedene Aspekte, die stets um die Begiffe des ›Performativen‹, der ›Interaktion‹, der ›künstlerischen Selbstinszenierung‹, des ›Rituales‹, des ›(Fest-)Spiels‹ sowie der ›Gesellscha‹ und ›Gemeinscha‹ kreisen.

11

BEUyS 1976.

16 | Vision ›Gesamtkunstwerk‹

Mit dem Begriff des ›Performativen‹ ist eng der der ›Präsenz‹ verbunden, d. h. der Ereignischarakter einer aktionalen Handlung.12 Spätestens seit Erika Fischer-Lichtes (geb. 1943) umfangreichen Forschungen fasst der Begriff Alltagshandlungen, politische Äußerungen, mediale Inszenierungen genauso wie praktische Aufführungsdimensionen der Literatur, Kunst und Kultur und ebenso wissenschaliche Äußerungen aus dem Bereich der ästhetischen eorie und der Kulturwissenscha; die ›Welt als Performance‹ ist die neue Leitformel. Den Kern dieser Forschungen bildet die Analyse von Körperhaltung und Gestik der Handelnden, die als Faktoren zur Bildung von Identität und Gemeinscha beitragen, denn Gesellscha und Kultur werden als Ergebnis ›performativer Handlungen‹ verstanden. ›Performativität‹ ist demnach durch Prozessualität gekennzeichnet: Nicht mehr die Textanalyse und Ermilung möglicher Bedeutungen stehen im Zentrum, sondern die Prozesse der außersprachlichen Bedeutungsgenese. Die Schwierigkeiten im Umgang mit derartigen Formen liegen auf der Hand und werden von der amerikanischen Forscherin Peggy Phelan (geb. 1948) nochmals auf den Punkt gebracht: »Performance cannot be saved, recorded, documented or otherwise participate in the circulation of representations of representations: once it does so, it becomes something other than performance.«13 Aus derartigen emenkomplexen hält sich die kunsthistorische Forschung bisher größtenteils heraus, obwohl bereits 1979 die amerikanische Kunsthistorikerin RoseLee

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13

Dieser erfuhr seit den 1960er Jahren eine kontinuierliche Erweiterung: Während sich zunächst die Sprachwissenschaen dem Feld zuwandten, gesellte sich auch zunehmend die Literaturwissenscha hinzu und (besonders in Deutschland) die eaterwissenscha. Die Verwendung des Begriffs brächte die gleichen Schwierigkeiten wie das ›Gesamtkunstwerk‹ mit sich und wird daher weitestgehend vermieden. In zahlreichen Publikationen wendet sich Fischer-Lichte immer wieder Teilaspekten zu, so z. B. FIScHER-LIcHTE / ROSELT 2001; FIScHER-LIcHTE 2003B oder FIScHER-LIcHTE 2003D; sie macht sich dabei immer wieder für den Begriff der ›Aufführung‹ stark, für den Materialität, Medialität und Ästhetizität fundamental seien; s. bes. FIScHER-LIcHTE 2004. Einen erschni der verschiedenen Debaen um den Begriff des ›Performativen‹ bietet der von KERTScHER / MERScH 2003 herausgegebene Band sowie zusammenfassend zum ›performative turn‹ MEyER 2006. PHELAN 1993, S. 146. Dieser ›repräsentierende‹, abbildende Aspekt der Darstellungen wird von Phelan noch um die Kommunikation von Darstellungs-Produkten, von Produktionen als ›unbelebten Abbildungen‹ (Fotografien) erweitert. Sie besteht also einerseits auf der Repräsentation und stellt andererseits funktional und strukturell verschieden dominierte Darstellungs-Realitäten zusammen. S. auch Anm. 834.

Einleitung | 17

Goldberg (geb. 1947) sich mit Performance-Art beschäigte; hierzu liegen einige Ausstellungskataloge vor. Jedoch wird der übergeordnete Aspekt performativer Handlungen und ihrer Ausdrucksformen – beispielsweise in Festen und Ritualen – von der kunsthistorischen Forschung immer noch zu wenig beachtet.14 Eine Klärung der Begriffe ›Performativität‹ oder ›Performance‹ ist hier nicht zu leisten, die Termini werden im Sinne der Künstler als Aufführung und deren Entgrenzung in den Bereich der Lebenswirklichkeit verstanden und damit im Kontext des ›Gesamtkunstwerks‹ analysiert. Das spannungsreiche Verhältnis zwischen performativer und referentieller Funktion ist erst im Prozess der Aufführung zu erforschen und baut daher auf den Rezeptionsvorgang der Zuschauer. Ob es sich dabei nun um eine eateraufführung oder eine Performance handelt, ist fast irrelevant,15 da in dem von Wagner im Bereich des eaters ersonnenen ›Gesamtkunstwerk‹ der Zuschauer zum Koproduzenten im Augenblick des ›Festspiels‹ werden musste, um Transzendenz zu erreichen. Gelingt eine solche Transformation, wird die Performance zur absoluten Gegenwart und führt damit zu der von dem französischen Musiker und Musikwissenschaler Daniel charles (1935–2008) – in Anlehnung an den französischen Philosophen Jean-François Lyotard (1924–98) und den belgischen Kunsthistoriker ierry de Duve (geb. 1944) – 1989 gezogenen Schlussfolgerung, dass die Performance »nicht in der Zeit [geschieht], sie erzeugt ihre eigene Zeit; sie ist nicht im Raum, sie scha ihren eigenen Raum. Präsenz wird Aktualität«.16 Dies erklärt auch, weshalb der räumlich enge Bereich des eaters im Laufe der Entwicklung des ›Gesamtkunstwerks‹ verlassen werden konnte und der Rezipient zunehmend aktiver wird. Denn der Höhepunkt der Performance, so charles weiter, sei erreicht, wenn das Publikum aktiver Teil der Koppelung mit dem Performer werde; solche Vorgänge seien ›politisch‹ zu nennen, im Sinne des deutschen Philosophen Martin Heidegger (1889–1976) als Ort der Geschichte. Die Interaktion ist also grundlegend, um die im Kunstwerk ruhende Wirklichkeit überhaupt offenbaren zu können, wenn alle Teilnehmenden z. B. durch die Rückführung auf archaische Phänomene, das Überschreiten des gegenwärtigen Augenblicks und /oder Überschreiten der endlichen Wirklichkeit zu neuer Erkenntnis gelangen.17

14 15 16

S. GOLDBERG 1979; zur kunsthistorischen Forschungslage HANTELMANN 2001. S. FIEBAcH 2001, S. 754–758. cHARLES 1989, S. 79.

18 | Vision ›Gesamtkunstwerk‹

Das messianisch anmutende Aureten der Künstler, die Wert auf eine Selbstdarstellung und -inszenierung legen, ist bezeichnend für Kunstwerke mit gesamtheitlichem Anspruch. So hielt bereits 1959 der amerikanische Soziologe Erving Goffman (1922–82) fest: »Wir alle spielen eater.«18 Dieser Topos des ›Welheaters‹, der seit einigen Jahren in den Kultur- und Sozialwissenschaften als Konzept wiederentdeckt wird, ist auch auf den Kunstbetrieb als öffentliche Bühne anwendbar; darin inszeniert sich ein Künstler in verschiedenen sozialen Rollen wie z. B. als Künstlerfürst, Bürgerschreck, Universalgenie, Träumer, Sammler, Wissenschaler, Reformer oder Politaktivist. Meist werden differenzierte Systeme von Rollenübernahmen vorgenommen, die den Erfolg der Selbstinszenierung der Künstler garantieren sollen. Eine derartige Selbstinszenierung hängt eng mit der Schaffung eines Mythos zusammen, der als Begriff bei Wagner – im Vergleich zu den Mythologen im Umkreis der Romantik – eine Erweiterung erfährt, indem dieser den Mythos zum konstanten Erklärungsmodell der Wirklichkeit erhebt.19 Eine Demystifikation des Mythos und der Künstlermythen will die vorliegende Arbeit jedoch nicht leisten, sondern sie sieht vielmehr in der Ausgestaltung eines Künstlerbildes, eines Images die Voraussetzung für ein ›Gelingen‹ des ›Gesamtkunstwerks‹, denn erst die vom Künstler selbst angelegte und auf unterschiedliche Weisen forcierte Schaffung einer Kunstfigur wird durch den Rezipienten zur Kultfigur.20 Der Körper und seine Materialität mit seiner Präsenz und seinen Fähigkeiten sind von immanenter Bedeutung, allerdings nicht im Sinne lebender Kunstwerke, sondern es geht vielmehr um einen totalitären Kunstbegriff, der das gesamte Menschsein umfasst21 und in sozialen Gemeinschaen genauso wie im Kunstkontext o als Spiel, Ritual oder Geste in Erscheinung tri.

17 18 19 20

21

S. ausführlicher ROMBOLD 1980. S. GOFFMAN 2010, bes. S. 19–23 (Definition der Rolle), 17–233 (Zusammenfassung). S. BORcHMEyER 2000; allgemein zur ›Kunst als Mythos der Moderne‹ VOSSKÜHLER (2004), bes. S. 19f. »So verstanden ist die Existenz eines Image die Voraussetzung für die Herstellung eines Idols, ist die Kunstfigur die unverzichtbare Basis der Kultfigur.« (GROBLEWSKI 1993, S. 52.) Zu Kultfigur und Mythenbildung s. GROBLEWSKI / BÄTScHMANN 1993. Im Zusammenhang mit totalitären Konzepten muss eigentlich auch der Begriff des ›Fragments‹ fallen; da dieser jedoch weder für Wagner bei seinem ›Gesamtkunstwerk‹ noch in der Folge eine Rolle spielt, wird auf weitere Ausführungen verzichtet; s. hierzu exemplarisch die Aufsätze in SORG / WÜRFFEL 2006, bes. von FETScHER 2006; ScHMITZEMANS 2006 und DANUSER 2006.

Einleitung | 19

Dem Ritual kommt aufgrund seiner Möglichkeiten der Erhaltung und Restitution von Gemeinscha eine entscheidende Funktion zu, wobei eben nicht nur die von den Soziologen, Politologen und Pädagogen beschriebenen symbolischen Gehalte wichtig sind,22 sondern auch der performative charakter, wie er v. a. von der eaterwissenscha in den letzten Jahren erfasst wurde.23 Der sog. ›cultural performance‹ folgend können die aufeinander bezogenen kulturellen Praktiken der Inszenierung, Performativität und Wahrnehmung betrachtet und damit eine charakteristische Seite von theatraler Kunst, die weit in die Bereiche des gesellschalichen Lebens grei, beobachtet werden.24 Auf diese Weise können die Gefühle, Vorstellungen und Mythologien, die sich beim Teilnehmenden eines Rituals konstitutieren, erforscht und damit bestimmte Formen wie das von Wagner aufgegriffene ›kultische Fest‹25 besser eingeordnet werden. Zugleich bietet das ›Fest‹ mit seinem alltagsfernen Dasein die Möglichkeit der Wirklichkeit (zumindest temporär) zu entrücken. Dies bedeutet dann für das ›Gesamtkunstwerk‹, nach Odo Marquard (1928–2015), dass es »nicht neben die vorhandene alltägliche und festliche Wirklichkeit treten [will], sondern an ihre Stelle: das Gesamtkunstwerk ist jenes totale Fest und Moratorium des Alltags, das die vorhandene Wirklichkeit nicht mehr gelten läßt, und ist schließlich – ernst genommen – auf ästhetische Weise das, wogegen es gerufen wurde: der revolutionäre

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Z. B. LUcKMANN 1999 versteht Rituale als kommunikative Handlungsform des Symbols, KRAML 1999 blickt allgemein auf Verhaltenskoordinierungen und MöRTH 1999 nimmt die Religion als wichtigen Faktor mit in den Blick, ähnlich auch ZITKO 1998 mit seiner Betrachtung von Religion und Macht. Die Arbeiten hierzu stammen fast alle aus dem Umkreis des von Fischer-Lichte geleiteten SFB ›Kulturen des Performativen‹, so z. B. FIScHER-LIcHTE U.  A. 2003; GRONAU / ROSELT 2004; WULF / ZIRFAS 2001; 2003 und 2005, je mit der Darlegung unterschiedlicher wissenschalicher Positionen unter ausführlicher Nennung der Literatur. S.  zur historisch-semantischen Erläuterung des Begriffs TÄNZLER 2003. Ich gehe dabei davon aus, dass eine Kategorisierung in eater und Performance nicht notwendig ist, da die Grenzen gerade im Bereich des ›Gesamtkunstwerks‹ zu fließend sind; vgl. JAPPE 1993, S. 53. Dass das Verhältnis der Begriffe ›Inszenierung‹ und ›eater‹ nicht unproblematisch ist, da gerade der Begriff der ›Inszenierung‹ zum Schlüsselbegriff kultur- und politikwissenschalicher Debaen wurde, legen ausführlich MEyER / ONTRUP / ScHIcHA 2000 dar. S. zu den verschiedenen Traditionslinien BORcHMEyER 2000, S. 72–79.

20 | Vision ›Gesamtkunstwerk‹

Ausnahmezustand.«26 Das ›Gesamtkunstwerk‹ in diesem Sinn soll also die Wirklichkeit zu einem homogenen Kunstgebilde umformen. Es geht demnach nicht um eine künstlerische Gestaltung der Wirklichkeit, sondern um die Aneignung und Integration der Wirklichkeit durch Änderung der Kunst; dies kann – wie zu sehen sein wird – auf unterschiedliche Weisen erfolgen. Die Begriffe der ›Wirklichkeit‹ und ›Realität‹ werden häufig äquivalent verwendet, auch wenn dies aus historisch-philosophischer Perspektive nicht korrekt ist. Eine Differenzierung der Begriffe existiert lediglich in der deutschen Sprache, wobei ›Wirklichkeit‹ in der Regel das haptische, also tatsächliche oder auch ›echte‹ Vorhandensein meint, aber auch universal verstanden werden kann und dann einen totalitären Anspruch erfüllt; in dieser indifferenten Form verwenden ihn schließlich auch die meisten im Folgenden behandelten Künstler.27 Feste sind außerdem gemeinschasbildend und unter diesem Aspekt essenziell für das ›Gesamtkunstwerk‹. Die grundlegende Studie von 1887 des deutschen Soziologen Ferdinand Tönnies (1855–1936) geht davon aus, dass sowohl ›Gemeinscha‹ als auch ›Gesellscha‹ Formen sozialer Bejahung seien, wobei sich die ›Gemeinscha‹ durch den Willen des Einzelnen, sich als Teil des Kollektivs zu verstehen, auszeichne, wohingegen der als Miel zum eigenen Zweck motivierte Anschluss an ein Kolletiv ›Gesellschaen‹ konstituiere.28 Streng genommen schließen sich also ›Gemeinscha‹ und ›Gesellscha‹ aus, unter empirischen Gesichtspunkten ist jedoch häufig eine gemischte Verwendung zu beobachten. So differenzieren auch die Akteure im Kontext des ›Gesamtkunstwerks‹ meist nicht genügend zwischen den beiden Begriffen, prinzipiell ist jedoch

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MARqUARD 1989, S. 688. Dieses durchaus kritische Plädoyer für das Feiern von Festen führt Marquard zu der Schlussfolgerung »gut geschlafen ist halb gefeiert« (S. 691). Einen Überblick der Problematisierung des Begriffs gibt der Lexikonartikel von TRAPPE 2004. Im Zuge der sich ausbreitenden Diskussionen über ›Medienwirklichkeit‹ werden sowohl altbewährte Kriterien der Seinsfragen als auch neue Kategorien, wie z. B. die ›multiple realities‹, bemüht und entwickelt. Gleichzeitig zeigt sich, dass Wirklichkeit als pluraler Begriff verstanden werden muss, da Individuen aus verschiedenen Gründen verschiedene Wirklichkeiten konstruieren. Derartige ›mediale Wirklichkeiten‹ setzten keine körperlichen Erfahrungen voraus; s. KUHN 2009, S. 196. Die Frage, ob das illusionistische Erleben einer ›Wirklichkeit‹ Wagner in seinem Konzept des ›Gesamtkunstwerks‹ ausreichte, kann nicht beantwortet werden, da sich hierzu keine konkreten Äußerungen finden. S. TöNNIES 1935, bes. Buch 1, § 6.

Einleitung | 21

zu beobachten, dass ›Gemeinscha‹ meist im Zusammenhang mit der freiwilligen Konstitution bzw. dem Anschluss an eine Gruppierung genannt wird – dies kann auch unter Zwang erfolgen, wie besonders bei den Nationalsozialisten anschaulich –, ›Gesellscha‹ hingegen meist – wenn auch omals unbestimmt – politisch konnotiert ist. Prinzipiell greifen derartige Überlegungen unmielbar in das emenfeld von Politik und Kunst, wie es auch dem ›Gesamtkunstwerk‹ inhärent ist. Allerdings ist hier kein fest umrissener Politikbegriff auszumachen, sondern eher einer im Sinne der Systemtheorie des deutschen Soziologen Niklas Luhmann (1927–98):29 Mit Hilfe von Kommunikation soll eine Komplexitätsreduktion herbeigeführt werden, die durch Beobachtung, Versuch und Irrtum über lange Zeit eine emergente Ordnung, das sog. ›Soziale System‹, entstehen lässt. Gleichzeitig geht Luhmann mit dem Begriff der ›Kontingenzbewältigung‹ davon aus, dass es keine in sich geschlossene und universelle eorie gibt, da Erkenntnis erst in selbstreferenziellen Prozessen entstehe, die ältere Erkenntnisse voraussetzten. Von solch einem offenen Politikverständnis muss im Folgenden ausgegangen werden, um die Dimensionen des Konzepts ›Gesamtkunstwerk‹ greifen zu können und um nicht mit der Annahme, es sei eine fest umrissene, politisch konkret ausgerichtete Form der Mobilisierung von Individuen, das Ziel zu verfehlen. Die grundlegende Vorstellung, dass das Kunstwerk dem Menschen höhere, jenseits des Alltäglichen liegende Wirklichkeiten zugängig machen könne, lässt sich als Grundmotivation des ›Gesamtkunstwerks‹ verstehen. So findet sich in zahlreichen Kunsheorien, Künstlertraktaten und Kunstwerken immer wieder die Ambition, Kunst als Medium zu verstehen, das das Potenzial zur Transzendenz in sich birgt. Auch in einer sich von Metaphysik und eologie distanzierenden Kunst finden sich immer wieder Formen von Religiosität, wie z. B. durch die Rückführung auf ›Urphänomene‹, das Überschreiten des gegenwärtigen Augenblicks und das Überschreiten der endlichen Wirklichkeit. Dass Kunst – gerade mit Blick auf eine zunehmende Säkularisierung – dann häufig als ›Ersatzreligion‹ tituliert wurde, verwundert nicht, genauso wenig, dass der Begriff der ›Kunstreligion‹ nahe am ›Gesamtkunstwerk‹ liegt. Die jüngsten Untersuchungen zur ›Kunstreligion‹ des deutschen Literaturwissenschalers Bernd Auerochs (geb. 1960) gehen davon aus, dass das Phänomen in drei Phasen unterteilt werden müsse, wobei Wagner mit seiner Radikalisierung der ›Kunstreligion‹ die

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LUHMANN 1987, S. 156f.

22 | Vision ›Gesamtkunstwerk‹

zweite Phase maßgeblich geprägt habe.30 Kunst werde hier zur modernen Religion der Gebildeten, indem sie nicht nur offenbaren, sondern auch erlösen könne. Eine solche Erlösung durch Kunst als innerweltliches Geschehen ohne göliche Instanz liegt als Kerngedanke dem ›Gesamtkunstwerk‹ zugrunde, das sich daher in Teilen religiöser Praktiken bedient. Ausgelöst werden können zwei gesellschaliche Dispositive: Ritual und Trance,31 wobei das Rituelle kontrollierbar, bei der Trance hingegen der Kontrollverlust entscheidend sei.



Die Untersuchungen stützen sich auf zahlreiche elltexte sowie Vorarbeiten in der Fachliteratur: Hierzu zählen baumonografische Untersuchungen sowie Forschungen zu Leben und Werk einzelner Architekten und Künstler genauso wie eine Reihe von musik- und theaterwissenschalichen Monografien zu Künstlern des frühen 20. Jahrhunderts.32 Hier zeigte sich eine weitere Schwierigkeit: Das Spektrum der Literatur umfasst mehr als bei anderen emengebieten neben Forschungsliteratur auch eine große Zahl populärwissenschalicher Titel von mehr oder minder fragwürdiger alität, beispielsweise zahlreiche Texte zur Anthroposophie, deren Bandbreite von seriöser Forschung bis zu dubioser Esoterik reicht. Vorweg sei gesagt, dass die Übernahme entsprechender Termini keine Zustimmung zu den damit vertretenen weltanschaulichen Konzepten impliziert, doch muss sich auch der kritische Umgang des entsprechenden (Fach-)Vokabulars bedienen. Die Menge der Literatur zu den einzelnen Gebieten veranschaulicht bereits das jeweilige Forschungsinteresse; so finden sich bei Wagner Publikationen zu allen Bereichen, also zu Musik, Kunstauffassung und Politik; das könnte

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S. AUEROcHS 2006. S. auch die Aufsätze in KAISER / LEy 2004. Das Problem am Begriff der ›Kunstreligion‹ ist, dass sie zunächst – ähnlich wie das ›Gesamtkunstwerk‹ – den Anschein erweckt ein Konzept zu sein, jedoch gestaltet sich dies weitaus schwieriger und harrt noch einer differenzierten Untersuchung. S. DOUGLAS 1986, S. 112f. Ein kurzer Literaturüberblick mit der wichtigsten Forschungsliteratur findet sich zu Beginn der einzelnen Kapitel in einer Fußnote. Es wird ausschließlich mit Kürzeln gearbeitet, die über das Literaturverzeichnis zu entschlüsseln sind. Außerdem werden sämtliche Hervorhebungen aus den Vorlagen übernommen.

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dazu führen, die ohnehin zu konstatierende Dominanz Wagners nochmals zu überschätzen. Mit den avantgardistischen Visionen des ›Gesamtkunstwerks‹ beschäigte sich die Forschung hingegen kaum unter differenziertem Blickwinkel – und wenn, dann nicht bezüglich der Rückbeziehung und Abgrenzung zu Wagner. Mit dem ›Gesamtkunstwerk‹ als konzeptionelle Idee setzt sich die Forschung seit 1983 auseinander. Als Initialzündung dazu darf die von Harald Szeemann (1933–2005) konzipierte Ausstellung Der­Hang­zum­Gesamtkunstwerk mit ihrem Katalog verstanden werden.33 Hier wurde zwar eine große Bandbreite des unübersichtlichen emenfelds behandelt, jedoch nicht geordnet oder theoretisch präzisiert. Bazon Brock (geb. 1936)34 und Odo Marquard35 versuchten in diesem Katalog eine genauere Bestimmung des ›Gesamtkunstwerk‹-Begriffs und kamen zu zwei grundsätzlichen Definitionen: Brock plädiert dafür, dass ein ›Gesamtkunstwerk‹ nicht allein aus einem ästhetischen Anspruch entstehe, sondern als »gedankliches Konstrukt übergeordneter Zusammenhänge«;36 dafür führt er den Begriff der ›Totalkunst‹ ein, der sich, umgesetzt in der Gesellscha, als ›Totalitarismus‹ äußere.37 Marquard hingegen geht von einer »Tendenz zur Tilgung der Grenze zwischen ästhetischem Gebilde und Realität« aus;38 auch er beschränkt sich nicht nur auf die künstlerischen Disziplinen. Beide Autoren bemängeln demnach die Überdehnung des Begriffs, die zu einer großen Beliebigkeit in der Verwendung führt und nochmals wissenschasgeschichtlich zu untersuchen wäre.39 Als Materialsammlung ist der Katalog daher verdienstvoll, doch klärt er nicht über theoretisch-definitorische Kategorien auf.

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S. AUSST.KAT. DER HANG ZUM GESAMTKUNSTWERK 1983. Diese Ausstellung wurde von weiten Teilen der Literaturkritik als »von epochaler Tragweite gewertet.« (FORNOFF 2004, S. 13; er bezieht sich auf die Besprechung von ZELLWEGER, Harry, in: Das Kunstwerk. Zeitschri für moderne Kunst, XXXVI (1983), H. 3–4, S. 145f.) S. BROcK 1983. S. MARqUARD 1983. BROcK 1983, S. 23. Ebd., S. 24. MARqUARD 1983, S. 40. Vgl. Anm. 55.

24 | Vision ›Gesamtkunstwerk‹

Denkanstöße in diese Richtung gibt der 1994 von Hans Günther herausgegebene Tagungsband Gesamtkunstwerk.­Zwischen­Synästhesie­und­Mythos.40 Er enthält Aufsätze zu verschiedenen Aspekten der ematik; so erfolgt zwar keine umfassende theoretische Auseinandersetzung mit dem ›Gesamtkunstwerk‹, dafür wird es aber erstmals kategorisiert; darunter ist beispielsweise auch der Aufsatz von Juan Allende-Blin Gesamtkunstwerke­–­von­Wagners­Musikdramen­zu­Schreyers­Bühnenrevolution.41 Erweitert wird das Spektrum in dem Tagungsband der Akademie Loccum Der­Traum­vom­Gesamtkunstwerk von 1998: Klaus Englerts Aufsatz Der­Traum­vom­Gesamtkunstwerk.­Das­ästhetische­Dispositiv­der­Moderne? liefert darin einen Überblick über die Weite des thematischen Felds;42 die projektierte explikative Funktion des Buches geht jedoch durch die Aneinanderreihung der Einzelbeiträge verloren. Auch der von Inge Baxmann 1999 veröffentlichte Aufsatz Verbindung­ der­ Künste­ und­ Verknüpfung­ der­ Sinne gibt interessante Ansätze, v. a. hinsichtlich einer Rezeption des ›Gesamtkunstwerks‹ zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Frankreich; allerdings fällt auch hier die Fokussierung auf eoriegebilde auf, die die Auswahl der Beispiele nur bedingt klärt.43 Eine umfassende Studie legte Roger Fornoff 2004 mit seiner Publikation Die­Sehnsucht nach­dem­Gesamtkunstwerk vor.44 Es handelt sich um eine überwiegend theoretisch angelegte Arbeit, die nur bedingt der Frage der praktischen Umsetzung der Idee nachgeht.45 Im Ansatz Marquards folgend sieht Fornoff das Entstehen des Konzepts des ›Gesamtkunstwerks‹ in der Romantik, betrachtet dieses bis in die Anfangsphase des 20. Jahrhunderts, erscheint dann allerdings zu beliebig in der Auswahl der untersuchten Projekte v. a. in der zweiten Häle des 20. Jahrhunderts (hier wird nur Hermann Nitsch angeführt). Genauso wie diese v. a. philosophisch-literaturwissenschaliche Arbeit setzt auch die theaterwissenschaliche Untersuchung von Guido Hiß Synthetische­Visionen ein Jahr später (2005) mit der

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S. GÜNTHER 1994. S. ALLENDE-BLIN 1994. S. ENGLERT 1998. S. BAXMANN 1999. S. FORNOFF 2004. STEIN 1963 stellt in seinem Aufsatz Richard­Wagner­und­das­Gesamtkunstwerk hingegen die ese auf, dass Wagners eorien nur eine »sehr bedingte Gültigkeit« (S. 105) besäßen und damit – im Gegensatz zu seinen Werken – fast keinen Einfluss ausgeübt häen. Eine Annahme, die komplementär zur vorliegenden Arbeit steht und auch nicht entsprechend fundiert werden kann.

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Untersuchung der Romantik an;46 er resümiert größtenteils die bisherigen Ergebnisse hinsichtlich einer Synthese der Künste im Bereich des eaters. Mit der Problematik der Forschung beschäigt sich erneut 2006 Anke Finger in Das Gesamt­kunstwerk­ der­ Moderne,47 hält dabei jedoch ihrer eigenen Kritik nicht stand, denn auch hier scheint die Auswahl der behandelten Projekte willkürlich. Zwar berufen sich alle Forscher auf Wagner, doch wird dessen Konzeption des ›Gesamtkunstwerks‹ lediglich vergleichend eingeordnet und bewertet, selten eine Rezeptions- bzw. Modifikationslinie nachvollzogen. Es bleibt hier meist bei einsätzigen Verweisen – so z. B. bei Dieter Henrich in seinem Aufsatz Gesamtkunstwerk­ und­ Partial­kunst von 2001 auf Joseph Beuys48 –, die keine analytische Untersuchung der Gemeinsamkeiten und Unterschiede vornehmen. Die Beliebigkeit des Begriffs veranlasste 1989 Erika Fischer-Lichte, in ihrem Aufsatz Das­»Gesamtkunstwerk«.­Ein­Konzept­für­die­Kunst­der­achtziger­Jahre? eine klare Ablehnung oder Annahme des Begriffs ›Gesamtkunstwerk‹ zu fordern.49 Sie konstatiert ein »grundlegende[s] Dilemma« in der Begriffsverwendung; das Wort werde »einerseits gebraucht, weil er als vage, undefiniert und daher beliebig zu füllen gilt; andererseits aber gerade aus dem entgegengesetzten Grund, nämlich weil mit ihm eine ganz bestimmte Bedeutung intendiert wird«.50 Diese seit Beginn der wissenschalichen Auseinandersetzung mit dem ›Gesamtkunstwerk‹ kritisierte willkürliche Verwendung des Begriffs zeigt sich auch noch in der spezifischen Fachliteratur, die meist nicht ausreichend den Rezeptionslinien nachspürt oder nicht zwischen rein theoretischem Konstrukt und Realisierungsversuchen der Vision differenziert. Wolfgang Lange geht in seinem Aufsatz Gesamtkunstwerk­Madonna 1994 davon aus, dass das ›Gesamtkunstwerk‹ immer ein Traum und eine Fiktion sei, die die Künstler versucht häen zu erreichen, wobei die jedoch immer wieder gescheitert wären.51 Er kommt zu dem Schluss: »Wenn die [w]agnersche Utopie überhaupt irgendwo realisiert worden ist, dann in der nur zu o abschätzig behandelten Kulturindustrie. […] Wo anders als in Hollywood hat das von Wagner erträumte ›Kunstwerk der Zukun‹ das Licht

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S. HISS 2005. S. FINGER 2006. S. HENRIcH 2001. S. FIScHER-LIcHTE 1989. Ebd., S. 63. S. LANGE 1994.

26 | Vision ›Gesamtkunstwerk‹

der Welt erblickt?«52 Interessant sind in diesem Zusammenhang v. a. die jüngsten amerikanischen Forschungen wie z. B. die Publikation des amerikanischen Literaturwissenschalers Mahew Wilson Smith e­total­work­of­art von 2007.53 Er nimmt nach einer Analyse des wagnerschen ›Gesamtkunstwerks‹, dessen Zweipoligkeit er auch hervorhebt, das Bauhaus mit seinen eaterprojekten in den Blick, Bertolt Brechts (1898–1956) episches eater, Leni Riefenstahls Film Triumph­des­Willens (1935), um schließlich mit der Betrachtung des emenparks von Disney World und Andy Warhols (1928–87) Performances das Spektrum hin zur Pop-Kultur und Betrachtung des cyberspaces zu weiten. Dieser große Bogen gibt interessante Einblicke in die divergenten Spielformen des ›Gesamtkunstwerks‹, verliert aber zum einen die konkrete Rezeptionslinie aus dem Blick, und zum anderen erklärt sich einmal mehr nicht die Auswahl der Untersuchungsgegenstände, die wiederum meist nur aus theoretischer Perspektive beleuchtet werden. Etwas enger grei die amerikanische Kunsthistorikerin Juliet Koss in ihrem Buch Modernism­aer­Wagner von 2010 den Begriff.54 Sie geht ebenfalls von Wagner aus und nimmt dann die Darmstädter Mathildenhöhe, die ›Retheatralisierung‹ des eaters in München um 1900 und das Bauhaus in den Blick. Erneut stellt sich die Frage nach Auswahl der Untersuchungsgegenstände sowie den Rezeptionslinien; grundsätzlich jedoch handelt es sich bei dieser Studie um die erste wissenschaliche Untersuchung zu dem emenkomplex. In Anlehnung an Brocks Versuch, miels einer Wortneuschöpfung das ›Gesamtkunstwerk‹ konkreter zu fassen und abzugrenzen, zeigen sich auch in der Sekundärliteratur einige Versuche, auf diese Weise die Schwierigkeit im Umgang mit dem Begriff zu umschiffen. Angela Merte beispielsweise geht 1998 in ihrer Publikation Totalkunst davon aus, dass »der Begriff Gesamtkunstwerk o mit den Opern Richard Wagners identifiziert« werde und daher scheint es ihr angebracht, »für Konzepte und Medien des 20. Jahrhunderts, die sich weder des Mediums der Oper noch der theoretischen Grundlage Wagners bedienen, einen neuen Begriff zu wählen.«55 Was sie damit aber vorschlägt, ist letztlich nur eine

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LANGE 1994, S. 274. Interessant ist hier v. a. auch die Spezifizierung mit der Begrifflichkeit des ›Kunstwerks der Zukun‹, das quasi die Vorstufe zum ›Gesamtkunstwerk‹ ist; s. Kapitel II.1. SMITH 2007. S. KOSS 2010. MERTE 1998, S. 11. Interessant ist v. a. ihre Annahme, dass »die Auseinandersetzung mit dem ema nun [nach 1945] auch in einem wissenschalich, medientheoretischen

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Verschiebung der Problematik und eventuell noch weitere Ausdehnung. Aus soziologischer Perspektive geht Merte stärker von Schlagworten wie ›Rituale‹, ›Fest und Spiel‹, ›Kunstreligion‹, ›Ekstasen‹ oder ›Performance – Performanz‹ aus, unter denen sie dann kenntnisreich Beispiele heranzieht, diese jedoch nie eingehender analysiert. Diesem immer wieder in der Forschung zu beobachtenden Defizit soll in der vorliegenden Arbeit mit gründlichen kunsthistorischen Betrachtungen der ausgewählten Beispiele begegnet werden, um entsprechende Auswertungen vornehmen zu können. Ralf Beil ordnet sich 2010 mit der von ihm kuratierten Ausstellung Gesamtkunstwerk­Expressionismus in die Tradition von Szeemann. Mit Blick auf den gleichen Zeitraum wird beabsichtigt das ›Gesamtkunstwerk‹ als »kulturhistorisches Panorama« und »Innenansicht des Expressionismus« im Sinne Wagners anzuwenden.56 Doch auch hier fehlt die phänomenologische Untersuchung des Konzepts, sodass weder die proklamierte Rezeption Wagners im Folgenden aufgegriffen wird, noch die Wechselwirkungen von eorie und Praxis. Ebenfalls als direkte Reaktion auf Szeemanns Katalog Der­Hang­zum­Gesamtkunstwerk beschäigte sich André Vladimir Heiz 1984 in seinem Aufsatz Das­Individuum findet­nicht­statt philosophisch-literarisch mit dem ema. Er betont darin nochmals die vorbildhae Rolle Richard Wagners für das ›Gesamtkunstwerk‹ und plädiert zugleich dafür, dass das Konzept als ein »typisch deutsch[es]« eingehender untersucht werden müsse;57 selbst eine europäische Vereinnahmung sei schwierig ohne den Vergleich subkultureller und nationaler Konfigurationen. So wird der ›Hang zum Gesamtkunstwerk‹ in seinen Augen zum »Opfer eines der abendländischen Grundmuster[s]: der Idee vom ewigen­Zustand, einer unwiderruflichen Sicherheit, daß ein Baum ein Baum ist, Kunst auf ewig Kunst, die Zukun die Zukun und gewiß besser.«58

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Diskurs sta[findet].« (S. 57.) S. dann ihre Ausführungen zu Gilles Deleuze (1925–95), Jacques Derrida (1930–2004), Jean Baudrillard (1929–2007), Walter Benjamin (1892– 1940), eodor W. Adorno (1903–69), Vilém Flusser (1920–91) und Marshall McLuhan (1911–80) S. 57–70. Eine solche philosophisch-wissenschasgeschichtliche Untersuchung des ›Gesamtkunstwerks‹ strebt die vorliegende Arbeit nicht an. AUSST.KAT. GESAMTKUNSTWERK EXPRESSIONISMUS 2010, S. 14 (Einleitung von Ralf Beil). HEIZ 1984, S. 180. Ebd., S. 183.

28 | Vision ›Gesamtkunstwerk‹

Bis heute ist ›Gesamtkunstwerk‹ daher – wie bereits Szemann kritisierte – in den unterschiedlichen geisteswissenschalichen Disziplinen eine fast »beliebig verwendbare Begriffshülse« geblieben.59 Jeweils an die eigene Fachrichtung angelehnt, ist die Forschung meist zu großzügig in der Verwendung des Wortes vorgegangen und blieb methodisch omals lediglich an der Schwelle zur Inter- oder Transdisziplinarität stecken. So offen das Konzept selbst von Anfang an angelegt war, so vielfältig sind auch die Bedeutungen, die der Begriff in kunstliterarischen und -wissenschalichen Schrien annimmt: Das Spektrum erstreckt sich über das ›barocke‹ und ›sakrale Gesamtkunstwerk‹60 ebenso wie das ›Gesamtkunstwerk als Problemstellung‹61 oder den ›Tod des Gesamtkunstwerks‹62. Dieses zunehmend konturlose, verzerrte Bild zurechtzurücken und dabei den Blick auf die Mechanismen der Wagner-Rezeption zu schärfen sowie eine Differenzierung totalitärer Konzepte vorzunehmen, ist Aufgabe der vorliegenden Studie. Hier wird keine Wissenschasgeschichte des ›Gesamtkunstwerks‹ geschrieben, d. h. es wird nicht die historische Verwendung des Begriffs und dessen sich wandelnde Bedeutung über die letzten 150 Jahre im Fokus stehen. Stadessen soll das Konzept in seiner inhaltlich-künstlerischen Rezeption untersucht werden. Die Verwendung des Begriffs im Zusammenhang barocker Ideale beispielsweise ist seit den 1920er Jahren in der Forschungsliteratur zu beobachten und wird seit Mie der 1980er kritisch hinterfragt; was jedoch die inflationäre Anwendung des Begriffs, auf alles, was in multimedialer Weise im Miteinander der verschiedenen beteiligten Kunstgaungen ein sinnlich erfahrbares Ineinander scha, nicht stoppen kann. Dabei ist eigentlich eine klare Differenzierung möglich: Denn Wagner stellt gerade mit der gezielten und seltenen Verwendung des Terminus diesen ins Zentrum seiner Kunsheorie, indem er, auf den sich die spätere Begriffsverwendung weithin berief, gerade das Festspiel in den Fokus seiner Betrachtungen rückte, von dem ausgehend eine Transformation der Gesellscha erfolgen sollte. Ebenso wenig wird es um die Frage der Erneuerung von Wagners Opern gehen, da die ›Musikdramen‹ und ihre späteren Inszenierungen im Kontext des Gedankens der Transformation durch Kunst im Akt der ›Aufführung‹ eher als wiederholte Versuche in der Erreichung des von Wagner proklamierten Ziels ver-

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SZEEMANN 1983, S. 17. HOFMANN 1966, S. 22, 104. HOFSTÄTTER 1963, S. 13. SEDLMAyR 1948, S. 88.

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standen werden müssen denn als neue, selbstständige Versuche einer Realisierung des zweipoligen Konzepts ›Gesamtkunstwerk‹. So bleibt die Regieführung und damit der gesamte Prozess, bis es zur tatsächlichen aktionalen Handlung kommt, größtenteils unberücksichtigt. Die Dokumentation dieser performativen Künste bildet zudem ein eigenes emenfeld, das leider wenig behandelt werden kann. Hier wären weitere Nachforschungen unbedingt wünschenswert, da mit dem medialen Festhalten – seien dies Filme, Fotos, Zeichnungen, Entwürfe oder Partituren etc. – meist eine zusätzliche Interpretationsebene entsteht. Unberücksichtigt bleibt außerdem die Betrachtung der Literaturproduktion, denn für Wagner ist sie zwar im gesungenen Wort wichtig, jedoch für die Kernaussage des ›Gesamtkunstwerks‹ nicht unbedingt relevant. So wird auch die sich rapide verändernde literarische Gaung zu Beginn des 20. Jahrhunderts keine Beachtung finden, da gerade in der Zeit nach 1945 keine literarischen Vorlagen mehr notwendig sind, um die gleiche künstlerische Idee zu transportieren. Es wird daher auf die einzelnen künstlerischen Disziplinen im visuellen und akustischen Bereich fokussiert, im Sinne einer synästhetischen Wahrnehmung der Kunst. Nur aus einer interdisziplinären Perspektive lassen sich Fragestellungen zum ›Gesamtkunstwerk‹ bearbeiten, sollen sie nicht grundsätzlich am ema vorbeigehen. Schon die Untersuchung der ästhetischen Komponenten Architektur, Aufführung und Musik bedingt es, eine interdisziplinäre Vorgehensweise zu wählen. In dieser Studie werden daher die von der Forschung im Einzelnen bereits erprobten kulturwissenschalich-ikonologischen sowie kunstsoziologischen Ansätzen mit musik- und theaterwissenschalichen verbunden. Die größte Schwierigkeit besteht dabei einerseits in den nur schwer objektivierbaren Begriffen der Disziplinen und andererseits in der Verwobenheit der Forschungsgebiete untereinander: Interdisziplinäres Vorgehen beim ›Gesamtkunstwerk‹ kann sich prinzipiell mit einer künstlichen Separierung der Disziplinen nicht vertragen, wenn in ihrer Verschmelzung gerade der Kern des politisch-sozial-ästhetischen Konzepts bestand. So werden an einigen Stellen Bereiche wie Funktion, Ästhetik und deren Auswirkungen auf die ›Politik‹ (oder umgekehrt) miteinander verbunden. Besonders evident wird dies bezüglich der Überlegungen zur Synästhesie: Die Vision, fernab von der materialistisch-säkularen Gegenwart Räume zu schaffen, in denen der Sehnsucht nach ›Geistigkeit‹ und Spiritualität nachgegangen werden könne, erklärt die Annäherung an die ematik von Seiten der Kunstgeschichte, macht zugleich jedoch augenfällig, wie wichtig eine kulturanthropologische Sicht auf solche emengebiete in der Forschung ist. Bemüht wird daher eher eine problemgeschichtliche Ansatzweise, die es ermöglicht, auch auf

30 | Vision ›Gesamtkunstwerk‹

den ersten Blick divergente künstlerische Positionen miteinander zu vergleichen und im Rahmen einer konzeptionellen Idee gleichwertig zu betrachten. In vielerlei Hinsicht haben sich dadurch neue Perspektiven aufgetan, die im traditionellen kunsthistorischen Verständnis bisher nicht parallelisiert wurden; eine Heroenschreibung liegt dieser Arbeit demnach völlig fern, selbst wenn sie sich auf namhae Protagonisten bezieht – durch die Selbstmystifizierung der Künstler ist dies jedoch dem ema inhärent.

II

Anfänge des Begriffs und Konzepts ›Gesamtkunstwerk‹ Definitorische Überlegungen

Das theatrale Festspiel ist der Ausgangspunkt der Überlegungen zum ›Gesamtkunstwerk‹. Ihm wird von Richard Wagner zum einen eine Erlösungsfunktion im metaphysischen Bereich zugesprochen und zum anderen beinhaltet es mit der Abkehr von konkreten Staatsformen hin zu ästhetischen Handlungen aus innerer Notwendigkeit heraus eine politische Komponente. Das theatrale Festspiel muss daher als Resultat des Konzepts ›Gesamtkunstwerk‹ verstanden werden, in welchem zunächst die einzelnen künstlerischen Disziplinen durch die Parallelisierung eine synästhetische Einheit bilden und so im ästhetischen Akt zusammenfallen sollen, um schließlich auf einer soziokulturellen Ebene die Grenzen zwischen Kunst und Leben aufzuheben. Das Kunst und Leben integrierende Werk des schöpferischen Kollektivs findet nach Wagners ›Gesamtkunstwerks‹-Konzeption seinen Ausdruck im ›musikalischen Drama‹.63

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Eine Differenzierung zwischen ›Musikdrama‹, ›Kunstwerk der Zukun‹ und ›Gesamtkunstwerk‹ bedeutet: das Bühnenwerk einerseits, die Bedingungen seiner Aufführung andererseits. Der Begriff des ›Musikdramas‹ fußt auf der Synthese von Schauspiel und Oper in einem theatralischen Fest, dem ›Bühnenweihfestspiel‹ (wie Wagner seinen Parsifal bezeichnete), wird aber auch von Wagner teilweise synonym zu ›Gesamtkunstwerk‹ verwendet; s. ausführlicher GOEHR 2008.

32 | Vision ›Gesamtkunstwerk‹

Richard Wagner wendet sich v. a. drei emenkreisen zu: dem musikalischen Drama, der eaterform und der (politischen) Revolution.64 Diese drei Bereiche finden in der direkten Auseinandersetzung mit Wagner in unterschiedlichen Gewichtungen ihre Rezeption und Modifikation: Friedrich Nietzsche, der sich aus einem persönlichen Kontakt mit Wagner vom anfänglichen Anhänger zu einem der größten Kritiker entwickelte,65 behielt nicht nur die praktischen, sondern v. a. die theoretischen Arbeiten Wagners über viele Jahre im Blick.66 Wagners ›Musikdramen‹ erhebt er damit zu mythischen Ereignissen, die die Wiederkehr des Dionysischen und den Zugang zu elementaren Schichten des Lebens ermöglichen.67

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»Sie [die Kunst] hat mit ihr [der sozialen Bewegung] ein gemeinschaliches Ziel, und beide können es nur erreichen, wenn sie es gemeinschalich erkennen. Dieses Ziel ist der starke und schöne Mensch: die Revolution gebe ihm die Stärke, die Kunst die Schönheit!« (WAGNER 1849, S. 32.) cAySA 2008 (S. 51f.) mahnt in seinem Aufsatz an, Nietzsches Entwicklung nicht als vom »unkritischen Wagnerverehrer zu einem Wagnerhasser« führend zu verstehen (wie es häufig in der Literatur geschieht), sondern ihn als kritischen Wagnerianer mit unterschiedlichen öffentlichkeitsmaßstäben zu betrachten, was seine Schrien nahelegen würden. Die Beziehung von Wagner und Nietzsche wurde bereits aus den verschiedensten Blickwinkeln betrachtet, so SORGNER / BIRX / KNOEPFFLER 2008 in ihrem Handbuch mit einer sehr guten Literaturliste. Einen guten Überblick über die Entwicklung der Beziehung zwischen Wagner und Nietzsche, v. a. aus der Perspektive von Letzterem, gibt FIGAL 2001. S. bezüglich der biografischen Daten HEIN 2006 (S. 149– 154) sowie zur Gegenüberstellung der ethischen Überlegungen Wagners und Nietzsches SORGNER 2008. Darüber hinaus finden sich in zahlreichen Publikationen zu Wagner mehr oder weniger ausführliche Informationen zu seiner Beziehung mit Nietzsche; s. die im Folgenden genannte Literatur. Zu Nietzsches Kulturkritik im Allgemeinen s. die grundlegende Arbeit von GENTILI 2010. Die­Geburt­der­Tragödie ist vollkommen in der Ästhetik Wagners verfasst, sodass Wagners Aussage, Nietzsche sei der Einzige »der weiss, was ich will!« (Richard Wagner an Friedrich Nietzsche, 21.9.1873, ed.  in: BORcHMEyER / SALAqUARDA 1994, Bd.  1, S. 228–230, hier S. 230), nachvollziehbar ist; s. zu Wagners ›Anteil‹ an dem Text BORcHMEyER 1982, S. 151–175. Gleichzeitig ist die Schri auch ein »dezidiert antihistorisches und zugleich antiklassizistisches Manifest. Dieses Manifest kämp gegen die Altertumswissenscha der Zeit und gegen ihre Konstruktion der – vor allem griechischen – Antike.« (LANDFESTER 2002, S. 89.) Nietzsche unterscheidet zwei Arten von Musik: die apollinische und die dionysische. Ihre Gegensätzlichkeiten als die Welt der Erscheinungen Abbildende, also des Guten, und den Weltwillen Nachahmende, demnach dem Bereich des Realen zugehörige, wer-

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Nietzsche verharrt also nicht bei der Untersuchung der Beschaffenheit der künstlerischen Disziplinen, sondern hinterfragt ihre Funktion und tatsächliche Wirkungsweise: Die politische Komponente des ›Gesamtkunstwerks‹ wird durch Nietzsche mit der Erhebung der Menschheit zu einem künstlerisch schaffenden Organ unter Beibehaltung des Ziels einer Fusion von Kunst und Leben weitergedacht. Diese theoretische Radikalisierung der Überlegungen Wagners behält die offene Form des Konzepts, die im Folgenden Künstlern genügend Spielraum zur Gestaltung ließ, bei: Man konnte Wagner um 1900 gegenüberstehen wie man wollte, ignorieren ließen sich seine Vorstellungen nicht. Im Gegensatz zu einer derartigen relativ theorielastigen Betrachtung der ›Musikdramen‹ und Schrien Wagners, die in Ablehnung gipfeln, findet sich auch eine Form der Imitation bei August Bungert (1845–1915). Als euphorischer Wagner-Anhänger – von diesen jedoch zugleich verachtet – verfolgt er Zeit seines Lebens das Ziel, ein Miniatur-Bayreuth am Rhein zu initiieren.68 Das Beispiel Bungerts zeigt zudem die Verschmelzung von seiner ursprünglich schopenhauerschen Metaphysik mit der modischen (allerdings bei Bungert an der Oberfläche bleibenden) Nietzsche-Rezeption im Kaiserreich. Eine Weiterentwicklung und Umformung der Ideen Wagners wird v. a. mit den beiden eaterreformern Adolphe Appia und Edward Gordon craig ersichtlich. Ihnen geht es nicht mehr um eine naturalistische, illusionistische Darstellung, sondern um Stimmungsgehalte; so soll die Suggestion über die Illusion siegen. Dafür muss aber auch an die Phantasiebereitscha des Publikums appelliert werden. Die Herauslösung des eaters aus den Grenzen der Literatur wird zur Überwindung dieses in aulärerisch-rationalistischen Grundlagen verhaeten Naturalismus stilbildend; sie geht in der Musik einher mit der Erweiterung der Tonalität. In Auseinandersetzung mit Wagner und gleichzeitiger Orientierung an Friedrich Nietzsche als »philosophische[m] Vater«69 und damit als Ausgangs-

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den im Schönen geeint, d. h. im Idealfall in der dionysischen Musiktragödie; s. SORGNER 2006; zur herausragenden Position der Musik für Nietzsche s. GERHARDT / REScHKE 2006. Darüber hinaus lassen sich in Nietzsches Musikästhetik auch die beiden Pole der damaligen Debae mit ›Gefühl‹ und ›Form‹ finden; s. LANDERER 2006. Die erste umfassende Monografie zu dem Komponisten stammt von HUST 2005 (dem ich für den Hinweis auf Bungert ganz herzlich danke). Auf die Rezeption des Festspielgedankens und Geniekults Wagners bei Bungert weist bereits GRUBER 1984 (S. 314–316) hin. REIcHART 1999, S. 244.

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punkt für die neue Geisteshaltung der Lebensreform, finden Appia und craig über dessen ästhetische Forderungen zu neuen architektonischen und künstlerischen Formen, bei denen dem Licht als neuem Material zur Überwindung der räumlichen Grenzen eine wesentliche Rolle zukommt. Sie ebnen mit ihrer künstlerischen Ausdrucksform den Weg zur Bildung einer künstlerischen Einheit und dem Einbezug des Publikums, womit sie als Vorläufer der anschließenden eaterreform verstanden werden müssen. Außerdem zeigt sich hier in direkter Reaktion auf Wagner der eigenständige Versuch, die ästhetische Ebene des ›Gesamtkunstwerks‹ entsprechend zu realisieren, um in einem zweiten Schri darüber bewusst soziokulturellen Einfluss nehmen zu können.

1. Das transformierende Potenzial der Kunst: Richard Wagners utopischer Entwurf »Das große Gesammtkunstwerk, das alle Gaungen der Kunst zu umfassen hat, um jede einzelne dieser Gaungen als Miel gewissermaßen zu verbrauchen, zu vernichten zu Gunsten der Erreichung des Gesammtzweckes a l l e r , nämlich der unbedingten, unmielbaren Darstellung der vollendeten menschlichen Natur, – dieses große Gesammtkunstwerk erkennt er [der Geist] nicht als die willkürlich mögliche at des Einzelnen, sondern als das nothwendig denkbare gemeinsame Werk der Menschen der Zukun.«70

Richard Wagners Konzept des ›Gesamtkunstwerks‹ ist demnach nicht nur eine ästhetische, auf die Auebung der Hierarchisierung der Künste abzielende Idee, sondern in großem Maße auch eine politische Vision zur Schaffung einer neuen Gesellscha.71 Die Vereinigung der künstlerischen Disziplinen ist der erste Schri,

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WAGNER 1850, S. 32. Milerweile gibt es unzählige Forschungen zu Wagner, alle verfolgen dabei ihre individuellen Fragestellungen. Neben zahlreichen musik-, literatur- und rezeptionswissenschalichen Untersuchungen sind es v. a. die Publikationen von BORcHMEyER (1982; 1987 und zusammen mit SALAqUARDA 1994) und BERMBAcH 1994, die für die folgenden Ausführungen von besonderem Interesse sind. Beide Forscher nähern sich auf interdisziplinäre Weise dem emenfeld Wagner und streben einen umfassenden Blick an. So rücken in den Publikationen allgemeine Fragestellungen, wie nach dem ›Gesamtkunstwerk‹ (ebd.), der Rezeption in Musik und eorie oder auch spezifischer zu Wagners Werken, wie z. B. dem Ring (BERMBAcH / BORcHMEyER 1995), immer wieder in den

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um mit dem daraus resultierenden ›Kunstwerk der Zukun‹ verändernd auf die Gesellscha wirken zu können (wobei sich Lebenswirklichkeit und Kunst zugleich bedingen).72 Diesen die ästhetische Komponente des ›Gesamtkunstwerks‹ betreffenden Fragen wendet sich Wagner bereits in seinen drei im Schweizer Exil entstandenen Schrien Die­Kunst­und­die­Revolution (1849), Das­Kunstwerk­der­Zukun (1850) und Oper­und­Drama (1851) zu;73 besonders ausführlich geht er dabei auf Tanz-, Ton- und Dichtkunst sowie deren Wechselwirkungen ein.74 Zentrales Ordnungselement ist der Rhythmus,75 denn er »ist das natürliche, unzerreißbare Band der Tanzkunst und Tonkunst« und gewährleistet den »dichtesten, feinsten Ausdrucke bestimmter, geistiger Momente des Gefühles«.76 Konkret bedeutet dies für Wagner, dass erst das Zusammenwirken aller drei Disziplinen, wie es beispielsweise in der Oper als »Sammelpunkt« geschehen solle,77 das ›Kunstwerk der Zukun‹ bildet. Nach derartigen allgemeinen Worten Wagners geht er ins Detail der ästhetischen Gestaltung.

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Fokus. Darüber hinaus finden sich zahlreiche Editionen von ellenmaterial; s. z. B. VOSS 1998. Es wird an entsprechenden Stellen auf die Spezialliteratur verwiesen. S. WAGNER 1850, S. 139. S. WAGNER 1849; 1850 und 1851. Wagner publizierte alle drei Texte zusammenfassend unter Gesammelte­Schrien­und­Dichtungen (Band 3) 1851 in Leipzig. Die Schrien erschienen also zu einem Zeitpunkt, als sich das Leben in Europa nach der industriellen Revolution veränderte und somit ein Nährboden für neue, freiere Ideen vorhanden war. Das Überwinden der Vergangenheit wurde als etwas Aktives betrachtet; s. STORcH 2001, S. 752 und Anm. 115. Eine gute Zusammenfassung hinsichtlich der Beeinflussung Wagners zur Zeit der Juli- und Märzrevolution s. BRUSOTTI 2008 und ausführlicher JAcOBS 2010 (bes. S. 59–101) sowie zu den Jahren vor dem Schweizer Exil FORNOFF 2004 (S. 164–203). Wagners theoretische Diskurse werden von einigen Forschern in drei Phasen, die frühe, milere und späte, unterteilt (s. z. B. KUNZE 1983), die maßgeblich durch Wagners eigenen Umgang mit entsprechenden philosophischen Schrien geprägt sind; s. knapp KIENZLE 1992, S. 24–27. So sind die Züricher Kunstschrien maßgeblich unter dem Einfluss Feuerbachs entstanden. Kurz danach entwickelte sich mit der Entdeckung Schopenhauers die Ästhetik Wagners weiter (wie sie ihren Niederschlag in Tristan­und­Isolde und im Parsifal findet) und erneut mit der Bekanntscha Nietzsches; s. ausführlicher hierzu HEIN 2006. S. WAGNER 1850, S. 88–140. S. ebd., S. 90f. Ebd., S. 55f. Ebd., S. 134.

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Für die Architektur wünscht Wagner die topografische Lage in »einer schönen Einöde, fern von dem alm und dem Industrie-pestgeruche unserer städtischen civilisation«.78 Für die Gestaltung des Innenraums sind ihm folgende Punkte wichtig: Das Ineinandergreifen von Bühnen- und Zuschauerraum sowie die Auebung der Hierarchisierung des Publikums durch Parke und Loge.79 Die tradierte Form der Guckkastenbühne sieht er außerdem als überholt an, da sie nicht die Möglichkeit böte die »dramatische Handlung dem Auge und dem Ohre der Zuschauer zur verständlichen Wahrnehmung zu bringen.«80 Hieraus ergeben sich Anforderungen an eine zukünige eaterarchitektur, die keine andere Aufgabe hat, »als einer Genossenscha künstlerisch sich durch sich selbst darstellender Menschen die räumliche Umgebung zu schaffen, die dem menschlichen Kunstwerke zu seiner Kundgebung nothwendig ist.«81 Der ungebrochene Blick auf die Bühne sowie die Aufhebung der Differenzierung des Publikums in Stände- und Staatsbürgerkategorien durch Ränge würden den von den eaterreformern geforderten permanenten Kommunikationsaustausch von Darsteller und Zuschauer erlauben, sowie den Bestrebungen – beispielsweise Gofried Sempers (1803–79) – eines demokratisierten Raums nachkommen.82 Insgesamt befürwortet

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Richard Wagner an Franz Liszt, 30.1.1852, in: Sämtliche Briefe, Bd. 4, hrsg. v. Gertrud Strobel und Werner Wolf im Aurag der Richard-Wagner-Stiung Bayreuth, Leipzig 1979, S. 270, zit. nach FRIEDRIcH 2006, S. 51. So postuliert Wagner: »und so wird kein Baumeister der Welt es z. B. vermögen die, durch die Trennung unsres Publikums in die unterschiedensten Stände und Staatsbürgerkategorien gebotene Uebereinanderschichtung und Zersplierung der Zuschauerräume zu einem Gesetze der Schönheit zu erheben.« (WAGNER 1850, S. 189.) Das entkräete die repräsentative Funktion, die den höfischen eatern noch eigen war – entsprechend orientiert sich Wagner am Amphitheater. Wie weiter unten noch zu sehen sein wird, sind die Griechen nicht nur architektonisch der Orientierungspunkt, sondern haben für die Konzeption des ›Gesamtkunstwerks‹ Vorbildfunktion. Ebd., S. 188. Ebd., S. 187. Ein neues, bürgerliches Publikum machte Reformen im eaterbau notwendig, so unternahm Friedrich Gilly (1772–1800) erste Bemühungen zur Veränderung des Zuschauer- und Bühnenraums, zu einer Umsetzung kam es allerdings erst durch seinen Schüler Karl Friedrich Schinkel (1781–1841) im Königlichen Schauspielhaus am Berliner Gendarmenmarkt; s. ausführlicher zu den frühen Bestrebungen einer Demokratisierung von Auditoriums- und Bühnenbereich KINDERMANN 1963, S. 37–41. Als Paradebeispiel des eaterbaus als Spiegel der gesellschalichen Umstrukturierung

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Wagner demnach Schmucklosigkeit und Zweckmäßigkeit bei der Errichtung eines Festspielhauses. Hinsichtlich der Bühnengestaltung zeigen sich ähnlich innovative Bemühungen: Aufbauend auf Karl Friedrich Schinkels (1781–1841) Idee nicht illusionistisch zu täuschen, sondern mit Hilfe visueller Andeutungen auf den Ort und den Inhalt des Stückes zu verweisen,83 fordert Wagner von der Landschasmalerei, dass sie »uns so lehren [wird] die B ü h n e für das dramatische Kunstwerk der Zukun zu errichten, in welchem sie selbst lebendig, den warmen Hintergrund der Natur für den leb endigen, nicht mehr nachgebildeten, Menschen darstellen wird.«84 Grundlegend ist ihm also nicht eine getreu historische Nachbildung der Handlung, sondern eine sinnliche Vermilung der zentralen Aus-

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seiner Zeit dürfen die Projekte Sempers bezeichnet werden; einerseits setzte er architektonisch das um, was politisch gefordert wurde, und andererseits wollte er so ein gesellschaliches Umdenken erreichen. Die Architektur wird zur politischen Bedeutungsträgerin. Sein besonderes Augenmerk galt dabei der amphitheatralischen Gestaltung des Zuschauerraums im Sinne der bürgerlichen Demokratisierung sowie den Veränderungen im äußeren Erscheinungsbild, das die Funktionen der einzelnen Bauteile nun ablesbar werden lässt (s. BUScHEK 1999, S. 8f., 12) – begründet liegt dies nicht nur in rein architekturästhetischen Punkten, sondern ebenso in äußeren Einflüssen, wie beispielsweise gesetzlichen Vorgaben (s. ZIELSKE 1971, S. 42, 45f.). Die Arbeiten Sempers waren Wagner bekannt, z. B. sollte Semper 1862 im Aurag König Ludwigs II. (1845–86) in München ein provisorisches Fesheater zur Aufführung von Wagners Oper errichten – das Projekt scheiterte jedoch (s. ALTMANN 2003, S. 409–422; STORcH 2001, S. 756 und Anm. 88). Mit den Projekten Sempers (sowie seinen realisierten Bauten) beschäigt sich ausführlich der AUSST.KAT. GOTTFRIED SEMPER 2003. Am eindrucksvollsten umsetzen konnte Schinkel diese Forderungen in seinen legendär gewordenen Bühnenbildentwürfen für Wolfgang Amadeus Mozarts (1756–91) Zauberflöte, die am 18. Januar 1816 in der Königlichen Oper zu Berlin ihre Premiere feierte; s.  grundlegend zu den Bühnenwerken HARTEN 2000; knappe Überblicke geben AUSST.KAT. KARL FRIEDRIcH ScHINKEL 2012; GISSKE 1984, S. 49–52 und WERNER 2007A, S. 33. WAGNER 1850, S. 182. Es zeigt sich hier wieder eine der Ambivalenzen Wagners: Einerseits fordert er konkret Landschasmalerei für das Bühnenbild, andererseits soll die Phantasie des Zuschauers angeregt werden – was in Anbetracht der illusionistischen Bühne nicht gegeben scheint. Natur allgemein sieht Wagner als wiedervereinendes Element von Zivilisation und Kultur. Bezüglich dieses Diskurses stellt er sich in eine lange Traditionslinie, die um die Begriffe des ›Erhabenen‹ und ›Silichen‹ kreisen; s. ausführlicher BAUER 2008, S. 178–185.

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sagen; dies gilt auch für die Kostüme. Gleiches darf für die Gesten angenommen werden, denn »was die Sprache zu verständlichen strebt, alle die Empfindungen und Gefühle, Anschauungen und Gedanken, […] all dieß wird unbedingt verständliche, glaubhae Wahrheit nur durch die Mimik«.85 Es sollte demnach nicht bei einer Interpretation der Musik bleiben, sondern die Sänger aktiv die dramatischen alitäten des Werks ausdrücken. Wagners Neuerungen auf dem Gebiet der Musik zeigen sich insbesondere in der Lockerung der tonalen Gebundenheit, dem systematischen Einsatz der Leitmotivtechnik und dem Aueben von Arie und Rezitativ. Sein Ziel war die Gleichstellung von Text und Musik; das gegenseitige Bedingen – ohne hierarchische Stufung – war anvisiert, weil die Tonkunst »das Herz des Menschen« ist, laut Wagner »das Blut, das von ihm aus seinen [sic] Umlauf nimmt, giebt dem nach außen gewandten Fleische seine warme, lebenvolle Farbe, – die nach innen strebenden Nerven des Gehirnes nährt es aber mit wellender Schwungkra.«86

Abb. 1: Richard Wagner und Paul Oo Brückwald, Festspielhaus Bayreuth, Gesamtansicht von außen, 1872–76 erbaut, Ansicht von 1896, mit sog. Königsbau, rechts große Restauration, links die kleine; hist. Foto o. A.

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WAGNER 1850, S. 57f. Ebd., S. 68.

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Von diesen ersten theoretisch entwickelten Ideen führt zwar keine lineare Kausalität nach Bayreuth (1872–76)87 – zwischen den Züricher Konzepten und dem Bau in Bayreuth liegen 20 Jahre –,88 dennoch lassen sich die Spuren der revolutionären eaterkonzeption noch im fernab jeder Großstadt errichteten Festspielhaus erkennen (Abb. 1–3) und sich daran die Frage nach der Realisierung des geforderten ›Kunstwerks der Zukun‹ beantworten. Den von Wagner gehegten Wunsch der Verschmelzung von Bühnen- und Zuschauerraum konnte der Architekt Paul Oo Brückwald (1841–1917) nicht realisieren:89 Auf den ersten Blick mag es durch die akustisch einfallsreiche Erfin-

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Die Eröffnung der Bayreuther Festspiele mit Wagners Ring war für 1875 geplant. Aufgrund diverser Verzögerungen erfolgte sie ein Jahr später; s. BAUER 2008, S. 64–66. Dazwischen plante Wagner mit Semper das Projekt eines idealen eaters in München für König Ludwig II., von welchem Wagner in Bayreuth v. a. drei wesentliche Elemente übernahm: das doppelte Proszenium, ein versenkbares Orchester (s. Anm. 90) und die Kreissegmentform des Auditoriums; s. Anm. 82 und zu anderen Projekten BORcHMEyER 1982, S. 28–35. Der bayerische König erwies sich als großer Mäzen. Aber auch viele weitere Personen setzten sich ein, sodass nach Erhalt des Grundstücks am 22. Mai 1872 der Grundstein gelegt wurde; s. FRIEDRIcH 2006, S. 51–54; Auszüge der Festrede in FRIEDRIcH 1996, S. 201f.; KIESEL 2007, S. 63. Die Freude über die Eröffnung des Festspielhauses am 13. August 1876 mit dem Ring­des­Nibelungen muss v. a. mit Blick auf die schwierige Finanzierung groß gewesen sein: Der Haupeil (ca. 1 / 3) wurde vom König finanziert. Darüber hinaus konnten sog. ›Patronatsscheine‹ erworben werden, die einen Sitzplatz für alle drei geplanten Veranstaltungen garantierten und damit eine ebenso wichtige Einnahmequelle darstellten. Außerdem wurde Anfang der 1860er Jahre in Mannheim von Emil Heckel (1831–1908) ein Wagnerverein mit zahlenden Mitgliedern gegründet, nach dessen Vorbild sich im Folgenden zahlreiche weitere Gruppierungen bildeten. Dennoch spielten die ersten Festspiele ein Defizit von 160.000 Mark ein. Erst mit dem Parsifal am 26. Juli 1882 wurde ein Überschuss erzielt; Zahlen nach FRIcKE 1876, S. 7f.; BIE 1931, S. 6f., 14; ausführlich s. SPOTTS 1994, S. 57–68, 93. Seitdem schae es Bayreuth immer wieder gegen die Konkurrenz zahlreicher weiterer Wagner-Aufführungen weltweit zu behaupten; s. cARNEGy 2006 und BUcHNER 2013, S. 29–55 sowie bes. in Deutschland MAcK 1978 und in Zürich BÜHRLE 2005. Eine genaue Untersuchung des Bayreuther Baus steht noch aus, so findet sich einzig KIESELs 2007 bildreiche, aber auch populärwissenschaliche Publikation, die Beschreibungen der verschiedenen Bauglieder außen und innen mit dem Versuch einer kunsthistorischen Verortung vornimmt sowie Angaben zu bautechnischen Fragen aufgrei. Brückwald konnte schon vor Bayreuth Erfahrungen im Bereich der eaterarchitektur sammeln; s. STROBELs 2006 monografische Arbeit zum Architekten.

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dung des verdeckten Orchestergrabens zwar so scheinen,90 als sei diese Grenze aufgehoben, doch sind Bühnenrahmen und Vorhang als trennende Elemente geblieben.91 Optisch wird der Darsteller durch die Anlage zweier Portale, die die Bühne in die Ferne rücken und den Darsteller größer erscheinen lassen, besser wahrnehmbar, doch ist er zugleich separiert.92 Die Überdeckung des Orchestergrabens hat die Klangleitung der Musik zunächst auf die Bühne und aus deren Hintergrund heraus zum Publikum zur Folge; das auf der Bühne gesprochene oder gesungene Wort hingegen wirkt direkt auf das Publikum, sodass es akustisch herausgehoben wird. Die bis heute immer wieder gelobte Akustik entsteht außerdem durch den amphitheatralischen Auau,93 der im Sinne Wagners auf Ränge und Logen verzichtet. Das von eaterreformern angestrebte Sichtideal konnte in den meisten Reihen durch den ungehinderten Blick des Besuchers über die seitlichen Wände – gestaffelte Scherwände – auf die sehr tief angelegte Bühne (36 m) erfüllt werden;94 von einem Aufgeben der Guckkastenbühne kann jedoch durch die Betonung des Proszeniums nicht die Rede sein – dadurch auch nicht von einem Verschmelzen von Bühnen- und Zuschauerraum. Die avancierte Technik des Festspielhauses hingegen kam den Ideen des Komponisten sicherlich entgegen.95 Es bleibt dennoch die Frage offen, ob Wagner mit der Formensprache

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Die Stelle zwischen Bühne und Zuschauerraum, an der das Orchester Platz nahm, beschäftigte bereits vor Wagner die Architekten. So spielte Schinkel die Idee der Versenkung des Orchesters durch, konnte diese jedoch nicht realisieren. Ergänzt um die Gestaltung der Überfangung dieses Bereichs aus akustischen Gründen konnte Wagner diese Überlegungen erstmals in die Tat umsetzen; s. KINDERMANN 1963, S. 38–40. Zu den praktischen Problemen s. SPOTTS 1994, S. 23–26. Gerade in Überblickswerken zur eaterarchitektur hält sich diese Behauptung hartnäckig (s. z. B. BUScHEK 1999, S. 9), doch ist sie durch die architektonische Gestaltung hinfällig und konnte auch nicht mit Inszenierungen überspielt werden. Diese »wundervolle Täuschung […], welche darin besteht, daß der Zuschauer den szenischen Vorgang sich weit entrückt wähnt, ihn nun aber doch mit der Deutlichkeit der wirklichen Nähe wahrnimmt« (WAGNER, Richard: Das Bühnenfestspielhaus zu Bayreuth (1873), zit. nach FRIEDRIcH 1996, S. 202), ist demnach von Wagner dezidiert gewollt. Fast der ganze Raum ist aus Kostengründen mit Holz verkleidet, was für die Akustik von enormem Vorteil ist; s. KIESEL 2007, S. 150–170; MÜLLER 2007. Maßangabe s. BUScHEK 1999, S. 9. 3246 Gasflammen erleuchteten den Bühnenraum, zwei neben dem Bau gelegene Lokomotivkessel produzierten Wasserdampf für Nebel und Wolken und es gab eine

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Abb. 2: Richard Wagner und Paul Oo Brückwald, Festspielhaus Bayreuth, Grundriss, 1872–76 erbaut, Ansicht von 1882, mit sog. Königsbau

Abb. 3: Richard Wagner und Paul Oo Brückwald, Festspielhaus Bayreuth, Innenansicht des Saals mit Blick auf die Bühne, 1872–76 erbaut, Ansicht von 1912; Postkarte von Ramme & Ulrich; Bayreuth, Richard-Wagner-Museum

Vorform des Verfolgungsscheinwerfers; s. zu der neuen Form der elektrischen Beleuchtung KöHLER 2001. Damit war Bayreuth wohl das erste Haus, das die drei Energieformen des 19. Jahrhunderts – Dampf, Gas und Elektrizität – nebeneinander nutzte; s. MALTE-FIScHER 2002, S. 213.

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der Architektur zufrieden war, denn die klassizistische Gestaltung ist keine Neuerung. Außerdem fällt die Beziehungslosigkeit der Bauteile untereinander auf, die in ihrer Aitüde aus »meistersingerlicher Biederkeit« sowie »pompösem Habitus« nebeneinander stehen96 und damit in keiner Weise mit Sempers eaterentwürfen vergleichbar sind. Neben diesem architektonischen Beitrag zum ›Gesamtkunstwerk‹ bleibt nun die Untersuchung der übrigen Künste:97 Für das Bühnenbild des Ring­des­Nibelungen, zur Eröffnung der Bayreuther Festspiele am 13. August 1876, engagierte Wagner den Landschasmaler Josef Hoffmann (1831–1904).98 Er hae bereits Erfolge als Bühnenbildner feiern können und wurde 1874 von Wagner mit der Aufgabe betraut, Entwürfe zu schaffen, die den »realste[n] Idealismus zur Geltung« bringen, sodass sich »durch die szenischen Miel […] das ganze Drama glaubwürdig vor unseren Augen abspiel[t]«.99 Diesem Wunsch nach Raum für die Fantasie des Zuschauers, die durch weniger konkrete (zeitliche und örtliche) Darstellungen angeregt wäre, konnte Hoffmann mit seinen durchkomponierten Landschasgemälden nicht gerecht werden (Abb. 4, 5). Die 14 Entwürfe Hoffmanns stehen mit ihren szenischen Ideen in Diskrepanz zu den technischen

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NEUMEyER 2001, S. 117. Das gleiche Problem zeigt sich auch in seiner Sprache, die von antikisierenden und germanisierenden Elementen durchzogen ist (s. ALLENDE-BLIN 1994, S. 177) und damit ebenfalls im Kontrast zur Musik steht. Exemplarisch lässt sich dies an Wagners Ring nachvollziehen. Hier wurde mit der Nibelungensage zum einen thematisch auf einen alten germanischen Mythos zurückgegriffen, zum anderen bedient sich Wagner der griechischen Tragödie (Brünnhilde folgt der Konzeption Antigones im gleichnamigen Stück; s. STORcH 2001, S. 754). Auf eine Interpretation des Rings wird hier aus Platzgründen verzichtet; die hierin enthaltene Gesellschaskritik (auch unter biografischem Einfluss verfasst) ist genauso bekannt wie die zentrale Aussage, dass Macht und Liebe die antagonalen Triebkräe der Welt und des Lebens seien. S. zur Regietätigkeit Wagners SROcKE 1984, bes. S. 39–150. Zuvor hae Wagner versucht von ihm verehrte Maler wie Arnold Böcklin (1827–1901) oder Hans Makart (1840–84) für die Ausstaung zu gewinnen. Der in Wien geborene Hoffmann war als Landschasmaler von carl Heinrich Rahl (1812–65) ausgebildet worden; vgl. zu Hoffmanns Leben und Werk die einzige grundlegende Untersuchung des Künstlers von BAUER 2008. Im Bereich der Bühnenausstaung hae er sich bereits vor der Kontaktaufnahme Wagners (s. ebd., S. 55–59) einen Namen gemacht: 1869 erhielt er beispielsweise den Aurag für Bühnenbild und Kostüm der Zauberflöte an der Wiener Hofoper; s. ebd., S. 22, 25–37. Josef Hoffmann an Richard Wagner, 11.8.1872, zit. nach MAcK 1976, S. 72.

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Abb. 4: Josef Hoffmann, Bühnenbildentwurf für Richard Wagners Walküre, 3. Akt, Auf dem Walkürenfelsen, Szene der Walküren, aus der Serie der 14 Ölskizzen, 1876; Öl auf Papier oder Karton; 20,8 × 26 cm; Bayreuth, Richard-Wagner-Museum

Abb. 5: Josef Hoffmann, Bühnenbildentwurf für Richard Wagners Göerdämmerung, 1. Akt, Siegfried trinkt Blutsbrüderscha mit Gunther in den Hallen der Gibichungen am Rhein, aus der Serie der 14 Ölskizzen, 1876; Öl auf Papier oder Karton; 20,8 × 26 cm; Bayreuth, Richard-Wagner-Museum

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Möglichkeiten; der Bühnentechniker carl Brandt (1828–81) stieß an damals unüberwindbare Grenzen, die auf die Gestaltungswirklichkeit zurückschlugen.100 Unter den die Handlung minutiös illustrierenden Entwürfen101 waren auch zwei Architekturbilder, um deren endgültige Gestaltung schließlich der Streit zwischen Wagner und Hoffmann entbrannte,102 der im Bruch der Zusammenarbeit 1874 kulmi- nierte und zur endgültigen Fertigung der Bühnenbilder durch die coburger Brüder Max (1836–1919) und Gohold (1844–92) Brückner nach Hoffmanns Vorlagen führte. Ursprünglich sollte Hoffmann auch die Kostüme entwerfen; dazu zeichnete er nicht – wie sonst üblich – Figurinen, sondern integrierte die Abbildung der Personen in ihrer Kleidung in die ölgemälde.103 Zur Realisierung dieser Gewänder kam es jedoch nicht, es wurden stadessen die Entwürfe des Berliner Kostümbildners Professor carl Emil Doepler (1824–1905) im germanischen Stil

100 Die von BAUER 2006 (S. 23) betonte Neuartigkeit von Hoffmanns Entwürfen – »da sie

nicht dem konventionellen Schema folgen: Seitliche Abdeckung durch Kulissen, Abschluß nach hinten durch den Hintergrundprospekt, Abdeckung nach oben durch Soffien, freie Spielfläche auf dem Bühnenboden in der Mie, der nur durch einzelne Versatzstücke oder Praktikabeln gegliedert ist« – konnte Wagner anscheinend dennoch nicht überzeugen. Problematisch waren diese Überlegungen hinsichtlich ihrer Umsetzung, so konnte Wagners Bühnentechniker carl Brandt diese nicht realisieren; s. zu der schwierigen Beziehung zwischen Hoffmann und Brandt ebd., S. 59f., 66f. Ebenfalls große Schwierigkeiten bereitete der bei Hoffmann niemals eben belassene Bühnenboden, der durch Treppen und Podeste technisch nur unzulänglich die Illusion einer natürlichen Landscha erzeugen konnte; s. ebd., S. 28f. Ebenso schwierig war auch die Realisierung der von Wagner geforderten fließenden Übergängen, die den Eindruck des Lebendig-Organischen visualisieren sollten; so war z. B. der Einsatz von Nebel (s. Anm. 95) nicht ausreichend; s. ebd., S. 59f., 167f. 101 Hoffmanns ölskizzen galten lange als verschollen, bis sie Oswald Georg Bauer auf einem Dachboden fand und zuordnen konnte – bis dato kannte man die Entwürfe nur von den Fotografien des Wiener Victor Angerer (1839–94), den Hoffmann auf eigene Kosten eine 14teilige Serie produzieren ließ; s. BAUER 2006, S. 20–23 und v. a. BAUER 2008, S. 157–165, 23–34, 185–197. 102 S. ebd., S. 60, 81. Zu den Auseinandersetzungen über die beiden Architekturbilder zur Göerdämmerung (1. Aufzug, Die­Halle­der­Gibichungen­am­Rhein) und Walküre (1. Aufzug, Das­Innere­eines­Wohnraumes,­Hun­ding­hüe) s. ebd., S. 72–82, 172–176. 103 S. BAUER 2006, S. 19. Durch diese Form des Bühnenbildentwurfs weicht Hoffmann von der sonst üblichen Vorgehensweise ab und entwickelt mit Einbezug der Figurinen eine Form des ›story boards‹; s. BAUER 2008, S. 168f.

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verwendet (Abb. 6):104 Nach aufwendigen Studien im Völkerkundemuseum entwarf Doepler naturalistisch authentische Erscheinungen, die eine schematisch historisierende Typologisierung aufweisen und damit ins historisch-konventionelle Kolorit abrutschen.105 Diese Gestaltungen lenkten nach Wagners Kritik die Aufmerksamkeit der Zuschauer zu sehr auf das Bühnengeschehen, als sich einer ästhetischen Erfahrung – die für die gemeinsame Katharsis notwendig ist – hinzugeben. Die großen Eingeständnisse die Wagner beim Bühnenbild, aber v. a. auch bei den Kostümen machen musste, setzen sich im Bereich der Bewegungskunst fort. 1976 erhielt er dafür Unterstützung von Richard Fricke (1818–1903),106 dessen vom Balle abgeleiteter Bewegungsstil jedoch zu einer stereotypen Synchronie führte, die nicht den vom Komponisten gewünschten Ausdruck ergab.107

104 Doeplers Kostümentwürfe wurden, genauso wie die eigens angefertigten Fotografien

der Darsteller in Bühnenkleidung zusammen mit sämtlichen anderen Exponaten, die mit dem Bayreuther Ring zusammenhingen – wie z. B. Hoffmanns ölskizzen und die Fotografien derer (s. Anm. 101) –, während der Festspiele in Bayreuth ausgestellt und teils in Reproduktionen zum Verkauf angeboten; s. ebd., S. 89–94, hier auch ausführlicher zur Frage der historischen Korrektheit (Bronzezeit) der Kostüme. Die Ausstellung wanderte noch im gleichen Jahr nach Wien; s. ebd., S. 101–108. 105 Derart aufwendige Recherchen erübrigten sich in der folgenden Zeit, da Ausstaungsfirmen Kostüme und Accessoires massenweise für die verschiedenen historischen Epochen anboten; s. WERNER 2007B, S. 51. Auch bei späteren Inszenierungen wie z. B. 1896 wurde auf derart historisierende (v. a. antikisierende und germanisierende) Kostüme zurückgegriffen; s. das Tafelwerk von THOMA 1897. 106 Fricke fiel Richard Wagner 1872 als Ballemeister der Aufführung von christoph Willibald Glucks (1714–87) Orpheus auf, welcher Wagner bezeugte »n i e e i n e e d l e re und vollkommenere Gesammtleitung auf einem Theater erlebt zu h a b e n « (FRIcKE 1876, S. 5; s. hier auch die Tagebucheinträge während der Zusammenarbeit 33–141). Mit Ausnahme des Tagebuch-Reprints stellt die Beschäigung mit Fricke ein Forschungsdesiderat dar. Die Zusammenarbeit mit Wagner – auch wenn beide eine Freundscha verband – war wohl nicht immer leicht, da, wie Fricke mehrfach beklagt, häufig massive Änderungen vom einen auf den anderen Probetag vorgenommen wurden. Aber auch an der Kooperation mit Doepler und Brandt kritisiert er, »sta daß wir Alle an einem Strange ziehen sollten, zerspliert sich auf solche Art die vereinte Kra« (ebd., S. 127). 107 Die Loslösung von der Körperbewegung – wie sie den Musikwerken Wagners entspräche – häe eine selbstständige lineare Zeitstruktur mit sich gebracht (s. ScHEIT 1995, S. 96), die in ihrer Emanzipation von Text und Musik ein weiteres Eigenleben der einzelnen Kunstdisziplin bedeutet häe.

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Text und Musik des Rings stammen von Wagner.108 Dementsprechend zeigt sich in der Gleichwertigkeit von Musik / Arie und Text / Rezitativ ein Ineinandergreifen der künstlerischen Disziplinen, wie es ansonsten mit der Architektur, dem Bühnenbild oder der Bewegungskunst nicht vorliegt. Dies ergibt sich aus Wagners Herangehensweise von Seiten der Musik: Die Verschleifung der Tonalität erfolgt mit Hilfe der exzessiven chromatik sowie dem vermehrten Aureten von Vier- sta Dreiklängen. Der Höhepunkt dieser Vorgehensweise zeigt sich im sog. ›Tristanakkord‹ (Abb. 7) aus Tristan­ und Isolde (1965); nicht nur, dass er auf verschiedene Weisen in Funktions- und Stufentheorie oder auch Stimmführung Abb. 6: Carl Emil Doepler, Kostümentwurf interpretiert werden kann,109 es ist v. a. für Richard Wagners Siegfried in der die Alterationschromatik als komposiGöerdämmerung, 1876; o. A. torische Voraussetzung für die Offenheit und Vieldeutigkeit, die der ›unendlichen Sehnsucht‹ der Romantik Raum lässt. Gerade in Wagners ›Musikdramen‹ – wie Tristan­und­Isolde und stärker noch im Parsifal – lässt sich sowohl inhaltlich als auch musikalisch der Einfluss Arthur Schopenhauers nachvollziehen, der zu einem Umdenken führt: Nach der Schopenhauer-Lektüre 1854 erhebt Wagner die Musik zum fundamentalen Bedeutungsträger, sie wird zum »Urgrund als Emanation der unmielbaren

108 S. zur zeitgenössischen Auffassung des Rings als nationalen Stoff, der eine romantische

Welterlösungs-Utopie transportiert FRIEDRIcH 2006, S. 56f.; zur Betrachtung aus verschiedenen Perspektiven BORcHMEyER 1987 und BERMBAcH / BORcHMEyER 1995. 109 Zu den Interpretationen dieses Akkords s. DANUSER 1998. Hierbei ist gerade die von Arnold Schönberg analysierte Form des ›vagierenden‹ Akkords interessant, der es zulässt, aus dem Akkord ein stetig sich ›fortpflanzendes‹ Werk zu konstruieren; s. ebd., Sp. 836f.

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Abb. 7: Richard Wagner, Tristanakkord, 1865; Herleitung aus einem alterierten Terzquartakkord der Doppeldominante mit Vorhalt

Wesensschau«110 und zeigt damit die Ergänzung und Erweiterung der ursprünglichen revolutionären Ideen Wagners um die pessimistisch-idealistische Philosophie Schopenhauers. Der Musik kam dabei als Vermilerin der philosophischen Wahrheit die zentrale Rolle zu.111 Letztlich konterkarierte der aktive mythologisch-musikdramatische Festspielbetrieb daher auf entscheidende Weise Wagners Forderungen nach Gleichstellung der Künste, weil diese durch die Schwerpunktlegung auf die Musik nicht gegeben war. Das Zusammenwirken der Künste muss somit als gescheitert bezeichnet werden. Dieses Fazit zog Wagner selbst gegenüber seiner Frau cosima (1837–1930), die am 9. September 1876 in ihrem Tagebuch notierte: »Brandt’s Leistungen bei weitem hinter dem zurück, was man erwarten konnte! […] – Kostüme, Dekorationen, alles muß für die Wiederholung wieder vorgenommen werden. R.[ichard] ist sehr traurig, sagt, er möchte sterben!«.112

110 KIENZLE 2005, S. 291; zur Vorbildfunktion Schopenhauers s. JAcOBS 2010, bes. S. 87–95. 111 Besonders eindringlich und radikal zeigt sich Wagners Schopenhauer-Rezeption zum

einen auf der theoretisch-schrilichen Ebene in seiner Beethoven-Festschri 1870 und zum anderen auf der musikalisch-inhaltlichen Seite im Parsifal; s. SUNESON 1989, S. 8; KIENZLE 1992. Dass die Orientierung an Schopenhauer in eine Sackgasse führt, sah Wagner nicht, doch gerade daran nahm Nietzsche Anstoß. 112 WAGNER 1992, S. 1001f. Die wenige Monate später an der Wiener Hofoper stafindende Inszenierung mit Hoffmanns Bühnenbildern erfreute sich großen Zuspruchs. Der Leipziger Operndramaturg Angelo Neumann (1838–1910) kaue zur Tilgung der immer noch offenen Schulden den gesamten Bayreuther Fundus und ging damit erfolgreich auf Tournee; s. BAUER 2008, S. 109–117. Der nächste Ring fand in Bayreuth erst 1896 sta. Den großen Defiziten des ersten Bayreuther Ring wollte Wagner bei seinem eigens für den Festspielort bestimmten ›Bühnenweihfestspiel‹ Parsifal 1882 durch intensivere Zusammenarbeit mit den Bühnenbildnern entgegenwirken, um diesmal einen kohärenten Bühnenstil zu finden. Das Ergebnis war ein bis zur Perfektion getriebener Romantizismus, der allerdings hinsichtlich der Weiterentwicklung der Bühnengestaltung in eine Sackgasse führte; s. BEAcHAM 2006, S. 29.

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»Das Kunstwerk der Zukun ist ein gemeinsames, und nur aus einem gemeinsamen Verlangen kann es hervorgehen. Dieses Verlangen, das wir bisher nur, als der Wesenheit der einzelnen Kunstarten nothwendig eigen, th e o re t i s c h dargestellt haben, ist p r a k t i s c h nur in der G e n o s s e n s c h a f t a l l e r K ü n s t l e r denkbar, und die Ve r einigung aller Künstler nach Zeit und Ort, und zu e i n e m b e s t i m m t e n Z we c k e , bildet diese Genossenscha.«113

Wagners Überlegungen und Teilrealisierungen seiner Ideen zur ästhetischen Gestaltung seiner ›Musikdramen‹ stehen auf einem breiten theoretischen Fundament, das immer wieder das ›Gemeinsame‹ und das ›Volk‹ betont. Auf diese Weise zeigt sich, dass des Komponisten gesamtes Denken und Argumentieren auf die Auebung der Grenzen zwischen Gesellscha und Kunst – Politik und Ästhetik – als zwei Pole, die sich gegenseitig bedingen, zielt.114 Ausgangspunkt für derartige Überlegungen ist die damalige eatersituation, die Wagner als desaströs beurteilte: So betont er zum einen durchweg die Zersplierung des einst großen Kunstwerks in die einzelnen künstlerischen Disziplinen und deren Niedergang seit den Griechen, zum anderen die zusätzlich aufgrund der industriellen Revolution einsetzende Kapitalisierung von Kunst.115 Beide Faktoren lassen ihn zu der Schlussfolgerung kommen, dass das eater revolutioniert werden müsse und das Publikum »unentgeltlichen Zutri« zur Vorstellung erhalten müsse,116 sodass dem gesamten ›Volk‹ der Besuch gewährleistet werden könne. Hier spiegeln sich die Ideen des demokratisierten Raums auch auf der politischen Ebene wider: Allen Menschen sollte der Zugang zum an das Empfinden appellierenden Festspiel möglich sein, denn nur so ist eine gesellschaliche Transformation durch die Kunst denkbar. Die Antwort auf die Frage, wer der Künstler der Zukun sei, gibt Wagner mit den Worten: »Sagen wir es kurz: D a s Vo l k «.117 Die Gemeinscha »a l l e r

113 WAGNER 1850, S. 206. 114 S. BERMBAcH 1994, S. 202. 115 Obwohl Wagner die Industrialisierung als Ausgangspunkt für etwas Neues verstand

(s. Anm. 73), sah er zugleich die Künste im Allgemeinen an einem Endpunkt angelangt; s. WAGNER 1850 (S. 109) und 1849 (S. 37f.). 116 WAGNER 1849, S. 40. 117 WAGNER 1850, S. 220. Immer wieder werden Wagners Ideen zum ›Volk‹ als etwas typisch Deutsches der französischen ›Nation‹ gegenübergestellt (s. ABERBAcH 2003). Dies führt gerade in der NS-Zeit zu Zuordnungen wie Wagners ›Deutschtum‹ (dies gilt nicht nur praktisch für die große Vorliebe Adolf Hitlers für Richard Wagner (vgl. 

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der Einzelnen« ist demnach der Träger seiner Idee des ›Gesamtkunstwerks‹,118 weil »Schönheit und Stärke, als Grundzüge des öffentlichen Lebens, nur dann beglückende Dauer haben können, wenn sie allen Menschen zu eigen sind.«119 Den ›wahren‹ Grund für die Vereinigung der Menschen sieht Wagner im ›Reinmenschlichen‹,120 denn »so hat doch die Lieb e […] ihren unergründlich tiefen Sitz in dem Herzen jedes Einzelnen«.121 Modellha spielt Wagner den Gedanken des neuen ›Volks‹ an der Künstlergenossenscha durch; hier wäre im gemeinsamen ideologischen Fundament die angestrebte gesellschaliche Transformation verhältnismäßig leicht umzusetzen.122 In der Künstlergenossenscha waren sowohl die organisatorische Voraussetzung für die Entstehung des ›Gesamtkunstwerks‹ als auch die gesellschaliche Perspektive vereint. Damit konnte sie als Vorbild für alle Einrichtungen des sozialen Lebens dienen.123 Außerhalb eines

118

119 120

121 122

123

Kapitel III.2.2), sondern auch die Forschungsliteratur der 1930er Jahre, wie z. B. PANZER 1933). Allerdings wird zugleich betont, dass Wagner sich nicht für eine politische Einigung der Fürstentümer im Alten Reich aussprach, somit kein Gegengewicht zu Frankreich schaffen wollte. Es lassen sich keinerlei derartige konkrete Bestrebungen in den Züricher Revolutionsschrien Wagners finden; übrigens genauso wenig antisemitische Äußerungen. Diese zeigen sich erst in späteren Schrien und im Privaten; s. Anm. 795. WAGNER 1850, S. 10. Zur Definition wie sich das ›Volk‹ konstituiere, erläutert er (S. 11): »Das Volk ist der Inbegriff aller Derjenigen, w e l c h e e i n e g e m e i n s c h a f t l i c h e Noth empfinden. […] [N]ur die Befriedigung eines wahren Bedürfnisses ist Nothwendigkeit, und nur das Volk handelt nach Nothwendigkeit, daher unwiderstehlich, siegreich und einzig wahr.« WAGNER 1849, S. 26. Wagner lehnt sich hier eng an Ludwig Feuerbach und Friedrich Schiller (1759–1805) an. Im Sinne Schillers führt die ästhetische Erziehung der Menschen zur nationalen Bildung eines ›Volks‹. Dass dieses Ziel jedoch nicht erreicht wurde, sieht Wagner im Fehlen des Mythos , denn nur darin könne das ›Reinmenschliche‹ Ausdruck finden. Das Drama kann demnach nur das ›Reinmenschliche‹ zum Gegenstand haben, muss also das Gefühl transportieren, wie es Wagner für die künstlerische Ausführung fordert; s. WAGNER 1850, S. 43, 211f. Ebd., S. 211. Das ›Volk‹ ist im Idealfall eine genossenschalich organisierte Gesellscha, die es ermöglicht die Kunst öffentlich zu machen, sodass das Kunstwerk »zum Kunstwerk wirklich erst dadurch [wird], daß es vor der öffentlichkeit in das Leben tri« (WAGNER 1849, S. 37). S. FORNOFF 2004, S. 235–238. Vgl. Darmstädter Mathildenhöhe, Kapitel III.1.1.1.

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derartigen genossenschalichen Verbundes zeichnet sich für Wagner das in der Gemeinscha aufgehende Individuum durch Dualismus aus: zum einen in seiner ›freien Individualität‹, zum anderen als ›Staatsbürger‹. Diese konkurrierenden Elemente treten in Kampf miteinander, doch scheint es keinen Sieger zwischen Natürlichkeit und staatlich-gesellschalicher Prägung zu geben. Aus jener problematischen Situation heraus entwickelt Wagner seine Utopie des modernen Menschen, der durch die Kunst transformiert wird und dadurch die Politik obsolet macht – so entstünde eine neue Gesellscha.124 Zum Vorbild für diese Gesellscha wählte er die griechische Polis als das Modell, in dem das ›Volk‹, der eigentliche souveräne Akteur, selbstbestimmt auri – beratend und entscheidend zugleich.125 Es geht in seinem sozialpolitischen Ideal also nicht um eine archaische Vorstellung innerhalb germanischer Mythen oder eine deutsche Vergangenheitsbewältigung. Die Polis ließ es auf Grund ihres strukturellen Auaus zu, eine Koppelung von Kunst und Politik vorzunehmen und verharrte nicht, wie es auch Wagner fordert, in einer Parallelisierung. Das Ziel müsse sein, die Kunst an die Stelle der Politik treten zu lassen. In den Begriffen von Luhmanns Systemtheorie sagt diese fundamentale Akzentverschiebung,126 dass Wagner für sich die Politik als ›Programm‹ des Kunst-Systems vollzieht: Die Ästhetik ist der Ausgangspunkt seiner Konzeption des ›Gesamtkunstwerks‹. Selbst der soziale Bezug der Kunst wird von Wagner wieder gespalten betrachtet: zum einen als Ausdruck ihrer Zeit und Gesellscha, die stark polarisierend wirken, zum anderen als Aufruf zu revolutionären Veränderungen.127 Neben der Politik sieht Wagner v. a. in Anlehnung an Ludwig Feuerbach die Religion als den Menschen beherrschenden Faktor an, den es entsprechend umzunutzen gilt.128 Denn »erst als das Glaubensfeuer der Kirche ausgebrannt war, […]

124 S. BERMBAcH 1994, S. 132f. 125 S. ebd. (S. 146–169, S. 189f.) zu einer differenzierten Gegenüberstellung der Schrien

Wagners, wobei die politische ›Struktur‹ des ›Gesamtkunstwerks‹ und die Betrachtungen Wagners der griechischen Polis miteinander verglichen werden. 126 S. BEcKER / REINHARDT-BEcKER 2001, S. 80–90. 127 S. WAGNER 1849, S. 29. Eine solche Erneuerung der Gesellscha durch Revolution ist nach Wagner nicht ohne ein entsprechendes Geschichtsverständnis zu erreichen. Sein Stufenmodell stützt sich maßgeblich auf Hegels geschichtsphilosophisches Modell der Dialektik; s. WINKLER 2006, S. 41–44, 48f.; DEATHRIDGE 2008; LIcHTENFELD 1965. 128 Wagner widmete Feuerbach Das­Kunstwerk­der­Zukun; s. ausführlicher JAcOBS 2010, S. 83–87. Mit ihm teilt er auch die Kritik am christentum. Besonders deutlich wird

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sollte die sogenannte Wiedergeburt der Künste von sich gehen«;129 es musste daher nach Wagners Vorstellung die Kunst zunächst mit der Wirklichkeit verbunden, also entsakralisiert – im Sinne einer Profanisierung – werden,130 um sie anschließend mit parareligiösen Inhalten zu füllen. Die Entthronung Goes dure nicht ein Aufrücken des Menschen an diese Position mit sich bringen, stadessen sollte sich dieser dem Gedanken der Selbsterlösung öffnen. Es sind darin v. a. zwei Muster der ›romantischen Kunsttheorie‹ zu erkennen: Die Vereinigung verschiedener Künste zur Steigerung ihrer Wirkungskra und die Schaffung einer neuen Mythologie »als Miel zur Überwindung moderner Trennungs- und Partikularisierungsphänomene«.131 Um die Erlösung zu erreichen, sollte sich der Zuschauer ausschließlich auf das Geschehen auf der Bühne konzentrieren, was für die architektonische Gestaltung die bereits vorgestellten neuen Konzept indizierte. In letzter Konsequenz bedeutet dies, dass das Kunstwerk »die lebendig dargestellte Religion« würde.132 Die Religion – ob nun im traditionellen oder in Wagners Verständnis – konstituiert sich nicht aus Künstlern, sondern aus dem ›Volk‹; auch in diesem Gedanken sieht sich der Komponist in der Weiterentwicklung griechischer Ideen, sodass die Aufführung einer Tragödie nicht mehr nur eine »religiöse Feier«133 oder ein »volksgemeinschaliche[r] Schauplatz

129 130

131 132 133

diese in seiner späteren Schri Religion­und­Kunst (1880), in der er neben einigen absonderlichen Ideen und rassistischen Äußerungen die Reung der Religion durch Kunst proklamiert; s. ausführlicher STEINAcKER 2008. GRÄB 1998 geht in seinem allgemein soziologisch angelegten Aufsatz zu Kunst und Religion in der Moderne davon aus, dass Kunst Religion substituiere und damit immer wieder die Frage, was Kunst und was Religion sei, gestellt werden müsse, die dann nur durch die Analyse ästhetischer und religiöser Erfahrungen zu beantworten sei. WAGNER 1849, S. 17. Dem christentum warf Wagner »heuchlerischen Absolutismus« vor, wohingegen das klassische Griechenland mit der demokratischen Volksversammlung seine Begeisterung hervorrief. In der Religion sieht er als Endzweck den Tod, der der innersten Intention des Lebens widerspricht, damit auch allem sinnha Erfahrbaren – so kann die Religion keinen Platz in Wagners ›Gesamtkunstwerk‹ finden (s.  BERMBAcH 1994, S. 113f.). Letztlich gewinnen religiöse Aspekte in Wagners Werk dennoch zunehmend an Bedeutung, was zu Nietzsches ablehnender Haltung führt. FORNOFF 2004, S. 159. WAGNER 1850, S. 36. WAGNER 1849, S. 24.

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höchster menschlicher Kunst« sein sollte,134 sondern darüber hinaus im ›Gesamtkunstwerk‹ die gesamte Gesellscha politisch-ästhetisch neu geordnet würde (letztlich über das Moment des Festspiels hinaus).135 So meint Wagner, trotz der angeführten Vorbildfunktion der Griechen, nicht eine Rückkehr zu dieser Zeit und ihrer hohen Kunst, sondern sie dient als Ausgangspunkt zur Weiterentwicklung.136 Wagners Griechenland-Bild (und das seines Kreises) zeigt sich somit von einer revolutionären Politisierung und materialistischen Verwissenschalichung auf der einen Seite und einer religiösen Sehnsucht nach Erlösung auf der anderen Seite geprägt. An diesen Gegensatz bindet er die Begriffe des ›Apollinischen‹ und ›Dionysischen‹, indem das ›Kunstwerk der Zukun‹ zum Träger der kollektiven Energien des dionysischen Kults erklärt wird; in der Folge wird diese materialistische und spiritualistische Seite von Wagners Weltanschauung ganz unterschiedlich tradiert: Die Rassentheoretiker Karl Ludwig Schemann (1852–1938) und Houston Stewart chamberlain (1855–1927) deuten das Apollinische und Dionysische antisemitisch,137 wohingegen der eosoph Édouard Schuré (1841–1929) die apollinischen Mysterien als Sieg über die bacchantische Naturreligion versteht, die das Dionysische als okkulte Dimension der religiösen Symbole bewahrt.138 Aus den Überlegungen zu Politik und Religion folgt für Wagner eine staatsund herrschasfreie Weltgesellscha, deren Zentrum das dramatische Festspiel war. Dem theatralen Spiel wird die Möglichkeit zugesprochen, temporär durch eine alle Sinne ansprechende, kultisch-ästhetische Erfahrung die Differenzierung der sozialen Lebensbereiche aufzuheben. Dadurch, dass das ›Gesamtkunstwerk‹ so die gesellschaliche Wirklichkeit übergrei und einen ganzheitlichen Halt bietet, tri es an die Stelle der traditionellen Religion und gibt der menschlichen

134 WAGNER 1850, S. 144. 135 Bei den Griechen sah er diese Motivation v. a. während der Aufführung gegeben, da-

durch dass »sich [die Nation] bei der Aufführung des Kunstwerkes gegenüber stand, sich begriff, und im Verlauf weniger Stunden zum eigenen, edelsten Genusse sich gleichsam selbst verzehrte.« (WAGNER 1849, S. 28.) Eine differenziertere Analyse am Beispiel der Tragödien des Aischylos als Vorbild für Wagner nimmt BREMER 1992 vor; er formuliert hier die ese, dass Wagner sich damit bewusst gegen den Klassizismus wenden wollte. 136 S. WAGNER 1849, S. 30. 137 Vgl. Kapitel III.2.2, bes. Anm. 773 und 795. 138 S. AURNHAMMER / PITTROF 2002, S. 15f. sowie ausführlich darin HARTWIcH 2002.

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Existenz und der gesellschalichen Ordnung einen metaphysischen Sinn.139 Dem eater kommt somit die wichtigste Stellung in der Gesellscha zu, die in einem demokratischen System mit der der politischen Vertretungskörperschaen vergleichbar ist. Damit erfolgt eine Politisierung der Ästhetik; Wagner glaubte bereits Mie des 19. Jahrhunderts, dass die Menschheit, trotz der von ihm kritisierten realen Situation des eaters, bereit war, diese Ideen umzusetzen.140 Betrachtet man Bayreuth als Festspielstäe in den darauffolgenden 150 Jahren, so muss bis heute eine gewisse Anziehungskra zugestanden werden;141 nicht umsonst pilgern jährlich Menschenmassen zu den Festspielen auf dem ›Grünen Hügel‹. Über eine ästhetische Einheit im Sinne des ›Kunstwerks der Zukun‹ ließe sich vortrefflich streiten – die Bestrebung ist sicherlich gegeben, doch handelt es sich letztlich immer wieder um Reinszenierungen von Wagners ›Musikdramen‹, denen mit unterschiedlichen (omals spektakulären technischen) Visualisierungen Rechnung getragen werden soll. Ob dies im Sinne des geforderten ›Gesamtkunstwerks‹ ist, bleibt fraglich. Von einer gesellschalichen Revolution kann hier in keinem Fall die Rede sein, eher im Gegenteil: Die Prominenz feiert sich und ihren Reichtum,142 so scheint es, und gibt sich wohl kaum einem synästhetischen Rausch hin.

139 S. FORNOFF 2004, S. 238. 140 Für eine ›wirkliche‹ Utopie hielt Wagner das christentum, denn es »ist rein geistigen,

übergeistigen Gehaltes; es predigt Demuth, Entsagung, Verachtung alles Irdischen, und in dieser Verachtung – Bruderliebe.« (WAGNER 1849, S. 36.) 141 S. ausführlicher zu Bayreuth als bis heute nur minimal veränderten Inszenierungsort von Wagners Werken SPOTTS 1994 und bes. BUcHNER 2013, der (S. 12) festhält: »Bei den Bayreuther Festpielen sind Kunst und Politik gleichsam naturgemäß miteinander verschmolzen« und so »trug Richard Wagner wesentlich zur Politisierung von Kultur und zur Ideologisierung von Politik im 19. Jahrhundert bei.« 142 S. auch SPOTTS 1994, S. 37–40.

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2. Überlegungen zu einer neuen Theaterform: Adolphe Appias und Edward Gordon Craigs Überwindung des Naturalismus »ce terme de représentation deviendra peu à peu un anachronisme, même un non-sens. Nous voudrons tous agir d’un accord unanime. L’art dramatique de demain sera un acte­social auquel chacun apportera son concours. Et qui sait? – peut-être arriveronsnous, après une période de transition, à des fêtes majestueuses où tout un peuple participera; où chacun de nous exprimera son émotion, sa douleur et sa joie, et où personne ne consentira plus à rester spectateur passif. L’auteur dramatique, alors, triomphera!«143

Adolphe Appia, der 1882 die erste Bayreuther Parsifal-Aufführung besuchte,144 äußert sich hier mit seiner visionären Idee einer sozialen Revolution (ausgehend

143 Appia in seinem zweiten Vorwort zur englischen Ausgabe von Die­Musik­und­die­Insze­-

nierung (APPIA 1918, S. 33f.; s. deutsche Übersetzung BABLET 1982, S. 16). Der Hinweis auf die Übersetzung sei an dieser Stelle erlaubt, da er eine Schwierigkeit offenbart: Prinzipiell schreibt der Künstler französisch, denkt aber deutsch, was teils zu einer eigenwilligen Syntax führt. Darauf weisen Denis Bablet und Marie L. Bablet-Hahn hin (z. B. in der Einleitung zu Bd. 1 von APPIA 1983–91, S. 6f.) und wirken dem durch Rückgriff auf die Originalsprache entgegen. Die Forscher müssen als die besten Kenner der ellenlage gelten und so zeigt BABLET 1982 einen feinfühligen Umgang damit, geht jedoch über eine Darstellung von Leben und Werk nicht hinaus. Diesen Schri wagt erst Richard c. Beacham mit seiner zweiten umfassenden Untersuchung, die 1994 auf Englisch unter dem Titel Adolphe­Appia­–­Artist­and­Visionary­of­the­Modern­eatre und 2006 in deutscher Übersetzung erschien. In diesem Buch (zuvor entstanden Darstellungen zu Leben und Werk des Künstlers beispielsweise auch von VOLBAcH 1968) geht BEAcHAM 2006 dezidiert auf Appias Schrien und Zusammenarbeiten ein, um so eine Verortung vornehmen zu können. Der Schwierigkeit, dass theoretische Äußerungen gerne als Kommentar zu praktischen Tätigkeiten herangezogen werden, begegnet bereits KREIDT 1968 in seiner Publikation, indem er sowohl Appias als auch craigs Ideen als kunstphilosophische Systeme betrachtet und auswertet. 144 S. Anm. 112. Appias künstlerische Erziehung war fast ausschließlich musikalisch geprägt; s. BEAcHAM 2006, S. 22–25. Seine Beschäigung mit Wagner war entscheidend durch die Freundscha mit dem Wagner-Anhänger chamberlain, dem zukünigen Schwiegersohn cosima Wagners, geprägt; s. v. a. die ellensammlung von BABLETHAHN 1983, S. 84–87 sowie BEAcHAM 2006, S. 30f. und Stadlers Anmerkungen in APPIA 1963, S. 208, 210, 225.

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vom eater) ähnlich wie Wagner mit seinen bereits vorgestellten Forderungen. Die Enäuschung über den in der Praxis herrschenden Widerspruch zwischen Musik und Szene, zwischen Bühnen- und Zuschauerraum, angesichts der Uraufführung von Wagners ›Bühnenweihfestspiel‹ war groß145 und so begann sich Appia intensiv – zunächst v. a. theoretisch – mit den Möglichkeiten der Inszenierung auseinanderzusetzen.146 1895 entstand seine erste Programmschri La mise­en­scène­du­drame­wagnérien,147 vier Jahre später sein zunächst auf Deutsch erschienenes Buch Die­Musik­und­die­Inscenierung.148 In diesen frühen Schrien widmet sich Appia zunächst der Frage der Einheit der Künste, denn hierin sieht der Schweizer noch große Defizite. Die in seinen Augen antiquierten Versuche, eine Illusion der Wirklichkeit auf der Bühne darzustellen, stehen seiner Meinung nach kontraproduktiv zu den eigentlichen Forderungen Wagners nach einem ›Kunstwerk der Zukun‹. Für ihn ist demnach Inszenierung »l’art de projeter dans l’Espace ce que le dramaturge n’a pu projeter que dans le Temps.«149

145 Appia konstatiert, dass sich der Schauspieler lediglich »dans un tableau inanimé, au-

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147

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quel il ne pouvait par aucun moyen se mêler« fand und der Schauspieler daher nur durch »les nécessités matérielles de son rôle« mit dem Bühnenbild verbunden war (APPIA 1895, S. 267). Diese fehlende Harmonie zwischen Bühne und Darstellung betont er auch Jahre später noch; s. APPIA 1921. Die Kritik Appias tri nicht nur auf Wagners Ring zu, sondern auch andere Opern des Komponisten, die er besuchte; s. BEAcHAM 2006, S. 29. Die negative Erfahrung der Wagner-Oper hae demnach katalysatorische Wirkung auf Appias Beschäigung mit dem eater. Für Appia zeichnet sich die Entwicklung der dramatischen Kunst zu seiner Zeit in zwei Linien ab: »Le naturalisme d’un côté, le wagnérisme de l’autre, ont violemment déplacé les anciennes limites.« (APPIA 1904, S. 347) Das Buch erschien bei Léon chailley in Paris; s. zu den kritischen Stimmen APPIA 1983–91, Bd. 1, S. 286–297. Zuvor hae er bereits 1891 / 92 den Aufsatz Notes­de­Mise en­scène­pour­l’Anneau­de­Nibelungen verfasst, jedoch nicht zu Lebzeiten publiziert – hier waren schon einige Punkte von La­Mise­en­scène­du­drame­wagnérien angelegt; s. ausführlicher zu den frühen Schrien Appias BEAcHAM 2006, S. 34. Die­Musik­und­die­Inszenierung erschien zuerst im Münchner Verlag F. Bruckmann auf Deutsch, 1962 in Englisch und erst 1963 in seiner ursprünglichen Fassung auf Französisch (La­Musique­et­la­Mise­en­Scène). Das zweite Vorwort verfasste Appia 1918 und im gleichen Jahr vermutlich den Artikel Acteur,­espace,­lumière,­peinture; Jahreszahlen nach AUSST.KAT. ADOLPHE APPIA 1982, S. 72. APPIA 1920, S. 38.

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Es verwundert daher nicht, dass sich Appia, ausgehend von seiner Kritik an Wagners Differenz zwischen Bühnen- und Zuschauerraumgestaltung, intensiv mit Fragen der Raumbildung auseinandersetzt.150 Hierbei fällt die große Stringenz von Formüberlegungen hinsichtlich der architektonischen, aber auch der bildkünstlerischen Gestaltung auf: Gefordert wird von Appia nicht länger der klassische eaterraum, sondern es sollte nach seiner Auffassung »nichts außer dem Zuschauerraum ständig vorhanden sein. Vor demselben wird sich ein leerer, weiter Raum ausdehnen«,151 also ein Raum geschaffen werden, der Kunst einfordert und herausfordert, nichts vorformuliert und für den Darsteller Mobilität bewahrt. In großer Ablehnung der Bühnenmalerei als wenig ausdruckfähiges Element macht sich Appia für eine völlig neue Bühnengestaltung stark, die maßgeblich auf Stilisierung baut, die in ihrem Abstraktionsgrad als revolutionär verstanden werden muss.152 Die dreidimensionalen Grundelemente wie Kuben, Schrägen, Podeste und Treppen finden von der Praktikabilität ausgehend Aufstellung und gestalten damit auch den Bühnenboden.153 Oberstes Gebot bei der Raumgestaltung ist demnach für Appia die Funktionalität für Schauspiel und Schauspieler sowie die Abschaffung des Illusionismus zugunsten einer atmosphärischen Darstellung, die nicht versucht zu imitieren, sondern nur den darstellenden Menschen als Wirkliches annimmt. Dessen Bewegungen sollten durch das Licht unterstrichen werden.154 Derartige Bestrebungen lassen sich bereits in seinen frühen Entwürfen erkennen, wie z. B. in den 19 Skizzen, die in Die­Musik­und­die

150 Die rein architektonische Gestaltung des Bayreuther Festspielhauses beurteilt APPIA

1902 in einer ausführlichen Beschreibung sehr positiv. 151 APPIA 1899, S. 58. In der Hierarchie der Bühnenmiel nimmt der Raum für Appia nach

der Musik die zweite Position ein – an diese Bedeutung des Raums und dessen Gestaltung knüpe später Oskar Schlemmer an (s. Kapitel III.1.3.2). 152 S. exemplarisch die Ausführungen in APPIA 1895, S. 268–271. 153 Damit reagiert Appia auf die von ihm geäußerte Kritik des fehlenden Einbezugs des Bühnenbodens in die Gestaltung; s. APPIA 1904, S. 348 und Anm. 154. 154 1889 / 90 kam Appia intensiv mit den Innovationen der Lichtgestalter über den ›Vater des Lichts‹, Hugo Bähr (1841–1929), und ihre Dresdner Zusammenarbeit in Verbindung; s. ausführlicher BABLET-HAHN 1983, S. 72 und APPIA 1983–91, Bd. 1, S. 362–365. Dessen bahnbrechende Erfindungen der elektrischen Effektapparate fanden auch in Bayreuth zwischen 1876 und 1906 Einsatz. Nach Appia mussten v. a. zwei Typen von Licht eingesetzt werden: zum einen die allgemeine Beleuchtung und Helligkeit und zum anderen das gestaltende Licht, das gezielt beleuchtete (bewegliche Scheinwerfer); s. ebd., S. 355–389.

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Insce­nie­rung 1899 mit aufgenommen wurden – darunter einige zu WagnerOpern.155 Dem Licht kommt bereits hier eine wichtige Rolle zu, die in seinen Entwürfen espaces­ rhythmiques 1909 (Abb. 8) für Émile Jaques-Dalcroze weiter ausgebaut wird,156 indem es sich gleichwertig zur Bühnengestaltung als Material zur Raumbildung verhält. Ihm spricht Appia die Möglichkeit zu »eine bewegliche Atmosphäre von unendlicher Vielgestaltigkeit ganz im Dienste […] des Dramatikers« zu sein.157 Die von Appia in seinen frühen Schrien erdachten Neuerungen zum Einsatz des Lichts können kaum hoch genug für die eaterreform um 1900 angesehen werden; sie werden im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit in Dresden-Hellerau nochmal in den Blick genommen.158 Der Darsteller als das einzige reale Wesen auf der Bühne setzt mit seiner Haltung und Bewegung visuelle Akzente159 und wird damit zum zentralen Element in Appias Überlegungen zur Bühnengestaltung. Seine Bewegungsfreiheit musste

155 In Die­Musik­und­die­Inscenierung erschienen u. a. seine Szenarien für Wagners Tristan

156 157

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und­Isolde sowie Teile des Rings, weitere Entwürfe z. B. für die Walküre, den Siegfried und die Göer­dämmerung hoe der Künstler direkt danach präsentieren zu können, dies erfolgte jedoch erst 1983 mit der Veröffentlichung des ersten Bandes von Appias Œuvres­complètes (APPIA 1983–91). Die Bühnenskizzen ließ Appia cosima Wagner zukommen, in der Hoffnung auf eine Bayreuther Umsetzung, diese äußerte sich jedoch nur abfällig darüber; s. die von Stadler zusammengetragenen Antworten cosimas in APPIA 1963, S. 220–222 sowie ausführlich zu den Vergleichen zwischen Appias Wagner-Entwürfen und den ursprünglich in Bayreuth verwendeten Bühnenausstaungen BEAcHAM 2006, S. 52–62. Dass der große Wunsch Appias einmal in Bayreuth inszenieren zu dürfen nie Realität wurde, liegt laut Wieland Wagner (1917–66) an »cosima Wagners Bann-Fluch über Appias Buch ›Die Musik und die Inscenierung‹«. Er sieht es als »Tragik des Wagnerschen Werkes, daß Appias genialer Stilwille sich für die Bühnenpraxis der Stadttheater als nicht geeignet erwies« an und »Bayreuth erst 1927 zögernd begann, einen Mielweg zwischen Appias Erkenntnissen und dem eigenen Leitbild der Pietät zu suchen.« (Wieland Wagner, 1959, zit. nach AUSST.KAT. ADOLPHE APPIA 1982, S. 77.) S. ausführlicher zur Zusammenarbeit mit Dalcroze Kapitel III.1.1.1. und Anm. 350. APPIA, Adolphe: La Gymnastique rythmique et le théâtre (Die rhythmische Gymnastik und das eater), in: Der Rhythmus, übers. v. Wolf Dohrn, Bd. 1, Jena 1911, zit. nach BABLET 1982, S. 58. S. Kapitel III.1.1.1, S. 98. »La plasticité demandée par l’acteur vise un effet tout différent, car le corps humain ne cherche pas à produire l’illusion de la réalité puisqu’il­est­lui-même­la­réalité!« (APPIA 1904, S. 349.)

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von Seiten der Raumgestaltung gewährleistet sein, denn »l’acteur est donc le facteur essentiel de la mise en scène; c’est lui que nous venon voir, c’est de lui que nous aendons l’émotion, et c’est cee émotion que nous sommes venus chercher.«160 Die von Appia angedachte tänzerisch-rhythmische Bewegung des Darstellers ist zum einen sicherlich beeinflusst durch die gerade aufgekommene Erneuerung des Balles zum anderen ergibt sie sich zwangsläufig aus der Musik.161

Abb. 8: Adolphe Appia, Bühnenbildentwurf Die Gasse, aus der Serie espaces rhythmiques, 1909; Bern, Stiung Schweizerische Theatersammlung

160 APPIA 1904, S. 350. 161 War in Appias theoretischen Schrien zuvor stets die Rede vom »musikalischen

Raum« und eher vage von »choreographie«, so gewann später der tänzerische Aspekt an Bedeutung, insbesondere in seiner drien umfassenden theoretischen Schri L’Œuvre­d’Art­vivant (APPIA 1919), die er dem amerikanischen Dichter Walt Whitman (1819–92) und Dalcroze (s. Kapitel III.1.1.2) widmete.

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Ähnlich wie Wagner geht Appia bei seiner Vorstellung der Gleichstellung der Darstellungsmiel von der Vorherrscha der Musik aus und propagiert: »Die Seele des Dramas, die Musik, verleiht demselben sein Leben und bestimmt durch ihre Pulsschläge die Verhältnisse und Aufeinanderfolge der Bewegungen des ganzen Organismus.«162 Der Musik kommt demnach die zentrale Macht zur Vereinigung der künstlerischen Disziplinen zu, wobei der Rhythmus »das Leben der Töne eng mit den Bewegungen unseres Organismus« verbindet und somit, Wagner ähnlich, zum eigentlich verklammernden Element wird.163 Der Schauspieler-Sänger wird dadurch auf einen »Dolmetscher« von Musik und Bühnenbild reduziert,164 weil er keine »liberté d’initiative« besitzt, »car son rôle entier se trouve fixé dans les proportions données par la Musique«.165 Dem Schöpfer des ›Wort-Tondramas‹ wird demnach die Verfügungsgewalt zugeschrieben, denn nur er kann den Zusammenhang zwischen den einzelnen Komponenten des Bühnengeschehens – deren Beziehung zunächst eine rein formale ist – in Form einer Partitur fixieren.166

162 APPIA 1899, S. 23f. Die Parallele zu Wagner zieht Appia selbst, wenn er festhält: »Wag-

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ner a résolu le problème: partout où le drame nécessite la fusion des éléments représentatifs, la musique en donne le moyen au poète-musicien.« (APPIA 1895, S. 267.) APPIA, Adolphe: La Vie Musicale, Lausanne 1.4.1908, zit. nach BABLET 1982, S. 53. Neben der Musik kommt v. a. dem Licht eine wichtige Rolle zu, da Appia darin die gleiche Entmaterialisierung sieht wie in der Musik. APPIA, Adolphe: La Gymnastique rythmique et le théâtre (Die rhythmische Gymnastik und das eater), in: Der Rhythmus, übers. v. Wolf Dohrn, Bd. 1, Jena 1911, zit. nach BABLET 1982, S. 55. APPIA 1895, S. 269. Der Begriff ›Wort-Tondrama‹ wurde von Appias Freund chamberlain (s. Anm. 144), dem er Die­Musik­und­die­Inscenierung widmete, geprägt und so schreibt Appia auf der ersten Seite von La­Mise­en­scène­du­drame­wagnérien: »Il [Wagner] la désigne en allemand par le mot Wort-Tondrama, ce qui signifie un drame dans lequel le poète se sert de la parole et du son­musical. cee sorte de drame est en quelque manière la synthèse du Wort-drama, le ›drame en paroles‹, soit drame parlé, et du Ton-drama, le seul vrai ›drame musical‹, dans lequel le poète n’emploie que la musique […]. La langue française ne se prêtant pas à un équivalent de Wort-Tondrama, je dirai ›drame wagnérien‹ ou ›drame du poète-musicien‹; je pries seulement qu’on veuille bien observer que par ›drame wagnérien‹ je n’etends pas désigner les drames de Richard Wagner seul, mais, en général, la nouvelle forme créée par lui.« (APPIA 1895, S. 263.)

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Appia ging es somit weniger um die Zusammenführung der einzelnen Künste im Sinne Wagners, sondern um den performativen Akt, der sie vereint (also die technische Organisation und Funktionalität der Kunstarten), was letzten Endes durch den Darsteller geschieht. Unter der übergeordneten Gaung der Musik kristallisieren sich für Appia in hierarchischer Stufung Darsteller, Raum und Licht als Transporteure der im Wort-Tondrama verankerten Gefühle heraus.167 Auf diese Weise versucht er seiner Forderung nach Einheit der traditionellen Gaungen Oper und Schauspiel gerecht zu werden; was Wagner in seinen ›Musikdramen‹ auf musikalischer Ebene gelang, weitet Appia nun auch auf die Bühne in Gestaltung und Geschehen sowie das Licht aus. Wie sein Kollege Edward Gordon craig gilt er mit seiner Ausdrucksform als Begründer einer gegen den Historismus und Illusionismus gerichteten eaterreform. Appia war bewusst, dass die Vereinigung der Künste nicht rein auf eine Bühnenreform beschränkt bleiben dürfe, sondern es gilt »le goût du public que de transformer notre mise en scène« zu bedienen.168 So ist für Appia das ›Kunstwerk der Zukun‹ ebenfalls Ausgangspunkt für eine größere soziale Reform,169 die letztlich zum Ziel die Transformation der Menschheit durch Kunst hae, denn »es gibt keine Kunstform, in der die soziale Solidarität sich vollkommener ausdrücken liesse, als die dramatische Kunst; v. a. wenn sie zu ihren grossen Ursprüngen der kollektiven Darstellung eines mächtigen religiösen, patriotischen oder ganz einfach menschlichen Gefühls zurückkehrt, indem sie sie in unsere moderne Schau umsetzt.«170 Mit dieser Ansicht, dass dem eater eine entscheidende Position in der Transformation der Gesellscha zukommt, steht Appia nicht nur in der Tradition Wagners, sondern auch in seiner Zeit nicht alleine.

167 S. z. B. APPIA 1920. 168 APPIA 1904, S. 351. 169 Zur Realisierung dieser Ideen Appias kam es in Dresden-Hellerau s. Kapitel III.1.1.1

und III.1.1.2. 170 APPIA, Adolphe: o. A., 1918, zit. nach BABLET 1982, S. 90. Dass das eater nicht nur

schlicht einen unterhaltenden charakter hat, ist nichts Neues, aber, dass ihm eine solche sozial-transformierende Kra zugesprochen wird, ist zumindest bezeichnend für die Nachfolge Richard Wagners.

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»Bis vor kurzem glaubte ich noch, daß das eater mit meiner Vision in gewisser Weise verbunden sei. Eine alte Neigung ließ mich diesen Wunsch hegen. Aber jetzt weiß ich, daß diese Kunst, über die ich schreibe und der ich mein Leben gewidmet habe, über das eater hinausdringt. Erst jetzt bin ich mir dessen bewußt geworden. Trotzdem bleiben mein Ziel, meine Arbeit und meine Freude bestehen – nur eins hat sich geändert: was vorher unmöglich war, wird nun möglich sein.«171

Der englische Schauspieler Edward Gordon craig ging etwa zeitgleich (1908) wie Appia davon aus, dass dem eater eine Schlüsselrolle bei der Sinneserweiterung des Menschen zukam. Dazu war für ihn – im Gegensatz zu Appia – die Gleichwertigkeit der Darstellungsmiel – Bewegung, Wort, Linie, Farbe und Rhythmus – unbedingt Grundvoraussetzung; so verwundert seine Forderung nach »praktische[n] und technische[n] Schulen, Schulen für die eorie und für das experimentelle Studium der eaterkunst« nicht.172 Eine Art Laboratorium sollte helfen, die einzelnen Materialien auf wissenschalicher und künstlerischer Ebene zu untersuchen, sodass ein gezielter Einsatz der künstlerischen Disziplinen – v. a. des Lichts – hülfe, craigs symbolistische Bestrebungen visuell umzusetzen. Der Engländer ging bei seiner Konzeption vom Glauben an eine hinter der wahrnehmbaren Wirklichkeit verborgenen ideellen Welt aus, die sich nur in der Phantasie des Betrachters zeigt. eoretisch konkretisiert (auch hinsichtlich der Umsetzung) werden diese Ideen 1907 »Screens und Scene, die Über-Marionee, Black­Figures und e­Mask […] alles kam in diesem Jahr«.173 Mit e­Mask gab

171 catalogue of Etchings being Designs for Motions by Gordon craig, Florenz 1908,

S. 10–12, zit. nach BABLET 1965, S. 146. Die Forschungslage zu craig ist maßgeblich auf drei Monografien zu beschränken: BABLET 1965 und INNES 1983 betrachten Leben und Werk; GRUND 2002 nimmt außerdem craigs Prämissen bei der Inszenierung mit in den Blick. 172 Daybook I. November 1908 to March 1910, S. 187, zit. nach BABLET 1965, S. 120; die Daybooks sind nicht veröffentlicht, wurden aber von BABLET 1965 eingehend studiert und in Auszügen zitiert. Teilweise realisieren konnte craig seine Vorstellungen in der Gründung einer Schauspielschule in Florenz 1913; s. ebd., S. 188–201 und v. a. zu den diversen vorherigen Versuchen INNES 1983, S. 208–212. Unter der alleinigen Leitung craigs sollte die schöpferische Kra von »Sportsleuten« und »Handwerkern« entwickelt werden (vgl. cRAIG, Edward Gordon: What my school needs. Sportsmen and crasmen, in: A Living eatre, [o. A.], S. 51–56, zit. nach BABLET 1965, S. 190); diese Überlegungen dürfen durchaus als Vorbild für später ähnliche Forderungen Walter Gropius’ für das Bauhaus angenommen werden (s. Kapitel III.1.3). 173 Index to the Story of my Days, S. 297, zit. nach BABLET 1965, S. 121.

