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German Pages 387 [392] Year 2011
Linguistische Arbeiten
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Herausgegeben von Klaus von Heusinger, Gereon Müller, Ingo Plag, Beatrice Primus, Elisabeth Stark und Richard Wiese
Satzverknüpfungen Zur Interaktion von Form, Bedeutung und Diskursfunktion Herausgegeben von Eva Breindl, Gisella Ferraresi und Anna Volodina
De Gruyter
ISBN 978-3-11-023435-0 e-ISBN 978-3-11-025237-8 ISSN 0344-6727 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2011 Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, Berlin/New York Gesamtherstellung: Hubert & Co. GmbH & Co. KG, Göttingen ∞ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com
Inhalt
Vorwort. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .VII Eva Breindl, Gisella Ferraresi & Anna Volodina Einführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Cathrine Fabricius-Hansen Was wird verknüpft, mit welchen Mitteln – und wozu? Zur Mehrdimensionalität der Satzverknüpfung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Werner Frey Peripheral adverbial clauses, their licensing and the prefield in German . . . 41 Gisella Ferraresi & Helmut Weiß >Al die wîle und ich lebe PLAUSIBLE > *NEW > RELEVANCE , wo „FAITH: the hearer could have used the utterance herself to express the interpretation – if she would have been the speaker.“ (Zeevat 2009: 195) „PLAUSIBLE: maximize plausibility (an interpretation is bad if there is a more plausible interpretation [.]“ (ib.) „*NEW: old referents are preferred over connected referents, which are preferred over new referents.“ (Zeevat 2009: 196) „RELEVANCE: let the interpretation decide any of the activated questions it seems to address.“ (Zeevat 2009: 197) ‘>’ das Ranking – die relative Stärke – der Prinzipien symbolisiert.
Das stärkste Prinzip ist FAITH. Es bezieht sich darauf, wie man sich in einer Sprache unter Berücksichtigung aller lexikalischen, semantischen, morphologischen und phonologischen Gegebenheiten auszudrücken hat. Für präsuppositionsauslösende Ausdrücke, wie es Adverbkonnektoren weitgehend sind, verlangt FAITH, dass sie nur dann verwendet werden sollten, wenn die Präsupposition für den Sprecher im lokalen oder globalen Kontext erfüllt ist – was beim Hörer wiederum wegen FAITH unter Umständen ihre Akkommodation erzwingen kann (Zeevat 2009: 195). PLAUSIBLE ist das zentrale Prinzip der Desambiguierung und damit auch für die Wahl zwischen verschiedenen strukturell möglichen Positionen der Präsuppositionsakkommodation verantwortlich. Diesem Prinzip ist die Präferenz für eine illokutionsbezogene bzw. epistemische Interpretation der Verknüpfungen in (14a) und (13a) zuzuschreiben. PLAUSIBLE wird jedoch durch FAITH eingeschränkt, denn „only more plausible interpretations for which the hearer, stepping in
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the speaker’s shoes, could have used the same expression will come in place of the less plausible ones“ (ib., 196). Das Prinzip *NEW („star NEW“), das in anderen Varianten der Optimalitätstheorie unter dem Namen DO NOT MISS ANAPHORIC POSSIBILITIES (Hendriks & de Hoop 2001) bekannt ist, schließt die Einführung neuer Diskursreferenten zugunsten der kontextuellen Verankerung referierender Ausdrücke aus. *NEW wirkt somit der Präsuppositionsakkommodation entgegen, rangiert jedoch unter (PLAUSIBLE und) FAITH, das wie oben erwähnt Akkommodation erzwingen kann. Das an Grice (1975) und die Relevanztheorie (beispielsweise Carston 2002) erinnernde RELEVANZ-Prinzip muss den anderen nachgeordnet sein: The reason is simple: any arbitrary way of settling all activated questions would always be the most relevant interpretation. But such an interpretation is random and would not be what the speaker intended. Therefore it should be below FAITH. But also below *NEW, because otherwise global accommodation would be allowed when local resolution is possible. It should be below PLAUSIBLE, because what is implausible cannot be implicated. (Zeevat 2009: 197)
Ihren Auswirkungen nach sind diese Prinzipien dem in der Segmented Discourse Representation Theory (SDRT) stipulierten Prinzip der maximalen Diskurskohärenz (MDC) vergleichbar, das in (ii) wiedergegeben wird: (ii)
Maximise Discourse Coherence The logical form for a discourse is always a logical form that’s maximal in the partial order of the possible interpretations; i.e., those which are conistent with compositional semantics and monotonic constraint on anaphora resolution. (Asher & Lascarides 2003: 21)
Dieses Prinzip kommt, etwas vereinfacht ausgedrückt, bei der Zuordnung sog. rhetorischer Relationen (Diskursrelationen) zu Paaren adjazenter Diskurskonstituenten (z.B. Sätzen) zum Tragen und steuert somit die inkrementelle Konstruktion einer ‘segmented’ Diskursstruktur (SDRS) für den aktuellen Text. Dabei sind die rhetorischen Relationen in der SDRS axiomatisch gegeben. Nach Zeevat (2009) hingegen ist maximale Diskurskohärenz kein eigenes Interpretationsprinzip, sondern eine Eigenschaft von Diskursen, die durch das Zusammenspiel der oben genannten auch außerhalb der sprachlichen Kommunikation wirksamen Interpretationsbeschränkungen zustande kommt. Diskursrelationen haben dementsprechend in Zeevats (2009) Ansatz keinen axiomatischen Stellenwert, sondern sind, wenn nicht explizit ausgedrückt, als Effekte eben dieses Zusammenspiels zu verstehen. So kommt er zu der in (iii) spezifizierten Liste ‘natürlicher’ oder ‘plausibler’ Diskursrelationen – Relationen, die ohne sprachliche Signale für zwei asyndetisch aneinander gereihte selbstständige Sätze grundsätzlich in Frage kommen. Verant-
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wortlich für diese Default-Relationen ist *NEW im Zusammenspiel mit RELEVANCE (Zeevat 2009: 197ff.). 11 (iii) -
‘Natürliche’ Diskursrelationen nach Zeevat (2009: 208) Restatement Elaboration Explanation, Background and Justification List and Narration Contrast and Concession
Zeevat (ib.) bemerkt dazu, dass „concessions are almost obligatorily marked, contrast less, while restatements and elaboration almost never [sic!] and lists and narration have a middle position“ (Zeevat 2009: 208). Und damit sind wir beim Thema des folgenden Abschnitts. 6.2 Syndese versus Asyndese Konnektoren haben weitgehend eine unterbestimmte Bedeutung, die je nach Verwendungskontext in unterschiedliche Richtungen spezifiziert oder präzisiert werden kann (Breindl & Waßner 2006). In dem Zusammenhang kommen natürlich zusätzlich zum semantischen Zusammenspiel zwischen Konnektor und internem Konnekt bzw. Trägerkonnekt dieselben pragmatischen Prinzipien zum Tragen wie bei der Interpretation asyndetischer Satzfolgen. Das soll hier nicht weiter erörtert werden. Im vorliegenden Abschnitt soll vielmehr das ‘Wozu?’ mit Bezug auf Konnektoren in Sequenzen selbstständiger Sätze im Lichte der obigen Überlegungen nochmals aufgegriffen werden. Aus den Beobachtungen von Zeevat (2009) folgt, dass Konnektoren auf jeden Fall dann verwendet werden müssen, wenn die intendierte Interpretation asyndetisch – ohne Konnektor – nicht oder schwer erreichbar ist, d.h. wenn die zuzuordnende (Diskurs-)Relation zwischen zwei benachbarten Sätzen nicht unter die oben genannten natürlich(st)en fällt. Demnach müssen die Relationen Bedingung-Folge und Disjunktion durch einen passenden Konnektor markiert werden (vgl. Breindl & Waßner 2006): So können die asyndetischen (b)-Varianten in (28) und (29) nicht im Sinne der jeweiligen
–––––––—–– 11
Die Relationen finden sich größtenteils unter ähnlichen Bezeichnungen etwa bei Asher & Lascarides (2003) wieder, werden dort jedoch axiomatisch angesetzt, mit präzisen semantischen Definitionen, und eben nicht erklärt.
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syndetischen (a)-Variante gedeutet werden, während man in (26) und (27) auch ohne Konnektor den zweiten Satz der Sequenz als Erklärung oder Elaborierung des ersten Satzes versteht. (26)
a. Peter konnte den Film nicht sehen. Sein Volvo hatte eine Reifenpanne. b. Peter konnte den Film nicht sehen. Denn sein Volvo hatte eine Reifenpanne.
(27)
a. Meine Schwester hilft mir bei der Arbeit. Und zwar macht sie die ganze Statistik. b. Meine Schwester hilft mir bei der Arbeit. Sie macht die ganze Statistik
(28)
a. Der Vorsitzende ist vielleicht korrupt. Dann trete ich aus dem Vorstand aus. b. # Der Vorsitzende ist vielleicht korrupt. Ich trete aus dem Vorstand aus.
(29)
a. Fritz muss gestern verreist gewesen sein. Oder er hat den Termin einfach vergessen. b. # Fritz muss gestern verreist gewesen sein. Er hat den Termin einfach vergessen.
In (30a) sichert der phorische Konnektor dabei, dass die in beiden Sätzen beschriebenen Sachverhalte als temporal überlappend verknüpft werden; in der (b)-Variante wird man den zweiten Satz hingegen eher als Restatement oder Erklärung deuten. (30)
a. Dem werdenden Macho wurden Mutproben und Schaukämpfe abverlangt. Dabei mußte ein strikter Ehrenkodex eingehalten werden. (OMC) b. Dem werdenden Macho wurden Mutproben und Schaukämpfe abverlangt. Ein strikter Ehrenkodex mußte eingehalten werden.
Dass Kontrast und Einräumung ohne Konnektor schwer erschließbar sein können, wie Zeevat (2009) und auch Breindl & Waßner (2006) bemerken, belegen wiederum (31) und (32). (31)
a. Hermann hat Pleite gemacht. Seine Frau hingegen hat im Beruf viel Erfolg. b. Hermann hat Pleite gemacht. Seine Frau hat im Beruf viel Erfolg.
(32)
a. Fritz hat große Schulden. Er nimmt dennoch keinen Kredit auf. b. Fritz hat große Schulden. Er nimmt keinen Kredit auf.
In (28)–(32) erzwingt der Konnektor eine Interpretation, die sonst ausgeschlossen wäre, oder er schränkt den Interpretationsspielraum ein, indem er eine sonst nahe liegende oder sogar bevorzugte Deutung blockiert (vgl. Lang
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2004). In anderen Fällen wird der Adressat vielleicht mit und ohne Konnektor letzten Endes zur selben Interpretation gelangen. Da kann der Konnektor die Verarbeitung erleichtern, indem er den Adressaten direkter und effizienter zur intendierten Deutung hinführt; das heißt, die syndetische Version ist aus der Hörerperspektive gegenüber der für den Sprecher optimaleren kürzeren Fassung vorzuziehen. So lassen sich spezifische Unterschiede in der Frequenz bestimmter Konnektorentypen z.T. auf eine unterschiedliche Gewichtung der hörer- und der sprecherbezogenen Optimalität (Quantitäts- versus Relevanz-/Informativitätsmaxime nach Levinson 2000) zurückführen (s. Fabricius-Hansen 2005). Zu betonen ist auch, dass Konnektoren aufgrund ihrer Eigensemantik die Interpretation über die rein (diskurs-)relationale Dimension hinaus in differenzierter Weise bereichern können, was bei der asyndetischen Aneinanderreihung nicht möglich ist. In den oben besprochenen Fällen dient der vorhergehende Satz als Bezugskonnekt, und da ist der Konnektor im zweiten Satz, wie wir gesehen haben, unter Umständen entbehrlich. (Adverb-)Konnektoren können sich jedoch auf Diskurseinheiten beziehen, die aus mehreren Sätzen bestehen (Abschn. 5.2), und so zu einer transparenteren Diskursstrukturierung beitragen; vgl. (33). Für asyndetische Satzfolgen ist eine stärkere Präferenz für lokale Konnexionen zwischen Nachbarsätzen zu erwarten. Empirische Untersuchungen zu diesem Thema fehlen jedoch meines Wissens weitgehend. (33)
Bekanntlich ließ Stalin zur selben Zeit, da er sich anschickte, die Sowjetunion mit einem unvorstellbaren Massenterror zu überziehen, nämlich 1936, eine Konstitution ausarbeiten, die den sowjetischen Bürgern alle möglichen Menschenrechte garantierte. Zwischen Verfassungsrecht und Verfassungswirklichkeit können sich Abgründe auftun. Das gilt im negativen, aber auch im positiven Sinn. Weshalb sollte man sich also durch die beklemmenden Züge des pays légal einschüchtern lassen, solange das pays réel frisch, frei und unbekümmert vor sich hinlebt? (OMC, HME3)
7. Zusammenfassung Meine Überlegungen können abschließend wie folgt zusammengefasst werden:
Was wird verknüpft, mit welchen Mitteln - und wozu?
– –
–
–
–
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Der Begriff der ‘Satzverknüpfung’ muss verfeinert werden, um der Mehrdimensionalität und Differenziertheit der darunter subsumierten Erscheinungen gerecht zu werden. Zwischen nichtintegrierbaren und integrierbaren – oder integrierten – Konnektoren, d.h. zwischen Konjunktionen im traditionellen Sinne und adverbialen Konnektoren, bestehen nicht zuletzt bezüglich ihrer Funktion auf Diskursebene grundsätzliche Unterschiede, die durch ihre Subsumierung unter einer Kategorie ‘Konnektor’ z.T. verschleiert werden. Bei den Adverbkonnektoren ist zwischen phorischen und aphorischen Konnektoren zu unterscheiden. Während erstere einen relationalen Bedeutungskern enthalten und so zumindest indirekt das von Pasch et al. (2003) und Breindl & Waßner (2006) formulierte Relationalitätskriterium erfüllen, scheint das nicht pauschal auf letztere zuzutreffen. Vor allem in diesem Bereich sind theoretisch gut fundierte empirische Untersuchungen dringend nötig. Für eine angemessene Beschreibung der Semantik von Konnektoren bedarf es explizit ausgearbeiteter Schnittstellen der Syntax, Semantik und Prosodie bzw. Interpunktion und einer reichen Ontologie abstrakter Einheiten. Dieses Instrumentarium ist durch pragmatische Interpretationsprinzipien zu ergänzen. Hier wurde für ein optimalitätstheoretisches Herangehen im Geiste von Zeevat (2009) plädiert, in dem zentrale Diskursrelationen wie Erklärung, Kontinuation und Elaborierung nicht als theoretische Primitive eingeführt werden, sondern eine natürliche pragmatische Erklärung erhalten.
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Cathrine Fabricius-Hansen
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Werner Frey
Peripheral adverbial clauses, their licensing and the prefield in German *
The focus of this article is on different syntactic and interpretative properties of so-called peripheral adverbial clauses (PACs) in German, typical examples being complementiser-introduced adversatives or concessives. It is argued that although PACs have a quasi-paratactical status and exhibit important signs of non-integration, they are part of the syntactic structure of their hosts, which, for instance, is shown by the fact that they may occupy the prefield of a German verb-second clause. The paper proposes that different peculiarities of these sentences find a natural explanation if it is assumed they are licensed by the Force head of their host. The proposal implies that, contrary to common assumptions, the prefield of a verb-second clause is a position where certain contentful elements are base generated.
1. Some relevant common assumptions As is well known, German belongs to the verb-second (V2) languages. In a V2-clause, the finite verb in second position follows what is traditionally referred to as the ‘prefield’. In a finite clause introduced by a complementiser (subordinating conjunction) or in a non-finite clause, all verbal elements occur at the end of the clause. The part of the clause between the finite verb/complementiser and the verbal elements at the end is traditionally called the ‘middle field’. (1)
a. Den Hans wird Maria morgen theACC Hans will Mary tomorrow PREFIELD VFIN MIDDLE FIELD ‘Tomorrow Mary will meet Hans’
treffen. meet VERBAL ELEM.
–––––––—–– *
Many thanks go to two anonymous reviewers for very instructive comments. I also would like to thank Hans-Martin Gärtner, Andreas Haida, André Meinunger, Hubert Truckenbrodt and Tonjes Veenstra for helpful discussions. All remaining shortcomings are mine.
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Werner Frey b. dass Maria morgen den Hans treffen wird that Maria tomorrow theACC Hans meet will MIDDLE FIELD VERBAL ELEM. ‘that tomorrow Mary will meet Hans’
According to the standard assumption in generative syntax, the prefield is represented as the specifier position of CP (SpecCP). Thus, in a V2-clause, SpecCP has to be filled. Standardly, the prefield is seen as a derived position. No contentful element is base generated there; rather the prefield is the target of Ɩ-movement, which leaves a trace (or, according to current assumptions, a copy) in the base position of the moved element, indicated by ‘t’ in the following examples. This movement may not only target the local prefield, as in (2a), but it may also cross a clausal boundary, as in (2b). The finite verb in a V2-clause is moved from its base position at the end of the clause to the Cposition – the position in which a complementiser may be base generated. (2)
a. [CP In die Oper1 [[C möchte2] [IP Karl morgen t1 gehen t2]]] to the opera wants Karl tomorrow to-go b. [CP In die Oper1 [[C hat2] [IP Karl Max empfohlen t2 to the opera has Karl to-Max recommended [CP morgen mit Maria t1 zu gehen]]]] tomorrow with Maria to go
Thus, for German the statement in (3) is assumed (see for a recent reference Haider 2010: 1). To the best of my knowledge, for any verb-second language, current syntactic theories adopt an assumption in the spirit of (3). (3)
With the possible exception of the expletive es (or dialectal variants thereof), the prefield is filled with an element whose base position is lower in the clause. 1
–––––––—–– 1
The expletive es, which in (ia) is in the prefield, cannot appear (at least, overtly) in the middle field, cf. (ib): (i) a. Es spricht nun Udo Lattek zu ihnen. expl speaks now Udo Lattek to you b. *Nun spricht es Udo Lattek zu ihnen. Some possible exceptions to (3) come to mind. According to some authors, in the SpecCPs of yes/no-questions and conditionals non-overt operators are generated (an idea going back to Katz & Postal 1964). In addition, as a reviewer generously reminded me, there are some authors who assume that ‘high’ wh-adjuncts like why or the Italian correspondent perché are base generated in the left periphery. This proposal is adopted by Grewendorf (2002: 281) for German. Finally, it has been proposed in the literature (e.g. Müller 1997) that in a German wh-scope-marking
Peripheral adverbial clauses
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There exists a variety of reasons for this assumption. For instance, an element gets its grammatical properties licensed by an element to which it stands in a very local relationship. On the surface, a prefield element often does not stand close to its licenser (say, the main verb), but appearances are deceiving if it is assumed that the prefield element originates close to its licenser and its surface position is derived. Other evidence for (3) is given by binding and scope facts. Binding and scope demand that the binder and the scope-bearing element be higher in the structure than the bindee and the scope-taking element, respectively, i.e. the former elements have to c-command the latter. In a linear syntax for German, this would mean that the former elements have to be to the left of the latter, since concerning the prefield and middle field ccommand on the surface corresponds to left-right ordering. In (4), the ccommand condition does not seem to be fulfilled: (4)
a. Seinen1 Wagen wird jeder wackere Mann1 sorgfältig pflegen. his car will every brave man thoroughly care-for b. Einen flotten Sportwagen möchte jeder Mann gerne besitzen. a speedy sportscar wants every man gladly own
Nevertheless, in (4a), the quantified subject is able to bind a pronoun which occurs inside the prefield element, i.e. the sentence has an interpretation according to which each man may take care of his own car. And (4b) has a reading which does not require that all men be dreaming of the same dashing roadster, but they might like to own different ones, i.e. the quantified subject may have scope over the indefinite phrase sitting in the prefield. Again, if it is assumed that a prefield element originates lower in the structure, the conditions for binding and scope are fulfilled: the prefield elements in (4) start in positions which are c-commanded by the binder and by the scope-bearing element, respectively. Since, as is well known, there exists independent evidence which corroborates that the base positions of the objects sitting in the prefield in the examples in (4) are c-commanded by the subjects of the clauses, the assumption in (3) leads to a straightforward account of the data in (4). It is interesting to note that a recent proposal for a linear syntax for German by Pafel (2009) enhances the former linear models by incorporating the notion of trace into the theory. That there is a relationship between the pre–––––––—–– construction like the one in (ii), the scope-marking wh-phrase, i.e. the highest whphrase, is base generated in the prefield. (ii) Was glaubst du, wen Maria getroffen hat? what think you who Maria met has ‘Who do you think Maria has met?
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Werner Frey
field and lower positions in the clause is also postulated by more traditional approaches. Thus, Engel (1972), for example, states that all elements (with the possible exception of the expletive es) which may appear in a German clause may appear in the middle field. It follows that every element that appears in the prefield (with the mentioned exception) may appear in the middle field. Although Engel’s remark cannot quite be correct – the prefield may also host verbal elements, 2 which cannot be situated in the middle field – it shows that Engel (1972) too does not assess the prefield as a position in which certain contentful elements exclusively occur. (3) as well as the view expressed by Engel (1972) imply that an element sitting in the prefield is completely integrated into the structure of its clause. This assumption, generally taken for granted and explicitly formulated by, for example, König & van der Auwera (1988), is given in (5): (5)
The prefield in German is an unequivocal position of integration.
Let us now turn to two assumptions about clause linkage which are known to be problematic but which still can be found in descriptive grammars for German. (6)
i.
ii
Among two clauses of a complex sentence two kinds of relationship may hold: one clause is subordinated to the other or the clauses are coequal (e.g. Duden 2006: 1027), i.e. there are two syntactic linkage relations: hypotaxis and parataxis. A subjunction (complementiser) indicates that the clause it introduces is subordinated to a clause, sentence constituent or word (e.g. Duden 2006: 1077).
That (6i) is problematic has been known for quite some time, cf. e.g., with regard to German, König & van der Auwera (1988), Brandt (1990), Fabricius-Hansen (1992), Reis (1997), and Holler (2008). These studies argue that the dichotomic view expressed in (6i) is too simplistic. The main problem is apparent in the fact that the concept of subordination may refer to distinct phenomena, which should be carefully kept apart. At least two different explications of the notion are common. According to the first one, a subordinated clause can be seen as a constituent of the superordinated clause fulfilling the role of an argument or of an adverbial/attribute. The other explication takes subordination as syntactic depend–––––––—–– 2
This is the case in (i): (i) Arbeiten wird Otto heute zu Hause. work will Otto today at home
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ency. It is assumed that in German, a dependent clause is characterised by the clause-final position of the verb. Sentences like the ones in (7) illustrate that these two explications are not equivalent (e.g. Fabricius-Hansen 1992, Reis 1997, Holler 2008): (7)
a. Emma gewann die Schachpartie, was Oskar ärgerte. Emma won the chess-match which Oskar annoyed b. Er ist verrückt,dass er ihr jetzt nachreist. he is crazy that he her now follows ‘He is crazy to follow her now.’
(7a) is a so-called continuative wh-relative clause, and (7b) a so-called free dass-clause (cf. Reis 1997). 3 These clauses are verb-final, i.e. supposedly syntactically dependent on the clauses preceding them, but they do not bear a role of these clauses. Furthermore, they can neither be questioned nor pronominalised nor be positioned in the prefield or in the middle field. Especially the fact that their position is fixed can be taken as an indication that they are not constituents of their associated clauses (Reis 1997). ‘Standard’ subordinated clauses like complementiser-introduced complement clauses or, say, temporal, causal or modal adverbial clauses do not share any of these properties. Subordinated clauses like adversatives or concessives do not share all of them. So, it is obvious that the second explication of subordination covers many more cases than the first one, and adopting the broader one would mean obliterating important differences between dependent clauses. 4 A possible reaction to this situation is to take the constructions in (7) out of the realm of subordination. However, even if this is done, there exist many important differences between the remaining subordinated constructions. The discussion of these differences is the main point of the present article. Let us briefly consider (6ii), which is in the tradition of the first explication of subordination. The presence of a complementiser necessarily triggers the final position of the verb. Verb-second or verb-first is considered to be a prototypical feature of a main clause. Usually, it is assumed that only main clauses can be uttered independently. Thus, (6ii) seems to be undermined by the fact that in German, there exist clauses introduced by a complementiser –––––––—–– 3
4
A free dass-clause gives reasons for the assessment expressed in the prior clause based on the fact that it denotes (Reis 1997). Furthermore, the broader explication building on the assumption that a dependent clause is characterised by the clause-final position of the verb is flawed by the well-known fact that in many verb-second languages, certain verbs may take a V2clause as their object, be it without a complementiser above the V2-clause as in German, or with one as in many other verb-second languages.
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Werner Frey
that can be used independently, cf. (8) ((8a) is a (self-directed) question, (8b) an optative, and (8c) an exclamative): (8)
a. Ob er wohl kommt? whether he MP comes? (MP: modal particle) b. Wenn sie nur schon heute kämen! if they only already today (would-)come c. Dass ich das noch erleben darf! that I this still experience may
However, note firstly that there are no independent complementiserintroduced declarative clauses, and secondly that speakers of German have the intuition that the sentences in (8) are not independent in the same sense as an independently uttered V2-clause. It might be appropriate to say that examples like in (8) seem to be dependent on a non-expressed superordinate structure, which may vary with the contexts (for (8a), this could be, for instance, I wonder, for (8b), an appropriate apodosis to the overtly expressed protasis, and for (8c), e.g. I am delighted), cf. Schwabe (2007). We do not have to decide whether an analysis in terms of ellipsis is necessary, however. So at this point, the main problem for (6ii) is a sentence like (7b), which is introduced by an element that the Duden (2006) grammar of German also considers a subjunction.
2. Peripheral adverbials: Integrated or unintegrated? In this section, I want to discuss a class of complementiser-introduced clauses which not only raise problems for the simple dichotomy expressed in (6i) but also for the assumption in (3), the latter being, as far as I know, up to now unchallenged in the literature. Consider the following sentences: (9)
a. Hans wirkt nicht erholt, obwohl er lange im Urlaub war. Hans appears not recovered although he long on holiday was b. Hans ist gestern zu Hause geblieben, während er sonst Hans is yesterday at home stayed while he otherwise bei schönem Wetter einen Ausflug macht. in beautiful weather an excursion makes
(9a,b) contain German verb-final clauses, the English equivalents of which belong to the kind of adverbial clauses Haegeman (2002, 2004, 2006) calls
Peripheral adverbial clauses
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peripheral adverbial clauses (PACs). (9a) contains a concessive adverbial clause introduced by obwohl, and (9b) an adversative adverbial clause introduced by während. 5 PACs are to be contrasted with central adverbial clauses like temporal adverbial clauses (which may be introduced by the temporal conjunction während), causal or modal adverbial clauses. Semantically, the latter adverbial clauses specify the eventuality introduced by the predicate of the main clause, whereas PACs do not. The relation which is denoted by the conjunction (complementiser) of a PAC is not seen as describing a relation holding between eventualities in the world but as describing a relation which the speaker claims to hold between propositions (or, depending on the theory, even between semantic objects of higher types). A PAC is not restrictive with regard to the main clause. Because of this last point, one could say that with regard to interpretation, the relation between a PAC and the associated clause is paratactic. Central adverbial clauses and PACs show other syntactic and interpretative differences, as, for example, observed by Haegeman (2002, 2004, 2006) mainly with regard to English and by Brandt (1990) for German. Interestingly, these differences can also be found between different causal adverbial clauses. In German, two different complementisers, weil and da, encode the causal relation. As will be illustrated immediately, a weil-clause behaves like a central adverbial clause, and a da-clause like a PAC. German central adverbial clauses allow a correlative element (COR) while PACs do not have a correlative: (10)
a. Maria Mary b. Maria Mary
ist has ist has
dann gegangen, als Max kam. COR gone when Max came deshalb gegangen, weil Max kam. COR gone because Max came
–––––––—–– 5
In the present paper, obwohl-clauses serve as the example for the adverbial type concessive and während-clauses as the example for the adverbial type adversative. Other expressions of different syntactic categories are to be assigned to these types, which are semantically defined, cf., for example, Breindl (2004), who investigates different expressions of the type concessive. It is to be expected that the different members of a given type differ in certain properties. For example, with regard to the syntactic behaviour, an adversative clause introduced by wo(hin)gegen (‘whereas’) differs from a während-clause (Eva Breindl, p.c.). (To put it in the terminology of the present paper, a wo(hin)gegen-clause is not a PAC, but seems to belong to the class of unintegrated dependent clause, which is introduced below.) Thus, it has to be studied to what extent the claims made in the present paper about obwohl-clauses and während-clauses hold for the other expressions belonging to the types concessive and adversative, respectively.
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Werner Frey c. *Maria ist deshalb gegangen, da Max kam. Mary has COR gone because Max came
Central adverbial clauses can be in the scope of negation positioned in the main clause. This is not true for PACs. (11)
a. Peter wird nicht kommen, sobald er kann, sondern sobald Peter will not come as-soon-as he can but as-soon-as es Clara erlaubt. it Clara allows b. Hans blieb nicht auf dem Fest, weil er tanzen wollte, Hans stayed not at the party because he to-dance wanted sondern weil er auf Maria wartete. but because he for Maria waited c. *Peter wird nicht kommen, obwohl er arbeiten muss, sondern Peter will not come although he work must but obwohl er schlafen sollte. although he sleep should d. *Hans blieb nicht auf dem Fest, da er tanzen wollte, Hans stayed not at the party because he to-dance wanted, sondern da er auf Maria wartete. but because he for Maria waited
Central adverbial clauses following the main clause may carry the nuclear stress of the whole construction, i.e. the whole construction may constitute one focus-background partition. Therefore, sentences like the ones in (12) may be used as all focus sentences: (12)
a. Peter wird kommen, sobald er etwas ZEIT hat. Peter will come as-soon-as he some time has b. Peter fährt nach Paris, weil er dort eine KonfeRENZ Peter travels to Paris because he there a conference besucht. attends
The same is not possible with PACs. The following sentences are not possible as all-focus sentences: (13)
Was hat Maria gesagt? ‘What did Mary say?’ a. # Peter wird kommen, obwohl er keine ZEIT hat. Peter will come although he no time has
Peripheral adverbial clauses
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b. # Peter ist heute in Berlin, während er morgen nach PARIS reist. Peter is today in Berlin while he tomorrow to Paris travels c. # Peter fährt nach Paris, da er dort eine KonfeRENZ Peter travels to Paris because he there a conference besucht. attends
The next property to observe is that a central adverbial clause may be questioned, whereas there is no possibility to question a PAC. This can be easily demonstrated with the contrast between a weil- and a da-causal adverbial clause: (14)
Warum bleibt Hans zu Hause? ‘Why is Hans staying at home?’ a. Weil seine Frau krank ist. because his wife ill is b. *Da seine Frau krank ist. because his wife ill is
Finally, we note that if the associated clause is transformed into a question, a central adverbial becomes part of that question. This is not true of a PAC, which does not become part of the question: (15)
a. Geht Peter nach Hause, weil er müde ist? goes Peter home because he tired is b. *Geht Peter nach Hause, da er müde ist? goes Peter home because he tired is c. *Geht Peter nach Hause, obwohl er nicht müde ist? goes Peter home although he not tired is d. *Ist Maria für Physik begabt, während ihr Bruder nur an is Mary for physics gifted while her brother only in Sprachen interessiert ist? languages interested is
The properties of PACs just observed are shared by the verb-final clauses in (7), which we have discarded from the realm of subordination. However, there is an important and crucial difference between PACs and the verb-final clauses in (7): the occurrence of the former in contrast to that of the latter is not restricted to the sentence-final position. PACs may appear in the prefield and in the middle field. The latter fact will be discussed below; (16) shows occurrences in the prefield:
50 (16)
Werner Frey a. Obwohl Hans lange im Urlaub war, wirkt er nicht erholt. although Hans long on holiday was appears he not recovered b. Während Hans sonst bei schönem Wetter einen Ausflug while Hans otherwise in beautiful weather an excursion macht, ist er gestern zu Hause geblieben. makes has he yesterday at home stayed c. Da seine Frau krank ist, bleibt Hans zu Hause. because his wife ill is stays Hans at home
The possibility of a phrase occurring in the prefield is considered evidence that the phrase is a constituent of the sentence. It is assumed – however, not proven – that all sentence constituents are licensed inside the core of the clause, i.e. IP-internally. This assumption underlies the thesis in (3), and it also holds in non-generative accounts. However, under this perspective PACs would need to receive a similar syntactic treatment to central adverbial clauses, and it would seem to be difficult to account for all the differences between the two types of sentences observed above. To put it in other words: According to the ‘prefield test’, PACs are normal constituents of the clause and hence fully integrated into the clause, while according to the data in (10)–(15) PACs fail important tests for integration. Thus, in the next section it will be scrutinised whether (3) is in fact a correct assumption. Before this is done, we have to make sure that in (16) the PACs are in fact sitting in the prefield. Although this clearly would be the standard assumption, there is reason to be concerned regarding this matter. Relating to another case, Reis (2008) and Wöllstein (2009) express doubt that a preceding clause which is seemingly in the prefield of a V2-clause is in fact positioned there. Reis (2008) and Wöllstein (2009) discuss verb-first conditional clauses like the preceding clause in (17): (17)
Sind sie zu stark, bist du zu schwach. Are they too strong are you too weak ‘If they are too strong, then you are too weak.’
According to Reis (2008) and Wöllstein (2009), in (17) there are two verbfirst sentences involved, which are paratactically linked. Reis (2008) and Wöllstein (2009) suggest that for principled reasons verb-first sentences cannot be embedded and, as a consequence, cannot be positioned in the prefield of a V2-clause. This is not the place to discuss whether Reis (2008) and Wöllstein (2009) are correct in rejecting the received view that (17) is a V2-clause with a filled prefield. However, in light of the argumentation of Reis (2008) and Wöllstein
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Peripheral adverbial clauses
(2009) I would like to collect some pieces of evidence that the examples in (16) are V2-clauses with PACs in the prefield. First, the sentences in (16) do not allow a pause after the PACs. 6 Second, the sentences in (16) can be realised with a progredient intonation, i.e. with a rising contour at the end of the PAC (‘continuation rise’) and with a falling contour starting on the finite verb following the adverbial clauses. Thus, the sentences in (18) have the same options of prosodic realisation, (18a) containing a central adverbial clause, and (18b) a PAC. (18)
a. Sobald die Sonne as-soon-as the sun Porsches aufgemacht. Porsche opened b. Da die Sonne schien, since the sun shined Porsches aufgemacht. Porsche opened
schien, hat er das Verdeck seines shined has he the canopy-top of-his
hat er das Verdeck seines has he the canopy-top of-his
Third, the PACs in (16) do not need to have their own focus-background structuring. That a clause necessarily has its own focus-background structuring is taken as a sign of independence of the clause (Brandt 1990, Reis 1997). 7 (19) shows that the content of a preceding PAC can be given with the consequence that the whole PAC is deaccented and does not contain a focus: (19)
Was hat Karl gemacht, als die Studenten gegen die schweren what has Karl done when the students against the difficult Aufgaben protestiert haben? exercises protested have Da die Studenten protestiert haben, hat Karl die Aufgaben because the students protested have has Karl the exercises vereinfacht. simplified
–––––––—–– 6
7
An obwohl-introduced verb-final clause may precede a V2-clause. Note that in this case a pause is obligatory: (i) Obwohl Hans lange im Urlaub war,Œ er wirkt nicht erholt. The verb-final clauses in (7) need to have their own focus-background structuring. This fact constitutes a first motivation for the assumption that these clauses are not constituents of their associated clauses but are structurally independent; see below for further motivation.
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Werner Frey
Note that if the content of a PAC is given, the position in front of the finite verb of its host is the only possible position, cf. (20): 8 (20)
Was machen wir bei diesem Sauwetter? ‘What will we do in this beastly weather?’ a. Obwohl so schlechtes Wetter ist, möchte ich gerne spazieren although such foul weather is want I gladly a walk gehen. take b. # Obwohl so schlechtes Wetter ist, ich möchte gerne spazieren gehen. c. # Ich möchte gerne spazieren gehen, obwohl so schlechtes Wetter ist.
In sum, there is clear evidence supporting the assumption that PACs may occupy the prefield of a V2-clause. Thus, as an intermediate summary we note: (21)
For different types of adverbial clauses introduced by a complementiser (e.g. adversatives, concessives or certain causals), it holds that: i. They do not pass different standard tests for integration, i.e. they do not behave as standard constituents of the clause. ii. They can occur in the prefield of a V2-clause. The capability to occupy the prefield is standardly regarded as a sign of being integrated.
To strengthen (21i) let us apply another test, namely binding (cf. also Haegeman 2002, Coniglio 2009: 238). It is possible to have binding of a quantified DP into a central adverbial clause: (22)
a. Kein Linguist1 sollte Bier trinken, wenn er1 Durst hat. no linguist should beer drink when he thirsty is b. Keiner1 hat protestiert, als er1 unterbrochen wurde. nobody has protested when he interrupted was c. Jedem1 musste irgendwann das Wort entzogen werden, everybody had-to sometime the word taken-away be weil er1 zu lange redete. since he too long talked ‘Everybody at sometime had to be ordered to stop speaking since he talked too long.’
–––––––—–– 8
As a reviewer notes, (20c) becomes appropriate if the adversative relation is under focus, i.e. if obwohl is stressed. In this case, the content of the PAC is not treated as given in its entirety.
Peripheral adverbial clauses
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The binding is just as possible if the central adverbial clauses are positioned in the middle field: (23)
a. Kein Linguist1 sollte, wenn er1 Durst hat, Bier trinken. b. Keiner1 hat, als er1 unterbrochen wurde, protestiert. c. Jedem1 musste irgendwann, weil er1 zu lange redete, das Wort entzogen werden.
How do PACs behave? Let us first consider binding into a PAC following the matrix clause. As can be seen in (24), this is not possible: (24)
a. *Jede Kollegin1 ist am Sonntag am Institut gewesen, während every colleague has on Sunday at-(the) institute been while sie1 sonst bei schönem Wetter einen Ausflug macht. she otherwise in nice weather an excursion makes b. *Kein Kollege1 wirkt richtig erholt, obwohl er1 lange im no colleague appears really recovered although he long on Urlaub war. holiday was c. *Jedem1 musste irgendwann das Wort entzogen werden, da er1 zu lange redete.
One might conclude that in (24), the PACs are right-adjoined too high to allow binding of a constituent of the matrix clause into them. However, it is unlikely that this is the reason for the ungrammaticality of (24) since the judgements do not change if the PACs occur in the middle field. To see this, note first that PACs may be serialised as part of the middle field: (25)
a. Hans wirkt, obwohl er lange im Urlaub war, nicht erholt. Hans appears although he long on holiday was not recovered b. Hans ist gestern, während er sonst bei schönem Wetter Hans is yesterday while he otherwise in beautiful weather einen Ausflug macht, zu Hause geblieben. an excursion makes at home stayed
Now (26) shows that binding into a PAC does not become possible if the PAC is part of the middle field: (26)
a. *Jede Kollegin1 ist am Sonntag, während sie1 sonst bei schönem Wetter einen Ausflug macht, am Institut gewesen. b. *Kein Kollege1 wirkt, obwohl er1 lange im Urlaub war, richtig erholt.
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Werner Frey c. *Jedem1 musste irgendwann, da er1 zu lange redete, das Wort entzogen werden.
(26) reveals that PACs are not regular constituents of the matrix clause, for if they were, in (26) they inevitably would be in the c-command domain of the quantified DP and binding would have to be possible. Thus, from (26) it is safe to conclude that PACs occurring in the middle field are not regular parts of the syntactic structure. They are parentheticals. 9 It follows that PACs are not base generated in the middle field, i.e. in the IP-domain. However, in the last section it was shown that they can appear in the prefield. Taking these two facts together it follows that (3), according to which all prefield constituents except expletives are base generated in the middle field, cannot be right. So the question arises as to where PACs are base generated. The answer to this question is, of course, dependent on the answer to the question of how PACs are licensed. Before we approach this question let us consider some more binding data. If, as in (27), a weil-clause is forced by the context to have an epistemic reading, we find the same binding data as with the PACs, (27b). This finding confirms the supposition that central adverbial clauses are restricted to readings which concern eventualities: (27)
a. Hans1 muss wohl, weil er1 immer wieder dorthin zurückkehrt, Hans must MP because he always again there returns diese Stadt sehr lieben. this city really love b. *Jeder1 muss wohl, weil er1 immer wieder dorthin zurückkehrt, diese Stadt sehr lieben
Another fact worth noting is that if the concessive relation is not expressed by a subjunction but by a preposition and therefore the concessive adverbial is expressed by a PP and not by a clause, we find the same binding pattern as with the PAC, cf. (28a):
–––––––—–– 9
Therefore, it is clear that binding also is not possible if a PAC occurs in the prefield: (i) a. *Während sie1 sonst bei schönem Wetter einen Ausflug macht, ist jede Kollegin1 am Sonntag am Institut gewesen. b. *Obwohl er1 lange im Urlaub war, wirkt kein Kollege1 richtig erholt. Binding demands c-command of the binder. Thus, it could only be possible if the PAC had a base position inside the IP-domain, as regular constituents do (as, e.g., the prefield constituents in (4)).
Peripheral adverbial clauses (28)
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a. *Kein Kollege1 hat trotz seiner1 Versetzung weiterhin no colleague has despite his redeployment furthermore gut gearbeitet. well worked b. Kein Kollege1 hat an seinem1 Geburtstag gearbeitet. no colleague has on his birthday worked c. Keine Kandidatin1 wurde wegen ihres1 guten Aussehens no candidate was because-of her good looks bevorzugt. favoured
(28b,c) show the contrast to a temporal and a causal PP adverbial, respectively. The data in (28) confirm that the concessive relation is conceptualised in a different way than, for example, the temporal or the causal relation. Only the latter ones are taken as relations between eventualities, which is syntactically reflected by the IP-internal licensing of the corresponding adverbial phrases.
3. PACs, modal particles and Force Let us now turn to adverbial clauses containing a modal particle. It is well known that MPs (MP). 10 are licensed in various types of independent clauses:
–––––––—–– 10
MPs express an attitude of the speaker (or of a potential speaker, see below) regarding her/his utterance. For our purposes, the semantics and the highly complex usage conditions of MPs are not important. (i) gives a rough indication of the interpretative effects of some uses of MPs: (i) doch (unstressed): the speaker indicates that his assertion might run against an assumption of the addressee; ja: the speaker indicates that his assertion makes salient a fact that follows from the common ground; denn: in asking a question with denn, the speaker indicates that the updating of the common ground of speaker and addressee by the true answer is relevant to the knowledge of the speaker (cf. Bayer to appear); halt: the speaker indicates that his assertion makes salient a fact that is dispreferred; mal: the speaker weakens a command he makes.
56 (29)
Werner Frey a. 1931 war Hitler ja noch nicht an der Macht. 1931 was Hitler MP not yet in the power (Thurmair 1989: 104) b. Was what
ist denn hier passiert? [...] has MP here happened (Thurmair 1989: 166)
c. Und nun mach dich mal an die Arbeit! [...] and now get yourself MP on to work (Thurmair 1989: 185)
Coniglio (2009) systematically studied the behaviour of MPs in adverbial clauses. PACs are good hosts for MPs: (30)
a. Gestern ist sie den ganzen yesterday has she the whole während sie doch sonst bei while she MP otherwise in einen Ausflug macht. an excursion makes
Tag zu day at schönem nice
Hause home Wetter weather
geblieben, stayed meistens mostly
(Thurmair 1989: 78) b. Er hat die Prüfung nicht bestanden, trotzdem er ja recht he has the exam not passed nevertheless he MP quite intelligent ist. intelligent is (Thurmair 1989: 78) c. Max könnte etwas hilfsbereiter sein, da wir ihn doch Max could a-little more-helpful be because we him MP höflich gefragt haben. politely asked have
In contrast, central adverbial clauses usually do not tolerate MPs: (31)
a. *Als Maria ja in Wien lebte, ging sie oft in die Staatsoper. when Maria MP in Wien lived went she often to the State-Opera-House
b. *Wo ich eben/doch/ja aufgewachsen bin, gibt es einen where I MP MP MP grown-up have there is an interessanten Brauch: das Kirtarennen. interesting custom the Kirta-racing (Thurmair 1989: 76)
Peripheral adverbial clauses
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c. *Wenn es schon Frost gibt, erfrieren die Rosen. when it MP frost is freeze-to-death the roses (Brauße 1994: 112) d. *Während er wohl den Brief schrieb, ist er gestört worden. while he MP the letter wrote has he disturbed been (Asbach-Schnitker 1977: 49)
However, sometimes central adverbial clauses seem to allow MPs: (32)
a. Sie sprengten die Brücke, während der Feind wohl näherrückte. they blasted the bridge while the enemy MP approached (Asbach-Schnitker 1977: 48) b. Wenn es schon Frost gibt, könnte es wenigstens auch schneien. when it MP frost has could it at-least also snow (Brauße 1994: 112) c. Er ist nicht durchgekommen, weil er ja schlechte Noten he has not passed because he MP bad marks bekommen hatte. got had (Coniglio 2009: 179)
Yet, as Coniglio (2009) argues, there is evidence that the adverbials in (32) are not central adverbial clauses. In (32a), the adverbial does not temporally restrict the event role of the associated clause but expresses an individual predication. Semantically, (32a) behaves like a sequence of two clauses which are connected by a temporal anaphoric phrase: They blasted the bridge. At the same time, the enemy seemed to be approaching. (32b) does not contain an event conditional relating two eventualities, but a so-called premise conditional which formulates a premise on the basis of which the associated clause is asserted. That the causal adverbial in (32c) is not a central adverbial can be seen by the facts that it cannot be questioned, that it cannot have a correlate, (33a), and that it cannot be in the scope of negation in the associated clause, (33b). (33)
a. *Er ist deshalb durchgekommen, weil er ja gute Noten he has COR passed because he MP good marks bekommen hatte. got had b. *Er ist nicht durchgekommen, weil er ja gute Noten he has not passed because he MP good marks bekommen hatte, sondern weil ... got had but because
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Werner Frey
That adverbial clauses containing a MP are not central adverbials but peripheral ones is corroborated by binding data (Coniglio 2009). 11 (34) shows that it is not possible to bind into an adverbial containing a MP: (34)
a. *Kein Linguist1 sollte, wenn er1 no linguist should when he Bier trinken. beer drink b. *Jedem1 musste irgendwann, weil everybody had-to sometime since Wort entzogen werden. word taken-away be
halt doch Durst bekommt, MP MP thirsty gets
er1 halt zu lange redete, das he MP too long talked the
Although adverbial clauses containing a MP show signs of non-integration, they may, like the other PACs, occur quite well in the prefield, cf. (32b) and (35): (35)
a. Weil er halt zu lange redete, hat man Max das Wort because he MP too long talked have they Max the word entzogen. taken-away b. Wenn when
sie halt doch Durst bekommt, trinkt Maria Bier. she MP MP thirsty gets drinks Mary beer
In sum, there is evidence that PACs may host MPs and that central adverbial clauses may not. These observations can reveal something about the syntactic structure of these clauses since arguably a MP needs some sort of formal licensing. As, for example, Jacobs (1986), Thurmair (1989) and Coniglio (2009) emphasise, a MP occurring in an independent clause interacts with the illocution –––––––—–– 11
That MPs change the status of central adverbial clauses is also shown by the contrast between (i) and (ii). Speaker-oriented evaluative and epistemic adverbials are not good in central adverbial clauses (Lang 1979): (i) a. *Wenn der VfB leider verliert, ist Maria traurig. if the VfB unfortunately loses is Maria sad b. *Als Max glücklicherweise nach Hause kam, waren alle froh. when Max fortunately home got was everybody happy However, if a MP occurs in the adverbial clause, evaluative and epistemic adverbials become possible: (ii) a. Wenn der VfB leider doch verliert, ist Maria traurig. b. Als Max glücklicherweise eben doch nach Hause kam, waren alle froh.
Peripheral adverbial clauses
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of the clause by modifying it (cf. also Fn. 10). For example, there are MPs which strengthen (JA) or weaken a command (mal), which indicate that the speaker’s assertion runs against an assumption of the hearer (doch), with which the speaker expresses that he assumes that the hearer does not believe the negation of the proposition in question (ja), or which indicate that the speaker’s justification for his assertion is reduced (wohl). To represent the illocutional force of a clause in its syntax, Rizzi (1997) proposes that as part of the structure of the clause’s left periphery (the CP layer), there exists a functional projection Force, which is endowed with additional features to encode the clause’s specific force. 12 As seen above, MPs may occur in dependent clauses. It is known that the occurrences of MPs belong to the so-called root-phenomena (Bayer 2001, Coniglio 2009). Root-phenomena can only occur in root-clauses and in the restricted set of root-like dependent clauses. The classical examples of rootlike dependent clauses are the object clauses of verbs of saying, of verbs expressing a doxastic attitude (believe, hope), and of verbs of perception (find out, feel). Standard examples of non-root-like dependent clauses are the object clauses of so-called factive predicates (like regret, be surprised) and of predicates which are inherently negative (avoid, be impossible). Classic examples of so-called root-phenomena are English topicalisation and Germanic V2. 13 The root-sensitivity of MPs is shown by the fact that they may occur in a root-like object clause but not in a non-root-like one: 14 (36)
a. Maria fiel ein, dass Hans (ja) längst hier sein müsste. to-Maria occurred that Hans MP long-ago here be should b. Er leugnete, dass er die Zeugin (*ja) unter Druck gesetzt he denied that he the witness MP under pressure put habe. have-SUBJ (Thurmair 1989: 109)
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It is certainly not without problems that in Rizzi (1997), Force is also supposed to represent the clause type, such that, for example, any relative clause has Force. This consequence is not compatible with the assumptions of the text. This is illustrated in (i) and (ii), respectively: (i) a. John thinks that this book, he should read. b. *John regrets that this book, he should read. (ii) a. Max glaubt, er muss dieses Buch lesen. b. *Max bedauert, er muss dieses Buch lesen. In contrast to a MP occurring in a main clause (cf. Fn. 10), in (36a) the MP ja does not express an attitude of the speaker regarding the utterance but an attitude of the referent of the matrix subject regarding a potential utterance that she could have made.
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As shown above, in German PACs allow MPs. Given the root-sensitivity of MPs, it follows that PACs belong to the root-like subordinated clauses. 15 Modifying Rizzi’s (1997) proposal, Haegeman (2002, 2004, 2006), Coniglio (2009) and Bayer (to appear) among others assume that root-clauses and root-like dependent clauses on the one hand and non-root-like dependent clauses on the other differ as to which of the possible functional projections in the left periphery they in fact realise. One important difference between the two types is that root-clauses and root-like clauses possess a Force projection, while non-root-like clauses do not. Hence, important ingredients of this proposal are that first, only root-contexts tolerate phrases containing a Force projection, and second, only phrases containing a Force projection allow socalled root-phenomena. Thus, since it is the Force projection which may license topicalisation, V2 or the occurrence of a MP, these phenomena may only occur in root- and root-like phrases. 16 An immediate and for our purposes central consequence of this proposal is that PACs, being root-like, have a Force projection and that central adverbial clauses, not being root-like, do not have a Force projection. A further important consequence is that complement dass-clauses may or may not possess a Force projection. In general, complement dass-clauses are not root-sensitive, cf. (36b). Hence, they do not always have Force. However, they can host MPs, becoming then root-sensitive, (36). A dass-clause with a MP necessarily has Force. Another consequence worth mentioning is that although the presence of Force is a necessary condition for V2, it obviously is not a sufficient condition for V2. Root-like object clauses may have verbend, see (36a) with the MP, and the root-like PACs always have verb-end. These sentences have Force without having V2. –––––––—–– 15
16
This is confirmed by the fact that in English, PACs allow topicalisation in contrast to central adverbials, cf. (i) (Haegeman 2004): (i) a. We don’t look to his paintings for common place truths, though truth they contain none the less. b. *If these final exams you don’t pass, you won’t get the degree. According to current assumptions in generative linguistics (Chomsky 2001), Bayer (to appear) assumes that the relation between Force, which occurs in the left periphery, and MPs, which occur in the middle field, is established by the (locally operative) AGREE-relation. Note that a MP may occur in an appositive attribute, (ia), but not in a restrictive one, (ib): (i) a. Diese ja bereits bekannten Anschuldigungen wurden wiederholt. these MP already known allegations were repeated b. *Ja bereits bekannten Anschuldigungen wurden wiederholt. Appositive attributes have their own assertive illocutional potential (Jacobs 1986), so it can be postulated that they contain a Force projection.
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Thurmair (1989) and Coniglio (2009) assume that MPs can only occur in clauses which constitute an independent speech act. Under this view, all rootlike dependent clauses are associated with their own speech act. It will be shown in the next section that this strong assumption can hardly be maintained. It seems more appropriate to say that MPs can occur in clauses which have an illocutional potential. Although a lot of research has been carried out on root-phenomena and where they occur (see e.g. Heycock 2006 and the literature cited therein), it has not yet been clarified what exactly the semantic/pragmatic properties of root-like dependent clauses are. However, at least it can be said that a phrase possesses Force if the phrase has an illocutional potential and that Force encodes the necessity of the phrase to be anchored to a speaker or to a potential speaker (Haegeman 2002, 2006).
4. The licensing of PACs Haegeman (2004) proposes that in English, PACs adjoin to the CP of the associated clause. It is obvious that, at least for German, this cannot be completely right. PACs may occur in the prefield, and the prefield does not correspond to a position adjoined to CP. On the other hand, we have seen evidence that PACs do not behave like regular constituents of the clause, especially in that they cannot occur in the middle field as regular constituents but only as parentheticals. In the last section, it was claimed that root- and root-like clauses, to which PACs belong, have a Force projection, whereas non-root-like clauses, to which central adverbial clauses belong, do not have such a projection. If Force is present, it is the highest projection of its clause. Thus, root- and rootlike clauses are not CPs but ForcePs. Force has to be anchored to a speaker or to a potential speaker (Haegeman 2002, 2006). The Force projection of an independent sentence is directly anchored to the speaker. The Force projection of a root-like object clause is anchored to the referent of the logical subject of the superordinated sentence, a potential speaker (Haegeman 2002). 17 I would –––––––—–– 17
Root-like object clauses are the embedded clause with the MP in (36a) and the embedded clauses in (ia) and (iia) of Fn. 13. Note that binding into an object clause containing a MP is possible: (i) Jeder1 glaubt, dass er1 eben der Richtige für die Aufgabe ist. everyone thinks that he MP the right-one for the task is This is expected. Standardly, an object clause is in the command domain of the subject of the matrix clause, and this remains true for (i), the MP being licensed by
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like to propose that there exists another way of anchoring a Force projection, namely by its being licensed by a Force projection which itself is anchored. This is what happens with PACs: their Force projection is not directly but indirectly anchored to a (potential) speaker because it is licensed by the Force projection of the superordinated clause, which in turn is anchored to a (potential) speaker. Thus, I would like to propose the following constraints: (37)
Any Force must be anchored to a (potential) speaker. Hence, a subordinated phrase with an illocutional potential, i.e. a subordinated phrase containing a Force projection, must be anchored to a (potential) speaker. In the syntax, this is reflected by the demand that such a phrase be licensed either i. by a subcategorising verb whose logical subject denotes a potential speaker, or ii. by a Force head.
Since for PACs, condition (37ii) is relevant and licensing is a local relation, we arrive at a new view about the options to fill the German prefield. A V2clause has Force in its left periphery. Based mainly on evidence from Romance languages, Rizzi (1997) argues that the C-domain of the clause is split into different projections, Force being the highest of them. Each head may license at most one specifier. Several authors have applied Rizzi’s approach to German. According to Frey (2010), the C-layer of a German V2-clause is minimally split so that the prefield may correspond to SpecForceP, SpecContrastP or to SpecFinP. Although the present considerations are by and large independent of these proposals, we adopt here the hypothesis that what is commonly called the prefield may correspond to SpecForce. The prefield does correspond to SpecForce when a PAC occupies it, the reason being that the PAC is licensed by Force. Thus, (3) has to be replaced by the condition (38): (38)
Options to fill the prefield of a clause S in German With the possible exception of an expletive es (or dialectal variants thereof), the prefield is filled either i. by movement of an element base generated in the middle field (IPdomain), or
–––––––—–– its local force, which in turn is licensed by the predicate of the superordinated clause.
Peripheral adverbial clauses
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ii. by base generation of an XP with an illocutional potential (i.e. an XP containing a Force projection). In this case, the prefield corresponds to SpecForce, XP being licensed by Force of S.
An XP which is licensed by Force of the clause functioning as its host will be called a Force-element. PACs are the Force-elements discussed in this paper. 18 According to (38ii), a Force-element may be base generated in SpecForceP. I will assume that as another option, a Force-element may appear as a parenthetical. In syntax, a parenthetical is adjoined to ForceP. Phonetically, it can be realised in a niche which is appropriate for the given parenthetical. 19 Thus, if a PAC is serialised in the middle field, it appears as a parenthetical and not as a constituent of the IP-domain. In featural terms, one could say that a Force head may possess a selectional feature for a phrase which relates to Force. This feature can be satisfied by an appropriate phrase in SpecForceP or by one adjoined to ForceP. With regard to the so-called split-CP approach, I would like to point out one consequence which follows from the claim that PACs are situated in SpecForceP. In former work (Frey 2005), I argued that the dislocated phrase in a German ‘Linksversetzung’ (LV) is positioned in SpecForceP. Putting the claims together and given that there can be only one SpecForceP, it follows that in a LV, no PAC should be possible in the prefield. It is a sign of LV that it shows different connectedness effects, for example binding into the dislocated phrase. In contrast, the so-called Hanging-‘Topic’ construction does not show connectedness. 20 According to Shaer (2009), for example, the dislocated phrase of the Hanging-‘Topic’ construction is not part of the structure –––––––—–– 18
19
20
There are speech-act-related adverbials that may appear in the prefield (Pittner 1999): (i) Wenn du mich fragst, könnten wir uns um 17:00 treffen. if you me ask could we REFL at 5 pm meet Pittner (1999) assumes these adverbials explicitly refer to the speech act. It seems reasonable to assume that speech-act adverbials appearing in the prefield belong to the Force-elements. The phrases containing Force do not all have the same distribution. The appositive attributes mentioned in Fn. 16 have to stand in a certain structural relationship to the NP they relate to. This condition is not fulfilled if they occur in the prefield. It also follows that the parenthetical niches appropriate for appositive attributes are distinct from the niches appropriate for PACs. (ia) shows binding with a LV; (ib) shows that the same is not possible in a Hanging-‘Topic’ construction: (i) a. Seine1 erste Freundin, die vergisst kein Linguist1. his first girlfriend RP forgets no linguist (RP: resumptive pronoun) b. *Seine1 erste Freundin, sie vergisst kein Linguist1.
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of the following clause; in particular it does not belong to the C-domain of that clause. In the light of these considerations consider the following data: (39)
a. *Seinen1 Doktorvater, da Maria kommt, möchte den jeder his adviser since Maria comes wants RP every Doktorand1 mitbringen. doctoral-student to-bring-along b. Seinen1 Doktorvater, weil Maria kommt, möchte den jeder Doktorand1 mitbringen.
My informants judge the binding in (39a) as impossible, but that in (39b) as possible. (39a) cannot be a LV, since the PAC occupies SpecForceP. This explains why binding is not possible. The weil-clause in (39b) is not base generated in SpecForceP but is moved to the left periphery. According to Frey (2010), it is moved to a position below Force. Therefore, (39b) can be a LV, since the SpecForceP is free to host the dislocated phrase of the LV. Being a LV, (39b) allows binding into its dislocated phrase. In the following, I would like to relate different properties of PACs to their being licensed by the Force heads of their hosts. In the course of this, some comparing remarks on the type of verb-final clauses in (7) will be made. –
PACs cannot constitute an independent speech act.
That the Force of a PAC is licensed by means of the Force of its superordinated clause is reflected by the fact that PACs cannot be illocutionarily independent of their host, cf. (40a-d). That a phrase can be illocutionarily independent presupposes that its Force is directly linked to the speaker. (40)
a. *Bringst du Vater nach Hause(?), da er müde ist/ see you father home because he tired is obwohl er noch nicht müde ist(?) although he yet not tired is b. ??Du wirst erstaunt sein, da ich hiermit kündige. you will astonished be because I hereby quit c. *Hans wurde gewählt, [obwohl er es gar nicht wollte, Hans was elected though he it at-all not wanted nicht wahr?/oder?] did he? d. *Hast du noch Hunger? Da ich noch viel Essen übrig habe. are you still hungry since I still a-lot-of food left have e. Hast du noch Hunger? Denn/Weil ich habe noch viel Essen übrig.
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In (40a), the attempt fails to have the matrix clause as a question and the causal and the concessive PAC, respectively, as an assertion. (40b) shows that the PAC cannot be used as a performative, in (40c) the forming of a tag question with the concessive clause fails, and (40d) shows that the da-clause cannot justify the speech act made with the main clause. These observations suggest that Thurmair’s (1989) and Coniglio’s (2009) view that all root-like dependent clauses constitute an independent speech act is too strong an assumption. Note that the situation is different with V2-clauses introduced by the coordinating conjunctions denn or weil. (40e) shows that with these sentences, it is possible to justify the speech act made with the preceding clause. Let us now consider the type of verb-final clauses shown in (7). These clauses show a different behaviour. (41)
a. Bringst du Vater nach Hause? Wofür ich dir dankbar wäre. see you father home for-which I you thankful be-SUBJ (cf. Holler 2008) b. Max hat sich auch beworben, weshalb ich hiermit zurücktrete. Max has REFL as-well applied why I hereby withdraw (cf. Reis 1997) c. Hans wurde gewählt, [worüber wir uns gewundert haben, Hans was elected about-which we REFL surprised were, nicht wahr?/oder?] weren’t we? d. Ist denn etwas los, dass Max so schreit? is MP something going-on that Max like-that screams (Reis 1997) ‘Is something wrong, that Max is screaming like that?’
(41a) demonstrates that it is possible to have the continuative wh-relative clause as an assertion when the associated clause is a question/request. In (41b), a continuative wh-relative clause is used as a performative, in (41c) the continuative wh-relative is the basis for a question tag, and (41d) shows that by means of a free dass-clause the illocution of the associated clause can be justified (Reis 1997). 21 Because of these properties, continuative wh-relative clauses and free dass-clauses will be called unintegrated dependent clauses. Let us have a quick look at consecutive sodass-clauses. It can easily be proven that a consecutive clause does not belong to the central adverbial clauses. This could be shown with all the tests considered above. (42a) just demonstrates that a consecutive clause cannot be questioned. It is of greater –––––––—–– 21
Note that to get these results in (41a–d) it is not necessary to have a distinctive pause between the two sentences.
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interest that a consecutive clause patterns with the PACs and not with unintegrated dependent clauses. According to (42b), a sodass-clause cannot function as an assertion when the associated clause is a question or request. (42c) demonstrates the impossibility of using a sodass-clause as a performative. (42)
a
Welche Folgen hat deine schwere Verletzung? which consequences has your severe injury *(Ich bin schwer verletzt,) sodass ich zum Arzt gehen muss. I am badly injured so-that I to-the doctor go must b. *Bringst du Vater nach Hause(?), sodass ich ruhig schlafen bring you father home so-that I easy rest kann(?) can c. ??Max hat sich auch beworben, sodass ich hiermit zurücktrete. Max has REFL also applied so-that I hereby withdraw
Thus, it seems that consecutive clauses belong to the class of PACs. Hence, I assume that the fact that a consecutive clause cannot be base generated in the prefield of its superordinated clause but can only be base generated rightadjoined is due to its semantics – it specifies a result of the proposition of the superordinated clause – and does not show that a consecutive clause belongs to the unintegrated dependent clauses.22 –
In contrast to central adverbial clauses, PACs are not just part of the speech act performed with the matrix clause, cf. (15b–d).
PACs have an illocutional potential, which by default is assertive. Their illocutional potential has to be compatible with the illocutional force of the whole construction. This is not fulfilled in (15b–d). 23 – PACs do not relate eventualities. Pasch (1989) observes that in (43a) the da-clause does not relate to the con–––––––—–– 22
23
However, it should be mentioned that the fact that a verb-final clause introduced by sodass cannot be positioned in the prefield is the main reason for Pasch et al.’s (2003) treatment of sodass not as a complementiser (i.e. as a ‘Subjunktor’ in the terminology of Pasch et al. 2003) but as a member of a class of connectors in their own right called ‘Postponierer’ (postponing conjuncts). The judgements for (15b–d) change if the verb-final clauses get their own question intonation. In this case the sequence of the two clauses, each having a question intonation, is interpreted as one question.
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tent of the matrix clause since if this were so, the result would be semantically ill-formed. According to Pasch (1989) and Pasch et al. (2003), a daclause relates to the epistemic mode of the matrix clause. The da-clause yields the reason for the speaker’s belief that the matrix clause is true. (43b) is bad because, typically, weil expresses a causal relation between two eventualities. (43)
a. Da die Heizungsrohre geplatzt sind, hat es Frost gegeben. because the heating-tubes burst have has EXPL frost been b. *Weil die Heizungsrohre geplatzt sind, hat es Frost gegeben.
These phenomena are due to the fact that PACs are licensed by Force and central adverbials are licensed IP-internally. Only an adverbial which is licensed inside the IP of its matrix clause can relate to the eventuality denoted by the matrix clause. –
PACs cannot be questioned.
There are no question words for Force-elements, cf. (14). One might speculate that the reason that PACs cannot be questioned is that in this case the matrix clause’s Force would exclusively cover given material. This is not compatible with the illocutional function encoded in Force. - PACs can be part of a root-like subordinated clause and have an ‘embedded’ meaning. Interestingly, PACs can belong to an embedded clause. In this case, the embedded clause has to occur in a root-context, i.e. the embedded clause has to be root-like. This is shown by the contrast illustrated in (44a,b) and (44c,d), respectively. Note that this restriction does not hold for central adverbial clauses, cf. (44e,f). They may occur in non-root-environments. (44)
a. Paul glaubt, dass Otto kommt, da er Geld braucht. Paul thinks that Otto comes since he money needs b. *Paul bedauert, dass Otto kommt, da er Geld braucht. Paul regrets that Otto comes since he money needs c. Max meint, dass Maria Fußball liebt, während Paul für Opern Max thinks that Maria soccer loves while Paul about operas schwärmt. is-crazy d. *Max bestreitet, dass Maria Fußball liebt, während Paul für Opern schwärmt.
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Werner Frey e. Paul bedauert, dass Otto kommt, weil er Geld braucht. f. Max bestreitet, dass Maria wegfährt, während Paul Max denies that Maria goes-away-on-a-trip while Paul krank ist. ill is
That the subordinated clause with the PAC has to be root-like is due to the PAC’s Force projection. This Force projection has to be locally licensed by a Force head. As argued in section 3, an embedded clause with Force has to occur in a root-context, since only root-contexts can license Force. Hence, a dass-clause with Force has to occur in a root-context. In (44a,c), the Force projection of the PAC can be licensed by the Force of the embedded dassclause. In (44b,d), the subordinated dass-clause cannot have a Force projection, and, therefore, the PAC’s Force projection cannot be licensed. Since central adverbial clauses do not have Force, they are not restricted to Forcelicensing environments. Note that if a PAC is part of an embedded structure, an element of the superordinated clause may bind into the PAC. This is expected, since the complete embedded structure occurs in the c-command domain of any matrix element. (45)
Jeder1 dachte, andere werden bevorzugt, während er1 doch der Richtige everybody thought others were favoured, while he MP the right-one sei. is
If a PAC occurs in an embedded structure it is understood as part of the potential illocution ascribed to the referent of the logical subject of the superordinated clause. This observation contradicts Scheffler (2008), who claims that a da-clause (like a V2-clause introduced by denn, but in contrast to a weil-clause) is associated with a conventional implicature in the sense of Potts (2005). It is a sign of conventional implicatures that they are semantically linked to the actual speaker of the utterance (Potts 2005). Let us take a look at unintegrated dependent clauses. The examples in (46) show that they can never occur as part of an embedded structure: 24 (46)
a. *Hans meint, Maria wird auch kommen, worüber sich Hans thinks Maria will too come about-what REFL
–––––––—–– 24
I was told that there are native speakers who accept (46b); however, according to my own survey the example is not well formed. Reis (1997: 133), too, considers this construction ungrammatical.
Peripheral adverbial clauses
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alle freuen werden. everyone happy will-be b. ?*Hans glaubt, dass Fritz blöd ist, dass er Erna den Hans believes that Fritz stupid is that he (for)Erna the Mantel bezahlt. coat pays (cf. Reis 1997)
I take the fact that an unintegrated dependent clause, in contrast to a PAC, cannot occur embedded as a strong indication that an unintegrated dependent clause is not part of the syntactic structure of its associated clause (see also Fn. 7). An unintegrated dependent clause is semantically dependent on its associated clause, but it is, unlike a PAC, not syntactically dependent. Below, I will come back to this point. –
PACs do not appear as attributes.
A PAC needs licensing by Force of its host clause. Hence, it can be base generated in the prefield, or it can be base generated right-adjoined to the ForceP of its host clause. I assume that in the latter case the PAC does not have to be phonetically realised post-clausally but may also be pronounced in parenthetical niches inside the clause which are appropriate for its type. The examples in (47) show that the position of an attribute does not belong to the possible parenthetical niches for PACs. (47)
– – –
a. Eine Beförderung, weil/*da du der Chefin gefällst, ist a promotion because you to-the boss appeal is ausgeschlossen. excluded b. *Trotzdem, obwohl es mir zu warm ist, schließe ich das nonetheless although it for-me too warm is close I the Fenster nicht. window not (cf. Breindl 2004)
PACs cannot have a correlate, cf. (10c). PACs cannot be in the scope of an element in the superordinated clause, cf. (11c,d); they are not in the binding domain of an element in the superordinated clause, cf. (24), (26). PACs cannot carry the nuclear stress of the whole construction, cf. (13).
These three properties are consequences of the fact that a Force-element can-
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not be part of the c-command domains of IP-internal elements of the superordinated clause. –
PACs cannot be added by means of an und zwar-supplement.
By means of an und zwar-supplement, the content of the proposition expressed by the preceding clause is further specified. Thus, only material which contributes to that proposition can be added. (48) shows that a PAC does not fulfil this condition. (48)
–
Hans lächelt die ganze Zeit, und zwar weil/*da er so verliebt ist. Hans smiles the whole time and namely because he deep in-love is
A PAC can neither be coordinated with a central adverbial clause nor with an unintegrated dependent clause.
A possible syntactic explanation of the ungrammaticality of sentences like (49) is that constituents which are licensed by different elements cannot be coordinated. (49)
–
a. *Karl geht heute in die Oper, weil Strauss gegeben wird Karl goes today to the opera because Strauss performed is und da Maria mitkommt. and because Mary comes-along b. *Max hat ein Foul begangen, sodass er vom Platz gestellt Max has a foul committed so-that he off-the field sent wurde und worüber sich der Trainer ärgerte. was and about-which REFL the coach was-angry
Following the matrix clause, PACs occur in-between central adverbial clauses and unintegrated dependent clauses.
If a central adverbial clause, a PAC and an unintegrated clause follow the host clause, the only possible order is ‘central adverbial < PAC < unintegrated dependent clause’. (50)
a. Ich ging in den Wald, als ich musste, obwohl ich Angst hatte. I went into the wood when I had-to although I scared was b. *Ich ging in den Wald, obwohl ich Angst hatte, als ich musste.
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c. Er ist gekommen, obwohl er eigentlich keine Zeit hatte, he has come although he actually no time had worüber sich alle freuten. about-which REFL everyone happy-was d. *Er ist gekommen, worüber sich alle freuten, obwohl er eigentlich keine Zeit hatte.
A PAC which follows the matrix clause is adjoined to ForceP. The analysis of right-dislocation of elements which are IP-internally licensed is still highly controversial. However, it would be rather implausible to assume that a rightdislocated central adverbial clause is attached as high as to ForceP. Given this observation and since there is no parenthetical niche for a PAC between the main clause and the dislocated central adverbial clause, it is expected that a right-dislocated central adverbial clause will precede a PAC, cf. (50a,b). To understand (50c,d), we have to recall that with the data in (46) we have seen evidence that an unintegrated dependent clause is not part of the syntactic structure of its associated clause. Obviously, if unintegrated dependent clauses do not belong to the syntactic structure, they have to follow PACs, which do. That PACs are part of the syntactic structure of their associated clauses and unintegrated dependent clauses are not can also explain other differences. For example, in contrast to the former, unintegrated dependent clauses necessarily are prosodically non-integrated. Furthermore, PACs are possible in answers to all-focus questions, whereas unintegrated dependent clauses are not, the reason being that the answer to a wh-question has to be built by one syntactic structure: (51)
Was hat Maria erzählt? ‘What did Mary tell?’ a. Peter ist heute ins Schwimmbad gegangen, obwohl es Peter has today to-the swimming-pool gone although it stark regnete. heavily rained b. Peter hat einen Preis gewonnen, sodass er jetzt ein Haus bauen Peter has a prize won so-that he now a house build kann. can c. # Peter ist nach Paris gereist, worüber sich alle Peter has to Paris travelled about-what REFL everyone gewundert haben. surprised was
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Werner Frey d. # Peter ist größenwahnsinnig, dass er sich einen Porsche kauft. Peter is megalomaniac that he REFL a Porsche buys
5. About a PAC’s degree of integration After having reviewed the licensing of PACs and some of their properties, I would like to come back to the assumption expressed in (5), repeated here: (5)
The prefield in German is an unequivocal position of integration.
According to our findings, (5) can only be said to be true if it is not expected that any constituent which can appear in the prefield will fulfil all criteria for being integrated into the matrix clause. Although PACs can be base generated in the prefield and, thus, are integrated into the host clause, they show many of the effects which are normally taken as signs of non-integration: they do not allow binding into them, cannot be in the scope of other constituents, do not allow a correlate, cannot be questioned etc. Thus, using a graded concept of integration it can be said that PACs are less integrated than central adverbial clauses and, obviously, more integrated than continuative wh-relative clauses and free dass-clauses. Fabricius-Hansen (1992), among others, mentions two marginal variants of subordination: First, non-restrictive relative clauses and continuative relative clauses, which according to Fabricius-Hansen (1992) are syntactically like prototypical subordinated clauses but show semantic/pragmatic non-integration, and second dependent verb-first and verb-second sentences, which are said to have the form of main clauses but behave semantically/pragmatically like prototypical subordinated clauses. In her seminal paper Reis (1997) also distinguishes two special types of dependent clauses in addition to the dependent clauses which are canonical constituents: relative unintegrated clauses (according to Reis 1997, dependent V2-clauses, free dass-clauses) and absolute unintegrated clauses (according to Reis 1997, continuative relative clauses, sodass-clauses). 25 How are our findings to be characterised compared to these classifications? Using the (non-structural) notion of integration one could say that our findings suggest a third special type of dependent clauses, PACs. PACs and –––––––—–– 25
Note that Reis (1997) assumes that the absolute unintegrated clauses are rightadjoined to CP, such that according to her analysis, all dependent clauses form syntactic constituents with their host clauses.
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dependent V2-clauses share different ‘non-integration properties’, yet dependent V2-clauses fulfil criteria for integration (cf. Reis 1997, Holler 2008) which PACs do not fulfil, cf. (52). 26 First, it is possible to have binding of an element of the superordinate clause into the dependent V2-clause, while there is no binding of an element of the host of a PAC into the PAC. Second, a dependent V2-clause can be information-structurally integrated into its host clause. Thus, it may carry the nuclear accent of the complex consisting of the host and the dependent clause, whereas a PAC cannot. Third, a dependent V2-clause may appear as a complement to a predicate that is questioned, whereas if the predicate of the host of a PAC is questioned, the PAC does not become part of the question. (52)
a. Jeder1 glaubt, er1 ist der Richtige für die Aufgabe. everyone thinks he is the right-one for the task b. Otto hofft, sie wird KOMmen. Otto hopes she will come c. Hofft Otto, sie wird kommen? ‘Does Otto hope that she will come?’
Let me conclude by noting two differences in the classification of the sentence types in Reis (1997) and in the present paper. As already mentioned, in Reis (1997), free dass-clauses are grouped with dependent V2-clauses, whereas in the present paper it is argued that they belong to the unintegrated dependent clauses. Furthermore, Reis (1997) groups the consecutive sodassclauses with the continuative relative clauses as absolute unintegrated clauses, whereas the present paper treats them as PACs. The reason for the first difference is that in Reis (1997), some phenomena are evaluated differently than in the present paper. First, Reis (1997) assumes that the reason why the associated clause of a free dass-clause cannot be embedded (cf. (46b)) lies in the pragmatics of the free dass-clause. Next, in Reis (1997), contrary to our assessment, it is not seen as a decisive fact that a free –––––––—–– 26
According to Reis (1997), a V2-clause cannot be positioned in the prefield. From this point of view, dependent V2-clauses would fail to fulfil an ‘integration property’, which a PAC does fulfil. However, this ‘non-integration property’ of V2clauses is not as clear-cut as is often assumed, cf. (i): zugeben. (i) a. Er1 habe einen Fehler gemacht, will wohl keiner1 gerne he has a mistake made wants MP no-one willingly to-admit ‘No one readily wants to admit that he has made a mistake.’ b. Das Mineralwasser enthalte giftige Stoffe, hat der the mineral-water contains-SUBJ toxic substances has the Umweltexperte zu Unrecht behauptet. environmental-expert wrongly claimed (Grewendorf 1988: 253)
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Werner Frey
dass-clause may justify the illocution of the associated clause (cf. 41d). In addition, Reis (1997) assumes that a free dass-clause participates in the focus-background partition of its associated clause – a judgement I do not share, cf. (53a). Finally, Reis (1997) believes that an element of the associated clause may bind into the free dass-clause. With regard to the last point, Reis (1997) gives the example in (53b). Note, however, that Holler (2008: 201) does not accept binding into a free dass-clause, and I agree with Holler’s judgement, cf. (53c). Moreover, I take the fact that a PAC has to precede a free dass-clause as evidence for the view advanced in the present paper, cf. (53d,e). (53)
a. *Er ist verrückt, dass er ihr jetzt NACHreist. ‘He is crazy to follow her now.’ b. Jeder1 war blöd, dass er1 darauf eingegangen ist. everybody was foolish that he it accepted has ‘Everybody was foolish to accept it.’ c. *Jeder1 ist ein Idiot, dass er1 jetzt schon das Stadion verlässt. everybody is an idiot that he now already the stadium leaves d. Du bist verrückt, während deine Schwester vernünftig ist, dass du you are crazy while your sister intelligent is that you das ganze Geld verjubelst. the all money blow e. *Du bist verrückt, dass du das Geld verjubelst, während deine Schwester vernünftig ist.
As for the second difference, the reasons that Reis (1997) assigns sodassclauses to her class of absolute unintegrated clauses and not to her class of relative unintegrated clauses are obvious. For example, it is not possible to bind into a sodass-clause and a sodass-clause cannot participate in the focusbackground partition of its associated clause. However, the present paper groups sodass-clauses in the class of PACs, a class not provided in Reis (1997), and not as an unintegrated clause because a sodass-clause cannot constitute an independent speech act (cf. (42b)) and because it can be embedded together with its associated clause, (54). The present paper has to ascribe the fact that a sodass-clause cannot occur in the prefield to the resultative semantics of the clause. (54)
Max sagte, dass er sehr schwer verletzt ist, sodass er zum Arzt Max said, that he very severely hurt is so-that he to-the doctor gehen muss. go must ‘Max said that he is so severely injured that he has to go and see a doctor.’
Peripheral adverbial clauses
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Conclusion This paper argues that a PAC is licensed by the Force projection of its host. Thus, the syntactic licensing of a PAC is very different from the licensing of a central adverbial clause. The proposal explains that first, PACs, in contrast to central adverbial clauses, show many signs of non-integration, and that second, PACs may be base generated in the prefield, which shows that they may appear syntactically embedded (integrated) into their host clauses. The treatment of PACs as constituents which strongly differ from central adverbial clauses distinguishes our account on the one hand from that of Pasch et al. (2003: 398), who make a sharp distinction between the semantics of PACs and central adverbial clauses but treat them syntactically on a par, and on the other hand from Haegeman’s (2002, 2004, 2006) approach, which takes PACs as syntactically non-embeddable. The proposal also accounts for the fact that PACs show fewer signs of non-integration than continuative relative clauses and free dass-clauses. In contrast to Reis (1997) and Holler (2008), the paper argues that continuative relative clauses and free dass-clauses have no syntactic relationship to their preceding clauses. Since PACs have a structural relation to their hosts, they of course are more strongly integrated than continuative relative clauses and free dass-clauses.
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Werner Frey
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Gisella Ferraresi & Helmut Weiß
>Al die wîle und ich lebe germ. *anþi ‘dagegen, aber’ > ahd. a/e-Basisform
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Ferraresi & Weiß
Dem Formenreichtum von und steht im AHD eine ebensolche Bedeutungsvielfalt zur Seite. So werden bei Schützeichel (2006) s.v. ‘inti’ folgende Bedeutungen aufgelistet: „und (auch); so; aber; sondern; denn, nämlich; und daher; während“. Eine noch ausgeprägtere Funktions- und Bedeutungsvielfalt glaubt Desportes (1992) im ahd. Isidor zu erkennen, doch dagegen wendet Schrodt (2004: 146) zurecht ein, dass es sich dabei zumeist nicht um lexikalische, sondern um Kontextbedeutungen handelt. Neben der heute einzig erhaltenen konjunktiven Bedeutung ist im AHD auf jeden Fall noch die ursprüngliche adversative Bedeutung ‘dagegen, gegenüber’ greifbar: „Vermutlich entstanden aus einem adversativen ‘dagegen, gegenüber’, das als Bedeutung im Nordischen und Deutschen noch erweislich ist. Dann zu ig. *hanti ‘auf der Vorderseite, gegenüber’, auch in heth. hanti Adv. ‘getrennt, gesondert’, ai. ánti, gr. antí, l. ante zu einem wegen des Ablauts als Wurzelnomen vorauszusetzenden ig. *hant ‘Vorderseite, Stirn’ (vgl. heth. hanza Adv. ‘vorn’, ai. ánta- ‘Ende, Grenze’ und das unter Ende Aufgeführte).“ (Kluge 2002, s.v. und).
2.2. Syntax Im NHD ist und syntaktisch nur noch als koordinierende Konjunktion verwendbar (vgl. 1a oben). Verglichen damit findet man in den älteren Sprachstufen eine erstaunliche Verwendungsvielfalt. Wie eingangs erwähnt, gibt es vom späten AHD/frühen MHD an bis an die Schwelle zum NHD Belege für nicht-koordinatives und, wobei Schröbler (1966) bereits die sehr wichtige Unterscheidung zwischen relativem und modalem und getroffen hat. Sie hat dabei in der Hauptsache auf die Belegsammlungen von Tobler (1858, 1868), Kraus (1900) und Behaghel (1928: 739–742) zurück gegriffen. Zieht man weiteres Material heran, wie es z.B. im DWB s.v. UND aus dem FNHD geboten wird, kann man noch wesentlich mehr nicht-koordinative Verwendungen erkennen – zumal uns die Erkenntnisse der modernen Syntaxtheorie ein besseres Verständnis erlauben. In diesem Abschnitt versuchen wir, die in den genannten Quellen nachgewiesenen Verwendungen zu systematisieren. KOORDINIEREND: in den ältesten Belegen ist und wie im NHD syntaktischkoordinierend (3a, b, c) bzw. (irgendwie) diskurs-konjunktiv (3d).
–––––––—–– (2) idg. *h1endh- ‘Gipfel’ (Lok Sg ‘auf dem Gipfel, auf’) > germ *enÿi ‘dazu, und’ > ahd. i-Basisform (woraus die u-Formen durch Rundung in unbetonter Stellung entstanden ist).
Und nicht nur koordinierend
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Die ursprüngliche koordinierende Konjunktion war im Germanischen joh ‘und’ (Behaghel 1928: 200) (3e, f) und beide zeigen in ein und demselben Text (z.B. im Isidor) dieselbe syntaktische Distribution (vgl. 3b, c vs. e, f) und können auch, wie im Got. jah und -uh ‘und’ (cf. Ferraresi 2005: 156), kombiniert werden (3g): (3)
a. Der chuninc duo [...] wart arbolgan enti santa siniu heri ... (Mt 22,13f.) der König da war erzürnt UND sandte seine Heere ‘der König war erzürnt und sandte seine Heere’ b. Ih bim eino got endi ano mih nist ander (Is IV,11,373f.) Ich bin ein Gott UND ohne mich nicht ist anderer ‘Ich bin der eine Gott und außer mir ist kein Anderer’ c. got endi druhtin (Is III,131 und öfters) Gott UND Vertrauter ‘Gott und Herr’ d. Endi auh ibu christus druhtin nist, huuelih […]: >Endi regonoda druhtin […]. Endi huuer ist dhanne druhtin […] (Is III, 6, 193-199) UND auch wenn Christus Herr nicht ist, welch …: UND ließ regnen der Herr … UND wer ist dann Herr ‘Und auch wenn Christus nicht der Herr ist …: und ließ regnen der Herr … und wer ist dann der Herr’ e. dhiu chiholan ist fona manno augom, ioh fona allem himilfleugendem ist siu chiborgan (Is II,4,111ff.) die verborgen ist von Menschen Augen, und von allem Himmelfliegendem ist sie verborgen ‘die verborgen ist vor des Menschen Augen und vor allen Vögeln des Himmels’ f. got ioh druhtin (Is III,1,136) Gott und Herr ‘Gott und Herr’ g. endi ioh dhazs ist nu unzuuiflo (Is III,3,173) UND und das ist nun zweifellos ‘und das ist nun ohne Zweifel’
SUBORDINIEREND: Ab dem späten AHD und vor allem für das MHD bis ins FNHD sind ‘nicht-koordinierende’ Verwendungsweisen für und belegt. Die von und eingeleiteten Sätze sind Teil eines übergeordneten Satzes und hängen von diesem oder einer Konstituente in diesem ab. Diese asymmetrische Relation zwischen den beiden Konjunkten entspricht daher der Subordination gemäß der in Abschnitt 1 gegebenen Bestimmung. Ein äußerliches Bestimmungsmerkmal ist die Verbendstellung (sie wird in den folgenden Beispielen
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Ferraresi & Weiß
durch Fettdruck plus Kursivierung hervorgehoben). In Abschnitt 3 folgt eine generelle Diskussion zum syntaktischen Status von und. Ab wann die subordinierenden Verwendungen auftreten, ist zeitlich nicht genau nachweisbar. Bei Behaghel (1928: 739) werden je ein Beleg aus Merigarto und Notker angeführt (vgl. 4a, b), die lt. Schrodt (2004: 173) jedoch „nicht sicher“ sind. (4a) ist, wie aus der beigegebenen Haugschen Übersetzung auch deutlich wird, sicher kein Beleg für ein subordinierendes und. Der Notker-Beleg, den Behaghel (1928) nach der Piper-Ausgabe zitiert, hat in der heute maßgeblichen Ausgabe von Tax anstelle des und ein so (4c). Die beiden frühesten Belege fallen damit weg. (4d) – offenbar bislang von der Forschung übersehen – stammt allerdings ebenfalls aus Merigarto: und ist hier ein philologisch zuverlässiger Beleg und es kann keinesfalls koordinierend verstanden werden, so dass man zumindest einen eindeutigen Beleg aus spätahd./früh-mhd. Zeit hat. (4)
a. daz ist fone diu, unt ich sag iu (Merigarto (= Haug & Vollmann 1991: 660, Z. 201f.)) das ist von die, UND ich sag euch ‘dies ist – ja ich sag’s euch –, …’ b. scuof in al nah diu unde er daz sal pilden uuolte (Notker III, 288, 27) schuf ihn alles nach dem UND er den Saal bilden wollte ‘schuf ihn ganz so wie er den Saal bauen wollte’ c. scûoff in al nâh diû so er daz templum pildon uuolta (Notker, Psalter, Stufenpsalmen, Einleitung S948) schuf ihnen alles nach dem so er das Tempel bilden wollte ‘schuf ihn ganz so wie er den Tempel bauen wollte’ d. indes unt diu erda get, so dunchit daz mere rot (Merigarto (= Haug & Vollmann 1991: 650, Z. 41f.)) dahin UND die Erde geht, so dünkt das Meer rot ‘soweit dieser Grund geht, erscheint das Meer rot’
Die Entstehung des Merigarto wird auf ca. 1070 angesetzt (Haug & Vollmann 1991: 1449), d.h. seit dem späten AHD bzw. frühen MHD findet man eindeutige Belege für die subordinierende Funktion von und. Spätestens mit dem 12. Jh. setzt dann eine kontinuierliche Überlieferung entsprechender Beispiele ein: so in der Wiener Genesis, deren Handschrift zwar aus der zweiten Hälfte des 12. Jhs. stammt, deren Original aber als zwischen 1060 bis 1080 entstanden angesetzt wird (Haug & Vollmann 1991: 1408). Laut DWB s.v. UND „reicht der gebrauch noch bis in die schriftsprache des 17. jhs. hinein; dann erlischt er“ (DWB 24, 423). Subordinierendes und ist also für mindestens ein halbes Jahrtausend belegt, d.h. es war zumindest zeitlich
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keine marginale Erscheinung, obwohl es während dieser Zeit quantitativ sicherlich immer eine seltene Alternative zu anderen Konstruktionen gewesen sein wird. Eine erste Sichtung aller bekannten Belege ergibt nun folgende funktionale Systematik: 7 KOMPARATIV: als modal-vergleichende Subjunktion (nhd. ‘wie’). Die mit und eingeleiteten Vergleichssätze sind Äquative, die im Matrixsatz von (al)sô, dâr nach ‘dementsprechend’ oder solch (Paul 2007) lizensiert werden.
(5)
a. alsô starken leiden unt ich von iu hân (NL 1787,3) so starke Leiden UND ich von euch habe ‘so starke Leiden, die/wie ich von euch habe’ b. alse lieb und ich dir bin (Ulrich v. Türheim, Tristan, 532,14) so lieb UND ich dir bin ‘so lieb wie ich dir bin’ c. sîn getât doch heizen sol eintweder übel ode guot dar nâch und im stât sîn muot (WGast 4702-04) seine Tat doch heissen soll entweder übel oder gut danach UND ihm steht sein Mut ‘Seine Tat soll entweder übel oder gut genannt werden, je nachdem, wie ihm sein Sinn steht’
–––––––—–– 7
Da wir uns mit syntaktischer Subordination in einem strikten Sinne befassen, bleiben hypothetische Konditionale sowie Konzessive, die z.B. bei Kraus (1900) einen Großteil seines Materials bilden, außer acht. Mit und eingeleitete Bedingungssätze wie (i) kommen hauptsächlich bis ins 15. Jh. vor (Ebert et al. 1993: 46). Unserer Ansicht nach handelt es sich hierbei um Konditionalsätze mit uneingeleiteten Stirnsätzen als Antezedens (vgl. dazu Eisenberg 2006: 342), und hat hier eher eine diskurs-konjunktive Funktion. Viele der von Kraus angeführten Belege für Konzessivsätze wie z.B. (ii) sind Irrelevanzkonditionale, für die ähnliches gilt. (i) und solt ich lang leben, ich wölt wunder mit dir hiligen samenung tuen (C. Ebner, zit. nach Ebert et al. (1993: 460) ‘und soll ich lange leben, ich wollte Wunder mit dir Heiligen zusammen tun’ (ii) und haete es al diu werlt gesworn, ern wirdet nimer dîn man (Tristan, zit. nach Kraus 1900: 167). ‘und hätte es auch die ganze Welt geschworen, er wird nie dein Mann’
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Ferraresi & Weiß d. nu la du zorn din uber mich uerwohrten niht gan dar nah und ich daz garnet han (Vorauer Sündenklage 438-40) nun laß du den zorn über mich verdorbenen nicht gehen danach UND ich das verdient habe ‘nun laß du deinen Zorn über mich verdorbenen nicht vergehen, dementsprechend wie ich das verdient habe’
TEMPORAL:
nhd. ‘wie, als’. Temporale Adverbialsätze können ebenfalls mit und eingeleitet sein. Im NHD werden solche Temporalsätze zumeist mit als eingeleitet, womit die durch die beiden Konjunkte ausgedrückten Ereignisse aufeinander bezogen werden (Eisenberg 2006). Und tritt entweder als alleinige Konjunktion auf (6a, b) oder in Kombination mit anderen Konnektoren (6c, d) (vgl. Ebert et al. 1993: 456f.):
(6)
a.
unt diz Alexander vernam, niwiht er ne beite (Alex V 297) UND dies Alexander vernahm, nicht er nicht wartet ‘Als dies Alexander vernahm, wartet er nicht’ b. den marcrâven dûhte grôz ir kraft, und er si reht ersach (Wh 58 12f.) den Markgrafen dachte groß ihre Kraft UND er sie recht ersah ‘den Markgrafen dünkte ihre Kraft groß, als er sie richtig sah’ c. Dar nach unde ir der trew dinst ab ging, da erplindet si (C. Ebner 24) Darnach UND ihr der treue Dienst abging, da erblindet sie ‘Darnach als ihr der treue Dienst fehlte, da erblindet sie’ d. Nun und der prueder sein sach geendet het, rait er mit hulden weg (Fueterer) Nun UND der Bruder seine Sache beendet hat, reitet er mit Hulden weg ‘Nun als der Bruder seine Sache beendet hat, reitet er mit Hulden weg’
RELATIVES und: Mit und eingeleitete Sätze können Teil einer NP sein. Das Kopfnomen ist häufig wîle (7a–c), es treten aber auch andere Nomen (8a–c) sowie Pronomen (9a–c) auf. Syntaktisch handelt es sich um restriktive Relativsätze, die als Attribute das Kopfnomen modifizieren.
die wîle und: (7)
a. al die wîle und ich lebe (Erec 4556) all die Weile UND ich lebe ‘zu der ganzen Zeit, zu der ich lebe’ b. die wile und ich daz leben habe (Gottfried, Tristan, 1238) die Weile UND ich das Leben habe ‘die Zeit, in der ich das Leben habe’
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c. alle die wîle und er die harpfen hôrte, sô liez er im die ruowe (Berthold v. Regensburg I 136, 27–28) all die Weile UND er die Harfen hörte, so ließ er ihm die Ruhe ‘die ganze Zeit, die er die Harfen hörte, ließ er ihm die Ruhe’
andere Bezugsnomen + und: (8)
a. sô gewinnet Baierlant hinnen vor niemer mêre die tugent und die êre unt iz bî mir gewon was (Kaiserchronik 7011–14) so gewinnt Bayerland von hier vor nie mehr die Macht und das Ansehen UND es bei mir gewohnt war ‘so gewinnt Bayern von nun an nicht mehr die Macht und das Ansehen, wie es sie zu meiner Zeit gewohnt war’ b. ergetzet si der leide unt ir ir habet getân (NL 1208, 3) entschädigt sie des Leides UND ihr ihr habt getan ‘Entschädigt sie für das Leid, das Ihr ihr zugefügt habt’ c. wann mit dem urteil und ir urteilt, wert ir geurteilt (Menthelbibel, Matth. 7,2) denn mit dem Urteil UND ihr urteilt, werdet ihr geurteilt ‘denn mit dem Urteil, mit dem ihr urteilt, werdet ihr selbst geurteilt’
(d-)Pron + und: (9)
a. in elliu diu und er tete, so hête er gĤte site (Gen 3687) in allem dem UND er tat, so hatte er gutes Verhalten ‘in allem, was er tat, hatte er ein vortreffliches Verhalten’ b. lât mich zuo zin riten mit den unt ich hie hân (NL 886,2 Hs. C) lasst mich zu z’ihnen reiten mit den UND ich hier habe ‘laßt mich mit meinen Leuten, die ich hier habe, zu ihnen reiten’ c. mit allen und ich vermag (aus Behaghel (1928: 742), Leysers Predigten 2, 198 mit allen UND ich vermag ‘mit allem was ich vermag’
ALLGEMEIN SUBORDINIEREND: korrespondierend/alternierend mit dass. UndSätze zeigen Verwendungen, in denen sonst der Komplementierer dass vorkommt: So zusammen mit Präpositionen und Adverbien (10a–c) oder in adverbiellen w-Sätzen (11a–c). In der Kombination P + dass haben sich im Deutschen Präpositionen wie bis zu Konjunktionen entwickelt (Axel 2009b), und in manchen Dialekten hat sich dieser Zustand bis heute gehalten (Weiß 1998). Es handelt sich also um eine klassische Subordinationskonstellation.
