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German Pages 549 Year 1980
Verwaltung im Dienste von Wirtschaft und Gesellschaft
Verwaltung im Dienste von Wirtschaft und Gesellschaft Festschrift für Ludwig Fröhler zum 60. Gehurtstag
herausgegeben von
Peter Oberndorfer und Herbert Schamheck
DUNCKER&HUMBLOT/BERLIN
Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der photomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, für sämtliche Beiträge vorbehalten © 1980 Duncker & Humblot, Berlln 41 Gedruckt 1980 bei Berliner Buchdruckerei Union GmbH., Berlin 61 Printed ln Germany ISBN 3 428 04612 9
Zueignung Diese Festschrift ist einem Mann gewidmet, dessen Lebenswerk am besten mit dem Titel dieser Schrift zu kennzeichnen ist: "Verwaltung im Dienste von Wirtschaft und Gesellschaft" war und ist das Leitmotiv des Wirkens Ludwig Fröhlers. Ludwig Fröhler wurde am 28. April 1920 in Rohrstetten (Bayern) geboren. Im Anschluß an die Reifeprüfung (1938) studierte Ludwig Fröhler an den Universitäten Innsbruck und München Rechts- und Wirtschaftswissenschaften und legte 1940 in München das Referendarexamen ab. Nach fünf Jahren Militärdienst promovierte er 1947 zum Dr. jur. mit einer arbeitsrechtlichen Dissertation. Im gleichen Jahr unterzog er sich der Zweiten juristischen Staatsprüfung. 1948 wurde Fröhler zum Regierungsrat, 1951 zum Oberregierungsrat und 1953 zum Regierungsdirektor am Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr ernannt. Er war dort in verantwortlichen Funktionen tätig, lernte die Verwaltung "von innen her" kennen und beherrschen. 1955 wurde er zum Oberverwaltungsgerichtsrat am Bayerischen Verwaltungsgerichtshof in München bestellt. Sein von jeher bestehendes wissenschaftliches Interesse fand seinen äußeren Ausdruck in der Habilitation im Jahre 1956. Drei Jahre später, 1959, nahm er seine Lehrtätigkeit als ordentlicher Professor für öffentliches Recht an der Universität Erlangen-Nürnberg auf. 1965 folgte er einer Berufung an die neugegründete Hochschule für Sozial- und Wirtschaftswissenschaften in Linz/Donau, die heutige Johannes Kepler Universität, als deren Gründungsrektor er sich bleibende Verdienste erwarb. Fröhler kommt entscheidender Anteil am Aufbau und an der Profilierung dieser Universität zu. Die Stadt Linz, das Land Oberösterreich und die Republik Osterreich honorierten die besonderen Leistungen Ludwig Fröhlers durch Verleihung des Ehrenringes der Stadt Linz (1968), des Großen Ehrenzeichens des Landes Oberösterreich (1972), des Großen Silbernen Ehrenzeichens der Republik Osterreich (1973) und dem Osterreichischen Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst 1. Klasse (1980). o. Univ. Prof. Dr. Ludwig Fröhler ist gegenwärtig Ordinarius für öffentliches Recht und Vorstand des Instituts für Wirtschaftsrecht der Johannes Kepler Universität Linz. Er bekleidet ferner die Funktion eines wissenschaftlichen Leiters des Instituts für Kommunalwissenschaften und Umweltschutz Linz, des Ludwig Boltzmann-Instituts
Zueignung
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für Boden- und Planungsrecht Linz und des Handwerksrechts-Instituts München; er ist Mitglied der wissenschaftlichen Leitung des Instituts für Raumordnung und Umweltgestaltung Linz und des Instituts für Arbeitsmarktpolitik Linz. Wer mit Ludwig Fröhler zusammengearbeitet hat, weiß um den Gedankenreichtum, den Fleiß, aber auch - und nicht zuletzt - die Praktikabilität des wissenschaftlichen CEuvres des Jubilars. Seine Interessengebiete sind ebenso weitreichend wie seine Schriften zahlreich, so daß an Stelle einer detaillierten Würdigung hier nur auf das Schriftenverzeichnis verwiesen werden kann, um dessen Zusammenstellung sich Frau Gertrude Lidl, Sekretärin am Institut für Wirtschaftsrecht und langjährige treue Mitarbeiterin Ludwig Fröhlers, verdient gemacht hat. Die vorliegende Festschrift will den Dank und die Anerkennung zahlreicher Kollegen zum Ausdruck bringen, die sich Ludwig Fröhler wissenschaftlich und menschlich verbunden fühlen. Sie will, in vier Themengruppen gegliedert, Aufsätze unter jenem Leitmotiv der Allgemeinheit vorstellen, das für das Wirken Ludwig Fröhlers bis heute bestimmend geblieben ist: Verwaltung im Dienste von Wirtschaft und Gesellschaft.
Peter Oberndorfer
Herbert Schamheck
Inhaltsverzeichnis I. Zur verfassungsreddlidlen und -politischen Problematik heutiger Verwaltung Erich Eyermann Demokratie -
und "Partizipation" des Staatsbürgers?
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Joachim Kormann Rechtsstaat und Gesetzesstaat - Konsequenz oder Alternative? . . . . . . 23 Herbert Schamheck Verfassungsrecht und Wirtschaftsordnung in Österreich . . . . . . . . . . . . 41 Reinhold Zippelius Dekonzentration der staatlichen und gesellschaftlichen Funktionen. Ein altes und neues Thema 59 Peter Pernthaler Bundesstaatsreform als Voraussetzung einer wirksamen Verwaltungsreform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 Wolf-Rüdiger Schenke Verfassungsrechtliche Grenzen gesetzlicher Verweisungen . . . . . . . . . . 87 Hans-Ernst Folz Zur Anwendbarkeit grundrechtlicher Gewährleistungen der Menschenrechtskonvention im Europäischen Gemeinschaftsrecht . . . . . . . . 127 Hans R. Klecatsky Plädoyer für eine verfassungsrechtliche Harmonisierung der Regionalstrukturen im Alpenraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 Erwin Melichar Die Entwicklung des Naturschutzrechtes in Österreich . . . . . . . . . . . . . . 155
Inhaltsverzeichnis
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ß. Die Verwaltung als handelnder Staat und ihre Kontrolle
Peter Oberndorier Bürgernahe Verwaltung ............................................. 183 Felix Ennacora Zum System der Kollegialverwaltung in Österreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 Horst Sendler Rechtswidrige Antragsablehnung und verschlechternde Rechtsänderung .............................................................. 209 Ferdinand Kopp Die Beteiligung des Bürgers an "Massenverfahren" im Wirtschaftsrecht ............................................................... 231 Johannes Hengstschläger Die "übergangene Partei" im Verwaltungsverfahren und im Verfahren vor den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 Manfred Zuleeg Die Zweistufenlehre. Ausgestaltung, Abwandlungen, Alternativen .. 275
111. Verwaltung und Wirtsdlaft Bernd-Christian Funk Das Wirtschaftsverwaltungsrecht als Teil des Wirtschaftsrechts. Versuch einer systematischen Bestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 Peter Badura Richterliches Prüfungsrecht und Wirtschaftspolitik .................. 321 Carl Hermann Ule GewerbereCht oder Umweltschutzrecht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 Karl Wenger Die Wirtschaftsaufsicht als Rechtsinstitut des Wirtschaftsverwaltungsrechts .............................................................. 373
Inhaltsverzeichnis
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Martin Lendi Die Zusammenarbeit von Staat und Wirtschaft - das atypische Beispiel der schweizerischen Landesversorgung ........................ 391 Hugo J. Hahn Bardepot und Währungsrecht
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Franz Zehetner Die devisenrechtlichen Auskunftsbefugnisse der Gesterreichischen Nationalbank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 445
IV. Selbstverwaltung und Verbandsverwaltung Klaus Stern Zur Lage der kommunalen Selbstverwaltung .....
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Franz-Ludwig Knemeyer Wirtschaftsförderung als kommunale Aufgabe ...
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Hans F. Zacher Richterrecht für Verbände? Die richterrechtliche Ausprägung der Tarifautonomie in der Bundesrepublik Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . 509 Rudolf Strasser Zur fachlich bedingten (= qualifizierten) Mehrfach-Kollektivvertrags-Unterworfenheit eines Arbeitgebers .... 537
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I. Zur verfassungsrechtlichen und -politischen Problematik heutiger Verwaltung
Demokratie- und "Partizipation" des Staatsbürgers? Von Erich Eyermann Habent sua fata libellil, so wird gemeinhin zitiert. Daß ich hieranbewegt und dankbar - dachte, als diese Zeilen niederzuschreiben ich mich anschickte, bedarf sicher nicht vieler Worte angesichts einer drei Jahrzehnte überdauernden ungetrübten, harmonischen Zusammenarbeit mit dem Jubilar bei nicht eben wenigen "libelli". Dann stellte ich fest, daß das Zitat stets verkümmert wiedergegeben wird, daß ihm der Vorspann pro captu lectoris fehlt, und da begann es zu wachsen und zu schillern: nach der Auffassungskraft, nach Begabung und Bildungsgrad2 bemißt sich das Schicksalliterarischen Wirkens. Pro captu dessen, der sie anwendet, akademisch anwendet, wie dessen, der sich ihrer bedient oder zu bedienen vorgibt, wechseln auch Begriffe und Erkenntnisse ihren Inhalt, oft vom Positiven ins Negative, aber auch umgekehrt. Die Naturwissenschaften zeigen es deutlich: sie können neue ethische Werte nicht begründen, sind weder "gut" noch "böse", werden in solche Kategorien erst durch politische Entscheidungen gezwängt. Zu den Begriffen, deren Inhalt pro captu variiert, zählt nicht zuletzt der Begriff Demokratie3, längst zur Allerweltsmünze geworden. Radbruch sah im Relativismus die "gedankliche Voraussetzung der Demokratie" 4 • Und der Relativismus beschränkte sich bei ihm darauf, dem einzelnen "die Möglichkeiten der Stellungnahme erschöpfend vorzulegen, überläßt aber seine Stellungnahme selbst seinem aus der Tiefe der Persönlichkeit geschöpften Entschlusse -, keineswegs also seinem Belieben, vielmehr seinem Gewissen". Der Relativismus bedeutet "Verzicht auf die wissenschaftliche Begründung letzter Stellungsnahmen, nicht Verzicht auf die Stellungsnahme selbst" 5 • Wie 1
Terentianus Maurus (Ende des 3. Jahrh. n. Chr.), Carmen heroicum, Vers
258 (nach Büchmann, Geflügelte Worte).
2 Lateinisch-Deutsches Handwörterbuch von Karl Ernst Georges, 9. Aufl., 1909, unter Captus. a Dazu H. Weichmann, Demokratie im Wandel der Zeit; Festschrift für Alf. Goppel, 1975, S. 114. 4 G. Radbruch Briefe, hrsg. von Erich Wolf, 1968, S. 280 Anm. 108 a. E.; zit. nach Laufs: Veritas, humanitas, iustitia (zu Radbruchs 100. Geburtstag; JuS 1978, 657).
5
Rechtsphilosophie, 8. Aufl., S. 93 ff.
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Erich Eyermann
Radbruch das Verhältnis von Demokratie zum Rechtsstaat sieht, sollte manchem unserer Superdemokraten Anlaß zum Nachdenken geben: "Demokratie ist gewiß ein preisenswertes Gut, Rechtsstaat aber ist wie das tägliche Brot, wie Wasser zum Trinken und wie Luft zum Atmen, und das Beste der Demokratie gerade dieses, daß nur sie geeignet ist den Rechtsstaat zu sichern8." Damit ist knapp, überzeugend und warm gesagt, was - wie ich meine - genau und nur für die Demokratie westlicher Prägung zutrifft. Aber ebendieselben Sätze nehmen die sogenannten Volksdemokratien, ja nahmen und nehmen Diktaturen für sich in Anspruch; das Dritte Reich ist nicht das letzte Beispiel. Die Erscheinungen gleichen sich aber nur äußerlich. Bei den Demokratien im Sinne Radbruchs beruht die Regelung des Zusammenlebens auf der Gewissensentscheidung, die der einzelne von sich aus fällt. Bei den Demokratien anderer Färbung wird die "Gewissensentscheidung" von außen vorgefertigt, notfalls dem einzelnen aufoktroyiert. Nino del Bo, der frühere Präsident der Hohen Behörde der Montanunion, hat einmal gesagt: "Das demokratische Regime verfügt nur dann über Garantien der Überlegenheit und Dauer, wenn es in konstanter Übereinstimmung mit der gesellschaftlichen Wirklichkeit besteht7 ." Gesellschaftliche Wirklichkeit bedeutet hier nichts anderes als die Gesamtheit der Vorstellungen, die nach Wunsch und Willen der überwiegenden Mehrheit des Staatsvolks die Regelung des Zusammenlebens bestimmen sollen. Entscheidend ist die überwiegende Mehrheit. Der Wandel ihrer Vorstellungen kann zu einem Wandel der Rechtsordnung führen, ohne daß diese eine förmliche Änderung erfährt. Communis opinio facit ius. Und es ist die Verhaltensweise lebendiger Individuen, nicht der austauschbaren Mitglieder eines Abstractums "Gesellschaft", mit dem sich die Soziologen befassen. Deshalb ist sozialwissenschaftliche Ausbildung für Juristen geradezu eine Gefahr&. Den falschen Nimbus, mit dem manchenorts das Eindringen der Soziologie in die Rechtswissenschaft umgeben wird, zeigt Bettermann1 in aller gebotenen Deutlichkeit. Und kein Geringerer als Max Weber hat schon 1899 in seiner Heidelberger Abschiedsrede gesagt: "Das Meiste, was unter dem Namen Soziologie geht, ist SchwindeP 0." Das mag zu hart sein. Mit Nachdruck aber ist • Aphorismen zur Rechtsweisheit, hrsg. von Kaufmann, 1963, S. 51. Zit. in Bayer. Verfassung und Bayer. Landtag 1946 bis 1971, S. 30 (Festansprache Prof. Dr. Noack am 2.12.1971). s Schelsky, JZ 1974, 410/414. I ArehÖR 99, 501. 10 Zit. bei Karl Jaspers: Max Weber, Deutsches Wesen im politischen Denken, im Forschen und Philosophieren, 1932, S. 53. 7
Demokratie- und "Partizipation" des Staatsbürgers?
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dem Bestreben der Soziologen entgegenzutreten, den Staat zu einem Anhängsel der Gesellschaft abzuqualüizieren. Im Gegenteil: der Staat ist es, der die Gesellschaft trägt; ohne ihn wäre sie eine unförmige Qualle11 • Schon seit Aristoteles weiß man, daß der Mensch von Natur aus darauf angelegt ist, in festen Bindungen zu leben, in der Familie, in der Gemeinde, im Staat: ävlt(lCOJto; cp?l;eL JtoAmxov trsthoff, S. 176 f,
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Wolf-Rüdiger Schenke
samer Rechtsnormen einräumte, wie dies etwa z. T. hinsichtlich der Sonderverordnungen48, Organisationsvorschriften47 und z. T. noch weiter reichend48 geschieht. Die Vereinbarkeit einer solchen Rechtsetzungsbefugnis mit Art. 80 GG erscheint aber höchst problematisch, zumal m. E. noch nicht der Nachweis erbracht wurde, welchen Sinn eine solche Zweispurigkeit der Rechtsetzung haben soll, dies jedenfalls, wenn man, mit ihr einhergehend, die charakteristischen Unterschiede von Verwaltungsvorschriften und Rechtsverordnungen auch im übrigen einebnet49 • Selbst wenn man sich hierüber hinwegsetzte und - wie dies in der Literatur z. T. bezüglich sogenannter Sonderverordnungen befürwortet wird - von der Befugnis der Verwaltung zum Erlaß außenrechtlich relevanter Normen in Gestalt von Verwaltungsvorschriften ausginge, wäre der Verweisung auf solche Sonderverordnungen im übrigen, wenn auch nicllt aus dem, unter Zugrundelegung dieser Konzeption, nicht einschlägigen Art. 80 GG, wohl aber aus dem hier unmittelbar zur Anwendung kommenden Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip, insofern eine Grenze gesetzt, als sie jedenfalls zu keiner Blankovollmacht der Exekutive führen dürfte, den Inhalt der Verweisungsnorm auszufüllen. Zudem erwiese sich auch hier die Forderung nach einer Publikation des Verweisungsobjekts als unabweisbar. Deshalb ist selbst dann, wenn man der Exekutive das Recht zum Erlaß von außenwirksamen Organisationsvorschriften zubilligt, die von der Rechtsprechung50 anerkannte Rechtsfigur der potentiellen Zuständigkeit schweren verfassungsrechtlichen Bedenken insofern ausgesetzt, als man bei ihr davon ausgeht, eine einfache formlose Erklärung des Kompetenzinhabers könne zu einer Verschiebung der Kompetenz führen. Scheidet nach dem vorher Gesagten eine Extrovertierung von Verwaltungsvorschriften auf dem Wege über die Verweisung wegen der hierin liegenden Umgehung des Art. 80 GG aus, so ist hierbei doch eine (freilich bei näherer Hinsicht nur scheinbare) Ausnahme zu machen. Sie betrifft jene Fälle, bei denen die Verwaltungsvorschrift auch in Verbindung mit der Verweisung nicht anders als ein Bündel individuell-konkreter Verwaltungsanordnungen behandelt werden soll und damit nicht zu einer generell-abstrakten Tatbestandsergänzung der Verweisungsnorm führt. Dann liegt angesichts der charakteristischen Unterschiede, die zwischen Rechtsverordnungen und Verwaltungsvor" Hierzu bes. Böckenförde und Grawert, AöR Bd. 95 (1970), S. 1 ff.; krit. hierzu Erichsen, in: Festschrift f. H. J. Wolff, 1973, S. 219 ff. 47 Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften, S. 250 ff. 48 Vgl. BVerfGE 40, S. 237 ff.; krit. hierzu Schenke, DÖV 1977, S. 27 ff. 48 Aus diesem Grund m. E. nicht überzeugend Krebs, VerwArch. Bd. 70 (1979), s. 259 ff. 60 BVerwG, DVBl. 1962, S. 372 f. u. DVBl. 1965, S. 163; krit. hierzu Schenke, VerwArch. Bd. 68 (1977), S. 118 (145 ff.).
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schriften auch nach deren gesetzlicher Inkorporation bestehen, keine mit einer Rechtsverordnung vergleichbare gesetzesgleiche Wirkung der als Verweisungsobjekt dienenden Verwaltungsvorschrift vor, so daß eine Umgehung des Art. 80 GG zu verneinen ist. Die hier bestehende Differenz wird daran deutlich, daß die Verwaltungsvorschrift nicht generell eine Tatbestandsergänzung der Verweisungsnorm bewirkt, sondern daß von ihr durch eine Verwaltungsanordnung im Einzelfall abgewichen werden kann, und diese Abweichung zugleich zu einer Veränderung des Inhalts der Verweisungsnorm führt, während eine in einer Rechtsverordnung getroffene Normierung nicht in einem Einzelfall derogiert werden kann. Die Unbedenklichkeit der skizzierten dynamischen Verweisung auf Verwaltungsvorschriften wird durch folgende Erwägung bestätigt: Ist eine Verweisung auf individuell-konkrete Verwaltungsanordnungen zulässig - wie dies von der h. M. 61 befürwortet wird -, so kann sich an dieser Zulässigkeit dann nichts ändern, wenn aus praktischen, verwaltungstechnischen Erwägungen die Vielzahl von Anordnungen in einer Verwaltungsvorschrift zusammengefaßt wird. Voraussetzung ist dabei freilich stets, daß die generell-abstrakte Verwaltungsvorschrift (das gleiche müßte für die durch sie ersetzten individuellkonkreten Verwaltungsanordnungen gelten) nach Inhalt, Zweck und Ausmaß hinreichend bestimmt ist. Aus diesem Grund ist, jedenfalls wenn man die in § 2 IV des Bundesgesetzes über die Anwendung unmittelbaren Zwangs verwandten Begriffe der Hieb- und Schußwaffen, Reizstoffe und Explosionsmittel (zumindest in Verbindung mit anderen Vorschriften des UZwG, insbesondere§ 12 II UZwG) für genügend bestimmt ansieht, nichts dagegen einzuwenden, wenn § 2 IV UZwG52 statuiert: Waffen sind die dienstlich zugelassenen Hieb- und Schußwaffen, Reizstoffe und ExplosionsmitteL Eine derartige Anordnung kann hier nämlich sowohl für einen individuell-konkreten Fall sowie in einer generalisiert-abstrakten Form ergehen53• Die Zulässigkeit einer solchen Verweisung ist angesichts der hierdurch möglichen schärferen Tatbestandseingrenzung nicht zuletzt aus rechtsstaatliehen Gründen zu begrüßen. Bedenken aus dem auf diesem Sektor durch Art. 80 GG zurückgedrängten Gewaltenteilungsprinzip lassen sich hiergegen, zumal bei den unterschiedlichen Ausgestaltungen, denen dies Prinzip zugänglich ist und seiner daraus in weitem Umfang resultierenden Konturenu Vgl. hierzu Peters I Ossenbüht, Die Übertragung von öffentlich-rechtlichen Befugnissen auf die Sozialpartner unter besonderer Berücksichtigung des Arbeitszeitschutzes, 1967, S. 73. n Dazu Ute, DVBI. 1962, S. 353 ff.; Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften, S. 352m. w. N.; Baumann, DVBl. 1962, S. 806 ff. 53 Pioch, Gesetz über den unmittelbaren Zwang bei Ausübung öffentlicher Gewalt durch Vollzugsbeamte des Bundes, 1962, § 2, Anm. 7.
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losigkeit, nicht ableiten54 • Ebenso wird man eine solche nach Inhalt, Zweck und Ausmaß gesetzlich eingegrenzte Verweisung schwerlich mit dem Argument in Frage stellen können55, hier schiebe sich zwischen Richter und Gesetz ein durch das Gesetz nicht legitimierter Akt der Exekutive. Die auf dem Wege über eine solche Verweisung begründete Beachtlichkeit solcher Verwaltungsvorschriften auch für die Judikative stellt im übrigen, wie u. a. an § 839 BGB i. V. m. Art. 34 GG, die Ansprüche aus Amtspflichtsverletzung auch an die Zuwiderhandlung gegen Verwaltungsvorschriften knüpfen sowie an der Disziplinargerichtsbarkeit deutlich wird, kein Novum dar56. Die nach der hier vertretenen Auffassung grundsätzlich anzunehmende Unzulässigkeit von dynamischen Verweisungen auf allgemeine Verwaltungsvorschriften führt allerdings nicht stets zur Verfassungswidrigkeit der auf eine solche Verweisung hindeutenden gesetzlichen Regelungen. Zum einen kann, sofern die Verweisung nicht expressis verbis als dynamische Verweisung kenntlich gemacht ist, sie u. U. als statische Verweisung verfassungskonform aufrecht erhalten werden. Selbst wenn dies aber ausscheiden sollte, bietet sich häufig noch ein anderer Weg an, um das Verdikt der Verfassungswidrigkeit bezüglich der gesetzlichen Regelung zu vermeiden. Dieser besteht darin, durch Introvertierung der in der Verwaltungsvorschrift getroffenen Regelung dem Vorwurf einer Umgehung des Art. 80 GG zu entgehen57 • Die "Verweisung" stellt sich dann in Wahrheit entweder als ein Hinweis auf ein bereits unabhängig von der gesetzlichen Regelung bestehendes Recht der Verwaltung zum Erlaß von Verwaltungsvorschriften dar, oder sie enthält eine gesetzliche Ermächtigung zum Erlaß von Verwaltungsvorschriften durch das im Gesetz als Autor der Verwaltungsvorschrift genannte Organ. Eine solche verfassungskonforme Umdeutung des Verweisungsgesetzes ist freilich nur in dem Umfang statthaft, in dem durch das in Art. 20 III GG angesiedelte Prinzip des Gesetzesvorbehalts gesetzliche, mit Außenwirkung ausgestattete Regelungen nicht vorgeschrieben sind. Dies kommt insbesondere auf dem Sektor der Leistungsverwaltung in Betracht, der lange Zeit durch die h. M. unter dem Einfluß der nachwirkenden konstitutionellen Staatsrechtslehre A. A. Karpen, S. 210 f. So aber Karpen, S. 211 u. Weidenbach, Die verfassungsrechtliche Problematik der Blankettstrafgesetze, Diss. Tübingen, 1965, S. 98 ff. 54
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56 Aus denselben Erwägungen sind auch gegenüber einer Strafbewehrung von Verwaltungsvorschriften insofern keine Einwände zu erheben, als diesen hierdurch keine normgleiche Wirkung zukommen soll, sie vielmehr durch individuelle Anordnungen durchbrachen werden können (so auch im Ergebnis Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften, S. 494 f., der sich hiermit aber in Widerspruch dazu setzt, daß er sonst eine dynamische Verweisung als generell unzulässig ansieht). 57 Darauf weist z. B. auch Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften, S. 353 hin.
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aus dem Vorbehalt des Gesetzes gänzlich ausgeklammert wurde, bei dem das Postulat des Gesetzesvorbehalts in neuer Zeit aber zunehmend Terraingewinne zu verzeichnen vermag, ohne daß dies freilich schon die Akzeptierung der verschiedentlich erhobenen Forderung nach einem Totalvorbehalt58 für diesen Bereich bedeutete. Daneben ist für eine solche verfassungskonforme Umdeutung von "Verweisungen" aber, obschon in bescheidenerem Umfang, auch in der Eingriffsverwaltung Platz. Eine Introvertierung der Verwaltungsvorschriften bietet sich insbesondere dann an, wenn das Gesetz der Verwaltung für ihr Handeln einen Ermessensspielraum bzw. (ausnahmsweise) einen gerichtlich nicht überprüfbaren Beurteilungsspielraum einräumt. Den Verwaltungsvorschriften kommt hier die Funktion von Ermessensoder Beurteilungsrichtlinien zu. Voraussetzung für eine solche verfassungskonforme Auslegung ist freilich, daß das Gesetz die auf seiner Basis möglichen belastenden Akte nach Inhalt, Zweck und Ausmaß hinreichend bestimmt. In gewissem Umfang ist die Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung scheinbar als Verweisungsobjekt fungierender Verwaltungsvorschriften im übrigen sogar bei einer strikten Gesetzesbindung der Verwaltung denkbar. Verwaltungsvorschriften kann im Hinblick auf den sich in ihnen manifestierenden Sachverstand, wie insbesondere im Immissionsschutzrecht am Beispiel des § 48 BimSchG deutlich wird, im Rahmen der Konkretisierung gesetzlich verwandter unbestimmter Rechtsbegriffe die Funktion antizipierter Sachverständigengutachten zugebilligt werden59, die bei ihrer Beachtung eine Vermutung für die Gesetzmäßigkeit des Verwaltungshandelns begründen. Der in der Literatur60 verschiedentlich erhobenen, noch weiter reichenden Forderung, den Verwaltungsvorschriften die Bedeutung einer unwiderleglichen Vermutung zuzubilligen, hat sich die Rechtsprechung m. E. zu Recht verschlossen, da sie der Sache nach - ebenso wie die .Annahme einer durch die Verwaltungsvorschrift begründeten Fiktion - nichts anderes als eine getarnte Form der dynamischen Verweisung darstellte. Neben den sich aus dem Gesetzesvorbehalt ergebenden Schranken bezüglich einer verfassungskonformen Introvertierung werden solche schließlich noch - das sei hier schon trotz der bisher erfolgten Ausklammerung des Bundesstaatsprinzips erwähnt - durch die im Grundgesetz vorgesehene Kompetenzaufteilung zwischen Bund und Ländern statuiert. Dies wird vor allem bei 58 Für ihn Jesch, Gesetz und Verwaltung, 1961, passim; Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, 1965, S. 113 ff.; hierzu z. B. Schenke, GewArch. 1977, S. 313 ff. 59 Siehe hierzu BVerwGE 55, S. 250 ff. u. Breuer, DVBl. 1978, S. 28 ff. u. ders., DVBl. 1978, S. 598 f. 60 UZe, BB 1976, S. 446 f. u. ders., BimSchG, Kommentar, 1974 ff., § 48, Rdnr. 3 ff.
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Wolf-Rüdiger Schenke
"Verweisungen" von Landesgesetzen auf bundesrechtliche Verwaltungsvorschriften bedeutsam, stellt sich doch der Erlaß von Verwaltungsvorschriften, materiell gesehen, als Verwaltung dar, die aber gemäß den Art. 83 ff. GG schwerpunktmäßig in den Kompetenzbereich der Länder fällt' 1• c) Die Unzulässigkeit dynamischer Verweisungen auf Normungen Privater Neben der Unzulässigkeit dynamischer Verweisungen auf allgemeine Verwaltungsvorschriften läßt sich aus Art. 80 GG bzw. entsprechenden landesverfassungsrechtlichen Bestimmungen ferner die Unzulässigkeit der in verschiedenen Normen ausgesprochenen dynamischen Verweisungen auf die von privaten Organisationen geschaffenen Normungen ableiten62 • Es kann dabei dahingestellt bleiben, ob Art. 80 GG mit der h. M. die Bedeutung beizumessen ist, daß er eine Delegation von Rechtsetzungskompetenzen an Private generell untersagt; daraus, daß diese als Delegatare in Art. 80 GG nicht genannt werden, kann dies angesichts der in Art. 80 GG vorgesehenen Möglichkeit zu einer Subdelegation sicher nicht geschlossen werden63 • Vielmehr ergibt sich allein hieraus nur die Verfassungswidrigkeit einer im formellen Gesetz unmittelbar ausgesprochenen Ermächtigung zum Erlaß von Normen an Private und folglich - gemäß dem hier verfolgten Ansatz - die Unzulässigkeit einer gesetzesgleich wirkenden dynamischen Verweisung des Gesetzgebers auf die von privaten Institutionen geschaffenen Normungen. Auch läßt sich die Unzulässigkeit der in Rechtsverordnungen ausgesprochenen Verweisungen auf derartige Regelvorschriften sicher nicht mit dem Hinweis rechtfertigen64, sie führe bei ihrer Zulässigkeit zur Rechtsschutzlosigkeit des Bürgers gegenüber solchen Normungen. Letztere würden nämlich bei rechtswirksamer Verweisung inhaltlich in die verweisende Rechtsverordnung inkorporiert und unterfielen damit insoweit sehr wohl jenem Rechtsschutz, der- durch Art. 19 IV GG verfassungsrechtlich garantiert65 - gegenüber Rechtsverordnungen zum Zuge kommt. Die Zulässigkeit von Verweisungen dürfte in den Fällen, in denen sie bisher praktisch relevant wurde, aber, selbst wenn man eine Beleihung Privater mit Rechtsetzungsbefugnissen als nicht durch Art. 80 GG bzw. entsprechende landesverfassungsrechtliche Bestimmungen untersagt ansehen würde66 , daran scheitern, daß sie, gemäß den übersehen wird dieser Aspekt von Schröcker, NJW 1967, S. 2289. So auch Ossenbühl, DVBl. 1967, S. 404; Karpen, S. 131 ff.; Staats, in: Studien, S. 251; Breuer, AöR Bd. 101 (1976), S. 60 ff.; Arndt, JuS 1979, S. 787; Nikusch, S. 204 ff.; Hanning, S. 64 ff.; Schäfer, S. 102 ff.; Conradi, S. 52 ff. 83 Verfehlt deshalb Nikusch, S. 158. 81
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8'
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Nikusch, S. 209; Conradi, S. 54. Ausführlich hierzu Schenke, Rechtsschutz
bei normativem Unrecht, 1979.
Verfassungsrechtliche Grenzen gesetzlicher Verweisungen
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allgemein für die Beleihung geltenden Grundsätzen, eine staatliche Aufsichtsmöglichkeit über die Beliehenen voraussetzt87, an der es hinsichtlich der technische Normungen erlassenden privaten Institutionen derzeit mangelt. Zumindest aus demselben Grund lassen sich gesetzliche Verweisungen ferner nicht als Inkorporation durch privatrechtliehe Organisationen geschaffenen Satzungsrechts rechtlich aufrechterhalten. Was die Verweisung auf Satzungsrecht anbetrifft, ist zusätzlich - ganz allgemein - zu beachten, daß, soweit hierdurch der Anwendungsbereich der Satzung über den Kreis der Mitglieder des mit Autonomie ausgestatteten Verbandes hinaus erstreckt wird, hierin eine verfassungswidrige Umgehung des Art. 80 GG begründet wäre68 • Selbst wenn eine Ausdehnung des Anwendungsbereichs der Norm vermieden wird, ist zu beachten, daß das Satzungsrecht bei Eingriffen in den Grundrechtsbereich Beschränkungen unterliegt, die im Zusammenhang mit einer gesetzlichen Verweisung auf Satzungen analog Beachtung beanspruchen. Den hier gegen eine dynamische Verweisung auf private Normungen unter dem Gesichtspunkt einer verdeckten Übertragung von Rechtsetzungsgewalt erhobenen Bedenken läßt sich nicht mit Erfolg entgegenhalten611, der Gesetzgeber verweise auch sonst dynamisch auf durch das Verhalten von Bürgern ausfüllbare Rechtsbegriffe wie Verkehrssitte, Handelsbräuche, Treu und Glauben und ähnliches. Eine solche Verweisung, die seit jeher dem Recht bekannt ist, kann nämlich sicher nicht mit jenen Fällen verglichen werden, in denen auf die Willensentscheidung einer privaten Organisation verwiesen wird, die damit- bei Zulässigkeit einer solchen Verweisung- die Möglichkeit besitzen würde, durch einen volitiven Akt auf eine Änderung des positiven Rechts hinzu wirken. Ist demnach eine Verweisung auf von privaten Organisationen aufgestellte Regelungen als verfassungsrechtlich unzulässig anzusehen, so bedeutet dies freilich noch nicht, sie habe stets dem Verdikt der Verfassungswidrigkeit anheimzufallen. Vielmehr besteht auch hier, ähnlich wie bei der "Verweisung" auf Verwaltungsvorschriften, die Möglichkeit, solche "Verweisungen" verfassungskonform dahingehend auszulegen, daß diesen Normungen eine Beweisfunktion bezüglich der Erfüllung gesetzlich verlangter Anforderungen - etwa auf technischem Sektor - zukommen soll und sie bei ihrer Beachtung eine gesetzliche Vgl. hierzu Peters I Ossenbühl, S. 58; Nikusch, S. 158 m. ausf. Nachw.; Bd. 101 (1976), S. 63. 87 Dazu z. B. Peters I Ossenbühl, S. 43; allgemein zur Beleihung Steiner, Öffentliche Verwaltung durch Private, 1975. es Siehe in diesem Zusammenhang auch Breuer, AöR Bd. 101 (1976), S. 64 f. 89 So aber Herschel, S. 126. 88
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Vermutung in dieser Richtung begründen70 • Insofern wirken sie ähnlich wie Verwaltungsvorschriften als eine Art antizipiertes Sachverständigengutachten. d) Die dynamische Verweisung auf Rechtsverordnungen Bedenken gegen die Zulässigkeit gesetzlicher dynamischer Verweisungen werden vielfach auch insofern erhoben71 , als der Gesetzgeber durch Verweisungen Rechtsverordnungen in ihrer jeweiligen Fassung inkorporiert. Diese Auffassung erscheint aber bei näherer Hinsicht schwerlich haltbar. Da eine Rechtsverordnung gemäß Art. 80 GG eine nach Inhalt, Zweck und Ausmaß hinreichend konkretisierte gesetzliche Ermächtigung voraussetzt, können hier angesichts der Übersehbarkeit des insoweit unter der Kontrolle des Gesetzgebers bleibenden Verweisungsobjekts keine Einwände erhoben werden72 • Eine Kollision mit der in Art. 80 GG getroffenen Regelung wäre hier allenfalls im Hinblick darauf in Betracht zu ziehen, daß der Gesetzgeber unmittelbar andere Organe als die in Art. 80 GG als Erstdelegatare aufgeführten als Autoren des Verweisungsobjekts zu benennen vermag. Diese Argumentation sticht jedoch deshalb nicht, da auch eine nicht von Bundesregierung, Bundesministern oder Landesregierung erlassene Rechtsverordnung im Anwendungsbereich des Art. 80 GG nur über den in Art. 80 GG vorgezeichneten Weg der Subdelegation geschaffen werden könnte. Würde der Gesetzgeber auf Rechtsverordnungen der in Art. 80 I GG genannten, zu einer Subdelegation ermächtigten Delegatare verweisen, so vermöchten im übrigen unter dem hier angesprochenen Aspekt sicher keine Einwendungen gegen solche Verweisungen erhoben werden. Es will dann aber nicht einleuchten, warum etwas anderes gelten soll, wenn unmittelbar auf die vom Subdelegatar geschaffene Regelung verwiesen wird, zumal auf diese Weise der Rechtsklarheit in größerem Umfang gedient ist als bei der Verweisung auf eine weiter delegierbare Rechtsetzungsbefugnis. Der Umstand, daß das Verweisungsobjekt anders als bei einer Delegation - mit seinem Inhalt, soweit auf ihn verwiesen wird, Gesetzesrang besitzt, begründet angesichts der Zulässigkeit gesetzesändernder Rechtsverordnungen ebenfalls keinen durchschlagenden Einwand. Die Unzulässigkeit einer dynamischen Verweisung auf Rechtsverordnungen würde im übrigen den mit der Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen verbundenen· Entlastungseffekt in10 So auch Karpen, S. 133 ff.; Breuer, AöR Bd. 101 (1976), S. 60; für Deutung als prima-facie-Beweis Hanning, S. 68 ff. 71 So Ossenbühl, DVBl. 1967, S. 404; Karpen, S. 122 u. ders., in: Studien, S. 233; Arndt, JuS 1979, S. 786. 72 Im Ergebnis wie hier Schröcker, NJW 1967, S. 2289; teilweise ähnlich Staats, in: Studien, S. 251, allerdings nur für Verweisungen innerhalb eines Gemeinwesens.
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ill
sofern in Frage stellen, als sie den Gesetzgeber jeweils zu einer Wiederholung des in einer Rechtsverordnung ausgedrückten Inhalts bzw. zu einem Hinweis hierauf zwingen würde. Dies würde sich insbesondere bei Strafnormen nachteilig bemerkbar machen, die, jedenfalls im Anwendungsbereich des Art. 104 I GG, nur im Wege eines formellen Strafgesetzes erlassen werden können73 • Damit stieße die Strafbewehrung untergesetzlicher Rechtsvorschriften, z. B. die von Polizeiverordnungen, auf schier unüberwindliche praktische Schwierigkeiten, da sie den Gesetzgeber völlig überfordern müßte. Dieser hätte bei neu erlassenen oder geänderten Rechtsverordnungen, die strafbewehrt werden sollen, unter Umständen auf Hunderte von Verordnungen immer aufs Neue statisch zu verweisen, obschon ihm deren Inhalt im einzelnen oft gar nicht mehr bekannt wäre74 • Um dem zu entgehen, böte sich als, freilich überaus problematischer, Ausweg nur an, anstelle der unzulässigen dynamischen Verweisung auf detaillierte Rechtsverordnungen mit blankettartigen Begriffen im Tatbestand zu operieren, wodurch aber wiederum die unter rechtsstaatliehen Gesichtspunkten angezeigte Tatbestandsbestimmtheit von Normen - selbst wenn man sie als verfassungsrechtlich noch hinnehmbar ansähe -leiden müßte. Im übrigen spricht gerade der Umstand, daß der Gesetzgeber in gewissem Umfang auch nach ganz h. M. mit generalklauselartigen Begriffen arbeiten darf, diese aber in nicht unerheblichem Umfang inhaltlich durch nähere Einzelheiten regelnde, tatbestandsergänzende, blankettausfüllende Rechtsverordnungen ersetzbar sind, für die Zulässigkeit dynamischer Verweisungen auf untergesetzliche Rechtsvorschriften75 , die den Vorteil größerer Rechtsklarheit und Bestimmtheit in sich tragen. Dies läßt sich etwa an folgendem, der Monographie Karpens76 entnommenen Beispiel demonstrieren: Eine Strafbestimmung der Art: "Wer aus polizeilichen Gründen (oder: zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung) erforderliche Feuerlöschgeräte überhaupt nicht oder nicht in brauchbarem Zustand hält, wird ... bestraft" ist tatbestandsbestimmt. Diese Strafnorm soll aber nach Karpen inhaltlich nichts anderes normieren als der frühere § 368 Ziff. 8 1. Alt. StGB: "Wer die Vgl. hierzu etwa BVerfGE 14, S. 145 ff. Hier gehen bezeichnenderweise auch Karpen, S. 208 f. und Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften, S. 493 ff. - im Gegensatz zu der sonst von ihnen im übrigen bezogenen Position - von der Zulässigkeit einer solchen Verweisung aus, freilich ohne überzeugende Gründe für die hier von ihnen getroffene Differenzierung anzugeben. Das Blankettgesetz erfüllt ja, wie Karpen, S. 67, einräumen muß, all die für eine Verweisung charakteristischen Merkmale (siehe auch Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften, S. 498, der die Verwandtschaft von Blankettgesetzgebung und dynamischer Verweisung konzediert). 75 So im Zusammenhang mit Blankettstrafgesetzen auch Karpen. S. 208 f. 7B Karpen, S. 209. 73
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polizeilich vorgeschriebenen Feuerlöschgeräte überhaupt nicht oder nicht in brauchbarem Zustand hält ... ", nur wurde die Verweisung auf die Blankettausfüllung durch polizeiliche Vorschriften, also Polizeiverordnungen und Verfügungen, in der 1. Fassung durch die polizeiliche Generalklausel ersetzt. Karpen folgert nun daraus, wenn die in der Generalklausel enthaltene Strafbestimmung tatbestandsbestimmt sei, so müsse auch die hiermit identische Blankettstrafnorm verfassungsrechtlich zulässig sein. Dem kann zwar insofern nicht uneingeschränkt beigepflichtet werden, als die zweite Tatbestandsfassung dann zu einer Verengung des Straftatbestands führt, wenn polizeiliche Vorschriften für Feuerlöschgeräte überhaupt nicht erlassen wurden bzw. in Konsequenz des dem Verordnungsgeber eingeräumten Gestaltungsspielraums ihr Anwendungsbereich gegenüber der polizeilichen Generalklausel reduziert wurde - insoweit liegt keine Identität vor -, wohl aber könnten bei ihr erst recht keine Bedenken gegen die tatbestandsbestimmtere, die Strafbarkeit enger eingrenzende Vorschrift des § 368 Ziff. 8 1. Alt. StGB erhoben werden. Sind demnach jedoch Verweisungen selbst im Bereich von Blankettstrafgesetzen zulässig, obschon hier eine Einflußmöglichkeit der Verwaltung auf den Inhalt von Strafrechtsnormen besonders problematisch erscheint, so muß dies zumindest in gleichem Umfang bei anderen Normen gelten, zumal auch, praktisch gesehen, angesichts der Verflechtung bestimmter Regelungen für eine dynamische Verweisung zwischen ihnen ein ähnlich großes Bedürfnis wie im Bereich der Blankettstrafgesetzgebung bestehen kann. Es vermag deshalb nicht einzuleuchten, wenn in der Literatur77 einerseits bei Blankettstrafgesetzen eine dynamische Verweisung für zulässig gehalten wird, sie sich im übrigen hingegen nach dieser Auffassung als ein Verfassungsverstoß darstellen soll. Das Erfordernis der inhaltlichen Bestimmtheit des Verweisungsobjekts- bei dem Karpen78 bezeichnenderweise auf Art. 80 I S. 2 GG rekurriert gilt in gleicher Weise auch bei anderen gesetzlichen Verweisungen als verfassungsgesetzliche Schranke und verhindert damit die Erteilung einer Blankovollmacht an die Exekutive. Art. 80 I S. 2 GG bzw. entsprechende landesverfassungsrechtliche Bestimmungen sind zudem auch heranzuziehen, wo auf Satzungen dergestalt verwiesen wird, daß diesen hierdurch Relevanz selbst für solche Personen zukommt, die nicht Mitglieder des mit Autonomie ausgestatteten Verbandes sind. Bedeutsam wird dies z. B. dann, wenn der Verstoß gegen als innerkorporatives Satzungsrecht zu qualifizierende Bestimmungen einer Geschäftsordnung des Gemeinderats kraft Gesetzes zugleich zur Unwirksamkeit von Beschlüssen im Außenver77 78
Siehe Karpen, S. 208 f. u. Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften, S. 493 ff. Karpen, S. 207.
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hältnis führen soll (siehe z. B. Art. 45 II u. 47 II der Bayerischen Gemeindeordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 31.5.1978 (GVBI. S. 353)).
2. Gesetzliche Verweisungen als Verstöße gegen das Bundesstaatsprinzip? Bei den bisherigen Untersuchungen blieben die Fälle der Verweisungen von Bundesrecht auf Landesrecht und Verweisungen in der umgekehrten Richtung unerörtert. Sie, die in der Praxis eine nicht zu unterschätzende Rolle spielen, werden in der neueren Literatur79 in zunehmendem Maße als generell verfassungswidrig angesehen, da sie gegen das Bundesstaats- und Demokratieprinzip verstießen. Bei näherer Hinsicht stellen sich freilich gegenüber einem so apodiktisch ausgesprochenen Urteil Bedenken ein. Was zunächst das Bundesstaatsprinzip anbetrifft, erscheint bereits die pauschale Berufung auf diesen ganz unterschiedlicher Ausgestaltung zugänglichen Grundsatz - ähnlich wie die Deduktion aus sonstigen allgemeinen verfassungsrechtlichen Strukturprinzipien-höchst anfechtbar. Ausgangspunkt für die folgende Untersuchung muß vielmehr die konkrete Ausgestaltung des Bundesstaatsprinzips sein, die sich auf dem hier interessierenden Sektor, speziell in den die Gesetzgebungszuständigkeiten regelnden Vorschriften des GG, niedergeschlagen hat. Dieses geht von einer differenzierten Aufteilung der Gesetzgebungskompetenz zwischen Bund und Ländern aus. Neben Gesetzesmaterien, die in die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes fallen (s. Art. 73 GG) und solchen, die gemäß Art. 70 GG für die ausschließliche Gesetzgebung der Länder reserviert sind, finden sich Regelungsbereiche, die, sei es durch Begründung einer konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes oder (in schwächerem Umfang) durch eine Rahmengesetzgebungskompetenz des letzteren prinzipiell einer Regelung sowohl durch Bund wie auch durch Länder zugänglich sind. a) Unzulässigkeit dynamischer Verweisungen im Bereich der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz der Länder Im Bereich der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz der Länder ist insoweit der Bund gemäß Art. 70 I GG von jeder gesetzgeberischen 79 Von einem Verstoß gegen das Bundesstaatsprinzip gehen aus Karpen, S. 194 f.; Staats, in: Studien, S. 251; Schmitt, DVBI. 1977, S. 694; Arndt, JuS 1979, S. 789; teilweise auch Ossenbühl, DVBI. 1967, S. 405; Bedenken in dieser Richtung auch bei BVerfGE 47, S. 313; offen gelassen wird die Frage vom VG Hamburg, NJW 1979, S. 669; für bundesstaatlich unbedenklich werden solche Verweisungen von Schröcker, NJW 1967, S. 2289 f. u. Jansen, DÖV 1979, S. 333 bewertet, ebenso offenbar BayVGH, BayVBl. 1960, S. 323; BVerwG, Buchholz 238.90 Nr. 7; BVerfGE 26, S. 366 f.
8 Festschrift für Ludwlg Fröhler
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Aktivität ausgeschlossen. Diese verfassungsgesetzliche Entscheidung kann nicht überspielt werden, indem die Länder im Bereich ihrer ausschließlichen Gesetzgebungszuständigkeit auf parallele, andere Sektoren betreffende Normierungen des Bundes dynamisch verweisen. Bei der logischen Austauschbarkeit von gesetzlicher Ermächtigung eines anderen Gesetzgebers sowie von Verweisungen auf dessen Regelungen impliziert das verfassungsrechtliche, an die Länder adressierte Verbot, den Bund zur Gesetzgebung zu ermächtigen (siehe auch den Umkehrschluß aus Art. 71 GG) und damit über ihre ausschließliche Gesetzgebungskompetenz zu disponieren, zugleich das Verdikt der Verfassungswidrigkeit bzgl. einer praktisch zum gleichen Resultat führenden gesetzlichen Verweisung. Demgegenüber kann nicht mit Erfolg darauf hingewiesen werden, eine Verweisung von Landesrecht auf Bundesrecht könne deshalb nie unter dem bundesstaatliehen Aspekt beanstandet werden, weil sie im Gegenteil zu einer unter bundesstaatliehen Gesichtspunkten nur zu begrüßenden Harmonisierung von Bundes- und Landesrecht führe 80 • Ein derart unitarisierendes Verständnis des Bundesstaatsprinzips verkehrt dessen Anliegen- die Wahrung der Vielheit in der staatlichen Einheit - in sein genaues Gegenteil und mißachtet überdies, daß gerade auf dem Sektor der ausschließlichen Landesgesetzgebung die Verfassung eine bundesgesetzliche Gleichschaltung der Länder verhindern will. Aus diesem Grund ist die in Rheinland-Pfalz sowie in Berlin bezüglich des Verwaltungsverfahrens getroffene dynamische Verweisung auf das Bundesverwaltungsverfahrensgesetz (siehe § 1 III des Rh.-Pf. und des Berl. VwVfG) jedenfalls insoweit wegen Verstoßes gegen die bundesstaatliche Kompetenzordnung verfassungswidrig, als hier das BVwVfG auch auf die Fälle der Ausführung von Landesgesetzen durch Landesbehörden anwendbar sein so1181 • In diesem Bereich besteht nämlich, wie an dem Art. 70 GG i. V. m. Art. 83 ff. GG deutlich wird, eine ausschließliche Gesetzgebungskompetenz der Länder. Aus analogen Gründen ist die in den Kommunaiabgabengesetzen der Länder vielfach ausgesprochene dynamische Verweisung auf die Abgabenordnung zumindest partiell verfassungswidrig, da sie de facto darauf hinausläuft, dem Bund eine Rechtsetzungsbefugnis für den Bereich des Kommunalrechts einzuräumenB2 • Hier besitzen die Länder, sofern sie nicht von der Möglichkeit einer Parallelgesetzgebung Gebrauch machen wollen, nur die Möglichkeit einer statischen Verweisung auf Bundesrecht. Sofern eine verfassungskonforme Auslegung der Verweisung als statische ausscheidet, dürfte So aber Schröcker, NJW 1967, S. 2290. Zur Problematik dieser Verweisung s. auch Ehlers, DVBl. 1976, S. 693 ff. 82 Mit Art. 105 li GG läßt sich, entgegen Jansen, DÖV 1979, S. 333, die Zulässigkeit einer solchen Verweisungspraxis schon deshalb nicht rechtfertigen, weil die Kommunalabgaben nicht nur Steuern erfassen. 8o
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die dynamische Verweisung nur als teilnichtig anzusehen83 sein und das Bundesrecht in der Fassung zur Anwendung kommen, in der es bei Schaffung des Verweisungsgesetzes galt. b) Die bundesstaatliche Zulässigkeit dynamischer Verweisungen von Bundesrecht auf Landesrecht Im Bereich der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz des Bundes liegen die Dinge hingegen etwas anders. Hier ist den Ländern zwar von sich aus die Regelung einer Gesetzgebungsmaterie verwehrt, gemäß Art. 71 GG können sie aber in einem Bundesgesetz ausdrücklich zur Gesetzgebung ermächtigt werden, sind damit also nicht generell von der Gesetzgebung ausgeschlossen. Nun kann zwar die Ermächtigung zur Gesetzgebung, von der Art. 71 GG spricht - was in der Literatur z. T. übersehen wird84 - , nicht unmittelbar mit der bundesgesetzliehen Verweisung auf Landesrecht gleichgesetzt werden. Das im Wege der Ermächtigung durch die Länder gesetzte Recht stellt sich als Landesrecht dar, das durch eine Verweisung inkorporierte Landesrecht gilt kraft des Verweisungsbefehls als Bundesrecht. Hiervon abgesehen bestehen aber, was die Ermächtigung und die Verweisung anbetrifft, keine Unterschiede, ein Grund, aus dem heraus wir ja bei unseren bisherigen Erörterungen die Zulässigkeit von Verweisungen an den für Ermächtigungen geltenden Vorschriften maßen. Von daher betrachtet begegnet es m. E. keinen Bedenken, wenn man in der Befugnis zur Ermächtigung des Landesgesetzgebers zugleich eine Ermächtigung des Bundesgesetzgebers zur Verweisung auf Landesrecht sieht85 • 88, ja, man könnte hier sogar dergestalt argumentieren, daß- unter dem hier zunächst einzig interessierenden Aspekt des Bundesstaatsprinzips - der Eingriff in das verfassungsrechtlich ausgestaltete bundesstaatliche Gefüge bei einer bundesgesetzliehen Verweisung auf Landesrecht geringer ist als bei der zur Schaffung von Landesrecht führenden Delegation des Art. 70 GG und damit einen argurnenturn a maiore ad minus-Schluß aus Art. 71 GG ziehen. Siehe auch Staats, in: Studien, S. 251. So von Jansen, DOV 1979, S. 333. 85 Der Zusammenhang zwischen der Verweisungsproblematik und der Aufteilung der Gesetzeskompetenzen zwischen Bund und Ländern klingt auch bei Jansen, DOV 1979, S. 333 an. es Aus den nämlichen Gründen dürfte auf dem in Art. 24 GG angesprochenen Sektor auch eine Verweisung auf das Recht supranationaler Organisationen (ausführlich hierzu Fuß, S. 293 ff.) zulässig sein, zutreffend daher BVerfGE 29, S. 210 und auch Staats, in: Studien, S. 251, der sich hiermit freilich in Widerspruch dazu setzt, daß er zugleich eine dynamische Verweisung zwischen Bundes- und Landesrecht für generell verfassungswidrig ansieht. 83
84
a•
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Die Gründe, die eine bundesgesetzliche Verweisung auf landesrechtliehe Vorschriften selbst im Bereich der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz des Bundes erlauben, sprechen erst recht- angesichts der hier schon von Verfassungs wegen begründeten Gesetzgebungskompetenz der Länder - dafür, eine bundesgesetzliche Verweisung auf landesrechtliche Vorschriften in den Sektoren der konkurrierenden Gesetzgebung unter dem bundesstaatliehen Aspekt für unbedenklich anzusehen87 • Aus den geschilderten Erwägungen heraus findet es seine Erklärung und Rechtfertigung, wenn Ossenbühl88 eine bundesgesetzliehe Verweisung auf Landesrecht unter dem bundesstaatliehen Aspekt für generell verfassungsrechtlich zulässig ansieht. Die von ihm hierfür gegebene Begründung, eine solche bundesgesetzliche Verweisung sei deshalb erlaubt, weil sie "im Gegenteil eine Verstärkung der Länderpositionen und damit eine Kräftigung des bundesstaatliehen Gedankens bewirke", vermag allerdings ichwerlieh zu überzeugen, denn das Bundesstaatsprinzip schützt Kompetenzverlagerungen am Grundgesetz vorbei nicht nur in eine Richtung und müßte insofern - auch wenn in dieser Hinsicht in der Praxis angesichts der den modernen Industriestaat kennzeichnenden unitarischen Tendenzen ein geringeres Bedürfnis besteht - einer Aushöhlung von Gesetzgebungskompetenzen des Bundes durch die Länder ebenfalls entgegenwirken. Es leuchtet deshalb nicht ein, wenn Ossenbühl trotzder Bejahung der Zulässigkeit solcher bundesgesetzlicher Verweisungen auf Landesrecht Verweisungen in umgekehrter Richtung für generell verfassungswidrig ansieht. Zur Klarstellung sei im übrigen noch angemerkt, daß in Konsequenz der von uns angestellten Überlegungen eine dynamische Verweisung von Bundesrecht auf Landesrecht selbstverständlich dann unzulässig sein muß, wenn hierdurch das Landesrecht über den Bereich des einzelnen Landes hinaus Geltung erlangen soll, etwa für das ganze Bundesgebiet. Eine solche Verweisung erweiterte de facto in unzulässiger Weise das Gesetzgebungsrecht des einzelnen Landes über dessen Hoheitsbereich hinaus auf andere Länder und würde sich damit- ebenso wie eine dynamische Verweisung von Landesrecht auf das eines anderen Landes- als ein eklatanter Verstoß gegen das Bundesstaatsprinzip darstellen.
