136 67 64MB
German Pages 532 Year 1974
Veröffentlicheungen des Deutschen Vereins für Versicherungswissenschaft
Heft 76
Vermögenssicherung Der Versicherungsschutz des gesellschaftlichen Eigentums in der Volksrepublik Polen
Von
Witold Warkałło und Mitarbeiter
Duncker & Humblot · Berlin
WITOLD WARKALLO • VERMÖGENSVERSICHERUNG
Veröffentlichungen des Deutschen Vereins für Versicherungswissenschaft Heft 76
Vermögensversicherung Der Versicherungsschutz des gesellschaftlichen Eigentums in der Volksrepublik Polen
Von Prof. Dr. Witold WarkaHo und Mitarbeiter
DUNCKER & HUMBLOT /
BERLIN
Bei der vorliegenden Ausgabe handelt es sich um die von Dr. Erhardt Gralla, München, besorgte Übersetzung der polnischen Originalausgabe „Ubezpieczenia Maj^tkowe — Ochrona Ubezpieczeniowa Mienia Spolecznego", die 1971 als Dritte, veränderte und erweiterte Auflage im Verlag Pafistwowe Wydawnictwo Ekonomiczne, Warszawa, erschienen ist. Alle Rechte an der deutschen Ausgabe bei Duncker & Humblot, Berlin.
Die einzelnen Kapitel wurden bearbeitet von: Mgr. Zygmunt Brzozowski — V § 28 und § 29 Dr. Stanislaw Dmochowski — V I I § 35, 37, V I I I , I X , X § 52 Mgr. Marian Domagala — V I I , § 36 Dr. Waclaw Goronowski — X I I und X I I I Ing. Dr. Edward Montalbetti — X I Prof. Dr. Witold Wärkallo — I , I I , I I I , I V , V, V I , X § 50 und 51, X I V sowie Einleitung, Vorwort und ergänzendes Material.
Gedruckt 1974 bei Pafistwowe Wydawnictwo Ekonomiczne, Warszawa Printed in Poland
ISBN 3 428 02980 1
Inhaltsverzeichnis Vorwort Vorbemerkung des Übersetzers Vorwort zur 3. Auflage Nachtrag Vorwort zur 2. Auflage Einleitung
15 17 19 23 25 29
Erstes Kapitel
Zufällige Ereignisse und zufälliger Bedarf § 1. Ungewißheit, Risiko und Versicherung 42 § 2. Die Begriffskategorie des zufälligen Ereignisses als Ausgangspunkt der Versicherungstheorie 49 § 3. Das zufällige Ereignis als rechtserhebliches Ereignis (juristische Tatsache) 54 § 4. Der Begriff des zufälligen Ereignisses 65 § 5. Die Systematik der Schadenfälle und einige Elemente ihrer gesellschaftlich-geschichtlichen Bedingtheit 73 A. Das Kriterium des Ursprungs 73 B. Naturkatastrophen und andere Elementarschäden . . . . . . . . 76 C. Gesellschaftliche Konflikte und unerlaubte Handlungen . . . . 79 D. Maschinenschäden und andere technische Schadenfälle . . . . 82 E. Arbeitsunfälle 84 F. Verkehrsunfälle 85 G. Haftpflichtfälle als Schadenfälle 86 § 6. Zufälliger Bedarf als besondere Kategorie der Vermögensverluste 87 § 7. Methoden der Bekämpfung zufälliger Schäden 93 § 8. Die Funktion des Rechts i m Kampf gegen zufällige Schäden . . . . 98 A. Die rechtliche Regelung der Schadenbekämpfung 98 B. Normen repressiver Art 100 C. Normen präventiver A r t 103 D. Rechtsnormen, die eine Kompensation gewährleisten . 105 Zweites Kapitel
Versicherungs-Fonds und geschichtliche Versicherungstypen §
9. Der Versicherungs-Fonds der Gesellschaft
§ 10. Aus der Entwicklungsgeschichte der Versicherung . . . A. Vorkapitalistische Formen des Versicherungsschutzes . . . . . B. Die Entwicklung der Versicherung im Kapitalismus . . . . . . . § 11. Wandlungen der Versicherung im Sozialismus § 12. Gesellschafts-geschichtliche und ökonomische Versicherungstypen
109 117 117 119 123 127
nsverzeichnis
6
Drittes Kapitel
Entstehung, Entwicklung und Wandlungen der Wirtschaftsversicherung in Polen § § § §
13. 14. 15. 16.
Entstehung und Entwicklung der Wirtschaftsversicherung in Polen 130 Charakteristik der Versicherung der Zwischenkriegszeit (1919-1939) 132 Aufbau und Umbau der Versicherung in Volkspolen (1944-1947) . 135 Von der Versicherung auf Gegenseitigkeit zu der staatlichen Versicherung (1947-1952) 136 § 17. Die Herausbildung der sozialistischen Wirtschaftsversicherung . . 138
Viertes Kapitel
Entstehung und Entwicklung des Versicherungsschutzes für gesellschaftliches Eigentum in Volkspolen § § § §
18. 19. 20. 21.
Einleitende Bemerkungen Das Problem der drei Sektoren Selbstversicherungstendenzen Die Entwicklung des Versicherungsschutzes für das gesellschaftliche Eigentum in den Jahren 1945-1950 § 22. Beschränkungen des Versicherungsschutzes für das staatliche Eigentum in den Jahren 1951-1955 § 23. Die Periode der Stabilisierung des Versicherungsschutzes für das gesellschaftliche Eigentum (1956-1958) und die Ausbautendenzen (1959-1968)
141 141 145 148 151 153
Fünftes Kapitel
Die Vermögensversicherung als Rechtsinstitution § 24. Die Systematisierung der Versicherung A. Allgemeine Bemerkungen über die Kriterien der Gliederung des Versicherungswesens B. Die traditionelle Systematisierung der Versicherung C. Die in der sozialistischen Versicherungstheorie gebräuchliche Systematik D. Die Systematisierung der Vermögensversicherung nach den Vorschriften des polnischen Rechts § 25. Das Versicherungs-Rechtsverhältnis A. Der Begriff des Vermögensversicherungsverhältnisses B. Die Zivilrechtsnatur des Versicherungsverhältnisses C. Der Versicherungsvertrag D. Das Versicherungsrecht als besonder Rechtszweig E. Die charakteristischen Merkmale des Normativmaterials . . . . § 26. Einige versicherungsrechtliche Termini § 27. Die Versicherungsentschädigung § 28. Die Verjährung der Ansprüche aus dem Versicherungsverhältnis § 29. Der Regreßanspruch des Versicherers gegen die für einen Schaden haftende Person
160 160 161 163 166 173 173 176 178 180 182 185 203 214 221
nsverzeichnis
7
Sechstes Kapitel
Allgemeine Charakteristik der Versicherung des Volks- und Gruppeneigentums § 30. Allgemeine Bemerkungen über die Versicherung sozialistischer juristischer Personen § 31. Die Pflichtversicherung § 32. Die Vertragsversicherung § 33. Die Versicherung staatlicher Unternehmen § 34. Die Versicherung der Genossenschaften und der gesellschaftlichen Organisationen
226 228 230 240 243
Siebentes Kapitel
Die Pflichtversicherung § 35. Allgemeine Bemerkungen § 36. Die Kraftverkehrs-Pflichtversicherung A. Einleitende Bemerkungen B. Der objektive und subjektive Geltungsbereich der Kraftverkehrs-Pflichtversicherung C. Umfang der Haftung der Versicherungsanstalt D. Die Unfallversicherung E. Die Haftpflichtversicherung F. Das Problem der Kumulierung der Leistungen aus der Kraftverkehrs-Pflichtversicherung G. Obliegenheiten des Kraftfahrzeughalters H . Die Verhütung von Verkehrsunfällen § 37. Die Pflichtversicherung Landwirtschaftlicher Produktionsgenossenschaften (LPG) A. Einleitende Bemerkungen B. Die Gebäude-Pflichtversicherung C. Die Pflichtversicherung des beweglichen Vermögens landwirtschaftlicher Betriebe D. Die Pflichtversicherung von Bodenerzeugnissen gegen Hagel und Überschwemmung E. Forderung nach Erweiterung des Umfangs des Versicherungsschutzes für das Vermögen der LPGs
247 248 248 251 252 253 257 261 261 263 263 263 265 268 271 274
Achtes Kapitel
Die Pflicht-Vertragsversicherung § 38. Die Versicherung der Grund- und Umlaufmittel gegen Feuer und andere Zufallsereignisse A. Allgemeine Bemerkungen B. Gegenstand der Versicherung und Deckungsbereich 1. Der Gegenstand der Versicherung 2. Der Deckungsbereich . C. Der Umfang des Versicherungsschutzes D. Materieller Beginn der Versicherungshaftung E. Die Versicherung der Umlaufmittel auf variable Summen (Vorsorgeversicherung — E. G.) F. Die Versicherung gegen Stromschäden
276 276 279 279 280 282 283 285 286
a
nsverzeichnis
G. Die Versicherung des Arbeitnehmer-Eigentums H. Die Grundsätze der Entschädigungsfestsetzung und -auszahlung 1. Die Effizienz des Versicherungsschutzes 2. Die Festsetzung der Entschädigung 3. Der Termin der Entschädigungszahlung I. Die Versicherung von Grund- und Umlaufmitteln der Unternehmen der Leichtindustrie gegen Feuer und andere zufällige Ereignisse J. Vorschläge zur Erweiterung des Umfangs des Versicherungsschutzes und zur Ausdehnung des Deckungsbereichs . . . . . . . 1. Vorschlag, Grundmittel der Subjekte des Gruppeneigentums in Höhe der Wiederherstellungskosten zu versichern . . . . 2. Erweiterung des Deckungsbereichs 3. Versicherung von Umlaufmitteln auf variable Summen . . . 4. Problem der Versicherung staatlicher Wohngebäude . . . . § 39. Die Binnentransport-Güterversicherung A. Allgemeine Grundsätze B. Die Organisation und Wirkung des Versicherungsschutzes . . . 1. Gegenstand der Versicherung 2. Deckungsbereich . 3. Beginn und Ende der Gefahrtragung der Versicherungsanstalt 4. Vertragsformen 5. Versicherungssumme 6. Grundsätze für die Festsetzung der Prämienhöhe 7. Prämienberechnung 8. Einheiten, die zum Abschluß eines Versicherungsvertrages verpflichtet sind . . . 9. Schadenberechnung und Entschädigungsauszahlung C. Steigerung des Versicherungsschutzes § 40. Die Tierlebensversicherung A. Allgemeine Grundsätze B. Gegenstand der Versicherung und Deckungsbereich 1. Gegenstand der Versicherung 2. Deckungsbereich C. Der Abschluß des Versicherungsvertrages 1. Versicherungsantrag . . 2. Beginn der Haftung der Versicherungsanstalt 3. Festsetzung der Prämienhöhe D. Die Grundsätze für die Entschädigungsberechnung und -auszahlung 1. Grundsätze für die Berechnung des Schadens und der Entschädigung . . . 2. Auszahlung der Entschädigung E. Ausdehnung des Deckungsbereiches auf weitere Gefahren und Gegenstände 1. Tierschäden infolge von ansteckenden Tierkrankheiten . . . 2. Erforderlichkeit und Zweckmäßigkeit der Ausdehnung des Versicherungsschutzes auf Tiere staatlicher landwirtschaftlicher Betriebe (PGR) .
287 288 288 288 289 290 293 293 294 294 295 297 297 299 299 299 300 300 301 301 302 302 303 304 306 306 307 307 308 309 309 309 310 310 310 310 311 311 311
nsverzeichnis
9
Neuntes Kapitel
Die fakultative Vertragsversicherung § 41. Allgemeine Grundsätze § 42. Die Kraftfahrzeugversicherung (Autokasko) § 43. Haftpflichtversicherung
314 316 319
§ 44. Versicherung landwirtschaftlicher Kulturen gegen Hagel, Überschwemmung und Spätfrost
322
§ 45. Versicherung von Maschinen, maschinellen Einrichtungen und Apparaten gegen Beschädigung A. Allgemeine Grundsätze . B. Die Maschinenversicherung in bezug, auf Einheiten, die nicht dem Ministerium für Leichtindustrie unterstehen . C. Die probeweise in der Leichtindustrie eingeführte Maschinenversicherung D. Vorschläge zur Steigerung der Wirksamkeit des Versicherungsschutzes 1. Ausdehnung der neuen Versicherungsgrundsätze auf alle Wirtschaftseinheiten
§ 46. § 47.
§ 48.
§ 49.
325 325 326 327 330 330
2. Automatische Ausdehnung des Versicherungsschutzes auf das Vermögen neu gegründeter Unternehmen . 330 3. Vereinfachung der Versicherungstechnik . 330 Glasversicherung 330 Einbruchdiebstahl- und BeraubungsVersicherung 331 A. Gegenstand der Versicherung, Deckungsbereich und Versicherungssumme 331 B. Versicherungssysteme 333 C. Sicherheitsbestimmungen . 334 D. Grundsätze der Berechnung des Schadens und die Auszahlung der Entschädigung 335 Tierzuchtversicherung 336 A. Pelztierversicherung 336 B. Geflügelversicherung 337 C. Bienenversicherung 338 D. Seidenraupenzuchtversicherung 339 E. Andere, mit der Tierzucht verbundene Versicherungen . . . . 339 Forderung nach Integration im Bereich der Vertragsversicherung der vergesellschafteten Wirtschaft 340
Zehntes Kapitel
Die freiwillige Inlandversicherung § 50., Begriff und Einteilung der freiwilligen Inlandversicherung . . . . § 51. Anwendungsbereich und Voraussetzungen der freiwilligen I n landversicherung § 52. Tierlebensversicherung der Tierbestände der LPGs
342 347 349
nsverzeichnis Elftes Kapitel
Die See-, Luftfahrt- und andere Arten der mit dem Auslandverkehr verbundenen Versicherung § 53. Allgemeine Grundsätze der Versicherung des i m Ausland befindlichen gesellschaftlichen Vermögens • • • . § 54. Seeversicherung — allgemeine Bemerkungen § 55. Allgemeine Grundsätze der Seegüterversicherung § 56. Seekaskoversicherung § 57. Reeder-Haftpflichtversicherung § 58. Fischereifahrzeugversicherung § 59. Flußkaskoversicherung § 60. Luftfahrtversicherung 1. Die Versicherung der Polnischen Fluglinie „LOT" 2. Die Versicherung des Aeroklubs der V R P 3. Die Versicherung der Sanitätsluftfahrt § 61. Ausfuhrkreditversicherung § 62. Andere Arten der mit dem Auslandverkehr zusammenhängenden Versicherung 1. Waren, die nicht auf dem Seeweg exportiert und importiert werden 2. Kraftfahrzeuge, die für Auslandreisen verwendet werden . . . 3. Internationaler Straßentransport § 63. Allgemeine Beurteilung und Schlußfolgerungen
352 358 360 364 366 369 371 373 373 376 377 378 379 379 379 380 382
Zwölftes Kapitel
Die Funktionen der Vermögensversicherung auf dem Gebiet der Schadenverhütungstätigkeit § 64. Die Grundvoraussetzungen der Vorbeugungstätigkeit der Versicherungsanstalt § 65. Die Entwicklung der Vorbeugungstätigkeit der Versicherungsanstalt in Volks-Polen § 66. Richtungen der Vorbeugungstätigkeit
385 388 394
Dreizehntes Kapitel
Die finanziellen Funktionen der Vermögensversicherung § 67. Die grundlegende finanzielle Funktion der Wirtschaftsversicherung 405 § 68. Die Zentralisierung der verstreuten Geldmittel des Versicherungs-Fonds der Gesellschaft 409 § 69. Die Aufgabe der Versicherung bei der Aufteilung des Volkseinkommens 411 § 70. Anlagen und finanzielle Uberschüsse der Versicherungsanstalt . . 413 A. Anlagen 413 B. Die finanziellen Überschüsse 417 § 71. Der Schutz der Zahlungsbilanz des sozialistischen Staates 422
nsverzeichnis Vierzehntes
11
Kapitel
Schlußfolgerungen und Probleme (offene Fragen) § 72. Allgemeine Bemerkungen § 73. Allgemeine Feststellungen und Schlußfolgerungen § 74. Die Gesetzmäßigkeiten und Probleme des Versicherungsschutzes für das Gruppeneigentum § 75. Die Gesetzmäßigkeiten und Probleme des Versicherungsschutzes für das staatliche Eigentum A. Gesetzmäßigkeiten B. Der Haushaltsschutz und der Versicherungsschutz C. Die Schadenverteilung durch die Versicherung und durch den Haushalt D. Die Vermögensversicherung und die wirtschaftliche Rechnungsführung E. Der Versicherungsdienst als Ausdruck der gesellschaftlichen Arbeitsteilung F. Die ökonomische Wirksamkeit des Versicherungsschutzes und des Haushaltsschutzes § 76. Dezentralisierungstendenzen in der Verwaltung des Volksvermögens und die Vermögensversicherung § 77. Der Anwendungsbereich des Versicherungsschutzes für das staatliche Eigentum und der Wirkungsbereich des Wertgesetzes . . . . § 78. Konkrete Schlußfolgerungen A. Das Volkseigentum 1. Der Deckungsbereich 2. Der Umfang des Versicherungsschutzes 3. Die Organisation des Versicherungsschutzes B. Das Gruppeneigentum 1. Der Deckungsbereich 2. Der Umfang des Versicherungsschutzes 3. Die Organisation des Versicherungsschutzes C. Die Schadenverhütung 1. Die Planung und Koordinierung der Vorbeugungstätigkeit 2. Die Bildung eines „Versicherungsaktivs" 3. Die Analyse des von der P Z U zusammengestellten statistischen Materials D. Das Versicherungsrecht
Anhang Literaturverzeichnis Normativakte Allgemeine Versicherungsbedingungen, Prämientarife und Vereinbarungen betreffend die Einheiten der vergesellschafteten Wirtschaft . . Aus der Rechtsprechung
424 425 433 443 443 445 447 448 449 450 454 462 472 473 473 477 477 478 479 479 480 480 480 481 481 481
488 492 511 517 522
Abkürzungsverzeichnis AB ABGB
=
ADAS
= Administratia Asigurarilor de Stat (Staatl. Versicherungsanstalt in Rumänien)
ADS
=
Allgemeine Deutsche
AIDA
=
Association Internationale de Droit des Assurances
AKB
=
Allgemeine Kaufbedingungen
A.R. ASozV.
= A l l Risks = Allgemeine Sozialversorgung der Arbeitnehmer und der M i t glieder ihrer Familien
Allami Biztositö (Staatl. Versicherungsanstalt Allgem. Bürgerl. Gesetzbuch Österreichs
in
Ungarn)
Seeversicherungsbedingungen
AVB
= Allgemeine Versicherungsbedingungen
BauMin.
==
Ministerium für Bau- und Baustoffindustrie
BVB
=
Besondere Versicherungsbedingungen
CRS
= Centrala Rolnicza schafts -Zentrale
CRZZ
— Centralna Rada Zwi^zköw Zawodowych — Zentralrat der Gewerkschaften — Centralny Zwi^zek Sp6ldzielczo§ci Pracy — Zentralverband der Arbeitsgenossenschaften = Deutsche Auslands- und Rückversicherungs- A.G. — D D R = Dziennik Urz^dowy — Amtsblatt (der einzelnen Ministerien) = Deutsche Versicherungsanstalt — DDR, seit 1.1.1969 umbenannt in Staatliche Versicherung der Deutschen Demokratischen Republik
CZSP DARAG D.U. DVA
Spöldzielni — Landwirtschafts-Genossen-
DZI
= Derzaven Zastrachovatelen Institut (Staatl. Versicherungsanstalt in Bulgarien)
Dz.U. EG ZGB EG Z V G B EvW FinMin. F.P.A. FWP
=
Gosstrach
Dziennik Ustaw — Gesetzblatt Einführungsgesetz zum Zivilgesetzbuch von 1964 = Einführungsgesetz zum Zivilverfahrensgesetzbuch von 1964 = Einheiten der vergesellschafteten Wirtschaft = Finanzminister = Free of Particular Average = Fundusz Wczasöw Pracowniczych — Fonds für Arbeiter-Erholungen =
= Gosudarstvennoe strachovanie (Staatl. Versicherungsanstalt in der UdSSR) GUS = Glöwny Urz^d Statystyczny — Statistisches Hauptamt HGB = Handelsgesetzbuch Ingosstrach = Anstalt für Auslandversicherung in der UdSSR
13
Abkürzüngsverzeichnis JZO KERM
=
Jugoslovenska Zajednica Osiguranja (Verband der Versicherer Jugoslawiens) = Komitet Ekonomiczny Rady Ministröw — Wirtschaftskomitee des Ministerrats
LOK LPG
=
Min. MinR. M.P. NEP
=
Li
g a für Landesverteidigung = Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften
Minister (auch in Zusammensetzungen) Ministerrat — Monitor Polski (Amtsblatt) = Novaja Ekonomiöevskaja Politika — Neue ökonomische Politik =
N.P.
:==
NRS
=
Nowe Prawo—Neues Recht, Ztschr. Naczelna Rada Spöldzielcza — Oberster
Genossenschaftsrat
NWP
=
National-Wirtschaftsplan
OG
=
Oberstes Gericht Polens
OR OSPiKA
= Obligationen-Recht, (kodeks zobowi§zaA) von 1933 = Orzecznictwo S^döw Powszechnych i Komisji Arbitrazowych — Rechtsprechung der ordentlichen Gerichte und A r bitrage-Kommissionen
ÖVT
= ehemaliges Oberstes Verwaltungs-Tribunal
OZR
= Oddzial Zaopatrzenia Robotniczego — Abteilung für ArbeiterVersorgung
PGR
= PaAstwowe Gospodarstwa Rolne — Staatliche schaftliche Betriebe = PaAstwo i Prawo —Staat und Recht, Ztschr.
PiP
Landwirt-'
PKPG
=
PaAstwowa Komis ja Piano wania Gospodarczego — ehemalige Staatliche Wirtschafts-Planungs-Kommission
PKO
=
Powszechna Kasa Oszcz^dnoici — Allgemeine Sparkasse
Przeg.Not.
= Przegl^d Notarialny — Notariats-Rundschau,
Przeg.Ub.
=
PUG
= Przeglqd Ustawodawstwa Gospodarczego — Rundschau Wirtschaftsgesetzgebung, Ztschr.
PUKU
= PaAstwowy Urz^d Kontroli UbezpieczeA — (ehemaliges polnisches) Staatliches Versicherungsaufsichtsamt
PUS
= Przegl^d UbezpieczeA Rundschau, Ztschr.
PZSocj.
— Przegl^d ZagadnieA Socjalnych — Rundschau der Fragen, Ztschr.
PZU
=
PZXJW SeeG SGiP Stapoj
Przegl^d Ztschr.
Ubezpieczeniowy
—
Ztschr.
Versicherungs-Rundschau, der
Spolecznych — SozialversicherungsSozialen
PaAstwowy Zaklad UbezpieczeA — Staatliche Versicherungsanstalt in Polen = Powszechny Zaklad UbezpieczeA Wzajemnych — ehemalige Versicherungsanstalt auf Gegenseitigkeit in Polen im J. 1952 in P Z U umgestaltet = Seegesetzbuch von 1961 — Sovetskoe Gosudarstvo i Pravo — Sowjetischer Staat und sowjetisches Recht, Ztschr. = Stätni Pojistovna (Staatl. Versicherungsanstalt in der CSSR)
Abkürzungsverzeichnis
14 StGB T.A.R.C. TRZZ VRP
=
Strafgesetzbuch von 1932 und von 1969 — Trawler all Risks Clauses B Towarzystwo Rozwoju Ziem Zachodnich — Gesellschaft für die Entwicklung der Westgebiete = Volksrepublik Polen
W.A. „Warta"
53
Wiad.PZU Wiad.Ub.
"= Wiadomoöci P Z U — Nachrichten der PZU, Ztschr. = WiadomoSci Ubezpieczeniowe — Versicherungs-Nachrichten, Ztschr.
Zb.
— urz^dowy zbiör orzeczeö S^du Najwyzszego — amtliche Sammlung der Entscheidungen des Obersten Gerichts = Zarzqd Budynköw Mieszkalnych — Wohngebäude-Verwaltung
ZBM
W i t h Average = Ver sicher ungs- und RückVersicherungsgesellschaft A . G . in Warszawa
„Warta",
ZGB
= Zivilgesetzbuch von 1964
ZL ZUS
= Zloty — polnische Währungseinheit * Zaklad Ubezpieczeö Spolecznych — Sozialversicherungsanstalt in Polen = Zaklad UbezpieczeÄ Wzajemnych — ehemalige Versicherungsanstalt auf Gegenseitigkeit in Polen
ZUW ZVGB
=
Zivilverfahrensgesetzbuch
Vorwort Die vorliegende Arbeit stellt die Übersetzung der dritten Auflage des von einem Autorenkollektiv unter Leitung von Prof. Dr. Witold Warkatto erarbeiteten Werks über die polnische „VermögensVersicherung" dar. Das von einer Persönlichkeit internationalen wissenschaftlichen Ranges — Prof. Warkatto ist auch Präsident der Sektion der Volksrepublik Polen i n der Association Internationale du Droit des Assurances — betreute Werk gibt einen unmittelbaren Eindruck der politischen, sozialen, ökonomischen und juristischen Welt der Volksrepublik Polen i m Lichte der „Institutionen" der „Vermögensversicherung". Das Buch zeigt nicht nur die profunde Kenntnis der behandelten Rechtsordnung, sondern zugleich einen hohen Grad der Beherrschung anderer Rechtsordnungen, verbunden m i t der Fähigkeit, vom eigenen Standpunkt Kritisches und Konstruktives zu entwickeln. Die Arbeit ist sowohl unter Gesichtspunkten des Vergleichs, als auch der künftigen Zusammenarbeit von Bedeutung. M i t dieser Veröffentlichung bemühen sich der Deutsche Verein für Versicherungswissenschaft und dessen Arbeitsgemeinschaft für internationales Versicherungsrecht weiter u m die wissenschaftliche Erfassung des Versicherungsrechts der sozialistischen Länder (vgl. vorher Ehrenfried Schütte, Das Versicherungswesen der Sowjet-Union, 1966, Heft 73 der Reihe der Veröffentlichungen) und allgemein der Rechtsvergleichung (vgl. Reimer Schmidt — Bernt Bühnemann, Europäisches Versicherungsaufsichtsrecht, 1964/66, Heft 71/1 und II). Das Vorwort zu einem derartigen Werk kann keine „Rezension" sein. Gewisse Hinweise aber mögen die Benutzung erleichtern. Unter „Vermögensversicherung" versteht Warkallo jene Versicherungsarten der Sach- und Haftpflichtversicherung, die den Schutz des gesamten Vermögens des Versicherungsnehmers zum Gegenstand haben. Man kann den Begriff m i t unserem Begriff der Schadensversicherung vergleichen (dazu S. 29 ff., 160, 165, 172). Die Schau der Verfasser von der geschichtlichen Entwicklung der Versicherung i m Sozialismus und ihren Wandlungen i m Sozialismus erscheint als von allgemeiner Bedeutung (S. 42 ff., 112 ff., 123, 130). Interessant sind auch die vielfältigen rechtsgedanklichen Entwicklungen zu den Instituten des „klassischen" Versicherungsrechts, beginnend m i t der Ablehnimg der aleatorischen Natur des Versicherungsvertrages und der Schaffung eines, vom rechtlichen und philosophischen begrifflichen
16
Vorwort
Inhalt des „Zufalls" abweichenden, Begriffs — „zufälliges (schicksalhaftes) Ereignis" (S. 61 ff.). Wesentlich erscheinen die Überlegungen zur unterschiedlichen Funktion der Schadenverhütung i m kapitalistischen und i m sozialistischen System (S. 95 ff., 385 ff.) und zur besonderen finanziellen Funktion der Vermögensversicherung (S. 407 ff), und den darauf resultierenden Überlegungen zum Verhältnis von Leistung und Gegenleistung i m Versicherungsverhältnis. Auch die Gedanken zu den Kapitalanlagen der Versicherungsanstalt (S. 414 ff.) verdienen Beachtung. Diese wenigen Hinweise zeigen die Breite der Untersuchung und ihre sachliche Bedeutung. Die Übersetzung ist Dr. Erhardt Gralla zu verdanken. Die schwierige Übertragung der rechtlichen und versicherungstechnischen Begriffe wurde von Dr. U l r i c h Schlie und Dr. Astrid Doerry i n Verbindung m i t Prof. Dr. Witold Warkallo und dem Übersetzer überprüft. P r o f . D r . Reimer
Schmidt
Vorbemerkung des Übersetzers Bei der Übersetzung rechtwissenschaftlicher Texte tauchen häufig Schwierigkeiten auf, die durch unterschiedliche Begriffe und Termini der einzelnen Rechtsordnungen bedingt sind. Das gilt vor allem für Ubersetzungen aus dem sozialistischen juristischen und ökonomischen Schrifttum. U m dem deutschen Leser das Verstehen des vorliegenden Textes zu erleichtern, habe ich einige typische Termini des polnischen Rechts, für die es keine entsprechenden deutschen Ausdrücke gibt (z.B. zdarzenie „losowe" — sog. „schicksalhaftes" Ereignis), m i t eigenen A n merkungen versehen, die durch einen Stern (%) gekennzeichnet sind. Die i m Literaturverzeichnis angeführten Werke wurden nur m i t dem Verfassernamen und, sofern ein Verfasser m i t mehreren Werken vertreten ist, m i t dem i m Literaturverzeichnis gesperrten Teil des Titels zitiert; Zeitschriftenaufsätze wurden nur m i t Verfassernamen und Quelle zitiert, soweit sie i m Literaturverzeichnis angeführt sind. Bei dieser Gelegenheit möchte ich Herrn Prof. Dr. Witold Warkaüo für seine wertvollen Hinweise danken. Besonderer Dank gebührt Herrn Dr. Ehrenfried Schütte für seine zahlreichen Ratschläge sowie die mühevolle Überprüfung des Manuskriptes, insbesondere für die sachliche Korrektur einiger Fachausdrücke. Für klärende Hinweise b i n ich meinem Schwiegervater, Herrn Walter Köpfer, verbunden. Erhardt
2 Warkatto
Gratia
Vorwort zur 3. Auflage Als vor 15 Jahren, i m Oktober 1953, das Institut für Rechtswissenschaften der Polnischen Akademie der Wissenschaften die drei Vertreter der sich damals gerade i n Polen entwickelnden Theorie des sozialistischen Versicherungsrechts, Mgr. W. Goronowski, Prof. Z. Nowakowski und Prof. W. Warkaüo, beauftragte, zu untersuchen, i n wieweit die Vermögensversicherung geeignet sei, dem gesellschaftlichen Eigentum einen Schutz zu bieten 1 , war es k a u m möglich, den Erfolg dieser Arbeit oder gar ihren wissenschaftlichen Wert und ihre Bedeutung für die Praxis vorauszusehen. Obwohl bereits Prof. V. K . Rajcher m i t seinen Thesen den Versicherungsschutz für beide Formen des gesellschaftlichen Eigentums als erforderlich bezeichnet und eingehend begründet h a t t e 2 , betrachtete die Theorie die Zweckmäßigkeit eines solchen Schutzes als eine offene Frage, und i n der Praxis überwogen — was die Versicherung des Volkseigentums betrifft — fast i n allen sozialistischen Ländern ausdrücklich Tendenzen, die auf die Abschaffung der Versicherung gerichtet waren. Das stand i m Zusammenhang m i t dem i n den 50-er Jahren herrschenden System der zentralen Verwaltung des Volkseigentums, m i t dem auch die Methode der Deckung von zufälligen Schäden am Vermögen staatlicher Unternehmen aus M i t t e l n des Haushalts verbunden ist. Das Autorenkollektiv ließ sich von diesen damals herrschenden Tendenzen nicht beeinflussen. Es entdeckte nämlich den inneren Zusammenhang zwischen dem Versicherungsschutz und den Grundsätzen der wirtschaftlichen Rechnungsführung, die für die operative Tätigkeit der wichtigsten Gruppe staatlicher Organisationseinheiten galten. Aufgrund der ausführlichen Untersuchungen, die u. a. unter Berücksichtigung geschichtlicher und rechtsvergleichender Aspekte durchgeführt wurden, k a m das Autorenkollektiv zu dem Schluß, daß die Vermögensversicherung nicht nur als eine der rechtlichen Formen des Schutzes für das gesellschaftliche Eigentum, sondern auch 1 Siehe Sprawozdania z prac naukowych Wydzialu Nauk Spolecznych P A N (Berichte über die Arbeiten der Abteilung für Gesellschafts-Wissenschaften der Polnischen Akademie der Wissenschaften), Warszawa 1953, S. 79. 1 V . K . Rajcher, Spoieczno-histaryczne typy ubezpieczeA (Die gesellschaftshistorischen Typen der Versicherung), polnische Auflage, Warszawa 1951.
2»
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Vorwort zur 3. Auflage
als eines der Elemente der Verwaltung dieses Eigentums zu betrachten sei. Wenn w i r heute dem Leser die 3. Auflage dieses Werkes übergeben, so können w i r m i t Befriedigung feststellen, daß sich die bereits vor 10 Jahren aufgestellten Thesen als richtig erwiesen haben. Die schon i n der 1. Auflage begründete Konzeption des Versicherungsschutzes für das Vermögen staatlicher Unternehmen, die Grundmittel der staatlichen Schlüsselindustrie nicht ausgenommen, wurde nicht nur i n unserem Lande i n die Tat umgesetzt. Sie w i r d seit 1967 i n anderen Ländern, die bei sich den Sozialismus aufbauen, vollzogen, u.a. auch i n den Ländern, die diese Konzeption Anfang der 50-er Jahre abgelehnt haben — i n der Tschechoslowakei und i n Ungarn wie auch i n Bulgarien und Rumänien. Für diese beachtenswerte Wende i n der Versicherungspolitik des sozialistischen Staates war das Streben nach einer — gegenwärtig praktizierten — Erweiterung der operativen Selbständigkeit und der wirtschaftlichen Autarkie staatlicher Unternehmen ausschlaggebend. Wie die i n Polen durchgeführten Untersuchungen zeigten, stimmt die Versicherungsmethode der Deckung zufälliger Schäden nicht nur m i t der Dezentralisierung der Verwaltung des Volkseigentums überein, sie ist vielmehr außerdem ein notwendiges Element und eine der Erscheinungsformen dieser Dezentralisierung. Hatte der Sieg der Konzeption, den Versicherungsschutz für beide Formen des gesellschaftlichen Eigentums anzuwenden — verbunden m i t der Anerkennung der Versicherung als eines der Elemente des Systems der Verwaltung dieses Eigentums — vor allem wirtschaftliche Bedeutung, so war die i n Polen durchgeführte theoretische Bearbeitung der Voraussetzungen, der Methoden, der Besonderheiten sowie der Gesetzmäßigkeiten und Entwicklungstendenzen dieses Schutzes vor allem für die wissenschaftlich-theoretische Ausgestaltung der sozialistischen Versicherimg als eines geschichtlich neuen Typus der Versicherung wichtig. Es ist verständlich, daß dieser Beitrag zur Versicherungstheorie, zur Erkenntnis der Versicherung als einer geschichtlichen, weitgehend entwicklungsfähigen und i n der Übergangsperiode (vom Kapitalismus zum Kommunismus — E. G.) zeitgemäßen Erscheinung das Interesse der gesamten Versicherungswissenschaft, vornehmlich der Versicherungsrechtswissenschaft wekken mußte. Es ist eine Tatsache, daß die kapitalistische D o k t r i n des Westens, die des öfteren den Sinn, ja sogar die Möglichkeit einer Versicherung außerhalb des Rahmens einer auf Privateigentum der Produktionsm i t t e l 3 beruhenden Wirtschaftsordnung bestritten hat, die Existenz ' Siehe z.B. G. F. SerSenevic, Kurs torgovogo prava (Kurs des Handelsrechts), Moskva 1908, Bd. I I , S. 356; C.Vivante, Trattato del diritto com-
Vorwort zur 3. Auflage
eines sozialistischen Versicherungsrechts als eines neuen, neben den beiden bisherigen Systemen — dem kontinental-europäischen und dem anglo-amerikanischen System — bestehenden Typus dieses Rechts anerkannte 4 . Es ist kein Zufall, daß i n den letzten Jahren eine Reihe wissenschaftlicher Arbeiten, die der sozialistischen Versicherung und ihrem Recht gewidmet sind, erschienen ist, Arbeiten, die von ernsthaftem Interesse für die wissenschaftliche, vornehmlich rechtswissenschaftliche Problematik der sozialistischen Versicherung zeugen 5 . Hervorzuheben ist, daß i m Rahmen der wissenschaftlichen Tätigkeit der A I D A — der Internationalen Vereinigung für Versicherungsrecht — und auch auf einem anderen Forum ein Ost-West-Dialog über die Vermögensversicherung eingeleitet worden ist. Es ist zu erwarten, daß dieser Dialog die Versicherungstheorie u m neue Gedanken bereichern und ihren Forschungsbereich erweitern wird®. I n Anbetracht der wissenschaftlichen Ergebnisse der auf Anregung und Empfehlung der Polnischen Akademie der Wissenschaften unternommenen Untersuchungen und des Echos, den diese Untersuchungen i n der gesamten Versicherungsrechtslehre gefunden haben, vor allem aber wegen der Verwertung dieser Arbeiten i n der Praxis, i n der Versicherungspolitik Polens, ist es nicht vermessen zu behaupten, daß die Arbeit des Autorenkollektivs fruchtbar und die forschungs-wissenschaftliche Initiative erfolgreich war. Die Verbindung zwischen Theorie und Praxis, die i n der Zusammensetzung des Autorenkollektivs zum Ausdruck kam, hatte für den Erfolg der Untersuchungen, insbesondere für die Berücksichtigung der tatsächlichen Bedürfnisse der Fortentwicklung des Versicherungsschutzes hinsichtlich des A u f baus des Sozialismus, eine wesentliche Bedeutimg. Diese Zusammenarbeit hat gewiß dazu beigetragen, daß das Buch zwei Aufgaben erfüllen kann und auch tatsächlich erfüllen wird: es ist ein theoretisches Werk, eine wissenschaftliche Monographie und zugleich auch ein Wegweiser für die Praxis — eine Informationsquelle, und zwar nicht nur über die den Versicherungsschutz für das gesellschaftliche marciale, I V , S. 359 f.; A. H. Mowbray, Insurance, its Theory and Practice in the United States, New York —London 1946, S. 611 f. 4 Siehe z.B. A. Donati , Contributi europei alia creazione del diritto delle assicurazioni e i compiti dell' A.I.D.A., A t t i del primo congresso internazionale di diritto delle assicurazoni, Milano 1963, Bd. I , S. 239. 6 Siehe z.B. E. Schütte , Das Versicherungswesen der Sowjet-Union, Berlin 1966; P. Best, Origins and Development of Insurance in Imperial and Soviet Russia, New York 1966; B.Rudden, Soviet Insurance Law, Leyden 1966. ® W.Warkallo, Nauka zachodu a socjalistyczne prawo ubezpieczeniowe (Die Lehre des Westens und das sozialistische Versicherungsrecht), Wiad. Ub. Nr. 5/1967, S. 2—3. Vgl. die Notiz in W G O — Monatshefte für Osteuropäisches Recht, Nr. 4/1967, S. 249 f. „Rechtsvergleichender Versicherungsdialog Ost-West".
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Vorwort zur 3. Auflage
Vermögen regelnden Vorschriften, sondern auch über den Stand dieses Versicherungsschutzes i n Polen. Obwohl dieses Buch das Ergebnis kollektiver, auf enger Zusammenarbeit von Theoretikern und Praktikern beruhender Untersuchungen ist, und obwohl das Autorenkollektiv bemüht war, die konstruktiven Anmerkungen zu verwerten, die i n zahlreichen i m I n - und Ausland veröffentlichten Rezensionen enthalten waren, ist es gewiß nicht frei von Mängeln und Unzulänglichkeiten. Es scheint jedoch, daß die von der Polnischen Akademie der Wissenschaften gestellte Aufgabe erfüllt worden ist. Indirekt ist die Richtigkeit der These bestätigt worden, daß auch auf dem Gebiet der Gesellschaftswissenschaften eine Planung von Forschungsarbeiten und eine Durchführung solcher Arbeiten durch Autorenkollektive, i n denen Wissenschaftler und Vertreter der Praxis zusammenarbeiten, möglich, zweckmäßig und fruchtbar ist. Warszawa, Februar 1969
Witold
Warkallo
Nachtrag* Das Problem des Versicherungsschutzes für das gesellschaftliche Vermögen weckt nach wie vor lebhaftes Interesse sowohl bei W i r t schaftsfunktionären als auch bei Theoretikern der Wirtschaftspolitik und der Rechtswissenschaft. Die dritte Ausgabe des vorliegenden Werkes, die Ende J u n i 1969 i n den Buchhandlungen i n einer Auflage von 5 000 Exemplaren erschien, war bereits innerhalb kurzer Zeit vergriffen. Das zeugt zweifelsohne von einem beachtlichen Interesse an dieser Arbeit und rechtfertigt eine weitere Ausgabe. I n Anbetracht dessen, daß i n der Zeit vom 31.3.1969 bis zum 31.12.1970 i m Versicherungsrecht einige Änderungen eingetreten sind, ist es notwendig gewesen, gewisse Ergänzungen i n einigen Fußnoten sowie i m Gesetzes-, Rechtsprechungs- und Literaturverzeichnis einzufügen und einen kurzen Anhang auszuarbeiten. Bei den Ergänzungen handelt es sich u m neue Normativakte, allgemeine Versicherungsbedingungen, Prämientarife, Vereinbarungen der P Z U m i t den Ressorts über A V B und Tarife sowie u m neue Entscheidungen der Hauptarbitragekommission und des Obersten Gerichts wie auch u m neue Publikationen. Der A n hang, der auf bestimmte sowohl analytisch-deskriptive als auch postulierende Textstellen Bezug nimmt, betrifft die Änderungen des Deckungsbereichs und der Organisation des Versicherungsschutzes. Es sei an dieser Stelle angebracht zu erwähnen, daß die weiteren Auflagen dieses Buches Gegenstand zahlreicher Rezensionen i m I n und Ausland waren**. Warszawa, i m Januar 1971
Witold
Warkallo
* Hierbei handelt es sich um das Vorwort zur 4. unveränderten, jedoch um einen Anhang erweiterten polnischen Ausgabe. Die in diesem Nachtrag erwähnten Ergänzungen wurden in der vorliegenden deutschen Auflage den entsprechenden Fußnoten und Verzeichnissen beigefügt, der Anhang wiederum wurde dem X I V . Kapitel, hinter § 78 angeheftet. ** Von den Rezensionen, die sich auf die 2. und 3. Auflage beziehen, sind hier vornehmlich zu erwähnen: die inländischen Besprechungen von L. Kurowski, PiP Nr. 7—8/1966, S. 148—149; J.Mayzel, P U G Nr. 3/1966, S. 101; W. Niemotko, Wiad. Ub. Nr. 5/1966, S. 30—32 und PiP Nr. 7/1970, S. 150—152; sowie die ausländischen Besprechungen von D. Csabay, Bistositäsi Szemle Nr. 6/1966, S. 352—356 und Nr. 12/1969, S. 745—748; S. Luby, Pravny Obzor Nr. 9/1966, S. 819—821; W. Niemotko, Assicuraziani Nr. 6, S. 634—636; E. Schütte, Zeitschrift für die gesamte Versicherungswissenschaft Nr. 1/1970, S. 182—184 und Versicherungswirtschaft Nr. 7/1966, S. 389—390; D. Lasofc, International and Comparative L a w Quarterly Nr. 1/1967, S. 266—267 und Nr. 3/1970, S. 528—529. Vom großen Anklang, den dieses Werk i m Ausland gefunden hat, zeugt die Tatsache, daß es in fremde Sprachen, u.a. ins Deutsche übersetzt wird.
Vorwort zur 2. Auflage K a u m e i n i g e M o n a t e n a c h E r s c h e i n e n d e r 1. A u f l a g e dieses W e r k e s (schon a m 10.12.1958) i s t das Gesetz v o m 2.12.1958 ü b e r d i e V e r m ö g e n s u n d Personenversicherung 1 i n K r a f t getreten. I n den nachfolgenden Jahren sind ferner noch geregelt worden: 1959 — d i e m i t d e m A u s l a n d v e r k e h r u n d m i t D e v i s e n - I n t e r e s s e n v e r bundene Versicherung 2; 1960 — d i e O r g a n i s a t i o n s s t r u k t u r 4
1961 — d i e S e e v e r s i c h e r u n g ;
PZU8;
u n d das F i n a n z s y s t e m d e r 5
die Kraftverkehrsversicherung ;
Auf-
gaben der P Z U betreffend die E r w e i t e r u n g der Vorbeugungstätigkeit d u r c h die G e w ä h r u n g v o n K r e d i t h i l f e n u n d nichtrückzahlbaren Unterstützungen 8; die Kompensation v o n zufälligen Schäden an den v o n der Versicherung ausgenommenen G r u n d m i t t e l n staatlicher E i n h e i t e n 7 ; die Tarife u n d die E r hebung v o n P r ä m i e n f ü r die Pflichtversicherung 8; 1962 — d i e V e r s i c h e r u n g v o n M i t g l i e d e r n d e r F e u e r w e h r e n 9 ; 1
Dz.U. Nr. 72, Pos. 357. * Anordnung des FinMin. und des AußenhandelsMin. vom 30.7.1959 über die Versicherung von Kraftfahrzeugen, die im Auslandverkehr verwendet werden (M.P. Nr. 71, Pos. 372); Anordnung Nr. 198/59 des FinMin. vom 30.11.1959 über den Abschluß von Erstversicherungen betreffend die Seeschiffahrt, den Außenhandel und andere Arten des Devisenverkehrs durch die Rückversicherungs-A.G. „Warta" in Warszawa (nicht veröffentlicht). 8 Beschluß Nr. 100 des MinR. vom 18.3.1960 über die Satzung der P Z U (M.P. Nr. 34, Pos. 167); Anordnung des FinMin. vom 1.8.1960 über die Grundsätze des Finanzsystems der P Z U (M.P. Nr. 64, Pos. 304). 4 Gesetz vom 1.12.1961—Seegesetzbuch, V I . Titel (Dz.U. Nr. 58, Pos. 318). 5 Verordnung des MinR. vom 1.12.1961 über die Kraftverkehrs-Haftpflichtund -Unfall-Pflichtversicherung (Dz.U. Nr. 55, Pos. 311). • Anordnung des FinMin. vom 28.12.1961 über die Gewährung von Beihilfen durch die P Z U für eine feuerbeständige Bedachung neuer Gebäude (M.P. 1962, Nr. 4, Pos. 12). 7 Rundschreiben des FinMin. vom 27.7.1961 über die Finanzierung der Kosten für die Beseitigung von Schäden infolge von zufälligen Ereignissen an den von der Versicherungspflicht ausgenommenen Objekten des Grundvermögens der Unternehmen (M.P. Nr. 61, Pos. 265). 8 Verordnung des MinR. vom 29.12.1961 über die Festsetzung des Prämientarifs und über die Erhebung von Prämien für die Vermögens- und Personen-Pflichtversicherung (Dz.U. 1962, Nr. 3, Pos. 6). 9 Verordnung des InnenMin. vom 1.7.1962 über die Unfallversicherung von Mitgliedern der Feuerwehren (Dz.U. Nr. 43, Pos, 206).
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. Auflage
1963 — die Zusammenarbeit der Organe der Staatsverwaltung m i t der P Z U 1 0 sowie die Pflichtversicherung von wirtschaftlich nutzbaren Tieren und Bodenerzeugnissen 11 ; 1964 — Grundsätze der Versicherung von Gütern, die Gegenstand des Warenverkehrs m i t dem Ausland sind 1 2 ; 1965 — das Inkrafttreten des ZGB der V R P 1 3 ; die Festlegung des Umfangs, i n dem die dem Schiffahrtsminister unterstehenden Organisationseinheiten m i t der „ W a r t a " Versicherungsverträge abschließen 14 . Wegen des andauernden Prozesses der Novellierung des Normativmaterials war es angebracht, die Herausgabe der 2. Auflage bis zum Zeitpunkt der endgültigen Stabilisierung der Rechtslage der W i r t schaf tversicherung zurückzustellen 1 5 . Von einer solchen Stabilisierung konnte erst i m letzten Jahre des 20jährigen Bestehens der Volksrepublik Polen die Rede sein, nämlich erst nach Verabschiedimg des Zivilgesetzbuchs der Volksrepublik Polen vom 23.4.1964 (Dz.U. Nr. 16, Pos. 93), das i m X X V I I . T i t e l des 3. Buches (Schuldverhältnisse) die grundlegende Problematik der Vertragsversicherung regelt. M i t Befriedigimg stelle ich fest, daß i m Gesetz vom 2.12.1958 und i n den aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Normativakten wie auch i m X X V I I . T i t e l des 3. Buches des ZGB ein beachtlicher T e i l der i n der 1. Auflage dieser Arbeit vorgebrachten und begründeten Postulate v e r w i r k l i c h t worden ist. Als Beispiele können angeführt werden: 1. die Ausdehnung des Bereichs der Schaden-Vorbeugungstätigkeit auf die freiwillige Versicherung und auf das Volkseigentum; 10 Verordnung des MinR. vom 21.2.1963 über die Zusammenarbeit der Organe der Staatsverwaltung mit der P Z U im Bereich der Vermögens- und Personenversicherung sowie i m Bereich der Schadenverhütungstätigkeit (Dz.U. Nr. 8, Pos. 47). 11 Verordnung des MinR. vom 19.7.1963 über die Pflichtversicherung von (Wirtschafts-) Tieren (Dz.U. Nr. 33, Pos. 191) und Anordnung des FinMin. vom 23.7.1963 über die Versicherung des lebenden Inventars in den staatlichen landwirtschaftlichen Betrieben (M.P. Nr. 67, Pos. 330) sowie die Verordnung des MinR. vom 14.6.1963 über die Pflichtversicherung von Bodenerzeugnissen gegen Hagel und Überschwemmung (Dz.U. Nr. 31, Pos. 176). 12 Anordnung des FinMin. und des AußenhandelsMin. vom 25.8.1964 über die Grundsätze der Versicherung des Vermögens, das Gegenstand des W a renverkehrs mit dem Ausland ist, sowie die auf dieser Anordnung beruhenden besonderen Beschlüsse (D.U. des AußenhandelsMin. 1964, Nr. 23, 27). 11 Art. L X V des E G Z G B (Dz.U. 1964, Nr. 16, Pos. 94). 14 Anordnung Nr. 27 des FinMin. vom 6.3.1965 betreffend die Festlegung des Umfangs, in dem die dem Schiffahrtsminister unterstehenden Organisationseinheiten Verträge über die freiwillige Versicherung mit der Versicherungs- und Rückversicherungs-A.G. „Warta" abschließen (nicht veröffentlicht). 15 Die erste Auflage ist innerhalb einiger Wochen vergriffen gewesen.
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2. die Bestimmung, derzufolge für diesen Zweck neben den A b führungen von den vereinnahmten Prämien auch ein T e i l des aus der Versicherungstätigkeit erwirtschafteten Bilanzüberschusses zu verwenden ist (bei der P Z U bis zu 60°/o dieses Überschusses); 3. die Errichtimg des m i t weitgehenden Kompetenzen ausgestatteten Versicherungsrates der P Z U als Vertretung der Gesamtheit der Versicherungsnehmer; 4. die Umwandlung der P Z U i n ein Versicherungsunternehmen; 5. die vollständigere Berücksichtigung der spezifischen Merkmale der Außenhandelsverhältnisse und der m i t ihnen verbundenen Devisen-Interessen; das k a m darin zum Ausdruck, daß diese A r t der Versicherung einem spezialisierten Versicherungsunternehmen (der „Warta") übertragen wurde; 6. die Einsicht, daß die grundlegenden Fragen der Vertragsversicherung durch Gesetz, ja sogar durch ein Gesetzbuch zu regeln sind, und nicht i m Wege von Verordnungen geregelt werden können; 7. die Versicherung von Grundmitteln der Unternehmen der Schlüsselindustrie, wenngleich nur i m Rahmen eines wirtschaftlichen Experiments und nur i n bezug auf die Leichtindustrie; 8. die Ausarbeitung besonderer Bedingungen für die Versicherung von Einheiten der vergesellschafteten Wirtschaft und die Bezeichnung dieser Bedingungen als Allgemeine Versicherungsbedingungen— entgegen der bisherigen Praxis; 9. die weitere Vereinfachung der Versicherungsbedingungen betreffend die Einheiten der vergesellschafteten Wirtschaft; 10. die Aussonderung der Versicherung landwirtschaftlicher Produktionsgenossenschaften aus der Versicherung anderer Subjekte des Gruppeneigentums i m Bereich der Pflichtversicherung; 11. die Ausfüllung einer Reihe von Lücken i n den Rechtsbestimmungen über die Wirtschaftsversicherung wie auch die rechtliche Regelung der A r t der Kompensierung von zufälligen Schäden an Grundmitteln derjenigen staatlichen Industrieunternehmen, die keinen Versicherungsschutz genießen; 12. der Verzicht auf die Bezeichnung „staatliche Versicherung", zum a l diese Bezeichnung nicht geeignet ist, die Vermögens- und Personenversicherung (Wirtschaftsversicherung) der Sozialversicherung gegenüberzustellen. Es liegt m i r fern zu behaupten, daß gerade die Ausführungen der Auflage dieses Werkes von 1958 der Grund für die Durchführungen dieser Änderungen i m geltenden Recht war; ich erwähne dieses zeitliche Zusammenfallen lediglich als einen Umstand, der die Kürzung
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des Textes der zweiten Auflage erleichtert 1 0 . Diese Gleichzeitigkeit ist allerdings kein Zufall — sie beweist, daß die Zusammenarbeit von Vertretern der Theorie m i t Vertretern der Praxis i m Rahmen des Autorenkollektivs eine zutreffende Beurteilung der Rechtslage der Versicherung und eine richtige Bestimmung der Richtung der i n diesem Bereich unentbehrlichen Veränderungen erleichterte. Angesichts der guten Erfahrung, die w i r m i t der Zusammenarbeit von Theoretikern und Praktikern gemacht haben, haben w i r i n das Autorenkollektiv Herrn Mgr. M. Domagala von der P Z U aufgenommen, der die Fragen der seit dem 1.1.1962 bestehenden Kraftverkehrsversicherung bearbeitet hat. A n dieser Stelle danke ich H e r r n Mgr. Zygmunt Brzozowski und Frau Mgr. Irena Damentko von der Sektion des Versicherungsrechts beim Lehrstuhl für Zivilrecht der Universität Warschau für die wertvolle Hilfe bei der Überprüfimg der Genauigkeit der Anmerkungen und bei der K o r r e k t u r dieser Arbeit. Wenn diese neue Auflage i m Vergleich zur ersten Auflage einen Schritt vorwärts bedeutet, so ist das i m gewissen Grade das Verdienst einer Reihe von Besprechungen der 1. Auflage dieser Arbeit und der Stellungnahmen zu diesen Thema i m i n - und ausländischen Schriftt u m 1 7 , deren Postulate w i r nach Möglichkeit i n dieser neuen Auflage berücksichtigt haben. Warszawa, September 1965
Witöld
Warkallo
Die Kürzung des Textes dieser Arbeit ist ferner noch darauf zurückzuführen, daß die Ausführungen über die Organisation der Versicherung und Rückversicherung sowie über den Stand der Versicherung des gesellschaftlichen Eigentums in der UdSSR und in den volksdemokratischen Ländern (Kap. I V und X I V der Auflage von 1958) weggelassen worden sind. Die Weglassung dieser Teile schien deswegen angebracht, weil diese Fragenkomplexe bereits hinreichend bekannt bzw. diesbezügliche Informationen in anderen Publikationen enthalten sind. 17 Siehe z.B. die Besprechungen von: L. Kurowski , PiP Nr. 11/1958, S. 835— 839; W.Görski, Finanse Nr. 1/1959, S. 81 f.; J.Mayzel, P U G Nr. 10/1958, S. 393 f.; E. Modlvhski, PUS Nr. 12/1958, S. 372 f.; M. Domagala, Prawo i Zycie Nr. 7/1959 vom 5.4.1959; im ausländischen Schrifttum: V. K. Rajcher, Izvestia Vysäych Uöebnych Zavedlenij.Pravovedenie (Hochschul-Mitteilungen. Rechtswissenschaft), Nr. 4/1960, S. 150 f. und D. Csabay, A biztositäs einmiete 6s gyakorlata (Versicherungs-Theorie und -Praxis), Budapest 1960, Bd. I , S. 73 ff.
Einleitung 1 I. Den Theoretikern des kapitalistischen Versicherungswesens, die sich eines einheitlichen Eigentumsbegriffs bedienen, ist die besondere theoretische Problematik des Versicherungsschutzes f ü r das gesellschaftliche Eigentum verborgen. Sie stellen i m allgemeinen den Sinn v o n Vermögensversicherungen außerhalb eines auf dem i n d i v i duellen, kapitalistischen Eigentum der Produktionsmittel beruhenden Wirtschaftssystems i n Frage. V o n diesem Standpunkt aus ist die Aussage des amerikanischen Gelehrten A. H. M o w b r a y kennzeichnend, der behauptet, zwischen Kommunismus und Versicherung bestehe ein grundsätzlicher K o n f l i k t („a fundamental conflict") dadurch bedingt, daß Kommunismus i n einem gewissen Sinne Versicherung sei ( „ i n a sense, communism
is insurance")*•
Die Praxis des Aufbaus des Sozialismus betreibt jedoch bereits seit 50 Jahren die Versicherung des gesellschaftlichen Eigentums als eines der Elemente der V e r w a l t u n g des Gruppenvermögens und, i n einem bestimmten, bedeutend engeren Bereich, auch des Volksvermögens. Die Versicherung w i r d als eine I n s t i t u t i o n anerkannt, die dem Schutze der Produktionskräfte der sozialistischen Gesellschaft vor Elementarschäden u n d anderen zufälligen Schadenfällen dient. Dennoch schenkt die sozialistische Lehre dieser I n s t i t u t i o n keine besonders große A u f merksamkeit. Als V . K . Rajcher 1947 die Grundsätze der sozialistischen Versicherungstheorie bearbeitete, mußte er feststellen, daß es k a u m möglich sei „... eine andere Institution, deren wesentliche Bedeutung derart unterschätzt w ä r e " 8 , zu nennen. Die Aufgabe der Vermögensversicherungen (hierunter versteht m a n i n Polen sowohl die Vermögens- als auch die Sachversicherung — Anm. d. Übers., E. G.) i m System der rechtlichen Schutzmaßnahmen für das gesellschaftliche Eigentum wurde bislang nicht geklärt, es wurde nicht einmal das Problem der F u n k t i o n der Versicherungen i n diesem Bereich als eine besondere Frage i m Versicherungsschrifttum 1 Dieser Text ist eine dem neuesten Stand angepaßte Kürzung der „Einleitung" zur 1. Auflage dieser Arbeit. f A. H. Mowbray, I.e., S. 611. Beachtenswert ist auch die Behauptung dieses Verfassers, daß die Versicherung, insbesondere die Sozialversicherung, dem Prozeß der Proletarisierung Einhalt gebietet und dadurch in den kapitalistischen Ländern „a defense against revolutionary communism" ist. * V. K. Rajcher, ObSöestvenno-istoriöeskie tipy strachovanija, I.e., (russ. Ausgabe), S. 3.
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Einleitung
aufgeworfen. Dieses Schrifttum scheint immer noch nicht die Bedeutung und die besondere Problematik der Versicherung des gesellschaftlichen Eigentums zu sehen und behandelt sie daher fast wie ein Randproblem der Versicherung des Privateigentums. Der erkenntnis-theoretische Wert einer Untersuchung der Problemat i k der Versicherung des sozialistischen gesellschaftlichen Eigentums erhellt zumindest angesichts der wichtigen und bisher nicht geklärten Frage nach dem gegenseitigen Verhältnis und der wirtschaftlichen Effektivität der Repartition des zufälligen Bedarfs durch den Mechanismus der rechtlichen Institution der Versicherung und der Repartition infolge der Vergesellschaftung der wichtigsten Produktionsmittel. Sieht man diese Fragen i m Lichte der Erfordernisse der Praxis, so w i r d man kaum ihre Bedeutung und Aktualität übersehen können. Selbst wenn man von der finanziellen Problematik und den A u f gaben der Versicherung innerhalb des Prozesses der Dezentralisierung der Verwaltung des Volkseigentums absieht, so zwingt bereits die Tatsache, daß die Vermögensversicherimg schon von ihrem Zweck her dem Schutz des Vermögens gegen zufällig eintretende Schäden (sog. „insurance-protection", „Versicherungsschutz") dient, zur Überlegung, ob und i n welchem Umfang die Versicherimg diese Aufgaben auch auf dem Gebiet des Schutzes des gesellschaftlichen Eigentums — der zentralen Frage des gesamten rechtlichen Überbaus i n der sozialistischen Gesellschaft — zu erfüllen vermag. Bevor hier der Zweck, der Gegenstand und der Umfang der Untersuchungen des vorliegenden Werkes näher bestimmt werden, müssen zunächst die drei zentralen Begriffe dieses Werkes kurz erläutert werden: der Begriff der „Vermögensversicherung", des „gesellschaftlichen Vermögens" als Gegenstand dieser Versicherung und des „Versicherungsschutzes" für dieses Vermögen. I I . Die sozialistische Vermögensversicherung ist — nach einer verbreiteten Bezeichnung i m sowjetischen Handbuch der Politischen Ökonomie (Auflage von 1955, S. 703) — „... eine Form der Rekompensation und Verhütung von Verlusten, die Bürger, Unternehmen und Organisationen infolge von Naturkatastrophen und Unglücksfällen erleiden", und die durch den sozialistischen Staat i m Rahmen seiner wirtschafts-organisatorischen Aufgaben realisiert wird. Gegenstand der Vermögensversicherung kann „jedes Vermögen" 4 sein, u.a. auch 4 Der Ausdruck „jedes Gut" („mienie"), der i m Gesetz vom 28.3.1952 über die staatliche Versicherung zur Bezeichnung des Gegenstandes der Vermögensversicherung verwendet worden war (Art. 2 Abs. 1), wurde i m Gesetz vom 2.12.1958 über die Vermögens- und Personenversicherung durch den Ausdruck „jeder Vermögenswert" („warto§6 maj^tkowa") ersetzt (Art. 2 Abs. 1), und nach Art. 821 Z G B von 1964 „kann sich die Vermögensversicherung auf Güter oder auf zivilrechtliche Haftpflicht beziehen". Nach
Einleitung
Gegenstände des g e s e l l s c h a f t l i c h e n Eigentums: des Volks- und Gruppeneigentums. I n der Praxis geht es hier vor allem u m Gebäude, Maschinen, Industrieanlagen, Rohstoffe, Produkte, landwirtschaftliche Mobilien, Haustiere, Bodenerzeugnisse, Transportmittel und Transportgüter, m.a.W. u m Produktions- und Konsumtions-Grundm i t t e l und um Umlaufmittel. Die Vorschriften sprechen i m allgemeinen nur von Sachen als Gegenständen der Vermögensversicherimg, also von Gegenständen des Eigentums i.S. des Sachenrechts. Das erlaubt jedoch nicht, die Problematik des Versicherungsschutzes auf die Bewahrung des „sachlichen Bestandes" des Eigentums (sog. vieSöestviennogo sostava nach A. W. Venediktov) einzuengen. Schon allein das Vorhandensein der Haftpflichtversicherung, die nicht bestimmte Güter, sondern das gesamte Vermögen des Versicherungsnehmers schützt, wie auch die Möglichkeit, daß als Versicherungsnehmer eine Person auftreten kann, die weder Eigentümer noch Nießbraucher, sondern lediglich Mieter, Verwahrer oder gar nur Besitzer ist, verdeutlicht, daß die Versicherung nicht nur Sachenrechte schützt, sondern darüber hinaus auch andere Vermögensrechte, z.B. Rechte aus Schuldverhältnissen, ja sogar rechtlich geschützte Interessen 6 , und zwar auch solche, die aus einem Zustand der tatsächlichen Herrschaft — dem Besitz — herrühren. Die Versicherung schützt hauptsächlich — entweder direkt, z.B. durch die Kredit-, besonders aber durch die Ausfuhrkreditversicherung, oder indirekt — Geldforderungen. Der indirekte Schutz kommt vornehmlich i n den zahlreichen Bestimmungen, die die Gewährung von Baukrediten von der Versicherung des errichteten Gebäudes und von der Abtretung der Versicherungsforderung an den Kreditgeber abhängig Art. 257 § 1 SeeG. „ . . . kann Gegenstand der Seeversicherung jedes mit der Seeschiffahrt zusammenhängende und in Geld abschätzbare Vermögensinteresse sein". Diesen — eher terminologisch-redaktionellen — Unterschieden bei der Bestimmung des Gegenstandes der Vermögensversicherung sollte man, weder vom Standpunkt der Praxis noch vom Gesichtspunkt der Theorie aus betrachtet, keine wesentliche Bedeutung beimessen. I n unserer Lehre werden die Begriffe „Vermögen" (maj^tek) und „Gut" bzw. „Habe" (mienie) als gleichbedeutend verwendet, wenngleich der Begriff des Vermögens einmal im weiteren und zum anderen im engeren Sinne gebraucht wird (S. Szer, Prawo cywilne, I.e., S. 306 und 304); zu den Vermögensrechten werden wiederum auch „Anwartschaftsrechte", also auch die Verwirklichung eines rechtlich geschützten Vermögensinteresses gezählt (ebenda, S. 117—118; A. Wolter, I.e., S. 120 und die dort z i t Lit. Siehe auch Warkallo, Assicurazioni Nr. 4—5/1966, S. 405—406). Vom Übersetzer: Da die Termini „mienie" (Gut, Güter, Habe) und „maj^tek" auch vom polnischen Gesetzgeber nicht mit gebotener Strenge auseinandergehalten und in der Regel im Sinne von Vermögen verwendet werden (vgl. auch Anm. 6 unten), werden sie nachfolgend grundsätzlich mit „Vermögen" wiedergegeben. 6 Vom Vermögensinteresse (das mit der Seeschiffahrt zusammenhängt) als Gegenstand der Seeversicherung spricht z.B.. das SeeG. in Art. 257 § 1.