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P/Adv + und: (so lang) bis und – indem und – zwischen und – ehe und – zuvor und (cf. DWB s.v. und): (10)
a. so lang bisz und ich … jhn zuboden geworffen hab (Rauwolff 255) so lang bis UND ich ihn zu Boden geworfen habe ‘so lange bis ich ihn auf den Boden geworfen habe’ b. zuvor und er zu morgen esz (Teuerdank 38, 214) zuvor UND er zu morgen isst ‘bevor er zu morgen isst’ c. ehe und der Türck der königin zuhilff kommen möchte (Stumpf 1606) ehe UND der Türke der Königin zu Hilfe kommen möchte ‘ehe noch der Türke der Königin zu Hilfe kommen möchte’
w-Pronomen + und: (11)
a. got macht es, wie und er wil (Luther 12, 596, 25) Gott macht es wie UND er will ‘Gott macht es, wie er wolle’ b. er sey gleich wer und er wöll (Sachs 2, 30, 19) er sei gleich wer UND er wolle ‘er sei wer er wolle’ c. so zieht dahin wann und ir wellt (Teuerdank 81,20) so zieht dahin wann UND ihr wollt ‘so geht wann ihr wollt’
3. Syntaktischer Status von subordinierendem und Wenn man sich die verschiedenen Klassen betrachtet, wird schnell deutlich, dass und hier überall in der syntaktischen Funktion einer subordinierenden Konjunktion auftritt, also eines Komplementierers im generativen Sinne. Das gilt auch für die Verwendung im Relativsatz, für die z.B. Schröbler (1966: 140) eine „relative Partikel und [ansetzt], welche einem beliebigen Kasus des Pronomens relat. gleichwertig ist, mit der Bedeutung von nhd. (relat.) ‚der die das’.“ Angemessener ist sicher aber eine Analyse, die das relative und mit dialektalen Relativsatzkomplementierern wie wo oder was gleichsetzt, für die angenommen wird, dass sie in C° lokalisiert sind (Weiß 2004). Schon das DWB 24, 423 vermerkt, dass es „nicht vertreter des relativpronomens“ sei. Dass und in den Beispielen (5)–(11) Komplementiererstatus hat, dafür sprechen vor allem zwei Aspekte:
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I) und vs. dass Interessant für den syntaktischen Status des nicht-koordinierenden und ist, dass es in einer Reihe syntaktischer Kontexte austauschbar mit dass ist. Für die Konstruktion ‘die wîle unt/dass’ ist das in der Forschung bereits festgestellt worden, vgl. Paul (2007: 406): „Die gleiche Funktion wie und kann gegenüber dem adverbiellen Akk. die wile die Konjunktion daz übernehmen“. Die gegenseitige Substituierbarkeit beider Komplementierer wird durch unterschiedliche Handschriftenversionen des NL belegt: (12)
a. die wîle unt wir geleben (NL 1049) die Weile UND wir leben ‘die Zeit, die wir leben’ b. die wîle daz wir geleben (Iqh) die Weile DASS wir leben ‘die Weile, die wir leben’
Andere Kontexte sind P/Adv + und (cf. 10) sowie w-Pronomen + und (cf. 11). Vor allem die Belege in (11) sind von besonderer Relevanz, weil eingebettete w-Sätze in vielen deutschen Dialekten mit dass konstruieren. Die klassische generative Analyse, hauptsächlich am Bairischen entwickelt (Bayer 1984, Weiß 1998), nimmt hier Fälle von doubly-filled COMPs an, mit dem w-Pronomen in SpecCP und dass in C°. Unsrer Ansicht nach sprechen die Belege in (5)–(11) für eine parallele Analyse von subordinierendem und als C°-Element. II) Verbstellung Bei der überwiegenden Anzahl der Fälle, die eine Entscheidung zulassen, befindet sich das Verb in Endstellung bzw. der rechten Satzklammer. Dies gilt für die unterschiedlichen Typen wie Relativ- (13a), Komparativ- (13b), Temporalsätze (13c) usw.: (13)
a. sô gewinnet Baierlant hinnen vor niemer mêre die tugent und die êre unt iz bî mir gewon was (Kaiserchronik 7011–14) so gewinnt Bayerland von hier vor nie mehr die Macht und das Ansehen UND es bei mir gewohnt war ‘so gewinnt Bayern von nun an nicht mehr die Macht und das Ansehen, wie es sie zu meiner Zeit gewohnt war’ b. alse lieb und ich dir bin (Ulrich v. Türheim, Tristan, 532,14) so lieb UND ich dir bin ‘So lieb wie ich dir bin’
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Ferraresi & Weiß c. unt diz Alexander vernam, niwiht er ne beite (Alex V 297) UND dies Alexander vernahm, nicht er nicht wartet ‘Als dies Alexander vernahm, wartet er nicht’
In diesen Sätzen verhält sich und wie alle anderen subordinierenden Konjunktionen im Deutschen und nicht wie sein koordinierendes Pendant. Die traditionelle strukturelle Erklärung für die komplementäre Distribution von Komplementierer und finitem Verb (Grewendorf 1988 u.v.a.m.) ist, dass beide um dieselbe syntaktische Position konkurrieren, nämlich C° bzw. die linke Satzklammer: ist diese Position mit einem Komplementierer besetzt, unterbleibt Verbanhebung. Auch bei der Konjunktion und gab es bis in das FNHD hinein die seit dem Germanischen belegte Möglichkeit der Verbend- bzw. Späterstellung (Behaghel 1932: 25f.; Ebert 1978: 38), so dass die Verbstellung allein kein verlässliches Kriterium zu sein scheint. Doch für das MHD und FNHD gibt es verschiedene Anhaltspunkte, um zwischen dieser Art der asymmetrischen Koordination (d.h. und-Hauptsätze mit Verbendstellung wie 14a) und mit und-subordinierten Nebensätzen in vielen Fällen problemlos unterscheiden zu können. So kann bei Anfangsstellung des und-Konjunktes wie in (13c) keine asymmetrische Koordination vorliegen, denn diese ist auf das zweite Konjunkt beschränkt. Auch kann es vorkommen, dass andere Handschriften anstelle von und einen anderen Konjunktor aufweisen, der den Satz eindeutig als Nebensatz ausweist (wie temporales do in 14b vs. 13c): (14)
a. denn Gott sind alle ding müglich vnd wyr niht wissen (Luther; zit. nach Behaghel 1932: 26) ‘denn Gott sind alle Dinge möglich und wir wissen es nicht’ b. do Alexander das vernam (B) ‘Da Alexander das vernahm’
Sowohl die potentielle Alternation mit dass als auch Verbendstellung weisen und damit als echte subordinierende Konjunktion aus. Ein weiterer interessanter Punkt ist, dass subordinierendes und polyfunktional, also nicht auf einen bestimmten Nebensatztyp beschränkt ist. Auf den klassischen Komplementierer dass trifft das ebenfalls zu (vgl. Anm.1 oben), aber auch auf andere Konjunktionen. So kommen außer und auch andere Partikeln/Konjunktionen sowohl in Vergleichskonstruktionen als auch in Relativsätzen vor, vgl. z.B. relatives so in (15):
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a. daz uns müeze werden alles des gebetes ein teil so hiute wirt gesprochen (Reinmar von Zweter 11,2f.)) dass uns müsse werden alles des Gebetes ein Teil SO heute wird gesprochen b. ich hete ir doch vil lihte ein teil geseit der vil grossen liebe so min herze an sie hat (Rudolf von Rotenburg) ich hätte ihr doch vielleicht ein Teil gesagt der viel großen Liebe SO mein Herz an sie hat.
Ein weiteres Beispiel ist wie, das im Deutschen generell vornehmlich als Vergleichspartikel vorkommt, sich im Bairischen teilweise aber auch zu einem Relativsatzeinleiter entwickelt hat – und dann auch mit Relativpronomen kompatibel ist (Eroms 2005): (16)
so das ma do ned iba de norm khema san, de wia se aufgschdaid ham (Eroms 2005) so dass wir doch nicht über der Norm gekommen sind, der sie aufgeschrieben haben.
Insgesamt zeigt die Diskussion zu den Daten, dass die semantische Affinität der (asymmetrischen) Relationen temporal, modal, modifizierend, subordinierend einerseits und der koordinativen Relation andererseits ermöglicht, für eine längere Zeit in der Geschichte des Deutschen das Lexem und in solchen asymmetrischen Relationen zu verwenden, die subordinativ konstruiert werden. Diese Funktion ist seit dem FNHD verschwunden und die Konjunktion und wird im heutigen Deutsch nur für koordinierende Relationen reserviert. Im nächsten Paragraph wollen wir auf diesen Punkt näher eingehen und der Frage nachgehen, welche semantischen und syntaktischen Merkmale die ‘subordinierende’ Funktion möglich machen.
4. Analyse Genuin symmetrisch koordinierte Strukturen erlauben bestimmte Ellipsenphänomene (vgl. u.a. Féry & Hartmann 2005, Einleitung in Ehrich et al. 2009). 8 Voraussetzung dabei ist, dass beiden Konjunkten ein Teil des in ihnen enthaltenen Materials gemein ist. Zudem kann aus symmetrisch koor–––––––—–– 8
Féry & Hartmann (2005) besprechen die Phänomene des Gapping und der Linkstilgung (right node raising).
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dinierten Konjunkten extrahiert werden, eine Möglichkeit, die sie mit Komplementsätzen gemeinsam haben, wie in (17): (17)
a. Was hat Mario verkauft und Maria gekauft? b. Was glaubst du, dass Maria gekauft hat?
Im generativen Syntaxmodell wird für die symmetrische Koordination eine funktionale syntaktische Kategorie &P angenommen, in deren Komplementposition das zweite Konjunkt steht. Für die asymmetrische Koordination wie in (18a) wird in Büring & Hartmann (1998) und Reich (2009) eine Adjunktionsanalyse vorgeschlagen. Das Subjekt des ersten Konjunkts nach dem finiten Verb kann nicht Subjekt des zweiten Konjunkts sein, weswegen die zwei Konjunkte asymmetrisch koordiniert sind: (18)
a. Stehen die da etwa rum und verteilen Flyer? b. Stehen die da etwa rum, weil sie Flyer verteilen wollen? (aus Reich 2009: 211)
Reich (2009) zufolge wird der ganze Satz in (18a) als komplexes Ereignis interpretiert, wofür er den Begriff ‘fusioniert’ verwendet. Anders als im Fall des Adverbialsatzes in (18b), dessen kausale Relation zum Matrixsatz im Fragesatz erfragt wird, steht die und-Relation in dem Fragesatz nicht zur Debatte. Nach Reich (2009) ist die Verbzweitstellung zusammen mit der Konjunktion und für den ‘fusionierenden Effekt’ verantwortlich. Dieser führt dazu, dass die zwei Propositionen als einziges Ereignis mit zwei Teilereignissen interpretiert werden, von denen das erste in den Hintergrund rückt. Dieser Koordinationstyp wird in Büring & Hartmann (1998) und Reich (2009: 209ff.) als Adjunktion analysiert, da zwischen beiden Konjunkten ein Subordinationsverhältnis wie zwischen Matrix- und Adverbialsatz besteht, unabhängig davon, dass das zweite Konjunkt durch eine ‘(sonst) koordinierende Konjunktion eingeleitet wird’ und dass das Verb nicht in der Endposition steht. Für unsere Zwecke bedeutet dies, dass auch im heutigen Deutsch und von der Form her zwar eine koordinierende 9 Konjunktion ist, aber wie subordinierende Konjunktionen eine asymmetrische Relation einführen kann. Es stellt sich folglich die Frage, was genau und als spezielles Lexem ausmacht, wenn nicht die dadurch eingeführte Relation, und welchen Typ von Relation es im älteren Deutsch zwischen den Konjunkten herstellt, wenn wir von koordinierend und subordinierend sprechen. –––––––—–– 9
Dieser Begriff ist in jedem Fall verfehlt, da selbst in der symmetrischen Koordination mit einer binären Struktur das zweite Konjunkt als Komplement erscheint.
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4.1. Koordinierendes UND Zu den Eigenschaften der durch koordinierendes und eingeführten Relation gehört die Additivität. Damit wird ausgedrückt, dass die Information in der mit und verknüpften Konstituente mit der Information in der davorstehenden Konstituente gebündelt wird. Bei DPs beispielsweise kongruiert das Verb im Plural, wenn DP & DP die Subjektfunktion hat (Peter und Paul gehen ins Kino). 10 Voraussetzung für die Koordination zweier Konstituenten ist, dass beide Mitglieder einer Menge angehören, die Lang (1991) als common denominator bezeichnet. 11 Sie stellen also Alternativen aus einer Menge dar. Diese Bedingung wirkt auf der informationsstrukturellen Ebene, da im zweiten Konjunkt gleichzeitig neue Information realisiert wird – die zum common denominator gehört und deshalb durch Weltwissen teilweise schon präsent ist –, aber auch aus dem ersten Konjunkt bekannte Information, die z.B. durch Gapping getilgt werden kann. Das nicht-getilgte neue Material steht in Kontrast zu Konstituenten des ersten Konjunkts, die zum selben common denominator gehören. In Beispiel (19) stellen {Maria, Peter …} Alternativen aus der Menge der Esser dar und {Bohne, Erbsen …} aus der Menge der möglichen Nahrungsmittel, die gegessen werden können. Der Kontrastfokus zeigt sich durch eine Hutkontur in beiden Konjunkten (Féry & Hartmann 2005): (19)
/MaRIA aß die BOHne\ und / PEter aß die ERbsen\
Die Funktionen der Kontrastmarkierung und der Additivität werden in vielen älteren indoeuropäischen Sprachen lexikalisch unterschiedlich realisiert: Im Gotischen wird erstere durch -uh markiert, eine C-Partikel, wie in (20) 12 , die das griechische įȑ übersetzt und dem lateinischen autem entspricht (vgl. Ferraresi & Goldbach 2004) –––––––—–– 10
11
12
Vgl. auch Zifonun, Hoffmann & Strecker (1997: 2373ff.). Wie ein Gutachter kommentiert, wird typischerweise die Konjunktion und in der mathematischen Operation der Addition (zwei und zwei sind vier) eingesetzt. Lang (1991) weist allerdings darauf hin, dass sprachliche Additivität ein viel komplexeres Phänomen ist, da beide Konjunkte in der Koordination sich syntaktisch und semantisch gegenseitig beeinflussen, z. B. in Interpretationseffekten, aber auch prosodisch (vgl. Féry & Hartmann 2005). Dies gilt nicht nicht nur bei der Koordination mit und, sondern auch mit oder und aber (Umbach 2004). Die Beispiele (20a, b) zeigen, dass -uh nicht notwendigerweise den C-Kopf besetzt, in dem das Verb in V2-Sätzen landet. Dies würde bei einem sogenannten kartographischen Ansatz wie bei Rizzi (1997), in dem die CP in mehrere spezifische Positionen geteilt wird, theoretisch kein Problem darstellen.
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Die reine additive Markierung wird hingegen von jah übernommen (21), vgl. Ferraresi (2005): (20)
a. …sumai(u)h qeþun þatei sunjeis ist (Joh 7:12) … einige-UH sagten dass gut ist ‘Einige sagten, dass das gut ist’ b. gaggiþ qiþiduh du siponjam is (Mar 16:7) geht sag-UH zu Jüngern seinen ‘geht und sagt zu seinen Jüngern …’
(21)
attan jah aiþein (Joh 6:42) Vater und Mutter
Die lexikalische Unterscheidung zwischen beiden Funktionen der Additivität und (Kontrast-)Topikmarkierung wird im AHD aufgegeben, und beides wird im AHD durch enti abgedeckt, wobei einzelne Belege existieren, in denen joh, die ältere der beiden Konjunktionen (Behaghel 1928: 200), diese Funktion zeigt, wie in (22): (22)
écchert ih pehalte dîniu gebot unde ih ioh sie minnoe umbe din gebot (N, Ps., 117, 473,11- 12) allein ich halte dein gebot UND ich joch ‘sogar’ sie liebe wegen deines Gebots ‘nur ich halte dein Gebot ein und liebe sie sogar wegen deines Gebotes’
Wie oben schon angedeutet, gibt es zahlreiche Belege auch aus anderen altgermanischen Sprachen, in denen nach der Konjunktion und Verbendstellung folgt. In Kiparskys (1995: 149) Vorschlag, der Verbendsätze in koordinativen Verknüpfungen des Altenglischen diskutiert, fehlt dem Zweitkonjunkt in dieser Sprache die CP-Schale, die in den anderen altgermanischen Sprachen immer realisiert ist. Dies zeigt sich laut Kiparsky vor allem dadurch, dass – sobald ein Operator wie die Negation oder wie die Satzpartikeln þa, þonne die Anfangstellung besetzt –, das Verb nicht mehr in End-, sondern in Zweitstellung erscheint. Da jedoch auch im älteren Deutsch die Option vorhanden ist, nach enti Verbendstellung zu haben, müsste man dieselbe Analyse auch für diese Sprache annehmen. Dies bedeutet, dass der Verbendstellung im zweiten Konjunkt von echt koordinierten Sätzen eine andere Analyse zugrunde liegen würde als bei solchen, in denen enti eine subordinierende Relation einleitet, da wir ja davon ausgehen, dass enti parallel zu dass eine C°Konjunktion ist. Es gibt aber Gründe, die gegen Kiparskys Analyse sprechen, zumindest für das Deutsche. Ein Argument ist, dass Verbendstellung mit und im Deutschen bis ins FNHD belegt ist – wie in (23) –, in dem die CP
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nicht nur bei den Operatorenstrukturen realisiert wird, sondern grammatikalisiert ist, es sei denn, man nimmt an, dass der gleichen Oberflächenerscheinung zwei unterschiedlichen Strukturen zugrunde zu legen sind: (23)
er rait an den perg und vorwegs den weg nymer geriten mocht (zit nach Behaghel 1932: 26 Lanz. 213) ‘er reitet an den Berg und konnte den Weg voran nicht mehr reiten’
Ein zweites Argument ist, dass eine Umdeutung der und-Konjunktion von koordinierend zu subordinierend ohne syntaktische Reanalyse stattfinden kann. Anstatt vom Fehlen der CP-Schale in einer asymmetrischen Koordination wie (23) auszugehen, nehmen wir an, dass schon in diesen Konstruktionen und in der C°-Position steht, und zwar einer CP, die an IP adjungiert ist. Diese CP kann wie die und-Konjunkte im heutigen Deutsch die Funktion haben, eine fusionierte Ereignisinterpretation zu erzwingen, und zwar ist in dem und-Konjunkt eine weniger gewichtige Information enthalten, die dem selben Ereignis des ersten Konjunkts zugerechnet werden kann. In (23) kann man z.B. das zweite Konjunkt als ein den Ritt begleitendes Ereignis betrachten. Im Folgenden versuchen wir die unten stehenden Fragen zu beantworten: 1. 2.
Wie entwickelt sich die ‘Einbettungsfunktion’ von und? Wie korrelieren die Merkmale Additivität und Topikmarkierung mit dieser Entwicklung?
4.2. Subordinierendes UND Wie im vorangehenden Paragraphen diskutiert, muss man sowohl für die symmetrische als auch für die asymmetrische Koordination im heutigen Deutsch eine Einbettungsstruktur annehmen. Im Fall der asymmetrischen Koordination wird das und-Konjunkt als Adjunktion analysiert. Dies bewirkt eine fusionierte Ereignisinterpretation, wobei das in dem ersten Konjunkt enthaltene Ereignis in den Hintergrund rückt. In den älteren germanischen Sprachen wird das begleitende/subordinierte Ereignis im und-Konjunkt als CP-Adjunktion realisiert und enthält hintergründige Informationen. Wie entsteht aus der asymmetrisch koordinativen Struktur eine subordinierte Lesart? Syntaktisch ändert sich kaum etwas, nur wird bei der subordinativen Lesart im ersten Konjunkt ein Element realisiert, worauf sich das und-Konjunkt bezieht, d.h. das und-Konjunkt dient als Korrelativsatz bzw.
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Apposition zum Matrixsatz bzw. zu einer Konstituente im Matrixsatz. Der durch und eingeleitete Appositionssatz enthält eine zusätzliche Prädikation (Cardoso & de Vries 2009). Das und-Konjunkt wird demzufolge als eine Struktur reanalysiert, in der CP2 als subordiniert zum Matrixsatz interpretiert wird, wenn im Matrixsatz ein Element enthalten ist, das die anaphorische Korrelation ermöglicht. Dabei möchten wir hier noch einmal hervorheben, dass der Terminus ‘subordiniert’ nicht präzise genug ist, um dem Unterschied zwischen koordinativem und subordinativem Gebrauch vom und-Konjunkt gerecht zu werden, denn in unserer Analyse liegt bei beiden und-Verwendungen syntaktisch Einbettung vor. Das Element im Matrixsatz, das den anaphorischen Bezug zum undKonjunkt ermöglicht, kann eine DP wie die wîle wie in (7) oder ein Pronomen bzw. ein Demonstrativpronomen sein wie in (9). Die Funktion von und ist demzufolge, Abhängigkeit in C° zu markieren – genau wie dass –, die lexikalische Semantik von und bewirkt jedoch zusätzlich, dass die angefügte Information gebündelt mit der im Matrixsatz enthaltenen interpretiert wird. D.h. im und-Konjunkt wird eine zusätzliche Information hinzugefügt, die eine Prädikation zum Satztopik enthält. Diese Information ist allerdings hintergründig (siehe unten). Dies ist besonders im Falle der Relativsätze deutlich. Kraus (1900: 170) z.B. erläutert den Unterschied zwischen Relativum und und den anderen Relativpronomina so: Die bestimmung, die der relativsatz bringt, kann wider die einzige sein, an die der redende denkt: dann steht der gewöhnliche relativsatz. oder die gedanken gehn neben der einen genannten gleichzeitig auf eine reihe unausgesprochener bestimmungen: dann steht wider unde.
Das relativische und leitet Relativsätze ein, die adjungiert sind; dadurch wird eine präsuppositionale hintergründige Information realisiert (Holler 2009). Korrelative Konstruktionen sind in den älteren indoeuropäischen Sprachen – wie im älteren Deutschen – und in den (heutigen) indo-arischen Sprachen üblich, um unterschiedliche adverbiale Relationen zu realisieren, in denen ein Relativum in der adjungierten CP durch ein Demonstrativum/deiktisches Element im Hauptsatz wieder aufgegriffen wird, wie in (24) (vgl. auch Kiparsky 1995: 155ff): (24)
a. b. c. d. e. f.
[CP1 ...was...] [CP2...das...] [CP1 ...wo...] [CP2...da...] [CP1 ...wenn...] [CP2...denn/dann...] [CP1 ...wer...] [CP2...der...] [CP1 ...wie...] [CP2...so...] [CP1 ... weil...] [CP2...deshalb/deswegen...]
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Ganz gut belegt im AHD ist die Korrelativkonstruktion bei Vergleichssätzen. Die älteste belegte Konstruktion bei Vergleichssätzen ist im AHD wie im Got. mit so (Got. swe), die in korrelativen Konstruktionen wie in (25) erscheint, in der das zweite so das erste Konjunkt anaphorisch wieder aufnimmt – parallel zu anderen älteren indoeuropäischen Sprachen: (25)
so duit ouh thérer ubar jár, s͕ iz gote zímit (Otfrid 2004: 2v, 60) SO tut auch der ununterbrochen, SO es Gott ziemt ‘dies tut auch Ludwig fürwahr ununterbrochen in Gott wohlgefälliger Weise’
Ab ca. dem 15. Jh. finden sich erste Belege, in denen so durch wie ersetzt wird (26a), das – genau wie so – zunächst zwei Konjunkte anaphorisch verbindet, und erst im FNHD in elliptischen Sätzen benutzt wird (26b): (26)
a. wie mich mein Vater gelehret hat, so rede ich (Luther-Bibel, Joh. 8,28) b. seyn angesicht glentzete wie die sonne (Luther-Bibel, Matth. 17,2)
Ab dem MHD und bis zum 17. Jh. kann so (und die erweiterte Form also > als) einerseits in der Vergleichskonstruktion eine koordinativ-additive (distributive) Bedeutung (wie und) ausdrücken wie in (27), andererseits kann es auch eine prädikationelle Apposition wie in (28) einleiten, wobei diese auch ohne jegliche Markierung im Kasus der NP, auf die sie sich bezieht, realisiert werden kann wie in (29): (27)
a. So im Reden so im Denken (Goethe, 3,276 LH; zit. nach Paul [1897]) (= im Reden und im Denken) b. Die Zeit sie mäht so Rosen als Dornen (Goethe, 2,254 LH zit. nach Paul [1897])) (= Rosen und Dornen) c. Daß einem so Hören und Sehen vergeht (Goethe, 1,196 LH zit. nach Paul [1897]))
(28)
ich eilte nach um als der erste zu erscheinen. (Goethe 26, 11; zit. nach Grimm)
(29)
dasz ich ein bettler geboren werden durfte. (Schiller 3, 128; zit. nach Grimm)
Wie so zeigt, besteht auch bei diesen Partikeln eine Affinität zwischen koordinierend(-additiven) und (korrelativ-)komparativen Funktionen (vgl. auch Breindl 2007). Der Vorschlag, beide syntaktisch als Appositionen zu analysieren, ist semantisch und syntaktisch also nicht abwegig. In der Lesart temporal und subordinierend wird und im FNHD definitiv durch dass ersetzt: Zwischen MHD und FNHD entstehen viele neue Konjunktionen, die zunächst aus einem deiktisch-anaphorischen Element und der
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Konjunktion dass bestehen, wie die weil dasz, nachdem dasz, als dass, in der Zeit dass, wie dass, wie lange dass (vgl. Behaghel 1928: 149ff). 13 Die komplexen Konjunktionen selbst werden als C-Elemente in einer Art von Jespersen-Zyklus reanalysiert. Aus der unterordnenden modal-vergleichenden Konjunktion entwickelt sich nach Behaghel die relativische Funktion, die bis ins 17. Jh. belegt ist. In dieser Funktion werden und, aber auch so benutzt. Schieb (1978) zufolge ist diese Funktion aber erst nach dem 12. Jh. bis zum 17. Jh. zu finden (Schieb 1978: 507): (30)
ich hete ir doch vil lihte ein teil geseit, der vil grossen liebe so min herze an si hat (Rudolf von Rotenburg VII, 2,1-2; zit. nach Paul 2007: 414) ich hätte ihr doch vielleicht einen Teil gesagt, der viel großen Liebe SO mein Herz an sie hat ‘ich hätte ihr doch vielleicht von der großen Zuneigung, die mein Herz ihr gegenüber empfindet, gesagt’
Auch relativisches und wird ersetzt, und zwar durch die d- und die wRelativpronomina. Wie das Beispiel in (31) zeigt, ist eine appositive Struktur – so wie in de Vries (2009) vorgeschlagen – auch bei solchen Relativsätzen anzunehmen: (31)
traute sich kaum aus dem zimmer heraus zu gehen, als [in welchem sie allein ruhe hatte] (Goethe 15, 131; zit. nach Behaghel 1928)
Als Zwischenfazit kann festgehalten werden: appositives und wird in komparativen Konstruktionen als Subjunktion reinterpretiert, die in allen subordinierenden Funktionen spätestens im FNHD durch andere, semantisch spezialisiertere Exponente ersetzt wird. 4.3. Entwicklung innerhalb der Subordination Nachdem wir die Frage beantwortet haben, wie aus einer scheinbar koordinierenden Konjunktion eine subordinierende entstanden ist, muss nun die weitere Entwicklung als Subjunktion geklärt werden. Wir werden dabei für die folgende Hypothese argumentieren.
–––––––—–– 13
Zur Geschichte mancher Pronominaladverbkonnektoren wie trotzdem vgl. Ferraresi (2008).
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HYPOTHESE: aus der modalen Konjunktion hat sich zunächst sowohl die temporale Konjunktion als auch der Relativsatzeinleiter entwickelt, aus letzterem dann der generell-subordinierende Gebrauch, cf. temporal (I) komparativ/ modal relativ (II)
generell-subordinierend (III)
ad (I): Modales und temporales und entsprechen nhd. ‘wie, als’, die ja auch modal und temporal verwendet werden können: (32)
a. alse lieb und ich dir bin (Ulrich v. Türheim, Tristan 532, 14) so lieb UND ich dir bin ‘so lieb, wie ich dir bin’ b. den marcrâven dûhte grôz ir kraft, und er si reht ersach (Wh 58 12f.) den Markgrafen dünkte groß ihre Kraft, UND er sie recht ersah ‘den Markgraven erschien ihre Kraft groß, als er sie richtig ersah’ c. so lieb, wie ich dir bin d. den Markgrafen erschien ihre Kraft groß, als er sie richtig sah
Wie immer man die Entwicklung von modaler zu temporaler Konjunktion erklärt, die Erklärung muss nichts und-spezifisches enthalten. Die mit und eingeleiteten Vergleichssätze kommen nur in Äquativen vor und werden im Matrixsatz von (al)sô, dâr nach ‘dementsprechend’ oder solch (Paul 2007) lizensiert. Das modale und entspricht damit eigentlich nur wie – nur in seiner temporalen Verwendung kann es als entsprechen (vgl. 32b und d). Auch wie wurde zunächst nur in Vergleichssätzen verwendet und entwickelte davon ausgehend eine temporale Bedeutung (Eggs 2006). Die Entwicklung der temporalen Bedeutung kann man sich vielleicht als Konventionalisierung einer konversationellen Implikatur im Sinne von König & Traugott (1988) vorstellen: In Vergleichssätzen ist der Vergleichsstandard eine sententiale Prädikation, zwischen dieser und dem Matrixprädikat wird eine Gleichzeitigkeit implikatiert, die irgendwann Teil der lexikalischen Bedeutung von wie und und geworden ist. 14 –––––––—–– 14
Den Hinweis auf diese Möglichkeit der Erklärung verdanken wir einem der Gutachter. In der semantischen Standardtheorie von Vergleichen (Heim 2000) ist das Äquativkorrelat [so] eine Funktion, die Mengen von Graden als Argumente nimmt und deren Maxima vergleicht.
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ad (II): Die Entwicklung von modalen zu relativen Konjunktionen hat im Deutschen öfter stattgefunden, so bei so, als, wie und eben auch bei und. Die umgekehrte Entwicklung gibt es zwar auch, scheint aber im Deutschen weit seltener vorzukommen (mögliches Beispiel: was). Zwischen Komparativ- und Relativsätzen bestehen vielfältige syntaktische und semantische Affinitäten, da sich bestimmte Relativsätze semantisch als Komparative rekonstruieren lassen, bzw. bestimmte Komparative syntaktisch als Relativsätze konstruiert werden können: modale Relativsätze (34a), vergleichende Relativsätze (34b) (33)
a. ich möchte einen Hut, wie du ihn hast = ich möchte einen Hut, der so beschaffen ist, wie dein Hut beschaffen ist b. lagen dreimal mehr Sachen, als in den Koffer passten (Duden S. 1048)
wie immer man die Entwicklung von modaler zu relativer Konjunktion erklärt, die Erklärung muss nichts und-spezifisches enthalten. ad (III): Die Entwicklung von einer relativen zu einer allgemeinsubordinierenden Konjunktion ist z.B. auch bei dass zu beobachten (vgl. Axel 2009a, b). wie immer man die Entwicklung von einer relativen zu einer generellsubordinierenden Konjunktion erklärt, die Erklärung muss nichts undspezifisches enthalten.
5.
Zusammenfassung und Ausblick
In diesem Beitrag ist eine spezielle Verwendung der Konjunktion und diskutiert worden, die während einer relativ langen Zeit in der Geschichte des Deutschen als subordinative Konjunktion eingesetzt wird. Und zwar finden wir sie vom späten AHD bis hin zum FNHD in unterschiedlichen Nebensatztypen wie in Relativ-, Vergleichs- und Temporalsätzen. Nach dieser Zeit wird und in allen diesen Satztypen entweder durch dass oder durch semantisch spezialisiertere neue Konjunktionen ersetzt. Die Verwendung von und in subordinierten Strukturen haben wir dadurch erklärt, dass und als Konjunktion semantisch unterspezifiziert ist und in den älteren germanischen Sprachen – mit einigen Überbleibseln im AHD – die Funktion innehat, Kontrast(topik) und Additivität zu markieren. In unserem Vorschlag wird in dem durch su-
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bordinatives und eingeleiteten Satz eine Apposition zu einer Konstituente im Matrixsatz realisiert, die als eine ‘zusätzliche’/subsidiäre/hintergründige Prädikation zum Satztopik anzusehen ist. Die zugrunde liegende syntaktische Struktur ist dementsprechend eine appositive CP, wie für verschiedene Nebensatztypen der älteren indoeuropäischen Sprachen vorgeschlagen wird, die insbesondere bei adverbialen Sätzen als korrelative CPs realisiert werden. Im heutigen Deutsch wird für asymmetrische Koordinationen eine ähnliche Analyse vorgeschlagen. In unserem Vorschlag wird und zunächst in modalen Sätzen benutzt, und breitet sich dann einerseits auf temporale und andererseits auf relativische Sätze aus. Aus diesem letzten Typ entwickelt sich die allgemein-subordinierende Funktion, wie sie auch für dass angenommen wird. Die subordinierende Funktion leitet sich aus koordinierten Konjunkten her, in denen das finite Verb in Endstellung steht. Als Ausblick stellen wir eine Hypothese auf, die im Rahmen der Diskursrelationstheorie modelliert werden kann (Asher & Lascarides 2003, Asher & Vieu 2005). In diesem Modell wird die Hierarchisierung der Informationen durch Diskursrelationen – diese können mehr oder weniger komplexe Diskurskonstituenten sein – erfasst. Die Unterscheidung zwischen koordinierenden und subordinierenden Diskursrelationen ist nicht in syntaktischem Sinn zu verstehen, da die Relationen im Diskurs keine eins-zu-eins-Abbildung in der Syntax haben, sondern es spielt die Ebene eine Rolle, auf welcher die Verknüpfung stattfindet. Koordinierend sind nach diesem Modell solche Relationen, die die Diskursstruktur nach links, subordinierend sind solche, die die Diskursstruktur nach unten erweitern. Der sogenannte Right Frontier Constraint ist einer der Tests, durch den diese Relationen aufgezeigt werden können. Nach dieser Beschränkung muss ein anaphorisches Element sein Antezedens an der rechten Grenze einer Diskursstruktur haben, entweder im letzten Diskurssegment oder in einem, das von diesem dominiert wird: (34)
Das Abschiedsfest von gestern war schlecht. Die Musik war langweilig. Der Wein war sauer. Nächstes Mal soll es / er / *sie besser sein.
Anhand weiterer Tests werden Narration, Result, List, Contrast als koordinierend, Reformulation, Explanation, Justification, Elaboration als subordinierend klassifiziert. Z.B. kann die Relation Explanation im Deutschen durch syntaktische Koordination (35a) und contrast subordinativ (35b) realisiert werden: (35)
a. Es hat geregnet, die Strassen sind nass. b. Die Strassen sind nicht nass, obwohl es geregnet hat.
Holler (2009) zeigt, dass zwischen einem kanonischen appositiven Relativ-
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satz und seinem Antezedens eine subordinierende Relation hergestellt wird. In der subordinativen Funktion des und-Konjunkts, das wir als Apposition analysiert haben, sind die Relationen zwischen dem und-Konjunkt und dem Antezedens auch diskursrelationell subordinativ. Im heutigen Deutsch scheint die Verwendung von und sowohl in symmetrischer als auch in asymmetrischer Koordination nur auf koordinative Diskursrelationen beschränkt zu sein, subordinative werden durch und blockiert (vgl. Zeevat & Jasinskaja 2007: 4). Diskursrelationen haben aber nicht nur die Funktion, Hintergrundund Vordergrundinformationen unterschiedlich zu gewichten, sondern – wie in Zeevat & Jasinskaja (2007) argumentiert – auch, Einfluss auf die Konstanthaltung des Diskurs- und Satztopiks zu nehmen. So wird bei den Relationen Reformulation, Elaboration, Explanation und Justification sowohl der Satz- als auch der Diskurstopik konstant gehalten. Bei List, Narration und Result – koordinierende Relationen – bleibt der Diskurstopik konstant, es wird aber ein neuer Satztopik eingeführt: bei Contrast and Concession wird ein neuer Diskurstopik eingeführt, wie die Tabelle zeigt: (36)
Diskursrelationen und Topik (aus Zeevat & Jasinskaja 2007: 8) Konstanter Diskurs- und Satztopik
Reformula- > Elaboration tion
> Explanation Justification
konstanter neuer DiskursDiskurs-, neuer und Satztopik Satztopik > List Narration Result
> Contrast Concession
Im heutigen Deutsch markiert und solche Relationen, in denen ein neuer Satztopik eingeführt wird; in der subordinativen Funktion der Relationen wird es nicht mehr eingesetzt. Man könnte spekulieren, dass und aus den Relationen der ersten Gruppe verschwunden ist, nachdem dafür spezialisiertere Konjunktionen entstanden sind. Zu klären bleibt u.a., welche Faktoren diese Entwicklung ausgelöst und vorangetrieben haben.
Literatur Asher, Nicholas & Alex Lascarides (2003): Logics of discourse. – Cambridge: Cambridge University Press. – & Laure Vieu (2005): „Subordinating and coordinating discourse relations.“ – In: Lingua 115, 591–610.
Und nicht nur koordinierend
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Rosemarie Lühr und Susanne Zeilfelder
Zur Interdependenz von Diskursrelationen und Konnektoren in indogermanischen Sprachen: Kontrast und Korrektur
Wie in modernen Sprachen sind in den altindogermanischen Sprachen Konnektoren Ausdrucksmittel, mit denen Themenwechsel oder Textkohärenz signalisiert werden kann. Sie sind somit wichtige Bestandteile der Informationsstruktur von Sätzen, also der Fokus-Hintergrund und Topik-KommentarGliederung. Diese Gliederung spiegelt sich auch in der Position der Konnektoren wider: Konnektoren erscheinen in diesen Sprachen sowohl vor der Wackernagel-Position als auch in der Wackernagel-Position selbst, wobei der Wackernagel-Position eine besondere Bedeutung für die Informationsstruktur zukommt. Um den Anteil, den Konnektoren an dieser Position haben, sichtbar zu machen, sind jedoch die Partikeln in Zweitposition genauer zu differenzieren. So sind nicht alle Partikeln in dieser Stellung echte Wackernagelpartikeln. Z.B. ist ai. cid in (1) eine Fokuspartikel, die ihrer Domäne eine maximale oder minimale Position auf einer aus den Alternativen gebildeten Skala zuweist. (1)
Rigveda 4,16,6 áđmƇna٘ cid yé Fels: ACC.SG.M. PART welche: NOM.PL.M. bibhidúr vácobhiن zerschmettern: 3.PL.IND.PF.ACT. Worte: INSTR.PL.N. ‚welche sogar den Felsen mit ihren Worten zerschmetterten’
D.h., die Partikel ist nur ein Klitikum zu der Konstituente, die sie hervorhebt: Durch cid werden Wörter im diskursfunktionalen Slot an der Satzspitze modifiziert, an die die XP oder Teile davon hinbewegt worden sind. Partikeln wie cid rechnet man daher dem Wackernagelpartikel-Typ 3 zu (Keydana 2008; Krisch 1990: 65). Zu den echten Wackernagelpartikeln gehören dagegen diejenigen Partikeln, die stets an zweiter Satzgliedstelle erscheinen: (2)
Rigveda 3,6,8 uráu vƇ weit: LOC.SG.N. oder
yé welche: NOM.PL.M.
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Rosemarie Lühr & Susanne Zeilfelder antárikࢂe mádanti Luftraum: LOC.SG.N. berauschen sich: 3.PL.IND.PRES.ACT. ‚oder die sich im weiten Luftraum berauschen’
uráu steht hier von seinem Bezugswort antárikࢂe getrennt, bildet also ein Hyperbaton. Das Wackernagel-Klitikum tritt hinter dem ersten phonologischen Wort des Satzes auf. Es ist vom Wackernagelpartikel-Typ 2. Zu beachten ist aber, dass an zweiter Satzgliedstelle auch betonte Partikeln auftreten können: (3)
Rigveda 5,73,9 satyám íd vঝ u ađvinƇ yuvঝm mit Recht PART AĞvin: VOC.DU.M. euch: ACC.DU. Ƈhur ayobhúvƇ heißen: 3PL.IND.PF.ACT. wohltuend: NOM.DU.M. ‚Mit Recht heißen sie euch ja die Heilsamen, ihr AĞvin.’
Daneben erscheinen Wackernagelpartikeln, die ebenfalls dem ersten Wort eines Satzes folgen: (4)
Rigveda 1,176,4 asmábhyam asya védana٘ uns: DAT.PL. dessen: GEN.SG.M. Besitz: ACC.SG.N. daddhí gib: 2SG.IMP.PRES.ACT. ‚Gib uns dessen Besitz!’
Ist jedoch die Topik-Position besetzt, 1 befindet sich die Partikel an dritter Stelle. In (5) gehen eine XP und ein wh-Wort voraus, d.h., es fanden zwei Topikalisierungen statt: (5)
Rigveda 6,27,1 índraن kím asya Indra: NOM.SG.M. was: ACC.SG.N. sein: GEN.SG.M. sakhyé cakƇra Freundschaft: LOC.SG.F. hat gemacht: 3SG.IND.PF.ACT. ‚Was hat Indra in seiner Freundschaft gemacht?’
Es handelt sich um Wackernagel-Klitika des Typs 1. Nach Keydana (2008) –––––––—–– 1
Hale (1987a; 1987b; 1996); Hock (1996).
Zur Interdependenz von Diskursrelationen und Konnektoren
109
werden solche Elemente in die erste prosodische Phrase eines Satzes aufgenommen. Was nun Konnektoren angeht, die stets an der Satzspitze belegt sind, so ist griech. ĮIJȐȡ (atár) ein Beispiel dafür, während betontes ai. nú „nun“ teils an der Satzspitze, teils in der Wackernagel-Position erscheint: (6)
Ilias A(1) 166f. ͖͓֡ؑ ׅv ¾o͖͈ ͇͕̈́͏ؙ͔ doch wenn einmal Teilung: NOM.SG.M. ͖͍͌̈́͊ז, / ͕oؗ kommt: 3SG.SUBJ.AOR.MED. dir: DAT.SG. ؙ͖ ͓͔͆̀̈́ ¾o͎؛ das: NOM.SG.N. Ehrengeschenk: NOM.SG.N. viel ͏͈͉ٱov größer: NOM.SG..N. ‚doch kommt einmal die Teilung, ist dein Ehrengeschenk viel größer’
(7)
Rigveda 6,21,11 nড ma ঝ vঝcam úpa nun von mir: GEN.SG. zu Rede:ACC.SG.F. her yƇhi vidvঝn kommen: 2SG.IMP.PRES.ACT. verstehend: NOM.SG.M. ‚Nun komm her, auf meine Rede, (sie) verstehend’
(8)
Rigveda 2,15,1 prá ghƇ nv àsya maható voran eben nun dieses: GEN.SG.M. Großer: GEN.SG.M. mahঝni satyঝ große: ACC.PL.N. wahrhaft: ACC.PL.N. satyásya káranƇٜi Wahrhafter: GEN.SG.M. Taten:ACC.PL.N. vocam verkünden: 1SG.SUBJ.AOR.ACT ‚Ich will nun dieses Großen große, des Wahrhaften wahrhafte Taten verkünden.’ (Weiteres bei Lühr 2009)
Traditionell unterscheidet man folgende Konnektoren: – – – –
konnektive (z.B. ai. ca, u, utá, átha, gr. te, lat. nam, igitur, heth. ta, nu) disjunktive (z.B. ai. vƗ, gr. , heth. -a) kontrastive (z.B. gr. allá, atár, lat. autem, vero, at, heth. -ma) kausale (z.B. ai. hí, lat. enim, nam, gr. gár)
110 –
Rosemarie Lühr & Susanne Zeilfelder
konzessive (z.B. gr. kaítoi, heth. kuitman), konklusive (z.B. lat. ergo, gr. NJn). 2
Ein neuerer Ansatz ist jedoch die Betrachtung der Konnektoren als Anzeiger für bestimmte Diskursrelationen, die ihrerseits wieder Koordination und Subordination zum Ausdruck bringen. So unterscheiden Asher & Lascarides (2003): –
Koordination: Narration, Precondition, Continuation, Parallel, Contrast, Correction Subordination: Background, Elaboration, Explanation, Commentary, Source, Attribution
Von diesen Diskursrelationen sind in den modernen Sprachen vor allem die koordinierenden Relationen Kontrast und Korrektur interessant. Denn während das Deutsche die Konnektoren aber und sondern zur Unterscheidung hat, besitzen viele Sprachen nur einen Konnektor für diese beiden Diskursrelationen, wie z.B. but im Englischen: (9)
a. John loves sport. But he hates football. b. John does not love football, but gymnastics.
Zur Disambiguierung müssen hier andere als lexikalische Mittel eingesetzt werden. Ein solches Mittel ist die Akzentuierung. Wie verhält es sich aber mit Sprachen, die nicht nur wie das Englische keine verschiedenen Konnektoren für Kontrast und Korrektur haben, sondern über deren Akzentuierung wir – wie im Falle der altindogermanischen Sprachen (1.) – nichts oder so gut wie nichts wissen? Dieser Frage soll im Folgenden anhand des Lateinischen (5.), Griechischen (6.), Altindischen (7.) und Hethitischen (8.) nachgegangen werden. Davor behandeln wir Kontrast und Korrektur aus sprachtheoretischer Sicht, und zwar nach ihrer Informationsstruktur (2.) [Kontrast und Korrektur (nach der engen Kontrastauffassung) (2.1.), Kontrast als eigenständige grammatische Kategorie (2.2.), die Diskursrelationen Kontrast und Korrektur (2.3)] und ihrer Semantik (3.) [den Common Integrator (3.1.), die Negation (3.2.)]. Anschließend gehen wir darauf ein, wie sich der Konnektor sondern herausgebildet hat (4.), und zwar im Althochdeutschen (4.1.) und im Altisländischen (4.2.), beides Sprachen, die aber und sondern unterscheiden. Denn die Genese dieser Konnektoren kann ein Licht auf die Interpretation von Kontrast und Korrektur derjenigen Sprachen werfen, die nur ein Wort dafür haben. Darauf behandeln wir die genannten altindogermanischen Spra–––––––—–– 2
Denniston (1954); Kroon (1995): Lat. nam hat eine mehr kausale als konnektive Funktion.
Zur Interdependenz von Diskursrelationen und Konnektoren
111
chen (5. bis 8.) und zeigen Unterscheidungskriterien für die Diskursrelationen Kontrast und Korrektur auf. Da zumeist dasselbe Wort für die Bedeutung „sondern“ und „aber“ verwendet wird, sind Kontexte zu suchen, in denen diese beiden Übersetzungsäquivalente nicht austauschbar sind. Der eine Beitrag der Indogermanistik zu der Unterscheidung von Kontrast und Korrektur ist die Etymologie dieser Konnektoren, der andere die methodische Reflexion über die Möglichkeiten der informationsstrukturellen Analyse altsprachlicher Texte (1.) [Basiswortstellung (1.1), die Entsprechung zur deutschen Feldgliederung (1.2.), die phonologische Markierung – Topikarten, Neuinformationsfokus (1.3.)]. 3
1. Möglichkeiten der informationsstrukturellen Analyse altsprachlicher Texte 1.1 Basiswortstellung Für die Frage, wie man pragmatische Kategorien in älteren indogermanischen Sprachen erkennt, beschreibt oder gar rekonstruiert, sind die Tests, mit denen man an Sprachen wie Deutsch, Englisch, Ungarisch informationsstrukturelle Kategorien gewinnt, entweder überhaupt nicht oder nur mit Modifikationen anwendbar. Dennoch bleibt keine andere Möglichkeit, als die sprachliche Realisierung der pragmatischen Kategorien älterer Sprachen in der Gegenüberstellung mit modernen Sprachen zu suchen. Das Deutsche ist durchaus als Kontrastsprache wählbar, da man inzwischen viel über die Informationsstruktur dieser Sprache weiß. Doch kann die unmarkierte Grundstruktur nicht „anhand des Fokuspotentials bei Normalbetonung“ ermittelt werden. Denn über diese Abfolge ist in älteren indogermanischen Sprachen bislang zu wenig bekannt. Von den von Hawkins (1983) genannten Kriterien für die Feststellung dieser Wortfolge ist sicher die statistische Häufigkeit für Korpussprachen ein Indiz. In älteren indogermanischen Sprachen ist dabei insbesondere auf die Stellung des Verbs zu achten. 4 So nehmen nach Kiparsky (1995) im Germanischen und Romanischen allmählich Verbzweit-Strukturen zu, wenn sie eine initiale Fokus-Phrase enthalten. Auch Verberst-Sätze sind informationsstrukturell von Interesse. Z.B. können Deklarativsätze mit einer solchen Verberst–––––––—–– 3
4
Nach den hier angegebenen theoretischen Vorgaben werden die Beispiele aus den altindogermanischen Sprachen analysiert, ein Verfahren, das sich bereits in dem DFG-Projekt „Die Informationsstruktur in älteren indogermanischen Sprachen“ (Lühr) bewährt. Vgl. auch Lühr (2010b). Lühr (2005a; 2008b); Schallert (2007).
112
Rosemarie Lühr & Susanne Zeilfelder
stellung zur Einführung eines neuen Diskursreferenten mit Wandel der Diskurssituation gebraucht werden, sogenannte thetische Sätze, wie überhaupt zur Fortführung der Narrationslinie einer Handlung in örtlicher, zeitlicher, personeller, perspektivischer Hinsicht. Es lassen sich so thetische und kategoriale Sätze unterscheiden: thetic
a: b:
vs. categorial
Frame
FOC[Vfin ... DRnew … ] FOC[Vfin … DRnew …]
TOP[DRgiv]
FOC[Vfin … DRnew …]
Für die älteren indogermanischen Sprachen wichtig ist hier, dass bei thetischen Sätzen häufig „Themen“-Wechsel anzeigende Partikeln auftreten, wie in: (10)
Rings um das Schloss aber begann eine Dornenhecke zu wachsen. (Dornröschen)
Neben einem Shifting Topic können solche Partikeln auch auf ein Contrastive-Topic oder einen Contrastive Focus hinweisen; z.B. gr. dé, heth. -ma „aber“ (vgl. oben) 5 . 1.2. Entsprechungen zur deutschen Feldgliederung Eine weitere die Wortstellung der älteren indogermanischen Sprachen betreffende Frage ist, wie diese Sprachen, für die man im Allgemeinen keine Entsprechung zu der deutschen Vorfeld-, Mittelfeld- und Nachfeldgliederung annimmt, die solchen Feldern zukommenden informationsstrukturellen Aufgaben erfüllen. Krisch (2007) postuliert zwar auch für das Altindische eine Gliederung des Satzes nach Vorfeld, Mittelfeld und Nachfeld; das Vorfeld umfasse dabei gegebenenfalls zwei topikalisierte Konstituenten (die erste mit Wackernagelpartikel) und das Mittelfeld den Scrambling-Bereich, während das Nachfeld hinter dem finiten Verb in Endposition beginne. Ob aber in den älteren indogermanischen Sprachen tatsächlich eine solche Feldgliederung existiert hat, ist weiter zu erforschen.
–––––––—–– 5
Kroon (1995: 227ff.); Denniston (1954).
Zur Interdependenz von Diskursrelationen und Konnektoren
113
1.3. Phonologische Markierung – Topikarten, Neuinformationsfokus Das zentrale empirische Problem der Untersuchung der Informationsstruktur schriftlicher Korpora ist jedoch, dass es in der Regel keine phonologischen oder eindeutigen morphologischen oder syntaktischen informationsstrukturellen Markierungen gibt; d.h. die Satzprosodie und damit mögliche Kontrastakzente bei Kontrast und Korrektur kann, wenn überhaupt, meist nur indirekt erschlossen werden. Da auch der Fragetest – echte Fragen im Text ausgenommen – auf Probleme stößt, müssen Hypothesen zum informationsstrukturellen Status sprachlicher Einheiten durch semantische Bestimmungen, funktionale Tests, insbesondere solche, die auf der Textumgebung operieren, gestützt werden. Wie in modernen Sprachen auch ist aber grundsätzlich anzunehmen, dass jeder Satz zu dem vorhergehenden Satz Information hinzufügt; Fortsetzungssätze sind deshalb in bekannte Information und Neuinformation gegliedert. Die bekannte Information wird in der Regel dabei durch definite Nominal- und Präpositionalgruppen, 6 Possessivpronomen oder Personalpronomen ausgedrückt und durch anaphorische, oft deiktische Ausdrücke. Davon ist das Topik typischerweise eine referentielle Determinansphrase. Für eine genauere Analyse der Topikarten in älteren Sprachen ist vor allem der Ansatz von Frascarelli & Hinterhölzl (2007) erfolgversprechend, da Aboutness Topics, (Non-new Aboutness Topics oder Continuing Topics vs. New Aboutness Topics oder Shifting Topics), Familiar Topics und Contrastive Topics (dazu unten) gesondert behandelt werden, alles pragmatische Bestimmungen, die operationalisierbar sind und die sich auch in nichtindogermanischen Sprachen finden. Gegenüber dem Topik kann der Fokus eine zugehörige Domäne, die Fokusdomäne, aufweisen. Diese Domäne umfasst die Neuinformation. Werden Fragen in modernen Sprachen wie in Korpussprachen im Text selbst beantwortet, handelt es sich um den solicited New information Focus. Zur Ermittlung des unsolicited New information Focus (des neuen Diskursreferenten wie auch der neuen Relationen zwischen gegebenen Diskursreferenten) in narrativen Texten wird dagegen die Formulierung einer möglichst allgemein gehaltenen Frage, die quaestio, empfohlen, die von gegebenem Material ausgeht. 7 Dieses Verfahren kommt aber bei den älteren indogermanischen Sprachen nur als zusätzlicher Test zu den semantischen Analysen in Frage; z.B. in Zusammenhang mit S.C. Diks (1989: 268) Strategien zur Einführung eines neuen Diskursreferenten (Petrova & Solf 2008).
–––––––—–– 6 7
Zum Althochdeutschen vgl. Lühr (2008a). Götze et al. (2007: 176f.); Petrova & Solf (2008) zur quaestio-Theorie von Klein & von Stutterheim (1987; 1992).
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Rosemarie Lühr & Susanne Zeilfelder
2. Kontrast und Korrektur in der informationsstrukturellen Analyse 2.1. Kontrast und Korrektur (nach der engen Kontrastauffassung) Anders als bei der einheitlichen semantischen Interpretation von Fokus, nach der der Fokus stets einen Satz von Alternativen evoziert, sind wohl auch für ältere indogermanische Sprachen ein New information Focus und ein Contrastive Focus zu unterscheiden, 8 denn diese beiden Foci weichen nicht nur im Deutschen intonatorisch voneinander ab (Steube & Sudhoff 2010), sondern z.B. auch im Altindischen, wie man an den Akzentzeichen erkennt.9 Auch sonst sind in älteren Sprachen Akzentsetzungen Kriterien für besondere Hervorhebungen, wie z.B. Fleischer (2009) nachgewiesen hat. Beim Contrastive Focus gibt es zwei Hauptarten, einen für Kontrast mit mehreren Unterarten und einen für Korrektur. Zu den Kontrastfokusarten gehört erstens ein Fokus im Sinne von Chafe (1976), der Exhaustivität impliziert 10 und auch als identificational focus bezeichnet wird. Syntaktisch erscheint diese Art Fokus als cleft, in korrelativen und anderen stark deiktischen Strukturen oder in Verbindung mit der Fokuspartikel nur, während additive fokussensitive Partikeln wie auch hier nicht möglich sind. 11 Die zweite Konstrastfokusart signalisiert die Auswahl eines Elements aus einem gegebenen Satz von explizit ausgedrückten Alternativen wie in Sätzen mit disjunktivem (entweder –) oder, mit negativ-additivem weder – noch oder Verbindungen mit Fokuspartikeln, die andere Möglichkeiten einschließen, wie additives auch oder skalares sogar. Drittens wird ein Kontrastfokus angenommen, wenn das relevante „complementary subset“ identifizierbar ist oder andere Alternativen im Kontext zugänglich sind. Viertens kann Kontrastfokus durch Umstellung von Wörtern u.a. des am tiefsten eingebetteten Arguments, zustande kommen, wodurch ein enger Fokus entsteht. Korrektur liegt dagegen in dem folgenden Beispiel mit Farbbezeichnungen: „X and not Y“ vor – die Negation ist bei Korrektur obligatorisch: (11)
a. Dem Hans hat die Frau mit dem ROTEN Kleid gefallen, b. aber nicht die Frau mit dem BLAUEN Kleid.
–––––––—–– 8
9 10 11
Umbach (2004: 165); Petrova & Solf (2009) (zum Altgriechischen vgl. Lühr 2008e). Lühr (2008c; i.Dr. b). Lang & Umbach (2002: 173). Vgl. auch Umbach (2004: 158, 164)
Zur Interdependenz von Diskursrelationen und Konnektoren
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Die für die Kontrastierung maßgeblichen Alternativen sind hier nicht andere Farben oder andere Kleider, die Gemeinsame Einordnungsinstanz oder der Common Integrator 12 (Weiteres unten) sind vielmehr Frauen; 13 vgl. ferner: (12)
Wer von deinen Brüdern wird denn morgen eintreffen? a. [PETER]F kommt. b. [PAUL]C[ONTRASTIVE]F[OCUS] kommt. (Peter ist zurückgetreten.) c. [PAUL]CF wird da sein, und nicht [PEter]F d. Es kommt nicht [PEter]CF, sondern [PAUL]F e. Nicht [PEter]CF kommt, sondern [PAUL]F
Im ersten Konjunkt von (12d) und (12e) begrenzt nicht eine bestimmte semantische Komponente als ein mögliches corrigendum; nach Steube (2003) enthält es einen Contrastive Focus: das zweite Konjunkt mit sondern spezifiziert als corrigens dieses corrigendum. Die Korrekturen bestehen hier also aus zwei Sätzen, dem corrigendum und dem corrigens, wobei das corrigens auf den vorhergehenden Satz verweist (Steube 2003). Eine andere Art von Kontrast als beim Contrastive Focus kommt durch das Contrastive Topic oder I-Topik zum Ausdruck. Es ist im Deutschen durch ein spezifisches Tonmuster gekennzeichnet. Nach Büring (1999) wird bei diesem Topik eine Frage nicht komplett beantwortet: (13)
F: Was trugen die Popstars? A: Die /weiblichen Popstars trugen \Kaftane.
Es bleibt offen, was die männlichen Popstars trugen. In (13) sind WEIBlichen ein subset of a given discourse. Auch ein solches Topik lässt sich in älteren Sprachen leicht auffinden, wie das Altindische zeigt (Lühr 2008c; 2008d). 2.2. Kontrast als eigenständige grammatische Kategorie Was speziell den Kontrastfokus in der Korrektur angeht, so haben Steube & Sudhoff (2010) nachgewiesen, dass es sich dabei um eine eigenständige grammatische Kategorie handelt. Denn der Kontrastfokus verfügt auf allen Ebenen der Grammatik (Semantik, Syntax, Phonologie) über spezifische Eigenschaften und Realisierungsformen. Im Einzelnen sind für Neuinformationsfokus: Informieren vs. Kontrastfokus: Korrigieren u.a. folgende Unterscheidungsmerkmale einschlägig: –––––––—–– 12 13
Lang & Umbach (2002: 152); Umbach (2004: 162). Umbach (2001: 169).
116 a. b. c.
d. e. f. g. h.
Rosemarie Lühr & Susanne Zeilfelder
Die Sätze sind Teil von Texten oder haben selbst Textcharakter vs. Die Sätze/Satzteile sind normalerweise isoliert und unterbrechen den Textfluss. Informiert wird in der Regel in ganzen Sätzen vs. Korrigiert werden zumeist nur Satzteile. Die Sätze sind in den meisten Fällen in Hintergrund und Fokus gegliedert vs. Die Fokus-Hintergrund-Gliederung wird durch den Kontrastfokus überschrieben, alles, außer dem korrigierenden Teil ist Hintergrundinformation. Die Satzpositionen, in denen Hintergrund- und Fokusinformation stehen, sind festgelegt vs. Die Satzposition von kontrastieren Satzteilen sind andere als bei Neuinformationsfokus. Hintergrund und Fokus sind auch semantisch definiert vs. Korrektursätze sind nicht an die semantische Definition von Hintergrund und Fokus gebunden. Der Wort-, Phrasen- und Satzakzent ist lexikalisch/syntaktisch festgelegt vs. Alle Silben, Wörter/Wortteile, Phrasen/Phrasenteile, Sätze lassen sich kontrastieren. Die Grammatik und der Kontext bestimmen, welche Wörter im Satz akzentuiert/nicht akzentuiert sind vs. Der Kontrastakzent wird nur durch den Kontext festgelegt. Informierende Sätze bilden einen kohärenten Text vs. Bei Korrektur ergibt sich kein Beitrag zum Textablauf, sondern eine Unterbrechung, und die Korrektur zielt zumeist auf die Wahrheit der Aussage ab.
Aus all dem ergibt sich, dass auch in älteren Sprachen phonologische, syntaktische und semantische Kriterien zur Unterscheidung von Neuinformationsfokus und Kontrastfokus herangezogen werden müssen. 2.3. Die Diskursrelationen Kontrast und Korrektur Im Kommunikationsprozess können zwei Propositionen als THESE und ANTITHESE (Kontrast) oder als CORRIGENDUM und CORRIGENS (Korrektur) verbunden werden. 14 Während der Sprecher bei Kontrast durch die Antithese einem Fehlschluss, den der Gesprächspartner aus der These ziehen könnte, zuvorkommen und ihn verhindern will, wird bei Korrektur die eine Proposition (corrigendum) als falsch markiert, korrigiert und durch eine andere Proposition (corrigens) ersetzt. –––––––—–– 14
Adamíková (2000).
Zur Interdependenz von Diskursrelationen und Konnektoren
117
Hinsichtlich Kontrast unterscheiden Asher & Lascarides (2003: 168), wie zumeist in der Literatur, zwei Arten, „formal contrast“ und Verletzung einer Erwartung: (14)
a. John speaks French. Bill speaks German b. John loves sport. But he hates football.
Während bei „formal contrast“ kein ausdrucksseitiges Sprachmittel zur Bezeichnung des Kontrasts benötig wird, sind bei denial-of-expectation Wörter wie but, however oder ein kontrastierendes Intonationsmuster notwendig. So führt die Kontrastrelation in (14a) zu dem Rückschluss, dass (a) Bill nicht Französisch spricht und (b) John nicht Deutsch. Demgegenüber wird in (14b) die Erwartung, dass John auch Fußball liebt, weil er generell Sport mag, zurückgewiesen. Wie Fragen, die sich auf but-Sätze beziehen, zeigen, folgen solche Sätze aber der confirm + deny-Bedingung mit einer expliziten oder impliziten Negation: (14)
c. Did John clean up his room and wash the dishes? d. [Yes] John cleaned up his room, but [no] he didn’t wash the dishes.
Nach Umbach (2004: 169) ist but so „anti-additive“. Es schließt eine Alternative aus und ist verwandt mit der Funktion von only, wo ebenfalls „an additional alternative ... is excluded with respect to the common background“ (170); wie bei and-Sätzen sei dabei eine durch Sprach- oder Weltwissen induzierte Similarität und Dissimilarität gegeben. (14)
e. John cleaned up the ROOM, but he didn’t wash the DISHES. f. John only cleaned up the ROOM (he did not also wash the dishes).
Während in (14e) ein einfacher Kontrast vorliegt, ist es in (14g) ein doppelter Kontrast. (14)
g. JOHN cleaned up the ROOM, but BILL did the DISHES.
but ist dabei fokussensitiv (Umbach 2004: 167): (14)
h. … but Bill has washed the DISHES i. … but BILL has washed the dishes.
118
Rosemarie Lühr & Susanne Zeilfelder
Eine Korrektur liegt in (15) mit einem cleft-Satz vor: Die beiden fokussierten Elemente sind Alternativen zueinander: 15 (15)
A: John distributed the copies. B: It was [Sue]F who distributed the copies.
Umbach (2004: 165f.) verdeutlicht diese Interpretation an der Gegenüberstellung von exhaustive focus (vgl. 2.1.) und Korrektur, wobei der Satz mit exhaustive focus die Fokuspartikel only enthält: (16)
a. Tonight, only RONALD went shopping. b. Tonight, RONALD went shopping.
(16a) schließt die Möglichkeit aus, dass jemand zusätzlich zu der fokussierten Entität die Proposition wahr macht, während (16b) den Ausschluss der Möglichkeit eines Ersatzes der fokussierten Entität zum Ausdruck bringt. Wie in den Kontrastfällen wird eine Alternative zurückgewiesen, doch unterscheiden sich Kontrast und Korrektur durch die impliziten Fragen, auf die diese Kategorien antworten; vgl. zu Kontrast vs. Korrektur: (17)
a. John didn’t go to Berlin but he went to Paris. Did John go to Berlin and also to Paris? John might have gone to Berlin, in addition to Paris. b. John didn’t go to Berlin but to Paris. Did John go to Berlin? He might have gone to Berlin instead of Paris. (Umbach 2004: 172f.)
3. Die Semantik von Kontrast und Korrektur 3.1. Common Integrator Im Falle von sondern verweist Pasch (1986: 138ff.) auf die unterschiedliche Akzeptabilität von Sätzen wie (18) und (19):
–––––––—–– 15
Vgl. auch Asher (1993); Asher & Vieu (2005); zur Unterscheidung von Koordination und Subordination bei Verberst- bzw. Verbzweitdeklarativsätzen im Althochdeutschen vgl. Hinterhölzl & Petrova (2005); Hinterhölzl & Petrova & Solf (2005).
Zur Interdependenz von Diskursrelationen und Konnektoren (18)
119
a. Meiers haben keinen Hund, sondern sie besitzen mehrere Katzen. (Besitz) b. Die Kinder wollen keine Suppe, sondern sie möchten einen Pudding. (Essen) c. Er tut nicht, was ihm Spass macht, sondern er arbeitet. (Aktivitäten) d. Er arbeitet, statt dass er tut, was ihm Spass macht.
vs. (19)
a. *Die Tanne ist kein Nadelbaum, sondern ich habe Kopfschmerzen. b. *Luise ist nicht schlank, sondern sie ist blond c. *Diese Zahl ist nicht ungerade, sondern sie ist teilbar.
In (18) und (19) scheinen die Propositionen voneinander unabhängig zu sein, doch sind sie es nur im des Rahmen des Common Integrator: Da ein Vergleich sowohl auf Ähnlichkeit als auch auf Unähnlichkeit beruht, müssen die verglichenen Entitäten bis zu einem gewissen Grad einander ähnlich sein. Findet sich im Kenntnissystem eines Hörers keine Gemeinsame Einordnungsinstanz, wird die Konnexion als inakzeptabel bewertet. Dies ist offensichtlich der Fall bei (19a). In (19b) könnte man dagegen als Common Integrator das Konzept „Eigenschaft“ annehmen: schlank ist ein Körpervolumenmaß und blond eine Farbe. Doch können die Träger dieser Eigenschaften immer nur in Bezug auf die gleichen Parameter verglichen werden. In ähnlicher Weise sind in (19c) Eigenschaften von Zahlen betroffen. Aber da es auch ungerade Zahlen gibt, die teilbar sind, ist der Common Integrator im Beispielsatz offensichtlich zu allgemein. Anders steht es mit (20); die Propositionen sind vereinbar. Dabei werden bei der nicht-sondernKonstruktion die Sachverhalte so dargestellt, als ob nur einer von beiden gleichzeitig gelten könnte: (20)
a. K(onjunkt)1 K2 Hans hat KEINF Auto, sondern ein MOTORRADF (Common Integrator: „Besitz von Fahrzeugen“)
Dies zeigt auch die quaestio. Sie wird bei der sondern-Konstruktion rekonstruiert, indem man nach dem Fokus des ersten Konjunkts fragt: (20)
b. Hat Hans ein Auto, und wenn nicht, was dann?
Wegen der obligatorischen Verneinung des ersten Konjunkts handelt es sich um eine (positive) Entscheidungsfrage. Der Fokus des zweiten Konjunkts wird dagegen durch eine zusätzliche Ergänzungsfrage erfragt. Die quaestio
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Rosemarie Lühr & Susanne Zeilfelder
„spiegelt ... [damit] den Korrektureffekt“.16 In der adversativen Konstruktion in (21) deutet die quaestio dagegen darauf hin, dass aus dem ersten Konjunkt die Negation des zweiten folgt: Wenn Hans kein Auto hat, dann hat er auch kein Motorrad: (21)
a. K1 Hans hat KEINF Auto, b. Hat Hans kein Auto,
K2 aber ein MOTORRADF. und hat er auch kein Motorrad?
Weiterhin können nur im Falle von Korrektur die Konjunkte eine echte kontradiktorische Gegensätzlichkeit ausdrücken: (22)
a. Max ist nicht geduldig, dick, b. *Max ist nicht geduldig,
sondern ungeduldig sondern dünn. sondern blond
aber ist hier nicht verwendbar: c. *Max ist nicht geduldig,
aber ungeduldig.
Möglich ist jedoch: (23)
Max ist ungeduldig,
aber blond.
In (23) wird eine implizite Schlussfolgerung negiert (Pasch 1986: 118f.). Wenn jemand ungeduldig ist, ist zu erwarten, dass er auch sonst keine positiven Eigenschaften hat. Brauße (1982: 12) verdeutlicht dies an dem Satz (24)
a. Das Essen ist teuer, aber es schmeckt.
Die Schlussfolgerung ist: (24)
b. Das Essen ist teuer, das ist ein Nachteil, aber es hat auch eine positive Eigenschaft, nämlich es schmeckt.
Einen weiteren Aspekt zur Unterscheidung von Kontrast und Korrektur bringt Umbach (2004: 156, 166ff.): Sätze mit kontrastivem aber sind Fokusphrasen mit nur vergleichbar:
–––––––—–– 16
Lang & Umbach (2002: 182f.).
Zur Interdependenz von Diskursrelationen und Konnektoren (25)
121
a. John SLEPT but Bill DIDN’T b. Only JOHN slept (Bill did not also sleep).
Im Gegensatz dazu werden bei Korrektur zwei Elemente fokussiert. Die erste Alternative wird in Hinblick auf den Hintergrund des Satzes verneint. Korrektur verhält sich so wie Kontrastfokus: (26)
Bill didn’t eat the apple but the banana.
3.2. Negation Zur Unterscheidung von Kontrast und Korrektur hilft auch die Art der Negation weiter: So ist bei Kontrast die Negation nicht-replaziv 17 und optional: (27)
Hans hat kein/*nicht ein Auto, aber (er hat) ein Motorrad.
Vgl. ohne Negation: (24)
a. Das Essen ist teuer, aber es schmeckt.
Demgegenüber ist bei Korrektur die Negation replaziv und obligatorisch ebenso wie der für die „replacement operation“ zuständige Konnektor sondern. Dagegen können bei Kontrast anstelle des Konnektors aber auch andere Konnektoren, jedoch, hingegen, indessen, vorkommen. Ein weiterer Unterschied ist: Bei Korrektur genügt Kontrastfokus allein, ohne jegliches Hintergrundmaterial: (28)
Hans hat kein AUTO, er hat ein MOTORRAD.
Betrachtet man nun die Negation in den angeführten Belegen aus den altindogermanischen Sprachen, so erscheint bei Korrektur die Satznegation; diese kann mit Indefinita kombiniert sein: ahd. ni „nicht“; aisl. ekki „nicht“; lat. nǀn „nicht“, neque „und nicht“, nusquam „nirgends“; griech. o( ױou), oױț (ouk) „nicht“, o IJȚ (ou ti) „keineswegs, nicht irgendwie“,oIJİ – oIJİ (oute –oute) „weder – noch“; ai. ná neben mঝ „nicht“, mঝkir
–––––––—–– 17
Die nicht-replazive Negation bei Kontrast verlangt keine Ersetzungsoperation und Fokussierung der negierten Teile, während die replazive Negation bei Korrektur notwendig mit der Ersetzung mindestens eines Teiles des negierten Inhalts verknüpft ist (Jacobs 1991: 586).
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Rosemarie Lühr & Susanne Zeilfelder
„nicht irgendein“; heth. Ú-UL (natta), Ú-UL (natta) ku-it-k[i] (kuitki) „nicht irgendwie“, Ú-UL (natta) ku-wa-at-a (kuwatka) „nicht irgendwie“, nu-u-m(a-a-an)] (nnjmƗn) „niemals“
In Nicht-Korrektursätzen kommen jedoch die gleichen Negationswörter vor. Von der Negation her lässt sich also in den älteren indogermanischen Sprachen nicht entscheiden, ob eine Korrektur vorliegt. Doch hat man einen deutlichen Hinweis auf diese pragmatische Kategorie, wenn zwei Konjunkte in der Weise verknüpft sind, dass das erste Konjunkt eine Negation enthält und das zweite Konjunkt einen adversativen Konnektor. Ist kein solcher Konnektor vorhanden, muss das zweite Konjunkt auf Fokuspartikeln überprüft werden. Für beide Arten von Korrektur ist zu erwarten, dass sowohl der Konnektor als auch dasjenige Element, das mit einer Fokuspartikel verknüpft ist, sei es ein Wort oder eine Phrase, möglichst zu Beginn des zweiten Konjunkts erscheint. Mit diesen Satzteilen wird dann korrigiert. Sind aber auch keine Fokuspartikeln vorhanden, müssen Contrastive Focus, gegebenenfalls auch Contrastive Topics, allein anhand des Kontexts ermittelt werden.
4. Kontrast und Korrektur in altgermanischen Sprachen 4.1. Althochdeutsch Im Althochdeutschen lautete die Form suntar „sondern, doch“. Formale Entsprechungen zu ahd. suntar gibt es in allen germanischen Sprachen: (29)
got. sundro „abgesondert, besonders, allein“; aisl. sundr „gesondert, auseinander, entzwei“; ae. sundor „beiseite, für sich“; afries. sunder „ohne“; as. sundar „abgesondert, besonders“, an sundron „in Sonderheit“
Die Bedeutung „sondern“ existiert in alter Zeit jedoch nur im Althochdeutschen. Wie (29) zeigt, muss die Bedeutung aus „abgesondert“ entstanden sein. Kontexte, in denen ein solcher Bedeutungswandel stattfinden kann, zeigen Belege bei Otfrid. Zunächst hat suntar die konkrete Bedeutung „getrennt, abgesondert“: (30)
Otfrid V 6,55 Sie sáhun sie:3.PL.M. sahen:3.PL.IND.PRET. wúntar: thie Wunder: ACC.SG.N. die: NOM.PL.N.
thar tho da dann dúacha Tücher: ACC.PL.N.
Zur Interdependenz von Diskursrelationen und Konnektoren
123
liggan súntar liegen: INF.PRES. gesondert ‚Sie sahen dann da das Wunder: Die Tücher liegen gesondert’
Dann gibt es Textstellen, an denen súntar sowohl im Sinne von „gesondert“, als auch im Sinne von „besonders“ aufgefasst werden kann: (31)
Otfrid III 23,3 Thoh wílluh hiar nu súntar doch will:1.SG.IND.PRES.=ich hier nun gesondert/besonders zéllen einaz wúntar erzählen: INF.PRES. ein: ACC.SG.N. Wunder: ACC.SG.N. ‚Doch will ich hier nun gesondert/besonders ein Wunder erzählen.’
An anderen Stellen ist die Bedeutung „gesondert“ nicht mehr fassbar, súntar bedeutet vielmehr „in erster Linie, vor allem, besonders, eigens“: (32)
Otfrid III 20,159 f. ni wár therer nicht wäre:3.SG.OPT.PRET. der: NOM.SG.M. gótes drut, / Gott: GEN.SG.M. Vertrauter: NOM.SG.M. fon ímo quami ouh súntar, von ihm: DAT.SG.M. käme: 3.SG.OPT.PRET. auch eigens ni dát er sulih nicht täte: 3.SG.OPT.PRET. er: NOM.SG.M. solche:ACC.Pl.N. wúntar! Wunder: ACC.Pl.N. ‚Wenn er kein Vertrauter Gottes wäre und nicht eigens von ihm käme, täte er nicht solche Wunder!’
Erscheint nun súntar in einem zweiten Konjunkt an der Satzspitze, dem ein erstes negiertes Konjunkt vorausgeht, kann sich über „vor allem, vielmehr“ die Bedeutung „sondern“ einstellen. Der Bedeutungsunterschied zwischen „vielmehr“ und „sondern“ ist dabei folgender: „vielmehr“ gibt einen höheren Grad an
124
Rosemarie Lühr & Susanne Zeilfelder
Wahrscheinlichkeit zu erkennen, dass unter mehreren Möglichkeiten die mit súntar bezeichnete zutrifft. Dagegen geht es bei sondern um den Ausschluss anderer Möglichkeiten. Die Interpretation ist kontextbedingt: (33)
Otfrid III 1,7f. Ni scríbu ich nu nicht schreibe:1.SG.IND.PRES. ich: NOM.SG. nun in alawár so sih ther fürwahr wie sich der: NOM.SG.M. órdo dregit thár, / Reihenfolge: NOM.SG.M. zuträgt: 3.SG.IND.PRES. da súntar so thie dáti vielmehr wie die: NOM.PL.F. Geschehnisse: NOM.Pl.F. mir quément in mir: DAT.SG. kommen: 3.PL.IND.PRES. in githáhti Gedächtnis: ACC.SG.N. ‚Ich schreibe nun fürwahr nicht, wie sich die Reihenfolge [der Dinge] da ergibt, vielmehr so, wie die Geschehnisse mir ins Gedächtnis kommen.’
Eine andere Möglichkeit zu „... vielmehr so, wie die Geschehnisse mir ins Gedächtnis kommen“ wäre z.B. „... vielmehr so, wie man die Geschehnisse mir erzählt hat“. Weitere Möglichkeiten kommen aber in (34) nicht in Frage: (34)
Otfrid III 18,15ff. ni háben ich then nicht habe:1.SG.IND.PRES. ich: NOM.SG. den: ACC.SG.M. díufal ... / suntar éren Teufel: ACC.SG.M. sondern ehre: 1.SG.IND.PRES. ubar ál minan fáter so vor allem meinen: ACC.SG.M. Vater: ACC.SG.M. wie ich scál ich: NOM.SG. soll:1.SG.IND.PRES. lat. [ego daemonium non habeo...] sed honorifico patrem meum] (nach J 8,48) ‚Ich habe nicht den Teufel …, sondern ich ehre vor allem meinen Vater, wie ich soll.’
Mit negiertem ersten Konjunkt und suntar an der Satzspitze des zweiten Konjunkts aber ist bereits der neuhochdeutsche Sprachstand erreicht: Ahd.
Zur Interdependenz von Diskursrelationen und Konnektoren
125
suntar steht für Korrektur und ahd. avur, avar für Kontrast und Korrektur: So begegnet eine implizite Korrektur mit betontem ávur 18 in (35): (35)
Otfrid IV 21,17ff. thie selbun záltun die: NOM.PL.M. selben: NOM.PL.M. erzählten: 3PL.IND.PRET. alle mír thesa alle: ACC.PL.F. mir: DAT.SG. diese: ACC.PL.F. béldi fona thír. Kühnheiten: ACC.PL.F. von dir: DAT.SG. Ob ávur thaz so wár wenn aber das: NOM.SG.N. so wahr: NOM.SG.N. ist, thaz thu iro ist: 3.SG.IND.PRES dass du: NOM.SG ihr: GEN.SG.M. kúning nu ni bíst: / König: NOM.SG.M. nun nicht bist: 2.SG.IND.PRES. bi híu ist thaz sie weshalb ist: 3.SG.IND.PRES. dass sie: NOM.PL.M. thih námun, sus háftan dich: ACC.SG. nahmen: 3.PL.IND.PRET. so gefangen: ACC.SG.M. mir irgábun? mir: DAT.SG. übergaben: 3.PL.IND.PRET. ‚sie nannten mir alle diese Kühnheiten von dir. Wenn aber das so wahr ist, dass du ihr König nun nicht bist, wie kommt es, dass sie dich gefangen nahmen, (dich) mir so gefesselt übergaben?’
Gemeint ist: Wenn das aber wahr (und nicht falsch) ist. 4.2. Altisländisch Eine materiell verschiedene, semantisch aber vergleichbare Lösung zur Versprachlichung von Korrekturen zeigt das Altisländische. Hier haben wir, neben dem kontrastieren en „aber“ ein Wort heldr, das etymologisch gesehen die komparativische Entsprechung zum ahd. Adverb halto ist, also dem Vorläufer unserer nhd. Partikel halt. heldr kann daher auch die Bedeutung „ziemlich“ haben, z.B.:
–––––––—–– 18
Dazu Fleischer (2009); Lühr (2010a).
126 (36)
Rosemarie Lühr & Susanne Zeilfelder Ynglingasaga 10 Freyja var Freyja: NOM.SG.F. war: 3.SG.IND.PRET. marglynd leichtfertig: NOM.SG.F. ‘Freyja war ziemlich/eher leichtsinnig.’
heldr ziemlich
In Kombination mit der Komparativpartikel en „als“ ergibt sich dann eine Bedeutung „lieber als, eher als“, z.B.: (37)
Gunnlaugs saga ormstungu 10 Hverjum vill þú welchem: DAT.SG.M. willst: 2.SG.IND.PRES. du: NOM.SG. heldr gipta dóttur eher verheiraten: INF.PRES. Tochter: ACC.SG.F. þína en mér? deine: ACC.SG.F. als mir: DAT.SG. ‚Wem willst du deine Tochter lieber zur Frau geben als mir?’
Die Präsupposition besteht hier in der selbstverständlichen Annahme, dass Töchter verheiratet werden müssen, aber die Möglichkeit, dass der Sprecher selbst der Glückliche wird, ist durch den Kontext ausgeschlossen. In einem dritten Entwicklungsschritt ist die Umdeutung zur Konjunktion vollzogen, das erste Konjunkt wird verneint und die Bedeutung auf ein Alternativen gänzlich ausschließendes „sondern“ verengt: (38)
Óláfs saga hins helga þeir fóru ofan með sie: NOM.PL.M. kamen: 3.PL.IND.PRET. herab mit gjald, heldr með hervápnum Tribut: DAT.SG.N. sondern mit Kriegswaffen: DAT.PL.N. ‚Sie kamen nicht mit Tribut herab, sondern mit Kriegswaffen.’
ekki nicht
Korrektur bezeichnendes heldr steht im Altisländischen dabei kontrastierendem enn „aber“ gegenüber.
Zur Interdependenz von Diskursrelationen und Konnektoren
127
5. Latein 5.1. Belege Für das Klassische Latein ist die Sprache Ciceros einschlägig. Seine Schrift De senectute, enthält besonders viele Kontraste und Korrekturen zu diesem Thema. Im Falle von Korrektur tritt die Negation meist unmittelbar vor dem negierten Wort auf; vgl. mit einem Personennamen: (39)
Cicero, De senectute I 3 omnem autem sermonem ganz: ACC.SG.M. aber Rede: ACC.SG.M. tribuimus non teilen zu: 1.PL.IND.PRES.ACT. nicht Tithono, ... sed Marci Tithonos: DAT.SG.M. sondern Marcus: DAT.SG.M. Catoni seni, quo Cato: DAT.SG.M. altem: DAT.SG.M. damit um so maiorem auctoritatem größer: ACC.SG.M. Autorität: ACC.SG.M. haberet oratio. habe: 3.SG.SUBJ.IMPF.ACT. Rede:NOM.SG.F. ‚Als Hauptperson in dem folgenden Gespräch stelle ich nicht (...) den Tithonos auf, sondern den greisen Marcus Cato, damit meine Darstellung ein geltendes Ansehen gewinne.’
Vergleicht man nun Kontrastkonstruktionen, so ist im zweiten Konjunkt sed auch an der Satzspitze belegt: (40)
Cicero, De senectute 19 cuius a morte dessen: GEN.SG.M. von Tod: ABL.SG.F. tertius hic et drittes: NOM.SG.M. dies: NOM.SG.M. und tricesimus annus dreißigst: NOM.SG.M. Jahr: NOM.SG.M. est, sed memoriam ist: 3.SG.IND.PRES.ACT. aber Andenken: ACC.SG.F. illius viri omnes jenes: GEN.SG.M. Mann: GEN.SG.M. alle: NOM.PL.M.
128
Rosemarie Lühr & Susanne Zeilfelder excipient anni bewahren: 3.PL.IND.PRES.ACT. Jahre: NOM.PL.M. consequentes. folgende: NOM.PL.M. ‚Seit seinem Tod sind bereits dreiunddreißig Jahre verflossen, aber sein Andenken wird sich auf alle kommenden Jahre vererben.’
Auch Verneinung im ersten Konjunkt kommt bei Kontrastkonstruktionen vor. In (41) begegnet eine konzessive Struktur, und sed ist durch tamen verstärkt: (41)
Cicero, De senectute I 10 quamquam eum colere obwohl ihn: ACC.SG.M. verehren: INF.PRES. coepi non admodum begann: 1.SG.IND.PF.ACT. nicht so sehr grandem natu, sed groß: ACC.SG.M. Alter: ABL.SG.M. sondern tamen iam aetate provectum. doch schon Alter: ABL.SG.F. fortgeschritten: ACC.SG.M. ‚Freilich war er noch nicht so hoch betagt, als ich ihn damals wertschätzen lernte, aber doch schon an Jahren weit vorgerückt.’
Von den Konnektoren, die Kontrast ausdrücken, ist in (42) diejenige gewählt, die am stärksten adversativ ist, nämlich at. at ist hier sogar noch durch verǀ „ja(wohl), gewiss“ verstärkt: (42)
Cicero, De senectute 17 non faciat ea, nicht mag arbeiten: 3.SG.SUBJ.PRES.ACT. das: ACC.PL.N. quae iuvenes, at vero welches: ACC.PL.N. junge Männer: NOM.PL.M. aber doch multo maiora et meliora viel größer: ACC.PL.N. und besser: ACC.PL.N. faciat. mache: 3.SG.SUBJ.PRES.ACT. ‚Freilich arbeitet er nicht wie die jungen Männer, aber doch ist, was er tut, weit wichtiger und nützlicher.’
Cicero verwendet also für Korrektur und Kontrast bei einem verneinten ersten Konjunkt durchaus verschiedene Sprachmittel. In (43) kann aber sed so-
Zur Interdependenz von Diskursrelationen und Konnektoren
129
wohl mit „sondern“ als auch mit „aber“ wiedergegeben werden. Im ersten Konjunkt findet sich nusquam „nirgends“, also eine Verneinung: (43)
Cicero, De senectute 31 et tamen dux ille und dennoch Anführer: NOM.SG.M. jener: NOM.SG.M. Graeciae nusquam Griechenland: GEN.SG.F. nirgends optat, ut Aiacis wünscht: 3.SG.IND.PRES.ACT. dass Aias: GEN.SG.M. similes habeat ähnliche: ACC.PL.M. habe: 3.SG.SUBJ.PRES.ACT. decem, sed ut Nestoris zehn sondern/aber dass Nestor: GEN.SG.M. ‚Gleichwohl wünschte der Anführer Griechenlands (Agamemnon) nirgends zehn Helden wie Aias, sondern/aber (einen) wie Nestor zu haben.’
In Kontexten wie „nirgends zehn Helden wie Aias“, in denen im ersten Konjunkt eine Verneinung enthalten ist, könnte man den Konnektor auch mit „vielmehr“ wiedergeben: „vielmehr (einen) wie Nestor“. In der Tat steht für dt. sondern im Latein der Komparativ magis „mehr“: (44)
Cicero, De senectute I 45 neque enim ipsorum und nicht nämlich jener: GEN.PL.M. conviviorum delectationem Tischgesellschaften: GEN.PL.M. Genuss: ACC.SG.F. voluptatibus corporis magis quam Begierden: ABL.PL.F. Körper: GEN.SG.N. mehr als coetu amicorum et Umgang: ABL.SG.M. Freunde: GEN.PL.M. und sermonibus metiebar. Gespräche: DAT.PL.M. maß: 1.SG.IND.IMPF.DEP. ‚Denn mein Maßstab war hier nicht der sinnliche Genuss, sondern vielmehr der Umgang und die Unterhaltung mit meinen Freunden.’
Um Korrektur und Kontrast zu bezeichnen, verwendet also Cicero in De senectute den Konnektor sed, daneben den Konnektor at für Kontrast und den Komparativ magis für Korrektur. Kontrast und Korrektur haben also teils verschiedene Ausdrucksmittel.
130
Rosemarie Lühr & Susanne Zeilfelder
5.2. Etymologie Die Etymologie und Wortgeschichte des Korrektur und Kontrast gemeinsamen Konnektors sed deutet auf eine Verkürzung aus sƝd, einem Adverb der Bedeutung „besonders, beiseite“, das auch als Präposition mit der Bedeutung „ohne“ fungiert. Es handelt sich um einen alten Ablativ des Reflexivpronomens idg. *s॒e-/*se- in der Bedeutung „für sich“. 19 Lat. sed „aber, sondern“ hat also eine ähnliche Grundbedeutung wie die Vorform von dt. sondern, ahd. suntar, nämlich „gesondert“. Für die Bedeutung „aber“ bei sed besagt dies, dass sich diese Bedeutung aus „sondern“ entwickelt hat, und zwar hinter einem negierten Konjunkt wie in (44). Die vermittelnde Bedeutung ist wie bei ahd. suntar und aisl. heldr die Bedeutung „vielmehr“.
6. Griechisch 6.1. Belege Wie im Latein ist auch im Griechischen der Konnektor der Bedeutung „sondern“, ͎͎֡ؒ, mit dem für „aber“ identisch. Kontradiktorische Gegensätzlichkeit findet sich z.B. in den Adjektiven „sterblich“ und „unsterblich“ bei Korrektur in: (45)
Ilias (K)10,439 ff. ͖͈͈͙̈́ ͇ؓ ͙͓͈͕̈́͌ Waffen: ACC.PL.N. aber goldene: ACC.PL.N. ¾͈͎͓̈́͌؞ ͋̈́̈́͏ڀ ungeheure: ACC.PL.N. Wunder: NOM.SG.N. ͕͇͌̈́͋ؔב/ ’͎ׅ͋͗ zu schauen: INF.AOR.MED. kam: 3.SG.IND.AOR.ACT. ֵ͙͛͐· ͖ؑ ͏ؓv bringend: PRT.PRES.ACT.NOM.SG.M. dies: ACC.PL.N. aber o͖͌ ͍͖̈́̈́͋v͖͊o͕͌ٱv ֵo͍͈͌v / keineswegs sterblich: DAT.PL.M. ziemt: 3.SG.IND.PF.ACT. ֥v͇͓͈͕͕͌v ͘o͓͈ؔ͌v, Männer: DAT.PL.M. zu tragen: INF.PRES.ACT.
–––––––—–– 19
Walde & Hofmann (1972: 506f.).
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͎͎֡’ ֡͋̈́v͖ؒo͕͌͌ ͈͋o͕͌ٱv sondern unsterblich: DAT.PL.M. Götter: DAT.PL.M. ‚Ungeheure Waffen aus Gold, ein Wunder zu schauen, bringt er mit sich daher; diese zu tragen geziemt sich sterblichen Männern nicht, sondern nur den unsterblichen Göttern.’