87 Mit der Verweisung auf Landesrecht bringt der Bundesgesetzgeber dabei zum Ausdruck, daß er das Land nicht von jeder Einflußnahme auf die Normierung einer bestimmten Gesetzesmaterie ausschließen will. Deshalb kann gegenüber einer solchen Verweisung nicht eingewandt werden, sie sei mit dem bundesrechtlichen Kodifikationsprinzip unvereinbar (übersehen wird dies offenbar von BVerfGE 47, S. 313 f.). 88 Ossenbüh~, DVBI. 1967, S. 405, Fn. 40.
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c) Dynamische Verweisungen von Landesrecht auf Bundesrecht im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit Schwierige Probleme stellen sich im Zusammenhang mit der Verweisung von Landesrecht auf Bundesrecht im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes und der Rahmengesetzgebung. Die hier mit der Verweisung auf Bundesrecht verbundene de-facto-Verlagerung der Rechtsetzung könnte zunächst insofern verfassungsrechtliche Zweifel provozieren, als der Bund in diesem Bereich nur unter den Voraussetzungen des Art. 72 GG gesetzgebungsbefugt ist, diese aber bei einer- unter bundesstaatliehen Aspekten- generell tolerierten Verweisung von Landesrecht auf Bundesrecht umgangen werden könnten. Dem ist aber zum einen entgegenzuhalten, daß Art. 72 II GG bei seiner sehr eingeschränkten Justiziabilität89 allenfalls in Extremfällen einer Gesetzgebung des Bundes auf dem Sektor der konkurrierenden Gesetzgebung im Wege zu stehen vermöchte, zudem dieratiodes Art. 72 II GG den Fall der gesetzlichen Verweisung von Landesrecht auf Bundesrecht zumindest nicht voll erfaßt. Das bundesgesetzliche Verweisungsobjekt gilt kraft Verweisung nur als Landesrecht und auch hier nur beschränkt in jenem die Verweisungsnorm erlassenden Land; das Land vermag, hiermit zusammenhängend, anders als dies beim Erlaß vom Bundesrecht zuträfe, die geschaffene Norm jederzeit zu ändern. Sein Gesetzgebungsrecht wird also nicht durch bundesrechtliche Regelungen verdrängt bzw. verbraucht. So gesehen dürften gegenüber einer Verweisung von Landesrecht auf Bundesrecht im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung letztlich doch keine durchschlagenden Einwände bestehen90 • Nicht überzeugend erscheint mir insbesondere das in der Literatur91 verschiedentlich benutzte Argument, eine Verweisung von Bundesrecht auf Landesrecht sei deshalb unzulässig, weil das GG wie sich aus einem Umkehrschluß aus Art. 24 GG ergebe- eine Übertragung von Hoheitsbefugnissen des Bundes auf die Länder verbiete, die Verweisung von Bundesgesetzen auf Landesrecht aber in ihren praktischen Auswirkungen einer solchen Übertragung sehr nahe komme. Bei dieser Argumentation wird schlicht übersehen, daß, jedenfalls im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit, es einer Übertragung von Gesetzgebungsbefugnissen auf die Länder entsprechend Art. 24 GG deshalb nicht bedarf, weil hier bereits von Verfassungs wegen eine Gesetzgebungskompetenz der Länder besteht. 89 Vgl. hierzu m. ausf. Nachw. aus der Rspr. des BVerfG: Leibholz I Rinck, GG, 5. Aufl., 1975, Art. 72, Rdnr. 4. 00 Anders aber Karpen, S. 195; Staats, in: Studien, S. 251; Ossenbühl, DVBl. 1967, S. 405; Arndt, JuS 1979, S. 789. 91 So etwa Karpen, S. 195; ähnlich Arndt, JuS 1979, S. 789.
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Ebenso ist - entgegen Karpen - auf diesem Sektor das Fehlen einer Art. 24 GG entsprechenden Vorschrift in den Landesverfassungen angesichtsder ohnehin schon existenten Gesetzgebungsbefugnis des Bundes unschädlich. Unter diesen Umständen erscheint eine Argumentation aus Art. 24 GG nicht schlüssig. Hält man eine Verweisung, die sich in dem durch Art. 24 GG vorgezeichneten Rahmen bewegt, wegen ihrer Rechtsähnlichkeit mit einer Übertragung von Zuständigkeiten für zulässig, so dürfte man von daher gesehen erst recht keine Bedenken gegenüber der Verweisung auf einem solchen Sektor anmelden92 , für den der Schöpfer des Verweisungsobjekts ohnehin schon gesetzgebungsbefugt ist. d) Verweisungen von Landesrecht auf Bundesrecht im Bereich der Rahmengesetzgebungszuständigkeit des Bundes Ist eine Verweisung im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung unter bundesstaatliehen Aspekten nicht zu beanstanden, so gilt doch teilweise anderes für den der Rahmengesetzgebung des Bundes unterfallenden Sektor, freilich auch hier nicht wegen Art. 72 II GG, sondern im Hinblick darauf, daß eine unbegrenzte Zulassung landesrechtlicher Verweisungen auf Bundesrecht dem Bund eine über den Umfang der Rahmengesetzgebung hinausreichende Gestaltung der jeweiligen Gesetzesmaterie ermöglichte und damit in der Tat die grundgesetzlich intendierte Aufteilung der Gesetzgebungskompetenzen in verfassungswidriger Weise de facto aushöhlte. Die Verweisung darf damit dem Bund keine über die Ziehung eines Rahmens hinausreichende Einflußmöglichkeit gewähren. Überschreitet sie diese Grenzen, ist sie aus den analogen Gründen, die oben in Verbindung mit der Unzulässigkeit gesetzlicher Verweisungen im Bereich der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz der Länder angeführt wurden, verfassungswidrig. So wäre es etwa unzulässig, wenn ein Land bezüglich des Rechts der Landesbeamten die Vorschriften des Bundesbeamtengesetzes generell für entsprechend anwendbar hielteus. 3. Gesetzliche Verweisungen als Verstoß gegen das Demokratieprinzip? Auch wenn eine Verweisung von Bundesrecht auf Landesrecht bzw. umgekehrt aus bundesstaatliehen Aspekten nicht zu beanstanden ist, Inkonsequent daher Staats, in: Studien, S. 251. Die nach Schröcker, NJW 1967, S. 2285 von einem früheren niedersächsischen Ministerpräsidenten geäußerte Ansicht, nach der das Landesbeamtenrecht sich durch den einzigen Satz regeln lasse "Auf die Landesbeamten ist das Bundesbeamtengesetz anzuwenden", erweist sich damit als rechtlich nicht haltbar. 82
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wird hiermit nun freilich noch nicht gesagt, ob eine solche gesetzliche Verweisung nicht im Hinblick auf andere verfassungsrechtliche Strukturprinzipien auszuscheiden hat. In Betracht kommen hier sowohl das Rechtsstaatsprinzip wie das Demokratieprinzip94 , die, sofern es sich nicht um Verweisungen von Bundesrecht auf durch bundesrechtliche Ermächtigung gedeckte landesrechtliche Rechtsverordnungen handelt, nicht durch Art. 80 GG zurückgedrängt werden und deshalb als unmittelbarer Parameter einer solchen Verweisungspraxis gelten können. Insbesondere das Demokratieprinzip ist durch die Verweisung von einer Rechtsordnung auf eine andere berührt. Die Verweisungspraxis führt nämlich dazu, daß der Inhalt des Verweisungsgesetzes in mehr oder weniger großem Umfang nicht durch den Gesetzgeber des Verweisungsgesetzes, sondern den des Verweisungsobjekts bestimmt wird. Das durch den Gesetzgeber sanktionierte Verweisungsgesetz bildet hier quasi nur eine Hülle, die unterschiedlich auffüllbar ist. Im Extremfall kommt es zum von Quaritsch95 so plastisch bezeichneten Phänomen des "parlamentslosen Parlamentsgesetzes". Aus den bezeichneten Gründen wird eine gesetzliche dynamische Verweisung von Bundesrecht auf Landesrecht oder umgekehrt vielfach generell als verfassungswidrig angesehen. Dem ist in dieser Allgemeinheit jedoch schwerlich zu folgen. Sofern das gesetzlich bezeichnete Verweisungsobjekt hinsichtlich seines Inhalts, seines Zweckes und Ausmaßes bestimmt ist86, ist die inkorporierte Regelung im Verweisungsobjekt für den Gesetzgeber noch hinreichend überschaubar und der gesetzgeberische Wille somit nicht blind. Hier ist aus analogen Gründen, die wir oben im Zusammenhang mit der innerhalb einer Rechtsordnung vorgenommenen dynamischen Verweisung von Gesetzen auf Rechtsverordnungen benannten, die gesetzliche Verweisung als zulässig anzusehen. Sofern landesrechtliche Rechtsverordnungen auf der Basis von Bundesgesetzen erlassen sind und nunmehr auf sie gesetzlich verwiesen wird, kann die Unbedenklichkeit einer solchen Praxis schon aus Art. 80 GG erschlossen werden. In diesem Fall ist die landesrechtliche Rechtsverordnung - bereits unabhängig von der Verweisung- nach Inhalt, Zweck und Ausmaß bundesgesetzlich determiniert. Auch außerhalb des (direkten oder entspre94 Aus ihm wird die Unzulässigkeit einer solchen Verweisung von Ossenbühl, DVBI. 1967, S. 404; Karpen, S. 172ff.; Staats, in: Studien, S. 251; Arndt, JuS 1979, 785; Fuß, S. 298 f. abgeleitet; ebenso auch BVerfGE 47, S. 315 VG Hamburg, NJW 1979, S. 668 f.; a. A. Schröcker, NJW 1967, S. 2289; Jansen,
DÖV 1979, S. 333. 95 Quaritsch, Das parlamentslose Parlamentsgesetz, 2. Aufl., 1961. 98 Diesem Kriterium wurde interessanterweise auch früher in BVerfGE 26, S. 366 f. Bedeutung bei der Beurteilung der Zulässigkeit einer Verweisung beigemessen, ' '
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chenden) Anwendungsbereichs des Art. 80 GG ist aber gegen eine Verweisung bei entsprechend hinreichend konkretisiertem Verweisungsobjekt nichts einzuwenden, zumal dann, wenn dieses Verweisungsobjekt (s. Man. S. 34) ein formelles Gesetz darstellt und damit als solches zusätzlich eine unmittelbare demokratische Legitimation besitzt. Bezüglich der im Verweisungsgesetz getroffenen inhaltlichen Eingrenzungen, an die die Inkorporation des Verweisungsobjekts gebunden ist, wird man im übrigen je nach der geregelten Materie unterschiedlich strenge Anforderungen stellen müssen. Das Konkretisierungserfordernis beansprucht insbesondere dann, wenn die Verweisungsnorm Eingriffe in grundrechtsgeschützte Bereiche impliziert, eine strikte und engherzige Interpretation. Die Konkretisierung des Verweisungsobjekts kann sich dabei zum einen aus einschränkenden Voraussetzungen ergeben, an welche die Verweisung im Verweisungsgesetz gebunden ist, sie kann u. U. aber auch daraus folgen, daß das Verweisungsobjekt, etwa sofern es der Ausfüllung eines bundesrechtlich vorgewiesenen Rahmens dient, bereits in diesem hinreichend vorgezeichnet ist, so z. B. bei einer Verweisung auf eine die Fürsorgepflicht des Dienstherrn konkretisierende Verordnung, welche Beihilferegelungen enthält und die das Landesrecht für entsprechend anwendbar erklärt. Analoges dürfte dann anzunehmen sein, wenn dem Verweisungsobjekt ein inhaltlich bereits ausgeformtes, überkommenes Institut zugrunde liegt, von dem das BVerfG'7 - allerdings nicht ganz unbedenklich - etwa bezüglich eines Planfeststellungsverfahrens ausging. U. U. läßt sich auch aus dem Zusammenhang, in dem das Verweisungsobjekt steht, bzw. aus dessen Regelungsfunktion eine ausreichende Bestimmtheit erschließen. Dies kommt insbesondere bei Verweisungen auf paragraphenmäßig bezeichnete Vorschriften einer gesetzlichen Regelung in Betracht, die nur dann sinnvoll sind, wenn das Gesetz, in dem das Verweisungsobjekt steht, im Grundsatz unverändert bleibt, und die daher auch mit dieser Einschränkung zu verstehen sind. Beispiele für nach den eben genannten Kriterien zulässige Verweisungen werden sich vor allem im Zusammenhang mit als Verweisungsobjekte dienenden Rechtsverordnungen ergeben. Man denke hier etwa an die im früheren § 366 Nr. 10 StGB vorgesehene Strafbestimmung, die eine Geldstrafe bis zu 150 DM oder Haft bis zu 14 Tagen vorsah, wenn die zur Erhaltung der Sicherheit, Bequemlichkeit, Reinlichkeit und Ruhe auf den öffentlichen Wegen, Straßen, Plätzen oder Wasserstraßen erlassenen Polizeiverordnungen übertreten wurden. Hier war - ähnlich wie z. B. bei dem fr. § 366 a StGB- der Inhalt der als Verweisungsobjekt dienenden Rechtsverordnung, jedenfalls unter Beachtung der allge87
f3Yer!O:E 26, S. 366 f,
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meinen polizeirechtlichen Grundsätze, hinreichend vorgezeichnet. Noch offenkundiger ist die Zulässigkeit der Verweisung bei § 120 I Nr. 1 OWiG i. d. F. der Bekanntmachung v. 2. 1. 1975 (BGBI. I S. 80), der einen Ordnungswidrigkeitstatbestand für den Fall festlegt, daß "einem durch Rechtsverordnung erlassenen Verbot, der Prostitution an bestimmten Orten oder zu bestimmten Tageszeiten nachzugehen", zuwidergehandelt wird. An den geschilderten Beispielen wird im übrigen deutlich, daß als Verweisungsobjekt für den Bund auch solche Normen in Betracht kommen, die in die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz der Länder fallen. Ein Eingriff in die Gesetzgebungszuständigkeit der Länder liegt hierin deshalb nicht, weil die Verweisungsnorm, als dem ~trafrecht zugehörig, anders als das Verweisungsobjekt, der Gesetzw gebungskompetenz des Bundes unterfällt, und die Verweisung zudem nicht die Folge hat, daß erst durch sie- wie es etwa bei der Verweisung auf Verwaltungsvorschriften zutreffen kann und dann zusätzlich bundesstaatswidrig wäre - dem Verweisungsobjekt normative Geltungskraft verschafft wird (wäre dies der Fall, läge in der Tat ein unzulässiger Eingriff in die Gesetzgebungskompetenz der Länder vor). Die angeführten Fälle zeigen im übrigen, zu welch unpraktikablen Konsequenzen die Annahme einer generellen Unzulässigkeit dynamischer Verweisungen von Bundesrecht auf Landesrecht führen müßte. Um neu erlassene oder geänderte polizeirechtliche Verordnungen bundesrechtlich strafrechtlich zu bewehren, müßte hier der Gesetzgeber jeweils die Verweisungsnorm immer wieder aufs neue erlassen bzw. auf die neu ergangenen Polizeiverordnungen hinweisen, ein Ergebnis, dessen Absurdität angesichts der großen Zahl von Polizeiverordnungen wohl auf der Hand liegt. Dem Phänomen des "parlamentslosen Parlamentsgesetzes", das durch das generelle Verbot dynamischer Verweisungen vermieden werden soll, könnte auf solche Weise sicher nicht gegengesteuert werden, vielmehr würde eine solche Praxis den Gesetzgeber unnötig belasten und ihm die dringend erforderliche Zeit für seine andere Gesetzgebungsarbeit nehmen, damit aber den Trend zum "parlamentslosen Parlamentsgesetz" noch verstärken. Zu beachten ist dabei ferner, daß es Fälle gibt, in denen andere Gesetze nur als Tatbestandsmerkmale98 fungieren, deren konkretem Inhalt für die in der Verweisungsnorm getroffene Regelung keine ausschlaggebende Bedeutung zukommt99 • Hier brauchen diese Gesetze inhaltlich auch unter demokratischen Aspekten für den Gesetzgeber 98
Siehe hierzu Engisch, Die Einheit der Rechtsordnung, 1935, S. 27, Fn. 3;
Karpen, S. 42 f.
88 Verfehlt aber Staats, in: Studien, S. 246, der diesen Gedanken allgemein bei Blankettgesetzen für anwendbar hält, da es bei ihnen nicht auf den Inhalt der Norm ankomme.
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der Verweisungsnorm nicht in gleicher Weise bestimmt zu sein. So erscheint es etwa bei der früheren Regelung des § 360 Nr. 9 StGB (der einen Übertretungstatbestand für den Fall statuierte, daß jemand "gesetzlichen Bestimmungen zuwider ohne Genehmigung der Staatsbehörde Aussteuer-, Sterbe- oder Witwenkassen, Versicherungsanstalten . . . errichtet") als durchaus fraglich, ob hier diese gesetzlichen Bestimmungen, insbesondere nach dem Zweck, der mit ihnen verfolgt wurde- neben polizeirechtlichen Gründen konnte hier die Einführung der Genehmigungspflicht z. B. aucll. wirtschaftspolitischen Zielen dienen -, dem sonst für die Verweisung gebotenen Bestimmtheitserfordernis genügt. Da es für die Strafbarkeit jedoch entscheidend sein sollte, daß die Errichtung der von § 360 Nr. 9 genannten Kassen und Anstalten ohne den Formalakt der Genehmigung erfolgte - bezeichnenderweise war deshalb die Strafbarkeit selbst dann vorgesehen, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung der Genehmigung vorlagen -, bedurfte es insoweit auch aus der Sicht des Demokratieprinzipes keiner näheren Konkretisierung der gesetzlichen Bestimmungen. Es gilt insoweit ähnliches wie etwa bezüglich der Regelungen des § 839 BGB, des § 823 II BGB oder des § 134 BGB. Hier ist - obschon, formal gesehen, ein Unterschied zur Verweisung nicht zu bestehen scheint- der konkrete Inhalt der als Anknüpfungspunkt dienenden Rechtsnorm für die von § 839 BGB angeordnete Rechtsfolge des Schadensersatzes ohne Bedeutung, maßgeblich ist lediglich, daß durch diese Norm Amtspflichten i. S. des § 839 BGB begründet sind bzw. sie die abstrakten Kriterien eines Schutzgesetzes i. S. des § 823 II oder eines Verbotsgesetzes nach§ 134 BGB erfüllen. Sofern es sich nicht um einen der Fälle handelt, bei dem Gesetze in der gerade geschilderten Weise als Tatbestandsmerkmale fungieren und nicht ihr konkreter Inhalt, sondern ein durch sie erfülltes abstraktes Kriterium für die in der Verweisungsnorm ausgesprochene Folge maßgeblich ist, ist eine nicll.t hinreichend bestimmte dynamische Verweisung zwischen Bundesrecht und Landesrecht prinzipiell verfassungswidrig. Die fehlende demokratische Legitimation einer nicht genügend konkretisierten, blankettartigen Verweisung von Bundesrecht auf Landesrecht und umgekehrt läßt sich insbesondere nicht durch die demokratische Legitimation des vom Landesparlament bzw. Bundesparlament erlassenen Verweisungsobjekts kompensieren100 • Dies zum einen bereits wegen der fehlenden Identität von Landesvolk und Bundesvolk als demokratischen Souveränen, zum anderen aber auch deshalb, weil das als Verweisungsobjekt dienende formelle Gesetz nur als solcll.es, d. h. in dem ihm ursprünglich eröffneten Anwendungs100
1967,
Nicht überzeugend daher Jansen, DÖV 1979, S. 333 und Schröcker, NJW s. 2289.
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bereich, eine demokratische Legitimation durch das es erlassende Parlament besitzt, nicht jedoch bezüglich der ihm durch die Verweisung erschlossenen Geltung, durch die es u. U. in einen nicht unerheblich anderen Sinnzusammenhang gestellt werden kann und damit einen Bedeutungswandel erfährt. Insofern besteht ein grundlegender Unterschied zwischen etwa dem ein bundesrechtliches Rahmengesetz ausfüllenden Landesgesetz und dem kraftVerweisungüber seinen ursprünglichen und eigentlichen Regelungsbereich hinaus relevant werdenden gesetzlichen Verweisungsobjekt. Bei letzterem braucht der Autor des Verweisungsobjekts - von extremen, sich aus dem Bundesstaatsprinzip unter dem Gesichtspunkt der Bundestreue u. U. ergebenden Limitierungen einmal abgesehen - die sich aus einer Änderung des Verweisungsobjekts für das Verweisungsgesetz ergebenden Folgen gar nicht zu reflektierentot und wird dies auch vielfach nicht tun. Selbst wenn zwischen der durch das Verweisungsobjekt geregelten Gesetzesmaterie und derjenigen, die durch die Verweisungsnorm erfaßt wird, weitgehende Verwandtschaften und Ähnlichkeiten feststellbar sein sollten, die eine analoge gesetzliche Regelung rechtfertigen, vermag dies - von den praktisch kaum je relevant werdenden Fällen abgesehen, bei denen Art. 3 GG zwingend eine Gleichbehandlung beider Materien fordert - an der rechtlichen Beurteilung nichts zu ändern. Eine Harmonisierung von Bundes- und Landesrecht ist nur auf dem Wege über eine Parallelgesetzgebung bzw. eine statische Verweisung möglich. Im übrigen sind aber die verfassungsrechtlichen Bedenken bzgl. der zwischen Bundes- und Landesrechtsordnung vorgenommenen Verweisung selbstverständlich dann besonders groß, wenn Verweisungsobjekt und Verweisungsnorm in einem nicht unerheblich divergierenden Regelungszusammenhang stehen und daher, von der Natur der Sache her gesehen, unterschiedliche Gesichtspunkte im Zusammenhang mit der gesetzlichen Regelung der durch Verweisungsobjekt und der durch Verweisungsnorm erfaßten Gesetzesmaterie Beachtung verdienent02. Aus den angegebenen Gründen hat das BVerfG zu Recht eine dynamische Verweisung für unzulässig angesehen, kraftderer im Landesrecht bzgl. der Gerichtsgebühren vorgesehene Befreiungsregelungen zugleich eine Minderung der Notargebühren nach sich ziehen sollten. Das - von uns in anderem Zusammenhang bereits früher zurückgewiesene - Argument, ein Verstoß gegen das Demokratieprinzip liege hier deshalb nicht vor, weil der Schöpfer der Verweisungsnorm die Herrschaft über sein Gesetz insofern behalte, als er dies jederzeit 1o1 Dies wird richtig von BVerfGE 47, S. 316 gesehen und auch durch die Gesetzgebungspraxis im Fall des§ 144 III KostO belegt. 102 So bei BVerfGE 47, S. 316 f.; auch der Fall VG Hamburg, NJW 1979, S. 667 ff. war so gelagert.
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abändern könne, überzeugt deshalb nicht, weil bis zu einer Aufhebung des Verweisungsgesetzes Änderungen des Verweisungsobjekts den Inhalt des Verweisungsgesetzes beeinflussen103. Die Zulässigkeit dynamischer Verweisungen zwischen Bundesrecht und Landesrecht über den oben gezogenen Rahmen hinaus läßt sich auch nicht unter Hinweis104 auf die angeblich parallel gelagerte Problematik des internationalen Privatrechts rechtfertigen, in dem seit jeher Verweisungen auf die in anderen Rechtsordnungen getroffenen Regelungen sogar dann als unbedenklich angesehen werden, wenn diesem ausländischen Recht - vorausgesetzt, es genügt nur dem ordre public - eine demokratische Legitimation abgeht. Bei dieser zunächst bestechenden Argumentation wird verkannt, daß die nationalen Regeln des internationalen Privatrechts lediglich Kollisionsregelungen darstellen, durch dieindem der Anwendungsbereich des nationalen Rechts zugunsten einer ausländischen Rechtsordnung eingeschränkt wird - die ausländischen Normen nicht in das innerstaatliche Recht inkorporiert werden und damit als deutsches Recht gelten106• Insofern liegen die Dinge hier ganz abgesehen davon, daß entsprechende Regelungen ohnehin nicht in der Lage wären, verfassungsrechtliche Postulate zu verdrängen gänzlich anders als bei einer gesetzlichen Verweisung. Immerhin läßt sich der Hinweis auf die vermeintliche Parallele zum internationalen Privatrecht für die hier untersuchte Problematik insofern fruchtbar machen, als eine Regelung, die als verfassungswidrige, dynamische Verweisung von Bundesrecht auf Landesrecht erscheint, u. U. als eine das Verhältnis von Bundes- und Landesrecht zueinander regelnde zulässige Kollisionsnorm zu qualifizieren ist. Haben etwa einzelne Länder eine Gesetzesmaterie im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung geregelt, auf die nunmehr der Bundesgesetzgeber Zugriff nehmen will, so kann er dort, wo landesrechtliche Regelungen dieser Materie bereits existieren, bestimmen, daß sich insoweit die geregelten Rechtsbeziehungen nicht nach den bundesrechtlichen Normierungen, sondern nach den jeweils geltenden Vorschriften des Landesrechtes richten (siehe z. B. § 1 111 BVwVfG). Letztere werden damit nicht etwa zu Bundesrecht, sondern der Bund läßt hier nur den von den Ländern getroffenen Regelungen den Vortritt gegenüber der bundesrechtlichen Normierung, deren Geltungsanspruch insoweit reduziert wird. Umgekehrt kann der Landesgesetzgeber klarstellen, daß er für eine bestimmte Regelung - obschon der Bund hier dem Landesgesetzgeber die Befugnis eingeräumt hat, gegenüber dem Bundesrecht vorrangige Regelungen zu erlassen - von diesem Recht keinen Gebrauch 1 03 10 t 105
Nicht überzeugend daher Jansen, DÖV 1979, S. 334. So aber Jansen, DÖV 1979, S. 334; Schröcker, NJW 1967, S. 2290. Dies konzediert auch Schröcker, NJW 1967, S. 2290.
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machen will und es insoweit bei der Geltung der bundesrechtlichen Regelung bleiben sollio8 • Angesichts der hier bestehenden grundlegenden Unterschiede zu einer Verweisung ist es daher nicht gerechtfertigt, wenn z. T. auch Fälle dieser Art der Verweisungsproblematik zugeschlagen werden107 • Ebenso wie die eben behandelten Kollisionsnormen bzw. die das Verhältnis von Bundes- und Landesrecht zueinander klarstellenden Hinweise von den, unter demokratischen Aspekten Zweifel hervorrufenden, echten Verweisungen getrennt werden müssen, gilt das gleiche für jene Fallgestaltungen, bei denen - was im Zusammenhang mit der ausschließlichen Gesetzgebung des Bundes relevant wird -der Bund das Land zur Regelung einer Materie ermächtigt. Ist eine dynamische Verweisung gemäß den vorher entwickelten Grundsätzen als verfassungswidrig anzusehen und scheidet auch ihre Umdeutung in eine statische Verweisung aus, so bewirkt diese Verfassungswidrigkeit in der Regel nicht die gesamte Nichtigkeit der Verweisungsnorm, sondern diese ist insofern aufrechtzuerhalten, als sie auf jene Fassung des Verweisungsobjektes verweist, die im Zeitpunkt der Schaffung der Verweisungsnorm galt.
C. Resümee Zusammenfassend kann festgestellt werden, daß statische gesetzliche Verweisungen, bei denen der Inhalt des Verweisungsobjekts in der Verweisungsnorm hinreichend bestimmt ist, sowohl auf materielle Gesetze wie Verwaltungsvorschriften und von privaten Institutionen erlassene Normungen grundsätzlich zulässig sind; bei der Verweisung auf Verwaltungsvorschriften und die von Privaten geschaffenen Vorschriften ist allerdings zu beachten, daß hier die Verlautbarung des Verweisungsobjekts für den Betroffenen zugänglich und ihrer Art nach für amtliche Anordnungen geeignet sein muß. Dynamische Verweisungen, bei denen auf das Verweisungsobjekt in seiner jeweiligen Fassung verwiesen wird, begegnen jedoch wegen der hierin liegenden (zumindest partiellen) de facto-Verlagerung der Rechtsetzung verfassungsrechtlichen Bedenken. Eine dynamische Verweisung auf allgemeine Verwaltungsvorschriften bzw. von privaten Organisationen erlassene Normungen ist wegen des hierin liegenden Verstoßes gegen Art. 1oe Insofern lassen sich die von § 1 III des Berliner und des RheinlandPfälzischen VwVfG getroffenen Regelungen wenigstens insofern verfassungskonform aufrechterhalten, als es um den Vollzug von Bundesgesetzen durch Landesbehörden geht. 101 Eine Vermengung der Verweisung mit anderen Rechtsphänomen findet sich z. B. bei Staats, in: Studien, S. 249; ebenso verfehlt, wenn Baden, NJW 1979, S. 625 in der Regelung des § 144 III KostO keine Verweisung, sondern einen Vorbehalt sehen will.
i26
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80 GG bzw. entsprechende landesverfassungsrechtliche Bestimmungen (siehe auch Art. 28 I S. 1 GG) in der Regel verfassungswidrig. Sie kann aber unter Umständen verfassungskonform aufrechterhalten werden, indem den Verwaltungsvorschriften nur Innenwirkung zugebilligt wird oder ihnen - was auch für private Normungen in Betracht kommt im Hinblick auf den in ihnen zum Ausdruck kommenden Sachverstand die Funktion eines antizipierten Sachverständigengutachtens zugebilligt wird. Unter bundesstaatliehen Aspekten sind Verweisungen von Bundesrecht auf Landesrecht grundsätzlich zulässig, untersagt ist eine dynamische Verweisung von Landesrecht auf Bundesrecht lediglich im Bereich der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz der Länder. Sie unterliegt zudem auf dem Sektor der Rahmengesetzgebung des Bundes insofern Einschränkungen, als sie dem Bund keine über seine Rahmenkompetenz hinausreichende Einflußmöglichkeit auf den Inhalt des Landesrechts einräumen darf. Verweisungen von Bundesrecht auf Landesrecht sind dort, wo der Inhalt des Verweisungsobjekts nicht bereits durch Art. 80 GG begrenzt wird, im Hinblick auf das Demokratieprinzip nur zulässig, wenn sich aus der Verweisung in Verbindung mit dem Verweisungsobjekt eine hinreichende Begrenzung des möglichen Inhalts des Verweisungsgesetzes nach Inhalt, Zweck und Ausmaß ergibt. Entsprechende Einschränkungen der Zulässigkeit von gesetzlichen Verweisungen ergeben sich aus dem Demokratieprinzip auch für landesgesetzliche Verweisungen auf Bundesrecht.
Zur Anwendbarkeit grundrechtlicher Gewährleistungen der Menschenrechtskonvention im Europäischen Gemeinschaftsrecht Von Hans-Ernst Folz*
I. Der Frage nach einem wirksamen Grundrechtsschutz des Gemeinschafts- oder Marktbürgers vor den Hoheitsäußerungen der GerneiDschaftsgewalt wird in der gemeinschaftsrechtlichen Diskussion wie kaum einem anderen Thema Beachtung geschenkt1 • Allerdings stehen sich wie kaum anderswo gegensätzliche Positionen gegenüber. Auch seitdem sich die Literatur der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) über die Existenz eines "gemeinschaftseigenen" Grundrechtsschutzes angeschlossen hat, gibt es weiterhin recht unterschiedliche Positionen zu einer Reihe von grundlegenden Fragen wie etwa Entstehung und Geltungsgrund der Grundrechte im Gemeinschaftsrecht, "Grundrechtsfähigkeit" der Europäischen Gemeinschaft (EG), Umfang des Grundrechtsschutzes, strukturell konforme Ausgestaltung der der Grundrechte im Hinblick auf die nationalen Verfassungen, Effektivität des gemeinschaftlichen Grundrechtsschutzes, Geltung "klassischer" Grund- und Freiheitsrechte im Gemeinschaftsrecht, Geltung der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) in der EG, Beitritt der EG zur EMRK u. a. m. 2 •
* Für Mithilfe ist Herrn Univ.-Doz. DDDr. Waldemar Hummer herzlich zu danken. 1 A. Bleckmann, Europarecht, 2. Aufl. (1978), S. 80 ff., 164 ff., 186 ff.; ders., Allgemeine Grundrechtslehren (1979), S. 13 ff., 34 f.; I. Pernice, Grundrechtsgehalte im Europäischen Gemeinschaftsrecht (1979), S. 15; Chr. Sasse, Der Schutz der Grundrechte in den Europäischen Gemeinschaften und seine Lücken, in: H. Mosler IR. Bernhardt IM. Hilf (Hrsg.), Grundrechtsschutz in Europa (1977), S. 51, sowie die Nachweise in und bei den folgenden Anmerkungen sowie G. Nicolaysen, Europäisches Gemeinschaftsrecht (1979), S. 17 ff. mit zahlreichen weiteren Nachweisen. 2 Dazu grundlegend H. Claudi, Die Bindung der EWG an Grundrechte (1976); Grundrechtsschutz in Europa, op. cit.; H.-E. Rengeling, Grundrechtsschutz in den Europäischen Gemeinschaften: Beitritt der Europäischen Gemeinschaften zur Europäischen Menschenrechtskonvention?, in: EuR 211979, S. 124 ff.; Die Grundrechte in der Europäischen Gemeinschaft (1978); BullEG, Beilage 5176: Der Schutz der Grundrechte in der Europäischen Gemeinschaft; BullEG, Beilage 2179: Beitritt der Gemeinschaften zur Menschenrechtskon-
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Über all diesen komplexen dogmatischen Fragen wurde der konkreten Fragestellung, inwieweit sich aus der EMRK überhaupt bestimmte Grundrechtsverbürgungen für das Gemeinschaftsrecht herleiten lassen, geringere Aufmerksamkeit geschenkt, was auch für den pragmatischen Aspekt einer eventuellen praktischen Relevanz der Konventionsrechte gilt. Deshalb sollen hier einige Betrachtungen zum speziellen Problem einer (überhaupt) möglichen Anwendbarkeit einzelner Konventionsgewährleistungen innerhalb der EG angestellt werden. Anlaß dazu gibt auch die immer intensiver werdende Diskussion und Behandlung der Grundrechtsproblematik in den Organen der Europäischen Gemeinschaft, Anlaß zu einer erneuten Überprüfung bisher eingenommener Positionen. Der im Zuge entstehender Erweiterungsbestrebungen der EG und notwendiger institutioneller Umstrukturierungen in Richtung auf eine Wirtschafts- und Währungsunion oder gar auf die "Europäische (Politische) Union" hin3 erforderliche Legitimitätsbedarf für die Gemeinschaftsgewalt hat nicht nur zu einer erneuten Bekundung des rechtsstaatliehen Charakters der EG seitens der Gemeinschaftsorgane Anlaß gegeben\ sondern auch zu weiteren Grundsatzerklärungen und Stellungnahmen zum Grundrechtsschutz in den Gemeinschaften geführt: neben der Entschließung des Europäischen Parlaments (EP) vom 4. April 19735 und dem Bericht der Kommission
vom·4. Februar 1976 über den Schutz der Grundrechte bei der Schaffung und Fortentwicklung des Gemeinschaftsrechts an das EP und den Rat8 , ist in diesem Zusammenhang insbesondere auf die "Gemeinsame Erklärung des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission vom 5. 4.1977 zum Grundrechtsschutz in der EG" 1 sowie die Erklärung des Europäischen Rats vom 7.18. April 1978 zur Demokratie und zum Schutz der Grundrechte in der Gemeinschaft8 zu verweisen, weil damit insbesondere auch der rechtspolitischen Forderung des
vention. Memorandum der Kommission; R. Bernhardt, Probleme eines Grundrechtskatalogs für die Europäischen Gemeinschaften, Anhang zum BullEG - Beilage 5/76 (Der Schutz der Grundrechte in der Europäischen Gemeinschaft). Zu einem speziellen Teilaspekt L. Fröhter, Die Angleichung des Handwerksrechts in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, GewArch. 1961, s. 145 ff. 3 Vgl. in diesem Zusamenhang H.-E. Fotz, Das Modell der Europäischen Politischen Gemeinschaft von 1953154, in: Rechtliche Probleme der Einigung Europas, Deutsch-Französische Tagungen (1979), mit ·weiteren Nachweisen in Fn. 39 zur gesamten Problematik der Grundrechte im Europäischen Gemeinschaftsrecht. 4 "Die Gemeinschaft ist ein ,Rechtsstaat'." Vorschläge des EuGH zur Europäischen Union, BullEG-Beilage 9175. 5 ABI. Nr. C 27, S. 7 ff., vom 30. 4. 1973. 8 BullEG-Beilage 5176. 7 G. Nicotaysen IM. Schweizer I W. Hummer, Europarecht (1980), S. 159 f. 8 Schweitzer I Hummer, S. 160, voller Wortlaut in: EA (1978), D 284.
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EuGH in seinen Vorschlägen zur Europäischen Union - "daß die Staaten in einer allgemeinen Formel die Notwendigkeit anerkennen, die Grundrechte der Person im Rahmen der Struktur und der Ziele der Europäischen Union zu wahren" 9 - Rechnung getragen wird. Einen vorläufigen Abschluß findet diese Entwicklung im Memorandum der
Kommission vom 4. April 1979 betreffend den Beitritt der EG zur
EMRK10, in dem die Kommission den Beitritt der EG zur EMRK aus einer ganzen Reihe von Gründen für wünschenswert hält; ihrem Beispiel folgt kurz darauf das EP, das in seiner Entschließung vom 27. April1979 ebenfalls den Beitritt der EG zur EMRK fordert 11 • Fügt man diesen - rechtlich zwar unverbindlichen12, politisch aber wegen der grundsätzlichen Absichtserklärung bedeutsamen - Dokumenten noch die im Verlauf der Diskussion um die Gewährung "besonderer Rechte" für die EG-Bürger13 seit der Gipfelkonferenz vom 9./10. Dezember 197414 unterbreiteten Vorschläge zur weiteren Ausgestaltung des Menschen- und Bürgerrechtsschutzes in der EG15 hinzu, so wird die gegenwärtige Aktualität und vielleicht Brisanz der Fragestellung klar ersichtlich. Bevor in der Folge auf die einzelnen Rechtsverheißungen der EMRK und ihre mögliche Relevanz für die Bindung und die Kontrolle der rechtsstaatlich verfaßten öffentlichen Gemeinschaftsgewalt der EG einzugehen ist, soll vorab noch ein kurzer Blick auf die Entwicklung und den aktuellen Stand der Grundrechtsdogmatik im Gemeinschaftsrecht geworfen werden.
BullEG-Beilage 9/75, S. 18. BullEG-Beilage 2/79. 11 Text in: EGRZ (1979), S. 257. 12 Man kann aber, wie die Kommission, in ihnen eine zusätzliche Legitimation der Rechtsprechung des EuGH zu den Grundrechten und eine Betonung einer grundrechtskonformen Interpretation des Gemeinschaftsrechts sehen. Vgl. Kommission der EG, 11. Gesamtbericht (1977), S. 315. 13 Zur Abgrenzung zwischen "Menschenrechten/Grundrechten/Bürgerrechten/besonderen Rechten" siehe K. E. Heinz, Über den Charakter von "Grundrechten" und "Menschenrechten" -Ihr Verhältnis zu den Statusgewährungen in den Europäischen Gemeinschaften, in: DÖV (1978), S. 398 ff.; R. Bieber, "Besondere Rechte" für die Bürger der Europäischen Gemeinschaften, in: EGRZ (1978), S. 203 ff. u Siehe dazu auch die Entschließung des EP vom 16. 11. 1977, in: EGRZ (1978), S. 202 f.; Entschließung des EP vom 13. April 1978, in: EGRZ (1978), S. 204, Fn. 12 (Auszug); vgl. D. Nicket I R. Bieber, Europäische Grund- und Bürgerrechte, in: EGRZ (1979), S. 21 ff. (zum Kolloquium des EP "Besondere Rechte und Charta für Bürgerrechte der EG" vom 26. - 28. 10. 1978 in Florenz). 1 5 In diesem Zusammenhang ist auch der Auftrag der Gipfelkonferenz vom 9./10. Dezember 1974 zur Errichtung einer "Paß-Union" von Interesse; vgl. Kommission der EG, 8. Gesamtbericht (1974), S. 337, 339. 9
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9 Festschrift für Ludwlg Fröhler
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II. 1. Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Gemeinschaftsverträge herrschte - insbesondere in Deutschland16 - ganz allgemein die Befürchtung, der mitgliedstaatliche Bürger werde einer neuen Hoheitsgewalt unterworfen, die weder an nationale Grundrechte noch an einen gemeinschaftlichen Grundrechtskatalog gebunden sei. Im Gegensatz dazu gingen die Vertragsschöpfer wohl davon aus, daß die Grundrechte der Bürger unberührt bleiben würden17 •
Bei näherer Differenzierung konzentrierte sich die Diskussion dann auf die Frage, ob die klassischen Grund- und Freiheitsrechte, die durch die nationalen Grundrechtskataloge und die EMRK vorrangig geschützt werden, überhaupt in nennenswertem Umfang durch die Organe der Gemeinschaften gefährdet und beeinträchtigt werden können. Die vorwiegend wirtschaftliche Zielsetzung der technokratisch konzipierten Teilintegrationsmodelle der Gemeinschaften, das fast völlige Fehlen unmittelbarer staatlicher oder staatsähnlicher Zwangsbefugnisse ihrer Organe gegenüber den Bürgern der Mitgliedstaaten, sowie der Umstand, daß der EuGH anfänglich nur relativ selten behauptete Grundrechtsverletzungen zu prüfen hatte18, stellten Argumente für die Auffassung dar, daß Verletzungen klassischer Grundrechte durch Maßnahmen der Gemeinschaftsorgane unwahrscheinlich seien, wohingegen andere Meinungen auf die strikte Bindung der Gemeinschaftsgewalt an Grundrechtsverbürgungen abstellten und diesbezüglich vielfältige Eingriffsmöglichkeiten des Gemeinschaftsrechts in individuelle Rechtspositionen als denkmöglich erachteten. Beispielhaft für die erstgenannte Auffassung sind die Ausführungen Ipsens, der zwischen "gemeinschaftsrelevanten" und "-irrelevanten" Grundrechtsbereichen unterscheidet: "Aus der Ziel- und Aufgabenbegrenzung der funktionellen Wirtschaftsintegration folgt, daß bestimmte, für das nationale Verfassungsrecht relevante Grundrechtsbereiche indifferent sind gegenüber möglicher Beeinträchtigung durch Gemeinschaftsgewaltig." 1s Siehe z. B. die Debatten im Deutschen Bundestag zum EGKS-Vertrag (Sitzungsberichte des Deutschen Bundestages, 1. Wahlperiode, 183. Sitzung vom 10. 1.1952) sowie zum EWG-Vertrag (Sitzungsberichte des Deutschen Bundestages, 2. Wahlperiode, 208. Sitzung vom 9. 5. 1957 und 224. Sitzung vom 5. 7. 1957). 11 Vgl. M. Hilf, Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften als Integrationsfaktor, dargestellt anhand der Rechtsprechung zu den Grundrechten, in: Die Grundrechte in der Europäischen Gemeinschaft, op. cit., S. 26. 1s Siehe dazu die nachstehende Rechtsprechungsübersicht im Text bei Anm. 24ff. 1u H.-P. Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht (1972), S. 721; so auch schon H. vqn der Groeben, Über das Problem der Grundrechte in der Euro-
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Daß diese Auffassung bis in die neueste Zeit heraufwirkt, belegt deutlich die Erklärung der italienischen Regierung in der Rs. 118/75 (Watson I Belmann), in der sie die Meinung vertritt, daß der wirtschaftliche Kontext des EWG-Vertrages zu einer selektiven Anwendung nur derjenigen EMRK-Bestimmungen im Gemeinschaftsrecht führe, die entsprechend wirtschaftlich relevant sind: "Was aber speziell das Recht auf Achtung der privaten Sphäre angehe, das durch Art. 8 der Konvention geschützt sei ..., so stehe es in keinem spezifischen Zusammenhang mit dem vom Vertrag geregelten Bereich wirtschaftlicher· Tätigkeit20 ." In seiner Entscheidung ging der EuGH auf diese Ausführungen nicht explizit ein, sondern löste den Fall durch bloße Vertragsinterpretation, ohne auf grundrechtliche Überlegungen zurückzugreifen. Schon jetzt muß bemerkt werden, daß es nicht weiterführend erscheint, im Rahmen des Gemeinschaftsrechts wirtschaftlich relevante Grundrechte zusammenzustellen und von anderen abzugrenzen, weil die Gemeinschaftsorgane über eine öffentliche Gewalt verfügen, die es ihnen ermöglicht, in Ausübung ihrer Aufgaben oder aber in Überschreitung derselben, auch Grundrechte zu tangieren, die in keinerlei Zusammenhang mit den wirtschaftlichen Funktionen, Aufgaben und Zielsetzungen der Gemeinschaft stehen (müssen): "Was allein zählt, ist das Vorhandensein legitimationsbedürftiger öffentlicher Gewalt21 ." 2. Zur näheren Verdeutlichung soll aufgezeigt werden, daß schon das Gemeinschaftsrecht unmittelbar einen Grundrechtsschutz angelegt und ermöglicht hat. Versucht man hierzu eine Einteilung im europäischen Gemeinschaftsrecht, so bietet sich eine Differenzierung nach folgenden Kriterien an: -
Grundrechte nach den Gemeinschaftsverträgen, somit nach primärem Gemeinschaftsrecht;
-
Grundrechte, die in der "prätorischen" Judikatur des EuGH anerkannt wurden und a) zum einen "rechtsstaatlicher Natur" sind, sowie b) zum anderen die in den nationalen Verfassungen (der EG-Staaten) oder auch in völkerrechtlichen Verträgen enthaltenen Grundund Freiheitsrechte betreffen.
päischen Gemeinschaft, in: FS W. Hallenstein (1966), S. 229; vgl. ferner Nico-
laysen, S. 19. 20 21
EuGH, Urteil vom 7. Juli 1976 in der Rs. 118/75, SlgRspr. 1976, S. 1192.
E. Klein, Die materielle Bedeutung der Europäischen Menschenrechts-
konvention für das Europäische Gemeinschaftsrecht, in: Grundrechtsschutz in Europa, S. 145. 9•
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Was die primärrechtlich verbürgten Grundrechte betrifft, so handelt es sich naturgemäß um solche, die einen spezifisch wirtschaftlichen Bezug haben und so mit den Ziel- und Zweckbestimmungen der EG in unmittelbarem Zusammenhang stehen. Die Gemeinschaftsverträge enthalten bekanntlich keine Grundrechtskataloge, sondern Einzelbestimmungen, die grundrechtsgleiche Rechte garantieren, wobei der Umstand, daß es sich bei einigen von ihnen um ausfüllungsbedürftige Programmsätze handelt, hier keine Rolle spielt, weil auch Ziel- und Programmsätze verbindliche Schranken der Gemeinschaftsgewalt darstellen, die nicht überschritten werden dürfen, sobald damit subjektive Rechte des Einzelnen verletzt werden. Als solche "Grundrechte" sind insbesondere anzusehen (EWGV) 22 : a) das allgemeine und die spezielle(n) Diskriminierungsverbot(e) (Art. 7, 40, 45, 79, 85, 95) b) die Freizügigkeit der Arbeitskräfte (Art. 48 ff.) c) die Niederlassungsfreiheit (Art. 52 ff.) d) die Freiheit des Dienstleistungsverkehrs (Art. 48 ff.) e) die Freiheit des Kapitalverkehrs (Art. 67 ff.) f) die Freiheit des Zahlungsverkehrs (Art. 106 Abs. 1) g) der Schutz des Berufs- und Geschäftsgeheimnisses (Art. 214) h) die Vereinigungsfreiheit (Art. 118 Abs. 1) i) die Lohngleichheit von Mann und Frau (Art. 119) und j) das Petitionsrecht gern. Art. 48 li EGKSV. Ganz grundsätzlich streben ferner noch die Art. 220 ff. EWGV die Gleichstellung der Gemeinschaftsangehörigen hinsichtlich des Rechtsschutzes, der Beseitigung der Doppelbesteuerung innerhalb der EWG, der Gleichstellung der Gesellschaften i. S. von Art. 58 Abs. 2 EWGV, sowie der Vereinfachung der Förmlichkeiten für die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung richterlicher Entscheidungen und Schiedssprüche- im Wege über gegenseitige Verhandlungen- und auch die Gleichbehandlung der Gemeinschaftsangehörigen bei Kapitalbeteiligungen an. Schließlich läßt der EWGV auch die Eigentumsordnungen der Mitgliedstaaten unberührt (Art. 222). Eine systematische Darstellung und Würdigung dieses Grundrechtsbestandes sowie auch die Herausarbeitung seiner Lücken steht noch aus; sie wäre sicher eine wichtige Aufgabe für die Wissenschaft und Praxis. 12 Siehe H.-E. Folz, Der Einfluß des Europäischen Gemeinschaftsrechts auf das deutsche Gewerberecht, WiVerw. 1979, S. 80 ff.; 82 ff.; Fröhler, S. 145 ff., und 'Schweizer I Hummer, S. 157 f. sowie Nicolaysen, S. 21 f.