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craig seit 1907 eine eaterzeitschri heraus, in der er bereits in der zweiten Ausgabe seinen umstrienen und wichtigsten Aufsatz e­Actor­and­the­ÜberMarionee publizierte.174 Idee der Zeitschri war nicht die Verneinung einer eatertradition und -konvention, genauso wenig die unreflektierte Bejahung des gegenwärtigen eaters, sondern sie galt vielmehr der Verbreitung einer der Zeit angemessenen neuen Bühnenform nach craigs Vorstellung. Besonders deutlich wird das in seiner Publikation Scene von 1923,175 in der er die Entdeckung der »fünen Bühne« kundgibt. Diese käme den modernen Forderungen der Einheit von Raum und Zeit, von Bewegung und Wandlung nach.176 Um diesen Schlagworten gerecht zu werden, griff craig als optisches Miel, ohne Appias Arbeiten zu kennen177 – doch in ähnlicher Weise – auf Architektur-

174 S. BABLET 1965, S. 129; GRUND 2002, S. 107. Erste Ideen hielt craig 1905 in seiner auf

Englisch und Deutsch erschienenen Schri e­Art­of­the­eatre fest (1906 erschien diese dann auf Niederländisch und Russisch, 1912 auf Japanisch und 1963 auf Ungarisch und Dänisch; s. INNES 1983, S. 220). Im darauffolgenden Jahr begann er die Produktion der Zeitschri e­Mask, in der er neben zahlreichen Artikeln auch seine Inszenierungsideen, beispielsweise für Macbeth, präsentierte. craig entnahm der Zeitschri Artikel und veröffentlichte sie erneut, v. a. 1911 in On­the­Art­of­the­eatre (1920 ins Französische, 1924 ins Italienische und dann ins Ungarische, Polnische, Spanische und Russische übersetzt; cRAIG 1911) und e­eatre­Advancing (cRAIG 1921), dadurch ist es schwierig, die Wirkkra der Zeitschri zu beurteilen. Durch die zweifache Publikation sorgte er jedenfalls für einen größeren Leserkreis. Darüber hinaus ist e­Mask »die erste eaterzeitschri, die eine bestimmte Politik vertri und diese ungeachtet aller Hindernisse verfolgt. Es ist die erste engagierte Zeitschri, die weder Vorurteile noch Eigenmächtigkeit fürchtet.« (BABLET 1965, S. 127f.) 175 Die ersten Notizen zu Scene (cRAIG 1923) sind auf den letzten elf zusätzlich eingelegten Bläern in der Gravourmappe Movements (s. weiter unten) erhalten und auf 1906–07 datiert, das Manuskript verfasste craig im Umfang von 42 Seiten in Rapallo im März 1922 und konnte es 1923 in Oxford publizieren (s. BABLET 1965, S. 141, 248f.). 176 Für craig ist jede Ära einer eatergeschichte durch einen bestimmten Bühnentyp gekennzeichnet, s. cRAIG 1923, S. 18. Er selbst habe nun die ›füne Bühne‹ entdeckt. »Diese Anlage wird den Forderungen nach räumlicher und zeitlicher Einheit, dem Streben nach Bewegung und Wandlung gleichermaßen gerecht. Sie besteht also aus einem ganz bestimmten Material, das jedoch wieder eine Vielfalt von Möglichkeiten bietet. Man erkennt hier wieder die Konzeption des Graveurs der movements.« (BABLET 1965, S. 149f.) 177 craig kam 1909 erstmals durch einen Freund mit den Arbeiten Appias in Verbindung, 1914 trafen sich die beiden Künstler schließlich in Zürich. Dies ist der Anfang einer

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elemente zurück, um »die bildliche Bühne abschaffen und sta ihrer die architektonische Bühne bewahren« zu können.178 Einer der ersten Höhepunkte dieser Tendenz zeigte sich 1905 mit dem Drama Die­Treppe,179 in dem die Architektur der eigentliche Hauptakteur ist. In der Gravurserie Movements von 1906 / 07 entwickelte er diese Ideen weiter, indem er die Verwandlungsfähigkeit des Bühnenbodens über Treppen und Podeste hinaus durch Hebebühnen, die auch dicke Mauern bilden konnten, zur Schaffung weiterer Räume einsetzte.180 Hinzu treten in der vertikalen Erstreckung der Bühne sie sog. Screens­(Abb. 9); parallelepipede Rechtecke, die auf Gassen fahren und von oben oder unten herab- oder heraufgelassen sowie in sich gedreht werden konnten, sodass ein und die selbe Bühne dreidimensional wandelbar war.181 Es ging ihm weniger um die Beweglichkeit der architektonischen Elemente als viel mehr um die Erzeugung von Bewegung an sich.182 Auf diese Weise wird nicht nur ein Raum gebildet, sondern Volumen und Dynamik erzeugt.183 Das Bühnenbild ist demnach auf ein Minimum reduziert und kann seine atmosphärische alität erst durch das Licht erreichen, denn

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langen Brieffreundscha, in der sie sich über ihre Werke austauschen. In der ausführlichen Analyse dieser Freundscha kann BABLET 1965 (S. 202–210) darlegen, dass die beiden Künstler zunächst unabhängig voneinander ihre Ideen entwickelten, die zwar zu einer ähnlichen Bühnenausdrucksform führten, jedoch in ihren theoretischen Überlegungen in einigen Punkten massiv voneinander abweichen. Daybook I. November 1908 to March 1910, Text datiert mit 3. Februar 1909, S. 77, zit. nach BABLET 1965, S. 148. S. GRUND 2002, S. 70; SIMHANDL 1993, S. 23. craig kam 1904 erstmals nach Deutschland, erlangte dort jedoch erst nach 1910 Popularität; s. BRAUNEcK 1982, S. 81. Gerade die Beweglichkeit des Bühnenbodens erfuhr in der Folge eine rege Rezeption; man denke z. B. an Erwin Piscators (1893–1966) Versuche; s. Anm. 312 und 975. S. ausführlicher zu den Screens BABLET 1965, S. 140–155 sowie INNES 1983, S. 143–149. So schreibt craig 1908 im Vorwort zu seinem Katalog der Ausstellung der Gravuren: »Am wichtigsten ist es, die Bewegung, die dieser Kunst der Offenbarung zugrunde liegt, durch unbelebte Formen zu vermieln. Ich spreche hier von der Bewegung im wirklichen, nicht im imaginären Sinn.« (catalogue of Etchings being Designs for Motions by Gordon craig, Florenz 1908, S. 10–12, zit. nach BABLET 1965, S. 145.) So stellt sich die Frage ob craig nicht als ein Vorläufer der v. a. in den 1920er stark auretenden kybernetischen Überlegungen beispielsweise von László Moholy-Nagys (1895– 1946) (s. Kapitel III.1.3) gelten muss. Diese charakteristika wurden bereits zu craigs Zeiten wahrgenommen und auch durchaus positiv beurteilt; s. BABLET 1965, S. 147f.

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»das einzige, wahre Material für die eaterkunst ist das Licht, und durch das Licht die Bewegung«.184 In seiner realen alität bleibt der Raum daher unverändert und wird allein durch das Scheinwerferlicht in unterschiedliche Stimmungen verwandelt; dramatische Vorgänge werden durch Licht symbolisiert. Die Formulierung (entsprechend seinem Aufsatz von 1915) e­ousand Scenes­in­One­Scene (Tausend­Szenen­in einer­ Szene) beschreibt daher den Grundsatz, wohingegen die ›Screens‹ die Materialien sind.185 Nachdem craig anfangs noch einem eher traditionellen Verständnis Abb. 9: Edward Gordon Craig, Scene, 1907; des Schauspielers als Transporteur und Radierung; 29 × 22,5 cm; Wien, ÖsterSpiegel des aufgeführten Werks zugereichisches Theatermuseum wandt ist, äußert er 1908 den berühmt gewordenen Satz: »Der schauspieler muss das theater räumen, und seinen platz wird die unbelebte figur einnehmen – wir nennen sie die über-marionee, bis sie sich selbst einen besseren namen erworben hat.«186 Vielfach falsch verstanden und missinterpretiert,187 kommt ihm eine zentrale Stellung im Zusammenhang

184 Daybook III. Januar 1912 to [o. A.], zit. nach BABLET 1965, S. 204. 185 Die Verwendung der ›Screens‹ sowie die sich daraus ergebenden Möglichkeiten er-

läutert craig eingehend in dem Aufsatz in e­Mask; s. cRAIG 1915. Erstmals einsetzen konnte craig seine ›Screens‹ am Abbey eatre am 12. Januar 1911, angeblich seien sie laut dortigem Programm bereits zuvor in Moskau verwendet worden; s. BABLET 1965, S. 155f. Die Schwierigkeit der Umsetzung der von craig v. a. zwischen 1900 und 1910 entwickelten theoretischen Ideen thematisiert auch INNES 1983 (S. 1–7), s. auch die Auswertung der Bühnenbildentwürfe (S. 101–112). 186 cRAIG 1908, S. 66. 187 Das dominierende Missverständnis ist dabei die Annahme, dass craig den Schauspieler auf der Bühne durch die Marionee ersetzen wolle. Gerade craigs zahlreiche Studien sowie seine eigene Sammlung bestärkten diese Annahme, doch muss dieser Interpretation unter Einbezug seiner zahlreichen Schrien nach BABLET 1965 (S. 127–137)

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mit der eaterreform um 1900 zu und meint in der Verneinung des realistisch-naturalistischen Schauspielers als anti-künstlerisches Konzept die Abwendung von jeglichen Verkörperungen durch den Schauspieler. Da es für eine Reform des Schauspielers in craigs Augen zu spät war, musste ein neuer Typ des Schauspielers an dessen Stelle treten; verlangt wurde eine neue Spieltechnik.188 Entsprechend dieser Vision scheint craig der Schauspieler in seiner Individualität und Emotionalität als ungeeignet zur Darstellung des von ihm gewünschten Ausdrucks:189 Er konzipiert Tänze für seine Protagonisten, die sich entsprechend der Bühnenausstaung auf einfachste und klarste Bewegungen und Gesten beschränken.190 Auf diese Weise zwingt er den Schauspieler, seine Bewegungen zu kon-

vehement widersprochen werden; s. hier die differenzierte Auswertung der theoretischen Äußerungen craigs sowie ihrer Widersprüchlichkeit bzw. Weiterentwicklung. 188 »Heutzutage interpretieren sie [die Schauspieler] etwas, indem sie es verkörpern; morgen müssen sie es interpretieren, indem sie es szenisch­ vorführen; und dann schliesslich müssen sie etwas schöpferisch­produzieren. Nur auf diese weise kann wieder stil erreicht werden.« (cRAIG 1908, S. 55.) 189 »Kunst darf, wie wir gesagt haben, keine zufälle dulden. Was der schauspieler darbietet, ist also kein kunstwerk; es ist eine folge vom zufall gelenkter bekenntnisse. Ursprünglich wurde der menschliche körper nicht als material für die theaterkunst verwendet. […] Der menschliche körper ist also, aus dem angeführten grunde, von natur­aus als material für eine kunst untauglich.« (cRAIG 1908, S. 53f.) Mit diesem neuen Materialbegriff übertraf craig Kollegen wie Henry Irving (1838–1905), Max Reinhardt (1873–1943) oder Georg Fuchs, die Meininger, aber auch Hubert von Herkomer (1849–1914), denn sie alle bauten noch auf die Präsenz des menschlichen Darstellers. GRUND 2002 (S. 105f., 111) kommt daher zu dem Schluss, dass craig im Prinzip Appia überwunden und dem eater den Weg zu gaungsüberschreitenden Tendenzen geöffnet habe. Diesem Resümee kann nur bedingt gefolgt werden, da beide Künstler ihre individuellen Schwerpunkte setzten – Appia im Bereich der Bewegung und craig im Bereich der Typisierung und Synästhesie – und damit jeweils prägend für die folgende Entwicklung im Bereich des eaterwesens waren. 190 Hierin unterscheidet er sich maßgeblich von Appia: Die starke Aufwertung der Bewegung als eines der Grundelemente des eaters ist sicherlich nicht unbeeinflusst geblieben durch sein Zusammenleben mit der Tänzerin Isadora Duncan (1877–1927) (s. Kapitel III.1.1.1 und III.1.1.2 sowie Anm. 328); s. die Reproduktion einiger Zeichnungen Duncans beim Tanzen von craigs Werken TZANEVA 2008. Appia räumt zwar der tänzerischen Bewegung auch einen wichtigen Stellenwert ein, doch nicht in einer derartigen Konsequenz wie craig Bühnenelemente und Darsteller miteinander verschmelzen lässt.

66 | Vision ›Gesamtkunstwerk‹

trollieren und mit Hilfe seiner körperlichen Ausdrucksmiel schöpferisch aktiv zu werden (sta bloß nachzubilden). Dem naturalistischen Realismus der mimischen Darstellung begegnet craig durch Masken, die das Gesicht der Schauspieler und damit den emotionalen Ausdruck verdecken, so, dass der Darsteller zum Symbol wird – während er selbst symbolistisch ›spielt‹. Diese Bestrebungen einer mechanisierten Darstellung bedeuten demnach nicht den Verzicht auf den Menschen als Sujet, sondern die Umsetzung einer Konzeption der Beziehung von Regisseur und dem marioneenartigen Darsteller. Dem Regisseur kommt die zentrale Stellung im Bühnenwerk craigs zu, da nur er die Einheitlichkeit der Inszenierung gewährleisten kann, indem er die unterschiedlichen Darstellungselemente zu einem homogenen Bühnengesamtkunstwerk zusammenführen soll. Somit wäre das Bühnengeschehen absolut kalkulierbar und der Weg für ein vollständig mechanisiertes Bewegungstheater geebnet.191 Mit der Autonomie des Regisseurs wurde dem eater die dialogisch-literarische Funktion entzogen und Suggestion, Atmosphäre und Imagination bereitgestellt;192 im Vergleich zu Wagner wird demnach der Totalitätsanspruch der Kunstarten zu Gunsten der alleinigen Autorität des Regisseurs aufgegeben. Die Musik spielt, wie die bisherigen Darlegungen bereits erahnen lassen, kaum eine Rolle bei craig, da er dem empfindenden Menschen einen inneren Rhythmus zuspricht, der für die Ausdruckskra entscheidend ist. Dennoch hat er angeblich selbst komponiert,193 allerdings ist keines seiner Werke erhalten. Es bleibt damit offen, welche Musik craig als adäquat zu seinen Inszenierungen gefunden häe, sowohl hinsichtlich Eigen- als auch Fremdkompositionen ist nichts bekannt. Ausgehend von seinen eigenen Erfahrungen als Schauspieler und Regisseur entwir craig vor 1900 und damit zeitgleich zu Appia Ideen einer Bühnenreform, die, anders als Wagner und Appia, nicht von der Musik, sondern dem Darsteller als alles vereinende Instanz ausgeht. Dieser soll entemotionalisiert auf einer beweglichen Bühne den Inhalt des Werks symbolistisch und atmosphärisch transportieren. Besondere Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang nicht nur den

191 S. hierzu in der Folge die Konzepte Schlemmers am Bauhaus in Kapitel III.1.3.2. 192 S. ScHOBER 1994, S. 32. 193 Es findet sich der Hinweis auf die Auseinandersetzung mit der Musik von Johann Se-

bastian Bach (1685–1750) (s. GRUND 2002, S. 201f.), die aufgrund der um 1900 herrschenden Bach-Renaissance (s. BAcH 1985) durchaus denkbar ist, aber nicht mehr nachvollzogen werden kann.

Anfänge des Begriffs und Konzepts ›Gesamtkunstwerk‹ | 67

architektonischen Bühnenelementen und den Masken des Darstellers zu, sondern v. a. dem Einsatz des Lichts. Mit der Abschaffung des Illusionismus gelang es craig, seine metaphysischen Bestrebungen zu vollenden; es sollte ein mystischer Traum des Realen entstehen.

III

Kunst und Politik Das ›Gesamtkunstwerk‹ von 1900 bis 1945

Die Zeit von 1900 bis 1945 war durch einschneidende politische und kulturelle Umwälzungen geprägt, die allesamt einen ausgeprägten Hang zu totalitären Konzepten erkennen lassen. Das durchaus politisch oder soziokulturell motivierte Zusammenwirken der Künste war ein konstant zu beobachtendes Bestreben, dem – ganz im Sinne des ›Gesamtkunstwerks‹ – transformierende Kra zugeschrieben wurde. Aus ganz differenten Motivationen heraus bot das Konzept dabei die Möglichkeit, (subtil) auf den Rezipienten Einfluss zu nehmen, was nur über die Bildung einer Gemeinscha jenseits kultureller und sozialer Grenzen erreicht werden konnte. Die von den Künstlern dazu eingeschlagenen Wege fallen unterschiedlich aus; eine Beeinflussung erfolgt sowohl passiv als auch aktiv durch die Ästhetisierung alltäglicher Gegenstände. Der Ausgangspunkt der revolutionären Ansätze ist dann entweder das Individuum oder die Masse, je nachdem ob der Schwerpunkt auf der Stimulation des Einzelnen in Form eines dynamischen Schaffensprozesses oder der Massenmobilisierung für eine übergeordnete Idee lag; alle Graustufen dazwischen finden sich natürlich ebenso. Die Fusion von Kunst und Leben erfolgte sehr unterschiedlich: Hierzu zählt sowohl die Ästhetisierung des Lebens z. B. durch die Massenproduktion – wie sie der ›Werkbund‹ anstrebte und in der Folge das Bauhaus –, die lebensreformerischen Gedanken, die gemeinschasstienden Veranstaltungen – wie z. B. Steiners Versuch, dem eater seine Exklusivität zu nehmen und es als Volkstheater, nationales Festspiel und Menschheitsfestspiel in das Leben der Gesellscha zu integrieren – oder auch die nationalsozialistischen Ansätze einer

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›Ästhetisierung der Politik‹, wie es Walter Benjamin (1892–1940) nannte.194 Um die richtige Form zu finden und die ›Urkunst‹ zu erfahren, vertieen sich viele Künstler in Schrien mielalterlicher Kirchenmystiker, griffen auf asiatische Astralreligionen oder kulturpsychologische Schrien und okkulte esen zurück und studierten Nietzsche. Letzterer war die Leitfigur der ›gelebten Philosophie‹ um 1900:195 Seine philosophischen Überlegungen fanden nicht nur aufgrund der Lebensbejahung eine breite Rezeption,196 sondern v. a. wegen der intensiven Auseinandersetzung mit der Tradition, deren Prinzipien er radikal in Frage stellte.197 ›Leben‹ wurde das credo der Jugendbewegung, des Jugendstils, der Neuromantik, der Reformpädagogik, kurz der geistig-ästhetischen Bewegung um 1900.198 Das wilhelminische Zeitalter wurde so von avantgardistischen Künstlern u. a. mit Hilfe Nietzsches überwunden, ohne vom Bürgertum als politische Bedrohung empfunden zu werden.199 Es entstanden verschiedene Lebensmodelle, die insge-

194 Benjamin prägte den Begriff und wandte ihn auf die propagandistische Publizistik des

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Nationalsozialismus an. Dieser Argumentationsweise schloss sich, ohne dabei explizit von Ästhetisierung der Politik zu sprechen, Siegfried Kracauer (1889–1966) an und bemüht sich um die empirische Analyse faschistischer ›Dokumentarfilmpropaganda‹ wie z. B. Triumph­des­Willens (1934); s. LOIPERDINGER 1987, S. 13–41 und Anm. 811. So schildert Paul Klee (1879–1940) etwa für München vor dem Ersten Weltkrieg, Nietzsche »lag in der Lu« (zit. nach BERNHARD 2005, S. 29). Damit steht er im Gegensatz zu Schopenhauer, dessen Pessimismus v. a. nach dem Ersten Weltkrieg unbequem geworden war und daher kaum Rezeption erfuhr. Nietzsche kritisiert hier Hegel, wenn er schreibt: »er [Hegel] häe sagen müssen, dass alle nach ihm kommenden Dinge eigentlich nur als eine musikalische coda des weltgeschichtlichen Rondos, noch eigentlicher, als überflüssig zu schätzen seien.« (NIETZScHE 1874, S. 308f.) Andererseits bezeichnet er Hegel noch 1888 in Der­Fall­Wagner als »cagliostro der Modernität« (NIETZScHE 1888, S. 129). Der Begriff wurde als Protest gegen das ungebrochene Vertrauen in die Rationalität von Mensch und Welt verwendet; s. ROHKRÄMER 2001, S. 80f. Die 1896 gegründete Zeitschri Jugend hält in ihrem Gründungsmanifest programmatisch fest: »Jugend ist Daseinsfreude, Genussfähigkeit, Hoffnung und Liebe, Glaube an die Menschen – Jugend ist Leben, Jugend ist Farbe, ist Form und Licht.« (Zit. nach SAFRANKSI 2007, S. 304.) Die Auseinandersetzung mit Nietzsches Schrien erfolgte in der Lebensreformbewegung verglichen mit Wilhelm Bölsche (1861–1939) und Gustav Landauer (1870– 1919) erst ein Jahrzehnt später. Die Reformer rezipierten ihn, weil sie sich nicht mehr so stark mit praktischen Gesundheits- und Ernährungsfragen beschäigten, sondern sich ebenso über einen intellektuellen Gestus präsentieren wollten. LINSE 2001 (S. 166f.) weist zu Recht darauf hin, dass diese intellektuellen Ansätze der ›neuen Religion des

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samt auf eine ›kultische Gemeinscha‹ zielten, welche häufig durch Kunst konstituiert werden sollte. Um 1900 werden die differenten, ideellen Ansätze miteinander verbunden und zu neuen Weltanschauungen verstrickt; darauf fußen auch die Ideen der Anthroposophen, der Bauhäusler und Nationalsozialisten. Trotz verschiedener politischer Kontexte büßte das Konzept des ›Gesamtkunstwerks‹ in der Periode von 1900 bis 1945 nicht an Aktualität ein, sondern konnte sich in seiner Flexibilität bis zur Absurdität verbiegen, ohne dabei jedoch seine charakteristische Zweipoligkeit und die von Wagner gesetzten Grundpfeiler aufzugeben.

1. Die Fusion von Kunst und Leben: Gesamtkunstwerksbestrebungen von 1900 bis 1933 Es scheint um 1900 auf den ersten Blick zwei nicht vereinbare Tendenzen zu geben: Materialismus und Spiritualität. Zugleich lassen sich beide Richtungen auf gemeinsame eorie-Rekurse zurückführen, die zudem in persönlichen Bekanntschaen der Protagonisten verankert sind.200 So stehen technologischer

Naturheils‹ schon von den junghegelianischen Religionskritikern vorgeprägt waren. Schopenhauer wurde um 1900 in abgewandelter Form durch Wagner und v. a. Nietzsche rezipiert: Der physische Mensch gehört demnach der Natur an, der psychische hingegen vereint die Vernun und die (unsterbliche) Seele. Somit ist die geistige Substanz das Ewige, Transzendente, Göliche – im Irdischen verbirgt sich das Gegenteil des vergänglichen Leibes. Der Mensch begegnet in Natur und Kunst sich selbst. 200 Gemeinsame Wurzeln lassen sich bereits in den 1910er Jahren nachvollziehen: Henry van de Velde (1863–1957) arbeitet mit Walter Gropius zusammen im ›Werkbund‹. Zugleich gründete sich in der Nähe von Berlin eine Landkommune mit bäuerlichem Betrieb, Handwerk und Bildungseinrichtung, deren Räumlichkeiten von Hugo Höppener alias Fidus (1868–1948) gestaltet und deren Innendekoration sowie Schmucksachen von van de Velde entworfen waren; s. SAFRANSKI 2007, S. 307f. Diese ›Neue Gesellscha‹, der auch Steiner angehörte, gestaltete Vorträge und Rezitationsabende. Sie war die bekannteste der zahlreichen Landkommunen im Zuge der Wandervogel- und Siedlungsbewegung; s. KRABBE 2001, S. 25–29. Dem seit ca. 1896 bestehenden Verein ›Der Wandervogel‹ sowie zahlreichen anderen Jugendbünden traten bis 1901 tausende junge Menschen bei; s. ebd., S. 25 und zusammenfassend HEPP 1987, S. 11–42. In diesem Kontext soll auf die Jugendmusikbewegung wenigstens hingewiesen werden, die sich z. B. in der chorischen Singbewegung äußerte; s. REINFANDT 1987.

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Fortschri und sektiererische Weltanschauung nicht etwa in einem dialektischen Verhältnis oder einem fortschris- und traditionsgebundenen Denken, sondern bilden eine Einheit. Deutlich wird dies in der in den folgenden Kapiteln erfolgenden Gegenüberstellung zweier auf den ersten Blick denkbar unterschiedlicher Gruppierungen, der Anthroposophischen Gesellscha und dem Bauhaus: Bereits die Organisationsformen, einer Glaubensgemeinscha unter der Führung Rudolf Steiners einerseits und einer Schule andererseits, gelten meist als divergent und unvereinbar; genauso scheinen sich auch Formensprache und gedanklicher Hintergrund diametral zu unterscheiden. Letzterer Punkt muss jedoch mit Blick auf die Anfangsjahre des Bauhauses – in denen die Verbindung zu esoterischem Gedankengut wie beispielsweise bei Johannes Ien noch evident war – zurechtgerückt werden. Eine verlässliche Aussage kann erst nach der Betrachtung der Wurzeln solcher Bestrebungen getroffen werden: Zur architektonischen Formensprache werden zum einen die geplanten und realisierten Projekte aus dem Kielwasser der Lebensreform bis 1920 befragt, zum anderen kristallisiert sich der um 1900 entstandene Ausdruckstanz als ein wesentlicher Vorläufer für Steiner und das Bauhaus heraus. Die in den 1910er Jahren vielfach angestellten Überlegungen zur Synästhesie erweisen sich als drie zentrale Gelenkstelle zwischen dem ›Gesamtkunstwerk‹ nach Wagner, der Anthroposophie und dem Bauhaus. Es kann also nicht von einer gezielten eorie-Rezeption die Rede sein, sondern vielmehr von einem auf breiter Front sich vollziehenden Aufgreifen und Realisieren von Diskussionen des beginnenden 20. Jahrhunderts: Die ästhetisch-soziokulturellen Visionen Wagners und der Lebensreform fanden partielle Umsetzung in Hellerau, Dornach und Weimar.

1.1 Entgrenzungen in der Lebensreform: Synästhesie zur Stimulation Für einen ›gesunden Lebensraum‹ setzen sich bereits im 19. Jahrhundert die englischen Arts-and-cras-Künstler ein: Der Kunsheoretiker John Ruskin (1819–1900) forderte, ausgelöst durch die zunehmende Arbeitsteilung, wieder die Einheit von Kunst und Handwerk herzustellen, die es ermögliche, die Gegenstände des alltäglichen Bedarfs individuell zu gestalten und bewusst mit den Roh-

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stoffen umzugehen.201 Die Überlegungen Ruskins zeichnen sich somit nicht nur durch philosophisch-künstlerische Ideen, sondern v. a. auch soziale Bestrebungen mit volkspädagogischen Absichten aus, die für nachfolgende Künstlergenerationen prägend wurden. Darunter auch William Morris (1834–96), der 1861 mit Freunden seine Firma (hauptsächlich für Möbel und Wanddekoration) gründete; nach deren Vorbild folgten weitere Werkstagründungen, die sich schließlich unter der namensgebenden ›Arts and cras Exhibition Society‹ zusammenschlossen.202 Ebenfalls im Bereich der sozialen Reform und von den Überlegungen der Arts-and-cras-Bewegung deutlich beeinflusst, zeigt sich Ebenezer Howard (1850–1928) mit seiner Idee der Stadt im Grünen als Netzwerk von Wohnen, Arbeiten und Freizeit, wie er es in seinem Buch Tomorrow.­A­Peaceful­Path­to­Real Reform (1898) beschreibt:203 »Eine Gartenstadt ist eine Stadt, die für gesundes Leben und für Arbeit geplant ist; groß genug, um ein volles gesellschaliches Leben zu ermöglichen, aber nicht größer; umgeben von einem Gürtel offenen (landwirtschalich genutzten) Landes; die Böden des gesamten Stadtgebietes befinden sich in öffentlicher Hand oder werden von einer Gesellscha für die Gemeinscha der Einwohner verwaltet.«204 Umsetzen konnte er diese Ansprüche 1903 zusammen mit Raymond Unwin (1863–1940) in Letchworth bei London, wo eine Gartenstadt unter dem Moo ›Licht, Lu und Sonne‹ entstand, die als sich selbstregulierendes Kleinsystem auf der Grundlage genossenschalichen Eigentums funktionierte.205 Auch in Deutschland erhielt diese Bewegung mit der Gründung der ›Deutschen Gartenstadtgesellscha‹ 1902 eine Plaform,206 die mit der

201 Dies hielt bereits die zeitgenössische Fachpresse fest; s. o. A. 1917. 202 S. BREUER 2007. 203 Das Buch (HOWARD 1898) schrieb er bereits 1880, 1898 wurde es veröffentlicht und

1902 neu aufgelegt, Garden­Cities­of­Tomorrow; 1907 erschien es auf Deutsch, Gartenstädte­in­Sicht (HOWARD 1907). Ähnliche Ideen wie sie Howard hierin präsentierte entwickelte bereits zwei Jahre zuvor eodor Fritsch (1852–1933) in seiner Schri Die Stadt­der­Zukun (FRITScH 1896), die jedoch aufgrund der antisemitischen Einstellung des Autors nur wenig Resonanz erfuhr; daher bildeten Howards Überlegungen auch die Grundlage der deutschen Gartenstadtbewegung. S. DAVEy 1996. 204 So die Planungsgesellscha 1919 über die Gartenstadt in Letchworth (unter Beteiligung Howard); s. Osborn in seinem Vorwort zu HOWARD 1907, S. 179. 205 S. zu stadtplanerischen Ideen REINBORN 1996, bes. S. 39–100. 206 Auf die organisatorische Struktur geht PAHL 2000 (bes. S. 6–9) ein und nennt unter den ersten Vorstandsmitgliedern auch Hans Kampffmeyer (1876–1932), der sich intensiv mit Hellerau beschäigte; vgl. auch Anm. 288.

74 | Vision ›Gesamtkunstwerk‹

Gartenstadt in Dresden-Hellerau erstmals eine ganzheitliche Umsetzung fand.207 Die Gartenstadt vereint sowohl lebensreformerische Ideale, welche durch die kulturkritischen Gedanken Nietzsches beeinflusst und in diversen Kommunen praktiziert wurden, als auch stadtreformerische Ideen, für die u. a. die vom Stadtplaner camillo Sie (1843–1903) in seinem Buch Der­Städtebau­nach­seinen­künstlerischen­ Grundsätzen von 1889 fixierten eorien zum Malerischen und Pioresken der mielalterlichen Stadt als Vorbild dienten.208 Auch Hellerau orientierte sich an derartigen Ideen, sodass unter sozialen Gesichtspunkten eine Siedlung entstand, die sich von den traditionellen Werk- oder Arbeitersiedlungen unterschied;209 maßgeblich hierbei ist die Stellung der Kunst als integraler Bestandteil des Alltags, wie sie sich u. a. in Volksfesten oder der kollektiven und lebenslangen Volksbildung ausdrückt. Finanziell gewährleisteten die dem Vorbild Morris’ folgenden ›Dresdner Werkstäen für Handwerkskunst‹ von Karl Schmidt (1873–1948) die nötigen Einnahmen. Die Ideen Ruskins werden beispielsweise im Zusammenschluss von je 12 Künstlern und Industriellen im Oktober 1907 im ›Deutschen Werkbund‹ fortgeführt:210 Es sollte eine neue Warenästhetik für kunstgewerbliche Industrie-

207 S. zusammenfassend HARTMANN 2008, sie betont erneut die herausragende Stellung

Helleraus im Zuge der Gartenstadtbewegung obwohl diese Position, wie KARGE 2008 (S. 72) betont, kritisch hinterfragt werden muss. Die Gartenstadt als stadtplanerische Idee ist, wie SONNE 2008 darlegt, nur ein Leitbild des modernen Städtebaus, es finden sich daneben auch Typen wie die Großstadt, die malerische Stadt etc. 208 Die Idee der malerischen Stadt bringt zusätzlich einen ästhetischen Aspekt in die Überlegungen, die zunächst als »ökonomisches und hygienisches Gegenmodell zur Industriestadt« (ebd., S. 14) angelegt waren. 209 Eine der wohl frühesten Arbeitersiedlungen entstand 1857–69 im würembergischen Kuchen; um 1900 entstanden im Zuge der Industrialisierungen noch zahlreiche Arbeitersiedlungen, wie z. B. für die Hoechst AG in Frankfurt am Main. Als erste Gartenstadt, die so bezeichnet wurde, führt PAHL 2000 (S. 10) die 1906 errichtete Siedlung ›Margarethenhöhe‹ in Essen an. 210 Die Initiierung dieser losen Gruppierung geht auf Muthesius – und im Wesentlichen auch Friedrich Naumann (1860–1919) – zurück, der mit seinem Vortrag an der Berliner Handelshochschule einen Skandal auslöste, welcher in die Geschichte als ›Der Fall Muthesius‹ einging und die Gründung des ›Deutschen Werkbunds‹ als Gegenpart der Aktivitäten des Kunstgewerbeverbands zur Folge hae. Die Geschichte des ›Deutschen Werkbunds‹ war äußerst wechselha; s. cAMPBELL 1989, die ersten zehn Jahre des Bunds JUNGHANNS 1982 sowie mit abgedruckten ellen AUSST.KAT. ZWIScHEN

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produkte etabliert werden, die Forderungen gelten einer Einheit von Kunst, Industrie und Handwerk. Als wichtiger Vorreiter hierzu muss Joseph Maria Olbrich mit seinem umfassenden Gestaltungsanspruch aller Lebensbereiche und seinen Bestrebungen nach der Zweckgebundenheit des Produkts verstanden werden und so wundert es nicht, dass die Ausstellung auf der Darmstädter Mathildenhöhe 1901 von den späteren ›Werkbund‹-Mitgliedern positiv wahrgenommen wurde.211 Aus der industriellen Richtung wendet sich diesen Idealen ebenfalls bereits um die Jahrhundertwende Karl Schmidt mit seinen ›Deutschen Werkstätten für Handwerkskunst‹ in Dresden und danach in Hellerau zu; er gehört – wie u. a. Hans Poelzig (1869–1936), Richard Riemerschmid (1868–1957) und Peter Behrens –212 zu den Gründungsmitgliedern des ›Deutschen Werkbunds‹ stand. Während in den ersten Jahren der technisch industriell gelagerte Aspekt im Vordergrund stand, also die enge Bindung an die produzierende und verkaufende

KUNST UND INDUSTRIE 1975. Eine vergleichende Studie der Jahre 1907, 1947 und 1987 nimmt der AUSST.KAT. DER DEUTScHE WERKBUND 1987 vor. Aus der jüngeren Literatur ist besonders die faceenreiche Darstellung in dem AUSST.KAT. 100 JAHRE DEUTScHER WERKBUND 2007 zu nennen; relevant sind v. a. S. 12–199 (auch mit weiterführender Literatur und zahlreichen Abbildungen). 211 Fritz Schumacher (1869–1947), der ›Werkbund‹-Mitbegründer, beispielsweise schrieb: »Das Programm der Ausstellung bestand in dem Lebensrahmen der Künstlerkolonie selbst: ihre Arbeitsstäen und Wohnungen sollten gezeigt werden. Das war ein feines, natürliches Programm, die Künstler sollten sich selber zeigen; […]. Am meisten Talent dazu hae unstreitig Josef Olbrich.« (ScHUMAcHER 1935, S. 236f.) Olbrich war zwar nicht unmielbar in das Gründungsgeschehen des ›Werkbunds‹ einbezogen (s. WAGNER 2010), muss jedoch als wichtiger Impulsgeber verstanden werden; s. ausführlicher auch zur Rolle Helleraus im ›Deutschen Werkbund‹ PAUL 2008. 212 Auf Seiten der Künstler waren es ferner eodor Fischer (1862–1938), Wilhelm Kreis (1873–1955), Max Laeuger (1864–1952), Josef August Lux (1871–1947), Adelbert Niemeyer (1867–1932), Bruno Paul (1874–1968), Jakob Julius Scharvogel (1854–1938), Paul Schultze-Naumburg (1869–1949) und Fritz Schumacher. Später gehörten auch Tessenow, Bruno (1880–1938) und Max (1884–1967) Taut, Erich Mendelsohn (1887–1953), Ludwig Mies van der Rohe (1886–1969), eodor Heuss (1884–1963) und Harry Graf Keßler (1868–1937) dazu. Auch van de Velde fühlt sich dem ›Werkbund‹ verbunden, obwohl er laut FöHL 2010 (S. 235) nicht als Gründungsmitglied fungierte. Von Seiten der Industrie schlossen sich ebenfalls eine ganze Reihe an Firmen an. Eine Auflistung der wichtigsten Mitglieder mit Kurzangaben vor 1933 findet sich in AUSST.KAT. ZWIScHEN KUNST UND INDUSTRIE 1975, S. 594–606.

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Wirtscha, so zeigt sich nach dem Ersten Weltkrieg eine Schwerpunktverschiebung mit der Hinwendung zur künstlerisch-handwerklichen Gestaltung; architektonische Überlegungen nahmen einen zunehmend größeren Platz ein. Eine Entwicklung, die sich spätestens 1919 mit Künstlern wie Poelzig und Gropius eindeutig für das Handwerk entschieden hae213 und damit der Debae über den ›modernen Stil‹ vorerst ein Ende setzte. Gleichzeitig nimmt esoterisches Gedankengut eine entscheidende Position in den Überlegungen der Künstler ein: Als ideelle Zentren weltanschaulicher Grundhaltungen erfreuten sich verschiedene Formen von Gemeinschassiedlungen eines regen Zulaufs.214 Sie kennzeichnet als Gemeinsamkeit das lebensreformerische Gedankengut mit verschiedenen ideologischen Positionen – sei es sozialistischer, anarchistischer, pazifistischer oder okkultischer Art. Das früheste Beispiel fällt in das Jahr 1867, als sich in Nordhausen um Eduard Baltzer (1814–87) eine vegetarische Gesellscha bildete.215 Ebenfalls dem Vegetarismus verschrieb sich Karl Wilhelm Diefenbach (1851–1913),216 der wenige Jahre später in das Werkhaus eines Steinbruchs im Isartal zog, wo er der Freikörperkultur nachging; bei ihm verweilte auch der damals 18-jährige Hugo Höppener alias Fidus (1868–1948).217 Als herausragendes Beispiel der Pflege lebensreformerischen Gedankenguts muss die Kolonie im schweizerischen Tessin auf dem Monte Verità genannt werden.218 Sie lag oberhalb des Lago Maggiore, wo sich bereits einige Häuser befan-

213 So formuliert Poelzig in seiner ›Werkbundrede‹ als neuer Präsident: »Unter Handwerk

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will ich hierbei etwas ganz und gar Geistiges verstanden wissen, eine seelische Grundstimmung, nicht die technische Vollendung in irgend einem gewerblichen Zweig. […] Seien wir sogar lieber unpraktisch, wenn wir erreichen können, daß aus unserer Schöpfung ein Strahl in die menschliche Seele fällt.« (POELZIG 1919, S. 111, 114.) Darunter firmieren auch eine große Zahl von Künstlern, zwischen 1830 und 1910 lebten allein 3000 Künstler in über 80 Kolonien; s. BEyME 2005, S. 62–67. S. zum Aspekt des Vegetarismus im Kontext der Lebensreform BARLöSIUS 1997. Gustav Gräser (1879–1958), einer der Gründer des Monte Verità (s. Anm. 218), war sein ›Schüler‹. Zu Diefenbach s. AUSST.KAT. KARL WILHELM DIEFENBAcH 2009 und darin spezieller hinsichtlich Fidus ScHUSTER 2009. Gegründet wurde die Siedlung vom reichen Industriellensohn Henri Oedenkoven (1875–1935), seiner Lebensgefährtin Ida Hofmann (1864–1926), ihrer Schwester Jenny, Karl Gräser (1875–1920), dessen jüngerem Bruder Gustav, Loe Haemer (gest. 1906) und Ferdinand Brune; s. BöHME 2001; OHLENScHLÄGER 1999, S. 133. Als Zeitgenosse

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den.219 Hier sollte eine ökonomisch wie kulturell autarke Gemeinscha geschaffen werden, die ethischen und humanitären Idealen folgen sollte und als richtungweisend für die ganze Menschheit gelten wollte. Die weltanschauliche Grundlage bot neben Wagner und Nietzsche v. a. die eosophie, die nicht nur auf dem Monte Verità diskutiert wurde, sondern zahlreiche Künstler beeinflusste (wie im Folgenden zu sehen sein wird)220 – darunter auch Fidus: Er entwarf aus der theosophischen Lehre heraus seine Tempelbauideen, wie z. B. 1901 den Tempel­der­Erde­(Abb. 10, 11), dessen Modell an der Hauptfassade des Kubus’ indische, ägyptische und griechische Elemente erkennen lässt, die Abb. 10: Fidus, Tempel der Erde, 1901, Moein detailliertes ikonografisches Prodell ausgeführt durch Peter Bisseger nach gramm preisgeben und so in symboli- Zeichnungen von Fidus; Holz, weiß gestrischen Bildern die zentralen Glaubenschen; 90 × 130 × 100 cm; Ascona, Monte ansätze der eosophie sowie die Verità, Museum Casa Anaa

wendet sich erstmals in umfassender Weise LANDMANN 2000 (auauend auf sein Buch von 1930) der Entwicklung des ›Bergs der Wahrheit‹ bis 1933 zu; er ist nur ein Beispiel, weshalb dem Monte Verità heute eine so herausragende Position zukommt, die laut ScHWAB 2003 (S. 15) nicht allein aus seiner Funktion eines Sanatoriums zu erklären, sondern als Folge der Rezeptionsgeschichte zu verstehen ist. Hierzu hat auch der zwar einen guten Überblick liefernde, aber einseitig aus dem Blickwinkel der Lebensreform und damit des zukunsträchtigen Modells beschreibende AUSS.KAT. MONTE VERITà 1980 seinen Beitrag geleistet. Die hierin versammelten Beiträge sind hinsichtlich der weltanschaulichen Grundlage sehr hilfreich, doch vernachlässigen sie zum einen den unternehmerischen charakter des Orts und zum anderen eine differenzierte Auswertung der proklamierten Ziele und deren Umsetzung (die nicht selten konträr ausfällt); diesen Punkten gehen ScHWAB / LAFRANcHI 2001 und detaillierter ScHWAB 2003 nach, s. hier auch zur ellen- und Literaturlage S. 21–31. 219 Dies war der Rest eines Projekts von Alfredo Pioda (1848–1909), der bereits 1889 ein mönchisch-theosophisches Laienkloster auf dem Monte Verità einrichten wollte. Daher wurden ab April 1901 in Handarbeit die ersten Wohnhüen errichtet; zur Architektur s. GRAEVENITZ 1980 und BIRKNER-GOSSEN 1980. 220 S. ScHöNENBERGER 1980.

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Vision einer Idealgesellscha im Sinne der Lebensreformer darstellt. Im Inneren sollten mehrere Räume von Männern und Frauen getrennt als Wege zunehmender Läuterung durchschritten werden, die entsprechend der theosophischen Lehre in unterschiedlichen Farben erstrahlten.221 Derartige Utopien zeigen die damaligen Diskussionen um Volksbauideen, die verschiedene Funktionen vom Versammlungsort, über religiöse Weihestäe und eater hin zum Denkmal in sich vereint und damit zumeist an einem zentralen Ort leicht erhöht Platz finden.222 Diesem ›Musentempel‹ (der kein eaterbau mehr ist) wird daher Abb. 11: Fidus, Tempel der Erde, Grundriss, eine zentrale Funktion innerhalb der 1901; Feder auf Papier; 27,7 × 20,2 cm; erstrebten neuen Lebenspraxis eingeLübeck, Museum für Kunst- und Kulturräumt, bei der eine ›Heilung des Dageschichte der Hansestadt seins‹ durch Kunst erfolgen sollte – ähnlich Wagners Festspielidee.223 Fidus formuliert dies 1897 programmatisch, wenn er sagt: »[…] was ich laut predigen möchte, weil es heutzutage vergessen ist oder zu sein scheint: Die reine und hohe Kunst wird Festkunst werden! […] Sie muß Jedem nach ihr dürstenden zugänglich werden, dadurch, dass sie Tempel-Kunst wird. In Tempeln, Museen, Festspielhäusern, überhaupt an Fest- und Weihestäen müssen ihre Kräe wieder zu organischen ›Gesamtkunstwerken‹ zusammenwirken, ansta sich im ›Privatbesitze‹ zu zerstreuen.«224 Mit diesem

221 Die Grundtöne der Farben der um einen Innenhof gelegenen Gänge sollten charakte-

ristisch für jedes Geschlecht sein; s. FORNOFF 2004, S. 241; GRAEVENITZ 1980, S. 92f. 222 S. zur Volksbauidee HAMBROcK 2005, S. 16–19. 223 S. WOLBERT 1983, S. 70. 224 HöPPENER 1897, S. 68. Zeitlebens konnte Fidus keinen seiner utopischen Entwürfe rea-

lisieren und äußerte sich zunehmend negativ über Rudolf Steiner (s. Kapitel III.1.2), was laut OHLENScHLÄGER 1992 (S. 216) auf seinen Neid Steiner gegenüber zurückzuführen ist.

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Anspruch starten schließlich zahlreiche Künstler ihre Tempelbauideen,225 die eng an synästhetische Überlegungen gekoppelt sind, wie z. B. Alexander Skrjabin oder auf der Darmstädter Mathildenhöhe Joseph Maria Olbrich und Peter Behrens sowie Heinrich Tessenow in Dresden-Hellerau. Die eaterreform ist ein Bereich der das gesamte Leben umfassenden Neuorientierung;226 darin ist sie jedoch nicht belanglos, sondern entscheidend, denn das eater galt stets als Ausdruck des kollektiven Bewusstseins und als Spiegel der Gesellscha. Die Einheit von Kunst und Leben war das höchste Ziel. Programmatisch kommt dies bei Peter Behrens zum Ausdruck, der in in seiner Schri Feste­des­Lebens­und­der­Kunst.­Eine­Betrachtung­des­eaters­als­höchsten­Kunstsymbols (1900),227 die als erster deutscher Beitrag zur eaterreformdiskussion gewertet werden darf, eine ›Stilbühne‹ fordert, wobei Stil »das Symbol des

225 Schon der Kunsthistoriker cornelius Gurli (1850–1938) nannte 1900 in seiner Schri

Die­deutsche­Kunst­des­19.­Jahrhunderts in der Reihe der wichtigsten Tempelerbauer »Schinkels Museumspläne und sein Altes Museum in Berlin, Leo von Klenzes [1784–1864] Walhalla bei Donaustauf von 1830–42 und dessen Befreiungshalle von Kelheim von 1842–63, außerdem Richard Wagners Festspielhaus von 1878, Oo Wagners [1841–1918] Artibus-Projekt von 1880 und Josef Olbrichs Haus der Sezession in Wien von 1899, die damit nicht nur einen profanen Ausstellungsraum, sondern eine Weihestäe der Kunst erhalten hae. Gurli nannte auch die wichtigsten Schristeller, die im 19. Jahrhundert die Kenntnis der antiken Tempel vermieln halfen, nachdem ihnen [Johann Joachim] Winckelmann [1717–68] vorausgegangen war: Arthur Schopenhauer (Die­Baukunst, 1818) und Jacob Burckhardt [1818–97] (Die­griechische­Polis, 1883).« (GRAEVENITZ 1980, S. 91f.) 226 Es darf zwar davon ausgegangen werden, dass es auf dem Monte Verità auch eateraufführungen gab, die vermutlich mehr in Richtung Festspiele gingen (s. Anm. 366), allerdings haben sich hierzu keine Dokumente erhalten; s. STADLER 1980. 227 Neben Feste­des­Lebens­und­der­Kunst (BEHRENS 1900A) zählen aus dem gleichen Jahr die Schrien Deko­ra­tion­der­Bühne (BEHRENS 1900B) und Die­Lebensmesse­von­Richard Dehmel­als­festliches­Spiel (BEHRENS 1901) zu Behrens’ wichtigsten Abhandlungen über das eater. Die grundlegenden Untersuchungen zu seinen Ambitionen im eaterbereich stammen von BOEHE 1968 und 1977 – erneut überarbeitet BOEHE-SELLE 2001 – und MORTZ 1990. Eine Zusammenfassung liefert WINDSOR 1985, S. 32–37. Einen Überblick zu den verschiedenen Entwicklungen und Ausdrucksformen im Bereich des eaters zwischen 1900 und 1920 gibt der AUSST.KAT. DIE MALER UND DAS THEATER IM 20. JAHRHUNDERT (1986). Die hier erfolgenden Anmerkungen zur eaterreform um 1900 lege ich ausführlicher in dem Aufsatz VINZENZ 2018 dar.

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Gesamtempfindens, der ganzen Lebensauffassung einer Zeit« darstelle.228 Dementsprechend ist Behrens’ Schwerpunkt, der von der Architektur ausgehend seine Ideen entwickelt, nicht, einen eaterbau im üblichen Sinn zu imaginieren, sondern durch synästhetische Gedanken und die Überlegungen zu liturgischen Handlungen einen Tempel entstehen zu lassen.229 Frei vom Alltäglichen sei man hier »geweiht und vorbereitet für die grosse Kunst der Weltanschauung!«230 Zweifellos lässt sich die Anlehnung an Wagner erkennen, auch wenn Behrens in seinem »Universum aller Künste« die Vorherrscha der Musik brach231 und einen Wechsel der Führung der am eater beteiligten Kunstarten erwartete; denn obwohl »in Bayreuth […] kein Miel vernachlässigt und kein Bemühen gespart worden [ist], um den Ernst und die Grösse des Werkes zum Ausdruck zu bringen«, so scheint Behrens »gerade diese Höhe des Dekorations-Wesens […] in

228 BEHRENS 1900A, S. 10. Die Begriffe ›Reform‹- und ›Stilbühne‹ bestanden parallel, sind

allerdings beide unpräzise. Will man dennoch eine Differenzierung vornehmen, so ließen sich die Anfänge der ›Reformbühne‹ in Appia und craig mit ihrer antinaturalistischen Haltung sehen (s. Kapitel II.2). »Die Stilbühne schwankte in ihren optischen Resultaten zwischen realistisch gefärbtem Impressionismus und expressionistisch gefärbtem Impressionismus unexpressionistischer Abstraktion. […] Das hieß für die Anfänge der Stilbühne zunächst Vereinfachung. Mit der Reduktion der Miel lenkte man zugleich auf das Geistige.« Diese Definition EcKERTs 1998 (S. 42–44) zeigt jedoch nicht, dass es sich hier um zwei nebeneinander existierende Phänomene handelt, sondern die ›Stilbühne‹ als Unterkategorie der ›Reformbühne‹ zu verstehen ist, da beide »einen gemeinsamen naturalistischen Nenner« häen und »die Herrscha der Stimmung« sie kennzeichne. Sie können jedoch nicht, wie dies Eckert macht, auf der gleichen Ebene betrachtet werden. 229 In BEHRENS 1900B stellt der Künstler seinem Text eine Vignee voran, die einen weihrauchumwehten Tempel zeigt. Das Drama ging somit aus einem religiösen Kontext hervor. 230 BEHRENS 1900A, S. 13. 231 Ebd., S. 10. BEHRENS 1901 (S. 28f.) will nicht mehr »wie auf der alten Bühne, wofür Bayreuth das beste Beispiel ist, plastische Malerei, gemalte Architektur, illustrative Musik und Ähnliches in stilwidriger Verquickung Natur oder Kunst vortäuschen«, sondern, dass »jede [künstlerische Disziplin] gesteigerter für sich und also alle so zusammen auch steigernder zum Ganzen wirken«. Dass eine »wohl abgewogene Mitwirkung der Schwesterkünste« für Behrens nicht gleichzusetzen ist mit »deren Addition, wie z. B. bei Richard Wagner«, zeigt schon aus Sicht der Zeitgenossen, dass Behrens »die Bühnenkunst für eine selbständige Kunst« (ScHUR 1911, S. 44) halte und sich damit auch von den Bayreuther Bestrebungen unterscheide.

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Wirklichkeit die Höhe einer ästhetischen Unkultur zu sein.«232 Wie auch Appia geht er davon aus, dass die Bühnenkunst eine synästhetische Darbietung sei233 und dazu sollten »die Bewegungen der verschiedenen handelnden Personen auf der Bühne […] für die Zusammenwirkung berechnet sein. Dies liegt nicht mehr ganz in der Gewalt des einzelnen Darstellers, es ist Sache des Regisseurs. Er ist hier der Ordner und Bildner.«234 Architektonisch fordert Behrens in der der Darmstädter Künstlerkolonie gewidmeten Schri Feste­des­Lebens­und­der­Kunst die beiden zentralen Punkte der eaterarchitektur um 1900 ein: zum einen die Überwindung der Guckkastenbühne – bei Behrens durch eine flache Reliefbühne, denn »das Relief ist der markanteste Ausdruck der Linie, der bewegten Linie, der Bewegung, die beim Drama alles ist« –235 und zum anderen das Aufgeben des Logenrangtheaters durch die amphitheatralische Gestaltung des Zuschauerraums. Diese bereits durch Semper und Wagner favorisierte Revolutionierung des Bühnen- und Zuschauerraums schien um 1900 ihren geeigneten Ausdruck in der Relieühne zu finden, die (theaterpraktisch gesehen) auf die Tiefenwirkung des Guckkastens verzichtet, da nur auf dem in den amphitheatralischen Zuschauerraum hineinragenden Proszenium gespielt wird; die Trennung zwischen Bühne und ›Zuschauer‹ würde so aufgehoben und damit die Besucher als »Teilnehmer an einer Offenbarung des

232 BEHRENS 1900B, S. 401. 233 S. Anm. 231. BUcHHOLZ 2007 (S. 176, Anm. 4) weist darauf hin, dass Behrens Appia

zwar nicht namentlich erwähne, »jedoch weisen die von ihm publizierten Aufsätze zum eater eindeutige Parallelen zu Appias Buch auf, so dass von einer Beeinflussung unbedingt auszugehen ist.« 234 BEHRENS, Peter: Ueber die Kunst auf der Bühne, in: Frankfurter Zeitung (Morgenbla), 54 (1910), H. 78, S. 2, zit. nach BUcHHOLZ 2007, S. 176, Anm. 8. Das Handeln der Darsteller zum Ausgangspunkt der künstlerischen Einheit auf der Bühne zu ernennen, ist nicht allein Behrens’ Idee, sie wurde zuvor bereits radikal von craig vorgetragen, allerdings betont Behrens die malerisch-flächige Gestaltung (wie auch bei den Symbolisten) – und nicht die dreidimensionale architektonische Bewegungsführung (wie craig) –, was seine favorisierte Relieühne erklärt. Eine »breite Umsetzung erfahren die neuen Dekorationsprinzipien vor allem auf den Bühnen Max Reinhardts« (s. Anm. 308 und S. 102) gibt BUcHHOLZ 2007 (S. 52) knapp wieder und geht im Folgenden auf die Umsetzung der Ideen ein (S. 52–57) – besonders durch den österreichischen Bühnenbildner Alfred Rollers (1864–1935). Behrens eigenen Bühnenentwürfen der Darmstädter Zeit wendet sich ANDERSON 2000 (S. 62–22) zu. 235 BEHRENS 1900A, S. 19. Diese Aussage kann als credo des Jugendstils gelten.

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Lebens« nicht länger passiv, sondern zu »Mitkünstler[n]«.236 Mit seinem Aufruf zu einer neuen kulturellen Bewegung reihte Behrens sich in die Umbruchsstimmung der Zeit ein. Der Tempel als geweihter Ort erschien für die kultischen Rituale notwendig, deren Ausgangspunkt der Körper und die Bewegung waren: Der Tanz barg für die Zeitgenossen ein Kommunikationspotenzial, das den distanzierten Rezeptionsstandpunkt des Zuschauers durch sinnliche Affekte durchbrechen sollte. Die heilsbringende Vorstellung des Tanzes forderte demnach nicht nur neue Ausdrucksformen, sondern auch ein körperliches Wahrnehmungskonzept, das die Synthese aller Sinne (auch beim Rezipienten) voraussetzte. Den Körper auf diese Weise als Ort eines ursprünglichen Wissens zu verstehen ist somit erst im Zuge der Lebensreform mit ihren zivilisationskritischen Interpretationen und der Erhebung des Rhythmus zum Inbegriff alles Lebendigen möglich.237 Der Mensch sollte durch eine ›Selbstreform‹ fernab der Großstadt wieder zur Natur finden und daraus Kra schöpfen.238 Mit diesem Selbstverständnis wird der Künstler zum Wahrer und Erneuerer silicher Werte und der Tempel selbst zum Motiv des Paradieses auf Erden.

236 BEHRENS 1900A, S. 17. Im Detail bedeute dies laut Behrens für die architektonische

Lösung: »eine Bühne für reliefartige Wirkung, mit vorspringendem Proscenium. Hiervor, ähnlich der griechischen Orchestra, ist der vertiee Platz für die Musik, soweit diese – wie bei der Oper – in Beziehung zu dem Drama steht. […] Die Sitze sind so gestellt, dass der Verkehr zwischen allen Plätzen ermöglicht bleibt. […] Der Übergang zur Bühne, der bisher durch das Orchester und die Rampe vom Raum der Zuschauer abgeschnien war, soll jetzt durch eine ansteigende Terrasse vermielt werden. Wir wollen uns nicht trennen von unsrer Kunst. Das Proscenium, der wichtigste Teil unsrer Bühne, ist im baulichen Gedanken vollkommen vereinigt mit dem Saal. Dahinter in grösserer Breite als Tiefe, schliesst sich die Bühne an. Die grössere Ausdehnung in die Breite bedingt die reliefartige Anordnung und reliefartige Bewegung der Gestalten und Aufzüge.« (Ebd., S. 17–19.) Für die somit streng genommen nur im Profil agierenden Darsteller nennt EcKERT 1998 (S. 28) Tiecks Vorstellungen einer Shakespeare-Bühne als Vorbild. Zeitgleich entwarf Behrens das Rundtheater mit tief in den Zuschauerraum gezogenem Spielpodium, starker Betonung des Proszeniums und Vorderbühne; s. BEHRENS 1901 und Anm. 264. 237 S. HARDT 2004, S. 31. 238 S. MIcHELIS 1996, S. 41.

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Im Sinne Nietzsches und damit nach den Prämissen der Lebensreformer war die körperlich-rhythmische Bewegung die elle der Erkenntnis und führte als mystische Versenkung den Menschen wieder zu seinen Ursprüngen.239 So sollte um 1900 die Erneuerung der Bewegungskunst die verlorene Einheit restituieren. Zur universellen Bedeutung erhoben wird der Rhythmus bereits von dem mit Behrens seit 1899 befreundeten und für die eaterreform ebenso bedeutenden Literaten und Dramaturgen Georg Fuchs, der in seiner Schri Die­Schaubühne der­ Zukun (1904)240 den Tanz zum Ausgangspunkt seiner eaterreform erhebt.241 Er fordert, unter dezidierter Rückberufung auf Wagner,242 die Wirkung

239 »Unter dem Zauber des Dionysischen schließt sich nicht nur der Bund zwischen

Mensch und Mensch wieder zusammen: auch die entfremdete, feindliche oder unterjochte Natur feiert wieder ihr Versöhnungsfest mit ihrem verlorenen Sohne, dem Menschen. […] Singend und tanzend äussert sich der Mensch als Mitglied einer höheren Gemeinsamkeit: er hat das Gehen und Sprechen verlernt und ist auf dem Weg, tanzend in die Lüe emporzufliegen.« (NIETZScHE 1886, S. 29f.) Zur Bedeutung des Tanzes für Nietzsche s. LAMOTHE 2006, hier u. a. Duncan als »Nietzsche’s dancers«. 240 Zu theaterreformerischen Fragen äußerte sich Fuchs ab 1893 in der Allgemeinen­Kunst Chronik (zu seinen Publikationen s. PRÜTTING 1971; knapp BRAUNEcK 1982, S. 76–78), wobei Nietzsches Geburt­der­Tragödie die theoretische Grundlage bot. In seiner Schri Die­Schaubühne­der­Zukunft (F UcHS 1904) grei er auf zahlreiche seiner vorherigen Aufsätze aus Darmstädter Zeiten zurück (teils wörtlich zitiert) und ergänzt diese um den wesentlichen Aspekt der dionysischen Rausch-Erzeugung durch die rhythmische Bewegung. Mit Fragen der neuen Bühnenkultur beschäigt er sich dann in Die­Revolution­des­eaters (F UcHS 1909). Behrens und Fuchs beeinflussten sich gegenseitig. In einem ähnlichen Austausch stand Behrens zuvor mit Richard Dehmel (1863–1920); s. WINDSOR 1985, S. 36f. Bereits 1895 stellte dieser sein Drama Der­Mit­mensch fertig, worin sich die Beschreibung des Baukonzepts als Vorwegnahme des Entwurfs Behrens’ für Darmstadt erkennen lässt. In seinem Aufsatz eaterreform.­Ein­soziales­Kapitel (1905–09) legte Dehmel seine eigene Reformtheorie dar, wonach das eater eine gesellschaliche Funktion erfülle; s. KONEFFKE 1999, S. 24–26. 241 S. F UcHS 1904, S. 35f.; s. auch LAZAROWIcZ 1971, S. 299–303. 242 F UcHS 1904 ordnet sich differenziert in die eaterreform ein und verweist dabei selbst auf die engen Parallelen zu Behrens und Reinhardt sowie auf sein Vorbild Wagner; hierzu stehen Forschungen noch aus. Während Fuchs zu Darmstädter Zeiten noch von einer Realisierbarkeit von Wagners Idealen ausgeht, ändert sich seine Haltung während seiner Tätigkeit auf der Mathildenhöhe (s. Kapitel III.1.1.1). Ähnlich wie Nietzsche wendet er sich zunehmend der Philosophie Schopenhauers zu, verliert jedoch nicht den Glauben an die transformierende Kra der Kunst; s. PRÜTTING 1971.

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der ›Schaubühne‹ »über die Wirklichkeit hinauf […] in einen Kosmos, in dem uns die Erfüllung wird«243 und erläutert, dass damit nicht »ein gleichwertiges Zusammenwirken aller Künste«, sondern »e i n e K u n s t f ü r s i c h « gemeint sei.244 Diese herausragende Position der Bewegungskunst erklärt auch die zahlreichen und künstlerisch divergenten Formen im Bereich des Tanzes, die in Deutschland hauptsächlich ihren Niederschlag im Ausdruckstanz fanden, allen voran muss hier an den in Hellerau aktiven Schweizer Komponisten und Musikpädagogen Émile Jaques-Dalcroze und seine Schülerin, die deutsche Tänzerin Mary Wigman, die einige Zeit Assistentin des ungarischen Tänzers und Tanztheoretikers Rudolf von Laban war, gedacht werden. Letztlich sind es also zwei Eckpunkte, um die sich die Überlegungen des modernen Tanzes drehen: Einerseits die Rückbesinnung des Körpers auf seine eigenproduktive und energetische Bewegung und andererseits auf die Darstellungskompetenz der Körperbewegung.245 Damit einher gehen Bestrebungen zur Neubewertung des Raums, in dessen Mielpunkt das Individuum steht; sie lassen sich nur vor den Ideen der Körperkulturbewegung um 1900 verstehen, die als Reaktion auf die im Zuge der Industrialisierung funktionalisierten Bewegungsabläufe der Arbeitswelt auf eine hygienische Erziehung des Körpers baute. Der Bewegung kommt damit ein immaterieller Status zu, der nicht mehr im Sinne des klassischen Balles repräsentiert, sondern entsprechend der sich entwickelnden Psychologie von seiner ursprünglichen seelenhaen Natur umfangen werden sollte.246 Damit fungiert der Tanz als Paradigma einer neuen Erkenntnis- und Wahrnehmungsweise.247

243 F UcHS 1904, S. 34. 244 Ebd., S. 40. 245 S. HUScHKA 2002, S. 37f. 246 Klassisches Balle und Ausdruckstanz stehen nicht in Opposition zueinander, sondern

in Konvergenz und weisen beide, wie FAUST 2006 ausführlich darlegt, Bezüge zum Ritual auf: einerseits als symbolische Darstellung rituellen Geschehens und andererseits als Repräsentation der Ekstase im Rekurs auf die bewusstseinsverändernde Dimension von Tanzereignissen. Zu den entsprechenden Diskursen s. HUScHKA 2002, S. 64–72. 247 BAXMANN 2000 geht diesem Aspekt in ihrer umfangreichen Studie genauer nach, indem sie Wagners ›Gesamtkunstwerk‹ als ersten Versuch einer Massenkunst wertet und ihn damit als wichtigen Ideenlieferanten für die Tanzbewegung anführt; auf Wagner führt sie auch ihre Definition des Mythos zurück.

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Die Überlegungen der eater- und Lebensreform basieren in großen Teilen auf der Forderung nach synästhetischem Empfinden der Kunst. Damit wird eine ›echte‹ Verschmelzung der Künste propagiert, nicht bloß eine Parallelisierung oder Gleichstellung; dies kann zwar in der Nachfolge Wagners verstanden werden, führt jedoch zugleich dessen Ansätze weiter. Darüber hinaus sollte durch die Stimulation der Sinne der Mensch in einen ekstatischen Rausch versetzt und damit kontemplativ zum Umdenken angeregt werden. Derartige Bestrebungen werden im Almanach Der­Blaue­Reiter, der 1912 von den beiden Malern Franz Marc (1880–1916) und Wassily Kandinsky herausgegeben wurde, exemplarisch greiar.248 In die Rubrik »der modernsten musikalischen Bewegung in Europa und den neuen Bühnenideen unserer Zeit«249 fiel neben einer Besprechung des russischen Musikkritikers Leonid Sabanejew (1881–1968) von Alexander Skrjabins musikalischer Komposition Prometheus auch Arnold Schönbergs Beitrag Das Verhältnis­zum­Text sowie (als Höhepunkt des Almanachs) Kandinskys Publikation Über­Bühnenkomposition quasi als Einleitung zu seinem abgedruckten eaterwerk Der­ Gelbe­ Klang.250 Auffällig ist hierbei die Annäherung der synästhetischen Stimulation zunächst durch Überlegungen zu Farb-Ton-Korrelationen.251

248 Über die Gruppe ›Der Blauer Reiter‹ gibt es zahlreiche Publikationen, jedoch rückt

nur selten dezidiert der gleichnamige Almanach in den Fokus; HORSLEy 2006 geht diesen Weg, s. in ihrer Einleitung auch die Forschungskritik (bes. S. 15–30). 249 Aus dem Prospekt zur Subskription; MARc 1912, S. 267f. Zu den unterschiedlichen Ansichten Kandinskys und Marcs zur Gewichtung der Musik s. HÜNEKE 1984. 250 KANDINSKy 1912c, S. 106. Er stilisiert sich selbst als Kulminationspunkt im Almanach, es bleibt fraglich ob er als solcher wirklich verstanden werden muss (wie bei HORSLEy 2006, S. 347) oder ob es nicht vielmehr verschiedene Zugänge zum gleichen ema, der Stimulation der Sinne, sind. 251 Alle drei Künstler stützen sich auf das Verständnis einer Entsprechung zwischen Farben und Tönen oder Tonarten in einer ›Farbenharmonie‹, das auf die neuphythagoreischen Lehren von Johannes Keplers (1571–1630) Harmonices­mundi­libri­V (Linz 1619), daneben auch auf Athanasius Kirchers (1602–80) Musurgia­universalis (Rom 1650) zurückgeht; s. P ÜTZ 1995, S. 14–21; WEBER 1980, S. 51; DE LA MOTTE-HABER 1990. Daran anknüpfend konstruierte 1725 der französische Mathematiker und Musiktheoretiker Louis-Bertrand castel (1688–1757) das sog. ›clavecin oculaire‹, das scheinbar jedoch nie über das experimentelle Stadium hinauskam. Helena Petrovna Blavatsky (1831–91), die Begründerin der eosophie, entwarf darauf basierend ein System von Entsprechungen von Farben und Tönen; s. Kapitel III.1.2.

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1.1.1

Von Festspielhäusern und Lebensräumen: Architekturen in Darmstadt und Hellerau

»Oben am höchsten Steif […] soll das Haus der Arbeit sich erheben: dort gilt, gleichsam in einem Tempel, die Arbeit als heiliger Goesdienst […]. Im abfallenden Gelände: die Wohnhäuser der Künstler, gleich einem friedlichen Ort, zu dem nach des Tages emsiger Arbeit von dem Tempel des Fleisses herabgestiegen wird, um den Künstler mit dem Menschen einzutauschen.«252

So schreibt der Architekt und Gestalter Joseph Maria Olbrich 1900 in seinem Artikel Unsere­nächste­Arbeit in Deutsche­Kunst­und­Dekoration über sein Projekt der Darmstädter Mathildenhöhe.253 Er folgt damit den bereits 1897 formulierten Forderungen der ersten Ausgabe der Zeitschri Alexander Kochs (1860–1939),254 der in seinem Aufruf An­die­deutschen­Künstler­und­Kunstfreunde einerseits für eine (epochentypische) ›nationale Kunstsprache‹ plädiert und andererseits im Sinne der englischen Reformbewegung »die Nothwendigkeit eines ›Ineinander-Aufgehens‹ sämtlicher Künstler […] schaffend für ein grosses Ganzes!« fordert.255 Koch gibt damit öffentlich wieder, was der junge Großherzog Ernst Ludwig von Hessen und bei Rhein (1868–1937) bereits selbst im Kontakt mit englischen Künstlern der Arts-and-cras-Bewegung erfahren hae:256 Dem Traum der Verschmelzung von Kunst und Leben, der universalen Lebensgestaltung, wollte der Großherzog in Darmstadt Ausdruck verleihen und sich damit auf kultureller Ebene profilieren.

252 OLBRIcH 1900A, S. 369. 253 STEPHAN 2010 liefert einen guten Überblick über die wissenschaliche Auseinander-

setzung mit Olbrich seit dessen Tod; dabei geht es meist um die Positionierung Olbrichs in der Reihe der Pioniere moderner Architektur, das eater rückt dabei sehr selten in den Fokus. qUEcKE 2010 gibt einen Einblick in Olbrichs Ambitionen im eaterwesen. Zu Olbrichs eigener schristellerischen Leistung s. Anm. 258. 254 Die von Koch gegründete, herausgegebene und verlegte Zeitschri ist ein wichtiger Baustein in der Platzierung Darmstadts unter den führenden Städten des Deutschen Reichs hinsichtlich innovativer künstlerisch-gesamtheitlicher Bestrebungen und unterstützt damit die Ambitionen des Großherzogs; s. DURTH 2010, S. 141–145. 255 KOcH 1897, S. I. 256 S. PEHNT 1999, S. 16–19. Der Großherzog beauragte 1897 Mackay Hugh Baillie Sco (1865–1945) und charles Robert Ashbee (1863–1942) mit der Neugestaltung von Räumen im Darmstädter Neuen Palais; s. zusammenfassend DURTH 2010, S. 139–141 und zum Leben des Herzogs MANN 1976. Dass die selbst stilisierte Position Kochs als Initiator der Mathildenhöhe relativiert werden muss, betont bereits KRIMMEL 1988, S. 13.

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Die künstlerische Perspektive mit der Freude an der gesamtheitlichen Gestaltung brachte Olbrich in das Projekt, das schon bald über Kochs ursprüngliche Pläne einer ›Kunstgewerbe-Ausstellung‹ hinausging.257 Olbrich konnte in seiner engen Beziehung mit dem fürstlichen Auraggeber258 innerhalb von gerade einmal zwei Jahren sowohl Planung als auch Realisierung der Mathildenhöhe durchführen: Als einziger ausgebildeter Architekt oblag ihm die Gesamtleitung der Errichtung von sieben Wohnhäusern (Behrens plante und baute seine eigene Villa) sowie, ganz nach seiner Idealvorstellung, dem Atelier- und Ausstellungsgebäude als ›Stadtkrone‹ auf dem höchsten Punkt des Hügels.259 Dieser ›Tempel‹ wurde zusammen mit den übrigen temporären Bauten, darunter auch ein ephemerer eaterbau, das Schauspielhaus, im Mai 1901 mit der Ausstellung Ein­Dokument Deutscher­Kunst der öffentlichkeit präsentiert;260 anlässlich der Einweihung inszenierte Peter Behrens hier auf der Freitreppe des Ernst-Ludwig-Baus Georg Fuchs’

257 Koch war verärgert über die fast schon freundschaliche Beziehung zwischen Olbrich

und dem Großherzog, da er sich im Abseits fühlte; s. DURTH 2010, S. 146–149; KRIMMEL 1983, S. 9f. 258 Mäzenatische Kunstförderung mutet um 1900 sehr konventionell an und ist in dem Umfang nur noch selten zu finden; zu den konkreten Zahlen s. WOLDE 1976. So ist die Frage FRANZ’ 1983 durchaus berechtigt ob es sich nicht hierbei schon um eine freundschaliche Verbindung handelt. Wie eng die Beziehung war, lässt bereits Olbrichs erste umfassende Publikation Ideen­von­Olbrich (1899) erahnen, die er dem Großherzog widmete; s. ausführlicher WINDIScH 2010. In der Neuauflage der Ideen (OLBRIcH 1904 fügt er ein neues Titelbla mit Golddruck hinzu (s. Anm. 272). 259 Der Begriff der ›Stadtkrone‹ wurde maßgeblich von Bruno Taut und der von ihm mitherausgegebenen Zeitschri (TAUT, Bruno / ScHEERBART, Paul / BEHNE, Adolf (Hrsg.): Die Stadtkrone, Jena 1917) geprägt (s. Anm. 300). Zu den Objekten der ersten Darmstädter Bauphase sowie dem Streit der Künstler untereinander s. HERBIG 2010. 260 Die zu schaffende Kolonie zugleich als Ausstellungsobjekt zu nehmen (s. AUSST.KAT. DIE AUSSTELLUNG DER KÜNSTLER-KOLONIE DARMSTADT 1901 ), stellte im Bereich der Kunstgewerbeausstellungen ein Novum dar. Zur zeitgenössischen Kritik s. REcHBERG 1976. Auf die Bauten der Ausstellung sowie die vorherige Gestaltung und Nutzung des Geländes geht F UcHS 1901 ein. Eine Zusammenfassung der damaligen Dimensionen der insgesamt vier veranstalteten Ausstellungen und ihrer Architektur gibt ULMERs 1999B, die Ausführungen christiane Geelhaars in der zweiten Häle des Buches GEELHAAR / RAHE 1999 widmen sich denkmalpflegerischen Fragen. Zu den Architekten Olbrich, Behrens, Edmund Körner (1874–1940) und Albin Müller (1871–1941) s. ULMER 1999A.

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Weihespiel, Das­Zeichen.261 Neben diesen beiden waren v. a. Olbrich und der Wiener Literat und eaterkritiker Hermann Bahr (1863–1934) federführend hinsichtlich der Idee eines Reformtheaters.262

Abb. 12: Joseph Maria Olbrich, Darmstädter Mathildenhöhe, Schauspielhaus für die Ausstellung Ein Dokument Deutscher Kunst, Fassadenansicht, 1901; hist. Foto o. A.

261 Zur bedeutenden Position Behrens’ in Darmstadt s. WINDSOR 1985, S. 23–42 und zu

Fuchs PRÜTTING 1971, S. 69–108, 263f. 262 Gerade die Position Bahrs in diesem Kontext müsste noch stärker betont werden, da

er weit vernetzt war und sicherlich Olbrich mit einigen innovativen Ideen aus dem eaterbereich erst bekannt machte; s. KINDERMANN 1954, beispielsweise zu seiner Regietätigkeit für Reinhardt S. 62–67 oder seinem Essaybuch Bayreuth (BAHR-MILDENBURG / BAHR 1912) S. 256–259. So ist vielleicht auch Olbrichs Vorliebe für Wagner auf die Freundscha zurückzuführen. Bahr darf durchaus als Wagnerianer bezeichnet werden, wenn er positiv konnotiert seinem Vater von Wagner als »großdeutsche[m] Politiker« schreibt (s. die entsprechenden ellen abgedruckt in ZELINSKy 1983, S. 51). Zu Olbrichs Schauspielhaus in Darmstadt s. qUEcKE 2010.

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Olbrichs Schauspielhaus (Abb. 12, 13) war ein einfacher Holzbau, ohne Anklänge an historische Stilvorlagen, mit tiefgezogenem Saeldach – damit erinnerte es mehr an ein englisches Landhaus –,263 das 800 Besuchern Platz bot. Das mit dunkelvioleem Tuch ausgeschlagene Bühnen- und Zuschauerhaus ergab im Grundriss ein unregelmäßiges Sechseck; die Vorderbühne ragt keilförmig in das Parke der Zuschauer, auf diese Weise wurden das Auditorium und die Bühne im Sinne der eaterreformer um 1900 verzahnt.264 Wie typisch für die ›Stilbühne‹ konnten auch hier nur ganz einfache, stili- Abb. 13: Joseph Maria Olbrich, Darmstädter Mathildenhöhe, Schauspielhaus für die sierte, flächige Dekorationselemente, die ohne technischen Aufwand auf die Ausstellung Ein Dokument Deutscher Kunst, Grundriss, 1901; Feder und Bleisti auf Bühne zu stellen waren, eingesetzt Transparentpapier; 31,8 × 15,3 cm; Berlin, 265 werden. Die Architektur des SchauKunstbibliothek, Inv.-Nr. Hdz 10604 spielhauses offenbart somit eher ein ungezwungenes Spiel der Formele-

263 Der aus dem Dach entstehende Dreieckskörper wird lediglich in der Eingangsfassade

durch den eingestellten Rahmen aus Türen und Fenstern gebrochen. 264 Vgl. Behrens’ Entwurf für ein Rundtheater, das laut ANDERSON 2000 (S. 57–61) für

Darmstadt geplant war, jedoch nicht realisiert wurde. Die Zugehörigkeit zur Mathildenhöhe kann nicht eindeutig verifiziert werden, da die Idee zu dem eater in BEHRENS 1901 entwickelt wurde; s. Anm. 236. 265 S. ausführlicher, auch zu Olbrichs Kostümentwürfen qUEcKE 2010, S. 192–195; LESáK 1988, S. 92f.; KAISER 1964, S. 171–173 (hier auch dezidiert zur Eröffnung des Schauspielhauses). Während der Ausstellungsdauer vom 15. Mai bis 15. Oktober 1901 wurde die Reihe Darmstädter­Spiele gezeigt, »eaterexperimente, die man an kommerziellen Bühnen für unmöglich hielt. Anfangs waren Olbrich und Behrens abwechselnd für diese Inszenierungen verantwortlich.« (WINDSOR 1985, S. 39; s. auch PRÜTTING 1971, S.  90–92.) Vermutlich führten jedoch auch hier die unterschiedlichen Ansichten Olbrichs und Behrens’ bald zu Differenzen.

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mente als eine feierliche eatralik – letztere ist die Motivation für das Atelierund Ausstellungshaus, v. a. aber gilt das temporäre Schauspielhaus als eines der ersten eaterreformbauten.266 Das Ziel eines »großherzoglichen Institut[s] für schöne Künste«, wie Olbrich 1900 an Bahr schrieb, das »die Aufgabe [hat], alles schöne, gute und edle aufzusuchen, zu erziehen und zur Entfaltung zu bringen« erfüllt das Ernst-LudwigHaus (Abb. 14).267 Als ›Musentempel‹ auf dem höchsten Punkt des Geländes errichtet kommt ihm zentrale Bedeutung zu; so wurde bereits die Grundsteinlegung am 24. März 1900 feierlich inszeniert268 und ein Jahr später, am 15. Mai 1901, auf der breiten Freitreppe mit Fuchs’ Weihespiel Das­Zeichen die Ausstellung

Abb. 14: Georg Fuchs und Peter Behrens, Darmstädter Mathildenhöhe, Aufführung des Festspiels Das Zeichen zur Ausstellungseröffnung Ein Dokument Deutscher Kunst, 1901; hist. Foto o. A.; Städtische Kunstsammlung Darmstadt, Institut Mathildenhöhe

266 KAISER 1964 (S. 170) spricht dem Schauspielhaus Olbrichs den ersten Rang des »mo-

dernen eaterbau[s] nicht nur Deutschlands, sondern der ganzen Welt« zu; eine Bedeutung, die die Forschung in der Folge aus den Augen verliert. 267 Joseph Maria Olbrich an Herrmann Bahr, vermutlich im Sommer 1900, österreichisches eatermuseum Wien; AM 21 / 680 Ba, zit. nach DURTH 2010, S. 146. 268 S. den entsprechenden Bericht von KOcH 1900.

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eröffnet.269 Die breit gelagerte dreigeschossige Fassade – niedriges Sockelgeschoss, Zone mit quergelagerten Fenstern und glae Wandfläche – wird durch das zentral gelegene Omegaportal bestimmt.270 Neben den beiden Kolossalfiguren von Ludwig Habich (1872–1949) und den Bronze-Genien von Rudolf Bosselt (1871–1938) wird das mit floralen, vergoldeten Stuckornamenten verzierte Portal von Bahrs Inschri gerahmt – »Seine Welt zeige der Künstler, die niemals war noch jemals sein wird«. Die Funktion des Gebäudes lässt sich erst auf der Rückseite des Baus ablesen, mit den schrägen Atelierverglasungen.271 In dem Augenblick aber, in dem die große Treppenanlage vor dem Portal als Bühne dient, wird das Gebäude zur Kulisse.272 Der mystische Erlösungsritus wird in der Zeitschri Deutsche­Kunst­und­Dekoration als das »erste grosse Fest im Geiste moderner Ästhetik« charakterisiert und anschließend beschrieben:273 Das Weihespiel beginne mit dem Auri des in weiß gekleideten und mit Blumen geschmückten, gemischten chors durch die Pforten des Ernst-Ludwig-Hauses. Zum Erklingen der Musik Wilhelm de Haans (1899–1928)274 beginnen die Sänger ihre »Klage, dass es den Menschen unserer Zeit nicht vergönnt sei, ihr Leben in Fülle und Schönheit auszuleben.« Während die Hoffnung der ›Flehenden‹ zu schwinden

269 Daten s. HOFER 2001, S. 273; FORNOFF 2004, S. 272; BRAUNEcK 1982, S. 73. 270 Die Architektur des Ernst-Ludwig-Hauses ist eigentlich erst vor Olbrichs Secessions-

bau in Wien (1897–98) zu verstehen; s. dazu IEZZI 2006 und knapp HERBIG 2010, S. 160f. 271 Hier waren im linken Trakt die Ateliers von Bosselt, Patriz Huber (1878–1902), Paul

Wilhelm Bürck (1878–1947) und Hans christiansen (1866–1945) und im rechten von Habich, Olbrich und Behrens untergebracht. Bürck und Huber haen außerdem ihre Wohnung im Untergeschoss des Baus. Die übrigen Künstler bezogen ihre Villen auf der Mathildenhöhe; s. ausführlicher zur Gestaltung der Mathildenhöhe AUSST.KAT JOSEPH M. OLBRIcH 1983, hier auch S. 152f. zum Ernst-Ludwig-Haus sowie aus zeitgenössischer Perspektive cOMMIcHAU 1901. 272 Darüber hinaus weist IEZZI 2006 (S. 60) darauf hin, dass Olbrich den Bau auch als ›Schaustück‹ betrachtete, wie es das Titelbild (s. Anm. 258) von OLBRIcH 1904 offenbart: »Sie [zwei Frauen] geben den Blick frei auf das Atelierhaus, auf ein von Künstlern getragenes ›Schauspiel‹, zu dem die Allgemeinheit bewundernd aufschauen und danach dankbar bereichert ins alltägliche Leben zurückkehren kann.« (IEZZI 2006, S. 60.) 273 S. N. N. 1901, hieraus auch die folgenden Zitate S. 448. Der rituelle Ablauf des Weihespiels entsprach Fuchs’ Forderungen in Die­Schaubühne­der­Zukun (s. Anm. 240), dass das eater ›wieder‹ zum Ritual werden müsse; s. FIScHER-LIcHTE 2003A, S. 19f. 274 Es sind nur noch Fragmente dieser Musik erhalten, die in KOcH 1901 abgedruckt ist und eine Orientierung an Wagner erkennen lässt.

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drohe, öffne sich erneut die Pforte »und unter dröhnenden, weihevollen TubenKlängen schreitet eine gewaltige Gestalt langsam und gemessen unter sie herab.« Der ›Verkünder‹ enthülle »unter dem Jubel der Fanfaren das ›Kleinod‹, den Krystall, das ›Sinnbild neuen Lebens‹ und trug es unter dem Jauchzen des chores auf erhobenen Händen hinein in das Haus.« Mit diesem zeremoniellen Weihespiel wird das Ernst-Ludwig-Gebäude zum Tempel stilisiert, in dem die Schönheit verwahrt wird, das Tor ist der Zugang zu einer anderen Welt und die Treppe der Weg in höhere Sphären.275 Deutlich werden die Anklänge an die Antike und v. a. rituelle Handlungen auch in Behrens Formulierungen im Kontext der Forderungen nach liturgischen Handlungen: »Wenn das Drama aus dem religiösen Kult hervorgegangen ist, so sehe ich ein grosses Zeichen für den werdenden Bühnenstil schon in dem Umstand, dass wieder Dichter leben, die uns und unserer Zeit für einen Kult des Lebens die Formen geben.«276 Während bei Olbrich der erzieherische Aspekt des eaterbesuchs im Vordergrund steht, geht Behrens also von dem eater als »eine[r] Stäe der Erbauung, der höchsten Feierlichkeit, der erhabensten Feste, der reinsten Silichkeit und der lehrreichsten Schule des Schönen« aus277 und erhebt damit das gemeinsam erlebte Fest, wie schon Wagner, zum zentralen Ausgangspunkt.278 Das Ernst-Ludwig-Haus bildete bis zur Errichtung des Hochzeiurms (1905–08) das Zentrum der Künstlerkolonie: So lag es nicht nur auf dem höchsten Punkt, sondern auch die gesamte Gartenanlage war darauf ausgerichtet.279 Diese ›städtebauliche‹ Anlage Olbrichs hae zum Ziel, im Gegensatz zur industrialisierten Massenkultur der Großstädte eine von Kunst durchdrungene, individuelle Lebenswelt zu schaffen.280 Die Gestaltung dieser von gesellschalichen Zwängen entbundenen, der profanen Wirklichkeit enthobenen artifiziellen Welt war das Hauptaugenmerk aller beteiligten Künstler und nur durch die tatkräige, finanzielle Unterstützung des Großherzogs zu realisieren. Mit dem Vorleben eines in

275 Das Festspiel öffnete die Tore für die Ausstellung, die sowohl im Ernst-Ludwig-Haus

als auch in den Einzelbauten stafand. 276 BEHRENS 1901, S. 40. 277 BEHRENS 1900B, S. 402. 278 Olbrich und der Großherzog scheinen sich über derartige Ideale und die Proben zur

Eröffnungszeremonie echauffiert zu haben; s. WOLBERT 1983, S. 72. 279 S. zur Gestaltung von Grünfläche bei Olbrich GEELHAAR 2010. 280 S. etwas ausführlicher WAGNER-cONZELMANN 2010, die sich maßgeblich auf AUSST.KAT.

JOSEPH M. OLBRIcH 1983 stützt.

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ihren Augen idealen Zusammenlebens wollte die Künstlerkolonie reformierend auf die öffentlichkeit wirken. Hierfür waren sowohl das eater (in seinen unterschiedlichen Gewichtungen, mit der Erziehung des Menschen bei Olbrich und dem Fest als Initialzündung der Stimulation des Einzelnen bei Behrens und Fuchs) als auch die Ausstellungen wichtig; während der Dauer der Veranstaltung oder auch der Ausstellung sollte alles »von künstlerischem Geist durchdrungen« sein.281 In diesen Augenblicken gelang es der Darmstädter Künstlerkolonie, pragmatische Zwecksetzungen und idealistische Utopien miteinander zu verweben und damit in die Geschichte einzugehen, allerdings verließen mit dem Weggang Behrens und Fuchs nach der ersten Ausstellung zwei wichtige Personen die Kolonie, wodurch ein Gegenpol zu Olbrichs Prämisse der Individualität jedes kunsthandwerklichen Gegenstands wegfiel. Nachdem das Darmstädter eaterprojekt (sowohl im Schauspielhaus als auch auf der Freitreppe) in seiner Fortführung nicht existieren konnte, wandten sich Behrens und Olbrich wieder der Architektur bzw. dem Kunstgewerbe zu; nur Fuchs versuchte weiterhin eine Basis für die eaterarbeit zu legen und wechselte in das andere Jugendstil-Zentrum, München. Hier kam es zur Zusammenarbeit mit Max Limann (1862–1931) und dem Bildhauer Adolf von Hildebrand (1847–1921);282 daraus entstand von 1907 bis April 1908 anlässlich der Kunstgewerbeausstellung für den »Verein Münchner Künstler-eater« ein Amphitheater mit flacher, reliefartiger Bühne, allerdings mit 23 Logenplätzen.283 Diese Modellbühne des Jugendstils scheiterte bereits nach einer Spielzeit und wurde dann von dem eaterregisseur und Intendanten Max Reinhardt (1873–1943) gepachtet.284

281 OLBRIcH 1900B, S. 370. 282 S. BRAUNEcK 1982, S. 76 und die Eigenpräsentation bei F UcHS 1909. 283 Die insgesamt 642 Sitzplätze sind auf 22 Reihen vom Orchester bis zum Fuß der Logen

ansteigend verteilt. Der Orchestergraben war verdeckt zwischen Parke und Vorbühne, sodass er zwar einerseits als trennendes, zugleich aber auch als überschaubares Element wahrzunehmen war. Die Gesamtbreite der Bühne betrug 18,75 m, die Tiefe 8,60 m, effektive 6 m davon erstreckten sich hinter dem 10 m breiten Proszenium; in der Höhe war das Bühnenportal variabel; Daten s. HöPER 1994, S. 31. Die Bühne fällt insgesamt relativ klein aus, da sie keine Oberbühne (damit auch keinen Schnürboden) und nur eine geringe Tiefe besitzt. Diese Bühnengestaltung sowie der ungehinderte Blick aller Zuschauer darauf kam den Forderungen Fuchs’ nach und ließ eigentlich nur eine Gestaltung mit Reliefspiel zu. 284 S. FORNOFF 2004, S. 273; zur Zusammenarbeit mit Poelzig in Berlin weiter unten.

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»Von diesem Standpunkt aus offenbart sich ein merkwürdig inniger, entwicklungsfähiger Zusammenhang von ›Gartenstadt und Kultur‹. Auch die Gartenstadt ist ein Symptom fortschreitender Bewusstheit des Volkskörpers in wirtschalicher und geistiger Beziehung, […]. Wichtiger für den kulturpsychologischen Zusammenhang geistiger Bestrebungen mit der Gartenstadtidee ist der überall in Gartenstadtgründungen nachweisbare gemeinsame Wille, in praktischer Bodenreformarbeit einen höheren sozialen Organismus zu schaffen.«285

So formuliert Wolf Dohrn (1878–1914) das Ziel seines Projekts in DresdenHellerau:286 Hier sollte die architektonische und kunstgewerbliche Reform nicht als Selbstzweck durchgeführt werden, sondern das Individuum positiv beeinflusst und so die Zuschauer zu »Zukunsmenschen«287 transformiert werden; deutlich wird sowohl die gedankliche Verankerung in der Lebensreform als auch die Ähnlichkeiten mit Wagners ›Gesamtkunstwerk‹. Im Gegensatz zur Darmstädter Mathildenhöhe steht von Anfang an die finanzielle Selbständigkeit der Einheit im Vordergrund:288 So wurde die Bodenrente vergesellschaet und damit vor Spekulationen geschützt. Dies war auf Grund der engen Bindung an die ›Dresdner Werkstäen für Handwerkskunst‹ des Möbelfabrikanten Karl Schmidt, der das Land erwarb, notwendig.289 Initiiert durch Schmidt entstand also eine Werksiedlung für seine Arbeiter, die jedoch, ergänzt durch die englischen Ideale, darüber hinaus ging und zu einer der ersten deutschen Gartenstädte zählt.290 Zur Gewähr-

285 DOHRN 1911A, S. 101. 286 Wolf Dohrn schloss sich der nationalsozialen Bewegung um Friedrich Naumann an.

287 288

289

290

1907 wurde er Mitarbeiter Karl Schmidts und befasste sich intensiv mit den Planungen für Hellerau. 1908–10 war er erster Geschäsführer des ›Deutschen Werkbunds‹ s. Anm. 210 und 211). Mit der Gründung und Finanzierung des Dalcroze-Instituts 1910 in Hellerau (s. Kapitel III.1.1.2) beschäigte sich Dohrn bis zu seinem Tod 1914; s. LORENZ 1994, S. 34–40. Zu den zahlreichen Nachrufen s. MIcHELIS 1991, S. 37. So Fürst Sergei Wolkonski (1860–1937), zit. nach ebd., S. 21. Die Frage der Finanzierung wird in zahlreichen zeitgenössischen Publikationen immer wieder betont, wie beispielsweise bei DOHRN 1911A oder als Nachzeichnung der Entwicklung deutscher Gartenstädte in der Einleitung von KAMPFFMEyER 1911. Aufgrund der positiven Entwicklung der 1899 gegründeten ›Dresdner Werkstäen für Handwerkskunst‹ und damit verbunden der Forderung nach Platz suchte Schmidt 1908 ein neues Gelände und wurde in Hellerau fündig; s. ausführlich zur Entwicklung der Firma ARNOLD 1993, bes. S. 85–97; erneut ARNOLD 2008 und in Zusammenfassung WÜLLENKEMPER 2009, S. 110–115. S. zur Zusammenführung von Lebens- und Stadtreform MIcHELIS 1991, S. 16–18.

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leistung der Unabhängigkeit, nicht nur der Siedlung von der Stadt, sondern besonders der Fabrikarbeiter, rief der glühende Verfechter des Projekts und Mitbegründer von Hellerau, Wolf Dohrn in Dresden eine Gartenstadtgesellscha ins Leben.291 Es war v. a. sein Anliegen, neben der sozialen Komponente Hellerau auch als Ort der kulturellen Erneuerung Deutschlands zu etablieren. Richard Riemerschmid – der spätere Schwiegersohn Schmidts – schuf den beiden Protagonisten zwischen 1906 und 1908 eine sich der Landscha organisch anschmiegende Siedlung: Neben der Fabrikanlage wurden drei Viertel geplant – je eines für Kleinhäuser, Villen und Wohlfahrtseinrichtungen, die sich über den aufsteigenden Hang verteilten.292 Um nicht in Gleichförmigkeit zu verfallen, nahm das Dreiergespann die Architekten Hermann Muthesius (1861–1927) für Reihenhäuser im englischen Landhausstil293 und Heinrich Tessenow für fünf Reihenhausgruppen und einzelne Villen in puritanischer Gestaltung294 sowie Kurt Frick (1884–1963) und Georg Metzendorf (1874–1934) für Reihenhäuser und freistehende Bauten hinzu. Dohrns Bestrebungen, über einen selbständigen Wohnorganismus hinaus in Hellerau eine eigene kulturelle Lebensform zu schaffen, machten den Ort schließlich bekannt295 und so finanzierte er maßgeblich den Bau des von Tessenow errichteten Festspielhauses. Die Intention, Volksfeste sowie eine kollektive und lebenslange Volksbildung in den Alltag zu integrieren,296 sind in Hellerau ab 1906 / 07 mit dem vom Prager

291 S. ebd., S. 40f., hier auch im Vergleich zu England. Zur entscheidenden Position Rie-

merschmids in Hellerau s. LAUDEL 2008. 292 S. LINDNER / LÜHR 2008 mit einem Katalog der Bauten sowie hervorragenden Abbil-

293 294 295

296

dungen und ebenfalls relativ ausführlich DURTH 1996. Einen Überblick zur Architektur gibt BEGER 2008; zur Entwicklung Helleraus in den letzten 100 Jahren s. AUSST.KAT. HELLERAU 2009 und GALONSKA / ELSTNER 2007. Gerne geht die Literatur aber auch von den einzelnen Persönlichkeiten aus, wie z. B. als Überblick, wenn auch wenig wissenschalich FASSHAUER 1997. Zu den Hellerauer-Bauten von Muthesius s. KARGE 2008. S. zusammenfassend zu Tessenows Bauten MIcHELIS 2008. Hellerau war Anziehungspunkt für zahlreiche Künstler und Intellektuelle (s. SARFERT 1993), wie z. B. Tänzer (S. 106–110), Dichter (S. 110–118), Künstler (u. a. Fidus, Hugo Ball [1886–1927], Kurt Schwiers [1887–1948], Le corbusier [1887–1965] etc., S. 118– 120) oder auch eaterleute (S. 120–122) und Wissenschaler (S. 122). Derartige Bestrebungen legte eodor Fischer 1906 in seinem Aufsatz Was­ich­bauen möchte (in Der­Kunstwart) dar, der den führenden Personen Helleraus gut bekannt war; s. MIcHELIS 1991, S. 18.

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Musikwissenschaler Richard Batka (1868–1922) entwickelten Plan für die musikalische Organisation der Gartenstadt fassbar297 und werden schließlich mit der sog. ›Bildungsanstalt Jaques-Dalcroze‹, dem Festspielhaus (Abb. 15–17), realisiert. Der in peripherer Lage 1911 von Tessenow errichtete Bau diente der Unterbringung des Instituts des Schweizer Musikpädagogen Émile Jaques-Dalcroze, dessen Methode aus tanzpädagogischer Sicht im weiteren Verlauf der vorliegenden Arbeit noch in den Blick genommen wird.298 Die Idee des Gebäudes als Weihestäe der Kunst und des Lebens kennzeichnet hier die reduzierte, sachliche Formensprache des Tempelmotivs – mit einem Mielrisalit aus lang- gestreckten Pfeilern einen dreieckigen Giebel stützend –,299 wie es zahlreichen phantastischen und utopischen Projekten als Sinnbild Abb. 15: Heinrich Tessenow, Siedlung diente – nicht nur Behrens oder OlDresden-Hellerau, Festspielhaus, Grundriss, 1911 brich in Darmstadt, sondern auch den

297 S. MIcHELIS 1996, S. 42. 298 S. Kapitel III.1.1.2. Ursprünglich dachten Schmidt und Dohrn an Peter Behrens als Ar-

chitekt für das Festspielhaus, v. a. Dohrn setzte sich schließlich gegen einige Widerstände für Tessenow ein. Auch die Verteidigung der Dalcroze-Methode gegen kritische Stimmen übernahm er vehement und unter tatkräigem Einsatz; s. die zahlreichen abgedruckten Äußerungen Dohrns in LORENZ 1994, S. 51–80. Allerdings wurde Schmidt zunehmend skeptischer, was, nachdem Riemerschmid Ansprüche auf das geplante Institut erhob (s. ARNOLD 1993, S. 353), zu einem Konflikt führte (s. WÜLLENKEMPER 2009, S. 138–142), der schließlich im Verzicht der Gleichsetzung der Bildungsanstalt und eines im ›Ortskern‹ geplanten Volkshauses mündete, wodurch sich die periphere Lage des Festspielhauses erklärt; s. ausführlicher zu den Planungsstufen MIcHELIS 1991, S. 23–29. Dohrns Rolle hinsichtlich der Errichtung und Nutzung des Festspielhauses muss daher als zentral verstanden werden. 299 Dass der gesamte Baukörper streng durchkonstruiert ist, zeigt beispielsweise die Verlängerung der Schenkel des Dreieckgiebels, die auf die Eckpunkte der flachen erflügel treffen.

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Abb. 16: Heinrich Tessenow, Siedlung Dresden-Hellerau, Festspielhaus, Hauptfassade, 1911; hist. Foto (vermutl. aus den 1910er Jahren) o. A.; Dresden, Sächsische Landesbibliothek, Staats- und Universitätsbibliothek, Abt. Deutsche Fotothek

Abb. 17: Heinrich Tessenow, Siedlung Dresden-Hellerau, Festspielhaus, Innenansicht des Saals mit Blick auf den Zuschauerbereich, 1911; hist. Foto o. A.

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Expressionisten und in den 1920er Jahren Rudolf Steiner.300 Der Baukörper mit seinen aus geometrischen Grundfiguren zusammengesetzten Teilen folgt auch im Inneren vollständig den modernen Formprinzipien: Zusammen mit Appia ersann Tessenow einen großen, von festen Einbauten freien ader. Den bereits vorgestellten Forderungen Appias nach möglichst großer Flexibilität in der Raumgestaltung wurde hier Rechnung getragen:301 Auditorium und Bühne gingen ineinander über – selbst die Zuschauertribüne war variabel – und ein absenkbarer Orchestergraben war nur bei Bedarf zu öffnen, sodass die Guckkastenbühne nicht mehr aktuell war. Appias Lichtvisionen setzte der russische Techniker Alexander von Salzmann (1874–1934) um:302 Der gesamte Raum ließ sich durch ca. 7.000 Lampen hinter einer weißen, in Zedernöl getauchten Leinenstoffbespannung von Decke und Wänden in ein diffuses, immaterielles Grundlicht tauchen,303 das von völliger Dunkelheit bis zu strahlender Helle regulierbar war; zudem war gestalterische Arbeit mit dem Licht über eine technisch hoch entwickelte Anlage mit beweglichen Scheinwerfern und (erstmals in der eatergeschichte) Stellwerk möglich.304 Im Inneren finden neben dem großen Saal die Unterrichtsräume, die Direktionszimmer sowie zwei lichterfüllte Baderäume Platz, die den Prinzipien

300 Das überhöhende, transzendierende eater als ›Stadtkrone‹ war v. a. in expressio-

301 302 303 304

nistischen Entwürfen ein zentrales Motiv. Dies zeigt sich in Überlegungen nach dem Ersten Weltkrieg, wie sie Bruno Tauts Architektur-Programm von 1918 nachvollziehen lassen (s. Anm. 259), einem mit Zustimmung des ›Arbeitsrates für Kunst‹ erschienen Flugbla: »Beginn großer Volkshausbauten, nicht innerhalb der Städte, sondern auf freiem Land in Anschluß an Siedlungen, Gruppen von Bauten für eater, Musik mit Unterkunshäusern und dergleichen, gipfelnd in Kultusbauten. Vorsehen seiner langen Bauzeit, deshalb Anfang nach großartigem Plan mit geringen Mieln. […] Diese Bauten sollen der erste Versuch der Einigung zwischen den Volkskräen und den Künstlern, der Anbahnung einer Kultur sein. Sie können nicht in der Großstadt stehen, weil diese, in sich morsch, ebenso verschwinden wird wie die alte Macht. Die Zukun liegt auf dem neu erschlossenen Lande, das sich selbst ernähren wird.« (Bruno Taut auf einem Flugbla, zit. nach HöPER 1994, S. 77f.) S. Kapitel II.2. sowie zur positiven Äußerung Appias über Tessenows Bau BEAcHAM 2006, S. 124, Anm. 30 sowie S. 190–193. S. ebd., S. 49–51. S. ausführlich zu Salzmann und seiner Tätigkeit in Hellerau die Beiträge in AUSST.KAT. REKONSTRUKTION DER ZUKUNFT 2017, S. 94–110. S. BEAcHAM 2006, S. 138, hier auch zur Wahrnehmung. Ausführlichere Beschreibungen bei MIcHELIS 1991, S. 23–34 (Abbildungen der Konstruktion S. 51) und KONEFFKE 1999, S. 43–52.

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der Reform-Körperkultur um 1900 verpflichtet sind. Dalcroze und Appia waren von Tessenows Bau begeistert – wie heute noch zahlreiche Briefe dokumentieren –,305 da sie hierin ihre Ideale verwirklich sahen. Nachdem am 22. April 1911 feierlich der Grundstein gelegt wurde, konnten im Juni 1912 die ersten Festspiele veranstaltet und damit der gute Ruf Helleraus international etabliert werden; der Erfolg erfuhr jedoch schon nach zwei Jahren einen jähen Abbruch, da Dohrn im Februar 1915 während seines Skiurlaubs tödlich verunglückte und Dalcroze aus seinem Sommerurlaub in Genf wegen des ausgebrochenen Ersten Weltkriegs nicht mehr nach Deutschland zurückkehrte; das Institut brach wirtschalich zusammen.306 Galt also für das 19. Jahrhundert die amphitheatralische Sitzplatzanordnung noch als herausragende Neuerung im eaterbau, so wurde um die Jahrhundertwende die tradierte Form der Guckkastenbühne als Ganzes in Frage gestellt und zu neuen räumlichen Lösungen gefunden. Hierfür kann Hellerau als Schlüsselbau gelten, der den Übergang von Bühnen- und Zuschauerraum fließend gestaltete. Der gesamte eaterraum wurde zum Spiel genutzt, die Gegenüberstellung von Darsteller und Besucher damit aufgeweicht, wenn nicht gar aufgehoben. Das Festspielhaus ist somit als Lern- und Aufführungsort der Kern einer kulturellen und künstlerischen Reform Helleraus und weist damit sowohl über eine aus sozialen und ökonomischen Gesichtspunkten entwickelte Arbeitersiedlung als auch über das Gartenstadt-Modell mit seinen Siedlungsformen, der geringen Bebauungsdichte und der Vergesellschaung der Bodenrente hinaus. Alle – Handwerker, Künstler und Industrielle – sollten hier nicht nur zusammenleben, sondern eine körperliche Schulung im Institut von Dalcroze erfahren und sich an den Festspielen beteiligen.

305 S. beispielsweise die zahlreichen Zitate bei MIcHELIS 1991, S. 19–34. 306 Daten s. ebd., S. 34 und WÜLLENKEMPER 2009, S. 140. Damit waren die beiden Fürspre-

cher des Festspielhauses verloren, selbst wenn sich die Kurse nach Dalcroze’ Methode nach dem Ersten Weltkrieg wieder großer Beliebtheit erfreuten; s. HÜRTGEN-BUScH 1996, S. 82–86. Der zweite Weltkrieg brachte dann die Nutzung zu militärischen Zwecken mit sich, zunächst als Polizeistelle der Nationalsozialisten und dann bis 1992 der sowjetischen Besatzungsmacht; Angaben s. z. B. PAHL 2000, S. 15–18 und ausführlicher ScHNEIDER 1992, S. 15f. sowie deskriptiv FLÜGGE 2007. Zur baulichen Entwicklung Helleraus und der Stellung im ›Deutschen Werkbund‹ s. MAZZONI 1997.

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An dieser Stelle sollen nach dem mehrmaligen Verweis auf die Bedeutung der architektonischen Veränderung des eaterbaus zwei Beispiele jene Bestrebungen der 1910er Jahre knapp beleuchten: Unter Fokussierung auf die Gestaltung des Innenraums – besonders des Proszenium- und Zuschauerbereichs – wurde in unterschiedlichen stilistischen Ausbildungen zu neuen Formen gefunden. Hier sind besonders das vom Architekten Henry van de Velde (1863–1957) anlässlich der ›Werkbundsiedlung‹ in Köln errichtete eater (1914)307 und der Umbau des Zirkus Schumann zum Großen Schauspielhaus in Berlin (1918 /19)308 durch den Architekten Hans Poelzig zu nennen.

307 Interne Schwierigkeit bezüglich der Vergabe dieser Aufgabe an einen ›Ausländer‹ ver-

langsamten den Entscheidungsprozess, sodass van de Velde erst im Februar 1914 der Aurag erteilt wurde – ziemlich knapp, da die Ausstellung am 16. Mai 1914 eröffnen sollte. Eine weitere Herausforderung stellte die Reduzierung der Kosten um ein Viertel auf 120.000 Mark dar sowie der ungünstige Bauplatz. Zur Eröffnung des eaters kam es mit Verspätung am 18. Juni mit einer Gala-Aufführung von Johann Wolfgang von Goethes (1749–1832) Faust. Der Bau war nur wenige Wochen geöffnet, verkam dann zum Pferdestall der französischen Besatzungstruppen und wurde bereits 1920 abgerissen; s. die Daten sowie zur Einordnung des ›Werkbundtheaters‹ in van de Veldes Œuvre FöHL 2010, S. 238–246. Eine genauere Beschreibung des Objekts sowie Einordnung nimmt BRINITZER 2006 (S. 83–88) vor. Zu van de Veldes Wagnerbezug s. KROPFINGER 1984, S. 184–187. 308 Nachdem das ehemalige Bühnenhaus eingestürzt war, trugen nur noch die alten Umfassungsmauern die große Zirkuskuppel; die ebenfalls eingestürzte Südwand wurde durch eine große Giebelfront mit schlanken Blendbögen geschlossen; s. zum Bauverlauf und Beschreibungen HöPER 1994, S.  59–73 sowie unter Einbezug zahlreicher ellen HAMBROcK 2005, S.  31–42; aus Sicht eines Poelzig-Schülers und späteren ›Werkbund‹-Vorsitzenden POSENER 1992, bes. S. 127–135 oder auch eine frühe Sammlung von Dokumenten über und von Poelzig bei POSENER 1970, bes. S. 125–140; zur damaligen Wahrnehmung der Architektur exemplarisch der Kunstkritiker Karl Scheffler (1869–1951) in ScHEFFLER 1920 und als Sammlung bei MAyER 1991. Die Eröffnung des Hauses fand am 29. November 1919 sta, jedoch brachten die dann folgenden Aufführungen nicht den von Reinhardt gewünschten Erfolg, sodass er bereits 1923 seine Abschiedsvorstellung mit King­Lear in Poelzigs Bühnenbildern und Werner Krauß (1884–1959) in der Hauptrolle geben musste; s. auch zur Zeit danach HOSTETTER 2003 sowie die monografische Arbeit zu Reinhardt von HUESMANN 1983, bes. S. 27–37. 1938 wurde die Kuppel im Zuge eines erneuten Umbaus durch die Nationalsozialisten abgetragen und in den 1980er Jahren schließlich der gesamte Bau abgerissen.

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Abb. 18: Henry van de Velde, Werkbundtheater in Köln, Außenansicht, 1914; hist. Foto o. A.

Henry van de Velde setzte mit seinem ›Haus der Zukun‹ (Abb. 18, 19) ein neues formbestimmendes Moment: Er verzichtete auf die herkömmliche tempelartige Fassade, dafür schloss die geschwungene Linie die gesamte Gestaltung des Äußeren,309 sodass der einheitliche Fluss des fast fensterlosen Baus eine Großplastik entstehen ließ. Auch im Inneren dominierte die große Linienführung mit dem Umgreifen des Zuschauerraums in leichter Kurve des Podiums, um die beiden Bereiche zu verschleifen.310 Innovativ war die GeAbb. 19: Henry van de Velde, Werkstaltung der rahmenlosen Bühne, die bundtheater in Köln, Grundriss, 1914 durch ihr dreiteiliges Podium schnelle Szenenwechsel ohne den technischen Aufwand einer Drehbühne vornehmen ließ311 sowie durch Entfernen der gliedernden Säulen erweitert werden konnte.

309 S. BRINITZER 2006, S. 32–38, 54–71. 310 S. VAN DE VELDEs 1955. Zum Tieferlegen des Proszeniums s. EcKERT 1998, S. 28. 311 Dieses Prinzip des Schauplatzwechsels wurde nur einmal nachgeahmt: 1925 von den

Brüdern Auguste (1874–1954) und Gustave (1876–1952) Perret für das eater der Pariser Kunstgewerbeausstellung. Das System der dreiteiligen Bühne basiert auf dem der mielalterlichen Simultanbühne; s. LESáK 1988, S. 95f.

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Wie eng die architektonische Gestaltung (gerade des Bühnenbereichs) von der Nutzung abhängt, wird noch anschaulicher in Poelzigs Berliner Zusammenarbeit mit Max Reinhardt (Abb. 20–22).312 In expressionistischer Formensprache entstand im Äußeren durch eine groß angelegte ›Schirmfassade‹ mit schlanken

Abb. 20: Hans Poelzig, Großes Schauspielhaus in Berlin, Hauptfassade, 1919; hist. Foto o. A.

312 Reinhardt brachte Poelzig überhaupt erst an das eaterwesen heran; s. EcKERT 1998,

S. 71. Reinhardt verfolgte bildungspolitische Ideale, indem er über identifikatorische Momente und Wiedererkennungseffekte die ›Volksmasse‹ integriert. Das Schauspiel war für Reinhardt kein Miel, soziale Missstände anzuprangern oder dem Betrachter zu tieferen Einsichten zu verhelfen, wie es wenig später Brecht oder Piscator anstrebten, jede Aufführung sollte vielmehr ein Fest sein, das Schauspieler und Zuschauer gemeinsam zelebrieren; zu Reinhardt s. eingehender RÜHLE 2007, S. 360–364. Poelzig entwarf danach noch einige eater-Projekte – das wohl prominenteste darunter sind die Entwürfe für die Salzburger Festspiele im Park Hellbrunn (1920–22); s. HOLZBAUER / VALENTINy 2006; HAMBROcK 2007, S. 138f.; ZöcHLING 1983, S. 274–280; ScHUBERT 1971 S. 131–133 und ScHIRREN 1992.

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Abb. 21: Hans Poelzig, Großes Schauspielhaus in Berlin, Innenansicht des Saals mit Blick in die Zuschauerreihen, 1919; hist. Foto o. A.; Berlin, Architekturmuseum der Technischen Universität in der Universitätsbibliothek

Abb. 22: Hans Poelzig, Großes Schauspielhaus in Berlin, Grundriss Parkegeschoß, 1919; Lichtpause; Maßstab 1:100; Berlin, Architekturmuseum, TU

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Blendbögen ein sakraler Eindruck,313 das Innere des Hauptsaals hingegen ru durch die aus Rabitz gebildeten unzähligen Stalaktiten (an deren Endpunkt sich jeweils eine farbige Glühbirne befand, die entsprechend unterschiedlich zu Sternbild-Formationen geschaltet werden konnten) einen Höhlencharakter hervor.314 Poelzig gelang es, auf dem zur Verfügung stehenden Raum möglichst viele Besucher unterzubringen und kam damit der Forderung Reinhardts nach einem Großraumtheater oder ›Massentheater‹ zur Zelebrierung des ›völkischen Festspiels‹ nach.315 Außerdem wies die moderne Bühneneinrichtung erste Schrie in Richtung dynamisches Raumspiel auf,316 indem der Parkeboden um 4 m angehoben und nach Entfernung der Sitze als Raumbühne genutzt werden konnte.317 Tat-

313 Eine derartige »metaphysische Aufladung von Architekturformen und ihre Überhö-

314

315

316 317

hung zum Kunstsymbol« veranschaulicht die mystisch-religiöse Gesellschasvision, wie sie z. B. auch bei Oo Bartning (1883–1959) zu finden ist; s. HAMBROcK 2005, S. 12f. Die Kuppel wurde von zehn schlanken Eisensäulen getragen, zwischen die die Rabitzkonstruktion gehängt wurde und die ihnen damit zugleich einen schwebenden charakter verlieh. Die Begründung zur Gestaltung der Kuppel der Akustik wegen gibt Poelzig selbst; s. POELZIG 1920, S. 123f. Es werden hier zwei Punkte deutlich: Zum einen, dass Poelzig bei den Überlegungen der architektonischen Gestaltung stets von der Nutzung ausgeht und zum anderen zeigt sich seine prinzipielle Auffassung der Musikalität in der Architektur. Sicherlich spielen hierbei auch Poelzigs Aktivitäten im Entwerfen von Bühnenbildern eine wesentliche Rolle; s. HAMBROcK 2005, S. 63–74. 420 Plätze waren im Parke unter der Kuppel, die übrigen zweieinhalbtausend Zuschauer fanden ihren Platz auf den außerhalb des idealen Raums ansteigenden amphitheatralischen Parkeringen. Die maximale Entfernung der Zuschauer von der Bühne betrug 47 m, sodass laut HöPER 1994 (S. 70) »die Zuschauermassen letztlich nur als monumentale Kulisse für die Inszenierungsbelange Reinhardts gedacht waren, die dem Spiel eine gesteigerte Bedeutung verleihen sollten.« Auch die Zeitgenossen nahmen dieses Gegenüber von Einzelnem (Darsteller) und Masse (Publikum) wahr; s. z. B. ZWEIG 1920, S. 127. Derartige Ambitionen zeigen sich dann v. a. am Bauhaus; s. Kapitel III.1.3.2. Bei einer solchen Nutzung ergaben das Hochparke und die überhöhte Kuppel Sinn, während bei der ›normalen‹ Nutzung der Hauptbühne, in Guckkastenform, viele Zuschauer der Darstellung nur eingeschränkt folgen konnten. Die maximale Tiefe der Hauptbühne betrug 22 m, sie besaß eine Drehbühne mit 18 m Durchmesser. Die Hauptbühne sowie die drei weiteren Podien konnten bis zu 4 m angehoben werden; Maßangaben s. HöPER 1994, S. 71. Der zentrale, flach gekuppelte Foyerraum bildete ein Pendant zum Zuschauerraum. Die abgerundeten Wände liefen erst am Boden aus; auch hier wurde der Gesamteindruck wieder durch künstliches Licht erzeugt – die

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sächlich griff Reinhardt auf diese Möglichkeit jedoch nicht zurück, sondern bediente sich meist der Guckkastenbühne, verwendete daher die Kuppel lediglich zur Steigerung illusionistischer Effekte.318 In diesem Bauwerk zeigte sich die vollkommene Abwendung von den traditionellen Repräsentationsformen, sta derer Poelzig, u. a. mit Hilfe des Lichtes, Stimmungswerte transportieren wollte;319 dementsprechend sollten auch Poelzigs Bühnenentwürfe eine mystische Atmosphäre ausdrücken.320

1.1.2

Entfesselung des Körpers: Ausdruckstanz bei Dalcroze, Laban und Wigman

»Der Mensch soll Kulturschöpfer auf der Bühne werden, ein Künstler, der selbst sein Material ist, aus sich heraus und durch sich Edleres scha. […] Seine Bewegungen sollen rhythmisch sein wie die Sprache seiner Verse. Seine Bewegungen sollen selbst Formdichtung werden. Er wird ein Meister des Tanzes werden, eines Tanzes, wie wir ihn als schöne Kunst kaum noch kennen: als Ausdruck der Seele durch den Rhythmus der Glieder.«321

Behrens hebt damit in Feste­des­Lebens­und­der­Kunst die Bedeutung des Tanzes hervor, welcher nicht nur als Bühnenkunst Neuerungen erfährt, sondern mit dem neuen Begreifen des eigenen Körpers auch umfassende Impulse für die Gesellscha gibt. So formuliert beispielsweise Fuchs ganz im Sinne seiner Zeit, dass die »rhythmische Bewegung des menschlichen Körpers im Raum, organisch erwach-

318 319

320 321

Kapitellzone der im Raummielpunkt stehenden Säule, als stilisierte Palmwedel zu interpretieren, bot Platz für die Unterbringung der Lichtquelle (vgl. mit der Architravzone aus hängenden Lichtkästen im Jenaer Stadheater ab S. 183). Das Farbenspiel wurde nicht nur durch die Raumfassung, sondern v. a. durch das farbige Licht erzeugt, die Auswahl erfolgte rein nach ästhetischen – ohne Menschen gedachten – Prinzipien; zu den Raumeindrücken und v. a. deren Farbigkeit s. HAMBROcK 2007, S. 130–134. S. HöPER 1994, S. 71. STORcK 1986 spricht Poelzig zwar seinen Reformwillen zu, betont jedoch durch die seiner Meinung nach nicht innovative Architektur, dass Poelzig als ›Gesellschasreformer‹ Autodidakt sei und damit sein eigentliches Ziel verfehlt habe. Zeitgenössische Stimmen sehen dies weniger radikal, so bezeichnet ScHEFFLER 1920 (S. 136) den Bau als soziale Institution, und auch ZWEIG 1920 sieht durch die architektonische Gestaltung die Möglichkeit der Aktivierung des Besuchers gegeben. S. RöDER 1986. Poelzigs Entwürfe wurden jedoch nie realisiert. BEHRENS 1900A, S. 22–24.

106 | Vision ›Gesamtkunstwerk‹

sen aus der orgiastischen, überschwänglichen Bewegung einer festlichen Menge« sei322 und folgt mit dieser Analogie zu Rausch, Trance und Träumen den Überlegungen der Stilbühne mit ihrem Verzicht auf klassische charakterdarsteller.323 Der Tanz als Symbol des rauschhaen Lebens zeichnete sich v. a. durch eine Entfesselung des Körpers aus, die von Strömungen wie der Lebensreform beeinflusst wurde; die Interdependenz von Körper und Bewegung ist von eminenter Bedeutung für die neuen Ausdrucksformen. Seinen Ausgang nahm der ›neue‹ Tanz 1892 mit den ersten Aurien der amerikanischen Tänzerin Loïe Fuller (1862–1928) in Paris (Abb. 23):324 Ihre auf Bewegungs- und Beleuchtungseffekten beruhenden Tänze erzeugten theatra-

322 F UcHS 1904, S. 38. Fuchs’ Ideen zur Trance stützen sich neben den aktuellen Debaen

über Hypnose und Somnambulismus auch auf die besuchten Trance-tänzerischen Séancen der ›Traumtänzerin Madeleine Guipet‹ (s. ausführlich zu ihr PyTLIK 2005, S. 63– 68); s. BRANDSTETTER 1995A, S. 249–252. 323 Derartige Überlegungen wurden im Zusammenhang mit craigs Aufsatz e­Actor­and the­Über-Marionee (s. Kapitel II.2.) bereits knapp erläutert; zeitgleich zeichnen sich solche Bestrebungen im Bereich des Tanzes ab. Der Tanz dominiert jedoch nicht nur die kunsheoretischen Abhandlungen um 1900, sondern »wird auch zum prominenten literarischen Sujet« (JANZ 2001, S. 260). 324 KRIScHKE 2007 (S. 24) setzt von 1892–1933 eine Epoche des Tanzes an, die durch vielfältige künstlerische Bewegungen der Zeit und verschiedene Formen des Tanzes geprägt war. Dieser zeitlichen Absteckung möchte ich mich anschließen, da die ersten Aurie Fullers bereits Neuland markieren und nicht erst die Tänze Isadora Duncans (s. weiter unten). Auf die »Pionierstellung« Fullers weist BRANDSTETTER 1995B (S. 31) in zahlreichen Publikationen immer wieder hin (s. Anm. 325), wohingegen z. B. MÜLLER 1993A (S. 24) erst mit Duncan den Beginn einer neuen Epoche ansetzt. Der Beginn des nationalsozialistischen Regimes wird dann gemeinhin als Ende dieser Entwicklung angenommen, tatsächlich bedienten sich die Nationalsozialisten der im Zuge der Tanzreform angestellten und umgesetzten Überlegungen (s. Kapitel III.2.1). Zur Entwicklung des Tanzes um 1900 finden sich einige Überblickswerke; s. GÜNTHER 1962 oder mit speziellen Blickwinkeln BRANDSTETTER 1995A oder AUSST.KAT. »… JEDER MENScH IST EIN TÄNZER.« 1993 in dem das Lebensgefühl der Zeit eingefangen werden soll. Einen Einblick in die Bandbreite des Tanzes um 1900 liefert MÜLLER 1993A – hier mit Blick auf die Schüler Labans und Wigmans – und HUScHKA 2002 – mit einer Zusammenfassung der Geschichtsschreibung des modernen Bühnentanzes S. 40–56 sowie Tanztheorien S. 57–86. Dem veränderten Frauenbild der Tänzerinnen widmet sich MÜLLER 1989. Einen Literaturüberblick liefert HARDT 2004, S. 9–14. Unberücksichtigt bleibt in der bisherigen Forschung die Eurythmie Rudolf Steiners; s. Kapitel III.1.2.2.

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lische Wirkung, die anfangs nur bedingt in Tänzerkreisen ernst genommen wurden.325 Die an langen Stäben befestigten Schleier setzte sie durch Drehen des Körpers und weites Kreisen der Arme in Bewegung; sie dienten der Projektionsfläche zahlreicher Scheinwerfer, die auf diese Weise die Tänzerin in eine bewegte Lichtskulptur verwandelten. Besonders anschaulich wird dies in ihren sog. ›Serpentinentänzen‹, mit

Abb. 23: Loïe Fuller, Schleiertanz, um 1900 /10; Foto von Isaiah W. Taber; 21,5 × 15,5 cm; Paris, Musée d'Orsay, Inv.-Nr. PHO 1984-18(4)

325 Einerseits liegt diese Beurteilung sicherlich an Fullers ersten Aufführungsorten, wie

dem Varietétheater der Folies Bergères; andererseits wurde ihr Tanzstil, der nicht auf der eigentlich körperlichen Bewegung, sondern auf choreografischen Kompositionen (unter Einsatz von Stoff und Licht) beruht, kritisiert. Die Rezipienten spalten sich daher in zwei deutlich distanzierte Lager: So finden sich zahlreiche Äußerungen von Schristellern über sie oder auch diverse Reproduktionen in unterschiedlichen Medien s. AUSST.KAT. LOïE F ULLER 2002. Eine wissenschaliche Auseinandersetzung mit Fuller findet erst seit ca. 1990 sta (eine der ersten Publikationen war BRANDSTETTER / OcHAIM 1989): Während die herausragende Position Isadora Duncans für den Ausdruckstanz stets betont wurde (s. Anm. 324), schien und scheint teilweise bis heute die Bedeutung Fullers für den ›neuen‹ Tanz schwer zu beurteilen. Es ist besonders die umfangreiche monografische Arbeit von LISTA 1995 zu nennen, die sich sowohl dem Werdegang der Tänzerin als auch einzelnen Werken zuwendet: Daraus wird ersichtlich, dass Fuller den Höhepunkt ihrer Karriere während der Pariser Weltausstellung 1900, wo sie ein eigenes éâtre-Musée eingerichtet hae, feierte. Weitere Lücken – v. a. hinsichtlich der Anfänge – konnten cURRENT / cURRENT 1997 mit der Auswertung zahlreicher ellen schließen. Fullers Ästhetik, die sich zwischen der abstrakt gezeichneten Linie des Jugendstils und einer bewegten Lichtskulptur (den Weg der Abstraktion beschreitend) bewegt, animierte zu einigen Ausstellungen: Beispielsweise mit guten Aufsätzen der AUSST.KAT. LOïE F ULLER 1995.

108 | Vision ›Gesamtkunstwerk‹

denen sie weltbekannt wurde.326 Mit dieser abstrakten Form der Vermilung von Stimmungsinhalten beschreitet sie den gleichen Weg wie die Revolution der Bühnendekoration, wie sie von Appia und craig mit dem abstrakten Einsatz von Farb-, Form- und Lichteffekten gefordert wird. Der Grund für die Wahl solch immaterieller Gestaltungsmiel darf in Fullers Hang zum Spirituellen, genauer zu den theosophischen Lehren Helena Blavatskys (1831–91), angenommen werden.327 Eine vollkommen andere Ausdrucksform wählte Fullers Landfrau Isadora Duncan (1877–1927), die mit ihren schlicht gehaltenen Tänzen etwas völlig Neues schuf (Abb. 24). Tieeeindruckt von Fuller und zunächst mit ihr auf Tournee unterwegs, startete sie 1902 in Wien eine Solokarriere328 und läutete damit endgültig ein neues ›tänzerisches Zeitalter‹ ein.329 Sie trat barfuß auf und trug locker

326 Während ihrer legendären Tänze, wie La­Serpentine (s. BRANDSTETTER / OcHAIM 1989,

S. 92–100), La­Violee oder Le­Papillon, tanzte sie auf von unten beleuchteten Glasplaen in Kostümen aus fluoreszierenden Stoffen. Um sich vor Nachahmern zu schützen, ließ sie sich Kleidung und Bühnenvorrichtung patentieren, was ihr Vermarktungsgeschick zeigt, s. LE cOZ 2002; PAAS 2007, S. 12; FRANKHÄUSER 2007, S. 43. Dies veranlasst BRANDSTETTER 1995B (S. 32) zu dem Ergebnis zu kommen, dass ihr Serpentinentanz »die Merkmale künstlerischer Zeichenproduktion der Moderne [offenbart], in der Spannung zwischen Einmaligkeit der Erfindung und serieller Reproduktion, zwischen Original und Plagiat, zwischen reiner augenblicksentsprungener Suggestion und technischer Fixierung.« 327 Zu Fullers geistlichen und intellektuellen Haltungen s. cURRENT 1995, S. 120f. und zur eosophie Kapitel III.1.2. 328 Duncan kam 1899 von San Francisco nach London und 1900 nach Paris, wo sie Fuller erstmals tanzen sah und begeistert war; s. KRIScHKE 2007, S. 27. 1903 hielt sie in Berlin ihren wegweisenden Vortrag e­Dance­of­the­Future (DUNcAN 1903), in dem sie ihre eorien erstmals formulierte. Neben der theoretischen Verbreitung ihrer Ideen (s. ScHULZE 2004) verfolgte sie Zeit ihres Lebens eine praktische Vermilung z. B. durch Tanzschulen zu erreichen: Die erste gründete sie 1904 in Berlin-Grunewald, eine weitere eröffnete sie 1921 in Russland auf Einladung der Sowjetunion. Legendär waren auch ihre Männerbeziehungen, darunter während ihrer Berliner Zeit Edward Gordon craig. Ihre gesellschalichen Kontakte waren bezeichnend, so folgte sie beispielsweise 1904 einer Einladung cosima Wagners nach Bayreuth; s. DAHMS 1984. Einen Einblick über das Leben Duncans mit Fokus auf dem Tanz gibt MARTIN-F UGIER 2009 sowie die gesammelten und im Tanz verarbeiteten Lebenseindrücke ScHWARTZ 2009, ihren Pariser Jahren um 1900 wendet sich cHIMèNES 2009 intensiv zu. 329 MÜLLER 2001, S. 329; s. MÜLLER 1993A, S. 24; WITZMANN 1995, S. 619f.; vgl. Anm. 324.

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fallende, antik anmutende Gewänder, mit denen sie nicht eine Wiedergeburt der Antike postulierte, sondern die Einheit von Natur und Mensch als übergeordnetes Prinzip wiederherstellen wollte.330 Ihr Ziel war es dementsprechend, im Sinne Schopenhauers »einen Tanz zu ersinnen, durch den das Göliche im Menschen miels der Bewegung des Körpers in höchster Vollendung zum Ausdruck gebracht werden könnte«,331 also eine vollkommene Symbiose zwischen Körper und Seele herzustellen.332 Bestätigung in dieser Grundeinstellung fand Duncan dann v. a. ab 1913 auf dem Monte Verità. Ebenfalls in der Bestrebung, dass Abb. 24: Isadora Duncan, 1903; Foto Studio der Tanz eine emotionale Erfahrung Elvira in München; Silbergelatine-Abzug; hervorbringen und nicht reines opti16,5 × 10,5 cm; Paris, Bibliothèque-musée sches Ausdrucksmiel bleibe, sind die de l'Opéra, Inv.-Nr. P16 amerikanische Tänzerin Ruth St. Denis (1879–1968)333 und die französische Tänzerin und Dichterin Valentine de Saint-

330 Die Bedeutung der Antike für Duncan zeigt sich sowohl in ihrer Kleidung, die der all-

gemeinen ›Kleider-Reform‹ um 1900 folgte, als auch in ihrem Griechenland-Aufenthalt 1903 und in ihrem Plan von 1904 einen Tempelbau auf einer griechischen Insel zu errichten, in dem durch den Tanz ein ›Reinigungsprozess‹ häe stafinden sollen; s. HOFER 2001, S. 275; cANTARUTTI 2009. 331 DUNcAN 1928, S. 76. 332 »Die Tänzerin der Zukun wird Körper und Seele haben, die so harmonisch zusammengewachsen sind, dass die Natur der Seele durch die Bewegung des Körpers sprechen wird.« (DUNcAN 1903, S. 49.) 333 St. Denis hae Bindungen an theosophisch-spirituelles Gedankengut, was sich in Radha,­Dance­of­the­Five­Senses (1906) zeigt; s. WITZMANN 1995, S. 620–622; AUSST.KAT. TÄNZERINNEN UM SLEVOGT 2007, S. 114. In ihren Tänzen befriedigte sie den damaligen Wunsch nach orientalisch angehauchten erotischen Tänzen; s. KRIScHKE 2007, S. 28– 31. Nach ihrer Rückkehr in die USA 1909 gründete auch sie eine Tanzschule und beeinflusste »so nachhaltig den modernen amerikanischen Ausdruckstanz« (ebd., S. 31).