Daneben tritt ֡ȜȜؒ im Sinne von „vielmehr“ auf. In (46) legt diese Interpretation das Adverb IJóııov in o ... IJȩııov ... ֡ȜȜؒ „nicht ... (so) sehr ... (als) vielmehr“ nahe: (46)
Odyssee Ȥ (22) 49ff. o͖o͔ ͓͆ؑ ֱ¾͈͎͊ܝv der: NOM.SG.M. denn führte herbei: 3.SG.IND.AOR.ACT. ͖͇͈ؒ ֵ͓͆̈́, / diese: ACC.PL.N. Werke: ACC.PL.N. o ͖͌ ͆ؒ͏o͗ ؚ͖͕͕ov nicht irgendwie Hochzeit: GEN.SG.M. so sehr ͍͈͙͓͊͏ؔvo͔ o͇ؓױ erstrebend: PRT.PF.MED.NOM.SG.M. und nicht ؘ͙͖͉̈́͛v, / ͎͎֡’ ֥͎͎̈́ sich sehnend: NOM.SG.M. sondern anderes: ACC.PL.N. ͓͘ovؔ͛v ͖ؒ ersinnend: PRT.PRES.ACT.NOM.SG.M das: ACC.PL.N. oג o͍ױ ֱ͖͎͈͕͕͈ؔ ihm nicht erfüllte: 3.SG.IND.AOR.ACT. K͓ovؘ͛v Kronossohn: NOM.SG.M.. ‚Denn dieser war der Anstifter von dem allem, nicht so sehr nach der Hochzeit trachtend und sie ersehnend, als vielmehr/sondern auf anderes bedacht, das des Kronos Sohn nicht erfüllte.’
Ähnlich mit ͎͎֡ؑ ͏͎ؒ̈́ „sondern vielmehr“: (47)
Odyssee 6 (ȗ) 43 ff. o֡ ’͖vؔ͏o͕͌͌ ͖͌v͕͕͈͖ؒ̈́͌ weder Winde: DAT.PL.M. wird erschüttert: 3.SG.IND.PRES.MED. o¾ ͈͖o͖’ ڋ͓ͅ͏ץ/ noch jemals Regen: DAT.SG.M. ͇͈͖͈͌̈́ o͈͖ ͙͌؝v wird benetzt: 3.SG.IND.PRES.MED. noch Schnee: NOM.SG.M. ֱ¾͌¾ؘ͎v͖̈́̈́͌, ͎͎֡ؑ ͏͎ؒ’ nähert sich: 3.SG.IND.PRES.MED. sondern ganz
132
Rosemarie Lühr & Susanne Zeilfelder ̈́ ͓͊͋ו/ ¾ؔ¾͖͖̈́̈́͌ heitere Luft: NOM.SG.F. hat sich entfaltet: 3.SG.IND.PF.MED. ֡vv͈͎ؔ͘o͔, ͎͈͍͗ؕ ͇’ wolkenlos: NOM.SG.F. weiß: NOM.SG.F. und ֱ¾͇͇͓͌ؔo͏͈v ͎̈́͊͆ו zog sich hin: 3.SG.IND.PF.ACT. Glanz: NOM.SG.F. ‚Den erschüttern weder die Winde noch befeuchtet ihn je der Regen, noch umstöbert ihn Schnee, sondern vielmehr breitet sich heitere Helle wolkenlos aus, und Glanz läuft schimmernd darüber.’
Hinzu kommt bei ֡ȜȜؒ die Bedeutung „aber“. In (48) ist davon die Rede, dass Helena lieber gestorben wäre, aber das ist nicht geschehen: (48)
Ilias 3 (ī)173ff. ͔ ͈͎͈͘ץv ͋ؒvؚ͖͔̈́ dass doch sollte: 3.SG.IND.AOR.ACT. Tod: NOM.SG.M. ͏o͌ ֢͇͈ٱv ؙ͍͔̈́ mir: DAT.SG. gefallen: INF.AOR.ACT. schlimm: NOM.SG.M. ͓ڀ͈͇ ؚ͈͖¾¾עo / ͗ؔ͜ג ͕ڎ als hierher Sohn: DAT.SG.M. deinem: DAT.SG.M. ֲ¾͊͏ؚv ͎͋ؒ̈́͏ov folgte: 1.SG.IND.IMPF. MED. Gemach: ACC.SG.M ͆v͖͛o͔ ͖͈ ͎͌¾o ͕̈́ڀ/ Verwandte: ACC.PL.M. und verlassend: PRT.AOR.ACT.NOM.SG.F. ¾͇̈́̿ٱ ͖͈ ͖͎͖͊͗͆ؔ͊v ͍̈́ؗ Tochter: ACC.SG.F. und zart: ACC.SG.F. und ؘ͍͎͊͌͊͏עv ֱ͓͖͈̈́͌vؖv. / ͎͎֡ؑ Altersgenossin: ACC.SG.F. geliebt: ACC.SG.F. aber ͖ؒ ͆ٛ o͍ױ ֱ͆̀vov͖o das: NOM.PL.N. wohl nicht geschah: 3.PL.IND.AOR.MED. ‚Hätte mir lieber der Tod gefallen, der böse, als hierher deinem Sohn zu folgen, Gemach und Verwandte verlassend und die Tochter, die zarte, und liebliche Altersgenossen, aber das ist nicht geschehen.’
Handelt es sich aber um Contrastive Topics, wird auch der deutlichere Konnektor ĮױIJؒȡ gewählt. In (49) bezieht sich der Ausdruck die anderen auf eine zuvor evozierte Alternativmenge 20 und wird in Kontrast zu mir gesetzt: „Für andere ist der Kampf schaudererregend, mir aber kommt er recht“:
–––––––—–– 20
Umbach (2001: 177; 2003).
Zur Interdependenz von Diskursrelationen und Konnektoren (49)
133
Odyssee ȟ (14) 225 ff. ͍̈́ؗ ¾͏ؚ͈͎o͌ ͍̈́ؗ ֥͍ov͖͈͔ und Kriege: NOM.PL.M und Wurfspieße: NOM.PL.M. ֱ͖͕͈͑o͌ ͍̈́ؗ ͖͕͜סoܝ, / schöngeglättete: NOM.PL.M. und Pfeile: NOM.PL.M. ͎͓͗͆ؒ, ֥͎͎oؘ͕͌v ͈͆ grausige: NOM.PL.M. andere: DAT.PL.M. gerade ͍͖͓͓͎̈́̈́͌͆͊ؑ ¾͎ؔov͖̈́͌ / schauderhaft: NOM.PL.N. sind: 3.PL.IND.PRES. MED. ͓͖̈́ؑױ ֱ͏oؗ ͖ؑ ͎͂͘’ aber mir: DAT.SG. das: NOM.PL.N. lieb: NOM.PL.N. ֵ͕͍͈, ͖̿ ¾o͗ war: 3.SG.IND.IMPF.ACT. das: ACC.PLN. irgendwo ؙ͈͔͋ ֱv ͓͈͕ؗ͘ ͋٣͍͈v· Gott: NOM.SG.M. in Sinne: DAT.PL.F. legte: 3.SG.IND.AOR.ACT. ֥͎͎o͔ ͓͆ؒ ͖’ ֥͎͎o͕͌͌v anderer: NOM.SG.M. denn auch andere: DAT.PL.N. ֡v͓ؕ ֱ¾͖͓͌ؔ¾͈͖̈́͌ Mann: NOM.SG.M. wendet sich zu: 3.SG..IND.PRES.MED. ֵ͓͆o͔͌ Werke: DAT.PL.N. ‚Und die Kämpfe und wohlgeglätteten Speere und Pfeile, grausige; für die anderen sind sie schaudererregend. Mir aber war das lieb, ein Gott wohl legte es mir ins Herz; einem Mann gefällt dies Werk, einem anderen jenes.’
6.2. Etymologie Der Konnektor ͎͎֡ؒ ist ein adverbialer Akkusativ Plural zu dem Adjektiv ֥ȜȜȠȢ „ein anderer“, der aufgrund des Wortartwechsels eine Akzentverschiebung erfahren hat. Nach allgemeiner Auffassung bezeichnet das Wort „etwas der geschehenen Aussage ... völlig Entgegengesetztes“. Man könnte die Bedeutung paraphrasieren mit, „anders, als man annehmen oder erwarten würde“, eine Bedeutung, die eher zu Kontrast als zu Korrektur passt. War also ͎͎֡ؒ zunächst ein Kontrast anzeigender Konnektor, ist die Entwicklung zu der Bedeutung „sondern“ folgendermaßen verlaufen: (50)
a. K1 – ֡ȜȜȐ b. Negation K1 – ֡ȜȜȐ c. Negation K1 – ֡ȜȜȐ
= ohne Negation – aber ... = mit Negation – vielmehr ... = mit Negation – sondern ...
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Rosemarie Lühr & Susanne Zeilfelder
7. Altindisch 7.1. Belege Im Altindischen gibt es Belege, an denen die betonte Wackernagelpartikel tú hinter einem negierten ersten Konjunkt mit “aber, sondern, vielmehr“ wiedergegeben wird: (51)
Rigveda 6,29,5 ná te ántaن đávaso nicht dein: GEN.SG. Ende: NOM.SG.M. Kraft: GEN.SG.N. dhƇyy asyá / ví ist gesetzt: 3.SG.IND.AOR.MED. dieser: GEN.SG.N. auseinander tú bƇbadhe vielmehr hat gedrängt: 3.SG.IND.PF.MED. ródasƟ mahitvঝ beide Welten: ACC.DU.F. Größe: INSTR.SG.N. ‚Dieser deiner Kraft ist keine Grenze gesetzt, vielmehr drängt er beide Welten auseinander durch seine Größe.’
tú steht aber sonst im Sinne von „doch“ und zeigt an, dass der Adressat aufgefordert wird, eine bestimmte Wissensbasis zu aktivieren, die für den Diskurs mehr oder weniger zentral benötigt wird (Lühr 2009). In (51) wird so die Assertion: „Dieser deiner Kraft ist keine Grenze gesetzt“ durch das zweite Konjunkt gestützt: „er drängt ja/doch beide Welten auseinander durch seine Größe“. Es ist so fraglich, ob tú hier wirklich die Bedeutung „vielmehr“ hat. Sicher kommt aber im Altindischen kontradiktorische Gegensätzlichkeit zum Ausdruck. So enthält in (52) das erste Konjunkt eine Negation, der Common Integrator ist „Handlungen der Götter gegenüber Übelgesonnenen“: (52)
Rigveda 1,190,5 l5 ná dnjࡠhyè ánu dadƗsi nicht bös: DAT.SG.M. zu gestehst: 2.SG.IND.PRES.ACT. vƗmám bूhaspate Gewinn: ACC.SG.N. Bܖhaspati: VOC.SG.M. cáyasa ít píyƗrum strafst: 2.SG.IND.PRES.MED. recht feindselig: ACC.SG.M. ‘Nicht gestehst du dem Bösgesinnten den Gewinn zu, du strafst vielmehr den Feindseligen, o Bܖhaspati.’
Zur Interdependenz von Diskursrelationen und Konnektoren
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Es handelt sich um eine Korrektur, die im zweiten Konjunkt hinter dem Verb cáyase (cáyasa ist eine Sandhiform vor ít) „du strafst“ eine betonte Wackernagelpartikel-Typ 3, 21 die Fokuspartikel íd, aufweist. Wie die Akzentuierung des Verbs cáyasa zeigt, wird durch diese Partikel das Verb besonders hervorgehoben und erhält einen Kontrastfokus (im Hauptsatz ist das Verb im Altindischen in der Regel unbetont). Fehlt eine solche Partikel und damit ein spezieller Ausdruck für Korrektur, kann man daher wohl annehmen, dass im Falle von kontradiktorischer Gegensätzlichkeit auch sonst Kontrastfokus gegeben ist. Der Kontrastakzent liegt in (53) so wohl auf prajঝvatƯࢂu „kinderreich“: (53)
Rigveda 7,1,11 mঝđডne agne ní nicht=in Mangel: LOC.SG.N. Agni: VOC.SG.M. nieder ࢂadƇma nूٜঝm wollen sitzen: 1.PL.INJ.AOR.ACT. Männer: GEN.PL.M. mঝđéࢂaso 'vটratƇ nicht=kinderlos: NOM.PL.M. Mangel an Söhnen: INSTR.SG.F. pári tvƇ / prajঝvatƟࢂu um dich: ACC.SG. kinderreich: LOC.PL.M. dúryƇsu Häuser: LOC.PL.M. ‚Wir möchten ohne Gefolgsleute, nicht ohne Leibeserben aus Mangel an Söhnen um dich sitzen, o Agni, (sondern) in kinderreichem Haus.’
Vereinzelt findet sich jedoch das Adverb átha „so“ (altavestisch așƗ, jungavestisch așa „so gleichfalls, also, und“) 22 zu Beginn von Sätzen, die man im Deutschen mit „sondern“ einleiten würde (átha bedeutet sonst „dann, darauf, ferner, desgleichen“ 23 ). Vgl. mit konträrer Gegensätzlichkeit: (54)
Rigveda 10,60,8 yáthƇ yugá٘ varatráyƇ wie Joch: ACC.SG.N. Riemen: INSTR.SG.F. náhyanti dharúٜƇya binden: 3.PL.IND.PRES.ACT. Festhalten: DAT.SG.N. kám / evঝ dƇdhƇra te PART so hat befestigt: 3.SG.IND.PF.ACT. dein: GEN.SG.
–––––––—–– 21 22 23
Lühr (i.Dr., a) Wackernagel & Debrunner (1929/1930: 444). Mayrhofer (1986: 59).
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Rosemarie Lühr & Susanne Zeilfelder máno jƟvঝtave ná mूtyávé Geist: NOM.SG.N. Leben: DAT.SG.F. nicht Tod: DAT.SG.M. 'tho ariࢂغátƇtaye so Unversehrtheit: DAT.SG.F. ‚Wie man das Joch mit dem Riemen bindet zum Festhalten, so hat er deinen Geist zum Leben befestigt, nicht zum Tod, sondern zur Unversehrtheit.’
Auch ist átha „so“ mit der betonten Fokuspartikel íd kombiniert; sie wird im Allgemeinen mit „fürwahr“ widergegeben (doch vgl. unten): (55)
Rigveda 8,40,2 nahí vƇ٘ vavráyƇmahé / nicht=denn euch: ACC.PL. wehren ab: 1.PL.IND.PRES.MED. 'théndram íd so=den Indra: ACC.SG.M. fürwahr yajƇmahe đáviࢂغha٘ verehren: 1.PL.IND.PRES. MED. stärkster: ACC.SG.M. nूٜঝ٘ náram Männer: GEN.PL.M. Mann: ACC.SG.M. ‚Denn wir wehren euch nicht (vom Opfer) ab, so/sondern verehren (wir) nur den Indra, den stärksten Mann unter den Männern.’
Die Bedeutung „sondern“ scheint sich also im Altindischen hauptsächlich aus dem Kontext zu ergeben, insbesondere dann, wenn konträre Gegensätzlichkeit vorliegt. Diese Bedeutung kann dabei durch Partikeln und Konnektoren verstärkt werden: tú (?), íd bzw. átha. Aber auch zum Ausdruck von Kontrast können Partikeln eingesetzt werden, z.B.: (56)
Aithareya BrƗفmaӲa 3,20,1 tasya đvasathƇd ƟࢂamƇٜƇ dessen: GEN.SG.M. Schnaufen: ABL.SG.M/N. Götter: NOM.PL.M. viđve adravan, alle: NOM.PL.M. liefen davon: 3.PL.IND.IMPF.ACT. maruto haina٘ Maruts: NOM.PL.M. da=ihn: ACC.SG.M. nƇjahuن nicht=verließen: 3.PL.IND.PF.ACT. ‚Vor dessen Schnaufen liefen alle Götter davon, aber die Maruts ließen ihn nicht im Stich.’ 24
–––––––—–– 24
Delbrück (1888: 498).
Zur Interdependenz von Diskursrelationen und Konnektoren
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Sonst erscheint die Wackernagelpartikel-Typ 2 ha zumeist in Deklarativsätzen, die die Narrationslinie einer Handlung mit unterschiedlichen Perpektiven fortführen. 25 7.2. Etymologie Partikeln oder Konnektoren, die eindeutig auf die Signalisierung von Korrektur und Kontrast festgelegt sind, scheint es also im Altindischen nicht zu geben. Korrektur und Kontrast kommen vielmehr überwiegend kontextuell zum Ausdruck. Es ist aber zu vermuten, dass im Falle von Korrektur Kontrastfoki besonders hervorgehoben sind. Dies zeigt die Verbindung mit Fokuspartikeln.
8. Hethitisch 8.1. Belege Nachdem das Hethitische grundsätzlich eine kontextabhängige Sprache ist, erwartet man auch hier ausdrucksseitig nicht eindeutige Versprachlichungsstrategien für Kontrast und Korrektur. Korrigiert werden Satzgliedteile ohne einen expliziten Konnektor; z.B. 26 (57)
CTH 413: Bauritual, KBo IV 1 +, Vs. 28-30 nu-wa-ra-at Ú-UL an-za-aš nu=war=at natta anzas und=PART=es: ACC.PL.N. nicht wir ú-e-tum-me-en DINGIRMEŠ-wa-ra-at wetumen siunes=war=at bauten: 1.PL.PRET.ACT. Götter:NOM.PL.C.=PART=es: ACC.SG.N. hu-u-ma-an-te-eš ú-e-te-ir hnjmantes wetir alle: NOM.PL.C. bauten: 3.PL.PRET.ACT ‚Nicht wir haben es erbaut, alle Götter haben es erbaut.’
–––––––—–– 25 26
Lühr (i.Dr. b). Für das Hethitische gibt es noch keine allgemein akzeptierte Glossierungskonvention, daher ist hier behelfsweise eine Zwischenzeile mit der tentativen Umsetzung der Transliteration eingeschoben.
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Rosemarie Lühr & Susanne Zeilfelder
Daneben gibt es mit nu eingeleitete Sätze, die kontextuell ebenfalls die Lesart „sondern͉ nahelegen, vgl. z.B.: (58)
CTH 81: Autobiographie Hattušilis III., Kol. III 63-65 [(nu Ú-UL nam-ma da-hu-ši-ya-ah-ha nu natta namma dahusiyahha und nicht weiterhin fügte mich: 1.SG.PRET.MED. nu-u)]š-ši k[(u-ri-ri-ya-ah-hu-u)]n nu=si kururiyahhun und=ihm: DAT.SG.C. wurde feindlich: 1.SG.PRET.ACT. ‚Nun fügte ich mich nicht mehr, sondern lehnte mich gegen ihn auf.’
Die Korrektur bezieht sich auf einen Prädikatsausdruck. Auch Strukturen mit kontrastierendem –ma können kontextuell auf eine Lesart als Korrektur deuten: (59) enthält eine Negation und zwei unter dem Common Integrator „menschliche Aktivitäten“ vereinbare Gegensatzbegriffe: (59)
CTH 717: Ritual und Hymne an Ištar, KUB XXIV 7 I 27-32 LÚ.MEŠ AT-HU-TIM-[ma] ku-ru-ri-ya-ah-hi-ir ?=ma kururiyahhir Brüder: NOM.PL.M.=aber wurden feindselig: 3.PL.PRET.ACT. nu nam-ma A.ŠÀ-an [IKU-li Ú-UL] nu namma ? ? natta und weiterhin Feld: ACC.SG.C. hektarweise.ADV. nicht har-ši-ya-a[n-z]i harsiyanzi pflügen: 3.PL.PRES.ACT. hal-lu-wa-nu-e-ir-m[a-at-za] halluwanuir=ma=at=ta stritten: 3.Pl.PRET.ACT.=aber=es: ACC.SG.N.=PART ‚Die Brüder sind Feinde geworden und pflügen nicht mehr (gemeinsam) das Feld hektarweise, sondern sie stritten sich.’
Schließlich kann wie im Altindischen die Korrektur mit Fokuspartikeln verdeutlicht werden; statistisch gesehen dürfte das im Hethitischen sogar der häufigste Fall sein, wobei vor allem die etymologisch ungedeutete enklitische Partikel –pat in Verbindung mit ma verwendet wird. Sie erscheint in Verbindung mit dem Personalpronomen in (60):
Zur Interdependenz von Diskursrelationen und Konnektoren (60)
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CTH 67: Vertrag mit Targašnalli von Hapalla, Rs. 1 [nu KUR URUH]a-pal-la ta-mi-e-ta-ni Ú-UL nu Hapallan damedani natta und Land Hapalla: ACC.SG. anderer: DAT.SG.C. nicht ku-wa-at-qa pí-ih-hi kuwatka pihhi irgendwie gebe: 1.SG.PRES.ACT. zi-ik-pát-ma-za iš-ha-a-aš [e-eš] zik=pat=ma=za ishƗs Ɲs du=gerade=aber=PART Herr: NOM.SG.C. sei: 2.SG.IMP.ACT. ‚Und ich werde das Land Hapalla keinesfalls einem anderen geben, sondern nur du sollst der Herr sein.’
wie in Verbindung mit Sätzen: (61)
CTH 76: Vertrag mit Alakšandu von Wiluša, Exemplar B 6-9 URU nu-u-m(a-a-an)] KUR Ú-i-lu-ša A-NA KUR URUHa-a[t-ti nnjmƗn Wilusas ? niemals Land Wilusa: ACC.SG. Land Hatti: DAT.SG. a-wa-an ar-ha ti-y(a-at tu-u-wa-za-ma)] awan arha tiyat dnjwaza=ma weg weg trat: 3.SG.PRET.ACT. von Ferne=aber A-NA LUGALMEŠ KUR URUHa-at-ti hassauwas hattiyas Könige: DAT.PL.C. Land Hatti e-šir tak-šu[-u(l-pát taksul=pat esir treu: NOM.SG.C.=gerade waren: 3.PL.PRET.ACT. ‚Niemals fiel Wiluša von Hatti ab, sondern sie blieben aus der Ferne den Königen von Hatti ganz treu.’
Kontrast kann im Hethitischen hingegen auf zweierlei Arten ausgedrückt werden, mit dem schon genannten adversativen Konnektor –ma „aber͉ , z.B.: (62)
CTH 19: Telipinu-Erlaß, KBo III 1 +, Vs. I 5 f. [(nu ut-ne-e te-pu nu udnƝ tepu und Land: NOM.SG.N. weniges: NOM.SG.N. e-eš-ta ku-)]wa-at-ta-aš Ɲsta kuwata=as war: 3.SG.PRET.ACT. wohin auch=er: NOM.SG.C.
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Rosemarie Lühr & Susanne Zeilfelder la-ah-ha-m a-iz-zi [(nu lahha=ma izzi nu in Schlacht: DIR.SG.C.=aber geht: 3.SG.PRES.ACT. da LÚKÚR-an ut-ne-e ku-ut-)]ta-ni-it kururan udnƝ kutanit Feinde: GEN.PL.C. Land: ACC.SG.N. Arm: INSTR.SG.C. tar-ah-ha-an har-ta tarhan harta besiegt: ACC.SG.N. hält: 3.SG.PRET.ACT. ‘Das Land war klein, aber wohin er auch ins Feld zieht, da hielt er das Land des Feindes mit (starkem) Arm besiegt.’
Werden hingegen nur einzelne Elemente kontrastiert, so verwendet das Hethitische in aller Regel das enklitische -a „aber“. Vgl. mit einem Contrastive Topic: (63)
CTH 8: Palastchronik, KBo III 34, Vs. II 3 f. LUGAL-i SIG5-an-ta-an GEŠTIN-an hassui assuwandan wiyanan König:DAT.SG.C. gut: ACC.SG.C. Wein: ACC.SG.C. hi-in-kat-ta a-pí-e-da-aš-ša hinkata apedas=a gab: 3.SG.PRET.ACT. jene: DAT.PL.C.=aber ta-ma-in GEŠTIN-an pí-i-e-ir damain wiyanan piƝr anderer: ACC.SG.C. Wein: ACC.SG.C. gaben: 3.PL.PRET.ACT. ‚Er gab dem König guten Wein, jene aber nahmen einen anderen Wein.’
Dieses -a kann bei solchen Topics zur Verdeutlichung auch doppelt gesetzt werden, z.B.: (64)
CTH 3: KBo XXII 2: Zalpa A, Rs. 8‘ f. Ha-a-ap-pí-ša iš-pár-za-aš-ta Hapis=a isparzasta Happi: NOM.SG.C.=aber entkam: 3.SG.PRET.ACT. m Ta-am-na-aš-šu-na hu-šu-wa-an-ta-an Tamnassun=a huswandan Tamnassu: ACC.SG.C.=aber lebend: ACC.SG.C. Iԍ-BA-TU epir fingen: 3.SG.PRET.ACT. ‚Happi aber entkam, den Tamnaššu aber fing man lebend.’ m
Zur Interdependenz von Diskursrelationen und Konnektoren
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8.2. Etymologie Die Konjunktion -ma ist grundsätzlich kontrastierend. Für die Beurteilung der Strukturen mit -ma + -pat ist die Funktion von -pat ausschlaggebend. In den Wörterbüchern 27 finden sich Angaben wie: „identifizierende und hervorhebende Partikel, deren Hauptfunktion die Präzisierung und Hervorhebung eines Satzteils ist“, und Paraphrasen wie: „eben(der), ebenda, ebenfalls, selbst, eigen, einzig, nur, allein, ebenso, auch, auch noch, eher, vielmehr, trotzdem“. Das ist auf den ersten Blick nicht sonderlich hilfreich, doch hat man es bei -pat mit einer Fokuspartikel zu tun – der einzigen Wackernagelpartikel-Typ 3 des Hethitischen –, die speziell in den hier gezeigten Satzstrukturen mit negiertem ersten Konjunkt, kontrastierender Konjunktion ma und schließlich noch Fokuspartikel -pat die Funktion hat, die intendierte korrektive Lesart zu verdeutlichen. In den angeführten Beispielen (60) und (61) sind es die Gegensatzpaare „kein anderer ... sondern nur du“, „nicht abtrünnig ... sondern treu“.
Fazit Die Frage war erstens, ob die Etymologie der einschlägigen Konnektoren etwas über die Richtung der semantischen Entwicklung in den untersuchten Sprachen Althochdeutsch, Altisländisch, Latein, Griechisch, Altindisch, Hethitisch aussagt und zweitens ob sich der Unterschied zwischen Kontrast und Korrektur auch über die Akzentuierung ausdrucksseitig niederschlägt oder ob er nur kontextuell zu erschließen ist. Zu 1. Eindeutige einzelsprachliche Ausdrucksmittel zur Bezeichnung von Kontrast und Korrektur hat man nur im Althochdeutschen und Altisländischen. Eigentlich sind es Wörter für „gesondert“ und „lieber“, ahd. suntar, aisl. heldr, gegenüber ahd. avur, avar, aisl. enn „aber“. Im Falle von „gesondert“ ist die Entwicklung über „in erster Linie, vor allem, besonders, eigens“ verlaufen; und im Altisländischen hat heldr in Verbindung mit der Komparativpartikel en „als“ die Bedeutung „lieber als, eher als“ ausgebildet. In beiden Sprachen ist aber die Bedeutung „sondern“ erst in Negationskontexten entstanden; das Bindeglied ist jeweils die Bedeutung „vielmehr“. Auch am Beispiel des Lateinischen konnte gezeigt werden, dass bei dem semantischen Wandel von sed „sondern“ zu „aber“ die vermittelnde Bedeutung die Bedeutung „vielmehr“ ist. Anders verhält es sich im Griechischen: Der Konnektor –––––––—–– 27
Tischler (1983 ff: II 11/12 s.v.).
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͎͎֡ؒ (von dem Adjektiv ֥͎͎͔͒ „ein anderer“) hatte ursprünglich die Bedeutung „anders, als man annehmen oder erwarten würde“ und hatte wohl kontrastierende Funktion. Der Bedeutungswandel vollzieht sich aber wie im Althochdeutschen und Lateinischen über „vielmehr“: „anders, als man erwarten würde“ > „vielmehr“ > „sondern“. Wie im Latein und im Germanischen macht auch dieser Wandel deutlich, dass es zwischen Kontrast und Korrektur tatsächlich eine vermittelnde Bedeutung gibt. Beim Übergang von „aber“ zu „vielmehr“ zu „sondern“ erfolgt dabei eine zunehmende Restriktion möglicher Fokus-Hintergrund-Strukturen, bis im Falle der Korrektur nur eine Alternative mit Einzigkeitsbedingung übrig ist (3.1.). So lässt, wie anhand der Belege mit ahd. suntar gezeigt (4.1.), die Bedeutung „vielmehr“ mehr Ersatzmöglichkeiten zu, während bei „sondern“ alle Möglichkeiten bis auf eine ausgeschlossen sind. Damit ist festzuhalten, dass sich im Falle der untersuchten Kontrast und Korrektur ausdrückenden Konnektoren die diachronen Entwicklungspfade, die dann in Grammatikalisierungspfade bzw. –kanäle münden, überkreuzen. Die Entwicklung kann sowohl von ursprünglich kontrastierenden Konnektoren zu korrigierenden Konnektoren führen als auch von korrigierenden Konnektoren zu kontrastierenden.28 Beide Grammatikalisierungspfade begegnen sich an der Bedeutung „vielmehr“, die eine Präferenz für die mit dem Konnektor verbundene Sachverhaltsbeschreibung ausdrückt. 29 Zu 2. Im Hethitischen hat man dagegen einen anderen Sprachzustand: Zwar sind adversative Konnektoren bezeugt. Die Disambiguierung wird aber im Fall von „sondern“ durch Fokuspartikeln vorgenommen. Das meiste Kontextwissen benötigt man im Altindischen. Doch kommen auch in dieser Sprache Fokuspartikeln zum Einsatz. Für die ältesten indogermanischen Sprachen kann man aus diesem Befund schließen, dass in Verbindung mit Fokuspartikeln das fokussierte Element einen Kontrastakzent trug. Im Altindischen sieht man das an betonten Verben im Hauptsatz (vgl. (52). Vgl. mit einem betonten Substantiv dagegen (55) Rigveda 8,40,2 ... 'théndram íd yajƗmahe ... „so/sondern den Indra allemal verehren wir“. In ähnlicher Weise hat das Wort „du“ in dem hethitischen Beipiel (60) sicher einen Kontrastakzent getragen; denn das Subjektspronomen ist die betonte Form (unbetont erscheint Sub–––––––—–– 28
29
Bei Heine & Kuteva (2002) fehlt dieser Grammatikalisierungspfad bei Konnektoren. Der Kreuzung von Grammatikalisierungspfaden bei Konnektoren steht die Gerichtetheit von Sprachwandel gegenüber, wie sie sprachübergreifend beim Wandel von temporalen zu kausalen Konnektoren nachgewiesen wird; vgl. den Übergang von temporalem wîl „während“ zu kausalem bzw. epistemischem weil (Heine & Kuteva 2002: 325f.); dazu kritisch Lühr (1989).
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jekts-pro-drop): 30 (60) zi-ik-pát-ma-za iš-ha-a-aš [e-eš] „sondern nur du sollst der Herr sein.“ Einschlägig ist ferner der griechische Beleg (49). Zunächst ist das Contrastive Topic „die anderen“ durch die Partikel Ȗİ „gerade, eben“ hervorgehoben: Odyssee ȟ (14) 225 ff. ֥͎͎oؘ͕͌v ͈͆ „für die anderen gerade“. Dann ist das zweite Contrastive Topic ֱ͏o ؗdie betonte Variante von unbetontem ȝoȚ. Denn sie erscheint im Verbindung mit ͓͖̈́ؑױ: ̈́͏ֱ ͓͖ؑױoؗ,aber mír: ̈́͏ֱ ͓͖ؑױo„ ֵ͈͍͕ ’͎͂͘ ͖ؑ ؗMir aber war das lieb ...“. Aufgrund dieser Belege ist zu vermuten, dass auch dann, wenn keine Fokuspartikeln zur Bezeichnung von Kontrast und Korrektur in älteren indogermanischen Sprachen auftreten (vgl. den lateinischen Beleg (39)), diese pragmatischen Kategorien intonatorisch hervorgehoben wurden.
Literatur 1. Primärliteratur Aufrecht, Theodor (21877): Die Hymnen des Rigveda. – Bonn: Marcus. – (1879): Das Aitareya-BrƗhmaٜa. – Bonn: Marcus. Allen, Thomas W. (31920): Homeri Opera. – Oxford: Clarendon. CTH = Laroche, Emmanuel (1971): Catalogue des Textes Hittites. – Paris: Klincksieck. Erdmann, Otto & Wolff, Ludwig (61973): Otfrids Evangelienbuch. – Tübingen: Niemeyer. KBo = Keilschrifttexte aus Boghazköi. – Deutsche Orientgesellschaft – Akademie der Wissenschaften und der Literatur zu Mainz, Kommission für den Alten Orient. Berlin. 1916 ff. KUB = Keilschrifturkunden aus Boghazköi. – Staatliche Museen zu Berlin, Vorderasiatische Abteilung; 1943-44 Deutsche Orient-Gesellschaft zu Berlin; 19 Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin, Institut für Orientforschung. Berlin 1921 ff. Mogk, Eugen (1908): Gunnlaugs saga ormstungu. – Halle: Kessinger. Ólason, Páll Egert (1946ff.): Heimskringla Snorra Sturlusonar. – Reykjavík: Menntamálaráÿ og þjóÿvinafélag. Simbeck, Karl (1912): Cicero, Cato maior de senectute. – Leipzig: Teubner.
–––––––—–– 30
Friedrich (1960: 62); Weiteres bei Lühr (2005b; 2006; i.Dr. c).
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Rosemarie Lühr & Susanne Zeilfelder
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Zur Interdependenz von Diskursrelationen und Konnektoren
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Zur Interdependenz von Diskursrelationen und Konnektoren –
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Manfred Stede & Maik Walter
Zur Rolle der Verknüpfungsebene am Beispiel der Kausalkonnektoren 1
0. Vorbemerkung Konnektoren sind nicht nur in syntaktischer Hinsicht recht heterogen und somit schwierig als geschlossene Gruppe zu beschreiben; auch ihre Bedeutung ist vielschichtig und widersetzt sich einer klaren, systematischen Beschreibung. Wir haben uns in zwei Korpusstudien speziell mit kausalen Konnektoren auseinander gesetzt und diskutieren hier einige Aspekte der Korrelation zwischen einzelnen Merkmalen an der Sprachoberfläche und der Bedeutung eines Konnektors. Unser Schwerpunkt liegt dabei auf einer Untersuchung des Begriffs der Verknüpfungsebene, der seit geraumer Zeit in der einschlägigen Literatur prominent ist. Abschnitt 1 führt kurz in diese Diskussion ein, bevor wir in Abschnitt 2 das Instrument der Diskursrelation für die Erfassung zentraler Teile der Konnektorbedeutung vorstellen und den Zusammenhang mit Verknüpfungsebenen beleuchten. Es folgt die Darstellung unserer zentralen Korpusstudie (vgl. dazu auch Breindl & Walter 2009) mit Beschreibung der Datenbasis aus Pressetexten und Diskussion der Ergebnisse (Abschnitt 3). Da unser Interesse sich im Zuge dieser Untersuchung auf die Merkmale ‚Subjektivität’ und ‚Volition’ konzentriert hat, die in Pressetexten nur eine geringe Rolle spielen, haben wir noch ein zweites Korpus aus einer stärker subjektiv orientierten Textsorte herangezogen (Hotel-Rezensionen einer Website, „user-generated content“). Anhand dieser Studie hinterfragt Abschnitt 4 die Rolle von Verknüpfungsebenen und schlägt eine Dekomposition des Begriffs mit Hilfe eines Inventars illokutiver Handlungen vor. In Abschnitt 5 schließlich ziehen wir ein Fazit.
–––––––—–– 1
Unser Dank geht in erster Linie an Eva Breindl, die uns grammatiktheoretisch begleitet und empirisch durch die Ebenen der Daten geführt hat. Für den Großteil der Annotation danken wir Romina Barbera und Lisa Kolb (Mannheim) sowie André Herzog und Andreas Peldszus (Potsdam). Den beiden anonymen GutachterInnen danken wir für wichtige Hinweise und Kommentare zu dieser Studie; Michael Grabski und Dagmar Frohning für ihren kollegialen Beistand auch nach dem Ende des Projekts, das von der DFG gefördert wurde.
150
Mark Stede & Maik Walter
1. Die Verknüpfungsebenen Die in der bisherigen Forschung häufig zitierte Analyse von Eve Sweetser (1990) geht davon aus, dass Sätze auf verschiedenen Ebenen verknüpft werden können. (1)
John came back because he loved her.
(2)
John loved her, because he came back.
(3)
What are you doing tonight, because there‘s a good movie on.
Die unterschiedlichen Lesarten sind nach Sweetsers Analyse nicht mit der Polysemie des Kausalkonnektors because zu erklären, sondern vielmehr durch pragmatische Prozesse, die die Verknüpfung der beiden Sätze (bzw. der durch sie repräsentierten propositionalen Strukturen) auf unterschiedlichen Ebenen steuern. In (1) werden die beiden Sätze auf einer propositionalen Ebene verknüpft – zwei Beschreibungen von Sachverhalten werden zueinander in Beziehung gesetzt. In (2) hingegen begründet der Sprecher eine Annahme oder Schlussfolgerung, die Verknüpfung wird auf einer epistemischen Ebene vollzogen. In (3) schließlich wird das Stellen der Frage selbst begründet, die Verknüpfung findet auf der Sprechaktebene statt. Diese Differenzierung wurde einerseits positiv aufgenommen und auch für das Deutsche vorgeschlagen (z.B. Blühdorn 2008 und Volodina 2007), andererseits gab es aber auch dezidierte Kritik (z.B. von Lang 2000). Dass sich zwischen den Ebenen nicht immer unterscheiden lässt, wollen wir an den in Breindl & Walter (2009: 4) ausführlich diskutierten Beispielen zeigen: (4)
Die Rohre sind geplatzt, weil Frost herrscht.
(5)
Es herrscht Frost, denn die Rohre sind geplatzt.
(6)
#Es herrscht Frost, weil die Rohre geplatzt sind.
(7)
Es herrscht Frost. Weil die Rohre geplatzt sind.
(8)
Es herrscht Frost. Weil, die Rohre sind geplatzt.
(9)
Hast du das Wasser abgestellt? Weil nichts aus der Leitung kommt.
Während (4) eindeutig auf der propositionalen Ebene und (9) ebenso eindeutig auf der Sprechaktebene verknüpft, handelt es sich bei (5) bis (8) um Beispiele, die illustrieren, dass formale Merkmale wie Wortstellung oder aber auch die mit der Intonation korrespondierende Interpunktion (vgl. FabriciusHansen in diesem Band) einen Einfluss auf die Verknüpfungsebene haben und die „Bestimmung“ der Ebene durchaus kompliziert gestalten können.
Die Rolle der Verknüpfungsebene
151
Linguistisch interessant sind die folgenden beiden Fragen: 1. Gibt es sprachliche Merkmale, die mit einer Verknüpfung auf einer der drei Ebenen korrelieren? 2. Können einzelne Konnektoren identifiziert werden, die eine bestimmte Verknüpfungsebene favorisieren? 2 Diesen beiden Fragen werden wir zunächst in einer empirischen Analyse nachgehen, und im Anschluss daran vorschlagen, den Begriff der Verknüpfungsebene durch eine Dekomposition genauer zu fassen. Zuvor aber führen wir Diskursrelationen als ein operationalisierbares Konzept zur Beschreibung von Diskursphänomenen ein.
2. Diskursrelationen Diskursrelationen gelten unter anderem in der Rhetorical Structure Theory (RST, Mann & Thompson 1988) und in der Segmented Discourse Representation Theory (SDRT, Asher & Lascarides 2003) als die (neben der Koreferenz) zentralen Instrumente für die Beschreibung der Kohärenz von Texten. Sie sollen die inhaltlichen Zusammenhänge zwischen benachbarten Diskurseinheiten zunächst lokal charakterisieren und durch rekursive Anwendung dann auch die Struktur des gesamten Textes beschreiben (s. auch Stede 2007). Nun korrespondieren Unterschiede in den Verknüpfungsebenen mit Unterschieden in den zugrunde liegenden Diskursrelationen: So entspricht beispielsweise die Verknüpfung auf der propositionalen Ebene in (4) der in der RST postulierten Relation NONVOLITIONAL CAUSE. 3 Die Beispiele (5), (7) und (8) hingegen können durch EVIDENCE 4 erfasst werden. Unter der Voraussetzung hinreichend präziser und trennscharfer Definitionen sind Diskursrelationen damit potenziell ein Instrument, um die Rolle der Verknüpfungsebene zu explizieren und dieses Phänomen in eine umfassendere Analyse der Textstruktur zu integrieren.
–––––––—–– 2
3
4
In diesem Zusammenhang sei auf das vielfach diskutierte epistemische weil verwiesen (z.B. Keller 1995 oder Wegener 1999). Bzw., je nach Zuweisung von Nukleus (N) und Satellit (S), der Relation NONVOLITIONAL RESULT. Der Effekt sei, nach der Definition von Mann & Thompson 1988, „the reader recognizes S as a (possible) cause for N.“ Effekt: „By presenting S, the reader’s belief of N is increased.“
152
Mark Stede & Maik Walter
2.1. Dekomposition der Diskursrelationen Sanders et al. (1992) und Knott & Sanders (1998) sehen in den Diskursrelationen kognitiv fundierte Repräsentationen, die sich mithilfe kognitiver Grundbausteine kombinatorisch zusammensetzen lassen. Im Anschluss daran diskutiert Grabski (2008) verschiedene Modellierungen einer Baumstruktur dieser dekomponierten Relationen. Von den bei ihm angeführten 24 Diskursrelationen, die sich aus der Komposition einzelner Merkmale ergeben, sind für die kausale Verknüpfung lediglich vier Relationen relevant, und zwar VOLITIONAL CAUSE, NONVOLITIONAL CAUSE, PURPOSE und PRAGMATIC CLAIM. Diese Relationen weisen die Merkmale + sowie + auf. 5 Grabski (2008) wägt die Möglichkeiten der hierarchischen Anordnung der einzelnen Merkmale, wie sie Knott & Sanders (1998) vorgeschlagen haben, ab und thematisiert die daraus resultierenden Konsequenzen. Die Sweetser’schen Ebenen spiegeln sich wieder, wenn die Relation PRAGMATIC CLAIM feiner differenziert wird. Deshalb unterscheiden wir im Folgenden in Anlehnung an Sweetser (1990) zwischen der epistemischen Lesart (PRAGMATIC CLAIM I) und der Sprechaktverknüpfung (PRAGMATIC CLAIM II). Die vier verbleibenden kausalen Relationen zeichnen sich durch das positiv besetzte Merkmal aus und bilden gemeinsam die Gruppe der propositionalen Lesarten (vgl. Tabelle 1). Sweetser (1990)
PROPOSITIONALE
Sanders et al. (1992) Grabski (2008)
EPISTEMISCHE EBENE
SPRECHAKTEBENE
VOLITIONAL CAUSE
PRAGMATIC CLAIM I
PRAGMATIC CLAIM II
EBENE
NONVOLITIONAL CAUSE PURPOSE
Tab. 1: Verknüpfungsebenen, Merkmale und Diskursrelationen
Die weiteren Merkmale werden hier nicht weiter ausgeführt, sondern lediglich die daraus abgeleitete Definition der fünf kausalen Diskursrelationen (vgl. Tabelle 2 sowie Breindl & Walter 2009: Kapitel 1). Mit den Begriffen ANTEZEDENS und KONSEQUENS orientieren wir uns am demnächst erscheinenden Semantik-Teil des Handbuchs der deutschen Konnektoren (vgl. dazu –––––––—–– 5
Tabelle 2 zeigt die Merkmalskombinatorik mit diesen differenzierenden Merkmalen.
153
Die Rolle der Verknüpfungsebene
Breindl 2006). Für die Kausalität ist das ANTEZEDENS das Argument, das einen mehr oder weniger abstrakten Grund bezeichnet, das KONSEQUENS hin6 gegen die Folge. DISKURSRELATION MIT MERKMALEN
PRAGMATIC CLAIM I
+
PRAGMATIC CLAIM II
+ VOLITIONAL CAUSE
+, +, – NONVOLITIONAL CAUSE
+, –
PURPOSE
+, +, +
Tab. 2:
DEFINITION Das KONSEQUENS-Konnekt hat die Rolle einer Behauptung oder Annahme des Sprechers, das ANTEZEDENS-Konnekt liefert ein Argument/eine Evidenz für diese Behauptung oder Annahme. Es muss Frost gegeben haben, weil die Heizungsrohre geplatzt sind. Das KONSEQUENS-KONNEKT ist ein Sprechakt, und das ANTEZEDENS-Konnekt begründet, warum der Sprecher diesen Sprechakt äußert. Brauchst du noch lang? Weil der Zug gleich fährt. Es werden FAKTISCHE Ereignisse verknüpft, für die eine kausale Beziehung in der außersprachlichen Welt etabliert ist. Die im ANTEZEDENS bezeichnete Situation ist der Grund für die im KONSEQUENS bezeichnete Situation, dabei tritt im KONSEQUENS ein bewusst agierendes Subjekt auf. Weil es anfing zu regnen, spannte Max seinen Schirm auf. Es werden faktische Ereignisse verknüpft, für die eine kausale Beziehung in der außersprachlichen Welt etabliert ist. Die im ANTEZEDENS bezeichnete Situation ist der Grund für die im KONSEQUENS bezeichnete Situation, dabei tritt im KONSEQUENS kein bewusst agierendes Subjekt auf. Die Dinosaurier starben wegen eines Meteoriteneinschlags aus. Es werden Ereignisse verknüpft, für die eine kausale Beziehung in der außersprachlichen Welt etabliert ist. Im ANTEZEDENS wird die Absicht eines bewusst handelnden Subjekts ausgedrückt, die gleichzeitig das Motiv einer solchen Handlung im KONSEQUENS ist. Die Verknüpfung entspricht der traditionellen Finalrelation. Der Knecht soll einen Ochsen kaufen. Deshalb schickt ihn der Bauer auf den Markt.
Definitionen der kausalen Diskursrelationen als Merkmalsbündel
–––––––—–– 6
Das Modell beschreibt mit diesem Begriffspaar auch andere Konzepte wie Konditionalität oder Finalität.
154
Mark Stede & Maik Walter
2.2. Diagnostika In der Diskurssemantik wurden verschiedene Methoden zur Bestimmung von Diskursrelationen diskutiert (z.B. Pander Maat & Degand 2001, Blühdorn 2008, Volodina 2007). In Breindl & Walter (2009) werden zwei Verfahren vorgestellt: 1. 2.
die Anwendung von Paraphrasen, um Diskursrelationen holistisch zu bestimmen und die Dekomposition mit funktionalen Merkmalen.
In der hier vorliegenden Analyse wurden die Paraphrasen eingesetzt, um die jeweiligen Diskursrelationen zu bestimmen. Für die Diskursrelation PRAGMATIC CLAIM I beispielsweise wurde überprüft, ob die folgende Umschreibung den jeweiligen Beleg erfasste: Die Tatsache, dass der im ANTEZEDENS ausgedrückte Sachverhalt der Fall ist, ist Grund für die Annahme/ Vermutung/ Einstellung des Sprechers, die im KONSEQUENS ausgedrückt ist. Für die weiteren Paraphrasen vgl. Breindl & Walter (2009: 82-88). Während Breindl & Walter (2009) auch das Zusammenspiel von Kausalmarkern 7 und Diskursrelationen mit Oberflächenmerkmalen wie der Verbstellung oder dem Satzmodus beleuchten usw., werden wir in der vorliegenden Analyse lediglich die folgende Hypothese überprüfen: Es gibt einen statistisch signifikanten Zusammenhang zwischen der Wahl des Konnektors und der Verknüpfungsebene. Um diese Hypothese zu überprüfen, wurden zwei Korpora herangezogen. Im Folgenden stellen wir einen Teil der korpusbasierten DeReKo-Studie von Breindl & Walter (2009) vor. Im Verlauf der Analyse hat sich gezeigt, dass die rein schriftsprachlichen Daten des Deutschen Referenzkorpus DeReKo zwar für Kontextanalysen verwendet werden können, dass sie aber nur bedingt geeignet sind, den pragmatischen Faktor der Subjektivität und damit insbesondere die Verwendungsbedingungen auf der epistemischen Verknüpfungsebene zu erfassen. Deshalb wurde neben der Stichprobe aus DeReKo auch ein Korpus von Hotelrezensionen ausgewertet, darauf werden wir in Abschnitt 4 eingehen.
–––––––—–– 7
Die Begriffe Kausalmarker und Kausalkonnektor verwenden wir hier synonym.
Die Rolle der Verknüpfungsebene
155
3. Korpusstudie I: Datenbasis, Methode, Ergebnisse 3.1. Korpusstudie I: Datengrundlage Das Deutsche Referenzkorpus ist derzeit das größte Korpus der deutschen Gegenwartssprache. Es umfasst zum Zeitpunkt der Ermittlung der Stichprobe mehr als 1,8 Mrd. Tokens und besteht vorwiegend aus Zeitungstexten (http://www.ids-mannheim.de/kl/projekte/korpora). Aus dem Subkorpus der geschriebenen Sprache wurde eine Stichprobe aus jeweils 200 Belegen pro Marker ermittelt. Dabei handelt es sich zum großen Teil um Zeitungstexte der letzten 15 Jahre (zur genauen Zusammensetzung der Stichprobe vgl. Breindl & Walter 2009, Kapitel 2). 3.2. Auswahl der Items Aus einer Liste der Kausalausdrücke des Deutschen wurden 16 Marker ausgewählt, die einerseits verschiedene syntaktische Klassen in Anlehnung an 8 das Handbuch der deutschen Konnektoren (Pasch et al. 2003) abdecken und andererseits vergleichbare Minimalpaare wie deswegen - weswegen bilden, an denen exemplarisch sehr fein granulierte Gebrauchsunterschiede demonstriert werden können. In der Tabelle 3 werden diese Items mit ihren Markierungsstrategien und den syntaktischen Eigenschaften angeführt. Es wurden sowohl Grundmarker als auch Folgemarker berücksichtigt. Grundmarker markieren den Grund am internen Konnekt. Folgemarker markieren dort die Folge. Als internes Konnekt betrachten wir mit dem Handbuch der deutschen Konnektoren (Pasch et al. 2003) dasjenige Konnekt, das syntaktisch am engsten an den Konnektor gebunden, oft auch strukturell notwendig ist. Bei den Präpositionalphrasen ist dies beispielsweise das Komplement der Präposition (vgl. [Der Zug verspätet sich]EXTERN wegen [des Wetters]INTERN) / weil [es regnet]INTERN). Das externe Konnekt ist das durch den Konnektor angebundene, strukturell oft weglassbare Konnekt. In der Analyse wurden nur diejenigen Belege berücksichtigt, die einen i.w.S. kausal zu lesenden Konnektor beinhalten, also ein abstraktes Grund-Folge-Verhältnis markieren. Dies betrifft 2410 der 3200 Belege (mithin 75%). In der Tabelle 3 werden die kausalen Varianten der Kandidaten aufgeführt, und zwar der absolute Anteil, der prozentuale Anteil sowie der Anteil der jeweiligen Kandidaten an der Stichprobe. –––––––—–– 8
Hinzu kommen Präpositionen, die im Handbuch der deutschen Konnektoren (Pasch et al. 2003) als Wortklasse ausgeschlossen werden.
156
Mark Stede & Maik Walter
KANDIDAT
KAUSAL
KAUSAL
(N)
(%)
6 (%)
MARKER
SYNTAKTISCHE KLASSE
aufgrund
0199
099,5 %
8,3 %
GRUND
Präpositionen
wegen
0193
096,5 %
8,0 %
GRUND
Präpositionen
also
0125
062,5 %
5,2 %
FOLGE
Adverbien (npb)
daher
0189
094,5 %
7,8 %
FOLGE
Adverbien (nNE)
darum
0057
028,5 %
2,4 %
FOLGE
Adverbien (nNE)
deshalb
0199
099,5 %
8,3 %
FOLGE
Adverbien (nNE)
deswegen
0200
100,0 %
8,3 %
FOLGE
Adverbien (nNE)
folglich
0199
099,5 %
8,3 %
FOLGE
Adverbien (nNE)
nämlich
0134
067,0 %
5,6 %
GRUND
Adverbien (nVF)
schließlich
0084
042,0 %
3,5 %
GRUND
Adverbien (npb)
denn
0153
076,5 %
6,3 %
GRUND
Einzelgänger
da
0055
027,5 %
2,3 %
GRUND
Subjunktoren
weil
0198
099,0 %
8,2 %
GRUND
Subjunktoren
sodass
0162
081,0 %
6,7 %
FOLGE
Postponierer
weshalb
0106
053,0 %
4,4 %
FOLGE
Postponierer
weswegen
0157
078,5 %
6,5 %
FOLGE
Postponierer
6
2410
075,3 %
100 %
Tab. 3:
Kandidaten für Kausalmarker: Anteil der kausalen Varianten an der Stichprobe: absolute Häufigkeit (= KAUSAL (N)) und prozentualer Anteil (= KAUSAL (%)), Anteil der kausalen Varianten an der Stichprobe (N=200) (= 6 (%)), Markierungsstrategie (= MARKER) und syntaktische Klasse der kausalen Varianten in Anlehnung an Pasch et al. 2003 unter Berücksichtigung der nichtvorfeldfähigen (nVF), nichtpositionsbeschränkten (npb) und nichtnacherstfähigen (nNE) Adverbien
3.3. Methode In den Daten wurden zunächst, wie erwähnt, die Belege ausgefiltert, in denen keine kausale Lesart vorliegt. Dies war notwendig, da die Items auch in anderen Verwendungen erscheinen (wie beispielsweise das lokale Adverb da). Anschließend wurden in den 2410 kausalen Belegen 13 formale und 5 funktionale Merkmale bestimmt und ausgezählt. Auf der Basis der Definitionen aus der Tabelle 2 wurden Paraphrasen abgeleitetet (ausführlicher dazu
157
Die Rolle der Verknüpfungsebene
Breindl & Walter 2009: 82-88), die im Anschluss von den AnnotatorInnen an den Korpusdaten getestet wurden. Durch diesen Test wurde die Diskursrelation nachvollziehbar zugewiesen. Am Ende wurde geprüft, ob ein signifikanter Zusammenhang zwischen Diskursrelationen und einzelnen Kausalmarkern und zwischen den analysierten Merkmalen vorliegt. Es trat sowohl der Fall auf, dass mehrere Paraphrasen möglich waren (16%, N=393) als auch der Fall, dass der Test zu keinem eindeutigen Ergebnis führte (2%, N=55). Trotzdem konnten die AnnotatorInnen in diesen Fällen Diskursrelationen favorisieren, deshalb beziehen wir diese unklaren Fälle in die Analyse ein. Es ergibt sich die folgende Verteilung der einzelnen Lesarten (vgl. Tabelle 4): In fast der Hälfte der Belege wurde die Diskursrelation NONVOLITIONAL CAUSE (45%) positiv getestet, die restlichen Belege entfallen fast vollständig auf PRAGMATIC CLAIM I (33%) und VOLITIONAL CAUSE (20%). Die Relationen PRAGMATIC CLAIM II (2%) und PURPOSE (1%) sind hingegen sehr selten. In der Tabelle 4 wird differenziert, ob die Diskursrelation eindeutig getestet wurde, d.h. die Anzahl der Diskursrelationen N=1 beträgt, oder aber, ob zwei oder drei Diskursrelationen (N=2, bzw. N=3) positiv getestet wurden. NONVOLITIONAL CAUSE ist die mit Abstand am häufigsten eindeutig zugewiesene Relation (48% der eindeutigen Lesarten). In diesen Fällen konnte keine zweite Paraphrase eingesetzt werden. PRAGMATIC CLAIM I führt die Liste der Fälle an, in denen zwei Relationen vorliegen (49%). Nur in einem Fall wurden mehr als zwei Relationen positiv getestet, dies kann vernachlässigt werden (vgl. Breindl & Walter 2009, Kap. 4). DISKURSRELATION
N=1
%
N=2
%
N=3
%
6
%
PC I PC II
0554
027,5%
382
048,7%
1
033,3%
0937
033,4%
0045
002,3%
003
000,3%
0
000,0%
0048
001,7%
NVC VC P
0963
047,7%
283
036,1%
1
033,3%
1247
044,5%
0442
021,9%
112
014,3%
1
033,3%
0555
019,8%
0013
000,7%
004
000,5%
0
000,0%
0017
000,6%
6
2017
100,0%
784
100,0%
3
100,0%
2804
100,0%
Tab. 4:
Anzahl der Diskursrelationen PRAGMATIC CLAIM I (PC I), PRAGMATIC CLAIM II (PC II), NONVOLITIONAL CAUSE (NVC), VOLITIONAL CAUSE (VC) UND PURPOSE (P): Absolute Häufigkeit (N) und prozentuale Verteilung (%), unklare Relationen wurden hierbei jeweils gewertet
Die hohe Anzahl von ambigen Konstellationen ist erstaunlich, da der Beleg durch den mitgelieferten Kontext disambiguiert werden müsste, denn die Paraphrase wurde immer im gesamten Kontext getestet. Dies kann als Argument gegen den Einsatz dieser Tests, wie sie bereits auch Frohning (2007:
158
Mark Stede & Maik Walter
74f.) vorgetragen hat, gewertet werden. Eine alternative Methode wäre die Bestimmung der Diskursrelation allein auf der Basis der Definition. Diesen Weg sind wir jedoch nicht gegangen, da die Analyse von fünf AnotatorInnnen im hohen Grad reproduzierbar sein sollte. Dieses Ergebnis deuten wir als Indikator für ein grundsätzliches Analyseproblem bei der Unterscheidung zwischen Diskursrelationen durch Paraphrasen. Gerade der hohe Anteil bei PRAGMATIC CLAIM I zeigt, dass die Differenzierung zwischen Annahmen eines Sprechers und den objektiven Schilderungen von Sachverhalten keineswegs eine triviale Aufgabe darstellt. Wir werden im nächsten Abschnitt auf dieses Problem zurückkommen und die entsprechenden Konnektoren anführen. 3.4. Ergebnisse: Diskursrelationen & Konnektoren Um die Hypothese zu testen, ob es Präferenzen einzelner Konnektoren für die drei Ebenen gibt, betrachten wir im Folgenden die 16 Konnektoren. Die Abbildung 1 zeigt die prozentuale Verteilung der einzelnen Lesarten unter Ausschluss der unklaren Fälle. Die entsprechenden normalisierten Werte und die jeweiligen Rangfolgen finden sich in Breindl & Walter (2009: 92), die absoluten Werte haben wir in der Tabelle 11 im Anhang angeführt. Zwar realisieren nicht alle Konnektoren die fünf Diskursrelationen, aber die eindeutige Festlegung eines Konnektors auf eine Diskursrelation kann – wenig überraschend – aus den Daten nicht abgeleitet werden. Bis auf denn und deswegen überwiegen bei allen Konnektoren in der Summe die semantischen Lesarten (vgl. Abbildung 2). Das Verhalten dieser beiden Konnektoren in den Daten stützt unsere Hypothese, denn beide verknüpfen offensichtlich häufiger auf den beiden nichtpropositionalen Ebenen, d.h. auf der epistemischen Ebene und der Sprechaktebene, wobei alle anderen 14 Konnektoren deutlich häufiger auf der propositionalen Ebene verknüpfen. Hier liegt demnach eine ebenenspezifische Präferenz vor. Mehr als eine Diskursrelation wurden insbesondere bei folglich, da, denn, sodass und aufgrund festgestellt.
159
Die Rolle der Verknüpfungsebene Verteilung der Diskursrelationen 100%
80%
60%
40%
PRAGMATIC CLAIM I
PRAGMATIC CLAIM II
NONVOLITIONAL CAUSE
VOLITIONAL CAUSE
weswegen
weshalb
wegen
sodass
schließlich
nämlich
folglich
deswegen
deshalb
denn
darum
daher
da
aufgrund
also
0%
weil
20%
PURPOSE
Abb. 1: Prozentuale Verteilung der Diskursrelationen (unter Ausschluss der unklaren Fälle) bezogen auf die einzelnen Konnektoren
Anzahl der Diskursrelationen (per 10.000 Kausalmarker)
10000 9000 8000 7000 6000 5000 4000 3000 2000 1000
weswegen
weshalb
weil
wegen
sodass
schließlich
nämlich
folglich
deswegen
deshalb
denn
darum
daher
da
aufgrund
also
0
Abb. 2: Anzahl der Diskursrelationen (standardisiert per 10.000 Kausalmarker) mit dem Merkmal bzw. unter Ausschluss der unklaren Fälle
Alle Konnektoren erscheinen in mindestens drei Relationen, und zwar immer in den drei häufigen Relationen: PRAGMATIC CLAIM I, VOLITIONAL CAUSE und NONVOLITIONAL CAUSE. Die beiden verbleibenden Relationen PRAGMATIC CLAIM II und PURPOSE spielen nur eine marginale Rolle.
160
Mark Stede & Maik Walter
Um Präferenzen genauer zu untersuchen, werden im Folgenden die Abfolgen in der Häufigkeit ausgewertet. Die Rangfolgen zwischen den absoluten und standardisierten Werten stimmen meist überein. Zunächst werden wir bei den Diskursrelationen starten und fragen, wie die einzelnen Konnektoren auf die fünf Relationen verteilt sind. Dazu vergleichen wir jeweils die drei häufigsten Konnektoren. Anschließend wechseln wir die Perspektive. Den Ausgangspunkt bilden dann die Konnektoren und es werden die drei häufigsten Relationen der einzelnen Konnektoren ausgewertet. 3.4.2 Präferenzen bei den Diskursrelationen In den beiden Relationen mit dem Merkmal treten am häufigsten die drei Kausalmarker da, also und daher auf. Diese Marker kommen zugleich nicht auf den ersten drei Rängen der Relationen mit dem Merkmal vor. Hingegen sind darum, aufgrund, so dass und wegen die häufigsten Fälle bei den Relationen mit dem Merkmal , die wiederum nicht bei Relationen mit dem Merkmal die ersten drei Plätze belegen. In beiden Klassen erscheinen denn, folglich und deshalb (vgl. Tabelle 5).
PRAGMATIC CLAIM I
VOLITIONAL CAUSE
denn, da, folglich
darum, denn, aufgrund
PRAGMATIC CLAIM II
NONVOLITIONAL CAUSE
also, daher, deshalb
sodass, wegen, folglich PURPOSE
da, also, daher
Tab. 5:
darum, deshalb, wegen darum, aufgrund, so dass, wegen denn, folglich, deshalb
Top 3 der Kausalmarker in Bezug auf die Diskursrelationen
3.4.3. Präferenzen bei den Kausalmarkern Präferieren auch einzelne Marker eine bestimmte Diskursrelation? Bei 6 Markern werden alle fünf Relationen realisiert: also, darum, denn, deshalb, deswegen, weil. Vier Relationen, und zwar PRAGMATIC CLAIM I, PRAGMATIC CLAIM II, VOLITIONAL CAUSE und NONVOLITIONAL CAUSE, treten bei den folgenden 4 Markern auf: daher, nämlich, schließlich, weshalb. PRAGMATIC CLAIM II und PURPOSE fehlen bei den 6 folgenden Markern: aufgrund, da,
161
Die Rolle der Verknüpfungsebene
folglich, sodass, wegen, weswegen. Dort gibt es nur die drei häufigen Relationen PRAGMATIC CLAIM I, VOLITIONAL CAUSE und NONVOLITIONAL CAUSE. Wir haben bereits festgestellt, dass die propositionale Verknüpfung (also die Verknüpfung mit dem Merkmal ) in der Summe überwiegt. Die Ausnahme bildeten lediglich denn und deswegen. Betrachten wir nun die Abfolge in den Häufigkeiten der einzelnen Diskursrelationen, um hier ein genaueres Bild zu gewinnen. NONVOLITIONAL CAUSE ist die häufigste Relation bei 12 Markern, bis auf wegen und nämlich erhält in diesen Fällen PRAGMATIC CLAIM I den zweiten Platz in der Frequenz. Der dritte Rang wird in den meisten Fällen (bis auf wegen und nämlich) von VOLITIONAL CAUSE belegt. PRAGMATIC CLAIM I ist bei 4 Markern die häufigste Relation, wobei NONVOLITIONAL CAUSE den zweiten Platz belegt. Hier können also zwei Gruppen herauskristallisiert werden (vgl. Tabelle 6). RANGFOLGE
N
NVC > PC I > VC
10
NVC > VC > PC I PC I > NVC > VC
2 4
Tab. 6:
KAUSALMARKER deshalb, weil, weswegen, daher, schließlich, weshalb, also, aufgrund, folglich, sodass nämlich, wegen denn, da, deswegen, darum
Rangfolge der drei häufigsten Diskursrelationen NONVOLITIONAL (NVC), PRAGMATIC CLAIM I (PC I) und VOLITIONAL CAUSE (VC)
CAUSE
In der ersten Gruppe verknüpfen die Marker am häufigsten auf der propositionalen Ebene, in der zweiten Gruppe auf der epistemischen Ebene. Die erste Gruppe ist die mit Abstand stärkste Gruppe. 3.4.4. Präferenzen von Kausalmarkern und Diskursrelationen Abschließend kombinieren wir die Resultate der letzten beiden Abschnitte. Unter „Präferenz von Kausalmarkern und Diskursrelation“ verstehen wir die folgende Konstellation: Sowohl der jeweilige Marker tritt mit der Relation häufig auf als auch die Relation mit genau diesem Marker. Als „häufig“ werden die ersten drei Plätze in der Rangfolge gewertet. Zusätzlich sollte nur die eigene Verknüpfungsebene in dieser Weise präferiert werden. Einen in dieser Weise konzipierten Zusammenhang gibt es nur bei den Kausalmarkern da (PRAGMATIC CLAIM I: N*=6727, N=37; NONVOLITIONAL CAUSE: N*=6364, N=35), sodass (PRAGMATIC CLAIM I: N*=4321, N=70; NONVOLITIONAL CAUSE: N*=8086, N=131) und wegen (PRAGMATIC CLAIM I: N*=415, N=8; NONVOLITIONAL CAUSE: N*=6891, N=133). Betrachtet man nur die Zuordnung
162
Mark Stede & Maik Walter
auf den Ebenen würde aufgrund (PRAGMATIC CLAIM I: N*=4824, N=96; N*=5980, N=119, VOLITIONAL CAUSE: N*=2764, N=55) ebenfalls eine Rolle spielen. Diese vier Kausalmarker präferieren damit eine Ebene der Verknüpfung: da die epistemische und sodass, wegen und aufgrund die propositionale Ebene. Schränkt man dies auf die Diskursrelationen ein, präferiert da PRAGMATIC CLAIM I, sodass und wegen NONVOLITIONAL CAUSE. Diese Fälle stützen wiederum unsere Hypothese. Einschränkend muss hinzugefügt werden, dass das verwendete Korpus zu Genre-Effekten führt, wodurch der besonders hohe Gebrauch von NONVOLITIONAL CAUSE zu erklären ist (zu Genre-Effekten bei der Verwendung von Konnektoren im Deutschen vgl. auch Walter 2007). NONVOLITIONAL CAUSE:
4. Die epistemische Verknüpfungsebene Nachdem wir die Korrelationen zwischen linguistischen Merkmalen und Diskursrelationen untersucht haben, wenden wir uns nun vertieft der Frage der Verknüpfungsebenen zu und möchten vor allem die Rolle der (u.a. von Sweetser so genannten) epistemischen Ebene hinterfragen. Es wäre hilfreich, wenn hier die weitere Vorgehensweise kurz erläutert wäre. (ähnlich wie in 3) Bereits Lang (2000) hatte kritisiert, dass Sweetser für „epistemic“ keine sonderlich klare Definition angibt: Der Sprecher leitet eine Annahme aus einer Beobachtung ab; was aber bedeutet dies, und ist es die einzig denkbare Form einer epistemischen Verknüpfung? Anhand eines Beispiels von Sweetser (1990) zeigte Lang die Schwierigkeit auf, eine klar motivierte Grenze zu ziehen: (10)
a. John is rich and Bill is poor. b. John is rich but Bill is poor.
Sweetser charakterisiert die Version (a) als rein beschreibend und damit der Sachverhaltsebene zugehörig, während in (b) der Sprecher durch die Kontrastmarkierung „an epistemic contrast between two semantically opposed propositions“ ausdrücke. Da der Kontrast zwischen den beiden Propositionen aber in beiden Varianten gleichermaßen bestehe, sieht Lang die – nur mehr durch and versus but motivierte – Unterscheidung zwischen „epistemic“ und „content“ als recht bedeutungsarm an. Vielmehr erklärt er den Unterschied so, dass in (b) ein zweiter Kontrast ausgedrückt werde, nämlich zwischen
Die Rolle der Verknüpfungsebene
163
dem zweiten Konnekt und einer impliziten Proposition („Bill should also be rich“), also gegenüber (a) lediglich ein weiterer Inferenzschritt vom Leser gefordert sei. Weitere Evidenz dafür, dass die Unterscheidung zwischen Sachverhaltsund epistemischer Verknüpfung problematisch ist, kann der Diskussion um die Einteilung der Diskursrelationen von Mann & Thompson (1988) entnommen werden. Die Autoren unterscheiden zwischen „subject matter“ und „presentational“ Relationen und charakterisieren die Gruppen durch unterschiedliche zugrunde liegende Intentionen: Erstere würden verwendet, damit der Leser einen bestimmten Zusammenhang von Ereignissen in der Welt erkenne („recognize that X“), während letztere aktiv seine Einstellung verändern möchten („increase belief in X“, „increase positiv regard for X“). Fraglos gibt es „prototypische“ Verteter, wie SEQUENCE 9 für „subject matter“ und 10 EVIDENCE für „presentational“ – doch weshalb beispielsweise die Relation EVALUATION auf der „subject matter“ Ebene angesiedelt ist, ist nicht recht ersichtlich. Drückt ein Autor seine persönliche Bewertung eines Sachverhalts aus, würde man in Sweetsers Terminologie eher von „epistemic“ als von „content“ sprechen, doch wenn diese Unterscheidung nicht kongruent ist zu der zwischen „presentational“ und „subject-matter“ in RST, ist dies ein weiteres Indiz für Klärungsbedarf. Als letztes Beispiel sei die Arbeit von Pander Maat & Degand (2001) genannt, auf die wir unten noch weiter eingehen werden. Die Autoren argumentieren, dass die Relation VOLITIONAL-CAUSE in der Literatur zwar durchgängig als Sachverhalts-Relation aufgefasst werde (so auch bei Mann & Thompson 1988), jedoch besser der epistemischen Ebene zuzuordnen sei; sie geben dafür Evidenz aus den Gebrauchsbedingungen für niederländische Konnektoren an. Befürworter der Verknüpfungsebenen-Unterscheidung – darauf wiesen Pander Maat & Degand (2001) ebenfalls hin – operieren üblicherweise mit prototypischen Beispielen wie dem eingangs zitierten (2), was aber den vielen, wesentlich schwieriger einzuordnenden Beispielen nicht gerecht wird. Wir nennen hier einige Variationen von (2), um die Schwierigkeit der Abgrenzung zu demonstrieren: (11)
a. John is a coward, because he came back. b. I guess John loved her, because he always falls for dark women. c. I was totally surprised because he came back.
–––––––—–– 9
10
Effekt der Relation SEQUENCE nach Mann & Thompson (1988): „Reader recognizes the succession relationship between the nuclei.“ Effekt der Relation EVIDENCE nach Mann & Thompson (1988): „Reader’s comprehending of satellite increases reader’s belief of nucleus.“
164
Mark Stede & Maik Walter
In (11a) leitet der Sprecher nicht eine Annahme, sondern ein Werturteil ab; fällt das in dieselbe Kategorie? In (11b) wird die Annahme nicht aus einer Beobachtung hergeleitet, sondern selbst aus einer subjektiven Einschätzung – die der Sprecher aber als „gegeben“ präsentiert, also ihre Akzeptanz durch den Hörer unterstellt. In (11c) schließlich folgt aus der Beobachtung für den Sprecher nicht eine Annahme, sondern eine emotionale Reaktion, also ebenfalls eine „subjektive“ Beschreibung, die zwar nicht genau der Vorstellung von epistemischer Ebene zu entsprechen scheint, aber auch nicht der (prototypischen) von Sachverhaltsverknüpfung. Aufgrund solcher und vieler anderer Beispiele interessieren wir uns im Folgenden genauer für die Unterscheidung zwischen diesen beiden Ebenen – wohingegen wir die Verknüpfung auf einer Sprechakt-Ebene hier weitgehend außer acht lassen werden. 4.1. Korpusstudie II: Datengrundlage Als empirische Arbeitsgrundlage für diese Untersuchung werden Daten benötigt, in denen die Autoren weitaus stärker eigene Handlungen und Motive thematisieren als in den oben untersuchten Pressetexten aus dem Deutschen Referenzkorpus. Wir haben daher ein Korpus herangezogen, das an der Universität Potsdam für computerlinguistische Zwecke bereits zur Verfügung stand, nämlich 210 Texte aus einem Internet-Forum, in dem Reisende ihre Urlaubserfahrungen mit bestimmten Hotels schildern und damit potenziellen Gästen die Entscheidung für oder gegen dieses Hotel erleichtern wollen. Naturgemäß enthalten diese Texte sowohl „objektive“ als auch „subjektive“ Anteile, was sich auch in den Arten der kausalen Verknüpfungen niederschlägt: Autoren berichten über ihre Handlungen und Erlebnisse, begründen ihre Entscheidungen, tun ihre Ansichten kund, und geben zuweilen auch konkrete Handlungsempfehlungen. In diesem „Hotelkorpus“ wurden zunächst teilautomatisch alle kausalen Konnektoren markiert, dabei alle nicht-Konnektor Lesarten der Lexeme von der Annotation ausgeschlossen. Auf der Basis ausführlicher Annotationsrichtlinien, die zunächst in einem Pilotexperiment getestet und dann noch einmal verbessert wurden, haben wir dann in diesen Texten für alle 1.103 Kausalkonnektoren manuell die Konnekte annotiert. Zudem wurden etwaige Fokuspartikeln sowie Verbindungen zu Korrelaten und zu Zweitkonnektoren annotiert (wenn z.B. für eine Konsequenz zwei Gründe genannt werden). Und schließlich wurde für jedes Konnekt eine illokutionäre Rolle annotiert – dazu später mehr. Das Annotationsschema und die verschiedenen SoftwareWerkzeuge für Erstellung, komfortable Betrachtung und Abfrage des Korpus sind in (Peldszus et al. 2008) erläutert. Hier ein Textbeispiel mit Annotationen:
Die Rolle der Verknüpfungsebene (12)
165
ir haben beschlossen, (...) einen einwöchigen Urlaub im fernen Ägypten zu verbringen. [Wir sind Magic Life und All inklusive Fans,]Grund [also]Konnektor [haben wir uns für den Magic Life Club Sharm el Sheikh Imperial entschieden.]Folge Wir haben diese Anlage Last Minute eine Woche vor Abflug gebucht und (...) (Hotelkorpus, Text 54)
Im Unterschied zu der in Abschnitt 3 vorgestellten Korpusstudie, deren Daten durch Sammeln einer Anzahl von Belegen je Konnektor entstanden sind, verfügen wir hier nun über ein geschlossenes Textkorpus, in dem alle explizit durch Konnektoren signalisierten Kausalverknüpfungen erfasst sind. Somit können wir die Frequenzen der einzelnen Konnektoren miteinander vergleichen: da (334), denn (107), also (104), weil (81), sodass (73), um (56), daher (41), durch (37), wegen (33), aufgrund (32), deshalb (25), so (25), somit (23), so-X-dass (23), dadurch (20), damit (16), dementsprechend (11), nämlich (8), weshalb (8), dank (6), deswegen (5), zumal (5), dadurch-dass (3), darum (3), demnach (3), doch (3), halber (3), von daher (3), angesichts (2), aufgrund dessen (2), in Anbetracht (2), zu/r (2). Jeweils einmal treten auf: anhand, auf-hin, insofern, schließlich und zu-X-als-dass. Es fällt zunächst auf, dass das in der linguistischen Literatur oft als typischer und häufigster Kausalkonnektor genannte weil hier nur den 4. Rang einnimmt; dies mag daran liegen, dass in dem zugrunde liegenden Genre die „subjektiven“ Beschreibungen überwiegen. Dies erklärt allerdings nicht den überraschend hohen Vorsprung von da, der z.B. im Widerspruch zur Zählung von Frohning (2007) steht, die in Nachrichtentexten etwa gleich viele da und denn fand, jedoch doppelt so viele Vorkommen von weil. Wir haben dies noch nicht qualitativ ausgewertet, doch eine informelle Durchsicht des Hotelkorpus mit Ersetzungsproben deutet darauf hin, dass da vielfach schlicht als synonym zu weil verwendet wird, was auch einem selbstverstärkenden Effekt innerhalb des Genre zuzuschreiben sein mag (Autoren, die Rezensionen in einem solchen Forum schreiben, lesen in der Regel zuvor auch diese Texte). Im Gegensatz zur in Abschnitt 3 vorgestellten Korpusstudie liegt im Hotelkorpus also eine sehr unterschiedliche Zahl von Belegen pro Konnektor vor, weshalb aussagekräftige Vergleiche der Merkmalskorrelation zwischen einzelnen Konnektoren – im Unterschied zur ersten Korpusstudie – nur in einigen Fällen möglich sind. 4.2. Epistemizität (i): Dekomposition der Annotation von Diskursrelationen Um uns nun der Frage zu nähern, ob sich der Phänomenbereich der epistemischen Ebene genauer bestimmen lässt, nehmen wir einen Gedanken von Lang
166
Mark Stede & Maik Walter
(2000) auf, der zur Charakterisierung des Unterschieds zwischen Sweetsers Sachverhalts- und epistemischer Verknüpfung die unterschiedlichen illokutiven Funktionen der Konnekte benannt hat. Demnach hat eine Kausalverknüpfung auf der Sachverhaltsebene die Gestalt weil wohingegen eine Verknüpfung auf der epistemischen Ebene diese Gestalt hat: weil Damit sind die prototypischen Fälle beschrieben, nach denen ein Zusammenhang zwischen zwei Sachverhalten in der Welt lediglich beschrieben wird (Weil die Vase herunter fiel, ging sie kaputt) beziehungsweise der Sprecher eine Annahme aus einer Aussage über die Welt ableitet (Da Peter nicht zum Abschlussball erschienen ist, wird er wohl krank sein). Wie bereits eingangs festgestellt, sind freilich nicht alle Fälle so prototypisch, und deshalb schlagen wir vor, anhand realer Textvorkommen die Idee der Markierung illokutiver Rollen zu einem umfassenderen Inventar solcher Rollen (im Folgenden kurz Illokutionen genannt) auszubauen, das insbesondere die hier interessierende epistemische Verknüpfungsebene genauer erfassen kann. Dazu greifen wir den Vorschlag von Schmitt (2000) auf, der sich seinerseits zunächst von der klassischen Sprechaktteorie (insbesondere von Searle 1980) leiten ließ, welche aber für die Behandlung authentischer Texte nur die Grundbausteine liefert. In seiner empirischen Untersuchung monologischer Texte gelangte Schmitt zu einem Inventar, das wir für unsere Zwecke noch einmal geringfügig erweitert haben. Anhaltspunkte dafür kommen auch aus der Argumentationstheorie, die für eine Untersuchung kausaler Verknüpfungen auf der epistemischen Ebene naturgemäß einige Relevanz besitzt. So weist Eggs (2001) darauf hin, dass sich die Ziele natürlichsprachlicher Argumentationen in diese drei Gattungen gliedern lassen: – das epistemische Argument: Sprecher möchte Hörer überzeugen, dass P (nicht) der Fall ist – das ethisch/ästhetische Argument: Sprecher möchte Hörer überzeugen, dass P (nicht) gut oder schlecht bzw. schön oder hässlich ist – das deontische Argument: Sprecher möchte Hörer auffordern, P (nicht) zu tun Während das deontische Argument in der Sprechakttheorie offenkundig ein Pendant besitzt, wurde die Unterscheidung zwischen den ersten beiden Gattungen bislang nur wenig berücksichtigt. Gerade für die Computerlinguistik ist aber der Unterschied zwischen der Begründung einer Annahme („epistemisch“ im engeren Sinn) und der Begründung eines Werturteils bedeutsam und derzeit im Hinblick auf praktische Anwendungen auch sehr aktuell. Unser Inventar von Illokutionen (bei der Wahl der latinisierten Bezeichnungen
167
Die Rolle der Verknüpfungsebene
lassen wir uns von Schmitt (2000) leiten) ist in Tab. 7 angegeben, ergänzt jeweils durch Beispiele aus dem Hotelkorpus. Die Illokutionen wurden anhand einer ausführlichen Anweisung für die ca. 2300 Konnekte manuell annotiert, Tab. 7 zeigt auch die resultierende Verteilung: zum Einen die prozentualen Anteile an den Illokutionen insgesamt, zum Anderen die Aufteilung auf Antezedens und Konsequens in absoluten Werten. ILLOKUTION % / ANT / KON Reportivum 67,4% / 944 / 657 Reportivum_Autor 14,2% / 123 / 227 Estimativum 01,6% / 21 / 17 Evaluativum 04,6% / 32 /078 Identifikativum 03,9% / 40 / 52
Direktivum 04,2% / 0 / 100
Kommissivum 00,2% / 0 / 4 HypothetischeSituation 03,9% / 76 / 2 Tab. 7:
DEFINITION Autor berichtet über einen Sachverhalt, der ihn selbst nicht oder nur indirekt betrifft. Zum Strand ging es durch Dünen über einen ca. 100m langen Holzsteg, da sich das (...) Autor berichtet über einen Sachverhalt, in dem er selbst als Handelnder oder als Betroffener eine zentrale Rolle spielt. Da es spät war, machten wir uns zum Abendessen auf. Autor stellt eine Vermutung auf. (...), denn anscheinend sind wir nicht die Einzigen gewesen, denen es so erging. Autor nimmt ein Werturteil vor, gibt eine persönliche Stellungnahme zu einem Sachverhalt ab. Die Anlage ist sympathisch, da sie (...) Autor beschreibt einen Aspekt seiner emotionalen Verfasstheit. Da (...), freuten wir uns sehr über das Indoor-Schwimmbad des Hotels. Autor fordert Leser zu einer bestimmten Handlung oder zu einer Einstellung auf. Unbedingt einen eignen Fön mitbringen, da es im Zimmer keine gibt. Autor verpflichtet sich, eine bestimmte Handlung in der Zukunft auszuführen. Deswegen wird dies auch nächstes Jahr wieder unser Wunschziel sein. (keine Illokution im engeren Sinne): Darstellung eines in der Zukunft liegenden, hypothetischen Sachverhalts, nicht-finit. Um uns zu erfrischen, holten wir uns einen Cocktail.
Illokutionen im Hotelkorpus: Kurzdefinition, Beispiel (Segment mit jew. Illokution in kursiv) und Verteilung: Anteil an allen Illokutionen in % / abs. Häufigkeit im Antezedens / abs. Häufigkeit im Konsequens
Für uns ist nun von Interesse, welche Antezedens-Konsequens Paare die einzelnen Konnektoren anzeigen. Dies ist in Tabelle 8 für diejenigen Konnektoren zusammen gestellt, die wenigstens 20 mal im Korpus auftreten, wobei um
168
Mark Stede & Maik Walter
Tab. 8:
aufgrund
da
dadurch
daher
denn
deshalb
durch
so
sodass
47,6 09,6 00,0 09,6 08,7 03,9 00,0 03,6 00,0 00,0 00,0 00,0 00,0 00,0 00,0
90,0 00,0 00,0 00,0 05,0 00,0 00,0 00,0 00,0 00,0 05,0 00,0 00,0 00,0 00,0
46,3 04,9 00 9,8 12,2 4,90 00,0 00,0 00,0 00,0 00,0 00,0 04,9 00,0 00,0
43,0 4,7 00,0 2,8 15,0 12,0 00,0 6,5 00,0 00,0 00,0 00,0 00,0 00,0 00,0
32,0 24,0 00,0 08,0 16,0 00,0 00,0 00,0 00,0 00,0 00,0 04,0 04,0 00,0 00,0
56,8 00,0 00,0 02,7 00,0 18,9 00,0 10,8 00,0 02,7 02,7 00,0 00,0 00,0 00,0
44,0 20,0 12,0 08,0 00,0 00,0 00,0 00,0 00,0 00,0 00,0 00,0 00,0 08,0 04,0
78,1 12,3 02,7 01,4 00,0 00,0 02,7 00,0 00,0 00,0 00,0 00,0 00,0 01,4 00,0
weil
Rep - Rep Rep - RepA RepA - Rep RepA - RepA Rep - Dir Rep - Eval Rep - Est Rep - Ident Hypo - Rep Eval - Eval Eval - Rep Eval - RepA Ident - RepA Est - Rep Est - RepA
59,4 18,8 00,0 03,1 06,3 09,4 00,0 03,1 00,0 00,0 00,0 00,0 00,0 00,0 00,0
wegen
KONN. / ILLOK.-PAAR
45,2 10,6 02,9 04,8 11,5 07,7 00,0 00,0 00,0 00,0 00,0 00,0 00,0 00,0 00,0
somit
Rep - Rep Rep - RepA RepA - Rep RepA - RepA Rep - Dir Rep - Eval Rep - Est Rep - Ident Hypo - Rep Eval - Eval Eval - Rep Eval - RepA Ident - RepA Est - Rep Est - RepA
so X dass
KONN. / ILLOK.-PAAR
also
als dezidierter Purpose-Marker hier entfernt wurde, da er im Hinblick auf die Illokutionen mit allen anderen kaum vergleichbar ist. Eine Zeile gibt für einen Konnektor jeweils die prozentualen Anteile der maximal sechs häufigsten Illokutionspaare (in der Reihenfolge Antezedens-Konsequens) an.
69,6 13,0 00,0 04,3 00,0 00,0 00,0 04,3 00,0 00,0 00,0 08,7 00,0 00,0 00,0
82,6 13,0 00,0 04,4 00,0 00,0 00,0 00,0 00,0 00,0 00,0 0 00,0 00,0 00,0
30,3 15,2 00,0 00,0 24,2 09,1 00,0 00,0 06,1 00,0 00,0 03,0 00,0 00,0 00,0
55,6 11,1 06,2 08,6 00 03,7 00,0 00,0 00,0 00,0 00,0 02,5 00,0 00,0 00,0
Konnektoren und die (maximal) sechs häufigsten Illokutionspaare im Hotelkorpus; Angaben in % je Konnektor (Reportivum = Rep, Reportivum_Autor = RepA, Estimativum = Est, Evaluativum = Eval, Identifikativum = Ident, Direktivum = Dir, Kommissivum = Kom, Hypothetische Situation = Hypo)
Die Rolle der Verknüpfungsebene
169
Es zeigt sich, dass bei allen Konnektoren die prototypische Sachverhaltsverknüpfung Reportivum–Reportivum am häufigsten auftritt, freilich mit unterschiedlicher Prominenz. So ist ihr Anteil bei wegen und deshalb relativ gering (mit größerem Abstand gefolgt von denn) und bei sodass, somit und dadurch am höchsten. Diese Skala verändert sich kaum, wenn man die Anteile aller Paare aus Reportivum und Reportivum_Autor summiert, was insgesamt der Sachverhaltsebene zuzurechnen ist. Interessant ist hier lediglich deshalb, das den zweitniedrigsten Wert bei Reportivum-Reportivum aufweist, jedoch hohe Werte bei Verbindungen aus Reportivum und Reportivum_Autor erzielt. Beim Illokutionspaar Reportivum-Reportivum_Autor wird ja ein beobachteter Sachverhalt (ohne Autor-Mitwirkung) als Grund für einen Sachverhalt mit Autor-Mitwirkung genannt, was oft einer Rechtfertigung eigenen Handelns entspricht; dafür ist deshalb in unserem Korpus prädestiniert. Ein Beispiel ist: Das Frühstücksbuffet war in den ersten Tagen sehr klein, deshalb haben wir es nicht mehr besucht. – Von deshalb abgesehen scheint die Mitwirkung des Autors in berichteten Handlungen für die Konnektorverwendung keinen Unterschied zu machen. Illokutionspaare, die nicht nur Reportiva und Reportiva_Autor verknüpfen, sind dann der epistemischen Ebene zuzurechnen. Dazu zählen etwa Fälle, in denen aus einer Beobachtung eine eigene Meinung (ReportivumEvaluativum) oder eine Handlungsempfehlung (Reportivum-Direktivum) abgeleitet wird. Wichtig ist hier, dass die Einteilung des Phänomens „Kausalzusammenhang“ in zwei separate Illokutionen eine feingliedrigere Untersuchung erlaubt als die pauschale Klassifikation des Zusammenhangs, der einer bestimmten Ebene oder „Domäne“ zugehörig sei. Eine Auswertung wie die in Tabelle 8 kann zur Konnektorenbeschreibung den Beitrag einer präferenziellen Zuordnung zu den verschiedenen Illokutionstypen leisten. Um ein Beispiel heraus zu greifen: Die bedeutungsähnlichen Präpositionen aufgrund und durch lassen sich – zumindest in unserem Korpus – dadurch unterscheiden, dass ein Autor mit aufgrund eine eigene Handlung aus einer Beobachtung heraus motiviert (Reportivum–Reportivum_Autor), während durch dafür nicht verwendet wird; umgekehrt entspricht ein relativ hoher Anteil der durch-Verwendungen der Ableitung einer persönlichen Befindlichkeit aus einer Beobachtung (Reportivum-Identifikativum), wohingegen aufgrund dies nur selten markiert. Der zweite wichtige Schritt zu einer genaueren Darstellung der epistemischen Ebene betrifft dann die relationalen Informationen, die im Hotelkorpus bislang nicht annotiert sind. Für die Behandlung der in Abschnitt 2.1 eingeführten Diskursrelationen fehlt zum Einen noch das Merkmal +/-VOLITION, das die Präsenz eines willentlich handelnden Agens codiert. Für einige Illokutionen ist es nicht anwendbar oder implizit bereits ausgedrückt (Komissivum, Direktivum, Evaluativum, Estimativum), so dass nur die Konnekte mit
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Mark Stede & Maik Walter
den folgenden Illokutionen diesbezüglich annotiert werden müssen: Reportivum, Reportivum_Autor (ist Autor lediglich beteiligt an der Handlung, oder ausführend?), Identifikativum (ist Autors emotionaler Zustand un/bewusst herbeigeführt?) Zum Anderen fehlt die genuin relationale Information: Wir wissen, dass ein im weitesten Sinn kausaler Zusammenhang zwischen zwei mit Illokutionsinformation markierten Segmenten besteht, doch dieser muss noch expliziert werden. Für unsere vier Diskursrelationen (ohne SPEECH ACT) ergeben sich folgende Zuordnungen zu Illokutionen: NONVOLITIONAL CAUSE
– – –
Antezededens kann Reportivum (auch _Autor) sein Konsequens kann Reportivum sein Relationales Merkmal: kein handelndes Subjekt involviert
VOLITIONAL CAUSE
– – –
Antezedens kann Reportivum ( auch _Autor) sein Konsequens kann jede Illokution außer Identifikativum, Estimativum, Hypothetische-Situation sein, jeweils mit Merkmal +Volition Relationales Merkmal: für das handelnde Subjekt im Konsequens ist die mentale Repräsentation von Antezedens der Auslöser zur Ausführung der Handlung im Konsequens
PURPOSE
– – –
Antezedens kann jede Illokution außer Estimativum und Evaluativum sein, jeweils mit Merkmal +Volition Konsequens muss Hypothetische_Situation sein Relationales Merkmal: Handelndes Subjekt führt die AntezedensHandlung aus, damit Konsequens (später) realisiert wird
PRAGMATIC CLAIM
– – –
Antezedens kann Reportivum (auch _Autor), Identifikativum, Estimativum sein Konsequens kann Reportivum (auch _Autor), Identifikativum, Estimativum sein Relationales Merkmal: Konsequens ist ein mentaler Zustand des handelnden Subjekts, hervorgerufen von der Situation im Antezedens
Ein solcher Beitrag zur Dekomposition der Kausalrelationen (der freilich noch weiter auszubauen ist) stellt eine Systematisierung von Diskursrelationsdefinitionen dar, wie sie etwa von Mann & Thompson (1988) mit der Rhetorical Structure Theory (RST) vorgeschlagen wurden. Die RST-
Die Rolle der Verknüpfungsebene
171
Definitionen nehmen gelegentlich, aber nur unsystematisch Bezug auf TypBeschränkungen in den Konnekten; demgegenüber erlaubt eine durchgehende Behandlung der einzelnen Illokutionen eine feinkörnigere Modellierung. 4.3. Epistemizität (ii): Konnektoren auf der „speaker involvement“ Skala Einen relativ detaillierten Vorschlag zur Definition von Diskursrelationen und damit auch eine Konzeption des Phänomens der Epistemizität haben Pander Maat & Degand (2001) vorgelegt. Sie wenden sich gegen die Sweetser’sche Dreiteilung der Domänen und schlagen stattdessen eine Skala des „speaker involvement“ (SI) vor. SI misst, inwieweit der Autor/Sprecher sich lediglich als neutralen Beobachter externer Sachverhalte ausgibt, oder aber seine persönliche Sicht der Dinge darstellt, seine Gemütsverfassung zu erkennen gibt, oder auch explizite Sprechakte vollzieht, mit denen er den Adressaten beeinflussen möchte. Konkret benennen die Autoren vier Aspekte des SI bei der Beurteilung einer kausalen Verknüpfung: (i) Involviertheit eines handelnden Subjekts (kann, muss aber nicht der Autor/Sprecher sein); (ii) Isomorphie zu einer Kausalrelation in der realen Welt (in der der Sprecher keine Rolle spielt); (iii) räumliche und zeitliche Distanz zwischen Äußerungsort/-zeit und beschriebener Situation; (iv) Grad der Explizitheit, mit der das handelnde Subjekt linguistisch realisiert ist: je impliziter, desto „subjektiver“. Für uns ist nun von besonderem Interesse, dass Pander Maat & Degand kausale Diskursrelationen auf einer solchen SI-Skala anordnen. Ihre Relationen weichen geringfügig von den unsrigen ab – sie berücksichtigen PURPOSE nicht und teilen PRAGMATIC CLAIM in zwei Klassen auf: CAUSALITY BASED EPISTEMIC bezeichnet Relationen, in denen die „Richtung“ der Kausalität in der realen Welt mit der im epistemischen Bereich des handelnden Subjekts übereinstimmt; bei NONCAUSAL EPISTEMIC ist die Richtung umgekehrt (wie in Sweetser’s eingangs zitiertem Beispiel (2)), oder aber Kausalität-in-derWelt spielt für die Argumentation gar keine Rolle. Die Skala der Relationen in Richtung zunehmender Sprecher-Involviertheit lautet dann: (A) NONVOLITIONAL CAUSE – (B) VOLITIONAL CAUSE – (C) CAUSALITY BASED EPISTEMIC – (D) NONCAUSAL EPISTEMIC – (E) SPEECH ACT. Pander Maat & Degand beobachten, dass bestimmte Konnektoren mit bestimmten Relationen nicht auftreten können. So sei Englisch as a result nur möglich als Markierung der Relation (A) – womit als Antwort auf Sweetser ein erster Hinweis auf die notwendige Unterscheidung zwischen (A) und (B) vorliege. Ähnlich sei so ein Signal für (B), (C), (D), (E), jedoch zweifelhaft für (A). Solche Beobachtungen nehmen die Autoren zum Anlass für eine eigene Korpusstudie mit niederländischen und französischen Konnektoren. Für beide Sprachen wird im Wesentlichen das gleiche Ergebnis erzielt, so dass
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Mark Stede & Maik Walter
wir uns hier auf die Darstellung des Niederländischen beschränken (eine weitere interessante Untersuchung für das Niederländische unter ähnlichen Aspekten lieferte Stukker (2006)). Pander Maat & Degand postulieren zunächst, dass die häufigsten Konnektoren einer Sprache sich hinsichtlich ihrer Verwendbarkeit mit den Relationen (A)–(E) deutlich unterscheiden. Um dies zu testen, wählen sie für ihre Studie die drei häufigsten Konnektoren: dus, daarom und daardoor. Für jeden wurden 50 Belege aus einem Zeitungskorpus gezogen und jeweils einer Diskursrelation zugeordnet. Das Ergebnis ist in Tabelle 9 wiedergegeben. RELATION NONVOLITIONAL CAUSE VOLITIONAL CAUSE CAUSAL EPISTEMIC NONCAUSAL EPISTEMIC SPEECH ACT
Tab. 9:
dus 00 06 21 19 04
(%) 00 12 42 36 08
daarom 01 26 18 05 00
(%) 02 52 36 10 00
daardoor 50 00 00 00 00
(%) 100 000 000 000 000
Zuordnung von Diskursrelationen zu niederländischen Konnektoren nach PanderMaat & Degand (2001)
Die Verteilung der Konnektoren sehen die Autoren als Evidenz für ihre zentrale These: Der Verteilungsbereich eines Konnektors auf der SI-Skala sei kontinuierlich, weise also keine „Lücken“ auf und habe – zumindest im Fall der häufigsten Konnektoren – einen klar erkennbaren „Schwerpunkt“. Die Tabelle untermauert dies in der Tat sehr gut, zudem zeigt sie für alle drei Konnektoren sehr deutlich die oben angesprochene Unterscheidbarkeit zwischen NONVOLITIONAL- und VOLITIONAL CAUSE -Relationen. Können unsere in den Abschnitt 3 vorgestellten Untersuchungen dieses Ergebnis auch für das Deutsche bestätigen? Um dies zu testen, können wir auf die Annotationen in der DeReKo-Studie zurückgreifen. Dazu bilden wir hier einen Ausschnitt aus den von Breindl & Walter (2009: 92) ermittelten Häufigkeiten, wie sie im Anhang in Tab. 12 gezeigt sind, und zwar für diejenigen Konnektoren, die denen der niederländischen Untersuchung ähnlich sind. Wir eliminieren die PURPOSE Relation, bilden der Übersichtlichkeit halber die Summe aus den eindeutig und mehrdeutig erkannten Konnektoren, und arrangieren schließlich die Relationen von oben nach unten in aufsteigender SI-Reihenfolge. Das Ergebnis ist in Tabelle 10 gezeigt.
