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German Pages 237 [245] Year 2014
Arens Vertragliche Einflussrechte auf die Geschäftsführung des Vorstandes durch ein Business Combination Agreement
Rechtsfragen der Handelsgesellschaften
Band 126
Vertragliche Einflussrechte auf die Geschäftsführung des Vorstandes durch ein Business Combination Agreement – eine aktienrechtliche Untersuchung am Beispiel eines Unternehmenszusammenschlusses im Wege eines öffentlichen Übernahmeverfahrens
von
Dr. Tobias Arens 2014
Zugleich Dissertation, Universität Siegen, 2013
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Verlag Dr. Otto Schmidt KG Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln Tel. 02 21/9 37 38-01, Fax 02 21/9 37 38-943 [email protected] www.otto-schmidt.de ISBN 978-3-504-64680-6 ©2014 by Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Köln
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Vorwort „Ich sag es dir: ein Kerl, der spekuliert, Ist wie ein Tier, auf dürrer Heide Von einem bösen Geist im Kreis herum geführt, Und rings umher liegt schöne grüne Weide.“ Mephistopheles, in: Johann Wolfgang von Goethe, Faust, Der Tragödie erster Teil, Studierzimmer, Verse 1830-1833.
Business Combination Agreements sind Vertragswerke, durch die zwei rechtlich selbstständige Gesellschaften den Zusammenschluss ihrer bislang voneinander unabhängig und mit jeweils selbstständigem Markt auftritt agierenden Unternehmen vereinbaren. Dabei geht der Zusammenschluss typischerweise auch mit einer gesellschaftsrechtlichen Verbindung etwa durch Verschmelzung oder durch den Erwerb einer Beteiligung einher. Dieser Vertragstypus hat seine Wurzel im angloamerikanischen Rechtskreis. In den vergangenen Jahren hat er jedoch auch in Deutschland zunehmend Einzug in die Rechtspraxis erhalten. Die Übernahme dieser Kautelarpraxis eines anderen Rechtskreises wirft zahlreiche Fragen über die Einordnung und Behandlung nach deutschem Recht auf. Rechtsprechung und Literatur haben in den vergangenen Jahren insbesondere die Einordnung von in den Verträgen enthaltenen Einflussrechten des anderen Vertragsteils auf die Geschäftsführung des Vorstandes einer am Vertrag beteiligten Aktiengesellschaft nach dem deutschen Aktienrecht rege diskutiert. Dabei lag der Schwerpunkt der Diskussion auf der Frage, ob die Business Combination Agreements wegen der enthaltenen Einflussrechte die Voraussetzungen des § 291 Abs. 1 Satz 1, 1. Fall AktG erfüllen und daher als „verdeckte Beherrschungs verträge“ einzuordnen sind. Dagegen wurde bislang der Frage, wie vertragliche Einflussrechte auf die Geschäftsführung des Vorstandes einer Aktiengesellschaft mit der allgemeinen aktienrechtlichen Organisationsverfassung der §§ 76 ff. AktG zu vereinbaren sind, nur vereinzelt nachgegangen. Diese Lücke versucht die vorliegende Arbeit zu schließen, wobei die Vereinbarkeit von vertraglichen Einflussrechten in einem Business Combination Agreement mit dem allgemein Aktienorganisationsrecht am Beispiel eines Unternehmenszusammenschlusses mit Erwerb einer Beteiligung im Wege eines öffentlichen Übernahmeverfahrens nach den §§ 29 ff. WpÜG untersucht wird.
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Vorwort
Die Arbeit lag der Fakultät III für Wirtschaftswissenschaften, Wirtschaftsinformatik und Wirtschaftsrecht der Universität Siegen (Fachrichtung Deutsches und Europäisches Wirtschaftsrecht) im Sommersemester 2013 als Dissertationsschrift vor. Das Manuskript wurde Mitte Juli 2013 abgeschlossen. Nahezu zeitgleich mit dem Abschluss des Manuskripts ist der Tagungsband Kämmerer/Veil, Übernahme- und Kapitalmarktrecht in der Reformdiskussion im Verlag Mohr Siebeck erschienen, in dem Alexander Schall in seinem Beitrag „Business Combi nation Agreements und Investorenvereinbarungen“ in Bezug auf einige wesentliche Thesen dieser Arbeit – wenngleich in knapperer Form – zu vergleichbaren Erkenntnissen gelangt. Der Beitrag von Schall konnte damit in der ursprünglichen Dissertationsschrift zwar nicht mehr berücksichtigt werden, er wurde jedoch für die Drucklegung noch in die Arbeit eingearbeitet. Darüber hinaus konnten weitere Entwicklungen in Literatur und Rechtsprechung soweit als möglich noch bis Ende 2013 berücksichtigt werden. Mein herzlicher Dank gilt meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Torsten Schöne, der meine wissenschaftliche Arbeit während der gesamten Zeit meiner Beschäftigung an seinem Lehrstuhl nicht zuletzt durch das vertrauensvolle Gewähren von Freiräumen gefördert hat. Ferner bedanke ich mich bei Herrn Prof. Dr. Peter Krebs für die rasche Erstellung des Zweitgutachtens. Bei Herausgebern und Verlag bedanke ich mich für die Aufnahme in die Reihe „Rechtsfragen der Handelsgesellschaften“. Außerdem bedanke ich mich herzlich bei Frau Diplom-Wirtschaftsjuristin Sabrina Petersen, deren Diskussionsbereitschaft und Mutzusprechungen sowie vor allem deren Freundschaft eine wesentliche Stütze für das Entstehen dieser Arbeit waren. Ein besonders herzlicher Dank gilt meinen Eltern, Kurt und Hannelore Arens, dafür, dass sie während meiner gesamten Ausbildung stets an mich geglaubt und mich immer bedingungslos unterstützt haben. Bedanken möchte ich mich schließlich bei all denen, die während der langen Zeit des Entstehens dieser Arbeit ihre Geduld mit mir nicht verloren haben und nicht müde wurden, mich an die „schöne grüne Weide“ zu erinnern. Meinerzhagen, im April 2014
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Tobias Arens
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Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V Inhaltsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XV Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXXI Dokumentenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXXIII Rechtsprechungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXXVII 1. Teil: Einführung A. Problemaufriss und Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . 1 I. Problemaufriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 II. Eingrenzung der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 III. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 B. Die Vereinbarung des Unternehmenszusammenschlusses im Wege eines öffentlichen Übernahmeverfahrens durch ein BCA . 13 I. Grundlagen des Anwendungsbeispiels . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 II. Vertragsklauseln eines BCA mit unmittelbaren Einflussrechten auf Geschäftsführungsmaßnahmen der Zielgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 2. Teil: Interessenlage und Rechtsnatur eines BCA A. Interessenlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 I. Interessen des Bieters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 II. Interessen der Zielgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 B. Die Rechtsnatur eines BCA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 I. Schuldrechtliche Bindung inter partes . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 II. Das BCA als Vertrag i. S. der §§ 705 ff. BGB . . . . . . . . . . . . . 43 III. Folgerungen für die vertraglichen Einflussrechte des Bieters 51 C. Ergebnisse des 2. Teils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57
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Inhaltsübersicht
3. Teil: Die Vereinbarkeit mit der allgemeinen aktienrechtlichen Organisationsverfassung der §§ 76 ff. AktG A. Ausgangspunkt der Überlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 I. Grundzüge der aktienrechtlichen Organisationsverfassung . . 59 II. Meinungsstand zu vertraglichen Einflussrechten . . . . . . . . . 61 B. Der Regelungsgehalt des § 76 Abs. 1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 I. Wortlautauslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 II. Die Entstehungsgeschichte des § 76 Abs. 1 AktG . . . . . . . . . 65 III. Der objektive Normzweck des § 76 Abs. 1 AktG . . . . . . . . . 75 IV. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 C. Konkretisierung der Grenzen eines zulässigen Außeneinflusses 86 I. Zur Art der Maßnahme als Grenze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 II. Zur Wertung des § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG als eine Grenze des (un-)zulässigen Außeneinflusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 III. Die Begrenzung eines vertraglichen Einflussrechts durch den Vertragszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 D. Ergebnisse des 3. Teils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 4. Teil: Folgen der vorgenommenen Bewertung der vertraglichen Einflussrechte A. Nach § 76 Abs. 1 AktG zulässige Einflussrechte eines BCA . . . . 153 I. Wirksamkeit der Einflussrechte im Außenverhältnis . . . . . . 153 II. Verantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder der Zielgesellschaft bei Abschluss des BCA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 III. Verantwortlichkeiten der Beteiligten bei der Vertrags durchführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 B. Gegen § 76 Abs. 1 AktG verstoßende Einflussrechte eines BCA 162 I. Nichtigkeit der übrigen Einflussrechte eines BCA gemäß § 134 BGB i. V. m. § 76 Abs. 1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 II. Verantwortlichkeit der Beteiligten bei einer Vertragsdurch führung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 C. Annex: Übersicht der Bewertung der arbeitsrelevanten BCA aus der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 D. Ergebnisse des 4. Teils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184
5. Teil: Zusammenfassung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . 187
Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 VIII
Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis Seite
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V Inhaltsübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XV Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXXI Dokumentenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXXIII Rechtsprechungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXXVII
1. Teil: Einführung A. Problemaufriss und Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . 1 I. Problemaufriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 II. Eingrenzung der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 III. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 B. Die Vereinbarung des Unternehmenszusammenschlusses im Wege eines öffentlichen Übernahmeverfahrens durch ein BCA . 13 I. Grundlagen des Anwendungsbeispiels . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 1. Begriff des BCA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 2. Die Vertragsparteien des BCA und ihre Beziehungen zueinander . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 3. Der Inhalt eines BCA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 II. Vertragsklauseln eines BCA mit unmittelbaren Einflussrechten auf Geschäftsführungsmaßnahmen der Zielgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 1. Beispiele für vertragliche Einflussrechte auf Geschäftsführungsmaßnahmen der Zielgesellschaft . . . . . 18 a) Sog. Vorwegbindungen und Zustimmungsvorbehalte . . 19 b) Bildung eines gemeinsamen Gremiums . . . . . . . . . . . . . 23 2. Abgrenzung der vertraglichen Einflussrechte nach der Einflussintensität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27
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Inhaltsverzeichnis
2. Teil: Interessenlage und Rechtsnatur eines BCA A. Interessenlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 I. Interessen des Bieters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 1. Sicherung des Übernahmeinteresses (sog. Deal protections) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 2. Vertrauensbildung gegenüber den Aktionären der Zielgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 3. Sicherung des Eingliederungsinteresses nach dem Vollzug des Übernahmeverfahrens durch Bindung der Zielgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 II. Interessen der Zielgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 1. Interesse an dem Unternehmenszusammenschluss . . . . . 36 2. Sicherung der Interessen durch das BCA . . . . . . . . . . . . . . 39 B. Die Rechtsnatur eines BCA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 I. Schuldrechtliche Bindung inter partes . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 II. Das BCA als Vertrag i. S. der §§ 705 ff. BGB . . . . . . . . . . . . . 43 1. Vereinbarung eines gemeinsamen Zwecks . . . . . . . . . . . . . 43 a) Vereinbarung eines Zwecks i. S. des § 705 BGB . . . . . . . 43 b) Gemeinsamkeit des Zwecks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 2. Vereinbarung der Förderung des gemeinsamen Zwecks . . 48 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 III. Folgerungen für die vertraglichen Einflussrechte des Bieters 51 1. Der Bieter als Anspruchsinhaber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 2. Reichweite und Grenzen der Einflussrechte des Bieters . . 52 C. Ergebnisse des 2. Teils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57
3. Teil: Die Vereinbarkeit mit der allgemeinen aktienrechtlichen Organisationsverfassung der §§ 76 ff. AktG A. Ausgangspunkt der Überlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 I. Grundzüge der aktienrechtlichen Organisationsverfassung . . 59 II. Meinungsstand zu vertraglichen Einflussrechten . . . . . . . . . 61 B. Der Regelungsgehalt des § 76 Abs. 1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 I. Wortlautauslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 II. Die Entstehungsgeschichte des § 76 Abs. 1 AktG . . . . . . . . . 65 1. Historische Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 a) Rechtslage vor 1937 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 X
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b) Rechtstatsächlicher Befund vor 1937 . . . . . . . . . . . . . . . 67 2. Genetisches Normverständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 a) Regelungsziele der Aktienrechtsreform von 1937 . . . . . 69 b) Übernahme der Regelungen von 1937 im Aktiengesetz von 1965 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 III. Der objektive Normzweck des § 76 Abs. 1 AktG . . . . . . . . . 75 1. Der Grundsatz der Verbandsautonomie als allgemeines Prinzip des Verbandsrechts und immanente Schranke des Außeneinflusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 a) Dogmatische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 b) Geltungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 2. Die Verbandsautonomie im Aktienrecht . . . . . . . . . . . . . . 79 a) Die Verbandsautonomie im Bereich der Geschäftsführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 b) Die Vorschrift des § 76 Abs. 1 AktG als Ausfluss der Verbandsautonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 IV. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 C. Konkretisierung der Grenzen eines zulässigen Außeneinflusses 86 I. Zur Art der Maßnahme als Grenze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 1. Abgrenzung der Begriffe Leitung und Geschäftsführung . . 86 a) Allgemeine Abgrenzung der Begriffe der §§ 76 ff. AktG 86 b) Inhaltliche Präzisierung des Leitungsbegriffs . . . . . . . . . 88 aa) Wortlaut und Rückgriff auf wirtschaftswissenschaftliche Erkenntnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 bb) Normative Bestätigung der wirtschaftswissenschaftlichen Erkenntnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 cc) Fehlende eindeutige Abgrenzung der Leitung von der Geschäftsführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 (1) Gesetzessystematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 (2) Normzwecküberlegungen am Beispiel der Leitungsdelegation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 2. Folgerungen für vertragliche Einflussrechte eines BCA . . 98 a) Problem: Fehlende „Rückholkompetenz“ . . . . . . . . . . . 98 b) Konsequenzen der fehlenden Abgrenzbarkeit . . . . . . . . 99 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 II. Zur Wertung des § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG als eine Grenze des (un-)zulässigen Außeneinflusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101
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III. Die Begrenzung eines vertraglichen Einflussrechts durch den Vertragszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 1. Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 a) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 b) Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 2. Die Wertung des § 291 Abs. 2 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 a) Vorüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 b) Der Leitungsgemeinschaftsvertrag i. S. des § 291 Abs. 2 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 aa) Rechtsnatur des Vertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 bb) Funktionsweise der einheitlichen Leitung und Einschränkungen der Autonomie der Vertragsparteien . 113 (1) Verkürzung des Entscheidungsrechts auf ein Mitentscheidungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 (2) Verlagerung der Interessenbindung . . . . . . . . . . . 115 (3) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 cc) Aktienrechtliche Einordnung des Leitungsgemeinschaftsvertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 (1) Kein Unternehmensvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 (2) Vereinbarkeit mit § 76 Abs. 1 AktG . . . . . . . . . . 123 (a) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 (b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 c) Zur Verallgemeinerungsfähigkeit der Wertung des § 291 Abs. 2 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 aa) These . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 bb) Möglicher rechtsmethodischer Einwand: § 291 Abs. 2 AktG als Ausnahmevorschrift . . . . . . . 130 cc) Bedeutung der weiteren Tatbestandsmerkmale . . . . 133 (1) Die Gegenseitigkeit der Einflussnahme . . . . . . . 134 (2) Die einheitliche Leitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 (3) Die fehlende faktische Abhängigkeit . . . . . . . . . . 139 (4) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 dd) Der Regelungsgehalt des § 291 Abs. 2 AktG . . . . . . 144 d) Folgen für den Regelungsgehalt des § 76 Abs. 1 AktG . . 145 e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 3. Folgerungen für die Einflussrechte eines BCA . . . . . . . . . . 148 D. Ergebnisse des 3. Teils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150
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4. Teil: Folgen der vorgenommenen Bewertung der vertraglichen Einflussrechte A. Nach § 76 Abs. 1 AktG zulässige Einflussrechte eines BCA . . . . 153 I. Wirksamkeit der Einflussrechte im Außenverhältnis . . . . . . 153 II. Verantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder der Zielgesellschaft bei Abschluss des BCA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 III. Verantwortlichkeiten der Beteiligten bei der Vertrags durchführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 1. Verantwortlichkeiten bis zum Erwerb der Anteils- und Stimmenmehrheit an der Zielgesellschaft durch den Bieter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 2. Verantwortlichkeiten nach Erwerb der Anteils- und Stimmenmehrheit an der Zielgesellschaft durch den Bieter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 B. Gegen § 76 Abs. 1 AktG verstoßende Einflussrechte eines BCA 162 I. Nichtigkeit der übrigen Einflussrechte eines BCA gemäß § 134 BGB i. V. m. § 76 Abs. 1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 1. Verstoß gegen ein Verbotsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 a) Anforderungen an ein Verbotsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . 163 b) § 76 Abs. 1 AktG als zwingende Regelung . . . . . . . . . . . 164 aa) Anwendungsbereich des § 23 Abs. 5 AktG . . . . . . . . 165 bb) Der zwingende Charakter des § 76 Abs. 1 AktG außerhalb der Satzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 c) Der Verbotszweck des § 76 Abs. 1 AktG . . . . . . . . . . . . 170 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 2. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 a) Rechtsfolge der Nichtigkeit nach § 134 BGB . . . . . . . . . 171 aa) Keine spezialgesetzliche Sanktion des Verstoßes . . . 171 bb) Nichtigkeitsbegründender Normzweck des § 76 Abs. 1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 b) Reichweite der Nichtigkeitsrechtsfolge . . . . . . . . . . . . . 175 c) Zur Möglichkeit der Ersetzung und Umdeutung der nichtigen Einflussrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 II. Verantwortlichkeit der Beteiligten bei einer Vertragsdurch führung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 C. Annex: Übersicht der Bewertung der arbeitsrelevanten BCA . . 183 aus der Praxis D. Ergebnisse des 4. Teils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 XIII
Inhaltsverzeichnis
5. Teil: Zusammenfassung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . 187
Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193
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XXIX
Abkürzungsverzeichnis BCA
Business Combination Agreement
CFA
Cooperation Framework Agreement
CFL
Corporate Finance Law (Zeitschrift)
DDVW
Die Deutsche Volkswirtschaft (Zeitschrift)
DpBetrW Der praktische Betriebswirt (Zeitschrift) GWR
Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht (Zeitschrift)
JITE
Journal of Institutional and Theoretical Economics
Ziff.
Ziffer(n)
Im Übrigen wird auf das Abkürzungsverzeichnis des 66. Jahrgangs der Neuen Juristischen Wochenschrift (NJW) verwiesen.
XXXI
Dokumentenverzeichnis Dokumentenverzeichnis Dieses Verzeichnis enthält die Fundstellen zu den Vertragstexten der in der Praxis verwendeten Business Combination Agreements, die – soweit ersichtlich – bislang vollständig oder zumindest in wesentlichen Teilen veröffentlicht wurden. Ferner enthält das Verzeichnis die Fundstellen zu Dokumenten, in denen Angaben zum Inhalt Business Combination Agreements enthalten sind, deren Vertragstexte jedoch – soweit ersichtlich – bislang nicht veröffentlicht wurden. Die Aufstellung erfolgt jeweils in chronologischer Reihenfolge des Tages des Vertragsschlusses. Soweit es sich um Internetquellen handelt, erfolgte der letzte Abruf am 28.12.2013. Vollständig oder in wesentlichen Teilen veröffentlichte Vertragstexte: – Business Combination Agreement zwischen der Daimler-Benz AG, der Chrysler Corp. und der Oppenheim AG; abrufbar unter http://corporate.findlaw.com/contracts/planning/busi ness-combination-agreement-daimler-benz-ag-and-chrysler.html (zit. BCA-Daimler/Chrysler). – Als Cooperation Framework Agreement bezeichnetes Vertragswerk zwischen der France Télécom S.A. und der mobilcom AG einerseits und dem damaligen Vorstandsvorsitzenden und gleichzeitigen Mehrheitsaktionär der mobilcom AG Gerhard Schmid andererseits; der Vertragstext ist in weiten Teilen abgedruckt bei OLG Schleswig, ZIP 2009, 124 ff.; LG Flensburg, Der Konzern 2006, 303 ff. (zit. CFA-mobilcom/France Télécom). – Business Combination Agreement zwischen der Bayrische Hypound Vereinsbank AG und der UniCredito Italiano S. p. A.; der Vertragstext ist in weiten Teilen abrufbar unter http://www. rws-verlag.de/hauptnavigation/volltexte.html?volltext=b9d487a3039 8d42ecff55c228ed5652b&jahr=2008&date_anchor=21032008 (zit. BCAHVB/UniCredit). – Business Combination Agreement zwischen der GPC Biotech AG, der Agennix Inc., der dievini Hopp BioTech holding GmbH & Co. KG und der Agennix Holdings, LLC; veröffentlicht als Anlage 1 des Verschmelzungsvertrages zwischen der GPC Biotech AG und der diagennix GmbH im Rahmen der Veröffentlichung gemäß § 124 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. § 25 Satz 1 AktG im elektronischen Bundesanzeiger vom 14. 5. 2009 (zit. BCA-GPC/Agen nix). XXXIII
Dokumentenverzeichnis
– Business Combination Agreement zwischen der W.E.T. Automotive Systems AG, der Amerigon Inc. und der Amerigon Europe GmbH; abrufbar als Anlage 1 der Stellungnahme vom Vorstand und Aufsichtsrat zum Tagesordnungsergänzungsverlangen der Hauptversammlung 2011 unter http://www.wet-group.com/index.php?id=99 (zit. BCA-W.E.T./Amerigon). – Business Combination Agreement zwischen der AquaOrbis AG und der United Food Technologies AG; veröffentlicht als Anlage 1 des Verschmelzungsvertrages im Rahmen der Veröffentlichung gemäß § 124 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. § 25 Satz 1 AktG im elektronischen Bundesanzeiger vom 24. 6. 2011 (zit. BCA-AquaOrbis/UFT). – Business Combination Agreement zwischen der Demag Cranes AG, der Terex Industrial Holding AG und der Terex Corp.; abrufbar unter http://www.demagcranes-ag.de/files/content/sites/ global/files/PDF/IR/160611_Business_Combination_Agreement_Ue bersetzung_DEU.pdf (zit. BCA-Demag/Terex). – Business Combination Agreement zwischen der NYSE Euronext, der Deutsche Börse AG, der Alpha Beta Netherlands Holding N.V. und der Pomme Merger Corp.; abrufbar unter http://www.getfilings.com/sec-filings/110216/NYSEEuronext_8-K/dex21.htm (zit. BCA-NYSE/Deutsche Börse). Dokumente mit Angaben zum Inhalt von unveröffentlichten Vertrags texten: – Angebotsunterlage nach § 11 Abs. 1 Satz 1 WpÜG der Alcon Inc. mit Angaben zum Business Combination Agreement zwischen der Wave light AG und der Alcon Inc.; abrufbar unter http://www.bafin.de/SharedDocs/Downloads/DE/Ange botsunterlage/alcon.pdf?__blob=publicationFile&v=5 (zit. Angebotsunterlage-Wavelight/Alcon). – Angebotsunterlage nach § 11 Abs. 1 Satz 1 WpÜG der MTB Systems GmbH mit Angaben zum Business Combination Agreement zwischen der zwischen der Roth & Rau AG, der MTB AG und der MTB Systems GmbH; abrufbar unter http://www.meyerburger.com/fileadmin/user_upload/ meyerburger.com/ IR_Angebot/Freiwilliges%20Übernahmeangebot_ final_110504.pdf (zit. Angebotsunterlage-R&R/MTB). XXXIV
Dokumentenverzeichnis
– Angebotsunterlage nach § 11 Abs. 1 Satz 1 WpÜG der Pon Holding Germany GmbH mit Angaben zum Business Combination Agree ment zwischen der Derby Cycle AG, der Pon Holdings B.V. und der Pon Holding Germany GmbH; abrufbar unter http://www.pon.com/Uploads/Files/111021_20-_ 20Pon_20Holding_20Germany_20GmbH_20_5f_20Derby_20Cycle_ 20AG_5f_20Angebotsunterlage.pdf (zit. Angebotsunterlage-Derby Cycle/Pon).
XXXV
Rechtsprechungsverzeichnis I. Bundesverfassungsgericht Datum
Aktenzeichen
Fundstelle (ggf. „Entscheidungsname“)
05.02.1991
2 BVR 263/86
BVerfGE 83, 341 ff.
II. Zivilgerichte 1. Reichsgerichtshof Datum
Aktenzeichen
Fundstelle (ggf. „Entscheidungsname“)
19.02.1881
I 872/80
RGZ 3, 123 ff. – „Rumänische Eisenbahn“
20.03.1907
V 634/06
RGZ 65, 362 ff.
08.04.1908
I 595/07
RGZ 68, 235 ff. – „Hibernia“
30.09.1911
V 591/10
RGZ 77, 223 ff.
27.05.1913
II 625/12
RGZ 82, 308 ff.
30.01.1914
II 615/13
RGZ 84, 328 ff.
18.10.1917
VI 143/17
RGZ 91, 72 ff.
14.03.1919
II 393/18
RGZ 95, 147 ff.
29.10.1919
I 125/19
RGZ 97, 61 ff.
02.01.1920
II 312/19
RGZ 97, 329 ff.
17.11.1922
II 864/21
RGZ 105, 373 ff.
20.10.1923
V 830/22
RGZ 107, 202 ff.
18.01.1924
II 263/23
RGZ 108, 41 ff.
24.06.1924
II 915/23
RGZ 108, 322 ff.
10.12.1924
I 583/23
RGZ 109, 299 ff.
23.10.1925
II 575/24
RGZ 112, 14 ff.
19.03.1926
II 412/25
RGZ 113, 152 ff.
30.03.1926
II 226/25
RGZ 113, 188 ff.
XXXVII
Rechtsprechungsverzeichnis
Datum
Aktenzeichen
Fundstelle (ggf. „Entscheidungsname“)
18.10.1927
II 74/27
RGZ 118, 218 ff.
31.03.1931
II 222/30
RGZ 132, 149 ff.
14.11.1936
I 124/36
RGZ 153, 1 ff.
01.11.1939
II 91/39
RGZ 162, 78 ff.
20.02.1941
II 99/40
RGZ 166, 160 ff.
2. Bundesarbeitsgericht Datum
Aktenzeichen
Fundstelle (ggf. „Entscheidungsname“)
22.02.1966
1 ABR 9/65
NJW 1966, 1578 ff.
25.08.1983
6 ABR 52/80
ZIP 1984, 84 ff.
15.11.2001
2 AZR 310/00
NJW 2002, 2972 ff.
30.03.2004
1 ABR 61/01
BAGE 110, 100 ff. – „Bofrost“
3. Bundesgerichtshof Datum
Aktenzeichen
Fundstelle (ggf. „Entscheidungsname“)
29.01.1951
IV ZR 171/50
NJW 1951, 308 f.
20.06.1951
GS Z 1/51
BGHZ 2, 300 ff.
30.11.1951
II ZR 109/51
BGHZ 4, 108 ff.
15.12.1951
II ZR 24/51
BGHZ 4, 208 ff.
06.11.1953
I ZR 97/52
BGHZ 11, 135 ff.
09.06.1954
II ZR 70/53
BGHZ 14, 25 ff.
20.10.1954
II ZR 280/53
BGHZ 15, 71 ff.
21.10.1954
IV ZR 128/54
BGHZ 15, 102 ff.
18.05.1955
I ZR 8/54
BGHZ 17, 266 ff.
15.12.1955
II ZR 204/54
BGHZ 19, 269 ff.
19.11.1957
VIII ZR 409/56 BGHZ 26, 78 ff.
XXXVIII
Rechtsprechungsverzeichnis
Datum
Aktenzeichen
Fundstelle (ggf. „Entscheidungsname“)
06.10.1960
II ZR 150/58
BGHZ 33, 175 ff.
25.06.1962
VII ZR 120/61
BGHZ 37, 258 ff.
12.07.1962
VII ZR 28/61
BGHZ 37, 363 ff.
07.04.1965
VIII ZR 200/63 NJW 1965, 1477 ff.
30.06.1966
KZR 5/65
BGHZ 46, 74 ff.
30.03.1967
II ZR 245/63
NJW 1967, 1462 ff.
24.01.1972
II ZR 3/69
NJW 1972, 862 ff.
29.03.1973
II ZR 139/70
NJW 1973, 1039 ff.
28.04.1975
II ZR 16/73
BGHZ 64, 253 ff.
05.06.1975
II ZR 23/74
BGHZ 65, 15 ff. – „ITT“
18.10.1976
II ZR 98/75
BGHZ 68, 81 ff.
21.03.1977
II ZR 96/75
BGHZ 68, 204 ff.
13.10.1977
II ZR 123/76
BGHZ 69, 334 ff. – „VEBA/Gelsenberg“
13.03.1978
II ZR 142/76
BGHZ 71, 40 ff. – „Kali + Salz“
08.06.1978
VII ZR 54/76
BGHZ 72, 23 ff.
23.10.1980
IVa ZR 28/80
BGHZ 78, 263 ff.
22.06.1981
II ZR 94/80
NJW 1982, 99 f.
19.04.1982
II ZR 55/81
BGHZ 83, 319 ff. – „Holzmann“
11.01.1984
VIII ARZ 13/83 BGHZ 89, 316 ff.
01.02.1988
II ZR 75/87
BGHZ 103, 184 ff. – „Linotype“
19.09.1988
II ZR 329/87
BGHZ 105, 213 ff.
13.02.1989
II ZR 209/88
NJW 1989, 2055 ff.
05.06.1989
II ZR 227/88
BGHZ 107, 351 ff.
10.07.1991
VIII ZR 296/90 BGHZ 115, 123 ff.
11.12.1991
VIII ZR 4/91
BGHZ 116, 268 ff.
30.04.1992
III ZR 151/09
BGHZ 118, 142 ff.
22.06.1992
II ZR 178/90
NJW 1992, 3167 ff. XXXIX
Rechtsprechungsverzeichnis
Datum
Aktenzeichen
Fundstelle (ggf. „Entscheidungsname“)
29.06.1992
II ZR 284/91
NJW 1992, 2696 ff.
25.03.1993
IX ZR 192/92
BGHZ 122, 115 ff.
11.10.1993
II ZR 155/92
BGHZ 123, 347 ff.
30.03.1994
XII ZR 30/92
BGHZ 125, 355 ff.
13.06.1994
II ZR 38/93
BGHZ 126, 226 ff.
14.11.1994
II ZR 160/93
ZIP 1995, 738 ff.
20.03.1995
II ZR 205/94
BGHZ 129, 136 ff. – „Girmes“
11.10.1995
VIII ZR 25/94
NJW 1996, 773 ff.
21.04.1997
II ZR 175/95
BGHZ 135, 244 ff. – „ARAG/Garmenbeck“
23.06.1997
II ZR 132/93
BGHZ 136, 133 ff. – „Siemens/Nold“
14.12.1999
X ZR 34/98
BGHZ 143, 283 ff.
14.11.2000
XI ZR 248/99
BGHZ 146, 37 ff.
16.12.2002
II ZR 109/11
ZIP 2003, 165 ff.
20.09.2004
II ZR 288/02
BGHZ 160, 253 ff.
02.12.2004
IX ZR 200/03
BGHZ 161, 241 ff.
19.05.2006
V ZR 40/05
NJW 2006, 2773 ff.
17.10.2008
V ZR 14/08
NJW 2009, 1135 ff.
01.12.2008
II ZR 102/07
BGHZ 179, 71 ff. – „MPS“
04.02.2010
IX ZR 18/09
NJW 2010, 1364 ff.
22.01.2013
II ZR 80/10
ZIP 2013, 263 ff.
12.03.2013
II ZR 179/12
ZIP 2013, 819 ff.
XL
Rechtsprechungsverzeichnis
4. Oberlandesgerichte Gericht
Datum
Aktenzeichen
Fundstelle (ggf. „Entscheidungs name“)
Bayerisches Obers tes Landesgericht
24.11.1988 BReg. 3 Z 111/88
BayOblGZ 1988, 371 ff.
OLG Hamm
17.08.1982 4 RE Miet. 1/82
OLGZ 1982, 481 ff.
OLG München
09.02.1968 8 U 2225/67
NJW 1968, 1384 ff.
OLG München
24.06.2008 31 Wx 83/07
ZIP 2008, 1330 ff. – „HVB/UniCredit“
OLG München
22.12.2010 7 U 1584/10
BeckRS 2011, 00297
OLG München
14.12.2011 7 AktG 3/11
ZIP 2012, 773 ff.
OLG München
18.07.2012 7 AktG 1/12
AG 2012, 802 f.
OLG München
14.11.2012 7 AktG 2/12
AG 2013, 173 ff. – „WET“
OLG Schleswig
08.12.2005 5 U 57/04
AG 2006, 120 ff.
OLG Schleswig
27.08.2008 2 W 160/05
ZIP 2009, 124 ff. – „MobilCom“
OLG Schleswig
28.10.2010 5 U 55/09
BeckRS 2010, 29118
Gericht
Datum
Fundstelle (ggf. „Entscheidungs name“)
LG Flensburg
12.08.2005 6 O 139/03
Der Konzern 2006, 303 ff.
LG Kiel
20.03.2009 14 O 90/05
BeckRS 2009, 10256
5. Landgerichte Aktenzeichen
LG Nürnberg-Fürth 18.12.2008 1 HK O 4286/08
AG 2010, 179 f.
LG München I
19.10.2007 5 HK O 13298/07 ZIP 2008, 242 ff.
LG München I
31.01.2008 5 HK O 19782/06 ZIP 2008, 555 ff. – „HVB/UniCredit“
LG München I
05.04.2012 5 HK O 20488/11 NZG 2012, 1152 ff. – „WET“ XLI
Rechtsprechungsverzeichnis
III. US-Amerikanische Gerichte Datum
Gericht
Bezeichnung
Fundstelle
04.02.1994
Supreme Court of Delaware
Paramount Communications, Inc v. QVC Network Inc.
637 A.2d 34
04.04.2003
Supreme Court of Delaware
Omnicare, Inc. v. NCS Healthcare, Inc.
818 A.2d 914
XLII
1. Teil: Einführung A. Problemaufriss und Gang der Untersuchung I. Problemaufriss Bei sog. Mergers & Acquisitions-Transaktionen unter Beteiligung von deutschen Aktiengesellschaften gehört es seit einigen Jahren zur verbreiteten Praxis, eine in der Regel als Business Combination Agreement (folgend: BCA1) bezeichnete Zusammenschlussvereinbarung abzuschließen. Als BCA können allgemein Vertragswerke bezeichnet werden, durch die zwei rechtlich selbstständige Gesellschaften den Zusammenschluss ihrer bislang voneinander unabhängig und mit jeweils selbstständigem Marktauftritt agierenden Unternehmen vereinbaren.2 Der Zusammenschluss beschränkt sich dabei in der Regel nicht auf eine rein vertragliche Kooperation wie etwa bei einem sog. Contractual Joint Venture3. In der Praxis wird vielmehr zumeist neben einer vertraglichen Kooperation der Unternehmen auch eine weitergehende gesellschaftsrechtliche Verbindung der unternehmenstragenden Rechtsträger4 vereinbart. Das BCA wird dann in der Regel im Vorfeld der jeweiligen Maßnahme zur gesellschaftsrechtlichen Verbindung geschlossen.5 Für die gesellschaftsrechtliche Verbindung kommt dabei ein „weites Feld“ von Maßnahmen in Betracht. So kann z. B. vorgesehen werden, dass eine Vertragspartei eine Beteiligung an der anderen Vertragspartei übernimmt, sei es durch Erwerb bestehender Gesellschaftsanteile im Rahmen eines 1 Die in dieser Arbeit berücksichtigten Vertragswerke und ihre Fundstellen sind im Dokumentenverzeichnis dieser Arbeit aufgeführt. 2 Vgl. Seibt/Wunsch, Der Konzern 2009, 195, 196; Seibt, CFL 2011, 213, 221; zustimmend Dette, S. 46; ähnlich bereits Dryander, in: Horn, Cross-Border Mergers, S. 131; im Ergebnis wohl auch Drygala, WM 2004, 1413, 1414; Decher, FS Hüffer, 2010, S. 145, 146; Schall, in: Kämmerer/Veil, Übernahme- und Kapitalmarktrecht, S. 75, 77; Seibt, in: Kämmerer/Veil, Übernahme- und Kapitalmarktrecht, S. 105, 108. 3 Vgl. hierzu etwa Baumanns/Wirbel, in: MünchHdb. GesR I, § 28 Rn. 2. 4 Zur dieser Arbeit zugrundeliegenden Unterscheidung zwischen der wirtschaftlichen und organisatorischen Einheit (Unternehmen) einerseits und der Gesellschaft als Rechtssubjekt und rechtlicher Träger des Unternehmens (Rechtsträger) andererseits vgl. Drygala, in: Lutter, UmwG, § 1 Rn. 3; Raiser/Veil, KapGesR, § 6 Rn. 5. 5 Simon/Rubner, in: KölnKomm-UmwG, Vor §§ 122a ff. Rn. 129; Seibt, in: Seibt, Formularbuch M&A, L. II. 2., Anm. 1 (S. 1543); Decher, FS Hüffer, 2010, S. 145, 146. Eine Ausnahme bildet hier das BCA im Fall Demag/Terex, in dem bereits vor dem Vertragsschluss ein öffentliches Übernahmeangebot zum Erwerb der Aktien an der Demag Cranes AG abgegeben wurde; vgl. Präambel C. BCA-Demag/Terex.
1
1. Teil: Einführung
vereinbarten öffentlichen Übernahmeangebotes (§§ 29 ff. WpÜG)6 oder durch Übernahme neuer Gesellschaftsanteile im Rahmen einer vereinbarten Kapitalerhöhung (§§ 182 ff. AktG)7. Des Weiteren kommt auch eine Verschmelzung (§§ 2 ff., 122a ff. UmwG) der unternehmenstragenden Rechtsträger zu einem Rechtsträger in Betracht.8 Ferner kann auch eine Kombination dieser und weiterer Maßnahmen vorgesehen werden. Eine Kombination von verschiedenen einzelnen Maßnahmen ist insbesondere beim Zusammenschluss durch Verschmelzung in den Fällen erforderlich, in denen das Gesetz eine Verschmelzung i. S. des Umwandlungsgesetzes nicht zulässt (z. B. Verschmelzung mit Gesellschaften, die dem Recht der USA unterliegen9) und in denen daher auf komplexe Ersatzkonstruktionen zurückgegriffen werden muss.10 Das BCA ersetzt nicht die notwendigen Schritte zur gesellschaftsrechtlichen Verbindung (z. B. Übernahmeangebot, Verschmelzungsvertrag) und ist von diesen zu trennen.11 Vielmehr vereinbaren die Parteien im BCA neben den Zielen des Unternehmenszusammenschlusses insbesondere die Durchführung der einzelnen erforderlichen Schritte zur vorgesehenen gesellschaftsrechtlichen Verbindung und die Integration der einzelnen Unternehmen in die Unternehmensgruppe sowie die zukünftige Struktur der Unternehmensgruppe.12 6 So etwa bei den BCA in den Fällen HVB/UniCredit, W.E.T./Amerigon, Demag/Te rex, Wavelight/Alcon, R & R/MTB und Derby Cycle/Pon. Für weitere Fälle vgl. die Übersicht bei Seibt, in: Seibt, Formularbuch M&A, L. II. 2., Anm. 1 (S. 1544 ff.). 7 So etwa bei dem CFA im Fall mobilcom/France Télécom. Für weitere Fälle vgl. die Übersicht bei Seibt, in: Seibt, Formularbuch M&A, L. II. 2., Anm. 1 (S. 1544 ff.); allgemein hierzu Servatius, in: Spindler/Stilz, AktG, § 187 Rn. 19 ff.; Aha, BB 2001, 2225 ff. 8 So etwa bei dem BCA in dem Fall AquaOrbis/UFT. Vgl. auch das Vertragsmuster bei Seibt, in: Seibt, Formularbuch M&A, L. II. 2. (S. 1525 ff.) sowie die weiteren Fälle in dessen Übersicht (ebda., Anm. 1 (S. 1544 ff.)); allgemein hierzu Simon/Rub ner, in: KölnKomm-UmwG, Vor §§ 122a ff. Rn. 129 ff. 9 Vgl. hierzu Bayer, in: Lutter, UmwG, § 122b Rn. 11 m. w. Nachw. 10 So z. B. in den Fällen Daimler/Chrysler, GPC/Agennix und NYSE/Deutsche Börse. Neben dem jeweiligen BCA vgl. zu den Zusammenschlusskonstruktionen im Fall Daimler/Chrysler etwa Decher, in: Horn, Cross-Border Mergers, S. 105 ff.; Baums, JITE 155 (1999), 119 ff.; im Fall NYSE/Deutsche Börse etwa Seibt, CFL 2011, 213, 226 ff. Allgemein zur Problematik Decher, FS Lutter, 2000, S. 1209 ff.; ders., Der Konzern 2006, 805, 806 ff.; Samson/Flindt, NZG 2006, 290, 291 ff. 11 Zutreffend jeweils zur Unterscheidung vom Verschmelzungsvertrag Seibt, in: Seibt, Formularbuch M&A, L. II. 2. Anm. 4 (S. 1549); Horn, ZIP 2000, 473, 479. 12 Vgl. Dryander, in: Horn, Cross-Border Mergers, S. 131; Stengel, in: Semler/Stengel, UmwG [2007], Anhang § 122l Internationale Unternehmenszusammenführung, Rn. 11 f.; Seibt, in: Seibt, Formularbuch M&A, L. II. 2. Anm. 1 (S. 1543); Horn, FS Buxbaum, 2000, S. 315, 316 f.; ders., ZIP 2000, 473, 479; Decher, FS Hüffer, 2010, 145, 146 f.
2
A. Problemaufriss und Gang der Untersuchung
Derartige Zusammenschlussvereinbarungen haben vor allem im anglo-amerikanischen Rechtskreis eine Tradition und gehören dort seit langem zu den Gepflogenheiten der Vertrags- und Kautelarpraxis.13 In Deutschland waren derartige Vereinbarungen bis zum Ende des 20. Jahrhunderts weitgehend unbekannt.14 Als erste Fälle eines BCA unter Beteiligung deutscher Gesellschaften werden allgemein die Vereinbarungen des BCA im Rahmen des Zusammenschlusses der Daimler-Benz AG und der Chrysler Corp. zur DaimlerCrysler AG15 im Jahre 1998 sowie des BCA im Rahmen des Zusammenschlusses der Hoechst AG und der Rhô ne-Poulenc S.A. zur Aventis S.A.16 im Jahre 1999 angesehen.17 Seither hat sich die Vereinbarung eines BCA auch bei Zusammenschlüssen unter Beteiligung deutscher Unternehmen in der Praxis etabliert.18 Dies gilt im besonderen Maße für grenzüberschreitende Unternehmenszusammenschlüsse. Entsprechende Vereinbarungen wurden jedoch auch bei rein nationalen Unternehmenszusammenschlüssen getroffen.19 Aus der Übernahme der anglo-amerikanischen Praxis zur Verwendung eines BCA ergibt sich durch die Berührung mit dem deutschen Sachrecht eine Vielzahl von Rechtsfragen, die Wissenschaft und Praxis vor neue 13 Dryander, in: Horn, Cross-Border Mergers, S. 131; Seibt, in: Seibt, Formularbuch M&A, L. II. 2. Anm. 1 (S. 1543); Horn, FS Buxbaum, 2000, S. 315, 316; ders., FS Lutter, 2000, S. 1113, 1115; Decher, FS Hüffer, 2010, 145, 146. 14 Eine gewisse Parallele mag man in den sog. Interessengemeinschaftsverträgen erkennen, die vor allem zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Deutschland bei Unternehmenszusammenschlüssen u. a. auch zur Koordinierung der Geschäftstätigkeit von Unternehmen verwendet wurden; vgl. Friedländer, KonzR, S. 114 ff.; Spindler, S. 67 ff.; Dettling, S. 63 (dort auch Fn. 28). Auch diese dienten insbesondere vor 1945 oft als Vorstufe für eine Fusion (Friedländer, Interessengemeinschaft, S. 20; Spindler, S. 67 f.) oder bei grenzüberschreitenden Zusammenschlüssen auch noch nach 1945 als Ersatz für eine – dort rechtlich nicht zulässige – Fusion (Friedländer, KonzR, S. 115). Zur Vergleichbarkeit mit Vertragskonstruktionen zur Zeit der Weimarer Republik vgl. auch Otto, NZG 2013, 930, 933. 15 Zur Struktur des Zusammenschlusses vgl. Decher, in: Horn, Cross-Border Mergers, S. 105 ff.; Baums, JITE 155 (1999), 119 ff. 16 Eingehend hierzu Hoffmann, NZG 1999, 1077 ff. 17 Vgl. Dryander, in: Horn, Cross-Border Mergers, S. 131 f.; Horn, FS Buxbaum, 2000, S. 315, 331; ders., ZIP 2000, 473, 479; ders., FS Lutter, 2000, S. 1113, 1115; Decher, FS Hüffer, 2010, S. 145, 146; wohl auch Seibt, in: Seibt, Formularbuch M&A, L. II. 2. Anm. 1 (S. 1544). 18 Vgl. hierzu etwa die Aufstellungen bei Seibt, in: Seibt, Formularbuch M&A, L. II. 2. Anm. 1 (S. 1544 ff.); ders., in: Kämmerer/Veil, Übernahme- und Kapitalmarktrecht, S. 105, 111 ff. 19 So z. B. im Fall AquaOrbis/UFT sowie im Fall der sog. „Grundsatzvereinbarung“ aus dem Jahre 1999 über die Zusammenführung der VEBA AG und der VIAG AG, die jedoch – soweit ersichtlich – nicht (mehr) online abrufbar ist; vgl. aber den Hinweis auf letzteren Fall bei Decher, FS Hüffer, 2010, S. 145, 146.
3
1. Teil: Einführung
Herausforderungen stellt.20 Die anhand der Regelungen der einen Rechtsordnung entwickelte Vertrags- bzw. Kautelarpraxis muss sich nun zusätzlich auch an den Regelungen einer Rechtsordnung messen lassen, in der eine derartige Praxis bislang unbekannt ist.21 Vor allem die Behandlung und Einordnung von BCA durch das deutsche Aktienrecht hat die instanzgerichtliche Rechtsprechung bereits in zahlreichen Einzelfragen beschäftigt.22 Besondere Aufmerksamkeit hat die Frage erfahren, wie in einem BCA vereinbarte Einflussrechte auf Geschäftsführungsmaßnahmen einer der beteiligten unternehmenstragenden Gesellschaften nach dem zwingenden Organisationrecht für die Aktiengesellschaften nach deutschem Recht einzuordnen sind: So hatte etwa das LG München I über die Einordnung des zwischen der Bayrische Hypo- und Vereinsbank AG (folgend: HVB) und der UniCredito Italiano S. p. A. (folgend: UniCredit) zum Zusammenschluss ihrer Unternehmen vereinbarten BCA23 zu entscheiden.24 Die HVB und die UniCredit hatten darin die Zusammenführung ihrer Unternehmen bzw. der Gesellschaften, insbesondere durch drei öffentliche Übernahmeangebote der UniCredit zum Erwerb der Aktien an der HVB sowie der Aktien an deren Tochtergesellschaften Bank Austria Creditanstalt A.G. und Bank BPH S.A., vereinbart. Dabei sah das BCA als Einflussrechte der UniCredit insbesondere vor, dass die HVB bis zum Vollzug des Übernahmeangebots zum Erwerb der Aktien der HVB bestimmte Geschäftsführungsmaßnahmen nur mit Zustimmung der UniCredit vornehmen dürfe (vgl. Ziff. 3.9 des BCA). Des Weiteren regelte das BCA die zukünftige Führungs- und Organisations20 So allgemein zur Übernahme der Vertrags- bzw. Kautelarpraxis eines fremden Rechtskreises in den deutschen Rechtskreis auch Fleischer, ZHR 172 (2008), 538, 554. Zu möglichen Problemfeldern vgl. Hellwig, FS Horn, 2006, S. 377, 379; Merkt, ZHR 171 (2007), 490, 503. 21 Vgl. auch Horn, FS Buxbaum, 2000, S. 315, 316. 22 Vgl. exemplarisch zur Frage der Bekanntmachungspflicht nach § 124 Abs. 2 Satz 2 AktG OLG Schleswig, AG 2006, 120, 123 ff.; LG München I, ZIP 2008, 555, 556 f. Zur Behandlung nach den §§ 311 ff. AktG OLG München, BeckRS 2011, 00297 (unter II. 1.1.2); OLG Schleswig, BeckRS 2010, 29118 (unter II. B.); LG Kiel, BeckRS 2009, 10256. Zur Gewährung von Sondervorteilen durch ein BCA i. S. des § 243 Abs. 2 AktG OLG München, ZIP 2012, 773 ff. Zur Anfechtbarkeit eines Entlastungsbeschlusses wegen Vereinbarung eines unzulässigen BCA LG München I, NZG 2012, 1152, 1154 f. – „WET“. 23 Vgl. hierzu die Fundstelle im Dokumentenverzeichnis dieser Arbeit. 24 LG München I, ZIP 2008, 555 ff. – „HVB/UniCredit“. Das Berufungsverfahren ist – soweit ersichtlich – noch unter dem Aktenzeichen 7 U 2216/08 beim OLG München anhängig. Die Verhandlung wurde durch Beschluss des Senats vom 23.10.2008 gem. § 148 ZPO ausgesetzt.
4
A. Problemaufriss und Gang der Untersuchung
struktur der nach dem Vollzug der Übernahmeangebote entstehenden Unternehmensgruppe (vgl. etwa Ziff. 2.2, 4, 6.1 und 7.2 des BCA). Das LG München I sah einen Antrag der Minderheitsaktionäre der HVB auf Feststellung, dass das BCA einen Beherrschungsvertrag nach § 291 Abs. 1 Satz 1, 1. Fall AktG darstelle, als begründet an.25 Es erkannte aus dem Zusammenspiel der einzelnen Einflussrechte der UniCredit auf die HVB, insbesondere aufgrund der vereinbarten Stellung der UniCredit als übergeordnete Holdinggesellschaft, der vereinbarten Zustimmungsvorbehalte und der vereinbarten Besetzung des Aufsichtsrates der HVB durch die UniCredit, in dem BCA einen „verdeckten Beherrschungsvertrag“.26 Insbesondere diese Entscheidung des LG München I im Fall HVB/ UniCredit sowie auch die instanzgerichtliche Rechtsprechung in weiteren Fällen von BCA27 oder ähnlichen – im Detail zum Teil gleichwohl anders gelagerten28 – Vertragswerken29 haben im jüngeren Schrifttum zu einer regen und kontroversen Diskussion über die Einordnung von vertraglichen Einflussrechten auf Geschäftsführungsmaßnahmen wie in einem BCA als Beherrschungsvertrag i. S. des § 291 Abs. 1 Satz 1, 1. Fall AktG geführt.30 Trotz dieser ausführlichen – zumeist unter dem Schlagwort des „verdeckten Beherrschungsvertrages“ geführten – Disskussion, konnte über die Anforderungen für die Einordnung eines Vertrages als Beherrschungsvertrag noch keine Einigkeit erzeilt werden. So ist insbesondere noch umstritten, ob für die Einordnung als Beherrschungsvertrag die Vereinbarung eines Weisungsrechtes zugunsten des anderen Vertrags teils zwingend erforderlich ist31 oder ob eine Leitungsunterstellung ge25 LG München I, ZIP 2008, 555, 559 ff. – „HVB/UniCredit“. 26 LG München I, ZIP 2008, 555, 560 f. – „HVB/UniCredit“. 27 Vgl. LG Nürnberg-Fürth, AG 2010, 179 ff. 28 Zum Fall mobilcom/France Télécom vgl. etwa sogleich Fn. 95. 29 OLG Schleswig, ZIP 2009 124 ff. – „MobilCom“; OLG München, AG 2012, 802, 803; LG Flensburg, Der Konzern 2006, 303 ff. 30 Vgl. hierzu – z. T. auch mit Blick auf andere Vertragsarten mit vergleichbaren Einflussrechten – passim die Monographien von Silny, Ederle, Kienzle und Dette. Ferner Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Kommentar, § 291 Rn. 24 ff.; Mülbert, in: GroßKomm-AktG, § 291 Rn. 118 ff.; Peres, in: Heidel, Aktienrecht, § 291 AktG Rn. 52; Hüffer, AktG, § 291 Rn. 14; Veil, in: Spindler/Stilz, AktG, § 291 Rn. 69 f. Vgl. auch Hirte/Schall, Der Konzern 2006, 243 ff.; Goslar, DB 2008, 800 ff.; Baltha sar, NZG 2008, 858 ff.; Wagner, BB 2008, 522 f.; Verhoeven, EWiR 2008, 161 f.; Kort, NZG 2009, 364 ff.; Decher, FS Hüffer, 2010, S. 145 ff.; Emmerich, FS Hüffer, 2010, S. 179 ff.; Ederle, AG 2010, 273 ff.; Rubner/Leuering, NJW-Spezial 2010, 143 f.; zeitlich vor den Entscheidungen – aber wohl bereits mit Blick auf den Fall mobilcom/France Télécom – Schürnbrand, ZHR 169 (2005), 35 ff. 31 OLG Schleswig, ZIP 2009 124, 126 – „MobilCom“; Ederle, S. 107 ff.; Schenk, in: Bürgers/Körber, AktG, § 291 Rn. 12; Hüffer, AktG, § 291 Rn. 11; Koppensteiner, in: KölnKomm-AktG, § 291 Rn. 22, § 308 Rn. 23; Langenbucher, in: K. Schmidt/Lut-
5
1. Teil: Einführung
mäß § 291 Abs. 1 Satz 1, 1. Fall AktG durch weniger intensive Einflussrechte (z. B. Veto- und Zustimmungsrechte) vereinbart werden kann.32 Auch der erforderliche Umfang, in dem der andere Vertragsteil auf Maßnahmen des Vorstandes Einfluss nehmen kann, wird noch unterschiedlich bemessen. Während nach einer Ansicht für die Leitungsunterstellung gemäß § 291 Abs. 1 Satz 1, 1. Fall AktG der Leitungsbereich des Vorstandes vollständig erfasst sein muss,33 plädiert die Gegenansicht für einen weiteren Begriff der Leitungsunterstellung und lässt und die Vereinbarung der Einflussnahme auf die wesentlichen Leitungsbereiche (z. B. des Finanzbereichs des Unternehmens) ausreichen.34 Damit sind zwar die Voraussetzungen für eine Leitungsunterstellung beim Beherrschungsvertrag noch nicht abschließend geklärt. Es kann jedoch als weitgehend anerkannt angesehen werden, dass Einflussrechte auf nur einzelne Geschäftsführungs- bzw. Leitungsmaßnahmen der Gesellschaft nicht für eine Leitungsunterstellung mit einem Umfang i. S. des § 291 Abs. 1 Satz 1, 1. Fall AktG ausreichen.35 Da in den hier interessierenden BCA regelmäßig nur Einflussrechte auf einzelne ausgewählte Geschäftsführungs- bzw. Leitungsmaßnahmen vereinbart werden, ist somit selbst bei ter, AktG, § 291 Rn. 33; Koppensteiner, FS Canaris, Bd. II, 2007, S. 209, 216; Goslar, DB 2008, 800, 801 f.; undeutlich bleibt der Standpunkt von Mülbert, in: GroßKomm-AktG, § 291: vgl. einerseits Rn. 71, andererseits Rn. 127. 32 So etwa Silny, S. 37 ff.; Kienzle, S. 58 ff.; Dette, S. 87 ff.; Emmerich, in: Emmerich/ Habersack, Kommentar, § 291 Rn. 24b; Schürnbrand, ZHR 169 (2005), 35, 44 f.; Emmerich, FS Hüffer, 2010, S. 179, 181; wohl auch Veil, in: Spindler/Stilz, AktG, § 291 Rn. 26; weitergehend Hirte/Schall, Der Konzern 2006, 243, 245 f. („selbst Empfehlungen, Ratschläge und Wünsche können ... als Weisungen zu qualifizieren sein“). 33 Ederle, S. 100 ff., 119; für einen eher engen Begriff der Leitungsunterstellung auch Peres, in: Heidel, Aktienrecht, § 291 AktG Rn. 52; Koppensteiner, in: KölnKomm-AktG, § 291 Rn. 24 ff.; ders., FS Canaris, Bd. II, 2007, S. 209, 212 ff.; ferner wohl Mülbert, in: GroßKomm-AktG, § 291 Rn. 67 ff. 34 So oder ähnlich – zumeist unter Hinweis auf den Meinungsstand zu sog. Teilbeherrschungsverträgen – LG München I, ZIP 2008, 555, 560 – „HVB/UniCredit“; Silny, S. 33 ff.; Kienzle, S. 37 ff., insb. S. 48 f.; Dette, S. 102 ff., insb. S. 108 ff.; Schürn brand, ZHR 169 (2005), 35, 45 f.; Hirte/Schall, Der Konzern 2006, 243, 244; Goslar, DB 2008, 800, 801. Vergleichbare Ansicht allgemein zu sog. Teilbeherrschungsverträgen Schenk, in: Bürgers/Körber, AktG, § 291 Rn. 13, 6; Hüffer, AktG, § 291 Rn. 10; Langenbucher, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 291 Rn. 30 f.; für eine großzügigere Beschränkung des Umfangs der Leitungsunterstellung dagegen Altmep pen, in: MünchKomm-AktG, § 291 Rn. 88 ff.; Veil, in: Spindler/Stilz, AktG, § 291 Rn. 24 f.; undeutliche Ansicht bei Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Kommentar, § 291 Rn. 21, 24b; 35 Vgl. auch Dette, S. 112; Silny, S. 34 ff.; Koppensteiner, in: KölnKomm-AktG, § 291 Rn. 47; Langenbucher, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 291 Rn. 30 f., die bei einer Beschränkung der Einflussrechte auf einzelne Betriebe, Unternehmensteile oder Leitungsmaßnahmen eine Einordnung als Beherrschungsvertrag ablehnen.
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A. Problemaufriss und Gang der Untersuchung
Zugrundelegung eines weiten Begriffs der Leitungsunterstellung eine Einordnung als Beherrschungsvertrag in aller Regel36 ausgeschlossen.37 Auch wenn damit als „Zwischenfazit“ der Disskussion um die „verdeck ten Beherrschungsverträge“ eine Behandlung der BCA nach dem Vertragskonzernrecht regelmäßig ausscheidet, bleibt die Frage nach der Vereinbarkeit vertraglicher Einflussrechte auf die Geschäftsführung des Vorstandes der Aktiengesellschaft mit der allgemeinen aktienrechtli chen Organisationsverfassung der §§ 76 ff. AktG noch zu beantworten.38 Auch die jüngere instanzgerichtliche Rechtsprechung zeigt, dass man bei der aktienrechtlichen Einordnung der Einflussrechte auf die Geschäftsführung des Vorstandes in einem BCA nicht bei den §§ 291 ff. AktG stehen bleiben kann. So hatte das LG München I im Fall des BCA zwischen der W.E.T. Automotive Systems AG (folgend: W.E.T.), der Amerigon Inc. und der Amerigon Europe GmbH (folgend: Amerigon Europe) über die Vereinbarkeit von vertraglichen Einflussrechten in einem BCA39 mit der allgemeinen aktienrechtlichen Organisationsverfassung zu entscheiden.40 Das LG München I sah in der vertraglichen Verpflichtung der W.E.T., ohne Zustimmung der Amerigon Europe weder genehmigtes Kapital auszunutzen, noch die Ausgabe von Aktienoptionen oder ähnlichen Instrumenten mit Aktienbezugsrecht zu unterstützen, noch eigene Aktien zu erwerben oder zu veräußern (vgl. Abschnitt III. 7 des BCA), einen Verstoß gegen die zwingende Kompetenz zur eigenverantwortlichen Leitung nach § 76 Abs. 1 AktG, der nach § 134 BGB zur Nichtigkeit der Verpflichtung führe.41 Gegen das Urteil des LG München I ist zwar das Berufungsverfahren noch anhängig.42 Die Berufungsinstanz hat sich jedoch bereits in einem parallelen Verfahren zum Unternehmenszusam36 Eine Ausnahme mag in dem Fall Wavelight/Alcon gesehen werden; vgl. auch LG Nürnberg-Fürth, AG 2010, 179, 180. Mangels Veröffentlichung des Vertragstextes des BCA kann der Umfang der Maßnahmen jedoch nicht festgestellt werden, auf die nach dem Vertrag Einfluss genommen werden sollte. 37 Im Ergebnis auch Decher, FS Hüffer, 2010, S. 145, 151; vgl. auch die eingehende Untersuchung der Fälle HVB/UniCredit und mobilcom/France Télécom bei Ederle, S. 122 ff.; vorsichtiger Mülbert, in: GroßKomm-AktG, § 291 Rn. 127. 38 Dies wird auch im Schrifttum im Ergebnis erkannt, wenn für die nicht als „ver deckten Beherrschungsvertrag“ eingeordneten Verträge auf die allgemeinen Vorschriften verwiesen wird; vgl. etwa Silny, S. 36; Ederle, S. 104 f.; Dette, S. 112; Kop pensteiner, in: KölnKomm-AktG, § 291 Rn. 45. Erste Ansätze einer Untersuchung nach den §§ 76 ff. AktG bei Ederle, S. 170 ff. 39 Vgl. hierzu die Fundstelle im Dokumentenverzeichnis dieser Arbeit. 40 LG München I, NZG 2012, 1152 ff. – „WET“ 41 LG München I, NZG 2012, 1152, 1153 f. – „WET“ 42 Das Aktenzeichen lautet 7 U 1805/12; vgl. OLG München, AG 2013, 173, 174 – „WET“
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1. Teil: Einführung
menschluss W.E.T./Amerigon weitgehend der Rechtsauffassung des LG München I angeschlossen.43 Während die Rechtsprechung im Fall W.E.T./Amerigon eine eher res triktive Rechtsauffassung erkennen lässt, wird im Schrifttum verbreitet die Vereinbarkeit von Einflussrechten auf die Geschäftsführung mit § 76 Abs. 1 AktG angenommen, sofern die Vereinbarung der Einflussrechte im Gesellschaftsinteresse liegt.44 Eine hinreichende Begründung dieses Ergebnisses findet sich im Schrifttum bislang nicht.45 Des Weiteren wird die Frage nach den Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen § 76 Abs. 1 AktG nur vereinzelt und zudem uneinheitlich beantwortet. So wird bei einem Verstoß gegen § 76 Abs. 1 AktG zum Teil die Nichtigkeit der vereinbarten Einflussrechte im Außenverhältnis nach § 134 BGB,46 zum Teil aber auch ein allein das Innenverhältnis betreffender Pflichtenverstoß der Vorstandsmitglieder angenommen.47 Die fehlende rechtsmethodische Untersuchung der Problematik sowie die noch sehr unterschiedlichen Ansätze verdeutlichen, dass die Grundlagen der Vereinbarkeit von vertraglichen Bindungen der Gesellschaft in Geschäftsführungsfragen mit der allgemeinen aktienrechtlichen Organisationsverfassung noch wenig erforscht sind.48 Die durch ein BCA aufgeworfenen Rechtsfragen können de lege lata freilich nicht dadurch überwunden werden, dass die vertraglichen Einflussrechte mit Blick auf deren wirtschaftliche Vorteilhaftigkeit bei Unternehmenszusammen43 OLG München, AG 2013, 173, 176 – „WET“ 44 Vgl. Ederle, S. 171 f.; Spindler, in: MünchKomm-AktG, § 76 Rn. 25; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 76 Rn. 75 ff.; ders., FS Schwark, 2009, S. 137, 151 f.; Baner jea, DB 2003, 1489, 1494; Paschos, NZG 2012, 1142, 1143 f.; im Ergebnis wohl auch Mertens/Cahn, in: KölnKomm-AktG, § 76 Rn. 48, 53; Seibt, in: K. Schmidt/ Lutter, AktG, § 76 Rn. 10; Drygala, WM 2004, 1457, 1459 f.; strenger dagegen Pries ter, FS Raiser, 2005, S. 293, 299 f.; wohl auch Krüger, NZG 2013, 452, 453 f.; insgesamt kritisch Hüffer, AktG, § 76 Rn. 11, 15d. 45 Lediglich erste Ansätze finden sich etwa bei Ederle, S. 170 ff.; Bachmann/Veil, ZIP 1999, 348, 350 f.; Priester, FS Raiser, 2005, S. 293, 299 ff.; Fleischer, FS Schwark, 2009, S. 137, 149 ff.; Paschos, NZG 2012, 1142 ff. 46 So Ederle, S. 172; Mertens/Cahn, in: KölnKomm-AktG, § 76 Rn. 46; Ederle, AG 2010, 273, 276; vgl. auch Weinbrenner, S. 210 ff.; Krüger, NZG 2013, 452, 453 f. 47 So ausdrücklich nur Fleischer im Diskussionsbericht von Tröger (ZHR 172 (2008), 592, 595); Paschos, NZG 2012, 1142, 1144; wohl auch Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 76 Rn. 10 („kein[e] ... prinzipielle Grenze der Vertragsfreiheit“); Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 76 Rn. 69, 77; ders., FS Schwark, 2009, S. 137, 155. 48 So konstatiert auch Fleischer etwa zur Vereinbarkeit von verschiedenen Vertragsgestaltungen der Praxis mit § 76 Abs. 1 AktG, dass die „kritische Grenze ... [der Ein flussrechte] ...noch wenig ausgelotet“ sei (in: Spindler/Stilz, AktG, § 76 Rn. 79) und „die wissenschaftliche Diskussion ... gerade erst begonnen“ habe (in: Spindler/ Stilz, AktG, § 76 Rn. 82); ähnlich Krüger, NZG 2013, 452, 454.
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A. Problemaufriss und Gang der Untersuchung
schlüssen schlicht hingenommen werden.49 Es geht eben nicht darum, das deutsche Aktienrecht auf Grundlage einer rechtspolitischen Position an die Vertragspraxis der fremden Rechtsordnung anzupassen. Vielmehr ist die Vertragspraxis in das deutsche Aktienrecht de lege lata einzuordnen.50 Damit sind die wesentlichen Problemfelder dieser Arbeit umrissen: Ihr Ziel ist es, die Anforderungen und Schranken des allgemeinen Organisa tionsrechts der Aktiengesellschaft für die Wirksamkeit von vertraglichen Einflussrechten in einem BCA gegenüber der Gesellschaft auf Geschäftsführungsmaßnahmen ihres Vorstandes im Außenverhältnis de lege lata herauszuarbeiten. Es geht um die Frage, ob nach dem deutschen Aktienrecht ein durchsetzbarer vertraglicher Erfüllungsanspruch auf Durchführung von Geschäftsführungsmaßnahmen des Vorstandes begründet werden kann und welche Anforderungen an seine Wirksamkeit zu stellen sind.
II. Eingrenzung der Untersuchung Die Untersuchung wird sich auf die Vereinbarkeit vertraglicher Einflussrechte auf die Geschäftsführung des Vorstandes der Aktiengesellschaft in einem BCA mit der allgemeinen aktienrechtlichen Organisationsverfassung der §§ 76 ff. AktG beschränken. Eine Einordnung der BCA als Beherrschungsvertrag i. S. des § 291 Abs. 1 Satz 1, 1. Fall AktG ist nicht Gegenstand der Untersuchung.51 Die Arbeit untersucht die rechtliche Einordnung von vertraglichen Einflussrechten am Beispiel eines BCA, in dem der Zusammenschluss durch den Erwerb der Anteilsmehrheit im Wege eines öffentlichen Übernahmeangebotes (§§ 29 ff. WpÜG) als gesellschaftsrechtliche Verbindung der Vertragsparteien vereinbart wird. Das bereits beschriebene „weite Feld“ von Maßnahmen zur gesellschaftsrechtlichen Verbindung52 und im Besonderen die sich aus einer Kombination dieser Maßnahmen zum Teil ergebende Komplexität des Zusammenschlusses soll nicht dazu führen, 49 So aber – zumindest im Ergebnis – Paschos (NZG 2012, 1142, 1144), wenn er mit Blick auf die Entscheidung des LG München I im Fall W.E.T./Amerigon (NZG 2012, 1152 ff.) darauf hinweist, dass derartige Einflussrechte den Zusammenschluss und die daraus sich ergebenden Geschäftschancen oft erst ermöglichen würden, und meint, dass sich die Rechtsprechung dem nicht verschließen dürfe. Tendenziell auch Ederle, AG 2010, 273, 274 zum Fall HVB/UniCredit. 50 In diesem Sinne auch Fleischer, ZHR 172 (2008), 538, 554. 51 Vgl. hierzu erneut mit entspr. Nachw. unter 1. Teil, A. I. 52 Siehe oben unter 1. Teil, A. I. 1.
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1. Teil: Einführung
den eigentlichen Untersuchungsgegenstand der rechtlichen Einordnung der vertraglichen Einflussrechte aus den Augen zu verlieren. Die Beschränkung auf dieses Beispiel dient insoweit zunächst der Vereinfachung des Untersuchungsgegenstandes. Zudem wurde ein öffentliches Übernahmeverfahren in der Mehrzahl der Fälle der BCA in der Praxis vereinbart,53 so dass es sich hierbei – soweit ersichtlich – um die praktisch relevanteste Konstellation handelt. Das Beispiel verdient aber auch deshalb besonderes Augenmerk, weil dabei die gesellschaftsrechtliche Verbindung grundsätzlich auf Kontrollerwerb, also auf den Erwerb einer Beteiligung i. H. v. mindestens 30 % der stimmberechtigten Aktien der Zielgesellschaft (vgl. § 29 Abs. 2 WpÜG), und damit regelmäßig auf eine konzernrechtliche Eingliederung54 des Unternehmens der Zielgesellschaft als abhängiges Unternehmen in die Unternehmensgruppe des Bieters (vgl. §§ 18 Abs. 1 Satz 1 und 3, 17 Abs. 1 AktG) gerichtet ist.55 Anders als z. B. bei der Verschmelzung eröffnet die gesellschaftsrechtliche Verbindung somit den Anwendungsbereich des Konzernrechts. Auf den ersten Blick scheint das Anwendungsbeispiel eines BCA daher auch von besonderer Brisanz zu sein. Mit dem Anwendungsbeispiel beschränkt sich die Untersuchung zugleich auf eine Aktiengesellschaft als beeinflusste Vertragspartei (vgl. §§ 1 Abs. 1, 2 Abs. 3 Nr. 1 WpÜG)56.57 Zwar sind außerhalb des Anwen53 Vgl. hierzu etwa die Übersicht bei Seibt, in: Seibt, Formularbuch M&A, L. II. 2., Anm. 1 (S. 1544 ff.). 54 Der Begriff der Eingliederung ist im Folgenden lediglich beschreibender Natur. Er wird nicht im engen rechtstechnischen Sinne der §§ 319 ff. AktG verstanden. 55 Zur regelmäßig aufgrund der in der Praxis bestehenden Hauptversammlungspräsenzen gegebenen Stimmenmehrheit bei Halten von 30 % der Stimmrechte vgl. BTDrs. 14/7043, S. 53; Geibel, in: Geibel/Süßmann, WpÜG, § 29 Rn. 15; Glade, in: Heidel, Aktienrecht, § 29 WpÜG Rn. 2. So lagen etwa nach einer rechtstatsächlichen Untersuchung der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz e. V. die Hauptversammlungspräsenzen der DAX 30-Gesellschaften in den Jahren 2006 bis 2008 bei durchschnittlich 54,95 % (vgl. http://www.dsw-info.de/uploads/media/ HV-Praesenz08.pdf; letzter Abruf am 28.12.2013). Zur konzernrechtlichen Bedeutung einer niedrigen Hauptversammlungspräsenz vgl. BGHZ 69, 334, 347 – „VEBA/ Gelsenberg“; 135, 107, 114 – „Volkswagen“; Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Kommentar, § 17 Rn. 19; Hüffer, AktG, § 17 Rn. 9 m. w. Nachw. 56 Als (beeinflusste) Zielgesellschaft mit Sitz im Inland kommt nur eine börsennotierte AG und KGaA sowie eine börsennotierte SE (Art. 9 Abs. 1 lit. c) ii) SE-VO) in Betracht. 57 Allgemein zu Einflussrechten gegenüber einer GmbH vgl. etwa Beuthien/Gätsch, ZHR 157 (1993), 483, 497 ff.; Priester, FS Raiser, 2005, S. 293, 299 f.; im Rahmen der Disskussion um „verdeckte Beherrschungsverträge“ vgl. auch Schürnbrand, ZHR 169 (2005), 35 ff.; Silny, passim; Ederle, S. 178 ff. Zum Personengesellschaftsrecht vgl. Ederle, S. 184 f.
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A. Problemaufriss und Gang der Untersuchung
dungsbeispiels grundsätzlich auch BCA vorstellbar, bei dem die beeinflusste Vertragspartei eine andere Rechtsform hat. In der Praxis stehen aber auch hier Vereinbarungen mit Aktiengesellschaften im Vordergrund.58 Die Untersuchung beschränkt sich ferner auf unmittelbare vertragliche Einflussrechte im Bereich der Geschäftsführung des Vorstandes. Gleichwohl können BCA Regelungen enthalten, nach denen dem Vertragspartner Einfluss auf Maßnahmen anderer Gesellschaftsorgane gewährt werden soll. Neben Maßnahmen der Hauptversammlung59 kommt hier insbesondere eine Einflussnahme auf Maßnahmen des Aufsichtsrates oder dessen Besetzung60 und damit über die Kompetenz des Aufsichtsrates zur Bestellung und Abberufung der Vorstandsmitglieder (§ 84 Abs. 1, Abs. 3 AktG) eine mittelbare Einflussnahme auf die Geschäftsführungsmaßnahmen des Vorstandes in Betracht.61 Ferner kann sich ein wirtschaftlicher oder faktischer Einfluss aus Regelungen eines BCA ergeben, nach denen die Zielgesellschaft zur Zahlung einer bestimmten Summe verpflichtet wird, wenn der Zusammenschluss nicht zustande kommt (sog. „Break-Up-Fee“).62 Die Wirksamkeit dieser Einflussrechte gegenüber der Gesellschaft wird in dieser Arbeit keiner Prüfung unterzogen.63 Lediglich soweit dem Bieter nach dem Vollzug des Übernahmeverfahrens über seine erworbene Stimmrechtsmehrheit das Recht zur Besetzung des Aufsichtsrates und damit auch eine mittelbare gesellschaftsrechtliche Einflussnahme auf den Vorstand nach § 17 Abs. 2 AktG ermöglicht
58 Zur Verschmelzung auch Simon/Rubner, in: KölnKomm-UmwG, Vor §§ 122a ff. Rn. 133. 59 Vgl. hierzu sogleich unter 1. Teil, B. II. 1. a). 60 Vgl. hierzu etwa Ziff. 7.2 BCA-HVB/UniCredit. 61 LG München I, ZIP 2008, 555, 560 f. 62 Vgl. hierzu Sieger/Hasselbach, BB 2000, 625 ff.; Banerjea, DB 2003, 1489, 1491; Fleischer, ZHR 172 (2008), 538, 556 f. 63 Zur Wirksamkeit einer rechtsgeschäftlichen Verpflichtung der Gesellschaft über Maßnahmen der Hauptversammlung vgl. etwa Hüffer, AktG, § 179 Rn. 32; Krieger/ Kraft, in: Münch.Hdb.GesR IV, § 56 Rn. 11. Zur Wirksamkeit einer rechtsgeschäftlichen Verpflichtung der Gesellschaft, bestimmte Personen in den Aufsichtsrat zu wählen vgl. Habersack, in: MünchKomm-AktG, § 101 Rn. 12; Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 101 Rn. 5. Zu Vereinbarungen mit unmittelbaren Einflussrechten auf Maßnahmen des Aufsichtsrats vgl. OLG München, ZIP 2012, 773, 775 f.; Reichert/Ott, FS Goette, 2011, S. 397, 400 f. Zur Wirksamkeit von „BreakUp-Fee“-Klauseln vgl. Sieger/Hasselbach, BB 2000, 625, 628 ff.; Banerjea, DB 2003, 1489, 1492 f.; Drygala, WM 2004, 1457, 1460 f.; Fleischer, ZHR 172 (2008), 538, 563 ff.
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1. Teil: Einführung
wird,64 werden die Auswirkungen auf die Beurteilung der Wirksamkeit der unmittelbaren vertraglichen Einflussrechte des BCA berücksichtigt. Schließlich ist mit der Beschränkung auf das Aktienrecht namentlich auch die Vereinbarkeit der Regelungen eines BCA mit dem übernahmerechtlichen Verhinderungsverbot der §§ 33, 33a WpÜG nicht Gegenstand dieser Arbeit.65 Ferner werden Klauseln eines BCA nicht untersucht, nach denen die Pflicht zur Erklärung des Vorstandes gegenüber den Aktionären besteht, dass die vom Bieter angebotene Gegenleistung für die Aktien der Zielgesellschaft angemessen ist und den Aktionären die Annahme des Übernahmeangebotes empfohlen wird (sog. „Board-Recom mendation“66).67 Die Wirksamkeit dieser Klausel ist insbesondere eine Frage der Vereinbarkeit mit der übernahmerechtlichen Pflicht zur Stellungnahme nach § 27 Abs. 1 WpÜG.
III. Gang der Untersuchung Im weiteren Verlauf dieses Teils der Arbeit werden die BCA aus der Praxis und die darin enthaltenen vertraglichen Einflussrechte im hier zugrundeliegenden Anwendungsbeispiel der Vereinbarung eines Unternehmenszusammenschlusses im Wege eines öffentlichen Übernahmeverfahrens zunächst näher analysiert, insbesondere um abstrakte und subsumtionsfähige Merkmale und Kategorien der Einflussrechte herauszuarbeiten. Daraufhin werden die Interessen der Vertragsparteien an der Vereinbarung des BCA untersucht und die grundsätzliche Rechtsnatur eines BCA sowie die Folgen der Rechtsnatur für die Zielgesellschaft und die Einflussnahme durch den Bieter beleuchtet (sub 2. Teil). Als Zwischenergebnis wird sich die grundsätzliche Reichweite der Einflussnahme durch ein BCA für die weitere Bewertung nach deutschem Aktienrecht zeigen.
64 Zur mittelbaren Einflussnahme des Mehrheitsaktionärs über die §§ 101, 84 AktG vgl. Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Kommentar, § 17 Rn. 6; J. Vetter, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 17 Rn. 6. 65 Zur Vereinbarkeit von Vereinbarungen mit dem Bieter nach den §§ 33, 33a WpÜG mit unterschiedlichen Argumenten vgl. Banerjea, DB 2003, 1489, 1495 f.; Kiem, AG 2009, 301, 311; Seibt/Wunsch, Der Konzern 2009, 195, 199; einschränkend zu „Break-Up-Fee“-Klauseln Hopt, ZGR 2002, 333, 362 f.; a. A. wohl Hirte, in: KölnKomm-WpÜG, § 33 Rn. 59. 66 Zu „Board-Recommendation“-Klauseln vgl. allgemein Fleischer, ZHR 172 (2008), 538, 555 f.; Seibt/Wunsch, Der Konzern 2009, 195, 202 f. 67 Vgl. etwa Ziff. 3.2.2. Abs. 2 BCA-HVB/UniCredit; Abschn. II. 2. u. 6. BCA-W.E.T./ Amerigon; § 7 BCA-Demag/Terex.
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B. Die Vereinbarung des Unternehmenszusammenschlusses
Anschließend wird untersucht, welche Einflussrechte eines BCA auf Grenzen des allgemeinen Aktienorganisationsrechts stoßen (sub 3. Teil). Wenngleich die Einordnung der BCA als Beherrschungsvertrag nicht Gegenstand der Untersuchung ist, wird bei der Herausarbeitung des Regelungsgehalts der §§ 76 ff. AktG auch der Regelungsgehalt der §§ 291 ff. AktG zu berücksichtigen sein. Der historische Gesetzgeber hat im Zuge der Aktienrechtsreform von 196568 die §§ 291 ff. AktG insbesondere geschaffen, um Diskrepanzen zwischen einem praktischen Bedürfnis für vertragliche Konzernverbindungen und den Grenzen der – mit den §§ 76 ff. AktG weitgehend wesensgleichen – allgemeinen Organisationsverfassung vor 1965 für diese Verbindungen (vgl. §§ 70 ff. AktG 1937) zu lösen.69 Für die Untersuchung der Vereinbarkeit der vertraglichen Einflussrechte mit dem allgemeinen Aktienorganisationsrecht lassen daher auch die §§ 291 ff. AktG Rückschlüsse zu. Anhand der Ergebnisse der vorangegangenen Teile wird schließlich im 4. Teil der Arbeit die Wirksamkeit der Einflussrechte im Außenverhältnis zu beurteilen sein. Dabei wird einerseits herauszuarbeiten sein, welche Einflussrechte im Außenverhältnis wirksam vereinbart werden können und für welche Einflussrechte absolute Wirksamkeitsgrenzen i. S. der allgemeinen Schranken der §§ 134, 138 BGB bestehen. Andererseits sind die Verantwortlichkeiten der Beteiligten im Rahmen des Vertragsschlusses und der Vertragsdurchführung zu untersuchen. Die Arbeit schließt im 5. Teil mit einer Zusammenfassung der gewonnenen Erkenntnisse.
B. Die Vereinbarung des Unternehmenszusammenschlusses im Wege eines öffentlichen Übernahmeverfahrens durch ein BCA Zur weiteren Präzisierung des Untersuchungsgegenstandes werden im folgenden Abschnitt zunächst die zumeist als BCA bezeichneten Vertragswerke im dieser Arbeit zugrundeliegenden Anwendungsbeispiel der Vereinbarung eines Unternehmenszusammenschlusses im Wege eines öffentlichen Übernahmeverfahrens nach den §§ 29 ff. WpÜG dargestellt. In der Praxis werden die BCA in den konkreten Einzelfällen in zum Teil sehr unterschiedlichen Konstellationen – insbesondere in Bezug auf die Vertragsparteien und ihre Rechtsbeziehungen zueinander vor dem Zusammenschluss – abgeschlossen. Für die Behandlung der Problemfelder 68 Aktiengesetz vom 6. September 1965 (BGBl. I S. 1089). 69 Vgl. Begr. RegE., in: Kropff, AktG, S. 373 f., 377.
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B. Die Vereinbarung des Unternehmenszusammenschlusses
Anschließend wird untersucht, welche Einflussrechte eines BCA auf Grenzen des allgemeinen Aktienorganisationsrechts stoßen (sub 3. Teil). Wenngleich die Einordnung der BCA als Beherrschungsvertrag nicht Gegenstand der Untersuchung ist, wird bei der Herausarbeitung des Regelungsgehalts der §§ 76 ff. AktG auch der Regelungsgehalt der §§ 291 ff. AktG zu berücksichtigen sein. Der historische Gesetzgeber hat im Zuge der Aktienrechtsreform von 196568 die §§ 291 ff. AktG insbesondere geschaffen, um Diskrepanzen zwischen einem praktischen Bedürfnis für vertragliche Konzernverbindungen und den Grenzen der – mit den §§ 76 ff. AktG weitgehend wesensgleichen – allgemeinen Organisationsverfassung vor 1965 für diese Verbindungen (vgl. §§ 70 ff. AktG 1937) zu lösen.69 Für die Untersuchung der Vereinbarkeit der vertraglichen Einflussrechte mit dem allgemeinen Aktienorganisationsrecht lassen daher auch die §§ 291 ff. AktG Rückschlüsse zu. Anhand der Ergebnisse der vorangegangenen Teile wird schließlich im 4. Teil der Arbeit die Wirksamkeit der Einflussrechte im Außenverhältnis zu beurteilen sein. Dabei wird einerseits herauszuarbeiten sein, welche Einflussrechte im Außenverhältnis wirksam vereinbart werden können und für welche Einflussrechte absolute Wirksamkeitsgrenzen i. S. der allgemeinen Schranken der §§ 134, 138 BGB bestehen. Andererseits sind die Verantwortlichkeiten der Beteiligten im Rahmen des Vertragsschlusses und der Vertragsdurchführung zu untersuchen. Die Arbeit schließt im 5. Teil mit einer Zusammenfassung der gewonnenen Erkenntnisse.
B. Die Vereinbarung des Unternehmenszusammenschlusses im Wege eines öffentlichen Übernahmeverfahrens durch ein BCA Zur weiteren Präzisierung des Untersuchungsgegenstandes werden im folgenden Abschnitt zunächst die zumeist als BCA bezeichneten Vertragswerke im dieser Arbeit zugrundeliegenden Anwendungsbeispiel der Vereinbarung eines Unternehmenszusammenschlusses im Wege eines öffentlichen Übernahmeverfahrens nach den §§ 29 ff. WpÜG dargestellt. In der Praxis werden die BCA in den konkreten Einzelfällen in zum Teil sehr unterschiedlichen Konstellationen – insbesondere in Bezug auf die Vertragsparteien und ihre Rechtsbeziehungen zueinander vor dem Zusammenschluss – abgeschlossen. Für die Behandlung der Problemfelder 68 Aktiengesetz vom 6. September 1965 (BGBl. I S. 1089). 69 Vgl. Begr. RegE., in: Kropff, AktG, S. 373 f., 377.
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1. Teil: Einführung
dieser Arbeit ist es auch insofern ausreichend, auf ein vereinfachtes Anwendungsbeispiel abzustellen. Außerdem hat sich in der Praxis bislang noch kein standardisierter Vertragsinhalt herausgebildet.70 Vielmehr werden meist stark individuell ausgestaltete Vertragswerke vereinbart. Anhand der Vertragswerke der Praxis können daher – soweit sie veröffentlicht sind – auch hier nur ein typischer Vertragsinhalt und im Hinblick auf die Einflussrechte auf Geschäftsführungsmaßnahmen der Zielgesellschaft typische Vertragsklauseln herausgearbeitet und einer ersten Analyse unterzogen werden.