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machen, sowie i n der Institution der sog. hypothekarischen Haftung der Versicherungsforderung zum Ausdruck. Gegenstand der Vermögensversicherung können somit ein bestimmter Komplex oder die Gesamtheit der Vermögensrechte des Versicherungsnehmers sein, d.h. ein ausgesonderter T e i l oder die Gesamtheit seines Vermögens 6 , also nicht nur Sachen, das sind selbständige Gegenstände, die i n seinem Eigentum stehen. Selbstverständlich geht es bei den Versicherungen von Werkzeugen und anderen Produktionsmitteln nicht nur u m die Erhaltung des vorhandenen Eigentums, sondern auch um den Schutz des fortdauernden Prozesses der Eigentumsvermehrung. Die i m Rahmen der Versicherungsleistung ausgezahlten Beträge ermöglichen die unverzügliche Wiederherstellung eines vernichteten Arbeitsmittels (z.B. durch die Ausführung von Hauptreparaturen) oder seine sofortige Wiederbeschaffung (z.B. durch die Anschaffung neuer Werkzeuge), wodurch Betriebsstillegungen verhindert oder Betriebsunterbrechungen verkürzt und somit die Folgen zufälliger, den normalen Produktionsprozeß störender Ereignisse gelindert werden. Man muß daher die Vermögensversicherung nicht nur als eine Maßnahme zum Schutz vorhandener Gegenstände des gesellschaftlichen Eigentums, sondern darüber hinaus als eine Maßnahme zum Schutz des Prozesses der Entwicklung und Vermehrung dieses Eigentums anerkennen. Diese kurzen Bemerkungen verdeutlichen, daß der Schutz, den die Versicherung gewährt oder gewähren soll, sich wesentlich von anderen rechtlichen Schutzmaßnahmen für das gesellschaftliche Eigentum sowohl bezüglich des Gegenstandes als auch bezüglich des Umfangs unterscheiden muß. Der Versicherungsschutz erstreckt sich, wie es schon aus seiner Begriffsbestimmung hervorgeht, nur auf das versicherte
Vermögen
u n d bezieht sich n u r
a u f d e n zufälligen
Bedarf
(„zufällige Schäden"), d.h. auf die durch zufällige Ereignisse verursachten Verluste des gesellschaftlichen Vermögens. I I I . Bei der oben dargelegten Problemstellung tauchen i n dieser Arbeit folgende drei Fragen auf: 1) ob eine Aussonderung der Kategorie des zufälligen Bedarfs (zufälliger Schäden) von der Gesamtheit der Einbußen am gesellschaftlichen Vermögen zweckmäßig ist, und ob eine Vermögensversicherung als besondere Schutzmaßnahme für dieses Eigentum überhaupt erforderlich ist; 2) ob beide Formen des gesellschaftlichen Eigentums, das Volks- und das Gruppeneigentum, hinsichtlich der Notwendigkeit, des U m fanges und der Verwirklichung des Versicherungsschutzes einheitlich behandelt werden können; 6 Das Z G B von 1964 verwendet den Ausdruck „mienie" für die Bezeichnung der Gesamtheit der Vermögensrechte (siehe z.B. Art. 44).
Einleitung
3) ob und i n welchem Umfang die Institution der Vermögensversicherung i n ihrem gegenwärtigen Entwicklungsstand dem gesellschaftlichen Eigentum einen befriedigenden Schutz gegen zufällige Schäden gewährleisten kann. Die Lösung dieser drei vorrangigen Fragen bestimmte die Arbeitshypothese dieses Werkes, von i h r hängen sein theoretischer Wert und seine praktische Bedeutung ab. I n der A n t w o r t auf die erste Frage liegt zugleich eine Entscheidung darüber, ob die Vermögensversicherung als Schutzmaßnahme des gesellschaftlichen Eigentums überhaupt notwendig ist. Die Beantwortung der zweiten Frage impliziert wiederum die Entscheidung darüber, ob die Problematik des Versicherungsschutzes für
beide Formen
des gesellschaftlichen
Eigentums
ge-
meinsam oder getrennt zu behandeln ist. Und schließlich beinhaltet die A n t w o r t auf die dritte Frage zugleich eine Stellungnahme zur Effektivität des Versicherungsschutzes für das Volks- oder Gruppeneigentum beim gegenwärtigen organisatorischen und juristischen Stand der Versicherung. Die Arbeit enthält genauestens begründete Antworten auf diese drei Fragen. Doch bereits an dieser Stelle soll der hier vertretene Standpunkt angedeutet werden, zumal er über die grundsätzlichen Thesen und somit auch über den thematischen Umfang und den Plan dieser Arbeit Aufschluß gibt. I V . Die Aussonderung des zufälligen Bedarfs ist vornehmlich begründet i m Hinblick auf seine 1) Ursachen, 2) Eigenart, 3) Rechtsfolgen, 4) statistische Gesetzmäßigkeit sowie m i t Rücksicht auf das Erfordernis, 5) der Wirtschaftsplanung, 6) der Beachtimg der Grundsätze der wirtschaftlichen Rechnungsführung auch i n bezug auf den zufälligen Bedarf und 7) der Gegenüberstellung des zufälligen Bedarfs und der Folgen des unwirtschaftlichen Verhaltens. 1. Der zufällige Bedarf ist schon von seiner Begriffsbestimmung her die Folge zufälliger Ereignisse. Diese Ereignisse haben trotz ihrer enormen Vielfältigkeit bestimmte gemeinsame Merkmale; insbesondere verbindet sie die Tatsache, daß sie ohne vorsätzliches Verschulden, gegen den Willen oder unabhängig vom Willen des Vermögensnießbrauchers eintreten. 2. Diese Schäden weisen das Merkmal der Außergewöhnlichkeit auf — i m Gegensatz zu den normalen Einbußen und dem allmählichen Verschleiß an Produktions- und Komsumtionsgrundmitteln (z.B. an Maschinen, Industrieanlagen sowie an Wohngebäuden und Möbeln). 3. Für Schäden, die durch die vom Menschen nicht beherrschten Naturgewalten, z.B. durch Orkan, Überschwemmung, Erdbeben, verursacht werden, haftet grundsätzlich niemand. Ähnlich, wenn auch nicht identisch, verhält es sich m i t der Möglichkeit der Er3 Warkatto
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4.
5.
6.
7.
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langung eines Ersatzes für einige durch Menschen verursachte Schäden (z.B. Feuer infolge einer Brandstiftung oder Nachlässigkeit, Einbruchdiebstahl und Beraubung, Verkehrsunfälle, Bruch einer Schaufensterscheibe), wenn der Schädiger unbekannt, nicht greifbar oder zahlungsunfähig ist. Trotz ihrer Außergewöhnlichkeit weisen die zufälligen Schäden Merkmale statistischer Gesetzmäßigkeit auf (in der die W i r k u n g des empirischen Gesetzes der großen Zahl zum Ausdruck kommt), was die Bildung eines Fonds i n der zur Deckung angeführter Schäden erforderlichen Höhe, z.B. durch Prämienzahlungen, ermöglicht. Die Aussonderung der zufälligen Schäden und ihre Deckung i m Versicherungsverfahren bedeuten die Ausdehnung des Bereiches der Wirtschaftsplanung und der Anwendung der wirtschaftlichen Rechnungsführung. Die planmäßige Erfassung des zufälligen Bedarfs (zufälliger Schäden) und seiner finanziellen Deckung kann nur zentral durch eine Versicherungsanstalt erfolgen, die über die statistischen Angaben betreffend den zufälligen Bedarf i m ganzen Lande verfügt. Dank der Versicherung können die einzelnen Wirtschaftseinheiten sich auf die Einplanung von Ausgaben für Versicherungsprämien beschränken. Machen die Wirtschaftsorganisationen vom Versicherungsschutz Gebrauch, so bilden sie bei sich keine Reserven zur Deckung zufälligen Bedarfs, tragen jedoch die Last dieses Bedarfs durch Prämienzahlungen (aus den erwirtschafteten Geldmitteln), deren Höhe entsprechend dem Risiko, von dem i h r Vermögen bedroht ist, festgesetzt wird. Das bedeutet eine Ausdehnung der Pflicht, die Grundsätze der wirtschaftlichen Rechnungsführung zu beachten, auf das Gebiet des zufälligen Bedarfs. Die Abgrenzung der durch Naturkatastrophen und andere zufällige Ereignisse hervorgerufenen Schäden von den durch andere Umstände bedingten Schäden erleichtert die richtige Erfassung des für unsere Verhältnisse besonders wichtigen Problems: die Verantwortlichkeit für unwirtschaftliches Verhalten.
V. Die Problematik des Versicherungsschutzes ist nicht identisch i n bezug auf das Volkseigentum und i n bezug auf das Gruppeneigentum. Es genügt, auf den Unterschied folgender Probleme hinzuweisen: 1) der Verteilungsfunktion der Versicherungen, 2) der Voraussetzungen des Versicherungsschutzes, 3) der Aufgaben der Versicherungsleistungen und 4) der Haushaltsdotationen — i n bezug auf jede dieser Formen des gesellschaftlichen Eigentums. Darüber hinaus bestehen zwischen ihnen noch wesentliche Unterschiede bezüglich 5) des Grades der Vergesellschaftung und des Gegenstandes des Eigentums, 6)
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des erforderlichen Umfanges des Versicherungsschutzes wie auch 7) der A r t der Verwirklichung der Versicherung. 1. I n bezug auf das Gruppeneigentum bedeutet die Versicherung eine Erweiterung und i n bezug auf das Volkseigentum eine Einengung der Hepartition des zufälligen Bedarfs. I m Falle, daß es keine Versicherung gäbe, müßten Schäden am Gruppeneigentum, z.B. der LPGs, die Mitglieder dieser Genossenschaft tragen (z.B. durch Senkung der Tageslohnnorm), dagegen würden Schäden am Volkseigentum allen Bürgern zur* Last fallen, z.B. durch Herabsenkung der i m Haushalt vorgesehenen Ausgaben für sozialkulturelle Leistungen zu Gunsten der gesamten Bevölkerung. 2. W i r d dem genossenschaftlichen Eigentum oder anderen Erscheinungsformen des Gruppeneigentums Versicherungsschutz gewährt, so kommt dadurch die Unterstützung und Hilfe des Staates für die genossenschaftliche Bewegung und andere Formen des Zusammenschlusses der Bürger zum Ausdruck; dagegen ist die Erweiterung des Versicherungsschutzes auf staatliche Wirtschaftseinheiten i n der Notwendigkeit begründet, die Grundsätze der w i r t schaftlichen Rechnungsführung und die Gewährleistung der Selbstgenügsamkeit dieser Einheiten zu festigen, ferner i n der Notwendigkeit, eine zusätzliche Kontrolle der Sicherheitsbedingungen und des Schutzes des Vermögens vor der Gefahr zufälliger Schäden einzuführen. 3. Die Auszahlung der Versicherungsleistung an den Träger genossenschaftlichen Eigentums und an eine staatliche Wirtschaftseinheit schafft zwei grundsätzlich verschiedene Situationen. I m ersten F a l l w i r d das (gesamte) Volkseigentum u m die Entschädigungsleistung (zugunsten des Gruppeneigentums) vermindert. I m zweiten F a l l findet lediglich — wegen des Grundsatzes der Einheit des sozialistischen Staatseigentums — eine Verschiebung der Geldmittel zwischen zwei staatlichen Wirtschaftseinheiten statt. Hier erfährt das Volkseigentum weder eine Verminderung noch eine Vermehrung. Hier erfährt nur die Gestalt des Eigentums i n dem Augenblick eine Änderung, i n dem der i m Rahmen der Versicherungsleistung ausgezahlte Geldbetrag für den Kauf oder die Wiederherstellung eines durch ein zufälliges Ereignis vernichteten Vermögensgegenstandes verwendet wird. Während es beim genossenschaftlichen Eigentum tatsächlich u m den Schutz des Eigentumsrechts i m engen Sinne des Wortes geht, sollte man beim Staatseigentum eigentlich vom Schutz „des Rechts der operativen Verwaltung" einzelner staatlicher Wirtschaftseinheiten auf das ihnen zugewiesene Vermögen oder kurz vom Schutz der planmäßigen Verteilung der M i t t e l an staatliche Einheiten sprechen. 3*
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4. Der Grundsatz der Einheit des sozialistischen Staatseigentums bietet formell die Möglichkeit, geschädigten staatlichen Einheiten unentgeltlich — i m Verwaltungswege — unentbehrliche Gegenstände aus Natural-Reserven oder Geldmittel aus dem Staatshaushalt zur Deckung zufälligen Bedarfs zuzuweisen. Gegenüber den Trägern des Gruppeneigentums besteht dagegen keine derartige Möglichkeit einer unentgeltlichen materiellen oder finanziellen Hilfe. 5. Das Volkseigentum und das Gruppeneigentum sind zwei unterschiedliche Formen des sozialistischen Eigentums; sie unterscheiden sich durch den Grad der Vergesellschaftung. Gegenstand des Volkseigentums können sämtliche Vermögensgüter sein, dagegen können Gegenstand des Gruppeneigentums nur Produktionsmittel und -erzeugnisse sowie andere Gegenstände sein, die für die Erfüllung satzungsgemäßer Aufgaben genossenschaftlicher Einheiten oder anderer Träger des Gruppeneigentums erforderlich sind. Aus diesen beiden grundsätzlichen Unterschieden folgen noch weitere. 6. Die genossenschaftlichen Einheiten und andere Träger des Gruppeneigentums verfügen nicht über ausreichende Natural-Reserven (das betrifft auch die landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften, obwohl diese bestimmte satzungsgemäße Versicherungsfonds für Körner, Viehfutter u.ä. haben) und Geldmittel, und da sie nicht berechtigt sind, vom Staat materielle oder finanzielle Hilfe zu verlangen, sind sie i m stärkeren Maße als die staatlichen Wirtschaftseinheiten an einem Versicherungsschutz interessiert. 7. Staatliche Wirtschaftsorganisationen können i m Verwaltungswege zum Abschluß von Versicherungsverträgen verpflichtet und deswegen von Pflichtversicherungen, d.h. von nichtvertraglichen, ex lege entstehenden Versicherungen, befreit werden. Dagegen würde die vertragliche A r t des Eintretens i n Versicherungsverhältnisse bei genossenschaftlichen Einheiten, wegen ihrer loseren Organisationsstruktur und fast völligen Selbständigkeit, nicht immer die volle Gewähr für eine richtige Inanspruchnahme des Versicherungsschutzes bieten. Das betrifft vor allem LPGs, gegenüber denen die kraft Gesetzes — ohne die Erforderlichkeit eines Vertragsabschlusses — entstehenden Pflichtversicherungen angewendet werden können und sollen. V I . Der Ausschluß des privaten Kapitals — das sich einen Teil des gesellschaftlich gebildeten Versicherungsfonds aneignete und während der Zwischenkriegszeit i n Gestalt von mehreren sich gegenseitig bekämpfenden Versicherungsanstalten arbeitete — von der Versicherungstätigkeit sowie die Übertragung der gesamten Versicherungstätigk e i t auf zwei auf dem Grundsatz der Ausschließlichkeit arbeitenden staatlichen Versicherungsunternehmen schaffte die Voraussetzungen
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für eine günstige Entwicklung des Versicherungsdienstes für die vergesellschaftete Wirtschaft. I n den Beziehungen zwischen der staatlichen Versicherungsanstalt und einer Einheit der vergesellschafteten Wirtschaft* gibt es nicht die gleichen Interessengegensätze, die zwischen dem Versicherer und dem Versicherungsnehmer i m kapitalistischen System bestehen. I n der sozialistischen Verfassungsordnung verfolgen beide Seiten die Sicherstellung des Schadenausgleichs, u m eventuelle Störungen bei der Erfüllung von Planaufgaben und damit gleichzeitig Behinderungen der volkswirtschaftlichen Entwicklung zu unterbinden. Durch die Auszahlung der Versicherungsleistung w i r d zwar die Tatsache, daß die Volkswirtschaft einen Verlust erlitten hat (z.B. durch das Abbrennen eines versicherten Fabrikgebäudes), nicht aus der Welt geschafft, da jeder Verlust nur durch eine neue „zusätzliche" Produktion ausgeglichen werden kann. Durch eine unverzügliche Bereitstellung der für die Wiederherstellung zerstörter Gegenstände notwendigen Geldmittel werden jedoch Produktionsunterbrechungen auf ein M i n i m u m verkürzt und die planmäßige Verteilung der Mittel, auf denen die Planaufgaben bestimmter Organisationseinheiten und die Voraussetzung ihrer Kooperation beruhen, wiederhergestellt. A u f diese Weise w i r d ein durch zufällige Ereignisse verursachter gesellschaftlicher Schaden möglichst verringert. Die Versicherungsanstalt ist an Maßnahmen zur Schadenverhütung sowohl organisatorisch (z.B. durch die Ausarbeitung von Analysen und die Bereitstellung einer Dokumentation über den zufälligen Bedarf) als auch finanziell (durch die Finanzierung dieser Tätigkeit) beteiligt. Der i m sozialistischen Versicherungswesen geltende Grundsatz der Kopplung der Versicherungs- m i t der Schadenverhütungstätigkeit weist auf die Entstehung einer neuen Form des Versicherungsschutzes als M i t t e l zur Bekämpfung der durch zufällige Ereignisse verursachten Schäden (Schadenverhütung) hin. Die Möglichkeiten eines befriedigenden Dienstes für die vergesellschaftete Wirtschaft auf dem Gebiet der finanziellen Hilfe, die durch den zufälligen Bedarf bedingt ist, werden indes nur teilweise genutzt. Das geht daraus hervor, daß ein großer Teil des gesellschaftlichen Eigentums vom Versicherungsschutz nicht gedeckt w i r d und daß der Umfang, der Entwicklungsstand und die Organisation dieses Schutzes noch zahlreiche Mängel aufweisen. Bedenklich ist vor allem die sog. Versicherungsakkumulation (das ist die Erwirtschaftung beträchtlicher * Unter „Einheiten der vergesellschafteten Wirtschaft" — fortan: EvW — versteht man in Polen sozialistische, wirtschaftliche Organisationseinheiten, die zumeist Rechtspersönlichkeit besitzen, so vor allem sämtliche staatliche Unternehmen und ihre Vereinigungen, Genossenschaften und ihre Verbände, landwirtschaftliche Zirkel und ihre Verbände u.a.m. I m Art. 33 des Z G B sind die sechs wichtigsten Gruppen der E v W aufgezählt worden.
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Finanzüberschüsse durch die PZU, die an den Staatshaushalt abgeführt werden), die m i t dem Wesen einer sozialistischen Versicher u n g i m Widerspruch zu stehen scheint, sowie die ungenügende Beteiligung der Versicherung an der Finanzierung und Organisierung der Präventionstätigkeit bezüglich des gesellschaftlichen, besonders des staatlichen Vermögens. Die Aufdeckung wesentlicher Mängel auf dem Gebiet des Versicherungsschutzes für das gesellschaftliche Eigentum und die Ausarbeitung geeigneter Vorschläge zur Behebung dieser Mängel zeigt die praktische Bedeutung der vorliegenden Arbeit, deren Ziel es ist zu untersuchen, i n welchem Umfang die Institution der Vermögensversicherung i n der VRP als Schutzmaßnahme für das gesellschaftliche Eigentum genutzt w i r d und auch genutzt werden soll. V I I . U m dieses Ziel erreichen zu können, ist es erforderlich, den gegenwärtigen Stand unserer Vermögensversicherung zu untersuchen. Einer solchen Untersuchung muß zumindest eine kurze Darstellung der Versicherungstätigkeit i m allgemeinen vorausgehen. Das ist aus zwei Gründen erforderlich: 1) ist die Vermögens Versicherung nur eine der beiden i n der VRP bestehenden Arten der Wirtschaftsversicherungen* und 2) ist der Schutz des gesellschaftlichen Eigentums n u r eine der Aufgaben der Versicherung, die sie i m Rahmen des i h r obliegenden Schutzes der gesamten Produktionskräfte der Gesellschaft (also nicht nur der Produktionsmittel, sondern auch der Konsumtionsmittel — des persönlichen Eigentums — sowie der Arbeitskraft der Gesellschaft) zu erfüllen hat. Es w i r d hier jedoch nicht einfach nur ein Teil aus der gesamten Problematik des Versicherungsschutzes ausgesondert, um i h n dann einem anderen, besonders wichtigen Problem des rechtlichen Schutzes des gesellschaftlichen Eigentums anzuhängen. U m der hier gestellten Aufgabe gerecht zu werden, ist eine neue kritische Betrachtung der Problematik der Vermögensversicherung unter Berücksichtigung der wesentlichen Änderungen ihrer wirtschaftlichen und sozialen Funktionen erforderlich. Die Versicherung, die i m Zeitalter des Kapitalismus zum Schutz des kapitalistischen Eigentums ausgebaut worden ist und zu jener Zeit eine A r t der am Gewinn orientierten „Versicherungsindustrie" dargestellt hat, hat sich nun i n eine Form der Bildung von Geld-Reserven der sozialistischen Gesellschaft umgewandelt und stellt heute einen Schutzfaktor des planmäßigen Verlaufs der Wirtschaftsprozesse vor Störungen infolge von Naturkatastrophen und anderen zufälligen Ereignissen dar. * Der in Polen verwendete Begriff „"Wirtschaftsversicherung" entspricht dem in Deutschland geläufigen Begriff „Individualversicherung" im Unterschied zur Sozialversicherung.
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I n der vorliegenden Arbeit geht es u m die Versicherung als Rechtsinstitution. Das enthebt jedoch die Verfasser nicht der Pflicht, auch bestimmte andere, über die streng juristische Fragestellung hinausgehende Probleme zu erörtern; es müssen hier vielmehr auch solche Begriffe wie „zufälliges Ereignis", „zufälliger Bedarf (zufällige Schäden)" analysiert und die Prävention und Kompensation als Methoden der Bekämpfung der durch zufällige Ereignisse verursachten Schäden unter Berücksichtigung der marxistischen Lehre vom sog, Versicherungsfonds der Gesellschaft dargestellt werden. Die Erfassung der Problematik an Hand der Gesamtheit der Maßnahmen, die der Verhütung zufälliger Ereignisse und dem Ausgleich negativer Folgen dieser Ereignisse dienen, erleichtert die Erörterung wirtschaftlicher Belange, denen die Versicherung dient, und bietet gleichzeitig die Möglichkeit zu zeigen, i n welchem Umfang die Versicherung auf der gegenwärtigen Entwicklungsstufe unentbehrlich ist. Die Problematik des Versicherungsschutzes für das gesellschaftliche Vermögen stellt einen neuen Fragenkomplex dar. Diesen gab es nicht, als es noch kein sozialistisches Volkseigentum gab. Das sozialistische Versicherungswesen unterscheidet sich wesentlich von den Versicherungen vorsozialistischer Zeit und stellt einen neuen gesellschafts-geschichtlichen Versicherungstypus dar. Dennoch muß den Überlegungen über die Wirtschaftsversicherungen zumindest eine kurze Analyse der vorsozialistischen Versicherungen und ihrer Funktionen vorausgeschickt werden. Die Versicherung ist nämlich, ähnlich wie andere gesellschaftsgeschichtliche Erscheinungen, ein geschichtliches Phänomen; die i n der sozialistischen Verfassungsordnung vorhandenen Institutionen, rechtstechnischen Ausdrücke und Begriffe, ja sogar einige versicherungsrechtliche Bestimmungen haben sich während einer mehrere Jahrhunderte dauernden Entwicklung herausgebildet. Ohne die Kenntnis der geschichtlichen Formen der Versicherungstätigkeit ist es nicht möglich, die Entwicklungsperspektiven dieser Tätigkeit der Versicherung als Rechtsinstitution i m richtigen Ausmaß zu erfassen. Die Kompliziertheit der Versicherungsproblematik wie auch die Ungenauigkeit und Uneinheitlichkeit der i n der Gesetzgebung und Versicherungspraxis verwendeten Terminologie haben die Klärung einer Reihe grundsätzlicher, für die richtige Darstellung bestimmter Fragen des Versicherungsschutzes erforderlicher Begriffe und Fachausdrücke notwendig gemacht. Alle diese oben erwähnten Umstände bestimmten den Umfang und die Reihenfolge der Untersuchungen. V I I I . Erst nach der Darstellung der Grundsätze dieser Arbeit, der Lehre von den zufälligen Ereignissen und vom Versicherungsfonds,
40
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der geschichtlichen und ökonomischen Versicherungstypen sowie der Versicherung als ökonomischer Kategorie und Rechtsinstitution w i r d der gegenwärtige Stand der Versicherung des gesellschaftlichen Eigentums i n der VRP besprochen und bewertet werden. Eigentlich hätte — entsprechend dem hier angenommenen Grundsatz der Unterscheidung zwischen dem Schutz des Volkseigentums und dem des Gruppeneigentums — der gegenwärtige Stand des Schutzes des Volkseigentums getrennt von dem des Schutzes des Gruppeneigentums behandelt werden müssen. So hätten vor allem für die Vermögensversicherung i n bezug auf beide Formen des gesellschaftlichen Eigentums folgende Fragen gesondert beantwortet werden müssen: 1) w e r ist Versicherungsnehmer (Kategorien der Versicherungsnehmer-Einheiten), 2) w i e entsteht das VersicherungsVerhältnis (die A r t der Entstehung des Versicherungsschutzes), 3) w a s soll versichert werden und zu welchen Bedingungen (Arten des versicherten Vermögens, Pflichten und Rechte der Parteien), 4) w o g e g e n w i r d versichert (die Arten der von der Versicherung gedeckten zufälligen Ereignisse/Gefahren). A u f dieses theoretisch einwandfreie und klare Schema mußte jedoch, soweit es die Einteilung des Stoffes nach den Formen des gesellschaftlichen Eigentums betraf, aus redaktionellen Gründen verzichtet werden. Die auf die Versicherung des gesellschaftlichen Vermögens bezogenen Normativakte, die ganz allgemein den weitläufigen Begriff „Einheiten der vergesellschafteten Wirtschaft" verwenden, regeln nämlich einheitlich und auf den gleichen Grundlagen sowohl Fragen der Versicherung staatlicher Unternehmen als auch Fragen der Versicherung der Genossenschaften. Aus diesem Grunde war es zweckmäßig — zumindest i m analytischdeskriptiven Teil dieser Arbeit — den Stoff nach dem durch die Gesetzgebung vorgezeichneten Schema einzuteilen in: Pflichtversicherungen* und Vertragsversicherungen, wobei die letzten dann noch unterteilt werden in: obligatorische**, fakultative, empfohlene und freiwillige Vertragsversicherungen. Die letzten Kapitel der Arbeit enthalten: eine zusammenfassende Darstellung der schadenverhütenden und finanziellen Tätigkeit der Versicherung sowie den Versuch, die objektiven Gesetzmäßigkeiten der Entwicklung der das gesellschaftliche Eigentum betreffenden Ver* Unter „Pflichtversicherungen" versteht man in Polen Versicherungen, bei denen das Versicherungsverhältnis kraft Gesetzes ex lege, ohne das Erfordernis eines Vertragsabschlusses, entsteht. Der Pflichtversicherung im Rahmen unserer Individualversicherung entspricht in Polen die sog. Pflichtvertrags Versicherung (wörtlich: obligatorische vertragliche Versicherung). ** Pflichtvertragsversicherungen.
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mögensversicherungen während des Aufbaus des Sozialismus zu bestimmen. Abgeschlossen w i r d diese Arbeit m i t einer Zusammenstellung allgemeiner und besonderer Schlußfolgerungen aus der Gesamtheit der dargestellten Probleme sowie m i t dem Hinweis auf konkrete Aufgaben, deren Erfüllung zur Erweiterung und Festigung der Vermögensversicherung auf dem Gebiet des Schutzes des gesellschaftlichen Eigentums beitragen soll. I X . Die vorliegende Arbeit basiert auf der Ansicht, daß ein angemessener Ausbau und eine entsprechende Einstellung der Versicherungstätigkeit, zusammen m i t der Präventionstätigkeit des Versicherers, die beste Garantie für die Deckung zufälligen Bedarfs i n i n der vergesellschafteten Wirtschaft bietet. Durch die Versicherung w i r d die Produktions- und Investitionstätigkeit sämtlicher Einheiten der vergesellschafteten Wirtschaft, die einen Versicherungsschutz genießen, entlastet, wodurch ihnen die Erfüllung der ihnen eigentlich obliegenden Produktionsaufgaben erleichtert wird. A n dieser Stelle sei erwähnt, daß die kollektive Bearbeitung dieses Buches durch das Rechtswissenschaftliche Komitee der Polnischen Akademie der Wissenschaften angeregt wurde und daß die ZivilrechtsAbteilung des Rechtswissenschaftlichen Instituts der Polnischen A k a demie der Wissenschaften der Besprechung dieser Arbeit zwei besondere Sitzungen (am 25.6.1956 und am 10.5.1957) gewidmet hat, an denen hervorragende Fachmänner verschiedener Disziplinen teilgenommen haben 7 .
7 Siehe vor allem „Sprawozdania z prac naukowych Wydzialu Nauk SpoJecznych PAN" („Berichterstattung über die wissenschaftlichen Arbeiten der Abteilung für Gesellschafts-Wissenschaften bei der Polnischen Akademie der Wissenschaften" — Warszawa 1958, Heft 2, S. 79—84); dort wird das Referat des Leiters des Autorenkollektivs in gekürzter Form wiedergegeben und über die Diskussion vom 10.5.1957 im Institut für Rechtswissenschaften der Polnischen Akademie der Wissenschaften über diese Arbeit berichtet.
Erstes
Kapitel
Zufällige Ereignisse und zufälliger Bedarf § 1. U n g e w i ß h e i t , Risiko u n d Versicherung Ä h n l i c h w i e i n fast a l l e n e u r o p ä i s c h e n S p r a c h e n 1 i s t a u c h i n d e r polnischen Sprache der A u s d r u c k „ V e r s i c h e r u n g " w e n n nicht i d e n t i s c h , so d o c h z u m i n d e s t i n h a l t l i c h m i t d e m W o r t „ S i c h e r u n g " k o n v e r g e n t 2 . I n beiden T e r m i n i k o m m t der Gedanke der Ausschaltung d e r d u r c h das V o r h a n d e n s e i n b e s t i m m t e r G e f a h r e n b e d i n g t e n B e f ü r c h tungen und Sorgen z u m A u s d r u c k 8 . M i t R e c h t b e t o n t d i e D o k t r i n , d a ß i n d e r V e r s i c h e r u n g das S t r e b e n nach Sicherung gegen die Folgen der V e r w i r k l i c h u n g bestimmter Gef a h r e n , d.h. b e s t i m m t e r d e n M e n s c h e n u n d sein V e r m ö g e n b e d r o h e n d e r R i s i k e n 4 , z u m A u s d r u c k k o m m t . A u s diesem G r u n d e g e h t d i e V e r sicherungstheorie t r a d i t i o n e l l v o n der Gegenüberstellung der Begriffe Risiko und Versicherung aus5. 1 Darauf macht zutreffend Rajcher aufmerksam; V. K. Rajcher, I.e. (poln. Ausgabe), S. 414, Anm. 1 (vgl. auch die russ. Ausgabe I.e., S. 235, Anm. 2: „Fast in allen europäischen Sprachen bedeutet das Wort »Versicherung« philologisch »Sicherung« ...). 2 Dem widersprechen nicht die neuen Theorien über die als Gesamtheit „der öffentlichen Einrichtungen zum Schutz gegen die Not" aufgefaßte soziale Versorgung, in deren Rahmen die (Sozial-) Versicherung nur „eine Technik der Realisierung" der sozialen Versorgung darstellen würde. Siehe J. Piotrowski, I.e., S. 13 ff. Vgl. J. H. Richardson , I.e., S. 55. Diese Ansichten wurden letztens einer Kritik unterzogen in der umfassenden Arbeit von E. Modliriski , Podstawowe zagadnienia, I.e., S. 115—116. 8 I n einer Reihe von Sprachen stammt der Name „Versicherung" (assurance, assicurazione, seguro, insurance, ubezpieezenie) ethymologisch und semantisch von den lateinischen Ausdrücken securitas — securus, die sich aus der sprachlichen Konstruktion „sine cura"- „securus" (frei von Sorgen— sicher) ableiten lassen. 4 Siehe H. Möller , Assicurazioni Nr. 4—5/1961, S. 6 ff. 6 Es ist bemerkenswert, daß z.B. in den USA im Jahre 1962 zwei Handbücher der Versicherungswissenschaft unter dem gleichlautenden Titel „Risk and Insurance" (von M. R. Greene, Cincinnati, 814 S. und von J. L. Athearn , New York, 526 S.) erschienen sind, und daß die dortige Fachzeitschrift für Versicherung (die nebenbei bemerkt von der American Risk and Insurance Association herausgegeben wird) den Namen trägt: The Journal of Risk and Insurance. Vom Übersetzer: I n diesem Zusammenhang sei es hier erlaubt, auf die Erläuterungen von R. Schmidt — Versicherungsalphabet, 4. Aufl., Karlsruhe 1969 — zu den Begriffen: Gefahr, Risiko und Wagnis, hinzuweisen.
§ 1. Ungewißheit, Risiko und Versicherung
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Die vollständige und konsequente Durchführung einer solchen wissenschaftlichen Gegenüberstellung würde eine Zusammenstellung und Bewertung sämtlicher Personen und Vermögen bedrohender Risiken sowohl unter dem Gesichtspunkt der Möglichkeit als auch hinsichtlich der gesellschaftlich-wirtschaftlichen Zweckmäßigkeit ihrer Deckung i m Rahmen der rechtlichen 6 Institution der Versicherung erfordern. Diese Aufgabe ist nicht einfach, und sie wurde bisher noch i n keinem Lande befriedigend gelöst 7 . Dennoch hat allein das Herantreten an die theoretische Versicherungsproblematik von Seiten der Analyse und Systematik sowie der Einteilung der Risiken i n v e r s i c h e r b a r e und sog. n i c h t v e r s i c h e r b a r e Risiken eine positive Rolle bei der Entwicklung der Versicherungstheorie gespielt 8 . Insbesondere ist dieses Vorgehen für die Theorie der kapitalistischen Vermögensversicherung als nützlich, wenn nicht gar als unentbehrlich zu werten. Selbstverständlich hat i n einer Gesellschaft, i n welcher der Gewinn der Motor und das Risiko der Hemmschuh wirtschaftlicher Tätigkeit sind, die Versicherung eine besondere Bedeutung, i n dem sie die Folgen der Verwirklichung von Risiken, vornehmlich von Risiken der Investierenden, Kreditgeber 9 und Unternehmer beseitigt oder wenigstens beschränkt. Die enorme Entwicklung der Versicherung seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts stand i m engen Zusammenhang m i t dem allm ä h l i c h e n Verschwinden der ursprünglichen „wirtschaftlichen
Risiko-
freudigkeit", d.h. der Bereitschaft der Unternehmer zur spekulativen Risikenübernahme, m i t dem Aufkommen der „Alterserscheinungen des Hochkapitalismus" 1 0 . Die bereits damals geforderte wirtschaftliche • Nicht alle (vom ökonomischen und versicherungstechnischen Standpunkt) versicherbaren Gefahren werden vom Versicherungsschutz erfaßt, d.h. nicht alle diese Gefahren (Risiken) sind Rechtsereignisse im Rahmen der schuldrechtlichen Institution der Versicherung. Das sozialistische Versicherungsrecht gewährt nicht für alle Gefahren, die gedeckt werden könnten und die auch tatsächlich — wie die Praxis zeigt — in einigen kapitalistischen Ländern gedeckt werden, Versicherungsschutz. Andererseits sind Fälle bekannt, daß Gefahren versichert werden, noch bevor sich die hierfür geltenden versicherungs-technischen Grundlagen hinreichend herausgebildet haben. Das bezog sich z.B. auf die Hagelversicherung; gegenwärtig bezieht es sich auf die Haftpflichtversicherung der Eigentümer von Atomreaktoren, sowie auf die gelegentlich getätigte Versicherung gegen „exzentrische Gefahren" (z.B. gegen Schäden, die durch den Absturz von Sputniken verursacht werden, gegen den Verlust der Jungfernschaft der ins Ausland reisenden Tochter), für die es noch keine statistischen Daten für eine angemessene Prämienberechnung gibt. Siehe F. H. Knight, I.e., S. 250. 7 Einen solchen Versuch enthält das Buch von W. Warkallo, Prawo i ryzyko, I.e.; siehe dort insbesondere die synoptischen Tabellen auf S. 125—137. 8 Statt vieler siehe A. Donati, Rivista del Diritto della Navigazione, X V I (1950), Nr. 3 und das dort zit. Schrifttum sowie das zweibändige Werk von H. Lanz-Stauffer und C. Rommel, I.e. 9 Siehe A. H. Mowbray und R. H. Blanchard, I.e., S. 11 ff. 10 Beachtlich sind die Ausführungen L. Sombarts (Das Wirtschaftsleben im Zeitalter des Hochkapitalismus, München und Leipzig 1927) über die sog.
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1. Kap.: Zufällige Ergebnisse und zufälliger Bedarf
Rationalisierung erstreckte sich auch auf die Beschränkung der Unternehmer-Risiken. Der Unternehmer war gern bereit, einen Teil seines Gewinns für die Zahlung von Versicherungsprämien zu verwenden, u m sich gegen die Folgen „von Zufällen und Gefahren", die — wie M a r x schreibt 1 1 — sein Kapital während des Reproduktionsprozesses hätten dezimieren können, abzusichern. Gerade die Vermögensversicherung ist eine finanz-ökonomische Einrichtung, die „den Ersatz eines ungewissen, aber großen Verlustes durch einen gewissen, aber geringen Verlust" — die Versicherungsprämie — ermöglicht 1 2 . Die Versicherung deckt zwar nicht das sog. R i s i k o fehlerh a f t e r w i r t s c h a f t l i c h e r E n t s c h e i d u n g e n , das ja i m Grunde genommen nicht ein Risiko, sondern vielmehr eine Ungewißheit über die m i t derartigen Entscheidungen bezweckten Erfolge dars t e l l t 1 8 . Sie schützt aber den Unternehmer vor Vermögenseinbußen, u.a. vor der Verringerung des Industriekapitals, sei es infolge des Verlustes bestimmter A k t i v a (z.B. die Niederbrennung versicherter Gebäude) 14 , sei es durch das Entstehen einiger Vermögens-Passiva (z.B. aus der Betriebshaftpflicht für Schäden Dritter). Der Schutz vor der Entstehung bestimmter Passiva (im Rahmen der Haftpflichtversicherung) gewann m i t der Entwicklung neuzeitlicher Produktionstechniken, die auf der industriellen Nutzimg der Naturgewalten beruhen, zunehmend an Bedeutung. Die Verwendung von Dampf, Gas, Elektrizität, Brennstoffen und von anderen Naturkräften i n der Produktion und i m Verkehr vermehrte die wirtschaftliche Effizienz der Unternehmertätigkeit, sie vermehrte jedoch gleichzeitig die bestehenden Risiken und schuf darüber hinaus noch neue Risiken der Industrie- und Verkehrsunfälle 1 5 , für die der Unternehmer zu haften hat. Die Versicherung war nicht nur ein erfolgreiches Schutzmittel gegen die (durch unerwartete, gelegentlich beträchtliche ZahlungsverAlterserscheinungen des Hochkapitalismus (S. 66 f. und 685 ff.), zu denen das immer stärker werdende Bestreben gehört, die Tätigkeit des Unternehmens durch die Verringerung des ihm drohenden Risikos zu erleichtern, u.a. durch den Ausbau der Versicherung. Vgl. Scharlau, I.e., S. 699. Siehe L. Pokorzyhski und W. Warkallo, I.e., S. 8—9. 11 Siehe K. Marx, Das Kapital (poln. Ausgabe), Bd. I I I , Teil 2, Warszawa 1959, S. 430—431. 12 A. L. Mayerson, Introduction to insurance, New York 1962, S. 17: I t is a device to replace the uncertainty of a possible large economic loss by the certainty of a small loss — the premium; sowie ebenda S. 5. Vgl. auch die ähnliche Formulierung von C. M. Elliot, Property and casualty insurance, New York —Toronto —London 1960, S. 5, wie auch F. H. Knight, I.e., S. 246. 18 Siehe M. R. Greene, I.e., S. 51—52; F. H. Knight, I.e., S. 251. Vgl. W. Samecki, I.e., S. 224. " Siehe F. H. Knight, I.e., S. 250. 15 I n diesem Bereich gelten ähnlich wie in Polen (siehe Art. 152 des OR von 1933 und Art. 435 ZGB) in den meisten Ländern die Grundsätze der verschärften Haftung, unabhängig vom Verschulden des Täters.
§ 1. Ungewißheit, Risiko und Versicherung
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pflichtungen aus der zivilrechtlichen Haftpflicht bedingten) Störungen der Finanzwirtschaft des Unternehmers, sondern auch eine notwendige Bedingung f ü r die E n t w i c k l u n g der auf dem P r i v a t k a p i t a l beruhenden Wirtschaftstätigkeit auf manchen Gebieten. So z.B. i n den U S A betraf das den Lufttransport und die friedliche Nutzung der Kernenergie; hier hat m a n sich zu privaten Investitionen erst nach Zusicherung des Versicherungsschutzes gegen Haftpflichtansprüche aus L u f t 1 6 u n d nuklearen U n f ä l l e n 1 7 entschlossen. Das W o r t R i s i k o erreichte den Rang eines wissenschaftlichen Terminus i n der Versicherungstheorie, v o n der es dann i n die allgemeine Wirtschaftslehre eindrang, w o es zum A r g u m e n t für die Erhöhung des Unternehmer-Gewinns und auch als Recht auf diesen G e w i n n 1 8 , manchmal sogar als besonderer Produktionsfaktor hervorgehoben wurde. Die wachsenden Risiken des technischen Fortschritts und die Notwendigkeit ihres Ausgleichs förderten die weitere „ K a r r i e r e " dieser Begriffskategorie. Die neuen Anwendungen dieser Begriffskategorie i n der Theorie und auch i n der Praxis des gesellschaftlichen Lebens brachten es m i t sich, daß der Begriff des Risikos auch außerhalb der Versicherung an Geltung gewann. Als Risiko werden heute nicht n u r die typischen A r t e n der Gefahren, von denen Personen und Vermögensgegenstände bedroht sind, bezeichnet. Das Risiko wurde gegenwärtig zu einer ebenso wichtigen Grundlage der Schadensersatzpflicht 1 9 w i e das Verschulden, zum Gegenstand einer besonderen Lehre v o m Unternehmen i m Teilgebiet des sog. risk management 20. Das R i s i k o des Verlustes der E r w e r b s f ä h i g 18
Siehe A. H. Mowbray und R. H. Blanchard , I.e., S. 11, Anm. 7. W. Warkallo, Odpowiedzialnoéé odszkodowawcza, I.e., S. 74 f; derselbe: Energia atomowa a odpowiedzialnoéé cywilna (Atomenergie und zivilrechtliche Haftpflicht), Rozprawy prawnieze, Ksiçga pami^tkowa dla uczczenia praey naukowej K. Przybylowskiego, (Juristische Abhandlungen, in: Festschrift für K. Przybylowski), Krakôw — Warszawa 1964, S. 441—449. Vgl. M. R. Greene, I.e., S. 5. 18 Statt vieler siehe die Ausführungen von F. B. Hawley (insbesondere im Buch: Enterprise and the productive process, New York 1907), daß das „risk-taking" eine wesentliche Funktion des Unternehmers darstelle und „basis of his peculiar income" sei. Nach Ansicht einiger Autoren (z.B, A. H. Willets: The economic theory of risk and insurance, Columbia University Studies in Political Science, Bd. X I V , 1951, Nr. 2, S. 72 ff.) betreffen sowohl das „risk-taking" als auch das „risk-reward" nicht den Unternehmer als solchen, sondern den Unternehmer als Eigentümer des die Grundlage für die Tätigkeit des Unternehmens bildenden Vermögens. 19 Die sog. Gefährdungshaftung (wörtlich: Haftung für Risiko) bezieht sich nach dem polnischen Recht auf alle Schäden, die auf die Verwendung von Naturkräften zurückzuführen sind, und auf der Verwendung solcher Kräfte beruhten fast die gesamte Industrieproduktion und der Transport. 20 Siehe z.B. den letzten, 6. Teil der Arbeit von A. H. Mowbray und R. H. Blanchard (I.e., S. 533—548) — risk management. Siehe auch die Ausführungen von L. Osiatyûski (Wiad. Ub. Nr. 3/1963, S. 15 f.) über die sog. Risiko-Politik. F. H. Knight (I.e., S. 233—263) widmet ein besonderes Kapi17
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1. Kap.: Zufällige Ergebnisse und zufälliger Bedarf
k e i t u n d des Notstandes aus anderen Gründen w i r d als begriffliches K o r r e l a t des von manchen A u t o r e n 2 1 äußerst weitgefaßten Rechts auf soziale Versorgung (droit à la sécurité sociale) betrachtet. Das Risiko, oder vielmehr die Notwendigkeit der Bekämpfung gewisser sozial-wirtschaftlicher Risiken (Naturkatastrophen, Pflanzenu n d Tierseuchen, sozialer Krankheiten, vor allem der Arbeitsunfälle), w u r d e zur Voraussetzung der organisierten Präventionstätigkeit 2 2 . Es ist verständlich, daß die Erweiterung des Anwendungsbereichs des Risikos, als einer neuen schöpferisch w i r k e n d e n Idee, auf verschiedenen Gebieten der Wirtschaft, des Rechts u n d der Sozialpolitik ohne eine Dehnung des begrifflichen Rahmens des Risikos und ohne eine U m - oder Verformung seines ursprünglichen versicherungsmäßigen Inhalts nicht möglich war. Z w a r w i r d der Ausdruck Risiko selbst i n der Versicherung i n einem dreifachen Sinne verwendet 2 3 , doch bezieht er sich dort i m m e r n u r auf genau bestimmte Gegenstände der Versicherung, bei denen die Wahrscheinlichkeit des Eintretens eines Schadens oder eines anderen v o n der Versicherung gedeckten Ereignisses statistisch festgestellt ist. Angesichts dieser vielfältigen u n d vielseitigen Verwendung dieses Ausdrucks hat m a n oft auf die i n der Versicherung entwickelte T y p i sierung u n d Spezifizierung des Risikos verzichtet u n d sprach n u r noch v o m Risiko als solchem, als einer allgemeinen, beinahe ontologischen Kategorie. Der Ausdruck Risiko w u r d e fast zum Synonym der U n gewißheit, die „unzertrennlich m i t dem Dasein des Menschen verbunden i s t " 2 4 , m i t seinem Leben und seiner Tätigkeit. Es bedurfte der bekannten Monographie v o n K n i g h t über das Risiko und die Ungewißheit (die 1921 erstmals erschienen ist und hier mehrfach zitiert w i r d ) , u m die grundsätzliche Verschiedenheit dieser beiden Begriffe aufzudecken u n d zu erklären. Allerdings behandelt auch K n i g h t das tel dem Problem der „structures and methods for meeting uncertainty", in denen die Versicherung nur eine der dem Kampf gegen Ungewißheit und Risiko dienenden Einrichtungen darstellt. 21 Siehe J. Piotrowski, I.e., S. 13 und 160 ff. 22 Das steht im Zusammenhang mit der zunehmenden Erweiterung der Aufgaben des Staates hinsichtlich des Schutzes der Volkswirtschaft und der Bürger vor Gefahren, und zwar nicht nur vor der Gefahr von Elementarereignissen, sondern auch vor anderen, vornehmlich technischen Gefahren, wie dies auch in der westlichen Literatur zum Ausdruck kommt. Siehe z.B. die Ausführungen von J. H. Richardson (I.e., S. 20) darüber, daß die Gesellschaft unbedingt die Kosten für die Deckung von „inevitable insecurities of life" zu tragen habe. 23 Mit dem Ausdruck „Risiko" bezeichnet man den Gegenstand, dem ein Schaden droht, das Ereignis, das diesen Schaden verursacht, und darüber hinaus die Wahrscheinlichkeit des Eintritts dieses Ereignisses. Vgl. R. Schmidt, Versicherungsalphabet, 4. Aufl. Karlsruhe 1969, S. 194—195. 24 Wie es so schön Knight (I.e., S. 199) ausdrückt: wir leben in einer Welt, die sich ständig ändert, in „a world of uncertainty", und wir wissen nur etwas darüber, was uns die Zukunft bringen wird.
§ 1. Ungewißheit, Risiko und Versicherung
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Risiko auf der Grundlage der Ungewißheit; ähnlich verfahren viele, vornehmlich amerikanische Versicherungstheoretiker. Das trägt gew i ß zur Erweiterung der Forschungsperspektiven bei, doch gleichzeitig f ü h r t es zu neuen wissenschaftlichen Kontroversen. Es gibt auch heute noch Arbeiten, i n denen die Ausdrücke „ R i s i k o " und „ U n g e w i ß h e i t " promiscué 25 verwendet werden. M a n k a n n aber die A n s i c h t , daß zumindest zwischen der U n g e w i ß h e i t sensu stricto und dem Risiko ein wesentlicher Unterschied besteht, als feststehend betrachten. Das M e r k m a l einer solchen Ungewißheit ist, daß sie sich jeglichem Versuch einer rationalen Quantifikation entzieht, während das Risiko „ m e ß b a r " 2 6 ist. Trotzdem ist das Risiko für manche A u toren n u r eine besondere, meßbare A r t der Ungewißheit, f ü r andere wiederum sind Risiko und Ungewißheit zwei verschiedene, obgleich auf gleicher Ebene liegende Begriffe 2 7 . Die Beachtung der Trennung zwischen dem Risiko u n d der Ungew i ß h e i t wäre für die Versicherungstheorie v o n großer Bedeutung, zumal — w i e i n der D o k t r i n einhellig feststeht — die Ungewißheit sensu stricto sich ü b e r h a u p t n i c h t f ü r die Versicherung e i g n e t 2 8 . Die Durchführung dieser Abgrenzung scheint jedoch schon allein deswegen unmöglich, w e i l auch dem o b j e k t i v meßbaren Risiko eine bestimmte Ungewißheit anhaftet, zumindest i n bezug auf das sog. moral hazard, d.h. auf die Eigenschaften u n d das V e r h a l t e n der Person, die v o m Risiko bedroht i s t 2 9 . I c h lasse hier die weiteren Gründe der Verwischung der scharfen Grenzen zwischen der Ungewißheit und dem R i s i k o 8 0 weg und sehe auch v o n der Individualisierung des Risikos 26 Das läßt sich im gewissen Sinne dadurch entschuldigen, daß in der Umgangssprache in jeder dieser Bezeichnungen der Mangel an Sicherheit zum Ausdruck kommt, so z.B. in der Bezeichnung: ein unsicheres, riskantes Unternehmen. 28 Siehe z.B. F. H. Knight, I.e., S. 19 f. und 245 f. sowie die Arbeit von G. L. Shackle, Uncertainty in economics, London 1955 und andere Werke, die u.a. W. Samecki (I.e., S. 12, 16—20 und 30) besprochen hat. Vgl. O. Lange, Optymalne decyzje (Optimale Entscheidungen), Warszawa 1964, S. 197 ff., sowie W. Sadowski, Teoria podejmowania decyzji (Theorien der Fällung von Entscheidungen), Warszawa und B. Nietyksza, I.e. 27 Vgl. im Zusammenhang mit diesen Meinungsverschiedenheiten die Aussage von A. H. Mowbray und R. H. Blanchard, I.e., S. 3: Risk is uncertainty, and „uncertainty is one of the fundamental facts of life", mit der Ansicht von F. H. Knight (I.e., S. 47): a known degree of uncertainty is practically no uncertainty at all. An anderer Stelle (S. 20) behauptet Knight, daß die measurable uncertainty, also das risk sich von der nicht meßbaren Ungewißheit soweit unterscheidet, daß es überhaupt keine Ungewißheit mehr ist. 28 Siehe F. H. Knight, I.e., S. 46. 29 Siehe E. R. H. Ivamy, I.e., S. 86—87. 80 Es sei hier betont, daß es zwischen dem Risiko und der Ungewißheit bzw. Unsicherheit — neben der begrifflichen Verflechtung — einen funktionellen Zusammenhang gibt. Darauf weist J. L. Athearn (I.e., S. 45) hin: the presence of risk is a source of uncertainty. Je größer das Risiko um so größer die Unsicherheit und umgekehrt: je kleiner das Risiko um so größer
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1. Kap.: Zufällige Ergebnisse und zufälliger Bedarf
wegen seiner besonderen, i m allgemeinen aber unberücksichtigten Nebenumstände ab; statt dessen begnüge ich m i c h m i t der vereinfachten, so z.B. i n der Versicherung verwendeten Einteilung der R i siken oder Gefahren i n Klassen. Die A b g r e n z u n g der U n g e w i ß h e i t sensu stricto v o m Risiko ist ü b e r dies deswegen erschwert, w e i l Risiken auch i m H i n b l i c k auf die Möglichkeit der Quantifikation, keine einheitliche, homogene Größe darstellen. I n der Vielzahl der Risiken m u ß m a n nämlich zwischen den nach dem Wahrscheinlichkeitskalkül zahlenmäßig erfaßbaren und den n u r schätzbaren Risiken unterscheiden. Die Schätzung beruht zwar auch auf objektiven Gegebenheiten, diese reichen aber für eine zahlenmäßige Bestimmung der Wahrscheinlichkeit nicht aus. Die Möglichk e i t einer fehlerhaften Einschätzung reiht diese A r t der Risiken i n die Nähe der Ungewißheit e i n 3 1 .
A u c h die zahlenmäßig erfaßbaren Risiken bilden k e i n einheitliches Ganzes. Die Wahrscheinlichkeit einiger dieser Risiken ist a priori mathematisch meßbar, die der anderen n u r auf G r u n d statistischer, f ü r die Versicherung praktisch ausreichender A n g a b e n 3 1 . Diese eben dargestellte Einteilung überschneidet sich noch m i t einer zweiten Einteilung, und zwar i n Risiken, die i n der N a t u r der Sache liegen, das sind pure risks , u n d Risiken, die k ü n s t l i c h geschaffen w e r den, sog. speculative risks . Die letzten begründen eine a l t e r n a t i v e E r wartung: eines Gewinns oder eines Verlustes 3 2 . Bei den ersten dagegen, b e i den pure risks , ist n u r die V e r w i r k l i c h u n g beachtlich, denn sie bedeutet immer einen Verlust, während die N i c h t V e r w i r k l i c h u n g dieser Risiken keine speziellen Vorteile schafft. M i t Recht w i r d daher i n das Gefühl der Sicherheit der von einem Risiko bedrohten Person. Es kommt allerdings auch vor, daß eine Person, die eine mit einem objektiv großen Risiko verbundene Handlung unternimmt, keine Unsicherheit verspürt, ähnlich wie ein Akrobat, der in der Zirkusarena höchst riskante Vorführungen bietet. 31 Uber die Dreiteilung: 1) a priori probability, 2) statistical probability und 3) estimates — siehe F. H. Knight , I.e., S. 224 f. Es sei erwähnt, daß auch G. L. Shackle (Uncertainty in economics, I.e. und andere Arbeiten) auf einem anderen Weg, mit Hilfe der Konstruktion des sog. teilbaren Experiments zu einer ähnlichen Dreiteilung gelangt; diese Konstruktion wird ausführlich von W. Samecki besprochen, siehe W. Samecki, I.e., S. 19—30. 82 Bei diesen Risiken tritt neben der Gefahr eines Verlustes auch die Chance eines Gewinns auf. Es handelt sich hier nicht nur um künstlich durch Spiel- und Wettverträge geschaffene Risiken, sondern auch um Risiken, die für gesellschaftlich wichtige Zwecke unternommen werden, z.B. das Risiko der Aufnahme einer bestimmten Art der Wirtschaftstätigkeit, die Gründung eines Industrie- oder Handelsunternehmens eines bestimmten Typus. Bei den zweiten, den sog. reinen Risiken, die vor allem mit dem Besitz bestimmter Vermögenswerte — z.B. mit dem Besitz unbeweglichen Vermögens — verbunden sind, besteht nur die Gefahr eines Verlustes oder einer Beschädigung dieser Werte durch bestimmte Ereignisse, ohne die Aussicht auf irgendwelche besonderen Gewinne beim Nichteintreten dieser Ereignisse.
§ 2. Das zufällige Ereignis in der Versicherungstheorie
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der D o k t r i n betont, daß n u r die „reinen Risiken", die pure risks, v o n der Versicherung erfaßt werden k ö n n e n 8 8 . Hieraus folgt, daß nicht jede Ungewißheit, die den Namen Risiko verdient, Gegenstand der Versicherung sein kann, sondern n u r diejenige, die statistisch meßbar ist u n d darüber hinaus ein reines Risiko darstellt. M a n sollte daher — u m den Wirkungsbereich der Versicher u n g abzugrenzen — aus dem großen Bereich der Ungewißheiten diejenigen aussondern, die meßbar sind, d.h. das Gebiet der Risiken. Ferner sollte man aus der Masse der Risiken diejenigen aussondern, bei denen die Wahrscheinlichkeit der V e r w i r k l i c h u n g statistisch bestimmbar ist, und die gleichzeitig der Kategorie der reinen Risiken — der pure risks — angehören. Diese Methode der Aussonderung der v o m Versicherungsschutz erfaßbaren Risiken ist logisch vielleicht einwandfrei, doch k a n n sie nicht befriedigend bei der sozialistischen Versicherung angewandt w e r den. Ob nämlich ein Risiko v o n der sozialistischen Versicherung erfaßt werden soll, hängt nicht allein v o n den Folgen der V e r w i r k l i c h u n g des Risikos durch den E i n t r i t t bestimmter Ereignisse ab; entscheidend ist dabei die gesellschaftlich-wirtschaftliche Zweckmäßigkeit der Dekk u n g des durch diese Ereignisse ausgelösten zufälligen Bedarfs aus dem gesellschaftlichen Versicherungsfonds. Aufgabe der sozialistischen Versicherung ist die Planung und Sicherung der Deckung der Ausgaben, die beglichen werden sollen und die von der allgemeinen Wirtschaftsplanung nicht erfaßt werden oder nicht erfaßt werden können. § 2. Die Begriffskategorie des zufälligen Ereignisses als Ausgangspunkt der Versicherungstheorie Die Elemente des Risikos u n d der Ungewißheit treten auch i n der sozialistischen W i r t s c h a f t 8 4 u n d i m Leben der Mitglieder der sozialistischen Gesellschaft auf. Die i n § 1 dargestellten Untersuchungen über das Risiko und die Ungewißheit enthalten allein noch keine Elemente einer schöpferischen Konstruktion, die f ü r die Lehre v o n den sozialistischen Versicherungen brauchbar wäre. Der ökonomische Be88
Siehe A. H. Mowbray und R. H. Blanchard , I.e., S. 6 f. Siehe z.B. W. Samecki, I.e.; B. Nietyksza, I.e. sowie die Arbeiten von Z. Madej, Ryzyko i niepewnoéé — luka w ekonomii (Risiko und Ungewißheit— eine Lücke in der Ökonomie), in: Zycie Gospodarcze (Wirtschaftsleben) Nr. 9/1964; Ryzyko i niepewnoéé w planach gospodarczych (Risiko und Ungewißheit in den Wirtschaftsplänen), in: Gospodarka Planowa (Planwirtschaft) Nr. 10/1963; Sposoby pokrywania skutkôw niepewnoéci w przedsiçbiorstwie socjalistycznym (Die Arten der Deckung von Folgen der Ungewißheit in einem sozialistischen Unternehmen), in: Ekonomista (Der Nationalökonom) Nr. 1/1963; siehe auch L. Osiatyûski, Wiad. Ub. Nr. 1/1963, S. 1—4. 84
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griff des Risikos, wie er von K n i g h t und Shackle dargestellt wird, ist für die Versicherungstheorie einmal zu eng und zum anderen zu weit. Er ist zu eng, w e i l er sich nur auf Vermögenseinbußen bezieht, während sich der Versicherungsschutz auch auf immaterielle Güter erstreckt, die sich i n Geldwerten nicht ausdrücken lassen. Er ist zu weit, w e i l er u.a. verschiedene, manchmal schwer zu bestimmende Faktoren der Wirtschaftskonjunktur umfaßt, während es bei den Versicherungen nur u m konkrete, i n der Regel spezifizierte A r t e n der Ereignisse geht. Andererseits sprengt aber die neue Auffassung vom Risiko (u.a. i n der Sozial- und Rechtspolitik) den Rahmen der Begriffskategorie, die (als Bezugspunkt) dem Wirkungsbereich des vorhandenen oder noch nicht vorhandenen, aber möglichen Versicherungsschutzes angemessen wäre. Daraus folgt allerdings nicht, daß der Begriff des Risikos für die Versicherungstheorie überflüssig sei. Das Risiko hat eine gesicherte Stellung sowohl i n der Praxis als auch i n der Theorie der Versicherung, und zwar als wichtige, i m gewissen Sinne ausschlaggebende Begriffskonstruktion. Dennoch sollte nicht allein der Begriff des Risikos, nämlich die Wahrscheinlichkeit des Eintretens bestimmter Ereignisse, Ausgangspunkt versicherungstheoretischer Untersuchungen sein. Vielmehr sollten es eben diese Ereignisse und ihre gesellschaftlich-wirtschaftlichen Folgen sein. I m Grunde schließen w i r ja von der Tatsache, daß bestimmte Ereignisse auftreten, auf das Vorhandensein eines Risikos, und nicht — umgekehrt — vom Vorhandensein eines Risikos auf das Eintreten dieser Ereignisse. Diese Ereignisse werden i n Polen üblicherweise als s c h i c k s a l h a f t e E r e i g n i s s e bezeichnet. Das A d j e k t i v „schicksalhaft" i n dieser Bezeichnung w i r d dabei nicht m i t irgendwelchen idealistischen oder fatalistischen Anschauungen i n Zusammenhang gebracht, die der entscheidenden Bedeutung der zielstrebigen menschlichen Tätigkeit nicht gerecht werden. Der Ausdruck „schicksalhaft" weist i n diesem Zusammenhang lediglich darauf hin, daß es u m ein Ereignis geht, das i n bezug auf einen Gegenstand eintreten kann, aber nicht eintreten muß, und daß es wegen seiner tatsächlichen Natur und besonderen Eigenart (der statistischen Gesetzmäßigkeit, der Außergewöhnlichkeit, der Unabhängigkeit vom W i l l e n des Betroffenen) als Versicherungsf a l l anerkannt werden kann. Die Existenz bestimmter Arten zufälliger, schicksalhafter Ereignisse, die einen gesellschaftlich und wirtschaftlich wichtigen Bedarf verursachen, zwingt die Gesellschaft, Reserven zu bilden, die den Versicherungsfonds dieser Gesellschaft darstellen und für die Finanzierung des Versicherungsschutzes sowie der Versicherungs-Präventionstätigkeit bestimmt sind. Die Aussonderung dieser Ereignisse, die Bestimmung
§ 2. Das zufällige Ereignis in der Versicherungstheorie
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ihrer Folgen und die Erforschung ihrer Ursachen hat eine entscheidende Bedeutung für die richtige Gestaltung der planmäßigen V e r sicherungstätigkeit sowohl auf dem Gebiet des Ausgleichs als auch auf dem der Schadenverhütung. Die spezifischen Merkmale der schicksalhaften Ereignisse determinieren auch die Struktur der Versicherung als einer schuldrechtlichen Institution. Die Grundsätze der so aufgefaßten Theorie der schicksalhaften E r eignisse als Gegenstand der Versicherungstätigkeit fanden ihren Ausdruck i m Gesetz vom 28.3.1952 über die staatliche Versicherung (Dz.U. Nr. 20, 130), das die juristischen Voraussetzungen für die Entwicklung eines neuen sozialistischen Typus der Vermögens- und Personenversicherungen i n Volkspolen geschaffen hat. Gemäß den Bestimmungen dieses Gesetzes sind aus dem aus Prämienzahlungen gebildeten Fonds Entschädigungen (Art. 2 Abs. 2) und andere Leistungen (Art. 3 Abs. 2) i m Falle des Eintretens „bestimmter schicksalhafter Ereignisse" (Art. 5 Abs. 2, A r t . 9) zu zahlen, sowie eine „Verhütungstätigkeit" zu finanzieren (Art. 25), die wirtschaftlich negativen Folgen dieser Ereignisse vorzubeugen hat 8 6 . Das seit dem 10.12.1958 geltende Gesetz vom 2.12.1958 über die Vermögens- und Personenversicherungen (Dz.U. Nr. 72, Pos. 357) beruht auf den gleichen rechtstheoretischen Grundsätzen, auch wenn diese anders ausgedrückt werden. So ist z.B. i n den Bestimmungen des Gesetzes von 1958 die Wendung „der durch ein bestimmtes schicksalhaftes Ereignis herbeigeführte Verlust am versicherten Vermögen" u durch die kürzere Formulierung „der schicksalhafte Schaden am versicherten Vermögen" (Art. 1, Pkt. 1) ersetzt worden; anstatt der Redewendung „die Verhütung der Entstehung von Verlusten am versicherten Vermögen" 8 7 ist die kürzere Formulierung „die Verhütung der Entstehung von schicksalhaften Schäden" (Art. 26) verwendet worden. 85 Der Art. 25 dieses Gesetzes enthält zwar nur die allgemeine Formulierung „Vorbeugung der Entstehung von Verlusten am versicherten Vermögen", in den späteren Vorschriften — so z.B. in Art. 26 des Gesetzes vom 2.12.1958 über die Vermögens- und Personenversicherungen (Dz. U. Nr. 72, Pos. 357), durch das das Gesetz vom 28.3.1952 ersetzt worden ist — heißt es jedoch ausdrücklich, daß die Versicherungs-Vorbeugungstätigkeit ebenso wie die Versicherungs-Kompensationstätigkeit „schicksalhafte Schäden" betrifft, also Schäden, die auf schicksalhafte Ereignisse zurückzuführen sind. Siehe auch die Verordnung des MinR. vom 21.2.1963 über die Zusammenarbeit der Organe der Staatsverwaltung mit der P Z U auf dem Gebiet der Vermögens- und Personenversicherung wie auch auf dem Gebiet der Vorbeugung der Entstehung von schicksalhaften Schäden (Dz. U. Nr. 8, Pos. 47) sowie Pkt. I I und I I I des Rundschreibens des Vorsitzenden der Planungskommission beim Ministerrat und des Finanzministers vom 7.4.1967 über die Zusammenlegung der Mittel,für Hauptreparaturen mit den Mitteln, die für die Modernisierung von Produktionsobjekten vorgesehen sind, wie auch über die Verwendung von Versicherungsentschädigungen für schicksalhafte Unfälle (M. P. Nr. 23, Pos. 109). 88 Art. 2 Abs. 2 des Gesetzes vom 28.3.1952. 87 Art. 25 Abs. 1 des Gesetzes vom 28.3.1952.
