Literatur der Sieger: Der spanische Bürgerkriegsroman im gesellschaftlichen Kontext des frühen Franquismus (1939-1943) 9783964562128

Después de terminar la Guerra Civil la literatura española se caracteriza por su instrumentalización por la ideología fr

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Table of contents :
Dank
Inhalt
1. Einleitung
2. Der literatursoziologische Ansatz
3. Rekonstruktion der sozialen Institutionen im Kontext der spanischen Gesellschaftsformation nach dem Sieg der Aufständischen
4. Rekonstruktion der Struktur der spanischen Öffentlichkeit
5. Genese des falangistischen Bürgerkriegsromans in den Jahren 1936-1939
6. Produktion und Distribution von Romanen mit Bürgerkriegsthematik unter den neuen politischen und kulturellen Bedingungen nach 1939
7. Schlußbemerkung
Anhang
Literaturverzeichnis
Namensindex
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Literatur der Sieger: Der spanische Bürgerkriegsroman im gesellschaftlichen Kontext des frühen Franquismus (1939-1943)
 9783964562128

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Regine Schmolling Literatur der Sieger

Editionen der Iberoamericana Reihe HI Monographien und Aufsätze Herausgegeben von Walther L. Bernecker, Frauke Gewecke, Jürgen M. Meisel, Klaus Meyer-Minnemann Band 23

Regine Schmolling

Literatur der Sieger Der spanische Bürgerkriegsroman im gesellschaftlichen Kontext des frühen Franquismus

Vervuert Verlag • Frankfurt am Main 1990

Gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft D 18 CIP-Titelauihahme der Deutschen Bibliothek SchmoIIIng, Reglne: Literatur der Sieger:: der spanische Bürgerkriegsroman im gesellschaftlichen Kontext des frühen Franquismus (1939-1943) / Regine Schmolling. - Frankfurt/Main: Vervuert 1990 (Editionen der Iberoamericana: Reihe 3, Monographien und Aufsätze; 23) Zugl.: Hamburg, Univ., Diss. 1986 u.d.T.: Schmolling, Regine: Genese, Struktur und Funktion spanischer Romane über den Bürgerkrieg des frühen Franquismus (1939-1943)

ISBN 3-89354-823-8 NE: Editionen der Iberoamericana / 03

© Vervuert Verlag, Frankfurt am Main 1990 Alle Rechte vorbehalten Printed in West-Germany

Für Nicolas

£

Mein Dank gilt zuallererst Herrn Prof. Dr. Klaus Meyer-Minnemann, Hamburg, der nicht nur ein stets zuverlässiger und kritischer Berater, sondern darüber hinaus in seiner freundschaftlich ermutigenden Art »Doktorvater« in der eigentlichen Bedeutung des Wortes war. Im Rahmen meiner Tätigkeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin des Ibero-amerikanischen Forschungsinstituts der Universität Hamburg hatte ich immer Gelegenheit, Verlauf und Inhalt des Promotionsvorhabens zu diskutieren. Insbesondere erinnere ich mich der »Kaffeehausgespräche« mit Herrn Prof. Dr. Dieter Reichardt, dem zweiten Gutachter dieser Arbeit. Sehr verbunden bin ich Herrn Dieter Koniecki in Madrid, der mir auf unbürokratische Weise den zunächst versperrten Weg in das Zensurarchiv des spanischen Kultusministeriums ebnete, ebenso Herrn Prof. Dr. Manuel Abellán, Amsterdam, für seine bereitwillige Kooperation. Darüber hinaus danke ich Herrn Dr. Lorenzo Cachón, Madrid, Frau Prof. Dr. M. Bertrand de Muñoz, Montreal, und Herrn Prof. Dr.-Thomas M. Scheerer, Gießen, für ihre freundliche Unterstützung und nützlichen Ratschläge, Frau Gisela Villanueva und Frau Françoise Hasenclever für prompte Literaturbeschaffung, Frau Silke Vetter für die Abschrift und Herrn Dr. Michael Werner, Frau Karin Ipsen sowie Herrn Máximo Hidalgo für die gründliche Lektüre des Manuskriptes, meiner Mutter und Frau Ruth Kubke schließlich dafür, daß sie sich so liebevoll meines kleinen Sohnes annahmen, wenn sich hinter mir die Tür des Arbeitszimmers schloß.

1

Inhalt 1. 1.1.

Einleitung Objekteingrenzung und Fragestellung

9 10

1.2.1. Quellenmaterial

13

1.2.2. Forschungsstand

15

2. 2.1.

Der literatursoziologische Ansatz 26 Institution Literatur: Theorie des historischen Wandels der gesellschaftlichen Funktion von Literatur 29

2.1.1. Bürgerkriegsromane als pro-franquistisch »engagierte« Literatur: Konkretisierung der Fragestellung unter Verwendung des Institutionsmodells von Sanders

33

2.1.2. Verortung der Entwicklungsvariante Konsumliteratur: Zur Frage der Dichotomisierung von hoher und niederer Literatur

38

2.1.3. Zum Problem der methodischen Verknüpfung von Institutionenbegriff und Textanalyse . .41

3. 3.1.

Rekonstruktion der sozialen Institutionen im Kontext der spanischen Gesellschaftsformation nach dem Sieg der Aufständischen Der Staat - Ausbildung des franquistischen Herrschaftssystems

45 47

3.1.1. Das Staatsoberhaupt und die politischen Kräfte

51

3.2. 3.3.

56 59

Die katholische Kirche als Stütze des politischen Regimes Der Entwicklungsstand des ökonomischen Systems

3.3.1. Ökonomische Gegensätze: agrarische vs. industrielle Produktionsstruktur

59

3.3.2. Staatsinterventionismus oder Staatsprotektionismus?

61

4. 4.1.

64

4.2. 4.3. 4.4.

Rekonstruktion der Struktur der spanischen Öffentlichkeit Kontrolle der politischen und literarischen Öffentlichkeit durch Wiedereinführung der Institution Zensur Kirchlicher Einfluß auf die privaten Institutionen Ehe und Familie und Monopol im Erziehungs wesen Presse als Medium politischer Öffentlichkeit Die kulturelle Ausprägung der Öffentlichkeit

4.4.1. Literatur als Medium von Subjektivität

5. 5.1. 5.2. 5.3.

64 72 .76 82 85

Genese des falangistischen Bürgcrkriegsromans in den Jahren 1936-39.95 Paradigmatische Strukturanalysevon Foxä: Madrid de corte a cheka (1938) .97 Distribution und Rezeption 111 Funktionsbestimmung 117

8.

6.

Produktion und Distribution von Romanen mit Bürgerkriegsthematik unter den neuen politischen und kulturellen Bedingungen nach 1 9 3 9 . . 122 6.1. Der fingierte Tatsachenbericht 122 6.1.1. Der Franco-phile »historische Roman«: Cara al sol (A. Cruz Rueda) 128 6.1.2. Die Novela Testimonio: republikanische Belagerung aus der pronationalistischen Sicht. Checas de Madrid (Tomás Boirás) 137 6.1.3. Das fingierte Tagebuch: Se ha ocupado el kilómetro seis (C. Benítez de Castro) 154 6.1.4. Verschleierung des vermittelnden Erzählers im szenischen Roman. Der imperiale Traum des Caudillo: Raza (F. Franco) 165 6.1.5. Funktionsbestimmung der Texte 179 6.2. Privatisierung des Geschichtlichen: Der Unterhaltungsroman mit Bürgerkriegsthematik 187 6.2.1. Der politisch ambitionierte Spionageroman: ¡Quien sabe....' (C. de Icaza) 191 6.2.2. Humor im Dienste der Ideologie: La novela número 13 (W. Fernández Flórez) 202 6.2.3. Der Evasionsroman mit Zeitgeschichtsbezug - ein Widerspruch? El chófer de Maria Luz (R. Pérez y Pérez) 215 6.2.4. Die Amalgamierung von christlicher Offenbarung und Historie. Einlösung der Apokalypse: Cristo en los infiernos (R. León) 229 6.2.5. Funktionsbestimmung der Texte 243 6.3. Durch Zensur behinderte Bürgeikriegsromane 251 6.3.1. Scheitern an den kirchlichen Normen der Moral: La fiel infantería (R. García Serrano). 257 6.3.2. Das problematische Individuum im Bjirgerkriegsroman: Javier Marino. Historia de una conversión (G. Torrente Ballester) 272 6.3.3. Funktionsbestimmung der Texte

282

7.

289

Schlußbemerkung

Anhang Abhang 1: Verzeichnis der für die Institution Kultur relevanten Zeitungen und Zeitschriften aus den Jahren 1939-1944 Anhang 2: Staatliche Zensur Anhang 3: Kirchliche Zensur

297

Literaturverzeichnis L Romankorpus II. Rezeptionszeugnisse und Sekundärliteratur zu den einzelnen Romanen HI. Sekundärliteratur Namensindex

347 347 349 355 367

291 297 331

9

1. Einleitung Der Bürgerkrieg bedeutet für die spanische Nachkriegsgesellschaft nicht nur in historischer und sozio-ökonomischer, sondern auch in kultureller Hinsicht einen tiefgreifenden Einschnitt. Mit seiner Beendigung wird die falangistische Staatsdoktrin zur offiziellen Norm erhoben; politische und kulturelle Strukturen verfestigen sich: Es preciso añadir que la política cultural de los vencedores de la guerra civil fue sistamáticamente contraria de todo lo que pudiera significar una dinámica y un progreso intelectual: fue implantada la censura previa para todo tipo de publicaciones y se controló severamente toda la organización de la cultura, desde la enseñanza ... hasta las manifestaciones artísticas y literarias.1 Die sich ausbreitende kulturelle Leere wird durch im Lande verbliebene zweitklassige Intellektuelle, die durch die Kirche und staatliche Ordnungshüter unterstützt werden, zwar kaschiert. Ein Anknüpfen an die Entwicklungen der Vorkriegszeit ist aber unmöglich, zum einen, weil eine große Anzahl bedeutender Schriftsteller ins Exil geht, zum anderen, weil staatlicherseits die Kunst zum Propaganda-Instrument umfunktioniert wird: El 'arte' no supone un conocimiento de la realidad, sino que procura un 'convencimiento'. De la mayoría de los textos escritos entre 1936-1945 claramente se deduce que la estética constituía fundamentalmente un instrumento ideológico, y no una forma de expresión o enfrentamiento con la realidad. ... Bajo la represión intelectual del franquismo, cultura y propaganda se identifican y la aportación global del franquismo es prácticamente nula.2 Die spanische Literaturgeschichtsschreibung neueren Datums spricht rückblickend von den Jahren des Schweigens3 und setzt den literarischen Neubeginn erst auf das 1

José María Castellet: »Tiempo de destrucción para la literatura española«, in: Imagen 27 (1968), reimp. en: Literatura, ideología y política, Barcelona: Anagrama, 1976, p. 136.

2

José Ortega: »Fascismo y cultura franquista (1936-1945)«, in: Texto crítico 5 (1979) no. 14, p. 159. Cf. auch J.L.L. Aranguren: La cultura española y ¡a cultura establecida, Madrid: Taurus, 1975, p. 160; J.L. Abellán: La cultura en España. (Ensayo para su diagnóstico), Madrid: EDICUSA, 1971, pp. 9 und 11 sowie José Carlos Mainer: »La reanudación de la vida literaria al final de la guerra civil«, in: Domingo Ynduráin: Epoca contemporánea: 1939-1980, Barcelona: Ed. Crítica, 1980. (Historia y crítica de la literatura espadóla; VIII), p. 46.

3

Cf. Joan Castellá-Gassol: »El pensamiento español 1939-1979. La palabra y el eco", in: Tiempo de Historia VI (1980), no. 62, p. 126; Juan Ignacio Ferreras: Tendencias de la novela española actual, 1931-1969, Paris: Ed. Hispanoamericanos, 1970; cf. auch die Rezension von Manuel Quiroga Clérigo: »Reflexiones acerca de una generación (hábilmente) silenciada«, in: Cuadernos Hispanoamericanos 122 (1981), no. 367/368, pp. 390-94, zu dem Essay von Ferreras: »La generación del silencio«, der sich allerdings auf kanonisierte Werke der 40er bis 60er Jahre bezieht; J. Lechner: El compromiso en la poesía española del siglo XX, II: de 1939 a 1974, Leiden: Univ.

10. Jahr 1942, als Lafamilia de Pascual Duarte von Camilo José Cela zum großen Publikumserfolg wird. Eine ähnliche Resonanz sollte erst 1944 wieder Nada von Carmen Laforet haben .4 Angesichts der blühenden Vorkriegs- und Kriegsliteratur zeugen diese spärlichen Erfolge von einer literarischen Stagnation, die offenbar in engem Zusammenhang mit den staatlichen Maßnahmen zur Lenkung künstlerischer Produktion steht. Anhand der in den ersten Jahren nach dem Sieg der Franquisten publizierten Romantitel zum Thema des spanischen Bürgerkrieges soll im folgenden entwickelt werden, warum es der intellektuellen Anhängerschaft Francos offenbar trotz staatlicher Förderung nicht gelang, eine breitere Wirkung zu erzielen.5

1.1 Objekteingrenzung und Fragestellung Die Berücksichtigung aller literarischen Produkte für eine Analyse des kulturellen Lebens in den ersten fünf Jahren des Franquismus würde zweifellos den Rahmen einer Einzeluntersuchung sprengen. Die Beschränkung des Materials auf Romane über den Bürgerkrieg erfolgt aufgrund folgender Überlegungen: 1. Wenn man die Romanproduktion aus den Jahren 1939-1943 durchgeht, kann man feststellen, daß neben dem Fortbestand evasiver Unterhaltungsliteratur (La Novela Rosa/La Novela Sentimental^ Werke zum Thema Bürgerkrieg den größten Raum einnehmen.7 Pr., 1975 (Serie de Pubis. Rom. de la Univ. de Leiden; 17), pp. 12, 14; José María Martínez Cachero: Historia de la novela española entre 1936 y ¡975, Madrid: Castalia, 1979, p. 114. MC spricht von der »mediocridad imperante entre 1939 y 1942« und den »difíciles y oscuros afios 40« (p. 46), S. Cienfuegos (»Le román en Espagne 1920-1957«, in: Europe 345/346 (1958), p. 26) von den »années sombres de 1942 et 43« und Angel Basanta (»Introducción«, in: Cuarenta años de novela española: Antología 1939-1979, T. 1, Madrid: Ed. Cincel, 1979, pp. 1636) widmet ein Kapitel den »difíciles aftas 40«. Cf. auch Mercedes Sáenz Alonso: Breve estudio de la novela española (1939-1979), San Sebastián: Caja de Ahorros Prov. Guipúzcoa, 1972, pp. 15 u. 87 ss. 4

José Maria Martínez Cachero: »Los aflos cuarenta«, in: Domingo Ynduráin: Epoca contemporánea, p. 321; Juan Carlos Curutchet: Introducción a la novela española de posguerra, Montevideo: Alfa, 1966, pp. 41-48 u. 51 ss; Robert C. Spíres: La novela española de posguerra: creación artística y experiencia personal, Madrid: Cupsa Ed., 1978 (Planeta: Universidad 20), pp. 16, 21,22; Julián Marías: Al margen de estos clásicos. Autores españoles del siglo XX, Madrid: Afrodisio Aguado, Ed. Libreros, 1966, p. 333.