173
weil
weshalb
weswegen
72 50 66 06
sodass
061 042 120 003
schließlich
18 17 20 01
nämlich
91 32 61 10
folglich
35 12 37, 000
deswegen
denn
72 18 21 14
deshalb
darum
NVC (N) VC (N) PC I (N) PC II (N)
daher
ON
da
KONN. / DISKURSRELATI-
also
Die Rolle der Verknüpfungsebene
049 044 103 006
136 048 124 000
75 37 22 01
43 14 25 02
131 021 070 000
83 56 72 02
57 21 27 03
69 38 56 00
Tab. 10: Verteilung von Konnektoren auf Diskursrelationen in der DeReKo-Studie von Breindl & Walter (2009: 92), absolute Häufigkeiten
Wegen der geringen Zahl der Belege sollten wir die SPEECH ACT Relation PC II hier wiederum nicht berücksichtigen. Im Gegensatz zu Pander Maat & Degand haben wir in unserer Annotation die Aufteilung der Relation PRAGMATIC CLAIM I (in NON-/CAUSAL EPISTEMIC) nicht vollzogen, so dass wir eine Abgrenzung der Konnektoren in diesem Punkt nicht untersuchen können. Für die anderen Fälle lässt sich aus Tabelle 10 ersehen, dass eine so klare Verteilung wie in den niederländischen Daten hier nicht gegeben ist. Zwar weisen einige Konnektoren „Schwerpunkte“ auf (also, nämlich und sodass in NVC, denn und deswegen in PC I), doch ist die Verteilung insgesamt breiter und kein einziger Konnektor weist in NVC oder in PC I eine Null auf, wäre also für diese Relation „nicht verwendbar“. Überdies weisen alle Konnektoren außer nämlich bei VC ihren niedrigsten Wert auf, es resultiert also ganz im Gegensatz zu der Untersuchung des Niederländischen nicht ein Schwerpunkt pro Konnektor, sondern deren zwei, was der Annahme eines Zentrums auf einer kontinuierlichen Skala diametral entgegen steht. Dies mag zum Teil an etwas unterschiedlicher Interpretation des Merkmals „volitional“ in unserer Untersuchung und der von Pander Maat & Degand geschuldet sein, darf u.E. jedoch insgesamt als Evidenz dafür gewertet werden, dass sich eine SI-Skala für die hier untersuchten deutschen Konnektoren nicht bestätigen lässt. Um eine vergleichbare Untersuchung auch anhand des Hotelkorpus durchzuführen, muss das Konzept „speaker involvement“ auf Paare von Illokutionen abgebildet werden, da die entsprechenden Diskursrelationen ja nicht annotiert sind. Dafür schlagen wir vor, die Illokutionen zunächst in drei Gruppen zu teilen: 1. Reportivum; 2. Reportivum_Autor; 3. Identifikativum, Estimativum, Evaluativum, Direktivum, Kommissivum, Hypothetische Situation.
174
Mark Stede & Maik Walter
Für (1) ist das SI am geringsten, bei (2) etwas höher, da der Autor selbst handelnde Person ist. In (3) engagiert sich der Autor stärker, indem er über seine eigene Befindlichkeit spricht, eine Empfehlung gibt, sich selbst auf eine künftige Handlung festlegt – eine genauere Binnendifferenzierung innerhalb dieser Gruppe scheint uns jedoch schwierig. Die Aufnahme von Direktiva und Kommissiva in dieser Gruppe erscheint für das vorliegende Genre der Hotelrezension unkritisch, da in diesen Texten Direktiva stets Handlungsempfehlungen und Kommissiva jeweils Ankündigungen eigenen künftigen Verhaltens sind, was hinsichtlich des SI-Grads einer Meinungsäußerung recht nahe kommt. Die SI-Skala muss nun über Paare aus diesen Gruppen gebildet werden, wofür wir als Annäherung an die jeweils entsprechenden Diskursrelationen dieses Spektrum für ansteigendes SI vorschlagen: (i) (ii) (iii) (iv) (v)
beide Konnekte aus (1) ein Konnekt aus (1), eines aus (2) beide Konnekte aus (2) ein Konnekt aus (3), eines aus (1) oder (2) beide Konnekte aus (3)
Dann lässt sich ermitteln, wie sich die Konnektorenverwendung im Korpus auf diese Gruppen verteilt; das Ergebnis zeigt Tabelle 11 für diejenigen Konnektoren, die zumindest 20-mal in den Daten auftreten. Auch diese Tabelle offenbart keine klare Häufung der Konnektoren auf einem bestimmten Punkt der Skala. Die Zeilen für dadurch, so, sodass, so X dass, somit und um kommen einer solchen Konfiguration noch am nächsten, was einerseits an der Sonderstellung von um liegt. Zum Anderen haben dadurch und die verschiedenen so-Varianten offenbar tatsächlich eine klare Präferenz für Illokutionspaare aus Reportivum bzw. im Falle von so selbst, aus Reportivum/Reportivum_Autor. Diese Tendenz zum „neutralen Berichten“ für die genannten Konnektoren ist das einzige Ergebnis, das dem Skalen-Vorschlag von Pander Maat & Degand nahekommt, für alle anderen Konnektoren lässt er sich nicht bestätigen.
PAAR
also
aufgrund
da
dadurch
daher
denn
deshalb
durch
so
sodass
so X dass
somit
um
wegen
weil
KONN./ ILLOK.(i) (ii) (iii) (iv) (v)
47 14 05 33 05
19 06 01 06 00
159 043 032 089 011
18 00 00 02 00
19 03 04 13 02
46 06 03 45 07
8 6 2 9 0
21 01 01 13 01
11 08 02 04 00
57 11 01 04 00
16 03 01 03 00
19 03 01 00 00
2 00 00 49 05
10 05 01 16 01
45 14 07 13 02
Tab. 11: Konnektoren und Illokutionspaare des Hotelkorpus auf SI-Skala
Die Rolle der Verknüpfungsebene
175
5. Schlussbetrachtung und Fazit Wir haben einige Ergebnisse aus zwei empirischen Untersuchungen kausaler Konnektoren anhand verschiedener Textkorpora vorgestellt. Im ersten Teil ging es darum, anhand einer gleich großen Menge von Belegen je Konnektor distinktive Merkmale der Konnektorenverwendung in Pressetexten zu ermitteln. Unser Interesse galt der Korrelation zwischen Konnektoren und Diskursrelationen. Hier ist festzustellen, dass sich einerseits keine eindeutige Zuordnung dieser Relationen zu bestimmten Konnektoren angeben lässt, andererseits aber in manchen Fällen erkennbare Präferenzen für die Realisierung von Relations“familien“, nämlich bei der Unterscheidung semantisch / pragmatisch, bestehen. Die genauere Untersuchung dieser Unterscheidung bildete das Motiv für die zweite Studie, bei der (neben einigen anderen Aspekten) die Verknüpfung auf der epistemischen Ebene im Vordergrund des Interesses stand. Aus diesem Grund wurden Texte gewählt, in denen Autoren stärker sich selbst thematisieren als es in Pressetexten der Fall ist. Unsere Annotation von illokutionären Rollen versteht sich als Abstraktion über funktionale Merkmale und benennt unmittelbar pragmatische Verwendungsklassen aus der Sprecherperspektive. Zwar sind nun die beiden Annotationsschemata (Diskursrelationen versus Illokutionspaare) nicht unmittelbar vergleichbar, doch lässt sich eine zumindest grobe Zuordnung vornehmen, indem wir die Illokutionen Reportivum und Reportivum_Autor auf die „semantischen“ und die anderen Illokutionen auf die „pragmatischen“ Relationen abbilden. Dann lässt sich anhand von Tabelle 8 ermitteln, wie häufig die Konnektoren semantisch bzw. pragmatisch verknüpfen (also nur die genannten zwei Illokutionen verwenden, oder aber auch andere). Ignorieren wir dabei diejenigen Konnektoren, die in der ersten Studie nicht berücksichtigt wurden, ergibt sich folgende Ordnung, aufsteigend von „semantisch“ nach „pragmatisch“: so dass – aufgrund – da – deshalb – also – daher – denn – wegen. Dieser können wir die der ersten Studie ermittelte Gruppierung „primär semantisch“, „uneindeutig“, „primär pragmatisch“ (s. Tab. 5) gegenüberstellen (wiederum unter Auslassung zweier Konnektoren, die in Studie 2 keine Rolle spielen): aufgrund/so dass/wegen – denn/deshalb – da/also/daher. Es ergeben sich ein drastischer (Position von wegen) und zwei weniger gravierende Unterschiede (bei da und denn); ansonsten sind die Reihungen konform. Die in Studie 2 überraschende Dominanz der „pragmatischen“ Verwendung von wegen resultiert (vgl. Tab. 8) aus einem – bei relativ kleiner Grundmenge von 33 Belegen – hohen Anteil von Reportivum-Direktivum Paaren, das sind Verwendungen wie „Wegen der lauten Klimaanlage sollten Sie die oberste Etage meiden.“ Dieses Illokutionspaar spielt in Pressetexten bestenfalls eine geringe Rolle, weshalb wir da-
176
Mark Stede & Maik Walter
von ausgehen, dass der Diskrepanz bei wegen ein Genre-Effekt zugrunde liegt und diese Präposition insgesamt vielseitiger verwendbar ist, als die beiden Studien es anzeigen. Ebenso vermuten wir einen Genre-Effekt, wie in Abschnitt 4 diskutiert, für die Position von da, das in DeReKo als primär pragmatisch identifiziert wurde und im Hotelkorpus erheblich vielseitiger verwendet wird, weil es dort insgesamt der mit Abstand häufigste Kausalkonnektor ist. Es bleibt die Abweichung bei denn, das im Hotelkorpus eine deutlichere Tendenz zur pragmatischen Verwendung aufweist; hier scheint weniger klar, dass das Genre dafür verantwortlich sein sollte. Die in Abschnitt 4 vorgeschlagene Aufteilung des Kausalzusammenhangs in zwei getrennte illokutionäre Rollen sehen wir, wie dort ausgeführt, auch als Beitrag zu einer weiter gehenden Explikation des Begriffs der Diskursrelation, mit präziseren Definitionen als etwa bei Mann & Thompson (1988). Für die Konnektoren wiederum lassen sich aus dem Hotelkorpus Präferenzen für die Signalisierung von Illokutionspaaren gewinnen, die zu einer feingliedrigeren Beschreibung führen als lediglich der (in der Literatur weit verbreiteten) Trennung zwischen der epistemischen Ebene und der Sachverhaltsebene. Eines der Untersuchungsziele hinsichtlich der Konnektorenverwendung war die Frage, ob sich im Deutschen Tendenzen für das Merkmal „Subjektivität“ feststellen lassen, insbesondere ob sich die von Pander Maat & Degand (2001) für Niederländisch und Französisch beobachtete Klassifizierbarkeit von Konnektoren auf einer „speaker involvement“ Skala auch für das Deutsche nachvollziehen lässt. In unseren Daten war das Resultat insgesamt negativ – beide Korpora lassen (mit ihren jeweils unterschiedlich zu betrachtenden Annotationen) eine solchen Skalen-Bildung – mit einer o.g. Ausnahme – nicht erkennen, und darüber hinaus konnten wir anhand der feinkörnigen Merkmalsannotation in der ersten Studie auch keine Hinweise auf etwaige Bedeutsamkeit von Agentivität und Volitionalität in der Konnektorenverwendung finden. Der Gebrauch von Konnektoren in Texten, und dies ist keine neue Erkenntnis, ist kaum monokausal zu erklären, sondern unterliegt einer Vielzahl von miteinander interagierenden Einflussfaktoren. Quantitative Untersuchungen wie die hier vorgestellten können – im Gegensatz zur introspektiven Bewertung von „Laborsätzen“ – dabei helfen, die Gewichtung der Faktoren im tatsächlichen Sprachgebrauch zu klären und damit die in der Literatur häufig intuitiv vorgenommenen Gruppierungen „bedeutungsähnlicher“ Konnektoren (zum Beispiel anhand eines Rasters „inhaltlich“ versus „argumentativ“) durch empirische Auswertung zu untermauern und zu verfeinern.
Die Rolle der Verknüpfungsebene
177
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60617
01600 04824 06727 03069 03509 07843 03317 05100 06231 01642 02976 04321 00415 02929 02547 03567
N*
15 05 02 10 08 01 09 04 03 14 11 06 16 12 13 07
R
PC I
909
020 096 037 058 020 120 066 102 124 022 025 070 008 058 027 056
N
3239
1040 0000 0000 0529 0175 0196 0302 0300 0000 0075 0238 0000 0000 0101 0283 0000
N* 01 11 11 02 08 07 03 04 11 10 06 11 11 09 05 11
R
PC II
47
13 00 00 10 01 03 06 06 00 01 02 00 00 02 03 00
N
82156
05760 05980 06364 04762 02982 03987 03618 02400 06834 05522 05119 08086 06891 04141 05377 04331
N* 06 05 04 10 15 13 14 16 03 07 09 01 02 12 08 11
R
NVC
1238
072 119 035 090 017 061 072 048 136 074 043 131 133 082 057 068
N
35452
01440 02764 02182 01587 02807 02745 02513 02200 02412 02388 01667 01296 02487 02626 01981 02357
N* 15 02 11 14 01 03 05 10 07 08 13 16 06 04 12 09
R
VC
540
018 055 012 030 016 042 050 044 048 032 014 021 048 052 021 037
N
1145
0000 00v0 0000 0000 0526 0065 0251 0100 0000 0000 0000 0000 0000 0202 0000 0000
N* 6 6 6 6 1 5 2 4 6 6 6 6 6 3 6 6
R
P
15
00 00 00 00 03 01 05 02 00 00 00 00 00 04 00 00
N
2804
0125 0270 0084 0194 0059 0227 0199 0204 0308 0135 0084 0222 0203 0219 0108 0163
N
Tab. 12: Häufigkeit der Diskursrelationen PRAGMATIC CLAIM I (PC I), PRAGMATIC CLAIM II (PC II), NONVOLITIONAL CAUSE (NVC), VOLITIONAL CAUSE (VC) und PURPOSE (P): Anzahl der standardisierten Fälle per 10.000 Kausalmarker (N*), Rang der standardisierten Größe (R), absolute Anzahl (N). Unklare Relationen (?) wurden – bis auf die letzte Gesamtspalte – nicht gewertet.
also aufgrund da daher darum denn deshalb deswegen folglich nämlich schließlich sodass wegen weil weshalb weswegen
DISKURSRELATION/ KONNEKTOR
Anhang
Viktor Becher
Von der Hypotaxe zur Parataxe: Ein Wandel im Ausdruck von Konzessivität in neueren populärwissenschaftlichen Texten 1
1. Einführung In diesem Beitrag geht es um den Ausdruck von Konzessivität in neueren deutschen Texten. Es werden die Ergebnisse einer Studie dargestellt, in welcher der Ausdruck konzessiver Diskursrelationen anhand eines diachronen Korpus populärwissenschaftlicher Texte über den Zeitraum 1978–2002 verfolgt wurde. Neben ursprünglich deutschen Texten enthält das Korpus auch englische Texte sowie deren deutsche Übersetzungen. Die Untersuchung ging von dem Übersetzungs-Teil des Korpus aus, indem zunächst die Übersetzungsäquivalente des englischen konzessiven Subjunktors although erfasst wurden. Dabei zeigte sich, dass die Übersetzer der Korpustexte über den untersuchten Zeitraum hinweg zunehmend auf parataktische Übersetzungen (z.B. aber, doch) statt auf hypotaktische Übersetzungen (z.B. obwohl) zurückgegriffen haben. Ich werde dafür argumentieren, dass dieses geänderte Übersetzungsverhalten einen Wandel im Sprachgebrauch widerspiegelt, der im untersuchten Genre stattgefunden hat. Der Beitrag ist wie folgt gegliedert. In diesem einführenden Abschnitt soll zunächst das Projekt vorgestellt werden, aus dem die vorliegende Studie stammt (Abschnitt 1.1). Es folgt ein kritischer Literaturüberblick zur Semantik der Konzessivität (Abschnitt 1.2), außerdem wird kurz auf die in der Studie verwendeten Daten eingegangen (Abschnitt 1.3). In Abschnitt 2 werden die Ergebnisse der Untersuchung vorgestellt, wobei am Anfang des Abschnitts dessen Gliederung dargestellt wird. Der dritte und letzte Abschnitt dieses Beitrags beinhaltet eine Zusammenfassung der Ergebnisse sowie einen kurzen Ausblick. –––––––—–– 1
Der vorliegende Beitrag basiert auf einem Vortrag, den ich auf der 31. Jahrestagung der DGfS im Rahmen der AG „Formen und Funktionen von Satzverknüpfungen“ gehalten habe. Ich verdanke Svenja Kranich, den Teilnehmern der AG, zwei anonymen Gutachtern sowie vor allem Hardarik Blühdorn und Eva Breindl viele hilfreiche Kommentare, die wesentlich zur Verbesserung des Artikels beigetragen haben, auch wenn sie aus Zeit- und Platzgründen nicht voll berücksichtigt werden konnten.
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1.1. Das Projekt Verdecktes Übersetzen – Covert Translation Die vorliegende Studie ist im Teilprojekt Verdecktes Übersetzen – Covert Translation des Sonderforschungsbereichs Mehrsprachigkeit entstanden. Das Forschungszentrum ist an der Universität Hamburg beheimatet und wird in der nunmehr vierten und letzten Förderphase von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert, wofür wir uns an dieser Stelle herzlichen bedanken möchten. In dem Teilprojekt unter der Leitung von Juliane House geht es um den Einfluss englisch-deutscher Übersetzungen auf die Vertextungskonventionen des Deutschen, wie sie anhand von Texten verschiedener Genres beobachtet und erfasst werden können. Die Projekthypothese lautet, dass die zunehmende Zahl von Übersetzungen aus dem Englischen ins Deutsche (Becher 2009a: 2f.) zu einer Angleichung der kommunikativen Normen des Deutschen an die des Englischen führt. Als letztendliche Ursache für diese Angleichung wird der dominante Status des Englischen als globaler lingua franca angenommen, der sich konkret dahingehend auswirkt, dass ursprünglich englische sowie vor allem aus dem Englischen übersetzte Texte als Vorbilder für die Herstellung deutscher Texte durch deutschsprachige Autor dienen. Wir vermuten also, dass englisch-deutsche Übersetzungen als „Einfallstor“ für anglophone Einflüsse auf die deutsche Sprache fungieren. Als Datenbasis wurden Texte der Genres Wirtschaft und Populärwissenschaft ausgewählt. Aufgrund der großen Zahl sowie der relativ großen Bedeutsamkeit englisch-deutscher Übersetzungen in diesen beiden Bereichen ist anzunehmen, dass etwaige anglophone Einflüsse hier am deutlichsten beobachtbar sind. Methodisch wird dabei folgendermaßen vorgegangen. Zunächst werden „kulturspezifische Diskursmuster“ (Gnutzmann 1992: 268) sowie deren lexikogrammatische Realisierung identifiziert, die in kontrastiven Studien als charakteristisch für das Englische, aber untypisch für das Deutsche herausgestellt wurden. (Einen Überblick über relevante Studienergebnisse bietet House 2006.) Sodann wird überprüft, wie englisch-deutsche Übersetzer mit den unterschiedlichen Konventionen der beiden Sprachen umgehen: Werden typisch anglophone Vertextungsmuster (z.B. Question–Answer oder Claim– Response, vgl. Hoey 2001) einfach übernommen oder an die Konventionen des Deutschen angepasst (Becher, House & Kranich 2009)? Und ist das Verhalten der Übersetzer invariant, oder ändert es sich mit der Zeit? Um eine Antwort auf letztere Frage zu ermöglichen, werden von uns Texte aus einem Zeitraum von 25 Jahren untersucht (1978–2002). In einem letzten Schritt wird schließlich festgestellt, ob sich die in den Übersetzungen „durchscheinenden“ Diskursnormen des Englischen im Untersuchungszeitraum auch in ursprünglich deutschen Texten der gleichen Genres manifestiert haben.
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Die bisherigen Projektergebnisse deuten darauf hin, dass im untersuchten Zeitraum vor allem in den Bereichen „Subjektivität“ und „Adressatenorientierung“ englische Vertextungsmuster übernommen worden sind. So wird z.B. der Leser zunehmend in die Diskurswelt des Textes mit einbezogen, was sich u.a. in einem ansteigenden Gebrauch des Sprecher-Hörer-Deiktikums wir zeigt, wo früher eher unpersönliche Konstruktionen wie z.B. das Passiv verwendet wurden (Baumgarten 2008, Baumgarten & Özçetin 2008). Andererseits hat sich gezeigt, dass dem übersetzungsinduzierten Einfluss durch typologische Unterschiede Grenzen gesteckt sind: Wo Übersetzer keine FormFunktions-Äquivalenzen zwischen Ausgangs- und Zielsprache wahrnehmen, wie z.B. beim Ausdruck von Modalität, der sich im Englischen und Deutschen stark unterscheidet, scheint der Transfer ausgangssprachlicher Vertextungsmuster blockiert zu sein (Kranich 2009, Becher, House & Kranich 2009). Mit der vorliegenden Studie wollten wir allgemeinere Erkenntnisse zur Übersetzungsinterferenz in englisch-deutschen Übersetzungen jüngeren Datums gewinnen. Es sollte überprüft werden, wie Übersetzer mit einem Lexem bzw. einer damit verbundenen Konstruktion umgehen, die (1.) in beiden Sprachen in ähnlicher Form existiert und (2.) bzgl. ihrer kommunikativen Funktion „neutral“, d.h. nicht an spezifisch mit dem Englischen oder mit dem Deutschen assoziierte Vertextungsmuster geknüpft ist. Als ein solches Lexem wurde der englische Subjunktor although ausgewählt. Die naheliegendsten deutschen Übersetzungsäquivalente dieses Lexems sind der Subjunktor obwohl sowie – in Kombination mit einer Veränderung der syntaktischen Struktur des Ausgangstextes – die Konjunktoren aber und doch. Ziel der Untersuchung war, einen Eindruck davon zu erhalten, wie eng sich englisch-deutsche Übersetzer an die englischen Ausgangstexte halten, d.h. wie „frei“ sie übersetzen. Die Hypothese dabei war, dass englisch-deutsche Übersetzer sich allgemein relativ eng an den englischen Ausgangstext halten (was übersetzungsinduzierte Normvariationen begünstigen dürfte; Becher, House & Kranich 2009). Diese Hypothese konnte nicht bestätigt werden. Wie im Folgenden gezeigt werden wird, gingen die Übersetzer bei der Übersetzung von although relativ frei vor. Das überraschendste Ergebnis der Studie war jedoch, dass das Übersetzungsverhalten über den untersuchten Zeitraum hinweg starken Änderungen unterlag, was auf einen sprachinternen, also nicht durch anglophonen Einfluss induzierten Wandel der Vertextungskonventionen im untersuchten Genre schließen lässt. Bei der folgenden Darstellung der Studie soll vor allem auf dieses letztere Ergebnis eingegangen werden.
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1.2. Konzessivität und die Semantik von although In diesem Abschnitt soll eine kurze Charakterisierung der semantischen Relation, die gemeinhin als Konzessivität bezeichnet wird, gegeben werden. Dabei soll vor allem although als relevanter Beispielfall eines konzessiven Konnektors (und Ausgangspunkt der im Folgenden vorzustellenden Studie) beschrieben werden. Das in diesem Abschnitt zu although Gesagte gilt jedoch gleichermaßen für dessen deutsches Pendant obwohl. Aus Platzgründen bzw. aufgrund der spezifischen Fragestellung der darzustellenden Studie kann hier keine erschöpfende Analyse der Semantik von although geliefert werden. Es geht mir in diesem Abschnitt vielmehr darum zu zeigen, dass die traditionelle Analyse konzessiver Konnektoren als Signale der „Erwartungsenttäuschung“ nicht zutreffend oder zumindest unvollständig ist und durch eine Analyse zu ersetzen ist, welche die offensichtlichen Parallelen zwischen Konzessivität und Kausalität berücksichtigt. Die folgende, zugegebenermaßen etwas exkursartige Diskussion erscheint mir insofern nötig, als in der Literatur einiges an Verwirrung bezüglich der Bedeutung konzessiver Konnektoren herrscht. Leser, die sich nicht für die Semantik der Konzessivität interessieren, können diesen Abschnitt überspringen. Die semantische 2 Relation der Konzessivität im Allgemeinen bzw. die Bedeutung von although als prototypischem englischen Konzessivkonnektor im Speziellen ist u.a. beschrieben worden als: – Ausdruck einer „Erwartungsenttäuschung“ („denial of expectation“, Lakoff 1971: 141) – Anzeige der „negation of a proposition which the speaker assumes the hearer to have derived as a contextual implication [...].“ (Blakemore 1989: 34) – Ausdruck von „Inkausalität“ (Hermodsson 1978, König 1991, König & Siemund 2000) – Signalisierung, dass „the hearer is to suspend an inference“ (Iten 2000: 26) – Präsupposition einer „defeasible rule“ (Kruijff-Korbayova & Webber 2000) – Kodierung von „Konditional- oder Kausalrelationen, bei denen eine nicht-hinreichende Gegenbedingung bzw. Gegenursache der Zuordnung eines Wertes zu einer Folge bzw. Wirkung im Wege steht.“ (Blühdorn & Golubeva 2007: 82) –––––––—–– 2
Interessante Analysen zu pragmatischen/rhetorischen Aspekten der Konzessivität bieten z.B. Thompson (1987) und Mann & Thompson (1988: 254f.) sowie Grote, Lenke & Stede (1997).
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Markierung der Nicht-Realisierung einer „modus ponens type relationship” zwischen den beiden durch although verknüpften Relaten 3 (Olmos & Ahern 2009) Die obige Liste ließe sich noch lange fortsetzen (vgl. Breindl 2004: 9f.; einen etwas älteren, aber immer noch sehr lesenswerten Forschungsüberblick zur Semantik der Konzessivität bietet Rudolph 1996: Kap. 5). Die angeführten Zitate deuten darauf hin, dass die in der Literatur vorgeschlagenen Analysen der Konzessivität sich grob gesagt in zwei Gruppen einteilen lassen (wobei einige Autoren zwischen beiden Arten von Analysen zu schwanken scheinen):
–
1. 2.
Die einen Autoren nehmen mit Lakoff (1971) an, dass konzessive Konnektoren eine mögliche Erwartungsenttäuschung des Hörers explizit thematisieren. Andere Autoren sehen in der Konzessivität das Gegenstück zur Kausalität. 4 Laut dieser Analyse drücken konzessive Konnektoren das NichtBestehen einer im Prinzip möglichen Kausalrelation aus.
Die Erwartungsenttäuschungs-Analyse von although erscheint bereits a priori problematisch. Im Allgemeinen kodieren Konnektoren eine mehr oder weniger spezifische semantische Relation zwischen ihren beiden Relaten, indem sie diesen – ganz analog zu Verben – thematische Rollen zuweisen (Pasch et al. 2003, Breindl 2004: 12f., Blühdorn 2008a). Aber was sollten das im Falle von although für Rollen sein? Zwei thematische Rollen im Stil von ERWAR5 TUNG ERWECKENDES und UNERWARTETES anzunehmen, erscheint doch –––––––—–– 3
4
5
Ich übernehme in diesem Beitrag zur Beschreibung der Syntax und Semantik von although (und der anderen im Folgenden zu besprechenden Konnektoren) die Terminologie des Handbuchs der deutschen Konnektoren (Pasch et al. 2003), die in dieser Fußnote kurz dargestellt werden soll. Syntaktisch gesehen verknüpft although zwei Konnekte miteinander, semantisch gesehen zwei Relate (= Konnektbedeutungen). Das Konnekt, das von although eingeleitet wird, wird als das interne Konnekt des Konnektors bezeichnet. Although ist ein Subjunktor, d.h. es bildet zusammen mit seinem Konnekt eine Subjunktorphrase, die syntaktisch an eine Satzstruktur adjungiert wird. Diese Satzstruktur ist das externe Konnekt von although. Bzw. Konditionalität. Im Folgenden werde ich um der Einfachheit der Darstellung willen nur von Kausalität sprechen, die sich von der Konditionalität ohnehin nur am Merkmal [+/– fester Ergebniswert] unterscheidet. Konditionale Relationen sind für dieses Merkmal negativ spezifiziert, kausale Relationen positiv (Blühdorn 2008a; vgl. auch Pasch et al. 2003: 28). Eine Analyse von Konnektoren (auch terminologisch) analog zu Verben erscheint insofern erstrebenswert, als zwischen beiden Arten von Ausdrücken deutliche Pa-
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reichlich suspekt bzw. erregt den Verdacht, dass mit der Erwartungsenttäuschungs-Analyse eher pragmatische Effekte als die Semantik der Konzessivität beschrieben sind. Eine valide Analyse der Konzessivität muss die semantischen Beschränkungen spezifizieren können, welche Konnektoren wie although ihren beiden Relaten auferlegen. Dies leistet die Erwartungsenttäuschungs-Analyse nicht; die von ihr abgeleiteten thematischen Rollen sind vage und nicht verträglich mit empirischen Daten (s.u.). Des Weiteren muss man fragen, worauf die durch although angeblich negierte Erwartung denn gründet. Meines Erachtens kann sie nur auf einer Kausalrelation gründen, denn unsere Erwartungen basieren auf (in unserer Erfahrung bestehenden) Korrelationen zwischen Typen von Sachverhalten,6 welche die Grundlage für unsere Wahrnehmung kausaler Relationen darstellen (vgl. König 1991: 202). Damit wären wir bereits bei der Inkausalitäts-Analyse der Konzessivität. Doch bleiben wir zunächst bei der Erwartungsenttäuschungs-Analyse. Wie das folgende Beispiel zeigt, ist diese nicht nur a priori unplausibel, sondern kollidiert auch mit Beobachtungen zum Gebrauch von although (und anderen konzessiven Konnektoren): (1)
Although Mary looked all over the shop, she didn’t find any miso sauce.
Das Beispiel wurde in abgewandelter Form 7 von Knott (2000) übernommen, –––––––—––
6 7
rallelen bestehen. Vgl. dazu folgenden Ausschnitt aus einer deutsch-englischen Übersetzung eines (anonymisierten) Aktionärsbriefes: (i) ...haben wir die XY GmbH erworben. Damit verstärken wir unsere Kapazität vor allem für den Chemie-, Biotechnologie- und Pharmamarkt. ...we acquired the majority of the engineering company XY... This will increase our capacity, especially for the chemical, biotechnology and pharmaceutical markets. Im deutschen Ausgangstext referiert der deiktische Teil von damit auf einen zuvor verbalisierten Sachverhalt, dem durch den relationalen Teil des Konnektors die thematische Rolle INSTRUMENT zugewiesen wird (vgl. Braunmüller 1985, Blühdorn 2008a). In der englischen Übersetzung wird der gleiche Sachverhalt vom Demonstrativum this wieder aufgenommen, erhält seine thematische Rolle (INSTRUMENT) aber als Subjekt des Verbs increase. Es sollte vielleicht darauf hingewiesen werden, dass die Übersetzung nicht ganz äquivalent zum deutschen Original ist. Das Beispiel veranschaulicht dennoch eine auffällige Parallelität zwischen Konnektor- und Verbbedeutung, die von einer Theorie der Konnektorensemantik nicht ignoriert werden sollte. Ich verwende den Terminus Sachverhalt als Oberbegriff für alle Arten temporaler Objekte wie z.B. events, states, etc. (vgl. Dik 1997: Kap. 5, Blühdorn 2008a) Knott (2000) bespricht eine Version des Beispiels, in der die beiden Konnekte mit but verbunden sind. Seine Diskussion des Beispiels gilt jedoch gleichermaßen für
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der zu dem Schluss kommt, dass hier keine Verletzung einer Hörererwartung vorliegt bzw. vorliegen kann: Dass Mary das ganze Geschäft nach MisoSauce durchsucht, legt keineswegs die Erwartung nahe, dass sie diese auch findet 8 – möglicherweise führt das Geschäft die Sauce überhaupt nicht. Auch ist ein Kontext denkbar, in dem Mary so schlecht im Suchen von Gegenständen ist, dass sie fast nie etwas findet. Selbst wenn der Hörer dies weiß, ist der Gebrauch von although akzeptabel; vgl.: Mary is so incredibly bad at finding things! Although she looked all over the shop, she didn’t find any miso sauce. Das mögliche Bestehen einer Erwartungshaltung seitens des Hörers kann also kaum dazu beitragen, die Semantik von although zu explizieren (vgl. auch Umbach & Stede 1999: 4f. sowie die Diskussion von (3) unten). Kommen wir nun zur Inkausalitäts-Analyse der Konzessivität. Einer solchen Analyse folgend bereitet Beispiel (1) keine Schwierigkeiten. Es wird davon ausgegangen, dass although seinem internen Konnekt die thematische Rolle NICHT-HINREICHENDE GEGENURSACHE und seinem externen Konnekt die Rolle (NICHT VERHINDERTE) FOLGE zuweist (Blühdorn & Golubeva 2007: 84; ähnlich Breindl 2004: 13). Although präsupponiert (vgl. König 1991: 196) hier also, dass der Sachverhalt „Mary looked all over the shop“ im Prinzip dazu geeignet gewesen wäre, den Sachverhalt „Mary found some Miso
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although. Auf die semantische Verwandtschaft von but und although kann im begrenzten Rahmen des vorliegenden Beitrages nicht eingegangen werden. Weitere Beispiele, in denen aufgrund der Bedeutung des ersten although-Konnekts eine für den Gebrauch des Konzessivums angeblich notwendige Hörer-Erwartung nicht vorliegen kann, sind: (i) Although Mary does not know that Bill loves Helen, Bill loves Helen. (ii) Although I wish Mary were here, she isn’t here. In (i) ist das zweite Relat durch das erste präsupponiert (das Beispiel stammt von Sidiropoulou 1992: 213), in (ii) erlaubt eine Quantitäts-Implikatur den Schluss vom ersten auf das zweite Relat. Das Vorliegen einer mit dem zweiten Relat inkompatiblen Hörer-Erwartung ist also in beiden Beispielen durch das erste Relat ausgeschlossen. Die Inkausalitäts-Analyse hingegen hat keine Probleme mit diesen Beispielen. (i) lässt sich so erklären, dass hier eine epistemische Verursachungsrelation präsupponiert ist (vgl. Sweetser 1990: 79, Breindl 2004: 17ff., Blühdorn & Golubeva 2007), in der vom Nichtwissen Marys auf die Unwahrheit der (nicht gewussten) Proposition geschlossen wird. In (ii) scheint eine Verursachungsrelation zwischen Sachverhalten des Typs „I wish X were here“ und „X is here“ präsupponiert zu sein. Die Annahme einer (indirekten) Kausalrelation auf der Sachverhaltsebene macht insofern Sinn, als X von dem Wunsch erfahren und ihn durch seine Anwesenheit erfüllt haben könnte.
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sauce“ zu verursachen, d.h. die Wahrscheinlichkeit seines Auftretens signifikant zu erhöhen (Ballweg 2004: 330). Diese Präsupposition halten wir intuitiv für gerechtfertigt: Hätte Mary die Sauce tatsächlich gefunden, wären wir geneigt, die Aussage: (2)
Mary found some Miso sauce because she looked all over the shop.
zu akzeptieren. Denn die Faktizität des Sachverhalts „Suchen nach x“ macht in unseren Augen die (zeitlich spätere) Faktizität des Sachverhalts „Finden von x“ wahrscheinlicher. Mit anderen Worten: Wir halten die Sachverhaltskombination [+ Suchen] [+ Finden] für wahrscheinlicher als die Kombination [– Suchen] [+ Finden]. Diese in unserem Weltwissen verankerte Annahme lizensiert den Gebrauch von although in (1) sowie von because in (2). 9 (NB: Die Kausalrelation, die in (1) durch although präsupponiert wird, besteht zwischen „generischen“ Sachverhalten des Typs Suchen/Finden, nicht etwa zwischen den „partikulären“ Sachverhalten von Marys Suchen/Finden [vgl. Breindl 2004: 10ff.].) Man könnte nun einwenden, dass wir mit der Rede von – potenziell in unserem Weltwissen (= in unserer Erfahrung) verankerten – kausalen Relationen zwischen generischen Sachverhalten doch wieder bei der Erwartungsenttäuschungs-Analyse der Konzessivität angelangt seien bzw. dass diese mit dem oben Gesagten kompatibel sei. Genauer gesagt könnte man einwenden, dass auch Erwartungen sich auf generische Sachverhalte beziehen können. Ein Leser von (1) könnte demnach die Erwartung unterhalten, dass [+ Suchen] generell mit [+ Finden] assoziiert ist, und es wäre diese Erwartung, deren „Enttäuschung“ although signalisiert. Diese Sichtweise ist jedoch höchst problematisch. Bei (1) geht die Erwartungsenttäuschungs-Analyse davon aus, dass der Hörer eine Erwartung unterhält bzw. unterhalten könnte, die ihn von [+ Suchen] auf [+ Finden] schließen lässt. Eine solche Erwartung habe ich als Hörer genau dann, wenn ich angesichts des Sachverhalts [+ Suchen] die Wahrscheinlichkeit von [+ Finden] mit über 50% veranschlage. Die Annahme einer solchen Erwartung ist jedoch unplausibel – warum sollten Menschen generell dazu neigen, die –––––––—–– 9
Wenn die durch although ausgelöste kausale Präsupposition inkompatibel mit unserem Weltwissen ist, resultiert der Gebrauch des Konnektors in einem semantisch abweichenden Satz: (i) *Although Mary spent the whole day watching TV, she didn’t find any Miso sauce. Natürlich kann dieser Satz mit etwas Phantasie gerettet werden, nämlich indem man sich einen geeigneten Kontext denkt (z.B. könnte Mary TeleshoppingSendungen, in denen u.a. Saucen beworben werden, sehen).
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Erfolgswahrscheinlichkeit einer Suche auf über 50% zu schätzen? Die Erwartungsenttäuschungs-Analyse der Konzessivität muss sich hier auf eine kaum haltbare Vorannahme verlassen. Die Inkausalitäts-Analyse hingegen geht nicht pauschal von einer Korrelation [+ Suchen] [+ Finden] aus. Ihr zufolge präsupponiert although in (1) lediglich eine kausale Relation zwischen Suchen und Finden, aufgrund derer die Kombination [+ Suchen] [+ Finden] wahrscheinlicher ist als die Kombination [– Suchen] [+ Finden]. Eine weitere Beobachtung, die gegen die ErwartungsenttäuschungsAnalyse der Konzessivität spricht, ist, dass die kausale Relation, die although gemäß der Inkausalitäts-Analyse präsupponiert, nicht bereits im Weltwissen des Hörers verankert sein muss, damit der Gebrauch des Konnektors akzeptabel ist. Vgl. dazu das folgende Beispiel: 10 (3)
Obwohl es Juli war, haben wir keine Safranschirmlinge gefunden.
Für das Verständnis der in (3) durch obwohl kodierten konzessiven Relation ist es nicht notwendig zu wissen, was Safranschirmlinge sind bzw. ob es zu erwarten ist, dass man diese im Juli findet. Das Beispiel zeigt unmissverständlich, dass die Bedeutung von although nicht darin bestehen kann, eine potenziell verständnishemmende Inferenz des Hörers explizit auszuräumen, wie Vertreter der Erwartungsenttäuschungs-Analyse es behaupten: Erstens dürften die wenigsten Hörer in ihrem Weltwissen die Erwartung unterhalten, dass das Suchen von Safranschirmlingen im Juli normalerweise mit deren Finden einhergeht. Es gibt hier also keine Hörer-Erwartung, die enttäuscht werden könnte. Die Inkausalitäts-Analyse der Konzessivität hingegen hat kein Problem mit (3). Sie geht davon aus, dass der Gebrauch von obwohl in (3) eine Verursachungsrelation zwischen zwei generischen Sachverhalten präsupponiert: Die Faktizität des Sachverhalts „Es ist Juli“ macht das Auftreten des Sachverhalts „X findet Safranschirmlinge“ wahrscheinlicher. Dass hier eine Kausalrelation präsupponiert wird, von der die meisten Hörer nichts wissen werden, braucht uns nicht zu verwundern, denn Präsuppositionen können ad hoc ins Weltwissen aufgenommen, d.h. „akkomodiert“ werden (Lewis 1979). 11 Wir sehen hier die Behauptung von Breindl (2004: –––––––—–– 10
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Dieses instruktive Beispiel stammt von Umbach & Stede (1999: 5), die eine Version mit aber statt obwohl diskutieren. Das hier zu dem Beispiel Gesagte gilt ebenso für eine englische Variante mit although. Ein anonymer Gutachter wendet ein, dass im Prinzip auch Erwartungen durch den Hörer akkomodiert werden könnten. Diese Sichtweise steht aber in Konflikt mit der grundsätzlichen Annahme der Erwartungsenttäuschungs-Analyse, dass Konzessivkonnektoren dem Hörer die semantische Prozessierung erleichtern, indem sie mögliche „contextual implications“ (Blakemore 1989) bzw. „inferences“ (Iten
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4) bestätigt, dass „echte Konzessiva uns ein Weltbild aufdrängen“. 12 Dies ist bei (3) par excellence der Fall. Bei (1) hingegen haben wir nicht das Gefühl, dass uns ein Weltbild aufgedrängt wird, da wir die Annahme einer kausalen Relation zwischen dem Suchen und dem Finden eines Gegenstandes für plausibel halten. Zweitens: Es ist nicht so, dass ein Hörer dem Satz in (3) „die Annahme entnehmen [kann], daß normalerweise im Juli Safranschirmlinge zu finden seien.“ (pace Umbach & Stede 1999). Der Satz kann nämlich auch dann geäußert werden, wenn Safranschirmlinge allgemein äußerst selten sind, ja selbst wenn diese quasi ausgestorben sind. So kann der Sprecher von (3) z.B. fortfahren wie folgt: Na ja, Safranschirmlinge findet man ja auch extrem selten. Diese (gänzlich unproblematische) Fortsetzung von (3) zeigt unmissverständlich, dass Konzessivkonnektoren wie obwohl keine Erwartung bzw. Erwartbarkeit präsupponieren: Auch wenn es zu keiner Zeit des Jahres der Fall ist, dass man „normalerweise“ Safranschirmlinge findet, ist der Gebrauch von obwohl in (3) akzeptabel. Denn der Konnektor präsupponiert lediglich eine Kausalrelation – die auch sehr schwach sein kann. (Vgl. auch Beispiele wie: Obwohl er letzte Woche jeden Tag Lotto gespielt hat, hat er nichts gewonnen.) Freilich kann die durch konzessive Verbindungen ausgelöste kausale Präsupposition zu dem pragmatischen Zweck verwendet werden, Erwartungen, die der Sprecher seitens des Hörers vermutet, gleichsam indirekt aufzugreifen (Grote, Lenke & Stede 1997). Vielleicht ist dies sogar die hauptsächliche pragmatische Funktion konzessiver Konnektoren. Das bedeutet aber nicht, dass die Semantik der Konzessivität in der Negierung möglicher Hörererwartungen besteht. Ein großer Teil der in diesem Abschnitt zur Erwartungsenttäuschungs-Analyse der Konzessivität vorgebrachten Kritik würde sich vielleicht erübrigen, wenn die Verfechter dieser Analyse klar zwischen Bedeutung und Gebrauch der jeweils besprochenen Konnektoren trennen würden, was leider oft nicht der Fall ist. Ich will nicht verschweigen, dass auch die Inkausalitäts-Analyse der Konzessivität, für die ich in diesem Abschnitt argumentiert habe, ihre eigenen –––––––—––
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2000) seitens des Hörers ausschließen. Es macht keinen Sinn, den Hörer eine Erwartung akkomodieren zu lassen und zugleich deren Enttäuschung anzuzeigen – wenn man in diesem Fall überhaupt noch von einer Erwartung sprechen kann. Vgl. Blühdorn & Golubeva (2007: 82): „Wichtig ist, darauf hinzuweisen, dass Konzessivkonnektoren nicht etwa nur dann grammatisch und semantisch korrekt verwendet werden können, wenn die Relata von sich aus in einer Konzessivrelation stehen, sondern dass vielmehr durch die Verwendung eines Konzessivkonnektors angezeigt wird, dass der Sprecher das Bestehen einer Konzessivrelation zwischen den verknüpften Relata behauptet.“
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Probleme hat (König 1991: 205f.). Dennoch hoffe ich, gezeigt zu haben, dass diese – im Gegensatz zur Erwartungsenttäuschungs-Analyse – mit empirischen Daten zum Gebrauch konzessiver Konnektoren wie although kompatibel ist. Abschließend soll nicht unerwähnt bleiben, dass Konzessiva nicht nur Sachverhalte, sondern auch Propositionen und Sprechakte miteinander verknüpfen können (Blühdorn & Golubeva 2007; vgl. auch Sweetser 1990: 79, und Breindl 2004: 17ff.), worauf ich im Rahmen des vorliegenden Beitrages allerdings nicht eingehen kann. Es sei lediglich darauf hingewiesen, dass eine Inkausalitäts-Analyse der Konzessivität mit der Fähigkeit konzessiver Konnektoren, Verknüpfungen auf allen drei Ebenen zu kodieren, keine Probleme haben sollte, da kausale Relationen nicht nur zwischen Sachverhalten, sondern auch zwischen Propositionen und Sprechakten bestehen können (siehe z.B. Sweetser 1990: 76ff., Blühdorn 2006). 1.3. Daten Die vorliegende Untersuchung wurde an dem populärwissenschaftlichen Übersetzungs- und Vergleichstextkorpus des Projekts „Verdecktes Übersetzen“ durchgeführt. Das Korpus besteht aus drei Teilen: 1. 2. 3.
Englische Ausgangstexte Deren deutsche Übersetzungen Ursprünglich deutsche Vergleichstexte
Bei den im Korpus enthaltenen Texten handelt es sich um populärwissenschaftliche Zeitschriftenartikel, die überwiegend aus Magazinen wie z.B. Scientific American oder Spektrum der Wissenschaft stammen. 13 Die englischen Ausgangstexte und deren deutsche Übersetzungen wurden nach dem Prinzip der funktionalen Übersetzungsäquivalenz (vgl. House 1999) aligniert, d.h. mittels geeigneter Annotation so strukturiert, dass mit einem geeigneten Konkordanzprogramm bilinguale Konkordanzen erstellt werden können. So kann für jeden Suchtreffer im Ausgangstext das entsprechende Segment in der Übersetzung angezeigt werden und umgekehrt. Die Korpustexte stammen aus zwei verschiedenen Zeiträumen, 1978–1982 und 1999–2002. Der dadurch gegebene „mikro-diachrone“ Aufbau des Korpus ermöglicht (1.) einen Vergleich von älteren mit jüngeren Übersetzungen (unter Berücksichtigung ihrer englischen Ausgangstexte), (2.) einen Vergleich von älteren mit jüngeren (ursprünglich deutschen) Vergleichstexten –––––––—–– 13
Genauere Informationen zu Inhalt und Aufbau des Korpus finden sich bei Baumgarten (2008: 415f.).
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und (3.) einen Vergleich der Übersetzungen und Vergleichstexte bezüglich ihrer jeweiligen diachronen Entwicklung. Tabelle 1 gibt einen Überblick über die Struktur des Korpus. 1978–1982
1999–2002
Englische Ausgangstexte
26 Texte 42.497 Wörter
38 Texte 122.866 Wörter
Deutsche Übersetzungen
26 Texte 37.830 Wörter
38 Texte 113.420 Wörter
Deutsche Vergleichstexte
19 Texte 82.480 Wörter
32 Texte 100.648 Wörter
Tab. 1: Struktur des populärwissenschaftlichen Übersetzungs- und Vergleichstextkorpus
Wie in der Tabelle zu sehen ist, sind die insgesamt sechs Subkorpora des Korpus von ungleicher Größe, weshalb im Folgenden der Vergleichbarkeit halber nur normalisierte Häufigkeiten bzw. Prozentwerte präsentiert werden. Das Korpus umfasst insgesamt nur ca. 500.000 Wörter, weshalb damit ausschließlich hochfrequente Phänomene (wie z.B. der Konnektor although und seine deutschen Äquivalente) reliabel untersucht werden können.
2. Ergebnisse Bei der Untersuchung wurde wie folgt vorgegangen. Zunächst wurden die verschiedenen Arten der Übersetzung von although ins Deutsche identifiziert, wobei zwei grundsätzliche Strategien identifiziert wurden, die hypotaktische und die parataktische Strategie (Abschnitt 2.1). In einem zweiten Schritt wurde die diachrone Entwicklung der Anwendungshäufigkeit dieser beiden Strategien ermittelt, wobei ein interessanter Trend festzustellen war, nämlich ein Trend von der Hypotaxe zur Parataxe (Abschnitt 2.2). Abschließend konnte dieser Trend anhand eines validierenden Vergleichs mit den ursprünglich deutschen Texten (den Vergleichstexten) bestätigt werden (Abschnitt 2.3). Im Anschluss an die Präsentation dieser Ergebnisse werde ich eine Erklärung für die beobachteten Entwicklungen vorschlagen (Abschnitt 2.4).
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2.1. Hypotaktische vs. parataktische Übersetzungen von although ins Deutsche Grob gesagt können zwei Varianten der Übersetzung von although ins Deutsche unterschieden werden, die hypotaktische (4) und die parataktische Variante (5): (4)
a. The Indian government does not allow injectable contraceptives to be used, although the method has proved popular in neighboring Bangladesh. b. Die indische Regierung erlaubt keine Verhütungsspritzen, obwohl diese Methode im benachbarten Bangladesh gern angewendet wird. 14
(5)
a. Although the black hole cannot be observed directly, its existence is suggested by the behavior of the surrounding material. b. Man kann das schwarze Loch nicht direkt beobachten, aber die Materie, die es umgibt, verhält sich so, wie sie sich in der Nähe eines schwarzen Lochs verhalten sollte.
In (4) wurde although mittels des semantisch weitgehend äquivalenten 15 konzessiven Subjunktors obwohl übersetzt. Somit ist die hypotaktische Struktur des englischen Ausgangstextes in der Übersetzung erhalten geblieben. In (5) hingegen hat sich der Übersetzer für eine parataktische Struktur entschieden, in welcher das interne Konnekt von although zu einem Hauptsatz „befördert“ und das externe Konnekt mittels des Konjunktors aber angeschlossen worden ist. Trotz der Entscheidung des Übersetzers, die hypotaktische Struktur des englischen Originals gleichsam aufzubrechen und durch eine parataktische Struktur zu ersetzen, erhalten wir den Eindruck einer funktional äquivalenten Übersetzung. Das liegt daran, dass wir den „nicht genuin konzessiven“ (Breindl 2004: 4), sondern ursprünglich kontrastiven Konnektor aber unter Zuhilfenahme des Kontextes als konzessiv „überinterpretieren“ (Umbach & Stede 1999). –––––––—–– 14 15
Dieses und alle folgenden Beispiel stammen aus dem in Abschnitt 1.3 präsentierten Korpus. Dem englischen Ausgangstext folgt jeweils seine deutsche Übersetzung. Der Einfachheit der Darstellung halber behandele ich although und obwohl als semantisch und pragmatisch äquivalente Ausdrücke. Es gibt jedoch Fälle, in denen obwohl als Übersetzung von although „merkwürdig fremdartig“ anmutet (Friederich 1969: 127). Das liegt daran, dass obwohl-Sätze bei Voranstellung nur Relationen zwischen Sachverhalten kodieren können, während although in dieser Position auch Propositionen und Sprechakte verknüpfen kann. Der Grund für diesen Unterschied könnte in der unterschiedlichen Parametersetzung der englischen und deutschen Syntax liegen (SV vs. V2) (Blühdorn, persönliche Mitteilung). Die englische „preverbal position“ hat ganz andere syntaktische Eigenschaften als das deutsche
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Viktor Becher
Übersetzungen wie die folgende wurden ebenfalls als parataktisch gewertet: (6)
a. Although some of Harland’s contemporaries were skeptical about the reliability of the magnetic data, other scientists have since shown that Harland’s hunch was correct. b. Einige seiner Zeitgenossen bezweifelten die Verlässlichkeit der magnetischen Daten. Inzwischen haben andere Forscher jedoch bestätigt, dass Harlands Behauptung stimmte.
Trotz des „sentence splitting“ (vgl. Fabricius-Hansen 1999), das der Übersetzer von (6) vorgenommen hat, erhalten wir auch hier den Eindruck einer funktional äquivalenten Übersetzung, denn der semantisch kontrastive Konnektor jedoch leistet hier – ähnlich wie aber in (5) – pragmatisch dasselbe wie der Subjunktor although. Beispiele wie (6) sind der Grund dafür, dass ich nicht von subordinierenden und koordinierenden, sondern von hypotaktischen und parataktischen Übersetzungen von although spreche. Wie auch in (5) werden in (6) zwei Hauptsätze verknüpft, weshalb ich beide Arten von although-Übersetzungen als parataktisch bezeichne, jedoch kommt nur in (5) eine syntaktische Verbindung (gestiftet durch den Konjunktor aber) hinzu. Die durch jedoch geleistete Verknüpfung in (6) bezeichne ich nicht als koordinierend, da sie rein semantischer Natur ist. 16 Ich verwende den Begriff Parataxe somit als Oberbegriff für die Koordination von Hauptsätzen 17 auf der syntaktischen Ebene –––––––—––
16
17
Vorfeld (Verstraete 2003). Eine kontrastive Untersuchung von although und obwohl unter besonderer Berücksichtigung dieser Unterschiede scheint daher äußerst lohnenswert und wichtig, kann im Rahmen der vorliegenden Untersuchung aber nicht geleistet werden. Wenn sie nachgestellte Nebensätze regieren (vgl. Bsp. (4)), sind sowohl although als auch obwohl semantisch flexibler. Auch auf dieses interessante Phänomen kann ich hier nicht eingehen. Webber et al. (2003: 548ff.) und Blühdorn (2008a, 2008b: 66f.) nehmen an, dass konnektive Adverbien referenziell, d.h. anaphorisch, verknüpfen, auch wenn Lexeme wie jedoch – im Gegensatz zu Pronominaladverbien wie z.B. damit oder deshalb – keine morphologisch sichtbare referenzielle Komponente enthalten. Eine durch einen Konjunktor hergestellte Satzstruktur kann ihrerseits von einem Subordinierer regiert werden (z.B.: Wenn sie das Auto kauft aber nur er es dann benutzt, ist sie blöd. Vgl. Pasch et al. 2003: 457). Auch in diesem (im untersuchten Korpus äußerst seltenen) Fall spreche ich von einer parataktischen Verbindung, obwohl der Konjunktor letztendlich zwei Nebensätze verknüpft. Das ausschlaggebende Kriterium für das Bestehen einer parataktischen Verbindung ist für mich, dass die Konnekte syntaktisch gleichwertig sind, d.h. auf „ein und derselben Stufe der hierarchisch-syntaktischen Struktur“ stehen (Pasch et al. 2003: 268).
195
Von der Hypotaxe zur Parataxe
sowie für die Aneinanderreihung von syntaktisch unverbundenen Hauptsätzen auf der Diskursebene. Wie sich im folgenden Abschnitt zeigen wird, weisen die beiden parataktischen Übersetzungstypen eine ähnliche diachrone Entwicklung auf. 2.2. Deutsche Übersetzungen von although im diachronen Vergleich Eine Zählung und Kategorisierung der von den Übersetzern des Korpus gewählten Übersetzungsäquivalente von although ergab das in Tabelle 2 dargestellte Bild. 18
Subjunktor (z.B. obwohl)
19
1978–1982
1999–2002
055%
019%
Entwicklung –36
Konjunktor (aber oder doch)
021%
046%
+25
konnektives Adverb (z.B. jedoch) 20 Sonstiges 21
006%
013%
0+7
018%
022%
0+4
Insgesamt
100%
100%
Tab.2: Deutsche Übersetzungsäquivalente von although: 1978–1982 (n = 33) vs. 1999–2002 (n = 109)
Die Tabelle lässt einen bemerkenswerten diachronen Trend erkennen. In den Korpustexten des ersten untersuchten Zeitfensters (1978–1982) sind Subjunktoren wie obwohl die bevorzugten Übersetzungsäquivalente von although. Nur jedes fünfte Vorkommen von although (21%) wurde mittels
–––––––—–– 18 19
20 21
Ein Vorkommen von although in direkter Rede wurde aus Gründen der Vergleichbarkeit aussortiert. Andere konzessive Subjunktoren, die von den Übersetzern des Korpus als Übersetzungsäquivalente von although gewählt wurden, sind auch wenn, wenn auch und obgleich. Sonstige konnektive Adverbien, mittels derer although im Korpus übersetzt worden ist, sind allerdings, dennoch und trotzdem. Die Kategorie „Sonstiges“ steht für Fälle, in denen although (oder sogar der gesamte den Konnektor enthaltende Satz) kein direktes Äquivalent in der deutschen Übersetzung aufweist. Diese Fälle sind natürlich sowohl aus sprachkontrastiver als auch aus übersetzungswissenschaftlicher Perspektive hochinteressant, können im begrenzten Rahmen dieser Arbeit jedoch nicht besprochen werden.
196
Viktor Becher
eines konzessiven 22 Konjunktors übersetzt, konnektive Adverbien wie jedoch stellen mit nur 6% Anteil an allen although-Übersetzungen ein marginales Phänomen dar. Im zweiten Zeitfenster (1999–2002) bietet sich ein ganz anderes Bild. Der Anteil von Subjunktoren an den Übersetzungsäquivalenten von although ist auf 19% zurückgegangen. Im Gegenzug sind Konjunktoren als Übersetzungen von although deutlich häufiger geworden: In den jüngeren Texten wurde beinahe jedes zweite Vorkommen von although (46%) mittels eines Konjunktors übersetzt. Auch konzessive Adverbien tauchen mit 13% Anteil immer häufiger als Übersetzungen von although auf. Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass Subjunktoren und Konjunktoren in der Rangfolge der häufigsten Übersetzungsäquivalente von although die Plätze getauscht haben. Noch allgemeiner und unter Berücksichtigung des Häufigkeitsanstiegs bei den konnektiven Adverbien lässt sich sagen, dass die Übersetzer im untersuchten Zeitraum bei der Übersetzung von although-Konnexen immer häufiger auf parataktische statt auf hypotaktische Konstruktionen zurückgegriffen haben. Diese diachrone Entwicklung ist umso bemerkenswerter, als Übersetzer allgemein dazu tendieren, sich eher eng an die lexikogrammatischen Eigenschaften des Ausgangstextes zu halten, anstatt z.B. auf spezifisch zielsprachliche Mittel zurückzugreifen. Dies äußert sich u.a. darin, dass bestimmte Konstruktionen und Lexeme in übersetzten Texten signifikant häufiger oder seltener vorkommen als in ursprünglich zielsprachlichen Vergleichstexten (siehe z.B. Gellerstam 1986, Teich 2003, Becher 2009a). Toury (1995) hat dieses in der Übersetzung allgegenwärtige Phänomen als „law of source language interference“ bezeichnet (vgl. auch Baker 1996). Vor diesem Hintergrund ist es bemerkenswert, dass die in diesem Abschnitt dargestellte diachrone Entwicklung eher eine Abkehr der Übersetzer von der (hypotaktischen) Struktur des Ausgangstextes bedeutet. Diese Veränderung des Übersetzungsverhaltens wird im Folgenden zu erklären sein. 2.3. Validierung der Ergebnisse: Konzessive Konnektoren in ursprünglich deutschen Texten Es stellt sich die Frage, ob der im letzten Abschnitt beschriebene diachrone Trend von der Hypotaxe zur Parataxe auf die englisch-deutschen Übersetzungen des populärwissenschaftlichen Korpus beschränkt ist, oder ob die –––––––—–– 22
Der Einfachheit halber werden die kontrastiven Konjunktoren und Adverbien (z.B. jedoch; trotzdem ist genuin konzessiv), die als Übersetzungsäquivalente von although identifiziert wurden, hier und im Folgenden als konzessiv bezeichnet.
197
Von der Hypotaxe zur Parataxe
ursprünglich deutschen Texte (= Vergleichstexte) einen vergleichbaren Trend aufweisen. Tabelle 3 deutet darauf hin, dass letzteres der Fall ist. 1978–1982
1999–2002
Entwicklung
Subjunktoren (z.B. obwohl)
04,2
04,0
0–6%
Konjunktoren (aber oder doch)
30,8
45,5
+48%
konnektive Adverbien (z.B. jedoch)
17,7
24,5
+39%
Tab. 3: Häufigkeit konzessiver Subjunktoren, Konjunktoren und Adverbien 23 in den deutschen Vergleichstexten (pro 10.000 Wörter)
Die Tabelle gibt Aufschluss darüber, dass im untersuchten Zeitraum sowohl bei den Konjunktoren als auch bei den konnektiven Adverbien ein bemerkenswerter Häufigkeitsanstieg stattgefunden hat (um 48% bzw. 39%). Die Häufigkeit der Subjunktoren weist jedoch keine erwähnenswerte Entwicklung auf (–6%), obwohl von den Übersetzungen her ein starker Häufigkeitsrückgang zu erwarten wäre. 24 Allerdings fällt auf, dass die Häufigkeit der Subjunktoren in den deutschen Vergleichstexten des Korpus über den gesamten Untersuchungszeitraum hinweg äußerst gering ist. Es finden sich nur ca. 4 konzessive Subjunktoren pro 10.000 Wörter. In Anbetracht der durchschnittlichen Textlänge von ca. 2.800 Wörtern bedeutet dies, dass in einem Korpustext im Schnitt nur ein einziger konzessiver Subjunktor vorkommt. Mit anderen Worten: Der hypotaktische Ausdruck konzessiver Relationen ist in den ursprünglich deutschen Texten eine Randerscheinung. Bereits am Anfang des untersuchten Zeitraums scheinen Autoren deutscher populärwissenschaftlicher Texte parataktische konzessive Konstruktionen zu bevorzugen. –––––––—–– 23
24
Es wurden alle diejenigen konzessiven Konnektoren gezählt, die in der Übersetzungsanalyse (Abschnitt 2.2) als Übersetzungsäquivalente von although identifiziert wurden. Es ist interessant festzustellen, dass, angesichts des „fehlenden“ Häufigkeitsrückgangs bei den Subjunktoren, die Häufigkeit konzessiver Konnektoren insgesamt gestiegen ist, nämlich von 52,7 auf 74,0 Vorkommen pro 10.000 Wörter. Im begrenzten Rahmen der vorliegenden Arbeit kann keine abschließende Erklärung für diesen interessanten Trend gegeben werden. Eine mögliche Ursache für den Häufigkeitsanstieg wäre der gegenwärtige Einfluss des Englischen auf die Vertextungskonventionen des Deutschen (vgl. den zunehmenden Gebrauch der Konnektoren aber und doch am Satzanfang in neueren populärwissenschaftlichen Texten, den Becher, House & Kranich 2009: 137ff. auf übersetzungsinduzierten anglophonen Einfluss zurückführen; ihre Untersuchung basiert auf dem gleichen Korpus wie die vorliegende).
198
Viktor Becher
Wie kann es sein, dass die Häufigkeit konzessiver Subjunktoren in den Übersetzungen über den untersuchten Zeitraum hinweg abgenommen hat, während die gleichen Lexeme in den deutschen Vergleichstexten von Anfang an selten waren? Ein Häufigkeitsvergleich zwischen Übersetzungen und Vergleichstexten (Tabelle 4) legt eine mögliche Antwort auf diese Frage nahe. 1978–1982
1999–2002
englisch-deutsche Übersetzungen
9,3
4,9
deutsche Vergleichstexte
4,2
4,0
Tab. 4: Häufigkeit konzessiver Subjunktoren: englisch-deutsche Übersetzungen vs. deutsche Vergleichstexte (pro 10.000 Wörter)
Die in Tabelle 4 dargestellte Häufigkeitsentwicklung erweckt den Eindruck, dass die Häufigkeit konzessiver Subjunktoren in den englisch-deutschen Übersetzungen sich im Laufe des Untersuchungszeitraums an das Niveau der deutschen Vergleichstexte angepasst hat. Im Folgenden möchte ich dafür argumentieren, dass dies tatsächlich der Fall ist. Zahlreiche übersetzungswissenschaftliche Studien weisen darauf hin, dass übersetzte Texte tendenziell „konservativer“ sind als vergleichbare nicht übersetzte Texte (u.a. weil Übersetzer mit einem übermäßig innovativen Sprachgebrauch zukünftige Aufträge riskieren können [Pym 2004]). So enthalten Übersetzungen z.B. prozentuell mehr hochfrequente Wörter (Laviosa 1998) und weniger kreative Wortschöpfungen (Olohan 2004: 108ff.) als monolingual produzierte Texte. Toury (1995) hat für derartige Regelmäßigkeiten ein „law of growing standardization“ postuliert, Baker (1996) rechnet „leveling out“ zu den von ihr vorgeschlagenen Übersetzungsuniversalien und Laviosa spricht in diesem Zusammenhang von „convergence“ (1998). Vor diesem Hintergrund scheint die Annahme plausibel, dass Übersetzungen nicht nur synchron, sondern auch diachron gesehen konservativer sind als nicht übersetzte Texte (was bisher noch nicht untersucht worden ist). Wenn diese Annahme stimmt, lassen sich die in Tabelle 4 dargestellten Ergebnisse leicht erklären: Die Häufigkeit konzessiver Subjunktoren in den deutschen Vergleichstexten hätte demgemäß in der Tat abgenommen, allerdings nicht im untersuchten Zeitraum, sondern bereits vor 1978; es hat jedoch einige Jahrzehnte gedauert bis die – sprachlich konservativeren – Übersetzer sich an diese Innovation im Sprachgebrauch angepasst haben. Ob diese vermutete Entwicklung den Tatsachen entspricht, kann im begrenzten Rahmen der vorliegenden Arbeit und mit den zur Verfügung stehenden Daten nicht geklärt werden. Im Folgenden werde ich auf Grundlage der eben angestellen Überlegungen und der Beobachtung, dass konzessive Konjunktoren und Ad-
Von der Hypotaxe zur Parataxe
199
verbien in den deutschen Vergleichstexten tatsächlich einen starken Häufigkeitsanstieg erfahren haben (Tabelle 4), davon ausgehen, dass die Vergleichstexte die gleiche Entwicklung vollzogen haben wie die Übersetzungen, d.h. dass es auch hier zu einer schrittweisen Verdrängung der Hypotaxe durch die Parataxe als Standardkonstruktion zum Ausdruck konzessiver Relationen gekommen ist. 2.4. Interpretation der Ergebnisse: Warum mehr Parataxe? Als Leser deutscher Texte ist uns intuitiv klar, dass Sätze umso schwieriger zu verstehen sind bzw. unser Arbeitsgedächtnis umso stärker belasten, je länger wir „auf das Verb warten“ müssen (wobei die Wartezeit bei [z.B. von Subjunktoren wie obwohl regierten] Verbendsätzen natürlich maximal ist). Diese Intuition wurde in einer Studie von Weyerts et al. (2002) bestätigt. Die Autoren präsentieren eine Reihe von Lesegeschwindigkeits- und ERPExperimenten, die dafür sprechen, dass Verbendsätze syntaktisch signifikant schwieriger zu prozessieren sind als Verbzweitsätze. Als Grund dafür nehmen die Autoren eine stärkere Belastung des Arbeitsgedächtnisses beim Verarbeiten von Verbendsätzen an. Dies legt nahe, dass die im Korpus repräsentierten Autoren um eine leichtere Prozessierbarkeit ihrer Texte bemüht waren, indem sie zunehmend auf parataktische statt auf hypotaktische Konstruktionen zurückgegriffen haben. Verallgemeinernd lässt sich vermuten, dass die Autoren eine anfangs verfolgte Strategy of Incremental Parsimony (SIP; Doherty 2004, 2006: 59f.) zunehmend zugunsten eines Principle of Incremental Discourse Organization 25 (PIDO; Fabricius-Hansen 1998, 1999) aufgegeben haben. SIP und PIDO sind zwei konkurrierende Strategien der Diskursorganisation. Bei PIDO wird der Diskurs in relativ überschaubare Informationsinkremente (= Sätze) aufgeteilt, die jeweils z.B. möglichst wenige neue Referenten in den Diskurs einführen. Dabei ist es im Extremfall so, dass jeder Satz nur einen neuen Sachverhalt bzw. eine neue Proposition einführt (FabriciusHansen 1996: 558). Die mentale Repräsentation eines komplexen Sachverhalts bzw. Propositionsgeflechts beim Hörer wird so Schritt für Schritt mit zusätzlichen Informationen angereichert. Bei SIP hingegen gilt das Prinzip der „inkrementellen Sparsamkeit“. Hier versucht der Sprecher, seine interne Diskursrepräsentation, die hierarchisch organisiert ist (Klein & von Stut-
–––––––—–– 25
Genau genommen handelt es sich bei PIDO um drei (verwandte) Prinzipien der inkrementellen Diskursorganisation (siehe Fabricius-Hansen 1998: 203, 1999: 184).
200
Viktor Becher
terheim 1991, Klein 2007: 31f.) 26 und die er dem Hörer vermitteln will, syntaktisch widerzuspiegeln: Die „Hauptstruktur“ wird mittels Hauptsätzen verbalisiert, „Nebenstrukturen“ mittels Nebensätzen (Klein & von Stutterheim 2002, Tomlin 1985). 27 Dabei ist es häufig notwendig, mehrere Sachverhalte/Propositionen im selben Satz zu verbalisieren. Es dürfte bereits deutlich geworden sein, dass die Autoren des Korpus mit ihrer zunehmenden Verwendung parataktischer Strukturen sich zunehmend an PIDO statt an SIP halten. Sehen wir uns dazu ein neues Beispiel an: (7)
a. Although a small proportion of patients recollect an episode of jaundice when they probably acquired their infection, chronic hepatitis C is often asymptomatic. b. Ein kleiner Teil der Erkrankten erinnert sich zwar, einmal Gelbsucht gehabt zu haben – wohl kurz nach der Ansteckung. Häufig aber verläuft eine chronische Hepatitis C anfangs ohne oder zumindest ohne spezifische Symptome.
In (7) werden zwei Propositionen versprachlicht, (1.) die Erinnerung vieler Patienten an bestimmte Hepatitis-Symptome und (2.) die charakteristische Symptomlosigkeit von Hepatitis C. Der Autor des englischen Ausgangstextes hat beide Propositionen im gleichen Satz verbalisiert. Dies steht im Einklang mit SIP, denn die Wahrheit der ersten Proposition wird (mittels although) als nicht-hinreichende Gegenursache, d.h. als nicht relevant für die Wahrheit der zweiten Proposition dargestellt und zählt somit zur Nebenstruktur des Textes, für die SIP Nebensätze fordert. –––––––—–– 26
27
NB: Das dieser Studie zugrunde liegende, von Klein und von Stutterheim erarbeitete Konzept der diskursiven Hierarchisierung ist nicht das Gleiche wie das der Strukturierten Diskursrepräsentationstheorie (SDRT; siehe in diesem Zusammenhang v.a. Asher & Vieu 2005). So können z.B. SDRT-subordinierte Diskursstrukturen hauptstrukturellen Inhalten entsprechen. Es ist an dieser Stelle wichtig zu betonen, dass syntaktische Hierarchisierung (Koordinierung vs. Subordinierung) weder eine notwendige noch eine hinreichende Bedingung für diskursive Hierarchisierung (Hauptstruktur vs. Nebenstruktur) darstellt, und umgekehrt (vgl. Blühdorn 2008b). Das Verhältnis von syntaktischer und diskursiver Struktur ist bestenfalls ein ikonisches (vgl. Brandt 1996; Tomlin 1985: 102 spricht von „pragmatic coding“). So kommt Ramm (2008: 155) in ihrer Untersuchung nicht-restriktiver Relativsätze, die in deutsch-norwegischen Übersetzungen regelmäßig zum eigenständigen Satz „befördert“ werden, zu dem Schluss, dass „syntactic subordination can operate to signal a downplay in the salience of a discourse unit, but this is not always the case [...].“ Subordinierer, deren interne Konnekte regelmäßig haupt- statt nebenstrukturelle Inhalte verbalisieren, sind z.B. wobei, während und da (laut Solfjeld 2008: 35).
Von der Hypotaxe zur Parataxe
201
Der Übersetzer hat sich hingegen an PIDO gehalten: Jede Proposition hat „ihren eigenen Satz“ bekommen. 28 Die diskursive Hierarchisierung, die im englischen Ausgangstext von (7) der Syntax obliegt, ist in der Übersetzung allerdings nicht verloren gegangen, sondern wird vom Konnektor aber in Zusammenarbeit mit zwar übernommen. Das Adverb zwar kann als ein „forward-linking connective with concessive meaning“ (König 1991: 192) oder als „concession marker“ (Antaki & Whetherell 1999: 13) bezeichnet werden. (Primatarova-Miltscheva 1986 setzt ein „zweiteiliges Konnektivum“ zwar...aber an.) Das Wort zwar ist historisch gesehen eine Kontraktion von mhd. ze wâre (Zifonun, Hoffmann & Strecker. 1997: 2410) und hat seine ursprüngliche Bedeutung „es ist wahr“ erhalten, d.h. es betont die Wahrheit der von ihm modifizierten Proposition. Dadurch löst es die konversationale Implikatur aus, dass die Wahrheit der Proposition nicht selbstverständlich ist 29 und daher von relativ geringer diskursiver Bedeutung ist. Im Zusammenspiel mit aber hebt zwar damit zusätzlich 30 hervor, dass die modifizierte Proposition zur Nebenstruktur des Textes gehört. Der Konnektor zwar übernimmt in der (gemäß PIDO organisierten) Übersetzung also die Aufgabe, welche im (gemäß SIP organisierten) Ausgangstext von der Syntax wahrgenommen wird. Generell ist es so, dass „the communicative weight (discourse prominence) that an utterance is intended to have may be indicated by sentence-internal structure (e.g., by syntactic subordination) or by lexical means (across sentence boundaries).“ (Ramm 2008: 157; vgl. auch Solfjelds 2008: 36ff. Besprechung des Gebrauchs lexikalischer Signale in Übersetzungen, die „to some extent take over the information of syntactic structures of the original.“ [2008: 39]) Fabricius-Hansen (1996) macht deutlich, dass PIDO und SIP jeweils ihre eigenen Vor- und Nachteile aufweisen (vgl. auch Ramm 2008: 152ff.). Gene–––––––—–– 28
29 30
Ein anonymer Gutachter wirft die interessante Frage auf, ob die Übersetzter des Korpus mit although verknüpfte Satzgefüge vor allem dann parataktisch übersetzen, wenn diese viele neue Informationen (z.B. neue Referenten) enthalten. Eine kursorische Durchsicht der Belege lässt vermuten, dass dies in der Tat der Fall ist. So führt z.B. die although-Phrase in (6) zwei neue (d.h. vorher nicht erwähnte) Referenten ein (einige seiner Zeitgenossen und die Verlässlichkeit der magnetischen Daten), während der although-Nebensatz in (7) gleich drei neue Referenten enthält (ein kleiner Teil der Befragten, Gelbsucht und Ansteckung). Eine systematische Untersuchung der Belege bzgl. ihres Informationsstatus konnte im begrenzten Rahmen der vorliegenden Untersuchung nicht durchgeführt werden. Vgl. König (1991: 192f.) zu zwar und im Allgemeinen Halliday (1985: 340): „we only say we are certain when we are not“. Ich vermute, dass „konzedierte“, also im internen Konnekt von although/obwohl oder im externen Konnekt von aber verbalisierte Propositionen immer zur Nebenstruktur gehören. Zwar betont dies zusätzlich.
202
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ralisierend lässt sich vielleicht sagen, dass inkrementeller, gemäß PIDO organisierter Diskurs syntaktisch leichter zu prozessieren ist, während hierarchischer, nach SIP organisierter Diskurs seinen haupt-/nebenstrukturellen Aufbau deutlicher zur Schau stellt und damit potenziell eine genauere Informationsvermittlung, d.h. eine präzisere Rekonstruktion der internen Diskursrepräsentation des Sprechers durch den Hörer ermöglicht. (Nach PIDO organisierter Diskurs kann erstens nicht immer auf lexikalische Signale wie zwar zurückgreifen, zweitens sind diese – im Gegensatz zu syntaktischen Mitteln – oft vage bezüglich des Umfangs der verknüpften Konnekte [FabriciusHansen 1996].) Es sieht danach aus, dass die Autoren des untersuchten Korpus beim Ausdruck konzessiver Diskursrelationen während des untersuchten Zeitraums von SIP auf PIDO umgestiegen sind. Wenn diese Vermutung stimmt, sollte sich auch bei anderen Diskursrelationen wie z.B. der Temporalität oder Kausalität ein ähnlicher Trend von der Hypotaxe zur Parataxe abgespielt haben – eine falsifizierbare Hypothese. Eine Sichtung aller parataktischen Übersetzungen von although im Korpus ergab, dass das eingeräumte Konnekt in 53% aller Fälle zwar enthält (wobei von den Übersetzern sicherlich auch andere downgraders verwendet werden, die nicht erfasst wurden). 31 Zweitens ergab eine Wortsuche nach zwar in den deutschen Vergleichstexten, dass die Frequenz des Adverbs sich innerhalb des untersuchten Zeitraums von 3,6 auf 6,9 Vorkommen pro 10.000 Wörter erhöht hat (+91,7%). 32 Zwar scheint sich in den deutschen Vergleichstexten also in etwa parallel zu den konzessiven Konjunktoren und Adverbien entwickelt zu haben. Diese beiden Beobachtungen deuten darauf hin, dass sowohl die englisch-deutschen Übersetzer als auch die deutschen Autoren der im Korpus enthaltenen Texte bei ihrem Umstieg von SIP auf PIDO die Signalisierung hierarchischer Diskursrelationen keineswegs aufgegeben haben. Doherty (2006: 60) vertritt die Ansicht, dass strukturelle Parameter einer Sprache (z.B. Rechts- vs. Linksdirektionalität der Verbalphrase) determinieren, wo ein günstiger „trade-off“ zwischen PIDO und SIP liegt. Die vorliegende Studie hat gezeigt, dass Sprecher dennoch beträchtlichen Freiraum bei –––––––—–– 31
32
Bei (5) fällt z.B. auf, dass der Übersetzer keinen lexikalischen downgrader wie zwar benutzt hat, andererseits aber das „strukturelle Gewicht“ (Doherty 2002: Kap. 5) des zweiten Konnekts gegenüber dem englischen Ausgangstext wesentlich erhöht hat, nämlich durch die Hinzufügung zweier Relativsätze (die es umgibt und wie sie sich in der Nähe eines schwarzen Lochs verhalten sollte). Da strukturell „schweres“ sprachliches Material ikonisch auf eine relativ hohe Relevanz des Gesagten hinweist (vgl. Doherty 2002: 97), kann man hier dafür argumentieren, dass ein lexikalischer downgrader wie zwar nicht nötig ist, um das erste Konnekt gegenüber dem zweiten diskursiv unterzuordnen. Vorkommen des Adverbs innerhalb der nicht-konzessiven Kollokation und zwar wurden in dieser Zählung nicht berücksichtigt.
Von der Hypotaxe zur Parataxe
203
der Entscheidung haben, welcher der beiden Strategien sie folgen (vgl. auch Klein & von Stutterheim 2002). Abschließend ist hervorzuheben, dass die obigen Überlegungen zu den Vor- und Nachteilen von PIDO und SIP nahelegen, dass es sich bei der hier beobachteten diachronen Entwicklung möglicherweise nicht um einen dauerhaften Wandel im Sprachgebrauch handelt. Es ist gut denkbar, dass deutsche populärwissenschaftliche Autoren und Übersetzer in den nächsten Jahrzehnten wieder zurück in Richtung SIP pendeln, denn wie die obigen Überlegungen gezeigt haben, gibt es keinen idealen Kompromiss zwischen PIDO und SIP. Ein Sprecher muss sich in einer gegebenen Situation entscheiden, welcher Strategie er folgen will, und beide Strategien haben ihre Vor- und Nachteile.
3. Zusammenfassung und Ausblick In der hier präsentierten Studie wurde ein diachrones Korpus aus englischen populärwissenschaftlichen Texten, deren deutschen Übersetzungen und vergleichbaren (monolingual) deutschen Texten untersucht. Ausgangspunkt der Studie waren die im Korpus identifizierten Übersetzungsäquivalente des englischen konzessiven Subjunktors although. Eine Analyse der Übersetzungsrelation ergab, dass im ersten Zeitfenster des Korpus, 1978–1982, vor allem syntaktisch äquivalente, d.h. hypotaktische Übersetzungen von although gewählt wurden (z.B. obwohl), während im zweiten Zeitfenster (1999–2002) parataktische Konstruktionen (z.B. mit aber) dominierten. Eine validierende Analyse der deutschen Vergleichstexte brachte Hinweise darauf, dass die gleiche Entwicklung sich auch hier abgespielt hat, allerdings zu einem früheren Zeitpunkt abgeschlossen war. Der in der Studie beobachtete Trend von der Hypotaxe zur Parataxe wurde vor dem Hintergrund der von Fabricius-Hansen und Doherty angesetzten Strategien der Diskursorganisation PIDO und SIP interpretiert. Es wurde die Vermutung angestellt, dass die Autoren und Übersetzer des untersuchten Korpus sich im Laufe der Zeit vom hierarchischen SIP zum inkrementellen PIDO gewandt haben, ohne jedoch eine Widerspiegelung der hierarchischen Struktur des Diskurses (Haupt- vs. Nebenstruktur) aufzugeben. Letzteres erreichten sie vor allem mit Rückgriff auf das konzessive Adverb zwar, das in parataktischen Verbindungen ähnliche pragmatische Effekte ermöglicht wie hypotaktische Strukturen mit obwohl. Als Grund für die veränderten Präferenzen der Autoren des Korpus wurde eine zunehmende Besorgnis um die Prozessierbarkeit ihrer Texte durch den Leser angenommen. Es stellte sich
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sodann die Frage, wie dauerhaft die beobachteten Veränderungen im Sprachgebrauch der Übersetzer und Autoren sind. Es ist gut möglich, dass es sich bei dem beschriebenen Trend um eine kurzlebige Erscheinung handelt. Es gibt keinen optimalen Kompromiss zwischen PIDO und SIP, beide Strategien haben ihre Vor- und Nachteile. Der vielleicht weniger offensichtliche Vorteil von SIP ist, dass dabei die vom Autor intendierte Struktur des Textes stärker hervortritt: Haupt- und Nebenstruktur des Diskurses werden klarer unterschieden, koreferenzielle Beziehungen sind weniger ambig (Ramm 2008) etc. Von daher ist es denkbar, dass die im Korpus repräsentierten Autoren und Übersetzer beim Ausdruck konzessiver Relationen irgendwann wieder in Richtung Hypotaxe/SIP pendeln. Was unklar geblieben ist und bisher noch nicht angesprochen wurde, ist die Generalisierbarkeit der Ergebnisse. Wenn meine Erklärung der Ergebnisse aus der vorliegenden Studie stimmt, müsste sich bei Konnektoren anderer Bedeutung (temporal, kausal, etc.) eine ähnliche Häufigkeitsentwicklung feststellen lassen, was sich in Folgestudien leicht überprüfen ließe. Des Weiteren stellt sich die Frage, ob sich bei anderen Genres des Deutschen (z.B. Zeitungstexte) ähnliche Beobachtungen machen lassen, oder ob die oben beschriebenen Entwicklungen auf das populärwissenschaftliche Genre beschränkt sind. Auch dies ließe sich mittels geeigneter Korpora leicht verifizieren. Die Präsentation der hier vorgestellten Studie hat implizit auf den Nutzen diachroner Übersetzungskorpora für die Identifizierung und Interpretation sprachlichen Wandels hingewiesen, der abschließend kurz explizit dargestellt werden soll (vgl. Becher 2009b). Erstens können Übersetzungskorpora eine interessante Ergänzung zu monolingualen Korpora darstellen, wenn es darum geht, sprachliche Variation sowie diachrone Veränderungen zu identifizieren. Der Vergleich verschiedener Zeiträume bzgl. der von Übersetzern getroffenen Übersetzungsentscheidungen könnte in zukünftigen Studien dabei helfen, diachrone Entwicklungen zu identifizieren, die in monolingualen Korpora nur schwer zu sehen sind (z.B. die Ausdehnung des Gebrauchs eines bestimmten sprachlichen Mittels auf neue Kontexte bei diachron gleich bleibender Frequenz). Zweitens bieten diachrone Übersetzungskorpora die einzigartige Möglichkeit, kausale Beziehungen zwischen verschiedenen Beobachtungen herzustellen. Gesetzt den Fall, wir beobachten in einem monolingualen Korpus einen Häufigkeitsanstieg von Konstruktion A sowie einen Rückgang von Konstruktion B. Streng genommen haben wir keine Evidenz für die Annahme, dass Konstruktion B von Konstruktion A ersetzt oder „verdrängt“ worden ist, denn im Prinzip könnten beide Entwicklungen sich unabhängig voneinander abgespielt haben, selbst wenn A und B einander funktional ähnlich sind. Das diachrone Übersetzungskorpus hingegen liefert solche Evidenz, denn damit
Von der Hypotaxe zur Parataxe
205
ist es möglich zu zeigen, dass Übersetzer sich in genau dem Kontext für Konstruktion A entschieden haben, wo sie früher B bevorzugt hatten. Drittens können Übersetzungen dazu beitragen, semantische und pragmatische Eigenschaften sprachlicher Mittel zu beleuchten. Wenn z.B. die pragmatische Funktion eines bestimmten zielsprachlichen Mittels schwer zu fassen ist, kann der Untersuchende seine Intuitionen präzisieren und verifizieren, indem er prüft, welche ausgangssprachlichen Lexeme bzw. Strukturen es typischerweise übersetzt. Und umgekehrt: Ist die Funktion eines ausgangssprachlichen Phänomens unklar, kann im Handumdrehen überprüft werden, wie Dutzende von Übersetzern damit umgegangen sind. Übersetzungskorpora bieten nicht nur die sprachlichen Daten an sich, sondern zusätzlich Unmengen gleichsam eingebauter Akzeptabilitätsurteile bzw. Verwendungsentscheidungen kompetenter Muttersprachler. Natürlich haben auch Übersetzungskorpora ihre Nachteile. So sind Übersetzungen z.B. von zusätzlichen Faktoren wie z.B. ausgangssprachlicher Interferenz beeinflusst und entstehen außerdem in einer spezifischen Kommunikationssituation (Becher 2010), die z.B. durch hohen Termindruck und strenge redaktionellen Vorgaben geprägt sein kann. Deshalb können Übersetzungskorpora große Referenzkorpora sicherlich nicht ersetzen. Dennoch hoffe ich, gezeigt zu haben, dass sie in bestimmten Anwendungsfällen eine wertvolle Ergänzung zu monolingualen Daten darstellen können.
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Fabienne Salfner & Felix Salfner
Das Adverb da im Deutschen als eine Topiksituationsproform. Eine SDRT-Analyse 1
1. Einleitung Traditionell wird da als temporales oder lokatives Pronominaladverb analysiert (vgl. Zifonun, Hoffmann & Strecker. 1997). (1)
a. Im Hof, da spielen Kinder. b. Am Montag, da geht Peter ins Kino.
In Beispiel (1a), wo die PP im Hof ein lokativer Modifizierer ist, könnte da sich auf das eingebettete Argument der PP, also die In-Region von Hof, beziehen. Analog könnte sich da in (1b), wo die PP am Montag ein temporaler Modifizierer ist, auf die Zeitspanne ‘Montag’ beziehen. Der naheliegende Vorschlag wäre also, dass da koreferent mit dem internen Argument der PP ist. Allerdings würde sich diese Lösung nicht auf Beispiele wie (2) anwenden lassen: (2)
Ohne ihr Notebook, da kann Maria nicht arbeiten.
Offensichtlich bezieht sich da hier nicht auf Marias Notebook, sondern vielmehr auf Situationen, in denen Maria kein Notebook hat. Auch für die Beispiele in (3) ist die obige Analyse nicht anwendbar. Hier bezieht sich da auf eine Situation, die durch den vorhergehenden Kontext beschrieben wird. (3)
a. Es ist Sommer. Peter sitzt im Park. Er liest ein Buch. Da kommt Anna vorbei. b. Anna kocht, da klingelt es. c. Peter mietet sich ein Büro. Da kann er (endlich) in Ruhe arbeiten. d. Anna kocht (heute). Da isst Peter (lieber) Brot.
–––––––—–– 1
Wir danken Maria Averintseva-Klisch und Mathias Schenner für fruchtbare Diskussionen, den beiden anonymen Gutachtern für ihre hilfreichen Kommentare und kritischen Fragen, sowie den Teilnehmern der AG „Formen und Funktionen von Satzverknüpfungen“ im Rahmen der DGFS 2009 in Osnabrück.
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Fabienne Salfner & Felix Salfner
In (3a) wird die Situation durch mehrere vorangehende Sätze beschrieben. (3b) ist ein Beispiel dafür, dass selbst in Fällen, in denen da temporal oder lokativ verstanden wird, der Ort oder die Zeitspanne nicht overt sein muss. Die Beispiele zeigen zudem, dass zusätzlich zu den temporalen und lokativen Interpretationen, da auch als final (3c) oder konsekutiv (3d) interpretiert werden kann. Dies wurde auch schon von Ehrich (1983) beobachtet. Phänomene wie in (2) und (3) lassen sich gut erklären, wenn man annimmt, dass da generell als Topiksituationsproform fungiert (vgl. Salfner 2006). 2 In diesem Artikel schlagen wir eine Formalisierung der Beziehung zwischen da und der Topiksituation im Rahmen der Segmented Discourse Representation Theory (SDRT) von Asher & Lascarides (2003) vor. Der Artikel ist folgendermaßen strukturiert: Im Abschnitt 2 werden wir das Konzept Topiksituation diskutieren und Argumente für die Annahme, dass da als Topiksituationsproform dient, liefern. In Abschnitt 3 erweitern wir die SDRT um die Topiksituation. In Abschnitt 4 formalisieren wir den Bezug des da-Satzes zur Topiksituation und analysieren, wie sich die unterschiedlichen Interpretationen von da erklären lassen.