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Zur zweiten Kategorie der allgemeinen Rechtsgrundsätze (i. S. des EuGH), die als wesentliche Bestandteile des Rechtsstaatsprinzips, und zwar als rechtsstaatlich begründete Sätze des allgemeinen Verwaltungsrechts für einen wirksamen Grundrechtsschutz von großer Bedeutung sind, gehören unter anderem folgende Prinzipien23 : a) das Verhältnismäßigkeitsprinzip; b) der Vertrauensschutz; c) der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung;
d) der Schutz wohlerworbener Rechte; e) das Gebot der Rechtssicherheit; f) der Schutz des guten Glaubens; g) der Grundsatz des rechtlichen Gehörs. 3. Die Rechtsprechung des EuGH zu diesen und weiteren durch die Verfassungen der Mitgliedstaaten und auch durch internationale Abkommen multilateraler Art verbürgten Grundsätzen hat einen interessanten Wandel mitgemacht: Die Problematik der Geltung. von Grundrechten im Gemeinschaftsrecht stellt sich dem EuGH erstmals im Jahre 1959 24 • Aus seiner damaligen Rechtsansicht des Bestehens jeweils zweier voneinander getrennter Rechtsordnungen25 folgert er zunächst, daß es nicht zu seinen Aufgaben gehöre, die Rechtmäßigkeit von Akten der Gemeinschaftsorgane anhand nationaler Grundrechte zu überprüfen. In der Folgezeit wird einerseits durch die weitere Judikatur zu den allgemeinen Rechtsgrundsätzen des Verwa:ltungsrechts28, andererseits aber auch durch die Anerkennung der unmittelbaren Geltung zahlreicher Vorschriften des Primärrechts27 - die zugleich die Adressateneigenschaft und damit auch die Zuerkennung gerichtlich durchsetzbarer Siehe Schweitzer I Hummer, S. 158. EuGH, Urteil vom 4. 2. 1959 in der Rs. 1/58, in: SlgRspr. (1958/59), S. 43 ff.; EuGH, Urteil vom 18. 7. 1960 in den verbundenen Rs. 36-38, 40/59, in: SlgRspr. (1960), S. 885 ff. 25 " ••• die Gemeinschaft ... eine neue Rechtsordnung des Völkerrechts darstellt ... "; EuGH, Urteil vom 5. Februar 1963 in der Rs. 26/62, in: SlgRspr. (1963), S. 5; erst in der Rs. 6/64 korrigiert der EuGH diese seine Ansicht und stellt fest, daß die eigene Rechtsordnung der Gemeinschaft "in die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten aufgenommen worden und von ihren Gerichten anzuwenden ist" (Rs. 6/64, SlgRspr. (1964), S. 1256). 28 Siehe dazu G. Zieger, Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs. Eine Untersuchung der Allgemeinen Rechtsgrundsätze, JöR NF 22 (1973), s. 299 ff. 27 Beginnend mit dem Urteil vom 5. Februar 1963 in der Rs. 26/62 SlgRspr. (1963), S. 3 ff. Vgl. auch Folz, WiVerw. 1979, S. 85 f., und Nicolaysen, S. 21 f. 23
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subjektiver Rechte für den Einzelnen begründet28 eine Änderung dieser Sichtweise vorbereitet; die Wende in der Rechtsprechung tritt zehn Jahre später mit dem Urteil in der Rs. 29/69 (Stauder I Ulm) 29 ein, das einen "gemeinschaftseigenen" Grundrechtsschutz zu entwickeln beginnt30 • In der Rs. 11/70 (Internationale Handelsgesellschaft) geht der EuGH noch einen Schritt weiter und führt aus, daß "die Beachtung der Grundrechte zu den allgemeinen Rechtsgrundsätzen (gehört), deren Wahrung der Gerichtshof zu sichern hat" 31 ; die gemeinschaftsrechtliche Garantie der Grundrechte findet der EuGH damit generell in den allgemeinen Rechtsgrundsätzen verankert, die also nicht mehr (unmittelbar) solche des Gemeinschaftsrechts sein müssen. Die Grundrechte müssen sich aber in die "Struktur und Ziele" der Gemeinschaft einfügen. Wenig später stellt der EuGH in der Rs. 4/73 (Nold) 82 fest, "daß die Grundrechte zu den allgemeinen Rechtsgrundsätzen gehören, die er zu wahren hat, und daß er bei der Gewährleistung dieser Rechte von den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten auszugehen hat. Hiernach kann er keine Maßnahmen als Rechtens anerkennen, die unvereinbar sind mit den von den Verfassungen dieser Staaten anerkannten und geschützten Grundrechten. Auch die internationalen Verträge über den Schutz der Menschenrechte, an deren Abschluß die Mitgliedstaaten beteiligt waren oder denen sie beigetreten sind, können Hinweise geben, die im Rahmen des Gemeinschaftsrechts zu berücksichtigen sind"aa. Der EuGH rückt so zum einen von einer zu rigorosen Bindung an die gemeinsamen Verfassungstraditionen ab, die lediglich so etwas wie einen nationalen Mindeststandard ergeben würden, zum anderen nimmt er als Rechts(erkenntnis)quelle auch "internationale Verträge" in Anspruch, die ebenfalls Hinweise auf das Vorhandensein allgemeiner Rechtsgrundsätze geben können. Sind damit auch vornehmlich die normativen Inhalte der EMRK angesprochen - die kurz zuvor, nämlich am 3. 5. 1974, von Frankreich ratifiziert worden ist - so können nunmehr doch allgemein völkerrechtliche Übereinkünfte Rechts- oder Rechtserkenntnisquellen für das Gemeinschaftsrecht darstellen. 28 Vgl. C. Philip, La Cour de Justice des Communautes Europeennes et la protection des droits fondamentaux dans !'ordre juridique communautaire, AFDI 1975, S. 388 ff. 29 EuGH, Urteil vom 12. Juni 1969, SlgRspr. (1969), S. 419 ff. 30 "Bei dieser Auslegung enthält die streitige Vorschrift nichts, was die in den allgemeinen Grundsätzen der Gemeinschaftsrechtsordnung . . . enthaltenen Grundrechte der Person in Frage stellen könnte" (ebd., S. 425). 31 EuGH, Urteil vom 17. November 1970, SlgRspr. (1970), S. 1135 ff. 32 EuGH, Urteil vom 14. Mai 1974, SlgRspr. (1974), S. 491 ff. 33 Ibidem, S. 507,
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Bemerkenswert ist außerdem die Entscheidung des EuGH in der Rs. 36/75 (Rutili) 34 , die auf ein noch nicht in Kraft getretenes Protokoll zur EMRK hinweist und im übrigen den vom Gemeinschaftsrecht gewährleisteten Grundrechtsschutz auch auf nationale Maßnahmen erstreckt, soweit diese die in den Satzungen der EG grundgelegten Freiheiten beschränkten. Ihren einstweiligen Abschluß scheint die Rechtsprechung des EuGH zum Problem des Grundrechtsschutzes mit dem Urteil in der Rs. 43175 (Defrenne) 35 gefunden zu haben, in dem sich Ansätze zur Anerkennung der Drittwirkung bestimmter Grundrechte finden und das die Gemeinschaftsorgane auffordert, ihre Legislativkompetenzen extensiver zum Schutz der Grundrechte der Gemeinschaftsbürger zu handhaben. Daß dem EuGH nun an einer gewissen Konsolidierung dieser Rechtsprechung gelegen ist, belegen schließlich die Rechtssachen 118175 (Watson I Belmann), 40/76 (Kermaschek) und 130175 (Prais), in denen der Gerichtshof keine dogmatisch weiterführenden Betrachtungen anstellt36•
m. In dieser ganzen Judikatur des EuGH spielt also die Menschenrechtskonvention schon eine gewisse Rolle. Für das Verhältnis von Konvention und Gemeinschaftsrecht gilt aber zunächst folgendes: Die Gemeinschaftsverträge kennen keine inhaltlich auf die EMRK bezugnehmende oder sonst "menschenrechtliche" Vorschrift37• Auch etwa Art. 164 EWGV, die ein'leitende Bestimmung über den Gerichtshof38 ist aus sich heraus allein nicht in der Lage, eine Geltung der EMRK für die EG zu begründen. Die bereits erwähnte gemeinsame Grundrechtserklärung von Parlament, Rat und Kommission läßt bezeichnenderweise offen, ob die unmittelbare Bindung der Gemeinschaft an die EMRK gewollt ist oder ob nur die mittelbare Wirkung der EMRK über die allgemeinen Rechtsgrundsätze von den politischen Organen der Gemeinschaft anerkannt und begrüßt werden soll39 • Urteil vom 28. Oktober 1975, SlgRspr. (1975), S. 1219 ff.; 1232. Urteil vom 23. April 1975, SlgRspr. (1975), S. 455 ff. 38 Siehe Hilf, Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften ... (Fn. 17), S. 30; vgl. dazu auch P. Pescatore, Der Schutz der Grundrechte in den Europäischen Gemeinschaften und seine Lücken, Grundrechtsschutz in Europa, s. 72f. 37 Aus diesem Grunde dürften die Argumentationen, die aus dem GATTUrteil des EuGH (Rs. 21 - 24/72, SlgRspr. (1972), S. 1219 ff.) eine unmittelbare Bindung der Gemeinschaft durch die EMRK herzuleiten versuchen, fehlgehen: eine Art. 110 EWGV vergleichbare Bestimmung - die die Ziele des GATT bestätigt- ist auf menschenrechtlicher Ebene dem EWG-Vertrag fremd. 38 "Der Gerichtshof sichert die Wahrung des Rechts bei der Auslegung und Anwendung dieses Vertrages." 34
35
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Auf die verschiedenartigen Stellungnahmen der Literatur zur Frage der Geltung der EMRK im Gemeinschaftsrecht kann hier nicht eingegangen werden. Es ist lediglich festzustellen, daß die EMRK40 keine unmittelbare Geltung im Gemeinschaftsrecht beanspruchen kann: Die EG zählt nicht zu den Unterzeichnern oder Ratifikanten der EMRK, die als völkerrechtlicher Vertrag ausschließlich die Vertragspartner binden kann; die EG kann aber auch de lege lata der EMRK nicht beitreten, weil gemäß Art. 66 EMRK die Konvention nur den Mitgliedern des Europarates zur Unterzeichnung offensteht, die wiederum nur souveräne Staaten sein können (Art. 2, 4 EMRK). Unter Berücksichti:.. gung aber der vertraglich gebotenen Anpassung zwischen früheren internationalen Abkommen und den EG-Verträgen (Art. 234 Abs. 2 EWGV) sowie des Umstandes, daß die Grundrechtsgewährleistungen der EMRK einen den Mitgliedstaaten der EG gemeinsamen Standard an Grundrechtssubstanz darstellen und damit aus der Rechtsquelle der allgemeinen Rechtsgrundsätze gemeinschaftsrechtliche Geltung beanspruchen können, darf de lege lata eine mittelbare Geltung der EMRK in der Europäischen Gemeinschaft angenommen werden41 • Seit dem Beitritt Frankreichs zur EMRK (am 3. 5. 1974) nämlich sind alle Mitgliedstaaten der EG zugleich auch an die EMRK gebunden, deren Grundrechtsschutz in die nationalen Rechtsordnungen übernommen werden muß. Den materiellen Regelungen der EMRK kommt so für die grundrechtlichen allgemeinen Rechtsgrundsätze des europäischen Gemeinschaftsrechts eine herausragende Funktion zu42• Der EuGH ist aus dem Gemeinschaftsrecht heraus verpflichtet, die EMRK als Ausdruck gemeinsamer Rechtsüberzeugung bei der Bestimmung der aUgemeinen Rechtsgrundsätze heranzuziehen. Betrachtet man die materiellen Rechtsverheißungen des Katalogs der EMRK, so stehen hier die klassischen Abwehrrechte gegen besonders gravierende Eingriffe hoheitlicher Gewalt im Vordergrund: dem Recht 30 E. KLein, Die materielle Bedeutung der Europäischen Menschenrechtskonvention für das Europäische Gemeinschaftsrecht, in: Grundrechtsschutz in Europa, S. 136. 4° Für ihr 4. Zusatzprotokoll und die Europäische Sozialcharta stellt sich allerdings schon die Frage der unmittelbaren Geltung nicht (siehe Anm. 45); ebensowenig gelten die Menschenrechtspakte der Vereinten Nationen über bürgerliche und politische und über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte. 41 Rengeling, S. 129; vgl. auch Nicolaysen, S. 21. 41 Für diese Frage ist es unerheblich, ob oder inwieweit die EMRK als völkerrechtlicher Kollektivvertrag im innerstaatlichen Recht einzelner EGStaaten unter Umständen nicht unmittelbar anwendbar ist oder lediglich einen nachgeordneten Rang einnimmt. Siehe dazu P. Seidl, Der Rang der Europäischen Menschenrechtskonvention in den Mitgliedstaaten, DVBl. 1975, s. 747 ff.
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auf Leben (Art. 2) folgt das Verbot der Folter (Art. 3), der Sklaverei und der Zwangsarbeit (Art. 4) sowie das Recht auf Freiheit vor ungerechtfertigter Festnahme (Art. 5); zu den geschützten Rechten im gerichtlichen Verfahren (Art. 6) kommen der Grundsatz "nulla poena sine lege" (Art. 7), das Recht auf Achtung der Privatsphäre (Art. 8), die Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit (Art. 9), das Recht auf freie Meinungsäußerung (Art. 10), die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit (Art. 11) sowie das Recht auf Ehe und Familie (Art. 12) hinzu. Im Art. 14 sind Diskriminierungsverbote niedergelegt und im 1. Zusatzprotokoll der Eigentumsschutz, das Recht auf Bildung und die Garantie der Abhaltung freier und geheimer Wahlen. Im 4. Zusatzprotokoll wird die Niederlassungsfreiheit und das Recht auf Freizügigkeit garantiert. Einige der Konventionsfreiheiten werden ohne Schranken gewährt, bei anderen sieht die Konvention bestimmte, genau umschriebene Schranken vor; die meisten Rechte stehen auch unter einer einschränkenden Generalklausel, nach der die öffentliche Gewalt in die betreffenden Rechte nur aufgrund eines Gesetzes und nur dann eingreifen darf, wenn dieser Eingriff für die Sicherung bestimmter öffentlicher Interessen oder der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist43 . Obwohl es grundsätzlich richtig ist, daß die EMRK mehr auf die überkommenen klassischen Freiheitsrechte als auf die für die Europäische Gemeinschaft entscheidenderen wirtschaftlichen (und sozialen) Rechte abstellt, sind doch auch die klassischen Freiheitsrechte für die Gemeinschaft von Bedeutung, und außerdem enthalten die EMRK und ihre Zusatzprotokolle durchaus eine Reihe von wirtschaftlichen und sozialen Rechten. Auf den ersten Blick mag es scheinen, daß sich etwa folgendermaßen44 in gemeinschaftsrelevante und nicht relevante Grundrechte der EMRK unterscll.eiden ließe: während das Recht auf Leben (Art. 2), das Verbot der Folter (Art. 3), das Recht auf geregelten Freiheitsentzug (Art. 5), auf Gewissens- und Religionsfreiheit (Art. 9) oder auf Gründung einer Familie im heiratsfähigen Alter (Art. 12) innerhalb der EG irrelevant sein könnten, erscheinen das Recht auf ein faires Gerichtsverfahren (Art. 9), das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art. 8), die Meinungs- und Pressefreiheit (Art. 10), die Versammlungsfreiheit und das Recht auf Bildung von Gewerkschaften (Art. 11), der Eigentumsschutz (Art. 1 des 1. Zusatzprotokolls) oder die Freizügigkeitsrechte (Freizügigkeit und Niederlassungsfreiheit) des 4. Zusatzprotokolls45 (Art. 2 und 3) sogleich als gemeinschaftsrelevant46 . 43 4'
Vgl. dazu neuestens Bteckmann, Allgemeine Grundrechtslehren, S. 14 f. Siehe dazu bei Anm. 19.
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Betrachtet man aber den Katalog der Menschenrechte und Grundfreiheiten der Europäischen Konvention näher, so 'werden weitere Differenzierungen deutlich, die eine noch größere praktische Bedeutung der Konventionsrechte für das Gemeinschaftsrecht aufzeigen. Wenngleich der Gemeinschaftsgewalt keine Kompetenz zur strafrechtlichen Verfolgung und Aburteilung der Gemeinschaftsbürger zukommt, so kann doch der in Art. 5 Abs. 4 EMRK verbürgten Garantie der gerichtlichen Kontrolle des Freiheitsentzuges Relevanz zukommen, weil diese Bestimmung - über die EWG-Richtlinie 64/221 47 hinaus einen Rechtsschutz vor einem Gericht hinsichtlich der Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Verhängung der Ausweisungshaft gewährleistet48 • Ebenso wird der Rechtsweggarantie des Art. 6 EMRK, wenn als "civil rights and obligations" auch die Rechte gegenüber der öffentlichen Gewalt, vor allem die Freiheitsrechte anzusehen sind, Relevanz zukommen; so wird z. B. in der Sache die Berufsfreiheit, die in der EMRK selbst zwar nicht expressis verbis garantiert ist, die aber nach dieser Auffassung wohl unter "civil rights" fiele, jedenfalls durch eine Rechtsweggarantie geschützt sein49. Des weiteren begnügt sich die schon erwähnte Richtlinie 64/221 mit einem Überprüfungsverfahren, das unter dem Standard sonstiger verwaltungsgerichtlicher Verfahren liegt. Es ist lediglich ein Beschwerdeverfahren, aber kein eigentliches Gerichtsverfahren vorgeschrieben. Die Richtlinie geht offensichtlich davon aus, daß die Vertragsstaaten rechtlich nicht anderweitig verpflichtet sind, Rechtsschutz gegen Hoheitsäußerungen umfassend vorzusehen. Sollte nun die hier dargelegte Interpretation des Art. 6 sich durchsetzen und insbesondere zunächst der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ihr sich anschließen, wird Art. 6 EMRK erhebliche Bedeutung für das europäische Gemeinschaftsrecht überall dort haben, wo mögliche Eingriffe in gemeinschaftsrechtlich geschützte Freiheiten in Betracht kommen. In all diesen Fällen wäre ein Rechtsweg garantiert50 • Sollte der EMR-Gerichtshof indessen zu der Auffassung kommen, daß Art. 6 EMRK als Rechtsweggarantie gegen die öffentliche Gewalt systemwidrig wäre, so käme dann die Bestimmung des Art. 13 EMRK 45 Dieses befindet sich aber noch nicht für alle Mitgliedstaaten in Kraft; siehe auch Anm. 40.
u Rengeling, S. 131 f.
Vgl. Schweitzer I Hummer, S. 223 und 228. Siehe dazu J. A. Frowein, Die Europäische Menschenrechtskonvention und das Europäische Gemeinschaftsrecht, in: Die Grundrechte in den Europäischen Gemeinschaften, S. 47 ff., 49. 47
48
49
Frowein, S. 50.
° Frowein, S. 51.
5
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zum Tragen, die eine "effective remedy" gegen die Verletzung von Konventionsrechten vor nationalen Instanzen fordert, was eventuell mehr sein kann, als das nationale Recht bisher vorsieht, und vielleicht auch mehr, als nach EWG-Richtlinien erforderlich ist51 • Ganz allgemein könnten zudem die Verfahrensgarantien des Art. 6 Abs. 2 und 3 EMRK auf die Verfahren Auswirkungen haben, mit denen die EG Sanktionen verhängt. Auch mit Art. 7 EMRK - nulla poena sine lege - könnten die Gemeinschaftsorgane eines Tages befaßt werden, ebenso wie sie dies bereits mit dem Grundsatz ne bis in idem waren52 • Enge Berührungspunkte zwischen Konvention und Gemeinschaftsrecht lassen sich im Aufenthaltsrecht feststellen; speziell im Falle des Art. 8 EMRK kann über den Schutz des Privat- und Familienlebens ein indirekter - Schutz gegen Ausweisungen dadurch gegeben sein, daß die Ausweisung einen Eingriff in die Privatsphäre darstellen kann. Die Freizügigkeits- und Niederlassungsrechte des Gemeinschaftsrechts werden dadurch weiter abgesichert, weil bei einer Ausweisung auf die Familiensituation des Betroffenen Rücksicht genommen werden muß. Soweit der oder die Betroffene mit Inländern verheiratet sind, die als Staatsangehörige des Aufenthaltsstaates ja nicht (mit) ausgewiesen werden können, wird dieser Umstand ins Gewicht fallen. Art. 8 EMRK könnte aber auch gegen mögliche Diskriminierungen des Familienstandes von Ausländern schützen. Ganz allgemein können das in Art. 8 geschützte Privat- und Familienleben sowie der Schutz der Wohnung und das Briefgeheimnis nicht nur für Regelungen, die etwa das Zusammenleben von "Wanderarbeitnehmern" (Art. 48 ff., 49 EWGV) mit ihren Familienangehörigen in unangemessener Weise beschränken würden, sondern auch im Bereich der Wettbewerbs- und Preisvorschriften gegen mögliche Diskriminierungen von Ausländern relevant werden. In einem Zusammenhang damit steht das von Art. 2 des 1. Zusatzprotokolls geschützte Recht auf Ausbildung, das für die Wanderarbeitnehmer aufgrund der gemeinschaftlichen Freizügigkeitsrechte bedeuten würde, daß der Staat für sie und ihre Angehörigen die entsprechenden Ausbildungsmittel zur Verfügung zu stellen und das Recht der Eltern zu achten hat, die Erziehung und den Unterricht ihrer Kinder ihren Wertvorstellungen gemäß gestaltet zu sehen. Neben den Wanderarbeitnehmern, die ja Gemeinschaftsangehörige sind, müßten aber auch sons1 52
Frowein, S. 51 f. EuGH, Urteil vom 14. Februar 1972, SlgRspr. (1972), S. 1281.
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stige Ausländerfamilien, die in Gemeinschaftsländern tätig sind, dieselben Schutzrechte aus der Konvention genießen. Dieses Recht auf Bildung ist für die Gemeinschaft bereits mehrmals relevant geworden, wie die Urteile in den Rs. 9/7413 und Rs. 68/7464 belegen. Es liegt auf der Hand, daß außerdem die Freizügigkeitsrechte des 4. Zusatzprotokolls auf das Gemeinschaftsrecht einwirken werden, worauf sogleich zurückzukommen sein wird. Was die Religionsfreiheit des Art. 9 betrifft, so ist auch sie- ebenso wie die Koalitionsfreiheit - bereits Gegenstand einschlägiger Urteile des EuGH gewesen66. Die in Art. 10 EMRK geschützte allgemeine Meinungs- und Informationsfreiheit könnte im Rahmen des Warenverkehrs, auf dem Gebiet des Wettbewerbsrechts sowie im gemeinschaftlichen Beamten- und Dienstrecht eine Rolle spielen. Das Recht der Gründung gewerkschaftlicher Zusammenschlüsse (Art. 11 EMRK) ist bereits als solches ein wirtschaftliches Grundrecht von erheblicher Tragweite. Anzunehmen ist, daß es sich im Gemeinschaftsrecht auswirken wird, nachdem die allgemeine Koalitionsfreiheit vom EuGH schon berücksichtigt wird. Der Grundsatz der Gleichheit, der allgemeinen Nichtdiskriminierung gilt im primären Gemeinschaftsrecht ausschließlich zugunsten der "Marktbürger", nicht aber zugunsten der Staatsbürger von Drittstaaten56; dies trifft in praxi vornehmlich zu auf dem Gebiet der Niederlassungsfreiheit, der Freizügigkeit und der sozialen Sicherheit der Wanderarbeitnehmer. Im Unterschied dazu bestimmt Art. 1 EMRK, daß die Hohen Vertragsschließenden Teile allen ihrer Herrschaftsgewalt unterstehenden Personen die in Abschnitt 1 niedergelegten Rechte und Freiheiten zusichern. Darüber hinaus bestimmt Art. 14, daß die Konventionsrechte allen Individuen ohne jede Diskriminierung (aus Gründen der Staatsangehörigkeit) gewährleistet werden sollen. Die Übernahme dieses Prinzips der konventionsweiten Nichtdiskriminierung in das Gemeinschaftsrecht würde zwar eine rechtsschöpfende Judikatur des EuGH voraussetzen, die sich vielleicht über das Primär- und das Sekundärrecht der Gemeinschaft hinwegsetzen würde, die aber unter Umständen vom EMR-Gerichtshof initiiert werden wird, wie dies die inoffizielle - Äußerung eines Richters dieses Gerichtshofes belegt: EuGH, Urteil vom 3. Juli 1974, SlgRspr. (1974), S. 772. EuGH, Urteil vom 29. Januar 1975, SlgRspr. (1975), S. 109. 55 EuGH, Urteil vom 27. Oktober 1976, SlgRspr. (1976), S. 1589; EuGH, Urteil vom 28. Oktober 1975, SlgRspr. (1975), S. 1219. " 6 Vgl. Folz, WiVerw. 1979, S. 82 f. m. w. N. 53
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"Wir haben vielleicht alle eine Neigung zu einer bejahenden Beantwortung57." Die politischen Freiheits- und Bürgerrechte der EMRK, wie Presseund Meinungsfreiheit, Versammlungs- und Koalitionsfreiheit usf. können bereits im jetzigen Zeitpunkt, d. h. schon im Vorstadium der anzustrebenden "Politischen Union" 58 Bedeutung erlangen, da im Grunde jedes dieser Freiheitsrechte mit den wirtschaftlichen Freiheiten des Gemeinschaftsrechts zusammentreffen kann. Ein interessantes Detail stellt dabei der Aspekt einer schon jetzt und künftig vermehrt möglichen politischen Betätigung zugunsten der Europäischen Gemeinschaft- mit fortschreitender Integration und Verdichtung derselben hin zur "Politischen Union" - dar, welche die in Art. 16 EMRK eingeräumten Beschränkungen der politischen Tätigkeit von Ausländern relativieren würde: Ausländerrechtliche Beschränkungen der politischen Betätigung müßten in bezug auf die EG abgebaut werden. Es würde die Einschränkung des Art. 16 EMRK durch das Europäische Gemeinschaftsrecht teilweise beseitigt59. Der Eigentumsschutz gemäß Art. 1 des 1. Zusatzprotokolls wird in dem Maße an Bedeutung zunehmen, in dem die dort vorgesehenen Beschränkungen der allgemeinen Eigentumsgewährleistung durch gemeinschaftsrechtliche Abgabeverpflichtungen, Kautionsstellungen u. a. m. "aktiviert", aktualisiert werden. Auch Eingriffe in schwebende Vertragsverhältnisse, die zu einer Störung des "Vertrauens in den äußeren Tatbestand" oder sogar zum Wegfall der Geschäftsgrundlage führen können, werden nicht immer grundrechtsneutral bleiben; diesbezüglich wird neuerdings die Frage einer "PZangewährleistung" im Gemeinschaftsrecht diskutiert80 • Ähnliches wird für Eigentumsgesichtspunkte der (freien) Niederlassung, für Verkaufsauflagen, für Regelungen der Arzneimittelwerbung sowie für Maßnahmen der Wirtschaftslenkung (wie Bevorratungen oder Einfuhrbeschränkungen) u. a. m. zu gelten haben61 •
IV. Bei der Anwendung der Grundrechtsverbürgungen der EMRK im Rahmen des Gemeinschaftsrechts ist ganz allgemein den entsprechenden Schranken, den jeweils einschränkenden Klauseln und deren AnDiskussionsbeitrag von S0rensen, in: Grundrechtsschutz in Europa, S. 121. Vgl. bei Anm. 3. &s Frowein, S. 55. 80 Siehe M. Schröder, Plangewährleistung im europäischen Gemeinschaftsrecht?; NJW 35/1979, S. 1729 ff. 81 Vgl. dazu U. Everling, Eigentumsordnung und Wirtschaftsordnung in der Europäischen Gemeinschaft. in: FS Raiser (1974), S. 384 ff. 57 58
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Wendungsvoraussetzungen Beachtung zu schenken; erst am konkreten Einzelfall erschließt sich die genaue Tragweite der entsprechenden Bedingtheit und Zulässigkeit der Einschränkung von Konventionsrechten. Hierbei muß im besonderen aber auf die "strukturelle Kongruenz" der jeweiligen Gewährleistungen geachtet werden; ein Erfordernis, das der EuGH herausgearbeitet hat. Welche praktische Relevanz das vom EuGH in der Rs. 11/70 für die Geltung von Grundrechten im Gemeinschaftsrecht entwickelte Kriterium, daß diese sich in die "Ziele und die Struktur der Gemeinschaften" einfügen müssen62 , beanspruchen kann, läßt sich anband des möglichen Konflikts des Diskriminierungsverbotes in Art. 14 EMRK mit der Vorzugsstellung der Gemeinschaftsbürger etwa i. S. der Art. 48 und 52 EWGV aufzeigen: Würde die Regelung des Art. 14 EMRK im Gemeinschaftsrecht voll Platz greifen, so würde dies eine Gefahr für den Bestand der EG bedeuten63 • Die Lösung der Problemlage soll nun im Wege der Auslegung darin gefunden werden, daß die einschlägigen Artikel des EWG-Vertrages nicht "diskriminieren", sondern lediglich für die Zwecke der Gemeinschaft die "Gemeinschaftsbürgerschaft" berücksichtigen. Die so begründete Differenzierung, d. h. die Berücksichtigung solch objektiver und einsichtiger Kriterien wird dann nicht in Widerspruch zu Art. 14 EMRK stehen64 • Schon (allein) dieses Beispiel zeigt deutlich, welche grundlegenden An- oder besser: Abgleichungsprobleme sich bei der Inanspruchnahme von Konventionsrechten für das Gemeinschaftsrecht stellen. Dabei muß man sich auch immer vor Augen halten, daß die Grundrechte der EMRK in ihrem materiellen Gehalt nur dann vollständig begriffen werden können, wenn man zugleich auch die spezifischen Verfahrensgarantien der EMRK einbezieht. Des weiteren hat man zu berücksichtigen, daß sie auf staatlich organisierte Hoheitsgewalt hin konzipiert sind, ebenso wie man auch eventuelle Divergenzen in der Interpretation der Grundrechte sowohl durch den EMR-Gerichtshof wie durch den EuGH berücksichtigen muß.
v.
Aus der Betrachtung der hier zusammengestellten Fälle möglicher Relevanz von Grund- und Freiheitsrechten der EMRK und aus ihrer Gegenüberstellung mit der Judikatur des EuGH zu einzelnen konkre82 "Die Gewährleistung dieser Rechte muß zwar von den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten getragen sein, sie muß sich aber auch in die Struktur und die Ziele der Gemeinschaft einfügen": EuGH, Urteil vom 17. November 1970, SlgRspr. (1970), S. 1135 ff. es Siehe Rengeling, S. 132. 64 Vgl. den Diskussionsbeitrag von SI!Jrensen, in: Grundrechtsschutz in Europa, S. 120, und Rengeling, wie zuvor, m. w. N.
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ten Grundrechtsfragen kann der interessante Schluß gezogen werden, daß das Gemeinschaftsrecht nicht nur recht grundrechtsintensiv ist, und zwar nicht allein in bezug auf die "wirtschaftlichen" Freiheiten, sondern dies auch noch stärker werden wird. Es bedurfte nicht erst der spektakulären EuGH-Entscheidung in der Rs. 130/75 (Prais) 65 , bei der es um Fragen der Beschränkung der Religions- und Bekenntnisfreiheit nach Art. 9 Abs. 2 EMRK ging, um aufzuzeigen, daß nahezu alle Grundrechte, die sowohl in der EMRK wie in den nationalen Verfassungen der EG-Staaten geschützt sind, durch Rechtshandlungen der Gemeinschaftsorgane tangiert werden können. Neben der Menschenwürde, der freien Persönlichkeitsentfaltung, dem Gleichheitssatz, der Religions- und Bekenntnisfreiheit, der Meinungsfreiheit, dem Schutz von Ehe und Familie, der Koalitionsfreiheit einschließlich der stillschweigenden Anerkennung des Streikrechts der Bediensteten umfaßt die Rechtsprechung des EuGH schon jetzt die Freiheit der Arbeit, des Handels und anderer Berufstätigkeiten sowie den Anspruch auf Rechtsschutz vor nationalen Gerichten (u. a. m.), wobei tendenziell für die nähere Zukunft noch folgende Grundrechtsbeeinträchtigungen abzusehen sind: Das Beamtenstatut und die Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten könnten politische Rechte tangieren, ebenso wie auch spezielle Beeinträchtigungen von Persönlichkeitsrechten, d. h. Fragestellungen des Datenschutzes sorgfältig zu beobachten sein werden. Im Ergebnis läßt sich feststellen, daß die auch neuerdings geäußerte Rechtsansicht, bei den meisten Individualrechten der MRK sei eine Verletzung durch die Gemeinschaftsorgane unwahrscheinlich oder ausgeschlossen66, doch als eher relativiert anzusehen ist. Die vorstehenden Ausführungen konnten darlegen, daß grundsätzlich beinahe alle national und international normierten Menschen-, Grund- und Freiheitsrechte in gemeinschaftsrelevanten Sachverhalten involviert sein können, wenngleich mit unterschiedlichen Abstufungen. Die wenigen Rechtsgarantien der EMRK, die aufgrund des gegenwärtigen Vergemeinschaftungsstandes der EG als (noch) nicht relevant angesehen werden müssen- Recht auf Leben, Verbot der Folter und der Sklaverei, Rechte im Strafverfahren - ausgenommen, können bereits heute wohl alle anderen Grundrechtsverbürgungen der Konvention für das Gemeinschaftsrecht praktische Bedeutung haben oder erlangen, d. h. zu Maßstäben für die Beurteilung der Tätigkeit(en) der Europäischen Gemeinschaft werden. EuGH, Urteil vom 27. Oktober 1976, SlgRspr. (1976), S. 1598. S. 51; siehe aber auch S. 46; vgl. ferner Nicolaysen, S. 19 und 21. 85
us Bernhardt,
Plädoyer für eine verfassungsrechtliche Harmonisierung der Regionalstrukturen im Alpenraum* Von Hans R. Klecatsky 1. Gewiß hat der bisherige europäische Einigungsprozeß seine historischen Verdienste, aber Ziel der Europapolitik muß sein und bleiben: Die Europäische Politische Union. Nur so werden die europäischen Völker sich in der Weltpolitik behaupten können. Die Europäische Gemeinschaft als bisher einziger fortgeschrittener Versuch, zu einer solchen Europäischen Union zu gelangen, hat mit der im Jahre 1979 stattgefundenen allgemeinen direkten Wahl ihres Parlaments einen weiteren Schritt auf die Union zu getan. Damit wurde zugleich ein Schritt von einer fast rein bürokratischen zu einer demokratisch strukturierten Institution gesetzt, wenngleich die Zuständigkeiten der Europaparlamentariernoch erheblicher Vermehrung bedürfen.
Um so bedeutungsvoller dieser Fortschritt ist, um so weniger darf dabei vergessen werden, daß die werdende Europäische Union niemals nur die Summierung der gegenwärtigen nationalstaatliehen Zentralismen sein kann und darf. Der vom verblaBten Mythos der Nation getragene Staat alter Prägung ist in vollem Niedergang. Und das ist gut, weil nur so seine weithin inhaltslose, ja geradezu absurde Politik durch ein menschlicheres Europa abgelöst werden kann. Aber dieses neue Europa kann kein Supernationalstaat mit technokratischer Verfassung, sondern nur eine von den großen alten Kulturlandschaften und ihren Bewohnern, also von der demokratischen Basis her getragener europäischer Bundesstaat sein. Hier liegt auch das große europäische Verdienst der subnationalen Länder und Regionen des Alpenraums, die sich seit langem als "Arbeitsgemeinschaft Alpenländer", "Euregio Alpina" oder nun auch als "Arbeitsgemeinschaft Alpe-Adria" über die Staatsgrenzen hinweg zur immer enger werdenden transnationalen Zusammenarbeit auf den verschiedensten Gebieten menschlichen Lebens entschlossen haben1 • • Diesem Beitrag liegt ein Vortrag zugrunde, den der Verfasser am 27. Oktober 1978 auf einer Tagung der "Euregio Alpina" in der Cusanus-Akademie, Brixen, über "Aktuelle Probleme des Alpenraums" gehalten hat. 1 Vgl. Klecatsky, Die Funktion Tirols im europäischen Regionalsystem, Verkehrsannalen 1971, S. 529 ff.; Zur politischen Geographie des Alpenraums, 10 Festschrift für Ludw!g Fröhler
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2. Dieser Europäische Regionalismus erst schafft die tragfähigen Bausteine der Europäischen Union. Die langen und gründlichen Arbeiten des Europarates an der Grundlegung europäischer Regionalisierungspolitik, zahlreiche wissenschaftliche, politische, administrative und wirtschaftliche Initiativen und Aktionen auch und gerade im Alpenraum1 haben das geradezu unumstößlich klargemacht. Aber selbst die von der Europäischen Gemeinschaft "von oben herab" betriebene wirtschaftliche Integration schließt zwingend Regionalpolitik ein, weil nur durch sie das schon in der Präambel des EWG-Vertrages ausdrücklich erklärte Vertragsziel einer Harmonisierung der einzelnen Volkswirtschaften2 erreicht werden kann. Die Regionalpolitik der EG "steht nicht auf der gleichen Ebene wie die Verkehrspolitik, Energiepolitik, Landwirtschaftspolitik, Währungspolitik usw. Sie durchdringt alle diese Bereiche der Wirtschaftspolitik, allerdings ohne daß sie über ein eigenes, nur der Regionalpolitik zugeordnetes Instrumentarium verfügt. Jede Wirtschaftspolitik ist gewollt oder ungewollt Regionalpolitik und hat Konsequenzen für die Regionen" 3 • Der Grund dafür liegt darin, daß Regionalpolitik eben spezifisch raumbezogene Wirtschaftspolitik darstellt. Als eine Aufgabe "komplexer Zielsetzung, Zuständigkeiten und Instrumente" ist Regionalpolitik schon in jedem einzelnen Mitgliedstaat nicht unkompliziert, noch komplizierter ist sie im Bereich der "Antinomien, die sich ihrerseits gerade aus Raum-, Verfassungs- und in: Die europäische Aufgabe der Alpenregion (hrsg. von Köchler), Innsbruck 1972, S. 19 ff.; Europäischer Regionalismus und Raumplanung, Juristische Blätter 1972, S. 141 ff.; Die europäische Alpenregion: die Gemeinsamkeit der Struktur, die Problematik ihrer Aktivität über die nationalen Grenzen hinweg, in der Dokumentation Symposium 1973 über die Probleme einer europäischen Alpenregion, hrsg. vom Internationalen Presseinstitut, Zürich 1974, S. 17 ff.; Ein neuer Föderalismus, in: Föderalismus heute, Wien 1973, S. 7 ff.; Die Europäische Alpenregion: Idee und Verwirklichung, in: Tiroler Almanach 1974, S. 27 ff.; Internationale Zusammenarbeit im Alpenraum: Konsequenzen für Forschung und Planung, Verkehrsannalen 1976, S. 461 ff.; Die Lage des Österreichischen Berufsbeamtentums, St. Pölten 1976, S. 36 ff.; Die Zukunft der europäischen Alpenregion, in: SIR-Mitteilungen und Berichte des Satzburger Instituts für Raumforschung Nr. 2/1977, S. 18 ff.; Die Zusammenarbeit der Alpenländer als Erscheinungsform des europäischen Regionalismus, in: Arge Alp-Gemeinsamkeit der Alpenländer als Gegenstand politischer Bildung, hrsg. von der Bayerischen Landeszentrale für politische Bildungsarbeit, München 1978, S. 66 ff.; Perspektiven des alpenländischen Föderalismus, in: Föderalismus - Bauprinzip einer freiheitlichen Grundordnung in Europa (hrsg. von Assmann und Goppel), München 1978, S. 51 ff., u. a. 2 "In dem Bestreben, ihre Volkswirtschaften zu einigen und deren harmonische Entwicklung zu fördern, indem sie den Abstand zwischen einzelnen Gebieten und den Rückstand weniger begünstigter Gebiete verringern." 3 Abgeordneter Birkelbach laut Hans Peter Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, Tübingen 1972, S. 950. Im gleichen Sinn etwa auch Fiorelli, Wirtschaftliche Integration und europäische Regionalpolitik, in: Die Regionalpolitik der Europäischen Gemeinschaften und ihre Bedeutung für Österreich, Wien 1975, S. 33 ff.
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Funktionsprinzipien" der EG "selbst dialektisch ergeben" 4 • Die Harmonisierung der Wirtschaftspolitik in den Mitgliedsstaaten beschwört, wenn sie im Bereich der Infrastrukturen auf eine unausgewogene regionale Ausgangslage Anwendung findet, die Gefahr herauf, die Ungleichgewichte noch zu verschärfen6 • Dazu kommt, daß selbst im Rahmen der EG erkannt ist, daß raumnäher geübte Regionalpolitik auch wirksamer ist als raumferne, ebenso wie föderale oder dezentralisierte Strukturen in den einzelnen Mitgliedsstaaten "geeignetere Mittel zu wirksamer Regionalpolitik als zentralistische Einheitsstaatlichkeit" darstellen6. 3. Die Regionalpolitik der EG stand von Anfang an unter keinem Glücksstern7 • Die einvernehmlichen Klagen europäischer Regionen etwa die von Galway (14.- 16. 10. 1975)8 oder von Bordeaux (30. 1. bis 1. 2. 1978) 9 geben davon Zeugnis. Das erste spezifische Instrumentarium für die Regionalpolitik der EG - der Europäische Fonds für regionale Entwicklung und der Ausschuß für Regionalpolitik - konnte erst 1975 geschaffen werden. Durch die Fondsverordnung9 a war die EG-Kommission gehalten, dem Rat im Lauf des Jahres 1977 zweckdienliche Vorschläge zur Zukunft der Regionalpolitik zu unterbreiten. Diesem Auftrag ist die Kommission am 3. Juni 1977 mit ihrem "Orientierungsrahmen für die Regionalpolitik der Gemeinschaft" nachgekommen10 • Wie schwierig die Erstellung eines Gesamtrahmens der Analyse und der Konzeption der Regionalpolitik ist, erweist etwa Punkt 15 der von der Kommission vorgeschlagenen Maßnahmen: "Eine umfassende Betrachtungsweise in der Regionalpolitik setzt verstärkte Bemühungen zugunsten des Gesamtrahmens für die Analyse und Beurteilung der regionalen Wirtschaft in der Gemeinschaft und ihre jeweilige Entwicklung voraus. Eine derartige Analyse muß sämtliche Gebiete erfassen und möglichst umfassend sein. Die Erkennung und Behandlung der regioIpsen, S. 951. s Vgl. auch van Ginderachter, Wirtschaftliche Integration und regionale Disparitäten, in: Die Regionalpolitik der Europäischen Gemeinschaften und ihre Bedeutung für Österreich, Wien 1975, S. 9 ff. 6 Ipsen, S. 953. 1 Kurze Darstellung der Entwicklung der Regionalpolitik der EG bei Thiel, Die Europäische Gemeinschaft, München 1977, S. 67 ff. s Europarat Doc. I 14229, abgedruckt in deutscher Sprache in dem Sammelwerk: Regionalismus, hrsg. von Esterbauer, München 1978, S. 209 ff. s Europarat Doc. I 16151, abgedruckt in deutscher Sprache in dem Sammelwerk: Regionalismus, S. 215 ff. Da Jetzige Fassung der Fondsverordnung im Amtsblatt der EG Nr. C 36/12 (9. 2. 1979). to ABI. C 161 v. 9. 7. 1977, Bulletin der Europäischen Gemeinschaften, Beilage 2/77. Vgl. seither auch die Entschließung des Rates der EG v. 6. 2. 1979, Amtsblatt der EG Nr. C 36/10. 4
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nalen Probleme muß aus einer profunden Erkenntnis der Entwicklung aller Regionen einschließlich der verhältnismäßig wohlhabenden Gebiete erfolgen, die einen Großteil der Mittel liefern, die zur Lösung der regionalen Probleme erforderlich sind." "In diesem Sinne gilt es" nach Punkt 16 "- die regionale Entwicklung zu analysieren und insbesondere zu prüfen, wie sich das Gefälle zwischen den Gebieten entwickelt hat; - die Gebiete zu erkennen, in denen Probleme, die für die Gemeinschaft von Bedeutung sind, auftauchen oder in Zukunft auftauchen könnten; - eine gemeinsame Methode zur Beurteilung der Ergebnisse der einzelstaatlichen und gemeinschaftlichen Regionalpolitiken zu erarbeiten; - die statistischen und methodologischen Grundlagen zu erarbeiten, die erforderlich sind, um die regionalen Auswirkungen der übrigen Politiken der Gemeinschaft einschätzen zu können." "Die regionale Aufgabe der Gemeinschaft ist eine ständige Aufgabe" (Pkt. 56), über deren Besorgung Pkt. 58 sagt: "Der Umfang dieser Aufgabe erfordert eine Instanz, die in der Lage ist, die regionalen Probleme unter allen ihren Aspekten zu erfassen und die Richtlinien für eine gemeinsame Aktion der Mitgliedsstaaten und der Gemeinschaft aufzuzeigen. Die Kommission ist der Meinung, daß zwischen den Institutionen der. Gemeinschaft, den Mitgliedsstaaten, den Sozialpartnern und den Vertretern der Regional- und Lokalbehörden eine Konsultation erfolgen sollte."
Der Dürftigkeit solcher Aussagen entspricht durchaus der letzte Tätigkeitsbericht des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (1977). Die EG-Kommission stellte dazu fest, "daß die Förderung der Regionalentwicklung auf Gemeinschafts- wie auf nationaler Ebene im Klima der Wirtschaftskrise, wie sie die Gemeinschaft in den letzten Jahren erlebt hat, besonders schwierig war. Dies blieb nicht ohne Folgen für die Auswirkungen der Beteiligungen des Fonds ... Wegen der Starrheit des Fonds konnten keine Maßnahmen zur Lösung der neuen Probleme getroffen werden, für die die Gemeinschaft eine besondere Verantwortung übernehmen muß" 11 • 4. In dieser Lage stellt sich für die im Alpenraum auf eine gemeinsame transnationale Alpenpolitik hin arbeitenden subnationalen Regionen die entscheidende Frage, wie sie gegenüber einer sich durch die Direktwahl des Europäischen Parlaments institutionell verdichtenden Politik der Europäischen Gemeinschaft ihre regionalen Zielsetzungen wirksam zu artikulieren und durchzusetzen vermögen. Das ist - wie schon angedeutet - keine Frage eines alpenregionalen Egoismus, sondern vielmehr die Forderung nach einer auch von der Europäischen Gemeinschaft her erwünschten, weil raumwirksameren und demokratischeren Regionalpolitik. Bedenkt man die dargelegte Komplexität der 11
Bulletin der Europäischen Gemeinschaft Nr. 6/1978, S. 45.
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Regionalpolitik überhaupt, dazu ihre in supranationalen, nationalen und subnationalen Aktionen geschichteten Erscheinungsformen, so versteht es sich von selbst, daß die von den subnationalen Alpenteilen projektierte transnationale Regionalpolitik schon von vornherein nur dann durchzudringen11 a vermag, wenn sie auch als solche gegenüber den nationalen und supranationalen Organen vertreten werden kann. Das ist gegenwärtig sicherlich nicht der Fall. Die etwa in der ARGE ALP gegenwärtig kooperierenden Länder und Regionen nehmen jeweils im Rahmen ihrer nationalen Verfassungssysteme und diese gegenüber der Europäischen Gemeinschaft durchaus unterschiedZiehe Positionen ein. 5. Der deutsche Freistaat Bayern besitzt nach Artikel 32 Absatz 3 des Bonner Grundgesetzes im Bereich seiner Gesetzgebungszuständigkeit das Recht mit Zustimmung der Bundesregierung Verträge mit auswärtigen Staaten abzuschließen. Ein gleichgerichtetes Recht besitzt der Schweizer Kanton Graubünden12 , nicht aber das Land SüdtiroZ und nicht die Provinz Trient und nicht die Region Lombardei, denen die italienische Verfassung überdies auch insoferne unterschiedliche Kompetenzen zumißt, als die Region Lombardei eine Region mit Normalstatut ist, Südtirol und die Provinz Trient aber zu einer Region mit Sonderstatut zusammengeschlossen sind. Die Österreichischen Bundesländer: SaZzburg, Tirol und Vorarlberg sind durch den Österreichischen Zentralismus gleichfalls gegenüber dem Ausland abgeriegelt. Darauf habe ich seit Jahren immer wieder aufmerksam gemacht und vorgeschlagen, den Österreichischen Bundesländern auch rechtsförmlich durch Bundesverfassungsgesetz die innerstaatliche Komplementärfunktion zur transnationalen Verschmelzung der subnationalen Regionen einzuräumen und das die Bundesländer nach außen abriegelnde Bundesmonopol auf die Besorgung der auswärtigen Angelegenheiten zu beseitigen18. Endlich haben die Österreichischen Bundesländer in ihr Forderungsprogramm 1976 unter Punkt 5 auch diese Forderung aufgenommen: "Die Länder sollen die Möglichkeit erhalten, in Angelegenheiten ua Vgl. in dieser Hinsicht auch Rack über "die Europawahlen aus der Sicht des europäischen Nachbarn", österr. Zeitschrift für Außenpolitik 1979,
s. 184 ff. . 12 Art. 9 der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft (siehe die Ausgabe der Schweizerischen Bundeskanzlei 1973). Die Ermächtigung der Schweizerischen Kantone zur Besorgung auswärtiger Angelegenheiten soll nach dem von der Expertenkommission für die Vorbereitung einer Totalrevision der Bundesverfassung erarbeiteten Verfassungsentwurf 1977 (Art. 49 Abs. 3) wie folgt gefaßt werden: "Die Kantone können in ihren Verantwortungsbereichen mit dem Ausland in nachbarlichen Angelegenheiten Abkommen schließen. Sie handeln unter der Aufsicht des Bundes und, wenn er es als notwendig erachtet, durch seine Vermittlung." Vgl. dazu auch den Bericht 1977 der bezeichneten Kommission, S. 113. 13 Vgl. etwa schon Klecatsky, in: Die europäische Aufgabe der Alpenregion, S. 25, oder in: Transnationale Zusammenarbeit in der Alpenregion, S. 19, u. a.
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ihres selbständigen Wirkungsbereiches mit Zustimmung der Bundesregierung zwischenstaatliche Verträge mit Nachbarländern anzuschließen." Es ist den Ländern nur beizupflichten, wenn sie sich darauf berufen: "Es entspricht dem Charakter der Länder als Teilstaaten für die in ihre Kompetenz fallenden Angelegenheiten die Befugnis zum Abschluß völkerrechtlicher Verträge mit fremden Staaten und Teilstaaten zu erhalten. Durch das Erfordernis der Zustimmung der Bundesregierung ist die Rücksichtnahme auf die gesamtstaatliche Außenpolitik jedenfalls gewahrt." Und sie sagen mit Recht: "Der Europarat hat in mehrfachen Resolutionen die Förderung und lnstitutionalisierung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit auf regionaler Ebene gefordert." Bis heute ist dieser Forderung nicht entsprochen worden14 • Bei selbstverständlicher Würdigung aller Unterschiede westlicher und kommunistischer Verfassungssysteme bleibt bemerkenswert, daß Art. 80 der vom Obersten Sowjet am 7. 10. 1977 verabschiedeten Verfassung der UDSSR über deren Teilstaaten sagt: "Die Unionsrepublik hat das Recht, Beziehungen zu anderen Staaten aufzunehmen, mit ihnen Verträge zu schließen und diplomatische sowie konsularische Vertreter auszutauschen und in internationalen Organisationen mitzuwirken15.'' 6. Doch hängt die. Wirksamkeit transnationaler Regionalpolitik nicht allein von den Kompetenzen der subnationalen Regionen auf zwischenstaatlichem Gebiet ab. Auch hier bringt es schon die wesensgemäße Komplexität der Regionalpolitik mit sich, daß die Kompetenzen der subnationalen Regionen zur Rechtssetzung und Vollziehung überhaupt, insbesondere auf dem Gebiete der Wirtschaft und des Finanzwesens 16 , maßgebende Bedeutung erlangen. Was schließlich die Artikulation der transnationalen Regionalpolitik gegenüber der Europäischen Gemeinschaft anlangt, so muß bei allen Harmonisierungsbestrebungen beachtet 14 Allerdings hat Pernthaler (Die Zuständigkeit der Länder zum Verkehr mit ausländischen Staaten und anderen Völkerrechtssubjekten und deren Vertretungsbehörden in Österreich, in: Transnationale Zusammenarbeit in der Alpenregion, hrsg. von Hans Köchler, Innsbruck 1973, S. 31 ff.) nachgewiesen, daß die Legitimation der Länder, unmittelbare Kontakte mit dem Ausland zu pflegen, viel weiter reicht als bis dahin allgemein angenommen wurde, so insbesondere, daß der "Verkehr mit dem Ausland" in nichthoheitlichen Rechtsformen (Privatwirtschaftsverwaltung) kompetenzrechtlich neutral sei, also Bund und Ländern in gleicher Weise zur Verfügung stehe. Vgl. jüngst auch Matscher: "Auf der Suche nach einer Rechtsform für die grenzüberschreitende Regionalpolitik" in der Festschrift für Hans Lechner, Stimmen zur Zeit, Salzburg 1978, S. 169 ff. 15 Zitiert nach der Nr. 14/1977 des in Wien erscheinenden Informationsbulletins - Materialien und Dokumente kommunistischer und Arbeiterparteien. 18 Vgl. etwa die unerfüllten Forderungen der Österreichischen Bundesländer an den Bund in Finanzangelegenheiten laut dem Forderungsprogramm 1976, s. 10 ff.