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Point (1875–1953)334 zu verstehen. Mit ihnen kommt in den frühen Jahren der neuen Tanzbewegung zusätzlich ein (orientalisch-)erotisches Moment in die Bewegung, das gerade auch in der Berliner Intellektuellenszene mit der ästhetischen Verklärung des Sinnlich-Lüsternen Begeisterung hervorrief. Auch folkloristische Tänze feierten ein comeback, wie beispielsweise die spanischen der aus Buenos Aires stammenden Tänzerin Antonia Mercé (die sich ›La Argentina‹ nannte, 1890–1936)335, welche auf ihren Tourneen auch Deutschland bereiste. Neben jenen das klassische Balle ablehnenden Entwicklungen erfährt diese traditionelle Form um 1900 in Russland eine Renaissance, v. a. unter der weltbekannten Tanzgruppe des sog. ›Ballets Russes‹.336 In Deutschland ist es, neben den in den Revuen und Bars Berlins in den 1920er Jahren veranstalteten Aurien – wie beispielsweise die schockierenden Darbietungen Anita Berbers (1899–1928)337 oder mit erotischem Witz gespickten

334 De Saint-Point verstand unter der von ihr getanzten ›Métachorie‹ die Synthese aus

Musik, Tanz, Dichtung und Bühnenkunst. »Der Tanz selbst war ein Ausdruck von abstrakten Ideen, wie auch die Gedichte und die Musik sie repräsentieren sollten. Das Gesicht der Tänzerin wurde von Tüchern, Masken oder Helmen verhüllt, um den ideistischen, stilisierenden charakter der Aktion zu unterstreichen.« (WITZMANN 1995, S. 622; s. auch ausführlicher BRANDSTETTER 1995A, S. 370–378.) Der eosophie folgend begannen ihre Tanzaufführungen mit dem Verbreiten von Parfum, um den synästhetischen Effekt zu verstärken. Ihre Arbeit kann aus heutiger Sicht als Vorform der Performance-Kunst bezeichnet werden. Außerdem kennzeichnet sie eine genaue Kenntnis von Wagners Werk; s. ebd., S. 379–381. 335 Mercé wechselte vom klassischen Balle zu den spanischen Tänzen und tourte mit ihrer Tanzgruppe ›Ballets Espagnols‹ durch die ganze Welt. Sie »gilt als Erneuerin des spanischen Balles« (KRIScHKE 2007, S. 33). 336 Das Ensemble wurde 1909 von dem russischen Impresario Sergei Djagilev (1872–1929) gegründet, künstlerischer Direktor war Léon Bakst (1866–1924) und choreograf Michail Fokin (1880–1942); Angaben s. BUcHHOLZ 2007, S. 118. Zunächst war Anna Matwejewna Pawlowa (1881–1931) der Star der Truppe, bis sie von Tamaere Platonowna Karsawina (1885–1978) abgelöst wurde; s. KRIScHKE 2007, S. 33–36. Der männliche Part dazu war der unangefochtene Star Vaslav Nijinsky (ca. 1889–1950). Auch Djagilev übt in ähnlicher Weise wie Appia und craig an den Inszenierungen in Bayreuth (namentlich an cosima Wagner) harsche Kritik; s. DAHMS 1984, S. 151. Einen Einstieg in das ema bietet der Aufsatzband von JEScHKE / BERGER / ZEIDLER 1997, darin ist v. a. der Aufsatz über Nijinsky in Hellerau (ODOM 1997) für die vorliegende Arbeit interessant. 337 Berber war die ›femme fatale‹ der zwanziger Jahre Berlins. Den Durchbruch verschae ihr ab 1918 v. a. das Kino. 1922 ging sie mit ihrem Programm Tänze­des­Lasters,

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Jazztänze Josephine Bakers (1906–75)338 –, der Ausdruckstanz, der nachhaltig die Tanzszene prägen sollte.339 Inspiriert von den frühen amerikanischen Tänzerinnen stand auch hier der tänzerisch und gymnastisch ungeschulte Körper als Bindeglied der Einheit von Mensch und Natur und nicht der Kunstcharakter des klassischen Balles mit seinen klaren Grenzsetzungen im Zentrum. Da weniger die Unterhaltung als die innere Versenkung, das Rauschhae und die Bildung eines gesunden Körpers im Vordergrund stehen, sollen im Folgenden knapp die unterschiedlichen Positionen des Ausdruckstanzes in Deutschland umrissen werden.340 Das neue Menschenverständnis im Zusammenhang mit einer zivilisatorischen Reform inspirierte die Künstler hierbei gleichermaßen.

des­Grauens­und­der­Ekstase im In- und Ausland auf Tournee, das sämtliche Tabus verletzte. Mit der darin präsentierten thematischen Auswahl revolutionierte sie die Tanzkunst und weitete die Gaungsgrenzen; s. FIScHER 1988. 338 Die gebürtige Amerikanerin Baker bediente ab 1925 in Paris mit ihren Auftrien die Afrika-Begeisterung, also das Exotische und die Erotik unter Zuhilfenahme damals modischer Musik, des Jazz und charlestons. 339 Häufig wird der Begriff ›Ausdruckstanz‹ für das gesamte tänzerische Geschehen in Deutschland von 1910 bis 1933 (oder gar 1945 verwendet), dies scheint jedoch häufig unpräzise und so folge ich MÜLLERs 1986 (S. 4f.) vorgenommener Beschränkung auf die im Umfeld von Rudolf von Laban und Mary Wigman entstandene Tanz- und Bewegungskunst; auch HOWE 1996 verwendet den Begriff des ›Ausdruckstanzes‹ nur in der engen Absteckung um Mary Wigman und ihre Schülerinnen. Äquivalent findet sich in ähnlich schwammiger Verwendung der Terminus des ›freien Tanzes‹ in der Literatur; s. hierzu kritisch BRANDSTETTER 1995A, S. 33f. Hiervon unterscheiden sich dann beispielsweise die abstrakten eaterexperimente Oskar Schlemmers am Bauhaus (s. Kapitel III.1.3.2) oder auch die von den Zeitgenossen als ›absoluter‹ Tanz bezeichneten Bewegungsformen; s. HUScHKA 2002, S. 164. Zur Problematik des Begriffs unter Nennung entsprechender Literatur s. HARDT 2004, S. 1f. 340 Die gesamte Ausdruckstanzbewegung um 1900 stützte sich auf die Erkenntnisse des Musikers François Delsarte (1811–71). Dieser entwickelte eine okkult-philosophische Lehre aus Beobachtungen der Bewegungen im Alltag. Seine universellen Gesetze waren das Dreiheitsgesetz und das Entsprechungsgesetz; aus diesen leitete er eine Ausdruckslehre ab, bei der mit speziellen Übungen die Kontrolle über die Körperteile geschult wird, um so den seelisch-geistigen Ausdruck im Tanz zu finden. Delsarte stellte als erster diese Bewegungsform auf ein wissenschaliches Fundament, sodass die Lebensreformer auf ihn zurückgreifen konnten. Sprache, Buchstaben, Laute und Töne nahm er ebenfalls in sein System auf; s. WITZMANN 1995, S. 600–604.

112 | Vision ›Gesamtkunstwerk‹

»Die Festspiele von Hellerau werden jedenfalls die bezeichnendste und entscheidende Stufe auf dem Weg zur Eroberung der lebendigen Kunst bilden. Sie werden alljährlich die Uebungen der Schüler zu immer grösseren, gleichartigen Gruppen bis hin zu grossartigen Dramatisierungsversuchen zusammenfassen. Sie werden das Fest der Ausübenden sein! Das zum Zusehen eingeladene Publikum wird tief empfinden, dass die Schüler aller Altersstufen und aller Verhältnisse sich zusammengefunden haben, um als ein Stück dieses Publikums selbst, sozusagen als die Wortführer des Publikums gleich dem antiken chor, der sich um den Opferherd versammelt, Ausdruck und Symbol des versammelten Volkes, die vollkommenste Verkörperung lebendiger Kunst zu sein.«341

Damit umreißt Appia die Bedeutung der bereits angesprochenen Hellerauer Festspiele: Ihnen wird langfristig eine gesellschalich transformierende Kra zugesprochen. Diese Veranstaltungen müssen als Gemeinschaswerke des choreografen Émile Jaques-Dalcroze, der 1910 der Einladung des Initiators des Festspielgedankens, Wolf Dohrn, von Genf nach Hellerau folgte,342 und des Bühnenbild-

341 APPIA, Adolphe: La Gymnastique rythmique et le théâtre (Die rhythmische Gymnastik

und das eater), in: Der Rhythmus, übers. v. Wolf Dohrn, Bd. 1, Jena 1911, zit. nach BABLET 1982, S. 57. 342 Dalcroze, seit 1892 Professor für Harmonielehre und später Solfège am Genfer Konservatorium, stellt fest, dass die Umsetzung des Taktes in Körperbewegung dem musikalischen Lernerfolg dienlich ist; s. die monografische Studie zu Dalcroze’ Arbeiten SPEcTOR 1990. Dies ist der Anstoß zur Entwicklung seiner Methode, die er über die Jahre hinweg ausbaut. Nachdem Dalcroze diese erstmals 1905 auf dem Kongress für Musiktheorie in Solothurn der öffentlichkeit vorstellen konnte, kam es im Oktober 1909 zu einem Zusammentreffen mit Dohrn anlässlich einer Aufführung von Übungen seiner Elevinnen; Daten s. STöcKEMANN 1993, S. 11; MIcHELIS 1991, S. 21. Mit der Aussicht auf ein eigenes Gebäude zum Üben und Aufführen ließ sich Dalcroze von Genf nach Hellerau bewegen. Die politischen Entwicklungen in Deutschland führten dazu, dass er nach einem Urlaub im Sommer 1914 nicht mehr nach Hellerau zurückkehrte; s. Anm. 306. Dennoch erreichte seine Methode enorme Popularität, so wurden international »Zweiganstalten der Hellerauer Schule« eröffnet (MÜLLER 1986, S. 23). Eine umfangreiche Untersuchung der Methode Dalcroze’ nimmt (v. a. aus musikpädagogischer Sicht) KUGLER 2000 im Vergleich mit dem Schulwerk carl Orffs (1895–1982) vor, s. hier auch den Literaturüberblick S. 16–19 sowie die differenzierte Analyse der wissenschalichen Rezeption von Dalcroze S. 76–88. Mit Blick auf Dalcroze’ Tätigkeit in Hellerau sind besonders GIERTZ’ 1975 Dissertation und (mit der zusätzlich ausführlichen Vorstellung von vier bekannten Dalcroze-Schülerinnen) HÜRTGEN-BUScH 1996 zu nennen.

Kunst und Politik | 113

ners Adolphe Appia verstanden werden. Den Wunsch nach eigenen Räumen, wie sie in Hellerau durch Tessenows Bau Realität wurden,343 hegte Dalcroze spätestens seit seiner ersten folgenreichen Begegnung mit Appia 1906: Durch ihn kam er mit Grundfragen der Reform von Bühnenkunst und Musiktheater in Berührung.344 Zugleich sah Appia in Dalcroze’ Methode die Lösung des Problems des körperlichen Ausdrucks von Musik auf der Bühne: »Ihre Lehre macht aus der Musik etwas, was den Körper in seiner Ganzheit beansprucht und löst das Problem so auf die praktischste Weise […]. Im Laufe weniger Generationen wird es dahin kommen, daß Ihre Idee das menschliche Gehirn verändert.«345 Das Ziel von Dalcroze’ Bewegungslehre formuliert dieser sogleich in seinem Antwortbrief, in dem er konstatiert, dass es ihm darum ginge, »dem Köper seine Eurhythmie zurück [zu] geben, die Musik in ihm zum Vibrieren [zu] bringen, die Musik zu einem integralen Bestandteil des Organismus [zu] machen, durch das Spiel auf der wunderbaren Klaviatur des Muskel- und Nervensystems einen Gedanken räumlich und zeitlich zu plastischem Ausdruck [zu] bringen.«346 Um dies zu erreichen beschreitet Dalcroze mit seiner bereits in den 1890er Jahre entwickelten ›Rhythmischen Gymnastik‹ neue Wege zur Übersetzung von Musikstücken in räumliche Bewegung. Ausgehend von der Auffassung, dass Musik und Körper untrennbar miteinander verbunden seien, konzipiert Dalcroze eine Methode, bei der bestimmten Körperbewegungen Notenwerte und Tonlagen zugeordnet werden (Abb. 25): Die Füße nahmen das Metrum auf (Schrie) und die Arme schlugen den Takt dazu, nach und nach wurde das System immer weiter ausgebaut, sodass Tonhöhen

343 S. Kapitel III.1.1.1 und ab S. 95. 344 Zur Wechselbeziehung s. GIERTZ 1975 sowie zu den Jahren der Bekanntscha BEAcHAM

2006, S. 116–118. Laut KREIDT 1968 (S. 41) beginnt mit dieser Begegnung Appias zweite Schaffensphase, die den »Übergang von den malerisch-atmosphärischen Bühnenbildern der Wagner-Periode zu kubisch-geometrischen Bühnenarchitekturen klassizistischer Prägung vollendet«, eine ese, die in der jüngeren Literatur nicht wieder aufgegriffen wird; auch BEAcHAM 2006 sieht keine derartigen Entwicklungen, obwohl er sich eingehend Appia widmet. 345 Adolphe Appia an Émile Jaques-Dalcroze aus Tolaz, Mai 1906, Genf, Archiv des Dalcroze-Instituts, SST: Jb4, zit. nach MIcHELIS 1991, S. 19. 346 Émile Jaques-Dalcroze an Adolphe Appia, 21.5.1906, Genf, Archiv des Dalcroze-Instituts, SST: JB3 Nr. 220, zit. nach MIcHELIS 1991, S. 19. Die Verwendung des Begriffs der ›Vibration‹ findet sich vermehrt bei Kandinsky wieder; s. hierzu ab S. 138.

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Abb. 25: Émile Jaques-Dalcroze, beim Ausüben der Rhythmischen Gymnastik Annie Beck, Clara Brooke, Suzy Perroet und Jeanne Allemand (v.l.n.r.), 1909; Foto von Fred Boissonas (Genf); 12,9 × 18,5 cm; Kunsthaus Zürich, Nachlass Suzanne Perroet, Inv.-Nr. I.90:54

durch die Lage und Richtung des Körpers im Raum visualisiert und Tonstärke durch Bewegungsdynamik dargestellt wurden. Auf diese Weise konnten Musikstücke oder ganze Orchesterwerke einzeln oder in der Gruppe in Bewegung umgesetzt werden. In der Weiterentwicklung dieser ursprünglich musikdidaktischen Fragen weitet Dalcroze seine Forschung auf die gesamte Persönlichkeit des Individuums aus und sah, ganz im Sinne der Lebensreform, die Wiederherstellung der Einheit von Natur und Mensch sowie Körper und Geist im Rhythmus gegeben. Eine »besondere Erziehung, die darauf abzielt, die Reaktion des Nervensystems zu koordinieren, Muskeln und Nerven aufeinander abzustimmen, Körper und Geist zu harmonisieren« ermöglicht nach Dalcroze eine »Heilung«.347 Dabei diente der Rhythmus als zentraler Begriff seiner Bewegungslehre und als Gelenkstelle zwischen der praktischen Umsetzung seiner Lehre und seinen metaphysischen Ideen. Der Rhythmus wird »auf die Höhe einer sozialen Institution«

347 DALcROZE, Émile Jaques: Gli studi musicali e l’educazione dell’orecchio (1898), Kapitel

1: Il ritmo la musica e l’educazione, a. a. O., neue ital. Ausgabe, hrsg. v. Louisa Di SegniJaffè, Torino 1986, S. 32, zit. nach MIcHELIS 1991, S. 19.

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erhoben und bereitet damit »einen neuen Stil [vor], der eine natürliche Ausbreitung erfährt und so ein wirkliches Zeugnis der Seele aller Bewohner wird. … Es ist eine physische und moralische Hygiene, die die Basis sein soll der neuen Gesellscha […].«348 Die Methode Dalcroze’ wird somit zu einem universellen Miel einer gesellschalichen Reform erhoben, die jedoch nicht genauer definiert wird. Während Dalcroze also im Bereich der Musik und Bewegung arbeitete, beschäigte sich Appia intensiv, wie bereits gezeigt, ausgehend auch von der Musik, mit Fragen der Räumlichkeit und des Lichts. Diese unterschiedlichen Aspekte des eaters, die das gleiche Ziel mit der Auebung der Gaungsgrenzen und v. a. mit der Einheit von Mensch und Kunst verfolgten, prädestinierte die beiden Künstler nicht nur zu einer Freundscha, sondern auch einer engen Zusammenarbeit, wie sie sich seit 1906 zeigte: Ohne ein befriedigendes Ergebnis zu erreichen, arbeiteten sie an einer Oper Prometheus349 bis Appias Skizzen der espaces­rythmiques (Abb. 8) vom Frühjahr 1909 den gewünschten Ausdruck zeigten.350 Hier lassen sich bereits die wesentlichen Merkmale des in Hellerau dann

348 OTTO, W.: Die Hellerauer Schulfeste von 1912 und 1913, zit. nach STöcKEMANN 1993,

S. 12. DOHRN 1911A (S. 102) hält fest, dass Dalcroze schon im Vorfeld in Hellerau die Möglichkeit gegeben sah, den Rhythmus »zu einer sozialen Institution« zu erheben. Letztendlich zu verifizieren ist diese Aussage nicht, denn dem Rhythmus eine derartige soziale Komponente zuzusprechen, geht wohl auch zu einem wesentlichen Teil auf Dohrn zurück. Dieser rezipiert hierzu Karl Büchers (1847–1930) 1896 publiziertes Buch Arbeit­und­Rhythmus, »in dem die ›Derhythmisierung‹ von Arbeit und Gesellscha als ein Verlust traditioneller Gleichgewichte interpretiert wird, der durch die moderne Zivilisation, durch die Zersplierung des Lebens in einander widerstreitende Bruchstücke ausgelöst worden sei..« (MIcHELIS 1991, S. 21; s. auch LORENZ 1994, S. 39, 64.) Dohrn entwickelte eine zunehmend verklärte Sicht auf Dalcroze; s. die Äußerungen Karl Schefflers bei MIcHELIS 1991, S. 19. 349 S. BEAcHAM 2006, S. 120 und 133. 350 Daten s. KUGLER 2000, S. 46. Sehr gut abgebildet sind die Entwürfe bei BEAcHAM 2006 B1–B16. Appia selbst nennt als Auslöser für diese Entwürfe den Besuch einer Dalcroze-Aufführung; s. APPIA, Adolphe: eatererfahrungen und persönliche Untersuchungen, zit. nach BABLET 1982, S. 81. Die Zusammenarbeit der beiden Künstler findet dann maßgeblich in Hellerau sta und endet mit dem Weggang Dalcroze’ aus der Gartenstadt (s. Anm. 306), da das anschließend in Genf gegründete Institut einen deutlichen Schwerpunkt auf die Musik legt und damit für Appia keine interessanten eaterexperimente mehr möglich waren; s. KUGLER 2000, S. 49f.

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zum Einsatz kommenden ›Bühnenbildes‹ erkennen:351 Besondere Aufmerksamkeit kommt dem Treppenelement immer wieder zu. So muss die Innenraumgestaltung des Festspielhauses ohne feste Einbauten, wie beispielsweise Podeste, im Wesentlichen auf Appia zurückgeführt werden. Diese die ebene Fläche aufhebenden Elemente erreichen ihre Wirkung erst durch den gezielten Einsatz von Licht, das Appia als Hauptinszenierungsstrategie nutzte; das Zu- und Abnehmen der Lichtstärke wurde auch in Hellerau der Musik angepasst. Damit war der Raum in technischer und ästhetischer Hinsicht führend. Die zwei 1912 und 1913 im Sommer in Hellerau stagefundenen Festspiele müssen somit als Synthese aus rhythmischer Bewegung (nach Dalcroze) und theaterreformerischen Bestrebungen (nach Appia) verstanden werden (Abb. 26); sie waren der Kulminationspunkt der weitgesteckten Ziele des Hellerauer Projekts. Aufgeführt wurden im Juni 1912 neben Übungen der angewandten Rhythmik der 2. Akt, die Furienszene aus christoph Willibald Glucks (1714–87) Orfeo ed­euridice (1762) – choreografiert von Dalcroze’ damaliger Assistentin Annie Beck –, Dalcroze’ Kantate Echo­und­Narziß, rhythmische Gruppenübungen sowie Präludien und Fugen von Johann Sebastian Bach (1685–1750);352 eine Gesamtinszenierung des Orpheus wurde erst ein Jahr später umgesetzt.353 Die ersten Schulfeste wurden zum Markstein der eatergeschichte, nicht zuletzt wegen der anwesenden intellektuellen Elite Europas354 und den Pressestimmen, die Appias

351 Zur Zusammenarbeit von Dalcroze und Appia in Dresden-Hellerau s. BEAcHAM 2006,

S. 108–130, bes. 122–159. 352 S. HÜRTGEN-BUScH 1996, S. 73; STöcKEMANN 1993, S. 12. 353 S. zu dieser Aufführung und ihrer Kritik HÜRTGEN-BUScH 1996, S. 73–76 sowie ScHNEIDER 1994. Für das gleiche Jahr plante Dohrn zusammen mit dem Hellerauer Verleger Jakob Hegner (1882–1962) Paul claudels (1868–1955) Mysterium Mariä Verkündigung (1911 /12) aufzuführen; Dalcroze leistete passiven Widerstand – Dohrn verzichtete auf die Beteiligung der Schüler der Bildungsanstalt. Im Vorfeld wurde das Projekt bereits mit Wagners Bayreuth verglichen, bzw. wie Dohrns Freund und späterer Geschäsführer des ›Deutschen Werkbunds‹ eodor Heuss schrieb: »Die Siedlung mit dem hübschen Namen löste in ihrer gesicherten Ordnung das individualistische Experiment der Darmstädter Mathildenhöhe ab.« (Zit. nach SARFERT 1993, S. 43.) Nach diversen Verzögerungen der Premiere erfolgte die Aufführung im Oktober und erhielt niederschmeernde Kritiken; s. MÜLLER 1987, S. 34; SARFERT 1993, S. 43f. 354 Insgesamt wohnten der Aufführung des Prototypen der Reformoper des 18. Jahrhunderts 5.000 Besucher bei, darunter auch Max Reinhardt. Allein schon diese Zahl zeigt, welch allgemeiner Begeisterung sich die Darbietungen erfreuten; s. die Äußerungen

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Abb. 26: Émile Jaques-Dalcroze, Übungen Rhythmischer Gymnastik während der Hellerauer Festspiele auf Adolphe Appias Bühneneinbauten, 1912; hist. Foto o. A. (1912)

der Zeitgenossen in DIE ScHULFESTE DER BILDUNGSANSTALT JAcqUES-DALcROZE 1912. Gleiches zeigen auch die steigenden Zahlen der Kursteilnehmenden: Dalcroze begann mit 46 Schülern und endete 1913 /14 mit 495; s. die Daten SARFERT 2008, S. 108; ScHNEIDER 1992, S. 13.

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Bühnenraum im Einklang mit Dalcroze’ Bewegungslehre lobten.355 So schrieb der Regisseur und frühere Tanztheoretiker Hans Brandenburg (1885–1968) am 19. Juni 1913 in Die­Lese über die Aufführung: »Körperrhythmus ist die Übereinstimmung einer zeitlichen, hörbaren Ordnung mit einer räumlichen, sichtbaren, und man könnte sagen, daß die Bewegung die Funktion des Raumes in der Zeit oder der Zeit im Raume ist. […] Was wir sahen und hörten, war eine Einheit, war tönend bewegter Raum.«356 Negativ fiel in dieser Einheit das Trikot auf: Es war aus einem Baumwollstoff, der zum einen den Zeitgenossen zu derb erschien (v. a. im Vergleich zur Kleidung der Duncan-Schülerinnen) und das Licht absorbierte.357 Außerdem erwies sich die Musik nicht als angemessen; zwar wurde den Darbietenden ein enges Verhältnis zur Musik bescheinigt,358 aber die Wahl der Musik schien nicht geeignet, sodass selbst Dohrn an der Erreichbarkeit des anvisierten Ziels zweifelte. Ansonsten dominierte das Klavier als Instrument die Musik in Hellerau: Den Unterricht gestaltete Dalcroze improvisierend vom Klavier aus; gerne häe er wohl auch Igor Strawinskis (1882–1971) und Arnold Schönbergs Musik für die ›Rhythmische Gymnastik‹ fruchtbar gemacht, doch scheiterte dieses Vorhaben. Dafür hielten sich zahlreiche Musikschaffende in Hellerau auf: Der Schweizer Pianist Erwin Fischer (1886–1960) wohnte zeitweilig am Festspielhaus, der chordirigent und Komponist aus Budapest Erwin Lendvai (1882–1949) lehrte 1913 /14 in Hellerau und in diesen frühen Jahren zwischen 1912 und 1914 bildete

355 S. auch zu den damaligen Reaktionen BEAcHAM 2006, S. 139–143, zu den zweiten Schul-

festen 144, 146–153; Pläne für ein dries Fest wurden – nicht zu Letzt wegen Dohrns Tod – fallengelassen. 356 Hans Brandenburg, zit. nach LORENZ 1994, S. 29f. 357 Die Kritik an der Kleidung äußerten u. a. Appia und Brandenburg; s. GIERTZ 1975, S. 153–162 sowie von Paul Schumann (1855–1927) bei LORENZ 1994, S. 67. Das Trikot war nicht, wie häufig in der Literatur geschrieben, nur schwarz, sondern wie der dem ›Deutschen Werkbund‹ angehörende Walter Riezler (1878–1965) (RIEZLER 1912, S. 409) für die Aufführung 1913 beschreibt auch rot und blau; zum Trikot s. HÜRTGEN-BUScH 1996, S. 57f. Die Farben dienten hier erneut der Visualisierung von Musikstimmlagen, wie sie choreografisch durch die einzelnen Gruppen dargestellt wurden. 358 RIEZLER 1912 (S. 409) bescheinigt dezidiert den Dalcroze-Schülern ein engeres Verhältnis zur Musik als denen von Duncan, zugleich sieht er in der Aufführung etwas Aulärerisches »nämlich auf diejenigen [Zuschauer], deren musikalisches Verständnis nicht zur Auffassung einer Fuge reicht.«

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der deutsch-italienische Komponist Ferruccio Busoni (1866–1924) in der Gartenstadt weitere Pianisten und Komponisten aus.359 Während Dalcroze in seiner Methode v. a. künstlerische Vorteile sah, betonte Dohrn immer wieder die sozialen Aspekte sowohl der Festspiele als auch des Instituts: Die Schule »sollte jede Kra begrüßen und pflegen, die den Menschen erzieht, ohne ihn zu spezialisieren, den Körper und Geist gleichmäßig, weil einen durch den andern bildet und an die Stelle eines unfruchtbaren Intellektualismus auf der einen und eines ebenso unerfreulichen Körper Athletentums, auf der andern Seite ein System beseelter Körperübungen oder wenn Sie so wollen: verkörperter Geistes- und Willensübungen setzt. Beides nämlich ist die rhythmische Gymnastik.«360 Es sollten daher nicht nur eigens angereiste Personen an den Kursen teilnehmen können, sondern auch die Kinder der Arbeiter; in der Realität kam es jedoch meist zu einer Separierung der beiden Gruppen.361 Mit den »musikalisch-plastischen Festspielen« erhoe man sich in der Hellerauer Bildungsanstalt eine »Fortentwicklung der Bühnenkunst« etablieren zu können, die über die Grenzen Dresdens hinaus wirken sollte; Ziel war es also, ein »künstlerische[m]s Monopol […], wie es Bayern in ähnlicher Weise durch Bayreuth besitzt«, zu schaffen.362 Um diesem Anspruch zu genügen, wurde nicht nur ein entsprechendes Gebäude von Tessenow errichtet und von Appia im Inneren maßgeblich gestaltet, sondern dieser Raum auch als Institut für ›Rhythmische Gymnastik‹ genutzt. Hier konnte Dalcroze seine selbst als ›Schri-Alphabet‹363 bezeichnete Musik- und Bewegungstheorie, die sich auf Bezüge zwischen Zeit, Raum und Energie stützt, lehren und anlässlich der Schulfeste demonstrieren. Die Methode will über das rhythmische Erleben des Körpers eine kosmische Einheit von Körper, Seele und Geist, von Mensch und Natur wiederherstellen, sodass

359 Angaben s. SARFERT 2008, S. 113. 360 DOHRN 1911B, S. 53. 361 Zu den ansteigenden Teilnehmerzahlen s. NITScHKE 2009, S. 32; SARFERT 1993, S. 31;

zum ersten Kurs 1910 /11 HÜRTGEN-BUScH 1996, S. 40–42; MÜLLER 1986, S. 15. 362 So Wolf Dohrn in einer Denkschri, die wenige Tage nach der Vertragsunterzeichnung

von Dalcroze in Hellerau in den Dresdner Nachrichten am 27. Mai 1910 erschien; zit. aus einem größeren Teil dieser Schri, abgedruckt bei LORENZ 1994, S. 72. Die direkte Beschäigung mit Wagners theoretischen Idealen (vornehmlich in Kunstwerk­der­Zukun formuliert) geht auch aus der werbeartigen Publikation DIE ScHULFESTE DER BILDUNGSANSTALT JAcqUES-DALcROZE 1912 hervor. 363 LABAN 1955, S. 7.

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letztlich eine neue soziale Ordnung daraus resultiere. Diese künstlerische Motivation sowie die inszenatorische Nähe zum Gruppentanz hebt die gymnastischen Bewegungen über bloße Turnübungen hinaus; ausgehend von der Musik steht daher im Zentrum die Bildung einer charaktervollen und schöpferischen Persönlichkeit. Letztlich stillt die Methode somit das sowohl künstlerische als auch pädagogische Verlangen nach körperlichem Ausdruck in einer Form der ›Musikvisualisierung‹. Dalcroze sieht im Rhythmus – der in diesem Fall von außen auf den Menschen einwirkt – das verbindende Element zwischen Körperlichkeit und Natürlichkeit. Ein solches ›Bewegungsalphabet‹ zu erstellen griff der Dalcroze-Schülerin Mary Wigman zu kurz:364 Die Bindung an den musikalischen Rhythmus bedeutete ihr die Bindung des Körpers an einen außerhalb seiner selbst liegenden Zweck, was sie als Unterwerfung empfand, die ihrer eigenen Bestrebung nach Befreiung des Individuums nicht entsprach.365 Die Grundlage dieser Überlegungen fand Wigman 1913 im Umkreis des Monte Verità v. a. bei Rudolf von Laban und seiner ›Schule für Bewegungskunst‹ (Abb. 27).366 Der in den Sommermonaten stafin-

364 Wigman besuchte 1910 /11 als eine der Ersten den Unterricht bei Dalcroze in Hellerau

(wo sie auch 1912 am Schulfest der Bildungsanstalt teilnahm) und begann damit ihre Tanzkarriere. 1913 /14 hielt sie sich (zeitgleich wie Duncan, s. Anm. 328) auf dem Monte Verità auf (s. MÜLLER 1986), wo sie Labans Assistentin war. 1916 präsentierte sie ihre erste eigene choreografie im Züricher Dada-Kreis (s. Anm. 366) mit einer Interpretation von Abschnien aus Also­sprach­Zarathustra (s. ebd., S. 51–54); ab 1919 trat sie als Solistin auf. Ein Jahr später gründete auch sie eine nach ihr benannte Schule in Dresden, die weltbekannt wurde und damit den deutschen Ausdruckstanz sowie den modernen Tanz überhaupt stark beeinflusste. Neben ihrer Lehrtätigkeit machte sie ihre Ideen durch Schrien publik; s. z. B. WIGMAN 1963. Die monografische Arbeit MÜLLERs 1986 wertet erstmals kritisch den Archivbestand aus und nimmt damit die unterschiedlichen Formen des ansonsten ephemeren Tanzes in den Blick. Einen Überblick über Leben und Wirken Wigmans geben MÜLLER 1987 und FRITScH-VIVIÉ 1999. 365 Bereits als Bewegungsregisseurin für Max Reinhardt in Berlin (s. ab S. 102; MÜLLER 1986, S. 28f.) entwickelte Wigman z. B. hinsichtlich der Verbindung von Wort und Ton Überlegungen, die sie im Umfeld Labans weiter ausbaute. 366 S. zu Labans Tätigkeit auf dem Monte Verità STöcKEMANN 1993, S. 14–18; ScHWAB 2003, S. 187–191. Dieser wichtige Lebensabschni wird auch in der Monografie von BRADLEy 2009 und aus subjektiver Schülersicht DöRR 2005 (S. 44–94); mit Fokus auf die Verbindungen zu Wigman bei PARTScH-BERGSOHN / BERGSOHN 2003 und zu Dalcroze bei PRES-

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dende Tanzunterricht basierte auf gymnastischen Übungen und Bewegungsimprovisationen; die Bewegungsmöglichkeiten der Glieder und die räumliche Ausnutzung waren der Ausgangspunkt von Labans Lehre.367 Mit der Unter-

Abb. 27: Labanschule, Totimo, Suzanne Perroet, Katja Wulff, Maja Lederer, Bey Baaron Samoa, Rudolf von Laban (v.l.n.r.), Ascona 1914; Foto Johann Adam Meisenbach; 24 × 18 cm; Kunsthaus Zürich, Nachlass Suzanne Perroet, Inv.-Nr. SP I 91:109

TON-DUNLOP

2008 in den Blick genommen. Laban gründete 1913 im Schweizer Tessin eine Sommerkolonie seiner 1910 ins Leben gerufenen Münchner Tanzschule; s. MÜLLER 2001, S. 331f.; BRAUNEcK 1982, S. 68; FORNOFF 2004, S. 243. Hier erhielten 1913 /14 u. a. Mary Wigman, Suzanne Perroet (1889–1984) und Gertrud Leistikow (1885–1948) Unterricht und bereiteten das Tanz-Ton-Wort-Stück Der­Sieg­des­Opfers Brandenburgs für die Kölner ›Werkbundausstellung‹ (vgl. ab S. 100) vor; zu dessen Realisierung kam es nicht (s. MÜLLER 1986, S. 47–49). Laban verlegte mit Ausbruch des ersten Weltkriegs seine Münchner Winterschule nach Zürich, wo er (genauso wie Wigman) mit dem dortigen Dadaisten-Kreis in engeren Kontakt kamen; s. MÜLLER 1987, S. 54–57. 367 Sowohl die Bewegung im Raum als auch deren künstlerischer Ausdruck folgen kristallinen Gesetzen, denn »immer sind es Raumrhythmen des unendlichen Kristalles rhythmischer Veränderungen der Gebärdenkra« (LABAN 1920, S. 43). In diesem Punkt ähneln sich Laban und Dalcroze und reihen sich mit der Begeisterung für den Kristall in die Reihe der Expressionisten ein.

122 | Vision ›Gesamtkunstwerk‹

suchung der räumlichen Struktur des Tanzes unterscheidet sich Laban grundlegend von Dalcroze’ – später auch Steiners – Vorgehen mit der rhythmischen Unterteilung der Zeit; die Improvisation wird Grundlage aller künstlerischer Übungen.368 Im Mielpunkt seiner Bewegungslehre steht der Körper und der ihn umgebende Raum, denn Ziel war es, den Menschen stets in seiner Ganzheit künstlerisch zu bilden.369 Laban erhob den Tanz zur eigenständigen Kunstform und löste ihn damit aus der traditionellen Bindung an anderer Künste (wie z. B. die Musik, die Bühne etc.); in einem weiteren Schri wollte er die magisch-spirituelle Bewegungsform mit Ton und Wort vereinen. Diese künstlerische Drei-Einheit im Tanz spiegelt die »leiblich-seelisch-geistigen Erscheinungen«, die erst »geistige Einheitlichkeit, Menschlichkeit, wirklich allseitige Lebensbejahung« ermöglichen.370 Das Unvereinbare sollte durch den Tanz zusammengeführt werden und den ›Volkskörper‹ bilden, eine die gesamte Menschheit umfassende Tänzergemeinscha.371 Am geeignetsten schien ihm hierfür zunehmend das chorische Spiel: Unter der Leitung eines Führers folgte die Gruppe seinen Aktionen zeitgleich oder versetzt, sodass hieran auch Laien teilhaben konnten.372 In einer größeren Dimension ging Laban zu sog. ›chorfeiern‹ über, in denen die Bewegungschöre Bestandteil der rituell-symbolischen Feier waren, die zunehmend zu

368 Fixiert werden die Bewegungsabläufe in der sog. ›Labanotation‹ (s. LABAN 1955), eine

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372

Methode, die bis heute Bestand hat, wie beispielsweise in den entsprechenden Fächern an der Folkwang Universität in Essen oder auch der Hochschule für Musik und Tanz in Köln. S. zu Labans Körper-Raum-Verständnis HUScHKA 2002, S. 165–178; STöcKEMANN 1993, S. 17f. sowie die entsprechenden Werkanalysen bei BRADLEy 2009. LABAN 1920, S. 3. S. Dirk Scheper im Vorwort von AUSST.KAT. »… JEDER MENScH IST EIN TÄNZER.« 1993, S. 5; FORNOFF 2004, S. 244. Labans erstes Tanzwerk Die­Erde wurde auf dem Monte Verità 1914 erstmals in Teilen aufgeführt – das Stück beschreibt autobiografisch das mystische Naturerlebnis; s. WITZMANN 1995, S. 612f. und zu anderen Werken S. 616f. sowie STöcKEMANN 1993, S. 16f. Bereits zu dieser Zeit wandte er sich dem Gruppentanz zu, der als chorischer Tanz auch Laien den gemeinschalichen Bewegungsimpuls geben sollte. Er sollte eine entscheidende Rolle in Bezug auf den Festgedanken spielen; s. STöcKEMANN 1993, S. 18–23. Bereits 1917 versuchte Laban seinen Festspielgedanken auf dem Monte Verità umzusetzen und baute »eine Freilichribüne, feierte Feste: Feste der Tänzer – sieben Tage lang« (BURGHARDT 1926, S. 11), die in kultischen Formen und Ritualen abliefen. S. zu dieser Tanzform HARDT 2004, S. 205–260.

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Massenveranstaltungen mutierten.373 Er stellt damit das tänzerische Fest ins Zentrum seiner eigenen Vision eines ›Gesamtkunstwerks‹.374 Laban sah im Strukturprinzip der Natur das Ideal des Bewegungsausdrucks verwirklicht;375 davon ausgehend verstand Wigman ihren Körper im Gegensatz zu Duncan nicht als keusch und heilig: Sie gab »der Sexualität und Geschlechtlichkeit einen psychischen Ort«.376 Dazu trug sie entsprechend dem Inhalt des Tanzes weite Kleider, die sie teilweise – wie beispielsweise im Hexentanz­II (1926) – um das Tragen einer Maske ergänzte.377 Als Bewegungsform kristallisiert sich die Drehbewegung heraus (den Höhepunkt erreichte sie in der Dreh-Monotonie (1926)), die, mit dem ganzen Fuß auf dem Boden und »rhythmisch kreisenden Gebärden der Arme« getanzt (Abb. 28), als eine Form der Visualisierung der kinetischen Bestrebungen der Zeit verstanden werden kann, denn der »Monotonie der Drehbewegung« folgte die Lösung der Umdrehung vom eigenen Körper, sodass er »nicht mehr selbst sich bewegend, sondern bewegt werdend, selbst

373 So traten anlässlich des 150-jährigen Jubiläum des Mannheimer Nationaltheaters 1929

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im Stadion der Stadt 500 Mädchen und Jungen in dem chorischen Werk Alltag­und Fest auf; s. STöcKEMANN 1993, S. 23. Der Schri von solch riesigen Veranstaltungen zu den Masseninszenierungen, beispielsweise der Reichsparteitage (s. Kapitel III.2.1) oder auch der Olympiade 1936, ist nicht so groß, wenn auch nicht ausschließlich in einen kausalen Zusammenhang zu setzen (dafür macht sich besonders HARDT 2004 (S. 206) stark); s. auch Anm. 736. »Wir sind im Begriff, allen eurythmischen Möglichkeiten Tür und Tor zu öffnen. Wir schaffen und genießen sowohl die einzelnen Künste, den Tanz, die Musik, die Dichtkunst, die Formkünste in ihrer strengsten Reinheit, als auch all ihre Verbindungen und Zusammenklänge bis zum erträumten Gesamtkunstwerk, zum tänzerischen Fest.« (LABAN 1920, S. 151.) Es ging ihm also weniger um Darstellung als Abbildung der Natur, sondern »als Ausdruck der Struktur von Natur« (MÜLLER 2001, S. 333). Ebd., S. 333. Die Meditationen und die daraus erweckte Inspiration zu Tänzen waren nicht erotisch zu verstehen. Das Tragen einer Maske unterscheidet Wigman von ihren Kollegen; sie führt damit die Gedanken craigs weiter, indem sie eine ›unantastbare Ausdrucksgläe‹ erzielen will. Der Hexentanz­ II wurde filmisch festgehalten (s.  weitere Informationen bei FRITScH-VIVIÉ 2004, S. 64f.) und ist eine Weiterentwicklung ihres ersten eigenständig öffentlich aufgeführten Tanzes am 11. Februar 1914 (s. MÜLLER 1987, S. 48f., 198f.).

124 | Vision ›Gesamtkunstwerk‹

Mie, selbst ruhender Pol im Wirbel der Rotationen« wurde.378 Mit diesen Drehbewegungen wird ein tranceartiger Zustand erreicht, der an Nietzsches Vorstellung des dionysischen Rausches anschließt.379 Bei ihren Aufführungen bediente sich Wigman nicht bereits vorhandener Musik, sondern arbeitete mit Komponisten wie Hanns Hasting (1905–61) oder Aleida Montijn (1908– 89) zusammen.380 Mit ihrer Lösung von Dalcroze und Laban entwickelt Wigman einen eigenen Tanzstil, der zwischen Feierlich-Erhabenem und Dämonisch-Groteskem oszilliert und als Grundthema stets die Hingabe des Menschen an eine übermenschliche Existenz visualisiert, somit sich stets an der Schwelle zwischen materieller und spiritueller Welt bewegt.381

Abb. 28: Mary Wigman am Ufer des Lago Maggiore, Ascona 1914; Foto von Johann Adam Meisenbach; 11 × 8,5 cm; Berlin, Akademie der Künste, Inv.-Nr. 83/73 196

378 WIGMAN 1963 (S. 39) formuliert dies rückblickend in ihrem umfangreichsten Buch über

den Tanz in Die­Sprache­des­Tanzes 1963. Hiermit legt sie kein Lehrbuch vor (dies widerspräche ihrer eigenen Grundüberzeugung der Selbstfindung einer eigenen Ausdrucksform), sondern beschreibt ihre Tänze aus einer emotionalen Perspektive. 379 Der am 10. November in Zürich dargebotene »Erste[r] Abend ritueller Vortragskunst« lässt bereits im Titel »Ekstatische Tänze« erkennen, »daß die mit ›Also sprach Zarathustra‹, ›Satans Vergnügen‹ oder Liszts ›Teufelswalzer‹ begonnen Reihe« fortgesetzt wurde (MÜLLER 1987, S. 61). 380 Angabe nach FRITScH-VIVIÉ 2004, S. 64: Es handelt sich bei den Werken um »eine auf ihre Tänze abgestimmte Klangvielfalt am Klavier, mit Trommeln und Gongs etc. […] Oder sie tanzte ganz ohne Musik und Klang, was anfänglich großes Unverständnis, dann aber Begeisterung hervorrief.« S. zum Zusammenwirken von Tanz und Musik bei Wigman MÜLLER 1986, S. 39–46, 175. 381 S. ebd., S. 70–98.

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Mit Wigman trennt sich der (nun selbständige) moderne Ausdruckstanz von den Bestrebungen der Lebensreform: Es ging nicht mehr ›nur‹ um eine Lebens-, sondern um eine Kunstrevolution. Diesen Weg des ›absoluten Tanzes‹ gingen ihre Schülerinnen, wie Gret Palucca (1902–93) und Vera Skoronel (1906–32), konsequent weiter.382 Letztere erweitert das im Tanz verankerte »menschlich-seelische[m] Erleben« um »pantomimische[n] Inhalte« und kreiert damit den sog. ›abstrakten Tanz‹,383 der für sie »die schärfste und reinste Kristallisierung des Tanzes an sich« ist. Weiterhin erklärt sie in ihrer Stellungnahme­zur­Tanzentwicklung (1929), dass dieser Tanz nichts »mit dramatisch-theatralischen Elementen oder musikalischen Gebieten [zu tun hat]. Es ist eine Welt der phantastischen und doch klaren Struktur, in der ›Inhalt und Form‹ nicht existieren, da die Unbedingtheit dieser neuen Form in sich strahlt und durchglüht ist von überpersönlicher Ekstase (von einer Ekstase, deren Ursprung nicht in menschlichen Seelenbezirken von Freud oder Leid liegt, sondern tatsächlich im kosmischen Erleben des Unendlichen – eben in der Abstraktheit).«384 Das Bestreben war demnach die Visualisierung der metaphysischen Erfahrungswelt mit Hilfe abstrakter Bewegungen, wie beispielsweise bei Skoronel die Darstellung ›maschineller Bewegungen‹ mit monotonen Grundformen wie Kreisen der Arme, Stoßen, Schlagen, Drehen.385

1.1.3

Stimulation aller Sinne: Synästhetische Bestrebungen bei Skrjabin, Kandinsky und Schönberg

»Die mystisch-religiöse Kunst, die dem Ausdruck der sämtlichen geheimen Fähigkeiten des Menschen, dem Erreichen der Ekstase dient, brauchte immer und von je her alle Miel zur Wirkung auf die Psyche.«386

So schreibt Leonid Sabanejew, der Freund des russischen Komponisten Alexander Skrjabin im Blauen­Reiter über dessen Tondichtung Promethée­(Le­poème­du­feu)

382 S. die enge Absteckung des Begriffs ›Ausdruckstanz‹ (vgl. Anm. 324). Ausführlicher

383 384 385 386

zu Wigman und v. a. ihren Schülerinnen, wie Vera Skoronel, Gret Palucca oder auch Valeska Gert (1892–1987) HOWE 1996. Die Begriffe des ›absoluten‹ und ›abstrakten Tanzes‹ sind noch nicht genauer untersucht worden; s. Anm. 324. SKORONEL 1929. S. MÜLLER 1993A, S. 40. SABANEJEW 1912, S. 57.

126 | Vision ›Gesamtkunstwerk‹

op. 60 (1910 /11 für Orchester und Lichtstimme komponiert).387 Skrjabins Welterlösungsphantasien fußten zeiypisch auf den Überlegungen Nietzsches und Wagners, in besonderem Maße aber auch auf den Schrien von Helena Blavatsky und Rudolf Steiner.388 Der anvisierte ekstatische Rausch, wie ihn Skrjabin bereits im Prometheus anstrebte, wird größer dimensioniert in seinem Projekt des Mystère fassbar; erste synästhetische Prinzipien lassen sich sowohl theoretisch als auch praktisch schon in dem früheren Werk finden. Musikalisch sind in der Fortführung Wagners bei Skrjabin Tendenzen der neuen Harmonik zu erkennen, die in der Folge als »synthetisch«, »mystisch« oder »prometheisch« bezeichnet wurden.389 Im Prometheus dominiert ein aus reinen, verminderten und übermäßigen artschichtungen (c–fis–b–e–a–d) gebildeter Akkord (Abb. 29, 30), der – ähnlich wie Wagners ›Tristanakkord‹ – unterschiedlich deutbar ist;390 diesen Akkord transponiert Skrjabin das gesamte

387 S. STOOSS 1983, S. 282. Bisher hält sich seit BOWERS’ 1969 Biografie die Behauptung, es

wäre zu einem ersten Treffen zwischen Skrjabin und Sabanejew bereits 1893 gekommen, was jedoch, wie HORSLEy 2006 (S. 180, Anm. 518) darzulegen weiß, unwahrscheinlich ist; ein Kennenlernen 10 Jahre später scheint hingegen realistisch. 388 In seinen Tagebuchaufzeichnungen von 1904 / 05 (Prometheische­Phantasien) schrieb Skrjabin: »Ich will mich selbst besiegen. Ich will zu mir zurückkehren. Ich will die Erde erschaffen und die Planetensysteme der Sterne (Kosmos).« (SKRJABIN 1924, S. 58.) Derartige Aussagen Skrjabins veranschaulichen weshalb sich die Forschung zunehmend dem Verhältnis von Musik und Weltanschauung widmete. V. a. mystisch ausgerichtete Autoren (wie z. B. ScHLOEZER 1987) beschäigen sich mit dem programmatischen Hintergrund; Musikwissenschaler hingegen versuchen losgelöst von derartigen Überlegungen zu analysieren (beispielsweise POPLE 1989, bes. S. 215–251 oder BAKER 1986). SABANEJEW 1912 nimmt Skrjabins kunstphilosophische Ideen als Ausgangspunkt für seine Untersuchung und darf damit als Zeitgenosse im Sinne einer elle für die Rezeptionshaltung verstanden werden. Sich darauf stützend legt BROWN 1979 die Bezüge zu Wagner und Nietzsche dar. Einzeluntersuchungen (auf die im Folgenden gegebenenfalls verwiesen wird) bringen dann besondere Aspekte Skrjabins zum Vorschein, wie etwa ScHIBLI 1983 (S. 294–302) mit der genaueren Betrachtung des Einflusses Nietzsches auf Skrjabin. 389 Ebd., S. 138f. Nach KELKEL 1980 (S. 323, 332) geht die umstriene Terminologie ›mystischer Akkord‹ auf Sabanejew zurück. Abgesehen davon wird Sabanejews propagierter Deutung folgend der Akkord als »zu den frühesten Systematisierungsversuchen der technischen Verfahrensweisen der musikalischen Moderne überhaupt« (ZELLER, H. J.: Schönberg und Skrjabin, in: H.-K. Metzger und R. Riehn (Hrsg.) 1980, S. 273–279, hier S. 273, zit. nach HOSLEy 2006, S. 199) gezählt.

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Abb. 29: Alexander Skrjabin, Prometheusakkord, 1909 /10; Herleitung aus Obertonreihe bzw. akustischer Skala

Stück hindurch auf verschiedenen Stufen. Nicht nur in der Herleitung, sondern auch in der Verwendung verschmelzen Klang und Linie, Vertikale und Horizontale: Die Transposition des Akkords auf a, mit der das Stück beginnt, wird gleich am Anfang in den Hörnern in eine melodische Linie zerlegt. Damit zeigt sich Skrjabins musikalischer Grundsatz: »Melodie und Harmonie – das sind zwei Seiten eines Prinzips, einer Wesenheit. […] Bei mir gibt es keinen Unterschied zwischen Melodie und Harmonie.«391 Zur akustisch wahrnehmbaren Musik tri

390 Die Herleitung aus einer artschichtung der ›akustischen Leiter‹ c–d–e–fis–(g)–a–

b–(h)–c liegt am nächsten; s. ScHIBLI 1983, S. 139f. Sabanejew erklärte im Blauen­Reiter den Akkord als aus der Obertonreihe gewonnen (s. SABANEJEW 1912, S. 61f.); es lässt sich annehmen, dass Skrjabin dieser Interpretation seines Freundes zwar zustimmte, aber darauf beharrte, die Töne nicht konstruktiv, sondern intuitiv gefunden zu haben. In diesem Punkt zeigen sich Skrjabins Parallelen mit theosophischen Überlegungen, bei deren Lehre die künstlerische Formensprache durch Intuition gefunden wird (s. Kapitel III.1.2.3). Die direkte Rezeption theosophischer Schrien durch Skrjabin muss als eingeschränkt verstanden werden, so stellte KELKEL 1980 (S. 23) fest, dass von den rund 750 erhaltenen Briefen Skrjabins nur in vier die Rede von der eosophie ist. Zugleich war er einige Jahre Mitglied der eosophischen Gesellscha (s. ScHIBLI 1983, S. 303f.); doch war sein Beitri wie der vieler seiner Kollegen (beispielsweise Kandinskys oder Schönbergs) vermutlich geleitet durch das Gefühl der Entfremdung des Lebens. Laut ScHLOEZER 1987 (S. 66f.) kam Skrjabin erst 1906 in Paris mit theosophischem Ideengut in Verbindung. Konkret in Bezug auf den Prometheus von theosophischen Gedanken zu sprechen ist daher schwierig, da er selbst kein Programm zu dem Werk verfasste, aber eines für e­Musical­Times 1914 autorisierte; s. HORSLEy 2006, S. 184f. 391 SABANEJEW, Leonid: A. N. Skrjabin, Moskau – Petersburg 1916, S. 47, zit. nach ScHIBLI 1983, S. 145. Die Satztechnik ist eines der Hauptaugenmerke der Komponisten Anfang des 20. Jahrhunderts, die eine immer größere Austauschbarkeit von Harmonie und Melodie bedeutete. »Das heißt, daß man immer mehr danach strebte, horizontale Gebilde zu vertikalisieren und umgekehrt.« GUT 1980 (S. 85) räumt damit Skrjabin die vermielnde Position zwischen claude Debussy (1862–1918) und Arnold Schönberg (s. ab S. 133) ein.

128 | Vision ›Gesamtkunstwerk‹

Abb. 30: Alexander Skrjabin, Partitur Prometheus, erste Seite, 1909 /10

deren Visualisierung in Form der sog. ›Luce‹-Stimme, die ebenfalls auf dem herkömmlichen Fünfliniensystem als zweistimmiger Satz notiert ist und jedem gesetzten Ton eine Farbe zuordnet. Jeder Grundton – in der oberen Stimme des Akkords als synästhetisches Klangzentrum schrilich fixiert – wird in der entsprechenden Farbe visualisiert, sodass jeder harmonische Wechsel optisch wahr-

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nehmbar ist.392 Die untere Stimme ist zwar farbmäßig an die obere gebunden, doch zeichnet diese nicht den musikalischen Verlauf nach, sondern bildet die mystische und esoterische Bedeutung ab393 indem sie durch die Dominanz der Töne as und fis (v. a. auch am Anfang und Schluss) hauptsächlich die Farbe Blau projiziert;394 die verbleibenden Takte decken das Farbspektrum der ›exzentrischen‹, ›irdischen‹ Farben von Rot und Gelb ab.395 Auf diese Weise wird sowohl ein emotionaler Gehalt transportiert als auch die formale Gestaltung (die konventionelle Sonatenform mit Exposition, Durchführung und Reprise mit coda)396 im wahrsten Sinne des Wortes sichtbar. Sabanejews Interpretation zufolge wird so der theosophische Gehalt der Komposition optisch wahrnehmbar und in der Rahmenbildung (Anfangs- und Schlussfarben ähneln sich genauso wie die Akkorde) die Überlegung der geistigen Entwicklung des Menschen erkennbar: Von einem ›Zentrum‹ ausgehend entfaltet sich der schöpferische Geist und kehrt nach Überwindung der Materie wieder zurück. Somit wäre der Prometheus eine Symbolisierung von »Ausgangs- und Endpunkt der Evolution menschlichen Bewußtseins«.397 Eine solche theosophische Deutung wurde durch das Titelbla der Partiturausgabe (1911, russischer Musikverlag, Berlin und Moskau) bekräigt: Eine Lyra und das Antlitz Prometheus’ beherrschen die Seite; die Darstellung stammte von dem belgischen Maler und eosophen Jean Delville (1867–1953).398

392 Die Ton-Farb-Korrespondenz hielt Sabanejew fest: »c Rot; G Orange-rosa; D Gelb; A

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Grün; E blau-weißlich; H ähnlich dem E; Fis Blau, grell; Des Viole; As Purpur-viole; Es und B Stahlartig mit Metallglanz; F Rot, dunkel« (SABANEJEW 1912, S. 60). LEDERER 1980 (S. 133) bezeichnet sie als den »eigentliche[n] Träger der von Skrjabin den Farben zugeschriebenen mystischen bzw. esoterischen Bedeutung und Mitträger des programmatischen Vorwurfs.« Von den insgesamt 374 Takten werden so 232 Takte (86 am Anfang und 146 am Schluss) von Blau / fis und as bestimmt, somit unterliegt das Verhältnis dem Goldenen Schni; s. ScHIBLI 1983, S. 243. HORSLEy 2006 (S. 190f.) geht auch ausführlicher auf die Problematik der aus den beiden Luce-Stimmen sich ergebenden Mischfarben und handschriliche Eintragungen zu Lichteffekten ein (S. 194–198), mehr aus Sicht der Musik beleuchtet sie die gleichen Fragen anschließend (S. 200–204). Einzig POPLE 1989 (S. 243) weicht von den üblichen musikwissenschalichen Analysen ab und unterteilt das Werk in 33 Segmente. LEDERER 1980, S. 135. S. ebd., S. 128. Delville leitete die eosophische Gesellscha Adyar in Belgien, der auch Skrjabin angehörte.

130 | Vision ›Gesamtkunstwerk‹

Die praktische Umsetzung von Skrjabins Ideen war schwer; so blieb, fast zwei Jahrhunderte nach der Erfindung Louis-Bertrand castels (1688–1757), ein funktionierendes ›Farbenklavier‹ nach wie vor utopisch. Die Entwicklung des sog. ›colour-Organ‹ (1895) von Wallace Rimington (1869–1911) könnte Skrjabin zur Komposition seiner Farbensinfonie angeregt haben.399 Diese Farborgel wurde bei der New yorker Prometheus-Aufführung im März 1915 in der carnegie Hall eventuell verwendet,400 entsprach jedoch in keiner Weise Skrjabins Vorstellungen.401 Zwischenzeitlich begann der Komponist, mit einem Moskauer Elektroingenieur ein eigenes Lichtklavier zu bauen, das er in seinem Musikzimmer erprobte – hier erwies es sich als zweckerfüllend.402 Eine Vereinigung aller Künste in einer universalen Liturgie ekstatischer Welterlösung ersann Skrjabin mit seinem Mystère, mit dem er sich seit 1904 beschäftigte:403 Hier sollte die Synthese der Künste um das Ansprechen der elementaren

399 S. ScHIBLI 1983, S. 243. 400 Datum s. HORSLEy 2006, S. 198. 401 »Es konnte keine Rede davon sein, der Raum würde in Licht getaucht und das Far-

benspiel bilde ein Äquivalent zur Musik: Über dem Orchester in der carnegie Hall hing eine verhältnismäßig kleine weiße Leinwand, die mit trüb ineinanderfließenden Farbprojektionen angestrahlt wurde. […] Die Reaktionen auf die Aufführungen waren schon aus diesem Grund verständlicherweise wenig enthusiastisch.« (ScHIBLI 1983, S.  243f. fasst hier VOGEL, Wladimir: Zur Idee des ›Prometheus‹ von Skrjabin, in: Schweizerische Musikzeitung, (1972), S. 339ff. zusammen.) 402 »Es stellte sich überraschender Weise heraus«, schrieb der Komponist und Musikwissenschaler Oskar von Riesemann (1880–1934), der die Privataufführung offensichtlich miterlebt hae, »daß das magische, mysteriöse Spiel der Farben und des in allen Tönen des Regenbogens ruhelos oszillierenden Lichtes die Wirkung dieser Musik in ungeahnter Weise vertie und bereichert.« (Zit. nach ScHIBLI 1983, S. 244.) Die Abbildung dieser Lichtorgel wirkt jedoch eher desillusionierend und es drängt sich unweigerlich die Frage auf, wie ein solches Instrument einen größeren Raum häe bespielen sollen. Die Uraufführung 1911 in Moskau fand ohne Farbenklavier sta, da es Probleme beim Instrumentenbau gab, die Darbietung 1915 in der carnegie Hall in New york erfolgte lediglich mit geringer optischer Untermalung (s. Anm. 401). Erst die moderne Lichechnik ermöglichte ein der Musik adäquates Einsetzen des transzendenten Materials, wie etwa beim Maggio musicale 1980 in Florenz oder in der ein Jahr später stafindenden Veranstaltungsreihe in Bochum, Mülheim, Düsseldorf und Hamm; s. OHLENScHLÄGER 1999, S. 231; ScHIBLI 1983, S. 244f. 403 Als vorbereitende Handlung, im Sinne einer Vorstufe zum Mysterium konzipierte Skrjabin den acte­préable; s. ScHIBLI 1983, S. 339–345. Das Mystère in seinen riesigen

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Sinnesreize erweitert werden, er plante Lichteffekte, Farben, Bewegung, Töne, Düe, Geschmackswahrnehmungen und Berührungen mit ein. Für das MystèreRitual sah Skrjabin, entsprechend der theosophischen Lehre von den sieben Weltzeitaltern, eine siebentägige Dauer vor, die in einer angemessenen Architektur stafinden sollte (Abb. 31). Der Tempelbau zeigte sich als Halbkugel, die sich in dem darum befindlichen Wasser spiegelte und zur Ganzkugel zusammensetzte.

Abb. 31: Alexander Skrjabin, Tempelentwurf zur Aufführung des Mystère, um 1914; Zeichnung o. A.

Zwölf Tore führten in das Innere, die gleiche Anzahl an Pfeilern mit Gestirnen in ihrer Verlängerung umgaben den Bau, symbolisch für die 12 Farbakkorde im Prometheus; 2.000 Menschen sollten im kreisförmigen Raum um den KünstlerPropheten Platz finden.404 Die Planungen waren bereits so weit vorangeschrien, dass die Finanzierung zur Errichtung in Indien durch englische eosophen gesi-

Dimensionen konnte Skrjabin vor seinem Tod nicht vollenden, es existieren Manuskripte und eine Skizze; s. AUSST.KAT. DER HANG ZUM GESAMTKUNSTWERK 1983, S. 283. 404 Sie sollten sich, »hierarchisch geordnet von den ›Eingeweihten‹ bis zu den ›Profanen‹, um sich in unauflöslichen Wellenbewegungen ineinander zu schieben, gleichsam den Akt kosmischen Werdens und Vergehens symbolisierend«, gruppieren (AUSST.KAT. DER HANG ZUM GESAMTKUNSTWERK 1983, S. 283).

132 | Vision ›Gesamtkunstwerk‹

chert war.405 Die Skizze Skrjabins präsentiert eine frühe Phase des MysteriumProjekts und ist daher wohl nicht nach 1906 zu datieren;406 später wurden die Dimensionen gigantischer und entmaterialisierter.407 Nichts sollte mehr an ein herkömmliches eater erinnern; es gab keine Bühne und Zuschauerraum, da die Differenz zwischen Akteuren und Besuchern aufgehoben werden sollte; alles bildete eine Einheit, die durch die Kunst und ihr Erleben entstand. Das synästhetische Erlebnis – wie es bereits ansatzweise für den Prometheus geplant war – wurde um den entscheidenden Faktor der Einbeziehung des ›Besuchers‹ im Mystère erweitert. Der Mensch sollte im künstlerischen Schaffensakt selbst aktiv werden und sich – ganz im Sinne Nietzsches – im dionysischen Rausch in Bewegung setzen. Skrjabins Ekstasebegriff umfasst zwei Motive: das christlich-mystische und das dionysische.408 Dieser Zustand stünde nach den Prometheischen­Phantasien (1924) kurz bevor. Das siebentägige Ritual diente der Beschleunigung der

405 Indien als das Zentrum der ältesten Religionen sollte mit dem Tempelbau ausgezeich-

net werden; s. ScHIBLI 1983, S. 336. 406 ScHIBLI 1983 (S. 336) datiert diese Skizze so und nennt dafür plausible Gründe, im

AUSST.KAT. DER HANG ZUM GESAMTKUNSTWERK 1983 (S. 283) hingegen wird sie »um 1914« eingeordnet. 407 Der Bau sollte in den Utopien Skrjabins eine große Beweglichkeit aufweisen, so schrieb er an Sabanejew: »I thought a long time about how to achieve fluidity and creativeness in the very structure of the temple… And suddenly it came to me it was possible to have colums of incense. … ey will be illuminated by the lights of the light-orchestra, and they will disperse and come back together again! ey will be enormous fiery pillars. And the entire temple will consist of them. And the building will be fluid and changing, fluid like the music. And its forms will express the mood of the music and words.« (Zit. nach BROWN 1979, S. 50.) Später wurden »the artistic fashioning of nature itself, with its daily changes of light and dark, noises of the forest, singing of the bird, and planetary motion above« als »integral parts of the symphony of colors, shapes, and odors in the score of the Mysterium« immer bedeutender für Skrjabin wie ScHLOEZER 1987 (S. 264f.) berichtet. Die Analogien zu Behrens’ weihrauchumwehten Tempel (s. Anm. 229) sind offenkundig, wenn auch nicht belegbar. 408 »Das Sein als Ganzes, d. h. die Geschichte des Weltalls, kann als Streben nach dem absoluten Sein aufgefasst werden, d. h. als Streben nach Ekstase, die ans Nichtsein grenzt und darin besteht, daß man sozusagen das­Bewusstsein­verliert, gewissermaßen ins Nichtsein zurückkehrt. Die Geschichte des Weltalls ist die Geschichte des Wachstums der menschlichen Erkenntnis bis zur allesumfassenden gölichen Erkenntnis. Sie ist – die Evolution Goes.« (SKRJABIN 1924, S. 84.) S. auch zur Ekstase bei Skrjabin ScHIBLI 1983, S. 307–311.

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Evolution, die die eosophen noch in weiter Ferne sahen; der Schlussakt des Mystère war ein orgiastischer Tanz, der sich durch die Ekstase auflösen und so den neuen Menschen hervorbringen sollte.409 Solch eine Grenzverwischung der Kunstarten kann nur bedingt in der Nachfolge Wagners verstanden werden, denn eine derartige Korrelation war nicht im Sinne seiner Synthese bzw. Parallelsetzung der Künste.410 »›Der Komponist offenbart das innerste Wesen der Welt und spricht die tiefste Weisheit aus, in einer Sprache, die seine Vernun nicht versteht; wie eine magnetische Somnambule Aufschlüsse gibt über Dinge, von denen sie wachend keinen Begriff hat […].«411

Mit diesen Worten Schopenhauers beginnt Arnold Schönberg seinen Aufsatz Das Verhältnis­zum­Text im Almanach Der­Blaue­Reiter und positioniert damit seine eigenen Werke dieser Phase als jenseits der Vernun liegend. Der Künstler als kreatives Genie sollte unabhängig von materieller Realität aus seinem Inneren heraus autonome Kunstwerke schaffen, die seiner Persönlichkeit Ausdruck verleihen und vom Betrachter nicht rezipiert, sondern ebenfalls nach eigenem Ermessen empfunden werden sollten. Eine derartige eorie des ›inneren Inhalts‹ eines Werkes, das zwischen einem ›Innen‹ (Inhalt) und ›Außen‹ (Beschaffenheit) der Kunst differenziert, war ganz im Sinne Kandinskys. Es verwundert daher nicht, dass sich der Herausgeber des Almanachs nach seinem ersten Konzertbesuch von Schönbergs Streichquarte op. 10 (1907 / 08) und Drei­Klavierstücke op. 11 (1909) dem Komponisten gegenüber euphorisch äußert412 und seinem Kollegen, Marc, in der Konzeptionsphase der Publikation mieilte: »Schönberg

409 Die eosophie verstand Ekstase als Trance, wohingegen Skrjabin eine Betonung des

dionysischen, tänzerisch-spirituellen sah. Beide verstanden darunter den Zustand, »in welchem sich das Unendliche dem höheren spirituellen Selbst vermielt« (ScHIBLI 1983, S. 308). 410 Dennoch versäumt es Sabanejew nicht, in seiner Besprechung von Skrjabins Prometheus auf Wagner zu verweisen; s. SABANEJEW 1912, S. 58. 411 ScHöNBERG 1912, S. 28. 412 S. HORSLEy 2006, S. 224. »Sie haben in ihren Werken das verwirklicht, wonach ich in freilich unbestimmter Form in der Musik so eine große Sehnsucht hae.« (Wassily Kandinsky an Arnold Schönberg, 18.1.1911, ed. in: HAHL-KOcH 1980, S. 19.) Den Eindruck hielt Kandinsky in seinem Gemälde Impression­III­(Konzert) fest; s. RAUTMANN 2002, S. 210–217.

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muß über deutsche Musik schreiben.«413 Für Kandinskys persönliche synästhetischen Ansätze spielt die Freundscha mit Schönberg eine wichtige Rolle,414 obwohl seine eigenen Überlegungen – wie noch zu zeigen sein wird – von Schönbergs abwichen. Der Komponist geht entsprechend seines Metiers stets von der Musik aus und sieht daher die Möglichkeit der Transformation des Menschen durch das synästhetische Erleben ausgehend vom Hören von Farben gegeben.415 eoretisch legt Schönberg diesen Aspekt kurz zuvor in seiner Harmonielehre (1911) auf den letzten beiden Seiten dar: Hier äußert er sich, stets um den Begriff der ›Klangfarbe‹ kreisend, über seine Vorstellung der Musik der Zukun und wählt als Basis die Analyse von ›Klang‹ als Kompositum aus Höhe, Farbe und Stärke.416 Farbe kommt sowohl dem einzelnen Ton zu als auch dem simultanen Erklingen mehrerer Töne; sie setzt sich dann aus der Summe der Komponenten zusammen, übersteigt sie aber.417 »Das Wesentliche der Klangfarbe« beruhe »im eigentümlichen Auau eines A k k o rd s «, wie Schönberg 1918 seinem Wiener Konkurrenten und Mitstreiter Josef Mahias Hauer (1883–1959) erklärte, und weiter: »Das Wesentliche jeder Klangfarbe ist ein bestimmter Akkord. […] Jeder Akkord enthält eine bestimmte Klangfarbe«.418 Mehrere davon, sinnvoll aneinandergereiht, ergeben eine ›Melodie‹, die kaum noch etwas mit dem herkömmlichen Melodiebegriff zu tun hat: ›Melodie‹ wird zum Oberbegriff für eine ver-

413 Wassily Kandinsky an Franz Marc, 1.9.1911, ed. in: LANKHEIT 1983, S. 54. 414 Neben der persönlichen Bekanntscha Kandinskys und Schönbergs lassen sich zahl-

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reiche übereinstimmende Überlegungen bezüglich Farbsymbolik und Farbigkeit des Instrumentalklangs in ihren nahezu zeitgleich erschienen Schrien Über­das­Geistige in­der­Kunst (1912) und Harmonielehre (1911) erkennen. Zur ästhetischen Einordnung Schönbergs s. DAHLHAUS 2005 und GERVINK 2000. Eine Methode, die DE LA MOTTE-HABER 1985 (S. 53–77) intensiver untersucht. Zur Realisierbarkeit der Klangfarbenkomposition schreibt Schönberg in der Harmonielehre: »Das scheint eine Zukunsphantasie und ist es wahrscheinlich auch. Aber eine, von der ich fest glaube, daß sie sich verwirklichen wird.« (ScHöNBERG 1923, S. 503f.) Dass sein op. 16,3 Farben (s. weiter unten und Anm. 420) nicht die endgültige Verwirklichung solcher Überlegungen war, erkannte er; später griff er auf Klangfarbenkompositionen, die im klanglichen Ergebnis mit Gewohnheiten brachen, nicht mehr zurück; sie wurden in den 1960er Jahren größtenteils ›wiederentdeckt‹. Dabei verschwimmt für Schönberg die Grenze von Farbe und Klang; s. ScHöNBERG 1923, S. 503f. HAUER 1966, S.  8. Hauer war mit dem Bauhausmeister Ien eng befreundet (s. Anm. 658). Diese Verbindung ist mit der Kandinskys und Schönbergs vergleichbar.

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Abb. 32: Arnold Schönberg, Farbenakkord, 1909; mit verschiedenen Herleitungen

ständliche Einheit. Diese Prinzipien werden häufig als Verbalisierung der zuvor erprobten Kompositionsweise Schönbergs verstanden und so wird die Harmonie­lehre öers in Verbindung mit dem Werk Farben (Nr. 3 aus den Fünf­Orchester­stücken op. 16 (1909)419) gesetzt (Abb. 32, 33).420 Das Stück wird von einem zentralen Akkord bestimmt (c–gis–h–e–a), einem nach traditionellem Verständnis nicht konsonanten Fünfklang, der wie die Akkorde Wagners und Skrjabins unterschiedlich zu deuten ist.421 Die Akkordtöne werden Ausgangspunkte horizontal verlaufender Stimmen: Zunächst führen sie einen Halbton nach oben, dann zwei nach unten. Dieses Modell wird auf alle fünf Töne angewandt; nach einem kompleen Durchlauf ist wieder der ursprüngliche Akkord entstanden, allerdings einen Halbton nach unten versetzt – strukturell stellt er damit das ruhende Zent-

419 Es liegt eine Einrichtung der Orchesterpartitur für zwei Klaviere von Anton Webern

(1883–1945) von 1913 vor; das Arrangement muss von Schönberg autorisiert gewesen sein. Die ›Bewilligung‹ zeigt, dass die musikalische ›Färbung‹ des Stücks nicht an die Instrumente gebunden ist, sondern aus dem gesamten Akkord resultiert. 420 Mit dem programmatischen Titel tat sich Schönberg schwer, wie die zahlreichen Änderungen zeigen: 1912 Akkordfärbungen, 1917 Farben, 1920 Der­wechselnde­Akkord (Der­Traunsee­am­Morgen) und Der­wechselnde­Akkord­(Morgen­am­Traunsee), 1922 Farben, 1924 Der­ wechselnde­ Akkord, 1925 Farben­ (Sommermorgen­ am­ See), 1952 Sommer­morgen­an­einem­See­(Farben) – Schönberg schwankte also zwischen ›Technischem‹ und ›Programmatischem‹ oder ›charakteristischem‹. 421 Er ist deutbar als eine willkürliche Schichtung von Tönen, als eine vertikalisierte chromatische Auswahlskala, als ein gewissermaßen ›verschmutztes‹ a-Moll (dieser Definition nach muss der Akkord als Dreiklang mit zwei ›eingefrorenen‹ Vorhalten gelesen werden), als Akkordkomplexion von a-Moll und E-Dur, als Terzschichtung (a-c-e-gis-e), als intervallische Struktur mit einer artschichtung (h–e–a) auf dem Fundament c–gis oder als ›ajoutierte‹ art-Schichtung um den zentralen Ton e. Neben derart harmonischen Überlegungen ist v. a. Schönbergs Auseinandersetzung mit Melodie auf Wagner zurückzuführen; s. MAUSER 1984.

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Abb. 33: Arnold Schönberg, Partitur Farben, erste Seite, 1909

rum dar. Durch das chromatische Umspielen der Töne und die Rückung des Akkords im Ganzen, aber auch durch die stets wechselnde Instrumentation erfolgt eine ›Färbung‹, die der Titel des Stücks anspricht.

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Ursprünglich war für den Almanach ein Beitrag Schönbergs über sein erstes Bühnenkunstwerk Die­ Glückliche­ Hand.­ Drama­ mit­ Musik op. 18 (1910–13) geplant.422 Wie auch Skrjabin zielt Schönberg hierin nicht auf eine Addition, sondern Synthese der Künste,423 sodass die einzelnen Disziplinen zum Inhalt selbst werden und in der Partitur festgehalten sind, weshalb die Oper auch als ›FarbenLicht-Spiel‹ bezeichnet wird.424 Alle fünf Szenen sind – im Gegensatz zu Skrjabins Promethée oder Kandinskys Der­Gelbe­Klang – von einer Handlung zusammengehalten: Um zu übernatürlicher Erfüllung zu gelangen, muss der Mensch das notwendige Leiden überwinden, durch die entindividualisierte Erscheinung des Prototypen sollte sich der Betrachter damit assoziieren können.425 Zur charakterisierung der einzelnen Figuren bediente sich Schönberg der Verwendung von Leitmotiven; ein Verfahren, das weder Skrjabin noch Kandinsky anwendeten, das jedoch die Nähe zu Wagner erkennen lässt.426 Außerdem entwarf Schönberg Bühnenbilder (Abb. 34), die laut Kandinsky im Almanach »einfach und sicher« mit den malerischen Mieln operieren und, so weiter, »ihn interessiert in der Regel nur dieser innere Klang. Alle Ausschmückungen und Feinschmeckereien lässt er

422 Aus welchen Gründen es nicht zu einem Aufsatz dieses emas kam, s. HORSLEy 2006,

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S. 224–227. Dass Schönberg über Die­Glückliche­Hand (s. hierzu MAUSER 1982) schreiben sollte verwundert, da die Komposition viele Parallelen mit dem im Almanach publizierten Bühnenwerk Kandinskys Der­Gelbe­Klang (s. weiter unten und Anm. 424) aufweist. Vollkommen zu Recht fragt MAUSER 1992 im Zusammenhang mit Schönbergs Glück­licher­Hand – unter Hinzuziehen von Skrjabins Prometheus –, ob es so etwas wie ein genuin expressionistisches Musiktheater gibt. S. ScHIBLI 1983, S. 238. »In der ›Glücklichen Hand‹ handelt es sich vor Allem: I. um das Farben-Licht-Spiel. Hierzu sind sehr starke Lichtquellen nötig und gute Farben: Die Dekoration muß so gemalt sein, daß sie die Farben annimmt!« (Regieanweisung zur »Glücklichen Hand«, ed. in: HAHL-KOcH 1980, S. 126). Eine knappe Zusammenfassung des Inhalts findet sich bei FREITAG 1973, S. 71f. Skrjabin und Kandinsky griffen für ihre Bühnenkompositionen auf mythische oder allegorische Figuren zurück; s. MARTINO 1995, S. 672. Kandinsky und Schönberg verwendeten beide das gesamte Stück hindurch Farbe und Licht. Die engste Parallele lässt sich nach ebd. (S. 574) zwischen dem drien Bild der Glücklichen­Hand und dem fünen des Gelben­Klangs erkennen. Besonders auffällig wird diese musikalische charakterisierung in der zweiten Szene, wenn die Frau dem Mann einen Becher mit einem Trank gibt – in enger Parallele zum Liebestrank in Tristan­und­Isolde; s. MARTINO 1995, S. 574.

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ohne Beachtung und die ›ärmste‹ Form wird in seinen Händen die reichste.«427 Interessant ist hier nicht die noch weiter ausgeführte negative Kritik Kandinskys an Schönbergs Gemälden,428 sondern das fraglose Ziel der Auslösung von Kandinskys ›inneren Klangs‹ sowohl beim Künstler als auch dem Rezipienten. Abb. 34: Arnold Schönberg, BühnenbildentSchönberg war, so kann resümiert wurf für Die Glückliche Hand, 2. Szene, werden, kein Synästhetiker, obwohl er 1910–13; Öl auf Karton; 22 × 30 cm; Lawzwar wie Skrjabin die Musik mit Farrence Schoenberg, Inv.-Nr. EF B11; Jasi 162 ben verband, dies jedoch nicht über ein Farbenklavier o. ä. erfolgte, sondern mit Hilfe von Bühnenanweisungen im Stil eines Regiebuchs. Die so mit Zeichen festgehaltenen Farbwechsel in der Partitur sind mit der Musik koordiniert, allerdings nicht an bestimmte Harmonien gekoppelt; von einer Visualisierung der Musik, die auch unabhängig davon einen emotionalen Wert transportiert wie im Prometheus, kann also in Die­Glückliche­Hand nicht die Rede sein. Nicht zuletzt diese grundverschiedenen Ausgangspunkte einer Farb-Ton-Korrelation zeigen die divergenten Positionen der beiden Komponisten. »Und man sieht, daß die allgemeine Verwandtscha der Werke, die durch Jahrtausende nicht geschwächt, sondern immer mehr und mehr gestärkt wird, nicht im Äußeren, im Äußerlichen liegt, sondern in der Wurzel der Wurzeln – im mystischen Inhalt der Kunst.«429

So schreibt Wassily Kandinsky in seinem kurz vor dem Almanach Der­Blaue­Reiter erschienenen Buch Über­das­Geistige­in­der­Kunst (1911 fertiggestellt, 1912 publiziert)430 der Kunst ein ›Äußeres‹ und ein ›Inneres‹ zu;431 das Ziel der Kunst ist

427 KANDINSKy 1912B, S. 94. 428 Eine solche Skepsis zeigt sich z. B. bei Franz Marc und August Macke (1887–1914);

s. FREITAG 1973, S. 65. Vielleicht setzt sich deswegen weder die Kunstgeschichte noch die Musikwissenscha bis heute mit Schönbergs Bühnenbildentwürfen auseinander. 429 KANDINSKy 1912A, S. 83. 430 Nach HORSLEy 2006 (S. 302) erschien das Buch im Dezember 1911 bei R. Piper & co. in München, wurde jedoch vom Verleger auf 1912 datiert. Kandinsky selbst schreibt im

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daher das Schaffen, basierend auf der »inneren Notwendigkeit«.432 Anklänge an theosophische und anthroposophische Schrien werden hier auf theoretischer Ebene bereits deutlich und in seinem im Almanach veröffentlichten Aufsatz Über Bühnenkomposition erneut aufgegriffen; in den praktischen Bereich konsequent fortgeführt werden diese Überlegungen in dem direkt anschließend abgedruckten eaterkunstwerk Der­Gelbe­Klang­(Abb. 35).433

Vorwort zur zweiten Auflage, dass das Buch bereits 1910 abgefasst worden sei (s. zur Literaturlage bezüglich des Bühnenwerks Kandinskys Anm. 433 und 450). Hierin äußert sich der Künstler auch zum ema Tanz und rühmt dabei Isadora Duncan, während er Loïe Fuller auffallend unbeachtet lässt; s. DANZKER 1995, S. 59. 431 Kandinsky räumt in seinem im Almanach erschienenen Aufsatz (der auch als Manifest der Gruppe ›Der Blaue Reiter‹ verstanden werden darf) Über­die­Formfrage (KANDINSKy 1912B) ein, nicht allein diese Unterscheidung gefunden zu haben (s. ausführlicher zum Text HORSLEy 2006, S. 50–62). Die Begriffe könnten daher äquivalent zum ›Reinkünstlerischen‹ und ›Gegenständlichen‹ verwendet werden. Beide Pole sollten immer im Gleichgewicht sein, eine Überlegung, die Kandinsky für irreführend hält, da in seinen Augen beide Elemente aufgrund des gemeinsamen Ziels (s. weiter unten) identisch sind. 432 KANDINSKy 1912A, S. 133. 433 Kandinsky entwickelte mehrere Fassungen des Gelben­Klangs, bis er zu der im Almanach abgedruckten Fassung fand; s. die erstmalige komplee deutsche Veröffentlichung bei KANDINSKy 1998, S. 53–87 und deren Analyse bei HORSLEy 2006, S. 334–346. Außerdem schuf er vier weitere Bühnenkompositionen: Schwarz­und­Weiß (1909), Grüner­Klang (1909) und Violeer­Vorhang (1914); s. FORNOFF 2004, S. 287. Sie alle lassen bereits in der Namensgebung die Bedeutung von Farbe erkennen, obwohl der Titel für Der­Gelbe­Klang ursprünglich nicht von Anfang an den Abstraktionsgrad aufwies; s. HORSLEy 2006, S. 311f. Möglicherweise entstand Der­Gelbe­Klang unter dem Eindruck der in München zwischen 1907 und 1910 aufgeführten Mysteriendramen Steiners (s. Kapitel III.1.2.2) oder auch den Aufführungen des Münchner Künstlertheaters. Zur kaum zu überblickenden Forschungsliteratur zu Kandinsky s. die Zusammenstellung bezüglich seiner Bühnenarbeit bei ScHOBER 1994, S. 95–101, 130–162; GRUND 2002, S. 163–166; FORNOFF 2004, S. 275–277, 349f. Die sehr ergiebige Arbeit ELLER-RÜTERs 1990 betrachtet Kandinskys eatertätigkeit und verortet diese in den damaligen Bestrebungen; s. Literaturüberblick S. 4–8. Eine detaillierte Untersuchung der einzelnen Bühnenelemente (Farbe, Bewegung, Musik) nimmt HORSLEy 2006 (S. 307–349) anhand des Gelben­Klangs vor; s. auch zur älteren Literatur.

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Abb. 35: Wassily Kandinsky, Partitur Der Gelbe Klang, erste Seite, 1912

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Bereits in Über­ das­ Geistige­ in­ der­ Kunst arbeitet Kandinsky die für ihn wesentlichen drei Elemente der Bühnenkunst heraus: die »musikalische«, die »malerische« und die »tanzkünstlerische Bewegung«.434 Deren Kombination als selbständige Miel sei aufgrund der gleichen Kernaussage möglich und würde in dieser Häufung zu einer Intensivierung des ›inneren Klangs‹ führen; so entstehe ein Monumentalwerk, das dem neuen geistigen Zeitalter entspräche.435 Eine solche Zusammenführung der Kunstformen sieht Kandinsky wegen der unterschiedlichen Aufnahme der Rezipienten als notwendig an und postuliert die führende Rolle der Musik, die als Immateriellste der Künste den tiefsten Eindruck vermile.436 In seinem Almanach-Aufsatz Über­Bühnenkomposition entwickelt er diese Gedanken weiter,437 indem er der Musik im Sinne Nietzsches die Eigenscha des direkten »Ausdrucksmiel[s] des seelischen Lebens des Künstlers« zusprach und damit über eine reine Darstellbarkeit hinausging.438 Die Idee des ›inneren Klangs‹ zeigt die Vorrangstellung der Musik, die »das Glück schon besitzt[,] auf rein praktische Zwecke vollkommen zu verzichten« (wie Kandinsky Schönberg in einem Brief 1911 mieilt)439 und damit den Schri zur abstrakten Kunst bereits gewagt hat. Mit diesem auf den ersten Blick an Wagner erinnernden messianischen Anspruch geht Kandinsky jedoch zugleich über diesen hinaus und denkt in der Musik nicht nur an eine Erneuerung und Reinigung des religiösen Bewusstseins der Massen, sondern »wenn dieses Miel richtig ist, so verursacht es eine

434 KANDINSKy 1912A, S. 125 sowie HOWE 1996, bes. S. 13–20. 435 S. KANDINSKy 1912A, S. 60. 436 S. MARTINO 1995, S. 562. Dabei ging die musikalische Bildung Kandinskys nicht »über

die im damaligen Bürgertum übliche« (HAHL-KOcH 1985, S. 354) hinaus. 437 Der Aufsatz liegt in verschiedenen früheren Fassungen vor, die eine zunehmende

Präzisierung und Strukturierung der Gedanken erkennen lassen, s. HORSLEy 2006, S. 303–307. 438 KANDINSKy 1912A, S. 54. In Kapitel 6 seines Buches Über­das­Geistige­in­der­Kunst (KANDINSKy 1912A, S. 66–113) geht er dezidiert auf die Beziehung von Farben und bestimmten Instrumentalklängen ein. Als wesentliches Merkmal der Musik spricht Kandinsky der Musik den Aspekt des Zeitlichen zu, auch wenn er zugleich diese Zuordnungen nach Punkt­und­Linie­zu­Fläche für hinfällig hält: »Die scheinbar klare und berechtigte Teilung: Malerei – Raum (Fläche) | Musik – Zeit ist bei näherer […] Untersuchung […] zweifelha geworden.« (KANDINSKy 1926, S. 34.) 439 Wassily Kandinsky, zit. nach HAHL-KOcH 1980, S. 71.

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beinahe identische Vibration in der Seele des Empfängers«.440 Die Kritik an Wagner wird gleich zu Beginn seines Aufsatzes mit der Beleuchtung der Probleme der Oper im 19. Jahrhundert laut:441 Einerseits erhebt Kandinsky den Anspruch, die Ideen Wagners weiterentwickelt zu haben, indem er ebenfalls von der Analyse der einzelnen künstlerischen Disziplinen ausgeht. Andererseits setzt Kandinsky Wagners ›Fortschrisbestrebungen‹ in der Zusammenführung der Künste ›Rückschrilichkeit‹ entgegen, weil die Rückbindung der Bewegung an die Musik »nur äusserlicher Natur« sei442 und nicht mehr wie früher mit dem Text zusammen hinge, dessen Handlung wiederum über das Leitmotiv musikalisch, dogmatisch gebunden wäre; außerdem sei das Wort als Ausdrucksmiel der Musik übergeordnet, wurde jedoch laut Kandinsky »in der Regel […] vom Orchester übertönt«, des Weiteren fände die Farbe keinerlei Berücksichtigung bei Wagner.443 Die bemängelte fehlende Einheit der künstlerischen Disziplinen regte Kandinsky jedoch nicht nur auf theoretischer Ebene an, sondern veranlasste ihn zu praktischen Überlegungen, wie er sie im Blauen­Reiter nach seinem – als einleitend für die Bühnenkomposition und als ›Manifest‹ der gesamten Publikation zu verstehenden – Aufsatz Über­Bühnenkunst in Form seines Werks Der­Gelbe­Klang präsentiert. Die historisch-eschatologische Kra der Kunst Kandinskys erschwerte der Forschung die Interpretation des Stücks; trotzdem wertet sie Den­Gelben­Klang als »Meilenstein der modernen eaterentwicklung«.444 In einer Einleitung und

440 KANDINSKy 1912c, S. 105. Die grundlegende Idee für die ›Vibrationen‹ erhielt Kandin-

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sky aus der eosophie (s. FORNOFF 2004, S. 308–321, s. auch Kapitel III.1.2); sie sind die Ausgangsbasis zum Konzept der Dematerialisierung (wie sie die Suprematisten, Dekonstruktivisten, Futuristen etc. forderten). Der »innere Klang« wurde bei Kandinsky durch ein optisch-physisches Erlebnis hervorgerufen, das »allgemeinmenschlich« sei (KANDINSKy, Wassily: Bauhaus-Vorlesungen, 1932, zit. nach WAGNER 2005A, S. 158). Kandinskys kosmisch-mystische Spiritualisierung hat nichts mit Wagners mythischen Welten zu tun, dieser Unterschied zeigt sich deutlich in Kandinskys ›innerem Klang‹ und Wagners Begriff des ›Reinmenschlichen‹; s. KROPFINGER 1984, S. 191. S. ScHOBER 1994, S. 111–115. KANDINSKy 1912c, S. 108. Ebd., S. 109. FORNOFF 2004, S. 350. Diese Position bedarf jedoch unter Berücksichtigung des bisher Angeführten (Entwürfe Behrens’, Fuchs’, Skrjabins, Schönbergs) einer kritischen Betrachtung. So entwickelte Kandinsky zwar in sehr komplexer Weise sein Bühnenwerk, dennoch griff er hier auf bereits vorhandenes Gedankengut zurück: ELLER-RÜTER 1990

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sechs Bildern wird kein Zusammenhang im Sinne einer kohärenten Handlung hergestellt, sondern soll mit Hilfe von Farbsequenzen, Gesten, menschlichen Lauten und instrumentalen Tönen das Publikum bewegt werden:445 Die ersten fünf Bilder stellen den Konflikt zwischen dem Geistigen und Materiellen dar, das Schlussbild gelangt zur theatralen Offenbarung des Heiligen Geistes.446 Die Darsteller agieren als abstrakte charaktertypen, dadurch dass sie in langen farbigen Gewändern im Rahmen einer dreidimensionalen Bildkomposition aureten sollten.447 Mit der Schaffung derartiger Archetypen – weiterhin gekennzeichnet durch Namenlosigkeit, keine Verortung in Raum und Zeit etc. – findet eine Universalisierung sta, wie sie für das expressionistische eater, aber auch die Abstraktion typisch ist. Das Ziel war es daher nicht, einen bestimmten Stimmungs- oder Symbolgehalt zu erzeugen, sondern durch Ansprache der Emotionen und Phantasien des Rezipienten sollte dieser in ›Vibration‹ versetzt werden – ähnlich wie es auch Skrjabin postulierte.448 Die einzelnen theatralischen Elemente

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(S. 131) nimmt u. a. an, dass Kandinsky von Rudolf Steiners Mysteriendramen (s. Kapitel III.1.2.2) wusste, da Emy Dresler (1880–1962), die Kandinsky aus der ›Neuen Künstlervereinigung München‹ kannte, Kostüme und Kulissen für Steiners Münchner Uraufführung anfertigte. Außerdem kannte Kandinsky Behrens und vermutlich auch Fuchs; s. GRUND 2002, S. 167f. Unter direkter Beeinflussung von Kandinskys Der­Gelbe Klang kann Bruno Tauts abstraktes Bühnenkunstwerk Der­Welt­bau­meister (1919) verstanden werden; s. FORNOFF 2004, S. 396–401. Aber auch Lothar Schreyers Werke der ›Sturmzeit‹ (s. Anm. 624) zeigen eine intensive Beschäigung mit Kandinskys Der Gelbe­Klang; s. ELLER-RÜTER 1990, S. 121–140. PöRTNER 1960 (S. 58) kam zu dem Schluss, dass Kandinskys erste Texte es gewesen seien, »die nur mit malerisch-bildlichen Elementen eine gegenstandlose Dramatik in einer Synthese reiner Elementarteile (Farbe, Linie, Form, Bewegung) schaffen.« S. FORNOFF 2004, S. 367. S. GRUND 2002, S. 181. Kandinsky thematisiert demnach nicht wie zuvor Duncan, Laban oder Dalcroze den menschlichen Körper, obwohl er sich mit diesen Bewegungsformen, genauso wie mit der Eurythmie 1908 auseinandersetzte (Jahresangabe s. BRAUNEcK 1982, S. 216f.); dies belegen Briefe an Gabriele Münter (1877–1962) seit 1902, in denen Kandinsky auf Appia und craig als Vorläufer verweist; s. GRUND 2002, S. 178. Besondere Bedeutung kommen den Farben zu, deren emotionalen Gehalt HORSLEy 2006 (S. 309–318) genauer betrachtet (gestützt auf ELLER-RÜTERs 1990). So bestimmte Kandinsky bereits in Über­das­Geistige­in­der­Kunst sieben Hauptfarben; analog dazu gibt es in Dem­Gelben­Klang sieben ›Szenen‹. Die Anfangs- und Schlusssequenz dominiert bei Kandinsky – wie auch bei Skrjabins Prometheus – die Farbe Blau.

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greifen so ineinander, dass kaum Grenzen auszumachen sind:449 So werden die eher tänzerischen Bewegungen von der Musik gelenkt, die wiederum unmielbar mit der Farbe verbunden scheint; darüber hinaus ›steuern‹ die von dem mit Kandinsky eng befreundeten russischen Komponisten omas von Hartmann (1885–1956) geschriebenen musikalischen und klanglichen Elemente die Bewegung zusätzlich.450 Kandinsky fordert also ein synthetisches Bühnenkunstwerk und nicht, wie er in kritischer Auseinandersetzung mit Wagner resümierte, ein additives. Somit bezieht er mit seiner Ausdrucksweise eine Position zwischen Lebensreform und Bauhaus.

449 Der Zusammenhang der drei Elemente wird in zwei Diagrammen von 1908 / 09 – auf

Deutsch von Gabriele Münter und auf Russisch von Kandinsky und Hartmann – festgehalten, die zwar nur bedingt mit dem Gelben­Klang in Verbindung stehen, aber das Prinzip veranschaulichen; s. HORSLEy 2006, S. 332f. 450 »Oder umgekehrt!«, wie mit Kandinskys eigenen Worten gegenüber Schönberg auch hier kritisch gefragt werden darf, denn »wenn man von der Wurzel wegkommt, so wird jede Kombinationsmöglichkeit ein ›oder umgekehrt‹.« (Wassily Kandinsky an Arnold Schönberg, 22.8.1912, ed. in: HAHL-KOcH 1980, S. 72.) Dieser Grundsatz veranschaulicht erneut das Ineinandergreifen der einzelnen Bühnenelemente, die im Detail auch immer wieder Entgrenzungsbestrebungen zeigen. So arbeitet beispielsweise Hartmann musikalisch über Klangbereiche, die, treffen zwei aufeinander, häufig oktatonische Harmonien bilden. HORSLEy 2006 (S. 324–332) kommt bei ihrer Betrachtung der Musik zu dem Schluss, dass es »kein Wunder [ist], dass Kandinsky die Werke Schönbergs, [Alban] Bergs [1885–1935] und Weberns gleich positiv aufnahm, wenn er es gewohnt war, von seinem besten Freund solche Harmonien zu hören.« (S. 331.) Die Freundscha von Kandinsky und Hartmann äußert sich in einer Geistesverwandtscha, die einen intensiven intellektuellen Austausch voraussetzt wie er in ihren Beiträgen im Almanch ersichtlich wird. Heute ist Hartmann fast in Vergessenheit geraten, obwohl die Freundscha der beiden Künstler v. a. auch für Kandinsky nicht unterschätzt werden darf; s. HORSLEy 2006, S. 66–69. ELLER-RÜTERs 1990 interdisziplinäre Untersuchung nimmt nur Kandinskys Beschreibung der Musik in den Blick, nicht jedoch Hartmanns Musik. Insgesamt bleibt die Musik Hartmanns qualitativ hinter der seiner hier betrachteten Kollegen zurück.

Kunst und Politik | 145

1.2 Zusammenleben auf einem anderen grünen Hügel: Die Anthroposophische Gesellscha »Ein neues Bayreuth wird in Dornach in der Schweiz vorbereitet, ein Tempel und zugleich eine Hochschule, … eine neue Weltanschauung durch die Offenbarung der zukünigen und transzendenten Kunst.«451

Mit diesen Worten soll der französische Schristeller und eosoph Édouard Schuré, dessen Dramen Steiner u. a. inszenierte und aufführte,452 das Ziel der anthroposophischen Tätigkeiten in Dornach bei Basel 1913 /14 formuliert haben. Der mit Wagner und Steiner befreundete Schuré berichtet, dass Steiner bereits bei ihrer ersten Bekanntscha 1906 den Plan eines eigenen Baus zur Aufführung seiner Mysteriendramen, vergleichbar dem Hellerauer Projekt, hegte.453 Diesen Wunsch konnte er sich mit dem Bau des ersten (1913–20) und zweiten Goetheanums (1923–28) in Dornach bei Basel erfüllen. Hier wurden nicht nur feierlich die Mysteriendramen inszeniert, sondern auch die dabei präsentierte Eurythmie geübt. So entstand ab 1918, beeinflusst durch die Lebensreform, das was heute gemein hin als Anthroposophie verstanden wird;454 die Lehre als weltanschauliche Glaubensrichtung war zu dem Zeitpunkt bereits fest etabliert.

451 Tagebucheintrag von Edouard Schuré 1913 /14, zit. nach ScHNEIDER 1971, S. 192. Unter

dem Titel eater­der­Einweihung vergleicht Schuré Wagners Musikdramen mit Steiners Mysteriendramen unter der von ihm geprägten Idee des ›eaters der Seele‹, die er Zeit seines Lebens verfolgt; s. ebd., S. 202–214. 452 S. KOERNER 1982, bes. S. 92–110 und Anm. 512. 453 Unabhängig vom Wahrheitsgehalt dieser Aussage war die Bindung Steiners und Schurés sehr eng, wie zahlreiche Briefe und der gegen Lebensende nicht abgeschlossene Versuch einer überzeugenden Zusammenfassung zur Anthroposophie belegen. Die Bekanntscha muss laut ScHNEIDER 1971 (S. 198) als Wendepunkt in Schurés Leben und Schaffen verstanden werden. 454 Genannt seien hier: die Gesellschastheorie der ›Dreigliederung‹ (1919), die erste Waldorfschule (1919), die Heilpädagogik und anthroposophische Medizin einschließlich der Arzneimielproduktion (Weleda) (seit 1920), die Christengemeinscha als anthroposophisch inspirierte Kirche (1922) oder auch die ›biologisch-dynamische‹ Landwirtscha (Demeter-Produkte) (1924); s. ZANDER 2001, S. 434f.; KUGLER 2001, S. 113–115. Die Anthroposophie stellt sich unter diesen Aspekten als eine in ständiger Transformation sich bis heute behaupten könnende Gesellscha dar, die jeweils entlang des ›Zeitnervs‹ verschiedene Lebensbereiche in für die Allgemeinheit tauglicher Art und Weise anspricht.

146 | Vision ›Gesamtkunstwerk‹

Die Anthroposophische Gesellscha entwickelte sich aus der eosophischen Gesellscha455, deren Mitglied Rudolf Steiner im Januar 1902 wurde; kurze Zeit später leitete er die deutsche Sektion.456 Die spirituelle und organisatorische Grundlage durch die eosophische Gesellscha war für die flächendeckende Verbreitung der Anthroposophie – im Gegensatz zu den sich aus bürgerlich-adligem Klientel rekrutierenden eosophen – hilfreich. Inhaltlich brachte Steiner christlich-rosenkreuzerische Ideen in die Gedankenwelt hinein, die sich von der ursprünglich orientalisch, spirituell geprägten Basis unterschieden. Nachdem Steiner die Gründung der von den eosophen unabhängigen Anthroposophischen Gesellscha in die Wege geleitet hae, vollendete er diese nach dem Bruch mit den eosophen im Dezember 1912.457 Die Abspaltung hae auf die Stellung der Kunst innerhalb der Gemeinscha gravierende Auswirkungen: Bei den eosophen spielte sie eine untergeordnete Rolle, erst durch Rudolf Steiner gewann

455 S. die ausführliche Untersuchung von ZANDER 2007, in der er sowohl die organisato-

rischen Strukturen als auch die verschiedenen ideologischen Grundlagen von eosophie und Anthroposophie darlegt. Die eosophische Gesellscha wurde 1875 von Helena Blavatsky und Henry Steel Olco (1832–1907) gegründet; s. ZANDER 2001, S. 433; OHLENScHLÄGER 1999, S. 16. Sie versteht sich als die Wahrheit, die hinter allen Religionen steht, dazu verkündet sie Lehren, die in allen Religionen vorkommen oder kamen. Die Gesellscha hat in der Folge verschiedene Änderungen in ihrer Ausrichtung erfahren. Obwohl die frühe Entwicklung in einem dialektischen Verhältnis von Spiritismus und Spiritualismus stand und um 1900 die Freimaurer, Rosenkreuzer und das esoterische christentum einen wesentlichen Einfluss übten, ging der charakteristische Zug der Vereinigung in der Betonung des ›wissenschalichen‹ charakters nie verloren; s. BAX 1995; ZANDER 2001, S. 433–435. Für weitere Informationen bezüglich der Symbolik s. OHLENScHLÄGER 1999, S. 16f. 456 S. ebd., S. 18. Das organisatorische Prinzip der eosophischen Gesellscha sah eine Unterteilung in einzelne Sektionen vor, die als staatliche oder nationale Ordnung in einzelne Logen zerfällt und von dem gewählten Präsidenten im Hauptquartier im indischen Adyar bei Madras (s. Anm. 398) geleitet werden. 457 Die Streitigkeiten zwischen Steiner und der Vorsitzenden Annie Besant (1847–1933) sowie Wilhelm Hübbe-Schleiden (1846–1916) spitzten sich immer mehr zu; schließlich eskalierte die Situation in der Ernennung des Hinduknaben Jiddu Krishnamurti (geb. 1895) als den erwarteten ›Weltlehrer‹ und zukünigen Träger der christuswesenheit. Steiners Auffassung christi war absolut diametral dem entgegengesetzt. Letztlich wurde die gesamte deutsche Sektion im Februar 1913 von der eosophischen Gesellscha ausgeschlossen; s. GRAF 2002, S. 104f.; ZANDER 2001, S. 434.

Kunst und Politik | 147

sie an Bedeutung.458 Die Anthroposophie rege den Menschen künstlerisch an und assistiere dem ›religiösen Erleben‹; so würde die in der Antike geforderte und in den ›alten Kultstäen des Mysterienwesens‹ praktizierte Einheit von Kunst, (anthroposophischer) Wissenscha und Religion restituiert.459 Konkret bedeutet dies, dass alle künstlerischen Formen aus der Lebens- und Geisteshaltung der anthroposophischen Lehre entstehen und im Umkehrschluss den Formen eine unmielbare Aussagekra zugesprochen wird.460 Die Idee war bei allen anthroposophischen Bauten eine Symbiose von künstlerisch gestaltetem Raum und spiritueller Betätigung. Auf der Grundlage dieser Ideen wurde das Verlangen der Anthroposophen nach einem eigenen Bau, in dem sie ihrer Lehre Ausdruck verleihen können, immer größer. So entstanden nach dem Modellbau in Malsch bei Karlsruhe (1909, inspiriert von der Ausschmückung der Münchner Tonhalle 1907)461 und dem Kongress- und Vortragssaal im Untergeschoss des Baus

458 Bereits im November 1888 hae er im Wiener Goetheverein die Basis seines Kunst-

konzepts dargelegt; der Vortrag wurde unter dem Titel Goethe­als­Vater­einer­neuen Ästhetik publiziert; s. STEINER 1963B. Beim eosophischen Kongress 1907 in der Münchener Tonhalle ließen sich Steiners künstlerische Ambitionen in der Raumdekoration oder den verschickten Programmheen mit Rosenkreuzeremblemen erkennen, die v. a. seiner Selbstinszenierung dienten; s. ausführlicher OHLENScHLÄGER 1999, S. 54–63 und BIESANTZ / KLINGBORG 1978, S. 9–11. Es ging Steiner nicht nur um die Details, sondern er wollte über die Betrachtung der Formen und Farben in die Sphäre des Imaginativen gelangen, um ein seelisches Erlebnis zu erfahren; s.  ROGGENKAMP 1986, S. 22–56; KUGLER 1995, S. 52–54. 459 S. zur durchgehend verwendeten Terminologie STEINER 1925, bes. S. 465. 460 Dies betont auch Steiner immer wieder, s. z. B. STEINER 1972; s. auch Kapitel III.1.2.3. 461 Die Einflüsse der beim Münchner Pfingstkongress beschriebenen und ansatzweise dargestellten Forderungen nach einem Rosenkreuzertempel sind in Malsch deutlich zu erkennen (s. die Wiederholung einiger Gestaltungsmotive, wie die zweimal sieben Planetensäulen, die West-Ost-Ausrichtung). Den Modellbau errichtete Ernst August Karl Stockmeyer (1886–1963) in ständiger Rücksprache mit Steiner, er nahm auch die Grundsteinlegung in der Vollmondnacht vom 5. auf den 6. April 1909 vor; s. ZIMMER 1979; STOcKMEyER 2005; PEHNT 1991, S. 8f.; OHLENScHLÄGER 1999, S. 64–67; BIESANTZ / KLINGBORG 1978, S. 11f. Die heutige Malerei ist ein Produkt der Fertigstellung (1957– 65) durch Albert von Baravalle (1902–83) und der zugleich vorgenommenen architektonischen Restaurierung der 1950er Jahre. Der Bau besteht aus zwei sich überschneidende Ellipsen, die lediglich durch einen Oculus im Gewölbe Licht erhalten (s. ScHÄFER 2003); damit weist er insgesamt einen Höhlencharakter auf.

148 | Vision ›Gesamtkunstwerk‹

in Stugart (1911)462 die Pläne für den Münchner Johannesbau (1911–13),463 welche schließlich in Dornach bei Basel für das erste Goetheanum (1913–20) wiederaufgegriffen wurden;464 nachdem dieser hölzerne Bau nach nur zwei Jahren der Inbetriebnahme in der Silvesternacht abbrannte, wurde an gleicher Stelle das zweite Goetheanum (1923–28)465 in Stahlbetonkonstruktionsweise errichtet.466 Auch wenn die Eurythmie stellenweise stark standardisiert erscheint, so ist sie doch für Anthroposophen die Kunst der Sichtbarmachung des Apollinischen und Dionysischen der Dichtkunst und ist damit vergleichbar mit dem sich um

462 Über diesen Bau der Zweigstelle der eosophischen Gesellscha in Stugart ist

463

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wenig bekannt, er ist jedoch ohne Steiners Mitwirken von carl Schmidt-curtius (1884–1931) errichtet worden. Die Einweihung erfolgte im Oktober 1911, nach dem Ersten Weltkrieg bis in die 1930er Jahre blieb der Raum ungenutzt. 1935 wurde die Anthroposophische Gesellscha verboten, dies hae den Verkauf des Hauses zur Folge; lediglich die ›Planetensäulen‹ konnten gereet werden (heute im Garten der psychiatrischen und neurologischen Fachklinik in Buchenbach bei Freiburg im Breisgau). Der im Keller gelegene sog. ›Säulensaal‹ erhielt durch einen Oculus im südöstlichen Teil des Gewölbes künstliches Licht; s. OHLENScHLÄGER 1999, S. 70–76; PEHNT 1991, S. 9; BIESANTZ / KLINGBORG 1978, S. 13f. Entscheidend ist, dass hier bereits die Idee zweier verschmelzender Kuppeln (für einen größeren Zuschauersaal und eine kleinere Bühne) ausgebildet war. Diese Idee ging nach Aussagen des Architekten auf Steiner zurück. Als Architekt zeichnete wie bereits beim Stugarter Raum und später auch beim ersten Goetheanum Schmidt-curtius verantwortlich. Das Projekt für München-Schwabing wurde 1913 endgültig abgelehnt; s. PEHNT 1991, S. 9f.; OHLENScHLÄGER 1999, S. 76–88; BIESANTZ / KLINGBORG 1978, S. 15f. S. zur Motivübernahme in München OHLENScHLÄGER 1999, S. 90–93; BIESANTZ / KLINGENBORG 1978, S. 68–70. Direkt im Anschluss an die Zerstörung wurden Überlegungen zu einem Neubau angestellt, letztlich jedoch verworfen und stadessen ein neues Gebäude errichtet, dessen Rohbau am 29. September 1928 eröffnet wurde; s. PEHNT 1991, S. 6. Auch wenn Steiner stets bemüht war, auf mystisch-sakrale Elemente abzielende Assoziationen zu vermeiden, gelang ihm dies nicht vollständig. Exemplarisch zeigt sich dies in der Namensgebung des Baus: Die ursprüngliche Bezeichnung ›Johannesbau‹ wurde von der öffentlichkeit von Johannes dem Evangelisten oder Johannes dem Täufer sta von Johannes omasius aus Steiners Mysteriendramen abgeleitet, daher wurde es schon 1917 in ›Goetheanum‹ umbenannt. Dieser Name bürgerte sich jedoch erst während der letzten Kriegsjahre ein. Mit der Benennung nach Goethe wurde sogleich die gedankliche Ausrichtung zum Ausdruck gebracht; s. ZANDER 2007, S. 435– 501; zusammenfassend OHLENScHLÄGER 1999, S. 153 und PEHNT 1991, S. 12.

Kunst und Politik | 149

1900 entwickelnden modernen (Ausdrucks-)Tanz:467 Sie werde in der Eurythmie nicht wortgetreu wiedergegeben, sondern deren ›tieferer‹ Erkenntnisgehalt den Zuschauern vermielt. Die Frage, ob dieses theoretische Konzept auch von Nichtanthroposophen verstanden wurde, damit also auch von einer breiteren Masse häe umgesetzt werden können, kann nicht beantwortet werden, für sie selbst war es jedoch die Grundlage der Erkenntnis geistiger Welten. Die Eurythmie kann jedenfalls nicht ohne Zuhilfenahme der okkulten Philosophie Steiners verstanden werden, denn auch hier gilt – wie z. B. für die Architektur –, dass unter künstlerischer Intuition zu dem Ausdruck gefunden wurde und man nur über das Schauen zu höherer Erkenntnis gelangt.

Abb. 36: Rudolf Steiner (Entwurf), Zweites Goetheanum in Dornach, Gesamtansicht aus der Vogelperspektive, 1923–28 erbaut; akt. Foto o. A.

467 S. S. 352 und bes. VINZENZ 2012.

150 | Vision ›Gesamtkunstwerk‹

1.2.1

Architektur als Ausdruck der Anthroposophie: Das Goetheanum in Dornach

»In gewisser Beziehung sollen wir ja einen Tempel bauen, der zugleich, etwa wie dies die alten Mysterientempel waren, eine Lehrstäe ist. ›Tempel‹ benennen wie immer im Laufe der Entwicklungsgeschichte der Menschheit alle die Kunstwerke, die dasjenige umschlossen, was den Menschen das Heiligste war.«468

Prägnant formuliert Steiner hier 1911 das Ziel der Dornacher Architektur: Es sollte ein ›Tempel‹ entstehen, jedoch nicht rein als architektonische Form verstanden, sondern hinsichtlich seiner Funktion am griechischen Vorbild orientiert, der als topografischer und ideeller Raum dienen sollte (Abb. 36); es zeigt sich hier Steiners Wunsch nach einem ›Rosenkreuzertempel‹.469 So ist die gesamte Anlage

468 STEINER 1945, S. 8. 469 In der kunsthistorischen Literatur wird das Goetheanum meist nur am Rande behan-

delt und dann unter der Frage der stilistischen Einordnung: So ordnete MEyER 1928 die Architektur Steiners dem Jugendstil zu, worauf HITcHcOcK 1958 das zweite Goetheanum als dem Expressionismus verpflichtet sah. Zurück zu einer Einordnung zum Jugendstil kehrte BAUcH 1979 (S. 32). Ein weiterer Gedanke zur architektonischen Einordnung findet sich bei BLAKE 1964 (S. 100f.), der im zweiten Goetheanum eine Vorwegnahme des ›beton brut‹ sehen wollte. Erweitert werden die drei Zuordnungen (Jugendstil, Expressionismus und ›beton brut‹) 1966 durch die Zuschreibung SHARPs 1973 (S. 146) als »wichtigen Beitrag zur romantischen Strömung innerhalb der modernen Bewegung«, außerdem brachte er den von Steiner verwendeten Begriff der ›Metamorphose‹ in die Diskussion. Weiter aufgefächert wird Rudolf Steiners Schaffen durch die Parallelbetrachtung des Berliner Expressionistenkreises, Wilhelm Worringers (1881–1965) usw. von PEHNT 1998; der Begeisterung für die Goetheanumsbauten verlieh Pehnt zuvor monografisch Ausdruck in PEHNT 1991. Die neuste Arbeit von OHLENScHLÄGER 1999 fasst die verschiedenen Ansätze zusammen, verharrt jedoch in einem starren Korse aus Gründungsgeschichte der Anthroposophischen Gesellscha, Baugeschichte, Baubeschreibung und einer mäßig gelungenen kunsthistorischen Einordnung; hier finden sich zahlreiche Abbildungen und Angaben zur Baugeschichte – sie stützt sich dabei auf ihre umfassenden Studien im Zuge ihrer Dissertation (OHLENScHLÄGER 1992). Die anthroposophisch geprägten Wissenschaler erweitern den Blick auf Steiners Architektur um das goetheanische Prinzip, nach dem Steiner beide Bauten entwickelte, oder das Prinzip des ›gebauten Worts‹; wenig stehen hier architektonische Ausführungen im Sinne der Technik und einzelne Formfindungen im Vordergrund (falls doch, werden diese in pseudowissenschalicher Rückberufung in frühchristlicher Zeit gesucht). Die Anthroposophen orientieren sich eher an der Philoso-

Kunst und Politik | 151

auf den zentralen Bau konzipiert:470 Er liegt auf dem höchsten Punkt des Hügels, über den sich Funktionsbauten und Wohnhäuser verteilen, die Bepflanzung ist auf das überhöhte Zentrum ausgerichtet, breite Wege führen wie beim griechischen Temenos-Bezirk zum Bau, Wegsteine stecken das Umfeld ab.471 Eine Bebauung im unmielbaren Umfeld fand mit Ausnahme des Hauses Duldeck nicht sta.472 Die Situierung des Goetheanums (eins und zwei) darf aber nicht

phie Steiners, zeigen jedoch keinen objektiven Umgang mit den elltexten, sodass ihre unkritischen Ergebnisse o unter Vorbehalt zu betrachten sind. Als Ergänzung werden sie jedoch hinzugezogen: 1966 wurden von dem am zweiten Goetheanum mitwirkenden Architekten carl Kemper (1881–1957) dessen Manuskripte herausgegeben (KEMPER 1984); er findet auch in der Baugeschichte RAAB / KLINGBORG / FANTS 1972 Nennung. In ähnlicher Weise erschien sechs Jahre später nochmals eine Publikation von BIESANTZ / KLINGBORG 1978. Die neuere anthroposophische Literatur ist bestrebt, einen eigenen architektonischen Stil einzuführen, den sie – ganz im Sinne Steiners – als organisch bezeichnen; s. hierzu beispielsweise BARAVALLE 2003A–c, genauso wie VAN DER REE 2001 oder BLASER 2002. Besonders problematisch bei den Autoren mit anthroposophischem Hintergrund sind ihre Tätigkeiten, beispielsweise als Architekten, in Dornach; s. Anm. 479, 486 und 487. Aber auch vermeintlich populärwissenschaliche Literatur wie ScHUyT / ELFFERS 1980 zeigt deutlich anthroposophische Einfärbungen. 470 Der ursprüngliche Gedanke einer Bebauung für Dornach, dem ein Pentagramm zu Grunde lag, musste verworfen werden. Die einzelnen Häuser wirken durch den einheitlichen Stil mit dem Goetheanum zu einem Ganzen zusammen, besonders bezeichnend sind die mehrfach gebrochenen Dachformen; s. PEHNT 1991, S. 12–20; OHLENScHLÄGER 1999, S. 152. 471 Bezüglich der Gesamtanlage s. OHLENScHLÄGER 1999, S. 125–132. BLASER 2002 (S. 26) merkt an, dass die Wegsteine an der Allee durch ihre Form dem ersten Goetheanum zugesprochen werden müssten. 472 Dieser Betonbau mit Füllmauerwerk liegt aufgrund der ›Stiertätigkeit‹ des Zahnarztes Dr. Emil Großheintz (1867–1946), der das Dornacher Grundstück erwarb und der Anthroposophischen Gesellscha zur Verfügung stellte, auf gleicher Höhe mit dem Goetheanum. Die übrige Bebauung des Hügels weist im Formenkanon entsprechende Parallelen zum ersten und zweiten Goetheanum auf und wird ausführlich betrachtet von OHLENScHLÄGER 1999, S. 121–132 und PEHNT 1991, S. 13–20. Der Phase des ersten Goetheanums zuzuordnen sind z. B. das Heizhaus (angeblich mit dem ersten Goetheanum verbunden, sollte es das Ahrimanische aus dem Bau als Schornstein ›absaugen‹) und das Glashaus; das Eurythmeum kennzeichnet die Grenze zwischen dem ersten und zweiten Goetheanum, wohingegen das Haus de Jaager vollkommen der ›neuen‹ Formensprache verpflichtet war.

152 | Vision ›Gesamtkunstwerk‹

nur auf antike Tempelanlagen zurückgeführt werden, sondern ebenso auf den Festspielhausgedanken Richard Wagners (über den Steiner 1905 eine Vortragsreihe hielt)473 sowie die ›Kristallhäuser‹ und ›Stadtkronen‹ von Steiners expressionistischen Zeitgenossen, beispielsweise Bruno Taut (1880–1938), Peter Behrens und Hendrik Petrus Berlage (1856–1934) mit ihrem Pantheon­der­Menschheit.474 Das heute noch aus zahlreichen Fotografien und Plänen gut zu rekonstruierende erste Goetheanum (Abb. 37–39) wurde im Gesamten durch die Form des Kreises und der geschwungenen Linie dominiert.475 Der Kreis als das Symbol des Vollkommenen war bereits in der christlichen Ikonographie Ausdruck der kosmischen Harmonie;476 das war sicherlich auch Steiner bekannt und kam seiner ›christozentrik‹ entgegen. Der Grundriss zeigt in der Art der sich verschränkenden Kreise eine skarabäusartige Form und Ost-West-Ausrichtung. Der große Kuppelsaal nimmt auf dem ansteigenden Parke die Zuschauer auf, der kleinere Kuppelsaal die

473 1914 besuchte Steiner auch Bayreuth; s. PEHNT 1991, S. 30. 474 Steiner hat sich mit zentralen ellenschrien der Expressionisten auseinanderge-

setzt, beispielsweise Wilhelm Worringers Abstraktion­und­Einfühlung (1907), genauso studierte er auch Kandinskys Über­das­Geistige­in­der­Kunst und Publikationen, die sich dezidiert mit dem Stilphänomen des Expressionismus auseinandersetzten, wie z. B. Hans Hildebrandts (1878–1957) Expressionismus­in­der­Malerei (1919) oder Alfred Werners (1911–79) Impressionismus­und­Expressionismus (1917); s. ebd., S. 32, 28–36. 475 Die Grundsteinlegung erfolgte am 20. September 1913 in einer mysteriös gestalteten Zeremonie unter Ausschluss der Arbeiterscha: Die Architekten Ernst Aisenpreis (1884–1949) und carl Schmidt-curtius waren vermutlich anwesend. Dieses Ereignis (cherubim, Engel und Erzengel wurden angerufen, später kursierte das Gerücht, bei der Zeremonie sei ein lebendiger Mensch begraben worden) erweckte Neugierde bei der Bevölkerung; s. PEHNT 1998, S. 207. Die Erklärung Dornachs zum ›geweihten Ort‹, wurde auch durch die Wahl der Form des Grundsteins, ein Pentagondodekaeder, unterstrichen; zur Aufnahme des Baus durch die Besucher s. OHLENScHLÄGER 1999, S. 91f., 152. Im Februar / März 1914 sollen dann bis zu 600 Arbeiter auf der Baustelle gewesen sein; in den folgenden Jahren mussten jedoch die Arbeiten eingeschränkt werden; s. ebd., S. 94–96. Überwiegend wirkten Laien am Bau mit, lediglich in speziellen Fragen, wie der Statik, zog man Spezialisten zu Rate; s. PEHNT 1991, S. 28. So schri der Bau schnell voran und konnte am 26. September 1920 eröffnet werden; bereits zwei Jahre später brannte er vermutlich wegen Brandstiung ab. 476 S. HOLL 1994.

Kunst und Politik | 153

Abb. 37: Rudolf Steiner (Entwurf), Erstes Goetheanum in Dornach, Gesamtansicht von Südwesten, 1913–1919 erbaut; Foto von Oo Rietmann (1919); Dornach, Rudolf Steiner Nachlassverwaltung

Abb. 38: Rudolf Steiner (Entwurf), Erstes Goetheanum in Dornach, Grundriss des Saalgeschosses, ca. 1913; o. A.

Abb. 39: Rudolf Steiner (Entwurf), Erstes Goetheanum in Dornach, Foto des Modells, Innenansicht des Saals, o. A.; Dornach, Goetheanum, Archiv

154 | Vision ›Gesamtkunstwerk‹

Bühne,477 in deren Symmetrieachse im Osten die fast 10 m hohe plastische Figur des Menschheitsrepräsentanten Aufstellung finden sollte.478 Die Schnistelle der Kreise dient als Ansatzpunkt für erarme im Norden und Süden, die »Dächer wie weiche Hutkrempen«479 erhielten. Wie in diesen Seiteneingängen, so findet sich auch im Westbau das Motiv der Dreiteiligkeit – am deutlichsten in den dreiteiligen Fenstern – immer wieder. Bereits bei diesem ersten Bau lässt sich unter Betrachtung der großen sich auäumenden und absenkenden Dachlandscha, die alle Bauteile vereint, von einer skulpturalen Architektur sprechen. Die zugleich kontrahierende und ausstrahlende Wirkung der Kreise erklärte Steiner als Darstellung des Verhältnisses von Sonne und Erde oder von Geist und Psyche.480 Ihre exakte Position wurde von dem anthroposophischen Architekten carl Schmidt-curtius (1884–1931) mit Hilfe einer Kreis-Fünfeck-Konstruktion ermielt, wobei Steiner die Abstände zwischen den beiden Mielpunkten auf 21 m festlegte, denn diese Zahl galt als Längenerstreckung des Salomonischen Tempels.481 Nach der Gestaltung der Architektur spricht Steiner auch bezüglich des Motivs der Dreiteiligkeit wieder von künstlerischer Intuition, die einem seiner

477 Der Radius des kleinen Kreises betrug 12,40 m, der des großen 17 m, durch die im

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Kreis eingestellten Säulen verringerte sich im Innern die Fläche für Bühne und Zuschauertribüne auf 9,4 m und 13 m. Die beiden Kuppeln standen in einem Verhältnis von 3:4. Die Höhe der Kuppel leitet sich aus der Größe der Säulen (zwischen 14,21 und 10,68 m) ab. Unter der großen Kuppel, in der sich jeweils sieben Säulen im Halbkreis gegenüberstanden, fanden ca. 900 Zuschauer Platz; Angaben s. OHLENScHLÄGER 1999, S. 93–97. In der Verkörperung des Lichtes, Geistigen und Flüchtigen, der Träume und Illusion steht Luzifer (aus anthroposophischer Sicht damit eher positiv beladen) Ahriman, als Personifikation des Materiellen und des der physischen Welt Verhaeten (somit dem eher Negativen) gegenüber; christus steht vermielnd zwischen diesen geistig-spirituellen Mächten; s. PEHNT 1991, S. 12; GRAF 2002, S. 153. PEHNT 1991, S. 12. Er lobt besonders (S. 24) den Ausbau des Südtreppenhauses 1930 durch carl Kemper; s. BIESANTZ / KLINGENBORG 1978, S. 71. Veränderungen am Südvestibül 1969–71 wurden von Rex Raab (1914–2004) unter möglichster Schonung der Arbeit Kempers vorgenommen. Gleichzeitig wurde von ihm dem Südeingang gegenüberliegend der sog. ›Englische Saal‹ ausgebaut und 1971 von Gerard Wagner (1906– 99) mit Pflanzenfarben ausgemalt. S. STEINER 1972, S. 13–15. S. PEHNT 1991, S. 40.

Kunst und Politik | 155

Grundprinzipien, der Dreigliederung des Menschen, in einem früheren Stadium bereits Ausdruck verliehen häe.482 Nachdem der hölzerne erste Bau 1922 abbrannte und zunächst über einen Wiederauau nachgedacht wurde – was Steiner jedoch aufgrund der geänderten funktionalen Nutzung verwarf483 und stadessen über eine Verbindung von »Eckenbau« und »Rundbau« nachdachte, um sich dann für eine von eckigen Formen geprägte Architektur zu entscheiden –,484 skizzierte Steiner am Neujahrstag 1924 das ›Urmotiv‹ des heutigen Baus. Die endgültige Form wurde durch einige baubehördliche Auflagen beeinflusst, beispielsweise musste der Bau im Gesamten niedriger errichtet werden, wobei die eatermaschinerie auf Grund der notwendigen größeren inneren Bühnenhöhe verändernd auf die Dachkontur wirkte;485 alle Veränderungen wurden unter Steiners aktiver oder passiver Teilnahme vorgenommen.486 Im heutigen Goetheanum (Abb. 40–42) findet sich im Erdgeschoss der ›Grundsteinsaal‹ mit einer kleinen Bühne.487 Der Hauptsaal im ersten Obergeschoss wurde erst 1956 / 57 durch Johannes Schöpfer (1892–1961) im Sinne Stei-

482 S. Kapitel III.1.2.3. Steiner sieht hier neben Körper, Seele und Geist als Schale oder

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auch ›Kuppelwölbung‹ Äther- und Astralleib; s. OBERHUBER 1995, S. 717f. Die architektonischen Metaphern sind hier auffällig und verdeutlichen wieder die ›Vermenschlichung‹ des Baus. Zu den Mysterienspielen traten nun auch eurythmische Aufführungen und andere Inszenierungen, die eine flexibel ausgerüstete und ausgeleuchtete Bühne mit moderner eatermaschinerie erforderten. Außerdem sollte der Bau als Arbeitsstäe der zukünigen Sektionen der Freien Hochschule für Geisteswissenscha dienen und die Verwaltung der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellscha beherbergen. STEINER 1963A, S. 201; s. auch BIESANTZ / KLINGBORG 1978, S. 68 und PEHNT 1991, S. 20. S. EWALD 2002, S. 53f.; PEHNT 1991, S. 24. Dadurch, dass der Bau nicht zu Lebzeiten Steiners fertiggestellt wurde, standen die nachfolgenden Architekten immer vor dem Problem der Formfindung. So entschieden sich Arne Klingborg (1915–2005) und Raab 1962–64 die Unterzüge, Verstärkungskreuze, einhüigen Bögen, Schwibbögen und durchgedrückten Außenflächen schalungsrau sichtbar zu lassen; es ist eine ›brutalistische‹ Lösung, die die Konstruktion vorführt; s. PEHNT 1991, S. 24; BIESANTZ / KLINGENBORG 1978, S. 72, 74–76. Diese, ursprünglich als Probebühne geplant, wurde bereits zweimal neu gestaltet: 1952 durch Baravalle und 1989 / 90 durch das Baubüro von Mathias Ganz; sie bietet für 500 Besucher Platz; s. PEHNT 1991, S. 24; BIESANTZ / KLINGENBORG 1978, S. 72.

156 | Vision ›Gesamtkunstwerk‹

Abb. 40: Rudolf Steiner (Entwurf), Zweites Goetheanum in Dornach Gesamtansicht von Nordwesten, 1923–28 erbaut; akt. Foto von Michael Imhof

Abb. 41: Rudolf Steiner (Entwurf), Zweites Goetheanum in Dornach, Innenansicht des Großen Saals mit Orgelempore, nach dem Umbau 1996–98; akt. Foto von Michael Imhof

Abb. 42: Rudolf Steiner (Entwurf), Zweites Goetheanum in Dornach, Grundriss, April 1924; Feder auf weißem Papier; Solothurn, Staatsarchiv

Kunst und Politik | 157

ners ausgebaut.488 Hier zeigen sich – besonders im Vergleich zum Aufführungssaal des ersten Goetheanums – Mängel in der Verschmelzung von Bühnen- und Zuschauerraum, wie sie die eaterreform seit der Jahrhundertwende forderte: Eine mächtige Trennwand zwischen Bühne und Auditorium lässt nur die öffnung eines Guckkastens zu;489 der Hauptsaal mit leicht ansteigendem Parke weist gravierende akustische Probleme auf.490 Begründet werden kann die Entscheidung für eine konventionelle, vom ersten Goetheanum stark abweichende Entscheidung bezüglich der Innenraumgestaltung nur aus der Entstehung heraus: Der erste Bau wurde von der Innenarchitektur des Münchner Projekts her gestaltet, das Äußere wurde erst nachträglich bearbeitet. Den zweiten Bau hingegen begann Steiner mit einem Außenmodell, die Innenraum-Modelle sind nicht mehr von seiner Hand.491 Beim ersten Bau drückt sich so das Innere nach außen, beim zweiten ist es umgekehrt, wodurch die funktionalen Bereiche hier nicht am Außenbau abzulesen sind.492 Dieser Vorgehensweisen entsprechen auch die Materialien und daraus resultierenden Formen: In Holz arbeitet man hinein, sodass die Formen des ersten Goetheanums fließend und rund sind. Beton hingegen wird unter Hinzufügen von Material modelliert, wodurch kantige, kristal-

488 S. PEHNT 1991, S. 24; BIESANTZ / KLINGENBORG 1978, S. 70f. Scharf diskutiert – v. a. von

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Architekten die noch mit Steiner zusammenarbeiteten – wurde beim Ausbau des Hauptsaals die Gestalt der Wandpfeiler, die in Anlehnung an die des ersten Baus kreiert wurden. 950 Besucher finden in dem Hauptsaal Platz; s. OHLENScHLÄGER 1999, S. 109. Der Bühnenraum selbst wird von Fachwerkbindern aus Dreiecksgiern überspannt und der Zuschauerbereich von Rahmenbindern, die aufgrund des trapezförmigen Grundrisses unterschiedlich breit sind; s. PEHNT 1991, S. 36. Die Grundform des Hauptsaals war von Anfang an als Gegenüberstellung von Auditorium und Darsteller angelegt und ist daher nicht dem fehlenden Einfluss Steiners auf diesen Bauabschni zuzuschreiben. S. HUSEMANN 1988, S. 34; EWALD 2002, S. 51. Keinerlei konstruktive Funktion erfüllt beispielsweise das Pfeilerpaar am Außenbau des zweiten Goetheanums; sie sind vom Bau sogar durch eine Dehnungsfuge getrennt. Es scheint, als habe der »Bau eine Art von Luwurzel herabgesenkt« (PEHNT 1991, S. 36). Vorbildcharakter hae für diese Außenpfeiler und einige Einzelmotive der Eurythmeum-Anbau des Hauses Brodbeck (1923 / 24), das von Steiner als letzte Station vor der endgültigen Hinwendung zu den eckigen Formen des zweiten Goetheanums betrachtet wird; s. BARAVALLE 2003A–c; PEHNT 1991, S. 20.