5

Castellá-Gassol: El pensamiento, p. 128.

6

Cf. Thomas Scheerer: Studien zum spanischen Unterhallungsroman in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, Heidelberg: Winter, 1983. Es wird zu prüfen sein, inwieweit die Untersuchung Scheerers eine Funktionsbestimmung der Novela Sentimental für den genannten Zeitraum vornimmt oder ob eine ergänzende Untersuchung notwendig ist. Als soziologischen Faktor, der den Nachkriegsroman kennzeichne, nennt T. Yerro Villanueva ebenfalls die Verbreitung einer evasiven Literatur: »AI lado de una literatura bélica, en los afios 40 se difunde otra literatura que pretende hacer olvidar la dolorosa realidad del momento, fenómeno que también se registra paralelamente en la poesía lírica y en el teatro.« (Aspectos técnicos y estructurales de la novela española actual. Pamplona: Ed. Univ. de Navarra, 1977, p. 21).

7

Cf. Miguel Angel Garrido Gallardo: Literatura y sociedad en la España de Franco, Madrid: Ed. Prensa Española, Ed. Magisterio Español y Ed. Nacional, 1976, p. 41. Soweit die Novela Rosa das Thema des Bürgerkrieges aufgreift, wird sie in dieser Studie mitbcrücksichtigt. Die Verarbeitung des Kriegsthcmas im Roman gewinnt in den Nachkriegsjahren gegenüber den anderen Galtungen an Bedeutung: »La creación poética y teatral es mucho más importante en los años de lucha (1936-1939) que la novela, cuyo auge es posterior a la contienda.« (Maria José

11 2. Die erste Auseinandersetzung mit der unmittelbaren Vergangenheit dürfte jenen Romanschriftstellern, die pro-franquistisch eingestellt waren, ideale Ariknüpfungsmöglichkeiten für ihre literarischen Absichten geboten und ihnen - themenbedingt ein besonderes Leserinteresse gesichert haben. Aus dem Romankorpus wurden für die paradigmatische Struktur- und Funktionsanalyse jene Titel ausgewählt, die mir aufgrund ihrer zeitgenössischen Distributionsoder Rezeptionsweise besonders repräsentativ zu sein scheinen, das heißt Rückschlüsse auf die Gesetzmäßigkeiten des Verhältnisses von Literatur und Umfeld zulassen. Hierfür wurden nicht nur vorhandene Rezeptionszeugnisse, sondern auch Dokumente des Zensurarchivs8 ausgewertet. Die Struktur- und Funktionsanalyse einzelner Werke soll ferner über die Art des Propaganda-Transfers in literarischen Produkten Aufschluß geben. Immer wieder wird hervorgehoben, daß der spanische Bürgerkrieg ein ideologischer Krieg gewesen sei.9 Es darf daher vermutet werden, daß sich das Bürgerkriegsthema als Medium zu offiziellen Legitimations- oder sogar Propagandazwekken besonders eignete. Aufgrund des gewählten literatursoziologischen Erkenntnisinteresses wäre das Messen der Romane ausschließlich an ästhetischen Normen wenig ergiebig, da ein solches Vorgehen eine Antwort gerade auf die Frage schuldig bliebe, ob und in welchem Maße es dem Franco-Regime auch durch Manipulation der literarischen Produktions-, Distributions- und Rezeptionsbedingungen gelang, seinen Herrschaftsanspmch glaubwürdig zu legitimieren. Nicht der Roman als ästhetisches Zeichen, sondern seine historisch rekonstruierbare Beziehung zur zeitgenössischen Gesellschaftsstruktur wird Gegenstand der Untersuchung sein. In der Strukturanalyse soll herausgearbeitet werden, welche intendierten Leser die einzelnen Romane hatten und ob diese mit der tatsächlichen Rezipientenschicht übereinstimmte. Die objekt-orientierte Rekonstruktion der Sinnintention soll also mit den in den zeitgenössischen Kritiken ausmachbaren Reaktionen des Publikums konfrontiert werden. io Ferner soll nach dem Stellenwert der Werke mit Bürgerkriegsthema innerhalb der gesamten Romanproduktion jener Jahre gefragt werden. Definitorische Unterschiede bisheriger Untersuchungen zum Thema BürgerkriegsMontes: La guerra española en la creación literaria (Ensayo bibliográfico). Madrid: Univ. de Madrid, 1970 (Anejos de 'Cuadernos Bibliográficos de la Guerra de España (1936-1939)'; 2), p. 26; Cf. C. Blanco Aguinaga, J. Rodríguez Puértolas, J.M. Zavala: Historia social de la literatura española, III, Madrid: Ed. Castalia, 1979, p. 65. 8

Cf. meine Ausführungen Kap. 4.1 und die Zensurakten, Anhang 2: »Staad. Zensur«. Schon bibliographische Daten wie Auflagenhöhe und Neu-Editionen bestimmter Titel geben über den erfolgten Distributionsumfang Auskunft.

9

Cf. M. Bertrand de Muñoz: La Guerra Civil Española en la novela. Bibliografía comentada, T. 1, Madrid: Pomía, 1982, p. 3 und Stanley Weintraub: The Last Great Cause. The Intellectuals and the Spanish Civil War, New York: Weybright & Telley, 1968.

10

Diese literaturwissenschaftliche Fragestellung in die soziologische Nomenklatur übertragen, bedeutet: Es interessiert hier die Aufweisung einer Beziehung zwischen dem Gehalt der Werke und der Interessenlage der Trägerschicht.

72

román machen es notwendig, den Terminus im Hinblick auf die vorliegende Studie zu präzisieren. Unter Bürgerkriegsromanen sollen solche Werke gefaßt werden, in denen das Erleben des spanischen Krieges dichterische Gestaltung gefunden hat, sei es, daß sie die Haltung der Kämpfenden spiegeln, das Leben in der jeweiligen republikanischen oder »nationalen« Zone schildern, oder in ihnen der Bürgerkrieg lediglich als Hintergrund oder Auslöser für innere Bewußtseinskonflikte des/der Protagonisten angelegt ist. Da Bürgerkriegsromane zur Aufdeckung kultureller Normen, ihrer Funktions- und Wirkungsmechanismen in den unmittelbaren Nachkriegsjahren lediglich als empirisches Material herangezogen werden, habe ich mich weitgehend an die Klassifikationskriterien von Maryse Bertrand de Muñozn gehalten und eine entsprechende Quellenauswahl getroffen. 12 Schwierigkeiten bei der Einordnung bieten zweifellos Romane, die zu überwiegendem Teil historische Geschehnisse berücksichtigen, die entweder die Epoche der Republik oder die unmittelbare Nachkriegsgegenwart behandeln. 13 Während realistische Romane aufgrund zeitlicher und örtlicher Referenzialisierbarkeit oder Nennung historischer Personen allenfalls Probleme hinsichtlich der Dominanz der Bedeutungskomponente »Bürgerkrieg« für den Erzählkontext aufwerfen, sperren sich Texte, deren Inhalte eine Ansiedlung der Ereignisse in den Jahren 1936-39 nur vermuten lassen, eindeutiger Zuordnung, w Eine zeiüiche Festlegung des Strukturwandels gesellschaftlicher Institutionen auf den Sieg der Aufständischen im April 1939 ist insofern etwas ungenau, als sich bereits während des Krieges in der »nationalen« Zone ein Normenwandel abzeichnet; dennoch läßt sich vertreten, an dem Zeitpunkt festzuhalten, da erst mit Ende des Krieges das gesamte spanische Territorium in den Händen der Aufständischen ist und 11

La Guerra Civil Española en la novela. Die Autorin ordnet die Bürgerkriegsromane je nach Art der inhaltlichen Schwerpunktbildung unter Guerra Presentida, GueiTa Vivida, Guerra Recordada und Guerra Referida ein, wobei bereits aus dem Titel ihrer kommentierten Bibliographie hervorgeht, daß es ihr in erster Linie um die Darstellung des spanischen Krieges in Romanen und nicht so sehr um eine ontologische Definition der »Bürgerkriegsromane« geht. Nicht nur die Art der literarischen Verarbeitung des Bürgerkrieges hat sich im Laufe späterer Jahre gewandelt; auch die Definition dessen, was unter Romanliteratur über den spanischen Bürgerkrieg zu verstehen ist, hat allmählich eine Erweiterung erfahren. Zeitgenössische Kritiken sprechen nur bei der Front-Literatur und den Romanen über die Retaguardia von Novelas de Nuestra Guerra, Novela de la Cruzada, Novelas de la Revolución; spätere Abhandlungen listen bereits auch Titel der Novela Rosa auf; doch erst bei M. Bertrand de Muñoz (1982) ist der definitorische Rahmen soweit gesteckt, daß auch Romane wie C J . Cela: La familia de Pascual Duarie, 1942, Pedro de Lorenzo: La quinta soledad, 1943, J.A. Zunzunegui: ¡Ay ... estos hijos!, 1943, eingegliedert wurden.

12

Cf. Kapitel 1.2.1.

13

Z.B. ¡Ay ... estos hijos!, ein Roman, der die Zeit der Zweiten Republik behandelt und mit dem Pronunciamiento des 18. Juli endet. Obwohl das Werk in dieser Untersuchung weitgehend unberücksichtigt bleibt, habe ich die Zensurakten im Anhang 2, p. 324 aufgeführt.

14

Der Bericht des Zensors und die Art der Kritiken weisen z.B. darauf hin, daß der zeitgenössische Leser La quinta soledad von Pedro de Lorenzo als politisches Zeugnis der unmittelbaren BUrgerkriegsvergangenheit interpretieren konnte. Auch in La familia de Pascual Duarte wurde zum Teil die Erfahrung des Bürgerkriegs verarbeitet; angesichts der günstigeren Forschungslage kann jedoch auf eine erneute Struktur- bzw. Funktionsanalyse dieses Romans verzichtet werden. Wegen der litcralursoziologischen Bedeutung des Zensur-Quellenmaterials habe ich es ebenfalls, sofern im Archiv von Alcalá de Hemares noch vorhanden, in Anhang 2, p. 305f. übernommen.

11 der Einfluß republikanischer Medien völlig abbricht. Die Begrenzung des Untersuchungszeitraumes auf die ersten fünf Jahre des Franquismus ist nicht willkürlich gewählt; es handelt sich um die Zeit, in der das Regime am grausamsten und in seiner Selbstdarstellung am »triumphalsten« war.is Bis zur drohenden Niederlage der Achsenmächte, die spätestens 1943 abzusehen war, baute der Caudillo seine Autorität auf der Grundlage massiver Repression auf, die auf kulturellem Sektor dazu führte, daß die Kunst beziehungsweise Literatur ihren Autonomie-Status einbüßte. 1.2.1 Quellenmaterial Bürgerkriegsliteratur ist bibliographisch gut erschlossen, was eine relativ problemlose Kompilation aller zwischen Kriegsende (April 1939) und 1943 in Spanien publizierten Romantitel ermöglicht.^ Bereits 1952 veröffentlichte Eduardo Comin Colomer eine Bibliographie zum Bürgerkrieg1'?, deren Titel größtenteils den Bestand seiner eigenen umfangreichen Literatursammlung wiedergeben, die nach seinem Tode der Sección de Historia Contemporánea der Biblioteca Nacional, Madrid, einverleibt wurde. 1964 erschien eine erste umfassende Bibliographie zum spanischen Bürgerkrieg in der Serie des Instituto de Historia de la Guerra Civil von Juan García Durán.i8 Eine nicht nach thematischen Schwerpunkten untergliederte Titelsammlung wurde von Ricardo de la Cierva vier Jahre später publiziert; sie ist insofern für die Erschließung des Quellenmaterials von Wichtigkeit, als sie den Titelaufnahmen auch den Besitznachweis der Bibliotheken zufügt, die das genannte Werk verzeichnen.>9 Nachteilig wirkt sich das Fehlen einiger den Inhalt erschließender Register aus. Über den Verbleib der von de la Cierva u.a. ausgewerteten Privatbibliothek des mittlerweile verstorbenen Schriftstellers Tomás Borras ist mir nichts bekannt; die

16 17

18 19

Zur Periodisierung Max Gallo: Historia de la España franquista (»Histoire de l'Espagne franquiste«, 1961), Paris: Ruedo ibérico, 1972, Kap. I: »La victoria: 1939-1942«, pp. 87-124; Hans Wemer Franz: Der Frankismus. Zur politischen Herrschaftssoziologie Spaniens während der Franco-Ära, Frankfurt/Bern: Peter Lang, 1981 (Europ. Hochschulschriften, Reihe 31, Politikwissenschaft, 26), pp. 99,204, 252,406 und Rafael Gómez Pérez: Política y religión en el régimen de Franco, Barcelona: Dopesa, 1976, p. 15. Zum literarischen Normenwandel nach Lockerung der Zensur in den 60er und 70er Jahren, wie er sich in den Romanen manifestiert, s. Maryse Bertrand de Mufloz: »Reflejo de los cambios políticos, sociales, históricos y lingüísticos en las novelas espadólas recientes de la Guerra Civil«, in: Camp de l'Arpa 19 (1975), pp. 16-20. v . Lit.verz.: »Romankorpus«, p. 347. »Bibliografía de la Guena de Liberación«, in: Revista de Esludios Políticos 63 (1952), pp. 341-379. Eine Studie von Jürgen Rühle: Literatur und Revolution: Die Schriftsteller und der Kommunismus, Köln & Berlin: Kienpenheuer & Witsch, 1960, widmet 10 Seiten den bekannteren literarischen Dokumenten über den spanischen Bürgerkrieg, wobei bereits aus dem Titel hervorgeht, daß der Verfasser bei der Literaturauswahl andere Schwerpunkte gesetzt hat, als sie für diese Untersuchung relevant sind. 1936-1939. Bibliography ofthe Spanish Civil War, Montevideo: Ed. El Siglo Ilustrado, 1964 (Inst, de Hist. de la Guerra Civil Española, 1). Ricardo de la Cierva (ed.): Bibliografía general sobre la guerra de España (1936-1939) y sus antecedentes históricos. Fuentes para la historia contemporánea de España, Madrid, Barcelona: Ministerio de Información y Turismo, Ed. Ariel, 1968.