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werden, daß etwa im Rahmen der "Arbeitsgemeinschaft Alpenländer" der Schweizer Kanton Graubünden und die Österreichischen Bundesländer: Salzburg Tirol und Vorartberg kraft des Neutralitätsstatus der Schweiz und Österreichs in vertraglichen Sonderbeziehungen zur Europäischen Gemeinschaft stehen, die wiederum auf die innerstaatliche Rechtsordnung zurückwirken17 • Ich habe daher schon vor Abschluß der Brüsseler Verträge vom 22. Juli 1972, die das wirtschaftspolitische Verhältnis der Schweiz und Österreichs zu den Europäischen Gemeinschaften bestimmten, in einem unter starker Beteiligung politischer und wissenschaftlicher Prominenz in Innsbruck stattgefundenen Symposium über "Österreich und die EWG" am 3. Juni 1972 die Warnung auszusprechen gehabt, daß der an sich zersplitterte Zustand der Österreichischen Grundordnung - der Bundesverfassung -, im besonderen die seit langem erkannten Schwierigkeiten bei der innerstaatlichen Realisierung zwischenstaatlicher Vereinbarungen eine umfassende Revision der Bundesverfassung notwendig machten; mit herkömmlichen punktuellen verfassungsrechtlichen Maßnahmen sei bei Bewältigung der Probleme, die die Stellung Österreichs in Europa aufgibt, nicht mehr das Auslangen zu finden. Dabei - so sagte ich ausdrücklich - sei auch auf die "starke neue Bewegung des europäischen Regionalismus Bedacht zu nehmen" 18 • Was seither Fortschritt gemacht hat, war außer17 Vgl. dazu etwa Öhlinger I Mayrzedt I Kucera, Institutionelle Aspekte der Österreichischen Integrationspolitik, Wien 1976, S. 131 ff., insbesondere mit den von Öhlinger stammenden Kapiteln: Verfassungsrechtliche Probleme der Integrationspolitik und Formen der Beteiligung dauernd neutraler Staaten an der EWG, S. 87 ff. Vgl. dazu auch Klecatsky in den in Anm. 1 bezeichneten Arbeiten. 18 Der Aktualität halber gebe ich meine namens der im Rahmen des Symposiums gebildeten Arbeitsgemeinschaft "Neutralitätspolitisch-verfassungsrechtliche Aspekte" geäußerte Schlußerklärung bei der Plenarsitzung des Symposiumsam 3. Juni 1972 hier vollinhaltlich wieder: "Ich hatte die Ehre und das Vergnügen, die Arbeitsgemeinschaft zu leiten, die die neutralitätspolitisch-verfassungsrechtlichen Aspekte des Verhältnisses Osterreichs zur EWG zu behandeln hatte. Ich bin glücklich - wenn ich an die stattliche Anzahl prominenter, kenntnisreicher und verdienstvoller Teilnehmer an dieser Arbeitsgemeinschaft denke -, daß über den Inhalt der nachstehenden Zusammenfassung unserer Beratungsergebnisse volle Übereinstimmung erzielt werden konnte. Die Arbeitsgemeinschaft stellte zwar fest, daß der gegenwärtig anvisierte Vertrag ,erster Generation' für sich keine neutralitätspolitischen und verfassungsrechtlichen Probleme mehr aufwirft. Die seit langem erörterten Grundprobleme bleiben aber auch und gerade nach Abschluß des gegenwärtig zu erörternden Abkommens bestehen. Zum einen wird ein solches Abkommen keineswegs das letzte Wort der Österreichischen Integrationspolitik bleiben können, zum anderen wird - wie das eigentlich alle, zumal aber die Grundsatzreferate von Prof. Dr. Börner (Köln) und Ministerialdirektor Dr. Herbst (Bonn) plastisch gezeigt haben- selbst durch einen Vertrag, der sich auf die bloße Regelung einer Freihandelszone beschränkt, eine ,Automatik' ausgelöst, deren Konsequenzen auch angesichts der dynamischen Entwicklung innerhalb der EWG nicht absehbar sind. Österreich wird sich die-
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staatlich - und zwar rasant - die politische Bewegung des Regionalismus19, innerstaatlich aber nur der Verfassungszerfall. 7. Verfassungsrechtliche Harmonisierung der Regionalstrukturen im Alpenraum auf Europa hin, was soll also, was kann also damit bewirkt werden? Dreierlei: ser Automatik auf dem Boden eines Abkommens, das zwar keine rechtliche Verpflichtung zur Anpassung an das Recht der EWG, wohl aber eine politische, auch durch eine Schutzklausel zugunsten der EWG sanktionierte Verpflichtung zur Harmonisierung enthält, nicht entziehen können. Das bedeutet aber, daß an die Stelle klarer institutioneller Normierungen, die diesen Prozeß kontrollieren, jedenfalls auf längere Sicht eine unkontrollierbare politische Abhängigkeit treten kann. Um so notwendiger ist es, die verfassungsrechtlichen Dimensionen einer Verbindung Österreichs mit der EWG heute, das heißt zu einem Zeitpunkt eingehend und verbindlich zu erörtern, in dem diesem in Gang zu setzenden Prozeß noch klare rechtliche Linien gezogen werden können. Der an sich zersplitterte Zustand der Österreichischen Grundordnung der Bundesverfassung -, im besonderen die seit langem erkannten Schwierigkeiten bei der innerstaatlichen Realisierung zwischenstaatlicher Vereinbarungen, die bekanntermaßen zur Bundesverfassungsnovelle 1964 über die Staatsverträge und nun zur Einleitung einer breit angelegten Staatsverträge-Sanierungs-Aktion der Bundesregierung geführt haben, legen nahe, die Bildung eines Verfassungsrevisionsausschusses im Nationalrat anzuregen. Dieser Ausschuß sollte unter Beibeziehung von Experten eine umfassende Revision der Bundesverfassung entwerfen, wie sie schon seit Jahren in der Schweiz und in der Bundesrepublik Deutschland erörtert wird. Mit herkömmlichen punktuellen verfassungsrechtlichen Maßnahmen ist bei Bewältigung der Probleme, die die Stellung Österreichs in Europa aufgibt, nicht mehr das Auslangen zu finden, zu allerletzt in dem heute relevanten Zusammenhang, der eine neue Entwicklung einleitet. Dabei geht es nicht um sogenannte ,formaljuristische' Fragen, sondern um die Bewahrung von gesellschaftlich und rechtlich institutionalisierten Werten, wie Demokratie, Föderalismus, Rechtsstaat und Neutralität. Persönlich glaube ich, daß dabei auch auf die starke, neue Bewegung des europäischen Regionalismus Bedacht zu nehmen ist, auf die eben auch der Herr Botschafter Italiens, Dr. Enrico Aillaud, so eindrucksvoll aufmerksam gemacht hat. Ich bin über seine Erklärung sehr glücklich. Das von ,oben herab' errichtete Europa - wie der Bürgermeister von Lausanne, Chevallaz, gesagt hat- bedarf zumindest der Ergänzung von der regionalen Basis her. Das europäische Symposion, das Ende Juni dieses Jahres in Straßburg zum Thema der Grenzregionen stattfinden wird, wird - so bin ich überzeugt dies schlagend unter Beweis stellen. Diese Lage und die bereits erkennbaren internationalen Entwicklungslinien erfordern ein komplementäres verfassungsrechtliches Instrumentarium, das
die veraltete, in ihrer geistigen Grundkonzeption aus der konstitutionellen
Monarchie des vorigen Jahrhunderts stammende Verfassung Österreichs gegenwärtig nicht zu bieten hat." Vgl. dazu auch: Tiroler Tageszeitung v. 5. 6. 1972, S. 2. 18 Vgl. dazu etwa nur das von Esterbauer herausgegebene Sammelwerk: Regionalismus, München 1979, das neben zahlreichen anderen Beiträgen der
Internationalen Studientagung über "Regionalismus in Europa" in Brixen vom 31. Oktober bis 3. November 1978 zugrundelag. Zu dieser Tagung vgl. etwa den Bericht von Grulich, Volksgruppenrecht und Regionalismus, in: Europa Ethnica 1979, S. 2 ff. Die einzelnen Beiträge werden in einem in Vorbereitung stehenden Sammelband in München veröffentlicht werden.
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Einmal Abbau der brüchigen nationalstaatliehen Zentralismen zugunsten der in Jahrhunderten gewachsenen Kulturlandschaften und ihres politischen Ordnungsanspruchs, getragen von der historischen und gegenwärtigen Kulturleistung der hier lebenden Menschen20 ; zum Zweiten: Vermeidung des Ferndiktats eines technokratisch-zentralistischen Superstaates und zum Dritten: Aufbau eines auf den gewachsenen regionalen Strukturen und ihren demokratischen Basen ruhenden einigen Europas.
20 Vgl. darüber Klecatsky, Region und Landschaft (Referat gehalten am 3. November 1978 auf der Internationalen Tagung über "Regionalismus in Europa" in Brixen [im Druck]).
Die Entwicklung des Naturschutzrechtes in Osterreich Von Erwin Melichar I. Der Naturschutz ist ein Gebiet, auf dem der Gesetzgebung und der Verwaltung die schwierige Aufgabe zukommt, einen für die verschiedensten Interessen tragbaren Ausgleich zu finden. Es stehen hier nicht nur wirtschaftliche Interessen sonstigen gesellschaftlichen Interessen gegenüber, sondern auch verschiedene wirtschaftliche Interessen ebenso gegeneinander wie verschiedene andere gesellschaftliche Anliegen. Das zeigt sich schon, wenn man nach dem Ziel des Naturschutzes und seinen Motiven fragt. Ziel des Naturschutzes ist es, die Natur möglichst unverändert füt den Menschen zu erhalten. Diese allgemeine Aussage ist keine exklusive, sondern durchaus offen für einen Ausgleich mit anderen Zielsetzungen. Dieses Streben nach möglichst unveränderter Erhaltung der Natur kann auf verschiedene Motive zurückgeführt werden. Als solche we:rden genannt!: 1. Das ethische Motiv geht von der Ehrfurcht vor der Schöpfung aus: Man soll sich das, was man nicht selbst geschaffen hat, nicht aneignen, sondern nur so nutzen, daß spätere Generationen auch einen Ertrag haben. 2. Das ästhetische Motiv gründet sich auf das Schönheitsempfinden des Menschen und will das Erlebnis der Natur sichern, von der einzelnen Naturerscheinung angefangen bis zur Ausgewogenheit des ganzen Landschaftsbildes. 3. Das medizinische Motiv beruft sich auf die heilende Wirkung der gesunden Natur durch Heilpflanze, Heilquelle, sauberes Wasser und reine staubfreie Natur. 4. Das soziale Motiv liegt im Bestreben, daß ein möglichst großer Teil der Bevölkerung in der Natur Erholung und Erquickung erfahren soll. 1 K. Konrad, Naturschutz in moderner Sicht, in: österr. Naturschutzhandbuch "Natur von Abis Z", Graz 1968-1971, I/7, S. 3 ff.
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5. Das ökonomische Motiv beruht auf der Feststellung, daß nur eine durch Naturschutz in ihrer Natürlichkeit erhaltene Landschaft für den Fremdenverkehr Nutzen bringen kann. Schon diese Motive, die alle für den Naturschutzgedanken sprechen, haben nicht nur unterschiedliche Zielrichtungen, sondern führen auch zu verschiedenen Ergebnissen, durch die sie auch untereinander in eine Konfliktssituation geraten können. Man denke nur an den Gegensatz, der zwischen dem ästhetischen Motiv und den Fremdenverkehrsinteressen entstehen und der etwa bei der Schaffung eines Vollnaturschutzgebietes offen ausbrechen kann. Ihnen gegenüber stehen dann noch die vielfältigen anderen wirtschaftlichen und sonstigen gesellschaftlichen Zielsetzungen, die ihren eigenen Anliegen grundsätzlich den Vorrang vor dem Naturschutzgedanken zusprechen. Alle oben angeführten Motive haben zusammengewirkt, um eine Naturschutzgesetzgebung eigener Art ins Leben zu rufen. Sie mögen von verschiedenem Gewicht gewesen sein; so ist in der heutigen Zeit sicherlich das ökonomische Motiv praktisch von größerem Gewicht als das ethische, wird aber in seiner Bedeutung zunehmend vom sozialen Motiv überholt. Tatsächlich haben alle zum Entstehen dieses Rechtsbereiches beigetragen. II.
1. Rechtliche Regelungen, denen die Funktion eines Schutzes der Natur zukommt, gibt es schon seit langem. Zum Teil war diese Wirkung aber nur eine Nebenfunktion wie etwa bei Kultvorschriften, die gewisse Pflanzen- oder Tierarten oder bestimmte Naturgebilde tabuisierten, zum Teil war sie zwar gewollt, aber dann aus anderen Motiven als jenen, die die modernen Naturschutzregelungen tragen, und vor allem erfaßten sie nur Teilbereiche. Daher kann man solche Regelungen zwar mit einiger Berechtigung als Vorläufer der heutigen Naturschutzgesetze ansehen, nicht aber als ideologische Ahnen des heutigen Naturschutzgedankens betrachten, bei dem es um die Natur als solche und als Ganzes geht.
2. Solche Regelungen von Teilbereichen finden sich vor allem im Jagdrecht, im Forstrecht und im Fischereirecht. Sie haben freilich eines mit der Entstehung des Naturschutzgedankens gemeinsam: Sie setzten immer dann ein, wenn eine Störung im Ablauf der freien Naturentwicklung eintrat. Ursprünglich waren Wild- und Fischfang und auch die Nutzung der Wälder frei. Zu Regelungen kam es zunächst dadurch, daß diese Freiheit aufgehoben und die Nutzung einer bestimmten Person (dem König)
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oder einem bestimmten privilegierten Personenkreis vorbehalten wurde, was schließlich seinen juristischen Ausdruck im Recht der Regalien fand. Die Übergabe dieser Nutzungsrechte durch den König an andere Privilegierte erforderte dann polizeiliche Regelungen über die Ausübung dieser Rechte, wobei das Motiv ein wirtschaftliches war, nämlich die Erhaltung der Nutzungsmöglichkeit. Es ist charakteristisch, daß derartige Regelungen auf dem Gebiet der Jagd und der Waldnutzung in der Ära des Absolutismus einsetzten, also zu einer Zeit, als der Gemeinwohlgedanke der Aufklärung wirksam wurde. Auf dem Gebiet der Fischerei setzte die Regelung später ein, weil diese überwiegend nach den §§ 382 und 383 ABGB frei war. Erst als in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein Absinken des Fischbestandes infolge von Flußregulierungen, der Ausdehnung der Dampfschiffahrt und von Industrieabwässern festgestellt wurde, setzte auch auf diesem Gebiet die Gesetzgebung ein; wieder waren wirtschaftliche Motive maßgebend2 • Die Regelungen des Jagd- und Fischereirechtes enthielten Bestimmungen über Schonzeiten, das Verbot bestimmter Fangarten und sonstige Vorschriften über die Tierhege. Die forstrechtlichen Bestimmungen dienten der Erhaltung des Waldbestandes und wandten sich gegen willkürliche Rodung und Waldverwüstung. 3. Aber auch noch andere Regelungen hatten einen ähnlichen Effekt: a) Ein Hofkanzleidekret vom 13. 1. 1837, PGS S 28 (Nr. 7) erklärte die "Beschädigung der an den öffentlichen Wegen jeder Art gepflanzten Bäume und Alleen" zum Polizeivergehen. Hiefür waren sicherlich verkehrsrechtliche Überlegungen, vielleicht auch solche des Feldschutzes, maßgebend. b) Auf dem Gebiete des Feldschutzes ergingen Regelungen über die Bestellung des Feldschutzpersonals und das Verfahren bei Feldfrevel3 • Die Begriffe "Feldgut" und "Feldfrevel" waren aber so weit gefaßt, daß einige Bezirksverwaltungsbehörden auf Grund dieser Vorschriften zusammen mit forstrechtlichen Bestimmungen Kundmachungen zum Schutz zahlreicher Pflanzenarten erließen4 • c) Die in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts einsetzende5 Vogelschutzgesetzgebung der Kronländer bereitete dem freien Vogelfang (§§ 382, 2 Der Motivenbericht zur Regierungsvorlage zum Reichsfischereigesetz, RGBl. 58/1885, (649 der Beilagen zu den stenogr. Protokollen des Abgeordnetenhauses S. 16) betont wiederholt die volkswirtschaftliche Bedeutung der Binnenfischerei und hebt ausdrücklich hervor, daß die Aufhebung der freien Fischerei aus volkswirtschaftlichen Gründen geboten sei. a Ministerialverordnung RGBl. 28/1860 und Feldschutzgesetze einzelner Kronländer. 4 W. Kirsch, Die Naturschutzgesetzgebung Österreichs, Wien 1937, S. 18.
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383 ABGB) ein Ende und bezog sich auf den "Schutz der für die Bodenkultur nützlichen Vögel". Auch hier standen wirtschaftliche Erwägungen im Vordergrund, ihre naturschützende Wirkung war jedoch sehr beachtlich6 • Im Rahmen dieser Gesetzgebung wurden gelegentlich auch andere Tierarten geschützt7. 4. Das 19. Jahrhundert kannte aber auch schon Regelungen mit unmittelbarer Zielsetzung des Naturschutzes. Sie waren freilich keine umfassenden Regelungen, sondern dienten nur dazu, Einzelerscheinungen der Natur der Mit- und Nachwelt zu erhalten: die Pflanzenschutzgesetze der Kronländer. Zuerst wurde das Edelweiß geschützt8 , dann schrittweise der Schutz auf andere Alpenpflanzen ausgedehnt'. Zweck dieser Regelungen, die, wie Kirsch betont10, keine Hinweise auf die Nützlichkeit der Pflanzen enthielten, war es, sie vor der Ausrottung zu bewahren. Das Ausgraben, Feilhalten und der Verkauf bewurzelter Pflanzen wurde verboten.
111. Die polizeilichen Regelungen der Monarchie ergingen zunächst getrennt für die einzelnen Kronländer. Erst ab dem letzten Viertel des 18. Jahrhunderts kam es zu einer gewissen Vereinheitlichung auf dem Gebiete des Jagdrechtes, Forstrechtes und Fischereirechtes11 • Endgültig durchgesetzt haben sich diese Bestrebungen nur im Forstrecht12 • 6 Frühere Regelungen, welche den Schutz bestimmter Vogelarten bezweckten, waren jagdrechtlicher Art und auf landesfürstliche Reviere beschränkt, so etwa das Patent vom 3. 3. 1673 auf die "Gegend von Lachsenburg und jenseits der Donau zu Kadolz und Kroßbach und dortiger Gegend". W. Kirsch, S. 18 Anm. 7 und Slg. der kk. Verordnungen und Gesetze 1740 bis 1780, VII. Bd. S. 527 Nr. 1800. 8 W. Kirsch, S. 19, hebt hervor, daß das Galizische Gesetz LGBI. 10/1874 Ausnahmen nur für wissenschaftliche Zwecke und nur hinsichtlich einzelner Stücke kennt, daß das Steiermärkische Gesetz einen vollkommenen Schutz aller Vögel (mit Ausnahme des jagdbaren Federwildes) vorsah, überhaupt keine Ausnahmen zuließ und daß beide Gesetze die Lehrer verpflichteten, die Jugend alljährlich über Vogelschutz entsprechend zu belehren. 7 So Salzburg LGBI. 29/1888: sämtliche Fledermäuse und Spitzmäuse, Maulwurf, Igel, Eidechsen, Blindschleichen, Kröte, Molche. Weitere derartige Schutzbestimmungen gab es auch in Mähren (LGBI. 36/1870: Igel, Maulwurf, Fledermaus, Eidechse, Schleichen und Nattern mit ausdrücklicher Ausnahme der Kreuzotter, Kröte), Böhmen (LGBI. 39/1870: Fledermaus, Igel, Maulwurf, Dachs) und Galizien (LGBI. 10/1874: Fledermaus und Igel). 8 Salzburg (Sa.) LGBI. 18/1886, Tirol (T) LGBI. 24/1892, Steiermark (St.) LGBI. 46/1898, Vorartberg (V) LGBI. 18/1904.- Die Bundesländer werden im folgenden nur mit den in dieser und der nächsten Anmerkung in Klammern beigefügten Abkürzung bezeichnet. 8 Niederösterreich (Nö.) LGBl. 76/1905, Kärnten (K) LGBI. 7/1908, Oberösterreich (Oö.) LGBI. 34/1910, Sa. LGBI. 33/1915, T LGBI. 42/1915, St. LGBI. 42/1915, 178/1921, 86/1923, V LGBI. 43/1915. to W. Kirsch, S. 21.
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Nach der gegenwärtig geltenden Verfassung der Republik Österreich13 ist der Naturschutz gemäß der Generalklausel seines Art. 15 ausschließlich Landessache in Gesetzgebung und Vollziehung, so daß derzeit in Österreich neun verschiedene Regelungen dieses Rechtsgebietes bestehen.
IV. Die Entwicklung eines derartigen eigenständigen Naturschutzrechtes setzte, wenn man von den ersten Regelungen des Pflanzenschutzes in der Monarchie absieht, etwa mit dem Jahre 1920 ein. 1. Am Beginn stand wieder eine Detailregelung; sie betraf den
Maulwurf, dessen Felle um diese Zeit als Pelzwerk sehr geschätzt
waren und der in Ländem, in denen er nicht schon bisher geschützt war wie in Salzburg, von der Ausrottung bedroht war14 . Es erließen daher vier Länder Regelungen, durch die das Fangen oder Töten des Maulwurfes sowie der Handel mit Maulwurfsfellen verboten wurde15 • Charakteristisch ist, daß diese Regelungen nicht vom Gedanken des Nutzens der Tiere für die Landwirtschaft getragen waren. Es wird zwar in der Vorarlberger Regelung ausdrücklich gesagt, daß das Verbot zum Zwecke der Vermeidung einer gänzlichen Ausrottung des "als Massenverfolger von Engerlingen, Würmem, Schnecken und Mäusen nütz11 a) Jagdnormale von 1786 ("Jagd- und Wildschützenordnung", Kropatscheks Sammlung der Josephinischen Gesetze, Bd. XI, S. 488). Dieses Jagdnormale bedeutete allerdings gegenüber den früheren Regelungen der Kronländer einen gewissen Rückschritt bezüglich der Wildhege. Es wurde dann durch das kaiserliche Patent RGBl. 154/1849 abgelöst. Dieses selbst wurde dann wieder durch Landesjagdgesetze ersetzt. b) Die Waldordnungen, die auf Grund des dem Österreichischen Markgrafen im Jahre 1156 im "Privilegium minus" erteilten Forstregals erlassen worden waren, wurden durch das Reichsforstgesetz RGLl. 250/1852 abgelöst, welches zwar ein Reichsgesetz war, aber doch auch in einigen Ländern Ergänzungen durch Landesgesetze erhalten hat. c) Für die Fischerei war zwar von vornherein an eine einheitliche Regelung gedacht; da sich einer solchen aber kompetenzrechtliche Schwierigkeiten entgegenstellten, ergingen - auf Grund eines einheitlichen Entwurfes auch auf diesem Gebiet zunächst provisorische Landesfischereigesetze. Erst mit dem Reichsfischereigesetz RGBl. 58/1885, das auch nur ein Reichsrahmengesetz war, ergab sich eine gewisse Vereinheitlichung; auch dieses Gesetz galt aber nicht für ganz Österreich, sondern nur für einzelne Kronländer; es galt z. B. nicht für Kärnten, Steiermark und Tirol. 12 Dieses ist seit 1925 ausschließlich Bundessache. Auf kompetenzrechtliche Einzelfragen, insbesondere solche der Abgrenzung und Überschneidung von Bundes- und Landeskompetenzen kann im folgenden nicht eingegangen werden. 13 Bundes-Verfassungsgesetz i. d. F. von 1929, mehrfach novelliert, abgekürzt: B-VG.
w. Kirsch, S. 22. ts K LGBl. 43/1920, Nö. LGBl. 710/1920, 126/1921, T LGBl. 66/1921, 15/1924, V LGBl. 129/1921. 14
1GO
ll:rwin Melichar
liehen" Maulwurfes erlassen wird. Es zeigen aber die Ausnahmen, die manche Regelungen zuließen, daß man auch Bedacht darauf nahm, daß der Maulwurf für die Landwirtschaft nicht nur nützlich, sondern auch schädlich sein kann. Denn das Verbot galt im allgemeinen nicht für Obst- und Gemüsegärten und außerdem konnte für kurze Zeiträume eine Fangbewilligung erteilt werden, wobei bei der Entscheidung auf die Verhältnisse der Bodenkultur Bedacht zu nehmen war; in Niederösterreich war sogar ein Gutachten der Hochschule für Bodenkultur einzuholen. Es ging daher um den Schutz dieser Tierart ohne Rücksicht auf Nützlichkeit und Schädlichkeit. 2. Schon bald nach diesen Gesetzen kam es zur Erlassung umfassender Naturschutzgesetze (NSchG), die die Erlassung von Einzelgesetzen
mit begrenzten Schutzzielen überflüssig machte. Es ergingen in der Folge zwar in Tirol noch Gesetze zum Schutze des Wiesels111, der Frösche17 und der Weinbergschnecken18 ; diese hatten aber ihren Grund darin, daß in erster Linie ein unmittelbarer Schutz durch Unterbindung des Handels mit Wieselfellen und Froschschenkeln und des Einsammeins von Weinbergschnecken (außer zu Zuchtzwecken) und damit wieder des Handels mit ihnen geboten werden sollte, das geltende NSchG aber nur das Verfolgen, Fangen und Töten von Tieren verbot1 9 • Die NSchG umschreiben regelmäßig zu Beginn ihrer Regelung das Ziel des Naturschutzes mit verschiedenen Worten20 • Alle diese Formulierungen, die vor allem die rechtliche Bedeutung eines Auslegungsbehelfes haben, sind aber von gleichen Gedanken getragen. Die umfassenste Kurzfassung findet sich vielleicht im § 1 des Salzburger Naturschutzgesetzes, nach dem dieses Gesetz "dem Schutz und der Pflege der heimatlichen Natur und der vom Menschen gestalteten Kulturlandschaft, zur Erhaltung, Verbesserung oder Wiederherstellung natürlicher oder überlieferter Lebensräume für Menschen, Tiere und Pflanzen" dient. Die einzelnen Bestimmungen bringen dann Regelungen auf vier Hauptgebieten. Sie betreffen · a) den Schutz bestimmter Pflanzen- und Tierarten, b) die Naturdenkmäler, LGBI. 8/1930. LGBI. 34/1930. 1s LGBI. 22/1935. 1g § 16 NSchG LGBI. 7/1925. 20 Jeweils im § 1 der gegenwärtig geltenden Naturschutzgesetze (NSchG), außer in Burgenland (B) und Oö. 18 t7
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c) die Naturschutzgebiete, d) den Schutz sonstiger Landschaftsteile (insbesondere Landschaftsschutzgebiete). Es überrascht, daß schon kurz nach bloß den Maulwurf betreffenden Spezialregelungen das erste allgemeine NSchG erlassen wurde und daß dieses bereits Regelungen für alle vier Hauptgebiete traf. Es war dies das NöNSchG, LGBl. 130/1924. Auch die bald nachfolgenden NSchG der anderen Bundesländer21 waren regelmäßig umfassend, nur Oö. traf keine Regelungen für Naturdenkmale und Wien keine Regelung über Naturschutzgebiete 22 ; St. erließ überhaupt kein NSchG2 3 • In Nö. erging gleichzeitig mit dem NSchG ein Landeshöhlenschutzgesetz24, welches den Schutz, die Erhaltung und die Verwertung von Naturhöhlen, insbesondere ihre Erschließung für den Fremdenverkehr bezweckte; es ist also eine Sonderregelung für eine bestimmte Art von Naturdenkmalen. Dieses Gesetz gewann jedoch ebenso wie ähnliche Regelungen anderer Bundesländer nur geringe Bedeutung, weil Art. I des Naturhöhlengesetzes BGBl. 169/1928 (eine Verfassungsbestimmung) anordnete, daß durch Bundesgesetz bestimmt wird, inwieweit der Denkmalschutz des Bundes (Art. 10 B-VG) auch Naturhöhlen umfaßt, und anschließend eine entsprechende materielle Regelung getroffen wurde 25 • Aufrecht blieben daher nur jene Bestimmungen der Landesnaturhöhlengesetze, die über den bloßen Schutz hinausgingen, also etwa die Erschließung, die Erhaltung und die zweckmäßige Bewirtschaftung und Benützung betrafen. Erst die B-VG-Novelle BGBl. 444/1974 hat die Kompetenz des Bundes wieder beseitigt, so daß es seither wieder landesgesetzliche Bestimmungen über den Schutz von Naturhöhlen gibt28. Da der Gesetzgeber mit den NSchG legislatives Neuland betrat, waren diese Vorschriften noch eher zurückhaltend und überließen 21 In chronologischer Reihenfolge: T LGBI. 7/1925, B LGBl. 87/1926, Oö. LGBI. 7/1928, Sa. LGBI. 67/1929, K LGBI. 49/1931, V LGBI. 30/1932, Wien (W) LGBI. 44/1935. 22 Letzteres erklärt sich aus dem städtischen Charakter von Wien. 23 Dort brachte erst das ReichsNSchG eine allgemeine gesetzliche Regelung; bis dahin gab es nur ein Alpenblumenschutzgesetz (zuletzt LGBl.
86/1923).
LGBI. 131/1924. Bei den vorangegangenen verfassungsrechtlichen Auseinandersetzungen ging es um die Abgrenzung von Naturschutz und Denkmalschutz; auf sie kann hier nicht näher eingegangen werden; sie wurden durch die zitierte Verfassungsbestimmung beendet. Vgl. dazu Kirsch, S. 27 ff. 28 Das Naturhöhlengesetz des Bundes gilt in allen Ländern als Landesgesetz weiter; in V wurde es wiederverlautbart (LGBI. 38/1976), in Sa. wurde der Höhlenschutz grundsätzlich in das NSchG 1977 aufgenommen. 24
25
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manches der Regelung im Verordnungsweg. Es gab aber doch auch schon Detailregelungen, insbesondere bezüglich der Naturdenkmale. Mit 17. 2. 1939 wurde in Österreich das deutsche ReichsNSchG einge~ führt. Dieses unterzog zwar auch alle vier Hauptgebiete einer Regelung, war aber verhältnismäßig kurz und überließ die materielle Regelung weitestgehend der Exekutive27 • Seine Besonderheit bestand darin, daß zwar die früheren NSchG auch einen Schutz des Landschaftsbildes allgemeiner Art kannten, durch das ReichsNSchG aber die Möglichkeit eröffnet wurde, Landschaftsteile, die für die Erklärung zum Naturdenkmal oder zum Naturschutzgebiet nicht in Betracht kamen, aber doch, wenn auch in geringerem Maße schutzwürdig waren, einem besonderen Schutz zu unterstellen. Das ReichsNSchG ging nach 1945 in das Österreichische Recht als landesgesetzliche Regelung ein, es verwandelte sich also in neun Landesnaturschutzgesetze und konnte dann durch Landesgesetz abgeändert und aufgehoben werden. Es wurde in der Folge in allen Ländern durch ein eigenes modernes und einer rechtsstaatliehen Ordnung entsprechendes Landesnaturschutzgesetz abgelöst28 • Bemerkenswert ist, daß sich die jüngeren dieser Gesetze in ihrem § 1 ausdrücklich zum Naturschutzgedanken moderner Prägung bekennen. So heißt es etwa im NöNSchG 1976, Ziel des Naturschutzes sei es, die Natur in allen ihren Erscheinungsformen, insbesondere in ihrem Wirkungsgefüge und in ihrer Vielfalt zu erhalten und zu pflegen; dazu gehöre auch das Bestreben, die der Gesundheit des Menschen und seiner Erholung dienende Umwelt als bestmögliche Lebensgrundlage zu erhalten, wiederherzustellen oder zu verbessern. Die Erhaltung und Pflege der Natur erstrecke sich auf alle ihre Erscheinungsformen, gleichgültig, ob sie sich in ihrem ursprünglichen 'Zustand befinden oder durch den Menschen gestaltet wurden. Das TNSchG 1974 enthält dieselbe Bestimmung und fügt hinzu, daß die Natur nur soweit in Anspruch genommen werden darf, daß ihr Nutzen auch für die nachkommenden Generationen erhalten bleibt. Das SaNSchG enthält sogar die allgemeine Verpflichtung, daß die gesamte Natur von jedermann nach der näheren Regelung des Gesetzes zu schützen und zu pflegen ist.
27 In Österreich eingeführt durch die Verordnung vom 10. 2. 1939, RGBl. I s. 217. 28 Zuerst in Nö. LGBl. 40/1952, zuletzt in St. durch das NSchG 1976.
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V. Die inhaltliche Entwicklung des Naturschutzrechtes kann nur anband der einzelnen Institutionen verfolgt werden. Sie ist daher für jede der Hauptgebiete getrennt zu untersuchen. 1. Schutz von Pflanzen und Tieren
a) Der Pflanzenschutz hatte, wie schon erwähnt, Vorläuferregelungen in der Monarchie, die jedoch nur Alpenblumen betrafen. Diese Regelungen wurden zunächst in das Recht der Republik übernommen. Die NSchG der 1. Republik29 haben dann den Schutz auf eine allgemeine Basis gestellt30 • In der Regel wurde in einer allgemeinen Formulierung umschrieben, welche Pflanzen zu schützen sind, und die Landesregierung oder der Landeshauptmann ermächtigt, die einzelnen zu schützenden Pflanzenarten durch Verordnung zu bestimmen. Nur in Sa. wurden die geschützten Pflanzenarten im Gesetz selbst genannt; B nimmt eine Mittelstellung ein, indem drei Pflanzenarten (Edelkastanie, Eibe, Stechpalme) durch das Gesetz selbst geschützt und andere Arten durch Verordnung unter Schutz gestellt wurden. Nach dem ersten, dem NöNSchG 1924 werden Pflanzenarten geschützt, die in der heimischen Landschaft vereinzelt oder verhältnismäßig selten vertreten sind und deren Bestand gefährdet ist. Sie dürfen zu Erwerbszwecken weder mit noch ohne Wurzel gesammelt und feilgeboten werden; Bäume und Sträucher solcher Arten dürfen außer im Falle einer Gefahr für Menschen oder im erheblicheren Umfang auch für Sachen - in gesundem Zustand nicht gefällt werden. Die übrigen NSchG haben sich diese Regelung zum Vorbild genommen und sogar ihre Formulierung zum Teil wörtlich, überwiegend aber mit gewissen Varianten übernommen. Das SaNSchG enthält ausführlichere Bestimmungen. Auch das Pflücken von Blüten und Früchten war entweder schon im Gesetz verboten oder konnte durch Verordnung verboten werden; auch weitere naturfeindliche Eingriffe konnten verboten werden. Die Beschränkung des Schutzes auf bestimmte Gebiete war in der Regel möglich. Nach dem ReichsNSchG erstreckte sich der Schutz auf die Erhaltung seltener oder in ihrem Bestand bedrohter Pflanzenarten und auf die Verhütung mißbräuchlicher Aneignung und Verwertung von Pflanzen und Pflanzenteilen (z. B. durch Handel mit Schmuckreisig, Handel oder 28 Unter der "1. Republik" wird die Republik Österreich der Zeit vom Ende der Monarchie im Jahre 1918 bis zur Besetzung durch Hitler am 11. 3. 1938 verstanden; die Republik Österreich seit 1945 pflegt man als "2. Republik" zu bezeichnen. so In St., wo kein NSchG erlassen wurde, wurde der Alpenblumenschutz durch Landesgesetze an die neuen Verhältnisse angepaßt.
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Tausch mit Trockenpflanzen). Der Reichsforstmeister konnte die zu schützenden Pflanzenarten bestimmen. Durch seine Anordnungen durften Aufwendungen irgendwelcher Art nicht gefordert werden, wohl aber konnte die Verpflichtung zur Duldung von Schutz- und Erhaltungsmaßnahmen auferlegt werden, soweit dem Eigentümer dadurch keine wesentlichen Nachteile entstehen. Diese gesetzliche Regelung überließ also nicht nur die Bestimmung der geschützten Pflanzenarten, sondern auch die Festlegung der Schutzmaßnahmen gemäß der damals herrschenden Staatsideologie völlig der Exekutive. Die folgenden NSchG brachten eine weitere Verfeinerung. Geschützt wurden wildwachsende Pflanzenarten, die wegen ihrer Schönheit, Seltenheit oder Verwertbarkeit oder aus sonstigen Gründen menschlichen Zugriffen ausgesetzt und dadurch in ihrem Bestand gefährdet sind31 • Die jüngeren Regelungen stellen überhaupt nur mehr auf die Gefährdung schlechthin und das öffentliche Interesse am Bestand der Pflanzenart ab 32 • Das OöNSchG verlangt eine Abwägung des Interesses am Schutz und der sonstigen öffentlichen Interessen (§ 6), die übrigen NSchG sehen regelmäßig Ausnahmen für die gewerbliche und die land- und forstwirtschaftliche Nutzung, Maßnahmen der Schädlingsbekämpfung, Bodenverbesserungen, Kulturumwandlungen und dgl. vor33 • Das SaNSchG 1977 bestimmt im § 3 (3) ganz allgemein, daß bei seiner Anwendung immer davon auszugehen ist, daß dem öffentlichen Interesse am Naturschutz der Vorrang gegenüber allen anderen Interessen eingeräumt werden kann; bei Maßnahmen, die unmittelbar besonders wichtigen öffentlichen Interessen dienen, welchen gegenüber den Interessen des Naturschutzes der Vorrang gebührt, sind die Interessen des Naturschutzes so weit wie möglich zu wahren. Auch das TNSchG 1974 bestimmt, daß für beeinträchtigende Maßnahmen ein öffentliches Interesse gegeben sein muß, dem ein Vorrang gegenüber dem Interesse am Naturschutz zukommt, und daß sie so durchzuführen sind, daß die Natur möglichst wenig beeinträchtigt wird. Unterschieden wird zwischen einem gänzlichen und einem teilweisen Schutz; letzterer beschränkt sich auf bestimmte Entwicklungsformen, Zeiten, Örtlichkeiten, Verwendungsarten oder Teiles 4 • Jeder, der Pflanat B, K, Nö. 1952, Sa., W 1956. az Nö. 1977, Sa. 1977, St., T 1974, V.
aa B, K, Nö., St., T.
B, K, Nö., Sa., St., T. W; in Oö. finden sich die entsprechenden Bestimmungen in der NSchVerordnung. - Die gänzlich geschützten Pflanzen dürfen nicht von ihrem Standort entfernt, beschädigt oder vernichtet, in frischem oder getrocknetem Zustande übertragen, erworben, befördert oder feilgeboten werden; dieser Schutz bezieht sich auch auf die einzelnen pflanzenteile (Wurzeln, Zwiebeln, Knollen, Wurzelstock, Blüten, Blätter, Zweige 84
usw.).
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zen einer geschützten Art besitzt, zu Handelszwecken anbietet oder befördert, hat deren Herkunft den Naturschutzorganen nachzuweisen (Umkehrung der Beweislast!) oder bedarf dazu sogar eines besonderen Ausweises35 • Neu ist, daß manche NSchG auch einen gewissen Schutz für nichtgeschützte Pflanzen vorsehen; sie untersagen jede mutwillige Beschädigung oder Vernichtung solcher wildwachsender Pflanzen. Das erwerbsmäßige Sammeln, Feilbieten oder Handeln sowie das Sammeln in Massen bedarf einer besonderen Bewilligung38 • Eine Neuerung sind auch die Bestimmungen, die das Aussetzen standortfremder wildwachsender Pflanzen in freier Natur entweder überhaupt verbieten37 oder an eine Bewilligung knüpfen, die zu versagen ist, wenn durch das Aussetzen eine Störung des Gleichgewichtes des Haushaltes der Natur zu befürchten ist38• In diesem Umfang wird also allen wildwachsenden Pflanzen ein "Grundschutz" 39 gewährt40 • b) Die Bestimmungen über den Schutz der Tiere entwickelten sich durchaus parallel mit den Regelungen über den Pflanzenschutz. Den Vorschriften über den Schutz des Maulwurfes folgten unmittelbar gleichartige allgemeine Bestimmungen des NSchG über den Schutz bestimmter Tierarten (auch in ihren Entwicklungsstufen) verbunden mit dem grundsätzlichen Verbot des Verfolgens, Fangens, Tötens und Verkaufens sowie der absichtlichen Zerstörung oder Beschädigung der zur Fortpflanzung verwendeten Plätze und der zur Aufzucht dienenden Anlagen41 • Die Bestimmungen des ReichsNSchG über den Pflanzenschutz galten auch für den Tierschutz mit der Besonderheit, daß sich der Schutz auch gegen Massenfänge und die industrielle Verwertung von Schmetterlingen und anderen Schmuckformen der Tierwelt richtete. B, K, Nö., Oö., Sa., St., T., W. B, K, Nö., Sa., jeweils mit der Ausnahme für das Sammeln von Pilzen und Wildfrüchten, St., Oö. NSchVerordnung. 35 38
37
K.
B, Nö., Oö., Sa., St., T 1951, W. R. Unkart, Institutionen des Österreichischen Naturschutzrechtes, Wien 1967, s. 8. ' 0 Dies kommt im NöNSchG 1977 deutlich zum Ausdruck, weil es die Beas
39
stimmungen über den Schutz gegen die mutwillige Beschädigung und Vernichtung, das erwerbsmäßige Sammeln und das Verbot des Aussetzens standortfremder Arten unter der Überschrift "Allgemeiner Pflanzen- und Tierschutz" in einem eigenen Abschnitt zusammenfaßt. 41 Auch für den Tierschutz enthält wieder das SaNSchG 1929 ausführlichere Bestimmungen als andere NSchG.
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Die NSchG der Nachkriegszeit brachten wieder eine Verfeinerung des Schutzes bezüglich der gänzlich geschützten Tiere42 , schränkten aber den Schutz zum Teil ausdrücklich auf nicht jagdbare Tiere ein43 bzw. räumten den Vorschriften über die Jagd und Fischerei den Vorrang ein44 , weil deren Bestimmungen über Schonung und Hege für genügend erachtet wurden, zum Teil gelten die Naturschutzvorschriften neben den jagdrechtlichen45 • Die Bestimmungen über den Grundschutz nichtgeschützter Pflanzenarten gelten auch für nichtgeschützte freilebende Tiere. Auch können bestimmte Fangarten und Fangmittel verboten werden46 • Das NöNSchG verbietet auch die absichtliche Zerstörung des Lebensraumes von Tieren. c) Eine Besonderheit stellt § 26 (3) SaNSchG dar, wonach zur Erhaltung besonderer Lebensgemeinschaften von Pflanzen oder Tieren auch deren Lebensraum unter Schutz gestellt werden können. 2. Naturdenkmale
Bestrebungen, Naturdenkmalen einen Rechtsschutz zu verleihen, sind seit 1901 festzustellen47 • Eingeführt wurde ein solcher aber erst durch die NSchG der 1. Republik, wobei in einigen statt von Naturdenkmalen schlechthin von "Naturgebilden" gesprochen wird48 • a) Nach dem NöNSchG 1924, sind Naturdenkmale Naturgebilde, die wegen ihrer Eigenart oder Seltenheit, wegen ihres wissenschaftlichen oder kulturellen Wertes oder wegen des besonderen Gepräges, das sie dem Landschaftsbild verleihen, erhaltungswürdig sind. Dieser Definition haben sich fast al'le späteren NSchG mit geringen Varianten angeschlossen. Das NSchG von B kennt den Begriff nicht, wohl aber den Schutz charakteristischer Landschaftsteile, alter und bemerkenswerter Bäume und Baumgruppen, die der Landschaft ein besonderes Gepräge verleihen, und von Höhlen. Das OöNSchG enthielt überhaupt keine Bestimmungen über Naturdenkmale. Das ReichsNSchG brachte dann einen allgemeinen Schutz für "Einzelschöpfungen der Natur, deren Erhaltung wegen ihrer wissenschaftlichen, geschichtlichen, heimat- und volkskundlichen Bedeutung oder wegen ihrer sonstigen Eigenart im öffentlichen Interesse liegt". Die späteren NSchG knüpften wieder an 42 z. B. das Verbot des Abbrennens von Einzelgehölzen, Hecken, Rasenflächen, Rohr- und Schilfbeständen (NöNSchG § 10). 43 B, K, Sa. 1956 und 1977, St., T 1951 und 1977, V. 44 45
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Nö. 1977. Oö., W. Sa. 1956 und 1977, T 1975, W. Vgl. dazu W. Kirsch, S. 22.
Sa., V, W.
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die früheren Begriffsbestimmungen an. Das NöNSchG 1977 bringt eine gewisse Neuerung, wenn es allgemein gefaßt unter Naturdenkmalen Naturgebilde versteht, die als gestaltende Elemente des Landschaftsbildes oder aus wissenschaftlichen oder kulturellen Gründen besondere Bedeutung haben, wobei dann, wenn das Erscheinungsbild oder die Erhaltung eines Naturgebildes maßgeblich durch den unmittelbaren Umgebungsbereich mitbestimmt wird, auch dieser in den Schutz einbe~ zogen werden kann. b) Der Schutz erfolgt seit dem NöNSchG 1924 in einer ganz anderen juristischen Technik. Während Pflanzen und Tiere ex lege geschützt und für Ausnahmen Bewilligungen erforderlich sind, tritt der Schutz eines Naturdenkmales nur und erst ein, wenn das Naturgebilde durch Bescheid unter Schutz gestellt wird. Eine mittlere Lösung findet man im BNSchG 1926, wonach im Zweifel, ob die ex lege geschützten Bäume und Baumgruppen unter den Schutz des Gesetzes fallen, auf Antrag des Verfügungsberechtigten oder von Amts wegen ein Bescheid zu erlassen war. Vor Erlassung des Bescheides war u. U. eine Interessensabwägung vorzunehmen, vor der außer dem Verfügungsberechtigten je nach den berührten Interessen der Bund, die öffentlich-rechtliche Interessenvertretung sowie allenfalls ein Sachverständiger zu hören waren. In manchen Fällen war sogar die Zustimmung des Verfügungsberechtigten erforderlich49 • Das ReichsNSchG enthielt keine solche Verfahrensbestimmungen. Auch die gegenwärtig geltenden NSchG enthalten im allgemeinen keine detaillierten Verfahrensbestimmungen, weil ohnedies das inzwischen erlassene Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz anzuwenden ist. Es sehen auch nicht mehr alle Gesetze vor, daß Bundesorgane und Interessenvertretungen bei Berührung ihrer jeweiligen Interessen zu hören sind, wohl aber regelmäßig, daß für jeden Verwaltungsbezirk ein Naturschutzsachverständiger zu bestellen und in allen Naturschutzverfahren zu hören ist. Die Rechtsfolgen der Erklärung zum Naturdenkmal bestanden zunächst darin, daß seine Veränderung oder Vernichtung durch den Verfügungs(Nutzungs)berechtigten der Genehmigung der Bezirksverwaltungsbehörde bedurfte; bei Gefahr im Verzug für die körperliche Sicherheit von Menschen oder erheblichem Sachschaden war sofortiges Handeln gegen nachträgliche Genehmigung zulässig50 • Für andere Personen bestand ein absolutes Eingriffsverbot. Bei Übertretung dieser Vorschriften waren Verwaltungsstrafen zu verhängen, es konnte aber auch, wenn es möglich war, die Versetzung in den früheren Zustand, K, Nö., T. Diese Beschränkung galt als vorläufige Maßnahme schon seit der Verständigung über die Einleitung des Unterschutzstellungsverfahrens. 49
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bzw. bei Bäumen die Wiederanpflanzung angeordnet werden. Zur Erhaltung von Naturdenkmalen konnten Sicherungsmaßnahmen (regelmäßig gegen Kostenersatz) vorgeschrieben werden. Vom Untergang oder der Beschädigung des Naturdenkmales hatte der Verfügungsberechtigte die Behörde zu verständigen. Die Erklärung zum Naturdenkmal war in ein Naturdenkmalbuch51 einzutragen, das zur öffentlichen Einsicht auflag. Dies hatte regelmäßig die Bedeutung, daß die Erklärung zwar gegenüber dem Verfügungs(Nutzungs)berechtigten mit der Zustellung des Schutzbescheides, gegenüber Dritten aber erst mit der Eintragung in das Naturdenkmalbuch wirksam wurde. Überdies sahen manche NSchG auch weitere Verständigungen, insbesondere der Gemeindebehörden, vor. Im Grundbuch wurde die Erklärung ersichtlich gemacht; das Grundbuchsgericht hatte im Falle eines Eigentümerwechsels die Behörde hievon zu verständigen52. Die jüngeren NSchG sahen auch eine Kennzeichnung der Naturdenkmale vor. Der Schutz endete mit dem Untergang des Naturgebildes. Die NSchG von K und W sahen auch einen Widerruf vor, wenn die für die Erklärung maßgebenden Voraussetzungen entfallen, das WNSchG überdies dann, wenn sich öffentliche Interessen geltend machen, die der Erklärung zum Naturdenkmal entgegen gestanden wären, wenn sie im Zeitpunkt des Bescheides vorhanden oder erkennbar gewesen wären. Die Höhlen waren durch das Naturhöhlengesetz des Bundes geschützt. Die Unterschutzstellung erfolgte gleichfalls durch Bescheid mit der Wirkung, daß die Zerstörung der Naturhöhle (der Umgebung ihres Einganges, der mit ihr im Zusammenhang stehenden Erscheinungen auf oder unter der Erdoberfläche, des Ergebnisses von Aufsammlungen und Ausgrabungen in Naturhöhlen) sowie jede Änderung, welche die Eigenart, das besondere Gepräge oder die naturwissenschaftliche Bedeutung des Naturdenkmals beeinflussen konnten, der Zustimmung bedurfte. Auch hier bestand eine Ausnahme für Gefahr im Verzug. Im übrigen gab es ähnliche Detailbestimmungen wie in den NSchG der Länder. Eine Besonderheit waren jedoch die weiteren Bestimmungen über das Entdecken und Aufschließen von bisher unbekannten Naturhöhlen, über die Erforschung und das Befahren von Naturhöhlen und das Aufsammeln von Höhleninhalt (§§ 6- 9); sie enthielten Anzeigepflichten sowie Bewilligungserfordernisse. Diese Rechtslage ist bis heute im wesentlichen unverändert geblieben. Trotz aller Variationen im Inhalt und im Iegistischen Aufbau kann 51 In Sa. Naturschutzbuch, weil dort auch die Banngebiete einzutragen waren. 62 In Sa. hatte diese Pflicht der Veräußerer (Verpächter).
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festgestellt werden, daß die Lücken, die die Gesetzgebung vor 1939 offengelassen hat, im wesentlichen geschlossen wurden53. Neu ist, daß einige Länder zu einer anderen Gesetzestechnik übergegangen sind, nämlich ein absolutes Eingriffsverbot statuieren, aber Ausnahmen zulassen54 und daß in Oö. die erforderlichen Schutzmaßnahmen im Einzelfall durch Bescheid festgesetzt werden, ferner daß auch die unmittelbare Umgebung in den Schutz einbezogen werden kann, die Erweiterung der Widerrufsmöglichkeit55, daß in einigen Ländern den Eigentümer eine Erhaltungspflicht trifft 56, zum Teil unter Kostenersatz bei erheblichen Aufwendungen, daß in einigen Ländern das Naturdenkmalbuch in ein Naturschutzbuch umgewandelt wurde, in das nunmehr auch andere Naturschutzmaßnahmen eingetragen werden57 und daß in einigen Ländern von der Behörde auch eine Regelung der Besichtigung getroffen werden kann (auch bzgl. des Eintrittsgeldes) 58, zum Teil sogar der Verfügungsberechtigte verpflichtet werden kann, die Besichtigung zuzulassen5'· oo. 3. Naturschutzgebiete
a) Der Beginn der Entwicklung dieses Rechtsgebietes steht inhaltlich, zum Teil auch legislativtechnisch im Zusammenhang mit dem Naturdenkmalschutz. Charakteristisch dafür ist die Formulierung des NöNSchG 1924. Nach dessen § 23 konnte der Landeshauptmann Gebietsflächen, die wegen ihres Reichtums an Naturdenkmalen oder wegen ihrer hervorragenden landschaftlichen Bedeutung in erhöhtem Maße schutzbedürftig und schonwürdig sind, zu Banngebieten61 erklä53 Wenn dies auch nicht in allen Gesetzen selbst zum Ausdruck kommt, ist doch zu beachten, daß manche Lücken im Wege von Durchführungsverordnungen geschlossen wurden; das gilt vor allem für V., in Oö. sorgt die Festlegung der Maßnahmen im Einzelfall für einen nahezu vollständigen Schutz. 54 Nö. (ohne Ausnahmemöglichkeit), Sa., T. 55 Neuer Widerrufsgrund in St. auch Gefährdung der öffentlichen Sicherheit, in W sogar Widerruf unbegrenzt möglich. 5e B, K, Sa., St., T, W. 57 K, Nö., Oö., Sa., St., W. 58 B, K, Nö., wohl auch Oö. (durch Individualbescheid). 59
B, K.