158 | Vision ›Gesamtkunstwerk‹

line Formen entstehen konnten.493 Die vielfach geschrägten, scharfkantigen Flächen des zweiten Goetheanums reflektieren trotz der zahlreichen Grate und Wölbungen das Licht wie ein Kristall. Die mechanische Herstellung von Stahlbeton im Gegensatz zu den organisch gewachsenen Hölzern des ersten Baus mag den Anthroposophen zunächst fremd erschienen sein, doch bot sich das Material zur Herstellung dieser monolithischen Großplastik nicht nur wegen der Farbe an,494 sondern wurde durch seine Synthese von Gegensätzen – die Erhärtung des Betons durch Wasser und der Armierung durch Feuer – als Baustoff für die Anthroposophen akzeptabel.495 Die Erklärung des »Beton[s] als Stein gewordene Zeit«,496 wie sie sich in dem erstarrten Fließen zeige, war ein weiteres schlagendes (anthroposophisches) Argument. Die Errichtung einer solchen Bauskulptur mit durchgehenden, partienweise dreidimensional verwundenen Flächen wäre heute aus finanzieller Sicht nicht mehr denkbar und stellte zur damaligen Zeit ein tollkühnes Unternehmen dar.497

493 In der Schweiz hae man zu diesem Zeitpunkt mehr Erfahrung mit feuerbeständigem

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Beton als in anderen Ländern, sodass derart verwundene Flächen überhaupt konstruiert werden konnten; s. PEHNT 1991, S. 34. Zu dieser ematik s. AUSST.KAT. ARcHISKULPTUR 2004. S. PEHNT 1991, S. 34. Die Problematik des nicht rein natürlichen Baustoffs wurde dabei wohl akzeptiert, von dem späteren anthroposophischen Architekten BLASER 2002 (S. 6) sogar negiert; er behauptet: »Der Beton-Sand-Stein ist aus der Natur gewonnen.« Ebd., S. 6. Die Konstruktion der Außenhaut erfolgte in Holz-Fachwerkmanier, d. h. es wurde eine sehr dünne Betonhaut (6–8 cm einschließlich der korrosionsgefährdeten Armierungseisen) auf ein Tragegestell aus kräigen Beton-Stützen gelegt; s. EWALD 2002, S. 53. Die monumentale Radiostation in Kootwijk (1919–22) von Julius Maria Luthmann (1890–1973) wurde kurz vor Planungsbeginn des zweiten Goetheanums fertiggestellt und ist damit als massiver, zugleich rektangulärer Stahlbetonbau zeitlich am nächsten; s. PEHNT 1991, S. 36; BIESANTZ / KLINGENBORG 1978, S. 74. TIETZ 2003 (S. 126) gibt einen knappen Überblick der sakralen und profanen Betonarchitektur, darin nennt er »Gropius mit seinem am 1. Mai 1922 eingeweihten Märzgefallenen Denkmal in Weimar«, das »zu den Vorreitern des als modern und international konnotierten Sichtbetons gehörte«. Er verliert jedoch kein Wort über den zweiten Dornacher Bau, der bereits ein Jahr später begonnen wurde und wohl das größte Sichtbetonbauwerk der Zeit war. Diese unvollständige Darstellung ist charakteristisch für die kunsthistorische Forschung, in der das anthroposophische Zentrum meist nicht vorkommt; s. Anm. 469.

Kunst und Politik | 159

Steiner selbst bezeichnete seine Architektur als »organisch«:498 So sei die Wand nicht bloß steinerne Materie, sondern wird zum lebendigen Organismus erklärt; der Bau sollte »Mensch werden«. Entsprechend dieser Interpretation lassen sich Erhöhungen und Vertiefungen als »ein Herausprojizieren der eigenen Gesetzmäßigkeit des menschlichen Leibes […] in die Architektur« verstehen.499 Insgesamt müssen drei Ebenen des Organischen betrachtet werden: Zum einen verweilt der Bau in Andeutungen und gibt seine innere Zweckbestimmung nicht preis, zum anderen verschmilzt er mit seinem Umfeld – der graue Sichtbeton entspricht farblich dem am Ort vorkommenden Gestein, die Großform des Goetheanums ›schmiegt‹ sich somit an den Berg.500 Driens sollten sich die Bauten Steiners wie Organismen verhalten, wonach sich ihre Form ergäbe, »wie die Erde Pflanzen aus sich herauswachsen läßt«.501 In diesem Ansatz folgt Steiner besonders

498 STEINER 1972, S. 14–21; s. auch 1957, S. 7f. und 1958, S. 25. Diese eigene Aussage sollte

von der Kunstgeschichte mehr Beachtung finden. Bisher wurde lediglich von anthroposophischer Seite auf diese Zuschreibung zurückgegriffen; s. Anm. 469. Die architektonische Formensprache des Goetheanums findet bis heute Verwendung, v. a. in den Neubauten für Waldorfschulen; s. RASMUS 2004. Besonders in den Niederlanden setzten sich noch zu Lebzeiten Steiners Architekten für eine theosophische Bauweise ein (s. WOLTER 1995), z. B. Karel Petrus cornelius de Bazel (1869–1923) und J. L. Mathieu Lauweriks (1864–1932) – einige der expressionistischen Künstler sympathisierten mit der eosophie bzw. Anthroposophie, wie z. B. Paul Goesch (1885–1940), Hermann Finsterlin (1887–1913) und Bernhard Hoetger (1874–1949). 499 STEINER 1945; s. auch 1957, bes. S. 22–26, 36f. Steiner selbst äußerte sich eingehend zu dieser Architekturauffassung z. B. in einem Vortrag am 29. Dezember 1914; s. BIESANTZ / KLINGBORG 1978, S. 41 oder auch STEINER 1972. Die Grundüberlegungen zu einem solchen Verständnis finden sich bei Goethe, der bereits die Erfahrung architektonischer Gebilde zur Sache des Poeten macht; s. JEZIORKOWSKI 2002. 500 S. zu dieser Verschmelzung von Natur und Architektur (mit diversen Bildern unterstrichen) die anthroposophische Arbeit von STUTEN 2006. Dornach – und v. a. der Hügel, auf dem das Goetheanum liegt – war wegen der Freiheitsschlacht von 1499 eine der ›geweihten Stäen‹ helvetischer Nationalgeschichte; s. PEHNT 1991, S. 36. Umso schwieriger war es für die Zeitgenossen diesen Ort einer anderen Glaubensvereinigung mit ungewöhnlicher, moderner Architektur zu überlassen. Dementsprechend negativ fielen die Reaktionen vor Ort aus, im Ausland hingegen wurde der Bau in einer langsam entstehenden Menge der der Moderne zuzurechnenden Objekte eingeordnet; s. ebd., S. 36–38. 501 Rudolf Steiner in einem Vortrag am 29. Dezember 1914, zit. nach BIESANTZ / KLINGBORG 1978, S. 41; STEINER 1957, S. 27.

160 | Vision ›Gesamtkunstwerk‹

stark Johann Wolfgang Goethes (1749–1832) Konzept, dass sich alles aus einer Keimzelle entwickle; besonders anschaulich wird dies in der Architravzone der Säulenumgänge im Inneren der beiden Kuppelbauten des ersten Goetheanums,502 aber auch der ersten Entwurfszeichnung für das zweite Goetheanum.503 Neben der Architektur setzte Steiner Farbe und Licht gezielt ein; ihnen kam eine wichtige Position in seinem Werk zu.504 So waren beim ersten Goetheanum die Kuppeln mit Pflanzenfarbe ausgemalt. Diese Malereien gelten bis heute als Vorbild für die anthroposophische Malerei: Die Ästhetik, die von der Transparenz zur Transzendenz führen sollte und für die die Goetheanums-Malereien einen charakteristischen Bezugspunkt bilden,505 wird in der Anthroposophie seitdem immer wieder aufgegriffen. Dieses Moo gilt auch für die farbigen Glasfenster, für die eine neue Gravurtechnik entwickelt werden musste, die das Herausarbeiten von Bildmotiven bei den 1,5 cm dicken Gläsern zuließ.506 Die Glasfenster des Hauptsaals des zweiten Baus erinnern an die des ersten und wurden in den 1930er Jahren von Assja Turgenieff (1890–1966) bearbeitet.507 Das Zusammenwirken des Farb- und Lichtspiels bei den ineinandergreifenden Rundbauten des ersten Goetheanums muss eine faszinierende Wirkung gehabt haben.508

502 Diese hölzernen Säulen waren bereits bei der Planung zum Münchner Projekt ent-

503

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standen und lassen sich an den früheren Säulen des Malscher Modellbaus rekonstruieren; s. EWALD 2002, S. 41–45; PEHNT 1991, S. 24. Der Entstehungsprozess der organisch anmutenden Architravzone wird aus anthroposophischer Sicht von WEBER 2004 geschildert. Ähnlich wurde der heutige Saal 1956 / 57 durch Johannes Schöpfer gestaltet; s. Anm. 488 und 490. Die Säulenanzahl von zweimal sieben deutete laut Steiner auf den »Rosenkreuzertempel« (STEINER 1977, S. 39) und war somit angeblich dem Salomonischen Tempel verpflichtet. Allein die Bezeichnung ›Urmotiv‹ weist auf die Verbindung mit Goethes ›Urpflanze‹, nach deren Prinzipien (jedenfalls nach Steiners Verständnis) künstlerisch geschaffen wurde, indem sich die einzelnen Elemente (v. a. in der Ornamentik) jeweils auseinanderentwickeln. S. dazu STEINER 1972, S. 35–52 oder auch 1957, S. 39; OBERHUBER 1995, S. 719–729; OHLENScHLÄGER 1999, S. 100–105. Die Beschreibung der Malereien und deren anthroposophische Bedeutung können NIEMANN 2005A und B entnommen werden. S. OHLENScHLÄGER 1999, S. 148. S. KUGLER 1995, S. 56. S. OHLENScHLÄGER 1999, S. 113. Die kleinere Kuppel erhielt keinen direkten Lichteinfall; s. OBERHUBER 1995, S. 714; HUSEMANN 1988, S. 20.

Kunst und Politik | 161

1.2.2

Sichtbarmachung des inneren Menschen: Mysteriendramen und Eurythmie bei den Anthroposophen

»Das Steinersche Mysterium […] ist kein Spiel, sondern es spiegelt geistige Welten und Wahrheiten wider. Es leitet ein, mag sein noch mit mancher Mühsal eines Anfangswerkes, einer ersten Tat beladen, eine neue Stufe, eine neue Epoche der Kunst. Diese Epoche selbst ist noch fern; es können Hunderte von Jahren vergehen, bis die Menschen, die diese rein geistige Kunst wollen, so zahlreich geworden sind, daß etwa in jeder Stadt Mysterien solcher Art würdig geboten und empfangen werden können, – aber hier in der ›Pforte‹ ist ihr historischer Ausgangspunkt, hier wohnen wir ihrer Geburt bei!«509

Diesen Eindruck schilderte der Schristeller christian Morgenstern (1871–1914) 1910 nach der Münchner Uraufführung von Steiners erstem Mysteriendrama Die Pforte­der­Einweihung.­Ein­Rosen­kreuzermysterium.510 Es war die erste Art der Aufführung Steiners, die – wie das Zitat erkennen lässt – nicht zur Unterhaltung der Besucher diente, sondern im Sinne der eosophie und Anthroposophie die ›Wahrheit‹ darstellen sollte. Mit dem Genre des Mysteriendramas kam Steiner erstmals 1907 während des Münchner Pfingstkongresses in Berührung;511 hier wurden neben Vorträgen und einer Ausstellung das Mysterienspiel Das­Heilige

509 MORGENSTERN, christian: Brief vom 14.8.1913, in: christian Morgenstern. Briefe, Mün-

chen 1973, S. 371, zit. nach KUGLER 1995, S. 54 und GRAF 2002, S. 97. 510 Steiners Mysteriendramen zeigen einmal mehr das Problem der ›hagiografischen‹ an-

throposophischen Schriften, derer sich größtenteils bedient werden muss, wissenschaliche Untersuchungen und damit auch eine entsprechende Einordnung oder Wertung stehen bisher aus. Es kann sich daher einzig auf elltexte (z. B. STEINER 1953) und anthroposophische Literatur gestützt werden: Mit den Mysteriendramen beschäigt sich KOERNER 1982, aus anthroposophischer Sicht MySTERIENDRAMEN AM GOETHEANUM 1973 und umfangreich unter Hinzuziehung zahlreicher Dokumente HAMMAcHER 2010 sowie mit der Eurythmie SIEGLOcH 1990. Auch im musikalischen Bereich kann lediglich auf Publikationen aus dem anthroposophischen Verlag in Dornach zurückgegriffen werden, die ein objektives Umgehen mit der Materie vermissen lassen; während sich BALTZ 1981 allgemeiner mit den sich um Steiner gruppierenden Komponisten beschäigt, konzentriert sich GRAF 2002 auf Leopold van der Pals (1884– 1966) als Komponist ›anthroposophischer Musik‹. 511 S. Anm. 461 und 572.

162 | Vision ›Gesamtkunstwerk‹

Abb. 43: Rudolf Steiner, Die Pforte der Einweihung, 3. Akt, 7. und 8. Szene, Hüter der Schwelle (Marie Linde), Uraufführung München 1910; hist. Foto o. A.; Dornach, Rudolf Steiner Nachlassverwaltung

Drama­von­Eleusis von Edouard Schuré dargeboten512 – für beide Aufführungen schuf Steiner das Bühnenbild sowie die Kostüme und führte Regie. Steiner schrieb noch drei weitere Mysteriendramen (Abb. 43), Die­ Prüfung der­ Seele.­ Szenisches­ Lebensbild­ als Nachspiel­zur­›Pforte­der­Einweihung‹ (1911), Der­Hüter­der­Schwelle.­Seelenvorgänge­ in­ szenischen­ Bildern (1912) und Der­Seelen­Erwachen.­Seelische­und geistige­Vorgänge­in­szenischen­Bildern (1913).513 Alle Dramen sind nur vor dem Hintergrund der anthroposophischen Lehre verständlich: Es geht um die schicksalhae Verknüpfung einer Gruppe von Menschen. Die Hauptpersonen all seiner Mysterien sind der Maler Johannes omasius (im Spannungsfeld zwischen künstlerischem Schaffen und okkultem Schauen), der nach höherer Erkenntnis strebende Professor capesius sowie der Naturwissenschaler Dr. Strader. Über einen Zeit-

512 S. PEHNT 1991, S. 8. Schuré war anfangs genau wie Nietzsche, mit dem er in Kontakt

stand, mit Wagner befreundet und hae dessen Uraufführung von Tristan­und­Isolde sowie Der­Ring­des­Nibelungen miterlebt. Er spielte gegen Ende des 19. Jahrhunderts im Zusammenhang mit den eosophen, v. a. dann aber mit Steiner, eine herausragende Rolle; s. zu Schuré ScHNEIDER 1971 und zu seinen Dramen GRAF 2002, S. 90–102. 513 S. STEINER 1956; s. auch OHLENScHLÄGER 1999, S. 45. Der­Seelen­Erwachen wurde am 22. August 1913 im Münchner Volkstheater in der Josephspitalstraße uraufgeführt. Die weiblichen Zuschauer kamen in korsefreien, wallenden Reformkleidern; zur Erfrischung wurde gesundheitsbewusst Mandelmilch angeboten und im vegetarischen Restaurant der russischen eosophin Freiin Harriet von Vacano (1862–1949) gegessen; s. ZANDER 2001, S. 433.

Kunst und Politik | 163

raum von Jahrtausenden gelangen die zunächst an der ›neuen Erkenntnismethode‹ Zweifelnden durch die Anthroposophie unter der geistigen Führung der Figur Benedictus zu höherer Wahrheit. Dieser Weg wird durch den Wechsel verschiedener Bilder, vom Studierzimmer des Professors bis hin zu übersinnlichen Sphären, visualisiert. Dabei werden die Adepten von ›geistigen Wesenheiten‹ bedroht: In Luzifer und Ahriman zeigt Steiner die ›Doppelnatur des Bösen‹, nämlich »den luziferischen Intellektualismus eines aufgeklärten Rationalismus und den ahrimanischen Materialismus, der aus der Naturerkenntnis nicht GeistAnschauung, sondern mechanistische Denkart« entspringt.514 Diesem inhaltlichen Antikenbezug entsprechend war auch die Ästhetik, in Form der Kostüme ausgerichtet. Steiner wollte mit diesen Werken an die ›alten Mysterienwesen‹ des griechischen ›Urdramas‹ anknüpfen,515 denn darin sah er ein »Kunstwerk, das zugleich Ausdruck war für die religiösen Wahrheiten der Urzeit«, die in der Einheit von »Religion, Mystik, Forschung und Kunst« existiert habe.516 Bereits bei den Mysterienspielen legte Steiner Wert auf Laut und Rhythmus, in besonderem Maße dann jedoch bei der Eurythmie.517 Der schauspielerischen Deklamation und Rezitation auf der Bühne ging eine lautsymbolische Interpretation voraus, die von Marie von Sivers (1867–1948), Steiners späterer Frau, durch Rezitationsbeigaben vermielt wurde. Diese Art des ›rhythmischen Sprechens‹ wurde durch Bewegung ergänzt. Solch eine ›Laut-Bewegung‹ ist die von Steiner seit 1911 entwickelte Eurythmie als sichtbare Sprache oder auch ›vergeistigte‹ Variante des Ausdruckstanzes.518 Erstmals aufgeführt wurde diese Kunst am

514 KOERNER 1982, S. 116. Der Inhalt dieser Dramen gibt die anthroposophische Lehre in

ihren Grundzügen wieder, s. hierzu Kapitel III.1.2.3. 515 STEINER 1925, S. 202. 516 STEINER, Rudolf: Vorrede zum Drama ›Die Kinder des Luzifer‹, in: Luzifer-Gnosis, 22

(1905), S. 300, zit. nach OHLENScHLÄGER 1999, S. 44. 517 Sie entstand v. a. im Kontext des drien Dramas Der­Hüter­der­Schwelle; s. KOERNER

1982, S. 20. 518 Als Steiner diese Bewegungsform anfangs mit Lory Maier-Smits (1893–1971) übte, be-

diente er sich noch nicht des Begriffs ›Eurythmie‹ (s. SIEGLOcH 1993), allerdings war schon in allen Unterrichtsstunden der enge Bezug zu altgriechischen Tempeltänzen auffällig (s. KOERNER 1982, S. 191–197). Die Körperhaltungen will WITZMANN 1995 (S. 611) von Agrippa von Neesheim (1486–1535) beeinflusst wissen. Diesen Rückschluss allein wegen des den geometrischen Gesetzen folgenden Auaus des Menschen zu ziehen, scheint mir nicht plausibel, denn Neuplatonismus und Neupythagoreismus wurden um die Jahrhundertwende stark rezipiert.

164 | Vision ›Gesamtkunstwerk‹

28. August 1913 in München zusammen mit dem Mysteriendrama Der­Seelen Erwachen,519 außerhalb der eigenen Kreise der Anthroposophie kam es erst 1919 zu einer Darbietung in Zürich.520 »Eurythmie entsteht selbstverständlich aus der Plastik. […] Es stört heute den in sich beweglichen spirituellen Menschen, wenn er die ruhende griechische Statue längere Zeit ansehen muß. Er muß sich zwingen. Man kann das und man muß es auch, die griechische Statue natürlich nicht in der eigenen Phantasie zu verderben. Aber daneben besteht überall der Drang, diese ruhende Form in Bewegung zu bringen. Dadurch entsteht jene bewegte Plastik, welche Eurythmie ist. Das ist das Weltenwort das Bewegende. Da schweigt der Mensch nicht mehr, sondern erzählt durch seine Bewegungen unendlich Weltengeheimnisse.«521

Steiner formuliert hier rückblickend die für ihn wichtigsten Eckpfeiler seiner Eurythmie. Sich auf den bereits bei Platon (428 / 427–348 / 347 v. chr.) im Sinne von ›Ebenmaß‹ oder ›Gleichmaß von Bewegungen‹ (als universelle Zeitgestalt, die das ganze Leben lenkt)522 zu findenden Begriff stützend, baut Steiner zu seiner Idee des Tanzes und der Bewegung aus. Tanz ist für Steiner eine »Bewegung,

519 Lory Maier-Smits (s. Anm. 518) hae grundlegende Gesten anhand einiger eurythmi-

sierter Gedichte mit Freunden einstudiert. Die zweite öffentliche Eurythmieaufführung fand am 18. Dezember 1913 in Köln sta; s. GRAF 2002, S. 86, 185. Leopold van der Pals schuf Musik; s. weiter unten. Die erste öffentliche Aufführung am Goetheanum erfolgte am 13. März 1919. Weitere bekannte Persönlichkeiten der Eurythmie waren neben Maier-Smits, Else Klink (1907–94), Elena Zuccoli (1901–94) und Werner Barfod (geb. 1938); s. VETTERMANN 2006, Sp. 1399. 520 S. SIEGLOcH 1990, hier auch der Abdruck des Programmzeeltexts. Die Mitarbeit van der Pals’ als Pianist und Komponist war wichtig, denn von ihm stammten acht der elf musikalischen Nummern. Max Schuurman (1889–1955) steuerte eine musika­lische­ Beigabe zu und Jan Stuten (1890–1948) ließ seine Elfenmusik und seinen Auakt­zu Goethes­Heideröslein erklingen; s. GRAF 2002, S. 191–194. 521 Rudolf Steiner in einer Ansprache vom 26.12.1923, in: STEINER 1980, S. 409. 522 S. KUGLER 1995, S. 56f.; GRAF 2002, S. 183. Auch Vitruv (1. Jh. v. chr.) gab eine Definition des Begriffs, demnach war Eurythmie »das anmutige Ausseh[e]n und der in der Zusammensetzung der Glieder symmetrische Anblick. […] Wie beim menschlichen Körper aus Ellenbogen, Fuß, Hand, Finger und den übrigen Körperteilen die Eigenscha der Eurythmie symmetrisch ist, so ist es auch bei der Ausführung von Bauwerken.« (VITRUV: Zehn Bücher über Architektur, übers. v. curt Fensterbusch, Darmstadt 1964, zit. nach WITZMANN 1995, S. 608.)

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deren Zentrum außerhalb des Menschen ist. Die Tänze unserer Zeit sind eine Degeneration der uralten Tempeltänze, durch welche die tiefsten Weltgeheimnisse erkannt wurden.«523 Die Verankerung in den bereits vorgestellten Bemühungen der Tanzreform um 1900, Geistig-Seelisches durch subjektiv-expressive Gesten zum Ausdruck zu bringen, wird in der Eurythmie durch einen festgelegten Formenkanon mit spezifisch lautlich-klanglichen alitäten dargestellt; damit wird die Darstellung von Gefühlen in abstrahierter Weise durchgeführt. Die Ähnlichkeiten zu Dalcroze springen ins Auge: Zum einen bediente sich auch Dalcroze anfänglich des Begriffs der ›Eurythmie‹, bis er sich endgültig für ›Rhythmische Gymnastik‹ entschied524 und zum anderen bezog sich Steiner auf ihn, wenn er »das Verhältnis zwischen Dalcroze und unserer Sache« folgendermaßen beschrieb: »Wenn Dalcroze chemie ist, ist unseres Alchemie.«525 Allerdings muss ein grundlegender Unterschied zwischen Dalcroze und Steiner festgehalten werden: Während sich Dalcroze von musikalischer Seite dem ema Bewegung nähert und einen musikalischen Ausdruck finden will, bei dem der Rhythmus eine zentrale Rolle spielt, ist Steiners Ziel, Sprache neben ihrem Klang zusätzlich zu visualisieren. Es geht Steiner daher nicht um die individuelle Persönlichkeit des tanzenden Menschen, sondern einen allgemein spirituell-okkulten Ausdruck, der durch die gesetzmäßige Ausbildung zu einem gemeinschalich seelischen Empfinden führe. Damit tri zu den bereits vorgestellten Konzepten der bis heute praktizierten ›Rhythmischen Gymnastik‹ Dalcroze’ und den tanztherapeutischen Ansätzen Labans mit Steiners Eurythmie eine Bewegungsschulung, die sich in den Stundenplänen der Waldorfschulen bis heute hält.

523 STEINER 1982, S. 10. 524 Dieser Punkt wurde (und wird bis heute) von den meisten Steiner-Anhängern nicht

angeführt, da es die Einzigartigkeit seiner Entwicklung in Frage gestellt häe; aber auch eine vergleichende Analyse von Steiner und Dalcroze steht noch aus. 525 Ebd., S. 31. Damit wird deutlich, dass sich Steiner zumindest mit den Konzepten Dalcroze’ auseinandersetzte. Dass er die künstlerischen Versuche Duncans oder Fullers (s. Kapitel III.1.1.2) kannte, ist meiner Meinung nach anzunehmen; OHLENScHLÄGER 1999 (S. 47) geht davon aus (ohne dies zu begründen), dass Steiner keinen der eben genannten kannte. Die Auseinandersetzung mit dem Tanz legt aber nahe, dass Steiner (gerade auch hinsichtlich seiner Kleidungswahl bei der Eurythmie) auch Duncans und Fullers Konzepte kannte.

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Erst mit dem Fortschreiten der Entwicklung der Laut-Eurythmie gewinnt auch Musik zunehmend an Bedeutung.526 Wie wichtig dieser Aspekt wird, zeigt auch der Aufenthalt einiger Komponisten in Dornach: Spätestens seit 1915 lebten dort die drei holländischen Komponisten Jan Stuten (1890–1948)527, Max Schuurman (1889–1955) und Leopold van der Pals (1884–1966)528, außerdem später Wilhelm Lewerenz (1898–1956), Paul Baumann (1887–1964) und Erich Schwebsch (1889–1953).529 Sie komponierten bereits in einem sehr frühen Stadium der Eurythmie (seit circa 1913 /14) v. a. zu Probezwecken intendierte Musik. Ihr Interesse galt besonders der Gaung des ›Auaktes‹, einer musikalischen Einleitung in die eurythmisch vorgetragenen Gedichte, die den Stimmungsgehalt vorab umreißen sollten. Über rein musikalische Überlegungen hinaus ging nur Stuten mit seinen aus der Intuition heraus und in Rücksprache mit Steiner im Herbst 1918 angefertigten 15 Skizzen für seine neue ›Licht-Spiel-Kunst‹, die sich der ematik Metamorphosen­der­Furcht widmeten (Abb. 44).530 Auch Stuten erhob

526 »Der Beobachter fühlt sich wie in einem Meere von Tönen. […] In ihrem Zusammen-

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klingen, ihren Harmonien, Rhythmen und Melodien prägen sich die Urgesetze ihres Daseins, ihre gegenseitigen Verhältnisse und Verwandtschaen aus. Was in der physischen Welt der Verstand als Gesetz, als Idee wahrnimmt, das stellt sich für das ›geistige Ohr‹ als ein Geistig-Musikalisches dar. Die Pythagoreer nannten daher diese Wahrnehmung der geistigen Welt ›Sphärenmusik‹.« (STEINER 1904, S. 123.) Die Leistung Stutens wurde in seinem Nachruf mit »Unser begabtester Komponist und Bühnenbildner, allen Künsten aufgeschlossen« gewürdigt (STEINER 1949). Es kann in dieser Arbeit mangels Notenmaterial und ellen nicht näher auf Stuten als Komponist eingegangen werden. Mit van der Pals’ Leben und Werk setzt sich GRAF 2002 intensiv auseinander, wobei er anhand zahlreicher ellen die Bekanntscha mit Steiner nachvollzieht (ab S. 80). So informiert er auch darüber, dass 1915 van der Pals mit seiner Familie nach Dornach zog, genauso Schuurman (S. 150). Zu diesem Zeitpunkt war Stuten bereits vor Ort und hae ein Orchester gegründet, in dem van der Pals mitwirkte. Dies war dessen erste musikalische Betätigung in Dornach, ansonsten half er, wie die meisten Anthroposophen, bei der Errichtung des ersten Goetheanums. S. BALTZ 1981, S. 13. S. VEIT 1993, S. 12. 1912 kam es zu einer Begegnung des damaligen Musikstudenten und Steiner, was die anschließende anthroposophische Ausrichtung Stutens zur Folge hae. Die Auseinandersetzung mit Skrjabins Prometheus, Kandinskys Der­Gelbe­Klang und Schönbergs Die­Glückliche­Hand suggeriert Veit (ebd., S. 90–109), doch stellt er sie weder untereinander in Bezug, noch führt er eine direkte Beeinflussung Stutens

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den Anspruch des synthetisch Visuell-Akustischen an sein Kunstwerk, das letztlich vom Publikum vollendet würde.531 Steiner selbst setzte sich nie praktisch mit Musik auseinander.532

Abb. 44: Jan Stuten, Furcht, Tafel 1, 1918; akt. Foto von Wolpert und Strehle (Stugart); farbige Kreide und Kohle auf braunem Packpapier; 62 × 81 cm durch diese Werke, die alle früher entstanden, aus. So lernte Schönberg Steiner nicht persönlich kennen, doch lassen sich gedankliche Parallelen erkennen; dies verwundert aufgrund des großen Zulaufs und der Allgemeintauglichkeit der eosophischen Gesellscha jedoch nicht; s. z. B. GRAF 2002, S. 278. Der Text Stutens sowie seine Anmerkungen zu den 15 Tafeln finden sich bei VEIT 1993, S. 26–60. 531 Die Frage der technischen Durchführbarkeit wurde wie bei den vergleichbaren Projekten zunächst nicht vertie, denn Steiner vertraute wohl auf eine sich rasch entwickelnde Beleuchtungstechnik. Mit dieser Kunstform wollte er einen künstlerisch überzeugenden Gegenentwurf zu dem damals neu auommenden Medium Film geben, dessen rasante Entwicklung er kritisch sah; s. ebd., S. 17. 532 Dies führte in der Forschung (wie bei OHLENScHLÄGER 1999, S. 149) zu der Meinung, dass eine spezielle »goetheanistische Musik« nicht gepflegt worden sei, stadessen wird nur auf die Verwendung der Musik Johann Sebastian Bachs, Johannes Brahms’ (1833–97), Max Regers (1873–1916) oder Franz Schuberts (1797–1828) sowie Kompositionen aus dem 20. Jahrhundert bei Aufführungen verwiesen.

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An einem frühen Stück van der Pals’ sollen die wichtigsten musikalischen Merkmale untersucht werden (Abb. 45).533 Bei der Betrachtung des Elegischen­Auftakts op. 29 / 7 in a-Moll (1915) fallen v. a. die Orgelpunkte zu Beginn und Ende des Stückes auf. Diese zyklische Form zeigt sich ebenso im harmonischen Verlauf: Das Stück beginnt mit Dreiklangsbrechungen, die mit Medianten erweitert werden, der Mielteil wird chromatisch, läu dann aber wieder mit Dreiklängen unter vielen, teils auch dissonanten Vorhalten aus. Es bleibt tonal, die Musik ist vergleichsweise konservativ und einfach strukturiert, insbesondere im Vergleich mit der zeitgenössischen Moderne; wie exemplarisch mit Schönberg gezeigt.534 Die ›Melodie‹ erstreckt sich über zwei Takte und ist im 6 / 8-Takt mit triolischem charakter notiert – diesen weisen bereits die Dreiklangsbrechungen in der unteren Stimme auf. Die sich daraus ergebenden metrischen Schwerpunkte sind aus den Eurythmieformen entwickelt. Es handelt sich bei dem Stück um ›Gebrauchs‹Musik, die keinen autonom musikalischen Gesetzen folgt. Dies bekräigt die den Noten vorangestellte grafische Darstellung, die die räumliche Bewegung des Tänzers festhält. Außerdem wird am Ende der Noten die Anweisung für die Schriverteilung gegeben: »Große Linie: 18 (12 + 6) bis zum scharfen Einschni, + 10 rückwärts, zusammen 28 Schrie = 14 Takte, zwei kleine Linien zu je 4 Schrien«, welche in einer Art Grafik den Noten auch vorangestellt ist. Leopold van der Pals’ Musik reagiert also auf den bewegungsspezifischen charakter der menschlichen Darstellung: Der spirituelle charakter des Aufführenden wird in der Musik hörbar. Ob in der Variation und Neuanordnung von musikalischen Bausteinen wirklich von einem ›goetheanischen Prinzip‹ gesprochen werden kann,535 ist tendenziell zu verneinen, denn hierin zeigt sich lediglich eine typische Vorgehensweise des Komponierens um 1900.536 Insgesamt jedoch nahm in diesem

533 Zu genauen Analysen s. GRAF 2002, S. 210–220. 534 S. Kapitel III.1.1.3. Das von Schönbergs Pierrot­lunaire beeinflusste Stück von van der

Pals lässt im Vergleich zum Elegischen­Auakt zwar Innovation erkennen, reicht aber in keiner Weise an Schönberg heran; s. ebd., S. 271–314. 535 Ders. betont in seiner Analyse (S. 129–137) diesen Gedanken besonders stark als mit Steiner verwandt, doch scheint seine gesamte Analyse bloß glorifizierend. 536 Nicht nur für diese Zeit, sondern auch schon zuvor und in der Folge wurde auf dieses Prinzip immer wieder zurückgegriffen, es scheint daher wenig sinnvoll, hierin eine Kompositionsweise für theosophische oder anthroposophische Werke sehen zu wollen. Organischen Formen in der Musiktheorie des 19. und frühen 20. Jahrhunderts gehen THALER 1984 und RÜDIGER 2006 nach.

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frühen Prozess der Eurythmie die Musik eine eher passive Rolle ein, denn eine mit Wagner vergleichbare Ausdrucksmöglichkeit wird ihr nicht zugestanden.

Abb. 45: Leopold van der Pals, Elegischer Auakt, op. 29 / 7, für Klavier, erste Seite, 1915

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Aus dieser von Musik begleiteten Laut-Eurythmie entwickelte sich schließlich die Ton-Eurythmie, die die eurythmische Darstellung von Tönen, Intervallverhältnissen und harmonischen Verbindungen vorsah. Damit war eine Aufführung von Musik als ›Sichtbarem Gesang‹ möglich.537 Doch auch hierbei wird bereits vorhandene Musik in Gebärden umgesetzt, nicht das Innere durch die Musik ausgedrückt. Dieser relativ niedrige Anspruch lässt sich nur aus Steiners musikalischer Unkenntnis erklären, auch wenn dies der Musik nicht Bedeutungslosigkeit zusprechen soll.538 Im Gegenteil: Steiner setzt zwar nicht auf innovative Musik, dafür aber auf eine atmosphärische Klangwelt, der er eine den Menschen erneuernde Macht zuschreibt. Auffällig ist auch, dass er sich musikalischer Terminologie bediente; so sah er im »Klingen« einen »rein geistigen Vorgang«, der »ohne alles Mitdenken eines physischen Tones vorgestellt werden« muss.539 Schließlich werden Wort, Bewegung und Klang noch um Farben erweitert. Diese Farbeurythmie, laut welcher Gefühle farbig zu ›sehen‹ seien, gewann Steiner aus der eosophie, denn sowohl Helena Blavatsky als auch ihre Nachfolgerin Annie Besant (1847–1933) und deren Mitarbeiter charles Webster Leadbeater (1847–1934) beschäigten sich mit dem Phänomen der Synästhesie.540 Den einzelnen Elementen könne laut der eosophie und Anthroposophie ein Stimmungsgehalt zugesprochen werden;541 die Bedeutung von Farben bei Steiner zeigte sich in dessen Entwicklung einer Farbtherapie zusammen mit dem Münchner Nervenarzt Dr. Felix Peipers (1873–1944). Bei den Aufgaben der Farben rekurriert Steiner auf Goethe: beispielsweise ist blau beruhigend und scha eine passive Stimmung. Es sind jedoch nicht nur die äußerlich sichtbaren Farben, sondern ebenso Farb-›Auren‹, die angeblich den Menschen »wie in einer eiförmigen Wolke« umgeben – wie sie bereits die eosophie kannte542 –, die durch die Tanz-

537 »Eurythmie als Sichtbarer Gesang«, so lautete der Titel des Toneurythmie-Kurses Ru-

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dolf Steiners vom 19. bis 27. Februar 1924 (STEINER 1927); s. die genaue Aufschlüsselung der einzelnen Gebärden zu den Tönen bei SIEGLOcH 1990, S. 139. So hält die Tochter Leopold van der Pals’, Lea fest: »Wenn der Mensch als belebte, durchseelte, geist-tragende Gestalt aus der Weltenmusik erschaffen ist, so ist es wiederum nur der Mensch, der Musik hier auf Erden erzeugen kann. […] Und er offenbart sich wahrha als Mensch in jeder toneurythmischen Bewegung, da diese »nur menschlich« ist.« (VAN DER PALS 1969, S. 15.) STEINER 1904, S. 123. S. hierzu ausführlicher Kapitel III.1.1.3. S. KUGLER 1995, S. 45.

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kunst dem Zuschauer vermielt werden sollten. Die Farbstimmung wird bei Steiner durch die Kleidung der ›Tanzenden‹ transportiert (Abb. 46): Die Eurythmisten trugen ein langes (meist pastellfarbiges) Kleid, das auch die Arme bedeckte, die Füße und Waden wurden durch Wollstrümpfe vollständig verborgen; nur Hände, Kopf und besonders die Haare (streng gescheitelt und nach hinten gekämmt wurde ihnen ein Eigenleben abgesprochen) blieben unverhüllt;543 individuelle Merkmale oder Erotik sollten so verdeckt die Präsenz des Geistes nicht stören.544 Das eingesetzte farbige Bühnenlicht unterstützte zusätzlich die Farbwirkung der Kleidung.545

Abb. 46: Elisabeth Dollfus, Annemarie Donath und Lory Maier-Smits (v.l.n.r.) beim Ausüben der Eurhythmie, 1913; hist. Foto o. A.; Dornach, Rudolf Steiner Nachlassverwaltung

542 STEINER 1904, S. 158–171, bes. S. 160. 543 Manchmal trugen die Eurythmisten auch farbige Schleier; s. KOERNER 1982, S. 207. 544 Zur gleichen Zeit tourte beispielsweise Isadora Duncan mit ihrem Tanzprogramm

durch Deutschland, das die ›Entfesselung‹ des Körpers zum Ausdruck bringen sollte; s. Kapitel III.1.1.2; ZANDER 2001, S. 435. 545 Ausführlicher zur Farbeurythmie s. KOERNER 1982, S. 207–215.

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Egal welche Art Eurythmie ausgeübt wird,546 der Tänzer benötigt eine ausgeprägte Feinmotorik, um beispielsweise schnell, wenn nötig auch in sehr kleinen Schrien, seine Position zu wechseln. In der Bewegung seiner Arme und Hände wird die Kommunikation am deutlichsten.547 Dies wird besonders augenfällig, wenn mehrere Personen beteiligt sind; nicht nur das Individuum drückt durch seine Körperbewegung seine Psyche aus, sondern tri mit Weiteren durch komplizierte Schrifolgen in ein Wechselgespräch.548

1.2.3 Gelebte Utopie? Das ›Gesamtkunstwerk‹ bei Rudolf Steiner »Dadurch aber, daß anthroposophische Geisteswissenscha eben aus dem ganzen, aus dem vollen Menschentum heraus scha, konnte sie nicht die Diskrepanz in sich haben, für ihren Bau einen beliebigen Baustil zu nehmen und in ihn hineinzusprechen. Sie ist eben mehr als bloße eorie, sie ist Leben. Daher musste sie nicht nur den Kern liefern, sondern auch die Schale in den einzelnsten Formen. Es musste das nach denselben innerlichsten Gesetzen geschaffen werden, nach denen gesprochen wird, nach denen Mysterien vorgeführt werden, nach denen jetzt die Eurythmie vorgeführt wird. Alles dasjenige, was man in Worten vorführt was man eurythmisch aufgeführt sieht, was man in den Mysterienspielen aufgeführt sehen wird und was sonst vorgeführt wird, das muß so durch den Saal klingen und gesehen werden, daß die Malereien, die da sind, wie selbstverständlich dazu Ja sagen; daß die Augen gewissermaßen sie aufnehmen wie etwas, woran sie unmielbar teilhaben.«549

Steiner betont immer wieder die Intuition als eine wichtige Grundlage der Anthroposophie und damit als umfassende Basis sowohl der ästhetischen Aus-

546 Bei der Lauteurythmie wird der vom Rezitator gesprochene Laut zugleich eurythmisch

dargestellt, um »nicht nur die Töne selbst, sondern auch die zwischen den Tönen wirksamen Intervalle als Bewegung sichtbar zu machen« (SIEGLOcH 1990, S. 141). Bei diesen Formen handelt es sich streng genommen um Bühneneurythmie, die genauso wie die pädagogisch und therapeutisch eingesetzte Eurythmie (beispielsweise an den Waldorfschulen) das Freisetzen des kreativen Potenzials zum Ziel hat. Diese Aspekte werden in der vorliegenden Arbeit ausgeklammert; s. VETTERMANN 2006, Sp. 1399. 547 Das nötige Körpergefühl entwickelt der Eurythmist z. B. bei der Übung­mit­dem­Kupferstab; s. SIEGLOcH 1990, S. 73. 548 Weitere Informationen ebd., passim. 549 STEINER 1958, S. 23f.

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prägungen als auch der soziokulturellen Ambitionen.550 Sie gewährleistet einerseits, dem goetheanistischen Prinzip folgend, ein Zusammenspiel der künstlerischen Disziplinen, wie es sich in Dornach mit Abstrichen in Architektur und Bühnenkunst zeigt. Andererseits ist sie als integraler Bestandteil der Anthroposophie an der Gelenkstelle zwischen Ästhetik, Funktion und Lebensphilosophie beteiligt. In der Anthroposophie allgemein sieht Steiner die Beantwortung der Fragen nach Formfindung genauso wie die Möglichkeit durch das Studium anthroposophischer Schrien den höheren Erkenntnisakt zu erreichen. In einer demnach nicht vom Intellekt hergeleiteten Kunsheorie, sondern aus der Intuition entstehenden künstlerischen Gestaltungskra, ähnelt Steiners Auffassung der Ansicht Nietzsches, der in Die­Geburt­der­Tragödie­aus­dem­Geiste der­Musik (1872) die künstlerische Produktivität aus den »unbewussten Kräen des dionysischen Rausches und des apollinischen Traumes«551 herleitet; das dionysische Element kommt bei Steiner jedoch nicht vor, da es sich mit dem anthroposophischen Hang zur abgeklärten Übersinnlichkeit nicht vertrüge.552 Die Forderung Steiners nach künstlerischem ›Empfinden‹ ist vielmehr unter dem Hauptgedanken der Jahrhundertwende, der ›Einfühlung‹ zu verstehen.553 Die spirituelle Erfahrung sollte nicht nur in der Kunst ausgedrückt werden, sondern die künstlerische Formensprache wiederum den Betrachter animieren und zu höherer Erkenntnis führen. Das Resultat des anthroposophischen ›Hellsehens‹ ist ein neugnostisches Welt- und Menschenbild,554 das die Wesensgleichheit und

550 Die Überlegung der intuitiven Kunstentwicklung leitet sich aus der eosophie ab;

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dies hält auch SABANEJEW 1912 (S. 61) in seiner Besprechung von Skrjabins Prome­theus fest. Ausführlicher zur ›Intuition‹ in der Anthroposophie s. ZUMDIcK 1995 (S. 57–65) auseinander; er stellt ihr noch die ›Imagination‹ (S. 45–50) und ›Inspiration‹ (S. 51– 55) zur Seite – darauf beru sich dann besonders Joseph Beuys; s. Kapitel IV.3.2. OHLENScHLÄGER 1999, S.  40. Zu Steiners Nietzsche-Interpretation s.  ZANDER 2007, S. 507–525. S. OHLENScHLÄGER 1999, S. 40. Erste Schrie auf theoretischer Ebene unternahm bezüglich dieser Anschauung eodor Lipps (1851–1914) in seinem Werk Ästhetik.­Psychologie­des­Schönen­und­der­Kunst (1903 / 06), in dem er das Hineinversetzen in Formen, Dinge und Lebewesen forderte »so daß diese von den Gefühlen des Betrachters erfüllt scheinen.« (Ebd., S. 40.) ›Hellsehen‹ meint die Berührung der geistigen Wahrnehmungsorgane des Menschen mit höheren spirituellen Wesen, die in der Tiefe des Äthers liegen. Mit Hilfe von Meditation und Konzentration kann der ›Eingeweihte‹ diese sog. ›Akasha‹, an die Oberfläche bringen; s. ebd., S. 21.

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Einheit von Go, dem Menschen und der Natur voraussetzt. Der Bereich zwischen Geist und Materie, zwischen Sinnlichem und Nichtsinnlichem, ist der, bei dem die Anthroposophie ansetzt: Alle Dinge, die durch die Sinne erfasst werden können, seien verdichteter Geist, also Verkörperung der Gedanken.555 So sollten im Idealfall in der Anthroposophie Wissenscha im Erkennen, Kunst im Sehen und Religion im Erleben des Übersinnlichen ineinandergreifen.556 Es ging also nicht nur um eine Stimulation des Menschen durch die künstlerische Sprache, sondern v. a. das individuelle Streben nach ›Erkenntnis‹, das für Steiner über den künstlerischen Ausdruck führt. So muss die intensive Beschäigung der Anthroposophie mit dem Menschen als logische Konsequenz und absolute Grundlage sämtlicher Überlegungen verstanden werden. In einem ersten Überblick gliedert sie den Menschen in drei Teile (Leib, Seele und Geist), dem die Körperhüllen von ›Äther‹- und ›Astralleib‹ beigestellt werden; aus einer weiteren Unterteilung resultieren sieben Schrie, die der Mensch im Idealfall (durch anthroposophische Schulung) bis zum Schluss durchschreitet: physischer Leib (die Materie), Ätherleib mit organischem Leben, Astralleib mit Empfindungsleben, Mentalkörper mit konkreter Denkfähigkeit, Bewusstseinsseele mit abstraktem Denken, Lebensgeist mit Intuition der Wahrheit und Geistmensch auf der Ebene des gölichen Wirkens.557 Die beiden letzten Ebenen werden demnach durch Reinkarnation unter Erleuchtung und Führung höherer Geister (besonders von christus) durch esoterische Schulung erreicht. Das Leben wird durch das Gesetz des Schicksals, bei den eosophen und Anthroposophen als ›Karma‹ bezeichnet, gelenkt.558 Die Anthroposophie bildet, über die Findung der künstlerischen Sprache und dem individuellen Streben nach ›Erkenntnis‹, das Fundament für das gemeinschaliche Zusammenleben auf dem Dornacher Hügel; damit erfüllte sie auch eine sozialpolitische Funktion. Derartige Gemeinschassiedlungen erfreuten sich, wie wohl das prominenteste Beispiel auf dem Monte Verità zeigt, im Zuge der Lebensreform ab 1900 eines regen Zulaufs.559 Das Dornacher Hügelvolk legte hier

555 In diese Diskussion fallen auch soziale Fragen bis hin zur Kapitalfrage, die Steiner mit

»Geld ist Geist« beantwortet; s. zu dem emenbereich die Vorträge in STEINER 1979. 556 S. KUGLER 1995, S. 48. 557 Die Zahl sieben erhält in der Anthroposophie eine besondere Bedeutung; s. OHLENScHLÄGER

1999, S. 20.

558 Die Grundlage dieser Unterteilung des Menschen und dessen ›Läuterungsprozesse‹

sah Steiner bereits in der eosophie gegeben; s. STEINER 1904, bes. S. 28–194. 559 S. hierzu Kapitel III.1.

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jedoch einen anderen Schwerpunkt: Sie wollten in erster Linie Steiner und ›ihrem‹ Goetheanum nahe sein – in der Siedlung sollte hauptsächlich die Zugehörigkeit zur Anthroposophie zum Ausdruck kommen.560 So erscheint heute die Gesamtbebauung durch einen einheitlichen ›Stil‹ (der sich v. a. durch die gebrochenen Dächer auszeichnet) gegeben. In dieser Idee der Ausrichtung auf ein Glaubenszentrum und die Fixierung auf eine Person (hier ist die Parallele zu Wagner in Bayreuth nicht zu übersehen) unterscheidet sich Dornach vom Monte Verità, der ein loses Zusammenleben Gleichgesinnter aufwies. Das Unterrichtsprogramm dagegen ist in Ansätzen vergleichbar: Bewegungskunst, Tonkunst, Wortkunst und Formkunst hießen in Dornach Eurythmie, Schauspielkunst und Sprachgestaltung. Diese Unterrichtsgebiete wurden bereits Anfang der 1920er Jahre von Steiner durch sog. Hochschulkurse über Landwirtscha, Religion, Pädagogik und Medizin erweitert; die Gründung der ›Freien Hochschule für Geisteswissenscha‹ mit ihrer Unterteilung der Fachgebiete in sechs Sektionen erfolgte jedoch erst im Zuge der Neukonstituierung der Anthroposophischen Gesellscha 1923.561 Die ästhetische Einheit ergibt sich demnach bei den Anthroposophen wie bei Wagner aus einer menschenverändernden Glaubenshaltung, aus der heraus die künstlerische Form gefunden werde und eine neue Synthese von Wissenscha, Kunst und Religion entstehe. Stand bei Wagner die neu entstehende Gesellscha im Mielpunkt der Überlegungen, geht die Anthroposophie mehr vom Individuum aus, das zu höherer Erkenntnis gelange und in einer Gemeinscha aufgehe. Steiner wählt mit seinem Ausganspunkte einer religiösen Glaubensgemeinscha einen anderen Ausgangspunkt als Wagner: Während Wagner den ›deutschen‹ Mythos in der gewachsenen, allgemeinen Kultur sucht und damit national denkt, will Steiner aus einem eher abgezirkelten Personenkreis heraus gesellschasbildend aktiv werden; diese Vorgehensweisen stehen sich also diametral gegenüber. Beide folgen darin einem idealisierten Bild Griechenlands: Dieses archaische Griechenland, erweitert um die ›verschönte‹ Sicht des Mielalters, sollte die Grundlage einer neuen mythisch-religiösen gesellschalichen Synthese bilden. Diese

560 In der Dornacher Gemeinscha zeigten sich ›natürliche‹ Ernährungsweise oder auch

Kleidung, wie sie bereits auf dem Monte Verità gepflegt wurden. Dem Verzicht auf jeglichen Luxus und die Rückkehr zum ›einfachen‹ Leben auf dem Monte Verità standen aber die aufwendigen Häuser in Dornach gegenüber. 561 S. OHLENScHLÄGER 1999, S. 24.

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Gedanken zeigen sich sowohl bei Wagner als auch bei Steiner. Die beim ersten Bau immer wieder beschworene Gemeinscha der Bauenden, die auch im Kreise der Berliner Revolutionsarchitekten oder am frühen Weimarer Bauhaus herbeigesehnt wurde, war in Dornach auch nur bedingt unter der Führung einer selbstbestimmten Elite Wirklichkeit geworden. Nur für sie wurde die Forderung nach der Vereinigung der Künste »unter den Flügeln einer neuen Baukunst«, wie sie Bruno Taut formulierte, realisiert: »Dann gibt es keine Grenze zwischen Kunstgewerbe und Plastik oder Malerei, alles ist eins: Bauen.«562 Das erste Goetheanum darf in der Geschlossenheit der architektonischen Lösung im Zusammenspiel mit den Aufführungen aus der Geisteshaltung der Anthroposophie als eines der überzeugendsten Gesamtkunstwerkprojekte seit Bayreuth gewertet werden. Zwar spielte die Musik (bzw. die auditive Ebene insgesamt) darin nur eine untergeordnete Rolle, doch wurde durch die Anthroposophische Gesellscha und ihre lebensumfassende Intention der soziale Aspekt – wie ihn Wagner postulierte – dafür umso überzeugender erfüllt.

1.3 Vom Expressionismus zur technoiden Stilikone: Das Bauhaus »Keine großen geistigen Organisationen, sondern kleine geheime, in sich abgeschlossene Bünde, Logen, Hüen. Verschwörungen, die ein Geheimnis, einen Glaubenskern hüten und künstlerisch gestalten wollen, werden entstehen, bis sich aus einzelnen Gruppen wieder eine allgemeine große, tragende, geistig-religiöse Idee verdichtet, die in einem großen Gesamtkunstwerk schließlich ihren kritischen Ausdruck finden muß. Und dieses große Kunstwerk der Gesamtheit, diese Kathedrale der Zukun, wird dann mit seiner Lichtfülle bis in die kleinsten Dinge des täglichen Lebens hineinstrahlen. […] Wir werden das nicht mehr erleben, aber wir sind, das glaube ich fest, die Vorläufer und ersten Werkzeuge eines solchen neuen Weltgedankens.«563

Mit diesen Worten umreißt Walter Gropius in seiner Ansprache an die Studierenden im Juli 1919 das Ziel des Bauhauses und schließt mit seiner Vision einer durch die Kunst veränderten Gesellscha in ferner Zukun, unter Verwendung

562 TAUT, Bruno: Ein Architektur-Programm, Berlin 21919, zit. nach PEHNT 1991, S. 26. 563 Gropius in seiner Ansprache an die Studierenden des Staatlichen Bauhauses, gehalten

aus Anlaß der Jahresausstellung von Schülerarbeiten im Juli 1919, üringisches Landeshauptarchiv Weimar, Einzelakten Nr. 149: Schüler-Ausstellungen 1916–1919, ed. in: WINGLER 2002, S. 45f.

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des Begriffs, an Wagners ›Gesamtkunstwerk‹ an. Zugleich differenziert er zwischen dem ästhetisch-politisch motivierten ›Gesamtkunstwerk‹ und dem sog. ›Einheitskunstwerks‹,564 das laut Manifest von 1919 »die Sammlung alles künstlerischen Schaffens zur E i n h e i t , d i e W i e d e r v e r e i n i g u n g a l l e r w e r k k ü n s t l e r i s c h e n D i s z i p l i n e n – Bildhauerei, Malerei, Kunstgewerbe und Handwerk – zu einer neuen Baukunst als deren unablösliche Bestandteile« erstrebt.565 Die künstlerische Einheit (unter der Führung der Architektur im Sinne der mielalterlichen Bauhüe)566 und die Rückbesinnung auf die handwerklichen Grundlagen sind somit für Gropius Ausgangspunkt seiner Überlegungen zur Transformation der Gesellscha durch das zu erreichende ›Gesamtkunstwerk‹; dieses Konzept verfolgt der Direktor seit der Gründung des ›Staatlichen Bauhaus in Weimar‹.567 Zum Erreichen des Ziels sah der systematische Auau der Schule eine Unterteilung in verschiedene Werkstäen vor, die von ›Meistern‹ geleitet wurden – um die Verbindung mit dem Handwerk sinnfällig zum Ausdruck zu bringen, wurde auf den Titel ›Professor‹ verzichtet; so wollte man den »Wesensunterschied zwischen dem Künstler und Handwerker« aueben.568 Das Bauhaus verstand sich nicht nur als reine Schule, sondern verlieh den Studierenden durch das Zusammenleben auch eine lebensumfassende Prägung. Die v. a. in der frühen Phase des Bauhauses essenzielle philosophisch-ideelle Ausrichtung war dabei an

564 Bisher hat die Forschung diese verbale Differenzierung nicht berücksichtigt. 565 GROPIUS 1919, S. 10 [1. Seite des eigentlichen Programms]. 566 S. HAHN 1994, S. 22–25. Zur Mielalter-, v. a. Gotikbegeisterung um 1900 s. FORNOFF

2004, S. 369–379. Wilhelm Worringers Dissertation Abstraktion­und­Einfühlung (1908) diente als Grundlage für das ästhetische Programm der Expressionisten. Die Hinwendung zur Handwerksromantik ist typisch für Gropius’ Generation, die sich unter den Eindrücken des Ersten Weltkriegs zunächst von der alität und Rentabilität gewerblicher Erzeugnisse abwandte, um in den 1920er Jahren diesen Gedanken wieder aufzugreifen; s. ebd., S. 435–437; HöPER 1994, S. 76f. 1923 wurde dies durch den Leitsatz »Kunst und Technik – eine neue Einheit« leicht modifiziert; s. WINGLER 2002, S. 11. 567 Zur Gründungsgeschichte s. WAHL 2005; DROSTE 1990, S. 10–19; HAHN 1994, S. 25–28; WINGLER 2002, S. 11–14; HAUS 2006, S. 17f. Am 12. April 1919 konnte Walter Gropius den neuen Titel und das Programm bekanntgeben. Damit nahm das Bauhaus als erste reformierte Kunstschule nach dem Ersten Weltkrieg den Lehrbetrieb auf. 568 GROPIUS 1919, S. 12 [Rückseite des Programms mit Formulierung des Ziels]. Die Umsetzung der theoretischen Idee erfolgte nach und nach; s. DROSTE 1990, S. 34 und Anm. 570.

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die einzelnen Lehrenden gebunden und nicht, wie beispielsweise die Anthroposophie, eine allgemeingültige Philosophie.569 Allen voran muss Johannes Ien als Anhänger der Mazdaznan-Lehre genannt werden,570 welche mit ihren ideellen Forderungen in die geistigen Strömungen der zweiten Häle des 19. Jahrhunderts bis in die späten 1920er Jahre einzuordnen ist und ihre Wurzeln teilweise in der eosophie und damit Verwandtscha mit der Anthroposophie hat.571 Ien studierte intensiv theosophische Schriften,572 lehnte aber Steiners Ansichten ab und

569 Zahlreiche Publikationen beschäigen sich mit dem Bauhaus als Schule oder seiner

Architektur; die frühen Projekte werden dabei jedoch meist nur knapp behandelt. Der Zusammenhang der expressionistischen Ausrichtung des Bauhauses mit der esoterischen Prägung einzelner Personen rückte erst mit dem AUSST.KAT. DAS FRÜHE BAUHAUS UND JOHANNES I TTEN 1994 in das Blickfeld und in der Folge in AUSST.KAT. DAS BAUHAUS UND DIE ESOTERIK 2005. Hier wurden meist die ideellen Orientierungen einzelner Personen in den Blick genommen. 570 Fast alle Werkstäen standen anfangs unter dem Einfluss von Johannes Ien. Ausnahmen waren die grafische Druckerei unter von Lyonel Feininger (1871–1956) und die Töpferei unter Gerhard Marcks (1889–1981). Ien büßte zwar durch die Abgabe verschiedener Werkstäen an Einfluss ein, doch leitete er bis 1922 durchgängig den Vorkurs. 1922 war die Konstituierung zunächst abgeschlossen und es entstanden erste Produkte; s. WINGLER 2002, S. 15. Eine Architekturabteilung kam erst mit der Berufung des Schweizer Architekten Hannes Meyer (1889–1954) im April 1927 zustande, zuvor handelte es sich um Auräge an das Architekturbüro Gropius’; s. Anm. 588. 571 S. BUScH 1994, S. 84. Auch Wassily Kandinsky, Kasimir Malewitsch (1878–1935), František Kupka (1871–1957) und Piet Mondrian (1872–1944) waren dieser Lehre zugetan. Mondrian korrespondierte mit Steiner und war seit 1909 Mitglied der eosophischen Gesellscha (s. FORNOFF 2004, S. 252). Der Schri La­création­dans­les­art­plastiques (1912) von Kupka kann die Beschäigung mit den Werken Steiners und Blavatskys entnommen werden, außerdem diente er selbst als Medium bei spiritistischen Sitzungen. Die Gründung des Suprematismus 1915 resultierte aus Malewitschs Beschäigung mit yoga und seiner 1913 verfassten Schri Jenseits­der­Vernun. Zur esoterischen Prägung s. die Beiträge in AUSST.KAT. OKKULTISMUS UND AVANTGARDE 1995. 572 Dies lassen seine Tagebucheinträge ab 1916 erkennen, außerdem setzte er sich im November 1916 mit Schurés Die­großen­Eingeweihten auseinander, welches die Textvorlage von einem der Mysteriendramen Steiners wurde (s. Kapitel III.1.2.2). Durch die Steiner-Anhängerin und Ien-Schülerin Agathe Mark-Kornfeld (1894–1973) kam es Ende September 1917 zu einem persönlichen Treffen; angeblich hat Steiner in seinem Vortrag Das­ Sinnlich-Übersinnliche.­ Geistige­ Erkenntnis­ und­ künstlerisches Schaffen am 1. Juni 1918 in Wien »Iens Malerei als paradigmatische Einlösung seiner

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beschäigte sich in der Folgezeit auch nicht mehr mit ihm. Ganz anders andere Avantgardekünstler, wie z. B. Kandinsky, der v. a. zwischen 1908 und 1913 Steiners Schrien las.573 Außerdem rezipierte er 1920 bis 1928, in der Zeit seiner Beschäigung am Bauhaus, nochmals esoterische Literatur.574 Es sind sowohl seine Äußerungen – mit Schlagworten wie ›Rhythmus‹, ›Pulsierung‹ und ›Vibration‹, die er in den Bereich der ›Energie‹ und ›Kra‹ einordnet –, denen sich die esoterische Prägung entnehmen lässt, als auch seine Malerei, die ein fortlaufendes Interesse an der esoterischen Substanz bekundet.575 So bot die abstrakte Farbästhetik die Möglichkeit, das Konzept der Ätherleiblichkeit in der Darstellung von Auren zu verdeutlichen,576 wie sie Kandinskys Bilder 1912 zeigen, z. B. Dame­in Moskau.577 Als weiterer Bauhauslehrer setzte sich Paul Klee (1879–1940) ab 1917

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bildkünstlerischen Vorstellungen gerühmt«, »was freilich aus der überlieferten Vortragsmitschri, die ›Nachschrienmängel und Lücken‹ enthält, nicht mehr verifizierbar ist.« (Johannes Ien an Anna Höllering, 2.6.1918, zit. nach WAGNER 2005B, S. 72) In Iens Bildern erhält die eosophie über den ikonologischen Hintergrund Einzug (s. BAX 1995, S. 32f.). Die Beschäigung mit der theosophischen Lehre lässt sich auch im Besitz der Standardwerke der eosophie erkennen; s. WAGNER 2005B, S. 69–72. Als einer der ersten Forscher setzte sich RINGBOM 1993 mit der theosophischen Prägung Kandinskys auseinander. Er nimmt dabei an, dass Kandinsky über seine Beschäigung mit Goethe zu Steiner (s. STEINER 1963B) kam; s. auch FORNOFF 2004, S. 278–287 und ZIMMERMANN 1998, S. 288. S. ZIMMERMANN 2005, S. 51f. S. auch die Ausführungen im Zusammenhang der Synästhesie, ab S. 138. Dieses Konzept geht auf Emanuel Swedenborg (1688–1772) zurück: Demnach konnte mit Hilfe von Farb- und Formkomplexen das menschliche Innere äquivalent dargestellt werden. Diese ätherischen Farbgebilde seien von der gleichen Struktur wie Auren; s. ZIMMERMANN 2005, S. 48. Die eosophie verstand diese Farb- / Form-Gebilde als Ablösung besonderer Partien der Aura, die sich dann freischwebend im Raum fortbewegen und so auch Töne erzeugen konnte. Diese Idee des feinstofflichen Äthers, der Aura und der Gedankenformen studierte Kandinsky an okkulten und theosophischen Schrien; s. FORNOFF 2004, S. 306–321; WySS 1993B, S. 17–19. Steiner lehnte im Gegensatz zu den eosophen die Darstellung von geistigen Formen oder Auren als unkünstlerisch ab; s. STEINER 1957, S. 68; s. auch OBERHUBER 1995, S. 713. Zur Gegenüberstellung einzelner Textpassagen Steiners und Kandinskys Bilder s. ZIMMERMANN 2005, S. 50f., der auf den Ideen RINGBOMs 1993 auaut; s. ausführlich FORNOFF 2004, S. 306–332. Farbflächen als Bedeutungsträger der freien Gedanken betonte Kandinsky in Über­das­Geistige­in­der­Kunst (1911); s. KANDINSKy 1912A, S. 112.

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mit Steiners Schrien auseinander.578 Klees Aufgeschlossenheit gegenüber spirituellen Glaubensansätze lässt sich außerdem in seinen universellen Zahlenspekulationen nachvollziehen, die er als neupythagoreische Vorstellung der Sichtbarmachung einer durch mathematische Proportionen analysierten Welt zur Grundlage seiner Kunst entwickelte.579 »Heute sind wir wieder so weit von der Bühne des Menschen entfernt, daß wir uns dem eater der Maschine nähern. Konstruktion wird mit Komposition verwechselt. – Eine Komposition mechanischer Konstruktion ist möglich. Sie ist der Gegenpol der Bühne des Menschen. Sie führt nicht einmal zum Tier, sondern in das Reich der Naturgewalten, die wir tot nennen.«580

Schreyers Worte umreißen 1924 die sich am Bauhaus vollziehende Entwicklung vom Expressionismus zum Mechanismus im Bereich der Bühnenarbeiten. Er wollte einerseits ein mit Kandinskys ›Bühnenkomposition‹ vergleichbares theatrales Bühnenwerk schaffen581 und verfolgte andererseits – im Gegensatz zu seinem metaphysischen Expressionismus – seine Idee der Formelemente, wie die bühnenkünstlerischen Miel »aus den Grundformen, Grundfarben, Grundbewegungen und Grundtönen« erkennen lassen.582 Hier stehen sich Gedanken des Irrational-Romantischen und des Technisch-Rationalen gegenüber. Dieser Dua-

578 S. OKUDA 2005, S. 58. Insgesamt hielt Klee sich jedoch mehr als Ien und Kandinsky

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vom esoterischen Sektierertum fern, so bemerkte er in seinem Tagebuch 1917 zu Zahlenanalysen Steiners: »Die Zahlen sind / unmöglich. Jede Gleichung hat mehr Sinn. / Verdächtig ist auch die psychologische Seite der ›Schulung‹. Man ar- / beitet mit Suggestion.« (KLEE 1988, S. 446, Nr. 1088.) RINGBOM 1993 (S. 54) behauptet, dass Klee konsequent jegliche Nähe zu Steiners Schriften abgestrien habe; vgl. Anm. 579. Nachdem die beiden Protagonisten des expressionistisch-esoterischen Bauhauses, Ien und Schreyer, die Schule 1923 verließen, stellte Klee sich öffentlich als anti-esoterisch dar, doch vertrat er die Esoterik weiterhin: Seine Vorlesung vom 3. Juli 1922 führte z. B. eine ›Fundamentaltabelle der universalen Bildung‹ ein; s. OKUDA 2005, S. 59f. ScHREyER, Lothar: Die Bühne des Menschen, in: Ausst.kat. Neue eatertechnik, Wien 1924, S. 46, zit. nach KERSTING 1986, S. 156. S. Kapitel III.1.1.3. Schreyer kam den kunsheoretischen Forderungen Kandinskys (der Münchner Jahre) nach, wurde von diesem jedoch nie erwähnt, obwohl er Schreyers Arbeiten am Bauhaus unmielbar mitverfolgen konnte; vermutlich war er der eaterarbeit Schlemmers mehr zugetan; s. ScHOBER 1994, S. 167f. ScHREyER, Lothar: Das Bühnenkunstwerk, in: Expressionismus, hrsg. v.: Herwarth Walden, Berlin 1918, S. 93, zit. nach SIMHANDL 1993, S. 74.

Kunst und Politik | 181

lismus zwischen Metaphysik und Abstraktion prägte auch Schreyers Nachfolger Schlemmer.583 Im Gegensatz zu Schreyer sieht dieser jedoch einen grundlegenden Unterschied zwischen einer vom Menschen getragenen Maske und den durch mechanische Kräe bewegten Figuren (wie Marioneen).584 Die fremdgesteuerte Bühnenfigur symbolisiert das Individuum im technischen Zeitalter, verleiht aber auch der Sehnsucht des Menschen nach Überwindung der Zwänge Ausdruck. Diesen Weg der Konstruktion kinetischer Kreationen bzw. mechanistischer Konstruktionen, wie er bereits von craig geebnet war, ging Schreyer nie, denn darin sah er den Triumph der unbeseelten, unkreativen Technik. Anders als Schreyer entwickelte Schlemmer seine Inszenierungen von der Bewegung aus, nicht von der Sprache.585 Diese kam erst später in Form von Geräuschen und Musik auf die Bühne und wurde als abstrakte Kunst ebenso auf ihren Grundcharakter untersucht wie die anderen Bühnenelemente. Mit Hilfe abstrakter Bewegungen wollte Schlemmer metaphysische Erfahrungswelten visualisieren und schließt damit an tänzerische Überlegungen seiner Zeit an, bzw. führt sie durch die völlige Negierung der Körperlichkeit fort; durch die gewählten Masken und Kostüme findet Schlemmer zu einer abstrakten Formensprache. Mit seinem Schwerpunkt auf der menschlichen Figur in Beziehung zum Raum integriert er aktuelle Kunstströmungen und schlägt zugleich eine neue Richtung ein.

583 Schlemmers Überlegungen kennzeichneten Gefühle für moralische Verantwortung

und Verpflichtung für eine Art ›sozialen Realismus‹ oder ›Verismo‹ und eigene Vorstellungen von der Bindung des Metaphysischen, Religiösen, Transzendenten durch Form, Ordnung, Gesetz und Mathematik. Er begegnete damit den von ihm als Gefahr angesehenen wissenschalichen Entdeckungen, die zu einer Überbetonung des Funktionalismus und Rationalismus führen könnten. Der Versuch, eine ›Typenbühne‹ in aller Konsequenz zu kreieren, muss als gescheitert bewertet werden. 584 Hinsichtlich der Marioneen beru sich ScHLEMMER 1925 (S. 18) auf E. T. A. Hoffmann (1776–1822) und Heinrich von Kleist (1777–1811). Bereits bei diesen beiden symbolisierte die absolut mechanisierte Marionee die Einheit von Idee und Wirklichkeit sowie Freiheit und Notwendigkeit. Der emotional reagierende Mensch wird durch die seelenlose Marionee ersetzt; s. v. a. FORNOFF 2004, S. 456–461; ScHEPER 1988, S. 49–51 und ScHOBER 1994, S. 342–344. In aller Deutlichkeit bezieht sich ScHLEMMER 1925 (S. 18) aber auch auf craigs Idee der Über-Marionee; s. Kapitel II.2. 585 Dem ›Wort‹ maß Schreyer besondere Bedeutung zu; »das Wort lebt in einer Bewegung, die von der Klangstruktur aus die Sinnstruktur und Lautstruktur bildet und beherrscht.« (ScHREyER 1948, S. 104.) Die expressionistische Bühnenkunst ist für ihn zugleich Wortkunst.

182 | Vision ›Gesamtkunstwerk‹

1.3.1

Das Ziel ist der Bau: Architektur und Esoterik am frühen Bauhaus

»Der Baugedanke soll die verlorene Einheit wiederbringen, die in einem versackten Akademikertum und einem verbosselten Kunstgewerbe zugrunde ging; er soll die große Beziehung aufs Ganze wiederherstellen und in einem höchsten Sinn das Gesamtkunstwerk ermöglichen. […] Das Staatliche Bauhaus, gegründet nach der Katastrophe des Kriegs, im chaos der Revolution und zur Zeit der Hochblüte einer gefühlgeladenen explosiven Kunst, wird zunächst zum Sammelpunkt derer, die zukunsgläubig-himmelstürmend die Kathedrale des Sozialismus bauen wollen.«586

So betont Oskar Schlemmer 1923 in seinem Manifest aus dem Werbebla Die erste­Bauhaus-Ausstellung­in­Weimar erneut die Schlüsselposition der Architektur, die bereits im Bauhaus-Manifest von Gropius 1919 als fernes Ziel umrissen die Grenze zwischen »monumentaler und dekorativer Kunst«587 einreißen sollte. Diesen Forderungen nach einem ›neuen Bau der Zukun‹ konnte anfangs jedoch nicht nachgekommen werden, da lange die Architekturabteilung fehlte;588 dass überhaupt eine solche übergeordnete Zielsetzung formuliert wurde, war für eine derartige Ausbildungsstäe neu.589 Die erste Möglichkeit für die Schule, sich mit Arbeiten der einzelnen Werkstäen in der öffentlichkeit zu präsentieren, bot sich 1920 im Rahmen eines Privataurags von Adolf Sommerfeld (1886–1964) an Gropius’ Architekturbüro, ein Haus aus Teakholz zu errichten; der Student Fred Forbát (1897–1972) übernahm die Bauführung.590 Es entstand ein dem ›Zackenstil‹

586 ScHLEMMER 1923, S. 79. 587 GROPIUS 1919, S. 10 [1. Seite des eigentlichen Programms]. 588 Gropius bemühte sich, diese Problematik zu überbrücken: So suchte er den Kontakt

und Austausch mit Paul Klopfer (1876–1967), dem Direktor der Weimarer Baugewerkenschule. An dieser Schule konnten die Bauhäusler bereits im Sommer 1919 einen Kurs besuchen, der ein Minimum an Wissen zum Bauen vermielte. Im Wintersemester 1921 / 22 starteten Gropius und sein Assistent Adolf Meyer (1881–1929) einen ersten Versuch, mit dem Kurs Raumkunde­ –­ praktisches­ Werkzeichnen ein eigenes Unterrichtsprogramm aufzustellen; s. WINKLER 1994, S. 285–289. Als eines der ersten architektonischen Projekte des Bauhauses muss der 1920 aus einem Webewerb hervorgegangene Entwurf Walter Determanns (1889–1960) für eine Bauhaus-Siedlung gewertet werden; s. WINKLER 2009. 589 Zu Entwicklung von Bau- und Kunstgewerbeschulen s. WINGLER 2002, S. 11–13. 590 Jüngst verortete KRESS 2011 das Projekt in der Firmenpolitik Sommerfelds (S. 94–105) und legt quellenreich fundiert die Beziehung von Sommerfeld und Gropius dar (S. 85– 93). Zu Fragen des Stils und der Finanzierung s. bes. JAMES-cHAKRABORTy 2009.

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verpflichtetes expressionistisches Objekt, das Dreieck, Kreis und adrat variierte. Der Bedeutung dieser Errichtung für die ›Gemeinscha der Bauenden‹ wurde in der komple durchorganisierten Grundsteinlegung Ausdruck verliehen: Für das Richtfest trugen die Männer Zunkleidung und die Frauen dazu passende Kopücher, um ihre Identifizierung mit der Institution zu betonen.591 Ebenfalls im Zuge eines Privataurags des Architekturbüro Gropius’ erfolgte die Beteiligung der Bauhauswerkstäen am Umbau des Jenaer Stadheaters 1921 (Abb. 47–49),592 der eine teilweise Neustrukturierung und Überformung des ursprünglich klassizistischen Baus (1850–51) umfasste.593 Das eater befindet sich nicht an städtebaulich markanter Stelle, sondern in unmielbarer Nähe zum Gartenhaus Friedrich Schillers (1759–1805), sodass der Besucher in Schrägsicht auf den Bau zutrat. Dies ist der Grund für die asymmetrische Erscheinung trotz der spiegelbildlichen Anlage. Die äußeren Bauvolumina lassen die Funktionsbereiche erkennen; die ader der Außenform werden dabei nicht nur in der Höhe unterschieden, sondern auch durch unterschiedliche Fensterformen gekennzeichnet. Der große, scharantige Kubus nimmt den Zuschauerraum auf, der mit liegenden Fenstern geöffnete ader das Treppenhaus und der niedrigere, zwischen den Schutzdächern der Portale, das Foyer. Das Auseinanderdrien der Körper verhindert eine freischwebende Kragplae, die gleichzeitig als Überdachung der Eingänge dient. Der Saal folgt im Inneren der geometrisch-kubischen Gestaltung des Äußeren. Mit der Wahl eines Rangtheaters wurde in Jena auf eine architektonische

591 S. DROSTE 1990, S. 45. 592 Mit diesem Objekt setzt sich MÜLLER 2006 eingehend auseinander; hier wird die Pla-

nungsgeschichte 1921 bis zur Vollendung des Baus am 9. März 1922 – Eröffnung am 24. September 1922 (S. 10f.) – genau untersucht, v. a. anhand der ellen aus dem Jenaer Stadtarchiv. Der Bau überstand den Zweiten Weltkrieg unbeschadet, wurde jedoch kurz nach 1945 als unzureichend empfunden und für eine erneute völlige Neugestaltung freigegeben (gravierendste Veränderungen betrafen die Fassade und die Gestaltung des Saals mit zusätzlichen Seitenrängen), um schließlich 1987 durch Abriss des Zuschauerhauses den ›Gropius-Bau‹ vollkommen unkenntlich zu machen; s. ebd., S. 36f. 593 üringen wies zu diesem Zeitpunkt eine sehr hohe Dichte an eaterbauten auf und zwar nicht nur höfische, sondern ebenso städtische Bauten (s. z. B. das Weimarer Hoftheater, das 1906–08 von Max Limann errichtet worden war; s. HEcHT 2005).

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Abb. 47: Walter Gropius, Stadheater Jena, Außenansicht von Nordosten (Eingangsseite), 1921–22; Foto von Eckner; Berlin, Bauhaus-Archiv, Inv.-Nr. 6457/5

Abb. 48: Walter Gropius, Stadttheater Jena, Grundriss des Erdgeschosses, 25.9.1922

Abb. 49: Walter Gropius, Stadheater Jena, Innenansicht des Saals mit Blick auf die Bühne, 1921–22; hist. Foto o. A.; Berlin, Bauhaus-Archiv, Inv.-Nr. 6457/23

Form zurückgegriffen, die noch der hierarchischen Ordnung der Gesellscha der höfischen Zeiten als genuine Bauform Rechnung trug. Dem ›Bau für das Volk‹ wurde man so nicht gerecht, dafür konnten viele Zuschauer untergebracht werden. Der Rang, als Balkon angelegt, sollte einen möglichst schwebenden charak-

Kunst und Politik | 185

ter erhalten, um nicht erdrückend zu wirken;594 Leichtigkeit wurde außerdem durch die dreifache Treppung der Decke erreicht, wobei diese Konstruktion durch stählerne Zuganker verstei wird. Sie ruht auf einem als Gebälkzone zu verstehenden Konsolenfries – auf horizontal gelagerten adern liegen vertikal ausgerichtet Blöcke (die als Auflager der Decke dienen), an denen Lichtkästen hängen. Im Wechsel mit diesen so ins Monumentale gesteigerten Konsolen finden sich Oberlichter. Die hängenden Lichtkästen beleuchten im Wechsel mit zurückweichenden Fensterluken den Raum mit künstlichem und natürlichem Licht. All diese Einzelelemente werden durch ein breites umlaufendes Band miteinander verbunden; dieses verkröp sich auch um die Portalzone der Guckkastenbühne. Doch kann auch dieses Friesband nicht über die Nahtstelle von Zuschauer- und Bühnenbereich hinwegtäuschen. Der Versuch der Verschleifung des Proszeniumbereichs wird mit Hilfe der Farbe unternommen: Oskar Schlemmer fasste, wie aus seinem Tagebuch im März 1922 hervorgeht, den Raum drei Mal farbig: Die erste Fassung war (angeblich auf Gropius’ Wunsch hin) in Erdtönen gehalten, die zweite überwiegend weiß mit starken farblichen Akzenten und die drie »farbig und nicht farbig, zerrissen, zuviel Detaillierung«.595 Die Farbkonzepte Schlemmers, die er nach eigener Aussage aus dem Gefühl und Kompromissen schuf, gefielen Gropius allesamt nicht, da sie das Formenspiel der Innenarchitektur überlagern würden und so ließ er zur Eröffnung den Raum weiß tünchen; die Problematik des Proszeniumbereichs war damit bereits evident.

594 Dieser Anspruch wurde konstruktiv durch das Einhängen des Rangs in zwei tief im

Raum ansetzenden Wandscheiben, die von der Decke herabzuhängen scheinen, gelöst. Von unten wurde der Balkon durch stützende Wandvorlagen, stützende Bügel und Balken des Auflagers (als schmaler Streifen vor der Mie der Brüstung sichtbar) gestützt. Diese konstruktiven Elemente sowie die von Gropius einbezogene alte Bausubstanz sind heute v. a. noch den diversen Schnien zu entnehmen. 595 Oskar Schlemmer im Tagebuch, März 1922, zit. nach MÜLLER 2006, S. 33f., s. hier auch die Gedanken zur genauen Zuordnung der Farben. »I.[en] sagt, daß er die einzig mögliche Form der Ausmalung in Jena auf gesetzmäßigem Weg gefunden und die Schüler dahingehend überzeugt hae, daß er sich nicht mehr um das GeschmacklichSchöne, sondern das Gesetzmäßig-Schöne gehandelt häe. 1. Es betri mich in meinem Lebensnerv, da ich mich seither bemühte, in der Kunst durch das Gefühl zum Gesetz zu gelangen, zu einem Gesetz, vor dem ich mich fast immer scheue, es mir bewußt zu machen. 2. Durch Überredungskunst wird eine Sache nicht bewiesen.«

186 | Vision ›Gesamtkunstwerk‹

Die Farbigkeit gibt einen bisher von der Forschung nicht entsprechend wahrgenommenen Anhaltspunkt bezüglich der Verortung des Jenaer Projekts innerhalb der frühen Architekturprojekte unter Beteiligung des Bauhauses. Sofern der Bau überhaupt behandelt wird, erfolgt meist eine Zuordnung zu rationalen Tendenzen und Überlegungen zur Typisierung, die um 1910 einsetzen und heute gemeinhin als Hauptmerkmal des Bauhauses gelten.596 Sie fanden jedoch erst von 1921 bis 1923 mit den häufigen Aufenthalten eo van Doesburgs (1883–1931), dem leitenden Kopf der ›De Stijl‹-Gruppe, am Weimarer Bauhaus Zuspruch.597 Seine Vorträge und Kurse vermielten den bereits in den Niederlanden herrschenden Funktionalismus. Die ersten zwei Jahre der Schule blieben jedoch von dieser Kunstrichtung weitgehend unberührt, sodass Gropius esoterische und religiöse Einflüsse in seine Gedanken und damit auch in die Grundstimmung des Bauhauses integrierte. Dieser religiöse Geist spiegelte sich auch in der kristallinen Architektur wieder, die vermehrt sakrale Elemente einbezog. Augenfällig wird dies mit dem von Lyonel Feininger (1871–1956) gestalteten Deckbla des Bauhausmanifests, das den Holzschni einer gotischen Kathedrale zeigt, oder den frühen architektonischen Entwürfen, die ganz dem Expressionismus verpflichtet sind. Auf dieser Grenze zwischen Expressionismus und Funktionalismus am Bauhaus steht der Umbau des Jenaer eaters. So zeigt sich in der speziellen Entwicklung des Baus hin zur ›weißen Moderne‹ und in der kubischen Formensprache im Vergleich zu den expressionistisch, gezackten Elementen wie bei Haus Sommerfeld eine neue Richtung,598 die für das Bauhaus stilbildend wurde.599

596 Jahreszahl nach DROSTE 1990, S. 120, 234. Zum geschichtlichen Verlauf des Bauhauses

in Dessau sowie zur politisch veränderten Situation s. WINGLER 2002, S. 13f. 597 Die ›De Stijl‹-Gruppe hae sich zwei Ziele gesetzt: die Erziehung des Nicht-Künstlers,

durch abstrakte Kunst das Wahre zu erkennen und von der Malerei ein »Modell einer künigen, auf Ordnungsprinzipien der universalen Welt basierenden Raum, Umwelt- und Sozialgestaltung zu erarbeiten« (FORNOFF 2004, S. 253). Die Gruppe zeichnet eine durchgehende Gegenstandslosigkeit und geometrische Bildkomposition aus; das eater ist für sie weniger von Interesse; s. HERZOGENRATH 1994; WILTS 2004, S. 31. 598 Diese Wende innerhalb des Bauhauses sieht auch WINKLER 1994 (S. 298) mit dem Jenaer eater gegeben, doch verharrt er in einer solch allgemeinen Feststellung, die zum einen nur für das Bauhaus an sich getroffen wird (damit nicht in einen größeren entwicklungsgeschichtlichen Kontext eingebeet wird) und zum anderen nicht das spezielle Fortschreiten des Baus, in dem sich die Umstellung ablesen lässt, aufzeigt.

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Damit erfüllte dieser Bau, der im Zusammenhang mit dem Bauhaus genannt wurde, auch wenn er eigentlich nur an Gropius erteilt worden war, die neue Forderung »Kunst und Technik – eine neue Einheit«.600 Differenzierter betrachtet ist im speziellen Fortschreiten des Baus – nämlich von der Farbigkeit zur Monochromie – diese Entwicklung zu erkennen.

Abb. 50: Walter Gropius, Bauhausgebäude Dessau, Außenansicht von Südosten mit dem Werkstäentrakt, 1925 / 27; hist. Foto o. A.; Berlin, Bauhaus-Archiv, Inv.-Nr. 5996/12

Im Gegensatz zu dem Jenaer eater wandte sich Gropius bei der Errichtung des Dessauer Schulbaus direkt der ›modernen‹ Formensprache zu (Abb. 50–52); jedoch auch hier zur Intensivierung des architektonischen Ausdrucks mit farbiger

599 Diese Bedeutung wurde von einzelnen Zeitgenossen erkannt, s. die bei MÜLLER 2006

(S. 140–153) abgedruckten Kritiken, die meist positiv ausfallen. 600 Zitat s. ScHEPER 1988, S. 101.

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Fassung von Schlemmer.601 Hier konnte auch die Schwierigkeit der Verschmelzung von Bühnen- und Zuschauerbereich in der Studiobühne des Dessauer-Bauhauses (1925) gelöst werden: In dem eingeschossigen Verbindungstrakt zwischen Werkstaflügel und Atelierhaus finden Aula, Bühne und Kantine hintereinander gestaffelt in gleichen Mauerfluchten Platz. Der Bühnenraum ist auf Grund seiner Disposition zu beiden Seiten hin zu öffnen, sodass neben der Aula auch die Kantine als Zuschauerraum oder als Hinterbühne zu nutzen ist. Dazu musste der Kantinenboden auf gleicher Höhe mit der Bühne liegen und die Aula zu dieser hin abgeschrägt werden, wodurch eine Bühnenrampe von 0,47 m Höhe entsteht.602 Zu diesen beiden angrenzenden Räumen sowie untereinander können Hauptund Nebenbühne durch graue Vorhänge abgeschlossen werden; die Beleuchtung erfolgt über Scheinwerfer, die auf den Seitenbühnen installiert sind.603 Der Werkstaraum und die Bühnen-Abteilung finden im Sockelgeschoss des Werkstaflügels Platz. Insgesamt ist das von Gropius errichtete Schulgebäude der Formensprache des Funktionalismus – wie er sich in Ansätzen im Jenaer Bau zeigte – verschrieben. Seine Ästhetik lässt sich vor den Ideen des 1907 in München gegründeten ›Deutschen Werkbunds‹ verstehen;604 die geforderte Massenproduk-

601 S. ausführlicher MARKGRAF 2009. 602 Durch 72 adratmeter Hebebühnen kann der Bühnenboden um einen halben Meter

angehoben werden. In der Breite (13,08 m) entspricht die Bühne der Kantine und Aula. Die Bühne ist mit einem vierreihigen Schiebesystem ausgestaet, auf dem fahrbare Wände und Requisiten bewegt werden können. Maßangaben bei ScHEPER 1988, S. 137f.: »Der Bühnenraum besteht aus einer 8,48 m breiten, 7,27 m tiefen und 5,00 m hohen Hauptbühne, die von zwei 3,30 m breiten, 7,27 m tiefen und 4,30 m hohen Nebenbühnen flankiert wird. Die beiden jeweils 6,48 m breiten und 3,80 m hohen Bühnenausschnie werden jeder von zwei Stützenpfeilern von 0,31 m Breite und 0,63 m Tiefe seitlich begrenzt.« 603 Für die technische Einrichtung, wie beispielsweise die gesamte Beleuchtungsanlage war Joost Schmidt (1893–1948) verantwortlich; s. ScHEPER 1988, S. 138. 604 Gropius hae bereits das Fagus-Werk in Alfeld und für die Ausstellung des ›Deutschen Werkbunds‹ (s. ab S. 74–76) 1914 ein Bürohaus und eine Maschinenhalle errichtet; s. WINGLER 2002, S. 13; WINKLER 1994, S. 292. Mit dem Entwurf 1910 für ein normiertes und typisiertes Hausbauprogramm war er seiner Zeit voraus; es dauerte noch 15 Jahre bis das Bauhaus eine solche Idee im Haus­am­Horn exemplarisch vorführen konnte (s. knapp WILHELM 2009). 1914 wurde auf der Jahrestagung des ›Deutschen Werkbunds‹ die Problematik der ›Typisierung‹ oder ›Individualität‹ der Kunst diskutiert. Hier standen sich die mechanisierte, industrielle Produktion und das handwerkliche

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tion mit entsprechender alität wurde mit der Reduktion der Ornamentik überhaupt erst möglich605 und in der Dessauer Zeit (1925–1932) in aller Konsequenz umgesetzt.

Abb. 52: Walter Gropius, Bauhausgebäude Dessau, Innenansicht mit Blick aus der Mensa, über die Bühne, in die Aula, 1925 / 26; akt. Foto von F.-H. Müller, Stiung Bauhaus Dessau, 2006 Abb. 51: Walter Gropius, Bauhausgebäude Dessau, Grundriss des Erdgeschosses mit Atelierbau, Zwischentrakt und Werkstäen, 1926

Erzeugnis gegenüber; WINGLER 2002, S. 13; HAHN 1994, S. 16–22; HAUS 2006, S. 14–17; SELLE 2001, S. 294. Dass die Architektur zunehmend zum Brennpunkt der Ideen wurde, lag v. a. an Peter Behrens und Walter Gropius, die das Verhältnis von Technologie, Design und Ästhetik untersuchten. Diese Spannung zwischen Wirtscha und Kunst blieb ein latenter Interessenskonflikt. Aus dem ›Deutschen Werkbund‹ entwickelte sich 1918 eine freie Organisation von Künstlern und Architekten, der sog. ›Arbeitsrat für Kunst‹. Dessen Wortführer war zunächst Bruno Taut, schließlich wurde er von Walter Gropius, césar Klein (1876–1954) und Adolf Behne (1885–1948) bis zur Auflösung 1921 geleitet. Auch diese Gruppe beschäigte sich überwiegend mit der Eingliederung der Kunst in die zu erwartende Gesellscha. 605 Den Verzicht auf das Ornament forderte v. a. der Architekt Adolf Loos (1870–1933), der eine durch Proportionen und Beschaffenheit des Materials selbst sprechende Architektur propagierte; s. KRUFT 1986, S. 420–422. Dieser Gedanke wurde v. a. in den Wiener Werkstäen mit ihren Arbeiten im kunstgewerblichen und architektonischen Bereich fortgesetzt. Die Schönheit der Geometrie und das häufige Verwenden des adrats kennzeichnen die technische Form, die in einer bewussten Systematik besonders von Peter Behrens 1907 mit dem Bau für die AEG in Berlin an die öffentlichkeit trat.

190 | Vision ›Gesamtkunstwerk‹

1.3.2

Vom Expressionismus zum Mechanismus: Arbeiten der frühen Bauhausbühne

»Eine Reinigung und Erneuerung der heutigen Bühne, die wie es scheint, die tiefsten Beziehungen zur menschlichen Empfindungswelt verlor, kann nur von denen getan werden, die frei von persönlichen Vorteilen und den Hemmungen des Geschästheaters, von jenem gemeinsamen Brennpunkt ausgehend, eine elementare Klärung des umfassenden Problems der Bühne, in allen ihren praktischen und theoretischen Auswirkungen hingebungsvoll erarbeiten. In ihrem Urgrund entstammt die Bühne einer metaphysischen Sehnsucht, sie dient also dem Sinnfälligmachen einer übersinnlichen Idee. Die Kra ihrer Wirkung auf die Seele des Zuschauers und Zuhörers ist also abhängig von dem Gelingen einer Umsetzung der Idee in sinnfällig-optisch und akustisch wahrnehmbaren Raum. Das Phänomen des Raumes ist bedingt durch endliche Abgrenzung im endlosen Freiraum, durch Bewegung mechanischer oder organischer Körper in diesem begrenzten Raum und durch die Schwingungen des Lichts und der Töne in ihm. Den bewegten, lebendigen, künstlerischen Raum vermag nur der zu schaffen, dessen Wissen und Können allen natürlichen Gesetzen der Statik, Mechanik, Optik und Akustik gehorcht und in ihrer gemeinsamen Beherrschung das sichere Miel findet. […] So wünscht die Bauhausbühne neue Möglichkeiten zu finden, die jener metaphysischen Sehnsucht Nahrung zu geben und sie zugleich zu befriedigen vermögen. Sie wünscht durch ihre schöpferische Arbeit, sta nur ästhetischer Genüsse wieder ursprüngliche Freude zu geben, die mit allen Sinnen empfangen wird. Für den Sommer 1923 wird eine BAUHAUSWOcHE vorbereit, in der auch die BAUHAUSBÜHNE mit SPIELEN und TÄNZEN Einblick in ihre bisherige Bühnenarbeit zu geben wünscht.«606

Walter Gropius verkündet hier im Dezember 1922 in der Ersten­Mieilung der Bauhausbühne in seinem Aufsatz Die­Arbeit­der­Bauhausbühne das Ziel der Arbeit: die Befreiung des Menschen von den Konventionen. Dieses wurde seit Einrichtung der entsprechenden Werksta Ende 1921 mit der Berufung Lothar Schreyers, der nach eineinhalb Jahren von Oskar Schlemmer abgelöst wurde, verfolgt;607 im

606 GROPIUS, Walter: Die Arbeit der Bauhausbühne, in: Staatliches Bauhaus Weimar. Die

Bauhausbühne. Leitung: Lothar Schreyer. Erste Mieilung Dezember 1922, Faltbla im üringischen Staatsarchiv Weimar, Bauhaus-Akten, 185 /1-2, zit. nach VOGELSANG 1994, S. 323f. und ScHEPER 1988, S. 65. 607 Bei der Beschäigung mit der Bühnenarbeit des Bauhauses fällt eine sehr unterschiedliche Gewichtung zwischen den beiden Meistern Lothar Schreyer und Oskar Schlemmer auf. Zu Schlemmer finden sich deutlich mehr Forschungen, wobei das in der Nachfolge der fundierten Arbeit ScHEPERs von 1988 verständlich scheint. Dieser erar-

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Prinzip existierte die Bühne eigentlich seit dem Gründungstag der Schule, denn jedes Fest (dafür war das Bauhaus rasch bekannt) wurde zum eaterstück.608 Der von Gropius angesprochenen Bauhauswoche im August / September 1923, auf der neben der Darstellung zuküniger Architektur (das Typenhaus am­Horn wurde eigens dafür konzipiert und gebaut)609 auch eateraufführungen dargeboten wurden, kam eine Schlüsselstellung zu: Zum einen wurde nach der Probeaufführung von Schreyers Mondspiel dieser entlassen und das Stück aus dem Programm genommen,610 zum anderen konnte nun Schlemmer mit einigen Arbeiten der Bühnenwerksta die Bühne betreten. Dieses Ereignis wir ein Schlaglicht auf die ästhetische Kehrtwende, die das Bauhaus Anfang der 1920er Jahre durch-

beitete anhand der ellen mit besonderer Berücksichtigung des Triadischen­Balles die Arbeit Schlemmers am Bauhaus (dabei konnte er sich teilweise auf die Monografie von MAUR 1979 stützen); so bezieht sich die gesamte Forschung in der Folge immer wieder auf Scheper, wie z. B. FIScHER-LIcHTE 1993, die in ihrem Kapitel Die­Bühnenwerksta­am­Bauhaus (S. 319–333) lediglich rekapituliert, oder auch FORNOFF 2004, der sich zwar in einem Exkurs mit Schreyer, Schlemmer und Laszlo Moholy-Nagy auseinandersetzt und ihre Verknüpfung untereinander konkretisiert, doch sich letztlich auch immer wieder auf Scheper beru. Zu Schreyer erschien erst 1994 von KEITHSMITH ein Aufsatz in dem er sich mit Schreyers Lehrtätigkeit am Bauhaus auseinandersetzte, daher bleibt nach wie vor WASSERKA 1965 Ausgangspunkt zur Beschäigung mit Schreyer, sowie die Informationen ScHEPERs 1988 zur Tätigkeit Schreyers am Bauhaus. Die Bedeutung der Musik am Bauhaus wird in den jüngsten Forschungen, die sich mit der esoterischen Prägung des Bauhauses beschäigen, am Rande behandelt. 608 S. AcKERMANN 2006. Wichtig bei den Festen war der Bauhaus-Tanz, der an den Wochenenden in Weimar und Umgebung veranstaltet wurde; s. hierzu die Eindrücke Felix Klees (1907–1990) in KLEE 1971, S. 82 und KOKK 1924, S. 98f. Musikalische Begleitung bot ›Die Bauhauskapelle‹, die sich aus Studierenden des Bereichs Malerei und Bildhauerei zusammensetzte und in musikalischen Improvisationen mit Akkordeon, rhythmischem Klopfen und Stampfen sowie in Bruchstücken deutsche, slawische und ungarische Volkslieder vortrugen. Schließlich formierte sich besonders in Dessau jazzähnlich improvisierende Kapellen; s. ScHLEMMER 1926A, S. 126–128 sowie FEININGER 1994, S. 374–376; HÜNEKE 2001, S. 191f.; ScHEPER 1988, S. 72f. S. zur parareligiösen und sektiererischen Escheinungsform der Beteiligten und zu neben den musikalischen Darbietungen verlesenen Dichtungen PEHNT 1998, S. 163. 609 S. Anm. 604 und 679. 610 Die Opposition gegen Schreyer kam am 17. Februar 1923 mit der Probeaufführung des Mondspiels (s. Anm. 621) zum Höhepunkt und führte dazu, dass er die Leitung der Bühne niederlegte und das Bauhaus verließ; s. WILTS 2004, S. 56; ScHEPER 1988, S. 71.

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machte. Hierin zeigen sich die Grenzen der eater-Ästhetik, vorgegeben durch die Bauhaus-Leitung, denn ähnlich wie in der Architektur wollte man sich von den expressionistisch-esoterischen Prägungen zugunsten eines Mechanismus und Funktionalismus lösen. Diese ›neuen‹ Bestrebungen dominieren Gropius’ Postulat. »Das Bühnenwerk ist Kunstwerk. Das Bühnenwerk kündet die Einheit des Lebens durch die Vielheit des Lebendigen. Die Einheit wird gekündet durch die Ordnung in der Vielheit. Die Ordnung ist das Gesetz des Kunstwerkes. Das Bühnenwerk löst die Widersprüche der vielen Erscheinungen auf. Die vielen Erscheinungen sind Miel der Darstellung der Einheit. Durch die Ordnung des Kunstwerkes sind die mechanischen Miel von der Gebundenheit der Mechanik befreit, sind die organischen Miel von der Gebundenheit ihres Organismus befreit. Licht und Gegenstand sind lebendige Teile des Werkes. Das Werk lebt. Licht ist nicht Licht, Gegentand nicht Gegenstand, Mensch nicht Mensch. Alle sind Glieder der Einheit. Jedes Glied hat eine Lebensäußerung im Werk. Das Werk ist der Organismus, ist das Leben. […] Das Bühnenwerk ist Menschenwerk, durch Menschliches geschaffen, trotz Menschlichem geschaffen. Seine Schöpfung wirkt am Menschen, wirkt im Menschen die Welt. Der Schein der Bühne ist das Sein des Menschen. Im Schein der Bühne strahlt das Licht der Welt.«611

Schreyer legt mit diesen Worten in der gleichen Ausgabe wie Gropius im November 1922 mit seinem Text Das­Bühnenwerk einen anderen Schwerpunkt. Schreyer trägt hier sein Anliegen und sein Verständnis vom theatralischen Kunstwerk vor, das als Synthese von individuellem Leben und Gemeinscha in einer »gleichsam kultischen Gemeinschashandlung« von Akteuren und Zuschauern die »Erschaffung des neuen Menschen« erwartet.612 Diese Gestaltwerdung eines neuen, mystisch-ekstatischen Menschen könne nur emotional empfangen werden, daher bedeutete Kunst für Schreyer die Materialisierung einer Vision und könne nicht kausal-logisch betrachtet werden. Zugleich schaffe ein solches Gemeinschaserlebnis die traditionellen theatralischen Kategorien ab und würde als meditatives Ereignis eine Unterscheidung zwischen Darsteller und Zuschauer komple auf-

611 ScHREyER, Lothar: Das Bühnenwerk, in: Staatliches Bauhaus Weimar. Die Bauhaus-

bühne. Leitung: Lothar Schreyer. Erste Mieilung Dezember 1922 (üringisches Staatsarchiv, Bauhaus-Akten, 185 / 2v.), zit. nach VOGELSANG 1994, S. 25f. Dieser Text ist dem sechs Jahre zuvor in der Zeitschri Der­Sturm erschienen Artikel Das­Bühnenkunstwerk sowohl inhaltlich wie sprachlich sehr ähnlich; s. ScHREyER 1916. 612 ScHREyER 1956, S. 21, 26.

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heben.613 Um den kultischen charakter des eaters zu erneuern, bediente sich Schreyer synästhetischer Prinzipien – Kunst sollte nicht länger der Unterhaltung, sondern der ›Heilsuche‹ dienen. Bei der Umsetzung dieser Ideen baute Schreyer auf seine Ganzmasken, mit denen er eine Farb-Formel wiedergeben wollte, damit so eine seiner Meinung nach erstrebenswerte Einheit aus Wort, Bild und Bewegung entstünde.614 Die Sprache wurde in den Probephasen täglich mit dem sog. ›Klangsprechen‹ erarbeitet und war der Hauptaspekt der praktischen eaterarbeit.615 Hierin zeigte sich der theatralische Prozess, der Schreyer wichtiger war als das Produkt, als »eine aus ekstatischem Aufschrei und Gestammel bestehende, gleichwohl nach Takteinheiten geordnete melodramatische Sprachmusik«.616 Neben der menschlichen Stimme wurden auch Musikinstrumente zur rhythmischen »Untermalung« eingesetzt.617 Hier fanden das westafrikanische Xylophon oder die »Urwaldtrommel« genauso wie die Geige und ›eine Art Glasharmonika‹ ihren Platz, »deren Sphärenklänge eine wahrha übersinnliche Gewalt haen«.618 Mit diesen ungegenständlich-plastisch-farbigen Kunstwerken, die nur marioneenartige Bewegungen zuließen, schuf er durch die geometrischen Grundformen einen kultischen Weihespielcharakter des Bühnenkunstwerks.

613 Diese Radikalisierung der gemeinschalichen Einheit findet jedoch bei Schreyer

614 615

616 617

618

praktisch kaum Umsetzung: Bereits während seiner Berliner Sturm-Bühnen-Zeit (s. dazu HILZINGER 1992) hae es sich stets um geschlossene Veranstaltungen gehandelt, was sich auch am Bauhaus nicht grundlegend änderte. Vgl. mit Appias und craigs Bemühungen, Kapitel II.2. Diese Maskierungsform verwendete Schreyer seit 1920. Schreyer leitete die theatralen Ausdrucksmiel (Farbe, Form und Bewegung) aus dem gesprochenen Wort ab. Omals war das Finden dieser ›inneren Stimme‹ das Ergebnis von mehr als 100 Proben; s. FORNOFF 2004, S. 451. ScHEPER 1988, S. 67. Ebd. Es bleibt jedoch fraglich ob es sich hierbei nicht vielmehr um eine Bekräigung und inneren Ausdruck des Darstellenden handelt und demnach nicht nur ›Untermalung‹, sondern wesentlicher Bestandteil der Aufführung wäre. ScHREyER, Lothar: Die Bühne des Menschen (1924), in: bauhaus 5, Ausst.kat. 21 der Galerie am Sachsenplatz, Leipzig 1981, S. 46, zit. nach ScHEPER 1988, S. 67. Die ›Glasharmonika‹ bestand aus mit Wasser gefüllten Gläsern, die durch Reiben des Randes Töne erzeugten.

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Zum Notieren seiner Inszenierungen entwickelte Schreyer sog. ›Spielgänge‹ (Abb. 53), eine Art Regiebuch, das einer Partitur oder Tanznotation ähnelt.619 Hier wurden die Bewegungsabläufe, die zum einen durch die Sprachrhythmik und zum anderen durch die Ganzkörpermaske bestimmt wurden, nach strengen Regeln festgehalten. Ebenso systematisch erfasste er den Bühnenraum als »Entsprechung des kosmischen Raums«, denn »die bewegten tönenden Gestalten im Bühnenraum [… sind …] Entsprechungen aus der geistlichen Wirklichkeit«, weil »die Gestalt kein unmielbares Abbild der äußeren Menschengestalt, sondern eine Abstraktion, gestaltet als Ausdruck der inneren Schau, ist.«620 All diese Punkte vereinte das zur Aufführung in der Bauhauswoche geplante Mondspiel (Abb. 54):621 Darin trieb Schreyer die Entwicklung des eaterexpressionismus’ bis zur Negation des konventionellen dramatischen charakters durch die völlige Entindividualisierung.622 In den eineinhalb Jahren der Bühnenwerksta unter Schreyers Leitung veränderten sich die Ansichten am Bauhaus v. a. durch den Einfluss des Funktionalismus. Meister wie Studierende wandten sich der durch van Doesburg vermielten ›neuen‹ Kunstrichtung zu und damit von Schreyers sakral-expressionistischem eaterstil ab.623 Dies geschah umso mehr, als Schreyer seinen künstlerischen Ausdruck – noch aus seiner ›Sturm‹- und ›Kampühnen‹-Zeit stammend624 – nicht hinterfragen ließ, da er ihn als gegeben voraussetzte und die

619 S. ScHREyER 1948, S. 183. 620 ScHREyER 1956, S. 182. 621 Das Mondspiel war ein kurzes (346 Verse) Maskenspiel ohne inhaltliche Logik. Die

Frau, Maria­im­Mond, verkörpert »ein heilendes, ordnendes ›gutes‹ kosmisches Prinzip, das seine Huldigung durch den Mann, den ›Tänzer‹, den ›Mond‹, der ebenfalls in kosmische Bereiche erhoben ist, erfährt« (WASSERKA 1965, S. 174). Maria­im­Mond ist eine überlebensgroße, halbplastische Figur aus Gips und Pappmaché, die vor die sich dahinter befindliche Sprecherin gebunden wird. Das Tanzschild hockt zu ihren Füßen. Diese Ganzmaske ist aus versteier Pappe und mit aufgemaltem »Mondauge«, welches durch Drehen, Heben und Senken vom Sprecher dahinter in Bewegung gebracht werden kann; s. ScHREyER 1923, S. 56–61 sowie ScHEPER 1988, S. 69. 622 S. VOGELSANG 1994, S. 341–349. Ich schließe mich dabei jedoch nicht seiner ese der Dementierung von Schreyers Modernität durch ethische, religiöse und metaphysische Intentionen und Inspirationen an. 623 Zu ›De Stijl‹ s. S. 186 und Anm. 597. 624 Schreyer lernte während des Ersten Weltkriegs in Berlin Herwarth Walden (1878– 1941) kennen und schloss sich dessen Künstlervereinigung ›Der Sturm‹ an. Während

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Abb. 53: Lothar Schreyer, Spielgang Kreuzigung, 1920; farbige Holzschnie (Bla 3 – Spielzeichen); 30 × 42 cm; Berlin, Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz, Kupferstichkabine

Abb. 54: Lothar Schreyer, Probe seines Mondspiels am Bauhaus, ca. 1920 / 21; Studierdende nicht zu einer individuellen künstlerischen hist. Foto o. A.; MarFindung anhielt625 – eine zum Manifest und den Lehren der bach a. Neckar, Deutübrigen Meister kontraproduktive Haltung. Schlemmer sches Literaturarchiv

kam als Leiter der Bühnenwerksta ab April 1923 dem von Gropius geforderten ›eaterlaboratorium‹, das die elementaren Bühnenmiel sachlich untersucht, nach.626

der Nachkriegswirren verschlägt es 1919 die ›Sturm-Bühne‹ (1918 von Schreyer, Walden und Rudolf Blümner [1873–1945] gegründet) nach Hamburg; sie bestand dort unter dem Namen ›Kampühne‹ weiter. Beide Bühnen gehörten zu den wichtigsten expressionistischen Experimentalfeldern der Aufführungspraxis und sind damit unmielbare Vorläufer für die eaterexperimente am Bauhaus; s. FIScHER-LIcHTE 1993, S. 321 und ScHOBER 1994, S. 167. Einen allgemeinen Überblick zur Entwicklung der ›Sturm‹-Gruppe s. PFEIFFER 2015 in dem AUSST.KAT. STURM-FRAUEN 2015, der den Blick v. a. auf die Künstlerinnen legt. 625 Diese esoterisch anmutende Haltung Schreyers weist zwar Parallelen zu Steiner auf, doch kann eine direkte Auseinandersetzung – wie bei anderen Bauhauslehrern (s. Kapitel III.1.3) – nicht belegt werden; hier stehen Forschungen noch aus. 626 S. auch GROPIUS 1967.

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»Abkehr von der Utopie. – Wir können und dürfen nur das Realste, wollen die Realisation der Ideen erstreben. Sta Kathedralen, die Wohnmaschine. Abkehr von der Mittelalterlichkeit, und vom mielalterlichen Begriff des Handwerks.«627

Auch wenn Schlemmer diese Zeilen im Zusammenhang mit architektonischen Überlegungen in seinem Tagebuch notierte, so markieren sie den Wandel am Bauhaus; die Aussage gilt ebenso für das eater. In die Praxis umsetzen konnte er seine Ideen als neuer Leiter der Bühnenwerksta seit April 1923 bei der Bauhaus-Ausstellung vom 15. August bis 30. September 1923.628 Die erste öffentliche Vorführung der Bauhaus-Bühne fand am ersten Tag in dem umgebauten Jenaer eater sta. Unter dem Sammeltitel Das­Mechanische­Kabare wurden sechs Nummern von Schlemmer und Schülern zu der Begleitmusik des gastweise aus Hamburg kommenden Musikers Hans Heinz Stuckenschmidt (1901–88) aufgeführt.629 Da mehrere Kulissenteile sowie zahlreiche Figurinen nicht bis zur Aufführung fertiggestellt wurden, war das füneilige, etwa 30-minütige Mechanische Balle (Abb. 55) der Kandinsky-Schüler Kurt Schmidt (1901–91) und Georg Teltscher (1904–83) unter Mithilfe von Friedrich Wilhelm Bogler (1902–1945) der einzige Erfolg.630 Die sog. ›Klappfiguren‹ (starkfarbige, bewegliche Flächenformen) wurden vor einem schwarzen Bühnenhintergrund von den für das Publikum unsichtbaren Tänzern rhythmisch bewegt; der Rhythmus wurde durch Stuckenschmidts Musik vorgegeben.631 Bei der Gestaltung der Figuren sowie deren Bewe-

627 Oskar Schlemmer in seinem Tagebuch 1922, zit. nach ScHEPER 1988, S. 63. 628 Daten nach ScHEPER 1988, S. 77. 629 Das waren von Marcel Breuer (1902–81) das ABC-Hippodrom, von Kurt Schwerdtfeger

(1897–1966) ein Reflektorisches­Lichtspiel, von Kurt Schmidt (1901–91) und Georg Teltscher (1904–83) Klappfiguren und Das­mechanische­Balle, von Joost Schmidt Grotesken­und­Improvisationen­auf­der­Nichtsbühne und zum Abschluss Oskar Schlemmers Figurales­Kabine. Der Programmzeel gibt Auskun darüber, dass die Figurinen und Kulissen aus »eigener Werksta« stammten. Zwei Nummern mussten vollständig aus dem Programm genommen werden, da die Kulissenteile nicht rechtzeitig fertig wurden: Das ABC-Hippodrom und das Figurale­Kabine; s. ScHEPER 1988, S. 73–76. 630 ScHMIDT 1971, S. 56. Mit dem Mechanischen­Balle setzen sich ScHEPER 1988 (S. 79–81) und WILTS 2004 (S. 135–140) genauer auseinander. Es erfüllte als einziges die Erwartungshaltung des Publikums nach unterhaltsamer Kleinkunst in diesem Rahmen. 631 S. ScHEPER 1988, S. 79. Stuckenschmidt beschreibt seine Komposition als »primitive Begleitmusik, die etwa den geometrischen Grundformen entsprach. Harmonisch bestand sie nur aus Dreiklängen, melodisch aus Volksliedfloskeln, rhythmisch aus Tanzund Marschelementen.« (STUcKENScHMIDT 1985, S. 7.)

Kunst und Politik | 197

gungen lässt sich der Einfluss der ›De Stijl‹-Gruppe erkennen; die roboterha stilisierten, farbigen Figuren ließen in ihrer Flächigkeit nur ein seitliches Auftreten zu. Damit ist das Mechanische­Balle die konsequenteste Arbeit in Hinblick auf die Mechanisierung des eaters, auch wenn die Aktionen nicht eigentlich mechanisch sind, sondern immer noch organischen Ursprungs.632 Die Grundidee des Mechanischen­Balles formulierte Schmidt rückblickend wie folgt: »Hier sollten die dynamischen Kräe, die in den Formen der abstrakten Bilder verfestigt sind, losgelöst von der Bildkomposition, in Bewegung dargestellt werden.«633

Abb. 55: Kurt Schmidt und Georg Teltscher, Zwei Figuren aus dem Mechanischen Ballett, 1923; hist. Foto o. A.; 11,9 × 18,0 cm; Weimar, Bauhaus-Universität, Archiv der Moderne, Inv.-Nr. BA XI-7

632 Diese Überlegung stützt auch der Untertitel »Bühnenorganisation mit einfachen For-

men«, der sich laut ScHEPER 1988 (S. 80 bzw. 304) auf einem farbigen Entwurf zum Mechanischen­Balle (1923, Tempera, 33,5 × 48,5 cm, Kunstsammlung zu Weimar) findet; die Bezeichnung stammte wohl von Schlemmer. 633 ScHMIDT 1971, S. 57.

198 | Vision ›Gesamtkunstwerk‹

Nach diesem misslungenen Debüt der Bauhaus-Bühne fand am folgenden Tag im Deutschen Nationaltheater in Weimar die Aufführung von Schlemmers Triadischem­Balle (Abb. 56) sta. Das Balle wird heute stets im Zusammenhang mit dem Bauhaus genannt, ist jedoch eigentlich eine selbständige Arbeit Schlemmers,634 die er bereits vor seiner Zeit am Bauhaus präsentiert hae.635 Das Werk bietet einen guten Ausgangspunkt, um nach der Verwendung von Musik am Bauhaus zu fragen:636 Das Triadische­Balle ist in drei Teile gegliedert – der Gelben Reihe, der Rosa­Reihe und der Schwarzen­Reihe, die jeweils wiederum in Einzeltänze zerfallen – und schließt damit an den charakter eines mehrsätzigen sinfonischen Werks an. Musikalisch begleitet wurden die Tänze durch Kompositionen von Mario Tarenghi (1870–1938), Marco Enrico Bossi (1861–1925), claude Debussy (1862–1918) sowie Joseph Haydn (1732–1809), Wolfgang Amadeus Mozart (1756–91), Georg Friedrich Händel (1685–1759), Pietro Domenico Paradies (1707–91) und Baldassare Galuppi (1706–85). Die Dreiteiligkeit des Balles wurde

634 Damit beschäigt sich ScHEPER 1988. Die Vorgeschichte des Triadischen­Balles kenn-

zeichnet zugleich die erste Auseinandersetzung Schlemmers mit dem Tanz und begann im Herbst 1912 mit einer Begegnung mit dem Dalcroze-Schüler Albert Burger (1884–1970) und Elsa Hötzel (1886–1966), den Solotänzern des Stugarter Königlichen Hoheaters; s. ebd., S. 18–28, zu den einzelnen Teilen des Balles (S. 37–49) sowie zu den 18 Kostümen nach Schlemmers Entwürfen und dem Streit darum (S. 8, 56–58). Schlemmer nutzte die gesammelten Erfahrungen bei der systematischen Arbeit an der Bauhausbühne. Bei der Bauhauswoche kamen außerdem zwei Konzerte im Deutschen Nationaltheater in Weimar zu Stande, aufgeführt wurden Paul Hindemiths (1895–1963) Marienleben, sechs Klavierstücke von Ferruccio Busoni, ein concerto grosso von Ernst Krenek (1900–91) und Die­Geschichte­vom­Soldaten von Igor Strawinski; s. H ÜNEKE 2001, S. 191. 635 Schlemmers erste Beschäigung mit dem eater fand zeitgleich wie das Erscheinen des Almanachs Der­Blaue­Reiter sta (s. Kapitel III.1.1.3). Der Einfluss auf sein Triadisches­Balle ist unmielbar auf Kandinskys Der­Gelbe­Klang zurückzuführen. Aus einem Brief an Adolf Burger wird außerdem ersichtlich, dass er sich sowohl mit Kandinskys eorien als auch mit denen Skrjabins beschäigte; s. ScHEPER 1988, S. 21. 636 Der Abend wurde mit Mozarts Titus-Ouvertüre eröffnet; ansonsten trug das Orchester noch das Menue aus der Es-Dur-Sinfonie KV 543 und den Türkischen­Marsch (zum ersten und drien Tanz von Schlemmers Rosa­Reihe) vor. Die übrigen Tänze wurden auf dem Klavier begleitet, nicht vom Orchester – vermutlich bloß eine Verlegenheitslösung; s. ebd., S. 82.

Kunst und Politik | 199

Abb. 56: Oskar Schlemmer, Figurinen-Plan zum Triadischen Balle, 1926; Tuschfeder (Konturenzeichnung) und Aquarell; 44 × 60 cm; Universität zu Köln, Institut für Theater-, Film- und Fernsehwissenscha

musikalisch nicht umgesetzt,637 und Schlemmer bemängelte, »daß die Musik nicht gleich den neuartigen aus dem Zeitstil erwachsenen Kostümen einen Komponisten fand, der diesem neuen auf seine Weise entsprechend Ausdruck zu geben verstand.«638 Diesen Missstand konnte Schlemmer auch für die Aufführung innerhalb der Bauhaus-Ausstellung nicht beseitigen.639 Als einziger Versuch in diese Richtung kann die Komposition von Paul Hindemith (1895–1963) für mechanische

637 Der Name ›Triadisch‹ leitet sich aus dem griechischen ›Dreiklang‹ ab. Die Zahl drei

wird für das Balle zum Bedeutungsträger: für die Kombination Kostüm, Tanz und Musik, aber auch Raum, Form und Farbe. 638 ScHLEMMER, Oskar: Warum Balle?, in: Bühne und Bauhaus, unvollständiger Vortragsentwurf, 4 S. mit handschrilichen Korrekturen, undatiert (1926), 2. Fassung, zit. nach ScHEPER 1988, S. 36. 639 Diese fehlende Einheit von Musik und Tanzgestaltung wird schließlich in den ansonsten meist positiven Kritiken angemerkt; s. ScHEPER 1988, S. 83f.

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Orgel für die ›Donaueschinger Musiktage‹ 1926 gewertet werden:640 Nach Erhalt der Einladung überlegte Schlemmer zunächst die drei Teile des Balles je von einzelnen Musikern komponieren zu lassen – er dachte dabei an Stuckenschmidt, Ernst Toch (1887–1964) und Hindemith, mit denen er anlässlich der für Frühjahr 1926 geplanten Magdeburger eater-Ausstellung in Kontakt stand –, entschied sich dann jedoch für Hindemith.641 In Hindemiths Musik für mechanische Orgel sah Schlemmer zum einen das changieren »vom Heiter-Grotesken bis zum Pathetischen«, »weil hier ein ›recht aus der Imagination und der Mystik unserer Seele‹ schaffender Musiker« am Werk war und zum anderen »weil der mechanische Spielapparat einerseits der Stereotypie der Tanzweise« folgt und »andererseits die Parallele bildet zu den körpermechanischen mathematischen Kostümen.«642 Die spieldosenartige Wiedergabe der Musik über die Lochstreifen der WelteMignon-Orgel entsprach der Maschinen-Faszination der Zeit, die im Einsatz maschinell gesteuerter Klangerzeugung zur Entgrenzung der Musik im 1926er Programmpunkt ›Musik für mechanische Instrumente‹ in Donaueschingen zum Ausdruck kam.643 Die Angemessenheit der Musik zum Triadischen­Balle wurde allerdings trotz der Analogien in visueller und auditiver Ästhetik kritisch beurteilt; am meisten bemängelt wurde die fehlende Einheit.644

640 Jahreszahl nach ScHEPER 1988, S. 36. Ein erstes Zusammentreffen mit Hindemith fand

641 642 643

644

auf Vermilung des Stugarter Kapellmeisters Stefan Temesváry (1886–1967) im Juli 1920 sta. Hier erklärte sich Hindemith bereit, die Musik zu den Tänzen des Triadischen­Balles zu komponieren (s. ebd., S. 27); darauf musste Schlemmer jedoch sechs Jahre warten. Zunächst inszenierte er Hindemiths Opern Mörder,­Hoffnung­der­Frauen (nach einer Textvorlage von Oskar Kokoschka [1886–1980]) und Das­Nusch-Nuschi (nach einer Textvorlage von Franz Blei [1871–1942]) 1921 am Würembergischen Landestheater Stugart. Die Aufführungen waren erfolgreich, die Etablierung eines neuen eaterstils wurde als solches jedoch noch nicht erkannt; s. ebd., S. 29–32. Zu Hindemith s. Anm. 634 und 640. S. RIEPLE 1959, S. 58f. ScHLEMMER 1926B, S. 128f. Hindemith schuf dadurch, dass er die Komposition direkt in die Lochstreifen stanzte, aus dem reproduktiven ein produktives Miel; s. HÄUSLER 1996, S. 86. Damit muss er als einer der wichtigsten Neuerer für das Verständnis von Musik und Maschine sowohl als eoretiker als auch als Praktiker verstanden werden; s. ScHERLIESS 2005, S. 41. »Leider mußte durch die beschränkte Tonskala der mechanischen Orgel manches ungenützt bleiben. Z. B. fordern hochglänzende metallische Kugeln die Trompete, anderes die volle Pauke, anderes den glasdünnen Ton. Diese ideale Übereinstimmung harrt noch der Verwirklichung.« (ScHLEMMER 1927, S. 523.)

Kunst und Politik | 201

Schlemmers Triadisches­Balle ist die teilweise praktische Realisierung seiner theoretischen Grundlage, die in der Folge am Bauhaus umgesetzt wurde. In der Analyse der formalen Bühnenelemente in ihren Einzelbestandteilen ging Schlemmer vom Raum aus,645 denn das eater sei Bühnenkunst und damit Raumkunst: Somit stünden alle Vorgänge auf der Bühne in unmielbarem Zusammenhang mit dem Raum, den er v. a. mathematisch, durch stereometrische Teilungen (die sich aus planimetrischen ergeben können) erfasste und schließlich in seiner ›Bodengeometrie‹ festhielt.646 Dementsprechend griff er auf geometrische Formen bei der Bühnengestaltung und den Kostümen zurück. Als weiteres Element der Bühne betrachtete er die Farbe; bei der Wahl zwischen den eorien Goethes als vom künstlerischen Gefühl bestimmte Intuition gegenüber der naturwissenschalich fundierten Farbenlehre Isaac Newtons (1643–1727) entschied er sich für Erstere, auf deren Grundlage er eine Farbsprache und Farbsymbolik entwickelte.647 Dieser psychologisierenden Bedeutung tri das Licht an die Seite, das, ebenso farbig, durch entsprechenden Einsatz eine optische Täuschung erzeugen konnte – Parallelen zu den vorgestellten Überlegungen Appias und Steiners sind hier offensichtlich. Als weiteres Bühnenelement setzte sich Schlemmer mit der Materie auseinander, v. a. in seinen Kostümen, die er selbst als ›entmaterialisiert‹ bezeichnet.648 Es entstanden vier Grundtypen: die »Wandelnde Architektur«, die

645 Auch für Gropius war dies ein Ausgangspunkt seiner Überlegungen; er hae ur-

sprünglich den Raum in drei Ebenen geteilt: den ›materiellen‹, den ›mathematischen‹ und den ›transzendentalen Raum‹. Die künstlerische Gestaltung musste aus der Einheit dieser drei Gebiete hervorgehen. Doch fand seit 1921 die Transzendenz kaum Platz bei der zunehmenden Forderung nach ›Objektivität‹; s. WINKLER 1994, S. 293. Die von Gropius auch in seiner Vorlesung Raumkunde im Wintersemester 1921 / 22 vorgenommene Dreiteilung des Raumbegriffs kann auf Oswald Spenglers (1880–1936) Der­Untergang­des­Abendlandes (1918 / 22) zurückgeführt werden; s. BERNHARD 2005, S. 30f.; cOLIN 2006, S. 22f. 646 Die ›Bodengeometrie‹ ist eine auf mathematischen Berechnungen basierende Unterteilung des Raums, die dem Tänzer die Bewegung im Raum teils vorgibt; s. ScHEPER 1988, S. 274. 647 Nach Schlemmer trägt jeder Mensch seinen Farbkreis in sich; s. ebd., S. 257. 648 Den entwickelten elementaren Raum- und Körperfunktionen entsprechen die als Grundtypen angelegten Kostüme und ihre Masken, die in der sog. ›Kunstfigur‹ kulminieren (es handelt sich dabei um marioneenartige Automaten); s. ScHLEMMER 1925 und ausgewertet bei ScHEPER 1988, S. 265–272.

202 | Vision ›Gesamtkunstwerk‹

»Gliederpuppe«, der »Technische Organismus« und die »Entmaterialisierung«.649 Seiner Meinung nach diene der Schauspieler »metaphysischen Ausdrucksformen«, die »als Symbolisierung der Glieder des menschlichen Körpers« im Sinne des Mechanismus der Gelenke zu verstehen seien.650 Zwischen der Mathematik, die die Bewegungen der Glieder im Raum beschreibe, und ihrer metaphysischen Bedeutung gebe es keinen Unterschied, sondern beide Bereiche würden sich gegenseitig bedingen.651 Folglich geht Schlemmer bei seiner eaterreform vom Tanz als Keimzelle der Neuerungsbestrebungen aus: Zunächst erprobte er die Bewegungen als mechanische Abläufe im Raum und in einem weiteren Schri entwickelte er aus dieser ›Bewegungsmathematik‹ eine ›Rhythmische Gymnastik‹ (in dem Werk Raumtanz kommt diese am reinsten zum Ausdruck). In der Erstellung einer ›Grammatik der Bühnenelemente‹ sah Schlemmer Parallelen zur Systematisierung der choreografie des Tanzes und den Harmonielehren in der Musik, die allerdings nur für die reine Schau-Bühne einsetzbar waren. Der hinzutretende Mensch war für Schlemmer »sowohl ein Organismus aus Fleisch und Blut, als auch ein Mechanismus aus Zahl und Maß«.652 Eine Unterscheidung zwischen Gefühl und Gesetz ist demnach nicht möglich. Sie bilden aber auch keinen Gegensatz, sondern seien als Einheit im höheren Sinne zu betrachten. Schlemmers Betrachtungen des Menschen bzw. der menschlichen Figur sind daher nicht rein empirischer Natur, sondern erfassen ihn als ideale metaphysische Gestalt. Die Einrichtung der Studiobühne in dem Dessauer Bauhaus-Gebäude (1926) ermöglichte in ersten Ansätzen die praktische Umsetzung der Analyse der Bühnenelemente.653 Anlässlich der offiziellen Eröffnung am 4. Dezember 1926 wurden der Raumtanz, eine Clownerie, Lichtspiele, ein Formen- und Gestentanz und der Zirkus aufgeführt;654 begleitet wurde das Dargebotene auf dem Klavier von dem dem Bauhaus nahestehenden Komponisten Gerhart Münch (1907–1988). V. a. Formen- und Gestentanz werden in der Folge ins Repertoire der Bauhaus-Bühne auf-

649 ScHLEMMER 1925, S. 16f.; s. auch Michaud (1994), S. 47; SIMHANDL 1993, S. 76; ScHEPER

1988, S. 265f.; WILTS 2004, S. 61. 650 ScHLEMMER 1924 / 25, S. 266. 651 S. AUSST.KAT. OSKAR ScHLEMMER 1994, S. 161. 652 ScHLEMMER 1926c, S. 129. 653 Schlemmer setzte sich sowohl praktisch als auch theoretisch mit eaterfragen aus-

einander. Diese enge Verbindung von eorie und Praxis erklärt seine historische Bedeutung; s. ScHOBER 1994, S. 334. 654 S. zu den Werken ScHEPER 1988, S. 140f.

Kunst und Politik | 203

genommen. Der Tänzer stellt dabei kein Individuum dar, sondern den Prototyp eines bestimmten Verhaltens gegenüber den formalen Bühnenelementen: Raum, Form, Farbe und Materie. Die Typenkostüme gehen auf Schlemmers ›Gliederpuppe‹ zurück, die auswaiert wurde; in ihr bewegte sich der Tänzer zur Klavierbegleitung und Geräuschen, die die rhythmische Ordnung vorgaben. Genauso verhielt es sich mit den ›Materialkostümen‹, wie dem Metall- oder dem Glastanz­(Abb. 57, 58). Die Kompositionen dazu stammten nach der Uraufführung von Schlemmer oder Alfred Ehrhardt (1901–84) und sollten die Materialbeschaffenheit darstellen – die Werke blieben dabei musikalisch sehr konventionell.655

Abb. 57: Oskar Schlemmer (Choreografie), Karla Grosch (Tanz), Metalltanz, 1929; Foto von Robert Binnemann; Reproduktion um 1980; 9 × 12 cm; Berlin, Bauhaus-Archiv, Inv.-Nr. F6399

Musik und Literatur fanden in der Satzung des Bauhauses keinen Platz,656 dennoch bildeten Klang und Rhythmus einen wichtigen Bestandteil des Bühnenwerks sowohl Schreyers als auch Schlemmers, wobei sie auf synästhetische Weise mit Form und Farbe zusammenwirkten. Die grundsätzliche Bedeutung des Klangs war Gropius bewusst, wenn er ihm zuspricht, dass aus den Lauten »sich nun die Grammatik des Gestaltens auaut, ihre Regeln des Rhythmus, der Proportion, des Hell-Dunkels, des Gleichgewichts, des vollen und leeren Raumes. Laute und Grammatik sind erlernbar, aber das wichtigste, das organische Leben des erschaffenen Werkes, entstammt der ursprünglichen Schöpferkra des Individuums, die sich die Miel zur Komposition sucht und scha nach eigenem inneren

655 S. die Auswertung des eingesehenen Materials bei ebd., S. 186. 656 Die Bedeutung der Musik wird jedoch durch das Musizieren zahlreicher Meister und

Studenten des Bauhauses deutlich, genauso wie in den zahlreichen Freundschaen mit Komponisten; s. hierzu HÜNEKE 2001 und Anm. 658.