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1. Kap.: Zufällige Ergebnisse und zufälliger Bedarf
Das Seegesetzbuch v o n 1961 u n d das Z i v i l g e s e t z b u c h v o n 1964 v e r wenden weder den Ausdruck „Schicksalhaftes Ereignis" noch die Bez e i c h n u n g „ S c h i c k s a l h a f t e r S c h a d e n " . Das b e d e u t e t j e d o c h n i c h t , daß d e r Gesetzgeber d i e T h e o r i e d e r s c h i c k s a l h a f t e n Ereignisse v e r w o r f e n h a b e 8 8 . B e s t e n f a l l s k a n n m a n daraus schließen, d a ß d e r Gesetzgeber auf die E i n f ü h r u n g versicherungstechnischer Fachausdrücke i n die Gesetzbücher v e r z i c h t e t h a t . D a d u r c h w i r d i h r e B e d e u t u n g als v e r sicherungsrechtliche Begriffskategorie keinesfalls geschmälert, z u m a l sie seit j e h e r e i n e n a n g e s t a m m t e n P l a t z i n d e r p o l n i s c h e n V e r s i c h e r u n g s t h e o r i e 8 9 h a b e n u n d s i c h a u c h i n d e r V e r s i c h e r u n g s p r a x i s als nützlich erwiesen40. Jedes k o n k r e t e R i s i k o (z.B. das F e u e r - R i s i k o ) s t e l l t d o c h n u r d i e M ö g l i c h k e i t des E i n t r e t e n s eines b e s t i m m t e n s c h i c k s a l h a f t e n E r e i g n i s ses (z.B. des B r a n d e s eines gegen F e u e r v e r s i c h e r t e n Gebäudes) d a r . Das V o r h a n d e n s e i n e i n e r solchen M ö g l i c h k e i t i s t n a t ü r l i c h d i e n o t w e n d i g e V o r a u s s e t z u n g f ü r d i e S t a t u i e r u n g eines V e r s i c h e r u n g s s c h u t z e s w i e a u c h f ü r d i e A n w e n d u n g b e s t i m m t e r S i c h e r h e i t s m a ß n a h m e n , z.B. d e r F e u e r s i c h e r h e i t s m a ß n a h m e n oder d e r B r a n d s c h u t z m i t t e l . A u f j e d e n F a l l setzt d i e das W e s e n d e r V e r s i c h e r u n g b i l d e n d e A u s g l e i c h s f u n k t i o n 4 1 erst n a c h d e m E i n t r e t e n eines s c h i c k s a l h a f t e n „ z u f ä l l i g e n " E r e i g nisses ein. Angesichts dessen, dass die Ausdrücke: „ s c h i c k s a l h a f t e s Ereignis" (zdarzenie 1 o s o w e ) und „ s c h i c k s a l h a f t e r Schaden" (szkoda l o s o w a ) , die in Polen den Rang juridischer termini technici besitzen, in der deutschen Terminologie überhaupt nicht auftreten und unverständlich erscheinen könnten, musste sich der Verfasser mit der Ubersetzung dieser termini durch semantisch ähnliche, aber nicht identische Ausdrücke: „zufälliges Ereignis" und „zufälliger Schaden" (bzw. „zufälliger Bedarf") abfinden. Siehe unten Anmerkung des Ubersetzers zum §3. Nur ausnahms88 A r m wäre die Theorie, die über den terminologischen Rahmen des Gesetzbuchs nicht hinausginge. Die Tatsache, daß das ZGB von 1964 keine Bestimmungen über die Anweisung, nicht einmal diesen Terminus enthält, schmälert nicht die Bedeutung der Anweisung als Rechtskonstruktion, auf der eine Reihe schuldrechtlicher Institute beruht, wie z.B. der gezogene Wechsel, der Scheck, das Akkreditiv oder das Bankinkasso. Dieser Hinweis ist insofern erforderlich, weil in unserem Versicherungsschrifttum Ansichten vertreten werden, daß die Theorie von den schicksalhaften Ereignissen wegen des Fehlens des Ausdrucks „schicksalhaftes Ereignis" im ZGB und i m SeeG. für die Institution der Versicherung unbrauchbar sei. 89 Die Termini „schicksalhaftes Ereignis" und „schicksalhafter Schaden" sind in unsere Versicherungsgesetze u.a. deswegen eingegangen, weil sich die Theorie schon seit langem dieser für die wissenschaftliche Untersuchung der Versicherungsproblematik unentbehrlichen Begriffsinstrumente bedient hat. 40 Nicht nur in den AVB, sondern auch in vielen Normativakten werden die Termini: schicksalhaftes Ereignis, schicksalhafter Schadenfall, schicksalhafter Schaden, im weiten Umfang verwendet. 41 Siehe W. Warkallo, Atti, Bd. I I , S. 646.
§ 2. Das zufällige Ereignis in der Versicherungstheorie
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weise, wo es für die Verständlichkeit des Textes unbedingt notwendig erschien, wird in weiteren Ausführungen in Klammern hinter dem Wort „zufällig" zusätzlich das Adjektiv „schicksalhaft" hinzugefügt, um den Leser daran zu erinnern, daß in der vom Verfasser dargelegten Theorie der „zufälligen Ereignisse" diese mit dem Zufall weder im rechtlichen Sinne (casus als Negativum der culpa) noch im philosophischen Sinne (casus als nulla necessitas) zu identifizieren sind. I n d e m m a n d i e z u f ä l l i g e n Ereignisse a u f d e n e r s t e n P l a n h e r v o r h e b t , w e i s t m a n sofort a u f d i e k o n k r e t e n T a t s a c h e n als d i e E r s c h e i n u n g s f o r m e n b e s t i m m t e r R i s i k e n h i n , a n s t a t t s i c h erst a u f d i e E r ö r t e r u n g m e h r oder w e n i g e r a b s t r a k t e r M ö g l i c h k e i t e n des E i n t r e t e n s d e r a r t i g e r Tatsachen zu beschränken. E i n e V e r s i c h e r u n g i s t ohne d e r e n A u s g e s t a l t u n g als R e c h t s v e r h ä l t n i s n i c h t m ö g l i c h ; d i e r e c h t l i c h e A n a l y s e der V e r s i c h e r u n g m u ß w i e d e r u m v o m S t a n d p u n k t des Z i v i l r e c h t s , insbesondere des S c h u l d r e c h t s e r folgen. Ich sehe hier von den Rechtsverhältnissen der Sozialversicherung ab; ihnen wird verwaltungsrechtlicher Charakter beigemessen, den E. M o d l i n s k i in seinen Arbeiten „Über den Charakter der Rechtsverhältnisse der Sozialversicherung" (N. P. 1967/XII, S. 1599—1613) und „Grundsätzliche Rechtsprobleme der Sozialversicherungen" (op. cit., S. 136—150) nachweist. Z u f ä l l i g e Ereignisse s i n d j u r i s t i s c h e T a t s a c h e n 4 2 , d e r e n E i n t r e t e n d i e Entstehung bestimmter s u b j e k t i v e r Rechte zur Folge h a b e n 4 8 . M i t d e m A b s c h l u ß eines V e r s i c h e r u n g s v e r t r a g e s ( u n d d e r P r ä m i e n z a h l u n g ) b z w . m i t d e r B e g r ü n d u n g eines P f l i c h t - V e r s i c h e r u n g s v e r h ä l t n i s s e s e r h ä l t d e r V e r s i c h e r u n g s n e h m e r z u n ä c h s t n u r eine A n w a r t s c h a f t a u f d e n E r w e r b des Rechts a u f V e r s i c h e r u n g s l e i s t u n g , j e d o c h n o c h k e i n s u b j e k t i v e s R e c h t 4 4 . E r s t m i t d e m E i n t r e t e n eines i m V e r t r a g oder G e setz b e s t i m m t e n z u f ä l l i g e n Ereignisses e n t s t e h t e i n A n s p r u c h . D i e H ö h e dieses A n s p r u c h s r i c h t e t s i c h b e i d e n V e r m ö g e n s v e r s i c h e r u n g e n i m mer, u n d bei den Personenversicherungen manchmal, nach den Schad e n f o l g e n dieses z u f ä l l i g e n Ereignisses. 42 Siehe S. Szer, Prawo cywilne, I.e., S. 110. Szer erwähnt mit Recht das zufällige (schicksalhafte) Ereignis als eine Abart von juristischen Tatsachen, die vom menschlichen Willen unabhängig sind. Es ist jedoch zu unterstreichen, daß der Begriff des zufälligen (schicksalhaften) Ereignisses auch Handlungen umfaßt, d.h. Taten und Unterlassungen, die mehr oder weniger der Ausdruck eines menschlichen Willens sind, jedoch kraft Gesetzes auch solche Rechtsfolgen auslösen, die von diesem Willen unabhängig sind (ebenda S. 109). Ein Beispiel hierfür ist die Versicherung des Hausrats gegen Einbruchdiebstahl sowie die Haftpflichtversicherung. 43 Siehe Z. Brzozowski, Wiad. Ub. Nr. 10/1963, S. 3. 44 Die bloße Anwartschaft kann nur in Ausnahmefällen als subjektives Recht anerkannt werden. Das bezieht sich auf die Anwartschaft des Käufers auf das Eigentumsrecht beim Ratenkauf einer beweglichen Sache unter Eigentums vorbehält (Art. 589 ZGB). Vgl. K. Gandor, Sprzedaz na raty (Ratenkauf), Warszawa 1966, S. 113 und S. Szer, Prawo cywilne, I.e., S. 117 f.
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1. Kap.: Zufällige Ergebnisse und zufälliger Bedarf
Die vorwiegend ökonomisch geprägten versicherungs-theoretischen Arbeiten gehen von der Analyse der i n der Gesellschaft vorhandenen finanziellen Reserven, zu denen auch der Versicherungsfonds zählt, aus. I n den versicherungsrechtlich betonten Arbeiten, zu denen auch die vorliegende Studie zählt, ist ein anderer Ausgangspunkt anzunehmen. Diesen Ausgangspunkt bildet die Analyse der zufälligen Ereignisse als juristischer Tatsachen, die für den Versicherer die Pflicht zur Auszahlung einer Entschädigung oder zur Erbringung anderer L e i stungen begründen. g 3. Das zufällige Ereignis als rechtserhebliches Ereignis (juristische Tatsache) I n Polen wurde die Versicherung — ähnlich w i e i n anderen sozialistischen Ländern (in der UdSSR — ZGB von 1964, i n Ungarn — ZGB v o n 1959, i n der CSSR — Z G B von 1964) zu einer schuldrechtlichen Institution des Gesetzbuches 45 . Obwohl der Versicherungsvertrag i m ZGB und SeeG. geregelt ist, bleibt das Gesetz vom 2.12.1958 über die Vermögens- und Personenversicherungen (das gemäß der Bestimmung des A r t . V I I Pkt. 5 des EGZGB 4 ® fast gänzlich i n K r a f t geblieben ist) weiterhin der wichtigste Normativakt, der die Grundsätze der Organisation und der Tätigkeit der Versicherungen i n unserem Lande regelt und somit die magna Charta der Wirtschaftsversicherung 4 7 i n Volkspolen darstellt. Gemäß A r t . 1 dieses Gesetzes werden die Vermögens- und Personenversicherungen realisiert „ m i t Hilfe zentralisierter, aus Prämien gebildeter Fonds durch: 1) die Auszahlung von Entschädigungen für zufällige (schicksalhafte) Schäden am versicherten Vermögen; 2) die Zahlung von Leistungen, wenn i m Leben der versicherten Personen bestimmte Ereignisse eintreten; 3) die Ausübung einer Schadenverhütungstätigkeit zwecks Minderung der Zahl und der Ausmaße von Schäden" 4 8 . 45
Siehe W. Warkallo, PiP Nr. 10/1964, S. 490. Gesetz vom 23.4.1964, Dz. U. Nr. 16, Pos. 94. 47 Unter der W i r t s c h a f t s v e r s i c h e r u n g versteht man sämtliche Arten der Versicherung, ausgenommen die Sozialversicherung. Der Ausdruck „Wirtschaftsversicherung", der dem Ausdruck „Sozialversicherung" gegenübergestellt wird, ist — wie es scheint — ein schöpferischer polnischer Beitrag zur Versicherungsterminologie. Es ist auffallend, daß es in der Versicherungstheorie anderer Länder keinen diesem polnischen Terminus entsprechenden Ausdruck und auch kein Pendant zum Terminus „zufälliges (schicksalhaftes) Ereignis" im Sinne der polnischen Versicherungslehre gibt. 48 Wie aus der Zusammenstellung der Art. 1 und 26 des Gesetzes folgt, geht es hier um zufällige (schicksalhafte) Schäden. 48
§ 3. Zufällige Ereignisse als juristische Tatsache
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Eigentlich bezieht sich die vorliegende Arbeit — entsprechend ihrem T i t e l — nur auf die Vermögensversicherungen, und zwar auf den Versicherungsschutz auf dem Gebiet des zufälligen Bedarfs (und das nur beim gesellschaftlichen Vermögen); dennoch kann hier auf die Erörterung von Fragen der allgemeinen Theorie der sozialistischen Versicherungen nicht verzichtet werden, insbesondere, w e i l die gesellschafts-geschichtliche Neuheit dieser Versicherungen am eindruckvollsten auf dem Gebiet der Versicherungen des sozialistischen Eigent u m s — des Volks- und des Gruppeneigentums — sichtbar wird. Als zufällige Ereignisse gelten nicht nur Ereignisse, die zufällige Schäden verursachen, sondern auch solche, die „das Leben oder die Arbeitsfähigkeit natürlicher Personen" betreffen (Art. 2 Abs. 2 des Gesetzes) und vom Versicherungsschutz gedeckt werden. Das M e r k mal der Zufälligkeit haftet sämtlichen versicherten Ereignissen an, gleichgültig ob sie von der Vermögens- oder von der Personenversicherung, von der freiwilligen oder von der Pflichtversicherung, von der Wirtschafts- oder von der Sozialversicherung gedeckt w e r d e n 4 9 . Die Leistungen aus der Sozialversicherung unterscheiden sich von den Leistungen aus den Personenversicherungen innerhalb der W i r t schaftsversicherungen u.a. dadurch, daß bei den ersten das Element der Entschädigung für den Erwerbsverlust dominiert. Auch die Sozialversicherung strebt die Befriedigung der „infolge des Eintretens bestimmter Ereignisse i m Leben der versicherten Personen" entstehenden Bedürfnisse an. Es geht hier vor allem u m Ereignisse, die unmittelbar das Leben oder die Arbeitsfähigkeit des Versicherten und m i t t e l bar die materielle Existenzgrundlage des Versicherten und seiner Familie, wie die Entlohnung für Arbeit und das Recht auf diese Entlohnung, berühren. Der Arbeitsunfall, aber auch der Verlust der A r beitsfähigkeit infolge anderer Ursachen, das Erleben des „Pensionsalters", der Tod des Familienernährers wie auch die Geburt eines K i n des: das sind die gleichen zufälligen Ereignisse 50 wie diejenigen, die einen Anspruch auf Leistungen aus der Personenversicherung i m Rahmen der Wirtschaftsversicherung begründen 5 1 . 49 Uber die Bedeutung dieser Termini sowie über die Systematik der Versicherung siehe unten §24. 60 Obwohl das polnische Sozialversicherungsrecht den Ausdruck „zufälliges (schicksalhaftes) Ereignis" niemals verwendete und auch heute nicht gebraucht, bedient sich die Lehre dieses Ausdrucks zur Bezeichnung eines Ereignisses, das zu Unterstützungen, Renten und anderen Leistungen aus dieser Versicherung berechtigt. Siehe statt vieler J. Lazowski , I.e., S. 24 f., E. Modliiiski , Podstawowe zagadnienia, I.e., S. 299 ff. sowie J. Piotrowski, I.e., S. 96 und 168 ff. 51 Der Umstand, daß die gleichen Arten von zufälligen Ereignissen (z.B. der Unfall, der Tod, das Erleben eines bestimmten Alters) eine Voraussetzung für Leistungen aus der Sozialversicherung und aus der zur Wirtschaftsversicherung gehörenden Personenversicherung darstellen, erschwerte
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1. Kap.: Zufällige Ergebnisse und zufälliger Bedarf
D i e E n t s t e h u n g eines V e r s i c h e r u n g s v e r h ä l t n i s s e s s c h a f f t n u r eine rechtliche Situation, i n der der Versicherte ein Recht auf Versicher u n g s l e i s t u n g e r w e r b e n k a n n 5 2 . D e r E r w e r b dieses Rechts h ä n g t v o m „ E i n t r e t e n " des i n d e n V e r s i c h e r u n g s b e d i n g u n g e n v o r g e s e h e n e n „ U n f a l l s " ab, d e r z w a r e i n t r e t e n k a n n , aber n i c h t e i n t r e t e n m u ß . A l s V e r s i c h e r u n g s f a l l g i l t n ä m l i c h per definitionem ein künftiges und ungewisses z u f ä l l i g e s E r e i g n i s 5 8 . E r s t das E i n t r e t e n eines v e r s i c h e r t e n Ereignisses b e g r ü n d e t f ü r d e n V e r s i c h e r e r d i e P f l i c h t z u r Z a h l u n g e i n e r E n t s c h ä d i g u n g oder z u r E r b r i n g u n g e i n e r a n d e r e n L e i s t u n g 5 4 . Das e i g e n t l i c h e W e s e n d e r V e r s i c h e r u n g s t ä t i g k e i t l i e g t i n d e r B i l d u n g v o n F o n d s aus d e m v o n d e n V e r s i c h e r u n g s n e h m e r n ( u n b e d i n g t ) z u e r b r i n g e n d e n P r ä m i e n a u f k o m m e n z u r D e c k u n g solcher Z a h l u n g e n u n d i n d e r L e i s t u n g dieser Z a h l u n g e n . D i e V e r h ü t u n g z u f ä l l i g e r , d.h. d u r c h z u f ä l l i g e E r e i g n i s s e v e r u r s a c h t e r S c h ä d e n i s t das Z i e l d e r p r ä v e n t i v e n V e r s i c h e r u n g s t ä t i g k e i t . D i e o b j e k t i v e M ö g l i c h k e i t des E i n t r e t e n s z u f ä l l i g e r Ereignisse ist d i e u n b e d i n g t e G ü l t i g k e i t s v o r a u s s e t z u n g des V e r s i c h e r u n g s r e c h t s v e r h ä l t n i s s e s 5 5 , ä h n l i c h , w i e das V o r h a n d e n s e i n v o n R i s i k e n , d i e sich die Abgrenzung dieser beiden Arten der Versicherungstätigkeit und der Kompetenz der Aufsichtsbehörden hinsichtlich der Versicherungskontrolle. Siehe Art. 133 der nicht mehr geltenden Verordnung des Präsidenten der Republik vom 26.1.1928 über die Versicherungsaufsicht (Dz. U. Nr. 9, Pos. 64) sowie die aufgrund dieser Verordnung erlassene Verordnung des Schatzministers vom 22.3.1928. Vgl. W. Warkallo und H. Zwolitiska, I.e., S. 286 f. 52 Der Versicherungsnehmer erhält die Gewähr, daß er „im Falle" (siehe Art. 805 ZGB) des Eintritts eines bestimmten Ereignisses das Recht auf Versicherungsleistung erwirbt (selbstverständlich unter der Voraussetzung, daß keine Gründe für eine Ablehnung dieser Leistung wegen Nichterfüllung der ihm obliegenden Deklarationspflicht u.ä. vorliegen — Art. 815 §3, 816 § 2 ZGB). Dagegen ist es nicht sicher, ob ein solches Ereignis eintreten wird; im Gegenteil, es besteht eine geringe Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines solchen Ereignisses. Vgl. W. E. Patterson: Essentials of insurance law, New York — Toronto — London 1957, S. 2. M Siehe unten §4. M Darauf macht B. Helczyüski, I.e., S. 222 f. aufmerksam. Helczyfiski bezeichnet zu Unrecht die mit dem Versicherungsverhältnis entstehende Anwartschaft des Versicherungsnehmers auf Versicherungsleistung als bedingte Forderung. I m Grunde genommen hat der Versicherungsnehmer nur eine „Rechtsanwartschaft" (diesen deutschen Ausdruck verwendet der Verfasser im Originaltext — E.G.), (expectative) auf die Entstehung des Anspruchs auf Versicherungsleistung. Siehe statt vieler S. Wöjcik: Czy posiadanie jest dziedziczne? (Ist der Besitz vererblich?), Juristische Abhandlungen in der oben zit. (Anm. 17) Festschrift für K. Przybylowski, S. 525 ff. 55 Ausdrücklich wird das in Art. 806 § 1 Z G B in bezug auf den Versicherungsvertrag festgestellt: „Der Versicherungsvertrag ist nichtig, wenn im Zeitpunkt seines Abschlusses der im Vertrag vorgesehene (Versicherungs-) Fall bereits eingetreten oder die Möglichkeit seines Eintritts bereits entfallen war, es sei denn, die Versicherung umfaßt den Zeitraum, der dem Vertragsabschluß vorangeht". Einen ähnlichen Grundsatz enthält Art. 261 §§ 1 und 2 SeeG. Er gilt auch für die Pflichtversicherung, wenngleich die Verordnungen des Ministerrats, in denen diese Versicherung geregelt ist, keine entsprechenden Bestimmungen enthalten.
§ 3. Zufällige Ereignisse als juristische Tatsache
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durch zufällige Ereignisse verwirklichen, die Voraussetzung der Versicherungstätigkeit i m allgemeinen ist. I n Anbetracht dessen ist es geboten, dem Begriff des zufälligen (schicksalhaften) Ereignisses eine vorrangige Bedeutung sowohl für die Versicherungspraxis als auch für die Versicherungstheorie beizumessen. Die Richtigkeit dieser Behauptung w i r d nicht dadurch i n Frage gestellt, daß die Bestimmungen, die sich auf einen wichtigen Zweig der freiwilligen Vermögensversicherungen — die Seeversicherungen — beziehen, i m allgemeinen die Kategorie des Versicherungsfalles und som i t auch des zufälligen Ereignisses als Schadensursache vermeiden. Entsprechend den Bestimmungen unseres SeeG. verpflichtet sich der Versicherer i m Versicherungsvertrag, gegen Zahlung einer Versicherungsprämie „Entschädigungen für Schäden zu zahlen, die infolge der Gefahren" der Seeschiffahrt eintreten (Art. 256 § 1), und zwar nur für solche Schäden, welche die „unmittelbare Folge" der vom Versicherungsvertrag gedeckten „Gefahr" sind (Art. 283). Gegen diese Formulierungen ließe sich zwar einwenden 5 6 , daß sie ein unbedingt notwendiges Bindeglied zwischen Gefahr (der Seeschiffahrt) und Schaden verschweigen, nämlich das zufällige (schicksalhafte) Ereignis (z.B. den Schiffszusammenstoß, den Seesturm), das die immittelbare Schadenursache ist. Das ist jedoch eine herkömmliche Eigenart der Seeversicherung, die sich eines Sammelbegriffs der zufälligen Seeunf ä l l e (fortunes de mer, perils of the sea, Seeschiffahrtsgefahren
u.ä.m.)
bedienen und die Aufzählung dieser Unfälle i m allgemeinen den eingehenden Bestimmungen i n den Policen, Versicherungsbedingungen und Zusatzklauseln überlassen 57 . Die Versicherungstätigkeit erstreckt sich nicht auf alle zufälligen Ereignisse, sondern nur auf bestimmte A r t e n dieser Ereignisse, nämlich auf diejenigen, die vertraglich oder gesetzlich als Versicherungsfälle anerkannt werden. Der Begriff des Versicherungsfalles ist demnach enger als der des zufälligen Ereignisses. Als Versicherungsfall gilt nur ein solches zufälliges (schicksalhaftes) Ereignis, durch dessen Eintreten — entsprechend den Versicherungsbedingungen — ein Anspruch gegen den Ver56 Anknüpfend an die Theorie vom kausalen Zusammenhang, könnte man sagen, daß hier die traditionelle Konzeption der „ontologischen Kategorien von Ursache und Wirkung" angewandt wurde, und zwar die Konzeption: Merkmal — Ereignis; als Schadenursache wurde also der gefährliche Charakter der Seeschiffahrt, die von Seegefahren (periculum maris) bedroht wird, anerkannt, wobei man jedoch das Ereignis, durch das diese Gefahr verwirklicht worden war und das die eigentliche Schadenursache gewesen war, außer Betracht ließ. Siehe W. Krajewski: Zwi^zek przyczynowy (Der Kausalzusammenhang), Warszawa 1967, S. 9 ff. 57 Siehe unten § 54 sowie E. Montalbetti, Wiad. Ub. Nr. 9/1965, S. 1—4 und J. Lopuski, Prawo morskie, I.e., S. 341 ff.
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1. Kap.: Zufällige Ergebnisse und zufälliger Bedarf
sicherer auf Zahlung einer Entschädigung oder einer anderen Leistung ausgelöst wird. Wenn auch die Zahl der Versicherungsfälle beschränkt ist, so u m faßt sie doch sehr unterschiedliche Ereignisse. Es genügt hier der H i n weis auf: Schäden an Gebäuden und Mobilien, die durch B r a n d , Blitzschlag, Leuchtgasepcplosion, Lawinen, Erdbeben oder andere „außergewöhnliche Ereignisse" verursacht werden; die Vernichtimg von Bodenerzeugnissen durch H a g e l oder Überschwemmung; das E i n g e h e n von H a u s t i e r e n infolge von Krankheit, Unfall, A l t e r sowie die Notschlachtung wegen Unfalls oder unheilbarer Krankheit; den E i n b r u c h d i e b s t a h l ; „Verkehrsunfälle, durch die Fahrgäste oder dritte Personen geschädigt werden", die Entstehung der W i e d e r g u t m a c h u n g s p f l i c h t i m Rahmen der zivilrechtlichen Haftpflicht für die durch den Versicherungsnehmer nichtvorsätzlich verursachten Schäden; den T o d der versicherten Person oder das E r l e b e n eines bestimmten Alters durch die versicherte Person; die Entstehung der I n v a l i d i t ä t , d.h. des dauerhaften Verlustes der Erwerbsfähigkeit, oder die Erreichung des P e n s i o n s a l t e r s , wodurch Ansprüche auf Leistungen aus der Sozialversicherung begründet werden; den Tod eines Arbeitnehmers, m i t dem die Ansprüche auf Bestattungsbeihilfen und „Familienrenten" (für die überlebende Ehefrau und die Waisen) entstehen; die K r a n k h e i t und M u t t e r s c h a f t , die Ansprüche auf Krankheits- und Entbindungsbeihilfen auslösen; die G e b u r t eines K i n d e s i n der Familie eines Arbeitnehmers, durch die das Recht auf Familienbeihilfe entsteht u.a.m. Auch wenn nur bestimmte zufällige schicksalhafte Ereignisse als Versicherungsfälle gelten, so empfiehlt es sich doch, diese i m Rahmen der gesamten Problematik der zufälligen Ereignisse zu behandeln. Denn nur auf diese Weise kann die Funktion der Versicherung auf dem Gebiet der Schadenverhütung und Schadenbekämpfung richtig bewertet werden. Aus diesem Grunde ist es erforderlich, den begrifflichen Rahmen und Inhalt des zufälligen (schicksalhaften) Ereignisses näher zu untersuchen. Der Terminus z u f ä l l i g e s (schicksalhaftes) E r e i g n i s , der etymologisch verwandt ist m i t dem casus jortuitus aus der justinianischen Kodifikation (vgl. Digesta 3.5.36.1; 4.4.7.8; 26.7.61) und den hiervon abgeleiteten Ausdrücken aus den romanischen Gesetzgebungen, wie cas fortuit, caso fortuito usw., unterscheidet sich von diesen wesentlich. Der Unterschied kommt vor allem darin zum Ausdruck, daß: a) der Ausdruck zufälliges (schicksalhaftes) Ereignis nicht m i t dem Zufall schlechthin (im Sinne des Zivilrechts) gleichzusetzen ist — er beinhaltet nicht die Negation der Schuld i n all ihren Gestalten,
§ 3. Zufällige Ereignisse als juristische Tatsache
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s o n d e r n höchstens d i e V e r n e i n u n g d e r q u a l i f i z i e r t e n S c h u l d , des Vorsatzes u n d d e r a n diesen a n g r e n z e n d e n g r o b e n F a h r l ä s s i g k e i t ; b) e r n i c h t z u r B e z e i c h n u n g d e r U m s t ä n d e d i e n t , d i e d i e H a f t u n g (des S c h u l d n e r s aus V e r t r a g oder u n e r l a u b t e r H a n d l u n g ) ausschließen, i m G e g e n t e i l — das z u f ä l l i g e (schicksalhafte) E r e i g n i s i s t d i e V o r aussetzung f ü r d i e H a f t u n g (des V e r s i c h e r e r s ) . Solange d e r G r u n d s a t z g a l t , d a ß d e r V e r s i c h e r u n g s s c h u t z n u r d i e ohne V e r s c h u l d e n des V e r s i c h e r u n g s n e h m e r s e i n t r e t e n d e n Ereignisse u m f a ß t , w u r d e n diese E r e i g n i s s e als Z u f a l l * b e z e i c h n e t M . D e r A u s d r u c k Z u f a l l w i r d auch heute noch i n der Versicherungslehre t r a d i t i o n e l l v e r wendet, obgleich gegenwärtig der Versicherungsschutz auch nichtzuf ä l l i g e Ereignisse u m f a ß t , d.h. solche, d i e d u r c h F a h r l ä s s i g k e i t u n d g e l e g e n t l i c h sogar d u r c h g r o b e F a h r l ä s s i g k e i t des V e r s i c h e r u n g s n e h m e r s v e r u r s a c h t w e r d e n 5 0 . D u r c h d i e E i n f ü h r u n g des A u s d r u c k s z u f ä l l i g e s (schicksalhaftes) E r e i g n i s , anstelle d e r t r a d i t i o n e l l e n B e z e i c h n u n g Z u f a l l , s o l l d i e T h e o r i e oder v i e l m e h r d i e i n d e r T h e o r i e v e r w e n d e t e T e r m i n o l o g i e m i t d e m g e g e n w ä r t i g bestehenden, e r h e b l i c h erweiterten Versicherungsschutz i n E i n k l a n g gebracht werden. D i e E i n f ü h r u n g d e r B e z e i c h n u n g z u f ä l l i g e s (schicksalhaftes) E r e i g n i s h a t t h e o r e t i s c h - w i s s e n s c h a f t l i c h e n W e r t : sie m a c h t d e u t l i c h , daß * Der Verfasser unterscheidet zwischen „zdarzenia losowe" und „zdarzenia przypadkowe"; beide Adjektive, „losowe" und „przypadkowe" sind indes i m Deutschen mit „zufällige(-s)" wiederzugeben. Das Adjektiv „losowy" wird vom Substantiv „los" (Schicksal, Geschick, Zufall) gebildet, das Adjektiv „przypadkowy" — vom Substantiv „przypadek" (Zufall, Fall, Vorfall). Mangels entsprechend differenter deutscher Ausdrücke wird hier u.a.a. St. der polnische Ausdruck „zdarzenie przypadkowe" (przypadek) mit Z u f a l l (i.S. des Zivilrechts) wiedergegeben, der Ausdruck „zdarzenie losowe" wiederum mit dem auch in der deutschen Versicherungsliteratur einschlägig geläufigen Ausdruck z u f ä l l i g e s E r e i g n i s . Es muß aber betont werden, daß, wie es der Verfasser in seiner Anmerkung zum §2 hervorhebt, wortwörtlich „zdarzenie losowe" schicksalhaftes (aleatorisches) Ereignis bedeutet. Vom Verfasser wird der Ausdruck „zdarzenie losowe" — „schicksalhaftes Ereignis" sowohl dem Zufall im zivilrechtlichen Sinne als Gegensatz des Verschuldens (casus) wie auch dem Zufall im philosophischen Sinne (nulla necessitas) gegenübergestellt. 58 Das erste neuzeitliche Zivilgesetzbuch, das den Versicherungsvertrag regelte, das ABGB von 1811 bestimmte expressis verbis, daß der Versicherer nur zufällige Schäden zu ersetzen hat, d.h. Schäden, die den Versicherungsnehmer „ohne dessen Verschulden" treffen können; der Versicherer haftet also nur „für den zufälligen Schaden" — § 1288, vgl. auch § 1290. w Gemäß Art. 12 des französischen Gesetzes vom 13.7.1930 kann die Versicherungsanstalt durch den Versicherungsvertrag verpflichtet werden, alle Schäden, die der Versicherungsnehmer erlitten hat, zu ersetzen, und zwar nicht nur zufällige Schäden, sondern auch Schäden, die er selbst verschuldet hat, ausgenommen Schäden, die auf „faute intentionelle ou dolosive de l'assuré", d.h. auf Vorsatz oder Arglist des Versicherungsnehmers zurückzuführen sind — siehe F. Kronstein, I.e., S. 20 f. Ein Vergleich dieser Bestimmung mit den in der Anm. 58 zitierten Bestimmungen des ABGB zeigt, wie sehr sich der Bereich der Versicherungsfälle im Zusammenhang mit dem Aufkommen immer neuerer Versicherungsarten erweitert hat.
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1. Kap.: Zufällige Ergebnisse und zufälliger Bedarf
e i n v o n der V e r s i c h e r u n g erfaßtes E r e i g n i s e i n rechtserhebliches E r e i g nis (eine j u r i s t i s c h e Tatsache) besonderer A r t 6 0 ist. Diese B e s o n d e r h e i t liegt darin, daß d u r c h einen Versicherungsfall ein Rechtsverhältnis w e d e r b e g r ü n d e t n o c h a u f g e h o b e n 6 1 w i r d , v i e l m e h r w i r d d a d u r c h eine Anwartschaft i n ein Vollrecht auf Versicherungsleistung umgewand e l t 6 2 . Das z u f ä l l i g e E r e i g n i s ist z w a r , ä h n l i c h w i e d i e B e d i n g u n g ( A r t . 89 Z G B ) , e i n k ü n f t i g e s , ungewisses E r e i g n i s , j e d o c h k e i n e B e d i n g u n g . Bestenfalls k o n n t e m a n es als conditio iuris 68 b e t r a c h t e n , u n d z w a r als conditio iuris besonderer A r t . Das z u f ä l l i g e E r e i g n i s ist d i e d u r c h eine V o r s c h r i f t iuris cogentis b e s t i m m t e V o r a u s s e t z u n g f ü r d i e L e i s t u n g des V e r s i c h e r e r s ; n ä h e r b e s t i m m t w i r d es a l l e r d i n g s erst i m V e r t r a g d e r P a r t e i e n oder i n d e n A V B , d i e e i n B e s t a n d t e i l oder g a r d i e G r u n d l a g e dieses V e r t r a g e s s i n d ( A r t . 812 § 1 Z G B ) , also i n d e r lex contractus. Das a l l g e m e i n e M o d e l l des v o n der V e r s i c h e r u n g e r f a ß t e n z u f ä l l i g e n Ereignisses, das sich b e g r i f f l i c h m i t d e m V e r s i c h e r u n g s f a l l ( u n d das s o w o h l i n b e z u g a u f seinen U m f a n g als a u c h h i n s i c h t l i c h seines I n halts) d e c k t , i s t zweifelsohne f ü r d i e P r a x i s u n d T h e o r i e n ü t z l i c h . E i n i g e Versicherungsgesetze, z.B. das französische v o m 13.7.1930, b e schreiben dieses M o d e l l m i t H i l f e z i v i l r e c h t l i c h e r T e r m i n i u n d B e griffe 64. 60 Siehe Z. Brzozowski, Wiad. Ub. Nr. 10/1963, S. 3 ff; die Kritik von Z. Szymaüski: Kilka uwag na tle artykulu o zdarzeniach losowych jako szczegölnym rodzaju faktöw prawnych (Einige Bemerkungen zum Aufsatz über die zufälligen Ereignisse als besondere Art juristischer Tatsachen), Wiad. Ub. Nr. 1/1964, S. 23 ff. sowie die Antwort von Z. Brzozowski: O zdarzeniach losowych ci^g dalszy (Fortsetzung über die zufälligen Ereignisse), Wiad. Ub. Nr. 5/1964, S. 20 ff. 61 Das Erlöschen eines Versicherungsverhältnisses kommt in verhältnismäßig seltenen Fällen vor: bei der Vermögensversicherung, wenn der Schadenfall eine gänzliche Zerstörung (einen Totalverlust) des Gegenstandes der Versicherung zur Folge hat, bei der Personenversicherung — beim Tod der versicherten Person. 82 Wie K. Gandor (I.e., S. 112 f.) behauptet: „In der polnischen Doktrin — und überhaupt in der sozialistischen Literatur — wird das mit der Theorie der subjektiven Rechte eng verbundene Problem der Anwartschaft vernachlässigt". M i t um so größerer Anerkennung ist daher die Tatsache zu begrüßen, daß das Problem der Anwartschaften im Jahre 1967 in den Lehrbüchern des allgemeinen Teils des Zivilrechts (S. Szer, Prawo cywilne, I.e., S. 117 f. und A. Wolter, I.e., S. 120) hervorgehoben wurde; das wird gewiß die Theorie der subjektiven Rechte — auf dem Gebiet des Zivilrechts — bereichern. I m Versicherungsverhältnis ist die Anwartschaft auf Versicherungsleistung kein subjektives Recht, sondern nur eine Voraussetzung für den etwaigen Erwerb eines solchen Rechts, also eine Anwartschaft sensu stricto. Nur im Bereich der Versicherung eines „erwarteten Gewinns" (siehe z.B. Art. 257 § 2 SeeG.) verlieh der Gesetzgeber der Anwartschaft auf einen künftigen — und begründeterweise erwarteten — Gewinn den Charakter eines Anspruchs im Rahmen eines eventuellen Rechts auf Versicherungsentschädigung. 88 Siehe S. Szer, Prawo cywilne, I.e., S. 349 und A. Wolter, I.e., S. 265. 64 Siehe oben Anm. 59. Vgl. unten Anm. 69 über die gesetzliche Definition des fortuitous event.
§ 3. Zufällige Ereignisse als juristische Tatsache
61
Es scheint, daß das zufällige (schicksalhafte) Ereignis und die von diesem abgeleiteten Formulierungen, wie Schicksalsfall, schicksalhafter Schaden keine Korrelate i n der Rechts- oder juristischen Sprache anderer Nationen haben 6 5 . Diese Behauptung w i r d k a u m durch die Tatsache widerlegt, daß i m angelsächsischen Versicherungsrecht die F o r m u l i e r u n g e n fortuitous
event u n d fortuitous
loss v o r k o m m e n , d i e
für die Bezeichnung von Ereignissen und Schadenfolgen dieser Ereignisse, welche einen Anspruch auf Versicherungsleistungen begründen, verwendet werden. Das A d j e k t i v fortuitous w i r d i n diesen Formulierungen als Hinweis auf das Fehlen einer vorsätzlichen Handlung (not willful a c t 6 6 , not intentionally caused*~) der Person ausgelegt, die einen A n s p r u c h auf Versicherungsleistung (insured oder beneficiary) hat. Die gesetzliche D e f i n i t i o n des Begriffs des fortuitous event beschränkt sich indessen auf die, i m übrigen nicht ganz unbedenkliche 6 8 , Feststellung, daß sich dieser Ausdruck auf Ereignisse beyond the control of either party 69, also auf außerhalb des beiderseitigen K o n t r o l l - und Möglichkeitsbereichs liegende Ereignisse bezieht. Abgesehen davon, daß diese Bezeichnung des Versicherungsfalles m i t der dem Versicherungsnehmer obliegenden Schadenverhütungspflicht k a u m i n Einklang gebracht werden k a n n 7 0 , ist sie zu allgemein gefaßt. Es ist daher nicht verwunderlich, daß vor allem i n den neuen anglo-amerikanischen systema r t i g e n Bearbeitungen der Versicherung der A u s d r u c k fortuitous loss k a u m noch verwendet w i r d . Statt dessen verwendet die D o k t r i n die Ausdrücke peril u n d hazard 71. Gemeinsam drücken sie beide das aus, was fortuitous event beinhaltet, n ä m l i c h ein Ereignis, dessen E i n treten nicht auf ein vorsätzliches Handeln der von i h m betroffenen 65 Das bedeutet selbstverständlich nicht, daß die mit dem Terminus „zufälliges Ereignis" bezeichnete Begriffskategorie irgendein partikulares oder künstliches Gebilde sei, das außerhalb des Geltungsbereichs des polnischen Versicherungsrechts keine Existenzberechtigung habe. Diese Kategorie ist m.E. universal; sie betrifft alle bestehenden Arten und Formen der Versicherung. I n ihr kommt der Versuch zum Ausdruck, die Begriffe Risiko und Ungewißheit zu verbinden (durch den Eintritt des zufälligen Ereignisses wird das Risiko verwirklicht und die Ungewißheit beseitigt) und den Begriff des Versicherungsfalls in das System zivilrechtlicher Tatsachen einzubauen, sowie den Begriff des Versicherungsfalls — mit Hilfe der erweiterten Kategorie der zufälligen Ereignisse — in die gesamte Problematik des Kampfes gegen die Ungewißheit und das Risiko einzufügen. 80 Siehe C. M. Elliot: Property and casualty insurance, New York — Toronto—London 1960, S. 12 und E . W . Patterson , I.e., S. 257 ff.; vgl. auch E . R . H . Ivamy , I.e., S. 211 ff. 67 Siehe z.B. A. H. Mowbray und R. H. Blanchard , I.e., S. 54 und 45. « Vgl. E. W. Patterson , I.e., S. 258. 68 Section 41.1. Insurance law of the State of New York, 1939. 70 Diese Art der Pflichten des Versicherungsnehmers werden im sozialistischen Versicherungsrecht besonders betont. Siehe z.B. Art. 826 § 1 ZGB und Art. 282 § 1 SeeG. 71 Siehe z.B. A. L. Mayerson : Introduction to insurance, New York 1962, S. 3 f.; M. R. Greene , I.e., S. 5 ff.; C. M. Elliot , I.e.,; J. L. Athearn, I.e., S. 46 ff.
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1. Kap.: Zufällige Ergebnisse und zufälliger Bedarf
Person zurückzuführen ist; sie haben jedoch nicht den gleichen systematisierenden W e r t w i e die Begriffskategorie des zufälligen (schicksalhaften) Ereignisses. Der f ü r die Bezeichnung v o n Ereignissen, die v o m Versicherungsschutz gedeckt werden können u n d auch gedeckt werden, verwendete Fachausdruck zufälliges (schicksalhaftes) Ereignis i m p l i z i e r t nicht die Einbeziehung der Versicherung i n die Kategorie der Risiko-Verträge („aleatorische Verträge"). I m übrigen scheint hier diese Kategorie überhaupt nicht angemessen zu sein, zumal die Versicherung nicht auf einem V e r t r a g beruhen muß; gerade i n der sozialistischen Gesellschaft k o m m t den ex lege, d.h. nicht-vertraglich entstehenden V e r sicherungen eine besondere Bedeutimg zu. Die Bezeichnung zufälliges (schicksalhaftes) Ereignis, die i n der polnischen Versicherungswissenschaft und auch i n der Theorie der Statistik schon t r a d i t i o n e l l verwurzelt i s t 7 2 , w u r d e Anfang der 50er Jahre zu einem versicherungsrechtstechnischen Terminus; sie w u r d e nämlich i n die Bestimmungen der A r t . 2, 3 und 9 des Gesetzes v o m 28.3.1952 über die staatliche V e r s i c h e r u n g 7 3 aufgenommen. I m letztgenannten A r t i k e l wurde dem Ausdruck „zufälliges (schicksalhaftes) Ereignis" das W o r t „ U n f a l l " i n K l a m m e r n beigefügt. I m A r t . 805 des ZGB, der eine Definition des Versicherungsvertrages enthält, w u r d e bereits n u r der Ausdruck (im V e r t r a g vorgesehener) U n f a l l („wypadek") verwendet, der an sich keinen juristischen I n h a l t hat. Entsprechend der Lehre v o n den zufälligen Ereignissen ist dieser Terminus als gekürzte Bezeichnung des versicherten zufälligen (schicksalhaften) Ereignisses zu verstehen 7 4 . 72 Vgl. z.B. B. Rotwand: Normy prawa ubezpieczeniowego (Die Versicherungsrechtsnormen), in: Kwartalnik Prawa Cywilnego i Handlowego (Viertel jährschrift für Zivil- und Handelsrecht), Warschau 1916, Heft 1, S. 91 und 109; J.Namitkiewicz, Podr^cznik prawa handlowego (Lehrbuch des Handelsrechts), Warszawa 1927, S. 176; J. Lazowski, Wst^p, I.e., S. 3 ff. und 207 ff.; K. Secomski, Ekonomika ubezpieczefi, I.e., S. 5 ff. und 257 ff.; K. Z. Nowakowski, Prawo ubezpieczefi, I.e., S. 5 ff.; W. Warkallo, Wst^p, I.e., S. 9 ff.; J. Görski, Prawo ubezpieczefi, I.e., S. 66. Nach Verabschiedung des Gesetzes vom 28.3.1952 wurde der Ausdruck „zufälliges (schicksalhaftes) Ereignis" sowohl in der Praxis als auch in der Theorie allgemein als gesetzlicher Terminus verwendet. 73 Dz. U. Nr. 20, Pos. 130. Siehe oben § 2 in diesem Kapitel. 74 Der in den ZGB-Entwürfen von 1961 (Art. 712 § 1) und von 1962 (Art. 746 § 1) zur Bezeichnung des Versicherungsfalls verwendete zweiteilige Ausdruck „Ereignis (zufälliger Unfall)" — „zdarzenie (wypadek losowy)" — war gewiß zu lang; die Verdrängung dieses Ausdrucks durch den Terminus „wypadek" (Versicherungsfall — in den o.a. zit. deutschen Ubersetzungen des ZGB wird der polnische Ausdruck „wypadek" mit „Versicherungsfall" wiedergegeben — E.G.) in Art. 805 § 2 Pkt. 2 ZGB muß kritische Bemerkungen hervorrufen. M i t dem Ausdruck „wypadek" (Unfall) verbindet sich in der Umgangsprache der Begriff eines ungünstigen Ereignisses (z.B. Autounfall, Arbeitsunfall); stellt man jedoch diese Bestimmung derjenigen des
§ 3. Zufällige Ereignisse als juristische Tatsache
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Innerhalb des Versicherungsverhältnisses stellt das zufällige (schicksalhafte) Ereignis eine besondere juristische Tatsache dar. Das Ereignis selbst kann „ v o m menschlichen Willen unabhängig" oder aber auch die Folge einer menschlichen Handlung sein 7 5 . I m Rahmen dieser Arbeit, die der Problematik der Vermögensversicherungen des gesellschaftlichen Eigentums gewidmet ist, interessieren uns nicht alle zufälligen Ereignisse, sondern nur diejenigen, die entweder direkt (die Sachversicherung) oder indirekt (die Haftpflichtversicherung) eine Einbuße an gesellschaftlichem Eigentum zur Folge haben. I m Unterschied zu den zufälligen Ereignissen, die keine schädlichen Folgen haben, werden jene Schadenfälle oder U n f ä l l e 7 6 genannt *. Es ist selbstverständlich, daß die Versicherung nur i n dem Umfang erforderlich ist, i n dem zufällige Ereignisse nicht verhindert werden können 7 7 , und die durch sie verursachten Schäden nicht aus anderen Fonds ausgeglichen werden. Die genaue Begriffsbestimmung des schadenverursachenden zufälligen Ereignisses hat auch eine wesentliche Bedeutung für den allgemeinen Vermögensschutz außerhalb der Versicherung. Sie erleichtert die Klassifizierung der Vermögenseinbußen, insbesondere aber dient sie als Grundlage für die Aussonderung des „zufälligen Bedarfs" von anderen Schäden, die auf unwirtschaftliches oder sonstwie fehlerhaftes Art. 829 Pkt. 1 Z G B gegenüber, so ersieht man, daß auch „das Erleben eines bestimmten Alters" durch den Versicherungsnehmer einen „wypadek" darstellt, woran sich die Versicherungsnehmer nicht sofort gewöhnen werden. Siehe hierzu W. Warkallo , PiP Nr. 10/1964, S. 497; Z. Szymatiski (Typowe skladniki umowy ubezpieczenia — Typische Bestandteile des Versicherungsvertrages, in: Wiad. Ub. Nr. 9/1965, S. 10 f.), der zutreffend behauptet, daß „das Erreichen eines hohen Alters kein Unfall ist". 75 Siehe S. Szer, Prawo cywilne,l.c., S. 110; A. Wolter , I.e., S. 96 f. 79 Der letztgenannte Ausdruck wird vornehmlich für zufällige Ereignisse verwendet, die den Tod oder Gesundheitsschäden zur Folge haben (m.E. sollte er ausschließlich nur in diesem Sinne verwendet werden). Siehe z.B. Art. 5 Abs. 1 Pkt. 5 des Gesetzes, das sich auf die Pflichtversicherung „gegen die Folgen von Verkehrsunfällen bei Fahrgästen und anderen geschädigten Personen" bezieht. Vgl. W. Warkallo und H. Zwoltäska , I.e., S.319—327. • Der Verfasser stellt hier die Ausdrücke „wypadki losowe" und „nieszczQ§liwe wypadki" gegenüber, wobei der erste sinngemäß mit „schicksalhafte Unfälle" und der zweite mit „schicksalhafte Unglücksfälle" wiederzugeben wäre. Da der Verfasser, wie er selbst betont, den ersten Ausdruck für „Unfälle", die das Vermögen betreffen, und den zweiten für „Unfälle", die Personen (Leben und Gesundheit) betreffen, verwendet, ist es angebracht, i m folgenden die beiden o.a. polnischen Termini mit den der deutschen Versicherungsterminologie geläufigen Ausdrücken „Schadenfall" und „Unfall" wiederzugeben. 77 Es geht hier selbstverständlich nicht um irgendeine objektive Unvermeidbarkeit von Schäden, sondern einfach um die statistisch erwiesene Tatsache des massenhaften Auftretens bestimmter Kategorien von Schäden, woraus auf die Erfolglosigkeit bzw. Unzuverlässigkeit der angewendeten Vorbeugungsmaßnahmen und -einrichtungen zu schließen ist.
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1. Kap.: Zufällige Ergebnisse und zufälliger Bedarf
Verhalten der über das v o n Einbußen betroffene Vermögen verfügenden Personen zurückzuführen s i n d 7 8 . Die Zulassung der Schädigung des gesellschaftlichen Vermögens w i r d — sofern diese Schädigung nicht auf ein zufälliges Ereignis zurückzuführen ist — i m allgemeinen gesellschaftlich m i ß b i l l i g t 7 9 ; darüber hinaus hat sie die A n w e n d u n g (oder zumindest Überlegungen über die Notwendigkeit der Anwendung) v o n bestimmten Repressionen i m Rahmen der strafrechtlichen, disziplinarischen, administrat i v e n oder zivilrechtlichen V e r a n t w o r t l i c h k e i t gegen die .Personen, denen das v o m Schaden betroffene Vermögen anvertraut worden ist, zur Folge. Die A n w e n d u n g derartiger Sanktionen dient jedoch nicht n u r der Repression, sondern auch der Prävention, d.h. präventiv-erzieherischen Aufgaben. A u c h h i e r g i l t punitur non quia peccatum sed ne peccetur.
F ü r zufällige Schäden h a f t e t grundsätzlich n i e m a n d (damnum fatale sentit dominus). F ü r die Zulassung der Entstehung derartiger Schäden hat die fremdes Vermögen verwaltende Person keine rechtlichen Sanktionen zu befürchten. Das bezieht sich jedoch nicht auf Personen, die k r a f t Gesetzes oder k r a f t Vertrages zu einer besonderen Obhut des ihnen anvertrauten Vermögens verpflichtet und daher für den Bestand dieses Vermögens ohne Rücksicht auf Verschulden v e r a n t w o r t l i c h sind. So z.B. haftet ein Hotelbetrieb auch für die durch einen Brand i m Betrieb des Hotels verursachten Schäden am Vermögen der Gäste. Das bezieht sich u.a. auch auf ein v o m Gast i n der Hotelgarage abgestelltes Kraftfahrzeug. Hatte der Halter das Kraftfahrzeug gegen Feuerschäden versichert (im Rahmen der Autokaskoversicherung), so erhält er eine Entschädigung v o n der Versicherungsanstalt. Die Versicherungsanstalt k a n n aber gegen den Hotelbetrieb Regreß nehmen (Art. 828 78 Der grundsätzliche Unterschied zwischen einer Einbuße infolge von UnWirtschaftlichkeit und Unachtsamkeit — einem im Grunde genommen vermeidbaren Schaden, und einer Einbuße infolge von zufälligen Ereignissen ist eindeutig. Es genügt, zu vergleichen: den Ernterückgang infolge fehlerhafter Bebauung und infolge von Hagelschlag; die Entleerung eines Behälters infolge mangelhafter Abdichtung und infolge eines Erdbebens; einen Maschinenschaden bei der Beförderung und infolge eines Orkans oder Blitzschlags; die Zerstörung einer Ladung infolge mangelhafter Verpackung und infolge von Überschwemmung. Siehe die umfangreichen Ausführungen von A. V. Venediktov (poln. Ausgabe: A. W. Wieniediktow, Cywilno-prawna ochrona, I.e., S. 18 ff., 48, 105 und 182) über Verluste infolge von schlechter Arbeit und UnWirtschaftlichkeit bedingt durch eine fehlerhafte Behandlung des Vermögens. 79 Vgl. die Ausführungen von O. S. Ioffe (Otvetstvennosf, I.e., S. 9—12 und ff.), aus denen hervorgeht, daß die rechtliche Verantwortlichkeit eine Sanktion für eine Rechtsverletzung darstellt und daß in der Anwendung einer solchen Sanktion die gesellschaftliche Mißbilligung derjenigen Person zum Ausdruck kommt, die sich einer Rechtsverletzung schuldig gemacht hat.
§ 4. Der Begriff des zufälligen Ereignisses
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§ 1 ZGB), es sei denn, der Brand war die Folge höherer Gewalt (Art. 846 § 1 ZGB). Diese Überlegungen führen zu dem Ergebnis, daß der Begriff des zufälligen Ereignisses eine wesentliche Bedeutung nicht nur für die Versicherungstheorie, sondern überhaupt für die allgemeine Problematik des Schutzes des Nationalvermögens hat, und das sowohl hinsichtlich der Deckung zufälligen Bedarfs — der Kompensation — als auch i n bezug auf die Schadenverhütung — die Prävention. § 4. Der Begriff des zufälligen Ereignisses Die Bestimmung der Funktion der zufälligen Ereignisse (als Voraussetzung der Versicherungstätigkeit, als Gültigkeitsvoraussetzung des Versicherungsrechtsverhältnisses und als Bedingung der Versicherungsleistung, als Grundlage der Einteilung der Vermögenseinbußen i n p r a k t i s c h vermeidbare und unvermeidbare, also i n solche, die die Anwendung rechtlicher Repressionen erforderlich machen und solche, die keinerlei Repressionen erfordern) sagt noch nichts über den I n halt des Begriffs des zufälligen Ereignisses aus. Der Gesetzgeber verwendet zwar diesen Ausdruck und von diesem abgeleitete Termini, wie Schadenfälle, zufällige Schäden bzw. Verluste, doch er definiert nirgends diese Begriffe; er hat diese Aufgabe m i t Recht der Lehre überlassen. Indes scheint die D o k t r i n diese A u f gabe nicht zu sehen. Die Autoren, die über Versicherungen schreiben, verwenden meistens die Ausdrücke z u f ä l l i g e s (schicksalhaftes) E r e i g n i s und Z u f a l l * unterschiedlos, sie halten sie offenbar für gleichwertig 8 0 . Sie erklären aber nicht, ob sie das zufällige Ereignis dem Zufall i m zivilrechtlichen Sinne (casus) oder dem Zufall i m philosophischen Sinne, z.B. i m Sinne der Lehre von den notwendigen und zufälligen Kausalzusammenhängen 81 , gleichsetzen. Diese Ansicht hält * Der Verfasser stellt entschieden die Termini „zdarzenie losowe" and „zdarzenie przypadkowe" gegenüber; im ersten Fall meint er das zufällige Ereignis im Versicherungssinne, d.h. das sog. „schicksalhafte" Ereignis, im zweiten den Zufall schlechthin. 80 Siehe z.B. J. Lazowski, Wst^p, I.e., S. 7; K. Z. Nowakowski, Zarys, I.e., S. 39; Poradnik ubezpieczeniowy, I.e., S. 360; E. Montalbetti und A. Zabierzewski, I.e., S. 3; A. Banasitiski, EfektywnoSö, I.e., S. 36 u.a.m. Der Mangel an einer tieferen Analyse der zufälligen Ereignisse in der Doktrin führte dazu, daß einige Autoren die Zweckmäßigkeit der Aussonderung der zufälligen (schicksalhaften) Ereignisse als juristischer Tatsachen besonderer Art in Frage stellten; siehe Z. Lichniak, Wiad. Ub. Nr. 3/1963, S. 10 sowie Z. Szymaiiski: Kilka uwag na tle artykuhi o zdarzeniach losowych jako szczegölnym rodzaju faktöw prawnych (Einige Bemerkungen zum Aufsatz über die zufälligen Ereignisse als besondere Art juristischer Tatsachen), Wiad. Ub. Nr. 1/1964, S. 24. 81 Der zivilrechtliche Begriff des Zufalls und der Begriff des Zufalls im Sinne der Philosophie des dialektischen Materialismus werden zutreffen5 Warkatto
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1. Kap.: Zufällige Ergebnisse und zufälliger Bedarf
i n keinem dieser beiden Fälle einer kritischen Prüfung stand. Es ist nämlich unbestreitbar, daß unser Versicherungsrecht verschuldete Ereignisse zu den Versicherungsfällen und indirekt auch zu den zufälligen (schicksalhaften) Ereignissen zählt, sofern sie nicht die Folge einer qualifizierten Schuld, und zwar eines vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Verhaltens der von diesen Ereignissen betroffenen Personen, sind. So z.B. ist ein Brand, der bei Anwendung besonderer Sorgfalt hätte vermieden werden können, kein Zufall i m Sinne des Zivilrechts (casus), aber doch ein zufälliges Ereignis. Ebenso zählen unbestreitbar einige Ereignisse, wie z.B. die alljährlich durch Schneeschmelze i n den Bergen verursachten Überschwemmungen 82 , nicht zu den Zufällen i m philosophischen Sinne, und dennoch gehören sie zu der Kategorie der zufälligen Ereignisse und sind daher auch Versicherungsfälle. Diese oben erwähnten, fast allgemein i m Versicherungsschrifttum verbreiteten terminologischen Ungenauigkeiten komplizieren die ohneh i n schon schwierige Aufgabe. Angesichts der Vielfältigkeit und Unterschiedlichkeit der Erscheinungen, die als zufällige Ereignisse (zumindest i m Sinne der Bestimmungen des Versicherungsrechts und der AVB) gelten 8 3 , ist es nicht leicht, eine allgemeine, doch zugleich auch hinreichend präzise Bezeichnung zu finden, die für jedes dieser Ereignisse passen würde. Es ist leichter, diejenigen Ereignisse aufzuzeigen und zu bestimmen, die nicht als zufällige Ereignisse anerkannt werden können. Gewiß ist nicht das ein zufälliges Ereignis, was die normale Folge unseres, bewußt auf die Herbeiführung dieser Folge gerichteten Verhaltens— unter Ausnutzung der uns bekannten Naturgesetze 84 — ist, z.B. das Pasteurisieren der Milch, u m die i n ihr enthaltenen schädliderweise in der sowjetischen Lehre gegenübergestellt. Siehe z.B. I . B . Nowicki und L. A. Lüne, I.e., S. 414 f; B. S. Antimonov, I.e., S. 178. 82 Vgl. ähnliche von O. Lange (Teoria statystyki, I.e., S. 21) angeführte Beispiele, die meine These bestätigen, sowie die Ausführungen von G. F. Aleksandrov (I.e., S. 95) über den Zufall. Der Begriff des zufälligen Ereignisses deckt sich somit weder mit dem Begriff des Zufalls im Sinne des Rechts noch mit dem Zufall als philosophischer Begriffskategorie. 88 Siehe oben §3. 84 Bevor sich der Mensch der Geltung objektiver Naturgesetze und der Entwicklungsgesetze der Gesellschaft bewußt wurde, hatte er in vielen Erscheinungen ein Symptom übernatürlicher Kräfte und der „Schicksalhaftigkeit" im traditionellen, theistischen Sinne sehen müssen. Die Mythologien des antiken Hellas und Roms zeigen, daß man heute verständliche Naturerscheinungen damals der Laune des Willens einer ganzen Reihe von Unsterblichen zugeschrieben hat. Es ist völlig gleichgültig — wie Engels (Dialektik der Natur, I.e. S. 227 — poln. Ausgabe, hier ins Deutsche rückübersetzt — E.G.) schreibt — „ . . . ob man die Ursache einer nichtverstandenen Erscheinung Zufall oder Gott nennt", denn „sowohl das eine als auch das andere bedeuten: ich weiß n i c h t . . . " .