14. Sammlung von Comín Colomer befindet sich in der Biblioteca Nacional; die Bestände des Ministerio de Información y Turismo können in der Biblioteca Pública des Ministerio de Cultura, Madrid, konsultiert werden. Seltenere Titel wurden inzwischen ebenfalls in die Bürgerkriegsbestände der Nationalbibliothek integriert. Einige Irrtümer, die García Durán bei der Klassifikation der Romanliteratur unterlaufen sind20, wurden in späteren Kompilationen von Maryse Bertrand de Muñoz (1968)21 und María José Montes (1970)22 korrigiert. Die zweifellos gegenwärtig zuverlässigste Bibliographie ist das 1982 veröffentlichte, inzwischen dreibändige Nachschlagewerk von Maryse Bertrand de Muñoz, eine Kumulation aller bisherigen bibliographischen Veröffentlichungen zum T h e m a . 2 3 Was die Bürgerkriegsromane der ersten fünf Nachkriegsjahre anbetrifft, so ist in keiner der genannten Bibliographien die Ausgabe der Novela del Sábado von Tomás Borras: Checas de Madrid, 1939, verzeichnet; weiterhin fehlen die Romantitel aus der Tradition der Novela Rosa: Laura de Cominges (d.i. Josefina de la Torre Millares): María Victoria, 1940, die Bürgerkriegs-Trilogie von José María Carretero (Pseud.: El Caballero Audaz): Malas costumbres, Si tú supieras und Tania, la mujer nueva, 1940-42, sowie der Roman desselben Autors: ¡Ver!, 1942. Kurzgeschichten und E r z ä h l u n g e n 2 4 wurden nicht in das Romankorpus aufgenommen, auch habe ich mich formal an die zeitliche Begrenzung des Bürgerkriegsendes im April 1939 zu halten bemüht.25 20

Unter Fiction verzeichnet er fälschlicherweise die Lyrik-Sammlung La liberación de Barcelona von R. Adán y Meldana, 1940; die Essay- und Lyrik-Sammlung von Francisco Javier Centurión: Ardiente voz de guerra, 1940, das »Poema-corral-dramático« des Jesuitenpaters Ramón Cué, 1940: X el imperio volvía; die Memoiren von Federico García Sanchiz: Duero abajo. La castilla del Cid, 1940, und die Aphorismen und »impresiones de guerra« von Eloy de la Pefla y Suárez, 1939: Guerrerías.

21

»Bibliografía de la novela de la Guerra Civil Española«, in: La Torre 61 (1968), pp. 215-242. Bei Francisco Guillén Salaya: Más allá del infierno handelt es sich allerdings um eine Autobiographie; Enrique Herrera Oria: España es mi madre, 1939, enthält Geschichten des spanischen Imperiums, ist kein Roman; Eloy Jaúregui de Quevedo: ¡Sangre en los riscos!, 1940, bleibt als »guión cinematográfico« in der vorliegenden Untersuchung unberücksichtigt; die Werke des »Doncel« Federico García Sanchiz: Más vale volando, 1938 und Sacrificio y triunfo del halcón, 1939, Biographien über seinen Sohn, hat die Autorin zurecht in ihrer revidierten Fassung von 1982 ausgegrenzt.

22

La guerra española en la creación literaria. Das bei Montes unter novela corta aufgeführte Werk von Jesús Gonzalez Bueno: Paz en guerra, für das er das Erscheinungsjahr 1940 vermutet, ist ebenso wie Tragedia ... Escenas del tiempo rojo, 1940, von Vicente Pedromingo de la Riva eine Autobiographie, die erst 1944 veröffentlicht wurde; der Roman von José Muñoz San Román: Las fieras rojas erscheint nicht erst 1939, sondern bereits 1937, Gonzalo Torrente Ballester: Javier Marino erschien bereits 1943, nicht erst 1949; die unter novelas irrtümlich geführten Erzählungen von José de Pablo Muñoz: Aquellas banderas de Aragón, 1942, sollen für die vorliegende Untersuchung unberücksichtigt bleiben.

23

La guerra civil española en la novela. Cf. auch die Auswahlbibliographie der Vf. in Marc Hanrez (ed.): Los escritores y la guerra de España, Barcelona: Monte Avila, 1977, pp. 327-374, sowie ihren Artikel über Biirgerkriegsbibliographien: »Fuentes bibliográficas de la creación literaria de la guerra civil española«, in: Hispania 56 (1973), no. 3, pp. 550-556.

24

Wie z.B. José María Salavérria: Entre el cielo y la tierra, 1939, Manuel Pía Pérez: Leones de Castilla, 1940, Pedro Alvarez: Cada cien ratas, un permiso, 1939, sowie die von García Durán, E. Montes und M. Bertrand de Muñoz verzeichneten Novelas Cortas von Edgar Neville, die in dem Sammelband Frente de Madrid zusammengefaßt sind.

25

Sofern ermittelt werden konnte, daß der Monat der Veröffentlichung auf Januar bis März fiel, wurde auf Nennung dieser Titel im Korpus verzichtet. (V.c. Samuel Ros: Meses de esperanza y lentejas, José María Salavérria: Cartas

11 Trotz der nicht sehr glücklichen Zuordnung der Novela Cinematográfica Suspiros de España (novelada por M. Otein) zur Roman-Gattung wurde sie im Hinblick auf Vergleichsmöglichkeiten mit Raza von Francisco Franco (Pseud.: Jaime de Andrade) im Titelkorpus belassen. Ungewöhnlich im Verständnis der Gattung ist der Roman Doce meses y un día, 1943, für den zwei Verfasser, Cipriano Torre Enciso und V. Fernández Asís, verantwortlich zeichnen. 7.2.2 Forschungsstand Trotz des für Analysen literarischer Normen im Franquismus wichtigen Faktums, daß die Romane der Sieger die einzigen literarischen Zeugnisse über den Bürgerkrieg waren, zu denen der spanische Leser der 40er Jahre Zugang hatte, und trotz der quantitativ reichen Produktion an Bürgerkriegsliteratur im frühen F r a n c o - S p a n i e n 2 6 hat sich die Literaturkritik mit ihr bisher nur sehr global im Rahmen der literarischen Resonanz, die der spanische Krieg international erfuhr, auseinandergesetzt. Mangelnde historische Distanz hat bis dato spanischen Wissenschaftlern die Analyse kultureller Phänomene des frühen Franquismus, zu denen auch die Hut der nach 1939 publizierten Bürgerkriegsromane zu zählen ist, erschwert. Los fantasmas del pasado siguen gozando de buena salud, y mucho me temo que todavía tendrán que pasar bastantes años - y que tendremos que desaparecer bastantes personas - antes de que se pueda hablar, leer, escribir y tratar con un mínimo distanciamiento y una lejana y cordial serenidad sobre muchos de los temas y problemas de nuestro pasado inmediato. No hay más que ver los falsos escándalos y las desmedidas e incendiarias polémicas que se organizan en torno a toda suerte de estudios, libros, comentarios, películas, obras teatrales o emisiones de radio y televisión.27 Angesichts der zu Zeiteft des Franco-Regimes erfolgten Forschungsmanipulation verwundert es wenig, daß das Hauptinteresse der Literaturwissenschaft in den letzten Jahren der jahrzehntelang unterdrückten Exilliteratur sowie der lange Zeit zensierten republikanischen Vorkriegsliteratur g a l t . 2 « Doch auch die internationale Hispanistik

26

de un alférez a su madre, Tomás Borrás: Oscuro heroísmo oder Felipe Sassone: España, madre nuestra.) Cf. Maryse Bertrand de Muñoz: La guerra civil española en la novela, II, p. 649.

27

Rafael Conté: »Los demonios familiares de nuestra literatura reciente. Escritores falangistas«, in: El País 241 (3.6.1984), 'Libros', p. 1.

28

»De la misma manera que en los tiempos franquistas la ausencia y desconocimiento de la literatura del exilio suponía un terrible trauma, para la configuración de la literatura española del momento, para el conocimiento de su historia inmediata y de su propio presente, y para la formación de sus autores y de sus lectores, hoy constituye una falta similar la ignorancia de la literatura falangista.« (Rafael Conté: Los demonios, p. 4). Zu Kritiken über Exilliteratur mit Bürgerkriegsthematik v. die beiden Kapitel zur Narrativik in Aldo Garoscis 1959 veröffentlichter Monographie: Gli inlelleuuali e la guerra di Spagna, Torino: G. Einaudi, 1959, José Ramón Marra-López: Narrativa española fuera de España, Madrid: Guadarrama, 1963; zu Aub, Barea und Sender: Emir Rodríguez Monegal: Tres testigos españoles de la guerra civil, Caracas: Monte Avila, 1971. Eine Auflistung aus pro-franquistischcr Perspektive derjenigen Biirgerkriegsromane, die nicht in Spanien veröffentlicht wurden, stellt die Untersuchung von Rafael Calvo Serer: La literatura universal de la guerra de España, Madrid: Ateneo, 1962,

16.

widmet sich kaum der staatskonformen spanischen Nachkriegsliteratur.29 Immer wieder wird auf die starke Zeitgebundenheit und die daraus resultierende mangelnde ästhetische Qualität der zahlreichen Bürgeikriegsromane verwiesen, mit der die fehlende Kanonisierung auch in neueren Literaturgeschichten legitimiert wird.30 Y la verdad es que ninguna de esas novelas - ¿quien recuerda Madridgrado (1939), de Franciso Camba; Una isla en el mar rojo (1942), de Fernández Flórez, o Checas de Madrid, de Tomás Borrás? - ha conseguido pasar con dignidad el tribunal inapelable del tiempo.31 Besonders angesichts der ästhetisch und strukturell ausgefeilten spanischen Romane jüngeren Datums haben sich die Kritiker in der Wahl zwischen Untersuchungsobjekten wie Checas de Madrid oder Señas de identidad fast immer für letztere entschieden^ Die bis einschließlich 1944 in Spanien publizierten Kritiken sollen als zeitgenössische Rezeptionszeugnisse im Rahmen einer Funktionsanalyse der Romane berücksichtigt und deshalb an dieser Stelle für die Würdigung des Forschungsstandes33 ausgeklammert werden. Dabei ist darauf hinzuweisen, daß auch spätere Klassifikationsund Interpretationsversuche nicht losgelöst von dem sozio-historischen Kontext, in dem sie publiziert wurden, gesehen werden können, wie die Artikel von J.A. Fernández-Cañedo »La joven novela española (1936-1947)34 und die gekürzte Fassung »La guerra en la novela española (1936-1947)«35 beweisen, die ersten mir bekannten Publikationen, die sich nicht nur mit der Literatur, die während der Kriegsjahre 1936-39 entstanden ist, sondern auch mit den in Spanien publizierten Romanen der Nachkriegszeit befassen. Die Perspektive, aus der in diesen Arbeiten analysiert wird, wird in der Unterscheidung von »los rojos« und »nosotros«36 deutlich.

29

dar. Neuere Untersuchungen zum Thema: Carlos Rojas: La literatura civil vista por los exiliados, Barcelona: Ed. Planeta, 1975, und Santos Sanz Villanueva: »La narrativa del exilio«, in: J.L. Abellán (ed.): El exilio español de 1939.4. Cultura y literatura, Madrid: Taurus, 1977. Robert G. Mead: »Dictatorship and Literature in the Spanish World«, in: Books Abroad 25 (1951), no. 3, pp. 223226: »Despite pretensions of the Franco regime to the contrary, any impartial comparison between these emigrados and the intellectuals remaining in Spain must be heavily in favor of the former.« (p. 223).

30

Ponce de León, José Luis S.: La novela española de la Guerra Civil (1936-1939), Madrid: Insula, 1971, p. 14 et idem: »La novela de la guerra civil de Espada y el modelo Tolstoi«, in: Insula 283 (1970), p. 3.

31

Luis Suflén: »La guerra de 1936 como tema literario. Novelar la contienda, una obsesión que no cesa«, in: El País (30.10.1983), •Libros', p. 3. Malcolm Alan Compitello: »The Novel, the Critics, and the Civil War A Bibliographic Essay«, in: Anales de la Narrativa Española Contemporánea 4 (1979), p. 118.

32 33

34

Zum Forschungsstand der Bürgerkriegsliteratur, v. neben M. Bertrand de Mufloz: La guerra civil española en la novela, I, pp. 3-37 und M.A. Compitello: The Novel, pp. 117-138 die Einführung von Maria José Montes: La guerra española, pp. 15-29 und Kap. 1: »La novela de la guerra en la critica literaria«, in: José Luis Ponce de León: La novela española de la guerra civil, pp. 13-36. Die Kritiken aus den Jahren 1939-44 konnten zum Teil über die Bibliografía Hispánica (Ed.: Instituto Nacional del Libro Espaflol) 1942-44 ermittelt werden. In: Revista de la Universidad de Oviedo, Fac. de Filosofía y Letras, XLIX, L (1948), pp. 45-79.

35

In: Arbor 37 (1949), pp. 60-68.

36

Femández-CaJledo, 1948, p. 45.