2. Da und die Topiksituation 2.1. Der Begriff ‘Topiksituation’ Klein (1994) unterscheidet drei Arten von Zeiten: Die Äußerungszeit, die Ereigniszeit und die Topikzeit. Äußerungszeit ist die Zeit, zu der der Sprecher seine Äußerung macht. Ereigniszeit ist die Zeitspanne, in der das Ereignis zeitlich lokalisiert ist und Topikzeit ist die Zeitspanne über die der Sprecher seine Äußerung macht. Siehe Beispiel (4) zur Illustration: (4)
Das Licht war an.
In Beispiel (4) ist ‘Äußerungszeit’ die Zeit, zu der der Sprecher sagt: Das Licht war an, ‘Ereigniszeit’ ist die Zeitspanne, zu der das Licht tatsächlich an war, und ‘Topikzeit’ ist die Zeitspanne, über die der Sprecher spricht, z.B. der Moment, in dem der Sprecher in den Raum geschaut hat. Der Begriff ‘Topiksituation’ wurde von Maienborn (2003) und Kratzer (2007) eingeführt, als Erweiterung des Konzepts der Topikzeit von Klein –––––––—–– 2
Das Vorkommen von da als kausale subordinierende Konjunktion fällt allerdings nicht darunter: (i) Peter kommt zu spät, da er den Zug verpasst hat.
Das Adverb da im Deutschen als eine Topiksituationsproform
213
(1994). Dahinter steckt der Gedanke, dass eine Proposition nicht nur zeitlich verankert sein muss, um interpretierbar zu sein, sondern auch räumlich. Es handelt sich im Prinzip um eine semantische Weiterentwicklung von Austin (1970: 119): A statement is made and its making is an historic event, the utterance by a certain speaker or writer of certain words (a sentence) to an audience with reference to an historic situation, event or what not.
Die Topiksituation dient also als Rahmen für die Ereignisse, die in der Äußerung beschrieben werden und ist die Diskurssituation, vor deren Hintergrund die Proposition interpretiert werden muss. Das kann außer einer „realen“ Topiksituation auch eine imaginäre Situation sein, wie in Romanen, Märchen oder Träumen. Klein hat mittlerweile selbst sein Topikzeitkonzept zu einem Topiksituationskonzept erweitert (siehe Klein 2008). Laut Klein umfasst die Topiksituation zwingend eine Topikzeit und einen Topikort. Zudem können aber auch eine Topikentität sowie die Topikwelt von Bedeutung sein. Diese vier Merkmale seien hauptsächlich notwendig zur Identifizierung der Topiksituation. Die Topiksituation kann sowohl satzintern, 3 wie in (5a, 5b), als auch kontextuell, wie in den Beispielen in (3), spezifiziert sein, dies wiederum kann explizit oder implizit geschehen. Sie kann aber auch außersprachlich gegeben sein, siehe (5c). (5)
a. In Berlin hat Peter mit Verena zusammen gewohnt. b. In Berlin, da hat Peter mit Verena zusammen gewohnt. c. Da kommt Peter.
In (5b) spezifiziert die PP in Berlin explizit den lokativen Aspekt der Topiksituation. Zusätzlich ist implizit die Zeitspanne (die Zeit, als Peter in Berlin lebte) gegeben. In der deiktischen Lesart von (5c) wird da benutzt, um auf den Ort zu zeigen, an dem Peter erscheint. Die Topiksituation ist hier also außersprachlich gegeben. Es ist bisher noch nicht gelungen, eine allgemein anerkannte und umfassende Formalisierung des Situationskonzepts zu erstellen (vgl. Barwise & Perry 1983, Kratzer 1989, Kratzer 2009). Auch dieser Artikel kann das nicht leisten. Für unsere Zwecke reicht ein nicht weiter formalisiertes Situationskonzept ähnlich dem von Klein (2008) aus: Eine Situation hat notwendigerweise eine räumliche und eine zeitliche Komponente, und Individuen können an einer Situation beteiligt sein. –––––––—–– 3
In Anlehnung an Salfner (2006) betrachten wir linksversetzte PPn als syntaktisch in den Matrixsatz integriert.
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Fabienne Salfner & Felix Salfner
2.2. Da als Topiksituationsproform In Salfner (2006) und Averintseva-Klisch & Salfner (2007) werden detailliert Argumente dafür diskutiert, dass sich bei linksversetzten PPn da auf die Topiksituation bezieht. Hier möchten wir nur einige davon kurz darstellen. Da kann sich auf PPn beziehen, die aus semantisch unterschiedlichen aber kohärenten Teilen bestehen, ohne dass sie eine „echte“ komplexe PP bilden, siehe (6): (6)
Auf dem Bahnhof von Biarritz jedoch, im Smalltalk mit dem jungen Mann, im vollenWartesaal in der dunklen Ecke, da beginnt ein Leuchten [...]. (Korpusbeleg, zitiert in Salfner 2006: 7)
Die ganze Sequenz aus PPn auf dem Bahnhof von Biarritz jedoch, im Smalltalk mit dem jungen Mann, im vollen Wartesaal in der dunklen Ecke beschränkt eine einzige Topiksituation, auf die sich da bezieht, d.h. da bezieht sich auf verschiedene Aspekte der Topiksituation gleichzeitig. Es handelt sich hier nicht um eine komplexe PP, da die PP im Smalltalk mit dem jungen Mann sicher nicht die lokative PP auf dem Bahnhof von Biarritz weiter modifiziert. Linksversetzung von PPn und ihre Wiederaufnahme durch da ist nur für rahmensetzende Modifikatoren möglich, die laut Maienborn (2001) inhärent eine Topiksituation beschränken. Dies ist detailliert diskutiert in Salfner (2006). Diese Beobachtung ist nicht nur auf linksversetzte PPn beschränkt, sondern lässt sich auch für rahmensetzende Adverbialsätze machen: (7)
Als Peter in den Raum schaute, da war das Licht an.
Wie in der Einleitung bereits erwähnt, kann da auch auf eine Situation zugreifen, die durch mehrere Sätze beschrieben wird. In (8) wird noch einmal ein Korpusbeleg hierfür gegeben: (8)
Ich musste also Stadtratsitzung halten mit dem Tagesordnungspunkt Grundsteuererhöhung. [...]. und die anderen sechzehn sitzen vor einem, und man sieht den Gesichtern an: „Na, wie wird sie es denn machen?“ Da habe ich mir also eine Rede zurechtgelegt [...]. (Korpusbeleg, zitiert in Ehrich 1983: 204)
Woher wissen wir, ob da sich nicht doch auf die Äußerungszeit oder auf die Ereigniszeit bezieht? Proformen für die Äußerungszeit sind beispielsweise jetzt oder in diesem Augenblick, in diesem Moment, etc. Das folgende Mini
Das Adverb da im Deutschen als eine Topiksituationsproform
215
malpaar zeigt, dass es nicht möglich ist, mit da auf die Äußerungszeit Bezug zu nehmen. Offensichtlich können (9a) und (9b) nicht dasselbe bedeuten. (9)
a. Jetzt/In diesem Augenblick landet Peter in Paris. b. Da landet Peter in Paris.
Die Frage, ob da auf die Ereigniszeit Bezug nehmen kann, ist nicht ganz so trivial. In dem folgenden Minimalpaar fallen Ereigniszeit und Topikzeit zusammen: (10)
a. Das Licht brannte von Freitag bis Montag. Währenddessen ist ganz schön viel Strom verschwendet worden. b. Das Licht brannte von Freitag bis Montag. Da ist ganz schön viel Strom verschwendet worden.
In Beispiel (10a) wird mit währenddessen eindeutig Bezug auf die Ereigniszeit genommen. Interessanterweise sieht man die Stromverschwendung nicht in Zusammenhang mit dem Ereignis ‘Licht brennen’. Es wird nichts weiter gesagt, als dass in der Zeitspanne, in der das Licht brannte, Strom verschwendet wurde. Die Verwendung von da in Beispiel (10b) dagegen führt zu einer konsekutiven Interpretation. Der Beitrag von da muss also mehr sein, als lediglich Bezug auf die Ereigniszeit zu nehmen. Betrachten wir nun ein Beispiel, in dem Topikzeit und Ereigniszeit nicht unbedingt zusammenfallen. (11)
Als ich kam, brannte das Licht. Da habe ich mich gewundert.
Egal, in welchem Zeitabschnitt das Licht tatsächlich brannte, gewundert hat sich der Sprecher nur, als er kam, also zur Topikzeit. Wie wir gezeigt haben, greift da die Topiksituation wieder auf. Diese Funktion ist nicht notwendigerweise an eine bestimmte Position von da gebunden, auch wenn da überwiegend im Vorfeld steht. Das Vorfeld ist in der Oberflächenstruktur sicher die präferierte Position für Rahmensetzer und auch für Ausdrücke, die konnektormäßig Bezug auf den Vordiskurs nehmen. Allerdings ist es auch möglich, mit einem satzinternen da auf die Topiksituation zuzugreifen, wenn das Vorfeld aus informationsstrukturellen Gründen anders besetzt sein sollte, wie zum Beispiel in (12), wo Peter als kontrastives Topik das Vorfeld besetzt. (12)
Anna kocht heute. Peter isst da (lieber) Brot.
Wir haben in diesem Abschnitt das Konzept der Topiksituation eingeführt und Beispiele angegeben, die illustrieren, dass da darauf zugreift. Im folgen-
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Fabienne Salfner & Felix Salfner
den Abschnitt geben wir einen SDRT Formalismus an, der angibt, wie sich die Topiksituation im Verlauf eines Diskurses aufbaut. Abschnitt 4 erläutert dann, worauf da zugreift und wie es interpretiert werden muss.
3. Einführung der Topiksituation in SDRT Im letzten Abschnitt wurde argumentiert, dass da eine Topiksituationsproform ist, die sich strukturell sowohl auf linksversetzte PPn als auch auf einen oder mehrere vorangehende Sätze beziehen kann. Eine Analyse kann also nicht auf Satzebene, sondern muss auf Diskursebene erfolgen. Betrachtet man Beispiele wie (3a), hier wiederholt als (13a), so fällt auf, dass die Topiksituation mit jedem Satz weiter spezifiziert wird. In (13b) hingegen besteht die Topiksituation unmittelbar vor dem da Satz lediglich daraus, dass Peter zu Hause ist. (13)
a. Es ist Sommer. Peter sitzt im Park. Er liest ein Buch. Da kommt Anna vorbei. b. Es ist Sommer. Peter sitzt im Park. Dann geht er nach Hause. Da kommt Anna vorbei.
Wir unterscheiden daher zwei Schemata, was bei der Verknüpfung zweier Diskurssegmente mit der Topiksituation passieren kann: 1.
2.
eine Verknüpfung, in der die resultierende Topiksituation aus den Topiksituationen der beiden verknüpften Diskurssegmente besteht (akkumulierende Verknüpfung) eine Verknüpfung, in der die resultierende Topiksituation lediglich aus der Topiksituation des letzten Diskurssegmentes besteht (nicht-akkumulierende Verknüpfung)
Welche der beiden Topiksituations-Verknüpfungsschemata zur Anwendung kommt, hängt dabei von der Diskursrelation ab: Beispielsweise erzwingt die Diskursrelation EXPLANATION (das Liefern einer Erklärung für einen vorangegangen Diskurs) das akkumulierende Schema. Die Diskursrelation NARRATION hingegen, die die Aufeinanderfolge verschiedener Diskurssegmente ausdrückt, hat eine nicht-akkumulierende Verknüpfung der Topiksituation zur Folge. Aus diesem Grund verwenden wir die Segmented Discourse Representation Theory (SDRT) von Asher & Lascarides (2003) zur Formalisie-
Das Adverb da im Deutschen als eine Topiksituationsproform
217
rung. Tabelle 1 listet alle „content-level relations for indicatives“ 4 aus Asher & Lascarides (2003) auf und gibt an, welches Verknüpfungsschema bei welcher Relation zur Anwendung kommt. Die in der Tabelle angegebenen Beispiele bestehen jeweils aus drei Sätzen: Zwischen den ersten beiden Sätzen besteht die jeweilige Diskursrelation. Der dritte Satz wird mit da eingeleitet, um deutlich zu machen, was die Topiksituation nach der Verknüpfung der ersten beiden Sätze umfasst. Relation ALTERNATION
Typ akkumulierend
BACKGROUND
akkumulierend
CONSEQUENCE
akkumulierend
CONTINUATION
akkumulierend
DEFCONSEQUENCE
akkumulierend
ELABORATION
akkumulierend
EXPLANATION
akkumulierend
NARRATION
nichtakkumulierend
RESULT
akkumulierend
Beispiel Entweder es gibt kein Bad oder es ist gut versteckt. Da wasche ich mir die Hände in der Küche. Max öffnete die Tür. Der Raum war stockdunkel. Da fürchtete er sich. Wenn es ein Bad gibt, dann ist es gut versteckt. Da wasche ich mir die Hände in der Küche. Der Lehrer bat die Schüler, nach der verlorenen Katze zu suchen. John schaute unter dem Tisch. Mary schaute im Garten. Da kam Tom vorbei. Wenn John tauchen geht, bringt er seinen Lungenautomaten mit. Da kann nichts schief gehen. Max hatte gestern einen wunderbaren Abend. Er hat Lachs gegessen und war tanzen. Da fühlte er sich seit langem mal wieder wohl. Max fiel hin. John schubste ihn. Da schimpfte die Lehrerin. Max kam ins Zimmer. Er setzte sich hin. Er zündete sich eine Zigarette an. Da ging der Rauchmelder an. John schubste Max. Er fiel hin. Da schimpfte die Lehrerin.
Tab. 1: Tabellarische Übersicht, welche der „content-level relations for indicatives“ das akkumulierende bzw. nicht-akkumulierende Schema der TopiksituationsVerknüpfung hervorrufen. Die angegebenen Beispiele bestehen jeweils aus drei Sätzen: Zwischen den ersten beiden Sätzen (entnommen aus Asher & Lascarides 2003) besteht die jeweilige Diskursrelation. Der dritte Satz führt den Diskurs fort. Er wird mit da eingeleitet, um deutlich zu machen, ob die Topiksituation bei der Verknüpfung der ersten beiden Sätze akkumuliert wurde oder nicht.
–––––––—–– 4
Das sind Relationen, deren Semantik vollständig mittels Ereignissen und Individuen, die durch die Konstituenten eingeführt werden, definiert sind. (vgl. Asher & Lascarides 2003)
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Fabienne Salfner & Felix Salfner
Zur Formalisierung führen wir folgende Ergänzungen in SDRT ein: – – –
zusätzliche Diskursreferenten si, die jeweils eine Topiksituation referenzieren eine Funktion sit(ʌ), die die Topiksituation zu einem Diskurssegment ʌ liefert eine Relation part-of-topsit(s1, s2) die zwei Topiksituationen s1 und s2 in Bezug setzt.
In den folgenden Abschnitten integrieren wir zunächst die Topiksituation auf atomarer Satzebene und definieren dann, was mit der Topiksituation bei der Verknüpfung zweier Diskurssegmente geschieht. Abschließend erläutern wir den Formalismus anhand eines Beispiels. Die Rolle und Interpretation von da wird dann in Abschnitt 4 diskutiert. 3.1. Die Topiksituation auf atomarer Satzebene Asher & Lascarides (2003) definieren eine Segmented Discourse Representation Structure (SDRS) als ۃA,F,LAST ۄwobei A eine Menge von Labels, F eine Funktion, die einem Label aus A eine SDRS-Formel zuweist, und LAST ein Label אA ist, das auf den Inhalt des zuletzt hinzugefügten Satzes verweist. 5 Jede SDRS-Formel besteht aus logischen Formen der atomaren natürlichsprachlichen Sätze, die hierarchisch zu komplexeren logischen Formen aggregiert werden, so dass sie eine semantische Repräsentation des Diskurses darstellen. Diese hierarchische Aggregation wird in der Regel mit Hilfe ineinander geschachtelter Boxen visualisiert. Im Folgenden verwenden wir ausschließlich diese grafische Notation, sie lässt sich jedoch direkt auf die zugrundeliegende Verknüpfung der logischen Ausdrücke der Diskurssegmente abbilden. Wie im Abschnitt 2 erwähnt, ist die Topiksituation in der Regel nicht vollständig durch overtes Material repräsentiert und umfasst mehr als die Ereignisse und Individuen der logischen Form des Satzes. Wie ebenfalls in Abschnitt 2 erwähnt, finden sich in der Literatur verschiedene Ansätze zur Formalisierung von Situationen, allerdings geht keine davon weit genug. Zur Einführung einer Topiksituation in SDRT und die anschließende Analyse von da ist es jedoch ausreichend, die folgende Funktion sit(ʌ) anzunehmen:
–––––––—–– 5
Dies ist nötig, um einen Ausgangspunkt für die Suche nach einem Anknüpfungspunkt für nachfolgende Sätze zu haben.
Das Adverb da im Deutschen als eine Topiksituationsproform
219
s=sit(ʌ) liefert die Topiksituation s für das Diskurssegment mit dem Label ʌ. (14) zeigt ein einfaches Beispiel. (14)
ʌ1: Anna kocht.
sit(ʌ1) liefert dann die Topiksituation des Satzes ʌ1, also den Ort, die Zeit, etc., an der Anna kocht 3.2. Verknüpfung zweier Diskurssegmente In SDRT werden einzelne Diskurssegmente mit Hilfe von Diskursrelationen verbunden, das heißt, die einzelnen SDRSen der zu verknüpfenden Diskurssegmente werden zu einer größeren Struktur aggregiert. Es stellt sich jedoch die Frage, was bei der Aggregation mit der Topiksituation geschieht. Wie eingangs erwähnt, findet in Abhängigkeit der zugrundeliegenden Diskursrelation entweder eine akkumulierende oder eine nicht-akkumulierende Aggregation der Topiksituationen statt. Zur Formalisierung definieren wir eine Relation part-of-topsit (s1,s2), die genau dann gilt, wenn die durch s1 ausgedrückte Topiksituation in der durch s2 ausgedrückten Topiksituation enthalten ist. Mit Hilfe von part-of-topsit (s1,s2) und sit(ʌ) sind wir nun in der Lage, die akkumulierende bzw. nicht-akkumulierende Aggregation der Topiksituation zu beschreiben. Wir betrachten die Aggregation zweier DiskurssegmentSDRSen mit den Labels ʌ1 und ʌ2 zu einer aggregierten SDRS mit dem Label ʌ0. Die zugrundeliegende Diskursrelation sei R(ʌ1,ʌ2). Bezüglich der resultierenden Topiksituation s0 – also der Topiksituation für die SDRS mit dem Label ʌ0, die sich nach der Verknüpfung der zwei Diskurssegmente ergibt – ist die Idee, dass ʌ2 -
bei akkumulierender Aggregation s0 sowohl die Topiksituation von ʌ1 als auch von ʌ2 enthält. Es gilt also part-of-topsit (sit(ʌ1),s0) und part-oftopsit (sit(ʌ2),s0). bei nicht-akkumulierender Aggregation s0 lediglich die Topiksituation von ʌ2, nicht aber die Topiksituation von ʌ1 enthält. Es gilt also ebenfalls part-of-topsit (sit(ʌ2),s0), nicht aber part-of-topsit (sit(ʌ1),s0).
220
Fabienne Salfner & Felix Salfner
Dies ist in Abbildung 1 grafisch dargestellt. ʌ1, ʌ2, ʌ0 Akkumulierende Aggregation
Nicht-akkumulierende Aggregation
ʌ1, ʌ2, s0
ʌ1, ʌ2, s0
x1 … xn s1 ʌ1:
ʌ2:
ʌ1:
C1,…, Cn
y1 … yn s2
ʌ0:
x1 … xn s1
D1,…, Dn
part-of-topsit (sit(ʌ1),s0) part-of-topsit (sit(ʌ2),s0) R(ʌ1, ʌ2)
C1,…, Cn
y1 … yn s2
ʌ0: ʌ2:
D1,…, Dn
¬part-of-topsit (sit(ʌ1),s0) part-of-topsit (sit(ʌ2),s0) R(ʌ1, ʌ2)
Abb. 1: Aggregation zweier Diskurssegmente ʌ1 und ʌ2 zu einem Diskurssegment ʌ0 unter Verwendung der Diskursrelation R(ʌ1,ʌ2)
Im Vergleich zur klassischen SDRT unterscheiden sich die resultierenden SDRSen ʌ0 lediglich durch die zusätzlichen Diskursreferenten si sowie durch jeweils zwei zusätzliche Prädikate partíofítopsit. 3.3. Ein Beispiel Betrachten wir zur Verdeutlichung das folgende Beispiel, das zusammen mit (17) in Abschnitt 4 ein Minimalpaar mit und ohne da darstellt: (15)
ʌa: Anna erwartet einen Gast. ʌb: Sie kocht Nudeln. ʌc: Peter klingelt.
Die Diskursrelation zwischen (ʌa) und (ʌb) ist ELABORATION, die Anbindung von (ʌc) ist ambig. Es kommen sowohl NARRATION, CONTINUATION, als auch BACKGROUND in Frage, wobei BACKGROUND hier die wahrscheinlichste Diskursrelation ist. Da allerdings nicht klar ist, ob der Kochvorgang beim Klingeln bereits abgeschlossen ist oder nicht, können NARRATION und CONTINU-
Das Adverb da im Deutschen als eine Topiksituationsproform
221
nicht ausgeschlossen werden. Um sowohl eine akkumulierende als auch eine nicht-akkumulierende Diskursrelation zu zeigen, verwenden wir hier NARRATION. (16) gibt eine SDRS für (15) an, allerdings ohne auf Feinheiten wie mögliche Präsuppositionen näher einzugehen. In gleicher Weise haben wir auch unspezifizierte Pronomen sogleich aufgelöst und Identitäten nicht extra im Kopf der SDRSen aufgeführt. ATION
ʌ1 ʌc s0
(16)
a ʌa ʌb s1
ʌa:
g e1 Anna (a) Gast (g) erwarten (e1, a, g)
ʌb:
d e2 Nudeln (d) kochen (e2, a, d)
ʌ1:
ʌ0:
(ʌa, ʌb) part-of-topsit (sit(ʌa),s1) part-of-topsit (sit(ʌb),s1) ELABORATION
ʌc:
p e3 Peter (p) klingeln (e3)
(ʌ1, ʌc) part-of-topsit (sit(ʌc),s0) ¬part-of-topsit (sit(ʌ1),s0) NARRATION
Abb. 2: SDRS für Bsp. (15)
Im ersten Aggregationsschritt werden die atomaren Sätze ʌa und ʌb zu ʌ1 aggregiert. Da die Diskursrelation zwischen ʌa und ʌb ELABORATION ist, kommt das akkumulierende Schema zur Aggregation der Topiksituation zum Einsatz. Durch die zwei partíofítopsit Prädikate werden dabei die Situation, dass Anna einen Gast erwartet (sit(ʌa)) und dass sie Nudeln kocht (sit(ʌb)) in die Topiksituation von ʌ1 integriert, und es entsteht ein Diskursreferent s1. Die Topiksituation der Aggregation aus ʌa und ʌb ist also, dass ‘Anna einen Gast erwartet und Nudeln kocht’. Im zweiten Schritt werden ʌ1 und ʌc zu ʌ0 durch die Diskursrelation NARRATION verbunden, die eine nicht-
222
Fabienne Salfner & Felix Salfner
akkumulierende Aggregation der Topiksituation nach sich zieht. Daher enthält die resultierende Topiksituation s0 lediglich die Topiksituation von ʌc, also dass ‘Peter klingelt’. Das ‘Gast erwarten und Nudeln kochen’ gehört nicht mehr zur Topiksituation von ʌ0. Durch den hier vorgestellten Formalismus haben wir ein theoretisches Gerüst, das im Rahmen von SDRT angibt, was in der Topiksituation eines Diskurssegments enthalten ist, und wie sich Diskurssegmente zu größeren Segmenten aggregieren lassen. Wir sind also in der Lage (grob) zu spezifizieren, worauf da in einem nachfolgenden Satz Bezug nimmt. Wie bereits eingangs erwähnt, liefert auch diese Arbeit keine eindeutige Definition, welche Aspekte wie z.B. Zeit, Ort, und eventuell weitere nicht-sprachlich gegebene Aspekte in der Topiksituation enthalten sind. Im nächsten Abschnitt wenden wir uns da zu und versuchen zu erklären, worauf da sich bezieht und woraus die verschiedenen Interpretationen von da (lokal, temporal, konsekutiv, final) resultieren.
4. Eine Analyse für da Wir analysieren da als Operator, als einen lexikalischen Hinweis darauf, dass das Ereignis seines Matrixsatzes vor dem Hintergrund der im Diskurs aktuell prominenten Topiksituation interpretiert werden muss. Da hat also keine eigenständige lexikalische Semantik. Wir schlagen vor, dass da eine Relation triggert, die den Matrixsatz in der Topiksituation des vorangehenden Satzes verankert, und die wir localize(ʌ,s) nennen, wobei die „Lokalisierung“ als nicht notwendigerweise lokativ zu verstehen ist. Vielmehr kann da auch temporal, konsekutiv und final interpretiert werden. Die Interpretation hängt jeweils von der zugrundeliegenden Diskursrelation ab, wie wir in Abschnitt 4.2 zeigen werden. 4.1. Bezug zwischen da und der Topiksituation in SDRT Als korrespondierendes Beispiel zu (15) soll nun ein Beispiel mit da analysiert werden: (17)
ʌa: Anna erwartet einen Gast. ʌb: Sie kocht Nudeln. ʌc: Da klingelt Peter.
Wir analysieren da als Topiksituationsproform. Etwas genauer ausgedrückt
Das Adverb da im Deutschen als eine Topiksituationsproform
223
ist unsere These, dass sich da stets auf die zum Zeitpunkt vor der Aggregation aktuelle Topiksituation bezieht. Wird also ein Diskurssegment ʌ2, das da als Topiksituationsproform enthält, durch die Diskursrelation R(ʌ1,ʌ2) mit einem Diskurssegment ʌ1 verbunden, bezieht sich da auf die Topiksituation des Diskurssegmentes, mit dem es verbunden wird, also auf die Topiksituation s1 des Diskurssegmentes ʌ1. Im Beispiel (17) bezieht sich das da in Satz ʌc also auf die Topiksituation des Diskurssegmentes, das aus der Aggregation von ʌa und ʌb entsteht, wie aus der SDRS (18) für (17) ersichtlich wird. Zur VereinK fachung erfolgt die Darstellung verkürzt unter Verwendung von ʌa und K ʌb, die die logischen Formen der atomaren Sätze ʌa bzw. ʌb repräsentieren. (18) ʌ1 ʌc s0 a ʌa ʌb s1 ʌa:
K
ʌa
ʌb:
K
ʌb
ʌ1: (ʌa, ʌb) part-of-topsit (sit(ʌa),s1) part-of-topsit (sit(ʌb),s1) ELABORATION
ʌ0: ʌc:
p e3 Peter(p) klingeln(e3)
(ʌ1, ʌc) localize (ʌc, sit(ʌ1)) part-of-topsit (sit(ʌc),s0) part-of-topsit (sit(ʌ1),s0) BACKGROUND
Abb. 3: SDRS für Bsp. (17)
Da setzt als Topiksituationsproform das Diskurssegment ʌc in Bezug zu ʌ1, genauer gesagt zur Topiksituation von ʌ1. Dies wird durch das Prädikat localize(ʌc, sit(ʌ1)) ausgedrückt. Das heißt, in dem Moment, in dem Peter klingelt, herrscht die Situation dass ‘Anna einen Gast erwartet und Nudeln kocht’. Das Diskurssegment ʌc wird durch da also in der Situation, in der ‘Anna einen Gast erwartet und Nudeln kocht’, lokalisiert. Da das Klingeln durch da eindeutig mit dem Kochen in Überlappung gebracht wird, sind die Diskursrelationen NARRATION und CONTINUATION nicht mehr verfügbar. Es bleibt als einzig mögliche Diskursrelation BACKGROUND, wie in folgendem Abschnitt erläutert werden wird. 4.2. Zusammenspiel von Diskursrelationen und der Interpretation von da
224
Fabienne Salfner & Felix Salfner
Die SDRT legt sich im Allgemeinen nicht auf eine Diskursrelation zwischen zwei Diskurssegmenten fest, sondern berücksichtigt alle möglichen Diskursrelationen. Die Verwendung von da schränkt die Anzahl der möglichen Relationen erheblich ein, woraus sich ableiten lässt, dass Sprecher da gezielt einsetzen, um eine Diskursrelation zu forcieren oder zumindest die Präferenz zu verschieben. Insofern beeinflusst das Vorhandensein von da die zugrundeliegende Diskursrelation. Umgekehrt bestimmt die Diskursrelation, wie da verstanden wird. Von dem Inventar der in Asher & Lascarides (2003) angegebenen Relationen sind lediglich die Content-Level Diskursrelationen BACKGROUND, CONSEQUENCE, DEF-CONSEQUENCE und RESULT zwischen einem Satz, der da enthält, und einem ihm vorangehenden Diskurssegment möglich, wie die folgenden Beispiele illustrieren: (19)
a. *Entweder gibt es kein Bad oder da ist es an einem komischen Ort. (Alternation) b. Als Max die Tür öffnete, da war der Raum dunkel. (Background) c. Wenn es eine Sturmwarnung gibt, da ist das Betreten des Deiches verboten. (Consequence) d. Der Lehrer bittet die Schüler, nach der Katze zu suchen. Da schaut John unter den Tisch. (# Continuation) e. Wenn Peter die Vase kaputt macht, da weint Verena. (Def-Consequence) f. Max hatte ein leckeres Essen gestern Abend, da aß er Unmengen von Lachs. (#Elaboration) g. Max fiel hin. Da hat John ihn geschubst. (# Explanation) h. Max kam ins Zimmer. Da setzte er sich hin. (# Narration) i. John schubste Max. Da fiel Max hin. (Result)
Die interessanten Beispiele sind hier (19a), (19d), (19f), (19g) und (19h). Obwohl diese Beispiele mit Ausnahme von (19a) prinzipiell möglich sind, führt die Einfügung von da jeweils zu einer anderen als der intendierten Interpretation. In Beispiel (19a) entsteht unter der Verwendung von da kein kohärentes Diskurssegment. In (19d) ist die bevorzugte Diskursrelation RESULT statt CONTINUATION. (19f) wird bevorzugt als BACKGROUND verstanden. Beispiel (19g) wird als RESULT verstanden. In Beispiel (19h) ist nach der
Das Adverb da im Deutschen als eine Topiksituationsproform
225
Einfügung von da ebenfalls RESULT die bevorzugte Lesart, in der interessanterweise er nicht mit Max koreferent ist. Die Einführung von da erzwingt also jeweils eine Interpretation innerhalb der vier oben genannten zulässigen Diskursrelationen. Exakt die gleichen Relationen kann man auch bei linksversetzten PPn beobachten. (20)
a. In Berlin, da hat Peter mit Verena zusammen gewohnt. (Background) b. Bei Regen, da gehen wir ins Haus. (Def-Consequence) c. Bei Stromausfall, da fällt die Heizungspumpe aus. (Consequence) d. Von Parfüm, da kriegt Peter Ausschlag. (Result)
Dass satzintern zwischen einer PP und dem Rest des Satzes eine Kohärenzrelation vorliegen kann, wird in Grabski & Stede (2006) am Beispiel von beiPPn gezeigt. Bezüglich der nicht Content-level Relationen steht eine genauere Analyse noch aus, eine Anbindung mit da scheint jedoch nicht möglich zu sein, wie wir am Beispiel von CONCESSION, die bei Asher & Lascarides (2003: 145) unter der Text-Structuring-Level Relation CONTRAST subsumiert ist, zeigen: (21)
a. Obwohl es regnet, gehen wir spazieren. b. *Obwohl es regnet, da gehen wir spazieren.
Ein Bezug von da auf den vorhergehenden Satz ist offensichtlich nicht möglich. Dasselbe trifft auf linksversetzte konzessive PPn zu: (22)
a. Trotz des Regens gehen wir spazieren. b. *Trotz des Regens, da gehen wir spazieren.
In Abschnitt 1 haben wir argumentiert, dass da temporal, lokativ, konsekutiv oder final interpretiert werden kann. All diese Interpretationen verstehen wir im weiteren Sinne als „lokalisieren“ des da-Satzes in der Topiksituation. Auch wenn wir keine vollständige, formale Lösung des Interpretationsproblems angeben können, diskutieren wir nun verschiedene Interpretationen und geben Gründe an, warum in bestimmten Konstellationen eine spezielle Interpretation in den Vordergrund tritt. Betrachten wir zunächst (23) im Vergleich zu (24). In (23b) wird da temporal verstanden, in (24b) jedoch konsekutiv.
226 (23)
Fabienne Salfner & Felix Salfner a. Anna kocht. Es klingelt. b. Anna kocht. Da klingelt es.
Beispiel (23a) ist bezüglich der Diskursrelation ambig. Es könnte sowohl NARRATION vorliegen, wenn die Ereignisse nacheinander stattfinden, als auch BACKGROUND, wenn sich die Ereignisse zeitlich überlappen. In (23b) jedoch ist nur BACKGROUND möglich, denn es liegt eine zeitliche Überlappung vor, da da ja das Ereignis in den Rahmen der Topiksituation setzt. Durch die zeitliche Überlappung erhält da eine temporale Interpretation. (24)
a. Anna kocht. Peter isst ein Brot. b. Anna kocht. Da isst Peter ein Brot.
In (24b) wird da konsekutiv interpretiert. Die Frage ist hier, warum man nicht einfach der Argumentation für Beispiel (23b) folgen und da temporal interpretieren kann. In gewisser Weise stehen ‘Annas kochen’ und ‘Peters Brot essen’ in einem Kontrast zueinander. Wenn der Sprecher sich nun die Mühe macht, das ‘Brot essen’ explizit in einen Bezug zu der ‘Anna kocht’-Situation zu bringen, wird er seine Gründe dafür haben. Man erhält die Relevanzimplikatur, dass das Kochen die Ursache für das Brot essen ist, und somit die konsekutive Interpretation von da. Die zugrundeliegende Diskursrelation ist DEFCONSEQUENCE. Die Interpretation in (24a) ist also ‘Peter bevorzugt Brot essen gegenüber kochen’, in (24b) durch das Vorkommen von da ist die Interpretation jedoch ‘Peter bevorzugt Brot essen gegenüber dem Kochen von Anna’. Liegt die Relation CONSEQUENCE vor, führt dies ebenfalls zu einer konsekutiven Interpretation von da. Beispiel (3c) hier wiederholt als (25) illustriert, dass die Relation RESULT zu einer finalen Interpretation von da führt: (25)
Peter mietet sich ein Büro. Da kann er endlich in Ruhe arbeiten.
5. Fazit Ziel dieses Artikels war eine Formalisierung der Beziehung zwischen da und der Topiksituation, auf die da Bezug nimmt, im Rahmen der SDRT. Dazu haben wir zunächst die SDRT um das Konzept der Topiksituation erweitert, indem wir eine Topiksituationsvariable und zwei Relationen sit(ʌ) und partof-topsit(si,sj) eingeführt haben. Wir unterscheiden zwei Schemata, wie sich
Das Adverb da im Deutschen als eine Topiksituationsproform
227
die Topiksituation bei Aggregation zweier Diskurssegmente zusammensetzt: Ein akkumulierendes Schema, bei dem beide Diskurssegmente zur Topiksituation beitragen und ein nicht-akkumulierendes Schema, bei dem lediglich die zweite Topiksituation beibehalten wird. Welches der beiden Schemata zum Einsatz kommt, wird durch die Diskursrelation bestimmt. Tritt ein Satz mit da auf, wird eine Relation localize(ʌ,s) getriggert, die den Matrixsatz von da in der Topiksituation des vorhergehenden Diskurssegments verankert. Die Verwendung von da ist nur für die Diskursrelationen BACKGROUND, CONSEQUENCE, DEF-CONSEQUENCE und RESULT möglich. Somit wird die Menge der möglichen Diskursrelationen für die Anknüpfung eines da-Satzes auf diese vier Relationen eingeschränkt. Umgekehrt bestimmt die Diskursrelation, ob da temporal, lokativ, konsekutiv oder final interpretiert wird.
Literatur Asher, Nicolas & Alex Lascarides (2003): Logics of Conversation. – Cambridge: Cambridge University Press. Austin, John Langshaw (1970): „Truth.“ – In: J.O. Urmson, G.J. Warnrock (eds.): J. L. Austin. Philosophical Papers, 117–133. Oxford: Oxford University Press. Averintseva-Klisch, Maria & Fabienne Salfner (2007): „German PP-dislocations to the Left and to the Right: Against a Symmetric Approach.“ – In: E. PuigWaldmüller (ed.): Proceedings of the Sinn und Bedeutung 11, 46–62. Barwise, Jon & John Perry (1983): Situations and Attitudes. – Cambridge: MIT Press. Ehrich, Veronika (1983): „Da im System der lokalen Demonstrativadverbien des Deutschen.“ – In: Zeitschrift für Sprachwissenschaft 2(2), 197–219. Grabski, Michael & Manfred Stede (2006): „‘bei’: Intra-clausal Coherence Relations Illustrated with a German Preposition.“ – In: Discourse Processes 41(2), 195– 219. Klein, Wolfgang (1994): Time in Language. – London, New York: Routledge. – (2008): „The topic situation.“ – In: B. Ahrenholz et al. (Hgg.) Empirische Forschung und Theoriebildung. Beiträge aus Soziolinguistik, GesprocheneSprache- und Zweitspracherwerbsforschung. Festschrift für Norbert Dittmar zum 65. Geburtstag, 287–306. Frankfurt a. M. u.a.: Lang. Kratzer, Angelika (1989): „An investigation of the lumps of thought.“ – In: Linguistics and Philosophy 12, 607–653. – (2007): „Situations in Natural Language Semantics.“ – In: The Stanford Encyclopedia of Philosophy. Stanford: The Metaphysics Research Lab. http://plato.stanford.edu/entries/situations-semantics/ – (2009): „Situations in Natural Language Semantics (revised).“ – In: The Stanford Encyclopedia of Philosophy. Stanford: The Metaphysics Research Lab. http://plato.stanford.edu/entries/situations-semantics/
228
Fabienne Salfner & Felix Salfner
Maienborn, Claudia (2001): „On the Position and Interpretation of Locative Modifiers.“ – In: Natural Language Semantics 9, 191–240. – (2003): Die logische Form von Kopula-Sätzen. – Berlin: Akademie Verlag. Salfner, Fabienne (2006): „Semantic of Left-dislocated Prepositional Phrases.“ – In: Proceedings of the First Central European Student Conference in Linguistics. Budapest. http://www.nytud.hu/cescl/proceedings.html Zifonun, Gisela, Ludger Hoffmann & Bruno Strecker (1997): Grammatik der deutschen Sprache. – Berlin: de Gruyter (Schriften des IDS 7.1–3).
Frederike Eggs
Zur Funktionalität des Konnektors geschweige denn 1
Die Syntax von geschweige denn, insbesondere die Frage der Wortartenzugehörigkeit, ist bereits von Pasch (2000) und Pasch et al. (2003) ausführlicher behandelt worden. Ihre Ergebnisse werden hier nur kurz dargestellt und in erster Linie hinsichtlich der Frage nach Art und Form der Negation im ersten Konnekt präzisiert (§ 1). Die Bedeutung und Funktion des zusammengesetzten Konnektors geschweige denn ebenso wie die der durch ihn miteinander verbundenen Konnekte ist hingegen bislang noch nicht befriedigend beschrieben worden. 2 Daher sollen eben diese Fragen im Zentrum dieses Beitrags stehen. These hierbei ist, dass sich für alle Verwendungen von geschweige denn eine Grundbedeutung nachweisen lässt, welche aus seiner Etymologie abgeleitet werden kann. Aus diesem Grund werden in § 2 zunächst die für die Formulierung dieser Grundbedeutung relevanten Etappen der Entstehungsgeschichte von geschweige denn skizziert. § 3 widmet sich sodann detailliert dem aktuellen Gebrauch von geschweige denn. Gezeigt wird, dass hier zwei verschiedene Typen bzw. Gebräuche zu unterscheiden sind – der auf einem a fortiori-Schluss beruhende dekrementiv-konklusive Gebrauch auf der einen Seite (§ 3.1.) und der dekrementiv-koorientierende Gebrauch auf der anderen Seite (§ 3.2.).
–––––––—–– 1
2
Für kritische Anmerkungen zu Vorversionen dieses Beitrags danke ich Ludger Hoffmann, Ekkehard Eggs sowie den beiden anonymen Gutachtern. In dieser Hinsicht am ergiebigsten sind die Überlegungen, die im Rahmen der Construction Grammar zum englischen let alone angestellt worden sind (vgl. Fillmore et al. 1988 bzw. Croft/Cruse 2004). Das englische let alone entspricht zum Teil dem deutschen geschweige denn (zum Unterschied zwischen beiden vgl. Anm. 35, S. 249). Für die Construction Grammar stellt let alone insofern eine ‚construction par excellence’ dar, als seine syntaktischen, semantischen und pragmatischen Eigenschaften gerade nicht aus denen seiner Bestandteile abgeleitet werden können. Aus diesem Grund wird es in der Construction Grammar als ‚formal idiom’ gehandelt (vgl. Fillmore et al. 1988: 510).
230
Frederike Eggs
1. Vorbemerkungen zum heutigen Gebrauch Die einzige Grammatik, die geschweige denn wenigstens kurz erwähnt, ist die Textgrammatik von Harald Weinrich (2005). Sie charakterisiert es als komplexen Negations-Junktor, dessen Funktion darin bestehe, eine voraufgehende Negation noch weiter zu verstärken (vgl. ebd. 876) 3 : (1)
Ein so großes Wörterbuch wie das der Gebrüder Grimm wurde seither in Deutschland nicht mehr angefangen, geschweige denn fertiggestellt. (ebd.)
(2)
Die RIAA hat erneut 41 Klagen gegen Nutzer von Tauschbörsen eingereicht. Zumindest bei einer der Klagen scheint sich der Musikverband aber mal wieder getäuscht zu haben. Zu den Verklagten gehört nämlich Ernest Brenot aus Ridgefield, im Bundesstaat Washington. Das Problem: Brenot ist 79 Jahre alt und besitzt nicht mal einen PC geschweige denn einen Internet-Anschluss. (http://www.pcwelt.de/ start/dsl_voip/archiv/36173/malheur_riaa_verklagt_rentner_der_mit_pcs_ nichts_am_hut_hat/, 13.2.2009)
Der zusammengesetzte Ausdruck geschweige denn induziert also eine Graduierung der beiden involvierten Sachverhalte, und zwar, so viel sei an dieser Stelle bereits festgehalten, hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit (so auch Pasch 2000: 8f.): Im ersten Konnekt wird das Nicht-Vorliegen des Wahrscheinlicheren behauptet, im zweiten dagegen das Nicht-Vorliegen des weniger Wahrscheinlichen. Das im externen Konnekt zum Ausdruck Gebrachte trifft nicht zu, und – da es weniger wahrscheinlich ist – das im internen Konnekt zum Ausdruck Gebrachte erst recht nicht. Dies erklärt auch die in vielen Wörterbüchern angegebene Austauschbarkeit von geschweige denn durch (und) erst recht nicht und (und) schon gar nicht (vgl. etwa Duden 2007: 682 bzw. Kempcke 2000: 405): –––––––—–– 3
Dieses Sich-Ausschweigen der Grammatiken ist insofern erstaunlich, als der Gebrauch von geschweige denn außerordentlich verbreitet zu sein scheint. Im Internet etwa lassen sich mühelos zahllose Belege für seine Verwendung finden, wobei es hier auffallend häufig in Foren zu finden ist, in einem Kontext also, in dem, wie auch die entsprechenden Beispiele dieses Beitrags zeigen (vgl. z.B. (25), (35) oder auch (44)), eher kolloquial formuliert, mithin in vielem die spontane gesprochene Sprache imitiert wird. Die Behauptung, geschweige denn werde vornehmlich in der geschriebenen Sprache verwendet (vgl. Pasch 2000: 1 bzw. Pasch et al. 2003: 606), muss somit angezweifelt werden.
Zur Funktionalität des Konnektors ‚geschweige denn’ (2)’
231
Brenot ist 79 Jahre alt und besitzt nicht mal einen PC und erst recht keinen Internet-Anschluss.
und macht gleichzeitig den wesentlichen Unterschied von geschweige denn gegenüber weder … noch aus, mit dem ja gerade keine Graduierung der beiden negierten Sachverhalte vorgenommen wird: (2)’’
Brenot ist 79 Jahre alt und besitzt weder einen PC noch einen InternetAnschluss.
Mit dem additiv-negierenden weder … noch stimmt es freilich darin überein, dass es ebenso wie dieses das einschlägige semantische Kriterium für eine koordinative Verknüpfung erfüllt: Aus den Bedeutungen der beiden Konnekte lässt sich immer eine begriffliche Einordnungsinstanz abstrahieren, unter die sie subsumiert werden können, ein Common Integrator (CI) also (vgl. Lang 1991: 605ff.); in (2) etwa ließe sich dieser als „Dinge, die Ernest Brenot nicht besitzt“ bestimmen. 1.1. Zur Frage der Wortart von geschweige denn Syntaktisch ist geschweige denn, wie die neuere Forschung gezeigt hat, schwer zu klassifizieren. Zwar weist es – insbesondere bei der Verknüpfung von nichtsatzförmigen Einheiten – ebenfalls konjunktorartige Züge auf (vgl. (1) und (2), wo jeweils funktional gleichartige Formelemente miteinander verbunden werden) 4 ; bei der Verknüpfung von satzwertigen Größen weicht sein Verhalten hingegen in mehreren Hinsichten von dem koordinierender Konnektoren ab. So kann das durch geschweige denn angebundene, so genannte ‚interne Konnekt’ (im Folgenden auch K2) ein durch dass subordinierter Verbletztsatz sein, ohne dass parallel zu diesem auch das ‚externe Konnekt’ (im Folgenden auch K1) ein Nichtsatz sein müsste (vgl. Pasch 2000: 2 bzw. Pasch et al. 2003: 609): 5
–––––––—–– 4
5
Auch das englische let alone wird als koordinierende Konjunktion eingeordnet, da es zwei syntaktisch gleichwertige Größen miteinander verbindet (vgl. Fillmore et al. 1988: 514). Ich spreche im Folgenden statt vom ‚externen Konnekt’ auch vom ‚ersten Konnekt’ (kurz: ‚K1’) und statt vom ‚internen’ bzw. ‚geschweige denn-Konnekt’ auch vom ‚zweiten Konnekt’ (kurz: ‚K2‘).
232 (3)
Frederike Eggs Wo der Mensch in die Natur eingreift, seinen Wohlstandsmüll ablädt, mit schwerem Arbeitsgerät den Boden zerfurcht, wächst kein Gras mehr, geschweige denn, dass sich dort Leben entwickelt. (Frankfurter Rundschau, 4.9.1999, R99/SEP.71121)
Gegen eine Klassifizierung als Konjunktor spricht auch, dass geschweige denn keinem deklarativen Verbzweitsatz vorangehen kann; stattdessen tritt es in diesem Fall in dessen Vorfeld auf, verhält sich mithin wie eine verknüpfende Einheit mit Satzgliedstatus, wie ein Adverbkonnektor also (vgl. Pasch et al. 2003: 608f.): (4)
Das ist jetzt unser drittes Essen hier und niemals schaut man uns an, wenn man uns das Essen bringt, geschweige denn fragt irgendjemand, ob es geschmeckt habe [...]. (http://www.n48e11.de/8.Berichte.html?lc%5Bstart%5D=200804 21,7.8.2008)
Anders als solche ‚konnektintegrierbaren Konnektoren’ 6 ist es allerdings wiederum nicht mittelfeldfähig (vgl. Pasch et al. 2003: 610f.). Pasch et al. (2003: 606ff.) führen geschweige denn konsequenterweise unter den so genannten „Einzelgängern“ auf. Dabei wird dieser Einzelgänger aktuell sowohl mit als auch ohne unmittelbar folgendes denn verwendet, wobei nach Pasch et al. (2003: 606) die Variante ohne denn im Schwinden ist. Ein Bedeutungsunterschied zwischen beiden ist nicht festzustellen. 1.2. Zur Frage nach Art und Form der Negation im ersten Konnekt Wie die Beispiele (5) und (6) zeigen, konnte geschweige denn noch im 17. und 18. Jh. auch nach einem positiven ersten Konnekt zum Einsatz kommen (vgl. etwa Paul 2002: 403 oder auch Götze 1939, Bd. 3, 137) 7 : Seine Bedeu–––––––—–– 6
7
Hierzu zählen etwa die Konnektivpartikeln allerdings oder dennoch oder auch das Adverb trotzdem. Für sein französisches Pendant a fortiori gilt dies noch heute, wie (ii) gegenüber (i) zeigt: (i) Tu sais, quand on n’a pas de sous, on prend pas de chien, et a fortiori pas de chien pure race, et encore moins une race à la mode!!! (de.answers.yahoo. com/question/index?qid=20070801102142AA2Q1xS, 16.7.2008) (ii) Ce devait être fameux, je suis fan de l’ail et a fortiori de l’ail nouveau... (http://chezbergeou.canalblog.com/archives/2007/07/03/5497847.html, 16.7.2008)
Zur Funktionalität des Konnektors ‚geschweige denn’
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tung konnte also ursprünglich nicht nur mit und erst recht nicht, sondern auch mit und erst recht paraphrasiert werden; die vorgenommene Graduierung ist in diesem Fall also genau umgekehrt: vom weniger Wahrscheinlichen im ersten Konnekt hin zum Wahrscheinlicheren im zweiten Konnekt: (5)
sie (geldverschreibung) ist so auffgesetzet, dasz sich ein hundsbube, geschweige denn ein edelmann derer schämen musz. (A. Gryphius, 1698., zit. nach Grimm/Grimm, Bd. 5, Sp. 3989)
(6)
dem Ruhm opfern sie Alles auf, Vater, Brüder, Söhne, Weib, geschweige Unterthanen und Diener (J.G. Herder, 18. Jh., zit. nach Paul 1919, 23)
Hingegen kann geschweige denn, wie etwa Paul (2002: 403) angibt, gegenwärtig nur noch nach negativen Sätzen gebraucht werden. 8 Diese Angabe ist, wie auch Pasch betont (2000: 4), freilich präzisierungsbedürftig, und zwar nicht nur, was den Ort, sondern auch, was die Art der Negation anbetrifft. So kann die erforderliche Negation entweder im ersten Konnekt auftreten oder aber in einem dem ersten Konnekt syntaktisch übergeordneten Satz: (7)
Doch mein Fallmanager möchte nicht, dass ich mich weiterbilde, geschweige denn eine Ausbildung mache, obwohl dies nicht nur fürs Arbeitsleben sondern auch für mich persönlich äußerst wichtig ist. (http://arbeits-abc.de/forum/ hartz-iv-allgemein/hartz-4-schaft-armut5063/, 14.9.2009)
(8)
Auch ich kann mir nicht vorstellen in absehbarer Zeit zu heiraten geschweige denn ein Kind in die Welt zu setzen. (http://stephness.de/aergerlich/, 14.9.2009)
Ausschlaggebend ist, dass in K1 eine Sachverhaltsnegation vorliegt, und diese kann entweder direkt oder aber vermittelt über den übergeordneten Satz realisiert werden, wie in (7) und (8). Daraus folgt, dass Fälle von morphologischer Negation, in denen nur die jeweilige Wortstammbedeutung, der jeweilige Begriff also, von der Negation
–––––––—––
8
Nur das erste a fortiori könnte im Deutschen durch geschweige denn wiedergegeben werden. So auch Trübner (1939, Bd. 3: 137). Ein wenig verhaltener formuliert noch Behaghel (1928: 178), der angibt, dass der Gebrauch nach einem positiven ersten Satz fremd geworden sei. Auch Pasch (2000: 3) betont, dass die meisten Sprecher diesem Gebrauch ablehnend gegenüber stünden.
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Frederike Eggs
erfasst wird, diese Bedingung nicht erfüllen. 9 Das mögen die beiden folgenden Beispiele verdeutlichen: (9)
Ich fand das, was ich da las, überhaupt nicht interessant [* total uninteressant], geschweige denn spannend, sondern nur abstoßend. (http://www.sueddeutsche.de/kultur/artikel/44/174521/?page=3, 7.8.2008)
(10)
ALLE Scheiben abdunkeln?! Auch die vorderen? Dürfte nicht legal [* illegal] geschweige denn zweckmässig sein... (http://www.seat-leon.de/vboard/showthread.php?t=774, 7.8.2008)
Allen aktuellen geschweige denn-Verwendungen liegt somit die Struktur ‚NEG (K1) geschweige denn K2’ zugrunde: Während die durch K1 ausgedrückte Proposition im Skopus eines Negationsausdruckes auftritt, wird die Negation der Proposition von K2 durch geschweige denn selbst geleistet, und zwar durch die in den Konnektor inkorporierte Negationsbedeutung.10 Ein besonderer Fall ist (11): Zwar wird die Negation auch hier nur durch ein Negationsaffix ausgedrückt; da das Adjektiv unmöglich aber in einer Kopulakonstruktion gebraucht wird, welche ihrerseits als Matrixkonstruktion fungiert, wird die oben formulierte Forderung nach einer Sachverhaltsnegation für K1 hier gleichwohl erfüllt: (11)
Auch die Warenannahme befand sich direkt vor dem Balkon, so dass es unmöglich war hier morgens auszuschlafen, geschweige denn sich entsprechend zu erholen. (http://www.urlaubsreklamation.com/1&2_fly_kreta_2280.htm, 27.2.2009) 11
–––––––—–– 9
10
11
Zum Unterschied zwischen Sachverhalts- und Begriffsnegation vgl. Jacobs (1991: 582ff.). Auch Blühdorn (2007: 11) spricht hier von einer inkorporierten Negationsbedeutung. Auffallend ist, dass geschweige denn in (11) durch und erst recht und nicht durch und erst recht nicht paraphrasiert werden muss. Dasselbe gilt auch für all diejenigen Fälle, in denen die Negation im übergeordneten Satz durch einen Ausdruck mit inhärenter Negation realisiert wird, wie dies etwa bei den Verben bezweifeln oder sich weigern der Fall ist: (i) Ich bezweifle, dass er die anderen Modelle je gesehen, geschweige denn gefahren hat. Sonst könnte man nicht zu solch einem Urteil kommen. (http://www.motor-talk.de/forum/207-vergleichstest-mit-corsa-skoda-fabiavw-polo-t1598847.html, 27.10.2009) (ii) Nun ist es gekommen, wie es kommen musste, die Beiden haben sich getrennt, und sie weigert sich, aus der Wohnung auszuziehen. Geschweige
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Dass es sich bei der geschweige denn vorangehenden Negation nicht unbedingt um einen Negationsausdruck im engeren Sinne wie nicht, kein, niemals, nichts usw. handeln muss, mögen die folgenden Beispiele illustrieren: (12)
Das durchschnittliche Monatseinkommen einer teilzeitarbeitenden Frau liegt bei rund 640 Dollar, ein Einkommen, von dem man kaum leben, geschweige denn eine private Altersversorgung aufbauen oder eine Krankenversicherung bezahlen kann. (Frankfurter Rundschau, 8.3.1997, R97/MAR.18117)
(13)
Es ist ganz schwer, irgendetwas zu sagen, geschweige denn, einen Rat zu geben, wenn man so wenig über den Hund weiß. (http://www.polar-chat.de/topic_48952.html, 16.10.2009)
Sowohl kaum als auch ganz schwer lassen sich hier durch fast nicht ersetzen, weswegen Pasch (2000: 5) sie als „Negationsausdrücke im weitesten Sinne“ bestimmt. 12 Offenbar wird der Gebrauch von geschweige denn also bereits durch eine einschränkende Aussage ermöglicht (vgl. Duden 2007: 682 bzw. Kempcke 2000: 405). Doch nicht nur das. Selbst wenn die Negation nicht derart abgeschwächt ist, ist das Inventar der zur Verfügung stehenden Formen und Mittel außerordentlich vielfältig. Exemplarisch seien hier drei weitere Möglichkeiten angeführt. 13 In (14) bringt die spezifische Form des Vergleichs mit alles andere als die erforderliche Negation zum Ausdruck:
–––––––—––
12
13
denn Miete zu zahlen. (http://www.eltern.de/foren/eltern-raten-eltern-neu/ 765336-vermieter-mieter-frage.html, 13.2.2010) (i)’ Ich bezweifle, dass er die anderen Modelle je gesehen und erst recht gefahren hat. (ii)’ [...] sie weigert sich, aus der Wohnung auszuziehen und erst recht Miete zu zahlen. Im Gegensatz zu historisch älteren Verwendungen (vgl. 5) und (6)) scheint es plausibler, davon auszugehen, dass der Skopus solcher Prädikate mit inhärenter Negation, der bei und erst recht-Konstruktionen K1 und K2 umfasst, durch geschweige denn verkürzt und auf K1 restringiert wird. Bei kaum hat die Forschung schon vielfach auf seine negationsaffine Bedeutung hingewiesen (vgl. u.a. Kürschner 1983: 266ff., Weinrich 2005: 864 und Blühdorn 2007: 11). Für weitere mögliche „Kontextpartner“, wie er es nennt, vgl. schon Kürschner (1983: 152). Weitere Möglichkeiten liegen in (41) (mit ohne) und (45) (mit zu ... als dass ...) vor.
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(14)
Bernd Schneider, ansonsten alles andere als ein Torjäger, geschweige denn ein Kopfballungeheuer, wuchtete den Ball nach einer Flanke von Bastian Schweinsteiger mit der Stirn ins Netz. (Hannoversche Allgemeine Zeitung, 13.9.2007, HAZ07/SEP.04083)
In (15) und (16) sind es bestimmte Satztypen, die standardmäßig eine Negationsinterpretation mit sich bringen, ja, diese gleichsam „funktional implizieren“ – und dies, ohne dass hier ein negationshaltiger Ausdruck im weitesten Sinne aufträte: 14 (15)
[…] wie kannst du dir anmaßen zu entscheiden was eine gute und was eine schlechte sprache ausmacht - geschweige denn in welche richtung sich eine sprache entwickeln sollte. (http://www.spiesser.de/default.aspx? showNews= 31 [email protected]&ID=3218, 13.2.2009)
(16)
Jedenfalls stand urplötzlich eine junge Dame [...] neben mir und bat mich, die 2 (nochmals in Worten: zwei) Pferde, die sie am Halfter führte, für ein paar Augenblicke zu halten. Die mich kennen, würden jetzt in schallendes Gelächter ausbrechen. Ich und ein Pferd halten, geschweige denn zwei?! (www.tellspiele.ch/d/mitspielen/erlebnisse/findex.html, 27.11.2008)
In (15) liegt eine rhetorische Frage vor, mit der die negative Aussage „Es ist nicht deine Aufgabe zu entscheiden, was eine gute und was eine schlechte Sprache ausmacht“ funktional impliziert wird. 15 Auch in (16) wird die Negation durch die spezifische Syntax ausgedrückt: Das Prädikat liegt nur als infiniter Verbalkomplex vor und ist allein mittels und mit dem Subjekt verknüpft; 16 die Kongruenz des finiten Verbs mit dem Subjekt erscheint hingegen nicht möglich, da das Vorhandensein von INFL ja die Übernahme der Agensrolle durch den Subjektreferenten voraussetzen würde, und eben dieser ist offenbar gerade nicht in der Lage, das vom Verb Bezeichnete auszuführen. (16) ist somit wie folgt zu interpretieren: „Ich kann doch nicht mal ein Pferd halten, geschweige denn zwei.“ –––––––—–– 14
15
16
Auch in diesen beiden Beispielen müsste – ebenso wie in den in Anm. 11 zusätzlich zu den in (11) angeführten Beispielen – mit und erst recht paraphrasiert werden. Somit wird auch hier der Skopus der funktional implizierten Negation, der sich bei der und erst recht-Paraphrase über K1 und K2 erstreckt, durch geschweige denn auf K1 beschränkt. Vgl. auch Pasch et al. (2003: 612), die eine rhetorische Frage ohne expliziten Negationsträger im Sinne einer negativen Aussage interpretieren. Redder (2007: 510) spricht davon, dass in diesem Fall mittels und ein integraler Zusammenhang zwischen den beiden Konjunkten gleichsam „distrahiert“ werde.
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Damit lässt sich geschweige denn eindeutig als negatives Polaritätselement charakterisieren, als ein Element nämlich, das insofern eine Affinität zur Negation zeigt, als es nur in der Umgebung von Negationsträgern oder aber „in wenigen anderen, in gewisser Weise negationsähnlichen Kontexten“ (Jacobs 1991: 567) vorkommen kann.
2. Zur Entstehungsgeschichte von geschweige denn Alle etymologischen Wörterbücher und historischen Grammatiken ebenso wie Adelungs Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart von 1793-1801 sind sich da einig: Entstanden ist der Konnektor geschweige denn aus der ersten Person Singular Indikativ Präsens des heute nicht mehr gebräuchlichen Verbs geschweigen, aus ich geschweige also. 17 Dabei meinte das seit dem Ahd. belegte geschweigen ursprünglich so viel wie ‚von etwas nicht reden’ bzw. ‚aufhören mit reden’, ‚etwas mit Stillschweigen übergehen’ (vgl. etwa Adelung, 1796, Bd. 2: 618, Behaghel 1928: 177, Grimm/Grimm, 1897, Bd. IV/I,2, Sp. 3987, Lindquist 1961: 75 bzw. Paul 2002: 403, 888). 18 Der Beginn des Grammatikalisierungsprozesses, in dessen Verlauf ein Verb bzw. genauer eine bestimmte Verbform nach dem Wegfall des zugehörigen Subjektpronomens zu einem Junktor bzw. Konnektor umfunktionalisiert worden ist, lässt sich auf etwa die Mitte des 16. Jahrhunderts datieren. Noch zu dieser Zeit wurde das Verb geschweigen typischerweise intransitiv mit einem Genitivobjekt gebraucht, wie in (17), oder aber als Matrixkonstruktion mit einem abhängigen dass-Satz, wie in (18):
–––––––—–– 17
18
Auch der Konnektor ganz zu schweigen von (der hier aber nicht weitergehend analysiert werden kann) ist aus dem Verb geschweigen entstanden. Neben dem hier zugrunde liegenden intransitiven Verb, das ursprünglich schwachund starkförmig, später aber nur als starkes Verb gebraucht wurde (vgl. Grimm/Grimm, 1897, IV/I,2, Sp. 3987) und bei dem es sich letztlich um „das mit der Vorsylbe ge verlängerte Zeitwort schweigen“ (Adelung, 1796, Bd. 2, 618) handelt, gab es noch das transitiv gebrauchte Verb geschweigen, das seinerseits regulär konjugiert wurde und so viel wie „zum schweigen bringen durch schlagende antwort, drohung, strenge, befehl, gewalt, bestechung“ (Grimm/Grimm 1897, IV/I,2, Sp. 3990) bedeutete, aber auch im Sinne von „beschwichtigen, stillen, durch dargereichte nahrung, durch gütige worte“ (ebd.) gebraucht werden konnte – z.B. in Bezug auf Säuglinge.
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(17)
ich geschweig weiters des einkommens, dasz ihm die huren zu Rom järlichs bezalen […]. (Fischart, binenkorb; 1579; zit. nach Grimm/Grimm, 1877, Bd. IV/II, Sp. 2244)
(18)
mich beschwert mein hut auff dem kopff, ich geschweig dasz ich ein ganzen tag solt eine solche ketten an mir tragen. (J. Wickram, Das Rollwagenbüchlein; 1555, zit. nach Grimm/Grimm, 1897, IV/I,2, Sp. 3988)
Die rhetorische Besonderheit, die noch für den heutigen Konnektor geschweige denn konstitutiv ist, tritt aber bereits hier zutage: So wird ja das als zu verschweigen Angekündigte, das, wovon eigentlich nicht mehr geredet werden soll, gerade nicht verschwiegen, sondern ganz im Gegenteil genannt und damit als inhaltliche Steigerung des jeweils Vorangehenden pointiert (vgl. Goebel/Reichmann 2007, Bd. 6: 1391). Folgende Entwicklungsschritte können innerhalb des nun einsetzenden Grammatikalisierungsprozesses unterschieden werden: Zunächst verliert das Verb geschweigen in der ersten Person Singular Präsens Aktiv einen Großteil seiner propositionalen Bindungen. Mit Bühler (1934: 251) lässt sich sagen, dass sich das synsemantische Umfeld des Symbolfeldausdrucks geschweigen reduziert. Diese Reduktion manifestiert sich darin, dass geschweigen in der 1. Person Singular nun auch ohne ein weiteres abhängiges Satzglied auftreten und stattdessen zur Anbindung eines Satzgliedes an ein bereits verbalisiertes funktionsäquivalentes gebraucht werden kann: (19)
das man es kaum mit dem herzen sehen kan, ich schweige mit den augen. (Luther 5, 336a; zit. nach Grimm/Grimm, 1877, Bd. IV/II, Sp. 2027)
(20)
gehet man doch einem regen nicht gerne entgegen, ich geschweige einem platzregen oder solchem gusse (J. Prätorius, Der abentheuerliche glückstopf; 1669; zit. nach Grimm/Grimm, 1935, Bd. IV,I,6, Sp. 1211)
(21)
Sie hätten dir nicht das niderkleid, ich geschweig das hembd angelassen. (Freh, Gartengesellschaft; 1556, zit. nach Götze 1939, Bd. 3, 137)
Damit verhält sich ich geschweige hier letztlich schon wie ein Konjunktor, wobei – ganz wie beim Verfahren der Koordination üblich – alle thematischen Positionen von der Analepse erfasst werden; in (21) sind die beiden
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zugrunde liegenden Propositionen zudem durch Katalepse im Bereich des Verbalkomplexes fusioniert. 19 Dann wird auch die letzte noch offene Leerstelle im Subkategorisierungsrahmen des Verbs getilgt, der Nominativaktant, und es ist nun das nackte geschweige, das – fakultativ gefolgt von einem denn bzw. seltener einem dann – zur Verknüpfung von zwei funktional gleichartigen Satzgliedern gebraucht wird. Dabei lässt sich die Suspendierung der Sprecherdeixis ich nach Grimm/Grimm (1877, Bd. IV/II, Sp. 2027) bereits seit dem 16. Jh. beobachten, vollkommen durchgesetzt hat sie sich aber erst ist im Laufe des 17. Jhs.: 20 (22)
welche vor forcht nit reden noch husten dorfften, geschweig ein fürtzlin lassen. (Fischart Garg. 237b, Ee 7b; 1608; zit. nach Grimm/Grimm, 1878, Bd. IV/I,1, Sp. 958)
(23)
Er habe den Titel vnd erste zeile noch nie verstanden / schweige denn / den gantzen Propheten. (Luther-Bibel 1545: Der Prophet Jesaia. Digitale Bibliothek Band 29: Die Luther-Bibel, 2454)
(24)
das ich kaum so vil zeit habe, an mich selbst geschweige dann an ihn zu gedenken (Butschky, Kanzlei 67; 17. Jh., zit. nach Behaghel 1928, 116)
Die Entwicklung ist nun abgeschlossen: Sämtlicher verbaler Eigenschaften beraubt ist die ursprüngliche Verbform, wie es Behaghel (1928: 177) und Paul (2002: 403) formulieren, zur „Konjunktion erstarrt“. Damit hätte geschweige die übliche Entwicklung eines Sprachzeichens vom Konkreten/Lexikalischen hin zum Abstrakten/Grammatischen durchlaufen21 – entsprechend dem in der Grammatikalisierungsforschung kontrovers
–––––––—–– 19
20
21
Zur Analepse und Katalepse in koordinierten Strukturen, den beiden grundlegenden Verfahren der „Koordinationsreduktion“, vgl. Zifonun et al. (1997: 573ff.) sowie Hoffmann (1999: 72ff.). Dass die genannten Entwicklungsschritte nicht nacheinander, sondern teilweise parallel zueinander, mit Zeiten des Nebeneinanders verschiedener Formen vollzogen wurden, zeigen insbesondere Luthertexte: So findet sich bei ihm sowohl die Form mit als auch die ohne Subjektpronomen; zudem nutzt Luther, wie etwa (19) und (23) zeigen, sehr häufig auch das unpräfigierte, einfache schweige (vgl. auch Grimm/Grimm 1897, IV/I,2, Sp. 3988 bzw. 1899, Bd. IX, Sp. 2429). In der Grammatikalisierungsforschung werden Verben, Adverbien und Pronomina bzw. phrasale Kombinationen derselben zu den typischen lexikalischen Spendern für Konjunktionen gerechnet (vgl. Hopper/Traugott 2003: 184).
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diskutierten Prinzip der Unidirektionalität (vgl. etwa Hopper/Traugott 2003: 99ff. oder Nübling et al. 2008: 227). 22 Doch: wie genau vollzieht sich diese „Erstarrung zur Konjunktion“? Mit dem Wegfall des Subjektpronomens wird die Flexionsendung -e, das INFL, dysfunktionalisiert; schließlich wird es ja nun durch keine KongruenzBeziehung mit einer thematischen Rolle mehr gestützt, welche im Deutschen eigentlich besetzt sein muss. Der Flexionsrest -e wird sodann als fester Wortbestandteil uminterpretiert und verschmilzt mit dem Stamm geschweig. Aus Sicht der Funktionalen Pragmatik handelt es sich um eine Prozedurenverschmelzung bzw. eine Prozedurenfusion: Im Falle von geschweige sind es eine nennende und eine operative Prozedur, die miteinander verschmelzen.23 Diese Fusion bringt zugleich einen Wortartenwechsel, eine sogenannte „Feldtransposition“ (Ehlich 1994: 77) mit sich, d.h. der Ausdruck als ganzer wechselt ins Operationsfeld und wird zu einer Art Junktor bzw. Konnektor. 24 –––––––—–– 22
23
24
Bevor insbesondere eine Einheit, die ursprünglich aus mehreren Wörtern besteht, ins grammatische System überführt werden kann, muss sie jedoch, wie Lehmann (2002) am Beispiel des Spanischen ausführt, zunächst als neuer Bestandteil des Lexikons inventarisiert worden sein. Hierfür muss die ursprünglich gegebene interne Komplexität der fraglichen Einheit so weit reduziert werden, dass sie nicht mehr analytisch, sondern holistisch verarbeitet wird. Jede Grammatikalisierung setzt somit eine vorhergehende Lexikalisierung voraus: „lexicalization plays a role as the first phase, or perhaps rather preparatory phase, of grammaticalization“ (ebd. 15f.). Basis dieser Argumentation ist das Konzept der sprachlichen Felder, wie es von Bühler (1934) in der Unterscheidung zwischen Zeig- und Symbolfeld begründet und im Rahmen der Funktionalen Pragmatik und ihrer Entwicklung einer konsequenten Handlungstheorie von Sprache zu einer übereinzelsprachlich gültigen Fünffelderlehre (hinzu kommen das Operationsfeld, das Lenkfeld und das Malfeld) weiter ausdifferenziert worden ist (vgl. Ehlich 1991). Die Prozeduren stellen dabei die kleinsten Einheiten sprachlichen Handelns dar. Das Symbolfeld beheimatet in erster Linie Substantiv-, Adjektiv- und Verbstämme, das Operationsfeld u.a. Konnektoren, Determinative, Anaphern und Kasusmorpheme. Zweck der symbolischen bzw. nennenden Prozeduren ist das Benennen von Wirklichkeitselementen. Demgegenüber besteht die Aufgabe der operativen Prozeduren darin, dem Hörer anzugeben, wie er das derart verbalisierte Wissen verarbeiten soll. Wenn ein Ausdruck nicht genuin einem bestimmten sprachlichen Feld zugehört, wird er Ehlich (1994: 77) folgend durch das Präfix „para-“ gekennzeichnet. Für eine ausführliche Darstellung vgl. Hoffmann (2003a, 2003b) sowie v.a. Redder (2005). Wie Rehbein (2002) gezeigt hat, haben die Ausdrücke bitte und danke einen insofern vergleichbaren prozeduralen Wandel durchlaufen, als auch sie aus der ersten Person Singular Präsens Aktiv des zugehörigen Verbs entstanden sind (vgl. hierzu auch Behaghel 1916: 200, Paul 1919: 22f. oder auch Paul 2002: 493). Im Unterschied zu geschweige sind die Verbformen bitte und danke jedoch nicht ins Opera-
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Fakultativ kommt nun noch das denn hinzu, das seinerseits historisch mit dem temporaldeiktischen dann gleichzusetzen ist (vgl. Grimm/Grimm, 1860. Bd. II, Sp. 740, 945 bzw. Paul 2002: 209, 216). 25 Der heutige Konnektor geschweige denn wäre also, da er einen genuin symbolischen (den Verbstamm) und einen genuin operativen Bestandteil (die Verbendung) aufweist, welche zudem mit einer deiktischen Prozedur (dem denn) kombiniert wurden, als para-operativ zu bestimmen – wie übrigens der überwiegende Teil der Ausdrucksmittel des Operationsfeldes. Was ist nun aber der Sinn einer solchen funktional-etymologischen Rekonstruktion? Anders gefragt: Was sagt diese Charakterisierung über die Funktionalität des heutigen Ausdrucks aus? Die zugrunde liegende These ist, dass jede ‚para’-Struktur immer gewisse Spuren ihrer ehemaligen Feldzugehörigkeit, ihrer ursprünglichen Funktionalität in das neue Feld importiert hat (vgl. Ehlich 1994: 77). Im Falle von geschweige denn wäre da zunächst einmal die Tatsache, dass es, wie in § 1 gezeigt wurde, im Unterschied zu echten Konjunktoren auch zur Verknüpfung von zwei syntaktisch nicht gleichrangigen Größen genutzt werden kann: 26 (25)
Denn Sendewagen möchte ich sehn der mich hier in dem Megawohnblock ausmacht. Ich schaff hier nichtmal DVB-T zu Empfangen, geschweige denn, das mein Handy richtig funzt, auch Wlan kommt hier nicht weit. (http://forum.computerbild.de/top-thema/haben-noch-schnurlostelefonbetrieb-ab-2009-verboten_14627-14.html, 21.9.2009)
Ganz offensichtlich ist ein Aspekt der ursprünglichen Morphosyntax des Verbs geschweigen, das ja ursprünglich auch als Matrixkonstruktion mit einem durch dass eingeleiteten Objektsatz verwendet werden konnte (vgl. Beispiel (18)), im Konnektorgebrauch erhalten geblieben (so auch Pasch 2000: 2 bzw. Pasch et al. 2003: 610). Bedeutsamer für die hier im Zentrum stehende funktionale Analyse des Konnektors geschweige denn ist aber ein anderer Punkt: Wie ich im Folgenden zeigen möchte, sind noch andere Symbolfeldanteile, nämlich auch Aspekte der ursprünglichen Semantik, des Stillschweigens also, ins operative Feld hinübergerettet worden. Ich gehe somit davon aus, dass die ursprüngli–––––––—––
25
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tionsfeld übergegangen, sondern ins Lenkfeld; bitte und danke sind demnach als para-expeditiv zu bestimmen: Sie fungieren selbstsuffizient, d.h. ohne dass eine syntaktische Anbindung erforderlich wäre. Die verschiedenen Funktionen wurden erst im Laufe des 18. Jhs. unter den beiden Formen aufgeteilt, wobei insbesondere die konjunktionalen Verwendungen auf denn übergegangen sind (vgl. Paul 2002: 209). Vgl. auch Beispiel (3), S. 232.
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che, rein denotative Verbbedeutung des Stillschweigens auch für die operative Bedeutung des heutigen Konnektors, welche ich als seine lexikalische Bedeutung betrachte (dazu u.a. Lang 1991: 613) eine wesentliche Rolle spielt. Hinzu kommt das denn, dessen genuin temporaldeiktische Qualität in der hier vorliegenden para-operativen Verwendung in einer spezifischen Weise ebenfalls erhalten geblieben ist.
3. Zur Funktionalität des heutigen Gebrauchs Bereits in § 1 wurde festgehalten, dass die Leistung von geschweige denn darin zu sehen ist, dass mit ihm eine Graduierung des im externen und des im internen Konnekt Bezeichneten hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit vorgenommen wird, und zwar vom Nicht-Vorliegen des Wahrscheinlicheren in K1 zum Nicht-Vorliegen des weniger Wahrscheinlichen in K2. Meine These ist, dass die Bedeutung des Stillschweigens auf folgende Weise in die mit dem Konnektor geschweige denn vorliegende para-operative Verwendung inkorporiert worden ist: (26)
Wenn feststeht, dass schon das Wahrscheinlichere nicht vorliegt (K1), dann brauche ich über das Nicht-Vorliegen des weniger Wahrscheinlichen eigentlich gar nicht mehr zu reden, dann kann ich darüber also eigentlich stillschweigen (K2), anders gesagt: ich muss das Nicht-Vorliegen des weniger Wahrscheinlichen eigentlich gar nicht mehr behaupten.
Diese im Hinblick auf die Etymologie des Konnektors sprecherseitig formulierte wenn-dann-Paraphrase entspricht zugleich der spezifischen operativen Grundbedeutung von geschweige denn, nämlich derjenigen, die über den Umstand, dass für K1 und K2 ein geeigneter CI etabliert werden muss, hinausgeht. Eben diese spezifische operative Grundbedeutung liegt – so meine Annahme – allen aktuellen Verwendungen von geschweige denn zu Grunde. Die lexikalische Grundbedeutung von geschweige denn ist demnach wie die eines jeden Konnektors nicht denotativ, sondern operativ zu bestimmen: Sie stellt eine Instruktion des Sprechers an den Hörer dar, wie dieser die propositionalen Gehalte von K1 und K2 mental zu verarbeiten hat. Dabei besteht, wie aus obiger Bedeutungsparaphrase deutlich wird, ein zumindest mittelbarer Zusammenhang zwischen der lexikalischen Bedeutung des Verbs geschweigen, aus dem der Konnektor entstanden ist, und der lexikalischen Bedeutung des heutigen Konnektors.
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Die Grundbedeutung illustriert ebenfalls, wie sich die Negationsbedeutung von geschweige denn hat herausbilden können: nämlich durch die semantische Äquivalenz von ‚stillschweigen’ und ‚nicht reden’ bzw. daraus abgeleitet ‚nicht (mehr) behaupten müssen’. Die Verbindung von ‚stillschweigen’ zu ‚nicht (mehr) behaupten müssen’, die sich erst vor dem Hintergrund der aktuellen Konnektorverwendung ergibt, liefert zudem eine Erklärung für den Umstand, dass geschweige denn typischerweise in deklarativen Äußerungen gebraucht wird: Offenbar wird durch geschweige denn die Interpretation einer Behauptung induziert, weswegen es in erster Linie in Behauptungen oder aber in rhetorischen Fragen, die ja ihrerseits eine Behauptung vermitteln, verwendet wird. 27 Die obige Paraphrase verdeutlicht aber auch, in welcher Weise die genuin temporaldeiktische Qualität des denn für den Konnektorgebrauch funktionalisiert worden ist: So geht es nun um die zeitliche Abfolge in der sequentiellen Wissensverarbeitung, nämlich um das Nacheinander im Verstehens- bzw. Schlussfolgerungsprozess von zwei im logischen Sinne miteinander verknüpften Propositionen; das genuin temporaldeiktische dann bzw. seine umgelautete Form denn in geschweige denn drückt also auch hier noch eine Form von Nachzeitigkeit aus, indem es auf die Nachzeitigkeit des konkreten geistigen Aktes abhebt: Dass das Nicht-Vorliegen des weniger Wahrscheinlichen eigentlich nicht mehr behauptet, sondern stattdessen verschwiegen werden könnte, kann erst dann geschlussfolgert werden, wenn feststeht, dass bereits das Wahrscheinlichere nicht vorliegt . 28 –––––––—–– 27
28
Die schon bei weder ... noch pragmatisch eingeschränkte Fragemöglichkeit ist bei geschweige denn noch weiter reduziert; soweit ich sehe, sind „echte“ Fragen mit geschweige denn nur als eine Art von ‚Echoing’ denkbar, d.h. in erstaunten Nachfragen, die in der Form des Aussage-Modus mit steigendem Tonmuster auf die Absicherung bzw. erneute Bestätigung einer vorgängig gemachten Behauptung abzwecken, so etwa (ii) als Reaktion auf (i): (i) ich bin zwar 16, aber ich habe noch nie alkohol getrunken, geschweige denn geraucht oder drogen genommen. (http://www.gutefrage.net/nutzer/kappe619, 5.2.2010) (ii) Wirklich? Du bist 16 und hast noch nie Alkohol getrunken geschweige denn geraucht oder Drogen genommen? Zu dieser dann-Analyse vgl. auch Eggs (2006: 306f.). Auch Paul (2002: 209) weist darauf hin, dass dann bzw. denn zur „Bez. einer Abfolge, zeitl., räuml., hierarchisch oder logisch“ (meine Hervorhebung) genutzt werden können. In eine ähnliche Richtung geht letztlich auch die Analyse von Behaghel (1928: 116), der das denn in ‚Er kann kaum gehen, geschweige denn bergsteigen’ aus der Frage „wie kann er denn bergsteigen?“ herleitet. Auch hier handelt es sich um eine Frage, die sich der Sprecher auf der Basis des im ersten Konnekts verbalisierten Faktums, also anschließend (dann), stellt.
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Warum aber tut der Sprecher genau das, was der Konnektor wörtlich zum Ausdruck bringt, nämlich nicht mehr weiter reden und Stillschweigen bewahren, nicht, anders gefragt: warum erwähnt bzw. behauptet er K2, obwohl er darüber eigentlich hätte schweigen können? Um diese Frage beantworten zu können, müssen zunächst zwei Verwendungstypen, die in (27) und (28) illustriert sind, unterschieden werden: (27)
(28)
A: Jens hat seiner Frau zum Hochzeitstag ein Vier-Gänge-Menü gekocht (q). B: Der? Der kann ja nicht mal Spaghetti kochen (–p), geschweige denn ein Vier-Gänge-Menü (–q). Der Spanier [i.e. Alonso] hat sich mit seinem Wechsel von McLarenMercedes zu Renault sportlich in eine Sackgasse gefahren (z). Ausgerechnet vor seinem Heimrennen am Sonntag in Spanien ist klar: Mit Renault kann er in Zukunft keine Siege (–p) geschweige denn Titel einfahren (–p’). Das Bekenntnis von Chefingenieur Pat Symonds (54), der mehr oder weniger zugibt, dass man nicht wisse, was man am Auto falsch gemacht habe, ist eine Kapitulation. (Hamburger Morgenpost, 25.4.2008, HMP08/APR.02177)
Da beiden Typen gemeinsam ist, dass die Graduierung prinzipiell vom Wahrscheinlicheren hin zum weniger Wahrscheinlichen geht, die relative Wahrscheinlichkeit des Vorkommens der beiden Sachverhalte also abnimmt, 29 lassen sich beide als dekrementiv 30 bestimmen. Das Besondere des in (27) vorliegenden ersten Falls, Typ I, ist nun, dass der Sprecher mit der geschweige denn-Konstruktion etwas widerlegt, was jemand anderes (hier: A) zuvor behauptet hat. Bei dieser spezifischen Form –––––––—–– 29
30
Es sei betont, dass es hierbei weder um ‚objektive’ noch um ‚subjektive’ Wahrscheinlichkeiten geht, sondern um in einer Kommunikations- und Wissensgemeinschaft gemeinhin als gültig (bzw. vom jeweiligen Sprecher als gelten sollend) unterstellte Wahrscheinlichkeiten. Dabei muss die mit einer geschweige dennÄußerung zum Ausdruck gebrachte Wahrscheinlichkeitshierarchie keineswegs die gängige (im Sinne von ‚häufigste’) Meinung sein. Selbst nicht-gängige und ungewöhnliche Unterstellungen wie etwa in dem abgewandelten Beispiel aus Anm. 27 „Ich habe noch nie Alkohol getrunken geschweige denn Fleisch gegessen“ erscheinen akzeptabel, wenn man annimmt dass dieser Satz von einem eingefleischten Vegetarier geäußert wird. Dies in Anlehnung an die Charakterisierung von ja als inkrementivem, also „zuwachsendem“ Konjunktor von Ludger Hoffmann in der „Grammatik der deutschen Sprache“ (vgl. Zifonun et al. 1997: 2436f. bzw. Hoffmann 2008: 215f.). So verhält sich ja geschweige denn in dieser Hinsicht genau umgekehrt wie ja sogar: „Ihr Deutsch ist gut, ja sogar hervorragend.“ vs. „Ihr Deutsch ist nicht gut, geschweige denn hervorragend.“
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Zur Funktionalität des Konnektors ‚geschweige denn’
des Widerlegens kommt die a fortiori-Schlussregel zur Anwendung, und zwar der Fall vom ‚Mehr auf das Weniger’ (a maiore ad minus), bei dem der Sprecher auf etwas schließt, was nicht der Fall ist: 31 (29)
Wenn das MEHR (Wahrscheinliche) nicht der Fall ist (–p), dann kann man mit einer gewissen Plausibilität schließen, dass auch das WENIGER (Wahrscheinliche) nicht der Fall ist (–q).
Das folgende Schema mag die Argumentationsstruktur illustrieren, auf der (27) beruht: gP
‘Spaghetti kochen können (p)’ ist wahrscheinlicher als ‘ein 4-Gänge-Menü kochen können (q)’ spP Jens kann nicht mal Spaghetti kochen (–p) K
a fortiori-SR ‘a maiore ad minus’ (vgl. 0)
Also kann er auch kein 4-Gänge-Menü kochen (–q)
gP = generische Prämisse K = Konklusion
spP = spezifische Prämisse SR = Schlussregel
Abb. 1: Argumentationsstruktur für Typ I (dekrementiv-konklusiv)
Die gesamte Äußerung von B entspricht also einem a fortiori-Argument, bei dem B unter Rückgriff auf einen gemeinhin als gültig unterstellten Wissenszusammenhang der Form ‚p ist wahrscheinlicher als q’, der argumentationstheoretisch gesehen als generische Prämisse fungiert, unter Anwendung der a fortiori-Schlussregel ‚a maiore ad minus’ von dem Argument aus dem Nichtvorliegen des mehr Wahrscheinlichen auf das Nichtvorliegen des weniger Wahrscheinlichen schlussfolgert und damit zugleich die These von A zerstört: (27)’
A: q B: –p, gd –q (§ –p und deshalb erst recht –q) 32
–––––––—–– 31
32
Zum umgekehrten Fall ‚a minore ad maius’, für den zwar ebenfalls eine Dissenssituation konstitutiv ist, bei dem der Sprecher aber genau umgekehrt auf etwas schließt, was der Fall ist, der also auf das Wiederherstellen bzw. Etablieren einer vom Opponenten verneinten Zuordnung abzweckt, vgl. Eggs (2001: Sp. 441ff., 446ff.) bzw. Eggs (2004: 336) sowie die Anm. 35, S. 249 zum englischen let alone. Zum a fortiori-Argument siehe auch Perelman/Olbrechts-Tyteca (1958: 402, 461ff.). Ich wähle hier folgende Konvention: Wenn es, wie in (27)’, um die aussagenlogische Beschreibung von geschweige denn geht, wird unabhängig davon, dass im gegebenen Fall die Negation durch geschweige denn selbst geleistet wird, nur der
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Frederike Eggs
In diesem Fall fungiert K1 also als Prämisse (p), wohingegen K2 die Konklusion (q) darstellt. Da geschweige denn in diesem Fall also die Konklusion einleitet, soll diese Verwendung als dekrementiv-konklusive, kurz: als konklusive Verwendung bezeichnet werden (vgl. § 3.1). Bei Typ II hingegen, der in (28) illustriert ist, werden durch geschweige denn gerade nicht eine Prämisse und eine Schlussfolgerung miteinander verknüpft; vielmehr sind K1 und K2 hier logisch gesehen auf der gleichen Ebene und bilden einen Block aus zwei gleichgerichteten und hierarchisierten Elementen, welcher als Ganzer natürlich persuasiver ist, als wenn auf K2 verzichtet worden wäre. Dieser geschweige denn-Block kann auf unterschiedlichste Weise zum Einsatz kommen. In (28) etwa sind beide Konnekte Teil der Prämisse, weswegen sie auch mit dem gleichen Symbol markiert werden, nämlich mit p und p’. 33 Der Journalist der Hamburger Morgenpost nutzt diesen Block, um eine zuvor von ihm selbst aufgestellte These (z) zu belegen. Da bei Typ II beide Konnekte grundsätzlich in ein und dieselbe Richtung wirken (etwa um eine These zu belegen), mithin koorientiert sind, soll in diesem Fall von der dekrementiv-koorientierenden Verwendung von geschweige denn gesprochen werden (vgl. § 3.2.). In pragmatischer Hinsicht ergibt sich dabei für das zweite Konnekt häufig ein hyperbolischer Effekt, so auch in (28): Logisch gesehen wäre es eigentlich gar nicht mehr nötig; denn wenn man mit einem Auto keine Siege einfahren kann, ist es so gut wie unmöglich, dass man mit ihm Weltmeister wird; der Journalist hätte es also ganz im Sinne der Grundbedeutung von geschweige denn eigentlich verschweigen können. Doch tut er eben dies nicht, sondern setzt stattdessen pragmatisch bzw. rhetorisch „noch einen oben drauf“, er übertreibt, wodurch das Argument als Ganzes mehr Gewicht, d.h. mehr Persuasivität erhält. Die Spezifik des koorientierenden geschweige denn besteht somit darin, dass es im Unterschied zu Typ I, dem konklusiven geschweige denn, aus K1 und K2 einen komplexen Ausdruck macht, der als Ganzer die gleiche Funktion gegenüber dem Kontext seiner Verwendung hat wie seine Bestandteile K1 und K2 – wobei natürlich aufgrund der dekrementiven Skalierung von geschweige denn die argumentative Kraft von p in K1 ein stärkeres Argument –––––––—––
33
logische Wert von p und q notiert, also p (= ‚affirmiert’) und –p (= ‚negiert’); aus diesem Grunde wird der Konnektor geschweige denn hier und im Folgenden in der logischen Repräsentation durch „gd“ abgekürzt“. Dies erscheint auch von daher naheliegend, da sonst die logische Äquivalenz von geschweige denn zu und erst recht nicht verdeckt bliebe. In § 3.2. wird gezeigt, dass K1 und K2 auch in Richtung einer Folge bzw. Folgerung wirken können; entsprechend werden die Konnekte dann mit q und q’ markiert.
Zur Funktionalität des Konnektors ‚geschweige denn’
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als p‘ in K2 darstellt. Das können die folgenden deduktiven Paraphrasen veranschaulichen: (28)’
(28)’’
Da er mit Renault in Zukunft nicht mal Siege einfahren kann (–p), hat sich Alonso mit seinem Wechsel zu Renault sportlich in eine Sackgasse gefahren (z). Da er mit Renault in Zukunft keine Titel einfahren kann (–p’), hat sich Alonso mit seinem Wechsel zu Renault sportlich in eine Sackgasse gefahren (z).
Doch auch wenn man in (28)’’ durchaus einwenden könnte „Naja, so gravierend ist das ja nun auch wieder nicht, er kann ja immerhin noch Siege einfahren“, wodurch man die Schlagkraft des vorgebrachten Arguments anzweifeln und damit zugleich die These z relativieren würde: an der logischen Qualität von K1 und K2 ändert sich nichts. Auch wenn sie nicht en bloc gebraucht werden, fungieren beide nach wie vor als – mehr oder weniger schlagende – Argumente für die zu belegende These. Eben hierin besteht ein grundlegender Unterschied gegenüber Typ I, bei dem die Konnekte ja gerade nicht logisch und noch weniger funktional gleichartig sind, sondern K1 als Prämisse und K2 als Schlussfolgerung fungiert. Auch hier ist es ganz im Sinne der Grundbedeutung von geschweige denn durchaus möglich, K2 zu verschweigen; schließlich entspricht die darin enthaltene Proposition genau der Behauptung von A, gegen die B sich wendet, so dass es vorerwähnt und damit letztlich redundant ist: (27)’’
A: Jens hat seiner Frau zum Hochzeitstag ein Vier-Gänge-Menü gekocht (q). B: Der? Der kann ja nicht mal Spaghetti kochen (–p).
Wenn auch der Persuasionsgrad in dieser Form sicher geringer ist: die innere logische Struktur von B’s Argument bliebe dadurch unverändert: B bezöge sich nach wie vor auf den als gemeinsam unterstellten Wissenszusammenhang ‚p ist wahrscheinlicher als q’ (vgl. gP in Abb. 1) und spielte diesen argumentativ aus, indem er dem A und seiner Behauptung von q schlicht das Nichtvorliegen des vergleichsweise Wahrscheinlicheren entgegensetzen würde (nämlich –p): (27)’’’
A: q B: –p
K1 fungierte also auch in dieser reduzierten Struktur nach wie vor als Prämisse, und die ausgesparte und nunmehr mental zu rekonstruierende Konklu-
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sion „Jens kann kein Vier-Gänge-Menü kochen“ ergäbe sich aufgrund der Tatsache, dass A deren Gegenteil ja vorher explizit behauptet hat. Und genau diese Tatsache, dass ein ‚Opponent‘ vorher das Gegenteil der Konklusion in K2 explizit behauptet hat (oder dass dies aus seiner Äußerung folgerbar ist), macht den wesentlichen Unterschied des konklusiven Typs I im Vergleich zum Typ II aus. 34 Ganz anders sieht es jedoch aus, wenn man nun – analog zu (28) mit koorientierend-belegendem geschweige denn – auch in (27) den entgegengesetzten Versuch unternimmt und stattdessen das erste Konnekt, nämlich K1 tilgt: (30)
A: Jens hat seiner Frau zum Hochzeitstag ein Vier-Gänge-Menü gekocht (q). B: Der? Der kann doch kein Vier-Gänge-Menü kochen (–q).