I. Grundlagen des Anwendungsbeispiels 1. Begriff des BCA Das deutsche Recht kennt den Vertragstypus eines BCA nicht und enthält folglich auch keine gesetzliche Definition. Als BCA können jedoch allgemein Vertragswerke bezeichnet werden, durch die zwei rechtlich selbstständige Rechtsträger den Zusammenschluss ihrer bislang voneinander unabhängig und mit jeweils selbstständigem Marktauftritt agierenden Unternehmen vereinbaren.71 Die Vertragsparteien wollen somit die Zusammenführung ihrer unternehmerischen Aktivitäten herbeiführen. Der wirtschaftliche Anlass für die Zusammenführung im Sinne des unternehmerischen Ziels kann dabei unterschiedlich sein: So kann er einerseits dazu dienen, konkrete Maßnahmen bzw. Projekte (z. B. ein Investitionsvorhaben) gemeinsam durchzuführen.72 Andererseits kommt aber auch die allgemeine strategische Entscheidung, die Aktivitäten und Stärken der beteiligten Unternehmen zur Sicherung der Konkurrenzfähigkeit gegenüber den übrigen Marktteilnehmern und zur Nutzung von Synergieeffekten zusammenzuführen, als Anlass für einen Zusammenschluss der Unternehmen in Betracht.73 Die Zusammenführung der Un70 So auch Decher, FS Hüffer, 2010, S. 145, 147. Ein erstes Vertragsmuster eines BCA im Zusammenhang mit einer Verschmelzung der Vertragsparteien findet sich jedoch bei Seibt, in: Seibt, Formularbuch M&A, L. II. 2. (S. 1525 ff.). 71 Vgl. erneut die Fn. 2 genannten Nachw. 72 So z. B. im Fall des mobilcom/France Télécom, bei dem der gemeinsame Erwerb einer UMTS-Lizenz der Anlass für den Abschluss der Zusammenschlussvereinbarung war; vgl. Präambel des CFA-mobilcom/France Télécom. 73 So z. B. im Fall HVB/UniCredit, bei dem der Zusammenschluss zu einem „weite ren Ausbau der führenden Position“ auf den Märkten der Vertragspartner führen sollte; vgl. Präambel des BCA-HVB/UniCredit. Ähnlich im Fall Wavelight/Alcon, bei dem die Bündelung des technologischen Know-Hows der einen Partei mit der weltweiten geschäftlichen Infrastruktur und der Finanzkraft der anderen Partei die Basis für ein fortgesetztes Wachstum auf dem gemeinsamen Markt bilden sollte;
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B. Die Vereinbarung des Unternehmenszusammenschlusses
ternehmen der Vertragsparteien zur Erreichung dieser Ziele steht bei einem BCA im Vordergrund.74 In diesem Punkt unterscheidet sich das BCA wesentlich von den im Übrigen durchaus ähnlichen sog. Investorenvereinbarungen (Investment Agreements)75. Bei einer Investorenvereinbarung steht der Erwerb einer Beteiligung an der am Vertrag beteiligten Gesellschaft durch einen Investor aus finanziellen oder strategischen Gründen und nicht die Zusammenführung der Unternehmen im Vordergrund.76 Die Übergänge zwischen einem BCA und einer Investorenvereinbarung sind gleichwohl fließend und die Abgrenzung mag im Einzelfall streitig sein.77 Es ist freilich nicht die Vertragsbezeichnung, sondern der ggf. durch Auslegung zu ermittelnde Vertragsinhalt und alle weiteren Umstände des Einzelfalls dafür ausschlaggebend, ob die Parteien nach dem Vertrag vor allem eine wie auch immer ausgestaltete Zusammenführung ihrer Unternehmen herbeiführen wollen. Nur in diesem Fall liegt jedoch ein BCA im hier verstandenen Sinne vor. 2. Die Vertragsparteien des BCA und ihre Beziehungen zueinander Bei den Vereinbarungen über Unternehmenszusammenschlüsse im Wege eines öffentlichen Übernahmeverfahrens nach den §§ 29 ff. WpÜG finden sich in der Praxis BCA in mit zum Teil sehr unterschiedlichen Konstellationen. So wird der Zusammenschluss häufig nicht nur zwischen dem Bieter und der Zielgesellschaft vereinbart. Insbesondere bei grenz überschreitenden Zusammenschlüssen wird vereinbart, dass nicht die ausländische (Mutter-)Gesellschaft, sondern eine ihrer deutschen Tochtergesellschaften als Bieter i. S. des § 2 Abs. 4 WpÜG auftritt. Vertragsparteien des BCA sind dann neben der Zielgesellschaft die ausländische Muttergesellschaft und als Bieter deren deutsche Tochtergesellschaft.78 vgl. Pkt. 8.1 der Angebotsunterlage-Wavelight/Alcon (S. 27). Vgl. ferner für den Fall R&R/MTB Pkt. 9.1 der Angebotsunterlage-R&R/MTB (S. 36 ff.). 74 Ähnlich Seibt, CFL 2011, 213, 221; im Ergebnis auch Seibt/Wunsch, Der Konzern 2009, 195, 196. 75 Zu sog. Investorenvereinbarungen vgl. Seibt/Wunsch, Der Konzern 2009, 195 ff.; Kiem, AG 2009, 301 ff.; Reichert/Ott, FS Goette, 2011, S. 397 ff.; Seibt, CFL 2011, 213, 221; ders., in: Kämmerer/Veil, Übernahme- und Kapitalmarktrecht, S. 105 ff. Ein Vertragsmuster mit Anmerkungen findet sich bei Seibt, in: Seibt, Formularbuch M&A, E. II. (S. 848 ff.). 76 Seibt/Wunsch, Der Konzern 2009, 195, 196; vgl. auch Dette, S. 45 f.; Schall, in: Kämmerer/Veil, Übernahme- und Kapitalmarktrecht, S. 75, 77; Seibt, in: Kämmerer/Veil, Übernahme- und Kapitalmarktrecht, S. 105, 108 f. 77 So nimmt Seibt (CFL 2011, 213, 221) z. B. im Fall Demag/Terex eine Investorenvereinbarung an. 78 So z. B. in den Fällen W.E.T./Amerigon und Demag/Terex; vgl. die jeweiligen Vertragstexte; ferner im Fall Derby-Cycle/Pon (vgl. Angebotsunterlage-Derby-Cycle/
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1. Teil: Einführung
Daneben kann im Einzelfall auch der Vertragsbeitritt eines maßgeblich beteiligten Aktionärs der Zielgesellschaft vorkommen,79 z. B. um diesen bereits im BCA zur Unterstützung des Zusammenschlusses zu verpflichten.80 Aus Vereinfachungsgründen wird im Folgenden jedoch davon ausgegangen, dass lediglich der Bieter und die Zielgesellschaft Vertragsparteien des BCA sind und folglich die vertraglichen Einflussrechte auch nur in diesem Verhältnis vereinbart werden. Auch die Rechtsbeziehungen zwischen den Vertragsparteien vor dem Zusammenschluss können unterschiedlich sein. So hat namentlich der Bieter in der Zielgesellschaft vor der Durchführung des Übernahmeverfahrens in einigen Fällen noch keine Aktionärsstellung, während er in anderen Fällen bereits eine kleinere Beteiligung an der Zielgesellschaft hält.81 Auch hier soll zur Vereinfachung im Folgenden davon ausgegangen werden, dass der Bieter bei Vertragsschluss keine Aktien der Ziel gesellschaft hält und damit auch noch kein faktisches Abhängigkeits verhältnis im konzernrechtlichen Sinne besteht. Erst im Rahmen des (erfolgreichen) Übernahmeverfahrens erwirbt der Bieter die Anteils- und Stimmenmehrheit an der Zielgesellschaft und wird somit (faktisch) herrschendes Unternehmen über das Unternehmen der Zielgesellschaft (vgl. § 17 Abs. 2 AktG). 3. Der Inhalt eines BCA Das zumeist in englischer Sprache verfasste BCA beginnt typischerweise82 mit einer Präambel, in der vor allem die gemeinsame Entscheidung des Zusammenschlusses der Unternehmen und die davon erhofften Ziele Pon, S. 16); wohl auch im Fall R&R/MTB (vgl. Angebotsunterlage-R&R/MTB, S. 26 f.). 79 So z. B. im Fall GPC/Agennix; vgl. hierzu die Vorbemerkung C des BCA-GPC/ Agennix. 80 Vgl. hierzu auch Seibt, in: Seibt, Formularbuch M&A, L. II. 2. Anm. 2 (S. 1547 f.); Banerjea, DB 2003, 1489, 1490; Seibt, in: Kämmerer/Veil, Übernahme- und Kapitalmarktrecht, S. 105, 120. 81 Dies kann auch mittelbar der Übersicht bei Seibt (CFL 2011, 213, 214) entnommen werden, wenngleich diese die Beteiligungshöhe im Zeitpunkt der Veröffentlichung der Angebotsunterlagen nach §§ 34, 14 Abs. 2 WpÜG angibt: Danach lag die Beteiligungsquote des Bieters einerseits im Fall W.E.T./Amerigon bei 0,0 % (ebda. Ziff. 13), andererseits im Fall Demag/Terex bei 1,0 % (ebda. Ziff. 6) und im Fall R&R/MTB bei 13,76 % (ebda. Ziff. 10). 82 Zum typischen Inhalt eines BCA vgl. auch Simon/Rubner, in: KölnKomm-UmwG, Vor §§ 122a ff. Rn. 130 f., 142 ff.; Dryander, in: Horn, Cross-Border Mergers, S. 132; Bouchon/Müller-Michaels, in: Hölters, Unternehmenskauf, Teil XI Rn. 72; Decher, FS Hüffer, 2010, S. 145, 147.
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B. Die Vereinbarung des Unternehmenszusammenschlusses
festgehalten werden.83 Im BCA werden sodann der gesellschaftsrechtliche Zusammenschluss durch Anteilserwerb des Bieters an der Zielgesellschaft im Rahmen eines öffentlichen Übernahmeangebotes vereinbart.84 Hiermit ist freilich nicht der Eingriff in die privatautonome Entscheidung der am BCA nicht beteiligten Aktionäre zur Annahme des Angebots im Sinne eines unzulässigen Vertragsdiktats85 gemeint. Die Vereinbarung ist inhaltlich lediglich auf eine Verpflichtung der Vertragsparteien gerichtet, den Zusammenschluss zu fördern und die notwendigen vorbereitenden Schritte für den Zusammenschluss durchzuführen.86 Dies beinhaltet insbesondere die Pflicht des Bieters zur Abgabe eines Übernahmeangebotes87 und die Pflicht der Zielgesellschaft das Angebot zu fördern und zu unterstützen.88 Neben den – noch zu erläuternden – Einflussrechten des Bieters werden insbesondere die Eckpunkte und Schritte zur organisatorischen und wirtschaftlichen Zusammenführung der Unternehmen (Integrationsmaßnahmen)89 sowie der Corporate Governance (z. B. künftige Besetzung der Verwaltungsorgane90) vereinbart. Ferner beinhaltet das BCA Regelungen zur Dauer und Beendigung des Vertrages, wobei zumeist Vertragslaufzeiten über den Zeitpunkt des Vollzuges des Übernahmeangebotes hinaus vereinbart werden.91 Schließlich enthält ein BCA bei grenzüberschreitenden Unternehmenszusammenschlüssen typischerweise eine Rechtswahlklausel i. S. des Art. 3 Abs. 1 Rom I-VO92. Nach dieser unterliegt das BCA regelmäßig 83 Vgl. die Präambeln der BCA-HVB/UniCredit, BCA-W.E.T./Amerigon und BCADemag/Terex. 84 Vgl. die Präambeln der BCA-HVB/UniCredit, BCA-W.E.T./Amerigon und BCADemag/Terex. 85 Allgemein hierzu statt aller Gottwald, in: MünchKomm-BGB, § 328 Rn. 255. 86 Im Ergebnis wie hier Horn, FS Buxbaum, 2000, S. 315, 332. 87 Vgl. Ziff. 3.2 BCA-HVB/UniCredit, Abschn. I. BCA-W.E.T./Amerigon. 88 So ausdrücklich in Abschn. II. BCA-W.E.T./Amerigon; vgl. auch Pkt. 6.8 Angebotsunterlage-R&R/MTB (S. 27). 89 Vgl. Ziff. 2, 6 BCA-HVB/UniCredit; Abschn. IV. BCA-W.E.T./Amerigon; § 1 ff. BCA-Demag/Terex; Pkt. 8.1 der Angebotsunterlage-Wavelight/Alcon (S. 27 f.). 90 Vgl. Ziff. 7.2 BCA-HVB/UniCredit; Abschn. III. 3. bis 4. BCA-W.E.T./Amerigon; § 6 BCA-Demag/Terex. 91 Vgl. Ziff. 10.2 BCA-HVB/UniCredit; Abschn. VI. 1. BCA-W.E.T./Amerigon; § 10.1 BCA-Demag/Terex. Anders nach Pkt. 8.2 (e) der Angebotsunterlage-Wavelight/Al con (S. 30), wonach das BCA mit Vollzug des Übernahmeangebots oder ggf. zum späteren Zeitpunkt der kartellrechtlichen Freigabe endete. 92 Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I) (ABl. Nr. L 177 S. 6, ber. 2009 Nr. L 309 S. 87).
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1. Teil: Einführung
dem Recht der Bundesrepublik Deutschland.93 Insbesondere die Wirksamkeit, Auslegung und Erfüllung des gesamten Vertrages richtet sich damit grundsätzlich nach deutschem Sachrecht (vgl. Art. 10 Abs. 1, 12 Abs. 1 lit. a) und b) Rom I-VO).94
II. Vertragsklauseln eines BCA mit unmittelbaren Einflussrechten auf Geschäftsführungsmaßnahmen der Zielgesellschaft Im folgenden Abschnitt werden anhand einiger praktischer Beispiele typische Vertragsklauseln eines BCA mit unmittelbaren Einflussrechten auf Geschäftsführungsmaßnahmen der Zielgesellschaft dargestellt und analysiert, um die abstrakten Abgrenzungsmerkmale der Klauseln herauszuarbeiten, an denen im weiteren Verlauf der Arbeit eine präzise organisationsrechtliche Einordnung erfolgen kann. 1. Beispiele für vertragliche Einflussrechte auf Geschäftsführungs maßnahmen der Zielgesellschaft Aufgrund der stark individuell geprägten Ausgestaltung der BCA finden sich in der Praxis zum Teil auch speziell für den konkreten Einzelfall gestaltete Klauseln mit Einflussrechten auf Geschäftsführungsmaßnahmen der Zielgesellschaft. In dieser Arbeit können nur exemplarisch einige typische Klauseln und ihre Merkmale für die grundsätzliche aktienrechtliche Bewertung herangezogen werden. Als Gemeinsamkeit der Klauseln ist zunächst festzustellen, dass Schuldner des Einflussrechts die Zielgesellschaft ist. Eine persönliche Verpflichtung der Vorstandsmitglieder gegenüber dem Bieter wird durch ein BCA nicht begründet. Dies ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass bei einem BCA typischerweise nur die Gesellschaft Vertragspartei ist und folglich nur diese durch den Vertrag verpflichtet wird.95 Zudem nennt der 93 Vgl. Ziff. 13.8 CFA-mobilcom/France Télécom; Ziff. 12.6 BCA-HVB/UniCredit; Abschn. IX. Ziff. 6. BCA-W. E. T./Amerigon; § 12.9 BCA-Demag/Terex. 94 Zur Auslegung englisch-sprachiger Verträge nach deutschem Recht vgl. Pischel, Rn. 11 ff.; Triebel, FS Bengel/Reimann, 2012, S. 359, 361 ff. 95 Als Fall einer persönlichen Verpflichtung eines Vorstandsmitgliedes wird das Co operation Framework Agreement (CFA) zwischen der mobilcom AG und France Télécom S. A. angesehen, in dessen Vertragsurkunde zugleich eine als „Sharehol ders Agreements“ bezeichnete Stimmbindungsvereinbarung zwischen der France Télécom und dem Großaktionär und gleichzeitigen Vorstandsvorsitzenden Gerhard Schmid der mobilcom enthalten war; vgl. OLG Schleswig, ZIP 2009 124 ff. – „MobilCom“; LG Flensburg, Der Konzern 2006, 303 ff. Nach dieser Stimmbindungsver-
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B. Die Vereinbarung des Unternehmenszusammenschlusses
Wortlaut der einzelnen Vertragsregelung häufig ausdrücklich die Gesellschaft als Verpflichtete.96 Eine Verpflichtung der Gesellschaft ergibt sich jedoch auch aus Vertragsregelungen, die nach ihrem Wortlaut auf den Vorstand der Zielgesellschaft abstellen.97 Eine Verpflichtung des Vorstandes als Organ kann in diesen Fällen nicht gemeint sein.98 Die Organe einer juristischen Person sind nicht rechtsfähig und können daher nicht Träger von Rechten und Pflichten sein.99 Vielmehr nehmen die Regelungen durch die Nennung des Vorstandes Bezug auf dessen Zuständigkeit für Geschäftsführungsmaßnahmen innerhalb der Gesellschaft und geben damit an, wer für die Durchführung der Maßnahme zuständig ist. a) Sog. Vorwegbindungen und Zustimmungsvorbehalte Am häufigsten finden sich in BCA Klauseln, durch die die Zielgesellschaft zur Durchführung oder zum Unterlassen zukünftiger Geschäftsführungsmaßnahmen verpflichtet wird. Über diese Verpflichtung ereinbarung sollten sich die Parteien nicht nur über Maßnahmen in Aktionärsan gelegenheiten, sondern auch über Maßnahmen im Zuständigkeitsbereich des Vorstandes abstimmen; vgl. z. B. Ziff. 4.4.7 des CFA. Insofern wurde in der Literatur z. T. eine persönliche Verpflichtung des Großaktionärs in seiner Stellung als Vorstandsmitglied und hierüber auch eine mittelbare Verpflichtung der Gesellschaft angenommen; vgl. hierzu Hirte/Schall, Der Konzern 2006, 243, 245 (dort Fn. 18); wohl auch mit Blick auf diesen Fall Silny, S. 44 ff.; Kienzle, S. 61 ff.; Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Kommentar, § 291 Rn. 24d f.; Schürnbrand, ZHR 169 (2005), 35, 47. Es mag bereits zweifelhaft sein, ob die Regelungen des CFA tatsächlich als persönliche Verpflichtung im Rahmen der Ausübung des Vorstandsamtes auszulegen sind. Angesichts des Vertragswortlauts, der an mehreren Stellen auf die Aktio närseigenschaft der Parteien Bezug nimmt (vgl. Ziff. 1.2.2, Abschn. 4 CFA), spricht vieles dafür, dass die Parteien eher eine Abstimmung ihrer faktischen Einflussmöglichkeit auf den Vorstand als Aktionäre – vergleichbar einem Acting in concert im kapitalmarkrechtlichen Sinne (§§ 22 Abs. 2 WpHG, 35 Abs. 2 WpÜG) – vereinbart haben; tendenziell auch OLG Schleswig, ZIP 2009 124, 127 – „MobilCom“. In jedem Fall handelt es sich bei dieser Konstellation nicht um eine typische Vertragskonstruktion eines BCA, sondern um einen Ausnahmefall, der zudem mangels unmittelbarer Verpflichtung der Gesellschaft nicht von der Themenstellung dieser Arbeit erfasst ist. 96 Vgl. z. B. Ziff. 3.2.5, 3.3.3, 3.9 Abs. 2, 6.5 Abs. 2 BCA-HVB/UniCredit; § 7a.1 BCA-Demag/Terex. 97 Vgl. z. B. Ziff. 3.2.2 BCA-HVB/UniCredit; Abschn. II. 7. BCA-W.E.T./Amerigon; § 7.1 BCA-Demag/Terex. 98 Weitergehend Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Kommentar, § 291 Rn. 24e, der selbst bei Vereinbarungen mit einem Aktionär und gleichzeitigen Organmitglied ohne unmittelbare Beteiligung der Gesellschaft einen Parteiwillen i. S. der §§ 133, 157 BGB für eine Vereinbarung mit der Gesellschaft annimmt. 99 Mertens/Cahn, in: KölnKomm-AktG, Vorb. § 76 Rn. 3; Flume, BGB AT I/2, § 11 V (S. 405); Beuthien/Gätsch, ZHR 157 (1993), 483, 487; Schall, in: Kämmerer/Veil, Übernahme- und Kapitalmarktrecht, S. 75, 89.
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1. Teil: Einführung
hält der Bieter einen Erfüllungs- oder Unterlassungsanspruch und kann hierüber entsprechend Einfluss auf das Verhalten der Zielgesellschaft nehmen. Derartige Einflussrechte werden unter den Stichwörtern der „schuldrechtlichen Vorweg-, Selbst- oder Dauerbindung“100 diskutiert. Dabei können zwar auch Verpflichtungen der Zielgesellschaft zur Durchführung einer konkret bestimmten Maßnahme, also zu einem positiven Tun, vereinbart werden.101 Weitaus häufiger kommen allerdings Klauseln mit Einflussrechten vor, nach denen sich die Zielgesellschaft – zeitlich regelmäßig bis zum Vollzug des Übernahmeverfahrens – zu einem Unterlassen von abstrakt bestimmten Geschäftsführungsmaßnahmen verpflichtet. Diese können als eine Pflicht zum generellen Unterlassen der Maßnahme102 oder auch als Zustimmungsvorbehalt103, also als eine Pflicht zum Unterlassen, sofern der Bieter nicht seine Zustimmung zur Durchführung der Maßnahme erteilt, ausgestaltet sein. Als typische Beispiele können dabei Verpflichtungen der Zielgesellschaft genannt werden, – nicht aktiv konkurrierende (Dritt-)Übernahmeangebote einzuwerben (sog. „No Shop“-Klausel104),105 – mit Personen, die beabsichtigen ein konkurrierendes Übernahmeangebot abzugeben, nicht in Verhandlungen zu treten106 bzw. diesen Personen keine Informationen in Bezug auf die Zielgesellschaft zur Verfügung zu stellen107 (sog. „No Talk“-Klausel108), – keine Kapitalerhöhungen oder ähnliche kapitalrelevante Maßnahmen durchzuführen, insbesondere ihr Grundkapital nicht zu erhöhen, wobei sich die Verpflichtung allgemein auf solche Maßnah100 Vgl. Kort, in: GroßKomm-AktG, § 76 Rn. 158; Hüffer, AktG § 76 Rn. 11; Mertens/ Cahn, in: KölnKomm-AktG, § 76 Rn. 47, 49; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG § 76 Rn. 75 ff.; ders., ZIP 2003, 1, 10 f.; ders., FS Schwark, 2009, S. 137, 149 ff. 101 Als Beispiel kann auf die – hier ausgeklammerten – „Board-Recommendati on“-Klauseln verwiesen werden; vgl. oben unter 1. Teil, A. II. 1. 102 So z. B. nach § 7a.1 BCA-Demag/Terex. 103 So z. B. nach Ziff. 3.9. BCA-HVB/UniCredit; Abschn. II. 7. BCA-W.E.T./Amerigon. 104 Zu „No Shop-Klauseln vgl. allgemein Banerjea, DB 2003, 1489, 1490; Fleischer, ZHR 172 (2008), 538, 556; Seibt/Wunsch, Der Konzern 2009, 195, 203. 105 Vgl. Ziff. 3.2.2. Abs. 3 BCA-HVB/UniCredit; § 7a.1 Satz 2 lit. i BCA-Demag/Te rex; nach den Angaben der Angebotsunterlagen so auch im Fall Wavelight/Alcon; vgl. Pkt. 8.2 (c) (1) der Angebotsunterlage-Wavelight/Alcon (S. 29). 106 So wohl nach den Angaben der Angebotsunterlagen im Fall Wavelight/Alcon; vgl. Pkt. 8.2 (c) (1) der Angebotsunterlage-Wavelight/Alcon (S. 29). 107 Vgl. § 7a.1 Satz 2 lit. ii BCA-Demag/Terex. 108 Zu „No Talk“-Klauseln vgl. allgemein Banerjea, DB 2003, 1489, 1490; Fleischer, ZHR 172 (2008), 538, 556; Seibt/Wunsch, Der Konzern 2009, 195, 203.
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B. Die Vereinbarung des Unternehmenszusammenschlusses
men109 oder nur auf bestimmte Maßnahmen (z. B. Ausnutzung von genehmigtem Kapital, Emittierung von Anleihen mit Aktienbezugsrecht oder Veräußerung bzw. Erwerb von eigenen Aktien)110 beziehen kann,111 – keine ihrer Vermögensbestandteile ab einer bestimmten Höhe zu verkaufen, zu übertragen112 oder zu belasten bzw. Vermögensgegenstände in dieser Höhe zu kaufen oder zu erwerben einschließlich einer Übertragung oder eines Erwerbs durch Verschmelzung113 oder andere Maßnahmen nach dem Umwandlungsgesetz,114 – keine Kooperationen mit Dritten außerhalb des gewöhnlichen Geschäftsablaufs einzugehen115 oder – keine außergewöhnlichen Geschäftsführungsmaßnahmen vorzunehmen.116 Betrachtet man die Gegenstände der genannten Einflussrechte, so beziehen sich die Klauseln zum großen Teil auf den Geschäftsführungsbereich i. S. des § 77 Abs. 1 Satz 1 AktG, also auf tatsächliche oder rechtsge-
109 Vgl. § 7a.1 Satz 2 lit. iii BCA-Demag/Terex. 110 Vgl. Abschn. II. 7. BCA-W.E.T./Amerigon; ähnliche Verpflichtungen – jedoch mit einigen Ausnahmen – auch in Ziff. 3.2.5. und 3.9 Abs. 2 Unterpkt. 1 und 4 BCAHVB/UniCredit; ferner Ziff. 2.1.2. Satz 2 BCA-GPC/Agennix nach den Angaben der Angebotsunterlagen wohl auch in den Fällen Wavelight/Alcon (vgl. Pkt. 8.2 (c) (3) der Angebotsunterlage-Wavelight/Alcon (S. 30)) und R&R/MTB (vgl. Pkt. 7.1 Angebotsunterlage-R&R/MTB (S. 31)). 111 Zu solchen Verzichtsklauseln vgl. auch Fleischer, FS Schwark, 2009, S. 137, 152. 112 Vgl. Ziff. 3.9 Abs. 2 Unterpkt. 5 BCA-HVB/UniCredit und Ziff. 2.1.2. Satz 2 BCAGPC/Agennix, wonach „wesentliche“ Vermögensbestandteile nicht veräußert oder abgegeben werden dürfen. 113 Vgl. Ziff. 2.1.2. Satz 2 BCA-GPC/Agennix; im Ergebnis – wenngleich mit Einschränkungen – auch Ziff. 3.9 Abs. 2 Unterpkt. 3 BCA-HVB/UniCredit, wobei sich die Verpflichtung keinen Verschmelzungsvertrag zu vereinbaren sowohl auf den Abschluss als auch auf die Fassung eines Zustimmungsbeschlusses der Hauptversammlung bezieht. 114 Vgl. § 7a.1 Satz 2 lit. iv BCA-Demag/Terex; ähnliche Klausel wohl nach den Angaben der Angebotsunterlagen auch im Fall Wavelight/Alcon; vgl. Pkt. 8.2 (c) (1) der Angebotsunterlage-Wavelight/Alcon (S. 29). 115 Vgl. § 7a.1 Satz 2 lit. v BCA-Demag/Terex; ähnlich auch die Verpflichtung, keine Unternehmensverträge abzuschließen, nach Ziff. 3.9 Abs. 2 Unterpkt. 3 BCAHVB/UniCredit und Ziff. 2.1.2. Satz 2 BCA-GPC/Agennix. 116 Vgl. § 7a.1 Satz 2 lit. vi BCA-Demag/Terex. Auch im Fall AquaOrbis/UFT vereinbarten die Parteien im BCA bis zu ihrer Verschmelzung einen – gleichwohl gegenseitigen – Zustimmungsvorbehalt für außergewöhnliche Geschäftsführungsmaßnahmen; vgl. § 3 Abs. 2 Satz 2 BCA-AquaOrbis/UFT. So auch in § 6.2 des Musters von Seibt, in: Seibt, Formularbuch M&A, L. II. 2. (S. 1532).
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1. Teil: Einführung
schäftliche Maßnahmen für die Gesellschaft.117 Für diese hat der Vorstand mangels einer speziellen Zuweisung zu einem anderen Organ118 im Rahmen seiner allgemeinen Geschäftsführungsbefugnis119 die Kompetenz, für die Zielgesellschaft den Willen über die Maßnahme zu bilden und diese durchzuführen.120 Dies gilt insbesondere auch für die Ausnutzung von bestehendem genehmigten Kapital nach den §§ 202 ff. AktG.121 Hiervon zu unterscheiden sind jedoch Einflussrechte, nach denen die Gesellschaft z. B. keine Kapitalmaßnahmen einschließlich der Ausgabe von Aktienoptionen oder Vermögensübertragungen durch Verschmelzung durchführen darf. Diese Klauseln beziehen sich auf Maßnahmen, bei denen die Entscheidungskompetenz über ihre Durchführung bei der Hauptversammlung liegt (vgl. §§ 119 Abs. 1 Nr. 6, 221 Abs. 1 Satz 1 AktG, 13 Abs. 1 Satz 1 UmwG). Der selbstständige Geschäftsführungsbereich des Vorstandes ist in diesen Fällen nur betroffen, solange die Hauptversammlung über diese Maßnahmen keine Entscheidung trifft und den Vorstand gemäß § 83 AktG zur Vorbereitung bzw. Durchführung der Maßnahme verpflichtet.122 Solange keine solche Verpflichtung gegeben ist, hat der Vorstand im Rahmen der Geschäftsführung nach pflichtgemäßem Ermessen darüber zu entscheiden, ob er die Maßnahme der Hauptversammlung zur Entscheidung vorschlägt.123 Die Klauseln werden daher für die hier interessierende Fragestellung nur daraufhin untersucht, ob eine vertragliche Einflussnahme auf die selbstständige Geschäftsfüh117 Zum Begriff der Geschäftsführung vgl. Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, AktG, § 77 Rn. 2; Hüffer, AktG, § 77 Rn. 3; Mertens/Cahn, in: KölnKomm-AktG, § 77 Rn. 2. 118 So weist das Gesetz etwa für einige Maßnahmen ausnahmsweise dem Aufsichtsrat die Geschäftsführungskompetenz zu (z. B. §§ 84 Abs. 1 Satz 1, 89 Abs. 1 Satz 1, 161 Abs. 1 Satz 1 AktG); vgl. hierzu Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, AktG, § 111 Rn. 20; Hambloch-Gesinn/Gesinn, in: Hölters, AktG, § 111 Rn. 71; Haber sack, MünchKomm-AktG, § 111 Rn. 99. 119 Zur allgemeinen Geschäftsführungskompetenz des Vorstandes vgl. Hüffer, AktG, § 77 Rn. 5; Mertens/Cahn, in: KölnKomm-AktG, § 77 Rn. 7; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 77 Rn. 4. 120 Im Ergebnis auch Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, AktG, § 77 Rn. 2; Mertens/ Cahn, in: KölnKomm-AktG, § 77 Rn. 4. 121 Zur Ausnutzung des genehmigten Kapitals als Geschäftsführungsmaßnahme i. S. des § 77 AktG vgl. LG München I, NZG 2012, 1152, 1153 – „WET“; Marsch-Bar ner, in: Bürgers/Körber, AktG, § 202 Rn. 15; Hüffer, AktG, § 202 Rn. 20; Veil, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 202 Rn. 21; Bungert/Wansleben, ZIP 2013, 1841, 1842 f. 122 Zu § 83 AktG vgl. Habersack, in: Großkomm-AktG, § 83 Rn. 1; Hüffer, AktG, § 77 Rn. 2 f., 5; Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 83 Rn. 1 f. 123 Eingehend hierzu Servatius, S. 274 ff.; zur Kapitalerhöhung ders., in: Spindler/ Stilz, AktG, § 182 Rn. 7.
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B. Die Vereinbarung des Unternehmenszusammenschlusses
rungsentscheidung des Vorstandes über den Vorschlag zu einer Maßnahme gegenüber der Hauptversammlung aktienrechtlich wirksam ist.124 Die Wirksamkeit einer vertraglichen Einflussnahme auf die Entscheidung der Hauptversammlung selbst, wird – entsprechend der Eingrenzung der Untersuchung – nicht untersucht.125 b) Bildung eines gemeinsamen Gremiums Ein weiteres in der Regelungstechnik von den bisher genannten Klauseln zu unterscheidendes vertragliches Einflussrecht des Bieters stellt die Regelung in einem BCA dar, nach dem durch die Vertragsparteien ein gemeinsames Gremium zu bilden ist, das über Geschäftsführungsmaßnahmen der Zielgesellschaft berät und entscheidet. Die Aufgabe kann dabei dem Gremium je nach Vereinbarungen für unterschiedliche Zeiträume zukommen. So kann das Gremium z. B. bis zum Vollzug des Übernahmeverfahrens126 oder auch für die Zeit nach dem Vollzug127 eingerichtet werden. Die Bezeichnungen der gemeinsamen Gremien variieren. So werden diese etwa als Operating Committee128, als Coordination-Committee of the Parties129 oder als Integrationsausschuss130 bezeichnet. Bei Einrichtung eines solchen Gremiums durch das BCA verpflichtet sich die Zielgesellschaft, bestimmte ihrer Geschäftsführungsmaßnahmen entsprechend den Entscheidungen des Gremiums durchzuführen und damit dem Bieter über seine Beteiligung an den Entscheidungen des Gremiums Einfluss auf die Durchführung dieser Geschäftsführungsmaßnahmen zu geben. Das Gremium kann dabei z. B. über die bereits im Rahmen der Klauseln mit sog. Vorwegbindungen und Zustimmungsvorbehalten genannten Maßnahmen131 entscheidungsbefugt sein. Darüber hinaus kommt aber insbesondere für die Zeit nach dem Vollzug des 124 So wohl das Verständnis von Fleischer, FS Schwark, 2009, S. 137, 152. 125 Vgl. hierzu oben 1. Teil. A. II. 126 Ähnlich nach § 4.2 Satz 3 – Einrichtung bis zur Eintragung der Verschmelzung – der Ergänzung des Musters bei Seibt, in: Seibt, Formularbuch M&A, L. II. 2. Anm. 11 (S. 1551). 127 So etwa im Fall Wavelight/Alcon; vgl. Angebotsunterlage-Wavelight/Alcon, Ziff. 8.2 (a) (S. 27); vgl. auch Seibt, in: Seibt, Formularbuch M&A, L. II. 2. Anm. 11 (S. 1551). 128 So etwa im Fall Wavelight/Alcon; vgl. Angebotsunterlage-Wavelight/Alcon, Ziff. 8.2 (a) (S. 27). 129 So etwa im Fall mobilcom/France Télécom; vgl. Ziff. 4.3 CFA-mobilcom/Fran ce Télécom. Zu den Besonderheiten dieses Vertrages vgl. oben Fn. 95. 130 So etwa im Muster bei Seibt, in: Seibt, Formularbuch M&A, L. II. 2. Anm. 11 (S. 1551). 131 Vgl. unter 1. Teil, B. II. 1. a).
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1. Teil: Einführung
Übernahmeverfahrens auch eine Entscheidungsbefugnis des Gremiums über Maßnahmen zur Integration der Unternehmen des Bieters und der Zielgesellschaft in Betracht.132 Geschäftsführungsmaßnahmen der Zielgesellschaft sind dabei etwa dann betroffen, wenn das Gremium eine Strategie für bestimmte Unternehmensbereiche der Zielgesellschaft entwickeln und dabei auch Planungsentscheidungen für diesen Unternehmensbereich wie z. B. die Budget- und Personalplanung oder die Festlegung der Prioritäten in der Produktentwicklung und der weltweiten Geschäftstätigkeit treffen soll.133 Die Regeln über die Besetzung des Gremiums können unterschiedlich ausgestaltet sein. So kann das Gremium z. B. paritätisch mit Vertretern beider Vertragsparteien134 oder mehrheitlich mit Vertretern des Bieters besetzt sein.135 Hiervon abhängig sind auch die Regeln über die Willensbildung zu den genannten Maßnahmen. Es ist danach zu unterscheiden, ob Entscheidungen auch ohne Zustimmung der Vertreter der Zielgesellschaft getroffen werden können136 (z. B. Vereinbarung von Mehrheitsentscheidungen bei mehrheitlicher Besetzung mit Vertretern des Bieters) oder ob eine Zustimmung der Vertreter der Zielgesellschaft (z. B. wegen Vereinbarung eines Einstimmigkeitsprinzips) stets erforderlich137 ist.
132 So im Fall Wavelight/Alcon, vgl. Angebotsunterlage-Wavelight/Alcon, Ziff. 8.2 (a) (S. 27); vgl. auch Seibt, in: Seibt, Formularbuch M&A, L. II. 2. Anm. 11 (S. 1551). 133 So im Fall Wavelight/Alcon, vgl. Angebotsunterlage-Wavelight/Alcon, Ziff. 8.2 (a) (S. 27 f.). 134 So nach § 4.2 Satz 2 der Ergänzung des Musters von Seibt, in: Seibt, Formularbuch M&A, L. II. 2. Anm. 11 (S. 1551). 135 So nach den Angaben des LG Nürnberg-Fürth (AG 2010, 179, 180) im Fall Wave light/Alcon. 136 So die Auslegung des LG Nürnberg-Fürth (AG 2010, 179, 180) im Fall Wavelight/ Alcon. Danach war das sog. Operating Committee mit zwei Vertretern von Alcon und einem Vertreter von Wavelight besetzt. Bei den Entscheidungen sollte es den Vertretern von Alcon möglich sein, den Vertreter von Wavelight zu überstimmen. Diese Auslegung des LG Nürnberg-Fürth wird durch die Informationen der Angebotsunterlage-Wavelight/Alcon gleichwohl nicht eindeutig bestätigt. Nach Ziff. 9.1 ist der Vertreter von Wavelight das maßgebliche Mitglied des Operating Commit tee (vgl. S. 31). Das kann auch bedeuten, dass eine Entscheidung gegen den Willen des Vertreters von Wavelight nach dem BCA nicht möglich ist. Mangels einer Veröffentlichung des Vertragstextes kann der Vertragsinhalt nicht abschließend geklärt werden. Dieser Arbeit wird dennoch das Verständnis des LG Nürnberg-Fürth zu Grunde gelegt. 137 So etwa die grds. Regelung im Fall mobilcom/France Télécom; vgl. Ziff. 4.3.3 Satz 2 CFA-mobilcom/France Télécom. Im Ergebnis auch nach §§ 4.2 Satz 2, 4.4 Satz 1 der Ergänzung des Musters von Seibt, in: Seibt, Formularbuch M&A, L. II. 2. Anm. 11 (S. 1551): paritätisch besetztes Gremium mit Mehrheitsentscheidung.
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B. Die Vereinbarung des Unternehmenszusammenschlusses
2. Abgrenzung der vertraglichen Einflussrechte nach der Einfluss intensität Die genannten Einflussrechte in einem BCA können danach voneinander abgegrenzt werden, mit welcher Intensität sie dem Bieter nach ihrer rechtstechnischen Konstruktion Einfluss auf die Geschäftsmaßnahmen der Zielgesellschaft gewähren sollen. Als in der Intensität stärkstes denkbares Mittel zur unmittelbaren Einflussnahme kann ein Weisungsrecht des Bieters im allgemeinen zivilrechtlichen Sinne (vgl. etwa § 665 Satz 1 BGB) angesehen werden, nach dem der Bieter für im Vertrag abstrakt umschriebene Geschäftsführungsmaßnahmen durch eine einseitige Erklärung eine Verpflichtung der Zielgesellschaft zur Vornahme oder zum Unterlassen einer konkreten Maßnahme begründen und damit Einfluss nehmen kann.138 Zwar ist die ausdrückliche Vereinbarung eines Weisungsrechts in einem BCA in der Praxis soweit ersichtlich noch nicht bekannt geworden. Ein in der Einflussintensität der Vereinbarung eines Weisungsrechts aber sehr nahkommendes Einflussrecht stellt die Regelung in einem BCA dar, nach der ein mehrheitlich mit Vertretern des Bieters besetztes Gremium zu bilden ist, dass über im BCA zumeist nur sehr abstrakt bestimmte Maßnahmen der Zielgesellschaft (z. B. Integrations- und Planungsmaßnahmen) berät und durch Beschluss mit einfacher Mehrheit entscheidet.139 Anders als bei einem Weisungsrecht im engeren Sinne hat die Zielgesellschaft hierbei zwar die Möglichkeit, auf die Entscheidungen des Gremiums und damit auf die Einflussnahme des Bieters im Rahmen der Beratungen in dem Gremium, z. B. durch das Vorbringen von Argumenten, ihrerseits mittelbaren Einfluss zu nehmen. Auch verbleibt ihr die Möglichkeit, eigene Beschlussvorschläge in das Gremium einzubringen.140 Die Entscheidung selbst kann der Bieter jedoch durch seine Vertreter auch gegen den Willen der Zielgesellschaft treffen und damit – ähnlich wie bei einem Weisungsrecht – die Verpflichtung der Zielgesellschaft zur Vornahme oder zum Unterlassen einer konkreten Maßnahme einseitig begründen. Dem Stimmrecht der Zielgesellschaft in dem Gremium 138 Ähnlich zur Abgrenzung von Zustimmungsvorbehalten – unter Betonung des Initiativrechts des anderen Teils – auch Dette, S. 92. Zum auftragsrechtlichen Weisungsbegriff vgl. D. Fischer, in: Bamberger/Roth, BGB, § 665 Rn. 4; Seiler, in: MünchKomm-BGB, § 665 Rn. 3. 139 So wohl im Fall Wavelight/Alcon; vgl. LG Nürnberg-Fürth, AG 2010, 179, 180. 140 Ein jeweiliges Recht beider Vertragsparteien zur Einberufung von Sitzungen des Gremiums sowie zum Vorschlag von Beschlussgegenständen dürfte sich auch ohne ausdrückliche Regelung im BCA aus der Natur der Sache ergeben. Eine entgegenstehende Regelung in den BCA der Praxis ist jedenfalls nicht ersichtlich.
25
1. Teil: Einführung
kommt keine tatsächliche Bedeutung zu, insbesondere nicht im Sinne einer Verhinderungsmöglichkeit einer durch den Bieter initiierten Entscheidung. Auch wenn es zu einer Einflussnahme des Bieters formell jeweils der Herbeiführung eines Beschlusses des Gremiums bedarf, entspricht hier das Einflussrecht des Bieters über das Gremium jedoch in der Intensität funktionell einem Weisungsrecht. Derartige Einflussrechte werden daher im Folgenden als Einflussrechte mit einseitigem Bestim mungsrecht bezeichnet. Anders ist die Intensität der Einflussrechte zu beurteilen, wenn z. B. ein zu bildendes Gremium seine Entscheidungen einstimmig trifft oder Entscheidungen zwar mit Mehrheit getroffen werden, das Gremium aber paritätisch durch Vertreter beider Vertragsparteien besetzt wird.141 In diesen Fällen kann der Bieter keine Geschäftsführungsmaßnahmen der Zielgesellschaft einseitig bestimmen. Er kann zwar die Initiative zu einer Geschäftsführungsmaßnahme ergreifen und dem Gremium Vorschläge unterbreiten. Für die Entscheidung über seine Initiative ist er jedoch auf die Zustimmung der Zielgesellschaft angewiesen.142 Umgekehrt ist jedoch auch die Zielgesellschaft für ihre Initiativen auf die Zustimmung des Bieters angewiesen.143 Dieser kann insofern lediglich über ein Vetorecht auf die Geschäftsführungsmaßnahme der Zielgesellschaft Einfluss nehmen. Diese Vertragskonstruktionen sind in ihrer Einflussintensität gegenüber Einflussrechten mit einseitigem Bestimmungsrecht schwächer144 und werden im Folgenden als Einflussrechte mit einem Mitent scheidungs- und Vetorecht bezeichnet. Schließlich ist die Intensität wiederum als schwächer zu betrachten, wenn sich die Zielgesellschaft durch eine Vereinbarung eines Zustimmungsvorbehalts oder einer sog. Vorwegbindung zur Durchführung oder zum Unterlassen einer im Vertrag festgelegten Geschäftsführungsmaßnahme verpflichtet. Während der Bieter bei den zuvor genannten Einfluss rechten auf die bei Vertragsschluss des BCA noch nicht absehbare Konkretisierung einer im Vertrag nur abstrakt umschriebenen Maßnahme 141 So etwa nach §§ 4.2 Satz 2, 4.4 Satz 1 der Ergänzung des Musters von Seibt, in: Seibt, Formularbuch M&A, L. II. 2. Anm. 11 (S. 1551). 142 Im Zusammenhang mit Zustimmungsvorbehalten auch Ederle, S. 107; im Ergebnis auch Dette, S. 92. 143 Vgl. Ederle, S. 107. 144 Im Ergebnis auch Ederle, S. 107 f.; Dette, S. 92; wohl auch Koppensteiner, in: KölnKomm-AktG, § 308 Rn. 23; kritisch bei Vetorechten, die sich gegenständlich auf eine große Bandbreite von Geschäftsführungsmaßnahmen beziehen Kienzle, S. 58 ff.; Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Kommentar, § 291 Rn. 24; Schürn brand, ZHR 169 (2005), 35, 44 f.
26
B. Die Vereinbarung des Unternehmenszusammenschlusses
auch später noch Einfluss nehmen kann, wird hierbei die Maßnahme bereits im Vertrag festgelegt (z. B. Unterlassen von Kapitalmaßnahmen innerhalb eines bestimmten Zeitraums). Sofern der Bieter hier seine Zustimmung nicht erteilt bzw. nicht in eine Vertragsänderung einwilligt, ist die Zielgesellschaft zum Unterlassen bzw. zur Durchführung der Maßnahme verpflichtet.145 Insofern erhält er auch hier eine Vetoposition, hat jedoch kein Initiativrecht. Eine Unsicherheit über die Reichweite der Einflussnahme besteht dabei für die Zielgesellschaft insoweit nicht. Auch kann sie die Verpflichtung zur Durchführung oder zum Unterlassen dieser Maßnahme schlicht durch Verweigerung der Zustimmung zum Vertragsschluss des BCA verhindern.146 Dennoch wird sie auch hier bereits zu einem Zeitpunkt verpflichtet, zu dem sich noch nicht absehen lässt, ob die Maßnahme im Zeitpunkt der Durchführung oder des Unterlassens im Gesellschaftsinteresse ist.147 Diese Klauseln werden im Folgenden als Vorwegbindungen bezeichnet. 3. Zwischenergebnis Die Analyse der praktischen Beispiele typischer Vertragsklauseln eines BCA mit unmittelbaren Einflussrechten auf Geschäftsführungsmaßnahmen der Zielgesellschaft hat gezeigt, dass diese nach Merkmal der Einflussintensität abstrakt voneinander abzugrenzen sind. Dabei sind aufgrund der unterschiedlichen Intensität der Einflussnahme die folgenden Kategorien zu unterscheiden: – Einflussrechte mit einseitigem Bestimmungsrecht, – Einflussrechte mit einem Mitentscheidungs- und Vetorecht sowie – Vorwegbindungen.
145 So auch Dette, S. 92; vgl. auch Bungert/Wansleben, ZIP 2013, 1841, 1844. 146 Ähnlich zur Unterscheidung der zwischen der konkreten Verpflichtung aus der Vertragserklärung selbst und der Weisung beim Auftrag auch Seiler, in: MünchKomm-BGB, § 665 Rn. 9. 147 Die zeitlich Dimension solcher sog. Vorwegbindungen betonen auch Lutter, FS Fleck, 1988, S. 169, 184; Fleischer, ZIP 2003, 1, 10.
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1. Teil: Einführung
Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über die Verbreitung dieser Kategorien von Einflussrechten in den veröffentlichten und für diese Arbeit relevanten BCA aus der Praxis: Einflussrechte mit einseitigem Bestimmungs recht
Einflussrechte Vorweg bindungen mit einem Mitentschei dungs- und Vetorecht
CFA-mobilcom/ France Télécom*
_
Ziff. 4.3, 4.4
_
BCA-HVB/UniCredit
_
_
Ziff. 3.2.2., 3.2.5., 3.3.3., 3.9.
BCA-GPC/Agennix
_
_
Ziff. 2.1.2 Satz 2
BCA-W.E.T./Amerigon _
_
Abschn. II. 2., 6., 7.
BCA-AquaOrbis/UFT
_
_
§ 3 Abs. 2 Satz 2
BCA-Demag/Terex
_
_
§§ 7.1, 7a.1 Satz 2, 7a.2
BCA-Wavelight/ Alcon**
_
BCA-R&R/MTB**
_
_
* Zu den Besonderheiten dieses Vertrages vgl. oben Fn. 95. ** Mangels Veröffentlichung der Vertragswerke kann hier lediglich auf die Angaben in den Angebotsunterlagen gemäß § 11 Abs. 1 Satz WpÜG zurückgegriffen werden. Eine Angabe der konkreten Vertragsklausel kann daher nicht erfolgen.
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2. Teil: Interessenlage und Rechtsnatur eines BCA Im Folgenden werden die Interessen der Vertragsparteien an der Vereinbarung des BCA untersucht und seine eng hiermit verbundene grundsätzliche Rechtsnatur sowie die Folgen der Rechtsnatur für die Zielgesellschaft und die Einflussnahme durch den Bieter beleuchtet. Sofern im Folgenden auf ein Gesellschafts- oder Unternehmensinteresse der Vertragsparteien verwiesen wird, soll damit nicht der Anerkennung eines Eigeninteresses der Zielgesellschaft oder des Bieters als juristische Personen das Wort geredet werden.148 Die Begriffsverwendung ist lediglich beschreibender Natur;149 dabei werden die Begriffe Gesellschaftsund Unternehmensinteresse trotz der in Ausnahmen möglichen Unterschiede150 zur Vereinfachung synonym verwendet.
A. Interessenlage Für den Unternehmenszusammenschluss durch ein öffentliches Übernahmeangebot sind rechtsgeschäftliche Vereinbarungen zwischen dem Bieter und der Zielgesellschaft wie etwa ein BCA nicht zwingend erfor148 Zum fehlenden Eigeninteresse i. e. S. der juristischen Person vgl. sogleich unter 3. Teil, B. III. 1. a). 149 Das Gesellschaftsinteresse ist lediglich eine gedankliche Hilfsgröße; vgl. hierzu sogleich unter 3. Teil, B. III. 1. a). Auch das Unternehmen kann lediglich Gegen stand von verschiedenen Interessen (z. B. der Aktionäre, Arbeitnehmer und der Öffentlichkeit) sein; zutreffend Zöllner, S. 70 ff.; Chr. Weber, S. 210. Das sog. Unternehmensinteresse ist nach allg. M. gleichsam lediglich eine Hilfsgröße bzw. Handlungsmaxime der Verwaltungsmitglieder, die im Wege praktischer Kon kordanz aus den verschiedenen zusammentreffenden Interessen an dem Unternehmen abgeleitet wird; vgl. Hopt, ZGR 1993, 534, 536. Die nähere inhaltliche Bestimmung dieses Interesses als Maßstab für das Ermessen der Verwaltungsmitglieder ist gleichwohl umstritten: Für einen interessenpluralen Ansatz ohne Voranstellung einer Interessengruppe (sog. „Stakeholder-Value“-Ansatz) vgl. Olt manns, in: Heidel, Aktienrecht, § 76 AktG Rn. 8; im Grundsatz auch Bürgers/ Israel, in: Bürgers/Körber, AktG, § 76 Rn. 13 ff.; Hüffer, AktG, § 76 Rn. 12 ff.; Mertens/Cahn, in: KölnKomm-AktG, § 76 Rn. 15 ff. Nach der Gegenansicht ist den Interessen der Aktionäre ein mehr oder minder starker Vorrang zu geben (sog. „Shareholder-Value“-Ansatz); vgl. M. Weber, in: Hölters, AktG, § 76 Rn. 19 ff.; Spindler, in: MünchKomm-AktG, § 76 Rn. 79 ff.; Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 76 Rn. 12; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 76 Rn. 36 ff. Vgl. auch Ziff. 4.1.1. DCGK i. d. F. vom 13. 5. 2013, der das Unternehmensinteresse i. S. des „Stakeholder-Value“-Ansatzes versteht. 150 Vgl. Zöllner, S. 20 f., 73 f.
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2. Teil: Interessenlage und Rechtsnatur eines BCA
derlich.151 Dennoch bestehen aus der Sicht des Bieters und der Zielgesellschaft verschiedene Gründe dafür, den Unternehmenszusammenschluss in einer rechtsgeschäftlichen Vereinbarung festzulegen und dabei auch vertragliche Einflussrechte auf Maßnahmen der Zielgesellschaft zu Gunsten des Bieters zu vereinbaren.
I. Interessen des Bieters Zunächst hat der Bieter an der Vereinbarung eines BCA ein Interesse, um in einem gewissen Rahmen eine rechtliche Bindung der Zielgesellschaft und damit Rechtssicherheit für den Unternehmenszusammenschluss zu schaffen. Dies kann im besonderen Maße für einen grenzüberschreitenden Zusammenschluss gelten. Trotz der Harmonisierung der gesetzlichen Regelungen innerhalb der EU – namentlich auch der Regelungen für öffentliche Übernahmeverfahren152 – stellen grenzüberschreitende Unternehmenszusammenschlüsse insbesondere unter Beteiligung von Bietern aus Nicht-EU-Ländern nach wie vor eine besondere Herausforderung dar, bei denen sich aufgrund der Berührung von verschiedenen Rechtsordnungen die Rechtsfragen vervielfachen.153 Ist der Bieter mit der deutschen Rechtsordnung nicht vertraut, kann für ihn im besonderen Maße ein Interesse daran bestehen, frühzeitig den Ablauf und die einzelnen Schritte des Unternehmenszusammenschlusses vertraglich festzulegen.154 Aber auch bei einem Zusammenschluss unter ausschließlicher Beteiligung von inländischen Rechtsträgern hat der Bieter aus verschiedenen Gründen ein Interesse an einer rechtlichen Bindung der Zielgesellschaft durch das BCA.
151 Seibt, in: Seibt, Formularbuch M&A, L. II. 2. Anm. 1 (S. 1544); Decher, FS Hüffer, 2010, S. 145, 148; zur insofern vergleichbaren Investorenvereinbarung auch Seibt/ Wunsch, Der Konzern 2009, 195, 196. 152 Vgl. Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend Übernahmeangebote vom 21. April 2004 (2004/25/EG) (ABl. Nr. L 142 S. 12); zuletzt geändert durch Anh. Nr. 5 ÄndVO (EG) 219/2009 vom 11. März 2009 (ABl. Nr. L 87 S. 109) 153 So bereits Horn, FS Buxbaum, 2000, S. 315, 316; ferner Seibt, in: Seibt, Formularbuch M&A, L. II. 2. Anm. 1 (S. 1543); ders., in: Kämmerer/Veil, Übernahme- und Kapitalmarktrecht, S. 105, 108. 154 Decher, FS Hüffer, 2010, S. 145, 148 f.; Seibt, in: Kämmerer/Veil, Übernahme- und Kapitalmarktrecht, S. 105, 108; ähnlich zu einem BCA im Zusammenhang mit einer Verschmelzung auch Chr. Teichmann, ZGR 2002, 383, 419.
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A. Interessenlage
1. Sicherung des Übernahmeinteresses (sog. Deal protections) Hat sich der Bieter auf Grundlage einer regelmäßig zuvor unter Mitwirkung der Zielgesellschaft durchgeführten Prüfung155 der rechtlichen, wirtschaftlichen und tatsächlichen Verhältnisse der Zielgesellschaft sowie der Chancen und Risiken des Unternehmenszusammenschlusses (sog. Due Diligence156) für den Zusammenschluss und für die hierfür erforderliche Abgabe eines Übernahmeangebots zum Erwerb der Aktien an der Zielgesellschaft entschieden, verfolgt er ein Interesse an der Zusammenführung ihrer unternehmerischen Aktivitäten durch Eingliederung des Unternehmens der Zielgesellschaft in seine Unternehmensgruppe (Eingliederungsinteresse). Gesellschaftsrechtliche Voraussetzung hierfür ist der Kontrollerwerb (§ 29 Abs. 2 WpÜG).157 Bis zum Vollzug des Übernahmeverfahrens verfolgt der Bieter daher – quasi als „Vorstufe“ der Erreichung des Zusammenschlusses bzw. Teil des Eingliederungsinteres ses – ein Interesse am Erwerb eines möglichst großen Anteils der Aktien der Zielgesellschaft (Übernahmeinteresse). Für die Zielgesellschaft bestehen jedoch eine Reihe von Möglichkeiten, das Übernahmeinteresse des Bieters insgesamt negativ zu beeinträchtigen. Dies gilt trotz des Verhinderungsverbotes der §§ 33, 33a WpÜG auch noch nach Veröffentlichung der Entscheidung des Bieters zur Angebotsabgabe (vgl. etwa § 33 Abs. 1 Satz 2 WpÜG).158 Zunächst kann die Zielgesellschaft, respektive ihre Verwaltung, durch eine negative Stellungnahme nach § 27 Abs. 1 Satz 1 WpÜG die Höhe der Annahmequote und damit den Erfolg des Übernahmeangebots beeinflussen.159 Die Zielgesellschaft kann außerdem weitere Maßnahmen durchführen, welche die Attraktivität des Angebots sowohl für die Aktionäre als auch für den Bieter verringern. Sie kann insbesondere eine Änderung ihrer im Rahmen der 155 Vgl. etwa Pkt. 6, 7 und 9 der Präambel des BCA-W.E.T/Amerigon. 156 Zu Begriff und Funktion der Due Diligence vgl. Beisel, in: Beisel/Klumpp, 2. Kap. Rn. 1 ff.; Oppenhoff, in: Müller/Rödder, Beck.Hdb.AG, § 27 Rn. 100. 157 Zur grundsätzlichen Eingliederung der Zielgesellschaft in die Unternehmensgruppe des Bieters als Folge des Kontrollerwerbs vgl. oben 1. Teil, A. II. 158 So auch Seibt/Wunsch, Der Konzern 2009, 195, 197 (dort Fn. 11); vgl. auch Vau pel/Lüßmann, GWR 2013, 77 (unter I.). Wenig überzeugend ist daher die Argumentation von Goslar (DB 2008, 800, 803), der die Zulässigkeit des BCA schlicht aus § 33 WpÜG herleiten will. Bei einem BCA geht es nicht um eine „Festschrei bung des Verhinderungsverbots“ (ebda.) im Sinne einer Wiederholung der Gesetzeslage. Es ist etwas anderes, ob die Zielgesellschaft nach § 33 Abs. 1 Satz 2 WpÜG in der konkreten Situation eine Maßnahme i. S. des § 33 WpÜG selbstständig beschließt oder ob sie sich vorab rechtsgeschäftlich bezüglich solcher Maßnahmen bindet. 159 Vaupel/Lüßmann, GWR 2013, 77 (unter I.).
31
2. Teil: Interessenlage und Rechtsnatur eines BCA
Due Diligence-Prüfung festgestellten Verhältnisse herbeiführen, die für den Bieter im Wesentlichen zu der Übernahmeentscheidung geführt haben. Veräußert die Zielgesellschaft z. B. wesentliche Teile ihres Unternehmens bzw. Vermögens, mit denen nach der Strategieentscheidung des Bieters durch den Zusammenschluss Synergieeffekte erzielt werden sollten, so kann der Erwerb der Zielgesellschaft für den Bieter nicht mehr interessant sein.160 Gleiches gilt für die Emittierung von weiteren Anleihen mit Aktienbezugsrecht. Die hierdurch mögliche spätere Zuteilung von neuen Aktien kann zu einer unkalkulierbaren künftigen Stimmrechtsverwässerung des Bieters führen161 und damit bereits während des Übernahmeverfahrens die Attraktivität der Zielgesellschaft für ihn beeinträchtigen. Die Attraktivität des Angebots für den Bieter kann ferner durch Maßnahmen der Zielgesellschaft zur Kapitalerhöhung beeinträchtigt werden. Werden neue Aktien der Zielgesellschaft ausgegeben, führt dies insbesondere dazu, dass das Übernahmeangebot auch diese Aktien erfasst (vgl. § 32 WpÜG) und sich damit regelmäßig der Preis für den Erwerb der Zielgesellschaft insgesamt erhöht.162 Daneben kann die Attraktivität des Angebots für die Aktionäre – und mittelbar auch für den Bieter – durch den Erwerb von eigenen Aktien durch die Zielgesellschaft beeinträchtigt werden. Der Erwerb führt regelmäßig zu einer höheren Marktnachfrage und folglich zu einem höheren Börsenkurs der Aktien. Dadurch kann die Attraktivität des Übernahmeangebots derart stark beeinträchtigt werden, dass der Bieter ggf. sein Übernahmeinteresse nur unter Erhöhung der angebotenen Gegenleistung gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpÜG und damit unter höheren Kosten insgesamt verfolgen kann.163 Eine Erhöhung des Angebotspreises zur Verfolgung des Übernahmeinteresses kann für den Bieter auch erforderlich sein, wenn die Zielgesellschaft – wie es § 33 Abs. 1 Satz 2, 2. Fall WpÜG ausdrücklich ermöglicht – ein konkurrierendes und für die Aktionäre in der Regel attraktiveres Übernahmeangebot einwirbt und unterstützt.164 160 Schwennicke, in: Geibel/Süßmann, WpÜG, § 33 Rn. 29; Schlitt/Ries, in: MünchKomm-AktG, § 33 WpÜG Rn. 97. 161 Schwennicke, in: Geibel/Süßmann, WpÜG, § 33 Rn. 26; Schlitt/Ries, in: MünchKomm-AktG, § 33 WpÜG Rn. 95. 162 Schlitt/Ries, in: MünchKomm-AktG, § 33 WpÜG Rn. 82; ähnlich auch Hirte, in: KölnKomm-WpÜG, § 33 Rn. 60. 163 Schwennicke, in: Geibel/Süßmann, WpÜG, § 33 Rn. 27; Hirte, in: KölnKomm-WpÜG, § 33 Rn. 61; Schlitt/Ries, in: MünchKomm-AktG, § 33 WpÜG Rn. 90. 164 Zur möglichen Vereitelungswirkung des Angebotserfolges durch ein konkurrierendes Angebot vgl. statt aller Hirte, in: KölnKomm-WpÜG, § 33 Rn. 74.
32
A. Interessenlage
Ein wesentlicher Grund für den Bieter zur Vereinbarung eines BCA mit der Zielgesellschaft besteht daher in der verbindlichen Sicherung seines Übernahmeinteresses. Zwar verpflichtet sich der Bieter durch das BCA gegenüber der Zielgesellschaft zur Abgabe des Übernahmeangebots. Im Gegenzug ermöglicht ihm das BCA jedoch, die Zielgesellschaft durch die Vereinbarung ab dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses zur Förderung des Unternehmenszusammenschlusses einschließlich des Übernahmeverfahrens zu verpflichten. Diese Förderpflicht kann allgemein oder auch konkretisiert durch Festlegung von Maßnahmen vereinbart werden, die den Erfolg des Übernahmeangebotes beeinträchtigen können und daher nach dem BCA nicht oder nur in Abstimmung mit dem Bieter durchzuführen sind (z. B. Unterlassenspflicht von Kapitalmaßnahmen oder „No Shop“-Klausel165). Über diese Einflussrechte erhält der Bieter ein rechtliches Mittel zur Sicherung des seiner Erwerbsentscheidung zugrundeliegenden Status quo der Verhältnisse der Zielgesellschaft.166 Das BCA und die darin enthaltenen häufig als „Deal-protections“167 bezeichneten Einflussrechte dienen damit der Sicherung der Erfolgsaussichten des Übernahmeangebotes und des Übernahmeinteresses des Bieters.168 2. Vertrauensbildung gegenüber den Aktionären der Zielgesellschaft Eng mit dem Übernahmeinteresse verbunden ist das vom Bieter durch den Abschluss des BCA verfolgte Interesse, Vertrauen gegenüber den Aktionären der Zielgesellschaft aufzubauen und diese hierdurch zur Unterstützung des Zusammenschlusses durch Annahme des Übernahmeangebots zu bewegen. Zur Steigerung der Erfolgsaussichten der Übernahme hat der Bieter ein besonderes Interesse daran, dass maßgeblich beteiligte Aktionäre der Zielgesellschaft (z. B. Großaktionäre, institutionelle Investoren) sich schon im Vorfeld des Übernahmeverfahrens zur Annahme des Übernahmeangebotes verpflichten (sog. Irrevocable Undertaking169).170 Damit er165 Vgl. hierzu oben unter 1. Teil, B. II. 1. a). 166 Verhoeven, EWiR 2008, 161; Goslar, DB 2008, 800, 803; vgl. auch Dette, S. 46. 167 Vgl. etwa Banerjea, DB 2003, 1489 ff.; Fleischer, ZHR 172 (2008), 538, 555. 168 Seibt/Wunsch, Der Konzern 2009, 195, 197; Seibt, in: Kämmerer/Veil, Übernahme- und Kapitalmarktrecht, S. 105, 110, 115; Otto, NZG 2013, 930, 934; im Ergebnis auch Beisel, in: Beisel/Klumpp, 14. Kap. Rn. 7; Banerjea, DB 2003, 1489; Flei scher, ZHR 172 (2008), 538, 555; Vaupel/Lüßmann, GWR 2013, 77 (unter III. 1.); Schall, in: Kämmerer/Veil, Übernahme- und Kapitalmarktrecht, S. 75, 77 f. 169 Eingehend hierzu von Riegen, ZHR 167 (2003), 702 ff.; vgl. ferner Oppenhoff, in: Müller/Rödder, Beck.Hdb.AG, § 27 Rn. 106. 170 So z. B. im Fall Wavelight/Alcon; vgl. Angebotsunterlage-Wavelight/Alcon, S. 14.
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2. Teil: Interessenlage und Rechtsnatur eines BCA
langt der Bieter bereits vor dem Übernahmeverfahren nicht nur Sicherheit über den Erwerb einer maßgeblichen Beteiligung171 und hiermit über den Erfolg der Übernahme selbst.172 Vereinbarungen mit maßgeblich beteiligten Aktionären und deren damit verbundene Unterstützung des Unternehmenszusammenschlusses können zudem eine positive Auswirkung auf die Entscheidung der übrigen Aktionäre haben: Befürwortet ein maßgeblich beteiligter Aktionär das Angebot, so kann dies für die übrigen Aktionäre ein Indiz für die Sinnhaftigkeit der Strategie des Zusammenschlusses und die Angemessenheit der angebotenen Gegenleistung sein und diese ebenfalls zur Angebotsannahme animieren.173 Eine vergleichbare Wirkung kann aber auch bestehen, wenn ein maßgeblicher Aktionär zwar an seiner Beteiligung festhalten will, jedoch den Unternehmenszusammenschluss durch andere Vereinbarungen mit dem Bieter (z. B. Stillhaltevereinbarungen174, Stimmbindungen175 für die Zeit nach Durchführung des Übernahmeverfahrens) unterstützt. Der Abschluss eines BCA kann für die Verhandlungen des Bieters mit maßgeblich beteiligten Aktionären über Unterstützungshandlungen für den Zusammenschluss hilfreich sein: Mit der Vereinbarung signalisiert die Zielgesellschaft, dass der Unternehmenszusammenschluss, das Übernahmeverfahren und als Folge dessen auch die konzernrechtliche Eingliederung des Unternehmens der Zielgesellschaft in die Unternehmensgruppe des Bieters in Abstimmung mit ihr und damit nach der Einschätzung der für sie handelnden Verwaltungsmitglieder im Unter nehmensinteresse der Zielgesellschaft ist. Häufig werden maßgeblich beteiligte Aktionäre eine Unterstützung des Unternehmenszusammenschlusses erst befürworten, wenn dieser einvernehmlich zwischen Bieter und Zielgesellschaft erfolgt, so dass bereits von dem Vertragsschluss des BCA eine positive Wirkung ausgehen kann.176 Darüberhinaus kann die 171 Zur praktischen Verbreitung von Aktienvorerwerben und zu den wirtschaftlichen Vor- und Nachteilen vgl. Seibt, CFL 2011, 213, 218 f. 172 Von Riegen, ZHR 167 (2003), 702, 706. 173 Von Riegen, ZHR 167 (2003), 702, 706; Seibt/Wunsch, Der Konzern 2009, 195, 197. 174 Dabei verpflichtet sich der Aktionär, während des Übernahmeverfahrens seine Aktien nicht anderweitig zu veräußern oder mit Aktien der Zielgesellschaft nicht zu handeln; vgl. von Riegen, ZHR 167 (2003), 702, 716; Seibt/Wunsch, Der Konzern 2009, 195, 197 (dort Fn. 15). 175 Vgl. hierzu – jedoch wohl mit Blick auf die Zeit während des Übernahmeverfahrens – von Riegen, ZHR 167 (2003), 702, 716. 176 Zur insofern vergleichbaren Investorenvereinbarung vgl. auch Seibt/Wunsch, Der Konzern 2009, 195, 197; vgl. auch Seibt, in: Kämmerer/Veil, Übernahme- und Kapitalmarktrecht, S. 105, 115.
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A. Interessenlage
Zielgesellschaft zur Erfüllung ihrer mit dem BCA eingegangenen Verpflichtung zur Förderung und Unterstützung des Übernahmeverfahrens auch die Kontaktaufnahme des Bieters mit den Aktionären fördern und ggf. auch durch eine Beteiligung an den Verhandlungen genauer darlegen, dass der vereinbarte Zusammenschluss im Interesse der Zielgesellschaft liegt, und so wesentlich zur Überzeugung der Aktionäre von der Unterstützung des Unternehmenszusammenschlusses beitragen.177 Der Abschluss eines BCA kann daher als vertrauensfördernde Maßnahme gegenüber den Aktionären sowohl die Transaktionssicherheit178 des Übernahmeverfahrens als auch den Erfolg des Unternehmenszusammenschlusses insgesamt erhöhen. Die insoweit von dem BCA ausgehende positive Wirkung ist freilich nicht rechtlicher sondern eher psychologischer Natur. Insbesondere an diesem Punkt zeigt sich aber auch, dass der Bieter zur Verfolgung seines Übernahmeinteresses – und folglich auch seines Eingliederungsinteresses – durchaus auch ein Interesse an einer Ausgestaltung des Unternehmenszusammenschlusses unter Berücksichtigung der Interessen der Zielgesellschaft hat. 3. Sicherung des Eingliederungsinteresses nach dem Vollzug des Übernahmeverfahrens durch Bindung der Zielgesellschaft Auch nach dem erfolgreichen Vollzug des Übernahmeverfahrens hat der Bieter ein Interesse an einer weiteren rechtlichen Bindung der Zielgesellschaft. Zwar kann er sein Eingliederungsinteresse, also sein Interesse an der konzernrechtlichen Eingliederung des Unternehmens der Zielgesellschaft in seine Unternehmensgruppe, auch durch Nutzung seiner faktischen Beherrschungsmacht gemäß § 17 Abs. 1 AktG als Folge des Kon trollerwerbs179 verfolgen. Eine faktische Beherrschungsmacht begründet allerdings nach den §§ 311 ff. AktG keine fundierte Konzernleitungsmacht.180 Es besteht daher keine rechtliche Pflicht des Vorstandes der Zielgesellschaft, den Einflussnahmen des Bieters zu folgen.181 Um die Sicherheit des Bieters bei der Verfolgung seines Eingliederungs interesses zu erhöhen, will der Bieter durch das BCA und die vereinbar177 Vgl. Seibt/Wunsch, Der Konzern 2009, 195, 197. 178 Vgl. hierzu Seibt/Wunsch, Der Konzern 2009, 195, 197. 179 Vgl. oben 1. Teil, A. II. 180 Habersack, in: Emmerich/Habersack, Kommentar, § 311 Rn. 10; Altmeppen, in: MünchKomm-AktG, § 311 Rn. 401. 181 Habersack, in: Emmerich/Habersack, Kommentar, § 311 Rn. 78; Koppensteiner, in: KölnKomm-AktG, § 311 Rn. 139; J. Vetter, in: K. Schmidt/Lutter, § 311 Rn. 108.
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2. Teil: Interessenlage und Rechtsnatur eines BCA
ten Einflussrechte eine rechtliche Bindung der Zielgesellschaft an seine Einflussnahme erreichen. Dies kann etwa durch die Vereinbarung zur Bildung eines gemeinsamen Gremiums erreicht werden, dass über Maßnahmen zur Integration der Unternehmen des Bieters und der Zielge sellschaft entscheidet.182 Ferner kann über die Vereinbarung von Zu stimmungsvorbehalten eine zwar begrenzte, aber rechtlich bindende Vetoposition erreicht werden. Auch wenn der Bieter hierbei unter Umständen eine Beschränkung der Einflussnahme auf bestimmte Geschäftsführungsmaßnahmen oder Unternehmensbereiche der Zielgesellschaft183 im Rahmen der Vertrags verhandlungen akzeptieren muss, so erreicht er doch gegenüber den §§ 311 ff. AktG eine rechtliche Bindung der Zielgesellschaft zur Verfolgung seines Eingliederungsinteresses.
II. Interessen der Zielgesellschaft 1. Interesse an dem Unternehmenszusammenschluss Als Ausgangspunkt der Zielgesellschaft ist zunächst festzustellen, dass es sich bei dem Unternehmenszusammenschluss bzw. dem verbundenen Übernahmeverfahren um eine sog. freundliche Übernahme handelt. Bei dieser erfolgt der Zusammenschluss in Absprache zwischen der Ziel gesellschaft und dem Bieter – respektive den jeweils handelnden Ver waltungsmitgliedern.184 Im Falle eines BCA wird der Zusammenschluss zwischen Bieter und Zielgesellschaft vereinbart und erfolgt damit in Absprache zwischen beiden. Die wirtschaftlichen Ziele des Zusammenschlusses sowie hieran anknüpfend auch der gesellschaftsrechtliche Zusammen schluss sind aus der ex ante-Sicht der jeweiligen Verwaltungsmitglieder unter Berücksichtigung ihres pflichtgemäßen unternehmerischen Ermessens im (Unternehmens-)Interesse des Bieters und der Zielgesellschaft.185 Ein BCA wird folglich im Umfeld einer freundlichen Übernahme vereinbart.186 182 Vgl. oben 1. Teil, B. II. 1. b). 183 Zu den Gründen vgl. sogleich unter 2. Teil, A. II. 2. 184 Eingehend zum Begriff der freundlichen Übernahme Richter, in: Semler/Volhard, Arb.Hdb. Unternehmensübernahmen, Bd. 2, § 52 Rn. 10 ff.; vgl. ferner Beisel, in: Beisel/Klumpp, 14. Kap. Rn. 15; Emmerich/Habersack, Lehrbuch, § 9a Rn. 2. 185 Allgemein zur Bewertung der „Freundlichkeit“ einer Übernahme anhand des Unternehmensinteresses aus der Sicht der Verwaltungsmitglieder Richter, in: Semler/Volhard, Arb.Hdb. Unternehmensübernahmen, Bd. 2, § 52 Rn. 15. 186 So im Ergebnis auch Ederle, S. 3; Bouchon/Müller-Michaels, in: Hölters, Unternehmenskauf, Teil XI Rn. 72; Seibt, in: Seibt, Formularbuch M&A, L. II. 2. Anm. 1
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A. Interessenlage
Die Übernahme mag vordergründig betrachtet zwar primär im Interesse des Bieters erscheinen, da er als Folge der konzernrechtlichen Eingliederung des Unternehmens der Zielgesellschaft in seine Unternehmensgruppe über seine faktische Beherrschungsmacht eine Zugriffsmöglichkeit auf das Unternehmen der Zielgesellschaft erhält. Dennoch schließt auch die konzernrechtliche Unterordnung der Zielgesellschaft die Einordnung als freundliche Übernahme nicht per se aus. Die Zusammenführung von unternehmerischen Aktivitäten durch Eingliederung in einen anderen Unternehmensverbund – auch als abhängiges Unternehmen i. S. des § 17 Abs. 1 AktG – kann eine strategische Entscheidung im Interesse der Zielgesellschaft sein.187 So kann z. B. der Zielgesellschaft erst ihre Eingliederung in die Unternehmensgruppe des Bieters Zugang zu dessen Finanzkraft und Finanzierungssystemen für die Unternehmensgruppe und damit die Deckung ihres zukünftigen Finanzbedarfs ermöglichen.188 Weiter kann die Zielgesellschaft aufgrund der Einkaufspolitik des Bieters für diesen erst dann als Zulieferer in Frage kommen, wenn sie Teil seiner Unternehmensgruppe ist. Je nach Maßgeblichkeit des Produktabsatzes an den Bieter kann dann auch hier der Zusammenschluss im Interesse der Zielgesellschaft sein.189 Zudem kann die Eingliederung auch die Nutzung der Vertriebswege des Bieters bzw. seiner Unternehmensgruppe durch die Zielgesellschaft ermöglichen und ihr hierdurch erst den Zugang zu neuen Märkten eröffnen.190 Diese Beispiele verdeutlichen nicht nur, dass der Zusammenschluss und die Durchführung des Übernahmeverfahrens trotz ihrer daraus regelmä(S. 1544); wohl auch Oppenhoff, in: Müller/Rödder, Beck.Hdb.AG, § 27 Rn. 112; teilweise anders Schall, in: Kämmerer/Veil, Übernahme- und Kapitalmarktrecht, S. 75, 77. 187 Mertens, AG 1997, 541, 545; Ziemons, AG 1999, 492, 495; insoweit wohl auch Hopt, ZGR 1993, 534, 551. 188 In diese Richtung lassen sich die Angaben bei Pkt. 8.1 der AngebotsunterlageWavelight/Alcon (S. 27) interpretieren; allgemein hierzu Ziemons, AG 1999, 492, 495. 189 Vgl. auch Ziemons, AG 1999, 492, 495. 190 Wenngleich der Fall keine öffentliche Übernahme i. S. der §§ 29 ff. WpÜG betraf, war dieser Aspekt etwa bei der in der Wirtschaftspresse besonders beachteten Übernahme der Putzmeister-Unternehmensgruppe durch die SANY-Gruppe wohl wesentlich; vgl. hierzu Mayer-Kuckuk, SANY und Putzmeister – Die „perfekte Ehe“ unter Maschinenbauern, in: Handelsblatt v. 14. 6. 2012 (abrufbar unter http://www.handelsblatt.com/unternehmen/mittelstand/sany-und-putzmeisterdie-perfekte-ehe-unter-maschinenbauern/6739824.html; Abruf am 28. 12. 2013). Durch die Übernahme wurde Putzmeister über die Vertriebsnetze der SANY-Gruppe der Zugang zum chinesischen Markt für Putzmeister-Produkte eröffnet. Ähnlich wohl auch im Fall Wavelight/Alcon; vgl. Pkt. 8.1 der AngebotsunterlageWavelight/Alcon (S. 27).
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2. Teil: Interessenlage und Rechtsnatur eines BCA
ßig folgenden konzernrechtlichen Unterordnung im Interesse der Zielgesellschaft sein kann. Es zeigt sich auch, dass die Zusammensetzung des Aktionärskreises für die Unternehmensstrategie der Zielgesellschaft von wesentlicher Bedeutung ist. Das unternehmerische Interesse einer Aktiengesellschaft an der Zusammensetzung ihres Aktionärskreises ist im Rahmen der materiellen Rechtfertigung eines Bezugsrechtsausschlusses der Altaktionäre nach § 186 Abs. 3, Abs. 4 AktG bei einer Kapitalerhöhung allgemein anerkannt.191 Dabei geht dieses unternehmerische Interesse an der Erweiterung des Aktionärskreises über das Interesse an dem reinen Kapitalzufluss durch die Kapitalerhöhung hinaus.192 Akzeptiert man dieses Interesse, so ist auch ein grundsätzliches unternehmerisches Interesse an Änderungen im Aktionärskreis durch den „Eintritt“ des Bieters infolge des Erwerbs von bestehenden Aktien anzuerkennen.193 Die angeführten Beispiele zeigen, dass es einen strengen Grundsatz, nach dem der Vorstand im Rahmen der Wahrung des Unternehmensinteresses keinen Einfluss auf die Zusammensetzung des Aktionärskreises nehmen dürfe,194 nicht gibt.195 Auch wenn die Veräußerung der Aktien selbst kei191 Vgl. aus der Rspr. BGHZ 71, 40, 44 ff. – „Kali + Salz“; 83, 319, 323 – „Holzmann“; insofern auch noch BGHZ 136, 133, 139 – „Siemens/Nold“; tendenziell auch bereits BGHZ 33, 175, 186. Vgl. ferner Marsch-Barner, in: Bürgers/Körber, AktG, § 186 Rn. 29; Wiedemann, in: GroßKomm-AktG, § 186 Rn. 134 ff.; Rebmann, in: Heidel, Aktienrecht, § 186 AktG Rn. 40 f.; Hüffer, AktG, § 186 Rn. 25 f.; Peifer, in: MünchKomm-AktG, § 186 Rn. 72, 75; Servatius, in: Spindler/Stilz, AktG, § 186 Rn. 44 ff.; Veil, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 186 Rn. 34 ff.; mit Einschränkungen auch Lutter, in: KölnKomm-AktG, § 186 Rn. 69 ff. 192 Zutreffend Servatius, in: Spindler/Stilz, AktG, § 186 Rn 44; wohl auch Rebmann, in: Heidel, Aktienrecht, § 186 AktG Rn. 45. 193 So im Ergebnis auch eine verbreitete Ansicht in der Literatur, wobei lediglich Unterschiede im Verhältnis von Regel und Ausnahme bestehen: Für ein grundsätzliches Interesse der Gesellschaft, das nur ausnahmsweise nicht gilt, wohl Mertens, AG 1997, 541, 545 f.; Banerjea, DB 2003, 1489, 1490 f.; Kiem, AG 2009, 301, 305 f. Für ein Interesse, das aufgrund besonderer Umstände zu rechtfertigen ist Zie mons, AG 1999, 492, 495; Sieger/Hasselbach, BB 2000, 625, 628; wohl auch Mai er-Reimer, ZHR 165 (2001), 258, 259. 194 So aber auf Grundlage einer sog. aktienrechtlichen Neutralitätspflicht die missverständlichen Formulierungen in der Literatur, bei denen jedoch regelmäßig die Abwehr von Übernahmen aus unternehmensfremden Motiven in den Blick genommen wird. Übereinstimmend mit der hier vertretenen Ansicht und quasi spiegelbildlich zur hier interessierenden Konstellation wird gleichwohl die Abwehr unternehmensschädlicher Übernahmen als zulässig angesehen; vgl. etwa Hopt, ZGR 1993, 534, 545 ff; ders., in: GroßKomm-AktG, § 93 Rn. 122 f.; Mertens/ Cahn, in: KölnKomm-AktG, § 76 Rn. 25 ff.; Spindler, in: MünchKomm-AktG, § 76 Rn. 32. 195 Im Ergebnis auch Hüffer, AktG, § 76 Rn. 15d; Banerjea, DB 2003, 1489, 1490; Mai er-Reimer, ZHR 165 (2001), 258, 259; eher aus Praktikabilitätswägungen auch Kiem, AG 2009, 301, 305.
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A. Interessenlage
ne Maßnahme der Gesellschaft ist,196 kann die Veränderung des Aktionärskreises auf die Gesellschaftsebene durchschlagen und für die Verwaltungsmitglieder unter Berücksichtigung ihres pflichtgemäßen Ermessens ex ante zumindest Unterstützungsmaßnahmen im Unternehmensinteresse der Zielgesellschaft im Sinne einer freundlichen Übernahme rechtfertigen.197 2. Sicherung der Interessen durch das BCA Die vorstehenden Ausführungen zeigen, dass die Zielgesellschaft ein mit dem Interesse des Bieters übereinstimmendes Interesse an der Eingliederung ihres Unternehmens in die Unternehmensgruppe des Bieters haben kann (auch hier Eingliederungsinteresse). Zugleich hat sie ein Interesse daran, dass der Bieter – als „Vorstufe“ des Zusammenschlusses – einen möglichst großen Anteil ihrer Aktien erwirbt. Damit verfolgt sie ein Interesse, das zumindest im Ziel dem Übernahmeinteresse des Bieters vergleichbar ist. Mit dem Abschluss des BCA verfolgt die Zielgesellschaft das Ziel, ihr Interesse an dem Unternehmenszusammenschluss zu sichern. Dies geschieht insbesondere dadurch, dass der Bieter durch das BCA zu der Abgabe des Übernahmeangebotes als wesentliche Voraussetzung für den Zusammenschluss verpflichtet werden kann. Sie ist nicht auf die bloße Absicht des Bieters zur Übernahme angewiesen und kann zudem im Rahmen der Vertragsverhandlungen Einfluss auf Details des Übernahmeverfahrens (z. B. Gegenleistung i. S. des § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 WpÜG) nehmen. Das Eingliederungsinteresse wird auch durch Vereinbarungen des BCA über die Integrationsmaßnahmen nach dem Vollzug des Übernahmeverfahrens gesichert. Indem etwa die zukünftige Unternehmensstruktur bereits im BCA festgelegt wird, kann die Zielgesellschaft durch detaillierte Regelungen ihre eigenen Unternehmensinteressen z. B. am Fortbestand bestimmter Betriebsstandorte oder an der Fortführung bestimmter Unternehmensstrategien (z. B. Forschungs- oder Produkt- und Markenpolitik)198 sichern.199 Entsprechendes kann auch durch die Vereinbarung zur 196 So ein Gegenargument bei Mertens/Cahn, in: KölnKomm-AktG, § 76 Rn. 26. 197 Zutreffend Hüffer, AktG, § 76 Rn. 15d; insofern einräumend wohl auch Hopt, ZGR 1993, 534, 559; ders., in: GroßKomm-AktG, § 93 Rn. 126. 198 Vgl. etwa die detaillierten Regelungen der §§ 1 ff. BCA-Demag/Terex; ferner Ziff. 4 und 6 BCA-HVB/UniCredit; Abschn. IV. BCA-W.E.T./Amerigon. 199 So wohl auch Decher, FS Hüffer, 2010, S. 145, 149; Vaupel/Lüßmann, GWR 2013, 77 (unter III. 1.); Seibt, in: Kämmerer/Veil, Übernahme- und Kapitalmarktrecht,
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2. Teil: Interessenlage und Rechtsnatur eines BCA
Bildung eines gemeinsamen Gremiums erreicht werden, dass über Maßnahmen zur Integration der Unternehmen des Bieters und der Zielgesellschaft entscheidet.200 Die Zielgesellschaft ist durch diese Regelungen nach Vollzug der Übernahme nicht der faktischen Beherrschungsmacht des Bieters nach § 17 Abs. 1 AktG ausgeliefert, sondern kann sich im Rahmen des BCA eine Mitsprache für die zukünftige Unternehmenspolitik sichern.201 Die Absprache beschränkt die Leitungsmacht des Bieters zumindest partiell.202 Sie dient insofern auch der Sicherung der Unabhängigkeit und der eigenen Unternehmensinteressen der Zielgesellschaft und verschafft ihr Möglichkeiten zur Mitbestimmung über die zukünftige Unternehmenspolitik (Mitbestimmungsinteresse). Dies dient wiederum der Verfolgung ihres Eingliederungsinteresses, da die Zielgesellschaft die Möglichkeit erhält, die Art und Weise der Eingliederung in die Unternehmensgruppe des Bieters zu beeinflussen. Mit dem Abschluss des BCA verfolgt die Zielgesellschaft somit das Ziel der Sicherung und des Schutzes ihrer Interessen an dem Unternehmenszusammenschluss.203
B. Die Rechtsnatur eines BCA I. Schuldrechtliche Bindung inter partes Die beschriebenen Gründe für den Abschluss eines BCA zeigen, dass die Parteien ein Interesse an rechtsverbindlichen Regelungen haben. Nur so können sie ihre Interessen an dem Unternehmenszusammenschluss effektiv durchsetzen und schützen. Dies gilt sowohl für die Vereinbarung des Zusammenschlusses selbst als auch für die Einflussrechte auf Geschäftsführungsmaßnahmen der Zielgesellschaft. Die Festlegung von grundsätzlich unverbindlichen Absichtserklärungen (auch sog. Letter of
S. 105, 118 f.; ausdrücklich zur insofern vergleichbaren Investorenvereinbarung Seibt/Wunsch, Der Konzern 2009, 195, 198. 200 So wohl nach Pkt. 8.2 (a) der Angebotsunterlage-Wavelight/Alcon (S. 27 f.). 201 Decher, FS Hüffer, 2010, S. 145, 152; Ederle, AG 2010, 273, 274; ähnlich Verhoe ven, EWiR 2008, 161, 162; Vaupel/Lüßmann, GWR 2013, 77 (unter III. 1.); Schall, in: Kämmerer/Veil, Übernahme- und Kapitalmarktrecht, S. 75, 78. 202 Ähnlich zur Investorenvereinbarung bereits Kiem, AG 2009, 301, 306 f. („Paralle len zum Entherrschungsvertrag“); Seibt/Wunsch, Der Konzern 2009, 195, 200 („Spezialform eines Entherrschungsvertrages“); vgl. auch Seibt, in: Kämmerer/ Veil, Übernahme- und Kapitalmarktrecht, S. 105, 119, 124. 203 Vgl. auch Decher, FS Hüffer, 2010, S. 145, 149.