77 Die Kennzeichnung »de épica: heroismo y esfuerzo colectivo« (45) für den spanischen Krieg, wie sie hier verwendet wird, ist für das Verständnis literarischer Normen der Nachkriegszeit nicht unwichtig. Fernández-Cañedo unterteilt die Romane in vier Gruppen: 1) Romane »de ambiente guerrero«, vorwiegend aus den Jahren 36-40, die mangels ästhetischer Werte und historischer Distanz eher als historische Dokumente gewertet werden müssen (46) und als solche die »educación patriótica« der spanischen Jugend vervollständigen können (47). Aus den Jahren 39-43 werden La fiel infantería und Se ha ocupado el kilómetro 6 eingehender gewürdigt.37 Als weitere Gruppe 2) bezeichnet der Autor jene Romane, »que refieren la vida de los perseguidos en la zona roja« (54), wie z.B. Una isla en el mar rojo und Checas de Madrid, die zudem ein anderes Feindbild - das der Henker - zeichnen als die Front-Romane, die von den Republikanern als »otros españoles« sprechen (56); und 3) politische und sozial motivierte Romane wie El puente oder die bereits 1938 erschienenen Titel Madrid de corte a cheka und Eugenio o la proclamación de la primavera. Die vierte Gruppe stellt die Verbindung zum Roman über den Zweiten Weltkrieg her (60) und ist aufgrund ihrer Marginalität in Hinblick auf die hier interessierende Fragestellung nicht von Interesse. Eine zeitliche Zäsur sieht Fernández-Cañedo für das Jahr 1942, in dem La familia de Pascual Duarte erscheint und das eine allgemeine Abwendung von dem bis dato vorherrschenden Bürgerkriegs-Thema signalisiere (61ss.). Javier Marino, La quinta soledad oder ¡Ay ... esto hijos! werden inhaltlich nicht mehr mit dem Bürgerkrieg in Zusammenhang gebracht. Im Jahre 1952 erscheint unter dem Titel »La guerra española en nuestra novela« eine Würdigung von Mariano Baquero G o y a n e s 3 8 , die sich nicht wesentlich von der oben behandelten unterscheidet. Der Autor weist auf den Reportage- bzw. MemoirenCharakter der Romane hin und betont, daß er republikanische Veröffentlichungen während und nach dem Krieg für seine Darstellung nicht habe berücksichtigen können. Er unterscheidet zwei Romantypen: 1) »con temas de pregurra« (Eugenio o la proclamación de la primavera-. El puente-, Madrid de corte a cheka), 2) »novelas de la retaguardia« (Una isla en el mar rojo-, Madridgrado; Checas de Madrid), alle mit eher dokumentarischen als novelesken Zügen, und 3) Romane, »que tienen como tema la guerra en los frentes« (12) (Se ha ocupado el kilómetro 6; La fiel infantería; IV Grupo del 75-27-, Aquellas banderas de Aragón). Zum 16. Jahrestag der Erhebung der Aufständischen aktualisiert Pedro de Lo-

37

Interessanterweise enthält die Fassung des Artikels in Arbor, dem Sprachrohr der katholischen anti-falangistischen Reaktion von 1949, im Gegensatz zu derjenigen in der Revista de la Univ. de Oviedo weder den Hinweis, daß im Roman von Benitez de Castro zwei Frauen mit den Soldaten zusammenleben und sich am Kriegsgeschehen beteiligen (SO), noch den Hinweis auf die Zensur von La fiel infantería oder die positive Einschätzung falangistischer Literatur: »es ineludible indicar que la Falange ha señalado una huella indeleble en la literatura española: carácteres de personajes y también un estilo literario, en poesía y en prosa, consecuencia del estilo vital que la Falange inculca a sus hombres.«(50).

38

In: Ateneo I (1.3.1952), no. 3, pp. 12,13.

18.

vier Bürgerkriegsromane, unter ihnen Madrid de corte a cheka und La fiel infantería. Sein Urteil über die narrativen Verarbeitungen des historischen Ereignisses ist insofern von Interesse, als es die, wenn auch zu einem späteren als dem für diese Untersuchung relevanten Zeitraum geäußerte Meinung des Autors wiedergibt, dessen eigener Roman aus dem Jahre 1943 in der Distribution behindert wurde. Zur Genese des spanischen Romans äußert sich Lorenzo 1952 folgendermaßen: renzo39

Compañera del Imperio, la novela castellana, primera del mundo, decae con el eclipse de nuestro Imperio. Cuando tomamos a desearnos pueblo soberano y fuerte otra vez nos preocupa la grandeza de la novela. Al fin, novela es épica, hija de la epopeya auténtica ' e p o s ' . ' W Spanische Romane, die der republikanischen Seite verpflichtet sind, will er, da sie »propagandistischen Zwecken dienen«, aus seiner Untersuchung ausgegrenzt wissen: no sólo excluyo a los extraños ... de los años de guerra - excluyo también la literatura de partido, parcial, utilitaria, pienso que lo menos utilitario en arte es el arte utilitario, que por el hecho de serlo, deja de ser arte, con lo que su utilidad se anula.41 Diese Äußerung belegt er mit dem Verweis auf den Erfolgsroman La forja de un rebelde des Exilautors Arturo Barea, was hinsichtlich seiner Untersuchungsperspektive nicht weiter verwundert. Eine erste ausführliche Monographie publiziert Gaspar Gómez de la Serna 1954 unter dem an die Galdós-Tradition anknüpfenden Titel España en sus episodios nacionales42. In seiner ausschließlichen Ausrichtung an Vertretern der »nationalen« Zone bzw. den in Spanien veröffentlichten Nachkriegsromanen ist das Werk ebenfalls eher als zeitgeschichtliches Dokument denn als literaturkritische Würdigung der Bürgerkriegsthematik zu beurteilen. Dennoch sind verschiedene Aspekte seiner Ausführungen gerade für eine Studie über den Bedingungsrahmen spanischer Nachkriegsliteratur von großem Wert. Die Möglichkeit, Zeitgeschichte als subjektive Erfahrung in Literatur verarbeiten zu können, ist seiner Meinung nach der Grund, warum die Bürgerkriegstitel so zahlreich sind. Pues para el sentimiento simplista del hombre de la calle la Historia reciente se identifica con la personal historia de cada uno, y es la particularización de sus episodios lo que inmediatamente le importa; de ahí el florecimiento y resonancia de los productos literarios que en alguna manera sirven a ese propósito: las memorias, los diarios, los relatos vividos, las narraciones, y del que es culminación y perfección de todos ellos: el episodio nacional. (101,102) 39

»El 18 de Julio en ta novela española«, in: Ateneo I (19.7.1952), no. 13, p. 13.

40

ibid.

41

Ibid.

42

(Ensayos sobre la versión literaria de la historia) Madrid: Ed. del Moviemiento, 1954.

19 Die spanischen Autoren haben, so vermutet er, nicht nur den politischen Wandel in der spanischen Gesellschaft literarisch abbilden, sondern durch geistige Innovation den Ausweg aus der tiefgreifenden historisch-sozialen Krise aktiv mitgestalten wollen; für Gómez de la Serna ist Engagement die Triebfeder der spanischen Schriftsteller gewesen, Zeitgeschichte literarisch umzusetzen. Actora en la guerra civil, la nueva generación de escritores ha de ser también su cronista, y en este menester va a dar salida al doble imperativo literario y vital de su conciencia; necesita dar testimonio de lo que ha vivido como crisis esencial en la vida de su pueblo ... por eso ésta no ha de contentarse con producir novelas de guerra, sino que tratará, más ambiciosamente, de dar razón del complejo fenómeno histórico y social cuyo capítulo decisivo ha sido esa guerra civil prendida en las cuatro esquinas del país y en la que los escritores jóvenes han actuado de peones ingenuos y entusiastas. (111) »Tratar literariamente el tema de la Historia« (105) sei das Chrakteristikum der Episodios Nacionales, einer Gattung, deren Genese er an Werken von Galdós und Valle-Inclán festmacht. Erst mit dem Movimiento Nacional habe Spanien einen eigenen Beitrag zum europäischen Kriegsroman geliefert (105), von dessen pessimistischer Grundhaltung (Remarque: Im Westen nichts Neues, 1928) sich die spanische Variante jedoch stark unterscheide (114). Der Verfasser der Episodios bediene sich einer aufwendigeren Erzähltechnik als ein Romancier, »ha de manejar con criterio literario datos históricos, sociológicos, políticos, además de los psicológicos« (112). Auf der Produzentenseite unterscheidet Gómez de la Sema die Episodios de Vanguardia, »escritos por combatientes«, und Episodios de Retaguardia, die von Gefangenen oder Verfolgten verfaßt sind (113), wobei erstere der jüngeren Generation angehören, während die Retaguardia-Autoren bereits vor Kriegsbeginn literarisch tätig waren. Betont wird der Epos-Charakter der nationalen Episoden, der Handlung und Erzähltechnik kennzeichne (118-122), das Phänomen der Pseudoautobiographie (122126), die kollektive Erfahrung widerspiegele, sowie das Verhältnis von Fiktion und Wirklichkeit (126-130): el reportaje histórico es al episodio lo que el relato a la novela: una versión superficial y no cuajada de la existencia (130). Aus dem Produktionsangebot der Bürgerkriegsliteratur, die sich durch »ese nuevo tono moral de que le dota el aliento epopéyico común« (130) vom europäischen Kriegsroman unterscheide, wählt er als typische Episodios den während des Krieges verfaßten Roman Madrid de corte a cheka (Foxá) sowie aus der Generation der Nachkriegsschriftsteller die Werke von García Serrano und J.M. Gironella aus, um sie einer eingehenden Analyse zu unterziehen. Der Autor von La fiel infantería, García Serrano, veröffentlicht 1955 in La Nueva

20.

España43 einen Kommentar, der stark an den eigenen Produktionsnormen von Bürgerkriegsliteratur orientiert ist. Er beklagt, daß die spanische Nachkriegsliteratur - anders als die universale Literatur - dem Bürgerkrieg als Thema nicht genügend Beachtung geschenkt habe, und weist den Vorwurf der Kritik zurück, daß nur die profranquistischen Autoren parteilich seien: »Me complacería mucho que los beatos de la objetividad, que abundan tanto por estos lares, estudiasen la objetividad de nuestros antiguos enemigos«. Als Antwort auf die Monographie von Gómez de la Serna erscheinen 1956 von José Vila Selma Tres ensayos sobre la literatura y nuestra guerra44, mit denen der Autor die einseitige Überbewertung der literarischen Bedeutung von García Serrano durch den Falangisten Gómez de la Serna zu korrigieren beansprucht und den genetischen Zusammenhang von Epik und Episode negiert: »Epica y episodio, lo quiera o no, Gómez de la Serna, son polos opuestos« (31). Vila Selma lehnt die Politisierung der Kunst ab, die eine kollektive Verarbeitung des Bürgerkrieges eher verhindere.45 Eine Kurzfassung der mit dem Bürgerkrieg befaßten Abschnitte seiner 1962 publizierten Romangeschichte46 veröffentlicht Eugenio García de Nora zwei Jahre zuvor in deutscher Sprache in der Neuen Zürcher Zeitung47. Im Gegensatz zum matten Widerhall des Bürgerkrieges in der Lyrik auf republikanischer wie auf nationalistischer Seite führt er aus, daß der Roman größere Resonanz gehabt habe. Aus dem Spektrum der nationalistischen Autoren, die sich mit dem Thema befaßt haben (Fernández Florez, Tomás Borrás, Francisco Camba, Zunzunegui, Giménez Arnau aus der frühen Nachkriegszeit), greift er, wie andere Kritiker vor ihm, Agustín de Foxá, Rafael García Serrano und J.M. Gironella heraus, für die »der Spanische Krieg zum Gravitationszentrum (ihres) Schaffens geworden ist«. Eine »dialektische Spaltung« kennzeichne die Romane aus beiden »Lagern«: Die Republikanischen sehen in diesem Krieg nur den Kampf zwischen Armen und Reichen, von Liberalen gegen dogmatische Reaktionäre; die Nationalen glauben einen Kreuzzug von Gläubigen gegen Atheisten, von Patrioten gegen internationale Sektierer geführt zu haben. Aus beiden Lagern ist man mit mehr oder weniger ideologischer Klarheit in recht unterschiedlicher Höhenlage und auch mit ungleicher literarischer Begabung an die epische Aufgabe herangegangen. Um eine Aufwertung der spanischen Bürgerkriegsautoren beider Zonen gegenüber 43

»Las novelas del 36. El lema de la guerra en nuestra literatura«, in: La Nueva España (Domingo, 3.4.1955), p. 17.

44

Madrid: Ed. Nacional, 1956, p. 27; cf. auch Compitello, The Novel, p. 119.

45

pp. 22 und 33. Den Beweis für die gelungene literarische Verarbeitung der historischen Ereignisse sieht er mit Los cipreses creen en dios von Gironella und dem Poema de la bestia y el ángel von J.M. Pemán erbracht.

46

La novela española contemporánea (1927-1960), III, Madrid: Gredos, 1962, pp. 54ss, »El impacto de la guerra espaflola en la novela«. Cf. auch idem: »La guerra española en la novela«, in: Revista de la Universidad de México 15 (1961) no. 9, pp. 8-13. V. hierzu auch Compitello, The Novel, p. 127.

47

»Der spanische Bürgerkrieg im Spiegel der spanischen Literatur«, Samstag, 12. März 1960, p. 15.

21 ausländischen Schriftstellern, denen aufgrund ihres Eingebundenseins in eine nichtspanische Kultur vorzuwerfen sei, ein verzerrtes Bild des Krieges gegeben zu haben (84), bemüht sich Fernando Unarte4». Die Genese der Bürgerkriegsromane sieht er bereits im Niedergang Spaniens zur Zeit der Restauration, im Entstehen »de las dos Españas«, und die Vorläufer des Kriegsromans in den Werken Pío Barojas. Die unveröffentlichte Dissertation von Lo Ré 49 ordnet die spanischen Romane zum Bürgerkrieg beider Zonen nach anekdotischen, sozio-politischen, historischen, psychologischen und philosophischen Typen. Ihre Schwäche besteht trotz der im Anhang aufgeführten interessanten Autorenbefragung in dem deskriptiven, häufig nicht chronologischen Vorgehen unter Verzicht einer sozio-kulturellen bzw. historischen Kontextanalyse. Das ehrgeizige Projekt einer historischen Würdigung »faschistischer« Literatur in Spanien, verbunden mit der Aufarbeitung der Textbeispiele zu einer Gesamtdarstellung faschistischen Gedankengutes von Julio Rodríguez-Puértolasso beschränkt sich de facto auf das Vorstellen von Autoren und Werken. Was der Verfasser nicht leistet, ist eine systematische theoretische Auseinandersetzung mit dem Gegenstand. Seine Definition des Faschismusbegriffes (S. 15-27), die Eingrenzung dessen, was als faschistische Literatur zu gelten habe, wie auch die Auswahl der Autoren, die mit der Bezeichnung »faschistisch« belegt wurde, (S.9), ist überaus problematisch und kann auf den Textkorpus der Bürgerkriegsromane nicht uneingeschränkt übertragen werden. Die einzige mir bekannte Studie, die sich mit dem ideologischen Gehalt der Bürgerkriegsliteratur beschäftigt, veröffentlicht Stanley G. Eskin 1971 in Genresi. Anhand von Einzelanalysen und in Verbindung mit dem konkreten sozio-historischen Kontext sollen seine theoretischen Überlegungen zu den Merkmalen der Bürgerkriegsliteratur als Ausprägung politischer Literatur in der vorliegenden Untersuchung überprüft und ggf. korrigiert werden. Als Standardwerk zur Verarbeitung der Bürgerkriegsthematik im spanischen Roman hat die 1967 in Stanford angenommene Dissertation von Ponce de León zu gelten, die 1971 in erweiterter Fassung unter dem bereits zitierten Titel La novela española de la guerra civil (1936-1939) veröffentlicht wurde. Sie berücksichtigt nicht nur die Romaninhalte, sondern untersucht ebenso die Erzählstruktur der Werke. Präferenz haben allerdings auch hier Werke des Exils und die in Spanien in den 50er und 60er Jahren veröffentlichten Romane, was mit größerer Publikumsresonanz, objektivierender Perspektive und ästhetischen Werten legitimiert wird. In dem ein Jahr zuvor erschienen Artikel »La novela de la guerra civil española y »Novelas de la guerra española«, in: Atenea 394 (oct./dic. 1961), pp. 74-92. 49

The Novels of the Spanish Civil War, 1936-1960. Univ. of North Carolina, 1965.