Auch in diesem Fall wäre B’s Äußerung als Reaktion auf A’s Behauptung nach wie vor sinnvoll; allerdings hätte sie in diesem Fall ihre logische und damit auch ihre funktionale Qualität als Konklusion eingebüßt: B nämlich würde mit dieser Äußerung schlicht und einfach die Gegenthese zu A’s Behauptung formulieren, dem q also ein –q entgegenhalten, und damit A’s Behauptung bloß in Zweifel ziehen und nicht argumentativ widerlegen. Kurz: In (30) handelt es sich schlicht um einen Widerspruch. Im Folgenden sollen nun die beiden hier skizzierten Verwendungen von geschweige denn, die dekrementiv-konklusive und die dekrementivkoorientierende, genauer betrachtet werden. 3.1. Typ I: geschweige denn als dekrementiv-konklusiver Konnektor Das folgende Beispiel aus Fontanes „Effi Briest“ zeigt, dass es sich bei der These, gegen die sich der Sprecher mit seiner geschweige denn-Äußerung wendet, nicht zwingend um eine explizit aufgestellte Behauptung eines Anderen handeln muss. Möglich ist auch, dass diese These in Form einer Entscheidungsfrage vorliegt; hier ist es die Mutter, welche Effi, nachdem diese recht gleichgültig auf einen Brief ihres Verlobten Instetten reagiert hat, fragt, –––––––—–– 34
Daraus folgt weiter, dass es bei Typ I nur um zwei Propositionen (eben p und q) geht, während bei Typ II grundsätzlich drei Propositionen (in (28) etwa z, p, p’) im Spiel sind. Einzige Ausnahme bildet bei Typ II der rein deskriptive Einsatz der geschweige denn-Konstruktion (vgl. § 3.2.2), bei dem der wesentliche Unterschied gegenüber Typ I jedoch darin besteht, dass die beiden miteinander verknüpften Propositionen für ein und denselben Zweck eingesetzt werden (weshalb sie mit p und p’ symbolisiert werden).
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ob sie vielleicht ihren Vetter, den sie vor kurzem in Berlin getroffen hatte, lieber heiraten würde: (31)
»[…] so warf ich die Frage hin, ob sie vielleicht den Vetter Briest, der ihr in Berlin sehr stark den Hof gemacht hatte, ob sie den vielleicht lieber heiraten würde...« (q?) »Und?« »Da hättest du sie sehen sollen. Ihre nächste Antwort war ein schnippisches Lachen. Der Vetter sei doch eigentlich nur ein großer Kadett in Leutnantsuniform. Und einen Kadetten könne sie nicht einmal lieben (–p), geschweige heiraten (–q). Und dann sprach sie von Innstetten, der ihr mit einem Male der Träger aller männlichen Tugenden war.« (T. Fontane, Effi Briest, S. 40)
Hinsichtlich der erwarteten Antwort von Effi ist die von der Mutter gestellte Entscheidungsfrage freilich nicht neutral; die Mutter vermutet bzw. befürchtet nämlich, dass der erfragte Sachverhalt zutrifft, und eben diese Auffassung ist es, die Effi mit ihrer Antwort widerlegt: Hierzu benennt sie zunächst ein zusätzliches Attribut ihres Vetters (Er ist doch nur großer Kadett in Leutnantsuniform); daran anknüpfend liefert sie dann ein Faktum, das ihr erlaubt, mit Hilfe eines a fortiori-Schlusses die Unterstellung ihrer Mutter „Eigentlich willst du lieber deinen Vetter heiraten“ zu widerlegen, woraus sich ein negativer Bescheid auf die gestellte Entscheidungsfrage ergibt. Die Abwandlung gegenüber dem prototypischen Fall (27), der eins zu eins die zugrunde liegende Argumentationsstruktur abbildet (vgl. (27)’), sieht also wie folgt aus: (31)’
A (Mutter): B (Effi):
q (ableitbar aus q?) –p, gd –q (§ –p und deshalb erst recht –q)
Aber auch hier wird wieder vom Nicht- bzw. vom Nicht-einmal-Vorliegen des Wahrscheinlicheren auf das Erst-recht-nicht-Vorliegen des weniger Wahrscheinlichen gefolgert. 35 –––––––—–– 35
Die bei Fillmore et al. (1988: 532f.) bei der Diskussion einzelner Beispiele vorgeschlagene Analyse der „pragmatics“ des englischen let alone kommt dem hier vorgestellten Erklärungsansatz sehr nahe. Die folgende let alone-Äußerung etwa (i) I don’t let my children drink beer, let alone whiskey. betten auch sie in einen Kontext ein, in dem die These, gegen die sich der Sprecher mit einer geschweige denn-Äußerung wendet, durch eine vorangehende Entscheidungsfrage zur Diskussion gestellt wird: (i)’ You ask me if I permit my children to drink whiskey? Well I don’t even permit my children to drink beer.
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Konklusive geschweige denn-Äußerungen lassen sich demnach immer durch ein Satzgefüge mit einem deduktiven da-Satz paraphrasieren: (32)
Da das MEHR, nämlich das Wahrscheinlichere, nicht zutrifft (–p), kann gefolgert werden, dass das WENIGER, nämlich das weniger Wahrscheinliche erst recht nicht zutrifft (–q).
In diesem Zusammenhang äußerst aufschlussreich sind die Ausführungen Adelungs zum Verb geschweigen in seinem „Grammatisch-kritischen Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart“. Nachdem auch Adelung die bereits bekannte Tatsache erwähnt hat, dass der Gebrauch des Verbs geschweigen zum Ende des 18. Jhs. ungewöhnlich geworden ist, widmet er sich der damals noch vergleichsweise neuen, konjunktionsartigen Verwendung: Oft, besonders in der Sprache des täglichen Umganges, macht es eine Art von Gradation, da denn so wohl das Pronomen ich, als auch der Genitiv wegfällt. Ich habe ihn nicht gesehen, geschweige gesprochen, oder, geschweige, daß ich ihn sollte gesprochen haben; d.i. ich habe ihn nicht sprechen können, da ich ihn nicht einmahl gesehen habe (ebd., meine Hervorhebung).
Zwei Aspekte sind hier bemerkenswert: Einmal die Angabe, dass diese neue, mit einer Gradationsbedeutung einhergehende Verwendung von geschweige in erster Linie in der Sprache des täglichen Umgangs, im Mündlichen also, verbreitet ist. Noch relevanter ist aber der Umstand, dass Adelung in dem Beispiel, das er zur Illustration eben dieser neuen Verwendung von geschweige anführt, –––––––—–– An einer anderen Stelle liefern Fillmore et al. (1988) zudem eine Zweckbestimmung der gesamten Konstruktion, die letztlich auf eine zumindest partielle Umschreibung der hier dargelegten funktionalen Bestimmung hinausläuft; allerdings machen sie sich diese nicht für die Gesamtanalyse von let alone zunutze: The general effect of the construction is to assert the first and to suggest that the second necessarily follows, and so the relation between the two parts, ‘not(X A Y)’ and ‘not(X B Y)’, is one of entailment. (‘He didn’t make colonel; a fortiori, he didn’t make general.’) But it is not simply an entailment relation. In particular, the entailment in this case must be against the background of a presupposed semantic scale. The interpretation of any let alone sentence requires seeing the two derived propositions as points on a scale. (ebd. 523) Aus den bei Fillmore et al. (1988: 519) angeführten Beispielen folgt weiter, dass das englische let alone im Unterschied zum deutschen geschweige denn offenbar auch ‚a minore ad maius’ (vgl. hierzu Anm. 31, S. 245) verwendet werden kann, was bedeutet, dass bei let alone K1 nicht notwendig negiert sein muss: (ii) A: I doubt I have enough material there for a week. B: You’ve got enough material there for a whole SEMESTER let alone a WEEK.
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das erste Konnekt ebenfalls mit Hilfe eines deduktiven da-Satzes paraphrasiert und dass die gesamte Paraphase durch den Gebrauch des Modalverbs können auch ohne weiteren Kontext eindeutig als Widerlegung der These eines Anderen einzuordnen ist. So legen denn Adelungs Ausführungen die Vermutung nahe, dass es sich bei der dialogisch-widerlegenden konklusiven Verwendung von geschweige denn um den Urtyp aller geschweige denn-Verwendungen handelt, die durch die Umgangssprache ins Sprachsystem gelangt ist. Die beiden folgenden Beispiele illustrieren zwei weitere Möglichkeiten, wie die Behauptung von A, gegen die B sich mit seinem a fortiori-Argument wendet, gegeben sein kann; Beispiel (33) ist quasi-empirisch und handelt von einem Theaterkartenkauf bzw. dem erfolglosen Versuch, Mitte Dezember Karten für ein Stück zu kaufen, das nur bis kurz vor Sylvester gespielt wird; Beispiel (34) ist konstruiert: (33)
A: Guten Tag. Ich hätte gerne Karten für die Abendvorstellung. B: Das tut mir leid, ich habe nicht mal mehr welche für die Nachmittagsvorstellung.
(34)
A: Fragen Sie doch Ihren Mitbewohner, ob er Ihnen das Regal an der Wand anbringt. B: Den!? Der kann ja noch nicht mal eine Glühbirne wechseln.
Beide Beispiele zeigen zudem noch einmal die bereits unter § 3. erläuterte Option auf, dass der Sprecher B das konklusive geschweige denn-Konnekt, da es thematisch ist und von A über den als gemeinsam unterstellten Wissenszusammenhang erschlossen werden kann, tatsächlich ausspart, 36 eine Option, die, wie sich vermuten lässt, vor allem in der gesprochenen Sprache sehr häufig gewählt wird, insbesondere in Situationen, in denen es gerade nicht um Persuasion geht und entsprechend auch nicht die Gefahr besteht, das Gesicht zu verlieren. In (33) und (34) sind es somit nicht explizit formulierte Behauptungen, gegen die B sich wendet, sondern Sachverhalte, die A mit seiner jeweiligen Äußerung unterstellt hat: In (33) handelt es sich um eine Unterstellung, die mit der Bitte von A gegeben ist: dass es nämlich überhaupt noch Karten gibt. Auch A’s Vorschlag in (34), den Mitbewohner beim Regalanbringen um seine Hilfe zu bitten, ist nur dann sinnvoll, wenn A davon ausgeht, dass besagter
–––––––—–– 36
Beiden Beispielen liegt also ebenfalls die Argumentationsstruktur (27)’’’, S. 247 zugrunde.
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Mitbewohner dazu auch in der Lage ist, und eben diese Unterstellung ist es, die B mit seiner Äußerung widerlegt. 37 Der folgende Fall ist noch ein wenig komplexer: Hier nämlich muss die Gegenthese situativ erschlossen werden: (35)
Lydia, 19.07.2006, 16:25: […] Hab’s in einem anderen Forum gefunden..... ThunfischPfannkuchen: 200 gr. Mehl, 250 ml Milch, 2 Eier, 100 gr. Thunfisch. Alles gut vermengen und Pfannkuchen backen. Anschließend in kleine Stücke schneiden. […] Eliara71, 20.07.2006, 17:29: Uiii...vielen Dank. Werde ich mal zubereiten sobald es nicht mehr so heiß ist....*schwitz*, denn zurzeit mag ich gar nix kochen!!! geschweige denn backen. Aber das Rezept ist gespeichert :D elBernardo, 20.07.2006, 23:02: also ihr seids ja lustig... ich komm net amal dazu MIR was zu kochen, geschweige denn den hunden kekse zu machen... :mad: :D (http://www.wuff-online.com/forum/archive/index.php/t-35755.html, 3.3.2009)
In dem Ausschnitt, der elBernados geschweige denn-Äußerung vorangeht, haben die anderen Teilnehmer des Forums gerade verschiedene Rezepte für Hunde-Leckerlis untereinander ausgetauscht. elBernardo, der sich hier offensichtlich angesprochen fühlt und sich selbst als Gesprächspartner, genauer: als Opponent auswählt, wendet sich mit seinem Beitrag nun gegen die Erwartung, dass man, wenn man Rezepte austauscht, diese auch ausprobiert bzw. nachkocht, indem er die hierfür notwendige Bedingung, dass man hierfür natürlich auch genügend Zeit hat, widerlegt. 3.2. Typ II: geschweige denn als dekrementiv-koorientierender Konnektor Auch bei der koorientierenden Verwendung bündelt geschweige denn seine beiden Konnekte als kompatible Instanzen eines ‚Common Integrators’ (vgl. Lang 1991: 615). Und auch hier liegt eine wesentliche Leistung des Konnektors geschweige denn darin, dass er eine Graduierung der mit seinen beiden –––––––—–– 37
Dasselbe gilt auch für das in § 1.2 angeführte Beispiel (16): Dass der Erzähler der Bitte der jungen Damen nachkommt und mal kurz die Pferde hält, setzt voraus, dass er eben dies auch kann – und genau das hat sie offenbar unterstellt, als sie sich an ihn gewendet hat.
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Konnekten bezeichneten Sachverhalte hinsichtlich der relativen Wahrscheinlichkeit ihres Vorkommens vornimmt. Allerdings: K1 und K2 werden in diesem Fall nicht nur zusammengefasst und hierarchisiert, sondern zugleich auch koorientiert. Im Hinblick auf den Argumentationszusammenhang, in den sie eingebettet sind, werden K1 und K2 hier nämlich in eine Reihe gestellt, d.h. die geschweige dennKonstruktion wird in diesem Fall als Ganze ‚gleichfunktional‘ für ein und denselben Zweck eingesetzt, so dass man es bei Typ II immer mit zwei gleichgerichteten und hierarchisierten Elementen zu tun hat, d.h. mit einem geschweige denn-Block. Dabei ist dieser Block als solcher überaus autonom und kann im Text oder Diskurs auf vielfältige Weise eingesetzt werden. Um das zu verdeutlichen, untersuche ich im Folgenden vier typische Fälle. 38 3.2.1 Zum Belegen einer vom Sprecher selbst aufgestellten These Der erste – und wohl zugleich auch der häufigste – Fall ist der, dass der Sprecher den geschweige denn-Block nutzt, um eine zuvor von ihm selbst aufgestellte These zu belegen. Die These kann hierbei unterschiedlich gegeben sein. Es kann sich um eine positive These (z) oder aber um eine negative These (–z) handeln: (–)z, denn –p, gd –p’
(§ (–)z, denn –p, und erst recht –p’)
Die erste Variante mit positiver These, die bereits anhand von (28) kurz erläutert wurde, liegt auch in (36) vor; (37) illustriert demgegenüber die Variante mit negativer These:
–––––––—–– 38
Diese verschiedenen Verwendungsvarianten genauer aufzuzeigen ist gerade von der hier verfolgten funktionalen Fragestellung her wichtig, sind doch mit jeder Verwendungsvariante spezifische Kontexteigenschaften verbunden, und zwar sowohl, was den vorangehenden als auch was den folgenden Kontext betrifft. Sicher sind diese Varianten auch bei anderen Konnektoren zu beobachten, jedoch macht die Gesamtmenge dieser Varianten das spezifische funktionale Gebrauchsfeld des deutschen geschweige denn aus. Aus kontrastiver Sicht muss zudem davon ausgegangen werden, dass in anderen Sprachen bei bestimmten Varianten andere Konnektoren zu verwenden sind.
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(36)
Der CDU, die von den ersten 49 Jahren der Republik 36 Jahre Kanzlerpartei war, stehen harte Zeiten bevor (z). Die Konsequenzen des politischen Bebens am 27. September hat sie bislang kaum ganz erfasst (– p), geschweige denn verarbeitet (–p’). (Berliner Morgenpost, 8.11.1998, L98/NOV.17966)
(37)
Wenn ich Glück habe, kann ich manchmal auch Englisch Hausaufgaben machen, eine schöne Abwechslung zu dem ganzen Zahlen Wirr War in meinem Kopf. Doch die Freude wird oft schnell wieder zerstört. Wie soll ich Siebtklässler einen Text über ihre Ferien schreiben lassen (–z), wenn sie noch nicht einmal wissen, was „I am“ (–p) geschweige denn „I was“ bedeutet (–p’). An diesem Punkt bin ich schier überfordert […]. (http://www.eirene. org/rumaenien-temp/news.rumaenien.37/index.html, 3.2.2009)
In (36) stellt der Verfasser des Zeitungsartikels zunächst die Behauptung auf, dass der CDU mit dem Regierungswechsel zu Rot-Grün nach der Bundestagswahl am 27. September 1998 harte Zeiten bevorstehen. Zur Untermauerung eben dieser These führt er sodann zwei koorientierte Argumente an: Die CDU nämlich habe die Konsequenzen dieser Wahl 39 noch nicht einmal ganz erfasst (–p) und erst recht nicht verarbeitet (–p’). Im Unterschied zu Typ I sind bei Typ II die beiden Konnekte also grundsätzlich logisch gleichrangig, weshalb sie, wie schon betont, mit dem gleichen Symbol bezeichnet werden. Dabei könnte man in (36) das zweite, mit dem geschweige denn-Konnekt beigebrachte Argument eigentlich tatsächlich verschweigen: Sind die Konsequenzen einer tiefgreifenden Veränderung noch nicht einmal erkannt, ist die Frage, ob diese auch bereits verarbeitet sind, hinfällig und muss eigentlich gar nicht mehr gestellt werden. Das geschweige denn-Konnekt realisiert hier also eine Art rhetorisches I-Tüpfelchen: Mit ihm wird etwas gesagt, was man im Hinblick auf das in K1 Gesagte eigentlich gar nicht mehr sagen müsste. Beispiel (37) ließe sich folgendermaßen paraphrasieren: „Es ist eigentlich nicht möglich, Siebtklässler einen Text über ihre Ferien schreiben zu lassen (– z), denn sie wissen nicht einmal, was ‚I am’ (–p) geschweige denn ‚I was’ bedeutet (–p’)“. Doch hier hat das geschweige denn-Konnekt keine hyperbolische Funktion und kann also nicht rhetorisches I-Tüpfelchen gewertet werden: Im Hinblick auf den in K1 genannten Sachverhalt ist es insofern thematisch relevanter, als das Beherrschen des ‚simple past’ unabdingbar für das Verfassen eines Textes über vergangene Ereignisse ist – auch wenn natürlich bereits auf der Basis des im ersten Konnekt Verbalisierten davon ausgegan–––––––—–– 39
In der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland wurde 1998 erstmals eine Bundesregierung komplett abgewählt.
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gen werden kann, dass das im zweiten Konnekt Verbalisierte ebenfalls nicht vorliegt. 40 Möglich ist schließlich auch, dass es sich bei der zu belegenden negativen These eigentlich um eine Gegenthese handelt, um eine These also, die als unmittelbarer Protest gegen die gegenteilige These eines Anderen zu verstehen ist: (38)
Ich bin 1,64 m groß und habe ein Gewicht von 107 kg. Der Gedanke an Essen fängt an wenn ich aufwache und ist bis Abends da bis ich eingeschlafen bin. Immer wenn ich mich unwohl, einsam fühle, im Stress bin, und wenn ich der Meinung bin ich sollte etwas essen, dann esse ich auch immer etwas in nicht normalen Mengen. [...] Ich rede mit niemandem im realen Leben darüber, auch mit meinem Thera ist es schwierig. Ich sage es hin und wieder, dass es mir zu schaffen macht, aber es wird nicht darauf eingegangen. Als ich ihm jetzt gesagt habe, dass ich es zur Zeit nicht unter Kontrolle habe meinte er was ich von einem Aufenthalt in einer Psychosomatischen Klinik halte (z). Leider habe ich ab Sommer einen neuen Job und ich kann nicht einfach dann in diese Klinik gehen (–z). Dann werde ich noch nicht einmal die Probezeit (–p) geschweige denn eine Festanstellung bekommen (–p’). (www.wilhelmine.de/essprobleme/Forum56/HTML/000047.html, 15.2.2009)
Im Rahmen einer narrativen Rekonstruktion eines Gesprächs mit dem Therapeuten wird hier die negative These (–z) der Schreiberin „Ich kann zurzeit nicht in eine Psychosomatische Klinik gehen“ im Text als Gegenthese zu dem Vorschlag des Therapeuten, eben dies zu tun, etabliert. Die Besonderheit dieses Beispiels besteht darin, dass mit dem Belegen der Gegenthese zugleich –––––––—–– 40
In (37) ist p zwar wahrscheinlicher als p‘, aber nicht notwendige Bedingung für p’. Dies ist in (36) der Fall, wo das Erfassen eines Problems (p) notwendig ist, um es überhaupt verarbeiten zu können (p’). Auch andere logische Beziehungen sind möglich: So besteht etwa zwischen „Ich habe nicht genug Material für eine Woche, geschweige denn für ein ganzes Semester“ eine notwendige Teil/GanzesRelation: ‚Wenn ein Prädikat P nicht dem Teil zukommt, dann auch nicht dem Ganzen’ (vgl. Anm. 35). Nicht logisch, sondern nur statistisch sind hingegen die Sachverhalte in „Ich lasse meine Kinder kein Bier trinken, geschweige denn Whisky“ (vgl. ebd.) korreliert. Wie auch immer die Beziehung zwischen den Sachverhalten in K1 und K2 im Spektrum zwischen ‚notwendige Bedingung‘ bis hin zur ‚(zufälligen) statistischen Wahrscheinlichkeit‘ sein mag, die Art ihrer Korrelation hat keinerlei Einfluss auf den Gebrauch von geschweige denn; wesentlich ist allein, dass der Sachverhalt in K1 gemeinhin als wahrscheinlicher gilt als der in K2.
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die ursprüngliche These (z) widerlegt wird; es kann also offenbar auch mit koorientierenden geschweige denn eine Widerlegung realisiert werden. Jedoch: diese widerlegende Funktion kommt der geschweige dennKonstruktion nicht wesentlich zu (wie bei Typ I) – schließlich bildet geschweige denn auch hier aus K1 und K2 einen Block aus zwei koorientierten Argumenten –, sondern ergibt sich erst im weiteren Kontext. In Abgrenzung zum dialogisch-widerlegenden Gebrauch bei Typ I, bei dem vom Nicht-mal-Vorliegen des Wahrscheinlicheren (–p) auf das Erstrecht-nicht-Vorliegen des weniger Wahrscheinlichen geschlussfolgert (–q) und damit zugleich das vom Gesprächspartner Behauptete (nämlich q) widerlegt wird, ließen sich die geschweige denn-Äußerungen in (36) bis (38) auch als monologisch-belegend charakterisieren: Der Sprecher nutzt beide Konnekte als Argumente, um eine von ihm selbst aufgestellte These zu belegen. 3.2.2 Rein deskriptiv zur Charakterisierung eines Gegenstands Eine leichte Abwandlung gegenüber dem vorangehenden Gebrauch liegt in den folgenden Beispielen vor; das bereits in § 1.2. zitierte Beispiel (14) wird hier noch einmal als (40) angeführt: (39)
Im Mittelalter, als es weder Zeitungen, geschweige denn Radio oder Fernsehen gab, übernahmen die Minnesänger, die durch die Lande zogen, die Aufgabe der Nachrichtenübermittlung […]. (Vorarlberger Nachrichten, 21.9.1999, V99/SEP.45017)
(40)
Es war insofern durchaus glücklich, dass den Deutschen vor der Pause der Ausgleich gelang. Das 1:1 in der 42. Minute war dabei Kapitänssache: Bernd Schneider, ansonsten alles andere als ein Torjäger, geschweige denn ein Kopfballungeheuer, wuchtete den Ball nach einer Flanke von Bastian Schweinsteiger mit der Stirn ins Netz. (Hannoversche Allgemeine Zeitung, 13.9.2007, HAZ07/SEP.04083)
Auch hier bilden K1 und K2 einen Block aus zwei gleichgerichteten Elementen; im Unterschied zu den vorigen Beispielen wird der geschweige dennBlock hier jedoch nicht argumentativ eingesetzt, sondern rein deskriptiv: nämlich um einen bestimmten, vorher erwähnten Gegenstand genauer zu charakterisieren. In (39) tritt der geschweige denn-Block innerhalb eines parenthetisch in den Hauptsatz eingeschobenen temporalen als-Satzes auf, welcher schlicht eine zusätzliche inhaltliche Bestimmung des mit dem Temporaladverbial ‚im Mittelalter’ bezeichneten Zeitraums liefert; auch durch die implementierte Vergleichsstruktur in (40) ergibt sich eine zusätzliche Charakterisierung eines
Zur Funktionalität des Konnektors ‚geschweige denn’
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vorher erwähnten Gegenstands, hier des Subjektreferenten. Dass der im Hauptsatz bezeichnete Sachverhalt ungewöhnlich war und im Gegensatz zu dem stand, was man erwarten konnte (besagter Subjektreferent hat ein Tor geschossen, und das mit einem Kopfball), ergibt sich zwar erst vor dem Hintergrund eben dieser Charakterisierung, jedoch wird dieser Gegensatz hier schlicht konstatiert und gerade nicht als Widerlegung inszeniert. 3.2.3. Beim Zurückweisen einer Erwartung Eine zweite, recht häufig genutzte Möglichkeit besteht darin, den geschweige denn-Block als Ganzes dazu einzusetzen, um eine Erwartung zurückzuweisen. Unter einer Erwartung verstehe ich einen Sachverhalt, von dem der Sprecher annehmen kann, dass der Hörer diesen aufgrund des Gesagten erschließen könnte oder müsste. Erwartungen ergeben sich somit auf der Basis von gemeinhin gültigen generischen Implikationen, die dem Hörer vom Sprecher als gemeinsames Wissen unterstellt werden: 41 (41)
Als einst auch zwei Reiter in der Geisterstunde dieses Weges kamen, hatten sie bei dem Kreuzwege noch eine andere sonderbare Erscheinung. Sie sahen nämlich, wie die schwarzen Mähnen ihrer Pferde plötzlich lichterloh brannten (p), ohne daß diese Schmerzen empfanden (–q), geschweige denn Wunden hierdurch erhielten (–q’) [...]. (Karl Bartsch, Sagen, Märchen und Gebräuche aus Meklenburg, Bd. 1, 135)
(42)
Um auch ein Punkt auf der Karte zu sein einfach unten stehendes Formular ausfüllen und abschicken. Innerhalb von etwa einem Tag werde ich die Karte mit deinen Daten aktualisieren. Um deinen exakten Standpunkt in Jena ermitteln zu können wird deine Anschrift benötigt (p). Nachdem du in die Karte aufgenommen wurdest werden deine Daten sofort im Papierkorb landen. Die Anschrift wird nicht gespeichert (–q), geschweige denn weitergegeben (–q’)! (http://www.spongeblog.de/map/, 28.12.2008)
In (41) etwa erwartet man, dass, wenn die Mähnen der Pferde brennen, dies den Tieren auch Schmerzen und natürlich auch Wunden verursacht, und eben diese Erwartung wird hier mit dem geschweige denn-Block zurückgewiesen. –––––––—–– 41
Vgl. Eggs (2008: 372f.). Solche (nicht-erfüllten) Erwartungen sind natürlich auch bei Konzessiv- und bestimmten Adversativkonstruktionen anzunehmen. Vgl. zu den unterschiedlichen Terminologien die Diskussion bei Breindl (2004: 9ff.). Deshalb könnte in den beiden folgenden Beispielen K1 auch durch passende aberKonstruktionen eingeleitet werden.
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Frederike Eggs
Desgleichen dient auch die geschweige denn-Äußerung in (42) als Ganze dazu, den Leser von einer möglichen Konklusion abzuhalten, nämlich von der durchaus legitimen Erwartung, dass, wenn er irgendwo im Internet seine Adresse angibt, seine Daten automatisch gespeichert und an andere weiter gegeben werden. Da es sich bei den beiden durch geschweige denn miteinander verbundenen Konnekten in diesem Fall also immer um üblicherweise legitime, im gegebenen Fall aber zurückgewiesene Schlussfolgerungen handelt, werden sie nicht mit der Variable p, sondern mit der Variable q gekennzeichnet. Für (41) bis (42) ergibt sich somit folgende Grundstruktur: p, wider Erwarten aber –q, gd –q’ (§ p wider Erwarten aber –q und erst recht –q’)
3.2.4. Innerhalb einer Folge oder einer Folgerung Möglich ist schließlich auch, dass der geschweige denn-Block in einer Folge (vgl. (43)) oder einer Folgerung (vgl. (44) und (45)) auftritt: 42 (43)
Das deutsche Schulsystem ist zum einen monolingual ausgerichtet und zum zweiten bereits in der Grundstufe so stark leistungsorientiert angelegt (p), daß für kindliche Bilingualität sehr wenig flexibler Spielraum besteht (–q), geschweige denn, daß sie systematisch gefördert würde, wie es im Rahmen eines „vereinigten Europas“ anstrebenswert wäre (–q’). (Garlin 2008: 19)
(44)
Hallo Leute, ich geb jetzt auch mal meinen Senf dazu ab.... mich schockiert das hier gerade ein bisschen mit dem öl... gut, ist mein 1. Wagen überhaupt (p), insofern hab ich damit noch nicht allzuviel erfahrung (–q), geschweige denn mit Neuwagen (–q’).... (http://www.motor-talk.de/forum/neuer-ford-fiesta-benzinverbrauch-zumkotzen-t2141355.html?page=4, 23.2.2009)
(45)
Zu sehr wird der Leser in die Story aufgenommen und von ihr mitgerissen, als daß er auf irgendwelche Kleinigkeiten noch achten wollte (–q) - geschweige denn überhaupt könnte (–q’). (http://www.flash-zine.de/flash048/atlan_10.htm, 7.8.2008)
–––––––—–– 42
Zum Unterschied zwischen Folge und Folgerung vgl. Zifonun et al (1997: 2311) und daran anknüpfend Eggs (2006: 309f.): Während bei einem Folgeverhältnis auf propositionaler Ebene eine Ursache-Folge-Relation einfach konstatiert wird, wird bei einem Folgerungsverhältnis der zweite Sachverhalt in einem wissensverarbeitenden Prozess argumentativ erschlossen.
Zur Funktionalität des Konnektors ‚geschweige denn’
259
Auch hier ergeben sich die in den beiden Konnekten bezeichneten Sachverhalte auf der Basis einer der geschweige denn-Äußerung vorangehenden Behauptung: und zwar entweder als Bündel von notwendigerweise eintretenden Folgen (Konsequenzen) oder aber als Bündel von sich logischerweise ergebenden Folgerungen (Konklusionen). Um dieser Qualität Rechnung zu tragen, werden die beiden Konnekte also auch hier mit den Variablen q und q’ und die der geschweige denn-Äußerung vorangehende Behauptung mit der Variable p gekennzeichnet. Es ergibt sich somit folgende Grundstruktur: p Æ so dass –q, gd –q’ p Æ deswegen –q, gd –q’
(§ p Æ so dass –q und erst recht –q’) (§ p Æ deswegen –q und erst recht –q’)
4. Schluss Bei der Analyse des heutigen Gebrauchs des Konnektors geschweige denn konnten zwei verschiedene Verwendungen verdeutlicht werden: die dekrementiv-konklusive Verwendung auf der einen Seite (§ 3.1.), bei der es sich mit großer Wahrscheinlichkeit um die historisch ältere handelt, und die dekrementiv-koorientierende Verwendung (§ 3.2.) auf der anderen Seite. In beiden Fällen kann geschweige denn als negatives Polaritätselement eingeordnet werden, da es nur nach einer direkten Negation, einer vermittelt über den übergeordneten Satz realisierten Negation oder auch einem Kontext, der eine Negation funktional impliziert, verwendet werden kann. Bei Affixnegation muss gewährleistet sein, dass das un-Adjektiv als Satzoperator fungiert. Ausschlaggebend ist in allen Fällen, dass in K1 eine Sachverhaltsnegation realisiert wird; die Negation der in K2 enthaltenen Proposition ergibt sich ihrerseits durch die in den Konnektor geschweige denn inkorporierte Negationsbedeutung. Somit können allen aktuellen geschweige dennVerwendungen auf die Grundstruktur „NEG (K1) geschweige denn K2“ zurückgeführt werden. Die Analyse des heutigen Gebrauchs legt darüber hinaus die Vermutung nahe, dass geschweige denn auch in der spontanen mündlichen Sprache häufig verwendet wird, ohne dabei stilistisch markiert zu sein, eine Vermutung, die freilich empirisch noch genauer zu überprüfen wäre. Die Unterscheidung von zwei verschiedenen Verwendungen erscheint insofern gerechtfertigt, als sich die beiden Typen in Bezug auf die Art der Verbindung, die geschweige denn zwischen seinen beiden Konnekten herstellt, grundlegend unterscheiden. So ist die durch geschweige denn hergestellte Verknüpfung in § 1.1. als „konjunktorartig“ bestimmt worden. Die Analysen haben diese Bestimmung
260
Frederike Eggs
durchaus bestätigt, gleichzeitig aber gezeigt, dass diese Verknüpfung bei den beiden Typen doch von sehr unterschiedlicher Qualität ist: Bei der dekrementiv-koorientierenden Verwendung (Typ II), bei der die beiden Konnekte einen Block aus zwei gleichgerichteten, untereinander hierarchisierbaren Elementen bilden, liegt letztlich eine Struktur analog derjenigen zu und vor – bzw. im Hinblick auf die Negationsbedeutung analog derjenigen zu weder … noch, natürlich mit der zusätzlichen Besonderheit der Graduierung. Eine solche, letztlich additive Funktion kann für den Typ I nicht behauptet werden, mit dem eine spezifische Form des a fortiori-Widerlegens realisiert wird. Argumentationstheoretisch gesehen fungiert K1 in diesem Fall als singuläre Prämisse, K2 hingegen als Konklusion: Der Sprecher nutzt K1 als Argument, um mit K2 auf das Gegenteil dessen zu schlussfolgern, was ein Anderer zuvor behauptet hat. Logisch gesehen sind K1 und K2 in diesem Fall also gerade nicht auf der gleichen Ebene, auch wenn sie semantisch auch hier unter eine Gemeinsame Einordnungsinstanz, einen ‚Common Integrator’, subsumiert werden können und untereinander hierarchisierbar sind.
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Hardarik Blühdorn
Informationsstrukturelle Gestaltung von Satzverknüpfungen: Wie interagieren Konnektoren und Prosodie?
0. Einleitung Der vorliegende Beitrag befasst sich mit der Frage, ob – und wenn ja, in welcher Weise – von der prosodisch signalisierten Informationsstruktur Beschränkungen über den Gebrauch und/oder die Interpretation von Konnektoren ausgehen, und ob umgekehrt von Konnektoren Beschränkungen über die informationsstrukturelle Gestaltung von Äußerungen ausgehen. Im ersten Schritt gebe ich einen knappen Überblick über relevante semantische und syntaktische Eigenschaften von Konnektoren; im zweiten Schritt gehe ich auf ausgewählte prosodische Mittel und ihre Funktionen bei der Signalisierung der Informationsstruktur ein; im dritten Schritt untersuche ich die Frage nach den gegenseitigen Beschränkungen. Meine Beobachtungen konzentrieren sich auf das Deutsche, aber ich gehe davon aus, dass sie zumindest teilweise auf andere Sprachen übertragbar sind.
1. Was sind und wozu dienen Konnektoren? 1.1. Semantisch-pragmatische Charakteristik Konnektoren sind Funktionswörter zur Beschreibung semantischer Relationen zwischen jeweils zwei Relata (vgl. Pasch et al. 2003: 1ff., 8f.). Nach Blühdorn (2008c: 30ff.) werden vier grundlegende Klassen von Relationen unterschieden: Ähnlichkeitsrelationen, Situierungsrelationen, Konditionalrelationen und Kausalrelationen. Die Relata solcher Relationen sind Entitäten, die ebenfalls in vier grundlegende Klassen zerfallen (vgl. Blühdorn 2011, Kap 6.2): physische Gegenstände, Sachverhalte, Propositionen und pragmatische Optionen. Mit pragmatischen Optionen sind die Atome menschlichen –––––––—––
Für hilfreiche Kommentare danke ich Angelika Werner. Mein Dank geht ferner an die Herausgeberinnen für die professionelle Betreuung.
264
Hardarik Blühdorn
Agierens und Interagierens und die Objekte menschlichen Begehrens gemeint. Im vorliegenden Kontext interessieren vor allem Sprechakte. Nach den verknüpften Relata sind Relationen auf vier semantischen Ebenen zu unterscheiden. Formel (1) schematisiert die semantische Struktur einer Äußerung 1 (vgl. Blühdorn 2011, Kap. 6.3): (1)
(i, d(A(e, w(P(t, f(S(r, v(G))))))))
Das Symbol A steht für eine pragmatische Option, hier für einen Sprechakt, den der Sprecher im Interaktionskontext i vollzieht. Für diesen Interaktionskontext wird dem Sprechakt ein Erwünschtheitswert d zugeordnet. Mit dem Sprechakt sagt der Sprecher die Proposition P aus, der er für den epistemischen Kontext e den Wahrheitswert w zuordnet. Die Proposition ordnet einem Sachverhalt S für den zeitlichen Kontext t den Faktizitätswert f zu. Der Sachverhalt involviert als Partizipanten einen oder mehrere physische Gegenstände G, denen Vorkommenswerte v für räumliche Kontexte r zugeordnet sind. Die Kontexte enthalten auf allen vier Ebenen weitere Entitäten der jeweils relevanten Kategorie: der Interaktionskontext i weitere erwünschtheitsbewertete pragmatische Optionen (z.B. weitere Sprechakte), der epistemische Kontext e weitere wahrheitsbewertete Propositionen, der zeitliche Kontext t weitere faktizitätsbewertete Sachverhalte und der räumliche Kontext r weitere vorkommensbewertete Gegenstände. Der Sprechakt A, die Proposition P, der Sachverhalt S und die physischen Gegenstände G sind mit Bezugsentitäten in ihren Kontexten durch Relationen verknüpft. Die Relationen können durch Konnektoren beschrieben werden (vgl. Sweetser 1990: 76ff.; Blühdorn 2008c: 37ff.). Besonders wichtig für die Interaktion zwischen Konnektoren und Prosodie sind die Ebenen der Propositionen und der pragmatischen Optionen (vgl. Blühdorn 2011, Kap. 6.2.3 und 6.2.4). Auf der propositionalen Ebene geht es um den Wissensabgleich zwischen Sprecher und Adressaten: Der Sprecher kodiert und verknüpft Informationseinheiten, die der Adressat seinem Wissen hinzufügen soll. Auf der Ebene der pragmatischen Optionen geht es um Interaktionseinheiten, mit denen der Sprecher für sich selbst und beim Adressaten Handlungsziele erreichen will: Der Sprecher vollzieht und verknüpft Sprechakte.
–––––––—–– 1
Formel (1) gilt für Aussagesätze, auf deren Untersuchung ich mich in diesem Aufsatz konzentriere. Für Frage-, Aufforderungs- und Wunschsätze sind Anpassungen erforderlich (vgl. Blühdorn 2011, Kap. 6.2 und 6.3).
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1.2. Syntaktische Charakteristik Konnektoren bilden keine einheitliche morphosyntaktische Klasse. Sie zerfallen in zwei syntaktische Hauptklassen. Pasch et al. (2003: 347ff.) sprechen von „nichtkonnektintegrierbaren“ bzw. konjunktionalen und „konnektintegrierbaren“ bzw. adverbialen Konnektoren. Ich bezeichne im Folgenden die erste Gruppe als regierende, die zweite als nicht-regierende Konnektoren. 2 Wir werden sehen, dass diese Unterscheidung in Bezug auf die Interaktion mit Informationsstruktur und Prosodie hohe Bedeutung hat. Zur Gruppe der regierenden Konnektoren rechne ich Subjunktoren (wie wenn und weil), Präpositionen (wie vor und nach), Vergleichspartikeln (wie je und so) 3 , ferner Postponierer (wie sodass; vgl. Pasch et al. 2003: 241) und – als nicht-prototypische Unterklasse – auch Konjunktoren (wie und und oder); zu den nicht-regierenden gehören Adverbkonnektoren (wie trotzdem, schließlich und andererseits), Fokuspartikeln (wie auch und sogar; vgl. König 1991; Dimroth 2004) sowie Modal- bzw. Abtönungspartikeln (wie bestimmte Verwendungsweisen von denn und aber; vgl. Thurmair 1989; Diewald 2007). 4 Die sprachlichen Ausdrücke, die für die Relata der Relation stehen, heißen Konnekte des Konnektors (vgl. Pasch et al. 2003: 4). Die syntaktischen Beziehungen der Konnektoren zu ihren beiden Konnekten sind unterschiedlicher Natur. Regierende Konnektoren stehen zu einem ihrer Konnekte – Pasch et al. (ebd.: 8) bezeichnen es als das interne Konnekt – in einer KopfKomplement-Beziehung: Der Konnektor ist der Kopf, das Konnekt das Komplement. Beide zusammen bilden eine Konnektorphrase (KonnP) (vgl. Pasch et al. 2003: 50). Die Rektion eines regierenden Konnektors über sein internes Konnekt kann sich unter anderem in der Zuweisung eines morpholo–––––––—–– 2 3
4
Pasch et al. (2003: 351f.) verwenden diese Termini für einen anderen Zweck. Pasch et al. (2003) behandeln Präpositionen und Vergleichspartikeln nicht als Konnektoren. Andere Autoren, z.B. Frohning (2007), schließen Präpositionen ein. Eggs (2006) legt es nahe, auch Vergleichspartikeln mitzuberücksichtigen. Pasch et al. (2003: 351, 439ff.) rechnen zu den konjunktionalen Konnektoren auch Verbzweitsatz-Einbetter wie angenommen und gesetzt den Fall. Hierbei handelt es sich im Wesentlichen um Partizipien bzw. Partizipialgruppen, also letztlich um Verbformen bzw. verbale Ausdrücke. Diese rechne ich hier nicht zu den Konnektoren. Sie kodieren zwar semantische Relationen, sind aber nicht im engeren Sinne Funktionswörter. Dass Fokus- und Modalpartikeln als Konnektoren fungieren können, ist nicht immer offensichtlich. Oftmals fehlt ihnen im Text das zweite explizite Konnekt. Auffällig ist aber, dass viele dieser Partikeln semantische Relationen beschreiben, die auch durch Adverbkonnektoren beschrieben werden können. Es ist deshalb konsequent, wenn Pasch et al. (2003: 516, 575ff.) sie zu den Konnektoren rechnen.
266
Hardarik Blühdorn
gischen Kasus, in der Forderung eines bestimmten Tempus oder Verbmodus oder eines bestimmten Stellungstyps manifestieren. In Bezug auf ihr internes Konnekt nehmen regierende Konnektoren eine feste Linearposition ein. Sie werden ihm unmittelbar voran- oder (seltener) unmittelbar nachgestellt: (2)
a. b. c. d. e.
[wegenKonnektor [der schlechten Bezahlung]internes Konnekt]KonnP [[der schlechten Bezahlung]internes Konnekt wegenKonnektor]KonnP [wennKonnektor [Sie hier mal schauen]internes Konnekt]KonnP [jeKonnektor [länger der Streit dauert]internes Konnekt]KonnP [sodassKonnektor [alles wackelte]internes Konnekt]KonnP
Zu ihrem anderen – externen – Konnekt stehen regierende Konnektoren in einer Wirt-Adjunkt-Beziehung: Das externe Konnekt ist der Wirt, die Konnektorphrase das Adjunkt. In ihrer linearen Stellung in Bezug auf dieses Konnekt sind Präpositionen, Subjunktoren und Vergleichspartikeln recht beweglich. Konnektorphrasen mit solchen Konnektoren können dem externen Konnekt voran- oder nachgestellt werden wie in (3a-d) und oft auch in sein Mittelfeld treten wie in (4a/b): (3)
(4)
a. b. c. d. a. b.
[wegen der schlechten Bezahlung]KonnP [sind wir unzufrieden]externes Konnekt [wenn Sie hier mal schauen]KonnP [bin ich Ihnen dankbar]externes Konnekt [wir sind unzufrieden]externes Konnekt [wegen der schlechten Bezahlung]KonnP [ich bin Ihnen dankbar]externes Konnekt [wenn Sie hier mal schauen]KonnP [wir sind [wegen der schlechten Bezahlung]KonnP unzufrieden]externes Konnekt [ich bin Ihnen [wenn Sie hier mal schauen]KonnP dankbar]externes Konnekt
Postponierer und Konjunktoren sind relativ zu beiden Konnekten auf eine bestimmte Linearposition festgelegt. Sie müssen stets zwischen den Konnekten stehen, d.h. die Konnektorphrase muss dem externen Konnekt nachgestellt werden: (5)
a. [er lachte auf]externes Konnekt [sodass alles wackelte]KonnP b. [einige kommen]externes Konnekt [und andere gehen]KonnP
Für Konjunktoren ist es umstritten, von welcher Art die syntaktischen Beziehungen zu ihren Konnekten sind (vgl. Blühdorn 2008b: 62f.). Weitgehende Einigkeit besteht darüber, dass sie mit einem ihrer Konnekte enger verbunden sind als mit dem anderen (vgl. Haspelmath 2004: 5; Carston & Blakemore 2005: 354; Blühdorn 2008c: 4ff.). Diese Beobachtung rechtfertigt es, auch bei Konjunktoren zwischen internem und externem Konnekt zu unterscheiden. Johannessen (1998: 108ff.) betrachtet das enger mit dem Konjunktor verbundene Konnekt als sein Komplement, das andere als seinen Spezifizie-
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rer. Diese Ansicht wird aber nicht von allen Autoren geteilt. Mit ihrem externen Konnekt müssen Konjunktoren nicht zwingend syntaktisch verbunden sein. Dort, wo eine syntaktische Beziehung besteht, nehme ich an, dass auch Konjunktoren, wie alle übrigen Konnektoren, an ihr externes Konnekt adjungiert sind (vgl. Blühdorn 2008c: 4ff.). Wenn wir der Analyse der Syntax und Semantik von Komplement- und Adjunkt-Relationen folgen, die Bierwisch (2003) vorgeschlagen hat, so können wir annehmen, dass alle regierenden Konnektoren ihrem internen Konnekt qua Rektion und ihrem externen qua Adjunktion Argumentstellen und thematische Rollen zuweisen. Nicht-regierende Konnektoren stehen nur zu einem ihrer Konnekte in einer syntaktischen Beziehung, und zwar in einer Wirt-Adjunkt-Beziehung: Das Konnekt ist der Wirt, der Konnektor das Adjunkt. Es handelt sich also um ihr externes Konnekt. 5 In Bezug auf dieses Konnekt sind nicht-regierende Konnektoren linear relativ beweglich. Sie können in unterschiedlichen Positionen in seinem Mittelfeld stehen – vgl. (6a-c) –, Adverbkonnektoren und Fokuspartikeln auch in seinem Vorfeld – vgl. (6d-g) –, viele Adverbkonnektoren ferner in seinem Nachfeld – vgl. (6g/h) (deshalb ist als Adverbkonnektor, auch als Fokuspartikel, aber teils als Adverbkonnektor, teils als Modalpartikel zu lesen): (6)
a. b. c. d. e. f. g. h.
[Maria hat sich aber deshalb auch geschämt]externes Konnekt [Maria hat sich aber auch deshalb geschämt]externes Konnekt [Maria hat sich deshalb aber auch geschämt]externes Konnekt [deshalb hat Maria sich aber auch geschämt]externes Konnekt [auch deshalb hat Maria sich aber geschämt]externes Konnekt [auch Maria hat sich deshalb aber geschämt]externes Konnekt [Maria aber hat sich auch geschämt deshalb]externes Konnekt [Maria hat sich aber auch geschämt deshalb]externes Konnekt
Die Beziehung nicht-regierender Konnektoren zu ihrem internen Konnekt ist komplexer (vgl. Blühdorn 2008b: 66f.; 2008c: 11ff., 18ff.):
–––––––—–– 5
Ich definiere die Unterscheidung zwischen externem und internem Konnekt für alle Konnektorklassen einheitlich über die syntaktische Beziehung zwischen Konnekt und Konnektor: extern – Wirt-Adjunkt-Beziehung, intern – KomplementKopf-Beziehung. Für nicht-regierende Konnektoren unterscheidet sich meine Verwendung der Termini von der bei Pasch et al. (2003: 8ff.).
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Kasusrektion (7)
Er schlägt sie. Trotz-dem liebt sie ihn.
referentielle Brücke
Viele Adverbkonnektoren enthalten wie trotz-dem und des-halb eine morphologisch sichtbare pronominale Komponente, die von einer präpositionalen Komponente kasusregiert ist. Die präpositionale Komponente ist der Relationsausdruck, die pronominale ist syntaktisch dessen internes Konnekt. Die pronominale Komponente stellt eine referentielle Brücke zu einem anderen Satz her, durch den das interne Konnekt deskriptiven Gehalt bekommt. Bei zahlreichen Adverbkonnektoren ist die pronominale Komponente als adverbiales Anaphorikum realisiert, an dem keine Kasusrektion sichtbar werden kann, etwa in da-bei oder so-mit. Manche Adverbkonnektoren, wie dann oder so, weisen in ihrer morphologischen Form nur eine pronominale und keine präpositionale Komponente auf. Andere, wie schließlich oder folglich, enthalten nur den Relationsausdruck und keine sichtbare pronominale Komponente. Ich nehme aber an, dass alle Adverbkonnektoren in ihrer Bedeutung eine relationale und eine pronominale Komponente besitzen, auch wenn diese in der morphologischen Form nicht unterscheidbar sind (vgl. Blühdorn 2008b: 66f.). Nur dadurch können sie eine semantische Verknüpfung zwischen syntaktisch voneinander unabhängigen Ausdrücken stiften. Ihr internes Argument haben sie als (sichtbare oder unsichtbare) pronominale Komponente absorbiert. Diese Komponente ist dafür zuständig, eine referentielle Brücke zu einem anderen Satz herzustellen, der für das absorbierte Argument eine Beschreibung liefert. Die relationale Komponente spezifiziert durch die Zuweisung thematischer Rollen an ihre Argumente die Art der Relation zwischen den Bedeutungen der verknüpften Ausdrücke (vgl. Blühdorn 2008c: 22ff.). In ihren Verknüpfungseigenschaften verhalten sich demnach alle Adverbkonnektoren wie trotzdem. Der Satz, dessen Konstituente ein Adverbkonnektor ist, ist sein externes Konnekt (E-Konnekt). Durch seine pronominale Komponente (das absorbierte interne Argument) stellt er eine referentielle Brücke zur Bedeutung eines anderen Satzes (meist des Vorgängersatzes) her. Diesen bezeichne ich als sein R-Konnekt: (8)
a. [Sie scheint recht beliebt zu sein.]R-Konnekt [Dabei ist sie sehr schüchtern.]EKonnekt
b. [Die Autobahn war gesperrt.]R-Konnekt [So habe ich mich verspätet.]E-Konnekt
Informationsstrukturelle Gestaltung von Satzverknüpfungen
269
c. [Kein Wunder, dass sie weinen.]R [Schließlich war die Geschichte todtraurig.]E
Bei den Fokus- und Modalpartikeln des Deutschen ist im Allgemeinen keine Unterscheidung funktionsverschiedener morphologischer Komponenten möglich. Dennoch nehme ich an, dass auch Konnektoren dieser Klassen ihr internes Argument absorbiert haben und in ihrer Bedeutung eine pronominale Komponente enthalten, die eine referentielle Brücke zu einem R-Konnekt stiftet. Fokuspartikeln setzen ihr E-Konnekt – ihren syntaktischen Bezugsausdruck (vgl. Dimroth 2004: 14f.) – in Relation zu einer Alternativenmenge. Diese spalten sie in eine Teilmenge auswählbarer und eine komplementäre Teilmenge nicht-auswählbarer Alternativen (vgl. Blühdorn 2011, Kap. 3.2.2 und 6.3.1). Die pronominale Komponente der Fokuspartikel verweist auf eine der beiden Teilmengen. Die relationale Komponente beschreibt eine semantische Relation zwischen ihr und dem E-Konnekt. Eine oder mehrere Alternativen aus der betreffenden Teilmenge können als explizites R-Konnekt der Fokuspartikel auftreten: (9)
a. [Otto hat Kartoffeln gepflanzt.]R [Er hat auch Radieschen gesät.]E
Das R-Konnekt kann bei Fokuspartikeln wahlweise auch implizit bleiben. Modalpartikeln setzen ihr E-Konnekt in Relation zu einer Menge von Präsuppositionen (vgl. Bublitz 1978: 46ff.). Diese werden nur selten explizit gemacht, d.h. das R-Konnekt einer Modalpartikel bleibt typischerweise implizit – in (9b) symbolisiert durch geschweifte Klammern: (9)
b. {Ich wusste nicht, ob noch Bier da ist. Jetzt habe ich Grund zu der Vermutung, dass kein Bier mehr da ist.}R [Ist denn kein Bier mehr da?]E
2. Was ist und wozu dient Prosodie? Zur Prosodie werden Eigenschaften sprachlicher Ausdruckseinheiten wie Quantität, Intonation und Akzent gerechnet, ferner auch Sprechtempo, Rhythmus, Pausen, Stimmfarbe und andere (vgl. Selting 1995: 11; Schwitalla 2006: 56; Überblicksdarstellungen: Fox 2000; Gilles 2005). Ich berücksichti-
270
Hardarik Blühdorn
ge hier nur Akzent und Intonation. Sie tragen zu zwei Funktionen bei, die für die Interaktion mit Konnektoren besonders relevant sind: zur prosodischen Phrasierung und zur Kodierung der Informationsstruktur. 2.1. Prosodische Phrasierung Sprachliche Äußerungen weisen eine Mehr-Ebenen-Struktur auf. Im schriftlichen Medium wird diese vor allem durch die Morphosyntax gestiftet: Texte bestehen aus Sätzen, komplexe Sätze aus einfachen Sätzen, einfache Sätze aus Phrasen, Phrasen aus Wortformen, Wortformen aus Morphemen bzw. Morphen. Auf jeder Komplexitätsebene weisen die Einheiten charakteristische Eigenschaften auf. Ebenenspezifische Regeln steuern die Bildung komplexerer und die Zerlegung in weniger komplexe Einheiten. Die formale Kenntlichmachung von Struktureinheiten bezeichne ich als Phrasierung. In der geschriebenen Sprache dienen unter anderem Interpunktion, Spatien und Majuskeln als Phrasierungsmittel. Syntaktisch phrasierende Funktion haben stellungsbeschränkte Ausdrücke wie Komplementierer, Artikel und Verbformen. Das gleiche gilt für regierende Konnektoren, die ja immer am Anfang oder Ende von Konnektorphrasen stehen (s.o.). Nicht-regierende Konnektoren, deren syntaktische Stellung innerhalb ihres externen Konnekts sehr frei ist, haben keine phrasierende Funktion. Gesprochene Äußerungen können ebenso wie geschriebene in morphosyntaktische Einheiten zerlegt werden. Ihre dominante Struktur wird aber nicht durch die Morphosyntax, sondern durch die Prosodie gestiftet (vgl. Blühdorn 2011, Kap. 5.1). Nach Selkirk (1984: 26ff.) und Nespor & Vogel (1986) heißen die prosodischen Einheiten der gesprochenen Sprache in abnehmender Komplexität: phonologische Äußerung, Intonationsphrase, phonologische Phrase, klitische Gruppe, phonologisches Wort, Fuß und Silbe. Der Begriff der Intonationsphrase ist in der Literatur allmählich deutlicher herausgearbeitet worden. Dabei sind unterschiedliche Wege eingeschlagen worden. Viele Autoren definieren die Intonationsphrase von ihren Grenzen her (vgl. schon Bierwisch 1966: 106ff.). An Stellen, die intuitiv als IPGrenzen in Frage kommen, finden sich häufig phonetische Phänomene, die man als Grenzmarker interpretieren kann: Pausen und Atmen, Dehnungen, Knarrstimme, Tonsprünge und andere (vgl. Nespor & Vogel 1986: 187ff.; Selting 1995: 39; Peters 2005: 97f.; Féry 2006: 165; Bergmann & Mertzlufft 2009: 87ff.). Die Intonationsphrase gilt auch als Domäne von Intonationskonturen (vgl. Selkirk 1984: 27; Nespor & Vogel 1986: 188ff.; Uhmann 1991: 12ff.; Schwitalla 2006: 90f.). Darunter sind nach Selting (1995: 39) „aufgrund ihrer Tonhöhenverlaufsgestalt (...) als kohäsiv wahrgenommene“ melodische Einheiten zu verstehen. Intonationskonturen
Informationsstrukturelle Gestaltung von Satzverknüpfungen
271
werden nicht frei gebildet, sondern gehören zu relativ kleinen einzelsprachspezifischen Inventaren und können deshalb leicht wiedererkannt werden. Sie fassen kleinere prosodische Einheiten zu größeren zusammen. Sowohl geschriebene als auch gesprochene Äußerungen haben sowohl morphosyntaktische als auch prosodische Struktur (vgl. Féry 2006). Der Satz als Grundeinheit der morphosyntaktischen Struktur und die Intonationsphrase als Grundeinheit der prosodischen Struktur teilen die prototypische kommunikative Funktion, Informationseinheiten (z.B. Propositionen; vgl. Halliday 1967: 200ff.; 2004: 15f., 87ff.) bzw. Handlungseinheiten (z.B. Sprechakte; vgl. Selting 1995: 76 u.ö.) zu kodieren. Im Idealfall entspricht eine Intonationsphrase einem einfachen Satz wie in (10a). In realen Äußerungen sind aber auch andere Zuordnungen möglich und durchaus häufig, wie z.B. in (10b) (vgl. Halliday 1967: 201; Gilles 2005: 16f.; Peters 2005: 100f.). Intonationsphrasen können kleiner ausfallen als einfache Sätze; sie können auch mehrere einfache Sätze zusammenfassen: (10) a. b.
Intonationsphrase einfacher Satz Intonationsphrase
Intonationsphrase einfacher Satz Intonationsphrase
einfacher Satz
Intonationsphrase einfacher Satz Intonationsphrase einfacher einfacher Satz Satz
2.2. Signalisierung der Informationsstruktur Intonationsphrasen des Deutschen weisen eine eigenständige prosodisch signalisierte Informationsstruktur auf. In der Forschungsliteratur besteht noch keine Einigkeit darüber, wie die phonetischen, phonologischen und informationsstrukturellen Eigenschaften der Intonationsphrase im Detail aufeinander bezogen sind, aber seit Jacobs (1984, 1988) hat sich das Modell der FokusHintergrund-Gliederung (das letztlich auf Jackendoff 1972: 229ff. zurückgeht) weitgehend als Beschreibungsrahmen durchgesetzt (vgl. Musan 2010: 42ff.). Im Folgenden arbeite ich mit einer vor allem an Büring (1997, 2003, 2006) orientierten Theorie von der informationellen und prosodischen Struktur der deutschen Intonationsphrase, deren Grundzüge sich in vier Generalisierungen zusammenfassen lassen: 1.
Jede Intonationsphrase enthält genau einen Fokus (F) (vgl. Chomsky 1971: 201f.; Féry 1988: 42ff.; Uhmann 1991: 123; Büring 1997: 28f.). Dieser wird durch den Nuklearakzent markiert, der im Standarddeutschen in der Regel mit einer fallenden oder steigend-fallenden Tonbewegung assoziiert ist. Bei nicht-letzten Gliedern von Koordinationen bzw.
272
2.
3.
4.
Hardarik Blühdorn
Listen kann der Fokusakzent mit steigender Tonbewegung realisiert werden (vgl. Gleitman 1965: 274ff.; Bierwisch 1966: 126, 151f.; Wunderlich 1988: 23). Ausgehend von der akzentuierten Silbe weitet sich die Fokuseigenschaft auf eine mehr oder weniger umfangreiche Konstituente aus (Fokusprojektion) (vgl. Uhmann 1991: 195ff.). Soweit die Intonationsphrase nicht-fokussierte Teile enthält, bilden diese den Informationshintergrund (vgl. Jacobs 1984: 26ff.; Uhmann 1991: 3; Büring 1997: 28ff.). Der Hintergrund zerfällt nach seiner linearen Position relativ zum Fokus in einen pränuklearen und einen postnuklearen Bereich. Für beide gilt, dass sie dann leer sind, wenn die Fokusprojektion bis zum Rand der Intonationsphrase reicht. Im pränuklearen Hintergrund können durch zusätzliche Akzente fakultativ eine oder mehrere Konstituenten als Topiks (T) herausgehoben werden (vgl. Féry 1988: 53ff.; Büring 1997: 53ff.). Topikakzente sind mit steigenden Tonbewegungen verbunden. 6 Der postnukleare Hintergrund kann intonatorisch durch Grenztöne gestaltet sein, kann aber keine Akzente enthalten (vgl. Féry 1988: 50f.; Büring 2006: 146). Ein Akzent rechts von einem Nuklearakzent liegt unabhängig von der syntaktischen Struktur des Ausdrucks immer in der nächsten Intonationsphrase.
Die allgemeine Struktur von Intonationsphrasen lässt sich folgendermaßen schematisieren (Klammern zeigen Fakultativität an): (11)
Intonationsphrase (pränuklearer Hintergrund) Fokus (postnuklearer Hintergrund) (/T) (weitere /T) (/)F\
Die allgemeine informationsstrukturelle Funktion von Topiks besteht darin, die Erwartungen des Adressaten in Bezug auf den Handlungs- und Informationsbeitrag der aktuellen Kommunikationseinheit zu verengen (vgl. Blühdorn 2011, Kap. 5.2.5). Für Deklarativsätze kann diese Verengung mit Büring (2003: 513ff.; 2006: 156ff.) als Unterfragebildung modelliert werden (vgl. auch Halliday 2004: 87ff.). Die allgemeine informationsstrukturelle Funktion
–––––––—–– 6
Den Terminus Topik verwende ich im Sinne von Büring (1997: 54): Topik als herausgehobener Teil des Informationshintergrunds. In der Literatur sind daneben zahlreiche andere Topikdefinitionen in Umlauf (vgl. Musan 2010: 25ff.), die teilweise anders kontextualisiert sind, anderen Erkenntniszielen dienen und sich mit dem hier verwendeten Topikbegriff nur partiell überschneiden.
Informationsstrukturelle Gestaltung von Satzverknüpfungen
273
des Fokus besteht darin, die Kommunikationseinheit zu vervollständigen. In Deklarativsätzen liefert der Fokus diejenige Information, die als Antwort auf die im Kontext relevante (Unter-)Frage fungiert (vgl. Büring 1997: 40ff.; 2006: 149ff.).
3. Interaktion zwischen Konnektoren und Prosodie Wo berühren sich nun die strukturellen und funktionalen Charakteristiken von Konnektoren und Prosodie? Wo finden Interaktionen zwischen ihnen statt? Wir haben schon gesehen, dass regierende Konnektoren syntaktische Phrasierungsmittel sind. In dieser Hinsicht erfüllen sie eine ähnliche Funktion wie Grenzmarker in der prosodischen Struktur. Allerdings ist das Auftreten prosodischer Grenzmarker, z.B. an der Peripherie von Intonationsphrasen, weitgehend obligatorisch, während das Auftreten von Konnektoren an der Peripherie syntaktischer Ausdrücke fakultativ ist. Konnektoren werden nur dann verwendet, wenn ihre semantischen Verknüpfungseigenschaften erwünscht sind. Ob prosodische Grenzmarker vergleichbare semantische Verknüpfungseigenschaften haben und wie diese organisiert sind, ist bis jetzt nur ansatzweise untersucht (vgl. Peters 2005: 106, 127). In der syntaktischen Struktur erfüllen regierende Konnektoren die Funktion, kleinere Einheiten zu komplexeren Einheiten zu verknüpfen. Eine ähnliche Funktion in der prosodischen Struktur haben Intonationskonturen, die durch ihre Gestalthaftigkeit ebenfalls kleinere Einheiten zu größeren zusammenfassen. Für nichtregierende Konnektoren haben wir gesehen, dass sie weder syntaktische Phrasierungs- noch syntaktische Verknüpfungsmittel sind. Sie zeigen in dieser Hinsicht keine Funktionsähnlichkeit zu prosodischen Mitteln. Im Folgenden werde ich zeigen, dass es bei gegenseitigen Abhängigkeiten und Beschränkungen zwischen Konnektoren und Prosodie genau umgekehrt steht: Regierende Konnektoren interagieren nur indirekt und schwach mit der Prosodie bzw. der durch sie signalisierten Informationsstruktur. Das grammatische Verhalten regierender Konnektoren wird durch die Syntax gesteuert. Nicht-regierende Konnektoren dagegen interagieren direkt und stark mit der prosodisch signalisierten Informationsstruktur. Ihr grammatisches Verhalten richtet sich nicht nur nach syntaktischen, sondern auch nach informationsstrukturellen Beschränkungen, und sie wirken sich umgekehrt auf die informationsstrukturelle Gestaltbarkeit der verknüpften Ausdrücke aus.
274
Hardarik Blühdorn
3.1. Regierende Konnektoren 3.1.1. Informationsstrukturelle Äußerungsgestaltung und Konnektor-Stellung Regierende Konnektoren nehmen syntaktisch festgelegte Positionen an den Rändern ihrer Konnekte ein. Soweit Satzgrenzen und Intonationsphrasengrenzen übereinstimmen, sind für sie damit auch Positionen an den Rändern von Intonationsphrasen typisch. Da Intonationsphrasengrenzen aber nicht mit Satzgrenzen zusammenfallen müssen, können regierende Konnektoren auch im Innern von Intonationsphrasen stehen. In ihren syntaktisch festgelegten Positionen nehmen regierende Konnektoren unbeschränkt an der prosodischen Gestaltung der Äußerung teil. Typischerweise gehören sie zum pränuklearen Hintergrund der Intonationsphrase: 7 (12)
a. b. c. d.
sie be/SCHWEren sich wegen der beZAH\lung kommen sie wenn sie /ZEIT\ haben er konnte sich nicht er/IN\nern // obgleich man ihn ge/FRAGT\ hatte sie war achtzehn /JAH\re alt // und sie war ge/RAde mit der SCHU\le fertig
Fakultativ können alle regierenden Konnektoren, soweit dies im jeweiligen Kommunikationskontext sinnvoll ist, durch steigende Akzente als Topiks herausgehoben werden: (13)
a. b. c. d.
sie be/SCHWE\ren sich // /WEgen der beZAH\lung /KOM\men sie // /WENN sie ZEIT\ haben er konnte sich nicht er/IN\nern // ob/GLEICH man ihn geFRAGT\ hatte sie war achtzehn /JAHre alt // /UND sie war gerade mit der SCHU\le fertig
Ferner können alle regierenden Konnektoren in geeigneten Kontexten fokussiert werden. Ist der Konnektor fokussiert, so bleibt der Rest des internen Konnekts (bei vorangestellter Konnektorphrase der Rest des Gesamtsatzes) meist unakzentuiert (Kontexte in geschweiften Klammern): –––––––—–– 7
Notation der prosodischen Gestaltung: nicht-akzentuiertes Material in Kleinbuchstaben, akzentuierte Silben in Großbuchstaben. Steigende Schrägstriche vor Akzentsilben, fallende Schrägstriche nach Akzentsilben: steigende bzw. fallende Tonbewegungen. Doppelte Schrägstriche: Intonationsphrasengrenzen. Unterschiedliche Sprecher: Großbuchstaben A und B. Durchweg geben die eingetragenen Intonationen nur eine von mehreren Möglichkeiten wieder.
Informationsstrukturelle Gestaltung von Satzverknüpfungen (14)
275
a. {was heißt hier /TROTZ\ der bezahlung //} sie beschweren sich /WE\gen der bezahlung b. {sie scheinen keine /ZEIT\ zu haben //} kommen sie /WENN\ sie zeit haben c. {A – kein /WUN\der dass er sich nicht erinnern konnte wenn man ihn gar nicht gefragt hatte} B – ob/GLEICH\ man ihn gefragt hatte konnte er sich nicht erinnern d. {A – war sie achtzehn /JAHre alt // oder war sie gerade mit der /SCHU\le fertig} B – sie war achtzehn /JAHre alt // /UND\ sie war gerade mit der schule fertig
Nach Pasch et al. (2003: 135) sind einige wenige regierende Konnektoren nicht fokussierbar. Genannt werden da, wo und zumal. Meines Erachtens ist diese These nicht richtig. Es lassen sich durchaus Kontexte finden, in denen eine Fokussierung auch dieser Konnektoren sinnvoll und möglich ist: (15)
a. {A – wie/SO sollen wir uns im beTRIEBS\rat engagieren wo wir so schlecht bezahlt werden} B – gerade /DA\ wir so schlecht bezahlt werden müssen wir uns im betriebsrat engagieren b. {A – /JETZT nach der /WIEderwahl BRAUCHT\ er unsere hilfe nicht mehr} B – gerade /WO\ er jetzt wiedergewählt ist braucht er unsere hilfe c. {A – diese these ist sehr über/ZEU\gend // auch weil sie von em/PIrischen dingen UN\abhängig ist} B – die these überzeugt mich /GAR\ nicht // zu/MAL\ ihr die empirische absicherung fehlt
Da kennzeichnet die Relation zwischen seinen Konnekten als für den Adressaten aufgrund von vorausgesetztem Hintergrundwissen nachvollziehbar. Häufig, aber nicht notwendigerweise, beruht die Nachvollziehbarkeit wie in (15a) darauf, dass die Proposition des internen Konnekts dem Adressaten schon bekannt ist (vgl. Blühdorn 2006: 260f., 272ff.; 2009; Ravetto & Blühdorn i.E.). Ähnlich können auch wo und zumal charakterisiert werden. Werden diese Konnektoren als reine Anzeiger für die Nicht-Neuheit ihres internen Konnekts gedeutet, so erscheint ihre Fokussierung in der Tat wenig sinnvoll. Aber da, wo und zumal beschreiben in erster Linie semantische Relationen, die in der Regel konditional oder kausal zu interpretieren sind. In dieser Funktion können sie, wie (15a-c) zeigen, durchaus fokussiert werden, auch wenn das Relatum, das sie einführen, als solches nicht neu ist. Regierende Konnektoren sind also, soweit dies im jeweiligen Kontext
276
Hardarik Blühdorn
sinnvoll ist, als Foki, Topiks oder unakzentuiertes Hintergrundmaterial verwendbar. Die Informationsstruktur nimmt weder Einfluss auf ihre Stellung noch auf ihr sonstiges grammatisches Verhalten. 3.1.2. Vorangestellte Konnektorphrasen mit Fokus Dennoch gibt es syntaktische Konfigurationen, in denen die informationsstrukturelle Gestaltbarkeit der Konnekte regierender Konnektoren beschränkt ist. So scheint es unter bestimmten Bedingungen abweichend zu sein, die Konnekte eines regierenden Konnektors als separate Intonationsphrasen zu realisieren. Beispiele wie die unter (16) sind fragwürdig, d.h. für diese Beispiele lassen sich nur schwer Kontexte finden, in denen die eingezeichnete Phrasierung akzeptabel wäre: (16)
a. ?seit sie in /MANN\heim wohnt // leidet sie unter /HEIM\weh b. ?weil er nicht be/ZAHLT\ hat // bekommt er keinen kre/DIT\ mehr c. ?als sie he/REIN\kam // sah sie die be/SCHE\rung
Schauen wir uns, um diese Beschränkung zu verstehen, genauer die Möglichkeiten an, Sätze in mehrere Intonationsphrasen zu zerlegen. Hier ist, zumindest im Deutschen, eine deutliche Asymmetrie zwischen der rechten und der linken Satzperipherie zu beobachten. Konstituenten am rechten Satzrand können in vielen Fällen als separate Intonationsphrasen realisiert werden (vgl. Selting 1995: 70ff.). In (17a-c) bildet jeweils der ganze Satz eine Intonationsphrase. In (17d-f) sind die gleichen Sätze auf zwei Intonationsphrasen verteilt; die rechtsperiphere Konstituente bildet allein eine Intonationsphrase: (17)
a. b. c. d. e. f.
die /KINder basteln eine laTER\ne die gruppe wartete auf den /BUS\ /DIEser coup zählte fast mehr als ein SIEG\ die /KINder BAS\teln // eine la/TER\ne die gruppe /WAR\tete // auf den /BUS\ /DIEser coup ZÄHL\te // fast /MEHR als ein SIEG\
Wird ein Satz in mehrere Intonationsphrasen aufgeteilt, so kann eine andere semantische Interpretation nahegelegt sein, als bei durchgehender Phrasierung. Das sieht man deutlich in (17f) im Vergleich zu (17c). Ein solcher Effekt muss aber nicht notwendig eintreten, wie (17d/e) im Vergleich zu (17a/b) zeigen. Nicht alle rechtsstehenden Konstituenten können gleich gut separat phra-
Informationsstrukturelle Gestaltung von Satzverknüpfungen
277
siert werden. So ist etwa die prosodische Abtrennung rechtsstehender Subjekte, nicht-weglassbarer Objekte und Prädikative fragwürdig: (18)
a. b. c. d. e. f.
in dieser straße wohnte meine /O\ma ?in /DIEser STRA\ße wohnte // meine /O\ma wir brauchen bald eine neue /GLÜH\birne ?wir brauchen /BALD\ // eine neue /GLÜH\birne die neue kol/LEgin war wunderSCHÖN\ ?die neue kol/LE\gin war // /WUNderSCHÖN\
Dagegen lassen sich rechtsstehende Konnektorphrasen in der Regel sehr gut separat phrasieren: (19)
a. b. c. d.
sie be/SCHWE\ren sich wegen der bezahlung sie be/SCHWE\ren sich // wegen der be/ZAH\lung die natur gibt sig/NA\le bevor es zu spät ist die natur gibt sig/NA\le // be/VOR\ es zu spät ist
Nur rechtsstehende Vergleichspartikelphrasen, bei denen eine adverbiale Partnerpartikel wie desto oder so im externen Konnekt steht, lassen sich schlecht prosodisch abtrennen: (20)
a. sie wird desto /KRÄNker je /LÄNger der streit DAU\ert b. ?sie wird desto /KRÄN\ker // je /LÄNger der streit DAU\ert
Im Gegensatz zu rechtsstehenden Konstituenten lassen sich Konstituenten im Vorfeld generell nicht gut als eigenständige Intonationsphrasen realisieren: (21)
a. b. c. d. e. f.
eine la/TER\ne basteln die kinder ?eine la/TER\ne // basteln die /KIN\der auf den /BUS\ wartete die gruppe ?auf den /BUS\ // wartete die /GRUP\pe fast mehr als ein /SIEG\ zählte dieser coup ?fast mehr als ein /SIEG\ // zählte dieser /COUP\
Das gilt auch für vorangestellte Konnektorphrasen: (22)
a. b. c. d.
wegen der be/ZAH\lung beschweren sie sich ?wegen der be/ZAH\lung // be/SCHWE\ren sie sich be/VOR\ es zu spät ist gibt die natur signale ?be/VOR\ es zu spät ist // gibt die natur sig/NA\le
278
Hardarik Blühdorn
Liegt im Vorfeld eines V2-Satzes eine fokussierte Konstituente, so wird der Satzrest in aller Regel als postnuklearer Hintergrund realisiert und bleibt unakzentuiert. Da bei vorangestellten Konnektorphrasen der Satzrest das externe Konnekt des Konnektors ist, steht ein Fokus in einer vorangestellten Konnektorphrase einer getrennten Phrasierung der Konnekte im Weg (vgl. Blühdorn 2006: 276; 2009). Dies ist allerdings keine spezifische Beschränkung über die prosodische Gestaltung von Konnektorverknüpfungen, sondern eine generelle Regel über die Abbildung prosodischer auf syntaktische Einheiten, hier bezogen auf das syntaktische Vorfeld. Sie ist unabhängig davon, ob im Vorfeld eine Konnektorphrase oder ein anderer syntaktischer Ausdruck steht. Auf Konnektorverknüpfungen wirkt sie sich nur insofern aus, als auch manche Konnektorphrasen (nämlich Präpositional-, Subjunktor- und Vergleichspartikelphrasen) zu den voranstellbaren Satzgliedern gehören. 3.1.3. Informationsstruktur und semantische Verknüpfungs-Lesart Es ist oft beobachtet worden, dass die Informationsstruktur Einfluss auf die semantische Lesart von Verknüpfungen mit regierenden Konnektoren hat. Vergleichen wir (23a/b): (23)
a. er spielte kla/VIER\ während sie sang b. /ER spielte klaVIER\ // während /SIE SANG\
Werden die Konnekte von während wie in (23a) zu einer Intonationsphrase zusammengefasst, so liegen temporal-situierende Lesarten nahe, d.h. nach Formel (1), Lesarten, in denen zwei Sachverhalte zeitlich miteinander verknüpft sind. Werden die Konnekte dagegen wie in (23b) als separate Intonationsphrasen realisiert – mit sogenannter comma intonation (vgl. Sweetser 1990: 82ff.) –, so liegen Lesarten nahe, in denen der Konnektor auf der Propositions- oder Sprechaktebene operiert. Für während sind das adversative Lesarten (vgl. Clément 1998: 55ff.; Blühdorn 2006: 271f.; 2008a: 226ff., 236ff.). Nach Lang (2004: 58f.) kann die Interpretation bei regierenden Konnektoren nicht nur hinsichtlich der Verknüpfungsebene, sondern auch hinsichtlich der Relationsart durch unterschiedliche prosodische Gestaltung der Konnekte beeinflusst werden: (24)
a. mein /VAter ist /KRANK // und meine /MUTter geht AR\beiten b. mein /VAter ist /KRANK // und meine MUT\ter geht arbeiten
In (24a) bilden die Konnekte von und symmetrisch gestaltete Intonationsphrasen. Die Subjekte mein Vater und meine Mutter sind als Topiks, die
Informationsstrukturelle Gestaltung von Satzverknüpfungen
279
Prädikate ist krank und geht arbeiten als Foki hervorgehoben. Der Fokusakzent im ersten Koordinationsglied ist mit steigender Tonbewegung realisiert (s.o. Abschnitt 2.2). Foki und Topiks sind jeweils auf Alternativenmengen zu beziehen (vgl. Büring 1997: 34ff., 66ff.): mein Vater und meine Mutter referieren auf Elemente aus der Alternativenmenge der Eltern des Sprechers; ist krank und geht arbeiten beschreiben Elemente aus der Alternativenmenge möglicher Lebenssituationen. Die syntaktische, semantische und informationsstrukturelle Parellelität der Konnekte legt es nahe, die Verknüpfung im Sinne einer symmetrischen Relation – einer Ähnlichkeitsrelation im Sinne von Blühdorn (2008c: 35, 47ff.), hier im Sinne eines Gegensatzes – zu deuten. In (24b) liegt eine solche Lesart nicht nahe. Die Konnekte sind zwar syntaktisch und semantisch parallel gebaut, aber informationsstrukturell unterschiedlich gestaltet. Mein Vater ist Topik des ersten, meine Mutter Fokus des zweiten Konnekts; ist krank ist Fokus des ersten, geht arbeiten liegt im Informationshintergrund des zweiten Konnekts. Es gibt also kein Paar von Ausdrücken, die Elemente derselben Alternativenmenge bezeichnen und gleichen informationsstrukturellen Status haben. Dadurch wird es nahegelegt, die semantische Relation zwischen den Konnekten als asymmetrisch zu verstehen. Asymmetrische Relationen können Situierungs-, Konditional- oder Kausalrelationen sein (vgl. Blühdorn 2008c: 31ff.). Nach Lang (2004: 59) drängt sich für (24b) die kausale Lesart auf, dass die Krankheit des Vaters das Motiv für die Arbeitstätigkeit der Mutter liefert. Die Beispiele zeigen deutlich, dass die semantische Interpretation regierender Konnektoren durch die Informationsstruktur beeinflusst werden kann. Einschränkend ist aber hinzuzufügen: Die Informationsstruktur kann nur die Auswahl aus Lesarten erleichtern, die der jeweilige Konnektor zur Verfügung stellt. Die große Mehrzahl der Konnektoren ist semantisch unterspezifiziert (vgl. Blühdorn 2008c: 49ff.; 2010). So erlaubt etwa der Konjunktor und Ähnlichkeits-, Situierungs-, Konditional- und Kausal-Lesarten auf den Verknüpfungsebenen der physischen Gegenstände, der Sachverhalte, der Propositionen und der pragmatischen Optionen (vgl. Posner 1980; Blakemore & Carston 2005). In (24a/b) trägt die Informationsstruktur dazu bei, die Bandbreite der Auswahlmöglichkeiten für den Interpreten zu verengen. Bei Konnektoren wie während in (23a/b) sind von Haus aus weniger, aber dennoch mehrere Lesarten möglich. Auch hier kann die Informationsstruktur helfen, die Auswahl zu erleichtern. Die Informationsstruktur kann also Beiträge zur semantischen Disambiguierung von Verknüpfungen mit regierenden Konnektoren leisten. Informationsstrukturellen oder prosodischen Beschränkungen unterliegen regierende Konnektoren aber nicht, und sie etablieren auch selbst keine Beschränkungen hinsichtlich der informationsstrukturellen oder prosodischen Gestaltung der Verknüpfung.
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Hardarik Blühdorn
3.2. Nicht-regierende Konnektoren Ganz anders ist die Lage bei nicht-regierenden Konnektoren. Sie interagieren eng und in mehrfacher Weise mit Informationsstruktur und Prosodie. Ich werde im Folgenden auf drei Arten von Wechselwirkungen eingehen: 1.
informationsstrukturelle Beschränkungen, die die Stellung nichtregierender Konnektoren innerhalb ihres Wirtskonnekts beeinflussen, Auswirkungen der Konnektorstellung auf die informationsstrukturelle Gestaltung der Konnekte und Beschränkungen über die informationsstrukturelle Funktion der Konnektoren.
2. 3.
Ich gehe zuerst auf Adverbkonnektoren, dann auf Fokuspartikeln, zuletzt auf Modalpartikeln ein. 3.2.1. Adverbkonnektoren Adverbkonnektoren können im Vor-, Mittel- und Nachfeld ihres Wirtskonnekts stehen (s.o. (6a-h)). Bei Pasch et al. (2003: 500ff.) werden sie unter anderem danach subklassifiziert, ob sie die sogenannte Nacherstposition, eine Linearposition zwischen Vorfeldkonstituente und linker Satzklammer (ebd.: 486), 8 einnehmen können: (25)
a. Maria also / etwa / vor allem / aber / nun / andererseits hat sich dabei / deshalb / trotzdem geschämt. b. Maria *dabei / *deshalb / *trotzdem hat sich also / etwa / vor allem / aber / nun / andererseits geschämt.
Adverbkonnektoren wie also, etwa, vor allem, aber, nun und andererseits können in der Nacherstposition auftreten, andere wie dabei, deshalb und trotzdem sind von ihr ausgeschlossen. Wahrscheinlich sind dafür semantische Faktoren (mit)verantwortlich (vgl. Breindl 2008: 28). Die Details müssen noch genauer erforscht werden. Breindl (2008) zeigt, dass die Nacherstposi–––––––—–– 8
Pasch et al. (2003: 69ff.) lokalisieren die Nacherstposition, ebenso wie die Vorerstposition (s.u. Abschnitt 3.2.2), zunächst innerhalb des Vorfelds, stellen dann aber (ebd.: 72) beide als Positionen außerhalb des Vorfelds dar. In welchen genauen syntaktischen Beziehungen Elemente in diesen Positionen zur Vorfeldkonstituente stehen, lassen sie offen. Explizite Strukturvorschläge hierzu diskutieren Volodina & Weiß (2010).
Informationsstrukturelle Gestaltung von Satzverknüpfungen
281
tion nur besetzt werden kann, wenn die Vorfeldkonstituente akzentuiert ist. Realisierungen wie die unter (26a) sind demnach ungrammatisch. Alle nacherstfähigen Adverbkonnektoren können nach einer Vorfeldkonstituente mit Topikakzent stehen (vgl. (26b)). Einige, aber nicht alle, können die Nacherstposition auch nach einer Vorfeldkonstituente mit Fokusakzent einnehmen (vgl. (26c)): (26)
a. maria *also / *etwa / *vor allem / *aber / *nun / *andererseits hat sich deshalb ge/SCHÄMT\ b. ma/RIa also / etwa / vor allem / aber / nun / andererseits hat sich deshalb geSCHÄMT\ c. ma/RI\a also / etwa / vor allem / *aber / *nun / *andererseits hat sich deshalb geschämt
In der Nacherstposition wird die Stellung von Adverbkonnektoren also erkennbar durch die Informationsstruktur beschränkt. Umgekehrt beeinflussen Adverbkonnektoren die informationsstrukturelle Gestaltbarkeit ihrer Konnekte. Im typischen Fall verknüpfen sie ihre Konnekte anaphorisch (s.o. Beispiele (7) und (8)): (27)
[Kreuzgang geht abends nicht gern schlafen.]R [Deshalb wird er Nachtwächter.]E
Das linear erste ist das R-Konnekt, auf das die pronominale Komponente des Konnektors aus dem E-Konnekt zurückverweist. Sind beide Konnekte selbständige Hauptsätze, so werden sie häufig getrennt phrasiert wie in (28a). Realisierungen wie in (28b), in denen beide zusammen eine Intonationsphrase bilden, sind aber ebenfalls möglich, vor allem bei kürzeren Konnekten: (28)
a. /KREUZgang geht /Abends nicht gern SCHLA\fen // /DEShalb wird er NACHT\wächter b. /KREUZgang geht abends nicht gern /SCHLAfen deshalb wird er NACHT\wächter
Manche Adverbkonnektoren können auch wie in (29) kataphorisch (vorausweisend) verwendet werden, wenn ihr R-Konnekt zusätzlich durch einen Subjunktor eingeleitet wird. Der Adverbkonnektor hat dann Korrelatfunktion (zum Korrelatbegriff vgl. Eisenberg 2004: 328ff.). Der Subjunktor wäre auch allein hinreichend, um die semantische Relation zwischen den Konnekten zu beschreiben (vgl. (30)):
282
Hardarik Blühdorn
(29)
[Kreuzgang wird deshalb Nachtwächter,]E weil [er abends nicht gern schlafen geht.]R [Kreuzgang wird Nachtwächter,]E weil [er abends nicht gern schlafen geht.]R
(30)
Vorausweisende Adverbkonnektoren legen es nahe, die Konnekte prosodisch in einer Intonationsphrase zusammenzufassen und den Fokus ins R-Konnekt zu legen: (31)
a. {A – warum wird /KREUZgang denn NACHT\wächter} B – kreuzgang wird /DEShalb nachtwächter weil er abends nicht gern SCHLA\fen geht
Ein Fokus im E-Konnekt ist nur möglich, wenn das R-Konnekt als Nachtrag von Information gedeutet wird, die der Sprecher zunächst vorausgesetzt hatte. In (31b) liegt der Nachtrag im postnuklearen Informationshintergrund; in (31c) sind die Konnekte getrennt phrasiert, und der Nachtrag erhält einen eigenen Fokus: (31)
b. {was /GREIse nicht alles /TUN um dem BETT\ zu entfliehen //} /KREUZgang wird deshalb NACHT\wächter weil er abends nicht gern schlafen geht c. /KREUZgang wird deshalb NACHT\wächter // weil er abends nicht gern /SCHLA\fen geht
Wenn wie in (30) der kataphorische Adverbkonnektor fehlt, sind solche Beschränkungen der Informationsstruktur nicht zu beobachten. Ein Fokus im EKonnekt wie in (32b/c) führt dann nicht zu einer Interpretation des RKonnekts als Nachtrag: (32)
a. kreuzgang wird /NACHTwächter weil er abends nicht gern SCHLA\fen geht b. /KREUZgang wird NACHT\wächter weil er abends nicht gern schlafen geht c. /KREUZgang wird NACHT\wächter // weil er abends nicht gern /SCHLA\fen geht
Auch anaphorische Adverbkonnektoren können Korrelatfunktion haben. Das zusätzlich durch einen Subjunktor eingeleitete R-Konnekt geht dann linear voraus: (33)
Weil [Kreuzgang abends nicht gern schlafen geht,]R [deshalb wird er Nachtwächter.]E
Informationsstrukturelle Gestaltung von Satzverknüpfungen
283
Auch solche Verknüpfungen sind in Bezug auf ihre informationsstrukturelle Gestaltbarkeit beschränkt. Nahegelegt ist, die Konnekte prosodisch zusammenzufassen und den Fokus ins E-Konnekt zu legen: (34)
a. weil kreuzgang abends nicht gern /SCHLAfen geht deshalb wird er NACHT\wächter
Den Fokus ins R-Konnekt zu legen wie in (34b), ist bei zusammenfassender Phrasierung fragwürdig. Allenfalls entsteht wieder der Nachtrags-Effekt. Das R-Konnekt erhält aber einen eigenen Fokus, wenn die Konnekte wie in (34c) separat phrasiert werden. Dann muss der Adverbkonnektor den Fokus des EKonnekts bilden: (34)
b. ?weil kreuzgang abends nicht gern /SCHLA\fen geht deshalb wird er nachtwächter c. weil kreuzgang abends nicht gern /SCHLA\fen geht // /DES\halb wird er nachtwächter
(28a/b), (31a-c) und (34a-c) deuten darauf hin, dass von Adverbkonnektoren Druck ausgeht, in ihr linear zweites Konnekt den bzw. einen Fokus zu legen, und zwar unabhängig davon, ob der Konnektor im ersten oder im zweiten Konnekt steht. Fungiert der Adverbkonnektor als Korrelat, so werden die Konnekte prosodisch bevorzugt zusammengefasst. Wird bei kataphorischem Adverbkonnektor der Fokus ins erste Konnekt gelegt, so wird das zweite als Informationsnachtrag interpretiert. Werden bei anaphorischem Adverbkonnektor die Konnekte getrennt phrasiert, so muss der Konnektor Fokus des Zweitkonnekts werden. Auch für Verknüpfungen mit paarigen Vergleichspartikeln wie je ... desto, deren einer Teil (je) wie ein Subjunktor einen Verbletztsatz (das R-Konnekt) einleitet, während der andere (desto) wie ein adverbiales Korrelat in einem Verbzweitsatz (dem E-Konnekt) steht, gibt es informationsstrukturelle Präferenzen: (35)
a. Je [länger ich faste,]R [desto mehr nehme ich zu.]E b. [Ich nehme desto mehr zu,]E je [länger ich faste.]R
In solchen Verknüpfungen ist zusammenfassende prosodische Phrasierung mit Fokus im Zweitkonnekt die Regel: (36)
a. je /LÄNger ich /FASte desto /MEHR nehme ich ZU\ b. ich nehme desto /MEHR /ZU je /LÄNger ich FAS\te
In Kontrastkontexten ist ein Fokus im Erstkonnekt aber nicht ausgeschlossen:
284 (37)
Hardarik Blühdorn a. je /LÄNger ich FAS\te desto mehr nehme ich zu b. ich nehme desto /MEHR ZU\ je länger ich faste
Separate Phrasierung der Konnekte ist fragwürdig: (38)
a. ?je /LÄNger ich FAS\te // desto /MEHR nehme ich ZU\ b. ?ich nehme desto /MEHR ZU\ // je /LÄNger ich FAS\te
In Bezug auf ihre eigene informationsstrukturelle Funktion sind manche Adverbkonnektoren unbeschränkt, wie die Beispiele gezeigt haben. So kann etwa deshalb als unakzentuierter Hintergrundausdruck, Topik oder Fokus auftreten. Zahlreiche andere Adverbkonnektoren sind diesbezüglich aber beschränkt. So ist etwa also nur unakzentuiert oder als Topik, nicht aber als Fokus verwendbar (der Kontext in (39a) gilt auch für die weiteren Beispiele): (39)
a. {Soll man den Kartoffelkäfer mit Gift bekämpfen? Wenn die Felder nur jedes zweite Jahr bepflanzt werden, hat der Käfer sowieso keine Chance.} deshalb ist /GIFT Ü\berflüssig b. /DEShalb ist gift Ü\berflüssig c. /DES\halb ist gift überflüssig
(40)
a. also ist /GIFT Ü\berflüssig b. /ALso ist gift Ü\berflüssig c. */AL\so ist gift überflüssig
Wie deshalb verhalten sich trotzdem, währenddessen, danach, insofern und etliche andere, insgesamt aber meiner Einschätzung nach weniger als die Hälfte der deutschen Adverbkonnektoren. Mehr als die Hälfte können wie also generell oder in bestimmten syntaktischen Positionen nicht fokussiert werden, so schließlich, folglich, mithin, demnach, aber, bereits, immerhin u.v.m. Ich fasse zusammen: Das Stellungsverhalten von Adverbkonnektoren wird durch informationsstrukturelle Bedingungen mitbeeinflusst. Insbesondere unterliegt die Besetzung der Nacherstposition informationsstrukturellen Beschränkungen. Adverbkonnektoren wirken sich auch auf die informationsstrukturelle Gestaltbarkeit der Verknüpfung aus. Insbesondere legen sie es nahe, den bzw. einen Fokus in ihrem linear zweiten Konnekt zu plazieren. Adverbkonnektoren als Korrelate legen eine zusammenfassende prosodische Phrasierung der Konnekte nahe. Eine umfangreiche Teilmenge der Adverbkonnektoren ist nicht fokussierbar.
Informationsstrukturelle Gestaltung von Satzverknüpfungen
285
3.2.2. Fokuspartikeln Fokuspartikeln (auch Gradpartikeln genannt; vgl. Altmann 1976) sind wie Adverbkonnektoren an ihr E-Konnekt adjungiert (vgl. Dimroth 2004: 57ff. und die dort diskutierte Literatur; Blühdorn 2011, Kap. 3.2.2). Ihr R-Konnekt muss nicht explizit gemacht werden (s.o. Abschnitt 1.2). Sind beide Konnekte explizit, so werden sie prosodisch typischerweise getrennt phrasiert. In (41) sind R-Konnekt und E-Konnekt der Fokuspartikel auch zusätzlich durch den Konjunktor sondern verknüpft. Der Fokusakzent auf geschlafen (im nicht-letzten Koordinationsglied) ist steigend realisiert: (41)
otto hat nicht nur [ge/SCHLAfen]R // sondern auch [geSCHNARCHT\]E
Eine zusammenfassende Phrasierung der Konnekte einer Fokuspartikel ist selten, aber nicht ungrammatisch: (42)
das /ZIMmer wo [gegessen]R und auch [ge/SCHLAfen]E wurde war ein richtiger SAAL\
Die syntaktische, semantische und prosodische Interaktion von Fokuspartikeln mit ihrem E-Konnekt ist seit langem Gegenstand der Forschung (vgl. Altmann 1976, 1978; Jacobs 1983; König 1991; Dimroth 2004; Steube & Sudhoff 2007 u.v.m.). Besonders häufig werden Sätze diskutiert, in denen eine Fokuspartikel zusammen mit ihrem E-Konnekt vorangestellt ist (hier aus Jacobs 1983: 49): (43)
Auch [Luise]E vermachte ihrem Arzt ein Auto.