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2. Teil: Interessenlage und Rechtsnatur eines BCA
Bildung eines gemeinsamen Gremiums erreicht werden, dass über Maßnahmen zur Integration der Unternehmen des Bieters und der Zielgesellschaft entscheidet.200 Die Zielgesellschaft ist durch diese Regelungen nach Vollzug der Übernahme nicht der faktischen Beherrschungsmacht des Bieters nach § 17 Abs. 1 AktG ausgeliefert, sondern kann sich im Rahmen des BCA eine Mitsprache für die zukünftige Unternehmenspolitik sichern.201 Die Absprache beschränkt die Leitungsmacht des Bieters zumindest partiell.202 Sie dient insofern auch der Sicherung der Unabhängigkeit und der eigenen Unternehmensinteressen der Zielgesellschaft und verschafft ihr Möglichkeiten zur Mitbestimmung über die zukünftige Unternehmenspolitik (Mitbestimmungsinteresse). Dies dient wiederum der Verfolgung ihres Eingliederungsinteresses, da die Zielgesellschaft die Möglichkeit erhält, die Art und Weise der Eingliederung in die Unternehmensgruppe des Bieters zu beeinflussen. Mit dem Abschluss des BCA verfolgt die Zielgesellschaft somit das Ziel der Sicherung und des Schutzes ihrer Interessen an dem Unternehmenszusammenschluss.203
B. Die Rechtsnatur eines BCA I. Schuldrechtliche Bindung inter partes Die beschriebenen Gründe für den Abschluss eines BCA zeigen, dass die Parteien ein Interesse an rechtsverbindlichen Regelungen haben. Nur so können sie ihre Interessen an dem Unternehmenszusammenschluss effektiv durchsetzen und schützen. Dies gilt sowohl für die Vereinbarung des Zusammenschlusses selbst als auch für die Einflussrechte auf Geschäftsführungsmaßnahmen der Zielgesellschaft. Die Festlegung von grundsätzlich unverbindlichen Absichtserklärungen (auch sog. Letter of
S. 105, 118 f.; ausdrücklich zur insofern vergleichbaren Investorenvereinbarung Seibt/Wunsch, Der Konzern 2009, 195, 198. 200 So wohl nach Pkt. 8.2 (a) der Angebotsunterlage-Wavelight/Alcon (S. 27 f.). 201 Decher, FS Hüffer, 2010, S. 145, 152; Ederle, AG 2010, 273, 274; ähnlich Verhoe ven, EWiR 2008, 161, 162; Vaupel/Lüßmann, GWR 2013, 77 (unter III. 1.); Schall, in: Kämmerer/Veil, Übernahme- und Kapitalmarktrecht, S. 75, 78. 202 Ähnlich zur Investorenvereinbarung bereits Kiem, AG 2009, 301, 306 f. („Paralle len zum Entherrschungsvertrag“); Seibt/Wunsch, Der Konzern 2009, 195, 200 („Spezialform eines Entherrschungsvertrages“); vgl. auch Seibt, in: Kämmerer/ Veil, Übernahme- und Kapitalmarktrecht, S. 105, 119, 124. 203 Vgl. auch Decher, FS Hüffer, 2010, S. 145, 149.
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B. Die Rechtsnatur eines BCA
intent)204 und die damit allenfalls verbundene eingeschränkte gegenseitige Rücksichtnahmepflicht auf die Rechtsgüter des anderen nach §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB würde der Verfolgung ihrer Interessen nicht gerecht werden.205 Die Interessenlage verdeutlicht vielmehr einen Rechtsbindungswillen beider Parteien zur Vereinbarung von durchsetzbaren schuldrechtlichen Verpflichtungen inter partes i. S. des § 241 Abs. 1 BGB.206 Die Verpflichtungen eines BCA sind dabei primär auf Erfüllung gerichtet, also z. B. auf die Abgabe des Übernahmeangebotes durch den Bieter oder das Unterlassen einer Geschäftsführungsmaßnahme durch die Zielgesellschaft. Zwar wird sich insbesondere ein Erfüllungsanspruch auf Unterlassen einer Geschäftsführungsmaßnahme bis zum Ende der Angebotsphase rechtstatsächlich in der Regel nicht klageweise durchsetzen und vollstrecken lassen.207 Das Interesse des Bieters beschränkt sich in diesem Fall praktisch auf seine sekundären Ersatzansprüche. Vereitelt die Zielgesellschaft durch Nichterfüllung einer Pflicht aus dem BCA den Erfolg des Übernahmeverfahrens, richtet sich das Interesse des Bieters praktisch nur auf Ersatz der Kosten der durchgeführten erforderlichen Vorbereitungsmaßnahmen208 und somit auf Schadensersatz wegen Vertragsverletzung.209 Dies entspricht auch der grundsätzlich einzig möglichen Rechtsfolge einer Vertragsverletzung im anglo-amerikanischen Rechtskreis als „Ursprungsort“ des BCA.210 Dagegen ist im deutschem Sachrecht eine Erfüllung aber gerade grundsätzlich durchsetzbar (vgl. § 241 Abs. 1 BGB i. V. m. §§ 883 ff. ZPO). Zudem ändert all dies nichts daran, dass die Parteien primär ein Interesse an der Durchführung eines 204 Zum Letter of intent und der damit verbundenen Haftung vgl. Busche, in: MünchKomm-BGB, Vor § 145 Rn. 58 f. 205 Schall, in: Kämmerer/Veil, Übernahme- und Kapitalmarktrecht, S. 75, 80 f. 206 So auch Schall, in: Kämmerer/Veil, Übernahme- und Kapitalmarktrecht, S. 75, 78, 80 f. 207 Vgl hierzu auch Schall, in: Kämmerer/Veil, Übernahme- und Kapitalmarktrecht, S. 75, 80; kritisch auch Otto, NZG 2013, 930, 937. 208 So hat der Bieter z. B. umfangreiche Angebotsunterlagen gemäß §§ 34, 11 WpÜG zu erstellen, eine Wertermittlung über die angemessene Gegenleistung für die zu erwerbenden Aktien an der Zielgesellschaft nach § 31 Abs. 7 Satz 1 WpÜG i. V. m. §§ 3 ff. WpÜG-AngebVO durchzuführen sowie die Finanzierung seines Angebotes sicherzustellen (§§ 34, 13 WpÜG). 209 Vgl. Beisel, in: Beisel/Klumpp, 14. Kap. Rn. 7, 14; Banerjea, DB 2003, 1489; allgemein kritisch zur Durchsetzbarkeit in der US-amerikanischen Rechtspraxis Dryander, in: Horn, Cross-Border Mergers, S. 134. 210 Zur grundsätzlich fehlenden Möglichkeit im anglo-amerikanischen Rechtskreis, eine Erfüllung durchzusetzen vgl. eingehend Zweigert/Kötz, § 35 IV (S. 477 ff.); vgl. auch Merkt, ZHR 171 (2007), 490, 499.
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2. Teil: Interessenlage und Rechtsnatur eines BCA
reibungslos und erfolgreich ablaufenden Übernahmeverfahrens haben, also an der Erfüllung der Pflichten aus dem BCA.211 Bei der hier zugrunde liegenden Einordnung des BCA und der vertraglichen Einflussrechte als rechtsverbindliche Verpflichtungen wird gleichwohl nicht übersehen, dass die Einflussrechte zum Teil „weich“ ausgestaltet sind. So stehen diese etwa unter dem Vorbehalt, dass eine Erfüllung der Verpflichtung durch die Verwaltungsmitglieder mit deren Pflichtenbindung an das Interesse der Zielgesellschaft vereinbar ist.212 Andere Klauseln sind – inhaltlich ähnlich213 – als Bemühenspflicht formuliert.214 Die Verbreitung dieser „weichen“ Klauseln hat sicherlich eine wesentliche Ursache in der US-amerikanischen Rechtspraxis, in der als Reaktion auf eine restriktive Rechtsprechung zur fehlenden Durchsetzbarkeit uneingeschränkter Einflussrechte215 derartige „weiche“ Klauseln üblich sind (sog. fiduciary-out).216 Ob der Bieter auch nach deutschem Recht bei der Vereinbarung eines BCA derartige Einschränkungen der Durchsetzbarkeit von bestimmten Einflussrechten und damit der effektiven Verfolgung seiner Interessen hinnehmen muss217 oder ob diese Einflussrechte auch ohne entsprechende Vorbehalte rechtsverbindlich sein können, kann freilich nicht apodiktisch erklärt werden,218 sondern ist erst ein Ergebnis dieser Arbeit. Daher wird im Folgenden unabhängig von der Formulierung im konkreten Einzelfall von einer rechtsverbindlichen Vereinbarung und im Besonderen von Einflussrechten auf Geschäftsführungsmaßnahmen ohne Einschränkungen ausgegangen.
211 Insofern wohl jeweils auch Dryander, in: Horn, Cross-Border Mergers, S. 131; Banerjea, DB 2003, 1489; Seibt, CFL 2011, 213, 218; wohl zweifelnd Beisel, in: Beisel/Klumpp, 14. Kap. Rn. 14. 212 So etwa in Ziff. 3.2.2. Abs. 2 BCA-HVB/UniCredit; Abschn. II. 2. BCA-W.E.T./ Amerigon; § 7 BCA-Demag/Terex. 213 Zur entsprechenden Auslegung einer Bemühenspflicht im anglo-amerikanischen Rechtsverständnis siehe Triebel, FS Bengel/Reimann, 2012, S. 359, 367 f. 214 So z. B. in Ziff. 7.2 Abs. 3 BCA-HVB/UniCredit. 215 Vgl. etwa Paramount Communications, Inc v. QVC Network Inc., 637 A.2d 34, 51 (Del. 1994); Omnicare, Inc. v. NCS Healthcare, Inc., 818 A.2d 914, 939 (Del. 2003); vgl. auch Möslein, S. 602 f.; Bolsinger/Leicht, NZG 2003, 1044 ff.; Drygala, WM 2004, 1413, 1415. 216 Vgl. hierzu Dryander, in: Horn, Cross-Border Mergers, S. 137 f.; Banerjea, DB 2003, 1489, 1495; Drygala, WM 2004, 1413, 1415 f.; Fleischer, ZHR 172 (2008), 538, 559. 217 Die Akzeptanz dieser Einschränkungen seitens des Bieters bezweifelt auch Flei scher, ZHR 172 (2008), 538, 559. 218 So aber Stengel, in: Semler/Stengel, UmwG [2007], Anhang § 122l Internationale Unternehmenszusammenführung, Rn. 13; wohl auch Horn, ZIP 2000, 473, 479.
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B. Die Rechtsnatur eines BCA
II. Das BCA als Vertrag i. S. der §§ 705 ff. BGB Auch wenn das deutsche Recht keine ausdrücklichen gesetzlichen Vorgaben für den Vertragstypus eines BCA enthält,219 schließt dies eine Qualifikation der Vereinbarung als einen Vertragstypus des deutschen Zivilrechts nicht aus. Dabei kommt eine Einordnung als Gesellschaft bürgerlichen Rechts nach den §§ 705 ff. BGB in Betracht.220 Dabei ist nicht die Bezeichnung oder der Wille der Parteien zur Vereinbarung eines Gesellschaftsvertrages, sondern der Vertragsinhalt maßgeblich.221 Vertragsinhalt muss gemäß § 705 BGB die Vereinbarung eines gemeinsamen Zwecks und einer Förderpflicht dieses Zwecks sein.222 1. Vereinbarung eines gemeinsamen Zwecks Für die Einordnung als Gesellschaftsvertrag müssen der Bieter und die Zielgesellschaft gemäß § 705 BGB im BCA die Erreichung eines gemeinsamen Zwecks vereinbart haben. a) Vereinbarung eines Zwecks i. S. des § 705 BGB Der Zweck nach § 705 BGB ist der von den Vertragsparteien angestrebte Erfolg.223 Dabei ist grundsätzlich zwischen dem zu erreichenden Vertrags zweck und den zumeist als Motive bezeichneten individu ellen Interessen der Beteiligten an dem Vertrag zu unterscheiden.224 Ist der Vertragszweck z. B. das erwerbswirtschaftliche Betreiben eines Unternehmens, so ist die Teilhabe an dem Erwirtschafteten lediglich das Motiv der Beteiligten für den Vertrag.225 Mit anderen Worten ist der Zweck nach § 705 BGB nur ein Mittel oder „Vorzweck“226 der Ver219 Decher, FS Hüffer, 2010, S. 145, 147. 220 So nunmehr auch Schall, in: Kämmerer/Veil, Übernahme- und Kapitalmarktrecht, S. 75, 81 ff.; a. A. – jedoch ohne nähere Begründung – Seibt, in: Kämmerer/Veil, Übernahme- und Kapitalmarktrecht, S. 105, 109. 221 RGZ 95, 147, 149; H. P. Westermann, in: Erman, BGB, § 705 Rn. 29; Ulmer/Schä fer, in: MünchKomm-BGB, § 705 Rn. 22; ähnlich auch Schöne, in: Bamberger/ Roth, BGB, § 705 Rn. 9. 222 Schöne, in: Bamberger/Roth, BGB, § 705 Rn. 8 f.; Ulmer/Schäfer, in: MünchKomm-BGB, § 705 Rn. 22, 128. 223 Böhmer, JZ 1994, 982, 983; wohl auch Ulmer/Schäfer, in: MünchKomm-BGB, § 705 Rn. 142. 224 H. P. Westermann, in: Erman, BGB, § 705 Rn. 30; Ulmer/Schäfer, in: MünchKomm-BGB, § 705 Rn. 147; Weipert, in: Münch.Hdb.GesR I, § 6 Rn. 2; Ballerstedt, JuS 1963, 253, 254. 225 Ulmer/Schäfer, in: MünchKomm-BGB, § 705 Rn. 147. 226 Hadding/Kießling, in: Soergel, BGB, § 705 Rn. 36; Fikentscher, FS H. Westermann, 1974, S. 87, 94 f.
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2. Teil: Interessenlage und Rechtsnatur eines BCA
tragsparteien zur Verwirklichung ihrer darüberhinausgehenden indi viduellen Interessen oder „Endzwecke“.227 Zweck i. S. des § 705 BGB sind nur die Interessen und Ziele der Vertragsparteien, die sie in dem Vertrag zu erreichen vereinbart haben.228 Der Zweck ist daher der „nach dem Inhalt der Vereinbarung bezweckte Erfolg“ i. S. des § 812 Abs. 1 Satz 2, 2. Alt. BGB.229 Während der nach dem Vertrag bezweckte Erfolg zum Inhalt des Gesellschaftsvertrages erhoben wird,230 sind die da rüberhinausgehenden Motive der Beteiligten nicht Vertragsinhalt.231 Der Inhalt der Vereinbarung kann dabei auf jeden beliebigen und in den allgemeinen Grenzen (§§ 134, 138 BGB) zulässigen Zweck gerichtet sein.232 Von dem Bieter und der Zielgesellschaft wird mit dem Abschluss eines BCA der Erfolg des Zusammenschlusses ihrer Unternehmen durch Eingliederung des Unternehmens der Zielgesellschaft in die Unternehmensgruppe des Bieters angestrebt. Die Parteien haben das Erreichen dieses Erfolges und die Wahrung ihrer Interessen an dem Zusammenschluss bzw. im Zusammenhang mit dem Zusammenschluss in den verschiedenen – bereits herausgearbeiteten233 – Ausprägungen (Eingliederungsinte resse, Übernahmeinteresse, Mitbestimmungsinteresse) vereinbart. Das Erreichen des angestrebten Erfolges und die Wahrung der Interessen hieran wird damit von den Parteien zum Vertragsinhalt erhoben und ist nicht bloßes Motiv der einzelnen Partei für den Vertrag. Bei der Vereinbarung eines Unternehmenszusammenschlusses handelt es sich auch
227 So auch BGH, NJW 1951, 308; Hadding/Kießling, in: Soergel, BGB, § 705 Rn. 36; Fikentscher, FS H. Westermann, 1974, S. 87, 94 f., wenngleich zum Teil aus der Unterscheidung zugleich die Gemeinsamkeit des Zwecks hergeleitet wird; insofern zu Recht kritisch Böhmer, JZ 1994, 982, 984. 228 Vgl. auch Ulmer/Schäfer, in: MünchKomm-BGB, § 705 Rn. 142; ähnliche Formulierungen bei Schöne, in: Bamberger/Roth, BGB, § 705 Rn. 63; H. P. Westermann, in: Erman, BGB, § 705 Rn. 30. 229 Ballerstedt, JuS 1963, 253. 230 Vgl. auch Ulmer/Schäfer, in: MünchKomm-BGB, § 705 Rn. 148; Hadding/Kieß ling, in: Soergel, BGB, § 705 Rn. 36; Ballerstedt, JuS 1963, 253, 255; Fikentscher, FS H. Westermann, 1974, S. 87, 95. 231 Ulmer/Schäfer, in: MünchKomm-BGB, § 705 Rn. 147; Ballerstedt, JuS 1963, 253, 254; Fikentscher, FS H. Westermann, 1974, S. 87, 95; Böhmer, JZ 1994, 982, 983. 232 Allg. M.; vgl. Schöne, in: Bamberger/Roth, BGB, § 705 Rn. 63; H. P. Westermann, in: Erman, BGB, § 705 Rn. 30; Ulmer/Schäfer, in: MünchKomm-BGB, § 705 Rn. 144 ff., 333 f.; Hadding/Kießling, in: Soergel, BGB, § 705 Rn. 35; Habermeier, in: Staudinger, BGB, § 705 Rn. 18; Weipert, in: Münch.Hdb.GesR I, § 6 Rn. 6 ff.; Böhmer, JZ 1994, 982, 983. 233 Vgl. oben unter 2. Teil, A.
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B. Die Rechtsnatur eines BCA
um einen zulässigen Erfolg bzw. Zweck. Die Vereinbarung eines Zwecks i. S. des § 705 BGB kann daher bejaht werden. b) Gemeinsamkeit des Zwecks Dieser zum Vertragsinhalt erhobene Zweck muss ein gemeinsamer Zweck von Bieter und Zielgesellschaft sein. Dabei wird der vereinbarte Zweck nicht bereits deshalb ein gemeinsamer, weil die Parteien über ihn eine rechtsgeschäftliche Einigung erzielt haben.234 Nach dem klaren Wortlaut des § 705 BGB ist die Einigung über einen Zweck gerade nicht ausreichend.235 Auch wird der vereinbarte Zweck nicht bereits dadurch ein gemeinsamer, dass der jeweilige Vertragspartner verspricht, ihn sowohl als eigenen als auch als Zweck des anderen Vertragsteils zu fördern.236 Zum einen würden damit die Tatbestandsmerkmale der Gemeinsamkeit und der Förderung des Zwecks miteinander vermischt.237 Vor allem aber geht es bei den §§ 705 ff. BGB – anders als bei anderen Schuldverhältnissen (z. B. §§ 662 ff. BGB238, §§ 741 ff. BGB239) – nicht um die Wahrung und Förderung der jeweiligen individuellen Interessen der Vertragsparteien, sondern um die Wahrung eines gemeinsamen und dadurch überindividuellen Interesses bzw. Zwecks.240 Dem Vertragszweck kommt eine besondere Eigenschaft zu:241 Die Beteiligten vereinbaren die Erreichung eines bestimmten Erfolges und führen durch den Vertrag eine Gleichrichtung ihrer Interessen an diesem Erfolg herbei. Dieser Erfolg ist
234 In diese Richtung aber wohl Ulmer/Schäfer, in: MünchKomm-BGB, § 705 Rn. 148. 235 Böhmer, JZ 1994, 982, 983 f.; ähnlich Ballerstedt, JuS 1963, 253, 254. 236 So aber – wohl im Anschluss an die missverständliche Formulierung von Bal lerstedt (JuS 1963, 253, 255) – eine verbreite Ansicht; vgl. H. P. Westermann, in: Erman, BGB, § 705 Rn. 31; Hadding/Kießling, in: Soergel, BGB, § 705 Rn. 36; Fi kentscher, FS H. Westermann, 1974, S. 87, 96; ähnlich auch RGZ 95, 147, 149; Schöne, in: Bamberger/Roth, BGB, § 705 Rn. 64. 237 Zutreffend Böhmer, JZ 1994, 982, 984. 238 Zur Interessenwahrung beim Auftrag vgl. Martinek, in: Staudinger, BGB, § 662 Rn. 26 f. 239 Vgl. hierzu den treffenden Hinweis bei Ballerstedt, JuS 1963, 253, 255: Nach § 745 Abs. 2 BGB ist „das Interesse aller Teilhaber“, nicht das gemeinschaftliche Interesse zu wahren. 240 Flume, BGB AT I/1, § 3 I (S. 38); K. Schmidt, GesR, § 4 I 2. b), § 4 II 1. a) (S. 60 f.); Weipert, in: Münch.Hdb.GesR I, § 6 Rn. 2; Ballerstedt, JuS 1963, 253, 255; im Ergebnis wohl auch OLG München, NJW 1968, 1384, 1385; Ulmer/Schäfer, in: MünchKomm-BGB, § 705 Rn. 148. 241 Böhmer, JZ 1994, 982, 983 f.; ähnlich Fikentscher, FS H. Westermann, 1974, S. 87, 96.
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ein gemeinsamer, wenn er zur Verwirklichung der inhaltlich deckungsgleichen242 Interessen aller Vertragsparteien dient.243 Unter Zugrundelegung dieser abstrakten Merkmale kann auch die Vereinbarung eines gemeinsamen Zwecks nach § 705 BGB durch ein BCA regelmäßig bejaht werden. Durch den Vertrag führen Bieter und Zielgesellschaft eine Gleichrichtung ihrer Interessen an dem Zusammenschluss ihrer Unternehmen herbei. Die Interessen beider Vertragsparteien sind in ihrem Eingliederungsinteresse244 inhaltlich deckungsgleich: Sowohl der Bieter als auch die Zielgesellschaft verfolgen ein Interesse an der Eingliederung des Unternehmens der Zielgesellschaft in die Unternehmensgruppe des Bieters. Der mit dem BCA angestrebte und zum Vertrags inhalt erhobene Erfolg des Unternehmenszusammenschlusses durch die Eingliederung des Unternehmens der Zielgesellschaft in die Unternehmensgruppe des Bieters dient auch der Verwirklichung dieses deckungsgleichen Eingliederungsinteresses beider Vertragsparteien. Insoweit liegt ein gemeinsamer Zwecks vor.245 Es darf allerdings nicht übersehen werden, dass der Bieter und die Zielgesellschaft auch individuelle Interessen mit dem BCA verfolgen. Dabei ist weniger in den Blick zu nehmen, dass z. B. der Bieter den Zusammenschluss nur als eine „Vorstufe“ zu einer weitergehenden, allein von ihm bestimmten, Integration des Unternehmens der Zielgesellschaft in seiner Unternehmensgruppe für die Zeit nach dem Ablauf der Vertragslaufzeit des BCA ansehen kann. Hierbei handelt es sich lediglich um die genannten Motive oder „Endzwecke“ des Bieters für den Vertrag, die bei der Einordnung nach den §§ 705 ff. BGB gerade unbeachtlich sind. Zum Vertragsinhalt erhobene Zwecke bzw. „Vorzwecke“ der Parteien sind dagegen jedoch der Schutz des Übernahmeinteresses des Bieters (Stichwort: „Deal protections“246) oder auch der Schutz des Mitbestimmungsinteres 242 Im Ergebnis auch OLG München, NJW 1968, 1384, 1385, wenn es zwischen einem gemeinsamen und einem nur gleichartigen Zweck unterscheidet; ferner hie rauf abstellend – wenngleich sodann unter Vermengung der Tatbestandsmerkmale der Gemeinsamkeit und der Förderung des Zwecks – Hadding/Kießling, in: Soergel, BGB, § 705 Rn. 36; Fikentscher, FS H. Westermann, 1974, S. 87, 95 f. 243 Überzeugend Böhmer, JZ 1994, 982, 984 f., der die Beteiligung aller Vertragsparteien an dem bezweckten Erfolg durch Verwirklichung des „von allen verfolgte[n] Interesse[s]“ (ebda. S. 985) betont; kritisch hierzu ohne Begründung K. Schmidt, GesR, § 59 I 3. b) (S. 1735 f.), der sodann bei reinen Innengesellschaften wohl aber zu einem ähnlichen Ergebnis kommt. 244 Vgl. oben unter 2. Teil, A. I. 1. und A. II. 2. 245 Im Ergebnis auch Schall, in: Kämmerer/Veil, Übernahme- und Kapitalmarktrecht, S. 75, 81. 246 Vgl. hierzu oben unter 2. Teil, A. I. 1.
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ses der Zielgesellschaft. Insofern verfolgen Bieter und Zielgesellschaft auch jeweils individuelle Interessen. Für die Anwendung der §§ 705 ff. BGB ist es jedoch nicht erforderlich, dass mit dem bezweckten Erfolg ausschließlich die inhaltlich deckungsgleichen gemeinsamen Interessen verwirklicht werden. Es ist ausreichend, dass die Verwirklichung der gemeinsamen Interessen als Hauptzweck im Vordergrund steht.247 Bei einem BCA ist hier zu berücksichtigen, dass das Übernahmeverfahren die gesellschaftsrechtliche Voraussetzung für den angestrebten gemeinsamen Zweck des Unternehmenszusammenschlusses ist. Die Wahrung des Übernahmeinteresses des Bieters ist nur eine „Vorstufe“ zur Erreichung des Zusammenschlusses. Sie liegt damit auch im Interesse der Zielgesellschaft248 und dient letztendlich der Verwirklichung der deckungsgleichen Eingliederungsinteressen beider Vertragsparteien.249 Gleiches gilt etwa für die Gestaltung des Zusammenschlusses als freundliche Übernahme durch die Berücksichtigung der individuellen Unternehmensinteressen der Zielgesellschaft. Die Untersuchung hat bereits gezeigt, dass auch dies im Interesse des Bieters250 ist und insofern gleichsam der Verwirklichung der deckungsgleichen Ein gliederungsinteressen beider Vertragsparteien dient.251 Zusammenfassend kann daher festgestellt werden, dass der gemeinsame Zweck des Unternehmenszusammenschlusses als Hauptzweck des BCA im Vorder-
247 Schöne, in: Bamberger/Roth, BGB, § 705 Rn. 64; Ulmer/Schäfer, in: MünchKomm-BGB, § 705 Rn. 147; Hadding/Kießling, in: Soergel, BGB, § 705 Rn. 36; Böhmer, JZ 1994, 982, 985 f. 248 Vgl. hierzu bereits unter 2. Teil, A. II. 2. 249 Vgl. hierzu zutreffend auch Schall, in: Kämmerer/Veil, Übernahme- und Kapitalmarktrecht, S. 75, 82, der darauf hinweist, dass der Beteiligungserwerb nur „Mittel zum Zweck“ des Erreichens des gemeinsamen Gesamtziels Unternehmenszusammenschluss sei. Daher sei das BCA auch nicht als bloßer Vorvertrag zum späteren Beteiligungserwerb zu qualifizieren. Der gemeinsame Zweck eines BCA geht in der Tat über eine reine Vorvereinbarung zu der gesellschaftsrechtlichen Verbindung hinaus, welche nicht als Gesellschaftsvertrag einzuordnen wäre; vgl. Ulmer/ Schäfer, in: MünchKomm-BGB, § 705 Rn. 177. Die gesellschaftsrechtliche Ver bindung ist ein Teil des Unternehmenszusammenschlusses, aber nicht der hauptsächliche (gemeinsame) Vertragszweck. Dieser liegt in der Eingliederung der Zielgesellschaft in die Unternehmensgruppe des Bieters, also dem Unternehmenszusammenschluss selbst; vgl. zutreffend Schall, ebda., S. 82 f.; a. A. wohl Seibt, in: Kämmerer/Veil, Übernahme- und Kapitalmarktrecht, S. 105, 109. 250 Vgl. hierzu oben unter 2. Teil, A. I. 2. 251 Ähnlich auch Schall, in: Kämmerer/Veil, Übernahme- und Kapitalmarktrecht, S. 75, 81.
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2. Teil: Interessenlage und Rechtsnatur eines BCA
grund steht.252 Durch ein BCA wird damit regelmäßig ein gemeinsamer Zweck gemäß § 705 BGB vereinbart. 2. Vereinbarung der Förderung des gemeinsamen Zwecks Für die Einordnung des BCA als Gesellschaftsvertrag i. S. der §§ 705 ff. BGB müssen sich die Vertragsparteien ferner zur Förderung des gemeinsamen Zwecks verpflichtet haben. Das setzt voraus, dass Bieter und Zielgesellschaft sich im BCA zu einem Hinwirken auf die Erreichung des gemeinsamen Zwecks verpflichtet haben.253 Als Förderpflichten kommen alle Verpflichtungen zu Leistungen i. S. des § 241 Abs. 1 BGB in Betracht.254 Die Förderung des gemeinsamen Zwecks kann somit sowohl durch positive Handlungen als auch durch ein Unterlassen (vgl. § 241 Abs. 1 Satz 2 BGB) erfolgen.255 Die Förderpflicht muss sich als Hauptpflicht gemäß § 705 BGB unmittelbar aus dem Gesellschaftsvertrag und nicht aus anderen Rechtsverhältnissen zwischen den Vertragsparteien ergeben.256 Aufgrund des Charakters des Gesellschaftsvertrages als Dauerschuldverhältnis muss die Förderpflicht ferner als eine dauernde Verhaltenspflicht während der Vertragslaufzeit ausgestaltet sein.257 Als Förderpflicht des Bieters kommt zunächst die sich allein aus dem BCA ergebende Verpflichtung zur Abgabe eines öffentlichen Übernahmeangebotes in Betracht. Das Übernahmeverfahren ist die technische Voraussetzung für die Eingliederung des Unternehmens der Zielgesellschaft in die Unternehmensgruppe des Bieters. Mit der Abgabeverpflichtung verpflichtet sich der Bieter, eine wesentliche Voraussetzung für den Zusammenschluss zu schaffen. Bei der Pflicht zur Abgabe des Übernahmeangebots handelt es sich somit um eine bereits im Vertrag konkreti-
252 Vgl. Schall, in: Kämmerer/Veil, Übernahme- und Kapitalmarktrecht, S. 75, 83; a. A. wohl Seibt, in: Kämmerer/Veil, Übernahme- und Kapitalmarktrecht, S. 105, 109. 253 Ähnlich Wiedemann, GesR Bd. II, § 2 III 1 b) (S. 124). 254 Hadding/Kießling, in: Soergel, BGB, § 705 Rn. 37. 255 Im Ergebnis bereits Ballerstedt, JuS 1963, 253; vgl. auch Schöne, in: Bamberger/ Roth, BGB, § 705 Rn. 65; H. P. Westermann, in: Erman, BGB, § 705 Rn. 33; Ulmer/ Schäfer, in: MünchKomm-BGB, § 705 Rn. 154. 256 H. M.; Schöne, in: Bamberger/Roth, BGB, § 705 Rn. 65; H. P. Westermann, in: Erman, BGB, § 705 Rn. 33; Ulmer/Schäfer, in: MünchKomm-BGB, § 705 Rn. 153; Hadding/Kießling, in: Soergel, BGB, § 705 Rn. 37; Habermeier, in: Staudinger, BGB, § 705 Rn. 19; K. Schmidt, GesR, § 20 II 2. a) (S. 568). 257 H. M.; RGZ 77, 223, 227 f.; Schöne, in: Bamberger/Roth, BGB, § 705 Rn. 65; H. P. Westermann, in: Erman, BGB, § 705 Rn. 33; Ulmer/Schäfer, in: MünchKomm-BGB, § 705 Rn. 153; Hadding/Kießling, in: Soergel, BGB, § 705 Rn. 37.
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sierte Ausprägung258 der Förderung des Zusammenschlusses i. S. des § 706 BGB.259 Diese ist als einmalige Leistungspflicht vereinbart. Das Erfordernis der dauernden Förderpflicht schließt zwar nicht aus, dass im Vertrag die Förderpflichten der einzelnen Vertragsparteien durch Festlegung bestimmter einmaliger Pflichten konkretisiert werden. Erforderlich aber auch ausreichend ist es gleichwohl, dass die Parteien über die einmaligen Pflichten hinaus einer dauernden allgemeinen vertraglichen Bindung an den gemeinsamen Zweck260 unterliegen, aufgrund derer sie während der Vertragslaufzeit zur dauernden Förderung verpflichtet sind.261 Den Bieter trifft häufig ausdrücklich zwar lediglich die einmalige Pflicht zur Angebotsabgabe. Die Pflicht zur dauernden Förderung des Unternehmenszusammenschlusses während der Vertragslaufzeit kann sich aber auch ohne eine ausdrückliche Regelung durch Auslegung des Vertrages ergeben.262 Bei der Vereinbarung eines BCA steht für Bieter und Zielgesellschaft der Unternehmenszusammenschluss, also die Zusammenführung ihrer unternehmerischen Aktivitäten, im Vordergrund.263 Hierfür wird nicht nur die Abgabe des Übernahmeangebotes, sondern zudem auch die zukünftige Unternehmenspolitik und Integrations maßnahmen, insbesondere Eckpunkte und Schritte bzw. Regeln zur Festlegung der Schritte zur organisatorischen und wirtschaftlichen Zusammenführung der Unternehmen vereinbart.264 Aus dem Gesamtzusammenhang ergibt sich damit als wesentliche (Haupt-)Pflicht aus dem BCA für die gesamte Vertragslaufzeit eine dauernde Bindung des Bieters an den gemeinsamen Zweck des Zusammenschlusses.265 Er unterliegt 258 Zur Konkretisierung der allgemeinen Förderpflicht durch Beiträge i. S. des § 706 BGB vgl. Schöne, in: Bamberger/Roth, BGB, § 706 Rn. 1; Weipert, in: Münch.Hdb. GesR I, § 6 Rn. 17. 259 Zum weiten Beitragsbegriff des § 706 BGB vgl. Schöne, in: Bamberger/Roth, BGB, § 706 Rn. 6; Schäfer, in: MünchKomm-BGB, § 706 Rn. 2. 260 Zutreffend weisen Ulmer/Schäfer (in: MünchKomm-BGB, § 705 Rn. 154) darauf hin, dass allein die Begründung einer (gesellschafterlichen) Treuepflicht als (Haupt-)Förder-pflicht der Vertragsparteien bereits ausreichend ist. 261 Vgl. Schöne, in: Bamberger/Roth, BGB, § 705 Rn. 65; H. P. Westermann, in: Erman, BGB, § 705 Rn. 33. Nach zutreffender h. M. ist eine Mitgliedschaft ohne eine allgemeine Zweckförderungspflicht nicht möglich; vgl. Schöne, in: Bamberger/ Roth, BGB, § 706 Rn. 9; H. P. Westermann, in: Erman, BGB, § 706 Rn. 3; Schäfer, in: MünchKomm-BGB, § 706 Rn. 17; wohl auch K. Schmidt, GesR, § 59 II 4. (S. 1736). 262 Von Gamm, in: RGRK-BGB, § 705 Rn. 6; ähnlich auch Hadding/Kießling, in: Soergel, BGB, § 705 Rn. 33; Wiedemann, GesR Bd. II, § 2 III 1 b) (S. 124). 263 Vgl. hierzu bereits oben unter 1. Teil, B. I. 1. 264 Vgl. hierzu bereits oben unter 1. Teil, B. I. 3. 265 Im Ergebnis auch Schall, in: Kämmerer/Veil, Übernahme- und Kapitalmarktrecht, S. 75, 81 f.
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neben der Abgabe des Übernahmeangebotes auch einer darüberhinausgehenden allgemeinen Förderpflicht i. S. des § 705 BGB. Einfacher liegt die Feststellung der Förderpflicht bei der Zielgesellschaft. Diese wird zum Teil ausdrücklich im Vertrag vereinbart.266 Sollte eine Förderpflicht aber nicht ausdrücklich vorgesehen sein, so ergibt sie sich zumindest aus den hier interessierenden vertraglichen Einflussrechten. Mit diesen übernimmt die Zielgesellschaft insbesondere die dauernde Pflicht, bestimmte Geschäftsführungsmaßnahmen, welche den Erfolg des Übernahmeverfahrens beeinträchtigen könnten, zu unterlassen (Stichwort: „Deal protections“267). Die Einflussrechte sind damit darauf gerichtet, den Erfolg des Übernahmeverfahrens und in Folge dessen auch des gesamten Zusammenschlusses zu fördern. Gleiches gilt für die Einflussrechte, nach denen sich die Zielgesellschaft verpflichtet, die durch gemeinsame Absprache festgelegten Geschäftsführungsmaßnahmen zur Integration beider Unternehmen in ihrem Unternehmen durchzuführen. Auch diese Einflussrechte sind darauf gerichtet, den Unternehmenszusammenschluss voranzubringen und zu fördern. Der gemeinsame Zweck des Unternehmenszusammenschlusses bildet jeweils die causa für die Gewährung der vertraglichen Einflussrechte an den Bieter als wesentliche, dauernde (Haupt-)Pflicht der Zielgesellschaft aus dem BCA.268 Somit verpflichten sich Bieter und Zielgesellschaft im BCA zur Förderung des gemeinsamen Zwecks gemäß § 705 BGB. 3. Zwischenergebnis Vereinbaren der Bieter und die Zielgesellschaft in einem BCA den Zusammenschluss ihrer Unternehmen und die Förderung dieses Zusammenschlusses, so begründen sie regelmäßig eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts nach den §§ 705 ff. BGB.269
266 Vgl. hierzu bereits oben unter 1. Teil, B. I. 3. 267 Vgl. hierzu bereits oben unter 2. Teil, A. I. 1. 268 Im Ergebnis auch Schall, in: Kämmerer/Veil, Übernahme- und Kapitalmarktrecht, S. 75, 81 f. Allgemein hierzu auch Ulmer/Schäfer, in: MünchKomm-BGB, § 705 Rn. 148; Ballerstedt, JuS 1963, 253, 254. 269 Zu dem atypischen Fall des CFA-mobilcom/France Télécom im Ergebnis ferner OLG Schleswig, BeckRS 2010, 29118 (unter II. B. 4. c)); zu den Besonderheiten dieses Vertrages vgl. oben Fn. 95; a. A. – jedoch ohne nähere Begründung – Seibt, in: Kämmerer/Veil, Übernahme- und Kapitalmarktrecht, S. 105, 109.
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III. Folgerungen für die vertraglichen Einflussrechte des Bieters 1. Der Bieter als Anspruchsinhaber Die durch das BCA begründete Gesellschaft ist regelmäßig mangels einer von den Vertragsparteien vereinbarten Teilnahme am Rechtsverkehr als Gesellschaft als reine Innengesellschaft ausgestaltet.270 Dies gilt unabhängig davon, ob der Abschluss des BCA z. B. nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG271 publiziert wird.272 Die Einordnung als Innengesellschaft gilt zudem unabhängig davon, ob ausnahmsweise – z. B. aufgrund der Vereinbarung von vermögensrelevanten Beitragspflichten im BCA – ein Gesamthandvermögen vorhanden ist.273 Die Rechtsbeziehungen zwischen dem Bieter und der Zielgesellschaft als Gesellschafter dieser durch das BCA begründeten Innengesellschaft sind grundsätzlich rein schuldrechtlicher Natur.274 Diese schuldrechtlichen Verpflichtungen bestehen mangels Rechtsfähigkeit der durch das BCA begründeten Innengesellschaft275 im Verhältnis zwischen der Zielgesellschaft und dem Bieter.276 Der Bieter ist zur Forderung des Tuns oder Unterlassens der Maßnahmen im Unternehmen sei270 Zum Willen der Vertragsparteien, als Gesellschaft am Rechtsverkehr teilzunehmen, als entscheidendes Abgrenzungskriterium zwischen Außen- und Innengesellschaft vgl. Schöne, in: Bamberger/Roth, BGB, § 705 Rn. 139, 141; Ulmer/Schä fer, in: MünchKomm-BGB, § 705 Rn. 279; Hadding/Kießling, in: Soergel, BGB, Vor § 705 Rn. 28; Schücking, in: Münch.Hdb.GesR I, § 3 Rn. 44. 271 Vgl. hierzu Seibt, in: Seibt, Formularbuch M&A, L. II. 2. Anm. 20 (S. 1559); Aha, BB 2001, 2225, 2232 f. 272 Für die Einordnung als Innengesellschaft kommt es auf eine Geheimhaltung der Gesellschaft gegenüber dem Rechtsverkehr nicht an; vgl. BGH, NJW 1960, 1851, 1852; Ulmer/Schäfer, in: MünchKomm-BGB, § 705 Rn. 276; Hadding/Kießling, in: Soergel, BGB, Vor § 705 Rn. 29; Schücking, in: Münch.Hdb.GesR I, § 3 Rn. 44. 273 Nach zutreffender Ansicht ist das Fehlen eines Gesamthandvermögens kein Abgrenzungskriterium von zwischen Außen- und Innengesellschaft; vgl. H. P. Wes termann, in: Erman, BGB, § 705 Rn. 67; Ulmer/Schäfer, in: MünchKomm-BGB, § 705 Rn. 280 f., 282; Hadding/Kießling, in: Soergel, BGB, Vor § 705 Rn. 28; Schü cking, in: Münch.Hdb.GesR I, § 3 Rn. 53 ff.; kritisch auch Schöne, in: Bamberger/ Roth, BGB, § 705 Rn. 134, 138 f.; a. A. RGZ 166, 160, 163; BGH, NJW 1982, 99, 100; wohl auch BGHZ 126, 226, 234; K. Schmidt, GesR, § 43 II 3. b) (S. 1290), § 58 II 2. b) (S. 1697). 274 Vgl. Schöne, in: Bamberger/Roth, BGB, § 705 Rn. 162; Ulmer/Schäfer, in: MünchKomm-BGB, § 705 Rn. 276, 285, 155 ff.; zu möglichen Ausnahmen vgl. K. Schmidt, GesR, § 7 I 2. b) bb) (S. 170 f.). 275 Zur fehlenden Rechtsfähigkeit der Innengesellschaft vgl. Schöne, in: Bamberger/ Roth, BGB, § 705 Rn. 14, 134; Habermeier, in: Staudinger, BGB, § 705 Rn. 59; K. Schmidt, GesR, § 43 II 3 b) (S. 1290). 276 Vgl. Ulmer/Schäfer, in: MünchKomm-BGB, § 705 Rn. 215; Habermeier, in: Staudinger, BGB, § 705 Rn. 44.
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nes Vertragspartner entsprechend seiner Einflussnahme berechtigt und damit Gläubiger der Ansprüche (vgl. § 241 Abs. 1 BGB). Er kann die Erfüllung des Anspruches – wie grundsätzlich bei jedem schuldrechtlichen Anspruch – gegenüber seinem Vertragspartner klageweise im eigenen Namen auf Leistung an bzw. gegenüber sich selbst277 durchsetzen und auch vollstrecken (vgl. §§ 888, 890 ZPO). 2. Reichweite und Grenzen der Einflussrechte des Bieters Grundsätzlich kann sich die Entscheidung über die Ausübung von vertraglichen Rechten durch den Bieter oder die Zielgesellschaft – bzw. die für sie handelnden Organe (§§ 77, 78 AktG)278 – an dem jeweiligen „eigenen“ Gesellschaftsinteresse orientieren. Die Verfolgung der jeweiligen „eigenen“ Interessen stößt allerdings bei der Ausübung von Rechten aus einem Gesellschaftsvertrag auf Grenzen. Durch die Vereinbarung werden die Interessen des Bieters und der Zielgesellschaft an dem Unternehmenszusammenschluss als gemeinsamer Zweck miteinander verknüpft. So berühren z. B. Entscheidungen eines durch das BCA installierten gemeinsamen Gremiums über die Maß nahmen der Zielgesellschaft zur Integration ihres Unternehmens in den Unternehmensverbund des Bieters nicht mehr allein das Interesse der Zielgesellschaft. Sie liegen fortan im gemeinsamen Interesse. Die vertraglichen Rechte der Vertragsparteien in dem gemeinsamen Gremium wie insbesondere das Stimmrecht ist – vergleichbar dem Zustimmungsrecht nach § 709 Abs. 1, 2. Halbs. BGB im Rahmen der Geschäftsführungsbefugnis eines Gesellschafters – Ausfluss der allgemeinen Pflicht zur Förderung des gemeinsamen Zwecks nach § 705 BGB.279 Durch die Festlegung und Durchführung der konkreten Integrationsmaßnahmen wird der Prozess des Unternehmenszusammenschlusses vorangetrieben; die Entscheidungen des gemeinsamen Gremiums sind letzten Endes nichts anderes, als die Konkretisierung des im Vertrag noch abstrakt um277 Zur Unanwendbarkeit der actio pro socio bei Innengesellschaften vgl. BGH, ZIP 1995, 738, 742; Schöne, in: Bamberger/Roth, BGB, § 705 Rn. 162; Ulmer/Schä fer, in: MünchKomm-BGB, § 705 Rn. 285; Habermeier, in: Staudinger, BGB, § 713 Rn. 59. 278 Zur Treuepflicht der Vorstandsmitglieder gegenüber dem Gesellschaftsinteresse vgl. BGHZ 15, 71, 78; Mestmäcker, S. 214 f.; Hüffer, AktG, § 93 Rn. 5, § 84 Rn. 9; Mertens/Cahn, in: KölnKomm-AktG, § 93 Rn. 95 ff., 107 ff.; Krieger/Sailer-Cocea ni, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 93 Rn. 16; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 93 Rn. 113 ff.; Raiser/Veil, KapGesR, § 14 Rn. 91 ff. 279 So zu § 709 BGB auch H. P. Westermann, in: Erman, BGB, § 709 Rn. 2; ähnlich Schäfer, in: MünchKomm-BGB, § 709 Rn. 3; Ballerstedt, JuS 1963, 253, 256.
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schriebenen gemeinsamen Zwecks. Die Vertragsparteien erhalten dabei über ihr Stimmrecht im Gremium eine mit der Konkretisierung des abstrakten Vertragszwecks notwendiger Weise verbundene Entscheidungsfreiheit280 und hieraus eine weitgehende Einwirkungsmacht auf das gemeinsame Interesse und insoweit auch auf das (Fremd-)Interesse des anderen Vertragsteils. Diese mit einem Gesellschaftsvertrag verbundene gesteigerte Einwirkungsmacht erfordert als Korrelat eine gegenüber herkömmlichen Schuldverhältnissen gesteigerte Pflichtbindung an das gemeinsame Interesse sowie eine gesteigerte Rücksichtnahme auf die Interessen des Vertragspartners (gesellschafterliche Treuepflicht281).282 Durch die Begründung eines gemeinsamen Interesses am Unternehmenszusammenschluss haben die Vertragsparteien des BCA zugleich der anderen Partei ihre jeweiligen „eigenen“ Interessen anvertraut,283 wodurch sie im Gegenzug bei der Ausübung ihrer vertraglichen Rechte zur Rücksichtnahme auf die jeweils anvertrauten Interessen verpflichtet sind.
280 Dies unterstreicht auch Zöllner, S. 343; zustimmend Voigt, S. 173. 281 Die Treuepflicht ist als gesellschaftsrechtliches Prinzip allgemein anerkannt; lediglich über die Rechtsgrundlage besteht Streit: Für eine Herleitung aus § 242 BGB vgl. etwa Schöne, in: Bamberger/Roth, BGB, § 705 Rn. 101; K. Schmidt, GesR, § 20 IV 1. a) (S. 587 f.); Hennrichs, AcP 195 (1995), 221, 228 ff. Für eine Einordnung als eine eigenständige mitgliedschaftliche Pflicht aus § 705 BGB vgl. Hadding/ Kießling, in: Soergel, BGB, § 705 Rn. 58; Lutter, AcP 180 (1980), 84, 102 ff., 121 ff. Zur Bedeutung des Streitstandes vgl. zutreffend Ulmer/Schäfer, in: MünchKomm-BGB, § 705 Rn. 222. 282 Der Gedanke der Treuepflicht als Korrelat von Einwirkungsmacht geht zurück auf die grdl. Arbeiten von Fechner, S. 70 ff., insb. S. 76 f.; Mestmäcker, S. 214 f., S. 348 ff.; Zöllner, S. 339 ff., insb. S. 342 f.; vgl. ferner H. P. Westermann, in: Erman, BGB, § 705 Rn. 49; Flume, BGB AT I/1, § 15 I (S. 259 f., S. 261 f.); trotz Kritik auch Hennrichs, AcP 195 (1995), 221, 238 f. Zur Einflussmacht auf (auch) fremde Interessen als Grundlage der Treuepflicht des Gesellschafters im Kapitalgesellschaftsrecht vgl. bereits RGZ 132, 149, 163; ferner BGHZ 65, 15, 18 f. – „ITT“; 103, 184, 195 – „Linotype“; 129, 136, 142 ff. – „Girmes“; Winter, S. 69 f.; Voigt, S. 173 ff.; deutlich auch Timm, WM 1991, 481, 482 („tragender Rechtsgrund“). Den Aspekt der Einflussmacht betont auch Lutter (AcP 180 (1980), 84, 110, 114) im Zusammenhang mit der vom ihm so bezeichneten „passiven Förderpflicht“ des gemeinsamen Zwecks (auch „Unterlassens- und Loyalitätspflicht“); im Zusammenhang mit der so bezeichneten „aktiven Förderpflicht“ scheint Lutter diesem jedoch kritisch gegenüber zu stehen (ebda., Fn. 98). 283 Der Aspekt des persönlichen Vertrauens zwischen den Vertragsparteien wird vor allem im älteren Schrifttum betont; vgl. etwa A. Hueck, FS Hübner, 1935, S. 72, 80; in diesem Sinne auch noch Lutter, AcP 180 (1980), 84, 121. Es mag hier offen bleiben, ob es sich hierbei um ein persönliches Vertrauen der Vertragsparteien handelt oder ob es sich um ein „Anvertrauenmüssen“ handelt, dass sich „aus dem Wesen der Sache“ des Gesellschaftsvertrages ergibt; für Letzteres Zöllner, S. 343.
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2. Teil: Interessenlage und Rechtsnatur eines BCA
Diese Verlagerung der Interessensbindung an das gemeinsame Interesse gilt im besonderen Maße bei Rechten wie dem Stimmrecht im gemeinsamen Gremium, die Ausfluss der allgemeinen Förderpflicht gemäß § 705 BGB sind. Weil sich Bieter und Zielgesellschaft im Vertrag zur Förderung des gemeinsamen Zweckes verpflichtet haben, steht ihnen das Recht und die Pflicht zum Mitentscheid im gemeinsamen Gremium nicht zur Verfolgung von „eigenen“ Interessen, sondern zur Förderung des gemeinsamen Zwecks zu (uneigennütziges Pflichtrecht).284 Bei der Ausübung ihres Stimmrechts sind sie daher aufgrund der gesellschafterlichen Treuepflicht dazu verpflichtet, dem gemeinsamen Interesse gegenüber ihren „eigenen“ Interessen den Vorrang einzuräumen.285 Die Zielgesellschaft kann somit grundsätzlich gegenüber dem Bieter auch zur Zustimmung zu einer für sie nachteiligen und damit nicht in ihrem Interesse liegenden Maßnahme verpflichtet sein, wenn diese Maßnahme im Interesse des Unternehmenszusammenschlusses liegt. Gleichwohl darf nicht übersehen werden, dass vor einer Zustimmungspflicht zu einer Maßnahme die Feststellung steht, ob die Maßnahme im Interesse des Unternehmenszusammenschlusses ist. Eine Maßnahme ist nicht allein deshalb im gemeinsamen Interesse, weil der andere Vertragsteil die Durchführung verlangt.286 Die vertragliche Regelung eines Stimm- oder Zustimmungsrechts in einem BCA zeigt damit zwar, dass auch die Vertragsparteien von einer privatautonomen Entscheidung des jeweils Berechtigten ausgehen, die das Ergebnis einer grundsätzlich freien eigenen Willensbildung ist und deren Inhalt nicht bereits durch das gemeinsame Interesse in einer bestimmten Weise vorgegeben ist.287 Die Vertragsparteien können ihre Entscheidung aufgrund von eigenen – einer Überprüfung weitgehend entzogenen – Erwägungen über die Zweckmäßigkeit der Maßnah284 So zum vergleichbaren allgemeinen Pflichtrecht der Geschäftsführung – trotz leichter begrifflicher Unterschiede – ganz h. M.; eingehend bereits A. Hueck, FS Hübner, 1935, S. 72, 80, 82 f.; vgl. ferner BGH, NJW 1972, 862, 863; Schöne, in: Bamberger/Roth, BGB, § 705 Rn. 103; Ulmer/Schäfer, in: MünchKomm-BGB, § 705 Rn. 196, 226; von Gamm, in: RGRK-BGB, § 705 Rn. 17; von Ditfurth, in: Münch.Hdb.GesR I, § 7 Rn. 15; im Ergebnis auch Hadding/Kießling, in: Soergel, BGB, § 705 Rn. 59; Habermeier, in: Staudinger, BGB, § 705 Rn. 51; insgesamt kritisch zu dieser Begriffsverwendung Flume, BGB AT I/1, § 15 III (S. 265 ff.). 285 Zum vergleichbaren Zustimmungsrecht nach § 709 Abs. 1, 2. Halbs. BGB vgl. Zöllner, S. 346; Schöne, in: Bamberger/Roth, BGB, § 705 Rn. 103; H. P. Wester mann, in: Erman, BGB § 705 Rn. 49; Ulmer/Schäfer, in: MünchKomm-BGB, § 705 Rn. 226; Hadding/Kießling, in: Soergel, BGB, § 705 Rn. 60; Habermeier, in: Staudinger, BGB, § 705 Rn. 51; von Ditfurth, in: Münch.Hdb.GesR I, § 7 Rn. 15. 286 Ähnlich bereits A. Hueck, FS Hübner, 1935, S. 72, 79; ferner Schöne, in: Bamberger/Roth, BGB, § 709 Rn. 56. 287 Zutreffend zum Zustimmungsrecht nach § 709 Abs. 1, 2. Halbs. BGB Flume, BGB AT I/1, § 15 II (S. 263, 267).
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B. Die Rechtsnatur eines BCA
me grundsätzlich frei treffen.288 Eine Zustimmungspflicht kann sich aus der gesellschafterlichen Treuepflicht aber ausnahmsweise ergeben, wenn die Durchführung der Maßnahme im gemeinsamen Interesse, also zur Erreichung des gemeinsamen Zwecks, dringend geboten ist;289 ein unüberprüfbarer Entscheidungsspielraum steht den Vertragsparteien in diesen Fällen nicht zu.290 Ferner kann z. B. der Bieter sein Zustimmungsrecht zu einer Maßnahme der Zielgesellschaft ausnahmsweise durch beharrliche Verweigerung der Zustimmung – auch zu nicht dringend gebotenen Maßnahmen – verwirken, wenn dies aufgrund von sachfremden Gründen geschieht.291 Die vertraglichen Stimm- bzw. Zustimmungsrechte haben in dem gemeinsamen Vertragszweck des BCA, also in dem Unternehmenszusammenschluss, ihre causa292 und finden in dieser zugleich Ausübungsmaxime und -grenze. Der Bieter ist damit zwar nicht verpflichtet, die individuellen Interessen der Zielgesellschaft zu fördern.293 Die gesellschafterliche Treuepflicht gegenüber seinem Vertragspartner gebietet ihm aber, bei der Ausübung der Stimm- bzw. Zustimmungsrechte auf dessen Interessen Rücksicht zu nehmen. Er darf nur insoweit die Zustimmung zu einer für die Zielgesellschaft vorteilhaften Maßnahme verweigern bzw. die Zustimmung der Zielgesellschaft zu einer für sie nachteiligen Maßnahme verlangen, als dies für den Unternehmenszusammenschluss erforderlich, geeignet und angemessen ist (sog. Verhältnismäßigkeitsgrundsatz). Dies ist allgemein für den vom Vertrag nach § 705 BGB erfassten Interessensbereich des Mitgesellschafters (sog. mitgliedschaftlicher Bereich) anerkannt.294 288 Vgl. allgemein zur GbR RGZ 97, 329, 331; BGH, NJW 1972, 862, 863; H. P. Wes termann, in: Erman, BGB, § 709 Rn. 9; Schäfer, in: MünchKomm-BGB, § 709 Rn. 30, 42; von Ditfurth, in: Münch.Hdb.GesR I, § 7 Rn. 29; wohl auch Schöne, in: Bamberger/Roth, BGB, § 709 Rn. 55; Hadding/Kießling, in: Soergel, BGB, § 709 Rn. 16; Grunewald, GesR, 1. A. Rn. 79. 289 Vgl. allgemein zur GbR RGZ 97, 329, 331; 162, 78, 82 f.; Schöne, in: Bamberger/ Roth, BGB, § 709 Rn. 56; Schäfer, in: MünchKomm-BGB, § 709 Rn. 42; von Dit furth, in: Münch.Hdb.GesR I, § 7 Rn. 29; Grunewald, GesR, 1. A. Rn. 79. 290 Vgl. Schäfer, in: MünchKomm-BGB, § 709 Rn. 42; ähnlich H. P. Westermann, in: Erman, BGB, § 709 Rn. 10. 291 Zum vergleichbaren Zustimmungsrecht nach § 709 Abs. 1, 2. Halbs. BGB vgl. BGH, NJW 1972, 862, 863 f.; Schöne, in: Bamberger/Roth, BGB, § 709 Rn. 12; Hadding/ Kießling, in: Soergel, BGB, § 709 Rn. 16; von Ditfurth, in: Münch.Hdb.GesR I, § 7 Rn. 29; a. A. Schäfer, in: MünchKomm-BGB, § 709 Rn. 43. 292 Vgl. hierzu bereits oben unter 2. Teil, B. II. 2. 293 Vgl. Schöne, in: Bamberger/Roth, BGB, § 705 Rn. 101; H. P. Westermann, in: Erman, BGB, § 705 Rn. 52; Ulmer/Schäfer, in: MünchKomm-BGB, § 705 Rn. 229; Hadding/Kießling, in: Soergel, BGB, § 705 Rn. 60. 294 Grdl. Zöllner, S. 349 ff., insb. S. 351 f.; ferner H. P. Westermann, in: Erman, BGB, § 705 Rn. 52; Ulmer/Schäfer, in: MünchKomm-BGB, § 705 Rn. 223, 229; Hadding/
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2. Teil: Interessenlage und Rechtsnatur eines BCA
Dass diese Rücksichtnahmepflicht auch für die Ausübung der Einflussrechte des Bieters Geltung hat, wird besonders mit Blick auf die Begründung der gesellschafterlichen Treuepflicht deutlich. Durch die Einflussrechte eröffnet die Zielgesellschaft dem Bieter zur Verfolgung des gemeinsamen Zwecks eine Einwirkungsmacht auf die Geschäftsführung ihres Unternehmens und damit auf einen Bereich, der primär ihren Interessenkreis berührt und erst durch den Vertrag zum gemeinsamen Interessenkreis erhoben wird. Als Korrelat bildet die Treuepflicht eine Schranke der Einwirkungsmacht des Bieters.295 Er darf seinen Einfluss gegen die individuellen Interessen der Zielgesellschaft nur soweit gebrauchen, wie es verhältnismäßig zum gemeinsamen Interesse ist. Die Zielgesellschaft wird daher aus dem BCA nur zur Umsetzung von für sie nachteiligen Maßnahmen i. S. des Maßstabes des § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG verpflichtet, wenn diese zur Verfolgung des gemeinsamen Interesses an dem Unternehmenszusammenschluss erforderlich, geeignet und angemessen ist, insbesondere wenn das Ziel des Unternehmenszusammenschlusses nicht durch weniger nachteilige Maßnahmen erreicht werden kann. So dürfte der Bieter z. B. die im Interesse der Zielgesellschaft gebotene Ausnutzung von genehmigtem Kapital aufgrund eines Zustimmungsvorbehalts nur verhindern, soweit der Unternehmenszusammenschluss nicht auch durch mildere Maßnahmen (z. B. Kapitalerhöhung in kleinerem Umfang) erreicht werden kann. Im Ergebnis hat die Rechtsnatur des BCA als Vertrag i. S. der §§ 705 ff. BGB zur Folge, dass die Reichweite und Grenzen der vertraglichen Einflussrechte des Bieters durch den Vertragszweck und die gesellschafterliche Treuepflicht bestimmt werden.296 Zwar kann etwa bei Einflussrechten mit mittlerer Einflussintensität297 wie Einflussrechte mit einem Mitentscheidungs- und Vetorecht durch die Einflussnahme eine Pflicht zur Durchführung der Maßnahme ausnahmsweise auch gegen den Willen der Zielgesellschaft zu deren Nachteil begründet werden, wenn diese Maßnahme zur Verfolgung des gemeinsamen Zwecks geboten ist. Andererseits finden die Einflussrechte in der Treuepflicht auch eine Grenze Kießling, in: Soergel, BGB, § 705 Rn. 60; Lutter, AcP 180 (1980), 84, 120 ff., insb. 123; wohl auch K. Schmidt, GesR, § 59 III. 1. b) (S. 1743); zur OHG auch Schäfer, in: GroßKomm-HGB, § 105 Rn. 236; zur GmbH eingehend Winter, S. 141 ff.; zur AG vgl. BGHZ 71, 40, 44 ff. – „Kali + Salz“; 83, 319, 321 ff. – „Holzmann“. 295 Zur insofern auch bestehenden Schrankenfunktion der Treuepflicht vgl. Zöllner, S. 288; H. P. Westermann, in: Erman, BGB, § 705 Rn. 49; Ulmer/Schäfer, in: MünchKomm-BGB, § 705 Rn. 223; Wiedemann, GesR Bd. II, § 3 II 3 d) cc) (S. 203). 296 Im Ergebnis anders freilich Seibt, in: Kämmerer/Veil, Übernahme- und Kapitalmarktrecht, S. 105, 109. 297 Zur Abgrenzung nach der Einflussintensität vgl. unter 1. Teil, B. II. 2.
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C. Ergebnisse des 2. Teils
i. S. einer Pflicht zur Mitberücksichtigung der Interessen der Zielgesellschaft. Sowohl bei Einflussrechten mit einseitigem Bestimmungsrecht als auch bei Vorwegbindungen darf der Bieter seinen Einfluss nur soweit zum Nachteil der Zielgesellschaft benutzen, als dies für das Erreichen des Unternehmenszusammenschlusses erforderlich, geeignet und angemessen ist.
C. Ergebnisse des 2. Teils 1. Der Unternehmenszusammenschluss findet im Fall eines BCA im Umfeld einer freundlichen Übernahme statt. Der Bieter und die Zielgesellschaft verfolgen mit dem Abschluss des BCA das Ziel, ihre Interessen an der Eingliederung des Unternehmens der Zielgesellschaft in die Unternehmensgruppe des Bieters (Eingliederungsinteresse). Als „Vorstufe“ hierzu geht es ihnen auch um die Sicherung eines erfolgreichen Übernahmeverfahrens (Übernahmeinteresse) durch die Vereinbarung der hierfür erforderlichen Schritte und weiterer Maßnahmen zur Förderung des Zusammenschlusses. 2. Die Interessenlage verdeutlicht einen Rechtsbindungswillen der Vertragsparteien. Bieter und Zielgesellschaft haben ein Interesse an rechtsverbindlichen schuldrechtlichen Bindungen des jeweiligen Vertragspartners durch das BCA. 3. Mit der Vereinbarung des Unternehmenszusammenschlusses vereinbaren die Vertragsparteien einen gemeinsamen Zweck und dessen Förderung. Ein BCA ist damit regelmäßig ein Gesellschaftsvertrag i. S. der §§ 705 ff. BGB. 4. Das BCA ist in der Regel als reine Innengesellschaft ausgestaltet, durch die durchsetzbare und vollstreckbare schuldrechtliche Erfüllungsansprüche zwischen den Vertragsparteien begründet werden. 5. Reichweite und Grenzen der vertraglichen Einflussrechte des Bieters werden durch den Vertragszweck und die gesellschafterliche Treuepflicht bestimmt. Zwar kann eine Pflicht zur Durchführung der Maßnahme auch zum Nachteil der Zielgesellschaft begründet werden, wenn diese Maßnahme zur Verfolgung des gemeinsamen Zwecks geboten ist. Andererseits finden die Einflussrechte in der Treuepflicht auch eine Grenze. Der Bieter muss die Interessen der Zielgesellschaft mitberücksichtigen. Er darf seinen Einfluss nur soweit zum Nachteil der Zielgesellschaft benutzen, als dies für das Erreichen des Unternehmenszusammenschlusses erforderlich, geeignet und angemessen ist. 57
C. Ergebnisse des 2. Teils
i. S. einer Pflicht zur Mitberücksichtigung der Interessen der Zielgesellschaft. Sowohl bei Einflussrechten mit einseitigem Bestimmungsrecht als auch bei Vorwegbindungen darf der Bieter seinen Einfluss nur soweit zum Nachteil der Zielgesellschaft benutzen, als dies für das Erreichen des Unternehmenszusammenschlusses erforderlich, geeignet und angemessen ist.
C. Ergebnisse des 2. Teils 1. Der Unternehmenszusammenschluss findet im Fall eines BCA im Umfeld einer freundlichen Übernahme statt. Der Bieter und die Zielgesellschaft verfolgen mit dem Abschluss des BCA das Ziel, ihre Interessen an der Eingliederung des Unternehmens der Zielgesellschaft in die Unternehmensgruppe des Bieters (Eingliederungsinteresse). Als „Vorstufe“ hierzu geht es ihnen auch um die Sicherung eines erfolgreichen Übernahmeverfahrens (Übernahmeinteresse) durch die Vereinbarung der hierfür erforderlichen Schritte und weiterer Maßnahmen zur Förderung des Zusammenschlusses. 2. Die Interessenlage verdeutlicht einen Rechtsbindungswillen der Vertragsparteien. Bieter und Zielgesellschaft haben ein Interesse an rechtsverbindlichen schuldrechtlichen Bindungen des jeweiligen Vertragspartners durch das BCA. 3. Mit der Vereinbarung des Unternehmenszusammenschlusses vereinbaren die Vertragsparteien einen gemeinsamen Zweck und dessen Förderung. Ein BCA ist damit regelmäßig ein Gesellschaftsvertrag i. S. der §§ 705 ff. BGB. 4. Das BCA ist in der Regel als reine Innengesellschaft ausgestaltet, durch die durchsetzbare und vollstreckbare schuldrechtliche Erfüllungsansprüche zwischen den Vertragsparteien begründet werden. 5. Reichweite und Grenzen der vertraglichen Einflussrechte des Bieters werden durch den Vertragszweck und die gesellschafterliche Treuepflicht bestimmt. Zwar kann eine Pflicht zur Durchführung der Maßnahme auch zum Nachteil der Zielgesellschaft begründet werden, wenn diese Maßnahme zur Verfolgung des gemeinsamen Zwecks geboten ist. Andererseits finden die Einflussrechte in der Treuepflicht auch eine Grenze. Der Bieter muss die Interessen der Zielgesellschaft mitberücksichtigen. Er darf seinen Einfluss nur soweit zum Nachteil der Zielgesellschaft benutzen, als dies für das Erreichen des Unternehmenszusammenschlusses erforderlich, geeignet und angemessen ist. 57
3. Teil: Die Vereinbarkeit mit der allgemeinen aktienrechtlichen Organisationsverfassung der §§ 76 ff. AktG 3. Teil: Vereinbarkeit mit der allg. aktienrechtlichen Organisationsverfassung
Es ist nun zu untersuchen, ob das allgemeine Organisationsrecht der Aktiengesellschaft der Gewährung von vertraglichen Einflussrechten auf ihre Geschäftsführungsmaßnahmen an einzelne Aktionäre oder gesellschaftsfremde Dritte – wie im Fall eines BCA – Schranken setzt.
A. Ausgangspunkt der Überlegungen I. Grundzüge der aktienrechtlichen Organisationsverfassung Die aktienrechtliche Organisationsverfassung zeichnet sich durch die zwingenden Prinzipien (vgl. § 23 Abs. 5 AktG) der klaren Zuständigkeitsabgrenzungen und der Machtbalance aus, in der kein Organ eine dominierende Stellung einnimmt.298 Danach hat die Hauptversammlung die Entscheidungskompetenz für die Grundlagenmaßnahmen der Gesellschaft (vgl. insbesondere § 119 Abs. 1 AktG). Während dem Aufsichtsrat die Kompetenz zur Überwachung des Vorstandes bei der Geschäftsführung zukommt (§ 111 Abs. 1 AktG), hat der Vorstand die Leitungs- und Geschäftsführungskompetenz (§§ 76, 77 AktG). Dabei wird im Schrifttum § 76 Abs. 1 AktG als eine Schranke der Einflussnahme auf die Geschäftsführung des Vorstandes angesehen. Besondere Bedeutung wird dabei dem Tatbestandsmerkmal der Leitung der Gesellschaft „unter eige ner Verantwortung“ beigemessen, das im Sinne einer selbstständigen oder autonomen Leitung verstanden wird.299 In diesem Zusammenhang werden zwei Aspekte betont: Zum einen ist der Vorstand bei der Ausübung seiner Leitungsmacht grundsätzlich frei von Einflüssen durch andere („Unentziehbarkeit der Leitungsmacht“300). Der Aufsichtsrat darf allein im Rahmen seiner Überwachungsaufgabe durch Zustimmungsvorbehalte begrenzten Einfluss auf den Vorstand nehmen (vgl. § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG).301 Auch die Hauptversammlung 298 Hüffer, AktG, § 76 Rn. 4; Mertens/Cahn, in: KölnKomm-AktG, Vorb. § 76 Rn. 1; Raiser/Veil, KapGesR, § 13 Rn. 11. 299 Vgl. Kort, in: GroßKomm-AktG, § 76 Rn. 41; M. Weber, in: Hölters, AktG, § 76 Rn. 12; Spindler, in: MünchKomm-AktG, § 76 Rn. 22; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 76 Rn. 56. 300 So ausdrücklich Möslein, S. 24 ff. 301 Spindler, in: MünchKomm-AktG, § 76 Rn. 22.
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3. Teil: Vereinbarkeit mit der allg. aktienrechtlichen Organisationsverfassung
kann Entscheidungen im Zuständigkeitsbereich des Vorstandes nicht an sich ziehen (vgl. § 119 Abs. 2 AktG). Allein im Rahmen des Konzernrechts kann sie dem Vorstand die Leitungsmacht entziehen und sie einem einzelnen Aktionär oder gesellschaftsfremden Dritten zuweisen (vgl. §§ 308 Abs. 1 Satz 1, 323 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. §§ 293 Abs. 1 Satz 1, 319 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 83 Abs. 2 AktG). Außerhalb des Konzernrechts ist nach h. M. eine Einflussnahme einzelner Aktionäre oder gesellschaftsfremder Dritter auf den Vorstand unzulässig.302 Zum anderen darf sich der Vorstand seiner Leitungsmacht grundsätzlich durch eine Übertragung an andere Stellen nicht selbst entäußern („Unver äußerlichkeit der Leitungsmacht“303). Die selbstständige oder autonome Ausübung der Leitungsmacht ist insofern nicht nur ein Recht (Unentziehbarkeit), sondern auch eine Pflicht des Vorstandes (Unveräu ßerlichkeit). Sie wird im Schrifttum daher auch als ein Pflichtrecht des Vorstandes bezeichnet.304 Entscheidungen aus seinem Zuständigkeitsbereich darf der Vorstand gesellschaftsintern nach § 111 Abs. 4 Satz 1 AktG nicht an den Aufsichtsrat delegieren. Auch eine gesellschaftsinterne Delegation an nachgeordnete Stellen (z. B. Mitarbeiter) ist nach verbreiteter Meinung nur in Grenzen möglich.305 Einzig im Rahmen des § 119 Abs. 2 AktG können Entscheidungen an die Hauptversammlung übertragen werden.
302 Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, AktG, § 76 Rn. 18; Kort, in: GroßKomm-AktG, § 76 Rn. 42 ff.; Oltmanns, in: Heidel, Aktienrecht, § 76 AktG Rn. 7; Hüffer, AktG, § 76 Rn. 10 f.; Mertens/Cahn, in: KölnKomm-AktG, § 76 Rn. 42 ff.; Spindler, in: MünchKomm-AktG, § 76 Rn. 22; Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 76 Rn. 10; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 76 Rn. 57. 303 So ausdrücklich Möslein, S. 35 ff.; Mertens/Cahn, in: KölnKomm-AktG, § 76 Rn. 45; Fleischer, FS Schwark, 2009, S. 137 ff.; ähnlich ders., in: Spindler/Stilz, AktG, § 76 Rn. 9; ders., ZIP 2003, 1, 2. 304 Dette, S. 72; Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 76 Rn. 8; Fleischer, in: Spindler/ Stilz, AktG, § 76 Rn. 9; ders., ZIP 2003, 1, 2; Seibt, FS K. Schmidt, 2009, S. 1463, 1466. 305 Vgl. hierzu mit im Detail unterschiedlichen Grenzen zur Delegationsfähigkeit von Maßnahmen Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, AktG, § 76 Rn. 21; Kort, in: GroßKomm-AktG, § 76 Rn. 49; Mertens/Cahn, in: KölnKomm-AktG, § 76 Rn. 45; Oltmanns, in: Heidel, Aktienrecht, § 76 AktG Rn. 7; Fleischer, ZIP 2003, 1, 7 ff.; ders., in: Spindler/Stilz, AktG, § 76 Rn. 65; Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 76 Rn. 8; ders., FS K. Schmidt, 2009, S. 1463, 1473 ff; Dreher, FS Hopt, 2010, S. 517, 518 ff.
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A. Ausgangspunkt der Überlegungen
II. Meinungsstand zu vertraglichen Einflussrechten Die hier interessierende Entäußerung der Entscheidungsmacht des Vorstandes nach außen an einzelne Aktionäre oder Dritte durch Vereinbarung schuldrechtlicher Einflussrechte sieht die h. M. als unzulässig an.306 Zwar zeigt sich insofern im Schrifttum im Grundsatz eine weitgehende Einigkeit. Die Unzulässigkeit der Übertragung von Leitungsmacht an Externe wird jedoch in der Regel lediglich apodiktisch festgestellt.307 Versuche einer methodischen Fundierung der Unveräußerlichkeit der Lei tungsmacht an Stellen außerhalb der Gesellschaft finden sich selten.308 Es kann daher auch nicht verwundern, dass das Schrifttum bislang bei der Präzisierung der Grenzen einer schuldrechtlichen Einflussnahme zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen gelangt. Zum Teil wird die Grenze in der Unterscheidung von Leitungs- und Geschäftsführungsmaßnahmen gesehen. Danach sei es nur unzulässig, Leitungsmaßnahmen einer schuld rechtlichen Einflussnahme zu unterstellen.309 Zum Teil wird aber auch auf die Intensität310 der vertraglichen Einflussnahme – wiederum mit unterschiedlichen Ergebnissen – abgestellt: So wird bei Weisungsrechten verbreitet angenommen, dass der Vorstand durch eine schuldrechtliche Vereinbarung nicht unter externe Weisungen gestellt werden dürfe,311 während andere ein schuldrechtliches Weisungsrecht zulassen, wenn das Weisungsrecht in seinem Inhalt und Umfang durch den Vertragszweck hinreichend bestimmt und begrenzt ist.312 Auch bei Einflussrechten mit geringerer Einflussintensität kommt das Schrifttum zu unterschiedlichen Ergebnissen. So werden etwa Einflussrechte mit einer Vetoposition des anderen Vertragsteils wie z. B. bei Zustimmungsvorbehalten zum 306 Kort, in: GroßKomm-AktG, § 76 Rn. 50, 158; M. Weber, in: Hölters, AktG, § 76 Rn. 12, 16; Oltmanns, in: Heidel, Aktienrecht, § 76 Rn. 7; Mertens/Cahn, in: KölnKomm-AktG, § 76 Rn. 45; Spindler, in: MünchKomm-AktG, § 76 Rn. 25; Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 76 Rn. 10; differenzierend Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 76 Rn. 68 ff. 307 So auch der Befund von Veil, S. 79, dort Fn. 43. 308 Vgl. Hommelhoff, S. 262 f.; Veil, S. 82 ff.; Mertens/Cahn, in: KölnKomm-AktG, § 76 Rn. 45 ff. 309 Dette, S. 119 ff.; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 76 Rn. 75; ders., FS Schwark, 2009, S. 137, 151; König, NZG 2013, 452, 453 f.; wohl auch Hüffer, AktG, § 76 Rn. 7. 310 Zur Abgrenzung der verschiedenen Einflussrechte in einem BCA anhand der Einflussintensität vgl. bereits oben unter 1. Teil, B. II. 2. 311 H. M.; vgl. M. Weber, in: Hölters, AktG, § 76 Rn. 16; Hüffer, AktG, § 76 Rn. 10 f.; Spindler, in: MünchKomm-AktG, § 76 Rn. 25; Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 76 Rn. 10; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 76 Rn. 79 (zu Kontrollrechten von Fremdkapitalgebern). 312 So Dette, S. 121 ff.
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3. Teil: Vereinbarkeit mit der allg. aktienrechtlichen Organisationsverfassung
Teil als gänzlich unzulässig angesehen.313 Andere sehen derartige Einfluss rechte nur dann als unzulässig an, wenn die Vereinbarung nicht im Gesellschaftsinteresse liegt;314 die Einflussrechte seien erst dann mit § 76 Abs. 1 AktG unvereinbar, wenn sie „in einem unvertretbaren Missver hältnis zu den Vorteilen der Gesellschaft ... stehen“315. Ferner werden auch langfristige vertragliche Festlegungen bestimmter Maßnahmen (Vorwegbindungen316) teils als unzulässig317, teils als zulässig318 und teils als nur dann mit § 76 Abs. 1 AktG unvereinbar angesehen, wenn sie „den Leitungsspielraum des Vorstands ... in unvertretbarer Weise einschrän ken“319. Ob die jeweils angenommenen Schranken des § 76 Abs. 1 AktG dabei i. S. einer Einschränkung der Vertragsfreiheit der Gesellschaft zu verstehen sind oder sie allein das Innenverhältnis zwischen Gesellschaft und Vorstandsmitgliedern betreffen, wird in der Literatur ebenfalls unterschiedlich und auch hier zumeist nur apodiktisch beantwortet.320 Eine methodische Herleitung dieser unterschiedlichen Ergebnisse anhand des Regelungsgehalts des § 76 Abs. 1 AktG findet sich im Schrifttum nicht. Nur selten wird der Versuch unternommen, die konkreten Grenzen des § 76 Abs. 1 AktG und subsumtionsfähige Kriterien für die 313 OLG München, AG 2013, 173, 176 – „WET“; LG München I, NZG 2012, 1152, 1153 – „WET“; Bachmann/Veil, ZIP 1999, 348, 350; Priester, FS Raiser, 2005, S. 293, 300; wohl auch M. Weber, in: Hölters, AktG, § 76 Rn. 16; Mertens/Cahn, in: KölnKomm-AktG, § 76 Rn. 54. 314 Ederle, S. 171 f.; Spindler, in: MünchKomm-AktG, § 76 Rn. 25; Paschos, NZG 2012, 1142, 1143 f.; wohl auch Bungert/Wansleben, ZIP 2013, 1841, 1844. 315 Ederle, S. 172; ders., AG 2010, 273, 278; ähnliche Formulierungen bei Mertens/ Cahn, in: KölnKomm-AktG, § 76 Rn. 48, wobei unklar bleibt, ob diese nur auf Vorwegbindungen oder auch auf Einflussrechte mit größerer Einflussintensität bezogen sind. 316 Zum Begriff vgl. bereits oben unter 1. Teil, B. II. 1. a). 317 Hüffer, AktG, § 76 Rn. 11; wohl auch Otto, NZG 2013, 930, 934 ff.; an der Zulässigkeit zweifelnd Spindler, in: MünchKomm-AktG, § 76 Rn. 25. 318 Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 76 Rn. 75 ff.; ders., FS Schwark, 2009, S. 137, 151 f.; Schall, in: Kämmerer/Veil, Übernahme- und Kapitalmarktrecht, S. 75, 92 f.; wohl auch Kort, in: GroßKomm-AktG, § 76 Rn. 158. 319 Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 76 Rn. 10 im Anschluss an die ähnlichen Ausführungen von Mertens/Cahn, in: KölnKomm-AktG, § 76 Rn. 53; differenzierend auch Banerjea, DB 2003, 1489, 1494. 320 Vgl. für eine Einschränkung der Vertragsfreiheit gemäß § 134 BGB Ederle, S. 172; Mertens/Cahn, in: KölnKomm-AktG, § 76 Rn. 46, 48, 53; a. A. Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 76 Rn. 10 („kein[e] ... prinzipielle Grenze der Ver tragsfreiheit“); Paschos, NZG 2012, 1142, 1144; Bungert/Wansleben, ZIP 2013, 1841, 1845; wohl auch Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 76 Rn. 69, 77; ders., FS Schwark, 2009, S. 137, 155.
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B. Der Regelungsgehalt des § 76 Abs. 1 AktG
Einordnung der verschiedenen vertraglichen Einflussrechte herauszuarbeiten.321 Nicht selten werden die unbestimmten Tatbestandsmerkmale lediglich durch andere unbestimmte Merkmale und Kriterien wie „im Gesellschaftsinteresse liegend“, „unvertretbares Missverhältnis“ oder „in unvertretbarer Weise“ ersetzt.322 Insgesamt lässt sich für § 76 Abs. 1 AktG feststellen, dass eine „tatbe standliche Präzisierung bislang wenig gelungen ist“323.
B. Der Regelungsgehalt des § 76 Abs. 1 AktG Vor einer genaueren Bestimmung der Schranken des allgemeinen Aktienrechts für vertragliche Einflussrechte und insbesondere auch vor einer Auseinandersetzung mit den in der Literatur angenommenen Grenzen derartiger Einflussrechte bedarf es zunächst einer Untersuchung des grundsätzlichen Regelungsgehalts des § 76 Abs. 1 AktG. Kann dieser Vorschrift der Zweck entnommen werden, einer Einflussnahme auf die Geschäftsführung des Vorstandes von außen Schranken zu setzen?
I. Wortlautauslegung Nach § 76 Abs. 1 AktG hat der Vorstand als Gesamtorgan die Leitung „unter eigener Verantwortung“ durchzuführen. Was mit diesem Tatbestandsmerkmal gemeint ist, wird jedoch ausdrücklich nicht näher im Gesetz konkretisiert. Es handelt sich um einen auslegungsbedürftigen unbestimmten Rechtsbegriff.324 Als Ausgangspunkt der Auslegung einer Vorschrift ist an ihrem Wortlaut anzusetzen.325 Zunächst wird nach allgemeinem Verständnis und Sprachgebrauch326 ein Handeln in Eigenverantwortung angenommen, wenn eine Person eine 321 Für einen der wenigen Versuche, die Grenzen des § 76 Abs. 1 AktG für vertragliche Einflussrechte zu konkretisieren vgl. Dette, S. 125. 322 Kritisch hierzu auch Otto, NZG 2013, 930, 936. 323 So zum Tatbestandsmerkmal „unter eigener Verantwortung“ ausdrücklich Hüf fer, AktG, § 76 Rn. 11. Ähnlich konstatiert auch Fleischer zu den verschiedenen Vertragsgestaltungen der Praxis, dass die „kritische Grenze ... [der Einflussrech te] ...noch wenig ausgelotet“ sei (in: Spindler/Stilz, AktG, § 76 Rn. 79) und „die wissenschaftliche Diskussion ... gerade erst begonnen“ habe (ebda., § 76 Rn. 82). 324 So auch Wiedemann, ZGR 2011, 183, 187. 325 BGHZ 46, 74, 76; OLG Hamm, OLGZ 1982, 481, 483; Larenz, S. 320; Wolf/Neu ner, BGB AT, § 4 Rn. 33. 326 Zur Bedeutung des allgemeinen Sprachgebrauchs bei der Wortlautauslegung vgl. Larenz, S. 320; Wolf/Neuner, BGB AT, § 4 Rn. 33; Zippelius, S. 38 f.
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B. Der Regelungsgehalt des § 76 Abs. 1 AktG
Einordnung der verschiedenen vertraglichen Einflussrechte herauszuarbeiten.321 Nicht selten werden die unbestimmten Tatbestandsmerkmale lediglich durch andere unbestimmte Merkmale und Kriterien wie „im Gesellschaftsinteresse liegend“, „unvertretbares Missverhältnis“ oder „in unvertretbarer Weise“ ersetzt.322 Insgesamt lässt sich für § 76 Abs. 1 AktG feststellen, dass eine „tatbe standliche Präzisierung bislang wenig gelungen ist“323.
B. Der Regelungsgehalt des § 76 Abs. 1 AktG Vor einer genaueren Bestimmung der Schranken des allgemeinen Aktienrechts für vertragliche Einflussrechte und insbesondere auch vor einer Auseinandersetzung mit den in der Literatur angenommenen Grenzen derartiger Einflussrechte bedarf es zunächst einer Untersuchung des grundsätzlichen Regelungsgehalts des § 76 Abs. 1 AktG. Kann dieser Vorschrift der Zweck entnommen werden, einer Einflussnahme auf die Geschäftsführung des Vorstandes von außen Schranken zu setzen?
I. Wortlautauslegung Nach § 76 Abs. 1 AktG hat der Vorstand als Gesamtorgan die Leitung „unter eigener Verantwortung“ durchzuführen. Was mit diesem Tatbestandsmerkmal gemeint ist, wird jedoch ausdrücklich nicht näher im Gesetz konkretisiert. Es handelt sich um einen auslegungsbedürftigen unbestimmten Rechtsbegriff.324 Als Ausgangspunkt der Auslegung einer Vorschrift ist an ihrem Wortlaut anzusetzen.325 Zunächst wird nach allgemeinem Verständnis und Sprachgebrauch326 ein Handeln in Eigenverantwortung angenommen, wenn eine Person eine 321 Für einen der wenigen Versuche, die Grenzen des § 76 Abs. 1 AktG für vertragliche Einflussrechte zu konkretisieren vgl. Dette, S. 125. 322 Kritisch hierzu auch Otto, NZG 2013, 930, 936. 323 So zum Tatbestandsmerkmal „unter eigener Verantwortung“ ausdrücklich Hüf fer, AktG, § 76 Rn. 11. Ähnlich konstatiert auch Fleischer zu den verschiedenen Vertragsgestaltungen der Praxis, dass die „kritische Grenze ... [der Einflussrech te] ...noch wenig ausgelotet“ sei (in: Spindler/Stilz, AktG, § 76 Rn. 79) und „die wissenschaftliche Diskussion ... gerade erst begonnen“ habe (ebda., § 76 Rn. 82). 324 So auch Wiedemann, ZGR 2011, 183, 187. 325 BGHZ 46, 74, 76; OLG Hamm, OLGZ 1982, 481, 483; Larenz, S. 320; Wolf/Neu ner, BGB AT, § 4 Rn. 33. 326 Zur Bedeutung des allgemeinen Sprachgebrauchs bei der Wortlautauslegung vgl. Larenz, S. 320; Wolf/Neuner, BGB AT, § 4 Rn. 33; Zippelius, S. 38 f.
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3. Teil: Vereinbarkeit mit der allg. aktienrechtlichen Organisationsverfassung
Handlung selbstständig vornimmt und für die Folgen ihres Handelns selbst einsteht – mit anderen Worten, wenn sie auf eigene Rechnung und eigene Gefahr handelt.327 Jedoch zeigt bereits ein flüchtiger Blick über das Aktienrecht, dass dem Gesetz letzteres Merkmal der Eigenverantwortlichkeit nicht zu Grunde liegen kann. So werden die Handlungen der Vorstandsmitglieder für die Gesellschaft bzw. deren Folgen unmittelbar der Gesellschaft zugerechnet (vgl. § 31 BGB analog328 bzw. § 164 Abs. 1 Satz 1 BGB i. V. m. § 78 Abs. 1 Satz 1 AktG), so dass die Vorstandsmitglieder gerade nicht für die Folgen ihres Handelns unmittelbar selbst einstehen oder auf eigene Gefahr handeln.329 Die Folgen ihres Handelns treffen sie insbesondere in Form eines Schadensersatzanspruchs gegenüber der Gesellschaft nur, wenn sie ihre Sorgfaltspflichten verletzt haben (vgl. § 93 Abs. 2 AktG). Aus dem Zusammenhang mit diesen Regelungen zeigt sich bereits, dass das Gesetz dem Tatbestandsmerkmal „unter eigener Verantwortung“ nicht die gleiche Bedeutung wie im allgemeinen Verständnis und Sprachgebrauch beimisst. Mit dem Tatbestandsmerkmal soll ein besonderer aktienrechtlicher Regelungsgehalt ausgedrückt werden, der im allgemeinen Sprachgebrauch umständliche Erläuterungen erfordern würde.330 Von den genannten Merkmalen der Eigenverantwortlichkeit im allgemeinen Verständnis scheint lediglich das Merkmal der Selbstständigkeit zu verbleiben. Der Wortlaut des § 76 Abs. 1 AktG deutet daher an, dass der Vorstand die Pflicht („hat ... zu leiten“) zur selbstständigen – oder synonym auch unabhängigen oder autonomen – Leitung hat.331 Damit ist gleichwohl noch wenig darüber gesagt, was genau unter einer unabhängigen Leitung durch den Vorstand zu verstehen ist. Auch lässt sich aus dem Wortlaut der Vorschrift noch kein unmittelbarer Rückschluss ziehen, dass sie vertraglichen Einflussrechten auf die Maßnahmen des Vorstandes Schranken setzt. Zur Herausarbeitung des Regelungsgehalts des § 76 Abs. 1 AktG bedarf es einer weiteren Auslegung der Vorschrift.