50

Literatura fascista española.

"

»The Literature of the Spanish Civil War: Observations on the Political Genre", in: Genre 4 (1971), no. 1, pp. 7699.

Madrid: Akal. 1. Historia. 1986.2. Antología. 1987.

22 el modelo Tolstoi«52 betrachtet der Verfasser die Bürgerkriegswerke als Variante historischer Romane. Diesen Aspekt greift M. de Gogorza-Fletcher in ihrer Studie zum spanischen historischen Roman auf53. Sie behandelt Romane von Max Aub, J.M. Gironella, I. Agusti, C J . Cela und J. Goytisolo als Gerire-Beispiele der Episodios Nacionales des zweiten Typs, »that is, novéis dealing with national history during the writer's own lifetime« (p. 4). Eine Beziehung zwischen Romaninhalt und historisch belegbaren Fakten des Bürgerkrieges herzustellen, d.h. den Wahrheitsgehalt der literarischen Bürgerkriegszeugnisse aufzusuchen, ist der Ansatz der 1975 veröffentlichten Dissertation von Birgitta Vance54. Im ersten Teil der Untersuchung zum spanischen Bürgerkriegsroman rekonstruiert sie das Panorama des spanischen Nachkriegsromans sowohl des Inlands als auch des Exils, um dann zwölf Romane, davon sieben in Spanien veröffentlichte Werke, einer eingehenden Inhalts- und Ausdrucksanalyse zu unterziehen. Letztlich verharrt auch ihre Studie in einer vergröbernden Dichotomie hinsichtlich der ästhetischen Produkte der republikanischen Seite (Exil) und Werken der pro-nationalistischen Romanciers im Nachkriegsspanien. Eine Antwort auf die Frage, warum literatur-propagandistische Versuche im Franco-Spanien scheiterten, bleibt sie schuldig, und ihre Behauptung, Religion und Glaube sei in den nationalistischen Schriftstellern nicht in dem Maße ausmachbar, wie für ein katholisches Land zu erwarten war, ist durch die Beschränkung auf die falangistische Trägerschicht erklärlich, im verallgemeinernden Ergebnis jedoch falsch. Im spanischen Roman werde das BürgerkriegsThema in unterschiedlichster Form abgehandelt: »pues va desde la simple alusión más o menos accidental, hasta su conversión en tema principal o único de las diferentes obras«55, so Corrales Egea, der sich in seinem Überblicksbericht auf Werke »en las que la presencia de la guerra ocupa un espacio suficiente ... para que las podemos considerar como novelas de la guerra«56 beschränkt. Die im Franco-Spanien publizierten Werke der 40er Jahre (Checas de Madrid, Una isla en el mar rojo) zeugen seiner Meinung nach in ihrer mangelnden Objektivität und engstirnig-fanatischen Form von der Unmöglichkeit, anders als in totaler Konformität mit den offiziellen Nonnen die historischen Ereignisse literarisch zu bearbeiten: las novelas consideradas como más características e importantes dentro de la ten-

52 53

op. ciL, pp. 3 und 11. Madeleine de Gogorza-Fletcher: The Spanish Historical Novel. 1870-1970. A study of the Spanish novelists, and their treatment of the episodio nacional. London: Tamesis Books, 1973 (Col. Tamesis, Seria A, Monografías; XXXII).

54

A Harvest Sown by Death. The Novel of the Spanish Civil War. New York: Peninsula Pubi., 1975.

55

J. Corrales Egea: »Presencia de la guerra en la novela espaflola contemporánea (1939-1969)«, in: Camp de l'Arpa 48/49 (1978), p. 8. Der Artikel erschien erstmals in dem Sammelband Marc Hanrez (Ed.): Les écrivains et la guerre i'Espagne. Paris: Pantheon Pr„ 1975. (Les Dossiere H), pp. 145-155, der 1977 in spanischer Übersetzung veröffentlicht wurde; Marc Hanrez (Ed.): Los escritores y la guerra de España, pp. 197-212. Corrales Egea: Presencia, p. 8.

56

21 dencia falangista establicida en el interior ... no habrían de aparecer hasta 1942 y 1943.57 In radikalem Kontrast zur qualitativ dürftigen innerspanischen Romanproduktion stehe in den Jahren unmittelbar nach Kriegsende die narrative Verarbeitung des Krieges durch exilierte Republikaner (13). In der Einleitung der bereits zitierten kommentierten Bibliographie von Maryse Bertrand de M u ñ o z 5 8 , deren Berichtzeit bis 1975 geht (17), klassifiziert die Verfasserin unter Ausgrenzung der Autobiographien, Memoiren, Estampas und Reportagen sowie Erzählungen und Novelas Cortas (pp. 14,15) nach Inhaltskriterien (Guerra vivida, presentida, recordada, referida). Die Kurzanalyse der Romane, die jeder Titeleintragung beigefügt ist, mag, was bekanntere Werke angeht, oft als qualitativ unzureichend bemängelt werden.59 in Hinblick auf das Korpus der heute schwer zugänglichen, in Vergessenheit geratenen Romane des frühen Franquismus ist diese erste systematisierte Bestandsaufnahme für weitere Einzeluntersuchungen zum Thema von unschätzbarem Wert, nicht zuletzt auch wegen ihres Verzichts auf eine starre Begrenzung des Untersuchungsgegenstandes ausschließlich auf Romane, deren Gravitationszentrum der Bürgerkrieg ist, zugunsten der globaleren Fragestellung nach der romanhaften Verarbeitung des Krieges überhaupt. Aufschluß über die im Zusammenhang mit der vorliegenden Studie interessierenden kulturellen Normen im frühen Franquismus geben Literatur- und Romangeschichten, deren Nachteil freilich darin besteht, daß sie Bürgerkriegsromane dieser Jahre entweder gar n i c h t ® } oder nur am Rande erwähnten.6i Antonio Iglesias Laguna steht den Romanciers des Exils, J.R. Sender, A. Barea, auch Hemingway, Koestler und Malraux, ablehnend gegenüber: Si examinamos objetivamente la producción narrativa de ambas partes, observaremos que, por lo común, existe más preocupación social, más amargura y ego57

59

Ibid., p. 12. La Guerra Civil Española en la novela, I, pp. 1-37. Cf. auch ihre Ausführungen »Bibliografía de la novela de la Guerra Civil Espaflola«, p. 215ss sowie die Rezension zu ihrem Werk von Günter Schmigalle, in: Iberoamericana 22/23 (1984), p. 121. Schmigalle, p. 122.

60

I.C. Sainz de Robles: La novela española en el siglo XX. Madrid: Pegaso, 1957; José Mancisidor: »La literatura española bajo el signo de Franco«, in: Cuadernos Americanos LXIII (Mayo/Junio 1952) no. 3, pp. 26-48; Willis Knapp Jones: »Recent novéis of Spain 1936-56», in: Hispania 40 (1957) no. 3, pp. 303-11; Rafael Bosch: La novela española del siglo XX, II: De la república a la postguerra. New York/Madrid: Las Américas, 1970, pp. 128 und 130; Rodolfo Cardona (ed.): Novelistas españoles de postguerra I, Madrid: Taunis, 1976.

61

Juan Luis Alborg: Hora actual de la novela española. I, n. Madrid: Taurus, 1958-62, bringt La quinta soledad Geschichte eines Gefangenen - nicht mit dem Bürgerkrieg in Zusammenhang (I, pp. 176, 77). Als erster aktualisiert er den Roman Javier Mariño von Torrente Ballester, der im Gegensatz zu La familia de Pascual Duarte und Nada im allgemeinen nicht literar-historisch kanonisiert wurde (II, pp. 246-56). Rodrigo Rubio: Narrativa española, ¡940-1970. Madrid: E.P.E.S.A., 1970 (Grandes Escritores Contemporáneos; 27) p. 60ss; Miguel Angel Garrido Gallardo: Literatura y sociedad, pp. 41-47, sowie Melchor Fernández Almagro: »Esquema de la novela espaflola contemporánea«, in: Clavileño 5 (1950), p. 26.

24 centrismo en los hombres del destierro, y más ideal, más objetividad - no exenta de partidismo en ciertos casos - en los residentes en E s p a ñ a . 6 2 Er unterscheidet drei Autorengruppen innerspanischer Kriegsliteratur: 1) diejenigen, die bereits zu Kriegsbeginn einen gewissen Bekanntheitsgrad erreicht hatten, 2) die kämpfenden Schriftsteller (Generation 1910-20), 3) diejenigen, die den Krieg als Kinder erlebt haben und das Geschehen aus historischer Distanz beurteilen (p. 72). Vorlesungsunterlagen des Literatursoziologen J.I. Ferreras aus Veranstaltungen an der Sorbonne bilden die Grundlage einer 1970 veröffentlichten Roman-Geschichte, die zwar die kulturelle Ausprägung F r a n c o - S p a n i e n s 6 3 behandelt, jedoch »novelistas vencedores sobre la guerra« bei den Einzelanalysen übergeht (p. 135). Einen Zusammenhang zwischen Romanproduktion und spanischer Gesellschaftsformation stellt J.M. Martínez Cachero in überzeugender Weise hei^4, jedoch beschränkt er sich auf die bloße Nennung der Romane. Auf eine Strukturanalyse an Einzelbeispielen mußte aufgrund des Charakters einer literaturgeschichtlichen Einführung in die spanische zeitgenössische Romanproduktion verzichtet werden. Drei Gruppen von Bürgerkriegsromanen unterscheidet Gonzalo S o b e j a n o 6 5 ; 1) retaguardia, observadores, 2) militantes, 3) intérpretes (exilio, distanciamiento en lugar, tiempo o por nacionalidad), wobei die innerspanischen Nachkriegsromane den ersten beiden Kategorien zugeordnet werden. Erstmalig weist Ignacio Soldevila Durante66 auf die Novela Rosa mit Bürgerkriegsthematik hin, die in den Jahren 1939 bis 1943 in Spanien enorme Verbreitung fand (p. 95). Die verschiedenen Aspekte des Literaturbetriebs im Franquismus behandeln neuere Sozialgeschichten zur spanischen Literatur«", ohne jedoch mehr als einen ersten Überblick zu geben, der neue Fragestellungen und Forschungsansätze eröffnet. Zusammenfassend muß darauf hingewiesen werden, daß die bisherige Forschung zur Bürgerkriegsliteratur literatursoziologischen Fragestellungen bezüglich der Produktions-, Distributions- und Rezeptionsbedingungen und der literarischen Normen im Franco-Spanien zuwenig Aufmerksamkeit geschenkt hat. In der Regel beschrän62

63 64

65 66

67

Treinta años de novela española. 1938-1968,1. Madrid: Ed. Prensa Espaflola, 21970, p. 70. Tendencias de la novela, pp. 119-131. José María Martínez Cachero: Historia de la novela, pp. 11-104, eine Uberarbeitete Fassung der 1973 unter dem Titel La novela española entre 1939 y 1969 ebenfalls bei Castalia erschienenen Abhandlung, sowie eine aus dem Jahre 1945 datierende Kurzstudie Novelistas españoles de hoy. Oviedo: Sindicato Universitario. Novela española de nuestro tiempo. 2. ed. corr. y ampliada. Madrid: Prensa Espafiola, 21975 (El Soto; 10), pp. 5385. La novela desde 1936. Madrid: Alhambra, 1980 (Historia de la literatura espaflola acutal; 2). Cf. idem: »Les romanciers devant la guene civile espagnole«, in: Revue de I' Université Laval 4 (1959), pp. 326-38 und 5 (1960), pp. 428-441. C. Blanco Aguinaga, J. Rodríguez Puértolas, J.M. Zavala: Historia social de la literatura, III, pp. 61-65 und J. M. Martínez-Cachero, S. Sanz Villanueva und D. Ynduráin: »La novela«, in: idem (ed.): Época contemporánea: 1939-1980. Barcelona: Ed. Critica, 1980 (Historia y crítica de la literatura espaflola; VIII), pp. 318-61; Valeriano Bozal: »La función de las ideologías en el franquismo: una periodización interna«, ibid., pp. 29-45; C.J. Mainer: »La reanudación de la vida literaria al final de la guerra civil«, ibid., pp. 46-53.

21 ken sich die apologetischen Aktualisierungsversuche der 40er und 50er Jahre auf die reine Bestandsaufnahme. Mangelnde ästhetische Qualität wird immer wieder als Grund genannt, warum die internationale Forschung literarische Zeugnisse der unmittelbaren Nachkriegszeit unbeachtet läßt und sich in erster Linie mit der Exilliteratur beschäftigt. Auch nach Lockerung der Pressekontrolle im Jahre 1962 sind in Spanien verfaßte kritische Untersuchungen die Ausnahme und entbehren zumeist einer sozio-historischen Rekonstruktion oder einer Analyse der Erzählstruktur: Sorprendentemente, la norma es que los críticos se ocupen casi en exclusiva de los contenidos de las obras, dejando el estilo, la organización del relato, etc., en el olvido o, ... como factores secundarios a los que no dedican más que ligeras observaciones de pasada.... el fenómeno parece responder a la convicción de que la novela de esos años posee una rara homogeneidad estilística - el realismo -, que libraría al estudioso de analizar en cada caso ese aspecto de la creación literaria. Aunque esta homogeneidad formal se declare en todos los casos de manera explícita, me parece que no otra es la causa de tal olvido y de la correspondiente preferencia por contenidos. Preferencia que viene además impulsada por motivaciones ideológicas o directamente políticas; como en el siglo XIX, la novela es - o se convierte, o la convierten - en arma de combate. Y ello hasta tal punto, que no se puede entender la novela de estos años (ni la crítica de esa novela) prescindiendo de los planteamientos políticos, esto es, de la circunstancia social en que nace y respeto a la cual cobra sentido.«68 Erst in den 70er Jahren erscheinen monographische Studien über die Verarbeitung des Bürgerkrieges im spanischen Roman, die sich nicht nur mit der Inhalts-, sondern auch mit der Ausdrucksseite der Werke befassen. Doch auch sie beschränken sich auf ästhetisch anspruchsvollere Romane der 50er und 60er Jahre, und eine Funktionsbestimmung bleibt, wo sie überhaupt erfolgt, rein spekulativ. Auch für die Verknüpfung von Bürgerkriegsroman und Gesellschaftsstruktur zum Zeitpunkt seiner Entstehung war bisher der Blick verstellt. Obwohl das literarische Quellenmaterial nahezu vollständig erschlossen ist, mangelt es an detaillierten Einzeluntersuchungen zum Literatur- und Kulturbetrieb der »Jahre des Schweigens«.