Pasch et al. (2003: 71) bezeichnen die Position der Fokuspartikel in solchen Sätzen als Vorerstposition. In dieser Position sind Fokuspartikeln im Allgemeinen nur zugelassen, wenn ihr E-Konnekt akzentuiert ist. Es kann Fokusoder Topikakzent tragen; unakzentuiert darf es nur in eng umgeschriebenen Sonderfällen sein, die wir hier außer Acht lassen können. Dementsprechend sind (44a-d) wohlgeformt, (44e/f) dagegen abweichend (der Kontext in (44a) gilt für alle Beispiele): (44)
a. {Ihr Bruder schenkte seiner Sekretärin Spitzenunterwäsche.} sogar [ma/RI\a]E hat sich geniert deshalb b. sogar [/DES\halb]E hat maria sich geniert c. sogar [ma/RIa]E hat sich geNIERT\ deshalb d. sogar [/DEShalb]E hat maria sich geNIERT\ e. *sogar [maria]E hat sich ge/NIERT\ deshalb
286
Hardarik Blühdorn f. *sogar [deshalb]E hat maria sich ge/NIERT\
Beispiele wie (44a/b) sind im Anschluss an Jacobs (z.B. 1983: 10ff., 81f., 182ff.) vielfach so interpretiert worden, dass die Fokuspartikel der Vorfeldkonstituente das Fokus-Merkmal zuordnet. Wie (44c/d) zeigen, kann die Vorfeldkonstituente nach einer Fokuspartikel aber auch Topik sein. Dimroth (2004: 40, 49ff., 76ff., 118ff.) favorisiert eine Modellierung, nach der Topiks und Fokus nicht von der Fokuspartikel, sondern unabhängig von ihr aufgrund des Informationsbedarfs im Kontext festgelegt werden (vgl. auch Blühdorn 2011, Kap. 3.2.2 und 5.2). Beispiele wie (44a-d) können die gleiche Intonation und Akzentuierung ohne weiteres auch ohne Fokuspartikel aufweisen: (45)
a. {Ihr Bruder schenkte seiner Sekretärin Spitzenunterwäsche.} A – und wen hat das ge/STÖRT B – ma/RI\a hat sich geniert deshalb b. A – ach /SO\ // /DES\halb hat maria sich geniert c. ma/RIa hat sich geNIERT\deshalb d. /DEShalb hat maria sich geNIERT\ // obgleich ihr bruder ihr /SONST ziemlich eGAL\ ist
Diese Beobachtung deutet darauf hin, dass nicht die Fokuspartikel in Vorerstposition ihrem E-Konnekt eine informationsstrukturelle Funktion zuordnet, sondern die Vorerstposition für Fokuspartikeln nur zugänglich ist, wenn das E-Konnekt eine bestimmte informationsstrukturelle Funktion innehat. In der syntaktischen Linearstruktur steht die Fokuspartikel typischerweise unmittelbar vor ihrem E-Konnekt. Das gilt nicht nur im Vorfeld, sondern auch im Mittelfeld (der Kontext in (46a) gilt auch für die weiteren Beispiele): (46)
a. {indem ve/ROna die /SCHULden bezahlte} hat sie auch [ihrem MANN\]E viel ärger erspart b. hat sie auch [ihrem /MANN]E viel ÄR\ger erspart c. hat auch [/SIE]E ihrem mann viel ÄR\ger erspart d. hat sie ihrem /MANN auch [viel ÄR\ger]E erspart
Referentielle E-Konnekte von Fokuspartikeln wie ihrem Mann in (46a/b) oder sie in (46c) müssen akzentuiert werden (vgl. Blühdorn 2011, Kap. 3.2.1 und 5.3.2). Sind sie Fokus, kann die Fokuspartikel selbst Topik werden. Dann entsteht eine sogenannte Brücken- oder Hutkontur (vgl. Féry 1993: 128ff.; Peters 2005: 105; Büring 2006: 155), die die Fokuspartikel und ihr EKonnekt auch prosodisch als zusammengehörig ausweist:
Informationsstrukturelle Gestaltung von Satzverknüpfungen (47)
287
a. {indem ve/ROna die /SCHULden bezahlte} hat sie /AUCH [ihrem MANN\]E viel ärger erspart b. hat sie ihrem mann /AUCH [viel ÄR\ger]E erspart
Bei manchen Fokuspartikeln, etwa auch und nicht, wird das E-Konnekt typischerweise vorangestellt und zum Topik gemacht, wenn die Fokuspartikel selbst Fokus ist. Prosodisch ergibt sich dabei wiederum eine Brückenkontur (vgl. ausführlicher Blühdorn 2011, Kap. 3.3.3 und 5.3; Steube & Sudhoff 2007: 101f.): (48)
a. {indem ve/ROna die /SCHULden bezahlte} hat sie [ihrem /MANN]E AUCH\ viel ärger erspart b. hat [/SIE]E ihrem mann AUCH\ viel ärger erspart
Wir können also feststellen, dass Fokuspartikeln sich insofern auf die informationsstrukturelle Funktion ihres E-Konnekts auswirken, als sie die Bildung von Brückenkonturen nahelegen, in denen ihr E-Konnekt und sie selbst hervorgehoben sind. Allerdings sind nicht alle Fokuspartikeln unbeschränkt akzentuierbar. Für auch haben wir gesehen, dass es als unakzentuierter Hintergrundausdruck, als Topik und als Fokus fungieren kann. Aus der Liste von König (1991: 15) können meiner Intuition nach die Fokuspartikeln ebenfalls, gleichfalls, insbesondere, vor allem, zumal und zumindest anstelle von auch in Kontexte wie (46a-d), (47a/b) und (48a/b) eingesetzt werden. Dagegen können nur, sogar, allein, ausgerechnet, ausschließlich, bloß, einzig, gerade, lediglich, nicht einmal u.a. nach meinem Sprachgefühl nicht in Kontexte wie (48a/b) eingesetzt werden, können also nicht rechts von ihrem E-Konnekt fokussiert werden. Insgesamt gilt das wohl für mehr als die Hälfte aller deutschen Fokuspartikeln: (49)
a. {indem ve/ROna die /SCHULden bezahlte} *hat sie [ihrem /MANN]E soGAR\ viel ärger erspart b. *hat sie [ihrem /MANN]E ausgeRECH\net viel ärger erspart c. *hat [/SIE]E ihrem mann NUR\ viel ärger erspart d. *hat [/SIE]E ihrem mann alLEIN\ viel ärger erspart
Ich fasse zusammen: Auch das Stellungsverhalten von Fokuspartikeln wird durch informationsstrukturelle Bedingungen (mit)gesteuert. Insbesondere ist ihre Plazierbarkeit in der Vorerstposition informationsstrukturell beschränkt. Fokuspartikeln ihrerseits wirken sich auf die informationsstrukturelle Funktion ihres E-Konnekts aus, indem sie die Bildung von Brückenkonturen nahelegen. Sehr viele Fokuspartikeln unterliegen Beschränkungen hinsichtlich
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Hardarik Blühdorn
ihrer eigenen Akzentuierbarkeit. So kann die Mehrzahl der Fokuspartikeln nicht rechts ihres E-Konnekts Fokus werden. 3.2.3. Modalpartikeln Zuletzt werfen wir noch einen Blick auf Modalpartikeln, deren Interaktion mit der Prosodie insgesamt noch wenig erforscht ist (vgl. z.B. Ikoma & Werner 2007, 2009). 9 Auch Modalpartikeln sind syntaktisch an ihr E-Konnekt (den Satz, dessen Konstituente sie sind) adjungiert. Ihr R-Konnekt wird in der Regel nicht explizit realisiert. Es ist im Kontext präsupponiert (vgl. etwa die Ausbuchstabierungen für die Modalpartikeln aber, vielleicht, denn, etwa, bloß, nur, mal, nun, eben, halt, ruhig, wohl, schon, ja, doch, eigentlich und auch bei Bublitz 1978: 46ff.). Modalpartikeln verknüpfen Propositionen oder Sprechakte mit (Mengen von) Präsuppositionen. Die Konnekte von Modalpartikeln werden, soweit zwei Konnekte explizit realisiert sind, prosodisch immer getrennt phrasiert. Moroni (2006: 53ff.; 2010: 121ff.) hat die Stellung von Modalpartikeln im Mittelfeld deutscher Sätze anhand eines Korpus von Schrifttexten untersucht und dabei festgestellt, dass Modalpartikeln sowohl rechts als auch links von Subjekten, Objekten und Adverbialbestimmungen stehen können. Allerdings gibt es Beschränkungen: Besteht das Subjekt, das Akkusativobjekt oder das Dativobjekt aus einem Pronomen, so kann eine Modalpartikel ihm nur dann vorangestellt werden, wenn das pronominale Satzglied als Fokus der Äußerung verstanden wird. Links der Modalpartikel können pronominale Satzglieder akzentuiert oder unakzentuiert sein: (50)
a. {A – wer sagt denn dass mo/DALpartikeln beTON\bar sind} B – das hattest doch /DU\ nachgewiesen b. B – das hattest /DU\ doch nachgewiesen c. {A – woher weiß man denn dass mo/DALpartikeln beTON\bar sind} B – *das hattest doch du /NACH\gewiesen d. B – das hattest du doch /NACH\gewiesen e. B – das hattest /DU doch NACH\gewiesen
–––––––—–– 9
Die meisten Modalpartikeln kommen nur in bestimmten Satzmodi vor und/oder haben in unterschiedlichen Satzmodi unterschiedliche Funktion und/oder Bedeutung (vgl. Thurmair 1989: 42ff.; Duden 2005: 597ff.). Soweit Satzmodi auch prosodische Besonderheiten aufweisen (vgl. Oppenrieder 1988a, 1988b), kann sich daraus eine Interaktion zwischen Modalpartikeln und Prosodie ergeben. Interaktionen dieser Art bleiben im Folgenden ausgeblendet.
Informationsstrukturelle Gestaltung von Satzverknüpfungen (51)
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a. {A – wieso hat sie nicht /MARK\ angerufen} B – sie wollte eben /DICH\ einladen b. B – sie wollte /DICH\ eben einladen c. {A – wieso ruft sie mich am /SONNtag AN\} B – *sie wollte eben dich /EIN\laden d. B – sie wollte dich eben /EIN\laden e. B – sie wollte /DICH eben EIN\laden
Eine Richtungsergänzung kann nur dann links der Modalpartikel stehen, wenn der folgende infinite Verbteil oder das Finitum den Fokus bildet: (52)
a. {A – woher hat /MARK denn das geld um nach berLIN\ zu fahren} B – er ist nach berlin halt ge/TRAMPT\ b. {A – woher weißt /DU\ das denn} B – er /IST\ nach berlin halt getrampt c. {A – wo hat mark denn /RO\senstolz gehört} B – *er ist nach ber/LIN\ halt getrampt d. B – er ist halt nach ber/LIN\ getrampt
Moroni (2006; 2010: 126ff.) hat ferner ein Korpus gesprochener Sprache mit 311 Modalpartikel-Vorkommen untersucht und gezeigt, dass die weitaus meisten dieser Vorkommen unmittelbar an Topik- oder Fokus-Projektionen angrenzen. Etwa 75% aller Vorkommen sind einer Fokus-Projektion, etwa 12% einer Topik-Projektion unmittelbar vorangestellt. Etwa 4% sind einer Topik-Projektion unmittelbar nachgestellt. Damit stehen fast 90% aller Modalpartikel-Vorkommen im pränuklearen Bereich der jeweiligen Intonationsphrase. Nur gut 5% aller Vorkommen sind einer Fokus-Projektion nachgestellt und stehen damit im postnuklearen Bereich (vgl. Moroni 2006.: 165f.; 2010: 127f.; restliche 3% der Vorkommen unklare Fälle). Semantisch sind alle Vorkommen auf den Fokus bzw. das Topik bezogen, dem sie voran- oder nachgestellt sind. Moronis Beobachtungen an geschriebenen und gesprochenen Daten deuten stark darauf hin, dass auch die Stellung von Modalpartikeln innerhalb ihres Wirtskonnekts informationsstrukturellen und damit prosodischen Beschränkungen unterliegt. Vor diesem Hintergrund vertritt Moroni (2006: 201ff.; 2010: 178f.) die These, dass Modalpartikeln in schriftlichen Äußerungen unter anderem die Funktion haben, Hinweise auf die Informationsstruktur und die beim Lesen zu realisierende „leise Prosodie“ (Féry 2006) zu geben (ähnlich auch Büring 2006: 159). Unmittelbar rechts einer Modalpartikel folgt im Regelfall eine akzentuierte Konstituente, entweder Topik oder Fokus. Wenn ein Topik folgt, muss der Fokus ebenfalls noch folgen. Ähnliche Generalisierungen hatten sich schon bei Hentschel (1986: 211ff., 231) abge-
290
Hardarik Blühdorn
zeichnet, nach deren Untersuchung Modalpartikeln „vor dem Rhema des Satzes“ (1986: 212) stehen und als „Indikator für das Rhema“ (ebd.: 234) fungieren. Hinsichtlich ihrer eigenen prosodischen Realisierbarkeit sind Modalpartikeln von allen Konnektoren am wenigsten flexibel. Im Prinzip gelten sie als nicht akzentuierbar (vgl. Thurmair 1989: 22f.). Bei akzentuierter Realisierung liegen oft Homonyme aus anderen Wortklassen vor, die erkennbar andere syntaktische und semantische Eigenschaften haben (vgl. schon Weydt 1969: 57; Bublitz 1978: 42ff.; Helbig & Buscha 2001: 425): (53)
a. {A – Warum hast du denn die ganze Zeit ferngesehen?} B – ich hatte jetzt eben mal nichts zu /TUN\ (Modalpartikel) b. {A – Du bist sicher schon wieder überarbeitet.} B – ich hatte jetzt /Eben mal NICHTS\ zu tun (Temporaladverb)
(54)
a. {Seine Tochter will einen Millionär heiraten.} /DAS\ war vielleicht eine überraschung für ihn (Modalpartikel) b. das war viel/LEICHT eine überRA\schung für ihn (epistemisches Adverb)
Ob Modalpartikeln in Sonderfällen akzentuierbar sind, ist umstritten (vgl. Weydt 1969: 55f.; Thurmair 1989: 22; Meibauer 1994: 88ff.). In (55) und (56) könnten ja und bloß mit Topikakzent syntaktisch auch als Fokuspartikeln, in (57) könnte das fokussierte denn auch als Adverbkonnektor analysiert werden: (55)
mach /JA deine HAUS\aufgaben
(56)
vergiss /BLOSS das BLU\mengießen nicht
(57)
{/ZWEI uhr ist es /NICHT //} wie spät ist es /DENN\
Dass ein und dieselbe Wortform auch bei gleicher Bedeutung unterschiedlichen syntaktisch definierten Wortklassen angehören kann, zeigen zahllose Beispiele bei Adjektiven / Adverbien (das Auto ist schnell vs. fährt schnell), Pronomina / Determinantien (dieser schläft vs. dieser Hund schläft) oder Subjunktoren / Adverbien (seitdem sie umgezogen ist, spinnt sie vs. seitdem spinnt sie). Ich fasse zusammen: Das Stellungsverhalten von Modalpartikeln wird von Informationsstruktur und Prosodie stark beeinflusst. Modalpartikeln stehen in der Regel unmittelbar vor einer akzentuierten Konstituente. In der großen Mehrzahl der Fälle stehen sie im pränuklearen Bereich der Intonationsphrase. Beim Interpreten wecken sie Erwartungen in Bezug auf die prosodische Ges-
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291
taltung der weiteren Teile der Intonationsphrase. In schriftlichen Texten geben sie wichtige Hinweise auf die „leise Prosodie“. Modalpartikeln sind nicht akzentuierbar.
4. Fazit Ich hoffe gezeigt zu haben, dass in Bezug auf die Interaktion mit Informationsstruktur und Prosodie ein großer Unterschied zwischen regierenden und nicht-regierenden Konnektoren besteht. Das Verhalten regierender Konnektoren wird durch die Syntax gesteuert und hat syntaktische Effekte. Die informationsstrukturelle Gestaltung der Äußerung kann sich disambiguierend auf die Lesart auswirken. Ansonsten ist das Verhalten regierender Konnektoren von der Informationsstruktur unabhängig. Nicht-regierende Konnektoren dagegen interagieren auf vielfältige Art und Weise mit Informationsstruktur und Prosodie. Bei Adverbkonnektoren unterliegt vor allem die Besetzung der Nacherstposition, bei Fokuspartikeln die Besetzung der Vorerstposition informationsstrukturellen Beschränkungen. Adverbkonnektoren legen es nahe, in ihrem linear zweiten Konnekt einen Fokus zu plazieren. Haben sie Korrelatfunktion, so bevorzugen sie eine zusammenfassende Phrasierung der Konnekte. Fokuspartikeln tendieren dazu, mit ihrem E-Konnekt Brückenkonturen zu bilden. Modalpartikeln werden typischerweise einer akzentuierten Konstituente vorangestellt. Die Mehrzahl der nicht-regierenden Konnektoren ist hinsichtlich ihrer eigenen prosodischen Realisierung beschränkt. Mehr als die Hälfte der Adverbkonnektoren können nicht fokussiert werden. Die Mehrzahl der Fokuspartikeln erlaubt keine Fokussierung, wenn sie rechts von ihrem Bezugsausdruck stehen. Modalpartikeln bleiben generell unakzentuiert.
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Hardarik Blühdorn
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Informationsstrukturelle Gestaltung von Satzverknüpfungen
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Informationsstrukturelle Gestaltung von Satzverknüpfungen
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Ewald Lang & Barbara Pheby
Intonation und Interpretation von Satzverknüpfungen in literarischen Hörbuchtexten 1
1.
Einführung
In den letzten 15 Jahren hat sich die Forschung zur Informationsstruktur spürbar intensiviert und diversifiziert. Die technischen Möglichkeiten der Aufzeichnung und Messung prosodischer Befunde haben sich enorm verbessert, Art und Anzahl der verfügbaren Datentypen haben sich vervielfacht. Dennoch ist das Spektrum der Textsorten, die als Lieferanten empirischer Daten zur Intonation dienen können, noch längst nicht ausgeschöpft. Neben experimentell präsentierten bzw. elizitierten Testsätzen sind es vor allem Korpora mit spontansprachlichen Äußerungen, die als Belegfundus für prosodische Phänomene dienen, während literarische Texte dafür kaum genutzt werden. Der Vormarsch der Hörbücher als Rezeptionsform von Literatur eröffnet der Linguistik ein neues prosodisches Forschungsfeld, nämlich das der Analyse und der Auswertung von Studioaufnahmen literarischer Texte, die von professionellen Sprechern mit dem Anspruch auf sinngerechte Realisierung und künstlerische Ausgestaltung produziert wurden. Der Aufsatz stellt anhand eines Stücks Kurzprosa, das die Kompetenz der Interpretation ebenso herausfordert wie die Performanz der Intonation, den Reiz und die Risiken des Versuchs vor, literarische Hörbuchtexte als Datenbasis für künstlerisch gestaltete Prosodie und als Testfeld für die linguistische Evaluation derselben zu erschließen. Das hier skizzierte Vorgehen wirbt für einen Brückenschlag zwischen Linguistik und Literaturwissenschaft, um der Doppelnatur von literarischen Hörbuchtexten als sprachliche Gebilde und als künstlerische Hervorbringungen analytisch beizukommen. Der Aufsatz gliedert sich wie folgt: Wir betrachten zuerst die Spezifik literarischer Texte als Vorgabe für ihre prosodische Realisierung und als Anforderung an die Analyse, belegen dies mit einer morphosyntaktisch und lexikalisch basierten Strukturbeschreibung von Kafkas Auf der Galerie (Druckfassung mit Zeilennummern im Anhang) –––––––—–– 1
Für nützliche Hinweise danken wir Manfred Bierwisch, Anita Steube, Ilse Zimmermann, den geduldigen Herausgebern des Bandes sowie zwei anonymen Gutachtern.
298
Ewald Lang & Barbara Pheby
und diskutieren dann anhand intonatorisch geglückter bzw. misslungener Studioaufnahmen die Bedingungen, die der Text an eine grammatisch sinngerechte und ästhetisch kreative prosodische Realisierung stellt. Vorausgeschickt sei, dass wir uns in Sachen Satzverknüpfung und Konnektoren auf das HdK stützen, bezüglich der informationsstrukturellen Grundkonzepte an Krifka (2007) halten und für die Intonationsmuster im Deutschen an Féry (1993). Die Grundannahmen für den linguistischen Umgang mit literarischen Texten stammen aus Lang (2008; 2010). Die zitierten Hörbeispiele werden in Praat (© P. Boersma & D. Weenink) präsentiert. Sie entstammen der in Arbeit befindlichen Dissertation von B. Pheby.
2.
Bestimmungsstücke für literarische Texte
2.1. Satz versus Text Grundlage für beide ist die Grammatik, hier gefasst als System von Regeln für die wechselseitige, d.h. bei Produktion und Interpretation sprachlicher Ausdrücke involvierte, Zuordnung von Lautfolgen und Bedeutungskomplexen. Die durch diese Regeln determinierte grammatische Strukturbildung fügt sublexikale Einheiten (Laute, Silben, Morpheme) über syntaktische Einheiten (Wörter, Phrasen, Teilsätze) zu einfachen bzw. komplexen Sätzen. Die so erzeugte kombinatorische Struktur eines Satzes liefert die Bedingungen für seine semantische Interpretation sowie Hinweise auf die prosodische Realisierung des Satzes als Segment eines Texts. Die Grammatik einer Sprache L umfasst eine Auswahl von Einheiten, Regeln und Prinzipien, die als Resultante einzelsprachlich verankerter, typologisch fassbarer Optionen innerhalb universeller Bedingungen den Begriff Satz in L spezifizieren. So verstanden fällt die Einheit Satz nach Struktur und Interpretation komplett in die Domäne der Grammatik. Das Kriterium für strukturelle Wohlgeformtheit von Sätzen ist daher ihre Grammatikalität. Demgegenüber ist – in der hier einschlägigen Hinsicht – die Einheit Text zusätzlich bestimmt (a) durch jenseits der Einheit Satz nicht obligatorisch, jedoch tendenziell wirksame Bedingungen der Strukturbildung (z.B. die Form der textsortenspezifischen Makrostruktur) und (b) durch die Abhängigkeit der Interpretation des Texts in seinen Teilen wie im Ganzen vom Kontext, der wiederum zu differenzieren ist nach Struktur-, Diskurs- und Situationskontext. Zusätzlich zur Grammatikalität der ihnen zugrunde liegenden Sätze ist daher das Kriterium für strukturelle Wohlgeformtheit von Texten ihre Kohärenz.
Innovation und Interpretation von Satzverknüpfungen in Hörbuchtexten
299
2.2. Poetische Codifizierung Literarische Texte jeglichen Genres erkennt man als solche an den poetischen Effekten, die sie beim Leser, Hörer, Mitsprecher, Zitierer etc. bewirken können und/oder sollen. Nicht-literarische Texte, gleichviel ob Telefonbuch, DBFahrplan, Ausleihordnung der Staatsbibliothek etc., erkennt man am sachlichen Informationsgehalt, den sie für interessierte Nutzer, potenzielle Kunden oder ad hoc bestimmte Zielgruppen bereitstellen – im Idealfall in eindeutiger, zweckmäßiger und reproduzierbarer Weise. Literarische Texte werden rezipiert als Anweisungen zur Aktivierung des kognitiven Gesamtsystems, d.h. sie richten sich nicht nur an das Subsystem begrifflich fixierter Kenntnisse, sondern zugleich auch an das emotive, motivationale, rhythmische und/oder ästhetische Subsystem. Nicht-literarische Texte indes werden rezipiert als Input für das begriffliche System, das als erworbenes Weltwissen im Langzeitgedächtnis zugänglich ist und unter Nutzung bewährter Inferenzprozeduren unser praktisches Verhalten steuert. Die Grammatik im Sinne von 2.1 ist die gemeinsame Basis für die Produktion und die Rezeption von nicht-literarischen und literarischen Texten. Letztere sind gegenüber Ersteren essentiell abgehoben durch ihre poetische Codifizierung, d.h. durch (a) sekundäre Strukturierung als salientes, unbedingt wahrnehmbares Formmerkmal des Texts und durch (b) Fiktionalität als dadurch getriggerte primäre Interpretationsvorgabe. 2.3. Beschränkungen und Spielräume Literarische Texte weisen einerseits nahezu notwendig Kennzeichen poetischer Codifizierung durch sekundäre Strukturierung (cf. 2.2) auf, andererseits sind die sie bildenden Sätze primär durch die Bedingungen der einzelsprachlichen Grammatik von L strukturiert. Daraus erwächst die für literarische Texte konstitutive Bindung an das strukturelle Make-up der Sprache L, in der die Originalversion des Texts T verfasst ist. Bekannt ist dies als Problem der Übersetzung: während nicht-literarische Texte qua propositionalem Gehalt prinzipiell von L adäquat in L', L" etc. übersetzbar sind, unterliegen literarische Texte für die Wiedergabe ihrer sekundären Strukturierung deutlichen Relativierungen. Aber der grammatische Zuschnitt von L beeinflusst nicht nur die Übersetzbarkeit des literarischen Texts T von L in L', L" etc., er bestimmt auch wesentlich die auf der Grammatik von L fußende prosodische Realisierung von T. Liegt der literarische Text T gedruckt vor, sind Lexik und Syntax von T hinreichend, die Informationsstruktur von T indes ist nur partiell fixiert. Ihre prosodische Realisierung muss im Zuge der Artikulation, beim Vorlesen
300
Ewald Lang & Barbara Pheby
oder Vortragen von T, weitgehend suppliert werden. Die Interpunktion in gedruckten Texten bietet für ihre intonatorische Umsetzung bestenfalls Hinweise, cf. Text im Anhang. Aus der Doppelnatur literarischer Hörbucheinspielungen – sprachliche Gebilde und künstlerische Hervorbringungen – ergeben sich Spielräume für ihre prosodische Realisierung, die durch linguistisch definierte Bedingungen begrenzt, aber in individueller Variation ausgestaltbar sind. Kap. 4 illustriert beides anhand von Hörbuchausschnitten.
3.
Prosodische Detailanalyse: Franz Kafkas Auf der Galerie
3.1. Ausgangsannahmen Eine linguistisch fundierte prosodische Analyse des literarischen Hörbuchtexts T hat die betreffende Einspielung im Hinblick auf folgende drei Begriffe zu prüfen: (1)
Die grammatisch determinierte Normalintonation für T. Die Domäne der Grammatik von L erstreckt sich auf die Einheit Satz in L, deren Belegungen von Simplexsätzen bis zu Satzgefügen und Satzkoordinationen rangieren.
(2)
Zulässige Variationen innerhalb der Normalintonation gemäß (1). Die Zulässigkeit einer prosodischen Variante wird durch Inferenzen aus dem Gesamttext lizenziert oder verworfen. Das Kriterium dafür ist die satzübergreifende Textkohärenz.
(3)
Unzulässige Variationen, die gegen (1) verstoßen und daher als »ungrammatisch« (*), oder die gegen (2) verstoßen und daher als »inkohärent« (#), bewertet werden müssen.
Die für die prosodische Detailanalyse eines literarischen Texts T zentrale Frage ist (4), wobei die Bewertungsprädikate (1)–(3) nicht disjunkt sind, sondern sich in der angegebenen Weise überschneiden können. (4)
Wie tragen (1)–(3) zur Herstellung und Übermittlung einer linguistisch gerechtfertigten, als kohärent und sinngerecht bewertbaren, Präsentation und Interpretation des Texts T bei?
Ferner folgt aus 2.3, dass die künstlerischen Gestaltungsvarianten der prosodischen Realisierung von T sich im Rahmen der Kriterien in (1)–(3) bewegen, aber durchaus auch davon unabhängige Artikulationsparameter nutzen.
Innovation und Interpretation von Satzverknüpfungen in Hörbuchtexten
301
3.2. Datenbasis Die Datenbasis umfasst den deutschen Originaltext in neun Aufnahmen von (aus-)gebildeten Sprechern unter Studiobedingungen, cf. Literatur A-2. Von Beruf sind es Bühnen- bzw. Filmschauspieler (die eine Neigung zu stimmlicher Dramatisierung verraten), Hörspiel- und Synchron-Sprecher (die eher unterkühlt artikulieren) und ein Verleger. Der nach literaturwissenschaftlichen Kriterien nicht als Erzählung, sondern als Parabel geführte Text (Flach 1987:65,135; Scholz 2008:28) umfasst nur zwei Sätze, genauer: zwei komplexe Satzgefüge, die wir wegen ihrer Rolle als Absätze mit §1 und §2 kennzeichnen. Die Texte zur Bedeutung des Texts in den Literaturhandbüchern und in vielen der ca. 30.000 Titel umfassenden Kafka-Literatur sind hymnisch. Hier drei Kostproben: (5) (6)
(7)
This parable demonstrates Kafka’s linguistic artistry perhaps better than any other text. (Gray et al. 2005: 21) [Für Deutschkurse der gymnasialen Oberstufe] die Kurzprosa »Auf der Galerie«, welche aufgrund ihrer Erzählstruktur und sprachlichen Genauigkeit ein Vorbild für die deutschsprachige Kurzprosa ist. (Urban 2003: 5) Das in Form und Aussage gleichermaßen bemerkenswerte Sprachstück ist die atemberaubendste Prosa, die die deutsche Literatur seit Heinrich v. Kleists »Bettelweib von Locarno« aufzuweisen hat. (Scholz 2008: 28)
Angesichts solcher Gütesiegel empfiehlt es sich, zunächst die in der poetischen Codifizierung des Texts (cf. 2.2 oben) in §1 und §2 zusammenwirkenden grammatischen Verfahren wie syntaktische Parallelstruktur, morphologische Markierung und lexikalisch-semantische Kontraste ansatzweise zu beschreiben, bevor wir uns der auf dieser Basis operierenden prosodischen Realisierung zuwenden. (Für die Lektüre der nächsten Abschnitte lohnt es, den mit Zeilennummern versehenen Originaltext im Anhang vor Augen zu haben.) 3.3. Syntax Die Makrostruktur bilden die zwei Satzgefüge in (8), deren Nebensätze (NS) mit Verbletztstellung den Hauptsätzen (HS) mit Verbzweitstellung und Subjekt im Mittelfeld jeweils vorangestellt sind.
302
Ewald Lang & Barbara Pheby
Die syntaktische Parallelstruktur von §1 und §2 dient dem Erzähler als Gerüst „für die Vergegenwärtigung des Geschehens in zwei Durchgängen“ (Scholz 2008:28) und dem Leser/Hörer/Studiosprecher als Strategieplan, demgemäß er ein durch zwei kontrastierende Versionen bestimmtes Textverständnis (cf. 3.5 unten) aufzubauen hat. Im Rahmen der angezeigten Makrostruktur werden §1 und §2 durch Koordinationen, diverse Attribute und parenthetische Einschübe so ausstaffiert, dass das strukturelle Potenzial der Satzklammer bis an die Grenzen des mentalen Fassungsvermögens des Lesers/Hörers bzw. bis an die Grenzen der für die Atemtechnik nötigen Vitalkapazität des Studiosprechers ausgenutzt wird. (8)
... Vfin ] und [ wenn NPi ... [[ wenn NPh Subjekt S2.2 Subjekt S1 S2.1 j Vfin ]], vielleicht Vfin dann NP ... ] Subjekt S1 V ... ], [...], [ da §2: [ [[ da es aber nicht so ist], [NPk Subjekt fin S4.2 S3 S4.1 j dies so ist ]] Vfin NP ... ] Subjekt S3 §1: [
3.4. Morphologische KATEGORIEN und Einheiten in §1 und in §2 (9)
VERBFORMEN
VERBMODUS TEMPUS WÖRTER
10 Partizipia I, 6 finite Verben, 3 in NS, 3 in HS Konjunktiv II Präsens 101 (davon 28 im HS)
7 Partizipia I, 23 finite Verben, 21 in NS, 2 in HS Indikativ Präsens 184 (davon 27 im HS)
3.5. Syntaktische Parallelen und semantische Kontraste Für die Strukturanalyse des Texts lassen sich aus seinen literaturwissenschaftlichen Interpretationen (cf. Literaturverzeichnis B) die Dimensionen und Werte in (10) gewinnen und unter passende »Oberbegriffe« subsumieren. Ihre linguistische Rekonstruktion und Rechtfertigung aus den zitierten Schlüsselwörtern muss aus Platzgründen unterbleiben.
Innovation und Interpretation von Satzverknüpfungen in Hörbuchtexten (10)
DIMENSION \ Werte in
§1
303
§2
LEXIK & METAPHORIK
»dramatisch düster«
»euphorisch hell«
FARBEN
grau
weiß und rot
PARTIZIPANTEN Reiterin
hinfällig, lungensüchtig
schön, glücklich
Direktor
erbarmungslos,
vorsorglich,
peitschenschwingend
hingebungsvoll
Publikum/Orchester
»mechanische Kulisse«
»sensible« Umgebung
Galeriebesucher
»bewusst agierend«
»unbewusst reagierend«
WERTUNG DER HANDLUNG Reiterin
»grausames« Spiel
»unbegreifliche« Kunst
Direktor
»Dressur«
»Hilfestellung«
Publikum/Orchester
»Marter«
»Huldigung«
auf schwankendem Pferd
hereinfliegt,
im Kreis rundum getrieben
hoch auf den Fußspitzen
RÄUMLICHE VERHÄLTNISSE Reiterin Reiterin : Chef
»unten« : »oben«
»oben« : »unten«
Galeriebesucher
»ortsbewegt«
»nicht ortsbewegt«
simultan (NS),
sukzessiv (NS und HS)
ZEITLICHE VERHÄLTNISSE Handlungsverläufe
sukzessiv (HS) iterativ (via Adverbien)
keine Iteration
Die in 3.3–3.5 skizzierten Verfahren der sekundären Strukturierung zeitigen qua Verrätselung als dominierenden poetischen Effekt ein interpretatorisch unabweisliches Changieren in der Wahl, was von §1 und §2 wem als erlebte Illusion, was wem als versteckte Wahrheit gelten soll. Die dabei angewandte Verrätselungstechnik zielt u.a. darauf ab, dass das, was durch grammatische Kategorien ausgedrückt, und das, was durch die lexikalische Auswahl signalisiert wird, wechselweise Zweifel hervorruft. Man betrachte etwa in §1 und §2 das Verhältnis von Verbmodus und lexikalisch selegiertem Stimmungsbild. Während in §1 der Konjunktiv II (Irrealis) per Implikatur die NichtFaktizität der Propositionen der Konditionalgefüge nahe legt und in §2 der Indikativ die Faktizität der Propositionen des Kausalgefüges grammatisch als Default anzeigt, insinuiert die Übertreibung der Darstellung durch affektive Wortwahl in Richtung »düster« bzw. »hell« (cf. (10) oben) eine Umkehr der Standardinterpretation der grammatisch indizierten Verbmodi, so dass der Konjunktiv II in §1 als Maskierung versteckter Wahrheit und der Indikativ in §2 als Tarnung einer Illusion fungiert. Eine weitere Quelle für Deutungsverunsicherungen ist das in §1 und §2 in den HS (Z 9–11 bzw. Z 43–46) geschilderte Verhalten des Galeriebesuchers
304
Ewald Lang & Barbara Pheby
angesichts der jeweils in den NS unterstellten Wahrnehmung der Szene. Aber die Verrätselung betrifft und prägt auch die prosodische Realisierung des Texts, der wir uns nun zuwenden. 3.6. Ausschnitte aus der prosodischen Analyse Der Text mit den in 3.3–3.5 skizzierten grammatischen Aspekten der sekundären Strukturierung verhält sich zu seinen Studioeinspielungen wie die Partitur eines Musikstücks zu seinen Aufführungen. Angesichts von „Kafka’s linguistic artistry“ steht eine sinngerechte prosodische Realisierung der beiden Sätze mit 101 bzw. 184 Wörtern, 16 bzw. 30 Verbformen und 46 Intonationsphrasen im Rang einer Bravourleistung. Entscheidend für den Konnex zwischen §1 und §2 sind jedoch die beiden kausalen NS in §2, nämlich da es aber nicht so ist (Z 12) und da dies so ist (Z 42). Sie werden nun im Detail betrachtet. 3.6.1. Schaltstellen der Interpretation Die beiden mit da eingeleiteten konjunktionalen NS in §2 sind in ihrer Verweisfunktion textdeiktisch, weil sie Pro-Formen wie dies und so enthalten, deren Antezedenten außerhalb des Konjunktionalsatzes bzw. außerhalb von §2, nämlich in §1, zu suchen sind. Kompositorisch betrachtet sind diese beiden NS die einzigen Sätze des Texts außerhalb der zweifachen Beschreibung der Zirkusszene: sie fügen weder den Partizipanten noch den Lokalitäten etwas hinzu, sondern beziehen sich auf das Zutreffen der jeweiligen Schilderung, indem sie mit dem Subjunktor da einen als bekannt und evident präsupponierten Kausalnexus (Breindl & Waßner 2006:67f.) zwischen der Zirkusszene und dem Verhalten des Galeriebesuchers etablieren. Was die lexikalische Belegung betrifft, so bestehen die beiden kausalen NS jeweils nur aus funktionalen (= synsemantischen) Einheiten, was ihre Funktion als textdeiktische Verweise verdeutlicht. Ihren Beitrag zu einer kohärenten Interpretation des Texts können diese beiden NS nur mit einer nach den Kriterien in 3.1 angemessenen Intonationskontur leisten. Wir nehmen an, dass die beiden NS jeweils Intonationsphrasen (IPs) bilden und ihre prosodische Realisierung gemäß (1)–(3) berechenbar, vorhersagbar bzw. rekonstruierbar ist. Bezüglich der informationsstrukturellen Gliederung beschränken wir uns auf die prosodisch gekennzeichnete Distinktion von Fokus und Hintergrund anhand der Parameter (i) Platzierung und Art des Satzakzents; (ii) Art des
Innovation und Interpretation von Satzverknüpfungen in Hörbuchtexten
305
Grenztons (progredient vs. terminal). Die grammatische Natur dieser Parameter steht außer Zweifel, vgl. das Kapitel Intonation in den Neuauflagen der Dudengrammatik seit 2005. 3.6.2. Der erste textdeiktische Verweis Da es aber nicht so ists Die für den NS in Z 12 grammatisch zulässige und textuell angemessene Platzierung des Satzakzents als Fokus lässt sich nach (1)–(3) in 3.1 exakt berechnen durch den Ausschluss potenzieller Fokusexponenten aus grammatischen, speziell: lexikalischen, Gründen (*) bzw. aus textuellen, die Kohärenz beeinträchtigenden, Gründen (#). Letztere werden nur sichtbar, wenn die Struktur des Gesamttexts in die Kohärenzprüfung einbezogen wird. Das Ausschlussverfahren ergibt die in (11) aufgeführten Beschränkungen. Die jeweiligen Fokusexponenten sind durch Kapitälchen gekennzeichnet. Anschließend werden die einzelnen Fälle ausführlicher kommentiert. (11)
a. b. c. d. e. f.
*DA es aber nicht so ist *Da ES aber nicht so ist *Da es ABER nicht so ist #Da es aber nicht so IST #Da es aber nicht SO ist Da es aber NICHT so ist
Die Beispiele (11a–11c) sind klare Fälle von grammatisch determiniertem Ausschluss von Akzentkonturen, denn die offenkundige Nicht-Akzentuierbarkeit und somit Nicht-Fokussierbarkeit des Subjunktors da in (11) 2 oder des Pronomens es und des Adverbkonnektors aber ist eine inhärente Eigenschaft der betreffenden Lexeme, die verallgemeinert als Nicht-Kontrastfähigkeit mit weiteren Beschränkungen korreliert: solche Einheiten sind – von Vorkommen in stark markierten Kontexten abgesehen – nicht engskopig negierbar, nicht koordinierbar, nicht erfragbar, nicht modifizierbar etc. Wir stoßen bei der Nicht-Kontrastfähigkeit auf ein bislang kaum beachtetes Phänomen, das sich außer bei es und bestimmten Konnektoren wie aber und da noch bei anderen Gruppen von – vermutlich stets synsemantischen – –––––––—–– 2
Gemäß HdK ist da als Subjunktor grundsätzlich nicht geeignet als fokaler Träger des Satzakzents. Da kann jedoch in einem geeigneten Diskurskontext, der indes hier nicht gegeben ist, als einzig neue Konstituente eines (Teil-)Satzes fokussiert sein: (i) Max ist KRANK, und DA er krank ist, bleibt er im BETT. (ii) Max ist nicht KRANK, und DA er nicht krank ist, geht er ARBEITEN.
306
Ewald Lang & Barbara Pheby
Lexikoneinheiten beobachten lässt. In (12) findet sich eine vorläufige Liste solcher Einheiten als Anreiz zu weiterer Untersuchung. (12)
a. die Personal-Pronomina er, sie, wenn der Antezedent [-human] ist, cf. Starke (1996); b. das auch mit [+human] Antezedent (z.B. das Kind) stets schwache Pronomen es; c. das logophorische Pronomen man, das sich stets auf [+human] Referenten bezieht; d. die indefiniten Pronomina jemand, etwas, die miteinander bezüglich [+human], aber nicht mit anderen lexikalischen DPs kontrastieren; e. Modalpartikel wie wohl, am Ende, halt, eben, schließlich; f. Satzadverbien wie vielleicht, vermutlich, leider (außer in speziellen Kontexten); g. Intensivierer wie Max ist echt cool/schrecklich eitel/ganz schön blöd; h. [+N +V]-regierte Präpositionen wie in auf jmdn. warten/stolz sein, an jmdn. glauben; i. Proadverbien wie da, dann (auch als Adverbkonnektoren gemäß HdK); j. Proprädikative wie Eva ist todkrank, was Anna indes nicht ist/nicht so indes Anna.
Mit (12) ist ein für den Ausbau der Prosodie-Theorie wichtiger Datenbereich umrissen, der außer dem Desiderat seiner Komplettierung folgende Fragen aufwirft: (i) Bilden die in (12) aufgelisteten Gruppen eine natürliche Klasse, und wenn ja, worauf gründet die sich? (ii) Gehen alle Gruppen nichtkontrastfähiger lexikalischer Einheiten auf Grammatikalisierung zurück? (iii) Was fehlt den Einheiten in (12) gegenüber den lexikalischen Einheiten, deren Kontrastfähigkeit semantisch, d.h. durch kategorielle, referenzielle und/oder konzeptuelle Distinktheit, fundiert ist? Das Beispiel (11d) #Da es aber nicht so ist ist eine grammatisch zulässige Variante von Satzakzentuierung, aber die durch (11d) repräsentierten Fokustypen machen den Text an dieser Stelle inkohärent. Die durch den H*LPitchakzent auf der finiten Kopula in Endstellung als Interpretation getriggerten Mengen von Alternativen zur Verbform ist umfassen (i) andere Tempora, wie die in (11d'), oder (ii) andere Geltungsprädikate, wie die in (11d"): (11)
d'. Da es aber nicht so IST, sondern so WAR / SEIN WIRD. d''. Da es aber nicht so IST, sondern nur so SCHEINT / AUSSIEHT.
Nun bietet aber der durch §1 gelieferte Diskurskontext, auf den sich (11d) ja mithilfe von so anaphorisch bezieht, keinen Anhaltspunkt für einen sinnvollen Tempuswechsel nach Art von (11d'). Ebensowenig enthält §1 einen Hin-
Innovation und Interpretation von Satzverknüpfungen in Hörbuchtexten
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weis, der die Interpretation von (11d) als Verumfokus im Sinne von (11d") rechtfertigen würde. Wie schon in 3.5 erläutert, insinuiert der Konjunktiv II (Irrealis) in §1 in allen 6 finiten Verbformen per Implikatur die Nicht-Faktizität der Propositionen in den HS und den NS, d.h. §1 im Konjunktiv II legt nahe »Es ist mit unserem Wissen nicht vereinbar, dass die in §1 enthaltenen Propositionen zutreffen« oder kürzer »es ist nicht so«, und dieses Implikat ist keine echte Alternative zu (11d) Da es aber nicht so IST. Das Beispiel (11e) #Da es aber nicht SO ist zählt auch zu den grammatisch zulässigen Varianten von Satzakzentuierung, aber wieder passt der in (11e) repräsentierte Fokus nicht optimal in den durch §1 gelieferten Diskurskontext. Die graphisch durch so repräsentierte Wortschatzeinheit ist polysem: außer in den im HdK vermerkten Funktionen als (i) nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor und als (ii) bildungssprachlicher Subjunktor kommt so als ProForm vor. Wir konzentrieren uns hier auf so als (iii) Prädikativkorrelat wie in (11e) und als (iv) Proprädikativ wie in (11f). 3 Die beiden Vorkommen werden unten wiederholt und durch distinktive Fortsetzungen ergänzt, die verdeutlichen, dass SO als Prädikativkorrelat ein dass- bzw. ein wie-Komplement verlangt, während NICHT so als negiertes anaphorisches Proprädikativ ein Corrigens-Adjunkt anzufügen erlaubt, das eine passende Alternative zu dem für so zu identifizierenden Antezedenten bildet. (11)
e'. Da es aber nicht SO ist, [dass / wie p]. (SO akzentuiert, kataphorisch)
(11)
f'. Da es aber NICHT so ist, [sondern p]. (so deakzentuiert, anaphorisch)
Unter dem Gesichtspunkt möglichst kohärenter Textfortsetzung von §1 nach §2 ist von den beiden grammatisch zulässigen Varianten (11e) und (11f) die erste weniger geeignet und daher mit # versehen, weil – wie aus (11e') ersichtlich – das vorverweisende Prädikativkorrelat so mit seinem Komplement neue Informationen einführt, obwohl doch so im Skopus des Subjunktors da ist, der seinerseits als bekannt und evident präsupponierte Begründungsinformationen ankündigt, was sich wiederum in der Nicht-Kontrastfähigkeit von da niederschlägt im Unterschied zu den ebenfalls kausalen, hingegen durchaus kontrastfähigen Subjunktoren weil und obwohl. Demgegenüber bildet (11f) unter Kohärenzaspekten das Optimum: das Proprädikativ so ist deakzentuiert und signalisiert damit den Status »given information« für seinen anaphorisch adressierten, durch das Corrigens-Adjunkt –––––––—–– 3
Die in (iii) und (iv) vermerkte Unterscheidung lehnt sich an Ausführungen in (HdK: 255 ff.) an.
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als Alternative näher bestimmten Antezedenten in §1. Die »givenness« der in §1 gebotenen Information erfüllt somit die mit dem Gebrauch des Subjunktors da verbundene Präsupposition, dass sein internes Konnekt (das »Grund«Relat) bekannt und evident ist. So können wir als Ergebnis der Berechnung der prosodischen Realisierung des ersten textdeiktischen Verweises – Z 12 mit der aus (11) zu wählenden Akzentuierungsvariante – festhalten: für (11) erweist sich nicht wie in (11f) als der optimale Träger des Satzakzents. Es fehlt noch die Bestimmung des passenden Grenztons. Für einen vorangestellten NS, der gewöhnlich prosodisch eine IP bildet, ist ein H%-Grenzton (progrediente Intonation) obligatorisch: er signalisiert „forward reference“ (Pierrehumbert & Hirschberg 1990:305) auf den zu erwartenden HS, d.h. eine mit H% abschließende IP muss mit Bezug zur nächsten IP interpretiert werden. Als grammatisch korrekte und kohärente Intonationskontur für (Z 12) erweist sich somit allein (13): (13)
H*L [da
es
aber
NICHT
so
H% ist]IP
Soweit die Analyse des ersten textdeiktischen Verweises nach einem Ausschlussverfahren, das beide Kriterien, Grammatikalität und Textkohärenz, umfasst. Während ersteres unstrittig sein dürfte, liegt die Anwendung des Kohärenzkriteriums wegen eines Kunstgriffs im zu analysierenden Text, auf den wir in 3.7 unten eingehen, nicht so auf der Hand. 3.6.3. Der zweite textdeiktische Verweis da dies so isti Die Berechnung des Satzakzents für die Varianten in (14) erfolgt ganz analog zu der für die Varianten in (11), nur dass in (14) (i) aber und nicht fehlen, und (ii) statt es das Demonstrativpronomen dies erscheint. Als Subjekt verweist dies in dieser Position stets anadeiktisch, in anderen Positionen oder Funktionen kann dies auch katadeiktisch verweisen: Mir fehlt vor allem dies: [...] oder Was mich beunruhigt, ist dies: [...]. Das ergibt die folgenden Akzentmuster: (14)
a. b. c. d.
*DA dies so ist #da DIES so ist #da dies so IST da dies SO ist
(14a) scheidet aus grammatischen Gründen aus: die Nicht-Akzentuierbarkeit von da ist eine lexikalisch verankerte Eigenschaft; (14b) ist grammatisch zu-
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lässig, aber textuell im Blick auf Kohärenz unangebracht, weil im Text keine Alternative wie z.B. das oder jenes auffindbar ist, mit der dies kontrastieren könnte, daher #. (14c) ist auch grammatisch zulässig, aber nicht durch den Diskurskontext z.B. als Tempus-Korrektur wie in (11c') oder durch ein alternatives Geltungsprädikat wie in (11c") als Verumfokus lizensiert, deshalb #. Es gewinnt (14d) mit anaphorisch verweisendem SO als Fokusexponent. Die einzig angemessene Platzierung des Fokus im zweiten textdeiktischen Verweis ist wie in (15), wobei die Kategorisierung von so als Proprädikativ wie in (15') oder als Prädikativkorrelat wie in (15") noch offen ist. (15)
H*L [da
dies
SO
ist]IP
(15')
da dies SO ist [und nicht anders],
[Proprädikativ]
(15")
da dies SO ist, [dass ...]
[Prädikativkorrelat]
Es bleibt nun noch zu entscheiden, ob es sich bei dem so in (15) um ein Proprädikativ handelt oder um ein Prädikativkorrelat (cf. 3.6.2 oben). Isoliert betrachtet kann (15) mit dem Pitch-Akzent H*L beides sein, wie die Fortsetzungen in (15') und (15") zeigen. Eine den gesamten Text berücksichtigende Kohärenzprüfung führt zu folgendem Ergebnis. Im Verbund mit dem Adverbkonnektor da und dem in Subjektposition anadeiktisch auf unmittelbar vorangehende Antezedenten referierenden Demonstrativpronomen dies wird auch so präferent anaphorisch interpretiert, so dass es in (15) bzw. in (Z 42) als zweitem textdeiktischen Verweis bevorzugt als Proprädikativ kategorisiert werden dürfte. Die Interpretation von so als Prädikativkorrelat wie in (15") ist zwar nicht ganz ausgeschlossen, aber wegen der gegenläufigen Verweisrichtung adjazenter Proformen in einem NS – anadeiktisch bei dies, kataphorisch bei so – nicht optimal im Sinne von Textkohärenz. Was den Grenzton bei (15) betrifft, so gelten dieselben Bedingungen wie bei (13), so dass (16) die korrekte Intonationskontur für den zweiten textdeiktischen Verweis angibt: (16)
H*L [da
dies
SO
H% ist]IP
Abschließend ist noch die Interaktion der beiden weit auseinander liegenden, nämlich in §2 durch immerhin 29 Zeilen Zwischentext (Z 13 bis Z 41) getrennten Verweise zu erwähnen. Dabei geht es um zwei für die Herstellung von Kohärenz einschlägige Aspekte. Der erste betrifft die Reichweite der mit (13) bzw. mit Z 12 im Text eingeleiteten Korrektur. Z12 = Da es aber nicht so ist; und Z 42 = da dies so ist,
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sind insofern interpretatorisch verschränkt, als so im zweiten Verweis den Skopus von nicht im ersten Verweis bezüglich des Antezedenten von so in §1 spezifiziert. Somit stellt sich erst mit Z 42 heraus, was von der Negation nicht in Z 12 betroffen ist. Anders gesagt: das anaphorisch verweisende Proprädikativ so in Z 42 = da dies so ist, legt den Zwischentext (= Z 13 bis Z 41) als Corrigens zum propositionalen Inhalt von §1 fest, der in Z 12 mit so pauschal und unter Absehung vom Verbmodus (Konjunktiv II) als Corrigendum etabliert wird. Der zweite Aspekt betrifft die Intonationsstrategie. Im Blick auf Echtzeitverarbeitung gilt, dass für so die Entscheidung in Z 12 = Da es aber nicht so ist für die Lesart negiertes anaphorisches Proprädikativ und für die Intonationskontur wie in (13) erst gesichert ist, wenn für so in Z 42 = da dies so ist die Lesart anaphorisches Proprädikativ und die Intonationskontur wie in (15) gewählt wurde. Ein stiller Leser kann im Text zurückspringen, wenn er Anlass hat, die für Z 12 zunächst gewählte Lesart unter dem Einfluss der für Z 42 gewählten zu überprüfen oder zu korrigieren. Ein mit der Hörbucheinspielung des Texts befasster Studiosprecher hingegen muss sich bereits bei Z 12 über die Interpretation und Intonation von Da es aber nicht so ist definitiv im Klaren sein. Also wird er klugerweise den Text nicht spontan und prima vista, sondern nach einem durchdachten prosodischen Strategieplan vorlesen. Die Berücksichtigung der genannten Kohärenzaspekte, nämlich (i) die wechselseitige Selektionswirkung zwischen den beiden textdeiktischen Verweisen und (ii) die Auswertung des Zwischentexts in §2 (= Z 13–Z 41) als Corrigens von §1, wird (absichtsvoll?) erschwert durch den im nächsten Abschnitt zu behandelnden Befund. 3.7. Verrätselter Anschluss: die Kohäsionslücke in Z 12-13 Ergänzend zu den bereits in 3.3 erwähnten Verfahren der Verrätselung zeigt sich nun in dem zu analysierenden Kafka-Text ein weiteres, das sich syntaktisch weder als ganz reguläre Auslassung noch als robuste Fehltilgung zu erkennen gibt, nämlich die in (17) unten durch ? ? ? gekennzeichnete Lücke zwischen dem ersten textdeiktischen Verweis (Z 12) und dem unangeschlossenen nächsten Teilsatz mit Verbendstellung (Z 13). Versucht man, die Lücke mit expliziten Anschlüssen zu füllen, dann bieten sich dafür die zwei bereits unter 3.6.2 diskutierten Verwendungen von so als (iii) Prädikativkorrelat bzw. als (iv) Proprädikativ an, wie sie in (18a) und (18b) prosodisch und syntaktisch komplettiert aufgeführt sind.
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(17)
Da es aber nicht so ist; ? ? ? eine schöne Dame [...] hereinfliegt, (Original)
(18)
a. Da es aber nicht SO ist, dass eine schöne Dame [...] hereinfliegt, (Prädikativkorrelat) b. Da es aber NICHT so ist, sondern eine schöne Dame [...] hereinfliegt, (Proprädikativ)
Rezeptionstechnisch besagt die in (17) strukturell belassene Lücke, dass die Rekonstruktion des Lizensierers für die mit (Z 13) in §2 einsetzenden Verbletzt-Konstruktionen erst mit dem zweiten Verweis abgeklärt ist (cf. vorletzten Absatz in 3.6.3) und somit bis zur Verarbeitung von (Z 42) hinausgezögert erscheint. Die bereits bei (Z 12) anstehende, aber letztlich erst in (Z 42) abschließend bestätigte oder zu Revisionen nötigende Entscheidung über (17) betrifft die Wahl zwischen zwei Bündeln von Eigenschaften, die sich korrelativ durch verschiedene Module der Grammatik ziehen. Die für die Lücke ? ? ? zu supplierende Interpretation involviert die Optionen, die auf der Auswahlliste in (19) verzeichnet sind: (19) so Akzentmuster Z 12
Prädikativkorrelat
Proprädikativ
Da es aber nicht SO ist
Da es aber NICHT so ist
Verweisrichtung von so kataphorisch
anaphorisch
Antezedens von so
----
Propositionen in §1 ohne Verbmodus
Im Skopus von nicht
so mit nachfolg. NS
Propositionen in §1 ohne Verbmodus
? ? ? - Füller
dass / wie
sondern (als Beispiele)
Kategorisierung
Komplementierer
Konjunktor
Status der NS in Z 13 – 41
Komplemente
Adjunkte
Obwohl im Text nicht explizit wie in (19) ergänzt, wird der Konnex von Z 12 und Z 13 nach der rechten Spalte interpretiert: die NS spezifizieren Alternativen zum Proprädikativ so als Korrekturen zu dessen Antezedens, nämlich den Propositionen in §1 unter Absehung vom Verbmodus. Aus (19) lassen sich zudem einige Einsichten über Zweck und Auswirkung der in (17) sichtbar gemachten Konnexionslücke gewinnen. Erstens wird durch die Art der Lücke und den Zwang, sie kohärent zu überbrücken, nachgerade sichtbar, wie viele für die Interpretation relevante Strukturaspekte am Aufbau des Textverständnisses beteiligt sind und wie sie sich zu modul-
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übergreifenden Clustern formieren. Außerdem macht die Vielzahl der von der Lücke betroffenen Strukturaspekte in (19) plausibel, dass und warum die in (17) konturierte Lücke, obwohl keine reguläre Ellipse, dennoch unauffällig und akzeptabel ist: Prädikativkorrelat und Proprädikativ zeitigen als Eigenschaftscluster interpretatorische Kriechwurzeleffekte, die wir in 3.6 beschrieben haben. Die Lücke fungiert somit für den Leser nicht als eine provokante Leerstelle, die ihm die Interpretation des Texts verunmöglichte, wohl aber für den Vorleser als ein mögliches Schlagloch, bei dem er sich prosodisch verstolpern kann – Beispiele dafür folgen in Kap. 4. Die Grundlage dafür, dass Z 12 ? ? ? Z 13–15 als gedrucktes Textsegment wie in (17) unspezifiziert ist für die Lesarten der in (18a, b) angeführten Explizitfassungen, bilden die von der deutschen Grammatik bereitgestellten Fakten in (20). Sie machen die Anschlusslücke in (17) als solche möglich und zugleich auch interpretativ überbrückbar. (20)
a. NS, ob Komplement oder Adjunkt, sind stets durch Verbletzt gekennzeichnet. b. Als Prädikativ ist so kataphorisch & akzentuiert oder anaphorisch & deakzentuiert. c. In NS ist die Satznegation präverbal und entweder akzentuiert oder deakzentuiert.
Dies sind einzelsprachlich fixierte Parameterwerte. Ihre Rolle für die Struktur des Texts in der Originalsprache wird deutlich, wenn man ihn mit Übersetzungen in Sprachen vergleicht, die für die Parameter in (20) andere Werte fixiert haben – vor allem für die syntaktischen Kennzeichen von NS. Die Folgen sind überraschend: den engl., frz., ndl., russ., und ital. Übersetzungen des Texts (cf. Literaturverzeichnis A1) ist gemeinsam, dass sie auf die im dt. Original eingebaute Anschlusslücke verzichten und stattdessen den Konnex von Z 12 und Z 13–15 durch Konnektoren explizit und eindeutig auf die Korrekturlesart festlegen. Im Original begünstigt die Art, wie die Lücke platziert ist, für so in Z 12 die Lesart Proprädikativ und für die NS in Z 13–Z 41 die Lesart als parallel strukturierte Corrigens-Adjunkte zu so. Dabei fällt auf, dass Z 12–15 ff., obwohl als solche interpretierbar bzw. akkommodierbar, nicht die Kriterien für konnektorlose Korrekturkonstruktionen erfüllen, cf. Breindl & Waßner (2006), Steube (2002). Wie also soll man die unklar lizensierten Teilsätze in Z 12–Z 41 als grammatische Gebilde bewerten? Mit der Einordnung unter die Rubrik „poetische Lizenz“ ist nicht viel gewonnen. Eher schon, wenn man die Anschlusslücke als Bestandteil der sekundären Strukturierung betrachtet und die damit
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erzeugten Verrätselungseffekte pragmatisch zu erklären versucht, etwa nach dem aus Levinson (2000: 33) zitierten Grundsatz: (21)
What’s said in an abnormal way, isn’t normal; or Marked message indicates marked situation.
Die gemäß (17) und (18a, b) nachweisbare Kohäsionslücke würde dann dazu dienen, mithilfe einer unspezifiziert belassenen Verknüpfungsrelation die sonst im Text codifizierten Paradoxa (cf. Verbmodus vs. lexikalisches Stimmungsbild in 3.5) zu ergänzen durch eine quasi ikonisch vermittelte Verunsicherung darüber, von wem welche Perspektive auf die zweifach geschilderte Zirkusszene einzunehmen ist.
4.
Prosodische Realisierung des Texts durch die Studiosprecher
4.1. Datenübersicht Nachdem wir in 3.1 die für eine prosodische Analyse eines literarischen Texts T nötigen Wertungsbegriffe (i) grammatisch determinierte Normalintonation, (ii) zulässige Variation innerhalb von (i) sowie (iii) unzulässige Variation, die gegen (i) oder (ii) verstößt, eingeführt haben, dann in 3.6 die prosodischen Realisierungen der zwei textdeiktischen Verweise für (i) linguistisch errechnet und die für (iii) begründet ausgeschlossen haben, wollen wir nun prüfen, inwieweit die theoretischen Vorgaben auch in der Vortragspraxis (aus-)gebildeter Studiosprecher ihren Niederschlag finden bzw. worin künstlerisch gestaltete Prosodie von ihnen abweicht. Wir beginnen mit den textdeiktischen Verweisen (4.2) und betrachten dann andere Textstellen (4.3–4.4). Die Auswertung der Studioaufnahmen erfolgt auf der Basis des in Kap. 3 erzielten und begründeten Ergebnisses, dass die einzigen grammatisch zulässigen und zugleich textuell angemessenen Intonationskonturen für die beiden textdeiktischen Verweise die in (22) sind. Nur prosodisch wie in (22) realisiert induzieren sie unter Überbrückung der in (17) gezeigten Lücke eine kohärente Interpretation des Texts. Deren Verankerung in verschiedenen Modulen grammatischer Strukturbildung ist den Einträgen in der rechten Spalte von (19) und den an die Tabelle anschließenden Erläuterungen zu entnehmen.
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H*L H% H*L H%
(22)
[DA ES ABER nicht SO IST]IP
[DA DIES so IST]IP
Kommentierte Belegdaten zu den textdeiktischen Verweisen 4
4.2
200
200
150
150 Pitch (Hz)
Pitch (Hz)
4.2.1 Sprecher II (Gerd Udo Feller):
100
50
100
50
da
es
aber
LH* H//
H* L//
nicht
so ist
0
2.68 Time (s)
da
LH*
LH*
L//
dies
so
ist
0
1.601 Time (s)
Gemessen an den unter grammatisch determinierte Normalintonation zu subsumierenden Akzentmustern in (22), die freilich als Konstrukte angesetzt und somit idealisiert sind, zeigen diese Studioaufnahmen deutliche Abweichungen, cf. (23)–(24): (23)
1. Verweis: – keine klare Zielsilbe für den Satzakzent – unpassender Pitch-Akzent auf nicht (LH* statt H*L) – unmotivierte Pause nach nicht – tiefer Grenzton (L%) statt textuell determiniertem hohem Grenzton (H%)
(24)
2. Verweis: – keine klare Zielsilbe, sondern zwei Konstituenten mit LH*versehen – tiefer Grenzton (L%) statt textuell determiniertem hohem Grenzton (H%)
Die viel Unsicherheit verratende, spürbar misslungene prosodische Realisierung der beiden Verweise könnte ein Indiz sein, dass der Sprecher die Anschlusslücke zwischen Z 12 und Z 13 ff. nicht erkannt, jedenfalls nicht bewältigt hat. Weil in diesen Belegdaten weder die Verweisrichtung von so (deakzentuiert, anaphorisch) noch der Skopus von nicht über so prosodisch –––––––—–– 4
Aus technischen Gründen wird % als Marker für Grenztöne in den Diagrammen durch // ersetzt.
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klar signalisiert werden, sind die Verweise nicht aufeinander bezogen, was aber gerade eine Voraussetzung für eine kohärente Textinterpretation ist. Zieht man die gesamte Aufnahme in Betracht, so wird deutlich, dass Studiosprecher II, von Beruf Bühnenschauspieler, der Ausgestaltung seines Vortrags durch dramatisierende Stimmmodulation und wechselnde Tempi offenbar mehr Gewicht beilegt als dem Bemühen um eine sinngerechte prosodische Realisierung, die aber – so unsere These – die unverzichtbare Grundlage darstellt für ästhetisch wirkungsvolle individuelle Expressivität. Immerhin belegen (23) und (24) mit der abweichenden Fokus-Realisierung und den falsch gewählten Grenztönen (L% statt H%) die Relevanz des Konzepts »grammatisch determinierte Normalintonation«. Die Wirkung der fälschlich tiefen Grenztöne wird für den Hörer durch den vorangestellten, mit da eingeleiteten NS zumindest kompensiert.
100
100
80
80 Pitch (Hz)
Pitch (Hz)
4.2.2 Sprecher VI (Otto Sander)
60 50
60 50
da es aber
H*
H*L
L//
nicht
so
ist
0
1.068 Time (s)
da
dies
0
H*L
L//
so
ist 0.9609
Time (s)
Gemessen an den als theoretische Zielvorgaben errechneten Intonationskonturen in (22) kommen die prosodischen Belegdaten von Sprecher VI den Erwartungen an eine den Text sinngerecht, kohärent und anrührend vermittelnde Vortragsweise wesentlich näher an die von Sprecher II. In (25)–(26) finden sich keine grammatisch unzulässigen Akzentmuster, jedoch sind die von Sprecher VI angebotenen Intonationskonturen nicht völlig eindeutig, ihre Interpretation bedarf der Unterstützung oder Kompensation aus dem Diskurskontext.
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(25)
1. Verweis: – H*-Akzent auf nicht, H*L auf so, was so prominenter macht als nicht; so kann auch kataphorisch interpretiert werden; ob diese intonatorische Unklarheit im Sinne ästhetischer Ausgestaltung beabsichtigt ist oder nicht, muss offen bleiben. – tiefer Grenzton L% statt textuell gefordertem hohem Grenzton H%
(26)
2. Verweis: – H*L-Akzent auf so, wird daher textuell anaphorisch interpretiert; – tiefer Grenzton L% statt textuell gefordertem hohem Grenzton H%
Auch hier gilt, dass die Wirkung der fälschlich tiefen Grenztöne durch den mit da eingeleiteten NS kompensiert wird – anteponierte NS lassen nachfolgende HS erwarten, was als syntaktisch indiziertes Progredienzsignal den H%-Grenztönen durchaus vergleichbar ist.
250
250
200
200
150
150
Pitch (Hz)
Pitch (Hz)
4.2.3 Sprecher V (Klaus Wagenbach):
100 50
100 50
da
es
aber
H*
L
L-L//
nicht
so
ist
0
da 1.742
Time (s)
dies
H*L
H//
so
ist
0
1.488 Time (s)
Als empirischer Beleg bewertet, kommt diese Aufnahme den Standards einer theoretisch als angemessen zu rechtfertigenden prosodischen Realisierung des Textes am nächsten. Sprecher V ist unseres Wissens weder Schauspieler noch Studiosprecher, wohl aber Verleger und Kafka-Experte. Die Meriten dieser Aufnahme in Bezug auf die zwei textdeiktischen Verweise lassen sich auf den gesamten Text übertragen. Die prosodische Realisierung folgt der Grammatik, verläuft sinngerecht und völlig untheatralisch. (27)
– –
Beide Satzakzente sind korrekt gesetzt, damit erfüllen die Verweise ihre in 3.6 und 3.7 erörterten Funktionen als Schaltstellen der Interpretation und Bestandteile der sekundären Strukturierung des Texts. Der Sprecher macht – anders als etwa Sprecher II – keine unmotivierten Pausen.
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Für die zitierten wie auch die übrigen Aufnahmen des Samples ist noch eine Beobachtung anzuführen, die trotz der oft divergierenden linguistischen vs. künstlerischen Zugänge zur Textprosodie eine grundlegende Gemeinsamkeit vermuten lässt. Aus der Analyse in Kap. 3 ergibt sich u.a. Folgendes: Wenn beide Vorkommen von so in den textdeiktischen Verweisen prosodisch auf dieselbe Referenz getunt sind, also z.B. auf akzentuiert, kataphorisch, negiert im 1. Verweis und auf deakzentuiert, anaphorisch, positiv im 2. Verweis, dann wird dadurch eine Kontradiktion induziert. Rein syntaktisch haben Da es aber nicht so ist und Da dies so ist durchaus das Potenzial dafür, ob daraus aber eine kontradiktorische Äußerung erwächst, hängt von der prosodischen Realisierung von so und nicht ab (cf. (19)) sowie von den Antezedenten von es und dies, was erneut die Kohärenz stiftende Rolle der Prosodie verdeutlicht. Trotz diverser Abweichungen anderer Art kommt nun aber die kontradiktorische Intonationsvariante im Datenfundus nicht vor, was vielleicht besagt, dass Studiosprecher im objektsprachlichen Gebrauch der Muttersprache besonders sensibel für Widersprüchlichkeiten sind – gleichviel, ob sie diese auch metasprachlich korrekt erklären könnten oder nicht. 4.3.
Belegdaten für zulässige Variation innerhalb grammatischer Normalintonation
4.3.1. Fokuserstreckung In Z 41 = [[mit] zurückgelehntem Köpfchen] ihr Glück mit dem ganzen Zirkus teilen will lässt der kursivierte Teil mehrere Fokusprojektionen gemäß Nuclear Stress Rule zu. Zwei von vier Varianten finden sich in den Daten. Die Intonationskontur bei Hallwachs hat mit H*L auf Zirkus den engeren Fokus, was jedoch der fast gleiche Pitch-Akzent auf teilen verunklärt. Die Aufnahme von Westphal mit H*L auf teilen hat klar den weiteren Fokus.
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Sprecher VII (Peter Hallwachs): 250
Pitch (Hz)
200 150 100 50
ihr
Glück
mit
dem
ganzen
H*L
H*L
L//
Zirkus
teilen
will
0
2.722 Time (s)
Sprecher VIII (Gert Westphal): 250
Pitch (Hz)
200 150 100 50 LH* ihr
Glück
mit dem
ganzen
Zirkus
0
H*L
L//
teilen
will 3.363
Time (s)
Nach Kohärenzkriterien ist die Version von Gert Westphal die angemessenere, weil hier die Aufteilung von „given information“ als Hintergrund, wozu nicht nur der Zirkus gehört durch Nennung von systematischen Teilen (Manege, Galerie, Treppe, Vorhänge) und situationstypischen Partizipanten (Kunstreiterin, Chef, Orchester, Publikum), sondern qua Stimmungsbild in §2 auch das daraus inferierte Glück der Reiterin, und „new information“ als Fokus auf teilen will eindeutig signalisiert wird und ebenso rezipiert werden kann. Die Version von Peter Hallwachs ist hingegen – abgesehen von der weniger klaren Ausführung – potenziell irreführend, weil sie mit dem engerem Fokus auf mit dem ganzen ZIRKUS teilen will Alternativen als Glücksteilhaber voraussetzt, die sich im Text nicht ermitteln lassen. Deshalb wäre es auch
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ebenso abwegig, Z 41 mit noch engerem Fokus, i.e. mit dem GANZEN Zirkus teilen will, zu realisieren, weil dann die Anforderungen an die Alternativen noch spezieller ausfielen und ihre Unerfüllbarkeit im Text sich als Verstehenshindernis auswirken könnte. 4.3.2. Signifikante prosodische Parallelen In 3.5 haben wir die in (17) konturierte Anschlusslücke zwischen Z 12 und Z 13 als in die sekundäre Strukturierung integrierten Verrätselungsfaktor besprochen und dann in (19) aufgelistet, was Prädikativkorrelat und Proprädikativ an korrelierenden, über die Grammatik verteilten Eigenschaften beinhalten, um darzustellen, welche Rekonstruktionshilfen zur Füllung der Lücke der Diskurskontext zu bieten vermag. In diesem Zusammenhang verdient eine prosodische Hilfestellung erwähnt zu werden, die wir aus Platzgründen hier nicht in Praat-Diagrammen wiedergeben, sondern als annotiertes Zitat aus der Aufnahme von Gert Westphal. Es geht um die individuelle prosodische Realisierung von Z 12 ? ? ? Z 13–15, in der die durch ? ? ? belassene syntaktische Lücke durch die intonatorische Konturierung von Z 12 und Z 13–15 partiell kompensiert wird. Wir haben in 3.7 darauf hingewiesen, dass Z 12 und Z 13–15 (und ebenso alle folgenden Syntagmen bis Z 41) strukturell nicht den Standardbedingungen für konnektorlose Korrekturkonstruktionen entsprechen. Was aber Z 12 und Z 13–15 als Spezifikation in Richtung Proprädikativ mit CorrigensAdjunkt durchaus zulassen, das ist eine indirekte Kennzeichnung von Z 12 als Corrigendum und von Z 13–15 als Corrigens durch Parallelisierung der Tonhöhenverläufe. Und eben dies bietet Gert Westphals prosodische Realisierung von Z 12– Z 15 und weiter bis Z 41. Dann folgt in Z 42 der zweite Verweis als Resümee und von Z 43–46 der HS. Westphals Version ist die mit der klarsten prosodischen Gliederung. Wir zitieren hier die für die Art des Umgangs mit der Anschlusslücke signifikanten Eingangszeilen. (28)
a. b.
L*H Da es aber
NICHT
H*L eine schöne DAME
L*H weiß und
so L*H rot
H% ist L*H H% hereinfliegt
Abweichend von dem in (22) als Norm für nicht in Z 12 angesetzten PitchAkzent H*L realisiert Gert Westphal den Fokus in (28a) als L*H und zieht damit die Signalisierung der Unabgeschlossenheit bzw. der Fortsetzungsbe
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dürftigkeit der Äußerung (Progredienzintonation) „nach vorn“ in die Fokusmarkierung von nicht, was die hörerseitige Aufmerksamkeit auf die ProForm so im Skopus von nicht lenkt. Es folgen dann bei Gert Westphal Z 13–15 in der in (28b) angedeuteten Weise: das Subjekt eine schöne Dame ist Exponent des Informationsfokus H*L und die postnuklearen IPs, weiß und rot sowie hereinfliegt, sind prosodisch mit L*H und H% und rhythmisiert mit dreisilbigen IPs an den fokalen Teil von (28a) angeglichen, was eine Beziehung wie die von Corrigendum (Z 12) und Corrigens (Z 13–15) nahe legt. Als Test mag die Einsetzung von sondern in (28) dienen: es passt sich ohne irgendwelche Modifikationen in die angegebene Intonation ein und legt damit zugleich eindeutig fest, dass der Antezedent des negierten so in Z12 sämtliche in §1 enthaltenen Propositionen sind (unter Absehung vom Verbmodus). 4.4. Belegdaten für unzulässige Variation Nachdem wir die Unterscheidung von grammatisch vs. textuell lizensierten und von gegen Grammatikalität und/oder Kohärenz verstoßenden prosodischen Realisierungen in 3.1 eingeführt, in 4.2 anhand der textdeiktischen Verweise und in 4.3 an sonstigen Textstellen illustriert haben, mag für (iii) unzulässige Variation ein Beispiel aus dem Text genügen. Sprecher III (Axel Grube) realisiert Z 46 = ohne es zu wissen, das berühmte und vieldiskutierte letzte Adjunkt und zugleich die letzte IP des Texts, prosodisch wie folgt: 150
Pitch (Hz)
100
50 20 H//
H*L ohne
es
zu
0
wissen 1.093
Time (s)
Dies ist ein Beispiel für eine grammatisch diffizile, im Sinne der Kohärenz aber eindeutig unzulässige Variation an prominenter Stelle. Der als Kontrastfokus wirkende Pitch-Akzent H*L auf der Präposition ohne setzt die Verfügbarkeit einer Alternative voraus, die im Text aber weder auffindbar noch erschließbar ist. Betrachten wir die Gründe dafür im Detail.
Innovation und Interpretation von Satzverknüpfungen in Hörbuchtexten
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Die qua Antonymie nächstliegende Präposition mit leitet kein infinites Komplement ein. Als konträre Umschreibungen von Z 46 stünden Adverbiale wie wissentlich, mit vollem Bewusstsein oder auch finite Konjunkte wie ... und er weiß es zur Verfügung, aber die passen nicht als Substitute für die originale Z 46. Sie taugen nicht als Modifikatoren zur Beschreibung psychisch oder physiologisch bedingter Aktivitäten wie Weinen oder Schreien, weil derlei in unserer Erfahrung als unvermeidlich wahrgenommene, somit bewusst bzw. wissentlich ablaufende Vorgänge eingetragen sind. So bleibt denn für Z 46 als einzig zulässiges Akzentmuster ohne es zu WISSEN mit H*L L%. Zugleich ist mit dem Fokus auf (zu) wissen die mit Z 46 verbundene Uminterpretation erklärbar: wenn Wissen als Bewusstheit zu den Standardbedingungen von Aktivitäten wie Weinen gehört, kennzeichnet der Fokus auf wissen im Skopus von ohne nur dann den Bedeutungsbeitrag des Verbs kontingent als „new information“, wenn die Bedeutung des stativen Verbs wissen zu der des Ereignisverbs bemerken akkommodiert wird. Ein Kuriosum zum Schluss: dass Axel Grube das letzte Wort des Texts ausgerechnet mit einem progredienten Grenzton H% versieht, gehört zu den nicht von Franz Kafka verschuldeten Rätseln des Umgangs mit seinen Texten.
5
Schlussbemerkungen
Der Aufsatz bezweckt, die Wertungsprädikate „zulässige / unzulässige Intonationskontur“ durch Bezug auf „grammatisch determinierte Normalintonation“ bzw. auf „sinngerechter Beitrag zur Textkohärenz“ zur Diskussion zu stellen und mithilfe von Belegdaten aus Studioaufnahmen eines exemplarischen Kafka-Texts zu plausibilisieren. Die nach den Kriterien Grammatikalität und Textkohärenz zulässigen prosodischen Variationen (bezüglich Akzentmuster, Tonhöhenverlauf, Pausen etc.) definieren den darüber hinaus verbleibenden Spielraum für individuelle künstlerisch gestaltete prosodische Realisierungen des Texts, bei denen vornehmlich artikulatorische Parameter wie Sprechtempo, Stimmmodulation, Rhythmisierung etc. zum Einsatz kommen. Die Illustration von zulässigen / unzulässigen Intonationskonturen durch Hörbuchbelege ist hier beschränkt auf die informationsstrukturell und prosodisch grundlegende Aufteilung in Hintergrund und Fokus – diese bildet den Rahmen für die unbedingt darin ergänzend einzutragende Substrukturierung nach Topik und Kommentar und – falls nötig – auch die nach Thema und
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Ewald Lang & Barbara Pheby
Rhema. Hörbucheinspielungen literarischer Texte sind gerade für die Modellierung der prosodischen Feinmechanik von hohem Aufschlusswert. Desiderate für die linguistische Forschung bilden (i) die Untersuchung von Nicht-Kontrastfähigkeit als lexikalische Eigenschaft; (ii) die anhand von so als Pro-Form in (19) illustrierten modulübergreifenden Cluster von grammatischen Bedingungen und ihr Zusammenhang mit der kategoriellen Bandbreite der Wortschatzeinheit (cf. so als Adverbkonnektor, Subjunktor, DPModifikator, AP-Modifikator); (iii) die Untersuchung diagrammatischikonischer Aspekte sekundärer Strukturierung wie die in 3.5 und 4.3.2 erwähnten. Damit sind auch Gründe genannt, weshalb literarische Texte zum Lesen oder Hören als Fundgruben und Testfelder für die Gebrauchs- und Interpretationsbedingungen von Konnektoren wichtig sind – zusätzlich zu den im HdK Bd. 1 reichlich genutzten Belegquellen. Von der Literaturwissenschaft wäre zu klären, warum die Übersetzer des Kafka-Texts gar nicht erst versucht haben, die Anschlusslücke (cf. 3.7) in der Zielsprache nachzubilden, sondern in Abkehr vom Original auf explizite Eindeutigkeit erpicht waren. Fällt das noch unter „Treue zum Original“ oder schon unter – natürlich wohlmeinende – „Interpretation“? Oder ist es eher sprachmittlerische Vorsorge gegen hämische Rezensierung, dass man durch Vermeidung der Lücke im zielsprachlichen Text beweisen möchte, dass man sie im quellsprachlichen Text sehr wohl erkannt hat? Außerdem könnte und sollte aus der so angelegten Bemühung um das Verhältnis von Intonation und Interpretation von Satzverknüpfungen ein Beitrag erwachsen zur linguistischen Fundierung der Kritik von literarischen Hörbucheinspielungen, die – was die prosodische Realisierung angeht – bislang eher impressionistisch und metaphorisch ausfällt.
Literatur A. Primärtext 1. Gedruckte Versionen Kafka, Franz: „Auf der Galerie.“ In: Franz Kafka: Sämtliche Erzählungen, 251. Frankfurt a. M.: Fischer, 2001. – „Up in the gallery.“ – In: Franz Kafka: The metamorphosis, 244-45. New York u.a.: Simon & Schuster, 1993. – „Le spectateur de la galerie.“ – In: Franz Kafka: Oeuvres complètes, 438–39. Paris: Gallimard, 2005.
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„Op de galerij.“ – In: Franz Kafka: Verzameld Werk, 752. Amsterdam: Querido, 1963. „Na galeree.“ – In: Franz Kafka: Roman, novelly, pritchi, 189–190. Moskva: Progress, 1965. „In galleria.“ – In: Franz Kafka: La metamorfosi, 158. Milano: Feltrinelli, 1991.
2. Studioaufnahmen Franz Kafka: „Ein Landarzt“ und andere Erzählungen. – Hörbuch © 1999 HNH International Ltd. Sprecher: Gerd Udo Feller (II). Franz Kafka: Erzählungen. – Hörbuch © 2002 onomato Verlag. Sprecher: Axel Grube (III). Franz Kafka: „Ein Landarzt“ und andere Erzählungen. – Hörbuch © 1999 Verlag Klaus Wagenbach. Sprecher: Klaus Wagenbach (V). Kafka-Collection. – Hörbuch © 2008 Patmos Verlag. Sprecher: Otto Sander (VI). Franz Kafka: Meistererzählungen. – Hörbuch © 2005 argon. Sprecher: Peter Hallwachs (VII). Gert Westphal liest Kafka. – Hörbuch © 2007 Litraton. Sprecher: Gert Westphal (VIII). Franz Kafka: Erzählungen. – Hörbuch © 2006 Komplett Media. Sprecher: Andreas Dietrich (IX). B. Literaturwissenschaftliche Arbeiten zum Kafka-Text (Auswahl) Boa, Elizabeth (1991): „Kafka’s ‘Auf der Galerie’. A resistant reading.“ – In: Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte 65, 486– 501. Binder, Hartmut (1979): Kafka-Handbuch. – 2. Bd., 320–321. Stuttgart: Kröner. Enklaar, Jattie (1985): „Die Tränen des Galeriebesuchers.“ – In: Jattie Enklaar & Peter Küpper (Hgg.): Kafka-Kolloquium. Duitse Kroniek, 53–57. Amsterdam: Rodopi. Flach, Brigitte (1987): Kafkas Erzählungen. Strukturanalyse und Interpretation. – Bonn: Bouvier. Foulkes, A. Peter (1966): „‘Auf der Galerie’: Some Remarks Concerning Kafka’s Concept and Portrayal of Reality.“ – In: Seminar 2, 34–42. Gray, Richard T. et al. (2005): A Franz Kafka Encyclopedia, 21–22. Westport: Greenwood Press. Heller, Paul (1986): „‘Up in the Gallery.’ Incongruity and alienation.“ – In: H. Bloom (Hg.): Franz Kafka, 77-94. New York: Chelsea House Publishers. Margetts, John (1970): „Satzsyntaktisches Spiel mit der Sprache. Zu Franz Kafkas ‘Auf der Galerie.’“ – In: Colloquia Germanica, 76–82. Reschke, Claus (1976): „The Problem of Reality in ‘Auf der Galerie.’“ – In: Germanic Review 51, 41–51. Scholz, Ingeborg (2008): Franz Kafka – Motivik und Sprache in exemplarischen Texten seiner Prosaminiaturen. – Bonn: Bernstein.
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Innovation und Interpretation von Satzverknüpfungen in Hörbuchtexten
Anhang 1 2
3 4 5 6
7 8 9 10 11
12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31
Franz Kafka
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Auf der Galerie
§1{Wenn irgendeine hinfällige, lungensüchtige Kunstreiterin in der Manege auf schwankendem Pferd vor einem unermüdlichen Publikum vom peitschenschwingenden erbarmungslosen Chef monatelang ohne Unterbrechung im Kreise rundum getrieben würde, auf dem Pferde schwirrend, Küsse werfend, in der Taille sich wiegend, und wenn dieses Spiel unter dem nicht aussetzenden Brausen des Orchesters und der Ventilatoren in die immerfort weiter sich öffnende graue Zukunft sich fortsetzte, begleitet vom vergehenden und neu anschwellenden Beifallsklatschen der Hände, die eigentlich Dampfhämmer sind – vielleicht eilte dann ein junger Galeriebesucher die lange Treppe durch alle Ränge hinab, stürzte in die Manege, riefe das: Halt! durch die Fanfaren des immer sich anpassenden Orchesters.}§1 §2{ Da es aber nicht so ist ; eine schöne Dame, weiß und rot, hereinfliegt, zwischen den Vorhängen, welche die stolzen Livrierten vor ihr öffnen; der Direktor, hingebungsvoll ihre Augen suchend, in Tierhaltung ihr entgegenatmet; vorsorglich sie auf den Apfelschimmel hebt, als wäre sie seine über alles geliebte Enkelin, die sich auf gefährliche Fahrt begibt; sich nicht entschließen kann, das Peitschenzeichen zu geben; schließlich in Selbstüberwindung es knallend gibt; neben dem Pferde mit offenem Munde einherläuft; die Sprünge der Reiterin scharfen Blickes verfolgt; ihre Kunstfertigkeit kaum begreifen kann; mit englischen Ausrufen zu warnen versucht; die reifenhaltenden Reitknechte wütend zu peinlichster Achtsamkeit ermahnt;
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Ewald Lang & Barbara Pheby vor dem großen Saltomortale das Orchester mit aufgehobenen Händen beschwört, es möge schweigen; schließlich die Kleine vom zitternden Pferde hebt, auf beide Backen küßt und keine Huldigung des Publikums für genügend erachtet; während sie selbst, von ihm gestützt, hoch auf den Fußspitzen, vom Staub umweht, mit ausgebreiteten Armen, zurückgelehntem Köpfchen ihr Glück mit dem ganzen Zirkus teilen will – da dies so ist , legt der Galeriebesucher das Gesicht auf die Brüstung und, im Schlußmarsch wie in einem schweren Traum versinkend, weint er, ohne es zu wissen.} §2
Karina Schneider-Wiejowski
Prosodische Anbindung syntaktischer Konstruktionen nach der rechten Satzklammer 1
1. Einleitung Das Nachfeld im Deutschen ist die syntaktische Position im topologischen Feldermodell, die als Bereich nach der rechten Satzklammer definiert werden kann. 2 Dabei kann das Nachfeld in allen drei Satztypen, V-1, V-2 und V-L, realisiert werden. Nachfeldbesetzungen unterscheiden sich sowohl hinsichtlich ihrer Komplexität und Satzwertigkeit als auch durch ihre syntaktische Funktion im Satz. Des Weiteren werden in der linguistischen Literatur Aussagen darüber gemacht (IDS-Grammatik 1997), inwieweit es eine prosodische Anbindung oder aber Separierung der unterschiedlichen Konstruktionen an die rechte Satzklammer gibt. 3 Den qualitativen Aussagen zum prosodischen Verhalten von Nachfeldeinheit und Matrixsatz fehlt jedoch bisher der empirische Beleg. Um die kategorialen Aussagen mit statistischen Werten zu untermauern, werden in diesem Aufsatz Ergebnisse diskutiert, die durch ein Entscheidungsexperiment erhoben werden konnten. Zuvor allerdings soll das Nachfeld als topologische Position genauer definiert werden, da sich hier unterschiedliche Definitionen gegenüber stehen. –––––––—–– 1
2
3
Danken möchte ich der DFG, die den SFB 673, Alignment in Communication, unterstützt. Die Ergebnisse, die in dieser Publikation präsentiert werden, sind im Teilprojekt C3, Repairs and Reformulation in Dialogue, entstanden. Zur Geschichte des topologischen Feldermodells siehe Drach (1937) und für weitere Informationen siehe Altmann (1981). An dieser Stelle sollte erwähnt werden, dass die rechte Satzklammer in der Literatur unterschiedlich definiert wird. Während Engel (1980) nur dann von der Realisierung einer Verbalklammer spricht, wenn es sich um echte Verbteile wie dem Finitum Infinitivum und Partizipien handelt, soll in diesem Aufsatz eine breite Sichtweise zugrunde gelegt werden, die z.B. auch bei Zeman (2002) vertreten wird. Zeman (2002) ist der Ansicht, dass auch nicht-verbale Teile die Klammer schließen können. Dazu gehören vor allem lexikalische Prädikatsteile wie Verbzusätze, die durch trennbare Präfixe entstehen (auf, ein, vor), aber auch Bestandteile aus Funktionsverbgefügen (in Kraft treten, einen Auftrag erteilen). Außerdem ist es möglich, dass der rechte Teil der Klammer durch phraseologische Glieder (auf die lange Bank schieben) oder durch Prädikative (gesund bleiben) besetzt wird.
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Auch ist es notwendig, den bisherigen Forschungsstand zu skizzieren, um deutlich zu machen, an welcher Stelle angeknüpft werden soll. In Kapitel 2 wird eine Korpusstudie vorgestellt, die das Datenmaterial präsentiert, das als Grundlage für das in Kapitel 3 beschriebene Experiment verwendet wurde. Den Abschluss bildet die Diskussion im vierten Kapitel. 1.1. Das Nachfeld im Deutschen Die Geschichte des deutschen Nachfelds als topologische Position beginnt bereits Ende der 1930er Jahre. Nach Drach (1937) bezeichnet der Ausdruck Nachfeld alles, was in Hauptsätzen auf das Verbum finitum folgt. 4 Gegenstand dieser Untersuchung bildet das Nachfeld aus heutiger Sicht, dessen Grundlage die Klammertheorie bildet. Dennoch wird man auf der Suche nach einer klaren Definition des Nachfeldes in der linguistischen Literatur nicht fündig, 5 da man auf zwei unterschiedliche Auffassungen stößt. Sich gegenüber stehen die traditionelle Auffassung des Nachfeldes (Eroms 2000, Eisenberg et al. 2005), bei welcher alle Einheiten, die nach der rechten Satzklammer positioniert sind, als Nachfeld klassifiziert werden und die in der IDS-Grammatik vorgeschlagene Differenzierung von Nachfeld und rechtem Außenfeld, welche als theoretische Grundlage für diese Untersuchung angenommen wird. Das Nachfeld im Deutschen ist nur eine fakultative Position, da sie nicht besetzt werden muss. Und trotz dieser Fakultativität ist es möglich, dass für den Satz obligatorische Elemente in das Nachfeld gesetzt werden. Dieser Fall tritt z.B. bei ausgeklammerten Subjekten auf. 6 Die IDS-Grammatik (1997: 1646) unterscheidet zwischen echten und unechten Nachfeldkonstruktionen und schlägt dabei die folgende Klassifikation vor: Neben dem sogenannten engen Nachfeld (EN) und dem weiten Nachfeld –––––––—–– 4
5
6
In Plötzlich/kam/der Postbote besetzt der Postbote nach der Drach’schen Auffassung das Nachfeld. Nach gegenwärtigen Modellen hingegen würde diese Einheit das Mittelfeld besetzen. Drachs „Zwei-Felder-Theorie“ geht vom einem Grundplan aus, bei welchem es nur ein Vor- und ein Nachfeld gibt, die die so genannte Mitte umrahmen, in welcher das „Geschehen“ stattfindet, das durch die Personalform des Verbs ausgedrückt wird. Auch hinsichtlich der Terminologie unterschiedlicher syntaktischer Konstruktionen, die nach rechts versetzt werden, herrscht in der Literatur keine Einigkeit. Dazu siehe Vinckel (2006), die in einem detaillierten Überblick die bisherigen Betitelungen von Rechtversetzungen zusammenfasst. Beispielsweise könnte man sich dazu die folgende Ansage in einer Talkshow vorstellen: „Und nun tritt auf Herr Müller.“
Prosodische Anbindung syntaktischer Konstruktionen
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(WN) als echte Besetzungsmöglichkeiten gibt es das rechte Außenfeld (RA), das wie folgt zusammengefasst wird: Ein weiteres Problem ist die Ausgrenzung von Einheiten, die hinter der rechten Klammer vorkommen können, aber nicht dem eigentlichen Nachfeld zuzurechnen sind. Es kommen hier ähnliche Typen von Ausdrücken in Frage, wie sie auch vor der linken Satzklammer auftreten; wir fassen sie deshalb – in Analogie zum linken Außenfeld (vor dem Vorfeld) als RECHTES AUßENFELD zusammen.
Das Kriterium der Nachfeldechtheit ergibt sich dabei aus der syntaktischen Integration der Konstruktionen. Echte Nachfeldeinheiten sind in fast allen Fällen ausgeklammerte Elemente, die bei Platzierung zwischen die beiden Klammerteile in den Satz integriert sind, während Einheiten des rechten Außenfeldes nicht integriert werden können, sondern – wenn überhaupt – nur parenthetisch eingebettet werden. Ausgeklammerte Phrasen werden als enge Nachfelder bezeichnet. Dazu zählen sowohl Nominal-, Präpositional-, Adverb- und Adjektivphrasen, sowie die „als- und wie-Phrasen“ (IDS-Grammatik 1997: 1654), die auch unter dem Begriff der Adjunktorphrasen bekannt sind. Nachfolgend werden einige der engen Nachfelder an Beispielen exemplifiziert: (1)
Und jetzt fährt ein der ICE 777. (NP, Subjekt)
(2)
Anna ist gestern gelaufen im Park. (PP)
(3)
Du siehst aus wie eine glückliche Frau. (Adjunktorphrase)
Satzwertige Konstruktionen nach der rechten Satzklammer können in Analogie zum engen Nachfeld als weites Nachfeld bezeichnet werden. Vor allem Komplementsätze, die nur unter starker Markierung mittelfeldfähig sind, finden ihren Platz oftmals im Nachfeld: (4)
Otto hat gesagt, dass er Anna nicht leiden kann.