327 Zu letzterem Merkmal auch Wiedemann, ZGR 2011, 183, 187. 328 Zur Zurechnung der Handlung nach § 31 BGB analog vgl. RGZ 91, 72, 75 f. (zur GmbH); Mertens/Cahn, in: KölnKomm-AktG, § 76 Rn. 93; Seibt, in: K. Schmidt/ Lutter, AktG, § 78 Rn. 34 jeweils m. w. Nachw. 329 Wiedemann, ZGR 2011, 183, 187. 330 Zur Funktion einer solchen „besonderen juristischen Kunstsprache“ vgl. allgemein Larenz, S. 320. 331 So wohl auch Kort, in: GroßKomm-AktG, § 76 Rn. 41; Spindler, in: MünchKomm-AktG, § 76 Rn. 22; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 76 Rn. 56.
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B. Der Regelungsgehalt des § 76 Abs. 1 AktG
II. Die Entstehungsgeschichte des § 76 Abs. 1 AktG Weiteren Aufschluss über den Regelungsgehalt des § 76 Abs. 1 AktG kann die Entstehungsgeschichte der heutigen Organisationsverfassung der Aktiengesellschaft geben. Die allgemeine Organisationsverfassung der §§ 76 ff. AktG besteht in ihrer heutigen Form im Wesentlichen unverändert seit der Aktienrechtsreform von 1937. Insbesondere enthielt § 70 Abs. 1 AktG 1937 erstmals das Tatbestandsmerkmal der eigenver antwortlichen Leitung. Der Gesetzgeber von 1965 hat die Regelung der allgemeinen Organisationsverfassung weitgehend beibehalten. Lediglich die auch vom nationalsozialistischen Geist332 geprägten Vorgaben des § 70 Abs. 1 AktG 1937 zur eigenverantwortlichen Leitung, „wie das Wohl des Betriebes und seiner Gefolgschaft und der gemeine Nutzen von Volk und Reich es fordern“, wurde durch den historischen Gesetzgeber nicht in § 76 Abs. 1 AktG übernommen.333 Für das Normverständnis des § 76 Abs. 1 AktG sind daher die Entstehungsgeschichte der allgemeinen Organisationsverfassung und insbesondere des § 70 Abs. 1 AktG 1937 sowie die Gründe für die weitgehende Beibehaltung der Normen im Jahre 1965 von Bedeutung. Hierfür sind zunächst die historische Ausgangslage der Organisationsverfassung der Aktiengesellschaft vor 1937 i. S. einer historischen Auslegung und hierauf aufbauend das genetische Normverständnis des § 76 Abs. 1 AktG zu untersuchen.334 1. Historische Ausgangslage a) Rechtslage vor 1937 Die heute dreigliedrige Organisationsverfassung der Aktiengesellschaft mit Hauptversammlung, Vorstand und Aufsichtsrat kennt das deutsche Aktienrecht seit dem Ende des Konzessionssystems im Jahre 1870.335 Die mit der Beseitigung des Konzessionssystems einhergehende Aufhebung der Staatsaufsicht über die Gesellschaften wurde durch die zwingende Einsetzung eines Aufsichtsrates als Kontroll- und Überwachungsorgan 332 Zur Einordnung dieser Gemeinwohlformel in die nationalsozialistische Ideologie vgl. Fleischer, Spindler/Stilz, AktG, § 76 Rn. 22; ähnlich Hüffer, in: Bayer/Habersack, Bd. II., 7. Kap. Rn. 43 („in zeitgeistiger Formulierung“); allgemein zum Einfluss des Nationalsozialismus auf die Reform von 1937 vgl. Assmann, in: GroßKomm-AktG, Einl. Rn. 151 ff. 333 Vgl. hierzu Begr. RegE., in: Kropff, AktG, S. 97. 334 Zur Unterscheidung von historischer und genetischer Auslegung vgl. Müller/ Christensen, Rn. 360. 335 Zur Aufgabe des Konzessionssystems vgl. Assmann, in: GroßKomm-AktG, Einl. Rn. 79 ff.
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3. Teil: Vereinbarkeit mit der allg. aktienrechtlichen Organisationsverfassung
ersetzt.336 Dennoch unterschied sich das Verhältnis der Gesellschaftsorgane zueinander vor dem Jahr 1937 in zwei wesentlichen Punkten von der heutigen Rechtslage. Zum einen war die Hauptversammlung (damals noch Generalversamm lung) zwar wie nach heutigem Recht (vgl. § 119 Abs. 1 AktG) insbesondere zuständig für die Bestellung und Abberufung der Aufsichtsratsmitglieder (§ 243 Abs. 1, Abs. 4 Satz 1 HGB 1897) sowie für Satzungs- und Kapitaländerungen (§§ 274 Abs. 1 Satz 1, 278 ff., 288 ff. HGB 1897). Die Generalversammlung hatte jedoch auch die Befugnis, dem Vorstand in Geschäftsführungsfragen durch Beschluss Weisungen zu erteilen (vgl. §§ 235 Abs. 1, 250 HGB 1897).337 Hinzu kam die Möglichkeit, durch eine entsprechende Satzungsregelung die Befugnisse zur Bestellung und Abberufung der Vorstandsmitglieder an sich zu ziehen (vgl. §§ 182 Abs. 2 Nr. 4, 231 Abs. 3 HGB 1897). Die Generalversammlung vor dem Jahre 1937 wird daher sowohl aus zeitgenössischer als auch aus historischer Sicht durchaus folgerichtig als oberstes Organ der Gesellschaft bezeichnet.338 Ihr kam eine Stellung zu, wie sie das Gesetz nach §§ 37 Abs. 1, 38 Abs. 1, 45 Abs. 1, 46 GmbHG noch heute der Gesellschafterversammlung der GmbH zuteilt.339 Das hierarchische Verhältnis von Generalversammlung und Vorstand vor 1937 zeigt damit einen deutlichen Unterschied zum heutigen Aktienrecht.340 Zum anderen, und eng hiermit verknüpft, kam dem Aufsichtsrat bereits seit 1870 als Ersatz für die Staatsaufsicht des Konzessionssystems eine Überwachungsfunktion zu (Art. 225a ADHGB 1870341), die aus heutiger Sicht gleichwohl noch kaum institutionell gesichert war.342 Diese wurde vor allem durch die Novelle von 1884343 zwar verfestigt und weiter ent336 Raiser/Veil, KapGesR, § 13 Rn. 8; Fleischer, FS Heldrich, 2005, S. 597, 605. 337 Vgl. auch Fleischer, FS Heldrich, 2005, S. 597, 605. 338 Vgl. etwa RGZ 68, 235, 245 – „Hibernia“ („oberstes Willensorgan der Gesell schaft“); Geßler, JW 1937, 497; jeweils aus heutiger Sicht Veil, S. 82; Kort, in: GroßKomm-AktG, Vor § 76 Rn. 5; Spindler, in: MünchKomm-AktG, Vorbemerkung §§ 76 ff. Rn. 8; Hommelhoff, in: Schubert/Hommelhoff, S. 53, 103. 339 Zur Stellung der Gesellschafterversammlung als oberstes Willensorgan der GmbH vgl. Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 45 Rn. 4; U. H. Schnei der/ S. Schneider/Hohenstatt, in: Scholz, GmbHG, § 45 Rn. 6. 340 Zum heutigen Prinzip der Machtbalance vgl. bereits unter 3. Teil, A. I. 341 Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch, in der Fassung vom 11. Juni 1870, Artt. 173 – 249a, abgedruckt in: Schubert/Hommelhoff, S. 107 ff. 342 Eingehend Lieder, in: Bayer/Habersack, Bd. I., 10. Kap. Rn. 72 ff.; ähnlich Amtl. Begr. zur Novelle von 1884, in: Schubert/Hommelhoff, S. 457 f.; vgl. auch Ass mann, in: GroßKomm-AktG, Einl. Rn. 86. 343 Gesetz betreffend die Kommanditgesellschaften auf Aktien und die Aktiengesellschaft vom 7. März 1884, abgedruckt in: Schubert/Hommelhoff, S. 387 ff.
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B. Der Regelungsgehalt des § 76 Abs. 1 AktG
wickelt.344 Dennoch konnte vor 1937 die Funktion des Aufsichtsrats zur Überwachung der Geschäftsführung (§ 246 Abs. 1 Satz 1 HGB 1897) leicht durch die Möglichkeit ausgehöhlt werden, dass ihm kraft einer Satzungsbestimmung gemäß § 246 Abs. 3 HGB 1897 selbst Geschäftsführungsaufgaben übertragen wurden.345 Insgesamt kann damit konstatiert werden, dass es bis 1937 an einer klaren Kompetenzabgrenzung zwischen Hauptversammlung, Vorstand und Aufsichtsrat fehlte.346 Insbesondere die Kompetenz in Fragen der Geschäftsführung konnte die Generalversammlung aufgrund ihrer Stellung als oberstes Organ der Gesellschaft sowohl an Vorstand bzw. Aufsichtsrat übertragen als auch durch einen Weisungsbeschluss an sich selbst ziehen. b) Rechtstatsächlicher Befund vor 1937 Die gesetzliche Grundvorstellung einer Generalversammlung als oberstes Organ der Gesellschaft bildete sich in der Aktienrechtswirklichkeit nicht ab. Als Grund hierfür können Veränderungen in der Aktionärsstruktur347 seit dem Ende des 19. Jahrhunderts angesehen werden. Durch das Aufkommen der Konzerne348 traten einerseits Aktionäre auf, die zwar ein Interesse am Unternehmen der Gesellschaft hatten, ihre Stimmrechtsmacht in der Generalversammlung auch in Geschäftsführungsfragen jedoch vor allem zur Verfolgung eigener, außerhalb der Gesellschaft liegender (Sonder-)Interessen benutzten.349 Für eine Stimmrechtsausübung zum Schaden der Gesellschaft konnten sie wegen der strengen Anforderungen des § 826 BGB jedoch nur selten zur Verantwortung gezogen werden.350 Auch eine Verantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder
344 Vgl. hierzu Hommelhoff, in: Schubert/Hommelhoff, S. 53, 91 ff.; Lutter, in: Bayer/ Habersack, Bd. II., 8. Kap. Rn. 2 ff.; Assmann, in: GroßKomm-AktG, Einl. Rn. 97 f. 345 In diesem Sinne auch Hommelhoff, in: Schubert/Hommelhoff, S. 53, 93; vgl. auch Hofer, in: Bayer/Habersack, Bd. I., 11. Kap. Rn. 33. 346 Ähnlich Hommelhoff, in: Schubert/Hommelhoff, S. 53, 104; eine eindeutige Kompetenzabgrenzung hielt der historische Gesetzgeber jedoch auch nicht für zweckmäßig; vgl. Amtl. Begr. zur Novelle von 1884, in: Schubert/Hommelhoff, S. 460. 347 Vgl. hierzu Spindler, in: Bayer/Habersack, Bd. I., 13. Kap. Rn. 18. 348 Vgl. hierzu Friedländer, KonzR, S. 4 ff.; Dettling, S. 52, 57 f.; Altmeppen, in: Bayer/ Habersack, Bd. II., 23. Kap. Rn. 1. 349 Vgl. hierzu die Entscheidungen RGZ 107, 202, 204; 112, 14, 17 f.; 132, 149, 163; in denen das Reichsgericht diesen Interessenkonflikt anerkannte und in Abkehr seiner vorherigen Rechtsprechung (vgl. etwa RGZ 68, 235, 245 f. – „Hibernia“; 105, 373, 375 f.) dem freien Ermessen der Versammlungsmehrheit Grenzen setze. 350 Dettling, S. 55.
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3. Teil: Vereinbarkeit mit der allg. aktienrechtlichen Organisationsverfassung
scheiterte regelmäßig daran, dass sie einen Weisungsbeschluss der Generalversammlung nach § 235 Abs. 1 HGB 1897 befolgten.351 Andererseits beteiligten sich insbesondere in der Zeit nach dem 1. Weltkrieg infolge des durch die Inflation für ausländische Investoren leicht möglichen Aktienerwerbs ständig wechselnde Aktionäre aus reinen Geldanlage- und Spekulationsinteressen an deutschen Aktiengesellschaften.352 Die Vorstände und Aufsichtsräte sahen sich so einer ständig wechselnden Generalversammlungszusammensetzung und -mehrheit gegenüber.353 Viele Aktionäre ließen sich bei der Ausübung ihrer Rechte in der Generalversammlung insbesondere von Banken vertreten.354 Die Vorstände und Aufsichtsräte begegneten diesem seinerzeit zum Teil als „Überfremdung“355 der Gesellschaften bezeichneten Problems durch verschiedene kautelarjuristische Konstruktionen, um von der jeweiligen Aktionärsstruktur unabhängig zu werden.356 Dabei ließen sie sich ihrerseits ebenfalls unter anderem von Banken unterstützen.357 Die Folge war eine Stärkung der Machtfülle der Mitglieder von Vorstand und Aufsichtsrat358 sowie der involvierten Banken.359 Die Zeit vor 1937 war folglich aus verschiedenen Gründen durch Machtkämpfe zwischen Verwaltung und Hauptversammlung geprägt.360 Da weder die eigentliche Willensbildung der Aktionäre noch eine Kontrolle der Geschäftsführung in der Generalversammlung stattfand, versank diese insoweit in der Bedeutungslosigkeit.361 Eine Kontrolle fand jedoch auch durch den Aufsichtsrat nicht statt, da dieser oft selbst maßgeblich an der 351 Altmeppen, in: Bayer/Habersack, Bd. II., 23. Kap. Rn. 7. 352 Hierzu auch Dettling, S. 57 f.; Assmann, in: GroßKomm-AktG, Einl. Rn. 130 f. 353 Spindler, in: Bayer/Habersack, Bd. I., 13. Kap. Rn. 17 f. 354 Heiser, DpBetrW 1934, 499, 502; Bayer/Engelke, in: Bayer/Habersack, Bd. I., 15. Kap. Rn. 5. 355 RGZ 108, 322, 327; 113, 188, 193; 132, 149, 163; aus heutiger Sicht Assmann, in: GroßKomm-AktG, Einl. Rn. 131; Spindler, in: Bayer/Habersack, Bd. I., 13. Kap. Rn. 17 f. 356 Vgl. Spindler, in: Bayer/Habersack, Bd. I., 13. Kap. Rn. 18, 23. 357 Verbreitet waren sog. „Schutzaktien“. Dabei handelte sich z. B. um Vorzugsaktien mit überproportionalen Mehrstimmrechten, die an eine vorstandsnahe Bank oder Gewerkschaft oder auch an die Verwaltungsmitglieder selbst ausgegeben wurden (vgl. RGZ 108, 41, 42 f.; 108, 322, 323); vgl. Spindler, in: Bayer/Habersack, Bd. I., 13. Kap. Rn. 21 ff.; Assmann, in: GroßKomm-AktG, Einl. Rn. 132. 358 Assmann, in: GroßKomm-AktG, Einl. Rn. 133; vgl. auch Schubert, in: Schubert, S. XXI. 359 Heiser, DpBetrW 1934, 499, 501 f.; C. Fischer, DpBetrW 1935, 135 ff. 360 Vgl. auch die Amtl. Begr., in: Klausing, AktG, S. 56; ferner Friedländer, KonzR, S. 4; Dettling, S. 57 f.; Bayer/Engelke, in: Bayer/Habersack, Bd. I., 15. Kap. Rn. 1. 361 So in der Nachschau der Reform von 1937 auch Geßler, JW 1937, 497.
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B. Der Regelungsgehalt des § 76 Abs. 1 AktG
Geschäftsführung beteiligt war.362 Die aktienrechtliche Organisationsverfassung von 1884 erodierte damit weitgehend.363 2. Genetisches Normverständnis a) Regelungsziele der Aktienrechtsreform von 1937 Die wesentlichen Reformarbeiten zum Aktiengesetz von 1937 begannen im Jahr 1933 maßgeblich durch den Ausschuss für Aktienrecht der Aka demie für Deutsches Recht.364 Sie standen damit unter dem Einfluss der nationalsozialistischen Ideologie. Dabei sahen bereits die Regelungsentwürfe des ersten Ausschussberichts365 aus dem Jahr 1934 die Grundpfeiler der heutigen strikt getrennten Kompetenzverteilung zwischen Vorstand, Aufsichtsrat und der – nun so bezeichneten – Hauptversammlung vor. Die weitgehend unabhängige Geschäftsführungskompetenz des Vorstandes wurde durch den Ausschuss sowie durch das begleitende rechtwissenschaftliche Schrifttum vor allem mit dem sog. „Führerprinzip“366 begründet: Danach sollte der Vorstand als „Führer“ an der Spitze des Unternehmens stehen.367 Jedoch darf der Duktus der zeitgenössischen Reformdiskussion nicht darüber hinweg täuschen, dass auch ideologisch eher unverdächtige Regelungsziele in die Reform einflossen und die nationalsozialistische Ideologie teilweise sogar verdrängten.368 So zeigt ein genauerer Blick in die 362 Geßler, JW 1937, 497. 363 Ähnlich Bayer/Engelke, in: Bayer/Habersack, Bd. I., 15. Kap. Rn. 79 f.; in diesem Sinne spricht auch Assmann (in: GroßKomm-AktG, Einl. Rn. 148) von einer „schleichenden faktischen Reform des Aktienrechts seit ... 1884“. 364 Schubert, in: Schubert, S. XXV ff. 365 Die Ergebnisse des Ausschusses für Aktienrecht der Akademie für Deutsches Recht wurden u. a. in zwei Berichten des Ausschussvorsitzenden Kißkalt veröffentlicht; vgl. ZAkDR 1934, 20 ff.; ZAkDR 1935, 247 ff. 366 Kißkalt, ZAkDR 1934, 20, 26 ff. Aus der zeitgenössischen Literatur vgl. etwa C. Fischer, DpBetrW 1934, 29 ff.; Bachmann, DDVW 1934, 590, 592 f.; Heiser, DpBetrW 1934, 499, 504 ff. Zum Ganzen aus heutiger Sicht Bayer/Engelke, in: Bayer/Habersack, Bd. I., 15. Kap. Rn. 16 ff. 367 Vgl. hierzu die Ausführungen des ersten Ausschussberichts von Kißkalt, ZAkDR 1934, 20, 26 ff., die schließlich in der Formulierung des bezeichnenden Entwurfs eines § 61 Abs. 1 Satz 1 AktG-E münden: „Der Vorstand ist der Führer der Ak tiengesellschaft.“ (ebda., S. 30). 368 Vgl. auch Assmann, in: GroßKomm-AktG, Einl. Rn. 169, 152 ff.; Schubert, in: Schubert, S. XXVIII. Als bezeichnend in diesem Zusammenhang können auch die Begründungen bei Kißkalt (ZAkDR 1934, 20, 30) sowie in zeitgenössischen Kommentierungen (vgl. S/Q/H/G/H, AktG, § 70 Anm. 1) dafür angesehen werden, warum der „Führergedanke“ nicht auf Wirtschaftsunternehmen uneingeschränkt übernommen werden könne.
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3. Teil: Vereinbarkeit mit der allg. aktienrechtlichen Organisationsverfassung
Berichte des Akademieausschusses369 und im Besonderen der weitere Gang der Reformarbeiten ab 1935 auf ministerialer Ebene unter maßgeblicher Einflussnahme des Reichwirtschaftsministeriums und des Reichbankdirektors und Reichwirtschaftsministers Schacht,370 dass man eher darauf bedacht war, die Aktiengesellschaft vor überzogenen ideologischen Eingriffen zu schützen.371 Trotz der nationalsozialistischen Terminologie stellte man inhaltlich vor allem die Bedeutung der Aktiengesellschaft und ihrer Kapitalsammelfunktion für die deutsche Volkswirtschaft zur Realisierung kapitalintensiver wirtschaftlicher Zwecke372 in den Vordergrund.373 Damit war sicherlich nicht die Ablehnung des Nationalsozialismus an sich, sondern vielmehr die pragmatische Überlegung verbunden, dass der nationalsozialistische Staat auf eine funktionierende (gelenkte) Privatwirtschaft angewiesen war.374 In den Machtkämpfen und dem Eindringen von außerhalb der Gesellschaft liegender Interessen einzelner Aktionäre oder von Banken erkannte man eine Gefahr für die Funktionsfähigkeit der Aktiengesellschaften, ihrer Kapitalsammelfunktion und damit für die deutsche Volkswirtschaft sowie auch den nationalsozialistischen Staat.375 Durch eine strikte Trennung der Entscheidungskompetenzen und klare Verantwortlichkeiten zwischen den Gesellschaftsorganen sollte die Funktionsfähigkeit der Aktiengesellschaften wiederhergestellt werden.376 Zu diesem Zwecke wurde die in der Aktienrechtswirklichkeit verbreitete faktische Alleinkompetenz der Verwaltung im hier interes-
369 Vgl. Kißkalt, ZAkDR 1934, 20, 34. 370 Deutlich hierzu dessen Rede vom 30. 11. 1935 auf der 9. Vollsitzung der Akade mie für Deutsches Recht; vgl. insb. Schacht, S. 20 f. Zur Bedeutung der Rede vgl. Schubert, in: Schubert, S. XXXVII; Assmann, in: GroßKomm-AktG, Einl. Rn. 161; Bayer/Engelke, in: Bayer/Habersack, Bd. I., 15. Kap. Rn. 53 ff. 371 Ähnlich die Einschätzung von Assmann, in: GroßKomm-AktG, Einl. Rn. 168 f. Eingehend zum Fortgang der Reformarbeiten ab 1935 vgl. Schubert, in: Schubert, S. XL ff. sowie zum Zurückdrängen nationalsozialistischen Gedankenguts insb. durch das Reichsjustizministerium vgl. ebda., S. XLVI ff. 372 Zur Kapitalsammelfunktion aus heutiger Sicht vgl. Habersack, in: MünchKomm-AktG, Einleitung Rn. 5; K. Schmidt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Einleitung Rn. 2; Henssler/Wiedemann, in: Bayer/Habersack, Bd. II., 1. Kap. Rn. 18. 373 Vgl. Kißkalt, ZAkDR 1934, 20, 22 ff.; Schacht, S. 9 ff., 19 ff. 374 So auch die Einschätzung von Assmann, in: GroßKomm-AktG, Einl. Rn. 162; ähnlich C. Fischer, AcP 154 (1955), 181, 186 („doppelzüngige Politik“). In diesem Sinne lassen sich auch die Ausführungen von Schacht (S. 4 ff.) interpretieren. 375 Vgl. Amtl. Begr., in: Klausing, AktG, S. 2 f., 56. 376 Die Bedeutung der strikten Trennung zwischen den Organen betont auch Kißkalt, ZAkDR 1934, 20, 31; ähnlicher Befund der historischen Genese aus heutiger Sicht auch bei Seibt, FS K. Schmidt, 2009, S. 1463, 1467 ff.
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B. Der Regelungsgehalt des § 76 Abs. 1 AktG
sierenden Bereich der Geschäftsführung teilweise rechtlich akzeptiert377 und die Geschäftsführungskompetenz allein in die Hände des Vorstandes gelegt (vgl. § 70 Abs. 1 AktG).378 Die Rechtswirklichkeit hatte zu der Erkenntnis geführt, dass die Hauptversammlung als großer, wechselnder und persönlich unverantwortlicher Gesellschafterkreis wegen ihrer Unbeständigkeit sowie dem fehlenden Fachwissen der Aktionäre und deren Neigung zur Verfolgung von Eigeninteressen regelmäßig nicht für Entscheidung im Bereich der Geschäftsführung oder deren Kontrolle geeignet ist.379 Entsprechend wurde ihre Geschäftsführungskompetenz weitgehend beschnitten (vgl. § 103 Abs. 2 AktG 1937).380 Im Gegenzug für die entfallene Möglichkeit der Hauptversammlung zur Kontrolle des Vorstandes kam fortan allein dem Aufsichtsrat die Hauptaufgabe der Überwachung des Vorstandes (§ 95 Abs. 1 AktG 1937)381 sowie – eng hiermit verbunden – die Kompetenz zur Bestellung und Abberufung der Vorstandsmitglieder (§ 75 AktG 1937) zu. Um eine effektive Kontrolle der Geschäftsführung zu gewährleisten, wurde die Überwachungsaufgabe zum einem institutionell dadurch abgesichert, dass die Möglichkeit des Aufsichtsrats zur Geschäftsführung entfiel (§ 95 Abs. 5 Satz 1 AktG 1937).382 Zum anderen setzte die Abberufung – um auch eine mittelbare Geschäftsführung durch den Aufsichtsrat zu verhindern383 – fortan einen wichtigen Grund voraus (§ 75 Abs. 3 Satz 1 AktG 1937).384 Als Korrelat für die größere Unabhängigkeit des Vorstandes gegenüber den anderen Organen wurde diesem – als weiterer Kontrollmechanismus – eine größere Verantwortung zugeschrieben,385 die sich einerseits in einer
377 Den Aspekt der Legalisierung vor 1937 bestehender Rechtstatsachen betonen auch C. Fischer, AcP 154 (1955), 85, 106 ff.; Bayer/Engelke, in: Bayer/Habersack, Bd. I., 15. Kap. Rn. 79 f. 378 Amtl. Begr., in: Klausing, AktG, S. 56. 379 Amtl. Begr., in: Klausing, AktG, S. 3, 56; zuvor bereits Kißkalt, ZAkDR 1934, 20, 27 f.; Bachmann, DDVW 1934, 590, 592; Schacht, S. 16 ff.; ferner Geßler, JW 1937, 497. 380 Amtl. Begr., in: Klausing, AktG, S. 56, 88; zuvor bereits Kißkalt, ZAkDR 1934, 20, 27 f. 381 Amtl. Begr., in: Klausing, AktG, S. 57, 73; zuvor bereits Kißkalt, ZAkDR 1934, 20, 28 f., 30 f. 382 Vgl. Amtl. Begr., in: Klausing, AktG, S. 57. 383 Zur mittelbaren Einflussnahme durch die drohende Abberufung vgl. bereits Kiß kalt, ZAkDR 1934, 20, 30. 384 Vgl. Amtl. Begr., in: Klausing, AktG, S. 61 f.; S/Q/H/G/H, AktG, § 75 Anm. 1. 385 Amtl. Begr., in: Klausing, AktG, S. 3; zuvor bereits Kißkalt, ZAkDR 1934, 20, 31 ff.; Schacht, S. 14 ff.; C. Fischer, DpBetrW 1934, 29, 30 f.; Bachmann, DDVW 1934, 590, 592.
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3. Teil: Vereinbarkeit mit der allg. aktienrechtlichen Organisationsverfassung
Verschärfung der Haftung (vgl. § 84 AktG 1937)386 niederschlug. Die größere Verantwortung sollte sich andererseits in einer Leitung durch den Vorstand unter eigener Verantwortung (§ 70 Abs. 1 AktG 1937) bzw. al leinigen Verantwortung zeigen, so dass er einer Haftung auch durch Zustimmung des Aufsichtsrates nicht entgehen konnte (§ 84 Abs. 4 Satz 2 AktG 1937).387 Die Entstehungsgeschichte der noch heute wesensgleichen Organisationsverfassung zeigt damit, dass der historische Gesetzgeber mit der Neufassung weniger die nationalsozialistische Ideologisierung des Aktienrechts388 als den Erhalt der Funktionsfähigkeit der Aktiengesellschaft wegen ihrer wirtschaftlichen Bedeutung als Kapitalsammelstelle bezweckte.389 In diesen Zusammenhang ist auch § 70 Abs. 1 AktG 1937 zu stellen: Die genetische Auslegung zeigt als einen wesentlichen Regelungsgehalt, dass durch die Regelung einer weitgehend unabhängigen Stellung des Vorstandes gegenüber den anderen Organen sowie durch klare verbandsinterne Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten die Funktionsfähigkeit der Aktiengesellschaft gesichert werden soll.390 Für einen weitergehenden Regelungsgehalt bietet die Entstehungsgeschichte nur wenige Anhaltspunkte. Zwar wurden die Gefahren des Eindringens gesellschaftsfremder Sonderinteressen von außen in die Entscheidungsprozesse der Aktiengesellschaft erkannt, denen der historische Gesetzgeber erstmals unter anderem mit der Regelung einer Haftung bei rechtswidrigen Einflussnahmen begegnen wollte (vgl. § 101 AktG 1937).391 Aus den Materialien lässt sich im Übrigen aber nicht hinreichend eindeutig entnehmen, ob nach der Vorstellung des historischen Gesetzgebers auch mit § 70 Abs. 1 AktG 1937 eine Grenze für einen hier interessierenden rechtsgeschäftlichen Außeneinfluss auf die Geschäftsführung bezweckt wurde.392
386 Amtl. Begr., in: Klausing, AktG, S. 3, 70 ff.; vgl. hierzu auch Geßler, JW 1937, 497, 501; Bayer/Engelke, in: Bayer/Habersack, Bd. I., 15. Kap. Rn. 70. 387 Amtl. Begr., in: Klausing, AktG, S. 58 f.; vgl. auch Geßler, JW 1937, 497, 501. 388 So aber noch C. Fischer, AcP 154 (1955), 181, 186 f.; zweifelnd auch Veil, S. 82 f. (dort auch Fn. 55). 389 Mülbert, S. 60 f.; Assmann, in: GroßKomm-AktG, Einl. Rn. 169. 390 So wohl auch Mülbert, S. 60 f.; vgl. ferner Amtl. Begr., in: Klausing, AktG, S. 2 f. 391 Vgl. Amtl. Begr., in: Klausing, AktG, S. 86 f.; vgl. auch Kißkalt, ZAkDR 1934, 20, 26. 392 Anders wohl Veil, S. 83 f. („Konzeption einer von Aktionärs- und Drittinteressen freien Unternehmensleitung“) unter Hinweis auf die insofern aber wenig aussagekräftige Amtl. Begr. zu § 101 AktG 1937 (vgl. vorherige Fn.).
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B. Der Regelungsgehalt des § 76 Abs. 1 AktG
b) Übernahme der Regelungen von 1937 im Aktiengesetz von 1965 Im Zuge der Aktienrechtsreform von 1965 wurde an der Organisationsverfassung des Aktiengesetzes von 1937 im Wesentlichen festgehalten. Während der Reformdiskussion wurde zwar vereinzelt insbesondere in der eigenverantwortlichen Stellung des Vorstandes und der Beschneidung der Hauptversammlungskompetenzen noch ein Ausdruck des Führerprinzips und damit der nationalsozialistischen Ideologie gesehen.393 Dennoch setzte sich die Erkenntnis durch, dass – abgesehen von einigen Terminologien – der Regelungsgehalt des Aktiengesetzes von 1937 „als nicht typisch nationalsozialistisch“394 angesehen werden konnte. Man gelangte vielmehr zu der Überzeugung, dass sich die unabhängige Stellung des Geschäftsführungsorgans und die sich hieraus ergebende klare Kompetenzabgrenzung zu den anderen Organen sowie die Verantwortlichkeiten der Vorstandsmitglieder bewährt hatte.395 Die unverzichtbare Konzentration der Geschäftsführungskompetenz in einem sachkundigen und beständigen Organ bei gleichzeitiger unabhängiger Kontrolle durch den Aufsichtsrat wurde nun ausdrücklich mit der Erhaltung der Funktionsfähigkeit der Aktiengesellschaft und zugleich der Erhaltung ihrer wirtschaftlich bedeutenden Kapitalsammelfunktion begründet.396 Damit zeigt sich, dass der Gesetzgeber von 1965 das Normverständnis des § 70 Abs. 1 AktG 1937 des Gesetzgebers von 1937 im Wesentlichen bestätigt und in § 76 Abs. 1 AktG übernommen hat. Anders als in den Gesetzesmaterialien von 1937 finden sich in der Regierungsbegründung zur Aktienrechtsreform von 1965 aber deutlichere Hinweise, die einen darüber hinaus gehenden Regelungsgehalt des § 76 Abs. 1 AktG andeuten.397 So heißt es in der Regierungsbegründung zu den §§ 291 ff. AktG, dass bei (konzern-)vertraglichen Verbindungen die „Geschicke dieser Gesellschaften ... außerhalb der aktienrechtlichen Zuständigkeitsordnung auf Wegen bestimmt [werden], die ... auf Verträ gen beruhen [und dass] in solchen Gesellschaften der Vorstand ..., statt die Gesellschaft eigenverantwortlich zu leiten (§ 70 AktG 1937), Wei sungen von einer Stelle außerhalb der Gesellschaft [zu befolgen hat], die
393 Nöll von der Nahmer, AG 1957, 53; insgesamt kritisch zum sog. „Führerprinzip“ bzw. zur Organisationsverfassung von 1937 C. Fischer, AcP 154 (1955), 85, 106 ff.; ders., AcP 154 (1955), 181, 185 ff., 222 ff. 394 Begr. RegE., in: Kropff, AktG, S. 13. 395 Begr. RegE., in: Kropff, AktG, S. 15, 95; vgl. auch Flume, Referentenentwurf, S. 7 ff.; aus heutiger Sicht Kropff, in: Bayer/Habersack, Bd. I., 16. Kap. Rn. 59. 396 Vgl. Begr. RegE., in: Kropff, AktG, S. 14. 397 Vgl. hierzu den zutreffenden Hinweis bei Veil, S. 84.
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3. Teil: Vereinbarkeit mit der allg. aktienrechtlichen Organisationsverfassung
gesellschaftsrechtlich keine Verantwortung trägt“.398 In diesen Ausführungen zeigt sich zunächst deutlicher als in den Materialien von 1937 ein Aspekt, der sich in die bezweckte Erhaltung der Funktionsfähigkeit des Verbandes einfügt: In der konzernungebundenen Aktiengesellschaft sollte die Willensbildung durch Personen erfolgen, die auch rechtlich an die Gesellschaft gebunden sind und hierdurch Verantwortung tragen, da anderenfalls durch das Eindringen von gesellschaftsfremden Interessen die Funktionsfähigkeit des Verbandes gleichsam gefährdet würde.399 Zugleich lassen diese Ausführungen sich aber auch für ein Normverständnis des historischen Gesetzgebers anführen, nach dem § 76 Abs. 1 AktG (bzw. § 70 Abs. 1 AktG 1937) eine Grenze für eine Einflussnahme auf die Geschäftsführung von außen – wie etwa durch vertragliche Einflussrechte eines Dritten – enthält. Für Konzerne bedurfte es daher der besonderen Regelungen des Vertragskonzernrechts (§§ 291 ff. AktG), um diese Grenze zu überwinden.400 Auch letzterer Aspekt kommt in den Gesetzesmaterialien der Reform von 1965 zwar deutlicher zum Ausdruck als in den Materialien von 1937. Gleichwohl fehlt es auch hier an eindeutigen Ausführungen. c) Zwischenergebnis Im Ergebnis zeigt die genetische Auslegung des § 76 Abs. 1 AktG, dass die eigenverantwortliche Leitung durch den Vorstand als Teil der aktienrechtlichen Organisationsverfassung den Erhalt der Funktionsfähigkeit des Verbandes bezwecken soll. Die Funktionsfähigkeit soll zunächst verbandsintern durch voneinander weitgehend unabhängige Organe sowie durch klare Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten der Organe erreicht werden. Darüberhinaus lassen insbesondere die Ausführungen der Regierungsbegründung zur Aktienrechtsreform von 1965 den Schluss zu, dass § 76 Abs. 1 AktG auch eine Grenze für rechtsgeschäftlich vereinbarte Einflussnahmen auf Geschäftsführungsmaßnahmen von außen enthält. Die Entwicklungsgeschichte deutet dies jedoch nur an. Um eine solche Grenze des § 76 Abs. 1 AktG bejahen zu können, bedarf es daher einer klareren Bestätigung anhand der übrigen Auslegungskriterien.401
398 Begr. RegE., in: Kropff, AktG, S. 373. 399 So wohl auch die Interpretation des RegE. von Veil, S. 84 f. 400 Vgl. auch Begr. RegE., in: Kropff, AktG, S. 377. 401 Ähnlich auch Veil, S. 85.
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B. Der Regelungsgehalt des § 76 Abs. 1 AktG
III. Der objektive Normzweck des § 76 Abs. 1 AktG Häufig entsprechen die subjektiven Vorstellungen des historischen Gesetzgebers dem objektiven Normzweck des Gesetzes.402 So haben die im Rahmen der genetischen Auslegung herausgearbeiteten subjektiven Vorstellungen des historischen Gesetzgebers, die Funktionsfähigkeit des Verbandes durch klare und unabhängige Entscheidungszuständigkeiten und Verantwortlichkeiten zu erhalten, in den Vorschriften der §§ 76 Abs. 1, 111 Abs. 4 Satz 1, 119 Abs. 2 AktG auch einen objektiven Ausdruck im noch heute geltenden Gesetz gefunden. Ein darüberhinausgehender Regelungsgehalt kann sich anhand weiterer objektiv-teleologischer Kriterien ergeben. In Abgrenzung zu den subjektiven Vorstellungen des historischen Gesetzgebers handelt es sich hierbei um einen zusätzlichen Regelungsgehalt, dem sich der Gesetzgeber nicht (ausdrücklich) bewusst war, der sich aber im Zusammenhang mit allgemeingültigen Prinzipien und Strukturen des Gesetzes sowie aus tatsächlichen Gegebenheiten objektiv als Normzweck ergibt.403 Ein solcher objektiver Normzweck bzw. weiterer Regelungsgehalt kann aus dem Grundsatz der Verbandsautonomie folgen.404 1. Der Grundsatz der Verbandsautonomie als allgemeines Prinzip des Verbandsrechts und immanente Schranke des Außeneinflusses a) Dogmatische Grundlagen Bei dem im Folgenden als Verbandsautonomie bezeichneten Grundsatz handelt sich um ein zwar nicht positiv-gesetzlich geregeltes aber anerkanntes allgemeines Prinzip des Verbandsrechts.405 Nach diesem Grund402 Larenz, S. 333. 403 Vgl. Larenz, S. 333; Wolf/Neuner, BGB AT, § 4 Rn. 40; Zippelius, S. 41 f.; kritisch zur Unterscheidung Müller/Christensen, Rn. 442 ff. 404 So wohl auch Fleischer, ZIP 2003, 1, 9. 405 Vgl. allg. zu diesem synonym auch als „Verbandssouveränität“, „Vereinsautono mie“ oder „körperschaftliche Selbstbestimmung“ bezeichneten Grundsatz mit Unterschieden in der Reichweite Schubel, S. 553 ff.; Hey, S. 188 ff.; Flume, BGB AT I/2, § 7 I. (S. 189 ff.); K. Schmidt, GesR, § 5 I. 3. (S. 83 ff.); Wiedemann, FS Schilling, 1973, S. 105, 111 ff.; Priester, FS Werner, 1984, S. 657, 663 f.; Teubner, ZGR 1986, 565, 567 ff.; Zöllner, FS 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 85, 119 ff.; Beuthi en/Gätsch, ZHR 156 (1992), 459, 466, 472 ff.; Wiedemann, FS Lutter, 2000, S. 801, 805 ff.; erste Überlegungen finden sich bereits bei A. Teichmann, S. 189 ff.; sehr kritisch – ohne den Grundsatz ausdrücklich abzulehnen – Chr. Weber, passim, insb. S. 156 ff. Zum Personengesellschaftsrecht Schäfer, in: GroßKomm-HGB, § 109 Rn. 30; zum Aktienrecht Wiedemann, in: GroßKomm-AktG, § 179 Rn. 5 ff.; Haberstock/Greitemann, in: Hölters, AktG, § 179 Rn. 4; Holzborn, in: Spindler/
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3. Teil: Vereinbarkeit mit der allg. aktienrechtlichen Organisationsverfassung
satz darf das Schicksal des Verbandes nicht von außenstehenden Personen abhängen, die nicht das Verbandsinteresse verfolgen und deren Rechtsausübung nicht ausreichend beschränkt und kontrolliert werden kann.406 Entgegen seiner missverständlichen Bezeichnung407 ist die Autonomie des Verbandes als (teil-)rechtsfähiges Rechtssubjekt selbst nicht das Schutzobjekt des Grundsatzes.408 Dem steht bereits entgegen, dass der Verband als juristische Person bzw. als (teil-)rechtsfähige Gesamthand (vgl. § 124 Abs. 1 HGB) kein eigenes von seinen Mitgliedern unabhängiges Wesen und entsprechend auch kein – von den Interessen der Mitglieder abgekoppeltes – Eigeninteresse i. e. S. hat.409 Die Existenz des Verbandes ist in allen Verbänden grundsätzlich von dem Willen der Mitglieder zur Gründung bzw. zur Auflösung abhängig (vgl. z. B. §§ 23 ff., 262 Abs. 1 Nr. 2 AktG). Dementsprechend kann auch das in § 138 Abs. 1 BGB verankerte und für natürliche Personen allgemein anerkannte Verbot, nachdem diese sich grundsätzlich ihrer Autonomie nicht selbst begeben dürfen,410 auf private (Zweck-)Verbände nicht übertragen werden.411 Der Stilz, AktG, § 179 Rn. 1 ff.; zum Vereinsrecht Steinbeck, S. 31 ff.; den Grundsatz ablehnend Schockenhoff, AcP 193 (1993), 35, 38, 66 f. Ausnahmen von dem Grundsatz werden – auch von den Befürwortern – nur für Religionsgemeinschaften zugeordneten Verbänden angenommen; vgl. BVerfGE 83, 341, 358 ff.; Flume, BGB AT I/2, § 7 I. 4. (S. 199 ff.); K. Schmidt, GesR, § 5 I. 3. (S. 86 f.). 406 Grdl. Wiedemann, FS Schilling, 1973, S. 105, 111; ferner Steinbeck, S. 46 f.; Teub ner, ZGR 1986, 565, 567 f.; vgl. auch Priester, FS Werner, 1984, S. 657, 663. 407 Insofern zutreffend Chr. Weber, S. 206. 408 Chr. Weber, S. 206; vgl. auch Steinbeck, S. 48 ff.; a. A. Teubner, ZGR 1986, 565, 569. 409 Zöllner, S. 18, 20; Winter, S. 195 ff.; Steinbeck, S. 48 ff.; Chr. Weber, S. 210 f.; vgl. auch Hüffer, AktG, § 76 Rn. 15; a. A. Teubner, ZGR 1986, 565, 568. Soweit u. a. im Recht der GmbH zutreffend ein „Bestandsinteresse“ der Gesellschaft gegenüber den Gesellschaftern bejaht wird (Grdl. Ulmer, ZHR 148 (1984), 391, 416 ff.; ferner Winter, S. 203 ff.; Habersack, in: Emmerich/Habersack, Kommentar, § 318 Anh. Rn. 34 m. w. Nachw.), so geht es der Sache nach jedoch nicht um ein Eigeninteresse des Verbandes selbst im engeren Sinne, sondern um ein aus Interessen anderer Interessensträger an dem Verband (z. B. der Gläubiger) abgeleitetes „Eigen-“Interesse (Winter, S. 207); zutreffend Osterloh-Konrad, ZHR 172 (2008), 274, 292 ff.; ähnlich Chr. Weber, S. 210. 410 Vgl. statt aller Wolf/Neuner, BGB AT, § 46 Rn. 30 ff. m. w. Nachw. aus der Rspr. 411 Pointiert hierzu Müller-Freienfels, AcP 156 (1957), 522, 530 (dort Fn. 40), nach dem anderenfalls Auflösungsbeschlüsse als „Rechtsgeschäfte, um Selbstmord zu begehen“ anzusehen wären; ferner Mestmäcker, S. 120 f.; Reuter, in: MünchKomm-BGB, Vorbemerkung §§ 21 ff. Rn. 18 m. w. Nachw.; a. A. noch RGZ 3, 123, 132 – „Rumänische Eisenbahn“; RGZ 82, 308, 316 f. Auch nach Steinbeck, S. 43 ff., geht es nicht um eine Anwendung des Verbots der Selbstentmündigung aus § 138 Abs. 1 BGB auf den Verband selbst, sondern lediglich um eine Transfe-
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B. Der Regelungsgehalt des § 76 Abs. 1 AktG
Grundsatz der Verbandsautonomie darf jedoch andererseits auch nicht als bloßer Schutz der privatautonomen Entscheidungsfreiheit der einzelnen Gesellschafter verstanden werden. Er kann daher auch nicht allein auf die einzelnen Gesellschafter bezogen und mit den allgemeinen zivilrechtlichen Grenzen der Selbstbegebung der Privatautonomie von natürlichen Personen gleichgesetzt werden.412 Das Schutzobjekt des Grundsatzes der Verbandsautonomie ist auf einer anderen – abstrakteren – Ebene zu suchen. Es handelt sich um einen gesellschaftsrechtlichen Grundsatz sui generis413: Konstitutives Merkmal aller privaten Verbände ist der gemeinsame Zweck,414 also die zum gemeinsamen Interesse vertraglich verbundenen inhaltlich deckungsgleichen Interessen der Mitglieder.415 Der gemeinsame Zweck bildet das gemeinsame Interesse bzw. das Verbandsinteresse. Dieses stellt kein Eigeninteresse des Verbandes i. e. S. dar, da es von dem Gesamtinteresse aller Mitglieder nicht vollständig gelöst werden kann.416 Das Verbandsinteresse bildet als gedankliche Hilfsgröße das gemeinsame Interesse am im Gesellschaftsvertrag vereinbarten gemeinsamen Erfolg ab.417 Anders gewendet leitet sich das überindividuelle Verbandsinteresse aus dem Gesamtinteresse aller Mitglieder ab und ist damit zwar von diesem abhängig, von den einzelnen Mitgliederinteressen aber unabhängig. Der Grundsatz der Verbandsautonomie zielt daher nicht auf den Individualschutz der Gesellschafter,418 sondern institutionell auf den Schutz des überindividuellen gemeinsamen Verbandszwecks und damit zugleich auf den Schutz der Funktionsfähigkeit des Verbandes als Instrument zur gemeinsamen Zweckverfolgung.419 Jeder Verband ist gekennzeichnet durch eine Zentralisation von Organisations- und Entscheidungsgewalt
rierung des Verbotes zum individuellen Schutz der Mitglieder, soweit sich diese mit anderen in einem Verband zusammenschließen (ebda., S. 51). 412 So aber Chr. Weber, S. 211 ff.; Hey, S. 189 ff.; tendenziell auch Steinbeck, S. 51. 413 Vgl. auch Wiedemann, FS Schilling, 1973, S. 105, 112; ders., in: GroßKomm-AktG, § 179 Rn. 9; ders., FS Lutter, 2000, S. 801, 805 ff.; ausdrücklich anders Hey, S. 189. 414 Vgl. statt aller K. Schmidt, GesR, § 4 II. 1. a) (S. 60). 415 Vgl. hierzu bereits oben 2. Teil, B. II. 1. b). 416 Eingehend zum Folgenden Zöllner, S. 18 ff.; vgl. auch Steinbeck, S. 50 f. 417 So treffend Zöllner, S. 20 („nur eine Hilfsvorstellung“); zustimmend Steinbeck, S. 48. 418 Wiedemann, GesR Bd. I, § 7 II 1 b) (S. 371). 419 In diesem Sinne bereits Wiedemann, FS Schilling, 1973, S. 105, 114 („Interessen schutz der Gesellschafter“); vgl. auch Steinbeck, S. 49; Zöllner, FS 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 85, 119 f.; Wiedemann, FS Lutter, 2000, S. 801, 805 ff., 808.
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3. Teil: Vereinbarkeit mit der allg. aktienrechtlichen Organisationsverfassung
(sog. Abschichtungseffekt).420 Zwar besteht bei der Willensbildung in der Gesellschaft eine grundsätzliche Interessensparallelität der Gesellschaftergesamtheit.421 Das Gesetz setzt jedoch zugleich voraus, dass es zu Konflikten zwischen den individuellen Interessen der Gesellschafter und dem gemeinsamen (Verbands-)Interesse kommen kann, und sieht als Korrektiv die Bindung der Gesellschafter an das Verbandsinteresse insbesondere durch die sog. Treuepflicht422 vor.423 Dieses Korrektiv würde versagen, wenn ein Dritter in die Willensbildung der Gesellschaft eingebunden wäre, der einer solchen Pflichtbindung nicht unterliegt.424 Das gesellschaftsrechtliche Instrumentarium könnte z. B. im Fall eines BCA dem Hineindringen von (Fremd-)Interessen des Bieters durch ein schuld rechtlich gewährtes Einflussrecht auf die Maßnahmen der Zielgesellschaft nicht begegnen.425 Die Verfolgung des gemeinsamen Zwecks als konstitutives Verbandsmerkmal wäre damit gestört. Der Grundsatz der Verbandsautonomie schützt daher den gemeinsamen Zweck vor diesen Störungen durch das Hineindringen von (Fremd-)Interessen. Er schützt damit zugleich die Funktionsfähigkeit des Verbandes insgesamt als Ins trument zur gemeinsamen Zweckverfolgung. b) Geltungsbereich Besondere Bedeutung kommt der Verbandsautonomie zunächst bei den sog. Grundlagenentscheidungen (z. B. Änderung des Gesellschaftsvertrages) zu: Die Entscheidungen über die Grundlagen der Gesellschaft sollen die Gesellschafter autonom treffen und dürfen diese nicht von Dritten abhängig machen.426
420 Wiedemann, FS Schilling, 1973, S. 105, 114; Teubner, ZGR 1986, 565, 568; vgl. auch Wiedemann, FS Lutter, 2000, S. 801, 806. 421 Wiedemann, GesR Bd. I, § 7 II 1 b) (S. 371); Steinbeck, S. 46. 422 Zur Treuepflicht vgl. bereits oben unter 2. Teil, B. III. 2. 423 Vgl. Wiedemann, GesR Bd. I, § 7 II 1 b) (S. 371); A. Teichmann, S. 191 f.; Chr. We ber, S. 170. 424 A. Teichmann, S. 192; Wiedemann, GesR Bd. I, § 7 II 1 b) (S. 371); insoweit auch Chr. Weber, S. 170 f.; im Ergebnis wohl bereits Wiedemann, FS Schilling, 1973, S. 105, 119; ferner wohl auch Steinbeck, S. 46. 425 Vgl. Wiedemann, FS Schilling, 1973, S. 105, 113; zur Satzungsänderung ders., in: GroßKomm-AktG, § 179 Rn. 9; abweichende Begründung wohl Priester, FS Werner, 1984, S. 657, 666 (dort Fn. 64), der mit dem Wesen der juristischen Person als unabhängige Einheit argumentiert. 426 Vgl. hierzu – mit Unterschieden in der Reichweite der Verbandsautonomie – Flu me, BGB AT I/2, § 7 I. 3. (S. 193 ff.); K. Schmidt, GesR, § 5 I. 3. b) (S. 84 ff.); Wiede mann, FS Schilling, 1973, S. 105, 112; Beuthien/Gätsch, ZHR 156 (1992), 459, 475 ff.; Wiedemann, FS Lutter, 2000, S. 801, 809 f.
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B. Der Regelungsgehalt des § 76 Abs. 1 AktG
Der Grundsatz der Verbandsautonomie gilt außerdem – wenngleich in anderer Ausprägung – in dem hier interessierenden Bereich der Geschäftsführung.427 Zwar verbietet die Verbandsautonomie nicht, dass auch Dritten Geschäftsführungsbefugnisse übertragen werden. Dies zeigt bereits die bestehende Möglichkeit der Fremdorganschaft428 für die meisten juristischen Personen.429 Die Verbandsautonomie erfordert es jedoch, dass die gesellschaftsfremden geschäftsführenden Entscheidungsträger dem Verbandsinteresse verpflichtet sind und dass diese Verpflichtung durch Kontrollbefugnisse, insbesondere durch den Entzug der Geschäftsführungsbefugnis oder durch Schadensersatzansprüche, durchsetzbar ist.430 Der Grundsatz der Verbandsautonomie setzt somit dem Hineindringen von (Fremd-)Interessen z. B. durch schuldrechtliche Einflussrechte eines Dritten Grenzen. Er stellt daher eine immanente Schranke des Außen einflusses dar.431 2. Die Verbandsautonomie im Aktienrecht Dem Grundsatz der Verbandsautonomie kommt auch im Aktienrecht sowohl bei den sog. Grundlagenentscheidungen432 als auch im Bereich der Geschäftsführung Bedeutung zu.433 427 Wiedemann, FS Schilling, 1973, S. 105, 112 f. 428 Die Möglichkeit der Fremdorganschaft wird für die GmbH in § 6 Abs. 3 Satz 1 GmbHG ausdrücklich vorgesehen (vgl. auch Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 6 Rn. 2). Sie ist aber auch für den Verein (vgl. Reuter, in: MünchKomm-BGB, § 26 Rn. 7; Weick, in: Staudinger, BGB, § 26 Rn. 3) und für die Aktiengesellschaft (vgl. Hüffer, AktG, § 76 Rn. 25; Spindler, in: MünchKomm-AktG, § 76 Rn. 106) anerkannt. Für die Genossenschaft gilt gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 GenG der Grundsatz der Selbstorganschaft. 429 So auch Priester, FS Werner, 1984, S. 657, 664 (dort auch Fn. 48); Zöllner, FS 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 85, 119 f. 430 Wiedemann, FS Schilling, 1973, S. 105, 112 f.; ähnlich Hommelhoff, in: Schubert/ Hommelhoff, S. 53, 90; Priester, FS Werner, 1984, S. 657, 664 f.; Teubner, ZGR 1986, 565, 572; Zöllner, FS 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 85, 120; im Ergebnis auch Veil, S. 89. Vgl. hierzu auch Chr. Weber, S. 171 f., der jedoch vor allem mit Blick auf ein praktisches Bedürfnis für die Möglichkeit zu Abweichungen von diesen Erfordernissen der Verbandsautonomie plädiert und damit eher rechtspolitisch argumentiert; ebda., S. 172 f.; zu Recht kritisch hierzu daher Schubel, S. 23. 431 Vgl. auch Wiedemann, FS Schilling, 1973, S. 105, 114; Priester, FS Werner, 1984, S. 657, 666. 432 Zur Satzungsänderung vgl. Wiedemann, in: GroßKomm-AktG, § 179 Rn. 7; Haberstock/Greitemann, in: Hölters, AktG, § 179 Rn. 4; Holzborn, in: Spindler/ Stilz, AktG, § 179 Rn. 2 f. 433 Die historischen Wurzeln des Grundsatzes der Verbandsautonomie lassen sich gerade im Aktienrecht seit der Aktienrechtsnovelle von 1884 ausmachen, insbeson-
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3. Teil: Vereinbarkeit mit der allg. aktienrechtlichen Organisationsverfassung
a) Die Verbandsautonomie im Bereich der Geschäftsführung Auch die §§ 76 ff. AktG spiegeln die Geltung der Verbandsautonomie im Bereich der Geschäftsführung der Aktiengesellschaft wieder: Als Korrelat für die Möglichkeit zur Geschäftsführung durch gesellschaftsfremde Dritte (vgl. § 76 Abs. 3 Satz 1 AktG) unterliegen die Vorstandsmitglieder auf Grundlage ihrer Organstellung einer zwingenden Bindung an das Gesellschafts- bzw. Unternehmensinteresse (vgl. etwa § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG: „zum Wohle der Gesellschaft“).434 Zwar berücksichtigt das Gesetz bei der Kontrolle dieser Bindung die typische Struktur der Aktiengesellschaft als Publikumsgesellschaft und schließt den regelmäßig hierzu ungeeigneten großen Gesellschafterkreis von der Kontrolle der Geschäftsführung aus (vgl. § 119 Abs. 2 AktG). Die Überwachung bzw. Kontrolle der Geschäftsführung erfolgt jedoch gemäß § 111 Abs. 1 AktG durch den Aufsichtsrat; unter anderem auch durch die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen (§ 112 Satz 1 i. V. m. § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG) und der Möglichkeit zur Abberufung der Vorstandsmitglieder (§ 84 Abs. 3 Satz 1 AktG). Bei der Überwachung unterliegen die Aufsichtsratsmitglieder ebenfalls einer Bindung an das Gesellschaftsinteresse (vgl. §§ 116 Satz 1, 93 Abs. 1 Satz 2 AktG),435 die ihrerseits durch entsprechende Kontrollmechanismen abgesichert wird (vgl. §§ 103 Abs. 1 Satz 1, 116 Satz 1, 93 Abs. 2 Satz 1, 147 AktG). Diese Interessenbindung der Verwaltungsorgane entspricht dem Schutzanliegen des Grundsatzes der Verbandsautonomie, im Bereich der Geschäftsführung die Verfolgung des Gesellschaftsinteresses zu sichern. Die Geltung der Verbandsautonomie im Bereich der Geschäftsführung zeigt sich auch in der Vorschrift des § 117 Abs. 1 Satz 1 AktG. Diese de-
dere in der zwingenden Zuständigkeit der Gesellschafter für die Änderung des Gesellschaftsvertrages für Kapitalveränderungen (vgl. Art. 215 Abs. 1, 215a Abs. 2, 248 Satz 1 HGB 1884) als Reaktion des historischen Gesetzgebers auf eine nach Abschaffung des Konzessionssystems verbreitete statutarische Selbstentmündigung der Gesellschaften zugunsten nicht an der Gesellschaft beteiligter sog. Gründer; vgl. hierzu auch Amtliche Begründung zur Novelle von 1884, in: Schubert/ Hommelhoff, S. 464; Hommelhoff, in: Schubert/Hommelhoff, S. 53, 89 ff.; zur historischen Entwicklung der Verbandsautonomie eingehend Schubel, passim, insb. S. 553 ff. sowie zur Entwicklung durch die Novelle von 1884 S. 345 ff. 434 Zur Interessensbindung der Vorstandsmitglieder vgl. die entspr. Nachw. in Fn. 278. 435 Allg. M.; vgl. BGHZ 135, 244, 255 – „ARAG/Garmenbeck“; Semler, Rn. 182; Hopt/Roth, in: GroßKomm-AktG, § 111 Rn. 103, § 116 Rn. 34 ff.; Mertens/Cahn, in: KölnKomm-AktG, § 116 Rn. 25, 29 f.; Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 116 Rn. 7, 21; Hoffmann-Becking, in: Münch.Hdb.GesR IV, § 29 Rn. 27 f.
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B. Der Regelungsgehalt des § 76 Abs. 1 AktG
liktrechtliche436 Haftungsnorm sanktioniert rechtswidrige Einflussnahmen, die unter anderem auf Vorstandsmitglieder in ihrem Kompetenzbereich der Geschäftsführung durch jedwede Person verübt werden.437 Die Vorschrift bezweckt unter anderem den Schutz des Gesellschaftsinteresses438 und damit mittelbar auch die von äußeren Einflüssen autonome Willensbildung439 der Gesellschaft. Sie zielt damit letztlich wie der Grundsatz der Verbandsautonomie auch auf die Erhaltung der Funktionsfähigkeit des Verbandes als Instrument zur gemeinsamen Zweckverfolgung. Dass diese Funktionsfähigkeit unter einen deliktsrechtlichen Schutz gegenüber Jedermann gestellt wird, belegt die zwingende Geltung der Verbandsautonomie im Bereich der Geschäftsführung. Der Geltung der Verbandsautonomie im Bereich der Geschäftsführung kann auch nicht entgegengehalten werden, dass das Beherrschungsvertragsrecht gerade einen Dritteinfluss auf die Geschäftsführung der beherrschten Gesellschaft zulässt und den anderen Vertragsteil bei der Ausübung seines Einflussrechts grundsätzlich auch nicht an das Interesse der beherrschten Gesellschaft bindet (vgl. § 308 Abs. 1 AktG).440 Mit den §§ 291 ff. AktG stellt das Gesetz ein organisationsrechtliches Instrumentarium zur rechtlich sicheren Organisation von Konzernunternehmen bereit, um dem praktischen Bedürfnis nach wirtschaftlicher Betätigung als Unternehmensgruppe und einem koordinierten Ressourceneinsatz innerhalb der Gruppe gerecht zu werden.441 Bei den §§ 291 ff. AktG han436 H. M.; vgl. BGH, NJW 1992, 3167, 3172; Hüffer, AktG, § 117 Rn. 2; Mertens/ Cahn, in: KölnKomm-AktG, § 117 Rn. 10; Spindler, in: MünchKomm-AktG, § 117 Rn. 4; Schall, in: Spindler/Stilz, AktG, § 117 Rn. 4; nach a. A. handelt es sich um eine Haftung kraft Sonderrechtsbeziehung, vgl. Krebs, S. 103 f., 166 f.; Voigt, S. 72 ff.; zur Argumentation hiergegen vgl. eingehend Kort, in: GroßKomm-AktG, § 117 Rn. 43 ff, 50 ff.; Schall, in: Spindler/Stilz, AktG, § 117 Rn. 4. 437 Allgemein zum Anwendungsbereich vgl. Hüffer, AktG, § 117 Rn. 3; Schall, in: Spindler/Stilz, AktG, § 117 Rn. 13. 438 Voigt, S. 52 ff.; Schall, in: Spindler/Stilz, AktG, § 117 Rn. 6; a. A. Kort, in: GroßKomm-AktG, § 117 Rn. 6, 14 ff. 439 Zutreffend Schall, in: Spindler/Stilz, AktG, § 117 Rn. 6 (dort Fn. 28); für einen unmittelbaren Schutz vgl. auch Spindler, in: MünchKomm-AktG, § 117 Rn. 2; Hommelhoff/Witt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 117 Rn. 1; wohl auch Bürgers/ Israel, in: Bürgers/Körber, AktG, § 117 Rn. 1; a. A. Kort, in: GroßKomm-AktG, § 117 Rn. 13. 440 So aber wohl K. Schmidt, GesR, § 5 I. 3. b) (S. 85); vgl. auch Schockenhoff, AcP 193 (1993), 35, 55. 441 Eingehend Mülbert, ZHR 163 (1999), 1, 30 f. unter Bezugnahme auf die Gesetzesmaterialien (vgl. Begr. RegE., in: Kropff, AktG, S. 374, 377); ferner Mülbert, in: GroßKomm-AktG, § 291 Rn. 50; wohl auch Altmeppen, in: MünchKomm-AktG, § 291 Rn. 10a; sympathisierend auch K. Schmidt, FS Koppensteiner, 1991, S. 191, 201.
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3. Teil: Vereinbarkeit mit der allg. aktienrechtlichen Organisationsverfassung
delt es sich damit um Sonderregelungen für Konzernverbindungen,442 aus denen nicht auf die Nichtgeltung der Verbandsautonomie im Bereich der Geschäftsführung rückgeschlossen werden kann.443 b) Die Vorschrift des § 76 Abs. 1 AktG als Ausfluss der Verbands autonomie Die von der Verbandsautonomie vorausgesetzte Verfolgung des Gesellschaftsinteresses durch die Geschäftsführung gewährleistet das Aktiengesetz grundsätzlich durch die Bindung der Vorstandsmitglieder an das Gesellschaftsinteresse und die Durchsetzung dieser Bindung durch die Kontrollmechanismen des Aufsichtsrats. Die Verfolgung des Gesellschaftsinteresses und deren Überwachung würde allerdings bei schuldrechtlichen Einflussrechten eines Dritten defizitär:444 Würde der Dritte aufgrund einer (wirksamen) Verpflichtung der Gesellschaft Einfluss nehmen, so wäre der Vorstand grundsätzlich verpflichtet, diesem nachzukommen. Für einen der Gesellschaft hieraus entstehen Schaden würden die Vorstandsmitglieder jedoch nur haften, soweit sie eigenes Verschulden trifft, also soweit dem Vorstand bei der betroffenen Geschäftsführungsmaßnahme, wie z. B. bei Einflussrechten mit einem Mitentscheidungs- und Vetorecht,445 noch ein Mitentscheidungsrecht zukommt. Im Übrigen wäre eine Haftung nach § 93 Abs. 2 AktG jedoch ausgeschlossen.446 Daneben blieben auch die weiteren Kontrollmechanismen weitgehend folgenlos; insbesondere die Abberufung der Vorstandsmitglieder nach § 84 Abs. 3 AktG hätte keinen reglementierenden Effekt, da der zukünftige Vorstand die gegenüber der Gesellschaft wirksam begründeten Einflussrechte des Dritten weiterhin zu beachten hätte.447 Es kann an dieser Stelle offen bleiben, ob bei der Übertragung von Entscheidungskompetenzen für Geschäftsführungsmaßnahmen an einen nicht an das Gesellschaftsinteresse gebundenen Dritten die Verbandsautonomie dadurch gewahrt werden kann, dass die Gesellschafter über eine jederzeitige und allein in ihrem Ermessen stehende rechtliche Mög442 Zutreffend Mülbert, ZHR 163 (1999), 1, 29; wohl auch Langenbucher, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 291 Rn. 12. 443 Steinbeck, S. 52; ähnlich Wiedemann, FS Schilling, 1973, S. 105, 118; im Ergebnis auch A. Teichmann, S. 197 f. 444 Zum Folgenden vgl. auch Veil, S. 86 ff.; Wiedemann, FS Lutter, 2000, S. 801, 807 f. 445 Vgl. hierzu oben unter 1. Teil, B. II. 2. 446 Zu diesen „Haftungsdefiziten“ vgl. auch Veil, S. 87 f. 447 So wohl auch Veil, S. 86.
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B. Der Regelungsgehalt des § 76 Abs. 1 AktG
lichkeit zur Beseitigung der Kompetenzen des Dritten verfügen. Dies wird im Schrifttum insbesondere für die Schaffung von Beiräten im GmbH- und Personengesellschaftsrecht befürwortet.448 Auf die hier in Frage stehenden schuldrechtlichen Einflussrechte gegenüber einer Aktiengesellschaft kann dieser Gedanke aus zwei Gründen nicht übertragen werden. Erstens besteht bei schuldrechtlichen Einflussrechten ein jederzeitiges und voraussetzungsloses Kündigungsrecht der beeinflussten Aktiengesellschaft in aller Regel nicht.449 Zweitens könnte – selbst wenn der Gesellschaft ein solches Kündigungsrecht zustehen würde – ein derartiger Beseitigungsmechanismus etwa durch die Möglichkeit der Anweisung zur Ausübung des Kündigungsrechts wegen der aktienrechtlichen Satzungsstrenge nach § 23 Abs. 5 AktG weder für die Aktionäre noch für den Aufsichtsrat installiert werden.450 Auch eine Abberufung der Vorstandsmitglieder aus wichtigem Grund durch den Aufsichtsrat nach § 84 Abs. 3 AktG hätte hier wiederum allenfalls eine mittelbare Wirkung. Während bei anderen juristischen Personen Regelungen zur weitreichenden Beeinflussung und Kontrolle der Geschäftsführung durch die Gesellschafter bestehen (vgl. §§ 27 Abs. 2, Abs. 3, 665 BGB, §§ 37 Abs. 1, 38 Abs. 1 GmbHG), berücksichtigt das Gesetz die Struktur der Aktiengesellschaft als Publikumsgesellschaft und schränkt die Regelungen zur Beeinflussung und Kontrolle der Geschäftsführung wesentlich ein (§§ 76 Abs. 1, 84 Abs. 3 Satz 1, 111 Abs. 4 Satz 1, 119 Abs. 2 AktG). So soll zum Erhalt der Funktionsfähigkeit der Aktiengesellschaft dem Geschäftsführungsorgan eine gegenüber den übrigen Gesellschaftsorganen unabhängige bzw. autonome Stellung zukommen und damit auch die Beeinflussung und Kontrolle auf das Notwendige eingeschränkt werden. Als zwingendes Korrelat muss das Geschäftsführungsorgan dann aber zum 448 So zum Bereich der Geschäftsführung Beuthien/Gätsch, ZHR 157 (1993), 483, 497 ff., 500; Grunewald, GS Hübner, 2012, S. 485, 486 ff., 490; wohl auch Zöllner, FS 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 85, 120; ähnlich auch Teubner, ZGR 1986, 565, 572, der jedoch stets eine Bindung des Beiratsmitglieds an das Gesellschaftsinteresse voraussetzt; vgl. auch Wiedemann, FS Lutter, 2000, S. 801, 809. Anders Chr. Weber, S. 330 ff., der dies nur bei Kompetenzen des Beirates zu Grundlagenund Personalentscheidungen annimmt, bei Kompetenzen im Bereich der Geschäftsführung aber wohl ablehnt; vgl. ebda., S. 335 ff. 449 Chr. Weber, S. 353. Auch bei den regelmäßig auf bestimmte Zeit geschlossenen BCA ist ein ordentliches, fristloses Kündigungsrecht ausgeschlossen (arg. e. § 723 Abs. 1 Satz 1 BGB); siehe Schöne, in: Bamberger/Roth, BGB, § 723 Rn. 15. 450 Vgl. hierzu auch Chr. Weber, S. 302 (dort auch Fn. 1), der seine Überlegungen zur Beiratsverfassung wegen der Satzungsstrenge ausdrücklich nicht auf die Aktiengesellschaft bezieht.
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3. Teil: Vereinbarkeit mit der allg. aktienrechtlichen Organisationsverfassung
Schutz der Verfolgung des Gesellschaftszwecks i. S. der Verbandsautonomie und damit gleichsam zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit der Aktiengesellschaft den Gesellschaftszweck bzw. das Gesellschaftsinteresse auch gegenüber (Fremd-)Interessen von außen unabhängig bzw. autonom verfolgen.451 Vor diesem Hintergrund ist die Pflicht des Vorstandes zur eigenverantwortlichen Leitung nach § 76 Abs. 1 AktG nicht nur als Pflicht zur autonomen Geschäftsführung innerhalb der Gesellschaft, sondern auch zur autonomen Geschäftsführung gegenüber Außeneinflüssen auszulegen. Die Vorschrift des § 76 Abs. 1 AktG ist damit Ausfluss des Grundsatzes der Verbandsautonomie.452 Im Zusammenhang mit diesem allgemeinen Prinzip des Verbandsrechts ist die objektive Teleologie der Vorschrift auch in dem Schutz der Autonomie der Gesellschaft zu sehen; genauer gesagt: in dem Schutz der Verfolgung des Gesellschaftszwecks im Bereich der Geschäftsführung vor Außeneinflüssen durch einen unab hängigen Vorstand. Dabei setzt eine autonome Geschäftsführung i. S. der Verbandsautonomie voraus, dass die Entscheidungen über die Geschäftsführungsmaßnahmen durch die Gesellschaft, respektive durch das für sie handelnde Organ, getroffen werden und sich die Willensbildung an dem Gesellschaftsinteresse orientiert.453 3. Zwischenergebnis Normzweck des § 76 Abs. 1 AktG ist die Erhaltung eines selbstständigen und unabhängigen Geschäftsführungsorgans. Durch eine gegenüber den anderen Gesellschaftsorganen und gegenüber Einflüssen von außen autonome Geschäftsführung durch den Vorstand soll die Funktionsfähigkeit der Aktiengesellschaft verbandsintern und nach außen gewährleistet 451 Ob ein solcher durch den Vorstand zu wahrender Schutz des Gesellschaftsinteresses vor (Fremd-)Interessen von außen etwa durch eine sog. „fiduciary-out“-Klausel vereinbart werden kann (so wohl Paschos, NZG 2012, 1142, 1144) und ob eine solche Klausel – gegen die eigentliche Interessenlage – für bestimmte Einflussrechte vereinbart werden muss, kann vorerst offen bleiben. Dies ist erst das Ergebnis dieser Untersuchung; siehe auch 2. Teil, B. I. 452 So wohl auch Fleischer, ZIP 2003, 1, 9; tendenziell anders Mülbert, S. 283 ff., der die Autonomie der Gesellschaft nicht aus § 76 Abs. 1 AktG, sondern selbstständig aus dem Verbandszweck herleitet. 453 Insofern ähnlich auch Mülbert, S. 157, der die Autonomie der Gesellschaft nach allgemeinem Aktienrecht im Bereich der Geschäftsführung – wenngleich ohne ausdrückliche Nennung der Verbandsautonomie – mit den von der Studienkom mission DJT (dort Rn. 202) begründeten Merkmalen des „Eigenwillens“ und der Verfolgung des „Eigeninteresses“ beschreibt; im Ergebnis ähnlicher Autonomiebegriff bei Steinbeck, S. 12 f.
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B. Der Regelungsgehalt des § 76 Abs. 1 AktG
werden.454 Der Schutz der Funktionsfähigkeit ergibt sich im Zusammenhang mit dem Grundsatz der Verbandsautonomie. Die Sicherung eines autonomen Geschäftsführungsorgans zielt auf die Erhaltung und den Schutz der Verfolgung des Gesellschaftszwecks und damit im Ergebnis auf die Autonomie der Gesellschaft im Bereich der Geschäftsführung. Die Geschäftsführung soll in den Händen von Entscheidungsträgern liegen, die an das Gesellschaftsinteresse gebunden sind und einer hinreichenden Kontrolle unterliegen.
IV. Zwischenfazit Als Zwischenergebnis der Auslegung des § 76 Abs. 1 AktG ist festzuhalten, dass die Vorschrift eine grundsätzliche Grenze für eine Einflussnahme auf die Geschäftsführung von außen wie etwa durch schuldrechtliche Einflussrechte eines BCA enthält. Hieraus kann jedoch noch nicht geschlossen werden, dass alle Einflussrechte eines BCA mit § 76 Abs. 1 AktG unvereinbar sind und gegen die allgemeine aktienrechtliche Organisationsverfassung verstoßen. Grundsätzlich kann die freiwillige Preisgabe der eigenen Autonomie gleichsam eine Ausübung von Autonomie und damit eine Ausprägung der Verbandsautonomie darstellen.455 Anders gewendet kann die privatautonome Verfolgung des Gesellschaftsinteresses auch dadurch gefördert werden, dass die Geschäftsführung (freiwillig) mit einer gewissen Intensität unter fremden Einfluss gestellt wird. Mit dem bisher herausgearbeiteten Regelungsgehalt des § 76 Abs. 1 AktG sind lediglich die dogmatischen „Leitplanken“ der Grenzen des Außen einflusses gezogen, dass – Entscheidungen über Geschäftsführungsmaßnahmen durch die Gesellschaft, respektive den Vorstand, getroffen werden müssen – und sich die Willensbildung dabei an der Verfolgung des Gesellschaftsinteresses orientiert. Mit Blick auf diese Merkmale sind im Folgenden die Grenzen eines Außen einflusses vertraglicher Einflussrechte auf Geschäftsführungsmaßnahmen weiter zu konkretisieren.
454 Im Ergebnis ähnlich Seibt, FS K. Schmidt, 2009, S. 1463, 1467. 455 Zu diesem Spannungsverhältnis vgl. BVerfGE 83, 341, 359; Steinbeck, S. 31; Chr. Weber, S. 205 m. w. Nachw.
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3. Teil: Vereinbarkeit mit der allg. aktienrechtlichen Organisationsverfassung
C. Konkretisierung der Grenzen eines zulässigen Außeneinflusses I. Zur Art der Maßnahme als Grenze Als Grenze eines zulässigen vertraglichen Außeneinflusses kommt zunächst die Art der Maßnahme in Betracht, auf die sich das vertragliche Einflussrecht bezieht. Ausgangspunkt dieser Überlegungen ist das Tatbestandsmerkmal der Eigenverantwortlichkeit nach § 76 Abs. 1 AktG, das nur die Leitung der Gesellschaft aber nicht die Geschäftsführung i. S. des § 77 Abs. 1 AktG erfasst. Wohl mit Blick auf diesen Unterschied wird im Schrifttum angenommen, dass Geschäftsführungsmaßnahmen einem schuldrechtlichen Einfluss unterstellt werden dürfen, während dies bei Leitungsmaßnahmen aktienrechtlich unzulässig sei.456 Zur Analyse dieses Ansatzes sind zunächst die Begriffe Leitung und Geschäftsführung zu präzisieren und voneinander abzugrenzen. Daran anschließend ist unter Berücksichtigung des Normzwecks des § 76 Abs. 1 AktG zu untersuchen, ob der Ansatz für eine rechtssichere Präzisierung der Grenzen für vertragliche Einflussrechte auf Geschäftsführungsmaßnahmen in einem BCA nutzbar gemacht werden kann. 1. Abgrenzung der Begriffe Leitung und Geschäftsführung a) Allgemeine Abgrenzung der Begriffe der §§ 76 ff. AktG Für den Aufgabenbereich des Vorstandes differenziert das Gesetz begrifflich zwischen der Leitung der Gesellschaft (§ 76 Abs. 1 AktG), der Geschäftsführung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AktG) und der Vertretung der Gesellschaft (§ 78 Abs. 1 Satz 1 AktG). Dabei lassen sich die Befugnisse Geschäftsführung und Vertretung nach dem allgemeinen rechtstechnischen Begriffsverständnis wie folgt voneinander abgrenzen: Der Begriff der Geschäftsführung i. S. des § 77 Abs. 1 Satz 1 AktG ist weit zu verstehen und umfasst jede tatsächliche oder rechtsgeschäftliche Maßnahme für die Gesellschaft im Innen- und Außenverhältnis.457 Dagegen umfasst die gerichtliche und außergerichtliche Vertretung nach § 78 Abs. 1 Satz 1 AktG die organschaftliche Befugnis des Vorstandes, für die Gesellschaft in ihrem Namen im Außenverhältnis gemäß den §§ 164 Abs. 1 Satz 1 456 Vgl. Dette, S. 119 f., 126; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 76 Rn. 75; ders., FS Schwark, 2009, S. 137, 151; König, NZG 2013, 452, 453 f.; Bungert/Wansleben, ZIP 2013, 1841, 1844. 457 Zum Begriff der Geschäftsführung vgl. Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, AktG, § 77 Rn. 2; Hüffer, AktG, § 77 Rn. 3; Mertens/Cahn, in: KölnKomm-AktG, § 77 Rn. 2; Spindler, in: MünchKomm-AktG, § 77 Rn. 6.
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3. Teil: Vereinbarkeit mit der allg. aktienrechtlichen Organisationsverfassung
C. Konkretisierung der Grenzen eines zulässigen Außeneinflusses I. Zur Art der Maßnahme als Grenze Als Grenze eines zulässigen vertraglichen Außeneinflusses kommt zunächst die Art der Maßnahme in Betracht, auf die sich das vertragliche Einflussrecht bezieht. Ausgangspunkt dieser Überlegungen ist das Tatbestandsmerkmal der Eigenverantwortlichkeit nach § 76 Abs. 1 AktG, das nur die Leitung der Gesellschaft aber nicht die Geschäftsführung i. S. des § 77 Abs. 1 AktG erfasst. Wohl mit Blick auf diesen Unterschied wird im Schrifttum angenommen, dass Geschäftsführungsmaßnahmen einem schuldrechtlichen Einfluss unterstellt werden dürfen, während dies bei Leitungsmaßnahmen aktienrechtlich unzulässig sei.456 Zur Analyse dieses Ansatzes sind zunächst die Begriffe Leitung und Geschäftsführung zu präzisieren und voneinander abzugrenzen. Daran anschließend ist unter Berücksichtigung des Normzwecks des § 76 Abs. 1 AktG zu untersuchen, ob der Ansatz für eine rechtssichere Präzisierung der Grenzen für vertragliche Einflussrechte auf Geschäftsführungsmaßnahmen in einem BCA nutzbar gemacht werden kann. 1. Abgrenzung der Begriffe Leitung und Geschäftsführung a) Allgemeine Abgrenzung der Begriffe der §§ 76 ff. AktG Für den Aufgabenbereich des Vorstandes differenziert das Gesetz begrifflich zwischen der Leitung der Gesellschaft (§ 76 Abs. 1 AktG), der Geschäftsführung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AktG) und der Vertretung der Gesellschaft (§ 78 Abs. 1 Satz 1 AktG). Dabei lassen sich die Befugnisse Geschäftsführung und Vertretung nach dem allgemeinen rechtstechnischen Begriffsverständnis wie folgt voneinander abgrenzen: Der Begriff der Geschäftsführung i. S. des § 77 Abs. 1 Satz 1 AktG ist weit zu verstehen und umfasst jede tatsächliche oder rechtsgeschäftliche Maßnahme für die Gesellschaft im Innen- und Außenverhältnis.457 Dagegen umfasst die gerichtliche und außergerichtliche Vertretung nach § 78 Abs. 1 Satz 1 AktG die organschaftliche Befugnis des Vorstandes, für die Gesellschaft in ihrem Namen im Außenverhältnis gemäß den §§ 164 Abs. 1 Satz 1 456 Vgl. Dette, S. 119 f., 126; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 76 Rn. 75; ders., FS Schwark, 2009, S. 137, 151; König, NZG 2013, 452, 453 f.; Bungert/Wansleben, ZIP 2013, 1841, 1844. 457 Zum Begriff der Geschäftsführung vgl. Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, AktG, § 77 Rn. 2; Hüffer, AktG, § 77 Rn. 3; Mertens/Cahn, in: KölnKomm-AktG, § 77 Rn. 2; Spindler, in: MünchKomm-AktG, § 77 Rn. 6.
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C. Konkretisierung der Grenzen eines zulässigen Außeneinflusses
BGB, 51 ZPO rechtsverbindlich zu handeln, insbesondere sie zu berechtigen und zu verpflichten.458 Eine Maßnahme der Gesellschaft kann damit sowohl von der Geschäftsführungsbefugnis als auch von der Vertretungsbefugnis erfasst sein; es handelt sich aber um eine andere rechtliche Perspektive: Während die Geschäftsführungsbefugnis darüber entscheidet, ob der Vorstand eine Maßnahme im Innenverhältnis gegenüber der Gesellschaft durchführen darf (vgl. auch § 82 Abs. 2 AktG), entscheidet die Vertretungsbefugnis darüber, ob der Vorstand die Gesellschaft für die Maßnahme im Außenverhältnis gegenüber dem Rechtsverkehr rechtlich binden kann.459 Demgegenüber bereitet die Abgrenzung des Begriffs der Leitung nach § 76 Abs. 1 AktG größere Schwierigkeiten. Auch wenn das Aktiengesetz in mehreren weiteren Vorschriften460 von „Leitung“ bzw. „Leitungsmacht“ spricht, fehlt es an einer genaueren gesetzlichen Definition.461 Als negative Abgrenzung zur Vertretungsbefugnis kann lediglich festgestellt werden, dass die Leitung nicht das rechtsverbindliche Handeln für die Gesellschaft gegenüber dem Rechtsverkehr umfasst. Diese Befugnis ist allein von dem rechtstechnischen Begriff der Vertretung nach § 78 Abs. 1 AktG erfasst.462 Im Übrigen zeigt die Systematik der §§ 76 ff. AktG nur, dass das Gesetz unter Leitung und Geschäftsführung als etwas voneinander zu unterscheidendes ansieht.463 So macht es unterschiedliche Vorgaben darüber, wie der Vorstand seine Befugnisse in den jeweiligen Bereichen wahrzunehmen hat. Während die Leitung gemäß §§ 76 Abs. 1, 23 Abs. 5 AktG zwingend von dem Gesamtvorstand eigenverant wortlich – also autonom – durchzuführen ist,464 können Maßnahmen der Geschäftsführung grundsätzlich auch auf einzelne Vorstandsmitglieder 458 Zum Begriff der Vertretung vgl. Hüffer, AktG, § 78 Rn. 3; Mertens/Cahn, in: KölnKomm-AktG, § 78 Rn. 3; Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 78 Rn. 1, 3 f. 459 Zutreffend Hüffer, AktG, § 77 Rn. 3; ähnlich Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 77 Rn. 4. 460 Vgl. §§ 18 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2, 117 Abs. 7, 291 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2, 308 Abs. 1 Satz 1, 323 Abs. 1 Satz 1 AktG. 461 Dreher, FS Hopt, 2010, S. 517, 518. 462 Im Ergebnis auch Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, AktG, § 76 Rn. 7; missverständlich dagegen Begr. RegE., in: Kropff, AktG, S. 98; M. Weber, in: Hölters, AktG, § 78 Rn. 1; Spindler, in: MünchKomm-AktG, § 78 Rn. 1. 463 Dette, S. 65; Dreher, FS Hopt, 2010, S. 517, 518 f.; vgl. auch Fleischer, ZIP 2003, 1, 3; a. A. – Gleichsetzung von Leitung und Geschäftsführung – noch Amtl. Begr., in: Klausing, AktG, S. 56; Semler, Rn. 3 ff.; Tieves, S. 139 (dort Fn. 7). 464 Zur fehlenden Delegationsfähigkeit von Leitungsmaßnahmen vgl. M. Weber, in: Hölters, AktG, § 76 Rn. 8; Hüffer, AktG, § 76 Rn. 7; Mertens/Cahn, in: KölnKomm-AktG, § 76 Rn. 4, 45; Henze, BB 2000, 209; wohl auch Spindler, in: Münch Komm-AktG, § 76 Rn. 19.
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3. Teil: Vereinbarkeit mit der allg. aktienrechtlichen Organisationsverfassung
übertragen werden (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 2, 1. Halbs. AktG). Ein einzelnes Vorstandsmitglied kann z. B. zur Einzelgeschäftsführung für bestimmte Maßnahmen ermächtigt werden.465 An dieser zwingenden Zuweisung zum Gesamtvorstand einerseits und der möglichen Zuweisung bestimmter Maßnahmen zu einzelnen Vorstandsmitgliedern andererseits zeigt sich, dass das Gesetz in den §§ 76 f. AktG die Leitung und die Geschäftsführung als qualitativ unterschiedliche Bereiche ansieht.466 Allerdings zeigt die allgemein anerkannte weite Geschäftsführungsdefinition als jede tatsächliche oder rechtsgeschäftliche Maßnahme, dass die Leitung weder ein Mehr noch etwas gänzlich Anderes, sondern im Umkehrschluss ein Teilbereich der Geschäftsführung sein muss.467 Auch wenn damit noch keine inhaltliche Präzisierung des Leitungsbegriffs vorgenommen ist, kann als Zwischenergebnis die Leitung als ein besonderer Teilbereich der Geschäftsführung angesehen werden.468 b) Inhaltliche Präzisierung des Leitungsbegriffs aa) Wortlaut und Rückgriff auf wirtschaftswissenschaftliche Erkenntnisse Der Begriff der Leitung kann nicht anhand des allgemeinen Sprachgebrauchs präzisiert werden.469 Unter Leitung wird zwar etwa die „Führung“, „Lenkung“ oder „Beeinflussung“ von etwas verstanden.470 Jedoch wird der Begriff der Geschäftsführung im allgemeinen Sprachgebrauch wiederum mit der „Leitung eines Unternehmens“ erklärt. Das zeigt, dass die Begriffe weitgehend synonym verwendet werden. Der allgemeine Sprachgebrauch hilft daher bei der Präzisierung des Inhalts des Leitungsbegriffs nach § 76 Abs. 1 AktG nicht weiter. 465 Vgl. Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, AktG, § 77 Rn. 15; Mertens/Cahn, in: KölnKomm-AktG, § 77 Rn. 15 ff.; Spindler, in: MünchKomm-AktG, § 77 Rn. 31 ff.; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 77 Rn. 36 ff. 466 So auch Martens, FS Fleck, 1988, 191, 193 f.; wohl auch Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, AktG, § 76 Rn. 7; Spindler, in: MünchKomm-AktG, § 76 Rn. 15; Henze, BB 2000, 209. 467 So auch Kort, in: GroßKomm-AktG, § 76 Rn. 29. 468 Ganz h. M.; Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, AktG, § 76 Rn. 7; Kort, in: GroßKomm-AktG, § 76 Rn. 29; M. Weber, in: Hölters, AktG, § 76 Rn. 8; Hüffer, AktG, § 76 Rn. 7; Mertens/Cahn, in: KölnKomm-AktG, § 76 Rn. 4; Spindler, in: MünchKomm-AktG, § 76 Rn. 18; Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 76 Rn. 9; Flei scher, ZIP 2003, 1, 3; a. A. Henze, BB 2000, 209. 469 Zur Bedeutung des allgemeinen Sprachgebrauchs bei der Wortlautauslegung vgl. erneut Larenz, S. 320; Wolf/Neuner, BGB AT, § 4 Rn. 33; Zippelius, S. 38 f. 470 Vgl. etwa Kort, in: GroßKomm-AktG, § 76 Rn. 29 („Leitung ist die Führung der Gesellschaft“).