§ 4. Der Begriff des zufälligen Ereignisses
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chen Mikroben zu vernichten, oder das Streuen von Salz, u m den Schnee auf den Straßenbahnschienen zu schmelzen. Das A d j e k t i v zufällig (schicksalhaft) verbinden w i r m i t Ereignissen, die g e g e n unseren oder unabhängig von unserem Willen eintreten. Das w i l l aber noch nicht bedeuten, daß w i r überhaupt keinen Einfluß auf das Eintreten solcher Ereignisse oder ihrer Folgen haben. Wenn w i r nicht imstande sind, diese Ereignisse auszuschließen, so entweder deshalb, w e i l sie beim gegenwärtigen Stand der Wissenschaft, Technik oder Organisation der Gesellschaft überhaupt nicht verhindert werden können, oder aber deswegen, w e i l sie zwar verhindert werden könnten, jedoch der hierfür erforderliche Aufwand unrationell wäre, insbesondere wegen der geringen Wahrscheinlichkeit des Eintretens dieser Ereignisse. Vor dem Eintreten eines zufälligen Ereignisses ist nur bekannt, daß es eintreten k a n n , a b e r n i c h t m u ß . Keine wirtschaftende Einheit kann die Möglichkeit des Eintretens zufäiliger Ereignisse aus ihrem Tätigkeitsgebiet ausschließen. Die äusserst geringe Wahrscheinlichkeit der Verwirklichung dieser Möglichkeit entschuldigt aber das Nichtberücksichtigen dieser Ereignisse bei der Festlegung konkreter Aufgaben. Eine genaue Analyse des Begriffs des zufälligen Ereignisses würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen, vor allem deswegen, w e i l sie die gesamte Problematik der S c h a d e n v e r h ü t u n g nicht m i t u m faßt, sondern sich lediglich auf den Versicherungsschutz, und das nur i n bezug auf das gesellschaftliche Vermögen, beschränkt 8 5 . U m jedoch den hier gestellten erkenntnis-theoretischen und konstruktiven Aufgaben gerecht zu werden und die Verflechtungen der Begriffe und Probleme aufzeigen und sie systematisieren zu können, ist zumindest ein Hinweis auf das Wesen der Ereignisse, die als zufällige (schicksalhafte) Ereignisse bezeichnet werden, erforderlich. Die beiden erwähnten Merkmale, nämlich 1) daß die zufälligen Ereignisse unabhängig vom W i l l e n oder gegen den W i l l e n der b e t r o f f e n e n Personen eintreten (z.B. der Hagelschlag, der Zusammenstoß von Kraftfahrzeugen infolge schlechter Sichtverhältnisse bei Nebel), und 2) daß das Eintreten zufälliger Ereignisse zwar möglich, aber nicht notwendig ist, d.h. daß sie i n bezug auf einen Gegenstand eintreten können, aber nicht eintreten müssen (z.B. der Brand eines b e s t i m m t e n Gebäudes, das Verenden eines b e s t i m m t e n Pferdes), werden allgemein als die zwei wesentlichsten Eigenschaften der zufälligen (schicksalhaften) Ereignisse anerkannt. Den86 Den Versuch einer eingehenderen Analyse enthalten die als akademische Skripten herausgegebenen Arbeiten von W. Warkallo, WstQp, I.e., S. 9— 24; Ubezpieczenia spoleczne i gospodareze, I.e., S. 1—27, Aufl. von 1953, S. 6—14.
5'
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1. Kap.: Zufällige Ergebnisse und zufälliger Bedarf
noch vermag keines dieser Merkmale, d.h. weder die U n a b h ä n g i g k e i t v o m W i l l e n des d u r c h d i e s e s E r e i g n i s b e t r o f f e n e n S u b j e k t s noch die U n g e w i ß h e i t des Eintretens eines zufälligen Ereignisses und auch nicht die daraus resultierende U n m ö g l i c h k e i t , ein zufälliges Ereignis vorauszus e h e n (d.h., der Umstand, daß eine von einem zufälligen Ereignis betroffene Person nicht voraussehen kann, ob und wann es eintreten und welche Folgen es haben wird), das Wesen der zufälligen (schicksalhaften) Ereignisse zu erklären. Diese Merkmale stellen lediglich ins Positive transponierte negative K r i t e r i e n dar, nämlich, daß w i r nicht als ein zufälliges Ereignis eine Tatsache betrachten, die die normale und beabsichtigte Folge unseres bewußten Handelns ist, und daß w i r den Tatsachen das Merkmal der Zufälligkeit absprechen, deren Eintreten von unserem Willen abhängt und von uns m i t Sicherheit erwartet wird. E i n weiterer Mangel dieser traditionellen Begriffsbestimmung ist, daß sie den Begriff des zufälligen Ereignisses als den Reflex einer äußeren Erscheinung i n der Psyche des Menschen, i m Willen oder Bewußtsein der von diesem Ereignis betroffenen Person betrachtet (unter dem Gesichtspunkt, daß diese Person es „nicht wollte", „nicht voraussehen konnte", „nicht kannte"), während es hier u m eine o b j e k t i v e K a t e g o r i e , u m bestimmte Arten der i n der Natur vorkommenden Ereignisse geht 8 6 . Zufällige Ereignisse können sowohl i n Beziehungen zwischen den Menschen und der Natur als auch i n Beziehungen zwischen den Menschen untereinander auftreten. I m ersten F a l l sind sie die Folge der W i r k u n g von Naturgewalten, i m zweiten des menschlichen Handelns oder Unterlassens. Die Handlung eines Menschen kann ein zufälliges Ereignis sein, und das nicht nur i m Verhältnis zu einem anderen Menschen, sondern auch i m Verhältnis zum Täter — zu „sich selbst". Ein Autounfall ist ein zufälliges Ereignis für das Opfer, z.B. für den vom Auto angefahrenen Fußgänger, aber auch für den Kraftfahrzeug86
Die Tatsache, daß die zufälligen Ereignisse eine objektive Kategorie darstellen, schließt die Möglichkeit nicht aus, bei der rechtlichen Bewertung und Aussonderung dieser Ereignisse ein bestimmtes Korrektiv zu berücksichtigen, das auf subjektiven Kriterien beruht. Ein solches Korrektiv ist manchmal unentbehrlich, z.B. bei der Kompensation von Schäden, die auf solche Ereignisse zurückzuführen sind. Es geht darum, daß ein an sich naturgemäß zufälliges (schicksalhaftes), jedoch durch das Handeln einer bestimmten Person verursachtes Ereignis in bezug auf diese Person nicht die rechtlichen Folgen eines zufälligen Ereignisses haben kann, z.B. ein Brand in bezug auf den Brandstifter; eine Überschwemmung in bezug auf denjenigen, der diese Überschwemmung durch eine strafbare Beschädigung des Staudamms herbeigeführt hat; eine Verkehrskatastrophe in bezug auf den Fahrer, der diese Katastrophe vorsätzlich oder grob fahrlässig (culpa lata dolo aequiparatur) herbeigeführt hat.
§ 4. Der Begriff des zufälligen Ereignisses
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führer hinsichtlich der (rechtlichen) Haftung für diesen Unfall. Das Gleiche gilt für die chirurgische Operation, deren Mißerfolg ein zufälliges Ereignis nicht nur für den Patienten, sondern auch für den Chirurgen darstellt. Die Tatsache, daß die zufälligen Ereignisse i n der Praxis enumerat i v — durch die Aufzählung bestimmter Ereigniskategorien oder -arten (so z.B. i n der Gebäudeversicherung: der Brand, Blitzschlag, die Explosion)— bestimmt werden, zeigt, daß diese E r e i g n i s s e von einer bestimmten tatsächlichen Beschaffenheit sind. M i t anderen Worten: i n den zufälligen Ereignissen selbst, i n ihrem tatsächlichen Wesen müssen Merkmale vorhanden sein, die sie von anderen Ereignissen unterscheiden, und zwar Merkmale, die prima jade für jeden sichtbar sind. Man könnte sich schwerlich den praktischen Wert einer solchen Enumeration vorstellen, wenn man i n jedem Einzelfall den Willens- und Bewußtseinszustand der von diesem Ereignis betroffenen Person untersuchen müßte, um die Zufälligkeit dieses Ereignisses feststellen zu können. Die Tatsache, daß diese Enumeration nicht den Charakter einer kasuistischen Aufzählung hat, sondern gewöhnlich auf der Registrierung mehrerer Typen der Ereignisse beruht (z.B. Überschwemmung, Hagel, Tiersterben infolge Krankheit oder Unfalls u.ä.m.), zeigt, daß die zufälligen Ereignisse i n einer größeren und inhomogenen Masse auftreten, was eben eine Einteilung dieser Ereignisse nach bestimmten T y pen notwendig macht und die Grundlage für die Klassifizierung der Versicherung nach Risiken (z.B. Feuerversicherung, Hagelversicherung) bildet. Die Feststellung, daß das zufällige Ereignis eine objektiv bestehende und massenhaft auftretende Kategorie ist, erleichtert die Freilegung der diesen Ereignissen immanenten Merkmale. Für die wichtigsten halte ich die drei nachfolgend angeführten Merkmale, die ich ganz kurz besprechen werde. 1. D i e s t a t i s t i s c h e G e s e t z m ä ß i g k e i t . Zufällige Ereignisse unterstehen dem empirischen Gesetz der großen Zahl; dieses kommt darin zum Ausdruck, daß das zahlenmäßige Verhältnis der von einer bestimmten A r t des zufälligen Ereignisses betroffenen Einheiten zu der Gesamtheit der von diesem Ereignis bedrohten Einheiten eine gewisse, wie die Statistik zeigt, Konstante aufweist 8 7 . Es liegt also i m Wesen des zufälligen Ereignisses, daß es i n einem mathematisch feststellbaren Grad wahrscheinlich ist. 87 Nach dem sog. Gesetz der großen Zahl „treten unter gleichbleibenden Bedingungen die in ihrer Masse beobachteten Ereignisse auch in der Zukunft in der gleichen Zahlenrelation auf". Wie die Erfahrung der Versicherungsanstalten zeigt, ist — bei Massenbeobachtungen von zufälligen Ereignissen— die Relation der Zahl der von einem Ereignis betroffenen Ein-
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1. Kap.: Zufällige Ergebnisse und zufälliger Bedarf
2. D i e A u ß e r g e w ö h n l i c h k e i t . Ein zufälliges Ereignis bestimmter A r t berührt i n einem gegebenen Zeitraum (z.B. innerhalb eines Jahres) nur einen verhältnismäßig unbedeutenden Teil der gesamten Zahl der Einheiten, die von diesem Ereignis bedroht sind (nicht alle, sondern nur einige Kraftfahrzeuge werden infolge von Verkehrsunfällen beschädigt, nur einige Gebäude fallen dem Brand zum Opfer). Es stellt somit f ü r keine dieser E i n h e i t e n ein Element des normalen Sachverlaufs dar, es ist vielmehr für jede dieser Einheiten etwas, was den normalen Sachverlauf stört, d.h. ein außergewöhnliches Ereignis. 3. D i e Z u f ä l l i g k e i t . Aus der Tatsache, daß viele Einheiten von einer bestimmten A r t des gleichmässig zufälligen Ereignisses bedroht sind, aber nur einige dieser Einheiten i n einem gegebenen Zeitraum von diesem Ereignis betroffen werden, folgt das eigenartigste Merkmal der zufälligen (schicksalhaften) Ereignisse; diesem M e r k m a l verdanken sie ihren Namen. Wenn man nun auf Grund statistischer Angaben feststellen kann, wieviel Häuser i n einem Jahr niederbrennen werden, gleichzeitig aber nicht voraussehen kann, welche Häuser dem Brand zum Opfer fallen werden, so scheint, daß hier der blinde Zufall, das S c h i c k s a l darüber entscheidet, welchen der Hausbesitzer das Unglück treffen wird. Auch wenn diese drei Merkmale dafür ausreichen, die zufälligen (schicksalhaften) Ereignisse als eine besondere Kategorie der Tatsachen zu erfassen, so erklären sie doch noch nicht die eigentliche Natur dieser Ereignisse. Diese offenbart sich vor allem i n der statistischen Gesetzmäßigkeit dieser Ereignisse, von denen jedes allein nur möglich ist, aber alle zusammen — i n ihrer Masse gesehen — eine notwendige Erscheinung darstellen. Weder die Berücksichtigung der Dialektik der Notwendigkeit und des Zufalls noch die Feststellung, daß zufällige Ereignisse die Folge sekundärer Ursachen (Nebenursachen) sind 8 8 , reichen dafür aus, diese Ereignisse als Gegenstand der Versicherungsausgleichs- und -Präventionstätigkeit einzuordnen 8 9 , sie erleichtern aber die Erkenntnis ihrer kausalen Bedingtheit. heiten unter den gegebenen Bedingungen eine konstante Größe; dadurch können diese Ereignisse und das eventuelle Ausmaß ihrer Folgen annähernd vorausgesehen werden. Siehe O. Lange, Teoria statystyki, I.e., S. 21—25. Vgl. A. M . Mowbray, I.e., S. 12 ff. sowie M . Picard und A. Besson: Les assurances terrestres en droit français, Paris 1970, S. 19 und F. H. Knight , I.e., S. 231 und 245 ff. I m Gesetz der großen Zahl kommt die dialektische Verbindung zwischen der Notwendigkeit und dem Zufall, der die Hauptgruppe der zufälligen Ereignisse bildet, zum Ausdruck. Siehe oben Anm. 82 in fine. 88 O. Lange, Teoria statystyki, I.e., S. 22; D. Böhm: Przyczynowoáé i przypadek w fizyce wspólczesnej (Kausalität und Zufall in der gegenwärtigen Physik), Warszawa 1961, S. 18 f. Vgl. auch A. Banasinski, I.e., S. 35 f. 89 Wie ich bereits mehrfach betont habe, kann in der Versicherungstheorie das zufällige (schicksalhafte) Ereignis nicht mit dem Zufall im Sinne
§ 4. Der Begriff des zufälligen Ereignisses
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Geht man von der Funktion der sekundären Ursachen (Nebenursachen) aus, so könnte man zwei A r t e n der Tatbestände unterscheiden. Einen, dessen sekundäre Ursache (Nebenursache) einem irgendwie absonderbaren Bezugssystem innewohnt, und einen zweiten, bei dem diese Ursache von außen, außerhalb des Bezugssystems w i r k t , jedoch i n i h m bestimmte Änderungen verursacht — also die Merkmale einer „fremden", äußeren Ursache hat. Wendet man diese Einteilung auf die uns interessierenden Versicherungsfälle an, so kann man zur ersten A r t , z.B. den durch das Feuerfangen des Filmstreifens verursachten Brand eines Kinos, sowie die durch „ . . . fehlerhaftes Funktionieren des elektrischen S t r o m e s . . . i n Lagerräumen oder elektrischen A n lagen und Leitungen" des Betriebes 9 0 verursachten „elektrischen Schäden" zählen. Zur zweiten A r t w i r d man dagegen die Vernichtung der Saat durch Hagel oder Überschwemmung wie auch den Schiffszusammenstoß auf hoher See zählen. I m ersten F a l l haben w i r es m i t der Realisierung einer stets i n einem gegebenen System vorhandenen Gefahr zu tun: irgendeine m i t diesem System verbundene und als sekundäre Ursache wirkende Gegebenheit hat den normalen Sachverlauf gestört, einen „Mechanismus" i n Gang gesetzt, der einen Schaden verursacht, z.B. einen Feueroder einen elektrischen Schaden. I m zweiten F a l l wiederum haben w i r es eher m i t einem zufälligen „Sich-Überschneiden" i n Raum und Zeit zweier oder mehrerer voneinander unabhängiger Kausalreihen zu tun. Es scheint, daß die Unterscheidung zwischen diesen beiden unterschiedlichen Situationen: dem „zufälligen Sich-Überschneiden" zweier voneinander unabhängiger Kausalreihen und der Realisierung eines bestimmten, m i t einer gegebenen Tätigkeit verbundenen Risikos, schon M a r x angewendet hat, als er schrieb, daß i m Reproduktionsprozeß das K a p i t a l „ . . . von Zufällen und G e f a h r e n . . . bedroht i s t " 9 1 . Unabhängig von der oben besprochenen Einteilung kann man die zufälligen Ereignisse noch weiter unterteilen, und zwar danach, ob des Rechts oder der Philosophie identifiziert werden. Nichtsdestoweniger müssen die im Schrifttum auftauchenden Tendenzen, den Versicherungsfall von der Begriffskategorie des zufälligen Ereignisses, die ein wissenschaftlicher Erfolg der Wahrscheinlichkeit darstellt und mit den statistisch-mathematischen Grundlagen der Versicherungstätigkeit verbunden ist, loszureißen, einen Widerspruch hervorrufen. Derartige Tendenzen kann man bei Banasiitski (I.e., S. 34) erblicken, der zu Unrecht aus der Kategorie des zufälligen Ereignisses den „Tod eines Menschen" ausschließt, es sei denn, daß er „in einem Alter" eingetreten ist, „das eindeutig unter dem durchschnittlichen Lebensalter liegt..." (S. 168, 166). BanasiAski, der die Termini „zufälliges Ereignis" und „Zufall" (zdarzenie losowe und zdarzenie przypadkowe) synonym verwendet (S. 33, 36 und andere), gibt indirekt zu (S. 34), daß nicht alle Versicherungsfälle Zufälle sind (S. 34). 90 Vgl. §4 der Instruktion der P K P G Nr. 1 vom 1.8.1951 über die Vermögens- und Personenversicherungen, Warschau 1951, S. 6. 91 K. Marx, Das Kapital, I.e., poln. Ausgabe, Bd. I I I , 2. Teil, S. 430.
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die Zufälligkeit eines Ereignisses auf die Ungewißheit seines Eintretens (incertitudo an) oder auf die Ungewißheit seiner Folgen (incertitudo effectus) oder aber auf die Ungewißheit des Zeitpunktes seines Eintretens (incertitudo quando) zurückzuführen ist. Der letzte F a l l betrifft vor allem den Tod aller Lebewesen, er ist zwar unvermeidbar, doch der Zeitpunkt seines Eintretens hängt von sekundären Ursachen, und das sowohl von äußeren (z.B. einem Verkehrsunfall) als auch von inneren Ursachen (z.B. einem Krankheitsprozeß i m Organismus), ab. Es scheint, daß die Anwendung dieser beiden, sich übrigens überschneidenden Einteilungen nicht nur die Vielfältigkeit der zufälligen Ereignisse unterstreicht, sondern darüber hinaus auch neben ihrem erkenntnis-theoretischen Wert eine gewisse praktische Bedeutung hat, u.a. i n bezug auf die Prävention. Es ist doch offensichtlich, daß eine Prävention besonders erfolgreich ist gegen Ereignisse, die die Verw i r k l i c h u n g ständig (in einem gegebenen System) vorhandener Gefahren darstellen, selbstverständlich unter der Bedingung, daß entsprechende Vorsichts- und Sicherheitsmaßnahmen angewendet werden. Daraus ziehen die Zivilgesetze konkrete Schlüsse, indem sie z.B. den Betrieben die Verantwortung für sog. „innere" oder innerbetriebliche „ U n f ä l l e " 9 2 (Schadenfälle) aufbürden; aber auch das Versicherungsrecht berücksichtigt i m gewissen, wenn auch abweichenden Sinne diese Tatsache. Das kommt i n der Aussonderung der Kategorie der Unfälle (deren wesentliches M e r k m a l ist, daß sie v o n a u ß e n auf den menschlichen Organismus einwirken) aus der Gesamtheit der einen Gesundheitsschaden verursachenden Ereignisse zum Ausdruck. Eigenartig wird das Kriterium des äußeren Ursprungs der Ursache des Verlustes der Erwerbsfähigkeit im Sozialversicherungsrecht bestimmt, so z.B. i m Gesetz vom 23.1.1968 über die ASozV. (Dz.U. Nr. 3, Pos. 6). Nach diesem Kriterium wird dort zwischen der Rente „wegen Invalidität infolge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit" (Art. 26 Abs. 1 i.V.m. Art. 14 Abs. 2 und Art. 16 Abs. 1) und der Rente „wegen Invalidität infolge anderer Ursachen" (Art. 25 Abs. 1) unterschieden.
Bei der Analyse des Begriffs des zufälligen Ereignisses könnte man von der (günstigen oder ungünstigen) Natur seiner Folgen abstrahier e n — zufällige Ereignisse sind gleichermaßen sowohl das Erleben eines hohen Alters als auch der vorzeitige Tod eines Menschen 98 . Uns interessieren hier jedoch nur diejenigen zufälligen Ereignisse, die Einbußen am Vermögen zur Folge haben. Gerade solche Zufalls92 W. Warkallo, Odpowiedzialno§c odszkodowawcza, I.e., S. 173 f. und 175, Anm. 24. 93 I m Leben gibt es ähnlich wie in der Lotterie ein glückliches Los und ein ungünstiges Los, einen „glücklichen" und einen „bösen Zufall" — „Ihm ruhen noch im Zeitenschoße die schwarzen und die heitern Lose" (Schiller), v g l Der große Duden, Stilwörterbuch, 1956, S. 366 und 764. I m Original sind Beispiele aus dem polnischen Wortschatz (Slownik j^zyka polskiego—Wörterbuch der polnischen Sprache, Warschau 1962, Bd. I V , S. 199).
§ 5. Systematik der Schadenfälle
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ereignisse stellen die Verwirklichung der das Vermögen bedrohenden Risiken dar, und daher können sie Gegenstand des Versicherungsschutzes und der Präventionstätigkeit sein. Diese negativ beurteilten Zufallsereignisse bezeichnen w i r als Schadenfälle 94 (Unfälle*). Aus diesem Grunde werde ich i n den weiteren Ausführungen den Ausdruck S c h a d e n f a l l verwenden; die Bezeichnung zufälliges (schicksalhaftes) Ereignis werde ich allerdings bei Erörterungen gebrauchen, die sämtliche Zufallsereignisse betreffen, sowohl günstige als auch schädliche Ereignisse, d.h. solche, die Vermögenseinbußen zur Folge haben. g 5. Die Systematik der Schadenfälle und einige Elemente ihrer gesellschaftlich-geschichtlichen Bedingtheit A. Das Kriterium des Ursprungs Die Durchführung einer gewissen Systematik innerhalb der großen Masse der Schadenfälle ist — unabhängig von der Einteilung dieser i n Typen, Tatsachen-Kategorien — unentbehrlich, nicht nur aus theoretisch-wissenschaftlichen, sondern auch aus praktischen Gründen. Eine solche Systematisierung kann selbstverständlich auf Grund verschiedener, einzeln oder gemeinsam verwendeter Unterscheidungskriterien durchgeführt werden. Das allgemeinste ist das bereits von K . M a r x 9 5 verwendete „ K r i t e r i u m des Ursprungs" aus der natürlichen oder gesellschaftlichen Umwelt. Dieses K r i t e r i u m erlaubt, die zufälligen Ereignisse einzuteilen: i n Ereignisse, die durch Naturkräfte, und solche, die durch menschliches Verhalten verursacht werden. Die Durchführung dieser noch so allgemeinen Einteilung stößt auf Schwierigkeiten wegen der Verflechtung des Natur-Faktors m i t dem menschlichen Faktor, der Verflechtung von Naturkräften m i t menschlichen Handlungen, z.B. auf dem Gebiet der auf der Verwendimg von Naturkräften aufgebauten Technik 9 ®. Dennoch können diese Schwierigkeiten bei entsprechender Anwendung der i n der Marx'schen Lehre über den Kausalzusammenhang angenommenen Unterscheidung zwischen Haupt- und Nebenursachen 97 überwunden werden. 04 Siehe oben Anm. 76. * Vgl. die Anmerkung zum §3. 96 K. Marx (Das Kapital, Berlin 1949, S. 916) unterscheidet unter den Ereignissen, die den Produktionsprozeß stören, „natürliche" und „gesellschaftliche Unfälle". 96 Das hat wahrscheinlich V. K. Rajcher (I.e., poln. Ausgabe, S. 49) zu einer Dreiteilung der zufälligen Ereignisse bewogen. Er unterscheidet nämlich drei Quellen dieser Ereignisse: „Elementargewalten, menschliche Technik und die gesellschaftliche Umwelt". 97 Vgl. G. F. Aleksandrov , I.e., S. 95. Von einer Naturkatastrophe sollte man m.E. dann sprechen, wenn der Faktor Natur für das Ausmaß einer
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A l l e i n d i e K o n z e p t i o n dieser E i n t e i l u n g s c h e i n t , t r o t z d e r g e g e n sie vorgebrachten Bedenken98, r i c h t i g u n d nützlich für die weitere Klass i f i z i e r u n g d e r S c h a d e n f ä l l e z u sein. B e d e n k l i c h i s t a l l e r d i n g s d i e A r t d e r A n w e n d u n g dieser K o n z e p t i o n i n u n s e r e r D o k t r i n . So z u m B e i s p i e l i s t z u beanstanden, d a ß sie s ä m t l i c h e d u r c h d i e N a t u r b e d i n g t e n S c h a d e n f ä l l e als N a t u r k a t a s t r o p h e n * bezeichnet, u n d a l l e a n d e r e n n a c h t e i l i g e n Ereignisse — das s i n d d i e d u r c h d i e gesellschaftl i c h e U m w e l t b e d i n g t e n Ereignisse — als S c h a d e n f ä l l e (Unfälle). Es i s t w o h l s e l b s t v e r s t ä n d l i c h , d a ß einerseits n i c h t a l l e d u r c h d i e N a t u r b e d i n g t e n Z u f a l l s e r e i g n i s s e als K a t a s t r o p h e n bezeichnet w e r d e n k ö n n e n ; andererseits k ö n n e n w i e d e r u m z a h l r e i c h e d u r c h d i e g e s e l l s c h a f t l i c h e U m w e l t b e d i n g t e n Ereignisse K a t a s t r o p h e n f o l g e n h a b e n , z.B. A u s s c h r e i t u n g e n d e r a u f g e b r a c h t e n Massen ( A u f r u h r s c h ä d e n ) oder g r o ß e V e r k e h r s k a t a s t r o p h e n . Diese t e r m i n o l o g i s c h e U n g e n a u i g k e i t , d i e w a h r s c h e i n l i c h aus e i n i gen sowjetischen Publikationen unkritisch übernommen w u r d e 9 9 , hat i h r e t i e f e r e n U r s a c h e n . M a n h a t z u o p t i m i s t i s c h g e g l a u b t , daß b e r e i t s i n d e r Z e i t des A u f b a u s des S o z i a l i s m u s k a t a s t r o p h e n a r t i g e S c h a d e n f ä l l e n i c h t m e h r d u r c h d i e gesellschaftliche U m w e l t b e d i n g t sein k ö n nen, daß „ . . . i n d e r sozialistischen Gesellschaft v o n A r b e i t s l o s i g k e i t , v o n Streiks u n d ähnlichen gesellschaftlichen K o n f l i k t e n sowie v o n eingetretenen Katastrophe ausschlaggebend war, wenn er die Hauptursache war, und zwar auch dann, wenn irgendein Verhalten eines Menschen die Nebenursache dieses Ereignisses war. Die Überschwemmung ist immer eine Naturkatastrophe, unabhängig davon, ob sie auf Platzregen, Schneeschmelze in den Bergen oder auf das Austreten gestauten Wassers infolge einer strafbaren Beschädigung eines Staudamms zurückzuführen ist. Dagegen ist das Entgleisen eines Zuges infolge einer durch Platzregen oder Blitzschlag verursachten Beschädigung des Bahngleises oder der Signalanlagen eine Verkehrskatastrophe und keine Naturkatastrophe. 98 Den Versuch, die Erscheinungen der Umwelt in Elementar- und gesellschaftliche Ereignisse einzuteilen, hat bereits A. Exner (Poj^cie sily wyzszej w prawie komunikacyjnym — Der Begriff der höheren Gewalt im Verkehrsrecht, Warschau 1919, S. 16) kritisiert: „Elementargewalt ist . . . entweder nichts oder alles, ausgenommen nur die Werke von Menschen Hand", denn es ist schwierig, irgendeinen Bereich des menschlichen Handelns zu zeigen, in dem man von unmittelbaren oder mittelbaren Verbindungen mit äußeren Naturerscheinungen abstrahieren könnte. * I m polnischen Text wird der Ausdruck „kl^ska zywiolowa" verwendet, der wörtlich mit „Elementar-Kalamität" oder „Kataklysmus" wiederzugeben wäre. Der begriffliche Inhalt des Ausdrucks kl^ska zywiolowa deckt sich mit dem deutschen Ausdruck Naturkatastrophe, so daß gegen diese Wiedergabe keine Bedenken bestehen. 99 Die Mehrheit der sowjetischen Autoren verwendet für die Bezeichnung des zufälligen Ereignisses den zweigliedrigen Terminus: „stichijnye bedstvija i nesöastnye sluCai" (Naturkatastrophen und Unfälle, wörtlich: Unglücksfälle). Siehe z.B. V. Konäin, Gosudarstvennoe strachovanie, I.e., S. 7; M . A. Gurvic, I.e., S. 261; A. M. Aleksandrov, I.e., S. 9); Ekonomia polityczna, I.e., S. 703. Z u den wenigen Ausnahmen gehört A. V. Baöurin (I.e., S. 228), der bemerkt, daß die Termini „Naturkatastrophe" und „Unfall" nicht alle zufälligen Ereignisse erfassen, die Schäden verursachen.
§ 5. Systematik der Schadenfälle
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Krisen und ähnlichen Schwankungen der Wirtschaftskonjunktur nicht mehr die Rede sein k a n n " 1 0 0 . Diese i n bezug auf Gesellschaften, die bereits vollständig die Aufgaben des Aufbaus des Sozialismus v e r w i r k licht haben, theoretisch richtigen Feststellungen können sich als verfrüht hinsichtlich der volksdemokratischen Länder erweisen. Die terminologische Fehlerhaftigkeit- der bei uns angenommenen Einteilung der Gesamtheit nachteiliger Zufallsereignisse i n Naturkatastrophen und Schadenfälle (Unfälle) ergibt sich auch daraus, daß man kaum unter einen dieser Ausdrücke die so wichtige Gruppe zufälliger Ereignisse, wie Krankheiten, Sterbefälle, Tierverendungen, die alle auf natürliche Ursachen zurückzuführen sind 1 0 1 , unterbringen kann. Es wäre übertrieben, wollte man den vorzeitigen Tod eines Menschen als Naturkatastrophe (wenn auch auf die Proportion einer menschlichen Einheit reduzierte) bezeichnen. Andererseits kann man kaum behaupten, daß der Tod eines Menschen, der doch die Folge einer inneren Natur-Notwendigkeit ist, ausschließlich durch die gesellschaftliche Umwelt bedingt sei, d.h. immer einen Schadenfall (Unfall) i m Sinne der eben besprochenen Terminologie darstelle. M i t Befriedigung ist zu erwähnen, daß unser Gesetzgeber den Begriff der Naturkatastrophe dadurch präzisiert hat, daß er, neben dem seiner Natur nach qualitativen K r i t e r i u m des Ursprungs, das q u a n t i t a t i v e K r i t e r i u m des Ausmaßes der Ereignisfolgen verwendet h a t 1 0 2 . Als Naturkatastrophen erkennt er an „ . . . Naturereignisse, die: 1) (die Sicherheit für) das Leben oder (für) das Vermögen einer größeren Zahl von Personen bedrohen oder 2) erhebliche Störungen der Nationalwirtschaft hervorrufen können" 1 0 3 . I n den Bestimmungen des Versicherungsrechts finden w i r die Definitionen einiger A r t e n der Naturkatastrophen. Zum Beispiel bestimmt 100 Siehe V. K. Rajcher, I.e., poln. Ausgabe, S. 49. Ähnlich schreibt G. F. Aleksandrov (I.e. S. 103): „In der UdSSR gibt es weder ökonomische Krisen noch eine Zerstörung von Produktionskräften, und es kann sie auch nicht geben". 101 I m Grunde genommen ist das eine besondere Gruppe von zufälligen Ereignissen, für die ich den Namen biotische Risiken vorgeschlagen habe; siehe W. Warkallo , Prawo i ryzyko, I.e., S. 33. 102 Vgl. W. Warkallo , P U G Nr. 9/1956, S. 332. 103 Siehe Art. 1 des Dekrets vom 23.4.1953 über Leistungen für die Bekämpfung von Naturkatastrophen (Dz.U. Nr. 23, Pos. 93), § 4 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 256 des MinR. vom 18.7.1958 über die Hilfe des Staates bei einer rationellen Bebauung neu entstehender sowie durch massenhafte Naturkatastrophen zerstörter Dörfer (M. P. Nr. 61, Pos. 345), wie auch Art. 70 Abs. 1 des Bergbaurechts (einheitlicher Text: D z . U . 1961, Nr. 23, Pos. 113). Auch in unserem Strafrecht wird der Begriff der Naturkatastrophe nach dem Kriterium der Folgen bestimmt; siehe K. Buchala , PiP Nr. 11/1956, S. 858; (vgl. z.B. auch Art. 136 § 1 des neuen poln. StGB von 1969: „Wer ein Ereignis herbeiführt, das das menschliche Leben oder die menschliche Gesundheit oder Vermögen in bedeutendem Umfang gefährdet..." u.a.m.— E.G.).
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1. Kap.: Zufällige Ergebnisse und zufälliger Bedarf
die bereits erwähnte Verordnung des Ministerrats vom 20.9.1957 über die Gebäudepflichtversicherung die Überschwemmung als „ . . . das Austreten fliessender oder stehender Gewässer aus ihrem natürlichen oder künstlichen Flußbett" (§ 4 Abs. 4), und den Orkan als „ . . . gewaltige Sturmwinde, die geeignet sind, massenhafte Schäden anzurichten". Für die Anerkennung eines Schadens als orkanartigen Schaden ist erforderlich, daß die A r t und das Ausmaß des Schadens auf eine Windgeschwindigkeit von mindestens 24,5 m/Sek." hinweisen (§ 4 Abs. 3). Ohne die Richtigkeit des „Kriteriums des Ursprungs" als Ausgangspunkt für die Systematik der zufälligen Ereignisse i n Frage zu stellen, halte ich es — unter Berücksichtigung der Belange der Versicherungspraxis — für erforderlich, zumindest 5 Gruppen dieser Ereignisse (abgesehen von der oben erwähnten Gruppe biotischer Risiken — siehe oben Anm. 101) zu unterscheiden, die ich i m folgenden aufzeigen werde. B. Naturkatastrophen und andere Elementarsch&den Die Naturkatastrophen stellen eine recht mannigfaltige Erscheinung dar. Einige von ihnen offenbaren sich als Gefahren, die gewissermaßen i n der E r d e (z.B. „Erdbeben, Erdrutsch, Erdfall", Steinschlag und Lawinen) oder i n der A t m o s p h ä r e (z.B. Schneeverwehungen, Stürme, Orkane) lauern, andere wiederum werden durch die G e w a l t d e s W a s s e r s (Überschwemmungen) verursacht. Z u K a tastrophen zählt man auch Brände sowie Schädlingsplagen, z.B. K a r toffelkäfer» 1 0 4 , Feldmaus- und Heuschreckenplagen oder P f l a n z e n und T i e r s e u c h e n , die i n der Land- und Zuchtwirtschaft große Schäden anrichten. Was die Schädlingsplagen und Seuchen m i t den Naturkatastrophen verbindet, ist i h r gemeinsamer Ursprung aus der (im Verhältnis zum Menschen äußeren) Natur. Die Tatsache jedoch, daß diese Plagen und Seuchen durch einen bestimmten wirtschaftlichen Entwicklungsstand des Landes bedingt sind, reiht sie i n die Nähe der gesellschaftlichen Katastrophen ein. F ü r manche Naturereignisse gibt es gewisse r ä u m l i c h e Grenzen (z.B. Überschwemmungs-, Hagel- oder Erdbebenzonen, tropische Wirbelstürme, Lawinen- und Steinschlaggebiete i n den Bergen, örtlich beschränkte Vulkanausbruchsgefahren). Diese Tatsache führte zu fruchtbaren Versuchen, eine sog. Geographie der Naturkatastrophen 104 Siehe z.B. den Beschluß Nr. 261 des Präsidiums der Regierung vom 2.4.1955 über die Grundsätze der Planung und Verwendung von Haushaltskrediten, die für die Bekämpfung des Kartoffelkäfers sowie anderer im Katastrophenausmaß auftretender Schädlinge und Pflanzenkrankheiten vorgesehen sind (M. P. Nr. 32, Pos. 303).
§ 5. Systematik der Schadenfälle
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(i géographie des calamités) 106 auszuarbeiten— wie auch z e i t l i c h e Grenzen: für die Gewitter-, Blitzschlag- und Hagelgefahren i n Sommermonaten, für Frühjahrsüberschwemmungen i n gemäßigten K l i mazonen (infolge Schneeschmelze). Die geographische (natürliche) U m welt unterliegt verhältnismäßig langsamen Änderungen, und die Naturgesetze sind — i m Gegensatz zu den ökonomischen Gesetzen — „langlebig" 1 0 6 . Trotzdem sind die Risiken aus Naturereignissen — die Naturkatastrophengefahren — recht unterschiedlich innerhalb der verschiedenen Zeiträume des uns bekannten, verhältnismäßig kurzen Zeitabschnitts der Geschichte der Menschheit aufgetreten. I n der Urgemeinschaft waren die Menschen, die damals gerade erst der Tierwelt als „ noch halb Tiere, r o h " entschlüpft sind, „ . . . machtlos gegenüber den Naturgewalten" 1 0 7 . I m Zeitalter des Sklaventums war die menschliche Gesellschaft schon besser gegen elementare Schicksalsschläge geschützt (es gab z.B. imponierende Wasserwirtschaftsanlagen i m Flußgebiet des Nils, Euphrats und Tigris), doch auch noch i m Zeitalter des Kapitalismus verursachen Naturkatastrophen kolossale Vernichtungen, insbesondere i n der Landwirtschaft (so die katastrophalen Überflutungen i m Mississippi- und Missourigebiet, die folgenschweren Dürren i m zaristischen Rußland) 1 0 8 . Die Entdeckung der Naturgesetze rüstet den Menschen i m Kampf gegen die Gewalten der Natur, und die Entwicklung der Technik macht sogar die Ausnützung dieser Gewalten zum Wohle der Gesellschaft möglich. Früher hat man z.B. Überflutungen und Überschwemmungen, die Siedlungen des Menschen und Saaten vernichteten, als unvermeidbare Katastrophen angesehen. Durch den Bau von Deichen, Staudämmen und Wasserkraftwerken werden nicht nur die katastrophenartigen Folgen von Überflutungen eingeschränkt, darüber hinaus w i r d dadurch die bisher vernichtende Gewalt des Wassers i n den Dienst des Menschen gestellt — sie w i r d nämlich zur Bewässerung von Feldern und zur Energiegewinnung verwendet. Der Wasserbau erfordert jedoch so große Investitionen, daß ärmere Länder bisher nicht imstande waren, diese großen Vorhaben zu realisieren. Zu diesen ärmeren Ländern zählte bis vor kurzem auch Polen, das erst i n den letzten Jahrzehnten begonnen hat, den Plan großer Investitionen für den Wasserbau zu verwirklichen. 105
Siehe die Zeitschrift „Revue pour l'étude des calamités", die in 1924 in Genf gegründet war. Siehe G. F. Aleksandrov , I.e., S. 93. 107 F.Engels , Anti-Düring, poln. Ausgabe, I.e., S. 176. 108 V. Lenin , der im Zusammenhang mit der Dürre von 1911 (Soöinenija, Bd. X V I I , I.e., S. 473) behauptet, daß die russischen Bauern „gegenüber Naturkatastrophen und gegenüber dem Kapital wehrlos wie die Wilden in Afrika" waren.
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1. Kap.: Zufällige Ergebnisse und zufälliger Bedarf
Während einerseits die Fortschritte der Wissenschaft und Technik die Einschränkung der Katastrophenzonen und die Ausnützung der Naturgewalten ermöglichen, führen andererseits die zunehmende Bevölkerungsdichte wie auch der Ausbau großer Städte und Industriezentren dazu, daß heute derartige Naturkatastrophen wie Wirbelstürme, Taifune und Erdbeben unverhältnismäßig größere Menschen- und Vermögensverluste verursachen als i n den früheren Jahrhunderten. Es genügt, die katastrophalen Folgen des Erdbebens von San Francisco i m Jahre 1906 m i t denen eines ähnlichen Erdbebens auf diesem Gebiet i n der Zeit, als dort noch Nomadenstämme der Indianer lebten, zu vergleichen. I n der vorliegenden Arbeit interessieren uns die Naturereignisse nur insofern, als sie für den Menschen bedeutsame Folgen haben, genauer gesagt, sofern sie Vermögensverluste verursachen, m.a.W. sofern die Faktoren der natürlichen Umwelt auf die gesellschaftliche Umwelt einwirken. Abgesehen von den wenigen Fällen, i n denen man von einer Herbeiführung einer Naturkatastrophe (z.B. eines Großbrandes, einer „Überschwemmung") 1 0 9 durch den Menschen reden kann, haben weder der Wille des Menschen noch die materiellen Bedingungen des gesellschaftlichen Daseins irgendeinen Einfluß auf das Eintreten von Naturereignissen (z.B. auf elektrische Entladungen i n der Atmosphäre oder auf den Hagelschlag), sie haben allerdings eine Bedeutung für die Folgen derartiger Ereignisse (z.B. das Niederbrennen eines Warenlagers, i n das der Blitz eingeschlagen hat, die Vernichtung der Ernte auf dem Halme durch Hagel). I m Gegensatz zu den Naturereignissen sind sowohl die Folgen als auch die Ursachen der (gesellschaftlichen) Unfälle von den materiellen Bedingungen des gesellschaftlichen Daseins abhängig, sie entspringen der gesellschaftlichen Umwelt. Die gesellschafts-geschichtliche Bedingtheit dieser Gruppe von Zufallsereignissen reicht also weiter, sie erstreckt sich nämlich nicht nur auf die Folgen, sondern auch auf die U r s a c h e n dieser Ereignisse. Diese unmittelbare Bedingtheit kommt i n der Veränderlichkeit der gesellschaftlichen Zufallsereignisse zum Ausdruck; diese Veränderlichkeit ist i n Raum und Zeit unverhältnismäßig größer als die der Naturereignisse. Das ist zweifelsohne dadurch bedingt, daß die gesellschaftliche Umwelt größere Veränderlichkeiten aufweist als die geographische Umwelt. Naturkatastrophen treten i n den Ländern der gleichen geographischen Zone ähnlich auf, dagegen können die gesellschaftlichen Katastrophen und andere Zu100 Hierher gehören Straftaten, die mit der Herbeiführung einer „allgemeinen Gefahr" zusammenhängen — Art. 215 StGB von 1932 oder Art. 136— 140 StGB von 1969 (die in den Entwürfen zum StGB enthaltene Formulierung „Strafbare Herbeiführung einer Naturkatastrophe" wurde durch genaue, kasuistische Aufzählungen ersetzt — E.G.).
§ 5. Systematik der Schadenfälle
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fallsereignisse i n jedem Lande (ja sogar i n zwei Teilen eines ethnisch einheitlichen Landes, z.B. i n der DDR und der BRD) unterschiedlich sein, eben w e i l sie vom Entwicklungsstand der Gesellschaft und seiner gesellschaftlich-wirtschaftlichen Ordnung abhängig sind. Die gesellschaftlichen Unfälle weisen nicht nur eine größere Veränderlichkeit i n der Zeit, sondern auch eine größere Mannigfaltigkeit auf, die eine Systematisierung dieser Unfälle erschwert. V. K . Rajcher teilt die Gesamtheit dieser Unfälle ein in: a) Maschinenschäden und andere m i t der Anwendung der Technik i n der Produktion und i m Verkehr verbundene Sphadenfälle und b) „Unfälle von ausschließlich gesellschaftlichem Charakter" 1 1 0 . Treffend stellt er auf diese Weise die durch die Unzuverlässigkeit der Technik bedingten Schadenfälle denjenigen gegenüber, die auf Unzulänglichkeiten i n der Organisation des Zusammenlebens der Menschen zurückzuführen sind; aber auch diese so allgemeine Einteilung stößt auf große Schwierigkeiten. Es genügt, auf die Kraftverkehrsunfälle und die Arbeitsunfälle i n der Industrie hinzuweisen; obwohl sie ihrem Wesen nach technische Unfälle sind, sind sie zugleich auch gesellschaftlich bedingt, und zwar durch den Stand der Verkehrsorganisation, das Niveau der Arbeitssicherheit und -hygiene wie auch durch die Nichtbefolgung der einschlägigen Bestimmungen. Auch wenn ich i n dieser Arbeit auf eine Systematisierung der gesellschaftlichen Unfälle verzichte 1 1 1 , möchte ich hier zumindest einige der wichtigsten Gruppen dieser Unfälle aufzählen und sie kurz besprechen. C. Gesellschaftliche Konflikte und unerlaubte Handlungen Aus den i n den antagonistischen Gesellschaftsordnungen* bestehenden Gegensätzen zwischen dem gesellschaftlichen Charakter der Produktion und dem privaten Charakter der Aneignung ihrer Früchte ergeben sich zahlreiche gesellschaftliche Konflikte. I m Zeitalter des Kapitalismus erwachsen diese oft zu massenhaften Klassenkonflikten, und i m Zeitalter des Imperialismus erreichten sie eine maximale I n tensität sowohl i n bezug auf ihre Häufigkeit als auch hinsichtlich ihres Umfangs. 110
V. K. Rajcher , poln. Ausgabe I.e., S. 47. Den Versuch einer Systematisierung aufgrund der Einteilung sämtlicher Risiken in: a) gesamtmenschliche, b) gesellschaftliche und c) individuelle Risiken, enthält die (heute zum Teil schon veraltete) Arbeit von W. Warkallo, Prawo i ryzyko, I.e. * I n der marxistischen Philosophie versteht man unter „Antagonismus" eine „besondere Art des dialektischen Widerspruchs im gesellschaftlichen Bereich, . . . der auf dem unversöhnlichen Gegensatz zwischen den Interessen verschiedener gesellschaftlicher Klassen oder sozialer Gruppen beruht" — Philosophisches Wörterbuch, hrsg. von G. Klaus und M . Buhr, Leipzig 1969. 111
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1. Kap.: Zufällige Ergebnisse und zufälliger Bedarf
Da man nicht imstande war, die Ursachen gesellschaftlicher Konflikte, weder die individuellen (wie Diebstahl oder Raub) noch die massenhaften (wie Streiks oder imperialistische Kriege), zu beseitigen, zumal diese Ursachen der kapitalistischen Gesellschaftsordnung i m manent sind, zu ihren inneren Widersprüchligkeiten gehören, hat man versucht, die wirtschaftlich negativen Folgen dieser Konflikte abzumildern, u.a. durch die laufende Einrichtung verschiedener Versicherungen gegen die einzelnen gesellschaftlichen Risiken. Die vorkapitalistischen Versicherungen haben nur wenige gesellschaftliche Risiken gedeckt (so den Seeraub, die Gefangenschaft beim Feinde, den Raub). Dagegen decken die kapitalistischen Vermögensversicherungen eine beachtliche Zahl derartiger Risiken. V. K . Rajcher teilt diese i n 3 Gruppen ein, und zwar in: a) strafbare Handlungen (z.B. Diebstahl, Raub, Veruntreuung, Unterschlagung); b) Schwankungen der Wirtschaftskonjunktur, wodurch Zahlungsschwierigkeiten der Schuldner und der Banken sowie Kursverluste bei Wertpapieren verursacht werden; c) massenhafte gesellschaftliche und politische Konflikte, „Kriegsrisiken", „ A u f r u h r " , Streik und Boykott. Die unter b) und c) erwähnten Risiken stellen für die sowjetische Gesellschaft keine drohende Gefahr dar, wenn sie dort überhaupt noch vorkommen; daher sind i n der Sowjetunion Versicherungen gegen die durch massenhafte Gesellschaftskonflikte bedingten Risiken völlig überflüssig 1 1 2 . Auch Versicherungen gegen die unter a) angeführten Risiken gibt es i n der UdSSR n i c h t 1 1 8 , was jedoch nicht bedeutet, daß es dort derartige Risiken — Straftaten — überhaupt nicht gäbe. Es scheint vielmehr, daß die Abschaffung der Vertrauensschadenversicherung i m Jahre 1930 und der Abbau der Einbruchdiebstahlversicherung eher die Folge der Anwendung a priori vorausgesetzer theoretischer Grundsätze waren 1 1 4 , denenzufolge derartige Straftaten, wie überhaupt gesellschaftliche Konflikte, i n der sozialistischen Gesellschaftsordnung nicht vorkommen, zumindest aber keine wesentliche 112 Die einzige Ausnahme bildet die Kriegsgefahr, die von der Seeversicherung gedeckt wird — behauptet V . K . Rajcher, I.e., S. 50. V. K. Rajcher, I.e., S. 49, Anm. 1. 114 Ähnliche Tendenzen machten sich in unserer Wirtschafts Versicherung— in der Vermögensversicherung — wie auch in der Sozialversicherung bemerkbar. Es genügt darauf hinzuweisen, daß man es (seit Anfang 1954) unterließ, das gesellschaftliche Eigentum gegen Einbruchdiebstahl und Beraubung versichern zu lassen — dieser Versicherungszweig mußte am 1.7.1957 (siehe §47) teilweise wieder eingeführt werden — und daß man in der Sozialversicherung die Leistungen für den Fall der Arbeitslosigkeit abschaffte. Diese letzte Maßnahme, die i m Einklang mit der theoretischen Grundvoraussetzung steht, daß es in der sozialistischen Planwirtschaft das Risiko der Arbeitslosigkeit nicht geben könne, führte jedoch in der Praxis im Zusammenhang mit den beachtlichen „Störungen der Arbeitskontinuität" in den Jahren 1956 und 1957 zu gewissen Schwierigkeiten. Siehe E. Modlifiski, PUS Nr. 8—9/1956, S. 251.
§ 5. Systematik der Schadenfälle
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Bedeutung haben sollten 1 1 5 . Das Verschwinden der Antagonismen i m Rahmen der klassenlosen Gesellschaft ermöglicht die Reduzierung und i n der weiteren Zukunft die Abschaffung auch der individuellen Gesellschaftskonflikte, u.a. der Straftaten gegen das Vermögen, wie z.B. den Diebstahl oder den Raub. I n Polen scheint diese Möglichkeit noch nicht i n greifbarer Nähe zu sein 1 1 6 . Berücksichtigt man neben den Straftaten gegen das Vermögen noch andere Fälle der Schadenverursachung, z.B. die i m ZGB (III. Buch, 4. Titel) erwähnten u n e r l a u b t e n H a n d l u n g e n , wenn auch nur diejenigen, bei denen sich die Haftung nach dem Verschuldensgrundsatz 1 1 7 richtet, so ersieht man, daß das gesellschaftlich mißbilligte Verhalten eines Menschen — seine Schuld, Unvorsichtigkeit oder Leichtsinnigkeit — die Ursache zahlreicher gesellschaftlicher Unfälle (Schadenfälle) ist. Der einem anderen zugefügte Schaden w i r d manchmal i m Rahmen besonderer Arten der Vermögensversicherungen gedeckt. Das betrifft sowohl vorsätzlich verursachte Schäden (z.B. die Brandstiftung i n der Feuerversicherung, den Diebstahl i n der Einbruchdiebstahlversicherung) als auch unabsichtlich verursachte Schäden (z.B. die Zertrümmerung einer Schaufensterscheibe beim Ausrutschen eines Fußgängers i n der Glasbruchversicherung). Manchmal werden auch die „sich selbst" zugefügten Schäden, z.B. das fahrlässige Inbrandsetzen des eigenen, gegen Feuer versicherten Hauses, von der Versicherung gedeckt. Also auch für „ r e i n gesellschaftliche", ausschließlich durch das Verhalten der Menschen bedingte Risiken gibt es i m gewissen Umfang einen Versicherungsschutz, den diese Risiken wegen ihrer Verbreitung und ihrer wirtschaftlichen Folgen auch verdienen. Z u den Versicherungen, 115
die gesellschaftliche Risiken 1 1 8
decken,
Siehe die zutreffende, jedoch vielleicht zu optimistisch formulierte Aussage von M . Rozental und P. Judin (Kratkij filosofskij slovar' — Kurzes philosophisches Wörterbuch, Moskva 1954, 4. Aufl., S. 389): „in der sowjetischen sozialistischen Gesellschaft wird die Rolle der Zufälligkeiten i m gesellschaftlichen Leben auf ein Minimum reduziert", während in der kapitalistischen Produktion „ . . . die Zufälligkeit eine große Rolle spielt". 116 I m Jahre 1966 betrug die Zahl der erfaßten Diebstähle fast 230 000 Fälle, darunter über 26 000 Einbruchdiebstahlfälle und über 4 000 Raubfälle. Beinahe die Hälfte aller Diebstahlfälle (109 505) und mehr als die Hälfte aller Einbruchdiebstahlfälle (14155) betrafen das gesellschaftliche Eigentum (Maly Rocznik Statystyczny — Kleines Statistisches Jahrbuch, 1967, 5. 260). I n den letzten Jahren weisen diese Zahlen eine steigende Tendenz auf. 117 Ich abstrahiere hier von den Schäden, die von der Gefährdungshaftung erfaßt werden. Das sind nämlich Schäden, die vornehmlich im Zusammenhang mit der Verwendung von Naturkräften verursacht werden (Art. 435— 436 ZGB) und auf die Unzuverlässigkeit der Technik zurückzuführen sind. 118 Dieser Versicherungszweig wird in der UdSSR nicht betrieben. Siehe V. K. Rajcher, I.e., S. 366. Vgl. E. Schütte, I.e., S. 318 ff. 6 Warkatto
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1. Kap.: Zufällige Ergebnisse und zufälliger Bedarf
muß auch die Haftpflichtversicherung gezählt werden, die eine doppelte Rolle spielt: sie gewährleistet dem Geschädigten eine Entschädig u n g 1 1 9 und schützt zugleich den Schädiger gegen unverhoffte Ausgaben auf Grund seiner Schadenersatzpflicht. D. Maschinenschäden und andere technische Schadenfälle Jedes Werkzeug, auch die großen, sehr kompliziert zusammengesetzten Maschinen, sind nur ein M i t t e l der E i n w i r k u n g der lebendigen Arbeitskraft auf einen bearbeiteten Gegenstand. Es kommt jedoch vor, daß dieses Werkzeug versagt, dem Menschen den Gehorsam verweigert oder i h m gar einen Schaden zufügt. Industrie- und Verkehrskatastrophen, Maschinenschäden, Dampfkessel- oder Gasexplosionen, chemische Vergiftungen, das Einstürzen von Gebäuden oder Brücken (infolge technischer Baumängel) u.a.m. — das alles sind Schadenfälle, die durch die Unzuverlässigkeit technischer Anlagen bedingt sind, es sind Risiken der Produktionstechnik (technische Risiken). Der k a p i t a l i s t i s c h e S t a a t , der i m Gegensatz zum sozialistischen Staat die Hauptwirtschaftzweige nicht i n der Hand hat, eher sich selbst i n den Händen der Finanzoligarchie befindet, kann nur mittelbar, durch gesetzgeberische Tätigkeit und staatliche Überwachung, die Z u n a h m e t e c h n i s c h e r R i s i k e n , die m i t der wachsenden Produktionskonzentration und der Verwendung moderner, komplizierter Maschinen und technischer Anlagen verbunden sind, eindämmen. Die Nationalisierung der Hauptzweige der Volkswirtschaft machte es dem s o z i a l i s t i s c h e n S t a a t möglich, das Niveau der Sicherheit der Produktionstechnik auch durch die unmittelbare Verwaltung der Industrie ständig anzuheben. Allerdings haben die i n den fünfziger Jahren angewandten Methoden der Wirtschaftsverwaltung zu einer übermäßigen Einschränkung der Selbständigkeit der staatlichen Unternehmen geführt. Das damit verbundene Nachlassen der Wirksamkeit ökonomischer Hebel (z.B. durch unentgeltliche Zuteilungen von Produktionsgrundmitteln 1 2 0 , die eigentlich die Effizienz der Schadenverhütungstätigkeit hätten fördern können und sollen, hatte 110 I n der Regel geht es hier um eine Entschädigung ex delicto. Siehe die Entscheidung der Haupt-Arbitragekommission vom 14.12.1966, BO —8184/66 und die Glosse von W. Warkallo, PiP Nr. 7/1967, S. 182—186. 120 Siehe hierzu die in diesem Zusammenhang seit einigen Jahren hervorgehobenen Postulate, denenzufolge man davon Abstand nehmen sollte, den Unternehmen Grund- und Umlaufmittel unentgeltlich zuzuteilen, sowie die von S. Buczkowski (PiP Nr. 8—9/1956, S. 259) entworfene Konzeption betreffend die Zuteilung von Grundmitteln i m Wege zivilrechtlicher e n t g e l t l i c h e r Rechtsgeschäfte und die Umwandlung der Investitionsfinanzierung in ein Kreditverhältnis zwischen der Bank und der Einheit, die Investitionen macht.
§ 5. Systematik der Schadenfälle
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einen Rückstand der E n t w i c k l u n g auf diesem Gebiete zur Folge. E i n wesentlicher, den Fortschritt bremsender F a k t o r ist die Angst der U n t e r n e h m e n s l e i t e r v o r d e m sog. P r o d u k t i o n s r i s i k o , das m i t d e r E i n f ü h r u n g i n den Produktionsprozeß bislang i n der Industrieproduktion noch nicht erprobter Neuerungen verbunden ist121. Dieses R i s i k o , das a u c h „ R i s i k o d e r M o d e r n i s a t i o n u n d des t e c h n i schen F o r t s c h r i t t s " g e n a n n t w i r d , i s t k e i n pure risk u n d d a h e r (nach der L e h r e v o n M o w b r a y u n d Blanchard) auch n i c h t versicherbar 122. Es m e h r e n s i c h j e d o c h d i e A n s i c h t e n , d i e gerade i n d e r V e r s i c h e r u n g dieses R i s i k o s e i n geeignetes M i t t e l z u r V e r h ü t u n g v o n P r o d u k t i o n s e i n b u ß e n sehen, d i e d u r c h d i e E i n f ü h r u n g b i s l a n g i m M a ß s t a b d e r I n dustrieproduktion noch nicht erprobter Erfindungen bedingt sind128. 121 Das für die Unternehmensleiter charakteristische Bestreben, dem mit Neuerungen verbundenen Risiko auszuweichen (das sog. „Ausweichen dem schöpferischen Risiko"), wird seit Jahren im sowjetischen Schrifttum scharf kritisiert. Siehe z.B. A. I. Omielöenko, Tvoröeskij risk, jego gosudarstvennopravovaja ochrana (Das schöpferische Risiko, sein staatsrechtlicher Schutz), in: Izd. Moskovskogo Universiteta 1955, S. 26. Dieser Autor ist der Ansicht, daß unter den gegenwärtigen Entwicklungsbedingungen der Wissenschaft und der Technik ein Verlust, der dadurch entsteht, daß Neuerungsvorschläge in der Produktion nicht verwertet werden, viel größer sein kann, als die maximalen Einbußen infolge der Wirkung von Elementargewalten (ebenda, S. 30). Vgl. auch M . S . Grinberg , N.P. Nr. 5—6/1954, S. 16 sowie Z. Lukaszewicz , Ryzyko gospodarcze a bezpieczeüstwo pracy (Wirtschaftliches Risiko und Arbeitssicherheit), in PZSocj. Nr. 1/1955, S. 22 und die dort angeführte Entscheidung des OG vom 20.4.1955, Nr. I I I K 1388/54. Vgl. auch die beachtenswerte Aussage des Vorsitzenden des Komitees für Angelegenheiten der Technik, D. Smoleiiski , in der Zeitschrift „Polityka" vom 27.10.1962 „Uber das Recht des Leiters und des Unternehmens auf das mit Neuerungen in der Produktion verbundene Risiko". Einer der Beschlüsse des I V . Parteitages der PZPR über die „ökonomischen Hebel" weist auf die Notwendigkeit hin, „Voraussetzungen zur Beseitigung des mit der Einführung einer neuen Technik verbundenen Risikos" zu schaffen (Nowe Drogi/ Neue Wege, Nr. 7/1964, S. 183), und der Beschluß des MinR. Nr. 362 vom 28.11.1964 über das System der Investitions-Reserven für die Jahre 1966—1970 sieht die Verwendung eines Teils dieser Reserven für Aufgaben vor, die mit dem technischen Fortschritt verbunden sind (siehe z.B. §3 Pkt. 3). I m Schrifttum wird dem mit Neuerungen verbundenen Risiko immer größere Beachtung geschenkt. Siehe z.B. A. Gubvftski , Ryzyko nowatorstwa (Das Risiko der Neuerung), PiP Nr. 1/1960, S. 43—65; M . S. Grinberg , Problema proizvodstvennogo riska v ugolovnom prave (Das Problem des Produktionsrisikos im Strafrecht), Moskva 1963; Z. Madej, Zysk w gospodarce socjalistycznej (Der Gewinn in der sozialistischen Wirtschaft), Warszawa 1963, S. 280—295 und Sposoby pokrywania niepewnoSci w przedsiQbiorstwie socjalistycznym (Die Arten der Deckung von Unsicherheiten in einem sozialistischen Unternehmen), in: Ekonomista Nr. 1/1963, S. 23—38 sowie J. Sawicki : Odpowiedzialnosc karna w budownictwie za sprowadzenie niebezpieczeÄstwa w zwi^zku z ryzykiem produkcji i nowatorstwa (Die strafrechtliche Verantwortlichkeit im Bauwesen für die Herbeiführung einer Gefahr im Zusammenhang mit dem Produktions- und Neuerungsrisiko), in: Problemy Nr. 6/1963, S. 3—11. 122 Siehe oben § 1. 128 Siehe z.B. A. Banasiftski , I.e., S. 163. Banasifiski zeigt nicht genau die Art des vorgeschlagenen Versicherungsschutzes.
6*
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1. Kap.: Zufällige Ergebnisse und zufälliger Bedarf
E i n derartiges Risiko könnte i m Rahmen einer Versicherung des Unternehmergewinns gedeckt werden 1 2 4 . Vorläufig sind w i r jedoch von derartigen Lösungen noch weit entfernt. Außer der Versicherung der zum Vermögen der EvW gehörenden Grund- und Umlaufmittel gegen Feuer und andere bestimmte Zufallsereignisse 126 , einschließlich sog. elektrischer u.ä. Schäden, gibt es nur noch die wenig verbreitete Versicherung von Maschinen gegen Beschädigungen 126 , genannt Maschinenschadenversicherung. Die technischen Risiken machen sich täglich bemerkbar, vor allem durch Arbeits- und Verkehrsunfälle. Diese beiden Unfallgruppen verdienen eine besondere Aufmerksamkeit, und zwar nicht nur wegen ihres beunruhigend häufigen, massenhaften und dramatischen A u f tretens, sondern auch wegen ihrer geschichtlichen Rolle, die sie bei der Entwicklung der rechtlichen Regelung der Schadenskompensation gespielt haben. Die soziale Notwendigkeit der Gewährleistung sofortiger Entschädigungsleistungen für die Opfer von Arbeitsunfällen hat bei der Gründung der Sozialversicherung i n den achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts Pate gestanden. Eine ähnliche Notwendigkeit der Sicherstellung materieller Hilfe für die Opfer des motorisierten Straßenverkehrs determinierte i n den letzten Jahrzehnten die Einführung der Kfz-Haftplichtversicherung i n fast allen europäischen Ländern. I n beiden Fällen handelt es sich u m Pflichtversicherungen, die i n ihren praktischen Auswirkungen das System der traditionellen, auf den Aquilianischen (nach der lex Aquilia — Anm.d. Übersetzers) Prinzipien der Täterhaftung aufgebauten, Kompensationsmethoden durchbrechen 1 2 7 . E. Arbeitsunfälle Unter den durch die gesellschaftliche Umwelt bedingten Unfällen nehmen diejenigen Ereignisse, die den Tod eines Menschen oder eine dauerhafte Invalidität verursachen, eine besondere Stelle ein, insbesondere, sofern sie die Folge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufs124 Das ist eine der Thesen, die ich am II.Weltkongreß der A I D A in Hamburg 1966 hervorgehoben habe. Siehe L'assicurazione del profitto sperato... Assicurazioni Nr. 4—5/1966, S. 427—428 (These 10): L'assicurazione del profitto sperato „riformata"... könnte decken „il rischio sopportato da una unitä economica allorche essa introduca nuovi ritrovati e metodi la cui validitä non sia ancora confermata dalla pratica. I n questo campo la protezione assicurativa potrebbe promuovere i l progresso tecnico". 126 Siehe unten § 38. 126 Siehe unten §45. 127 Über den Unterschied zwischen der Täterhaftung (der Aquilianischen Haftung) und der sich rasch entwickelnden Garantie-Repartitions-Haftung, zu der vor allem die Versicherungshaftung gehört, siehe W. Warkallo, Odpowiedzialno§6 odszkodowawcza, I.e., S. 65 ff.