Beim rechten Außenfeld unterscheidet die IDS-Grammatik zwischen drei Typen: -
(5)
interaktive Einheiten wie Negationspartikel als Augment, Interjektionen und Anredeformen Und jetzt gibst du mir das Buch, ok?
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(6)
(7)
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Thematisierungsausdrücke, Ausdrücke, die thematisch kataphorisch oder katadeiktisch im Vor- oder Mittelfeld angedeutet werden, aber erst im Bereich nach der rechten Satzklammer voll realisiert werden Und nun legst du ihn da rein, den Apfel.
Zusätze, Einheiten mit adverbialer Funktion Es ist ein Unfall geschehen, vermutlich durch Elektrizität. (Beispiel nach der IDS-Grammatik (1997: 1647))
In Bezug auf das intonatorische Verhalten der unterschiedlichen Konstruktionen lässt sich sagen, dass die Einheiten des rechten Außenfeldes in der IDSGrammatik (1997: 1646ff.) unstrittig als intonatorisch separiert deklariert werden. Bei den echten Nachfeldeinheiten wird unterschieden zwischen den engen Nachfeldeinheiten, die intonatorisch stark integriert sind und den weiten Nachfeldern, die als schwächer integriert beschrieben werden oder aber sogar intonatorisch separiert realisiert werden können. Demnach gibt es zwar für die Kategorien enges Nachfeld und rechtes Außenfeld eindeutige Aussagen zur prosodischen Anbindung, nicht aber für das weite Nachfeld. 7 1.2. Forschungsstand zur prosodisch-syntaktischen Schnittstelle und zum deutschen Nachfeld Es existiert eine Reihe von Studien, die sich mit dem Zusammenhang von syntaktischem Aufbau und der dazugehörigen Informationsstrukturierung beschäftigen (Gussenhoven 2002, Pierrehumbert & Hirschberg 1990, Schafer 1997, Selkirk 1984, Truckenbrodt 2007, Uhmann 1991). Darüber hinaus wird auch die Frage nach der Unterscheidung ambiger Sätze durch die richtige prosodische Phrasierung ausgiebig diskutiert (Price et al. 1991, Schafer 1997). –––––––—–– 7
Vgl. dazu auch Altmann (1981), der eine andere Klassifikation vornimmt, indem er die nicht-satzwertigen Konstruktionen in die Kategorien Rechtsversetzung, Apposition, Ausklammerung und Nachtrag einteilt. Während die Ausklammerung (und auch die Extraposition, die satzwertige Elemente am rechten Satzrand bezeichnet) prosodisch integriert sind, werden die Rechtsversetzung, die Apposition und der Nachtrag intonatorisch nicht angebunden. Die Rechtsversetzung darf als Pendant zum Thematisierungsausdruck, der Nachtrag als und zwar-Konstruktion (Zusatz) und die Apposition als Zusatz im Sinne der IDS-Grammatik gesehen werden.
Prosodische Anbindung syntaktischer Konstruktionen
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Für das deutsche Nachfeld (und seine prosodische Anbindung an die rechte Satzklammer) allerdings wird man bisher keine vollständig empirisch ausgerichtete Studie finden. Die Aussagen in den Grammatiken sind deskriptiv und ihnen fehlt die statistische Evidenz. Dennoch gibt es eine kleine Anzahl an unterschiedlichen Untersuchungen zum rechten Satzrand im Deutschen, die an dieser Stelle kurz diskutiert werden sollen. Zahn (1991) untersucht Ausklammerungen mit und ohne Präposition in der geschriebenen sowie der gesprochenen Sprache und stellt fest, dass der Anteil der Ausklammerungen mit Präposition in der Schriftsprache sehr hoch ist (91%), während in der gesprochenen Sprache nur 77% aller Ausklammerungen eine Präposition beinhalten. Vinckel (2006) beschäftigt sich mit den verbfreien Nachfeldbesetzungen in Talkshow-Dialogen und konzentriert sich dabei auch auf den funktionalen Aspekt der Besetzung des Nachfelds, indem sie nach der interaktionellen Relevanz der Ausklammerungen fragt. 8 Patocka (1997) untersucht in einer quantitativen Studie die Nachfeldbesetzungen in den bairischen Dialekten in Österreich. Bei der Auswertung unterscheidet er zwischen satzwertigen und nicht-satzwertigen Ausklammerungen; 43% aller Konstruktionen im Nachfeld sind satzwertig (i.e. weites Nachfeld). Averintiseva-Klisch (2009) beschäftigt sich mit der syntaktischen Kategorie der „Rechtsversetzung“ 9 , die nach der Klassifikation der IDS-Grammatik (1997) mit der Kategorie des Thematisierungsausdruckes vergleichbar ist. Sie stellt fest, dass diese syntaktische Kategorie eine weitere Differenzierung benötigt und dass es einen prosodischen Unterschied zwischen einer „Rechtsversetzung“ und einem „Reparatur-Nachtrag“ gibt, da erstere im Gegensatz zum Reparatur-Nachtrag integriert wird. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Interesse vor allem dem funktionalen Aspekt des Nachfelds galt und die empirisch ausgerichteten Studien von Zahn (1991) und Patocka (1997) keine Ergebnisse zum prosodischen Verhalten der syntaktischen Konstruktionen liefern. Averintseva-Klisch (2009) und Vinckel (2006) hingegen berücksichtigen auch den prosodischen Aspekt der von ihnen untersuchten Einheiten, jedoch ohne statistischen Beleg ihrer Beobachtungen. Demnach stellt die prosodisch-syntaktische Schnittstel–––––––—–– 8
9
Vgl. dazu auch Auer (1991), der den rechten Satzrand aus interaktiver Sicht diskutiert und in Auer (1996) die gesprochene Sprache aus einem syntaktischem, prosodischem und semantischem Blickwinkel beleuchtet, indem er mögliche Zäsuierungen skizziert, die aufgrund der unterschiedlichen Faktoren gemacht werden können. Dabei übernimmt sie diese Kategorie aus Altmann (1981), der damit rechtsversetzte NPs und PPs beschreibt, die eine Proform im Mittelfeld besitzen.
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le von rechter Satzklammer zur Konstruktion im Nachfeld bisher eine Forschungslücke dar, die mit dieser Studie gefüllt werden soll. Des Weiteren sollen in diesem Aufsatz die Hypothesen der Literatur überprüft werden, inwieweit sich die in 1.1 vorgestellten syntaktischen Konstruktionen enges Nachfeld, weites Nachfeld und rechtes Außenfeld prosodisch unterschiedlich verhalten. Der finale Tonhöhenverlauf einer intonatorischen Einheit ist relevant für die Bedeutung bzw. Funktion dieser Einheit. Nach Aussagen der IDS-Grammatik (1997) müsste das enge Nachfeld intonatorisch an den Satz angebunden werden, da es sich um ausgeklammerte Phrasen handelt, die in der Regel auch Teil des Mittelfeldes sein könnten. Zu den weiten Nachfeldern wird keine eindeutige Aussage gemacht, inwieweit es bei einer Satzverknüpfung eine prosodische Anbindung oder Separierung gibt. Insbesondere soll auch herausgefunden werden, wie sich die beiden satzwertigen Konstruktionen, das rechte Außenfeld und das weite Nachfeld, prosodisch voneinander unterscheiden, da man annehmen könnte, dass es bei den engen und weiten Nachfeldern einen prosodischen Unterschied aufgrund ihrer Komplexität geben kann, der beim Vergleich des rechten Außenfeldes mit dem weiten Nachfeld nicht gegeben sein muss. 10
2. Korpusanalyse Im folgenden Kapitel wird das Datenmaterial vorgestellt, das für das Entscheidungsexperiment zur Verfügung stand. Dabei wird eine Korpusanalyse beschrieben, die Informationen über die Frequenzen der einzelnen Konstruktionen hergibt. Aus den gewonnenen Daten bekommt man einen Überblick, inwieweit die Nachfeldbesetzungen tatsächlich im Korpus gefunden werden konnten und wie die Verteilung unter den drei Konstruktionen ist. 2.1 Korpusdaten Die Daten, die als Ausgangsmaterial dienten, stammen aus einem Korpus der gesprochenen Sprache, das zuvor in einer kleinen Korpusanalyse ausgewertet –––––––—–– 10
Beide Feldbesetzungen können sehr komplex sein: a. Ich habe gestern den neuen Film gesehen, und zwar "Elegy", die Verfilmung von "Das sterbende Tier" von Philipp Roth. vs. b. Ich habe gestern den neuen Film gesehen, der mit dem Titel "Elegy" auf Basis von Philipp Roths Roman "Das sterbende Tier" verfilmt wurde.
Prosodische Anbindung syntaktischer Konstruktionen
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wurde. Bei dem untersuchten Korpus, das im Juni 1986 an der Universität Bielefeld (SFB 360) erstellt wurde, handelt es sich um Daten aus einem aufgabenorientierten Dialog. 11 Die Aufgabe bestand darin, dass eine Versuchsperson (Instruktor) einer zweiten Versuchperson (Konstruktor) Instruktionen geben sollte, wie ein Flugzeug - bestehend aus baufix®-Teilen - nachzubauen sei. Die Versuchspersonen konnten sich während des gesamten Experiments nicht sehen. Die schriftliche Anleitung lag nur dem Instruktor vor – die Bauteile nur dem Konstruktor. Der korrekte Bau des Flugzeugs konnte demnach nur im Dialog erfolgen. Es war den Versuchspersonen erlaubt, zwischendurch Klärungsfragen zu stellen. Insgesamt entstanden durch die 16 Versuchspersonen, bei welchen es sich um Studenten und Studentinnen der Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaft der Universität Bielefeld handelte, acht Dialoge mit variierender Länge (5-20 min). Diese Dialoge unterscheiden sich insofern von anderen Dialogen, als dass sie ein spezielles Prinzip des turn-takings befolgen. Die Struktur dieser Dialoge kann so beschrieben werden, dass ein Kommunikationspartner einen erklärenden Beitrag liefert und der andere mit Rückfragen darauf reagiert, welche dann in den meisten Fällen zu einem weiteren erklärenden Beitrag führen. Der folgende Textabschnitt zeigt einen Ausschnitt aus einem der Transkripte des Versuchs. V, R und P stellen dabei lediglich die Anfangsbuchstaben der Namen der beteiligten Personen dar: 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13
V: R: : V: R: V: R: P: V: P: V: P: P:
(...) dann können wir jetzt anfangen, (3 sec. Pause) (zögernd) hat hat sie denn was da vor sich stehn n Gebilde oder was und ich muß das jetzt nachbauen oder was, du kriegst gleich eine . Beschreibung' und aha versuchst dann . daraus was zu machen, mhm (4 sec. Pause) gut, soll ich denn anfangen jetzt' ja bitte gut also ich habe vor mir (eh stop?) bitte erst selbst nachbaun mh .. okay (85 sec. Geräusche vom Aufbauen des Gebildes) also ich habe das Gebilde jetzt nachgebaut'
–––––––—–– 11
Aus dem Sonderforschungsbereich 360 – Situierte Künstliche Kommunikation (http://www.sfb360.uni-bielefeld.de/).
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2.2 Korpusanalyse Im ersten Analyseschritt wurden alle Belege für Besetzungen nach der rechten Satzklammer aus dem Korpus extrahiert und nach der Typenklassifikation der IDS-Grammatik klassifiziert. Dadurch ließ sich eine Aussage über die Frequenzen der einzelnen syntaktischen Konstruktionen und ihr Verhältnis zueinander machen. Insgesamt konnten 79 verwertbare Belege gefunden werden, die sich anhand ihrer syntaktischen Funktion wie folgt untergliedern lassen: EN Adjunktorphrase Anzahl IN %
Anzahl IN %
9 25,7%
Adverbial 21 60%
Adverbialsatz 10 71,4% interaktive Einheiten
Anzahl IN % Tab. 1:
2 6,7%
GenitivAttribut
Objekt
Subjekt
1 1 3 2,9% 2,9% 8,6% WN Objektsatz Subjektsatz 3 1 21,4% 7,1% RA ThematisierungsZusätze ausdrücke 3 25 10% 83,3%
35
14
30
Häufigkeiten der einzelnen Konstruktionen in Nachfeldposition
In dem untersuchten Korpus lässt sich die folgende Verteilung für die einzelnen Konstruktionen (EN, RA, WN) finden: Das enge Nachfeld stellt mit 35 Vorkommen die häufigste Konstruktion dar. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass ausgeklammerte Subjekte gefunden worden sind: (8)
Es werden gebraucht drei grüne Klötzchen.
Der Satz ist stilistisch auffällig, wurde aber im Zuge der Erklärungen von einer Versuchsperson gebildet. Für das rechte Außenfeld konnten 30 Belege gefunden werden, von denen 83,3% zu der Kategorie Zusatz gehörten. Insbesondere handelte es sich bei den Zusätzen um und zwar-Konstruktionen wie die beiden nachfolgenden Sätze belegen: (9)
Und jetzt wird jeweils da noch ein Klotz drauf gesetzt und zwar auf die linke Seite ein würfelförmiger gelber.
335
Prosodische Anbindung syntaktischer Konstruktionen (10)
Die beiden Säulen stehen unten eh ein Stück auseinander und zwar soweit, dass man einen von diesen flachen Quadern hochkant noch dazwischen stecken kann.
Das weite Nachfeld ist die syntaktische Konstruktion, die mit 14 Belegen am seltensten realisiert wurde. Am häufigsten vertreten waren die Adverbialsätze, gefunden wurde allerdings auch ein Subjektsatz: Könnte sein, dass das jetzt stimmt.
(11)
Um erste Aussagen zur prosodischen Anbindung machen zu können, wurden die Daten hinsichtlich der folgenden Kriterien, die als mögliche Kriterien zur Definition von Intonationsphrasen gelten, analysiert: -
Pausenhäufigkeit nach der rechten Satzklammer, Pausenlänge, Tonsprung (Differenz der Tonhöhe der letzten Silbe der rechten Satz klammer und der Tonhöhe der ersten Silbe des Nachfeldes).
Schaut man sich die Pausenhäufigkeit an (Abb. 1), so wird man feststellen, dass das rechte Außenfeld in 14 Fällen (47%) mit einer Pause von der rechten Satzklammer separiert ist. Am wenigsten separiert erscheinen die satzwertigen Konstruktionen des weiten Nachfeldes, von denen nur 3 Teilsätze (21%) durch eine Pause von dem Verbalklammerteil getrennt sind. Für das enge Nachfeld sind es 14 Belege (40%), bei denen eine Pause gefunden wurde. Die Unterschiede sind nicht signifikant. 40 35 30
mit Pause ohne Pause
14
25
14
20 15 10
3
21 16
11
5 0 EN
RA
WN
Abb.1: Absolute Häufigkeiten der einzelnen syntaktischen Konstruktionen EN, WN und RA mit und ohne Pause nach der rechten Satzklammer
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Karina Schneider-Wiejowski
Betrachtet wurden auch die durchschnittliche Pausenlängen zwischen rechter Satzklammer und der Konstruktion im Nachfeldbereich. Für die einzelnen Konstruktionen ergeben sich die folgenden Pausenlängen: -
enges Nachfeld : 443 Millisekunden rechtes Außenfeld: 1495 Millisekunden weites Nachfeld: 1086 Millisekunden
Anhand dieser Werte kann erkannt werden, dass, sofern eine Pause vorhanden ist, diese beim weiten Nachfeld mit einem Durchschnittswert von 1086 Millisekunden sehr lang ist. Dasselbe lässt sich für das rechte Außenfeld ableiten, bei welchem im Durchschnitt eine noch längere Pause vorhanden ist. Anders sieht es allerdings bei den engen Nachfeldern aus, deren durchschnittliche Intonationspause zur rechten Satzklammer gerade einmal 443 Millisekunden beträgt. Aus diesen Daten lässt sich festhalten, dass gerade die satzwertigen Konstruktionen, zu denen auch die rechten Außenfelder gehören können, durch eine weitaus längere Pause vom vorangegangenen Satz abgetrennt sind als die ausgeklammerten Elemente des engen Nachfelds. Als letztes Kriterium, das Aufschluss über die Korpusdaten geben sollte, wurde der sogenannte Tonsprung untersucht. Dazu wurde die Tonhöhe der letzten Silbe des rechten Außenfeldes und die Tonhöhe der ersten Silbe der Nachfeldkonstruktion gemessen und die Differenz der beiden Werte gebildet. Ein großer Tonsprung kann als Indiz für die Bildung einer neuen Intonationsphrase gelten. Für die Korpusdaten konnten die folgenden Durchschnittswerte ermittelt werden: -
enges Nachfeld: 53 Hertz rechtes Außenfeld: 87 Hertz weites Nachfeld: 60 Hertz
Bei Betrachtung der gewonnen Daten wird deutlich, dass das rechte Außenfeld mit einem Mittelwert von 87 Hertz den größten Tonsprung der drei Konstruktionen besitzt. Der mittlere Tonsprung – falls vorhanden – liegt bei den satzwertigen Konstruktionen bei 60 Hertz und beim engen Nachfeld nur bei 53 Hertz. Aus diesen Werten ergibt sich, dass es nur einen sehr kleinen Unterschied zwischen engem und weitem Nachfeld gibt, aber einen deutlichen Unterschied zwischen echten und unechten Nachfeldbesetzungen.
Prosodische Anbindung syntaktischer Konstruktionen
337
2.3. Zusammenfassung Die folgenden Beobachtungen sind das Ergebnis der Korpusstudie: In der Spontansprache des aufgabenorientierten Dialogs waren satzwertige Konstruktionen in Nachfeldposition seltener zu finden als Nachträge und Ausklammerungen des engen Nachfeldes. Die Phrasen des engen Nachfeldes waren in der Regel prosodisch integriert, da die Pause – sofern vorhanden – nur sehr kurz war. Auch der geringe Tonsprung deutet auf eine Integrierung dieser Konstruktion hin. Das rechte Außenfeld erwies sich durch seinen hohen Tonsprung und die Pausenhäufigkeit und auch -länge in vielen Fällen als prosodisch separiert. Zu den weiten Nachfeldbesetzungen ist es, ähnlich wie auch schon in der Literatur angedeutet, schwierig, eine klare Aussage zu machen, da diese in vielen Fällen ohne eine Pause an die rechte Satzklammer angeschlossen werden, aber die Pause, sofern sie vorhanden ist, sehr lang ist. Der Tonsprung ist beim weiten Nachfeld größer als beim engen Nachfeld, aber dennoch kleiner als bei den rechten Außenfeldern. Es lässt sich festhalten, dass die gewonnen Ergebnisse der Korpusanalyse die Thesen der Literatur bestätigen und es eine Rangfolge der prosodischen Integration gibt, die wie folgt aussieht: enges Nachfeld > weites Nachfeld > rechtes Außenfeld. Die Fragestellungen, die mit dem nachfolgenden Experiment beantwortet werden sollten, lauten: Welche Faktoren sind dafür entscheidend, dass ein Satz als beendet oder nicht beendet wahrgenommen wird? Ist der Einfluss der Syntax oder der Prosodie bei dieser Entscheidung größer, oder ist die Entscheidung generell nur möglich, wenn beide Faktoren interagieren? Wie stark unterscheiden sich satzwertige Konstruktionen und ausgeklammerte Phrasen in ihrer Anbindung an die rechte Satzklammer?
3. Experiment Um die prosodische Anbindung der syntaktischen Konstruktionen nach der rechten Satzklammer zu untersuchen, wurde ein Entscheidungsexperiment durchgeführt, bei dem sich die Versuchspersonen Sätze anhören sollten, die direkt nach der rechten Satzklammer abgeschnitten wurden. Dabei wurde von einem weiten Klammerbegriff ausgegangen, d.h. auch nicht-verbale Teile können die Klammer schließen. Demnach besteht die rechte Satzklammer in dem Satz Die Erdbeeren waren früh reif in diesem Jahr aus dem Wort reif. Die Versuchspersonen sollten danach entscheiden, ob der von ihnen wahrge-
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nommene Satz an dieser Stelle beendet ist oder noch Information folgen müsste. Der Versuch wurde allerdings nicht nur mit den Originalsätzen durchgeführt, sondern auch noch unter zwei weiteren Bedingungen, einmal unter Wegnahme der Prosodie und in einem weiteren Durchlauf unter Wegnahme der Lexik. 3.1. Datenmaterial Für das Entscheidungsexperiment wurden Sätze aus dem in Kapitel 2 vorgestellten Datenmaterial entnommen. Aus allen gefundenen Belegen wurden jeweils zehn Sätze für jede der drei Kategorien extrahiert. Für das rechte Außenfeld und das enge Nachfeld wurden jeweils zehn Sätze ausgewählt, die „prototypische“ Merkmale für eine Separierung, bzw. Integrierung an die rechte Satzklammer aufwiesen. Für das weite Nachfeld gab es weder zehn Sätze mit einer klaren prosodischen Integration, noch mit einer starken Separierung, sodass die Entscheidung für die zehn Versuchssätze durch Zufall erfolgte. Weiterhin wurden zehn Kontrollsätze aus dem Korpus ausgewählt. Fünf dieser Testsätze (K2) waren Sätze, die kein Nachfeld besaßen und somit nach dem Mittelfeld oder der rechten Satzklammer endeten. 12 Die Funktion dieser fünf Kontrollsätze bestand darin, die Versuchspersonen zu einer klaren Entscheidung zu zwingen, dass dies ein Satz sei, der an dieser Stelle endet. Bei den anderen fünf Kontrollsätzen (K1) handelte es sich auch um abgeschnittene Sätze, die allerdings bereits im Mittelfeld abgeschnitten wurden. So z.B. wurde der Satz Und auf diesen beiden roten Klötzen stehen dickere Klötze (Nr. 3 im Anhang) nach dem Adjektiv dickere abgetrennt, sodass er intonatorisch nicht beendet ist, aber lexikalisch und syntaktisch als korrekt empfunden wird. An dieser Stelle wird demnach eine klare Entscheidung hinsichtlich der Unvollständigkeit dieses Satzes provoziert. 3.2. Versuchsbedingungen Das Experiment wurde in drei Durchgängen unter drei Bedingungen durchgeführt, einmal mit „nicht-prosodischen“ Sätzen, einmal mit „nichtlexikalischen“ Sätzen und im letzten Durchgang mit den unmodifizierten Originalsätzen, die demnach alle sprachlichen Informationen beinhalteten. Beim ersten Teilversuch wurden die 30 Sätze mit Nachfeldbesetzung (zehn von jeder Kategorie) so verändert, dass ihnen die Prosodie entnommen –––––––—–– 12
Zur Auswahl und Auflistung der 40 Versuchssätze siehe Anhang.
Prosodische Anbindung syntaktischer Konstruktionen
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wurde. Von jedem Satz wurde die mittlere Tonhöhe ermittelt, auf die dann eine künstlich erzeugte Pitchkurve gelegt wurde. Die Entscheidung für oder gegen die Abgeschlossenheit des Satzes konnte in diesem ersten Versuch demnach nur aufgrund der Lexik, der Syntax und der Sprechgeschwindigkeit getroffen werden. Zudem konnten die Versuchspersonen den Satz als Dateinamen mitlesen, der auf dem Bildschirm sichtbar gewesen ist. Für den zweiten Teilversuch wurden nicht-lexikalische Sätze mithilfe eines Tiefpassfilters erzeugt, 13 indem nur die Frequenzen unter 260 Hertz beibehalten wurden und alle höheren Frequenzen entfernt wurden. Sprachliche Daten, die nach dieser Methode manipuliert werden, verlieren sowohl ihre lexikalischen als auch ihre morphosyntaktischen Informationen. Dementsprechend wurde in diesem Teilversuch darauf verzichtet, den Teilnehmern die wörtliche Information im Dateinamen mitzugeben. Aus diesem Grund wurden die Sätze nummeriert. Im letzten Schritt der Versuchsreihe bekamen die Versuchspersonen die Originalsätze zu hören, die alle sprachlichen Informationen beinhalteten. Auch die wörtliche Information in Form des Dateinamens war in diesem Fall wieder gegeben. 3.3. Versuchspersonen An den Versuchen nahmen 14 Personen teil, davon waren sieben Personen weiblich und sieben männlich. Bei allen Versuchspersonen handelte es sich um Muttersprachler des Deutschen. Da es sich um eine komplexe linguistische Aufgabe handelte, wurden Personen mit einem hohen Bildungsstand ausgewählt; die Versuchspersonen studierten oder hatten ihr Studium bereits abgeschlossen. Die Altersspanne lag zwischen 20 und 35 Jahren. 3.4. Durchführung Der in Kap. 3.2 beschriebene Versuch wurde so durchgeführt, dass zwischen den drei Teilaufgaben jeweils 14 Tage Zeit lagen. Außerdem wurde die Reihenfolge der Sätze vertauscht, um Analogieeffekte auszuschalten. Die Versuchspersonen führten den Versuch rechnerbasiert aus. Die jeweiligen Formulare (Abb. 2) beinhalteten in jedem Fall 40 Sätze, die als Links abrufbar waren. Die Links bestanden aus der Wortfolge des Satzes bis zur rechten Satzklammer, so dass der Satz (Nr. 1 im Anhang) Darf ich auch –––––––—–– 13
Zur Methode des Tiefpassfilters zur Manipulation sprachlicher Daten siehe Gilles et al. (2001) und Knaus et al. (2007).
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sagen, was ich darüber hinaus denke über dieses Modell als Link mit der Bezeichnung Darf ich auch sagen abrufbar gewesen ist. Nachdem die Versuchspersonen einen Satz gehört hatten, mussten sie eine Ja-Nein-Entscheidung treffen, ob der rezipierte Satz an dieser Stelle beendet ist oder nicht.
Abb. 2: Beispielformular des Entscheidungsexperiments
3.5. Ergebnisse Im Folgenden werden die einzelnen Ergebnisse der Versuchsreihe vorgestellt. Begonnen wird dabei mit den Ergebnissen der nicht-prosodischen Sätze. Als zweites folgen dann die Ergebnisse der nicht-lexikalischen Sätze und im letzten Schritt werden die Ergebnisse des Versuchs mit den Originalsätzen dargestellt. 3.5.1. Nicht-prosodische Sätze Für den Versuch unter den Bedingungen der Sätze mit der geglätteten Pitchkurve, unter Ausschluss der Prosodie, konnten die folgenden Daten erhoben werden:
341
Prosodische Anbindung syntaktischer Konstruktionen 100 90
28
21
80 70 60
71
61
nein ja
71
50 40
72
79
30 20 10
29
39
29
0 EN
WN
K1
RA
K2
Abb. 3: Ergebnisse des Versuchs mit den nicht-prosodischen Sätzen auf die Frage nach der Terminalität (= Ist dieser Satz an dieser Stelle zuende?) der einzelnen Sätze mit den fehlenden unterschiedlichen syntaktischen Kategorien EN, WN, RA und den Kontrollkategorien K1 und K2 in Prozent.
Wie in Abb. 3 dargestellt, sind diejenigen Sätze, bei denen das rechte Außenfeld abgeschnitten wurde, mit 72% am häufigsten als intonatorisch abgeschlossen wahrgenommen worden. Ähnlich verhält es sich mit den Kontrollsätzen der Kategorie K2, die keine Nachfeldbesetzung beinhalteten und de facto an der Stelle der rechten Satzklammer beendet waren. Bei den weiten Nachfeldern wurden nur 39% der Sätze als (intonatorisch) abgeschlossen wahrgenommen, sodass in 61% der Sätze die Annahme zum Tragen kam, es müsse aus der Sicht der Versuchspersonen noch etwas folgen, damit dies ein vollständiger Satz des Deutschen sei. Bei den engen Nachfeldern tritt diese Annahme noch stärker in den Vordergrund, da nur 29% als abgeschlossene Sätze des Deutschen empfunden wurden, was auch mit der Wahrnehmung der K1-Sätze übereinstimmt. Die statistische Auswertung kann zeigen, dass es zwischen dem RA und dem EN einen sehr signifikanten Unterschied gibt (ȋ2 = 51,439, p < 0.001) Auch der Unterschied zwischen RA und WN ist signifikant (ȋ2 = 41,796, p < 0.001). Anders sieht es zwischen EN und WN aus, hier konnte kein signifikanter Unterschied festgestellt werden (ȋ2 = 3,107, p < 0,078). Interpretieren lässt sich diese Ergebnis wie folgt: enges und weites Nachfeld weisen, zumindest unter dieser Versuchsbedingung, ein ähnliches prosodisches Verhalten auf, indem die Sätze, an welche sie angebunden waren, als nicht vollständig wahrgenommen werden, sofern die Konstruktionen abgeschnitten waren. Im Gegensatz dazu wurden 72% der Sätze, bei denen das rechte Außenfeld fehlte, dennoch als beendet bestimmt.
342
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3.5.2. Nicht-lexikalische Sätze Als zweiter Teil der Versuche wurden den Versuchspersonen die Reihe der Sätze vorgespielt, die vorab mit einem Tiefpassfilter manipuliert worden waren, sodass die lexikalischen Informationen fehlten. Auch hier mussten die Versuchspersonen für jeden der 40 Sätze entscheiden, ob sie glauben, dass die ihnen vorgespielten Sätze vollständig sind. Die Ergebnisse dieses Versuchsteils zeigt Abb.4. Bei Betrachtung der Ergebnisse fällt auf, dass die Struktur der Wahrnehmung zur Terminalität der Sätze ähnlich zu denen des ersten Teilversuches ist; das rechte Außenfeld wird als diejenige syntaktische Konstruktion wahrgenommen, die am ehesten fehlen kann, ohne dass ein deutscher Satz unvollständig klingt, da über 80% der Versuchssätze trotz Entfernen dieser Kategorie vollständig klingen. Für das weite Nachfeld ergibt sich, dass nur ein Drittel aller Sätze mit abgeschnittenem weiten Nachfeld als abgeschlossen deklariert werden. Beim engen Nachfeld ist das Ergebnis noch deutlicher, da nur 17% aller Sätze als vollständig angesehen werden. Die beiden Kontrollkategorien K1 und K2 bestätigen die Plausibilität des Versuchs. Aus diesen Daten ergibt sich weiterhin Folgendes: Der Unterschied zwischen RA und EN ist hoch signifikant (ȋ2 = 113,209, p < 0.001). Auch zwischen RA und WN liegt ein signifikanter Unterschied vor (ȋ2 = 61,746, p < 0.001). In Bezug auf das EN und das WN lässt sich, anders als beim ersten Versuch, sagen, dass sich die Ergebnisse signifikant unterscheiden (ȋ2 = 10,769, p < 0.001). 100 19
90
11
80 70 60
nein ja
66 83
84
50 81
40
89
30 20 10 0
34 17 EN
16 WN
K1
RA
K2
Abb. 4: Ergebnisse des Versuchs mit den nicht-lexikalischen Sätzen auf die Frage nach der Terminalität (= Ist dieser Satz an dieser Stelle zuende?) der einzelnen Sätze mit den fehlenden unterschiedlichen syntaktischen Kategorien enges Nachfeld, weites Nachfeld, rechtes Außenfeld und den Kontrollkategorien K1 und K2 in Prozent.
343
Prosodische Anbindung syntaktischer Konstruktionen
Dieses Ergebnis macht Folgendes deutlich: unstrittig ist das prosodische Verhalten von rechtem Außenfeld und engem Nachfeld. Die Sätze ohne rechte Außenfelder werden wieder als abgeschlossen klassifiziert, die Sätze, bei welchen die engen Nachfelder entfernt wurden, klingen hingegen für die Versuchspersonen zu einem Großteil unvollständig. Für das weite Nachfeld ergeben sich sehr ähnliche Werte wie auch schon beim vorangegangenen Versuch. Das Interessante an diesen Ergebnissen ist, dass ein signifikanter Unterschied zwischen engem und weiten Nachfeld besteht, der sich daraus ergibt, dass beim Fehlen der Lexik weniger Sätze als abgeschlossen empfunden werden als beim ersten Teilversuch. Dies impliziert, dass die Prosodie einen größeren Einfluss auf die Einheitenbildung hat als die Syntax. 3.5.3. Originaldaten Als letzte Bedingung standen die Originaldaten zum Versuch bereit, die sowohl alle prosodischen als auch die lexikalischen Informationen beinhalteten. Ebenso konnte der Satz in Form des Dateinames mitgelesen werden. Die Versuchspersonen sollten anhand der gehörten abgeschnittenen Sätze auch hier wieder eine Ja-Nein-Entscheidung hinsichtlich der Abgeschlossenheit der Sätze fällen. Die Auswertung dieser Ergebnisreihe zeigt folgende Werte: 100
1
90
21
nein ja
80 70 77
60 50
91
86 99
40
79
30 20 23
10 0
9 EN
WN
14 K1
RA
K2
Abb. 5: Ergebnisse des Versuchs mit den Originalsätzen auf die Frage nach der Terminalität (= Ist dieser Satz an dieser Stelle zuende?) der einzelnen Sätze mit den fehlenden unterschiedlichen syntaktischen Kategorien enges Nachfeld, weites Nachfeld, rechtes Außenfeld und den Kontrollkategorien K1 und K2 in Prozent.
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Die Grafik des letzten Teilversuches (Originaldaten) weist die schon bekannte Struktur auf; auch hier erscheint das rechte Außenfeld nicht notwendig für die Vollständigkeit eines deutschen Satzes zu sein, da fast 80% aller gehörten Sätze trotz Abgeschnittenheit als wohlgeformt und intonatorisch abgeschlossen empfunden werden. Die Ergebnisse für das enge und weite Nachfeld hingegen sind eindeutiger als unter den veränderten Bedingungen mit fehlender Lexik und Prosodie, da nur noch 23% der Sätze mit fehlendem weiten Nachfeld und nur noch 9% der Sätze mit fehlendem engen Nachfeld als terminal wahrgenommen werden. Auch diese Daten zeigen, dass es sowohl zwischen RA und EN einen hoch signifikanten Unterschied gibt (ȋ2 = 139,506, p < 0.001) als auch zwischen RA und WN (ȋ2 = 86,932, p < 0.001). Der Unterschied zwischen EN und WN ist als signifikant zu bezeichnen ȋ2 = 10,786, p < 0.001). 3.6. Zusammenfassung In diesem Kapitel wurden die Ergebnisse eines Entscheidungsexperiments vorgestellt, die Aufschluss über die prosodische Anbindung unterschiedlicher syntaktischer Kategorien nach der rechten Satzklammer geben sollten. Dazu wurde der Versuch, bei dem die Versuchspersonen bei 40 Sätzen entscheiden sollten, ob die von ihnen gehörten Sätze als abgeschlossen empfunden werden, unter drei unterschiedlichen Bedingungen durchgeführt, indem die Sätze auf zwei verschiedene Weisen manipuliert wurden: In einem Fall wurde ihnen die prosodische, im anderen Fall die lexikalische Information entnommen. Als letzte Bedingung wurden den Versuchspersonen die Originalsätze vorgespielt, die alle sprachlichen Informationen trugen. Zu beantworten galt die Frage nach dem Einfluss von Prosodie und Syntax auf die prosodische Integration der syntaktischen Konstruktionen. Als erstes Ergebnis kann genannt werden, dass es unter allen drei Bedingungen eine ähnliche Struktur zu verzeichnen gab: Das fehlende rechte Außenfeld hatte in allen Teilversuchen, auch in Sätzen mit fehlender Prosodie oder Lexik, kaum einen Einfluss auf die Terminalität der Sätze. Sowohl bei Entnahme der prosodischen Information als auch bei fehlender Lexik, scheinen Sätze ohne rechtes Außenfeld trotzdem als vollständig zu gelten. Dennoch gab es kleine Unterschiede: Bei Entnahme der Prosodie wurden weniger Sätze als beendet wahrgenommen als bei fehlender Lexik und den Originaldaten mit allen Informationen. Und was folgt daraus, können Sie eine Erklärung dafür finden? Auch für das enge Nachfeld können eindeutige Aussagen gemacht werden: Es scheint unter allen Bedingungen eine klare Tendenz zu geben, dass ein abgeschnittenes enges Nachfeld einen deutschen Satz unvollständig klin-
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Prosodische Anbindung syntaktischer Konstruktionen
gen lässt. Dieses wiederum impliziert die intonatorische Integration dieser syntaktischen Konstruktion in den Intonationsbogen des vorangehenden Satzes. Ähnlich wie auch schon für das rechte Außenfeld beobachtet, liegt die Vermutung nahe, die Prosodie habe einen stärkeren Einfluss auf die Terminalität der Sätze als die Lexik: 29% aller Sätze mit entferntem engen Nachfeld wurden als vollständig interpretiert, während es bei Entnahme der Lexik nur noch 17% und bei den Originalsätzen nur noch 9% waren. Für das weite Nachfeld lässt sich die eben beschriebene Struktur interpretieren: Die Wegnahme der Prosodie führt zu einer höheren Anzahl an terminalen Sätzen trotz abgeschnittener Nachfeldkonstruktion. Nach Wegnahme der Lexik werden nur noch 34% der Sätze als abgeschlossen empfunden und die Originaldaten lassen diesen Wert auf 23% schrumpfen. Demnach kann für das weite Nachfeld die Tendenz beobachtet werden, diese Konstruktion gehöre in den Intonationsbogen des Satzes, da sie in vielen Fällen integriert wird. Dennoch unterscheidet sich das weite Nachfeld in seiner prosodischen Anbindung von der Kategorie des engen Nachfeldes, bei der die Integration stärker in den Vordergrund tritt. Die folgende Tabelle (Tab. 2) verdeutlicht nochmals die erzielten Ergebnisse in Bezug auf die drei Versuchsbedingungen und die Unterschiede der einzelnen Konstruktion hinsichtlich der Signifikanz: TONHÖHE
LEXIK
RA-WN
RA-EN
EN-WN
1
-
+
+
+
-
2
+
-
+
+
+
3
+
+
+
+
+
Tab. 2: Versuchsbedingungen und Versuchsergebnisse des Beurteilungsexperimentes mit den drei syntaktischen Konstruktionen enges Nachfeld (EN), rechtes Außenfeld (RA) und weites Nachfeld (WN)
Sowohl bei den Originaldaten als auch bei Entnahme der Lexik gibt es für alle verglichenen Konstruktionen signifikante Unterschiede. Bei Entnahme der Tonhöhe allerdings gibt es zwischen den beiden echten Nachfeldeinheiten EN und WN keinen signifikanten Unterschied, sodass davon auszugehen ist, dass die Tonhöhe einen stärkeren Einfluss als die Lexik hat.
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4. Diskussion Die in dieser Studie vorgestellten Ergebnisse konnten die qualitativen Aussagen in der linguistischen Literatur bestätigen, dass es im Deutschen einen Unterschied in der prosodischen Anbindung syntaktischer Konstruktionen im Bereich nach der rechten Satzklammer gibt, dennoch besteht in dieser Richtung weiterer Forschungsbedarf. Geht man von den von der IDS-Grammatik (1997) vorgeschlagenen Kategorien enges Nachfeld, weites Nachfeld und rechtes Außenfeld aus, so gibt es auch innerhalb der einzelnen Kategorisierungen noch die Möglichkeit, feingradiger zu forschen, indem z.B. das prosodische Verhalten von ausgeklammerten Subjekten und Adjunktorphrasen zueinander untersucht wird. Insbesondere im Bereich der satzwertigen Konstruktionen sollten unterschiedliche Gliedsätze nach ihrer Ausklammerung hinsichtlich ihrer intonatorischen Anbindung genauer untersucht werden. Die Unklarheit über die prosodische Anbindung satzwertiger Konstruktion, die extraponiert werden, konnte auch mithilfe des Entscheidungsexperimentes nicht behoben werden. Demnach sollte die Kategorie weites Nachfeld in Forschungsarbeiten der Zukunft detaillierter untersucht werden, indem zum Beispiel eine Trennung von Komplement- und Supplementsätzen erfolgt. Dazu allerdings wäre es notwendig, ein größeres Korpus zu verwenden. Die Daten, die als Basis für die Versuchsreihe dienten, stammen aus einem aufgabenorientierten Dialog. In diesem Zusammenhang wäre es interessant, weitere Daten aus anderen Korpora der gesprochenen Sprache zu erheben und z.B. Textsorten zu untersuchen, die der Schriftsprache ähneln wie z.B. Nachrichtensendungen. Hier könnte dann geschaut werden, ob die kategorischen Aussagen der Literatur ähnlich bestätigt werden können. Des Weiteren sollte Folgendes angemerkt werden: Bei Entnahme der Prosodie wurde die Pitchkurve geglättet. Ein anderes intonatorisches Kriterium allerdings blieb auch unter den künstlich erzeugten Bedingungen erhalten: die Sprechgeschwindigkeit. Demzufolge wäre es sinnvoll, auch diesen Parameter zu testen, indem man die einzelnen Silben des Satzes so verändert, dass sie dieselbe Länge besitzen. Damit würde man vor allem den Faktor der finalen Längung ausschalten, der bei der Entscheidung über die Terminalität einer Intonationsphrase helfen kann. Die syntaktisch-prosodische Schnittstelle am rechten Satzrand bleibt demnach weiterhin interessant und bietet den Linguisten noch viele offene Fragen, die beantwortet werden können.
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Anhang Stimuli: (1) (2)
(3) (4) (5) (6) (7)
(8) (9) (10) (11) (12) (13) (14) (15) (16) (17) (18) (19) (20) (21) (22) (23) (24) (25) (26)
Darf ich auch sagen, was ich darüber hinaus denke über dieses Modell? Den kannste dir so vorstellen dass du von eh ner dicken runden Scheibe so n Achtel abschneidest und mit der Schnittfläche auf die beiden Klötze legst, so dass ehm ja so dass die beiden Klötze davon bedeckt sind. Und auf diesen beiden roten Klötzen stehen dickere Klötze. Der ist doppelt so lang wie der Würfel. Es sieht ähnlich aus wie ne Brücke hinterher. Aus deinen Klötzchen nimmst du jetzt mal einen roten und einen grünen Klotz. Also sechs Klötzchen grüne die stehen auf ihrer Querseite auf der breiten, der stehen hochkant mhm und zwar immer zwei gegenüber und drei nebeneinander. Also der ist nicht richtig viereckig. Dann gibt es ein großes Quadrat obendrauf, so dass es passt. Das liegt da drauf mit ner breiten Seite so ungefähr als Waage. Auf den rechts von dir stellste nen blauen und auf den links von dir nen grünen. Den stellste zu dem gelben Klötzchen hin, so dass die sch die schräge Seite zum grünen zeigt. Das heißt er müsste eigentlich hochgehen, zu dir hin. Das sieht nachher aus wie ne Brücke ungefähr. Den legst du da dran. Den stellst du genau dazwischen, zwischen die beiden Säulen. Die beiden Säulen stehen unten ein Stück auseinander, und zwar so weit, dass noch ein Klotz dazwischen passt. Könnte sein, dass das stimmt. Die sind ungefähr so lang wie die roten Säulen Ja, dann stellste auf diese roten Klötze jeweils auf diese roten Säulen nen grünen viereckigen und nen blauen viereckigen Klotz. Soll ich jetzt anfangen, das zu erklären? Immer zwei werden verbunden durch ein rotes Klötzchen. Die stehn nur die Tiefe des Steins auseinander, also die Dicke. Den legst du erst mal so vor dich hin. Er muss genauso sein wie die Länge der blauen wie die Länge von einem blauen Klötzchen ist. Und da drüber liegen jetzt eh quer die roten, die genau mit den grünen Enden abschließen inner Mitte, im Dreierpack.
350
Karina Schneider-Wiejowski
(27) (28)
Und dann wieder so'n grünen Klotz. Die verbindeste mit einem roten Rechteck mit einem dicken roten Rechteck je zwei. Und dann kommt darauf ein gelbes und grünes Quadrat obendrauf. Und die legste so hin, dass sie jetzt den Rest der Fläche abdecken und zwar den roten. Die unteren beiden sind rund gewesen, tonnenähnlich. Wir haben vier verschiedene Farben da, rot, gelb, blau und grün. Und dann nimmst du die nächst kürzeren Klötze hinzu, einen gelben und einen blauen. Der Blaue kommt auf den Gelben. Und da muss vorne so praktisch wie ne Waage drauf liegen dieses blaue. Die zwei blauen langen Klötze die werden nachher draufgelegt so dass also so ne Brücke entsteht. Frag noch mal genau, was du wissen möchtest. Und jetzt hast du ne lange Gerade da praktisch. Unten muss ein Rechteck hochkant gestellt sein des grünen Bauklötzchens worauf ein blaues Bauklötzchen als liegendes Rechteck langgestreckt liegt und zwar von dir aus gesehen vorne und vorne wobei also die lange Seit nach oben zeigt nich die kurze Seite ne, also hochkant jetzt. Und der Rest springt vor, also in deine Richtung.
(29) (30) (31) (32) (33) (34) (35) (36) (37) (38) (39)
(40)
André Meinunger
Das ist was ziemlich Komisches ist das! The syntax of apokoinu-constructions in colloquial German and other languages 1
The present paper draws attention to a linguistic structure which seems to be a chimera between a minimal text consisting of two subsequent, but independent clauses and a complex sentence. Its characteristic feature is that the last section of the first clause functions simultaneously as the initial part of the second clause. This constituent can hence fulfil two functions at once. This constellation, however, brings some severe problems for syntax, compositional semantics, and probably more modules. And not only this: the construction itself is problematic for speakers and hearers. The grammaticality judgements and pragmatic felicity conditions vary. However, the construction is real. The given contribution tries to present the semantico-pragmatic conditions and to deliver a syntactic approach. The data come from different languages: German, English, and Russian (furthermore a speculation is made on why one does not find corresponding structures in most Romance languages).
1. A sketch of the data and a brief overview over the existing literature This paper centres around what in the literature is sometimes called apokoinu, sometimes amalgam, or sometimes contact clause - among other denominations. Thus, the topic is on the border between a text or a minimal discourse on the one hand, and a complex sentence on the other. Furthermore, –––––––—–– 1
I would like to thank several people here. My first thanks go to Knud Lambrecht, who shared his interest in the construction with me. He has always been ready to discuss my problems very patiently and provided me with valuable examples. Furthermore I would like to express my gratitude to both reviewers, whose comments definitely improved the paper. Thanks go also to the editors, especially to Gisella Ferraresi, and to my colleagues Werner Frey and Joanna Báaszczak, as well as to my former student Oleana Botezatu. Tobias Bernhard and John Tammena helped me to bring the article into the required form and into acceptable English. All remaining shortcomings and errors are, of course, my own responsibility.
352
André Meinunger
the investigated object oscillates within the grey zone between grammaticality and linguistic deviance. The construction is best illustrated with an example (1), or more below. (1)
Das ist was ganz Komisches ist das! that is what wholly strange is that „This is rather something really strange...“
The example is interesting from several quite different points of view: first of all its discourse conditions, second the register distribution, but also its syntactic structure, of course, and its status of grammaticality. The given contribution is mainly about the last points. Before I present a syntactic approach, and thus a new, rather detailed and perhaps controversial structural representation, I give a standard sketch of the construction. Here I quote two definitions, one in English (from Franck 1985) and one in German, taken from one of the two most influential and recent treatments, i.e. Scheutz (1992, the other one being Poncin’s 2000 thesis itself). Franck (1985, 235): … we can distinguish three parts A, B, and C […] The central part B is syntactically related both to A and to C, while in view of its syntactic structure, B can occur in only one of these relatives at a time. Both A-B and B-C would be grammatically correct sentences, while A-B-C is not (by normal standards).
Scheutz (1992, 248, through Poncin 2000, 51): Eine Apokoinukonstruktion ist „grundsätzlich durch drei unmittelbar aufeinanderfolgende Teile gekennzeichnet, wobei sowohl A-B als auch B-C, nicht jedoch A-B-C eine syntaktisch wohlgeformte Kette bilden [...] Die Verbindung mit der rechten Peripherie (B-C) ergibt jeweils ein vollständiges Satzsyntagma, wogegen die linksperiphere Verbindung (A-B) häufig unvollständig bleibt.
For our sample string the formulaic assignment would thus be: (2)
A – das ist B – was ganz Komisches C – ist das
(the so-called koinon)
Das ist was ziemlich Komisches ist das!
353
A-B is grammatical: (3)
Das ist was ganz Komisches!
B-C is grammatical: (4)
Was ganz Komisches ist das!
A-B-C is questionable: (5)
?%? Das ist was ganz Komisches ist das!
Although the construction is rather marginal, it has attracted quite some amount of interest among grammarians. Recent treatments usually start with the claim that there is little literature on the topic, but soon it turns out that there is even a long tradition of apokoinu-research. The reason for this is that the traditional apokoinu is a rhetoric figure and is used quite frequently in the classical literature of all possible sorts (Old Greek, Classical Latin, even Old Egyptian, or Old and Middle High German, see Appendix*). However, although the present study might cover the literary examples too, it will be concerned with the “opposite” case: the substandard, spoken language occurrences of the construction. An excellent survey of the research on the apokoinu can be found in Poncin (2000, section 2.1.). Furthermore, Poncin classifies and compares not only all the more or less old and recent uses of the term »apokoinon«. She also gives her own classification of all the potential word string pattern which are subsumed under the notion. The interested reader is hereby recommended to her work. At this point I only want to list some additional examples from either Poncin or the big corpus collection by Scheutz. (The division according to the illocutionary potential comes from me, no author spends any attention on sentence mood. Since apokoinus seem to be a root, i.e. main clause, phenomenon, a classification in terms of illocutionary force appears to be expedient.) Declaratives: (6)
Der Würfel liegt auf dem Klavier muss er liegen. the cube lies on the piano must it lie “The cube is on the piano... that’s where it must be.”
(7)
Du schiebst den Biskuit in den Ofen darfst du dann nicht reinschauen. you push the biscuit in the oven may you then not look-into “You push the biscuit in the oven, where you must not look into afterwards.”
354
André Meinunger
Interrogatives: (8)
(9)
Wie lange fährt man fünf Stunden nach Hamburg? how long goes one five hours to Hamburg “How long does it take to Hamburg? Five hours?” Ich frage mich, ob du dich an den Preis erinnerst du dich an den? I ask me, if you you on the price remember you you on it “I wonder about the price... Do you remember?”
(Pseudo-) Imperatives: (10)
Ich suche das Wörterbuch brauch’ ich. I look the dictionary need I “I am looking for the dictionary is what I need.”
(11)
Gib’ mir mal das Buch da will ich haben! give me PRTCL the book there want I have “Give me the book, I need it.”
Exclamatives: (12)
Die habm eine derartig derbe Mundart sprechen die daheim! they have a such hard dialect speak they at-home “The speak a very rough dialect at home.”
(13)
Er hat ihm millimeterweis’ hat er ihm eingestochen ...! he has him milimeter-wise has he him pricked “He pricked him millimeter by millimeter.”
Mixed: (14)
Bist du sicher, dass du kommen kannst, ist mir sehr wichtig...! are you sure that you come can is me very important “Are you sure you can come? This would be important to me.”
(15)
An beiden Seiten hast du jetzt’n Gewinde an beiden Seiten des Würfels? on both sides have you now a thread on both sides of-the cube “On both sides you have a thread now. Do you?”
By now it should be clear that as far as the acceptability of these constructions is concerned, the relevant sentences are (considered to be) controversial. Many speakers reject them straightforwardly. However, (i) generations of linguists have thought about these sentences (as worthwhile objects), (ii) apparently no test person considers them complete gibberish, and (iii) corpus stud-
Das ist was ziemlich Komisches ist das!
355
ies prove that – at least as performance results – these sentences are produced with significant frequency. It should be mentioned at this point that these samples sound much more natural if they are perceived auditorily 2 . And a fourth point, which was mentioned with respect to ancient literature, is (iv) that the apokoinu is found in many languages. But it is not used only as a rhetoric tool in poetic language, it seems to be a lively linguistic strategy for information packaging and/or a repair device in spontaneous spoken speech in many languages (see next paragraph). This cannot be ignored. (One more source to be quoted is Schwitalla’s Gesprochenes Deutsch (2003, p. 129).)
2. English and Russian A pioneer in apokoinu research is Lambrecht (cf. 1988, but many more contributions, see below). Some of the by now famous examples stem from this article, such as (16)-(18); Lambrecht calls them Presentational Amalgam Constructions. (16)
There was a farmer had a dog.
(17)
There was a ball of fire shot up through the seats in from of me.
(18)
I have a friend of mine in the history department teaches two courses per semester.
In more recent work (Lambrecht 2006, Lambrecht & Ross-Hagebaum 2006), Lambrecht gives an excellent overview over all sorts of English apokoinu (like) constructions. Most of the data are collected from corpora. Before providing some more attested examples I quote from Lambrecht (2006): …I [Lambrecht] will extend my earlier analysis to a number of little-studied if not unrecognized spoken English constructions… The existence and common occurrence of different apokoinu constructions in spontaneous spoken English discourse corroborates the analysis of the presentational Amalgam Construction as a pragmatically motivated syntactic structure which cannot be derived from a subtype of relative clause construction. In the apokoinu types… it is generally impossible to reduce the sentencial [AC] schema to a canonical biclausal pattern…
–––––––—–– 2
In this respect, the apokoinu-construction is also very similar to the German embedded verb second data discussed by Freywald (2007, 2008), see below.
356
André Meinunger
Lambrecht associates (his) apokoinu constructions with clefts. This is understandable in view of an example like Delahunty’s from (19). (19)
It was your husband paid for that.
For Lambrecht these sentences are legitimate grammatical objects which serve as specific information packaging devices. Again, without presenting Lambrecht’s detailed classification I content myself here with quoting some more corpus data: (20)
You are lazy is what you are.
(21)
They call it a video CD is what you are talking about.
(22)
You can take an anti-inflammatory medicine usually is the best thing.
(23)
It’s my burn blister just broke.
(24)
I went to a conference in Boston I guess it was.
(25)
What are you drunk?
(26)
You know what’s good is a hibiscus cooler.
One more language I want to present here is Russian. Also in this language the apokoinu construction is attested (and challenged). Interestingly, also here it seems to fulfil the same information theoretic tasks and is linked to a similar emphatic flavour. And more importantly - exactly as in English and in German – to the extent that the construction is acceptable at all, it is considered to be detectable and tolerable only in the spoken, spontaneous register. There, however, it surfaces quite frequently: (27)
ɉɨɣɞɟɦ ɜ Ȼɨɥɶɲɨɣ ɡɚɜɬɪɚ ɧɚ Ɉɛɪɚɡɰɨɜɭ ɦɧɟ ɛɢɥɟɬɵ ɨɛɟɳɚɥɢ. Poydem v Bol’shoy zavtra na Obraztsovu nme bilety obeshcha-l-i Let’s-go in Bolshoi tomorrow to Obraztsova me tickets promised.PST.PL Presumably going back to: “Let’s go to the Bolshoi Theatre tomorrow to see the Obraztsova. For the Obraztsova (performance) they promised me tickets.”
(28)
Ʉɭɩɢ ɯɥɟɛɚ ɧɚ ɡɚɜɬɪɚ ɭɬɪɨ ɧɟ ɯɜɚɬɢɬ. Kupi khleba na zavtra utro ne khvatit buy bread.GEN on tomorrow morning not suffice “Buy bread! The bread for tomorrow will not be enough.”
Das ist was ziemlich Komisches ist das! (29)
357
ɍ ɧɟɝo ɧɟ ɛɵɥɨ ɧɢɤaɤoɝo oɬɧoɲeɧɢɹ ɤ ɥuɧɝɜucɬuɤe Cɦupɧoɜ ɧe uɦeɥ. U nego ne bylo nikakogo otnosheniya k lingvistike Smironov ne ime-l on him not was none relationship to linguistics Smirnov not have.3.SG “He did not have a relationship to linguistics… No relationship to linguistics did Smirnov ever have.”
More data plus a discussion of these constructions’ appropriateness can be found in Shirjajev (2001) and Botezatu (2008). Although both works do not make any mention of the notion “apokoinu”, nor do they make a hint of the A-B-C structural description, it is relatively obvious that both authors describe the same pattern as Scheutz, Poncin and others for German and Lambrecht for English. Many of their examples divide into the A-B-C part. In each of the examples chosen here, the A-B part (B always underlined) is a potentially complete, independent clause – and so is the B-C part.
3. Pragmatic constraints One can state that the apokoinu is a construction which belongs to the spoken register of several languages. It is highly interesting that the few linguists who took notice of this structure locate it in this sociolectal area. Thus there seems to be something spontaneous, and emphatic about it. Poncin lists the hypothetical functions of the construction: (i) (ii) (iii) (iv)
language economy, with some flavour of stenographic thinking 3 and verbalizing signalizing coherency focussing, emphasizing, stressing, highlighting - and/or repair or linguistic strategy change
I agree that especially the last two functions are characteristic. (At least for the examples which are of interest in this paper; there is, of course, a stylistic function for the poetic, literary uses, which we disregard here.) Especially Lambrecht describes all possible distributional topic and focus settings, taking into account contrastive, multiple, narrow and presentational, i.e.wide, –––––––—–– 3
One of the reviewers criticizes the use of the notion “stenographic thinking”. The terminus, however, goes back to the 19th century philologist Hildebrand (1870: “stenographie des gedankens”) and found its way into Poncin’s chapter on the functions of apokoinus (p. 60).
358
André Meinunger
focus, as well as aboutness, contrastive, familiar and other topic types. Scheutz (1992) speculates that the construction allows for a collapsing of a regular in-situ focus for the B-part with regard to the first, i.e. A-B piece, and a simultaneous focal topic interpretation – whatever this exactly is – for B within the B-C part. This interpretation also found its way into a standard benchmark book such as the syntax volume of the Handbücher zur Sprachund Kommunikationswissenschaft (1995: 6, 7). I do not want to comment or elaborate on this. The only remark I want to make with regard to this is that – as will become clear soon – the B part, i.e. the shared koinon, behaves as the “Vorfeld”, or SpecCP within the B-C part. Sometimes, however, B comprises more than just the prefield (i.e. Spec,CP, see example (15)). This assigns to the middle constituent, and consequently to the whole construction, the observed “emphatic force” – a term which is attributed to the initial pre-filed constituent in works as early as Delbrück (1893-1900) to (as recent as) Frey (2010).
4. A new and refined syntactic approach 4.1. Grafting and its benefits In this paragraph I want to present a syntactic structure for the apokoinu. The proposal will be a grafting analysis in the sense of van Riemsdijk (2001, 2006). Given this I have to introduce the core idea of this approach. The prominent example is Kajita’s far-from construction (Kajita 1977): (30)
a far from simple matter
(31)
This matter is far from simple.
Van Riemsdijk is puzzled about the status of both simple and far. Firstly, it seems that simple is the semantic modifier here: after all it is a matter which is simple or not – and not far. But on the other hand, van Riemsdijk argues that far from is not a regular constituent in the sense of an adverbial degree modifier like very, almost, nearly, or something similar. It seems too that the from – which is a preposition in the first place – requires a complement which is the word or constituent which follows it, in this case: simple. This puts the syntactician into a paradoxical situation. Van Riemsdijk resolves the ambivalence of this structure. He argues that in such cases trees can grow from different perspectives. The labeling is inspired by the botanic notion, where it describes the inserting of a external foreign branch onto some other, formerly independent tree of a different sort/race.
359
Das ist was ziemlich Komisches ist das! (32)
DP D
N’
a
AP
N°
A simple from
A
P
AP
far A
matter
PP AP
This view is very delicate, however. Such structures, of course, violate standard assumptions about phrase markers – such as crossing branches, or the requirement that a daughter node must not have more than one mother node. But this is what we see in (32): the adjective node simple is shared – so to speak – by two distinct projections: the upper one and the lower one: the terminal element simple being dominated by two mother nodes. This now is simultaneously the innovative and the controversial point for phrase structure. Such trees go beyond traditional phrase markers that arise through regular phrase structure rules. Before van Riemsdijk there were already some alternative comparable, similar proposals, the often labelled multidimensional trees: McCawley (1988), for example, for parentheticals, or Moltmann (1992) for certain coordinative constructions. Van Riemsdijk enlarges the class of his so-called grafts to a series of more or less unrelated constructions; apart from the adjectival constructions as in (32), he envisages (transparent) free relatives, other parentheticals, plus the so-called Andrew’s and (Larry) Horn amalgams 4 . The latter, i.e. Horn amalgams are discussed in Lakoff 1974. An example is given in (33).
–––––––—–– 4
Van Riemsdijk’s interest in these constructions is both: empirical and theoretic. The theoretical status is highly controversial. Grosu (e.g. 2007) reconsiders each of van Riemsdijk’s constructions and concludes that all of them not only can but even should better be given an analysis different from grafting. Grosu’s approach thus supports a grammar without multi-dimensional trees, which reconciles with a traditional and more restrictive theory of phrase structure.
360 (33)
André Meinunger John is going to, I think it’s Chicago (on Sunday).
It is fairly straightforward to imagine what a grafting structure would look like: Chicago is anchored twice in the structure John is going to (33’)
Chicago I think it’s
In Lambrecht (2006), Horn amalgams are reconsidered again. Lambrecht subsumes them under apokoinu-constructions in the broader sense. However, Lambrecht’s syntax does not go beyond a linear A-B-C sketch. This I will do here. The attentive reader will guess by now what my proposal for the sentences is: the koinon is the part which gets a double anchoring in the structure. It is a sort of butt hinge between the two clauses: (1)
Das ist was ganz Komisches ist das!
(1’)
CP NPi
C’ C°j
VP ti
V’ NP
V° tj
Das
ist
was ganz Komisches
ist
das!
t1 tk
NP
C°i
VP NPk C’
CP
V’
V°
361
Das ist was ziemlich Komisches ist das!
In principle, this proposal for the structure does not come as a surprise. It can be understood as an X-bar-syntax interpretation or translation of Poncin's tentative tree for Gestern war ich im Kino war ich (Poncin 2000, 151): (34)
Gestern war ich im Kino war ich. yesterday was I in-the cinema was I “Yesterday I went to the pictures is where I went.”
(34’)
Apokoinu S AdvP
S VP
FIN
NP
PP
FIN
NP
gestern war
ich
im Kino
war
ich
However, this (i.e. (1’)) is the first time that grafting has been applied to apokoinus. There are several advantages to such a hierarchical representation compared to the purely linear A-B-C treatments or also to a more structured approach as Poncin’s (34’). In (1’) it is evident that the B-C part is a regular root CP (main clause), which in standard generative approaches has a “transformational” or “derivational history”. This means that in the more standard, so-called asymmetric approaches, the left sentence bracket (i.e. C°) gets targeted and filled by the finite verb, and the Vorfeld (prefield) emerges through placement of some appropriate constituent. In most cases, the constituent is moved there from a base-position somewhere deeper inside the tree. Thus, the grafting approach to apokoinus is more explanative than and hence superior to the linear ones. The linear or less articulate approaches (cf. Poncin’s tree) suggest a modus operandi roughly as in the following derivational sketch: (i) spell out A, (ii) continue and spell out B as a well-formed succession to A, ((ii’) change strategy and), (iii) take B, interpret it as the start-up constituent of a new clause, and (iv) finish such that B-C results in a regular, licit clause. Such a “procedure” prevents the B part from being interpreted as an inherent integral part of the lower clause being linked to some deeply embedded position within that clause too. This is not the case under grafting like in (1’), which offers a relatively simple explanation for binding, i.e. scope readings, for Negative Polarity Item and comparable licensing, and idiomatic interpretation. These points, however, are all relevant for apokoinu constructions:
362
André Meinunger
(35)
Und da wurden mindestens vier Aufgaben gelöst hat da jeder and there were at-least four assignments resolved has there everybody innerhalb der Frist... within the time-limit “Four assignments were resolved in time – by everyone.”
(36)
Ich hab’ da keinen Bock hab ich da d rauf! I have there no „desire“ have I there up “I don’t feel like it.”
(37)
Der hat doch ’nen Vogel hat der! the has PRTCL. a bird has he Maybe: “He has / must have bets in the belfry.”
(38)
Und dann kam’s wie Pilze sind dann solche Hotels aus and then came it like mushrooms are then such hotels from the earth shot dem Boden geschossen “Hotels were built there en masse.”
In (35) a reading with (mindestens) vier Aufgaben within the scope of jeder is more than likely: it is the prominent interpretation of the sentence. This comes out straightforwardly if the B-C part gets its separate CP structure: in (39), where the constituent [mindestens vier Aufgaben] occupies an original position below the quantifier jeder (= each): (39)
[VP…[CP [mindestens vier Aufgaben]i VP] [C’ hat da [ jeder [… t i ]] ] A
Œ
B
Œ
C
Only within the lower CP part, namely within the c-command domain of jeder, can the quantified expression receive its dependent interpretation. Only then does movement to SpecCP (linearly the B position) apply. The A-B part in this example – if understood as a relatively separate unit – can never license the interpretation in (35). Similar arguments apply to (36), (37) and (38). In comprehensive analyses, kein-NPs are indefinite expressions under sentence, i.e. clausal negation. Hence, to get a license of kein inside the B-C part, as well as the idiomatic reading, one fares relatively uncomplicated if the Vorfeld-constituent is reconstructed into its base position. This lowers keinen Bock into the ccommand domain of sentence negation. Similarly, reconstruction of ‘nen Vogel or wie Pilze into their original position creates a unitary piece (in “deepstructure”), which an idiomatic, non-compositional expression should ideally
Das ist was ziemlich Komisches ist das!
363
be. Otherwise much more machinery would be needed to derive the idiomatic chunk character. Purely linear approaches would need extra devices to explain all these “connectivity effects”, the mere clause-mate status is not sufficient to get the relevant licensing. Also for the Russian examples in (29), a hierarchical treatment in combination with an embedded, fully structured CP as the result of a “derivational history” explains the genitive of negation on the koinon-constituent in the same vain. This morphological case is licensed only in the semantic scope of sentential negation. Syntactically this means that the base position of a negative genitive constituent is inside the c-command domain of the negative item: in our case the polarity head ɧe. (Of course, there is another at least as important ɧe in the first clause, but the one from the second needs an associate too.) 4.2. When is a string an apokoinu? - Which languages display the apokoinuconstruction? Are there differences between languages, and if so, why? At this point, a short discussion seems appropriate: Is there something like an indisputable, i.e. undeniable, apokoinu? I think this is hard to say – and if so, the answer is rather negative. The majority of the apokoinus discussed in the literature are likely to be of the claimed A-B-C type. However, for most – if not for all – an alternative analysis seems possible. This option is ellipsis. One can always assume that the apokoinu is a sequence of two “complete” clauses, one of which has undergone phonological deletion or some other form of reduction or elision. Only few arguments can be brought up to refute or at least to question and challenge such a view. (35) or (39), at least suggest that a potential topic drop analysis cannot be maintained. Such an ellipsis alternative would be to analyze the sentence as an instance of the following sort: (40)
[CP A-B] [CP Ø – C]
– with Ø signalling topic drop.
Since in (35), however, mindestens vier Aufgaben is interpreted within the scope of the universal quantifier from the second part of the construction, this string cannot be (exclusively a piece of) part B. (40) only accounts for a reading with an existential reading of at least four assignments. This, however, is not what (35) means. The preferred interpretation is such that the assignments co-vary with the individuals denoted by the members of set comprised by jeder. Insofar examples like (35) are instances where the apokoinu status is hard to deny. What could still be refuted then is the acceptability of such con-
364
André Meinunger
structions. That is why I think that a conclusive and irrevocable apokoinu analysis must remain an unobtainable desideratum (as much as I understand the wish of one of the reviewers). The issue raised in this paragraph is very much related to the question of a reviewer: Why do the Romance languages lack the apokoinu-construction? Posed this way, the question triggers the presupposition that the descendents of Latin do not possess apokoinu-structures. However, Knud Lambrecht (p.c.) informs me that he could find a few French examples (cf. footnote 5 ). His speculation why languages like Italian or Spanish do not show this construction (more obviously) is the following. Statistics show that the most frequent case is that the shared element (i.e. the koinon B) is a nominative noun phrase. This goes along with the findings for German (i.e. Middle High German (Karg, 1929), or Modern German (Pittner 1995: 204)). Being a noun phrase in nominative case, the koinon mostly acts as the subject within the BC part. Since most Romance idioms are pro-drop languages, the C part alone often counts as a saturated, i.e. complete clause. Hence, speakers have the option to assign a structure [A-B] [pro(=B) C ], whereby pro(=B) is phonologically null, resulting in a structure: [A-B] [Ø-C] – compare to (40). Thus, most “potential” apokoinus have a regular non-graft option. Take the very famous English sentence (16), here repeated and translated word by word into Italian. (16)
There was a farmer had a dog.
(41)
c’era un contadino aveva un cane there-was a farmer had a dog
The string as such is perfect Italian. If one abstracts away from phonological phrasing, an apokoinu structure is potentially available. It would be parallel to the English sentence. However, it is not very likely given that the very string has a natural interpretation as two subsequent clauses – the first being a regular existential statement about some farmer. The second being a continuation in form of a categorical statement about this farmer, realized as an anaphoric pronoun, which in Italian figures as phonologically null pro (42). (42)
C’era un contadino. __ Aveva un cane. there-was a farmeri. proi had a dog “There was a farmer. He had a dog.”
–––––––—–– 5
(i)
t’as toute la vallée blanche était toujours pleine de neige of show You-have whole the valley white was always full “There is a valley which was always white and full of snow.” Again, thanks to Knud Lambrecht for sharing his data with me.
Das ist was ziemlich Komisches ist das!
365
This systematic option makes the apokoinu-construction very hard or even almost impossible to native speakers of these languages. I can speculate further that other pro-drop languages like Latin or (Ancient) Greek are less apokoinu-phobe because they are much less configurational. Thus, sentences do not (have to) canonically begin with the subject. This reduces the [A-B] [pro(=B) C ]-device to just a subgroup of cases, and hence the assumed strategy is much less applicable and compelling, which makes that the apokoinuanalysis more likely. Furthermore: if the koinon is (or were) a direct or an indirect object in Italian or Spanish, for the apokoinu-analysis it would have to be a left-dislocated constituent which is adjoined to the C part. Under such circumstances the C-part would almost necessarily exhibit a resumptive clitic (clitic doubling). This again provides us with an indecisive situation: the Cpart alone constitutes a saturated, complete clause. No naïve native speaker would suspect a double anchoring of the respective constituent inside two clauses. Thus, the grammatical parameters of the average Romance languages make it very hard to prove the existence of the apokoinu-construction. The respective sentences always have an analysis which is more easily available and does not have to make a resort to problematic structural proposals, hence the lack of apokoinus in most Romance languages. 4.3. The status of the A-B-C parts Generally: the B-C part seems to always form a complete sentence (CP); as for the CP character of the A-B part, I am much more sceptical. It seems to often set up a complete, potentially independent clause, but not always. However, I am convinced that A-B belongs together in a fashion which (1’) suggests: thus there can be drawn an incremental-parser-like tree over A-B which takes A and B as clause-mates. To the extent that examples as (8) or (15) are admissible, the generative grafting approach seems superior again. In these examples, we do not only have a single constituent which is shared, but more material. Under a Poncinstyle representation this leads, at least in the tree diagram, to an unattractive disturbing multiplicity of crossing branches. The A-B-C representation remains completely silent about the internal structure of B. It rather lumps things together which are clearly hierarchically structured. A Riemsdijk-style representation seems to nicely capture the transition from A to C through a structured B:
366 (15)
André Meinunger An beiden Seiten hast du jetzt’n Gewinde an beiden Seiten des Würfels?
(15’)
CP PP
C' C°i
VP NP
V’ AdvP
V’ NP
V° ti
An beiden Seiten
hast
du
jetzt’n
Gewinde an beiden Seiten des Würfels?
ti
PP
NPj
NP C°i Ø
C’ CP
V’ V’
VP
V°
V’
AdvP
ti’
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5. Some comments on a relative of the apokoinu In this paragraph I will suggest that apokoinus are related to dass-verbsecond clauses insofar as they are both projected around a “somewhat infelicitous left periphery”. After initial inquiries among German native speakers 6 , first impressions point into the following direction: impartial unbiased native speakers rate the wellformedness of apokoinus similar to that of dass-V2-clauses. Some completely reject them, some evaluate them cautiously acceptable if produced under certain conditions, and some, who are the majority, rate them on the border between a grammatical structure and a deviant construction. Those speakers often have the feeling that something is wrong, but the speaker managed to save his utterance with a more or less effective repair device. Dassclauses with verb second are a very young topic in German syntactic theory. The following examples come from Freywald (2008): (43)
Das liegt einfach DAran, dass KINder, die hiv-infiziert sind, stellen this lies simply THERon, that CHILdren, who hiv-infected are, pose keinen markt für die pharmaindustrie dar. no market for the pharma-industry PRTCL. “The reason is that children who are hiv-positive do not constitute a market for the big industry.” (source: radio station DLF, Interview: July, 14, 2004)
(44)
Aber ich glaube, dass wenn man da eine Umfrage im Deutschen oder but I believe, that if one there a survey in German or in Österreich machen würde, erübrigt sich jede Diskussion. in Austria make would, is-superfluous itself every discussion “I think (that) if one conducted a survey in Germany or Austria, one would not need any arguing.” (source: TV station SAT1, Interview: August, 2, 1994)
Freywald discusses the history, pragmatics (including style and register), semantics and the syntax of these constructions. In Freywald (2007) she offers three possible structural descriptions. I will adopt one of them here: the CPrecursion analysis. Under this approach, the German left periphery comprising the traditional prefield and the left sentence bracket is doubled.
–––––––—–– 6
Thanks at this point go to my colleagues at the ZAS (Berlin) and to students from the Humboldt Universität Berlin and the Bergische Universität Wuppertal.
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(45)
CP __
C’ C°
CP Spec
C’ C°
TP
This seems to be the straightforward solution. Insofar Freywald’s sentences can be regarded as similar to McCloskey’s findings and analysis. His constructions, which are English sentences of course, seem also to involve a double realization of the CP layer, McCloskey (2005). (46) (47)
It is useful to know that once you have mastered the chosen dialect that you will be able to pick up a newspaper and read it. I don’t think that he should content that just because he makes a promise that it becomes a responsibility of the United States.
For these constructions it is crucial that the doubled complementizer be followed by a further embedded clause inside its projection. German has similar sentences. (48)
Es ist klar, (It is clear:) dass, wenn wir alle Anträge so rechtzeitig einreichen, also keine Frist that, if we all applications so in-time hand-in, thus no deadline versäumen und alles auch ordnungsgemäß ausgefüllt ist, miss and everything also correctly filled-in is, dass wir dann gute Chancen haben. that we then good chances have “It is clear that if we hand in all applications in time – not missing any deadline and if everything is properly and correctly filled in – then we have a good chance.”
These examples, which seem to belong to the spoken register, have gained almost no interest in the literature. However, it seems to me that this construction is a highly frequent repair strategy in oral communication. Speakers use this resumption device very often, and - I believe - they do so even being aware sometimes that the performance output does not comply with the rules, neither of normative grammar, nor of regular language use, i.e. the System in
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Coseriu’s sense (i.e. Coseriu, 1979). Nevertheless, speakers decide to break these rules to facilitate the understanding of their message. For some reason, such a communicative behaviour did not trigger much attention of linguists. The only exception I know of is Betten (1980). In a contribution to a volume on linguistic mistakes (Fehlerlinguistik), Betten lists two relevant systematic mistakes(!) – thus she considers them grammatically deviant structures: “Wiederaufnahmen mit einem auf den Einschub bezugnehmenden Element” (resumptions with an element referring back to the plug-in word string), or “Wiederaufnahme von Konjunktionen und folgendem Satzglied bei eingeleiteten Nebensätzen” (resumptions of conjunctions and following element in complementizer-introduced subordinate sentences). Concerning the latter point, Betten provides examples like (49). (49)
… darum ist es doch zweifellos so, dass ein geschlechtlicher … therefore is it PRTCL. undoubtedly so, that a sexual Verkehr, der nicht aus wirklicher Liebe... geschieht, intercourse, REL.PRON. not from true love … happens, dass der verhängnisvolle Folgen haben kann. that the fatal consequence have can “And therefore there is no doubt that a sexual intercourse which does not result from true love can have fatal consequences.”
In these cases, it appears that the speaker iterates the CP node (and occasionally some more material). Remember: in the case of Freywald’s dass+V2, the speaker does so to shift the proposition of the dependent clause more into prominence. He seems to highlight the quasi main clause status of the embedded CP. In the case of McCloskey’s examples or their German counterparts, or Betten’s data, it seems that the speaker anchors and underlines the subordinate character of the dependent clause. Thus, the observed instances of CP-recursions are cases of stressing the form and the function of the second CP layer as either V2 (= matrix like) or dass-introduced (= subordinated). The proposal of this contribution is thus that under certain circumstances, the CP layer can function as a rather flexible butt-hinge or frame-joint. It can (en-) graft two clauses together; or it can detach, and hence loosen, or dehisce the clause combining.
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(50) a. Regular projecting
...[VP V [CP XP [C’ C° ...
1
2
3
4
5
b. Doubling/recursion ...[VP V [CP1 XP [C’ C°=dass [CP2 YP [C’ C°=dass/Vfin
1
2
3
3’
5...
4
(Freywald’s, McCloskey’s, and Betten’s cases)
c. Cutting-out/parasitism
1
...[VP V [CP XP VP] [C’ C° …
2
3=4
5
...
(Apokoinus, grafts (and possibly contaminations or blends, see below))
This whole representation (i.e. a summary of 50 (a) to (c)) reminds of the technique of an armament’s knee or elbow: with a natural bending of the arm or leg, the flexible parts are in the idle state; the need of stretching or compressing forces an unnatural, marked state. However, flexible systems can cope with this: technicians have developed knights’ clothing, folding fans or
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accordions, nature came up with the telescope devices for strained organs 7 , and language apparently uses grafting and node repetition (cf. (CP-) recursion).
6. Related cases and summary In this last paragraph I want to present two more examples of evidence for the grafting structure, which are “structural relatives” of the apokoinus presented, discussed and analyzed here. And again, in the examples the shaky grammaticality (judgements) repeat(s). The impression is that speakers are aware of the manipulative force of these structures: the produced strings are somewhat in conflict with the regular rules, but the hearer will be able to understand. The first pool of examples is “morphological” grafting, the second is a further syntactic case, arguably something like a syntactic or construction-specific case of haplology. Linguists who care about cases of morphological contamination at all consider their productivity language specific. There is no agreement about the status. It appears that in English the pattern seems relatively copious, see the regular examples in (51); also the linguistic terminology is manifold: blending, telescoping (compare footnote 6), contamination, portmanteau etc. For Polish blending has been argued to be off the limits of productive morphology (cf. Grzesiowski, 2009). (51)
brunch smog motel chunnel modem
(breakfast + lunch) (smoke + fog) (motor + hotel) (channel + tunnel) (modulator + demodulator)
In and for German, these complex words are pretty much neglected. However, examples are much more frequent than one assumes. –––––––—–– 7
The idea of telescoping for linguistic structures is not completely new (see also contamination in the following section, paragraph on contamination). Giorgi & Pia nesi (1997: 230ff.), for example, propose a Feature Scattering Principle. This device is active when some morpho-syntactic (mono-morphemic) feature bundle licenses and hence projects more than one projection. The morpheme then scatters into its respective features, each of which can host its own (functional) projection.
372 (52)
André Meinunger Teuro jein Tragikomik Kurlaub Nespresso Bionade Schwuso Bananas schwulesbisch Denglisch
(teuer + Euro) (ja + nein) (Tragik + Komik) (Kur + Urlaub) (Neskaffe + Espresso) (bio(logisch) + Limonade) (schwul + Juso) (Banane + Ananas) (schwul + lesbisch) (deutsch + englisch)
Anglicisms and names are good blending sources too: Schlepptop Slimnastik Obamania Tolstoi-toi-toi Hasifal
mo-zärtlich beet-höflich
(schleppen + Laptop) (slim + Gymnastik) (Obama + Manie/Mania) (Title of a Schlöndorff production of a Tolstoi piece in Neuhardenberg 2009) (Hase + Parsifal, Titel of a review of Schlingensief’s 2004 Bayreuth production of Parsifal with a shocking video spot of a rotting hare) (Mozart + zärtlich (= endearing)) (Beethoven + höflich (= polite))
Sometimes one part is integrated as a whole, which means completely: geGen
(gegen + Gen(technik), slogan of the Green party for the 2009 elections) BÄRlin (Bär + Berlin) principally also Kurlaub, jein or even subtraction of a phoneme, cf. in Ostalgie (“nostalgia for East Germany”)
In 2008, Friedrich submitted a very detailed and comprehensive dissertation on blends in German (Friedrich, 2008). She claims and demonstrates convincingly that blending in contemporary German – especially in certain registers – is highly productive and popular. A few things can be said about these words – being the result of a word formation process (contamination). For our purposes here, my claim about blends is that: (i) the speaker (producer) undertakes a conscious creative act to make the word exist, which goes beyond the naïve and effortless generation of a so-called ad-hoc or deictic compound (“okkasionelle Bildung”). He
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does so being aware that his linguistic means are likely to violate regular word formation, but he can be sure that (ii) the hearer understands the meaning of the word – almost with the same certainty with which he grasps the meaning of ad-hoc formations. This means that the context, i.e. the actual knowledge, plays an important role. Very recently Vater (2010) propagates a very similar view of linguistic creativity, basing himself also on contaminations in word formation. The bracketing device for such blends or contaminations is akin to the structural tree diagramming of grafting, which allows an elegant and comprehensive treatment: (53)
a. English: [sm[o]g]
(54)
b. German: [Tragi[k]omik]
- or:
ȝ
schw u l Schwuso J u so
ȝ
ȝ = (regular) morpheme
(53) or (54) illustrate how a linguistic unit – a single sequence of phonemes – plays a double role (in some cases a single phoneme). The grafting approach captures this intuition in the most straightforward manner. These cases of morphological apokoinu-hood are instances of conscious creativity. They seem to be the product of intentional reflection about linguistic entities. Nevertheless, such entities also belong to the language faculty and should ideally be described by the tools of grammar. The next case is the opposite – under one perspective at least: the relevant linguistic construct is produced without conscious reflection. Rather: conscious reflection would lead to correction, or to doubts about the linguistic piece’s acceptability. The construction comes about in situations where adhortative Lass uns (even verbatim, i.e. word-by-word: let us, or let's) is combined with a reflexive use of a first person plural pronoun. The German Lass_uns construction is very similar to, albeit slightly more restricted than the English counterpart lets, of which Hopper & Traugott (2003) illustrate a grammaticalization path. The German adhortative Lass_uns expression combines with an infinitival group, for generative grammarians, an infinitival clause with a PRO subject partially bound by the first person plural pronoun:
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(55)
Lass uns nachhause gehen. let us to-home go. “Let’s go home.”
(56)
[ _ silent addressee(i) lass unsi [ PROi nachhause gehen]]
The observation now is: if the embedded infinitival construction contains an object which is a reflexive pronoun bound by PRO (and by transitivity also by uns), then this pronoun is dropped very often. The explanation might be that the grammatically expected correct string of words has to identical words (= uns) in a row: (57)
a. Lass uns uns am Eingang treffen. let us us at-the entrance meet “Let’s meet at the entrance!”
Especially if the infinitival predicate is inherently reflexive, elision of the second uns is much more frequent in spoken language than its presence. Thus, the (b) examples occur much more often, and at first “hear” they even sound better than their actual grammatically correct counterparts in the (a) variants. (57)
b. Lass uns am Eingang treffen. let us at-the entrance meet
(58)
a. Lass uns uns hier hinsetzen. b. Lass uns hier hinsetzen. let us here sit-down “Let’s sit down here.”
(59)
a. Lass uns uns erst nach seinem Tod scheiden. b. Lass uns nach seinem Tod scheiden. let us after his death divorce “Let us divorce only after his death!”
(60)
a. Lass uns uns nicht mehr streiten. b. Lass uns nicht mehr streiten. let us not more argue/fight “Let’s stop fighting/arguing!”
As a matter of fact, with the exception of (60) where streiten could possibly be argued to be construed as a one-place-predicate: in isolation, uns must be present twice. It is an integral part of the Lass_uns-construction, AND it can never be dropped as a complement of (hin-) setzen, treffen, and the situation is even more complicated with scheiden(lassen) and many more. It thus
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seems that the single presence of uns satisfies the valency of two predicates. Several scenarios are possible. However: it seems that the speaker avoids the repetition of the form uns. The sheer doubling of a string of phonemes sounds doggerel or is intuitively anticipated as stutter-like. Morphologists know this phenomenon as haplology. Speakers save themselves from repetition which – on the one hand – seems grammatically correct, but which, in terms of communication, seems to be dispensable, on the phonological side too sumptuous and time-consuming, and from an aesthetic point of view inelegant. Haplology is a phenomenon in diachrony, where it explains contemporary England from EngLA + Land; or synchronically library: laÕ'brΩri > la Õ'bΩri (in American English), or further colloquial: (61)
particularly > particuly pierced-ear earrings > pierced earrings probably > probly
More or less well-known German examples are Zauberin (“witch”, female magician, instead of ZauberERin) or Pilger (pilgrim, instead of PilgERer). The phenomenon is attested in many languages. It should be clear by now how these words and expressions can be captured: a sequence of phonemes can be part of two morphemes simultaneously. Grafting captures this configurational status. Haplology is a relatively long recognized phenomenon in language and language change (somewhat less than 100 years, it is often attributed to Bloomfield (1855-1928). It applies at the phonology-morphology interface, for an assessment also of German data see Wurzel (1976)). There is no reason why the same grammatical mechanism of haplology should not be effective on higher levels such as syntax: Apokoinu-constructions seem to be the syntactic counterpart to haplology: larger-than-word constituents belong to two different clauses. The shared element (the koinon) integrates into two elaborate sentential structures.
Appendix* According to textbooks like Weddige’s Mittelhochdeutsch. Eine Einführung (1999: 169-171), the Nibelungenlied, presumably the most famous document in Middle High German, begins with an apokoinu. This opinion has become a widespread assumption, which, however, is not shared by one of the referees. I understand the reviewer’s reservations very much, especially considering
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the fact that the original text shows no punctuation. However, for the sake of illustration and the established view I quote the “familiar” version at this point. “Nibelungenlied” beginning: (i)
Uns ist in alten mæren wunders vil geseit von helden lobebæren, von grôzer arebeit, von freuden, hôchgezîten, von weinen und von klagen, von küener recken strîten muget ir nu wunder hœren sagen.
With the underlined part being the koinon, arguably interpretable as argument to geseit (“said”), as well as to muget ... hœren (“shall hear”). Karg (1929) brings many more examples from Old and Middle High German, so also from the Nibelungenlied (ii), for example. In addition, Karg provides an insightful discussion of the topic. (ii)
si truogen für dir tür siben tusent toten wurfen sie derfür
Furthermore, Gärtner (1969) assigns a whole article to the apokoinu construction in the Middle High German writings of Wolfram von Eschenbach. A further example, which is more easily accessible to the unfamiliar reader, is to be found in Schiller’s Wilhelm Tell (according to Wierschin (2005), for example): (iii)
Was sein Pfeil erreicht, das ist seine Beute, was da kreucht und fleucht. (In all three cases, i.e. (i), (ii) and (iii), glossing and translations are not important.)
Again, the reviewer rejects this structural interpretation and refers to apokoinus in the contemporary lyric work of Ernst Jandl and Ulla Hahn. I am grateful for this advice. As for the Old Egyptian examples and other references to languages and instances therein, see Schenkel (1966).
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Index a fortiori (frz.) 229, 232, 233 a fortiori-Schluss 245, 249 Adverbkonnektor 2, 3, 5, 10, 28, 30ff., 37, 98, 232, 65, 267–268, 280–285, 290–291, 305–308, 322 amalgam 351, 355, 359–360 base generated in the prefield 43, 66, 69, 72, 75 central adverbial clause 47–54, 56–58, 60, 61, 65–68, 70, 71, 72
Continuation 110, 217, 220, 223, 224 Elaboration 34, 101, 102, 110, 217, 220, 221, 223, 224 Explanation 34, 101, 102, 110, 216, 217, 224 Narration 34, 101, 110, 216, 217, 220, 221, 223, 224, 226 Result 101, 102, 151, 217, 224–227 Diskurssegment 3, 101, 218–220, 223, 224 Epistemizität 165, 171
da (Pronominaladverb) 3, 8, 9, 29, 47, 49–51, 53, 54, 56, 64, 65–70, 83, 156, 158–160, 161,162, 165, 167, 168, 173–175, 200, 211ff., 275, 302, 304ff., 314–317, 325, 326 dass(-Sätze) 7, 9, 10, 19, 20, 26, 31, 41, 45, 59, 60, 61, 65, 67, 68, 69, 72–75, 79, 80, 87, 89, 90, 91, 94, 96–98, 100, 101, 119, 125, 160, 165, 168, 174, 175, 237, 241, 307, 309, 311, 335, 367–369 degree of integration 72 Dekomposition 149, 151, 152, 154, 165, 170 dekrementativ-konklusiver Konnektor 245 dekrementativ-koorientierender Konnektor 252 Diskursreferent 28, 221 Diskursrelation 9, 149, 153, 154, 157, 158, 160, 161, 172, 173, 176, 179, 216, 217, 219ff. Alternation 217, 224 Background 34, 110, 217, 220, 223– 227 Consequence 217, 224–227 Def-Consequence 224–227
Fokus 1, 6, 23, 25, 107, 111, 265, 269, 271–273, 276, 278–280, 282–285, 287–289, 304–305, 315, 317–321 Fokuspartikel 8, 107, 118, 122, 135–138, 141–143, 164, 265, 267, 269, 285, 287–288, 291 Force(-projection) 9, 41, 55, 59, 60–64, 66–69, 75 grafting 10, 358–361, 365, 371, 373, 375 haplology 371, 375 Hypotaxe 181, 192, 196, 199, 202–204 illocution(al potential) 60–63, 66 illokutionäre Rolle 164 information (packaging) 355–356 Intonationsphrase 23, 25, 270–274, 276–278, 281–282, 289–291, 304, 335–336, 346 Kausalkonnektoren 164 Kohäsionslücke 310, 313 Konjunktor 5, 19, 22, 24–25, 30–31, 80, 90, 183, 193–198, 202, 231–232,
380 238, 241, 244, 259, 265–267, 279, 285, 311 Konnekt externes K. 25, 29, 266–268 internes K. 25, 28–29, 155, 265– 266, 268, 308 Konnektorphrase 265–266, 270, 274, 276–278 konzessiv 3, 8, 9, 29, 79, 85, 110, 128, 181, 184–186, 189, 190–191, 193, 195–199, 202–204, 225 Konzessivität 8,181, 184, Koordination 1, 3, 4, 22, 24, 79, 90, 92, 93, 95, 101, 102, 118, 194, 238, 271, 302 koordinierend 82, 84, 92, 95, 97, 101, 194 Korpora 9, 113 let alone (engl.) 229, 231, 245, 249, 250 lexikalisch-semantische Kontraste 301 licensing 55, 58, 61, 62, 69, 72, 75, 361, 363 literarische Hörbuchtexte 297 modales und 85, 99 Modalpartikel, modal particle (MP) 46, 54ff., 61, 65, 68, 73, 267, 269, 280, 288–290, 293, 306 morphologische Markierung 301 Nachfeld 9, 11, 112, 267, 280, 327ff., 334ff. Negation 29, 48, 57, 59, 94, 110, 114, 117, 120, 12, 127, 133, 134, 138, 184, 229, 230, 232–237, 245, 260, 310, 362, 363 negatives Polaritätselement 237, 259 Normalintonation, grammatisch determiniert 300, 313, 314, 315, 317, 321 Parallelstruktur syntaktische 301, 302
Index para-operativ 241 Parataxe 192, 194, 196, 199, 202–203 peripheral adverbial clause 9, 41, 47 propositionale Ebene 152, 162 Prosodie 2, 4, 7, 10–11, 22, 23, 25, 32, 37, 264–265, 269–270, 273, 280, 288–291, 297, 306, 313, 317, 337– 338, 340, 343–346 prosodische Anbindung 327, 331–332, 337, 344, 346 Prozessierbarkeit 199, 203 rechtes Außenfeld 329–330, 332, 336– 337, 342–346 regierende vs. nicht-regierende Konnektoren 10, 265–267, 270, 273–275, 279–280, 291 relatives und 99 Relativsatz 88, 96 root-context 67, 68 Segmented Discourse Representation Structure (SDRS) 26, 218 Segmented Discourse Representation Theory (SDRT) 33, 151, 212, 216 Sprachwandel 142 Subjektivität 149, 154, 176, 183 Subjunktor Subjunktor 21, 25, 28, 66, 183, 185, 194–195, 197, 278, 281– 283, 304–305, 307, 322 Subordination 1, 3, 4, 44, 45, 49, 72, 79, 80, 83, 85, 98, 110, 118, 200, 201 Syntax 4, 5, 7, 10, 22, 37, 42, 43, 59, 62, 63, 82, 101, 115, 185, 193, 201, 229, 236, 267, 273, 291, 299, 301, 337, 339, 343, 344, 351, 358, 360, 361, 367, 375 textdeiktische Verweise 304 Topik 100, 102, 107, 108, 113, 115, 215, 272, 279, 284, 286, 287, 289, 321 Topiksituation 9, 212ff. 221–223, 225–227
Index Topiksituationsproform 212, 214, 216, 222, 223 Topologisches Feldermodell 327 und erst recht (nicht) 230, 231, 233– 236, 246, 253, 254, 258, 259 (un-)grammaticality 53, 70, 351, 352, 371 unintegrated dependent clauses 65, 66, 68, 70, 71, 73 verb second (V2) 41, 42, 45, 46, 50, 51, 52, 60, 62, 65, 68, 72, 73, 93, 193, 278, 367, 369
381 Verknüpfungesbene 9, 24, 149–151, 154, 161, 162, 166, 278 Verrätselung 303, 304, 310 Volitionalität 176 Vorerst- und Nacherstposition 280, 281, 284, 285–287, 291 weder … noch 8, 114, 121, 147, 231, 243, 260