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C. Konkretisierung der Grenzen eines zulässigen Außeneinflusses
Allgemein anerkannt ist jedoch, dass entgegen dem missglückten Wortlaut der Vorschrift nicht die Gesellschaft i. e. S. eines Verbandes bzw. des Zusammenschlusses der Aktionäre, sondern vor allem das von der Gesellschaft betriebene Unternehmen der Leitung des Vorstandes unterliegt.471 Für die Bestimmung des Inhalts des Leitungsbegriffs kann daher auch auf wirtschaftswissenschaftliche Erkenntnisse über die Unternehmensleitung bzw. -führung zurückgegriffen werden.472 Die Wirtschaftswissenschaft geht im Ausgangspunkt davon aus, dass ein Unternehmen durch Arbeitsteilung und Aufgabendelegation und daher auch durch Leitungs- bzw. Führungsmaßnahmen einerseits und Vorbereitungs- und Ausführungsmaßnahmen andererseits geprägt ist.473 Nach den grundlegenden Arbeiten von Gutenberg weisen „echte“ Führungsmaßnahmen bzw. -entscheidungen des Führungsorgans eines Unternehmens (z. B. Vorstand) die drei Merkmale auf, dass sie große Bedeutung für das Unternehmen und insbesondere für dessen Vermögens- und Ertragslage haben, dass die Entscheidungen nur bei Kenntnissen über Gesamtzusammenhänge im Unternehmen getroffen werden können und dass sie nicht delegiert werden können.474 Ähnliche Merkmale finden sich auch in der heutigen wirtschaftswissenschaftlichen Literatur, wobei insbesondere die hohe Bindungswirkung für zumindest größere Teile des Unternehmens, der hohe monetäre Wert und der niedrige Strukturierungsgrad der Führungsentscheidungen betont werden.475 Dabei wird freilich auch betont, dass sich mit diesen Merkmalen eindeutige Grenzen zwischen „echten“ Führungsmaßnahmen bzw. -entscheidungen und den übrigen Entscheidungen und Maßnahmen im Unternehmen nicht festlegen lassen, da stets die konkreten Umstände des Unternehmens im Einzelfall
471 Ganz h. M.; Kort, in: GroßKomm-AktG, § 76 Rn. 39 ff.; Oltmanns, in: Heidel, Aktienrecht, § 76 Rn. 7; Hüffer, AktG, § 76 Rn. 9; Mertens/Cahn, in: KölnKomm-AktG, § 76 Rn. 6; Spindler, in: MünchKomm-AktG, § 76 Rn. 15; Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 76 Rn. 9; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 76 Rn. 5; Henze, BB 2000, 209. 472 So auch Weinbrenner, S. 189 ff.; Hüffer, AktG § 76 Rn. 8; Kort, in: GroßKomm-AktG, § 76 Rn. 38; Mertens/Cahn, in: KölnKomm-AktG, § 76 Rn. 5; Spindler, in: MünchKomm-AktG, § 76 Rn. 16; Henze, BB 2000, 209, 210; im Grundsatz auch Fleischer, ZIP 2003, 1, 4; unklar dagegen Semler vgl. einerseits Rn. 3 (dort Fn. 8), vgl. andererseits Rn. 13 ff. 473 Vgl. Gutenberg, Unternehmensführung, S. 59 f., 159 f.; Thommen/Achleitner, S. 39, 870 f.; Wöhe/Döring, S. 46; Macharzina/Wolf, S. 45. 474 Gutenberg, Unternehmensführung, S. 59 ff.; vgl. auch ders., Einführung, S. 45 ff. 475 Vgl. etwa Macharzina/Wolf, S. 40 ff., insb. S. 44.
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3. Teil: Vereinbarkeit mit der allg. aktienrechtlichen Organisationsverfassung
zu beachten sind.476 Vielmehr wird die Unternehmensführung lediglich typologisch, etwa wie folgt umrissen:477 – Maßnahmen zur Festlegung der Unternehmenspolitik und -planung, – Maßnahmen zur Koordinierung und Kontrolle der Unternehmensbereiche – Maßnahmen von außergewöhnlicher Bedeutung sowie – Maßnahmen zur Besetzung von Führungsstellen. Wenngleich dies im Ansatz bereits bei Gutenberg angelegt ist,478 wird die Unternehmensführung in der heutigen wirtschaftswissenschaftlichen Literatur zudem ausdrücklich als eine Funktion innerhalb des Unternehmens mit den Teilfunktionen Planung, Organisation und Koordinierung, Kontrolle sowie der Personalfunktion angesehen.479 Mit diesen wirtschaftswissenschaftlichen Erkenntnissen kann damit zwar keine eindeutige Bestimmung des Bereichs der Leitung, dafür aber über eine typologische Umschreibung eine erste Annäherung erreicht werden.480
476 Vgl. hierzu bereits Gutenberg, Unternehmensführung, S. 62, 74; wohl auch Ma charzina/Wolf, S. 42. 477 In diesem Sinne bereits Gutenberg, Unternehmensführung, S. 61 ff.; vgl. auch Macharzina/Wolf, S. 40 ff.; Wöhe/Döring, S. 46. Verbreitet wird der Begriff der Unternehmensführung mit dem weiter gefassten Begriff des „Managements“ gleichgesetzt (vgl. Schierenbeck/Wöhle, S. 113; Schreyögg/Koch, S. 6; Thommen/Ach leitner, S. 50, 915) und sodann mit den Funktionen des Managements wie Planung, Organisierung, Koordinierung, Führung, Kontrolle etc. beschrieben; vgl. Schieren beck/Wöhle, S. 114 ff.; Schreyögg/Koch, S. 9 ff.; Thommen/Achleitner, S. 50 ff., 919 ff. Dies führt zwar zu ähnlichen Ergebnissen. Da der weite Managementbegriff i. S. eines Prozesses auf jede Maßnahme oder Entscheidung innerhalb eines Unternehmens und nicht nur auf „echte“ Führungsentscheidungen angewandt werden kann, ist diese Gleichsetzung zumindest missverständlich; kritisch hierzu auch Macharzina/Wolf, S. 42. 478 So auch der Befund von Fleischer (ZIP 2003, 1, 4) wohl unter Hinweis auf Guten berg, Einführung, S. 22, 47. 479 Zu diesen Funktionen mit begrifflichen Unterschieden vgl. Schierenbeck/Wöhle, S. 114 ff.; Wöhe/Döring, S. 47 ff.; Macharzina/Wolf, S. 36 f.; Schreyögg/Koch, S. 9 ff.; Thommen/Achleitner, S. 50 ff. 480 So auch Weinbrenner, S. 191 f.; Spindler, in: MünchKomm-AktG, § 76 Rn. 16; wohl auch Hüffer, AktG, § 76 Rn. 8; Mertens/Cahn, in: KölnKomm-AktG, § 76 Rn. 5.
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C. Konkretisierung der Grenzen eines zulässigen Außeneinflusses
bb) Normative Bestätigung der wirtschaftswissenschaftlichen Erkenntnisse Der Rückgriff auf die Merkmale und typologische Umschreibung der Wirtschaftswissenschaften bedarf einer normativen Bestätigung.481 Eine systematische Stütze kann die wirtschaftswissenschaftliche Typologie zunächst in der Unterscheidung zwischen übertragbaren Maßnahmen der Geschäftsführung (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 2, 1. Halbs. AktG) und den nach § 76 Abs. 1 AktG in der Gesamtverantwortung des Vorstandes liegenden und nicht übertragbaren Leitungsmaßnahmen gesehen werden. Bereits hiermit zeigt das Gesetz, dass es Leitungsmaßnahmen entsprechend den genannten wirtschaftswissenschaftlichen Merkmalen besondere Bedeutung beimisst und als nicht delegierbare Maßnahmen ansieht.482 Eine weitere gesetzessystematische Bestätigung ist in § 90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 4 AktG zu finden.483 Dieser schreibt für bestimmte Maßnahmen Berichtspflichten des Vorstandes als Gesamtorgan gegenüber dem Aufsichtsrat vor. Dabei nennt das Gesetz Maßnahmen wie die Festlegung der Unternehmenspolitik und Unternehmensplanung bzw. Maßnahmen von erheblicher Bedeutung für die Gesellschaft, die nach der wirtschaftswissenschaftlichen Typologie als Leitungsmaßnahmen anzusehen sind. Aus dem Zusammenhang, dass sich einerseits – wie bei der Leitung nach § 76 Abs. 1 AktG – der gesamte Vorstand im Rahmen der Berichterstattung mit diesen Maßnahmen befassen muss und dass die Berichtspflichten andererseits einen wesentlichen durch den Aufsichtsrat nach § 111 Abs. 1 AktG zu kontrollierenden Bereich markieren,484 zeigt sich die aktienrechtliche Einordnung der in § 90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 4 AktG aufgeführten Maßnahmen als Leitungsmaßnahmen.485 Hieraus ergibt sich zugleich eine normative Bestätigung der wirtschaftswissenschaftlichen typologischen Umschreibung der Unternehmensleitung.486 Als gesetzessystematische Bestätigung des wirtschaftswissenschaftlichen Leitungsbegriffs können schließlich die sog. gesetzlichen Pflicht481 Hüffer, AktG, § 76 Rn. 8; Henze, BB 2000, 209, 210. 482 Im Ergebnis ähnlich Martens, FS Fleck, 1988, S. 191, 193 f. 483 Vgl. hierzu wohl grdl. Martens, FS Fleck, 1988, S. 191, 197 f.; dem folgend Wein brenner, S. 199 f. 484 Zur Konkretisierung des Kontrollbereichs des Aufsichtsrates durch § 90 AktG vgl. Semler, Rn. 103 ff.; Hüffer, AktG, § 111 Rn. 3; Habersack, in: MünchKomm-AktG, § 111 Rn. 22; Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 111 Rn. 12. 485 Martens, FS Fleck, 1988, S. 191, 198. 486 Weinbrenner, S. 199; im Ergebnis auch Kort, in: GroßKomm-AktG, § 76 Rn. 36.
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3. Teil: Vereinbarkeit mit der allg. aktienrechtlichen Organisationsverfassung
aufgaben487 angesehen werden, die das Aktienrecht ausdrücklich dem Vorstand als Gesamtorgan zuweist (z. B. §§ 83, 90, 91, 92, 121 Abs. 2, 124 Abs. 3, 161 Abs. 1, 170 Abs. 1 AktG488). Hierbei handelt es sich zumeist um Aufgaben, die für die Gesellschaft bzw. das betriebene Unternehmen entsprechend den wirtschaftswissenschaftlichen Merkmalen große Bedeutung und hohe Bindungswirkung haben (z. B. Vor- und Nachbereitung von Hauptversammlungsbeschlüssen nach §§ 83, 121 Abs. 2, 124 Abs. 3 AktG oder Durchführung öffentlicher bzw. drittschützender Aufgaben nach §§ 91 f. AktG).489 Aus der Zuweisung zum Gesamtorgan wird wiederum deutlich, dass es sich hierbei um besondere gesetzliche Ausprägungen der Leitung i. S. des § 76 Abs. 1 AktG handelt.490 Zugleich können die Vorschriften auch als Bestätigung der wirtschaftswissenschaftlichen Leitungsmerkmale gesehen werden.491 Die Gesetzessystematik kann somit die Merkmale und typologische Umschreibung des Bereichs der Unternehmensleitung der Wirtschaftswissenschaften normativ bestätigen. Entsprechend kann auch aktienrechtlich die Unternehmensleitung mit den Funktionen der Unternehmensplanung, -koordination, -kontrolle und Besetzung der Führungsstellen beschrieben werden.492
487 So die Bezeichnung bei Hüffer, FS Happ, 2006, S. 93, 99. 488 Ausführliche Aufzählungen bei Hüffer, FS Happ, 2006, S. 93, 99 f.; Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 76 Rn. 9. 489 Ähnliche Differenzierung bei Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 76 Rn. 9. 490 Ganz h. M.; vgl. Kort, in: GroßKomm-AktG, § 76 Rn. 35; M. Weber, in: Hölters, AktG, § 76 Rn. 9; Hüffer, AktG, § 76 Rn. 8; Spindler, in: MünchKomm-AktG, § 76 Rn. 16; Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 76 Rn. 9; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 76 Rn. 19; Martens, FS Fleck, 1988, S. 191, 194; Henze, BB 2000, 209, 210; Dreher, FS Hopt, 2010, S. 517, 520, 524. 491 So wohl auch Hüffer, AktG, § 76 Rn. 8; Henze, BB 2000, 209, 210. 492 So – wenngleich z. T. mit begrifflichen Unterschieden – OLG Schleswig, ZIP 2009, 124, 126 – „MobilCom“; Hüffer, AktG, § 76 Rn. 8; Mertens/Cahn, in: KölnKomm-AktG, § 76 Rn. 5; Spindler, in: MünchKomm-AktG, § 76 Rn. 16; Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 76 Rn. 9; Henze, BB 2000, 209, 210; Dreher, FS Hopt, 2010, S. 517, 521 f.; im Ergebnis auch Dette, S. 120; Kort, in: GroßKomm-AktG, § 76 Rn. 36, 38; kritisch zur Übernahme der wirtschaftswissenschaftlichen Typologie Fleischer, ZIP 2003, 1, 5 f., der die Unternehmensleitung dagegen mit den Kategorien der Planungs- und Steuerungsverantwortung, der Organisationsverantwortung, der Finanzverantwortung und der Informationsverantwortung beschreiben will; so auch Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, AktG, § 76 Rn. 10; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 76 Rn. 18. Dies führt allerdings lediglich nur zu einer variierenden typologischen Einteilung, nicht zu anderen Ergebnissen; so auch Mertens/Cahn, in: KölnKomm-AktG, § 76 Rn. 5; Spindler, in: MünchKomm-AktG, § 76 Rn. 16.
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C. Konkretisierung der Grenzen eines zulässigen Außeneinflusses
cc) Fehlende eindeutige Abgrenzung der Leitung von der Geschäftsführung Eine weitergehende Konkretisierung des Bereichs der Leitung i. S. einer eindeutigen und trennscharfen Abgrenzung zur Geschäftsführung bereitet hingegen Schwierigkeiten. (1) Gesetzessystematik Zu einer trennscharfen Unterscheidung zur Geschäftsführung kann zunächst der systematische Hinweis auf § 90 Abs. 1 AktG nichts beitragen.493 So umschreibt auch § 90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AktG den Berichtsinhalt der Geschäftspolitik und der Unternehmensplanung lediglich typologisch und zudem nicht abschließend.494 Auch die eine Berichtspflicht nach § 90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AktG auslösenden Tatbestandsmerkmale lassen sich nicht eindeutig definieren. Es hängt stets von den Umständen des Einzelfalls ab (z. B. Größe und wirtschaftliche Lage des jeweiligen Unternehmens), ob ein Geschäft von erheblicher Bedeutung vorliegt.495 Diese Umstände können allenfalls anhand beispielhafter, typischer Kriterien umschrieben werden, so dass sie für eine allgemeingültige und präzise Bestimmung des Leitungsbegriffs nicht geeignet sind.496 Aus dem gleichen Grunde kann auch die Rechtsprechung und das Fall material zu den sog. außergewöhnlichen Geschäftsführungsmaßnahmen i. S. des § 116 Abs. 2 HGB nichts zu einer präzisen Bestimmung des Leitungsbegriffs beitragen.497 Für die Abgrenzung zwischen gewöhnlichen und außergewöhnlichen Geschäften i. S. des § 116 HGB bestehen ebenso keine trennscharfen Kriterien. Es ist vielmehr allgemein anerkannt, dass es auch hierbei auf die konkreten Verhältnisse der Gesellschaft im Einzelfall ankommt.498 Das Fallmaterial mag für die Einordnung als Lei-
493 So auch Martens, FS Fleck, 1988, S. 191, 198; ferner Weinbrenner, S. 199 f. 494 Im Ergebnis wohl auch Martens, FS Fleck, 1988, S. 191, 198. 495 So bereits Begr. RegE., in: Kropff, AktG, S. 117; ferner Weinbrenner, S. 200; Mül ler-Michaels, in: Hölters, AktG, § 90 Rn. 9; Spindler, MünchKomm-AktG, § 90 Rn. 28; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 90 Rn. 28. 496 In diesem Sinne wird auch im Schrifttum der Rückgriff auf § 90 Abs. 1 AktG wohl eher als eine Auslegungsregel für die Abgrenzung von Leitung und Geschäftsführung im Einzelfall verstanden; vgl. Mertens/Cahn, in: KölnKomm-AktG, § 77 Rn. 23 („im Zweifel“); ähnlich Kort, in: GroßKomm-AktG, § 77 Rn. 31. 497 Vgl. hierzu aber Weinbrenner, S. 196 ff.; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 76 Rn. 18; ders., ZIP 2003, 1, 6. 498 Vgl. hierzu statt aller Schäfer, in: GroßKomm-HGB, § 116 Rn. 4 ff. mit zahlreichen w. Nachw. und Beispielen aus der Rechtsprechung.
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3. Teil: Vereinbarkeit mit der allg. aktienrechtlichen Organisationsverfassung
tungsmaßnahmen im konkreten Einzelfall geeignet sein.499 Für eine allgemeingültige, inhaltlich präzise Bestimmung des Leitungsbegriffs nach § 76 Abs. 1 AktG und eine trennscharfe Unterscheidung zur Geschäftsführung eignet es sich nicht.500 Schließlich mag man in den sog. gesetzlichen Pflichtaufgaben eindeutige Leitungsaufgaben sehen. Ob es sich jedoch bei all diesen Pflichten um „echte“ – nicht delegierbare und für einen Außeneinfluss resistente – Leitungsaufgaben handelt, kann an dieser Stelle offen bleiben. Zum einen handelt es sich bei den gesetzlichen Pflichtaufgaben lediglich um punktuelle Ausprägungen des Leitungsbereichs. Diese erschöpfen den Leitungsbereich jedoch nicht.501 Zum anderen beziehen sich die hier behandelten Einflussrechte in einem BCA – soweit ersichtlich – nicht auf die gesetzlichen Pflichtaufgaben. Selbst wenn die gesetzlichen Pflichtaufgaben einen Teil des Leitungsbereichs trennscharf beschreiben, helfen sie für die hier interessierende eindeutige Abgrenzung des übrigen Leitungsbereichs von der Geschäftsführung nicht weiter. (2) Normzwecküberlegungen am Beispiel der Leitungsdelegation Auch der von § 76 Abs. 1 AktG bezweckte Schutz der funktionsfähigen Verfolgung des Gesellschaftszwecks im Bereich der Geschäftsführung kann eindeutige Abgrenzungsmerkmale des Leitungsbereichs von der Geschäftsführung nicht liefern. Der Normzweck spricht vielmehr gegen die Möglichkeit einer trennscharfen Festlegung eines Teilbereichs der Geschäftsführung, der ausschließlich durch den (Gesamt-)Vorstand zu erfolgen hat. Eine funktionsfähige Verfolgung des Gesellschaftszwecks durch die Geschäftsführung ist gerade beim Betreiben eines Unternehmens von Arbeitsteilung und damit von einer Aufgabendelegation geprägt.502 Dies gilt im Besonderen bei den von Aktiengesellschaften typischerweise betriebenen mittleren und großen Unternehmen, bei denen eine Arbeitsteilung Voraussetzung ihrer Funktionsfähigkeit ist. Dabei ist es stets von der konkreten Struktur, Größe und dem Unternehmensgegenstand sowie insbesondere von den konkreten wirtschaftlichen Verhältnissen 499 In diesem Sinne auch Weinbrenner, S. 196 ff.; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 76 Rn. 18; ders., ZIP 2003, 1, 6. 500 So wohl auch Weinbrenner, S. 197; insoweit auch Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 76 Rn. 18; ders., ZIP 2003, 1, 5 f. 501 So auch Martens, FS Fleck, 1988, S. 191, 195; Hüffer, FS Happ, 2006, S. 93, 100. 502 Vgl. auch Seibt, FS K. Schmidt, 2009, S. 1463, 1472; Dreher, FS Hopt, 2010, S. 517, 526.
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C. Konkretisierung der Grenzen eines zulässigen Außeneinflusses
(z. B. Vermögens- und Ertragslage, Marktposition) des Unternehmens abhängig, welche Maßnahmen im Einzelfall in der konkreten Entscheidungssituation von großer Bedeutung für das gesamte Unternehmen sind und daher nicht delegiert werden können.503 Eine strenge Grenze zwischen Leitung und Geschäftsführung würde den Unternehmen die notwendige Flexibilität für ihre Organisation und die Anpassungsfähigkeit an geänderte Umstände nehmen. Damit würde die von § 76 Abs. 1 AktG bezweckte Erhaltung der Funktionsfähigkeit der Gesellschaft als Trägerin des Unternehmens konterkariert. Selbst bei typischerweise der Unternehmensleitung zuzuordnenden Maßnahmen wie der Unternehmensplanung setzt das Aktienrecht nicht voraus, dass der Vorstand diese Maßnahmen vollständig selbst durchführt. Erforderlich, aber auch ausreichend ist es, dass die Letztentscheidung durch den Vorstand erfolgt,504 also i. S. der Verbandsautonomie durch einen an das Gesellschaftsinteresse gebundenen Entscheidungsträger. So ist auch eine arbeitsteilige Unternehmensplanung grundsätzlich erlaubt, bei der Vorbereitungs- und Durchführungsmaßnahmen delegiert werden, solange die Letztentscheidung über die Planung beim Vorstand verbleibt.505 Wie weit der Vorstand dabei jedoch einzelne Vorbereitungsaufgaben delegieren darf, ist von den konkreten Begebenheiten des Unternehmens in der Entscheidungssituation abhängig.506 So wird bei Großunternehmen regelmäßig eine weitreichende Delegation von Vorplanungsaufgaben innerhalb des Unternehmens oder auch an externe Beratungsdienstleister507 für eine hinreichende Planung i. S. einer sorgfältigen gewissenhaften Leitung des Vorstandes (vgl. §§ 76 Abs. 1, 93 Abs. 1 Satz 1 AktG) unumgänglich sein.508 503 Dreher, FS Hopt, 2010, S. 517, 519 f.; vgl. auch M. Weber, in: Hölters, AktG, § 76 Rn. 10; Mertens/Cahn, in: KölnKomm-AktG, § 76 Rn. 5; Seibt, in: K. Schmidt/ Lutter, AktG, § 76 Rn. 9; insoweit auch Dette, S. 120 f. 504 So allgemein auch Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 76 Rn. 20; ders., ZIP 2003, 1, 6; Dreher, FS Hopt, 2010, S. 517, 527; wohl auch M. Weber, in: Hölters, AktG, § 76 Rn. 8; kritisch hierzu Seibt, FS K. Schmidt, 2009, S. 1463, 1474 f., bei dem die genannten Fallbeispiele im Ergebnis jedoch jeweils ein entsprechendes Letztentscheidungsrecht vorsehen (vgl. ebda. S. 1464 ff.). 505 Vgl. auch Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 76 Rn. 20; ders., ZIP 2003, 1, 6; Dreher, FS Hopt, 2010, S. 517, 527 f. 506 Ähnlich Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 76 Rn. 65; ders., ZIP 2003, 1, 8; Dre her, FS Hopt, 2010, S. 517, 528; zu möglichen Kriterien vgl. Seibt, FS K. Schmidt, 2009, S. 1463, 1476 ff. 507 Vgl. etwa das Fallbeispiel 2 bei Seibt, FS K. Schmidt, 2009, S. 1463, 1465 f. 508 So im Ergebnis auch Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 76 Rn. 65; ders., ZIP 2003, 1, 8; Dreher, FS Hopt, 2010, S. 517, 528. Nach einem ähnlichen jedoch in der Reichweite der Delegationsmöglichkeiten von selbst „echten“ Leitungsent-
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3. Teil: Vereinbarkeit mit der allg. aktienrechtlichen Organisationsverfassung
Entsprechendes ergibt ein Blick auf die typischerweise der Leitung zuzuordnenden Bereiche der Unternehmenskoordination und der außergewöhnlichen Maßnahmen sowie – eng hiermit verbunden – der Unternehmenskontrolle. Arbeitsteilung in einem funktionsfähigen Unternehmen setzt voraus, dass Geschäftsführungsmaßnahmen delegiert werden können und müssen. Eine funktionsfähige Unternehmenskoordination und -kontrolle erfordert aber, dass der Vorstand die Durchführung der delegierten Maßnahmen überwachen kann und unter Umständen die Kompe tenz für die delegierte Maßnahme jederzeit wieder zurück an sich ziehen kann.509 Dies gilt nicht nur bei Fehlentwicklungen in einem Unternehmensbereich. Auch können veränderte wirtschaftliche Umstände im konkreten Einzelfall dazu führen, dass der Vorstand die Entscheidung über eine ursprünglich delegationsfähige Geschäftsführungsmaßnahme im Rahmen seiner Koordinierungsaufgabe wieder an sich ziehen muss.510 Dies wird etwa der Fall sein, wenn die Maßnahme aufgrund der geänderten Vermögens- und Ertragslage oder der Wettbewerbssituation der Gesellschaft große Bedeutung für das Unternehmen im Ganzen erlangt und damit zu einer außergewöhnlichen Maßnahme wird. So kann z. B. selbst die Entscheidung über den Erwerb eines anderen Unternehmens in derselben Erwerbergesellschaft je nach den Umständen der konkreten Entscheidungssituation eine „echte“ Leitungsentscheidung oder eine delegierbare Geschäftsführungsmaßnahme sein.511 Es zeigt sich somit, dass es in einem (funktionsfähigen) Unternehmen keine starren Grenzen zwischen Geschäftsführungsmaßnahmen und Leitungen gibt.512 Eine allgemeingültige, eindeutige und trennscharfe Abgrenzung der Leitung von der Geschäftsführung ist nicht möglich, da diese stets von den wirtschaftlichen Umständen des Unternehmens im konkreten Einzelfall abhängig ist.513 Hierin zeigt sich zugleich die Relativität scheidungen weitergehenden Ansatz ist die Delegationsfähigkeit von Leitungsentscheidungen eine Frage des unternehmerischen Ermessens des Vorstandes i. S. des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG; vgl. eingehend Seibt, FS K. Schmidt, 2009, S. 1463, 1464, 1472, 1473 ff.; ders., in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 76 Rn. 8; kritisch hierzu Dre her, FS Hopt, 2010, S. 517, 519 f. 509 Vgl. auch Dreher, FS Hopt, 2010, S. 517, 536 f. 510 Ähnlich Dreher, FS Hopt, 2010, S. 517, 537. 511 So auch das Beispiel von Fleischer, ZIP 2003, 1, 6. 512 Ähnlich Seibt, FS K. Schmidt, 2009, S. 1463, 1473 ff.; ders., in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 76 Rn. 8; im Ergebnis auch Dreher, FS Hopt, 2010, S. 517, 519 f. 513 Hüffer, AktG, § 76 Rn. 8; Spindler, MünchKomm-AktG, § 76 Rn. 16; Dreher, FS Hopt, 2010, S. 517, 521; wohl auch Kort, in: GroßKomm-AktG, § 76 Rn. 38; M. Weber, in: Hölters, AktG, § 76 Rn. 10 f.; Mertens/Cahn, in: KölnKomm-AktG, § 76 Rn. 5; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 76 Rn. 18; ders., ZIP 2003, 1, 6.
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C. Konkretisierung der Grenzen eines zulässigen Außeneinflusses
der Begriffe Geschäftsführung und Leitung. Grundsätzlich kann jede Geschäftsführungsmaßnahme auch eine Leistungsmaßnahme sein. Es ist daher folgerichtig, wenn die Wirtschaftswissenschaft die Unternehmensleitung bzw. -führung als eine Funktion im Unternehmen bezeichnet.514 Die Unternehmensleitung ist zwar ein besonderer Teil der Geschäftsführung. Sie setzt sich aber nicht aus bestimmten Maßnahmen, sondern aus den Funktionen (Planung, Koordinierung, Kontrolle etc.) zusammen, die die einzelnen Maßnahmen des Unternehmens zu einem funktionsfähigen Ganzen werden lassen.515 Diese Rechtsauffassung findet im Schrifttum eine Bestätigung in den dort verbreitet angenommenen Schranken einer vorstandsinternen Delegation von einfachen Geschäftsführungsmaßnahmen auf einzelne Vorstandsmitglieder nach § 77 Abs. 1 Satz 2, 1. Halbs. AktG. Eine Geschäftsverteilung und Delegation stößt insoweit auf eine zwingende immanente Schranke, als dass es dem Gesamtvorstand aufgrund seiner Leitungsmacht und Pflicht zur vorstandsinternen Selbstkontrolle unbenommen bleibt, die Entscheidungskompetenz für die delegierte Maßnahme durch einen entsprechenden Mehrheitsbeschluss wieder an sich zu binden.516 Eine entsprechende „Rückholkompetenz“ gilt auch für Delegationen an nachgeordnete Stellen im Unternehmen aufgrund des arbeitsrechtlichen Direktionsrechts des Vorstandes bzw. bei unternehmensexternen Delegationen regelmäßig aufgrund vertraglicher Kündigungs- und Weisungsrechte (vgl. z. B. § 665 BGB).517 Diese Normzwecküberlegungen am Beispiel der Leitungsdelegation zeigen, dass eine eindeutige Abgrenzung der Leitung von der Geschäftsfüh-
514 Vgl. auch Spindler, MünchKomm-AktG, § 76 Rn. 16. 515 In diesem Sinne auch Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 76 Rn. 18; Bürgers/ Israel, in: Bürgers/Körber, AktG, § 76 Rn. 10; Spindler, MünchKomm-AktG, § 76 Rn. 18; Fleischer, ZIP 2003, 1, 5 f. 516 Im Ergebnis h. M.; vgl. Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, AktG, § 77 Rn. 9 ff.; Kort, in: GroßKomm-AktG, § 76 Rn. 49, § 77 Rn. 47; Hüffer, AktG, § 77 Rn. 15 ff.; Mertens/Cahn, in: KölnKomm-AktG, § 76 Rn. 45, § 77 Rn. 22 ff.; Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 77 Rn. 18, 19; Spindler, MünchKomm-AktG, § 77 Rn. 33. 517 So wohl auch M. Weber, in: Hölters, AktG, § 76 Rn. 12; Spindler, MünchKomm-AktG, § 76 Rn. 19; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 76 Rn. 66; ders., ZIP 2003, 1, 9; Dreher, FS Hopt, 2010, S. 517, 530, 537; vgl. auch Seibt, FS K. Schmidt, 2009, S. 1463, 1480 f., bei auch das Fallbeispiel 3 eine entsprechende „Rückholkompetenz“ vorsieht (vgl. ebda. S. 1464 ff.); anders zu externen Delegationen Kort, in: GroßKomm-AktG, § 76 Rn. 50, der diese wohl als stets unzulässig ansieht.
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3. Teil: Vereinbarkeit mit der allg. aktienrechtlichen Organisationsverfassung
rung wegen der Relativität der Bereiche weder möglich noch mit dem Normzweck des § 76 Abs. 1 AktG zu vereinbaren ist. dd) Zwischenergebnis Der Leitungsbegriff des § 76 Abs. 1 AktG kann aktienrechtlich mit den Funktionen der Unternehmensplanung, -koordination und -kontrolle sowie der Besetzung der Führungsstellen typologisch beschrieben werden. Eine eindeutige Abgrenzung der Leitung von der Geschäftsführung ist nicht möglich.518 2. Folgerungen für vertragliche Einflussrechte eines BCA a) Problem: Fehlende „Rückholkompetenz“ Die Beurteilung der Zulässigkeit von vertraglichen Einflussrechten eines BCA anhand der Art der Maßnahme als Grenze eines nach § 76 Abs. 1 AktG zulässigen Außeneinflusses bereitet aufgrund der aufgezeigten Relativität der Begriffe Leitung und Geschäftsführung Schwierigkeiten. Zwar wird man ein Einflussrecht in einem BCA häufig anhand der genannten Typologie dem Leitungsbereich zuordnen können, nach dem der Bieter (z. B. in einem gemeinsamen Gremium) bei Entscheidungen über die Produktstrategie für bestimmte Unternehmensbereiche der Zielgesellschaft mitentscheiden kann.519 Bei Zustimmungsrechten zu Übertragungen von Vermögensbestandteilen der Zielgesellschaft ab einer bestimmten Höhe520 ist die Zuordnung allerdings zweifelhaft. Diese ist von den wirtschaftlichen Verhältnissen der Zielgesellschaft im Einzelfall, insbesondere in der jeweiligen Entscheidungssituation, abhängig. So kann es auch sein, dass eine Maßnahme bei Vereinbarung des BCA noch dem Geschäftsführungsbereich zuzuordnen ist, in der konkreten Entscheidungssituation aber – aufgrund veränderter wirtschaftlicher Verhältnisse – große Bedeutung für das gesamte Unternehmen hat und dem unübertragbaren Leitungsbereich zuzuordnen ist. Der fließende Übergang zwischen Geschäftsführung und Leitung bereitet zwar bei einer unternehmensinternen oder -externen Delegation keine Probleme. Bei einer Delegation wird die Entscheidung über eine Geschäftsführungsmaßnahme auf eine Stelle delegiert, die kraft „Rückhol“-Beschluss oder arbeits- bzw. schuldrechtlich in einem Weisungsver-
518 So auch Ederle, S. 101; Hüffer, AktG, § 76 Rn. 8. 519 Vgl. das Beispiel unter 1. Teil, B. II. 1 b). 520 Vgl. das Beispiel unter 1. Teil, B. II. 1 a).
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C. Konkretisierung der Grenzen eines zulässigen Außeneinflusses
hältnis zum Gesamtvorstand steht.521 Der Pflicht zur eigenverantwortlichen bzw. autonomen Leitung kann der Gesamtvorstand damit stets bei jeder Geschäftsführungsmaßnahme situationsbedingt über seine „Rückholkompetenz“ nachkommen. Bei vertraglichen Einflussrechten eines BCA verhält es sich aber umgekehrt: Die Zielgesellschaft und damit auch der für sie handelnde Vorstand stehen unter dem Einflussrecht des Bieters und somit zu diesem z. B. in einem Weisungsverhältnis. Eine vergleichbare „Rückholkompetenz“ ist einem vertraglichen Einflussrecht fremd und würde dieses sinn entleeren.522 Es bestehen somit Unterschiede in der Funktionsweise von Delegationen und vertraglichen Einflussrechten.523 Nach der hier angenommenen Prämisse entspricht es gerade der Interessenlage der Vertragsparteien, rechtsverbindliche „echte“ Einflussrechte zu vereinbaren, die nicht durch eine jederzeitige Möglichkeit zur Rückerlangung des Alleinentscheidungsrechts der Zielgesellschaft „aufgeweicht“ werden können.524 b) Konsequenzen der fehlenden Abgrenzbarkeit Kann somit zum einen jede Einflussnahme auf eine Geschäftsführungsmaßnahme zugleich eine Einflussnahme auf die Leitung der Zielgesellschaft darstellen und ist zum anderen eine „Rückholkompetenz“ bei einem vertraglichen Einflussrecht sinnwidrig, so stellt ein Einflussrecht auf eine Geschäftsführungsmaßnahme grundsätzlich immer auch einen Eingriff in die eigenverantwortliche Leitung nach § 76 Abs. 1 AktG dar. Die von § 76 Abs. 1 AktG geschützte Funktionsfähigkeit der Verfolgung des Gesellschaftszwecks bei der Geschäftsführung wäre damit beeinträchtigt. Der Vorstand kann seiner Leitungsaufgabe und vor allem seiner Pflicht zur Koordinierung und Anpassung der einzelnen Maßnahmen im Unternehmen an die wirtschaftlichen Umstände in der konkreten Entscheidungssituation durch eine Rückerlangung des Alleinentschei521 So auch nach dem Delegationsbegriff von Hüffer, FS Happ, 2006, S. 93, 104; Dre her, FS Hopt, 2010, S. 517. 522 Vgl. auch Chr. Weber, S. 353. 523 Diese Unterschiede übersieht Dette, S. 120, wenn er Einflussrechte auf Geschäftsführungsmaßnahmen nach § 77 AktG gegen die Einräumung einer „Rückholkompetenz“ zulassen will. Zudem übersieht Dette, dass die von ihm angeführten Nachw. sich nur auf eine Delegation im o. g. Sinne (vgl. Fn. 521) beziehen. 524 Vgl. oben unter 2. Teil, B. I. Eine entsprechende „Rückholklausel“ kann etwa in den sog. „fiduciary-out“-Klauseln gesehen werden; so Paschos, NZG 2012, 1142, 1144. Ob eine solche Klausel aber – gegen die eigentliche Interessenlage – für bestimmte Einflussrechte vereinbart werden muss, kann vorerst offen bleiben. Dies ist erst das Ergebnis dieser Untersuchung; siehe erneut 2. Teil, B. I.
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3. Teil: Vereinbarkeit mit der allg. aktienrechtlichen Organisationsverfassung
dungsrechts nicht mehr nachkommen. In der Konsequenz bedeutet dies, dass eine taugliche Grenze für zulässige und unzulässige Einflussrechte in der Unterscheidung zwischen Leitung und Geschäftsführung – also in der Art der Geschäftsführungsmaßnahme – nicht gezogen werden kann.525 Eine Aussonderung generell zulässiger vertraglicher Einflussrechte auf Geschäftsführungsmaßnahmen kann nur mit Blick auf die allgemeinen Vertragstypen des Zivilrechts erfolgen, die ebenfalls vertragliche Einfluss rechte vorsehen (vgl. etwa §§ 662 ff., 675 ff. BGB, §§ 84 ff. HGB und den jeweils geltenden § 665 BGB). Auch die Ausführung der hierbei durch das Einflussrecht konkretisierten primären Vertragspflicht526 stellt letztendlich zwar eine Geschäftsführungsmaßnahme der (ausführenden) Aktiengesellschaft dar. Die Einflussrechte dieser allgemeinen Vertragstypen sind aber – zumindest in ihrer gesetzestypischen Ausprägung – stets mit § 76 Abs. 1 AktG zu vereinbaren.527 Der Grund hierfür ist darin zu sehen, dass diese Verträge lediglich Einflussrechte auf Maßnahmen im (objektiv fremden) Rechts- und Interessenskreis des Geschäftsherrn, also des Ein flussnehmenden, vorsehen.528 Eine Beeinträchtigung der von § 76 Abs. 1 AktG geschützten Verbandsautonomie bzw. der Verfolgung des Interes ses der Gesellschaft ist nicht gegeben. Die Einflussnahme auf diese Geschäftsführungsmaßnahmen stellt von vornherein keine Einflussnahme auf die Leitung im Rechts- und Interessenskreis der (beeinflussten) Aktiengesellschaft dar. Dagegen beziehen sich die Einflussrechte eines BCA in aller Regel auf Geschäftsführungsmaßnahmen im Rechts- und Interessenskreis der Zielgesellschaft. Eine Einflussnahme auf diese Geschäftsführungsmaß525 Das übersieht die Gegenansicht im Schrifttum, obwohl es auch ihr nicht gelingt, klare Grenzen zwischen zulässigen und unzulässigen Einflussrechten zu definieren. So etwa jüngst auch König (NZG 2013, 452, 454), die Einflussrechte auf die Ausnutzung von bestehendem genehmigten Kapital (§§ 202 ff. AktG) nur dann als unzulässige Einflussnahmen auf Leitungsmaßnahmen ansieht, wenn sie „den Kern unternehmerischer Leitungsmacht betreffen“ oder „ein solches Ausmaß ha ben, dass der Vorstand in seiner grundlegenden finanzpolitischen Unternehmens leitung beschränkt wird“. Mit diesen unbestimmten Abgrenzungsformeln lässt sich eine klare Grenze freilich nicht ziehen; so wohl auch Bungert/Wansleben, ZIP 2013, 1841, 1844. 526 Zu Konkretisierung der Leistungspflichten durch die Weisung beim Auftrag vgl. statt aller D. Fischer, in: Bamberger/Roth, BGB, § 665 Rn. 4. 527 Im Ergebnis auch Dette, S. 121 ff., der dies jedoch abweichend begründet; dazu sogleich unter 3. Teil, C. III. 1. 528 Zum Fremdcharakter vgl. RGZ 97, 61, 65 f.; 109, 299, 301; D. Fischer, in: Bamberger/Roth, BGB, § 662 Rn. 8; Seiler, in: MünchKomm-BGB § 662 Rn. 22 ff.; Marti nek, in: Staudinger, BGB, § 662 Rn. 25 ff.
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C. Konkretisierung der Grenzen eines zulässigen Außeneinflusses
nahmen kann zugleich eine Einflussnahme auf die Leitung darstellen. Eine taugliche Grenze für zulässige und unzulässige Einflussrechte kann hierbei nicht in der Unterscheidung zwischen Leitung und Geschäftsführung ausgemacht werden. 3. Zwischenergebnis Die Unterscheidung zwischen Leitung und Geschäftsführung – also die Art der Maßnahme, auf die Einfluss genommen werden soll – erweist sich nicht als taugliche Grenze eines zulässigen Außeneinflusses durch vertragliche Einflussrechte. Grundsätzlich kann jede Geschäftsführungsmaßnahme im Rechts- und Interessenskreis der Gesellschaft eine Leitungsmaßnahme sein. Mit Blick auf die allgemeinen Vertragstypen des Zivilrechts kann eine generelle Zulässigkeit allein für Einflussrechte erkannt werden, die sich auf Geschäftsführungsmaßnahmen im Rechtsund Interessenkreis des Einflussnehmenden beziehen. Damit ist noch nicht gesagt, dass alle vertraglichen Einflussrechte auf Geschäftsführungsmaßnahmen im Rechts- und Interessenkreis der Gesellschaft in einem BCA mit § 76 Abs. 1 AktG unvereinbar sind. Diese restriktive Konsequenz kann erst gezogen werden, wenn sich in der weiteren Untersuchung keine Anhaltspunkte für die Zulässigkeit bestimmter vertraglicher Einflussnahmen von außen auf die Geschäftsführung und damit auch auf die Leitung durch den Vorstand ergeben.
II. Zur Wertung des § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG als eine Grenze des (un-)zulässigen Außeneinflusses Eine Konkretisierung der Grenzen eines nach § 76 Abs. 1 AktG zulässigen vertraglichen Außeneinflusses könnte sich aus der gesetzlichen Wertung des § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG ergeben. Nach § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG sind bestimmte in der Satzung oder durch einen Aufsichtsratsbeschluss festgelegte Geschäftsführungsmaßnahmen des Vorstandes unter den Vorbehalt der Zustimmung des Aufsichtsrates zu stellen. Indem der Aufsichtsrat durch Zustimmungsvorbehalte über Geschäftsführungsmaßnahmen mitentscheidet, nimmt er zugleich – wenn auch nur auf Initiative des Vorstandes529 – an dessen Geschäftsfüh529 Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, AktG, § 111 Rn. 21; Hopt/Roth, in: GroßKomm-AktG, § 111 Rn. 640; Schiedermair/Kolb, in: Müller/Rödder, Beck.Hdb. AG, § 7 Rn. 81; Hoffmann-Becking, in: Münch.Hdb.GesR IV, § 29 Rn. 39; Fonk, ZGR 2006, 841, 866.
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3. Teil: Vereinbarkeit mit der allg. aktienrechtlichen Organisationsverfassung
rungsaufgabe teil.530 Er kann über ein Vetorecht hierauf Einfluss nehmen.531 Dennoch wird die eigenverantwortliche Stellung des Vorstandes nach § 76 Abs. 1 AktG durch einen Zustimmungsvorbehalt grundsätzlich nicht berührt.532 Hat die Festlegung eines Zustimmungsvorbehaltes im Falle des § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG keine Einschränkungen der eigenverantwortlichen Leitung des Vorstandes zur Folge, so könnte argumentiert werden, dass auch in der Einflussintensität533 einem Zustimmungsvorbehalt vergleichbare vertragliche Einflussrechte in einem BCA keine Auswirkungen auf die eigenverantwortliche Leitung haben können. Daher könnte aus § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG eine Wertung des allgemeinen Aktienrechts für die Grenzen eines zulässigen vertraglichen Außeneinflusses auf die Geschäftsführung zu entnehmen sein.534 Andererseits steht dem Aufsichtsrat das Instrument der Zustimmungsvorbehalte nicht schrankenlos zur Verfügung. Ausgehend von dem Grundsatz der eigenverantwortlichen Leitungsbefugnis des Vorstandes nach § 76 Abs. 1 AktG und dem hiermit verbundenen Geschäftsführungsverbot des Aufsichtsrates gemäß § 111 Abs. 4 Satz 1 AktG stellt die Teilnahme des Aufsichtsrates an der Geschäftsführung und Leitung durch Zustimmungsvorbehalte eine Ausnahme dar.535 Dieser Ausnahmecharakter zum Verbot des § 111 Abs. 4 Satz 1 AktG ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG („hat jedoch“).536 Er gebietet, dass sich die Zustimmungsvorbehalte auf grundlegende bzw. be-
530 BGHZ 135, 244, 254 f. – „ARAG/Garmenbeck“; eingehend Brouwer, S. 47 ff.; ferner Hopt/Roth, in: GroßKomm-AktG, § 111 Rn. 583; Hoffmann-Becking, in: Münch.Hdb.GesR IV, § 29 Rn. 39; ähnlich Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 111 Rn. 47. 531 Hüffer, AktG, § 111 Rn. 16. 532 Vgl. auch Brouwer, S. 54; Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, AktG, § 111 Rn. 21; Mertens/Cahn, in: KölnKomm-AktG, § 111 Rn. 79; Hambloch-Gesinn/Gesinn, in: Hölters, AktG, § 111 Rn. 72; Goslar, DB 2008, 800. 533 Zu den entsprechenden Abgrenzungsmerkmalen der Einflussrechte vgl. bereits 1. Teil, B. II. 2. 534 So wohl Ederle, S. 108 (dort Fn. 100); tendenziell auch Bachmann/Veil, ZIP 1999, 348, 350; in die gleiche Richtung weisen die Stimmen im Schrifttum, die mit Blick auf § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG bei Vereinbarung von Zustimmungsvorbehalten für Geschäftsführungsmaßnahmen eine Einordnung als Beherrschungsvertrag ablehnen; vgl. Schenk, in: Bürgers/Körber, AktG, § 291 Rn. 12; Koppensteiner, in: KölnKomm-AktG, § 308 Rn. 23; wohl auch Hüffer, AktG, § 291 Rn. 10. 535 Habersack, in: MünchKomm-AktG, § 111 Rn. 99 f.; eingehend zum Ausnahmecharakter unter Hinweis auf die Historie des § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG auch Altmeppen, FS K. Schmidt, 2009, S. 23, 26 ff.; vgl. auch Hambloch-Gesinn/Ge sinn, in: Hölters, AktG, § 111 Rn. 71. 536 Brouwer, S. 48 f.
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C. Konkretisierung der Grenzen eines zulässigen Außeneinflusses
deutsame Geschäfte beschränken.537 Der Aufsichtsrat darf sich nicht durch einen weit gefassten Katalog von Zustimmungsvorbehalten die Kompetenz des Vorstandes zur Geschäftsführung faktisch selbst übertragen.538 Des Weiteren wird die eigenverantwortliche Stellung des Vorstandes durch Begrenzung der Zulässigkeit von Zustimmungsvorbehalten auf „bestimmte Arten von Geschäften“ (§ 111 Abs. 4 Satz 2 AktG) gesichert.539 Allgemein formulierte Zustimmungsvorbehalte ohne Angabe von bestimmbaren Kriterien für die Geschäftsart, durch die der Aufsichtsrat den gesamten Kompetenzbereich des Vorstandes an sich zieht, würde diesem Bestimmtheitsgrundsatz widersprechen und wären daher unzulässig.540 So würde eine Regelung gegen den Bestimmtheitsgrundsatz verstoßen, die z. B. pauschal „alle wesentlichen Geschäfte“ unter den Zustimmungsvorbehalt des Aufsichtsrates stellt.541 Aufgrund dieser Grenzen der Teilnahme des Aufsichtsrates an der Geschäftsführung des Vorstandes könnte im vorliegenden Zusammenhang auch argumentiert werden, dass die Wertung des § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG nur auf solche Einflussrechte eine BCA übertragen werden kann, die sich – wie z. B. die sog. Vorwegbindungen542 – auf einen begrenzten und hinreichend bestimmten Katalog von Geschäftsführungsmaßnahmen beziehen. Ist dagegen im Fall des § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG bei sehr allgemeinen und unbestimmten Zustimmungskatalogen ein Eingriff in die Leitungskompetenz des Vorstandes nach § 76 Abs. 1 AktG gegeben, so könnte dies
537 H. M.; vgl. Hambloch-Gesinn/Gesinn, in: Hölters, AktG, § 111 Rn. 72; Hüffer, AktG, § 111 Rn. 17; Habersack, in: MünchKomm-AktG, § 111 Rn. 106; Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 111 Rn. 56; Fonk, ZGR 2006, 841, 846 ff.; Haber sack, FS Hüffer, 2010, S. 259, 264 f.; vgl. auch Begr. RegE., BT-Drs. 14/8769, S. 17. 538 Hopt/Roth, in: GroßKomm-AktG, § 111 Rn. 639; Mertens/Cahn, in: KölnKomm-AktG, § 111 Rn. 84; Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 111 Rn. 65; Fonk, ZGR 2006, 841, 846; wohl auch Habersack, in: MünchKomm-AktG, § 111 Rn. 106. 539 Habersack, in: MünchKomm-AktG, § 111 Rn. 106; Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 111 Rn. 65; Habersack, FS Hüffer, 2010, S. 259, 264; Altmeppen, FS K. Schmidt, 2009, S. 23, 29 ff. 540 H. M.; vgl. Hopt/Roth, in: GroßKomm-AktG, § 111 Rn. 643; Hüffer, AktG, § 111 Rn. 18; Mertens/Cahn, in: KölnKomm-AktG, § 111 Rn. 85; Habersack, in: Münch Komm-AktG, § 111 Rn. 106; Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 111 Rn. 55; Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 111 Rn. 65; Habersack, FS Hüffer, 2010, S. 259, 264. 541 Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, AktG, § 111 Rn. 23; Breuer/Fraune, in: Heidel, Aktienrecht, § 111 AktG Rn. 28; Hüffer, AktG, § 111 Rn. 18; Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 111 Rn. 65; Altmeppen, FS K. Schmidt, 2009, S. 23, 29. 542 Zu den Merkmalen vgl. 1. Teil, B. II. 2.
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3. Teil: Vereinbarkeit mit der allg. aktienrechtlichen Organisationsverfassung
dafür sprechen, auch die insofern vergleichbaren Einflussrechte eines BCA als mit § 76 Abs. 1 AktG unvereinbar anzusehen.543 Beide Argumentationen lassen jedoch einen wesentlichen Aspekt des § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG außer Acht. Gegen eine Übertragung der Wertung des § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG auf vertragliche Einflussrechte spricht der Zweck der Zustimmungsvorbehalte. Das Instrument des Zustimmungsvorbehaltes soll dem Aufsichtsrat eine präventive Kontrolle der Geschäftsführung durch den Vorstand ermöglichen.544 Es ist ein Mittel zur Durchführung der Überwachungsaufgabe nach § 111 Abs. 1 AktG545 und damit Teil einer verbandsinternen Kontrolle der Geschäftsführung im Interesse der Gesellschaft. Entsprechend sind die Aufsichtsratsmitglieder bei der Durchführung ihrer Überwachungsaufgabe nach § 111 Abs. 1, Abs. 4 Satz 2 AktG an das Gesellschafts- und Unternehmensinteresse gebunden.546 Der Aufsichtsrat kann durch die Verweigerung der Zustimmung nur unter Beachtung dieser Interessensbindung Einfluss auf die Geschäftsführung des Vorstandes nehmen. Zustimmungsvorbehalte nach § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG sind somit ein Instrument zur Kontrolle der Verfolgung des Gesellschafts- und Unternehmensinteresses durch den Vorstand im Rahmen der Geschäftsführung. Sie sind zugleich ein Instrument zur Sicherung der Verbandsautonomie oder mit anderen Worten – wie § 76 Abs. 1 AktG – als Teil der Kontrollfunktion nach § 111 Abs. 1 AktG Ausfluss des Grundsatzes der Verbandsautonomie.547 Damit unterscheidet sich das Einflussrecht des Aufsichtsrats nach § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG in erheblichem Maße von vertraglichen Einflussrechten eines BCA. Der Bieter ist bei der Ausübung seiner Einflussrechte gerade nicht an das Gesellschafts- und Unternehmensinteresse der Ziel gesellschaft, sondern an den gemeinsamen Vertragszweck bzw. das gemeinsame Interesse an dem Unternehmenszusammenschluss gebun543 In diesem Sinne Schürnbrand, ZHR 169 (2005), 35, 45, 48, der in diesem Fall einen Verstoß gegen § 76 Abs. 1 AktG annimmt und daher eine Einordnung des Vertrages als Beherrschungsvertrag befürwortet; dem folgend Silny, S. 40; Kienzle, S. 59 f.; Dette, S. 89 ff., 101 f.; Goslar, DB 2008, 800, 802; vgl. auch insofern wohl einräumend Koppensteiner, FS Canaris, Bd. II, 2007, S. 209, 216. 544 Hopt/Roth, in: GroßKomm-AktG, § 111 Rn. 583; Breuer/Fraune, in: Heidel, Ak tienrecht, § 111 AktG Rn. 24; Hüffer, AktG, § 111 Rn. 16; Mertens/Cahn, in: KölnKomm-AktG, § 111 Rn. 84; Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 111 Rn. 47; im Ergebnis auch BGHZ 135, 244, 254 f. – „ARAG/Garmenbeck“. 545 Hoffmann-Becking, in: Münch.Hdb.GesR IV, § 29 Rn. 28. 546 Zur Interessensbindung der Aufsichtsratsmitglieder vgl. bereits mit entspr. Nachw. oben unter 3. Teil, B. III. 2. a). 547 Vgl. hierzu – insbesondere zur Kontrollfunktion des Aufsichtsrates im Rahmen der Verbandsautonomie – bereits unter 3. Teil, B. III. 2. a).
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C. Konkretisierung der Grenzen eines zulässigen Außeneinflusses
den.548 Nach dem Vertrag muss er auf Grundlage seiner gesellschafterlichen Treuepflicht die Interessen der Zielgesellschaft nur mitberücksichtigen und soll daher – vorbehaltlich der im Folgenden noch weiter zu untersuchenden aktienrechtlichen Zulässigkeit – seinen Einfluss grundsätzlich auch zum Nachteil der Zielgesellschaft benutzen dürfen, wenn dies für das Erreichen des Ziels des Unternehmenszusammenschlusses erforderlich, geeignet und angemessen ist.549 Anders als im Fall des § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG kommt es daher bei Einflussrechten eines BCA zu einem Hineindringen von Fremdinteressen in die Geschäftsführung. Aufgrund dieser erheblichen Unterschiede kann aus § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG keine Wertung des allgemeinen Aktienrechts für die Grenzen eines zulässigen vertraglichen Außeneinflusses auf die Geschäftsführung entnommen werden.
III. Die Begrenzung eines vertraglichen Einflussrechts durch den Vertragszweck 1. Ausgangspunkt a) Meinungsstand Eine Grenze eines zulässigen vertraglichen Außeneinflusses wird im Schrifttum aus dem Vertragszweck und damit dem Rechtsgrund des jeweiligen Einflussrechts hergeleitet.550 Einflussrechte sind danach mit § 76 Abs. 1 AktG vereinbar, sofern ihre Reichweite durch den Vertragszweck hinreichend begrenzt ist. Den Ausgangspunkt dieser Argumentation bilden die allgemeinen schuld rechtlichen Vertragstypen, die ebenfalls ein Einflussrecht – meist in Form eines Weisungsrechts – vorsehen (vgl. etwa §§ 611 ff., 662 ff., 675 ff. BGB, §§ 84 ff. HGB jeweils i. V. m § 665 BGB). Vereinbart eine Aktiengesellschaft derartige Verträge, so berechtigen diese den anderen Vertragsteil grundsätzlich zu einer Einflussnahme auf die Erfüllung der Leistungspflichten und damit zugleich auf eine Geschäftsführungsmaßnahme der Gesellschaft. Dennoch seien diese Verträge mit § 76 Abs. 1 AktG vereinbar.551 Als Grund hierfür wird ein Unterschied zwischen der Reichweite der Weisungsrechte dieser allgemeinen Vertragstypen und der 548 Vgl. eingehend unter 2. Teil, B. III. 2. 549 Zu den Verantwortlichkeiten bei der Erteilung einer unzulässigen Einflussnahme und deren Rechtsfolgen vgl. sogleich unter 4. Teil, A. III., B. II. 550 Vgl. Veil, S. 267, 285; Dette, S. 121 ff. 551 Dette, S. 121; vgl. auch Bachmann/Veil, ZIP 1999, 348, 351.
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3. Teil: Vereinbarkeit mit der allg. aktienrechtlichen Organisationsverfassung
Reichweite des Weisungsrechts eines Beherrschungsvertrages nach § 308 Abs. 1 AktG ausgemacht: Das Weisungsrecht der allgemeinen Vertragstypen (vgl. § 665 BGB) diene der Konkretisierung der vertraglich übernommenen Leistungspflichten und habe damit seinen Rechtsgrund (cau sa) in dem Vertragszweck des Leistungsaustausches.552 Die Reichweite des Weisungsrechts bzw. der mögliche Inhalt der Weisungen sei durch den Vertragszweck begrenzt und damit für den Vorstand bei Vertragsschluss auch vorhersehbar.553 Dagegen sei das Weisungsrecht nach § 308 Abs. 1 AktG „causalos“554 und gelte daher unbeschränkt.555 Aus dem Erfordernis einer § 76 Abs. 1 AktG verdrängenden Sonderregelung für solche unbeschränkten Einflussrechte wird im Unterschied zu den allgemeinen schuldrechtlichen Vertragstypen eine Grenze für einen vertraglichen Außeneinfluss hergeleitet: Nur durch den Vertragszweck begrenzte und daher in ihrer Reichweite vorhersehbare Einflussrechte seien mit § 76 Abs. 1 AktG556 und dem Grundsatz der Verbandsautonomie557 vereinbar. Diese Argumentation wird neuerdings sogar ausdrücklich auf die – nach hier vertretenem Verständnis – Funktionen der Leitung nach § 76 Abs. 1 AktG bezogen. Eine vertragliche Einflussnahme auf die Leitung sei mit § 76 Abs. 1 AktG vereinbar, wenn der Vertragsschluss auf einer unternehmerischen Entscheidung des Vorstandes beruhe, der Inhalt der Einflussnahme aufgrund des Vertrages hinreichend bestimmt sei und wenn das Einflussrecht in dem Vertragszweck seinen Rechtsgrund und damit zugleich seine Grenzen finde.558
552 H. Würdinger, DB 1958, 1447, 1451; Dierdorf, S. 128, 132; Veil, S. 267; Dette, S. 122 f. 553 Dette, S. 123. 554 So ausdrücklich Veil, S. 267, 285; Dette, S. 122; auch diese Begriffsverwendung geht wohl zurück auf die Stellungnahme von H. Würdinger (DB 1958, 1447, 1451) zu § 270 Nr. 5 AktG-RefE (abgedruckt bei BMJ, RefE. 1958, S. 136 f.) im Rahmen der Diskussion zur Reform von 1965. 555 Im Ergebnis bereits H. Würdinger, DB 1958, 1447, 1451; diesem folgend Veil, S. 267, 285; Dette, S. 123; wohl auch Dierdorf, S. 147. 556 Dette, S. 124; wohl auch Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 76 Rn. 78 („durch Zeit- und Sachbezug ... umrissen“); Paschos, NZG 2012, 1142, 1143; im Ergebnis auch Veil, S. 267, 285; tendenziell auch Mertens/Cahn, in: KölnKomm-AktG, § 76 Rn. 47, 56, wenn diese keinen Verstoß gegen § 76 Abs. 1 AktG bei Verpflichtungen zu einem konkreten bzw. bestimmten Verhalten annehmen 557 So im Ergebnis u. a. mit Blick auf Kreditverträge Wiedemann, FS Schilling, 1973, S. 105, 112, 117 f. („Grundsatz ... steht einem eingegrenzten und vorhersehbaren Dritteinfluss nicht entgegen“). 558 Vgl. Dette, S. 124 f.
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C. Konkretisierung der Grenzen eines zulässigen Außeneinflusses
b) Kritik Auch die Vereinbarung eines BCA beruht auf einer unternehmerischen Entscheidung des Vorstandes der Zielgesellschaft.559 Zudem finden die Einflussrechte ihre causa und ihre Grenzen in dem gemeinsamen Vertragszweck des Unternehmenszusammenschlusses.560 Daher könnte die Argumentation des Schrifttums grundsätzlich für die Zulässigkeit der Einflussrechte eines BCA angeführt werden. Die Argumentation kann jedoch insbesondere aus dogmatischen Gründen in dieser Pauschalität nicht überzeugen. Zwar ist es zutreffend, dass die Weisungsrechte nach den allgemeinen schuldrechtlichen Vertragstypen nur der Konkretisierung der vertraglich übernommenen Leistungspflichten dienen und ihre Grenzen in diesem Rechtsgrund bzw. in dem Vertragszweck des Leistungsaustausches finden.561 Auch soll hier nicht bestritten werden, dass § 76 Abs. 1 AktG der Vereinbarung eines Vertrages mit dem typischen Vertragsinhalt etwa der §§ 611 ff., 662 ff., 675 ff. BGB, §§ 84 ff. HGB mit einer Aktiengesellschaft als Weisungsempfängerin nicht entgegensteht.562 Jedoch ist die Prämisse des Schrifttums unzutreffend, bei dem Weisungsrecht gemäß § 308 Abs. 1 AktG handele es sich um ein „causaloses“ Einflussrecht.563 Auch ein Beherrschungsvertrag nach § 291 Abs. 1 Satz 1, 1. Fall AktG hat einen Vertragszweck. Dieser besteht in der Unterstellung unter die Leitung eines anderen Unternehmens und in der Bildung eines Vertragskonzerns durch einheitliche Leitung (vgl. § 18 Abs. 1 Satz 2 AktG). Das Weisungsrecht hat seinen Rechtsgrund in diesem Vertragszweck und gilt entsprechend nur soweit, wie es für die Konkretisierung der Konzernbildung erforderlich ist. Dies bringt auch das Gesetz in § 308 Abs. 1 Satz 2 AktG zum Ausdruck. Danach sind nachteilige Weisungen nur zulässig, soweit sie den Belangen des herrschenden Unternehmens oder der mit ihm und der Gesellschaft konzernverbundenen Unternehmen dienen. Das beherrschungsvertragliche Weisungsrecht findet damit 559 Vgl. hierzu unter 2. Teil, A. II. 1. 560 Vgl. hierzu unter 2. Teil, B. III. 2. 561 Zum Auftrag vgl. statt aller D. Fischer, in: Bamberger/Roth, BGB, § 665 Rn. 4; Seiler, in: MünchKomm-BGB, § 665 Rn. 12. 562 Zur hier vertretenen abweichenden Begründung der Zulässigkeit dieser Einflussrechte vgl. oben 3. Teil, C. I. 2. b). 563 Es kann an dieser Stelle offen bleiben, ob die Einordnung H. Würdingers zum sog. Weisungsvertrag nach § 270 Nr. 5 AktG-RefE als kausalloses und als von der Rechtsordnung nicht anzuerkennendes „obligatorisches Verpflichtungsgeschäft“ (DB 1958, 1447, 1451) zutreffend ist. Den §§ 291 Abs. 1 Satz 1, 1. Fall, 308 Abs. 1 AktG liegt jedenfalls ein anderes Regelungskonzept zugrunde.
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ebenfalls eine Grenze in dem – auch als „Konzerninteresse“564 bezeichneten – Interesse des herrschenden Unternehmens an der Konzernbildung und damit in dem Vertragszweck.565 Zwischen dem Weisungsrecht eines Beherrschungsvertrages und dem Weisungsrecht z. B. eines Geschäftsbesorgungsvertrages bestehen somit keine dogmatischen Unterschiede. Es besteht lediglich ein Unterschied darin, wie konkret der Vertragszweck typischerweise festgelegt wird. Während beim Geschäftsbesorgungsvertrag die Geschäftsbesorgung zumeist konkret umschrieben wird, ist bei einem Beherrschungsvertrag die Leitungsunterstellung zumeist nur abstrakt – etwa mit der Übernahme des Gesetzeswortlautes – umschrieben. Entsprechend ist die Reichweite des Weisungsrechts eines Geschäftsbesorgungsvertrages regelmäßig gering, während das Weisungsrecht eines Beherrschungsvertrages nur selten auf Grenzen i. S. des § 308 Abs. 1 Satz 2 AktG stößt.566 Rein funktional bestehen jedoch zwischen beiden Weisungsrechten keine Unterschiede. Sie finden ihre Grenzen stets in dem jeweiligen Vertragszweck. Mit der genannten Argumentation wird im Schrifttum daher die Grenze für einen zulässigen Außeneinfluss anhand dogmatischer Unterschiede zwischen den Weisungsrechten gezogen, die es gar nicht gibt. Tatsächlich werden lediglich zwei Extrembeispiele betrachtet. Der typische Vertragsinhalt der §§ 611 ff., 662 ff., 675 ff. BGB hat zwar ein durch den Vertragszweck stark begrenztes und nicht gegen § 76 Abs. 1 AktG verstoßendes Einflussrecht auf eine Geschäftsführungsmaßnahme der Aktiengesellschaft zur Folge. Allein aus diesem Umstand kann jedoch nicht geschlossen werden, dass jedes durch den Vertragszweck begrenzte und in seiner Reichweite hinreichend bestimmte Einflussrecht aktienrechtlich zulässig wäre.567 Es wird übersehen, dass es zwischen den gesetzlich 564 Es mag ebenfalls offen bleiben, ob das Weisungsrecht durch ein Konzerninteresse im Sinne eines einheitlichen Gruppeninteresses (Altmeppen, in: MünchKomm-AktG, § 308 Rn. 103; wohl auch Hirte, in: GroßKomm-AktG, § 308 Rn. 50 f.) oder durch die einzelnen Interessen der Konzerngesellschaften begrenzt wird (Hoffmann-Becking, FS Hommelhoff, 2012, S. 433, 441 ff.); vermittelnd Hüf fer, AktG, § 308 Rn. 16. 565 Deutlich bereits Begr. RegE., in: Kropff, AktG, S. 403 („[nicht von § 308 Abs. 1 Satz 2 AktG erfasste] Weisungen ... finden im Beherrschungsvertrag keine Rechts grundlage“); ferner im Ergebnis auch h. M.; siehe Hirte, in: GroßKomm-AktG, § 308 Rn. 48 ff.; Hüffer, AktG, § 308 Rn. 16; Koppensteiner, in: KölnKomm-AktG, § 308 Rn. 37; Altmeppen, in: MünchKomm-AktG, § 308 Rn. 101 ff.; Langenbu cher, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 308 Rn. 26 f.; Veil, in: Spindler/Stilz, AktG, § 308 Rn. 23 ff.; Hoffmann-Becking, FS Hommelhoff, 2012, S. 433, 441 ff. 566 Vgl. auch Veil, in: Spindler/Stilz, AktG, § 308 Rn. 26 f. 567 So aber im Ergebnis Dette, S. 125.
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C. Konkretisierung der Grenzen eines zulässigen Außeneinflusses
geregelten Extremen des Einflussrechtes eines Beherrschungsvertrages einerseits und den Einflussrechten nach den allgemeinen schuldrechtlichen Vertragstypen andererseits je nach der konkreten vertraglichen Festlegung des Vertragszwecks zahlreiche „Zwischenstufen“ in der Reichweite von Einflussrechten gibt. Auch der Vertragszweck etwa eines Geschäftsbesorgungsvertrages kann weiter gefasst werden, wodurch die Reichweite des Weisungsrechts nach § 665 BGB entsprechend erweitert wird. Eine klare Grenze für einen nach § 76 Abs. 1 AktG zulässigen vertraglichen Außeneinfluss ist unter diesen „Zwischenstufen“ nicht auszumachen. Die Argumentation des Schrifttums führt somit mit dieser Pauschalität zu keinen brauchbaren Ergebnissen. Es kann daher auch nicht verwundern, wenn die angenommenen Grenzen lediglich mit unbestimmten und ausfüllbedürftigen Kriterien wie „hinreichend be stimmbar“568 beschrieben werden. Aufgrund des fehlerhaften Rechtsverständnisses zu § 308 Abs. 1 AktG fehlt dem Ansatz zudem eine hinreichend aktienrechtliche Fundierung. Dennoch soll im Folgenden an dem Grundgedanken festgehalten werden. Der Gedanke ist jedoch anhand tragfähiger aktienrechtlicher Wer tungen zu korrigieren und fortzuentwickeln, um hinreichend klare Anforderungen an die Begrenzung der Einflussrechte durch den Vertragszweck für einen zulässigen vertraglichen Außeneinfluss herauszuarbeiten und zugleich das Tatbestandsmerkmal der eigenverantwortlichen Leitung nach § 76 Abs. 1 AktG zu präzisieren. 2. Die Wertung des § 291 Abs. 2 AktG Eine entsprechende gesetzliche Wertung kann sich aus § 291 Abs. 2 AktG ergeben.569 Danach ist ein Vertrag, durch den sich voneinander unabhängige Unternehmen unter einheitliche Leitung stellen, ohne hierdurch voneinander abhängig zu werden, kein Beherrschungsvertrag. Diese Vereinbarungen werden allgemein als Gleichordnungskonzernvertrag bezeichnet.570 Schließt eine Aktiengesellschaft einen Gleichordnungskonzernvertrag ab, so gibt auch dieser Vertrag dem anderen Vertragsteil mit einer gewissen Reichweite das Recht, auf die Leitung des Unterneh-
568 Dette, S. 125. 569 So nunmehr auch Schall, in: Kämmerer/Veil, Übernahme- und Kapitalmarktrecht, S. 75, 84 ff. 570 Vgl. Hüffer, AktG, § 291 Rn. 34; Koppensteiner, in: KölnKomm-AktG, § 291 Rn. 98; Langenbucher, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 291 Rn. 66; Raiser/Veil, KapGesR, § 57 Rn. 27.
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3. Teil: Vereinbarkeit mit der allg. aktienrechtlichen Organisationsverfassung
mens der Gesellschaft Einfluss zu nehmen.571 Diese vertraglichen Einflussrechte erfassen demzufolge die Funktionen der Unternehmensplanung, -koordination, -kontrolle und der Besetzung der Führungsstellen und damit grundsätzlich jede Geschäftsführungsmaßnahme im Rechtsund Interessenkreis der Gesellschaft.572 Es ist daher zu untersuchen, ob aus dem Regelungszusammenhang zugleich eine gesetzliche Wertung entnommen werden kann, die bei der Präzisierung des Tatbestandsmerkmals der eigenverantwortlichen Leitung als Grenze des § 76 Abs. 1 AktG für die vertraglichen Einflussrechte eines BCA berücksichtigt werden kann. a) Vorüberlegungen Mit dem Abschluss eines Gleichordnungskonzernvertrages gemäß § 291 Abs. 2 AktG vereinbaren die Vertragsparteien, ihre Unternehmen einheitlich zu leiten. Dies kann z. B. mit dem Ziel des Aufbaus von gemeinsamen Produktprogrammen durch die Vereinbarung der Koordinierung der Investitionen, von Forschung und Entwicklung sowie der Produktund Absatzstrategie geschehen.573 Als weiteres Beispiel kommt die Vereinbarung von Grundlinien der jeweiligen Geschäftstätigkeit der Unternehmen mit dem Ziel eines möglichst einheitlichen und effektiven Marktantritts einer gemeinsamen Marke in Betracht.574 Dabei treten Gleichordnungskonzerne auf vertraglicher Grundlage in der Praxis in sehr unterschiedlichen Erscheinungsformen auf.575 Diese können insbesondere danach unterschieden werden, wie nach der Vereinbarung die einheitliche Leitung der Unternehmen erfolgen soll. So kann die Koordinierung der Leitung der Unternehmen einerseits einer rechtlich selbständigen Zentralgesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit übertragen werden. Andererseits kann die Koordinierung aber auch durch einen rein schuldrechtlich zwischen den Vertragsparteien vereinbarten Einigungsmechanismus (z. B. Bildung eines rechtlich unselbständigen Ausschus571 Vgl. hierzu sogleich unter 3. Teil, C. III. 2. b) bb). 572 Vgl. auch Mülbert, in: GroßKomm-AktG, § 291 Rn. 211; Koppensteiner, in: KölnKomm-AktG, § 291 Rn. 98, 103. Zum aktienrechtlichen Leitungsbegriff vgl. bereits eingehend 3. Teil, C. I. 1. b). 573 Ähnlich im Fall der „Vereinbarung über allgemeine Zusammenarbeit“ zwischen der MTU-Motoren und Turbinenunion München GmbH, der United Technologies Corp. und der Pratt & Whitney Canada Inc.; vgl. hierzu WuW 1993, 41 ff. 574 Vgl. hierzu den Sachverhalt bei BAGE, 110, 100 ff. – „Bofrost“. 575 Zu den folgenden Erscheinungsformen vgl. eingehend mit zahlreichen praktischen Beispielen Gromann, S. 10 ff.; Milde, S. 104 ff.; Studienkommission DJT, Rn. 168 ff.; vgl. ferner Timm, S. 148 f.; Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Kommentar, § 18 Rn. 29; Koppensteiner, in: KölnKomm-AktG, § 291 Rn. 102.
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C. Konkretisierung der Grenzen eines zulässigen Außeneinflusses
ses) erfolgen. Zudem kann die Beteiligung der einzelnen Vertragsparteien an der Willensbildung über die einheitliche Leitung der Unternehmen etwa dadurch unterschiedlich ausgestaltet werden, dass entweder die Zustimmung aller Parteien erforderlich ist oder Mehrheitsentscheidungen576 möglich sind. Ferner können die Verträge danach unterschieden werden, ob zugleich eine Gewinngemeinschaft nach § 292 Abs. 1 Nr. 1 AktG vereinbart wird oder ob neben der vertraglichen Verbindung zugleich eine Verbindung aufgrund von Kapitalbeteiligungen oder aufgrund von Personalverflechtungen (z. B. personell gleich besetzte Verwaltungsorgane) besteht. Diese unterschiedlichen Erscheinungsformen des vertraglichen Gleichordnungskonzerns lassen zum Teil Zweifel aufkommen, ob ausschließlich ein Vertrag i. S. des § 291 Abs. 2 AktG vorliegt. So kann etwa bei einigen Vertragsgestaltungen die Abgrenzung zum Unterordnungskonzern Schwierigkeiten bereiten.577 Auf die Klärung dieser Abgrenzungsschwierigkeiten kommt es in der folgenden Untersuchung nicht an. Es geht allein darum, aus der Vorschrift des § 291 Abs. 2 AktG eine abstrakte gesetzliche Wertung abzuleiten und diese für andere Vertragsgestaltungen nutzbar zu machen: Die rechtliche Einordnung, die das Gesetz aufgrund der Regelung des § 291 Abs. 2 AktG für bestimmte vertragliche Einflussrechte auf die Leitung der Unternehmen der Vertragsparteien vorsieht, könnte auf andere Vertragsgestaltungen mit in ihrer Intensität vergleichbaren Einflussrechten übertragbar sein. Damit kommt es nur auf einen Gleichordnungskonzernvertrag an, der selbst bei einem engen Normverständnis als Vertrag i. S. des § 291 Abs. 2 AktG eingeordnet werden kann. Auch wenn einem solchen Gleich ordnungskonzernvertrag kaum eine praktische Relevanz zukommt,578 geht es bei den folgenden Überlegungen allein um einen Vertrag, in dem zwei bei Vertragsschluss von einander unabhängige (unternehmenstragende) Gesellschaften allein den Wortlaut des § 291 Abs. 2 AktG ohne Abweichungen oder Ergänzungen vereinbaren. Dieser Vertrag i. e. S. des § 291 Abs. 2 AktG wird im Folgenden als (reiner) Leitungsgemeinschaftsvertrag bezeichnet.579
576 Der Unterscheidung kommt freilich nur Bedeutung zu, sofern mehr als zwei Parteien am Vertrag beteiligt sind oder sofern bei zwei Vertragsparteien das Stimmgewicht der Parteien unterschiedlich ausgestaltet ist. 577 Raiser/Veil, KapGesR, § 57 Rn. 28; vgl. hierzu auch Milde, S. 128; Altmeppen, in: MünchKomm-AktG, § 291 Rn. 221; Studienkommission DJT, Rn. 171 ff. 578 So wohl auch Veil, S. 277 f.; ders., in: Spindler/Stilz, AktG, § 291 Rn. 56. 579 Die Bezeichnung ist hier rein beschreibender Natur und orientiert sich an der Begriffsverwendung der Studienkommission DJT, Rn. 352.
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3. Teil: Vereinbarkeit mit der allg. aktienrechtlichen Organisationsverfassung
b) Der Leitungsgemeinschaftsvertrag i. S. des § 291 Abs. 2 AktG Zunächst sind die Grundlagen des Leitungsgemeinschaftsvertrages nach § 291 Abs. 2 AktG und der damit verbundenen Einschränkung der Autonomie der Vertragsparteien sowie der rechtlichen Einordnung des Vertrages herauszuarbeiten. aa) Rechtsnatur des Vertrages Mit dem Abschluss eines Leitungsgemeinschaftsvertrages gemäß § 291 Abs. 2 AktG vereinbaren die Vertragsparteien, ihre Unternehmen einheitlich zu leiten. Die gleichgerichteten unternehmerischen Interessen der Vertragsparteien werden somit durch die Vereinbarung miteinander verknüpft580 und damit als gemeinsame Interessen zum Vertragsinhalt erhoben. Die Vereinbarung zur Koordinierung der Leitung der Unternehmen ist auf die Verwirklichung eines über den Einzelinteressen stehenden gemeinsamen Interesses, mit anderen Worten auf die Erreichung eines gemeinsamen Zwecks gerichtet.581 Die Vertragsparteien vereinbaren mit der einheitlichen Leitung ihrer Unternehmen regelmäßig einen gemeinsamen Zweck i. S. des § 705 BGB.582 Die Vertragsparteien verpflichten sich insbesondere dadurch zur Förderung des gemeinsamen Zwecks, dass sie die gemeinsamen Entscheidungen über die einheitliche Leitung in ihrem Unternehmen umsetzen.583 Durch einen Vertrag nach § 291 Abs. 2 AktG wird somit zwischen den Vertragsparteien eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts gemäß den §§ 705 ff. BGB begründet.584 Dabei erfüllt der hier betrachtete reine Leitungsgemeinschaftsvertrag i. e. S. des § 291 Abs. 2 AktG mangels vereinbarter Teilnahme am Rechtsverkehr als Gesellschaft sowie mangels Bildung eines Gesamthandsver-
580 Peres/Walden, in: Heidel, Aktienrecht, § 18 AktG Rn. 17. 581 Zu den Anforderungen an die Vereinbarung eines gemeinsamen Zweckes vgl. eingehend oben unter 2. Teil, B. II. 1. 582 Gromann, S. 29; Peres, in: Heidel, Aktienrecht, § 291 AktG Rn. 89; vgl. auch Lut ter/Drygala, ZGR 1995, 557, 566. 583 Gromann, S. 29. 584 Im Ergebnis ganz h. M.; vgl. Gromann, S. 29; Schenk, in: Bürgers/Körber, AktG, § 291 Rn. 29; Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Kommentar, § 291 Rn. 73; Pe res/Walden, in: Heidel, Aktienrecht, § 18 AktG Rn. 17; Deilmann, in: Hölters, AktG, § 291 Rn. 64; Hüffer, AktG, § 18 Rn. 20; Koppensteiner, in: KölnKomm-AktG, § 291 Rn. 98; Altmeppen, in: MünchKomm-AktG, § 291 Rn. 212; J. Vetter, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 18 Rn. 24; Schall, in: Spindler/Stilz, AktG, § 18 Rn. 31; Emmerich/Habersack, Lehrbuch, § 4 Rn. 36; Raiser/Veil, KapGesR, § 57 Rn. 27; zweifelnd noch Ballerstedt, JuS 1963, 253, 262.
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C. Konkretisierung der Grenzen eines zulässigen Außeneinflusses
mögens585 regelmäßig die Merkmale586 einer rein schuldrechtlichen Innengesellschaft.587 bb) Funktionsweise der einheitlichen Leitung und Einschränkungen der Autonomie der Vertragsparteien In dem Vertragszweck der einheitlichen Leitung der beteiligten Unternehmen nach § 291 Abs. 2 AktG liegt noch kein Unterschied zum Beherrschungsvertrag. Auch dieser ermöglicht eine einheitliche Leitung der Unternehmen der vertraglich verbundenen Gesellschaften (vgl. § 18 Abs. 1 Satz 2 AktG). Die einheitliche Leitung erfolgt bei einem Beherrschungsvertrag jedoch durch Unterstellung unter die Leitung des anderen Vertragsteils (§ 291 Abs. 1 Satz 1, 1. Fall AktG), insbesondere durch die Ausübung des Weisungsrechts des anderen Vertragsteils gemäß § 308 Abs. 1 AktG, und damit einseitig. Im Gegensatz dazu setzt § 291 Abs. 2 AktG voraus, dass durch die vertraglichen Regelungen keine Abhängigkeit des einen Vertragsteils von dem anderen entsteht. Bei einem Vertrag gemäß § 291 Abs. 2 AktG erfolgt die Festlegung der einheitlichen Leitung nicht einseitig durch eine Vertragspartei, sondern gemeinschaftlich durch beide Vertragsparteien.588 Fehlt es – wie bei dem hier betrachteten reinen Leitungsgemeinschaftsvertrag – an vertraglichen Regelungen darüber, wie diese gemeinschaftliche Leitung der Unternehmen ohne Begründung einer Abhängigkeit des einen Vertragsteils von dem anderen durchgeführt werden soll, so kann die Funktionsweise der einheitlichen Leitung und die daraus folgende Einschränkung der Autonomie der Vertragsparteien rechtskonstruktiv aus dem auf diesen Vertrag anzuwendenden Recht für die Gesellschaft bürgerlichen Rechts hergeleitet werden. (1) Verkürzung des Entscheidungsrechts auf ein Mitentscheidungsrecht Die Entscheidungen über die einheitliche Leitung der Unternehmen sind als Maßnahmen zur Förderung und Erreichung des Gesellschaftszwecks
585 Flume, BGB AT I/1, § 1 III (S. 5); Studienkommission DJT, Rn. 169. 586 Zu den Merkmalen der Innengesellschaft vgl. oben unter 2. Teil, B. II. 3. 587 So im Ergebnis auch Milde, S. 204; Fett, in: Bürgers/Körber, AktG, § 18 Rn. 17; Altmeppen, in: MünchKomm-AktG, § 291 Rn. 212, dort Fn. 370; J. Vetter, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 18 Rn. 24; Emmerich/Habersack, Lehrbuch, § 4 Rn. 36; wohl auch K. Schmidt, ZHR 155 (1991), 417, 429. 588 Ähnlich bereits Geßler, FS Beitzke, 1979, S. 923, 929, der einerseits von einer fremden (Beherrschungsvertrag) und andererseits von einer gemeinsamen (Gleichordnungskonzernvertrag) einheitlichen Leitung spricht.
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3. Teil: Vereinbarkeit mit der allg. aktienrechtlichen Organisationsverfassung
und demzufolge als Geschäftsführungsmaßnahmen589 i. S. des § 709 Abs. 1 BGB einzuordnen. Maßnahmen zur einheitlichen Leitung der Unternehmen betreffen die Koordinierung der Leitung der einzelnen Unternehmen. Eine solche Koordinierung betrifft zwar zumeist die Leitung beider Unternehmen in gleicher Weise. Sie kann aber auch nur Auswirkungen auf die Leitung von einem der Unternehmen haben.590 Dies ist z. B. bei Entscheidungen über die Investitionsplanung der Fall, die nur Betriebe von einer Vertragspartei betreffen. Nach § 709 Abs. 1 BGB sind alle Gesellschafter gemeinschaftlich zur Geschäftsführung befugt. Damit hat jede an einem Leitungsgemeinschaftsvertrag beteiligte Partei das Recht, die Initiative zu ergreifen und dem Vertragspartner die Durchführung von Koordinierungsmaßnahmen zur einheitlichen Leitung in beiden oder auch in nur einem der Unternehmen vorzuschlagen.591 Für die Entscheidung über die Koordinierungsmaßnahmen ist aber nach dem sog. Einstimmigkeitsgrundsatz592 des § 709 Abs. 1, 2. Halbs. BGB die Zustimmung aller Vertragsparteien erforderlich. Hieraus ergeben sich für die Autonomie der einzelnen Gesellschaft zwei Dinge: Einerseits kann der andere Vertragsteil zwar die Initiative ergreifen und Vorschläge über Maßnahmen zur einheitlichen Leitung der Unternehmen und damit auch über die Leitung des Unternehmens der Gesellschaft machen. Eine Entscheidung über diese Maßnahme zur Leitung der Unternehmen kann er jedoch nicht alleine treffen und die Gesellschaft folglich auch nicht zur Durchführung oder Unterlassung einer bestimmten Maßnahme einseitig bestimmen. Er ist gemäß § 709 Abs. 1, 2. Halbs. BGB jeweils auf die Zustimmung der Gesellschaft angewiesen. Andererseits kann auch die einzelne Gesellschaft Entscheidungen über Maßnahmen in ihrem Unternehmen nicht mehr alleine treffen. Aufgrund der Vereinbarung zur Koordinierung der Leitung der Unternehmen besteht für die Gesellschaft die Pflicht, ihrem Vertragspartner die beabsichtigte Maßnahme zur Leitung ihres Unternehmens vorzulegen und 589 Zum Begriff der Geschäftsführung vgl. Schöne, in: Bamberger/Roth, BGB, § 709 Rn. 3; Schäfer, in: MünchKomm-BGB, § 709 Rn. 7; Hadding/Kießling, in: Soergel, BGB, § 709 Rn. 9; von Ditfurth, in: Münch.Hdb.GesR I, § 7 Rn. 3; Wiedemann, GesR Bd. II, § 4 II 1 a) (S. 329). 590 Vgl. Hommelhoff, S. 389. 591 Auch wenn das Gesetz insbesondere in § 709 Abs. 1 BGB ein solches Antrags- oder Initiativrecht nicht ausdrücklich vorsieht, gehört es doch zu den anerkannten Grundregeln über die Willensbildung der Gesellschafter; in diesem Sinne wohl auch Wiedemann, GesR Bd. II, § 4 I 2 b) (S. 299). 592 Schöne, in: Bamberger/Roth, BGB, § 709 Rn. 20; H. P. Westermann, in: Erman, BGB, § 709 Rn. 7; Hadding/Kießling, in: Soergel, BGB, § 709 Rn. 16; von Ditfurth, in: Münch.Hdb.GesR I, § 7 Rn. 28.
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die Maßnahme mit ihm abzustimmen. Für die Entscheidung über die Maßnahme bedarf die Gesellschaft gemäß § 709 Abs. 1, 2. Halbs. BGB ebenfalls der Zustimmung des anderen Vertragsteils. Die Gesellschaft bildet den Willen über die Leitung ihres Unternehmens insoweit nicht mehr ausschließlich selbst (also allein durch ihre Gesellschaftsorgane), sondern ist an der Willensbildung über die Leitung ihres Unternehmens fortan nur noch gleichberechtigt beteiligt. Der andere Vertragsteil hat aufgrund seines Zustimmungsrechts zu den Entscheidungen über die einheitliche Leitung der Unternehmen ein Einflussrecht auch über Maßnahmen im Unternehmen der Gesellschaft, welches mit Einflussrechten mit einem Mitentscheidungs- und Vetorecht593 in einem BCA vergleichbar ist. Dieses kann grundsätzlich auch zur Verhinderung jeder Geschäftsführungsmaßnahme auf Ebene der einzelnen Gesellschaft genutzt werden.594 Bereits diese Ausführungen zeigen, dass ein Leitungsgemeinschaftsvertrag i. S. des § 291 Abs. 2 AktG für die einzelne Gesellschaft zu Einschränkungen bei der Verfolgung des „eigenen“ Gesellschaftszwecks i. S. der Verbandsautonomie führt.595 Dabei verkürzt sich die Beteiligung der Gesellschaft an Entscheidungen über Maßnahmen in ihrem Unter nehmen von einem Alleinentscheidungsrecht zwar auf ein Mitent scheidungsrecht, da sie hierfür jeweils auf die Zustimmung des anderen Vertragsteils angewiesen ist.596 Der andere Vertragsteil kann jedoch andererseits Entscheidungen über die einheitliche Leitung und damit auch über Maßnahmen im Unternehmen seines Vertragspartners nicht einseitig bestimmen. Entsprechend der Voraussetzung des § 291 Abs. 2 AktG ist somit aufgrund des Vertrages keine Vertragspartei von der anderen abhängig i. S. des § 17 Abs. 1 AktG. (2) Verlagerung der Interessenbindung Entscheidungen über die Leitung des Unternehmens der einzelnen Gesellschaft berühren nicht mehr allein ihr „eigenes“ Gesellschafts- und Unternehmensinteresse. Sie liegen fortan im gemeinsamen Interesse an 593 Zur Abgrenzung der Einflussrechte in einem BCA vgl. unter 1. Teil, B. II. 2. 594 Zu den Grenzen vgl. sogleich unter 3. Teil, C. III. 2. b) bb) (2). 595 Ein Autonomieverlust wird auch im Schrifttum verbreitet gesehen, gleichwohl ohne Bezugnahme auf die Verbandsautonomie und genauere rechtskonstruktive Herleitung aus dem Recht der GbR; siehe etwa Timm, S. 150; Milde, S. 83 f., 139; K. Schmidt, ZHR 155 (1991), 417, 427; Wellkamp, DB 1993, 2517, 2518; im Ergebnis auch Hommelhoff, S. 389; ferner bereits Studienkommission DJT, Rn. 202, 601. 596 So auch Hommelhoff, S. 389.