204 | Vision ›Gesamtkunstwerk‹

Abb. 58: Alfred Ehrhardt und Oskar Schlemmer, Noten zum Metalltanz, Teil A, 1929

Kunst und Politik | 205

Gesetz.«657 Trotzdem scheiterte eine stärkere Präsenz der Tonkunst am Bauhaus offenbar an Gropius, da er, entgegen der Bestrebungen Johannes Iens, welcher sicherlich beeinflusst war durch seine Freundscha mit dem Komponisten Josef Mahias Hauer,658 großen Wert auf eine musikalische Ausbildung legte, trotzdem keinen Musikunterricht in den Bauhaus-Stundenplan integrierte. Es war also hauptsächlich Iens Verdienst, dass 1920 durch die Berufung von Gertrud Grunow (1870–1944) die sog. ›Harmonisierungslehre‹ eingeführt wurde.659 Es ging um die Einheit von Ton, Farbe und Form, mit dem Ziel, die physischen und psychischen Elemente in Einklang zu bringen.660 Vorzustellen ist das Verfahren als eine Meditationsübung, bei der jeder Teilnehmende in Bewegung versetzt wird, jedoch nicht als bewusste rhythmische Bewegung zu real erklingender Musik, sondern als Ausdruck eines nicht erklingenden eigenen Rhythmus:661 Diese Sichtbarmachung des ›inneren Klangs‹, die Schreyer ebenfalls forderte,662 erinnert an Steiners Eurythmie, genauso wie an Kandinskys ›Vibrationen‹.

657 GROPIUS 1923, S. 10. 658 S. Anm. 418. Ien und Hauer lernten sich im Mai 1919 kennen. Im Frühjahr 1920 war

659 660 661

662

endgültig beschlossen, dass Hauer nicht nach Weimar kam; s. BOGNER 1994, S. 364– 367. Für beide Künstler war das Verhältnis zwischen einem gesetzmäßigen, mathematischen Prinzipien folgenden, Beziehungsgefüge (wie Hauers Intervallstruktur) und der intuitiven Interpretation des daraus resultierenden Spannungsverhältnisses (wie Hauers Deutung des Melos im Intervall) wichtig; während Ien jedoch stets eng mit der ›Beseeltheit der Natur‹ verbunden blieb, ging Hauer in der konstruktiven Gestaltung der Komposition weiter; s. GöTTE 1989; BOGNER 1985, S. 351. S. zu Grunow und Ien sowie zu ihrer Lehre GROPIUS 1923, passim. S. GRUNOW 1923, S. 83–85. Zu ihrer Tätigkeit am Bauhaus s. STREcKNER 1994; AcKERMANN 2009. »Sich durch innere Vorstellung ganz unter den Eindruck einer Farbe stellen, andererseits einen Ton ganz in uns aufnehmen, bis er unser Eigen wird und in unserem Körper klingt, und sich davon bewegen lassen, ganz frei, wie es der Körper verlangt, und wie er dann allmählich selber seine Ordnung findet, das ist das Neue, was Gertrud Grunow bringt und wodurch sie sich von allen anderen Bewegungsmethoden unterscheidet.« (HEITMEyER, Hildegard: Ordnung durch Farbe und Klang. Gertrud Grunows Lehre einer körperlich-geistigen Erziehung, in: Die Tat, 11 (März 1919 / 20), S. 929–932, hier S. 929, zit. nach STREcKNER 1994, S. 205f.) S. ScHREyER 1948, S. 157f.

206 | Vision ›Gesamtkunstwerk‹

Die Musik erfährt demnach keine besondere Beachtung am Bauhaus: Kurzfristig betätigte Ien sich zwar selbst als Komponist und Musiktheoretiker, wie sein Farbschema mit den Zuordnungen von Tönen und Gefühlen zeigt, doch setzte sich dieses (auch rückblickend) nicht durch. Die Zwölontheorie Hauers hingegen verbreitet sich trotz der gescheiterten Berufung des Komponisten ans Bauhaus in der Schule: 1923 berichtete Stuckenschmidt, dass, obwohl Ien die Schule bereits verlassen hae, immer noch »Gedanken in Verbindung mit Hauers Zwölonmusik […] in den Köpfen vieler Bauhäusler« herumspukten.663

1.3.3

Das ›Gesamtkunstwerk‹ am Bauhaus

»Da jede wahre Kunst unstaatlich / geistig wirkt, wird sie vom Staat immer unterdrückt […] Das Geistige steht außerhalb jeder Organisation. Wo es trotzdem organisiert wird (Religion – Kirche), wird es seinem ureigensten Wesen entfremdet. […] Wer nicht seinen Körper zu opfern um des Geistes willen bereit ist, ist kein geistiger Mensch – um der Kunst willen – kein Künstler. Der Staat sorge dafür, dass keiner seiner Bürger verhungere – aber Die­Kunst­Fördere­er­nicht. Kurz man überlasse die Pflege der Kunst denen, die dazu vom Geiste her berufen sind und nicht denen die dazu vom Staate berufen sind.«664

Ien formuliert hier sein Ziel einer lebensumfassenden, individuellen Prägung des Menschen, wie sie beispielsweise auch von Schreyer und Kandinsky gefordert wurde. Obwohl eine derartige esoterische Prägung in der Lehre nicht vorgesehen war, sondern eine Ausrichtung der einzelnen Disziplinen auf den ›Bau der Zukun‹, prägte sie dennoch in den ersten Jahren die Athmosphäre an der Schule. Dies lässt sich an Iens Vorkurs nachvollziehen: Er begann meist mit ›gymnastischen Übungen‹, gefolgt von ›rhythmischen Formübungen‹, damit die Schüler körpermotorisch ›frei‹ seien, um so ihren ›individuellen Rhythmus‹ zu finden.665 Iens esoterisches Erziehungssystem sollte der Befreiung individueller Schöpferkräe dienen, die er mit Hilfe von ersatzreligiösen Riten und körperlichen

663 STUcKENScHMIDT 1985, S. 408f. 664 Manuskript Kunstmuseum Bern, Tagebuch Inv.-Nr. A 1991, S. 175f., zit. nach TAVEL

1994, S. 38. 665 So Iens Tagebucheintrag vom 28.1.1922: »Auf den individuellen Rhythmus muß jeder

hören.« (Zit. nach WIcK 1994, S. 138 und 166.) Zu den Übungen zählten Improvisations- und Konstruktionsübungen, genauso wie Material- und Texturstudien, besonders aber die ›Analysen alter Meister‹ schulten das sinnliche Auge; s. I TTEN 1921, S. 58f.

Kunst und Politik | 207

Übungen hervorbringen wollte.666 Die Grundlage für diese in wesentlichen Zügen mit der Spiritualität Steiners vergleichbaren Esoterik fand Ien in der von ihm praktizierten Mazdaznan-Lehre.667 In ihr ist die Pflege des Körpers essenziell, denn nur so können »die menschengegebenen Spannungen zwischen Materie und Geist im Sinne ganzheitlicher Höherentwicklung bis hin zu ihrer schließlichen Überwindung« gebracht werden.668 Wie eosophie und Anthroposophie definiert sie sich nicht als Religion oder Philosophie, sondern als übergeordnete Weltanschauung. Die sektenähnliche Gruppierung bot Ien das Vokabular, das er zunehmend mit christlichen Zitaten durchsetzte – »Ich bin das Licht, die Wahrheit und das Lebens« oder »Friede sei mit euch«.669 Am Ende seiner Bauhauszeit stand Ien im Meisterrat mit dieser metaphysisch-religiösen Grundhaltung allein, die zunehmend im Widerspruch mit den neuen Forderungen des ›Staatlichen Bauhauses‹ nach Rationalismus und Funktionalismus standen. Im Konflikt mit Gropius zeigt sich, wie unterschiedlich die Vision des ›neuen Menschen‹ behandelt werden konnte: Der eine erstrebte die Lösung auf mystische, der andere auf praktische Art und Weise.670 Schlemmers Aussage »Ien ist Gropius« hae sich ins Gegenteil gekehrt.671 Diese Dichotomie ist jedoch schon in den Anfängen des Bauhauses angelegt: Während Iens Bestrebungen einer allumfassenden, sowohl intellektuellen als auch künstlerischen und körperlichen Schulung, der nur mit einem ›reinen‹ Geist – fernab äußerer Einflüsse und damit eigentlich nicht lehrbar – nachgegangen werden konnte,672 steht das hierarchische System dieser Ausbildung gegenüber.

666 Diese esoterischen Wurzeln der frühen Schaffensphase Iens legten er und seine Frau

667

668 669 670 671 672

nicht offen, sodass die Forschung ihn als Esoteriker erst seit 1994 (AUSST.KAT. DAS FRÜHE BAUHAUS UND JOHANNES I TTEN) wahrnimmt. Zur Lehre Iens s. WIcK 1994. Die Mazdaznan-Lehre bestand in Deutschland seit 1907 mit dem geistigen Oberhaupt Dr. Otoman Zar-Adusht Ha’nish (1844–1936), darauin entstanden in allen größeren Städten Logen mit der Zentrale in Herliberg am Züricher See; s. BUScH 1994. Ien beschäigte sich mit der Lehre nicht erst in seiner Weimarer Zeit, sondern bereits ab 1916; s. WAGNER 2005B, S. 70f. BUScH 1994, S. 84. S. TAVEL 1994, S. 54. Schlemmer beschrieb diese Kontroverse im Dezember 1921; s. ScHLEMMER 1958, S. 121. ScHLEMMER 1958, S. 115. Zur Beziehung Ien und Gropius s. WILHELM 1994. Darin zeigt sich zwar kein Unterschied zu Wagner, doch ging Ien nie den Schri, die Kunst an Stelle des Staates zu setzen. Er zielte immer auf die Erziehung des Individuums.

208 | Vision ›Gesamtkunstwerk‹

So konnten, im Gegensatz zu einer auf einer weltanschaulichen Grundlage entstehenden Gruppierung (wie der Anthroposophie), die Studierenden nur bedingt freiwillig agieren und haen sich an der Organisation und dem Lehrplan zu orientieren – Demokratie und Hierarchie existierten parallel. Die Unterschiede zwischen Iens lebensreformerisch und esoterisch geprägten Ideen und Gropius’ rationellen Überlegungen rieben sich seit Gründung der Schule und schlugen sich auch auf künstlerischer Ebene nieder. Dieser sich auch im eater zeigende Wandel von eher esoterisch hin zu funktional geprägten Aspekten lässt sich beispielsweise in den unterschiedlichen Auffassungen von Raum bei Schreyer und Schlemmer nachvollziehen: Der der Technik zugeneigte Schlemmer fordert einen modernen eaterbau mit neuer Technik, welcher dem veränderten Weltbild des technisch-wissenschalichen Zeitalters Rechnung trage.673 Hingegen sieht sein Vorgänger, Schreyer, gerade die »Gefahren für die Zukun des expressionistischen eaters« in der »Selbstherrlichkeit des konstruktiven Auaus« und »in der Herrscha des technischen Zeitalters, in der den Menschen wie die Kunst unterjochenden Herrscha der Maschine.«674 Das »expressionistische[n] eater als ein[en] Ort der Verwandlung des Menschen« ist für Schreyer essenziell zur Ausübung der »untrennbare[n] Verbindung des eaters mit dem Kult der Religion«.675 Die Grundbewegungen des Darstellers sind daher für Schreyer Sinnbilder des Inneren des Menschen; sie zeigen das Seelisch-Geistige und sind »Ausdruck des Lebens in der geistigen Wirklichkeit«.676 Die Funktion des Tanzes als rauschha-dionysisch und zugleich apollinisch-streng,677 in seiner Dualität von

673 So verlangte er vom eaterbau: »Größtmögliche Veränderlichkeit des Schauplatzes,

674 675 676

677

sowohl Arena als Guckkasten, sowohl Tiefenbühne als Etagenbühne; gleich Landungen in den Zuschauerraum vorgeschobene Proscenien; Einkreisung des Zuschauerraums durch eine ringförmige Autostraße für Bühnenwagen; allseitige Verwendungsmöglichkeit des Films, Projektion, der Transparenz – das sind die Forderungen der modernen Bühne, aber auch ihre Problematik.« (ScHLEMMER, Oskar: Piscator und das moderne eater, in: Das Neue Frankfurt, 2 (Februar 1928), H. 2, S. 22–26, hier S. 25, zit. nach ScHEPER 1988, S. 260.) ScHREyER 1948, S. 91–93. Ebd., S. 128. Ebd., S. 55. Diese metaphysisch-geometrische Sichtweise des Menschen sieht FORNOFF 2004 (S. 455) in der pythagoreisch-platonischen bzw. neuplatonisch-christlichen Kosmologie. Diese Denkstrukturen waren seit der Jahrhundertwende präsent und zeigen sich als Erklärungsversuche in allen Disziplinen. S. SIMHANDL 1993, S. 76; WILTS 2004, S. 59.

Kunst und Politik | 209

Organik und Mechanik, beschäigte Schreyer – in dessen Nachfolge sich Schlemmer noch stärker mit dem mechanischen Element auseinandersetzte. Beide Leiter der Bauhausbühne suchten in den Bewegungsgesetzen des menschlichen Körpers den Ausgleich zwischen Natur und Geist; eine Eigenscha die bereits Nietzsche dem Tanz zusprach.678 Der Wandel in der Formauffassung, wie er nicht nur im Bereich des eaters, sondern auch der Architektur – von der ›Kathedrale‹ zur ›Wohnmaschine‹ –679 nachzuvollziehen ist, ging Hand in Hand mit einem Umdenken vor der politischgesellschalichen Praxis (mit dem rationellen Bauen sollte der Wohnungsnot Abhilfe geschaffen werden) und war daher keine rein künstlerische Frage.680 Dem industriellen Produkt in seinem künstlerischen Entwurf kam eine neue Bedeutung zu, und es wurde in einer nie dagewesenen Stringenz der öffentlichkeit zugänglich gemacht. Nach außen präsentierte sich das Bauhaus mit neuem künstlerischen Gedankengut, genauso wie mit einer sozialen Tendenz, die den Weimarern anarchistisch vorkam.681 Die Idee eines geheimbündlerischen Kommunitätsideals nicht nur in dem gemeinschalichen Arbeiten, sondern auch im

678 S. ALLENDE-BLIN 1994, S. 178. Sowohl die Mitglieder des ›Werkbunds‹ als auch zahl-

reiche Bauhäusler rezipierten Nietzsche. Dessen Einfluss ist bereits im Auau der Schule zu erkennen: Hier wurde der Kritik Nietzsches an den historisch ausgerichteten Stoffschulen, »die die Schüler zu ›wandelnden Encyclopädien‹ mache[n] und sie auf eine Weise dem Leben gänzlich entfremde[n]« (BERNHARD 2005, S. 29), entgegengearbeitet, indem durch die Zusammenarbeit der unterschiedlichen Werkstäen im Sinne der reformpädagogischen Bewegung gegen ein traditionell verwaltetes Schulsystem appelliert wurde. 679 Auch wenn die Wohnmaschine als ein »Kulturfaktor und ein Kultursymbol« positiv konnotiert wird (WINKLER 1994, S. 296), ging doch der idealistische Zug der ursprünglichen eorie verloren. Ein solches serielles Produzieren wurde vom Bauhaus erstmals 1923 mit dem Haus­am­Horn (s. Anm. 604) vorgeführt. 680 Schlemmer ging diesen Weg nie in aller Konsequenz, denn mit diesen Lösungsversuchen auf praktischer Ebene setzte er sich nicht auseinander: Auch wenn das eater für ihn durchaus eine Bildungs- und Erziehungsanstalt darstellte, ließ er gesellschaliche Gesichtspunkte unberücksichtigt und befasste sich fast ausschließlich mit der künstlerischen Funktion des eaters. 681 S. WINGLER 2002, S. 14. Das bohèmehae Verhalten der Studierenden verstärkte das Vorurteil weiter. Die Separierung der Bauhaus-Schüler von der Bevölkerung Weimars erfolgte nicht nur örtlich, sondern teilweise auch in ihrer von Ien entworfenen Kleidung; s. GEBHARDT 2004, S. 418.

210 | Vision ›Gesamtkunstwerk‹

Zusammenleben, trägt klösterliche Züge; Gropius forderte nachdrücklich im Manifest die »Pflege freundschalichen Verkehrs zwischen Meistern und Studierenden außerhalb der Arbeit; bei eater, Vorträgen, Dichtkunst, Musik, Kostümfesten, Auau eines heiteren Zeremoniells bei diesen Zusammenkünen.«682 Gropius sah in diesem Umfeld die propagierte Neudefinition der Künste, die für eine Transformation der Gesellscha absolut notwendig ist, als erfüllt.683

682 GROPIUS 1919, S. 10 [1. Seite des eigentlichen Programms]. 683 »Das Bühnenwerk ist als orchestrale Einheit dem Werk der Baukunst innerlich ver-

wandt, beide empfangen und geben einander wechselseitig. Wie im Bauwerk alle Glieder ihr eigenes Ich verlassen zugunsten einer höheren Lebendigkeit des Gesamtwerks, so sammelt sich auch im Bühnenwerk eine Vielheit künstlerischer Probleme, nach diese[m] übergeordnete[n] eigenen Gesetz, zu einer neuen größeren Einheit.« (GROPIUS 1923, S. 17; s. auch FORNOFF 2004, S. 447f.) Eine solche Einheit von Bau und Bühne stellt Klee 1922 in seinem Schema Idee­und­Struktur­des­Staatlichen­Bauhauses dar. Doch sind es gerade diese beiden Werkstäen (Architektur und eater), die anfangs bei der Ausbildung fehlten.

Kunst und Politik | 211

2. Die Ästhetisierung der Politik: ›Totalitarismus‹ in der NS-Zeit Am 30. Januar 1933 wurde Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannt und damit eine der ersten modernen Propagandaaktionen besiegelt.684 Verantwortlich dafür zeichnete der dann am 13. März 1933 zum Reichsminister für Volksaulärung und Propaganda ernannte Joseph Goebbels (1897–1945). Besonders in dieser frühen Phase des Nationalsozialismus zeigen sich zwei gegensätzliche Strömungen: zum einen die rückwärtsgewandte ›Blut- und Boden-Bewegung‹ (beispielsweise in der ing-Bewegung) und zum anderen zukunsorientierte, modernistische Tendenzen (wie in den modernen, technifizierten Massenmedien). Das ingspiel als Freilutheater musste, da Hitler und Goebbels (besonders ab 1935) befürchteten, es werde zu völkisch-naturreligiös, während der 1930er Jahre zunehmend den Modernisierungsambitionen weichen, die als Propagandamiel effektiver und ökonomischer erschienen.685 Ein Zusammenspiel dieser beiden Richtungen zeigt sich im Film, wie exemplarisch an Triumph­des­Willens (1935) zu sehen sein wird: Hier treffen beispielsweise militante Aufmärsche und mit leistungsstarken Flakscheinwerfern gebildete und angestrahlte, gigantische Freilutheater auf neueste, massenmedial rezipierbare Technik im Film. Die symbolisch zur Schau

684 Der Begriff der ›Machtergreifung‹ ist problematisch, da er dem nationalsozialistischen

Vokabular entnommen und dementsprechend ideologisch geprägt ist. Zudem bleibt dabei die Frage nach der historischen Korrektheit offen: ob es sich um eine ›Ergreifung‹, ›Übernahme‹ oder ›Übergabe‹ der Macht handelt. Dieser Aspekt wird im Folgenden nicht weiter diskutiert, daher die Terminologie vorsichtig verwendet. 685 Anfangs wurde relativ euphorisch mit dem Bau mehrerer ingspielstäen begonnen – etwa 400 waren geplant, jedoch nur ca. 20 verwirklicht –, die dem Schema eines Amphitheaters nach antik-griechischem Vorbild mit gestuer Spielfläche (sta Skene) folgend bevorzugt an Hanglagen errichtet wurden; ab 1936 wurden diese dann mit unterschiedlicher Intensität für verschiedene Feierlichkeiten weitergenutzt; zu den ingspielen und ihren Stäen s. die immer noch grundlegende Arbeit von STOMMER 1985. Massenschauspiele im Freien gab es parallel auch in anderen Formen, wichtig dabei war – genauso wie bei den ingspielen – die entsprechende Kulisse zur Inszenierung und Demonstration von Macht und Masse; s. ausführlich zum eater RIScHBIETER 2000, bes. S. 34–41 und ausgehend von Personen und Institutionen RÜHLE 2007, S. 725–991. Meist wurden die ingspielstäen an entsprechend historisch aufgeladenen Orten errichtet, so z. B. auch an der Loreley; s. cUSTODIS 2004.

212 | Vision ›Gesamtkunstwerk‹

gestellte Einheit von Alt und Neu, von Natur und Technik war ideologisch opportun, da sie allen Bevölkerungsschichten einen Platz in der Gemeinscha versprach; als logische Konsequenz ergab sich daraus, dass die politisch etablierte Gewalt zu einer naturgegebenen Kra würde und damit nicht zu hinterfragen sei.686 Geschickt wurden derartige Ideale durch den Propagandaapparat vorbereitet, transportiert und direkt oder indirekt an die Bevölkerung vermielt.687 Die systemkonforme Steuerung der Propaganda und damit auch der Kunst zeigt sich bereits in Adolf Hitlers Mein­Kampf (ab 1924) und prägt eine Kunst- und Kulturauffassung,688 die von Uneinheitlichkeit und Widersprüchlichkeit gekennzeichnet ist, was sowohl für die polykratische Struktur der Herrschasapparates als auch die heterogene Kunstpolitik gilt.689

686 S. HITLER 1934, S. 186f. und WILMESMEIER 1996, S. 7f. 687 Goebbels kommt eine zentrale Rolle zu, allerdings müsstegenauer hinterfragt werden,

ob dieser Eindruck nicht auch Ergebnis einer geschickt kalkulierten »Inszenierung für die Nachwelt« ist; s. die Analyse der Tagebücher SöSEMANN 1992. 688 Grundlegend zur nationalsozialistischen Propaganda ist immer noch die Studie von BENNER 1963 über ›Die Kunstpolitik des Nationalsozialismus‹, die sie in doppelter Zielrichtung verstand: zum einen Kunst als »Gegenstand von Politik« und zum anderen Kunst als deren »Medium« (S. 93); s. auch mit speziellem Blick auf Goebbels BRAMSTED 1971 sowie allgemein zur Kulturpolitik REIcHEL 1991, S. 79–113. Zu den Vorläufern der propagandistischen Strategien der Nationalsozialisten s. WARNKE 2007. 689 Trotz solcher Differenzierungsversuche zeigt sich bis heute Skepsis bei der Betrachtung von ästhetischer Modernität und nationalsozialistischer Diktatur; beispielsweise wird gerne allgemein auf den Antikenbezug im Körperbild u. ä. verwiesen; s. BRANDS 1990, S. 103–108, 126f. Dabei betonen jüngere Forschungen immer wieder, dass das ›Drie Reich‹ »längst als integraler Bestandteil der Moderne im ›Zeitalter der Extreme‹ und nicht als Ausnahme deutscher und europäischer Geschichte« verstanden werden müsse; s. ULBRIcHT 2009, S. 356. Und auch hinsichtlich der Kunst wird festgehalten, dass sie komplex und kontrovers ist, so z. B. ADAM 1992; zur Kunst der NSZeit liegen milerweile zahlreiche Publikationen vor, besonders Ausstellungskataloge, wie z. B. AUSST.KAT. »ENTARTETE KUNST« 1992 oder AUSST.KAT. KUNST UND MAcHT 1996, s. auch die umfassende Dokumentation von DAVIDSON 1995. Über eine biografische Erfassung, wie sie FEST 1973 mit seinen knappen Anführungen liefert (s. Anm. 773), hinaus will SPOTTS 2009 »explore the idea that Hitler was two persons – a man of hatred, violence and destruction yet also a man of quiet remarkable aesthetic instincts who revered the arts above all else and wanted […] to create a culture-state in which the arts would reign supeme.« (S. VII.) Eine derartige Zweispaltung wurde auch bereits von den Zeitgenossen beobachtet, so etwa von omas Mann (1875–1955).

Kunst und Politik | 213

2.1 Künstlerische Disziplinen im politischen Einsatz: Ausgangspunkt Leni Riefenstahl »Überall wird in den verschiedensten Formen offenbar[t], was auch uns direkt angeht: die große Polarität des Lebens, das Gesetz der Beharrung, der Schwerkra und des Mielpunktstrebens, des Kämpfens und der Begaung, des Wachsens und des Alterns, des Gebärens und des Sterbens, des Tötens und des Fressens. Überall und in allem das große Gesetz, die unabweisliche Notwendigkeit, die keinen Zufall kennt: die unendliche, die ihrer Unbarmherzigkeit doch so schöne Welt.«690

Mit diesen Worten formulierte der Reichsfilmintendant Fritz Hippler (1909–2002) den Anspruch der der Volksbildung dienenden nationalsozialistischen ›Kulturfilme‹: das Alltägliche zu zeigen und das dem ›Volk‹. Dies war die nach außen getragene nationalsozialistische Vorstellung, in der Realität sah es jedoch anders aus: Nicht alle konnten im Kino in der ersten Reihe sitzen, denn nicht alle Bevölkerungsschichten haen die Möglichkeit, das neue Medium gleichermaßen zu nutzen.691 Basierend auf Überlegungen der 1920er Jahre gingen auch die Nationalsozialisten davon aus, dass man mit dem Kino die Welt aushebeln könne. Weit-

690 HIPPLER 1942, S. 104. Zu Hipplers Filmtheorie s. BRANDT 1987. 691 S. zur Entwicklung und Lenkung der Filmproduktion die entsprechenden Kapitel in

ZIMMERMANN / HOFFMANN 2005, S. 69–102. STAHR 2001 liefert mit seiner Publikation eine profunde Untersuchung nicht nur des Publikums während des Nationalsozialismus, sondern behält dabei auch die unterschiedlichen Aufführungsorte und -gegebenheiten im Blick. Insgesamt gibt es milerweile eine Fülle an Literatur zum Film im Nationalsozialismus, ihnen meist gemeinsam ist die Darstellung der historischen Fakten und der propagandistischen Möglichkeiten; z. B. grundlegend BEcKER 1973 sowie HOFFMANN 1988, S. 79–99; oder mit besonderem Blick aus Goebbels’ Perspektive KAISER 2007. Als Grundlagenwerk zur Beschäigung mit dem nationalsozialistischen Film wird immer noch ALBREcHT 1969 herangezogen, der jedoch die Spielfilme in den Blick nahm und daher für die vorliegende Arbeit nicht weiter von Interesse ist. Eine Verortung des nationalsozialistischen Films im Bereich der deutschen Filmindustrie bis 1918 und der Weimarer Zeit gibt TEGEL 2007, S. 21–48; dem Einsatz des Films als Massenmedium vor den Nationalsozialisten geht HANNA-DAOUD 1996 nach. DONNER 1995 schreibt in seiner nicht ganz objektiven Untersuchung einer massenmedialen Manipulation durch den Film den Mythos des ›verführten Volks‹ fort. Eine Dokumentensammlung zum NS-Film und -eater legte WULF 1964 vor. Einen guten Einstieg zu dem, was in Film und eater während des Nationalsozialismus nicht gezeigt werden sollte, liefert mit Literaturnennung ODENWALD 2006.

214 | Vision ›Gesamtkunstwerk‹

aus wichtiger als der ›Kulturfilm‹ war hierbei jedoch der Spielfilm. Die Nationalsozialisten orientierten sich an ihrem ›Feindbild‹ der Filmpolitik, der damaligen Sowjetunion, denn hier sah Goebbels in Sergei Eisensteins (1898–1948) Filmen bereits eine überzeugende Form der Verbindung von Agitation und Kunst.692 Eine eigene Filmarbeit aufzubauen gelang der NSDAP lange Zeit nicht, da sie nicht entsprechend organisiert war und es parteiinterne Rivalitäten gab.693 Zunehmend jedoch wurde das Kino zur Stäe staatlich-kultureller Repräsentation und damit das Medium Film wirksam instrumentalisiert zur Indoktrinierung der Bevölkerung; bleibt jedoch das Problem, dass auch während der nationalsozialistischen Zeit nie die gesamte Bevölkerung – der Kinobesuch entwickelte sich v. a. zum Freizeitvergnügen der jüngeren Bevölkerung – an der schlagkräigen Filmpropaganda partizipierte.694 Eine durchweg ›positive‹ Bilanz bezüglich der nationalsozialistischen Filmpolitik zu ziehen, fällt relativ schwer; konstant blieb über die Zeit des NS-Regimes der Staat als Bezugspunkt im Kommunikationsprozess der propagandistischen Filme. Leni Riefenstahls Film Triumph­des­Willens (1935) ist hierfür ein frühes Beispiel,695 in dem die Nationalsozialisten ihrer Ideologie visuell und auditiv Ausdruck verliehen haben.696

692 S. STAHR 2001, S. 22f. Zu Eisensteins Gegenpart, Béla Balázs (1884–1949), mit dem Rie-

fenstahl zusammenarbeitete, s. Anm. 706. 693 S. ebd., S. 25. 694 So wird Triumph­des­Willens aus heutiger Perspektive als langweilig bewertet; s. hierzu

die Studie von STRATHAUS 2008, S. 43; LENSSEN 2000, S. 211 (mit besonderem Blick auf die Emotionalisierung des Zuschauers) sowie die soziologische Affektstudie von EDER 2005, bes. S. 121–129; s. auch Anm. 696. Auf allgemeiner Ebene geht BROcKHAUS 2006 der Frage nach, welche Motive die emotionale Hinwendung der Nationalsozialisten verständlicher werden lassen. 695 Es finden sich einige Biografien zu Leni Riefenstahl, die häufig mit ihrer Tätigkeit als Tänzerin und Begleiterin von Arnold Fanck (1889–1974) beginnen und bis zum Ende der NS-Zeit gehen, so z. B. die Monografien von ROTHER 2000 und TRIMBORN 2002 sowie KINKEL 2002 in etwas unkritischer Anlehnung an Riefenstahls Memoiren (RIEFENSTAHL 1987) und Interviews mit ihr. Eine gute Zusammenfassung der filmischen Tätigkeiten Riefenstahls liefern HERZOG / LEIS 2011 in ihrer Einleitung sowie TEGEL 2007, S. 79f. und Anm. 695. Daneben gibt es monografische Arbeiten, wie z. B. von JANEcKE 2006 zu Riefenstahls Olympia-Film. Die Rezeption Riefenstahls nach 1945 fiel unterschiedlich aus: z. B. als erste Regisseurin Deutschlands, wie LOEWy 2011 behauptet, KOTHENScHULTE 2011 jedoch negiert. Zu ihren Versuchen, sich selbst zu rehabilitieren; s. GLASENAPP 2005B.

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Insgesamt konzentrieren sich die folgenden Betrachtungen somit auf die Konsolidierungsphase des NS-Regimes. Der Reichsparteitag 1934, unter dem politischen Signet der ›Einheit‹,697 und seine Verfilmung verfolgte v. a. zwei Funktionen: Zum einen wurde nach der blutigen Beendigung der Röhm-Affäre im Juni / Juli 1934 die Akzeptanz der neuen SA-Führung präsentiert, die innenpolitisch die Aussichtslosigkeit einer parteiinternen Opposition verdeutlicht.698 Zum anderen sollte durch die massenhae Partizipation am Parteitagsritual die Revisionspolitik gegenüber den Siegernationen des Ersten Weltkriegs außenpolitisch unterstrichen werden.699 Dementsprechend überzeugend musste die Veranstaltung und ihre filmische Präsentation sein: Das faschistische Ritual ist hierbei die wesentliche Präsentationsform, in der sich der Mythos artikulieren kann. Mit seinem quasi-religiösen charakter nationalsozialistischer Weiheveranstaltungen zieht es die Massen in seinen Bann und löst rauschartige Zustände aus.700 Eine derartige Emotionalisierung musste auch der Film Triumph­des­Willens transportieren, so z. B. in der Wiedergabe des rhetorischen Geschicks Hitlers, seiner Mimik und

696 Damit schließe ich mich LOWRy 1995 an, nach dem der Film »die zentrale filmische

697

698 699 700

Darstellung der Partei« zur Glorifizierung des Führers darstelle und ihm als filmisches Instrument diene, um »das offizielle Bild der NS-Partei« zu verbreiten. Da der Film in Ausschnien seit 1945 immer wieder in Film- und Fernsehdokumentationen – und milerweile auch in Videoclips – Einzug hielt, präge er »bis heute das allgemeine Bild des Nationalsozialismus«; s. GLASENAPP 2005B; BATHRIcK 2008. Es kann nur bedingt GROTEs 2004 (bes. S. 87) ese, in der Dramaturgie der Riefenstahl-Filme die Bereitscha zur Preisgabe des dokumentarischen Anspruchs im Interesse einer propagandistisch funktionalisierbaren Konstruktion von Erzählzusammenhängen zu sehen, gefolgt werden; s. KöPPEN 2007. Dass allgemein die Politik sich Inszenierungsstrategien zur Bildung einer Wirklichkeit bedient, untersuchen MEyER / ONTRUP / ScHIcHA 2000. Über die Straßen in Nürnberg waren Transparente gespannt, auf denen Aufschrien wie »Reichsparteitag der Einheit und Stärke« oder »Für die Einigkeit des Volkes – Für die Stärke des Reiches« zu lesen waren; s. LOIPERDINGER 1987, S. 128. Zu den wichtigsten Eckdaten des Parteitags s. TRIMBORN 2002, S. 200f. S. FEST 1973, S. 619–660. S. LOIPERDINGER 1987, S. 130–132; FEST 1973, S. 663–696. S. KLIMó / ROLF 2006, S. 11 und darin bes. K ÜHBERGER 2006. Nach BARTETZKO 1985A (S. 217) diene die nationalsozialistische Architektur nicht nur zur Züchtigung der Massen, sondern ebenso einer irrationalen, den Rausch fördernden Rezeption. Damit bezieht er die innere Disposition der Gesellscha und des Einzelnen mit in die Betrachtung ein.

216 | Vision ›Gesamtkunstwerk‹

Gestik.701 Er folgt Hitlers Strategie eines rezeptionsorientierten Blicks, der über die eatralisierung der Realität Ausgangspunkt seiner Überlegungen war und sinnlich-ästhetisch das ›Volk‹ für sich gewinnen wollte. Triumph­des­Willens wurde 1934 unter der Regie Leni Riefenstahls mit 120 Mitarbeitern im Rahmen des Reichsparteitags in Nürnberg im Aurag der NSDAP (und im Besonderen Hitlers) gedreht;702 die Uraufführung fand am 28. März 1935 im Ufa-Palast am Zoo in Berlin sta. Er ist der zweite Teil von Riefenstahls Parteitags-Trilogie und folgt Sieg­des­Glaubens (1933)703 bzw. steht vor Tag­der­Freiheit –­Unsere­Wehrmacht­–­Nürnberg (1935).704 Der Film firmiert unter dem Begriff des sog. ›Dokumentar‹- oder ›Kulturfilms‹,705 der stets darauf bedacht war, die rassisch fundierte NS-Typologie – und keine Einzelschicksale von Menschen – zu transportieren, indem er ein Bildpathos aufgriff, das den Dialog nur da gestaete,

701 Schon LOIPERDINGER 1987 (S. 147) hält fest, dass »die Transformation von sprachlichen

702

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Argumentationsformen der Ideologie in den ästhetischen Zeichenkomplex des demonstrativen Rituals zu untersuchen, anhand eines Vergleich[s] von ›Mein Kampf‹ mit ›Triumph des Willens‹, […] gewiß eine reizvolle Aufgabe« wäre; er verpasst es jedoch auch nicht, zugleich auf die methodischen Schwierigkeiten hinzuweisen. Hinzu kamen 32 Kameramänner und 16 Wochenschauoperateure; zu den Zahlen s. TEGEL 2007, S. 83f. und VOLKER 2003, S. 51. Die Finanzierung übernahm die Partei, die auch die unabdingbare logistische Unterstützung und Distribution sowie umfangreiche Werbemaßnahme gewährte; s. KRAMER 2005, S. 83; TRIMBORN 2002, S. 208f. Der Großteil der Kameraleute entstammte der Schule Arnold Fancks. Dessen Bildsprache in seinen Naturhymnen an die Berge lässt sich auch, dann auf Nürnberg übertragen, in Triumph­des­Willens wiederfinden; s. Anm. 706. In Sieg­des­Glaubens sind bereits alle wesentlichen Gestaltungs- und Montageelemente von Triumph­des­Willens vorweggenommen; s. KOTHENScHULTE 2011, S. 25; ROTHER 2000, S. 52–66. S. GROTE 2004, S. 9–11 und unter Nennung sämtlicher Eckdaten S. 33–161. Der ›Dokumentarfilm‹ bildete verschiedene Gaungen – Triumph­des­Willens würde in die Rubrik ›ästhetisch-propagandistischer Dokumentarfilm‹ fallen –, wie er ab 1936 sowohl im Fernsehen als auch im Kino vorgeführt wurde; s. ZIMMERMANN / HOFFMANN 2005 (zur Literaturkritik S. 1–44); STAHR 2001 (zu den Publikumsreaktionen S. 294f.) und ZIMMERMANN 2011, S. 60–63. Publikumsanalysen zeigten, dass die im Kino vermittelten politischen, kulturellen und sozialen Prämissen neben die traditionellen Sinnvermilungsinstanzen traten, diese jedoch nicht vollständig ersetzen konnten, sodass die zeitgenössische Prägekra des Mediums je einzeln hinterfragt werden muss.

Kunst und Politik | 217

wo es die Weiterführung der Handlung erforderte.706 Der ›Kulturfilm‹ dient demnach als idealer Indikator und Promotor für die gewünschten Normen und Werte. Dementsprechend wird der Film Triumph­des­Willens im Folgenden als historisches Dokument verwendet – nicht als Medium an sich –, das Aufschluss über das von den Nationalsozialisten gewünschte Bild geben kann und ihre dafür präferierten ästhetischen ›Hilfsmiel‹ darlegt.707 In (verbaler) Anlehnung an

706 S. KINSKy-WEINFURTER 1993, S. 37–40. In diesen Bereich würden etwa auch die Bergfilme

Arnold Fancks – in dessen Die­weiße­Hölle­vom­Piz­Palü (1929) auch Leni Riefenstahl mitspielte – und die Spielfilme Luis Trenkers (1892–1990) gehören. Das­blaue­Licht (1932) als erster Film unter der Regie von Riefenstahl (und ebenso in der Hauptrolle) in Zusammenarbeit mit Balázs (s. KOTHENScHULTE 2011, S. 26–28) folgt dem romantisch-naturmythologischen Tenor der Bergfilme Fancks – nochmals gesteigert um die Musik von Giuseppe Becce (1877–1973); s. LOEWy 2011. 707 Damit stützen sich die folgenden Ausführungen auf die ese LOIPERDINGERs 1987, der sich besonders der Darstellung des Rituals in Triumph­des­Willens zuwendet. Es ist die zentrale monografische Arbeit zu dem ema, die neben der Darlegung der Produktionshintergründe, Eckdaten, einer genauen Filmanalyse etc. auch theoretische Diskurse um den Film aufzeigt (s. S. 43f.), v. a. sich aber immer wieder auf die ›Mobilmachung‹ durch Rituale konzentriert. Hierauf stützen sich einige Untersuchungen, bleiben dabei aber meist redundant, wie z. B. KNOPP 2004. Über die Gestaltung des Films gibt es milerweile einige Analysen, die ein Spektrum von der massenpsychologischen Konzeption (TOMASULO 1998) bis hin zur Untersuchung der geometrischen Aspekte der Filmbilder (GöTTScHE 2003) eröffnen. Immer wieder wurde der große propagandistische Anspruch des Films betont (womit sich die jüngste Forschung kritisch auseinandersetzt, s. Anm. 757), so z. B. auch immer noch von DONNER 1995 als ein Paradebeispiel hervorgehoben, hier v. a. hinsichtlich seiner Massentheorie. Besonders die englischsprachige Literatur setzte sich schon früh dafür ein, den Film als historisches Dokument wissenschalich zu untersuchen (beispielsweise DEUTScHMANN 1991) und durch das Aufzeigen der Propagandastrategien einen wichtigen Beitrag zur Entmystifizierung der Geschichte beizutragen. KOTHENScHULTE 2011 bietet zudem eine profunde Untersuchung der (im Folgenden nicht berücksichtigten; s. Anm. 732) filmischen Ästhetik Riefenstahls, die er zum einen aus filmtheoretischen Debaen der 1920er Jahre (s. Anm. 706) und zum anderen aus der zeitgenössischen Kunstfotografie herleitet. MÜLLER / POTTMEIER 1996 sprechen sich neben der Betrachtung von Propagandastrategien und formaler Perfektion für die Betrachtung der Wechselwirkungen von Politik und Ästhetik aus (auch wenn sie dann selbst in ähnliche Muster verfallen). Eine Verortung von Triumph­des­Willens im nationalsozialistischen Film nimmt TEGEL 2007 (S. 75–98) vor.

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Nietzsches ›Willen zur Macht‹ inszeniert Riefenstahl im Medium des Films die ohnehin schon (seit 1923 stafindende) choreografierte Veranstaltung der Reichsparteitage in gewaltigen Bildern neu,708 stets darauf bedacht, Hitler als heilsbringenden Führer und die Rückkehr Deutschlands als Großmacht darzustellen. Dazu bediente sie sich einerseits neuster Technik – wie bewegten Kameras, Teleobjektiven oder Luaufnahmen – und griff andererseits auf das bewährte Miel der suggestiven Kra der Musik zurück. Wenn auch politisch und moralisch natürlich eindeutig nationalsozialistisch, entstand dennoch ein filmgeschichtlicher und ästhetischer Meilenstein. Der Film beginnt mit einem Prolog,709 gefolgt von der Darstellung der vermeintlichen drei Tage des Reichsparteitags:710 Es beginnt mit der Ankun Hitlers in Nürnberg (Vorabend), gefolgt (1. Tag) von den Vorbereitungen verschiedener NS-Organisationen in den Zeltlagern zur Eröffnung des Reichsparteitags, während die Führungsriege die Luitpoldarena erreicht, um dann die Zeremonie mit der Einführung mehrerer hochrangiger NSDAP-Mitglieder und der ersten Rede Hitlers zu eröffnen. Der darauffolgende Tag (2.) Tag beginnt mit einer Kundgebung der Hitler-Jugend auf dem Paradeplatz, um anschließend die Ankun weiterer nationalsozialistischer Würdenträger und Hitlers Rede an die Jugend zu zeigen; nach der Vorführung beriener und motorisierter Einheiten der Reichswehr folgt in der Nacht Hitlers Rede zu den politischen Leitern. Den Höhepunkt des Films bildet der letzte (3.) Tag, an dem Hitler zusammen mit Heinrich Himmler (1900–45) und Viktor Lutze (1890–1943) durch geometrisch aufgestellte Massen an SA- und SS-Männern die Luitpoldarena durchquert, um einen Gedenk-

708 S. zu den seit 1923 stafindenden Reichsparteitagen REIcHEL 1991, S. 116–138. 709 Den Titelvorspann gestaltete Walter Rumann (1887–1941), dem eine größere Betei-

ligung am Film wohl aus Konkurrenzgründen seitens der Regisseurin verwehrt blieb. Er richtete ein Drehbuch ein; s. WILMESMEIER 1996, S. 16f.; ROTHER 2000, S. 69–71; HINTON 2000, S. 21f. Rumann gilt mit seinem Film Berlin.­Die­Symphonie­einer­Großstadt (1927) als Begründer des Genres der Stadtdokumentation, die jedoch auch schon stark ästhetischen Gesichtspunkten in der Montage des Bildmaterials und weniger einem Authentizitätsanspruch folgt. Sein Einfluss auf Riefenstahl ist in Triumph­des Willens offensichtlich: So können Parallelen im Anflug Hitlers und Rumanns Berlin-Film (1927) gesehen werden; s. GROTE 2004, S. 93; TRIMBORN 2002, S. 204–207. 710 Eine Beschreibung des zeremoniellen Ablaufs der Reichsparteitage gibt REIcHEL 1991, S. 127–134. Zum filmischen Ablauf im Vergleich mit der tatsächlichen chronologie s. HINTON 2000, S. 25–40.

Kunst und Politik | 219

kranz am Mahnmal der Gefallenen des Ersten Weltkriegs niederzulegen. Hitler und Lutze richten ihre Reden an die SA711 und die neuen Parteiflaggen werden durch Berührung mit der ›Blutflagge‹ geweiht.712 Die große Parade vor der Kulisse der Nürnberger Frauenkirche lässt sämtliche Verbände und Parteien an Hitler vorbeimarschieren, der seine Abschlussrede in der Luitpoldarena hält; der Film schließt mit dem von der Menge gesungenen Horst-Wessel-Lied. Die Montage des Filmmaterials setzt somit immer wieder ruhige, atmosphärische Episoden (wie die Morgenstimmung) aktiven Sequenzen (wie Aufbrüchen, Aufzüge und Einmärsche) gegenüber. Zu einer derartigen filmischen Dynamisierung tri die bedingungslose Engführung von einzelnen Personen (besonders Hitler) und der anonymen Masse; ein Verfahren, das zu einem ›Wahrnehmungsschock‹ des damaligen Zuschauers geführt haben muss.713 Die visuelle Seite des Films wird maßgeblich durch geometrische Bildkompositionen und serielle Reihungen bestimmt. Hierzu tragen wesentlich der Lichteinsatz, der teils architekturbildend wirkt, genauso wie die Bewegung der Massen bei. Insgesamt werden so die Nürnberger Rituale in starken, mythologisierenden Bildern und Stimmungen dargestellt; alles zielt dabei auf eine überhöhte Darstellung Hitlers, der zugleich der Hauptdarsteller des Films ist.714 So wird von der realen chronologie stark abgewichen, um die siebentägige Veranstaltung auf eine dreitägige filmische Darstellung für eine zweistündige Vorstellung zu kondensieren.715 Architektur und Licht sind nicht nur in ihrer ästhetischen Bildung prägend für den Film, sondern dienen zugleich als Symbolträger. Zur nationalsozialistischen Architektur, sofern von einer solchen überhaupt gesprochen werden kann,

711 In der Regel vergisst die Literatur die Rede Hitlers zu erwähnen, als dramaturgischer

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Höhepunkt kommt ihr jedoch besondere Bedeutung zu. Von einer filmischen Verfehlung Riefenstahls auszugehen, grei hinsichtlich der Inszenierungsstrategien nicht; s. KOTHENScHULTE 2001, S. 33. Bei der sog. ›Blutflagge‹ handelt es sich um die während des Hitler-LudendorffPutschs am 9. November 1923 getragene Flagge; s. Anm. 724. S. ausführlicher LENSSEN 2000. S. zur Inszenierung Hitlers als Hauptdarsteller LOIPERDINGER 1987, S. 68–72. Darüber hinaus wurden aber auch offizielle und nicht-offizielle Veranstaltungen des Parteitags durcheinandergemixt und die Veranstaltungen zu idealen Schauplätzen zusammengeführt; s. die Rekonstruktionen bei LOIPERDINGER 1987, S. 64–67. Diese Vorgehensweise betont die Regisseurin selbst in RIEFENSTAHL 1935, bes. S. 11f., 28.

220 | Vision ›Gesamtkunstwerk‹

müssen an dieser Stelle ein paar wenige Anmerkungen genügen: Allgemein wird damit eine Formensprache assoziiert, die auf Symmetrie, Monumentalität und Anleihen an historischen Stilen und Materialität baut und damit eine Effektarchitektur hervorbringt, welche der Machtdemonstration dienen sollte.716 Dieser Eindruck ist in großen Teilen ein Resultat des durch den Film geprägten Verständnisses nationalsozialistischer Architektur, wie sie auch in Triumph­ des­ Willens inszeniert wird. Darin wird die auf dem Nürnberger Reichsparteitagsgelände (Abb. 59, 60) stafindende Veranstaltung mit ihren wichtigsten Ereignissen wiedergegeben, allerdings ohne eine räumliche Verortung vorzunehmen; einzige Ausnahme ist der Anflug Hitlers auf Nürnberg.717 Es geht demnach nicht um eine Darstellung der Dimensionen des Geländes und der geografischen Orientierung des Zuschauers, sondern vielmehr um eine als universell verstandene Ausdrucksform der Nationalsozialisten.718 Das sieben adratkilometer große Reichsparteitagsgelände befindet sich im Südosten Nürnbergs und sollte neben der Anlage des bereits aus vorheriger Zeit bestehenden Luitpoldhains eine neue Kongresshalle, ein Stadion und zwei Tribünen (am Zeppelinfeld und am Märzfeld) aufnehmen; 1934 wurde Hitlers Lieblingsarchitekt Albert Speer (1905–81) mit der

716 Bereits BARTETZKO 1985B legt ausführlich dar, dass die Architektur während der Zeit

des Nationalsozialismus auf der der 1910er und 1920er Jahre fußt. So charakterisiert er (bes. S. 163f., 217) die nationalsozialistische Architektur als ›Effektkunst‹, die sich v. a. durch einen intensiven Umgang mit Licht auszeichne. Er vergleicht diese ›Stimmungsarchitektur‹ (S. 217) mit Konsumtempeln und expressionistischen Entwürfen sowie Filmkulissen. In der Folge arbeiteten zahlreiche Wissenschaler immer wieder diese Rückgriffe und Fortführungen in eorie und Praxis heraus (für den Expressionismus beispielsweise PEHNT 1998, S. 305–317), bei den klassizistischen Formen ließe sich aber auch genauso an Dresden-Hellerau denken (s. Kapitel III.1.1.1 und BARTETZKO 1985B, S. 96f.). Dennoch hält sich im allgemeinen Verständnis hartnäckig die Idee einer bestimmten nationalsozialistischen Architektur, die auf die Demonstration von Macht zielt und das mit Hilfe bestimmter Formen und Materialien, bevorzugt eines ins Gigantische gesteigerten Klassizismus. Insgesamt fällt auf, dass eine wissenschaliche Untersuchung noch nicht umfangreich vorgenommen wurde, darauf verweist auch ELLENBOGEN 2006 unter gleichzeitiger Ausführung der Literaturlage und der Schwierigkeiten einer Separierung der Architektur der sog. ›Moderne‹ und der nationalsozialistischen Zeit (S. 13–31). 717 Immer wieder wurde das Montageverfahren dieser Sequenz beschrieben, analysiert und als höchst artifiziell bewertet; s. z. B. ROTHER 2000, S. 75f. 718 S. LOIPERDINGER 1987, S. 64–67.

Kunst und Politik | 221

Abb. 59: Albert Speer, Modell des Reichsparteitagsgeländes in Nürnberg, 1934; Foto o. A.

Gesamtplanung beauragt.719 Als erstes entstand zwischen 1935 und 1937 die ›Zeppelintribüne‹ am östlichen Rand des gleichnamigen, quadratischen Felds. Mit 390 Metern nimmt sie fast die komplee Länge des Felds ein. Die 25 Meter hohe, aus Backstein errichtete und mit weißen Kalkplaen verkleidete Tribüne besteht aus einem zentralen Baukörper mit anschließenden Säulenhallen und Treppen, die Anklänge an antike Tempelbauten erkennen lassen; auf der Westseite (zum ›Zeppelinfeld‹ gerichtet) befindet sich die Rednertribüne. Dem Feld verlieh Speer durch die dreifache Walleinfassung mit 28 Türmen einen festungs-

719 Das Gelände Luitpoldhain diente bereits vor den Nationalsozialisten patriotischen Fei-

ern und dem Gedenken Gefallener; s. ELLENBOGEN 2006, S. 71.

222 | Vision ›Gesamtkunstwerk‹

artigen charakter.720 Der Grundstein zu der hufeisenförmigen, monumentalen Kongresshalle wurde 1935 gelegt: Der mit Granitplaen verkleidete Ziegelbau sollte eigentlich nach oben durch eine freitragende Stahlkonstruktion geschlossen werden und damit 60.000 Parteigenossen Platz bieten; ein Unternehmen, das schon aufgrund der erforderlichen Materialmenge unausführbar blieb.721 Die für derartige Gesamtanlagen typische zentrale Achse, hier mit der sog. ›Großen Straße‹, wurde in großen Teilen ausgeführt, das Märzfeld wurde nicht vollendet und das Stadion überhaupt nicht begonnen.722 In der Regel, so auch während des Reichsparteitags, kamen zu den dauerha errichteten Bauten Festdekorationen, also temporäre Ausschmückungen hinzu: Zu allen Festplätzen gehörte mindestens eine Tribünenanlage (für die Ehrengäste und Parteiprominenz), die als fest errichteter Baukörper erscheinen sollte, meist aus Stahlbeton mit Muschelkalkplaen und im Inneren der Ehrenhalle;723 das passive Publikum nahm auf der erhöhten Platzrahmung seine Plätze ein. Die eindruckvollste Zeremonie des Reichsparteitags 1934 fand in der Luitpoldarena sta: Während des Ritus der Totenehrung schri Hitler alleine – gefolgt in gebührendem Abstand von den Leitern der SA und SS – durch die aufmarschierten Kolonnen bis zur Platzmie, um dort vor dem Ehrenmal einen Kranz niederzulegen. Der Festplatz wurde damit zum Sinnbild für Opferbereitscha und Gehorsam bis in den Tod724 und dement-

720 Entlang des Walls wurden auch die 130 Flakscheinwerfer für Speers Lichtdom instal-

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liert; s. Anm. 729. Die rasche Bauzeit führte zu einer schlechten Bauqualität, sodass bereits in den 1960er Jahren v. a. die Säulenhallen gesprengt wurden; heute steht kaum mehr als der Sockelbereich, der deutliche Verwierungsspuren zeigt; s. zur Problematik der Denkmalpflege ELLENBOGEN 2006, S. 73f. S. REIcHEL 1991, S. 123f. S. ELLENBOGEN 2006, S. 76–79. »Die Tribünenform ist entweder ein leicht geschwungenes Kreissegment oder eine gerade Front, manchmal mit angedeuteten Seitenflügeln. Die seitlichen Abschlüsse betonen Adlermotive, Pylonen mit Flammenschalen oder Fahnengruppen. Die lange Front der gesamten Feldeinfassung wird in einigen Fällen durch Fahnengruppen und / oder Türme rhythmisiert; […] auf dem Reichsparteitagsgelände war die Luitpoldarena für den Appell der Braunen Armee, das Zeppelinfeld für den Appell der Politischen Leiter gedacht.« (BEHRENBEcK 1990, S. 216.) Diese Bedeutungsebene wird noch sinnfälliger, wenn man bedenkt, dass das 1927 von (dem später der NSDAP verbundenen) Fritz Meyer (1881–1953) erbaute Gefallenenehrenmal der Stadt Nürnberg als offene Säulenhalle mit Vorplatz den Ausgangspunkt der Anlage bildet. Gegenüber diesem Denkmal wurde die Führertribüne der Luitpold-

Kunst und Politik | 223

Abb. 60: Albert Speer, Haupribüne des Zeppelinfelds, Reichsparteitagsgelände in Nürnberg, 1935–37; hist. Foto (um 1938); Stadtarchiv Nürnberg

sprechend bildgewaltig wurden auch die Züge und Kolonnen auf den einzelnen Feldern auf dem Areal im Film erfasst und mit an Wagner erinnernder Musik unterlegt.725 Anlässlich des Reichsparteitags erhielt das Gelände zudem Dekoration durch große Hakenkreuzfahnen zwischen den Pfeilern der Zeppelintribüne und auf den Türmen der Feldbegrenzung sowie durch Girlanden vor den glaen Steinquadern.726 All dies wirkt im Film jedoch erst durch den geschickten Einsatz von Licht.

arena errichtet »mit dem blutgeprüen Symbol des Nationalsozialismus in Gestalt dreier riesiger Fahnen […] Dadurch verlor der Zwischenraum zwischen Mahnmal und Symbol seinen charakter als bloße Erstreckung, er wurde sinnerfüllter Raum, dessen Bedeutung der Gang des Führers in der Stunde der Gefallenenehrung von dem Lebenssymbol der Bewegung zu dem Totenmal des Weltkrieges eindringlich sinnfällig macht.« (ScHRADE, H.: Der Ausbau des Zeppelinfeldes, in: ZBV (1936), S. 385, zit. nach BEHRENBEcK 1990, S. 217.) 725 Zur Filmmusik s. weiter unten, S. 228–232. 726 Die massive Zurschaustellung von Fahnen und Uniformen im Film ist v. a. in den frühen Jahren (bis etwa 1939) zu beobachten; s. ausführlich zur Fahne HOFFMANN 1988, S. 15–68 und allgemein zu den Orten und deren Dekoration in Diktaturen KÜHBERGER 2006, S. 179–184.

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Licht wird nicht nur zur Beleuchtung und In-Szene-Setzung der Architektur verwendet, sondern wird selbst zum konstruktiven Element.727 Die Bedeutung der Illuminationstechnik war den Nationalsozialisten von Anfang an bewusst und ihr gezielter Einsatz besonders bei den Großkundgebungen notwendig, da diese meist im Dunkeln stafanden, um entsprechende Plätze und Positionen hervorheben und überhöhen zu können. So befindet sich beispielsweise auch während der Reichsparteitage – wie in Triumph­des­Willens zu sehen – hinter dem Rednerpult eine Schaufront, die beleuchtet wurde und dadurch einerseits die Bedeutung des Redners entsprechend hervorhob sowie Abb. 61: Albert Speer, ›Lichtdom‹ der andererseits als Festplatzbegrenzung Haupribüne des Nürnberger Zeppelindiente. Solche Abzirkelungen oder auch felds während der Reichsparteitage, 1934; Sichtbarmachungen von Architektur hist. Foto o. A. und Menschen(massen) erfolgen auf diverse Weisen in dem Film: Schräg aureffende Lichtstrahlen eröffnen einen neuen Blick auf die Architektur – indem z. B. die hellen Steinplaen das Licht anders reflektieren als dunklere Partien oder florale Materialien –, indirekte Beleuchtungen von Säulenhallen ergeben reizvolle Effekte – wie beispielsweise die dunklen Pfeiler und hellen Zwischenräume der Zeppelintribüne – oder auch Streiflicht, das die auf dem Feld stehenden Formationen in ihrer Gänze zeigt und zugleich steigert; die Unsichtbarkeit der Beleuchtungskörper war dabei natürlich immer Voraussetzung.728 Höhepunkt dieser (überwiegend vertikal geführten)

727 Neben künstlichem Licht durch Scheinwerfer, wie sie für den Film besonders wichtig

sind, kam auch natürliches Licht zum Einsatz, z. B. in Form von großen Feuerschalen auf den Türmen des Zeppelinfelds oder in den großen Nachtaufnahmen in Form von Fackeln; s. HORN / WARSTAT 2002. 728 S. BEHRENBEcK 1990, S. 240.

Kunst und Politik | 225

Lichtregie war der sog. ›Lichtdom‹ Albert Speers während des Reichsparteitags 1934 (Abb. 61): Der erzielte Effekt geht über die inszenatorische Anstrahlung von Fahnen hinaus, indem die 130 im Abstand von 12 Metern in den Himmel gerichteten Lichtstrahle eine ephemere Lichtarchitektur bildeten.729 Insgesamt ist bei dieser Form der Beleuchtung wenig Lokalkolorit auszumachen, da sie dieses absorbiert und ins Gigantische steigert, sodass den nationalsozialistischen Vorstellungen einer Überwältigungsästhetik nachgekommen wird, die losgelöst für das gesamte ›Deutsche Reich‹ funktionieren sollte. Geometrie ist eines der zentralen Gestaltungsmerkmale des Films,730 denn die serielle Bildgestaltung setzt die kollektive Euphorie filmisch authentisch um (Abb. 62). Hauptsächlich kommt dies durch die Bewegung im Film zustande: Der individuelle Körper geht während der Massenaufmärsche und Parteitage in der Idee einer diffusen ›Volksgemeinscha‹ auf und wird damit nur noch im Sinne der Ideologie zum Ornament.731 Was hier mit entsprechender Kameraführung und Bildausschniwahl filmisch erfasst wird,732 basiert auf den ästhetischen Idealen der Nationalsozialisten im Bereich des Tanzes und der Körpervorstellung:733

729 Speer vollführt damit in gigantischer Weise, was bereits in den 1920er Jahren versucht

wurde: So z. B. von Poelzig im Großem Schauspielhaus in Berlin 1918 /19 (s. Kapitel III.1.1.1, S. 102) oder (wenn auch etwas anders, aber ebenfalls im Sinne einer Lichtplastik) der aus verschiedenen Materialien konstruierte Licht-Raum-Modulator von Moholy-Nagy (s. Kapitel III.1.3); s. WILMESMEIER 1996, S. 32. Dieses Spektakel forderte einen hohen Stromverbrauch, sodass auf dem Gelände ein kleines Krawerk errichtet wurde, behauptet ELLENBOGEN 2006, S. 73. 730 Geometrie im Film ist bereits im Expressionismus ein beliebtes filmisches Miel; s. z. B. die vergleichende Analyse von Fritz Langs (1890–1976) Dr.­Mabuse,­der­Spieler (1921 / 22) und Leni Riefenstahls Triumph­des­Willens (1935) bei GöTTScHE 2003. 731 S. AUSST.KAT. TALK.SHOW 1999, S. 33. Indirekt zitiert wird hiermit natürlich auch Siegfried Kracauers ›Ornament der Masse‹; s. Anm. 194. 732 Auf die einzelnen filmischen Elemente wie Kamera und Schni kann nicht weiter eingegangen werden. Die »extreme[n] Perspektiven und ungewöhnliche[n] Achsenverhältnisse, durch schräge Aufnahmewinkel hervorgerufene ›kippende‹ Bildräume, Diagonalkompositionen und die kontrakompositorische Anordnung der Motive, die Verknüpfung von Nah- und Großaufnahmen mit Totalansichten« sowie den »Einsatz von Luaufnahmen« und die »Verwendung von Auf- und Untersichten« werden von OBERWINTER 2007 (S. 158) genauer herausgearbeitet; s. auch NEALE 1979. ZIMMERMANN 2011 (S. 72f.) meint, dass die Perfektion den Authentizitätsgehalt der Filme für den Kinozuschauer mindere.

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Zu Beginn des nationalsozialistischen Regimes existierte neben dem klassischen Balle noch der moderne Ausdruckstanz,734 der jedoch von den Machthabern schnell als ›degeneriert‹ abgelehnt, allerdings erst 1937 offiziell als ›entartet‹ bezeichnet wurde; zuvor sprach man von ›Tänzerischer Körperbildung‹ und ab 1937 von ›moderner Tanztechnik‹.735 Von einem Bruch mit Antri der NSDAP zu sprechen, ist auf verschiedenen Ebenen schwierig: Besonders offensichtlich wird es in der Zusammenarbeit zahlreicher Ausdruckstänzer mit dem nationalsozialisAbb. 62: Leni Riefenstahl, Triumph des Willens, 1934; ca. 01:04:02 733 Die Zusammenhänge von Tanz, Körperkultur und Nationalsozialismus sind noch nicht

ausreichend behandelt. So zeigen die Studien von MANNING 1993, GUILBER 2003 und KANT 2003, dass die nationalsozialistische Vergangenheit der Tänzer noch nicht genügend aufgearbeitet ist; die Dokumentensammlung von KARINA / KANT 1996 gibt bereits einige Einblicke. Die umfangreiche Untersuchung von HARDT 2004 will den Ausdruckstanz von seiner Mystifizierung ins Unpolitische lösen und den automatisierten Assoziationszusammenhang zwischen Körperkultur, Massentanz und Nationalsozialismus aurechen. Sie stellt dabei den Bezug zu den 1910er und 1920er Jahren her (wie auch die zuvor genannten Autorinnen), der sich nicht nur auf personeller Ebene zeigt (s. Anm. 736), sondern ebenso ideell und ästhetisch. JANEcKE 2006 (S. 35–57) stellt einen Zusammenhang zwischen der »neuen Aufwertung des Körpers« um 1900 und der »Körperideologie des Nationalsozialismus« (S. 35) her. Allerdings kann ich nicht ihrer ese folgen, dass Riefenstahls Olym­pia-Film »auf seine ganz spezifischen Aussagen untersucht werden muß, und nicht in einer einheitlichen Interpretation neben den Parteitagsfilmen analysiert werden darf.« (S. 7f.) Zum Körperbild s. EDER 1996 und im Olympia-Film ScHAUB 2003. 734 Das Propagandaministerium zeigte anfangs keine klare Zielsetzung, sodass sich auch die Wigman- und Palucca-Schulen in den ›NS-Lehrerbund‹ sowie den ›Kampund‹, welcher versuchte Einfluss auf die Tanzpolitik zu nehmen, einreihten. Derartige Entwicklungen lassen sich anhand zahlreicher Dokumente nachvollziehen; s. abgedruckt in KARINA / KANT 1996, S. 206–324, 196–204. 735 S. FRITScH-VIVIÉ 2004, S. 71.

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tischen Regime; so auch Mary Wigman und Rudolf von Laban.736 Sie sahen ihr Ideal einer tänzerischen Gemeinscha hier verwirklicht; wie nie zuvor wurde dieses staatlich unterstützt, da die Regierung großzügige Subventionen an Tanzgruppen und -schulen vergab und ab 1934 die dann jährlich stafindenden Tanzwebewerbe und Tanzfestspiele veranstaltet.737 Aber auch auf ästhetischer Ebene lässt sich deutlich ein Anknüpfen an die Körperkulturbewegung der Lebensreform und deren Folgen in den 1920er Jahren beobachten.738 ›Gereinigt‹ von den lebensideologischen Haltungen, baut das nationalsozialistische Regime entsprechend dem von ihm ausgerufenen völkisch-nationalen Vorstellungen von Tüchtigkeit, Zucht und Ordnung in seiner Körperkultur auf eine entsexualisierte Nacktheit und ›Natürlichkeit‹ mit dem Ziel einer radikal-stählernen Leibeszucht.739 Wenn auch während der Reichsparteitage keine Tanzeinlagen zu sehen waren – wie beispielsweise während der Olympischen Festspiele 1936, die das

736 Wigman kooperierte mit den Nationalsozialisten, indem sie z. B. 1934–36 Auräge

für die Tanzwe- und Tanzfestspiele und 1936 für die Olympischen Spiele eine choreografie des Gruppentanzes Totenklage übernahm. Derartige Tätigkeiten gewährten ihr die Weiterführung ihrer Schule in Berlin. MÜLLER 1986 (S. 199–209) geht dabei davon aus, dass es Wigman stets um den Tanz gegangen sei und nicht um eine geistige Haltung. Allerdings muss genauso beachtet werden, dass sich ihre Begeisterung zur Bildung einer einheitlichen Gemeinscha durch einen ›deutsch-völkischen Tanz‹ in den 1930er Jahren verdichtete, ersichtlich auch in ihrem Buch Deutsche­Tanzkunst (1935). Grundsätzlich ist es ihr ein Anliegen den Tanz als gewichtigen kulturpolitischen Faktor zu etablieren; s. HUScHKA 2002, S. 182f.; KANT 2003, S. 20–22. Auch Laban kooperierte mit den nationalsozialistischen Machthabern (s. ebd., S. 17–20): 1934 leitete er die ersten ›Deutschen Tanzfestspiele‹, förderte den Nachwuchs an der ›Deutschen Tanzbühne‹ im Sinne der Nationalsozialisten und wurde im Mai 1936 von Propagandaminister Goebbels zum Leiter der ›Meisterwerksta für Tanz‹ ernannt, die als Hochschule zur Institution des nationalsozialistischen ›deutschen Tanzes‹ werden sollte. Mit seinem gigantisch angelegten Weihespiel, das im Mielpunkt des Kulturprogramms der Olympischen Spiele 1936 gedacht war, Vom­Tauwind­und­der­neuen­Freude (Juni 1936), fiel Laban bei Goebbels in Ungnade und verließ Deutschland; s. DöRR 1999; HUScHKA 2002, S. 157f., 192f. Als Grund darf hierfür die bedingte Vereinbarkeit von Labans fließenden Bewegungschören und den von den Nationalsozialisten gewünschten statischen Inszenierungen angenommen werden; s. HARDT 2004, S. 259. 737 S. MÜLLER 1986, S. 200f. 738 Einen groben Überblick gibt bereits BARTETZKO 1985A, S. 17–58. 739 S. HUScHKA 2002, S. 94. Besonders offensichtlich wird dieses Anliegen in der Darstellung athletischer Körper in Riefenstahls Olympia-Film; s. WILDMANN 1998.

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endgültige Aufgehen des Ausdruckstanzes in der nationalsozialistischen Ästhetik zeigten –, so war doch das Körperideal omnipräsent.740 Tanz, egal ob Bühnen-, Gesellschas- oder Volkstanz und allgemeiner Bewegung an sich, sollte ›national‹ sein, sowohl als Kunstform als auch in seiner gesellschalichen Funktion.741 Massensport, rhythmische Gymnastik und körperliche Ertüchtigung wurden zur allgemeinen Pflicht durch die Nationalsozialisten erhoben und daher in fast jedem Film thematisiert; als Höhepunkt der gewünschten körperlichen ›Beherrschung‹ zeigten sich die Olympischen Spiele 1936 als inszeniertes Massenschauspiel, das neben den eigentlichen Spielen auf die Schaustellung athletischer Körper und Posen sowie pseudo-sakrales Präsentieren von Massenformationen und Führergestalten setzte, was wieder entsprechend von Riefenstahl in Film gebannt wurde.742 Die Musik743 in Triumph­des­Willens prägt entscheidend die emotionale Seite des Films mit:744 Als dominantes Gestaltungsmiel sind etwa 61 Prozent der

740 Daneben zeigt sich auch die Weiterentwicklung des Ausdruckstanzes in den 1920er

741 742

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Jahren in Richtung eines mechanischen Balles, wie mit Schlemmers Arbeiten bereits gezeigt wurde. Dies lässt sich mit Walter Benjamin als Metapher der Ohnmacht gegenüber dem Regime lesen; s. BARTETZKO 1985A, S. 26. Auf Exotismen wie Orient-Vorstellungen im Schleiertanz und erotische Gebärden, z. B. der ehemaligen Nackänzerin La Jana (1905–40), wurde nicht verzichtet; s. ebd., S. 48f. Im synchronen Ablauf schildert Riefenstahl hierbei reale (die Spiele) und allegorische (die Entzündung der Fackel) Vorgänge in einem filmischen Meisterwerk, das allein schon aufgrund der Dreharbeiten an Vorbereitungen eines Monumentalfilms erinnert; die Grenzen zwischen Kunst und Realität sind hier gefallen. Die Musik unterlag, genauso wie alle anderen Künste, auch der ›Gleichschaltung‹; s. KATER 2000; GEIGER 2004, S. 93–112; LAMBREcHT 1990, S. 142–145; zur Ausstellung zur Entarteten­Musik (1938) MEyER 1992. Zur Musikgeschichte des Nationalsozialismus existieren zahlreiche Einzelstudien, weniger hingegen Gesamtschauen; s. zum Forschungsstand GEIGER 2004, S. 15–18. Nach wie vor grundlegend ist PRIEBERG 1982 mit seinen zahlreichen Dokumenten aus Interviews und Korrespondenzen. Auf die seit den späten 1990er Jahren zu beobachtende Tendenz der Etablierung von Filmmusik als wissenschaliche Disziplin und dann erst in jüngster Zeit des nationalsozialistischen Films verweisen auch die diversen Aufsätze in dem Sammelband von STILWELL / ROWE 2008. Zum Komponisten s. Anm. 746, zur Filmmusik aus Tri­umph­des­Willens s. VOLKER 2003, S. 51–79; er untersucht die einzelnen Motive v. a. vergleichend zu den ebenfalls von Herbert Windt (1894–1965) stammenden Versatzstücken zum ersten Parteitagsfilm Sieg­des­Glaubens; s. zusam-

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gesamten Tonspur mit Musik belegt, wobei sie in ca. drei Viertel dieser Fälle allein zu hören ist; es fehlt ein Kommentator wie sonst für das Genre eigentlich üblich.745 Die von Herbert Windt (1894–1965)746 stammende Filmmusik macht jedoch mit nur ca. 22 Prozent einen relativ geringen Teil aus; aus seiner Feder ist die Musik der Eröffnungssequenz (Hitlers Ankun) sowie zwei weitere Ausnahmen.747 Die übrige Musik, v. a. Märsche und Lieder, wurde von ihm mit ausgewählt und implementiert.748 In Kooperation mit Leni Riefenstahl, die aktiv an dieser Auswahl beteiligt war und darüber gelegentlich mit Windt in Konflikt geriet,749 entstand eine präzise Synchronität von Bild und Ton, wie sie für den Film damals – v. a. in Anbetracht der sehr schnellen Schnie in Triumph­des­Willens –750 ungewöhnlich war. So folgte Windts Musik Riefenstahls Ziel, den »inneren

745 746

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menfassend in englischer Sprache VOLKER 2008. Immer wieder verwies die Literatur knapp auf die Nähe zu Wagner, dies erfolgte schon durch die Zeitgenossen; s. VOLKER 2003, S. 72–76. TEGEL 2007 (S. 85–92) betont nochmals deutlich, dass es sich bei der Anfangssequenz nicht um Wagner-Musik handele (s. Anm. 754), und legt im Folgenden die einzelnen Sequenzen mit ihrer jeweiligen Musik dar. STRöTGEN 2011 geht in seinem Aufsatz dem Aspekt des Rhythmus besonders in den Analogien von Bild und Ton nach, da er in ihm eine aktivierende Wirkung auf den Zuschauer sieht. S. z. B. die entsprechend charakteristische Gestaltung des ›Kompilationsfilms‹ Der ewige­Jude (1940); s. VINZENZ 2013. Herbert Windt konnte seinen Durchbruch als Komponist erst unter den Nationalsozialisten feiern. Zuvor hae er bei dem österreichischen Komponisten Franz Schreker (1878–1934) studiert und Kontakt zur sog. ›Berliner Gruppe‹ geknüp, die sich mit ›Neuer Musik‹ beschäigte. Während des Nationalsozialismus erhielt er zahlreiche Kompositionsauräge für Hör- und ingspiele sowie besonders für Filme; VOLKER 2003 (S. 11) spricht von 46 Filmen, VOGELSANG 1993 kommt hingegen auf 70. Sein gesamtes Leben lang blieb er laut ScHORMANN 2005 (S. 137) Wagnerianer; eine für Komponisten zu der Zeit nicht gerade typische Haltung. Zum Lebenslauf s. VOLKER 2003, S. 4–22 und zur Zusammenarbeit mit Riefenstahl ScHORMANN 2005. S. STRöTGEN 2011, S. 107f. S. ebd., S. 102. S. VOLKER 2003, S. 55 und Anm. 746. Ders. (S. 138) geht davon aus, dass in der schnellen Schnitechnik der Grund für Windts Kleinstmotive zu sehen sei, da er eine Art Baukasten entwickelt habe, den er dann entsprechend kombinieren konnte, und auch STRöTGEN 2011 (S. 104) hält fest: »Eine ausgefeilte Detailarbeit lässt sich über den gesamten Film beobachten und die rhythmischen Beziehungen zwischen Bild und Musik erfüllen dabei zum Teil ganz unterschiedliche Zwecke.«

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Rhythmus des tatsächlichen Geschehens« durch »künstlerische Gestaltung« zu finden751 und bediente sich demnach der gleichen Konstruktionsprinzipien wie der Film. Windt schuf mit seinen spätromantisch geprägten Kompositionen – v. a. von Richard Wagner und Richard Strauss (1864–1949) beeinflusst –752, die er um moderne Einflüsse – bis hin zur Atonalität –753 erweiterte, eine revolutionäre Ausdrucksästhetik, die nicht nur funktional, sondern auch ästhetisch zu Riefenstahls Filmen passt. Die heroisch-pathetischen Züge der Musik lassen sich vom ersten Augenblick an ablesen: Der Film beginnt (auf Wunsch Riefenstahls) mit einem Arrangement von Wagners Wach­auf-chor aus Die­Meistersinger­von­Nürnberg, während Hitler im Flugzeug durch die Wolken auf Nürnberg zufliegt, um mit dem Blick aus der Lu auf seine Anhängerscharen die Macht der ideologischen Ausrichtung zu demonstrieren.754 Langsam geht die Musik dann in das Horst-Wessel-Lied über, mit dem auch der gesamte Film – dann gesungen von der Menschenmenge – endet. Dieser Prolog ist eindeutig eine nachträgliche Hinzufügung und damit deutlich abgesetzt vom Rest des Films, der auf Authentizität

751 RIEFENSTAHL 1935, S. 12, 11. 752 Zur durchaus nicht unreflektierten Aufnahme Wagners in den 1930er Jahren durch

die Komponisten s. BRINKMANN 2000, S. 112–115. 753 Auf eine derartige Prägung verweist der Komponist selbst; s. WINDT 1924; zur deut-

schen und sowjetischen Musikmoderne 1923–1932 / 33 s. GEIGER 2004, S. 31–89. 754 Windt hae bereits eine eigene Komposition für die Anfangssequenz verfasst, die je-

doch Riefenstahl ersetzen ließ, da sie vom ersten Augenblick an deutlich machen wollte, dass es sich nur um Hitlers Flugzeug handeln konnte; s. STRöTGEN 2011, S. 106. Das Bayreuther Festspielhaus wurde 1933 nach der kriegsbedingten Schließung mit den Meistersingern eröffnet; ob es sich hier um Zufall oder bewusste Anlehnung handelt, kann nicht entschieden werden. Die hier begründete Tradition, dass sich das Publikum zu den Worten des Sachs auf der Festwiese erhob und die Oper mit dem gemeinsamen Singen des Deutschlandlieds beschloss, hielt sich bis 1935, bis schließlich mit Triumph­des­Willens dies als Vorwegnahme der Reichsparteitage umgedeutet wurde; s. GEBHARDT 2004, S. 425; VAGET 2000, S. 274f. In Triumph­des­Willens handelt es sich aber nicht, wie lange von der Forschung behauptet (so beispielsweise NOWOTNy 1981, S. 128 oder DEUTScHMANN 1991, S. 32, 75 und bereits relativierend LOIPERDINGER 1987, S. 66f.), um eine Übernahme von Wagners Musik, sondern bewusst um ein Arrangement. Dies liegt auch an den damaligen Diskussionen um das Zitieren originaler Musik in der Reichsmusikkammer; s. VOLKER 2003, S. 75f.; TEGEL 2007, S. 85–87. Darüber hinaus kann nicht von einer allgemeinen Wagner-Euphorie ausgegangen werden, sondern vielmehr einer privaten Vorliebe Hitlers; s. Kapitel III.2.3.

Kunst und Politik | 231

setzt. Als präexistente Lieder und Märsche wurde an diegetischer Musik beispielsweise auf Ludwig van Beethovens (1770–1827) Marsch­des­Yorkschen­Korps (1808) zurückgegriffen, der mit seinem Assoziationsrahmen der Befreiungskriege erklingt, der Leibstandartenmarsch (1935) der SS oder Baldur von Schirachs (1907–74) Uns’re­Fahne­flaert­uns­voran (1933);755 damals waren diese Werke sehr populär und wurden mit entsprechenden Assoziationen verknüp. Windt bediente sich also insgesamt eines kleinen Teils seiner eigenen Komposition und zahlreicher Märsche und Lieder;756 diese Sammlung von Motiven hae er bereits für Sieg­des­Glaubens entwickelt. Mit Ausnahme des Vorspanns sollte die auditive Ebene des Films nicht den Eindruck einer Nachvertonung erwecken, sondern verfolgte vielmehr einen Authentizitätsanspruch, der die Echtheit des Dokuments gewährleisten sollte.757 Bild, Bewegung und Ton greifen perfekt ineinander. Dem Marsch mit seiner rhythmischen Bewegung sowie der teilweise seriell-ornamentalen Gestaltung im Bild kommen in ihrem Zusammenwirken ein besonders großer Teil im Film zu, genauso wie in der realen Vorlage des Reichsparteitags. Über den gesamten Film betrachtet, ist durch den zunehmenden Einsatz von Märschen eine dramaturgische Entwicklung auszumachen,758 die einmal mehr dem Moo

755 S. eine Zusammenschau der auditiven und visuellen Ebene bei TEGEL 2007, S. 85–92. 756 Besonders Lieder finden sich immer wieder in Filmen nationalsozialistischer Prägung,

da sie als Miel zur Volkserziehung verstanden und eingesetzt werden, außerdem hatten sie einen unterhaltenden charakter. Joseph Goebbels verkündet in seiner Rede am 28. Mai 1938 anlässlich der Reichsmusiktage: »Nicht jede Musik passt für jeden. Es hat deshalb auch jene Art von Unterhaltungsmusik, die in den breiten Massen Eingang findet, ihre Daseinsberechtigung, zumal in einer Epoche, in der es Aufgabe der Staatsführung sein muß, neben den schweren Sorgen, die die Zeit mit sich bringt, dem Volke auch Erholung, Unterhaltung und Erquickung zu vermieln.« (Zit. nach LAMBREcHT 1990, S. 137.) Diese Aussage wurde zudem als zweiter der Zehn­Grundsätze deutschen­Musikschaffens in den Amtlichen­Mieilungen­der­Reichsmusikkammer am 1. Juni 1938 veröffentlicht. 757 Um dies zu erreichen, mussten die Märsche und Lieder entsprechend der visuellen Ebene synchronisiert werden. Einige dieser Stücke waren auch während des Parteitags zu hören, aber nicht in der Reihenfolge und nicht alle. Es handelt sich also nicht um eine 1:1-Entsprechung; s.  STRöTGEN 2011, S.  104–107. Zum rezeptionsrelationalen Argument der Authentisierungsstrategien besonders durch rhetorische Gesten s. HATTENDORF 1994, S. 281–283. 758 S. ausführlich auch zur Interpretation dessen STRöTGEN 2011, S. 108–110.

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des Films »Über allem der Führer!«759 folgt. Der Rückgriff auf Elemente Wagners lässt sich maßgeblich auf Hitlers Präferenz zurückführen,760 denn der Großteil der zeitgenössischen Komponisten hae die spätromantische Ästhetik bereits in den 1920er Jahren überwunden. Trotz der vielen Versatzstücke unterliegt der Filmmusik (und hierfür war Windt im Gesamten verantwortlich) ein harmonisches Gerüst, was die vielen einzelnen Stücke zusammenbindet; dieses Verfahren weicht jedoch deutlich von den üblichen Praktiken des ›Dokumentarfilms‹ ab und erinnert in Teilen an Spielfilmstrategien. Es sind also besonders zwei Anliegen des Films zu beobachten: der Führerkult und die Massenmobilisierung; beiden wird auf diversen strategischen Ebenen begegnet. Hitler wird häufig mit messianischem charisma dargestellt; hierzu müssten die Einzelbilder noch genauer analysiert werden, um die Montage biblischer Anleihen im Einzelfall herauszuarbeiten. Darüber hinaus sind es besonders die Gestik und Posen sowie nonverbale Verdichtungssymbole – z. B. Uniform,761 Fahnen und Abzeichen –,762 die wesentlich zum Erscheinungsbild Hitlers beitragen. Dabei wird er jedoch nicht einfach als ›Führer‹ und damit als unnahbar präsentiert, sondern es ist das filmsemiotische Gleichungssystem von Führer, Gefolgscha, Fahne und Tod, das v. a. durch seine Blickführung als Scharnier zwischen den verschiedenen Bereichen durchgängig aufgestellt wird. Damit wird immer wieder die Masse mit angesprochen, z. B. durch verknüpfende Gesten, die die vermeintliche Nähe des ›Führers‹ zur ›Volksgemeinscha‹ zeigen. Auf eine Darstellung von Individuen wird entsprechend der nationalsozialistischen Ideologie verzichtet, denn jeder (›arische‹) Mensch habe in der Gemeinscha aufzugehen und ihr entsprechend zu denken und zu empfinden; der gesamte Film baut daher auf Stereotypen, im Gegensatz zu Hitler als Einzelperson im Sinne des ›Führers‹ und Filmstars. Das individuelle Denken und damit die Kritikfähigkeit sollten mit einer überwältigenden und einschüchternden Ästhetisierung ausgeschaltet und die Massen mobilisiert werden. Die sich einstellende sakrale Huldi-

759 RIEFENSTAHL 1935, S. 11. 760 Insgesamt wurde zu diesem Zeitpunkt Windts filmmusikalisches Konzept, wie es sich

sowohl in seinen Kompositionen als auch in seinem kurzen Artikel Warum­Musik­im Film? (WINDT 1943, S. 183) zeigt, als nationalsozialistische Innovation gefeiert; s. ScHORMANN 2005, S. 146. 761 S. dazu PETRIcEK 1994. 762 S. zu den Uniformen und Hakenkreuz RAAB / TÄNZLER / DöRK 2002, S. 138–142.

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gung und Ergriffenheit an der quasi-religiösen Liturgie des Opferschwurs für die Nation wurde bereits von den Zeitgenossen wahrgenommen.763 Gerade die streng reglementierte Rollenverteilung im Ritual wirkte sinnstiend auf die Gemeinscha, welche über den Film hinausging.764 Die während des Reichsparteitags tatsächlich inszenierte Realität und ihre selektive Wiedergabe im Film waren beides »Bestandteile des Täuschungsmanövers, in dem Kunst und Leben eins schienen.«765 Der Film muss somit als Kunstprodukt einer Inszenierung verstanden werden: »Es ist die idealisierte Version eines idealistisch gedachten Verpflichtungs- und Opferrituals.«766 Dem kollektiven Bedürfnis nach Entgrenzung wurde hier mit rituellen, im Sinne des Systems reglementierten Abläufen und einer Körperkunst Erlösung geboten. Den Parteitagsfilm strikt als manipulativen Propagandafilm zu sehen, würde zu kurz greifen,767 da er sich zwar effektiv der erfolgreichen Überwältigungsstrategie bedient, allerdings nur von einem begrenzten Publikum gesehen und wahr-

763 S. LOIPERDINGER 1987, S. 110–119, 133f.; BARTETZKO 1985A, S. 54–56. 764 So schreibt LOIPERDINGER 1987 (S. 150): »Das Ritualverhalten etwa auf den Nürnberger

Parteitagen der NSDAP gibt Auskun darüber, daß Teile der Bevölkerung freiwillig und massenha bei der demonstrativen Veranstaltung geistiger Mobilmachung mitwirken. Die Parteitagsteilnehmer bekunden öffentlich, daß sie die damit verbundenen Wertvorstellungen und Leitbilder nicht nur teilen, sondern aktiv bekräigen. Sie tun dies für einen über den Parteitag und sein örtlich verbundenes Publikum weit hinausreichenden Adressatenkreis: Durch den Film ist ideell die ganze Nation zu ihrem Publikum geworden.« 765 BARTETZKO 1985A, S. 54. 766 LOIPERDINGER 1987, S. 1. 767 Den Film im Bereich des ›Dokumentarfilms‹ zu verorten, ist schwierig, denn er betreibe laut LOIPERDINGER 1987 (S. 161) ›geistige Mobilmachung‹, darüber hinaus ist die sich religiös-christlicher Ikonografie bedienende Ästhetik sowie die Musik mit ihrer bedeutungs- und sinnstienden Funktion untypisch für die Gaung; s. ausführlich zur Frage des Dokumentarischen ZIMMERMANN 2011. Genauso problematisch ist aber auch die Zuordnung zum sog. ›Propagandafilm‹, da der Begriff in der Regel nicht definiert wird; s. KRAMER 2005. Er macht sich für eine enge Verwendung des Begriffs stark, denn »in der pejorativen Konnotation des Begriffs des Propagandafilms lebt […] der Glaube der Massentheorie an die Wirksamkeit der Propaganda weiter. Die Zuschreibung ›Propagandafilm‹ aktualisiert also eine Wertung, die einem älteren Verständnis von Propaganda verpflichtet ist. Deshalb stellt dieser Begriff einen Anachronismus dar.« (S. 97.)

234 | Vision ›Gesamtkunstwerk‹

genommen wurde.768 So versuchte man nicht nur, über Kameraperspektive, Einsatz von Symbolen und Gesten eine Identifikation des Zuschauers mit dem ›Führer‹ zu initiieren und damit die Distanz zu brechen, sondern während der Filmvorführungen wurde teilweise der Zuschauer aktiv einbezogen, indem diese ein Rahmenprogramm mit ›Event-charakter‹ erhielten:769 So wurden Reden gehalten und Werbemaßnahmen wie Dekoration und Beflaggung ergriffen, aber auch durch das gemeinsame Singen des Horst-Wessel-Liedes das Publikum aktiviert und das medial vermielte Parteitagsritual nochmals für die Kinobesucher nachvollziehbar.770

2.2 Propagandistischer Einsatz der Kunst: Adolf Hitlers Ideologie »Es gibt wohl kein Werk, das unserer Zeit und ihren seelischen und geistigen Spannungen so nahestände wie Richard Wagners ›Meistersinger‹. Wie o in den vergangenen Jahre[n] ist ihr aufrüelnder Massenchor ›Wacht [sic!] auf, es nahet gen dem Tag‹ von sehnsuchtserfüllten, gläubigen deutschen Menschen als greifbares Symbol des Wiedererwachens des deutschen Volkes aus der tiefen politischen und seelischen Narkose des Novembers 1918 empfunden worden.«771

Joseph Goebbels verdeutlichte damit 1933 in Bayreuth die Dimension von Wagners Werken für die Nationalsozialisten: Er sah darin ein Propagandainstrument,

768 Zwar hat der Film bis Juni 1935 wieder seine Herstellungskosten von 300.000 Reichs-

mark eingespielt, doch lief er in kleinstädtischen Kinos lediglich vier und in Berlin sogar nur drei Tage; auch im Schmalfilmprogramm der Partei wurde er nicht privilegiert eingesetzt. Insgesamt sahen ihn somit drei Millionen Besucher, das entspricht etwa fünf Prozent der Gesamtbevölkerung; s. zu den Zahlen ZIMMERMANN 2011, S. 64. Aufführungen in späteren Jahren gab es aus inhaltlichen Gründen nicht, da die Judenverfolgung, die aggressive Außenpolitik und die Aufrüstungsmaschinerie hier in den Reden noch keine emen waren. Die gleichgeschaltete Presse berichtete anderes; s. LOIPERDINGER 1987, S. 48–50. So finden sich z. B. bei KLEINHANS 2003 (S. 123f.) andere Angaben, die von einer hohen Verbreitung zeugen. 769 S. hierzu während der Uraufführung TRIMBORN 2002, S. 221f. 770 S. TEGEL 2007, S. 94. KLEINHANS 2003 (S. 123f.) geht sogar davon, dass der »Ablauf der Filmvorführung an einen heidnischen Goesdienst« (S. 125) erinnere. 771 GOEBBELS, Joseph: Richard Wagner und das Kunstempfinden unserer Zeit, 1933, zit. nach KöHLER 1999, S. 360.

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das er von der ersten Stunde an ausbaute.772 Kaum ein anderer Künstler diente den Nationalsozialisten derart ausgeprägt als Identifikations-, Berufungs- und Legitimationsinstanz wie Richard Wagner.773 Dieses in wesentlichen Teilen durch die von Goebbels betriebene Propaganda entworfene Bild entsprach jedoch nur

772 Ähnlich also wie auf den Film (s. KAISER 2007) setzte Goebbels stark auf die emotionale

Wirkung von Wagners Musik (s. S. 230). 773 Trotz dieser kulturhistorischen Bedeutung fehlten lange Zeit Arbeiten, die sich dem

emenspektrum zuwandten: Erstmals stellt ZELINSKy 1983 eine Analogie bzw. eine kontinuierliche Entwicklungslinie von wagnerschem (besonders zu seinem Antisemitismus) und völkisch-nationalem Denken, mit dem konkreten Verweis, dass sich Hitler vielfach bei Wagner bedient habe, her. In dieser Tradition erschienen ein paar Arbeiten, die Wagner als Ideenlieferant des nationalsozialistischen Regimes auffassten; so beispielsweise die (subjektiven) autobiografischen Notizen des Urenkels WAGNERs 1997, die Untersuchung HEINs 1997 der Bayreuther­Bläer oder KöHLERs 1999 Blick, der Hitler zum ›Vollstrecker‹ des ›Propheten‹ Wagner machte. Wissenschaliche Untersuchungen zum ema des Antisemitismus bei Wagner und dessen Rezeption durch die Nationalsozialisten stammen bisher v. a. aus dem angelsächsischen Raum von MILLINGTON 1984, ROSE 1999 und WEINER 2000, im deutschsprachigen Raum ist es erstmals die von FRIEDLÄNDER / RÜSEN 2000 veranstaltete Tagung, die dem Phänomen des Antisemitismus bei Wagner und Hitler nachging. So betont hier RÜSEN 2000 (S. 15): »Diese Forschungslücke steht für ein ungelöstes Problem der deutschen Erinnerungskultur und der Musikästhetik und betont im Folgenden die Notwendigkeit eines interdisziplinären Zugangs«; dem schließt sich auch FEST 2000 an. In der Regel stehen hier Wagners Denken (zum Antisemitismus z. B. FRIEDRIcH 2004, S. 160–171 oder auf ästhetischer sta politischer oder persönlicher Ebene LEVIN 2000; s. Anm. 795) und seine Werke im Mielpunkt, weniger hingegen, inwiefern Hitler tatsächlich ausgehend von Wagner arbeitete. Die zweite Richtung der Forschung als Reaktion auf ZELINSKy 1983 (s. VAGET 2000 und BORcHMEyER 2000) verschweigt den Antisemitismus. Besonders ausführlich und vielschichtig beschäigte sich jüngst BERMBAcH 2011 mit Wagners Rezeption während des Nationalsozialismus; er geht dabei von der gründlichen Betrachtung der Bayreuther­Bläer aus. Stärker noch müssten zudem die »semantischen Verschiebungen von Wagners Begriffen und Vorstellungsinhalten durch seine Nachlaßverwalter«, die besonders auf die religiösen Interpretationsansätze zielten, in den Blick genommen werden. Erste Schrie hierzu unternimmt BERMBAcH 2000 in seinem Aufsatz. Zudem finden sich im Bereich der Hitler-Biografien lediglich bei FEST 1973 (anders als z.  B. in der zweiten großen Hitler-Biografie von KERSHAW 2000) ein paar panegyrische Wertungen Hitlers zu seinem Lieblingskomponisten, sodass er die Schlussfolgerung zieht, dass das »ideologische Milieu« des Werks Wagners »Hitlers Ängsten und Triumphbedürfnissen am treffendsten entsprach« (S. 88).

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bedingt der Wirklichkeit, denn die Werke Wagners gefielen allen voran Hitler. Auffällig ist auch, dass in Hitlers Mein­Kampf (ab 1924) Wagner keine Rolle spielt, also gerade da, wo er das Fundament seiner Weltanschauung darlegt.774 Von einem unmielbaren (intellektuellen) Einfluss zu sprechen, fällt daher schwer.775 Die Rückgriffe auf Wagner sind jedoch mannigfach: So wurde mit dem Einsatz seiner Musik zu Gedenkfeiern und der bewussten Inszenierung der Bayreuther Festspiele ein Mythos geschaffen, aber auch auf seine völkisch-nationalistischen Äußerungen zur Fundierung der eigenen Rassentheorie zurückgegriffen. Wagner

774 Die meisten Publikationen, die sich mit Hitlers Weltanschauung beschäigen, stam-

men von historischer Seite und konzentrieren sich daher besonders auf die ›Vernichtung der Juden‹ und die ›Eroberung von Raum‹, also die tatsächlichen in historischen Daten greiaren Fakten des Wegs zur Macht und ihrer diktatorischen Ausübung; so z. B. JÄcKEL 1981 und 1986, der erstmals versucht zu erarbeiten, dass Hitlers Weltbild in sich geschlossen und konsistent war. Eine rationale Auseinandersetzung mit Mein Kampf, so scheint es, wird immer wieder durch die starke Emotionalisierung erschwert, kritisiert wird v. a. von Erscheinung des Buches an der mangelnde sprachliche Stil. Immer wieder diente der Text, wie auch PLöcKINGER 2006 (S. 1) festhält, für die verschiedenen Wissenschasdiziplinen »als eine Art ›Steinbruch‹, aus dem je nach Bedarf Stellen herausgebrochen wurden […]. Als Darstellung eines in sich weitgehend geschlossenen ideologischen Systems wurde Mein­Kampf aus unterschiedlichen Gründen lange nicht gesehen.« Dieser Kritik begegnet ZEHNPFENNIG 2011 mit ihrem wissenschalich-deduktiven Kommentar des Buches. Zuvor widmete sich die Forschung zunächst der Entstehungs- und Publikationsgeschichte, z. B. LANGE 1968 oder MASER 1966, erneut publiziert 1974 sowie in jüngerer Zeit VITKINE 2009. Mit der Rezeption des Buchs beschäigt sich dann umfangreich PLöcKINGER 2006 (bes. S. 16–23) und begegnet damit der gemeinhin angenommenen Nichtlesbarkeit des Buchs; s. darin zum Forschungsstand S. 2–5. Umfassend aus linguistischer Perspektive, ohne dabei den Inhalt weiter unter die Lupe zu nehmen, beschäigt sich DUMONT 2011 mit Mein­Kampf und verpasst es nicht, auf die entsprechende Literatur auch hinsichtlich der Rhetorik Hitlers zu verweisen (S. 24f.). Dezidiert mit der Rhetorik des Buchs beschäigt sich bereits 1941 BURKE 1971. Geblieben ist immer wieder das Bedürfnis, die Ausführungen Hitlers einer kritischen Rezeptionsanalyse zu unterziehen, also durch die Rekonstruktion historischer Fehldeutungen den Text zu widerlegen; s. HESEMANN 2005 oder auch BEyERSDORF 1974. Einen solchen Ansatz verfolgt die von HARTMANN 2016 herausgegebene kritische Edition von Hitlers Mein­Kampf. 775 Das Bild des ›Propheten‹ (Wagner) und seines ›Vollstreckers‹ (Hitler), wie es KöHLER 1999 zur Diskussion stellte, verfehlt demnach das Ziel, da für solche rezeptionstheoretischen Überlegungen schlichtweg entsprechende ellen fehlen.

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wurde demnach sowohl zur eigenen Stilisierung als auch der Legitimation der nationalsozialistischen Ideologie eingesetzt. In der gesamten Breite lässt sich damit sowohl eine Politisierung der Kunst als auch Ästhetisierung der Politik beobachten. Von Anfang an bedienten sich die Nationalsozialisten der Bayreuther Festspiele als Propagandainstrument; hier wurden Wagners Werke mit nationalsozialistischer Interpretation aufgeführt und von der Presse entsprechend wahrgenommen.776 Eröffnet wurden die Festspiele 1933 mit Wagners Meistersingern.777 Die Meistersinger, die Goebbels mit entsprechend verherrlichenden Begriffen zu ›der‹ nationalsozialistischen Oper überhaupt stilisierte,778 kam verschiedentlich zur Aufführung, so beispielsweise auf Hitlers Wunsch zum sog. ›Tag von Potsdam‹ am 21. März 1933 in der Berliner Staatsoper als bewusste künstlerische Parallelveranstaltung zu der feierlichen politischen Reichseröffnung mit Hitler als Reichskanzler779 oder auch (wie bei Triumph des Willens gezeigt) im Rahmen der Reichsparteitage immer wieder als »Inkarnation des deutschen Volkstums«.780 Besonders der choral des drien Akts daraus, Wach­auf,­es­nahet­gen­Tag, wird zu ›der‹ nationalsozialistischen Hymne schlechthin. Zwar konnten nicht konkrete politische Ideen aktiviert werden, denn bis auf ein paar wenige nationalistische Passagen in Lohengrin und den Meistersingern finden sich kaum entsprechend im nationalsozialistischen Sinne inhaltlich dienliche Texte,781 doch erkannte Goebbels schnell das Potenzial der Musik: Sie stellte für ihn allgemein einen der Politik entrückten Bereich dar, der zur intensiven emotionalen Interaktion zwischen ›Volk‹ und Regime genutzt werden konnte. Es ging demnach weniger um Indoktrination und Gewalt als vielmehr die Ästhetisierung der Politik und damit – ähnlich wie Wagner – eine subtile Verführung durch Kunstgenuss.

776 S. BUcHNER 2013, S. 123–164 sowie zusammenfassend BRINKMANN 2000, S. 127f. Zu Hit-

777 778 779 780 781

lers ersten Begegnungen mit Wagners Musik und dann mit Winifred Wagner (1897– 1980) sowie Hitlers musikalischen Präferenzen s. SPOTTS 2009, S. 181–212, 223–263; SORGNER / RANIScH 2008, S. 25–28. S. Anm. 754 und ausführlicher VAGET 2000, S. 274f. S. SPOTTS 1994, S. 187f. Die Meistersinger zur Festoper par excellence zu erheben hae aber auch schon seine Tradition vor 1933; s. FIScHER 2000, S. 145f. S. VAGET 2000, S. 266–271. Richard Wagner und das Kunstempfinden unserer Zeit, in: Signale der neuen Zeit. 25 ausgewählte Reden von Joseph Goebbels, München 1935, S. 195, zit. nach ebd., S. 277. S. SPOTTS 1994, S. 196.

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Die Reduktion der Meistersinger auf den Gedanken der Volksgemeinscha und des charismatischen Führers darf dabei als symptomatisch für den nationalsozialistischen Umgang mit Wagners Musikdramen verstanden werden. Hitlers Präferenz von Wagners Musik fußt auf seinen eigenen Bildungserlebnissen:782 So schreibt er in Mein­ Kampf, dass er »als erste Oper meines Lebens ›Lohengrin‹« gesehen habe und weiter: »Mit einem Schlage war ich gefesselt. Die jugendliche Begeisterung für den Bayreuther Meister kannte keine Grenzen. Immer wieder zog es mich zu seinen Werken, und ich empfinde es heute als besonderes Glück, daß mir durch die Bescheidenheit der provinzialen Aufführung [in Wien] die Möglichkeit einer späteren Steigerung erhalten blieb.«783 Weiterhin spielte der Parsifal für Hitler eine bedeutende Rolle: Bei seinem ersten Besuch des Hauses Wahnfried in Bayreuth am 30. September 1923 wurde er von Houston Stewart chamberlain zum neuen Parsifal und künigen Reer Deutschlands ernannt.784 Eine derartige Titulierung geht freilich nur mit einem höchst selektiv ansetzenden Rezeptionsverständnis einher und hat mit dem Werk Parsifal wenig zu tun.785 V. a. zwei Aspekte führen Hitler dazu sich als Wagners Erben zu

782 FEST 1973 (S. 712) hält jedoch zugleich fest: »Irrtümlicherweise hielt er sich für einen

Liebhaber der Musik; doch in Wahrheit bedeutete sie ihm wenig. Zwar hae er alle Opern Richard Wagners unzählige Male besucht […]; aber sinfonische oder gar kammermusikalische Werke verfehlten sein Interesse fast vollständig; […]. Denn, strenggenommen, bedeutete ihm die Musik nicht viel mehr als ein überaus wirkungsvolles akustisches Miel zur Steigerung theatralischer Effekte.« 783 HITLER 1934, S. 15. Zu Hitlers besonderer Wagner-Vorliebe mit den entsprechenden biografischen Notizen s. FIScHER 2000, S. 173–175 und BRINKMANN 2000, S. 127; zu seinen musikalischen Präferenzen s. SPOTTS 2009, S. 267–288. 784 S. VAGET 2000, S. 279. S. auch die ausführliche Untersuchung dieses Aspekts unter Heranziehen der Bayreuther Bläer BERMBAcH 2011, bes. S. 231–293. 785 Den Parsifal als Vorbild und Inspiration für Hitlers Ideen eines ›Blut-Ordens‹ etc. zu sehen, fällt also schwer. KöHLER 1999 (S. 301–346) versucht dies und stützt sich dabei maßgeblich auf Hitlers Aussage: »In meinen [Hitlers] Ordensburgen wird eine Jugend heranwachsen, vor der die Welt erschrecken wird. Eine gewalätige, herrische, unerschrockene, grausame Jugend will ich. Jugend muß das alles sein. Schmerzen muß sie ertragen. Es darf nichts Schwaches und Zärtliches an ihr sein. Das freie, herrliche Raubtier muß erst wieder aus ihren Augen blitzen. Stark und schön will ich meine Jugend. Ich werde sie in allen Leibesübungen ausbilden lassen. Ich will eine athletische Jugend.« (Adolf Hitler im Gespräch mit Hermann Rauschning, zit. nach RAUScHNING 1973, S. 237).

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verstehen: die eigene ästhetische Erfahrung der Wagner-Opern – besonders Parsifals und Lohengrins, in denen der Gedanke des Erbes immer wieder thematisiert wird – und die Verortung durch den Kreis um chamberlain – die aus innerster Überzeugung erfolgt, nicht wie bei Goebbels zu Propagandazwecken; damit ist der nationalsozialistische Wagner-Diskurs unmielbar mit der eigenen historischen Legitimation verbunden. Neben diesen Aufführungen am historischen Ort (Bayreuth) und zu politischen Feierlichkeiten kann allerdings nicht von einer inflationären Darbietung von Wagners Werken gesprochen werden. Die Analyse der Spielpläne der deutschen Opernhäuser zeigt keine Dominanz786 und es gab keine kompositorischkünstlerische Wagner-Nachfolge787 – abgesehen von Wagner-Anleihen aus ideologischen Gründen, wie beispielsweise bei Windts Musik für Triumph­des Willens. Auch ein großes Festspiel à la Wagner entstand nie, selbst wenn die ingspiele ähnliche Ansätze verfolgten. Die Ideologisierung des Werks Wagners zeigt sich hingegen natürlich immer wieder in zahlreichen Inszenierungen von Wagners Musikdramen im Geiste der Nationalsozialisten; allerdings wurde im September 1939 Parsifal von allen deutschen Bühnen verbannt, da Hitler in Kriegszeiten hierin wohl die falsche ›Botscha‹ vermielt sah.788 Eine nazistische Ideologisierung Wagners zeigt sich lediglich in der Rezeption der Librei und Schrien Wagners.

786 S. FIScHER 2000, S. 143f. 787 S. eingehender FIScHER 2000; BRINKMANN 2000, S. 128. 788 S. FIScHER 2000 (S. 149–161 und 171–173), der zu der Schlussfolgerung kommt (S. 175),

dass »das Aufführungsverbot für ›Parsifal‹ am Beginn des Krieges belegt […], daß Hitler nicht den Ruf nach Vernichtung der Juden in Wagners letztes Werk hineinlas.« 1941 jedoch scheint der Parsifal wieder aufgenommen worden zu sein, denn Hitler wies »über Goebbels die eaterabteilung im Propagandaministerium an, Wagners ›Parsifal‹« solle in Zukun »nicht mehr in dem bisher allgemein üblichen byzantinisch-sakralen Stile […], sondern mehr mystisch« inszeniert werden. Er schlug vor, hierbei Entwürfe des Bühnenbildners Alfred Roller (s. Anm. 234) zu berücksichtigen, die sich im Archiv der Wiener Staatsoper befänden. »Die darauin angefertigten Reproduktionen dieser Entwürfe versandte die eaterabteilung an alle Bühnen des Reiches mit der Anweisung, ab sofort nach diesem Vorbild zu inszenieren.« (GEIGER 2004, S. 139.)

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Der erste Band von Mein­Kampf erschien 1925 (verfasst in Hitlers Landsberger Ha), der zweite 1926;789 in der Folge erschienen verschiedene Ausgaben in zahlreichen Auflagen, die immer wieder überarbeitet wurden, sich in ihren wesentlichen inhaltlichen Grundsätzen jedoch nicht veränderten.790 Grundsätzlich ist der erste Band primär autobiografisch angelegt und der zweite zeichnet die Entwicklung der Partei und ihrer Programmatik nach. Übergreifende emen wie Außenpolitik und Rassentheorie finden sich in beiden Bänden, dann aus je unterschiedlichen Perspektiven. Schon hieraus ist ersichtlich, dass Mein­Kampf Autobiografie, Pamphlet und Propagandaschri in einem ist. Verfolgt wird stets der Wille zu einem geschlossenen Gedankengebäude, wie es der Marxismus in Hitlers Augen lieferte. Ähnlich wie also bei Wagner ist der Auslöser zur Schaffung der eigenen Weltanschauung die als gescheitert verstandene Politik; Hitler musste hierbei allerdings – und damit anders als Wagner – sowohl als praktischer Politiker wie als Künstler, der die Menschen als Werkstoff verstand791 und sie zur Bildung seiner Vision einer ästhetischen Ausrichtung des Gemeinschaslebens heranzog, aureten.792 Die Konstruktion seines Weltbilds,793 seiner Erfahrungen, Ängste und Idiosynkrasien verdichteten sich bereits in jungen Jahren zu einer Verschwörungstheorie, die sich schon dem ersten Band entnehmen lässt. Sowohl national (besonders der slawische Nationalismus) als auch sozial (v. a. durch die marxistische Sozialdemokratie) habe man sich gegen ›die Deutschen‹ verschworen; so sei das ›deutsche Volk‹ nicht nur von außen bedroht, sondern auch innerlich gespalten und damit zusätzlich geschwächt.794 Bei allem, was Hitler in Mein

789 S. zur Entstehungsgeschichte, dem Titel, den Mitarbeitern sowie zur Publikationsge-

schichte mit ihren diversen Auflagen PLöcKINGER 2006, S. 11–202. 790 S. ZEHNPFENNIG 2011, S. 14f. 791 S. MÜHLMANN 1998, S. 68; RATH 1994. 792 Immer wieder wurde darauf hingewiesen, dass Hitler im strengen Sinn kein Realpo-

litiker gewesen sei, sondern eher künstlerischer Natur; s. FEST 1973, S. 525. 793 Als erstes Dokument zur nationalsozialistischen Weltanschauung gilt das von Hitler

am 24. Februar 1920 erstmals öffentlich vorgetragene und begründete 25-Punkte-Programm der NSDAP; s. ODENWALD 2006, S. 29f. Faktisch mindestens genauso bedeutend wie das Parteiprogramm war dann Hitlers eigene Schri Mein­Kampf, in der er umfangreicher die einzelnen Punkte darlegen konnte, daher wird in der vorliegenden Arbeit darauf zurückgegriffen. 794 S. ZEHNPFENNIG 2011, S. 231f.

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Kampf äußert, bleibt die ›Judenfrage‹ als Hintergrund präsent und so sah er die größte Gefahr von ihr ausgehend.795 Zur Vermilung der eigenen Politik als schlagkräiges Instrument im politischen Tageskampf, aber auch um entsprechend international wahrgenommen zu werden, bediente sich Hitler einer aufwendigen Propaganda und nutzte so das Ästhetische für seine Zwecke.796 Die Wirkungsweise und -macht erkannte er schon früh und so widmete er in Mein­Kampf zwei eigene Kapitel diesem ema. Die Meinung von ›Volk‹ und ›Führer‹ wird außerdem gleichgesetzt,797 sodass der

795 Hitlers Antisemitismus wird gelegentlich auch mit Wagners Aufsatz Das­Judenthum

in­der­Musik (1850) in Verbindung gebracht, da Wagners antisemitische Schrien auch im sog. ›Bayreuther Kreis‹ – beispielsweise durch chamberlain – diskutiert wurden und hier teilweise als Grundlage der völkisch-nationalsozialistischen Ideale verstanden wurden. Dem steten Versuch vieler Wagner-Apologeten (wie VAGET 2000; BORcHMEyER 2000 und 1995; BERMBAcH 2000), die sich für eine Trennung von Kunst und Politik einsetzten, stehen milerweile sehr profunde Untersuchungen v. a. aus dem englischsprachigen Raum gegenüber, die den Antisemitismus des Komponisten nicht länger ignorieren oder verharmlosen wollten (ROSE 1999; WEINER 2000; s. auch Anm. 773). Dass sich Wagners Antisemitismus nicht nur auf seine sozialkritischen und ästhetischen eorien beschränken lässt, sondern ebenso implizit seinen Werken eingeschrieben ist, liegt auf der Hand, doch scheint gerade der deutschsprachige Raum nach wie vor empfindlich darauf zu reagieren, weil es unmielbar Fragen nach Identität und Kollektivschuld mit sich bringt. Es sind also Debaen, die seit den 1980er Jahren geführt werden und sich in prominenten Ereignissen wie der Diskussion um Daniel Goldhagen (geb. 1959) von Peter Eisenman (geb. 1932), dem Berliner Holocaust-Mahnmal, dem Streit um Martin Walsers (geb. 1927) Äußerungen oder schließlich auch Jonathan Meeses (geb. 1970) Hitler-Gruß immer wieder entladen (s. Kapitel V.). S. auch die psychoanalytische Studie zum Antisemitismus von GRUNDBERGER / DESSUANT 2000. 796 »Die Kunst liegt nun ausschließlich darin, dies in so vorzüglicher Weise zu tun, daß eine allgemeine Überzeugung von der Wirklichkeit einer Tatsache, der Notwendigkeit eines Vorganges, der Richtigkeit von etwas Notwendigem usw. entsteht.« (HITLER 1934, S. 197.) Vgl. hierzu auch die Ausführungen zum Authentizitätsanspruch in Triumph des­Willens im vorherigen Kapitel. 797 So schreibt bereits die Zeitschri der Reichspropagandaleitung Unser­Wille­und­Weg 1934: »Der wahre Führer kommt aus dem Volke, repräsentiert damit das Volk, er stellt die Verschmelzung der Meinungen der Volksmasse dar. Da ist seine Wirklichkeit, darin liegt seine Macht, er ist die personifizierte öffentliche Meinung.« (ScHULZE-WEcHSUNGEN, Walther: Politische Propaganda, in: Unser Wille und Weg, 5 (1934), S. 323–332, zit. nach STAHR 2001, S. 20.)

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Einfluss der öffentlichen Meinung auf die Politik des Regimes – und damit auch auf die Kulturpolitik und Propaganda – obsolet war. Damit unterlag im negativen Sinn die Masse manipulativer Strategien – wie z. B. mit dem Film Triumph­des Willens –, wohingegen der Wille des ›Führers‹ seinen vollkommenen Ausdruck fand. Hitlers Kerngedanken fußen auf verschiedenen epochentypischen, ständischkorporatistischen und revolutionär-lebensphilosophischen Ansätzen, die hier nur exemplarisch genannt werden können:798 Schopenhauers Willensmetaphysik wird adaptiert, jedoch die pessimistische Konsequenz der Willensverneinung fallen gelassen; bei diesem Aspekt stützt sich Hitler auch auf Nietzsche und ergänzt ihn um dessen Äußerungen in Genealogie­der­Moral hinsichtlich des ›Judentums‹, die für den »Sklavenaufstand in der Moral«, also der Entwicklung vom christentum zur Demokratie und Sozialismus, verantwortlich gemacht werden.799 Die Rassentheorien aus dem 19. Jahrhundert, z. B. von chamberlain, dem französischen Schristeller Arthur de Gobineau (1816–82) oder dem deutschen Kulturphilosophen Paul de Lagarde (1827–91), gingen bei ihrer ›Rassenfrage‹ in der Regel von Kulturen aus, was Hitler zu seiner extremen Form des Antisemitismus und Antijudaismus ausbaute. Genauso stützt sich Hitler dabei aber auch auf völkisch-nationale Überlegungen des 19. Jahrhunderts, wie sie u. a. auch im Kreis der vor dem Ersten Weltkrieg zusammengeschlossenen Ariosophen um Guido von List (1848–1919) und Jörg Lanz von Liebenfels (1874–1954) herrschten; sie verbanden speziell völkischen Nationalismus und Rassismus mit okkulten, der eosophie entnommenen Begriffen, um die bevorstehende ›Ära der deutschen Herrscha‹ zu verkünden und darauf Anspruch zu erheben.800 Die Überlegungen des britischen ökonomen omas Robert Malthus (1766–1834) zum Bevölkerungswachstum, das einer arithmetischen Progression der Nahrungsmiel-

798 S. ZEHNPFENNIG 2011, S. 229–249 und knapp FEST 1973, S. 296–299. Als kritischer Kom-

mentar von Mein­Kampf geht HARTMANN 2016 speziell immer wieder auf kulturhistorische Bezüge ein. 799 Auch Hitler wollte letztendlich die Politik (und damit natürlich seine ästhetisierende Form) an die Stelle der Religion treten lassen; dies lassen bereits die Umwidmungen der Feiertage erahnen (s. Kapitel III 2.3). Allerdings war dies erst nach Lösung der ›Judenfrage‹ und damit mit Eintri des ›Endziels‹ angedacht. Dezidiert mit dem christentum bei Hitler beschäigt sich TOMBERG 2012. Interessant sind als ellmaterial die vermeintlich mit Hitler geführten Gespräche mit RAUScHNING 1973. 800 S. GOODRIcK-cLARKE 2004, bes. S. 13.

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zunahme gegenüberstünde, flossen ebenso in Hitlers Weltanschauung mit ein. Gustave Le Bons (1841–1931) esen zur Massenpsychologie machte sich Hitler zum Umgang mit der ›Masse‹ sowie den psychischen Gegebenheiten, die während Massenveranstaltungen wie dem Reichsparteitag in Kra treten können, zu eigen.801 In Anlehnung an das Geschichtsmodell des deutschen Kulturhistorikers Oswald Spengler (1880–1936) versteht er Aufstieg und Niedergang von Kulturen als Stufe der Zivilisation und nicht als etwas quasi Naturgesetzliches. Dazu gesellen sich u. a. Hitlers anthropologische Züchtungsgedanken, eine darwinistische Lebenskampftheorie, ein organologisches Staatsdenken, die Elitentheorie und der Heroen- und Persönlichkeitskult genauso wie Modernitätskritik, der Anti-Liberalismus und Anti-Kapitalismus sowie obskure Welterklärungs- und Weltverschwörungstheorien. Immer wieder ist hier zu beobachten, dass Hitler ohne Rücksicht auf die Intentionen der Autoren und unabhängig ihrer Herkun – seien dies englische Nationalökonomen, französische Frühsozialisten oder deutsche Hegelianer – eoriepartikel aufgrei und zu seinem eigenen universellen Konstrukt verschmilzt. Hitlers Weltanschauung erfüllt also alle Kriterien, die eine Ideologie als solche erkennen lässt: Sie ist ein in sich geschlossenes, kohärentes und konsistentes Gedankengebäude, das für sich Totalität beansprucht, alles leitet sich aus einer ursprünglichen Prämisse ab und ist daher in sich logisch stringent. Diese Prämisse wird gesetzt und nicht weiter begründet, und alle Wirklichkeitserfahrungen erfolgen nur gelenkt durch die Dezision. In diesem Konstrukt kommt der Kultur eine entscheidende Position zu, denn sie ist der Faktor der Überlebenssicherung; ihr räumt er die Möglichkeit zur »Beeinträchtigung der Willensfreiheit des Menschen« ein.802 Den künstlerischen Medien, Bild (insbesondere Film) und Musik muss dabei wegen ihrer leichten und schnellen Empfänglichkeit beim Rezipienten besonderes Augenmerk geschenkt werden.803

801 Es ist nicht klar, ob Hitler jemals Le Bons Schrien las, Goebbels tat es auf jeden Fall;

s. TEGEL 2007, S. 1. 802 HITLER 1934, S. 531. 803 S. ebd., S. 525–530.

244 | Vision ›Gesamtkunstwerk‹

2.3 Perfide Realisierung des ›Gesamtkunstwerks‹? Die Nationalsozialisten nutzten die Kunst in ihrem Sinn zu propagandistischen Zwecken in perfekt ineinandergreifender Weise. Kunst wurde von dem ihr zugeschriebenen Umsetzungspotenzial radikaler, sozialer und kultureller Veränderungen bewertet und griff dann, im Einklang mit den nationalsozialistischen Idealen, auf das gesamte Leben über. Sie wurde damit zu einem omnipräsenten Instrument der Lenkung der Massen, indem auch zahlreiche künstlerische Implikationen den Anschein erweckten, aus dem ›Volk‹ heraus geboren worden zu sein, wie z. B. die Jugendbewegung, die Rückkehr zur Natur, die Glorifizierung des ›gesunden‹ Körpers, der Kult des Heroen; tatsächlich haben zahlreiche solcher Entwicklungen ihre Ursprünge lange vor 1933. Mit diesem neuen Stil von Politik, die sich durch Symbole, Mythen, spektakuläre Veranstaltungen und eatralisierung (auch von Personen) ausdrückt, erreichte Hitler die Massen und meinte sie in seinem Sinne formen zu können. Triumph­des­Willens zeigte sowohl ideell als auch praktisch, was und wie sich die Nationalsozialisten ihre Macht vorstellten. Als Dokument verstanden, transportiert der Film durch die Gegenüberstellung von ›Volk‹ (›Masse‹) und ›Führer‹ sowohl Macht als auch die Belanglosigkeit des Individuums und legt damit Hitlers Weltanschauung dar. Das in Mein­Kampf formulierte Weltbild, das an sich keine neuen Ideen aufweist, sondern als ein willkürliches Kompilationswerk zahlreicher eorien v. a. seit Mie des 19. Jahrhunderts verstanden werden muss, verfolgt in allen Gedankengängen immer wieder die ›Machtfrage‹. Die Demonstration dieser ist somit sowohl sämtlichen theoretischen als auch praktischen Äußerungen der Nationalsozialisten inhärent. Als nationalsozialistisches Dokument verstanden, transportiert der Film Triumph des­Willens aber auch einen Eindruck zeremonieller Abläufe des Regimes. Nationalsozialistische Feste wiesen eine streng reglementierte, künstlerische Einheit im Dienste der Politik auf und sollten so das Kollektiv jenseits von Logik und Ratio zu einer empfindenden Masse verschmelzen.804 Sie sind außerdem das Instrumentarium der Nationalsozialisten zur Demonstration und Indoktrination ihrer Ideale, z. B. des Führer-Mythos, der altdeutschen Tradition, soldatischer

804 »Während der Alltag in den Diktaturen einen hohen Grad an visuell wahrnehmbarer

Ordnung besaß, boten politische Feste zeitlich und örtlich begrenzte Räume des organisierten Ausbruchs aus eben dieser Ordnung.« (KÜHBERGER 2006, S. 177f., s. hier auch zu Sigmund Freuds (1856–1939) Äußerungen in diesem Kontext.)

Kunst und Politik | 245

Disziplin und militärischer Stärke. Die Wirksamkeit dieser Feste, die verschiedene Bereiche des alltäglichen Lebens mit pseudo-religiösen Elementen besetzen,805 kann nur über die Analyse der Wahrnehmungsmodi ermielt werden. Wenn nun davon ausgegangen wird, dass mit öffentlichen Veranstaltungen und Feiern das perfekte Ineinandergreifen der künstlerischen Disziplinen im Sinne des wagnerschen ›Kunstwerks der Zukun‹ erreicht wurde, stellt sich die Frage, ob im theatralen Festakt auch der rauschartige Zustand der Transformation entstand und damit das ›Gesamtkunstwerk‹ realisiert wurde. Feste und Feiern spielten eine wichtige Rolle im Staatskult der Nationalsozialisten. Die öffentlich sanktionierten Veranstaltungen wurden bereits 1933 fixiert und sollten für das ›Tausendjährige Reich‹ verbindlich bleiben. Volkstümliche, jahreszeitliche, religiöse und politische Feste gestalteten das Jahr und transportierten die nationalsozialistische Ideologie, indem sie ihrer ursprünglichen Inhalte entledigt und mit nationalsozialistischen gefüllt wurden: So entwickelte sich beispielsweise Anfang März aus dem Volkstrauertag der Heldengedenktag, dem 1. Mai (dem Kampag der Arbeiterbewegung) der Nationalfeiertag, dem christliche Erntedankfest Anfang Oktober der Tag des deutschen Bauerntums und dem Weihnachtsfest die Deutsche Volksweihnacht. Neu eingeführt wurden zudem die spezifischen Feiertage der Bewegung: der 30. Januar als Tag der Machtergreifung, der 24. Februar als Gründungsfeier der NSDAP, der 20. April mit Hitlers Geburtstag, Anfang September fanden die Parteitage sta und am 9. November gedachte man des Putschversuchs von 1923.806 Auf diese Weise schuf das nationalsozialistische Regime also nicht nur ihre eigenen Feiertage, sondern besetzte zudem nahezu alle sakralen Feste und wurde damit durch ihre allgegenwärtigen Embleme und Formationen omnipräsent. Die Form der Veranstaltungen reglementierten die Parteibehörden zentral und regional als profane, politische Feiern mit kultischem charakter.

805 Die pseudo-religiösen Feiern müssen unmielbar mit den nationalsozialistischen In-

szenierungsstrategien zusammengedacht werden; s.  S.  232 und ausführlicher die soziologische Studie von RAAB / TÄNZLER / DöRK 2002, die davon ausgehen, »daß die nationalsozialistische Idee der Gemeinscha in anthropologischer Perspektive eine Manifestation irrationaler Wurzeln jeglicher Vergemeinschaung darstellt – nicht bloß als ›archaisierender Reflex‹, sondern als wirkungsmächtiger Fall des die Moderne kennzeichnenden Modus einer ›Individualisierung als Vergemeinschaung‹.« (S. 125). 806 S.  ausführlich REIcHEL 1991, S.  210–221 und zusammenfassend BEHRENBEcK 1990, S. 202f. sowie FEST 1973, S. 707f.

246 | Vision ›Gesamtkunstwerk‹

Die Nationalsozialisten lehnten zwar das christentum ab, was sie jedoch nicht daran hinderte, sich formeller Traditionen der Kirche zu bedienen und damit ihre eigene ›Liturgie politischer Ordnung‹ zu schaffen, die der Vermilung der eigenen nationalsozialistischen Weltanschauung dienen sollte. Hitler stützte sich hierbei auf Wagner, wenn er sich auf dessen Anleihen am christlichen Ritus im Parsifal zur Verdeutlichung einer erhoen ›ästhetischen Lebensanleitung‹ durch die Kunst über die zunehmende Sakralisierung des Parsifal zu einem sakralen Formenrepertoire bezieht, das unter den Nationalsozialisten – ähnlich wie die Feste – entsakralisiert wird.807 Während Wagner also die Politik zugunsten seines Universalkonzepts ›Gesamtkunstwerk‹ abschae, stärkte Hitler die Politik durch sein Handeln formal ästhetisiert und durch die Wahrheitsansprüche der NS-Weltanschauung sakralisiert. Neben der christlichen Religion bediente sich das NSSystem natürlich noch zahlreicher weiterer Vorbilder, so z. B. der verschiedenen Zweige der völkischen Bewegung,808 der Jugendbewegung oder auch der Reformierung des eaters.809 Den Ritualen muss in einem solchen System eine entscheidende Funktion eingeräumt werden,810 denn nur so wäre eine entsprechende Steuerung der gewünschten Massen möglich. In einer solchen Rezeption dient das Kunstwerk (hier dann gleichzusetzen mit der Politik) der kollektiven Zerstreuung, während sich bei Wagner der Rezipient in das einmalige, auratische Kunstwerk durch Kontemplation individuell versenken sollte. Demnach unterscheiden sich die Wahrnehmungsmodi: Das ›Volk‹ würde bei Hitler durch die praktischen Handlungsanweisungen zu Marioneen, da es durch die systemkonforme Steuerung und Ausdrucksform keine Möglichkeit der Mitgestaltung häe, bei Wagner sollten die Besucher zu Koproduzenten werden.811 Beiden gemeinsam sind trance-

807 S. BERMBAcH 2000, S. 60f. 808 S. P UScHNER / ScHMITZ / ULBRIcHT 1996. 809 S. Kapitel III.1.1.1. 810 Gerne wird im Zusammenhang mit dem deutschen Faschismus der Begriff des

›Rituals‹ bzw. der ›Ritualisierung‹ verwendet, um einen stillschweigenden Vergleich mit demokratischen Verhältnissen herzustellen; eine derartige Verwendung des Terminus ist kritisch zu hinterfragen; s. LOIPERDINGER 1987, S. 151. 811 Damit einher geht für Walter Benjamin auch der Verlust der Aura bei den nationalsozialistischen Veranstaltungen, denn durch Technik und massenweise Rezeption – z. B. durch Filme wie Triumph­des­Willens – wird die Aura und Echtheit der Kunst zerstört; s. ebd., S. 39.

Kunst und Politik | 247

artige Zustände, wobei jedoch Wagners meditative Versenkung des Teilnehmenden auf höheres Bewusstsein zielt, wohingegen Hitlers totalitäre Aura durch eine Art Narkotisierung des Bewusstseins zur Freilegung archaischer kollektiver Aktivität führt.812 Höheres Bewusstsein, das nur auf freiwilliger, selbstbewusster und mündiger Basis erreicht werden kann, ist nie das Ziel totalitaristischer Regime, und so wurden die ästhetischen Erscheinungsformen lediglich (wenn auch sehr überzeugend) zu profanen Zwecken funktionalisiert und damit das ›Volk‹ zu Teilnehmenden an einem fiktionalen Spiel mit anerkannten Regeln. Wenn sich die Politik also zur totalen Kunst wandelte, einer Kunst, die die Welt nach nationalsozialistischen Prinzipien umgestalten sollte, wurden Politik und Kunst gekoppelt bzw. gingen ineinander auf; durch die Ästhetisierung und eatralisierung seiner praktisch betriebenen Politik hat Hitler theoretisch die Kunst zu einem alle Lebensbereiche durchdringenden und beherrschenden Medium gemacht. Wagner aber wollte die Politik durch sein ›Kunstwerk der Zukun‹ im ›Gesamtkunstwerk‹ überflüssig werden lassen.813 Auch wenn hierbei natürlich entsprechend systemkonform das Verhältnis von Politik und Ästhetik ins Gegenteil von Wagners Utopie verkehrt wurde, muss doch die Frage, ob es sich hier um eine perfide Realisierung des ›Gesamtkunstwerks‹ handelt, bestehen bleiben. Es gibt keine Kunst, die frei von politischen Implikationen ist; dies unterscheidet sich aber grundsätzlich von Hitlers Herangehensweise, welcher von seinen politischen Vorstellungen aus die Kunst modellierte. Wagner hingegen geht von der transformierenden, universalen Kra der Kunst aus. Zugespitzt muss also Hitlers Umgang mit Kunst als ein rein rezeptionsorientierter verstanden werden, der – wie zu sehen war – auf die differenten Formen der Selbstinszenierung und Mobilisierung der Massen zielte. Wagners ›Gesamtkunstwerk‹ hingegen häe auf seine stimulierende Weise eine ungerichtete, ungelenkte und politisch ungewisse Transformation der Gesellscha herbeigeführt. Ein solcher Unsicherheitsfaktor war für das nationalsozialistische Regime undenkbar und so schufen sie ihre Form des ›Gesamtkunstwerks‹, die in weiten Bereichen ähnliche Mechanismen erkennen lässt, jedoch im Kern vom ursprünglichen Gedanken abweicht.