Domingo Ynduráin: »La novela«, in: idem (ed.): Epoca contemporánea, pp. 319,20.

26.

2. Der literatursoziologische Ansatz Das fundamentale Postulat der Literatursoziologie lautet: »Jede Literatursoziologie muß historisch, jede Literaturgeschichte muß soziologisch vorgehen, was Dialektik als vom Gegenstand auferlegte Methode impliziert.«1 Ihr Forschungsgegenstand als Teildisziplin der Literaturwissenschaft ist die Gesamtheit des literarischen Lebens einer Gesellschaft, wie sie sich in den Wechselbeziehungen zwischen literarischer Produktion, Distribution und Rezeption darstellt. Diese Gesamtheit von Wechselbeziehungen mit einem äußerst komplizierten Übermittlungsapparats soll für den Bürgerkriegsroman untersucht und mit der Struktur der spanischen Gesellschaft in der ersten Phase des Franco-Regimes in Beziehimg gesetzt werden. Für dieses Vorhaben ergeben sich jedoch eine Reihe von methodischen Problemen, die zunächst zu klären sind. Eine Relationierung der Bürgerkriegsromane mit der Struktur der spanischen Gesellschaft in der ersten Phase des Franco-Regimes nach dem sogenannten Zurechnungsparadigma, wie es von Lukäcs3, vor allem aber Goldmann entwickelt worden ist, würde die hier verfolgte Fragestellung unzulässig verkürzen, da sie sich mit einer bloßen Verortung künstlerischer Objektivationen in sozialen Gruppen zufrieden gäbe.4 Rechnet man nämlich die Bürgerkriegsromane als franquistisches Propagandainstrument einer bestimmten staatstragenden sozialen Gruppierung zu, ist damit noch nicht der Widerspruch zwischen ihrer Funktion und ihrer sehr geringen Wirkung auf ein breiteres Publikum erklärt. Dieser Widerspruch muß auf andere Weise erschlossen werden. Neuere kommunikationssoziologische oder strukturalistische Ansätze berücksichtigen bei der Verknüpfung von Einzelwerk und Gesellschaftsstruktur in stärkerem Maße als das Zurechnungsparadigma den Aspekt der ästhetischen Verfaßtheit ihrer Gegenstände. Da vermutet werden darf, daß nicht nur die Inhalts-, sondern auch die Ausdrucksebene der Romane über die Art und Intensität der Rezeption durch die spa-

'

Cf. Erich Köhler »Einige Thesen zur Literatlirsoziologie«, in: Peter Bürger (ed.): Seminar: Literatur- und Kunstsoziologie. Frankfurt/M.: Suhrkamp 1978, (stw 245), p. 135.

2

Cf. R. Escarpit: Das Buch und der Leser. Köln und Opladen: Westdeutscher Verlag 1961, p. 9.

3

Während Goldmann Literatur ausschließlich an die ökonomische Struktur rückkoppelt, richtet der frühe Lukäcs (Die Theorie des Romans. Darmstadt, Neuwied: Luchterhand 7 1981) sie am Aspekt normativer Synthesis aus.

4

Da Goldmann Gesellschaft und Produktionsweise identisch setzt, ließe sich der in Kapitel 2.1. erörterte Widerspruch zwischen der politischen (normativen) und ökonomischen (zweckrationalen) Gesellschaftsstruktur nicht erklären. (Cf. Hans Sanders: Institution Literatur und Roman. Zur Rekonstruktion der Literatursoziologie. Frankfurt/M.: Suhrkamp 1981, p. 81.)

2Z nische Öffentlichkeit entschieden hat, soll dem in der methodischen Anlage Rechnung getragen werden. Gleichermaßen untauglich für die Problemstellung dieser Arbeit wie das Zurechnungsparadigma sind soziologische Ansätze, die ihren Gegenstand auf das »Studium der sozialen Funktion der Kunst in der Gesellschaft« reduzieren5, und sich auf den Nachweis der Abhängigkeit von eigentlich historischen gesellschaftlichen Bedingungen beschränken. Umgekehrt führen auch traditionelle literaturwissenschaftliche Analyseverfahren nicht weiter, die den ästhetischen Aspekt von Kunst untersuchen, ohne diese in Verknüpfung mit gesellschaftlich-sozialem Wandel zu sehen. Von spanischer Seite liegt für die Lösung der methodischen Probleme, die die Fragestellung der Arbeit aufwirft, wenig vor. Die Begründung einer Literatursoziologie erfolgt in Spanien aufgrund von politischer Distributionsbehinderung internationaler Forschungsrichtungen (insbesondere marxistischer und strukturalistischer Ansätze) erst relativ spät zu Beginn der 70er Jahre. Baldomero Cores Trasmontes rekonstruiert die wichtigsten Studien und literatursoziologischen Modelle der 50er und 60er Jahre und José Carlos Mainerà unterzieht 1973 die bis dato in spanischer Sprache publizierten Untersuchungen (von Amorós, Sanz-Villanueva und J.M. Diez Borque, Equipo Comunicación, Baldomero Cores Trasmonte, Enrique Gastón et al.) unter Einschluß der wegweisenden Arbeiten von Adorno, Lukács, Max Weber, Escarpit, Goldmann etc. (soweit in Übersetzung vorhanden), einer kritischen Würdigung. Mainer erstellt einen literatursoziologischen Fragen- bzw. Forderungskatalog, der sich an die spanische Literaturgeschichtsschreibung richtet und der bereits vorhandene literatursoziologische Einzelstudien - in der Mehrzahl von französischen Autoren - zu integrieren sucht. Sein eher pragmatisch orientiertes Interesse ist hauptsächlich an der Anwendung literatursoziologischer Erkenntnisse auf das spanische (Kunst-) Material ausgerichtet, liefert aber - und dies scheint für Spanien allgemein gültig - keine eigenen Vorschläge etwa zur methodischen Lösung des Vermittlungsproblems oder zur Historisierung soziologischer Kategorien und Instanzen. Untersuchungen spanischer Vertreter sind entweder wie die von Sanz-Villanueva und José María Diez Borque» am neopositivistischen Ansatz (z.B. Escarpit) ausgerichtet, oder aber, wie J.I. Ferreras? am Homologietheorem Lucien Goldmanns orientiert. Die Kritische Theorie der Frankfurter Schule, rezeptionsästhetische und -geschichtliche Modelle und Ansätze, die den Strukturalismus von Lévi-Strauss wei-

5

Cf. Thomas Neumann: »Der Künstler in der bürgerlichen Gesellschaft«, in: P. Bürger (ed.): Seminar, pp. 340,41.

6

»La sociología de la literatura y el modelo socioliterario«, in: Revista española de la opinión pública 24 (1971), pp. 53-92. »Sociología de la literatura en España«, in: Sistema 1 (1973), pp. 69-80.

7 8

»Sociología del fenómeno literario«, in: Cuadernos para el Diálogo (extraord. diciembre 1970).

9

Fundamentos de la sociología de la literatura. Madrid: Ed. Cátedra 1980.

28.

terentwickelt haben, sind auch in neuerer Zeit, vermutlich wegen fehlender Übersetzungen, kaum zur Kenntnis genommen worden. Wie die Ansätze der deutschen Literaturwissenschaftler Waltz und Waldmann zeigen, kann man das Problem der Vermittlung, das den neuralgischen Punkt aller literatursoziologischen Untersuchungen darstellt, kommunikationstheoretisch fassen. Waltz begreift Vermittlung als »Herstellung eines Zusammenhangs von Literatur als 'Metakommunikation' und der 'als kommunikatives Handeln aufgefaßten Lebenspraxis'«io. Waldmann leitet aus einer kommunikationsästhetischen Theorie ein Analyseverfahren ab, mit dessen Hilfe man ideologische Funktionen und Implikationen von Erzähltexten erklären kann. Im forschungspraktischen Teil seiner Untersuchung weist er auf den vier Ebenen des pragmatischen, des literarischen, des textinternen und des fiktionalen Kommunikationssystems Texte aus der NS-Literatur als Träger von Ideologie aus. Ideologie soll »als dasjenige Sinnsystem verstanden sein, das der Legitimation und Stabilisierung von Gesellschaftsformen und Herrschaftssystemen dient«11. Unter Verwendung des kommunikationsästhetischen Ansatzes könnte man hinsichtlich des oben formulierten Erkenntnisinteresses die Hypothese überprüfen, derzufolge Bürgerkriegsromane Träger von Ideologie sind. Bei einem solcherart eingeschränkten Frageansatz läuft man jedoch Gefahr, daß Bedeutungspotentiale, die die Legitimationsinteressen des Franco-Regimes überschreiten, kaum erfaßt werden. Darüber hinaus wäre die systemimmanente Vergleichbarkeit mit kanonisierten Romanen wie La familia de Pascual Duarte, die einen anderen thematischen Schwerpunkt haben, nicht gewährleistet. Einen in bezug auf das Problem der Vermittlung neuen literatursoziologischen Ansatz, der die bisher nicht befriedigend gelösten Fragen eingehend diskutiert und umfassende Ergebnisse verspricht, liefern Peter Bürger und Hans Sanders.12 Beide sehen in der »Institution Kunst/Literatur« die Vermittlungsinstanz zwischen Einzelwerk und Gesellschaftsstruktur. Die Konsequenzen, die sich aus der Anwendung des Institutionenmodells auf das spanische Romanmaterial unter literaturtheoretischen, textanalytischen und historischen Gesichtspunkten ergeben, sollen im folgenden kurz erläutert und diskutiert werden.

10

Waltz, M.: Handlung als Kommunikation, zit. nach Hans Sanders: Institution Literatur, p. 33.

11

GUnler Waldmann: Kommunikationsästhetik 1. Die Ideologie der Erzählform. München: W. Fink 1976, p. 29. Der kommunikationsästhetische Ansatz unterscheidet Autor, Text und Publikum als universale Strukturelemente literarischer Kommunikation, ohne diese Begriffe zu historisieren. P. Bürger hingegen versucht, im Rahmen einer Theorie des geschichtlichen Wandels der gesellschaftlichen Funktion der Kunst auch die epochalen Veränderungen der Produzenten- und Rezipienteninstanz mitzudenken. (Cf. Peter Bürger: »Institution Kunst als litcratursoziologische Kategorie«, in: idem (ed.): Seminar, pp. 274ss.).

12

29

2.1. Institution Literatur: Theorie des historischen Wandels der gesellschaftlichen Funktion von Literatur Institutionen sind, vereinfacht definiert, »Systeme von Normen und Werten, die das Handeln von gesellschaftlichen Klassen und Gruppen unter angebbaren ökonomischen, politischen und kulturellen Bedingungen orientieren« 13. Ihre Funktion ist die »Herstellung und Bewahrung der sozialen Ordnung«!*. Nachdem Arnold Gehleni5 den Institutionenbegriff als erster für die Kunst fruchtbar gemacht hat, wendet Peter Bürger^ den Begriff auf die Literatur an und versteht darunter die »in einer Gesellschaft (bzw. einzelnen Klassen/Schichten) geltenden allgemeinen Vorstellungen über Kunst (Funktionsbestimmungen) in ihrer sozialen Bedingtheit« 1?, deren Einfluß sowohl auf Produktion als auch auf Rezeption prägend sei. Während in der Feudalgesellschaft (kanonisierte) Literatur dem Legitimationsprinzip rechtlicher Ungleichheit folgte und »als Teil höfischer Repräsentation ... politische Funktionen« übernahm oder als Zeremoniell höfischem 'divertissement' diente18, nehme die institutionalisierte Kunst in der bürgerlichen Gesellschaft den 'autonomen' Status ein.i9 Durch zunehmende Arbeitsteilung erfahren demzufolge die Menschen, die in der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft zweckrationalen Zwängen unterlegen sind, den Sinn ihrer Handlungen als problematisch. Die zerstörte Hans Sanders: »Kommunikationsoziologie und systemtheoretische Ansätze. Einleitung«, in: Peter Bürger (ed.): Seminar, p. 295. Soziologisch unterscheidet man Institutionen a) als eine Reihe von organisierten Verfahrensweisen, die sich insbesondere in Normen und Nonnenaggregaten eigener Natur entfalten, und b) als Einrichtungen, die bestimmte Dienste leisten (Krankenhäuser, Parlamente, Schulen), sowie als die zu den Normen gehörigen äußeren und materiellen Apparate und Gebäude, Instrumente etc. (Cf. René König (ed.): Soziologie. Frankfurt/M.; Hamburg: Fischer 101970, pp. 143ss.) Der Nachteil der soziologischen Institutionen-Theorie (Max Weben Wirtschaft und Gesellschaft. Köln, Berlin: Kiepenheuer & Witsch 1956; T. Parsons: »Sozialstruktur und Persönlichkeitsentwicklung: Freuds Beiträge zur Integration von Psychologie und Soziologie«, in: idem: Sozialstruktur und Persönlichkeil. Frankfurt/M.: Europ. Verlags-Anstalt 1968) liegt in ihrem ahistorischen Vorgehen. Auch Fügen, Vertreter eines positivistischen literatursoziologischen Ansatzes, spricht beispielsweise von den Institutionen Kritik, Bibliotheken, Buchhandel, Publikum etc., ohne die Geschichtlichkeit der Begriffe und ihre Gegenstände systematisch zu erfassen, (in: Wege der Literatursoziologie, Neuwied & Berlin: Luchterhand 1968 - Soziologische Texte 46). Cf. auch Sanders: Institution, p. 40 und Peter Bürger: »Institution Kunst als literatursoziologische Kategorie«, in: idem (ed.): Seminar, p. 277. 14 15 16 17

18 19

Ulrich Meier: »Soziologische Bemerkungen zur Institution Kunst«, in: Peter Btirger (ed.): Zum Funktionswandel der Literatur. Frankfurt/M.: Suhrkamp 1983, p. 41. Zeit-Bilder. Zur Soziologie und Ästhetik der modernen Malerei. Frankfurt/M. und Bonn: Athenäum 1960. Theorie der Avantgarde. Frankfurt/M.: Suhrkamp 1974; idem (ed.): Seminar-, idem: Vermittlung - Rezeption Funktion. Ästhetische Theorie und Methodologie der Literaturwissenschaft Frankfurt/M.: Suhrkamp 1979. Peter Bürger: Institution Kunst, p. 262. An anderer Stelle bezeichnet er als Merkmale der Institution Literatur die »Übernahme bestimmter Funktionen für das Gesellschaftssystem als Ganzes; Ausbildung eines ästhetischen Kodex, der zugleich die Legitimationsgrundlage für die Ausgrenzung anderer literarischer Praxen abgibt; Anspruch auf uneingeschränkte Geltung (die Institution Literatur legt fest, was in einer gegebenen Epoche als Literatur gilt). Im Zentrum eines so gefaßten Institutionenbegriffs steht die normative Ebene, weil von hier aus die Verhaltensweise der Produzenten und Rezipienten bestimmt wird.« (P. Bürger: »Institution Literatur und Modemisierungsprozeß«, in: idem (ed.): Zum Funktionswandel, pp. 13 und 83. Cf. Peter Bürgen Institution Kunst, p. 267. Ibid., p. 262.