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3. Teil: Vereinbarkeit mit der allg. aktienrechtlichen Organisationsverfassung
der Verfolgung des Vertragszwecks der einheitlichen Leitung der Unternehmen (Konzerninteresse). Die Ausübung der Geschäftsführungsbefugnis der Gesellschaft auf Ebene des Gleichordnungskonzerns und damit auch das Zustimmungsrecht nach § 709 Abs. 1, 2. Halbs. BGB als Teil der Geschäftsführungsbefugnis sind Ausfluss der allgemeinen Förderpflicht nach § 705 BGB.597 Mit dem Mitentscheidungsrecht gemäß § 709 Abs. 1, 2. Halbs. BGB erhält die Gesellschaft eine Einwirkungsmacht auf den gemeinsamen Zweck bzw. das Konzerninteresse und insoweit auch auf das (Fremd-)Interesse des anderen Vertragsteils. Diese Einwirkungsmacht erfordert als Korrelat eine gesteigerte Pflichtbindung an das Konzerninteresse sowie eine Rücksichtnahmepflicht auf Interessen des Vertragspartners auf Grundlage der gesellschafterlichen Treuepflicht.598 Diese Bindung an das gemeinsame Interesse gilt wiederum im besonderen Maße bei den sog. uneigennützigen Pflichtrechten wie der Geschäftsführungsbefugnis nach § 709 Abs. 1 BGB.599 Weil sich die Vertragsparteien im Vertrag zur Förderung des gemeinsamen Zweckes verpflichtet haben, steht ihnen gesetzlich das Recht und die Pflicht zur Geschäftsführung nicht zur Verfolgung von „eigenen“ Interessen, sondern zur Förderung des gemeinsamen Zweckes zu. Im Falle des Leitungsgemeinschaftsvertrages ist die einzelne Gesellschaft daher aufgrund ihrer Treuepflicht bei ihren Entscheidungen auf der Ebene des Gleichordnungskonzerns dazu verpflichtet, dem Konzerninteresse gegenüber ihren „eigenen“ Interessen den Vorrang einzuräumen. Zwar ist auch die Ausübung des Zustimmungsrechts nach § 709 Abs. 1, 2. Halbs. BGB grundsätzlich das Ergebnis einer freien privatautonomen Willensbildung der jeweiligen Vertragspartei, deren Inhalt nicht bereits durch das gemeinsame Interesse in einer bestimmten Weise vorgegeben ist. Der freie Ermessenspielraum bei der Ausübung des Mitentscheidungsrechts auf der Ebene des Gleichordnungskonzerns ist jedoch eingeschränkt. Die einzelne Gesellschaft kann aus der Treuepflicht gegenüber dem anderen Vertragsteil ausnahmsweise auch zur Zustimmung zu einer für sie nachteiligen und damit nicht in ihrem Interesse liegenden Maßnahme verpflichtet sein, wenn die Durchführung dieser Maßnahme im Konzerninteresse erforderlich ist. Auch kann sie ihr Zustimmungsrecht ausnahmsweise durch beharrliche unbegründete Verweigerung der Zustimmung verwirken. Damit zeigen die für einen Leitungsgemeinschaftsvertrag i. e. S. des § 291 597 H. P. Westermann, in: Erman, BGB, § 709 Rn. 2; ähnlich Schäfer, in: MünchKomm-BGB, § 709 Rn. 3; Ballerstedt, JuS 1963, 253, 256. 598 Zur Parallelsituation beim BCA vgl. bereits eingehend m. entspr. Nachw. unter 2. Teil, B. III. 2. 599 Zum Folgenden vgl. bereits unter 2. Teil, B. III. 2. m. entspr. Nachw.
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Abs. 2 AktG geltenden Regelungen und Rechtsgrundsätze der §§ 705 ff. BGB, dass mit dem Vertragsschluss für die einzelne Gesellschaft eine Verlagerung der Interessenausrichtung bei ihren Leitungs- und Geschäftsführungsentscheidungen von der Verfolgung der „eigenen“ Interessen hin zur Verfolgung der gemeinsamen Konzerninteressen einhergeht.600 Gewissermaßen als „Kehrseite der Medaille“ gilt diese Verlagerung der Interessenbindung jedoch wiederum nicht unbegrenzt.601 Auch bei einem Leitungsgemeinschaftsvertrag gebietet es die gesellschafterliche Treuepflicht dem anderen Vertragsteil, auf die individuellen Interessen seines Vertragspartners hinreichend Rücksicht zu nehmen.602 Eine Pflicht der einzelnen Gesellschaft zur Durchführung oder zum Unterlassen von Maßnahmen in ihrem Unternehmen zu ihrem Nachteil bzw. gegen ihr Interesse besteht aufgrund der Treuepflicht nur insoweit, als dies zur Verfolgung des gemeinsamen Vertragszwecks bzw. des Konzerninteresses erforderlich, geeignet und angemessen ist. Der Vertragszweck der einheitlichen Leitung der Unternehmen darf insbesondere nicht durch weniger nachteilige Maßnahmen verfolgt werden können. Aus dem Vertrag ergibt sich damit zwar noch kein generelles „Schädigungsverbot“.603 Es besteht aber eine Pflicht zur Mitberücksichtigung der individuellen Interessen des Vertragspartners. Die Einflussrechte aus einem Leitungsgemeinschaftsvertrag auf die Geschäftsführung des Unternehmens der einzelnen Gesellschaft finden somit– wie auch bei den Einflussrechten eines BCA604 – ihren Rechtsgrund und damit auch ihre Grenze in dem gemeinsamen Vertragszweck. (3) Zwischenfazit Durch die Vereinbarung des Leitungsgemeinschaftsvertrages werden zwischen den Vertragsparteien schuldrechtliche Verpflichtungen begrün-
600 So – wiederum ohne rechtskonstruktive Herleitung aus dem Recht der GbR – im Ergebnis auch Gromann, S. 46 f.; Timm, S. 150; Hommelhoff, S. 389; Milde, S. 102 ff.; Geßler, FS Beitzke, 1979, S. 923, 933; Wellkamp, DB 1993, 2517, 2519; ferner bereits Studienkommission DJT, Rn. 261 f., 601. 601 Zum Folgenden vgl. bereits unter 2. Teil, B. III. 2. m. entspr. Nachw. 602 So auch Lutter/Drygala, ZGR 1995, 557, 566. 603 So aber Milde, S. 139 ff.; Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Kommentar, § 18 Rn. 29, 36; Lutter/Drygala, ZGR 1995, 557, 566, wobei dieses wohl jeweils nicht allein aus dem Vertrag, sondern aus einer anderenfalls angenommen Unvereinbarkeit mit § 76 Abs. 1 AktG hergeleitet wird; hierzu sogleich unter 3. Teil, C. III. 2. b) cc) (2). 604 Vgl. unter 2. Teil, B. III. 2.
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det.605 Wird ein Beschluss über die einheitliche Leitung der Unternehmen gemeinsam oder durch eine Zustimmungspflicht eines Vertragspartners auf Grundlage der gesellschafterlichen Treuepflicht gefasst, so besteht für beide Vertragsparteien die schuldrechtliche Pflicht, die entsprechenden Maßnahmen gemäß den Beschlussvorgaben in ihren Unternehmen z. B. durch die Herbeiführung der erforderlichen Vorstandsbeschlüsse oder durch tatsächliche Handlungen durchzuführen bzw. zu unterlassen. Diese Verpflichtung ergibt sich bei einem Leitungsgemeinschaftsvertrag bereits aus dem vereinbarten gemeinsamen Zweck der einheitlichen Leitung der Unternehmen und der Verpflichtung der Parteien nach § 705 BGB, die Erreichung dieses Zwecks insbesondere durch die Umsetzung der Beschlüsse über die einheitliche Leitung zu fördern. Zudem besteht eine entsprechende Verpflichtung nach den §§ 713, 665 BGB.606 Diese schuldrechtlichen Verpflichtungen bestehen mangels Rechtsfähigkeit der durch den Leitungsgemeinschaftsvertrag begründeten Innengesellschaft unmittelbar im Verhältnis zwischen den Vertragsparteien.607 Der jeweils andere Vertragsteil ist als Gläubiger der schuldrechtlichen Ansprüche aus dem Vertrag i. S. des § 241 Abs. 1 BGB berechtigt, die Durchführung oder Unterlassung der Maßnahmen im Unternehmen seines Vertragspartners entsprechend den Vorgaben des Beschlusses zu fordern sowie dies klageweise im eigenen Namen durchzusetzen und zu vollstrecken (vgl. §§ 888, 890 ZPO). Die Untersuchung der Funktionsweise eines reinen Leitungsgemeinschaftsvertrages i. e. S. des § 291 Abs. 2 AktG zeigt damit, dass durch den Vertrag schuldrechtliche Einflussrechte auf die Geschäftsführung einer 605 Langenbucher, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 291 Rn. 66; wohl auch Hüffer, AktG, § 291 Rn. 35 („im Prinzip wie ein schuldrechtlicher Vertrag zu behan deln“); K. Schmidt, GesR, § 17 III 3. c) (S. 505). 606 Die h. M. weist zu Recht daraufhin, dass trotz des Wortlautes kein Weisungsrecht i. S. des § 665 BGB der Gesellschaft oder der Gesamtheit der Gesellschafter gegenüber dem einzelnen geschäftsführungsbefugten Gesellschafter besteht; vgl. Schä fer, in: MünchKomm-BGB, § 713 Rn. 7; Habermeier, in: Staudinger, BGB, § 713 Rn. 5; von Ditfurth, in: Münch.Hdb.GesR I, § 7 Rn. 52. Im Fall des § 709 Abs. 1 BGB ergibt sich dies bereits aus dem Einstimmigkeitsgrundsatz, da keine Maßnahme ohne die Zustimmung des nach § 713 BGB handelnden Gesellschafters beschlossen werden kann; so auch Schöne, in: Bamberger/Roth, BGB, § 713 Rn. 4. Der Gesellschafter ist aber dennoch grundsätzlich bei der Durchführung einer Geschäftsführungsmaßnahme an die Vorgaben eines zuvor und ggf. unter seiner Mitwirkung wirksamen gefassten Beschlusses nach § 709 BGB gebunden, was die §§ 713, 665 BGB zum Ausdruck bringen. 607 Zur Parallelsituation beim BCA vgl. bereits 2. Teil, B. III. 1.
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C. Konkretisierung der Grenzen eines zulässigen Außeneinflusses
am Vertrag beteiligten Aktiengesellschaft begründet werden. Diese sind in der Intensität der Einflussnahme auf die einzelne Gesellschaft einem Einflussrecht mit einem Mitentscheidungs- und Vetorecht eines BCA grundsätzlich vergleichbar. Das Alleinentscheidungsrecht der Gesellschaft für ihre Geschäftsführungsmaßnahmen wird durch den Vertrag auf ein Mitentscheidungsrecht verkürzt, welches zudem nicht mehr im „eigenen“ Interesse der Gesellschaft, sondern im Konzerninteresse auszuüben ist. Der Vertrag kann damit als eine Einschränkung der von der Verbandsautonomie zu sichernden Verfolgung des Gesellschaftszwecks bzw. -interesses der einzelnen vertragsschließenden Gesellschaften angesehen werden. Die Einflussrechte eines Leitungsgemeinschaftsvertrages finden jedoch – wie die Einflussrechte eines BCA – ihren Rechtsgrund und damit auch ihre Grenze in dem gemeinsamen Vertragszweck bzw. dem Konzerninteresse. Der andere Vertragsteil muss kraft seiner gesellschafterlichen Treuepflicht die Interessen seines Vertragspartners mitberücksichtigen. Er kann insbesondere Maßnahmen zum Nachteil seines Vertragspartners nur ausnahmsweise durchsetzen, wenn dies zur Verfolgung des Konzerninteresses erforderlich, geeignet und angemessen ist. cc) Aktienrechtliche Einordnung des Leitungsgemeinschaftsvertrages (1) Kein Unternehmensvertrag Nach § 291 Abs. 2 AktG ist ein reiner Leitungsgemeinschaftsvertrag kein Beherrschungsvertrag. Damit steht noch nicht fest, dass er auch kein Unternehmensvertrag ist. Der Wortlaut der Norm lässt auch die weiter gefasste Interpretation zu, dass ein Vertrag i. S. des § 291 Abs. 2 AktG zwar kein Beherrschungsvertrag, aber ein Unternehmensvertrag ist.608 Bei den Definitionen zu den übrigen Unternehmensverträgen bezeichnet das Gesetz diese allerdings ausdrücklich als Unternehmensverträge (vgl. §§ 291 Abs. 1 Satz 1, 292 Abs. 1 AktG: „Unternehmensverträge sind [ferner] Verträge, durch die...“). Damit unterscheidet sich der Wortlaut dieser Definitionsnormen erheblich von dem Wortlaut des § 291 Abs. 2 AktG. Die Systematik der übrigen Definitionsnormen der §§ 291 f. AktG spricht daher gegen eine Einordnung eines Vertrages i. S. des § 291 Abs. 2 AktG als Unternehmensvertrag.609
608 Mülbert, in: GroßKomm-AktG, § 291 Rn. 210; ähnlich K. Schmidt, ZHR 155 (1991), 417, 427; insofern auch Koppensteiner, in: KölnKomm-AktG, § 291 Rn. 104. 609 Ähnlich Koppensteiner, in: KölnKomm-AktG, § 291 Rn. 104.
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3. Teil: Vereinbarkeit mit der allg. aktienrechtlichen Organisationsverfassung
Die genetische Auslegung des § 291 Abs. 2 AktG bestätigt dieses Ergebnis. Bereits vor 1965 waren in der Praxis auch als Interessengemeinschaftsvertrag bezeichnete Verträge mit vergleichbaren Abreden über eine Vergemeinschaftung der Unternehmensleitungen i. S. des § 291 Abs. 2 AktG bekannt.610 Die Folgen dieser Vereinbarungen für die autonome Verfolgung der jeweiligen Gesellschaftsinteressen durch die beteiligten Gesellschaften wurden in der Literatur bereits vor 1965 behandelt.611 Dennoch enthielt der Referentenentwurf von 1958 keine Regelung über solche Verträge. Während der Reformdiskussion wurde kritisiert, dass nach den Vorschriften des Referentenentwurfes unter Umständen auch diese Interessengemeinschaftsverträge als Beherrschungsverträge eingeordnet werden könnten.612 Im Regierungsentwurf wurde sodann eine Vorschrift im heutigen Wortlaut des § 291 Abs. 2 AktG eingefügt (vgl. § 280 Abs. 2 AktG-RegE). Begründet wurde diese Vorschrift mit der Vermeidung der Abgrenzungsschwierigkeiten zum Beherrschungsvertrag.613 Eine Einordnung eines vertraglichen Gleichordnungskonzerns als Unternehmensvertrag nimmt der Regierungsentwurf nur an, wenn der Vertrag mit einer Gewinngemeinschaft nach § 292 Abs. 1 Nr. 3 AktG verbunden wird.614 In ihrer Stellungnahme zum Regierungsentwurf empfahl die durch den 42. Deutschen Juristentag von 1957 eingesetzte Studienkommission zur Reform des Konzernrechts (folgend: Studienkommis sion DJT) unter Hinweis auf die mit einem Gleichordnungskonzernvertrag verbundenen Einschränkungen der Autonomie der vertragschließenden Gesellschaften auch auf diese Verträge, insbesondere zum Schutz der Gesellschafter, die Wirksamkeitsvoraussetzungen für Unternehmensverträge (§§ 293 ff. AktG) anzuwenden.615 Obwohl die Studienkommission DJT im Übrigen großen Einfluss auf die Reformarbeiten hatte,616 ist der historische Gesetzgeber dieser Empfehlung nicht gefolgt. Daraus wird deutlich, dass er einen Vertrag i. S. des § 291 Abs. 2 AktG bewusst nicht als
610 Vgl. Studienkommission DJT, Rn. 101, 108; vgl. ferner bereits oben Fn. 14 mit entspr. Nachw. 611 Vgl. etwa Hausmann, ZBlHR 1931, 4, 7; während der Reformdiskussion auch Rautmann, in: Hengeler, Aktienrechtsreform, S. 159, 172 f. 612 Vgl. etwa Rautmann, in: Hengeler, Aktienrechtsreform, S. 159, 172 ff. 613 Vgl. Begr. RegE., in: Kropff, AktG, S. 377. 614 Deutlich Begr. RegE., in: Kropff, AktG, S. 377, wonach der Vertrag „dann“ der Zustimmung der Hauptversammlung nach § 293 AktG bedarf. 615 Studienkommission DJT, Rn. 261 ff., 601, 604 f. 616 Vgl. Ausschussbericht, in: Kropff, AktG, S. 375. Vgl. ferner die Einschätzung von Dettling, S. 265, 294; K. Schmidt, FS Koppensteiner, 2001, S. 191, 205. Der Bericht der Studienkommission (vgl. Studienkommission DJT) erschien erst nach dem Inkrafttreten des Aktiengesetzes von 1965 im Jahre 1967 im Druck.
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C. Konkretisierung der Grenzen eines zulässigen Außeneinflusses
Unternehmensvertrag einordnen wollte.617 Als Ergebnis der Gesetzesauslegung kann somit festgehalten werden, dass ein Leitungsgemeinschaftsvertrag i. e. S. des § 291 Abs. 2 AktG kein Unternehmensvertrag ist. Der Leitungsgemeinschaftsvertrag kann auch nicht rechtsfortbildend als Unternehmensvertrag eingeordnet werden. Aufgrund der beschriebenen Einschränkungen der Autonomie mag man ihn zwar als einen in die Organisationsverfassung der Aktiengesellschaft eingreifenden Vertrag ansehen und daher das Erfordernis der vergleichbaren Interessenlage618 für eine analoge Anwendung der §§ 293 ff. AktG bejahen.619 Eine Analogie setzt aber auch eine planwidrige Regelungslücke i. S. einer Unvollständigkeit des Gesetzes voraus.620 Diese ist zumindest im Fall des hier betrachteten reinen Leitungsgemeinschaftsvertrages i. e. S. des § 291 Abs. 2 AktG nicht gegeben: Wie bereits beschrieben, wurde im Gesetzgebungsverfahren auf die Auswirkungen des Vertrages auf die Autonomie der Gesellschaft hingewiesen und insbesondere eine Anwendung der §§ 293 ff. AktG angeregt. Da der Gesetzgeber dennoch von einer Einordnung als Unternehmensvertrag abgesehen hat, kann nicht von einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes ausgegangen werden.621 Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, der Gesetzgeber habe zwar gesehen, dass die einzelne Gesellschaft in einem Gleichordnungskonzern nach § 291 Abs. 2 AktG bei der Willensbildung über die Leitung ihres Unternehmens nur noch mitentscheidet, er habe jedoch übersehen, dass sich die Gesellschaft bei diesen Mitentscheidungen nicht mehr allein an ihrem Gesellschaftsinteresse orientieren kann, es vielmehr zu einer Verlagerung der Interessenausrichtung auf das gemeinsame Konzerninteresse kommt622 und der Gesetzgeber daher die Reichweite der Autonomieeinschränkungen nicht hinreichend bedacht habe.623 Auch auf die Verlagerung der Interessenbindung und die Beeinträchtigung des 617 Koppensteiner, in: KölnKomm-AktG, § 291 Rn. 104. 618 Zum Erfordernis der vergleichbaren Interessenlage vgl. – mit begrifflichen Unterschieden – Larenz, S. 381 f.; Zippelius, S. 55. 619 So ausdrücklich Wellkamp, DB 1993, 2517, 2518; im Ergebnis auch K. Schmidt, ZHR 155 (1991), 417, 426 ff.; Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Kommentar, § 18 Rn. 35; insofern wohl auch Mülbert, in: GroßKomm-AktG, § 291 Rn. 210. 620 Larenz, S. 371 ff.; Müller/Christensen, Rn. 371; vgl. auch Canaris, S. 25, 28. 621 Hommelhoff, S. 389, 392 f.; Milde, S. 230; Koppensteiner, in: KölnKomm-AktG, § 291 Rn. 105; Altmeppen, in: MünchKomm-AktG, § 291 Rn. 213 f.; Krieger, in: Münch.Hdb.GesR IV, § 68 Rn. 87; wohl auch J. Vetter, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 18 Rn. 29 („methodisch kaum begründbar“). 622 Vgl. oben unter 3.Teil, C. III. 2. b) bb) (2). 623 So aber Wellkamp, DB 1993, 2517, 2519; im Ergebnis auch Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Kommentar, § 18 Rn. 35; Peres, in: Heidel, Aktienrecht, § 291 AktG Rn. 87; wohl auch Timm, S. 150 f.
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3. Teil: Vereinbarkeit mit der allg. aktienrechtlichen Organisationsverfassung
„Eigeninteresses“ wurde von der Studienkommission DJT im Gesetzgebungsverfahren hingewiesen.624 Es kann daher auch insofern nicht von einer planwidrigen Regelungslücke ausgegangen werden.625 Ein Gleichordnungskonzernvertrag unterliegt damit nur dann den Wirksamkeitsvoraussetzungen der §§ 293 ff. AktG, wenn zugleich der Inhalt eines Unternehmensvertrages (z. B. einer Gewinngemeinschaft nach § 292 Abs. 1 Nr. 1 AktG) vereinbart wird.626 Dabei dürfen die Tatbestände der §§ 291 Abs. 1, 292 Abs. 1 AktG gleichwohl nicht derart erweitert ausgelegt werden, dass der hier betrachtete reine Leitungsgemeinschaftsvertrag stets als Unternehmensvertrag einzuordnen ist.627 Auch kann es nicht überzeugen, den Vertragsschluss mit Blick auf die genannte Verlagerung der Interessenausrichtung als Änderung des Gesellschaftszwecks einzuordnen und hieraus das Erfordernis eines Hauptversammlungsbeschlusses herzuleiten.628 Beides würde der gesetzgeberischen Entscheidung zuwiderlaufen, diesen Vertrag nicht den §§ 293 ff. AktG und damit gerade nicht einer Hauptversammlungszustimmung zu unterstellen.629 Im Ergebnis ist der reine Leitungsgemeinschaftsvertrag i. e. S. des § 291 Abs. 2 AktG de lege lata kein Unternehmensvertrag und unterliegt nicht den Wirksamkeitsvoraussetzungen der §§ 293 ff. AktG.630
624 Vgl. Studienkommission DJT, Rn. 601, 261 ff. 625 So auch Hommelhoff, S. 392 ff., der unter Hinweis auf die Begr. RegE. (Kropff, AktG, S. 373, 375) argumentiert, der Gesetzgeber habe sich eingehend mit der Änderung der Interessenausrichtung bei Unternehmensverbindungen befasst. 626 Zur verbreiteten gleichzeitigen Vereinbarung einer Gewinngemeinschaft vgl. Begr. RegE., in: Kropff, AktG, S. 377; Gromann, S. 34; Milde, S. 229; Krieger, in: Münch.Hdb.GesR IV, § 68 Rn. 81; Raiser/Veil, KapGesR, § 57 Rn. 33. 627 So aber wohl Timm, S. 152, 155 ff. 628 So aber Mülbert, ZHR 163 (1999), 1, 42 (dort Fn. 139); ders., in: GroßKomm-AktG, § 291 Rn. 210, 214; ähnlich bereits Timm, S. 152 ff. („Struktur- und Zweckände rung“). 629 Zutreffend Hommelhoff, S. 390 (dort Fn. 78); Koppensteiner, in: KölnKomm-AktG, § 291 Rn. 105. 630 H. M.; vgl. weiterhin Gromann, S. 34 f.; Schenk, in: Bürgers/Körber, AktG, § 291 Rn. 29; Deilmann, in: Hölters, AktG, § 291 Rn. 64; Hüffer, AktG, § 291 Rn. 34; a. A. Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Kommentar, § 18 Rn. 35; Peres, in: Heidel, Aktienrecht, § 291 AktG Rn. 87. Auch nach Veil (S. 276 ff.) sind zwar nicht die hier betrachteten reinen Leitungsgemeinschaftsverträge, dafür jedoch Verträge mit besonderen vertraglichen Regelungen (z. B. Abweichung vom Einstimmigkeitsgrundsatz des § 709 Abs. 1 BGB) rechtsfortbildend als Unternehmensvertrag einzuordnen. Ob dem zu folgen ist, kann an dieser Stelle offen bleiben; vgl. hierzu jedoch Veil, S. 279 ff.; ders., in Spindler/Stilz, AktG, § 291 Rn. 57 ff.; ähnlich Altmeppen, in: MünchKomm-AktG, § 291 Rn. 221.
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C. Konkretisierung der Grenzen eines zulässigen Außeneinflusses
(2) Vereinbarkeit mit § 76 Abs. 1 AktG Des Weiteren stellt sich die Frage, inwieweit der Inhalt des hier betrachteten Leitungsgemeinschaftsvertrages mit § 76 Abs. 1 AktG vereinbar ist. (a) Meinungsstand Der Meinungsstand im Schrifttum zeichnet sich durch große Uneinheitlichkeit und z. T. auch mangelnde Durchschaubarkeit aus. Zunächst sehen freilich die Stimmen den Vertragsinhalt als mit § 76 Abs. 1 AktG unvereinbar an, die den Vertrag als Unternehmensvertrag einordnen.631 Des Weiteren lassen sich im Wesentlichen zwei Ansichten ausmachen: Nach einer Ansicht ist der Leitungsgemeinschaftsvertrag im Grundsatz zwar zulässig. Der zulässige Inhalt des Vertrages sei jedoch negativ aus den §§ 76 ff. AktG abzuleiten.632 Hieraus wird verbreitet gefolgert, dass die Erteilung von für eine Vertragspartei nachteiligen Weisungen auf Grundlage des Vertrages nicht zulässig sei.633 Lediglich vorteilhafte und neutrale Weisungen seien zulässig.634 In Bezug auf den hier betrachteten reinen Leitungsgemeinschaftsvertrag sind derartige Formulierungen interpretationsbedürftig, da der Vertrag keine Weisungsrechte i. S. eines einseitigen Bestimmungsrechts für eine Vertragspartei vorsieht. Die Formulierungen können aber wohl so verstanden werden, dass die Festlegung der einheitlichen Leitung (§ 709 Abs. 1 BGB) nicht gegen den Willen der einzelnen Gesellschaft – auch nicht ausnahmsweise auf Grundlage ihrer gesellschafterlichen Treuepflicht – zu einer Pflicht zur Durchführung von nachteiligen Maßnahmen in ihrem Unternehmen führen darf.635 Insofern können nach dieser Ansicht die §§ 76 ff. AktG ein631 So zumindest im Ergebnis etwa Mülbert, in: GroßKomm-AktG, § 291 Rn. 216 ff.; K. Schmidt, ZHR 155 (1991), 417, 428 f.; Wellkamp, DB 1993, 2517, 2519. 632 So ausdrücklich Veil, S. 277; ähnlich ders., in Spindler/Stilz, AktG, § 291 Rn. 55. 633 Gromann, S. 58 ff.; Milde, S. 139 ff.; Schenk, in: Bürgers/Körber, AktG, § 291 Rn. 31; Langenbucher, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 291 Rn. 69; Krieger, in: Münch.Hdb.GesR IV, § 68 Rn. 90; Lutter/Drygala, ZGR 1995, 557, 566 f.; zweifelnd auch Peres, in: Heidel, Aktienrecht, § 291 AktG Rn. 91. 634 Gromann, S. 61; insofern auch Mülbert, in: GroßKomm-AktG, § 291 Rn. 218. 635 So wohl auch Gromann, S. 61; Hüffer, AktG, § 291 Rn. 35; vgl. auch – jedoch widersprüchlich – Hommelhoff, S. 389, dort Fn. 74, der „Maßnahmen gegen das In teresse einer beteiligten Gesellschaft“ für rechtswidrig hält, im Übrigen jedoch annimmt, dass der Vorstand durch den Vertrag nur von der Pflicht entbunden ist, „alle Maßnahmen aktiv zu initiieren, die sich im Interesse seines Unternehmens anbieten“. Damit zieht Hommelhoff allerdings eine Grenze, die es nicht gibt: Es macht keinen Unterschied, ob die Gesellschaft zum Unterlassen einer Maßnahme in ihrem Interesse oder zur Durchführung einer Maßnahme gegen ihr Interesse
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3. Teil: Vereinbarkeit mit der allg. aktienrechtlichen Organisationsverfassung
schließlich der Bindung an das Gesellschaftsinteresse nicht vertraglich derogiert werden.636 Anderenfalls würde das aktienrechtliche System von Leitungsmacht und Verantwortung außer Kraft gesetzt.637 Eine andere Ansicht lässt dagegen auch gegen den Willen der Gesellschaft nachteilige Einflussnahmen zu. Aus § 291 Abs. 2 AktG ergebe sich eindeutig, dass aufgrund des Vertrages die Festlegung der Konzernmaßnahmen nicht mehr allein durch die einzelne Gesellschaft und das von ihr verfolgte Gesellschaftsinteresse bestimmt wird.638 Dies führe dann aber in den Grenzen der gesellschafterlichen Treuepflicht auch zur grundsätzlichen Zulässigkeit von Vertragspflichten zur Durchführung von nachteiligen Maßnahmen und nicht zu deren Verbot.639 Dieses Ergebnis wird insbesondere damit begründet, dass § 291 Abs. 2 AktG als lex specialis die allgemeine Regelung des § 76 Abs. 1 AktG verdränge.640 (b) Stellungnahme Die Beantwortung der Frage nach der Vereinbarkeit des Leitungsgemeinschaftsvertrages mit § 76 Abs. 1 AktG hat im Ausgangspunkt am Wortlaut des § 291 Abs. 2 AktG anzusetzen. Dieser ordnet ausdrücklich freilich nur an, dass der beschriebene Vertrag kein Beherrschungsvertrag ist. Auch im Übrigen ist der Vorschrift zwar nur eine begrenzte Aussagekraft zu bescheinigen.641 Ihr kann aber in jedem Fall die gesetzliche Anerkenverpflichtet wird. Noch restriktiver Veil, S. 277 ff.; ders., in Spindler/Stilz, AktG, § 291 Rn. 56 ff., der selbst vorteilhafte und neutrale Folgepflichten gegen den Willen der Gesellschaft für unzulässig hält und nur durch eine Einordnung als Unternehmensvertrag nach § 292 Abs. 1 Nr. 3 AktG analog legitimieren will. 636 Im Ergebnis auch Gromann, S. 58 ff.; Krieger, in: Münch.Hdb.GesR IV, § 68 Rn. 90, 89. 637 Gromann, S. 58 f.; ähnlich – fehlende Kompensation – Milde, S. 145 f. 638 Vgl. Koppensteiner, in: KölnKomm-AktG, § 291 Rn. 103. 639 So im Ergebnis Koppensteiner, in: KölnKomm-AktG, § 291 Rn. 103; ferner Fett, in: Bürgers/Körber, AktG, § 18 Rn. 22; zustimmend wohl auch, wenngleich tendenziell enger Altmeppen, in: MünchKomm-AktG, § 291 Rn. 221, 230 („nicht ... systematisch zum Nachteil“); nach a. A. sind nachteilige Weisungen bei Vorliegen eines Hauptversammlungsbeschlusses zulässig, wenn die Nachteile durch analoge Anwendung der §§ 302 ff. AktG kompensiert werden, vgl. Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Kommentar, § 18 Rn. 36 f.; Wellkamp, DB 1993, 2517, 2519 ff. 640 Koppensteiner, in: KölnKomm-AktG, § 291 Rn. 103; wohl auch Fett, in: Bürgers/ Körber, AktG, § 18 Rn. 22. Teilweise anders Gromann, S. 61; Milde, S. 139, S. 144 ff., die eine Verdrängung nur insoweit annehmen, als das für die Vorstände – abweichend von § 76 Abs. 1 AktG – eine Befolgungspflicht der Entscheidung auf Konzernebene für aus Sicht der jeweiligen Gesellschaft neutrale und vorteilhafte Maßnahmen bestehe. 641 Timm, S. 151; enger K. Schmidt, ZHR 155, (1991), 417, 428; noch enger Lutter/ Drygala, ZGR 1995, 557, 567 („keinen eigenständigen Regelungsgehalt“).
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nung eines reinen Leitungsgemeinschaftsvertrages i. e. S. des § 291 Abs. 2 AktG und somit dessen Zulässigkeit entnommen werden.642 Aus der Rechtsnatur dieses im Gesetz genannten Vertrages und der konsequenten Anwendung der Regeln zur Gesellschaft bürgerlichen Rechts ergibt sich, dass die Vertragsparteien entsprechend den Entscheidungen auf Konzernebene auch zur Befolgung bzw. Durchführung von für sie nachteiligen Maßnahmen verpflichtet sind, sofern dies zur Verfolgung des gemeinsamen Zwecks, respektive des Konzerninteresses, erforderlich ist.643 Ist dieser Vertrag zulässig und kein Unternehmensvertrag, so deutet dies in der Konsequenz bereits stark auf eine uneingeschränkte Vereinbarkeit des Vertragsinhalts mit der allgemeinen aktienrechtlichen Organisationsverfassung einschließlich der eigenverantwortlichen Stellung des Vorstandes nach § 76 Abs. 1 AktG hin. Angesichts einer bislang noch fehlenden Präzisierung des Regelungsgehalts der Tatbestandsmerkmale des § 76 Abs. 1 AktG644 erscheint die Ansicht im Schrifttum, der zulässige Inhalt eines Leitungsgemeinschaftsvertrages sei negativ aus den §§ 76 ff. AktG abzuleiten, als eine petitio principii. Bei der petitio principii wird ein Rechtssatz (z. B. Regelungsgehalt des § 76 Abs. 1 AktG) als nachgewiesene Prämisse unterstellt, der jedoch noch eines rechtsmethodischen Nachweises bedarf.645 Sind die genauen Grenzen eines Außen einflusses noch nicht geklärt, so bedarf die These der Unvereinbarkeit eines im Gesetz ausdrücklich genannten Vertrages mit § 76 Abs. 1 AktG und insbesondere der Unzulässigkeit der aus diesem Vertrag grundsätzlich folgenden Möglichkeit von für die einzelne Gesellschaft nachteiligen Konzernmaßnahmen einer tragenden Begründung. Eine solche Begründung kann sich aus dem Zweck des § 76 Abs. 1 AktG zur Sicherung der Verbandsautonomie ergeben.646 Ein funktionsfähiger Verband als Instrument der gemeinschaftlichen Zweckverfolgung erfordert eine Bindung der Entscheidungsträger an das Gesellschaftsinteresse und insbesondere eine Kontrolle dieser Bindung durch Haftungsregelungen, wie es das aktienrechtlichen System von Leitungsmacht und Verantwortung (vgl. §§ 93, 309 AktG) grundsätzlich vorsieht. Bei einem Leistungsgemeinschaftsvertrag liegt die Geschäftsführung der einzelnen Gesellschaft nicht mehr ausschließlich in den Händen von Entscheidungsträgern, die an das Gesellschaftsinteresse gebunden sind und einer 642 Insoweit auch Timm, S. 151; Milde, S. 139; wohl auch Windbichler, in: GroßKomm-AktG, § 18 Rn. 50. 643 Vgl. oben unter 3.Teil, C. III. 2. b) bb) (2). 644 Vgl. oben unter 3. Teil, A. II. 645 Zur sog. petitio principii vgl. E. Schneider/Schnapp, S. 242 ff.; Joerden, S. 364. 646 Vgl. hierzu eingehend unter 3. Teil, B. III. 2. b).
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3. Teil: Vereinbarkeit mit der allg. aktienrechtlichen Organisationsverfassung
Kontrolle unterliegen. Eine Haftung der Vorstandsmitglieder der einzelnen Gesellschaft nach § 93 Abs. 2 AktG kommt zwar weiterhin in Betracht, soweit diese bei Verhandlung und Abschluss des Vertrages das Gesellschaftsinteresse nicht hinreichend beachten.647 Gleiches gilt während der Vertragsdurchführung bei der Ausübung des Mitentscheidungsrechts zu Maßnahmen der einheitlichen Leitung nach § 709 Abs. 1, 2. Halbs. BGB, wenn dabei der Entscheidungsspielraum nicht hinreichend genutzt wird, um das Gesellschaftsinteresse in die Konkretisierung des Konzerninteresses einfließen zu lassen und die Gesellschaft an dem wirtschaftlichen Erfolg des Gleichordnungskonzerns zu beteiligen.648 Insoweit bleiben auch die Kontrollmöglichkeiten des Aufsichtsrats funktionsfähig. Nimmt allerdings der andere Vertragsteil z. B. durch die im Konzerninteresse liegende Nichterteilung der Zustimmung zu einer vorteilhaften Maßnahme im Unternehmen der Gesellschaft Einfluss, so ist die Gesellschaft zum Unterlassen der Maßnahme verpflichtet. Für einen aus der Erfüllung dieser Vertragspflicht entstehenden Schaden der Gesellschaft würden die Vorstandsmitglieder nicht nach § 93 Abs. 2 AktG haften, da sie grundsätzlich keine Pflichtverletzung begehen.649 Insoweit kommt es in der Tat zu Friktionen im aktienrechtlichen System von Leitungsmacht und Verantwortung650 bzw. zu Einschränkungen bei der Verfolgung des Gesellschaftsinteresses und damit der Verbandsautonomie. Dennoch kann es nicht überzeugen, die nach dem Vertragsinhalt bestehende grundsätzliche Möglichkeit von für die Gesellschaft nachteiligen Konzernmaßnahmen als mit § 76 Abs. 1 AktG unvereinbar anzusehen. Zunächst handelt es sich lediglich um eine Einschränkung der Verfolgung des Gesellschaftsinteresses bzw. der Verbandsautonomie: Der Gesellschaft verbleibt zum einen ein Mitentscheidungsrecht bei der Festlegung der Maßnahmen zur einheitlichen Leitung. Der andere Vertragsteil ist zum anderen kraft seiner Treuepflicht zur (Mit-)Berücksichtigung der Interessen seines Vertragspartners verpflichtet.651 Die verbleibenden Einschränkungen der Verbandsautonomie wurden einschließlich Verlagerungen der Interessenbindung – wie bereits dargelegt – im Gesetzgebungsverfahren erörtert. Der historische Gesetzgeber sah einen Vertrag
647 Vgl. hierzu auch Altmeppen, in: MünchKomm-AktG, § 291 Rn. 221. 648 Vgl. auch Koppensteiner, in: KölnKomm-AktG, § 291 Rn. 103. 649 Im Ergebnis auch Fett, in: Bürgers/Körber, AktG, § 18 Rn. 22; allgemein hierzu bereits oben unter 3. Teil, B. III. 2. b). 650 Ähnlich auch Hommelhoff, S. 389; engerer Befund bei Gromann, S. 58 f. 651 Vgl. oben unter 3.Teil, C. III. 2. b) bb) (2).
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C. Konkretisierung der Grenzen eines zulässigen Außeneinflusses
i. S. des § 291 Abs. 2 AktG dennoch als unbedenklich an.652 Hätte er die Vorstellung gehabt, dieser – zudem in vergleichbaren Ausprägungen in der Praxis bereits verbreitete653 – Vertrag sei mit den §§ 76 ff. AktG nur mit inhaltlichen Einschränkungen zu vereinbaren, hätte es nahe gelegen, den Vertrag entsprechenden Regeln zu unterwerfen. Dies gilt umso mehr im Rahmen einer Reform, welche das praktische Bedürfnis nach Instrumenten für Unternehmensverbindungen und den erforderlichen Schutz für Gesellschaft, Aktionäre und Gläubiger in einen Ausgleich bringen wollte.654 Dass entsprechende Regelungen fehlen, liegt nicht an einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes. Es zeigt sich vielmehr, dass die Einschränkungen der Verbandsautonomie im Fall des Leitungsgemeinschaftsvertrages nach der gesetzlichen Konzeption als unbedenklich eingestuft werden. Es besteht zudem kein gänzlicher Ausschluss von Verantwortung und Haftung des anderen Vertragsteils für seine Einflussnahmen gegenüber der Gesellschaft.655 Zwar scheidet bei einem Leitungsgemeinschaftsvertrag ein Ausgleichsanspruch der Gesellschaft für die Durchführung der Konzernmaßnahmen in ihrem Unternehmen nach den §§ 713, 670 BGB entgegen einer Ansicht im Schrifttum656 grundsätzlich aus, da die Durchführung der Konzernmaßnahmen Inhalt der vertraglich übernommenen Förderpflicht ist und damit keine Aufwendung i. S. des § 670 BGB darstellt.657 Verweigert der andere Vertragsteil jedoch treuwidrig – z. B. wegen fehlender (Mit-)Berücksichtigung der Interessen seines Vertragspartners – die Zustimmung zu einer vorteilhaften Maßnahme und verursacht er hierdurch bei diesem einen Schaden, so ist er diesem bei grober Fahrlässigkeit (vgl. §§ 708, 277 BGB) zum Schadensersatz nach § 280 Abs. 1 BGB verpflichtet.658 Ein entsprechender Haftungsanspruch für diese treuwidrig verursachten Schäden ist daneben auch gegenüber den handeln652 Vgl. Begr. RegE., in: Kropff, AktG, S. 377. 653 Vgl. Studienkommission DJT, Rn. 101, 108; vgl. ferner bereits oben Fn. 14 mit entspr. Nachw. 654 Zu diesen Reformzielen von 1965 vgl. Begr. RegE., in: Kropff, AktG, S. 16 ff., 373 f. 655 So aber Gromann, S. 58. 656 Mülbert, in: GroßKomm-AktG, § 291 Rn. 221; vgl. auch K. Schmidt, ZHR 155 (1991), 417, 428 ff., der aus den §§ 713, 670 BGB jedoch rechtfortbildend einen zwingenden „horizontalen Risikoausgleich im Gleichordnungskonzern“ herleitet. 657 So allgemein zu den vergleichbaren Beitragspflichten auch Schöne, in: Bamberger/ Roth, BGB, § 713 Rn. 14; Schäfer, in: MünchKomm-BGB, § 713 Rn. 17. 658 Vgl. hierzu Lutter/Drygala, ZGR 1995, 557, 567; Hüffer, AktG, § 291 Rn. 35; wohl auch Mülbert, in: GroßKomm-AktG, § 291 Rn. 221; allgemein zum Anspruch aus § 280 Abs. 1 BGB wegen Treuepflichtverletzung Wiedemann, GesR Bd. II, § 3 II 3 e) bb) (S. 207).
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3. Teil: Vereinbarkeit mit der allg. aktienrechtlichen Organisationsverfassung
den Organmitgliedern des anderen Vertragsteils nach der Haftungsfigur des sog. faktischen Organmitglieds659 denkbar.660 Schließlich kommt für die treuwidrige und damit rechtswidrige661 vorsätzliche Einflussnahme eine Haftung des anderen Vertragsteils sowie ggf. auch der für diesen handelnden Organmitglieder nach § 117 Abs. 1 AktG in Betracht. Die verbleibenden Friktionen im aktienrechtlichen Haftungssystem ergeben sich ebenfalls unmittelbar aus den im Gesetzgebungsverfahren erörterten Einschränkungen der Verbandsautonomie durch den Vertrag, insbesondere aus der Verlagerung der Interessenbindung der Vertragsparteien. Auch insofern hätte es im Gesetzgebungsverfahren nahe gelegen, Ausgleichs- und Haftungsregelungen für den vertraglichen Gleichordnungskonzern einzuführen. Der Gesetzgeber hat bewusst von solchen Regelungen abgesehen.662 Hierin zeigt sich, dass Friktionen im aktienrechtlichen Haftungssystem beim Leitungsgemeinschaftsvertrag vom Gesetz gleichsam als unbedenklich eingestuft werden. Damit sind Einschränkungen der Vereinbarkeit des Vertragsinhalts mit § 76 Abs. 1 AktG, insbesondere Einschränkungen der Reichweite der vertraglichen Einflussrechte, rechtsmethodisch nicht begründbar. Man mag die hier vertretene Rechtsauffassung rechtspolitisch als Verharmlosung der mit dem Vertrag verbundenen Gefahren durch die Einschränkung der Autonomie der Gesellschaft kritisieren.663 An der Richtigkeit der Rechtsauffassung de lege lata ändert dies nichts. Dabei kann vorerst offen bleiben, ob die Vereinbarkeit durch eine Verdrängung des § 76 Abs. 1 AktG durch § 291 Abs. 2 AktG als lex specialis zu begründen ist oder ob zwischen den Vorschriften eigentlich gar kein Kollisionsverhältnis besteht, sondern umgekehrt § 291 Abs. 2 AktG Rückschlüsse auf 659 Vgl. allgemein zu diesen Grundsätzen mit zahlreichen w. Nachw. eingehend Flei scher, in: Spindler/Stilz, AktG, § 93 Rn. 182 ff.; die genaue Ausformung dieser Haftungsfigur ist allgemein noch weitgehend „im Fluss“ und kann auch an dieser Stelle nicht erfolgen. 660 So wohl auch Milde, S. 170 f. 661 Zum Merkmal der Rechtswidrigkeit vgl. Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, AktG, § 117 Rn. 4; Kort, in: GroßKomm-AktG, § 117 Rn. 149 ff.; Hüffer, AktG, § 117 Rn. 6 jeweils m. w. Nachw. 662 Insoweit auch Milde, S. 147. Mangels planwidriger Regelungslücke sind daher auch rechtsfortbildende Haftungsmodelle abzulehnen; für eine Analogie der §§ 302 ff. AktG vgl. jedoch Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Kommentar, § 18 Rn. 36 f.; Wellkamp, DB 1993, 2517, 2519 ff.; für einen zwingenden horizontalen Risikoausgleich nach den §§ 713, 670, 730 ff. BGB (analog) vgl. K. Schmidt, ZHR 155 (1991), 417, 429. 663 So K. Schmidt, ZHR 155, (1991), 417, 425, 428, wenngleich dessen Kritik nicht rechtspolitisch gemeint ist, sondern zu einer anderen Rechtsauffassung de lege lata führen soll; vgl. Nachw. unter 3. Teil, C. III. 2. b) cc) (1).
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C. Konkretisierung der Grenzen eines zulässigen Außeneinflusses
den Regelungsgehalt § 76 Abs. 1 AktG zulässt. Der Inhalt eines reinen Leitungsgemeinschaftsvertrages i. e. S. des § 291 Abs. 2 AktG ist im Ergebnis uneingeschränkt mit § 76 Abs. 1 AktG vereinbar. dd) Zwischenergebnis Die genauere Untersuchung der Regelung des § 291 Abs. 2 AktG hat gezeigt, dass das Aktienrecht durchaus einen Vertrag mit schuldrechtlichen Einflussrechten auf die Geschäftsführung der Gesellschaft kennt, die grundsätzlich in ihrer Intensität mit Einflussrechten mit einem Mit entscheidungs- und Vetorecht eines BCA vergleichbar sind. Dabei finden diese Einflussrechte ihren Rechtsgrund und ihre Grenze in dem gemeinsamen Vertragszweck und der gesellschafterlichen Treuepflicht. Dieser Vertrag ist weder ein Unternehmensvertrag, noch verstößt der Vertragsinhalt gegen § 76 Abs. 1 AktG. c) Zur Verallgemeinerungsfähigkeit der Wertung des § 291 Abs. 2 AktG aa) These Aufbauend auf diesem Zwischenergebnis zu einem Vertrag i. e. S. des § 291 Abs. 2 AktG ist weiter zu untersuchen, ob aus der Vorschrift eine verallgemeinerungsfähige gesetzliche Wertung für die Präzisierung der Grenzen der §§ 76 ff. AktG für einen vertraglichen Außeneinfluss auf die Geschäftsführung der Aktiengesellschaft gezogen werden kann. Die hier vertretene These lautet, dass § 291 Abs. 2 AktG Ausdruck einer allgemeingültigen Grenze für einen Außeneinfluss durch vertragliche Einflussrechte und zugleich Ausdruck der Reichweite des Grundsatzes der Verbandsautonomie im Bereich der Geschäftsführung der Aktiengesellschaft ist. Das Aktiengesetz stuft im Fall eines Leitungsgemeinschaftsvertrages bestimmte vertragliche Einflussrechte als unbedenklich ein. Diese Wertung muss für Einflussrechte in anderen Vertragsgestaltungen (z. B. einem BCA) gleichsam gelten, wenn diese ebenfalls die Merkmale aufweisen, auf denen die gesetzliche Entscheidung für die Zulässigkeit der Einflussrechte nach dem allgemeinen Aktienorganisationsrecht fußt.664
664 Insofern ähnlicher Ansatz nunmehr bei Schall, in: Kämmerer/Veil, Übernahmeund Kapitalmarktrecht, S. 75, 84 ff., insb. S. 86.
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3. Teil: Vereinbarkeit mit der allg. aktienrechtlichen Organisationsverfassung
Gegen diese These lassen sich im Schrifttum freilich Postulate ausmachen.665 Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der These findet sich allerdings nicht. Im Folgenden sollen dennoch die denkbaren Einwände gegen die Möglichkeit der Übertragung des Regelungsgehalts § 291 Abs. 2 AktG auf andere Vertragsgestaltungen untersucht werden. bb) Möglicher rechtsmethodischer Einwand: § 291 Abs. 2 AktG als Ausnahmevorschrift Die Übertragung einer allgemeingültigen Wertung aus § 291 Abs. 2 AktG auf andere Vertragsgestaltungen muss zunächst rechtsmethodischen Anforderungen genügen. Rechtsmethodisch lässt sich der Einwand erheben, dass es sich bei § 291 Abs. 2 AktG um eine Ausnahmevorschrift handelt. Ausnahmevorschriften sind nach der Auslegungsregel singularia non sunt extendenda eng auszulegen, so dass eine erweiternde Anwendung auf andere Sachverhalte regelmäßig ausgeschlossen ist.666 Die ältere Rechtsprechung hat sich dieses Grundsatzes teils apodiktisch bedient.667 Im Schrifttum ist die Leistungsfähigkeit des Grundsatzes als methodisches Instrument zur Erkenntnisgewinnung des Regelungsgehaltes einer Norm und damit dessen Berechtigung als strikte Auslegungsregel jedoch zu Recht in Zweifel gezogen worden.668 Problematisch erscheint die Anwendung als strikte Auslegungsregel insbesondere insofern, als zunächst zu bestimmen wäre, welche Anforderungen an eine Norm für die Einordnung als eng auszulegende Ausnahmevorschrift zu stellen sind.669 Eine „echte“ Ausnahmevorschrift i. e. S. kann lediglich in den Fällen angenommen werden, in denen das Gesetz eine allgemeingültige Regel für eng umrissene Einzelfälle aufgrund besonderer Erwägungen durchbricht.670 Ausnahmevorschriften i. e. S. haben somit keinen oder nur einen sehr schmalen, auf andere Sachverhalte übertragbaren
665 Vgl. etwa Hommelhoff, S. 393 („auf den Bereich des Gleichordnungskonzerns zu beschränken“); Veil, S. 277 („extensives Verständnis der Vorschrift ... verbietet sich“); Windbichler, in: GroßKomm-AktG, § 18 Rn. 63 („Vorschrift ... läßt keine generellen Rückschlüsse zu“); Schall, in: Kämmerer/Veil, Übernahme- und Kapitalmarktrecht, S. 75, 85 („Anwendungsbereich ... eng“). 666 Vgl. allgemein hierzu Säcker, in: MünchKomm-BGB, Einleitung Rn. 120 ff. 667 Vgl. etwa RGZ 65, 362, 365; 153, 1, 23; BGHZ 4, 208, 222; 11, 135, 143. 668 Vgl. Müller/Christensen, Rn. 370, 373; M. Würdinger, AcP 209 (2006), 946, 966 f.; in diesem Sinne auch Canaris, S. 181. 669 Müller/Christensen, Rn. 370; zustimmend Larenz, S 355. 670 Larenz, S. 355 f. („Ausnahme ... der Sache nach“); ferner Canaris, S. 181 (dort Fn. 35); insoweit wohl auch D. Schneider, JA 2008, 174, 176.
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C. Konkretisierung der Grenzen eines zulässigen Außeneinflusses
Regelungsgehalt.671 Der fehlende übertragbare Regelungsgehalt der im konkreten Fall fraglichen Norm ist sodann erst in einem zweiten Schritt das Ergebnis der Auslegung dieser Norm als Ausnahmevorschrift i. e. S. anhand der genannten Anforderungen.672 Ähnlich wendet auch die jüngere Rechtsprechung673 den Grundsatz nicht mehr als strikte Auslegungsregel, sondern nur noch bei Vorschriften an, denen kein verallgemeinerungsfähiges Prinzip innewohnt und die daher als Ausnahmevorschrift i. e. S. auszulegen sind.674 Der Grundsatz singularia non sunt extendenda kann damit der Sache nach als aufgegeben angesehen werden.675 Die Möglichkeit zur erweiterten Auslegung einer Norm und zur Übertragbarkeit ihres Regelungsgehalts auf andere Sachverhalte sind im einzelnen durch Auslegung der jeweiligen Norm festzustellen.676 Zwar wird im Schrifttum teilweise formal an dem Grundsatz i. S. einer grundsätzlichen Auslegungsregel festgehalten.677 Inhaltlich kommt auch diese Ansicht zu dem gleichen Ergebnis, wenn sie den Grundsatz ausnahmsweise für den Fall nicht anwendet, dass der vermeintlichen „Ausnahmevorschrift“ ein übertragbares und verallgemeinerungsfähiges Prinzip innewohnt.678 Damit kann der Regelungsgehalt des § 291 Abs. 2 AktG auf andere Vertragsgestaltungen übertragen werden, soweit der Vorschrift eine übertragbare und verallgemeinerungsfähige Wertung zu entnehmen ist. Dies ist durch Auslegung zu ermitteln. Dem Wortlaut des § 291 Abs. 2 AktG ist insoweit wenig zu entnehmen. Die Herausnahme des Leitungsgemeinschaftsvertrages aus dem Beherrschungs- und Unternehmensvertragsrecht und die damit verbundene Wertung der Vereinbarkeit des Vertrages mit dem allgemeinen Aktienrecht, insbesondere mit § 76 Abs. 1 AktG, kann einerseits ihren Grund 671 In diesem Sinne zur Analogiefähigkeit von Ausnahmevorschriften auch M. Wür dinger, AcP 209 (2006), 946, 967; im Ergebnis auch Canaris, S. 181, wenn er fordert, dass eine Ausnahme nicht zur Regel verkehrt werden dürfe. 672 Müller/Christensen, Rn. 370; ähnlich BAG, ZIP 1984, 84, 86. 673 Vgl. etwa BGHZ 17, 266, 277; 26, 78, 83; BGH, NJW 1965, 1477, 1479; BAG, NJW 1966, 1578; wohl auch BGHZ 2, 300, 306; BAG, ZIP 1984, 84, 86. 674 Ähnliche Einschätzung bei Säcker, in: MünchKomm-BGB, Einleitung Rn. 122. 675 So auch Canaris, S. 181; Säcker, in: MünchKomm-BGB, Einleitung Rn. 122. 676 M. Würdinger, AcP 209 (2006), 946, 956 ff.; ders., JuS 2008, 949, 950 f.; im Ergebnis auch Wolf/Neuner, BGB AT, § 6 Rn. 12; Zippelius, S. 56. 677 Vgl. Honsell, in: Staudinger, Eckpfeiler, B. Rn. 63; D. Schneider, JA 2008, 174, 177; wohl auch Honsell, in: Staudinger, BGB, Einleitung Rn. 148; tendenziell auch La renz, S. 355 („Auslegungsregel ... [hat] beschränkten Wert“). 678 Honsell, in: Staudinger, BGB, Einleitung Rn. 148; ders., in: Staudinger, Eckpfeiler, B. Rn. 63; im Ergebnis auch Larenz, S. 355 f.; D. Schneider, JA 2008, 174, 175 f.
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3. Teil: Vereinbarkeit mit der allg. aktienrechtlichen Organisationsverfassung
in einer gesetzlichen Ausnahme im Sinne einer Durchbrechung der allgemeinen Regelungen aufgrund besonderer Erwägungen zur Privilegierung des Gleichordnungskonzerns als eng umrissener Einzelfall haben.679 Andererseits kann der Regelung auch ein verallgemeinerungsfähiges Prinzip zugrunde liegen, aufgrund dessen das Gesetz den Leitungsgemeinschaftsvertrag als keinen Unternehmensvertrag und einen als mit dem allgemeinen Aktienrecht zu vereinbarenden Vertrag einordnet. Zwar mag die systematische Stellung des § 291 Abs. 2 AktG im ersten Teil des dritten Buches des Aktiengesetzes über die besonderen Vorschriften im Recht der verbundenen Unternehmen über die Unternehmensverträge auf eine besondere Ausnahmeregelung über den vertraglichen Gleichordnungskonzern hindeuten. Der systematischen Stellung einer Norm im Gesetz kommt aber nur begrenzte Bedeutung zu.680 Die Regelung des § 291 Abs. 2 AktG beschränkt den Anwendungsbereich des Beherrschungsvertragsrechts, indem er den Leitungsgemeinschaftsvertrag von dem Beherrschungsvertrag negativ abgrenzt. Aus regelungstechnischen Gründen erscheint es – unabhängig vom Grund für diese Abgrenzung – konsequent, diese unmittelbar nach der Legaldefinition des Beherrschungsvertrages in § 291 Abs. 1 Satz 1, 1. Fall AktG vorzunehmen. Ein zwingender Rückschluss darüber, ob die Abgrenzung aufgrund einer besonderen Überlegung zum Gleichordnungskonzern oder aufgrund eines allgemeinen Prinzips erfolgt, ist hingegen nicht möglich. Wortlaut und Systematik des § 291 Abs. 2 AktG lassen kein eindeutiges Ergebnis zu. Die genetische Auslegung des § 291 Abs. 2 AktG stützt hingegen die Auslegung der Norm als ein verallgemeinerungsfähiges Prinzip. Die Regierungsbegründung verweist zunächst auf die Abgrenzungsschwierigkeiten bei der Frage, ob ein Beherrschungsvertrag vorliegt, und verneint diese Frage bei einem Vertrag i. S. des § 291 Abs. 2 AktG. Als Grund hierfür führt die Regierungsbegründung sodann aus, dass bei einem Vertrag nach § 291 Abs. 2 AktG die Gesellschaft „selbst an der Willensbildung des Leitungsorgans beteiligt...[sei]...und ihr daher nicht die mit einem Beherrschungsvertrag verbundenen Gefahren“681 drohten. Die Regelung dient danach nicht einer besonderen Privilegierung des Gleichordnungs679 So wohl Hommelhoff, S. 393 („systemwidrige Ausnahmebestimmung ... [, die] streng auf den Bereich des Gleichordnungskonzerns zu beschränken [ist]“); ähnlich Veil, S. 277. Auch wenn wohl nicht in diesem engen Sinne gemeint, taucht der Gedanke dennoch tendenziell mit der Einordnung als lex specialis zu § 76 Abs. 1 AktG etwa bei Koppensteiner (in: KölnKomm-AktG, § 291 Rn. 103) auf. 680 Larenz, S. 326; Zippelius, S. 46. 681 Begr. RegE., in: Kropff, AktG, S. 377.
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C. Konkretisierung der Grenzen eines zulässigen Außeneinflusses
konzerns. Ihr liegt vielmehr die gesetzgeberische Wertung der grundsätzlichen Unbedenklichkeit der Einflussrechte eines Vertrages i. S. des § 291 Abs. 2 AktG zugrunde: Die Entäußerung der Fähigkeit zur unabhängigen Willensbildung über ihre eigene Geschäftsführung und damit der Autonomie der Gesellschaft ist unbedenklich, sofern die Gesellschaft selbst noch am Willensbildungsprozess beteiligt bleibt. Bei § 291 Abs. 2 AktG handelt sich damit nicht um eine Ausnahmevorschrift i. e. S. Der Vorschrift liegt eine verallgemeinerungsfähige Wertung zugrunde, die grundsätzlich auf andere Vertragsgestaltungen übertragbar ist.682 cc) Bedeutung der weiteren Tatbestandsmerkmale Über die rechtsmethodischen Anforderungen für die Übertragung des Regelungsgehalts des § 291 Abs. 2 AktG auf andere Sachverhalte bzw. für einen Rückschluss aus der Vorschrift auf das allgemeine Aktienrecht ist damit jedoch noch keine Aussage getroffen. Eine Übertragung des Regelungsgehalts auf andere Sachverhalte im eigentlichen Sinne kann im Wege eines Analogieschlusses erfolgen. Eine Analogie setzt insbesondere eine vergleichbare Interessenlage zwischen des gesetzlich geregelten Sachverhalts und dem nicht geregelten Sachverhalt voraus.683 Dabei weisen die weiteren Tatbestandsmerkmale in § 291 Abs. 2 AktG der gegenseitigen Einflussnahme, der einheitlichen Leitung sowie des fehlenden faktischen Abhängigkeitsverhältnisses zwischen den Vertragsparteien auf große Unterschiede zwischen dem geregelten Leitungsgemeinschaftsvertrag und den nicht geregelten Sachverhalt eines BCA hin. Ein Analogieschluss sieht sich wegen dieser Unterschiede bereits ersten Zweifeln ausgesetzt. Die zunächst zu beantwortende Frage lautet daher, ob diese weiteren Tatbestandsmerkmale einen tragenden Grund dafür bilden, dass das allgemeine Aktienrecht die Einflussrechte eines Leitungsgemeinschaftsvertrages als zulässig einordnet, oder ob allein Art und Intensität der Einflussrechte selbst den Grund hierfür bilden. Daher ist im Folgenden die Bedeutung der weiteren Tatbestandsmerkmale des § 291 Abs. 2 AktG für die Vereinbarkeit der Einflussrechte eines Leitungsgemeinschaftsvertrages mit § 76 Abs. 1 AktG zu untersuchen.
682 Ausdrücklich anders Hommelhoff, S. 393. 683 Vgl. erneut Larenz, S. 381 f.; Zippelius, S. 55.
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3. Teil: Vereinbarkeit mit der allg. aktienrechtlichen Organisationsverfassung
(1) Die Gegenseitigkeit der Einflussnahme Gegen die Übertragung des Regelungsgehalts des § 291 Abs. 2 AktG auf die Einflussrechte eines BCA ließe sich zunächst der Einwand erheben, dass sich bei einem Gleichordnungskonzern durch einen Leitungsgemeinschaftsvertrag die gemeinsame Abstimmung über die einheitliche Leitung sowohl auf das Unternehmen der Gesellschaft als auch auf das Unternehmen des anderen Vertragsteils bezieht. Durch die gemeinsame Abstimmung über die einheitliche Leitung der Unternehmen erhält also nicht nur der andere Vertragsteil über sein Mitentscheidungsrecht (§ 709 Abs. 1, 2. Halbs. BGB) Einfluss auf das Unternehmen der Gesellschaft. Auch die Gesellschaft erhält über ihr Mitentscheidungsrecht Einfluss auf das Unternehmen des anderen Vertragsteils. Die Einschränkungen der Verbandsautonomie betreffen damit beide Vertragsparteien. Dies verdeutlicht auch der Wortlaut des § 291 Abs. 2 AktG, nach dem sich „Un ternehmen“ (Plural) „durch Vertrag“ der einheitlichen Leitung unterstellen und damit alle Vertragsparteien von der Leitungsunterstellung betroffen sind. Daher könnte argumentiert werden, dass das Gesetz die Autonomieeinschränkungen der beteiligten Gesellschaften nur deshalb als zulässig ansieht, weil diesen jeweils ein entsprechendes Einflussrecht auf das Unter nehmen des Vertragspartners als Kompensation für ihre Einschränkungen zusteht.684 Die Rechtfertigung bzw. der innere Grund für die Zulassung der Einschränkungen der Verbandsautonomie der Vertragsparteien eines Leitungsgemeinschaftsvertrages könnte also in einem Austausch von Einflussrechten und damit einem Ausgleich der Einschränkungen gesehen werden. Dann ließe sich die Wertung des § 291 Abs. 2 AktG auf die hier betrachteten BCA regelmäßig nicht übertragen, da diese lediglich Vereinbarungen über Einflussrechte zugunsten des Bieters über Geschäftsführungsmaßnahmen im Unternehmen der Zielgesellschaft vorsehen. Diese Argumentation vermag jedoch nicht zu überzeugen. Sie berücksichtigt nicht hinreichend die Rechtsnatur des Leitungsgemeinschaftsvertrages als Gesellschaft i. S. der §§ 705 ff. BGB und sieht sich daher zunächst dogmatischen Zweifeln ausgesetzt: Die jeweilige Verpflichtung der einzelnen Vertragspartei, ihr Unternehmen entsprechend den gemeinsamen Entscheidungen auf Ebene des Gleichordnungskonzerns – respektive entsprechend der Einflussnahme des anderen Vertragsteils – 684 So wohl Martens, S. 32; J. Vetter, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 18 Rn. 28; Stu dienkommission DJT, Rn. 261.
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C. Konkretisierung der Grenzen eines zulässigen Außeneinflusses
zu leiten, ist als Maßnahme zur Erreichung des gemeinsamen Zwecks der wesentliche Teil ihrer Förderpflicht gemäß § 705 BGB.685 Ein Aus tausch dieser Förderpflichten im rechtlichen Sinne einer synallagmatischen Verknüpfung686 der Leistungspflichten der Vertragsparteien würde ein unmittelbares Abhängigkeitsverhältnis zwischen den Leistungspflichten erfordern, bei dem jede Vertragspartei ihre Leistung verspricht, um von der anderen Seite dafür eine Gegenleistung zu erhalten.687 Zweck der jeweiligen Leistung ist der Erhalt der Gegenleistung.688 Bei einem Gesellschaftsvertrag verpflichten sich die Vertragsparteien zu ihren vertraglichen Leistungen jedoch nicht um des Erhalts einer Gegenleistung ihrer Mitgesellschafter willen, sondern um die Erreichung des gemeinsamen Gesellschaftszwecks zu fördern.689 Das gilt auch – wie regelmäßig im Fall eines Leitungsgemeinschaftsvertrages – für rein schuldrechtliche Innengesellschaften zwischen zwei Vertragsparteien. Auch wenn sich hier das Verhältnis der Leistungspflichten der Vertragsparteien einem synallagmatischen Verhältnis annähern, so bleibt auch hier der Zweck der Leistungspflicht dogmatisch auf die Erreichung des gemeinsamen Zwecks und nicht auf einen Leistungsaustausch gerichtet.690 Es kann an dieser Stelle offen bleiben, ob ein Gesellschaftsvertrag als gegenseitiger Vertrag 685 Vgl. hierzu oben unter 3. Teil, C. III. 3. b) aa). 686 Wenngleich gegenseitige Verträge i. S. der §§ 320 ff. BGB und synallagmatische Verträge begrifflich häufig gleichgesetzt werden (vgl. Emmerich, in: MünchKomm-BGB, Vorbemerkung §§ 320 ff. Rn. 7), ist dennoch umstritten, ob ein Austausch (Synallagma) ein zwingendes Element eines gegenseitigen Vertrages ist; dafür etwa Grothe, in: Bamberger/Roth, BGB, § 320 Rn. 4; dagegen etwa Emme rich, in: MünchKomm-BGB, Vorbemerkung §§ 320 ff. Rn. 5; Otto/Schwarze, in: Staudinger, BGB, Vorbemerkungen §§ 320-326 Rn. 6; wohl auch Gesell, in: Soergel, BGB, Vor § 320 Rn. 4. Auf den Streit kommt es an dieser Stelle jedoch nicht an. 687 So – wenngleich zumeist ohne genaue Unterscheidung der Merkmale „gegensei tig“ und „synallagmatisch“ (vgl. vorherige Fn.) – allg. M.; vgl. BGHZ 15, 102, 105; 161, 241, 251; BGH, NJW 2006, 2773, 2775; H. P. Westermann, in: Erman, BGB, Vor § 320 Rn. 6; Emmerich, in: MünchKomm-BGB, Vorbemerkung §§ 320 ff. Rn. 3; Gesell, in: Soergel, BGB, Vor § 320 Rn. 3; Otto/Schwarze, in: Staudinger, BGB, Vorbemerkungen §§ 320-326 Rn. 5. 688 Vgl. Emmerich, in: MünchKomm-BGB, Vorbemerkung §§ 320 ff. Rn. 3. 689 BGH, NJW 1951, 308; Schöne, in: Bamberger/Roth, BGB, § 705 Rn. 67; H. P. Wes termann, in: Erman, BGB, § 705 Rn. 43; Ulmer/Schäfer, in: MünchKomm-BGB § 705 Rn. 162; Hadding/Kießling, in: Soergel, BGB, Vor § 705 Rn. 8; Ballerstedt, JuS 1963, 253, 259. 690 So auch Ulmer/Schäfer, in: MünchKomm-BGB § 705 Rn. 169 (dort auch Fn. 479), wenn er zur Anwendung der §§ 320 ff. BGB auch in diesem Fall „nur“ auf einen Analogieschluss abstellt. Für eine Analogie bei zweigliedrigen Gesellschaften wohl auch Schöne, in: Bamberger/Roth, BGB, § 705 Rn. 67; Hadding/Kießling, in: Soergel, BGB, § 705 Rn. 44.
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3. Teil: Vereinbarkeit mit der allg. aktienrechtlichen Organisationsverfassung
i. S. der §§ 320 ff. BGB eingeordnet werden kann.691 Ein Austauschvertrag liegt bei einem Gesellschaftsvertrag in jedem Fall nicht vor.692 Daher kann aus rechtlicher Sicht bei einem Leitungsgemeinschaftsvertrag in der Einschränkung der Autonomie beider Vertragsparteien auch kein Austausch von Einflussrechten und damit auch kein Ausgleich der jeweiligen Einschränkungen gesehen werden. Weiter kann es aber auch nicht überzeugen, das Mitentscheidungsrecht der Gesellschaft (§ 709 Abs. 1, 2. Halbs. BGB) über die Unternehmensleitung des Vertragspartners als eine tatsächliche bzw. wirtschaftliche Kompensation ihrer eigenen Autonomieeinschränkung anzusehen.693 Zwar kennt das Zivilrecht die Voraussetzung einer tatsächlichen bzw. wirtschaftlichen Verknüpfung von vertraglichen Leistungen i. S. einer objektiven Äquivalenz grundsätzlich nicht.694 Dies soll auch hier nicht in Abrede gestellt werden. Will man jedoch eine Kompensation der Autonomieeinschränkung als Rechtfertigungsgrund für die Vereinbarkeit des Leitungsgemeinschaftsvertrages mit § 76 Abs. 1 AktG argumentativ anführen, so muss es in einem solchen Gleichordnungskonzern in aller Regel auch tatsächlich zu einer entsprechenden Kompensation kommen können. Dass dies aber nicht der Fall ist, zeigt bereits das genannte Beispiel,695 bei dem sich Entscheidungen auf Ebene des Gleichordnungskon691 Die Anwendung der §§ 320 ff. BGB auf Gesellschaftsverträge ist umstritten, wobei vor allem über das Verhältnis von Regel und Ausnahme der Anwendung Streit besteht; im Einzelfall dürften beide Ansichten aber häufig zum gleichen Ergebnis gelangen (vgl. auch Happ/Möhrle, in: Münch.Hdb.GesR I, § 5 Rn. 31): Für eine grundsätzliche – aber wegen der Besonderheiten der Gesellschaft zum Teil modifizierte – Anwendung vgl. K. Schmidt, GesR, § 20 III 2. b) (S. 581 f.); Emmerich, in: MünchKomm-BGB, Vorbemerkung §§ 320 ff. Rn. 5; Otto/Schwarze, in: Staudinger, BGB, Vorbemerkungen §§ 320-326 Rn. 6, 36. Die Gegenansicht hält die §§ 320 ff. BGB grundsätzlich für unanwendbar, plädiert jedoch in Ausnahmen für eine analoge Anwendung; vgl. H. P. Westermann, in: Erman, BGB, Vor § 320 Rn. 14, § 705 Rn. 43 ff.; Ulmer/Schäfer, in: MünchKomm-BGB § 705 Rn. 163 ff.; wohl auch Schöne, in: Bamberger/Roth, BGB, § 705 Rn. 67 ff.; Gsell, in: Soergel, BGB, Vor § 320 Rn. 26; Hadding/Kießling, in: Soergel, BGB, § 705 Rn. 44 ff. 692 BGH, NJW 1951, 308; Schöne, in: Bamberger/Roth, BGB, § 705 Rn. 28, 67; Ulmer/ Schäfer, in: MünchKomm-BGB § 705 Rn. 162; Gsell, in: Soergel, BGB, Vor § 320 Rn. 4; vgl. auch H. P. Westermann, in: Erman, BGB, § 705 Rn. 43; Hadding/Kieß ling, in: Soergel, BGB, Vor § 705 Rn. 8, § 705 Rn. 44; Otto/Schwarze, in: Staudinger, BGB, Vorbemerkungen §§ 320-326 Rn. 6. 693 So aber J. Vetter, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 18 Rn. 28 („Selbstbeschränkung, die ... aufgrund der Selbstbeschränkung des Partners kompensiert wird“). 694 Vgl. H. P. Westermann, in: Erman, BGB, Vor § 320 Rn. 7; Gesell, in: Soergel, BGB, Vor § 320 Rn. 3; Otto/Schwarze, in: Staudinger, BGB, Vorbemerkungen §§ 320–326 Rn. 7 m. w. Nachw. 695 Vgl. oben unter 3. Teil, C. III. 2. b) bb) (1).
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zerns über die Investitionsplanung nur auf den Betrieb von einer Vertragspartei beziehen können. Die unternehmerischen Entscheidungen zur einheitlichen Leitung sind von den wirtschaftlichen Begebenheiten der jeweiligen Situation abhängig und können es daher erfordern, dass sie sich auf die Leitung von nur einem der Unternehmen beziehen. Einflussnahmen auf Geschäftsführungsmaßnahmen einer Gesellschaft sind – insbesondere wenn sie nicht nur eine einzelne Maßnahme betreffen – dadurch gekennzeichnet, dass sie sich regelmäßig nicht durch ein Äquivalent kompensieren lassen.696 Die Vor- und Nachteile der Maßnahme für das betroffene Unternehmen, die sich aus der Autonomieeinschränkung ergeben, lassen sich häufig gar nicht bestimmen.697 Zwar hat die betroffene Vertragspartei weiterhin ihr Mitentscheidungsrecht, das zu Autonomieeinschränkungen des anderen Vertragsteils führt. Jedoch hängt es wiederum von den wirtschaftlichen Begebenheiten ab, ob sie tatsächlich Einfluss auf das Unternehmen ihres Vertragspartners nehmen kann. Selbst wenn dies der Fall ist, wird sich ein Vorteil für die Gesellschaft häufig wiederum nicht bestimmen lassen. Zudem werden sich bei einer jeweiligen Bestimmbarkeit die Nachteile der Gesellschaft aus ihrer Autonomieeinschränkung regelmäßig nicht mit den Vorteilen aus ihrer Einflussnahme decken. Gegenseitige Autonomieeinschränkungen stehen somit nicht in einem Äquivalenzverhältnis. In dem Mitentscheidungsrecht der Gesellschaft über die Leitungen des Vertragspartners kann daher auch keine tatsächliche bzw. wirtschaftliche Kompensation ihrer eigenen Autonomieeinschränkung gesehen werden.698 Die in § 291 Abs. 2 AktG beschriebene gegenseitige Einflussnahme im Rahmen eines Leitungsgemeinschaftsvertrages kann damit nicht als innerer Grund für die Zulassung der Einschränkungen der Autonomie der Vertragsparteien bzw. als Kompensation dieser Einschränkungen angesehen werden. Die Wertung des § 291 Abs. 2 AktG kann daher grundsätzlich auch auf Verträge übertragen werden, bei denen – wie bei einem BCA – sich lediglich eine Vertragspartei den Einflussrechten der anderen Vertragspartei aussetzt.
696 Vgl. hierzu mit Blick auf den Beherrschungsvertrag auch Martens, S. 19 ff., der zu Recht darauf hinweist, dass auch dem Gesetz die Erkenntnis des Ausfalls des Äquivalenzprinzips beim Beherrschungsvertrag zugrunde liegt und dass das Gesetz die Leitungsmacht des herrschenden Unternehmens daher pauschalen Ausgleichsregelungen (§§ 302 ff. AktG) unterwirft. 697 Vgl. Martens, S. 20; in anderen Zusammenhang auch Zöllner, S. 332. 698 Ähnlich auch Wellkamp, DB 1993, 2517, 2519.
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(2) Die einheitliche Leitung Durch den Leitungsgemeinschaftsvertrag stellen sich die Parteien gemäß § 291 Abs. 2 AktG unter einheitliche Leitung. Der Begriff der einheitlichen Leitung im Gleichordnungskonzern nach §§ 18 Abs. 2, 291 Abs. 2 AktG ist im Schrifttum umstritten. Zum Teil wird für eine einheitliche Leitung gefordert, dass die Vereinheitlichung alle Bereiche der verbundenen Unternehmen ohne Ausklammerung bestimmter Geschäftsbereiche oder Betriebe erfassen muss (sog. enger Konzernbegriff).699 Zum Teil wird jedoch auch eine Vereinheitlichung in einem zentralen Bereich der unternehmerischen Tätigkeit (z. B. Finanzen, Personalwesen, Organisation) als ausreichend angesehen, sofern diese Vereinheitlichung Auswirkungen auf den gesamten Konzern hat (sog. weiter Konzernbegriff).700 Da damit nach beiden Ansichten die einheitliche Leitung einen gewissen Umfang erreichen muss, das Mitentscheidungsrecht des anderen Vertragsteils also zumindest in einem zentralen Bereich der unternehmerischen Tätigkeit gelten muss, könnte argumentiert werden, dass sich die Wertung des § 291 Abs. 2 AktG nicht auf andere Vertragsgestaltungen übertragen lässt, die – wie auch bei BCA – lediglich Einflussrechte zu einzelnen Geschäftsführungsmaßnahmen der (Ziel-)Gesellschaft vorsehen. Diese Argumentation könnte jedoch nur überzeugen, wenn das Gesetz eine besondere Privilegierung von vertraglichen gleichgeordneten Unternehmenszusammenschlüssen vor Augen hätte, ein Vertrag i. S. des § 291 Abs. 2 AktG also nur deshalb mit dem allgemeinen Aktienrecht vereinbar wäre, weil das Gesetz nur die Koordination von unternehmerischen Tätigkeiten in einem großen Umfang und einer großen Koordinationsdichte zulassen wollte. Die Untersuchung hat jedoch bereits gezeigt, dass § 291 Abs. 2 AktG ein solcher Privilegierungsgedanke nicht zu entnehmen ist.701 Der Vorschrift liegt vielmehr allgemein die Einschätzung zugrunde, dass reine Mitentscheidungsrechte eines Dritten in Geschäftsführungsangelegenheiten unbedenklich sind. Wenn das Gesetz die Friktionen bei der Verfolgung des Gesellschaftszwecks bzw. -interesses durch 699 So Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Kommentar, § 18 Rn. 27; Windbichler, in: GroßKomm-AktG, § 18 Rn. 49; Koppensteiner, in: KölnKomm-AktG, § 291 Rn. 18, 22 ff.; Schall, in: Spindler/Stilz, AktG, § 18 Rn. 15, 30; vgl. auch Milde, S. 70 ff., der den engen Konzernbegriff in der Literatur zwar kritisiert (ebda., S. 87 f.), an das Merkmal der einheitlichen Leitung aber im Ergebnis ähnlich strenge Anforderungen stellt. 700 So Peres/Walden, in: Heidel, Aktienrecht, § 18 AktG Rn. 8 f.; Hirschmann, in: Hölters, AktG, § 18 Rn. 24; Bayer, in: MünchKomm-AktG, § 18 Rn. 50, 30, 33; wohl auch Gromann, S. 5; J. Vetter, in: K. Schmidt/Lutter, § 18 Rn. 30, 11. 701 Vgl. oben unter 3. Teil, C. III. 2. c) bb).
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C. Konkretisierung der Grenzen eines zulässigen Außeneinflusses
einen Leitungsgemeinschaftsvertrag mit Einflussrechten in zumindest einem zentralen Bereich der unternehmerischen Tätigkeit (großer Ein flussumfang) als hinnehmbar ansieht, so sind die Friktionen argumen tum a maiori ad minus702 erst Recht bei Verträgen mit Einflussrechten auf einzelne Geschäftsführungsmaßnahmen (geringer Einflussumfang) hinnehmbar. Es kann offen bleiben, ob bei den §§ 18 Abs. 2, 291 Abs. 2 AktG von einem engen oder einem weiten Konzernbegriff auszugehen ist. An dieser Stelle geht es eben nicht um die Einordnung von BCA oder ähnlichen Verträgen als Gleichordnungskonzern. Ohne Zweifel hat das Tatbestandsmerkmal der einheitlichen Leitung für die Einordnung als Gleichordnungskonzern große Bedeutung.703 Für die hier interessierende Übertragbarkeit der Wertung des § 291 Abs. 2 AktG der Vereinbarkeit bestimmter vertraglicher Einflussrechte mit dem allgemeinen Aktienrecht hat der Umfang des vertraglich gewährten Einflusses hingegen keine Bedeutung. (3) Die fehlende faktische Abhängigkeit Nach § 291 Abs. 2 AktG müssen die Vertragsparteien des Leitungsgemeinschaftsvertrages nicht nur durch die vertraglichen Regelungen voneinander unabhängig bleiben. Es wird ferner vorausgesetzt, dass sie auch im Übrigen voneinander unabhängig sind. Die Vorschrift unterscheidet somit zwischen der Abhängigkeit aufgrund des Vertrages (vgl. Wortlaut: „durch Vertrag ... dadurch“) und einer Abhängigkeit auf Grundlage eines anderen, neben dem Vertrag bestehenden Verhältnisses zwischen den Parteien. Mit Letzterem kann somit nur ein faktisches Abhängigkeitsverhältnis i. S. des § 17 Abs. 1 AktG gemeint sein.704 Eine Einordnung als vertraglicher Gleichordnungskonzern scheidet damit nach dem Wortlaut der §§ 18 Abs. 2, 291 Abs. 2 AktG aus, wenn zwischen den Parteien bei Vertragsschluss ein faktisches Abhängigkeitsverhältnis besteht. Gleiches gilt, wenn ein faktisches Abhängigkeitsverhältnis während der Vertragslaufzeit erst später entsteht. 702 Zum diesem Erst-recht-Schluss vgl. Larenz, S. 389; Honsell, in: Staudinger, BGB, Einleitung Rn. 160. 703 So zum Gleichordnungskonzernvertrag auch Mülbert, in: GroßKomm-AktG, § 291 Rn. 211; ferner Windbichler, in: GroßKomm-AktG, § 18 Rn. 50; vgl. auch Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Kommentar, § 18 Rn. 26 f., der unter Hinweis auf die kartellrechtlichen Folgen der Einordnung als Gleichordnungskonzern eine Unterscheidung von umfänglichen und nur teilweisen Unternehmenskoordinationen für notwendig hält. 704 Im Ergebnis wohl auch Koppensteiner, in: KölnKomm-AktG, § 291 Rn. 99.
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3. Teil: Vereinbarkeit mit der allg. aktienrechtlichen Organisationsverfassung
Hieraus könnte wiederum geschlossen werden, dass die Wertung des § 291 Abs. 2 AktG nur auf andere Verträge übertragen werden kann, soweit zwischen den Vertragsparteien kein faktisches Abhängigkeitsverhältnis besteht.705 Zwar besteht nach der hier angenommen Prämisse706 bei Vertragsschluss eines BCA zwischen den Vertragsparteien noch kein faktisches Abhängigkeitsverhältnis. Mit dem Erwerb der Anteils- und Stimmenmehrheit an der Zielgesellschaft im Rahmen des Übernahmeverfahrens wird der Bieter jedoch herrschendes Unternehmen über die Zielgesellschaft und zwischen den Vertragsparteien des BCA entsteht grundsätzlich ein faktisches Abhängigkeitsverhältnis (vgl. § 17 Abs. 2 AktG). Insofern könnte die Wertung des § 291 Abs. 2 AktG nur begrenzt bis zu dem Zeitpunkt auf BCA übertragbar sein, zu dem der Bieter die Anteils- und Stimmenmehrheit an der Zielgesellschaft erwirbt.707 Auch diese Überlegungen können nicht überzeugen. An den § 291 Abs. 2 AktG zu entnehmenden Wertungen ändert sich durch das Entstehen eines faktischen Abhängigkeitsverhältnisses zwischen den Vertragsparteien nichts. Zunächst wird aus dem Vertrag entgegen einer im älteren Schrifttum vertretenen Ansicht708 kein Beherrschungsvertrag.709 Das Konzernrecht enthält systematisch eine – auch in seiner Entstehungsgeschichte anklingende710 – klare Unterscheidung zwischen Einflussrech ten (§§ 308 Abs. 1 Satz 1, 323 Abs. 1 Satz 1 AktG), die sich rechtsverbindlich aus einer rechtsgeschäftlichen Grundlage ergeben, und reinen Einflussmöglichkeiten (§ 311 Abs. 1 AktG) des herrschenden Unternehmens, bei denen zwar keine Folgepflicht aber aufgrund der tatsächlichen Gegebenheiten ein faktischer Zwang bestehen kann.711 Mit einer Einordnung des Leitungsgemeinschaftsvertrages bei Entstehen eines faktischen Abhängigkeitsverhältnisses zwischen den Vertragsparteien als Beherrschungsvertrag würde diese klare Unterscheidung verwischt.712 Dies 705 So Schall, in: Kämmerer/Veil, Übernahme- und Kapitalmarktrecht, S. 75, 86 ff. 706 Vgl. oben unter 1. Teil, B. I. 2. 707 In diesem Sinne Geßler, FS Beitzke, 1979, S. 923, 933 f., der in der vollständigen Unabhängigkeit der Vertragsparteien den Grund für die Abgrenzung des § 291 Abs. 2 AktG vom Beherrschungsvertrag erblickt. 708 Geßler, FS Beitzke, 1979, S. 923, 933; zuvor auch Studienkommission DJT, Rn. 264, 171. 709 Koppensteiner, in: KölnKomm-AktG, § 291 Rn. 99; Altmeppen, in: MünchKomm-AktG, § 291 Rn. 214; vgl. auch Milde, S. 128, der aber wohl keine Abhängigkeiten i. S. des § 17 Abs. 2 AktG neben dem Vertrag im Blick hat. 710 Vgl. Begr. RegE., in: Kropff, AktG, S. 374. 711 Diese systematische Unterscheidung betont u. a. unter Hinweis auf die Entstehungsgeschichte des Konzernrechtes auch Ederle, passim, insb. S. 96, 103 f., 108, 128 f. 712 So auch wohl Ederle, S. 128 f.; Koppensteiner, in: KölnKomm-AktG, § 291 Rn. 99.