Bezüglich des Schutzes von Naturhöhlen vgl. Anm. 26. Der Ausdruck "Bann"gebiet stammt aus der mittelalterlichen Rechtssprache und geht auf den Königsbann zurück, kraft dessen der König ein Verhalten unter Strafsanktion ge- oder verbieten konnte (vgl. E. Kaufmann, Bann, weltlich, im Handwörterbuch der deutschen Rechtsgeschichte, Bd. I, S. 308 f.). Im Forstrecht hat er sich bis heute in der Rechtsfigur des "Bannwaldes" erhalten; bestimmte Wälder können zur Gefahrenabwehr und wegen ihrer Wohlfahrtswirkung durch Bescheid in "Bann" gelegt werden und unterliegen dann den in diesem Bescheid vorgeschriebenen Beschränkungen in der Bewirtschaftung (§ 27 ff. Forstgesetz 1975). 60
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ren62 . Das SaNSchG 1929 faßte sogar den Schutz von Naturdenkmalen und Banngebieten in einem Abschnitt zusammen. Von diesem Zusammenhang ist das ReichsNSchG völlig abgerückt; es verstand unter Naturschutzgebieten abgegrenzte Bezirke, in denen ein besonderer Schutz der Natur in ihrer Ganzheit oder in einzelnen ihrer Teile aus wissenschaftlichen, geschichtlichen, heimat- und volkskundlichen Gründen oder wegen ihrer landschaftlichen Schönheit oder Eigenart im öffentlichen Interesse liegt. In den folgenden NSchG der Länder kehrt der Zusammenhang aber wieder. Nach den älteren dieser Gesetze sind nämlich Naturschutzgebiete63 (außerhalb geschlossener Ortschaften gelegene) Gebiete, a) die sich durch völlige oder weitgehende Ursprünglichkeit auszeichnen oder b) die selten gewordene Pflanzen oder Tierarten beherbergen oder reich an Naturdenkmalen sind84 . Manche NSchG differenzieren zwischen diesen beiden Gruppen, indem sie die zuerst genannten als Vollnaturschutzgebiete und die anderen als Teilnaturschutzgebiete unterschiedlich behandeln65 . Die jüngeren NSchG halten zwar am Gedanken der Ursprünglichkeit fest, variieren aber bezüglich weiterer Merkmale. Nö., Sa. und T nehmen ergänzend Gebiete von sonstiger naturwissenschaftlicher Bedeutung auf68, das VNSchG hat als einziges die Definition des ReichsNSchG beibehalten. Neu ist, daß im SaNSchG 1977 die Mitberücksichtigung der "raumordnungsmäßigen Belange" angeordnet wird67.
82 Ebenso die NSchG von B, Nö. und T; K und Oö. mit der Variation, daß von Naturseltenheiten, Sa., daß von geschützten Naturgebilden gesprochen wird; gemeint ist aber in allen Fällen dasselbe. Das VNSchG ermächtigt die Landesregierung zur Erklärung von Banngebieten ohne nähere Determinierung und ordnet überdies an, daß das alpine Ödland (Kahlstein- und Gletschergebiet) grundsätzlich in seiner bisherigen Ursprünglichkeit und Unberührtheit von Menschenwerk erhalten bleiben soll und verlangt für die Errichtung störender Unternehmungen eine zusätzliche Bewilligung der Landesregierung. In W gab es- offenbar wegen seines städtischen Charakters- keine Bestimmungen über Naturschutzgebiete. 83 Manche ältere NSchG bringen die Regelung unter dem Titel "Naturgebietsschutz": B, K, Nö. 1952 und 1977, Sa. 1956, T 1951, W, jüngere sind von dieser Terminologie wieder abgegangen: Sa. 1977, St., T 1975. 64 B, K, Nö. 1952, Oö., Sa. 1956, T 1951, W. 85 B, K, Nö. 1952, Sa. 1956, W (ohne strenge Zuweisung zur einen oder anderen Gruppe). 86 Nö. 1976: insbesondere Standorte seltener Pflanzen- oder Tierarten und gehäuftes Vorkommen erdgeschichtlich interessanter Erscheinungen; Sa.: seltene oder gefährdete Pflanzen- oder Tierarten, charakteristische oder seltene Lebensgemeinschaften von Pflanzen oder Tieren; T: besondere Vielfalt der Tier- und Pflanzenwelt, seltene oder von der Ausrottung bedrohte Pflanzen- und Tierarten, seltene Lebensgemeinschaften von Tieren und Pflanzen. 87 Über den allgemeinen Zusammenhang von Naturgebietsschutz und Landschaftsschutz mit der Raumordnung vgl. unten unter VI 2.
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b) Die Erklärung zum Banngebiet erfolgte nach dem NöNSchG 1924 durch den Landeshauptmann68 • Sie ist ihrer Rechtsnatur nach als Verordnung zu qualifizieren69 und war daher im LGBL kundzumachen. Mit der Kundmachung traten ihre Rechtsfolgen ein70 • Überdies war sie in manchen Ländern an den Gemeindetafeln anzuschlagen71 und im Grundbuch ersichtlich zu machen 72 • Eine Kennzeichnung und eine Eintragung in ein Naturschutzbuch war nur in Sa. vorgesehen. In einigen Ländern war ein Antrag des Eigentümers oder der Landesfachstelle für Naturschutz erforderlich78 ; in letzterem Falle bedurfte die Erklärung der Zustimmung des Eigentümers, wenn die betroffenen Grundstücke nicht im Eigentum des Landes, eines Landesfonds oder einer Gemeinde des Landes standen74 • In anderen Ländern konnte die Erklärung auch von Amts wegen erfolgen75, war aber wieder in manchen Ländern an die Zustimmung des Verfügungsberechtigten geknüpft7 6 • Die Erklärung zum Banngebiet hatte nach dem NöNSchG 1924 Beschränkungen des Eigentümers in der Verfügung über das Grundstück zur Landoder Forstwirtschaft, Jagd oder Fischerei, ferner über das allgemeine Maß hinausgehende, dem Naturschutz dienende Beschränkungen dritter Personen zur Folge. Der Inhalt der Beschränkungen war je nach den Umständen des einzelnen Falles in der Erklärung festzusetzen77 • Bei wesentlichen Änderungen war ein Widerruf möglich, der in derselben Form wie die Erklärung zu erfolgen hatte78 • Nach dem ReichsNSchG war keine Kundmachung in einem Kundmachungsorgan vorgesehen, jedoch die Eintragung in das Reichsnaturschutzbuch, welche schutzbegründende Wirkung hatte. Überdies enthielt das Gesetz Bestimmungen über die Enteignung von Grundstücken, die von einem Naturschutzgebiet umschlossen waren oder daran angrenzten. 88 Ebenso T, in den anderen Ländern war zur Erklärung die Landesregierung zuständig. 89 Diese Rechtsform war in B und K sogar ausdrücklich durch das Gesetz vorgeschrieben. 7o So ausdrücklich K, Nö., Oö. und T, im übrigen ergab sich dies aus dem Verordnungscharakter der Erklärung. 71 B, K, Oö., T. 72 Alle Länder außer Sa.; daher mußte in Sa. auch eine Veräußerung (Verpachtung) von Grundstücken des Banngebietes vom Veräußerer (Verpächter) angezeigt werden. 73 Nö., Oö., T. 74 Nö., Oö. 75 B, K, Sa., T, V. 76 K, Sa., T; in V mußte die Bauernkammer zustimmen. 77 Ebenso B, K, Oö., T, ähnlich aber kürzer Sa. und V. 78 Er bedurfte in Nö., Oö. und T der Zustimmung der Landesfachstelle für Naturschutz.
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Die gegenwärtig geltenden NSchG umschreiben die Wirkung des Schutzes unterschiedlich. Außerdem kommt hinzu, daß die Wirkung von den Schutzmaßnahmen abhängt, die die Verordnungen, mit denen das Naturschutzgebiet gegründet wird, umschreiben. Nach manchen NSchG ist ex lege grundsätzlich schlechthin jeder Eingriff verboten79, wobei Ausnahmebewilligungen zugelassen werden80• In B kann die Landesregierung durch Verordnung Eingriffe untersagen, die der Erhaltung des Schutzgebietes zuwiderlaufen, soweit solche Eingriffe nicht zur Gefahrenabwehr vorgenommen werden müssen, sie kann aber Ausnahmebewilligungen vorsehen81 • Ähnliches gilt für K, wobei jedoch jeder Eingriff untersagt werden kann82 • In manchen Ländern bestehen ex lege Ausnahmen für die übliche land- und forstwirtschaftliche Nutzung, die Jagd und Fischerei sowie behördlich genehmigte Anlagen83 • In T kann auch das Betreten, das Verlassen von Verkehrsflächen, das Kampieren, das Baden, eine erhebliche Lärmentwicklung insbesondere durch Lautsprechergeräte und die Durchführung von Außenlandungen und Außenabflügen verboten werden. Das früher so einheitliche Bild der Regelungen über die Wirkung der Erklärung zum Naturschutzgebiet hat sich also gründlich gewandelt, aber doch nur in Details und in der legislativen Technik. Denn an sich ist es gleichgültig, ob die Eingriffe ex lege allgemein verboten sind oder ob die Landesregierung ermächtigt wird, in ihrer Verordnung Eingriffe allgemein oder nur, wenn sie dem Schutzzweck zuwiderlaufen, zu verbieten, und ob Ausnahmen schon im Gesetz vorgesehen sind oder ob sie allgemein oder nur für bestimmte Fälle unter Wahrung des Schutzzweckes von der 79 Nö. 1977, Oö. (außer zur Gefahrenabwehr), Sa. 1977, St. (nur für natursChädigende, die Landschaft verunstaltende oder den Naturgenuß beeinträchtigende Eingriffe, ausgenommen für den Schutzzweck oder zur Gefahrenabwehr erforderliche), T 1975 (einschließlich Jagd und Fischerei!), V (unbeschadet der bisherigen Nutzungsart und der Bestimmungen der Verordnung), W. 80 Nö. 1977 (zur Gefahrenabwehr und zur Nutzung des Gebietes, soferne der Schutzzweck nicht gefährdet wird), Oö. (zur verkehrsmäßigen Nutzung und aus überwiegenden öffentlichen Interessen), Sa. (wenn Schutzzweck nicht widerspricht), T (zur Sicherung des Schutzzweckes und zur wissenschaftlichen Forschung), V, W (in Vollnaturschutzgebieten, soweit notwendig oder aus volkswirtschaftlichen Gründen erforderlich und mit dem Schutzzweck vereinbar). 8t In Vollnaturschutzgebieten nur aus naturwissenschaftlichen Gründen, in Teilnaturschutzgebieten auch für Heilzwecke und aus volkswirtschaftlichen Interessen, insbesondere zur üblichen land- und forstwirtschaftliehen Nutzung, für Jagd und Fischerei und den Betrieb genehmigter Anlagen. 8! In Teilnaturschutzgebieten sind Eingriffe, die wirtschaftlichen und sozialen Interessen dienen, zugelassen, wenn sie mit dem Schutzzweck vereinbar sind. 83 K, St. (nur für die bisherige land-, forst-, jagd- und fischereiwirtschaftliche Nutzung, sofern nicht durch Verordnung ein Verbot erlassen wurde), ähnlich V (bisherige Benutzungsart).
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Behörde bewilligt werden können. Mit allen diesen Vorschriften kann, wenn sie vernünftig gehandhabt werden, das gleiche Ziel erreicht werden, nämlich ein wirksamer Schutz von Naturgebieten. Wesentlich ist, daß die Schutzmaßnahmen unterschiedlich gestaltet werden können, so wie es das einzelne Gebiet erforderlich macht. In dieser Beziehung sind die jüngeren Regelungen eingehender und wohl auch flexibler. Im übrigen ist zu den Regelungen dieser NSchG noch folgendes zu bemerken: Die Bestimmungen über die Eintragung in das Naturschutzbuch wurden ausgebaut84, ebenso jene über die Verpflichtung zur Wiederherstellung des früheren Zustandes bei Übertretungen von Verboten85 und die Kennzeichnung86 • Neu sind Bestimmungen über die Enteignung für Zwecke des Naturschutzgebietes87 und über die Entschädigung der Verfügungs-(Nutzungs)berechtigten für Erschwernisse88• Hervorzuheben ist auch, daß in drei Ländern ausdrücklich eine Erhaltungspflicht der Grundeigentümer normiert wird 89• An Bedeutung verloren hat die Ersichtlichmachung im Grundbuch90 , offenbar weil sie durch die Kennzeichnungspflicht ersetzt wurde. Über den Widerruf enthält nur mehr das BNSchG eine Bestimmung; eine solche ist auch überflüssig, weil es nach Lehre und Rechtsprechung unbestritten ist, daß der Verordnungsgeber seine Regelung stets ändern kann und ändern muß, wenn sie nicht mehr dem Gesetz entspricht. 4. Landschaftsschutz Die größte Entwicklung haben die Regelungen über den Landschaftsschutz durchgemacht. Sie beginnen mit den Bestimmungen über den "Schutz des Landschaftsbildes" im NöN.SChG 1924, in dem zunächst angeordnet wurde, daß sich dann, wenn sich aus einem Verwaltungsverfahren Rückwirkungen auf ein schönes Landschaftsbild ergeben können, von Amts wegen auf eine möglichst unversehrte Erhaltung des Landschaftsbildes und auf eine möglichste Anpassung allfälliger Bauwerke an ihre natürliche Umgebung Bedacht zu nehmen ist91 • Ferner Ein solches führen nun alle Länder außer B und T. Alle NSchG außer W. 88 Alle außer K. 87 B, K, Nö., W. 88 Alle außer V und W (in V enthält sogar § 23 die ausdrückliche Bestimmung, daß rechtmäßige Naturschutzmaßnahmen keinen Anspruch auf Entschädigung begründen). 88 K, Nö., V. 80 Nur mehr B, Nö., St., T, W. 81 Gegebenenfalls war eine beantragte Genehmigung zu versagen, wenn der angestrebte Erfolg in annähernd gleichem Umfang und mit annähernd gleichem Kostenaufwand auf eine andere, das Landschaftsbild weniger beeinträchtigende Weise erreicht werden konnte. Für Rodungen wurde eine Bewilligung vorgeschrieben (Forstrecht war damals Landessache). 84
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wurde dem Landeshauptmann die Ermächtigung erteilt, sonstige störende Eingriffe, insbesondere die Anbringung störender Plakate sowie die grobe Verunstaltung und Verunreinigung der Landschaft und der Gewässer, entweder im allgemeinen oder in Einzelfällen zu verbieten und die Wiederherstellung des natürlichen Zustandes anzuordnen. Die folgenden NSchG enthielten gleichartige Bestimmungen92 • Zwei Besonderheiten enthielt das SaNSchG; es bezog in den Landschaftsschutz auch den Schutz des Orts- und Stadtbildes ein; es enthielt ferner in § 16 ein Vorstadium des Landschaftsgebietsschutzes; es konnte nämlich die Landesregierung nach Anhörung der Gemeinde dort, wo das Land· schafts-, Orts- oder Stadtbild einer Gemeinde oder größerer Teile einer solchen wegen des eigenartigen Gepräges, das es der Gemeinde oder ihren Teilen verleiht, besonders erhaltungswürdig war, durch Verordnung die zur Sicherung seiner Erhaltung erforderlichen Vorschriften erlassen. Einen echten Gebietsschutz brachte aber erst das ReichsNSchG. Nach dessen § 5 konnten dem Schutz Landschaftsteile in der freien Natur unterstellt werden, die zwar nicht für die Erklärung zum Naturdenkmal oder Naturschutzgebiet in Betracht kamen, jedoch zur Zierde und zur Belebung des Landschaftsbildes beitrugen oder im Interesse der Tierwelt, insbesondere der Singvögel und der Niederjagd Erhaltung verdienten; der Schutz konnte sich auch darauf erstrecken, das Landschaftsbild vor verunstaltenden Eingriffen zu bewahren. Nach § 19 wurde dieser Schutz durch Anordnung der Naturschutzbehörde verfügt; diese Anordnungen konnten sich auf die Landschaft selbst beziehen, soweit es sich darum handelte, verunstaltende, die Natur schädigende oder den Naturgenuß beeinträchtigende Änderungen von ihr fern zu halten; sie konnten sich auch auf die Beseitigung von Verunstaltungen erstrecken, wenn dies dem Betroffenen zuzumuten und ohne größere Aufwendungen möglich war; behördlich genehmigte Anlagen wurden hiedurch nicht berührt. Die fernere Entwicklung kann nur ganz allgemein geschildert werden. Sie erfolgte in den einzelnen Ländern stufenweise durch wiederholte Novellierungen des bestehenden NSchG oder Erlassung neuer NSchG. Kund V trennten schließlich den Landschaftsschutz vom Naturschutz und erließen 1969 bzw. 1973 besondere Landschaftsschutzgesetze (LSchG). Die Regelungen sind daher in den einzelnen Ländern sowohl 92 Es bestanden folgende Varianten: In B und Sa. waren störende Eingriffe schon durch das Gesetz selbst verboten; in K, Oö., Sa. (ausführliche Regelung!) und W war für Ankündigungen in der freien Landschaft eine Bewilligung erforderlich; V hatte nur Bestimmungen über das Reklamewesen; in B war von der Landesfachstelle für Naturschutz ein Gutachten einzuholen; in Kund Oö. hatten sie in bestimmten Verfahren Parteistellung.
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gesetzestechnisch als auch inhaltlich sehr unterschiedlich. Wie die Detailbestimmungen zeigen, waren für diese Entwicklung in erster Linie die Ausweitung der Bautätigkeit und des Reklamewesens, aber auch bestimmte Formen des Tourismus sowie überhaupt die verstärkte Inanspruchnahme der Natur bestimmend. Als Endergebnis zeigt sich (übersichtsweise) folgendes Bild: Die Gesetze kennen regelmäßig einen allgemeinen Landschaftsschutz und einen Sonderschutz für bestimmte Gebietsarten. Der allgemeine Landschaftsschutz besteht darin, daß entweder grundsätzlich schädigende Eingriffe untersagt werden93 oder/und daß bestimmte Maßnahmen verboten werden (mit oder ohne Ausnahmen) 94 , daß bestimmte Vorhaben angezeigt werden müssen und untersagt95 oder mit Auflagen belegt96 werden können oder von vornherein einer Bewilligung bedürfen97, wie insbesondere Ankündigungen 9s, oder daß schließlich angeordnet wird, daß bei allen Vorhaben auf die Erhaltung und Pflege der Natur (auf das Gefüge ihres Lebenshaushaltes, ihr biologisches Gleichgewicht, ihren Charakter, ihre Wohlfahrtswirkung, die Vermeidung von Verunstaltungen sowie auf eine harmonische Bauentwicklung u. dgl.) Bedacht zu nehmen ist 99 . Einen Sonderschutz genießen vor allem die Landschaftsschutzgebiete: das sind durch Verordnung hiezu erklärte Gebiete von hervorragender landschaftlicher Schönheit oder solche, die für die Erholung der Bevölkerung oder für den Fremdenverkehr bedeutsam sind100 • Für sie gelten strengere Bestimmungen, insbesondere bedürfen alle Bauvorhaben einer zusätzlichen Genehmigung der Naturschutzbehörde. Einige NSchG kennen auch noch einen Schutz von Landschaftsteilen: danach können kleinräumige Teile der Landschaft durch Verordnung geschützt werden, wenn sie das Landschaftsbild beleben oder biologische Bedeutung haben; in einer solchen Verordnung können beeinträchtigende Anlagen und Maßnahmen verboten werden, wobei Ausnahmen durch die Landesregierung zulässig sind101 ; diese Regelun93 KNSchG (mit Ausnahme der land- und forstwirtschaftliehen Nutzung, von Kulturarbeiten, Unkraut- und Schädlingsbekämpfung, Jagd, Fischerei, behördlich genehmigte Anlagen), Oö. 94 B, KLSchG, Nö., W. 95 Nö., Sa., W. 96 Sa., St. 97 K, Nö., T, VLSchG. 98 B (auch dürfen Wegweisertafeln, Verkehrszeichen u. dgl. nicht an Naturdenkmalen, Bildstöcken, Marterln und ähnlichen für die Landschaftswirkung bedeutungsvollen Objekten angebracht werden), KLSchG, Nö., St., T (auch Geschäfts- und Betriebsstättenbezeichnungen I), V, W (wie B). 99 KLSchG, Sa., St., T. 100 So B, KLSchG, Nö. und W; in Sa. und St. auch Bedeutung als Kulturlandschaft; ähnlich T und V. 101 B, T, ausführlicher Sa. und St.
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gen nähern sich dem Naturdenkmalschutz. Einige NSchG enthalten Sonderbestimmungen für Naturparke; als solche können Schutzgebiete oder deren Teile bezeichnet werden, die sich in hervorragendem Maße als Erholungsgebiet eignen und allgemein zugänglich sind102 ; es handelt sich um eine gesetzlich geschützte Bezeichnung; der Besuch kann einer besonderen Regelung (Naturparkordnung) unterworfen werden108• In W sind Flächen, die nach der Bauordnung zu Parkschutzgebieten oder zum Wald- und Wiesengürtel gehören, ex lege Landschaftsschutzgebiet. Nach den NSchG von Sa. und T können durch ein besonderes Gesetz (in St. durch Verordnung der Landesregierung) Gebiete zum Nationalpark erklärt werden. Das sind nach dem StNSchG Gebiete, die durch charakteristische Geländeformen sowie Tier- und Pflanzenarten für den Gesamtstaat repräsentative Bedeutung haben, der Wissenschaft und Erholung dienen, allgemein zugänglich sind, in mindestens eine Kernzone (Naturschutzgebiet) und eine Randzone (Landschaftsschutzgebiet) gegliedert sind und für die eine ständige Verwaltung und wissenschaftliche Betreuung gesichert ist104 • Die nähere Regelung findet sich in den betreffenden Gesetzen (Verordnungen)1°5 • Das TNSchG kennt überdies noch Sonderregelungen für Ruhegebiete106 und Naherholungsgebiete1o1. Eine Sonderregelung betrifft regelmäßig auch Seengebiete und vor allem auch ihre 150 - 500 m breite Uferzone, wodurch einer Verhüttelung der Seenufer (auch durch Mobilheime und Wohnwagen) entgegengewirkt werden soll108 • Durch manche NSchG wird auch die Verwendung bestimmter landschaftsschädigender Geräte verboten109• Alle diese Beschränkungen werden durch Bestimmungen über Verwaltungsstrafen, die Beseitigung von Verunstaltungen, die Wiederherstellung des früheren Zustandes gesichert und ihre Durchführung durch Entschädigung von Wirtschaftserschwernissen erleichtert. Die Eintragung in ein Naturschutzbuch und die Kennzeichnung der Schutzgebiete sorgt für die gebotene Publizität. Mit verschiedenen Varianten B, Nö., T, Sa., St., T. Nö., Sa., St. m Ähnlich Sa. 1os Für einen auf mehrere Länder übergreifenden Nationalpark sind Länderverträge (Art. 15 a B-VG) erforderlich. 10 & Außerhalb geschlossener Ortschaften gelegene Gebiete, die für die Erholung in der freien Natur dadurch besonders geeignet sind, daß sie sich wegen des Fehlens von lärmerregenden Betrieben, Seilbahnen, Schleppliften, Straßen mit öffentlichem Verkehr durch weitgehende Ruhe auszeichnen. 1o1 Außerhalb geschlossener Ortschaften, jedoch in deren Nähe gelegene und von diesen aus leicht erreichbare Gebiete, die für den kurzzeitigen, der Erholung dienenden Aufenthalt geeignet sind. 108 Zum Teil bestehen besondere Verbote (Sa. und T, dort auch für fließende Gewässer), z. T. wird überhaupt jeder Eingriff verboten (Oö., V). 1ou z. B. KLSchG: Motorschlitten außerhalb von Straßen. 1o2
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Die Sonderstellung von Oö. besteht darin, daß generell alle störenden Eingriffe verboten sind. Derartige Eingriffe sind entweder durch Verordnung der Landesregierung zu bezeichnen, sonst wird das Verbot erst durch ihren Feststellungsbescheid für den Einzelfall wirksam. Für Seen und ihre Uferzone wirkt das Verbot unmittelbar solange, bis durch Verordnung oder Bescheid festgestellt wird, daß solche öffentlichen Interessen an der Erhaltung des Landschaftsbildes, die andere Interessen überwiegen, nicht verletzt werden. Die Konkretisierung des gesetzlichen Verbotes obliegt also der Landesregierung. Die jüngeren NSchG enthalten auch Bestimmungen über die Pflege der Landschaft, und zwar nicht nur Grundsatzbestimmungen110, sondern auch Detailregelungen betreffend Landschaftspflegepläne111 und Förderungsmaßnahmen112. Neben dem allgemeinen Landschaftsschutz erhält auch der Orts(Stadt)bildschutz immer größere Bedeutung. Dieser wird durch besondere Gesetze113 oder in den Bauordnungen114 geregelt. VI. 1. Der Landesregierung ist zur Beratung in grundsätzlichen Fragen des Naturschutzes in allen Erscheinungsformen ein Naturschutzbeirat zugeordnet115. Außerdem gibt es in allen Ländern Naturschutzbeauftragte, die den Bezirksverwaltungsbehörden, in manchen auch der Landesregierung als Sachverständige zur Verfügung stehen. Schließlich gibt es in allen Ländern unter den verschiedensten Bezeichnungen Naturschutzorgane, die den Charakter und die Aufgabe von öffentlichen Wachen haben.
2. Abschließend ist darauf hinzuweisen, daß die Belange des Naturschutzes durch die Raumordnungsgesetze der Länder auch mit größerer oder geringerer Deutlichkeit als Raumordnungsziele in die allgemeine Raumplanung eingebunden sind; denn regelmäßig ordnet eine Bestimmung an, daß bei ihr auf den Naturschutz Bedacht zu nehmen ist118 • Das gilt auch für den Schutz und die Pflege des Orts(Stadt)bildes im Rah110 Schon der Titel des NSchG lautet regelmäßig auch "Schutz und Pflege der Natur". 111 Sa., St., andersgeartet in T und B (hier Schaffung von Müllabfuhrplätzen). 112 Sa., St. (eigener Landschaftspflegefonds), V (besondere Landschaftsschutzabgabe). 113 Sa., St. 114 Insbesondere Wiener Bauordnung. 115 Ausnahme: V. 11 ' Mit verschiedenen Worten B, K, Nö., Oö., Sa., St., T, V.
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men der örtlichen Raumplanung. Umgekehrt ordnen auch manche NSchG ausdrücklich an, daß bei Naturschutzmaßnahmen die raumordnungsmäßigen Belange zu berücksichtigen sind117 •
VII. Wie eingangs ausgeführt, ist es Aufgabe von Gesetzgebung und Verwaltung, jeweils innerhalb ihres Kompetenzbereiches einen Ausgleich von Naturschutzanliegen und anderen öffentlichen und privaten Interessen zu finden. Soweit es sich um allgemeine Regelungen handelt, ist der Gesetzgeber berufen diesen Ausgleich zu finden oder ihn durch entsprechende Richtlinien an die Verwaltung dieser zu ermöglichen. Das ist in erster Linie - aber nicht allein - der Landesgesetzgeber (vor allem als Gesetzgeber für Raumordnung, Naturschutz, Ortsbildschutz und Baurecht}. Es bedarf aber auch einer Abstimmung mit dem Bund, soweit dieser zur Gesetzgebung kompetent und damit insbesondere auch Planungsträger ist, und mit Nachbarländern (allenfalls auch Nachbarstaaten), soweit es sich um grenzüberschreitende Probleme handelt. Hier ist also auch im Bezug auf den Naturschutz eine Kooperation unerläßlich. Für eine solche zwischen dem Bund und den Ländern, bzw. zwischen diesen untereinander eröffnet Art. 15 a B-VG die Möglichkeit von Gliedstaatsverträgen11s. Es darf aber auch die Aufgabe der Verwaltung für einen solchen Ausgleich nicht unterschätzt werden. Zum Teil ist sie berufen, durch Verordnung Detailregelungen zu schaffen (z. B. Abgrenzung von Naturschutz- und Landschaftsschutzgebieten). Ihre Hauptaufgabe besteht aber darin, dabei und im Einzelfall einen Ausgleich von öffentlichen Interessen untereinander und mit Individualinteressen zu finden. Sie hat also eine Interessenahwägung vorzunehmen, ob im Einzelfall die Naturschutzinteressen alle anderen überwiegen oder ob, wie es § 1 des OöNSchG 1964 fordert, Naturschutzinteressen (an der Erhaltung des Landschaftsbildes), die alle anderen Interessen überwiegen, nicht verletzt werden. Daß dies nicht leicht ist, dokumentiert die Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zum Landschaftsschutz 119 • Sie zeigt auch, wie Sa., W; sonstige Rücksichtnahme Nö., St. Vgl. den Vertrag zwischen den Bundesländern K, Sa. u. T über die Schaffung eines Nationalparkes "Hohe Tauern" (K. LGBI. 72/1971 und 179/ 1974, Sa. LGBI. 108/1971; in T nicht im LGBI. kundgemacht). 119 Vgl. z. B. VfSlg. 6562/1971, 6834/1972, 6879/1972, 7443/1974, 7656/1975, 7657/1975, 7749/1976, 7922/1976, 8209/1977; VwSlg. 6199 A/1964, 9058 A/1976, 9358 A/1977; VwGH 6. 12. 1978. 240/77; 22. 3. 1979, 802/77. 117
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schwierig es ist, das Problem bei der Vollziehung der Gesetze durch generelle oder individuelle Verwaltungsakte überhaupt juristisch in den Griff zu bekommen, weil es sich in allen Fällen einer Interessenabwägung wegen der damit notwendig verbundenen Wertungsfragen in Wahrheit einer streng rationalen Bewältigung entzieht.
11. Die Verwaltung als handelnder Staat und ihre Kontrolle
Bürgernahe Verwaltung* Von Peter Oberndorier
I. Schlagwort Bürgemähe Mit dem Schlagwort von der "Bürgernähe" der Verwaltung wird heutzutage viel operiert: Von Politikern, Verwaltungsleuten, ab und zu auch von Wissenschaftlern. Selten hört man, daß das Verwaltungspublikum, die Klienten, also die Bürger, die etwas von der Verwaltung wollen oder mit ihr in Kontakt treten, von der Bürgernähe der Verwaltung sprechen. Das hat, wenn ich eine Vermutung aussprechen darf, wohl eher schlechte als gute Ursachen: Die Distanz zwischen Verwaltung und Bürger wird mehr oder minder als selbstverständlich empfunden, die Konfrontation des Bürgers mit Verwaltungsstellen spielt sich üblicherweise anders ab, als etwa der Kontakt des Bürgers mit dem Kaufmann, mit dem Kellner im Gasthaus, ja selbst mit dem Zahnarzt, ganz zu schweigen von persönlichen Kontakten mit Freunden oder Bekannten. Es gibt ein einfaches Indiz dafür, wie stark die meisten Menschen Verwaltungskontakte im Vergleich zu jenen anderen, im persönlichen Umgang mit Freunden oder Bekannten üblichen Kontakten beeinträchtigt sehen: Viele Menschen, die irgendwo eine Möglichkeit erblicken, Anliegen an die Verwaltung über Freunde oder persönlich Bekannte heranzutragen, benutzen diesen informalen Weg, den der sogenannten "guten Beziehungen". Wenn man davon ausgeht, daß auch auf dem Umweg über persönliche Beziehungen nicht mehr von der Verwaltung zu holen ist als ohne diese Beziehungen, wenn also die persönlichen Beziehungen nur dazu dienen, eine prinzipiell rechtmäßige Verwaltungsentscheidung schneller, unkomplizierter, innerhalb der der Verwaltung legal zustehenden Handlungsspielräume auch günstiger zu bekommen, dann wäre damit in etwa eine Zielvorstellung für "Bürgernahe Verwaltung" angegeben: Bürgernahe würde ich eine Verwaltung unter der Voraussetzung nennen, daß die Verwaltung im Rahmen des
* Der Text gibt einen Vortrag wieder, den der Verfasser am 28. 3. 1979 an der Universität Linz gehalten hat. Er ist Ludwig Fröhler gewidmet, der sein Leben als hoher bayerischer Verwaltungsbeamter, Verwaltungsrichter und schließlich Universitätsprofessor stets in den Dienst einer bürgernahen Verwaltung stellte.
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rechtlich Zulässigen und Möglichen ihre Kontakte zum Publikum in ähnlichen Formen, Verhaltensweisen und Reaktionen abwickelt, wie zwischen Freunden und Bekannten oder mindestens im allgemeinen geschäftlichen Verkehr üblich. Bürgernahe ist eine Verwaltung dann, wenn "persönliche Beziehungen" überflüssig sind.
ll. Bürgerkontakte mit der Verwaltung 1. Häufigkeit von Bürgerkontakten
In der letzten Zeit mehren sich - auch in Österreich - die Untersuchungen, mit denen die Bürgernähe der Verwaltung an Hand einer quantitativen und qualitativen Feststellung der Bürgerkontakte beschrieben werden soll. Diese Untersuchungen sind wichtig, weil nur mit ihrer Hilfe festgestellt werden kann, wie und vor allem wo einer mangelnden Bürgernähe überhaupt beizukommen ist. Für die Landesverwaltung Niederösterreichs hat etwa eine demoskopische Untersuchung (vgl. Ott, Demoskopie als Instrument der öffentlichen Verwaltung, ZfV 1979, 16) ergeben, daß der bedeutendste Mittler zwischen Bevölkerung und Landesverwaltung, also die Stelle, bei der die erste Kontaktaufnahme zwischen Bürger und Verwaltung anläßlich eines konkreten Problems erfolgt, das Gemeindeamt ist. Nicht weniger als 58 Ofo der Bevölkerung wendet sich an das Gemeindeamt um Informationen, ehe sie weiter zur Bezirksverwaltungsbehörde oder zum Amt der Landesregierung geht. Weitere 17 Ofo informieren sich über notwendige Behördenwege bei Bekannten. Dann erst kommt die Bezirkshauptmannschaft mit 10 °/o und die direkte Information bei der Niederösterreichischen Landesverwaltung mit 8 Ofo. Eine Erhebung des Gallup-Institutes, die vom Institut für höhere Studien Wien in Auftrag gegeben wurde, bezieht sich auf die gesamte österr. Behördenlandschaft. Hier steht an erster Stelle der Bürgerkontakte das Finanzamt mit 50 Ofo, gefolgt vom Paßamt (d. i. je nachdem die Bundespolizeidirektion oder die Bezirkshauptmannschaft) mit 43,6 Ofo, Sozialversicherung 42,1 Ofo und Gemeindeamt 41 Ofo. Mit der Bezirkshauptmannschaft hat ein Drittel der Befragten Kontakt gehabt, ungefähr ein Fünftel, also 20 °/o mit Polizei, Arbeitsamt, Gericht usw. Relativ weit hinten rangieren insbesondere das Amt der Landesregierung mit rund 10 Ofo, praktisch am Ende die Bundesministerien mit 5 Ofo. Dazu tritt der nicht unwichtige Umstand - das hat die NO-Untersuchung sehr deutlich werden lassen - daß Bürger kaum zwischen Bundes-, Landes- und Gemeindeverwaltung unterscheiden können, wiewohl damit selbstverständlich auch unterschiedliche politische Ver-
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antwortlichkeiten, unterschiedliche Instanzen- und Rechtszüge zwingend verbunden sind. So haben etwa 56 °/o der befragten Niederösterreicher das Gemeindeamt, 43 °/o das Bezirksgericht, 41 °/o sogar das Finanzamt dem Land zugeordnet. Daß damit unter Umständen Abhilfe oder Verbesserung bestehender Zustände in den Unterbehörden bei einem völlig falschen Verwaltungsträger gesucht werden, bildet die praktische Konsequenz einer derartigen falschen Zuordnung. Was ist eine weitere Konsequenz der Daten, die ich hier aufgezählt habe? Wichtig daran ist die Einsicht, daß, gerade was Bürgerkontakte und Bürgernähe anlangt, der Bürger niemals einfach mit "der" Verwaltung schlechthin konfrontiert wird, sondern daß er immer nur von bestimmten Behörden oder Verwaltungseinrichtungen etwas benötigt oder umgekehrt von bestimmten Verwaltungsbehörden für bestimmte Verwaltungsaufgaben in Pflicht genommen wird. Daraus zeigt sich nämlich die Notwendigkeit, gerade jene Verwaltungsstellen, bei denen Bürgerkontakte das Um und Auf bilden, vermehrt auf diese Bürgerkontakte hin auszurichten; für eine entsprechende Organisation zu sorgen, in der Ausbildung des dort beschäftigten Verwaltungspersonals auf Bürgerfreundlichkeit und Bürgernähe besonders hinzuwirken und -darauf wird noch zurückzukommen sein- speziell bei diesen Verwaltungsbehörden Bürgerberatungsstellen mit bestimmten Aufgaben einzurichten. Durchwegs sind es die Unterbehörden, das Finanzamt, das Gemeindeamt, die Bezirkshauptmannschaft, an die Bürger herantreten (aktive Kontakte) oder die sich ihrerseits an Bürger mit bestimmten Begehren wenden (passive Kontakte). Für Ministerien kann hingegen Bürgernähe im Sinn verbesserter Bürgerkontakte nicht dasselbe Problem bilden. Das gleiche gilt für Ämter der Landesregierungen, die ja quasi als Gesamtministerien für die einzelnen Landesregierungen fungieren. 2. Recht auf Behördenauskunft
Angesichts dieses Befundes zeigt die rechtliche Situation eine merkwürdige Anomalie. Ohne Zweifel nimmt nämlich die Möglichkeit des Bürgers, Auskünfte, Beratung und Belehrung von der Verwaltung zu erfahren, einen wichtigen Rang bei der Beurteilung der jeweiligen Bürgernähe einer Verwaltungsstelle ein. Ein ausdrückliches Recht auf Auskunft ist jedoch nur gegenüber Ministerien durch § 3 Ziff. 5 Bundesministeriengesetz 1973 eingeräumt. Die dort statuierte Verpflichtung der Bundesministerien, im Rahmen ihres Wirkungsbereiches auch "Auskünfte zu erteilen, soweit eine Verpflichtung zur Amtsverschwiegenheit dem nicht entgegensteht" wird vom VwGH (E. vom 14. 10. 1976, Zl. 722/76) ausdrücklich so gedeutet, daß der besagten Verpflichtung
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des Ministeriums ein entsprechender Rechtsanspruch des Bürgers korrespondiert. Ein gleiches Recht auf Auskunft ist aber gegenüber den Unterbehörden gesetzlich nicht festgelegt. Zwar haben nach § 4 Abs. 3 Bundesministeriengesetz 1973 die Bundesminister auch dafür Sorge zu tragen, daß die jeweils nachgeordneten Verwaltungsbehörden, Ämter und Einrichtungen des Bundes Auskünfte erteilen. Gleichwohl gilt diese Verpflichtung nicht nur keinesfalls für Landesbehörden, wie die Bezirkshauptmannschaften, mögen diese auch Bundesaufgaben in mittelbarer Bundesverwaltung (z. B. als Gewerbebehörden) erfüllen; sondern darüber hinaus ist aus dieser Verpflichtung des Bundesministers auch kein Recht des Bürgers den genannten unterstellten Dienstbehörden gegenüber auf Auskunft abzuleiten. Damit tritt die paradoxe Situation ein, daß das Recht auf Auskunft dort, wo es benötigt wird, nämlich gegenüber den Unterbehörden, die die quantitativ weitaus überwiegende Zahl an Bürgerkontakten abwickeln, zumindest expressis verbis nicht eingeräumt ist, daß es zumindest vorläufig mehr wie eine Gnade, denn wie ein Recht ausschaut, wenn sich ein Finanzamt oder eine Bezirkshauptmannschaft bequemt, Auskünfte zu erteilen. (Vgl. auch Ruppe, Auskünfte und Zusagen durch Finanzbehörden, ÖStZ 1979, 50 ff.) Daß an dieser Sicht jedoch Korrekturen anzubringen sind, sei mit aller Deutlichkeit vermerkt. Der VwGH beruft sich bei seiner Ableitung eines Auskunftsrechtes nicht umsonst auf den Wandel zum demokratischen Rechtsstaat. Dieser Wandel bewirkt aber m. E. auch und gerade bei den Unterbehörden, daß ihnen im Rahmen ihrer Aufgabenstellung nicht nur eine ungeschriebene Verpflichtung zur Beratung und Belehrung obliegt, sondern daß dieser Verpflichtung auch hier, etwa bei einer Bezirkshauptmannschaft, ein Recht des Bürgers auf Auskunft korrespondiert. Die allgemeine, für alle Behörden kraft ihrer öffentlichen Aufgabenstellung anzunehmende Betreuungspflicht ist im demokratischen Rechtsstaat so zu sehen, daß ihr ein Recht des Bürgers auf Beratung entspricht, soweit er in einer Verwaltungsangelegenheit selbst betroffen ist. 3. Bürgernahe Legistik
Umgekehrt wird dadurch vielfach übersehen, daß auch Oberbehörden, wie Ministerien oder Ämter der Landesregierungen im Rahmen ihres spezifischen Aufgabenbereiches ebenfalls eine besondere Art von "Bürgernähe" berücksichtigen sollten. Dieser spezifische Aufgabenbereich der Ministerien, der eine besondere Bürgernähe dringend verlangt, ist die Programmarbeit oder mehr technisch ausgedrückte, die "Legistik". Unter Programmarbeit wird hier das Entwerfen der Verwaltungsprogramme verstanden, also jener Normen, Richtlinien und Ee-
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geln, nach denen die einzelnen Abteilungen, dann aber weiter die Unterbehörden verwalten sollen. Im Mittelpunkt dieser Verwaltungsprogramme stehen zweifelsohne die formellen Gesetze, weil Art. 18 Abs. 1 B-VG verlangt, - und dies ist ein Grundprinzip unserer Verfassungsordnung -, daß die gesamte staatliche Verwaltung nur auf Grund der Gesetze geführt werden darf. Wer nun glaubt, daß damit die Programmarbeit den Ministerien weitgehend aus der Hand genommen und auf die Parlamente, seien es Nationalrat, Bundesrat, seien es Landtage, übertragen wurde, der irrt gewaltig. Mehr als 90 Ofo der Österreichischen Gesetze werden in den Ministerien, bzw., wenn es sich um Landesgesetze handelt, in den Ämtern der Landesregierung formuliert, um nicht zu sagen "gebastelt". Dazu treten dann jene Verwaltungsprogramme, als deren Urheber auch formell die Bundesministerien fungieren, d. s. Verordnungen und Erlässe zur Durchführung jener Gesetze. Diese Gesetze und Verordnungen sind fast durchwegs- vereinfacht ausgedrückt-, von Verwaltungsjuristen für Verwaltungsjuristen formuliert. Das führt dazu, daß der Bürger ohne rechtskundigen Beistand selbst bei entsprechendem Interesse die Informationsschwelle, die jene Gesetze ihrem Stil und Inhalt nach bedeuten, nur schwer zu überwinden vermag. Aber selbst der "normale" Jurist ist bei Verwaltungsgesetzen vielfach überfordert. Selbst unter Zuhilfenahme der Gesetzestexte wird etwa ein nicht fachspezifisch geschulter Rechtsanwalt keineswegs die gleiche Geläufigkeit bei der Deutung und beim Verständnis der StVO, des ASVG oder des WRG besitzen. Ich bin selbst viel zu sehr Jurist, um glauben zu können, daß ein grundsätzlicher Wandel der Gesetzgebungstechnik im Sinne einer größeren Allgemeinverständlichkeit von Verwaltungsprogrammen von heute auf morgen durchzusetzen wäre. Um so mehr als die Merkwürdigkeiten der Gesetzessprache ja nicht nur Unverständlichkeit auf der einen Seite bewirken, sondern zumeist doch - von Mißbräuchen abgesehen- ein Mehr an inhaltlicher Präzision, an begrifflicher und systematischer Schärfe verbürgen. Mit anderen Worten: daß die Gesetzessprache so ist wie sie ist, wird auch bei sorgfältiger Stilisierung eines Gesetzes nie ganz zu vermeiden sein. Umgekehrt wird die als allgemeiner Rechtsgrundsatz geltende Vorschrift unseres ABGB, wonach sich mit der Unkenntnis gehörig kundgemachter Gesetze niemand zu entschuldigen vermag, geradezu zum Hohn, wenn nicht parallel zum Gesetzestext im technischen Sinn eine möglichst einfache Erläuterung geliefert wird. Eine dem normalen Bürger verständliche Erläuterung im nachhinein reicht jedoch sicherlich nicht aus. Vielmehr müßte die Gesetzgebungs-
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und Programmarbeit der Ministerien selbst von entsprechenden Bürgerkontakten begleitet werden. Versuche dafür sind auch in Österreich bereits vereinzelt nachweisbar. So wurde etwa im Bundesland Salzburg ein Versuch unternommen, anläßlich der Erstellung eines neuen Salzburger Altstadterhaltungsgesetzes die Bevölkerung nicht nur für den Inhalt eines derartigen zukünftigen Gesetzes zu interessieren, sondern darüber hinaus an der Textierung und dem Inhalt dieses Gesetzesentwurfs, wie er vom Amt der Salzburger Landesregierung erstellt wurde, zu beteiligen. Das Experiment ist zwar sicherlich noch nicht vollständig geglückt. Noch zuviel Ungewißheit besteht um die Formen und Modelle, in denen eine derartige Bürgerbeteiligung am Gesetzgebungsvorverfahren im Schoße der Verwaltung selbst bewirkt werden könnte. Aber der Ansatzpunkt ist richtig und zu bejahen. Die Chance des Bürgers auf eine ihm gemäße Verwaltungsarbeit muß dort beginnen, wo die Weichen für die Verwaltungsprogramme gestellt werden: das ist vor allem in den Iegistischen Abteilungen der Ministerien der Fall. Daß die "Gesetzgebungstechnik" daher in der allerletzten Zeit zu einem besonders wichtigen Forschungsthema wurde, ist unter diesem Aspekt verständlich.
m.
Zum Verhältnis Bürger-Verwaltung
Will man Bürgerkontakte fruchtbar im Sinne der eingangs beschriebenen Bürgernähe gestalten, so gilt es vorerst über die wichtigsten Schwachstellen im Verhältnis von Bürger und Verwaltung wiederum an Hand einzelner Ergebnisse der Demoskopie, darüber hinaus aber auch der empirischen Verwaltungsforschung nachzudenken. So zeigt die schon einmal zitierte demoskopische Untersuchung des Dr. Fessel-Institutes über die NÖ. Landesverwaltung, daß sich die großteilsvorhandene Zufriedenheit mit dieser Verwaltung auf die Annahme einer korrekten Abwicklung der Verwaltungsgeschäfte durch ein fachlich geschultes Personal stützen kann. Hingegen sind deutliche Einbrüche in der positiven Bewertung festzustellen, wenn nach der Raschheit der Erledigung, der Länge der Wartezeiten und der Notwendigkeit von Formularen gefragt wird. Tiefergreifende Verwaltungsforschungen zeigen darüber hinaus ein durchaus unzureichendes Informationsniveau auf der Seite des Bürgers, das nicht selten den Zugang zur Verwaltung versperrt. Um dieses Informationsproblem, das zwischen Verwaltung und Bürger besteht, richtig deuten zu können, ist davon auszugehen, daß es stets zweiseitig zu sehen ist: wir betonen hier das Bedürfnis des Bürgers nach Informationen, um Entscheidungen der Verwaltung verstehen zu können, oder um zu wissen, wie er sich verhalten muß, damit er die Dienste und
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Hilfen der Verwaltung überhaupt in Anspruch nehmen kann. Auf der anderen Seite benötigt aber auch die Behörde gehörige Informationen, damit sie eine richtige Entscheidung trifft, damit sie also aus möglichen Entscheidungsalternativen, etwa zur Frage, ob sie einen Führerschein ausstellen darf oder nicht, die richtige auswählt. Sozialwissenschaftliche Untersuchungen zeigen nun zweierlei: einmal eine unglaubliche Asymmetrie im lnformationsaustausch, eine Ungleichgewichtigkeit, die darin besteht, daß die Informationsbeschaffung durch die Verwaltung bei weitem deren Informationsausstoß gegenüber dem Bürger überwiegt. Ohne Zweifel beeinflussen aber die Informationen, also das Wissen um die Möglichkeiten gegenüber der Verwaltung die Handlungschancen des Bürgers. Beispielhaft sei darauf hingewiesen, daß für die BRD eine Untersuchung der Lohnsteuerpflichtigen ergeben hat, daß 31 °/o dieser Lohnsteuerpflichtigen die von ihnen überzahlten Steuern nicht zurückgefordert haben. Das eigentliche Problem entsteht jedoch erst dadurch, daß die bisherigen Informationsmaßnahmen der Verwaltung, speziell der Finanzverwaltung, wie sie auch in Österreich gesetzt wurden (Steuerfibel, Merkblätter, bebilderte Hinweise usw.), im wesentlichen nur solche Personenkreise erreichen, die auf Grund ihres Bildungsniveaus und ihrer bereits bestehenden Verwaltungskontakte ohnehin imstande sind, sich die notwendigen Informationen zu verschaffen. Außerdem ist festzustellen: die Erwartung des Publikums, die notwendigen Informationen von der Verwaltungsbehörde von selbst zu erhalten, also vom zuständigen Bearbeiter Belehrung und Ratschläge auch ohne besonderes Ansuchen zu erfahren, wird zumeist nicht erfüllt. Nur in Ausnahmefällen identifiziert sich ein Mitglied einer Verwaltungsbehörde soweit mit einem "Verwaltungsfall", daß es von sich aus aktiv wird, um dem "Klienten", dem Bürger, zur Ausnützung der ihm offenstehenden Möglichkeiten zu verhelfen. Diese Passivität der Verwaltung erklärt sich nicht zuletzt daraus, daß eine stärkere Publikumsausrichtung des Verwaltungspersonals von der Verwaltungsorganisation her kaum eine positive Verstärkung erfährt, daß sie also nicht durch irgendwelche Anreize gefördert oder im nachhinein belohnt wird. Trotz aller Lippenbekenntnisse der Politiker zur Bürgernähe der Verwaltung ist vielmehr festzustellen, daß die publikumsbezogenen Tätigkeiten, etwa der Schalterverkehr, in der Prestigehierarchie der Verwaltungspositionen und -funktionen einen eher niedrigen Rang einnehmen. Alles Umstände, die die Bürgernähe der Verwaltung keinesfalls fördern. Zum anderen zeigt sich, daß auch das Informationsaufnahmeverhalten der Verwaltung höchst selektiv ist, d. h. daß ein Vorfall, der einen
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Menschen in seiner ganzen Tragweite berührt, von der Verwaltung zumeist nicht zur Gänze zur Kenntnis genommen, sondern nur mehr oder minder punktweise verarbeitet wird. Am konkreten Beispiel erläutert: Wenn eine Straße geplant wird, so wird zwar die zweckmäßigste Verkehrsverbindung von einem Ort zum anderen überprüft, die geologischen Bedingungen werden erkundet usw. Die Umweltbeeinträchtigungen für die umliegende Bevölkerung, Schulwegprobleme der Kinder, sonstige Verschlechterung der persönlichen Situation der Anlieger, bleiben jedoch meist aus den Überlegungen ausgespart oder werden zumindest deutlich in den Hintergrund gedrängt. Verwaltungsfälle werden daher, so sagt man, mit einem sehr engen Abbildungsraster erfaßt. Damit wird speziell bei der planenden und gestaltenden Verwaltung der subjektive Eindruck erweckt, über vollständige Entscheidungsgrundlagen zu verfügen. In Wahrheit werden dabei wesentliche Bedingungen und Sachverhaltselemente unberücksichtigt gelassen. Die scheinbare Wohlinformiertheit der Verwaltung erweist sich so in der konkreten Entscheidung als bloße Teilinformation und damit in der Wirkung als Fehlinformation. Am Rande bemerkt: zahlreiche Bürgerinitiativen erklären sich nicht zuletzt daraus. Geradezu beispielhaft für enge Abbildungsraster sind Formulare. Das "Formularunwesen" in der Verwaltung ist sicherlich einer der Hauptgründe für schlechte Kontakte zwischen Behörde und Bürger. Dabei scheint mir weniger die Verwendung des Formulars an sich bedenklich. Formulare werden aus Gründen der Verwaltungsökonomie nie zu entbehren sein. Aber die Beschaffenheit der Formulare, das, was durch das einzelne Formular abgefragt wird, müßte genauer durchdacht sein. Vor allem muß für denjenigen, der ein Formular ausfüllt, ersichtlich sein, warum eine Verwaltungsstelle diese und keine anderen Informationen im Zuge eines bestimmten Verwaltungsfalles benötigt. Formulare müssen daher so abgefaßt sein, daß sie entweder eine Erklärung in sich selbst tragen; oder wenn dies nicht möglich ist, muß diese Erklärung gemeinverständlich hinzugefügt werden. Darüber hinaus wäre an eine verfahrensrechtliche Verpflichtung der einzelnen Verwaltungsstellen zu denken, gemeinsam mit dem Bürger, der Schwierigkeiten mit dem Ausfüllen eines Formulares hat, dieses Formular auszufüllen. Daß einzelne, besonders kontaktwillige Verwaltungsbeamte dies ohnedies schon tun, bestätigt nur die Notwendigkeit einer Verbreiterung einer derartigen Praxis.