3Q_

Harmonie werde von der Kunst, die als Sinnstifter die Aufgabe der Religion nach Zerfall des traditionalistischen Weltbildes übernehme, wiederhergestellt. Sie tue dies allerdings um den Preis relativer Folgenlosigkeit2", bedingt durch ihre Ausgrenzung aus dem lebenspraktischen Bereich.21 Erst vor dem Hintergrund des formalen Gleichheitsprinzips in der bürgerlichen Gesellschaft könne Kunst/Literatur ideologisch, d.h. zur Legitimation parikularer Interessen, funktionieren.22 Materiell löse das kunstfremde Marktprinzip das feudale Mäzenatentum ab, das der gesellschaftlichen Geltung einer partikularen Kunstauffassung diente.23 Um die Dialektik von Institution und Einzelwerk erfassen zu können, schlägt Bürger zur kategorialen Vermittlung die Begriffe der Norm24 und des künstlerischen Materials (Formen, Gattungen, Motive und Themen)25 vor. Die Instanzen Produzent und Rezipient selbst werden von Bürger historisiert. In der höfisch-feudalen Gesellschaft begriffen sich Schriftsteller noch nicht als schöpferische Subjekte, und dem rezipierenden Mäzen sei allemal die Möglichkeit gegeben worden, auf das künstlerische Schaffen direkt einzuwirken.26 in der bürgerlichen Gesellschaft dagegen seien Produzent und Rezipient einander entfremdet, wobei letzterer nicht mehr von vornherein kunstverständig ist.27 Auch in der höfisch-feudalen Gesellschaft - so fahrt er fort - wurden soziale Normen zum Gegenstand des Kunstwerks erhoben: Da aber das Kunstwerk selbst ästhetischen Normen gehorcht, die zugleich soziale sind, kommt es nicht zu dem die Kunst in der bürgerlichen Gesellschaft tendenziell charakterisierenden Spannungsverhältnis zwischen Gehalten der Einzelwerke und den sozialen Nonnen. Anders formuliert: Vor der Institutionalisierung der autonomen Kunst gibt es kein Engagementproblem. Erst die Institutionalisierung der autonomen Kunst macht die Politisierung der Werkgehalte in einem vorher nicht gekannten Sinne problematisch.28 Bezogen auf den spanischen Bürgerkriegsroman erhebt sich freilich die Frage, ob 20

Ibid., p. 270. Zur Folgenlosigkeit der Literatur, der Trennung von Theorie und Handeln, cf. auch die Ausführungen von Enrique Gastón: Sociología del consumo literario. Barcelona: Batlló 1974 (Los libros de la frontera, 17).

21 22

Cf. Peter Bürger Institution Kunst, p. 264. Peter Bürger: Institution Kunst, p. 266. Durch die Zentralstellung des Ideologiebegriffs ist »die Möglichkeit gegeben, eine Theorie und historische Soziologie der Institution Literatur mit Bezug auf die normtranszendierende Dimension von Arbeit und Herrschaft zu entwickeln« (Hans Sanders: Kommunikationssoziologie, p. 293).

23

Cf. Peter Bürger Institution Kunst, p. 268.

24 25 26

Cf. ibid.. p. 269. Cf. ibid., p. 272. Cf. ibid., p. 274.

27

Cf. Habermas, Jürgen: Strukturwandel der Öffentlichkeit. Untersuchung zu einer Kategorie der bürgerlichen Gesellschaft Neuwied: Luchteihand 131982, pp. 56ss. P. Bürger weist darauf hin, daß die Instanz der Distribuenten den Schein ihrer Selbständigkeit im Kontext der Institution verliere. Distributionsapparate »werden erkennbar als Instanzen, in denen sich der Geltungsanspruch der Institution Literatur erhärtet oder bricht« (cf. P. Bürger (ed.): Zum Funktionswandel, p. 13). Ergänzend scheint es mir sinnvoll, die Distribuenteninstanz, die zwischen Produzent und Rezipient vermittelt und mit der bürgerlichen Gesellschaft entstanden ist, dem Ansatz Sanders folgend im gesamtinstitutionellen Kontext der Öffentlichkeit zu verorten (cf. p. 64 dieser Untersuchung).

28

Cf. P. Bürgen Institution Kunst, p. 271.

II es überhaupt in einem der Zensur unterliegenden Literaturbetrieb zu einer Spannung zwischen Romanen und sozialen Normen kommen kann oder ob nicht vielmehr die Konformität der Werke durch die Verflechtung mit den herrschenden sozialen Normen unproblematisch gesichert wird.2? Der Widerspruch zwischen der spezifischen Ausprägung der Institution Literatur nach 1939 in Spanien und dem fortgeschrittenen Entwicklungsstand autonomer Kunst scheint zunächst mithilfe des kategorialen Normen-Begriffs nicht eliminierbar zu sein, da der autonome Kunstbegriff »engagierte«, in die Lebenspraxis integrierte Literatur als institutionelle Ausprägung ausschließt. Das Franco-Regime versucht aber gerade, Literatur in die Lebenspraxis zu reintegrieren. Durch den Sieg über die Republik können die Aufständischen zunächst ihre Herrschaft problemlos nach außen rechtfertigen. Erst um sie längerfristig zu stabilisieren, greifen sie auf die Legitimation durch Tradition zurück, d.h. sie rekurrieren auf patriarchalische ständische Herrschaftsstrukturen, um das Partikulare als unproblematisch erscheinen zu lassen. Die geringe Wirkung der Bürgerkriegsromane deutet jedoch auf eine Verweigerung dieser staatlich betriebenen Institutionalisierung der Kunst durch die Rezipienten hin, die das Sinnangebot der offiziellen Propagandaliteratur nicht zu akzeptieren scheinen. Ein Charakteristikum vieler pro-franquistisch engagierter Romane ist tatsächlich das Wiederaufgreifen aristokratischer Normen aus der Feudal-Gesellschaft, das sich auch an anderen Institutionen im Franquismus ausmachen läßt: durch Staatsinterventionismus beispielsweise wird versucht, die Trennung von Arbeit und Kapital aufzuheben. Institution Staat und Institution Kirche sind eng verflochten. Die Kirche versucht, dem traditionalen Weltbild aus der vorbürgerlichen Entwicklungsphase der Gesellschaft erneut Geltung zu verschaffen. Die Gewerkschaften, Assoziationen der Arbeitnehmer, werden zur Einheitsgewerkschaft umfunktioniert und als Sindicato Vertical im Sinne patriarchalischer Gesellschaftsstrukturen institutionalisiert.30 Wenn man also für die Institution Literatur während der ersten Phase der FrancoDiktatur eine staatlich gelenkte Re-Aktualisierung traditionaler Normen vermutet, kann man die Konformität der Werke mit diesen Normen zwar erklären, widerspricht aber der eingangs formulierten Hypothese, daß Bürgerkriegsromane ideologisch (im Sinne einer Legitimation partikularer Interessen durch rationale Kritik) funktionieren. Dieser Widerspruch läßt sich mit Hilfe des Ansatzes von Bürger nicht auflösen. Auch der zweite von Bürger eingeführte analytische Begriff des künstlerischen Materials zur kategorialen Vermittlung von Institution und Einzelwerk ist einer bestimmten Entwicklungsstufe der Kunst in der bürgerlichen Gesellschaft verpflichtet, da er sich der »mit den historischen Avantgardebewegungen eingetreten totalen Freisetzung von Motiven und Verfahrensweisen vom Zwang epochaler Konventionen«

29

Ibid., pp. 270,71.

30

c f . die Ausführungen in Kapitel 3. dieser Arbeit.

32 verdanktet Dieser Materialstand findet sich jedoch nicht im Bürgeikriegsroman, da die durch politisch-soziale Anforderungen extern determinierte (thematische und foimale) Umorientienmg der Literatur, weil sie staatlicher Kontrolle unterliegt, seine Verwendung nicht zuläßt. Hans Sanders hat Bürgers enge Auslegung des Prinzips der Historizität, die »die in der soziologischen Theorie mit dem Institutionenbegriff verknüpften Konzepte des 'Handelns', des 'Sinns' und der 'Identität'« nicht berücksichtige, k r i t i s i e r t . 3 2 Im Unterschied zum tradierten Institutionenbegriff der Soziologie, der eine Unterwerfung der Individuen unter die gesellschaftlich institutionalisierten Verpflichtungen annimmt, soll die von Sanders angestrebte Institutionentheorie die Möglichkeit der Normenverweigerung mitdenken, die in der entwickelten bürgerlichen Gesellschaft anzutreffen sei.33 Normen sind demzufolge als vielfältige Rahmenbedingungen des ästhetischen Kommunikationsprozesses und nicht als seine Voraussetzung aufzufassen. Für die literatursoziologische Funktionsbestimmung der Bürgeikriegsromane im Kontext der literarischen Institution zwischen 1939-1943 wird die Frage nach dem Wandel und einer möglichen Stabilisierungsfunktion der Institution Literatur in bezug auf die spanische Gesamtgesellschaftsformation zentral. Für eine spätere Phase des Franquismus hingegen ist die entstabilisierende Wirkung von Literatur in Hinblick auf den gesellschaftlichen Status quo als Möglichkeit nicht von der Hand zu weisen.34 Für die Kunst verwirft U. Meier35 die von Gramsci für Institutionen angenommene loyalitätsstiftende Funktion durch Konsensbildung zugunsten eines Modells, das, bezugnehmend auf die Untersuchung von Marcuse zum affirmativen Charakter der Kultur36 und unter Anwendung des Ansatzes von Sanders im Autonomiestatus der 3

1 32

Cf. Peter Bürgen Institution Kunst, p. 273. H. Sanders: Kommunikationssoiiologie, p. 294. FUr die Verknüpfung von Werkanalyse und Funktionsanalyse sind aber gerade die soziologischen Konzepte des »Handelns« und des »Sinns« von Wichtigkeit Cf. Kapitel 2.1.3. dieser Arbeit.

33

Cf. Hans Sandeis: Institution Literatur, p. 32. »Die jeweilige historische Verfassung des gesamtgesellschaftlichen Systems, die jeweilige Relation von Produktivkräften, Produktionsverhältnissen und Klassenstrukturen legen fest, ob und welche Institutionen im Hinblick auf welche ausmachbaren sozioökonomisch definierten Interessen stabilisierende oder verändernde Fuktionen erfüllen. Was die subjektive Dimension angeht, so ist im Hinblick auf die Erfassung der Relation Werk-Publikum von entscheidender Bedeutung die jeweils epochal geltende Struktur der Mechanismen, auf deren Grundlage sich die Aneignung der Normen einer Gesellschaft vollzieht. Gegenüber dieser Fragestellung verhält sich die herrschende soziologische Theorie aber offenbar indifferent.« (Ibid., p. 41).

34

Inwieweit etwa kritische Elemente von Literatur in den 60er und 70er Jahren in Spanien zu einer Öffnung beigetragen haben, also für den lebenspiaktischen Bereich Folgen hatten, oder die sozio-ökonomischen Bedingungen politisch-gesellschaftlichen und kulturellen Wandel nach sich zogen, bzw. beide Elemente dialektisch wirkten, kann im Rahmen dieser zeitlich auf die Jahre 1939-43 begrenzten Untersuchung nicht geklärt werden.

35

Cf. U. Meier Soziologische Bemerkungen, p. 51.

36

In: Heibert Marcuse: Kultur und Gesellschaft I. Frankfurt/M.: Suhlkamp «1968 (es 101), pp. 56-101. »Kultur ist... Marcuse zufolge die institutionalisierte Form von Bedürfnissen, die aufgrund der Ausdehnung der Prinzipien zweckrationalen Handelns in fortgeschrittenen Gesellschaften marginal weiden.« (H. Sanders: Institution Literatur, p. 26).

33 Kunst den funktionalen Apparat für bürgerliche Hegemonie sieht. Anders formuliert: Nicht aufgrund ihrer Inhalte, sondern aufgrund ihrer Stellung als aus der Lebenspraxis ausdifferenzierter Bereich, in dem soziale Kritik für gesellschaftliches Handeln folgenlos bleibe, funktioniere Kunst als ideologisches Instrument bürgerlicher Hegemonie.37 Der am Rationalisierungs-Theorem orientierte Ansatz von Marcuse, der auf die Funktion der Befriedigung von Residualbedürfnissen abhebt, aber auch der ideologiekritische Ansatz von Gramsci berühren jeweils nur einen Aspekt der Institution Kunst in Spanien während des interessierenden Untersuchungszeitraumes. Die franquistischen Bürgerkriegsromane haben zweifellos die Funktion, qua Konsensbildung Loyalität dem politischen Herrschaftssystem gegenüber zu schaffen; insofern treffen die Überlegungen Gramscis zu. Ihr Scheitern als ideologisch funktionierender Sinnspender bliebe nach diesem Modell jedoch ungeklärt. Auf der anderen Seite wurde bereits darauf hingewiesen, daß für den frühen Franquismus der autonome Status der Literatur zumindest angezweifelt werden muß, da jegliche soziale Kritik staatlicher- und kirchlicherseits unterdrückt und verboten wurde. Wir haben es im vorliegenden Falle mit einem institutionellen Bezugsrahmen zu tun, der in der Theorie vom historischen Wandel der gesellschaftlichen Funktion von Literatur bisher nicht expliziert wurde. Der unter Einbeziehung der Öffentlichtkeit38 als gesamtinstitutionellem Kontext von Literatur von Sanders neuformulierte kategoriale Rahmen der Romanfunktion soll im folgenden auf seine Brauchbarkeit als Orientierungshilfe für die konkrete sozialgeschichtliche Untersuchung der Bürgerkriegsromane39 überprüft werden. 2.1.1. Bürgerkriegsromane als pro-franquistisch »engagierte« Literatur: Konkretisierung der Fragestellung unter Verwendung des Institutionsmodells von Sanders Laut Sanders impliziert der Institutionenbegriff 1), daß die Gesellschaftsstruktur dualistisch, als objektiv gegebene Faktizität und als Sinnstruktur definiert, 2), daß intrainstitutionelles Handeln als Sinnhandeln von zweckrationalem Handeln unterschieden werden müsse und 3), daß institutionelle Funktionsbestimmungen nicht losgelöst von der Struktur der Subjektivität diskutiert werden sollten. Hinsichtlich des Spannungsverhältnisses von institutionellem Rahmen und Einzelwerk mache der letzte Aspekt 37

Cf. U. Meier: Soziologische Bemerkungen, p. 53.