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krankheit sind; sie werden jedoch hier nicht näher behandelt, da sie ein Personen- und nicht ein Vermögensrisiko darstellen. Eine andere Sache ist, daß Verluste bei den Arbeitskadern die Produktionsprozesse und damit auch den Prozeß der Vermögensvermehrung gefährden und daß die i n den sozialistischen Staaten v o m Staatshaushalt getragenen Ausgaben f ü r Sozialversicherungsbeihilfen und -renten das gesamte Volkseigentum 1 2 8 vermindern und dadurch auch mittelbar den A n t e i l der berufstätigen Arbeitnehmer am Nationaleinkommen schmälern. I n Polen und i n anderen Ländern, i n denen die Verfassung den B ü r gern das Recht auf Gesundheitsschutz gewährleistet, ist man u m die ständige Anhebung des Niveaus der Arbeitssicherheit und -hygiene (sog. „ b h p " / A r b . S.U.H.) besonders besorgt; die enormen Ausgaben für diese Zwecke werden als „ . . . T e i l der Produktionskosten" 1 2 9 anerkannt. Den Arbeitsinvaliden wiederum w i r d neben der ärztlichen Behandlung eine Umschulung auf einen neuen, ihnen zugänglichen Beruf zugesichert 1 M . F. Verkehrsunfälle Die durch den Kraftfahrzeugverkehr bedingten Unfälle stellen nach den Arbeitsunfällen die größte Gruppe der Unfälle dar, die ihre U r sachen i n der gesellschaftlichen U m w e l t haben. Sie fallen i n Polen schon seit Anfang 1962 fast gänzlich unter den ex lege entstehenden Versicherungsschutz. Daher wurde die Problematik der Straßenunfälle i n dem den Kraftverkehrs-Pflichtversicherungen gewidmeten § 36 dieser A r b e i t behandelt. 128 Darüber hinaus ist noch zu beachten, daß Arbeitsunfälle auch zu Folgeschäden führen, die manchmal die unmittelbaren Schäden um das Vielfache übersteigen; so die Heilkosten und Krankenbeihilfen wie auch die Beträge für die Versorgung des Geschädigten bzw. seiner hinter bliebe nen Familienmitglieder wegen des Verlustes des Ernährers. Auch wenn man von den Sachschäden (z.B. von den Maschinenschäden) absieht, die mit Unfällen verbunden sind, führt doch jeder Arbeitsunfall — auch eine verhältnismäßig leichte Körperverletzung eines Arbeiters — in der Regel nicht nur zu Unterbrechungen am Arbeitsplatz des Geschädigten, sondern auch mehr oder weniger zu Störungen des Produktionsprozesses des gesamten Betriebs. 129 Siehe Art. 11 und 12 des Gesetzes vom 30.3.1965 über die Arbeitssicherheit und -hygiene (Dz. U. Nr. 13, Pos. 91). 180 Siehe vor allem A. Hulek : Rehabilitacja inwalidów w Polsce (Die Rehabilitierung von Invaliden in Polen), Warszawa 1967 und Bibliografía przywracania zdolnoáci do pracy osobom upoáledzonym na zdrowiu (Bibliographie über die Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit durch gesundheitsgeschädigte Personen), in: Zycie Inwalidy (Das Leben des Invaliden) Nr. 6/1957, S. 8—13 sowie eine Reihe von Publikationen des ehemaligen Ministeriums für Arbeit und Sozialfürsorge. Richtlinien über die Beschäftigung von Invaliden in der Landwirtschaft (S. 52), in der Textilindustrie (S. 100), im Gaststättengewerbe (S. 43) usw.— alles Broschüren aus dem Jahre 1956. Nach Art. 444 § 1 ZGB umfaßt die Entschädigung für Invalidität infolge einer unerlaubten Handlung auch „die für die Vorbereitung auf einen anderen Beruf erforderlichen Kosten".
1. Kap.: Zufällige Ergebnisse und zufälliger Bedarf
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G. Haftpflichtfälle als Schadenfälle Wie schon erwähnt, kann die Herbeiführimg eines Schadens sowohl für den, der den Schaden erlitten hat, als auch für den, der den Schaden verursacht hat und für i h n haftet, ein zufälliges Ereignis und einen Schadenfall darstellen 1 8 1 . Durch die Verpflichtung zum Schadenersatz w i r d eine zivilrechtliche Schuld begründet; das wiederum stellt für den, der für die Verursachung des Schadens verantwortlich ist, ein Risiko besonderer A r t dar. Solange die Haftung für die Verursachung eines Schadens ausschließlich den Täter, und das auf Grund des i h m nachgewiesenen Verschuldens, belastete, konnte man kaum von einem solchen Risiko sprechen 182 . I n dem Moment, als sich die Kompensationsfunktion der Schadenersatzpflicht von der Repressionsfunktion trennte, d.h. als man auf Grund von Bestimmungen über die Gefährdungshaftung den Täter unabhängig von seinem Verschulden (oder sogar eine Person, die überhaupt nicht als Täter i n Betracht kommt und z.B. für fremdes Verschulden verantwortlich ist) haftbar machte, änderte sich diese Sachlage wesentlich 1 8 8 . Jeder, der eine auf der Ausnützung der Naturkräfte beruhende und eine sog. Gefährdungshaftung begründende Gewerbetätigkeit ausübt, u.a. auch jeder Besitzer eines Kraftfahrzeugs, muß m i t der Gefahr der Herbeiführung eines Schadens sowie m i t der damit verbundenen Haftung rechnen. Die Herbeiführung eines Schadens stellt demnach einerseits für die Gesellschaft ein Risiko der Verminderung des Nationalvermögens und andererseits auch ein individuelles Risiko dar, und zwar nicht nur für den unmittelbar Geschädigten, sondern auch für den Schädiger, auf den die Last dieses Schadens mittels der Institution der Schadenersatzpflicht abgewälzt wird. Dieses neue Risiko — und das sei hier betont — spielt eine immer wichtigere Rolle, es w i r d H a f t p f l i c h t wagnis — legal liability risk — genannt. Dieses Risiko läßt sich natürlich nicht als „Risiko der Rechtspflege" auffassen. Es geht einfach um die Gefahr der Entstehung von Vermögenspassiven, von Schulden, die die Vermögenssituation des zum Schadenersatz Verpflichteten gefährden können. Die Fälle der vorsätzlich durch Sachbeschädigung oder «Vernichtung verursachten Schäden (z.B. das Inbrandsetzen eines Gebäudes aus Rache) stellen nur einen geringen Bruchteil der Schäden dar, für die eine Haftpflicht aus unerlaubter Handlung (Art. 415—449 ZGB) besteht. Fast immer haben w i r es hier m i t Schäden zu tun, die unabsichtlich oder sogar zufällig bei (oder i m Zusammenhang mit) der 181
Siehe oben §4. L. Pokorzyüski und W. Warkallo, I.e., S. 63. iss Tff Warkallo, Odpowiedzialno§6 odszkodowawcza, I.e., S. 22 ff. 182
§ 6. Zufälliger Bedarf als besondere Kategorie der Vermögensverluste
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Ausübung einer wirtschaftlich oder gesellschaftlich nützlichen Tätigkeit herbeigeführt werden. A m häufigsten ist ein Schaden — und m i t telbar auch die Schadenersatzpflicht — die Folge eines zufälligen Ereignisses, durch das sich ein Risiko realisiert, das durch die Unzuverlässigkeit der Technik und die Unvollkommenheit der nicht immer zu einem gehörig sorgfältigen Verhalten fähigen menschlichen Natur bedingt ist. Es ist klar, daß diese Gruppe der Schadenfälle eine besondere Stelle innerhalb der Gesamtmasse der zufälligen Ereignisse einnimmt, nicht zuletzt deswegen, w e i l diese Schadenfälle sozusagen eine gewisse Zweistufigkeit aufweisen: die Einbuße am Vermögen des Schädigers ist nämlich durch eine vorher eingetretene Einbuße am Vermögen des unmittelbar Geschädigten bedingt und ist die Folge der Anwendung einer bestimmten Norm des Schadenersatzrechts. Trotz dieser und noch weiterer Unterschiede scheint es, daß auch die durch die Verpflichtung zum Schadenersatz bedingten Ereignisse Merkmale von (zufälligen) Schadenfällen aufweisen. Mittelbar w i r d das dadurch deutlich, daß diese Ereignisse, die eine Verpflichtung zum Ersatz fahrlässig verursachter Schäden begründen, i n zunehmendem Maße von der Haftpflichtversicherung erfaßt werden, d.h. Versicherungsfälle i m Sinne dieser Versicherung darstellen.
Beim obigen Versuch einer Systematisierung der Schadenfälle, die i n den verschiedenen Zeitabschnitten eine so große Mannigfaltigkeit und Veränderlichkeit aufweisen, ließen sich die jeder Systematisierung von Gegenständen und Ereignissen — i m Gegensatz zur Systematisierung von Begriffen — anhaftenden Vereinfachungen nicht vermeiden. Eine auf Grund eines oder mehrerer Merkmale von Ereignissen aufgebaute Systematik kann die Wirklichkeit niemals vollständig, sondern stets nur vereinfacht und schematisch wiedergeben. Eine solche Vereinfachung liegt übrigens jeder Systematik zugrunde, w e i l sie nur ein Hilfsmittel des Erkenntnisprozesses ist. Sie soll dem menschlichen Verstand helfen, die Wirklichkeit m i t allen ihren mannigfaltigen Erscheinungen zu erfassen. § 6. Zufälliger Bedarf als besondere Kategorie * der Vermögensverluste Der Inhalt des Begriffs des zufälligen Ereignisses konnte m i t Hilfe der (in § 4) durchgeführten Analyse ermittelt werden; der Bedeutung * Der Verfasser verwendet hier den Ausdruck „szkody losowe", dem er später den Ausdruck „szkody przypadkowe" gegenüberstellt; da, wie bereits dargelegt (vgl. Anm. zum §3), die Adjektive „losowe" und „przypadkowe"
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1. Kap.: Zufällige Ergebnisse und zufälliger Bedarf
der zufälligen Ereignisse als Gegenstand der Schadenverhütungs- und Versicherungstätigkeit w i r d man sich jedoch erst bewußt, wenn man sie i m Zusammenhang m i t ihren Folgen, d.h. m i t den zufällig eintretenden Schäden, näher untersucht. Das Auftreten dieser i n ihrer Gesamtheit erfaßten Schäden bezeichnen w i r als z u f ä l l i g e n B e d a r f („szkodowo§6 losowa" bzw. „szkodowo£c" 184 ). Dieser i n der versicherungstechnischen Terminologie beheimatete Ausdruck erweist sich als besonders nützlich bei der vollständigen Erfassung der Problematik zufälliger Schäden i m Bereich der Wirtschaft des ganzen Landes oder bestimmter Wirtschaftszweige bzw. -einheiten. Da schon per definitionem die Ursache eines zufälligen Schadens nur ein zufälliges Ereignis sein kann, sind die oben dargelegten Begriffsmerkmale des zufälligen Ereignisses auf seine Folgeerscheinung, den zufälligen Schaden (zufälligen Bedarf), zu projizieren. U m jedoch diese Schäden von anderen Einbußen am Vermögen deutlich abzuheben, scheint es notwendig, die bereits dargelegte Charakteristik der zufälligen Ereignisse noch durch folgende Bemerkungen zu ergänzen: 1. Wie das zufällige Ereignis, so ist auch der zufällige Schaden (zufällige Bedarf) ein eigentümlicher Begriff des Versicherungsrechts 185 . Und so wie das zufällige Ereignis nicht immer ein Zufall i.S. des Zivilrechts i s t 1 8 8 , so ist auch der zufällige Schaden nicht immer ein auf einen Zufall i.S. des ZGB (Art. 548, 580 § 3, 641 § 1, 714, 739, 841) 1 9 7 zurückzuführender Schaden, ein i m Sinne des Z i v i l mit „zufällige" wiederzugeben sind, läßt sich diese Differenzierung im Deutschen nicht wiedergeben. Aus diesem Grunde wird hier der Ausdruck „szkody przypadkowe", der sich auf Schäden bezieht, die auf einen Zufall im Sinne des Zivilrechts zurückzuführen sind, mit „zufällige Schäden i. S. des Zivilrechts" wiedergegeben; bei den anderen „zufälligen Schäden" (szkody losowe) geht es um den Zufall im Sinne des Versicherungsrechts. I m übrigen wird die polnische Bezeichnung „szkody losowe", soweit es der Sinn gebietet, mit „zufälliger Bedarf" wiedergegeben. Dieser Ausdruck wird auch grundsätzlich für den polnischen Ausdruck „szkodowoSd losowa" (wörtlich etwa: zufälliges Schadenwesen) verwendet. 184 Siehe z.B. Banastäski, Planowanie ubezpieczefi, I.e., S. 36, 117. 185 Das Bestehen solcher eigenartiger Begriffe ist eines der Argumente, die für die Anerkennung des Versicherungsrechts als eines besonderen Rechtszweigs sprechen. 188 I m ZGB finden wir die zufälligen Ereignisse nicht nur unter den Fällen, die unter den Begriff der höheren Gewalt fallen (Art. 121, 433, 435, 846) und unter den „Umständen", die der Schuldner nicht zu vertreten hat (Art. 471, 475 u.a.m.), sondern auch unter den unerlaubten Handlungen, die sowohl Dritte als auch der Versicherungsnehmer selbst begangen hat. Es gibt ja die Haftpflichtversicherung, z.B. die Versicherung von Kraftfahrzeughaltern gegen die Haftpflicht für Schäden, die durch den Betrieb des Kraftfahrzeugs verursacht werden. I n den Bestimmungen über den Versicherungsvertrag wird das von der Versicherung gedeckte zufällige Ereignis „wypadek" (Versicherungsfall) genannt (Art. 805 § 1, 826 § 1 u.a.m.). 187 Von einem rein zufälligen Schaden sprechen wir im Zivilrecht nur dann, wenn eine Vermögenseinbuße ohne Verschulden des Geschädigten
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r e c h t s z u f ä l l i g e r Schaden. U m so w e n i g e r d a r f d e r B e g r i f f des z u f ä l l i g e n Schadens (i.S. des V e r s i c h e r u n g s r e c h t s ) a u f d e n B e r e i c h der d u r c h höhere G e w a l t verursachten Schäden eingeengt werden. Es i s t k l a r , d a ß d e r B e g r i f f des z u f ä l l i g e n Schadenfalls w e i t e r i s t als d e r B e g r i f f d e r h ö h e r e n G e w a l t 1 8 S , z u m a l er a u c h S c h a d e n f ä l l e m i t u m f a ß t , d i e v e r h i n d e r t w e r d e n k ö n n e n (z.B. d e n E i n b r u c h d i e b s t a h l , V e r k e h r s u n f ä l l e u.ä.). 2. D i e z u f ä l l i g e n S c h ä d e n w e i s e n eine s t a t i s t i s c h e Gesetzm ä ß i g k e i t a u f (sie u n t e r s t e h e n d e m e m p i r i s c h e n Gesetz d e r g r o ß e n Z a h l ) , w a s eine v e r h ä l t n i s m ä ß i g genaue E r m i t t l u n g d e r z u r D e c k u n g dieser S c h ä d e n n o t w e n d i g e n f i n a n z i e l l e n u n d m a t e r i e l l e n M i t t e l m ö g l i c h m a c h t , s e l b s t v e r s t ä n d l i c h n u r a u f Landesebene u n d i n n e r h a l b eines l ä n g e r e n , z.B. j ä h r l i c h e n , Z e i t a b s c h n i t t e s . M . a . W . : das R i s i k o d e r z u f ä l l i g e n Schäden (des z u f ä l l i g e n Bedarfs) i s t „ m e ß bar", u n d zwar auf G r u n d mathematisch-statistischer Angaben, die eine w e i t g e h e n d e E r f a s s u n g e r m ö g l i c h e n . 3. C h a r a k t e r i s t i s c h f ü r d i e z u f ä l l i g e n S c h ä d e n i s t das M e r k m a l d e r A u ß e r g e w ö h n l i c h k e i t , d u r c h das sie s i c h v o n n a t ü r l i c h e n u n d den d u r c h den allmählichen Verschleiß der P r o d u k t i o n s m i t t e l 1 8 9 (z.B. d e r M a s c h i n e n u n d A n l a g e n ) u n d d e r K o n s u m t i o n s g r u n d und ohne Verschulden der zweiten am betreffenden Rechtsverhältnis — sei es an einem bereits bestehenden oder an einem im Zeitpunkt des Schadeneintritts entstehenden Schuldrechtsverhältnis — beteiligten Partei eingetreten ist. Demgegenüber leistet die Versicherung gewöhnlich Ersatz auch für Schäden, die der Versicherungsnehmer herbeigeführt hat, sofern er nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt hat. Siehe z.B. § 5 Pkt. 1 der zit. Verordnung des MinR. vom 20.9.1957. Vgl. W. Warkallo, OdpowiedzialnoSö odszkodowawcza, I.e., S. 208—213. 188 So z.B. könnten ein Gebäudebrand, eine Gas- und andere Explosionen, die nach den Bestimmungen über die Feuerversicherung zufällige (schicksalhafte) Ereignisse sind und als solche einen Anspruch auf Entschädigung begründen, nur ausnahmsweise als Fälle der höheren Gewalt anerkannt werden. Unser Recht faßt nämlich — wie das Oberste Gericht z.B. in der Entscheidung vom 9.4.1952, C 962/51 (Zb. 1954, I, 2) feststellt — „ . . . die höhere Gewalt im Sinne der objektiven Theorie a u f , . . . also als ein von außen kommendes Ereignis". Noch eindeutiger wurde dieser Grundsatz vom Obersten Gericht in der Entscheidung vom 7.2.1953, I I C 60/53 (PiP Nr. 10/1953, S. 558), zum Ausdruck gebracht: „Voraussetzung der höheren Gewalt ist eine Wirkung dieser Gewalt von außen". Daraus folgt, daß z.B. eine Gasexplosion in einem Bergwerk kein Fall der höheren Gewalt ist. 189 Darauf hat bereits K. Marx hingewiesen, siehe Das Kapital, I.e., (poln. Ausgabe.), Bd. I I , S. 182. Es ist selbstverständlich, daß zwischen dem allmählichen Verschleiß von Maschinen, deren Wert auf die mit ihrer Hilfe erzeugten Produkte übergeht, und einem plötzlichen Maschinenschaden oder einer Zerstörung der Betriebsanlagen infolge von Überschwemmung, Brand oder einer Industriekatastrophe, die zu außergewöhnlichen, eine Deckung aus Produktionsüberschüssen erfordernden Vermögenseinbußen führen, Unterschiede und auch im gewissen Sinne Gegensätze bestehen. Vgl. die zahlreichen technischen Normen für die Abnutzung von Material und Werkzeug, die ein Element der Produktionskosten darstellt. Daher unterscheidet sich auch die Versicherung — entgegen den Ansichten von A. Wagner,
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1. Kap.: Zufällige Ergebnisse und zufälliger Bedarf
m i t t e l (z.B. d e r W o h n h ä u s e r ) b e d i n g t e n V e r l u s t e n u n t e r s c h e i d e n . Die letztgenannten Verluste haben nichts außergewöhnliches u n d n i c h t s z u f ä l l i g e s a n s i c h 1 4 0 , sie s i n d eine n o t w e n d i g e E r s c h e i n u n g , die i m ersten F a l l d u r c h physisch-chemische Eigenschaften der G ü t e r 1 4 1 , u n d i m zweiten F a l l d u r c h die Produktionstechnologie bzw. d u r c h die B e n u t z u n g der K o n s u m t i o n s g r u n d m i t t e l bedingt sind. 4. E i n w e i t e r e s M e r k m a l , das d i e z u f ä l l i g e n S c h ä d e n v o n d e n n a t ü r lichen Verlusten u n d dem gewöhnlichen Verschleiß der G r u n d m i t t e l u n t e r s c h e i d e t , i s t i h r u n p r o d u k t i v e r oder, g e n a u e r gesagt, ihr a u ß e r p r o d u k t i v e r C h a r a k t e r 1 4 2 . D u r c h die zuE. A. Schröder und H. Waldheim — wesentlich von der Amortisation. Siehe S. Dmochowski, Finanse Nr. 1/1953, S. 55 f. und das dort zitierte Schrifttum. Anders unter Bezug auf das amerikanische Schrifttum Z. Szymanski, Wiad. Ub. Nr. 4/1961, S. 8. 140 Natürliche und andere gewöhnliche Verluste werden (im Gegensatz zu zufälligen Schäden) vom Versicherungsschutz nicht gedeckt. Das wird ausdrücklich — in bezug auf natürliche Verluste — in der Anordnung des Vorsitzenden der P K P G und des FinMin. vom 19.9.1951 über die Grundsätze der Binnentransportversicherung... (M. P. Nr. A-86, Pos. 1182) festgestellt; § 3 Abs. 4 bestimmt: „Der Versicherungsvertrag kann sich nicht auf natürliche Verluste an beförderten Waren in den Grenzen feststehender Normen erstrecken...". Deswegen fallen natürliche Verluste an Waren während der Beförderung dem Empfänger zur Last, und zwar auch dann, wenn diese Waren versichert waren. Nach einer Entscheidung der Haupt-Arbitragekommission vom 12.6.1956, I I I - Z M 64/56 (PiP Nr. 11/1956, S. 937) fallen natürliche Verluste dem Empfänger „in gleicher Weise zur Last, wie in dem Falle, wenn der Verlust (oder Untergang) beim Transport auf Zufall zurückzuführen ist". Diese Formulierung ist insofern ungenau, als das Vermögen der E v W während der Beförderung Versicherungsschutz genießt und daher zufällige Schäden an diesem Vermögen (in den meisten Fällen sind das Schäden, die auf einen reinen Zufall zurückzuführen sind) — eben im Gegensatz zu natürlichen Verlusten — von der Versicherung ersetzt werden. Siehe oben § 39 Buchst. B Pkt. 2. 141 Es geht hier um „Waren- und Materialverluste", die durch Verschütten, Vergießen, Verdunsten, Zerbröckeln u.ä. beim Verladen, Transport oder Verkauf entstehen und die sich in den Grenzen der empirisch festgestellten und in Vorschriften bestimmten Normen halten. Siehe die Anordnung Nr. 120 des Vorsitzenden des MinR. vom 30.10.1963 über die Normen für natürliche Verluste, in der der natürliche Verlust bezeichnet wird als „Verlust einer bestimmten Menge der Ware durch Verringerung des Anfangsgewichts bzw. des ursprünglichen Maßes infolge von Ursachen, die nach dem gegenwärtigen Stand der Technik nicht gänzlich beseitigt werden können" (§ 1 Abs. 1 des Anhangs zu dieser Anordnung — M . P. Nr. 89, Pos. 420). Die auf natürliche Verluste bezogenen Rechtsvorschriften sind u.v.a. in der Publikation von J. Grzeszczyk und M . Gintowt, Niedobory (manka) w handlu uspolecznionym (Fehlbeträge — Manko) im vergesellschafteten Handel), Warszawa 1962, 4. Aufl., S. 348. 142 Nach diesem Merkmal werden zufällige Schäden gebucht. Siehe § 59 Abs. 1 der Anordnung des FinMin. vom 2.1.1961 betreffend die Bestimmungen über das Haushalts-Rechnungswesen (M. P. Nr. 17, Pos. 87; Änderung: Nr. 2/1962, Pos. 4 und Nr. 72/1965, Pos. 414): „Fehlbeträge infolge von natürlichen Verlusten werden als Kosten abgeschrieben, Fehlbeträge infolge von zufälligen Schadenfällen werden als Verluste abgeschrieben" und §95 Pkt. 2 der Anordnung des FinMin. vom 4.12.1959 betreffend die Bestim-
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fälligen Schäden, die i m Schrifttum „tote K o s t e n " 1 4 3 oder „reine Verluste" 1 4 4 genannt werden, erhält die Tätigkeit der (Wirtschafts-) Einheit, die von ihnen betroffen wurde, weder direkt noch i n direkt irgendeine positive wirtschaftliche Effizienz. Sie können daher nicht als Produktionskosten qualifiziert werden, vielmehr werden sie direkt auf das Verlust- und Gewinnkonto gebucht, d.h. sie belasten den reinen Gewinn des Unternehmens und gehören nicht zu seinen Herstellungs-Selbstkosten. I m Gegensatz zum zufällig eintretenden Bedarf gehören die natürlichen Verluste (z.B. der Verlust von Stoffen und Produkten beim Transport, bei der L a gerung oder bei der Produktion) 1 4 5 wie auch die Amortisationsabschreibungen als Verluste, die m i t dem Produktionsprozeß organisch verbunden sind — als der i n Geld bezifferte Verschleiß der Grundm i t t e l i m Produktionsprozeß — zu den Produktionsverlusten und bilden daher einen Bestandteil der Selbstkosten des Unternehmens. Von dem allmählich eintretenden Verschleiß der Grundmittel unterscheidet sich der zufällige Bedarf auch dadurch, daß er plötzlich, häufig unabhängig vom Produktionsprozeß (z.B. infolge von Überschwemmungen), eintritt, daß er das gesamte Vermögen und nicht nur die Produktionsgrundmittel oder Gegenstände der ständigen Konsumtion betrifft und darüber hinaus häufig als Totalverlust (totale Vernichtung) und nicht nur als Teilverlust i n Erscheinung tritt. 5. Aus der Tatsache, daß es sich u m zufällige Schäden handelt, folgt zwar noch nicht, daß ein Schadenersatz vom Schädiger nicht zu mungen über die Buchführung in den E v W (M. P. Nr. 102, Pos. 546), demzufolge als Verluste — „ . . . außer den Ergebnissen der Geschäfts- und einer anderen Tätigkeit des Unternehmens" — abzuschreiben sind „...außergewöhnliche Verluste infolge von höherer Gewalt und von zufälligen Schadenfällen". Siehe W. Malec: Systematyka strat w przedsi^biorstwie przemyslow y m (Die Systematik von Verlusten in einem Industrieunternehmen), in: Zeszyty Naukowe WSE we Wroclawiu (Wissenschaftliche Hefte der W i r t schaftshochschule in Breslau), Heft I , Wroclaw 1956, S. 69—80. Malec betrachtet als Verluste außerhalb der Produktion ausschließlich Verluste, „die durch Naturkatastrophen" oder „durch dritte Personen verursacht werden" (S. 80). Solche Verluste (können und) werden als zufällige Schäden, im Gegensatz zu Produktionsverlusten, von der Versicherung gedeckt. Die letztgenannten „ . . . unterscheiden sich von zufälligen Schäden vor allem dadurch, daß das Unternehmen sie voraussehen und daher auch verhindern kann und soll" — A. Zabierzewski: Szkody produkcyjne w Swietle orzeczefi pafistwowych komisji arbitrazowych (Produktionsschäden im Lichte der Entscheidungen der staatlichen Arbitrage-Kommissionen), Wiad. Ub. Nr. 1/1957, S. 26 148 K. Secomski: Ekonomika ubezpieczeA (Versicherungsökonomik), ZUS, Warszawa 1947, S. 113. 144 Siehe A . A . Afanasjew: Zasady sporz^dzania bilansu (Die Grundsätze für die Erstellung einer Bilanz), Warszawa 1950, S. 85 ff. 145 Diese letztgenannten Verluste (z.B. Zuckerverluste bei der Verarbeitimg von Zuckerrüben, Mehlverluste bem Mahlen) werden auch „Produktionsschwund" genannt.
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erhalten sei 1 4 6 . Doch ist die Wahrscheinlichkeit einer solchen Entschädigung i n bezug auf die i n ihrer Gesamtheit erfaßten zufälligen Schäden unverhältnismäßig geringer als i n bezug auf andere (nicht zufällige) Schäden. Eben deswegen werden die zufälligen Schäden, der zufällig eintretende Bedarf von der Vermögensversicherung gedeckt, die diese Wahrscheinlichkeit i n eine Sicherheit verwandelt 1 4 7 . Für manche Schäden, so z.B. für die durch Naturgewalten verursachten Schäden, ist es nicht möglich, vom Schädiger über die Schadenersatzpflicht einen Ausgleich zu erlangen. Für Hagel- und Orkanschäden haftet niemand, zumal niemand als Täter i n Frage kommen kann. Gewöhnlich bezieht sich das auch auf gesellschaftliche Unfälle (Schadenfälle), z.B. auf Schäden, die die Folge von Massenkonflikten sind (auf Kriegsschäden oder A u f r u h r - und Panikschäden). Zum Teil g i l t das auch für technische Schadenfälle, für Schäden, die auf das Versagen der vom Geschädigten benutzten technischen Installationen zurückzuführen sind (z.B. für „elektrische Schäden", die durch eine an sich fehlerfreie Apparatur verursacht werden). Hierher gehören auch Schäden, die zwar auf das Verhalten eines bestimmten Rechtssubjekts zurückzuführen sind, aber unter solchen Bedingungen eintreten, welche die Wahrscheinlichkeit eines Schadenersatzes ausschließen oder auf ein M i n i m u m reduzieren, also Schäden, bei denen der Täter unbekannt oder nicht faßbar ist. Zu dieser Kategorie gehören meistens Raub- und Einbruchsdiebstahlfälle, Brandstiftungen, Verletzungen eines Passanten durch ein Kraftfahrzeug, wenn der Täter Fahrerflucht begeht, sowie verschiedenartige Fälle der Beschädigung oder des Verschwindens von Sachen (z.B. beim Transport), i n denen eins nur gewiß ist, daß nicht der Geschädigte der Täter ist. Durch Unzulänglichkeiten i n der Organisation hervorgerufene Unternehmensverluste, z.B. Betriebsunterbrechungen, die auf Nachlässigkeiten oder Ungeschicklichkeiten der Arbeiter zurückzuführen sind (z.B. das Verderbenlassen gelagerter Waren), sind selbstverständlich keine zufälligen Schäden, sondern Produktionsverluste, zumal sie organisatorisch m i t dem Produktionsprozeß i m Unternehmen verbunden sind, sich aus Umständen ergeben, i n denen die Produktion .abläuft. Sie stellen jedoch Verluste nur i n dem Umfang dar, i n dem Schadenersatzansprüche vom schuldigen Arbeiter nicht eingetrieben werden können und der nichtgedeckte Teil (dieser Verluste) i n die Selbstkosten des Unternehmens f ä l l t 1 4 8 . 146
Siehe das in § 3 in fine angeführte Beispiel. Siehe E. Borel: PrawdopodobieAstwo i pewnoSd (Wahrscheinlichkeit und Sicherheit), Warszawa 1963, S. 117 ff. 148 Ein Beispiel für eine richtige Klassifikation von Defiziten (Schäden) „bei Sachmitteln" finden wir u.a. in der Anordnung des FinMin. vom 147
§ 7. Methoden der Bekämpfung zafälliger Schäden
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§ 7. Methoden der Bekämpfung zufälliger Schäden Die Prävention ist zweifelsohne die am meisten geeignete Methode der Bekämpfung derjenigen Schäden, die durch Risiken sowohl i n der geographisch-natürlichen als auch i n der gesellschaftlichen Umwelt bedingt sind. Es ist bekanntlich leichter, vorsichtig m i t Feuer umzugehen, als einen Brand zu löschen, eine Krankheit zu verhüten, als sie auszuheilen. Die Ausgaben für Schadenverhütungsmittel sind i m allgemeinen unverhältnismäßig gering i m Vergleich zu den dadurch geretteten Werten. Man braucht hier nur gegenüberzustellen die K o sten für vorbeugende Maschinenüberholungen und die Verluste, die durch Maschinenschäden und Betriebsunterbrechungen entstehen; die Ausgaben für die Straßenverkehrsregelung (für Lichtampeln, „ V e r kehrserziehung" u.a.) und die Verkehrsunfallschäden; die Kosten der Tierschutzimpfungen und die wirtschaftlichen Folgen einer Epizootie (Tierseuchen, Massensterben des Viehs u.a.m.); die Ausgaben für Schneegitter an Eisenbahnschienen und die Verluste, die durch Transportunterbrechungen entstehen, oder die Ausgaben für die Schneeräumung. Andererseits ist zu bedenken, daß dem Erfolg und Wirkungsbereich der Prävention Grenzen gesetzt sind, insbesondere bei Naturkatastrophen: den vernichtenden Auswirkungen der vom Menschen nicht gebannten Naturgewalten. Man kann Vulkanausbrüche, Erdbeben, den Uberfluß oder Mängel an Regen, Orkane oder Hagelschlag nicht verhindern. I n diesen und ähnlichen Fällen, i n denen beim gegenwärtigen Stand der Naturwissenschaft und der Entwicklung der Technik das Eintreten von Schäden nicht verhindert werden kann, beschränkt sich die Prävention auf die V e r r i n g e r u n g der Schadenfolgen, z.B. auf die Rettung der Menschen und des b e w e g l i c h e n Vermögens durch Evakuierung aus den von Naturkatastrophen — z.B. einer Überschwemmung— bedrohten Gebieten. Da die Prävention hier die U r sachen nicht beseitigen kann, versucht sie, die Folgen zufälliger Ereignisse zu mildern; w e i l sie das Risiko nicht aus der Welt schaffen kann, bemüht sie sich, den Zeitpunkt seiner Realisierung hinauszuschieben. Diese a u f s c h i e b e n d e W i r k u n g der Prävention t r i t t vor allem i m Kampf m i t der Sterblichkeit auf. Der Tod eines Menschen ist eine natürliche und unabwendbare Notwendigkeit, aber durch die Verbesserung der Heilmethoden, der Hygiene und des allgemeinen Ge2.1.1961 ( M . P . Nr. 17, Pos. 87), in der „natürliche Verluste" und „Fehlbeträge infolge von zufälligen Schadenfällen" gegenübergestellt werden (§57 Abs. 2). Es sei hier jedoch erwähnt, daß der Ausdruck „zufälliger Schadenfall" hier in einem engeren Sinne verwendet wird, und zwar so wie er im vergesellschafteten Verkehr gebraucht wird. Siehe W. Warkallo, Odpowiedzialno§6 odszkodowawcza, I.e., S. 165, Anm. 4.
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sundheitsschutzes können w i r das Durchschnittsalter erhöhen 1 4 0 .
des Menschen
I n dem Umfang, i n dem die Prävention versagt (unmöglich, zu schwierig oder zu kostspielig ist), erfolgt die Schadenbekämpfung durch die Eindämmung u n d U n t e r d r ü c k i m g schadenverursachender Faktoren m i t H i l f e v o n R e p r e s s i o n s m i t t e l n . Je später diese M i t t e l angewendet werden und je größer der Wirkungsbereich schadenverursachender Erscheinungen ist, desto schwieriger ist die Schadenbekämpfung. Es ist leicht, eine glimmende G l u t zu beseitigen, doch sehr aufwendig u n d schwierig, einen W a l d - oder Kohlengrubenbrand zu löschen. Die Repressionsmittel erlauben uns allerdings nur, die Schäden einzuschränken, nicht aber, sie zu beseitigen 1 6 0 . M i t dem Fortschritt der Wissenschaft und Technik u n d m i t der E n t w i c k l u n g der Produktionskräfte v e r v o l l k o m m n e n sich auch die Präventions- u n d Repressionsmittel. I m antiken Rom bestand der Brandschutz vor allem darin, daß ein bestimmter Sklave (der sog. fornicarius servus) das Feuer i m offenen H e r d zu bewachen h a t t e (das bekannte „ignis custodiri debet"). G e g e n w ä r t i g v e r f ü g e n w i r über ein ganzes System v o n Brandschutzmitteln: es werden R i c h t l i n i e n f ü r die Feuersicherheit i m Bauwesen beachtet, feuerbeständige Baustoffe, Brandmauern u n d andere besondere Anlagen (z.B. eiserne Vorhänge i n Theatern zum Schutz des Zuschauerraums), selbstauslösende A l a r m anlagen u n d — als Repressionsmittel — ständige Feuerlöscheinrichtungen: Wasser-, Dampf-, Schaum-, Gas-, Schnee- u n d Pulveranlagen verwendet, Löschwasserbecken gebaut w i e auch verschiedene A r t e n v o n Feuerwehren — Berufs-, f r e i w i l l i g e u n d Pflichtfeuerwehren — organisiert. 149 Nach Angaben des Statistischen Jahrbuchs (Rocznik Statystyczny 1968, S. 61) ist in Polen das durchschnittliche Lebensalter in der Zeit von 1931/32 bis 1965/66 beachtlich angestiegen: bei Männern um 18,6 Jahre (von 48,2 auf 66,8 Jahre) und bei Frauen um 21,4 Jahre (von 51,4 auf 72,8 Jahre). 150 Ausgehend von der Systematik der Aufwände für die Prävention nach ihrer Wirksamkeit teilt A. Banasinski (Efektywno£6, I.e., S. 45) die Schadenfälle ein in: a) solche, die gänzlich verhindert werden können, und b) solche, deren Häufigkeit und Wirkungsausmaß eingeschränkt werden können. Darüber hinaus sondert er noch die Schadenfälle aus, deren Schädlichkeit verringert werden kann: c) nur durch eine Verbindung von Vorbeugungs- und Repressionsmaßnahmen sowie d) durch „Propaganda, Ausbildung und Belehrung der Bevölkerung hinsichtlich der Vorbeugungstätigkeit und der Unterdrückung von zufälligen Schäden". Banasifiski hebt zutreffenderweise den letzten, gewissermaßen „psychologischen" Aspekt der Bekämpfung von zufälligen Schäden hervor, der übrigens für alle Formen der Schadenbekämpfung von Bedeutung ist; er übersieht allerdings die Bedeutung der normativen Prävention. Ein weiterer Fehler seiner Ausführungen ist die Gleichstellung von zufälligen (schicksalhaften) Ereignissen und Zufällen (S. 36 ff.). Uber die dreifache Methode der Bekämpfung von Gefahren (in potentia, in actu und in effectu), die in der Prävention, Repression und Kompensation zum Ausdruck kommt, siehe W. Warkallo, Prawo i ryzyko, I.e., S. 40.
§ 7. Methoden der Bekämpfung zfälliger Schäden
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Die Herstellung technisch ständig verbesserter Schadenbekämpfungsmittel führt nur dann zum Erfolg, wenn die allgemeine und richtige Verwendung dieser M i t t e l auf Grund gesetzlich begründeter Pflichten gesichert und i m Rahmen planmäßig organisierter Aktionen zum Schutze des von einem bestimmten Risiko bedrohten gesamten Vermögens und Personenkreises realisiert wird. Die Vertilgung des Kartoffelkäfers innerhalb eines landwirtschaftlichen Anwesens bleibt erfolglos, wenn sich dieser Schädling auf den Nachbarfeldern vermehren kann, ebenso die auf einige Häuser oder Stadtbezirke beschränkte Rattenvertilgung, sofern die ganze Stadt von dieser Plage befallen worden ist. Ebenso ist es m i t den Präventionsaktionen, die nur dann einen Erfolg versprechen, wenn sie i n einem entsprechend grossen und deshalb gesetzlich zu regelnden Umfang durchgeführt werden. Zur Abwendung einer Überschwemmungsgefahr ist ein System von Wasserbau-Schutzanlagen am ganzen Flußufer (Dammbau, Flußregulierung, Erhöhung der Retentionsfähigkeit i m Flußgebiet, z.B. durch Aufforstung, Bau von Staudämmen u.a.m.) erforderlich, was selbstverständlich den Erlaß von Verwaltungs-, Finanz-, Z i v i l - oder anderen Rechtsvorschriften, die gelegentlich i n sog. Wassergesetzen zusammengefaßt werden, notwendig macht. Jeder Staat — unabhängig von seiner gesellschaftlich-wirtschaftlichen Ordnung — ist am Schutz seines Nationalvermögens und seiner Produktionskräfte vor zufällig eintretenden Schäden interessiert. Dennoch bestehen klare Unterschiede zwischen den gegen das Eintreten zufälliger Schäden gerichteten Tätigkeiten des sozialistischen und des kapitalistischen Staates. Nicht nur, w e i l die Fülle der auf zufällige Schäden bezogenen Normativakte i m sozialistischen Staat unvergleichlich reichhaltiger ist, sondern auch deswegen, w e i l die sozial-wirtschaftlichen Voraussetzungen der Schadenbekämpfung i n sozialistischen und kapitalistischen Staaten unterschiedlich sind. I n kapitalistischen Staaten w i r d die Präventions- und Repressionstätigkeit von den einzelnen Eigentümern oder von ihren Verbänden i m eigenen, privaten Interesse wahrgenommen, i n sozialistischen Staaten dagegen, i n denen die Hauptproduktionsmittel und überhaupt der wichtigste Teil des Nationalvermögens Eigentum des gesamten Volkes, eben Volkseigentum sind, sind die Bedingungen und auch die Notwendigkeit einer auf breiter gesellschaftlicher Basis organisierten Schadenbekämpfung i m Rahmen der wirtschaftsorganisatorischen Aufgaben des sozialistischen Staates vorhanden. Die i m kapitalistischen System vorhandenen Klassengegensätze erschweren die Mobilisierung der gesamten Nation für eine aktive Beteiligung am Vermögensschutz, insbesondere am Schutz der Produktionsmittel. Diese M i t t e l gehören nämlich nicht zum nationalen Eigentum, ja nicht einmal zum gesellschaftlichen Eigentum; sie befinden
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1. Kap.: Zufällige Ergebnisse und zufälliger Bedarf
sich vielmehr i m Eigentum einer verhältnismäßig kleinen Klasse der Kapitalisten, gehören zu dem aus der privaten Aneignung des Mehrwerts der Lohnarbeit entstandenen Vermögen, dessen Vermehrung sie auch weiterhin dienen sollen. I n der kapitalistischen Wirtschaft bestehen neben dem fundamentalen Gegensatz der Klasseninteressen noch andere, sei es antagonistische, sei es nichtantagonistische Gegensätze*, die dort zu unterschiedlichen Einstellungen gegenüber den verschiedenartigsten zufälligen Ereignissen führen und daher für gesellschaftlich breit angelegte Präventions- oder Repressionsaktionen nicht förderlich sind. Sind nicht die i n einem regnerischen Herbstwetter auftretenden Grippeepidemien, die für die Volkswirtschaft einen Verlust mehrerer Millionen von Arbeitsstunden zur Folge haben, konjunkturfordernd für freiberuflich tätige Ärzte, Apotheker und Arzneimittelproduzenten, und bedeutet nicht das Zunehmen der Sterblichkeit einen Gewinnzuwachs für die Eigentümer der Bestattungsinstitute? Und bereiten Ernteüberschüsse, die zur Senkung der Getreidepreise führen, den Grundbesitzern keine Sorgen, oder werden Getreidespekulanten nicht durch M i ß ernten bereichert? Eine Frostwelle fördert den Umsatz und damit auch den Gewinn der Heizmaterialhändler und der Pelzbetriebe; eine Hitzewelle wiederum fördert die K o n j u n k t u r der Verkäufer und Hersteller von Erfrischungsgetränken. Bedeutet nicht die durch einen Maschinenschaden oder durch einen Warenhausbrand verursachte Betriebsunterbrechung eine Chance für die Entwicklung des Konkurrenzunternehmens? Nur i m sozialistischen System bedeutet jede Vermögensvernichtung und jeder Verlust einer wirtschaftenden Einheit einen Verlust für alle, zumal hierdurch für niemanden Bereichungsmöglichkeiten geschaffen werden und die Kompensationsaufgaben die gesamte Gesellschaft direkt oder indirekt belasten. Kennzeichnend für den Kapitalismus ist sowohl das Sich-Abfinden m i t der Existenz des Risikos als einer „untrennbaren Seite" der W i r t schaftstätigkeit, der „ständigen Erscheinung der W i r t s c h a f t l i c h k e i t " 1 5 1 als auch die bewußte Schaffung von Risiken (speculative risks) durch riskante, jedoch die Erzielung großer Gewinne ermöglichende W i r t schaftstätigkeit. Das Tragen des Risikos (risk-bearing) gilt als moralische und w i r t schaftliche Rechtfertigung des Unternehmer-Gewinns; i n einigen Werken der bourgeoisen Wirtschaftsliteratur w i r d dies (das risk-bearing) sogar als einer der Produktionsfaktoren (a separate factor of production) bezeichnet 1 5 2 . Die bourgeoisen Theoretiker waren bereit, den Un* Vgl. die Anmerkung zum § 5, C. 161 Siehe B. Ohlin; Interregional and international trade, Cambridge 1935, S. 77, sowie F. H. Knight , I.e., S. 371. 152 D i e Fehlerhaftigkeit dieser bereits von B. Ohlin (I.e.) kritisierten Ansichten hat K. Secomski in seinen Arbeiten nachgewiesen, indem er gezeigt
§ 7. Methoden der Bekämpfung zfälliger Schäden
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tergang eines Schiffes, einen Maschinenschaden oder die Stillegung einer Fabrik als spezifische „Produktionsfaktoren" zu bezeichnen, nur um die Zahl der Rechtfertigungsgründe für den Gewinn des kapitalistischen Unternehmers zu vermehren. Der Sozialismus hat günstige Voraussetzungen für eine erfolgreiche Schadenbekämpfung sowohl i n bezug auf Vermögensrisiken als auch hinsichtlich der Personenrisiken geschaffen, für eine planmäßige Durchführung breiter, vom Staate organisierter und zentral gelenkter Präventions- und Repressionsaktionen, wofür sämtliche erforderlichen Kräfte und M i t t e l der Gesellschaft mobilisiert werden. Eine immer größere Rolle spielt hierbei die sozialistische Versicherung, die neben der Kompensationstätigkeit auch eine Schadenverhütungstätigkeit fördert und finanziert. Die positiven Auswirkungen der durch den sozialistischen Staat organisierten Schadenbekämpfung können jedoch nicht die Erkenntnis verschleiern, daß die auf diesem Gebiet bestehenden Möglichkeiten noch keinesfalls erschöpft sind, insbesondere was die Verhütimg von Maschinenschäden sowie von Betriebs- und Verkehrsunfällen angeht. Obwohl i n unserem Zeitalter große Fortschritte auf dem Gebiet des Vermögensschutzes wie auch des Schutzes des Lebens und der Gesundheit der Menschen erzielt worden sind, w i r d man kaum behaupten können, daß das Problem des zufälligen Bedarfs allein i m Wege der P r ä v e n t i o n und R e p r e s s i o n bewältigt werden könne. I m System der Präventions- und Repressionsmittel gibt es Lücken, die i m Wege der K o m p e n s a t i o n , d.h. i m Wege der Deckung entstandener Vermögenseinbußen und der Hilfeleistung für Invaliden und andere an der Gesundheit geschädigte Personen ausgefüllt werden müssen. I m ersten F a l l sprechen w i r von Entschädigungen, i m zweiten hauptsächlich von Versorgungen, Renten und Beihilfen. Für diese Zwecke müssen rechtzeitig entsprechende Reserven zurückgelegt werden, und zwar Geld- oder Sachreserven; es muß systematisch ein sog. V e r s i c h e r u n g s f o n d s der Gesellschaft gebildet werden. Den wesentlichen Teil dieses Fonds bilden i n der VRP die i m Wege der Wirtschaftsversicherung und der Sozialversicherung angesammelten finanziellen M i t t e l 1 6 8 . hat, daß das Risiko nicht als Faktor der wirtschaftlichen Tätigkeit betrachtet werden kann, wenngleich es auch diese Tätigkeit begleitet; siehe Ekonomika ubezpieczefi, I.e., S. 110—113. 158 Die allgemeine Problematik der Bekämpfung von zufälligen Schäden wurde in diesem Paragraphen so kurz wie möglich dargestellt. I n unserer Literatur ist diese Problematik am ausführlichsten in der Monographie von K . Secomski , Ekonomika ubezpieczeA, I.e., S. 115—124 ausgearbeitet worden. Sie beruht allerdings auf der Analyse der wirtschaftlichen Beziehungen und der Versicherungstätigkeit unter den Bedingungen des kapitalistischen Systems. 7 Warkatto
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1. Kap.: Zufällige Ergebnisse und zufälliger Bedarf
§ 8. Die Funktion des Rechts im Kampf gegen zufällige Schäden 154 A. Die rechtliche Regelung der Schadenbekämpfung Notwendige Voraussetzungen für einen erfolgreichen Kampf gegen die vernichtende W i r k u n g der Naturgewalten und gegen die durch die gesellschaftliche Umwelt bedingten Risiken sind die Erkenntnis und die vernünftige Ausnützung der objektiven Naturgesetze wie auch der Gesetze der gesellschaftlichen Entwicklung. Das Erkennen dieser Gesetze ermöglicht uns, die für die Schadenbekämpfung geeigneten M i t t e l zu finden; doch erst die Vorschriften des positiven Rechts gewährleisten die allgemeine Anwendung und dadurch auch die volle Effizienz dieser Mittel. Die rechtliche Verpflichtung zur Teilnahme an Schadenbekämpfungsaktionen ist also eine notwendige Voraussetzung für die allgemeine Erfüllung der Präventions- und Repressionsaufgaben. Es scheint, als hätten w i r es hier m i t einer eigenartigen Verflechtung der objektiven Naturgesetze m i t dem positiven Recht zu tun. Diese Verflechtung beruht darauf, daß das Erkennen der objektiven Naturgesetze einerseits die notwendige Voraussetzung für den Erlaß geeigneter Rechtsvorschriften ist und andererseits den Inhalt dieser Vorschriften determiniert. So z.B. werden i n den Bestimmungen über die erdbebensichere, feuerbeständige und überschwemmungssichere Bauweise, über den Schutz gegen schädliche Auswirkungen radioaktiver Strahlen und sogar i n den Bestimmungen über die Bekämpfung z.B. des Kartoffelkäfers unmittelbar die Kenntnisse der Naturgesetze 155 für 154 Ich lasse hier die Normen des konventionellen Rechts über die Schadenbekämpfung außer Betracht, die in zahlreichen internationalen Verträgen geregelt sind, insbesondere in Sanitäts-, Tier- und Pflanzenschutzverträgen, aber auch in See- (z.B. im Londoner Vertrag von 1948 über die Sicherheit des Lebens auf hoher See, im Brüsseler Vertrag von 1910 über Hilfeleistungen und Rettung auf hoher See) und vielen anderen Verträgen. Die vorliegende gekürzte Auflage beschränkt sich nämlich nur auf das inländische Recht. 156 Insofern muß die kategorische Behauptung z.B. von G. Auscaler (Prawo objektywne a prawo stanowione/ Das objektive Recht und das gesetzte Recht, in: Zycie Szkoly Wyzszej/Hochschulleben, Nr. 5/1953, S. 27), daß „Das gesetzte Recht nicht auf Naturgesetzen, sondern ausschließlich... auf gesellschaftlichen Gesetzen, vor allem auf ökonomischen Gesetzen beruht", als ungenau betrachtet werden. Solche Behauptungen sind zumindest in den Fällen bedenklich, in denen zum Gegenstand der rechtlichen Regelung Beziehungen gehören, die die Menschen mit Rücksicht auf die gesellschaftliche Erforderlichkeit der Bekämpfung der vernichtenden Wirkung von Naturgewalten— unter Ausnutzung bestimmter Naturgesetze — anknüpfen müssen. Es kann sein, daß dies dem Wesen nach technische Regeln sind, sie haben jedoch die Gestalt von Rechtsnormen, und sie begründen für die Bürger bestimmte Rechte und Pflichten. Siehe z.B. die Verordnung des MinR. vom 18.6.1968 über die Arbeitssicherheit und -hygiene bei der Anwendung von radioaktiven Strahlungen (Dz. U. Nr. 20, Pos. 122).
§ 8. Die Funktion des Hechts im Kampf gegen zufällige Schäden
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die Bekämpfung der durch zufällige Ereignisse verursachten Schäden wie auch für den Schutz des Lebens und des Vermögens des Menschen verwendet. Die i m Zuge der Ausübung der Präventions- und Repressionstätigkeit entstehenden gesellschaftlichen Verhältnisse erfordern eine rechtliche Regelung, und dies gewöhnlich durch Vorschriften auf verschiedenen Rechtsgebieten. So z.B. enthält das Dekret v. 23.4.1953 über Leistungen zur Bekämpfung von Naturkatastrophen (Dz. U. Nr. 23, Pos. 93) nicht nur verwaltungsrechtliche Vorschriften, durch die Pflichten zu persönlichen und sachlichen Leistungen begründet werden, sondern auch Strafbestimmungen (Art. 8) sowie zivil- und arbeitsrechtliche Bestimmungen (Art. 6) u.s.w. Oft kommen i n den gleichen Gesetzen nebeneinander Präventionsund Repressionsnormen vor, die vom Gesetzgeber unter dem weiteren Begriff der „ B e k ä m p f u n g " zufälliger Schäden zusammengefaßt werden. Als Beispiel hierfür möge Art. 1 der Verordnung des Präsidenten der Republik Polen v. 22.8.1927 über die Bekämpfung anstekkender Tierkrankheiten (Dz. U. Nr. 77, Pos. 673, m i t nachf. Ander.) dienen, wonach unter die „Bekämpfung" ansteckender Tierkrankheiten „sowohl die Verhütung als auch die Unterdrückung dieser K r a n k heiten" fallen, also sowohl Präventions- als auch Repressionsmaßnahmen. Das Gesetz vom 16.2.1961 über den Schutz der Anbaupflanzen vor Krankheiten, Schädlingen und Unkraut (Dz. U. Nr. 10, Pos. 55) versteht unter Schutzmaßnahmen sowohl Anordnungen präventiver A r t , wie z.B. die Einführung einer Quarantäne für Einfuhrpflanzen (Art. 14—16) sowie das Verbot des Transits und des Anbaus von Pflanzen, „die zur Brutstätte für Krankheiten, Schädlinge oder Unkraut werden können" (Art. 3 Pkt. 3 und 4), als auch Anordnungen eher repressiver A r t , z.B. die Verpflichtung zur Unkraut- und Schädlingsvertilgung, zur Vernichtung von Pflanzen und Pflanzenprodukten sowie „sämtlicher Gegenstände, die zur Brutstätte für Krankheiten, Schädlinge und Unkraut werden können" (Art. 3 Pkt. 2). Noch deutlicher kommt das i n den Ausführungsbestimmungen zum Ausdruck, z.B. i n der Verordnung des Landwirtschaftsministers v. 4.3.1957 über den Schutz der Obstbäume und -sträucher vor Krankheiten und Schädlingen (Dz. U. Nr. 15, Pos. 77). Das Gesetz vom 13.4.1960 über den Feuerschutz (Dz. U. Nr. 20, Pos. 120) und die Verordnung des M i nisters für Kommunalwirtschaft vom 14.7.1951 über die Verhütung der Entstehung und Verbreitung von Wald-, Wiesen-, Torf- und Heidefeldbränden (Dz. U. Nr. 40, Pos. 303), enthalten trotz ihres Namens auch Bestimmungen über die Feuerlöschung, also Normen repressiver A r t , d.h. Normen, die auf die Unterdrückung des Schadenfaktors a b zielen. 7*
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B. Normen repressiver Art Ein wesentlicher T e i l der Rechtsbestimmungen, die repressivartige Pflichten — Pflichten zur Bekämpfung bereits wirkender Schadenfakt o r e n — begründen, bezieht sich auf Risiken, die die Landwirtschaftsoder die Zuchtproduktion bedrohen, vor allem auf Tier- und Pflanzenseuchen und -Schädlinge. Die epidemieartigen Ausweitungen von Tierund Pflanzenkrankheiten wie auch die Tier- und Pflanzenschädlingsplagen, wenn sie auch i m Grunde Naturerscheinungen darstellen, sind jedoch durch den Entwicklungsstand der Zucht und Landwirtschaft bedingt. Die Bekämpfung dieser sozusagen an der Grenze zwischen Naturkatastrophen und gesellschaftlichen Kalamitätenschäden liegenden Risiken ist Gegenstand zahlreicher Normativakte, die eine organisierte und groß angelegte Repressionsaktion gewährleisten 15 *. Diese Zwischenstellung der oben besprochenen Risiken kommt indirekt dadurch zum Ausdruck, daß unser StGB als besondere Straftat die „ . . . Herbeiführung einer Gemeingefahr . . . durch die Verbreitung oder die Vereitelung der Unterdrückimg e i n e r . . . Tier- oder Pflanzenseuche" 157 (Art. 217) erwähnt. Schäden, die auf Tier- und Pflanzenseuchen, auf Schädlingseinwirkungen oder auf die Ausbreitung von Unkraut zurückzuführen sind, sind durch Ursachen bedingt, die i n der natürlichen (geographischen) Umwelt existieren. Doch häufig sind sie durch ein bestimmtes Verhalten des Menschen mitbedingt, wobei dieses menschliche Verhalten manchmal nicht nur einen Einfluß 166 Die Bekämpfung a n s t e c k e n d e r Tierkrankheiten regelt die Verordnung des Präsidenten der Republik Polen vom 22.8.1927 (Dz. U. Nr. 77, Pos. 673) und zahlreiche Ausführungsverordnungen. Auf die Bekämpfung von S e u c h e n und P f l a n z e n s c h ä d l i n g e n beziehen sich: das Gesetz vom 16.2.1961 über den Schutz von Anbaupflanzen vor Krankheiten, Schädlingen und Unkraut (Dz. U. Nr. 10, Pos. 55) sowie eine Reihe von Verordnungen betreffend: die Vernichtung von Sauerdorn, Unkraut und Pflanzenschädlingen, die Ausrottung von Feldnagetieren, die Bekämpfung der Blattlaus, der Blattwanze, des Kartoffelkrebses, der Kartoffelnematode, des Kartoffelkäfers, der Blutlaus usw. 157 Es ist zu betonen, daß die Rechtsprechung den in Art. 217 § 1 des StGB von 1932 verwendeten Ausdruck „Seuche" (zaraza) in einem weiteren Sinne gebraucht als die Biologie. So z.B. hat das OG in einer Entscheidung vom 1.12.1952 ( I K 1195/52, Zb. 1953, I I , 30) festgestellt, daß „unter den Begriff der Seuche, die Menschen und Tiere befällt eine empidemienartige Ausweitung einer Krankheit zu verstehen ist", daß unter diesen Begriff sowohl „der Kornwurm, der im großen Ausmaße Getreide vernichtet, als auch, z.B. der Kartoffelkäfer" fällt, „der vom wissenschaftlichen Gesichtspunkt aus betrachtet, keine Pflanzenseuche darstellt". (Eine solche extensive Auslegung ist heute insofern nicht mehr erforderlich, weil das neue StGB von 1969 diese Materie eingehender regelt; in Art. 140 § 1 Pkt 1 des StGB von 1969 ist ausdrücklich von einer „epidemischen Bedrohung", einer „Ausweitung einer ansteckenden Krankheit" und von einer „Ausweitung einer Tier- oder Pflanzenseuche" die Rede; vgl. auch Pkt. 2 und 3 dieser Bestimmung — E.G.)
§ 8. Die Funktion des Hechts im Kampf gegen zufällige Schäden
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auf das Ausmaß des Schadens haben, sondern auch für die Entstehung eines Schadens am betroffenen Vermögen ausschlaggebend sein kann158. I n diesen Fällen stellt die i m StGB vorgesehene strafrechtliche Repression eines der Schadenbekämpfungsmittel dar. Ähnlich verhält es sich beim Verbrechen, der Herbeiführung einer Katastrophe — eines Brandes, einer Überflutimg, Überschwemmung u.a.m. 1 5 9 . Die strafrechtliche Repression bezieht sich selbstverständlich ausschließlich nur auf natürliche Personen, die vorsätzlich, leichtsinnig oder fahrlässig gesellschaftsgefährliche strafbare Handlungen begangen haben 1 8 0 ; sie betrifft insofern nur einen verhältnismäßig geringen Teil der durch Faktoren der gesellschaftlichen Umwelt bedingten zufälligen Schäden. Man darf dabei nicht vergessen, daß sich sowohl der Gegenstand als auch der Zweck der strafrechtlichen Repression vom Zweck der der Schadenbekämpfung dienenden Repressionsnormen unterscheiden. Bei den letztgenannten geht es natürlich nicht u m die Bestrafung eines Täters zur Verwirklichung der General- oder Spezialprävention, sondern einfach um die Beseitigung des schadenverursachenden Faktors, i n der Regel u m seine physische Vernichtung. Ein typisches Beispiel hierfür sind die Bestimmungen des Beschlusses Nr. 75 des Regierungspräsidiums vom 29.1.1955 über die Ausrottung von Wölfen 1 6 1 , die Vorschriften über die Rattenvertilgung, die Desinfektion, die Insektenbekämpfung, die Fliegenvertilgung sowie die bereits erwähnten Bestimmungen über die Pflicht zur Bekämpfung der Feldnagetiere, des Kartoffelkäfers, der Blattläuse u.a.m., die Pflicht zur Vernichtung von 158 I n der oben zit. Entscheidung des OG ist der Angeklagte für schuldig befunden worden, die allgemeine Gefahr einer Pflanzenseuche, nämlich die Ausbreitung eines Pflanzenschädlings, dadurch verursacht zu haben, daß er „600 kg Vorjahrs-Korn, das i m 3. Grad vom Kornwurm befallen war" wissentlich einem Getreidelager geliefert hat. 159 Das StGB von 1969 regelt zwar diese Materie ausführlicher als das StGB von 1932, es enthält jedoch in dieser Hinsicht keine wesentlichen Änderungen. Die zu den Bestimmungen der Art. 215 und 217 StGB von 1932 entwickelte Rechtsprechung betreffend die Straftat gegen die allgemeine Sicherheit dürfte infolgedessen auch in bezug auf Art. 136, 140 f StGB von 1969 an Aktualität nichts eingebüßt haben. 180 Es geht hier um die Bestrafung für eine wissentliche Herbeiführung einer Brandgefahr oder einer anderen Katastrophe durch einen Menschen, nicht dagegen um die Bändigung der Elementargewalten bzw. um die Verantwortlichkeit für die Wirkung dieser Gewalten. Siehe die Urteile des OG vom 28.11.1952 ( I K 849/52) und vom 20.2.1953 ( I K 992/52) veröffentlicht in ZB. 1953, I I , 31 und 1953, I V , 57 wie auch die Definition des Brandes als „eine unberechenbare elementar artig wirkende Gewalt" (Zb. 405/35). Vgl. B. Holyst, N. P. Nr. 3/1957, S. 67—74. 181 Gemäß dieses Beschlusses des Präsidiums der Regierung und aufgrund der hierzu erlassenen Anordnung vom 26.2.1955 (M. P. Nr. 24, Pos. 242) werden für einen getöteten Wolf 1 000 ZI. oder 500 ZI. gezahlt, je nachdem, ob er bei einer individuellen oder kollektiven Jagd erlegt worden ist; für die Aushebung aus einem Nest und die Vernichtung eines jungen Wolfes werden 200 ZI gezahlt.