IV. Organisatorische Vorschläge für eine größere Bürgernähe der Verwaltung Vorschläge organisatorischer Art, durch die den vielfachen Kontaktschwächen der Verwaltung gegenüber dem Bürger abgeholfen werden
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soll, werden erwogen, seit diese Kontaktschwäche erkannt und in größerem Rahmen diskutiert wird. Ich will mich hier in aller Kürze auf vier Bereiche beschränken: auf das, wie ich es nennen möchte, PolitikerBürokraten-Problem, zweitens auf das Approbationsproblem, drittens auf das Ausbildungsproblem und viertens auf die Einrichtung der jetzt so modernen Bürgerberatungsstellen. 1. Das Politiker-Bürokraten-Problem
Als Politiker-Bürokraten-Problem möchte ich die Erscheinung bezeichnen, daß zumeist - Ausnahmen bestätigen die Regel -, speziell dort, wo Verwaltungsleistungen (z. B. Subventionen) verteilt werden, der Bürokrat, also der Beamte, zur Rolle des Neinsagers verurteilt wird, während der vorgesetzte politische Funktionär die positive Entscheidung, also das Ja zu einer Subventionsbitte, gerne selbst auf seine Fahnen heftet. Dabei darf nicht übersehen werden, daß diese Rollenverteilung zumeist nur den Abschluß eines Verwaltungsverfahrens betrifft. Die ganze Bearbeitung des Falles, des "Aktes", bleibt selbstverständlich bei der Bürokratie. Dort wird auch normalerweise der Kontakt mit dem leistungsbegehrenden Bürger abgewickelt, abgesehen vielleicht von der einmaligen Interventionsbitte beim Politiker. Nun ist es für jeden Menschen frustrierend, sozusagen die Früchte seiner Arbeit, und gerade das ist die positive Entscheidung, von einem anderen geerntet zu sehen. Diese Rollenverteilung drängt die Bürokratie geradezu in eine Ecke, aus der sie nur mehr schwer herauskommt. Vorzuschlagen wäre daher eine sinnvolle, der faktischen Arbeitsteilung folgende Aufteilung der Kompetenzen zwischen Politikern und Bürokraten. Auch die Verwaltung im engeren Sinn, der Beamte, soll und muß in die Lage versetzt werden, dem Bürger gegenüber die Verantwortung für "gute" Entscheidungen zu tragen, für Verwaltungsleistungen, die einem Wunsch des Bürgers Rechnung tragen, verantwortlich zu zeichnen. Nur dann, wenn der Beamte den Effekt des Jasagens am eigenen Leib erfährt, wird er bereit sein, die berühmten bürokratischen Hemmnisse beiseite zu schieben und eventuell vorhandene Handlungsspielräume im Sinne des Bürgers auszunutzen. 2. Reform der Approbationsbefugnis
Dieses Anliegen einer sinnvolleren Verteilung der Entscheidungsbefugnisse zwischen Politiker und Bürokraten führt in direkter Linie weiter zu einer Reform der Approbationsbefugnis. Diese Befugnis drückt aus, wer innerhalb einer Beamtenhierarchie Verwaltungsent-
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scheidungen, gleichgültig ob positive oder negative, rechtsverbindlich zeichnen darf. Die Approbationsbefugnis wird üblicherweise vom Behördenchef, meistens auch vom Abteilungsleiter, wahrgenommen. Das bedeutet wiederum in der Regel, daß derjenige Verwaltungsbedienstete, der als Sachbearbeiter mit der Erledigung eines Aktes intern betraut wird, regelmäßig nicht die Verantwortung dafür nach außen übernehmen darf. Das führt automatisch zu Kontaktschwächen im Verhältnis zwischen Bürger und Verwaltung. Warum? Weil derjenige Bedienstete, mit dem der Bürger während der Bearbeitung eines Falles in ständiger Verbindung steht, den Fall nicht entscheidet, während derjenige Bedienstete, der für die Entscheidung verantwortlich zeichnet, einen Verwaltungsfall bestenfalls flüchtig, vielfach überhaupt nicht kennt. Vorzuschlagen und zu fordern ist sohin eine weitgehende Delegation der Approbationsbefugnis nach unten. Die Entscheidungs- und Zeichnungsbefugnis soll jenem Bediensteten zukommen, der den Akt bearbeitet hat. Das wird vor allem dessen Motive bestärken, Bürgeranliegen eher dienstleistungsorientiert als bürokratisch, d. h. regel- und routineorientiert gegenüberzutreten. 3. Verbesserung der Verwaltungsausbildung
Diese Forderung nach einer stärkeren Dienstleistungsorientierung der Verwaltung auf Kosten der bisher vorherrschenden Regelorientierung, die für die Bürokratie als typisch empfunden wird, bildet vor allem ein Ausbildungsproblem. Solange die Ausbildung des Verwaltungspersonals fast ausschließlich ausgerichtet ist an einer an strikten Regeln orientierten Aktenbearbeitung und der "Dienst am Kunden", am Bürger, bewußt in den Hintergrund gerückt wird, ist vom Verwaltungspersonal nicht allzuviel zu erwarten. Wie die Ausbildung in Bürgerkontakten für die Verwaltungsbediensteten in etwa aussieht, zeigt eine Art Verwaltungsdienst-"Fibel", die kürzlich vom Bundeskanzleramt - Verfassungsdienst herausgegeben, eine "Einführung und Hilfe für unseren neuen Mitarbeiter" in der Verwaltung sein soll. Dort sind auf drei Seiten Regeln für das "Verhalten im Umgang mit dem Bürger" formuliert. Diese Regeln sind sicher nicht falsch, sie beschränken sich aber im wesentlichen auf Gemeinplätze: "Der Ton macht die Musik" oder "Behandeln Sie Antragsteller, Ratsuchende so, wie sie selbst behandelt werden wollen, wenn Sie ein Anliegen haben" oder "Treten Sie dem Bürger freundlich entgegen und versuchen Sie, ihm seine Hemmungen zu nehmen". Das Ganze schließt mit einer neuerlichen Aufforderung zu "Humor und Freundlichkeit", wenn im Parteienverkehr Schwierigkeiten auftreten.
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Daß durch derartige, doch eigentlich selbstverständliche Ratschläge der Kontakt zwischen Bürger und Verwaltung kaum verbessert werden kann, scheint mir offensichtlich. Hier wären statt dessen gezielte Ausbildungsprogramme über Bürgerkontakte zu entwickeln. Das Verwaltungspersonal wäre, je nach seinem Einsatz am Schalter oder hinter dem Schreibtisch, im Sinne eines Bürgerservices zu erziehen. Eine psychologische Schulung, die Verständnis für das Verhalten des Bürgers vor der Verwaltung vermittelt, wäre dringend geboten. Besonders wichtig ist in diesem Zusammenhang aber: entsprechendes, aktiv bürgerfreundliches Verhalten von seiten der Verwaltungsbediensteten müßte belohnt werden, Anreizsysteme mannigfacher Art sind denkbar, derartige Belohnungen auszudrücken. Belohnung braucht nicht im Entgelt zu bestehen, eine besondere Anerkennung, Anrechnung bei der Beförderung, Auszeichnungen usw. sind denkbar. 4. Bürgerberatungsstellen
Zu den jetzt so modernen Bürgerberatungsstellen ist vorauszuschikken, daß das Institut für Verwaltungsrecht und Verwaltungslehre der Universität Linz eine vor dem Abschluß stehende Forschungsarbeit über Bürgerberatungsstellen in der Österreichischen Verwaltung unternommen hat. Dabei zeigt sich, daß seit Beginn der 70iger Jahre, in der allerletzten Zeit in zunehmendem Umfang eine organisationsmäßig selbständige Einrichtung derartiger Beratungs- und Informationsstellen (also eigene Abteilungen oder Unterabteilungen) in fast allen Österreichischen Bundesländern sowie in den größeren Städten vorgenommen wurde. Ausnahmen sind die Länder Burgenland und Steiermark, die bisher keine eigenen organisatorischen Einrichtungen für diesen Zweck geschaffen haben. Interessant ist die Entwicklung der bestehenden Landesberatungsstellen, die fast durchwegs zwei gegenläufige Tendenzen aufweist: auf der einen Seite steht einer anfänglichen Begeisterung vielfach im Laufe der Zeit ein Abflauen des Interesses der Bevölkerung gegenüber, die die Beratungsstelle geradezu aus dem Gedächtnis verliert. Ein Beispiel dafür ist etwa der Anfall an Geschäftssachen der Beratungsstelle beim Amt der Salzburger Landesregierung, die von 518 im Jahre 1972 über 200 (1973), 120 (1974) auf 105 (1975) und 100 (1976) fielen. Auf der anderen Seite hat die Erkenntnis der Notwendigkeit einer verstärkten Bürgerberatung in den unmittelbar letzten Jahren, also etwa seit 1977, zu einer Intensivierung und zum Ausbau der Beratungsstellen geführt. So etwa in Wien, wo zu der 1972 errichteten zentralen Stadtinformation Wien jetzt weitere 9 Außenstellen in den Bezirken dazutreten, in Salzburg, wo 1977 eine Neuorganisation mit einer Neubestimmung des 13 Festschrift für Ludwlg Fröhler
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Aufgabenbereiches und einer erweiterten personellen Besetzung erfolgte. In Kärnten wurde die bereits 1973 errichtete Stelle 1977 einem Juristen hauptamtlich übertragen, in Oberösterreich sollte die seit Dezember 1976 existierende Landes-, Informations- und Beratungsstelle seit 1978 auch durch entsprechende Einrichtungen bei allen Bezirkshauptmannschaften ergänzt werden. Bei der Frage der personellen Besetzung der Beratungs- und Informationsstelle zeigt sich, daß ohne Verwaltungsjuristen (meist auch entsprechenden Ranges) nicht auszukommen ist. Durchschnittlich sind ein bis zwei Juristen, ein sonstiger Bediensteter und eine Schreibkraft bei den Stellen tätig. Welche Aufgaben der Bevölkerung gegenüber und welche Befugnisse nach innen kommen den Beratungsstellen zu? Hier zeigen sich im Detail wesentliche Unterschiede, wenn auch die generelle Aufgabenstellung weitgehend gleichförmig aussieht: allgemeine Beratungstätigkeit, Entgegennahme von Beschwerden und zumeist -Information der Öffentlichkeit. Dabei zeigte sich gerade in Salzburg, daß die Zusammenarbeit mit den Medien für die Effizienz der Beratungsstelle entscheidend sein kann. Wenn nicht Presse und Rundfunk laufend über die Möglichkeit der Beratung, konkrete Beschwerdefälle und ihre Erledigungen berichten, gerät eine derartige Stelle schnell in Vergessenheit. Daher ist es wohl falsch, wenn die Pressebetreuung einer Stelle, wie das in Tirol der Fall war, nur zum Zeitpunkt ihrer Entstehung vorhanden war und der Leiter der Stelle sich dann mit der Bemerkung begnügt: "Es hat sich schon herumgesprochen, daß es uns gibt und im übrigen würde uns eine vermehrte Pressearbeit nur an die Grenze unserer Kapazität bringen." Zu den internen Befugnissen der Beratungsstellen - davon hängt hauptsächlich ihr Erfolg in den konkreten Beratungsfällen ab - zeigt sich, daß es von besonderer Bedeutung ist, den Beratungs- und Beschwerdestellen den direkten Kontakt, womöglich einen gewissen Vorrang vor anderen Dienststellen einzuräumen. Das wird auf verschiedene Art und Weise erreicht: in Tirol wurde ein direktes Vorlagerecht der Beratungs- und Informationsstelle an die Mitglieder der Landesregierung eingerichtet, falls mit anderen Dienststellenleitern in einer Angelegenheit keine Einigung erzielt werden kann. In Wien wurden die anderen Magistratsdienststellen durch Erlaß des Magistratsdirektors angewiesen, alle von der Stadtinformation vorgetragenen Geschäftsfälle einer Soforterledigung zuzuführen. Bedeutsam ist ferner, daß dort der Kontakt mit dem Bürger, wenn er einmal über die Informationsstelle eingeleitet wurde, bei dieser monopolisiert bleibt, d. h. etwaige Anliegen werden von der Informationsstelle intern wei-
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tergeleitet, eine Antwort abgewartet und dann das Ergebnis wiederum von der Informationsstelle dem Bürger mitgeteilt. In Salzburg untersteht die Beratungs-, Informations- und Beschwerdestelle direkt dem Landesamtsdirektor. Geschäftsfälle werden in dessen Namen oder im Namen des Landeshauptmannes erledigt. Die Stelle ist bewußt mit der Amtsinspektion gekoppelt und besitzt insofern genügend Macht und Einfluß, um bestimmte Anliegen gegenüber den anderen Dienststellen durchzusetzen. Der Leiter der Salzburger ebenso wie der Kärntner Stelle vertritt auch die Auffassung, daß der Erfolg der Beschwerdestelle weniger von den formellen Kompetenzen als von den persönlichen Kontakten der Mitarbeiter der Beschwerdestelle zu den anderen Abteilungen und Dienststellen abhängt. Eine Besonderheit der Kärntner Stelle bildet es, daß jede der im Kärntner Landtag vertretenen politischen Parteien eine Art Kontaktmann stellt, über den Interventionen, die an die Parteien in Landesangelegenheiten herangetragen werden, der Beratungsstelle übermittelt werden. 10 °/o der Gesamtgeschäftsfälle entstehen auf diese Art und Weise. Vereinzelt - so in Vorarlberg und Tirol - steht den Beratungsstellen auch ein Aktenanforderungsrecht zu. Die Effizienz dieser Beschwerdestellen ist nur schwer zu beurteilen. Die vielfach angeführte 'Zahl der behandelten Geschäftsfälle ist sicherlich kein eindeutiger Erfolgsausweis. Daß die Beschwerdestellen gerade am Anfang mit Schwierigkeiten zu kämpfen haben, beweist die an unserem Institut vorgenommene Untersuchung vor allem bei den neu eingerichteten Beschwerdestellen der Oberösterreichischen Bezirkshauptmannschaften. Dazu sei aus ein paar Untersuchungsberichten abschließend zitiert: "Hilflosen und oft nervösen Leuten wird geholfen. Sie erfahren vom Berater, zu wem sie gehen müssen und irren nicht von Zimmer zu Zimmer. Dadurch werden andere Beamte nicht von diesen um Auskünfte ersucht, die sie nicht erteilen können und werden nicht von ihrer Arbeit abgehalten." "Der Beamte war sehr höflich, nett und hilfsbereit, hatte aber leider nicht viel Ahnung (keine konkreten Aussagen) von der Wohnbauförderung. Sagte mir, er könne die Antragsformulare kostenlos zur Verfügung stellen, während bei der Wohnbauförderungsstelle in der ... straße für die Antragsformulare bezahlt werden müsse." "Diese Stelle an der BH wird eigentlich von den Bürgern sehr wenig benutzt, da die Parteien ja durch die Einlaufstelle zu den zuständigen Sachbearbeitern vermittelt werden. Zu ihr kommen nur Fälle, bei denen die Zuständigkeit nicht ersichtlich ist oder die einen ziemlich ausgefallenen Inhalt haben." Bürgernahe Verwaltung ist auch in der Demokratie ganz und gar nichts Selbstverständliches. Außerdem darf gerade der Jurist eine 13*
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Gefahr nicht außer acht lassen, die einer mißverstandenen Bürgernähe droht: d. i. der evtl. Vorwurf der Parteilichkeit der Verwaltung, also der Vorwurf, daß die Verwaltung primär Einzelinteressen verhaftet ist und nicht dem Gemeinwohl. Schließlich ist nicht zu übersehen, daß der Ruf nach neuen Abteilungen und Organen zum Zwecke der Bürgerberatung zusätzliche Stellen und Mittel erforderlich macht, also gerade in Widerspruch zu mannigfachen Konzepten der Verwaltungsrationalisierung treten kann. Bei allen Grenzen, die hier zu sehen sind, die Tendenz ist eindeutig: sie geht in Richtung größerer Bürgernähe.
Zum System der Kollegialverwaltung in Osterreich Von Felix Ermacora 1. N. Wimmer hat in seinem "1 mall der Verwaltungsreform" 1 zwei Ebenen der Verwaltungstätigkeit herausgehoben: die vertikale und die horizontale Ebene. Wobei die vertikale Ebene auf Über- und Unterordnung, die horizontale Ebene auf Neben- und Gleichordnung abgestellt ist. In dieses Bild paßt auch die Figur der Kollegialorgane. Es vereinigt das vertikale und das horizontale Element in sich, wenn das Kollegialorgan entscheidungsbefugt ist; es drückt lediglich das horizontale Element aus, wenn es nicht entscheidungsbefugt ist und nur beratende Funktion hat. Entscheidungsbefugte Kollegialorgane und nichtentscheidungsbefugte Kollegialorgane haben in der Gegenwart eines gemeinsam: Sie haben zunehmend einen politischen Stellenwert erhalten, den sie im Rechtsund Verwaltungssystem des Staates einnehmen, es wird von ihnen zunehmend in systematischer Weise Gebrauch gemacht. Der juristische Stellenwert der Kollegialorgane ist in Österreich schon seit Jahrzehnten (1933) behandelt worden2 • Er ist durch zwei Merkmale gekennzeichN. Wimmer, Das 1 mal 1 der Verwaltungsreform, 1978. 1. Allgemeines: Lemayer, Artikel Rechtsschutz im öffentlichen Rechte, die Verwaltungs1
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gerichtsbarkeit und der VwGH, im Österreichischen Staatswörterbuch, 2. Aufl., 1909. - Ders., Apologetische Studien zur Verwaltungsgerichtsbarkeit, in: Grünhut's Zeitschrift 1896, S. 353 f. - Grünwald, Der Österr. VwGH, 1875. - Herrnritt, Grundlehren des Verwaltungsrechts, 1921, S. 508 f. - Kelsen, Allgem. Staatslehre, 1925, S. 261, 307 f. - Merkl, Allgem. Verwaltungsrecht, 1927 (Neudruck 1969), S. 369 bis 391. - Hellbling, Geschichtliche Entwick:lung der Österreichischen Verwaltungsgerichtsbarkeit, in: JBl. 1950, S. 421 f. und 450 f. - Ringhofer, Der österr. VwGH, 1956. - Festschrift 90 Jahre Verwaltungsgerichtsbarkeit in Österreich, 1966. 2. Monographien und Aufsätze zu Art. 133 Z 4 B-VG: Barfuß, Kollegialbehörden und Bundesverfassung, in: ÖJZ, 1970, Heft 3, S. 57. - L. Werner, Kollegiale Verwaltungsbehörden mit richterlichem Einschlag, in: JB 9/1958, S. 217. - Körner, Kollegiale Verwaltungsbehörden mit richterlichem Einschlag, Zentralblatt für die juristische Praxis, 1933, S. 257 ff.- Herz, Die Kommissionen (Kollegialbehörden) nach Art. 133 Z 4 B-VG, in: ÖJZ, 1957, S. 169 f. - L. Werner, Weisungsfreie Verwaltungsbehörden, in: ÖJZ, 1957, S. 66 ff., JZ 1957, S. 229 ff. - Melichar, Aktuelle verfassungsrechtliche Probleme, JBl. 1961, S. 78 ff. - Adamovich, Der Anschluß des ordentlichen Rechtsmittels gegen Bescheide von Kollegialbehörden nach Art. 133 Z. 4
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net: a) durch die kollegiale Willensbildung in der Verwaltung und b) durch die Möglichkeit der Freistellung der von einem Kollegialorgan behandelten Angelegenheit von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes, wenn das Kollegialorgan in oberster Instanz richterlich zusammengesetzt ist. Die kollegiale Willensbildung ist im Bereich der Österreichischen Bundesverwaltung die Ausnahme von der Regel, nach der oberste Verwaltungsagenden primär monokratisch zu führen sind3 • Die Freistellung der von einem solchen Kollegialorgan behandelten Angelegenheiten von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ist die Durchbrechung des seit 1867/75 herrschend gewordenen Prinzips, daß der Rechtsschutz in der öffentlichen Verwaltung einem von dieser losgelösten Verwaltungsgericht überlassen sein soll4 • Über den juristischen Stellenwert der entscheidungsbefugten Kollegialorgane ist vom Standpunkt der Behördenorganisation5, der Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern6, der Rechtsstaatlichkeit der Entscheidungspraxis und des Instanzenzuges7 manches Grundlegende ausgeführt worden. 2. Der politische Stellenwert der Kollegialorgane ist aber nicht nach allen Seiten hin ausgelotet. Das gilt sowohl von Kollegialorganen, die entscheidungsbefugt als auch von Kollegialorganen, die nicht entscheidungsbefugt sind. B-VG, JBl. 1959, S. 447 ff. - Antoniolli, Begriff und Grundlagen der Selbstverwaltung, ZÖR 1959/60, Bd. X, S. 334 ff. - Bauerreiss, Kann der einfache Bundesgesetzgeber (Landesgesetzgeber) durch Schaffung von Kollegialbehörden nach Art. 133 Z. 4 B-VG die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausschließen? ÖJZ 1958, S. 309 ff., S. 337 ff. - Duda, Probleme des Art. 133 Z. 4 B-VG, ÖJZ 1958, S. 623 ff.- Hermann, Der Rechtszug in Patent- und Markenschutzsachen und die EMRK, öBl. 1966, S. 1 f. - Korinek, Zur Verfassungsmäßigkeit des Obersten Patent- und Markensenats, ÖBl. 1966, S. 77 ff. Lentner, Das o. ö. Ausländergrunderwerbsgesetz, ÖNZ 1967, S. 20 ff. - Pernthaler, Die Kollegialbehörde mit richterlichem Einschlag, 1977. - Hinterauer, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit im Blickfeld des Föderalismus, in: Montfort Heft 1 (1979), S. 81 ff., S. 86 f. 3. Quellen P. Gautsch von Frankenthurn, Die Gesetze v. 22. 10. 1875, Nr. 36 u. 37/1876, über den VwGH mit Materialien, 1876. - Mahl! Schedl, Der Verwaltungsgerichtshof, Gesetze, Verordnungen, Materialien, 1895. 3 Das ergibt sich vor allem aus Art. 66 B-VG. ' Siehe dazu P. Gautsch v. Frankenthurn, Die Gesetze v. 22. Oktober 1875, RGBl. Nr. 36 und 37/1876, über den Verwaltungsgerichtshof mit Materialien, 1876. 5 Siehe aus der unter Anm. 2 angeführten Literatur Barfuß, Werner, Körner, Herz, Adamovich und Hinterauer. s Siehe aus der unter Anm. 2 angeführten Literatur Pernthaler und Melichar. 7 Siehe aus der unter Anm. 2 angeführten Literatur Adamovich, Bauerreiss, Hinterauer,
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Der politische Stellenwert der entscheidungsbefugten Kollegialorgane liegt: a) im demokratischen Element seiner Zusammensetzung und der damit verbundenen Kontrollfunktion, b) im föderalistischen Element seiner Zusammensetzung, c) im rechtsstaatliehen Element seiner Zusammensetzung und Funktion, d) im technokratischen Element seiner Zusammensetzung und der "Mobilisierung des Sachverstands". Der politische Stellenwert der nicht entscheidungsbefugten Kollegialorgane liegts: a) im demokratischen Element seiner Zusammensetzung und der damit verbundenen politischen wie sachlichen Legitimationsfunktion, b) im föderalistischen Element seiner Zusammensetzung, c) im rechtsstaatliehen Element seiner Zusammensetzung und Funktion, d) im technokratischen Element seiner Zusammensetzung und der "Mobilisierung des Sachverstands", e) in seiner Stellung im politischen Entscheidungsprozeß und in der damit verbundenen politischen wie sachlichen Legitimationsfunktion. 3. Obwohl die Bundesverfassung in Verfolg der Rechtslage des Jahres 1875 entscheidungsbefugte Kollegialorgane vorsieht, die, was deren Entscheidungen anlangt, in den Rang der ministeriellen Ebene reichen, war sich das B-VG der gesellschaftspolitischen Bedeutung dieser Organe keineswegs bewußt9• Sie hat sie ausschließlich in ihrer Funktion als juristisches Entscheidungselement, als Gegengewicht zur monokratischen Entscheidungsstelle, wie dem Minister, dem Landeshauptmann oder dem Mitglied der Landesregierung verstanden. Ein Demokratisierungsgedanke stand dem verfassungsrechtlichen Konzept der Österreichischen Kollegialbehörden nicht Pate. Hat es schon in der Zwischenkriegszeit Kollegialbehörden gegeben10, die entscheidungsbefugt waren, so konnte man in der Einrichtung solcher Kollegialbehörden kein System erkennen, das dem Gesetzgeber bei der Einrichtung solcher Behörden vorgegeben sein mochte. Allenfalls hatte man in der Struk8 Korinek, Beiräte in der Verwaltung, in: Allgemeines Verwaltungsrecht, Hrsg. Ermacora u. a., 1979, S. 463 ff. stellt die Funktionen der Beiräte heraus (S. 470 f.). ' Das geht aus der Entwicklungsgeschichte der fraglichen Bestimmung hervor, die Pernthaler, S. 21 ff. eingehend nachgezeichnet hat. 10 Siehe z. B. die Kleinrentnerkommission (§ 10 BG BGBl. Nr. 2!51/1929 i. d, F. BGBl. Nr. 239/1930).
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tur, wie Pernthaler dies herausgearbeitet hat11, föderalistische Einflüsse sichern wollen, um die nicht eingerichteten Landesverwaltungsgerichte zu ersetzen. Wenn die Möglichkeit, Verwaltungsentscheidungen in höchster Instanz von Kollegialorganen vornehmen zu lassen, "systemlos" eingeräumt worden sein mochte, so ist demgegenüber das Bild, das die derzeitige Struktur der entscheidungsbefugten Kollegialorgane in Österreich bietet, weitaus systemvoller. Die nachstehende Übersicht versucht, chronologisch geordnet, die wesentlichsten entscheidungsbefugten Kollegialorgane des Bundes und der Länder herauszuheben: -
Berufungskommission nach dem Kleinrentnergesetz (1929) 12
-
Berufungskommission nach dem Wirtschaftssäuberungsgesetz (1947)1 3 Bäuerliche Oberschlichtungsstelle (1947)1 4 Oberster Patent- und Markensenat (1950)1 5
-
-- Oberste Berufungs- und Disziplinarkommission für Rechtsanwälte (1956) 18 - Fachkommission nach dem Futtermittelgesetz (1952) 17 -
Berufungskommission nach dem Heimarbeitsgesetz (1954) 18
-
Oberster Agrarsenat (1951) 19
-
Preiskommission (seit 1957) 20
-
Bundesentschädigungskommission nach dem Besatzungsschädengesetz u. a. (1958) 21 11 12
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15
Pernthaler in der unter 2) angeführten Schrift.
§§ 1, 10 Kleinrentnergesetz BGBI. Nr. 251/1929 i. d. F. BGBI. Nr. 239/1930. §§ 3, 4, 8, 9 Wirtschaftssäuberungsgesetz BGBl. Nr. 92/1947. §§ 12, 13, 15, 19, 20, 23, 24 BG vom 21. 3. 1947, BGBI. Nr. 85/1947. § 41 Patentgesetz BGBI. Nr. 128/1950 i. d. F. BGBI. Nr. 210/1951, BGBI.
Nr. 20/1959, BGBI. Nr. 175/1963 und BGBI. Nr. 225/1965. 18 §§ 6- 8 Agrarbehördengesetz BGBI. Nr. 1/1951 i. d. F. BGBI. Nr. 476/1974. 17 § 5 Futtermittelgesetz BGBI. Nr. 57/1952 i. d. F. BGBI. Nr. 180/1970, BGBI. Nr. 466/1971 und BGBI. Nr. 783/1974. 1s § 39 Heimarbeitergesetz BGBl. Nr. 66/1954. 18 §§ 55 a, 55 e Disziplinarstatut BGBI. Nr. 159/1956 i. d. F. BGBI. Nr. 109/ 1960. 20 Die nach dem Preisregelungsgesetz 1957, BGBI. Nr. 151, i. d. F. BGBI. Nr. 804/1974 vorgesehene Preiskommission bestand bis zum 30. Juni 1976. Sie wurde gern. §§ 2, 19 Abs. 2, Preisgesetz, BGBl. Nr. 260/1976 i. d. F. BGBI. Nr. 271/1978 durch eine mit Begutachterfunktion ausgestattete Preiskommission ersetzt. 21 §§ 1, 20, 21 Besatzungsschädengesetz BGBI. Nr. 126/1958; §§ 1, 2, 17 Kriegs- und Verfolgungsschädengesetz BGBI. Nr. 127/1958.
Zum System der Kollegialverwaltung in Österreich -
Bundesverteilungskommissionen (seit 1964)22
nach
den
-
Disziplinarsenat nach dem Ärztegesetz (1964) 23
-
Personalvertretungs-Aufsichtskommission (1967) 24
-
Kommissionen nach den Wirtschaftsgesetzen (seit 1967) 25
-
Zivildienstkommission nach dem Zivildienstgesetz (1974) 26
-
ORF-Beschwerdekommission (1974) 27
-
Kollegialbehörden nach dem UOG 7428
-
Disziplinarkommissionen nach dem BDG (seit 1979) 29
-
Datenschutzkommission30 nach dem DSG
-
Grundverkehrslandeskommissionen in den Ländern31 •
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Verteilungs-Gesetzen
4. Von diesen unter 3. genannten Kollegialorganen sind bis auf 3 solche mit sogenanntem richterlichen Einschlag, d. h. ihre Entscheidungen unterliegen nicht der rechtsstaatliehen Kontrolle des Verwaltungsgerichtshofes. An der chronologischen Darlegung ist zu erkennen, daß die Zahl der entscheidungsbefugten Kollegialorgane zugenommen hat. Wenn die Kollegialbehörden die Bedingungen des Art. 133 Z 4 B-VG erfüllen, dann haben sie damit ipso jure die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes, die nach wie vor von dem System der Generalklausel beherrscht ist, geschmälert. Wenn man die Sachmaterien beachtet, mit denen sich diese Organe zu befassen haben, so wird zu erkennen sein, daß sie vor allem Agenden der Standesvertretung, der Wirtschaftsverwaltung, der Bildungsverwaltung und der Informationsverwaltung betreffen, in keinem Fall jedoch Agenden der klassischen Ordnungs- oder Polizeiverwaltung. Daraus kann der Schluß ge2 2 §§ 17, 18 Verteilungsgesetz Bulgarien BGBl. Nr. 129/1964; § 17 Verteilungsgesetz Rumänien BGBl. Nr. 71/1965; § 20 Verteilungsgesetz Ungarn BGBl. Nr. 294/1967. 23 § 55 f., 55 j Ärztegesetz BGBl. Nr. 50/1964. 24 § 39 Bundes-Personalvertretungsgesetz BGBl. Nr. 133/1967 i. d. g. F. 25 § 45 Marktordnungsgesetz BGBl. Nr. 36/1967; §§ 17-23 Viehwirtschaftsgesetz BGBl. Nr. 258/1976 i. d. F. BGBl. Nr. 270/1978; §§ 7, 8 Mühlengesetz BGBl. Nr. 24/1965 i. d. F. BGBl. Nr. 140/1969, 411/1970, 456/1972, 495/1974,
339/1978. 28 §§ 43-46 Zivildienstgesetz BGBl. Nr. 187/1974. 27 §§ 25, 27, 29 BG über die Aufgaben und die Einrichtung des Österreichischen Rundfunks, BGBl. Nr. 397/1974 i. d. F. BGBl. Nr. 80/1975. 28 Universitäts-Organisationsgesetz BGBl. Nr. 258/1975 i. d. F. BGBl. Nr. 443/1978. 29 Siehe §§ 97 ff. Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 BGBl. Nr. 333. 30 §§ 35 - 40 Datenschutzgesetz BGBl. Nr. 565/1978. 31 § 16 Landesgrundverkehrsgesetz LGBl. Nr. 11/1955 i. d. F. LGBl. Nr. 3/ 1958, 16/1962, 16/1966, 10/1970.
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zogen werden, daß der Staat bei der Einrichtung solcher Kollegialorgane, von Standesproblemen abgesehen, diese als Entscheidungsstellen den neuen systematisierten Branchen der Staatstätigkeit oder, anders ausgedrückt, den modernen Verwaltungszweigen des Leistungsstaates anpaßt. Offensichtlich geht es bei der Versorgung dieser Verwaltungszweige darum, die Tätigkeit monokratischer Organe auszuschalten und die Gegenstände im Entscheidungsprozeß gesellschaftspolitisch dynamisch zu gestalten. 5. Es liegt der Einrichtung dieser Kollegialorgane die Idee der Demokratisierung der Verwaltung zugrunde. Die Kollegialorgane repräsentieren gesellschaftliche Gruppen, die von der zu behandelnden Sachmaterie besonders betroffen sind. Wenn man die Zusammensetzung der Kollegialorgane auf dem Gebiete der Wirtschafts-, Bildungs- und Informationsverwaltung überblickt, so scheint sich eine Art berufständisches Bestellungsprinzip abzuzeichnen. Die "Verbände" erhalten das Recht, sich in solchen Organen vertreten zu lassen und partizipieren damit am Entscheidungsprozeß. Dieses Prinzip kommt nur dann nicht zum Durchbruch, wenn die Gruppen an der zu gestaltenden Materie kein politisches Interesse zeigen oder man meint, daß die Besetzung eines Kollegialorgans mit juristisch gebildeten Fachleuten allein eine besondere Garantie für eine rechtsstaatliche Verwaltung durch Kollegialorgane gibt. Drei Typen von entscheidungsbefugten Kollegialorganen, die nach 1970 geschaffen wurden, seien unter diesem Gesichtspunkt genannt: Die Vergabekommissionen nach den Wirtschaftsgesetzen32, die Studienkommissionen nach dem UOG33 und die Datenschutzkommission nach dem Datenschutzgesetz34 • Die Vergabekommissionen nach den Wirtschaftsgesetzen, die Entscheidungen auf dem Gebiete der Subventionsverwaltung zu treffen haben, weisen eine ständische Struktur auf. Seit 1975 haben sie Vertreter einer Gruppe als ihr Mitglied zugesprochen erhalten, der keinem Stand, sondern eher einer Klasse angehört. Nämlich der Klasse der Konsumenten. Als Vertreter der Konsumenten tritt vor allem die Gewerkschaft auf. Die Mitgliedschaft von Gewerkschaftsvertretern in Kollegialorganen, die vom Bund in Sachen der Wirtschafts- und Infor32 Marktordnungsgesetz BGBI. Nr. 36/1967; Viehwirtschaftsgesetz BGBI. Nr. 258/1976 i. d. F. BGBI. Nr. 270/1978; Weinwirtschaftsgesetz BGBI. Nr. 296/ 1969 i. d. F. BGBl. Nr. 224/1972 und 784/1974; Mühlengesetz BGBI. Nr. 24/1965 i. d. F. BGBI. Nr. 140/1969, 411/1970, 456/1972, 495/1974, 339/1978. 33 Vgl. § 57 UOG, BGBI. Nr. 258/1975 i. d. F. BGBI. Nr. 443/1978. 34 §§ 35 ff. Datenschutzgesetz, BGBl. Nr. 565/1978.
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mationsverwaltung eingerichtet sind, ist ein besonderes Merkmal neuen Organisationsrechtes. Die Studienkommissionen im Bereich der Bildungsverwaltung an den Universitäten sind gleichfalls berufsständisch zusammengesetzt, wobei alle an den Universitäten Tätigen auch Konsumenten der Einrichtungen selbst sind. Die Datenschutzkommission im Bereiche der Informationsverwaltung ist ähnlich wie die ORF-Beschwerdekommission35 , jedoch nicht ständisch organisiert, sondern weist eine Zusammensetzung auf, die im wesentlichen ein Rechtsschutzbedürfnis abdecken soll. 6. Kollegialorgane mit Entscheidungsbefugnis haben föderalistischen Einschlag dann, wenn die Verwaltungsagenden, über die sie zu entscheiden haben, Angelegenheiten der Länder mitbetreffen36 • Hier berücksichtigt der Gesetzgeber durch den Hinweis, daß "zwei" Ländervertreter dem jeweiligen Kollegialorgan angehören sollen37, das "Schwarz-Rot" österreichischer Länderverwaltung. Andererseits macht es der Gesetzgeber den Ländern zur Pflicht, daß sie Kollegialorgane einrichten sollen, die von vornherein föderalistischer Natur sind. Das rechtsstaatliche Element entscheidungsbefugter Kollegialorgane liegt in drei Faktoren: a) in der Anwendung der bewährten allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetze38, b) in der Organisation der Kollegialorgane, c) in der Möglichkeit einer nachprüfenden Kontrolle der Akte der Kollegialorgane 39 sowie - neuerdings - darin, daß sie kraft ihrer Natur als "tribunals" im Sinne des Art. 6 Z 1 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten zur Behandlung zivilrechtlicher Ansprüche und strafrechtlicher Anschuldigungen angesehen werden können40 • Ein Blick auf die Rechtslage zeigt, daß das EGVG keine Vorkehrung dafür trifft, daß alle entscheidungsbefugten Kollegialorgane von vornherein das A VG anzuwenden haben. Dies muß im allgemeinen im jeweils maßgebenden Gesetz ausdrücklich verfügt sein. Entscheidungsbefugte Kollegialorgane sind so zusammengesetzt, daß sie als "Kollegialorgane mit richterlichem Einschlag" angesprochen werden können41 • Entscheidungsbefugte Kollegialorgane sind von vornherein grundsätz35 36 37
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au 40
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Abs. 3 ORF-Gesetz, BGBI. Nr. 397/1974 i. d. F. BGBI. Nr. 80/1975. Angelegenheiten des Datenschutzes und Rundfunkangelegenheiten. Datenschutzkommission. Siehe EGVG 1950 BGBI. Nr. 152. Die in der Regel gemäß Art. 133 Z. 4 B-VG ausgeschlossen ist. Siehe dazu VfGH-Erk. v. 29. Juni 1973 VfSlg. 7099/73. Dazu ist Art. 133 Z. 4 B-VG zu lesen. § 25
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lieh nicht weisungsfrei gestellt, d. h. auf sie sind die Grundsätze über die Weisungsgebundenheit anzuwenden, wie sie im Art. 20 Abs. 1 B-VG verankert sind. Kollegialbehörden können jedoch weisungsfrei gestellt werden, wenn sie eine Zusammensetzung aufweisen, wie sie die Verfassung für weisungsfreie Kollegialbehörden vorsieht. Das sieht sowohl der neugefaßte Art. 20 Abs. 3 B-VG als auch der nach wie vor bestehende Art. 133 Z 4 B-VG vor. Entscheidungen von "Kollegialbehörden mit richterlichem Einschlag" sind grundsätzlich nicht der Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof unterworfen. Hinterauer schreibt, daß dies auch mißbräuchlich verfügt sein könne42 . Mißbräuchlich ist die Einrichtung dann, wenn die Motivation erkennbar ist, die Zuständigkeit des VwGH aus politischen Motiven auszuschließen. Ein Blick auf die bestehenden "Kollegialorgane mit richterlichem Einschlag" zeigt, daß in folgenden Angelegenheiten der Rechtszug von einer solchen Kollegialbehörde an den VwGH ausgeschlossen sein soll: KleinrentnerAngelegenheiten43, Wiedergutmachungs-Angelegenheiten44 , Erbhof-Angelegenheitenn, Patent-Angelegenheiten48, Heimarbeit47, Standesangelegenheiten48, Besatzungsschäden49 , Verteilungsangelegenheiten50, Zivildienst51, Informationsverwaltung52 , Grundverkehr53, wirtschaftliche Subventionsverwaltung5 4, Schulbehördenss. Als Grund für den Ausschluß der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes in fast 20 Verwaltungsmaterien wird angegeben, daß der Weg zum Verwaltungsgerichtshof für den Rechtsuchenden zu kostspielig, zu zeitraubend, zu beschwerlich sei. Ob dies in jedem Falle der wahre Grund für die systematische Durchlöcherung der Generalklausel des Verwaltungsgerichtshofes ist, kann nur vermutet und aus Indizien geschlossen werden, so z. B. wenn man die für die Bodenreform zuständigen agrarbehördlichen Entscheidungen ausdrücklich der Judikatur Siehe die in Anm. 5 angeführten Publikationen. Kleinrentnergesetz BG 251/1929 i. d. F. 239/1930. 44 Kriegs- und Verfolgungsschädengesetz BGBL Nr. 127/1958. 45 BG BGBL Nr. 85/1947. 4 & Patentgesetz BGBL Nr. 128/1950 i. d. F. 225/1965. 47 Heimarbeitergesetz BGBL Nr. 66/1954. 48 Disziplinarstatut für Rechtsanwälte BGBL Nr. 159/1965 i. d. F. 109/1960; Ärztegesetz BGBL Nr. 50/1964. 49 Besatzungsschädengesetz BGBL Nr. 126/1958. 50 Verteilungsangelegenheiten. Verteilungsgesetze Bulgarien BGBL Nr. 129/ 1964; Rumänien BGBL Nr. 71/1965; Ungarn BGBL Nr. 294/1967. 51 Zivildienstgesetz BGBL Nr. 187/1974. 52 Datenschutzgesetz BGBL Nr. 565/1978. 53 Vgl. die in Anm. 31 angeführten Landesgrundverkehrsgesetze. 54 z. B. die Vergabe-Kontrollkommission nach der Salzburger Landesvergabeordnung, Landes-Zeitung Nr. 26/1972. 55 Art. 81 a und Art. 81 b B-VG samt Ausführungsgesetzen. 42
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des Verwaltungsgerichtshofes unterwirft, aber alle anderen nach Art. 133 Z 4 B-VG eingerichteten Kollegialbehörden von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausdrücklich ausnimmt. 7. Nichtentscheidungsbefugte Kollegialorgane werden als Kommissionen oder als Beiräte bezeichnet. Ich kann mich der Begriffsbestimmung, die Korinek dem Begriff des Beirates gegeben hat56 nicht voll anschließen. Korinek rechnet zu den Beiräten nur "ständige" nicht aber ad hoc-Beiräte. Korinek beruft sich auf die deutsche Lehre, die ihrerseits keinen stichhaltigen Grund angibt, warum "ad hoc"Kollegialorgane nicht Beiräte sein sollen. Auch im Bereiche der Gesellschaft begründete Kommissionen werden als parastatale Einrichtungen anzusprechen sein, wenn ihre Tätigkeit staatlich sanktioniert ist. Sie sind weder Behörden noch Ämter oder Dienststellen, denn es geht ihnen das Moment der organisatorischen Beständigkeit grundsätzlich ab. Diese Kommissionen und Beiräte lassen sich nach ihrer Entstehungsgrundlage in zwei große Gruppen einteilen: Kommissionen und Beiräte auf konkreter gesetzlicher Grundlage sowie Kommissionen und Beiräte kraft ministeriellen57 Beschlusses, der, werden solche Organe neu eingerichtet, im Bundesministeriengesetzss, sonst aber in der Organisationsgewalt der Verwaltung seine Grundlage hat. Beiräte (Kommissionen) auf gesetzlicher Grundlage haben eine institutionalisierte Aufgabe. Andere Beiräte (Kommissionen) haben eine ad-hoc zu erledigende Aufgabe. 8. Beiräte mit institutionalisierter Grundlage sind kraft Gesetzes entweder einem Bundesminister oder der Bundesregierung zur Behandlung konkreter Verwaltungsaufgaben beigegeben, oder sie haben, zwar ohne Entscheidungsgewalt, selbständig Aufgaben zu besorgen, deren Ergebnisse sie politischen Entscheidungsorganen weiterzugeben haben. Zu jenen Kollegialorganen, die in institutionalisierter Weise konkrete Aufgaben zu besorgen haben, gehören der nach dem Universitätsorganisationsgesetz eingerichtete Akademische Rat59, die Beschwerdekommission des Bundesheeres60 , der nach dem Datenschutzgesetz eingerichtete Datenschutzrat61, der nach dem Wehrgesetz eingerichtete Landesverteidigungsrat62, der nach einem besonderen Bundesgesetz einge-
Korinek, S. 464. . z. B. Hochschulreform-Kommission, Arbeitsrechtsreform-Kommission, Verfassungsreform-Kommission. 58 Siehe § 7 Abs. 3 BMG 1973 BGBl. Nr. 389/1973. 59 Akademischer Rat, § 108 UOG, BGBl. Nr. 258/1975 i. d. F. BGBl. Nr. 443/ 56
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1978. &o § 6 Wehrgesetz 1978. 61 § 46 Datenschutzgesetz BGBl. Nr. 575/1978. &2 § 5 Wehrgesetz 1978.
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richtete Rat für Auswärtige Angelegenheiten83, die Beiräte nach einzelnen Wirtschaftslenkungsgesetzen6 4, der paritätische Ausschuß nach dem Kartellgesetz 65 , Wohnbauförderungsbeiräte, Raumordnungsbeiräte. 9. Die Beiräte mit ad-hoc-Aufgaben sind dazu bestimmt, legistisch politische Vorhaben vorzubereiten. Deren Aufgabe liegt im Bereiche der Planung. Zu diesen Beiräten gehören bzw. gehörten u. a.: die Studienkommission für Volksgruppenfragen, die Grundrechtsreformkommission, die Verwaltungsreformkommission, die Kommission zur Neuordnung des Arbeitsrechtes, die Verfassungsreformkommission. Aus parlamentarischen Anfragebeantwortungen geht hervor, daß derzeit rund, hundert solche Beiräte eingerichtet sind66 • 10. Alle diese Beiräte und Kommissionen spiegeln kraft je unterschiedlicher Zusammensetzung, so wie die entscheidungsbefugten Kollegialorgane, das Interesse gesellschaftlicher Gruppen wieder. Stärker als in den entscheidungsbefugten Kommissionen sind in den nichtentscheidungsbefugten Kollegialorganen die im Parlament vertretenen politischen Parteien präsent67 • Die Parteirepräsentanten werden entweder vom jeweiligen Parlamentsklub oder von der jeweiligen Parteizentrale entsendet. Diesen Beiräten gehören in der Regel als ihre Mitglieder auch Experten und Technokraten an, die neben dem politischen Interesse das fachliche Interesse repräsentieren68 • Die Funktionen dieser Beiräte und Kommissionen bestehen darin, Entscheidungsgrundlagen für die politischen Entscheidungsstellen43 vorzubereiten, ein Regierungsorgan im konkreten Falle zu beraten, auf außerparlamentarischer Ebene legislative Maßnahmen vorzubereiten, eine Art Verwaltungskontrolle durchzuführen. Das Gewicht der Arbeit solcher Beiräte hängt von der Dynamik ihrer Arbeitsweise ab. Sie wird einerseits vom eigentlichen Gremium selbst, andererseits vom bürokratischen Unterbau dieses Gremiums bestimmt. Wo der bürokratische Unterbau des Gremiums nicht imstande ist, die notwendigen Arbeitsunterlagen zu beschaffen, und die politische Führung nicht bemüht 83 BG über die Errichtung eines Rates für Auswärtige Angelegenheiten BGBL Nr. 330/1976. 84 § 6 Rohstofflenkungsgesetz BGBl. Nr. 106/1951 i. d. F. BGBl. Nr. 114/1952,
145/1954, 302/60, 181/63, 571/73, 320/76 und 274/78; §§ 20, 21 Energielenkungsgesetz BGBl. Nr. 319/76 i. d. F. BGBl. Nr. 272/78. 85 § 90 Kartellgesetz BGBl. Nr. 460/1972 i. d. F. 561/1973, 422/1974 und 423/ 1974. 88 Korinek hat die entsprechenden Anfragebeantwortungen angeführt (S. 465 Anm. 10). 87 Siehe z. B. Datenschutzrat, gern. § 43 Datenschutzgesetz BGBl. Nr. 565/ 1978. 88 Darauf nimmt auch Korinek bezug.
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ist, die Arbeit des Gremiums in Bewegung zu halten, wird ein solches Gremium entweder am Papier bleiben oder ins rein Technokratische umschlagen. Wenn man im einzelnen das Resultat der Arbeit dieser Gremien prüft, ist zu erkennen, daß bestimmte Fragen ohne solche Gremien nicht, andere Fragen wegen solcher Gremien nicht gelöst werden. So z. B. ist das Volksgruppengesetz 1976 ohne die vorbereitenden Arbeiten einer dafür eingesetzten Expertenkommission nicht denkbar69 • Andererseits konnte von der seinerzeitigen Hochschulreformkommission die Neuordnung der Universitätsorganisation nicht bewältigt werden70 ; die Kommission wurde aufgelöst, ohne daß sie ihre Arbeit abgeschlossen hätte. Der Beirat für die Grundrechtsreform findet demgegenüber wenig politisches Interesse: er konnte seit 1964 im stillen "dahin arbeiten", ebenso die Verwaltungsreformkommission, beide scheinen ein "perpetuum mobile" zu sein. Nichtentscheidungsbefugte Kommissionen können auch eine Alibifunktion - Korinek nennt sie Dekorfunktion - besitzen und auf diese Art ihre politische Rolle spielen. 11. Das Bild zeigt, daß eine moderne Verwaltungstheorie dazu beitragen müßte, die Infrastruktur moderner Verwaltungsorganisation bloßzulegen. Zur Infrastruktur moderner Staatsverwaltung, zum System dieser Infrastruktur gehört die Form der kollegialen Verwaltung, die einerseits Ausdruck der "Demokratisierung der Verwaltung", aber andererseits Ausdruck der "Technokratisierung" der Verwaltung des modernen demokratischen Staates ist. Wie diese und andere Studien sowie die Praxis zeigen, liegt in der Verwaltung durch Kollegialorgane neben oder unter der Ministerebene bzw. der Ebene der Landesregierung heute keine regellose Ausnahme, sondern ein organisatorisches Strukturelement der modernen Verwaltung. Die gemeinsamen Merkmale dieser Form der Verwaltung sind a) die Gliederung in institutionalisierte und ad hoc-Kollegialorgane, b) die Gliederung in entscheidungsbefugte und beratende Kollegialorgane, c) die Zusammensetzung der Kollegialorgane mit richterlichem, parteipolitischem und/oder mit technokratischem Schwergewicht und Einschlag und d) die Kollegialorgane mit Rechtskontrollkonkurrenz-Funktion und ohne eine solche. Läßt sich also so eine gewisse Systematisierung der "Kollegialverwaltung" erreichen, so ist eine Systematisierung der inneren Organisation der Kollegialverwal89 Siehe die von den drei im Parlament vertretenen politischen Parteien eingesetzte Experten-Kommission, die von 1975 bis 1977 tätig war. 70 Siehe die Hochschulreform-Kommission und die Hinweise, in: z. B. Bericht des BMWF über die bisherige Tätigkeit der Hochschulreform-Kommission, vom 21. 10. 1969.
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tung nur schwer möglich. Es wären im einzelnen nämlich zu prüfen71 :
die Geschäftsordnungen der Kollegialorgane, die politischen Mehrheitsverhältnisse innerhalb der Kollegialorgane, die Bestellungs- und Abberufungsform der Mitglieder solcher Kollegialorgane, die Kostentragung für die Entgeltleistung in solchen Kollegialorganen, die Struktur der Büros solcher Kollegialorgane, die Äußerungsformen der Kollegialorgane, die Kontrolle und Aufsicht der Kollegialorgane. In allen diesen Belangen läßt sich keine aus der Praxis ableitbare Systematik ermitteln. Die innere Organisation der Kollegialorgane ist reformbedürftig.
71 Korinek leistete erste Ansätze zu einer solchen Systematisierung. Siehe auch die von Bös übernommenen Untersuchungen und Zusammenstellungen, die den Machtindex nach Shapley und Schbik berücksichtigen und die paritätischen Organe in den Wirtschaftslenkungsgesetzen betreffen (Übersicht bei Ermacora, Österreichische Verfassungslehre, 1970, S. 210 f.).
Rechtswidrige Antragsablehnung und verschlechternde Rechtsänderung Von Horst Sendler
I. Ludwig Fröhler hat sich in seinem umfangreichen Oeuvre wiederholt zu Fragen geäußert, die um die Rechtsstellung des von einer verschlechternden Rechtsänderung Betroffenen kreisen. Es geht darum, wie zu entscheiden ist, wenn ein Antrag auf Erteilung eines begünstigenden Verwaltungsakts zu Unrecht abgelehnt oder nicht beschieden wird und während des anschließenden verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, in dem der Betroffene die Begünstigung erkämpfen will, das Recht sich in einer Weise ändert, die- bei Zugrundelegung des neuen Rechts - das ursprünglich berechtigte Begehren zuschanden macht. Für die gewerberechtliche Erlaubnis hat Ludwig Fröhler zu dieser "besondere Schwierigkeiten" bereitenden Frage die Auffassung vertreten, die Abweisung der Verpflichtungsklage könne nicht lediglich damit begründet werden, daß die Behörde mit einem zusprechenden Urteil zu etwas verpflichtet würde, das der geltenden Rechtslage, die eben die Erteilung der beantragten Erlaubnis nicht mehr gestatte, widerspreche. Die Entscheidung hänge vielmehr davon ab, welche Folge sich nach dem neuen Recht daraus ergebe, daß der Kläger bereits im Besitz der Erlaubnis wäre, wenn die Behörde ihn der Rechtslage entsprechend beschieden hätte. Lasse das geänderte Recht den Rechtsstand der den Beruf bereits Ausübenden unangetastet, so müsse man dies auch bei demjenigen annehmen, der lediglich durch eine rechtswidrige Entscheidung daran gehindert worden sei, das Gewerbe vor lokrafttreten der Rechtsänderung zu beginnen. Durch die Antragstellung habe sich die Rechtsposition bezüglich des geplanten Gewerbes bereits so konkretisiert, daß der Antragsteller so zu behandeln sei wie diejenigen, die das Gewerbe tatsächlich bereits ausgeübt hätten1 • Vgl. Landmann I Rohmer I Eyermann I Fröhler, Gewerbeordnung, 12. Aufl. 1 Rn. 108; ähnlich, wenn auch kürzer, Fröhler I Kormann, Kommentar zur Gewerbeordnung, 1978, § 1 Rn. 32, und Eyermann I Fröhler, Verwaltungsgerichtsordnung, 7. Aufl. 1977, § 113 Rn. 14, und zwar schon von der 1. Aufl. 1960 an, jedoch mit dem Vorbehalt abweichender Regelung.