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C. Konkretisierung der Grenzen eines zulässigen Außeneinflusses
wäre mit der Systematik des Konzernrechts nicht zu vereinbaren.713 Aus diesem Grund wird aus dem Vertrag durch das Entstehen eines faktischen Abhängigkeitsverhältnisses auch kein Unternehmensvertrag. Für die Frage der Vereinbarkeit des Vertrages mit § 76 Abs. 1 AktG bei Entstehen eines faktischen Abhängigkeitsverhältnisses ist als Ausgangspunkt zu berücksichtigen, dass mit der faktischen Abhängigkeit kein Recht des herrschenden Unternehmens zur Einflussnahme entsteht und daher die unabhängige rechtliche Stellung der Geschäftsführung nach § 76 Abs. 1 AktG unberührt bleibt.714 Die §§ 311 ff. AktG regeln zwar eine Privilegierung715 des herrschenden Unternehmens in Form einer zeitlich begrenzten (vgl. § 311 Abs. 2 AktG) Verdrängung716 oder Mo difizierung717 seiner Treuepflichten gegenüber der abhängigen Gesellschaft.718 Sie haben jedoch lediglich insofern Auswirkungen auf die Or ganisationsverfassung der abhängigen Gesellschaft, als dass der Vorstand in Abweichung von § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG Veranlassungen des herrschenden Unternehmens auch gegen das Interesse seiner Gesellschaft Folge leisten darf, sofern ein Nachteilsausgleich erfolgt (vgl. § 311 Abs. 1 AktG).719 In dieser Modifizierung der Bindung an das Gesellschaftsinteresse nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG720 ist zwar eine partielle Verdrängung des Grundsatzes der Verbandsautonomie zu erkennen, die ihre Rechtfer713 Im Ergebnis auch Koppensteiner, in: KölnKomm-AktG, § 291 Rn. 99. 714 Ganz h. M.; vgl. Fett, in: Bürgers/Körber, AktG, § 311 Rn. 60; Habersack, in: Emmerich/Habersack, Kommentar, Einl. Rn. 6, § 311 Rn. 78; Walchner, in: Heidel, Aktienrecht, § 311 AktG Rn. 45; Leuering/Goertz, in: Hölters, AktG, § 311 Rn. 10; Hüffer, AktG, § 311 Rn. 48; H.-F. Müller, in: Spindler/Stilz, AktG, § 311 Rn. 62; a. A. Koppensteiner, in: KölnKomm-AktG, § 311 Rn. 160. 715 Zur Privilegierungsfunktion vgl. BGHZ 179, 71, Rz. 12 – „MPS“; Habersack, in: Emmerich/Habersack, Kommentar, § 311 Rn. 2; Koppensteiner, in: KölnKomm-AktG, Vorb. § 311 Rn. 5; H.-F. Müller, in: Spindler/Stilz, AktG, Vor § 311 Rn. 2; kritisch zum Begriff der Privilegierung im Ergebnis aber wohl ähnlich Altmeppen, MünchKomm-AktG, § 311 Rn. 31 f., 20. 716 Für eine Verdrängung der Treuepflicht vgl. Habersack, in: Emmerich/Habersack, Kommentar, § 311 Rn. 89; H.-F. Müller, in: Spindler/Stilz, AktG, § 311 Rn. 67; wohl auch Leuering/Goertz, in: Hölters, AktG, § 311 Rn. 15. 717 Für eine Modifizierung durch die §§ 311 ff. AktG als besondere Ausprägung der Treuepflicht siehe Hüffer, AktG, § 311 Rn. 2, § 53a Rn. 20; Koppensteiner, in: KölnKomm-AktG, § 311 Rn. 168; wohl auch Altmeppen, in: MünchKomm-AktG, § 311 Rn. 15. 718 Anders Zöllner, ZHR 162 (1998), 235, 238 ff.; Voigt, S. 317 ff. 719 Habersack, in: Emmerich/Habersack, Kommentar, Einl. Rn. 6, § 311 Rn. 78; vgl. auch Fett, in: Bürgers/Körber, AktG, § 311 Rn. 60. 720 Zur Modifizierung der allgemeinen Sorgfaltspflicht nach § 93 AktG vgl. auch Fett, in: Bürgers/Körber, AktG, § 311 Rn. 60; Leuering/Goertz, in: Hölters, AktG, § 311 Rn. 11; Hüffer, AktG, § 311 Rn. 48.
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3. Teil: Vereinbarkeit mit der allg. aktienrechtlichen Organisationsverfassung
tigung in dem Regelungsziel der Ermöglichung von (faktischen) Unternehmensverbindungen findet, also wiederum in konzernrechtlichen Sonderregelungen.721 Sind allerdings die Einflussrechte in einem von einer unabhängigen Gesellschaft geschlossenen Leitungsgemeinschaftsvertrag mit § 76 Abs. 1 AktG vereinbar und hat eine rein faktische Einflussmöglichkeit keine rechtlichen Auswirkungen auf die unabhängige Stellung der Geschäftsführung, so kann auch das Hinzutreten eines faktischen Abhängigkeitsverhältnisses keine Auswirkungen auf die Vereinbarkeit der Einflussrechte mit § 76 Abs. 1 AktG haben.722 Somit sind auch die Einflussrechte aus einem Leitungsgemeinschaftsvertrag mit § 76 Abs. 1 AktG vereinbar, wenn eine Vertragspartei neben dem Vertrag faktisch abhängig von der anderen Vertragspartei i. S. des § 17 Abs. 1 AktG ist. Der Vorstand der abhängigen Gesellschaft darf freilich auch auf Ebene des Gleichordnungskonzerns Veranlassungen seines Vertragspartners weiterhin nur unter den Voraussetzungen des § 311 Abs. 1 AktG nachkommen:723 Veranlasst der andere (faktisch herrschende) Vertragsteil die Gesellschaft etwa bei der Abstimmung über die einheitliche Leitung im Gleichordnungskonzern zur Zustimmung (§ 709 Abs. 1, 2. Halbs. BGB) zu einer für die abhängige Gesellschaft nachteiligen Maßnahme, bei der sie auch nicht Kraft ihrer Treuepflicht aus dem Leitungsgemeinschaftsvertrag zur Zustimmung verpflichtet wäre,724 so darf der Vorstand der abhängigen Gesellschaft die Zustimmung nur unter den Voraussetzungen des § 311 Abs. 1 AktG erteilen. Soweit die §§ 311 ff. AktG mit guten Gründen als besondere Ausprägung der Treuepflicht des herrschenden Aktionärs gegenüber der Gesellschaft angesehen werden,725 kommt es für den Vorstand hier zu einer Prüfung anhand von verschiedenen Treuepflichten auf zwei Ebenen: Erstens muss der Vorstand prüfen, ob die Gesellschaft kraft der Treuepflicht aus dem Leitungsgemeinschaftsvertrag zur Zustimmung gemäß § 709 Abs. 1, 2. Halbs. BGB verpflichtet ist; ist dies der Fall, muss er die Zustimmung grundsätzlich für die Gesellschaft erteilen. Ist dies nicht der Fall, muss er zweitens prüfen, ob der Nachteil der Maßnahme entsprechend § 311 AktG ausgeglichen wird und daher die 721 Zur vergleichbaren Verdrängung der Verbandsautonomie durch die konzernrechtlichen Sonderregelungen der §§ 291 ff. AktG vgl. bereits oben 3. Teil, B. III. 2. a). 722 Anders Schall, in: Kämmerer/Veil, Übernahme- und Kapitalmarktrecht, S. 75, 86, 88. 723 Ähnlich zum Vertragsschluss eines Gleichordnungskonzernvertrages zwischen voneinander abhängigen Unternehmen auch Altmeppen, in: MünchKomm-AktG, § 291 Rn. 222; zum BCA vgl. auch Decher, FS Hüffer, 2010, S. 145, 155. 724 Vgl. hierzu erneut unter 3. Teil, C. III. 2. b) bb) (2). 725 Vgl. Nachw. in Fn. 717.
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C. Konkretisierung der Grenzen eines zulässigen Außeneinflusses
Veranlassung des herrschenden Aktionärs nicht gegen seine mitglied schaftliche Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft in der besonderen Ausprägung der §§ 311 ff. AktG verstößt, so dass er der Veranlassung zur Erteilung der Zustimmung nachkommen darf. Eine fehlende faktische Abhängigkeit zwischen den Parteien eines Leitungsgemeinschaftsvertrages hat zwar wiederum Auswirkungen auf die Einordnung des Zusammenschlusses der beteiligten Unternehmen als gleichgeordneter Konzern gemäß § 18 Abs. 2 AktG.726 Auf die Vereinbarkeit der gemäß § 291 Abs. 2 AktG „durch Vertrag“ gewährten Einflussrechte mit § 76 Abs. 1 AktG und damit auf die Wirksamkeit der Einfluss rechte hat diese faktische Abhängigkeit hingegen keine Auswirkungen. Entsprechendes gilt, wenn die Wertung des § 291 Abs. 2 AktG auf andere Vertragsgestaltungen übertragen wird.727 (4) Zwischenergebnis Im Ergebnis bilden die weiteren Tatbestandsmerkmale des § 291 Abs. 2 AktG der gegenseitigen Einflussnahme, der einheitlichen Leitung sowie des fehlenden faktischen Abhängigkeitsverhältnisses zwischen den Vertragsparteien keinen tragenden Grund dafür, dass das allgemeine Aktienrecht die Einflussrechte eines Leitungsgemeinschaftsvertrages als zulässig einordnet. Sie stehen einer Übertragung der Wertung des § 291 Abs. 2 AktG der Vereinbarkeit der vertraglichen Einflussrechte mit § 76 Abs. 1 AktG auf andere Vertragsgestaltungen selbst dann nicht entgegen, wenn diese Vertragsgestaltungen die weiteren Tatbestandsvoraussetzungen nicht erfüllen. Dabei wird nicht übersehen, dass die genannten Tatbestandsmerkmale, soweit es um den hier interessierenden Regelungsgehalt der Norm geht, keine Bedeutung haben. Sie sind aber nicht schlicht allgemein zu ignorieren. Ihre Bedeutung liegt vielmehr in der Einordnung bestimmter vertraglicher Verbindungen als Gleichordnungskonzern nach § 18 Abs. 2 AktG und den damit verbundenen Rechtsfolgen.728
726 Zur Unabhängigkeit als Wesensmerkmal des Gleichordnungskonzerns vgl. Gro mann, S. 3 f.; Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Kommentar, § 18 Rn. 32; Bay er, in: MünchKomm-AktG, § 18 Rn. 56; Krieger, in: MünchHdb. GesR IV, § 68 Rn. 80. 727 Anders Schall, in: Kämmerer/Veil, Übernahme- und Kapitalmarktrecht, S. 75, 86 ff. 728 Zu den Rechtsfolgen vgl. Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Kommentar, § 18 Rn. 28; Peres/Walden, in: Heidel, Aktienrecht, § 18 AktG Rn. 21; Hüffer, AktG, § 18 Rn. 22.
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3. Teil: Vereinbarkeit mit der allg. aktienrechtlichen Organisationsverfassung
dd) Der Regelungsgehalt des § 291 Abs. 2 AktG Bilden somit allein Art und Intensität der Einflussrechte den tragenden Grund für die Vereinbarkeit eines Leitungsgemeinschaftsvertrages mit § 76 Abs. 1 AktG, so könnte dieser Regelungsgehalt des § 291 Abs. 2 AktG einerseits im Wege eines Analogieschlusses auf die Einflussrechte eines BCA übertragen werden. Andererseits kann § 291 Abs. 2 AktG jedoch auch als deklaratorische Vorschrift auszulegen sein. Deklaratorische Vorschriften geben lediglich klarstellend eine Rechtslage wieder, die sich bereits aus einer anderen Vorschrift ergibt.729 Ihr Regelungsgehalt erstreckt sich auf diese Klarstellungsfunktion.730 Sie haben keinen Regelungsgehalt, der im Wege der Analogie übertragbar ist.731 Mit anderen Worten geben deklaratorische Vorschriften lediglich den Regelungsgehalt einer anderen – ohnehin geltenden – Vorschrift wieder, so dass es mangels Regelungslücke keines Analogieschlusses bedarf.732 So kann auch § 291 Abs. 2 AktG lediglich klarstellend die Rechtslage wiedergeben, die sich bereits aus § 76 Abs. 1 AktG ergibt. Dann müssten die Analogievoraussetzungen für die „Übertragung“ der Wertung des § 291 Abs. 2 AktG auf andere Vertragsgestaltungen nicht gegeben sein. Die Einflussrechte eines Leitungsgemeinschaftsvertrages wären deshalb mit dem allgemein Aktienorganisationsrecht vereinbar, weil § 76 Abs. 1 AktG solche Einflussrechte von vornherein nicht verbietet. Für eine Auslegung als deklaratorischer Regelungsgehalt gegenüber § 76 Abs. 1 AktG spricht einmal mehr die Entstehungsgeschichte der Norm. In der Praxis waren vor 1965 vertragliche Gleichordnungen mit Mitentscheidungsrechten für die andere Vertragspartei in Fragen der Geschäftsführung einer Aktiengesellschaft bereits verbreitet.733 Der Referenten entwurf zum Aktiengesetz von 1958 sah zum Gleichordnungskonzern lediglich in § 17 Abs. 2 AktG-RefE eine dem heutigen § 18 Abs. 2 AktG vergleichbare Vorschrift vor.734 Die Begründung dieser Vorschrift erkann729 M. Würdinger, AcP 209 (2006), 946, 972 f. 730 M. Würdinger, AcP 209 (2006), 946, 972. 731 So überzeugend am Beispiel des § 652 Abs. 1 Satz 2 BGB auch M. Würdinger, AcP 209 (2006), 946, 970 ff. 732 In diesem Sinne auch M. Würdinger, AcP 209 (2006), 946, 972 f., der die Gegenmeinung in der Ansicht der Literatur ausmacht, „daß es Vorschriften, ihrer Natur nach jeder Analogie unzulänglich sind, nicht gibt.“ (Canaris, S. 183; vgl. M. Wür dinger, AcP 209 (2006), 946, 968, 971). Es scheint jedoch zweifelhaft, ob das Zitat von Canaris tatsächlich in diesem engen Sinne zu verstehen ist. 733 Vgl. erneut Studienkommission DJT, Rn. 101, 108; vgl. ferner bereits oben Fn. 14 mit entspr. Nachw. 734 Abgedruckt bei BMJ, RefE, S. 4.
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C. Konkretisierung der Grenzen eines zulässigen Außeneinflusses
te bereits die vertragliche Gleichordnung als eine Möglichkeit zur Begründung einer einheitlichen Leitung an.735 Eine Einordnung als Unternehmensvertrag sah auch der Referentenentwurf nicht vor. Somit lag bereits dem Referentenentwurf die Konzeption einer allgemeinen Organisationsverfassung der Aktiengesellschaft zu Grunde, nach der eine vertragliche Gleichordnung mit Mitentscheidungsrechten für die andere Vertragspartei in Fragen der Geschäftsführung als zulässig angesehen wurde. Erst im Regierungsentwurf wurde sodann die Vorschrift des heutiges § 291 Abs. 2 AktG mit der Begründung der Vermeidung der Abgrenzungsschwierigkeiten eines vertraglichen Gleichordnungskonzerns i. S. des § 18 Abs. 2 AktG zum Beherrschungsvertrag eingefügt.736 Die Regelung des § 291 Abs. 2 AktG stellt dabei jedoch nicht die Einfügung eines gegenüber dem Referentenentwurf neuen bzw. zusätzlichen Regelungsgehalts dar. Die Einordnung eines vertraglichen Gleichordnungskonzerns als Konzern ergibt sich im heutigen Aktiengesetz nicht aus § 291 Abs. 2 AktG, sondern – wie zuvor auch im Referentenentwurf (vgl. § 17 Abs. 2 AktG-RefE) – bereits aus § 18 Abs. 2 AktG.737 Auch im Übrigen stellt die Vorschrift lediglich klar, dass der Leitungsgemeinschaftsvertrag – wie der Wortlaut ausdrücklich bzw. die Auslegung des § 291 Abs. 2 AktG ergibt738 – kein Beherrschungsvertrag oder Unternehmensvertrag und zudem mit § 76 Abs. 1 AktG uneingeschränkt vereinbar ist. Dass diese aktienrechtliche Einordnung des Vertrages bereits der Konzeption des Referentenentwurfs ohne eine vergleichbare Vorschrift zugrunde lag, macht deutlich, dass § 291 Abs. 2 AktG keinen eigenen Regelungsgehalt aufweist739 und ausschließlich deklaratorischer Natur ist.740 Damit ergibt sich die Zulässigkeit der Einflussrechte eines Leitungsgemeinschaftsvertrages nicht aus § 291 Abs. 2 AktG, sondern aus § 76 Abs. 1 AktG selbst. Es bedarf daher keines Analogieschlusses, um den (deklaratorischen) Regelungsgehalt des § 291 Abs. 2 AktG auf die Einflussrechte eines BCA zu übertragen. d) Folgen für den Regelungsgehalt des § 76 Abs. 1 AktG Demzufolge erlaubt der rein deklaratorische Regelungsgehalt des § 291 Abs. 2 AktG unmittelbar einen rechtssystematischen Rückschluss auf 735 Begr. RefE., in: BMJ, RefE, S. 198. 736 Vgl. erneut Begr. RegE., in: Kropff, AktG, S. 377. 737 Vgl. auch Mülbert, in: GroßKomm-AktG, § 291 Rn. 206. 738 Vgl. unter 3. Teil, C. III. 2. b) cc). 739 Insoweit auch Lutter/Drygala, ZGR 1995, 557, 566. 740 Einen rein deklaratorischen Gehalt in der Abgrenzung zum Beherrschungsvertrag sehen auch Timm, S. 151; K. Schmidt, ZHR 155 (1991), 417, 428.
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3. Teil: Vereinbarkeit mit der allg. aktienrechtlichen Organisationsverfassung
den Regelungsgehalt des § 76 Abs. 1 AktG.741 Damit können die Grenzen eines vertraglichen Außeneinflusses auf die Geschäftsführung weiter konkretisiert werden. Grundsätzlicher Zweck des § 76 Abs. 1 AktG ist es zwar, durch eine unabhängige Geschäftsführung die Autonomie der Gesellschaft bei der Verfolgung des Gesellschaftszweck im Bereich der Geschäftsführung zu erhalten.742 Die Vorschrift verbietet jedoch nicht jedwede vertragliche Einflussnahme.743 Sie steht Vertragsgestaltungen mit Einflussrechten nicht entgegen, sofern die (beeinflusste) Gesellschaft grundsätzlich an den Entscheidungen über die Geschäftsführungsmaßnahmen beteiligt bleibt, die einflussnehmende Vertragspartei zur Mitberücksichtigung der individuellen Interessen der Gesellschaft verpflichtet ist und nur ausnahmsweise gegen den Willen sowie ggf. auch zum Nachteil der beeinflussten Partei eine Einflussnahme durchsetzen kann, wenn dies zur Verfolgung des Vertragszwecks erforderlich, geeignet und angemessen ist. Die Reichweite der Einflussrechte muss folglich durch den (gemeinsamen) Vertragszweck und die Treuepflicht gegenüber dem Vertragspartner begrenzt sein. Der Grund für die Zulässigkeit dieser Einflussrechte nach § 76 Abs. 1 AktG ist darin zu sehen, dass die Merkmale der Verbandsautonomie744 lediglich eine Einschränkung erfahren. Einerseits bleibt die Gesellschaft grundsätzlich an der Willensbildung beteiligt. Andererseits bleibt auch der andere Vertragsteil zur Mitberücksichtigung der Interessen der Gesellschaft verpflichtet und kann nur ausnahmsweise gegen den Willen der Gesellschaft eine Einflussnahme durchsetzen. Insofern wird auch die Bindung an das Gesellschafts- und Unternehmensinteresse der (be einflussten) Gesellschaft bei der Willensbildung für die Geschäftsführungsmaßnahmen lediglich eingeschränkt. Zumindest bleibt auch eine Bindung der Entscheidungsträger an das Gesellschafts- und Unternehmensinteresse i. S. des Merkmals der Verbandsautonomie erhalten. Da741 Im Ergebnis teilweise auch Schall, in: Kämmerer/Veil, Übernahme- und Kapitalmarktrecht, S. 75, 86 ff. In diesem Sinne könnten auch Stimmen im Schrifttum interpretiert werden, die – gleichwohl ohne ausdrücklichen Verweis auf § 291 Abs. 2 AktG – meinen, dass die Beispiele der Beteiligung der AG an Konsortien und an Gemeinschaftsunternehmen sowie sonstiger Formen langfristiger Ko operation die Zulässigkeit bestimmter vertraglicher Bindungen zeige; siehe Kort, in: GroßKomm-AktG, § 76 Rn. 158; Mertens/Cahn, in: KölnKomm-AktG, § 76 Rn. 53. 742 Vgl. unter 3. Teil, B. III. 2. b). 743 Im Ergebnis auch Mertens/Cahn, in: KölnKomm-AktG, § 76 Rn. 53. 744 Vgl. unter 3. Teil, B. IV.
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her sieht das Gesetz diese Einschränkungen der Verbandsautonomie als zulässig an. Das allgemeine Aktienorganisationsrecht trägt damit zugleich dem Umstand Rechnung, dass die Möglichkeit zur freiwilligen Preisgabe der ei genen Autonomie gleichsam eine Ausprägung der Verbandsautonomie darstellt.745 Zur Verfolgung unternehmerischer Ziele kann auch die Kooperation mit anderen Unternehmen erforderlich sein. Auch im Fall des § 291 Abs. 2 AktG werden mit der Vereinbarung zur Verfolgung eines gemeinsamen Zwecks zugleich auch der Zweck der einzelnen Gesellschaft verfolgt. Die funktionsfähige Verfolgung des Gesellschaftszwecks wird – insofern als eine Ausprägung der Verbandsautonomie – auch durch die Möglichkeit zur Kooperation mit anderen Unternehmen und dabei zur partiellen Aufgabe der eigenen Autonomie im Bereich der Geschäftsführung gesichert. Dabei ist es historisch bedingt, dass dieser Regelungsgehalt des § 76 Abs. 1 AktG lediglich für den Vertragstypus des Leitungsgemeinschaftsvertrages als während der Aktienrechtsreform von 1965 praktisch übliche Form der Unternehmenskooperation einen gesetzlichen Ausdruck in § 291 Abs. 2 AktG gefunden hat. e) Zwischenergebnis Das allgemeine Aktienorganisationsrecht steht nicht jedweden vertraglichen Einflussrechten auf die Geschäftsführung entgegen. Voraussetzung für die Zulässigkeit der Einflussrechte ist allerdings, dass 1. die einflussnehmende Vertragspartei lediglich ein Mitbestimmungsund Vetorecht für die Geschäftsführungsmaßnahmen hat, die Einflussnahme also nicht einseitig, sondern grundsätzlich unter der Mit entscheidung der beeinflussten Partei erfolgt, 2. die einflussnehmende Vertragspartei zur Mitberücksichtigung der individuellen Interessen der beeinflussten Partei verpflichtet ist und nur ausnahmsweise gegen den Willen und ggf. auch zum Nachteil der beeinflussten Partei eine Einflussnahme durchsetzen kann, wenn dies zur Verfolgung des Vertragszwecks erforderlich, geeignet und angemessen ist und damit 3. die Reichweite des Einflussrechts durch den Vertragszweck und die Treuepflicht gegenüber dem Vertragspartner begrenzt ist.
745 Vgl. bereits unter 3. Teil, B. IV.
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3. Teil: Vereinbarkeit mit der allg. aktienrechtlichen Organisationsverfassung
Insofern kann die Wertung des § 291 Abs. 2 AktG als eine aktienrecht lich tragfähige Bestätigung des Ansatzes im Schrifttum746 angesehen werden, nach dem Einflussrechte mit § 76 Abs. 1 AktG vereinbar sind, sofern ihre Reichweite durch den Vertragszweck begrenzt ist. Der Blick auf § 291 Abs. 2 AktG ermöglicht den Ansatz aktienrechtlich fortzuentwickeln. Gegenüber den bisher erarbeiteten Kriterien des Schrifttums747 kann mit den Kriterien der grundsätzlich verbleibenden Mitentscheidungsbefugnis der beeinflussten Partei und der Pflicht der einflussnehmenden Partei zur Mitberücksichtigung der Interessen der beeinflussten Partei eine klarere Festlegung der Anforderungen an die Begrenzung der Einflussrechte durch den Vertragszweck erreicht werden. 3. Folgerungen für die Einflussrechte eines BCA Aus diesen Anforderungen des § 76 Abs. 1 AktG an die Zulässigkeit vertraglicher Einflussrechte auf Geschäftsführungsmaßnahmen des Vorstandes ergibt sich für die Bewertung der unterschiedlichen Einflussrechte eines BCA748 Folgendes: Zunächst sind die Einflussrechte mit einem Mitentscheidungs- und Vetorecht als nach § 76 Abs. 1 AktG zulässig anzusehen. Bei diesen bleibt die Zielgesellschaft an den Entscheidungen über die Geschäftsführungsmaßnahmen über ihr eigenes Mitentscheidungsrecht beteiligt. Der Bieter kann keine Maßnahmen einseitig bestimmen. Er ist bei der Ausübung seines Mitentscheidungsrechts zudem zur Mitberücksichtigung des Gesellschafts- und Unternehmensinteresses der Zielgesellschaft verpflichtet.749 Daher kann er auch nur ausnahmsweise gegen den Willen der Zielgesellschaft eine Einflussnahme durchsetzen, wenn dies zur Verfolgung des Unternehmenszusammenschlusses erforderlich, geeignet und angemessen ist. Seine Einflussnahme ist durch den gemeinsamen Zweck des Unternehmenszusammenschlusses begrenzt. Damit erfüllen die Einfluss rechte mit einem Mitentscheidungs- und Vetorecht eines BCA exakt die Anforderungen des § 76 Abs. 1 AktG an zulässige vertragliche Einflussrechte. Als mit § 76 Abs. 1 AktG vereinbar sind ferner die sog. Vorwegbindun gen anzusehen. Die notwendige Beteiligung der Zielgesellschaft an den Entscheidungen zu den jeweiligen Maßnahmen erfolgt hier bereits bei 746 Vgl. unter 3. Teil, C. III. 1. a). 747 Vgl. erneut Dette, S. 125 748 Zu den folgenden unterschiedlichen Einflussrechten vgl. erneut unter 1. Teil, B. II. 2. 749 Vgl. zum Folgenden erneut unter 2. Teil, B. III. 2.
148
C. Konkretisierung der Grenzen eines zulässigen Außeneinflusses
der Vereinbarung des BCA und der darin erfolgten Festlegung der be troffenen Geschäftsführungsmaßnahmen. Die Zielgesellschaft kann ihr „Mitentscheidungsrecht“ dabei schlicht durch Verweigerung der Zustimmung zum Vertragsschluss ausüben. Insofern kommt es bei Vorweg bindungen auch nicht zu einer rechtlichen Entäußerung der Entscheidungsgewalt der Zielgesellschaft, sondern lediglich zu einer faktischen Entäußerung.750 Erst recht kann der Bieter bei den Vorwegbindungen keine Maßnahme einseitig bestimmen. Er kann vielmehr lediglich die Durchführung oder das Unterlassen von im BCA festgelegten Maßnahmen verlangen. Aber auch diese Rechte z. B. zur Verhinderung einer Geschäftsführungsmaßnahme kann er nur durchsetzen, soweit dies zur Verfolgung des Unternehmenszusammenschlusses erforderlich, geeignet und angemessen ist. Wenn die in der Intensität stärkeren Einflussrechte mit einem Mitentscheidungs- und Vetorecht zulässig sind, so müssen argumentum a maiori ad minus auch die in der Intensität schwächeren Vorwegbindungen zulässig sein.751 Im Zusammenhang mit der Vorschrift des § 291 Abs. 2 AktG zeigt sich, dass § 76 Abs. 1 AktG kein generelles Verbot schuldrechtlicher Vorwegbindungen oder vergleichbarer Zustimmungsvorbehalte für Geschäftsführungsmaßnahmen enthält.752 Anders fällt dagegen die Bewertung der Einflussrechte mit einem einsei tigen Bestimmungsrecht in einem BCA aus. Zwar ist der Bieter auch hier zur Mitberücksichtigung des Gesellschafts- und Unternehmensinteresses der Zielgesellschaft verpflichtet. Sein einseitiges Bestimmungsrecht für Geschäftsführungsmaßnahmen der Zielgesellschaft ist damit auch in diesem Fall durch den gemeinsamen Zweck des Unternehmenszusammenschlusses begrenzt. Jedoch kommt der Zielgesellschaft kein Mitentscheidungsrecht bei den Entscheidungen über die – im BCA nur abstrakt umschriebenen – Geschäftsführungsmaßnahmen zu. Der Bieter kann hier – anders als bei den Einflussrechten mit einem Mitentscheidungsund Vetorecht – nicht nur ausnahmsweise, sondern stets gegen den Willen der Zielgesellschaft Einfluss nehmen und die Durchführung oder das Unterlassen von Maßnahmen einseitig bestimmen. Damit ist – wie der Rückschluss aus § 291 Abs. 2 AktG zeigt – eine aktienrechtlich nicht 750 Zutreffend Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 76 Rn. 76; ders., FS Schwark, 2009, S. 137, 151; ähnlich Paschos, NZG 2012, 1142, 1143. 751 Vgl. auch Schall, in: Kämmerer/Veil, Übernahme- und Kapitalmarktrecht, S. 75, 86. 752 Im Ergebnis auch Mertens/Cahn, in: KölnKomm-AktG, § 76 Rn. 53; Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 76 Rn. 10; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 76 Rn. 75 ff.; a. A. OLG München, AG 2013, 173, 176 – „WET“; LG München I, NZG 2012, 1152, 1153 f. – „WET“; Lutter, FS Fleck, 1988, S. 169, 184 f.
149
3. Teil: Vereinbarkeit mit der allg. aktienrechtlichen Organisationsverfassung
mehr hinnehmbare Einschränkung der Verbandsautonomie der Zielgesellschaft verbunden. Die Grenze des nach § 76 Abs. 1 AktG zulässigen vertraglichen Außeneinflusses ist überschritten. Die Einflussrechte mit einem einseitigen Bestimmungsrecht verstoßen gegen § 76 Abs. 1 AktG. Im Ergebnis sind Einflussrechte mit einem Mitentscheidungs- und Veto recht sowie Vorwegbindungen für Geschäftsführungsmaßnahmen mit § 76 Abs. 1 AktG vereinbar. Dagegen verstoßen Einflussrechte mit einem einseitigen Bestimmungsrecht gegen § 76 Abs. 1 AktG.
D. Ergebnisse des 3. Teils 1. Nach der Entstehungsgeschichte und dem Normzweck des § 76 Abs. 1 AktG enthält die Vorschrift eine grundsätzliche Grenze für vertragliche Einflussrechte auf die Geschäftsführung der Aktiengesellschaft. Durch eine gegenüber Einflüssen von außen autonome Geschäftsführung durch den Vorstand soll die Funktionsfähigkeit der Aktiengesellschaft gewährleistet werden. Die Vorschrift des § 76 Abs. 1 AktG ist Ausfluss des Grundsatzes der Verbandsautonomie. Die Sicherung eines autonomen Geschäftsführungsorgans zielt auf den Schutz der Verfolgung des Gesellschaftszwecks und damit im Ergebnis auf die Autonomie der Gesellschaft im Bereich der Geschäftsführung. Die Geschäftsführung soll in den Händen von Entscheidungsträgern liegen, die an das Gesellschaftsinteresse gebunden sind und einer hinreichenden Kontrolle unterliegen. 2. Bei der Konkretisierung der Grenzen des § 76 Abs. 1 AktG für vertragliche Einflussrechte erweist sich – entgegen einiger Stimmen im Schrifttum – die Unterscheidung zwischen Leitung und Geschäftsführung nicht als taugliche Grenze eines zulässigen Außeneinflusses. Grundsätzlich kann jede Geschäftsführungsmaßnahme im Rechtsund Interessenskreis der Gesellschaft eine Leitungsmaßnahme sein. Daher kann es nicht überzeugen, Einflussrechte auf Geschäftsführungsmaßnahmen stets als zulässig und Einflussrechte auf Leitungsmaßnahmen stets als unzulässig einzuordnen. Mit Blick auf die allgemeinen Vertragstypen des Zivilrechts kann eine generelle Zulässigkeit allein für Einflussrechte anerkannt werden, die sich auf Geschäftsführungsmaßnahmen im Rechts- und Interessenkreis des Einflussnehmenden beziehen. 3. Ferner kann auch aus § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG keine Wertung des allgemeinen Aktienrechts für die Grenzen eines zulässigen vertraglichen Außeneinflusses auf die Geschäftsführung entnommen werden. 150
3. Teil: Vereinbarkeit mit der allg. aktienrechtlichen Organisationsverfassung
mehr hinnehmbare Einschränkung der Verbandsautonomie der Zielgesellschaft verbunden. Die Grenze des nach § 76 Abs. 1 AktG zulässigen vertraglichen Außeneinflusses ist überschritten. Die Einflussrechte mit einem einseitigen Bestimmungsrecht verstoßen gegen § 76 Abs. 1 AktG. Im Ergebnis sind Einflussrechte mit einem Mitentscheidungs- und Veto recht sowie Vorwegbindungen für Geschäftsführungsmaßnahmen mit § 76 Abs. 1 AktG vereinbar. Dagegen verstoßen Einflussrechte mit einem einseitigen Bestimmungsrecht gegen § 76 Abs. 1 AktG.
D. Ergebnisse des 3. Teils 1. Nach der Entstehungsgeschichte und dem Normzweck des § 76 Abs. 1 AktG enthält die Vorschrift eine grundsätzliche Grenze für vertragliche Einflussrechte auf die Geschäftsführung der Aktiengesellschaft. Durch eine gegenüber Einflüssen von außen autonome Geschäftsführung durch den Vorstand soll die Funktionsfähigkeit der Aktiengesellschaft gewährleistet werden. Die Vorschrift des § 76 Abs. 1 AktG ist Ausfluss des Grundsatzes der Verbandsautonomie. Die Sicherung eines autonomen Geschäftsführungsorgans zielt auf den Schutz der Verfolgung des Gesellschaftszwecks und damit im Ergebnis auf die Autonomie der Gesellschaft im Bereich der Geschäftsführung. Die Geschäftsführung soll in den Händen von Entscheidungsträgern liegen, die an das Gesellschaftsinteresse gebunden sind und einer hinreichenden Kontrolle unterliegen. 2. Bei der Konkretisierung der Grenzen des § 76 Abs. 1 AktG für vertragliche Einflussrechte erweist sich – entgegen einiger Stimmen im Schrifttum – die Unterscheidung zwischen Leitung und Geschäftsführung nicht als taugliche Grenze eines zulässigen Außeneinflusses. Grundsätzlich kann jede Geschäftsführungsmaßnahme im Rechtsund Interessenskreis der Gesellschaft eine Leitungsmaßnahme sein. Daher kann es nicht überzeugen, Einflussrechte auf Geschäftsführungsmaßnahmen stets als zulässig und Einflussrechte auf Leitungsmaßnahmen stets als unzulässig einzuordnen. Mit Blick auf die allgemeinen Vertragstypen des Zivilrechts kann eine generelle Zulässigkeit allein für Einflussrechte anerkannt werden, die sich auf Geschäftsführungsmaßnahmen im Rechts- und Interessenkreis des Einflussnehmenden beziehen. 3. Ferner kann auch aus § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG keine Wertung des allgemeinen Aktienrechts für die Grenzen eines zulässigen vertraglichen Außeneinflusses auf die Geschäftsführung entnommen werden. 150
D. Ergebnisse des 3. Teils
4.
5.
6.
7.
Die Zustimmungsvorbehalte nach § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG sind nach ihrem Normzweck nicht mit vertraglichen Einflussrechten Außenstehender vergleichbar. Auch die Argumentation im Schrifttum kann nicht überzeugen, nach der aus einem Vergleich der Einflussrechte der allgemeinen schuld rechtlichen Vertragstypen und dem Weisungsrecht eines Beherrschungsvertrages (§ 308 Abs. 1 Satz 1 AktG) die Zulässigkeit von vertraglichen Einflussrechten nach § 76 Abs. 1 AktG hergeleitet wird, sofern ihre Reichweite durch den Vertragszweck hinreichend begrenzt ist. Die Argumentation überzeugt aus dogmatischen Gründen nicht und führt zudem in dieser Pauschalität zu keinen brauchbaren Ergebnissen. Eine Konkretisierung der Grenzen eines zulässigen vertraglichen Außeneinflusses ergibt sich jedoch aus § 291 Abs. 2 AktG. Die Regelung des § 291 Abs. 2 AktG zeigt, dass das Aktienrecht durchaus einen Vertrag mit schuldrechtlichen Einflussrechten auf die Geschäftsführung der Gesellschaft kennt, die grundsätzlich in ihrer Intensität mit Einflussrechten mit einem Mitentscheidungs- und Vetorecht eines BCA vergleichbar sind. Dabei finden diese Einflussrechte ihren Rechtsgrund und ihre Grenze in dem gemeinsamen Vertragszweck und der gesellschafterlichen Treuepflicht. Dieser Vertrag ist weder ein Unternehmensvertrag, noch verstößt der Vertragsinhalt gegen § 76 Abs. 1 AktG. Bei § 291 Abs. 2 AktG handelt sich nicht um eine Ausnahmevorschrift i. e. S. Der Vorschrift liegt eine verallgemeinerungsfähige Wertung zugrunde, die grundsätzlich auf andere Vertragsgestaltungen übertragbar ist. Die weiteren Tatbestandsmerkmale in § 291 Abs. 2 AktG der gegenseitigen Einflussnahme, der einheitlichen Leitung sowie des fehlenden faktischen Abhängigkeitsverhältnisses zwischen den Vertragsparteien bilden nicht den tragenden Grund dafür, dass das allgemeine Aktienrecht die Einflussrechte eines Vertrages i. S. des § 291 Abs. 2 AktG als zulässig einordnet. Dabei hat § 291 Abs. 2 AktG keinen eigenen Regelungsgehalt, sondern gibt lediglich den Regelungsgehalt des § 76 Abs. 1 AktG deklaratorisch wieder. Einer Übertragung i. e. S. eines Analogieschlusses dieses deklaratorischen Regelungsgehaltes auf andere Vertragsgestaltungen (z. B. das BCA) bedarf es daher nicht. Die Zulässigkeit der Einflussrechte eines Vertrages i. S. des § 291 Abs. 2 AktG ergibt sich aus § 76 Abs. 1 AktG selbst. § 76 Abs. 1 AktG steht damit nicht jedweden vertraglichen Einflussrechten auf die Geschäftsführung entgegen. Voraussetzung für die Zulässigkeit der Einflussrechte ist allerdings, dass die einflussneh151
3. Teil: Vereinbarkeit mit der allg. aktienrechtlichen Organisationsverfassung
mende Vertragspartei lediglich ein Mitbestimmungs- und Vetorecht für die Geschäftsführungsmaßnahmen hat und die Einflussnahme damit grundsätzlich unter der Mitentscheidung der beeinflussten Partei erfolgt. Weitere Voraussetzung ist, dass die einflussnehmende Vertragspartei zur Mitberücksichtigung der individuellen Interessen beeinflussten Partei verpflichtet ist und nur ausnahmsweise gegen den Willen und ggf. auch zum Nachteil der beeinflussten Partei eine Einflussnahme durchsetzen kann, wenn dies zur Verfolgung des Vertragszwecks erforderlich, geeignet und angemessen ist. Die Reichweite des Einflussrechts muss folglich durch den Vertragszweck und die Treuepflicht gegenüber dem Vertragspartner begrenzt sein. 8. Einflussrechte mit einem Mitentscheidungs- und Vetorecht sowie Vorwegbindungen für Geschäftsführungsmaßnahmen sind daher mit § 76 Abs. 1 AktG vereinbar. Dagegen verstoßen Einflussrechte mit einem einseitigen Bestimmungsrecht gegen § 76 Abs. 1 AktG.
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4. Teil: Folgen der vorgenommenen Bewertung der vertraglichen Einflussrechte Schließlich ist zu untersuchen, welche Folgen die vorgenommene Bewertung der vertraglichen Einflussrechte auf deren Wirksamkeit gegenüber dem Bieter im Außenverhältnis sowie für die Verantwortlichkeiten der Beteiligten insbesondere bei der Vertragsdurchführung hat. Dabei ist zwischen den mit § 76 Abs. 1 AktG zu vereinbarenden Klauseln eines BCA (Einflussrechte mit einem Mitentscheidungs- und Vetorecht sowie Vorwegbindungen) und den gegen § 76 Abs. 1 AktG verstoßenden Ein flussrechten mit einem einseitigen Bestimmungsrecht zu unterscheiden.
A. Nach § 76 Abs. 1 AktG zulässige Einflussrechte eines BCA I. Wirksamkeit der Einflussrechte im Außenverhältnis Für die Beurteilung der Wirksamkeit der Einflussrechte mit einem Mit entscheidungs- und Vetorecht sowie der Vorwegbindungen gegenüber dem Bieter bilden die zivil- und aktienrechtlichen Grundlagen den Ausgangspunkt:753 Die Aktiengesellschaft kann als rechtsfähige juristische Person (§ 1 Abs. 1 Satz 1 AktG) ihre vertraglichen Rechtsbeziehungen privatautonom gestalten (vgl. § 311 Abs. 1 BGB).754 Sie wird dabei gemäß § 78 Abs. 1 Satz 1 AktG grundsätzlich durch den Vorstand vertreten, sofern nicht ausnahmsweise eine anderweitige Vertretung vorgesehen ist (z. B. nach § 112 Satz 1 AktG).755 Die Vertretungsbefugnis des Vorstandes ist nach außen gemäß § 82 Abs. 1 AktG unbeschränkt und unbeschränkbar.756 Dieser weiten Vertretungsbefugnis setzt das Gesetz durch zwei Fallgruppen Grenzen. Zum einen schreibt das Gesetz für bestimmte Rechtsge753 Zum Folgenden vgl. auch Schall, in: Kämmerer/Veil, Übernahme- und Kapitalmarktrecht, S. 75, 89. 754 Zur umfassenden Rechtsfähigkeit der AG vgl. Dauner-Lieb, in: KölnKomm-AktG, § 1 Rn. 4 ff., 15 ff.; Lutter, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 1 Rn. 4, 6 ff.; Fock, in: Spindler/Stilz, AktG, § 1 Rn. 13 ff. 755 Zu diesen und weiteren Fällen der ausnahmsweisen Vertretung durch andere vgl. Mertens/Cahn, in: KölnKomm-AktG, § 78 Rn. 10 ff.; Spindler, in: MünchKomm-AktG, § 82 Rn. 18 f.; Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 78 Rn. 3 ff.; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 82 Rn. 9. 756 Mertens/Cahn, in: KölnKomm-AktG, § 82 Rn. 1; Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 82 Rn. 3.
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4. Teil: Folgen der vorgenommenen Bewertung der vertraglichen Einflussrechte
schäfte vor, dass der Vorstand die Gesellschaft nur gemeinschaftlich mit anderen vertreten kann oder dass das Rechtsgeschäft nur mit Zustimmung anderer wirksam wird (z. B. § 293 Abs. 1 Satz 1 AktG).757 Hier sieht das Gesetz das Rechtsgeschäft zwar als zulässig an, bestimmt aber eine Einschränkung der Vertretungsmacht des Vorstandes durch zusätzliche Wirksamkeitserfordernisse.758 Eine gesetzliche Anordnung zusätzlicher Wirksamkeitserfordernisse ist für die Vereinbarung von Einflussrechten mit einem Mitentscheidungs- und Vetorecht sowie die Vorwegbindun gen in einem BCA jedoch nicht ersichtlich. Insbesondere erfüllen sie mangels Leitungsunterstellung i. S. des § 291 Abs. 1 Satz 1, 1. Fall AktG nicht die Merkmale eines Beherrschungsvertrages759 und unterliegen damit nicht den §§ 293 ff. AktG. Die Vertretungsmacht des Vorstandes ist insofern nicht beschränkt. Zum anderen bilden die allgemeinen Schranken der §§ 134, 138 BGB eine weitere – hiervon zu trennende – Grenze der Vertretungsmacht des Vorstandes im Sinne einer absoluten Wirksamkeitsgrenze. Die davon erfassten Rechtsgeschäfte dürfen durch den Vorstand überhaupt nicht – auch nicht unter Mitwirkung anderer Gesellschaftsorgane – geschlossen werden und sind folglich per se unwirksam.760 Ein Eingreifen dieser Schranken ist bei der Vereinbarung von Einflussrechten mit einem Mit entscheidungs- und Vetorecht sowie Vorwegbindungen allerdings nicht ersichtlich. Insbesondere ist ein Verstoß gegen § 76 Abs. 1 AktG als mögliches gesetzliches Verbot i. S. des § 134 BGB nicht gegeben.761 757 Zu diesem und weiteren Fällen der Vertretung unter Mitwirkung anderer vgl. Mer tens/Cahn, in: KölnKomm-AktG, § 78 Rn. 13 ff.; Spindler, in: MünchKomm-AktG, § 82 Rn. 20 ff.; Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 78 Rn. 3 ff.; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 82 Rn. 10. 758 Ähnlich Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, AktG, § 82 Rn. 2; Spindler, in: MünchKomm-AktG, § 82 Rn. 13. Hiermit übereinstimmend nimmt die h. M. bei fehlender Mitwirkung des anderen auch die schwebende Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts nach § 177 BGB an; vgl. Hüffer, AktG, § 82 Rn. 5; Mertens/Cahn, in: KölnKomm-AktG, § 78 Rn. 20; Spindler, in: MünchKomm-AktG, § 82 Rn. 25; Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 78 Rn. 3; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 82 Rn. 11. Umstritten ist jedoch, ob die schwebende Unwirksamkeit auch gilt, wenn der Vorstand gänzlich von der Vertretung ausgeschlossen ist (z. B. § 112 Satz 1 AktG); dafür BGH, NJW 1989, 2055 f. (zur mitbestimmten GmbH); Olt manns, in: Heidel, Aktienrecht, § 82 AktG Rn. 6; a. A. – Nichtigkeit nach § 134 BGB – Mertens/Cahn, in: KölnKomm-AktG, § 78 Rn. 20; Spindler, in: MünchKomm-AktG, § 82 Rn. 26; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 82 Rn. 11. 759 Vgl. hierzu bereits eingangs unter 1. Teil, A. I. 760 Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, AktG, § 82 Rn. 2; Spindler, in: MünchKomm-AktG, § 82 Rn. 13; Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 82 Rn. 4; im Ergebnis auch Mertens/Cahn, in: KölnKomm-AktG, § 82 Rn. 8. 761 Vgl. hierzu unter 3. Teil, C. III. 3.
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A. Nach § 76 Abs. 1 AktG zulässige Einflussrechte eines BCA
Damit kann der Vorstand die Einflussrechte mit einem Mitentschei dungs- und Vetorecht sowie Vorwegbindungen auf Geschäftsführungsmaßnahmen der Zielgesellschaft in einem BCA gemäß § 164 Abs. 1 Satz 1 BGB i. V. m. § 78 Abs. 1 Satz 1 AktG wirksam nach außen gegenüber dem Bieter für die Zielgesellschaft begründen. Das gilt auch, wenn die Vereinbarung des BCA und der Einflussrechte im Einzelfall nicht im Gesellschafts- und Unternehmensinteresse liegt.762 Für die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts im Außenverhältnis ist es grundsätzlich unerheblich, dass das Rechtsgeschäft gegebenenfalls nicht im Gesellschafts- und Unternehmensinteresse liegt und die handelnden Vorstandsmitglieder daher im Innenverhältnis gegen ihre Sorgfaltspflichten nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG gegenüber der Gesellschaft verstoßen (vgl. auch § 82 Abs. 2 AktG).763 Eine Ausnahme kommt allenfalls nach den Grundsätzen über den Missbrauch der Vertretungsmacht in Betracht.764 Eine Anwendung dieser Grundsätze wird beim Abschluss eines BCA jedoch regelmäßig ausscheiden, da es an der erforderlichen Evidenz des Pflichtenverstoßes der Vorstandsmitglieder für den Bieter fehlt.765 Einflussrechte mit einem Mitentscheidungs- und Vetorecht sowie Vor wegbindungen auf Geschäftsführungsmaßnahmen der Zielgesellschaft durch ein BCA können für die Zielgesellschaft von deren Vorstand im Rahmen seiner Vertretungsmacht nach § 78 Abs. 1 Satz 1 AktG im Außenverhältnis gegenüber dem Bieter wirksam begründet werden. Diese Einflussrechte begründen damit von dem Bieter durchsetzbare und vollstreckbare vertragliche Pflichten der Zielgesellschaft. Der Vereinbarung eines Vorbehalts i. S. einer sog. „fiduciary-out“-Klausel766 bedarf es entsprechend der Interessenlage der Vertragsparteien eines BCA daher nicht. 762 Hiermit übereinstimmend wird im Schrifttum befürwortet, nicht im Gesellschafts- und Unternehmensinteresse liegende Einflussrechte nur als einen das Innenverhältnis betreffenden Pflichtenverstoß der Vorstandsmitglieder zu behandeln; siehe Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 76 Rn. 75 ff.; ders., FS Schwark, 2009, S. 137, 151 f.; Paschos, NZG 2012, 1142, 1144; so wohl auch Spindler, in: MünchKomm-AktG, § 76 Rn. 25; zumindest missverständlich daher Ederle, S. 171 f. 763 Oltmanns, in: Heidel, Aktienrecht, § 82 AktG Rn. 6; M. Weber, in: Hölters, AktG, § 82 Rn. 1; Mertens/Cahn, in: KölnKomm-AktG, § 82 Rn. 44; Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 82 Rn. 3; allgemein zur Trennung von Außen- und Innenverhältnis im Vertretungsrecht Wolf/Neuner, BGB AT, § 50 Rn. 7 f. 764 Zu den Grundsätzen des Missbrauchs der Vertretungsmacht in der AG vgl. Hüffer, AktG, § 82 Rn. 6 f.; Mertens/Cahn, in: KölnKomm-AktG, § 82 Rn. 45 f.; Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 82 Rn. 5 ff.; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 82 Rn. 12 ff. 765 Zum Erfordernis der Evidenz vgl. statt aller Wolf/Neuner, BGB AT, § 49 Rn. 105. 766 Vgl. oben unter 2. Teil, B. I.
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4. Teil: Folgen der vorgenommenen Bewertung der vertraglichen Einflussrechte
II. Verantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder der Zielgesell schaft bei Abschluss des BCA Auch wenn der Vorstand damit die Zielgesellschaft durch die Einflussrechte eines BCA wirksam nach außen verpflichten kann, bleiben die Folgen eines Überschreitens des rechtlichen Dürfens der handelnden Vorstandsmitglieder im Innenverhältnis unberührt. Die Vorstandsmitglieder sind bei Handlungen für die Zielgesellschaft dazu verpflichtet, zum Wohle der Gesellschaft und damit im Gesellschafts- und Unternehmensinteresse der Zielgesellschaft zu handeln (vgl. auch § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG). Vereinbaren sie somit in einem BCA einen Unternehmenszusammenschluss und schränken sie dabei z. B. durch die Vereinbarung von Vorwegbindungen auf Geschäftsführungsmaßnahmen die Autonomie der Gesellschaft ein, so muss dies zur Verfolgung einer unternehmerischen Strategie im Gesellschafts- und Unternehmensinteresse der Zielgesellschaft liegen. Dabei hat die Untersuchung bereits gezeigt, dass ein Unternehmenszusammenschluss als Teil einer unternehmerischen Strategie auch mit der Folge einer konzernrechtlichen faktischen Unterordnung durchaus im Gesellschafts- und Unternehmensinteresse der Zielgesellschaft liegen kann.767 Die Vereinbarung eines BCA und auch der nach § 76 Abs. 1 AktG möglichen Einflussrechte stellt daher nicht per se eine Maßnahme dar, die mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters (§ 93 Abs. 1 Satz 1 AktG) unvereinbar wäre.768 Ob in dem Vertragsschluss eine Pflichtverletzung der handelnden Vorstandsmitglieder liegt, die zu gesellschaftsinternen Sanktionen führen kann (vgl. §§ 84 Abs. 3 Satz 2, 93 Abs. 2 Satz 1 AktG), ist im Einzelfall festzustellen. Dabei stellt der Vertragsschluss eine unternehmerische Entscheidung der Vorstandsmitglieder i. S. des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG dar. Eine unternehmerische Entscheidung liegt vor, wenn die Vorstandsmitglieder zwischen verschiedenen Handlungsmöglichkeiten, deren Folgen ungewiss sind, frei entscheiden können (sog. Handlungsermessen).769 Die strategische Ausrichtung des Unternehmens der Zielgesellschaft ist keine gesetzlich oder anderweitig vorgegebene Entscheidung. Hierfür stehen in 767 Vgl. hierzu 2. Teil, A. II. 1. 768 Vgl. auch Banerjea, DB 2003, 1489, 1494. 769 Zum Begriff der unternehmerischen Entscheidung vgl. Bürgers/Israel, in: Bürgers/ Körber, AktG, § 93 Rn. 11; Hüffer, AktG, § 93 Rn. 4f; Krieger/Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 93 Rn. 12; eingehend auch Fleischer, in: Spindler/ Stilz, AktG, § 93 Rn. 67 ff.; vgl. auch die § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG vorangegangenen grdl. Entscheidung BGHZ 135, 244, 253 f. – „ARAG/Garmenbeck“.
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A. Nach § 76 Abs. 1 AktG zulässige Einflussrechte eines BCA
aller Regel verschiedene und in ihren Folgen ungewisse Handlungsoptionen zur Verfügung. Die Beurteilung der Unternehmensstrategie, das Unternehmen zukünftig unter Eingliederung in die Unternehmensgruppe eines anderen zu betreiben und dies auch durch das BCA zu vereinbaren, stellt eine solche Handlungsoption dar. Der Abschluss eines BCA ist somit eine unternehmerische Entscheidung i. S. des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG. Dürfen die Vorstandsmitglieder bei dem Vertragsschluss vernünftigerweise annehmen, auf der Grundlage angemessener Information zum Wohle der Gesellschaft zu handeln, so liegt in der Vereinbarung eines BCA gemäß § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG von vornherein keine Pflichtverletzung der handelnden Vorstandsmitglieder. Bei der Beurteilung haben die Vorstandsmitglieder gleichwohl zu berücksichtigen, dass insbesondere die vereinbarten Einflussrechte zu einer Einschränkung der Autonomie der Zielgesellschaft im Bereich der Geschäftsführung führen. Sie müssen daher durch hinreichende Prüfungen der wirtschaftlichen und recht lichen Verhältnisse der Zielgesellschaft ex ante zu der Einschätzung770 gelangt sein, dass die Chancen des BCA und der damit verfolgten Unternehmensstrategie die potentiellen Risiken durch die Autonomieein schränkungen im konkreten Einzelfall überwiegen.771 Ihnen obliegt nach § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG somit vor dem Vertragsschluss die Pflicht zur sorgfältigen Entscheidungsvorbereitung.772 Der Vorstand muss für die Bewertung der Chancen und Risiken des Vertrages mit angemessenen Informationen als Entscheidungsgrundlage versorgt sein, für die unter Umständen auch externe Beratungsleistungen hinzuzuziehen sind.773 Dabei hängt es jeweils von den wirtschaftlichen und rechtlichen Verhältnissen der Zielgesellschaft ab, ob die Vorstandsmitglieder annehmen dürfen, durch den Vertragsschluss zum Wohle der Gesellschaft i. S. des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG zu handeln. So werden sie z. B. bei einer bestehenden guten Kapitalausstattung der Zielgesellschaft häufig annehmen dürfen, die Vereinbarung der Pflicht, bis zum Abschluss des Übernahmeverfahrens keine Kapitalbeschaffung durch die Ausnutzung eines geneh770 Zur Risikoabwägung ex ante vgl. Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, AktG, § 93 Rn. 13, 15; Hüffer, AktG, § 93 Rn. 4f; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 93 Rn. 71. 771 So zu einzelnen deal-protection-Klauseln auch Banerjea, DB 2003, 1489, 1494; allgemein zu schuldrechtlichen Vorwegbindungen Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 93 Rn. 77; ders., FS Schwark, 2009, S. 137, 151 f. 772 Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 93 Rn. 73. 773 Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, AktG, § 93 Rn. 13; Hüffer, AktG, § 93 Rn. 4g; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 93 Rn. 73.
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4. Teil: Folgen der vorgenommenen Bewertung der vertraglichen Einflussrechte
migten Kapitals vorzunehmen, sei mit dem Gesellschafts- und Unternehmensinteresse zu vereinbaren.774 Als problematischer ist dagegen die Beurteilung einer Verpflichtung der Zielgesellschaft anzusehen, mit Personen, die beabsichtigen ein konkurrierendes Übernahmeangebot abzugeben, nicht in Verhandlungen zu treten bzw. diesen Personen keine Informationen in Bezug auf die Zielgesellschaft zur Verfügung zu stellen (sog. „No Talk“-Klausel). Der Vorstand muss hierbei auf Grundlage einer Analyse der Marktlage zu der Einschätzung gelangen, dass mit einem für die Zielgesellschaft und ihre Aktionäre besseren konkurrierenden Angebot nach aller Wahrscheinlichkeit nicht zu rechnen ist.775 Die Vorstandsmitglieder tragen damit nach § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG bei Abschluss eines BCA die Verantwortung für eine sorgfältige Entscheidungsvorbereitung. Kommen sie unter Beachtung dieser Anforderungen an die Entscheidungsfindung jedoch ex ante zu der Einschätzung, dass die Chancen des BCA und der damit verfolgten Unternehmensstrategie die potentiellen Risiken durch die Autonomieeinschränkungen im konkreten Einzelfall überwiegen, so liegt gemäß § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG keine Pflichtverletzung der handelnden Vorstandsmitglieder vor. Ein Eingreifen der §§ 84 Abs. 3 Satz 2, 93 Abs. 2 Satz 1 AktG scheidet damit aus.
III. Verantwortlichkeiten der Beteiligten bei der Vertrags durchführung 1. Verantwortlichkeiten bis zum Erwerb der Anteils- und Stimmen mehrheit an der Zielgesellschaft durch den Bieter Bei den Verantwortlichkeiten der Beteiligten im Rahmen der Vertragsdurchführung ist zunächst entsprechend der hier angenommen Prämis-
774 Allgemein zu Ermessensentscheidungen des Vorstandes bei Nichtdurchführung von Kapitalmaßnahmen auch Bungert/Wansleben, ZIP 2013, 1841, 1844. Zu weitgehend dagegen Paschos, NZG 2012, 1142, 1144, der eine Bindung von 18 Monaten im Fall W.E.T./Amerigon über die Dauer des Übernahmeverfahrens hinaus für zulässig hält, um hiermit den Abschluss eines von den Parteien geplanten Beherrschungsvertrages auf der nächsten ordentlichen Hauptversammlung zu sichern. Das erscheint jedoch in der Begründung zu pauschal. Die Kosten einer außer ordentlichen Hauptversammlung dürften nur in Ausnahmefällen die Risikotragung aus dem Wegfall der Finanzierungsmöglichkeit des genehmigten Kapitals rechtfertigen. 775 Zutreffend Banerjea, DB 2003, 1489, 1494; vgl. auch Seibt, in: Kämmerer/Veil, Übernahme- und Kapitalmarktrecht, S. 105, 125 („aktienrechtlich selten zuläs sig“).
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A. Nach § 76 Abs. 1 AktG zulässige Einflussrechte eines BCA
se776 die Konstellation zu betrachten, dass bei Vertragsschluss eines BCA zwischen den Vertragsparteien noch kein faktisches Abhängigkeitsverhältnis i. S. des § 17 Abs. 1 AktG besteht. Der Bieter kann in dieser Konstellation seine Einflussrechte aus dem BCA grundsätzlich gegenüber der Zielgesellschaft durchsetzen. Bei der Einflussnahme ist er jedoch auf Grundlage seiner gesellschafterlichen Treuepflicht aus dem BCA zur Berücksichtigung der Interessen der Zielgesellschaft verpflichtet. Er darf nur insoweit Einfluss nehmen, wie es für den Unternehmenszusammenschluss erforderlich, geeignet und angemessen ist.777 Diese Bindung gegenüber den Interessen der Zielgesellschaft haben auch die für den Bieter handelnden Organmitglieder zu beachten. Verursachen sie z. B. durch die treuwidrige Nichterteilung der Zustimmung zu einer vorteilhaften Maßnahme einen Schaden der Zielgesellschaft, so wird dem Bieter das Verschulden seiner Organmitglieder zugerechnet (§ 31 BGB analog). Bei grober Fahrlässigkeit (vgl. §§ 708, 277 BGB) ist der Bieter der Zielgesellschaft dann zum Schadensersatz nach § 280 Abs. 1 BGB verpflichtet.778 Als Schadensersatz kommt dabei grundsätzlich auch die Rücknahme einer treuwidrigen – noch nicht befolgten – Einflussnahme in Betracht (vgl. § 249 Abs. 1 BGB). Daneben haften der Bieter sowie ggf. auch die für diesen handelnden Organmitglieder für treuwidrige, und damit rechtswidrige, vorsätzliche Einflussnahmen nach § 117 Abs. 1 AktG.779 Die Vorstandsmitglieder der Zielgesellschaft haben bei der Vertragsdurchführung zwar die Interessenbindung der Zielgesellschaft an das gemeinsame Interesse am Unternehmenszusammenschluss zu beachten.780 Soweit ihnen bei der Ausübung vertraglicher Rechte (z. B. Stimmrecht in einem gemeinsamen Gremium) jedoch ein Entscheidungsspielraum zukommt, sind sie gegenüber der Zielgesellschaft weiterhin verpflichtet, das Gesellschafts- und Unternehmensinteresse der Zielgesellschaft in die Festlegung z. B. der Integrationsmaßnahmen einfließen zu lassen. Die Vorstandsmitglieder der Zielgesellschaft unterliegen dieser Pflichtbindung und ihren Verantwortlichkeiten auch, wenn sie unzulässigen – also z. B. treuwidrigen – Einflussnahmen des Bieters nachkommen. Aus § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG ergibt sich die Pflicht zur Prüfung, ob den Einfluss776 Vgl. oben unter 1. Teil, B. I. 2. 777 Vgl. hierzu unter 2. Teil, B. III. 2. 778 Zur Parallelsituation beim Interessengemeinschaftsvertrag vgl. unter 3. Teil, C. III. 2. b) cc) (2) (b). 779 Zur Parallelsituation beim Interessengemeinschaftsvertrag vgl. unter 3. Teil, C. III. 2. b) cc) (2) (b). 780 Vgl. hierzu unter 2. Teil, B. III. 2.
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4. Teil: Folgen der vorgenommenen Bewertung der vertraglichen Einflussrechte
nahmen des Bieters nach dem BCA Folge zu leisten ist. Sie haben insbesondere zu prüfen, ob die veranlasste Maßnahme für den Unternehmenszusammenschluss erforderlich, geeignet und angemessen ist. Ist dies nicht der Fall, ist die Befolgung der Einflussnahme gegenüber dem Bieter abzulehnen. Bei einer wiederholten und dauerhaften treuwidrigen Einflussnahme haben die Vorstandsmitglieder der Zielgesellschaft zudem zu prüfen, ob gegen den Bieter Unterlassungsansprüche auf Grundlage seiner Treuepflicht geltend gemacht werden können.781 Außerdem kann eine wiederholte und dauerhafte treuwidrige Einflussnahme einen wichtigen Grund zur Kündigung des BCA nach § 723 Abs. 1 Satz 2 BGB darstellen. Hierin liegt eine Verletzung der dem Bieter nach dem BCA obliegenden wesentlichen Verpflichtung (Treuepflicht), die – vorbehaltlich einer Prüfung im Einzelfall – eine schwerwiegende Störung des Vertrauensverhältnisses sowie der Zusammenarbeit zur Erreichung des gemeinsamen Zwecks und damit einen wichtiger Grund i. S. des § 723 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1, 1. Fall BGB begründet.782 Bei der Willensbildung für die Kündigung des BCA haben die Vorstandsmitglieder der Zielgesellschaft gleichwohl auch zu berücksichtigen, ob das Gesellschafts- und Unternehmensinteresse der Zielgesellschaft eher durch eine Kündigung des BCA oder durch ein Festhalten an dem Vertrag und damit dem Unternehmenszusammenschluss verwirklicht werden kann. Verletzen die Vorstandsmitglieder diese Pflichtbindung und Verantwortlichkeit schuldhaft, so unterliegen sie weiterhin den gesellschaftsinternen Sanktionsinstrumenten (vgl. §§ 84 Abs. 3 Satz 2, 93 Abs. 2 Satz 1 AktG).783 Sie haften insbesondere nach § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG gegenüber der Zielgesellschaft bei schuldhafter Verletzung ihrer Pflicht aus § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG zur Überprüfung der Einflussnahmen des Bieters für einen der Zielgesellschaft hieraus entstehenden Schaden. Im Rahmen dieser Prüfung ist für eine Anwendung des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG mangels unternehmerischer Entscheidung kein Raum. Diese liegt nur bei Entscheidungen mit Beurteilungsspielraum über verschiedene Handlungsoptionen vor. Besteht jedoch nur ein Beurteilungsspielraum für die Voraussetzung (treuwidrige Veranlassung) einer im Übrigen vorgegebe781 Zur Treuepflicht als Grundlage von Unterlassungsansprüchen vgl. Schöne, in: Bamberger/Roth, BGB, § 705 Rn. 105; Ulmer/Schäfer, in: MünchKomm-BGB, § 705 Rn. 223; Hadding/Kießling, in: Soergel, BGB, § 705 Rn. 58. 782 Vgl. auch BGHZ 4, 108, 113; H. P. Westermann, in: Erman, BGB, § 723 Rn. 12; Schäfer, in: MünchKomm-BGB, § 723 Rn. 31. 783 Zur Parallelsituation beim Interessengemeinschaftsvertrag vgl. unter 3. Teil, C. III. 2. b) cc) (2) (b).
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A. Nach § 76 Abs. 1 AktG zulässige Einflussrechte eines BCA
nen Handlung (Nichtbefolgung der Einflussnahme), so liegt keine unternehmerische Entscheidung vor.784 Im Fall einer Haftung nach § 117 Abs. 1 AktG haften die für die Zielgesellschaft handelnden Organmitglieder zudem neben dem Bieter bzw. dessen Organmitgliedern gemäß § 117 Abs. 2 Satz 1 AktG als Gesamtschuldner, wenn sie unter Verletzung ihrer Pflichten gehandelt haben. 2. Verantwortlichkeiten nach Erwerb der Anteils- und Stimmenmehr heit an der Zielgesellschaft durch den Bieter Mit dem Erwerb der Anteils- und Stimmenmehrheit an der Zielgesellschaft im Rahmen des Übernahmeverfahrens durch den Bieter wird die Zielgesellschaft grundsätzlich faktisch abhängiges Unternehmen des Bieters (vgl. § 17 Abs. 2 AktG). In dieser Konstellation ändert sich an den soeben beschriebenen Verantwortlichkeiten zunächst nichts. Insbesondere kann der Bieter nach dem BCA berechtigte Einflussnahmen gegenüber der Zielgesellschaft durchsetzen. Verweigert der Bieter z. B. die Zustimmung zu einer Geschäftsführungsmaßnahme der Zielgesellschaft, ohne dass dies auf Ebene des BCA treuepflichtwidrig wäre, so bleibt die Zielgesellschaft weiterhin zur Unterlassung der Maßnahme verpflichtet. Die Verantwortlichkeiten der handelnden Personen werden jedoch durch die nunmehr anzuwendenden §§ 311 ff. AktG modifiziert. Das gilt insbesondere für die Prüfpflicht des Vorstands der Zielgesellschaft, so dass es zu einer zweistufigen Prüfung kommt:785 Verweigert der Bieter z. B. die Zustimmung zu einer vorteilhaften Geschäftsführungsmaßnahme der Zielgesellschaft oder fordert er z. B. die Zielgesellschaft in einem gemeinsamen Gremium zur Zustimmung zu einer für sie nachteilhaften Geschäftsführungsmaßnahme auf, so muss der Vorstand erstens prüfen, ob die Verweigerung der Zustimmung mit der Treuepflicht des Bieters aus dem BCA zu vereinbaren bzw. ob die Zielgesellschaft kraft ihrer Treuepflicht zur Zustimmung verpflichtet ist. Sofern dies jeweils der Fall ist, muss er grundsätzlich die vertraglichen Pflichten der Zielgesellschaft aus dem BCA erfüllen und die Maßnahme unterlassen bzw. die Zustimmung für die Zielgesellschaft erteilen. Ist die Zielgesellschaft jedoch aufgrund des BCA nicht dazu verpflichtet, die Maßnahme zu unterlassen bzw. die Zustimmung zu erteilen, so muss der Vorstand der Zielgesellschaft zweitens prüfen, ob der Nachteil aus der Einflussnahme des Bieters – also der Verweigerung seiner Zustimmung bzw. der Veranlassung 784 Vgl. auch BGHZ 135, 244, 254 f. – „ARAG/Garmenbeck“. 785 Zur Parallelsituation beim Interessengemeinschaftsvertrag vgl. bereits unter 3. Teil, C. III. 2. c) cc) (3).
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4. Teil: Folgen der vorgenommenen Bewertung der vertraglichen Einflussrechte
der Zustimmung der Zielgesellschaft – entsprechend den Anforderungen nach § 311 AktG durch den Bieter ausgeglichen werden kann und wird.786 Ist dies nicht gegeben, darf er der Einflussnahme des Bieters nicht nachkommen. Verletzt der Vorstand der Zielgesellschaft diese Prüfpflicht oder wirkt er nicht auf einen Ausgleich bis zum Ende des jeweiligen Geschäftsjahres hin (vgl. § 311 Abs. 2 Satz 2 AktG), so haftet er für einen der Zielgesellschaft hieraus entstehenden Schaden nach § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG. Erfolgt bis zum Ende des jeweiligen Geschäftsjahres kein Ausgleich des Nachteils, so kommt zudem eine Haftung des Bieters nach § 317 Abs. 1 Satz 1 AktG für aus seiner Einflussnahme entstandene Schäden der Zielgesellschaft in Betracht. Neben die Haftung aus § 317 Abs. 1 Satz 1 AktG kann zudem eine Haftung des Bieters aus § 117 Abs. 1 AktG treten.787 Daneben kommt auch eine Haftung der für den Bieter handelnden Organmitglieder nach §§ 317 Abs. 3, 117 Abs. 1 AktG in Betracht.
B. Gegen § 76 Abs. 1 AktG verstoßende Einflussrechte eines BCA Es verbleibt damit die Beurteilung der Rechtsfolgen für vertragliche Ein flussrechte mit einem einseitigen Bestimmungsrecht eines BCA, die gegen § 76 Abs. 1 AktG verstoßen, aber mangels Leitungsunterstellung i. S. des § 291 Abs. 1 Satz 1, 1. Fall AktG nicht als Beherrschungsvertrag788 eingeordnet werden können.
I. Nichtigkeit der übrigen Einflussrechte eines BCA gemäß § 134 BGB i. V. m. § 76 Abs. 1 AktG Die Frage nach den Rechtsfolgen des rechtsgeschäftlichen Verstoßes gegen § 76 Abs. 1 AktG wird uneinheitlich beantwortet. So wird zum Teil die Nichtigkeit im Außenverhältnis nach § 134 BGB i. V. m. § 76 Abs. 1 AktG,789 zum Teil aber auch ein allein das Innenverhältnis betreffender 786 So wohl auch Decher, FS Hüffer, 2010, S. 145, 155. 787 Zum Wiederaufleben der Haftung nach § 117 AktG nach Ablauf des Ende des Geschäftsjahres i. S. des § 311 Abs. 2 AktG vgl. Habersack, in: Emmerich/Habersack, Kommentar, § 311 Rn. 88; Hüffer, AktG, § 311 Rn. 50; Koppensteiner, in: KölnKomm-AktG, § 311 Rn. 164, § 317 Rn. 52. 788 Vgl. hierzu bereits eingangs unter 1. Teil, A. I. 789 So OLG München, AG 2013, 173, 176 – „WET“; LG München I, NZG 2012, 1152, 1154 – „WET“; Weinbrenner, S. 212 f.; Ederle, S. 172; Mertens/Cahn, in: KölnKomm-AktG, § 76 Rn. 46; Ederle, AG 2010, 273, 276; insofern wohl auch König, NZG 2013, 452, 453 f.
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4. Teil: Folgen der vorgenommenen Bewertung der vertraglichen Einflussrechte
der Zustimmung der Zielgesellschaft – entsprechend den Anforderungen nach § 311 AktG durch den Bieter ausgeglichen werden kann und wird.786 Ist dies nicht gegeben, darf er der Einflussnahme des Bieters nicht nachkommen. Verletzt der Vorstand der Zielgesellschaft diese Prüfpflicht oder wirkt er nicht auf einen Ausgleich bis zum Ende des jeweiligen Geschäftsjahres hin (vgl. § 311 Abs. 2 Satz 2 AktG), so haftet er für einen der Zielgesellschaft hieraus entstehenden Schaden nach § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG. Erfolgt bis zum Ende des jeweiligen Geschäftsjahres kein Ausgleich des Nachteils, so kommt zudem eine Haftung des Bieters nach § 317 Abs. 1 Satz 1 AktG für aus seiner Einflussnahme entstandene Schäden der Zielgesellschaft in Betracht. Neben die Haftung aus § 317 Abs. 1 Satz 1 AktG kann zudem eine Haftung des Bieters aus § 117 Abs. 1 AktG treten.787 Daneben kommt auch eine Haftung der für den Bieter handelnden Organmitglieder nach §§ 317 Abs. 3, 117 Abs. 1 AktG in Betracht.
B. Gegen § 76 Abs. 1 AktG verstoßende Einflussrechte eines BCA Es verbleibt damit die Beurteilung der Rechtsfolgen für vertragliche Ein flussrechte mit einem einseitigen Bestimmungsrecht eines BCA, die gegen § 76 Abs. 1 AktG verstoßen, aber mangels Leitungsunterstellung i. S. des § 291 Abs. 1 Satz 1, 1. Fall AktG nicht als Beherrschungsvertrag788 eingeordnet werden können.
I. Nichtigkeit der übrigen Einflussrechte eines BCA gemäß § 134 BGB i. V. m. § 76 Abs. 1 AktG Die Frage nach den Rechtsfolgen des rechtsgeschäftlichen Verstoßes gegen § 76 Abs. 1 AktG wird uneinheitlich beantwortet. So wird zum Teil die Nichtigkeit im Außenverhältnis nach § 134 BGB i. V. m. § 76 Abs. 1 AktG,789 zum Teil aber auch ein allein das Innenverhältnis betreffender 786 So wohl auch Decher, FS Hüffer, 2010, S. 145, 155. 787 Zum Wiederaufleben der Haftung nach § 117 AktG nach Ablauf des Ende des Geschäftsjahres i. S. des § 311 Abs. 2 AktG vgl. Habersack, in: Emmerich/Habersack, Kommentar, § 311 Rn. 88; Hüffer, AktG, § 311 Rn. 50; Koppensteiner, in: KölnKomm-AktG, § 311 Rn. 164, § 317 Rn. 52. 788 Vgl. hierzu bereits eingangs unter 1. Teil, A. I. 789 So OLG München, AG 2013, 173, 176 – „WET“; LG München I, NZG 2012, 1152, 1154 – „WET“; Weinbrenner, S. 212 f.; Ederle, S. 172; Mertens/Cahn, in: KölnKomm-AktG, § 76 Rn. 46; Ederle, AG 2010, 273, 276; insofern wohl auch König, NZG 2013, 452, 453 f.
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B. Gegen § 76 Abs. 1 AktG verstoßende Einflussrechte eines BCA
Pflichtenverstoß angenommen.790 Für die Fragestellung dieser Arbeit nach der Wirksamkeit der Einflussrechte im Außenverhältnis ist im Folgenden die Nichtigkeit nach § 134 BGB von Interesse. Bislang wurde die Einordnung des § 76 Abs. 1 AktG als Verbotsgesetz und die Nichtigkeit eines hiergegen verstoßenden Rechtsgeschäfts zwar vertreten. Eine hinreichende Herleitung dieses Ergebnisses anhand der Anforderungen des § 134 BGB sind Rechtsprechung und Schrifttum – soweit ersichtlich – bislang jedoch schuldig geblieben.791 Daher ist die Nichtigkeit der Einflussrechte nach § 134 BGB i. V. m. § 76 Abs. 1 AktG im Folgenden eingehend zu untersuchen. 1. Verstoß gegen ein Verbotsgesetz Für die Rechtsfolge der Nichtigkeit setzt § 134 BGB zunächst den objektiven792 Verstoß des Rechtsgeschäfts gegen ein Verbotsgesetz voraus. a) Anforderungen an ein Verbotsgesetz Als Gesetz i. S. des § 134 BGB kommt nach Art. 2 EGBGB jede Rechtsnorm in Betracht;793 also jede materielle Rechtsregel mit tatsächlicher und normativer Geltung, die mit potentieller Bindung für alle Rechtssubjekte generelle Verhaltensvorschriften aufstellt.794 Eine entsprechende Rechtsnormeigenschaft kann § 76 Abs. 1 AktG zugeordnet werden.
790 So ausdrücklich nur Fleischer im Diskussionsbericht von Tröger (ZHR 172 (2008), 592, 595); Paschos, NZG 2012, 1142, 1144; Bungert/Wansleben, ZIP 2013, 1841, 1845; wohl auch Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 76 Rn. 10 („kein[e] ... prin zipielle Grenze der Vertragsfreiheit“); Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 76 Rn. 69, 77; ders., FS Schwark, 2009, S. 137, 155. 791 So auch die Einschätzung von Weinbrenner, S. 211, der jedoch selbst von einer eingehenden dogmatischen Herleitung ausdrücklich absieht. 792 Nach ganz h. M. kommt es auf die subjektiven Kenntnisse der Vertragsparteien über das Verbot nicht an; siehe BGHZ 37, 363, 366; 115, 123, 130; 116, 268, 276; 122, 115, 122; Palm/Arnold, in: Erman, BGB, § 134 Rn. 10; Mansel, in: Jauernig, BGB, § 134 Rn. 8; Armbrüster, in: Münch-Komm-BGB, § 134 Rn. 110. 793 Wendtland, in: Bamberger/Roth, BGB, § 134 Rn. 5; Palm/Arnold, in: Erman, BGB, § 134 Rn. 8; Mansel, in: Jauernig, BGB, § 134 Rn. 8; Sack/Seibel, in: Staudinger, BGB, § 134 Rn. 16; zu Unrecht kritisch Armbrüster, in: Münch-Komm-BGB, § 134 Rn. 16, der wegen des weiten Rechtsnormbegriffs des Art. 2 EGBGB eine Beschränkung auf Normen „mit allgemeinem Geltungsanspruch“ vornehmen möchte. Allerdings setzt auch der Rechtsnormbegriff nach Art. 2 EGBGB eine generelle Geltung der Rechtsnorm voraus; vgl. Merten, in: Staudinger, BGB, Art. 2 EGBGB Rn. 13. 794 Zum Rechtsnormbegriff nach Art. 2 EGBGB vgl. eingehend Merten, in: Staudinger, BGB, Art. 2 EGBGB Rn. 5 ff.
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4. Teil: Folgen der vorgenommenen Bewertung der vertraglichen Einflussrechte
Weiter muss die Vorschrift als ein Verbotsgesetz auszulegen sein. Verbotsgesetze enthalten typischerweise Formulierungen im Wortlaut wie „darf nicht“ oder „kann nicht“, so dass diese ein Anhaltspunkt für die Auslegung als Verbotsgesetz sein können.795 Der Wortlaut des § 76 Abs. 1 AktG deutet zwar eher eine Pflicht des Vorstandes („hat ... zu leiten“) als ein Verbot an. Entscheidende Bedeutung für die Auslegung als Verbotsgesetz hat jedoch nicht der Wortlaut der jeweiligen Vorschrift, sondern ihr Sinn und Zweck.796 Zudem würde sich der Regelungsinhalt der autonomen Leitung durch eine Umformulierung (z. B. „darf nicht unter Auße neinfluss leiten“) nicht verändern. Der Wortlaut des § 76 Abs. 1 AktG steht einer Auslegung als Verbotsgesetz daher zumindest nicht entgegen. Zur Auslegung einer Vorschrift als Verbotsgesetz i. S. des § 134 BGB muss diese nach ihrem Sinn und Zweck ein bestimmtes Verhalten unter anderem durch die Vornahme eines Rechtsgeschäfts verhindern wollen.797 Eine Einordnung des § 76 Abs. 1 AktG als Verbotsgesetz setzt daher voraus, dass die Vorschrift eine zwingende Regelung ist. Dispositive Vorschriften sind keine Verbotsgesetze, da das Gesetz bei ihnen ein Abweichen von der gesetzlichen Regelung – mit anderen Worten ein entgegenstehendes Verhalten – gerade nicht verhindern will.798 Im Folgenden ist daher zu untersuchen, ob § 76 Abs. 1 AktG als zwingende Regelung auszulegen ist und ob ihr ein Verbotszweck i. S. des § 134 BGB entnommen werden kann. b) § 76 Abs. 1 AktG als zwingende Regelung Bei § 76 Abs. 1 AktG muss es sich zunächst um eine zwingende Regelung handeln. 795 Palm/Arnold, in: Erman, BGB, § 134 Rn. 9; vgl. auch Wendtland, in: Bamberger/ Roth, BGB, § 134 Rn. 9; Hefermehl, in: Soergel, BGB, § 134 Rn. 12 f.; Sack/Seibel, in: Staudinger, BGB, § 134 Rn. 31, die jedoch bei der Formulierung „kann nicht“ ein Verbotsgesetz i. S. des § 134 BGB ablehnen; die Bedeutung des Wortlauts insgesamt bezweifelnd Armbrüster, in: MünchKomm-BGB, § 134 Rn. 45. 796 BGHZ 118, 142, 146; Wendtland, in: Bamberger/Roth, BGB, § 134 Rn. 9; Arm brüster, in: MünchKomm-BGB, § 134 Rn. 45; Hefermehl, in: Soergel, BGB, § 134 Rn. 14; Sack/Seibel, in: Staudinger, BGB, § 134 Rn. 31; einschränkend Wolf/Neu ner, AT BGB, § 45 Rn. 7. 797 Wolf/Neuner, AT BGB, § 45 Rn. 3, 9; vgl. ferner Wendtland, in: Bamberger/Roth, BGB, § 134 Rn. 9; Hefermehl, in: Soergel, BGB, § 134 Rn. 2, 14; Sack/Seibel, in: Staudinger, BGB, § 134 Rn. 30. 798 Ganz h. M.; vgl. BGHZ 143, 283, 288; Wendtland, in: Bamberger/Roth, BGB, § 134 Rn. 9; Palm/Arnold, in: Erman, BGB, § 134 Rn. 9; Mansel, in: Jauernig, BGB, § 134 Rn. 8; Armbrüster, in: MünchKomm-BGB, § 134 Rn. 46; Sack/Seibl, in: Staudinger, BGB, § 134 Rn. 32.
164
B. Gegen § 76 Abs. 1 AktG verstoßende Einflussrechte eines BCA
aa) Anwendungsbereich des § 23 Abs. 5 AktG Nach § 23 Abs. 5 AktG besteht der Grundsatz der so genannten Satzungsstrenge.799 Die Regelungen des Aktiengesetzes sind zwingende Vorschriften, von denen bei der Satzungsgestaltung nach § 23 Abs. 5 Satz 1 AktG nur abgewichen werden darf, sofern das Gesetz eine Abweichung ausdrücklich zulässt. Trotz rechtspolitischer Kritik800 gilt der Grundsatz der Satzungsstrenge de lege lata ohne Einschränkungen.801 Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 23 Abs. 5 AktG gilt die Satzungsstrenge jedoch nur für die Aktionäre bei der Gestaltung der Satzung. Für schuldrechtliche Vereinbarungen außerhalb der Satzung – wie im Fall eines BCA – gilt § 23 Abs. 5 AktG nicht.802 Daher sind insbesondere auch schuldrechtliche Nebenabreden zwischen den Aktionären oder zwischen der Gesellschaft und den Aktionären möglich, deren Inhalt wegen § 23 Abs. 5 AktG in der Satzung nicht geregelt werden kann.803 So ist z. B. die Regelung einer über dem Ausgabebetrag liegenden Leistungspflicht des Aktionärs zwar in der Satzung als eine von § 54 Abs. 1 AktG abweichende Regelung nach § 23 Abs. 5 Satz 1 AktG unzulässig.804 Eine schuld rechtliche Vereinbarung außerhalb der Satzung mit dem Aktionär über höhere Leistungen bleibt dagegen grundsätzlich zulässig.805 Gleiches gilt für ergänzende schuldrechtliche Nebenabreden: Eine abschließende Regelung sieht das Gesetz z. B. für die Beschränkung der Verkehrsfähigkeit von Namensaktien mit der Möglichkeit zur Vinkulierung nach § 68 Abs. 2 AktG vor, so dass in der Satzung ergänzende Regelungen über Verfügungsbeschränkungen gemäß § 23 Abs. 5 Satz 2 AktG nicht getrof799 Zur Begriffsverwendung vgl. etwa Arnold, in: KölnKomm-AktG, § 23 Rn. 129. 800 Vgl. etwa Hey, S. 170 ff.; Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 23 Rn. 53; zur Verteidigung der Vorschrift vgl. Röhricht, in: GroßKomm-AktG, § 23 Rn. 167. 801 Chr. Weber, S. 137 f.; Körber, in: Bürgers/Körber, AktG, § 23 Rn. 40; Arnold, in: KölnKomm-AktG, § 23 Rn. 131 ff.; a. A. Hey, S. 177 ff.; Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 23 Rn. 53. 802 Körber, in: Bürgers/Körber, AktG, § 23 Rn. 53; Pentz, in: MünchKomm-AktG, § 23 Rn. 188; im Ergebnis auch Röhricht, in: GroßKomm-AktG, § 23 Rn. 258; Braunfels, in: Heidel, Aktienrecht, § 23 AktG Rn. 57; Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 23 Rn. 65. 803 H. M.; Körber, in: Bürgers/Körber, AktG, § 23 Rn. 53; Braunfels, in: Heidel, Aktienrecht, § 23 AktG Rn. 57; Solveen, in: Hölters, AktG, § 23 Rn. 39; Pentz, in: MünchKomm-AktG, § 23 Rn. 188; Limmer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 23 Rn. 41. 804 RGZ 113, 152, 154 f.; Solveen, in: Hölters, AktG, § 54 Rn. 5; Hüffer, AktG, § 54 Rn. 5; Bungeroth, in: MünchKomm-AktG, § 54 Rn. 21; Fleischer, in: K. Schmidt/ Lutter, AktG, § 54 Rn. 14. 805 RGZ 84, 328, 330 f.; Solveen, in: Hölters, AktG, § 54 Rn. 7; Hüffer, AktG, § 54 Rn. 7; Bungeroth, in: MünchKomm-AktG, § 54 Rn. 30; Fleischer, in: K. Schmidt/ Lutter, AktG, § 54 Rn. 17; Mayer, MittBayNot 2006, 281, 290.
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4. Teil: Folgen der vorgenommenen Bewertung der vertraglichen Einflussrechte
fen werden können.806 Eine Nebenvereinbarung etwa zwischen den Aktionären über eine schuldrechtliche Verfügungsbeschränkung i. S. des § 137 Satz 2 BGB für die Aktien (z. B. durch ein Vorkaufsrecht der übrigen Aktionäre) bleibt gleichwohl zulässig.807 Aus diesem Zusammenhang ergibt sich einerseits, dass die Satzung und schuldrechtliche Vereinbarungen neben der Satzung voneinander zu trennen sind.808 Andererseits zeigt sich, dass der allgemeine zwingende Charakter der Vorschriften des Aktiengesetzes nach § 23 Abs. 5 AktG nur für die Satzungsgestaltung gilt. Für schuldrechtliche Vereinbarungen außerhalb der Satzung gilt § 23 Abs. 5 AktG nicht. Ob durch eine schuldrechtliche Vereinbarung z. B. zwischen der Gesellschaft und einem Aktionär oder einem Dritten von einer aktienrechtlichen Vorschrift abgewichen werden kann, ist vielmehr im Einzelfall anhand der jeweiligen Vorschrift zu ermitteln.809 Aus § 23 Abs. 5 AktG ergibt sich lediglich, dass § 76 Abs. 1 AktG bei der Satzungsgestaltung zwingend ist und daher durch Satzungsregelungen von der unabhängigen Stellung des Vorstandes nicht abgewichen werden kann. Der zwingende Charakter des § 76 Abs. 1 AktG kann dagegen für den Fall eines BCA mit einer abweichenden Regelung außerhalb der Satzung nicht allein aus § 23 Abs. 5 AktG hergeleitet werden.810 bb) Der zwingende Charakter des § 76 Abs. 1 AktG außerhalb der Satzung Es ist somit durch Auslegung des § 76 Abs. 1 AktG zu ermitteln, ob dieser auch insoweit zwingend ist, dass von ihm auch durch ein Rechtsgeschäft außerhalb der Satzung nicht abgewichen werden darf. Zwar sieht das Aktiengesetz in §§ 308 Abs. 1 Satz 1, 323 Abs. 1 Satz 1 AktG selbst Möglichkeiten für von § 76 Abs. 1 AktG abweichenden Rechtsgeschäf806 H. M.; vgl. BGHZ 160, 253, 256; BayOblGZ 1988, 371, 376 f.; Lutter/Drygala, in: KölnKomm-AktG, § 68 Rn. 57; Bayer, in: MünchKomm-AktG, § 68 Rn. 39; Bez zenberger, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 68 Rn. 16. 807 BGH, ZIP 2013, 263, 264; BayOblGZ 1988, 371, 381; Lutter/Drygala, in: KölnKomm-AktG, § 68 Rn. 57; Bayer, in: MünchKomm-AktG, § 68 Rn. 41 f.; Bezzen berger, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 68 Rn. 16; Mayer, MittBayNot 2006, 281, 285. 808 H. M.; vgl. Röhricht, in: GroßKomm-AktG, § 23 Rn. 238, 256 f.; Hüffer, AktG, § 23 Rn. 47; Arnold, in: KölnKomm-AktG, § 23 Rn. 179; Pentz, in: MünchKomm-AktG, § 23 Rn. 192; Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 23 Rn. 68. 809 Vgl. auch Röhricht, in: GroßKomm-AktG, § 23 Rn. 257. 810 Anders zur atypischen stillen Gesellschaft wohl Priester, FS Raiser, 2005, S. 293, 300, 302.