812 S. FRIEDRIcH 1996, S. 196f. 813 S. BERMBAcH 2000, S. 42.

IV

Kunst und Leben Das ›Gesamtkunstwerk‹ ab 1945

Knapp 100 Jahre nach Wagners ›Gesamtkunstwerk‹ verlagert sich die Auseinandersetzung mit dem Konzept und die Rezeption aus dem genuin theatralen in den weitergefassten aktionale Bereich und damit in Galerien und auf die Straße. In den 1950er Jahren strebten die meisten Künstler und Kunstrichtungen nach einer übergreifenden künstlerischen Sprache, die die Grenzen von Nationen, Gaungen und Medien überschreitet und eine Einheit von Kunst und Leben herstellen sollte. Dieses Aurechen der Grenzen erfolgt nicht mehr über eine ›innere Notwendigkeit‹, wie sie noch Kandinsky postuliert hae, sondern der Betrachter oder Zuhörer stiet nun den Sinn des Werks im Moment der nicht reproduzierbaren Performance. Diese kreative Partizipation führt im Werk 4’33’’ beispielsweise zur Auebung des Unterschieds von Klang, Geräusch und Musik. Damit ging John cage (1912–92) den entscheidenden Schri mit der Umwandlung des materiellen Gegenstands der Kunst in ein ›geistiges‹ oder konzeptuelles Kunstwerk, das Alltägliches zu Kunst erhebt und damit die Trennung zwischen Kunstproduktion und -rezeption eliminiert. Darauf auauend wurde v. a. von europäischen Künstlern das inhärente Ziel der Einheit von Kunst und Leben ganz unterschiedlich verfolgt: Im Gegensatz zu den dem Konzept ›Gesamtkunstwerk‹ nachgehenden Künstlern – wie Hermann Nitsch und Joseph Beuys – erfolgte z. B. bei den Fluxisten eine Sensibilisierung gegenüber der Wirklichkeit nicht über ein synästhetisches oder meditatives Mitvollziehen, sondern durch den Schock der Wahrnehmungsgewohnheiten und Erkenntnisverunsicherung. Wie dies im Einzelnen ablaufen sollte, bleibt disparat, ob als Integration wirklicher Vorgänge und Dinge in das Kunstwerk, als formale

250 | Vision ›Gesamtkunstwerk‹

Montage von Wirklichkeiten oder Erklärung des Lebens selbst zum Kunstwerk.814 charakteristisch für die meisten Performances ist das Bedürfnis nach Kommunikation, die Entwicklung eines ökologischen Bewusstseins, der Einsatz des eigenen Körpers (bzw. des zum Akteur gewordenen Rezipienten), die Integration und ematisierung von Zeit und Raum sowie die physische Nähe zum Zuschauer, also die Interaktion und Koproduzentenhaltung des Rezipienten, und die Wirkung der eigenen Persönlichkeit. Zum herausragenden künstlerischen Prinzip wird die Montage, die anstelle der werkkonstruktiven Einheit deren Destruktion setzt; Zerstörung wird zu einer Form der Überwindung des Bestehenden und der Erschließung von Neuem und folgt damit einem spezifischen Grundbedürfnis der Nachkriegszeit.815 So führen Destruktionen in Form von Tabuverletzungen, Verletzungen ästhetischer Erwartungshaltungen, Provokation und Irritation zu einer eigenen Ästhetik.816 Der Körper wird auf verschiedene Weisen entscheidend, da das Subjekt zum Objekt wird. Es geht zudem um den Akt des Schaffens, also den Prozess, nicht um das Endprodukt in Form eines Kunstobjekts und damit um das Verhältnis von Kunst und Wirklichkeit. Es soll eigenschöpferisches Handeln aktiviert und individuelle Verantwortung übernommen werden. In diesen Punkten sehen die Performance-Künstler nach 1945 die Möglichkeit, einen neuen Bezug zur Wirklichkeit herzustellen.

814 S. STÄRK 1987, S. 17. 815 Dekonstruktion meint in der Nachkriegszeit jedoch nicht nur ein zerstörerisches Ele-

ment, so beinhaltet der Begriff auch das Wort ›Konstruktion‹ und damit die Neuschaffung; s. ausführlicher HOFFMANN 1995 und 2008. 816 Im Zusammenhang der Provokation wird besonders auch die Destruktion immer wieder betont: So sprach der Medientheoretiker und Schristeller Oswald Wiener (geb. 1935) 1998 in einem Vortrag in Köln über die Gruppe von Künstlern, die sich Ende der 1960er Jahre in Berlin – ursprünglich aus dem Umfeld der Wiener Aktionisten (s. Kapitel IV.2.2) entwachsen, verschlug es die meisten Sympathisanten um 1970 nach Berlin – gebildet hae, um immer wieder Selten­gehörte­Musik aufzuführen: »Wir haben uns zusammengefunden, eine Art Ästhetik des Scheiterns auszuprobieren, das heißt eine Ästhetik des Nichtkönnens, des Möchtens, des Wollens. Und dies ist eine sehr schmerzhae Ästhetik, es ist eine Ästhetik der Peinlichkeiten, der Blamage, des Verzichts. Da es aber eigentlich darum geht zu ergreifen, emotional auf einen Hörer einzuwirken, gibt es natürlich dieses Blamiertsein und die Peinlichkeit als eine Art Ergriffenheit und als ein Spiel damit.« (Zit. nach FELDERER 2008, S. 19.) S. auch HöLLER 2012A, S. 57.

Kunst und Leben | 251

Die Idee einer Einheit oder Verschmelzung von Kunst und Leben findet sich in aktionalen Handlungen weltweit: im amerikanischen Happening (beispielsweise Allan Kaprows [1927–2006]), in Gruppierungen wie Fluxus (überwiegend im Rheinland – Wiesbaden, Köln und Düsseldorf – und Berlin aktiv, zu der auch zeitweise Nam June Paik [1932–2006], Wolf Vostell [1932–98] und anfangs Joseph Beuys zählten), ›ZERO‹ (eine festere Gruppierung in Düsseldorf)817 oder auch der ›carla-Mosch Gruppe‹ (in chemnitz)818, genauso aber auch bei Hermann Nitsch in österreich oder der japanischen Künstlergruppe ›Gutai‹.819 Grundsätzlich muss hier aber hinsichtlich der totalitären Konzepte in mindestens zwei Entwicklungslinien unterschieden werden: Einerseits zeigen sich (wie z. B. bei den Fluxisten) provokative und zugleich didaktische Ansätze, die auf eine Veränderung der Gesellscha durch Kunst zielen, andererseits in der Fortführung des Konzepts ›Gesamtkunstwerk‹ (durch Hermann Nitsch und Joseph Beuys) interaktive Ansätze, die eine künstlerische Gesellscha imaginieren. Die ese dieser beiden Entwicklungslinien totalitärer Kunstbestrebungen nach 1945 bietet erstmals die Möglichkeit nicht stilistisch oder geografisch, sondern inhaltlich zu differenzieren.

817 S. Anm. 819. 818 Künstlerzusammenschlüsse wie ›Lücke‹ um den Maler A. R. Penck (1939–2017) in

Dresden (1971–76), die ›clara-Mosch-Gruppe‹ in chemnitz (1977–82), die ›Zwitschermaschine‹ in Dresden (Ende der 1970er Jahre), der ›Leipziger Künstlerkreis‹ (zweite Häle der 1970er Jahre und 1980er Jahre) oder die ›Autoperforationsartisten‹ in Dresden (1985–89) lassen ähnlich wie ihre westlichen Kollegen ein crossover verschiedener Gaungen, Stile und Programmatiken erkennen, deren wirkungsästhetische Prämisse die gegenkulturelle Kunstproduktion war; s. KAISER 2009; AUSST.KAT. KLOPFZEIcHEN 1995. Eingehende Forschungen zu diesem emenkomplex stehen noch aus; allgemein zu Künstlergruppen in der ehemaligen DDR s. KAISER 1999 und zur Kunst und Kulturpolitik überblicksartig die Beiträge in GILLEN / HAARMANN 1990 und BERG / HOLTSTRÄTER / MASSOW 2007 sowie die Untersuchung von GOEScHEN 2001. Daneben finden sich auch emotionale und unkritische Äußerungen, wie z. B. REHBERG 1998. 819 S. eine der ersten Beschäigungen mit ›Gutai‹ den AUSST.KAT. GUTAI 1999 sowie die Einbeung in den internationalen Kontext in AUSST.KAT. OUT OF AcTIONS 1998. Eine breitenwirksame Wahrnehmung bleibt jedoch aus, obwohl die Gruppe damals gerade aus dem Ausland viel Anerkennung erhielt; s. z. B. zur Verbindungen mit ›ZERO‹ AUSST.KAT. ZERO 2006; s. überblicksartig auch AUSST.KAT. ZERO AUS DEUTScHLAND 2000. Mit ›ZERO‹ beschäigen sich darüber hinaus auch die Aufsätze von WIEHAGER 2004 sowie mit Blick auf Günther Uecker (geb. 1930) SALWIG 2004 und BEUcKERS 2004B.

252 | Vision ›Gesamtkunstwerk‹

1. Kunst = Leben: Von John Cage zu Fluxus und Bazon Brock »Kunst ist Leben, Leben ist Kunst.«

Mit diesen Worten Wolf Vostells beginnt die ARD-Kurzmeldung über das 24­Stunden­Happening in Wuppertal am 5. Juni 1965.820 Die Aktion fand in der Galerie Parnass sta und vereinte Performance-Künstler wie Wolf Vostell, Joseph Beuys, Nam June Paik und charloe Moorman (1933–91), oder auch Bazon Brock, Tomas Schmit (1943–2006) und Eckhart Rahn. Bereits diese Zusammenstellung zeigt die unterschiedlichen Herküne der Einzelnen – sowohl von der Bildenden Kunst als auch der Musik und Literatur kommend – und so ›präsentierte‹ jeder etwas anderes. Diese Vielfältigkeit ist mit der von Wolf Vostell geäußerten Formel, »Kunst ist Leben, Leben ist Kunst« zu greifen und zu bündeln. In dem Kurzbericht zum 24­Stunden­Happening heißt es weiterhin, dass Künstler live vor Publikum verstörende Dinge tun und den Alltag zur Kunst erheben wollen; eine charakterisierung, die einige wesentliche Merkmale von Fluxus benennt und zugleich wieder die Grundintention des Konzepts ›Gesamtkunstwerk‹ mit seiner Reform der Gesellscha durch Kunst erkennen lässt. Die Idee der Integration des Alltags in die Kunst ist dabei freilich keine neue, denn bereits in der Vorkriegszeit zeigt sich mit Marcel Duchamps (1887–1968) Ready-Mades und Multiples, die Alltagsgegenstände zu künstlerischen Objekten erklären,821 ein neues Kunstverständnis. Dieses denkt der mit dem Maler und Objektkünstler befreundete Komponist John cage weiter.822 So ist Kunst nach

820 Die Geschehnisse während des Happenings fasst KRAHL 1998 (S. 57–59) zusammen. 821 Bei diesen Objekten, wie z. B. Duchamps Fahrrad-Rad (1913), Flaschentrockner (1914)

oder Fountain (1917), wird die Trennung von Kunst und Leben aufgehoben, da ein Gegenstand des täglichen Lebens zum Kunstwerk und Kunst damit eine Frage der Betrachtungsweise wird; s. STREITBERGER 2005. 822 »Wie Duchamp möchte ich die Unterschiede zwischen Kunst und Leben, zwischen Lehrer und Schüler, zwischen Darsteller und Publikum usw. aueben.« (John cage im Gespräch mit calvin Tomkins, 1960, zit. nach KOSTELANETZ 1989, S. 32.) cage hat Zeit seines Lebens viel publiziert, s.  hierzu die sehr gute Zusammenfassung bei PATTERSON 2002. Die Sammlung zahlreicher Äußerungen cages zu seiner Kunst (thematisch sortiert) von KOSTELANETZ 1989, ist eine Fundgrube für cage-Zitate. Es liegt auf der Hand, dass sich die Musikwissenscha dem Komponisten näherte: Nach wie vor die zentrale Untersuchung in dem emenbereich ist die monografische Arbeit

Kunst und Leben | 253

ihrer beider Verständnis nicht länger Ergebnis eines individuellen, kreativen Schöpfers, sondern Resultat einer objektiven Versuchsanordnung. Beeinflusst also von Duchamps Überlegungen823 wendet cage sich der Frage nach der künstlerischen Individualität, dem Einbeziehen des Publikums als Vollender oder Produzenten des Kunstwerks sowie dem Schaffensprozess zu. cage erhebt die beiden Faktoren Stille und Zufall zu seinen Schaffensprinzipien, mit deren Hilfe er die Grenzen zwischen Kunst und Leben aufzulösen strebt. Besonders anschaulich

von PRITcHETT 1993. Ergänzend zu dieser von den einzelnen Werken ausgehenden Betrachtungsweise kann SHULTIS 1998 herangezogen werden, der sich dem Umfeld und damit besonders den theoretisch-intellektuellen Einflüssen cages zuwendet. Transzendentales Gedankengut wie das Henry David oreaus (1817–62) erfährt dabei besondere Berücksichtigung; s. ebd., S. 29–57; MEHRING 2003; KöSTERKE 1996. Eingehender noch mit den Einflüssen auf und von cage beschäigt sich der von NIcHOLLS 2002A herausgegebene Band sowie der AUSST.KAT. KUNST ALS GRENZBEScHREITUNG 1991. Darüber hinaus wurde auch cages Bedeutung für die Kunst vorrangig der 1950er und 1960er Jahre von der Forschung in den Blick genommen; s. AUSST.KAT. THE ANARcHy OF SILENcE 2009, in dem auf die Einflüsse Robert Rauschenbergs (1925–2008), George Brechts (1926–2008) und Nam June Paiks eingegangen wird, aber auch auf die Beeinflussung der Fluxus-Bewegung. Die frühen Begegnungen mit Künstlern wie Marcel Duchamp oder auch theoretischen Auseinandersetzungen ist Gegenstand des Aufsatzes von BIScHOFF 1991 und des AUSST.KAT. »JOHN cAGE UND …« 2012; hierin wendet sich besonders ZIEGLER 2012 den Bezügen zur Performance-Art zu. Mit performativen Aspekten auch in cages Schrien beschäigt sich außerdem BORMANN 2005. Sämtliche Publikationen betonen immer wieder cages Verbindung zum Zen-Buddhismus und östlichen Lehren. Dezidiert mit dem Zufall als Prinzip, u. a. bei Duchamp und cage beschäigt sich die Publikation von HOLEcZEK / MENGDEN 1992. 823 »cage lernte die Duchamp’sche Gedankenwelt zunächst über das Sammlerpaar Louise [1879–1953] und Walter [1878–1954] Arensberg sowie Gertrude Stein [1874–1946] in den 1930er Jahren kennen. Es faszinierte ihn der Gedanke, dass Geschmack als Kriterium für ein Kunstwerk bei der Wahrnehmung seiner alitäten nur hinderlich sei. Wenn Jackson Pollock [1912–56] und die abstrakten Expressionisten in der zweiten Häle der 1940er Jahre mit neuen Verfahren den Kompositionsprozess aufzuheben schienen und die Zeit der Bildherstellung durch die Malgesten auf nur wenige Minuten reduzierten, so waren doch immer noch die Materialien (Leinwand, Farben, Pinsel, Büchsen usw.) wie auch der Malprozess einer vom Künstler auch unbewusst gesteuerten Ordnung unterworfen.« (HERZOGENRATH 2012, S. 31f.) cage hae früh das Gefühl, von den Bildenden Künstlern besser verstanden zu werden als von den Musikern; s. z. B. KOSTELANETZ 1989, S. 29.

254 | Vision ›Gesamtkunstwerk‹

werden diese Schwerpunkte und Vorgehensweisen in cages 4’33’’­(Abb. 63), das am 29. August 1952 in der Maverick concert Hall in Woodstock mit David Tudor (1929–96) am Klavier uraufgeführt wird.824 Der Pianist führt durch Auf- bzw. Zuklappen des Klaviaturdeckels zu Beginn und Ende der drei Sätze die einzige aktionale Handlung aus.825 Trotz der Stille des Musikers ist viel zu hören: Der sonst passive Zuhörer oder Betrachter wird aktiv, indem er selbst eine auditive Ebene durch Husten, Räuspern, Bewegung etc. produziert.826 Ergänzt um die Außengeräusche ist das Werk bei jeder Aufführung einzigartig und stellt den direkten Bezug von Kunst und Leben her. Die Länge der drei Sätze legte cage basierend auf dem chinesischen Buch­der­Wand­lungen, dem sog. I­Ging fest.827 Neben einer solchen Entwicklung im Bereich des sog. Abstrakten Expressionismus ist es besonders der Dadaismus der 1920er Jahre, der mit dem Ziel einer tiefgreifenden Bewusstseinsveränderung unter Ablehnung der ›herkömmlichen‹ Kunst Verstörung beim Publikum hervorrief. Die Rezeption des Dadaismus nach dem Zweiten Weltkrieg im Allgemeinen wird in der legendären Retrospektive Dada­–­Dokumente­einer­Bewegung 1958 im Düsseldorfer Kunstverein greiar, die nicht nur Paik und cage besuchten, sondern vermutlich auch Beuys und eventuell Vostell.828 Wie wichtig Dada für die Entwicklung der Performance-Szene,

824 Zur Literaturlage zu 4’33’’ s. BORMANN 2005, S. 21–27. OEHLScHLÄGEL 2012 (S. 235) stellt

825 826 827

828

diesem Konzeptstück das fünf Jahre später entstandene Musicircus-Konzept gegenüber, das er als Gegenstück versteht. Dieses wurde ebenso wie 4’33’’ mehrfach wiederholt, allerdings nicht vergleichbar o diskutiert. Die Originalpartitur ist datiert auf »8 / 52«, abgedruckt in AUSST.KAT. RAUM ZEIT STILLE 1985, S. 83–86; sie ist ausführlicher als die Tacet-Partitur der Edition Peters. Zu den Voraussetzungen für ein solches Werk s. HERZOGENRATH 2012, S. 34; HUScHKA 2002, S. 47; ZIEGLER 2012, S. 147–149 und v. a. RAUScH 1999, bes. S. 130–134. I Ging basiert auf »einem binären System, einer durchgezogenen und einer durchbrochenen Linie. Aus diesen zwei Linienarten werden insgesamt 64 Bilder (Hexagramme) gebildet, die eine Antwort auf eine gestellte Frage geben.« (NIERHOFF-WIELK 2012, S. 261.) cage verwendet also das Orakelbuch »als Miel, sein in Tabellen vorgeordnetes musikalisches Material durch Zufallsoperationen zu verknüpfen.« (RAUScH 1999, S. 107.) Er grei demnach in den kompositorischen Prozess bereits ein; von einem vollständigen Rückzug der künstlerischen Individualität kann nicht die Rede sein. Das erste, auf einem solchen Zufallsverfahren basierende Werk von cage ist Music­of­Changes (1951); s. PRITcHETT 1993, S. 78–88; RAUScH 1999, S. 105–107. Stephan von Wiese geht sogar aufgrund Paiks Aussage im Telefoninterview (im Dezember 1990, zit. nach WIESE 2010, S. 127) davon aus, dass die Ausstellung Auslöser

Kunst und Leben | 255

Abb. 63: John Cage, Partitur 4’33’’, 1952

für die Entwicklung der Hommage war (s. weiter unten). Für die 1962 öffentlich in Erscheinung tretende Gruppe Fluxus war »einziger historischer Vorläufer […] der Dadaismus.« (DANIELS 1991, S. 100.) Auch wenn dies in einer derartigen Pauschalisierung schwierig ist, so zeigt es doch die wichtige Vorbildfunktion dieser Kunstrichtung für die Performance-Art nach 1945.

256 | Vision ›Gesamtkunstwerk‹

wie z. B. den Fluxisten war, zeigt sich beispielsweise im Titel des Fluxus-Aktionsabends NEO-DADA­in­der­Musik am 16. Juni 1962 in den Düsseldorfer Kammerspielen.829 Diese an formalen, desemantisierenden Verfahren orientierte Kunst führt zu einer zunehmenden Entgrenzung und Durchdringung künstlerischer Disziplinen und Gaungen.830 cage, der 1956–60 Kurse an der New School for Social Research in New york gab,831 prägte zahlreiche der Protagonisten der Aktionskunst.832 Dazu zählt auch Allan Kaprow, dessen 1959 in der Reuben Gallery in New york aufgeführtes, vieldokumentiertes und -diskutiertes 18­ Happenings­ in­ 6­ parts als

829 Der wesentliche Unterschied zwischen dadaistischen Aktionen und derer von Fluxus

liegt darin, dass erstere über den Schock eine mentale Veränderung der Gesellscha herbeiführen wollten, während letztere teils zur Interaktion aufriefen und damit den Menschen mit all seinen Sinnen einbezogen. 830 Dieses emengebiet stellt v. a. Museen vor Schwierigkeiten, denn der ephemere charakter der Kunst steht diametral zum musealen Bestreben, diese festzuhalten, zu konservieren und auszustellen. So beschäigen sich seit den 1980er Jahren eine Reihe von Ausstellungen in meist opulenten Katalogen mit dem ema des Verhältnisses von Kunst und Musik. Sie alle legen dabei die Bandbreite der personellen und ideellen Überschneidungen von Künstlern im 20. Jahrhundert dar: Den Anfang macht der AUSST.KAT. F ÜR AUGEN UND OHREN 1980, der umfangreich recherchiert, die Grundlagen zu dem ema scha. Daran knüp der AUSST.KAT. cROSSINGS 1998 an, der das Spektrum um weitere Künstler in die Gegenwart erweitert. Mit Fokus auf den vielfältigen bildnerischen Variationen über musikalische emen widmet sich der AUSST.KAT. VOM KLANG DER BILDER 1985 v. a. synästhetischen Fragen; so auch in der Folge AUSST.KAT. SEE THIS SOUND 2009 und DANIELS / NAUMANN 2011 oder auch AUSST.KAT. SONS & LUMIèRES 2004 und AUSST.KAT. VISUAL MUSIc 2005. Der, wie es im Vorwort schon heißt, ›Allianz‹ von Kunst und Musik im 20. Jahrhundert nachzugehen, ist erklärtes Ziel des AUSST.KAT. A HOUSE F ULL OF MUSIc 2012; hier wird der Versuch unternommen, mit Hilfe von Strategien das unübersichtliche Feld zu strukturieren. Mit den zunehmenden technischen Möglichkeiten bildet sich die sog. ›Sound Art‹ oder ›Klangkunst‹ (so z. B. AUSST.KAT. KLANGKUNST 1996) heraus; Begriffe, die milerweile mit Vorsicht zu genießen sind. Als drier Zugang zu dem Phänomen Kunst und Musik bildet die Erschließung von Soziokulturen und Produktionsbedingungen. Da die beiden letzteren Aspekte hier nicht von Belang sind, sei auf den Überblick bei KRAUT 2012 (S. 371–373) verwiesen. 831 S. JOHNSON 2002. 832 Darunter sind neben Allan Kaprow z.  B. auch George Brecht, Dick Higgins (1938–1998), Al Hansen (1927–1995) oder La Monte young (geb. 1935). Sie alle fühlten sich durch den von cage eingeschlagenen Weg bestätigt; s. z. B. HIGGINS 1964, S. 118.

Kunst und Leben | 257

Geburtsstunde der Happenings und Aktionen gilt.833 In drei Räumen wurden gleichzeitig Handlungen in unterschiedlichen Medien aufgeführt:834 Der in drei Sektionen durch bemalte, beklebte und teilweise transparente Stellwände unterteilte Galerieraum wurde mit unterschiedlich vielen Stühlen und farbigen Glühbirnen bestückt. Jeder Besucher erhielt ein Kärtchen, das die Verweildauer und -zeit in den einzelnen Sektionen vorgab. In jedem Raum wurden von Kaprow und fünf anderen Akteuren simultan je sechs Aktionen durchgeführt. Es gab keinen inhärenten Zusammenhang oder eine feste Vorgabe, sodass alltägliche Handlungen – wie z. B. das Auspressen von Orangen – isoliert und neu kontextualisiert wurden, wodurch sie dann als ästhetische Phänomene, beispielsweise im Rahmen einer Aktion, wahrgenommen werden konnten. Zugleich wurden aber auch Filme und Dias gezeigt, Tonbänder abgespielt, Wände bemalt etc. Derartige Werke unterschiedlicher Kunstgaungen, alltäglicher Handlungen und neuer Technologien trafen in einem Realraum eines Environments aufeinander und rissen damit nicht nur räumlich die Grenze zwischen Zuschauer und Darstellendem ein, sondern auch zeitlich und inhaltlich. Die zwischen den einzelnen Aktionen eingeplanten Pausen gehörten als Austauschmöglichkeit des Publikums ebenso zur ›Handlung‹.835

833 Diese namensgebende Veranstaltung stützt sich auf das 1952 am Black Mountain col-

lege in North carolina von cage veranstaltete untitled­Event, das lediglich in Erzählungen Einzelner überliefert ist; Fotos o.  ä. haben sich nicht erhalten. Künstler verschiedener Gaungen traten entlang einer von cage nach dem Zufallsprinzip ausgearbeiteten Partitur simultan auf; s. ZIEGLER 2012, S. 137f.; URSPRUNG 2003, S. 87–92. 834 Heute bestimmen maßgeblich Fotografien die Vorstellung der Happenings; Fotofolgen lassen es zu, vor dem inneren Auge schriweise die raumzeitlichen Veränderungen während einer Aktion zu kompleieren und nachzuvollziehen. Zusammen mit den Konzepten und Handlungsanweisungen des Künstlers müssen die Fotografien als eigenständige Auseinandersetzung mit dem Geschehen verstanden werden. Der gesamte emenkomplex muss jedoch in der vorliegenden Arbeit ausgeklammert werden, bedarf aber auch noch eingehender Untersuchungen; s. den reich bebilderten AUSST.KAT. FOTOS ScHREIBEN KUNSTGEScHIcHTE 2007 sowie der Aufsatz WIESEs 2005. Genauso vernachlässigt wird der Aspekt, inwiefern bereits die Künstler selbst dem ephemeren charakter ihrer Aktionen entgegenwirkten, indem sie Aktionsanweisungen und Partituren anlegten und auoben. 835 In der Folge interessierte sich Kaprow zunehmend für die Partizipation des Publikums, wie seine späteren Happenings erkennen lassen, z. B. A­Spring­Happening (1961) oder Household (1964); s. knapp ZIEGLER 2012, S. 139f.

258 | Vision ›Gesamtkunstwerk‹

In den 1960er Jahren entwickeln sich dann die verschiedensten Formen von Aktionskunst,836 die omals einen provokanten Gehalt aufweisen. Gerade bei den sog. Fluxisten finden sich hier neben dem provozierenden Potenzial auch didaktische Ambitionen, die mit Hilfe politischer Implikationen ein Umdenken beim Besucher animieren wollen.837 So lassen sich besonders zwei Vorgehensweise omals beobachten: Montage und collage.

836 S. DREHER 1991. 837 Die Beschäigung mit Fluxus ist aufgrund der zahlreichen personellen Verstrickungen

nicht einfach und wird zusätzlich durch die unübersichtliche Literaturlage erschwert: So finden sich eine große Anzahl an Publikationen aus den Reihen der Fluxisten, die jedoch sowohl durch ihr vordergründig wissenschaliches Erscheinungsbild als auch durch das schier unüberschaubar große Netzwerk der Künstler kaum zu überblicken ist. Z. B. muss auch ein überblicksartiger Text wie der von GRAEVENITZ’ 1991 in diesem Kontext verortet werden. Zahlreiche Publikationen präsentieren sich als ellensammlung; so z. B. HODGES 1993 oder AUSST.KAT. HAPPENING & FLUXUS 1970 sowie FRIEDMAN 1999 – inhaltlich wiederholt sich hier Vieles. Umfangreiches Bildmaterial ist darüber hinaus den Ausstellungskatalogen zu entnehmen, die häufig einen Zugang über die Künstler wählen wie z. B. AUSST.KAT. UBI FLUXUS IBI MOTUS 1990 oder AUSST.KAT. 40 JAHRE 2002; je ergänzt um weiterführende Texte, bei ersterem zu den frühen Jahren und letzterem zu den Folgen dieser Zeit. S. auch mit eher allgemeinem Blick AUSST.KAT. FLUXUS-VIRUS 1992; AUSST.KAT. FLUXUS 1994; AUSST.KAT. »WOLLT IHR DAS TOTALE LEBEN?« 1995; AUSST.KAT. FLUXUS. EINE LANGE GEScHIcHTE MIT VIELEN KNOTEN 1994 und AUSST.KAT. 1962 WIESBADEN FLUXUS 1982 1983. Die Vorgehensweise KELLEINs 1995, der in seiner monografischen Arbeit fragt, ob Fluxus eine Bewegung oder Kategorisierungsmöglichkeit ist, darf als exemplarisch im Umgang mit dem emenkomplex gelten: Über die (Re-)Konstruktion der Gruppierung entlang ihrer historisch-biografischen Daten wird versucht, eine Geschichte von Fluxus zu schreiben. Auch die wissenschaliche Literatur geht in der Regel den Beziehungen der Künstler untereinander nach. Meist wird dazu, wie z. B. von DREHER 1991, eine chronologie bemüht, die allerdings nur schwer haltbar ist; ähnlich auch MERKERT 1989. GRAy 1993 liefert eine akribische bibliografische Arbeit, die die Schrien der Künstler, die er der Aktionskunst von 1909 bis in die 1960er Jahre zuordnet, auflistet. Wissenschaliche Auseinandersetzungen mit Fluxus sind dann sowohl bei ScHILLING 1978 als auch bei DREHER 2001 im Kontext umfangreicherer Untersuchungen der Performance-Art zu finden. Ausgehend von diesem Zugang plane ich eine Publikation, die die Fluxus-Werke eingehender analysiert und diese, ergänzt um die biografischen Notizen, in einen Dialog stellt, der die Differenzen und einzelnen künstlerischen Zugänge beleuchtet.

Kunst und Leben | 259

Nam June Paik z. B. montiert verschieden lange Tonschnipsel in seiner Hommage­à­Cage­(Abb. 64), die er erstmals im November 1959 in der Düsseldorfer Galerie­ 22 von Jean-Pierre Wilhelm (1912–68) öffentlich aufführte und damit – selbst aus dem Bereich der Musik kommend – einem seiner Orientierungspunkte huldigte.838 Sowohl auditiv als auch visuell werden in knapp fünf Minuten Geräusche und Klänge produziert und eingespielt, die dem Alltag, politischen Reden, Musik etc. entnommen sind, und mit verstörenden, aktionalen Handlungen dargeboten. Deutlich zum Ausdruck kommt darin Paiks künstlerisches Verfahren, das durchaus mit den Worten der Aufführungskritik von Ernst omas beschrieben werden kann: »Die Arbeits-

Abb. 64: Nam June Paik, Aufführung der Hommage à John Cage – Musik für Tonbänder und Klavier in Paiks Studio in Köln, Oktober 1959; Foto von Manfred Leve

838 Wie wichtig Paik selbst die Mieilung in Sprache ist, zeigen seit den 1960er Jahren

die zahlreichen Publikationen, denen ein ebenso künstlerischer Gehalt wie den Werken zugesprochen werden muss; s. HERZOGENRATH 1999. Eine wichtige Sammlung von ellen wurde von DEcKER 1992 herausgegeben. Paik wird im Folgenden nur sehr ausgewählt betrachtet, d. h. zahlreiche Aspekte, wie z. B. seine Zusammenarbeit mit charloe Moorman (s. ROTHFUSS 2010), seine Video-Arbeiten (s. AUSST.KAT. NAM JUNE PAIK 1999), seine philosophische Verortung (ZEBIB 2010) etc., müssen unberücksichtigt bleiben. Hierzu sei allgemein auf die Ausstellungskataloge verwiesen, die meist auf seine TV-Arbeiten fokusieren (z. B. AUSST.KAT. NAM JUNE PAIK 1999). Die frühen Veröffentlichungen darunter, wie z. B. AUSST.KAT. NAM JUNE PAIK 1976; HERZOGENRATH 1983 oder AUSST.KAT. RAUM ZEIT STILLE 1985, stellen meist eine Sammlung von ellen und kurzen, eher unwissenschalichen Texten dar. Einen wissenschalichen Anspruch verfolgt dann v. a. der AUSST.KAT. NAM JUNE PAIK 2010; hierin nimmt RENNERT 2010 Paik und Fluxus genauer unter die Lupe. DANIELS 2010 wendet sich den biografischen, kontextuellen und strukturellen Relationen cages und Paiks zu. Die Hommage selbst wird immer wieder mit angeführt, wurde bisher jedoch nur von VINZENZ 2011 einer eingehenden Analyse unterzogen.

260 | Vision ›Gesamtkunstwerk‹

formel heißt: collage und Montage!«839 – eine Wechselwirkung von Destruktion‹ und ›Konstruktion‹.840 Paik zielt mit dieser Art von Aktionen auf eine Auflösung der Gaungsgrenzen und weicht damit grundlegend von den bisher beschriebenen Tendenzen einer Fusion der Künste ab.841 Die Verstörung und Schockierung des Publikums kommt stärker als bei Paiks eher didaktisch appellierendem Vorgehen in Wolf Vostells Arbeiten zum Ausdruck.842 Das Moment der Destruktion rückt bei ihm ins Zentrum und zeigt dies in seiner eigenen Vokabel der ›Dé-coll / age‹.843 Dieses künstlerische Verfahren

839 THOMAS 1960. 840 Zum destruktiven Element bei Paik s. HOFFMANN 2008, S. 102–105. 841 Die Auflösung der Gaungsgrenzen sah Paik nicht nur im künstlerischen Bereich als

unbedingt notwendig an, sondern ebenso im wissenschalichen, wenn er schreibt: »Kunstgeschichte und Musikwissenscha lien zu lange unter der Trennung des Untrennbaren.« (PAIK 1972, S. 123.) 842 Die Literaturlage zu Wolf Vostell ist dürig. Den größten Teil der Publikationen bestreiten seine eigenen Schrien und Ausstellungskataloge. Letztere kommen meist ohne viel Text aus, dafür mit umso mehr Fotografien, die dann lediglich illustrativ abgebildet werden und in kurzen Texten der Ablauf der Aktion oder des Happenings erläutert wird; der AUSST.KAT. VOSTELL 1974 ist hierfür ein frühes Beispiel. Häufig wirkte Vostell an diesen Schrien selbst mit. Die auffällige Nähe zu seinen eigenen Büchern lässt schon eine subjektive Annäherung erahnen. Die als ellen zu bezeichnenden Publikationen stellen, wie z. B. BEcKER / VOSTELL 1965 und VOSTELL 1970A und B, Sammlungen von Texten, Zeitungsartikeln, Anweisungen für Happening-Teilnehmer etc. dar, die ohne inneren Zusammenhalt abgedruckt wurden. Die Sekundärliteratur verhält sich hier ähnlich wie bei Fluxus: Die Ausstellungskataloge, beispielsweise AUSST.KAT. VOSTELL 1992, sind reich bebildert, bleiben aber werkimmanent deskriptiv. Der AUSST.KAT. DAS THEATER IST AUF DER STRASSE 2010 geht zwar ebenfalls diesen Weg, doch wird hier erstmals ein breiteres Spektrum Vostells in den (teils wissenschalichen) Beiträgen verfolgt. Nicht gerade überzeugend ist der ›morphologisch-kunstpsychologische Zugang‹ (so die Bezeichnung des Autors), den WEBER 1989 anwendet. Eine gute Untersuchung zu den destruktiven Verfahren auch bei Vostell ist der Aufsatz von HOFFMANN 2008. Des Weiteren s. in einer eher allgemeineren wissenschalichen Verortung zu Fluxus und mit besonderem Blick auf das Phänomen der Sprache bei Vostell ZELLER 2010, S. 134–150. 843 Die Schreibweise variiert, mal mit ›/‹ oder mit ›-‹; s. hierzu auch die unterschiedlichen Dokumente in VOSTELL 1970B. Zur Findung des Begriffs s. ScHÄFKE 1992, S. 75. Das Material für diese Arbeitsweise bezog er ab 1959 in dem eigens gegründeten VostellArchiv; s. MORILLO 2010. Zum Montage-Verfahren s. HONNEF 1992.

Kunst und Leben | 261

Abb. 65: Wolf Vostell, Das Theater ist auf der Strasse in Paris, Januar 1958; o. A.

wird schon in Vostells erstem Happening Das­eater­ist­auf­der­Straße 1958 in Paris (Abb. 65) offensichtlich: Passanten wurden aufgefordert, Texte und Buchstabenfragmente auf zerrissenen Plakaten in der Umgebung laut zu lesen und die auf den Plakaten noch zu erkennenden Gesten und Mimen nachzustellen oder die Plakate weiter abzureißen, sodass immer wieder neue Texte und Bildfragmente entstanden. Die Teilnehmenden kreieren damit das Kunstwerk und verharren nicht länger in einer passiven Rezipientenhaltung.844 Während ein solches Happening v. a. Verstörung bei den Passanten hervorrief, waren es Vostells Aktionen die schockierten, so z. B. seine erste Fluxus-Aktion Kleenex­(Abb. 66), die er im Rahmen des ersten Fluxus-Festivals Wiesbadener­Festspiele­Neuester­Musik 1962 in Wiesbaden aufführte: Die Aktion begann damit, dass Vostell an der als Abgrenzung zum Zuschauerraum montierten Plexiglasscheibe in rascher Folge 200 Glühbirnen zerschellen ließ. Der Lärm des berstenden Glases wurde ergänzt um das Zertrümmern von Soldatenspielzeug mit einem Hammer auf Illustriertenwerbung. Schließlich warf Vostell in Slapstick-Manier eine Sahnetorte gegen die Plexiglasscheibe, verwischte sie mit ›Kleenex‹-Tüchern und machte sich so

844 Dementsprechend fällt auch die auditive Ebene aus, die Vostell in seinem Konzept zu

Das­eater­ist­auf­der­Straße erläutert: Er will eine Geräuschkulisse, die nicht länger auf klassischen Musikinstrumenten auaute – wie sie die meisten anderen FluxusKünstler nutzten –, sondern »alle Arten von Geraeuschen, die vom Zerstoeren der Objekte herruehren« einbezog (VOSTELL 1970B, S. 328). Dass Vostell Überlegungen zur musikalischen Komponente anstellt, verwundert nicht, da der 1959 in Köln angekommene Lithograf schnell Kontakte zu damaligen avantgardistischen Künstlern knüpe; er experimentierte gemeinsam mit Mauricio Kagel (1931–2008) und Karlheinz Stockhausen (1928–2007) sowie mit Paik.

262 | Vision ›Gesamtkunstwerk‹

Abb. 66: Wolf Vostell, Aufführung von Kleenex anlässlich des Fluxus Festivals in Düsseldorf, 1963; o. A.

für das Publikum unsichtbar.845 Die Zuschauer verharren passiv im Zuschauerraum und werden damit zum Ziel der Aggressionen der Aufführung. Es geht Vostell immer wieder um das Bewusstmachen der Umgebung und der Eröffnung neuer Perspektiven, sei dies nun wie in dem Happening Das­eater­ist­auf­der Straße in der naturbedingten fortschreitenden Destruktion der Architektur und Plakate oder der schockierenden Zerstörungswut des Künstlers in der FluxusAktion Kleenex. Es gibt für ihn »keine Flucht aus der Wirklichkeit, sondern [nur eine] Flucht in die Wirklichkeit«.846 Wenn nun also collage, Montage und Destruktion als wichtige Grundlagen der aktionalen Handlungen der Fluxisten angenommen werden, so erklärt dies den häufigen Einsatz von Alltagsgegenständen: Durch die ›neue‹ Verwendung im Kunstkontext erhalten diese Objekte der Realitätssphäre die Dignität des Künstlerischen. Das ›Gesamtkunstwerk‹ hingegen beansprucht für sich, die Wirklichkeit zu einem homogenen Kunstgebilde umzuformen, wobei der Ausgangspunkt die Symbiose der künstlerischen Medien unter Rückbezug auf ästhetische, philosophische oder metaphysische Ganzheitsentwürfe ist.847 Diesen Unterschied zum Konzept ›Gesamtkunstwerk‹ betont beispielsweise auch Vostell,

845 Hier tri mit dem Verwischen ein wichtiges Arbeitselement Vostells zu den bisherigen

Plakatabrissen, das er noch lange verfolgte; s. ROMAIN 1992, S. 247–249. 846 Kunst und Ketchup. SW 3 (31.5.1992); es handelt sich dabei um eine Dokumentation

über Pop-Art und Happening, zit. nach KRAHL 1998, S. 61. 847 S. FORNOFF 2004, S. 482f.

Kunst und Leben | 263

wenn er alle »Dalinesken pseudo-religiösen Personenkult-Darstellungen[,] wo ein Künstler im Mielpunkt steht« kritisiert,848 da dies keine Aktionen seien; zugleich betont er auch hier das Ineinanderfallen von Kunst und Leben.849 Es geht also nicht um eine künstlerische Gestaltung der Wirklichkeit, sondern die Aneignung und Integration der Wirklichkeit durch Änderung der Kunst.850 Während also die hier knapp angeführten künstlerischen Ausdrucksformen grundlegend von den Motivationen des ›Gesamtkunstwerks‹ abweichen, zeigt sich im Kreis der Fluxisten mit Bazon Brock zugleich eine bewusste theoretische Auseinandersetzung mit dem Konzept:851 In dem Ausstellungskatalog Der­Hang zum­Gesamtkunstwerk nimmt er in seinem grundlegenden Aufsatz Pathosformel und­Energie­symbole­zur­Einheit­von­Denken,­Wollen­und­Können (1983)852 eine Ausdifferenzierung und zugleich Weitung der Begrifflichkeit vor, wie sie zeiypisch zu beobachten ist; etwa zeitgleich beginnt auch die Kunstgeschichte, den Begriff

848 VOSTELL 1970A, S. [5]. 849 »In den Demonstrationsformen der Berliner Studentenbewegung – in Berkeley – im

Pariser Mai gab es zum ersten Mal keinen Unterschied mehr zwischen Leben und Kunst. Kulturinstitutionen wurden auf ihre Korruptheit und Konzeptlosigkeit durch Künstler hingewiesen – Lidl=documenta, dann später Guerilla art Actions im Museum of Modern Art in New york.« (VOSTELL 1970A, S. [3f].) 850 S. WEDEWER 1992. 851 BROcK 1977 dokumentiert in Ästhetik­als­Vermilung die ›Entwicklungsgeschichte‹ seines Ästhetik-Konzepts in Form einer Arbeitsbiografie. Von dieser Etablierung des Künstlers in der öffentlichkeit unterscheidet sich der zweite, üppige Band Ästhetik gegen­erzwungene­Unmielbarkeit (BROcK 1986), in dem die erarbeiteten ästhetischen Positionen weiterentwickelt und im Zusammenhang vorgestellt werden. In diesem Band findet sich auch der wohl bedeutendste Text Brocks zum ›Gesamtkunstwerk‹, Der­Hang­zum­Ge­samt­kunstwerk.­Pathosformel­und­Energiesymbole­zur­Einheit­von Denken,­Wollen­und­Können, der in gekürzter Fassung bereits im AUSST.KAT. DER HANG ZUM GESAMTKUNSTWERK 1983 (S. 22–39) erschien; auf diesen Text verwies der Künstler dezidiert in einer Mail vom 10. März 2010 an mich. In Anbetracht der Fülle an Texten verwundert es nicht, dass sich Brock mehrfach wiederholt – wie auch im drien (ReDekade 1990) und vierten Band (Der­Barbar­als­Kulturheld 2002) –, sodass im Folgenden nur ansatzweise seine Überlegungen vorgestellt werden. Ansonsten fehlen bisher kritische Auseinandersetzungen mit diesen Textkonvoluten. 852 Den Text hat Brock in überarbeiteter Fassung in BROcK 1986, S. 58–64 erneut abgedruckt, daraus wird zitiert.

264 | Vision ›Gesamtkunstwerk‹

für sich zu entdecken und auf so ziemlich alles, was totalitäre künstlerische Züge trägt, anzuwenden. Dezidiert nennt Brock im Zusammenhang seiner Äußerungen über das ›Gesamtkunstwerk‹ Richard Wagner, denn »sein Gesamtkunstwerk ist eben kein Kunstwerk, sondern ein Weltenbau, ein Versuch, mit den Mieln der künstlerischen Überwältigung zugleich eine politische, eine soziale, eine ökonomische eine pädagogische Utopie zu verwirklichen.«853 Brock betont immer wieder, dass die »Individuen das Bild vom Ganzen, die persönliche Verkörperung des Ganzen und die allgemeine Unterwerfung unter das Ganze zu realisieren versuchen.«854 Das bedeutet bei ihm nicht, wie z. B. noch bei den Mitgliedern des ›Werkbunds‹, eine Alltagsästhetik zu kreieren, die den Unterschied zwischen Kunst und Leben auebt, vielmehr heißt es, eine Einheit des Lebenszusammenhangs, eine Einheit in der Differenz herzustellen. So sollen die in der Kunst elaborierten Wahrnehmungsformen auf den Alltag übertragen werden und damit jeder Mensch seine eigene Wirklichkeit kreieren.855 Auch Brock geht von synästhetischen Wahrnehmungen als wichtiger Basis aus, denn »die Geschichte des Konzepts ›Gesamtkunstwerk‹ ist mit der Entdeckung verbunden, daß jede Wahrnehmungsaufgabe […] immer zugleich alle sinnlichen und intellektuellen Wahrnehmungen stimuliert«;856 hierzu nennt er Wagner als das große Vorbild, der »der Selbstaufhebung der Kunst durch Spezialisierung« entgegentrat, »um so das Zusammenwirken der spezialisierten Gaungen und Medien zu erreichen«.857 Außerdem spielte bei ihm schon der Einbezug des Publikums eine wesentliche Rolle, denn »die Gemeinscha der als Publikum am Gesamtkunstwerk Beteiligten konnte nur erreicht werden, wenn das Publikum wie die Künstler einem verpflichtenden Weltbild unterworfen würden.«858 Sowohl

853 BROcK 1991, S. 272f. 854 BROcK 1983, S. 58. 855 Brock prägte den Begriff des ›Sozio-Designs‹, das über die Artifizierung des Alltags

hinausgeht und in Bereiche der Gestaltung von Lebensaufgaben, Werthaltungen und sprachlichen Ausdruck übergrei; s. BROcK 1977, S. 437–482; STRATMANN 1995, S. 32–35. 856 BROcK 1983, S. 61. 857 Ebd. 858 Ebd., hier weiter: Die »Mobilisierung des Publikums« war Wagner wichtig: »[F]olgerichtig realisiert Wagner diesen modernen Typus des Werkschaffens in einem Ereignisort, an dem sich die Wirkungen entfalten: Bayreuth. Nietzsche schon sagte: das Bedeutendste an Bayreuth sind die Teilnehmer der Festspiele, sie sind die Hauptakteure.«

Kunst und Leben | 265

die Autonomie der Kunst als auch des Künstlergenies sind damit Ausgangspunkt der Überlegungen Brocks: Durch den Verzicht auf irreversible Ereignisse gewinnt der Künstler die Autonomie der Kunst, d. h. er verzichtet Einfluss zu nehmen, und hält damit das Potenzial in Händen, einen neuen Weltentwurf zu kreieren und so Wirklichkeit zu bilden.859 So versteht Brock Wagners ›Gesamtkunstwerk‹ als Vorstufe zur ›Totalkunst‹, welche »die Beziehung zwischen Fiktion und Realität« radikalisiere.860 ›Gesamtkunstwerke‹ können demnach als ›Totalkunst‹ oder ›Totalitarismus‹ aureten: »Für das Gesamtkunstwerk ist die fixierte Vision, Utopie oder Systemkonstruktion – also das gestaltete Werk – der Träger des Anspruchs auf Darstellung eines Ganzen. Für die Totalkunst ist das realexperimentierende Subjekt der Träger des Anspruchs. Der Totalitarismus fasst in betonter Weise das Leben selbst (die Massen) als Träger des Ganzheitsanspruchs auf, weil ja im Leben der Massen die Utopien verwirklicht werden sollen.«861 Im Zusammenhang mit ›Totalitarismus‹ spricht Brock meist von Hitler und hält so fest, dass es unumgänglich sei, »z. B. den totalen Staat als ›Gesamtkunstwerk‹ zu definieren.«862 Bazon Brocks Ausführungen müssen als theoretische Arbeiten verstanden werden. Seine eigenen Aktionen zielen weniger auf eine bewusste Auseinandersetzung mit dem Konzept ›Gesamtkunstwerk‹, als vielmehr auf die Vermilung von Kunst. So prägt er die Begriffe der ›Besucherschule‹ und des ›action teachings‹: »Die Besucherschule begegnet den Werkgruppen und Präsentationseinheiten jeweils zugleich im touristischen Spaziergang, im verehrungsbereiten Tempelgang und im snobistischen Paradegang.«863 Grundlegend ist ihm also der Betrachter, den er als Individuum ›ernst nimmt‹ und den er in seinem Konzept

859 »Im Gegensatz zu eoriebildern, die sich weigern, Probleme in ihrer Wirklichkeit

860 861 862 863

auszuhalten, indem sie die wirkliche Welt, in ein geschlossenes System gepackt, für erkannt (und also beherrschbar) erklären, setzt die Reflexionsarbeit gerade in der Zumutung ein, die Welt als eine abstoßende ertragen zu müssen. Von dieser Selbsterfahrung des Menschen ausgehend, entfaltet Brock seine Ästhetik als Lehre des Scheiterns. Diese behauptet, daß das systematische eoretisieren im Hinblick auf die menschlichen Anstrengungen in der wirklichen Lebenswelt nicht nur wert- und sinnfrei ist, sondern darüber hinaus sogar gefährlich werden kann.« (STRATMANN 1995, S. 107.) BROcK 1983, S. 63. Ebd., S. 64. Ebd., S. 63. BROcK 1982, S. 3.

266 | Vision ›Gesamtkunstwerk‹

einbezogen wissen will. Wenn der Begriff der ›Vermilung‹ nun wie bei Brock im Zusammenhang seiner Sehnsucht nach einer Ganzheitswahrnehmung der Kultur betrachtet wird, so erklärt sich der Einbezug des ›Publikums‹ von selbst und der Anspruch einer gesellschalichen Veränderung durch Kunst wird deutlich. Kultur wiederum definiert er als ein gesellschaliches Kommunikationsgefüge zur Sicherung von Verbindlichkeiten, die der Künstler durch die ›Nutzlosigkeit‹ seiner Produkte (der Kunstwerke) als Miler gewährleisten könne.864 Er selbst spricht sich daher dezidiert gegen jede Form der hybriden Selbst- oder Fremderhöhung aus865 – dies scheint schwer zu glauben, da er immer wieder sein eigenes Leben zum ema macht – und würde sich darin in einem wesentlichen charakterzug von den bisher im Kontext des ›Gesamtkunstwerks‹ behandelten Künstlern unterscheiden.

2. Rituelle Handlung als Initialzündung: Hermann Nitschs Transformationsidee »Auf dem alten, konventionellen theater ›spielt‹ der schauspieler seinen part. Das ist nicht wirklichkeit. In meinem theater dagegen ist alles real. […] Ich zeige fleisch und blut, dinge, auf die menschen intensiv reagieren, sie gehen dem aus dem Weg; aber diejenigen, die hinsehen und intensiv erleben, gelangen zu bewußt gemachter abreaktion und katharsis durch ästhetik. […] Die meisten menschen wissen nicht einmal, daß sie leben.«866

Hermann Nitsch hält hier bereits in einer der frühesten Publikationen zu seinem ›Orgien Mysterien eater‹ von 1969 einige seiner wichtigsten Grundsätze fest:867

864 Historisch betrachtet waren diese Verbindlichkeiten bis einschließlich des Zweiten

Weltkriegs laut Brock nur mit der Androhung oder Ausübung von Gewalt zu erreichen; s. STRATMANN 1995, S. 19. 865 S. ebd., S. 17. 866 Hermann Nitsch im Gespräch mit Jonas Mekas, ed. in: NITScH 1969, S. 13, 15, 19. 867 Es gibt eine Fülle an ellmaterial: Dieses reicht von Nitschs manifestartigen Schrien über sein ›Orgien Mysterien eater‹ (wie D VORAK / FROHNER / MUEHL / NITScH 1962; NITScH 1969; NITScH 1976A (hier auch eine der frühesten, sehr detaillierten Partituren für ein 6-Tage-Spiel, S. 383–697) oder NITScH 1990), über Textsammlungen (wie die von Nitsch selbst zusammengestellten Veröffentlichungen NITScH 1976A; NITScH 1982; NITScH 1995 oder auch von seinem Freund ScHMIED 2007), die diversen Partituren

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Es geht ihm um die ›Abreaktion‹ und damit die Erreichung der Katharsis.868 1962 entstand das erste von insgesamt drei Manifesten mit dem Titel Die­Blutorgel,869 das im Zusammenhang mit einer der ersten Aktionen im Keller der Perinet-Gasse

(NITScH 1976B; NITScH 1979) und eine abgedruckte Vorlesung aus Wien im Wintersemester 2003 / 04 (HÜTTLER 2005) sowie die umfangreiche Sammlung von Pressestimmen zum ›Orgien Mysterien eater‹ (zwischen 1960 und 1988 NITScH 1988 und zwischen 1988 und 1995 JAScHKE 1995). Die Sekundärliteratur zu Hermann Nitsch beschäigt sich entsprechend der großen Bedeutung des ›Orgien Mysterien eaters‹ in seinem Werk nahezu ausschließlich mit diesem. Hierbei fallen unterschiedliche Schwerpunktlegungen auf, die mal mehr, mal weniger wissenschalich behandelt werden: Eine fundierte Untersuchung der Antikenrezeption, sowohl in der Rückbezüglichkeit auf Mythen als auch der Rezeption durch die Psychoanalyse, nimmt STÄRK 1987 vor. Überlegungen zu psychoanalytischen Ideen im Werk Nitschs werden häufiger angestellt, so z. B. von GORSEN 1987, S. 453–471, der das ›Orgien Mysterien eater‹ in der Tradition des Inzestdramas versteht, bis hin zu EDINGER 2013, der mit fehlender wissenschalicher Distanz an zahlreichen Stellen seiner Monografie auf Sigmund Freud und c. G. Jung (1875–1961) verweist. BRANTL 1997 wendet sich in seinem Aufsatz der Frage der Blasphemie zu und stellt hierzu ein paar wissenschaliche Fragen, die Entwicklungspotenzial bieten. Eine objektive Darstellung des Handlungsgeschehens bei Nitsch gibt DREHER 2001 (S. 163–295) und ordnet ihn im Bereich des Wiener Aktionismus ein. Trotz der Verortung im Bereich der Performance-Art (hier wird auch Fluxus behandelt), wird Beuys wiederum nicht angeführt. Daneben zeigt sich eine ganze Reihe von Ausstellungskatalogen, die maßgeblich vom Künstler mitbestimmt wurden und daher meist nicht einen wissenschalichen Anspruch verfolgen, wie z. B. MUSEUM HERMANN NITScH 2007; AUSST.KAT. HERMANN NITScH 2006; AUSST.KAT. HERMANN NITScH 1987 oder auch der eher dokumentierende AUSST.KAT. HERMANN NITScH 1999. Darüber hinaus finden sich auch Publikationen, wie die von ScHMIED 2006, der als Freund Nitschs Vorträge versammelt, die durchaus klug argumentieren, aber im Sinne des Künstlers und damit nicht objektiv sind. Darüber hinaus wird Nitsch natürlich im Zusammenhang des Wiener Aktionismus behandelt; s. Anm. 952. 868 Die Begriffe der ›Abreaktion‹ und ›Katharsis‹ – der aristotelischen Poetik entliehen (s. KRAHL 1998, S. 78) – verwendet Nitsch häufig synonym. 869 S. zu dem gedruckten Faltbla (Druck auf Papier, 28 × 73 cm, mumok; D VORAK / FROHNER / MUEHL / NITScH 1962) Die­Blutorgel MILLAUTZ 2012 und SPERA 2005, S. 91. Solche eine Mal-Aktion begleitende Texte (die teils auch wie Pamphlete vorgetragen wurden) fertigte Nitsch häufig an, z. B. 1998 anlässlich seines sechstägigen Spiels; s. NITScH 1998. Seine Utopie hat er in mehreren »lebensliturgischen Partituren« (FORNOFF 2004, S. 536), seinen mehrfach in Überarbeitungen aufgelegten, sog. Ordensregeln festgehalten (NITScH 1981; NITScH 1976A, S. 189–382).

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in Wien stand. Mit dieser Aktion konnten sich die dem Wiener Aktionismus verbunden fühlenden Künstler Hermann Nitsch, Oo Muehl (1925–2013) und Adolf Frohner (1934–2007) erstmals einer breiteren öffentlichkeit präsentieren.870 Dazu ließen sich die drei Künstler in mönchisch-asketischer Manier einmauern, um nach drei Tagen bei der feierlichen Ausmauerung ihre in der Zwischenzeit geschaffenen Werke zu präsentieren. Bei Muehl und Frohner handelte es sich dabei um Gerümpelplastiken, die teilweise mit dem Kellerraum selbst verschmolzen, Nitsch schuf ein großes sog. ›Schübild‹ mit Blut und roter Farbe.871 Hier verwendete er am drien Tag zum ersten Mal ein geschlachtetes Lamm entsprechend seinem Grundsatz, mit realen Objekten und Materialien zu arbeiten; es wurde vor einer mit weißem Stoff bespannten Wand zerrissen und mit Blut und rotem Wasser beschüet. Die Aktion leitete Nitsch unmielbar aus seinem Ideenkomplex des ›Orgien Mysterien eaters‹ ab. Seine Idee einer eaterkonzeption hielt er dann anschließend in dem Manifest Die­Blutorgel fest und feierte den eigentlichen Durchbruch mit seiner zweiten, nun öffentlich durchgeführten Aktion am 16. März 1963. Hier wurde während der Eröffnung der Galerie des Psychologen Josef Dvorak (geb. 1934) ein geschlachtetes Lamm an einem Haken Kopf abwärts über einer auf dem Boden ausgebreiteten Leinwand aufgehängt und die Innereien auf das Tuch gelegt; das dann in Bewegung versetzte Lamm

870 Zudem war an der Aktion – was in der Literatur meist verschwiegen wird – der Kom-

ponist und Musiker Anestis Logothetis (1921–94) beteiligt. Er fand Ende der 1950er Jahre zu einer grafischen Musiknotation und entwickelte elektroakustische Musik, die er in österreich erstmals aufführte. Oo Muehl hae ihn im Januar 1962 kennengelernt und eingeladen, an der Blutorgel mitzuwirken; s. HöLLER 2012A. Anfangs steuerte er auch Kompositionen zu Nitschs Aktionen bei, bis dieser seine eigenen schrieb, bzw. sich traditioneller Werke bediente; s. S. 281–283. 871 Die Maße betrugen 2 × 9 m. Ausgangspunkt seiner immer ausgedehnteren ›Abreaktionsspiele‹ waren Nitschs Malaktionen, bei denen es zu Beginn der 1960er Jahre bereits um die unbewusste Erzeugung ›psychophysischer‹ Erregungszustände ging. Als wichtiger Übergangspunkt führt FORNOFF 2004 (S. 491) das 1959 verfasste, aber niemals aufgeführte brunstspiel an (s. die entsprechenden Anweisungen in NITScH 1982, o. S. sowie ZWEITE 1988, S.  10–12). In seinen Werken verband Nitsch psychoanalytische und mythologisch-rituelle Motive mit dem Malstil des Abstrakten Expressionismus oder auch Action Painting, Informel und Tachismus. Es handelt sich dabei um synonym zu verwendende Begriffe, die nach geografischer Herkun unterschieden werden können oder auch müssen; s. STÄRK 1987, S. 19; BADURA-TRISKA 2012B, bes. S. 32.

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bespritzte sowohl Wände, Decken und Boden als auch das Publikum mit Blut.872 Das erste umfassende Buch zu seinem ›Orgien Mysterien eater‹, dem damit ein manifestartiger charakter zukommt, veröffentlicht Nitsch 1969.873 Die entscheidende Rolle des Rituals sowohl in ikonografischer als auch in struktureller Hinsicht wird auf den ersten Blick mit dem Rückgriff auf traditionelle kultisch-rituelle Praktiken deutlich und im ›Orgien Mysterien eater‹ zum Ausgangspunkt.874 Unterschieden werden muss zwischen drei Strukturmomenten: das der Nicht-Repräsentationalität, der Inter- oder Multimedialität und der Liminalität.875 D. h. Nitschs eater beansprucht für sich einen Wirklichkeitswert, der weit über die in seinen Augen sonst übliche Repräsentanz oder Simulation hinausgeht. Wirklichkeit wird u. a. durch multimediale-synästhetische Reize konstituiert, denn Nitsch versteht sein ›Orgien Mysterien eater‹ nicht als Ergebnis einer Fusion der künstlerischen Disziplinen, sondern als »arrangement von unverformten wirklichkeitsteilen«;876 »die wirklichkeit bringt das gesamtkunstwerk automatisch mit sich. die wirklichkeit ist zu sehen, zu riechen, zu hören, zu schmecken, zu betasten, zu befühlen und dies alles gleichzeitig, zur gleichen zeit.«877 Außerdem werden mit Hilfe der rituellen Abläufe individuelle

872 Genaueres zum geplanten Ablauf kann der Partitur entnommen werden, die zusam-

873 874

875 876 877

men mit den anderen zwischen 1960 und 1979 veranstalteten Aktionen publiziert wurde; s. NITScH 1979, zur hier knapp umrissenen Aktion s. S. 50f. Die Aktion wurde außerdem von einer Komposition Anestis Logothetis’ begleitet. Wenige Tage später, am 28. März, führte Nitsch die Aktion erneut auf im Rahmen des Festes­des­psychophysischen­ Naturalismus, das zusammen mit Oo Muehl in dessen Atelier in der Perinet-Gasse stafand; hierbei kam es zum polizeilichen Eingriff und seiner Verhaftung; s. FORNOFF 2004, S. 501–503. S. NITScH 1969. S. NITScH 1999B, hier ordnet er sich in eine Traditionslinie des Rituals ein; s. allgemein auch die Sekundärliteratur BORcHARDT-BIRBAUMER 2004 und MERTE 1998, S. 92–94. Die Frage, ob es sich beim ›Orgien Mysterien eater‹ noch um Kunst handelt, wird in der vorliegenden Arbeit nicht gestellt, obwohl sich hier immer wieder eindeutig positionierende Aussagen finden, so z. B. KESTING 1970 (S. 168): »Mir scheint zudem, daß wir es hier kaum mehr mit Kunst zu tun haben, sondern mit einem äußerst beunruhigenden sozialen Symptom.« Diese Differenzierung wurde, genauso wie die dazu folgenden Ausführungen von FORNOFF 2004 (S. 524–527) übernommen. NITScH, Hermann: zur theorie des o.m. theaters, ed. in: NITScH 1985, S. 132. Ebd., S. 133.

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oder kollektive Wandlungsprozesse initiiert. Dem religiösen Ritual liegt zudem eine mythische Ursprungserzählung zugrunde, welche die Dramaturgie der kultischen Handlungen bestimmt. Zugleich tri bei traditionellen Opferritualen nicht der für Nitsch grundlegende Vorgang der Bewusstmachung durch die aktionstheatral induzierte ›Abreaktion‹ ein. Manche Aktionsteile des ›Orgien Mysterien eaters‹ kommen auch ohne mythologische Fundierung aus, welche eher mit psychotherapeutischen Verfahrensweisen vergleichbar sind. Solche kultischrituellen und psychotherapeutischen Aspekte gilt es im Folgenden zu analysieren sowohl hinsichtlich ihrer Erscheinung im ›Orgien Mysterien eater‹, als auch in den Vorbildern, auf die sich Nitsch beru und die sich in seinen theoretischen Schrien massenweise finden. ›Wirklichkeit‹ spielt dabei in vielerlei Hinsicht eine entscheidende Rolle, wenn beispielsweise die Materialien in ihrer archaischen alität der Realität entnommen werden, genauso wie in dem theoretisch propagierten Ziel der vollständigen Auflösung der Grenzen zwischen Kunst und Leben; sie wird daher in den anschließenden Ausführungen immer wieder aufgegriffen.878 Nitschs ›Orgien Mysterien eater‹ kulminiert im Fest. Die Reminiszenzen an Wagner liegen hier geradezu auf der Hand: Wie bei Wagners ›Festspiel‹ wird das ›Fest‹ zur übergeordneten Kategorie, die die Grundidee des ›Orgien Mysterien eaters‹ fasst, wenn er es als »fest der lebensbejahung, als ein kultisches spiel, als eine liturgie, welche das sein verherrlicht« verstanden wissen will.879 Die Parallelisierung der Bezeichnungen ›Orgien Mysterien eater‹ und ›Gesamtkunstwerk‹ nimmt er dabei selbst vor: »das gesamtkunstwerk des o.m. theaters muss zusammengehalten werden durch eine theorie, welche philosophisches und religiöses begreifen des weltganzen zum ziel hat.«880

878 Vgl. auch S. 19f. 879 NITScH 1982, o. S. [1]. 880 NITScH 1969, S. 5.

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2.1 ›Orgien Mysterien Theater‹ als großes dionysisches Fest: Bewegung der Massen Das sog. ›Orgien Mysterien eater‹ ist, wie Hermann Nitsch immer wieder betont, sein Hauptwerk: Mit den Arbeiten dazu begann er bereits in den 1950er Jahren. Immer wieder sagt und schreibt er »nie etwas anderes gemacht« zu haben und »auch zu zeiten des wiener aktionismus habe ich [Nitsch] eigentlich immer nur teile und vorübungen zu meinem hauptwerk, meinem sechs-tage-spiel, gezeigt und durchgeführt.«881 So entstand 1959 der erste Entwurf für das ›Orgien Mysterien eater‹, mit dem sich Nitsch, wie er 1982 in seiner Schri die­wortdichtung des­orgien­mysterien­theaters rückblickend formuliert, an Wagner ›abarbeitet‹: Er wollte »sicherlich bestimmt durch jugendlichen überschwang, alles bisher am theater dagewesene übertreffen. ich wollte die tatsache drama ins epische ausweiten. ich kannte die monumentalmalereien der alten meister des 16. und 17. jahrhunderts. lebensgrosse darstellung, auch auf dem theater, interessierte mich. ich fragte mich, warum das von richard wagner gesetzte mass von 5 stunden spieldauer nicht überschrien werden könnte. ich trug mich mit dem gedanken, ein drama zu schreiben, dessen aufführungsdauer tage beanspruchen sollte. es entstand der entwurf zu einem drama, dessen ablauf 6 tage benötigt, dies in analogie zur alestamentarischen schöpfungsgeschichte.«882 Über Wagner hinaus werden hier sowohl die christlichen Bezüge als auch die Anklänge an die Philosophie Nietzsches und Schopenhauers bereits ersichtlich. Erweitert um die Kenntnisse des französischen Symbolismus, des Jugendstils und des Expressionismus hae Nitsch zwischen 1957 und 1962 ein Dramen-Fragment entworfen,883 das den ödipus- und Atridenstoff mit der Passionsgeschichte sowie der Grals- und Nibelungensage verbindet und hierin mit Hilfe der Hauptfigur ›Esos‹ die gesamte

881 Nitsch, in HÜTTLER 2005, S. 12. 882 NITScH 1982, o. S. [1]. Der Bezug zur Schöpfungsgeschichte ist hier bereits offensicht-

lich und mit dem bei Kandinskys Der­Gelbe­Klang vergleichbar; s. Kapitel III.1.1.3. Beide bestehen aus sechs Teilen, wobei jeder für einen Schöpfungstag steht. Außerdem ist in beiden Fällen »die schöpfungsgeschichtliche Dimension mit einer heilsgeschichtlichen verschränkt.« (FORNOFF 2004, S. 490.) 883 S. Anm. 939.

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Menschheitsgeschichte als psychisches Ereignis in Szene setzt.884 Parallelen zu den um 1900 beliebten Mysteriendramen, wie beispielsweise Rudolf Steiners, lassen sich kaum von der Hand weisen. Mit seinem 1.­ABREAKTIONSSPIEL (1961) ist Nitschs theoretisches Gebäude in groben Zügen erstellt. Entscheidende Station zur Erreichung des postulierten Ziels war der Erwerb des Schlosses Prinzendorf in der Nähe Wiens durch Nitschs früh verstorbene zweite Frau Beate (gest. 1977) 1971.885 Es handelt sich dabei um einen dreigeschossigen, quergelagerten, barocken Baukörper mit kurzen Seitenflügeln, in deren Verlängerung Abb. 67: Hermann Nitsch, 6-Tage-Spiel­des sich Wirtschasgebäude befinden; auf diese Weise bildet der unter einem gro›Orgien Mysterien Theaters‹ auf Schloss Prinzendorf bei Wien, 1. Tag, Morgenstun- ßen Walmdach zusammengefasste Bau den, 3.–9. August 1998; o. A. von 1730–50 einen großen rechteckigen Hof.886 1975 veranstaltete Nitsch an diesem Ort ein 24-Stunden-Spiel, 1984 ein 3-Tage-Spiel und 1998 schließlich dann das anvisierte sechstägige Spektakel.

884 Wie weit bereits das dann unter dem Namen ›Orgien Mysterien eater‹ firmierende

Konzept entwickelt war, zeigt die knappe Ausführung STÄRKs 1987 (S.  26): »Die Sprechtexte, die noch auf mehrere Schauspieler verteilt waren, sind in einer hybriden, Adjektiv auf Adjektiv häufenden Sprache geschrieben.« Aufgrund dieser mit sensuellen Empfindungswerten ansprechenden Adjektiven gespickten Sprache werden im Folgenden immer wieder Zitate Nitschs eingepflegt, da sie sein ursprünglicher Ausgangspunkt in der Entwicklung des ›Orgien Mysterien eaters‹ war; s. Anm. 918. 885 Nitsch selbst ist, wie er im Gespräch mit SPERA 2005 (S. 13) sagt, mit der Region familiär verwurzelt. Die in Interviewstruktur angelegte Publikation gibt die meisten biografische Einsichten in Nitschs Leben. All seine Aktionen stehen im Kontext seines ›Gesamtkunstwerks‹; eine knappe Biografie gibt KLOcKER 2012D. 886 DEHIO NIEDERöSTERREIcH 1990, S. 906.

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»1998 ist es mir gelungen, die erste fassung meines hauptwerkes, des sechstagespieles des orgien mysterien theaters, in prinzendorf, zu verwirklichen. ein riesiger mitarbeiterstab von akteuren, vier orchestergruppen, gemischter chor und eine choral schola, streichquinte, 10fach besetztes schlagzeug sowie ein presse- und organisationsteam halfen das sechstagespiel zu realisieren. […] es ist selbstverständlich, dass für das totale, über alle fünf sinne erfahrbare gesamtkunstwerk die tatsächliche anwesenheit notwendig ist. das tatsächliche erleben des sechstagespieles kann durch keine documentation ersetzt werden. trotzdem ist aber das festhalten des geschehnisses durch visuelle und akustische medien notwendig.«887

Zum ›Orgien Mysterien eater‹ 1998 (Abb. 67) kamen ca. 1.000 Besucher, um unter der Regie von Alfred Gulden (geb. 1944) und der musikalischen Leitung von clemens Gadenstäer (geb. 1966) an der Aktion teilzunehmen. Die Veranstaltung war ein ungeheurer personeller und materieller Aufwand: So waren etwa 250 Akteure und 180 Musiker beteiligt,888 mehr als 1.000 Liter Tierblut, hunderte Fässer Wein, knapp 30 Tierleiber sowie tonnenweise Tomaten, Früchte und Blumen wurden verbraucht.889

887 NITScH 2003. 888 Die Zahlen schwanken ein wenig, so geht EDINGER 2013 (S. 116) beispielsweise davon

aus, dass insgesamt 250 Personen als Musiker aktiv waren, »zwei Orchester und eine Schlagzeuggruppe mit Synthesizer, zwei ländliche Musikkapellen und eine Heurigenmusikgruppe. Eine choralschola bestehend aus fünf Personen unter der Leitung von Peter Kubelka [geb. 1934] sang die gesamte gregorianische Osterliturgie in der Kapelle des Schlosses. Die Nachtmusik wurde von einem Streichquinte realisiert. Die musikalische Leitung hae clemens Gadenstäer und zwei Subdirigenten über.« 889 Zu weiteren Zahlen s. auch DOPPLER 2002, S. 70, als Besucher des ›Orgien Mysterien eaters‹ 1998 berichtet er (S. 65f.) auch von den wie bei jeder Aktion Nitschs anwesenden Demonstranten. Aufgrund der aufwendigen Umsetzung des ›Orgien Mysterien eaters‹ 1998 wurde mit den organisatorischen und technischen Vorarbeiten zwei Jahre zuvor bereits begonnen. Rückblickend hält Nitsch fest: »wir haben eine eigene tischlerei gehabt, eine eigene schneiderei gehabt, wir haben eine küche gehabt, ein büro, ein pressbüro. es war ein großer mitarbeiterstab und ich werde o gefragt, wie weit sind die zahlenden gäste integriert ins spiel. auch die zahlenden gäste werden nicht zuschauer genannt, sondern auch sie sind spielteilnehmer. sie sind sehr o in die sache mit hinein verwoben, zumindest was essen, trinken und feiern anbelangt. von anfang an wäre es mein ziel, dass alle leute, akteure und zahlende gäste, zusammen, beispielsweise für das sechs-tage-spiel vier wochen proben und dass sich während der proben herausstellt, wie weit die leute bereit sind sich in das spiel zu integrieren.« (Nitsch in seiner 8. Vorlesung im WiSe 2004 / 05 in Wien, ed. in: H ÜTTLER 2005, S. 99f.)

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Bei allen Versionen des ›Orgien Mysterien eaters‹ stellt die Kreuzigung von Tieren – wie z. B. Schafen, Schweinen und Rindern – den essenziellen Part der Aktionen dar. Üblicherweise werden dazu die Kadaver an ihren Hinterbeinen vor einer Leinwand mit Hilfe eines Flaschenzugs emporgezogen und auf einer kreuzförmigen Holzkonstruktion fixiert.890 Die darauffolgende Szene mit der Entnahme der Innereien unter gleichzeitigem Erklingen der sog. ›Lärmmusik‹ und dem ›Schreichor‹ bildet den ekstatischen Höhepunkt, bei dem die Innereien oder das gewonnene Blut über den auf Bahren liegenden oder an Kruzifixen befestigten Darstellern ergossen werden (Abb. 68) – die entweder nackt oder in einem sakral anmutenden, weißen Gewand,891 in jedem Fall mit Augenbinde, auftreten. Die Akteure kneten dann auf ein Zeichen des Spielleiters in ihrem rauschhaen Zustand die Innereien sowie zu anderen Zeiten Tomaten und Trauben. Auf diese aktionsgeladenen und emotionsreichen Partien folgen ruhigere Phasen, in denen beispielsweise auch gegessen und getrunken wird, aber auch Prozessionen durch Weinberge, Getreidefelder und Obstgärten erfolgen.892 Das ›Orgien Mysterien eater‹ 1998 vereinte diese Stationen über eine Dauer von sechs Tagen, die Nitsch vorab in einer Partitur festhielt893 und bereits in einer vorläufigen und unverbindlichen Gesamtkonzeption auf den dazugehörigen

890 Meist sind die Tiere bereits getötet, bei großen Aktionen (mit Stierkadavern) kann

aber auch die Schlachtung am Anfang stehen. Es ist ein durchaus wichtiger Punkt, dass die Tiere bereits zuvor getötet und für die Aktion entsprechend präpariert sind. Im Vorfeld von Nitsch-Aktionen finden sich immer wieder Diskussionen darum, ob ein Tier auf der Bühne getötet werden würde (so auch erneut im Zusammenhang mit Nitschs 138. Aktion vom 21.–23. Juni 2013 im centraltheater Leipzig), was jedoch nie der Fall war. 891 Nitsch vergleicht sich in diesem Aspekt gelegentlich mit dem deutschen Lyriker Stefan George (1868–1933) und dem österreichischen Maler Gustav Klimt (1862–1918), unterscheidet sich jedoch von diesen zugleich grundlegend; s. ZWEITE 1988, S. 5f. Eine Auratisierung und Nobilitierung des Gewands findet bei Nitsch v. a. in einem nachträglichen Akt sta. 892 S. beispielsweise seine Ordensregeln NITScH 1981, § 43. In diesen stillen Phasen werden teilweise auch die geöffneten Tierleiber mit duenden Essenzen gereinigt und die Eingeweide zusammen mit Teerosen und Wae wieder hineingestop; s. FORNOFF 2004, S. 521. S. zu den dionysischen Momenten während des Essens und den rituellen Abläufe Nitschs Äußerungen im Gespräch mit Heinz-Norbert JOcKS 2002. 893 Zu den Partituren s. S. 283 und v. a. ScHMIDT 2007, S. 46–59.

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Abb. 68: Hermann Nitsch, 6-Tage-Spiel des ›Orgien Mysterien Theaters‹ auf Schloss Prinzendorf bei Wien, 3. Tag (Tag des Dionysos), Sonnenuntergang, 3.–9. August 1998; o. A.

Plakatrückseiten abdrucken ließ, sodass im Vorfeld jeder Besucher informiert war. Insgesamt steigerte sich die Aktion bis zum fünen Tag und endete dann in einem rauschhaen Fest am sechsten Tag. Mit Sonnenaufgang begann das 6-TageSpiel mit einer Stieropferung, als Zitat und Assoziation mit den delphischen Festen und dem Kybelekult, wie sie im folgenden Kapitel noch knapp beleuchtet werden. In den anschließenden Tagen entfaltete sich eine weitläufige Struktur, die durch den Wechsel von Bewegungs- und Ruhephasen geprägt war: Auf die erste Schlachtung und Ausweidung eines Stiers am ersten Morgen folgten am Nachmiag »prozessionen mit tragbahren und auf traggeräten liegenden und Hermann stehenden passiven akteuren und geschlachteten tieren«; es kommt zu einem ersten »teilweise[n] auau des mythischen leitmotives«.894 Nach dem Essen mündete der Abend in einen »fackelzug in die felder zum presshaus des schlosses« und dem »meditative[n] begreifen des seins« bei der »anschauung des sternenhimmels.«895 Die einzelnen Stationen sind zeitlich genau festgelegt und blieben über die ersten fünf Tage nahezu gleich: »4 uhr 45 sonnenaufgangsmusik / 5 uhr 32 sonnenaufgang«, »12 uhr 30 miagessen«, um 15 Uhr begann

894 NITScH 1997, S. XXXI. 895 Ebd.

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dann wieder ein Part und mit »20uhr 30 sonnenuntergang« startete das Abendprogramm.896 Der Vormiag des zweiten Tages wurde mit einer Malaktion auf dem Schüboden bestrien, sodass die »schlachtung von drei schweinen« mit den entsprechenden »ausweidungsaktionen, beschüungsaktionen« am Nachmiag stafinden konnte; hierzu heißt es dann auch: »mit dem mythischen leitmotiv wird dramaturgisch durch entsprechende aktionsanordnungen versucht, vom symbolischen, sublimierten eucharistischen opfer der christlichen kirche zu den frühformen des religiösen, des exzessiven totemismus im sinn einer religionsarchäologischen analyse hinunterzuloten. die dramaturgie bewegt sich immer in richtung grundexzess, der bis zum finale des 5. tages immer vollkommener herausgearbeitet wird.«897 Dementsprechend kam es zu einem ersten Höhepunkt am drien Tag: »der drie tag ist ausgerichtet auf den mythos des goes dionysos. auf den archetypus dionysos, auf die formel DIONySOS GEGEN DEN GEKREUZIGTEN. das entmythologisierte phänomen des dionysischen wird erkannt als angelegenheit der lebensdynamik. […] rauschhae und ungehemmte freude. es wird zum trinken aufgefordert. überall wird üppigst bis exzessiv getrunken. an allen plätzen musizieren heurigengruppen. ein massenrausch ist geboten, verordnet, eine allgemeine berauschung der spielteilnehmer.«898 Nach diesen sich über den gesamten Tag steigernden Aktionen – »schlachtung des stieres. schlachtung von zwei schweinen. ausweidung« –899 und den nächtlichen Prozessionen mit Fackelzügen war der vierte Tag wieder mit Installation am Vormiag und »aktion im weinkeller«900 am Nachmiag strenger strukturiert. Der füne Tag war der »höhepunkt des dramas, katastrophe des dramas. erreichung des grundexzesserlebnisses«901 und begann mit Prozessionen. Ab 15 Uhr erfolgte die »abhaltung einer messe. die messe verwandelt sich während der eucharistie in ein orgiastisches abreaktionsfest. das mythische leitmotiv offenbart die orgie, den exzess als biere, konzentrierte daseinsessenz […] schlachtung und ausweidung eines stieres und von zwei schweinen. ausweidung. exzessive aktionen mit dem

896 NITScH 1997, S. XXXf. 897 Ebd., S. XXXII. 898 Ebd., S. XXXIII. Auf Dionysos und weitere Vorlagen, derer sich Nitsch bedient, wird

im folgenden Kapitel eingegangen. Zur Bedeutung von Wein und einem alkoholisierten Zustand s. NITScH 2007. 899 NITScH 1997, S. XXXIII. 900 Ebd., S. XXXIV. 901 Ebd., S. XXXV.

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tierkadaver. akteure balgen sich in blut, fleisch und gedärmen, zerreissen fleisch und tierkadaver. steigerung der aktion des drien tages. DER ÄUSSERSTE LÄRM ALLER ORcHESTER WIRD ZU EINEM EINZIGEN GIGANTIScHEN, ANHALTENDEN, ScHMERZLIcHEN, ÜBERLAUT, UNERTRÄGLIcH BRÜLLENDEN TON (LÄRMEKSTASE). höhepunkt des spiels, der orgiastik.«902 Zur Steigerung des Lärmpegels kamen zusätzlich Panzer und Schwerfahrzeuge zum Einsatz (Abb. 69). Schließlich sollte die ›Abreaktion‹ in ein Fest übergehen, denn »die spielteilnehmer sind auferstanden, sind in die transzendenz und hiesigkeit des daseins voll erwacht.«903 Dieses wurde am sechsten Tag, dem »tag der auferstehung« als »volksfest« fortgeführt.904 All jene Aktionen, die mit den Akteuren abliefen, wurden streng gesteuert: Zum einen vorab durch die Partitur (Abb. 70) von Nitsch und zum anderen durch eine Art ›Regisseur‹, der in stetiger Rücksprache mit Nitsch Kommandos mit Trillerpfeife gab.905 Neben diesen aktionalen Partien, die mal mehr, mal weniger massendynamisch angelegt sind, wurden der Besucher – entsprechend seiner Funktion konsequent als ›Spielteilnehmer‹ bezeichnet – zusätzlich in Form von Geruchslaboratorien, kalten und (zu bestimmten Zeiten) warmen Speisen und stets Musik synästhetisch stimuliert.

Abb. 69: Hermann Nitsch, 6-Tage-Spiel des ›Orgien Mysterien Theaters‹ auf Schloss Prinzendorf bei Wien, 5. Tag, 3.–9. August 1998; o. A. 902 Ebd. 903 Ebd. 904 Ebd., S. XXXVI. 905 Die Einsätze der Trillerpfeife sind auch in den Partituren fixiert.

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Abb. 70: Hermann Nitsch, einzelne Seite der Partitur zum 6-Tage-Spiel des ›Orgien Mysterien Theaters‹ auf Schloss Prinzendorf, 3.–9. August 1998; o. A.

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Immer wieder betont Nitsch im Zusammenhang mit seinem ›Orgien Mysterien eater‹ die Bedeutung von Ästhetik bei der Konzeption seiner mehrtägigen Spiele. So ist sowohl die Struktur der Veranstaltung essenziell als auch die Form im Detail:906 Die nackten passiven Akteure – wobei die Nacktheit nichts mit Erotik zu tun hat, sondern den elementaren menschlichen Zustand vor Augen führen soll –907 tragen lediglich eine Augenbinde. Hierzu gibt Nitsch an, dass er von einer christusdarstellung Fra Angelicos (ca. 1386 /1400–1455) inspiriert worden sei;908 solch konkrete Verweise auf Vorbilder finden sich eher selten, pauschale Rückbezüge beispielsweise auf das christentum finden sich hingegen massenweise, werden aber auch gleichzeitig von ihm immer wieder revidiert.909 Die aktiven ›Spielteilnehmer‹ tragen, ebenfalls sehr schlicht gehalten, entweder weiße, gerade geschniene Hosen und T-Shirts oder priesterähnliche, lange Gewänder, die alle eigens angefertigt werden. Der gleichen puristischen Ästhetik folgen auch die von Schreinern angefertigten Tröge und Tragbahren sowie Eimer und Plastikwannen. Der Ablauf der Aktionen von Nitsch wird stets durch das gleiche strukturelle Motiv bestimmt, das er ab 1962 als ›analytisches Leitmotiv‹ bezeichnet:910 In verschiedenen Formen ist dies immer wieder das Leiden, Töten und Wiedererwecken eines Goes oder Helden und damit das Opfer und die Auferstehung, die im Mittelpunkt des ›Orgien Mysterien eaters‹ stehen. Die Lösung der im Menschen gehemmten Triebkräe glaubt Nitsch durch die rituell geführte Entfesselung über die unmielbare Konfrontation mit aufwühlenden Vorgängen, wie dem Beschütten von Tierkadavern und dem menschlichen Körper, dem Kneten von Gedärmen, Trauben und Tomaten sowie der begleitenden akustischen Komponente und olfaktischen Eindrücken zu erreichen.911 Auf solche im Kollektiv erlebten tranceartigen Zustände folgen ruhigere Partien, z. B. in der kontemplativen Naturbetrachtung, dem Registrieren sinnlicher Substanzen oder auch dem Hören geistlicher Musik, die den charakter einer geläuterten Besinnlichkeit und fest-

906 Nitsch nutzt den Begriff der ›Ästhetik‹ in einem speziellen Sinn der Organisation und

907 908 909 910 911

Regelung einer gestalterischen Tätigkeit. So müssen alle Aktionen immer wieder als Versuch der Bildung eines ästhetischen Gerüsts verstanden werden. S. zum Körper als Material Anm. 955. S. Nitsch in seiner 8. Vorlesung im WiSe 2004 / 05 in Wien, ed. in: HÜTTLER 2005, S. 104. S. hierzu ausführlicher Kapitel IV.2.2. NITScH 1962, S. 43 und s. S. 197. S. z. B. NITScH 1981, § 89–94.

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artiger Freude tragen. Auf dem weitläufigen Gelände vermischen sich Geschehnisse und Besucher, indem die Akteure sich immer wieder zu Zerreißungs- und Opfermotiven zusammenfinden, während sich die ›Spielteilnehmer‹ frei bewegen. Diese offene Struktur ist grundlegend für das ›Orgien Mysterien eater‹, da es jedem selbst überlassen bleibt zu entscheiden und erleben. Dies verlangt entsprechende Räumlichkeiten und eine ›freie‹ Raumauffassung, um den synästhetischen Stimulationen (Musik sowie Geruchs-, Geschmacks- und Tastaktionen) Platz zu geben. Das ›Orgien Mysterien eater‹ »kennt keine kulisse, sondern nur lebendigsten erlebnisraum und dieser ist die landscha von prinzendorf«;912 einen eaterbau o. ä., wie bei Wagner noch notwendig, braucht also auch Nitschs Idee des ›Gesamtkunstwerks‹ nicht mehr.913 Dies meint jedoch nicht, dass Architekturkonzepte bei Nitsch keine Rolle spielen; so entwickelt er bereits in den frühen 1960er Jahren Ideen zur architektonischen Verortung, die die für das ›Orgien Mysterien eater‹ notwendige Balance zwischen Ruhe und Bewegung ermöglichen. Das Durchmessen von Räumen einerseits sowie das statische Erleben und Wahrnehmen andererseits bestimmen die räumliche Organisation genauso wie den zeitlichen Ablauf des Spiels. Den idealen Ort fand Nitsch in Schloss Prinzendorf, denn es »ist das orgien mysterien theater«914 und damit integraler Bestandteil der Aktion. Hier ist es laut Nitsch möglich, auf Körper-, Raum- und Zeitgefühl als die entscheidenden empirischen Erlebnissphären des Menschen einzuwirken. So gehören auch konkrete Überlegungen, wie z. B. die der frühen 1960er Jahre über ein fantastisches System unterirdischer Kammern in biomorphen Formen, in diesen Kontext der sinnbildlichen Erfahrung des Raums, hier als Konzept des Abstiegs in die Tiefenschichten menschlichen Erlebens oder als Assoziation der Urhöhle.915 Solche Überlegungen zu Erfahrungs- und Erlebnisräumen korrespon-

912 NITScH 1981, § 109; vgl. auch Anm. 982. 913 In seinen Ordensregeln hält Nitsch (ebd., § 110) aber auch fest: »die architektur des

o.m. theaters ist gegeben durch das schlossgelände, das schlossgebäude und die [herum angelegten] stallungen. dennoch will ich noch theateranlagen in das erdreich (unterreich) graben. eine unterirdische uterale architektur soll entstehen.« 914 Ebd., § 1. 915 S. KLOcKER 2012c, S. 261 und NITScH 1987. Das Bild des Uterus oder der Urhöhle erinnert an die Vision eines Hermann Finsterlin sowie allgemein expressionistische Architektur; s. PEHNT 1998 sowie Anm. 913.

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dieren mit der Rückbesinnung – als Reaktion auf den Zweckpragmatismus des Wiederauaus –, dass »Architektur mehr ist als das funktionell richtige und künstlerisch gestaltete Erstellen von Raumvolumina.«916 Neben den Kreuzigungs-, Ausweidungs- und Zerreißungsszenen spielt v. a. die Aktivierung der synästhetischen Empfindungen eine essenzielle Rolle: Die aktionsvorbereitenden Notationen umfassen formal eine Bandbreite von realistischen bis stilisierten Zeichnungen, Texte und eigens entworfene Aufzeichnungssysteme, besonders für die Musik.917 Für die Musik war ein großer Apparat an Musikern in unterschiedlichen Gruppierungen zuständig, die von der gesanglichen Darbietung der Osterliturgie, über Blasmusik bis hin zu clusterklängen in orchestraler Besetzung ein breites musikalisches Spektrum boten.918 Hinsichtlich der musikalischen Gestaltung des ›Orgien Mysterien eaters‹ nennt Nitsch Schönberg, Alban Berg (1885–1935) und Anton Webern (1883–1945) als Vorbilder,919 Komponisten also der sog. ›Zweiten Wiener Schule‹, die sich mit Atonalität beschäigten, welche jedoch in der erneuten Rezeption für Nitsch eine Sackgasse darstellten, sodass seine Musik »ihre wurzeln im geschrei, im guuralen schrei und in der lärmmusik« hat, denn »der schrei hat fast therapeutischen charakter und es rollt sich eigentlich mit dem schrei die ganze entwicklung der menschheit

916 Zünd-Up, Einladung der Galerie Seilerstäe, 3. Februar 1969, Archiv Zünd-Up, zit.

nach BADURA-TRISKA 2012D, S. 259. 917 S. ausführlicher HOcHWARTNER 2012, S. 222. Mit diesen ›Handlungsanweisungen‹ steht

Nitsch nicht alleine, denn schon cage und die Fluxisten bedienten sich derartiger Fixierungen von Handlung und Zeit; s. Kapitel IV.1. 918 Ein wichtiger Ausgangspunkt für Nitschs Überlegungen zum ›Orgien Mysterien eater‹ war seine Kritik an Sprache (vgl. Anm. 884): »ich wollte durch sprachliche assoziationskeen, durch meine sprachgestaltung in die tiefe, in unbewußte bereiche loten, um tief liegende psychische schichten hoch zu bringen, zur wirkung kommen zu lassen, zu veranschaulichen. die kenntnis der tiefenpsychologie von freud und jung intensivierte diese bestrebungen und ließ meine für das spätere dramatische konzept des aktionstheaters wichtige abreaktionstheorie entstehen (drama = abreaktion).« (NITScH 1982, o. S. [1].) Mit derartigen literarischen Ambitionen steht Nitsch nicht alleine, wie seine enge Verbindung zur sog. ›Wiener Gruppe‹ zeigt; auf unterschiedliche Weise stehen sie in Verbindungen zum Dadaismus. Da dies jedoch für die Wiener Aktionisten nicht so grundlegend war (s. Anm. 952 und 953), wird im Folgenden nicht weiter auf diesen emenkomplex eingegangen. 919 Das gilt freilich nur für die neu komponierten Teile, nicht für die sich traditioneller Vorlagen bedienenden.

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mehr oder weniger von hinten auf. […] die musik, die ich meine, bezieht auch tatsächlich geräusche mit ein. das geht sogar so weit, dass ich auch ereignisse, die uns in anderem sinne treffen, als musik bezeichnen würde.«920 So könnten auch die 1998 zum Einsatz kommenden Panzer und Schwerfahrzeuge als Musikinstrumente aufgefasst werden, die den ohnehin schon bis an die Schmerzgrenze ausgereizten Lärmpegel nochmals übersteigerten; in erster Linie muss der Panzer aber natürlich immer noch als Sinnbild für Destruktion und Gewalt verstanden werden.921 Entsprechend der im Kontext cages bereits vorgestellten Ideen der Auflösung der Gaungsgrenzen und weiter noch der Durchdringung von Kunst und Leben darf auch bei Nitsch alles akustische Material als Musik verstanden werden, denn die »musik ist zur wahrgenommenen realität geworden.«922 Ob die erklingende Musik nun dissonant oder harmonisch ist, spielt keine Rolle mehr, es gilt vielmehr »die sinnenwirklichkeit der orgiastik« zu einer »kosmischen provokation« anschwellen zu lassen, sodass »kosmischer urschall der einzig schmerzbedingten geburt, der qual- und glückvermischten wollust des SEINS, schreit, hallt bis in die raumlosigkeit und unergründlichkeit des weltalls.«923 Auch die auditive Ebene sollte somit die Akteure und Zuschauer derart ekstatisch stimulieren, dass sie sich im Augenblick der ›Abreaktion‹ im Geschrei aller entlädt. Das gleiche Ziel verfolgten auch die Geruchs-, Geschmacks- und Tastaktionen: In genau festgelegter Reihenfolge wurden unterschiedliche Geruchsträger – meistens handelte es sich um parfümierte oder gewässerte Waebäusche oder Taschentücher –, Speiseproben und Tastobjekte gereicht. Als ›Leitmotive‹ fungierend bildeten sie für Nitsch einen essenziellen Part seines ›Orgien Mysterien eaters‹, denn, so der Künstler, »wer meine arbeit kennt und wer auch schon meine partituren durchstudiert hat, der wird sehen, dass meine arbeit sich aus

920 Nitsch in seiner 9. Vorlesung im WiSe 2004 / 05 in Wien, ed. in: HÜTTLER 2005, S. 106.

S. auch zur Musik des ›Orgien Mysterien eaters‹, die außerhalb ihres Aufführungskontextes kaum Sinn ergibt BRUS 1987 sowie spezieller bezüglich der Aufführung 1998 DOPPLER 2002, S. 71f. 921 Als destruktives Material verstanden ist er typisch für den Wiener Aktionismus; s. S. 290–294 und Nitschs Äußerungen dazu bei SPERA 2005, S. 116f. 922 Nitsch in seiner 9. Vorlesung im WiSe 2004 / 05 in Wien, ed. in: HÜTTLER 2005, S. 106. »auch hier ist eine erweiterte vorstellung von musik gemeint. das geht eigentlich soweit, dass ich sagen könnte: alles ist musik.« (Ebd.) 923 NITScH, Hermann: Durchdringen zum Grundexzess / Urexzess, in: NITScH 1995, S. 531–536, hier S. 536.

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motiven zusammensetzt, die sich immer wiederholen und variiert ereignen. ich habe bestimmten motiven in meinem theater namen gegeben. ähnlich wie es richard wagner gemacht hat.«924 Solche Rückgriffe auf eine musikalische Terminologie sind typisch für Nitsch und verweisen zugleich auf einen Strang seines Bezuggeflechts – hier namentlich mit Richard Wagner –, wie es noch in den Blick genommen werden wird.925 Die grundlegende Bedeutung der synästhetischen Eindrücke im ›Orgien Mysterien eater‹ erschließt sich, wenn der Künstler sagt: »das o.m.theater ist ein fest aller sinne und ebenso ein fest der kombination von sinneseindrücken.«926 Und »das leben wird durch alle fünf sinne gleichzeitig erfahren.«927 Demnach kommt den synästhetischen Erlebnissen eine Schlüsselfunktion hinsichtlich der Verschmelzung von Kunst und Leben zu. Ähnlich wie der Ablauf der Aktion unterliegen auch sie einer strengen choreografie, die in Form von Partituren festgehalten wird. So ist es Nitsch wichtig zu fixieren, dass »in meinen partituren […] alle regieanweisungen genauestens angegeben [sind], kein regisseur braucht etwas verbessern oder dazuerfinden, er muss nur meine anweisungen genauestens befolgen. die begabung des regisseurs liegt für mich in seinem einfühlungsvermögen und in seinen (handwerklich praktischen) nachschöpferischen fähigkeiten.«928 Dies erklärt auch, weshalb er sich in den Aktionen zurückziehen kann und den von ihm gewählten ›Regisseur‹, der stets mit ihm Rücksprache hält, den Ablauf dirigieren lässt; dies darf nicht als ein Zurückziehen aus der Kunst – also als eine Entautorisierung wie beispielsweise bei Duchamp oder cage – verstanden werden, sondern im Gegenteil als Selbststilisierung bis hin zu einer goähnlichen Position.

924 Nitsch in seiner 9. Vorlesung im WiSe 2004 / 05 in Wien, ed. in: HÜTTLER 2005, S. 200.

S. auch Anm. 961. 925 S. das nächste Kapitel. Auf musikalischer Ebene zeigen sich ebenfalls Wagner-Bezüge,

so zitierte er 1971 noch Wagners Vorspiel zu Parsifal; s. ScHMIDT 2007, S. 59. 926 NITScH 1981, § 50. 927 Ebd., § 49. 928 NITScH 1979, S. 8. Weiter schreibt er hier auch: »ich will meine arbeit und vor allem

das 6-tage-spiel des o.m. theaters vor dem zugriff schlechter regisseure schützen. ich verfüge, dass eine aktion, die von der partitur abweichend inszeniert wird, nicht aufgeführt werden darf.« Zu den Partituren der Wiener Aktionisten im Vergleich s. HOcHWARTNER 2012.

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2.2 Von den Griechen über Wagner bis zu den Wiener Aktionisten: Selbsteinordnung in eine lange Traditionslinie »richard wagner ist sehr weit gegangen mit dem begriff gesamtkunstwerk […] im zusammenhang mit dem gesamtkunstwerk, gibt es nur wenig wichtige stationen. alexander scriabin, ein russischer komponist, der von chopin oder noch mehr von wagner ausgehend […] mit einer extrem übersteigernden tonsprache experimentierte. […] für ihn war die synästhesie besonders wesentlich. darüber hinaus wollte er zeigen, wohin die synästhesie führen kann. er entwarf eine totale gesamtkunstwerkvorstellung. […] er wollte tatsächlich ein riesiges festspiel entwerfen. was für mich so wichtig ist: er wollte, dass durch seine musik, durch sein spiel ein zustand erzeugt wird. […] er wollte durch die kunst die menschen ganz zu sich selbst, in richtung erlösung bringen. […] er war auch sehr stark von nietzsche beeinflusst. es gibt auch philosophie von ihm. er war einer der modernsten komponisten seiner zeit und hat vieles vorweggenommen, was dann später schönberg wieder aufgegriffen hat.«929

Nitsch versteht sein ›Orgien Mysterien eater‹ als End- und Zielpunkt einer von ihm konstruierten ekstatisch-synästhetischen Entwicklungslinie:930 Der Bezug zum christentum und der Antike ist für Nitschs Idee eines modernen Opferkult- und ›Abreaktions‹-Spiels interessant. Das Bedürfnis nach sinnlicher Intensität und dionysischer Ekstase sieht er v. a. in der synästhetisch potenzierten Kunst der Romantik und dann besonders bei Wagner. Mit Kandinsky und Skrjabin – aber auch den von ihm als historisch erklärten Avantgarden – betreten für ihn exponierte ›Gesamtkünstler‹ die Bühne, denen es ebenfalls um die Neukonstruktion der Wirklichkeit gegangen sei. Den Kulminationspunkt dieser Tra-

929 Nitsch in seiner 2. Vorlesung im Wintersemester 2004 / 05 in Wien, ed. in: HÜTTLER

2005, S. 32f. 930 Immer wieder stellt sich Nitsch in die unterschiedlichsten Traditionslinien; relativ

systematisch in seiner im Wintersemester 2003 / 04 als Gastprofessor am Institut für eater-, Film- und Medienwissenscha der Universität Wien gehaltenen Vorlesung, die von HÜTTLER 2005 ediert wurde. Die Selbstverortung erfolgt nicht nur in eine Reihe großer Namen (darunter Richard Wagner, Alexander Skrjabin und Arnold Schönberg), sondern auch dezidiert durch eine österreichische Brille. Diese collage von Motiven aus der kollektiven, abendländischen Kultur- und Symbolgeschichte honorierten die Wiener damit, dass sie Nitsch 2005 zum 122. Mal sein ›Orgien Mysterien eater‹ in einer Fassung von acht Stunden im Burgtheater aufführen ließen; s. ebd., S. 220; NITScH 2005 und KAySER 2006.

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ditionslinie setzt er in der Mie des 20. Jahrhunderts an, speziell in den verschiedenen Formen der Aktionskunst. Sein ›Orgien Mysterien eater‹ wäre demnach die fortschrilichste Variante einer synästhetisch gesteigerten Kunst, die sich erstmals triebdynamischer Mechanismen im Sinne Sigmund Freuds (1856–1939) bediene und damit über die intermedialen Verknüpfungen vorangegangener Projekte hinausgehe. Es sind daher v. a. vier verschiedene Kontexte, aus denen Nitsch sein Konzept des ›Orgien Mysterien eaters‹ speist: Das (christlich-antike) Ritual, die (Wiener) Performance-Kunst, das eater und die synästhetischen Bestrebungen. Nitsch betont immer wieder die auffällige Nähe zu rituellen Handlungen und Praktiken,931 beispielsweise zu archaischen Riten, alestamentarischen Tieropferungen, orgiastischen antiken Kulturen oder auch christlich-katholischer Religionsausübung.932 Entgegen der traditionellen rituellen Formen war ihm dabei wichtig, dass »alle zuschauer […] die abreaktion direkt [erleben]. der grundexzeß wird unmielbar ohne mythische verschlüsselung berührt. alle zuschauer steigen ins ›unbewußte‹ hinab und werden ›selber auferstandene‹.«933 Nitschs ›Abreaktionsspiele‹ lehnten sich damit nicht nur an archaische Initiations- und Opferrituale oder christliche Passionsspiele an, sondern appellierten ebenso an ein kollektives Unterbewusstsein im Sinne c. G. Jungs und damit an die transzendentalen Grenzen der Menschheit. Im Bereich der Psychoanalyse stütze sich Nitsch zudem auf Sigmund Freuds fünf Artikel, die unter dem Namen Totem­und Tabu.­Einige­Übereinstimmungen­im­Seelenleben­der­Wilden­und­der­Neurotiker

931 So z. B. in seinen in mehrfachen Varianten erschienen Ordensregeln: »christen gehen

zur maiandacht, um vor dem mit frischem, duendem weissen flieder überladenen altar zur muer der welt zu beten. […] fronleichnamsprozessionen gehen durch die felder. Der leib des herrn wird in der monstranz durch die fluren getragen. Die ersten kirtage werden in den dörfern gefeiert.« (NITScH 1981, § 56f.) – Bei ›Kirtagen‹ handelt es sich um Kirchweihtage. 932 S. FORNOFF 2004, S. 522. 933 NITScH 1982, o. S.

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(1912 /13) zusammengefasst wurden;934 nach dessen Vorbild sei auch das archaische Fest konstruiert.935 Das ›Orgien Mysterien eater‹ kommt nicht ohne ›Abreaktionsvorgänge‹ aus, wie sie für Nitsch bereits in dem in Orgiastik und Grausamkeit kaum zu überbietenden Text um den Dionysoskult zu finden sind, worin die Zerreißung des Dionysos in der Regel als Selbstopferung interpretiert wird.936 Damit verbunden wird das ›Rasen‹, das individuelle Erlebnis der Ekstase in rituellen Abläufen, wie sie wohl in griechischen Gemeinden alle zwei Jahre zelebriert wurden: Dem Mythos nach zogen die yriaden, die von Dionysos ergriffenen Frauen, bei einer gemeinsamen nächtlichen Feier in die Wälder, um dort in ekstatischen Tänzen zu toben; den Höhepunkt markierte dann die Tierzerreißung und -verspeisung. Diese an Euripides (480–406 v. chr.) (Die­Bakchen, ca. 406 v. chr.) orientierte Fas-

934 In der vierteiligen Aufsatzfolge »unternahm Freud den Versuch, die Entstehung von

Kultur und Religion aus einer psychoanalytischen Analyse des Totemismus und seiner beiden Hauptgebote, das Totem nicht zu töten und den sexuellen Verkehr mit den dem Totem angehörenden Frauen zu vermeiden, zu erklären. An charles Darwins [1809–82] eorie der Urhorde anknüpfend, entwarf er dazu ein hypothetisches frühgeschichtliches Szenario, in dem eine Gruppe unterdrückter Söhne ihren ödipalen Triebwünschen folgend ihren allmächtigen tyrannischen Vater, der die freie Verfügungsgewalt über alle Frauen der Horde besitzt, erschlafen und kannibalisch verzehren. In einem Akt ›nachträglichen Gehorsams‹ gegenüber dem gleichermaßen gehassten wie bewunderten Vater verzichten sie nach der Tat jedoch auf die sexuelle Verfügung über die Frauen der Horde (Inzesabu) und ›schaffen sich im Totemtier einen Vaterersatz, der verehrt wurde und nicht getötet werden dure.‹ (Tötungstabu) an die Stelle der auf reiner Gewalt beruhenden Macht des Vaters tri so die Ordnung eines verinnerlichten Gesetzes als Keimzelle küniger sozialer und religiöser Organisation. Gleichzeitig aber entsteht die Institution der Totemmahlzeit als ›erste[s] Fest der Menschheit‹ […].« (FORNOFF 2004, S. 531f.) 935 Nitsch betont immer wieder, dass er die Idee zu seinem ›Orgien Mysterien eater‹ vor der Kenntnis der Tiefenpsychologie gehabt habe, das scheint jedoch nicht nur aufgrund der zahlreichen ideellen Parallelen, sondern auch aufgrund der sprachlichen Nähen zu Nietzsche, Freud und Jung in den frühen schrilichen Äußerungen eher abwegig; die Aussagen des Künstlers sind hier aber auch widersprüchlich, s. Anm. 944. 936 »Dionysos ist ein archetypisches Prinzip: Dazu gehört auch der Rausch, die ekstatische Lebensbejahung, die Erotik bis in die Schmerzen, bis ins Tragische und der Rausch, der bis zur Vernichtung und Auferstehung geht. Es geht mir nicht um Heidentum, sondern um die Verwirklichung des Lebens – eingedenk des Todes und des Tragischen.« (NITScH 2007, S. 36.)

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sung des (hauptsächlich delphischen) Dionysoskults ist nur eine Art des in diversen Varianten mit unterschiedlichen Schwerpunkten vorliegenden Mythos.937 Ikonografisch stützt sich Nitsch zudem auf den Kybele- und Aiskult, in dem der bei der Selbstentmannung gestorbene Ais exzessiv mit wildem Tanz und lärmender Musik betrauert wird. Neben diesem offiziellen Kult wurde im Geheimen die Initiation des Mysten mit einer Bluaufe vollzogen. Hierzu stieg er in eine mit gelöcherten Breern anschließend abgedeckte Grube hinab, über der ein Stier oder Widder geschlachtet wurde; das Blut floss über das Gesicht und in den Mund des Myste, sodass er blutüberströmt wieder aus der Grube stieg.938 Die motivischen und strukturellen Ähnlichkeiten mit Nitschs Aktionen sind offensichtlich und werden durch seine Äußerungen immer wieder untermauert, so beispielsweise wenn er betont, dass »der go dionysos […] ein durchaus lebendiges, keineswegs ausgestorbenes prinzip« bedeute.939 Zu dem dionysischen Kult gesellt sich der emenkomplex um die Selbstblendung des ödipus’, der für Nitsch »die mythische leidensfigur schlechthin« ist, die in den ›Urexzess‹ gestoßen wurde.940 Wie bereits angedeutet, grei Nitsch derartige Rituale nicht in ihrer ursprünglichen Funktion als individuelle oder kollektive ›Reinwaschung‹ der Menschen auf, sondern im Sinne eines säkularisierten Dualismus von Leben und Tod, von Zerstörung und Lebendigkeit; dies tri auch auf seine existentialistische Sicht des christentums zu.

937 S. hierzu die Untersuchung mit Blick auf Nitsch von STÄRK 1987, S. 31–38. 938 S. ebd., S. 35f. 939 NITScH 1981, § 44. Die gesamte Ikonographie und Rückbezüglichkeit auf die hier ge-

nannten antiken Kulte sind bereits in Nitschs erstem Dramenfragment wortdichtung des­orgien­mysterien­theaters (1957–62) angelegt, das parallel zu den ersten Aktionen entstand; s. zu Inhalt und Auau des Textes STÄRK 1987, S. 36f. 940 »könig oidipus ist die mythische leidensfigur schlechthin. er ist der bruder von dionysos und christus. der leidende, gemarterte oidipus trägt die sterne, das weltall in seiner brust. die geschichte des weltalls wird durch das masslose leiden des oidipus nachvollzogen. sein leiden ist der abgrund des schöpferischen, jener sternenweite, milliarden lichtjahrweite leidensabgrund des chaotischen. oidipus trägt die kosmische sternen- und lichtzerstörung als auch die allentfaltung im herzen. er wird hineingestossen in die leidfülle des urexzesses.« (NITScH 1981, § 101.) Gleichzeitig »umgeht [das ›Orgien Mysterien eater‹] die präzisierung auf den ödipuskomplex und versucht zusammenfassend, in für die idee dieses spieles, in für die spielgestaltung zweckmässigerer und brauchbarerer form obige mythenbildung zu interpretieren.« (NITScH 1995, S. 248.)

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Das christentum stütze sich nach Nitsch in seiner moralisierenden und masochistischen Tendenz auf die antiken Vorbilder und baue nun zusätzlich auf die Identifikation mit dem Opfer, also dem gekreuzigten und gemarterten Jesus christus: »von der totemtierzerreissung lässt sich eine entwicklungslinie feststellen, die bis zum wandlungsritual der katholischen kirche reicht. […] der mit hilfe von psychologie und anthropologie feststellbare kern der wandlung liegt ebenfalls im abreaktionsbedürfnis des menschen, lediglich stellt das messopfer eine durch den ritus bis aufs äusserste verfeinerte abreaktionsform dar. die lammausweidung will die kollektivpsychische wurzel der wandlung symbolisch berühren und darstellen.«941 Letztlich moniert Nitsch jedoch die Verdrängung des Dionysischen durch das christentum942 und lehnt sich damit eng an Nietzsches Kritik.943 Die deutlichen Anklänge Nietzsches verwundern nicht, wenn man Nitschs Lektüre ab 1958 betrachtet, die sich u. a. auch der Philosophie Schopenhauers, Freuds, Jungs und Wagners zuwandte; diese Einflüsse verband Nitsch nach seinem Verständnis, sodass Mythos und Ritual für ihn problemlos mit den neuen Impulsen der Psychoanalyse verbunden werden konnten.944 Insgesamt bezieht sich demnach Nitsch mit seiner psychoanalytischen Idee der ›Abreaktion‹ und dem visuellen und ikonologischen Verweisen auf die griechische Mythologie und das christentum.945 Diese gewann Anfang des 20. Jahr-

941 NITScH, Hermann: 1. 2. 3. u. 5. ABREAKTIONSSPIEL (urfassungen) polizeiberichte –

gerichtsakten, Neapel o. J., S. 2–19, hier S. 16, zit. nach STÄRK 1987, S. 40f. 942 S. NITScH, Hermann: zur theorie des o.m. theaters, in: NITScH 1976A, S. 7–187, hier

S. 110. 943 S. z. B. NITScH 1999A, S. XLV. Es finden sich zahlreiche Nietzsche-Zitat-Anlehnungen

bei Nitsch; s. immer wieder die Hinweise bei STÄRK 1987, bes. S. 41–54 und zusammenfassend ZWEITE 1988, S. 15f. S. außerdem BRANTL 1997, S. 375f. 944 »ich habe mir als junger mensch – viel früher als 1963 – beeinflusst durch nietzsche und freud eine abreaktionstheorie zurechtgelegt, wo es darum ging, dass ein halbbewusst, halb unbewusster wunsch nach triebdurchbruch vorhanden ist.« (Nitsch, in: HÜTTLER 2005, S. 14.) 945 Nach STÄRKs 1987 (S. 12f.) überzeugender Darlegung muss hier zwischen zwei verschiedenen Arbeitsweisen im Zugang zur Antike unterschieden werden: »Auf der einen Seite steht eine politisch engagierte Richtung, die sich zum Ziel gesetzt hat, die Stoffe zu entmythisieren oder nach einem Ausdruck Brechts ›durchzurationalisieren‹. Vor allem durch Transparenz historischer Kausalität und durch die Materialisierung des Schicksalsbegriffs in gesellschalicher Determiniertheit soll dies zum Ausdruck kommen […]. Hiergegen steht eine andere Richtung, die, Impulse der Romantik, des

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hunderts unter dem Einfluss der Psychoanalyse für zahlreiche Künstler an Bedeutung, da die antiken Stoffe, Mythen, Riten und Mysterien als Vehikel für unbewusste Vorgänge, individuell Unbewältigtes und kollektiv Verdrängtes zum Ausgangspunkt der Überlegungen wurden.946 Die Wiener Schule der klassischen Psychoanalyse kumuliert Nitsch in seiner eigenen eorie, so schreibt er beispielsweise: »sieht man mythen und kulturformen als großangelegte, aus der kollektivpsyche stammende träume der menschheit an, so könnte man, gemäß dem prinzip des wunschtraumes, das bedürfnis nach abreaktion, nach dem grundexzesserlebnis darin abgebildet sehen«.947 Deutlich werden hier als Essenzen c. G. Jungs Lehre des kollektiven Unbewussten und Freuds ›Traumdeutung‹ – mit dem Traum als Wunscherfüllung – berührt und zu dem Gedanken verschmolzen, dass Mythen das Traumdenken ganzer Völker sind.948 Der Mythos als Massentraum wird von Nitsch als Traum mystischen Berührens des überzeitlichen chaos, nicht aber als Relikt einer historischen Kulturstufe verstanden. So kreiert er den ›Grundexzeß‹, einen Mythos als Offenbarung, der zwar aus dem Dionysoskult herleitbar, aber nicht in der psychoanalytischen Literatur zu finden ist.949 Es bleiben aus diesem Bereich somit v. a. die Idee der Totemmahlzeit und des Opfers. Die Totemtierzerreißung und die Totemtiermahlzeit werden zur 1962 von Nitsch als ›analytisches Leitmotiv‹ bezeichneten Grundlage seiner Aktionen;950 dieses

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Symbolismus und des Surrealismus aufnehmend, die antiken Stoffe zu Symbolen einer allgemein menschlichen Dynamik, zum Spiel von Oberfläche und Tiefe und schließlich zu den wahrnehmbaren Spuren des Unsagbaren und Übermenschlichen, zur Uroffenbarung werden läßt. Im Zentrum stehen das Kultsymbol und das Ritual, die Mysterien und das Mystische, die durch Kontamination und quasi archäologische Absichtung das Geheimnis ihrer Herkun preisgeben sollen.« Im Kontext Nitschs interessiert, wie noch zu sehen sein wird, besonders letztere Richtung. S. STÄRK 1987, S. 12. Mit der Wahrnehmung der klassischen Antike um 1900 beschäigt sich intensiv der Sammelband von AURNHAMMER / PITTROF 2002. NITScH, Hermann: zur theorie des o.m. theaters, in: NITScH 1976A, S. 7–187, hier S. 43. S. die Herleitung bei STÄRK 1987, S. 109–135. Er bewertet dies (S. 110) als den »vielleicht folgenreichsten Gedanken, der aus der Identifizierung von Phylogenese und Ontogenese in der Psychoanalyse hervorgegangen ist« und verweist dabei auf NITScH, Hermann: zur theorie des o.m. theaters, in: NITScH 1976A, S. 7–187, hier S. 135–142. STÄRK 1987 (S. 132) resümiert: »Den entscheidenden Schri von der Analogie zur Identität, wie ihn die Psychoanalyse vollzog, hat Nitsch demnach hier bereits wieder rückgängig gemacht.« D VORAK / FROHNER / MUEHL / NITScH 1962, S. 43.

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strukturelle Motiv dient dem Ablauf der Handlung und wird bestimmt durch das Leiden, die Tötung und Auferstehung – stellt also das Opfer in den Mielpunkt. Erlösung kann das Opfer nur in der ›Abreaktion‹ finden, die den Höhepunkt des ›Orgien Mysterien eaters‹ bildet und Freuds historische Szene des Urvatermords durch den ›entzeitlichten‹ sog. ›Urexzess‹ ersetzt. Die Feststellung Freuds, dass mit dem zivilisatorischen Fortschri eine zunehmende Realitätseinengung einhergeht, wird von Nitsch aufgegriffen, jedoch zugleich umgedeutet, indem die Überwindung der Einengung als Wiederkehr einer goldenen Zeit gesehen wird, wie sie sich im Mythos und im Bruch des Opferfestes erhalten habe. Die Auffassung der griechischen Tragödie, mit der Vision der Erneuerung des tragischen Gedankens in Festen, findet sich auch im Literatenkreis um 1900 in Wien, z. B. bei Hermann Bahr.951 Es zeugt also von einem großen Traditionsbewusstsein oder von kompilatorischem Geschick, wenn sich Nitsch auch diesem Topos der ›griechischen Hysterie‹ bedient und sich damit dem Gedanken einer mit dem Fortschri der Kultur zunehmenden Sublimation anschließt; auf diese Weise verortet er seine Darstellungsform in einer legitimen, schon lange vorbereiteten Nachfolge und nicht hinsichtlich seines provokativen Gehalts, z. B. im Sinne dadaistischer Effekte, was als Traditionsbruch häe verstanden werden müssen. Die Rezeption dieses Gedankenguts schlägt sich freilich nicht nur in Nitschs theoretischen Äußerungen nieder, sondern auch in der von den Akteuren getragenen Kleidung sowie in den Prozessionen und den eingesetzten Materialien; allen voran ist hier Blut als Material zu nennen. Dieses zeigt sich einerseits als Assoziation in den gekelterten Trauben und zertretenen Tomaten mit ihrem christlichen Symbolgehalt; als Mischung aus christlicher Symbolik und orphischdionysischen Mysteriengedanken. Andererseits ›in realita‹ als Material, wie es für die Wiener Aktionisten,952 zu deren engstem Kreis – zusammen mit Oo

951 S. zu den Ansätzen um die Jahrhundertwende STÄRK 1987, S. 67–97. 952 Die Wiener Aktionisten sind zeiypisch sehr publikationsfreudig: Sie gestalten und

verlegen ihre Texte selbst, so z. B. auch Die­Blutorgel (s. Anm. 869); s. BADURA-TRISKA 2012c. Es verwundert daher nicht, dass die ersten Impulse einer umfassenden Rückschau in den 1960er Jahren von Seiten der Protagonisten selbst ausgehen oder aus dem Umkreis der zeitgenössischen Kunstszene; s. JAHRAUS 2000, S. 36–39. Eine wissenschaliche Aufarbeitung lässt sich erst seit den späten 1980er Jahren beobachten: Der AUSST.KAT. WIENER AKTIONISMUS 1988 nahm erstmals die Frühphase der Künstlergruppe in den Blick, eine Gesamtschau lieferte dann der AUSST.KAT. WIENER AKTIONIS-

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Muehl, Günter Brus (geb. 1938) und Rudolf Schwarzkogler (1940–1969) – Nitsch zählt, charakteristisch ist.953 Der Wiener Aktionismus markiert das ideell-künstlerische Umfeld Nitschs.954

1989, in dem eine kunsthistorische Traditionslinie über die Auflösung des autonomen Bildes, der Verdinglichung und der Destruktion nachgezeichnet wird und damit wichtige Kennzeichen der Wiener Aktionisten erstmals erfasst werden. Die erste umfassende wissenschaliche Monografie zu zentralen Begriffen und Konzepten der Wiener Aktionisten stammt von BRAUN 1999. Das radikale Potenzial der Aktion sowie der kulturelle Zusammenhang von Staat, Gesellscha, Wirklichkeit und Bewusstsein kommen hier noch nicht ausreichend zum Ausdruck. Diesem Defizit widmet sich die Publikation von JAHRAUS 2000, die außerdem der fehlenden methodischen Fundierung der Begrifflichkeit durch die Gegenüberstellung von Wiener Aktionisten und ›Wiener Gruppe‹ begegnen will; s. hier den Forschungsbericht S. 43–49. Der AUSST.KAT. WIENER AKTIONISMUS 2012, ebenfalls u. a. von Hubert Klocker herausgegeben, war mit seiner profunden zeithistorischen Kontextualisierung für die vorliegende Arbeit sehr hilfreich. Für die Einbeung in den internationalen Kontext waren dann der AUSST.KAT. OUT OF AcTIONS 1998; der AUSST.KAT. HORS LIMITES 1994 und der AUSST.KAT. LA PEINTURE cOMME cRIME 2001 maßgeblich. 953 Den Namen ›Wiener Aktionisten‹ verwendet Brus 1965 zur Ankündigung der Ausstellung Malerei-Selbst­be­malung-Selbstverstümmelung in der Zeitschri Le­Marais; s. AUSST.KAT. WIENER AKTIONISMUS 1988, S. 300. Die Gruppe ist nicht formell deklariert. Die Künstler pflegten einen regen Austausch untereinander; s.  BADURA-TRISKA /  KLOcKER 2012, S. 10–14 und zu den Orten der Kontaktpflege BADURA-TRISKA 2012A, S. 15–18. 954 Die Arbeiten aus diesem Bereich müssen als Reaktion auf die bestehenden politischen Gegebenheiten österreichs (s. ebd.) der Nachkriegszeit verstanden werden. Die politischen Motivationen der Künstler lassen sich beispielsweise in so radikalanarchistischen Programmen wie Zock (1967) erkennen (s. HöLLER 2012B); in der Grundhaltung ist dies wohl eher mit Fluxus vergleichbar. In solchen Aktionen zeigen sich verstärkt Ambitionen, sich mit der eigenen Vergangenheit auseinanderzusetzen, aktuelle Strömungen spielen dabei eine untergeordnete Rolle. Nitsch engagierte sich bei solchen meist nur am Rande, er verfolgte stets sein ›Orgien Mysterien eater‹; s. Anm. 964. Aus der österreichischen Isolation traten die Künstler verstärkt erst in der zweiten Häle der 1960er Jahre (s. BADURA-TRISKA / KLOcKER 2012, S. 13; ScHMIDT 2007, S. 40– 42). Zuvor kam es aber auch schon zu einem Austausch mit den Kollegen in Deutschland, z. B. über die Wiener Teilnahme an den ›Darmstädter Ferienkursen‹, an denen auch Paik beteiligt war; die hier geführten Diskussionen waren auch für Nitsch nicht irrelevant (s. ebd., S. 39). 1966 kam es in London auf dem Destruction­Art­Symposium dann zum direkten Kontakt mit Fluxus. MUS

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Der antimimetische Kunstbegriff wurde zum zentralen ema der Wiener und ermöglichte es, das Material – allen voran der menschliche Körper –955 entgegen seiner gesellschalichen und kulturellen Kodierung zu verwenden. Entscheidende Gemeinsamkeiten der Wiener Aktionisten war die unmielbare künstlerische Arbeit mit ›Wirklichkeit‹, die nicht nur sinnlich erfahrbar sein sollte, sondern auch als psychische Realität verstanden wurde.956 Den Kunstwerken wird damit stets eine kathartische Wirkung, also eine reinigende oder heilende Funktion zugesprochen, die auf differenten Wegen angesteuert wird – das Potenzial dazu sehen die Aktionisten in der reinigenden und schöpferischkonstruktiven Kra der Destruktion.957 Ein gesamtheitlicher Anspruch zeigt sich daher in all ihren Arbeiten, jedoch bedienen sich nur Nitsch (hier auch in der Tradition Wagners) und Schwarzkogler des Begriffs ›Gesamtkunstwerk‹.958 Ent-

955 Die Bedeutung von Körperlichkeit bei den Wiener Aktionisten (s.  JAHRAUS 2000,

S. 185–236) und auch besonders bei Nitsch, sei dies nun im Umgang mit dem Körper des toten Tieres oder der Akteure, sucht seinesgleichen in den 1950er und 1960er Jahren. Lediglich die sich in den 1970er Jahren entwickelnde Body-Art bietet Vergleichbares; s. die an Künstlern orientierte Zusammenstellung von VERGINE 2000. Hier kann der Körper in einem breiten Spektrum an Funktionen und in einer gesellschalichen Dimension zum Einsatz kommen. Bei den Wiener Aktionisten hingegen wird er in den 1950er und frühen 1960er Jahren vornehmlich als ›Material‹ begriffen, dies ändert sich erst mit der zweiten Häle der 1960er Jahre (hin zum Körper mit seinen physischen und gesellschalichen Funktionen) und bei Nitsch überhaupt nicht. In dem frühen Stadium ist dies also durchaus mit dem amerikanischen Happening und Aktionen von Joseph Beuys, Wolf Vostell oder yves Klein (1928–62) vergleichbar; s. KLOcKER 2012B, S. 190. DEUTScH-ScHREINER 2010 will die Auseinandersetzung mit Körperlichkeit bei den Wiener Aktionisten vom damaligen Katholizismus österreichs entscheidend beeinflusst wissen. 956 So schreibt Nitsch bereits 1964 in seinem MANIFEST­–­das­lamm: »das arbeiten mit konkreten mieln beansprucht mehr denn je die kontakte mit den unteren schichten der psyche, deren gegebenheiten zum eigentlichen darstellungsbereich werden.« (Abgebildet in: NITScH 1979, S. 76.) S. JAHRAUS 2000, S. 285–292, 311–314. 957 Allgemein zur Destruktion als Verfahren s. HOFFMANN 1995, v. a. wegen seiner detailund materialreichen Schilderungen einzelner Aktionen. Vgl. Anm. 840 und 842. 958 Schwarzkogler spricht vom »totalen Akt […], der über alle Sinne erlebt werden kann«, bzw. einem »ästhetischen Panorama« als »effektivem Gesamtkunstwerk« (Rudolf Schwarzkogler: Text 2 – manifest PANORAMA / der totale akt, 1965, Schreibmaschine, Bleisti und Kugelschreiber auf Papier, 36,9 × 25 cm; Reprint unter hp://www.freidok.uni-freiburg.de/volltexte/6799/pdf/4_y_Ziegler_Schwarzkogler_Diss_Abbildungs-

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sprechend der eigenen Herkun von der Malerei kommend spielt für die Wiener Aktionisten nicht nur das ephemere Kunstwerk in Form der Aktion eine wichtige Rolle, sondern auch die Produktion bildhaer Artefakte;959 wie wichtig auch Nitsch eine Form der Fixierung war, zeigt sich in den angefertigten Filmen und Fotografien seines ›Orgien Mysterien eaters‹ genauso wie in den aus Teilen der Aktion resultierenden Schübildern.960 Solch ein stark bildhaes Denken wird jedoch erst möglich durch eine sorgfältige Vorbereitung, Planung und Organisation – damit unterscheiden sie sich beispielsweise von den Fluxisten. Während die Aktionen von Brus, Muehl und Schwarzkogler nicht ohne sie stafinden können, legt Nitsch seine Partituren bewusst so detailliert an, dass sein ›Orgien Mysterien eater‹ auch ohne ihn aufführbar ist;961 dies sichert ihm, wie auch Wagner, so ho er, ein Fortleben seines Werks in seinem Sinne nach dem Tod und damit die Möglichkeit, langfristig das propagierte Ziel zu erreichen. So viele Berührungspunkte es aber auch zwischen den Künstlern gab, so grundsätzlich waren auch die Unterschiede von Anfang an; beispielsweise steht Nitsch mit seinen Forderungen nach Orgiastik und Sinnesrauschen im Gegensatz zu Arnulf Rainers (geb. 1929)962 Askese und Weltverneinung oder im Aurechen sämtlicher Schranken und dem Erreichen des Lebensexzesses gegenüber

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teil_II.pdf, letzter Abruf am 19.09.2013). Muehl und Brus bedienen sich nicht des Begriffs ›Gesamtkunstwerk‹, sondern sprechen im Sinne Schwarzkoglers von ›Totalaktion‹. Die bildnerischen Arbeiten der Künstler stehen häufig im Zusammenhang mit Aktionen bzw. weisen einen performativen Impetus auf, auch dann noch, als sich z. B. Brus und Muehl in den späten 1960er Jahren zunehmend von aktionalen Handlungen abwandten; s. KLOcKER 2012c. Zu solchen Artefakten zählen auch collagen aus Aktionsfotografien oder Aktionsrelikte genauso wie Einladungen, Plakate, Ankündigungsbläer, Manifeste und Ausstellungskataloge. Nitschs Partituren werden daher nach den Aktionen weiterhin bearbeitet, um Fehler zu korrigieren und fehlende Angaben nachzuliefern und so eine möglichst vollständige Form für die erneute Umsetzung zu schaffen; s. zu den Partituren der vier Künstler HOcHWARTNER 2012. Die Partituren Nitschs liegen in Veröffentlichungen vor, wobei die frühen Partituren (NITScH 1979) teils nach Erinnerungen rekonstruiert wurden. Rainer gehörte zwar zu dem Zeitpunkt der Gruppe ›St. Stephan‹ (s. BADURA-TRISKA 2012A, S. 21) an, unterschied sich jedoch grundlegend von seinen Kollegen durch das feinfühlige Ausloten psychomotorischer Kräe und bietet sich daher im Vergleich mit Nitsch wiederum an.

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Abschnürungen und Mortifikationen. Beiden Künstlern geht es dabei zwar stets um eine neue Transzendenz in der Kunst, allerdings wird dieses zu erreichende Ziel völlig unterschiedlich definiert. Dies zeigt sich auch in den theoretischen Vorbildern: Während Nitsch sich mit der Seinsbejahung auf Friedrich Nietzsche bezieht, wendet sich Rainer den Antipoden solcher Bestrebungen mit der Orientierung an der Mystik und negativen eologie zu.963 Nitsch ist der einzige Künstler unter den Wiener Aktionisten, der in seinem multimedialen ›Orgien Mysterien eater‹ immer wieder versucht, ein breites Publikum einzubeziehen, es in dionysischen Rausch zu versetzen und damit ein Umdenken durch seine Kunst, der er eine kultische Funktion zuschreibt, zu erreichen; so verfolgt er (unter Nennung der Begrifflichkeit und entsprechender Rückbezüglichkeit) das Konzept ›Gesamtkunstwerk‹. In der Vierergruppe der Wiener Aktionisten fällt Nitsch mit seiner konsequenten und kontinuierlichen Verfolgung seines Konzepts des ›Orgien Mysterien eaters‹, das er seit den 1950er Jahren einer spezifisch inhärenten Logik folgenden Ausdifferenzierung unterzieht, heraus.964 Strukturell, mit seinem nach außen abgeschlossenen, individuellen, mystischen Universum, das auf Integration aller baut, unterscheidet er sich maßgeblich von seinen Kollegen. Zugleich berührt das ›Orgien Mysterien eater‹ mit seiner Frage nach ›Realität‹ Ideen des französischen Dramatikers und Regisseurs der 1920er und 30er Jahre Antonin Artaud (1896–1948).965 Artaud legt in seinem vielfach in Folge rezipierten Buch Le­théâtre­et­son­double (1938), in dem er die das sog. ›eater der Grausamkeit‹ betreffenden Vortragstexte und Manifeste vereinte, die Grundlagen für ein spätsurrealistisches, metaphysisches und mythisches eater, das auf tiefenpsychologischen Überlegungen basiert.966

963 S. zu dem Vergleich der beiden Künstler ZWEITE 1988, S. 10f., 15f. 964 S. KLOcKER 2012A und 2012B, S. 199. 965 Nitsch zitiert häufig längere Passagen Artauds, so z. B. Nitsch in seiner 3. Vorlesung

im WiSe 2004 / 05 in Wien, ed. in: HÜTTLER 2005, S. 38. Angeblich lernte er erst in den späten 1960er Jahren Artauds Schrien kennen (s. MARScHALL 2012, S. 35), da jedoch Artauds Schaffen im eaterbereich wahrgenommen worden war, kann zumindest eine indirekte Beeinflussung angenommen werden; s. JAHRAUS 2000, S. 251–262. 966 Die Erstauflage von Le­éâtre­et­son­double (ARTAUD 1938) belief sich auf 400 Exemplare (die zweite 1944 bereits auf 1500 Ausgaben) und erschien in der Reihe Métamorphoses am 7. Februar 1938; s. knapp ARTAUD 1964, S. 343.