§
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14 Festschrift für Ludwig Fröhler
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1. Im Ergebnis stimmt dies mit einer Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts überein, die sich vor rund 20 Jahren in mehreren Entscheidungen niedergeschlagen, die fortzusetzen inzwischen - erstaunlicherweise - aber kein Anlaß bestanden hat. In der Begründung freilich hat sich das Bundesverwaltungsgericht leichter getan2 und statuiert, "rechtsstaatliches Denken" verlange ein solches Ergebnis. Erstmals ist dies entschieden worden für die erlaubnispflichtige Eröffnung eines Einzelhandelsbetriebs3 • Die damals maßgebliche Überleitungsvorschrift stellte zwar nur die beim Inkrafttreten des Gesetzes bestehenden Einzelhandelsbetriebe von der Erlaubnispflicht frei; rechtsstaatliches Denken verlange aber- so das Bundesverwaltungsgericht -, die Oberleitungsvorschrift "auch auf denjenigen anzuwenden, der den Einzelhandel beim Inkrafttreten des Einzelhandelsberufsausübungsgesetzes nur deshalb noch nicht betreiben konnte, weil ihn die Behörde an der Eröffnung des Geschäftsbetriebs zu Unrecht hinderte". Der zu Unrecht Abgelehnte wurde also behandelt, als ob er zum maßgeblichen Zeitpunkt das Gewerbe bereits betrieben habe, und sollte damit den Schutz für einen- gewissermaßen hypothetischen, fiktiven- Bestand genießen, den er noch gar nicht erlangt hatte, den er aber rechtens hätte erlangt haben müssen4 •
Der gleiche Gedanke ist wenig später fruchtbar gemacht worden für eine Fahrlehrererlaubnis; die maßgebliche Überleitungsvorschrift fingierte (lediglich) für Inhaber von Erlaubnissen nach bisherigem Recht die Erteilung der Erlaubnis nach neuem Recht, sollte aber nach Meinung des Bundesverwaltungsgerichts ebenfalls auf Grund rechtsstaatliehen Denkens auch denen zugute kommen, "denen die Behörde die Fahrlehrererlaubnis vor der gesetzlichen Neuregelung zu Unrecht vorenthalten" habe. In diese Begründung mischen sich Formulierungen, die dem Schadensersatzrecht entnommen zu sein scheinen und an die Bestimmung über die Naturalrestitution in § 249 Abs. 1 BGB erinnern: "Wenn dem Kläger die Erlaubnis damals zu Unrecht verweigert worden wäre, könnte er verlangen, so gestellt zu werden, wie er bei einer richtigen Behandlung der Sache nach den seinerzeit geltenden Vorschriften stehen würde5 ." In einer wenig später ergangenen Entscheidung wird dies im Fall der nach neuem Recht nicht mehr zulässigen Simultanzulassung eines 2
Vgl. Spanner, DVBl. 1968, 618 (621).
Urteil vom 23. 6. 1959 - 1 C 206.55 - in GewArch 1959, 144, insoweit in DVBl. 1959, 664 nicht veröffentlicht; Urteil vom 21. 7. 1959 - 1 C 101.54 in DVBl. 1959, 775 (776). 4 Urteil vom 10. 6. 1960 1 C 198.58 - in DVBl. 1960, 778. 3
6
Ebd.•
s. 778/79.
Rechtswidrige Antragsablehnung und verschlechternde Rechtsänderung
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Rechtsanwalts unter Bezugnahme auf die genannten Entscheidungen bereits als ständige Rechtsprechung praktiziert: "Der Senat hat bereits mehrfach entschieden, daß es aus rechtsstaatliehen Erwägungen - sofern dem nicht überwiegende Gründe des öffentlichen Wohls entgegenstehen- geboten ist, die Verpflichtung zur Zulassung eines Bewerbers zu einer beruflichen Betätigung auch dann auszusprechen, wenn die Zulassung zwar nach dem während des Rechtsstreits in Kraft getretenen Recht nicht mehr begehrt werden kann, der Bewerber aber bei Inkrafttreten der neuen Vorschriften bei ordnungsgemäßer Handhabung des bisherigen Rechts im Besitz der Zulassung hätte sein müssen6." Bemerkenswert an dieser Entscheidung gegenüber den vorhergehenden ist zweierlei: Die Anlehnung an eine Überleitungsvorschrift fehlt, obwohl sie auch diesmal nahegelegen hätte: § 226 Abs. 1 der Bundesrechtsanwaltsordnung bestimmt nämlich, daß der Anwalt, der im Zeitpunkt des Inkrafttretens des neuen Rechts bereits "simultan" zugelassen war, diese Zulassung behält7. Dafür taucht erstmals der Vorbehalt auf, daß der postulierten Großzügigkeit nicht überwiegende Gründe des öffentlichen Wohls entgegenstehen dürfen. Fast wörtlich hat der BGH die zitierte Formulierug aus der zuletzt genannten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts übernommen, als es um die Bestellung eines Notars ging und ebenfalls die Frage auftauchte, ob der Antragsteller nicht bereits nach früherem Recht hätte bestellt sein müssen8 ; die Salvatorische Klausel zugunsten der überwiegenden Interessen des öffentlichen Wohls fehlt freilich ebenso wie die Anknüpfung an eine Überleitungsvorschrift, die in der Bundesnotarordnung in der Tat - jedenfalls generell - nicht enthalten ist und wohl für überflüssig gehalten wurde, weil bereits früher ausgesprochene Bestellungen von der Neuregelung ersichtlich nicht in Frage gestellt werden sollten9 • 2. Diese - modisch gesprochen - etwas unreflektierte Bezugnahme auf rechtsstaatliches Denken als Begründung für eine - verfassungsrechtlich gebotene? - Großzügigkeit gegenüber dem, dessen Antrag zu Unrecht abgelehnt worden ist, nimmt freilich wunder, wenn man sich eine weitere Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aus jener 8 Urteil vom 14. 3. 1961 1 C 48.57 - in DVBI. 1961, 447. Vgl. zu dieser und den vorstehend genannten Entscheidungen des BVerwG insbes. Ule, DVBI. 1963, 475 ff. und Weyreuther, DVBI. 1964, 893 (894). 7 Vgl. den Hinweis in BVerwGE 29, 306 (308). 8 BGHZ 37, 179 (181) = DVBl. 1962, 828. Der BGH hat sich dabei auch auf BVerwGE 4, 81 (89) und BSozGE 5, 238 (242) bezogen; dort lag allerdings eine besondere Fallgestaltung - die "Konkurrenzsituation" mehrerer Bewerber - zugrunde, vgl. dazu unten in Anm. 30. 9 Für Spezialfälle ist freilich an Überleitungsregeln gedacht worden; vgl. § 114 Abs. 3 und§ 116 Abs. 2 Satz 2 BNotO.
14•
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Zeit vor Augen hält10. Für eine Zulassung zum Verkehrsgewerbe, die unter der Geltung des alten Rechts abgelehnt worden war, wurde schlicht festgestellt, die Neuregelung durch das Personenbeförderungsgesetz (PBefG) vom 21. März 1961 (BGBI. I S. 241) lasse "nicht erkennen, daß bereits laufende Genehmigungsverfahren davon etwa nicht erfaßt werden sollen"; auch die "noch nicht endgültig abgeschlossenen Vorgänge"11 - also die in gerichtlichen Verfahren befindlichen - seien nach neuem Recht zu beurteilen. Kein Wort darüber, daß nach der Übergangsvorschrift des § 62 PBefG die auf Grund des bisherigen Rechts erteilten Genehmigungen ihre Gültigkeit bis zum Ablauf der Dauer der Genehmigung behalten sollten; kein Wort von rechtsstaatliehen Erwägungen, die deswegen die Prüfung der Frage gebieten könnten, ob der Kläger nach altem Recht bereits hätte zugelassen werden müssen und nun wie ein bereits Zugelassener zu behandeln sei. Im Gegenteil wird wiederholt betont, die Verpflichtungsklage sei nach dem nunmehr anzuwendenden neuen Recht zu beurteilen, und ein insoweit etwa nachwirkendes altes Recht wird nicht einmal in Erwägung gezogen; überdies wird davon ausgegangen, daß die Verpflichtungsklageangesichts der durch das neue Recht geänderten Zuständigkeiten-bereits an der inzwischen möglicherweise eingetretenen Unzuständigkeit des Beklagtenscheiter könnte12 und alsdann nur noch- im Wege der Fortsetzungsfeststellung - über die Rechtmäßigkeit der unter altem Recht ergangenen ablehnenden Verwaltungsakte zu entscheiden sei. An die von Ludwig Fröhler1 erwogene und bejahte Möglichkeit, daß sich die Rechtsposition des Antragstellers eben durch die Antragstellung unter altem Recht bereits hinreichend konkretisiert und er dadurch Bestandsschutz für diese Position erlangt habe, hat das Bundesverwaltungsgericht ebenfalls nicht gedacht. 3. Unter diesen Umständen ist man kaum mehr erstaunt darüber, daß das Bundesverwaltungsgericht sehr viel später in einer Entscheidung13, die wiederum wie das Urteil vom 10. 6.1960 4 einen Fahrlehrer und eine Überleitungsvorschrift gleichen Inhalts wie in jener alten Entscheidung betraf, der Anwendung alten Rechts auf den unter dessen Geltung zu Unrecht abgelehnten Bewerber mit mehr Reserve gegenüber zu stehen scheint als die erwähnten früheren Erkenntnisse. Ein Anspruch, nach Maßgabe des früheren Rechts behandelt zu werden, setzt Urteil vom 14. 7. 1961- BVerwG 7 C 24.59- in DVBl. 1961, 742. Ebd., S. 743. 11 An die Möglichkeit, daß der Funktionsnachfolger des unzuständig gewordenen Beklagten im Wege des Parteiwechsels in den Prozeß eintreten könne, ist anscheinend nicht gedacht worden. ts Urteil vom 25. 4. 1972 - 1 C 51.66 - in Buchholz 451.28 Fahrlehrer Nr. 6, 8.1. 10
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nach dieser neuen Entscheidung voraus, daß das geltende (neue) Recht dies zuläßt. Diese neuere Entscheidung konnte zwar unentschieden lassen, ob die in Frage stehende Überleitungsvorschrift "ungeachtet der Tendenz, mit der die Neuregelung des Fahrlehrerwesens erfolgte", nämlich der Tendenz, die Anforderungen an Fahrlehrer im Interesse der Sicherheit des Straßenverkehrs zu erhöhen - "erweiternd auf diejenigen Personen erstreckt werden kann, denen die Fahrlehrerlaubnis unter der Geltung des früheren Rechts zu Unrecht versagt wurde und die deshalb bei richtiger Behandlung ihres Begehrens bei Inkrafttreten des neuen Rechts zu den Personen gehört hätten, die bereits einen Fahrlehrerschein haben" 14• Aber die Zurückhaltung, mit der hier formuliert ist, läßt doch aufhorchen: Auch hier kein Wort davon, daß rechtsstaatliches Denken die Erweiterung der Besitzstandsklausel auf jene sozusagen "Altrechtgeschädigten" verlange; nicht mehr als die vorsichtig und skeptisch klingende Frage wird gestellt, ob jene Vorschrift trotz der restriktiven Neuregelung erweiternd auf "Altrechtgeschädigte" erstreckt werden kann. Auch hier kein Wort von der Fröhlerschen Idee der Konkretisierung durch Antragstellung. 4. Ein Rekurs auf rechtsstaatliches Denken fehlt weiter in den zahlreichen Entscheidungen zum Baurecht, die dem Antragsteller nachteilige Rechtsänderungen während des gerichtlichen Verpflichtungsverfahrens betreffen. Ob es sich dabei um einen neuen Bebauungsplan15, um eine Veränderungssperre nach § 14 BBauG16, um eine neugefaßte Gesetzesvorscllrift17 oder was auch immer handelte: Auf die Frage, ob dem jeweiligen Kläger die Genehmigung unter der Geltung des alten Rechts zu Unrecht versagt worden war, hat es die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht ankommen lassen, wenn neues zwingendes Recht entgegenstand; selbst eine erst im Revisionsverfahren in Kraft getretene neue Vorschrift muß zu Lasten des Antragstellers berücksichtigt werden, also zur Abweisung einer ursprünglich begründeten Klage auf Erteilung einer Baugenehmigung führen 1s. Es erstaunt nicht, daß es nicht recht gelungen ist, die Widersprüchlichkeiten dieser Rechtsprechung in Harmonie zu bringen. Es konnte wohl auch nicht gelingen. Was dem Gewerbetreibenden recht war, schien dem Bauherrn billig zu sein. Die Widerlegung dieses scheinbar a Ebd., 8.3.
15 So zuletzt Urteil vom 8. 6. 1979 4 C 57.77 - unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung, insbesondere BVerwGE 41, 227 (230 ff.). 10 Vgl. zuletzt BVerwGE 51, 121 (126) m. w. N. 17 Vgl. Beschluß vom 8. 11. 1967 4 B 41.66 - Buchholz 407.4 § 9 FStrG Nr. 7, S. 43 (45). 1s BVerwGE 41, 227 (230 ff.).
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naheliegenden Schlusses19 im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. 8. 196!2° klingt denn auch mehr bemüht als überzeugend. Wenn dort einfachgesetzliche Erwägungen - so solch fragwürdige wie die über die einfachere Rücknehmbarkeit von Baugenehmigungen und über deren nur deklaratorischen Charakter21 - angeführt werden, so fragt man sich, wie sie sich durchsetzen sollen und dürfen gegen das, was "rechtsstaatliches Denken verlangt" - vorausgesetzt freilich, daß der Rechtsstaat wirklich verlangt, was ihm unterstellt wurde. Auch bei der Beweisführung von Ludwig Fröhler1 dürfte es nicht leicht fallen zu begründen, weshalb die Rechtsposition des potentiellen Gewerbetreibenden durch seine Antragstellung unter altem Recht bereits so weitgehend konkretisiert ist, daß er dem das Gewerbe schon Ausübenden gleichgestellt werden muß, und weshalb der potentielle Bauherr diese Begünstigung nicht erfahren soll. 5. Ähnliche Disharmonien kennzeichnen das Verhältnis zwischen Berufszulassungs- und Beamtenrecht. Wiederholt ist die Frage aufgetaucht, ob jemand, der nach inzwischen aufgehobenem Recht zum Beamten hätte ernannt werden müssen, aber rechtswidrig nicht ernannt worden ist, nunmehr so behandelt werden muß, als sei er ernannt worden, oder ob das ihm zugefügte Unrecht gutzumachen ist, 19 Ihn hat übrigens das OVG Lüneburg im Urteil vom 30. 6. 1961 in DVBl. 1962, 63 (65) nicht gezogen, obwohl es die Formulierungen des Bundesver-
waltungsgerichts zum Berufszulassundsrecht weitestgehend aufgriff; in jenem Fall verbot das neue Recht gerade nicht (zwingend) die begehrte Baugenehmigung, sondern stellte es vielmehr in das Ermessen der Behörde, ob sie die Versagung aussprechen wollte; dies nahm jedenfalls das OVG entgegen der späteren Entscheidung in BVerwGE 18, 247 (251) für den Fall des § 35 Abs. 2 BBauG an. 20 1 C 167.59 in DVBl. 1962, 178 (179). 21 Vgl. zur durchaus auch konstitutiven Bedeutung von Baugenehmigungen Wolff I Bachof, Verwaltungsrecht III, 4. Aufl. 1978, § 136 Rn. 30 m. w. N., insbesondere Friauf, DVBl. 1971, 713 (721 f.). Was die einfachere Rücknehmbarkeit einer Baugenehmigung anlangt, kann man wohl kaum - wie das BVerwG - mit der stillschweigenden Unterstellung operieren, daß eine vor der verschlechtemden Rechtsänderung erteilte Baugenehmigung nicht auch ausgenutzt worden wäre; dann aber könnte sie nach der Rechtsänderung wegen des inzwischen eingetretenen Bestandsschutzes eben nicht mehr zurückgenommen werden; mit der Bestandskraft einer Baugenehmigung ist überdies, auch wenn sie noch nicht ausgenutzt ist, deren Rücknahme grundsätzlich nicht mehr möglich, vgl. Urteil vom 19. 9. 1969 - BVerwG 4 C 18.67 in NJW 1970, 263/64, ferner Urteil vom 14. 4. 1978 - BVerwG 4 C 96 und 97.76- in DVBl. 1978, 614 (615). Vgl. gegen die Differenzierung des BVerwG zwischen Berufszulassungs- und Baurecht - und nicht nur gegen die Begründung dafür- OVG Lüneburg in OVGE 18, 501 (507 f.) sowie H. Schrödter, Bundesbaugesetz, Kommentar, 2. Aufl. 1969, § 174 Rn. 5, S. 617, der u. a. auf die ungerechtfertigte Bevorzugung des schwarz Bauenden hinweist, die mit dieser Differenzierung verbunden sei; zu dieser Frage auch Sendler, DÖV 1971, 16 (25) und in Festschrift für Wemer Ernst, 1980, S. 403 (412/413) bei Anm. 41- 43. Vgl. weiter Weyreuther, Gutachten B zum 47. Dt. Juristentag, 1968, S. 120 Anm. 506.
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indem die Ernennung nachgeholt wird. Das Bundesverwaltungsgericht hat dies stets abgelehnt. Es hat dabei auf den Folgenbeseitigungsanspruch zurückgegriffen, diesen Anspruch aber abgelehnt, u. a. deswegen, weil er sich nur auf die Wiederherstellung des ursprünglichen, durch hoheitlichen Eingriff veränderten Zustandes richte, jedoch "mangels entsprechender Rechtsgrundlage" nicht zu einem darüber hinausgehenden Erfolg und damit nicht zur Einräumung einer Rechtsstellung führen könne, die bisher noch nicht bestanden habe22 • Wenn es aber wirklich zuträfe, daß rechtsstaatliches Denken verlangt, jemanden so zu stellen, wie er bei einer rechtmäßigen Entscheidung nach den früher geltenden Vorschriften heute stehen würde, dann fragt sich, warum dies nicht auch im Beamtenrecht so sein muß. Diese Frage hatte das OVG Lüneburg23 in der Tat gestellt und bejaht und dabei auch die Gefolgschaft des Oberbundesanwalts gefunden. Das Bundesverwaltungsgericht mußte sich daher mit dem im Verhältnis zum Bauherrn soeben erwähnten Argument auseinandersetzen, dem potentiellen Beamten dürfe nicht verweigert werden, was man dem potentiellen Gewerbetreibenden zuzubilligen bereit sei. Auch insoweit kann man zweifeln, ob es gelungen ist, diese Argumentation überzeugend zu widerlegen24 . So ist es nach dem bereits Gesagten zwar richtig, daß die Rechtsprechung zur Berufszulassung an Überleitungsregelungen anknüpfen konnte (dies freilich nicht in allen einschlägigen Entscheidungen getan hat); es trifft auch zu, daß sich jene Entscheidungen nicht mit dem Begriff des Folgenbeseitigungsanspruchs befassen. Der Sache nach aber und insoweit kann man dem Urteil vom 26. 10.1967 22 wohl kaum folgen - taten sie es. Denn der Sache nach ging es auch dort um eine Folgenbeseitigung, nämlich um die Folgenbeseitigung nach rechtswidriger Antragsablehnung und verschlechternder Rechtsänderung. Insoweit bestand der Unterschied zwischen der Berufszulassungs- und der Beamtenrechtsprechung nur, aber immerhin darin, daß die eine einen solchen Anspruch bejahte, die andere ihn ablehnte26 . Bei dieser Ableh22 Urteil vom 26. 10. 1967 in BVerwGE 28, 155 (165) = DVBl. 1968, 641 (644) m. w. N. aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. 23 Urteil vom 2. 2. 1965 in DVBl. 1967, 206 (207 f.) m. abl. Anm. Hoffmann, s. 667 ff. 2 ' BVerwG (Anm. 22) in DVBl. 1968, 644 (insoweit in BVerwGE, S. 166 nicht abgedruckt). 25 So ist es immerhin verständlich, wenn gelegentlich die Meinung geäußert wurde, hier lägen Abweichungen vor; vgl. z. B. Heise, DÖV 1972, 271 (272 bei Anm. 10) und Papier, DÖV 1972, 845 (848 Anm. 34). Dabei tut wenig zur Sache, daß gerade der dem Urteil vom 26. 10. 1967 (Anm. 22) zugrundeliegende Sachverhalt einen Folgenbeseitigungsanspruch schwerlich gerechtfertigt hätte, wenn man einen solchen Anspruch auch nach rechtswidriger Antragsablehnung anerkennen wollte; denn die in jenem Fall- wohl nur "gnadenweise", aber eben - rechtswidrig zur Beamtin auf Widerruf ernannte Klägerin hätte auch unter altem Recht gewiß keinen Anspruch darauf gehabt, zur Beamtin
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nung ist die Rechtsprechung der Beamtensenate auch weiterhin geblieben. Daran ändert der Umstand nichts, daß sie - so im Urteil vom 17. 12. 1968 26 - Elemente der Rechtsprechung zum Berufszulassungsrecht gleichsam aufgenommen und dem Vordergericht vorgehalten hat, es hätte "angesichts der von ihm herangezogenen Rechtsprechung des I. Senats des Bundesverwaltungsgerichts die Frage stellen müssen, ob Fälle denkbar sind, in denen ein ... Rechtsanspruch auf Unterbringung ... die Rechtsposition eines Unterbringungsteilnehmers so erstarken läßt, daß diese durch den Wegfall der gesetzlichen Unterbringungsregelung nicht berührt wird" 27 • Solche denkbaren Fälle sind in jener Entscheidung bei einem durch Zusicherung begründeten Rechtsanspruch oder bei einer "Verdichtung" des Anspruchs auf fehlerfreie Ermessensausübung angenommen worden; aber nicht rechtsstaatliche Erwägungen wurden als maßgebend für die Beantwortung der Frage angesehen, ob eine früher entstandene Rechtsposition auch unter neuem Recht aufrechterhalten geblieben sei, sondern Sinn und Zweck der Gesetzesänderung. Da in dem zu entscheidenden Fall die Unterbringung nicht untersagt, sondern lediglich nicht mehr geboten war, konnten durch Zusagen oder "Ermessensverdichtungen" abgesicherte Positionen, sofern sie nicht ihrerseits unter dem Vorbehalt der Gesetzesänderung standen, auch die Gesetzesänderung überdauern: Begründungserwägungen, die mit einem nicht näher präzisierten rechtssaatliehen Denken nichts zu tun haben. 6. Immerhin finden sich - auch von den zu 1. erwähnten abgesehen -gelegentlich Entscheidungen, in denen eine Verpflichtungsklage nach früherem Recht beurteilt und dies- anders als in dem zu 5. erwähnten beamtenrechtlichen Urteil vom 17.12.1968- nicht mit einer Auslegung einfachen Rechts, sondern mit verfassungsrechtlichen Überlegungen begründet wird. Kennzeichnend dafür ist die Rechtsprechung zu den Klagen von potentiellen Studenten. Sie bewerben sich für ein bestimmtes Semester zum Studium. Ihr Begehren wird nach der Sach- und Rechtslage dieses Semesters beurteilt, insbesondere danach, wie vielerechtssatzmäßig festgesetzte - Studienplätze in diesem Semester zur Verfügung stehen und wie viele Konkurrenten zur Zulassung drängen. Sie legen - wenn sie, meist nach ihrer Ansicht rechtswidrig, abgelehnt auf Probe ernannt zu werden; bei richtiger Sachbehandlung wäre sie wahrscheinlich überhaupt nicht ins Beamtenverhältnis übernommen worden. 28 2 C 40.65 in VerwRspr. 20, 570 (572 f.), mit dem das in Anm. 23 erwähnte Urteil des OVG Lüneburg aufgehoben wurde. In diesem Fall ging es um einen früheren Beamten, der nach dem inzwischen aufgehobenen Recht einen Anspruch auf Unterbringung, also auf Wiederverwendung als Beamter hatte; anders als in dem in Anm. 25 erwähnten Fall wäre hier ein Folgenbeseitigungsanspruch nach rechtswidriger Antragsablehnung, wenn es ihn gäbe, zu bejahen gewesen. 21 (Anm. 26), S. 573.
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worden sind - im anschließenden Verpflichtungsklageverfahren Wert darauf, nach den rechtlichen und tatsächlichen Verhältnissen des Bewerbungssemesters behandelt zu werden; denn in den folgenden Semestern können die Verhältnisse schlechter, z. B. die Zahlen der Konkurrenten erheblich gestiegen sein; überdies haben die Abgewiesenen, falls sie die Verhältnisse für gebessert halten, ohnehin die Möglichkeit, sich für jedes Semester erneut um einen Studienplatz zu bemühen. Das Bundesverwaltungsgericht ist dem gefolgt28 • Es hat sich zur Begründung dafür, daß das inzwischen überholte Recht des längst verflossenen Semesters samt der ihm zugrunde liegenden Sachlage maßgebend geblieben sei, freilich nicht mit allgemeinen rechtsstaatliehen Floskeln begnügt. Ob dabei der verfassungsrechtliche Charakter des Anspruchs auf Zulassung zum Studium eine besondere Rolle spieJt29 und spielen kann, mag zweifelhaft sein; Berufszulassungsansprüche, Bebauungsansprüche usw. haben ihre Wurzeln ebenfalls im Verfassungsrecht oder können sie dort zumindest haben, so in Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 oder Art. 2 Abs. 1 GG; dennoch ist es nicht ausgeschlossen, sie trotz rechtswidriger Ablehnung durch spätere Rechtsänderung zu beseitigen. Beachtliches Gewicht aber dürfte dem Hinweis des Bundesverwaltungsgerichts auf den - verfassungsrechtlich im Gleichheitssatz verankerten - Grundsatz der Chancengleichheit zukommen; er "gebietet bei der Konkurrenzsituation, in der sich die Bewerber bei der Verteilung der in jedem Semester zur Verfügung stehenden Studienplätze befinden, einheitlich auf die Verhältnisse im Semester der Bewerbung und nicht bei den Bewerbern, die ihre Ablehnung im Rechtsweg angreifen, auf einen späteren Zeitpunkt abzustellen" 30• 31 • Verfassungsrechtliche Gesichtspunkte führt das Bundesverfassungsgericht zusätzlich mit der Erwägung ins Feld, "daß die effektive Durchsetzung eines verBVerwGE 42, 296 (300). So wohl, den Gedankengang des Bundesverwaltungsgerichts etwas überinterpretierend, BVerfGE 39, 258 (275), zweifelnd insoweit Kopp, Verwaltungsgerichtsordnung, 4. Aufl. 1979, § 113 Rn. 99. 30 BVerwGE 42, 296 (300). Diese auf die Konkurrenzsituation abstellende Argumentation nimmt - wohl unbewußt - Gedankengänge auf, die insbesondere das Bundessozialgericht in BSozGE 5, 238 (241 f.) im Anschluß an BVerwGE 4, 81 (88 f.) entwickelt hatte; dort ging es um die Konkurrenzsituation derer, die zur kassenärztlichen Tätigkeit zugelassen werden wollten. 31 Eine Drittbeteiligung kann auch sonst für die Anwendbarkeit des z. Z. der Verwaltungsentscheidung geltenden Rechts sprechen; vgl. dafür, daß dem Nachbarn günstige Rechtsänderungen, die nach Erteilung der Baugenehmigung eintreten, sich im allgemeinen nicht zu Lasten des Bauherrn auswirken können, Urteil vom 14.4.1978- 4 C 96 und 97.76- in DVBl. 1978, 614 (615) m. w. N. Im Zusammenhang des Themas interessiert diese Konstellation nicht, weil sie nicht eine rechtswidrige Versagung, sondern eine rechtmäßige oder jedenfalls eine den Dritten nicht in seinen Rechten verletzende Genehmigung betrifft, die mit einer verschlechternden Rechtsänderung konfrontiert wird. zs
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fassungsmäßig gewährleisteten, in seiner Verwirklichung situationsabhängigen Rechts nicht darunter leiden darf, daß sich die Verhältnisse während der unvermeidlichen Dauer eines gerichtlichen Verfahrens zum Nachteil des Rechtssuchenden verschlechtern" 32 . Zumindest partiell begegnet sich dies mit Überlegungen, die bei Zeitabschnittsgesetzen zur Notwendigkeit führen, den im aufgehobenen Recht wurzelnden Anspruch gegenüber neuem Recht durchstehen zu lassen. In der Tat haben die rechtssatzmäßigen Festsetzungen von Studienplätzen jeweils für ein Semester mit Zeitabschnittsgesetzen manches gemeinsam. Aber wie dem auch sei: Nicht näher substantiierte rechtsstaatliche Erwägungen liegen der eben erwähnten Rechtsprechung nicht zugrunde. 7. Fast wie ein Rückfall in die Zeit unreflektierten Rechtsstaatsbekenntnisses könnte eine kaum bekannt gewordene Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahre 1972 anmuten38, die eine Nichtzulassungsbeschwerde gegen ein Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs84 zurückwies; dieser hatte seinerseits ausgesprochen, bei grundlos unterbliebener Bescheidung eines Antrages könnten nach einer dem Antragsteller ungünstigen Rechtsänderung rechtsstaatliche Gründe - insbesondere die Grundsätze von Treu und Glauben und der Folgenbeseitigung behördlichen Unrechts- gebieten, den Antragsteller so zu stellen, wie wenn die Behörde über seinen Antrag rechtzeitig und richtig entschieden hätte. Aber abgesehen davon, daß eine Schwalbe noch keinen Sommer macht, lassen sich jener Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts keine so weitgehenden Aussagen entnehmen; daß sie das- durchaus fragwürdige- Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs bestätigte, dürfte in erster Linie auf den Beschränkungen beruhen, denen das Bundesverwaltungsgericht bei der Entscheidung über Nichtzulassungsbeschwerden unterliegt. Es ging um folgendes: Ein Teil eines Jagdgebiets der Jagdgenossenschaft A war bereits im Jahre 1938 der Jagdgenossenschaft Bangegliedert worden. Ein im Jahre 1952 gestellter Antrag der seinerzeit benachteiligten Genossenschaft A auf Rückgliederung, der 1952 nach dem damals geltenden Recht hätte Erfolg haben müssen, blieb unbeschieden. Nachdem das Recht im Jahre 1962, wie der Bayerische Verwaltungsgerichtshof unterstellte, zuungunsten der Antragstellerin geändert worden war, wurde der im Jahre 1967 erneut gestellte Antrag auf Rückgliederung abgelehnt. Konnten hier 32 BVerfGE 39, 258 (275/276). Die Schwierigkeiten, die sich daraus für die Universitäten ergeben, oft Jahre post festurn noch Studienbewerber in die sogenannte "Kohorte" eines vergangenen Semesters aufnehmen zu müssen, können hier nicht erörtert werden; das Bundesverfassungsgericht hat sie (S. 276) durchaus gesehen, aber in ihrem Ausmaß und in den Folgen für Lehre und Forschung möglicherweise unterschätzt. 33 Beschluß vom 19. 5. 1972 - 1 B 24.72- in RdL 1972, 277 (278). 34 BayVGH n. F. 25, 41 (42).
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rechtsstaatliche Erwägungen wirklich die unterstelltermaßen dem neuen Recht widersprechende Rückgliederung und damit die Änderung eines seit 30 Jahren bestehenden Zustandes gebieten? Bestand hier wirklich ein Anspruch auf Folgenbeseitigung behördlichen Unrechts, obwohl die Genossenschaft A es rund 15 Jahre versäumt hatte, ihren im Jahre 1952 gestellten und damals berechtigten Antrag weiter zu verfolgen, und obwohl diese Folgenbeseitigung zu Lasten der Genossenschaft B ging? Man wird diese Fragen kaum bejahen können. Gehört es zu den Geheimnissen des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens und war es der augenscheinlichen Ungeschicklichkeit des damaligen Beschwerdeführers zu "danken", daß die Beschwerde erfolglos blieb? Oder hielt das Bundesverwaltungsgericht die Sentenz des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs samt ihrer Begründung gar für richtig36 ?
n. Diese skeptische Frage mag für den naheliegen, der in dem eben ausgebreiteten Material nur eine Sammlung von Widersprüchen und Ungereimtheiten, von systemlosem Durcheinander und gelegentlich gefühlsgelenkter Billigkeitsjustiz sieht. Vielleicht verbirgt sich hinter diesen Unklarheiten aber nach der anfänglichen Illusion, in Gestalt rechtsstaatlichen Denkens eine Konzeption aus einem Guß für die Problemlösung zur Verfügung zu haben, die Einsicht, daß es einen einheitlichen Lösungsansatz für Fallgestaltungen aus allen Rechtsgebieten nicht gibt; oder- wenn die paradoxe Bemerkung gestattet ist- daß der einheitliche Lösungsansatz darin liegt, die Verschiedenheiten anzuerkennen. Dies ist freilich mit der mühseligen Arbeit verbunden, das jeweils zugrundeliegende neue Recht darauf zu untersuchen, ob es die unter altem Recht entstandenen und geltend gemachten, aber zu Unrecht abgelehnten Ansprüche hat erlöschen lassen, ob es dies tun durfte, oder ob es sie als weiterbestehend anerkennen und damit auch jetzt noch erfüllt wissen will. 1. Einen ersten Schritt auf dem Wege zu jener Einsicht wird man bereits in dem Urteil von 14. 3. 1961 6 sehen dürfen, in dem erstmalig 35 Übrigens spricht manches dafür und das kann wiederum tröstlich wirken -, daß die Entscheidung des BayVGH jedenfalls im Ergebnis richtig gewesen ist. Die erste Instanz hatte nämlich den Anspruch auf Rückgliederung ebenfalls für gerechtfertigt gehalten, aber - was den veröffentlichten Gründen des zweitinstanzliehen Urteils nicht zu entnehmen ist - auf der Grundlage des seit 1962 geltenden neuen Rechts; nur hätte die Anwendung dieses neuen Rechts nach Auffassung des BayVGH eine Beweisaufnahme erforderlich gemacht; es ist nicht ausgeschlossen, daß, um dieser Notwendigkeit zu entgehen, auf fragwürdige "rechtsstaatliche Erwägungen" und den wohl mit Sicherheit nicht gegebenen Folgenbeseitigungsanspruch zurückgegriffen worden ist.
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und sozusagen in aller Unschuld, als sei dies auch schon vorher ausgesprochen worden, der Vorbehalt angemeldet worden war, überwiegende Gründe des öffentlichen Wohls dürften der Erfüllung des "altrechtlichen" Anspruchs nicht entgegenstehen. Diese salvatorische Klausel schien freilich eine Art Vorbehalt des Richterspruchs anzumelden; dem Belieben des Richters war es scheinbar überlassen, wann er rechtsstaatlichem Denken den Vorrang geben oder wann er überwiegende Gründe des öffentlichen Wohls bejahen wollte. Aber näher liegt doch wohl die Annahme, daß der Gesetzgeber - und zwar der des neuen Rechts - bestimmt, was er als Gründe des öffentlichen Wohls angesehen wissen will. Um die Auslegung dieses neuen Rechts kann es nur gehen; ihm nur kann entnommen werden, was mit altrechtlich begründeten Ansprüchen geschehen soll. Nur wenn das "jetzt geltende Recht" 86 den alten Anspruch aufrecht erhält, kann die Behörde - entgegen zumindest mißverständlichen Formulierungen im Urteil vom 14. 3. 1961 8 -verurteilt werden, dem Antrag des Betroffenen stattzugeben. Wenn das neue Recht dem entgegensteht, kommt eine Verurteilung nicht in Betracht. Daß dabei die Auslegung des neuen Rechts - wie jeden anderen Rechts auch - von verfassungsrechtlichen Überlegungen beeinflußt sein kann und u. U. beeinflußt sein muß, bedarf keiner besonderen Betonung. Nur eben: Der Gesetzgeber hat die Vorhand; er kann nicht unter Hinweis auf nicht näher präzisiertes "rechtsstaatliches Denken" übersprungen werden; die verfassungsrechtlichen Überlegungen werden sich bei jeder gesetzlichen Regelung und den von ihr erfaßten Sachverhalten je anders auswirken können. Ein aus rechtsstaatlichem Denken folgendes Ergebnis, das stets, überwiegend oder im Zweifel zur Fortgeltung des altrechtlich begründeten Anspruchs führen müßte, kann es daher nicht geben. Deswegen wird man Ule in seiner kritischen Würdigung der oben zu I. 1. erwähnten Rechtsprechung 87 schwerlich widersprechen können: In der Tat existiert kein durch den Hechtsstaatsgedanken gebotener Grundsatz der Nachwirkung von Verwaltungsgesetzen, der es nach einer Rechtsänderung gebieten würde, einen Antrag auf Grund des z. Z. der Antragstellung geltenden Rechts zu bescheiden. Einem solchen Grundsatz würde auch das widersprechen, was wohl allgemein - sogar dann anerkannt ist, wenn eine Behörde gemäß § 113 Abs. 4 Satz 1 VwGO zur Vornahme der beantragten Amtshandlung verurteilt worden ist. Ändert sich nach Rechtskraft des Urteils das dieser Verurteilung zugrundeliegende Recht zuungunsten des Antragstellers, so besteht die Verpflichtung, den begehrten Verwaltungs38
So mit Recht und unmißverständlich Eyermann I Fröhler, VwGO (Anm. 1)
§ 113 Rn. 14. 37 DVBI. 1963, 475 (480).
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akt zu erlassen, nicht mehr38• Soweit ersichtlich, ist gegen dieses Ergebnis noch nicht ins Feld geführt worden, rechtsstaatliches Denken gebiete das Gegenteil und verlange also, demjenigen, der ein rechtskräftiges Urteil mit der Verpflichtung der Behörde erstritten hat, auch nach einer ihm ungünstigen Rechtsänderung die - nunmehr dem Gesetz widersprechende- Gewerbezulassung zu erteilen. Kann es anders sein, wenn er noch nicht einmal die rechtskräftige Verurteilung erreicht hat? In beiden Fällen hängt es vom neuen Recht und seiner Auslegung, nicht hingegen von allgemeinen rechtsstaatliehen Erwägungen ab, ob der alte Anspruch nach wie vor honoriert werden muß oder nicht. In der Österreichischen Rechtsordnung, die dem Jubilar so vertraut ist wie die deutsche, wird dies übrigens nicht anders beurteilt. § 50 Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofsgesetzes (VwGG) von 1952 spricht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörden aus, nach Aufhebung des angefochtenen Bescheides durch den Verwaltungsgerichtshof "in dem betreffenden Fall mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand herzustellen". Dennoch nimmt ähnlich wie zu§ 113 Abs. 4 Satz 1 und§ 121 VwGO- wohl niemand an, § 50 Abs. 1 VwGG zwinge die Behörde, die Rechtsansicht des Gerichts auch dann zu verwirklichen, wenn die dafür maßgebliche Rechtslage nicht mehr besteht39 und die Behörde rechtlich zur Befolgung der Rechtsansicht des Gerichts nicht mehr in der Lage ist40 • Dem entspricht die Rechtsprechung des Österreichischen Verwaltungsgerichtshofs. So hat er z. B. im Fall der unrechtmäßigen Verweigerung einer - der deutschen Gewerbezulassung, einer Einzelhandelserlaubnis oder der Gaststättenerlaubnis immerhin vergleichbaren - Kinokonzession entschieden, die Behörde habe nach Aufhebung ihres versagenden Bescheides durch den Verwaltungsgerichtshof den zu erlassenden Ersatz38 Vgl. z. B. Kopp (Anm. 29) § 113 Rn. 81, § 121 Rn. 28; Eyermann I Fröhler, VwGO (Anm. 1) § 121 Rn. 30. au Ringhofer, Der Verwaltungsgerichtshof, 1955, S. 251. Ähnlich Ermacora, Der Verfassungsgerichtshof, 1956, S. 347, zu der mit § 50 Abs. 1 VwGG im wesentlichen übereinstimmenden Vorschrift des § 87 Abs. 2 des Verfassungsgerichtshofsgesetzes von 1953. Nach Ermacora ist die Frage zwar schwierig zu lösen, was rechtens sein soll, wenn die Rechtsanschauung des Verfassungsgerichtshofs in seinem Erkenntnis mit einer danach erlassenen Vorschrift infolge Änderung der Rechtslage nicht mehr in Einklang steht. Aber seine Antwort ist eindeutig: Die Behörde habe gemäß Art. 18 Abs. 1 der Bundesverfassung- danach darf die gesamte staatliche Verwaltung nur auf Grund der Gesetze ausgeübt werden - der neuen Rechtsvorschrift Rechnung zu tragen und einen der neuen Rechtslage entsprechenden Bescheid zu erlassen, dies selbst dann, wenn dadurch der frühere Beschwerdeführer schlechter gestellt werde als nach dem gerichtlichen Erkenntnis, wenn also eine "reformatio in peius" einträte. 40 Ringhofer (Anm. 39), S. 253.
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bescheid auf Grund der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt ihrerneuen Entscheidung zu fällen41 • Auf die Idee, daß es anders sein könne, wenn die Änderung der Sach- oder Rechtslage bereits vor dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs eingetreten ist, scheint in Österreich noch niemand verfallen zu sein42 • 2. Was nach dem eben Gesagten für nicht näher präzisiertes "rechtsstaatliches Denken" als Grundlage für ein Nachwirken von altrechtlichen Anspruchsgrundlagen bei verschlechternder Rechtsänderung gilt, dürfte mutatis mutandis auch für andere Versuche einer generellen Lösung der hier erörterten Problematik gelten. So ist der Gleichheitssatz, auf den sich Ule43 stützt, als Grundlage für ein Nachwirken alten Rechts kaum geeignet. Ule selbst will den Gleichheitssatz ohnehin nicht generell als Begründungsersatz an die Stelle des von ihm mit Recht als untauglich befundenen "rechtsstaatlichen Denkens" treten lassen. Er hat ihn nur in den - wohl relativ seltenen - Fällen fruchtbar machen wollen, in denen ein Antragsteller im Vergleich zu anderen (natürlich nur in wirklich gleich liegenden, d. h. in allen wesentlichen Punkten gleich liegenden Fällen) vor dem Inkrafttreten der verschlechternden Rechtsänderung ungleich behandelt worden ist; fehlt es überhaupt an Vergleichsfällen oder ist in den vergleichbaren Fällen die gleiche unrichtige Sachentscheidung getroffen worden, so versagt der Gleichheitssatzschon auf Grund der ihm eigenen Voraussetzungen. Aber auch unabhängig davon kann der Gleichheitssatz für die hier interessierende Frage kaum viel hergeben. Es sei unterstellt, das neue Recht messe sich wirklich strikte Geltung zu, lasse also alte Ansprüche "verfallen" und dürfe dies tun (auch wenn es vorhandene Besitzstände aus vertretbaren Gründen schont), weil etwa der angestrebte Gesetzeszweck im Interesse der Sicherheit der Bevölkerung alsbald durchgesetzt werden soll; in einem solchen Fall fehlen die Voraussetzungen für die Anwendung des Gleichheitssatzes, nämlich Fallgestaltungen, die in den wesentlichen Punkten gleich liegen. In den Fällen, in denen man andere Antragsteller vor der Rechtsänderung positiv beschied, mußte dies nämlich geschehen; nach der Rechtsänderung- eben weil diese es verbietet - darf dies aber nicht mehr geschehen, auch wenn es vorher ohne daß man deswegen den Gleichheitssatz hätte bemühen müssen, 41 Erkenntnisse und Beschlüsse des Verwaltungsgerichtshofes, n. F. Jg. 6 (1951), Administrativrechtlicher Teil, Nr. 2197, S. 855 (856/57); ebenso, gleichfalls eine Kinokonzession betreffend, n. F. Jg. 4 (1949), Nr. 960 (A), S. 723 (725). 42 Vgl. zu alledem auch Kopp, Der "Folgenbeseitigungsanspruch" nach § 50 Abs. 1 VwGG und § 87 Abs. 2 VfGG, in ÖJZ 1973, 289 (insbesondere S. 290 Anm. 17, S. 291, S. 292 bei und in Anm. 31). 43 Vgl. Anm. 37, S. 480/81 sowie Ule, Verwaltungsprozeßrecht, 7. Aufl. 1978, s. 248.
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weil dies der einfachgesetzlichen Rechtslage entsprach - erforderlich gewesen wäre. Ich wüßte nicht, wann unterschiedlichere, die Anwendung des Gleichheitssatzes ausschließende Fallgestaltungen vorliegen könnten. Freilich kann es so liegen, daß das neue Recht, indem es sich strikte Geltung auch für Altfälle beimißt, seinerseits gegen den Gleichheitssatz verstößt; das ist nicht anders, als wenn das Fehlen von angemessenen Überleitungsvorschriften den Grundsatz der Zumutbarkeit verletzt44. Solche Fallgestaltungen sind immerhin denkbar. Aber wenn das neue Recht mit einer unzulänglichen Überleitung der Altfälle oder mit der Eliminierung von Altansprüchen wirklich gegen den Gleichheitssatz verstößt, deswegen der verfassungskonformen Auslegung bedarf oder insoweit gar nichtig ist' 5 , dann hat es insoweit auch keinen zwingenden Charakter. Zwingendes neues Recht würde mit Hilfe des Gleichheitssatzes also nicht überspielt. 3. Als untauglich für die Lösung von Fällen der hier interessierenden Art hat sich auch der Folgenbeseitigungsanspruch erwiesen. Bereits oben zu I. 5. ist ausgeführt, daß der Rückgriff auf "rechtsstaatliches Denken" der Begründung dessen diente, was der Sache nach ein Anspruch auf eine besondere Art von Folgenbeseitigung ist, nämlich auf Folgenbeseitigung nach rechtswidriger Antragsablehnung. So war es durchaus konsequent, daß sich das OVG Lüneburg 23 zur Begründung für die von ihm anerkannte spezielle Ausprägung eines Folgenbeseitigungsanspruchs u. a. auf die zu I. 1. erwähnte Rechtsprechung zur Berufszulassung berief46 • Gleichwohl hat die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts diese Art von Folgenbeseitigungsanspruch abgelehnt, und zwar mit Recht. Einem Folgenbeseitigungsanspruch nach rechtswidriger Antragsablehnung mit dem Inhalt, der Antragsteller müsse die beantragte Genehmigung auch gegen neues zwingendes Recht erhalten, stehen nämlich im Prinzip die gleichen Überlegungen 44
Zu solch einem Fall vgl. BVerfGE 21, 173 (183) und dazu Sendler, WiVerw
1979, 63 (64).
45 Vgl. etwa die Fälle der nachträglichen Graduierung zum "Ing. (grad.)", die das Bundesverwaltungsgericht mehrfach beschäftigt haben (vgl. zuletzt Urteil vom 27. 10. 1978 - 7 C 17 bis 25.77 - in Buchholz 421 Kultur- und Schulwesen Nr. 63 sowie BVerwGE 48, 305). Wenn ein Bundesland, um dem Gerangel um die nachträgliche Graduierung ein Ende zu machen, durch ein neues Gesetz mit dessen Inkrafttreten die nachträgliche Graduierung ausschlösse und davon die noch in der Schwebe befindlichen Fälle ebenfalls erfaßte, obwohl bei den davon Betroffenen materiell die gleichen Voraussetzungen vorliegen wie bei den bereits Graduierten, würde diese Regelung wohl gegen den Gleichheitssatz verstoßen. In einem solchen Fall würde der Gleichheitssatz nicht vontra legem durchgreifen (vgl. Weyreuther, Anm. 21, S. 121 Anm. 514), sondern zur "Bereinigung" des einfachen Rechts zwingen.
4G
(Anm. 23), S. 208.
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Horst Seneller
entgegen, die gegen dasselbe aus nicht näher präzisiertem "rechtsstaatliehen Denken" gewonnene Ergebnis sprechen. Es ist hier nicht der Ort, die Diskussion zum Folgenbeseitigungsanspruch auszubreiten; es genügt der Hinweis, daß ein solcher Anspruch in den hier interessierenden "Versagungsfällen" inzwischen ganz überwiegend und mit Recht abgelehnt wird47. Einen Folgenbeseitigungsanspruch bei rechtswidriger Ablehnung wird man auch nicht mit der scheinbar naheliegenden Erwägung bejahen können, ein Fehler der Verwaltung sollte möglichst im Rahmen der Verpflichtungsklage bereinigt werden, um damit weitere Prozesse auf Schadensersatz wegen der rechtswidrigen Ablehnung zu vermeiden. Im Rahmen des rechtlich Möglichen sollte man dies in der Tat tun und es bei der Auslegung des neuen Rechts zur Frage, ob die Erfüllung altrechtlicher Ansprüche ausgeschlossen ist, berücksichtigen. Man wird nicht bestreiten können, daß es häufig vernünftiger sein mag, noch die Erlaubnis nach der alten Rechtslage zu erteilen, als Schadensersatz zu gewähren und damit noch weitere Gerichte zu belästigen48 • Aber als genereller Lösungsansatz läßt sich diese Überlegung nicllt halten, weil der Gesetzgeber gute Gründe haben kann, bestimmte Vergünstigungen nur noch unter erschwerten Voraussetzungen zu gewähren und dies auch für die noch schwebenden Verfahren anzuordnen, obwohl er bereits gewährte Vergünstigungen und erteilte Erlaubnisse aus vertretbaren Überlegungen schont. Die Erwägung, es sei vernünftig, den Antragsteller in einem Verfahren voll zufriedenzustellen, statt ihn auf weitere Schadensersatzprozesse mit zudem ungewissem und möglicherweise unbilligem Ausgang zu verweisen, hat - wie gesagt - zwar Gewicht, weist aber auf Mängel unserer Rechtsordnung hin, die auf sozusagen anderer Ebene liegen. Sie offenbart nämlich die Unerträglichkeit, die darin liegt, daß der Bürger wegen der Rechtsfolgen, die sicll aus demselben Sachverhalt ergeben können, noch immer vor zwei verschiedenen Rechtswegen sein Recht suchen muß; sie zeigt weiter milde formuliert - das Unbefriedigende unseres Staatshaftungsrechts, das berechtigt erscheinende Schadensersatzansprüche häufig am Verschuldenserfordernis des § 839 BGB scheitern läßt. Für die Beseitigung 47 Vgl. Weyreuther (Anm. 21), S. 96 f., 118 ff.; Spanner, DVBl. 1968, 618 (623 f.); Papier, DÖV 1972, 845 (850); Bachof, in: Wolff I Bachof, Verwaltungsrecht I, 9. Aufl. 1974, § 54 II f entgegen der von ihm früher vertretenen Auffassung m. w. N.; Bender, Staatshaftungsrecht, 2. Aufl. 1974, Rn. 264- 267; Kopp (Anm. 29) § 113 Rn. 99. Auch in der Diskussion des 47. Dt. Juristentages 1968 ist ein Folgenbeseitigungsanspruch zur Bereinigung rechtswidrig ver-
sagter Begünstigungen jedenfalls de lege lata wohl einhellig abgelehnt worden, vgl. Bachof, Sitzungsbericht L, S. 57 und 117/18, Hoffmann, S. 63, BetteT-
mann, S. 67, Dodenhoff, S. 116. 4B Vgl. in diesem Sinn Maetzel, Sitzungsbericht (Anm. 47), S. 138, ähnlich Haueisen, DVBl. 1973, 739 (740).