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B. Gegen § 76 Abs. 1 AktG verstoßende Einflussrechte eines BCA
ten (Beherrschungsvertrag bzw. Eingliederungsbeschluss) vor. Aus diesen konzernrechtlichen Sondertatbeständen kann aber freilich nicht auf eine generelle Dispositivität des § 76 Abs. 1 AktG durch rechtsgeschäftliche Vereinbarungen geschlossen werden. Nimmt man jedoch zum einen den Normzweck des § 76 Abs. 1 AktG und zum anderen den Grund dafür in den Blick, warum § 23 Abs. 5 Satz 1 AktG eine von § 76 Abs. 1 AktG abweichende Satzungsregelung sperrt, so kann der zwingende Charakter des § 76 Abs. 1 AktG auch außerhalb der Satzung bejaht werden: Normzweck des § 76 Abs. 1 AktG ist die Erhaltung der Verbandsautonomie im Bereich der Geschäftsführung. Durch einen gegenüber den anderen Gesellschaftsorganen und gegenüber Außeneinflüssen unabhängigen Vorstand soll die Funktionsfähigkeit der Aktiengesellschaft bei der Verfolgung des Gesellschaftszwecks im Bereich der Geschäftsführung geschützt werden.811 Die Satzung kann davon nach § 23 Abs. 5 AktG nicht abweichen. Der Grund für die Satzungsstrenge liegt insbesondere in der Sicherstellung der Verkehrsfähigkeit der Aktie.812 Die Satzungsstrenge ist die notwendige Folge der Kapitalsammelfunktion813 der Aktiengesellschaft als Rechtsform zur Realisierung kapitalintensiver wirtschaftlicher Zwecke. Sie dient der hierfür erforderlichen Sicherung der Attraktivität der Aktie als handelbare und fungible Vermögensanlage.814 Zur Steigerung der Verkehrsfähigkeit der Aktien sollen insbesondere künftige Aktionäre bei ihrer Investitionsentscheidung darauf vertrauen dürfen, dass sie die Aktien einer Gesellschaft mit der im Aktiengesetz vorgegebenen Struktur und Organisation erwerben.815 So soll ein Aktienerwerber mit Blick auf § 76 Abs. 1 AktG auch darauf vertrauen dürfen, dass der Vorstand das Unternehmen unabhängig von Einflüssen anderer Organe, einzelner Aktionäre oder Dritter leitet.816 Die Verkehrsfähigkeit der Aktie wäre beeinträchtigt, wenn ein künftiger Aktionär den Satzungsinhalt vor einem Erwerb zunächst auf abweichende, ungewöhnliche oder gar für ihn nachteilige Bestimmungen überprü-
811 Vgl. bereits eingehend unter 3. Teil, B. III. 812 Pentz, in: MünchKomm-AktG, § 23 Rn. 150; Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 23 Rn. 53; Limmer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 23 Rn. 28; im Ergebnis auch Röhricht, in: GroßKomm-AktG, § 23 Rn. 167. 813 Zur Kapitalsammelfunktion mit entspr. Nachw. vgl. bereits oben unter 3. Teil, B. II. 2. a). 814 Braunfels, in: Heidel, Aktienrecht, § 23 AktG Rn. 40; vgl. auch Limmer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 23 Rn. 28; Grunewald, GesR, 2. C. Rn. 17. 815 Röhricht, in: GroßKomm-AktG, § 23 Rn. 167; Braunfels, in: Heidel, Aktienrecht, § 23 AktG Rn. 40; Pentz, in: MünchKomm-AktG, § 23 Rn. 150. 816 Vgl. auch Braunfels, in: Heidel, Aktienrecht, § 23 AktG Rn. 40.
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4. Teil: Folgen der vorgenommenen Bewertung der vertraglichen Einflussrechte
fen müsste.817 Die durch § 23 Abs. 5 AktG erreichte standardisierte Struktur der Aktiengesellschaft soll insofern die Entscheidungsparameter818 für den Erwerber verringern sowie die Vorausberechenbarkeit der rechtlichen Verhältnisse der Gesellschaft und damit auch die Rechtssicherheit für diesen erhöhen.819 Die Satzungsstrenge dient somit vor allem dem Schutz der zukünftigen Aktionäre.820 Zugleich schützt sie die aus volkswirtschaftlicher Sicht bedeutende Kapitalsammelfunktion der Aktiengesellschaft und hat dadurch mit Blick auf den Schutz der gegenwärtigen Aktionäre und Gläubiger auch eine sozialschützende Funktion.821 Sowohl § 76 Abs. 1 AktG als auch die aktienrechtliche Satzungsstrenge schützen somit – wenngleich in unterschiedlichen Ausprägungen – die Funktionsfähigkeit der Aktiengesellschaft als Kapitalsammelstelle: § 76 AktG stellt eine unabhängige funktionsfähige Verfolgung des Gesellschaftszwecks im Rahmen der Geschäftsführung sicher und § 23 Abs. 5 AktG schützt das Vertrauen darauf, dass die funktionsfähige Geschäftsführung nicht durch abweichende Satzungsregelungen umgangen wird.822 Diesem Schutzzweck würde es zuwiderlaufen, wenn die Gesellschaft durch Verträge gegenüber einzelnen Aktionären oder Dritten schuldrechtliche Pflichten zu einer von den §§ 76 ff. AktG abweichenden Organisation der Geschäftsführung begründen würde. Durch schuldrechtliche Verträge neben der Satzung kann die Gesellschaft zwar gegenüber einem Aktionär von einzelnen Vorschriften des Aktiengesetzes abweichen. Es ist jedoch Voraussetzung für die Zuläs sigkeit dieser Abweichungen, dass der Vertragsinhalt ausschließlich das Verhältnis zu dem am Vertrag beteiligten Aktionär betrifft. Nur in diesem Fall kann ein zukünftiger Aktionär darauf vertrauen, dass der Vertrag für ihn keine Auswirkungen hat. Durch einen schuldrechtlichen Vertrag kann die Gesellschaft jedoch keinen Vertragsinhalt vereinbaren, durch den die sog. materiellen Bestandteile ihrer Verfassung mit körper-
817 Pentz, in: MünchKomm-AktG, § 23 Rn. 150; im Ergebnis auch Körber, in: Bürgers/Körber, AktG, § 23 Rn. 40; Röhricht, in: GroßKomm-AktG, § 23 Rn. 167. 818 Zu den Entscheidungsparametern des Erwerbers vgl. Röhricht, in: GroßKomm-AktG, § 23 Rn. 167. 819 Röhricht, in: GroßKomm-AktG, § 23 Rn. 167. 820 Vgl. auch Röhricht, in: GroßKomm-AktG, § 23 Rn. 167; Grunewald, GesR, 2. C. Rn. 17; weiteres Verständnis – auch Schutz gegenwärtiger Aktionäre und der Gläubiger – bei Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 23 Rn. 53. 821 So wohl auch Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 23 Rn. 53. 822 Vgl. hierzu auch Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 76 Rn. 11.
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B. Gegen § 76 Abs. 1 AktG verstoßende Einflussrechte eines BCA
schaftsrechtlichen Charakter abweichend geregelt werden.823 Ein körperschaftsrechtlicher Charakter ist gegeben, wenn ein Verfassungsbestandteil nach objektiven Kriterien824 für einen unbestimmten Personenkreis – insbesondere gegenwärtige und zukünftige Gesellschafter sowie die Gläubiger der Gesellschaft – von Bedeutung ist.825 Auch wenn Vereinbarungen über eine Abweichung von der eigenverantwortlichen Leitung nach § 76 Abs. 1 AktG – wie bei den Einflussrechten eines BCA – schuld rechtlich nur Pflichten inter partes begründen, haben diese dennoch Auswirkungen auf die Organisationsstruktur der Gesellschaft insgesamt und damit auch Auswirkungen auf alle gegenwärtigen und die zukünftigen Aktionäre. Ein zukünftiger Aktionär würde Aktien an einer Gesellschaft erwerben, bei der die Geschäftsleitung entgegen § 76 Abs. 1 AktG gerade nicht frei von vertraglichen Außeneinflüssen ist. Somit hat § 76 Abs. 1 AktG körperschaftsrechtlichen Charakter. Zukünftige Aktionäre müssen zum Zwecke der Sicherung der Verkehrsfähigkeit der Aktien gleichsam darauf vertrauen dürfen, dass die unabhängige Stellung des Vorstandes auch nicht durch Vereinbarungen neben der Satzung schuld rechtlich derogiert wird.826 Vor diesem Hintergrund ergibt sich aus dem Normzweck des § 76 Abs. 1 AktG, dass es sich um eine allgemein zwingende Norm handelt. Von dieser darf auch durch ein Rechtsgeschäft neben der Satzung nicht abgewichen werden.827
823 BGH, ZIP 2013, 263, 264; Pentz, in: MünchKomm-AktG, § 23 Rn. 40; Mayer, MittBayNot 2006, 281, 283; ähnlich Röhricht, in: GroßKomm-AktG, § 23 Rn. 258 f. („keine korporationsrechtliche Wirkung“). Übereinstimmend werden Nebenabreden über die Satzungsbestandteile nach § 23 Abs. 3 AktG als unzulässig angesehen; siehe Arnold, in: KölnKomm-AktG, § 23 Rn. 181; zum Unternehmensgegenstand Tieves, S. 203 ff.; wohl auch Pentz, in: MünchKomm-AktG, § 23 Rn. 188; Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 23 Rn. 65. 824 Zutreffend Röhricht, in: GroßKomm-AktG, § 23 Rn. 29. 825 Im Kapitalgesellschaftsrecht st. Rspr.; siehe BGHZ 14, 25, 36 f; BGH, NJW 1973, 1039, 1040; BGHZ 123, 347, 350 jeweils m. w. Nachw.; ferner Röhricht, in: GroßKomm-AktG, § 23 Rn. 29 ff.; Limmer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 23 Rn. 40; kritisch Braunfels, in: Heidel, Aktienrecht, § 23 AktG Rn. 8. 826 Im Ergebnis auch LG München I, NZG 2012, 1152, 1153 – „WET“; zustimmend OLG München, AG 2013, 173, 176 – „WET“. 827 So im Ergebnis auch Mertens/Cahn, in: KölnKomm-AktG, § 76 Rn. 46; Otto, NZG 2013, 930, 935.
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4. Teil: Folgen der vorgenommenen Bewertung der vertraglichen Einflussrechte
c) Der Verbotszweck des § 76 Abs. 1 AktG Allein ihr zwingender Charakter macht eine Norm noch nicht zum Verbotsgesetz.828 Dieser ist allenfalls ein Indiz für den Verbotscharakter.829 Die Vorschrift muss vielmehr nach ihrem Normzweck830 die Vornahme eines Rechtsgeschäfts verhindern wollen, dass wegen seines Inhalts, wegen des mit dem Geschäft bezweckten Erfolges oder auf Grund der Umstände seiner Vornahme gegen die Vorschrift verstößt.831 Die Vereinbarung von Einflussrechten mit einem einseitigen Bestim mungsrecht für Geschäftsführungsmaßnahmen wie im Fall eines BCA würde einen Vertragsinhalt darstellen, der mit der zwingenden unabhängigen Stellung der Geschäftsführung nach § 76 Abs. 1 AktG nicht zu vereinbaren wäre;832 dies würde mithin einen inhaltlichen Verstoß gegen § 76 Abs. 1 AktG darstellen. Dabei verdeutlicht die von § 76 Abs. 1 AktG bezweckte Erhaltung der Funktionsfähigkeit der Aktiengesellschaft und ihre volkswirtschaftliche Bedeutung als Rechtsform zur Realisierung kapitalintensiver wirtschaftlicher Zwecke, dass es sich bei der Regelung des § 76 Abs. 1 AktG nicht um eine bloße Ordnungsvorschrift handelt.833 Das Gesetz will vielmehr eine von Außeneinflüssen abhängige Geschäftsführung der Aktiengesellschaft und die dadurch beeinträchtigte Funktionsfähigkeit der Aktiengesellschaft insbesondere zum Schutz potentieller zukünftiger Aktionäre verhindern. Hiermit bezweckt das Gesetz zugleich die Verhinderung einer Beeinträchtigung der volkswirtschaftlich bedeutenden und daher im öffentlichen Interesse liegenden Kapitalsammelfunktion der Aktiengesellschaft.834 Die Vorschrift des § 76 Abs. 1 AktG enthält daher ein gesetzliches Verbot i. S. des § 134 BGB, dass abweichende schuldrechtliche Vereinbarungen mit einzelnen Aktionären oder Dritten sowohl durch 828 Wendtland, in: Bamberger/Roth, BGB, § 134 Rn. 9; Palm/Arnold, in: Erman, BGB, § 134 Rn. 9; Hefermehl, in: Soergel, BGB, § 134 Rn. 13; Sack/Seibel, in: Staudinger, BGB, § 134 Rn. 31. 829 Armbrüster, in: MünchKomm-BGB, § 134 Rn. 46, 49. 830 Zum Normzweck als maßgebliches Kriterium zutreffend auch Armbrüster, in: MünchKomm-BGB, § 134 Rn. 41, 49. 831 Vgl. auch BGHZ 78, 263, 265; Wendtland, in: Bamberger/Roth, BGB, § 134 Rn. 9; Hefermehl, in: Soergel, BGB, § 134 Rn. 14; Sack/Seibel, in: Staudinger, BGB, § 134 Rn. 30. 832 Vgl. unter 3. Teil, C. III. 3. 833 Zur Bedeutung von reinen Ordnungsvorschriften vgl. Hefermehl, in: Soergel, BGB, § 134 Rn. 20. 834 So wohl auch Mertens/Cahn, in: KölnKomm-AktG, § 76 Rn. 46; tendenziell auch Weinbrenner, S. 213.
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B. Gegen § 76 Abs. 1 AktG verstoßende Einflussrechte eines BCA
einzelne Vorstandsmitglieder persönlich als auch – wie im Fall eines BCA – durch die Aktiengesellschaft selbst verbietet.835 d) Zwischenergebnis Die Vorschrift des § 76 Abs. 1 AktG ist als Verbotsgesetz i. S. des § 134 BGB auszulegen.836 2. Rechtsfolgen a) Rechtsfolge der Nichtigkeit nach § 134 BGB Es muss schließlich durch Auslegung ermittelt werden, ob der Verstoß eines vertraglichen Einflussrechts mit einem einseitigen Bestimmungs recht für Geschäftsführungsmaßnahmen in einem BCA auch die Nichtigkeit der Klausel nach § 134 BGB zur Folge hat. Entgegen dem missverständlichen Wortlaut des § 134, 2. Halbs. BGB besteht hierfür keine strikte Auslegungsregel, so dass „im Zweifel“ stets von der Nichtigkeit auszugehen wäre.837 Vielmehr ist unter besonderer Berücksichtigung des Normzwecks der betreffenden Verbotsnorm zu untersuchen, ob das Gesetz eine andere Rechtsfolge als die Nichtigkeit vorsieht.838 aa) Keine spezialgesetzliche Sanktion des Verstoßes Die Nichtigkeit ist nach § 134, 2. Halbs. BGB ausgeschlossen, wenn sich aus dem Gesetz etwas anderes ergibt. Etwas anderes i. S. des § 134, 2. Halbs. BGB sieht das Gesetz für die – im Fall eines BCA regelmäßig nicht relevanten839 – Einflussrechte mit ei nem einseitigen Bestimmungsrecht vor, die aufgrund des Umfangs der erfassten Maßnahmen eine Leitungsunterstellung i. S. des § 291 Abs. 1 835 Mertens/Cahn, in: KölnKomm-AktG, § 76 Rn. 46; im Ergebnis auch OLG München, AG 2013, 173, 176 – „WET“; LG München I, NZG 2012, 1152, 1154 – „WET“; Weinbrenner, S. 213; a. A. wohl Schall, in: Kämmerer/Veil, Übernahmeund Kapitalmarktrecht, S. 75, 90 f., 93 f. 836 So im Ergebnis ferner – jedoch ohne nähere Begründung – Ederle, S. 172; König, NZG 2013, 452, 453. 837 So aber mit eingehenden Ausführungen zum Meinungsstand wohl Sack/Seibel, in: Staudinger, BGB, § 134 Rn. 57 ff.; tendenziell auch Wendtland, in: Bamberger/ Roth, BGB, § 134 Rn. 2, 12; wie hier Mansel, in: Jauernig, BGB, § 134 Rn. 8; eher kritisch auch Armbrüster, in: MünchKomm-BGB, § 134 Rn. 103. 838 Palm/Arnold, in: Erman, BGB, § 134 Rn. 11; Mansel, in: Jauernig, BGB, § 134 Rn. 8; Armbrüster, in: MünchKomm-BGB, § 134 Rn. 103; vgl. auch BGHZ 118, 142, 144 f. 839 Vgl. hierzu bereits eingangs unter 1. Teil, A. I.
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4. Teil: Folgen der vorgenommenen Bewertung der vertraglichen Einflussrechte
Satz 1, 1. Fall AktG begründen und daher als Beherrschungsvertrag einzuordnen sind. Auch wenn derartige Einflussrechte in der vorliegenden Untersuchung ausgeklammert sind, sei an dieser Stelle klargestellt, dass das Gesetz rechtsgeschäftliche Verstöße gegen § 76 Abs. 1 AktG im Falle eines Beherrschungsvertrages (vgl. § 308 Abs. 1 AktG) nicht mit der absoluten Wirksamkeitsschranke des § 134 BGB sanktioniert, sondern vielmehr aufgrund der besonderen Regelungen der §§ 293 ff. AktG spezielle Wirksamkeitserfordernisse regelt. Die hier interessierenden Einfluss rechte mit einem einseitigen Bestimmungsrecht sind von den §§ 293 ff. AktG jedoch gerade nicht erfasst. Im Übrigen sieht das Gesetz insbesondere etwas anderes vor, wenn es für den Verstoß gegen das Verbotsgesetz eine spezielle gesetzliche Sanktion enthält.840 Eine spezielle Sanktion des Verstoßes eines vertraglichen Ein flussrechts mit einem einseitigen Bestimmungsrecht in einem BCA gegen § 76 Abs. 1 AktG kann in der Schadensersatzpflicht nach § 117 Abs. 1 AktG zu sehen sein. Danach ist derjenige der Gesellschaft zum Schadensersatz verpflichtet, der vorsätzlich unter Benutzung seines Einflusses auf die Gesellschaft unter anderem ein Mitglied des Vorstands dazu bestimmt, zum Schaden der Gesellschaft zu handeln. Die Einflussnahme des Bieters auf die Geschäftsführung des Vorstandes auf Grundlage eines Einflussrechts mit einem einseitigen Bestimmungsrecht des BCA könnte insofern einem besonderen aktienrechtlichen Sanktionsmechanismus nach § 117 Abs. 1 AktG unterliegen. Für die Nichtigkeit der Einflussrechte wäre dann gemäß § 134, 2. Halbs. BGB kein Raum. Diese Argumentation kann jedoch nicht überzeugen. Es unterliegen lediglich rechtswidrige Einflussnahmen der Sanktion nach § 117 Abs. 1 AktG.841 Dabei muss die Einflussnahme durch den Einflussnehmenden rechtswidrig sein.842 Auf eine rechts- oder pflichtenwidrige Handlung des beeinflussten Organmitgliedes kommt es dagegen bei § 117 Abs. 1 AktG nicht an (argumentum e contrario § 117 Abs. 2 Satz 1 AktG).843 Eine rechtswidrige Einflussnahme setzt aber gerade voraus, dass diese keinen 840 Zum Nichtigkeitszweck des § 57 Abs. 1 AktG vgl. auch BGH, ZIP 2013, 819, 820; vgl. ferner Armbrüster, in: MünchKomm-BGB, § 134 Rn. 3, 103; Sack/Seibel, in: Staudinger, BGB, § 134 Rn. 67. 841 Zum Merkmal der Rechtswidrigkeit vgl. bereits unter 3. Teil, C. III. 2. b) cc) (2) (b) m. entspr. Nachw. 842 Kort, in: GroßKomm-AktG, § 117 Rn. 149; insofern auch Spindler, in: MünchKomm-AktG, § 117 Rn. 34. 843 So zutreffend auch unter Hinweis auf § 117 Abs. 2 Satz 1 AktG Hüffer, AktG, § 117 Rn. 6; Hommelhoff/Witt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 117 Rn. 10; wohl auch Mertens/Cahn, in: KölnKomm-AktG, § 117 Rn. 22; a. A. – Berücksichtigung der Pflichtwidrigkeit nach § 317 Abs. 2 AktG analog – Spindler, in: Münch-
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B. Gegen § 76 Abs. 1 AktG verstoßende Einflussrechte eines BCA
Rechtsgrund in einem dem Einflussnehmenden gegenüber wirksamen vertraglichen Einflussrecht hat. Bei Nichteingreifen der Rechtsfolge der Nichtigkeit des § 134 BGB wäre das Einflussrecht des Bieters aus dem BCA ihm gegenüber jedoch wirksam. Die Einflussnahme durch den Bieter hätte damit eine wirksame Rechtsgrundlage und wäre nicht rechtswidrig. Der Sanktionsmechanismus nach § 117 Abs. 1 AktG könnte insofern erst bei Eingreifen der Rechtsfolge der Nichtigkeit wirken. Allein hieraus darf zwar im Umkehrschluss nicht geschlossen werden, dass ein Verstoß gegen § 76 Abs. 1 AktG stets zur Nichtigkeit nach § 134 BGB führen muss. Die Rechtsfolge der Nichtigkeit kann allerdings auch nicht mit Blick auf § 117 Abs. 1 AktG i. V. m. § 134, 2. Halbs. BGB abgelehnt werden. bb) Nichtigkeitsbegründender Normzweck des § 76 Abs. 1 AktG Somit ist weiterhin durch Auslegung zu ermitteln, ob § 76 Abs. 1 AktG ein nichtigkeitsbegründender Normzweck zu entnehmen ist. Gegen die Rechtsfolge der Nichtigkeit kann angeführt werden, dass sich das Verbot des § 76 Abs. 1 AktG als Teil der organisationsrechtlichen Vorschriften über die Aktiengesellschaft grundsätzlich nur an die Gesellschaft bzw. den Vorstand richtet. Zumindest nach dem Wortlaut ist es dagegen nicht an Außenstehende (z. B. den Bieter) gerichtet. Richtet sich ein Verbotsgesetz nur einseitig an eine Vertragspartei, so führt der Verstoß grundsätzlich nicht zur Nichtigkeit nach § 134 BGB.844 Das gilt insbesondere dann, wenn das Verbotsgesetz – wie etwa § 76 Abs. 1 AktG als organisationsrechtliche Vorschrift – nur die internen Verhältnisse einer Partei regelt.845 Insofern kann die Nichtigkeit der Einflussrechte des BCA zu verneinen sein. Allerdings kommt auch bei einseitigen Verboten eine Nichtigkeit nach § 134 BGB in Betracht, wenn es mit dem Sinn und Zweck des Verbotsgesetzes unvereinbar wäre, die durch das Rechtsgeschäft getroffene Regelung hinzunehmen und als wirksam anzuerkennen.846 Ein Verbotsgesetz Komm-AktG, § 117 Rn. 36 ff.; Schall, in: Spindler/Stilz, AktG, § 117 Rn. 24; ähnlich Kort, in: GroßKomm-AktG, § 117 Rn. 150 ff. 844 Wendtland, in: Bamberger/Roth, BGB, § 134 Rn. 11; Palm/Arnold, in: Erman, BGB, § 134 Rn. 11; Hefermehl, in: Soergel, BGB, § 134 Rn. 15; kritisch Sack/Sei bel, in: Staudinger, BGB, § 134 Rn. 75; Wolf/Neuner, AT BGB, § 45 Rn. 18. 845 Wolf/Neuner, AT BGB, § 45 Rn. 18. 846 Ganz h. M.; siehe BGHZ 37, 258, 262; 78, 263, 271; 115, 123, 125 f.; 118, 142, 145; 122, 115, 122; Wendtland, in: Bamberger/Roth, BGB, § 134 Rn. 11; Palm/Arnold, in: Erman, BGB, § 134 Rn. 11; Hefermehl, in: Soergel, BGB, § 134 Rn. 15.
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4. Teil: Folgen der vorgenommenen Bewertung der vertraglichen Einflussrechte
wird in der Regel bei Verstößen durch ein Rechtsgeschäft die Nichtigkeit bezwecken, wenn es einen bestimmten Vertragsinhalt verbieten will.847 Die Nichtigkeit kann auch bei einseitigen Verboten ferner angenommen werden, wenn das Verbotsgesetz den Schutz von Dritten oder der Allgemeinheit bezweckt.848 Für § 76 Abs. 1 AktG ist wiederum die bezweckte Erhaltung der Funktionsfähigkeit der Aktiengesellschaft und ihre im öffentlichen Interesse liegende Kapitalsammelfunktion in den Blick zu nehmen. Die vertraglichen Einflussrechte mit einem einseitigen Bestimmungsrecht eines BCA verstoßen inhaltlich gegen die von § 76 Abs. 1 AktG bezweckte von Außen einflüssen freie Geschäftsführung. Die zwingende Unabhängigkeit der Geschäftsführung schützt die Funktionsfähigkeit der Gesellschaft sowie das Vertrauen der Allgemeinheit und insbesondere der zukünftigen Aktionäre darauf, dass diese Funktionsfähigkeit nicht durch abweichende Regelungen oder Vereinbarungen umgangen wird. Dieser Zweck würde jedoch verfehlt, wenn abweichende Vereinbarungen zwar verboten, ihre Wirksamkeit aber dennoch hinzunehmen wäre. Das Vertrauen der zukünftigen Aktionäre und damit letztlich der Allgemeinheit in ein funktionsfähiges Aktienrecht kann nicht aufrecht erhalten werden, wenn gegenüber Einzelnen vereinbarte Abweichungen von Vorschriften mit körperschaftsrechtlichem Charakter ihre Wirksamkeit im Außenverhältnis behalten würden. Kann der Normzweck eines Verbotsgesetzes bei Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts nicht erreicht werden, so ist auch von dem Zweck der Nichtigkeitsfolge auszugehen.849 Aus diesem Grunde erfordert der Normzweck auch unter dem Gesichtspunkt der Prävention850 von Verstößen gegen § 76 Abs. 1 AktG eine absolute Unwirksamkeit der Einflussrechte mit einem einseitigen Bestimmungsrecht eines BCA gegenüber jedermann.851 Es wäre mit dem Normzweck des § 76 Abs. 1 AktG nicht zu vereinbaren, die getroffene vertragliche Regelung als wirksam anzuerkennen. Ein Verstoß gegen § 76 Abs. 1 AktG hat gemäß § 134 BGB die Nichtigkeit der Klausel zur Folge.852 847 Palm/Arnold, in: Erman, BGB, § 134 Rn. 11; Hefermehl, in: Soergel, BGB, § 134 Rn. 16; Wolf/Neuner, AT BGB, § 45 Rn. 10 f. 848 Wolf/Neuner, AT BGB, § 45 Rn. 20; im Ergebnis auch BGHZ 115, 123, 129 f. 849 Wendtland, in: Bamberger/Roth, BGB, § 134 Rn. 11. 850 Zur Präventionsfunktion der Nichtigkeit mit Blick auf strafrechtliche Vorschriften vgl. auch Armbrüster, in: MünchKomm-BGB, § 134 Rn. 103. 851 Zum absoluten Umfang der Nichtigkeit nach § 134 BGB vgl. Hefermehl, in: Soergel, BGB, § 134 Rn. 30; Sack/Seibel, in: Staudinger, BGB, § 134 Rn. 65. 852 Im Ergebnis auch – jedoch ohne nähere Begründung – OLG München, AG 2013, 173, 176 – „WET“; LG München I, NZG 2012, 1152, 1154 – „WET“; Weinbrenner,
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B. Gegen § 76 Abs. 1 AktG verstoßende Einflussrechte eines BCA
b) Reichweite der Nichtigkeitsrechtsfolge Die Regelungen des BCA stehen in einem objektiven Sinnzusammenhang, so dass sie ein einheitliches Rechtsgeschäft i. S. des § 139 BGB bilden.853 Daher ist zu untersuchen, ob die Nichtigkeit der Klausel entsprechend der widerleglichen Vermutung des § 139 BGB zur Nichtigkeit des gesamten BCA führt.854 Eine alleinige Teilnichtigkeit der Einflussrechte mit einem einseitigen Bestimmungsrecht bei Fortgeltung der übrigen Regelungen des BCA ergibt sich nicht bereits aus dem Schutzzweck des Verbotes in § 76 Abs. 1 AktG.855 Dem Zweck des § 76 Abs. 1 AktG sind keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass (z. B. zum Schutz eines Vertragsteils) stets die nur die Nichtigkeit des gegen § 76 Abs. 1 AktG verstoßenden Vertragsteils als Rechtsfolge in Frage kommt. Daher findet § 139 BGB Anwendung.856 Nach § 139 BGB ist bei Nichtigkeit eines Teils des Rechtsgeschäfts das gesamte Rechtsgeschäft nichtig, wenn nicht anzunehmen ist, dass die Parteien es auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen hätten. Maßgeblich ist nach § 139, 2. Halbs. BGB somit der (hypothetische) Parteiwille.857 Da dieser von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls bestimmt wird, kann an dieser Stelle keine für alle BCA gültige Bewertung vorgenommen werden. Vielmehr sind nur einige typische Konstellationen zu beleuchten. Bei der Auslegung des Parteiwillens für die Erhaltung des übrigen Vertrages oder für die Gesamtnichtigkeit ist somit darauf abzustellen, ob die S. 213; Ederle, S. 172; Mertens/Cahn, in: KölnKomm-AktG, § 76 Rn. 46; König, NZG 2013, 452, 453. 853 Zur Anwendungsvoraussetzung des § 139 BGB eines einheitlichen Rechtsgeschäfts vgl. Arnold, in: Erman, BGB, § 139 Rn. 12; Busche, in: MünchKomm-BGB, § 139 Rn. 16 f.; Hefermehl, in: Soergel, BGB, § 139 Rn. 15 ff.; Roth, in: Staudinger, BGB, § 139 Rn. 36 ff. 854 Zur Einordnung als widerlegliche Vermutung vgl. Mansel, in: Jauernig, BGB, § 139 Rn. 1; Roth, in: Staudinger, BGB, § 139 Rn. 2; Wolf/Neuner, AT BGB, § 56 Rn. 1. 855 Nach h. M. entscheidet zunächst nicht der (hypothetische) Parteiwille i. S. des § 139 BGB über die Teilnichtigkeit, sondern vorrangig der Schutzzweck der die Nichtigkeit begründenden Norm vgl. BGHZ 89, 316, 319; BGH, ZIP 2003, 165, 167; BGH, NJW 2010, 1364, 1366; Wendtland, in: Bamberger/Roth, BGB, § 139 Rn. 5; Arnold, in: Erman, BGB, § 139 Rn. 6; Hefermehl, in: Soergel, BGB, § 139 Rn. 49; eingehend zu § 134 BGB auch Armbrüster, in: MünchKomm-BGB, § 134 Rn. 105 ff.; Roth, in: Staudinger, BGB, § 139 Rn. 17. 856 Vgl. auch Armbrüster, in: MünchKomm-BGB, § 134 Rn. 106 („im Zweifel ... Ge samtnichtigkeit“). 857 Vgl. auch Wendtland, in: Bamberger/Roth, BGB, § 139 Rn. 8; Mansel, in: Jauernig, BGB, § 139 Rn. 2; Busche, in: MünchKomm-BGB, § 139 Rn. 30 ff.; Wolf/Neuner, AT BGB, § 56 Rn. 23 ff.
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4. Teil: Folgen der vorgenommenen Bewertung der vertraglichen Einflussrechte
verbleibenden Vertragsteile von den (teil-)nichtigen Klauseln teilbar sind und für sich allein genommen einen selbstständigen, existenzfähigen und dem Gesamtcharakter des ursprünglichen Vertrages entsprechenden Vertragsinhalt bilden,858 der von den Parteien nach deren hypothetischen Willen bei Kenntnis der Teilnichtigkeit der betreffenden Klausel im Zeitpunkt des Vertragsschlusses vernünftigerweise auch ohne die nichtige Klausel vereinbart worden wäre.859 Im Falle eines BCA kann zunächst festgestellt werden, dass bei Wegfall der (nichtigen) Einflussrechte mit einem einseitigen Bestimmungsrecht ein selbstständiger und für sich existenzfähiger sowie dem Gesamtcharakter des ursprünglichen Vertrags entsprechender Vertragsinhalt verbleibt. Vertragszweck ist die Verfolgung und Förderung des gemeinsamen Interesses an der Eingliederung des Unternehmens der Zielgesellschaft in die Unternehmensgruppe des Bieters.860 Dieser Zweck kann grundsätzlich auch durch die verbleibenden (zulässigen) Vertragsregelungen verfolgt werden. Dies gilt insbesondere für die vereinbarten Pflichten zur Förderungen des Zusammenschlusses etwa in Form der Pflicht des Bieters zur Abgabe eines Übernahmeangebotes und der Pflicht der Zielgesellschaft, das Angebot zu fördern und zu unterstützen.861 Durch den Wegfall der Einflussrechte mit einem einseitigen Bestimmungsrecht bleibt zudem der Gesamtcharakter als Gesellschaftsvertrag zur Förderung eines gemeinsamen Zwecks regelmäßig unverändert. Dagegen muss bei der Frage differenziert werden, ob die Parteien bei Kenntnis der Teilnichtigkeit der Klauseln über Einflussrechte mit einem einseitigen Bestimmungsrecht im Zeitpunkt des Vertragsschlusses das BCA auch ohne die nichtigen Klauseln vereinbart hätten. Die Einflussrechte bzw. die korrespondierenden Folgepflichten stellen für die Zielgesellschaft die wesentliche Vertragspflicht zur Förderung des gemeinsamen Zwecks862 und damit ein wesentliches Instrument zur Wahrung des gemeinsamen Interesses dar.863 858 BGHZ 107, 351, 355; 146, 37, 47; Wendtland, in: Bamberger/Roth, BGB, § 139 Rn. 13; Arnold, in: Erman, BGB, § 139 Rn. 18; Busche, in: MünchKomm-BGB, § 139 Rn. 24 f.; Hefermehl, in: Soergel, BGB, § 139 Rn. 23; Wolf/Neuner, AT BGB, § 56 Rn. 15 ff. 859 RGZ 118, 218, 222; BGHZ 105, 213, 220 f.; BGH, NJW 2009, 1135, 1137; Wendt land, in: Bamberger/Roth, BGB, § 139 Rn. 16; Arnold, in: Erman, BGB, § 139 Rn. 22; Busche, in: MünchKomm-BGB, § 139 Rn. 30 ff.; Hefermehl, in: Soergel, BGB, § 139 Rn. 34; Wolf/Neuner, AT BGB, § 56 Rn. 23. 860 Vgl. unter oben 2. Teil, B. II. 1. 861 Vgl. hierzu oben unter 1. Teil, B. I. 3. 862 Vgl. unter 2. Teil, B. II. 2. 863 Vgl. unter 2. Teil, A. I. 1.; A. I. 3.; A. II. 2.
176
B. Gegen § 76 Abs. 1 AktG verstoßende Einflussrechte eines BCA
Aus diesem Grunde sind insbesondere zwei Konstellationen zu unterscheiden: Haben die Vertragsparteien einerseits ausschließlich nach § 134 BGB i. V. m. § 76 Abs. 1 AktG nichtige Einflussrechte mit einem einseitigen Bestimmungsrecht im BCA vereinbart, so entfällt die von den Parteien vorgesehene wesentliche Förderpflicht der Zielgesellschaft und damit ein wesentliches Instrument zur Interessenwahrung vollständig. Insbesondere für den Bieter entfallen Instrumente zur Sicherung seines Übernahmeinteresses und Eingliederungsinteresses und damit ein wesentlicher Grund für den Vertragsschluss.864 In diesem Fall kann ihm daher regelmäßig unterstellt werden, dass er das BCA bei Kenntnis der Nichtigkeit nicht geschlossen hätte.865 Entspricht die Wirksamkeit des übrigen Vertrages nicht dem erkennbaren Willen von einer Vertragspartei, so muss ein hypothetischer Wille zur Teilnichtigkeit der Parteien insgesamt abgelehnt werden.866 Das BCA ist in diesem Fall gemäß § 139 BGB insgesamt nichtig. Das gilt unabhängig davon, ob die Parteien ausdrücklich im Vertrag den Willen zur Erhaltung des übrigen Vertrages insbesondere in Form einer sog. salvatorischen Klausel867 erklärt haben.868 Zwar ist § 139 BGB dispositiv.869 Eine salvatorische Klausel kann jedoch nicht per se die Gesamtnichtigkeit des Vertrages ausschließen, sondern kehrt lediglich die Vermutung des § 139 BGB um, so dass derjenige die Beweislast für die Gesamtnichtigkeit trägt, der sich auf diese beruft.870 Die Widerlegung der Teilnichtigkeit dürfte jedoch wegen des dargestellten hypothetischen Willens des Bieters regelmäßig gelingen, so
864 Vgl. hierzu unter 2. Teil, A. I. 1. und A. I. 3. 865 So im Fall W.E.T./Amerigon – wenngleich unter der Annahme der Nichtigkeit sämtlicher in einem BCA enthaltenen Zustimmungsvorbehalte – auch LG München I, NZG 2012, 1152, 1154 – „WET“; zustimmend OLG München, AG 2103, 173, 176 – „WET“. 866 H. M.; vgl. Wendtland, in: Bamberger/Roth, BGB, § 139 Rn. 16; Arnold, in: Erman, BGB, § 139 Rn. 22; Hefermehl, in: Soergel, BGB, § 139 Rn. 34. 867 Zu sog. salvatorischen Klauseln allgemein siehe Wendtland, in: Bamberger/Roth, BGB, § 139 Rn. 7; Busche, in: MünchKomm-BGB, § 139 Rn. 8. 868 So etwa im Fall Abschn. IX. 5. Satz 1 BCA-W.E.T./Amerigon; § 9 Abs. 1 Satz 1 BCA-AquaOrbis/UFT; § 12.11 Satz 1 BCA-Demag/Terex. 869 Ganz h. M.; vgl. etwa BGH, NJW 1992, 2696, 2697; BGH, NJW 1996, 773, 774; BGH, NJW 2010, 1364, 1366; LG München I, NZG 2012, 1152, 1154 – „WET“; Wendtland, in: Bamberger/Roth, BGB, § 139 Rn. 7; Busche, in: MünchKomm-BGB, § 139 Rn. 7; Roth, in: Staudinger, BGB, § 139 Rn. 22. 870 BGH, NJW 1996, 773, 774; BGH, NJW 2010, 1364, 1366; LG München I, NZG 2012, 1152, 1154 – „WET“; Wendtland, in: Bamberger/Roth, BGB, § 139 Rn. 7; Busche, in: MünchKomm-BGB, § 139 Rn. 8; Roth, in: Staudinger, BGB, § 139 Rn. 22.
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4. Teil: Folgen der vorgenommenen Bewertung der vertraglichen Einflussrechte
dass auch bei Vereinbarung einer salvatorischen Klausel von der Gesamtnichtigkeit des BCA gemäß § 139 BGB auszugehen ist.871 Davon ist andererseits die Konstellation zu unterscheiden, bei der neben den nichtigen Einflussrechten mit einem einseitigen Bestimmungsrecht noch weitere zulässige Einflussrechte (z. B. Vorwegbindungen) vereinbart wurden.872 Da insbesondere dem Bieter in diesem Fall weiterhin wirksame Instrumente zur Sicherung seines Übernahmeinteresses und Eingliederungsinteresses in dem BCA zur Verfügung stehen, dürfte ihm dann – vorbehaltlich einer Prüfung im Einzelfall – regelmäßig ein Interesse an dem Fortbestand der übrigen Vertragsregelungen unterstellt werden können. In dieser Konstellation kann damit ein hypothetischer Wille beider Vertragsparteien zur Wirksamkeit des BCA ohne die nichtigen Klauseln bejaht werden. Damit sind allein die Einflussrechte mit einem einseitigen Bestimmungsrecht nichtig. Das BCA bleibt im Übrigen wirksam. Die Vermutung der Gesamtnichtigkeit in § 139 BGB kann regelmäßig wiederlegt werden; gleichsam wird die Vermutung der Teilnichtigkeit einer salvatorischen Klausel nicht widerlegt werden können. c) Zur Möglichkeit der Ersetzung und Umdeutung der nichtigen Einflussrechte Schließlich ist zu untersuchen, ob die (teil-)nichtigen Einflussrechte mit einem einseitigen Bestimmungsrecht durch zulässige und damit wirksame Einflussrechte ersetzt werden können. Hierfür kommt die Ersetzung der (teil-)nichtigen Einflussrechte kraft Parteivereinbarung (sog. Ersetzungsklausel873) sowie die Umdeutung nach § 140 BGB in Betracht. Bei einer sog. Ersetzungsklausel haben die Parteien die Ersetzung der nichtigen Klausel durch eine wirksame Klausel vereinbart. In diesem Fall bleibt für eine Umdeutung nach § 140 BGB zwar kein Raum.874 Regelmäßig wird durch eine Ersetzungsklausel jedoch die Ersetzung durch eine (zulässige) Klausel vereinbart, die dem von den Parteien mit der ursprünglichen (nichtigen) Klausel bezweckten Erfolg am nächsten kommt und die
871 So auch LG München I, NZG 2012, 1152, 1154 – „WET“; zustimmend OLG München, AG 2103, 173, 176 – „WET“; zu Unrecht kritisch Nordhues, GWR 2012, 274. 872 So etwa im Fall Wavelight/Alcon; vgl. hierzu die Übersicht unter 1. Teil, B. II. 3. sowie die Angebotsunterlage-Wavelight/Alcon (S. 27 ff.). 873 Vgl. etwa Busche, in: MünchKomm-BGB, § 139 Rn. 8. 874 Wendtland, in: Bamberger/Roth, BGB, § 140 Rn. 4; Busche, in: MünchKomm-BGB, § 140 Rn. 6.
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B. Gegen § 76 Abs. 1 AktG verstoßende Einflussrechte eines BCA
die Parteien bei Kenntnis der Nichtigkeit vereinbart hätten.875 Damit werden für die vereinbarte Ersetzung der nichtigen Einflussrechte vergleichbare Anforderungen gestellt, wie sie das Gesetz für eine Umdeutung nach § 140 BGB vorsieht. Vorbehaltlich der Auslegung des Parteiwillens im Einzelfall wird die Ersetzung kraft Parteivereinbarung folglich regelmäßig zu den gleichen Ergebnissen führen. Daher gilt der nachfolgende Gedankengang zur Umdeutung nach § 140 BGB entsprechend für die Ersetzung der (teil-)nichtigen Einflussrechte kraft einer vereinbarten Ersetzungsklausel. Enthält das BCA keine Ersetzungsklausel, so können die nichtigen Einflussrechte nach § 140 BGB umgedeutet werden. Dabei ist es unerheblich, ob – je nach Konstellation – das gesamte BCA nichtig ist oder ob nur die Einflussrechte mit einem einseitigen Bestimmungsrecht teilnichtig sind. Entgegen einer verbreiteten Meinung im Schrifttum876 kann auch eine teilnichtige Vertragsklausel nach § 140 BGB umgedeutet werden.877 Der Normzweck des § 140 BGB besteht darin, den Willen der Vertragsparteien zur Erreichung eines bestimmten wirtschaftlichen Erfolges auch dann so weit wie möglich zu verwirklichen, wenn das gewählte Mittel rechtlich unzulässig, ein anderes aber zulässig ist und zu einem vergleichbaren wirtschaftlichen Erfolg führt.878 Dann macht es jedoch keinen Unterschied, ob der von den Parteien vereinbarte wirtschaftliche Erfolg wegen eines gesamtnichtigen Vertrages oder wegen einer einzelnen teilnichtigen Klausel rechtlich nicht verwirklicht werden kann. Die bezweckte Erhaltung des Parteiwillens muss auch bei Teilnichtigkeit durch eine Umdeutung nach § 140 BGB möglich sein. Die nichtigen Einflussrechte mit einem einseitigen Bestimmungsrecht müssen durch ein anderes Rechtsgeschäft i. S. des § 140 BGB ersetzt werden können; also eine andere Klausel, die nicht gegen § 76 Abs. 1 AktG verstößt und damit aktienrechtlich zulässig sowie nicht selbst nichtig ist.879 Als zulässige Ersatzklauseln kommen Einflussrechte mit einem Mitentscheidungs- und Vetorecht oder Vorwegbindungen in Betracht. 875 So etwa im Fall Abschn. IX. 5. Satz 2 BCA-W.E.T./Amerigon; § 9 Abs. 1 Satz 2 BCA-AquaOrbis/UFT; § 12.11 Satz 2 BCA-Demag/Terex. 876 So – jedoch ohne nähere Begründung – Wendtland, in: Bamberger/Roth, BGB, § 140 Rn. 6; Mansel, in: Jauernig, BGB, § 140 Rn. 2; Busche, in: MünchKomm-BGB, § 140 Rn. 12; Roth, in: Staudinger, BGB, § 140 Rn. 14; wohl auch Arnold, in: Erman, BGB, § 140 Rn. 5. 877 Zutreffend Palm, in: Erman, BGB [2008], § 140 Rn. 6; Hefermehl, in: Soergel, BGB, § 140 Rn. 28. 878 BGHZ 68, 204, 206; Wendtland, in: Bamberger/Roth, BGB, § 140 Rn. 1; Hefer mehl, in: Soergel, BGB, § 140 Rn. 1; Roth, in: Staudinger, BGB, § 140 Rn. 1. 879 Vgl. Wendtland, in: Bamberger/Roth, BGB, § 140 Rn. 9; Arnold, in: Erman, BGB, § 140 Rn. 12.
179
4. Teil: Folgen der vorgenommenen Bewertung der vertraglichen Einflussrechte
Gleichsam bleibt die Einfügung eines sog. „fiduciary-out“880 möglich,881 sofern die Klausel der Zielgesellschaft eine in dem Ermessen ihres Vorstandes stehende rechtliche Möglichkeit zur Beseitigung der Einflusskompetenz des Bieters i. S. der Verbandsautonomie882 gewährt und damit lediglich als Bemühenspflicht ausgestaltet wird.883 Die Umdeutung in diese (Ersatz-)Klauseln wird nicht dadurch gehindert, dass diese Einfluss rechte in ihrer Einflussintensität geringer sind.884 Die Ersatzklausel kann gegenüber der nichtigen Klausel auch ein Weniger oder ein aliud darstellen.885 Kann auch für den Bieter der hypothetische Parteiwille angenommen werden, dass er bei Kenntnis der Nichtigkeit der Einflussrechte mit einem einseitigen Bestimmungsrecht weniger intensive Einflussrechte vereinbart hätte (vgl. § 140 BGB), so ist er im Hinblick auf die geringere Intensität der Ersatz-Einflussrechte nicht schutzwürdig.886 Für den hypothetischen Parteiwillen i. S. des § 140 BGB ist darauf abzustellen, ob die Parteien das Ersatzgeschäft bei Kenntnis der Nichtigkeit vernünftigerweise vorgenommen hätten, um den von ihnen wirtschaftlich angestrebten Erfolg zu erzielen.887 Der angestrebte Erfolg des Unternehmenszusammenschlusses und die mit dem Vertrag bezweckte Sicherung des gemeinsamen Eingliederungsinteresses durch Koordination bestimmter Geschäftsführungsmaßnahmen der Zielgesellschaft kann auch durch weniger intensive Einflussrechte (z. B. Einflussrechte mit ei nem Mitentscheidungs- und Vetorecht) erreicht werden. Insbesondere für den Bieter stellen auch diese Einflussrechte ein effektives Instrument zur Sicherung seines Übernahmeinteresses dar. Gleichwohl stellt der wirtschaftliche Erfolg dieser Einflussrechte für den Bieter einen anderen Erfolg dar (einseitig bestimmter Zusammenschluss einerseits, koordinierter Zusammenschluss andererseits). Dennoch wird man regelmäßig annehmen können, dass Zielgesellschaft und Bieter bei Erkenntnis der 880 Vgl. oben unter 2. Teil, B. I. 881 Ähnlich wie hier Paschos, NZG 2012, 1142, 1144; a. A. LG München I, NZG 2012, 1152, 1153 – „WET“. 882 Vgl. oben unter 3. Teil, B. III. 2. b). 883 Zur entsprechenden Wirkung der sog. „fiduciary-out“-Klauseln vgl. bereits oben unter 2. Teil, B. I. 884 Vgl. unter 1. Teil, B. II. 2. 885 Wendtland, in: Bamberger/Roth, BGB, § 140 Rn. 11; Arnold, in: Erman, BGB, § 140 Rn. 11; Busche, in: MünchKomm-BGB, § 140 Rn. 17. 886 Vgl. auch Hefermehl, in: Soergel, BGB, § 140 Rn. 5. 887 BGHZ 19, 269, 273; 125, 355, 363; Wendtland, in: Bamberger/Roth, BGB, § 140 Rn. 13; Arnold, in: Erman, BGB, § 140 Rn. 15; Busche, in: MünchKomm-BGB, § 140 Rn. 21; Hefermehl, in: Soergel, BGB, § 140 Rn. 8; Roth, in: Staudinger, BGB, § 140 Rn. 25.
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B. Gegen § 76 Abs. 1 AktG verstoßende Einflussrechte eines BCA
Nichtigkeit der ursprünglich vereinbarten Einflussrechte die weniger intensiven Einflussrechte vereinbart hätten, um den Zusammenschluss wenigstens insofern zu erreichen. Dies ist für einen hypothetischen Parteiwillen i. S. des § 140 BGB ausreichend.888 Sowohl im Fall der Gesamtnichtigkeit des BCA als auch im Fall der alleinigen Teilnichtigkeit der Einflussrechte mit einem einseitigen Bestimmungsrecht ist somit eine Umdeutung nach § 140 BGB in zulässige und wirksame Einflussrechte grundsätzlich möglich. Gleiches gilt für die Ersetzung der (teil-)nichtigen Einflussrechte kraft einer vereinbarten Ersetzungsklausel. 3. Zwischenergebnis Die Vorschrift des § 76 Abs. 1 AktG ist als Verbotsgesetz auszulegen, bei dem ein hiergegen verstoßendes Rechtsgeschäft gemäß § 134 BGB nichtig ist. Im Fall eines BCA hat der Verstoß eines vereinbarten Einfluss rechts mit einem einseitigen Bestimmungsrecht für Geschäftsführungsmaßnahmen gegen § 76 Abs. 1 AktG daher die Nichtigkeit der Klausel nach § 134 BGB zur Folge. Die Nichtigkeit der einzelnen Klauseln des BCA kann nach § 139 BGB – je nach den Umständen des Einzelfalls – sowohl zur Gesamtnichtigkeit des BCA als auch zur alleinigen Teilnichtigkeit führen. Dies gilt grundsätzlich unabhängig davon, ob das BCA eine salvatorische Klausel enthält. Es bleibt jedoch stets eine Umdeutung nach § 140 BGB bzw. bei Vereinbarung einer entsprechenden Klausel die Ersetzung der nichtigen Einflussrechte möglich (z. B. in Form von zulässigen Einflussrechten mit einem Mitentscheidungs- und Vetorecht).
II. Verantwortlichkeit der Beteiligten bei einer Vertragsdurch führung Aufgrund der soeben herausgearbeiteten verschiedenen Konstellationen der gegen § 76 Abs. 1 AktG verstoßenden Einflussrechte mit einem ein seitigen Bestimmungsrecht ist bei den Verantwortlichkeiten der Beteiligten im Rahmen der Durchführung des BCA zu unterscheiden: Soweit zunächst die nichtigen Einflussrechte mit einem einseitigen Be stimmungsrecht in wirksame Einflussrechte umgedeutet bzw. durch solche ersetzt werden können, gelten die gleichen Verantwortlichkeiten wie bei der Vertragsdurchführung der nach § 76 Abs. 1 AktG zulässigen 888 Vgl. Hefermehl, in: Soergel, BGB, § 140 Rn. 8.
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4. Teil: Folgen der vorgenommenen Bewertung der vertraglichen Einflussrechte
Einflussrechte. Insofern kann auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen werden.889 Der Vorstand der Zielgesellschaft ist aufgrund seiner Sorgfaltspflicht (§ 93 Abs. 1 Satz 1 AktG) gleichwohl gehalten, sich die kraft Gesetzes890 eintretende Umdeutung von dem Bieter für die weitere Vertragsdurchführung beweissicher bestätigen oder diese anderenfalls gerichtlich nach § 256 ZPO feststellen zu lassen. Können die Einflussrechte mit einem einseitigen Bestimmungsrecht im Einzelfall z. B. wegen eines entgegenstehenden hypothetischen Parteiwillens nicht umgedeutet oder ersetzt werden, so ist weiter zu unterscheiden: Sind nur die Einflussrechte (teil-)nichtig und das BCA im übrigen wirksam, so besteht aufgrund der Nichtigkeit der Einflussrechte für die Einflussnahme des Bieters keine Rechtsgrundlage. Nimmt er dennoch Einfluss, so ist die Einflussnahme rechtswidrig und damit mit Blick auf das BCA treuwidrig. Für die Rechtsfolgen einer rechtswidrigen Einflussnahme kann wiederum vorstehenden Ausführungen zu treuwidrigen Einflussnahmen verwiesen werden.891 Insbesondere haftet der Bieter der Zielgesellschaft auf Schadensersatz für grob fahrlässige Einflussnahmen (vgl. §§ 708, 277 BGB) nach § 280 Abs. 1 BGB. Daneben haften der Bieter sowie ggf. auch die für diesen handelnden Organmitglieder für die rechtswidrigen Einflussnahmen unter den Voraussetzungen der §§ 117 Abs. 1, 317 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 AktG. Eine wiederholte und dauerhafte rechtswidrige Einflussnahme kann zudem Unterlassungsansprüche sowie einen wichtigen Grund zur Kündigung des BCA nach § 723 Abs. 1 Satz 2 BGB begründen. Die Vorstandsmitglieder der Zielgesellschaft unterliegen wiederum ihrer Verantwortlichkeit nach den §§ 84 Abs. 3 Satz 2, 93 Abs. 2 Satz 1, 117 Abs. 2 Satz 1 AktG, wenn sie rechtswidrigen Einflussnahmen des Bieters nachkommen. Ist das BCA dagegen gesamtnichtig, so bestehen keine vertraglichen Beziehungen zwischen dem Bieter und der Zielgesellschaft. Es gelten daher die allgemeinen aktienrechtlichen Vorschriften. Für die Vorstandsmitglieder der Zielgesellschaft gelten insbesondere die §§ 76 Abs. 1, 84 Abs. 3 Satz 2, 93 Abs. 2 Satz 1, 117 Abs. 2 Satz 1 AktG und die daraus folgenden Verantwortlichkeiten. Der Bieter und die für diesen handelnden Organmitglieder haften für Schäden aus Einflussnahmen unter den Voraussetzungen der §§ 117 Abs. 1, 317 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 AktG. 889 Vgl. oben unter 4. Teil, A. III. 890 BAG, NJW 2002, 2972, 2973; Wendtland, in: Bamberger/Roth, BGB, § 140 Rn. 14; Arnold, in: Erman, BGB, § 140 Rn. 17; Busche, in: MünchKomm-BGB, § 140 Rn. 34. 891 Zum Folgenden vgl. bereits oben unter 4. Teil, A. III.
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C. Annex: Übersicht der Bewertung der arbeitsrelevanten BCA aus der Praxis
C. Annex: Übersicht der Bewertung der arbeitsrelevanten BCA aus der Praxis Abschließend soll die eingangs angeführte Tabelle892 über die Verbreitung der verschiedenen Kategorien von Einflussrechten in den für diese Arbeit relevanten BCA aus der Praxis noch einmal eine Übersicht über die rechtliche Bewertung der einzelnen Klauseln geben: Einflussrechte mit einseitigem Bestimmungs recht
Einflussrechte Vorweg bindungen mit einem Mitentschei dungs- und Vetorecht
CFA-mobilcom/ France Télécom *
–
Ziff. 4.3, 4.4
–
BCA-HVB/UniCredit
–
–
Ziff. 3.2.2., 3.2.5., 3.3.3., 3.9.
BCA-GPC/Agennix
–
–
Ziff. 2.1.2 Satz 2
BCA-W.E.T./Amerigon
–
–
Abschn. II. 2., 6., 7.
BCA-AquaOrbis/UFT
–
–
§ 3 Abs. 2 Satz 2
BCA-Demag/Terex
–
–
§§ 7.1, 7a.1 Satz 2, 7a.2
BCA-Wavelight/Alcon **
–
BCA-R&R/MTB **
–
–
Nichtigkeit (§ 134 BGB)
Zulässigkeit nach § 76 Abs. 1 AktG, Wirksamkeit im Außen verhältnis
* Zu den Besonderheiten dieses Vertrages vgl. oben Fn. 95. ** Mangels Veröffentlichung der Vertragswerke kann hier lediglich auf die Angaben in den Angebotsunterlagen gemäß § 11 Abs. 1 Satz WpÜG zurückgegriffen werden. Eine Angabe der konkreten Vertragsklausel kann daher nicht erfolgen. 892 Vgl. unter 1. Teil, B. II. 3.
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4. Teil: Folgen der vorgenommenen Bewertung der vertraglichen Einflussrechte
D. Ergebnisse des 4. Teils 1. Einflussrechte mit einem Mitentscheidungs- und Vetorecht sowie Vorwegbindungen auf Geschäftsführungsmaßnahmen der Zielgesellschaft können durch ein BCA für die Zielgesellschaft von deren Vorstand im Rahmen seiner Vertretungsmacht nach § 78 Abs. 1 Satz 1 AktG im Außenverhältnis gegenüber dem Bieter wirksam begründet werden. Diese Einflussrechte begründen damit von dem Bieter durchsetzbare und vollstreckbare vertragliche Pflichten der Zielgesellschaft. 2. Unberührt bleibt im Innenverhältnis die Pflicht der Vorstandsmitglieder der Zielgesellschaft aus § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG zur Prüfung, ob das BCA und die darin enthaltenen Einflussrechte zur Verfolgung der Strategie des Unternehmenszusammenschlusses im Gesellschafts- und Unternehmensinteresse der Zielgesellschaft sind. Die Vereinbarung des BCA ist dabei eine unternehmerische Entscheidung i. S. des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG. Kommen die Vorstandsmitglieder unter Beachtung der Anforderungen des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG ex ante zu der Einschätzung, dass die Chancen des BCA die potentiellen Risiken infolge der Autonomieeinschränkungen durch die Einflussrechte im konkreten Einzelfall für die Zielgesellschaft überwiegen, so liegt gemäß § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG keine Pflichtverletzung vor. 3. Besteht zwischen den Vertragsparteien kein faktisches Abhängigkeitsverhältnis i. S. des § 17 Abs. 1 AktG, so ist der Bieter bei der Vertragsdurchführung und der Ausübung der Einflussrechte mit ei nem Mitentscheidungs- und Vetorecht sowie bei Vorwegbindungen allein auf Grundlage seiner gesellschafterlichen Treuepflicht aus dem BCA zur Berücksichtigung der Interessen der Zielgesellschaft verpflichtet. Wird diese Pflicht verletzt, so kommt eine Haftung des Bieters nach § 280 Abs. 1 BGB sowie nach § 117 Abs. 1 AktG in Betracht. Nach § 117 Abs. 1 AktG haften neben dem Bieter ggf. auch die für ihn handelnden Organmitglieder. Für die Vorstandsmitglieder der Zielgesellschaft besteht aus § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG die Pflicht, bei der Vertragsdurchführung zu prüfen, ob den Einflussnahmen des Bieters nach dem BCA Folge zu leisten ist. Sie haben insbesondere zu prüfen, ob die veranlasste Maßnahme für den Unternehmenszusammenschluss erforderlich, geeignet und angemessen ist. Für eine Anwendung des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG ist bei dieser Prüfungspflicht kein Raum. Bei einer wiederholten und dauerhaften treuwidrigen Einflussnahme haben die Vorstandsmitglieder der Zielgesellschaft auch Unterlassungsansprüche gegen den Bieter und die Möglichkeit zur Kün184
D. Ergebnisse des 4. Teils
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digung des BCA nach § 723 Abs. 1 Satz 2 BGB zu prüfen. Verletzen sie diese Pflichten, so unterliegen sie gegenüber der Zielgesellschaft weiterhin den gesellschaftsinternen Sanktionen der §§ 84 Abs. 3 Satz 2, 93 Abs. 2 Satz 1 AktG sowie ggf. des § 117 Abs. 2 Satz 1 AktG. Entsteht zwischen den Vertragsparteien infolge des Übernahmeverfahrens ein faktisches Abhängigkeitsverhältnis, so werden die Verantwortlichkeiten der handelnden Personen durch die §§ 311 ff. AktG modifiziert. Das gilt insbesondere für die Prüfungspflicht des Vorstands der Zielgesellschaft, so dass es zu einer zweistufigen Prüfung kommt: Erstens muss der Vorstand prüfen, ob aus dem BCA eine Pflicht der Zielgesellschaft zur Umsetzung oder Unterlassung einer Geschäftsführungsmaßnahme entsprechend der Einflussnahme des Bieters besteht. Ist dies nicht der Fall, so muss der Vorstand der Zielgesellschaft zweitens prüfen, ob ein Nachteil aus der Einflussnahme des Bieters entsprechend den Anforderungen des § 311 AktG durch den Bieter ausgeglichen werden kann und wird. Ist dies nicht gegeben, darf er der Einflussnahme des Bieters nicht nachkommen. Verletzt der Vorstand der Zielgesellschaft diese Prüfungspflicht, so haftet er für einen der Zielgesellschaft hieraus entstehenden Schaden nach § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG. Erfolgt bis zum Ende des jeweiligen Geschäftsjahres kein Ausgleich des Nachteils, so kommt zudem eine Haftung des Bieters nach §§ 317 Abs. 1 Satz 1, 117 Abs. 1 AktG in Betracht. Daneben haften auch die für den Bieter handelnden Organmitglieder nach den §§ 317 Abs. 3, 117 Abs. 1 AktG. Die Vorschrift des § 76 Abs. 1 AktG ist als ein Verbotsgesetz i. S. des § 134 BGB auszulegen. In dem Verstoß der Einflussrechte mit einem einseitigen Bestimmungsrecht gegen § 76 Abs. 1 AktG liegt ein rechtsgeschäftlicher Verstoß gegen ein Verbotsgesetz gemäß § 134 BGB. Der Verstoß führt nach dem Sinn und Zweck des § 76 Abs. 1 AktG zur Nichtigkeit der vertraglichen Einflussrechte. Die Nichtigkeit der einzelnen Klauseln des BCA kann nach § 139 BGB – je nach den Umständen des Einzelfalls – sowohl zur Gesamtnichtigkeit des BCA als auch zur alleinigen Teilnichtigkeit führen. Dies gilt grundsätzlich unabhängig davon, ob das BCA eine salvatorische Klausel enthält. Es bleibt jedoch stets eine Umdeutung nach § 140 BGB bzw. bei Vereinbarung einer entsprechenden Klausel die Ersetzung der nichtigen Einflussrechte möglich (z. B. in Form von zulässigen Einflussrechten mit einem Mitentscheidungs- und Veto recht). Bei der Durchführung eines BCA mit Einflussrechten mit einem ein seitigen Bestimmungsrecht ist zu unterscheiden: Soweit diese nichti185
4. Teil: Folgen der vorgenommenen Bewertung der vertraglichen Einflussrechte
gen Einflussrechte in wirksame Einflussrechte umgedeutet bzw. durch solche ersetzt werden können, gelten die gleichen Verantwortlichkeiten wie bei der Vertragsdurchführung der nach § 76 Abs. 1 AktG zulässigen Einflussrechte. 8. Können die Einflussrechte im Einzelfall nicht umgedeutet oder ersetzt werden, so ist weiter zu unterscheiden: Sind nur die Einflussrechte (teil-)nichtig und das BCA im Übrigen wirksam, so besteht aufgrund der Nichtigkeit der Einflussrechte für die Einflussnahme des Bieters keine Rechtsgrundlage. Nimmt er dennoch Einfluss, so ist die Einflussnahme rechtswidrig und damit mit Blick auf das BCA treuwidrig. Es gelten die gleichen Verantwortlichkeiten wie bei treuwidrigen Einflussnahmen. Ist das BCA dagegen gesamtnichtig, so bestehen keine vertraglichen Beziehungen zwischen dem Bieter und der Zielgesellschaft. Es gelten daher die allgemeinen aktienrechtlichen Vorschriften. Für die Vorstandsmitglieder der Zielgesellschaft gelten insbesondere die §§ 76 Abs. 1, 84 Abs. 3 Satz 2, 93 Abs. 2 Satz 1, 117 Abs. 2 Satz 1 AktG und die daraus folgenden Verantwortlichkeiten. Der Bieter und die für diesen handelnden Organmitglieder haften für Schäden aus Einflussnahmen unter den Voraussetzungen der §§ 117 Abs. 1, 317 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 AktG.
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5. Teil: Zusammenfassung der Ergebnisse 5. Teil: Zusammenfassung der Ergebnisse 1. Mit dem Abschluss eines BCA vereinbaren Bieter und Zielgesellschaft regelmäßig einen als reine Innengesellschaft ausgestalteten Gesellschaftsvertrag i. S. der §§ 705 ff. BGB.893 Dieser begründet in der Regel rein schuldrechtliche, durchsetzbare und vollstreckbare Erfüllungsansprüche zwischen den Vertragsparteien.894 2. Reichweite und Grenzen der vertraglichen Einflussrechte des Bieters werden durch den durch den Vertragszweck und die gesellschafterliche Treuepflicht bestimmt. Zwar kann eine Pflicht zur Durchführung der Maßnahme auch zum Nachteil der Zielgesellschaft begründet werden, wenn diese Maßnahme zur Verfolgung des gemeinsamen Zwecks geboten ist. Andererseits finden die Einflussrechte in der Treuepflicht auch eine Grenze. Der Bieter muss die Interessen der Zielgesellschaft mitberücksichtigen darf seinen Einfluss nur soweit zum Nachteil der Zielgesellschaft benutzen, als dies für das Erreichen des Unternehmenszusammenschlusses erforderlich, geeignet und angemessen ist.895 3. Nach der Entstehungsgeschichte und dem Normzweck des § 76 Abs. 1 AktG enthält die Vorschrift eine grundsätzliche Grenze für vertragliche Einflussrechte auf die Geschäftsführung der Aktiengesellschaft. Durch eine gegenüber Einflüssen von außen autonome Geschäftsführung durch den Vorstand soll die Funktionsfähigkeit der Aktiengesellschaft gewährleistet werden.896 Die Vorschrift des § 76 Abs. 1 AktG ist Ausfluss des Grundsatzes der Verbandsautonomie. Die Sicherung eines autonomen Geschäftsführungsorgans zielt auf den Schutz der Verfolgung des Gesellschaftszwecks und damit im Ergebnis auf die Autonomie der Gesellschaft im Bereich der Geschäftsführung. Die Geschäftsführung soll in den Händen von Entscheidungsträgern liegen, die an das Gesellschaftsinteresse gebunden sind und einer hinreichenden Kontrolle unterliegen.897 4. Bei der Konkretisierung der Grenzen des § 76 Abs. 1 AktG für vertragliche Einflussrechte erweist sich – entgegen einiger Stimmen im 893 Vgl. hierzu 2. Teil, B. II. 894 Vgl. hierzu 2. Teil, B. III. 1. 895 Vgl. hierzu 2. Teil, B. III. 2. 896 Vgl. hierzu 3. Teil, B. II. 897 Vgl. hierzu 3. Teil, B. III.
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Schrifttum – die Unterscheidung zwischen Leitung und Geschäftsführung nicht als taugliche Grenze eines zulässigen Außeneinflusses.898 Grundsätzlich kann jede Geschäftsführungsmaßnahme im Rechts- und Interessenskreis der Gesellschaft eine Leitungsmaßnahmen sein. Daher kann es nicht überzeugen, Einflussrechte auf Geschäftsführungsmaßnahmen stets als zulässig und Einflussrechte auf Leitungsmaßnahmen stets als unzulässig einzuordnen. Mit Blick auf die allgemeinen Vertragstypen des Zivilrechts kann eine generelle Zulässigkeit allein für Einflussrechte anerkannt werden, die sich auf Geschäftsführungsmaßnahmen im Rechts- und Interessenkreis des Einflussnehmenden beziehen.899 5. Ferner kann auch aus § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG keine Wertung des allgemeinen Aktienrechts für die Grenzen eines zulässigen vertraglichen Außeneinflusses auf die Geschäftsführung entnommen werden. Die Zustimmungsvorbehalte nach § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG sind nach ihrem Normzweck nicht mit vertraglichen Einflussrechten Außenstehender vergleichbar.900 6. Auch die Argumentation im Schrifttum kann nicht überzeugen, nach der aus einem Vergleich der Einflussrechte der allgemeinen schuld rechtlichen Vertragstypen und dem Weisungsrecht eines Beherrschungsvertrages (§ 308 Abs. 1 Satz 1 AktG) die Zulässigkeit von vertraglichen Einflussrechten nach § 76 Abs. 1 AktG hergeleitet wird, sofern ihre Reichweite durch den Vertragszweck hinreichend begrenzt ist. Die Argumentation überzeugt aus dogmatischen Gründen nicht und führt zudem in dieser Pauschalität zu keinen brauchbaren Ergebnissen.901 7. Eine Konkretisierung der Grenzen eines zulässigen vertraglichen Außeneinflusses ergibt sich jedoch aus § 291 Abs. 2 AktG. Die Regelung des § 291 Abs. 2 AktG zeigt, dass das Aktienrecht durchaus einen Vertrag mit schuldrechtlichen Einflussrechten auf die Geschäftsführung der Gesellschaft kennt, die grundsätzlich in ihrer Intensität mit Einflussrechten mit einem Mitentscheidungs- und Vetorecht eines BCA vergleichbar sind. Dabei finden diese Einflussrechte ihren Rechtsgrund und ihre Grenze in dem gemeinsamen Vertragszweck und der gesellschafterlichen Treuepflicht.902 Dieser Vertrag ist weder
898 Vgl. hierzu 3. Teil, C. I. 899 Vgl. hierzu 3. Teil, C. I. 2. b). 900 Vgl. hierzu 3. Teil, C. II. 901 Vgl. hierzu 3. Teil, C. III. 1. 902 Vgl. hierzu 3. Teil, C. III. 2. b).
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ein Unternehmensvertrag,903 noch verstößt der Vertragsinhalt gegen § 76 Abs. 1 AktG.904 8. Bei § 291 Abs. 2 AktG handelt sich nicht um eine Ausnahmevorschrift i. e. S. Der Vorschrift liegt eine verallgemeinerungsfähige Wertung zugrunde, die grundsätzlich auf andere Vertragsgestaltungen übertragbar ist.905 Die weiteren Tatbestandsmerkmale in § 291 Abs. 2 AktG der gegenseitigen Einflussnahme, der einheitlichen Leitung sowie des fehlenden faktischen Abhängigkeitsverhältnisses zwischen den Vertragsparteien bilden nicht den tragenden Grund dafür, dass das allgemeine Aktienrecht die Einflussrechte eines Vertrages i. S. des § 291 Abs. 2 AktG als zulässig einordnet.906 Dabei hat § 291 Abs. 2 AktG keinen eigenen Regelungsgehalt, sondern gibt lediglich den Regelungsgehalt des § 76 Abs. 1 AktG deklaratorisch wieder. Einer Übertragung i. e. S. eines Analogieschlusses dieses deklaratorischen Regelungsgehaltes auf andere Vertragsgestaltungen (z. B. das BCA) bedarf es daher nicht. Die Zulässigkeit der Einflussrechte eines Vertrages i. S. des § 291 Abs. 2 AktG ergibt sich aus § 76 Abs. 1 AktG selbst.907 9. § 76 Abs. 1 AktG steht damit nicht jedweden vertraglichen Einflussrechten auf die Geschäftsführung entgegen. Voraussetzung für die Zulässigkeit der Einflussrechte ist allerdings, dass die einflussnehmende Vertragspartei lediglich ein Mitbestimmungs- und Vetorecht für die Geschäftsführungsmaßnahmen hat und die Einflussnahme damit grundsätzlich unter der Mitentscheidung der beeinflussten Partei erfolgt. Weitere Voraussetzung ist, dass die einflussnehmende Vertragspartei zur Mitberücksichtigung der individuellen Interessen beeinflussten Partei verpflichtet ist und nur ausnahmsweise gegen den Willen und ggf. auch zum Nachteil der beeinflussten Partei eine Einflussnahme durchsetzen kann, wenn dies zur Verfolgung des Vertragszwecks erforderlich, geeignet und angemessen ist. Die Reichweite des Einflussrechts muss folglich durch den Vertragszweck und die Treuepflicht gegenüber dem Vertragspartner begrenzt sein.908 10. Einflussrechte mit einem Mitentscheidungs- und Vetorecht sowie Vorwegbindungen für Geschäftsführungsmaßnahmen sind daher mit
903 Vgl. hierzu 3. Teil, C. III. 2. b) cc) (1). 904 Vgl. hierzu 3. Teil, C. III. 2. b) cc) (2). 905 Vgl. hierzu 3. Teil, C. III. 2. c) bb). 906 Vgl. hierzu 3. Teil, C. III. 2. c) cc). 907 Vgl. hierzu 3. Teil, C. III. 2. c) dd). 908 Vgl. hierzu 3. Teil, C. III. 2. d).
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§ 76 Abs. 1 AktG vereinbar. Dagegen verstoßen Einflussrechte mit einem einseitigen Bestimmungsrecht gegen § 76 Abs. 1 AktG.909 11. Einflussrechte mit einem Mitentscheidungs- und Vetorecht sowie Vorwegbindungen auf Geschäftsführungsmaßnahmen der Zielgesellschaft können durch ein BCA für die Zielgesellschaft von deren Vorstand im Rahmen seiner Vertretungsmacht nach § 78 Abs. 1 Satz 1 AktG im Außenverhältnis gegenüber dem Bieter wirksam begründet werden. Diese Einflussrechte begründen damit von dem Bieter durchsetzbare und vollstreckbare vertragliche Pflichten der Zielgesellschaft.910 12. Unberührt bleibt im Innenverhältnis die Pflicht der Vorstandsmitglieder der Zielgesellschaft aus § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG zur Prüfung, ob das BCA und die darin enthaltenen Einflussrechte zur Verfolgung der Strategie des Unternehmenszusammenschlusses im Gesellschafts- und Unternehmensinteresse der Zielgesellschaft sind. Die Vereinbarung des BCA ist dabei eine unternehmerische Entscheidung i. S. des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG. Kommen die Vorstandsmitglieder unter Beachtung der Anforderungen des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG ex ante zu der Einschätzung, dass die Chancen des BCA die potentiellen Risiken infolge der Autonomieeinschränkungen durch die Einflussrechte im konkreten Einzelfall für die Zielgesellschaft überwiegen, so liegt gemäß § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG keine Pflichtverletzung vor.911 13. Besteht zwischen den Vertragsparteien kein faktisches Abhängigkeitsverhältnis i. S. des § 17 Abs. 1 AktG, so ist der Bieter bei der Vertragsdurchführung und der Ausübung der Einflussrechte mit ei nem Mitentscheidungs- und Vetorecht sowie bei Vorwegbindungen allein auf Grundlage seiner gesellschafterlichen Treuepflicht aus dem BCA zur Berücksichtigung der Interessen der Zielgesellschaft verpflichtet. Wird diese Pflicht verletzt, so kommt eine Haftung des Bieters nach § 280 Abs. 1 BGB sowie nach § 117 Abs. 1 AktG in Betracht. Nach § 117 Abs. 1 AktG haften neben dem Bieter ggf. auch die für ihn handelnden Organmitglieder. Für die Vorstandsmitglieder der Zielgesellschaft besteht aus § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG die Pflicht, bei der Vertragsdurchführung zu prüfen, ob den Einflussnahmen des Bieters nach dem BCA Folge zu leisten ist. Sie haben insbesondere zu prüfen, ob die veranlasste Maßnahme für den Unternehmenszusammenschluss erforderlich, geeignet und angemessen ist. Für eine Anwen909 Vgl. hierzu 3. Teil, C. III. 3. 910 Vgl. hierzu 4. Teil, A. I. 911 Vgl. hierzu 4. Teil, A. II.
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dung des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG ist bei dieser Prüfungspflicht kein Raum. Bei einer wiederholten und dauerhaften treuwidrigen Einflussnahme haben die Vorstandsmitglieder der Zielgesellschaft auch Unterlassungsansprüche gegen den Bieter und die Möglichkeit zur Kündigung des BCA nach § 723 Abs. 1 Satz 2 BGB zu prüfen. Verletzen sie diese Pflichten, so unterliegen sie gegenüber der Zielgesellschaft weiterhin den gesellschaftsinternen Sanktionen der §§ 84 Abs. 3 Satz 2, 93 Abs. 2 Satz 1 AktG sowie ggf. des § 117 Abs. 2 Satz 1 AktG.912 14. Entsteht zwischen den Vertragsparteien infolge des Übernahmeverfahrens ein faktisches Abhängigkeitsverhältnis, so werden die Verantwortlichkeiten der handelnden Personen durch die §§ 311 ff. AktG modifiziert. Das gilt insbesondere für die Prüfungspflicht des Vorstands der Zielgesellschaft, so dass es zu einer zweistufigen Prüfung kommt: Erstens muss der Vorstand prüfen, ob aus dem BCA eine Pflicht der Zielgesellschaft zur Umsetzung oder Unterlassung einer Geschäftsführungsmaßnahme entsprechend der Einflussnahme des Bieters besteht. Ist dies nicht der Fall, so muss der Vorstand der Zielgesellschaft zweitens prüfen, ob ein Nachteil aus der Einflussnahme des Bieters entsprechend den Anforderungen des § 311 AktG durch den Bieter ausgeglichen werden kann und wird. Ist dies nicht gegeben, darf er der Einflussnahme des Bieters nicht nachkommen. Verletzt der Vorstand der Zielgesellschaft diese Prüfungspflicht, so haftet er für einen der Zielgesellschaft hieraus entstehenden Schaden nach § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG. Erfolgt bis zum Ende des jeweiligen Geschäftsjahres kein Ausgleich des Nachteils, so kommt zudem eine Haftung des Bieters nach §§ 317 Abs. 1 Satz 1, 117 Abs. 1 AktG in Betracht. Daneben haften auch die für den Bieter handelnden Organmitglieder nach den §§ 317 Abs. 3, 117 Abs. 1 AktG.913 15. Die Vorschrift des § 76 Abs. 1 AktG ist als ein Verbotsgesetz i. S. des § 134 BGB auszulegen. In dem Verstoß der Einflussrechte mit einem einseitigen Bestimmungsrecht gegen § 76 Abs. 1 AktG liegt ein rechtsgeschäftlicher Verstoß gegen ein Verbotsgesetz gemäß § 134 BGB. Der Verstoß führt nach dem Sinn und Zweck des § 76 Abs. 1 AktG zur Nichtigkeit der vertraglichen Einflussrechte.914 16. Die Nichtigkeit der einzelnen Klauseln des BCA kann nach § 139 BGB – je nach den Umständen des Einzelfalls – sowohl zur Gesamtnichtigkeit des BCA als auch zur alleinigen Teilnichtigkeit führen. 912 Vgl. hierzu 4. Teil, A. III. 1. 913 Vgl. hierzu 4. Teil, A. III. 2. 914 Vgl. hierzu 4. Teil, B. I.
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Dies gilt grundsätzlich unabhängig davon, ob das BCA eine salvatorische Klausel enthält.915 Es bleibt jedoch stets eine Umdeutung nach § 140 BGB bzw. bei Vereinbarung einer entsprechenden Klausel die Ersetzung der nichtigen Einflussrechte möglich (z. B. in Form von zulässigen Einflussrechten mit einem Mitentscheidungs- und Veto recht).916 17. Bei der Durchführung eines BCA mit Einflussrechte mit einem ein seitigen Bestimmungsrecht ist zu unterscheiden: Soweit diese nichtigen Einflussrechte in wirksame Einflussrechte umgedeutet bzw. durch solche ersetzt werden können, gelten die gleichen Verantwortlichkeiten wie bei der Vertragsdurchführung der nach § 76 Abs. 1 AktG zulässigen Einflussrechte.917 18. Können die Einflussrechte im Einzelfall nicht umgedeutet oder ersetzt werden, so ist weiter zu unterscheiden: Sind nur die Einflussrechte (teil-)nichtig und das BCA im übrigen wirksam, so besteht aufgrund der Nichtigkeit der Einflussrechte für die Einflussnahme des Bieters keine Rechtsgrundlage. Nimmt er dennoch Einfluss, so ist die Einflussnahme rechtswidrig und damit mit Blick auf das BCA treuwidrig. Es gelten die gleichen Verantwortlichkeiten wie bei treuwidrigen Einflussnahmen. Ist das BCA dagegen gesamtnichtig, so bestehen keine vertraglichen Beziehungen zwischen dem Bieter und der Zielgesellschaft. Es gelten daher die allgemeinen aktienrechtlichen Vorschriften. Für die Vorstandsmitglieder der Zielgesellschaft gelten insbesondere die §§ 76 Abs. 1, 84 Abs. 3 Satz 2, 93 Abs. 2 Satz 1, 117 Abs. 2 Satz 1 AktG und die daraus folgenden Verantwortlichkeiten. Der Bieter und die für diesen handelnden Organmitglieder haften für Schäden aus Einflussnahmen unter den Voraussetzungen der §§ 117 Abs. 1, 317 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 AktG.918
915 Vgl. hierzu 4. Teil, B. I. 2. b). 916 Vgl. hierzu 4. Teil, B. I. 2. c). 917 Vgl. hierzu 4. Teil, B. II. 918 Vgl. hierzu 4. Teil, B. II.
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Stichwortverzeichnis
anglo-amerikanischer Rechtskreis 41 Aktiengesellschaft – Rechtsfähigkeit 153 – Funktionsfähigkeit 70, 72, 74, 75 ff. – Kapitalsammelfunktion 70, 73, 167, 174 – Verbandsautonomie 79 ff. aktienrechtliche Organisationsverfassung – bei faktischer Abhängigkeit 141 f. – Grundzüge 59 ff. – vor 1937 65 ff. – zwingender Charakter 166 ff. BCA siehe Business Combination Agreement Beherrschungsvertrag – verdeckter 5 ff. – Weisungsrecht 106 ff. – Wirksamkeitsvoraussetzungen 154 Bieter – Vertragspartei eines BCA 15 – Verantwortlichkeit bei Durchführung eines BCA 159, 161 Business Combination Agreement (BCA) – Begriff 1, 14 ff. – Förderpflichten 48 ff. – Inhalt 16 ff., 46 – Interessenlage 29 ff. – Rechtsbindungswillen 41 – Rechtsnatur 43 ff. – Rechtswahl 17 f. – Vertragsparteien 15 f.
Cooperation Framework Agree ment 18, Fn. 95 Deal protections 33, 46, 50 Due Diligence 31 f. Einflussintensität 25 Einflussrechte – Abgrenzung 25 ff. – durch einen Leitungsgemeinschaftsvertrag 113 ff. – in einem BCA 18 ff. – mit einseitigem Bestimmungsrecht 26 – mit einem Mitentscheidungsund Vetorecht 26 – fehlende Rückholkompetenz 98 f. Eingliederungsinteresse 31, 35 f., 39 f., 46 einheitliche Leitung 107, 110, 112 ff., 138 f. enger Konzernbegriff 138 „fiduciaryout“-Klausel 42, 155, 180 freundliche Übernahme 36 Förderpflicht siehe Gesellschaft bürgerlichen Rechts Führerprinzip 69 gemeinsames Gremium 23 ff. gemeinsamer Zweck siehe Gesellschaft bürgerlichen Rechts Generalversammlung 66 Geschäftsführungsmaßnahme – Begriff 20 f. – Abgrenzung zur Leitung 86 ff. 193
Stichwortverzeichnis
Gesellschaft bürgerlichen Rechts – Förderpflicht 48 ff. – gemeinsamer Zweck 43 ff. – synallagmatischer Vertrag 134 ff. – Voraussetzungen 43 ff. gesellschafterliche Treuepflicht 53, 116 – als Korrelat von Einwirkungsmacht 53, 56, 116 – bei faktischer Abhängigkeit 142 f. – Verhältnismäßigkeitsgrundsatz 55 Gleichordnungskonzern – fehlende faktische Abhängigkeit 139 ff. – vertraglicher 110 f., 139 Gleichordnungskonzernvertrag siehe Leitungsgemeinschaftsvertrag „HVB/UniCredit“-Entscheidung 4 f. Innengesellschaft 51 Investorenvereinbarung 15 Irrevocable Undertaking 33 Kapitalsammelfunktion siehe Aktiengesellschaft Kontrollerwerb 10 Konzerninteresse 108, 116 ff., 125 f. Leitung – Funktion 97 – Relativität 96 f. – Rückholkompetenz bei Delegationen 97 – unter eigener Verantwortung 63 ff. 194
– wirtschaftswissenschaftliche Typologie 89 f. Leitungsgemeinschaftsvertrag – aktienrechtliche Einordnung 119 ff. – Begriff 109, 111 – Funktionsweise 113 ff. – Interessenbindung 115 ff. – Rechtsnatur 112 f., 119 ff. Leitungsmacht – Unentziehbarkeit 59 f. – Unveräußerlichkeit 60 Mitbestimmungsinteresse 40 nationalsozialistische Ideologie 69 „No Shop“-Klausel 20 „No Talk“-Klausel 20 öffentliches Übernahmeangebot 9 f. Satzungsstrenge 165, 167 singularia non sunt extenden da 130 f. Übernahmeinteresse 31 Umdeutung 178 f. uneigennütziges Pflichtrecht 54 Unternehmenszusammenschluss 13 ff., 46, 49 Verbandsautonomie 75 ff. – Aktienrecht 79 ff. – Geltungsbereich 78 f. – Geschäftsführung 80 ff. – Schutzobjekt 77 f. – Verhältnis zum Konzernrecht 81 f. Verbotsgesetz – Begriff 163 ff.
Stichwortverzeichnis
– Rechtsfolge eines Verstoßes 171 ff. – Reichweite der Nichtigkeit 175 ff. Verdeckte Beherrschungsver träge siehe Beherrschungs vertrag Vorstand – Verantwortlichkeit bei Abschluss eines BCA 156 f. – Verantwortlichkeit bei Durchführung eines BCA 159 ff. – Vertretungsbefugnis 153 Vorwegbindungen 19 f., 26 f.
Weisungsrecht – Einflussintensität 25 – in Beherrschungsvertrag 106 ff. – in allgemeinen Vertragstypen 105 weiter Konzernbegriff 138 „WET“-Entscheidung 7 f. Zusammensetzung des Aktionärskreises 37 ff. Zustimmungsvorbehalt – Bestimmtheitsgrundsatz 103 – in einem BCA 20 – des Aufsichtsrats 101 ff.
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