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Ausgangspunkt von Artauds eater, wie es sich auf originelle Weise in seinem éâtre Alfred Jarry 1926–29 zeigt,967 war die Begegnung mit den Surrealisten, allen voran André Breton (1896–1966).968 Ganz in deren Sinn schwebte ihm eine Synthese von Kunst und Leben vor, die Artaud in den surrealistischen Bestrebungen der inneren Veränderung der geistig-psychischen Bewusstseinslage des Menschen sowie der Befreiung des Unterbewussten von der Kontrolle und den Zwängen der Logik sucht. Dabei geht Artaud davon aus, dass das Unterbewusste ein von Trieben gesteuertes und beherrschtes Feld ist, wie es bereits bei Sigmund Freud und c. G. Jung (1875–1961) in ihren psychoanalytischen Schrien zu lesen war: So lässt sich u. a. die Kenntnis von Freuds Totem­und­Tabu annehmen, worin dieser eine tiefenpsychologische Deutbarkeit archaischer Denkformen ›primitiver‹ Völker vorstellt. Diesen Ansatz vermischt Artaud mit Jungs Überlegungen, dass sich in der ›kollektiven‹ Tiefenschicht des Bewusstseins die überlieferten Mythen ›primitiver‹ Kulturen projektieren würden, was wiederum vergleichbar sei mit den aus dem Unterbewusstsein schöpfenden Traum- und Phantasievor-

967 1926 gründete Artaud zusammen mit Roger Vitrac (1899–1952) das éâtre Alfred

Jarry, das als eigenständiger Versuch der Umsetzung von Artauds surrealistischem eater verstanden werden muss; s. mit Kritik an den bisherigen Forschungsmeinungen BLÜHER 1991, S. 39–49 sowie Anm. 968. Die hiermit verknüpen Inszenierungsprogramme waren nur schwerlich zu verwirklichen, da sie eher im Bereich des (zu diesem Zeitpunkt noch nicht geborenen) Happenings zu realisieren gewesen wären. So trennen sich ab 1930 Vitracs und Artauds Wege: Während der eine sich zunehmend dem sozialkritisch engagierten eater annähert, entwickelt der andere seine gesammelten Erfahrungen in seinem neuen Modell des ›éâtre de la curauté‹, dem ›eater der Grausamkeit‹ weiter. 968 S. BLÜHER 1991, S. 15–26. »Der surrealistische charakter dieser Avantgarde-Konzeption äußert sich v. a. in drei Aspekten: thematisch in der Forderung eines Traumtheaters, das an die Stelle der Wirklichkeitsillusion das nicht-mimetische Prinzip einer assoziativen Kombination von innerer und äußerer Wirklichkeit, von Traumbildern und realer Welt setzt, dramaturgisch im Modell eines die Improvisation zur Regel erhebenden Spontantheaters, das jeder Aufführung fast schon den charakter eines ›Happening‹ oder einer ›Performance‹ zu geben sucht, und rezeptionstheoretisch in der Idee einer Einbe­ziehung­des­Zuschauer in das Bühnengeschehen, durch die eine neue Form dramatischer Katharsis verwirklicht werden soll. Diese drei Komponenten bestimmen zusammen die unverwechselbare Originalität des éâtre­Alfred­Jarry der Jahre 1926–1929.« (Ebd., S. 40.)

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stellungen der zivilisierten Menschen gegenüber archaischer Mythen.969 Artaud selbst geht daher von archetypischen ›symboles-types‹ als Zeichensystem in seinem mythisierenden Inszenierungskonzept aus,970 die wie die latenten Motive von Traumbildern tiefenpsychologisch deutbar sind; den theatralischen Zeichen wurde dann wiederum eine universelle, symbolische Tiefenstruktur unterlegt, deren archetypische Mythen jeden Zuschauer anzusprechen imstande sein sollten. Zu dieser anfänglichen Prägung durch die Surrealisten gesellt sich der Einfluss aus dem Bereich des deutschen und russischen politischen Avantgarde-eaters. Mehrere Berlin-Aufenthalte zwischen 1930 und 1932 prägten hierzu die Vorstellung Artauds;971 besonders die besuchten Inszenierungen Erwin Piscators (1893–1966) beeindruckten mit ihren Dynamisierungsbestrebungen, aber auch die Entwürfe zu einem ›Totaltheater‹ von Wsewolod Emiljewitsch Meyerhold (1874–1940), Walter Gropius und Bertold Brecht.972 Ihnen gemeinsam ist die Faszination für technische Innovationen, wie sie sich dann im angedachten eaterraum, der Bühnengestaltung oder Inszenierungstechnik zeigen. Im Gegensatz jedoch zu den politisch motivierten Ansätzen der eben Genannten war Artaud nach wie vor die metaphysische Aufgabe des eaters wichtig. Aus diesen Ambitionen heraus formuliert er seine Überlegungen zum eaterbau, wie sie sich in seinen beiden Manifesten über Das­eater­und­die­Grausamkeit (1932) finden;973 diese nimmt er u. a. als seine wichtigsten Schrien in die Textsammlung Le­théâtre et­son­double auf. Hierin setzt er sich immer wieder für die Abschaffung des ea-

969 S. BLÜHER 1991, S. 27–39. 970 ARTAUD 1933A, S. 34. 971 S. BLÜHER 1991, S. 50–64. 972 So schrieb er 1931 an den französischen Schristeller René Daumal (1908–44) in einem

Brief vom 14. Juli 1931 (ed. in: ARTAUD 1961, S. 215f.): »un effort a été fait dès avant la guerre dans certain pays d’Europe et notamment en Allemagne, et depuis la guerre en Russie, pour restituer à l’art de la mise en scène et au spectacle le lustre qu’ils avaient perdu. Les Ballets Russes redonnent à la scène le sens de la couleur. Et désormais il faudra compter dans l’établissement d’un spectacle avec les nécessités de l’harmonie visuelle, comme après Piscator il faudra compter avec les nécessités dynamiques et plastiques du mouvement, comme après Meyerhold et Appia il faudra compter avec une conception architecturale du décor utilisé, non seulement en profondeur, mais en hauteur, et jouant dans la perspective par masses et volumes et non plus par surfaces plates et en trompe-l’œil.« 973 Erstausgabe am 1. Oktober 1932 in der 229. Ausgabe der Nouvelle­Revue­Française.

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terraums ein und damit für den Einheitsraum im Sinne Appias;974 ideal schien ihm auch eine umfunktionierte Fabrikhalle als quasi bürgerlichen Kulturtempel. Die Grenze zwischen Zuschauer- und Bühnenraum sollte aufgehoben werden und eine Kommunikation stafinden, was auch die Abschaffung des Berufsschauspielers voraussetzte.975 Ebenso sollte die Beleuchtungs- und Tontechnik auf dem neusten Stand sein, das Bühnenbild im klassischen Sinn abgescha werden sowie die herkömmliche Rolle verbaler Zeichen (also Sprache) eliminiert werden.976 Diese Idee einer nonverbalen, auf einer visuellen Symbolsprache auauenden eaterkonzeption blieb zwar eine rein theoretische Idee, zeigt aber deutliche Anleihen wiederum bei Jungs tiefenpsychologischer Annahme eines von der Verbalsprache unabhängigen, sich in assoziativen ›Bildern‹ manifestierenden symbolischen ›Denkens‹, das den Unterschied zu seinen Kollegen aus dem Bereich des Agitprop-eaters verdeutlicht, denn die Bewahrung eines ›sakralen‹ charakters des Bühnenraums, der Schaffung eines Mythentheaters, blieb Artaud wichtig.977 Artaud geht also von dem wirkungsästhetischen Gesichtspunkt einer tiefenpsychologisch verstandenen Katharsis aus, psychologische oder gesellschaskritische Darstellungen der Wirklichkeit sind für ihn uninteressant und so setzt er sich in seinem neuen Modell des ›eaters der Grausamkeit‹ für die Wiederbelebung des Mythos im eater ein.978 Den Begriff der ›Grausamkeit‹ definiert er

974 S. Anm. 972. Erst das Durchbrechen der klassischen Publikumskonzeption ermöglicht

laut Artaud eine kathartische Wirkung; s. BLÜHER 1991, S. 97–104. 975 Konkret denkt Artaud an eine zentrale Spielfläche und Peripheriebühnen. Im Gegen-

satz zu dem von Gropius und Piscator entwickelten Totaltheater (s. WOLL 1984) sind Artauds Visionen also noch recht bescheiden; so häe ihm auch der Umbau eines größeren Schuppens oder eine Scheune genügt. 976 Artaud stellt Sprache radikal in Frage und versucht, dieser Problematik mit einer eigenen Form von Humor zu begegnen; s. BLÜHER 1991, S. 96. 977 Ein solch semiotisches Vorgehen stützt sich zudem wieder auf Artauds Begegnungen mit den Surrealisten, die ihm erst das konzeptuelle Instrumentarium lieferten, um eine non-verbale Produktion von ›Bildern‹ nicht als »zufällige Aneinanderreihung bloßer Irrationalität zu deuten, sondern als Projektion eines nach eigener nicht-diskursiver ›Logik‹ gestalteten Signifikantenpotentials« (ebd., S. 26). Es entsteht dadurch eine »außerlogische Verbindung zwischen Kunst und Wirklichkeit« (ebd.). 978 Der Begriff kehrt in beiden Manifesten immer wieder; s. ARTAUD 1932 und 1933B. Eigentlich ist als Einfluss bezüglich des Mythentheaters laut BLÜHER 1991 (S. 65–73) noch das 1931 von Artaud kennengelernte balinesische Tanztheater anzuführen.

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dabei nicht eingehend, betont aber, dass die Triebpotenziale des menschlichen Unterbewusstseins bei einer irrationalen, anarchischen Entfesselung und Entladung zu einer Enthemmung latenter Bilder und Gesten des Betroffenen führen können.979 Artaud glaubte demnach, mit seinem ›eater der Grausamkeit‹ (2. Manifest) wieder ein ›Volkstheater‹ zu schaffen, dem es um ein »vieux spectacle populaire« im Sinne der antiken und mielalterlichen eatertradition ging und weniger um politische Agitation (wie bei Piscator, Brecht oder Meyerhold) oder didaktische Ambitionen (wie bei Reinhardt).980 ›Double‹ wird dabei zum allgemeinen Überbegriff der von ihm in dem Kontext verwendeten Begriffe, wie ›Metaphysik‹, ›Grausamkeit‹ oder ›Alchemie‹, um den mythischen Status seines eatermodells zu charakterisieren. Es geht ihm eben nicht um eine Verdopplung der Wirklichkeit, sondern den Anspruch, dass alles Realität sei. Nitsch nun schließt an Artauds Ideen an und führt sie weiter, ohne jedoch – wie er behauptet – sie zum Zeitpunkt der Entstehung und Konzeption seines ›Orgien Mysterien eaters‹ gekannt zu haben, denn »in meiner loslösung von den fesseln des herkömmlich rationalistisch humanen«, schreibt er über die erste Begegnung mit den französischen Surrealisten, »wurde ich bestätigt durch die kenntnis der theorie artauds, die ich erst 1970 durch die deutsche fischer-ausgabe kennenlernte. ich geriet in verzückung, artaud sagte genau das gleiche, wofür ich ein jahrzehnt lang unverstanden kämpe. doch eines muß ich gestehen, er sagte es kühner, rückhaltlos metaphysischer, berauscht vom mystischen kosmischen pathos, voll hingabe dem heilig irrationalen gegenüber. zwischen dem theater der grausamkeit und meinem o.m. theater-projekt kann ich kaum unterschiede sehen, in beiden fällen werden vom theater affektive entladungen erwartet, die in der grausamkeit notwendigerweise gipfeln, aber diese grausamkeit ist nichts anderes als intensives leben, welches intensivierte weltverwandlung ist.«981 Nitsch ist es erneut wichtig, auf die kathartische Wirkung seiner Kunst hinzu-

979 Artaud argumentiert damit im Sinne Schopenhauers, Nietzsches, Freuds oder auch

Jungs, dass elementare psychische Energien und Lebenslust von den kulturbedingten Moralprinzipien manifestiert seien und »trotz des metaphysisch und gnostisch beeinflussten Vokabulars – weitgehend der Freudschen Libido und der Jungschen Vorstellung einer psychisch nicht bewussten Triebkra von sexueller und nicht-sexueller Natur entspricht.« (BLÜHER 1991, S. 76.) 980 ARTAUD 1933B, S. 148. Er hae Reinhardt ebenfalls während seiner Berlin-Aufenthalte kennen und schätzen gelernt. 981 NITScH, Hermann: zur theorie des o.m. theaters, in: NITScH 1985, S. 161.

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weisen: Während im Kontext des christentums dionysische und opferrituelle Aspekte betont werden, kommt nun mit dem Begriff der ›Grausamkeit‹ bei Artaud eine weitere Komponente hinzu. Wie schon dargelegt, und das betont Nitsch nochmals, ging es weder Artaud noch ihm selbst um Brutalität oder Grausamkeit im kriegerisch-verletzlichen Sinn, sondern die Freisetzung unterbewusster Triebkräe – bei Nitsch in der ›Abreaktion‹. Hierzu fordert auch Nitsch, die Unterscheidung zwischen Darsteller und Zuschauer aufzuheben, denn »das o. m. theater kennt keine bühne, kein darstellungstheater, keine schauspieler, keine komödianten. der spielteilnehmer selbst ist der held des dramas, seine erlebnisfähigkeit, die entwicklung seiner erlebnismöglichkeit ist das spielgeschehen, entspricht dem spielgeschen, der handlung des dramas.«982 Gemeint ist damit nicht die radikale Verneinung des eaters – hierin spiegelt sich für ihn immer noch der therapeutisch-kathartische Effekt –, sondern vielmehr die Auflösung der traditionellen Grenzen zwischen Bühne und Zuschauerraum, zwischen Akteur und Besucher, zwischen Kunst und Leben. Diese kann Nitsch in seinem Schloss Prinzendorf umsetzen, indem das gesamte Areal zum Schauplatz wird. Neben diesen grundlegenden Strängen, an die Nitsch anknüp und die sein ›Orgien Mysterien eater‹ prägten, ist es der synästhetische Aspekt, den er stets betont: »wenn man über ereigniskunst spricht, spricht man automatisch über das gesamtkunstwerk. […] das gesamtkunstwerk, aktionskunst, wo es um das inszenieren von ›realistischen‹, realen geschehnissen geht, wird automatisch über alle fünf sinne ausgetragen. denn ein reales ereignis ist schmeckbar, ist riechbar, ist tastbar, ist sichtbar, ist hörbar.«983 Mehrfach führt er in diesem Kontext als entscheidende Person Skrjabin ins Feld, »der von chopin oder noch mehr von wagner ausgehend, von tristanchromatik ausgehend, mit einer extrem übersteigernden tonsprache experimentierte.«984 Konkret erinnert er an dessen großes Projekt in Indien, wo Skrjabin »tatsächlich ein riesiges festspiel entwerfen« habe wollen.985 Im Unterschied jedoch zu Skrjabin, in dessen Vision sich die synästhetischen Eindrücke in Form von Klang, Farbe, Geruch etc. über den Besucher ›ergießen‹, dieser jenen in ihrer vorab festgelegten Art und Weise also ausgeliefert

982 NITScH 1981, § 107–111. 983 Nitsch in seiner 2. Vorlesung im WiSe 2004 / 05 in Wien, ed. in: HÜTTLER 2005, S. 31. 984 Ebd., S. 32. 985 Ebd., S. 33. S. zu Skrjabins Projekt Kapitel III.1.1.3.

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ist, zeigt sich hier Nitschs Ansatz erneut als offen, indem es dem ›Spielteilnehmer‹ überlassen bleibt, sich aktiv in die eingerichteten ›Laboratorien‹ zu begeben und sich dem synästhetischen Erlebnis hinzugeben oder es zu lassen. Wie schon mehrfach erarbeitet, markieren die immer wieder betonten Bestrebungen zur synästhetischen Verschmelzung der künstlerischen Disziplinen – wie sie auch für Kandinsky charakteristisch waren – einen grundlegenden Unterschied zur Aktionskunst – beispielsweise Fluxus: So waren die Aktionen der Fluxisten durch das Moment des Zufalls, des Unzusammenhängenden und Bruchstückhaen gekennzeichnet, wohingegen Nitsch mit seiner Bemühung um die Totalisierung der Wirklichkeit eine Harmonisierung anstrebt, die sich aus dem Konzept ›Gesamtkunstwerk‹ erklären lässt. Zudem verwendet er zwar Material, das dem alltäglichen Leben entnommen ist, jedoch durch seine organische Beschaffenheit einer vollkommen anderen Ebene angehört. So provoziert der Einsatz von toten Tieren, diversen Flüssigkeiten sowie tonnenweise Trauben und Tomaten bis heute, da es sich um uns in der Regel in verarbeitetem Zustand vorliegendes Material handelt, es also keine alltäglichen Gegenstände im Sinne z. B. der Fluxisten sind. So sieht er in dieser Kunstrichtung auch bereits die Auebung der Trennung von Zuschauer und ›Spielteilnehmer‹, wie sie für ihn grundlegend ist. Ebenfalls in diesem Zusammenhang diskutiert Nitsch einmal mehr die Frage nach ›Wirklichkeit‹ und ›Ereignis‹: »sie [die Fluxisten] haben das ereignis als theater angesehen. […] aber trotzdem hat sich die fluxusgruppe um die ereigniskunst sehr verdient gemacht. immer wieder möchte ich demonstrieren, dass es darum geht, durch intensives leben neue wirklichkeiten zu finden und zu schaffen, damit unser lebensbereich erweitert wird.«986

986 Nitsch in seiner 3. Vorlesung im WiSe 2004 / 05 in Wien, ed. in: H ÜTTLER 2005,

S. 39–41.

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2.3 Festspiel zur Initiation der Transformation: Hermann Nitsch und das ›Gesamtkunstwerk‹ Nitschs Festspiel ist sein Schlüssel zur Transformation und damit die wichtige Gelenkstelle in seiner Form des ›Gesamtkunstwerks‹. Er beru sich dabei im Sinne Freuds auf eine traditionelle Form des Festes, wenn er schreibt: »viele künstler sprechen vom ›lebensfest‹. auch ich verstehe mein theater als ein ganz groß angelegtes fest der lebensbejahung. […] das fest, wenn man es theatral begrei, verließ das theater, verließ die plätze, verließ die bühne und beanspruchte straßen, wurde zum groß angelegten spektakel, eben zum volksfest. […] zusammengefasst kann ich sagen, dass das fest der versuch ist, das leben in jeder form, auch in ästhetischer form, zu verdichten.«987 Nach Freud ist das Fest das Gegenteil des Alltäglich-Profanen der Arbeit und Triebbeschränkung und damit der immer wiederkehrende Höhepunkt des Lebens.988 In Totem­und­Tabu charakterisiert er das Fest als ein periodischer Bruch mit der Regel, ein gebotener Exzess, eine Gefühlsambivalenz von größter Trauer und Todesangst gegenüber Jubel und lautester Lebensfreude.989 Allerdings lässt sich der Kern von Nitschs Vorstellung des Festes als mystischer Grund nicht daraus ableiten; die Psychoanalyse verscha ihm hier lediglich einen Zugang: Die propagierte zeitliche und örtliche Entgrenzung genauso wie die Offenbarung des Seins in der dann Mythos gewordenen Gegenwart ist bei Freud nicht angelegt. Diese triebdynamisch-ödipale Dimension des archaischen Festes spielt bei Nitsch ebenfalls eine große Rolle, allerdings ergänzt er diese um die beschriebenen kosmologisch-religiösen Bedeutungsmomente. So darf das Fest als mystisches Tor zu einer ursprünglichen, dionysischen Ursprungssphäre verstanden werden, in der Leben und Tod nicht Gegensätze sind, sondern eine »kosmische einheit« bilden;990 es dient demnach als Initialzündung zur Transformation. Die zentrale Position nimmt darin das Opfer ein, denn in ihm manifestiert sich die Tragik des Menschen – die Notwendigkeit des Sterben-und-töten-müssens, um dionysische Rauschzustände erlangen zu können, denn erst »wenn der jubel des wachstums seinen höhepunkt erreicht hat, strömen die menschen, die freunde,

987 Nitsch in seiner 2. Vorlesung im WiSe 2004 / 05 in Wien, ed. in: HÜTTLER 2005, S. 23. 988 S. FORNOFF 2004, S. 533. 989 S. STÄRK 1987, S. 148f. 990 NITScH 1982, o. S.

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die brüder zu ihrem fest, zum fest der lebendigkeit, zum fest der grundsätzlichen bejahung unserer gegebenheiten, unseres daseins. das fest führt uns zu einem trunkenen ja zum sein.«991 Nitsch verortet sich selbst in den Kontext von Wagners ›Gesamtkunstwerk‹, sodass sich unwillkürlich die Frage nach vergleichbaren Aspekten stellt, wie sie in den vergangenen beiden Kapiteln bereits herausgearbeitet wurden: Zunächst fallen hier praktische Aspekte auf, wenn Nitsch z. B. (genauso wie Wagner) eigens einen Raum (und damit auch eine ›Kulisse‹) für seine ›Spiele‹ scha, eigens Musik für sein ›Orgien Mysterien eater‹ komponiert oder wenn er möglichst exakt und ausgiebig in seinen Partituren das Geschehen fixiert. Mehr noch stechen jedoch ähnliche theoretische Ambitionen mit den Bestrebungen einer durch Kunst ausgelösten Transformation der Gesellscha ins Auge: Nitsch nimmt dafür allerdings nicht mehr die zwei Phasen aus künstlerischem Genuss als Stimulation und anschließender Transformation vor, stadessen fallen die beiden Pole hier im unmielbar auszulösenden kathartischen Zustand ineinander. So steht zwar auch bei Nitsch die Konstruktion eines multiästhetischen Kunstwerks im Zentrum seines sechstägigen Spiels, aber die hier zu sammelnden diversen Eindrücke zielen auf die Auebung dessen, im Sinne einer Übertragung der Wirkungseffekte auf die gesamte Menschheit. Damit ist Nitschs ›Orgien Mysterien eater‹ nicht ein Endpunkt, sondern eine Durchgangssituation zu seinem ›Gesamtkunstwerk‹ einer universellen, mystisch-ästhetischen Existenzliturgik, die alle Lebensbereiche umgreifen sollte.992 Während also Wagners ›Fest‹-Begriff noch als theatralischer verstanden werden muss, ist Nitschs aktionistisch und zeigt damit einmal mehr die Wandlung von theaterinternen zu -externen Formen, bei denen die soziale Dimension der ästhetischen Erfahrung weder funktionalisiert noch ausgeklammert wird.993 Nitsch knüp an seine ›Fest-Idee‹, die im ›Orgien Mysterien eater‹ Realität werden soll, nahezu alles: »die erfahrungen, welche während des 6-tagespieles durch die intensiven lebensrituale gewonnen werden, sollen sich auf das ganze leben ausbreiten. das orgien mysterien theater soll eine keimzelle von intensivem

991 NITScH 1981, § 58. 992 S. FORNOFF 2004, S. 536. 993 DREHER 1991 (S. 37) stellt den ›Fest‹-Begriffen zusätzlich die antiaktionistische, all-

tagsbezogene Form der Situationisten zu Seite.

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leben und intensiver daseinserfahrung sein. die ästhetisierung, ritualisierung und verdichtung des lebensprozesses soll aber über das feierliche konzentrierte spiel hinausgehen. das leben selbst, der tägliche lebensablauf soll ästhetisches schönes ritual werden, soll zum fest werden (nach möglichkeit losgelöst von banalität und profanität). die arbeit am o. m. theater begleiten immer entwürfe zu ordensregeln. nachfolgende anweisungen sind der versuch, die lebensintensität, welche der festablauf des o. m. theaters herausfordert, auf das tägliche leben zu übertragen. […] die heilige liebe zum in der kosmischen unendlichkeit verankerten, sich im herrlichen schlichten augenblick ereignenden leben wird erkannt. nicht das leben als isolierter vorgang, sondern als im tiefsten zusammenhang stehend mit dem prozess kosmischer weltwerdung, soll begriffen werden.«994 Diese Auflösung der Grenzen zwischen Kunst und Leben kann nur vor den Überlegungen zu ›Wirklichkeit‹ erfolgen, wie sie mit der Rückbezüglichkeit auf Artaud knapp vorgestellt wurden. Nitsch zielt mit seinem ›Orgien Mysterien eater‹ und dessen Aufgreifen von Opferreinigungs- und Auferstehungsriten immer wieder auf die Entstehung »eine[r] vollkommen neue[n] form des gesamtkunstwerks […]« und sieht hier, über Wagner – dessen Begriff er sich bedient – hinausgehend, die Grundlage nicht nur in der Parallelisierung oder Synthese der Künste, sondern: »das durch die aktion sich äussernde gesamtkunstwerk ergab sich nahezu automatisch, da mit der findung der wirklichkeit die volle umfängliche sinnliche registration des realen geschehnisses gegeben war, denn jeder reale akt ist seiner natur nach durch alle sinne erfahrbar. die wirklichkeit bot sich als gesamtkunstwerk an.«995 Diese theoretischen Äußerungen Nitschs bringen die Frage mit sich, inwiefern diese auch in die Praxis umgesetzt wurden. Das Publikum wird bei Nitsch dazu aufgefordert, unmielbar am Spielgeschehen teilzunehmen, also die inszenierte dramatische Handlung real mitzuvollziehen, um den hemmungslosen Exzess ebenso zu erleben. Es zeigt sich hier in der aktionalen Handlung ein Paradoxon von Rausch und Regie, von Orgie und Struktur, von Ekstase und Ritual etc. In der eorie sind diese Wechsel von Dynamik und Ruhe notwendig, um die ›Spielteilnehmer‹ zum Höhepunkt zu ›treiben‹, in der Praxis jedoch wirken diese irritierend, sodass letztlich nur die Eingeweihten und Instruierten in aller Konsequenz an dem Spielgeschehen teilhaben können; das Konzept ›Gesamtkunstwerk‹

994 NITScH 1981, § 115. 995 NITScH 1969, S. 66.

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folglich wieder nur einem abgezirkelten Kreis von Menschen zugänglich ist. Letztlich sollte aber, so die ambitionierte Idee Nitschs, der Lebensvollzug zum Kunstwerk werden, damit meint dann die Ritualisierung Formalisierung – das Leben einem Gestaltungsprozess zu unterwerfen, um zu bewusster Lebensführung zu gelangen; daraus wird auch Nitschs Hang zur Form und zur strengen choreografie verständlich.996 Die Frage nach den Teilnehmenden ist schwierig zu beantworten: Es gibt einen kleinen, engen Mitarbeiterstab, der in der Organisation tätig und teilweise regelmäßig seit Jahren an den Aktionen als Akteure beteiligt ist, genauso wie Nitschs Frau Rita (geb. 1950) und ein wechselnder Part überwiegend aus Kunstund Musikstudierende; das Publikum selbst ist bunt gemischt. Die offene Struktur der Aktionen, die es dem Individuum freistellt, wie weit es sich einbringt und stimulieren lässt, erschwert es eine Aussage über die tatsächliche Einflussnahme zu treffen. Die Möglichkeit, sich dem gigantischen, zeitlich ausgedehnten und alle Sinne ansprechenden episch-weihevollen Kollektiverlebnis hinzugeben, wird jedem ermöglicht. Nitschs bewusste Auseinandersetzung mit dem Konzept ›Gesamtkunstwerk‹ führt unmielbar zu der Frage nach konkreten politischen Inhalten. Weniger noch als beispielsweise bei den Anthroposophen oder den Lehrern und Schülern am Bauhaus wird bei Nitsch eine bestimmte politische Ausrichtung verfolgt. So betonte er auch 2004 noch in einer Vorlesung: »von politischer seite wird uns künstlern immer vorgeworfen, dass wir die welt nicht verändern können. nur die politik kann die welt verändern. dem würde ich nicht zustimmen, denn gerade ein kunstwerk kann die welt wirklich verändern […] ich komme in einen gewaltigen zustand, ich spüre mich selber ich bin da. ich bin dann irgendwie nahe dem mielpunkt der welt.«997 Nitsch spricht also ganz im Sinne des ›Gesamtkunstwerks‹ seinem ›Orgien Mysterien eater‹ eine ähnliche Wirksamkeit wie der Politik zu; damit ist er nicht unideologisch, aber auch nicht politisch festgelegt. Es geht ihm, wie immer wieder herausgearbeitet, um das Freisetzen von Energien, und die ›Abreaktion‹, die in seinen Augen fehlgeleitet zu »eine[r] furchtbare[n]

996 S. Anm. 961 und S. 283. Der Filmregisseur Jonas Mekas (geb. 1922) äußert im Gespräch

mit Nitsch, dass er dessen Aktionen als genauso formalistisch und perfektionistisch erlebt habe, wie das Werk Peter Kubelkas, der mit seinen avantgardistischen Filmen eigentlich eher als Gegenposition zu Nitsch verstanden wird. 997 Nitsch in seiner 2. Vorlesung im WiSe 2004 / 05 in Wien, ed. in: HÜTTLER 2005, S. 33.

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katastrophe aus angst und aggression und selbstvernichtung der menschheit« wie im Nationalsozialismus führen könnte.998 Eine Wirklichwerdung und Seinsbejahung ausgelöst durch Kunst, die »sich nun dahin entwickelt [hat], dass buchstäblich alles zur kunst werden kann, lebensvorgänge, wachtumsvorgänge, politische vorgänge, soziologische strukturen«, ist Nitschs Ziel und er verweist selbst auf den nächsten Untersuchungsgegenstand der vorliegenden Arbeit, wenn er (sich erneut vergleichend) fortfährt: »ich denke an das künstlerische konzept der politischen plastik von beuys. kunst wird zu leben, leben wird zu kunst.«999

998 S. Nitsch in seiner 5. Vorlesung im WiSe 2004 / 05 in Wien, ed. in: HÜTTLER 2005, S. 61. 999 NITScH 1999A, S. XLVII. ScHMIED 2006 verweist mehrfach in seinen Vorträgen auf die

Vergleichbarkeit mit Joseph Beuys; darüber hinaus wird dieser Vergleich jedoch nie gezogen. Wie dem Gespräch mit SPERA 2005 (S. 119) zu entnehmen ist, trafen sich die beiden auch persönlich, jedoch wird hier nicht weiter auf eine Beziehung oder gegenseitige Einflussnahme eingegangen. So darf auch eher davon ausgegangen werden, dass die beiden ihre Projekte in den 1960er Jahren unabhängig voneinander entwickelten und sich dann entsprechend respektvoll begegneten.

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3. Revolution der Gesellscha: Joseph Beuys’ Selbstfindungs- und Reinigungsprozesse »Erst unter der Bedingung einer radikalen Begriffserweiterung gerät Kunst und die Arbeit mit ihr in die Möglichkeit heute das zu bewirken, was beweist, daß sie die einzige evolutionär-revolutionäre Kra ist, die fähig wird, repressive Wirkungen eines vergreisten und auf der Todeslinie weiter wurstelnden Gesellschassystems zu entbilden, um zu bilden: EINEN SOZIALEN ORGANISMUS ALS KUNSTWERK.«1000

So proklamiert 1973 Joseph Beuys in seinem Manifest Die­füne­Internationale die Einheit von Kunst und Leben.1001 Die Bildung eines ›sozialen Organismus‹ ist

1000 Joseph Beuys, in: AUSST.KAT. JOSEPH BEUyS 1977. 1001 Beuys äußert sich immer wieder zu seiner Idee der ›Sozialen Plastik‹; es würde an

dieser Stelle den Rahmen sprengen, die Primärquellen zu nennen. Er inszenierte sein eigenes Leben von Anfang an, indem er bereits 1961 seinen Lebenslauf­–­Werklauf veröffentlichte, der schon die Geburt zur Ausstellung erhebt. Hierin bedient er sich zahlreicher Metaphern und entzieht sich konkreter Äußerungen. Diese eigentlich als künstlerisches Werk zu verstehende Publikation wurde zur Grundlage der Biografie der Kunsthistoriker Götz Adriani, Winfried Konnertz und Karin omas. Ihr Buch (ADRIANI / KONNERTZ / THOMAS) erschien in drei Ausgaben, 1973, 1981 zum 60. Geburtstag von Beuys und post mortem 1994; in der letzten Ausgabe wird nochmals darauf verwiesen, dass es sich um die einzige von Beuys selbst autorisierte Biografie handele. Daneben gilt der von caroline Tisdall herausgegebene AUSST.KAT. JOSEPH BEUyS 1979 der Beuys-Retrospektive im Solomon R. Guggenheim Museum in New york 1979 als zweite wesentliche Grundlage für eine Auseinandersetzung mit Beuys, denn hierin wird die bis heute immer wieder aufgegriffene Einheit von Leben und Werk des Künstlers begründet, womit zugleich mythische Bezüge inszeniert werden. In dieser Tradition erschienen eine Reihe von Biografien wie z. B. die eher unkritische Betrachtung von STAcHELHAUS 1994 und 2006 sowie jüngst im Sinne einer Demontierung der fortgeschriebenen Biografien RIEGEL 2013; zu den Biografien s. LANGE 1999, S. 11–14; qUERMANN 2006, S. 19–22. Daneben widmen sich zahlreiche Retrospektiven seit den späten 1980er Jahren Beuys. Hierunter zählt der von seinem ehemaligen Privatsekretär Heiner Bastian herausgegebene AUSST.KAT. JOSEPH BEUyS 1988, der Beuys als Vorreiter und damit singuläre Person mit katalysatorischer Wirkung für seine Nachwelt herausarbeitet. Der von Armin Zweite herausgegebene AUSST.KAT. JOSEPH BEUyS – NATUR, MATERIE, FORM 1991 bemüht das Bild des ›Doppellebens‹, um Beuys auch über seine konkret politischen Aktionen hinaus fassen zu können. Diese Betonung der impulsgebenden und energetischen Kra des Künstlers findet sich also seit den 1980er Jahren in unzähligen Publikationen. So meint auch Harald Szeemann in seinem AUSST.KAT.

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das erklärte Ziel, das erst durch eine grundlegende Veränderung der Begriffe ›Kunst‹ und ›Arbeit‹ erreicht werden könne. Sein Kunstverständnis basiert dabei auf einer Kritik an dem traditionellen Verständnis von Kunst, das seiner Meinung nach die moderne Wissenscha und den Materialismus reflektiere; gleichzeitig ist aber der Materialismus auch ein Mysterium für Beuys.1002 Daher war für ihn

JOSEPH BEUyS 1993 vor der Darstellbarkeit Beuys’ kapitulieren zu müssen. Selbst der AUSST.KAT. JOSEPH BEUyS. PARALLELPROZESSE 2010 empfindet es noch als ›Wagnis‹, Beuys auszustellen, und versucht erneut, entlang einer vermeintlichen Werkchronologie verschiedene Aspekte aufzumachen. Zu diesem Beuys-Bild gesellen sich bereits in den frühen 1980er Jahren kritische Stimmen, so beispielsweise von BUcHLOH / KRAUSS / MIcHELSON 1980 zur Guggenheim-Ausstellung Tisdalls. Im Fokus der Ausstellungskataloge steht meist das künstlerische Schaffen Beuys’ (s. auch Anm. 1015). Wie umfangreich und heterogen die Beuys-Literatur ist, zeigt die nach zwei Systemen (alphabetisch und chronologisch) sortierte Bibliographie Tobia Bezzolas als Beihe zum AUSSST.KAT. JOSEPH BEUyS. DOcUMENTA-ARBEIT 1993. Eine weitere umfangreiche Bibliographie gibt LANGE 1999, die über die alphabetische Nennung hinaus Archivalien und audiovisuelle Medien erfasst (S. 18–20 und bes. 244–287). BURGBAcHER-KRUPKA 1977 gibt eine chronologische Presseübersicht bis 1977 (S. 109–142). Zudem findet sich natürlich eine ganze Reihe an Dissertationen, Tagungs- und Symposienbänden mit Aufsätzen zu Detailfragen, die die entsprechende Literatur nennen. Grundsätzlich muss hierbei zwischen drei Autorengruppen unterschieden werden: die Apologeten, die Kritiker und die Wissenschaler; die unkritischen Publikationen machen hier den Großteil aus. Erstere Gruppe ist v. a. bemüht, das Revolutionäre und Einzigartige festzuhalten, entweder entlang der Kunstwerke oder der weltanschaulichen Ideale Beuys’ (z. B. HARLAN / KOEPPLIN / VERLHAGEN 1991). Vollkommen zu Recht kritisiert LANGE 1999 (S. 242) die kunsthistorische Literatur, die bisher immer wieder die Position des Künstlers nacherzählt und damit institutionalisiert habe; die Forschung werde damit zum integrierten Teil dieses Systems. Dies tri auch auf die meist unreflektierte Verwendung der Begrifflichkeiten des Künstlers zu. Eine tatsächlich wissenschaliche Auseinandersetzung mit Beuys findet erst seit den 1990er Jahren sta; als Problem bleibt jedoch auch hier nach wie vor der unsystematische Umgang mit dem Werk – als Resultat der Verschränkung von bildkünstlerischem Schaffen und theoretischen Äußerungen. 1002 S. BEUyS / ENDE 1989, S. 67: »Aber die Esoterik ist doch das Entscheidende. Daß wir heute in diesem Elend sitzen, ist doch deswegen, weil wir uns diese Esoterik selbst abgeschnien haben. […] Wir mußten es uns abschneiden, damit wir eine Denkkra und eine Denkenergie entwickeln, die das Gesetzmäßige im Verlauf des Denkens selbst erlebbar macht.«

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die ›Plastik‹ von besonderer Bedeutung, welche verschiedene Aspekte fasst: So sind auf materieller Ebene zwei fundamentale Prinzipien mit Hitze und Kälte zu unterscheiden. Diese beiden Gegensätze wurden auf der einen Seite in organischen und auf der anderen Seite in kristallinen Strukturen materialisiert und bildeten so ein Zwischenspiel von Natur und Geist; schon hier lässt sich die anthropologische Sicht, die u. a. auf Rudolf Steiners Gedanken zurückgeht, erkennen, v. a. wenn Beuys sagt: »Plastik ist ein Synonym für das Menschliche«,1003 »ein Begriff für den Menschen selbst, der objektiven charakter hat.«1004 Hier wird schon der Brückenschlag durch den metaphorischen Einsatz des Materials ersichtlich, das Beuys’ Idee der sog. ›Sozialen Plastik‹ ›demonstrieren‹ sollte.1005 Die ›Soziale Plastik‹ basiert auf seiner ›Plastischen eorie‹, die davon ausgeht, dass jeder Mensch ein Künstler sei; gefordert wird also nicht nur ein ›erweiterter Kunstbegriff‹, sondern auch die radikale Subjektivierung des traditionellen Kunstobjekts.1006 Von Beuys wird somit die Neustrukturierung der Gesellscha genauso proklamiert wie die gänzliche Auflösung jeglicher Grenzen zwischen Kunst / Leben, Alltag / Politik. In dem Zusammenhang fallen auch Begriffe wie ›freie soziale Demokratie‹, ›Kapitalismus‹ oder ›Wissenscha‹, die alle eng miteinanderverwoben sind,1007 da der Mensch immer wieder mit ›Kreativität‹, ›Kunst‹ und ›Freiheit‹ gleichgesetzt wird. Die Vision der ›Sozialen Plastik‹, die begrifflich größtenteils an die Stelle des ›Gesamtkunstwerks‹ tri, erklärte Beuys immer wieder in Diskussionsrunden, Vorträgen, Interviews, Publikationen, Informationsbroschüren etc. Häufig wurde ihm vorgeworfen, seine esen seien unpräzise, und so konkretisiert Beuys 1984 erneut im Interview mit dem Spiegel: »Mein Erweiterter Kunstbegriff ist die einzige Möglichkeit, die herrschenden Verhältnisse zu überwinden. […] Die Kreati-

1003 STAcHELHAUS 1973. 1004 Joseph Beuys 1975 im Gespräch mit Rainer Rappmann, zit. nach RAPPMANN 1984, S. 58. 1005 Eine Klärung des Begriffs der ›Sozialen Plastik‹ versucht mit einer soziologischen

Deutung der Symbole KEGELMANN 1989 und aus sozial-historischer Perspektive P ÜTTMANN 1989. 1006 S. z. B. BEUyS 1995. 1007 S. z. B. RAPPMANN 1984, S. 26: »Wir wollen einen freien demokratischen Sozialismus erreichen […]. Wir wollen also etwas Neues – wir wollen etwas anbieten […], was sowohl geeignet ist, den westlichen Privatkapitalismus zu überwinden als auch den östlichen Staatskapitalismus.« Sinngemäß äußert sich Joseph Beuys im Gespräch mit clara BODEMANN-RITTER 1994 (S. 50) während der documenta 5.

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vität ist das wahre Kapital. Politische Parteien, der Begriff Politik überhaupt sind dagegen Unsinn. Die Gesellscha gilt es zu einem Kunstwerk zu machen. Die moderne Kunst ist tot. Es gibt keine Postmoderne. Nun beginnt die anthropologische Kunst. Nur so sind der Kapitalismus und Kommunismus zu überwinden. […] Sie sind schon dabei, sich aufzulösen.«1008 Aus solchen und ähnlichen Aussagen wird ersichtlich, dass Beuys auch durchaus konkretere politische Ansichten verfolgte, die als zeithistorisch verstanden werden dürfen: Es ist die Zeit der Studentenbewegung, der Straßenproteste, der Außerparlamentarischen Opposition (APO) und der ersten terroristischen Aktionen der RAF; bundespolitisch umfasst es die Phase der großen Koalition (1966–69) und der sozialliberalen Regierung (1969–82) – speziell der Willy-Brandt-Ära (1969–74) –, in der Beuys zum Professor für Bildhauerei an der Staatlichen Kunstakademie in Düsseldorf ernannt wurde (1961) und 10 Jahre später 142 durch den Numerus clausus abgewiesene Studierende in seine (ohnehin mit 400 Personen sehr große) Klasse aufnahm, 16 davon erhielten die offizielle Genehmigung, mit 54 weiteren besetzte er friedlich das Sekretariat;1009 Ziel war es, das Recht gleicher Bildungschancen durchzusetzen und zu verdeutlichen, dass der Numerus clausus im kreativen Bereich keinen Sinn ergebe.1010 Was sich hier bereits erkennen lässt, ist nicht nur ein durch Politisierung und Radikalisierung geprägtes gesellschaspolitisches Klima, sondern auch Beuys’ eigenwilliges Vorgehen, das schließlich zu seiner Entlassung (1972) führte. Über derartige institutionelle erelen hinaus zeigt sich Beuys auch als freischaffender Künstler politisch motiviert. So fand er in der Aktion das passende Miel,1011 sowohl künstlerisch als auch politisch seinen Ideen Ausdruck zu verleihen. Im Folgenden wird dazu eine der frühesten Aktionen – die noch als Solodemonstration zu verstehen ist, da keine direkte Interaktion mit dem Publikum stafand – DER­CHEF­THE­CHIEF (1964) in den Blick genommen. Hier kann das

1008 Joseph Beuys 1984 im Spiegel-Gespräch, zit. nach qUERMANN 2006, S. 140. 1009 Zum Blick auf Beuys zu dieser Zeit s. qUERMANN 2006, S. 117–131, 160–174. 1010 S. ADRIANI / KONNERTZ / THOMAS 1973, S. 166; s. ausführlicher qUERMANN 2006, S. 31f. 1011 In der Sekundärliteratur werden die Aktionen immer wieder behandelt, herausragend

darunter sind die Analysen von ScHNEEDE 1994; HUBER 1993 mit besonderem Augenmerk auf der schamanistischen Ekstasetechnik und katholischen Messliturgie; VIScHER 1991 (s. Anm. 1016). Sie arbeiten die Grundzüge des Werkkomplexes heraus und systematisieren ihn; dabei gehen sie Aspekten der Köperarbeit, des Materialeinsatzes, der Handlungsstruktur und -dramatugie nach.

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Arrangement der Materialien und ihrer physikalischen Beschaffenheit, beispielsweise dem Fe, das seinen physikalischen Zustand verändern konnte und damit die beiden Pole (Hitze und Kälte) visualisiert, beobachtet werden; über eine derartige metaphorische Bedeutung hinaus konnotiert Beuys häufig selbst die Materialien biografisch.1012 Außerdem rückt mit dem Großprojekt 7000­Eichen für die documenta 7 (1982) eine Aktion in den Fokus, die nur durch die Beteiligung der Bevölkerung funktionierte und daher auf Massenmobilisierung setzte; es ist der Höhepunkt der insgesamt fünfmaligen Beteiligung Beuys’ an der documenta.1013 Sie sprengt gewissermaßen den Rahmen, da sie über den eigentlichen Zeitraum der Ausstellung hinaus bis zur darauffolgenden documenta fünf Jahre später andauert und auch bis heute weiterlebt.1014 Es sind jedoch auch hier schon weniger die eigentlichen Werke in ihrer ästhetischen alität,1015 die im Folgenden von Interesse sind, sondern vielmehr Beuys’ Überlegungen, die von der Intuition ausgehend ein totalitäres Konzept verfolgen; es werden daher im weiteren Verlauf zahlreiche Zitate des Künstlers angeführt, um diese Position zu verdeutlichen.1016

1012 Eine Demontierung solcher Koppelungen bestimmter Erlebnisse mit dem bewusst ver-

wendeten Material nimmt RIEGEL 2013 vor. 1013 1964 mit Plastik­Zeichnung an der documenta 3, 1968 mit Parallelprozeß­4 an der

documenta 4, 1972 mit »ohne­die­Rose­tun­wir’s­nicht,­da­können­wir­gar­nicht­mehr denken«­und­das­Büro­für­direkte­Demokratie an der documenta 5, 1977 mit Free­International­University­(FIU)­und­die­»Honigpumpe­am­Arbeitsplatz« an der documenta 6 und 1982 mit 7000­Eichen an der documenta 7. Der AUSST.KAT. JOSEPH BEUyS. DOcUMENTA-ARBEIT 1993 beschäigt sich mit diesen Beiträgen Beuys’ zur documenta. 1014 Obwohl Beuys während dieser Periode starb, wurde die letzte der 7.000 Eichen (mit Basaltstele) neben der ersten am Eröffnungstag der documenta 8 vor dem Museum Fridericianum gepflanzt; abgeschlossen ist das Werk, solange die Bäume wachsen, nie. 1015 Einen Werküberblick mit allen Gaungen gibt der AUSST.KAT. JOSEPH BEUyS. EINE WERKÜBERSIcHT 1996 mit guten Abbildungen und einer kritischen Einführung von dem Poeten und Kunstkritiker Alain Borer (geb. 1949). Zu Beuys’ Ästhetikbegriff und der Debae um Ästhetik im Kontext Beuys’ s. BLEyL 1993. 1016 Damit ist nicht das Beziehen einer positivistischen Sicht gegenüber Beuys gemeint, wie dies beispielsweise VIScHER 1991 im Vorwort (S. 9) ihrer Promotionsarbeit macht. Hier wird ein weiteres der strukturellen Probleme der Beuys-Literatur ersichtlich (vgl. Anm. 1001 und 1013): Der größte Teil der Publikationen meint, Position beziehen zu müssen, so auch die Gegner, welche Beuys als Propheten, Weltverbesserer, Scharlatan, Spinner, politischen Dileanten, rückwärtsgewandten Träumer, Idealisten oder Utopisten verlachten; s. qUERMANN 2006, S. 19.

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3.1 Zwischen Solodemonstration bei DER CHEF und Massenmobilisierung bei 7000 Eichen: Stimulation des Einzelnen Joseph Beuys begann erst zu einem verhältnismäßig späten Zeitpunkt seiner künstlerischen Tätigkeit mit Aktionen, nämlich, wie er berichtete »1962, als ich [Beuys] mit Nam June Paik über alle möglichen Aktivitäten sprach, die man machen könnte oder vielleicht auch machen müßte. Irgendwann trafen wir uns mit Maciunas, der in Wiesbaden bei der amerikanischen Armee war, um organisatorische Fragen, Programmgestaltungen und die Möglichkeit von Tourneen zu besprechen […]. Wir bemühten uns dann zu dri, an verschiedenen Stellen irgendetwas zu organisieren an solchen Fluxus-Festivals. Während Maciunas und Paik sich auf die Wiesbadener Aktion konzentrierten, die 1962 stafand und an der ich mich, obwohl ich in der Teilnehmerliste aufgeführt werde, aus irgendwelchen Gründen nicht beteiligen konnte, bereitete ich das Düsseldorfer Festival für das darauffolgende Jahr an der Akademie vor.«1017 Auch wenn Beuys’ eigene Ausführungen zu seinem Leben und Wirken stets mit Vorsicht zu genießen sind,1018 so stimmt der Fakt, dass er seine erste Aktion 1963 im Rahmen von Festum­Fluxorum.­Fluxus.­Musik­und­Antimusik.­Das­instrumentale­eater an der Düsseldorfer Kunstakademie veranstaltete. In diesem Zusammenhang führte er seine Sibirische­Symphonie­1.­Satz auf, in der zahlreiche Materialien, wie z. B. Flügel, Schultafel, Leiter, Hut, Gezweig, Tonklumpen, ein toter Hase etc., zum Einsatz kamen; teils handelte es sich um Überbleibsel der vorangegangenen Aktionen des Tages, teils aber auch um eigens installierte Gegenstände. Hier zeichnen sich bereits die beiden Pole, zwischen denen das frühe aktionistische Werk Beuys’ oszilliert, ab: Einerseits verwendet er Materialien seiner vorherigen Kollegen, andererseits setzt er dieses gezielt und eng verwoben symbolisch und metaphorisch ein.1019 Diese Punkte sind sowohl in seinen frühen Aktionen, die eher hermetisch geschlossene Veranstaltungen, an der die Besucher meditativ teilnehmen konnten, waren – wie z. B. seine erste Soloaktion DER­CHEF­THE­CHIEF.­Fluxus Gesang, die erstmals am 30. August 1964 in Kopenhagen und in einer zweiten

1017 Joseph Beuys, zit. nach ADRIANI / KONNERTZ / THOMAS 1986, S. 89f. 1018 S. Anm. 1001. 1019 Die Auseinandersetzung mit Beuys’ Materialien setzt unmielbar ein und wurde auch

vom Künstler gelenkt; es gibt z. B. kaum eine Aktion, deren Materialien nicht entsprechend metaphorisch gedeutet wurden. S. zu dem emenkomplex beispielsweise das Materialsymposium.­Filz,­Fe,­Honig,­Gold,­Blut… im März 2007; ANGERBAUER 2007.

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Version am 1. Dezember 1964 in der Galerie von René Block (geb. 1942) in Berlin stafand – als auch in seinen späteren Aktionen, die ein massenmediales Spektakel waren, so beispielsweise die Pflanzung von 7000­Eichen im Kasseler Stadtraum anlässlich der documenta 7 (1982). »Der ›chef‹ da drin ist das menschliche Haupt. Das Wort chef kommt von Kopf. Und den hat jeder Mensch. Jeder Mensch hat seinen chef. Jeder Mensch hat also die Möglichkeit zu bestimmen. Es ist also das Element der Selbstbestimmung drin. Das heißt chef.«1020

So erläutert Joseph Beuys im Interview mit der Journalistin Birgit Lahann (geb. 1940) 1981 rückblickend seine Intention mit der Aktion DER­CHEF­THE­CHIEF, (Abb. 71, 72) die er selbst durch den Untertitel Fluxus­Gesang noch im Kontext von Fluxus verortet – wovon sich Beuys dann recht schnell wieder lossagt –1021; andererseits stellt er hier schon sehr deutlich die Idee der Selbstbestimmung und Emanzipation des Menschen ins Zentrum seines Schaffens. Damit markiert die im Folgenden vorgestellte Aktion den Beginn von Beuys’ lebenslangem Bestreben, in seinen Aktionen den Menschen Selbstbestimmung zu vermieln, die ihnen erst ermöglicht, kreativ im Sinne eines sozialen Künstlers zu werden. Den Raum in der Berliner Galerie von René Block bereitete Beuys vor,1022 indem er an der einen Wand Fingernägel und ein Haarbüschel auf Augenhöhe anbrachte, darunter drückte er in die Ecke zwischen Boden und Wand Fe, ein weiterer Fekeil befand sich in der hinteren Ecke des Raums.1023 Dieser Aktionsraum war von einem Vorraum durch einen Türrahmen, den Beuys lose mit Bret-

1020 BEUyS 1981, S. 250. 1021 Inwiefern dies in seinen Arbeiten von Anfang an begründet liegt; s. S. 336f. 1022 Im Gegensatz zu dieser zweiten Version von DER­CHEF fand die erste in Kopenhagen

sta, bei der die Besucher aus Lautsprechern im Nachbarraum Musik von Henning christiansen (1932–2008) hören konnten; mit diesem kooperierte Beuys noch in zahlreichen weiteren Aktionen. Außerdem veranstaltete Robert Morris (geb. 1931) zeitgleich eine Aktion in New york, die eigentlich simultan zur Berliner laufen sollte. Morris äußerte jedoch in späteren Interviews, dass es unmöglich gewesen wäre, Beuys zu duplizieren, deshalb habe er die gleichen akustischen Elemente verwendet, letztlich aber eine eigene Aktion veranstaltet; s. ScHNEEDE 1994, S. 68–75; zu dem Verhältnis von Morris und Beuys LUcKOW 1998, S. 33–108. 1023 Eine genaue zeitgenössische Beschreibung des Raums findet sich bei VOSTELL 1964 und in englischer Übersetzung von caroline Tisdall in AUSST.KAT. JOSEPH BEUyS 1979, S. 94.

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Abb. 71: Joseph Beuys, Aufführung von DER CHEF THE CHIEF. Fluxus Gesang in der Galerie René Block in Berlin, 29.8.–11.9.1964; Foto von Jürgen MüllerSchneck

Abb. 72: Joseph Beuys, Aufführung von DER CHEF THE CHIEF. Fluxus Gesang in der Galerie René Block in Berlin, 29.8.–11.9.1964; Foto von Jürgen MüllerSchneck

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tern vernagelte, separiert; ein Eintreten der Zuschauer wäre möglich und erlaubt gewesen, dennoch beobachteten die meisten Besucher das Geschehen vom Vorraum aus. Die Aktion begann im hell erleuchteten Raum um 16 Uhr und endete acht Stunden später. Beuys begann zunächst sich in Filz einzurollen und legte sich diagonal in die Mie des Galerieraums. In seiner Achse lagen zwei Hasen und im ca. 45°-Winkel zum Kopf ein von Filz umwickelter Kupferstab, ein weiterer lehnte gegen die Wand.1024 In seinem Filztunnel hae Beuys ein Mikrophon, das mit Lautsprechern verbunden war, welche sich sowohl in dem Aktions- als auch dem Vorraum befanden. Die Aktion an sich war dann vollkommen statisch, es wurde weder Material bewegt oder verändert noch ließ Beuys eine Handlung in seiner Filzrolle erkennen. In unregelmäßigen Abständen sendete er aus seinem Kokon heraus Geräusche wie Räuspern, Flüstern, Keuchen und Hüsteln, am häufigsten aber einen Laut, der an den Schrei eines Hirsches erinnerte; zudem erklangen, wie Vostell berichtet, (ebenfalls irregulär) Kompositionen von Henning christiansen (1932–2008) und Erik Andersen (geb. 1940).1025 Der Künstler blieb stets ruhig und konzentriert, während die Besucher durch die fast schon mystische Atmosphäre irritiert waren.1026 Die Aussage der Aktion erschließt sich erst bei genauerem Betrachten der Handlung und verwendeten Materialien: Der Künstler war über acht Stunden in seiner Filzrolle in Dunkelheit gehüllt. Schwarz, Dunkelheit und Tunnel waren in Beuys’ Augen Metaphern für den Schmeerling – und dieser wiederum für das

1024 Es werden im Folgenden nicht erneut die einzelnen Materialien hinsichtlich ihrer me-

taphorischen Aussagequalitäten aufgeschlüsselt, da dies diverse Male in der Forschungsliteratur erfolgte; s. Anm. 1019. Es sei hier lediglich auf die Bedeutung des Hasen verwiesen: Der Hase (bzw. das Kaninchen) ist nach Beuys ein Sinnbild für den unermüdlichen, schutzsuchenden Menschen, also ein Nomade. Darüber hinaus steht er für Flüchtigkeit und Vergänglichkeit – als Tunnelbauer steht er im Zusammenhang mit dem Geburtskanal und der Menstruation. Als Tier dient er aber auch der Kommunikation; s. F UHLBRÜGGE 2005, die in den verschiedenen prägnanten Tiermotiven »sowohl mythische Bezugspunkte zum Menschen, wie beispielsweise dem Opferritual, als auch das Fides-Motiv« sieht; »mit Hilfe des Vergleichs zum Tier erarbeitet Beuys künstlerische Strategien, die er um eine politische, das heißt sozio-gesellschaliche Ebene erweitert« (S. 13). 1025 S. VOSTELL 1964 bzw. AUSST.KAT. JOSEPH BEUyS 1979, S. 94. Über die Kompositionen der beiden Fluxus-Komponisten der ersten Generation ist leider nichts überliefert. Zu Henning christiansen, der schlecht erforscht ist, s. GLASMEIER 1993. 1026 S. ausführlicher S. 318.

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Leben –, denn, wie der Künstler im Interview mit der Kunsthistorikerin Antje von Graevenitz (geb. 1940) sagte, liegt im Tunnel (äquivalent zum Kokon) erst eine Made bzw. Raupe oder Puppe, die dann zum Schmeerling, also dem Falter metamorphosiert. Damit war Dunkelheit für Beuys nicht etwas Passives, sondern hae eine essenzielle aktive Komponente; am Ende des Prozesses entsteht das, was Beuys ›imago‹ nennt.1027 Der messianische charakter Beuys’ klingt hier bereits an: Immer wieder berührt er in seinen Aktionen mit Inkarnation, Opfertod und Auferstehung die zentralen christlichen Mysterien.1028 Die filzumwickelten Kupferstäbe symbolisieren in dem Zusammenhang eine Endsituation, indem sie keine leitende Funktion mehr haben. Demnach beinhaltet die Filzrolle zwei verschiedene Bedeutungen bei Beuys: Zum einen die Möglichkeit der Entwicklung (Schmeerling) und zum anderen den Endzustand (Kupferstäbe). Zugleich können die filzumwickelten Kupferstäbe aber auch als energieleitendes und -ladendes Element verstanden werden. Damit wurde Beuys auf darstellende Weise zum Sender, die Kupferstäbe zum Leiter / Überträger und die Zuschauer zu Empfängern.1029 Die Hasen verkörperten, wie Beuys zwei Jahrzehnte später erklärte, eine Art ›Außenorgan des Menschen‹,1030 denn »das Tier gehört zum Menschen. Es ist die Voraussetzung für den Menschen, auch für seine Entwicklung. Also das Tier hat sich geopfert, damit überhaupt ein Mensch zustande kam.«1031 Demnach verkörpern die Hasen ein zuküniges Leben. Auch dem in die Ecken gedrückten

1027 S. GRAEVENITZ 1981, S. 136. 1028 Die Anekdote aus Beuys’ Leben, dass er nach seinem Fliegerabsturz eine Schwellen-

erfahrung erlebt habe, ist die wohl langlebigste und folgenreichste Beuys-Legende. Aber auch darüber hinaus inszeniert er sich beispielsweise über seine Kleidung und Gestik als christus; s. qUERMANN 2006, S. 60–84. Gelegentlich zitiert Beuys in seinen Aktionen auch rituelle Handlungen der christlichen Liturgie, s. z. B. die Fußwaschung im Rahmen des Werks Das­Kapital während der Züricher Austellung Der­Hang­zum Gesamt­kunstwerk (1983); s. Anm. 1121. Allerdings wird dieses nicht zum durchgängigen strukturellen Moment des gesamten Œuvres von Beuys (wie bei Nitsch) und daher nicht weiter analysiert. Es geht ihm auch zu keinem Zeitpunkt um die Darstellung eines theologischen Standpunkts; s. KAUFMANN 1988 und zum ›christusimpuls‹ (wieder mit den einschlägigen biografischen Verweisen) MAUR 1988. 1029 Zur Sender-Empfänger-Konstellation allgemein s. KLÜSER 2006. 1030 BEUyS 1983B, S. 136f. 1031 Joseph Beuys im Gespräch mit Alois Martin Müller in seiner Erklärung zum Werk Das­Kapital­Raum­1970–77 am 10.2.1983 anlässlich der Ausstellungseröffnung Der Hang­zum­Gesamtkunstwerk in Zürich, ed. in: BEUyS 1988, S. 138f.

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Fe kommt metaphorische Bedeutung zu: In seinen spezifischen Aggregatzuständen, die sich durch Hinzuführen externer Hitze von fest in flüssig verändern können, zeigt sich erneut eine Form der Transformation;1032 diesmal jedoch in einer passiveren Weise (durch eine externe elle erhitzt) als in der Filz-und-Schmetterling-Metapher. Während die Aktion auf der visuellen Ebene also ohne Handlung auskommt, ist der auditive Part mit dem Ausstoßen der sog. ›öö‹-Geräusche aktiv.1033 »Das«, erklärte Beuys, »ist ein Urlaut, weit zurückreichend; […] Akustisch ist es die Verwendung der Trägerwelle als Energieleiter ohne semantische Information. Die Welle übermielt einen Laut, der gewöhnlich im Tierreich vorkommt […] Die Laute, die ich von mir gebe, sind bewußt von Tieren bezogen. Ich sehe darin eine Möglichkeit, mit anderen Formen von Existenz in Verbindung zu kommen, jenseits der menschlichen […] Das bedeutet, daß meine Präsenz dort im Filz wie eine Trägerwelle war, der Versuch, die Bedeutungsbereiche meiner eigenen Spezies auszuschalten.«1034 Der Urlaut entspricht demnach einem Archetyp, ist also weniger im Sinne der Historie gedacht und erscheint damit als Idee der Entwicklung. Das ›öö‹ ist nur eine Form der Äußerungen, die den von Beuys in der Sprache verankerten ›Erweiterten Kunstbegriff‹ zum Ausdruck bringen.1035 Neben diesen von Beuys ausgestoßenen – übrigens auch alltäglichen – Geräuschen sind es auch die der Zuschauer, die in die Aktion mit einfließen; damit wird der Brückenschlag zu John cage ersichtlich.1036 Die beiden Künstler begegneten sich in den 1960er

1032 »Das Fe macht ja auch genau diesen Prozeß durch in meinen Aktionen. Hier ist

Wärme, und hier ist Kälte. Ich könnte sagen, das ist eine generelle Partitur für fast alle Aktionen, die ich gemacht habe. Wenn ich den Begriff Plastik aufspalte in seine treibenden Grundkräe, dann komme ich zur Aktion.« (Joseph Beuys im Gespräch mit Rainer Rappmann 1975, ed. in: HARLAN / RAPPMANN / ScHATA 1984, S. 10–25, hier S. 22.) 1033 Zum ÖÖ-Programm anlässlich der documenta 5 (1972) s. LANGE 1999, S. 84–99. Zur visuellen Umsetzung von ›öö‹ in Form z. B. von Neonleuchten s. RINN 1993. 1034 Joseph Beuys im Gespräch mit caroline Tisdall für AUSST.KAT. JOSEPH BEUyS 1979, S. 95. 1035 Sprache ist für Beuys in der Vermilung seiner Ideen grundlegend, jedoch muss der Mensch erst wieder sprechen lernen. Anschaulich werden diese Überlegungen in Beuys’ Aktion Wie­man­dem­toten­Hasen­die­Bilder­erklärt am 26. November 1965 in der Galerie Alfred Schmela (1918–80) in Düsseldorf; s. REITHMANN 1991. 1036 Auf die Frage des Kunst- und Wirtschasjournalisten Willi Bongards (1932–85), welche zeitgenössischen Komponisten Beuys bevorzuge, antwortete dieser: »Ich mache selbst Musik.« (Joseph Beuys, zit. nach GEISENBERGER 1999, S. 29.) Eine spezielle Be-

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Jahren persönlich und intensivierten den Austausch besonders in den 1980er Jahren, wie in zahlreichen gegenseitig gewidmeten Arbeiten zu sehen ist;1037 für beide sind der Komponist sog. ›Neuer Musik‹ Éric Satie (1866–1925), der irische Schristeller James Joyce (1882–1941) und Marcel Duchamp wichtige Bezugspersonen.1038 Die musikalische Dimension im Werk Beuys’ zeigt sich auch in der Zusammenarbeit mit Musikern wie Nam June Paik, Henning christiansen oder Mauricio Kagel (1931–2008).1039 In der Aktion DER­CHEF ist es jedoch hauptsächlich die Produktion von Lauten, die als dem im kollektiven Un(ter)bewusstsein angelegtes kommunikatives Element Beuys die Position des Milers zwischen ihm als irdischem Wesen und etwas Höherem zuweisen. Beuys tri als Schamane, also als Miler zwischen Menschen, nichtmenschlichen Wesen und höheren Mächten, auf,1040 wie es sich im Mythos und Ritual ausdrückt.1041 Dazu soll die Trennung von Körper und Seele, von Subjekt und Objekt, von Leben und Tod überwunden werden und in einer ganzheitlichen Erfahrung von Welt aufgehen.

ziehung baute er dennoch zu John cage auf; zur gegenseitigen Beeinflussung s. ebd., S. 30–42 und in Gegenüberstellung der künstlerischen Intentionen FLAMMER 1984. 1037 S. ausführlich STEIN 2012. 1038 S. ebd., S. 169f.; s. zu Duchamp als ›Herausforderer‹ GRAEVENITZ 1995 und Anm. 1105. 1039 Mit der Musik bei Beuys, d. h. mit Kontakten zu Komponisten genauso wie mit der auditiven Seite der Aktionen, beschäigen sich KRAMER 1995 und GEISENBERGER 1999. 1040 Zum Schamanismus bei Beuys s. z. B. FAMULLA 2008; AUSST.KAT. JOSEPH BEUyS. ScHAMANE 2008; konkret im Zusammenhang mit der Aktion Wie­man­dem­toten­Hasen­die­Bilder erklärt (1965) MÜLLER 1993B; GOODROW 1991. qUERMANN 2006 (S. 42–59), der sich intensiver mit dem Schamanentum bei Beuys beschäigt, konstatiert: »Das inszenierte Bild von Beuys als Schamane setzt sich zusammen aus seiner Bekleidung, die er demonstrativ trägt, aus seinem rituellen Habitus, den er besonders in Aktionen entwickelt und aus der Rolle, die er dabei spielt.« (S. 47); s. hier auch zu Beuys’ Inszenierung als Revoluzzer über die Kleidung S. 94–117. 1041 Der Großteil der Publikationen zu Beuys’ Aktionen (s. Anm. 1011) betont immer wieder den Bezug zu rituellen Praktiken christlicher oder schamanistischer Prägung: »Jene Interpreten, die christliches Gedankengut bemühen, sehen in den Aktionen zumeist Handlungsabläufe mit kultähnlichem charakter, in denen der Akteur (Beuys) eine Stellvertreterposition einnimmt – nämlich die des Stellvertreters für den Initianten in einem Übergangsritus, für den Priester vor der Gemeinde oder für christus selbst. […] Die Parallele zum Schamanismus wird vor allem an der konzentrierten Körperarbeit des Akteurs und an der repetitiven Struktur der Aktionen und der Materialeinsätze festgemacht.« (LINDHOLM 2008, S. 25, 27.)

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Die Besucher blieben während der gesamten Aktion passiv, zumindest finden sich keine Zeitzeugenberichte, in denen ein Entern des Raums festgehalten wird. So fungierten, wenn auch von Beuys angeblich nicht derart intendiert, die Breer als eine Abschrankung. Es kam somit zu einer starken Separierung der Besucher, die lediglich die Rolle eines Zuschauers übernahmen und irritiert waren. So berichtet Vostell über die Publikumsreaktion, dass »Leute kommen und gehen. Manchmal war es ruhig und sogar andächtig wie in einem religiösen, mystischen Akt. Ritual? Viele warteten (auf was?), einige sahen schließlich noch Beuys um 24 Uhr aus der Rolle kleern.«1042 caroline Tisdall (geb. 1945) fasst außerdem einige im Publikum aufgekommenen Fragen zusammen: »Unfortunately I’m not informed – what does this mean?« oder »Has Herr Professor Beuys really been rolled up in there for eight hours?« sowie »Isn’t he hungry then?«, andererseits auch »Is that Fluxus?« oder »Is that a Happening? […] Did Beuys’s tragic Fluxus chant really send them puzzling? It seems so for some, then back to lethargy, personal and family talk about day-to-day problems.«1043 Es blieb also eine Solodemonstration Beuys’, die Fragen provozierte, die damit aber auch ein Umdenken durch den meditativen Mitvollzug auslösen konnte. Vielleicht kann so weit gegangen werden, hier eher von einem kontemplativen Mitvollzug – der recht traditionell ausgelöst wird durch das Beschauen der statischen Aktion, also durchaus vergleichbar eines Bildes – zu sprechen als von einer aktiven Mobilisierung des Einzelnen. Erst die Entschlüsselung der Bedeutungen der Materialien etc. gibt Aufschluss über die Aussage, Intention und auch Innovation von DER­CHEF, die in einem sehr frühen Stadium Beuys’ Idee der ›Sozialen Plastik‹ veranschaulicht. Den Namen der Aktion erläuterte Beuys, wie schon eingangs erwähnt, in einem Interview 1981: »Der chef«, sagt er darin auch, sei der Name einer »ganz bestimmten experimentellen Anordnung«; inhaltlich will er damit hauptsächlich das Element der Selbstbestimmung zum Ausdruck bringen.1044 Die Idee der Selbstbestimmtheit und Emanzipation des Menschen und der Menschheit ist das zentrale ema des gesamten Werks von Joseph Beuys. Damit zeigt schon der einsame Weg der Selbsterziehung in DER­CHEF erste Schrie zu Beuys’ übergeordneter Idee einer neuen sozialen Ordnung in seiner ›Sozialen Plastik‹.

1042 VOSTELL 1964. Hans van der Grinten (1929–2002) und Norbert Tadeusz (1940–2011)

wickelten Beuys aus; s. ScHNEEDE 1994, S. 69. 1043 AUSST.KAT. JOSEPH BEUyS 1979, S. 94. 1044 BEUyS 1981, S. 250; s. auch Anm. 1020.

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»Ich sagte also, wenn Ihr einverstanden seid, daß ich mit einem Projekt erscheine, das in den Lebensräumen der Menschen für die Verbesserung ihrer urbanen Lebensqualität sorgen kann, werde ich etwas ganz Einfaches tun: ich werde 7.000 Eichen pflanzen. Zu diesen 7.000 Eichen werde ich aber je einen Stein setzen, damit der historische Zeitpunkt für alle Zeiten, das heißt mindestens für die Epoche, für die Lebensspanne einer Eiche – und die beträgt bekanntlich bis zu 800 Jahren – festgehalten wird, daß dies der Zeitpunkt ist, wo die Menschen beginnen, nach den gewaltigen ›Vertotungsprozessen‹, die sie bewirkt haben durch ihren Arbeitsbegriff[,] durch ihren Technologiebegriff, durch ihren Materialismus, durch ihre politischen Ideologien, durch die Produktionsprozesse, durch den Kapitalismus oder durch den Kommunismus, wie man es auch immer nennt, allmählich den ›Aufrichteprozeß‹, das heißt den ›Verlebendigungsprozeß‹ sowohl der Natur als auch des sozio-ökologischen, das heißt des sozialen Organismus zu bewirken. Dazu brauchte ich den Stein. […] Da es sich um 7.000 Eichen handelt und wir nicht unbeschränkte Gelder haben, diese Eichen im Routine-Verfahren durch eine Mannscha von fünundert Menschen pflanzen zu lassen, und wir auch sehr ökonomisch mit dem Gelde umgehen müssen, haben wir ein Pflanzteam von 12 Leuten, und diese Aktion wird in vier Jahren beendet sein. Von diesen 7.000 Eichen sind jetzt etwa 1.600 bereits im Boden, und so wird also diese Geschichte fortschreiten.«1045

So beschreibt Beuys kurz nach Beginn seines Beitrags 7000­Eichen (Abb. 73, 74) zur documenta 7 (1982) in einem Podiumsgespräch am 27. Januar 1983 seine Arbeit. Wie hieraus schon ersichtlich wird, handelt es sich bei diesem Großprojekt nicht um eine lediglich auf ästhetische Prämissen zielende Arbeit, sondern eine sozio-politische unter gleichzeitiger Entgrenzung von Zeit und Raum. Ein wichtiger Aspekt dabei war natürlich auch die Frage der Bezahlung: So erfolgte die Anschubfinanzierung durch den Verkauf von für den Anlass von Beuys angefertigten und signierten Plakaten.1046 In jedem Fall war eine derart groß angelegte Aktion, die von einem Steinhaufen als dem ›Herz‹ der documenta, dem Friedrichsplatz, ausgeht, nur aufgrund der etablierten Situation Beuys’ denkbar.1047

1045 BEUyS 1983A, S. 69. 1046 Ein Plakat kostet 300 Schilling, s. ebd., S. 108. 1047 So auch beispielsweise BROcK 1982, S. 26f. Dass die Aktion als Gewinn für Städte ver-

standen werden kann, zeigt auch die Anfrage der Kulturbehörde Hamburgs im Sommer 1983 einer großen Arbeit im Außenbereich der Stadt. Zur Realisierung kommt es jedoch nicht, da der Kunstcharakter des Gegenstands kurz vor Beginn hinterfragt wurde, s. ausführlich GAUSS 1994 und ScHNEEDE 1989.

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Abb. 73: Joseph Beuys, 7000 Eichen, 7.000 Basaltsteine vor dem Friedericianum in Kassel, 1982; Foto von Dieter Schwerdtle

Gestapelt wurden 6.999 Stelen keilförmig auf dem Platz vor dem Fridericianum mit dem kleinsten Winkel auf die erste (7.000ste) am 16. März 1982 gepflanzte Eiche weisend.1048 Diese Ausgangsfigur war bereits ein beeindruckendes Kunstwerk, das jedoch zugleich vom ersten Tag der documenta den Besucher auffordert, selbst aktiv zu werden.1049 Die Entgrenzung von Zeit und Ort durch die Auebung der Kunst in das Lebensumfeld war die Intention – im Gegensatz etwa

1048 Zum Namen des Werks, den Beuys symbolisch aus verschiedenen ellen speist,

s. ZIMMERMANN 1994, S. 18f. Es handelte sich nicht ausschließlich um Eichen, sondern auch andere Baumarten (s. NIEMEyER 1993, S. 236), allerdings muss die Wahl der Eiche erneut symbolisch verstanden werden (s. weiter unten und mit besonderem Blick auf das Druiden- und Germanentum, wenn auch nicht ganz wissenschalich ZIMMERMANN 1994, S. 31–37 und auf die Evolution 39–47). Zur Formation und Ausrichtung des Keils s. LOERS / WITZMANN 1993A, S. 240–242. Die Basaltsteine finden sich erneut wieder in der an 7000­Eichen anschließenden installativen Arbeit Das­Ende­des­20.­Jahrhunderts; s. ScHALHORN 1995; RAINBIRD 2004. Eine reliquienartige Ausstellung von Aktionsmaterialien findet auf verschiedene Weisen sta; s. ausführlich ROSENTHAL 2004. 1049 Hierzu S. 211. Es verwundert kaum, dass der ›Steinhaufen‹ zahlreiche negative Reaktionen in der Bevölkerung hervorrief – so etwa als Verschandelung des schönsten Platzes; s. STÜTTGEN 1993, S. 30 und bes. NIEMEyER 1993, S. 232f.

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zur Bewahrung des Kunstwerks; hierin zeigt sich nun in aller Deutlichkeit der von Beuys in den vergangenen zwei Jahrzehnten immer wieder zum Ausdruck gebrachte ›Erweiterte Kunstbegriff‹.1050 Eine solche neue Auffassung von Kunst und der Einbezug der Bürger Kassels forderten das mehrfache öffentliche Vorstellen und Erklären des Projekts, gerade da die Finanzierung anfangs noch unklar war. So dachte Beuys an Spenden, bei denen jeder Baum mit Stele mit 500 DM gefördert werden sollte; das Projekt belief sich nach dieser Vorabschätzung – die sich im Nachhinein als realistisch erwies – auf 3,5 Millionen DM.1051 Die Stelen stammten aus dem nordhessischen Steinbruch Landsburg bei Schlierbach sowie zwei Steinbrüchen aus dem Westerwald, bei Linz und Beilstein und wurden von der Dia-Art-Foundation, New york finanziert.1052 Spezielle Aktionen halfen, größere Summen einzubringen, so z. B. auch mit Das­Ende­des­20.­Jahrhunderts, ein Konvolut von 44 eigens neu produzierten Basaltsäulen mit ausgefrästem, konisch zulaufendem Teilstück, das mit Filz umwickelt und Ton eingeschmiert wieder in die Stele eingesetzt und dann zu einer Skulptur zusammengesetzt wurde.1053 Beuys’ Überlegungen zu Finanzierungsfragen gingen jedoch weiter, denn er wollte eigentlich eine Stiung – als Modell einer demokratischen Kreditbank – gründen, die gemeinnützige, selbstverwaltete Projekte unterstützen sollte. Organisatorisch verwaltet wurde das Kasseler Großprojekt von dem FIU-Baumkoordinierungsbüro 7000­Eichen in Kassel unter der Leitung von Fernando Groener und Rose-Maria Kandler, das ein Unternehmen des gemeinnützigen Vereins ›Freie Internationale Hochschule für Kreativität und interdisziplinäre Forschung‹ – mit

1050 Damit folgen die anschließenden Anmerkungen der Interpretation des Künstlers und

nicht nachträglichen, wie beispielsweise die am entferntesten liegende ese einer Darstellung des christlich-ikonografischen Motivs der Ruine bei ZIMMERMANN 1994. 1051 Ausführlich zu den Finanzierungsfragen s. NIEMEyER 1993, S. 228–232. Ab einer Spendenhöhe von 500 DM wurde zusätzlich ein mit dem Namen des Spenders versehenes Baum-Diplom ausgehändigt – ein paar davon signierte der Künstler noch vor seinem Tod, danach übernahm dies sein Sohn Wenzel (geb. 1961). Beuys selbst kam in regelmäßigen Abständen nach Kassel, »besuchte die Pflanzorte, bestimmte neue, führte Verhandlungen mit den Behörden, Gespräche mit den Leuten, nahm an Bürgerversammlungen teil, an wichtigen Pflanzungen und gab Interviews. Aber das Zusammenbringen der Gelder, das Werben um Spenden verzehrte seine Kra restlos […].« (STÜTTGEN 1993, S. 29.) 1052 Angaben nach NIEMEyER 1993, S. 233. 1053 Zu den verschiedenen Arbeiten und Aktionen s. STÜTTGEN 1993; LOERS 1993.

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Sitz und Geschässtelle in Raum 3 der Düsseldorfer Kunstakademie, Beuys’ Atelier – war; das Büro war neben der Koordination der Finanzierung für die Zusammenarbeit mit der Stadt und die Planung und Durchführung der Pflanzungen verantwortlich.1054 Die letzte Eiche wurde am 12. Juni 1987 am Tag der Eröffnung der documenta 8 von Wenzel Beuys (geb. 1961), dem Sohn, gepflanzt.1055 Mit dieser Aktion führte Beuys seinen Kunstbegriff aus dem künstlerischen Umfeld, d.  h. es wird nicht ein genuin der Kunst zugeschriebener Raum erweitert, indem beispielsweise der Außenbereich des Museums einbeAbb. 74: Joseph Beuys, 7000 Eichen, Beuys zogen wird, sondern der per se reale beim Pflanzen der ersten Eiche vor dem Lebens- und Arbeitsbereich des MenFridericianum in Kassel, 16.3.1982; Foto schen wird mit dem Kunstbegriff ervon Dieter Schwerdtle obert. Das Moo ›Stadtverwaldung sta Stadtverwaltung‹ veranschaulicht diese Ambitionen,1056 den Organismus des städtischen Lebens zu verändern, was nur mit Hilfe des Einbeziehens verschiedener Interessensgruppen und des Verwaltungsapparates möglich war:1057 Erst in der Mobilisierung der Massen für das Projekt kann es realisiert werden und geht damit selbstverständlich weit über eine ökologische Gärtneraktion hinaus.1058

1054 S. auch die von den beiden Leitern des Koordinationsbüro herausgegebene Publikation

GROENER / KANDLER 1987. Das Büro arbeitete mit Norbert Scholz und Andreas SchmidtMaas, die als Schüler des Landschasplaners Karl Heinrich Hülbusch an der Gesamthochschule Kassel in Rücksprache mit dem Gartenbauamt der Stadt für die Pflanzorte der Bäume verantwortlich waren, zusammen; s. NIEMEyER 1993, S. 228. 1055 S. genauer zu den Pflanzungen hinsichtlich Zeit und Ort ebd., S. 233–236. 1056 S. KIMPEL 2003 nimmt die Langzeitdauer des Projekts in den Blick; s. auch MELZER 2007. 1057 Dass das nicht nur auf Zustimmung stieß, ist klar und spiegelt sich bei EIcHEL 1987, der in der Verwaltung damals tätig war. 1058 S. die Zitate zum ökologischen Aspekt der Arbeit bei ZIMMERMANN 1994, S. 121–125.

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Beuys sprach mehrfach über die Eichenpflanzung und Steinsetzung als »Aufrichteprozeß« und »Verlebendigungsprozeß« »sowohl der Natur als auch des sozioökologischen, das heißt des sozialen Organismus«.1059 Die Materialien liefern auch bei dieser großangelegten Aktion einen Schlüssel zum genaueren Verständnis von Beuys’ ›Sozialer Plastik‹: So veranschaulichen die Eiche als organisches und die Stele als mineralisches Material die Spannung zwischen den beiden Polen, die ihren Ausgleich lediglich in der Verwierung des Steins und den darauin in das Erdreich zu den Wurzeln der Bäume eindringenden Spurenelementen finden;1060 es stehen sich demnach die wachsende Wärmeplastik (Eichen) und die abnehmende Skulptur (Stelen) in wechselnder Proportionalität gegenüber. Der Basaltsäulenkeil muss also als Energiedepot, Stoff und Ausdruck des ›Willens zur Tat‹,1061 Endbild der Kunst und neues Eröffnungsbild verstanden werden;1062 gleichzeitig fungiert er als eine Art Uhr, die anzeigt, wie weit das Projekt vorangeschrien ist und damit des dynamischen Prozesses – der durch das Wachstum der Bäume bis heute anhält. Die Eiche veranschaulicht – wie für Beuys typisch – ebenfalls wieder zwei verschiedene Richtungen: Zukun und Vergangenheit. Sie sind einerseits das sich weiterentwickelnde Element der Aktion, das den Transformationsprozess einleiten soll, andererseits verweist Beuys zugleich auf die Funktion der Eichen bei den Germanen und Kelten als Gerichtsbäume.1063 Ein weiteres Wechselverhältnis von Baum und Stele ergibt sich aus Beuys’ Idee, dass die Steine die kosmischen Kräe in den Erdboden ziehen und an die Wurzeln weitergeben; solch eine Kreislaufvorstellung zwischen

1059 BEUyS 1983A, S. 69. 1060 Joseph Beuys in einer Videoaufzeichnung des Interviews 7000­Eichen von eo Alten-

berg mit Joseph Beuys, documenta 7, Kassel 1982, ed. in: AUSST.KAT. JOSEPH BEUyS. DOcUMENTA-ARBEIT 1993, S. 252–254, hier S. 253. S. auch mit dem Bezug zu Beuys’ skulpturalem Verständnis STÜTTGEN 1987. 1061 Zu Beuys’ Bezug zu Immanuel Kant (1724–1804) s. ZUMDIcK 1995, S. 117–121. 1062 S. STÜTTGEN 1993, S. 30. 1063 »Die Eiche als Versammlungsplatz, die Eiche als Platz der geistigen Kultur, für den Priester, für den Druiden, oder für denjenigen, der für die Spiritualität verantwortlich war. […] Spiritualität fand sta in Wäldern, an bedeutenden Naturstellen, eben da, wo eine wichtige große Eiche war im Zusammenhang vielleicht mit einem gutgearteten Felsen.« (Joseph Beuys im Gespräch über seine documenta-Arbeit 7000­Eichen mit Werner Krüger und Wolfgang Pehnt, ed. in: KRÜGER / PEHNT 1984, S. 45.) Der bei Beuys neben der Eiche stehende Basaltstein unterstützt also die Funktion eines Rechtsmonuments; s. LOERS / WITZMANN 1993A, S. 242.

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Kosmos, Stein und Baum ist vergleichbar mit der Honigpumpe zur documenta 6 (1977) und zeigt die Verortung von Beuys’ Gedanken im alchemistischen Denken der Frühen Neuzeit ebenso wie im theosophischen und anthroposophischen Gedankengut.1064 Bei der Aktion 7000­Eichen handelt es sich also um ein Non-profit-Unternehmen, das einen neuen Kapitalbegriff präsentiert und zugleich Beuys’ Überlegungen zur ökonomie und ökologie zeigt. Beides sind Aspekte seiner umfassenderen Gesamtskulptur, die er in zahlreichen Vorträgen und Diskussionen immer wieder darlegte, welche wiederum auch als Aktionen gelesen werden können.

3.2 ›Soziale Plastik‹ als ein Gesellschasmodell: Politische Visionen »Jeder Mensch ist ein Künstler.«1065

Es ist der wohl bekannteste Satz Beuys’, den er einer Formel ähnelnd immer wiederholt, so beispielsweise auch in einer Konversation mit dem Schristeller Michael Ende (1929–95); er tri das Zentrum von Beuys’ Konzept der sog. ›Sozialen Plastik‹. Beuys meint damit nicht, dass jeder ein begnadeter Maler, Skulpteur oder Architekt, sondern, dass jeder ›Künstler‹ ein sozialer Künstler sei.1066 Die

1064 Zu den Bezügen zur Frühen Neuzeit, besonders Paracelsus (1493–1541) und Emanuel

Swedenborg s. ebd. und zu Rudolf Steiner im folgenden Kapitel S. 331–335. 1065 S. die Diskussion dazu zwischen Künstler und Schristeller BEUyS / ENDE 1989. 1066 »Ich behaupte, daß das, was aus dem theoretischen – was Sie theoretische Inhalte

nennen…, daß diese theoretischen Inhalte eigentlich auch bei eingehender Betrachtung der Phänomene, also der physischen Phänomene – Strukturen, in den Environments, in den Aktionen – herausgelesen werden können. Ich behaupte eigentlich noch mehr. […] Aber wir haben noch nicht über meine ›eoreme‹, wie Sie sie bezeichnen, gesprochen, im Sinne einer neuen Kunstdisziplin, die es vorher nie gegeben hat – nämlich derjenigen, die ich ›soziale Kunst‹ nenne und von der ich behaupte, daß die soziale Kunst als eine neue Disziplin in Erscheinung treten kann, in unseren Tagen, ausgeführt werden kann durch jeden Menschen. Das heißt, hier erscheint eine Kunst, an der jeder Mensch – potentiell – teilhaben kann; und nur unter dieser Voraussetzung habe ich das Recht zu behaupten, jeder Mensch ist ein Künstler. Denn, ein bisschen erklärt, würde es ja heißen, jeder Mensch ist ein sozialer Gestalter, jeder Mensch hat eine soziale Fähigkeit, jeder Mensch hat eine selbständige Kreativität, jeder Mensch ist der Träger von Fähigkeiten.« (BEUyS 1983B, S. 129–131.)

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Transformation – nun nicht mehr unmielbar gekoppelt an das Kunsterlebnis – jedes Einzelnen ist dabei erneut das Herzstück des revolutionären Prozesses, denn nur das Zulassen der eigenen, intimen Transformation birgt das Potenzial einer sozialen Reform. In dieser Kunst der Gesellscha wird jeder zum Bildenden Künstler eines großen sozialen Organismus. Diese Überlegungen sind bereits in der Aktion von 1964 DER­CHEF­THE­CHIEF vollständig erfassbar und werden in der Folge von Beuys weiterentwickelt und verfeinert, so auch ›massenkompatibel‹ beispielsweise in 7000­Eichen. Der Auslöser für derartige Konzepte ist Beuys’ Kritik an einem traditionellen Verständnis von Kunst, das seiner Meinung nach moderne Naturwissenscha und Materialismus reflektiere und damit nicht einem eher spirituell-universellen Gedanken – der seiner ›Sozialen Plastik‹ fassen könne – nachgehe.1067 Aus dieser Auffassung heraus lassen sich auch seine linksliberalen Ansichten, wie sie sich immer wieder in seiner Forderung nach Demokratie zeigen, verstehen. Wenn Beuys erklärt, dass ›jeder Mensch ein Künstler‹ sei, meint er nicht, jeder sei künstlerisch-kreativ, sondern gesellschalich-bildend. Damit bleibt Kreativität nicht länger auf den Kunstkontext limitiert, sondern grei in alle Faceen des Lebens über; Kreativität wird zum Prinzip des Lebens und der von Beuys visionierte kreative Mensch zum Gründer einer neuen gesellschalichen Ordnung. Mit der Wendung also von einer ›ich‹-bezogenen Perspektive – im Sinne z. B. des künstlerischen Genies – zum ›wir‹ zeichnet sich ein kollektiver Evolutionsprozess ab, der zu dem führt, was Beuys »Gesamtkunstwerk zukünige[r] Gesellschasordnung« nennt.1068 Gemeint ist damit nicht eine bestimmte Gesellschasform mit einer konkreten politischen Ausrichtung, sondern Beuys geht so weit, dass er meint – hier beispielsweise in einer Podiumsdiskussion zu 7000 Eichen –, keine Politik zu benötigen: »Eigentlich bin ich dazu erfunden, den

1067 Beuys kommt aus den verschiedensten Blickwinkeln immer wieder auf seinen offen

angelegten ›Wissenschasbegriff‹, so beispielsweise (und hierin durchaus mit Steiner vergleichbar) im Zusammenhang mit dem christentum: »Die Rolle des christentums und die Rolle der Kirche darf man nicht in einem Atemzug nennen. Die Kirche hindert daran, zu einer christlichen Gesellschasordnung zu kommen. Das ist meine ganz klare Auskun. Die ganze christliche Entwicklung hat sich nicht in den Kirchen abgespielt, sondern im Wissenschasbegriff.« (Joseph Beuys im Gespräch mit Rainer Rappmann 1975, ed. in: HARLAN / RAPPMANN / ScHATA 1984, S. 10–25, hier S. 17.) 1068 BEUyS 1976.

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Menschen immer klarer zu machen, daß es Politik gar nicht geben darf. Daß an die Stelle, wo dieser Begriff sich verkörpert und aufschwillt, nämlich meistens in fürchterliche Geschwulste von Bürokratie und dergleichen, ein anderes Prinzip treten muß, nämlich das, wie in Zukun die verschiedenen Formen von Kräebereichen in der Gesellscha aussehen sollen, das heißt, daß der Kunstbegriff an die Stelle der Politik treten muß, daß der Gestaltungsbegriff an die Stelle der Politik treten muß, daß man vorurteilslos an die Sachfragen so herangeht wie ein Arzt an eine Krankheit, daß der therapeutische Gesichtspunkt an die Sache herangetragen werden muß […].«1069 Beuys imaginiert demnach zunächst eine freie Auffassung von Gesellscha und Gemeinscha, die nicht einer bestimmten Ausrichtung zu folgen hat – sicherlich ist dies auch als Reaktion auf die Erfahrungen mit dem diktatorischen System der Nationalsozialisten zu verstehen. Beuys’ eigenes politisches Engagement wird konkreter und lässt sich schon an seinen documenta-Beiträgen ablesen: Anlässlich der documenta 5 (1972) siedelte Beuys das 1971 gegründete und in Düsseldorf beheimatete Informationsbüro Orga­nisa­tion­für­direkte­Demo­kra­tie­durch­Volks­ab­stimmung samt Inventar nach Kassel um und erörterte während der 100 Tage der Ausstellung von morgens bis abends den Besuchern seinen Demokratiebegriff (Abb. 75).1070 Zwar noch im Fridericianum verortet, war das Büro jedoch zugleich von den anderen Orten des Kunstfeldes isoliert; es wurde zum ›Raum der Nichtkunst‹.1071 Der Begriff der ›Kunst‹ tri hier also im Begriff der ›Demokratie‹ auf und war das erklärte Ziel: Direkte Demokratie wurde zur Aufgabenstellung einer ›Plastik‹ in jedem Menschen. Beuys entwickelt hier ›Denkbilder‹, die die verschiedenen zuvor angedachten emenkomplexe in diversen Diskussionskreisen und Diagrammen zusammenführen. Es geht ihm dabei um die Ableitung der verschiedenen Begriffe: des Freiheits- aus dem Kunstbegriff, der Demokratie (Gleichheits-) aus dem Freiheitsbegriff, der Brüderlichkeit (Sozialismus) aus der Selbstbestimmung und die gegenseitigen Bezugnahmen von Freiheitsbegriff und Wirtschasleben. Aus all dem entsteht Beuys’ Vorstellung einer freien Gesellscha, die auf drei

1069 BEUyS 1983A, S. 82. 1070 Zu dem Mobiliar und Informationsmaterial des Büros kamen in Kassel noch einige

Schultafeln, ein großer Turnerbarren und eine rote Rose im Messglas auf dem Schreibtisch (die ›Rose für direkte Demokratie‹; s. qUERMANN 2006, S. 141–144); s. zum Inventar WITZMANN 1993 und zur FIU knapp ScHULZ 1993. Zu den hier vermielten Ideen s. die Zitate in RAPPMANN 1984, S. 31–35. 1071 STÜTTGEN 1993, S. 21.

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Abb. 75: Joseph Beuys, Freier demokratischer Sozialismus, 1973, von der Ausstellung Kunst im politischen Kampf, Hannover; Replik einer Tafel der documenta 5; o. A.; Hamburger Kunsthalle

Grundaspekten – Kultur, Recht und Wirtscha – sowie den ihnen zugeordeneten Prinzipien – Freiheit / Selbstbestimmung, Gleichheit / Demokratie, Brüderlichkeit / Sozialismus – den sog. ›Freien demokratischen Sozialismus‹ bilden; hierin lehnt er sich, wie noch zu sehen sein wird, an Rudolf Steiners Ideen an. Weitere wesentliche Denkbilder sind die ›Plastische eorie‹, die Informationstheorie – wie sie in der Empfänger-Sender-Konstellation in DER­CHEF beispielsweise zum Ausdruck kommt – oder auch das Evolutionsschema. All diese Aspekte sind in Beuys’ ›Denken‹ eng miteinander verschränkt. Auf besondere Weise bereitete Beuys’ Beitrag für die documenta 6 (1977) die Aktion 7000­Eichen vor: Was mit der Free International­University­for­Creativity (als Fortsetzung der Orga­nisa­tion­für­direkte Demokratie­durch­Volks­ab­stimmung der vorherigen documenta) noch als Seminar oder Schule didaktisch vermielt wurde, sollte nun über den für die Kunst vorgesehen Ort und die begrenzte Zeit hinaus in das Lebensumfeld der Menschen aus- oder eingreifen. Hierin vereint er einmal mehr die zuvor in Einzelbeispielen präsentierten Elemente: Zum einen legt er in dem Büro der FIU erneut seine Ideen der ›Sozialen Plastik‹ theoretisch in zahlreichen Diskussionsrunden und Vorträ-

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Abb. 76: Joseph Beuys, Honigpumpe am Arbeitsplatz, anlässlich der documenta 6 im Friedericianum in Kassel, Juni bis Oktober 1977; o. A.

gen dar,1072 zum anderen visualisierte er mit der in unmielbarer Nachbarscha (ebenfalls im Fridericianum) installierten Honigpumpe­am­Arbeitsplatz (Abb. 76) ein Zirkulationssystem, das exemplarisch die Verbindung der Menschen durch die gemeinsame Arbeit an der ›Sozialen Plastik‹ zeigen sollte. Die Honigpumpe war im Treppenhaus aufgebaut und bediente zwei Systeme – ein vertikales, das vom Erdgeschoss bis ins Glasdach des Kuppelbaus reichte, und ein horizontales, in dem FIU-Raum verlaufendes.1073 Insgesamt handelt es sich um ein, wie Beuys immer wieder betont, »geschlossenes System«, »das Bezug nimmt auf alle möglichen zirkulatorischen Systeme im Menschen«,1074 wie z. B. der Blutkreislauf des Menschen, der Kreislauf der Kapital- und Wirtschaswerte, der Geldkreislauf usw. Zugleich, das zeigt die Verwendung des Materials Honig mit seiner Rück-

1072 In diesem Rahmen kam es u. a. auch zur Begegnung mit Rudi Dutschke (1940–79), der

im Kontext der Studentenbewegung eine der wichtigsten Positionen einnahm. Dies bildete den Höhepunkt der 100tägigen Veranstaltung während des sog. ›Achberger Jahreskongreßes‹; s. STÜTTGEN 1993, S. 28. 1073 S. zu dieser documenta-Arbeit LOERS / WITZMANN 1993B; Abbildungen in BEUyS 1997. 1074 BEUyS, Joseph: Eintri in ein Lebewesen, Tonkassee 2 A, FIU-Verlag R. Rappmann, 1991, zit. nach LOERS / WITZMANN 1993B, S. 157.

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bezüglichkeit auf die Wachsplastiken der Bienen­königinnen der documenta 3 (1964), die Beuys mit der Idee eines ›Wärmeprinzips einer Substanz‹ in Bezug zur Innerlichkeit des Menschen in Verbindung brachte, fungiert die Honig­pumpe als eine Art ›Wärme-Maschine‹. Honig ist damit genauso wie Fe ein Repräsentant der Wärmequalität und zugleich »Ergebnis eines Arbeitskollektivs in der Tierwelt«;1075 hieraus erklärt sich auch der zweite Teil des Titels Honigpumpe­am Arbeitsplatz. Beuys’ Äußerungen zu politischen Fragen nehmen immer konkretere Formen an; auch wenn er nie eine klare politische Position im klassischen Sinn einnimmt, so lassen sich doch deutlich linksliberale und marxistische Einflüsse beobachten;1076 Überlegungen zu Eigentumsverhältnissen spielen hierbei naturgemäß eine wichtige Rolle und finden sich auch in seinen künstlerisch-theoretischen Arbeiten – wie die Formel ›Kunst = Kapital‹ zeigt – wieder.1077 Insgesamt setzt Beuys sich für eine nach demokratischen und selbstbestimmten Grundgedanken »von der Basis gebildete Konstitution des Volkes« ein.1078 Die westlich aufgeklärte, materialistische Weltsicht ist nach Beuys ein gesellschalicher Missstand, den es mit Hilfe ritueller Performances mit symbolischer Handlung und Objekten mit Fetischcharakter als archaische Medizin zu heilen gelte. Mit einer anthroposophisch motivierten Alternative will er gegen die repräsentative, parlamentarische Demokratie als Parteiendiktatur genauso wie die kommunistische Diktatur des damaligen Ostblocks vorgehen. Den Höhepunkt in medienwirksamer und relativ

1075 »Es mußte nicht Honig sein. Es häe ja beispielsweise sicher auch Blut sein können.

Aber Blut häe auf den Menschen sicher schlecht gewirkt. Honig ist etwas, was – sagen wir mal – auf das menschliche Empfinden viel saner wirkt und tatsächlich Empfindungen auslöst. Ganz abgesehen davon, daß Honig das Ergebnis eines Arbeitskollektivs in der Tierwelt ist.« (BEUyS, Joseph: Kultur heute, Deutschlandfunk, 24.6.1977, Manuskript eines Gesprächs mit S. Nebelung und Wolfgang Pehnt, anlässlich der Eröffnung der documenta 6, zit. nach LOERS / WITZMANN 1993B, S. 161f.) 1076 »Wir wollen also doch das, was Marx sich von seinem Begriff des Proletariats erho hae, wir wollen den ›neuen‹ Menschen, den ›klassenlosen‹ Menschen! Das ist ein Menschheitsbegriff!« (BEUyS 1983A, S. 99.) Beuys stand Karl Marx (1818–83) jedoch nicht unkritisch positiv gegenüber, wie die gesammelten Aussagen bei RAPPMANN 1984 (S. 53f.) veranschaulichen. 1077 S. z. B. BEUyS 1983A, S. 91f. 1078 Ebd., S. 97. Entsprechend dieser Idee der Volksabstimmung trug Beuys häufig einen Schweizer Armeemantel, denn an der Schweiz studierte er die Vor- und Nachteile einer solchen politischen Ausrichtung; zur Kleidung s. qUERMANN 2006, S. 44–47.

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konkreter und direkter Ausführung dieser Ideen bildet wohl seine Beteiligung an der documenta 6 mit der Honigpumpe und FIU, aber auch darüber hinaus verfolgt er zeitlebens diese politisch-demokratischen Gedanken, so auch wenn er 1976 als Parteiunabhängiger auf der Liste der AUD (Aktionsgemeinscha unabhängiger Deutscher), die später die Grünen mitbegründen sollten, kandidiert.1079 Beuys’ sog. ›Soziale Plastik‹ ist unmielbar an seine ›Plastische eorie‹ gekoppelt und geht von dem ›Erweiterten Kunstbegriff‹ – als Reaktion auf seine Kritik am traditionellen Kunstverständnis – aus. ›Plastik‹ umfasst bei Beuys nicht nur physisches (besonders wichtig hier das Fe), sondern auch psychisch-seelisches Material – so ist es »ein Synonym für das Menschliche«1080 und »Denken ist bereits Plastik«.1081 Ausgehend von dieser erkenntnistheoretischen Funktion des ›Denkens‹, was der erste schöpferische Ausdruck des plastischen Prinzips ist, und der Intuition entwickelt Beuys sein eoriegebilde,1082 das sich auf drei Elemente stützt: Die Kategorien des chaos (= Wärme), der Bewegung (= Vermilung) und der Form (= Ordnung / Tod); ihre seelische Entsprechung haben diese Kategorien in den drei Seelenvermögen: Willen, Fühlen und Denken. Diese ›plastische eorie‹ geht also – fernab des konventionellen Sinns – von dem Begriff

1079 S. RAPPMANN 1993B, S. 193. Zu den Grünen, im Zusammenhang mit seiner Arbeit 7000

Eichen, äußert Beuys sich in BEUyS / BLUME / RAPPMANN 1990. 1080 STAcHELHAUS 1973. 1081 Joseph Beuys im Gespräch mit Wulf Herzogenrath, ed. in: HERZOGENRATH 1973, S. 33.

Zum ›Denken‹ bei Beuys s. AUSST.KAT. JOSEPH BEUyS. NATUR, MATERIE, FORM 1991, S. 13– 29 sowie die Untersuchung zur philosophischen und ästhetischen Grundlage des Werks Beuys’ aus einer überwiegend erkenntnistheoretischen Perspektive bei LORENZ 1995 mit Blick auf die zeichnerischen Werke und sich stützend auf VIScHER 1991. 1082 Er selbst behauptet, dass es sich nicht um ein eoriegebilde handele: »Der erweiterte Kunstbegriff ist keine eorie, sondern eine Vorgehensweise, die sagt, daß das innere Auge sehr viel entscheidender ist, als die dann sowieso entstehenden äußeren Bilder. Viel besser für die Voraussetzung guter, äußerer Bilder […] ist, daß das innere Bild, also die Denkform, die Form des Denkens, des Vorstellens, des Fühlens, die alität hat, die man von einem stimmenden Bild haben muß.« (Joseph Beuys im Gespräch mit Friedhelm Mennekes, ed. in: VAN DER GRINTEN / MENNEKES 1984, S. 116.) S. zum erkenntnistheoretischen Potenzial der Kunst auch LORENZ 1995. Oder an anderer Stelle: »[U]nd schon ist man in einem Felde einer anthropologischen Kunst, also nicht mehr einer Kunst, die sich nur in Innovationen vollzieht, sondern in einer Kunst, die den Menschen in den Mielpunkt stellt als das kreative Wesen schlechthin.« (BEUyS 1983B, S. 134.)

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der ›Plastik‹ als Wärmewesen und Evolutionsprinzip aus und umfasst daher alles, besonders auch den Menschen. In dieser Universalität wird auch die Unabdingbarkeit von Beuys’ Demokratieidee evident; sein ›Erweiterter Kunstbegriff‹ bezieht also in die Ästhetikvorstellung ein soziales Engagement mit ein.1083 Fe als Material veranschaulicht zum einen mit seinen Eigenschaen die Prinzipien der ›plastischen eorie‹, zum anderen hae es eine provokative Wirkung in der Zeit. In vielerlei Hinsicht stützt sich Beuys’ ›politisches Verständnis‹ auf Rudolf Steiners zu Beginn des 20. Jahrhunderts formulierte Ideen;1084 anschaulich wird dies beispielsweise in einem Brief an den Anthroposophen Manfred Schradi (1921–96): »ihre Worte haben mich tief berührt weil Sie mir damit den Namen Rudolf Steiners zuriefen über den ich seit meiner Kindheit immer wieder nachdenken muß weil wie ich weiß gerade von ihm ein Aurag an mich erging auf meine­Weise den Menschen die Entfremdung und das Mißtrauen gegenüber dem

1083 S. hierzu das Interview in HARLAN 1986, S. 13–85. 1084 Zwar werden die Rückbezüge Beuys’ auf Steiner immer wieder genannt, jedoch meist

nur als Schlagwort, ohne weitere Ausführung. Intensiver mit der ematik hat sich ZUMDIcK 1995 beschäigt, dessen monografische Arbeit dem Aspekt des ›Denkens‹, bei beiden Künstlern als grundlegend verstanden, nachgeht; teilweise scheint die Darstellung von anthroposophischem Gedankengut durchdrungen zu sein. Zumdick wirkte auch an dem AUSST.KAT. JOSEPH BEUyS – RUDOLF STEINER 2007 mit, der sich in zwei knappen Aufsätzen der Linie in Steiners und Beuys’ Zeichnungen als Ausdruck ihres ›Denkens‹ zuwendet; hierin wird ein vergleichbarer Ansatz in der Vermilung theoretischer Gedankengebilde gesehen. Auch PAAS 1995 widmet sich in ihrem Aufsatz den anthroposophischen Vorträgen als Inspirationsquelle. Sie stützt sich dabei auf die ältere Literatur, die in diesem Zusammenhang meist auf das Bienenvolk und den Bienenstaat verweist; s. hierzu OELLERS 1993, S. 209–268 und hinsichtlich einer philosophischen Verortung KEGELMANN 1989, S. 60f. RAPPMANN 1984 (S. 26–29) vergleicht unter Zuhilfenahme zahlreicher Zitate der Künstler ihre gesellschaliche Utopie einer ›Dreigliederung‹. Während diese Autoren den okkultistischen Elementen im Werk Beuys’ entsprechend offen gegenüberstehen, kritisiert MOFFITT 1988 (bes. S. 105–125, 144–148, 173) diese, indem er Steiner als spirituellen Pseudowissenschaler darstellt und Beuys somit lediglich als ›Anthroposophical Messiah‹ agiere. Auf Steiner wurde Beuys angeblich 1941 durch seinen Freund Fritz Rothenburg aufmerksam und 1973 (ein Umstand, den RIEGEL 2013 (S. 101f.) für ebenso irreal hält wie die Tartarenlegende) wurde er selbst Mitglied der Anthroposophischen Gesellscha; s. BEZZOLA 1993.

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Übersinnlichen nach und nach wegzuräumen. Im politischen Denken, dem Acker den ich täglich zu bearbeiten habe gilt es die Dreigliederung so schnell wie möglich Wirklichkeit werden zu lassen.«1085 Diese ›Dreigliederung‹, von der Beuys hier spricht, stützt sich auf Steiners Idee des dreigliedrigen Menschen – wie er ihn z. B. in seinem Buch Vom­Seelenrätsel (1921) beschreibt und von Beuys diagrammatisch mit der Honigpumpe dargestellt wird –1086 und des ›sozialen Organismus’‹.1087 Darin unterscheidet dieser zwischen drei gesellschalichen Krafeldern – Geistes-, Rechts- und Wirtschasleben –,1088 die nach den Grundidealen der Französischen Revolution ›Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit‹ ausgerichtet seien und so den ›freien demokratischen Sozialismus‹ bilden. Diesen Begriffen zugehörig ordnet Beuys in einigen Diagrammen (so auch im Rahmen der documenta 5) die Systembegriffe ›Demokratie‹, ›Sozialismus‹ und ›Freiheit‹ zu.1089 Diese drei Bereiche werden dann omals genauer auf den Tafeln erläutert: Die Grundlage der Gesellscha ist dabei die ›Verfassung‹, die den Kanon der ›Grundrechte‹ beinhaltet und per ›Volksabstimmung‹ zustande kommt. Diese Ebene bedingt und ermöglicht die beiden relativ selbständigen Glieder ›Geistesleben‹ und ›Wirtschasleben‹.1090 Geistes-, Rechts- und Wirtschasleben legt die

1085 Joseph Beuys an Manfred Schradi, 21.10.1971, ed. in: KOEPPLIN 1990, S. 31, Anm. 23.

Beuys besaß zwei Ausgaben von Steiners Schri Wie­ erlangt­ man­ Erkenntnis­ der­ höheren­Welten?, in welcher gelehrt wird, wie geistige Wesenheiten und Mächte den Schöpfungsaurag übernehmen. 1086 S. hierzu LOERS / WITZMANN 1993B, S. 160–162 und zu Steiner bes. Kapitel III.1.2.3. 1087 Bei Steiner heißt es beispielsweise: »Eine historische Forderung ist der Sozialismus, er muß nur im richtigen Sinne verstanden werden. Eine historische Forderung ist die Demokratie, eine historische Forderung ist aber auch der Liberalismus, die Freiheit, der Individualismus, wenn auch diese letzte Forderung von der modernen Menschheit wenig bemerkt wird. Und die Menschheit wird nicht weiter mitreden können, ohne daß sie ihren sozialen Organismus im Sinne der Dreigliederung: des Sozialismus für das Wirtschasleben, der Demokratie für das Rechts- und Staatsleben, der Freiheit oder des Individualismus für das Geistesleben einrichtet.« (STEINER 1960, S. 16f.) 1088 S. STEINER 1920, S. 20. 1089 Zu den Diagrammen s. RAPPMANN 1993A und zur ›Dreigliederung‹ s. GRABER 1993. 1090 »Die Demokratie ist ja der Stamm des ganzen organischen Gebildes. Er hat aber rechts und links seine Zweige, Blüten und Bläer, also das Problem der Freiheit und das Problem [des] Sozialismus, bzw. das Problem der Kultur und das Problem der ökonomischen Abläufe. Da muß ja an den Begriff der Demokratie angegliedert werden.« (Joseph Beuys im Gespräch mit Rainer Rappmann für dessen Beitrag, ed. in: RAPPMANN 1984, S. 35.)

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Arbeit als verbindendes Element zugrunde; dieser Aspekt tri v. a. durch die Rezeption der Schrien Steiners durch den anthroposophischen Natur- und Sozialwissenschaler Wilhelm Schmundt (1898–1992) hinzu und drückt sich bei Beuys in den Bienen als Symbol für menschliche Arbeit und Revolution aus. Schmundt richtet sein Augenmerk auf das heutige Arbeitsleben, wobei dieses im Sinne der Arbeitsteilung als ein kollektiver Prozess verstanden wird; er kommt dabei zu grundlegenden und radikal neu gedachten Begriffssystemen.1091 Besonders der Wirtschas- und Kapitalbegriff generiert sich aus Schmundts Forschungen: In einer stets zirkulierenden Weise durchdringen sich Konsumenten- und Produktionsseite.1092 »Er [der Produzent, der ursprünglich Rezipient war] sieht, daß er durch die Transformation des traditionellen Kunstbegriffes etwas hergestellt hat, was sich also auf die menschliche Gesellscha bezieht. Er sieht, daß im erweiterten Kunstbegriff noch etwas anderes geschieht. Wenn sich der erweiterte Kunstbegriff nicht mehr auf die reduzierten Kulturbetriebe der kapitalistischen Systeme, sondern auf alle Menschen als Künstler bezieht (›jeder Mensch ist ein Künstler‹), geht der Begriff in der Arbeit auf. […] Jede Arbeit ist durch den Kunstbegriff gekennzeichnet. Der erweiterte Kunstbegriff ist gleichzeitig der ökonomiebegriff. Oder: Der ökonomiebegriff, die Arbeit, ist auch der Kunstbegriff, konkret DAS KAPITAL.«1093 Der universelle Anspruch Beuys’ zeigt sich auch in seinem ›Wissenschasbegriff‹ erneut, der sich – ähnlich wie bei Steiner – aus der Kritik an einem positivistischen Wissenschasbegriff herleitete und zu seinem ›Erweiterten Kunstbegriff‹ führte, welcher ganz auf den Menschen ausgerichtet ist.1094 Für Beuys ist Wissenscha daher »nicht eine fixierte Sache, sondern es gibt wohl starke Kräe in der Welt, die wollen den Wissenschasbe-

1091 S. Joseph Beuys im Vortrag am 23. März 1978 in Achberg, zit. nach AUSST.KAT. BEUyS.

DIE REVOLUTION SIND WIR 2008, S. 262 und BEUyS 1977, S. 127. 1092 S. RAPPMANN 1993B. 1093 BEUyS 1977, S. 127. 1094 »1958 und 1959 wurde die gesamte mir zur Verfügung stehende Literatur im natur-

wissenschalichen Bereich aufgearbeitet. Damals konkretisierte sich verschär ein neues Wissenschasverständnis in mir. Durch Recherchen und Analysen kam ich zu der Erkenntnis, daß die beiden Begriffe Kunst und Wissenscha in der Gedankenentwicklung des Abendlandes diametral entgegenstehen, daß aufgrund dieser Tatsache nach einer Auflösung dieser Polarisierung in der Anschauung gesucht werden muß und daß erweiterte Begriffe ausgebildet werden müssen.« (Joseph Beuys, zit. nach ADRIANI / KONNERTZ / THOMAS 1994, S. 44.)

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griff fixieren, zementieren. Aber, was jeweils Wissenscha ist, muß noch genau untersucht werden. […] Wir wollen doch nicht einfach sagen: Wir sind am Ende der Geschichte angekommen. Das heißt, es ist doch zu fragen, ob das exakte naturwissenschaliche Denken schon die Endform des Wissenschasbegriffes ist, ob das nicht nur eine Durchgangsform ist, eine Ausgangsform unter Umständen für die nächste Zukun.«1095 Sowohl bei Beuys als auch bei Steiner können die Materialien und ihre Konfigurationen im Sinne eines mystischen Verweissystems entschlüsselt werden: So ist der Kristall (ader, Stein), die Pflanze, das Tier und der Mensch ema zahlreicher Diagramme Beuys’ seit den 1960er Jahren, die meist die evolutionären Ideen mit Merkmalen seiner ›plastischen eorie‹ verbinden; der ader oder der Kristall steht für die Idee des Todes, der Verfestigung und des Intellekts, wohingegen die Pflanze das Leben verkörpert. Nach Rudolf Steiner sind »das Mineralische und Pflanzliche […] Ergebnisse der Vergangenheit«, wobei die Pflanze mit dem Astralischen in Zusammenhang gebracht wird und damit dem Menschen nähersteht.1096 In dieser Tradition versteht Beuys den Menschen als umgekehrte Pflanze, indem er seine Nahrung nicht aus der Erde, sondern aus den kosmischen Energien ziehe.1097 Die Materialien werden demnach nicht allein in haptisch-ästhetischer alität oder ikonografischer Funktion eingesetzt, sondern stehen stellvertretend für einen Kunstbegriff, der vom Menschen als Ästhetik ausgeht und damit sich an Goethes Ästhetikbegriff – wie er auch bereits von Steiner schon rezipiert wurde – anlehnt.1098 Ausgangspunkt all dieser Überlegungen, seien sie nun eher allgemeiner / globaler oder etwas konkreter / materieller, sind die von Steiner propagierten ›höheren Formen des Denkens‹, die – wie auch von Beuys gefordert – als Miler

1095 Joseph Beuys, zit. nach RAPPMANN 1984, S. 46. 1096 STEINER 1966, S. 189. 1097 Beuys verweist darauf im kollegialen Gespräch mit eo Altenberg (geb. 1952). So

zeigt auch ein Diagramm von Beuys ein Menschenwesen mit wurzelartigen Antennen nach oben und Armen, die die Sonnenenergie auf die Wurzeln der Pflanze richten; s. LOERS / WITZMANN 1993A, S. 239. Das menschliche Herz ist nicht die Pumpe, sondern ein Austauschorgan – also erneut vergleichbar mit Steiners Ansatz. 1098 S. LINDHOLM 2008, der konstatiert, »dass sich hinter dem Symbolischen und dem Allegorischen zwei unterschiedliche Typen der Erkenntnisgewinnung abzeichnen, die mit einem auf Gestaltung fußenden bzw. einem rationalistischen Denken konvergieren« (S. 32f.), wie es sich auch bei Beuys finde; s. auch Anm. 1041.

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zwischen Mensch und etwas Höherem fungieren; so werden für beide ›Imagination‹, ›Intuition‹ und ›Inspiration‹ zur Grundlage.1099 Hieraus lässt sich dann Beuys’ Ansatz des meditativen Mitvollzugs erklären, der nicht aus einer didaktisch, appellierenden Haltung heraus entsteht, sondern einzig aus dem im Menschen verankerten kreativen Potenzial. In Anlehnung an Steiner blickte Beuys ebenfalls auf die Natur und wollte das äußere Sichtbare in das innere Unsichtbare wandeln. So geht beispielsweise das Projekt 7000­Eichen weit über ökologische Ideen hinaus, indem es die Menschen als dries Glied zur Verwirklichung zwangsläufig benötigt; diese trügen – in der Tradition des anthroposophischen Denkens – die 7.000 Eichen in ihren Herzen.1100 ›Denken‹ und ›Freiheit‹ bilden also bei Beuys gleichermaßen den Ausgangspunkt aller Überlegungen wie bei Steiner, denn »im Denken liegt der Formvorgang gegründet« und, so Beuys weiter in seiner Rede anlässlich der documenta 6 (1977), »eine unfreie Kreativität kann nicht unmielbare Schöpfung von einem in und auf sich selbst beruhenden Anfangspunkt sein.«1101 Erst das ›Denken‹ bringt Ordnung in den wahrgenommenen Raum und strukturiert damit die Wahrnehmung in der Realität; das vom Willen geleitete ›Denken‹ – das meist unbewusst erfolgt – steht somit stets hinter der Wahrnehmung. So ist dieses ›Denken‹ bei Beuys vergleichbar mit der ›Intuition‹ der anthroposophischen Lehre. Es verwundert daher auch nicht, dass Beuys von dem Konzept der ›freien Schule‹, wie sie die Waldorfschule in seinen Augen darstellt, begeistert ist und dies gesamtgesellschalich übertragen wissen will.1102

1099 S. ZUMDIcK 1995, S. 43–67. 1100 S. Absatz zuvor. Steiners Worte lassen sich darauf anwenden: »In euch Kristallformen,

in euch Bergesgebilden, in euch sprießenden und sprossenden Pflanzen schaue ich die Denkmäler des einstmals Schaffenden, Lebenschaffenden, das ersterbend ist. Aber im Menschen selber – wenn wir in der richtigen Weise zu gliedern verstehen, dieses aus dem vorirdischen Dasein Hereinkraende und im physischen und ätherischen Leibe sich Ablähmende, Ersterbende – sehen wir den physischen und ätherischen Organismus durchsetzt von demjenigen durchsetzt, was in die Zukun hinüberleuchtet von dem astralischen und Ich-Wesen, was als gedanklich vorstellungsgemäßes Leben sich auf der Gleichgewichtslage der Naturwirkungen in freier Weise im Menschen entfaltet.« (STEINER 1966, S. 189f.) 1101 BEUyS 1977, S. 125. 1102 S. die entsprechenden Äußerungen bei RAPPMANN 1984, S. 37f.

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Ein künstlerischer Bezugspunkt Beuys’ im Hinblick auf seine theoretischen Ambitionen waren die Fluxisten, wie unschwer aus dem Untertitel Fluxus­Gesang der Aktion DER­CHEF­THE­CHIEF hervorgeht.1103 Beuys zählte sich selbst in der Zeit seiner frühesten Aktionen zu dieser ›Gruppierung‹, wandte sich allerdings sehr schnell wieder von den Fluxisten ab; die Unterschiede zeigen sich bereits mit der Aktion DER­CHEF: Typische Fluxus-Aktionen waren kurz, wohingegen Beuys die Zeitspanne teilweise ausdehnte unter gleichzeitiger Zunahme statischer Momente, sodass ein neues Zeit-Raum-Verhältnis entstand.1104 Mit derartigen meditativen Prozessen appelliert Beuys an das ausdauernde Mitgefühl seiner ›Besucher‹ und arbeitet nicht auf einen präzisen Höhepunkt hin, wie es bei den Fluxisten meist der Fall ist. Beuys zielt nie auf ein rein destruktives Element, sondern will durch Zerstörungen einen Neubeginn visualisieren. Während FluxusAktionen sich durch eine spontane und willkürliche Verwendung von Materialien auszeichnen, verwendet Beuys immer wieder die gleichen Materialien in einer höchst symbolischen Aufladung und verbindet sie mit autobiografischen, historischen und mystischen Bedeutungen.1105 Dementsprechend sind die Aktionen ohne den Künstler selbst nicht denkbar; anders als die Fluxisten ließen Beuys’ Aktionen nicht das Zurückziehen in Anonymität oder Austauschbarkeit des Aufführenden zu; er ›präsentiert‹ in seinen Aktionen sich selbst – in dieser Selbststilisierung sicherlich vergleichbar mit Wagner – und seine Idee einer die Gesellscha verändernden ›Sozialen Plastik‹. Die größte Differenz zwischen Beuys und den Fluxisten ist aber sicherlich in der Auffassung der Einheit von Kunst und

1103 Mit Beuys’ Beziehung zu Fluxus, besonders vor dessen ›Zusammenschluss‹, beschäf-

tigt sich aus biografischer Perspektive KOEPPLIN 1990. Ansonsten konzentriert sich die Forschungsliteratur bei Verweisen auf Fluxus meist auf Einzeluntersuchungen, d. h. die Kooperationen von Beuys und Paik oder einzelne Aktionen. Einen guten Überblick mit besonderer Berücksichtigung Beuys’ gibt ScHNEEDE 1994, S. 9–12 und mit Blick auf DER­CHEF S. 73f. Freilich müsste in diesem Zusammenhang auch die Einbeung in die deutsche Kunstszene beispielsweise mit Gerhard Richter (geb. 1932), Sigmar Polke (1941–2010) und Georg Baselitz (geb. 1938) genauer erfolgen, doch führen diese Vergleiche vom Untersuchungsgegenstand der vorliegenden Arbeit zu weit weg, es sei daher auf ROSENTHAL 2004 (S. 89–125) verwiesen. 1104 Raum und Zeit bilden die grundlegenden Gestaltungsfaktoren Beuys’; s. ScHNEEDE 1994, S. 12–16. 1105 S. Beuys’ Äußerungen zu diesem Aspekt im Kontext seiner Aktion Das­Schweigen­von Marcel­Duchamp­wird­überbewertet (1964) bei BLEyL 1993, S. 142f.

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Leben zu sehen, auch wenn Beuys selbst betont, dass »alle Fluxuskünstler verpflichtet [sind], einen Kunstbegriff zu entwickeln, der es jedermann ermöglicht, ein Gestaltender zu Werden.«1106 Während die Fluxisten versuchen, das Leben zum integralen Bestandteil der Kunst werden zu lassen und umgekehrt, löst Beuys die Grenzen vollständig auf;1107 eorie und Praxis bilden nicht länger zwei unvereinbare Pole. Trotz der Unterschiede sieht Beuys einen fortwährenden Einfluss von Fluxus ausgehen: »Was bleibt,« sagte er, »ist ihre [die Fluxusbewegung] provokative Aussage, und die ist nicht zu unterschätzen, denn sie spricht alle möglichen Kräe im Beschauer an, die über die irritierte Frage ›was soll’s?‹ hinausführen könnten, zu Zentren des heute o verdrängten Gefühls, zur Seele oder wie man diesen unterbewußten Brennpunkt auch immer benennen will.«1108 Sich der Provokation zum Hervorrufen / Umdenken zu bedienen, sieht demnach Beuys in den Fluxus-Aktionen vorbereitet und verortet sich dementsprechend hinsichtlich dieses Aspekts.1109 Auch hier schlägt er wieder den Bogen zu seiner ›Sozialen Plastik‹, wenn er sagt: »[D]ie einzig revolutionäre Kra ist die Kra der menschlichen Kreativität […] – die einzig revolutionäre Kra ist die Kunst.«1110

1106 Joseph Beuys im Gespräch mit Rainer Rappmann, 1975, ed. in: HARLAN / RAPPMANN /

ScHATA (1984), S. 10–25, hier S. 23. 1107 Beuys sah hier in Fluxus eine ›ästhetische Indifferenz‹, die er nicht teilte; s. DREHER

1991, S. 65. Genauso wenig ging es Beuys um ein ›Verwischen‹ der Grenzen zwischen Kunst und Leben, wie sie beispielsweise Vostell propagierte; s. Vostell im Gespräch, in: Das Kunstwerk, 2 (1971), S. 21f., hier S. 21, zit. nach ScHILLING 1978, S. 114. 1108 Joseph Beuys, zit. nach ADRIANI / KONNERTZ / THOMAS 1973, S. 55. 1109 »Es wird etwas provoziert, und provozieren heißt ja bekanntlich etwas hervorrufen. Es setzt Prozesse in Gang, und zwar Prozesse, die gerade eben auf das, was mir am wichtigsten ist, auf die Soziale­Kunst, ihre Auswirkungen haben. Aber belehrend kann meine Kunst am allerwenigsten sein, oder?« (BEUyS / ENDE 1989, S. 104.) 1110 Joseph Beuys, zit. nach ADRIANI / KONNERTZ / THOMAS 1973, S. 155.

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3.3 Von der Walküre zur Feecke: Joseph Beuys und das ›Gesamtkunstwerk‹ In seinem ersten Lebenslauf­–­Werklauf von 1961 zählte Beuys Wagner zu einem ›Wendepunkt‹, auch wenn er sich dann in späteren Lebensläufen wieder davon distanziert, so bekräigt er diese Position noch 1982 in einem Interview mit Antje von Graevenitz mit den Worten, dass er »100 mal mehr mit Wagner zu tun [habe], als bisher in der Literatur angenommen«.1111 Und zwei Jahre später beantwortet er ihre Frage, ob er Wagnerianer sei, folgendermaßen: »Ich bin es nicht! Ich habe selten an Wagner gedacht. Aber ich schätze seine Idee des Gesamtkunstwerks, obwohl diese später zu sehr sakralisiert und mythologisiert wurde. Ich schätze auch an Wagner, daß er sich anfangs für die Politik einsetzte. Er hat sich sogar mit ökonomischen Fragen beschäigt. Darum glaube ich, daß die Basisidee seines Gesamtkunstwerks anfangs eine ganz andere Stoßrichtung hae als später, als er merkte, was er alles aus Tönen hervorzaubern konnte, und er die alte Dimension des Gesamtkunstwerkes erst einmal wieder aus dem Bewußtsein verlor.«1112 Worauf sich Beuys also bezieht, ist nicht Wagners musikalisches Erbe im Sinne einer Hommage, sondern sein theoretisches Konzept. Beuys’ Werk kann – neben zahlreichen weiteren Interpretationsansätzen – auch als von Wagner-Symbolen durchzogen verstanden werden.1113 So präsentiert sich Beuys beispielsweise 1972 während der Aktion Vitus­agnus­castus in der Galerie Lucio Amelios (1931–94) in Neapel als eine Art Parsifal.1114 Über derartige konkrete Bezüge hinaus sind es jedoch v. a. Grundhaltungen, die Ähnlichkeiten erkennen lassen: Bei beiden steht der zu befreiende Mensch und seine Position in einer zu verändernden Gesellscha im Zentrum, wobei sowohl für Wagner als auch für Beuys die Selbstbestimmung der Individualität – abgeleitet aus dem Anarchismus des frühen 19. Jahrhunderts – einer der wichtigsten Ausgangspunkte ist.1115 Der Handlungsspielraum des freien Individuums, das in beiden

1111 Joseph Beuys 1981 im Gespräch mit Antje von Graevenitz, zit. nach GRAEVENITZ 1984,

S. 13. S. zur Erklärung der geführten Interviews GRAEVENITZ 1993, S. 287, Anm. 2. 1112 Ebd., S. 13. 1113 Zu Wagner-Zitaten im Werk Beuys’ z. B. GRAEVENITZ 1984, S. 16–20 und knapp VIScHER

1986, S. 84f. 1114 S. GRAEVENITZ 1984, S. 17. 1115 Sie stehen damit in einer langen Tradition, deren Wurzeln beispielsweise bei Pierre-

Joseph Proudhon (1809–65) und Max Stirner (1806–56) zu finden sind. Diese deuteten

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Fällen zum (co-)Produzenten des Kunstwerks, wenn auch mit unterschiedlichem Beteiligungsgrad, wird, darf bei Beuys nicht als Übernahme von Wagners Vorgehensweise verstanden werden, sondern eher als ein früher Weggenosse. Musik ist auch bei Beuys integraler Bestandteil und zugleich zentraler Gestaltungsfaktor hinsichtlich Zeitlichkeit und Beweglichkeit, allerdings kann ihm hier nicht die Rolle des Neuerers auf dem Gebiet zugesprochen werden, wie dies für Wagner zutri, sondern dies gilt für Beuys hinsichtlich des Kunstbegriffs. Durch Beuys’ Werk ziehen sich Materialien wie Leitmotive, da er sie (ähnlich wie Wagner) nutzt, um mythische Anspielungen und alchemistische Weisheiten in verschlüsselten Zeichen zu transportieren; die Interpretation dieser ist dabei wichtig, jedoch nicht immer eindeutig und auch teilweise in sich widersprüchlich. Diese leitmotivischen Materialien ziehen sich durch sein Werk, das sich als Erlösungskunst und Befreiungspolitik präsentiert. Sowohl bei Beuys als auch bei Wagner kann das aus Sicht der Avantgarde als anachronistisch verstanden werden; sie brechen also beide nicht mit der Tradition, sondern sehen in ihr etwas Verlorengegangenes, das es in eigener, neuer Sprache wiederherzustellen gilt.1116 Andererseits bleibt Beuys nicht – wie noch Wagner – beim Modellfall der Kunst zur Erreichung von Einsicht und Umkehr des Individuums stehen, sondern er zeigt v. a. drei Schrie zur ›Läuterung einer gereinigten Natur‹: Zunächst setzt er hier ebenfalls auf die Kunst, gefolgt von der Erziehung des Individuums und schließlich der Organisation (wie er sie z. B. in der Partei der Grünen als Fortsetzung seines begonnen Werks sieht). Beuys will mit seiner Idee der ›Reinigung‹ ein Zeitalter »im Sinne der Wahrheit« erreichen1117 und nicht an ein ›Zurück zur Natur‹ nach Jean-Jacques Rousseau (1712–78) oder ein ›Zurück in den Mythos der Natur‹ anknüpfen. Es ging Beuys demnach nicht um einen gewaltsamen Umbruch gesellschalicher, sondern eine langsame Unterwanderung der bestehenden Strukturen; so zeigen zahlreiche seiner Werke die im Rahmen des ›Gesamtkunstwerks‹ notwendige politische Komponente, hier durchaus gepaart mit einem (wie es für Fluxus typisch ist) apellierenden und provozierenden

die Schlagworte der Französischen Revolution ›Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit‹ so um, dass sie nicht mehr für die Volksmasse galten, sondern für die Masse der Individuen; s. zusammengefasst in Gegenüberstellung bei GRAEVENITZ 1984, S. 20–23. 1116 S. ebd., S. 48. 1117 Joseph Beuys im Gespräch mit Antje von Graevenitz, zit. nach GRAEVENITZ 1984, S. 34.