Rechtswidrige Antragsablehnung und verschlechternde Rechtsänderung
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dieser und anderer Mängel bedarf es einer umfassenden Reform des Staatshaftungsrechts, die solches denn auch mit Recht anstrebt. Dabei mag auch überlegt werden, inwieweit ein Folgenbeseitigungsanspruch anerkannt werden sollte, der in der Tat nicht ohne jede gesetzliche Grundlage zu einem "Allerweltsgrundsatz zur Begründung eines in einem konkreten Fall vielleicht wünschenswert erscheinenden Ergebnisses"" werden darf. Bezeichnender- und richtigerweise will jene Reform aber einen Folgenbeseitigungsanspruch, wie er hier für "Versagungsfälle" in Frage steht, nicht anerkennen50• Nicht gerechtfertigt ist es hingegen, die erwähnten Mängel, so lange sie der Gesetzgeber nicht bereinigt hat, durch Gewährung eines Anspruchs auszugleichen, der der Sache nach dann nicht gerechtfertigt ist, wenn der Gesetzgeber aus guten Gründen altrechtliche Ansprüche nicht honorieren will. 4. Zweifelhaft scheint mir schließlich, ob die eingangs wiedergegebene These des Jubilars von der Konkretisierung durch Antragstellung als allgemeine Regel dienen kann, auch wenn man sie mit dem Vorbehalt "mangels abweichender Regelung" versieht51 • Allerdings kommt sie, weil sehr viel konkreter, gewissermaßen sachnäher formuliert, dem Kern der Problematik sehr viel näher als die eben erörterten Lösungsansätze. Sie knüpft an vorhandene Bestandsschutzvorschriften des Überleitungsrechts an, setzt solche mithin voraus und ergänzt diese nur. Aber auch ihr gegenüber stellt sich die Frage nach der Rechtsgrundlage für die postulierte Erweiterung des Bestandsschutzes auf einen nur hypothetischen Bestand. Man kann sie wohl nur in allgemeinen Klauseln wie den Erfordernissen des Rechtsstaats finden. Wie diese nach dem bereits Gesagten nicht ausreichen, um die pauschalen Aussagen der Rechtsprechung zum Gewerbezulassungsrecht abzudecken, können sie es hier m. E. ebenfalls nicht. Der Gesetzgeber ist im allgemeinen nicht gehindert, ausdrücklich zu bestimmen, bereits begonnene Verfahren nach neuem Recht weiterzuführen und damit altrechtlich begründete Ansprüche hinfällig werden zu lassen52. Ein gleiches Ergebnis kann aber möglicherweise im Wege der Auslegung des neuen Rechts gewonnen werden; so kann der Gesamtzusammenhang einer Novellie'o So mit Recht Spanner, DVBI. 1968, 618 (624) und Kopp, ÖJZ 1973, 289 (294). 50 Vgl. § 3 Abs. 1 Satz 1 des Entwurfs eines Staatshaftungsgesetzes (Reform des Staatshaftungsrechts, Kommissionsbericht, 1973, S. 15 mit der Begründung S. 88 zu 1.3: Herstellungsanspruch nur dann, wenn die Rechtsverletzung nicht lediglich in der Nichterfüllung eines öffentlich-rechtlichen Anspruchs des Verletzten besteht); ähnlich § 1 Abs. 3 des entsprechenden Referentenentwurfs (Reform des Staatshaftungsrechts, Referentenentwürfe, 1976, S. 29130 mit Begründung, S. 89). 51 So anders als in Landmann I Rohmer I Eyermann I Fröhler (Anm. 1) in Eyermann I Fröhler, VwGO (Anm. 1). 52 z. B. § 174 Abs. 5 BBauG, § 67 Abs. 4 BlmSchG. 15 Festschrift für Ludwlg Fröhler
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rung, ihr Sinn und Zweck auch ohne ausdrückliche Regelung eines Ausschlusses altrechtlicher Ansprüche ergeben, daß der Gesetzgeber Anlaß hatte, zwar bereits entstandene Besitzstände zu schonen oder mit geräumigen Fristen auslaufen zu lassen, aber im übrigen seine Zielsetzung sofort durchzusetzen und altrechtliche Ansprüche auszuschließen, etwa weil aus bisher geringeren Anforderungen an Gewerbetreibende oder gewerbliche Anlagen erst jetzt erkannte Gefahren erwachsen können und diese sobald wie möglich inhibiert werden sollen. Woraus soll folgen, daß eine solche Auslegung nur deswegen ausgeschlossen sein soll, weil die Rechtsposition des Antragstellers durch seinen Antrag konkretisiert und so erstarkt sei, daß sie- mit welcher Rechtsgrundlage? der Position des bereits das Gewerbe Betreibenden gleichgestellt werden müsse? Man mag denken, daß wenigstens im Zweifel - also "mangels abweichender Regelung" 53 - eine solche Annahme gerechtfertigt sei. Auch dies scheint mir nicht sicher. Denn ebenso nahe liegt die Vermutung, daß zumindest der Gesetzgeber sein neues Werk just deswegen geschaffen hat, weil er es für besser hält als das alte Recht, und daß ihm daher darangelegen ist, es so bald und so weitgehend wie möglich "ins Werk gesetzt" zu sehen, es im Zweifel also auch auf altrechtlich begründete Ansprüche erstreckt zu wissen. Indessen geht eine solche Vermutungim Zweifel gegen altrechtlich begründete Ansprüche54 - in der entgegengesetzten Richtung m. E. ebenfalls zu weit. Für die eine Vermutung spricht soviel wie für die andere; sie heben sich sozusagen gegenseitig auf. 5. Wo generelle Lösungsansätze wenig hergeben, ist der Rechtsanwender angewiesen auf die Regelungen des jeweils neuen Rechts54a. Sie sprechen gelegentlich für die Aufrechterhaltung der altrechtlich begründeten Ansprüche, gelegentlich sprechen sie dagegen oder schließen sie gar mehr oder weniger ausdrücklich aus. Vgl. Anm. 51. Für eine solche Regelvermutung jedoch Ule, Verwaltungsprozeßrecht (Anm. 43), S. 248. 54 a Auch der EuGH geht davon in seinem Urteil vom 13. 12. 1979 Rs 44/79 - (EuGRZ 1979, 659) aus. Die Klägerin jenes Falles hatte im Juni 1975 die Genehmigung zum Anbau von Weinreben beantragt und war zu Unrecht abschlägig beschieden worden; die im Mai 1976 ergangene EWG-VO Nr. 1162/ 76 untersagte "mit lokrafttreten dieser Verordnung" jede Neuanpflanzung von Reben. Der EuGH schloß aus diesem Wortlaut und dem "unbestreitbaren öffentlichen Interesse" an dem Anpflanzungsverbot, daß die VO auf einen sofortigen Stop der Ausdehnung der bestehenden Rehflächen abzielte und daher für einen vor ihrem lokrafttreten eingereichten Antrag keine Ausnahme zugelassen werden könne (S. 661 1. Sp.). Bundesregierung, Rat und Kommission vertraten dieselbe Auffassung (S. 659 r. Sp. und 660 1. Sp.). 63
54
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a) Die Fröhlersche Idee der Konkretisierung von Rechtspositionen durch Antragstellung erweist sich gerade bei der Auslegung gewerberechtlicher Vorschriften als wesentlich weiterführender Gesichtspunkt. Ihre positivrechtliche Anknüpfung findet sich in § 1 Abs. 2 GewO, der gleichsam antizipierten generellen Übergangsregelung des Gewerberechts mit der gewerberechtlichen Generalklausel des Vertrauensschutzes55. Sie stellt ihrem Wortlaut nach nicht nur eine Schutzklausel für vorhandene Bestände, für ausgeübte Berechtigungen dar, sondern schützt jeden, der "gegenwärtig zum Betrieb eines Gewerbes berechtigt ist". Berechtigt kann aber auch jemand sein, der mit der Betriebsausübung noch nicht begonnen hat. Freilich wird man nicht auf die Idee verfallen können, jemanden zu schützen und ihm vielleicht noch nach Jahr und Tag einen Anspruch auf Genehmigung zuzubilligen, der vor einer seine Lage verschlechternden Rechtsänderung auf seinen Antrag hin eine Gewerbegenehmigung hätte erhalten müssen, einen Antrag damals aber nicht gestellt und den Gewerbetrieb auch nicht - lediglich formell rechtswidrig5G - aufgenommen hat. Einer irgendwie gearteten Konkretisierung der Rechtsposition bedarf es. Dafür genügt aber darin ist dem Jubilar voll zuzustimmen - die Antragstellung. Dies steht nur scheinbar in Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Denn wo, wie bei nicht genehmigungsbedürftigen Gewerben, kein Antrag erforderlich ist, bedarf es für die notwendige Konkretisierung der Betriebsaufnahme57 . Ob in diesem Fall darüber hinaus die Erfüllung der- formellen- Anzeigepflicht nach§ 14 GewO nötig ist, um den Bestandsschutz zu erlangen - m. E. nein -, kann hier ebenso offenbleiben wie die eben angedeutete Frage nach dem Bestandsschutz dessen, der ohne die erforderliche Genehmigung, aber materiell rechtmäßig seinen Gewerbebetrieb vor der verschlechternden Rechtsänderung aufgenommen hat56 . Wo freilich eine Übergangsregelung- anders als§ 1 Abs. 2 GewOauf den berechtigten Betrieb oder die befugte Ausübung abstellt und lediglich daran einen Bestandsschutz knüpft 58, wird man die Konkretisierung durch Antragstellung nicht genügen lassen können. Der Gesetzgeber hat - und er mag beachtliche Gründe dafür haben - in einem Vgl. SendZer, WiVerw 1979, 63 (64 ff.), dort auch zum folgenden. Vgl. zu dieser noch offenen Frage des Bestandsschutzes des (lediglich) formell rechtswidrig handelnden Gewerbetreibenden SendZer, in: Festschrift für Werner Ernst, 1980, S. 418 bei Anm. 68. Das BVerwG hat im Urteil vom 23. 6. 1959 (oben Anm. 3) diese Frage gesehen, aber offenlassen können. 57 Darum handelte es sich in BVerwGE 24, 38, wo für diesen Fall mit Recht nicht nur das Berechtigtsein, sondern darüber hinaus verlangt wurde, daß das Gewerbe auch wirklich betrieben wurde; vgl. dazu SendZer (Anm. 55), s. 67. 58 Vgl. SendZer (Anm. 55), S. 67 bei und in Anm. 19. 65
55
lS•
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solchen Fall mehr verlangt als ein bloßes irgendwie konkretisiertes Berechtigtsein: Eben ein bereits durch Ausübung bestätigtes und investiertes Vertrauen5u. b) Überleitungsvorschriften werden auch sonst in erster Linie Antwort auf die hier interessierende Frage geben, was mit Anträgen geschehen soll, die unter altem Recht zu Unrecht abgelehnt oder nicht beschieden worden sind. Aber weder das Fehlen solcher Überleitungsvorschriften60 noch ihr Vorhandensein erlauben stets einen sicheren Anhalt. So kann eine Überleitungsvorschrift, die altrechtlich entstandene Ansprüche ausschließt, - ebenso wie nach dem oben Gesagten etwa auf Grund des Gleichheitssatzes - aus Gründen des Eigentumsschutzes, der Zumutbarkeit usw. einer verfassungskonformen Einschränkung bedürfen. Dementsprechend ist das Bundesverwaltungsgericht davon ausgegangen, daß bei Vorliegen einer eigentumskräftig verfestigten Anspruchsposition ein Anspruch auf Bebauung weiterhin in Betracht kommen konnte, weil er auch durch die Übergangsregelung des § 174 Abs. 5 BBauG nicht entschädigungslos entzogen werden durfte, eine Entschädigungsregelung damals aber fehlte 81 • Inzwischen hat der Bundesgesetzgeber die Wertung, die in der oben zu I. 4. erwähnten Rechtsprechung zum Baurecht zum Ausdruck kommt und bereits in§ 174 Abs. 5 BBauG ihren Niederschlag gefunden hat (ebenso in § 67 Abs. 4 BimSchG), erneut für einen wesentlichen Teilbereich bestätigt. § 44 Abs. 7 BBauG i. d. F. von 1976 geht nämlich ausdrücklich davon aus, daß ein rechtswidrig abgelehnter Antrag auf Erteilung einer Baugenehmigung nach einer verschlechternden Rechtsänderung nicht zum Erfolg einer Verpflichtungsklage führen kann: "Kann ... die Gerielrinigung ... mit dem beantragten Inhalt nicht erteilt werden, weil die im Zeitpunkt der Antragstellung zulässige Nutzung aufgehoben oder geändert worden ist", so gewährt das Gesetz nur eine Entschädigung, ebenso wie dies übrigens auch die beabsichtigte Reform des Staatshaftungsrechts generell für den Fall einer rechtswidrigen Versagung vorsieht.
69 Das kann z. B. auch für zwischenzeitliche Änderungen einer Sachlage eine Rolle spielen; man denke etwa an einerseits § 10 Abs. 1 GüKG, der für die Güterfernverkehrsgenehmigung mehrere zwingende Voraussetzungen aufstellt, andererseits§ 78 Abs. 2 GüKG, der eine Rücknahme der Genehmigung hinsichtlich eines Teils dieser Voraussetzungen lediglich ins behördliche Ermessen stellt. 80 Vgl. oben bei und in Anm. 9: In der BNotO fehlt eine generelle überleitungsvorschrift. Im Gewerberecht wird eine konkret fehlende Überleitungsvorschrift durch die subsidiär geltende generelle überleitungsvorschrift des§ 1 Abs. 2 GewO ersetzt: Vgl. BVerwGE 24, 34 (36). e1 BVerwGE 26, 111 (115 ff.).
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c) Namentlich im Wirtschaftsrecht spielen Zeitabschnittsgesetze eine wesentliche Rolle. Bei ihnen ist unstreitig, daß die Entscheidung aus dem Gesetz hergeleitet werden muß, während dessen Geltungsdauer der Tatbestand verwirklicht worden ist, der den geltend gemachten Anspruch begründen soll. Nicht selten ist aber ein Streit darüber denkbar, ob überhaupt ein Zeitabschnittsgesetz vorliegt oder - bei Vorliegen eines solchen Gesetzes - worauf sich die Zeitabschnittsregelung bezieht82. Die Rechtsprechung hat in solchen Fällen darauf abgestellt, ob die Voraussetzungen für den geltend gemachten Anspruch nach der gesetzlichen Regelung bereits im Zeitpunkt der Antragstellung erfüllt sein müssen63 • Man wird darin eine hilfreiche Auslegungsregel sehen können, deren Anwendung übrigens auch die Rechtsprechung zur Studienzulassung28 bestätigen würde. d) Die Fälle denkbarer Auslegungshilfen im hier interessierenden Bereich aufzuzählen, würde zu weit führen. Immerhin sollte nicht verkannt werden, daß eine breite Skala zur Verfügung steht. Daß in erster Linie auf den Regelungsgehalt des neuen Rechts, seinen Sinn und Zweck, abzustellen ist, bedarf keiner erneuten Betonung. Auch wenn aus dieser Regelung nichts herzuleiten oder sogar ein Nachwirken alten Rechts grundsätzlich auszuschließen ist, mag im Einzelfall der Rechtsgedanke des § 162 Abs. 1 BGB herangezogen werden können84 • Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts hat in Fällen der Erteilung falscher Auskünfte oder bei unzureichender Beratung des Versicherten durch den Versicherungsträger die Verletzung einer vertragsähnlichen Nebenpflicht aus dem öffentlichrechtlichen Versicherungsverhältnis angenommen und daraus einen Anspruch des Versicherten hergeleitet, so behandelt zu werden, wie er stünde, wenn die Auskunft richtig erteilt worden oder die Beratung umfassend gewesen wäre65 • Auch dies dürfte ein gangbarer Weg sein. Nur sollte man sich darüber im klaren sein, daß auch die Summe solcher Auslegungsmöglichkeiten unter dem Strich keinen allgemeinen Folgenbeseitigungsanspruch in "Versagungsfällen" ergeben kann88 • Des82 Vgl. z. B. BVerwGE 48, 211 (213), wo über eine solche in diesem Punkt nicht ganz klare Zeitabschnittsregelung des Investitionszulagengesetzes gestritten wurde. 83 So BVerwGE 48, (213) im Anschluß an BVerwGE 39, 135 (139). 84 So für den im vorliegenden Zusammenhang allerdings nur bedingt einschlägigen - Fall einer bewußt verzögerten Antragsbehandlung, um dadurch ins neue Recht gelangen und eine höhere Gebühr kassieren zu können: BayVGH n. F. 23, 159. 85 BSozGE 41, 126 (127 f. m. w. N.). Das BSozG hat S. 127 aber mit der Tendenz der Verneinung- offengelassen, ob es sich dabei um einen Folgenbeseitigungsanspruch handeln könne. Beispiele aus der Rechtsprechung insbesondere des BSozG auch bei Haueisen, DVBl. 1973, 739 ff.
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wegen wird man jedenfalls der Begründung in dem erwähnten Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs34 nicht folgen können: Einen Folgenbeseitigungsanspruch mit dem dort bejahten Inhalt gibt es nicht; und die Vorstellung, daß jemand einen solchen Anspruch- wenn es ihn überhaupt gäbe - sollte geltend machen können, nachdem er 15 Jahre seit Nichtbescheidung seines Antrages geschwiegen hat, grenzt ans Abwegige, noch dazu, wenn dies zu Lasten eines Dritten geht 67 • 111.
Versucht man eine Zusammenfassung des vorstehend Gesagten, so kann sie nur kurz sein. Einen allgemein gültigen Ansatz für die Behebung des Ärgers, der entsteht, wenn ein Antrag zu Unrecht abgelehnt wird und sich im anschließenden Gerichtsverfahren das Recht zuungunsten des Betroffenen ändert, hat sich nicht finden lassen. Das gilt leider - wohl auch für den von Ludwig Fröhler gebotenen Lösungsansatz, der doch aber jedenfalls in dem ihm besonders am Herzen liegenden Bereich des Gewerberechts weiterführt. Aus manchen Gesprächen weiß ich, daß Ludwig Fröhler den Widerspruch schätzt und sich nicht grämen wird, wenn ich hier zu teilweise anderen Ergebnissen gekommen bin als er. Und trösten mag es ihn, daß selbst die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht ganz ungeschoren bleiben konnte!
81 Der Auffassung Haueisens (Anm. 65), S. 742 vermag ich daher nicht zu folgen. 87 Ebenso übrigens Haueisen (Anm. 65), S. 742, der zur Durchsetzung des von ihm bejahten Folgenbeseitigungsanspruchs die Notwendigkeit betont, "innerhalb der gesetzlich vorgesehenen Fristen" Verpflichtungsklage zu erheben; "nach Ablauf dieser Fristen ist auch unter dem Gesichtspunkt der Folgenbeseitigung nicht mehr zu helfen". Dies entspricht der auch sonst wohl einhelligen Auffassung; vgl. etwa BVerwGE 28, 155 (163 und 165).
Die Beteiligung des Bürgers an "Massenverfahren" im Wirtschaftsrecht Von Ferdinand Kopp
I. Das Problem der Massenverfahren im Wirtschaftsrecht 1. Flexibilität und Redltssdlutz als Erfordernisse des modernen Wirtsdlaftsredlts
Der Jubilar hat im Jahre 1969 in seiner in der Reihe der Linzer Hochschulschriften erschienenen grundlegenden Arbeit über das Wirtschaftsrecht als Instrument der Wirtschaftspolitik1 die Bedeutung des Wirtschaftsrechts für die moderne Wirtschaftspolitik untersucht und zugleich die Grenzen aufgezeigt, die der Wirtschaftspolitik durch die Rechtsordnung nicht zuletzt auch zum Schutz der Bürger und ihrer Freiheit in einer technisierten Welt gezogen sind. Mit Recht hat Fröhler dabei auch auf die im Wirtschaftsrecht wie kaum auf einem anderen Rechtsgebiet wirksame Antithetik von Statik und Dynamik hingewiesen2 und ein Wirtschaftsrecht gefordert, das so viel Rechtssicherheit als möglich und so viel Flexibilität als nötig bietet, so daß der Hechtsanwender in neuen Situationen sowohl den Willen des Gesetzgebers wie den Erfordernissen der Wirklichkeit gerecht werden kann3 • 2. Folgerungen für wirtsdlaftsredltlidle Massenverfahren
Die Forderung nach Flexibilität und Rechtsschutz im Wirtschaftsrecht hat weitgehende Auswirkungen nicht zuletzt auch im Bereich des Verfahrensrechts. Das Verfahrensrecht muß im modernen Wirtschaftsrecht zu einem guten Teil das Defizit an rechtsstaatliehen und demokratischen Gehalt ausgleichen oder kompensieren, das die gesetzlichen Regelungen im Interesse der Flexibilität ihrer Anwendung auf oft sich rasch wandelnde Situationen und Bedürfnisse lassen4 • Die grundlegen1 Vgl. Fröhler, Das Wirtschaftsrecht als Instrument der Wirtschaftspolitik, 1969. 2 Vgl. Fröhler, Wirtschaftsrecht (Anm. 1), S. 205 f. 3 Vgl. Fröhler, Wirtschaftsrecht (Anm. 1), S. 206. 4 Vgl. Oberndorfer, Partizipation an Verwaltungsentscheidungen in Österreich, DÖV 1972, 712 ff.; ders., Stadtrechtsreform in Österreich, Vorschläge für eine demokratische Stadtverwaltung, 1977, S. 19 ff.; Kopp, Entwicklungstendenzen und Probleme des Österreichischen Oewerberechts, in: Wirt-
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Ferdinand Kopp
den Entscheidungen im modernen Wirtschaftsrecht, die die Rechte der Bürger berühren, fallen heute ja meist weniger schon im Bereich der Gesetzgebung als vor allem bei der Vollziehung, beim Erlaß der Durch~ führungsverordnungen und bei den Entscheidungen über Genehmigun~ gen, Auflagen usw. 11• Das Verfahren bildet hier meist nicht nur den äußeren Rahmen für die zu treffenden Regelungen. Es trägt wesentlich auch zur inhaltlichen Angemessenheit und sachlichen Richtigkeit des Handeins bei8 • Durch die allseitige Erörterung einer Maßnahme oder eines Vorhabens, insbesondere auch mit den Betroffenen, gewinnt die Behörde umfassendere und sichere Grundlagen für die zu treffenden Entscheidungen, als wenn sie ohne ein derartiges Verfahren entscheiden würde. Zugleich aber erfüllt ein modernes rechtsstaatliehen Anforderungen genügendes Verfahren auch eine wesentliche demokratische Legitimationsfunktion, die in Bereichen wie dem Wirtschaftsrecht, in denen die normativen Grundlagen "weitmaschiger" sind und sein müssen als in anderen Bereichen, in einem demokratischen Gemeinwesen schlechthin unverzichtbar ist7. Die Behördenentscheidung erhält durch das Verfahren, an dem die in der Sache betroffenen Bürger mit eigenen Rechten beteiligt sind, insbesondere von der Behörde gehört werden müssen, auch eine zusätzliche demokratische Grundlage, die die gesetzliche Ermächtigung der Verwaltung allein wegen ihrer geringen inhaltlichen Bestimmtheit meist nicht zu geben vermag. Die Beteiligung des Bürgers stellt einen gewissen Ersatz für die im Gesetz zum Teil offen ge~ bliebene nähere Determinierung des Handeins der Verwaltung durch schaftund Verwaltung- WuV -, Vierteljahresbeilage zum Gewerbearchiv, 1978, 47 ff. m. w. N.; deTs., Verfassungsrecht und Verwaltungsverfahrensrecht, 1971, S. 75 ff., 183 ff.; deTs., Prioritätsprobleme zwischen Ernergierecht und Umweltschutz, WuV 1977, S. 143; deTs., Beteiligung, Rechts- und Hechtsschutzpositionen im Verwaltungsverfahren, in: Verwaltungsrecht zwischen Freiheit, Teilhabe und Bindung, Festgabe aus Anlaß des 25jährigen Bestehens ·des Bundesverwaltungsgerichts, hrsg. von Bachof I Heigl/ Redeker, 1978, S. 391 f. Allg. zur "Legitimation durch Verfahren" Luhmann, Legitimation durch Verfahren, 1969, S. 213. 5 Vgl. v. Mutius, Akteneinsicht im atom- und immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren - Zu Möglichkeiten und Grenzen einer Massenbeteiligung im Umweltschutzrecht -, DVBI. 1978, 665 f. m. w. N.; Listt, Die Entscheidungsprärogative des Parlaments für die Errichtung von Kernkraftwerken, DVBl. 1978, 10 ff.; Kopp, Prioritätsprobleme, WuV 1977, 136, 142. 1 Vgl. SpanneT, Grundsätzliches zum Verwaltungsverfahren, DÖV 1958, 665; Ule, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsgerichtsbarkeit, DVBI. 1957, 597; Kopp, Verfassungsrecht (Anm. 4), S. 55, 61 ff., 200 ff. m. w. N. 7 Vgl. WebeT (W.), in: Aufgaben und Möglichkeiten der Raumplanung in unserer Zeit. Referate und Diskussionsbericht anläßlich der Wissenschaftlichen Plenarsitzung 1971 in Stuttgart, Veröffentlichungen der Akademie für Raumforschung und Landesplanung, Bd. 78, 1972, S. 20 f.; Isaac, La procedure administrative non contentieuse, 1968, S. 221; Kopp, Verfassungsrecht (Anm. 4), S. 180 ff.; deTs., Beteiligung (Anm. 4), S. 291 f. m. w. N.
Beteiligung des Bürgers an "Massenverfahren" im Wirtschaftsrecht
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das demokratisch an sich primär dazu berufene Parlament dar. Ähnlich wie bei der Willensbildung beim Erlaß von Rechtsvorschriften durch Selbstverwaltungskörper für ihre Mitglieder werden auch in einem solchen Verfahren die Kenntnisse, Erwartungen und Argumente der letztlich Betroffenen unmittelbar in den Entscheidungsprozeß mit einbezogen. Die Konkretisierung der in der Rechtsvorschrift des Gesetzes nur generell und abstrakt vorgezeichneten Entscheidung erfolgt nicht ausschließlich bürokratisch, sondern - obwohl letztlich die Behörde dafür verantwortlich bleibt - jedenfalls in unmittelbarem Zusammenwirken mit den Betroffenen als mit eigenen Rechten im Verfahren ausgestatteten Beteiligten, wie dies dem modernen Demokratieverständnis entspricht. Nicht zuletzt ist ein Verfahren, in dem die Betroffenen mit weitreichenden Mitwirkungsrechten ausgestattet sind, auch das wichtigste Mittel zur Gewährleistung eines angemessenen Rechtsschutzes für die Betroffenen8 • In Bereichen wie dem Wirtschaftsrecht, in denen die Gesetze flexibel sind und weniger konkreten justiziablen Gehalt aufweisen als in anderen Bereichen, tritt die Berücksichtigung der von den Betroffenen vorgetragenen Argumente bei der Abwägung des Für und Wider der sich bietenden Lösungen notwendig weitgehend an die Stelle der sonst im Regelfall in den Gesetzen selbst bereits enthaltenen konkreten Maßstäbe für die Entscheidung der Behörde und für eine eventuell nachfolgende Überprüfung dieser Entscheidung im Rechtsmittelweg vor den Behörden und vor den Gerichten des öffentlichen Rechts'. Die Betroffenen können hier ihre Rechte und Interessen schon präventiv im Verfahren, das der Entscheidungsfindung dient, geltend machen und verteidigen und ggf. dann, wenn die schließlich ergehende Entscheidung ihren Vorstellungen und Erwartungen nicht entspricht, die ihnen von der Rechtsordnung eingeräumten Rechtsmittelmöglichkeiten auf Grund ihrer vorangegangenen unmittelbaren Einsicht in das Verfahren auch entsprechend wirksamer wahrnehmen10 • Die Besonderheit des Wirtschaftsrechts, daß ein großer Teil der im Weg von Durchführungsverordnungen oder Einzelakten zu treffenden Entscheidungen u. U. eine Vielzahl von Bürgern berührt, stellt freilich 8 Vgl. Spanner, DÖV 1958, 665; ders., Verb. des 43. Deutschen Juristentages, 1960, D. S. 133; Ule, DVBl. 1957, 597; Ule I Becker, Verwaltungsverfahren im Rechtsstaat, 1964, S. 1 ff.; MannlieheT I Quell, Das Verwaltungsverfahren, 1. Halbbd. 17. Aufl., 1975, S. 166; Oberndorfer, Partizipation an Verwaltungsentscheidungen in Österreich, DÖV 1972, 531; Badura, in: Erichsen I Martens (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 3. Aufl., 1978, S. 278; Kopp, Verfassungsrecht (Arm. 4), S. 54 ff.; ders., Beteiligung (Anm. 4), S. 390 f. ' Vgl. Kopp, VwGO, Verwaltungsgerichtsordnung mit Erläuterungen, 4. Aufl., 1979, Rdnr. 18 zu§ 114; ders., Verfassungsrecht (Anm. 4), S. 77, 155. 10 Vgl. Kopp, Verfassungsrecht (Anm. 4), S. 148 ff.; ders., Entwicklungstendenzen in der Verwaltungsgerichtsbarkeit, BayVBl. 1977, 515.
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andererseits gerade an ein solches Verfahren, das diese Funktionen für das moderne Wirtschaftsrecht erfüllen soll, besondere Anforderungen11 • Die durchzuführenden Verfahren werden nicht selten zu sog. Massenverfahren, d. h. zu Verfahren, die durch die Zahl der Beteiligten den Rahmen herkömmlicher Verfahren sprengen. BlümeP2 berichtet von Verfahren zur Aufstellung eines Flächennutzungsplans in Harnburg mit mehr als 1200 Eingaben und mehr als 32 000 Unterschriften, zu einer luftrechtlichen Planfeststellung für einen Flughafen mit 14 000 Einwendungen, zur Genehmigung einer Ölraffinerie in Baden-Württemberg mit rund 34 000 Einwendungen und zur Genehmigung des Kernkraftwerks Breisach mit rund 64 000 Einwendungen. Auch in Österreich sind Verfahren mit ähnlichen Beteiligungszahlen keineswegs undenkbar, wie das Zwentendorf-Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs13 unversehens gezeigt hat, in dem der Verwaltungsgerichtshof den Kreis der als Parteien an einem Verwaltungsverfahren zu beteiligenden Personen sehr weit gezogen hat. Daß Genehmigungsverfahren für Kernkraftwerke zur Zeit nicht aktuell sind und es vielleicht nie sein werden, darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß sich auch in anderen Verfahren ähnliche Situationen ergeben können. Auch in den oben erwähnten Fällen aus der BRD handelt es sich nur in einem Fall um ein Verfahren zur Genehmigung eines Kernkraftwerkes. Alle anderen Fälle betrafen andere Anhörungs- und Genehmigungsverfahren. Zu berücksichtigen ist auch, daß auch in Österreich sich ein großer Teil der heute noch bestehenden Beschränkungen, die zur Zeit noch einer Beteiligung größerer Zahlen unmittelbar betroffener Bürger an Verfahren entgegenstehen, in Zukunft kaum mehr aufrechterhalten lassen dürften, wenn man die wachsende Anteilnahme der Menschen an den in Frage stehenden Entscheidungen, wie sie nicht zuletzt auch in der zunehmenden Zahl spontan entstehender Bürgerinitiativen ihren Ausdruck findet, mit in Rechnung ste1Jt1 4 • 11 Vgl. v. Mutius, DVBl. 1978, 665 ff.; Btümel, Masseneinwendungen im Verwaltungsverfahren, in: Weber-FS, 1974, 539 ff.; Laubinger, Gutachten über eine künftige gesetzliche Regelung für Massenverfahren im Verwaltungsverfahrensrecht und im Verfahrensrecht für die Verwaltungsgerichte, 1975 (hektographiert); Ule I Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, 2. Aufl., 1979, S. 210; Kopp, WuV 1977, 144; ders., Der Beteiligtenbegriff des Verwaltungsverfahrensrechts, in: Verwaltungsverfahren, FS zum 50jährigen Bestehen des Richard-Boorberg-Verlags, hrsg. von Schmitt-Glaeser, 1977, S. 176. 12 Vgl. Blümel, Masseneinwendungen (Anm. 11), S. 544 ff. Ähnliche Zahlen nennt v. Mutius, DVBI. 1978, 667. 13 Vgl. VwGH 14. 2. 1978 Zl. 1518/77, ÖZW 1978, 90 ff. m. Anm. von Schantl; Hellbling, Staatsbürger 1978/6, S. 23.
Beteiligung des Bürgers an "Massenverfahren" im Wirtschaftsrecht
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Dies gilt z. B. für gesetzliche Regelungen, wie§§ 74, 75 GewO, wonach - zum Teil abweichend von der bis 1973 geltenden Regelung - in Verfahren zur Genehmigung sog. lästiger Betriebsanlagen im Gewerberecht gemäß § 74 GewO 1973 als Nachbarn im wesentlichen nur die Eigentümer von Nachbargrundstücken oder sonst an Nachbargrundstücken dinglich Berechtigte, nicht aber Personen, "die sich vorübergehend in der Nähe der Betriebsanlage aufhalten" anzusehen sind, obwohl doch offensichtlich ist, daß die Gefahren, vor denen die Bürger geschützt werden sollen, genauso auch Mieter und Pächter von Nachbargrundstücken treffen16 • Es gilt ganz allgemein aber auch für die bisher eher restriktive Rechtsprechung der Gerichte des öffentlichen Rechts zum Parteibegriff, wonach etwa der Mieter in Verfahren zur Erteilung einer Baugenehmigung für ein Vorhaben, auch wenn dieses für ihn eine Gefahr für Leib, Leben und Eigentum bedeuten kann, oder in Verfahren, in denen es um eine Abbruchsverfügung für die Räume, die er gemietet hat, geht, nicht Partei ist16 • Wie groß hier die Diskrepanz zu einem modernen Verständnis der Verfahrensbeteiligung ist, zeigt die großzügige Regelung der Beschwerdelegitimation für das Verwaltungsverfahren und das verwaltungsgerichtliche Verfahren gemäß Art. 48 des schweizer Bundesgesetzes über das Verwaltungsverfahren vom 20. 12. 1968 und Art. 103 des schweizer Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege vom 16. 12. 1963. Nach beiden Vorschriften ist heute im schweizer Bundesrecht abweichend von früheren Regelungen, die sehr viel strengere Anforderungen für die Beschwerdelegitimation aufstellten, für Rechtsbehelfe und nach der Rechtslehre und der Verwaltungspraxis auch für eine Beteiligung am Ausgangsverfahren als Partei nur ein schutzwürdiges Interesse in bezug auf die in Frage stehende Entscheidung der Verwaltung erforderlich17• Eine irgendwie geartete ausdrückliche gesetzliche Vorschrift, die die Parteistellung konkret bestimmten Gruppen Betroffener zuerkennt oder jedenfalls die geschützten Rechte hinreichend abgrenzt, wird nicht gefordert17. 14 Vgl. Oberndorfer, DÖV 1972, 712; ders., Stadtrechtsreform, S. 19 ff.; Schambeck, Das Volksbegehren, 1971, S. 5 ff. m. w. N.; Freisitzer, Umwelt-
gestaltung zwischen repräsentativer und direkter Demokratie, Steirische Berichte, 1974, H. 2, S. 15; Kopp, WuV 1978, 47; ders., Teilnahme des Volkes an der politischen Willensbildung und repräsentative Demokratien, FS der Juridischen Fakultät der Universität Graz, 1979, S. 581 ff., 599 ff., 603. ts Vgl. Kopp, WuV 1978, 47 f. 18 Vgl. VwGH 4. 4. 1929 Slg. 15.599 A; 22. 9. 1967 Z 1329/67; 7. 9. 1971 Z 2237/ 70; Slg. 1513 A; 1608 A; 6579 A; VfGH Slg. 5358 - unter Aufgabe seiner früheren gegenteiligen Auffassung in 4610 - ; 5387; 5401; 5496; 5707. Ähnlich im deutschen Recht, vgl. BVerwG NJW 1968, 2393; OVG Berlin, GR 1968, 478; VGH Mannheim BRS 22 Nr. 180; Sahlmüller, BayVBl. 1974, 129; kritisch Erichsen, DVBl. 1967, 269; Kopp, ZMR 1966, 289.
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Auch bei Verordnungen erscheint heute eine echte Beteiligung als Partei und nicht nur eine irgendwie anders geartete bloße Anhörung der unmittelbar betroffenen Bürger im Verfahren zumindest dann geboten, wenn die Verordnung unmittelbar bestehende Rechte oder rechtliche Interessen in der gleichen Weise berührt wie ein Bescheid18. Im Bereich der Normenkontrolle durch den Verfassungsgerichtshof hat die Verfassungsnovelle von 1975 mit Recht aus ähnlichen Bedürfnissen heraus ein Antragsrecht der Betroffenen geschaffen. Es wäre nur konsequent, auch für das Verfahren zum Erlaß solcher Verordnungen, die keiner weiteren Konkretisierung durch Bescheide oder Urteile mehr bedürfen, sondern bereits unmittelbar in geschützte Rechtspositionen der Bürger eingreifen, eine Beteiligung nach denselben Grundsätzen wie in Verfahren zum Erlaß von Bescheiden vorzusehen. Darüber hinaus wäre schon de lege lata die Frage zu stellen, ob die rechtsstaatliehen Erwägungen, die den Verwaltungsgerichtshof vor der Schaffung der Verwaltungsverfahrensgesetze veranlaßt haben, die Beteiligung der Betroffenen am Verfahren schlechthin als Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit eines Bescheids anzusehen1D, nicht heute den Verfassungsgerichtshof zur gleichen Folgerung bei Verordnungen veranlassen müßten20• Dies gilt um so mehr als heute die Rechtsformen 17 Vgl. Gygi, Verwaltungsrechtspflege und Verwaltungsverfahren im Bund, Bern, 2. Aufl., 1974, S. 90, 96, 102; für eine weniger enge Abgrenzung der Voraussetzungen der Beteiligung und der Rechtsbehelfsbefugnis auch im deutschen Recht Bartlsperger, Das. Dilemma des baulichen Nachbarrechts, Verw.Arch. Bd. 60, 35 ff.; Zuleeg, Hat das subjektive öffentliche Recht noch eine Daseinsberechtigung?, DVBl. 1976, 509; Sailer, Subjektives Recht und Umweltschutz, DVBI. 1976, 521; Sening, Systemdynamische und energetische Überlegungen zur Klagebefugnis im Naturschutzrecht, Natur + Recht 1979, 9 ff.; Kopp, BayVBI. 1977, 519 ff.; ders., Der Beteiligtenbegriff (Anm. 11), S. 170 ff.; ders., VwGO, Rdnr. 116 ff. zu§ 42. 1s Vgl. Kopp, Beteiligung (Anm. 4), S. 399. 18 Vgl. Walter I Mayer, Grundriß des Österreichischen Verwaltungsverfahrensrecht, 1978, S. 7 f.; ebenso für Rechtsbereiche, die nicht durch besondere positivrechtliche Verfahrensvorschriften geregelt sind VwGH Slg. 509 A ("Die allgemein anerkannten Grundsätze sowie ,die wesentlichen Formen des Administrativverfahrens', von denen schon in § 6 des Gesetzes RGBI. Nr. 36/ 1876 betreffend die Errichtung eines Verwaltungsgerichtshofes die Rede ist, müssen vielmehr die Dienstbehörden selbstverständlich auch bei ihren Erhebungen und bei der Erlassung von Bescheiden beachten"); 628 A; 1196 A; 1977 A; 2490 A; 2575 A; 4996 A; 2252 F; VwGH 18. 2. 1966 Z. 658/65. ~ 0 Auch der VfGH selbst hat in Slg. 2420 festgestellt, daß jedenfalls "die allgemeinen, für jedes rechtsstaatliche Verfahren gültigen Rechtsgrundsätze" auch in Verfahren anzuwenden sind, die nicht positivrechtlich geregelt sind, und in Slg. 2038 dies ausdrücklich für den Grundsatz des rechtlichen Gehörs als eines "Kardinalgrundsatzes jedes behördlichen Verfahrens" anerkannt. Das Parteiengehör ist aber wesentlicher Bestandteil der Stellung als Partei in einem Verfahren und notwendige Voraussetzung dafür. Von dieser Erkenntnis scheint es nur noch ein kleiner und vor allem logisch zwingender Schritt zur Anerkennung der Parteistellung unmittelbar betroffener Bürger auch im Verordnungsgebungsverfahren.
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der Verordnung und des Bescheides im Verwaltungsrecht weitgehend austauschbar geworden sind und es nicht selten von der Laune des Gesetzgebers oder vom Zufall abhängt, ob ein Gesetz der Behörde die eine oder die andere Form des Handeins vorschreibt21 • In all diesen und anderen Fällen erscheint es heute besser, den gewandelten Verhältnissen und vor allem auch den heutigen Auffassungen der Bürger durch eine Erweiterung der Möglichkeiten zu einer Beteiligung in einem rechtlich geregelten Verfahren Rechnung tragen, statt die Interessenwahrung paralegalen Bürgerinitiativen zu überlassen, wie dies heute weitgehend geschieht. Ein rechtsstaatlich geordnetes Verfahren bietet sehr viel mehr und bessere Garantien für eine Entscheidung, die allen betroffenen Interessen gerecht wird, als die heute bei fast allen wichtigen Entscheidungen, die eine breitere Öffentlichkeit betreffen, den Behörden aufgebürdeten Auseinandersetzungen mit spontan entstehenden Bürgerinitiativen22 • Das ist nicht nur eine Frage des "Stils", sondern ein Gebot moderner demokratischer Rechtsstaatlichkeit. Wenn aber die Gesetzgebung und die Rechtsprechung künftig diesem Gebot Rechnung stärker tragen werden, so wird dies notwendig auch zu einer weiteren Zunahme von Massenverfahren im Bereich des Wirtschaftsrechts und in anderen Bereichen führen. Es gilt heute deshalb, rechtzeitig Überlegungen anzustellen, wie die Behörden in Stand gesetzt werden können, solche Massenverfahren auch rationell und wirksam ohne Beeinträchtigung des gebotenen Rechtsschutzes für die Betroffenen zu bewältigen. II. Sondervorsrhriften über Massenverfahren im deutsrhen Recht 1. Die Reddslage in der BRD
In der BRD hat sich der Gesetzgeber in den letzten Jahren vor allem auf Drängen der Wissenschaft - offenbar weniger auf Drängen der Verwaltungsbehörden-desProblems der Massenverfahren angenommen und versucht, geeignete Regelungen dafür zu entwickeln23• Zu nennen sind hier u. a. die besonderen Regelungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BimSchG) vom 15. 3. 1974 (BGBI. I S. 721 bzw. S. 1193, BGBI. III 2129-8}, des Bundesfernstraßengesetzes (BFStrG) Vgl. Kopp, Beteiligung (Anm. 4), S. 399; ders., BayVBl. 1977, 518. Vgl. Kopp, WuV 1977, 145m. w. N. 23 Vgl. Blümel, Masseneinwendungen (Anm. 11), S. 547 ff.; Redeker, Zum Entwurf eines Verwaltungsverfahrensgesetzes, DVBl. 1973, 747; Laubinger, Gutachten (Anm. 11); UZe I Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht (Anm. 11), S. 210 ff. m. w. N. 21
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i. d. F. vom 6. 8. 1953 und vom 1. 10. 1974 (BGBl. I S. 2413), heute i. d. F. vom 17. 3. 1977 (BGBl. I S. 459, bzw. S. 572), der inzwischen durch die Verordnung über das Verfahren bei der Genehmigung von Anlagen nach § 2 des Atomgesetzes vom 18. 2. 1977 (BGBl. I S. 280) ersetzte Atomanlagen-Verordnung i. d. F. vom 29. 10. 1970 (BGBl. I S. 1518) und zuletzt die allgemeinen Regelungen der 1976 geschaffenen allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetze des Bundes24 und der Länder25 über Massenverfahren. Im Zusammenhang mit den Verwaltungsverfahrensgesetzen wurden auch die früheren Regelungen zum Teil neu gefaßt und vereinheitlicht2o.
Im wesentlichen bestehen heute in der BRD drei Gruppen von Vorschriften über Massenverfahren im engeren Sinn, wobei als Massenverfahren Verfahren mit mehr als 300 Beteiligten, z. T. aber auch schon mit lediglich mehr als 50 Beteiligten oder einfach mit einer größeren Zahl von Beteiligten angesehen werden: a) Vorschriften über die gemeinsame Vertretung von Personen, wenn mehr als 50 Personen Anträge oder Eingaben an eine Behörde richten, sowie bei Beteiligung von mehr als 50 Personen an einem Verwaltungsverfahren im gemeinsamen Interesse. b) Vorschriften über vereinfachte Verfahren bei Mitteilungen, Ladungen, Bekanntgabe von Bescheiden usw. bei Verfahren mit mehr als 50 bzw. mehr als 300 Personen. c) Vorschriften zu sonstigen Fragen, insb. über Beschränkungen hinsichtlich der Anhörung und der Akteneinsicht in Massenverfahren bzw. in Verfahren zum Erlaß von Verwaltungsakten "in größerer Zahl" 27 • 2. Vorscllriften über die gemeinsame Vertretung
§ 17 des (deutschen) Verwaltungsverfahrensgesetzes des Bundes VwVfG - vom 25. 5. 1976 (BGBl. I S. 1253) - dasselbe gilt für die damit meist wörtlich übereinstimmenden entsprechenden Vorschriften der Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder - sieht vor, daß bei Anträgen und Eingaben, die in einem Verwaltungsverfahren von mehr als 50 Personen auf Unterschriftslisten unterzeichnet oder in Form 24
Vgl. Verwaltungsverfahrensgesetz -
s. 1253).
VwVfG -
vom 25. 5. 1976 (BGBl. I
25 Vgl. die Übersicht zu den überwiegend wörtlich mit dem VwVfG übereinstimmenden bzw. das VwVfG auch für den Landesbereich als anwendbar erklärenden Verwaltungsverfahrensgesetzen der deutschen Bundesländer bei Ule I Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht (Anm. 11), S. 382 f. 28 Vgl. die Übersicht zu den Sonderregelungen über Massenverfahren bei Ule I Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht (Anm. 11), S. 212. 27 Vgl. § 29 Abs. 2 VwVfG.
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vervielfältigter gleichlautender Texte eingereicht worden sind (gleichförmige Eingaben), für das Verfahren derjenige Unterzeichner als Vertreter der übrigen Unterzeichner gilt, der darin mit seinem Namen, seinem Beruf und seiner Anschrift als Vertreter bezeichnet ist, soweit er nicht von ihnen als Bevollmächtigter bestellt worden ist. Eingaben, die die genannten Angaben nicht "deutlich sichtbar" enthalten, kann die Behörde nach erfolgloser öffentlicher Androhung grundsätzlich unbeachtet lassen (Abs. 2). Wird vom Vertretenen oder einem Vertreter die Vertretung beendet, so kann die Behörde nach erfolgloser öffentlicher Aufforderung der Vertretenen zur Bestellung eines neuen gemeinsamen Vertreters u. U. auch von Amts wegen einen Vertreter bestellen. Ergänzend zu § 17 VwVfG, der allgemein für "Anträge und Eingaben in einem Verwaltungsverfahren" gilt, also nicht zwingend zur Voraussetzung hat, daß die Betroffenen im Verfahren Beteiligte (Parteien) sind, ermächtigt § 18 VwVfG - auch hier gilt Gleiches für die entsprechenden Vorschriften der Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder - die Behörden von vornherein dazu für "Personen, die im gleichen Interessen an einem Verwaltungsverfahren beteiligt sind und nicht durch Bevollmächtigte vertreten werden, nach erfolgloser öffentlicher Aufforderung zur Bestellung eines gemeinsamen Vertreters von Amts wegen einen solchen Vertreter zu bestellen. Die Besonderheit dieser Regelungen liegt nicht nur darin, daß sie den Behörden eine Handhabe dazu gibt, die Zahl der effektiv im Verfahren auftretenden Personen auf eine oder wenige Bevollmächtigte oder Vertreter zu beschränken. § 19 VwVfG bzw. die entsprechenden Vorschriften der Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder vereinfachen das Verfahren darüber hinaus dadurch, daß der Vertreter gemäß §§ 17 und 18 VwVfG bzw. nach den entsprechenden Landesgesetzen kraft Gesetzes eine umfassende, nicht einschränkbare Vollmacht für alle das Verfahren betreffenden Verfahrenshandlungen hat und, anders als ein Bevollmächtigter, ausdrücklich von Weisungen freigestellt ist und nur verpflichtet ist, "die Interessen der Vertretenen sorgfältig wahrzunehmen". Der Vertreter hat damit mehr die Stellung eines gesetzlichen Vertreters für einen Minderjährigen oder eines Vormunds denn als Bevollmächtigter im üblichen Sinn28 • Im einzelnen sind die Regelungen über die Bevollmächtigten bzw. Vertreter in Massenverfahren sehr kompliziert und zum Teil auch alles andere als klar. So können die Vertretenen jederzeit das Vertretungsverhältnis kündigen und offenbar einer Vertreterbestellung durch die 28 Vgl. Ule I Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht (Anm. 11), S. 218; Kopp, VwVfG, Anm. 2 zu § 19.
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Behörde immer auch durch Bestellung eines gewillkürten Bevollmächtigten zuvorkommen oder aber einer solchen Vertreterbestellung die Grundlage entziehen21 • Es bleibt aber völlig unklar, ob zu diesem Zweck schon die Bevollmächtigung eines Bevollmächtigten durch einen Beteiligten - wenn auch nur mit Wirkung für ihn - genügt oder ob sich jeweils mindestens 50 Beteiligte- oder alle Beteiligten? - auf einen einzigen Bevollmächtigten einigen und sich ausschließlich durch diesen vertreten lassen müssen30• Für die erstere Lösung spricht, daß das Recht des Bürgers, sich durch einen Bevollmächtigten seiner Wahl vertreten zu lassen, im Rechtsstaat nicht ohne weiteres einschränkbar ist, für die letztere Lösung31, daß der Zweck der Regelung kaum erreicht werden könnte, wenn die Behörden letztlich u. U. ein Verfahren mit ebensovielen Bevollmächtigten durchzuführen gezwungen werden könnten, wie Beteiligte im Verfahren vorhanden sind. Die Kompliziertheit der Regelung und zum Teil auch die angedeuteten Zweifelsfragen sind weitgehend dadurch bedingt, daß der Gesetzgeber sich offensichtlich aus rechtsstaatliehen Gründen gescheut hat, schlechthin die Unwirksamkeit von Massen-Eingaben usw., für die kein gemeinsamer Vertreter bestellt ist, oder eine unbeschränkte Zulässigkeit der Bestellung eines Vertreters von Amts wegen vorzusehen. 3. Vorschriften über öffentlidl.e Mitteilungen usw.
Andere Vorschriften sehen zur Vereinfachung des Verfahrens die Möglichkeit öffentlicher Mitteilungen, Bekanntgaben usw. vor, d. h. durch Bekanntgabe in den üblichen Publikationsorganen oder, wo dies ortsüblich ist, u. U. auch nur durch Aushang an der Amtstafel32 • Dies gilt z. B. für die bereits oben erwähnten Androhungen und Aufforderungen im Hinblick auf die Bestellung gemeinsamer Vertreter gemäß §§ 17 ff. VwVfG, außerdem z. B. gemäß § 67 VwVfG für die Ladung zur mündlichen Verhandlung in förmlichen Verwaltungsverfahren, wenn sonst mehr als 300 Ladungen vorgenommen werden müßten - und zwar abweichend von der in Österreich gemäß § 41 Abs. 1 AVG geltenden Regelung auch gegenüber bekannten Beteiligten -und für die Bekanntgabe von an sich im normalen Verfahren förmlich zuzustellenden Bescheiden, wenn sonst mehr als 300 Zustellungen vorzunehmen wären, sowie unter denselben Voraussetzungen, für die Vgl. Kopp, VwVfG, Anm. 1, 4 und 8 zu§ 17. Vgl. Kopp, VwVfG, Anm. 8 zu § 17. 31 Für diese Lösung Kopp, VwVfG, Anm. 8 zu § 17 aus den dargelegten Gründen. 32 Vgl. dazu UZe I Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht (Anm. 11), S. 220 ff. 20
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Mitteilung, daß das Verfahren in anderer Weise abgeschlossen wurde, und gemäß § 73 VwVfG auch für die Bekanntmachung der Auslegung von Plänen im Planfeststellungsverfahren usw. 4. Vorsdlriften ilber sonstige Verfahrensvereinfadlungen
Einer dritten Gruppe zuzurechnen sind verschiedene sonstige Vorschriften, die den Behörden die Bewältigung von Massenverfahren erleichtern sollen. Zu nennen sind hier vor allem§ 28 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG und die entsprechenden Vorschriften der Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder über die Anhörung Beteiligter in Massenverfahren33 ; die Behörden werden hier ohne Bezugnahme auf eine bestimmte Anzahl von Beteiligten von der ihnen sonst grundsätzlich obliegenden Verpflichtung, die Beteiligten vor einer sie belastenden Entscheidung zu den "für die Entscheidung erheblichen Tatsachen" zu hören, freigestellt, wenn sie eine "Allgemeinverfügung oder gleichartige Verwaltungsakte in größerer Zahl oder Verwaltungsakte mit Hilfe automatischer Einrichtungen" erlassen wollen. Für im wesentlichen dieselben Fälle entbinden § 39 Abs. 2 Nr. 3 und Nr. 5 VwVfG und entsprechende Regelungen der Landesgesetze die Behörden auch von der sonst als Regel vorgeschriebenen Verpflichtung, schriftliche oder schriftlich bestätigte Verwaltungsakte zu begründen. Dies soll allerdings nur gelten, wenn eine Begründung "nach den Umständen des Falles nicht geboten ist", bzw., bei Allgemeinverfügungen, wenn diese öffentlich bekanntgegeben werden. Von etwas anderer Art ist§ 29 Abs. 2 VwVfG, der mit der allgemeinen Formel, daß die Behörde zur Gestattung der sonst nach § 29 Abs. 1 VwVfG zwingend vorgeschriebenen Akteneinsicht nicht verpflichtet ist, "soweit durch sie die ordnungsgemäße Erfüllung der Aufgaben der Behörde beeinträchtigt würde", auch die Fälle mit erfaßt, daß die Beeinträchtigung durch die Vielzahl der an einer Akteneinsicht interessierten Beteiligten bedingt wäre84 • Für Planfeststellungsverfahren, die meist eine größere Zahl von Bürgern betreffen, wird diese Regelung durch § 72 Abs. 1 letzter Halbsatz VwVfG dahin ergänzt, daß § 29 VwVfG überhaupt nur "mit der Maßgabe anzuwenden" ist, "daß Akteneinsicht nach pflichtgemäßem Ermessen zu gewähren ist". Auch diesen Vorschriften des Bundesrechts entsprechen gleichartige Vorschriften in den Verwaltungsverfahrensgesetzen der Länder. 33 34
Vgl. dazu Kopp, VwVfG, Anm. 12 e zu § 28. Vgl. v. Mutius, DVBl. 1978, 665 ff.; Kopp, VwVfG, Anm. 6 b zu § 29; 2 zu
§§ 72.
16 Festschrift für Ludwlg Fröhler
Ferdinand I