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„ K r a n k h e i t s b r u t s t ä t t e n " , „ v o n angesteckten u n d k r a n k h e i t s v e r d ä c h t i g e n P f l a n z e n u n d P f l a n z e n p r o d u k t e n " u.s.w. S o w o h l d i e P r ä v e n t i o n s - als a u c h d i e R e p r e s s i o n s m i t t e l h a b e n z u m Z i e l , das E n t s t e h e n v o n Schäden z u v e r h i n d e r n , u n d d a h e r i s t es m a n c h m a l s c h w i e r i g , z w i s c h e n i h n e n z u u n t e r s c h e i d e n 1 6 2 ; d e n n o c h ist eine solche U n t e r s c h e i d u n g z u m i n d e s t w e g e n des u n t e r s c h i e d l i c h e n Anwendungsbereichs beider M i t t e l begründet. A u c h w e n n m a n dem A u s d r u c k Repression eine m ö g l i c h s t a l l g e m e i n e B e d e u t u n g (z.B. e n t sprechend d e m W o r t s i n n des l a t e i n i s c h e n „reprimere" beimessen u n d als schadenbekämpfende Repression jede U n t e r d r ü c k u n g eines b e stehenden, d.h. eines d r o h e n d e n Gefahrenherdes a n e r k e n n e n w o l l t e , w ü r d e m a n k a u m v o n einer Repression gegenüber N a t u r k a t a s t r o p h e n (z.B. gegenüber Hagelschlag, O r k a n , d e r D ü r r e , d e r Ü b e r s c h w e m m u n g u.ä.) — a u s g e n o m m e n l e d i g l i c h d e n B r a n d 1 6 3 — sprechen k ö n n e n . D a gegen k a n n d i e P r ä v e n t i o n — g l e i c h g ü l t i g , ob m a n sie n u n als V e r h ü t u n g des A u f t r e t e n s eines Schadenfaktors oder e i n f a c h als Schadenv e r h ü t u n g a u f f a ß t — m i t E r f o l g i n bezug a u f fast a l l e R i s i k e n , e i n s c h l i e ß l i c h d e r N a t u r k a t a s t r o p h e n , a n g e w e n d e t w e r d e n 1 6 4 . A u s diesem G r u n d e i s t d i e Z a h l der R e c h t s v o r s c h r i f t e n , d i e d i e A n w e n d u n g v o n V e r h ü t u n g s m i t t e l n vorsehen, sehr g r o ß , u n v e r g l e i c h l i c h g r ö ß e r als die Z a h l der Repressionsnormen. 162 So z.B. würde der Wortlaut des §6 der Verordnung des Landwirtschaftsministers vom 14.12.1953 über die Schutzimpfung von Hunden gegen Tollwut (Dz. U. 1954, Nr. 4, Pos. 9 — „Hunde, die ohne entschuldbaren Grund nicht gegen Tollwut geimpft werden, sind nach Ablauf der für die betreffende Ortschaft bestimmten Impfungsfrist zu töten" — auf einen repressiven Charakter dieser Bestimmung deuten (in bezug auf den Eigentümer des Hundes, zumal er auf diese Weise des Gegenstandes seines Eigentums beraubt wird). Würde es hier jedoch nur um eine Bestrafung und nicht um eine Verhütung von Tollwutfällen gehen, so wäre es — unter der Voraussetzung der Anwendung allgemeiner Präventionsmaßnahmen — einfacher, dem Eigentümer eine Geldstrafe aufzuerlegen. Auch bei rein faktischen Handlungen — z.B. bei der Legung eines „Gegenfeuers" zur Eindämmung eines sich ausbreitenden Brandes — können Zweifel auftauchen, ob es sich hierbei um eine präventive oder repressive Maßnahme handelt. 168 U m einer überflüssigen Neuerungssucht aus dem Wege zu gehen, zählen wir in diesem Kapitel — im Einklang mit der angenommenen wissenschaftlichen Konvention — den Brand zu den Elementarereignissen. Den Namen Elementarereignis (klçska — calamité — E.G.) verdienen eigentlich nur der Wald- und Wiesenbrand, der Kohlenbrand in Bergwerken, der Brand einer ganzen Siedlung — wenn das Feuer tatsächlich mit der Stärke einer Elementargewalt auftritt und eine „ernsthafte Störung der Volkswirtschaft" verursacht (vgl. Art. 1 des Dekrets vom 23.4.1953 über Leistungen für die Bekämpfung von Elementarereignissen — Dz. U. Nr. 23, Pos. 93). Derartige Brände unterscheiden sich nicht nur „quantitativ", sondern auch „qualitativ" von den Bränden, die in einzelnen Häusern ausbrechen. Von solchen Bränden sagten schon die römischen Juristen (z.B. Paulus, Dig. 1. 15. 3.1), daß „plerumque culpa in habitantium fiunt". Vgl. die Überlegungen von B. Holyst über den Begriff des Brandes (I.e., S. 67—74). 164 Dieses Problem bespricht ausführlich W. Warkallo, Prawo i ryzyko, I.e., S. 41—56.
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C. Normen präventiver Art Präventionsnormen finden w i r i n fast allen Normativakten, i n denen Repressionsnormen (siehe oben) vorkommen, und darüber hinaus auch i n zahlreichen anderen Normativakten. Es genügt hier der Hinweis auf die außerordentlich zahlreichen, zur Verhütung von Industrieund Verkehrsschäden, von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten erlassenen Normativbestimmungen auf dem Gebiet der Arbeitssicherheit und -hygiene sowie der Arbeitsinspektion 1 6 5 . Ebenso zahlreich sind die Bestimmungen über den G e s u n d h e i t s s c h u t z für die Bevölkerung gegen Krankheiten (z.B. das Gesetz vom 13.11.1963 über die Bekämpfung ansteckender Krankheiten — Dz. U. Nr. 50, Pos. 279 — und viele Verordnungen, die die Pflicht zur Schutzimpfung gegen Diphtheritis, Bauchtyphus, Pocken, Tuberkulose, Kinderlähmung u.a.m. einführen). Es wurden auch zahlreiche Normativakte betreffend den T i e r s c h u t z erlassen (z.B. die zit. Verordnung des Präsidenten der Republik Polen vom 22.8.1927 über die Bekämpfung ansteckender Tierkrankheiten), u.a. Bestimmungen über die Pflicht zur Tierschutzimpfung (z.B. der Hunde gegen T o l l w u t 1 6 6 ) sowie Bestimmungen betreffend den S c h u t z v o n P f l a n z e n gegen Krankheiten, Schädlinge und Unkraut (das Gesetz vom 16.2.1961 u. andere). Die Präventionsnormen weisen neben ihrer großen Zahl auch noch eine ungewöhnliche Verschiedenartigkeit auf sowohl i n bezug auf ihre Wichtigkeit als auch hinsichtlich ihres Gegenstandes. Z u ihnen gehören zahlreiche Bestimmungen des Wasserrechts, des Gesetzes vom 30.5.1962 (Dz. U. Nr. 34, Pos. 158) und der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Verordnungen, z.B. der Verordnung des MinR. vom 13.2.1963 über die Teilnahme an der unmittelbaren Schutzaktion gegen eine Überschwemmung (Dz. U. Nr. 5, Pos. 32),ebenso wie die grundsätzlichen Feuerschutzbestimmungen, z.B. das zit. Gesetz vom 13.4.1960 über den Feuerschutz sowie Sonderbestimmungen, wie z.B. die Verordnung des Ministers für Kommunalwirtschaft vom 28.8.1951 betreffend die Verhütung der Entstehung und Ausweitung von Gebäudebränden (Dz. U. Nr. 49, Pos. 360), die Verordnung des Ministers für K o m m u n a l w i r t schaft vom 21.3.1952 über die Bedingungen der Lagerung von Landwirtschaftsprodukten und über den Feuerschutz beim Ausdrusch (Dz. U. Nr. 34, Pos. 244, Änderung i n Dz. U. 1957, Nr. 41, Pos. 183) und vom 166 Siehe die von R. Garlicki, E. Modliiiski und L. Taniewski ausgearbeitete Sammlung von Vorschriften über die Arbeitssicherheit und -hygiene (Zbiör przepisöw bezpieczenstwa i higieny pracy), Warschau 1965, 1040 S., die 238 Normativakten umfaßt. Vgl. auch das Gesetz vom 29.3.1965 über die Arbeitssicherheit und -hygiene (Dz. U. Nr. 13, Pos. 91) und den sog. Straßenkodex (Gesetz vom 27.11.1961 über die Sicherheit und Ordnung des Verkehrs auf öffentlichen Straßen — Dz. U. Nr. 53, Pos. 295) sowie zahlreiche weitere auf dieser Grundlage verabschiedete Normativakte. 186 Dz. U. 1954, Nr. 4, Pos. 9.
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11.6.1952 über die Reinigung von Schornsteinen, Rauchableitungen und Auspuffen (Dz. U. Nr. 36, Pos. 252). Hierher gehören auch die Verordnung des Ministers für die Schiffahrt vom 12.7.1954 betreffend die Vorschriften über die Verhütung von Zusammenstößen auf hoher See (Dz. U. Nr. 44, Pos. 207), die Anordnung des Verkehrsministers vom 31.12.1962 über die notwendigen Bedingungen der Luftfahrtsicherheit (M. P. Nr. 4, Pos. 20) sowie zahlreiche Bestimmungen, die den Wagenund Fußgängerverkehr auf öffentlichen Straßen regeln, Vorschriften über Jagdzeiten (Dz. U. 1959, Nr. 59, Pos. 353) oder die Bestimmungen über die Verhütung der Vermehrimg der i n Freiheit lebenden Bisamratten (Gesetz vom 10.3.1932 — D z . U. Nr. 33, Pos. 342). I n den oben erwähnten Fällen handelt es sich meistens u m verwaltungsrechtliche Vorschriften; aber Präventionsnormen kommen auf fast allen Rechtsgebieten vor, u.a. auch i m Zivilrecht. So z.B. enthält das ZGB eine Reihe von Vorschriften, die zu einem aktiven Verhalten gegenüber einer drohenden Gefahr verpflichten und gleichzeitig die Rechtsverhältnisse regeln, die durch ein solches Verhalten entstehen. Einige dieser Vorschriften ermächtigen sogar zu Handlungen, die sonst unerlaubt sind, sofern sie zur Abwendung einer unmittelbar drohenden Gefahr notwendig sind 1 8 7 . Andere Vorschriften wiederum sehen Ersatzansprüche für die i m Zusammenhang m i t Präventionshandlungen erlittenen Schäden vor (Art. 127 § 2, 438, 757, 826 § 3) oder Ansprüche gegen Dritte auf Vornahme von Maßnahmen zur Gefahrenabwendung (Art. 439); darüber hinaus verpflichten einige Vorschriften zu bestimmten Handlungen zwecks Verhütung eines drohenden Schadens (Art. 127 § 1, 826 § l ) 1 8 8 . Das gegen Schäden gerichtete Präventionselement wohnt zahlreichen anderen Rechtsvorschriften inne; es gibt sogar Theorien, die jede zivilrechtliche Haftung auf die Idee der sog. gesellschaftlichen Prävention zurückführen 1 8 9 . w Art. 142, 423 und 424 ZGB. Vgl. W. Warkallo: Wykonywanie zobowi^zafi i skutki ich niewykonania wedlug kodeksu cywilnego (Die Erfüllung von Verbindlichkeiten und die Folgen der Nichterfüllung nach dem Zivilgesetzbuch), PiP 1965, Nr. 8—9, S. 217—218 sowie Wykonanie zobowiQzafi i skutki ich niewykonania (Die Erfüllung von Verbindlichkeiten und die Folgen der Nichterfüllung), Skriptum, Katowice 1966, S. 46 f. 1 M Siehe z.B. die Arbeit von G. Marton, I.e., und Versuch eines einheitlichen Systems der zivilrechtlichen Haftung, in AcP, Bd. 162 (1963), Heft 1—2 sowie die zweibändige Monographie von S. Luby: Prevencia a zodpovednost v oböianskom präve (Prävention und Haftung im Zivilrecht), Preßburg 1958. Vgl. W. Warkallo, Odpowiedzialno§6 odszkodowawcza, I.e., S. 13—64 und das dort zit. Schrifttum. Z u weit gehende Schlüsse scheint Z. Szymaüski (Wiad.Ub. Nr. 8/1961, S. 8) aus der präventiven Funktion des Rechts zu ziehen, er vergleicht den „modernen Staat" mit einer „großen Präventionsorganisation". 188
§ 8. Die Funktion des Hechts im Kampf gegen zufällige Schäden
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D. Rechtsnormen, die eine Kompensation gewährleisten V o n d e n R e c h t s n o r m e n , d i e a u f d i e Repression u n d P r ä v e n t i o n i m K a m p f gegen z u f ä l l i g e S c h ä d e n g e r i c h t e t s i n d , s i n d d i e j e n i g e n N o r m e n z u u n t e r s c h e i d e n , a u f G r u n d d e r e r eine v o n e i n e m z u f ä l l i g e n E r e i g n i s b e t r o f f e n e P e r s o n eine v o l l e oder eine T e i l e n t s c h ä d i g u n g oder eine materielle H i l f e z u r gänzlichen oder teilweisen K o m p e n s a t i o n eines e r l i t t e n e n V e r l u s t e s e r h ä l t . Diese N o r m e n , d i e m a n k u r z K o m p e n s a t i o n s n o r m e n n e n n t , f i n d e n d a n n A n w e n d u n g , w e n n sow o h l d i e Repression als a u c h d i e P r ä v e n t i o n v e r s a g t h a b e n 1 7 0 . Sie s t e l l e n ebenfalls e i n e n F a k t o r i m K a m p f g e g e n z u f ä l l i g e S c h ä d e n d a r ; i n diesem F a l l b e r u h t jedoch die Schadenbekämpfung n i c h t auf der V e r h ü t u n g drohender Verluste, sondern auf der M i l d e r u n g der Folgen b e r e i t s e n t s t a n d e n e r V e r l u s t e . Diese M i l d e r u n g e r f o l g t d u r c h d i e A b w ä l z u n g des V e r l u s t e s a u f eine andere P e r s o n (z.B. a u f d e n T ä t e r ) , d u r c h d i e A u f t e i l u n g dieses V e r l u s t e s oder d u r c h d i e Ü b e r w ä l z u n g dieses V e r l u s t e s a u f d i e G e s a m t h e i t d e r B ü r g e r (z.B. d u r c h E n t s c h ä d i g u n g e n oder a n d e r e L e i s t u n g e n aus d e m S t a a t s h a u s h a l t ) 1 7 1 . 170 Eine besondere Kategorie von Kompensationsnormen stellen die Vorschriften dar, aufgrund derer Personen entschädigt werden, die bei der Bekämpfung einer fremdes oder volkseigenes Vermögen bedrohenden Gefahr einen Schaden erlitten haben, gleichgültig, ob sie freiwillig oder in Erfüllung einer gesetzlichen Pflicht an einer solchen Bekämpfungsaktion teilgenommen haben. Diese Personen, die ihre Gesundheit oder ihr Vermögen aufs Spiel setzen, um bestimmte Objekte, die nicht ihr Eigentum sind, zu retten, erhalten in bestimmten Fällen eine Entschädigung auf Kosten des Staatshaushalts. Siehe Art. 20 des Gesetzes vom 13.4.1960 über den Feuerschutz (Dz. U. Nr. 20, Pos. 120), die §§7 und 6 der zitierten Verordnung des MinR. vom 13.2.1963 und die §§ 1 und 2 der Verordnung des MinR. vom 2.2.1963 über Leistungen für Personen, die im Zusammenhang mit der Beteiligung an einer Aktion zum Schutze vor Überschwemmung einen Unfall erlitten haben (Dz. U. Nr. 4, Pos. 22), wie auch W. Warkallo, P U G Nr. 9/1956, S. 331—336. Siehe die oben unter Pkt. C in fine angeführten Bestimmungen des Z G B — Art. 438, 757, 826 § 3 und vor allem Art. 127 § 2 betreffend die Vergütung von Schäden, die bei einer Rettung gesellschaftlichen Vermögens entstanden sind. 171 Diese drei Arten der Kompensation von Verlusten sind weiterhin von Bedeutung in bezug auf Verluste am Volksvermögen, auch wenn diese Verluste naturgemäß im maximalen Ausmaße auf alle Bürger verteilt werden. M i t Rücksicht auf die Prävention und die wirtschaftliche Rechnungsführung ist es gerechtfertigt, die Regelung, derzufolge eine staatliche juristische Person einer anderen staatlichen juristischen Person gegenüber für einen herbeigeführten Schaden haftet, beizubehalten (siehe hierzu W. Warkallo: Z problematyki skutköw prawnych niewykonania zobowiqzafi — Materialy dyskusyjne do projektu k.c. P R L / Z u r Problematik der Rechtsfolgen der Nichterfüllung von Verbindlichkeiten — Diskussionsmaterial zum Entwurf des ZGB der VHP, Warszawa 1955, S. 188). Die Schadenverteilung durch die Versicherung stärkt die Selbständigkeit der nach den Grundsätzen der wirtschaftlichen Rechnungsführung arbeitenden staatlichen Einheiten. U n ter diesen Umständen werden Verluste am Volksvermögen nur in den Fällen auf alle Bürger (über den Haushalt) verteilt, in denen sie nicht im Rahmen der Täterhaftung (ex delicto oder ex contractu) oder im Rahmen der Vermögensversicherung gedeckt werden.
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1. Kap.: Zufällige Ergebnisse und zufälliger Bedarf
Der Anwendungsbereich dieser Normen ist größer als derjenige der Präventions- oder Repressionsnormen; es gibt nämlich, theoretisch gesehen, keine Hindernisse für die Zuerkennung einer Kompensationsleistung i n jedem F a l l des Eintretens eines zufälligen Schadens. I n der Praxis entscheiden jedoch darüber, ob i m gegebenen F a l l eine Entschädigung auszuzahlen oder eine andere Kompensationsleistung zu erbringen ist oder nicht, die jeweils einschlägigen Kompensationsnormen, z.B. die Vorschriften über die zivilrechtliche Haftung, über die Vermögens- und Personenversicherung, über die Sozialversicherung, über Renten und Versorgungen. Wenn es wiederum u m Hilfeleistungen i n Geld oder i n natura aus dem Staatshaushalt oder aus volkseigenen Sachreserven geht, ohne daß hierfür eine bestimmte Rechtspflicht besteht (z.B. i m F a l l einer Mißernte oder Überschwemmung, von denen ganze Landesteile betroffen sind), so ist es erforderlich, daß eine solche Hilfe i n einem besonderen Normativakt vorgesehen ist, wobei über das Ausmaß dieser Hilfe vor allem finanzwirtschaftliche Belange entscheiden. I m Bereich der Kompensation zufälliger Schäden spielt das Recht eine selbständigere und auch wesentlichere Rolle als i m Bereich der Prävention und Repression. I m Hinblick auf die Verhütung und Unterdrückung von zufälligen Schäden beschränkt sich das Recht eher darauf, den aus der Erfahrung, Technologie und Naturwissenschaft gewonnenen Geboten des Handelns rechtliche Verbindlichkeit zu verschaffen; es gewährleistet die Erfüllung der (ihrer Natur nach faktischen) Handlungen, die auf die Unterdrückung einer sich v e r w i r k lichenden Gefahr oder auf die Verhütung der Entstehung eines Schadenfaktors gerichtet sind. Dagegen bestimmen die Kompensationsnormen, ob einen entstandenen Schaden der Geschädigte selbst, eine dritte Person, ein bestimmtes K o l l e k t i v oder aber die gesamte Gesellschaft zu tragen hat, ob der Geschädigte vollständig oder nur teilweise entschädigt werden oder ob er nur eine Sozialhilfe erhalten soll. Diese Behauptung kann an Hand eines Beispiels betreffend das Feuerrisiko veranschaulicht werden. Die Präventionsnorm, der zufolge ein Heuschober, nicht näher als 100m von Eisenbahngeleisen entfernt errichtet werden darf, ist eine Rechtsvorschrift (Verordnung des Ministers für Kommunalwirtschaft vom 21.3.1952 — Dz.U. Nr. 34, Pos. 244), die lediglich einen Erfahrungssatz der Feuersicherheit zum Ausdruck bringt. Das gleiche gilt mutatis mutandis für die R e p r e s s i o n s n o r m , welche diejenigen Personen, die sich i n der Nähe eines Brandes befinden, zum u n v e r z ü g l i c h e n L ö s c h e n dieses Brandes verpflichtet, ohne erst auf das Eintreffen der Feuerwehr zu warten (aus der Anordnung des Ministers für Kommunalwirtschaft vom 29.1.1951— M. P. Nr. A —11, Pos. 166). Dagegen hat die ver-
§ 8. Die Funktion des Hechts im Kampf gegen zufällige S c h ä d e n 1 0 7
sicherungsrechtliche Vorschrift (§§ 2, 3 und 13 der Verordnung des MinR. vom 28.1.1958 über die Pflichtversicherung des Mobiliars der Landwirtschaften — Dz. U. Nr. 14, Pos. 59), die die P Z U zur Auszahlung einer bestimmten Entschädigung für Brandschäden verpflichtet, einen anderen Charakter. Hier geht es u m eine Verbindlichkeit aus dem Versicherungsrechtsverhältnis; über die Geltung und den U m fang dieser Verbindlichkeit entscheidet das Recht, das i m Rahmen der Versicherung die Befriedigung eines bestimmten, von i h m anerkannten, wirtschaftlichen Bedarfs gewährleistet. Das bezieht sich auch auf Regreßansprüche der P Z U gegen die Polnische Staatsbahn (PKP), die, sofern der Brand durch den Funken einer Lokomotive ausgelöst w o r den ist, i n Höhe der an die L P G ausgezahlten Versicherungsentschädigung bestehen (§ 30 der Verordnung des MinR. vom 28.1.1958). Hat bei einer Feuerrettungsaktion ein Mensch den Tod, eine dauerhafte Verkrüppelung oder einen Vermögensschaden erlitten, so erhalten die Geschädigten, nämlich der Invalide oder die Familienangehörigen des Verstorbenen, eine bestimmte Leistung aus der Sozialversicherung (auf Grund des A r t . 26 des erwähnten Gesetzes über den Feuerschutz und des § 4 Abs. 2 Pkt. 3 der Verordnung des Vorsitzenden des Komitees für Arbeit und Löhne vom 25.7.1969— Dz. U. Nr. 23, Pos. 170); für das verlorene oder beschädigte Vermögen wiederum zahlt die P Z U eine Entschädigung „ i n voller Schadenhöhe" (§ 3 der Verordnung des MinR. vom 16.8.1963 über die Entschädigung für Sachen, die bei einer Rettungsaktion oder bei Feuerwehrübungen verwendet wurden — Dz. U. Nr. 37, Pos. 214). Ähnliche Leistungen und Entschädigungen stehen dem Geschädigten bei der Bekämpfung anderer Katastrophen zu, z.B. auf Grund der Verordnung des MinR. vom 16.6.1954 über den Ausgleich von Schäden, die i m Zusammenhang m i t der Beteiligung an einer Bekämpfungsaktion gegen Naturkatastrophen erlitten worden sind (Dz. U. Nr. 29, Pos. 112), der Verordnung des MinR. vom 2.2.1963 über Leistungen an Personen, die i m Zusammenhang m i t der Beteiligung an einer Schutzaktion gegen eine Überschwemmung einen Unfall erlitten haben (Dz. U. Nr. 4, Pos. 22) 172 . 172 Es ist selbstverständlich, daß die hier erwähnten Kompensationsnormen wie auch die analoge Norm betreffend diejenigen Personen, die einen Gesundheitsschaden „bei der Rettung anderer Bürger vor einer das Leben dieser Bürger bedrohenden Gefahr" erlitten haben (§4 Abs. 1 Pkt. 1 der Verordnung des Vorsitzenden des Komitees für Arbeit und Löhne vom 25.7.1969 über Arbeitsunfälle — Dz. U. Nr. 23, Pos. 170) eine große präventive und auch repressive Bedeutung haben. Die Gewißheit, daß für erlittene Gesundheits- oder Sachschäden Entschädigungen und andere Leistungen gewährt werden, kann dem Bürger die Entscheidung leichter machen, sich einer Gefahr im Zusammenhang mit der Beteiligung an einer Rettungsaktion auszusetzen. Eine ähnliche Wirkung haben die Belohnungen für die Aufdeckung potentieller Gefahrenquellen, von denen z.B. in der bereits erwähnten Anordnung der Minister für das Hüttenwesen, für den Binnenhandel, für das Kleingewerbe und Handwerk sowie für die Eisenbahn vom
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1. Kap.: Zufällige Ergebnisse und zufälliger Bedarf
Wie bereits erwähnt, enthält das ZGB i n A r t . 127 § 1 eine allgemeine Regel, derzufolge „einem Bürger, der beim Retten gesellschaftlichen Eigentums einen persönlichen oder Vermögensschaden erlitten hat, ein Entschädigungsanspruch zusteht". I n der vorliegenden, dem Versicherungsschutz für das gesellschaftliche Eigentum gewidmeten Arbeit geht es u m wichtige Gruppen der Kompensationsnormen betreffend die Versicherungsentschädigung für zufällige Schäden am gesellschaftlichen Vermögen sowie u m Präventionsnormen, die sich auf die Verhütungstätigkeit der Versicherungsanstalt beziehen; diese Normen werden i n den weiteren Kapiteln dieses Buches besprochen.
30.11.1953 (über die Grundsätze und die A r t der Zuerkennung wie auch die Höhe der Belohnungen für Arbeitnehmer für die Aufdeckung von gefährlichen und explosiven Gegenständen in Trümmerhaufen — M . P. 1954, Nr. A-46, Pos. 646) die Rede ist. Siehe oben Anm. 170.
Zweites
Kapitel
Versicherungs-Fonds und geschichtliche Versicherungstypen1 § 9. Der Versicherungs-Fonds der Gesellschaft Der Begriff des Versicherungs-Fonds der Gesellschaft — verstanden als die von vornherein für die K o m p e n s a t i o n wirtschaftl i c h n e g a t i v e r F o l g e n z u f ä l l i g e r E r e i g n i s s e vorgesehene und tatsächlich verwendete G e s a m t h e i t materieller M i t t e l — Geld- und Sachmittel einer Gesellschaft — ist eher eine Erkenntniskategorie, eine theoretische Konstruktion. I n der Praxis sind nämlich diese M i t t e l niemals, weder organisatorisch noch evidenzmässig, vollständig von anderen i n der Gesellschaft vorhandenen materiellen Reserven abgesondert, und daher stellen sie auch keinen gesonderten Fonds i m engen Sinne des Wortes dar. Dennoch scheint diese von sowjetischen Gelehrten 2 i n Anlehnung an die Ansichten von M a r x ( i m Kapital
u n d i n d e r Kritik
des Gothaer
Programms)
gebildete
Konstruktion nützlich und zweckmäßig als Hilfs-Begriffskategorie. Sie erleichtert es zu verstehen, daß ein bestimmter T e i l des Nationaleinkommens von vornherein für die Deckung von Verlusten und für die Befriedigung von Bedürfnissen, die durch zufällige Ereignisse hervorgerufen werden, vorgesehen werden muß, um die Kontinuität der Produktion und Konsumtion zu sichern. Darüber hinaus erleichtert der Begriff des Versicherungs-Fonds der Gesellschaft wegen seiner synthetisierenden Eigenschaft die Entdeckung einzelner, nicht zu den Versicherungsreserven gehörender Reserven (d.h. anderer als der von den Versicherern i m Wege der Prämieneinnahmen von den Versicherungsnehmern gebildeten Reserven), die ebenfalls wenn nicht gänzlich, 1 Den ersten gelungenen Versuch einer marxistischen Periodisierung der Geschichte der Versicherung enthält die wertvolle Monographie des sowjetischen Gelehrten V . K . Rajcher , Obäöestvenno-istoriCeskie tipy strachovanija, I.e. (besprochen von M . W. Gordon in SGiP Nr. 9/1948, S. 101 ff. und W. Warkallo in PiP Nr. 11/1948, S. 111 ff.), deren polnische Ubersetzung O.e.) in den Anmerkungen dieser Arbeit des öfteren zitiert wird. 2 I n der sozialistischen Versicherungslehre machte V. K. Rajcher den Begriff des Versicherungs-Fonds der Gesellschaft populär, dem er einen umfangreichen Teil seiner oben zitierten Arbeit (den gesamten I. Teil: S. 9— 50) widmete; seine schöpferischen und tiefsinnigen Ausführungen sind allerdings eher deskriptiv, er behandelt dieses Problem von Seiten der geschichtlichen Entwicklung.
110
2. Kap.: Versicherungs-Fonds und geschichtliche Versicherungstypen
so d o c h v o r w i e g e n d f ü r d i e D e c k u n g b e s t i m m t e r F o l g e n z u f ä l l i g e r Ereignisse v o r g e s e h e n sind. H i e r h e r g e h ö r e n : d e r z e n t r a l i s i e r t e R e serve-Fonds i n den V e r e i n i g u n g e n der PGRs f ü r die D e c k u n g „ ü b e r u n d nichtplanmäßiger Verluste" bei den PGRs8, die i n den LPGs „ f ü r den F a l l . . . einer N a t u r k a t a s t r o p h e " 4 vorhandenen Saat- u n d F u t t e r - R e s e r v e n , m a t e r i e l l e R ü c k l a g e n des A m t e s f ü r S t a a t s - R e s e r v e n (Urz^d Rezerw P a n s t w o w y c h ) 5 , die Reserve-Mittel i m zentralen Staatshaushalt6 u n d viele andere7. I n e i n e r k r i t i s c h e n S t e l l u n g n a h m e z u r Lassalschen T h e o r i e v o m „ u n v e r k ü r z t e n A r b e i t s e r t r a g " weist K a r l M a r x auf die „ökonomische N o t w e n d i g k e i t " der Abzüge v o m gesellschaftlichen Gesamtprodukt h i n , v o r a l l e m a u f d i e A b z ü g e „ z u m Ersatz d e r v e r b r a u c h t e n P r o d u k tionsmittel", „ f ü r die Ausdehnung der P r o d u k t i o n " sowie f ü r die B i l d u n g v o n „ R e s e r v e n oder A s s e k u r a n z f o n d s zur Versicherung gegen Mißfälle, Störungen d u r c h Naturereignisse etc."8. Diese A b z ü g e d i e n e n u n m i t t e l b a r d e r P r o d u k t i o n , i h r e G r ö ß e „ i s t z u bestimmen nach vorhandenen M i t t e l n u n d K r ä f t e n " , der Versicher u n g s - F o n d s dagegen „ d u r c h W a h r s c h e i n l i c h k e i t s r e c h n u n g " . 8 Siehe die §§ 11 und 22 des Beschlusses Nr. 42 des MinR. vom 19.2.1964 über die Grundsätze der Finanzwirtschaft der PGRs (Staatliche Landwirtschaftliche Betriebe — E.G.), die von der zentralen und örtlichen Planung erfaßt werden (M. P. Nr. 17, Pos. 79) sowie § 7 der Anordnung des FinMin. vom 3.7.1964 über d i e . A r t der Abrechnung der PGRs mit dem Haushalt, (M. P. Nr. 48, Pos. 233). Diese Anordnung bestimmt — i m Gegensatz zu der in dieser Hinsicht vorher geltenden Anordnung vom 2.10.1959 (M. P. Nr. 87, Pos. 457 — § 10 Abs. 4) — nicht ausdrücklich, daß aus den Mitteln des zentralisierten Reserve-Fonds u.a. zu decken sind „die finanziellen Folgen zufälliger Schäden (Überschwemmung, Hagelschlag, Seuche u.dgl.) — sofern die landwirtschaftlichen Betriebe hierfür keine Entschädigungen erhalten". Dennoch erfüllt der Reserve-Fonds auch weiterhin diese Kompensationsaufgabe. 4 Siehe Art. 118 Pkt. 1 des Gesetzes vom 17.2.1961 über die Genossenschaften und ihre Verbände (Dz. U. Nr. 12, Pos. 61) sowie die Musterstatute der LPGs: Typus I — § 6 0 Pkt. 1, Typus I I — §56 Abs. 2 Pkt. 1. 5 Gesetz vom 7.3.1950 über das A m t für Staats-Reserven (Urz^d Rezerw Paästwowych — Dz. U. Nr. 10, Pos. 103; Änderung: D z . U . Nr. 41/1956, Pos. 191). 8 Siehe z.B. das Haushaltsgesetz für 1968 vom 20.12.1968 (Dz.U. Nr. 47, Pos. 338 Anhang 1, Teil 72). 7 I n dieser Monographie verzichten wir auf eine eingehende Besprechung und erschöpfende Aufzählung aller in der Volksrepublik Polen außerhalb der Versicherung bestehenden Fonds, die zum Versicherungs-Fonds der Gesellschaft gehören. Einige Versuche in dieser Richtung habe ich in früheren Arbeiten unternommen, z.B. in der Einführung in die Versicherungslehre (Wst^p, I.e.); siehe z.B. die dort angeführte synoptische Darstellung der Verstreuung des Versicherungs-Fonds in der UdSSR und in Polen (S. 53—57). Eine Zusammenstellung der in Polen außerhalb der Versicherung bestehenden Reserven enthält die Arbeit von S. Dmochowski, Ubezpieczenie mienia pafistwowego w gospodarce planowej, I.e., erste Auflage, S. 46 ff. 8 K. M a r x : Kritik des Gothaer Programms (in der polnischen Ausgabe: K. Marx und F. Engels: Dziela wybrane/Ausgewählte Werke/, Warszawa 1949, Bd. I I , S. 13). Vgl. V. K. Rajcher, I.e., S. 14—15 und 45.
§ 9. Der Versicherungs-Fonds der Gesellschaft
111
Aus dem restlichen T e i l des gesellschaftlichen Gesamtprodukts, der „als Verbrauchsmittel dienen" soll (also Konsumtionscharakter hat), sind vor der „individuellen Aufteilung" weitere Abzüge zu machen. Neben den Abzügen für „allgemeine Verwaltungskosten, die nicht zur Produktion gehören", und den Summen „ f ü r die Deckung der Ausgaben des Kollektivs für Schulen, Gesundheitseinrichtungen usw.", erwähnt K a r l M a r x noch den „ F o n d s f ü r A r b e i t s u n f ä h i g e " u.ä. Er gebraucht zwar nicht den Ausdruck „Versicherungs-Fonds" 0 , doch stellen die „Fonds für Arbeitsunfähige" ihrem Wesen nach einen Teil des Versicherungs-Fonds der Gesellschaft dar. Dieser Fonds dient nicht nur der Nachbildung von Produktionsmitteln, die durch zufällige Ereignisse vernichtet worden sind, sondern auch der Befriedigung des Konsumtionsbedarfs 10 . Die Bildung bestimmter Reserven „zur Ausgleichung der außerordentlichen Zerstörung, welche Zufälle und Naturkräfte anrichten" 1 1 , also auch das Vorhandensein eines V e r s i c h e r u n g s - F o n d s , ist „eine ökonomische Notwendigkeit" — so behauptet K . Marx. Diese Notwendigkeit besteht auch unter den Bedingungen des Sozialismus 15 . „Trotz seiner gesellschaftlichen Notwendigkeit gab es den Versicherungs-Fonds nicht immer i n der menschlichen Gesellschaft" 18 . Voraussetzung für seine Entstehung ist nämlich, daß die Produktionskräfte einen Entwicklungsstand erreichen, bei dem die effektive Produktion größer ist als die, welche zur Befriedigung der Konsumtionsbedürfnisse der Gesellschaft sowie „zu einfachem Ersatz und Reproduktion des vorhandenen Reichtums n ö t i g " 1 4 ist. Das Vorhandensein einer Überproduktion ist die unbedingte Voraussetzung für die B i l dung von Reserven zur Deckung künftigen und ungewissen — w e i l vom Eintreten zufälliger Schäden 15 abhängigen — Bedarfs. 9
I n der Zeit, als die Kritik des Gothaer Programms entstand (1875), gab es eigentlich noch keine Sozialversicherungen. Es gab damals lediglich die sog. öffentliche Fürsorge für Arme. Das erklärt die Tatsache, daß K. M a r x vom Fonds für Arbeitsunfähige und nicht vom Versicherungs-Fonds schrieb. 10 Vgl. die Ausführungen V . K . Rajehers zu diesem Thema, I.e., S. 16 f. Die Stichhaltigkeit dieser Ausführungen wurde in der letzten Zeit von H. Bader in Frage gestellt. Bader hält es für falsch, die Produktions- und Konsumtions-Fonds in einer Kategorie des Versicherungs-Fonds der Gesellschaft zusammenzufassen. »Siehe H. Bader, I.e., in: Aktuelle Fragen, I.e., S. 10 ff. Vgl. H. Bader, Das Versicherungswesen der D.D.R., Berlin 1959, und D. Böttcher, Die Bildung und Verteilung von Sicherungsfonds im Bereich der volkseigenen Landwirtschaft der D.D.R., in Symposium, I.e., S. 5 ff. sowie Die Bildung und Verwendung finanzieller Sicherungsfonds gegen schadenstiftende Ereignisse im Bereich der Volkswirtschaft, in: Wissenschaftliche Zeitschrift der Hochschule für Ökonomie, Berlin 1965, Heft 1. 11 K. Marx, Das Kapital (poln. Ausgabe, I.e.), Bd. I I , S. 182. 12 Ebenda, Bd. I I I , S. 430. " V. K. Rajcher, I.e., S. 25. " K. Marx, Das Kapital, I.e., Bd. I I , S. 182. 15 Unter dem Ausdruck „zufällige Schäden" (szkody losowe) verstehe ich hier sämtliche Folgen von zufälligen Ereignissen, also nicht nur Einbußen,
112
2. Kap.: Versicherungs-Fonds und geschichtliche Versicherungstypen
Der aus dem gesellschaftlichen Gesamtprodukt zur Deckung zufälliger Schäden a u s g e s o n d e r t e T e i l ist der V e r s i c h e r u n g s F o n d s . Doch nicht der gesamte, i n einer Gesellschaft vorhandene Versicherungs-Fonds n i m m t eine solche gesonderte Gestalt an. Ein Großteil dessen bleibt weiterhin „ . . . i n einer nichtgeformten, amorphen Gestalt, v e r s t r e u t unter anderen Teilen des gesellschaftlichen Gesamtprodukts, verbunden m i t dem Fonds zur Ausdehnung der Produktion und m i t anderen gesellschaftlichen Fonds" 1 6 . I n der Zeit der Naturalwirtschaft bestand der Versicherungs-Fonds aus Naturalrücklagen, z.B. aus Getreide-, Viehfutter-, Baumaterialvorräten oder aus Vieh. M i t der Entwicklung der Ware-Geld-Beziehungen nahm der Versicherungs-Fonds G e l d g e s t a l t an, die i m entwikkelten Kapitalismus fast gänzlich die Hortung von Natural-Reserven verdrängt hat. I n der UdSSR besteht der Versicherungs-Fonds sowohl i n Geld- als auch i n Natural-Reserven, wobei die letztere Form dominiert 1 7 . Unter den Organisationsformen des ausgesonderten Versicherungs-Fonds, d.h. des Versicherungs-Fonds i m engen Sinne, kann man drei Arten unterscheiden, und zwar: 1) die Form des d e z e n t r a l i s i e r t e n Fonds (die sog. Selbstversicherung), 2) die Form des z e n t r a l i s i e r t e n Fonds (z.B. die Haushaltsform), 3) die V e r s i c h e r u n g . Die e r s t e Form besteht darin, daß jede Wirtschaftseinheit, unabhängig von anderen Einheiten, einen „eigenen VersicherungsFonds" — i n Geld- oder Natur-Reserven — bildet und aus diesen Reserven die M i t t e l für die Deckung der durch zufällige Ereignisse erlittenen Schäden schöpft. Der Verlust, den eine Wirtschaftseinheit erleidet, w i r d nicht repartiert, d.h. er w i r d nicht auf andere Wirtschaften verteilt, sondern belastet allein die vom Schadenfall betroffene Wirtschaft. Genau gesagt, verteilt sich der Verlust auf eine Reihe versondern auch den materiellen Bedarf, wie z.B. die für die Auszahlung von Renten an Personen, die das Rentenalter erreicht haben, erforderlichen Beträge.
(Aus diesem Grunde wird hier gelegentlich — wie oben bereits erwähnt — der polnische Terminus „szkodowoéc losowa" bzw. „szkody losowe" mit dem im deutschen Versicherungsschrifttum geläufigen Ausdruck „zufälliger 10 Bedarf" wiedergegeben V. K. Rajcher, I.e.,—S.E.G.). 28. Der Versicherungs-Fonds ist in der sozialistischen Wirtschaft ein Bestandteil der planmäßig gebildeten allgemeinen Wirtschafts-Reserven, die für die Deckung des zufälligen Bedarfs bestimmt sind. Die restlichen Teile dieser allgemeinen Reserven werden in einem weiteren Umfang verwendet, sie können für die Deckung anderer nicht unvorhergesehener Bedürfnisse bestimmt werden. Vgl. A. Banasiúski , Planowanie, I.e., S. 7—8. 17 Vgl. A. M . Aleksandrov, I.e., S. 367. Siehe auch G. Tagijev, Gosudarstvennoe strachovanie, I.e., S. 12 wie auch A. Baöurin, I.e., S. 30.
§ 9. Der Versicherungs-Fonds der Gesellschaft
113
gangener Jahre, d.h. auf die Zeit, während der der VersicherungsFonds aufgebaut worden ist. Wie V . K . Rajcher b i l d l i c h sagt, ist dies eine A u f t e i l u n g nicht „ i n die Breite", sondern „ i n die Tiefe", nicht „ i m Raum", sondern „ i n der Z e i t " 1 8 . Diese A r t der Reservenbildung nennen w i r Selbstversicherung (samoubezpieczenie,
samostrachovanie,
self-insurance,
assurance
par soi-
même), wenngleich diese Bezeichnung so etwas wie eine contradictio in adiecto darstellt. Sie f ü h r t zur D e z e n t r a l i s i e r u n g des Versicherungs-Fonds d e r G e s e l l s c h a f t . Der Hauptmangel der Selbstversicherung ist die Notwendigkeit, Reserven bis zu einer annähernd dem vollen Wert des Vermögens entsprechenden Höhe zu bilden. Dies ist nämlich für eine vollständige Deckung möglicher Verluste unerläßlich, da durch Schadenfälle das gesamte V e r mögen einer Wirtschaftseinheit vernichtet werden kann. Eine derartige Reservenbildung übersteigt gewöhnlich die effektiven Möglichkeiten einer Wirtschaftseinheit und f ü h r t immer zur Einfrierung beachtlicher Mittel. Diese Bedenken beziehen sich jedoch nicht auf die gehorteten Natural-Reserven, die periodisch erneuert werden (z.B. die Getreide- und Futterreserven i n den LPG), und ebenso nicht auf die großen Wirtschaftseinheiten, die über eine ausreichend große und laufend noch zunehmende Zahl von Objekten verfügen, von denen nur einige vernichtet werden (z.B. Eisenbahnwaggons der Polnischen Staatsbahn). Die z w e i t e A r t d e r B i l d u n g e i n e s V e r s i c h e r u n g s F o n d s stellt i m Gegensatz zur ersten eine v ö l l i g z e n t r a l i s i e r t e F o r m dar. Der auf diese Weise aus Geld- oder Sachmitteln gebildete Fonds ist ein gemeinsamer Fonds eines bestimmten Kreises oder gar der Gesamtheit der Wirtschaften und dient zur Deckung zufälliger Schäden nicht einer, sondern mehrerer Wirtschaften. Dieser Fonds ist hinsichtlich seiner V e r w a l t u n g und Verwendung zentralisiert 1 9 . E i n s o l c h e r F o n d s w i r d a u c h a u f zentralis i e r t e A r t g e b i l d e t , und zwar aus bereits zentralisierten V o r ratsmitteln, z.B. aus Haushaltsmitteln, aus der gesamtstaatlichen Über« V. K. Rajcher, I.e., S. 30. Den grundsätzlichen Unterschied zwischen der hier besprochenen dezentralisierten Methode der Bildung des Versicherungs-Fonds und der zentralisierten Methode (d.h. der Bildung des Versicherungs-Fonds aus bereits zentralisierten Quellen) scheint Z. Szymaûski (I.e., PiP Nr. 7/1963, S. 71—75) nicht zu sehen oder nicht anzuerkannen, da er die durch den sozialistischen Staat im Rahmen des zentralen Haushalts gebildeten Reserven unzutreffenderweise als eine Kategorie der Selbstversicherung betrachtet. Er behauptet, daß „ . . . im Rahmen des sozialistischen Systems" eine Umgestaltung „ . . . der herkömmlichen Versicherung in irgendeine neue Institution nicht erforderlich ist" (S. 75). Es ist klar ,daß Szymañski, der von einer solchen Grundvoraussetzung ausgeht, zu Schlußfolgerungen kommen muß, die den in dieser Arbeit dargestellten Schlußfolgerungen diametral entgegengesetzt sind. 19
8 Warkatto
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2. Kap.: Versicherungs-Fonds und geschichtliche Versicherungstypen
Produktion, also n i c h t aus B e i t r ä g e n e i n z e l n e r W i r t s c h a f t e n . B e s t e h t d i e Q u e l l e eines solchen F o n d s aus a l l g e m e i n e n H a u s h a l t s e i n n a h m e n , so sprechen w i r v o n e i n e m b u d g e t ä r e n VersicherungsFonds20. I m U n t e r s c h i e d z u r S e l b s t v e r s i c h e r u n g belastet e i n aus d e m zentralisierten Fonds gedeckter V e r l u s t n i c h t die v o n diesem V e r l u s t betroffene Wirtschaft, sondern anteilmäßig zahlreiche Wirtschaften u n d o f t sogar a u c h W i r t s c h a f t e n , d i e v o n d e m b e t r e f f e n d e n R i s i k o ü b e r h a u p t n i c h t b e d r o h t sind. E i n B e i s p i e l des z e n t r a l i s i e r t e n , f ü r d i e D e c k u n g v o n V e r m ö g e n s r i s i k e n bestimmten Geld-Fonds ist der m a n c h m a l i m Staatshaushalt f ü r d i e B e v ö l k e r u n g i n d e n v o n N a t u r k a t a s t r o p h e n — z.B. e i n e r Ü b e r s c h w e m m u n g — h e i m g e s u c h t e n G e g e n d e n vorgesehene H i l f s - F o n d s , der f ü r d e n W i e d e r a u f b a u v o n G e b ä u d e n oder f ü r eine w i e d e r h o l t e A u s saat auf d e n F e l d e r n z u r V e r f ü g u n g g e s t e l l t w i r d . E i n B e i s p i e l eines solchen f ü r d i e D e c k i m g v o n P e r s o n e n r i s i k e n v o r g e s e h e n e n F o n d s 20 Dieser Fonds ist oft in Reserve-Mitteln enthalten, die i m zentralen Haushalt nicht aufgeteilt sind; er ist vorgesehen für die Deckung des zufälligen Bedarfs oder für die Finanzierung anderer Arten der Hilfe, u.a. der Kredithilfe. Elemente des zentralisierten Versicherungs-Fonds sind im zentralen Staatshaushalt enthalten, u.a. in den Finanzmiteln des Fiskus, die für den Ausgleich von Schäden vorgesehen sind, die natürliche oder juristische Personen erlitten haben: a) bei einer Beteiligung an der Bekämpfung von Naturkatastrophen (Dz.U.: 1954, Nr. 29, Pos. 112 — § 8 ; 1960, Nr. 20, Pos. 120 — § 26 Abs. 2; 1963, Nr. 37; Pos. 214 — § 7); b) infolge der Bekämpfung von ansteckenden Tierkrankheiten (Dz.U.: 1927, Nr. 77, Pos. 673 — Art. 75; 1938, Nr. 27, Pos. 245 — A r t . 92; 1959, Nr. 34, Pos. 208 — § 2 9 ; 1963, Nr. 33, Pos. 191 — §4 Abs. 1 Pkt. 1 — hier handelt es sich um einen sog. Tierseuchen-Fonds; c) bei der Vernichtung von Pflanzen zum Schutz vor Krankheiten, Schädlingen und Unkraut (Dz.U.: 1961, Nr. 10, Pos. 55 — Art. 7; 1962, Nr. 41, Pos. 193 — § 2 Abs. 1 und § 5 Abs. 1), und gewissermaßen auch d) infolge einer verschuldeten Schadenzufügung durch staatliche Funktionäre bei der Ausübung von Amtshandlungen (siehe ZGB Art. 417 § 1, vgl. Art. 420). I n diesen Beispielen geht es um die Haftung des Staates für bestimmte Handlungen und Ereignisse, wobei die Schäden aus Mitteln des Haushalts gedeckt werden. Hierin kommt der Grundsatz „der Gleichheit aller Bürger gegenüber öffentlichen Lasten" zum Ausdruck (siehe J. Kosik, Zasady odpowiedzialnoSci pafistwa za szkody wyrz^dzone przez funke jonariuszöw— Die Grundsätze der Haftung des Staates für die durch staatliche Funktionäre verursachten Schäden, Wroclaw 1961, z.B. S. 210). Von diesem System des Schadenausgleichs aus Fonds, die im Staatshaushalt zentralisiert sind, unterscheidet sich die Deckung von Jagdschäden (Dz.U.: 1959, Nr. 36, Pos. 226 — Art. 451 Abs. 1 und 1960, Nr. 5, Pos. 32 — Art. 12) wie auch das System des Ausgleichs von Bergbauschäden (Dz.U.: 1961, Nr. 23, Pos. 113 — A r t . 53; M . P . 1963, Nr. 27, Pos. 137 — § 24 Abs. 1, § 20 Abs. 2 und 3) und überhaupt von Schäden, für die bestimmte staatliche Einheiten haften, die als juristische Personen gelten. I n diesem Bereich werden die Fonds für die Dekkung von Schäden, z.B. von Bergbauschäden, auf dezentralisierte Weise gebildet, z.B. in den einzelnen Bergwerkunternehmen (durch von vornherein bestimmte Zuschläge auf eine produzierte Tonne); diese Art der Schadendeckung aus dezentralisierten Fonds, z.B. aus dem Fonds für Bergwerkschäden der einzelnen Unternehmen, kann man als eine besondere Form der Selbstversicherung qualifizieren.
§ 9. Der Versicherungs-Fonds der Gesellschaft
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wiederum sind diejenigen Haushaltsmittel, die für Sozialhilfe oder für die Versorgung von Kriegs- und Wehrmachtsinvaliden bestimmt sind. Es sei hier erwähnt, daß seit dem 1.1.1968 gemäß § 1 der Verordnung des MinR. vom 12.8.1968 über die Deckung der Ausgaben für die Emeritalversorgung* bestimmter Personen (Dz. U. Nr. 31, Pos. 205) „Ausgaben für emeritale Geldleistungen" an Kriegs- und Wehrmachtsinvaliden (ebenso an andere Personen, die ein Recht auf solche Leistungen aus einem anderen Titel als dem Arbeitsverhältnis haben) „in der Form von Dotationen aus dem zentralen Haushalt an den Emerital-Fonds", der von der ZUS verwaltet wird, gedeckt werden. So also ist die ZUS — der aus einem aus Beiträgen gebildeten Fonds finanzierte Sozialversicherungsträger — gleichzeitig Disponent der zentralisiert gebildeten und für Emeritalleistungen an „NichtArbeitnehmer" vorgesehenen Fonds. Über die sog. Auftrags-Leistungstätigkeit der ZUS siehe die Ausführungen von E. Modltäski in: Podstawowe zagadnienia, vor allem S. 119 ff. und 208—209).
I m sozialistischen System spielt die zentralisierte Form des Versicherungs-Fonds eine sehr beachtliche Rolle 2 1 . Die d r i t t e F o r m d e r B i l d u n g e i n e s Versicher u n g s - F o n d s , die i n sich die Elemente der Zentralisierung und Dezentralisierung vereinigt und gewissermaßen eine Synthese der beiden vorher besprochenen Formen darstellt, ist die V e r s i c h e r u n g . Die Elemente der Zentralisierung dieser A r t des Versicherungs-Fonds kommen i n der Organisation und der Verwaltung dieses Fonds zum Ausdruck: er w i r d i n besonderen staatlichen Organisationseinheiten, i n Versicherungsanstalten, konzentriert und von diesen verwaltet; das Element der Dezentralisierung wiederum äußert sich i n der A r t und Weise der Bildung dieses Fonds. I m Gegensatz zu den vorher besprochenen Organisationsformen t r i t t der Versicherungs-Fonds nun nur i n Geldgestalt auf. Die Versicherung ist eine technisch perfektionierte Organisationsform des Versicherungs-Fonds. Die Versicherungstätigkeit beruht auf mathematisch-statistischen Grundlagen, wodurch gewährleistet wird, daß die Höhe des auf diese Weise gebildeten Versicherungs-Fonds den tatsächlichen Bedürfnissen entspricht. Gemäß ihrer Grundvoraussetzung erstreckt sich die Versicherungstätigkeit nur auf solche Ereignisse, die dem Gesetz der großen Zahl unterstehen 2 2 , die also eine statistisch erfaßte Gesetzmäßigkeit aufweisen. Ereignisse, welche die* Dieser Ausdruck wird in der polnischen Gesetzgebung zur Bezeichnung von langfristigen Leistungen der Sozialversicherung verwendet. 21 Auf diese im sowjetischen Versicherungsschrifttum jahrelang nicht beachtete Tatsache haben mit Recht D. Butkov und W. Sitnin in ihrem Aufsatz „Nekotorye voprosy teorii strachovanija pri socializme" (Einige Fragen der Versicherungstheorie i m Sozialismus), Finansy i kredit SSSR (Finanzen und Kredit der UdSSR) 1952, S. 159, hingewiesen. 22 Siehe die Erläuterung des empirischen Charakters des Gesetzes der großen Zahl in der Arbeit von Z. Rogoziüski, I.e., S. 70—71. 8*
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2. Kap.: Versicherungs-Fonds und geschichtliche Versicherungstypen
ses Merkmal nicht tragen, werden als „nichtversicherbar" 2 8 betrachtet: sie können nicht als V e r s i c h e r u n g s f ä l l e , als Ereignisse, die ein Recht auf Versicherungsleistung begründen, anerkannt werden. Entsprechend der i n der sowjetischen Lehre angenommen Definition ist die V e r s i c h e r u n g eine der F o r m e n der O r g a n i s i e r u n g des ausgesonderten und mehr oder weniger z e n t r a l i s i e r t e n V e r s i c h e r u n g s - F o n d s aus d e z e n t r a l i s i e r t e n Q u e l l e n , d.h. aus Beiträgen der an diesem Fonds Beteiligten 2 4 . Diese vom sowjetischen Gelehrten V. K . R a j c h e r 2 5 formulierte Definition erfaßt zutreffend die spezifischen Merkmale der versicherungsmäßigen Bildung des für die Deckung zufälliger Schäden vorgesehenen Fonds. Entgegen dem Anschein ist diese Definition zweistufig. Sie besteht aus der Bezeichnung des Versicherungs-Fonds i m engen Sinne als der Gesamtheit der zur Deckung zufälliger Schäden ausgesonderten m a t e r i e l l e n V o r r ä t e (Art-Merkmal der Versicherung) und der Bezeichnung der Versicherung selbst als der spezifischen Methode der Bildung dieses Fonds, eines zentralisierten, vom Versicherer verwalteten und aus Prämienzahlungen der Versicherungsnehmer gebildeten Geld-Fonds (Gattungs-Merkmal der Versicherung). Es scheint, daß diese Definition auf alle i n den verschiedenen Gesellschaftsordnungen, i n denen Ware-Geld-Beziehungen vorkommen, bestehenden Versicherungen angewendet werden kann. I n jeder dieser Gesellschaftsordnungen hat zwar die Versicherung einen unterschiedlichen wirtschaftlichen, sozialen und politischen Gehalt, doch stets beruht sie auf dem gleichen Organisationsgrundsatz: der Verteilung zufälliger Schäden auf die Mitglieder einer Risikogemeinschaft; d.h. sie beruht auf dem gemeinsamen Tragen der Folgen von Schadenfällen, welche die Realisierung eines bestimmten Risikos darstellen. I n den sozialistischen Ländern gehört die Organisierung von Versicherungen zu den Aufgaben des Staates; die Vorhaltung finanzieller 28 Unter den Bedingungen der sozialistischen Wirtschaft verliert das Problem der „Nichtversicherbarkeit" an Bedeutung. Die vom Staat betriebene Wirtschaftsversicherung, die auf einem zentralen gesamtstaatlichen Fonds für sämtliche Risiken beruht, dient dem Schutz der Produktionskräfte und nicht der Gewinnerzielung. Sie ist in der Lage auch solche Risiken zu dekken, wie Erdbeben, Dürre, Mißernte, Überschwemmung — Risiken, die die kapitalistischen Versicherer als nicht versicherbar betrachten. 24 Es ist hier jedoch zu betonen, daß i m Jahre 1951 Butkov und Sitnin (I.e. — oben Anm. 21—, S. 156) diese Definition scharf kritisiert haben; sie haben die Möglichkeit bestritten, eine gemeinsame auch ganz allgemeine Definition für sämtliche gesellschafts-geschichtliche Versicherungstypen zu bilden. Eine ähnliche Kritik äußerte H. Bader (in: Deutsche Finanzwirtschaft Nr. 17/1955, S. 743—744 und Nr. 18/1955, S. 786—788), der überhaupt die Auffassung von Rajcher über den Versicherungs-Fonds der Gesellschaft in Frage stellt. Siehe oben Anm. 10. 25 V . K . Rajcher, I.e., S. 34. Vgl. K . A . Grave — L. A. Lüne, I.e., S. 6—7.
§ 10. Aus der Entwicklungsgeschichte der Versicherung
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M i t t e l i m Versicherungswege g i l t nur als ein Ausschnitt des umfangreichen Problems der B i l d u n g v o n R e s e r v e n , welche die Kontinuität der Erfüllung der Nationalwirtschaftspläne und des Prozesses der erweiterten sozialistischen Reproduktion gewährleisten. Einige Teile des Versicherungs-Fonds der Gesellschaft werden nicht nur auf eine unterschiedliche Weise gebildet, sondern auch unterschiedlich verwaltet und verwendet. Der Hauptteil dieses Fonds besteht aus finanziellen Mitteln, die i m Wege der Sozialversicherung und der Wirtschaftsversicherung, der Personen- und Vermögensversicherung, angesammelt werden. Die finanziellen M i t t e l der Vermögensversicherungen — ebenso auch die eventuellen finanziellen Reserven der nach dem Grundsatz der wirtschaftlichen Rechnungsführung tätigen staatlichen Unternehmen und ihrer Vereinigungen sowie die Material-Reserven der LPGs — haben, soweit sie für die Wiederherstellung vernichteter Produktionsm i t t e l vorgesehen sind, den Charakter eines Versicherungs-Produktionsfonds. Dagegen haben die Fonds der Sozialversicherung sowie andere Fonds, aus denen Leistungen erbracht werden, wenn das Leben oder die Gesundheit der Bürger von zufälligen Ereignissen betroffen sind, den Charakter eines Versicherungs-Konsumtionsfonds 28 . § 10. Aus der Entwicklungsgeschichte der Versicherung A. Vorkapitalistische Formen des Versicherungsschutzes Entgegen der i n der bourgeoisen Lehre herrschenden Meinung ist die Institution der Versicherung keine Schöpfung des Kapitalismus; die Entwicklung dieser Institution hat nämlich eine Jahrhunderte alte Geschichte, Nicht die kapitalistische Produktionsweise, sondern die Ware-Geld-Wirtschaft ist die V o r a u s s e t z u n g für die Entstehung der Institution der Versicherung. Die Verhältnisse der Naturalwirtschaft i n der Sklaverei und Feudalordnung wie auch der unmittelbare, außerökonomische Arbeitszwang (der es ermöglichte, zufällige Schäden durch eine Intensivierung der Ausbeutung auszugleichen) konnten die Bildung zentralisierter V e r sicherungs-Fonds nicht fördern 2 7 . N u r dort, wo das System der Na26 Eine andere Sache ist es, daß solche Leistungen, wie Kranken- oder Familienbeihilfen eine Voraussetzung für die Regeneration und Reproduktion der Produktionskräfte der Gesellschaft darstellen und somit eine wesentliche Bedeutung für die Produktion und für die Erfüllung der Volkswirtschaftspläne haben. 27 Die dezentralisierten Versicherungs-Fonds w u r d e n ' in der Regel in Form von Vorräten i m Hause des Sklavenhalters oder im Schloß des Feudalherrn aufbewahrt. I n den Sagen von „verborgenen Schätzen" könnte also auch versicherungsgeschichtlicher Aspekt erblickt werden.
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2. Kap.: Versicherungs-Fonds und geschichtliche Versicherungstypen
turalwirtschaft i m Zusammenbrechen w a r u n d die A r b e i t des freien Menschen aufkam, nämlich i m Bereich des Handels u n d des Handwerks, entwickelte sich eine vorkapitalistische Versicherung. Charakteristisches M e r k m a l dieser Kaufleute u n d Handwerker bedienenden Versicherung w a r die gegenseitige Hilfe. Diese H i l f e hat m a n sich anfangs auf G r u n d sporadisch, v o n F a l l zu F a l l abgeschlossener Verträge zugesichert. Dies galt vor allem i m See- und Land-Wanderhandelsgewerbe. Die Mitglieder einer Handelskarawane verpflichteten sich vertraglich, gemeinsam Schäden zu tragen, die irgendeinem v o n ihnen zustoßen sollten, z.B. einen Warenverlust infolge eines Raubüberfalls oder anderer Reiserisiken. A u f dem Gebiet des Handwerks, das i m Gegensatz zum Handel k e i n Wander-, sondern ein stehendes Gewerbe war, entstanden Handwerkervereinigungen. Sie hatten u.a. zum Ziele den Ausgleich zufälliger Schäden, die einzelne i h r e r Mitglieder erlitten, aus Fonds, die aus periodisch gezahlten Beiträgen gebildet wurden. I m antiken Rom gab es zahlreiche auf der Berufsgemeinschaft — u n d manchmal sogar auf der Gemeinschaft eines religiösen Kultes — aufgebaute Vereinigungen, die eine solche T ä t i g k e i t ausführten (collegia
opificum,
artificum,
tenuiorum,
funeraticia
u.a.m.).
Im
Mittel-
alter w u r d e die Repartition zufälliger Schäden v o n den i n den Städten bestehenden „ I n n u n g e n " (fraternitates), Kaufmannsgilden, Handw e r k s i n n u n g e n 2 8 wahrgenommen. Die gegenseitige H i l f e w a r jedoch nicht die einzige F o r m der V e r sicherungstätigkeit i n der vorkapitalistischen Gesellschaft. Gleichzeitig haben sich damals auf G r u n d der Seehandelsbeziehungen besondere Formen der erwerbs- und handelsmäßigen Versicherungstätigk e i t i n A n l e h n u n g an die I n s t i t u t i o n des S e e d a r l e h n s (foenus nauticus,
pecunia
traiectitia)
entwickelt,
in
dem
die
Elemente
des K r e d i t s und der V e r s i c h e r u n g miteinander verbunden waren. E i n Schiffseigentümer, der ein solches Darlehn i n Anspruch nahm, mußte hierfür höhere Zinsen als die üblichen Darlehnszinsen zahlen. Als Gegenleistung dafür w a r er v o n der Rückzahlungspflicht befreit, w e n n sein Verdienst oder seine L a d i m g infolge eines bestimmten zufälligen Ereignisses (eines Schiffsbruchs, eines Seeraubes oder einer Plünderung) verloren g i n g 2 9 . Hier handelt es sich bereits u m eine kommerzielle Versicherungstätigkeit, 28
V. K. Rajcher, I.e., S. 68—109. Siehe R. Taubenschlag: Rzymskie prawo prywatne (Römisches Privatrecht), Warszawa 1955, S. 190. Vgl. V . K . Rajcher, I.e., S. 110 f. wie auch W. Warkallo, Zobowi^zania w prawie rzymskim (Schuldverhältnisse im römischen Recht), Warszawa 1958, Skriptum, hrsg. von der Universität Warschau, S. 84—85. Siehe ebenda S. 111 lex Rhodia de iactu, in der Grundsätze zum Ausdruck kommen, die den Grundsätzen ähneln, auf denen die I n stitution der großen Haverei beruht. Siehe Art. 217—223 SeeG. 89
§ 10. Aus der Entwicklungsgeschichte der Versicherung
119
d.h. um die Tätigkeit eines Darlehnsgebers zwecks Erzielung eines Gewinns aus abgeschlossenen Seedarlehnstransaktionen. B. Die Entwicklung der Versicherung im Kapitalismus Die ökonomische Struktur der kapitalistischen Gesellschaft entwickelte sich aus der ökonomischen Struktur der feudalistischen Gesellschaft. Der Zerfall des Feudalismus hat die Elemente des K a p i talismus freigelegt 8 0 . Das gleiche kann man von der kapitalistischen Versicherung sagen, die sich auf der Grundlage der i m Zeitalter des Feudalismus ausgebildeten Organisations- und Rechtsformen entwikkelt hat. So z.B. haben die See- und anderen Transportversicherungen ihren Ursprung i n der Institution des Seedarlehns. Andere bourgeoisen Vermögens- und Personenversicherungen haben ihren Ursprung i n den Versicherungskassen auf Gegenseitigkeit (in Deutschland z.B. i n d e n Brandgilden,
Totengilden,
Sterbe-
und Begräbniskassen,
Witwen-
und Waisenkassen u.a.), die später, als sie sich von den Gilden-ZunftOrganisationen befreiten, auch außenstehende Personen versicherten. A n die Stelle der früheren Sklavenarbeit und des Frondienstes ist i m Kapitalismus die L o h n a r b e i t getreten. I h r fehlt die Eigenschaft der „ D e h n b a r k e i t " , die es den Sklavenhaltern und den Feudalherren erlaubte, durch Intensivierung der Ausbeutung zufällige Verluste wettzumachen 8 1 . Unter diesen Bedingungen war die Versicherung für die Kapitalisten notwendiger als für die Sklavenhalter und Feudalherren; die Entwicklung kapitalistischer Ware-Geld-Beziehungen, i n denen — wie K . M a r x sagt — „alles verkäuflich w i r d und man alles kaufen k a n n " 8 2 , steigerte diese Notwendigkeit und b i l dete die Voraussetzungen für ihre Befriedigung i n Form der handelsmäßigen Versicherungstätigkeit. Der Versicherungsschutz hat sich, wie es V. K. Rajeher 8 8 bildlich und suggestiv darstellt, aus der gegenseitigen Hilfe i n Ware umgewandelt und wurde auf diese Weise zum Gegenstand einer besonderen Tätigkeit, die anfangs von Einzelversicherern und seit dem 19. Jh. hauptsächlich von Aktiengesellschaften ausgeübt wird. Das Wesen dieser Tätigkeit liegt i m Verkaufen des Versicherungsschutzes gegen 80 K. Marx, Das Kapital, I.e., Bd. I, S. 772. 81 Die Tatsache, daß die Arbeitskraft zur Ware und somit dem M a r k t gesetz unterstellt wurde (die Entstehung des sog. Arbeitsmarktes, der an die Stelle des Sklavenmarktes der antiken Gesellschaft getreten ist), hatte eine gewisse Festigung der Arbeitsbedingungen und Löhne und somit auch der Form der Ausbeutung zur Folge. Die Ausbeutung wurde auch durch die Macht der Arbeiterklasse eingeschränkt, die sich im Kampf um bessere Daseinsbedingungen organisierte. 82 K. Marx, Das Kapital, I.e., Bd. I, S. 139. 83 Siehe V. K. Rajcher, I.e., S. 157 ff. und das dort angeführte umfangreiche Schrifttum.