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Element.1118 Anders als Wagner oder auch Nitsch hält Beuys in seinen zu Aktionen angefertigten Skizzen nicht präzise Handlungsabläufe o. ä. fest, sondern er nutzt die fragilen Zeichnungen oder Diagramme als Gedankenstütze und als eine Art geistige Einübung.1119 Es ist der Versuch, der Kultur wieder einen verbindlichen, verpflichtenden charakter zu geben. So sehen sowohl Beuys als auch Wagner in der Kunst das Potenzial zur Veränderung, da sich in ihr ein schlüssiges und in sich abgerundetes Weltbild zeige, wie es in dieser Totalität weder die Kirche noch die aktuelle politische Lage umsetzen können. Beide lehnen die Kirche als Institution ab und bedienen sich eher religiös-mystischer Elemente.1120 Hierbei dürfen die Selbststilisierungen der Künstler nicht mit Blasphemie verwechselt werden:1121 Immer wieder wurde Beuys als messianischer Repräsentant eines vorgeblich grundsätzlichen Richtungswechsels in Kunst und Gesellscha verstanden, demgegenüber

1118 1967 gründete Beuys die Deutsche­Studentenpartei, 1970 die Initiative­Volksabstimmung

–­Organisation­für­Direkte­Demokratie und auf der documenta 5 1972 richtete er das Büro­für­Direkte­Demokratie ein. Solche vermielnde Ansätze zeigen sich dann besonders in der Initiierung der Freien­internationalen­Hochschule­für­Kreativität­und­interdisziplinäre­Forschung in Düsseldorf. All diese Aktivitäten verweisen, genauso wie seine künstlerischen Ambitionen, auf die Bildung der ›Sozialen Plastik‹. 1119 S. GEISENBERGER 1999, S. 146–151 und speziell zur Musik 152–164. 1120 Die Entwicklung des christentums beurteilt Beuys insgesamt negativ. So sieht er den Höhepunkt kollektivistischer Inspirationskultur im Mielalter und dann den stetigen Verlust an Einfluss – ausgelöst durch das immer bedeutender werdende wissenschaliche Denken; s. KAUFMANN 1988. Kreuze, die Beuys immer wieder in seinen Arbeiten verwendet (s. AUSST.KAT. KREUZ-ZEIcHEN 1985; BOJEScUL 1987, S. 29–38), stehen daher nicht nur für Tod und Auferstehung, sondern dienen auch als Symbol des Übergangs vom mythischen zum wissenschalichen Weltverständnis; s. ZUMDIcK 1995, S. 121f.; VIScHER 1991, S. 56–69. 1121 Im Zusammenhang mit der Austellung Der­Hang­zum­Gesamtkunstwerk (1983) in Zürich schuf Beuys ein Ensemble unter dem Titel Das­Kapital, in dem er u. a. den Besuchern die Füße wusch. Auf die spätere Frage, ob er damit an christi Stelle treten wollte, antwortete er, dass die Kirche nicht mehr die Vollmacht habe, für christus sprechen zu können. »Der Mensch ist eine Art Go. […] Die ganze Verantwortung hängt jetzt vom Mensch ab … Ich kann es auch gar nicht anders erwarten, wenn christus im Menschen lebt, das heißt, wenn er in ihn eingezogen ist, dann muß doch der Mensch eine Art christus sein […].« (Zit. nach ScHWEBEL 1980, S. 77f.)

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steht die Konstruktion dieser Projektion; entscheidender ist jedoch seine Rolle als impulsgebende Instanz im Zentrum seiner Aktionen. Beuys bediente neben diesem Bild v. a. die etablierten des Revolutionärs und Sozialdemokraten (besonders um 1972)1122 sowie des Schamanen; diese verschiedenen Rollenbilder zeigen sich immer wieder in seiner Kleidung und Sprache.1123 Die politische Ausrichtung von Beuys mit seinen linksliberalen Ansichten weichen freilich weit von den deutsch-nationalen Wagners ab. Kunst und Politik bilden bei Beuys eine Einheit, wohingegen Wagner noch die Kunst an die Stelle der Politik treten lassen wollte. Kirche und Politik werden demnach – genauso wie die Kunst – ihrer traditionellen Sphäre enthoben und erweitert. Dass nach dem Zweiten Weltkrieg die Wiederherstellung der harmonischen Ureinheit (zumindest für Beuys) nicht mehr im Bereich des eaters zu erreichen ist, zeigt seine eigene Aussage: »Etwas auf die Bühne zu stellen, heißt nur, eine Sache muß veröffentlicht werden. Sich hinter den Vorhang von den Menschen zurückzuziehen, hat keinen Zweck. Man muß sich wirklich exponieren, eine Art ständiges eater spielen. Es muß ein wirkliches eater sein im Sinne des Gesamtkunstwerkes. Gut, ich habe dann den Anfang gemacht, aber die anderen sollten es auch tun, und das ist ja bereits im Gange. Die Leute gehen auf die Straße und sprechen miteinander. Das ist erfreulich.«1124 Dementsprechend zeigt sich der ›Erweiterte Kunstbegriff‹ in räumlichplastischer, zeichnerisch-bildnerischer, gestischer, begrifflich-verbaler und akustisch-musikalischer Gestaltung der Aktionen, die ganz unterschiedlich ausfallen können. Das Ziel ist die Schaffung eines »große[n] gesamtgesellschaliche[n] Kunstwerk[s]«.1125 Transformation bildet somit auch bei Beuys den Kern seines künstlerischen Schaffens, denn: »Ich suche die Grenze zum Religiös-Spirituellen. Transformationen machen ist eine alchemistische, religiöse Bewegung. Ich sehe sie in der

1122 S. GROBLEWSKI / BÄTScHMANN 1993, darin bes. den Beitrag von GROBLEWSKI 1993, der sich

intensiv dem äußeren Erscheinungsbild zuwendet; s. außerdem die Untersuchungen von LANGE 1999 – zum ›warum‹ – und qUERMANN 2006 – zum ›wie‹ der mythischen Inszenierung. S. auch BLUME 2008, der sich mit der Form der Revolution bei Beuys beschäigt und diese (kunst-)historisch verortet. 1123 Vorbilder für diese Formen der Inszenierung finden sich im politischen Bereich; s. GROBLEWSKI 1993 und ausführlich qUERMANN 2006, S. 132–197. 1124 Joseph Beuys im Gespräch mit Antje von Graevenitz, zit. nach GRAEVENITZ 1984, S. 27. 1125 BEUyS / ENDE 1989, S. 33.

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Arbeit im Experimentieren, man könnte auch sagen: im industriellen Bereich, nämlich die Durchdringung von Arbeit mit der spirituellen Dimension. […] [L]ogisches Denken hat auch mit Intuition, Imagination und Inspiration zu tun. Es ist ein viel höherer charakter von Denken gemeint, der einen stärkeren Bildcharakter hat.«1126 Ausgangspunkt von Beuys’ Überlegungen zu einer auf freier Kreativität fußenden Gesellscha – ein utopisches Konzept, das auf der romantischen Verklärung eines als homogen angenommenen Volkes basiert – sind also Intuition, Imagination und Inspiration. Beuys war realistisch genug, dass die angedachte demokratische Revolution nur langsam Realität werden könne, also eher im Sinne einer Evolution verstanden werden müsse; beispielsweise hält er fest: »[D]ie Evolution der Kunst geht von der Moderne – also von der traditionellen Kunst, die Moderne rechne ich auch zur traditionellen Kunst – aus, geht in die anthropologische Kunst, und in diesem Felde entsteht die Soziale Kunst: das soziale Kunstwerk und die Gesellscha als Kunstwerk, als Utopie, die Gesellscha als das höchste Kunstwerk, was sogar über die Einzelkunstwerke hinausreichen soll. Das ›Gesamtkunstwerk‹ könnte man es auch nennen. Das ist nur machbar mit der Beteiligung aller. Und aus diesem Grunde ist der Begriff auch so bezeichnet, als ein ›Erweiterter­Kunstbegriff‹. Es ist also nicht der Kunstbegriff von eh und je, für den sicher die Werte, die Sie genannt haben, durchaus gelten, sondern es ist der Erweiterte Kunstbegriff gemeint, der die Soziale Kunst als neue Disziplin aus sich entlässt.«1127 Es zeigt sich somit nicht nur an der mehrfachen Verwendung des Begriffes ›Gesamtkunstwerk‹ – teilweise auch in direkter Verbindung mit Wagner –, sondern auch am reflektierten Aufgreifen, dass es sich hierbei sowohl um eine künstlerische Einheit als auch eine soziokulturelle Dimension handelt. Damit steht Beuys mit seinem Konzept der ›Sozialen Plastik‹ in der Tradition des ›Gesamtkunstwerks‹, zeigt aber zugleich – wie auch die Bezeichnung schon erahnen lässt –, dass sich der Schwerpunkt auf das soziale Moment verschoben hat. So ist die Einheit der künstlerischen Diziplinen nicht mehr die Herausforderung – hier wurden die Grenzen im Rahmen der Performance-Art bereits derart geweitet –, sondern die Frage, wie man den ›Erweiterten Kunstbegriff‹ in das Leben integriert, bzw. dass dieser darin aufgeht, Kunst und Leben also eine Einheit bilden.

1126 Joseph Beuys im Gespräch mit Antje von Graevenitz, zit. nach GRAEVENITZ 1984, S. 34f. 1127 BEUyS / ENDE 1989, S. 21.

V

Demokratie und Anarchie Ein Ausblick mit Christoph Schlingensief und Jonathan Meese

Auch heute lassen sich Versuche einer Realisierung des ›Gesamtkunstwerks‹ in Anlehnung an Wagner finden. Die wohl prominentesten Künstler der letzten Jahre sind der deutsche eatermacher christoph Schlingensief (1960–2010) und der deutsche Maler und Performance-Künstler Jonathan Meese (geb. 1970). Beide berufen sich ausdrücklich bei ihren Großprojekten auf Wagner und inszenierten Wagners Parsifal in Bayreuth bzw. waren dafür angedacht – Schlingensief 2004 und Meese 2016. Dabei verfolgen sie jedoch ganz unterschiedliche Vorgehensweisen, die sich zwischen demokratischen und anarchistischen Idealen bewegen. christoph Schlingensiefs Rekurse auf Wagner sind genauso offensichtlich und omnipräsent wie die auf Joseph Beuys:1128 Titel wie z. B. der einer seiner

1128 Zu Schlingensief gibt es neben zahlreichen Zeitungsartikeln und einschlägigen, teils

von ihm mit herausgegebenen und gestaltenen Publikationen v. a. zu seinen einzelnen Werken (z. B. ScHLINGENSIEF / HEGEMANN 1998) auch Sekundärliteratur, die sich über eine Bandbreite von fanartigen Schrien bis zu wissenschalichen Untersuchungen erstreckt: Eine der ersten Beschäigungen mit Schlingensief ist die von LOcHTE / ScHULZ 1998 herausgegebene Publikation zum eater des Künstlers. Einen ähnlichen Weg (diesmal mit Fokus auf den Filmen) beschreitet auch GILLES 2009 ohne jeglichen wissenschalichen Apparat, überwiegend auf Gesprächen mit Schlingensief basierend. Einen Eindruck von Leben und Werk des Künstlers gibt seine Homepage hp://www.schlingensief.com und besonders die ambitionierte Publikation von JANKE / KOVAcS 2011. Die hierin versammelten Aufsätze wenden sich einzelnen Werken Schlingensiefs unter verschiedenen Fragestellungen zu, welche versprechen, in einer

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frühesten Kunstaktionen Mein­Filz,­mein­Fe,­mein­Hase auf der documenta 10 in Kassel 19971129 veranschaulichen dies genauso wie seine legendär gewordene Parsifal-Inszenierung 2004 in Bayreuth1130 oder seine diversen Äußerungen besonders im Zusammenhang mit seinem seit 2010 im Auau befindlichen Projekt des

Art Puzzle Schlingensief als ›Gesamtkünstler‹ zu beleuchten. Interessant hierin ist besonders SEESSLENs 2011 (S. 76) Aussage, dass man im Zusammenhang mit Schlingensief nicht von ›Gesamtkunstwerk‹ sprechen dürfe, »denn es geht eben gerade nicht um die Besetzung künstlerischer und sozialer Räume, auch nicht um die Errichtung einer Kunst-Welt rings um eine Künstler-Persönlichkeit und schon gar nicht darum, die Kunst zur Ersatzreligion zu machen. Es geht vielmehr darum, dass eine künstlerische Person verschiedene Räume der Kunst und der Gesellscha durchwandert, sie verändert, sie aber auch wieder verlassen kann.« Diese Feststellung ist mit Blick auf Wagners Konzept zwar haltbar, vernachlässigt jedoch vollkommen die Weiterentwicklung des ›Gesamtkunstwerks‹. Dem geht beispielsweise BROcK 2013 nach und hebt dabei besonders die politischen Motivationen Schlingensiefs hervor; dem widmet sich etwas differenzierter und wissenschalicher auch SEITHE 2014. Der Verortung Schlingensiefs im Bereich des eaters wendet sich aus wissenschalicher Perspektive PILZ 2007 zu, der Schlingensiefs Arbeiten im Bereich des politisch motivierten eaters (im Gegensatz zu einem echten politischen eater wie z. B. von Volker Lösch [geb. 1963]) platziert (S. 57). Darüber hinaus ist besonders das Buch von MÜHLEMANN 2011 hinsichtlich Schlingensiefs Auseinandersetzung mit Joseph Beuys von Interesse, s. hier auch die Darlegung des Forschungsstands zu Schlingensief S. 15–21. 1129 Während der Aktion wurde er von der Polizei verhaet, da er ein Schild mit der Aufschri »Tötet Helmut Kohl« verwendete und dazu aufforderte, den FDP-Politiker Jürgen Möllemann (1945–2003) umzubringen; s. THOMPSON 2002. 1130 Die Bayreuther Aufführung 2004 von Schlingensief muss als Wendepunkt in der Interpretation des Parsifal verstanden werden: Bewusst grei er Wagners Religion als Religion und damit in ihrer gnostischen Variante auf. So ist sein Schluss nicht ohne eine religiöse Eschatologie denkbar und kulminiert damit im Schlussbild mit einem im Todeskampf zuckenden, schon verwesenden Hasen, der zugleich als Auferstehungssymbol gelesen werden darf. Die Botscha ist eindeutig: »Das Leben ist endlich, und der lebensgierige Drang des Lebens ist die ewige Wunde.« (STEINAcKER 2008, S. 132.) Und BRÜNING 2007 schrieb noch 2007 in der FAZ: »Doch hat sich Schlingensief auf der rotierenden Drehbühne aus Nomadenbauten und multifunktionalen Kinoleinwänden ein [e]insteinsches Raum-Zeit-Kontinuum geschaffen, darin Tod, Auferstehung und Wiedergeburt zu einem Mirakel zusammenfallen. Vielleicht kam bisher kein ›Parsifal‹-Regisseur dem Raum-Zeit-Gefüge der [w]agnerschen Musik näher als Schlingensief. Es gibt keine linear zu erzählende Geschichte mehr in diesem ›Parsifal‹, alles geschieht simultan.«

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Operndorfs­Afrika (ursprünglich Fest­spielhaus­Afrika) in Burkina Faso (Abb. 77).1131 Aktionen wie die 1998 gegründete Partei Chance­2000,1132 bei der er mit dem Wahlslogan »Scheitern als chance!« in den Bundestagswahlkampf zog, zeigen den Versuch, die Grenzen zwischen Kunst und Politik einzureißen1133 und damit ähnliche Ambitionen, wie sie rund 150 Jahre zuvor bereits Wagner in seinem ›Gesamtkunstwerk‹ forderte. Wenn Schlingensief den Körper in das politische Bewusstsein erhebt, indem er sein soziales Engagement durch physische Aktionen in einen Bereich außerhalb des eaterraums verlagert, dann kann nicht mehr zwischen Kunst und Wirklichkeit unterschieden werden. Durch die eatralisierung nicht-ästhetischer Felder – z. B. Politik, Wirtscha und Medien – kann er deren verschleierte Praktiken und Regeln mit Hilfe einer auf Subversion durch forcierte Affirmation, Selbstwiderspruch und Selbstprovokation basierenden Ausdrucksform freilegen und offen kritisieren;1134 mit einem solchen Vorgehen knüp er an die aufgezeigten Traditionen im eaterbereich, der Performance-Art, aber auch der Avantgarde an.1135 Derartige Ansätze, besonders noch um ein soziales Moment erweitert, zeigen sich im Operndorf­Afrika:1136 Als Ort kultureller Begegnungen sollen auf einem 14 Hektar großen Gelände neben einem Festspielhaus auch eine Schule und ein Krankenhaus entstehen sowie entsprechende Lebensraum für die Menschen. Die Grundsteinlegung erfolgte kurz vor dem Tod des Künstlers im Frühjahr 2010. Das Projekt soll in drei Bauphasen voranschreiten: Die erste, bereits abgeschlossene Phase beinhaltete die Errichtung der Schule, des Tonstudios (für die Musikklasse), der Kantine und Lehrerwohnhäuser, also der für die Ausbildung notwendigen Bauten, sowie Funktionsmodule – wie ein Baustellenbüro, Werkstäen, Büros und Lager für die Baustoffe. Diesem im September 2011 an das öffentliche Strom- und Wassernetz angeschlossenen und damit in Betrieb genommenen Teil folgte die zweite, bisher noch nicht abgeschlossene Bauphase mit dem Bau einer Krankenstation (mit Solaranlage zur eigenen Energieproduktion), einem Fußballplatz und Kinderspielplatz sowie Wohnmodulen für Personal und einem Schulerweiterungsbau. Die drie

1131 Zum aktuellen Stand des Operndorfs s. die Homepage hp://www.operndorf-afrika.

com/fokus/die-architektur-des-operndorf-afrika/ (letzter Abruf am 13.11.2017). 1132 S. das in dem Zusammenhang herausgegebene Buch ScHLINGENSIEF / HEGEMANN 1998. 1133 S. ScHöSSLER 2006, S 282f. 1134 S. GILcHER-HOLTEy / KRAUS / ScHöSSLER 2006, S. 18. 1135 S. ScHöSSLER 2006, S. 270–292. 1136 S. hierzu die eingerichtete Homepage hp://www.operndorf-afrika.com.

346 | Vision ›Gesamtkunstwerk‹

Abb. 77: Christoph Schlingensief, Operndorf Afrika, Modell der Gesamtanlage, 2010; Foto von Hans-Georg Gaul (2012)

Bauphase soll sich dann dem Festspielhaus widmen, das die zentrale, erhöhte Position wie in Bayreuth, Dresden-Hellerau oder auch Dornach einnehmen soll. Es ist als multifunktionales Gebäude konzipiert, welches als Versammlungsort, Kunstraum, Marktplatz oder Schulaula dienen kann und damit Kunst und Leben vereint. Sofern dieses Projekt fertiggestellt wird, könnte es also zur Sensibilisierung der unterschiedlichen Kulturen anregen – einen Austausch fördert es bereits – und der kollektive Schaffensprozess aller am Bau Beteiligten beginnen. So ambitioniert derartige Überlegungen auch sind, sie gehen vermutlich nicht über die je abgesteckten Gruppierungen hinaus und entfalten nicht die gewünschte umfassende, reformerische Wirkung, sodass die Realisierung des Konzepts ›Gesamtkunstwerk‹ wohl auch hier Vision bleiben wird. Interessant bleibt jedoch an diesem Projekt, dass es nicht mehr das ›Bühnenweihfestspiel‹ einer postsäkularen westlichen Gesellscha, die die Bedeutung von Zeremonien nicht mehr nachvollziehen kann, sein, sondern ein Ort für ausgelassene Feste, inspiriert durch brasilianische und afrikanische Gemeinschasbildungen werden soll. Somit soll das ›Gesamtkunstwerk‹ wieder direkt emotional auf den Zuschauer wirken und ihn zu einem intensiven körperlichen Ereignis animieren.1137

1137 S. SEITHE 2014, S. 102–109.

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Im Gegensatz zu Schlingensiefs demokratisch-liberalem Ansatz proklamiert Jonathan Meese mit seiner ›Diktatur der Kunst‹ eine anarchistische Form der Machthabe von Kunst.1138 In seinen unzähligen Manifesten, regelmäßig auf Hitler, Wagner und Nietzsche verweisend, bedient er sich in seinem ganz eigenen Sprachduktus immer wieder der Provokation als wesentliches Element zum Transport seines Weltbilds. Dementsprechend gestaltet er auch seine Werke: Es entstanden zahlreiche Gemälde, Skulpturen, installative Arbeiten und kleinere Aktionen, die, so behauptet er, v. a. den Gedanken der jedem Menschen inhärenten Kreativität ausdrücken. 2004 kommt er dann auf Empfehlung Schlingensiefs an die Berliner Volksbühne, deren Intendant Frank castorf (geb. 1951) ihn einlud, das Bühnenbild für seine Aufführung von Pitigrillis (1893–1975) Roman Kokain zu gestalten. Es folgte mit Mama­Johnny in den Hamburger Deichtorhallen 2006 die erste umfassende Werkschau, die den Eindruck erweckt, er habe ein umfassendes Weltbild entworfen: In diversen Fotocollagen, Schrien, Skulpturen und Videos setzt sich Meese mit der Tyrannei des Staates künstlerisch auseinander. Ähnlich ging auch die 2009 im Arp Museum Bahnhof Rolandseck in Remagen inszenierte Ausstellung Erzstaat­ Atlantisis (Abb. 78) vor:1139 Hier wurden die Werke Meeses mit Arbeiten von Beuys zum ema ›Atlantis‹ in Dialog gestellt und damit eine Traditionslinie suggeriert, die der Künstler zwar nicht nennt, deren intendierte Andeutung aber nur schwer von der Hand zu weisen ist.1140 Zur Ausstellungs-eröffnung gab Meese eine Performance, bei der er uniformiert, in einem Militärjeep sitzend und von der Marschmusik einer Blaskapelle begleitet

1138 ›Diktatur der Kunst‹ ist nicht nur die Bezeichnung für sein künstlerisches Weltbild,

sondern auch der Titel seines milerweile in mehreren Auflagen erschienenen Künstlerbuchs, das verschiedene Manifeste vereint und damit seine Kerngedanken transportiert; s.  MEESE 2011. Zu Meese gibt es eigentlich noch keinen nennenswerten Forschungsstand: Neben zahlreichen Zeitungsartikeln versuchen ein paar wenige Aufsätze einzelne Aspekte zu greifen, stammen jedoch zugleich aus dem Umfeld des Künstlers (z. B. FALcKENBERG 2007, S. 317–343). Darüber hinaus wurden die Ausstellungen von Katalogen begleitet, die jedoch in der Regel recht bildgewaltig aureten und weniger auf eine wissenschaliche Vermilung zielen, beispielsweise AUSST.KAT. JONATHAN MEESE 2009. Seiner Hompage (hp://www.jonathan meese.com) können zudem Informationen zu aktuellen und jüngsten Veranstaltungen (unter Abbildung der entsprechenden Manifeste) entnommen werden. 1139 S. AUSST.KAT. JONATHAN MEESE 2009. 1140 Im persönlichen Gespräch im Juni 2010 dementierte Meese zwar eine derartige Verbindung, konnte aber auch keine Gegenargumente liefern.

348 | Vision ›Gesamtkunstwerk‹

auf einer Fähre mehrmals den Rhein überquerte, um dann unter Verkündung seiner Parolen aus dem Kontext der ›Dikatur der Kunst‹ mit Presseund Medienvertretern in das Museum zu ziehen. Die entsprechenden Requisiten und Gesten wie das Eiserne Kreuz und der Hitlergruß kamen dabei wieder zum Einsatz. Zur Inszenierung des Parsifal in Bayreuth 2016 kam es nicht. Im Vorfeld entbrannte eine große Diskussion und die Vermutungen wurden laut, dass Meese sich wieder seiner typischen Gesten und Symbole aus dem nationalsozialistischen Kontext bedienen werde; 2014 trennte sich die Abb. 78: Jonathan Meese, Performance zur Bayreuther Festspielleitung (angeblich) Ausstellungseröffnung von Erzstaat Atlanti- aus finanziellen Gründen von Meese.1141 sis im Arp Museum Bahnhof Rolandseck in Meeses Form der Provokation baut Remagen, 2009; o. A. nicht nur auf Überraschungs- und Schockmomente, sondern maßgeblich auf den entkontextualisierten und entfremdeten Umgang mit (Ur-)Mythen, Heldensagen und der Weltgeschichte. Die entsprechenden Verweise nennt Meese sowohl in seinen Aktionen als auch in seinen Texten durch sein Vokabular wie ›Erz-Wagner‹, ›Totalzukun‹, ›Totalmetabolismus‹ etc. und will damit seine Idee der ›Diktatur der Kunst‹ vermieln. In dieser geht es ihm, wie er selbst behauptet, »um die liebevollste Herrscha einer Sache wie Liebe, Demut und Respekt, zusammengefasst und gipfelnd in der Herrscha der Kunst. In der Allmacht der Kunst geht es nicht um das Machtgehabe des Künstlermenschen oder um die Machtfantasien von Selbstverwirklichern und Realitätsfanatisten, sondern um die antinostalgische, alternativlose Macht der Kunst, also der Sache. Kunst stellt

1141 Ein ausführliches Interview mit Meese zu seinen Parsifal-Plänen sowie den Bruch mit

Bayreuth s. hps://www.welt.de/kultur/buehne-konzert/article134660626/Die-Gralsrierdas-sind-ja-Penner.html (letzter Abruf am 08.11.2017).

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die Machtfrage, nicht der Künstler.«1142 Er formuliert hiermit also wieder einen elitären Anspruch der Kunst, der jedoch teilweise im Gegensatz zu seinen Äußerungen hinsichtlich einer gesamtheitlichen Einflussnahme und seiner eigenen Inszenierung steht. So bildet er in seinen Werken als (messianische) Person immer den Mielpunkt und stilisiert sich selbst zum Kunstwerk; die Aktionen können demnach nicht ohne ihn stafinden – dies entspricht zwar der Haltung der Künstler im Kontext des ›Gesamtkunstwerks‹, doch verstanden diese sich selbst nie als Material, sondern vielmehr als Heilsbringer (allerdings will Meese auch diese Facee bedienen). Seine theatralischen Aurie versucht er gleichzeitig zu revidieren, indem der sich als ›Ameise der Kunst‹ bezeichnet und behauptet: »Es geht nicht um Jonathan Meese, sondern es geht um die Sache, und ich glaube ja, dass die sich an mir abspielt.«1143 Angeblich also frei von politischen Aussagen, entwickelt Meese ein Kunstsystem, das letztlich die Grenzen zwischen Kunst und Politik oder Kunst und Religion zu überwinden sucht und damit wieder ein ganzheitliches Konzept anbietet, allerdings im Augenblick noch voller Widersprüche ist – vielleicht ist aber auch das Strategie. Fest steht jedenfalls, dass Meeses Form des ›Gesamtkunstwerks‹ derzeit nur im Bereich der Kunst möglich ist, da ihm andernfalls rechtliche Schwierigkeiten drohen. Während also Schlingensief in seiner demokratisch-liberalen Haltung alle Menschen aktiv in den Produktionsprozess einbinden will, d. h. eher explikativ und strukturell die Bildung einer Gemeinscha angeht, dient die Provokation bei Meese dem Appell an das Individuum, das sich erst auf der Grundlage eines anarchistischen Verständnisses, also ohne jegliche Formen der Unterdrückung von Freiheit, im Kollektiv zusammenschließen könnte.



Bereits diese beiden hier nur ausblickha behandelten Gegenwartskünstler zeigen die Bandbreite und zugleich Aktualität des Konzepts ›Gesamtkunstwerk‹. Gewissermaßen schließt sich hier auch wieder der Kreis: Mit Meese landet man

1142 Jonathan Meese in einer Mail an Barbara Basting, zit. nach BASTING 2008. 1143 Jonathan Meese im Gespräch mit Tina Petersen und Angelika Leu-Barthel, 21.3.2005,

zit. nach PETERSEN / LEU-BARTHEL 2006, S. 8.

350 | Vision ›Gesamtkunstwerk‹

wieder auf der Bayreuther Bühne, wo alles begann, und mit Schlingensief in einem weiteren Kulturkreis mit lebensumfassenden und alltäglichen Motivationen. Hier wird sichtbar, was das Konzept ›Gesamtkunstwerk‹ in den vergangenen 150 Jahren durchlief: Es zeigt sich eine Schwerpunktverschiebung von der anfangs schwer zu erreichenden Interdisziplinarität hin zum kollektiven Schaffensprozess. Angelegt war diese Zweipoligkeit von ästhetischer Einheit und soziokultureller Revolution bereits bei Richard Wagner. Schon ihm ging es darum, über ekstatische Wahrnehmungen eine gezielte Erregung von Affekten auszulösen und damit eine Rezeptionshaltung zu evozieren, die nicht auf kritischer Distanz basiert, sondern ein mimetisches Vermögen aktiviert und damit Kommunikation herbeiführt. Mit dieser Einschreibung eines transformierenden Potenzials kommt der Kunst eine politische Macht zu. Es handelt sich bei dem ›Gesamtkunstwerk‹ also nicht um ein kunsttheoretisches, sondern vielmehr ein gesellschalich-utopisches Konzept. So verwundern die an (christliche) Initiationsriten erinnernden ritualisierten Fest(spiel)e nicht, genauso wenig wie das Aureten der Künstler als säkulare Heilsbringer einer Weltanschauung, wie sie allen hier vorgestellten Beispielen eigen ist. Die ästhetische Komponente des ›Gesamtkunstwerks‹ zielt schon bei Wagner v. a. auf den Produktionsvorgang: Die Auebung der Autonomie aller Kunstarten ist Miel zum Zweck der Schaffung des (neuen) ›Kunstwerks der Zukun‹, wohingegen die als politische Seite des ›Gesamtkunstwerks‹ bezeichnete Ebene schwerpunktmäßig die Rezeptionsdimension anspricht: Durch die ästhetische Stimulation soll der Betrachter zu Kontemplation und Entrückung eingeladen werden und wird dadurch zum koproduktiven Faktor des theatralen Geschehens.1144 Die intendierte Rezeptionshaltung mit der Konzentration des Betrachters auf das ästhetische Geschehen einerseits und der Stimulation und Transformation der Gemeinscha andererseits ist zweipolig angelegt, jedoch zugleich zeitlich nur auf das Festspiel begrenzt. Nur für den Zeitraum des ›Eintauchens in den gehei-

1144 »Die latente Esoterik, die auf diese Weise dem Festspielgedanken innewohnt, soll an-

dererseits durch demokratische Tendenzen aufgefangen werden.« (FRIEDRIcH 1996, S. 203.) Im Gegensatz zu einer derart aktiven Position des Publikums steht die passive Haltung des Zuschauers (im eigentlichen Sinn des Wortes) in der Oper. Hier zeigt sich kein Kommunikationsprozess während der theatralen Interaktion, sodass auch keine Selbstrefelekxion aller Beteiligten ausgelöst wird. Daher sind Reinszenierungen von Wagners ›Musikdramen‹ oder andere Opernaufführung für die vorliegende Arbeit nicht relevant.

Demokratie und Anarchie | 351

ligten Bezirk der Kunst‹ (durchaus in Bayreuth auch architektonisch zu verstehen) findet eine bewusste Entfernung von der Alltagswelt mit ihren Zwängen sta. Das Einswerden von Betrachter und Betrachtetem im Akt des theatralen Festspiels lässt sich daher als Ausgangspunkt für Wagners Überlegungen zur Transformation der Gesellscha durch Kunst bestimmen, wie sie im ›Gesamtkunstwerk‹ gefordert wird; aufgrund dieses spezifischen transitorischen charakters sind ›Gesamtkunstwerks‹-Konzeptionen folglich immer wieder im Bereich theatraler Formen zu lokalisieren. Während Wagner noch auf eine Parallelisierung der künstlerischen Disziplinen zielt, gehen Adolphe Appia und Edward Gordon craig mit ihren Bestrebungen einer Verschmelzung im Bereich des eaters einen entscheidenden Schri weiter: Sie fordern, dass die reduzierte, dreidimensionale Bühne genauso wie Schauspieler, Beleuchtung, Bewegung etc. bearbeitet werden muss, da erst in der Harmonie der verschiedenen szenischen Ausdrucksmiel das Potenzial liege, über die Kunst hinaus transformierend auf das Publikum zu wirken. Der Kern dieses Gedankens darf, gerade bei Appia, auf Wagners Idee des ›Gesamtkunstwerks‹ zurückgeführt werden, geht aber zugleich darüber hinaus, indem Appia den Darsteller in den Mielpunkt all seiner Überlegungen stellt – wohingegen craig diesen entemotionalisiert in den Hintergrund treten lässt. Beide erheben das Licht als immaterielles Medium zum bildenden Material; in Kombination mit den architektonischen Bühnenelementen ersetzt es die herkömmliche Malerei im eater und wird plastisch bildend tätig. Damit legen beide Künstler den Grundstein für eine eaterreform um 1900, wie sie in den synästhetischen Bestrebungen, den neuen eaterräumen und Bewegungsformen vorrangig der 1910er und 1920er Jahre zu finden ist. Im Zuge des kulturellen Umbruchs um die Jahrhundertwende zeigten sich in den theoretischen und weltanschaulichen Ansätzen sowohl Unterschiede als auch Gemeinsamkeiten. Angetrieben durch soziale und kulturelle Differenzierung, Spezialisierung des Wissens sowie Rationalisierung und Arbeitsteilung ersannen die Lebensreformer reformerische Ansätze in allen künstlerischen Disziplinen. Im künstlerischen Kontext steht immer wieder die Frage nach Affizierung des Betrachters oder Besuchers im Zentrum. Gerade im Bereich des eaters um 1900 finden sich Überlegungen zur Stimulation und Animation, wie beispielsweise in

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Max Reinhardts Idee eines ›völkischen eaters‹.1145 Dem eaterraum kommt dabei als modernem Festhaus eine konstituierende Funktion zu, da es Kirche und Volkshaus im kultischen Gedanken integrieren soll. Die Architektur realisiert das ersehnte kollektive Kunstwerk auf entsprechende Weise, im Idealfall als Versammlungsort, religiöse Weihestäe, eater und Denkmal; sie erst ermöglicht ein gelenktes Raumerlebnis, das die gemeinschaliche Erhebung über den Alltag und die Katharsis herbeiführen kann. Die Verschmelzung von Zuschauer- und Bühnenraum sowie eine moderne Bühnentechnik wurde dazu immer wieder gefordert und teilweise realisiert: Heinrich Tessenows Bau in Dresden-Hellerau (1911) ist hier eines der konsequentesten Beispiele, wohingegen der Umbau des Jenaer eaters (1921) unter Walter Gropius noch bei dem traditionellen Prinzip der Guckkastenbühne bleibt und erst die Studiobühne im Dessauer Bauhaus (1925) erste Schrie in die Richtung geht; in Dornach verhält es sich umgekehrt, denn der ältere Goetheanumsbau (1913–20) weist die innovativere Raumlösung als der zweite (1923–28) auf. Ähnliche Ambitionen finden sich auch im Tanz der Jahrhundertwende, der mit seiner Lösung vom klassischen Balle und der ›Befreiung des Körpers‹ nicht nur neue Formensprachen zeigt, sondern auf eine neue Lebenshaltung und ein neues Körpergefühl verweist. Während Émile Jaques-Dalcroze die Grundlage für die bis heute praktizierte Rhythmische Gymnastik legte, fanden Labans Methoden Einzug in tanztherapeutische Arbeiten, wie sie beispielsweise von seiner Schülerin Suzanne Perroet (1889–1984) in Zürich an Patienten von c. G. Jung praktiziert wurden;1146 Mary Wigman wiederum ebnete mit ihrem Ausdruckstanz den Weg für das moderne Tanztheater. Zeitgleich entwickelte auch Rudolf Steiner seine Eurythmie, die bis heute in den Waldorfschulen praktiziert wird. Der Ausgangspunkt fällt dabei je anders aus und reicht von einer Musikvisualisierung über textliche Darstellungen hin zur Offenbarung des inneren Empfindens. Dementsprechend divergent sind auch die Ausdrucksformen: Dalcroze’ Inszenierungen mit seinen ›Stimmungsbildern‹ sind noch am ehesten dem Jugendstil verpflichtet. Für Laban ist Tanz eine organisch gewachsene Kunst, in der die Körper-

1145 Reinhardts Ideen fanden 1910 in der Gründung des ›Vereins Münchner Volks-Fest-

spiele‹ Fortsetzung; s. BRAUNEcK 1982, S. 76. In Berlin wurde ein Jahr später die ›Deutsche Volksfestspiel-Gesellscha‹ ins Leben gerufen, die im ganzen Reich eaterfestspiele einrichten wollte. 1146 Angabe nach MÜLLER 1986, S. 35.

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bewegung auf die Ebene kristalliner Ordnung transformiert wird und damit selbst zum ästhetischen Bewegungsausdruck wird. Wigmans Tanz gilt schließlich als die Personifizierung der neuen Tanzästhetik des Expressionismus, in dem die Experimente zur dynamischen alität der Körperbewegung sowie die eigenräumlichen Gestaltungsmöglichkeiten am deutlichsten werden.1147 Die Erfassung der verschiedenen ästhetischen Standorte sollte im Juni 1927 auf dem Tänzerkongress in Magdeburg erfolgen,1148 dem im Jahr darauf in Essen ein richtungsweisendes Treffen folgte. 1928 stand im Zentrum der Podiumsdiskussionen, Vorträge und Darbietungen immer wieder die Frage nach der Stellung des freien Tanzes im eaterbetrieb, die besonders Wigman mit Nachdruck stellte: Sie machte sich stark für die Unantastbarkeit des Tanzes und trat damit in Opposition zu ihrem Lehrer, Laban, dessen Ambitionen einer gesamtheitlichen Körperbildung auch Laien miteinbezog und somit die Grenzen zwischen Darbietenden und Publikum auob.1149 Die daraus entstandene sog. ›chorische Bewegung‹ greifen die Nationalsozialisten auf und verstehen sie als gemeinschalichen Zusammenschluss und körperliche Ertüchtigung im Sinne der Ideologie. Solch eine massenmediale Rezeption, die sich in rituellen Zeremonien zeigen kann, gepaart mit dynamischen Ausdrucksformen, ist auch ein Anliegen von Alexander Skrjabin, Arnold Schönberg und Wassily Kandinsky. Ob es der v. a. von Skrjabin angestrebte ekstatische Rausch, Schönbergs Stimulation der Sinne oder Kandinskys ›Seelenvibrationen‹ gescha häen, die gewünschte Katharsis zu

1147 S. HUScHKA 2002, S. 74, 177. 1148 Der Tänzerkongress 1927 wurde von Laban einberufen und hae die Vereinigung der

bis dahin in Konkurrenz stehenden Organisationen, der ›Deutsche chorsänger- und Tänzerbund e. V.‹ und die ›Deutsche Tanzgemeinscha e. V.‹ zum Ziel. Auf diese Weise sollten die Interessen des Tanzes nach außen durch eine gewerkschaliche Struktur vertreten werden. Alle federführenden Personen kamen, darunter auch Oskar Schlemmer, der seine Masken und Figurinen sowie ein Modell des Triadischen­Balles (s. ab S. 198) vorführte. Nur Wigman war nicht da, weil sie Laban bevorteilt sah; hier kündigte sich bereits der ein Jahr später dann offen ausgetragene Konflikt zwischen den beiden an (s. weiter unten und Anm. 1149). Darüber hinaus wurde am Abend Musik dargeboten, beispielsweise Paul Hindemiths Konzert­für­Orchester­op. 38; s. zum Kongress AUSST.KAT. »… JEDER MENScH IST EIN TÄNZER.« 1993, S. 56–71. 1149 Sowohl Laban als auch Wigman beanspruchten für sich die Leitfiguren des deutschen Tanzes zu sein; s. zu ihrer Auseinandersetzung MÜLLER 1986, S. 162–172 sowie zum zweiten Tänzerkongress AUSST.KAT. »… JEDER MENScH IST EIN TÄNZER.« 1993, S. 72–90.

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erreichen, bleibt offen.1150 In allen drei Fällen häe der Rezipient mehr oder weniger aktiv werden müssen, denn ohne seine Empfangsbereitscha und seine Hingabe wäre das postulierte Ziel der Kunst weder bei Skrjabin noch bei Schönberg oder Kandinsky erreicht worden. Synästhetische Erlebnisse vereinen die in tranceartige Zustände übergehenden dynamischen Ausdrucksformen mit einer massenmedialen Rezeption, die sich in rituellen Zeremonien zeigen können. Die Auebung von Hierarchien zwischen den künstlerischen Disziplinen ist hier die Grundlage, um über das Kunsterlebnis hinaus stimulierend wirken zu können. Dass derartige Überlegungen weite Kreise zogen, zeigen nicht nur die teils ähnlich anmutenden Konzepte der Anthroposophen, sondern auch z. B. Kandinskys Lehrtätigkeit am Bauhaus. Die Übereinstimmungen zwischen dem ›Gesamtkunstwerk‹ der Anthroposophen und dem ›Einheitskunstwerk‹ des Bauhauses wurden von der Forschung bisher nur oberflächlich betrachtet.1151 Der grundsätzliche Unterschied besteht in der Konzeption und Organisation: Steiner berief sich auf die Anthroposophie als weltanschauliche (und damit auch künstlerische) Inspirationsquelle, die den Zusammenhalt der Künste gewährleistete. Anfangs wurde eine ähnliche Vorgehensweise auch am Bauhaus vertreten, doch erfuhr sie rasch eine Wandlung, die ein ›Beziehungsgeflecht‹ der einzelnen Disziplinen mit sich brachte, damit aber dem Einzelnen einen passiveren charakter zuwies. Dieses künstlerische Prinzip zeigt sich ebenso in der Strukturierung der Gemeinschaen: Die Anthroposophie präsentiert sich als Lehre, die in erster Linie vom Individuum ausgeht, das in der

1150 Letztlich entstanden alle Projekte auf dem Papier. Nur Konzerte wurden veranstaltet,

wobei hier – wie gezeigt wurde – die Musik erklang, nicht jedoch beispielsweise bei Skrjabins Prometheus die Lichtorgel funktionierte. Auf den ersten Blick scheinen die Musikwerke sehr determiniert – ein Eindruck, der hinsichtlich des Mystère von Skrjabin verworfen werden muss. Gerade die Fixierung des Ablaufs der Künste in einer Art Regiebuch lässt die Flexibilität des Gelben­Klangs fraglich erscheinen, weist jedoch zugleich Parallelen zu craigs Überlegungen (s. Kapitel II.2.) auf. craigs Einfluss auf Kandinsky wurde bisher nicht ausreichend diskutiert, doch ging dieser laut HORSLEy 2006 (S. 348, Anm. 1290) »über das gemeinsame Interesse an den damaligen praktischen Neuerungen des eaters hinaus. Es bestehen allerdings auch wichtige Unterschiede zwischen den Ideen Kandinskys und craigs über das eater.« 1151 Auf eine Vergleichbarkeit der beiden Gruppierungen mit Blick auf das ›Gesamtkunstwerk‹ weist lediglich OHLENScHLÄGER 1992 (S. 202–206) hin, ohne jedoch über eine oberflächliche Auswertung der künstlerischen Einheit hinauszugehen.

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Anthroposophischen Gesellscha aufgenommen wird. Trotz dieses Ausgehens vom einzelnen Menschen war die gesamte Gruppierung auf Steiner ausgerichtet; es kann jedoch nicht von einem Schüler-Lehrer-Verhältnis die Rede sein, sondern von einer Beziehung zu einer charismatischen Zentralfigur prophetischer Färbung. Eine solche Organisation wäre für eine Schule undenkbar: Sie erfordert einen systematischen Auau und eine Hierarchisierung, wie sie bereits das Manifest vorgab. Die soziale Praxis am Bauhaus unterschied sich zwar deutlich von der anderer Architekturschulen – allein schon durch die modifizierten Bezeichnungen (›Meister‹ sta ›Professor‹) und den neuen Auau der Ausbildung –, war aber auf Grund des schulischen Systems nur bedingt freiwillig. Die lebensumfassende Prägung des Menschen, wie sie von Johannes Ien, Lothar Schreyer, Wassily Kandinsky und weiteren Meistern gefordert wurde, war in der Ausbildung so nicht vorgesehen. Stadessen galt es, den ›Bau der Zukun‹ zu errichten, worauf die einzelnen Disziplinen konditioniert wurden – das Bauhaus sah demnach im Manifest eher das Funktionieren des Gliedes in der Kee vor. Dadurch, dass in den ersten Jahren von den Lehrkräen verstärkt Wert auf das künstlerische Individuum gelegt wurde, was eine körperliche, intellektuelle und seelische Schulung voraussetzte, gewann zunächst die esoterische Prägung die Oberhand, bevor dann der bürgerliche Geniekult und die Autonomie des Ästhetischen letztlich radikal in Frage gestellt wurden. Die so vorherrschende Esoterik am frühen Bauhaus ist in wesentlichen Zügen mit der Spiritualität Steiners vergleichbar. Dies verwundert v. a. dann nicht, wenn von einer Rezeption der Überlegungen Steiners durch die prägenden Bauhaus-Lehrer zwischen 1919 und 1923 ausgegangen wird. Ein umgekehrter Einfluss des Bauhaus auf die Anthroposophische Gesellscha ist nicht zu sehen, jedoch auch nicht zu erwarten, da schon die Entstehung aus der eosophischen Gesellscha im 19. Jahrhundert einen zeitlich früheren Ursprung aufweist; eine vergleichbare gedankliche Verankerung konnte das Bauhaus in seinem charakter als Schule nicht vorbringen. Während sowohl die Anthroposophische Gesellscha als auch das Bauhaus noch vom Individuum ausgingen und damit auf unterschiedliche Weisen künstlerisches Potenzial freisetzen wollten, welches dann zur Gemeinschasbildung führen sollte, liegt bei den Nationalsozialisten der Fokus eindeutig auf der Massenmobilisierung. Der dynamische Prozess wird hier ebenso negiert wie das Subjekt, dieses geht u.  a. während der rituellen Abläufen der Veranstaltungen wie dem Reichsparteitag in der Masse auf und wird nicht zur Meinungsbildung angehalten. Leni Riefenstahls Film Triumph­des­Willens führt diese Mechanismen exempla-

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risch vor: Hier präsentieren sich die Nationalsozialisten mit ihrem bereits etablierten Repertoire symbolischer Formen und normierter Bewegungsabläufe in einer vom Alltag abgesetzten Sphäre.1152 Die bereits während der Veranstaltung – verstärkt aber auch nochmals in der filmischen Darstellung – zu beobachtenden Elemente religiöser Zeremonien kamen in einer weitgehend rationalisierten und säkularisierten Welt dem Bedürfnis nach Gemeinscha und Ersatzreligion nach und dienten zudem der Mobilisierung der Massen, ihrer Opferbereitscha sowie der Integration des Individuums ins völkisch definierte Kollektiv. Triumph­des Willens appelliert an das Gefühl, ist auf einfache Formen reduziert, wiederholt wieder und wieder schlagwortartig die Botscha, behauptet mit fanatischer Einseitigkeit die Richtigkeit des Standpunkts und gibt den Menschen eine über die Gegenwart hinausweisende Zukunshoffnung. Der Masse gegenübergestellt wird der ›Führer‹.1153 Es ist der einzige nationalsozialistische Film, in dem Hitler eine derart zentrale Rolle einnimmt und damit ein deutlicher Gegenpol zur Masse gesetzt wird. Alles ist auf die Faszination der Person Hitlers ausgerichtet, sowohl visuell als auch inhaltlich: So bildet seine statisch abgefilmte, neunminütige Ansprache den Höhepunkt des Films und steht damit im Kontrast zur vorangehenden avancierten Montagekunst Riefenstahls, die jedoch als Vorbereitung des Hitlerauris verstanden werden muss. Mit dieser dargestellten Lebensnähe, emotionalen Verdichtung und Dramatisierung entsprach Triumph­des­Willens den internationalen Standards des Films, mit der um Hitler zentrierten Darstellung jedoch nicht dem typischen NS-Film – die Schaffung eines solchen öffentlichen Bilds Hitlers war offenbar während der Konsolidierungsphase der nationalsozialistischen Herrscha entscheidend. So ist das Aufgreifen des Geniekults um Wagner und seine Übersteigerung mit der Inszenierung und Stilisierung Hitlers zum alleinigen messianischen ›Führer‹ die logische Konsequenz. Mit einer derartigen Ästhetisierung der politisch-gesellschalichen Wirklichkeit führen die Nationalsozialisten das wagnersche ›Gesamtkunstwerk‹ auf perfide Weise vollkommen ad absurdum, da dieses sich eigentlich von Mechanismen der Gewalt und Macht entsagt, wenn es in den ›Musikdramen‹ heißt: »Herrscha gewinnt nur derjenige, der der Liebe Macht entsagt.«1154

1152 S. ZIMMERMANN 2011, S. 72f. 1153 Die ›Volksgemeinscha‹ und der ›Führer‹ sind die beiden Leitbegriffe des irrationalen

Weltbilds der Nationalsozialisten; s. REIcHEL 1991, S. 114–156. 1154 GEBHARDT 2004, S. 424.

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Der Blick auf John cage und die Fluxisten, am Beispiel Nam June Paiks und Wolf Vostells sowie Bazon Brocks zeigt, dass nach 1945 eine Auseinandersetzung mit verschiedenen Aspekten des ›Gesamtkunstwerks‹ stafindet: Die Partizipation des Publikums, so different diese auch ausfallen kann, ist eines der entscheidenden Prinzipien bereits bei cage, aber auch der Performance-Art. Das eaterschema der Separierung von Agierenden und Rezipierenden ist bei den Performance-Künstlern bereits aufgebrochen und bei Happenings nahezu vollständig aufgelöst. Der Blick auf Paik zeigt einen durchaus didaktischen Anspruch im Einsatz neuer Medien, der nur schwerlich mit der Idee des ›Gesamtkunstwerks‹, über künstlerische Stimulation eine gesellschaliche Veränderung herbeizuführen, überein zu bringen ist, selbst wenn Paik, wie cage zu berichten weiß, »›whole art‹ in the meaning of M. R. Wagner« verfolgte.1155 So wird der Besucher nicht nur durch die Interaktion, sondern auch durch Mitmachen und Erschaffen der Kunst eingebunden. Auch Vostell sieht einen ähnlich erzieherischen Wert von der Kunst ausgehen. Im Unterschied zu Paik und cage, die entsprechend ihrer asiatisch geprägten Sozialisierung nicht konkret politisch Stellung bezogen, zeigen Vostells Aktionen häufig eine direkte Auseinandersetzung mit dem Krieg und dem Überfluss der Adenauer-Ära, also aktuelle Kritikpunkte an der eigenen Gesellscha. Mit Hilfe seiner provozierenden Aktionen und Happenings will auch er an die Gesellscha appellieren und langfristig ein Umdenken erreichen; hierzu bedient er sich recht früh neuer Medien wie dem Fernsehen. Bazon Brock wiederum argumentiert auf einer breiten philosophischen Grundlage, die von Immanuel Kant (1724–1804) (›Moment des Willens‹), über Wagner (›Ernstfallästhetik‹), Nietzsche (›Welterlösungswahn‹) und dem Bauhaus (›Produkt‹-, ›Sozio‹-, ›Kommunikationsdesign‹) hin zu Hitler (›Totalitarismus‹) reicht.1156 Es ist eine theoretische Annäherung an das Konzept des ›Gesamtkunstwerks‹, bei dem zwischen ›Totalkunst‹ und ›Totalitarismus‹ unterschieden wird.

1155 Nam June Paik in einem Brief an John cage, welchen letzterer passagenweise wie-

dergibt in cAGE 1967, S. 90. Und so schreibt Jean-Pierre Wilhelm im Faltbla zu Exposition­of­Music­–­Electronic­Television 1963: »Nam June Paik, dem Koreaner, ist es gelungen, das zu realsieren, was Wagner auf tollpatschige deutsch-genialistische Weise angestrebt hat. Er schuf nicht das ›Gesamtkunstwerk‹, aber er durchsetzte das ganze Universum mit Musik.« (Reprint in AUSST.KAT. NAM JUNE PAIK 1999, S. 75.) 1156 S. BROcK 1988 (S. 62) und 1985 (S. 113 und 115). Er (1982, S. 5) stilisiert sich selbst – entgegen seiner eigenen Kritik – als Einziger, der befugt und versiert sei über das ›Gesamtkunstwerk‹ schreiben zu können.

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›Totalitarismus‹ meint laut Brock eine radikale Unterwerfung der Wirklichkeit unter eine jeweilige Vorstellung – wie sie sich z. B. im Nationalsozialismus zeigt –, ›Totalkunst‹ hingegen ist die Beziehung zwischen Fiktion und Realität.1157 Totalkünstler zielen somit zwar auch auf Ganzheitsvorstellungen, wollen diese jedoch nicht rücksichtslos in die Wirklichkeit überführen,1158 sondern vielmehr Verbindlichkeit ermöglichen, ohne diese durch totalitäre Gewalt zu erzwingen.1159 Damit handelt es sich nicht, wie beim ›Totalitarismus‹, um eine radikale Verwirklichung von Gesamtheitsvorstellungen als Resultat einer identitätsgläubigen Fehlorientierung. Der Versuch, diese Überlegungen auf Brocks praktische Umsetzungen anzuwenden, zeigt, dass er sich hier von stark didaktischen Ideen leiten lässt. So baut sein ›action teaching‹ auf der Idee der Vermilung von Kunst auf und verfolgt damit einen anderen Weg als das eher von stimulierend wirkenden künstlerischen Formen ausgehende ›Gesamtkunstwerk‹. Hermann Nitschs Ziel ist »das höchste fest der menschheit, die grosse weltfeier, die erfüllung und überwindung der geschichte«, sodass »die verkündung und wirkliche erfahrung unseres weltalls, die leibwerdung des weltalls entsteht«.1160 Um dies zu erreichen, grei Nitsch in seinem ›Orgien Mysterien eater‹ auf kultische und religiöse Formen des eaters zurück, die jedoch nicht den Nachvollzug von Riten in ihrer ursprünglichen Intention beabsichtigen, sondern als theatrale Transformationsphänomene zu verstehen sind. Solche an archaische Initiations- und Opferrituale sowie an christliche Passionsspiele erinnernde ›Abreaktionsspiele‹ verstand Nitsch von Anfang an als wesentlichen Bestandteil seines aktionstheatralen ›Gesamtkunstwerks‹, das auf die Affizierung aller menschlichen Sinne gerichtet war. Durch die von Freud abgeleitete ›Abreaktion‹ wird eine ›Reinigung‹ herbeigeführt, welche nach Nitsch mit der Katharsis gleichzusetzen ist. Er bedient sich des anthropologisch-kulturellen Fundus, um unter Erweiterung z. B. der u. a. dem christentum entliehenen ›Abreaktions‹- und Einweihungsriten sowie der sinnlichen Erlebnisform des eaters (wie es mit Antonin Artaud und seinen synästhetischen Überlegungen angerissen wurde) zu

1157 S. BROcK 1983, S. 63. 1158 Zur Schwierigkeit des Begriffs der ›Wirklichkeit‹ s. S. 19f. Bei Brock wird ›Wirklich-

keit‹ teilweise auch mit ›Wahrheit‹ gleichgesetzt; s. STRATMANN 1995, S. 82. 1159 S. BROcK 1983, S. 60. 1160 NITScH 1981, § 58.

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seiner Form des ›Spiels‹ zu finden. Das ›Formenrepertoire‹ fand Nitsch im Umkreis der Wiener Aktionisten, deren radikale aktionale Ausdrücke es ihm (seiner Meinung nach) ermöglichen, über die bewusste Auseinandersetzung mit dem Körper und der Destruktion in die Bewusstseinstiefen und Prägungen – im Sinne c. G. Jungs und Sigmund Freuds – hinabzusteigen. Während der ausgedehnten Dauer des ›Orgien Mysterien eaters‹ wäre damit eine Gemeinscha in ekstatischen Zustand zu versetzen und auf diese Weise ein ›Gesamtkunstwerk‹ zu schaffen. Damit hebt er für die Dauer des Werks sämtliche Grenzen zwischen Zuschauer und Akteur, zwischen Kunst und Leben auf. Für ihn hat Kunst »nun einen totalanspruch bekommen, sie hat keine gestaltungsgrenzen mehr«, was jedoch nicht einen ethikfreien Umgang beispielsweise mit Tieren meint.1161 Hauptsächlich zielt er damit immer wieder auf Wirklichkeitserfahrungen, die zur Transzendenz führen sollten und damit der Kunst die Macht einräumen, das gesamte Lebens zu umfassen. Bei Joseph Beuys fallen eorie und Praxis zusammen.1162 Dabei dient sein Modell der ›Plastischen eorie‹ als Argumentationsgrundlage für anthropologische, physiologische, psychologische, gesellschaliche, soziale und ökonomische Zusammenhänge; es will also nicht autonom, von der Wirklichkeit unabhängig sein, sondern erfahrbar und damit in der Realität wirksam. Das Strukturmodell hierfür bildet die ›Plastische eorie‹, welche als umfassendes Gestaltungsprinzip, das vor jeder materiellen Konkretisierung im Raum als temporales Prinzip wirksam wird, verstanden werden muss. Beuys geht davon aus, dass jeder

1161 So schreibt NITScH 1999A (S. XLVIII) weiter: »trotzdem ist der verantwortungsbereich

der kunst und besonders der künstler ein wesentlich grösserer geworden. […] kunstausübung ist keine garantie mehr für ethische rechtschaffenheit.« 1162 MEINHARDT 2008 (S. 332) vertri die ese, dass während Beuys’ früher Schaffensphase eorie und Praxis noch nicht eine unlösbare Einheit bilden und die späteren Arbeiten lediglich explikative Funktion haben: »Auf diese Weise wird verständlicher, warum die Arbeiten von Beuys in den späteren 1970er und den 1980er Jahren immer uninteressanter werden: In dem Maße, wie der Druck der leiblich-psychischen Erfahrungen allmählich nachlässt, wie Beuys mithilfe seiner eorie sich als sprechendes Subjekt immer stärker gegen sie durchsetzt, verlieren seine Werke ihre rätselhae und beunruhigende Überdetermination. Sie werden zu bloßen Illustrationen der Plastischen eorie, […].« Dieser Annahme widerspricht jedoch die mehrheitliche Auffassung, dass es sich bei Beuys’ Werk um eine strukturelle Einheit handele, die (auch in der Frühphase) bereits Ideen der ›Sozialen Plastik‹ visualisiere und umgekehrt.

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Mensch ein kreatives Potenzial besitze, das durch Selbstreflexion und -erkenntnis geweckt werden müsse, weshalb jeder Einzelne am Gestaltungsprozess seiner Utopie teilnehmen kann oder soll. Den Auslöser einer Revolution der Gesellscha sieht Beuys also (ähnlich wie Brock) in der individuellen Selbsterkenntnis und -befreiung, denn erst dann sei ein Streben nach gesellschalicher Freiheit und Selbstbestimmung möglich; er bleibt dabei realistisch genug, eine derartige Transformation aus dem Innern des Menschen als langwierigen Prozess zu verstehen. Der Mensch steht also im Zentrum seiner ›Sozialen Plastik‹, denn erst durch ihn kann sie Wirklichkeit werden; sein anthropologisch ausgerichteter Kunstbegriff zielt auf allgemeine kreative Fähigkeiten des Individuums ab, die sich in allen Lebensbereiche auswirken – ›Jeder Mensch ist ein Künstler‹. Diese stets im Prozess befindliche Idee, da der Mensch als Bildender an der ›Sozialen Plastik‹ (mit)arbeitet, kompiliert Beuys aus verschiedenen ellen: An erster Stelle sind hier die eigenen politischen Ansichten des Künstlers zu nennen, die auf linksliberalen und teilweise marxistischen Grundsätzen beruhen. Neben diesen auf Demokratie und Materialismuskritik zielenden, zeiypischen Überlegungen schließt Beuys anthroposophische Ansätze in seine ›Plastische eorie‹ mit ein. Daraus resultiert eine Präsentationsform, die miels der verwendeten Materialien immer wieder die ›Plastische eorie‹ visualisiert. Ähnlich den Fluxisten bedient sich diese provokativer Elemente, was maßgeblich über die Selbststilisierung in unterschiedlichen Rollen – Schamane, Revolutionär, Messias und Lehrer – funktioniert und auf differente Weisen die Interaktion mit dem Publikum fordert – hier findet sich alles zwischen meditativem Mivollzug und Massenmobilisierung. Da hier also im Idealfall bereits die Grenzen zwischen Künstler, Akteur und Zuschauer vollständig aufgehoben sind, steht auch der Einheit von Kunst und Leben nicht mehr viel im Wege. Eine Transformation der Gesellscha durch Kunst ist hier nicht mehr unbedingt das erklärte Ziel, sondern wird eher als Ausgangspunktfür weitreichende Veränderungen verstanden. Den daraus entstehenden ›Erweiterten Kunstbegriff‹ stellt Beuys in diversen Vorträgen, Diskussionen, Interviews etc. vor und propagiert damit immer wieder einen radikalen Subjektbezug, der zum wichtigsten Ausgangspunkt seines Kampfes für eine gesellschaliche Revolution auf der Basis individueller Veränderung ist. Ein Vergleich des ›Gesamtkunstwerks‹ von Nitsch und Beuys zeigt motivische und strukturelle Unterschiede. Beide bedienen sich beispielsweise eines rituellen charakters: Bei Nitsch ist dieser Grundlage seiner inhaltlichen Überlegungen und strukturellen Anlage, bei Beuys hingegen muss er eher aus liturgischen Praktiken hergeleitet werden, die jedoch auch ohne Publikum auskommen.

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Für beide steht immer wieder die Einheit des Menschen sowie der Kunst und des Lebens im Zentrum ihrer gesamtheitlichen Konzeptionen. Ihre Ideen transportieren sie über den gezielten Umgang mit emotiven und symbolischen Zeichenfunktionen, deren mieilende Aufgabe ihnen wichtig ist. Beide inszenieren sich als Künstlersubjekte: So scha Nitsch im Laufe seiner Aktionen Bilder für die Kamera, Beuys posiert selbst in seinen Aktionen für Fotos. Was sich hierin ausdrückt, ist einer der grundlegenden Unterschiede zwischen beiden Künstlern: Während Nitsch immer wieder den dionysischen Rauschzustand herbeiführen will und dabei auch tranceartige, unkontrollierbare Ausdrucksformen nach einem streng strukturierten Ablauf als Entladung zulässt, geht Beuys politisch motiviert vor und bedient sich dazu entsprechend geordneter, ritualisierter Abläufe, die seine konkret demokratischen, linksliberal ambitionierten Inhalte transportieren. Es verwundert daher nicht, dass Nitsch in der Regel von Gemeinscha spricht, wohingegen für Beuys immer die Gesellscha im Fokus steht.1163 Nitsch und Beuys treten – wie schon Wagner – als geniale Künstlersubjekte auf, die Individualität und Subjektivität in ihren je beschriebenen Ausmaßen akzeptieren. Als Weiterentwicklung des wagnerschen ›Gesamtkunstwerks‹ zu verstehen, bauen sowohl Nitsch als auch Beuys auf die direkte Beteiligung durch den Rezipienten – war dieser bei Wagner noch Koproduzent, wurde er bei ihnen nun zum Akteur. Auf diese Weise werden die Sphären von Kunst und Leben aufgehoben und eine neue Wirklichkeit geschaffen; Bestrebungen nach einem Realismus auf der Bühne etwa gehören schon lange der Vergangenheit an. Diese Einheit entsteht genauso im Ritual und Fest wie in großangelegten Kunstaktionen; die Grenzen sind aufgehoben. Damit ist in beiden Fällen das ›Gesamtkunstwerk‹ zumindest für die Dauer der aktionalen Handlung realisiert, darüber hinaus ist eine Wirksamkeit jedoch nur schwer zu ermessen. Hierin zeigt sich nicht zuletzt auch, wieso das Konzept wohl immer eine Vision bleiben wird.



1163 S. zur Unterscheidung von Gemeinscha und Gesellscha S. 20.

362 | Vision ›Gesamtkunstwerk‹

Die Strategien der am ›Gesamtkunstwerk‹ orientierten oder ihm verpflichteten Künstler und Gruppierungen oszillieren zwischen den Polen der Individualisierung und der Massenmobilisierung. Die Kontemplation, Stimulation, Indoktrination etc. geht von der performativen Interaktion aus, die das rituelle Festspiel bietet und damit zum Ausgangspunkt des ›Gesamtkunstwerks‹ wird. In der aktionalen Handlung liegt für alle untersuchten Beispiele die Möglichkeit, durch die Kunst die Gesellscha zu transformieren. Damit folgen sie auf theoretischer wie auf praktischer Ebene der von Wagner postulierten Zweipoligkeit des Modells ›Gesamtkunstwerk‹. Eine systematische kunsthistorische Untersuchung der einzelnen Disziplinen führt zu der Feststellung, dass gerade die soziokulturelle Ebene und damit die transformierende Kra der Kunst zu betrachten ist, da sich das ›Gesamtkunstwerk‹ eben erst in dieser Zweipoligkeit ausdrückt. Über diesen Ansatz gibt sich zugleich die Schwerpunktverschiebung des ›Gesamtkunstwerk‹-Konzepts über einen Zeitraum von 150 Jahren zu erkennen: Während es noch in seinem Entstehungsumfeld des eaters bei Wagner mit den Schwierigkeiten einer Gleichwertigkeit und Synthese der Künste kämpfen musste, ist die künstlerische Einheit nach 1945 durch die Auflösung der Gaungsgrenzen obsolet und damit die soziokulturelle Ebene im Sinne des kollektiven Schaffensprozess in den Vordergrund getreten.

Dank

An erster Stelle danke ich meinen beiden Betreuern dieser überarbeiteten Doktorarbeit, Herrn Professor Dr. Mahias Müller (Mainz) und Herrn Professor Dr. Hubert Locher (Marburg). Sie haben mir beide mit ihrer Aufgeschlossenheit dem ema gegenüber den notwendigen geistigen Freiraum gewährleistet. In ihren Doktorandenkolloquien sowie dem Graduiertenkolleg »Transformationen des Visuellen« (Marburg) konnte das ema diskutiert und weitergedacht werden; dieser Austausch prägte auch im Wesentlichen die Arbeit. Ich danke für eine zweijährige finanzielle Unterstützung der Stipendienstiftung Rheinland-Pfalz. Darüber hinaus ermöglichten mir die Wissenschalichen Mitarbeiter-Stellen an den Kunsthistorischen Instituten der Universität Mainz und der Universität Marburg nicht nur die weitere Finanzierung, sondern auch Einblicke in Forschung und Lehre. Diese Eindrücke und die damit erworbenen Zusatzqualifikationen möchte ich nicht missen. Dem transcript Verlag (Bielefeld), insbesondere Anke Poppen, danke ich für die Aufnahme des Buches in die Schrienreihe ›Image‹ und die kompetente Betreuung der Drucklegung. Besonderer Dank gilt Ineke Borchert (Leipzig), deren gründliches Lektorat das Buch in der vorliegenden Form überhaupt erst möglich gemacht hat. Diese Arbeit wäre ohne die Unterstützung zahlreicher Personen nicht entstanden: Hierzu zählen auch meine Marburger Studierenden, die (ohne es zu wissen) häufig als Probanden gedanklicher Luballons dienten. Außerdem gibt es eine Reihe sehr guter Freunde, die mich in den unterschiedlichsten Lebenslagen bestärkten und halfen, immer wieder Boden unter den Füßen zu spüren; ihnen kann hier nur im Kollektiv gedankt werden. Für technischen Support, Überredungen zu Pausen, leckeres Essen, die große Geduld bei verzweifelten, verärgerten, aber auch glücklichen Gefühlsausbrüchen, den Endspurturlaub etc., v. a. aber

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auch für konstruktive Kritik, nützliche Hinweise und ein geduldiges Lektorat danke ich allen voran christoph, Florian, Kristina und Kai. Besonderer Dank geht an meine Familie, d.  h. an meine Eltern und drei Geschwister, die mit ihrer geistigen Ausgeglichenheit und steten praktischen Betrachtung des Lebens das Projekt in all seinen Phasen mehr oder minder bewusst mirugen. Ihnen verdanke ich meine Existenz in all ihren Faceen, somit ist diese Schri ihnen gewidmet.

Literatur

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368 | Vision ›Gesamtkunstwerk‹

Ausst.kAt. »John cAge und …« 2012; »John cage und …« Bildender Künstler – Einflüsse, Anregungen, hrsg. v. Wulf Herzogenrath und Barbara NierhoffWielk, Ausst.kat. 30.3.–17.6. 2012 in der Akademie der Künste in Berlin und 14.7.–7.10.2012 im Museum der Moderne in Salzburg, Köln 2012. Ausst.kAt. »Wollt ihr dAs totAle leben?« 1995; »Wollt ihr das totale Leben?«. Fluxus und Agit-Pop der 60er Jahre in Aachen, hrsg. v. Adam c. Oellers und Sibille Spiegel, Ausst.kat. 14.1.–16.2.1995 im Neuen Aachener Kunstverein, Aachen 1995. Ausst.kAt. 100 JAhre deutscher Werkbund 2007; 100 Jahre Deutscher Werkbund 1907 | 2007, hrsg. v. Winfried Nerdinger, Ausst.kat. 19.4.–26.8.2007 im Architekturmuseum der TU München in der Pinakothek der Moderne und 16.7.–18.11.2007 in der Akademie der Künste in Berlin, München u. a. 2007. Ausst.kAt. 1962 WiesbAden fluxus 1982 1983; 1962 Wiesbaden Fluxus 1982. Eine kleine Geschichte von Fluxus in drei Teilen, hrsg. v. René Block, Ausst.kat. 17.9.–14.11.1982 im Museum Wiesbaden, Nassauischer Kunstverein und Harlekin Art, 12.12.1982–23.1.1983 in der Neuen Galerie der Staatlichen Kunstsammlungen in Kassel und 21.1.–24.4.1983 in der daadgalerie in Berlin, Berlin 1983. Ausst.kAt. 40 JAhre 2002; 40 Jahre. Fluxus und die Folgen, hrsg. v. René Block, Ausst.kat. 1.9.–13.10.2002 Kunstsommer Wiesbaden, Wiesbaden 2005. Ausst.kAt. A house f ull of music 2012; A House Full of Music. Strategien in Musik und Kunst, hrsg. v. Ralf Beil und Peter Kraut, Ausst.kat. 13.5.–9.9.2012 auf der Mathildenhöhe in Darmstadt, Ostfildern 2012. Ausst.kAt. Adolphe AppiA 1982; Adolphe Appia. 1862–1928. Darsteller, Raum, Licht, hrsg. v. Denis Bablet, Ausst.kat. 1981 der Schweizer Kulturstiung Pro Helvetia in Zürich, Zürich 1982. Ausst.kAt. Archiskulptur 2004; ArchiSkulptur. Dialoge zwischen Architektur und Plastik vom 18. Jahrhundert bis heute, hrsg. v. Markus Brüderlin und der Fondation Beyeler, Ausst.kat. 3.10.2004–30.1.2005 in der Fondation Beyeler in Riehen, Ostfildern-Ruit 2004. Ausst.kAt. bAuen in nürnberg 1995; Bauen in Nürnberg 1933–1945. Architektur und Bauformen im Nationalsozialismus, hrsg. v. Helmut Beer u. a., Ausst.kat. 11.8.–31.10.1995 im Stadtarchiv Nürnberg, Nürnberg 1995. Ausst.kAt. beuys. die revolution sind Wir 2008; Beuys. Die Revolution sind wir, hrsg. v. Eugen Blume und catherin Nichols, Ausst.kat. 3.10.2008–25.2.2009 in der Nationalgalerie im Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart in Berlin, Göingen 2008.

Literatur | 369

Ausst.kAt. crossings 1998; crossings. Kunst zum Hören und Sehen, Ausst.kat. 29.5.–13.9.1998 in der Kunsthalle Wien, Ostfildern 1998. Ausst.kAt. dAs bAuhAus und die esoterik 2005; Johannes Ien – Wassiliy Kandinsky – Paul Klee. Das Bauhaus und die Esoterik, hrsg. v. christoph Wagner, Ausst.kat. 28.8.2005–8.1.2006 im Gustav-Lübcke-Museum in Hamm und 22.1.–22.4.2006 im Museum im Kulturspeicher in Würzburg, Bielefeld – Leipzig 2005. Ausst.kAt. dAs frühe bAuhAus und JohAnnes itten 1994; Das frühe Bauhaus und Johannes Ien, hrsg. v. Rolf Bothe u. a., Ausst.kat. 16.9.–13.11.1994 in der Kunstsammlung zu Weimar, 27.11.1994–29.1.1995 im Bauhaus-Archiv in Berlin und 17.2.–7.5.1995 im Kunstmuseum Bern, Ostfildern-Ruit 1994. Ausst.kAt. dAs theAter ist Auf der strAsse 2010; Das eater ist auf der Straße. Die Happenings von Wolf Vostell, hrsg. v. Markus Heinzelmann und Fritz Emslander, Ausst.kat. des Museums Morsbroich in Leverkusen und Museo Vostell Malpartida, Bielefeld – Leipzig – Berlin 2010. Ausst.kAt. der deutsche Werkbund 1987; Der Deutsche Werkbund – 1907, 1947, 1987…, hrsg. v. Ot Hoffmann, Ausst.kat. Frankfurt a. M., Berlin 1987. Ausst.kAt. der drAmAtische rAum 1986; Der dramatische Raum. Hans Poelzig. Malerei, eater, Film, hrsg. v. Sabine Röder und Gerhard Storck, Ausst.kat. 5.10.–7.12.1986 im Museum Haus Lange und Museum Haus Esters in Krefeld, Essen 1986. Ausst.kAt. der hAng zum gesAmtkunstWerk 1983; Der Hang zum Gesamtkunstwerk. Europäische Utopien seit 1800, hrsg. v. Harald Szeemann, Ausst.kat. 11.2.–30.4.1983 im Kunsthaus Zürich, 19.5.–10.7.1983 in der Städtischen Kunsthalle und Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen in Düsseldorf, 10.9.–13.11.1983 im Museum moderner Kunst / Museum des 20. Jahrhunderts in Wien, Frankfurt a. M. 21983. Ausst.kAt. die Ausstellung der künstler-kolonie dArmstAdt 1901; Die Ausstellung der Künstler-Kolonie Darmstadt 1901. Hauptkatalog, hrsg. v. Joseph Maria Olbrich, Ausst.kat. 1901 auf der Mathildenhöhe in Darmstadt, Darmstadt 2[ca. 1902]. Ausst.kAt. die lebensreform 2001; Die Lebensreform. Entwürfe zur Neugestaltung von Leben und Kunst um 1900, hrsg. v. Kai Buchholz u. a., Ausst.kat. im Institut Mathildenhöhe in Darmstadt, 2 Bde., Darmstadt 2001. Ausst.kAt. die mAler und dAs theAter im 20. JAhrhundert 1986; Die Maler und das eater im 20. Jahrhundert, hrsg. v. Denis Bablet, Ausst.kat. 1.3.–19.5.1986 in der Schirn-Kunsthalle Frankfurt, Frankfurt 1986.

370 | Vision ›Gesamtkunstwerk‹

Ausst.kAt. ein dokument deutscher kunst 1976; Ein Dokument Deutscher Kunst. Darmstadt 1901–1976, hrsg. v. Wolfgang Beeh u. a., Ausst.kat. 22.10.1976–30.1.1977 auf der Mathildenhöhe, dem Hessischen Landesmuseum und der Kunsthalle in Darmstadt, Bd. 5: Die Stadt der Künstlerkolonie Darmstadt 1900–1914 / Künstlerkolonie Mathildenhöhe 1899–1914 / Die Buchkunst der Darmstädter Künstlerkolonie, Darmstadt 1976. Ausst.kAt. fellner & helmer 1999; Fellner & Helmer. Die Architekten der Illusion. eaterbau und Bühnenbild in Europa, hrsg. v. Gerhard M. Dienes, Ausst.kat. des Stadtmuseums Graz (anlässlich des Jubiläums »100 Jahre Grazer Oper«), Graz 1999. Ausst.kAt. fluxus 1994; Fluxus, hrsg. v. omas Kellein, Ausst.kat. 21.8.–31.10. 1994 in der Kunsthalle Basel, Stugart 1994. Ausst.kAt. fluxus-virus 1992; Fluxus-Virus. 1962–1992, hrsg. v. Manfred de La Moe, Ausst.kat. 1.–27.9.1992 im »Temporären Museum« im Kauaus-Parkhaus im Kölnischen Kunstverein und 19.11.1992–17.1.1993 im Aktionsforum Praterinsel in München, Köln 1992. Ausst.kAt. fluxus. eine lAnge geschichte mit vielen knoten 1994; Fluxus. Eine lange Geschichte mit vielen Knoten. Fluxus in Deutschland 1962–1994, hrsg. v. René Block, Ausst.kat. des Instituts für Auslandsbeziehungen in Stugart, Stugart 1994. Ausst.kAt. fotos schreiben kunstgeschichte 2007; Fotos schreiben Kunstgeschichte, hrsg. v. Renate Buschmann und Stephan von Wiese, Ausst.kat. 8.12.2007–2.3.2008 im museum kunst palast in Düsseldorf, Köln 2007. Ausst.kAt. f ür Augen und ohren 1980; Für Augen und Ohren. Von der Spieluhr zum akustischen Evironment. Objekte, Installationen, Performances, hrsg. v. René Block, Ausst.kat. 20.1.–2.3.1980 in der Akademie der Künste Berlin, Berlin 1980. Ausst.kAt. gesAmtkunstWerk expressionismus 2010; Gesamtkunstwerk Expressionismus. Kunst, Film, Literatur, eater, Tanz und Architektur. 1905 bis 1925, hrsg. v. Ralf Beil und claudia Dillmann, Ausst.kat. 24.10.2010–13.2. 2011 auf der Mathildenhöhe Darmstadt, Ostfildern 2010. Ausst.kAt. gottfried semper 2003; Gofried Semper 1803–1879. Architektur und Wissenscha, hrsg. v. Winfried Nerdinger und Werner Oechslin, Ausst.kat. 4.6.–31.8.2004 in der Pinakothek der Moderne in München und 1.11.2003–25.1.2004 im Museum für Gestaltung in Zürich, Zürich 2003. Ausst.kAt. gutAi 1999; Gutai, hrsg. v. Daniel Abadie, Ausst.kat. 4.5.–27.6.1999 in der Galerie nationale du Jeu de Paume in Paris, Paris 1999.

Literatur | 371

Ausst.kAt. hAns poelzig 2007; Hans Poelzig. 1869 bis 1936 Architekt – Lehrer – Künstler, hrsg. v. Wolfgang Pehnt und Mahias Schirren, Ausst.kat. 14.10.2007–6.1.2008 in der Akademie der Künste in Berlin und 23.2.–18.5.2008 im Deutschen Architekturmuseum in Frankfurt, München 2007. Ausst.kAt. hAppening & fluxus 1970; Happening & Fluxus. Materialien, hrsg. v. Hanns W. Sohm, Ausst.kat. 6.11.1970–6.1.1971 im Kölnischen Kunstverein, Köln 1970. Ausst.kAt. hellerAu 2009; Hellerau. Die Idee vom Gesamtkunstwerk, hrsg. v. Peter Guth, Ausst.kat. zur Dauerausstellung des Deutschen Werkbundes Sachsen e. V. im Europäischen Zentrum der Künste Hellerau, Leipzig 2009. Ausst.kAt. hermAnn nitsch 1987; Hermann Nitsch. das orgien mysterien theater 1960–1987, hrsg. v. Rudi Fuchs, Ausst.kat. des Museo Diego Aragona Pignatelli cortez in Napoli, Napoli 1987. Ausst.kAt. hermAnn nitsch 1999; Hermann Nitsch. 6-Tage-Spiel in Prinzendorf 1998. Relikte und Reliktinstallationen, Aktionsmalerei, Fotos und Video, hrsg. v. Dieter Schrage und Hanno Millesi, Ausst.kat. 27.3.–16.5.1999 im Museum Moderner Kunst Stiung Ludwig in Wien, Wien 1999. Ausst.kAt. hermAnn nitsch 2006; Hermann Nitsch – Orgien Mysterien eater. Retrospektive, hrsg. v. Bria Schmitz, Ausst.kat. 30.11. 2006–22.1.2007 in der Nationalgalerie im Martin-Gropius-Bau in Berlin, Köln 2006. Ausst.kAt. hors limites 1994; Hors limites. L’art et la vie 1952–1994, hrsg. v. Jean de Loisy, Ausst.kat. 9.11.1994–23.1.1995 im centre Pompidou in Paris, Paris 1994. Ausst.kAt. isAdorA duncAn 1877–1927 une sculpture vivAnte 2009; Isadora Duncan 1877–1927 une Sculpture vivante, hrsg. v. Bertrand Delanoe, Ausst.kat. 20.11.2009–14.3.2010 im Musée Bourdelle in Paris, Paris 2009. Ausst.kAt. JonAthAn meese 2009; Jonathan Meese. Erzstaat­Atlantisis. (Der Säugling »Meesi« juckt,) die Nabelschnur zuckt, bis zum Sankt Nimmerleinstag, mampf, mampf, mampf….. hmmmm….. [Achtung], hrsg. v.Oliver Kornhoff, Ausst.kat. 1.5.–30.8.2009 im Arp Museum Bahnhof Rolandseck, Berlin 2009. Ausst.kAt. Joseph beuys – rudolf steiner 2007; Joseph Beuys – Rudolf Steiner. Zeichnungen – Entwürfe – Skizzen, hrsg. v. Franz Joseph van der Grinten, Ausst.kat. 3.5.–3.8.2007 im Haus Duldeck in Dornach, Dornach 2007. Ausst.kAt. Joseph beuys 1977; Joseph Beuys. »Richtkräe«, hrsg. v. christos M. Joachimedes, Ausst.kat. Nationalgalerie Berlin 1977, Berlin 1977.

372 | Vision ›Gesamtkunstwerk‹

Ausst.kAt. Joseph beuys 1979; Joseph Beuys, hrsg. v. caroline Tisdall, Ausst.kat. e Salomon R. Guggenheim Museum in New york, London 1979. Ausst.kAt. Joseph beuys 1988; Joseph Beuys, hrsg. v. Heiner Bastian, Ausst.kat. 20.2.–1.5.1988 im Martin-Gropius-Bau Berlin, 2 Bde., München 1988. Ausst.kAt. Joseph beuys 1993; Joseph Beuys, hrsg. v. Harald Szeemann, Ausst.kat. 26.11.1993–20.2.1994 im Kunsthaus Zürich, Zürich 1993. Ausst.kAt. Joseph beuys. Actions, vitrines, environments 2004; Joseph Beuys. Actions, Vitrines, Environments, hrsg. v. Mark Rosenthal, Ausst.kat. 8.10.2004–2.1.2005 in der Menil collection in Houston und 4.2.–2.5.2005 in der Tate Modern in London, Houston 2004. Ausst.kAt. Joseph beuys. documentA-Arbeit 1993; Joseph Beuys. DocumentaArbeit, hrsg. v. Veit Loers und Pia Witzmann, Ausst.kat. 5.9.–14.11.1993 im Museum Fridericianum in Kassel, Ostfildern 1993. Ausst.kAt. Joseph beuys. eine Werkübersicht 1996; Joseph Beuys. Eine Werkübersicht. Zeichnungen und Aquarelle, Drucksachen und Multiples, Skulpturen und Objekte, Räume und Aktionen, 1945–1985, hrsg. v. Lothar Schirmer, Einführung v. Alain Borer, Ausst.kat., München – Paris – London 1996. Ausst.kAt. Joseph beuys. nAtur, mAterie, form 1991; Joseph Beuys. Natur, Materie, Form, hrsg. v. Armin Zweite, Ausst.kat. 30.11.1991–9.2.1992 in der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf, München – Paris – London 1991. Ausst.kAt. Joseph beuys. pArAllelprozesse 2010; Joseph Beuys. Parallelprozesse, hrsg. v. Marion Ackermann und Isabelle Malz, Ausst.kat. 11.9.2010– 16.1.2011 in der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf, München 2010. Ausst.kAt. Joseph beuys. schAmAne 2008; Joseph Beuys. Schamane, hrsg. v. Dieter Buchhart und Hans-Peter Wipplinger, Ausst.kat. 28.9. 2008–1.3.2009 in der Kunsthalle Krems, Nürnberg 2008. Ausst.kAt. Joseph mAriA olbrich 2010; Joseph Maria Olbrich 1867–1908. Architekt und Gestalter der frühen Moderne, hrsg. v. Ralf Beil und Regina Stephan, Ausst.kat. 7.2.–24.5.2010 im Museum Künstlerkolonie auf der Mathildenhöhe in Darmstadt, Ostfildern 2010. Ausst.kAt. kArl friedrich schinkel 2012; Karl Friedrich Schinkel. Geschichte und Poesie, hrsg. v. Hein-. Schulze Altcappenberg, Rolf H. Johannsen und christiane Lange, Ausst.kat. 7.9.2012–6.1.2013 im Kupferstichkabine –

Literatur | 373

Staatliche Museen zu Berlin am Kulturforum und 1.2.–12.5.2013 in der Kunsthalle der Hypo-Kulurstiung München, München 2012. Ausst.kAt. kArl Wilhelm diefenbAch 2009; Karl Wilhelm Diefenbach (1851– 1913). Lieber sterben, als meine Ideale verleugnen!, hrsg. v. Michael Buhrs, Ausst.kat. 29.10.2009–17.1.2010 im Museum Villa Stuck in München, München 2009. Ausst.kAt. klAngkunst 1996; Klangkunst, hrsg. v. Helga de la Moe-Haber und Akademie der Künste Berlin, Ausst.kat. anläßlich von so­nambiente­festival für­hören­und­sehen (internationale Klangkunst im Rahmen der 300-Jahrfeier der Akademie der Künste Berlin) 9.8.–8.9.1996 in der Akademie der Künste in Berlin, München – New york 1996. Ausst.kAt. klopfzeichen 1995; Klopfzeichen. Kunst der 80er-Jahre in Deutschland, Ausst.kat. Leipzig, Leipzig 1995. Ausst.kAt. kreuz-zeichen 1985; Kreuz-Zeichen. Religiöse Grundlagen im Werk von Joseph Beuys, hrsg. v. Adam c. Oellers, Ausst.kat. 11.8.–29.9.1985 im Suermondt-Ludwig-Museum in Aachen, Aachen 1985. Ausst.kAt. kunst Als grenzbeschreitung 1991; Kunst als Grenzbeschreitung. John cage und die Moderne, hrsg. v. Ulrich Bischoff, Ausst.kat. in der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, Neue Pinakothek in München, München 1991. Ausst.kAt. kunst und diktAtur 1994; Kunst und Diktatur. Architektur, Bildhauerei und Malerei in österreich, Deutschland, Italien und der Sowjetunion 1922–1956, hrsg. v. Jan Tabor, Ausst.kat. 28.3.–15.8.1994 im Künstlerhaus in Wien, Baden 1994. Ausst.kAt. kunst und mAcht 1996; Kunst und Macht im Europa der Diktatoren 1930 bis 1945, hrsg. v. Dawn Ades u. a., Ausst.kat. 26.10. 1995–21.1.1996 in der Hayward Gallery in London, 26.2.–6.5.1996 im centre de cultura contemporània de Barcelona und 11.6.–20.8.1996 im Deutschen Historischen Museum in Berlin, Köln 1996 (Kunstausstellung des Europarates, 23). Ausst.kAt. lA peinture comme crime 2001; La peinture comme crime ou la part maudite de de la modernité, hrsg. v. Régis Michel, Ausst.kat. 15.10.2001– 14.1.2002 im Musée du Louvre in Paris, Paris 2001. Ausst.kAt. loïe f uller 1995; Loïe Fuller. Getanzter Jugendstil, hrsg. v. Jo-Anne Birnie Danzker, Ausst.kat. 19.10.1995–14.1.1996 im Museum Villa Stuck in München, München – New york 1995.

374 | Vision ›Gesamtkunstwerk‹

Ausst.kAt. loïe f uller 2002; Loïe Fuller. Danseuse de l’art nouveau, hrsg. v. Geneviève Rudolf, Ausst.kat. 17.5.–19.8.2002 im Musée des Beaux-Arts in Nancy, Paris 2002. Ausst.kAt. modell bAuhAus 2009; Modell Bauhaus, hrsg. v. Bauhaus-Archiv Berlin. Museum für Gestaltung, Stiung Bauhaus Dessau, Klassik Stiung Weimar, Ausst.kat. 22.8.–4.10.2009 im Martin-Gropius-Bau in Berlin, Ostfildern 2009. Ausst.kAt. monte verità 1980; Monte Verità. Berg der Wahrheit. Lokale Anthropologie als Beitrag zur Wiederentdeckung einer neuzeitlichen sakralen Topographie, hrsg. v. Harald Szeemann, Ausst.kat. 24.10.–21.12.1980 im Museum Villa Stuck in München, Mailand 1980. Ausst.kAt. nAm June pAik 1976; Nam June Paik. Werke 1946–1976. Musik – Fluxus – Video, hrsg. v. Wulf Herzogenrath, Ausst.kat. 19.11. 1976–9.1.1977 im Kölnischen Kunstverein, Köln 1976. Ausst.kAt. nAm June pAik 1999; Nam June Paik. Fluxus / Video, hrsg. v. Wulf Herzogenrath, Ausst.kat. 14.11.1999–23.1.2000 in der Kunsthalle Bremen, Köln 1999. Ausst.kAt. nAm June pAik 2010; Nam June Paik, hrsg. v. Susanne Rennert und Sook-Kyung Lee, Ausst.kat. 11.9.–21.11.2010 im museum kunst palast in Düsseldorf und 17.12.2010–13.3. 2011 in der Tate Liverpool, Ostfildern 2010. Ausst.kAt. okkultismus und AvAntgArde 1995; Okkultismus und Avantgarde. Von Munch bis Mondrian 1900–1915, hrsg. v. Veit Loers, Ausst.kat. 3.6.–20.8. 1995 in der Schirn-Kunsthalle in Frankfurt, Ostfildern 1995. Ausst.kAt. oskAr schlemmer 1994; Oskar Schlemmer. Tanz – eater – Bühne, hrsg. v. Maria Müller, Ausst.kat. 30.7.–16.10.1994 in der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf, 11.11.1994–29.1.1995 in der Kunsthalle Wien und 19.2.–21.5.1995 im Sprengel Museum in Hannover, Ostfildern-Ruit 1994. Ausst.kAt. out of Actions 1998; Out of Actions. Between Performance and the Object. 1949–1979, hrsg. v. Paul Schimmel. Peter Noever und Kristine Stiles, Ausst.kat. 17.6.–6.9.1998 im österreichischen Museum für Angewandte Kunst in Wien in Kooperation mit dem Museum of contemporary Art in Los Angeles, Ostfildern 1998. Ausst.kAt. rAum zeit stille 1985; Raum Zeit Stille. Ausstellung zum Jahr der romanischen Kirchen zu Köln, hrsg. v. Wulf Herzogenrath, Ausst.kat. 23.3.– 2.6.1985 im Kölnischen Kunstverein, Köln 1985.

Literatur | 375

Ausst.kAt. schAu plAtz oper 2007; Schau Platz Oper. Geschichten vom Sehen aus 400 Jahren Oper, hrsg. v. Martina Papiro, Mark Schachtsiek und Elke Anna Werner, Ausst.kat. 12.8.–3.9. 2007 im Apollo-Saal der Staatsoper Unter den Linden in Berlin, Berlin 2007. Ausst.kAt. see this sound 2009; See this sound. Versprechungen von Bild und Ton, hrsg. v. cosima Rainer u. a., Ausst.kat. 28.8.2009–10.1. 2010 im Kunstmuseum Linz, Köln 2009. Ausst.kAt. sons & lumières 2004; Sons & Lumières. Une histoire du son dans l’art du XXe siècle, hrsg. v. Sophie Duplaix, Ausst.kat. 22.9. 2004–3.1.2005 im centre Pompidou in Paris, Paris 2004. Ausst.kAt. sound of Art 2008; Sound of Art. Musik in der bildenden Kunst. Les Grands Spectacles III., hrsg. v. Toni Stooss, Eleonora Louis und Brigie Felderer, Ausst.kat. 19.7.–12.10. 2008 im Museum der Moderne Salzburg, Weitra 2008. Ausst.kAt. sturm-frAuen 2015; Sturm-Frauen. Künstlerinnen der Avantgarde in Berlin 1910–1932, hrsg. v. Ingrid Pfeiffer und Max Hollein, Ausst.kat. 30.10.2015–7.2.2016 in der Schirn Kunsthalle in Frankfurt, Köln 2016. Ausst.kAt. tAlk.shoW 1999; Talk.Show. Die Kunst der Kommunikation in den 90er Jahren, hrsg. v. Susanne Meyer-Büser und Bernhart Schwenk, Ausst.kat. 28.3.–24.5.1999 im Heydt-Museum in Wuppertal und 8.10.1999–9.1.2000 im Haus der Kunst in München, München – London – New york 1999. Ausst.kAt. tänzerinnen um slevogt 2007; Tänzerinnen um Slevogt, hrsg. v. Gernot Frankhäuser, Roland Krischke und Sigrun Paas, Ausst.kat. 19.8.–25.11.2007 im Schloss Villa Ludwigshöhe in Edenkoben, München – Berlin 2007. Ausst.kAt. the AnArchy of silence 2009; e Anarchy of Silence. John cage and Experimental Art, hrsg. v. Julia Robinson und clara Plasencia, Ausst.kat. 23.10.2009–10.1.2010 im Museu d’Art contemporani in Barcelona und 25.2.– 30.5.2010 im Henie Onstad Art centre in Høvikodden, Barcelona 2009. Ausst.kAt. ubi fluxus ibi motus 1990; Ubi Fluxus ibi motus 1990–1962, hrsg. v. Achille Bonito Oliva, Ausst.kat. 26.5.–30.9.1990 in Ex Granai della Repubblica alle Zitelle in Venedig, Mailand 1990. Ausst.kAt. visuAl music 2005; Visual Music. Synaesthesia in Art and Music since 1900, hrsg. v. Jane Hyun und Olivia Mais, Ausst.kat. 13.2.–22.5.2005 im Museum of contemporary Art in Los Angeles und 23.6.–11.9.2005 im Hirshhorn Museum and Sculpture Garden, Smithsonian Institution in Washington, London 2005.

376 | Vision ›Gesamtkunstwerk‹

Ausst.kAt. vom klAng der bilder 1985; Vom Klang der Bilder. Die Musik in der Kunst des 20. Jahrhunderts, hrsg. v. Karin von Maur, Ausst.kat. 6.7.–22.9. 1985 in der Staatsgalerie Stugart, München 1985. Ausst.kAt. vostell 1974; Vostell. Environments / Happenings 1958–1974, hrsg. v. Suzanne Pagé, Ausst.kat. 17.12.1974–24.1.1975 im Musée d’Art Moderne in Paris, Berlin 1974. Ausst.kAt. vostell 1992; Vostell, hrsg. v. Rolf Wedewer, Ausst.kat. (Papierarbeiten) 6.2.–29.3.1992 im Rheinischen Landesmuseum in Bonn, (Environments – Einblick in das plastische Werk) 4.2.–22.3.1992 in der Josef-HaubrichKunsthalle in Köln, (In Köln und von Köln aus) 7.2.–22.3.1992 im Kölnischen Stadtmuseum, (Das malerische Werk) 2.2.–29.3.1992 im Städtischen Museum / Schloss Morsbroich in Leverkusen, (Multiples und Druckgraphik) 8.2.–26.4. 1992 in der Städtischen Kunsthalle in Mannheim und (Intermedia – TV & Video) im Städtischen Museum Mühlheim in der Alten Post, Heidelberg 1992. Ausst.kAt. Wiener Aktionismus 1988; Wiener Aktionismus = Viennese actionism, hrsg. v. Dieter Schwarz und Veit Loers, Ausst.kat. 12.6.–4.9.1988 im Museum Friedericianum in Kassel und 16.3.–15.5.1989 im österreichischem Museum für Angewandte Kunst in Wien, Bd. 1: Von der Aktionsmalerei zum Aktionismus. Wien 1960–1965, Klagenfurt 1988. Ausst.kAt. Wiener Aktionismus 1989; Wiener Aktionismus. Wien 1960 bis 1971. Günter Brus, Oo Mühl, Hermann Nitsch, Rudolf Schwarzkogler, Bd. 2 (Der zertrümmerte Spiegel), hrsg. v. Hubert Klocker, Ausst.kat. März / April 1989 in der Graphischen Sammlung Albertina in Wien und August / September 1989 im Museum Ludwig in Köln, Klagenfurt 1989. Ausst.kAt. Wiener Aktionismus 2012; Wiener Aktionismus. Kunst und Aufbruch im Wien der 1960er-Jahre, hrsg. v. Eva Badura-Triska und Hubert Klocker, Ausst.kat. des Museums moderner Kunst Stiung Ludwig Wien, Köln 2012. Ausst.kAt. zeichen des glAubens 1980; Zeichen des Glaubens – Geist der Avantgarde. Religiöse Tendenzen in der Kunst des 20. Jahrhunderts, hrsg. v. Wieland Schmied, Ausst.kat. von Schloss charloenburg, Berlin 1980. Ausst.kAt. zero 2006; Zero. Internationale Künstler-Avantgarde der 50er / 60er Jahre, hrsg. v. museum kunst palast und Barbara Til, Ausst.kat. 8.4.–9.7.2006 im museum kunst palast in Düsseldorf und 15.9.2006–15.1.2007 im Musée d’Art Moderne in Saint-Etienne, Ostfildern 2006.

Literatur | 377

Ausst.kAt. zero Aus deutschlAnd 2000; ZERO aus Deutschland 1957–1966. Und heute: Mack, Piene, Uecker und Umkreis and artist of the movement Bartels, cremer, Goepfert, von Graevenitz, Graubner, Haacke, Hiltmann, Holweck, Kage, Luther, Mavignier, Oehm, Pohl, Rot, Salentin, Spindel, hrsg. v. Renate Wiehager, Ausst.kat. 3.12.1999–12.3.2000 in der Galerie der Stadt Esslingen, Ostfildern-Ruit 2000. Ausst.kAt. zWischen kunst und industrie 1975; Zwischen Kunst und Industrie. Der Deutsche Werkbund, hrsg. v. Wend Fischer, Ausst.kat. der Neuen Sammlung des Staatlichen Museums für angewandte Kunst in München, München 1975 [Reprint Stugart 1987]. Axer 2006; AXER, Peter (Hrsg.): Die Szene als Modell. Die Bühnenbildmodelle des Richard-Wagner-Museums und der »Ring des Nibelungen« in Bayreuth 1876–2000, red. v. Sven Friedrich, München – Berlin 2006 (Bayerische Museen, 30). bAblet 1965; BABLET, Denis: Edward Gordon craig, Köln – Berlin 1965 (collection eater. Werkbücher, 5). bAblet 1982; BABLET, Denis: Appia und der Bühnenraum. Von der Revolte zur Utopie, in: AUSST.KAT. ADOLPHE APPIA 1982, S. 10–16. bAblet-hAhn 1983; BABLET-HAHN, Marie L.: Jalons biographiques, in: APPIA 1983–91, Bd. 1: 1880–1894, Lausanne 1983, S. 55–90. bAch 1985; BAcH, Friedrich Teja: Johann Sebastian Bach in der klassischen Moderne, in: AUSST.KAT. VOM KLANG DER BILDER 1985, S. 328–335. bAdurA-triskA 2012A; BADURA-TRISKA, Eva: Die kulturelle Ausgangslage. Rahmenbedingungen und Referenzpunkte des Wiener Aktionismus in österreich, in: AUSST.KAT. WIENER AKTIONISMUS 2012, S. 15–30. bAdurA-triskA 2012b; BADURA-TRISKA, Eva: Die Erweiterung der Malerei. Vom Tafelbild zur Aktion, in: AUSST.KAT. WIENER AKTIONISMUS 2012, S. 31–95. bAdurA-triskA 2012c; BADURA-TRISKA, Eva: Publikationen der Wiener Aktionisten, in: AUSST.KAT. WIENER AKTIONISMUS 2012, S. 236–239. bAdurA-triskA 2012d; BADURA-TRISKA, Eva: Relationen zur Architektur, in: AUSST.KAT. WIENER AKTIONISMUS 2012, S. 258–260. bAdurA-triskA / klocker 2012; BADURA-TRISKA, Eva / KLOcKER, H UBERT: Der Wiener Aktionismus und sein Kontext. Einleitung und thematischer Überblick, in: AUSST.KAT. WIENER AKTIONISMUS 2012, S. 9–14. bAhr-mildenburg / bAhr 1912; BAHR-MILDENBURG, Anna / BAHR, Hermann: Bayreuth, Leipzig 1912.

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Abbildungen

© Richard-Wagner-Museum | Abb. 4, 5 © Alexandra Vinzenz | Abb. 7, 29, 32, 62 © VG Bild-Kunst, Bonn 2018 | Abb. 10, 11, 18, 19, 47–52, 65–76, 78 © Belmont Music Publishers / VG Bild-Kunst, Bonn 2018 | Abb. 33, 34 © Dornach, Rudolf Steiner Nachlassverwaltung | 37, 43, 46 © Michael Imhof | Abb. 40, 41 © christiaan Stuten | Abb. 44 © Michael Schreyer | 53, 54 © Bauhaus-Universität Weimar, Archiv der Moderne | Abb. 55 © Bauhaus-Archiv Berlin | Abb. 57 © copyright 1960 by Henmar Press, Inc., New york. Abdruck mit freundlicher Genehmigung c. F. Peters Leipzig | Abb. 63 © Hans-Georg Gaul | 77 Trotz intensiver Recherche war es nicht in allen Fällen möglich, die Rechteinhaber der Abbildungen ausfindig zu machen. Personen und Institutionen, die möglicherweise nicht erreicht wurden und Rechte an den verwendeten Abbildungen beanspruchen, werden gebeten, sich mit der Autorin in Verbindung zu setzen. Abb. 1, 2, 6 | SPOTTS 1994, S. 67, 62, 74 Abb. 3, 31 | AUSST.KAT. DER HANG ZUM GESAMTKUNSTWERK 1983, S. 177, 283 Abb. 4, 5 | BAUER 2008, S. 101, 106 Abb. 8 | BEAcHAM 2006, Tafel B8 Abb. 9, 25, 27, 28, 37, 46 | AUSST.KAT. OKKULTISMUS UND AVANTGARDE 1995, S. 685, 625, 639, 638, 731, 629

444 | Vision ›Gesamtkunstwerk‹

Abb. 10, 11, 18 | AUSST.KAT. DIE LEBENSREFORM 2001, Bd. 2, S. 86, 87, 483 Abb. 12, 13, 14 | AUSST.KAT. JOSEPH MARIA OLBRIcH 2010, S. 188, 187, 442 Abb. 15, 16, 26 | LINDNER / LÜHR 2008, S. 96, 57, 65 Abb. 17, 19, 30 | PROMETHEUS Abb. 20–22 | AUSST.KAT. HANS POELZIG 2007, S. 13of. Abb. 23 | AUSST.KAT. LOïE F ULLER 1995, S. 45 Abb. 24 | AUSST.KAT. ISADORA DUNcAN 1877–1927 UND ScULPTURE VIVANTE 2009, S. 47 Abb. 35 | KANDINSKy / MARc 1912, o. A. Abb. 36 | PEHNT 1998, S. 207 Abb. 38 | BLASER 2002, S. 23 Abb. 39–42 | OHLENScHLÄGER 1999, S. 101, 184, 192, 109 Abb. 43 | HAMMAcHER 2010, S. 477 Abb. 44 | VEIT 1993, S. 34 Abb. 45 | Graf 2002, Beilage Abb. 47–49 | MÜLLER 2006, S. 39, 104, 52 Abb. 50 | DROSTE 1990, S. 123 Abb. 51, 52 | BAUMANN 2007, Einband, 45 /47 Abb. 53 | WHITFORD 1993, S. 93 Abb. 54, 55 | AUSST.KAT. DAS FRÜHE BAUHAUS UND JOHANNES I TTEN 1994, S. 328, 331 Abb. 56, 58 | ScHEPER 1988, S. 35, 195 Abb. 57 | AUSST.KAT. MODELL BAUHAUS 2009, S. 265 Abb. 59, 61 | ELLENBOGEN 2006, S. 70, 29 Abb. 60 | AUSST.KAT. BAUEN IN NÜRNBERG 1995, S. 77 Abb. 63 | NyMAN 1999, S. 32 Abb. 64 | AUSST.KAT. FOTOS ScHREIBEN KUNSTGEScHIcHTE 2007, S. 45 Abb. 65 | AUSST.KAT. DAS THEATER IST AUF DER STRASSE 2010, S. 140 Abb. 66 | AUSST.KAT. UBI FLUXUS IBI MOTUS 1990, S. 277 Abb. 67–70 | RycHLIK 2003, S. 8, 156f., 285, 289 Abb. 71, 72 | ScHNEEDE 1994, S. 76, 77 Abb. 73–75 | AUSST.KAT. JOSEPH BEUyS. DOcUMENTA-ARBEIT 1993, S. 225, 221, 141 Abb. 76 | ADRIANI / KONNERTZ / THOMAS 1994, S. 158 Abb. 78 | AUSST.KAT. JONATHAN MEESE 2009, S. 16

Personenregister

A Adorno, eodor [Ludwig Wiesengrund] | 27 Aisenpreis, Ernst | 152 Allemand, Jeanne | 114 Amelio, Lucio | 338 Andersen, Erik | 314 Angerer, Victor | 44 Appia, Adolphe [François] | 12, 33, 54–62, 65f., 80f., 98f., 108, 110, 112f., 115–117, 119, 143, 193, 201, 296f., 351 Arensberg, [Mary] Louise | 253 Arensberg, Walter [conrad] | 253 Artaud, Antonin (Antoine Marie Joseph Paul Artaud) | 294–299, 303 Ashbee, charles Robert | 86 Auerochs, Bernd | 21f.

b Bach, Johann Sebastian | 66, 116, 167 Bahr, Hermann [Anastas] | 88, 90f.,

290 Bähr, Hugo | 56 Baker, Josephine (Freda Josephine McDonald) | 111 Bakst, Léon | 110 Balázs, Béla (Herbert Bauer) | 214, 217 Ball, Hugo | 95 Baltzer, Eduard | 76 Baravalle, Albert von | 147, 155 Barfod, Werner | 164 Bartning, Oo | 104 Baselitz, Georg (Hans-Georg Kern) | 336 Batka, Richard | 96 Baudrillard, Jean | 27 Bauer, Herbert ▶ Balázs, Béla Baumann, Paul | 166 Bazel, Karel Petrus cornelius de | 159 Becce, Giuseppe (Peter Becker) | 217 Beck, Annie | 114, 116 Becker, Peter ▶ Becce, Giuseppe Beethoven, Ludwig van | 231 Behne, Adolf [Bruno] | 189 Behrens, Peter | 12, 27, 75, 79–83, 87– 93, 96, 105, 132, 142f., 152, 189

446 | Vision ›Gesamtkunstwerk‹

Benjamin, Walter [Bendix Schoenflies] | 70, 228 Berber, Anita | 110f. Berg, Alban | 144, 281 Berlage, Hendrik Petrus | 152 Besant, Annie | 146, 170 Beuys, Joseph [Heinrich] | 14f., 25, 249, 251f., 254, 292, 305–344, 359–361 Beuys, Wenzel | 321f. Bianchi, Paolo | 9f. Blavatsky, Helena Petrovna | 85, 108, 126, 146, 170, 178 Blei, Franz | 200 Block, René | 312 Blümner, Rudolf | 195 Böcklin, Arnold | 42 Bogler, Friedrich Wilhelm | 196 Bölsche, Wilhelm | 70 Bongard, Willi | 316 Borer, Alain | 310 Bosselt, Rudolf | 91 Bossi, Marco Enrico | 198 Böicher, Paul Anton ▶ Lagarde, Paul Anton de Brahms, Johannes | 167 Brandenburg, Hans | 118 Brandt, carl | 44f. Brecht, Bertolt | 26, 102, 288, 296, 298 Brecht, George | 253, 256 Breton, André | 295 Breuer, Marcel [Lajos] | 196 Brock, Bazon (Jürgen Johannes Hermann Brock) | 23, 26, 252, 263– 266, 357f., 360 Brooke, clara | 114 Brückner, Gohold | 44 Brückner, Max | 44

Brückwald, Paul Oo | 38f., 41 Brune, Ferdinand | 76 Brus, Günter | 291, 293 Bücher, Karl | 115 Bungert, [Friedrich] August | 33 Bürck, Paul Wilhelm | 91 Burckhardt, Jacob christoph | 79 Burger, Albert | 198 Busoni, Ferruccio [Dante Michelangelo Benvenuto] | 118

c cage, John [Milton Jr.] | 249, 252–257, 259, 282f., 316f., 357 castel, Louis-Bertrand | 85, 130 castorf, Frank | 347 chamberlain, Houston Stewart | 52, 54, 59, 238f., 241f. charles, Daniel | 17 chopin, Frédéric François | 284, 299 christiansen, Hans | 91 christiansen, Henning | 312, 314, 317 claudel, Paul | 116 craig, Edward Gordon | 12f., 33, 60– 67, 80f., 106, 108, 110, 123, 143, 181, 193, 351, 354

d Darwin, charles | 286 Daumal, René | 296 De Saint-Point, Valentine | 109f. Debussy, [Achille-]claude | 198 Dehmel, Richard | 83

Personenregister | 447

Deleuze, Gilles | 27 Delsarte, François [Alexandre Nicolas chéri] | 111 Delville, Jean | 129 Derrida, Jacques | 27 Determann, Walter | 182 Di Pietro, Guido ▶ Fra Angelico Diefenbach, Karl Wilhelm | 76 Djagilev, Sergei [Pawlowitsch] | 110 Doepler, carl Emil | 44–46 Doesburg, eo van (christian Emil Marie Küpper) | 186, 194 Dohrn, Wolf | 94–96, 99, 115f., 118f. Dollfus, Elisabeth | 171 Donath, Annemarie | 171 Dresler, Emy | 143 Duchamp, [Henri Robert] Marcel | 252f., 283, 317 Duncan, [Angela] Isadora | 65, 106– 109, 120, 123, 139, 143, 165, 171 Dutschke, Rudi (Alfred Willi Rudolf) | 328 Duve, ierry de | 17 Dvorak, Josef | 268

f Fanck, Arnold | 214, 216f. Feininger, Lyonel [charles Adrian] | 178, 186 Feuerbach, Ludwig | 11, 49–51 Fidus (Hugo Höppner) | 71, 76–77, 95 Finsterlin, Hermann | 159, 280 Fischer-Lichte, Erika | 16 Fischer, Erwin | 118 Fischer, eodor | 75 Flusser, Vilém | 27 Fokin, Michail | 110 Forbát, Fred (Alfred Forbát) | 182 Fra Angelico (Guido di Pietro) | 279 Freud, Sigmund (Sigismund Schlomo Freud) | 244, 267, 281, 285f., 288– 290, 295, 298, 301, 358f. Frick, Kurt | 95 Fricke, Richard | 45 Fritsch, eodor | 73 Frohner, Adolf | 268 Fuchs, Georg | 12, 65, 83, 87, 90–93, 105f., 142f. Fuller, Loïe | 106–108, 139, 165

e g Ehrhardt, Alfred [Franz Adolf] | 203f. Eisenman, Peter | 241 Eisenstein, Sergei [Michailowitsch] | 214 Ende, Michael [Andreas Helmuth] | 324 Ernst Ludwig von Hessen und bei Rhein, Großherzog | 86f. Euripides | 286

Gadenstäer, clemens | 273 Galuppi, Baldassare | 198 Ganz, Mathias | 155 George, Stefan [Anton] | 274 Gert, Valeska | 125 Gilly, Friedrich [David] | 36 Gluck, christoph Willibald | 45, 116 Gobineau, [Joseph] Arthur de | 242

448 | Vision ›Gesamtkunstwerk‹

Goebbels, [Paul] Joseph | 211–214, 227, 231, 234f., 237, 239, 243 Goesch, Paul | 159 Goethe, Johann Wolfgang von | 100, 148, 160, 170, 334 Goffman, Erving | 18 Goldberg, RoseLee | 16f. Goldhagen, Daniel [Jonah] | 241 Graevenitz, Antje von | 315, 338 Gräser, Gustav | 76 Gräser, Karl | 76 Groener, Fernando | 321 Gropius, Walter [Adolf Georg] | 13, 61, 71, 76, 158, 176–178, 182–192, 195, 201, 203, 205, 207f., 210, 296f., 352, 355 Großheintz, Emil | 151 Grosch, Karla | 203 Grunow, Gertrud | 205 Guipet, Madeleine (Künstlername) | 106 Gulden, Alfred | 273 Gurli, cornelius [Gustav] | 79

h Ha’nish, Otoman Zar-Adusht (Oo Hanisch) | 207 Haan, Wilhelm de | 91 Habich, Ludwig | 91 Händel, Georg Friedrich | 198 Hanisch, Oo ▶ Ha’nish, Otoman ZarAdusht Hansen, Al (Alfred Earl Hansen) | 256 Hardenberg, Georg Philipp Friedrich von ▶ Novalis Hartmann, omas von | 144

Hasting, Hanns | 124 Haemer, Loe | 76 Hauer, Josef Mahias | 134, 205f. Haydn, Franz Joseph | 198 Heckel, Emil | 39 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich | 11, 50, 70 Hegner, Jakob | 116 Heidegger, Martin | 17 Herkomer, Sir Hubert von | 65 Heuss, eodor | 75, 116 Hiebel, Henriee Margarethe ▶ La Jana Higgins, Dick (Richard carter Higgins) | 256 Hildebrand, Rier Adolf von | 93 Hildebrandt, Hans | 152 Himmler, Heinrich [Luitpold] | 218 Hindemith, Paul | 198–200, 353 Hippler, Fritz | 213 Hitler, Adolf | 14, 48, 211f., 215f., 218– 220, 222, 229f., 232, 235–247, 265, 356f. Hoetger, Bernhard | 159 Hoffmann, Ernst eodor Amadeus | 181 Hoffmann, Josef | 42–45 Hofmann, Ida | 76 Hofmann, Jenny | 76 Hohenheim, eophrastus Bombast von ▶ Paracelsus Hölderlin, Friedrich | 11 Höppner, Hugo ▶ Fidus Hötzel, Elsa | 198 Howard, Sir Ebenezer | 73 Hübbe-Schleiden, Wilhelm | 146 Huber, Partiz | 91 Hülbusch, Karl Heinrich | 322

Personenregister | 449

i Irving, Sir Henry | 65 Ien, Johannes | 13, 72, 134, 178, 180, 185, 205–208, 355

J Jaques-Dalcroze, Émile | 12, 57f., 84, 96, 99, 112–120, 122, 124, 143, 165, 352 Jeanneret-Gris, charles-Édouard ▶ Le corbusier Joyce, James [Augustine Aloysius] | 317 Jung, carl Gustav | 267, 281, 285, 288f., 295, 297f., 352, 359

k Kagel, Mauricio [Raúl] | 261, 317 Kampffmeyer, Hans | 73 Kandinsky, Wassily | 13, 85, 113, 127, 133f., 137–144, 152, 178–180, 205f., 249, 271, 284, 300, 353–355 Kandler, Rose-Maria | 321 Kant, Immanuel | 323, 357 Kaprow, Allan | 251, 256f. Karsawina, Tamaere Platonowna | 110 Kemper, carl | 151, 154 Kepler, Johannes | 85 Kern, Hans Georg ▶ Baselitz, Georg Keßler, Harry Graf | 75 Kircher, Athanasius | 85 Klee, Felix | 191 Klee, Paul [Ernst] | 70, 179f., 210

Klein, césar | 189 Klein, yves | 292 Kleist, [Bernd] Heinrich [Wilhelm] von | 181 Klenze, Leo von | 79 Klimt, Gustav | 274 Klingborg, Arne | 155 Klink, Else | 164 Klopfer, Paul | 182 Koch, Alexander | 86f. Kokoschka, Oskar | 200 Körner, Edmund | 87 Kracauer, Siegfried | 70 Krauß, Werner | 100 Kreis, Wilhelm | 75 Krenek, Ernst | 198 Krishnamurti, Jiddu | 146 Kubelka, Peter | 273, 304 Kupka, František | 178 Küpper, christian Emil Marie ▶ Doesburg, eo van

l La Jana (Henriee Margarethe Hiebel) | 228 Laban, Rudolf von (Rezsö Laban de Váralja) | 13, 84, 106, 110, 120–124, 143, 165, 227, 352f. Laemmel, Vera ▶ Skoronel, Vera Laeuger, Max | 75 Lagarde, Paul [Anton] de (Paul Anton Böicher) | 242 Lahann, Birgit | 312 Landauer, Gustav | 70

450 | Vision ›Gesamtkunstwerk‹

Lang, Fritz (Friedrich christian Anton Lang) | 225 Lanz, Adolf Joseph ▶ Liebenfels, Jörg Lanz von Lauweriks, Johannes Ludovicus Mathieu | 159 Le Bon, Gustave | 243 Le corbusier (charles-Édouard Jeanneret-Gris) | 95 Leadbeater, charles Webster | 170 Lederer, Maja | 121 Leistikow, Gertrud | 121 Lendvai, Erwin | 118 Lewerenz, Wilhelm | 166 Liebenfels, Jörg Lanz von (Adolf Joseph Lanz) | 242 Linde, Marie | 162 Lipps, eodor | 173 List, Guido [Karl Anton] von | 242 Limann, [Bernhard] Max | 93, 183 Logothetis, Anestis | 268f. Loos, Adolf | 189 Lösch, Volker | 344 Ludwig II. Oo Friedrich Wilhelm von Wielsbach, König von Bayern | 37, 39 Luhmann, Niklas | 21, 50 Luthmann, Julius Maria | 158 Lutze, Viktor | 218f. Lux, Josef August | 75 Lyotard, Jean-François | 17

m Maciunas, George | 311 Macke, August [Robert Ludwig] | 138

Maier-Smits, Lory | 163f., 171 Makart, Hans | 42 Malewitsch, Kasimir [Sewerinowitsch] | 178 Malthus, omas Robert | 242 Mann, [Paul] omas | 212 Marc, Franz [Moritz Wilhelm] | 85, 133, 138 Marcks, Gerhard | 178 Mark-Kornfeld, Agathe | 178 Marquard, Odo | 19f., 23f. Marx, Karl | 329 McDonald, Freda Josephine ▶ Baker, Josephine McLuhan, [Herbert] Marshall | 27 Meese, Jonathan [Robin] | 241, 343, 347–349 Mekas, Jonas | 304 Mendelsohn, Erich | 75 Mercé [y Luque], Antonia [Rosa] | 110 Metzendorf, Georg | 95 Meyer, Adolf | 182 Meyer, Fritz (christoph christian Friedrich Meyer) | 222 Meyer, Hannes (Hans Emil Meyer) | 178 Meyerhold, Wsewolod Emiljewitsch | 296, 298 Mies van der Rohe, Ludwig | 75 Moholy-Nagy, László | 63, 191, 225 Möllemann, Jürgen[Wilhelm] | 344 Mondriaan, Pieter cornelis ▶ Mondrian, Piet Mondrian, Piet (Pieter cornelis Mondriaan) | 178 Montijn, [Elfriede Wilhelmine] Aleida | 124

Personenregister | 451

Moorman, [Madeline] charloe | 252, 259 Morgenstern, christian [Oo Josef Wolfgang] | 161 Morris, Robert | 312 Morris, William | 73f. Mozart, Wolfgang Amadeus (Joannes chrysostomus Wolfgangus eophilus Mozart) | 37, 198 Muehl, Oo | 268f., 290f., 293 Müller, Albin | 87 Münch, Gerhart | 202 Münter, Gabriele | 143f. Muthesius, Hermann | 95

n Naumann, Friedrich | 74, 94–96 Neesheim, [Heinrich cornelius] Agrippa von | 163 Neumann, Angelo | 47 Newton, Isaac | 201 Niemeyer, Adelbert Nietzsche, Friedrich [Wilhelm] | 11f., 32f., 35, 47, 51, 70f., 74, 77, 83, 124, 126, 132, 141, 162, 173, 209, 218, 242, 264, 271, 284, 288, 294, 298, 347, 357 Nijinsky, Vaslav | 110 Nitsch, Beate | 272 Nitsch, Hermann | 24, 249, 251, 266– 294, 298–305, 315, 340, 358–361 Nitsch, Rita | 304 Novalis (Georg Philipp Friedrich von Hardenberg) | 11

o Oedenkoven, Henri | 76 Olbrich, Joseph Maria | 12, 75, 79, 86– 93, 96 Olco, Henry Steel | 146 Orff, carl | 112

p Paik, Nam June | 251–254, 259–261, 291, 311, 317, 336, 357 Palucca, Gret (Margarete Paluka) | 125, 226 Paluka, Margarete ▶ Palucca, Gret Paracelsus (eophrastus Bombast von Hohenheim) | 324 Paradies, Pietro Domenico | 198 Paul, Bruno | 75 Pawlowa, Anna Matwejewna | 110 Peipers, Felix | 170 Penck, A. R. (Ralf Winkler) | 251 Perret, Auguste | 101 Perret, Gustave | 101 Perroet, Suzanne | 114, 121, 352 Phelan, Peggy | 16 Pioda, Alfredo | 77 Piscator, Erwin [Friedrich Max] | 63, 102, 296–298 Pitigrilli (Dino Serge) | 347 Platon | 164 Poelzig, Hans | 75f., 93, 100, 102–105, 225 Polke, Sigmar | 336 Pollock, [Paul] Jackson | 253 Proudhon, Pierre-Joseph | 338

452 | Vision ›Gesamtkunstwerk‹

r Raab, Rex | 154f. Rahl, carl Heinrich | 42 Rahn, Eckhart | 252 Rainer, Arnulf | 293f. Rauschenberg, Robert [Milton Ernest] | 253 Reger, [Johann Baptist Joseph] Max[imilian] | 167 Reinhardt, Max | 65, 81, 83, 88, 93, 100, 102–105, 116, 120, 298, 352 Richter, Gerhard | 336 Riefenstahl, Leni (Helene Bertha Amalie Riefenstahl) | 13, 26, 211, 214– 220, 223–226, 228–234, 355f. Riemerschmid, Richard | 75, 95f. Riesemann, Oskar von | 130 Riezler, Walter | 118 Rimington, Wallace | 130 Roller, Alfred | 81, 239 Rothenburg, Fritz | 331 Rousseau, Jean-Jacques | 339 Runge, Philipp Oo | 11 Ruskin, John | 72, 74 Rumann, Walter | 218

s Sabanejew, Leonid (Leonidowitsch Sabanejew) | 85, 125–130, 132f. Salzmann, Alexander [Gustav] von | 98 Samoa, Bey Baaron | 121 Satie, Éric [Alfred Leslie] | 317 Scharvogel, Jakob Julius | 75 Scheffler, Karl | 100, 115

Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph | 11 Schemann, Karl Ludwig | 52 Schiller, [Johann christoph] Friedrich [von] | 49, 183 Schinkel, Karl Friedrich | 36f., 40, 79 Schirach, Baldur [Benedikt] von | 231 Schlegel, Friedrich | 11 Schlemmer, Oskar | 13, 56, 66, 110, 181f., 185, 188, 190f., 195–209, 228, 353 Schlingensief, christoph [Maria] | 343–347, 349f. Schmela, Alfred | 316 Schmid, Wilhelm | 10 Schmidt-curtius, carl | 148, 152, 154 Schmidt-Maas, Andreas | 322 Schmidt, Johann caspar ▶ Stirner, Max Schmidt, Joost | 188, 196 Schmidt, Karl | 74f., 94–96 Schmidt, Kurt | 196f. Schmit, Tomas | 252 Schmundt, Wilhelm | 333 Scholz, Norbert | 322 Schönberg, Arnold | 13f., 46, 85, 118, 127, 133–138, 141f., 144, 167f., 281, 284, 353f. Schopenhauer, Arthur | 11, 33, 35, 46f., 70f., 79, 83, 109, 133, 242, 271, 288, 298 Schöpfer, Johannes | 155, 160 Schradi, Manfred | 331 Schrecker, Franz ▶ Schreker, Franz Schreker, Franz (Franz Schrecker) | 229 Schreyer, Lothar | 13, 143, 180f., 190– 195, 203, 205f., 208f., 355

Personenregister | 453

Schubert, Franz [Peter] | 167 Schultze-Naumburg, Paul | 75 Schumacher, Fritz | 75 Schumann, Paul | 118 Schuré, Édouard | 52, 145, 162, 178 Schuurman, Max | 164, 166 Schwarzkogler, Rudolf | 291–293 Schwebsch, Erich | 166 Schwerdtfeger, Kurt | 196 Schwiers, Kurt | 95 Sco, Mackay Hugh Baillie | 86 Semper, Gofried | 36f., 42, 81 Serge, Dino ▶ Pitigrilli Sie, camillo | 74 Sivers, Marie von | 163 Skoronel, Vera (Vera Laemmel) | 125 Skrjabin, Alexander [Nikolajewitsch]| 13f., 79, 85, 125–133, 135, 137f., 142f., 173, 284, 299, 353f. Sommerfeld, Adolf | 182 Speer, [Berthold Konrad Hermann] Albert | 220–225 Spengler, Oswald [Arnold Gofried] | 201, 243 St. Denis, Ruth | 109 Stein, Gertrude | 253 Steiner, Rudolf [Joseph Lorenz] | 13, 69, 71f., 98, 122, 126, 143, 145–167, 170–176, 178–180, 195, 201, 205, 207, 272, 308, 324f., 327, 331–335, 352, 354f. Stirner, Max (Johann caspar Schmidt) | 338 Stockhausen, Karlheinz | 261 Stockmeyer, Ernst August Karl | 147 Strauss, Richard [Georg] | 230

Strawinski, Igor [Fjodorowitsch] | 118, 198 Stuckenschmidt, Hans Heinz | 196, 200, 206 Stuten, Jan | 164, 166f. Swedberg, Emanuel von ▶ Swedenborg, Emanuel von Swedenborg, Emanuel von (Emanuel von Swedberg) | 179, 324 Szeemann, Harald | 23, 27, 306

t Tadeusz, Norbert | 318 Tarenghi, Mario | 198 Taut, Bruno | 75, 87, 98, 143, 152, 176, 189 Taut, Max | 75 Teltscher, Georg | 196f. Temesváry, Stefan | 200 Tessenow, Heinrich | 12, 75, 79, 95–99, 119, 352 omas, Ernst | 259 oreau, Henry David | 253 Tieck, Ludwig | 11, 82 Tisdall, caroline | 318 Toch, Ernst | 200 Tönnies, Ferdinand | 20 Totimo (Künstlername) | 121 Trahndorff, Karl Friedrich Eusebius | 10 Trenker, Luis (Alois Franz Trenker) | 217 Tudor, David | 254 Turgenieff, Assja | 160

454 | Vision ›Gesamtkunstwerk‹

u

Wagner, Winifred | 237 Walden, Herwarth (Georg Lewin Walden) | 194f. Walser, Martin | 241 Warhol, Andy (Andrew Warhola) | 26 Warhola, Andrew ▶ Warhol, Andy Webern, Anton [Friedrich Wilhelm von] | 135, 144, 281 Werner, Alfred | 152 Whitman, Walt | 58 Wiegemann, Karoline Sofie Marie ▶ Wigman, Mary Wiener, Oswald | 250 Wigman, Mary (Karoline Sofie Marie Wiegemann) | 13, 84, 106, 110, 120f., 123–125, 226f., 352f. Wilhelm, Jean-Pierre (Kurt) | 259, 357 Winckelmann, Johann Joachim | 79 Windt, Herbert | 228–232, 239 Winkler, Ralf ▶ Penck, A. R. Wolkonski, Fürst Sergei Michailowitsch | 94 Worringer, Wilhelm | 150, 152, 177 Wulff, Katja | 121

Uecker, Günther | 251 Unwin, Raymond | 73

v Vacano, Freiin Harriet von | 162 Van de Velde, Henry [clement] | 71, 75, 100f. Van der Grinten, Hans | 318 Van der Pals, Lea | 170 Van der Pals, Leopold | 161, 166, 168– 170 Váralja, Rezsö Laban de ▶ Laban, Rudolf von Vitrac, Roger | 295 Vitruv (Marcus Vitruvius Pollio) | 164 Vostell, Wolf | 251f., 254, 260–263, 292, 357

W Wagner, cosima | 47, 54, 57, 108, 110 Wagner, Gerard | 154 Wagner, Oo [Koloman] | 79 Wagner, Richard | 10–12, 14f., 18–20, 23–28, 31–55, 57, 59f., 66, 71f., 77f., 80f., 83–85, 88, 91f., 110, 116, 119, 126, 133, 135, 137, 141f., 144f., 152, 162, 169, 175f., 207, 223, 229f., 232, 234–241, 246f., 249, 264f., 270f., 280, 283f., 288, 293, 299, 302f., 336, 338–348, 350f., 356f., 361f. Wagner, Wieland | 57

y young, La Monte | 256

z Zuccoli, Elena | 164



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