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2. Kap.: Versicherungs-Fonds und geschichtliche Versicherungstypen
eine sog. feste P r ä m i e (prime fixe, skladka stala), die i n einer dem Versicherungsunternehmer einen G e w i n n garantierenden Höhe berechnet w i r d .
Dieser Prozeß der U m w a n d l u n g des Versicherungsschutzes i n Ware u n d der Kommerzialisierung der Versicherungstätigkeit erstreckt sich jedoch, entgegen den Behauptungen V . K . Rajchers, nicht auf die Gesamtheit der i n der kapitalistischen Gesellschaft bestehenden V e r sicherungen. M a n k a n n der Ansicht Rajchers, daß auch die V e r sicherungsanstalten auf Gegenseitigkeit „ i n ihrer entscheidenden Masse" sowie sämtliche öffentlich-rechtliche Versicherungsanstalten „ . . . einen ausgesprochen gewerblichen Charakter h a t t e n " 8 4 , nicht beipflichten. Diese Anstalten machten zwar i m großen Umfang von organisationstechnischen Errungenschaften der Versicherungsunternehmen Gebrauch, doch w a r ihre Tätigkeit i m Gegensatz zur Tätigk e i t der Versicherungsunternehmen nicht auf die Erzielung eines Gewinns gerichtet. Die Tätigkeit dieser Anstalten beruhte — ausgenommen die wenigen Fälle der Versicherung gegen eine feste Prämie — einfach auf der anteiismäßigen V e r t e i l u n g der zufälligen Schäden auf die der Anstaltstätigkeit f r e i w i l l i g (auf G r u n d eines Vertrages) oder zwangsweise (auf G r u n d eines Gesetzes) unterworfenen Mitglieder dieser Gefahrengemeinschaft 8 5 . Die F o r m der privaten Aneignung eines Teils des gesellschaftlich gebildeten Versicherungs-Fonds durch die Versicherungsunternehmen ist der Ausdruck kapitalistischer Widersprüche auf dem Gebiet der Versicherung und die Quelle weiterer innerer Widersprüche auf diesem Gebiet. " Ebenda, S. 158. Es sei hier betont, daß die Rechtsprechung unserer obersten Gerichte aus der Vorkriegszeit zutreffend zwischen den kommerziellen durch Versicherungsunternehmen auf Gewinnbasis ausgeübten Versicherungsgeschäften gegen feste Prämien und den zivilrechtlichen Geschäften der Versicherung auf Gegenseitigkeit genau unterschieden hat. Siehe z.B. die Entscheidung des OG vom 19.3.1923, I C 394/1922 (Zb. 1923, Nr. 90), aus der hervorgeht, daß die Versicherung gegen feste Prämien für die Versicherungsanstalt immer ein kommerzielles Geschäft sei, „ . . . das einerseits die Entschädigung von Verlusten der Versicherten und andererseits eigene Gewinne des Unternehmens zum Zwecke hat", dagegen sei die Versicherung auf Gegenseitigkeit — d.h. die Versicherung, die „ . . . von Personengruppen, die durch gemeinsame Berufsinteressen verbunden sind, vereinbarungsgemäß errichtet und betrieben wird, um Verluste infolge von Elementarereignissen bestimmter Kategorie aus gemeinsamen selbst zusammengetragenen Fonds zu decken" — ein zivilrechtliches Geschäft. I n der Entscheidung des Obersten Verwaltungstribunals, Nr. 919/25 (Jahrbuch P U K U 1929, S. 137) werden diese beiden Arten der Versicherungstätigkeit noch eindeutiger gegenübergestellt und festgestellt, daß „nicht a l l e i n . . . die Möglichkeit und auch nicht die tatsächliche Gewinnerzielung ein maßgebendes Kriterium für eine auf Gewinnbasis tätige Anstalt ist; ein solches Kriterium sind vielmehr die Ziele, die diese Anstalt verfolgt". Siehe auch die Entscheidung des OG vom 23.5.1935 (C I I 217/35, Zb. 1935, Nr. 465). 16
§ 10. Aus der Entwicklungsgeschichte der Versicherung
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E i n deutliches Zeichen dieser i m allgemeinen nicht-antagonistischer Widersprüche ist der K o n k u r r e n z k a m p f zwischen den Versicherern, die sich gegenseitig Kunden abwerben, sowie zwischen den Versicherern und den Rückversicherern, wie auch andererseits der Kampf zwischen den Versicherungsnehmern und den Versicherern u m die Versicherungsbedingungen86. Unter den Bedingungen des Vor-Monopolkapitalismus gehörten zu den positiven Erscheinungen dieses Konkurrenzkampfes die Senkung der Prämien — sozusagen des „Versicherungspreises" 87 — und die Verdrängung schlechter und teurer arbeitender Unternehmen vom Versicherungsmarkt. I n der Zeit des Monopolkapitalismus sind dann die Versicherungen „ . . . zu einem der mächtigsten Bollwerke des Finanzkapitals, zu der nach den Banken bedeutendsten Form der Konzentration von Geldreserven der kapitalistischen W i r t s c h a f t " 8 9 geworden. Die Versicherung hat sich ebenso wie der K r e d i t „ . . . anfangs heimlich als bescheidener Helfer der Akkumulation eingeschlichen und m i t unsichtbaren F ä d e n . . . " 8 9 den Versicherern die i n der Gesellschaft verstreuten Teile des Versicherungs-Fonds i n die Hände gespielt, u m i m Zeitalter des Imperialismus zu einem enormen gesellschaftlichen Mechanismus der Zentralisierung des Kapitals zu werden. Die wichtigsten Änderungen i m Bereich der Privatversicherung während des Monopolkapitalismus kann man i n folgenden Punkten zusammenfassen: 1. Der A u s b a u der Versicherungstätigkeit durch Deckung n e u e r R i s i k e n , vornehmlich von Risiken der I n dustrietechnik und gesellschaftlicher Konflikte (Versicherungen gegen „Aufruhrschäden", Streiks, Kriegsschäden usw.) und durch die Erfassung n e u e r Personengruppen, insbesondere der sog. „Arbeiteraristokratie" 4 0 . Voraussetzung dieses Ausbaus war 88 Die bourgeoise Versicherungslehre gibt das Bestehen solcher Gegensätze zu. So z.B. stellt P. Laloux (I.e., S. 35) fest, daß zwischen dem Unternehmen und dem Versicherungsnehmer „une divergence d'intérêt" besteht, „l'assureur ayant tout avantage à reclamer des primes élevées, l'assuré par contre cherchant à payer le moins possible". 87 J. Lazowski , I.e., S. 108 und M . Huget, I.e., S. 178, 189. 88 V. K. Rajcher , I.e., S. 7. Vgl. M. Huget , I.e., S. 75 und W. Schliesser , I.e., S. 47 ff. und das dort angeführte Schrifttum (S. 187 ff.). 89 Aus der metaphorischen Aussage K. Maro? über die wachsende Bedeutung des Kredits in der kapitalistischen Wirtschaft (Das Kapital, I.e., Bd. I, S. 676). 40 Es handelte sich hierbei vor allem um die sog. Volks »Lebensversicherung, deren Bedingungen vereinfacht und an die Möglichkeiten besser verdienender Arbeitergruppen angepaßt waren (wöchentliche Prämienzahlungen, niedrigere Versicherungssummen usw.) wie auch um die Versicherung
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2. Kap.: Versicherungs-Fonds und geschichtliche Versicherungstypen
die Entwicklung und Konzentration der Industrieproduktion, die — vor allem wegen der Vernachlässigung der Erfordernisse der A r beitssicherheit und -hygiene — eine Zunahme der Risiken verursachte und damit zugleich auch eine Erweiterung des Versicherungsschutzes notwendig machte. 2. Die durch die Rentabilität der Versicherungstätigkeit bedingte Konzentration und Zentralisierung des Vers i c h e r u n g s k a p i t a l s ; kleine Versicherer wurden dabei von großen Versicherungsunternehmen verdrängt oder aufgesaugt, und diese Versicherungsunternehmen haben sich wiederum zu monopolistischen Versicherungskonzernen zusammengeschlossen. 3. Die E n t w i c k l u n g und die neuen Aufgaben der vielstufigen Rückversicherung als einer jener Faktoren, die über das Ausmaß und die Entwicklung der Tätigkeit der einzelnen Versicherer entscheiden, sowie als Manifestation der an Bedeutung zunehmenden internationalen Expansion des Finanzkapitals u.a. mittels der Institution der Versicherung. 4. Die wachsende A k t i v i t ä t des Staates auf dem Gebiet der Versicherungstätigkeit; i n stärkerem Ausmaß als zuvor führt nun der Staat P f l i c h t v e r s i c h e r u n g e n , genannt öffentlich-rechtliche Versicherungen, ein und übt gleichzeitig die Aufsicht über die Versicherungen aus, u.a. u m für sich selbst die Möglichkeit der Ausnutzung des enormen und ständig noch wachsenden Versicherungskapitals offen zu lassen 41 . E i n weiterer (und m.E. gegenüber den Änderungen i m Bereich der Wirtschaftsversicherungen wichtigerer) Faktor, der die Bedeutung der Versicherung als Sammelbecken des Kapitals steigerte, war die Gründung der Sozialversicherung. Die Entstehung dieser Form der Versicherung, die — m i t der zahlenmäßigen Zunahme der Arbeiterklasse— immer größere Summen ansammelt (eben wegen des Grundsatzes der kapitalsmäßigen Deckung der Rentenleistungen), war w o h l das wichtigste, i n die Zeit des Monopolkapitalismus fallende Ereignis i n der Entwicklungsgeschichte der Versicherung. des persönlichen Eigentums (z.B. die Versicherung von Einfamilienhäusern, Hausrat, Motorrädern usw.). I n diesem verhältnismäßig geringen Umfang schöpfte übrigens auch die I n d i v i d u a l v e r s i c h e r u n g (Wirtschaftsversicherung) in der Zeit des Imperialismus ihre Fonds aus Arbeitslöhnen. 41 Vgl. die eingehende Analyse der Veränderungen der Versicherung im Zeitalter des Imperialismus in der Arbeit V . K . Rajchers, I.e., S. 304—307 und 208—294. Es ist nicht schwer zu erkennen, daß diese Entwicklung der Versicherung den grundsätzlichen Merkmalen des Imperialismus und seiner Wirtschaft entspricht, wie sie bereits W. Lenin in seiner Arbeit „Der I m perialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus, (poln. Ausgabe), Warschau 1948, S. 90, beschrieben hat. Vgl. auch L. Pokorzyhski und W. Warkallo, I.e., S. 14—15, S. 115 ff. wie auch W. Schliesser, I.e., S. 47 ff.
§ 11. Wandlungen der Versicherung im Sozialismus
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§ 11. Wandlungen der Versicherung im Sozialismus Durch die Vergesellschaftung der Hauptproduktionsmittel i m Gefolge der Oktober-Revolution ist den kapitalistischen Versicherungen die ökonomische Basis entzogen worden, zumal sie ja ihre finanziellen M i t t e l vor allem aus der Überproduktion, die sich die Kapitalisten aneigneten, schöpften (z.B. die Versicherung der Produktionsmittel und anderer Vermögenswerte der Kapitalisten) oder aus dem laufenden Ertrag der Lohnarbeit (z.B. die kapitalistische Sozialversicherung). Der Schutz des kapitalistischen Eigentums und die Kontinuität des Prozesses der Vermehrung dieses Eigentums hörte auf, die wichtigste objektive Funktion der Vermögensversicherung zu sein; und die Gewinnerzielung seitens der Versicherungsunternehmer durch private Aneignung eines Teils des gesellschaftlich gebildeten VersicherungsFonds hat nun ihre Bedeutung als subjektive Funktion der kommerziellen Versicherungen, als Voraussetzung ihrer Tätigkeit und Entwicklung verloren 4 2 . Dies hat jedoch nicht zur Beseitigung der Versicherung als Institution geführt, sondern lediglich Voraussetzungen für eine neue A r t der Versicherungstätigkeit geschaffen. I n der sozialistischen Gesellschaftsordnung ist ein neuer Versicherungstypus enstanden, und dies sowohl auf dem Gebiet der Wirtschaftsversicherung als auch i m Bereich der Sozialversicherung 48 . Die Organisierung der Wirtschaftsversicherungen, also der Vermögens-und der Personenversicherungen, gehört zu den Aufgaben des 42
Die kapitalistische Versicherungstheorie gibt zu, daß die von einem Versicherungsunternehmen betriebene Versicherung gegen feste Prämien die Erzielung von Gewinnen zum Zwecke hat: L'assureur par les assurances à primes fixes cherche réaliser des bénéfices" . . . . „de même que tout acte de commerce, elle (l'assurance) peut procurer de larges revenus à l'assureur" (J. Hémard , I.e., Bd. I I , S. 21 und 23); „L'assurance à prime fixe est une opération à but lucratif pour l'assureur" (Laloux , I.e., S. 36). Noch eindeutiger vertreten diese Meinung Mowbray und Blanchard , I.e., S. 297, indem sie vom „professional risk b e a r e r . . . for profit" sprechen. 43 V . K . Rajcher, der in seinem fundamentalen von uns bereits mehrfach zitierten Werk auf das Bestehen dieser gesellschafts-geschichtlichen Typen der Wirtschaftsversicherung hingewiesen hat, hat die Problematik der Sozialversicherung fast gänzlich übersehen, wofür er auch kritisiert worden ist (siehe W. Warkallo: Dialektyczna analiza instytueji ubezpieezenia w dziele dr. V. K. Rajchera (Die dialektische Analyse der Institution der Versicherung im Werk von Dr. V . K . Rajcher, PiP Nr. 11/1948, S. 114). Wegen der vielleicht etwas einseitigen Betrachtung dieser Problematik suggeriert Rajcher, daß erst der Sozialismus die Sozialversicherung geschaffen habe. Seiner Ansicht nach ist die Sozialversicherung im Kapitalismus nur „ . . . ein Amalgam, ein degeneriertes Gemisch dreier verschiedener Elemente: der einfachen Personenversicherung, der Sozialversicherung und des budgetären Versicherungsschutzes" (I.e., S. 36 f.). I m Kapitalismus wurde jedoch die Sozialversicherung ausdrücklich von der Wirtschaftsversicherung ausgesondert; m.E. könnte man auch hinsichtlich der Sozialversicherung von unterschiedlichen kapitalistischen und sozialistischen Versicherungstypen sprechen.
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2. Kap.: Versicherungs-Fonds und geschichtliche Versicherungstypen
Sowjetstaates i m Rahmen seiner wirtschaftsorganisatorischen F u n k tionen (Art. 14 Pkt. „ n " der Verfassung der UdSSR von 1936). Diese Versicherungen sind Bestandteil des Staatsmonopols, und da sie auf der Grundlage der Ausschließlichkeit von besonderen staatlichen I n stitutionen (Gosstrach und Ingosstrach) betrieben werden, werden sie staatliche Versicherungen genannt. Die sozialistischen s t a a t l i c h e n Versicherungen stellen einen geschichtlich neuen Typus der Wirtschaftsversicherungen dar; zwischen diesem Typus und den Versicherungstypen der antagonistischen Gesellschaftsordnungen bestehen nicht nur Unterschiede, sondern auch Gegensätze. Er hat andere Voraussetzungen, eine andere Organisationsverfassung und andere Funktionen 4 4 . Die sozialistische Versicherungstheorie zählt als Voraussetzungen der Wirtschaftsversicherungen i m Sozialismus auf: die P l a n m ä ß i g keit, die w i r t s c h a f t l i c h e R e c h n u n g s f ü h r u n g und den G r u n d s a t z der E n t l o h n u n g nach verrichtet e r A r b e i t 4 5 . Die letzte Voraussetzung bezieht sich ausschließlich auf die Versicherung des persönlichen Vermögens und auf die Personenversicherungen 4 6 . Es wäre falsch zu behaupten, die Begriffe der sozialistischen Planmäßigkeit und der wirtschaftlichen Rechnungsführung seien eindeutig, insbesondere als Voraussetzungen der sozialistischen Versicherung. Es scheint jedoch, daß diese Begriffe, die gewisse Richtlinien für ein bestimmtes Verhalten aufstellen, i n dem hier besprochenen Falle als gesellschafts-wirtschaftliche Postulate aufzufassen sind, die auf die Notwendigkeit der Versicherung i m Sozialismus hinweisen, und zwar: a) alls Faktor der Planung der Kompensation zufälliger Schäden (auf Landesebene) 47 und b) als Einrichtung, die es ermöglicht, das Risiko 44
Siehe L. Pokorzyhski und W. Warkallo, I.e., S. 5 ff. Diese in der sowjetischen Lehre von V . K . Rajcher (I.e., S. 41 ff. und S. 307—310) formulierten Voraussetzungen der Wirtschaftsversicherung i m Sozialismus bedürfen noch einer tiefergehenden, theoretischen Analyse aufgrund der Erfahrungen der volksdemokratischen Länder. Diese Formulierung ist übrigens in unserem Versicherungsschrifttum kritisiert worden. L. Pokorzyhski (Ekonomiczne przeslanki, I.e., S. 54) hat nachgewiesen, daß die Voraussetzungen der Volkswirtschaftsplanung und der wirtschaftlichen Rechnungsführung „ . . . keine notwendigen Elemente der Begründung der Zweckmäßigkeit und Erforderlichkeit der staatlichen Versicherung des genossenschaftlichen, individuellen und persönlichen Eigentums sind". Es ist selbstverständlich, daß unter den Bedingungen einer vielschichtigen Wirtschaft keiner der drei oben erwähnten Voraussetzungen der sozialistischen Versicherung das Merkmal der Universalität zuerkannt werden kann. Diese Tatsache kann allerdings nicht als Gegenbeweis gegen die These angeführt werden, daß in bezug auf die Versicherung des gesellschaftlichen E i gentums die sozialistische Planung und die wirtschaftliche Rechnungsführung Voraussetzungen der Vermögensversicherung sind. 46 Aus diesem Grunde wird sie im Rahmen dieser Arbeit nicht behandelt. 47 Siehe W. Warkallo, Atti, Bd. I I , S. 645 ff. 46
§ 11. Wandlungen der Versicherung im Sozialismus
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dieser Schäden (mit Hilfe der Versicherungsprämien) i n die w i r t schaftliche Kalkulation bzw. i n die wirtschaftliche Rechnungsführung (auch i n der Skala einzelner Wirtschaftseinheiten) einzubeziehen. Die s o z i a l i s t i s c h e P l a n m ä ß i g k e i t erfordert eine unverzügliche Beseitigung der wirtschaftlich negativen Folgen zufälliger Ereignisse, die den geplanten Verlauf der Produktionsprozesse stören 4 8 . I n dem Umfang, i n dem das „Wertgesetz" w i r k t , kann diese Aufgabe nur dann erfolgreich erfüllt werden, wenn rechtzeitig angesammelte, für den Ausgleich der durch zufällige Ereignisse (Schadenfälle) verursachten Vermögensverluste ausreichende finanzielle M i t t e l zur Verfügung stehen. Eben i m Rahmen der Vermögensversicherung w i r d der für die finanzielle Deckung zufälliger Schäden notwendige Bedarf geplant, und dadurch wiederum werden systematisch für diesen Zweck gebildete Fonds bereitgestellt. Die w i r t s c h a f t l i c h e Rechnungsführung erfordert, daß jede Einheit der sozialistischen Wirtschaft das Risiko drohender Verluste, u.a. auch das Risiko außergewöhnlicher, durch zufällige Ereignisse verursachter Verluste, i n ihrer Kalkulation berücksichtigt. Die geeignetste Methode, dieses letztgenannte Risiko aus dem Bereich der Planimg und der Rentabilität einer Wirtschaftseinheit zu eliminieren, ist die Versicherung des Vermögens dieser Einheit gegen zufällige Schäden; die als Gegenleistung für die Versicherung erforderlichen Prämien stellen einen bestimmten und festen Ausgabenposten dar. Die Versicherung ermöglicht die Verwirklichung der Grundsätze der wirtschaftlichen Rechnungsführung auch i m Hinblick auf zufällige Schäden und ist somit gleichzeitig eine der Garantien für die ordnungsgemäße Erfüllung der einer Wirtschaftseinheit obliegenden Planaufgaben. Als eine gesonderte Voraussetzimg der Wirtschaftsversicherung ist m.E. noch der G r u n d s a t z d e r g e s e l l s c h a f t l i c h e n Arb e i t s t e i l u n g zu erwähnen. Nach diesem Grundsatz ist der finanzielle, zufällige Bedarf der Produktionseinheiten durch eine spezialisierte Institution zu sichern, wodurch diesen Wirtschaftseinheiten die Konzentrierung auf ihre eigentlichen Aufgaben erleichtert w i r d 4 9 . Die auf diesen Grundsätzen aufgebauten sozialistischen Wirtschaftsversicherungen sollen — neben der traditionellen, von allen Versicherungen wahrgenommenen Kompensationstätigkeit — auch bestimmte 48 Selbstverständlich besteht auch in der kapitalistischen Gesellschaft die wirtschaftliche Notwendigkeit der Kompensation des zufälligen Bedarfs. Die Erfüllung dieser Aufgabe ist hier jedoch nur eine der Maßnahmen zum Schutze der Wirtschaftseinheiten, die in ihrer wirtschaftlichen Kalkulation von der Gefahr zufälliger Schäden bedroht werden, nicht dagegen eine der Bedingungen für die Erfüllung des Volkswirtschaftsplanes. 49 Auf dieses Problem werde ich in § 75 noch zurückkommen.
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2. Kap.: Versicherungs-Fonds und geschichtliche Versicherungstypen
Aufgaben auf dem Gebiet der S c h a d e n v e r h ü t u n g erfüllen. Das g i l t nicht nur für den Schutz des Vermögens, sondern auch für den Schutz der Bürger gegen die ihr Leben und ihre Gesundheit bedrohenden zufälligen Ereignisse. Neben diesen hauptsächlichen Funktionen, nämlich der K o m p e n s a t i o n und der P r ä v e n t i o n , nehmen die Wirtschaftversicherungen noch einige andere Aufgaben wahr, z.B. auf dem Gebiet der Finanzierung der Nationalwirtschaft (indem sie i m Staatshaushalt ihre Reserven anlegen), als berichtigender Faktor bei der Verteilung des Nationaleinkommens, ferner bei der Schaffung zusätzlicher Anreize für die Erfüllung der Wirtschaftspläne (z.B. durch eine entsprechende Prämienpolitik oder durch entsprechende Differenzierungen der Versicherungsbedingungen nach gesellschafts-wirtschaftlichen Kriterien). Als eine der i m Interesse der gesamten sozialistischen Gesellschaft wahrgenommenen wirtschafts-organisatorischen Aufgaben des Staates sind die Wirtschaftsversicherungen i n die Nationalwirtschaftspläne einbezogen. Indem die Vermögensversicherung einen unverzüglichen Ausgleich der durch zufällige Ereignisse (Schadenfälle) hervorgerufenen Einbußen an Produktionsmitteln gewährleistet, reduziert sie die durch Produktionsunterbrechungen bedingten Verluste auf ein M i n i m u m ; sie schützt somit nicht nur den vorhandenen nationalen Besitzstand, sondern auch den Prozeß seiner Vermehrung und damit zugleich auch die bessere Befriedigung künftiger Bedürfnisse der Bürger. Diesem letzten Zweck dient unmittelbar die Personenversicherung. Die sozialistische Wirtschaftsversicherung stellt nicht deswegen einen neuen gesellschafts-geschichtlichen Versicherungstypus dar, w e i l sie von einer staatlichen Institution nach dem Grundsatz der Ausschließlichkeit betrieben w i r d — staatliche Versicherungsmonopole gibt es nämlich auch i n verschiedenen kapitalistischen Ländern — und auch nicht deshalb, w e i l die Versicherungs-Fonds gänzlich Eigentum des Staates sind. Das Problem des Eigentums dieser Fonds hat nur eine relative Bedeutung, zumal nicht „eigene" Fonds des Versicherers, sondern i m Grunde die i h m von den Versicherungsnehmern i n Form von Prämien „anvertrauten" Fonds die Grundlage der Versicherungstätigkeit bilden. Die Besonderheit der Sozialistischen Versicherungen w i r d durch ihre grundlegende Funktion gekennzeichnet, nämlich dadurch, daß es Aufgabe des (sozialistischen) Staates, ist, den Versicherungsschutz für das Nationalvermögen und für die Produktionskräfte der Gesellschaft i n e i n e m s o l c h e n U m f a n g z u organ i s i e r e n , w i e d i e s e r S c h u t z e r f o r d e r l i c h i s t 5 0 , fer50
Siehe W. Warkallo,
Le droit des assurances, I.e., S. 213.
§ 12. Gesellschafts-geschichtliche und ökonomische Versicherungstypen
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ner dadurch, daß die Bekämpfung zufälliger Schäden — i m Wege der Versicherungsprävention und -kompensation — eines der Elemente der sozialistischen Planwirtschaft ist. § 12. Gesellschafts-geschichtliche und ökonomische Versicherungstypen Die fundamentale Arbeit V. K . Rajchers über die gesellschaftsgeschichtlichen Versicherungstypen ist auch heute noch die Grundlage der sozialistischen Versicherungstheorie 61 . Auch wenn ich weder die bahnbrechende Bedeutung dieses Werkes für die Entwicklung der sozialistischen Versicherungswissenschaft zu schmälern noch die Richtigkeit der Einteilung der Versicherungen i n „drei grundsätzliche historische Typen": vorkapitalistische, kapitalistische und sozialistische, i n Frage zu stellen beabsichtige, halte ich es dennoch für notwendig, diese nach gesellschafts-geschichtlichen Kriterien durchgeführte Einteilung durch eine Einteilung nach ökonomischen K r i t e r i e n zu ergänzen 8 2 . Ich stelle nämlich gleichsam der Dreiteilung der Versicherungen i n gesellschafts-geschichtliche Typen eine Dreiteilung der Versicherungen i n ökonomische Typen gegenüber, und zwar den Typus der gegenseitigen Hilfe, den auf Erwerb ausgerichteten Typus und den sozialistischen Versicherungstypus, d.h. eine vom sozialistischen Staat organisierte Versicherung, die ein Instrument des planmäßigen Schutzes der Produktionskräfte der Gesellschaft und der persönlichen I n teressen der Bürger gegen die Folgen bestimmter Kategorien zufälliger Ereignisse darstellt. Der ökonomische Typus der gegenseitigen Hilfe entstand i n der Gesellschaftsordnung der Sklaverei als eine Form der Zusammenarbeit freier Menschen, die sich m i t der Kleinwarenproduktion, dem Handwerk oder m i t dem Handel beschäftigten. Dieser Typus kommt jedoch auch i n der Zeit des Feudalismus und des Kapitalismus, ja sogar auch 61 I n seiner in SGiP Nr. 9/1948, S. 100, veröffentlichten Besprechung der Arbeit V. K. Rajchers stellt M. W. Gordon fest, daß „ . . . die Arbeit V. K. Rajchers die einzige Forschungsarbeit riesengroßen Maßstabs ist, die Fragen der Versicherung im sowjetischen Schrifttum beleuchtet". I m Jahre 1956 kritisiert I. Rabinovic (in seinem Aufsatz: Vnimaniju Glavnogo Upravlenija Gosstracha /Zur Beachtung der Hauptverwaltung des Gosstrach, Finansy SSSR Nr. 9, S. 68) den Stand der sowjetischen wissenschaftlichen Leistung betreffend die Versicherung und führt aus, daß außer dem Handbuch von F. V. KonSin (Gosudarstvennoe strachovanie v SSSR — z u m erstenmal 1947 unter der Redaktion von V. K. Rajcher und später erneut in den Jahre/n 1949, 1953 und 1961 herausgegeben) „ . . . innerhalb von vielen Jahren keine anderen Hauptwerke veröffentlicht wurden". I m Jahre 1960 ist dann die erwähnte Arbeit von K. A. Grave — L. A. Lüne erschienen, die neue Gesichtspunkte, vor allem in bezug auf die Personenversicherung enthält. 52 Eingehende Überlegungen zu diesem Thema enthält die 1. Auflage dieser Arbeit (Warszawa 1958, S. 68—74).
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2. Kap.: Versicherungs-Fonds und geschichtliche Versicherungstypen
i m Sozialismus vor. I n der UdSSR existierte dieser Versicherungstypus nicht nur innerhalb der erst 1930 liquidierten genossenschaftlichen Versicherungen, sondern auch i n den Versicherungen auf Gegenseitigkeit der Mitglieder der Arbeitsgenossenschaften. Bereits i m A l t e r t u m entstanden auch die ursprünglichen Formen der kommerziellen Versicherungen (im Rahmen des Seedarlehns), die dann i m Kapitalismus i n der Tätigkeit der „Versicherungs-Aktiengesellschaften" den Höhepunkt ihrer Entwicklung erreichten". Die Versicherung als gewerbliche Tätigkeit ist i m Sozialismus nicht gänzlich verschwunden: die Versicherungsanstalten i n den volksdemokratischen Ländern erzielen durch ihre Versicherungstätigkeit Überschüsse 54 . Dies gilt auch für die UdSSR, vor allem i n bezug auf die See- und Rückversicherungen M . Aus den obigen Ausführungen folgt, daß es i n den Gesellschaftsordnungen der Sklaverei und des Feudalismus zweierlei Versicherungstypen gab: den Typus der gegenseitigen Hilfe und den Typus einer als Erwerbs-oder Handelstätigkeit verstandenen Versicherung. Doch auch i m Kapitalismus kommen beide Formen vor, also die Tätigkeit der Versicherungsvereine, die auf den Schutz der Interessen der M i t glieder gerichtet ist, wie auch die Handels- und Erwerbstätigkeit der Versicherungsunternehmen, wobei jedoch der letztgenannte Typus überwiegt. Neben diesen beiden Organisationsformen der Versicherung t r i t t auch noch eine dritte Form i n Erscheinung: die öffentlich-rechtliche Versicherung, die entweder von ad hoc gegründeten Institutionen oder staatlichen Unternehmen, von territorialen oder berufsständischen Selbstverwaltungsverbänden betrieben wird. Sie stellt keinen neuen ökonomischen Versicherungstypus dar, sondern ist vielmehr eine A b wandlung des kommerziellen Versicherungstypus oder der Versicherung auf Gegenseitigkeit. 59 J. Hémard (I.e., Bd. I , S. 22) behauptet, daß „la vraie forme des sociétés d'assurances est la forme anonyme". Die Aufnahme einer Tätigkeit auf dem Gebiet der „Versicherungsindustrie" erfordert ein großes Anlagekapital, das nur durch eine Gesellschaft zusammengetragen werden kann, die Aktien emittiert. m Siehe M . Weralski, Finanse Nr. 8/1962, S. 1—8. M Siehe F. V. KonSin, I.e., S. 79 f. Es scheint selbstverständlich, daß die Versicherungs- bzw. Rückversicherungsgeschäfte des Ingosstrach in bezug auf ausländisches oder im Ausland, auf hoher See oder in kapitalistischen Staaten befindliches Vermögen (also die Versicherungstätigkeit, die unter den Bedingungen des Wettbewerbs mit kapitalistischen Versicherern ausgeübt wird) den Bedingungen und Gesetzen des kapitalistischen Versicherungsmarktes angepaßt werden müssen und daher nicht gleichzeitig als Erscheinungen der sozialistischen Versicherungstätigkeit, die sich von der kommerziellen kapitalistischen Versicherungstätigkeit diametral unterscheidet, betrachtet werden kann.
§ 12. Gesellschafts-geschichtliche und ökonomische Versicherungstypen
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I m Sozialismus wurde die Institution der Versicherung zu einer sozialen Zwecken und nicht der Gewinnerzielung dienenden Einrichtung. Dennoch können neben der Versicherungstätigkeit, die prinzipiell unmittelbar i m Interesse der gesamten Nationalwirtschaft ausgeübt wird, auch noch Formen auftreten, die grundsätzlich unmittelbar nur dem Wohle der Versicherten dienen. Auch bei den sozialistischen Versicherungen ist die Möglichkeit einer Versicherungstätigkeit „auf kommerzieller Basis" 6 6 nicht ausgeschlossen. Daran ändert nichts die Tatsache, daß der Gewinn des Versicherers i n den Staatshaushalt fließt, zumal es dabei nur um die Verschiebung finanzieller M i t t e l innerhalb der Sphäre des einheitlichen staatlichen Eigentums geht. Aus diesen Darlegungen folgt, daß kein Versicherungstypus ausschließlich i n einzelnen Gesellschaftsordnungen allein auftritt, daß aber i n jeder Gesellschaftsordnung ein a n d e r e r T y p u s ü b e r w i e g t . Einen solchen überwiegenden Typus stellt i m Sozialismus die von staatlichen Unternehmen oder Institutionen nach dem Grundsatz der Ausschließlichkeit zum Schutze der Produktionskräfte die gesellschaftbetriebene Wirtschaftsversicherung dar. I m Kapitalismus überwiegt der Typus der kommerziellen Tätigkeit, die vor allem von Versicherungs-Aktiengesellschaften ausgeübt wird. I n den vorkapitalistischen Gesellschaftsordnungen treten w o h l gleichrangig der Typus der gegenseitigen H i l f e 5 7 und der der kommerziellen Tätigkeit auf 5 8 , wobei allerdings der erste i m Binnenland und der zweite i m Bereich der Seeversicherung überwiegt. 56 Hinsichtlich der unter den Bedingungen des Wettbewerbs mit kapitalistischen Versicherungsunternehmen betriebenen Versicherung des internationalen Warenverkehrs, z.B. des Seetransports, müssen auch die sozialistischen Versicherungsanstalten ihre Tätigkeit „nach kommerziellen Grundsätzen" gestalten. Vgl. J. Dylla: W 40-lecie dzialalnoSci towarzystwa reasekuracyjnego „Warta" (Zum 40. Jahr der Tätigkeit der RückVersicherungsgesellschaft „Warta"), in: 150 lat ubezpieczefi w Polsce, I.e., 2. Teil, S. 131 sowie L. Kozicki, Wiad. Ub. Nr. 7—8/1967, S. 27—29. 67 Wie die geschichtliche Erfahrung zeigt, entwickelt sich die Versicherung auf Gegenseitigkeit am günstigsten auf der Grundlage einer berufskörperschaftlichen Organisation im Bereich der Kleingewerbe-Wirtschaft, mit der sie auch verbunden zu sein scheint. Und da, wie Wasilkowski (I.e., S. 50) zutreffend bemerkt, dieser Bereich der Wirtschaft in keiner Epoche „dominierenden Charakter" hatte, konnte auch der dieser Wirtschaft entsprechende Typus der Versicherung nur eine untergeordnete Bedeutung haben. 58 Neben den drei ökonomischen Typen der Wirtschaftsversicherung kann man zumindest noch von zwei ökonomischen Typen der Sozialversicherung sprechen, und zwar: vom 1) kapitalistischen Typus (die Finanzierung der Versicherung aus dem Arbeitereinkommen, aus Leistungen der Arbeitgeber und eventuell aus staatlichen Zuwendungen) und vom 2) sozialistischen Typus (die Finanzierung der Versicherung aus den vom Arbeitgeber geleisteten Prämien — in der Regel ohne Abzüge vom Arbeitnehmerlohn), der eine der Garantien des verfassungsmäßigen Rechts der Bürger „auf Schutz ihrer Gesundheit und auf Hilfe im Fall von Krankheit oder Arbeitsunfähigkeit" (Art. 60 Abs. 1 der Verfassung von 1952) darstellt.
9
Warkatto
Drittes
Kapitel
Entstehung, Entwicklung und Wandlungen der Wirtschaftsversicherung in Polen §13. Entstehung und Entwicklung der Wirtschaftsversicherung in Polen Der vorkapitalistischen Versicherung i n Polen hat man bis vor einigen Jahren 1 keine größere Beachtung gewidmet. Die Theorie, derzufolge nur die Versicherung des kapitalistischen Typus zur eigentlichen Versicherung zählt 2 , hat den Forschungsbereich unserer Versicherungstheoretiker eingeengt. Sogar die umfangreiche Studie K . Krzeczkowskis über Die Entwicklung öffentlicher Versicherungen in Polen (Rozwöj ubezpieczen publicznych w Polsce) enthielt nur knappe Bemerkungen über die sich i m Mittelalter entwickelnden Organisationen „der gegenseitigen Hilfe und der nachbarschaftlichen Solidarität gegenüber Elementarkatastrophen" 8 . I n der Adelsrepublik herrschten — solange ausschließlich auf der Grundlage des Frondienstes gewirtschaftet wurde — keine günstigen Bedingungen für eine breitere Entwicklung der Versicherimg vorkapitalistischen Typus. Trotz der Abwendung des damaligen Adelspolen vom Meer und der Entwicklungsstörungen i m polnischen Überseehandel hat — wie von S. Matysik i n seinen Untersuchungen des Danziger Seerechts nachgewiesen ist — auch bei uns, ähnlich wie i n anderen Ländern, die Institution der Versicherung am Meer Wurzel gefaßt und ist von dort ins Binnenland vorgedrungen 4 , was die These 1 Siehe L. Pokorzyhski , Powstanie i rozwöj ubezpieczefi, I.e., S. 15. * Dieser in der bourgeoisen Lehre herrschenden Theorie widersprechen nicht die sporadisch unternommenen Versuche eines Nachweises, daß es bereits im Altertum eine Vermögens- und Personenversicherung kapitalistischen Typus — und sogar auch eine Sozialversicherung — gegeben habe. Siehe in unserem Schrifttum die Aufsätze von M . Moskwa , PUS Nr. 8/1947, S. 6—10 und Eichsteadt: U ¿rödel asekuraeji (Ursprung der Versicherung), in: Przeg. Ub. Nr. 4/1928, S. 1—10. Wie V. K. Rajcher (I.e., S. 57) nachweist, beruhen sowohl die Ansicht, daß es in der vorkapitalistischen Zeit keine Versicherung gegeben habe, als auch die Behauptung, daß es in dieser Zeit nur eine Versicherung kapitalistischen Typus gegeben habe, auf der gleichen „ . . . von einem eigenartigen Fanatismus getragenen Idee: 'es gibt keinen Gott außer Gott 4 — es gibt keine Versicherung außer der bourgeoisen Versicherung". • K. Krzeczkowski, I.e., Bd. I, S. 16 f. 4 Eine besondere Beachtung verdient die Tatsache, daß das Danziger Stadtrecht von 1761, das eine Kodifikation des Seerechts darstellt, mehr
§ 13. Entstehung und Entwicklung vor 1939
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von der historischen Priorität der Seeversicherungen vor allen anderen A r t e n der Vermögensversicherung bestätigt 5 . Die erste Versicherungsinstitution i m polnischen Binnenland w a r die nach der ersten Teilung i m Jahre 1785 i n K w i d z y n (Marienwerder) gegründete „Feuerdirektion für Westpreußen" 6 . I n den Jahren 1803 und 1804 entstanden auf dem ehemaligen preußischen Teilungsgebiet die „Feuer-Gesellschaft für Städte" und die „Feuer-Gesellschaft für Dörfer", beide organisiert nach dem Modell der deutschen „öffentlich-rechtlichen Feuersozietäten", die nach den Grundsätzen der Ausschließlichkeit und des Zwanges Gebäude gegen Feuer versicherten 7 . Die Tätigkeit dieser Gesellschaften wurde durch eine Warschauer Direktion und eine Posener Direktion ausgeübt, die später zur Wiege zweier Zentren sog. öffentlich-rechtlicher V e r sicherungen auf Gegenseitigkeit wurden und die man erst i n Volkspolen— i m Organisationsrahmen der PZUW — endgültig vereinigte 8 . Die Tatsache, daß sich auf polnischem Boden zuerst die öffentlichrechtliche Versicherung (die Zwangsversicherung der Gebäude gegen Feuer) entwickelt hat, ist einmal auf die Belange der merkantilistischen Politik (wegen der verspäteten Entwicklung des Kapitalismus war es erforderlich, den Versicherungsmarkt vor der Expansion ausländischer Versicherungsgesellschaften zu schützen), zum anderen auf das Bedürfnis einer Sicherung des hypothekarischen Kredits®, ferner auf fiskalische Gründe 1 0 (die Sicherung des Einkommens des Fiskus r z.B. aus der Grundsteuer) zurückzuführen. M i t der Entwicklung der kapitalistischen Maschinenproduktion und unter dem Druck der an Bedeutung zunehmenden Bourgeoisie, die sich entschieden gegen das bisherige Monopol der „öffentlichen V e r sicherungen" wandte, entstanden i n der zweiten Hälfte des 19. Jh. auf polnischem Boden privatkapitalistische Versicherungsgesellschaften 11 . als 20 Bestimmungen über den Seeversicherungsvertrag enthält. Siehe S. Aiatysik: Prawo morskie GdaAska (Das Seerecht Danzigs), Warszawa 1961„ S. 317. 6 Siehe Z. Lichniak : Problem subsydiarnego zastosowania norm przyszlego kodeksu cywilnego do umowy ubezpieczenia morskiego (Die Frage der subsidiären Anwendung der Normen des künftigen Zivilgesetzbuchs auf den Seeversicherungsvertrag), Wiad. Ub. Nr. 10/1962, S. 24. 6 K. Krzeczkowski , lc., S. 31. Vgl. W. Warkallo , Ubezpieczenia spoleczne i gospodarcze, I.e., 1953, S. 2 f. 7 J. Lazowski , Wst^p, I.e., S. 56. Vgl. L. Pokorzyhski , I.e., S. 19. 8 Siehe Art. 7 des Dekrets vom 3.1.1947 über die Regelung der Sach- und Personenversicherung (Dz. U. Nr. 5, Pos. 23). 9 Die rechtlichen Fragen betreffend die Verflechtungen zwischen dem hypothekarischen Darlehn und der Gebäudeversicherung schildert S. Buczkowski (Hipoteczna odpowiedzialno§6, I.e., S. 1, 8 und 120). 10 Siehe z.B. K. Krzeczkowski , I.e., Bd. I, S. 3, 29, 367, Bd. I I , S. 7 ff. 11 Siehe Z. Szymaiiski : DzialalnoSö prywatnych zakladöw ubezpieczefi na ziemiach polskich (Die Tätigkeit privater Versicherungsanstalten auf polnischem Boden), in: 150 lat ubezpieczeA w Polsce, I.e., S. 135 ff.
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3. Kap.: Entwicklung der Wirtschaftsersicherung in Polen
D i e älteste unter ihnen w a r die Krakauer Versicherungs-Gesellschaft {Krakowskie
Towarzystwo
Ubezpieczen
—sog.
Florianka),
die
seit
1860 i m ehemaligen österreichischen Teilungsgebiet t ä t i g war. I m Jahre 1870 ist i n Kongreßpolen die Warschauer Versicherungs-Gesellschaft (Warszawskie Towarzystwo Ubezpieczen) entstanden, und 1873 n a h m dann die „Vesta" Lebensversicherungs-Bank auf Gegenseitigkeit (Bank Wzajemnych Ubezpieczen na zycie) i n Poznan ihre Tätigk e i t auf. Das v o n den Regierungen der Teilungsmächte begünstigte fremde Versicherungskapital hatte auf dem polnischen Versicherungsmarkt Schlüsselpositionen inne. Ende 1938 waren i n Polen 79 Versicherer tätig: 73 private V e r sicherer (und zwar 15 Aktiengesellschaften, 6 ausländische Anstalten, 10 größere Versicherungsanstalten auf Gegenseitigkeit, 42 kleinere Versicherungsanstalten auf Gegenseitigkeit) und 6 öffentlich-rechtliche Versicherer (PZUW i n Warschau, Versicherungsanstalt auf Gegenseitigkeit — Z U W i n Poznan und vier kleinere Anstalten) 1 2 . § 14. Charakteristik der Versicherung der Zwischenkriegszeit (1919—1939) Unsere Wirtschaftsversicherung der Zeit zwischen den W e l t k r i e gen unterschied sich v o n der Versicherung i n anderen kapitalistischen L ä n d e r n durch einen geringeren Grad der V e r b r e i t u n g und E n t w i c k l u n g 1 3 , ein geringeres Ausmaß der Konzentration und Zentralisier u n g des Versicherungskapitals 1 4 sowie durch eine überwiegende Beteiligung ausländischen Kapitals, das Polen als ein noch halbkoloniales Expansionsgebiet betrachtete 1 6 . Der unter dem Einfluß der Hochfinanz stehende Staat der zwanziger Jahre duldete diese Expansion, obgleich es auch damals schon a n Protesten gegen die Beherrschung unseres Versicherungsmarktes d u r c h das ausländische K a p i t a l nicht mangelte 1 6 . Das ausländische Versicherungskapital w a r nicht allein durch die sechs großen ausländischen (je zwei englischen, deutschen und italienischen) Versicherungsgesellschaften vertreten, sondern auch an 12 Siehe Rocznik Paûstwowego Urzçdu Kontroli UbezpieczeA, 1938, I.e., S. I I I . 18 Siehe Z. Szymaûski , Rzeczywistoéc a fikeja, I.e., S. 28 ff. 14 Vgl. J. Lazowski, I.e., S. 62. 16 Vgl. W. Albrycht, I.e., S. 58, 65. 16 So z.B. schrieb Albrycht (I.e., S. 65) im Jahre 1933 „In einer Z e i t . . . des stark entwickelten Protektionismus, den in allen Bereichen der Wirtschaftstätigkeit alle Staaten anwenden, ist allein P o l e n . . . eine »Oase«, ein wahres »Eldorado« für die Expansion ausländischer Versicherungsgesellschaften".
§ 14. Entwicklung und Wandlungen 1919—1939
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den inländischen Aktiengesellschaften 17 vorherrschend und an den größeren Versicherungsgesellschaften auf Gegenseitigkeit beteiligt. Darüber hinaus beherrschte das ausländische K a p i t a l den polnischen Versicherungsmarkt (im Bereich der freiwilligen Versicherungen) noch durch die Rückversicherung. Die übermäßige Rückversicherung 1 8 i m Ausland war eine der Erscheinungsformen des Übergewichts ausländischen Kapitals, das die Rückversicherungspolitik der privaten Versicherungsanstalten i n Polen bestimmte, und gleichzeitig eine Methode der Gewinnerzielung auf dem Versicherungsmarkt. Lediglich die öffentlichen Anstalten stützten sich auf inländisches Kapital und machten von der Rückversicherung keinen Gebrauch; allerdings war ihr eigentlicher Wirkungsbereich auf die Zwangsversicherung der Gebäude gegen Feuer beschränkt. Der fortschreitende Prozeß der Konzentration und Zentralisierung des Versicherungskapitals führte zur Entstehung von Versicherungskonzernen, er vermochte den harten Konkurrenzkampf zwischen den privaten Versicherungsanstalten jedoch nicht zu mildern 1 9 . U m die erfolgreichsten Versicherungsagenten für sich zu gewinnen, erhöhten die Versicherungsgesellschaften die Vermittlungsprovision 2 0 , wodurch wiederum die Verwaltungskosten anstiegen (bis zu 50% der vereinnahmten Prämien) 2 1 . Die Versicherungsgesellschaften kämpften 17 Vgl. W. Albrycht (I.e., S. 52, 67). Albrycht schreibt zutreffend, daß „ . . . die noch in der amtlichen Nomenklatur anzutreffende Einteilung der Aktiengesellschaften in inländische und ausländische Gesellschaften bedeutungslos ist", da sämtliche Versicherungs-Aktiengesellschaften „ . . . entweder ausländische oder vom ausländischen Kapital beherrschte Gesellschaften sind" (S. 65). 18 So z.B. wurden im Jahre 1937 von der allgemeinen Summe der in diesem Jahre in Höhe von 36 Mill. ZI. durch die Aktiengesellschaften vereinnahmten Prämien 25 Mill. ZI., also fast 70°U an ausländische Rückversicherer überwiesen (Rocznik/Jahrbuch/ P U K U 1938, Warszawa, hrsg. vom SchatzMin., siehe z.B. S. 9). Es sind auch Fälle bekannt, in denen einzelne Anstalten 90°/a der vereinnahmten Prämien an ausländische Rückversicherer überwiesen haben; das bestätigt die in der Literatur vertretene Meinung, daß manche Anstalten eher „eine Vermittlungstätigkeit für ausländische Rückversicherer" als eine Versicherungstätigkeit ausgeübt haben. Vgl. W. Albrycht , I.e., S. 29 f. Es erübrigt sich zu betonen, daß die Rückversicherung im Ausland, die konkrete wirtschaftliche Informationen an ausländische Stellen erfordert, der ausländischen Wirtschaftsspionage dienen konnte und auch tatsächlich gedient hat. 19 Wie W. Lenin schreibt: „ . . . die Monopole beseitigen nicht die freie Konkurrenz, aus der sie erwachsen, sondern bestehen über und neben ihr fort und erzeugen dadurch eine Reihe besonders krasser und schroffer W i dersprüche, Reibungen und Konflikte" (Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus, I.e., S. 89). 20 Z. Szymafiski (RzeczywistoSc a fikeja, I.e., S. 72) schrieb im Jahre 1935, daß in Polen die Provision wegen des scharfen Konkurrenzkampfes höher war als in irgendeinem anderen Land Europas. 21 Siehe z.B. die Angaben im Rocznik P U K U von 1938 (oben zit.), S. V — X I . Vgl. E. Montalbetti , O dalszy rozwöj, I.e., S. 13 und W. Albrycht , I.e., S. 53.
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3. Kap.: Entwicklung der Wirtschafts Versicherung in Polen
untereinander u m die großen Risiken u n d vernachlässigten dabei die „ k l e i n e n Risiken" — den Versicherungsschutz f ü r kleine Produzenten, L a n d w i r t e u n d H a n d w e r k e r 2 2 und vor allem für die Arbeiterschaft. Die o b j e k t i v e F u n k t i o n unserer Vermögensversicherung äußerte sich — ähnlich w i e die der kapitalistischen Versicherung i m allgem e i n e n — fast a u s s c h l i e ß l i c h i n d e r K o m p e n s a t i o n s t ä t i g k e i t , d.h. i n der A u s z a h l u n g v o n Entschädigungen; dagegen w a r die T e i l n a h m e der Versicherung (ausgenommen die öffentlich-rechtliche Versicherung) a n d e r S c h a d e n b e k ä m p f u n g oder z u m i n d e s t a n d e r F i n a n z i e r u n g e i n e r s o l c h e n A k t i o n ä u ß e r s t d ü r f t i g 2 8 . So b e s c h r ä n k t e s i c h d e r d a m a l i g e Versicherungsschutz auf den Schutz der finanziellen Interessen der Versicherten. Der Volkswirtschaft u n d dem nationalen Vermögen f e h l t e es n i c h t n u r a m e n t s p r e c h e n d e n ( d u r c h d i e V e r s i c h e r u n g s t ä t i g k e i t g e w ä h r l e i s t e t e n ) S c h u t z g e g e n z u f ä l l i g e S c h ä d e n , sie m u ß t e n v i e l m e h r n i c h t selten auch die Last zusätzlicher, d u r c h plagenartig a u f t r e t e n d e V e r s i c h e r u n g s d e l i k t e 2 4 (z.B. v o r s ä t z l i c h e I n b r a n d s e t z u n g hochversicherter Gebäude oder M o b i l i e n ) verursachter Verluste t r a gen, insbesondere i n K r i s e n z e i t e n b e i P r e i s s e n k u n g e n u n d G ü t e r verwertungsschwierigkeiten 25. 22 Wie bekannt ist, lassen sich die privaten Versicherungsanstalten, insbesondere die kommerziellen, d.h. nach Gewinn strebenden Versicherungsunternehmen „ . . . in ihrer Tätigkeit vom Grundsatz der Nichtannahme schlechter Risiken leiten", und zu dieser Kategorie gehören auch „ . . . kleine, verstreute Risiken" (z.B. Bauernwirtschaften), „ . . . z u denen der Zugang schwierig ist". Siehe J. Lazowski, I.e., S. 312. Vgl. Z. Szymatiski, RzeczywistoS6 i fikeja, I.e., S. 73. 28 J. Lazowski (I.e., S. 342) schrieb zwar i m Jahre 1934, daß „ . . . die Versicherer, auch diejenigen, deren Tätigkeit auf Gewinnerzielung gerichtet ist, gewisse Lasten zum Zwecke des Unfallschutzes tragen sollten", doch fast gleichzeitig wies J. Rzöska (in: Przewodnik Ub. Nr. 10/1934, S. 128) nach, daß die Versicherungsanstalten kein Interesse an der Entwicklung einer Vorbeugungstätigkeit hätten, da „ . . . sich mit dem Rückgang von Schäden die Versicherungsprämie verringert". 24 Die Behauptung von W. J. Piqtkiewicz (Przg. Ub. Nr. 4/1929, S. 2), daß „in Polen bis zu 85°/o der Feuerschäden zu Spekulationsschäden gehören", entspricht nicht dem tatsächlichen Ausmaß dieser Schäden, da der Prozentsatz der Spekulationsschäden um ein vieles niedriger war, dennoch war der Versicherungsbetrug (die vorsätzliche Herbeiführung der Versicherungsfälle) eine häufige Erscheinung. Indirekt wird dies durch das rege Interesse unseres Schrifttums an „spekulativen" Bränden und anderen Versicherungsfällen bewiesen. Siehe z.B. M . Sztykgold, Przeg. Ub. Nr. 3/1928, S. 6—14. Die Fälle der spekulativen Inbrandsetzung von Objekten, die gegen Feuer versichert sind, stellen nicht nur für die Versicherungstätigkeit, sondern auch für die Verbrechensbekämpfung in den kapitalistischen Staaten ein ernsthaftes Problem dar. Siehe B . P . Battie und P . B . Weston: A r son, New York 1954, S. 60 sowie G. Buhtz, I.e., S. 176—182. Siehe auch Mowbray und Blanchard, I.e., S. 40 und 20. 25 Die Charakteristik der WirtschaftsVersicherung in Polen aus der Vorkriegszeit wurde hier in gebotener Kürze dargestellt. Eine eingehendere Darstellung enthält die Arbeit K. Secomskis, Ekonomika ubezpieczefi, I.e., S. 56—65 und 319—388.
§ 15. Aufbau und Umbau in Volkspolen 1944—1947
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§ 15. Aufbau und Umbau der Versicherung in Volkspolen (1944—1947)26 Volkspolen baute die Versicherung auf neuen Grundsätzen auf. Die Versicherung, deren Tätigkeit vom in-und ausländischen Privatkapital befreit wurde, hörte auf, ein kommerzielles, die kapitalistischen Unternehmer auf Kosten des gesellschaftlich gebildeten VersicherungsFonds bereicherndes Geschäft zu sein. Die gesamte Versicherungstätigkeit wurde nun i n den Dienst der Volkswirtschaft gestellt. Zum Organisator und Verwalter des zentralisierten Fonds der Wirtschaftsversicherung wurde die PZUW — eine Institution, „deren Zweck der allgemeine Nutzen" war (Art. 3 des Dekrets vom 3.1.1947 über die PZUW) und die i m Einklang m i t den Grundsätzen der Wirtschaftspolitik des Staates handelte. A u f diese Weise wurde die Versicherung i n den Rahmen der sozialistischen Planwirtschaft einbezogen. Die i n den ersten Jahren nach der Befreiung des Landes vollzogenen Änderungen auf dem Gebiet der Wirtschaftsversicherung kamen i n zwei Dekreten vom 3.1.1947 zum Ausdruck: 1) ü b e r d i e Regel u n g d e r S a c h - u n d P e r s o n e n v e r s i c h e r u n g e n (Dz.U. Nr. 5, Pos. 23), und 2) ü b e r d i e A l l g e m e i n e Versicher u n g s a n s t a l t a u f ' G e g e n s e i t i g k e i t (P-owszechny Z-akiad U-bezpieczen W-zajemnych) (Dz.U. Nr. 9, Pos. 79). Z u den wichtigsten Entscheidungen des D e k r e t s ü b e r die Regelung d e r V e r s i c h e r u n g e n zählen: 1) der Ausschluß der privaten, kapitalistischen Versicherer von der Versicherungstätigkeit und die Beauftragung der PZUW m i t der Liquidation der Geschäfte der privaten Versicherungsgesellschaften; 2) die Einführung der Zwangsversicherung der Gebäude gegen Feuer auf dem g e s a m t e n Staatsgebiet; 3) die Eingliederung der Versicherungsanstalt auf Gegenseitigkeit (ZUW) und der Feuerwehr-Kasse i n Posen (Kasa Strazacka w Poznaniu) i n die PZUW; 4) die Übertragung der Au&schließlichkeit i m Bereich der Rückversicherungen der Rückversicherungs-Gesellschaft „Warta" (Towarzystwo Reasekuracji „Warta"). Das D e k r e t über die P Z U W bestimmte die Rechtsnatur und die Organisation der PZUW und erweiterte ihren Tätigkeitsbereich, indem es ihr die Ausschließlichkeit hinsichtlich der Zwangs- und Transportversicherungen zuerkannte. I n der Praxis führte die PZUW sämtliche Versicherungszweige auf der Grundlage der Ausschließlich26 Siehe die umfangreichen Aufsätze von M . Domagala, Rozwöj ubezpieczefi pafistwowych w Polsce Ludowej (Die Entwicklung der staatlichen Versicherung in Volkspolen), in: 150 lat ubezpieczefi w Polsce, I.e., S. 133—168 und E. Kreid, Perspektywy rozwojowe ubezpieczefi maj^tkowych i osobowych w latach 1959—1965 (Entwicklungsperspektiven der Vermögens- und Personenversicherung in den Jahren 1959—1965), ebenda, Warszawa 1960, 2. Teil, S. 51—84.
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3. Kap.: Entwicklung der Wirtschaftsersicherung in Polen
keit. I m Bereich der Lebensversicherung war bis 1948 neben der PZUW noch die Postsparkasse (Pocztowa Kasa Oszcz^dnoSci — PKO) tätig. Indem das Dekret (in A r t . 1 Abs. 3) der P Z U W — der Institution also, die die gesamten Wirtschaftversicherungen betrieb — die Schadenverhütungstätigkeit zur Aufgabe machte, wies es gleichzeitig den richtigen Weg zu einer die Interessen der versicherten Einheiten m i t denen der gesamten Volkswirtschaft harmonisch verbindenden Versicherungstätigkeit. § 16. Von der Versicherung auf Gegenseitigkeit zu der staatlichen Versicherung (1947—1952) Die Versicherung mußte, u m ihre wichtigen Dienstleistungsfunktionen für die sich rasch entwickelnde Volkswirtschaft zu erfüllen, m i t den fortschreitenden gesellschafts-wirtschaftlichen Änderungen Schritt halten. Das Leben selbst hatte dem bestehenden geseztlichen Rahmen einen neuen wirtschaftlichen, sozialen und politischen Inhalt gegeben. Doch schon nach einigen Jahren erwies sich das rechtliche Modell von 1947 als unzureichend. Die Versicherungen auf Gegenseitigkeit, deren Gegenseitigkeitscharakter schon längst zu einer F i k t i o n 2 7 geworden war, wurden bereits durch die K r a f t des Faktischen zu „staatlichen Versicherungen" und so zu einem gewichtigen Instrument der Wirtschaftspolitik des Staates. Sie haben i m Rahmen der nationalen Wirtschaftspläne bestimmte Aufgaben erfüllt,und zwar nicht nur solche der Kompensation und Verhütung zufälliger Schäden, sondern auch auf dem Gebiet der „Drainage" des Geldmarktes mittels einer entsprechenden Tarifpolitik, derzufolge die Prämien nach versicherungsfremden Kriterien festgesetzt wurden 2 8 . Angesichts dieser Sachlage schien die rechtliche Sanktionierung der seit 1947 eingetretenen Wandlungen unentbehrlich. Diesem Zweck 27 Die P Z U W erhob Prämien in feststehender Höhe, zahlte weder Uberschüsse zurück noch forderte sie von den Versicherungsnehmern Nachschüsse. Diese Art der Abrechnung ist bei der Versicherung auf Gegenseitigkeit erforderlich, die die tatsächlichen Kosten der Kompensationstätigkeit decken und weder Gewinne erzielen noch zu Verlusten des Versicherers führen soll. Die P Z U W war daher eher eine Versicherungsanstalt gemischten Typus, in dem sowohl Elemente der Versicherung auf Gegenseitigkeit als auch der Versicherung gegen feste Prämien enthalten waren; sie war „une société mixte" (wie man nach J. Hémard , I.e., Bd. I I , S. 26, sagen könnte). 28 Siehe z.B. § 13 Abs. 2 der nicht mehr geltenden Verordnung des FinMin. vom 28.3.1951 über die Gebäudepflichtversicherung, demzufolge „die Prämien in wirtschaftlich begründeten Fällen bei gleicher Höhe des Wagnisses unterschliedlich bemessen werden können" (Dz. U. Nr. 21, Pos. 168).
§ 16. Entwicklung zur staatlichen Versicherung 1947—1952
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diente das Gesetz vom 28.3.1952 über die Staatliche Versicherung (Dz.U. Nr. 20, Pos. 130). Durch die Beseitigung der i m Lichte der bisherigen Vorschriften dem Anschein nach noch bestehenden Versicherung auf Gegenseitigkeit leitete es eine neue Etappe i n der Entwicklung der vom Staat i m Rahmen seiner wirtschafts-organisatorischen Funktion betriebenen Wirtschaftsversicherung ein. Dieses Gesetz hat nicht nur den Zwiespalt zwischen dem tatsächlichen und dem Rechtszustand beseitigt, sondern darüber hinaus auch noch das Programm für die normativen Arbeiten auf dem Gebiet der Versicherung richtungsweisend festgelegt 29 . Es hatte große Bedeutung für die Einordnung der Begriffe 8 0 und die Festlegung einer einheitlichen Terminologie i m Bereich der juristischen Problematik der Vermögens- und Personenversicherungen. Jedoch vermochte es nicht die wichtigste Aufgabe zu erfüllen, nämlich die der Umgestaltung der bestehenden Versicherungen i n solche, die dem Modell einer sozialistischen Versicherung völlig entsprochen hätten. Vor allem sind i m Gesetz nicht die für eine angemessene Entwicklung der Versicherungsprävention erforderlichen Rechtsgrundlagen geschaffen und auch nicht die Versicherungstätigkeit von fiskalischen Elementen befreit worden. Nicht zu Unrecht betonte die Fachpresse, daß die Vorschriften dieses Gesetzes es erlaubten, „ . . . die Institution der Versicherung als eines der staatlichen Monopole, die der Vermehrung der Einnahmen des Staatshaushalts dienen" 8 1 , zu betrachten. Das führte zur Entstellung der Tätigkeit der Versicherungsanstalt, die i n ihrem langjährigen Dienst an der Gesellschaft von der Tendenz, finanzielle Überschüsse zu erwirtschaften, stets frei w a r 8 2 . Weder die hier erwähnten noch 29 Dieses Gesetz enthielt Ermächtigungen zum Erlaß einer Reihe von Verordnungen des MinR. und anderer Normativakte betreffend die Versicherung. 80 Insbesondere ist hier hinzuweisen auf die Festlegung folgender Termini: Versicherungsvertrag, VersicherungsVerhältnis und zufälliges (schicksalhaftes) Ereignis, auf die Bestimmung der Kriterien für die Einteilung der Versicherung in Pflichtversicherung und freiwillige Versicherung, in Vermögensversicherung und Personenversicherung, sowie auf die Festlegung der Art der Regelung der Pflichtversicherung (nämlich durch Verordnungen des MinR.). 81 M . Kloczewski , Kilka uwag o ubezpieczeniach Polski Ludowej (Einige Bemerkungen über die Versicherung Volkspolens), Wiad. Ub. Nr. 5/1957, S. 22. 82 Gemäß Art. 3 Abs. 1 des Dekrets vom 3.1.1947 hat die P Z U W „die allgemeine Nützlichkeit zum Zweck"; noch klarer kommt dies in der Bestimmung des Art. 4 Abs. 2 der Verordnung vom 27.5.1927 über die ZwangsFeuerversicherung und über die P Z U W (Dz. U. Nr. 3/1933, Pos. 23) zum Ausdruck; danach hat die P Z U W „das öffentliche Wohl und nicht die Gewinnerzielung zum Zweck".
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3. Kap.: Entwicklung der Wirtschaftsersicherung in Polen
andere Mängel des Gesetzes" vermochten jedoch den m i t der Entwicklung unserer Wirtschaft und m i t dem Wertzuwachs des versicherten Vermögens schritthaltenden Entwicklungsprozeß der Vermögensversicherung aufzuhalten. §17. Die Herausbildung der sozialistischen Wirtschaftsversicherung Das Gesetz vom 28.3.1952 über die staatliche Versicherung galt nicht ganz sieben Jahre — vom 29.4.1952 bis zum 10.12.1958. Das neue Gesetz vom 2.12.1958 über die Vermögens- und Personenversicherungen (Dz. U. Nr. 72, Pos. 357) enthält, ähnlich wie sein Vorgänger, nur Rahmenvorschriften, vorwiegend verwaltungs- und finanzrechtlicher A r t . Dennoch war es ein großer Schritt vorwärts auf dem Gebiet der rechtlichen Gestaltung der Versicherimg; es hat nämlich 1) die „Verhütungstätigkeit, die die Verminderung der Zahl und des Ausmaßes der Schäden zum Ziele hat", zu einer Aufgabe m i t gleichem Rang wie die Kompensations-Tätigkeit — die Auszahlung von Entschädigungen und anderer Versicherungsleistungen (Art. 1) — erhoben; 2) die finanziellen Grundlagen der Verhütungstätigkeit gesichert, indem es zur Deckung der Kosten dieser Tätigkeit neben einem aus dem Prämienaufkommen abzuführenden Betrag (Art. 32) noch zusätzlich 30% oder sogar 60% der Bilanzüberschüsse der P Z U (Art. 34) vorsieht; auf diese Weise wurde den fiskalischen Tendenzen der Tätigkeit der P Z U Einhalt geboten; 3) der P Z U neue, i m gewissen Sinne führende Aufgaben i m Bereich der Präventionstätigkeit zuerkannt (Art. 26 Pkt. 1); 4) den Präventionstätigkeitsbereich auch über die von der Pflichtversicherung erfaßten Risiken hinaus erweitert; 5) eine gesellschaftliche Kontrolle der Versicherungstätigkeit geschaffen, indem es bei der P Z U einen m i t wichtigen Kompetenzen hinsichtlich der Begutachtung und Beschlußfassung ausgestatteten „Versicherungsrat als Vertretung der versicherten und interessierten staatlichen und gesellschaftlichen Organisationen und I n stitutionen" ins Leben gerufen hat (Art. 18 und 19); 6) aus der P Z U (die nach den Bestimmungen des Gesetzes von 1952 eine administrative „staatliche Institution" besonderer A r t war) M Diese Mängel sind in der 1. Auflage dieser Arbeit (von 1958) ausführlich behandelt worden; es sei hier erwähnt, daß die Mehrheit der in dieser Arbeit vorgeschlagenen Änderungen im neuen Gesetz vom 2.12.1958 über die Vermögens- und Personenversicherung(en) berücksichtigt worden sind. Siehe oben S. 25 ff (Vorwort zur 2. Aufl.).
§ 17. Die Herausbildung der sozialistischen Wirtschaftsversicherung
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ein „staatliches Versicherungsunternehmen" gemacht, wodurch die Entbürokratisierung der Versicherungstätigkeit begünstigt und die Anpassung dieser Tätigkeit an die veränderlichen Bedingungen und Erfordernisse der Schadenbekämpfung erleichtert wurden; die Zahl der Pflichtversicherungen (von sieben nach dem Gesetz von 1952—- A r t . 5 Abs. 1) auf fünf verringert und den Schwerpunkt auf die freiwilligen Versicherungen verlagert (Art. 5 Abs. 1); die Mitarbeit von Versicherungsvermittlern zugelassen „zwecks Erwerb und Entwicklung freiwilliger Versicherungen" (Art. 27 Abs. 1); den Grundsatz der völligen Freiwilligkeit i m Bereich der Vertragsversicherungen für nichtstaatliche Einheiten der vergesellschafteten Wirtschaft eingeführt (Art. 10) der P Z U gestattet, m i t Zustimmung des Finanzministers direkt bei ausländischen Versicherungsanstalten Rückversicherung zu nehmen (Art. 23 Abs. 5), wodurch „das überflüssige Zwischenglied (die RückVersicherungsgesellschaft „ W a r t a " — Anm. d. Übers.) bei der Rückversicherung i m A u s l a n d " 8 5 ausgeschaltet wurde; der als Aktiengesellschaft geführten Rückversicherungsgesellschaft „ W a r t a " die Ausübung einer immittelbaren Versicherungstätigkeit i n bezug auf „die m i t der Seeschiffahrt, den Außenhandel und andere A r t e n des Devisenverkehrs verbundenen Risiken" gestattet (Art. 35); es hat auf diese Weise die Besonderheit des Versicherungsdienstes i m internationalen Verkehr und die Notwendigkeit der Spezialisierung auf diesem Gebiet berücksichtigt; die Rechtsgrundlage für die Befriedigung von Ansprüchen aus Versicherungsverträgen, die m i t den zu liquidierenden Versicherungsanstalten abgeschlossen worden waren, geschaffen (Art. 38) und dadurch das Vertrauen innerhalb der Gesellschaft zur Realität des vertraglichen Versicherungsschutzes wiederhergestellt.
Es ist zu unterstreichen, daß die Änderungen, die das Gesetz von 1958 m i t sich brachte, günstige Bedingungen für die Anpassungsfähigkeit der Versicherungstätigkeit und somit auch für die Entwicklung der freiwilligen Versicherungen geschaffen haben; sie haben darüber hinaus den Rang der Wirtschaftsversicherung dadurch angehoben, daß sie deren Trägern wichtige Aufgaben auf dem Gebiet der Finanzierung und Planung der gegen Schäden gerichteten Prävention anvertrauten. 84 Vgl. Art. 10 des Gesetzes von 1958 mit dem Wortlaut des Art. 12 des Gesetzes von 1952. 85 Siehe die zutreffende Bemerkung zu diesem Thema im Aufsatz von W. Görski, Ustawa o ubezpieczeniach maj^tkowych i osobowych (Das Gesetz über die Vermögens- und Personenversicherung), P U G Nr. 2/1959, S. 52.
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3. Kap.: Entwicklung der Wirtschaftsersicherung in Polen
Dieses Gesetz hat allerdings die zivilrechtlichen Regelungen nicht um neue normative Elemente bereichert. Die Mängel i n der rechtlichen Gestaltung des freiwilligen (vertraglich vereinbarten) Versicherungsschutzes wurden erst dadurch beseitigt, daß der Versicherungsvertrag den Rang einer Institution des Zivilgesetzbuchs erhielt, nämlich i m ZGB von 1964 (Titel X X V I I des 3. Buches). Bereits drei Jahre zuvor war diese Entwicklung für die Seeversicherungen i m V I I . T i t e l des Seegesetzbuches vom 1.12.1961 (Dz.U. Nr. 58, Pos. 318) 36 vollzogen worden. Was die Pflichtversicherungen betrifft, so sind diese eingehend i n den Verordnungen des MinR geregelt: vom 20.9.1957 (Dz.U. Nr. 52, Pos. 254) — Gebäude gegen Feuer und elf andere Risiken; vom 28.1. 1958 (Dz.U. Nr. 14, Pos. 59)—Mobilien i n landwirtschaftlichen Betrieben gegen die gleichen Risiken wie Gebäude; vom 14.6.1963 (Dz.U. Nr. 31, Pos. 176, geändert: Dz.U. 1967, Nr. 19, Pos. 84) — Bodenerzeugnisse gegen Hagel und Überschwemmung; vom 19.7.1963 (Dz.U. Nr. 33, Pos. 191)—Wirtschaftstiere (Haustiere) gegen Verendung; vom 24.4.1968 (Dz.U. Nr. 15, Pos. 89) — Verkehrs Versicherung: Kfz-Haftpflicht und Unfall. Obige Verordnungen, ausgenommen die Verordnung über die Verkehrsversicherung, sind mit Geltung ab 1.1.1972 durch vier neue Verordnungen des MinR ersetzt worden. Siehe Normativakte Anmerkung am Ende des Teils B (Pflichtversicherung).
86 Die Vorschriften des V I . Titels des SeeG. werden hauptsächlich im X I . Kapitel besprochen, das der Seeversicherung gewidmet ist; die Seeversicherung nimmt nämlich traditionell eine besondere, im gewissen Sinne autonomische Stelle ein.
Viertes
Kapitel
Entstehung und Entwicklung des Versicherungsschutzes für gesellschaftliches Eigentum in Volkspolen § 18. Einleitende Bemerkung Der Besonderheit der Problematik des Versicherungsschutzes für das g e s e l l s c h a f t l i c h e Eigentum wurde man sich erst i n den fünfziger Jahren bewußt 1 . Z u verdanken ist diese Erkenntnis der zunächst (im A p r i l 1956) durch die Lehrstühle des Z i v i l - und Finanzrechts der Warschauer Universität 2 und später (im Oktober 1956) durch die P Z U 8 angeregten Diskussion über die Zweckmäßigkeit der Versicherung des Volkseigentums. I n der am Anfang dieses Buches gekürzt wiedergegebenen Einleitung zur 1. Auflage dieser Arbeit wurde der Versuch unternommen, die Gründe dieser Besonderheit und ihre Bedeutung für die zweckmäßige Gestaltung der Versicherungspolitik zu erläutern. A n dieser Stelle beschränke ich meine Darstellung auf die Entstehung und auf die allgemeinen Linien der Entwicklung des Versicherungsschutzes für das gesellschaftliche Vermögen i n Polen. § 19. Das Problem der drei Sektoren Als sich 1945 für die polnischen Versicherungsanstalten die Möglichkeit bot, ihre Tätigkeit wiederaufzunehmen, war eines selbstverständlich, nämlich, daß „der Versicherungsschutz für die Arbeitsstätten und für das Nationalvermögen nicht zur Gewinnquelle des privaten K a pitals werden kann und daß er fortan von einer öffentlich-rechtlichen Institution unter strenger Kontrolle staatlicher Behörden und gesell1 Einen fragmentarischen Versuch, gewisse Besonderheiten dieser Problematik aufzuzeigen, enthält der Aufsatz von W. Görski , Ubezpieczenia mienia spolecznego (Die Versicherung des gesellschaftlichen Vermögens), Wiad. P Z U Nr. 5/1954, S. 19. Görski betont mit Recht, daß bei „ . . . der Versicherung des vergesellschafteten S e k t o r s . . d a s Fehlen von Interessengegensätzen zwischen dem Versicherungsnehmer und der Versicherungsanstalt „ . . . am d e u t l i c h s t e n . . a u f t r e t e , wodurch „ . . . eine weitgehende Vereinfachung der technischen Seite der Versicherungstätigkeit" ermöglicht werde. 2 Siehe W. Warkallo, Finanse Nr. 5/1956, S. 64 Anm. 2. 8 Siehe A. Banasifiski , Problem, I.e., S. 11 f. und 14 ff.
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4. Kap.: Versicherungsschutz für gesellschaftliches Eigentum
schaftlicher Instanzen betrieben werden m u ß " 4 . Eine solche, i m Sinne der gesetzlichen Definition 5 „ . . . öffentlich-rechtliche, auf Gegenseitigkeit beruhende Institution, die das Allgemeinwohl und nicht die Gewinnerzielung zum Zwecke hat", war die PZUW. Als i m März 1945 die Tätigkeit privater Versicherungsanstalten eingestellt wurde, waren die PZUW und die i h r tatsächlich untergeordnete Posener Z U W 6 die einzigen auf dem Gebiet der Vermögensversicherung tätigen Versicherungsanstalten. Die Tätigkeit beider Anstalten zusammen erstreckte sich auf das gesamte Staatsgebiet. Das hatte zur Folge, daß sie, die PZUW und die ZUW, verpflichtet waren, der Volkswirtschaft den Versicherungsschutz i n dem Ausmaße zu gewährleisten, i n dem sie i h n benötigte, und dies sowohl durch die Pflichtversicherungen (genannt Zwangsversicherungen) als auch m i t tels freiwilliger Versicherungen. Hinsichtlich der Pflichtversicherungen war die Sache verhältnismäßig einfach, zumal hier die Tätigkeit der PZUW gesetzlich festgelegt w a r 7 . Dagegen sollte, ja vielleicht mußte der anzustrebende Umfang des v e r t r a g l i c h e n Versicherungsschutzes Zweifel hervorrufen, nicht zuletzt deswegen, w e i l infolge der eingetretenen Ä n derungen i n der Volkswirtschaft d r e i gesonderte S e k t o r e n — der staatliche, der genossenschaftliche und der private Sektor — entstanden waren. Das i n jedem Sektorbereich befindliche Vermögen war von der Gefahr zufälliger Schäden bedroht; es war allerdings klar, daß es i n diesen Sektoren andere Möglichkeiten gab, Schäden auszugleichen. Insbesondere mußte es zweifelhaft erscheinen, ob das Eigentum nationalisierter Unternehmen, das nun zum (Gesamt-) Volksvermögen wurde, eines Versicherungsschutzes bedarf. Die dieses Eigentum betreffenden Schäden können nämlich ü b e r d e n Staatshaush a l t auf alle Bürger, über die Versicherung dagegen nur auf die Mitglieder der Versicherungsgemeinschaft anteilsmäßig verteilt (repartiert) 8 werden. Die große Zahl der Objekte des staatlichen Eigen4 O. Einfeld, Wiad. Ub. Nr. 1/1947, S. 3. Vgl. R. Jablonowski, Wiad. Ub. Nr. 1/1947, S. 5. 5 Art. 4 der Verordnung des Präsidenten der Rep. P. vom 27.5.1927 über die Zwangs-Feuerversicherung und über die P Z U W (Dz. U. 1933, Nr. 3, Pos. 23; Nr. 85, Pos. 648; 1935, Nr. 90, Pos. 576 und 1938, Nr. 59, Pos. 456). 6 Die Unterordnung beruhte anfangs auf „ . . . der Personalunion beider A n stalten— sie hatten denselben Generaldirektor" — wie es R. Jablonowski (I.e.) bildlich darstellt. 7 Siehe die oben erwähnte Verordnung des Präsidenten der Rep. P. vom 27.5.1927. Gebäude, die der Zwangs Versicherung unterlagen, wurden zum vollen Schätzungswert versichert, nicht dagegen nur zu 2/3 dieses Wertes, wie es die damals schon (wegen der Einstellung der Tätigkeit privater Versicherer) überholte Bestimmung des Art. 6 Abs. 2 der Verordnung vorsah. 8 Nach einer vereinfachten, allgemein herrschenden und in Handbüchern (so z.B. in den Handbüchern von J. Lazowski, Wst^p, I.e., S. 13, und K. Se-
§ 19. Das Problem der drei Sektoren
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tums gewährleistete einen Risikoausgleich, bei dem die Ausgaben für die Schadendeckung gemäß dem Gesetz der großen Zahl eine i m Jahresverhältnis relativ feste Größe aufweisen mußten und i m Staatshaushalt eingeplant werden konnten. Die Versicherungsgesetzgebung der Zwischenkriegszeit hatte daher nicht ohne Grund die „ i m Eigentum des Polnischen Staates, staatlicher Institutionen und Unternehmen stehenden" Gebäude von der „Zwangsversicherung gegen Feuer" ausgenommen 9 . Angesichts des Mangels an theoretischen Konzeptionen über die Funktion und Aufgabe der Versicherung unter den neuen Verfassungsbedingungen war das Dilemma, ob das sozialistische Eigentum zu versichern oder nicht zu versichern sei, nicht leicht zu lösen. Da jedoch dieses Problem alsbald entschieden werden mußte, überließ man die Entscheidung der Praxis. Es siegte die Ansicht, daß die PZUW „ . . . allen drei Sektoren, dem staatlichen, genossenschaftlichen und privaten Sektor, Versicherungsschutz für das Vermögen und die K o n t i n u i t ä t . . . der Produktionsprozesse zu gewährleisten hat. Die Schaffung dieses Versicherungsschutzes und seine Ausdehnung auf eine möglichst große Zahl von Risiken i n allen drei Sektoren — das war der siegreiche Kampf gegen den Prozeß der Kapitalverknappung („Dekapitalisation") infolge zufälliger Ereignisse" 1 0 . Die theoretische Begründung dieser Entscheidung folgte erst später; sie kam i n den folgenden drei suggestiv klingenden und mobilisierenden, an die Funktionäre des Versicherungsapparates gerichteten L o sungen zum Ausdruck: 1) „ i m Bereich der Organisationsformen des Wirtschaftslebens n i c h t z u r ü c k t r e t e n " , 2) die durch den Ausschluß privater Versicherungsanstalten entstandene „ L e e r e a u s f ü l l e n", und 3) i m Wege der V e r s i c h e r u n g s a k k u m u l a t i o n Geldmittel für den wirtschaftlichen Wiederaufbau des Landes und die Realisierung staatlicher Wirtschaftspläne ansammeln. D i e Losung „ i m Bereich der Organisationsformen des Wirtschaftslebens nicht z u r ü c k t r e t e n " 1 1 bedeutete, daß die Versicherungsanstalt d e m nationalen V e r m ö g e n einen Schutz zumindest i n d e m U m f a n g gewähren sollte, i n d e m i h n vorher die p r i v a t e n Versicherer g e w ä h r t hatten. Sofern das V e r m ö g e n kapitalistischer Industrie- und Handelscomski, Ekonomika ubezpieczefi, I.e., S. 117 und 123—124) vertretenen Auffassung gehört die V e r t e i l u n g d e r S c h ä d e n auf die Gefahrengemeinschaft, wenn nicht zum Zweck, so doch zum W e s e n d e r V e r m ö g e n s v e r s i c h e r u n g . Das schien als selbstverständlich vor allem 9 Siehe auf Art.die 2 Abs. 1 Buchstabe „a" der Verordnung des Präsidenten der in bezug PZUW als Versicherungsanstalt auf Gegenseitigkeit. Rep. P. vom 27.5.1927. 10 J. Jarostäski: Akwizycja ubezpieczeA umownych (Die Werbung der Vertragsversicherungen), Wiad. Ub. Nr. 3/1947, S. 8. 11 W. KoScifiski: Nowe zadania pracowniköw ubezpieczeniowych (Neue Aufgaben der Versicherungsangestellten), Wiad. Ub. Nr. 2/1947, S. 3.
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4. Kap.: Versicherungsschutz für gesellschaftliches Eigentum
unternehmen bei privaten Versicherungsanstalten versichert gewesen war, mußte es auch nach der Nationalisierung Versicherungsschutz i n Anspruch nehmen. Hinsichtlich der Notwendigkeit, das Vermögen des sich rasch entwickelnden Genossenschaftswesens zu versichern gab es keinen Zweifel, zumal dieses Vermögen auch vorher schon versichert gewesen w a r 1 2 . Es stand somit fest, daß a l l e i n Volkspolen bestehenden Sektoren: der staatliche, der genossenschaftliche und der private Sektor 1 8 , einen Versicherungsschutz benötigten, und zwar i n dem Umfang, i n dem i h n das kapitalistische Eigentum i n der Vorkriegszeit benötigt hatte. Dieser Standpunkt k a m w o h l am treffendsten i n der lakonischen Bestimmung der Aufgaben der Versicherungsanstalt für 1948 zum Ausdruck: „Die Erzielung der Produktionserfolge des Versicherungsgewerbes aus der Vorkriegszeit" 1 4 . I n diesem Sinne war die Losung des „Nicht-Zurücktretens" gleichbedeutend m i t der „Ausfüllung einer Leere" 1 6 , die nach dem Ausschluß privater Versicherer auf dem Gebiet der vertraglichen Vermögensversicherungen entstanden w a r 1 8 . Die oben erwähnte programmatische Aufgabe der PZUW, den k a pitalistischen Versicherern aus der Vorkriegszeit g l e i c h z u k o m m e n , bezieht sich zwar nur auf die „Produktionserfolge" und nicht auf die finanziellen Resultate, doch waren auch diese dem damaligen Finanzressort nicht gleichgültig. Als der damalige stellvertretende Finanzminister über die großen Gewinne, die „ . . . vor dem Krieg, die privaten Versicherungsgesellschaften" erzielt hatten, schrieb, fügte er hinzu: „Die PZUW strebt 12 Wie bekannt ist, gab es vor dem Krieg in Polen einige tausend Genossenschaften (im Jahre 1938 gab es allein 13.741 Verbands-Genossenschaften mit über 3 Mill. Mitgliedern), die ein von der Versicherung gedecktes Vermögen im Werte von mehreren Millionen besaßen. Siehe Rocznik Statystyczny (Statistisches Jahrbuch) 1939, S. 115—120. 18 Siehe z.B. J. Jarosiiiski, I.e., S. 8; W. Jezierski: Rzut oka na ubezpieczenia umowne (Kurzer Blick auf die Vertrags Versicherung), Wiad. Ub. Nr. 2/1947, S. 18. Vgl. auch das Vorwort zu der broschierten Ausgabe der Dekrete vom 3.1.1947 „Nowe podstawy prawne dzialalnoSci P Z U W " (Neue Rechtsgrundlagen für die Tätigkeit der PZUW), in dem es heißt, daß die Versicherung gemäß den allgemeinen ideologischen Voraussetzungen des Manifestes des P K W N (Polnisches Komitee für die Nationale Befreiung — E.G.) „ . . . i m weitesten Sinne eine gegenseitige Hilfe für a l l e (gesperrt vom Verfasser — W.W.) Wirtschaftseinheiten, die von identischen Gefahren bedroht sind" realisieren soll (S. 3 f.). 14 Siehe den Redaktionsaufsatz im Organ der P Z U W —Wiad. Ub. Nr. 5/1947, S. 2. 15 W. Koicifiski, I.e. 16 Von einer Ausfüllung der Leere auf dem Gebiet der Personenversicherung konnte vorläufig wegen „der nicht ausreichend stabilen wirtschaftlichen Verhältnisse" keine Rede sein — siehe R. Jablonowski, I.e., S. 5 f. Dennoch hat bereits ab dem 15.11.1946 die Postsparkasse (PKO) in diesem Bereich die Versicherungstätigkeit aufgenommen; Ende 1946 hatte die PKO 1779 Policen. Siehe Rocznik Statystyczny 1947, S. 152.
§ 20. Selbstversicherungstendenzen
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nicht eine derartige Rentabilität an, und daher kann sie die Versicherung zu niedrigeren Kosten, für niedrigere Prämien betreiben", sie kann aber „ . . . gleichzeitig größere Reserven... zur Finanzierung der nationalen Wirtschaftpläne b i l d e n " 1 7 . Eine der Quellen zur Finanzierung der nationalen Wirtschaftspläne sind „ . . . die Rücklagen der Versicherungsinstitutionen. Diese für den Wiederaufbau des Landes erforderlichen Gelder müssen durch ihre Arbeit die Angestellten der PZUW erwirtschaften", der „ . . . die große Aufgabe der Errichtung beachtlicher Fonds für den Wiederaufbau des Landes obliegt" 1 8 . E i n anderer Vertreter des Finanzressorts weist bei der Begründimg der Notwendigkeit „der Abschöpfung des Geldmarktes" auf die PZUW hin, die, „ . . . wenn sie das für ihre Tätigkeit erforderliche, wiederaufgebaute Eigenkapital entsprechend anlegt, zur Finanzierung von Investitionen beitragen kann und s o l l " 1 9 . Die zitierten Losungen hatten eine starke suggestive Wirkung, sie mobilisierten die Angestellten des Versicherungsapparates zu Anstrengungen beim Wiederauf- und Ausbau des Versicherungswesens. Der Inhalt dieser Losungen verriet jedoch eine recht oberflächliche und vereinfachte Vorstellung von der Versicherungsproblematik i n der neuen Verfassungsordnung. I n diesen Losungen, insbesondere soweit sie die Versicherungsakkumulation für versicherungsfremde Zwecke, zur Unterstützung der Staatsfinanzen betreffen, kann man Spuren jener Konzeptionen erblicken, die eher dem staatlichen Monopolkapitalismus entsprachen, der ja — nach einer von Lenin gebrauchten Metapher — i m gewissen Sinne „die Vorhalle des Sozialismus" 2 0 darstellt. § 20. Selbstversicherungstendenzen Den Tendenzen der Ausdehnung des Versicherungsschutzes auf das staatliche und genossenschaftliche Eigentum traten Selbstversicherungstendenzen 2 1 gegenüber. Spuren der hierdurch hervorgerufenen Zweifel, ja sogar von Meinungskämpfen, finden w i r u.a. i n der von der PZUW 1948 herausgegebenen Broschüre „Gesellschaftliche Grundlagen der Versicherung"
(Podstawy
spoleczne
ubezpieczen).
Der V e r -
17 W. Ko§cvhski: Nowe zadania pracowniköw ubezpieczeniowych (Neue Aufgaben der Versicherungsangestellten), in der Broschüre: Podstawy spoleczne ubezpieczeiü (Gesellschaftliche Grundlagen der Versicherung), W a r schau 1948, S. 7 f. 18 Ebenda, S. 13. 19 J. Urban, Wiad. Ub. Nr. 2/1947, S. 9. 20 W. Lenin: Die drohende Katastrophe und wie man sie bekämpfen soll (in der poln. Aufsgabe: Dziela wybrane/ Ausgewählte Werke), Warszawa 1955, Bd. I I , S. 106. 21 Siehe oben § 9.
10 Warkallo
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4. Kap.: Versicherungsschutz, für gesellschaftliches Eigentum
fasser eines darin veröffentlichten Aufsatzes berichtet, daß „ m i t der Übernahme . . . der Grundzweige der Industrieproduktion durch den Staat und m i t dem dadurch bedingten Entstehen riesiger Unternehmen hier und da der Gedanke aufkam, die Versicherung bei einer allgemeinen Anstalt durch die Selbstversicherung der gesamten staatlichen Industrie bzw. einzelner Industriezweige zu ersetzen. Derartige Tendenzen machten sich bei einer ganzen Reihe von Industrievereinigungen bemerkbar". Sie wurden jedoch recht bald überwunden, da es nicht schwer war, die Gegner der Versicherung zu überzeugen, daß „ . . . man i n keinem Falle bei derart selbstversicherten Institutionen ohne die Bildung besonderer, von den Amortisationsfonds getrennter Fonds auskäme, so daß man i m Endergebnis ein Versicherungssurrogat hätte, das gewiß nicht einen so sicheren Versicherungsschutz gewähren könnte wie eine allgemeine Anstalt; außerdem sei es zweifelhaft, ob hierdurch die Kosten gesenkt werden könnten. Die Ermittlung der Höhe der Selbstversicherungs-Fonds würde besondere Untersuchungen e r f o r d e r n . . . und — wegen der oft nicht hinreichend genau festgelegten Höhe dieser Fonds — zu beträchtlichen Mängeln bei der allgemeinen Wirtschaftsplanung, die doch eine der elementarsten Grundlagen der vergesellschafteten Wirtschaft darstellt, führen". „Die Selbstversicherungstendenzen machten sich besonders deutlich i m genossenschaftlichen Sektor bemerkbar; denn darauf lief i n W i r k lichkeit der Gedanke hinaus, eine besondere Versicherung „Spolem" und andere Genossenschaften zu gründen" 2 2 . Der Verfasser dieses Aufsatzes gibt zu, daß zur endgültigen „Überwindung" der „Selbstversicherungstendenzen" der Umstand beigetragen hat, daß die PZUW generelle Versicherungsverträge m i t dem Industrieministerium, dem Forstministerium, m i t der staatlichen Handelszentrale und anderen staatlichen Ressorts und Organisationen sowie m i t „Spolem" abgeschlossen hat. Es ist nicht schwer zu erraten, daß dabei die Ausnutzung einer dienstlichen oder organisatorischen Abhängigkeit und Verbandsdiszipilin (im Fale des Genossenschaftswesens) eine gewisse Rolle spielen mußte 2 3 . n R. Jablonowski: Ubezpieczenia przed wojn^ i obecnie (Die Versicherung vor dem Krieg und gegenwärtig), in der o.a. Broschüre, S. 31—32. Jablonowski vereinfacht jedoch dieses Problem, indem er es auf die Selbstversicherung reduziert. Die genossenschaftlichen Einheiten konnten nämlich eine besondere Versicherungsanstalt auf Gegenseitigkeit gründen, die nichts mit der Selbstversicherung zu tun hat. M Vgl. M . Kloczewski, I.e., S. 9, der feststellt, daß ohne die Generalverträge „ . . . die Versicherung gewiß nicht einen so großen Bereich und eine solche Masse von Risiken gedeckt hätte, zumal das Bewußtsein der Erforderlichkeit der Versicherung bei der polnischen Bevölkerung noch nicht so verbreitet ist, wie es das Leben erfordert und wie es anderswo der Fall ist". Vgl. W. Jezierski, I.e., S. 18. Siehe S. Dmochowski, Ubezpieczenie, I.e., S. 7.
§ 20. Selbstversicherungstendenzen
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So hat man also bei uns — anders als i n der UdSSR — den Versicherungsschutz sofort nicht nur auf das genossenschaftliche Eigentum, sondern auch auf den wichtigsten Bereich der gerade nationalisierten Produktionsmittel ausgedehnt 24 . Eigentlich war dies nur eine der Erscheinungsformen des wirtschaftlichen Wiederaufbaus des Landes; sie kam hier darin zum Ausdruck, daß man dem staatlichen Eigentum einen Schutz gegen die negativen Folgen zufälliger Ereignisse i n dem Maße zusicherte, i n dem i h n früher das kapitalistische Eigent u m genossen hatte. Bekanntlich war ja das Vermögen der Industrieunternehmen und anderer Einheiten vor der Nationalisierung auf vertraglicher Basis versichert gewesen 25 . M i t der Entwicklung des staatlichen und genossenschaftlichen Eigentums wie auch anderer Formen des Gruppeneigentums während der Zeit des Drei-Jahres-Planes nahm auch der Umfang der Versicherungsoperationen innerhalb der vergesellschafteten Wirtschaft zu. M i t dem Anwachsen der Zahl der LPGs i n den Jahren 1950—1955 und ihres Vermögens begann die Versicherung des gesellschaftlichen Eigentums eine immer größere Rolle i m Bereich der Agrarproduktionsversicherung zu spielen. Die Organisationsmethoden und die Bedingungen der Versicherung des gesellschaftlichen Eigentums waren Änderungen unterworfen, aber der Grundsatz, daß das gesellschaftliche — sowohl das staatliche als auch das genossenschaftliche — Eigentum i m gleichen Maße wie das individuelle Eigentum (das Privateigentum — siehe Anm. auf S. 121) Versicherungsschutz benötigt, wurde i m Versicherungsschrifttum nicht i n Frage gestellt. Den vorher gegen die Erforderlichkeit und Zweckmäßigkeit der Versicherung des gesellschaftlichen Eigentums i n der VRP erhobenen Bedenken hat man nun kein Gewicht mehr beigemessen. Vielmehr hat sich die Ansicht gefestigt, daß eines der M e r k male, die die sozialistische Wirtschaftsversicherung von der kapitalistischen Versicherung unterscheiden, eben die Tatsache ist, daß die sozialistische Versicherung vor allem dem sozialistischen Eigentum Schutz gewährt, und zwar zu besonders günstigen Bedingungen. 24 I n der UdSSR hat der Prozeß der Ausdehnung des Versicherungschutzes auf das staatliche Eigentum erst in der NEP-Periode (NEP —Neue ökonomische Politik seit 1921—E.G.) begonnen; gesetzlich sanktioniert und geregelt wurde dieser Prozeß eigentlich erst im Jahre 1929. 25 Diejenigen Versicherungsverträge, die sich auf die von der Nationalisierung erfaßten Unternehmen bezogen haben, konnten im Zeitpunkt der Nationalisierung als erloschen betrachtet werden, und zwar gemäß dem Grundsatz des Art. 6 Abs. 1 des Gesetzes vom 3.1.1946 über die Übernahme der Grundzweige der nationalen Wirtschaft in das Staatseigentum (Dz. U. Nr. 3, Pos. 17). Nach Art. 2 Abs. 1 Buchstabe „c" der Verordnung des Präsidenten der Rep. P. vom 27.5.1927 über die Zwangs-Feuerversicherung und über die P Z U W wurden „Fabrikgebäude" von dieser Versicherung nicht gedeckt.
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4. Kap.: Versicherungsschutz für gesellschaftliches Eigentum
§ 21. Die Entwicklung des Versicherungsschutzes für das gesellschaftliche Eigentum in den Jahren 1945—1950 Der Prozeß der Ausdehnimg des vertraglichen Versicherungsschutzes auf das nationale Vermögen ging nicht i n allen Sektoren der W i r t schaft der URP gleichmäßig vor sich. Die geringsten Schwierigkeiten bereitete der Versicherungsanstalt die Versicherung des Vermögens i m staatlichen Sektor. „Das Problem der Anwerbung der Großindustrie für die Versicherung", i n der Vorkriegszeit „ . . . Gegenstand schwieriger, komplizierter und gelegentlich m i t einem harten Konkurrenzkampf verbundener Aktionen privater Versicherungsgesellschaften . . . " , wurde nun zu „ . . . einer einfachen Transaktion, die wegen der Nationalisierung der Industrie m i t einem Federstrich vollzogen w i r d " 2 6 . I n der hier zitierten Formulierung w i r d das Problem zu sehr vereinfacht; doch i n der Tat wurde am 15. Dezember 1945 das Vermögen der wichtigsten Gruppe der staatlichen Unternehmen bei der PZUW gegen Feuer versichert (auf Grund des Runderlasses Nr. 198 des Industrieministers vom 17.11.1945 über die Versicherungspflicht der Industriebetriebe) 2 7 . Diesem Runderlaß ist der Abschluß eines sog. G e n e r a l v e r t r a g e s zwischen PZUW und dem Industrieminister, der für Rechnung und i m Namen der i h m unterstellten Einheiten wirkte, vorausgegangen. Nach diesem Vertrag waren diese Einheiten verpflichtet, sich vertraglich gegen Feuer und darüber hinaus auch gegen Einbruchdiebstahl, Haftpflicht und andere Gefahren versichern zu lassen. Der vor dem Krieg nahezu unbekannte 2 8 Versicherungs-Generalvertrag wurde i n der Versicherungspraxis der ersten Nachkriegs jähre zu einer „alltäglichen Erscheinung" 2 9 . Diese Generalverträge beruhen zwar auf der Konzeption des Vertrages über eine laufende Versicher u n g 8 0 , doch unterscheiden sie sich von einem solchen Vertrag dadurch, daß bei ihnen auf Seiten der Versicherungsnehmer mehrere Beteiligte stehen, z.B. Einheiten, die einem bestimmten Ressort unter28
W. Koücvhski, I.e., S. 5. Siehe § 38 Pkt. A. Den Generalvertrag darf man nicht mit der „Generalpolice" (die auch laufende Police genannt wird) verwechseln, die in der Vorkriegszeit in Polen in der Transportversicherung sehr häufig angewandt wurde. Siehe die Definition der Generalpolice in der Entscheidung des OG vom 22.4—29.5.1938, C I 666/37 (Zb. 1939, I I I , 25) sowie J. Werner, I.e., S. 5 und 23. 29 M . Kloczewski, I.e., Wiad. Ub. Nr. 6/1947, S. 5. 30 Nach der im Gesetz angeführten Definition (in den sog. vorläufigen Bestimmungen über den Versicherungsvertrag — Art. 18 der Verordnung des Präsidenten der Rep. P. vom 24.2.1928 — Dz. U. Nr. 25, Pos. 211) ist die laufende Versicherung „eine Schadenversicherung", bei der „die versicherten Interessen nur der Gattung nach bezeichnet und erst nach deren Entstehung der Versicherungsanstalt einzeln angegeben werden"; es werden z.B. sämtliche Transporte innerhalb eines Jahres versichert, wobei jede Warensendung dem Versicherer gesondert nach Absendung mitgeteilt wird. 27
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§ 21. Entwicklung des Versicherungsschutzes 1945—1950
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stehen, oder Genossenschaften, die i n einem bestimmten Verband v e r einigt sind. Der Generalvertrag ist i m Gegensatz zum Vertrag über eine laufende Versicherung kein definitiver Vertrag, sondern vielmehr nur „ . . . eine rechtliche Voraussetzimg für eine Reihe anderer Versicherungsverträge", die aufgrund von Anträgen unmittelbar i n teressierter und i m Generalvertrag erwähnter Einheiten abgeschlossen werden 8 1 . Es ist selbstverständlich, daß die PZIJW, nachdem sie die Bedeutung des Generalvertrages als Instrument zur weitgehenden Vereinfachung der Technik des Versicherungsvertragsabschlusses (durch die Ausnutzung der organisatorischen Unterordnung i n der vergesellschafteten Wirtschaft) erkannt hatte, von diesem Instrument i n weitem Umfang Gebrauch machte. I n den Jahren 1945—1946 hat sie Generalverträge m i t den Ministerien für Industrie, Forsten, Ernährung, m i t dem PAGED, dem Staatlichen Traktoren- und Landwirtschaftsmaschinenunternehmen, den Staatlichen Graphischen Anstalten, dem Wirtschaftsverband der Genossenschaften R.P. landwirtschaftlicher Produktion „Spolem", dem Revisionsverband der Genossenschaften R.P. und anderen geschlossen 82 . M i t Hilfe von Generalverträgen hatte die P Z U W bereits Anfang 1947 den wichtigsten Teil des genossenschaftlichen und staatlichen Vermögens 88 , und zwar des sich sowohl i n Verwaltung der volkseigenen Betriebe als auch der H a u s h a l t s e i n h e i t e n * befindlichen Vermögensteile, versichert. Generalverträge wurden auch noch i n späteren Jahren abgeschlossen, wobei man sie allerdings anders nannte, z.B. „Sammelverträge",. „Ubereinkommen" — wie das Übereinkommen der PZUW m i t dem Zentralen Genossenschaftsverband vom 6.11.194884 — oder „Rahmenverträge" — wie der Rahmenvertrag m i t dem ehemaligen Ministerium für Industrie und Handel vom 14.1.1949. Von diesen Verträgen hat man erst Abstand genommen, als die Versicherung der Einheiten der vergesellschafteten Wirtschaft durch die Anordnungen des Vorsitzenden der P K P G und des Finanzministers vom 7.6. und 19.1.1951 gere« M. Kloczewski , Wiad. Ub. Nr. 6/1947, S. 8. Vgl. Jezierski , W., I.e., S. 18. M . Kloczewski , I.e., S. 9. • Darunter versteht man staatliche Einheiten, die direkt vom Haushalt getragen werden, deren Einnahmen und Ausgaben in voller Höhe im zentralen oder örtlichen Haushalt bestimmt werden (Art. 9 des Gesetzes vom 25.11.1970 über das Haushaltsrecht — Dz. U. Nr. 29, Pos. 244; hierher gehören z.B. Behörden, Ämter, die Polnische Akademie der Wissenschaften, Hochschulen, wissenschaftliche Institute u.a.m. M Siehe die vom CZS (Zentraler Genossenschafts-Verband) 1949 herausgegebene Broschüre „Jak ubezpieczaö maj^tek spöldzielni od ognia" (Wie ist das Vermögen der Genossenschaft gegen Feuer zu versichern). Diese Broschüre enthält Informationen, die es den Genossenschaften erleichtern sollen, den im Ubereinkommen vom 6.11.1948 vorgesehenen Versicherungsschutz in Anspruch zu nehmen. 82 M
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4. Kap.: Versicherungsschutz für gesellschaftliches Eigentum
gelt u n d die „besonderen Versicherungsbedingungen f ü r die Einheiten der vergesellschafteten W i r t s c h a f t " ausgearbeitet w u r d e n 3 5 . D i e I n s t i t u t i o n des G e n e r a l v e r t r a g e s , d i e n a t u r g e m ä ß n u r i m B e r e i c h der vergesellschafteten Sektoren angewendet w e r d e n konnte, t r u g dazu bei, daß i n den ersten J a h r e n der V o l k s r e p u b l i k Polen „ d i e f r e i w i l l i g e n V e r s i c h e r u n g e n fast a u s s c h l i e ß l i c h das G r u n d - u n d U m l a u f v e r m ö g e n vergesellschafteter I n d u s t r i e - u n d Handelsunternehmen deckten. V e r s i c h e r u n g e n des p e r s ö n l i c h e n V e r m ö g e n s d e r A r b e i t e r s c h a f t w i e a u c h P e r s o n e n v e r s i c h e r u n g e n g a b es z u dieser Z e i t fast ü b e r h a u p t n i c h t " 3 ® . D e r a u f g r u n d v e r t r a g l i c h e r V e r m ö g e n s v e r s i c h e r u n g e n gew ä h r l e i s t e t e V e r s i c h e r u n g s s c h u t z w a r a u c h 1947 n o c h v o r n e h m l i c h e i n S c h u t z f ü r das gesellschaftliche E i g e n t u m . D a m a l s b e g a n n m a n a l l e r dings m i t den Bemühungen, den Versicherungsschutz möglichst w e i t g e h e n d a u c h a u f das i n d i v i d u e l l e u n d p e r s ö n l i c h e E i g e n t u m * auszud e h n e n , z u m a l „ v o m V e r s i c h e r u n g s s c h u t z a u ß e r d e n O b j e k t e n des staatlichen u n d vergesellschafteten Sektors auch M i l l i o n e n kleiner W i r t s c h a f t s b e t r i e b e des p r i v a t e n S e k t o r s g e d e c k t w e r d e n m u ß t e n " 3 7 , 85 Wie die Instruktion Nr. 1 der P K P G vom 1.8.1951 über die Vermögensund Personenversicherung (Warszawa 1951, S. 3) feststellt, „gelten" die besonderen Versicherungsbedingungen für Einheiten der vergesellschafteten Wirtschaft (von 1951) „an Stelle der Rahmenverträge" (vom 14.1.1949 und 1.2.1949), die das ehemalige Ministerium für Industrie und Handel mit der P Z U W geschlossen hat. 88 Aus dem Redaktionsaufsatz: „Rozwôj ubezpieczeA paAstwowych w latach Planu 6-letniego" (Die Entwicklung der staatlichen Versicherung in den Jahren des 6-Jahres-Planes), Wiad. Ub. Nr. 3/1956 S. 3. * Das polnische Recht (die Verfassung von 1952 und das Zivilgesetzbuch von 1964) unterscheidet zwischen dem „ g e s e l l s c h a f t l i c h e n Eigentum", das entweder „ s o z i a l i s t i s c h e s Volkseigentum (staatliches Eigentum) oder genossenschaftliches Eigentum oder Eigentum anderer gesellschaftlicher Organisationen des werktätigen Volkes" ist (Art. 126 ZGB), dem „ i n d i v i d u e l l e n Eigentum" (Art. 130 ZGB) und dem „ p e r s ö n l i c h e n Eigentum" (Art. 132 f ZGB). Art. 130 bestimmt folgendes: „Grundstücke, Gebäude und andere Produktionsmittel, die nicht Gegenstand ausschließlichen gesellschaftlichen Eigentums sind, können aufgrund und innerhalb der Grenzen der Gesetze Gegenstand von Eigentum natürlicher Personen sein (individuelles Eigentum)"; hierher gehören vor allem landwirtschaftliche Betriebe, Handwerks- und Dienstleistungsbetriebe (das sog. „kleinkapitalistische Erwerbs vermögen"). Zum „persönlichen Eigentum" gehören nach Art. 132 ZGB „Sachen, die zur Befriedigung der persönlichen, materiellen und kulturellen Bedürfnisse des Eigentümers und seiner Angehörigen bestimmt sind", und zwar auch „das Eigentum an kleinen Produktionsmitteln, die der Herstellung von Gegenständen dienen, die zur Befriedigung der persönlichen Bedürfnisse des Eigentümers und seiner Angehörigen bestimmt sind" (Art, 132 Abs. 2 ZGB). Ob ein Gegenstand zum persönlichen oder individuellen Eigentum zu zählen ist, hängt vornehmlich von seiner Zweckbestimmung ab, so z.B. ist ein Kraftfahrzeug grundsätzlich persönliches Eigentum, wird es allerdings als Taxi verwendet, so ist es individuelles Eigentum, weil es dann der Gewinnerzielung dient. 87 Aus dem Redaktionsaufsatz: „Zjazd dyrektorôw oddziaîôw wojewôdzkich P Z U W " (Die Tagung der Direktoren der Wojewodschafts-Abteilungen der PZUW), Wiad. Ub. Nr. 5/1947, S. 2. Siehe auch J. Urban, I.e., S. 8 f.
§ 22. Beschränkungen des Versicherungsschutzes 1951—1955
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und zwar Bauernwirtschaften, private Handels- und Handwerksbetriebe sowie auch freie Berufe. §22. Beschränkungen des Versicherungsschutzes für das staatliche Eigentum in den Jahren 1951—1955 Die Entwicklung der Vermögensversicherung folgte dem Aufstieg der Volkswirtschaft; die Zunahme der Vermögensversicherungssummen betrachtete man als Funktion und gewissermaßen auch als I n dex des Zuwachses des Nationalvermögens. Dies alles schien so selbstverständlich, daß man i n der Zeit des Sechs- Jahres-Planes die Steigerung der gezeichneten Prämien i m gleichen Verhältnis berechnete wie die Steigerung der Investitionen, der Industrie- und Agrarproduktion wie auch des Transports 8 8 . Jedoch schon 1951 traten Änderungen ein, die — auch wenn sie die Proportionalität zwischen der Ausdehnung des Versicherungsschutzes und dem Zuwachs des Nationalvermögens nicht i n Frage gestellt hab e n — auf Grund des Ausschlusses bestimmter Objekte des Volkseigentums vom Versicherungsschutz einige Korrekturen erforderlich machten. Hier ist vor allem zu erwähnen der Beschluß Nr. 1 des Präsidiums der Regierung vom 3.1.1951 (M. P. Nr. A-4, Pos. 47), demzufolge m i t dem 1.1.1951 die Grundmittel (Gebäude, Maschinen, Apparate und A n lagen) der nach dem Grundsatz der wirtschaftlichen Rechnungsführung arbeitenden Unternehmen der staatlichen Groß- und M i t t e l i n dustrie sowie aller Haushaltsunternehmen und -einheiten* von der Versicherung ausgeschlossen wurden. Durch die Anordnung des F i nanzministers vom 27.4.1951 über den Ausschluß einiger Gebäude von der Pflichtversicherung ... (M. P. Nr. A-39, Pos. 475) wurde der (in der Verordnung des Finanzministers vom 28.3.1951 übergangene) Grundsatz, daß staatliche Gebäude — ausgenommen die m i t der Landwirtschaft verbundenen oder „ i n Nutzung übergebenen" Gebäude — von der Pflichtversicherung befreit sind, wieder eingeführt. Das Gesetz vom 28.3.1952 über die staatliche Versicherung enthielt keine den bestehenden Umfang des Versicherungsschutzes für das gesellschaftliche Eigentum einschränkende Bestimmungen. I m Gegenteil, es hat durch die Einführung (in A r t . 5) der Pflichtversicherung betreffend die „Kraftfahrhaftpflicht" und die „Haftpflicht für Jagdschäden" 89 diesen Schutz beachtlich erweitert, zumal diese Pflicht88
Siehe E. Giebartowski , Lc., S. 25. * Siehe Anm. zu §21. Diese Versicherung wurde wegen der Aufhebung des Art. 5 Abs. 1 Pkt. 5 des Gesetzes durch das Dekret vom 18.4.1955 betreffend die Änderung des Dekrets über das Jagdrecht (Dz. U. Nr. 18, Pos. 108) gegenstands89
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4. Kap.: Versicherungsschutz für gesellschaftliches Eigentum
Versicherungen sich vor allem auf das gesellschaftliche Eigentum (auf den Staat als damaligen Haupteigentümer von Kraftfahrzeugen und Eigentümer von Waldflächen und des Wildbestandes) bezogen haben. A r t . 12 dieses Gesetzes sanktionierte zwei allgemeine Grundsätze, die sich i n der Praxis der Versicherung des gesellschaftlichen Eigentums herausgebildet hatten, und zwar: a) daß die Versicherung des Vermögens der Einheiten der vergesellschafteten Wirtschaft auf vertraglicher Basis zu erfolgen hat, und b) daß über den Umfang des Versicherungsschutzes für dieses Vermögen der Vorsitzende der PKPG i m Einvernehmen m i t dem Finanzminister zu entscheiden hat. I n den Jahren 1954—1955 sind erneut deutliche Bestrebungen, den Versicherungsschutz für das staatliche Eigentum einzuschränken, aufgetreten. Sie äußerten sich i n der Aufhebung der Versicherung von (Wirtschafts-) Tieren der PGRs (ab 1.1.1955) sowie i n der Abschaffung der Versicherung des Vermögens aller Einheiten der vergesellschafteten Wirtschaft gegen Einbruchdiebstahl und Raub (ab 1.1.1954). Infolge dieser Einschränkung der Versicherung des staatlichen Eigentums verringerte sich auch beachtlich der A n t e i l des Vermögens der Einheiten der vergesellschafteten Wirtschaft an der Gesamtheit des versicherten Vermögens. Dies wiederum fand seinen Niederschlag i m A n t e i l der vergesellschafteten Wirtschaft an den durch die Versicherungsanstalt vereinnahmten Prämien und den Entschädigungsleistungen. So hat z.B. die vergesellschaftete Wirtschaft i m Jahre 1955 für die Vermögensversicherung Prämien i n Höhe von 522 300 000 ZI. gezahlt und gleichzeitig aus dieser Versicherung Entschädigungsleistungen in Höhe von 299 200 000 ZI. erhalten, während die nichtvergesellschaftete Wirtschaft i m gleichen Zeitraum Prämien i n Höhe von 1 000 800 000 ZI gezahlt und Entschädigungsleistungen i n Höhe von 686 500 000 Zt. erhalten hat 4 0 . Die vergesellschaftete Wirtschaft war somit 1955 sowohl am gesamten Prämienaufkommen als auch an den von der Versicherung ausgezahlten Entschädigungsleistungen nur zu ca. einem Drittel beteiligt. Die nichtvergesellschaftete Wirtschaft dagegen zahlte einen zweimal so hohen Prämienbetrag und erhielt auch einen doppelt so hohen Entschädigungsbetrag. Dies zeigt, daß auf dem Gebiet der (Vermögens-) Versich erungsdienstleistungen für die nationale Wirtschaft i n der Zeit des Drei- und los. Nach Art. 45 des Gesetzes vom 17.6.1959 über die Aufzucht und den Schutz von Jagdtieren sowie über das Jagdrecht (Dz. U. Nr. 36, Pos. 226) werden die von Wildschweinen, Hirschen und Damhirschen angerichteten Schäden an Bodenerzeugnissen und Ernten von den staatlichen Forstunternehmen gedeckt. Siehe auch L. Jastrzqbski, Odszkodowania lowieckie (Vergütungen für Jagdschäden), N.P. Nr. 10/1956, S. 97—99. 40 Nach Angaben des Rocznik Statystyczny (Statist. Jahrbuch) 1956, S. 297 und 299.
§ 23. Stabilisierung und Ausbau des Versicherungsschutzes 1956—1968
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Sechs-Jahres-Planes w e s e n t l i c h e Ä n d e r u n g e n e i n g e t r e t e n sind. W ä h r e n d n o c h A n f a n g 1947 fast das gesamte g e s e l l s c h a f t l i c h e E i g e n t u m v o m V e r s i c h e r u n g s s c h u t z g e d e c k t u n d d e r ü b e r w i e g e n d e T e i l des i n d i v i d u e l l e n E i g e n t u m s * n i c h t v e r s i c h e r t w a r 4 1 , sah d i e S i t u a t i o n i n d e n J a h r e n 1951—1955 i n f o l g e d e r E i n s c h r ä n k u n g d e r V e r s i c h e r u n g des g e s e l l s c h a f t l i c h e n E i g e n t u m s b e i n a h e u m g e k e h r t a u s 4 2 .
§ 23. D i e Periode der Stabilisierung des Versicherungsschutzes für das gesellschaftliche E i g e n t u m (1956—1958) und die Ausbautendenzen (1959—1968) D e r G r u n d s a t z , d a ß d e r V e r s i c h e r u n g s s c h u t z f ü r das gesellschaftl i c h e V e r m ö g e n — a u s g e n o m m e n das E i g e n t u m d e r L P G s — v e r t r a g l i c h z u b e g r ü n d e n i s t (gemäß d e n A n o r d n u n g e n des V o r s i t z e n d e n d e r P K P G u n d des F i n a n z m i n i s t e r s v o m 7.6. u n d 19.9.1951), w u r d e i n d e n J a h r e n 1956—1958 k o n s e q u e n t d u r c h g e f ü h r t . D i e V e r o r d n u n g e n des M i n i s t e r r a t s ü b e r d i e P f l i c h t v e r s i c h e r u n g a) d e r Bodenerzeugn i s s e g e g e n H a g e l u n d Ü b e r s c h w e m m u n g ( v o m 24.11.1956, r ü c k w i r k e n d ab 1.1.1956 b i s z u m 13.7.1963 i n K r a f t ) , b) d e r G e b ä u d e 4 8 gegen F e u e r u n d 11 a n d e r e G e f a h r e n ( v o m 20.9.1957) s o w i e c) d e r * Siehe Anm. zu §21. Es hat freilich die Gebäude-Feuerversicherung (damals nur aufgrund eines Versicherungszwanges) gegeben; die vertragliche Versicherung des individuellen Eigentums (Privateigentums — E.G.) hat sich allerdings erst ab 1947 im größeren Umfang entwickelt. 42 Die Tatsache, daß der Schwerpunkt der Versicherungstätigkeit auf die Landwirtschaft, also auf den nichtvergesellschafteten Sektor verlegt wurde (in Polen befindet sich die Landwirtschaft — im Gegensatz zu allen anderen sozialistischen Staaten — überwiegend in privaten Händen, im sog. „individuellen Eigentum" — E.G.), hat tiefere Gründe: die im besonderen Maße von Elementarereignissen, bedrohte landwirtschaftliche Produktion und Viehzucht erfordert i m weiteren Umfang Versicherungsschutz als die I n dustrieproduktion. Die von der Versicherung angenommene Devise „auf, aufs Land!" sollte jedoch nicht zur Vernachlässigung des Versicherungsschutzes für andere Bereiche der Volkswirtschaft führen. 48 Wie bereits oben erwähnt worden ist, haben die Vorschriften über die Versicherung aus der Vorkriegszeit, so z.B. Art. 2 Abs. 1 der Verordnung des Präsidenten der Rep. P. vom 27.5.1927 über die Zwangs-Feuerversicherung und über die Allgemeine Versicherungsanstalt auf Gegenseitigkeit (Dz.U. 1933, Nr. 3, Pos. 23) „...Gebäude, die im Eigentum des Polnischen Staates, staatlicher Institutionen und Unternehmen stehen", von der Pflichtversicherung ausgeschlossen. Erst die Verordnung des Schatzministers vom 20.4.1948 über die Zwangsversicherung von Gebäuden gegen Feuer (Dz. U. Nr. 26, Pos. 178) hat die Feuer-Pflichtversicherung für „ . . . die mit der Landwirtschaft zusammenhängenden Gebäude, die im Staatseigentum stehen" eingeführt (§3 Abs. 1 Buchstabe a), und die oben zitierte Anordnung des FinMin. vom 27.4.1951 hat dies auch auf staatliche Gebäude, „die in Nutzung übergeben werden" ausgedehnt. Die Verordnung des MinR. vom 20.9.1957 hat mit der Methode der Bestimmung von Ausschlüssen und Ausnahmen von diesen Ausschlüssen gebrochen und in §2 bestimmt, daß „der Pflichtversicherung Gebäude der LPGs und der individuellen Eigentümer 41
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4. Kap.: Versicherungsschutz für gesellschaftliches Eigentum
M o b i l i e n i n landwirtschaftlichen Betrieben (vom 28.1.1958 — ähnlich wie die Gebäudeversicherung seit dem 1.1.1958 i n Kraft) bezogen sich weder auf das staatliche noch auf anderes gesellschaftliches Eigentum, ausgenommen das landwirtschaftliche genossenschaftliche Eigentum (LPG). Das bedeutete jedoch keine Einschränkung der Versicherung des gesellschaftlichen Eigentums, da dieses Eigentum i n dem durch die Anordnungen von 1951 bestimmten Rahmen vertraglich versichert werden konnte und i m allgemeinen auch versichert wurde. Somit ist festzustellen, daß der i n den Jahren 1951—1955 besonders intensiven Tendenz, den Versicherungsschutz für das gesellschaftliche Eigentum einzuschränken, i m Jahre 1956 Einhalt geboten wurde. Dazu haben gewiß die entschieden gegen diese Tendenz gerichteten Stellungnahmen zahlreicher Wirtschaftsressorts und der Wissenschaft u.a. während der 1956 veranstalteten öffentlichen Diskussionen beigetragen 4 4 . Die i n der Zeit nach dem Oktober 1956 („Tauwetter-Periode" — E.G.) besonders deutlichen Bestrebungen, die Volkswirtschaft nach einem „neuen Modell" umzubauen, i n dem das Wertgesetz und die ökonomischen Anreize stärker zur Geltung kommen, u.a. durch die Gewährleistung und Erweiterung der Selbständigkeit staatlicher Unternehmen hinsichtlich ihrer operativen Tätigkeit, haben für die Versicherung, einen die Autarkie („Selbstgenügsamkeit") staatlicher Unternehmen fördernden Faktor, günstigere Bedingungen geschaffen 45 . Während noch das Gesetz vom 28.3.1952 i n A r t . 12 die administrative Regelung der Versicherung sämtlicher „Einheiten der vergesellschafteten Wirtschaft" vorgesehen hatte, begnügte sich das Gesetz vom 2.12.1958 über die Vermögens- und Personenversicherung i n A r t . 10 m i t der administrativen Regelung des Umfanges des vertraglichen Versicherungsschutzes für die Einheiten der s t a a t l i c h e n W i r t schaft. Gemäß A r t . 40 des Gesetzes vom 2.12.1958 blieben die Vorschriften der Anordnungen von 1951 weiterhin i n Kraft. Das bezieht sich auch auf den Beschluß Nr. 1 des Präsidiums der Regierung vom 3.1.1951 über die Versicherung der Grundmittel der staatlichen Industrie sowie der Haushaltseinheiten und -unternehmen (M. P. Nr. A-4, Pos. 47) 4e . unterstehen". Selbstverständlich werden staatliche Gebäude, die den Bürgern und den LPGs zur Nutzung übergeben werden, weiterhin pflichtversichert (siehe § 1 Abs. 2). 44 Siehe oben § 19, insbesondere Anm. 2 und 3. 45 Siehe S. Dmochowski, Wiad. P Z U Nr. 11 und 12/1956; W. Warkallo, Wiad. Ub. Nr. 5/1957. 46 Siehe das in Ausführung dieses Beschlusses erlassene Rundschreiben des FinMin. vom 27.7.1961 über die Finanzierung der Kosten für die Beseitigung von Schäden infolge von zufälligen Ereignissen an den von der Versicherungspflicht ausgenommenen Objekten der Kosten für die Grundvermögen der Unternehmer (M. P. Nr. 61, Pos. 263).
§ 23. Stabilisierung und Ausbau des Versicherungsschutzes 1956—1968
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Allerdings hat man nach und nach die bestehenden Beschränkungen des Versicherungsschutzes für das gesellschaftliche Vermögen aufgegeben. A m 1.7.1957 wurde dann die Versicherung des Gruppeneigentums gegen Einbruchdiebstahl und Raub wiedereingeführt, und zwei Jahre später — am 1.7.1959 — die Versicherung der Grundmittel staatlicher Unternehmen der Leichtindustrie gegen Feuer und andere zufälligen Ereignisse 47 . Die zufriedenstellenden Ergebnisse dieser letztgenannten, i m Rahmen eines wirtschaftlichen Experiments eingeführten Versicherung 4 8 haben dazu beigetragen, daß seit dem 15.6.1966 die Versicherungen der m i t dem zentralen Haushalt abrechnenden staatlichen Industrieunternehmen zunehmend reaktiviert wurden 4 9 . Zur gleichen Zeit erlaubte man sämtlichen staatlichen Unternehmen, sich gegen Einbruchdiebstahl und Raub versichern zu lassen 50 . M i t der Einführung der Pflichtversicherung gegen Kraftfahrunfälle und -haftpflicht wurde nicht nur der Kreis versicherbarer Objekte und Subjekte der vergesellschafteten Wirtschaft erweitert, sondern darüber hinaus auch der Grundsatz, daß der Versicherungsschutz für das Volkseigentum lediglich vertraglich begründet werden und daß die Versicherung nicht das Vermögen der Haushaltseinheiten schützen kann, durchbrochen. Berücksichtigt man die enorme Entwicklung der i n Erfüllung von Tarifverträgen durch die Einheiten der vergesellschafteten Wirtschaft auf ihre Kosten zugunsten ihrer Arbeitnehmer abgeschlossenen Unfallversicherungen, ferner die nach den gleichen Grundsätzen abgeschlossenen Unfallversicherungen für die Mitglieder der Feuerwehren (gemäß dem Gesetz vom 13.4.1960 über den Feuerschutz — Dz. U. Nr. 20, Pos. 120, A r t . 12 und den auf dieser Grundlage erlassenen Ausfüh47
s. Dmochowski , Ubezpieczenie, I.e., S. 9. Siehe W. Olszewski , Eksperymentalne ubezpieczenie Srodköw trwalych i nietrwalych przedsi^biorstw przemyslowych podleglych Ministerstwu Przemyslu Lekkiego (Die experimentelle Versicherung von Grund- und anderen Mitteln der dem Ministerium für Leichtindustrie unterstehenden I n dustrieunternehmen), Wiad. Ub. Nr. 9/1962, S. 7—13. 4 ® Ab diesem Zeitpunkt hat die P Z U (aufgrund einer Ermächtigung des FinMin. vom 13.6.1966) auch Anträge auf Versicherung von Grundmitteln derjenigen Industrieunternehmen angenommen, die mit dem zentralen Haushalt abrechnen. Über die Voraussetzungen dieser Entscheidung des Finanzministers siehe S. Dmochowski , Wiad. Ub. Nr. 12/1965, S. 17 sowie den mit „G.T." gezeichneten Bericht: Konferencja w Urz^dzie Rady Ministröw na temat wyröwnywania szköd losowych we wlasnoSci spolecznej