39

Ohne den Bezugsrahmen der Öffentlichkeit von Sanders zu übernehmen und ohne vergleichbaren Vermittlungsapparat kommt U. Meier zu der, wie mir scheint, das Problem verkürzenden Schlußempfehlung, nach einem herrschaftsfreien Diskurs über ihr ideologisches Moment eine Integration künstlerischer Gehalte in die Lebenspraxis durch Übermittlung in andere gesellschaftliche Institutionen zu bewirken: Nimmt man die Handlungsaltemativen ernst, die Kunst aufzeigt, »weiß man also um ihre Einflußlosigkeit, den Scheincharakter, das Affirmative an ihnen, bleibt immerhin noch möglich, den kritischen Diskurs Uber alternierende ästhetische Weltbilder in andere Institutionen zu tragen: in Schulen, Universitäten, Kirchen oder Gruppen von Menschen (den Institutionenbegriff auf »Gruppen von Menschen« anzuwenden, scheint mir ebenfalls problematisch, d. Verf.), die nicht nur sich selbst, sondern auch anderes erfahren wollen.« (U. Meier: Soziologische Bemerkungen, p. 56) Cf. H. Sanders: Institution Literatur, p. lOOss.

24 eine Neuformulierung des Textbegriffes und damit der Romantheorie notwendig. Weder die einseitige romantheoretische Ausrichtung an einer Synthesis durch Arbeit (Goldmann)4", noch ein an normativer Synthesis (Lukäcs>»i orientierter Ansatz kann daher uneingeschränkt als Grundlage einer Romantheorie im institutionellen Kontext herangezogen werden. Unter Rückgriff auf Habermas, der die sozioökonomische und die normative Struktur zusammendenkt42, führt Sanders zunächst den Begriff der Identität als Vermittlungskategorie von gesellschaftlicher Faktizität und Sinnstruktur bzw. handlungsleitenden Normen und Subjekt ein, wobei vorausgesetzt wird, »daß Normen nur insoweit motivational relevant bzw. handlungsbestimmend sind, als sie qua rechtfertigungsbedürftige und gegebenenfalls auch fähige verinnerlicht sind«4^. Ausgehend von Mead (der die kognitive Kommunikationsstruktur analysiert), Freud (Persönlichkeitsstruktur) und Parsons (Modifizierung der Psychoanalyse durch Differenzierung des Interaktionszusammenhangs in kognitives, affektives und moralisches Handeln) lassen sich die Kommunikationsstrukturen des Romans analysieren. Ihre spezifische Form ist das biographische Prinzip »als Herausbildung kohärenter individueller Identität«44. Nachdem der Geltungsverlust traditionaler Deutungssysteme in der Ablösung von feudaler Gesellschaftsorganisation subjektives Sinnhandeln gefährdet habe, diene der Roman als literarisches Medium der bürgerlichen Öffentlichkeit durch normative Verständigimg zur Identitätsbildung bürgerlicher Subjekte.^ Da Identität aber nicht nur als werkanalytische, sondern auch als historisch-soziologische Kategorie im Institutionen-Kontext interpretierbar sein soll, führt Sanders die Kategorie der Öffentlichkeit ein46, die für die Institution Literatur den kategorialen Bezugsrahmen bildet, um die Informationen sozialgeschichtlicher Forschung literatursoziologisch uminterpretieren zu können.4? Hierzu greift er auf die erstmals von Habermas getroffene Unterscheidung von feudaler und bürgerlicher Öffentlichkeit - erstere als institutionelle Organisationsform des Legitimationsmodus Tradition, letztere als institutionelle Organsationsform des Legitimationsmodus rationale Kritik48 - zurück. Für die feudale Öffentlichkeit gilt, daß das Partikulare unproblematisch (nämlich traditional legitimiert) und damit nicht durch rationale 40 4

1 42 4 3 44 4

4

5

6 47 4 8

Cf. Sanders: Institution Literatur, pp. 43-53. Ibid., pp. 54-64. Ibid., p. 68. Ibid. Cf. M. Waltz: Handlung als Kommunikation, zit. nach H. Sandeis: Kommunikationssoziologie, p. 295. Erikson ermöglicht die Historisierung des Identitätsbegriffs. Cf. auch W. Grauen: »Ästhetische Erkenntnis gegen bürgerliche Moral«, in: P. Bürger (ed.): Zum Funktionswandel, p. 164. Cf. H. Sanders: Institution Literatur, pp. 79ss. Ibid. Cf. ibid., p. 85.

31 Kritik hinterfragbar) als universal [erscheint], sofern es zur Hierarchie ständischer Herrschaft in Beziehung steht. In diesem Sinne gilt auch die Intimsphäre als öffentlich relevant, sofern es sich um die Intimität des Herrschers oder der Herrschenden handelt. Feudale Öffentlichkeit als Repräsentation von Herrschaft konstituiert also diesem Modell zufolge gesellschaftlichen Sinn auf der Grundlage des Mechanismus traditionsgeschützter Verallgemeinerung partikularer Interessen und Weltinterpretationen. Die Institution Literatur folgt der Logik feudaler Sinnkonstitution global in bezug auf ökonomische Basis, Status und Funktion. Ihre Produktion ist mäzenatisch organisiert. Dir Status ist durch Einbindung in traditionale Interpretationsmonopole definiert. In Hinblick auf ihre Funktion gilt ihre Integration in die Aura und Arkanstruktur der Herrschaftsöffentlichkeit, einmal in bezug auf die Homogenität und Enge des anvisierten Publikums und zum andern in bezug auf die Verallgemeinerung der Weltsicht dieses Publikums. 4 ' Partikulare Interessen demgegenüber werden in der bürgerlichen Gesellschaft nicht mehr unmittelbar ständisch, sondern durch Einführung des - ideologisch wirkenden Universalitätskriteriums50 legitimiert. Der universale Aspekt bürgerlicher Öffentlichkeit liege ökonomisch in der Wirtschaftstätigkeit und normativ in der Intersubjektivität. Literatur als Medium von Subjektivität im Gegensatz zu Presse als Medium rationaler und zugleich ideologischer Interpretation von Herrschaftsi stellen die zwei Ausprägungen von literarischer und politischer Öffentlichkeit dar. Sowohl das Marktprinzip als auch der Legitimationstypus 'rationale Kritik' haben Einfluß auf die Sinnstruktur der Kunstwerke. Gegen die Konzepte, die den Roman als Träger von Residualbedürfnissen, als archaisches Medium normativer Synthesis begreifen52, macht Sanders den für das Erkenntnisinteresse dieser Untersuchung entscheidenden Einwand geltend, daß sie gesellschaftlich-politische Gehalte im Roman nicht erfassen könnten, und betont, daß in der bürgerlichen Gesellschaft eine Umstrukturierung, nicht aber eine Entstrukturierung des tradierten Normensystems stattfinde. Dabei ermöglichen die Romantheoretiker Girard53 und Feh6r54 eine Romandefinition als künstlerisches Medium des Legitimationsmodus 'rationale Kritik' mit der Funktion der Sinnkonstitution.55 Der zunächst konstatierte Widerspruch zwischen der Orientierung der Bürgerkriegsromane an traditionalen literarischen Normen und ihrer ideologischen Funktion 49

50 51 52 53

54 55

Ibid., p. 85. Cf. ibid., p. 87. Ibid., p. 99. Cf. ibid., pp. 80ss. Cf. H. Sanders, Institution Literatur, p. 89: Die Kommunikation im Roman ist an Normen und Sanktionen ausgerichtet (Sinnhandeln). Die Identität des Protagonisten ist problematisch, sie bietet die Möglichkeit der Normennegation (Materialelemente 'Dreieckswunsch' und 'Konversion'). Feh6r betont die emanzipatorische Seite der Gattung und ihre ambivalente Funktion, »die weder umstandslos als oppostionelle noch als affirmative deutbar ist« (H. Sanders: Institution Literatur, p. 93). Cf. H. Sanders: Institution Literatur, pp. 94,95.

36_ (Legitimation partikularer Interessen durch rationale Kritik) läßt sich nun unter Anwendung des Ansatzes von Sanders innerhalb des ökonomischen Bezugsrahmens auflösen. (Vgl. Kapitel 3.3.2.) Hinsichtlich der Doppelstruktur der Romanfunktion kommt Sanders zu dem abschließenden Ergebnis, daß in der Korrektur der tendenziellen Verknappung der Ressource Sinn als Folge von auf Arbeitsteilung beruhender zunehmender gesellschaftlicher Komplexität der universale Aspekt des Romans zu sehen ist, während die partikulare Funktion auf nicht verallgemeinerungsfähige Interessen hinweist: Wenn die Gesamtheit identitätskonstituierender Erfahrungen immer auch im Sinne der jeweiligen konzeptuellen Normen einer Gesellschaft reflektiert wird, geht in die Erzeugung von Sinn im Roman immer auch die partikulare, d.h. ideologische Dimension dieser Normen ein.56 Die ausdifferenzierte (bei Bürger 'autonome') Institution Kunst in der bürgerlichen Gesellschaft funktioniere je nach ökonomischem Entwicklungs stand, dem Grad der Verknüpfung von Privatsphäre und Öffentlichkeit und von politischer und literarischer Öffentlichkeit entweder in der Grundvariante 'Ästhetizismus' oder 'Engagement'.57 Bezogen auf das zu untersuchende Romanmaterial unter Rekurrierung auf die Gesetzmäßigkeiten der Institution Kunst/Literatur in Spanien nach 1939 liefert der Ansatz von Sanders, wie sehr er auch über die Beschränkungen des Zurechnungsparadigmas hinausgeht, freilich nur allgemeine Rahmenbedigungen. Die beiden Entwicklungsvarianten 'Ästhetizismus' und 'Engagement' treffen zwar auf die Kulturströmungen vor und während des Bürgerkrieges generell zu; sie verfehlen jedoch den Materialstand der Gattung für die Jahre nach 1939. Der diktatorische Umsturz, also soziologisch die Dominanz der Institution Staat innerhalb des gesamtgesellschaftlichen Kontextes, hat einen Wandel der Institution Kunst/Literatur zur Folge, der näher präzisiert werden muß. Da der Institutionenansatz eine Auswertung sozialgeschichtlicher Forschung für die Frage nach der Dialektik von Werkgruppe und Gesamtgesellschaftsformation systemimmanent, d.h. funktional im Rahmen der Fragestellung, ermöglicht, soll mit Hilfe der übergeordneten Instanz der Institution Literatur die Beziehung zwischen Bürgerkriegsromanen und gesamtgesellschaftlicher Struktur der frühen Franco-Ära rekonstruiert werden, ein Vorhaben, das über die Analyse der Romanstruktur unter Einbeziehung der realen/impliziten Autor-/Leser-Instanzen notwendigerweise hinausweist.58

56

Ibid., p. 110.

57

c f . H. Sanders: Institution Literatur, p. 112.

58

Der Ansatz ermöglicht eine gleichermaßen Subjekt- und objektperspcktivische sowie -orientierte Vorgehensweise. (Cf. G. Grimm: Rezeptionsgeschichte. München: W. Fink 1977, p. 117ss. und zum Primat der Produktion oder Rezeption cf. P. Bürger: Vermittlung, p. 197)

37 Es fragt sich also, wie die Bürgerkriegsromane institutionell organisiert sein müssen, um inhaltlich und formal sinnstiftend zu sein, d.h. ob sie die Realität des Bürgerkrieges bei gleichzeitigem Aufzeigen gesellschaftlicher Handlungsmöglichkeiten für den Einzelnen zu deuten vermögen und von der Leserschaft auch in diesem Sinne aufgenommen wurden. Auch wenn man davon ausgeht, daß Bürgerkriegsromane ungeachtet des Legitimationstpyus der Entwicklungsvariante »Engagement« zu subsumieren sind, da die Gehalte der Romane politisch59 sowie politische und literarische Öffentlichkeit eng verflochten sind, so müssen die Einzeluntersuchungen noch erweisen, ob der staatliche Institutionenwandel tatsächlich einen Wandel der Institution Literatur bewirken konnte, gleichgültig, ob nun im Einzelfall der im Bürgerkriegsroman produzierte Sinn rationaler Kritik zugänglich war oder aber traditionalen Werten und Nonnen entsprach und sich auf diese Weise rationaler Hinterfragung zu entziehen wußte. Das Wiederaufgreifen traditionaler Weltbilder im Roman steht in gewissem Widerspruch zur GattungskonzeptionöO in der bürgerlichen Gesellschaft als Medium der Negation gesellschaftlich herrschender Normen, da der feudale Legitimationstypus eine fraglose Geltung beansprucht. Bezüglich der partikularen Funktion müssen unsere Fragen an das empirische Quellenmaterial daher folgendermaßen konkretisiert werden: Ist aufgrund einer festgelegten Wertehierarchie auch die Funktion des Protagonisten im Erzähl-Kontext der Romane a priori bestimmt, was für die Erzählstruktur auf der Inhaltsebene bedeuten würde, daß sie in der Reihung verschiedener Abenteuer eines vorbildlichen Helden bestünde. Oder nimmt der Protagonist im Erzähltext eine Zentralstellung ein; wenn ja, erfährt er - fremdbestimmt - seine Integration in die Gemeinschaft als problematisch, was einer pluralen oder alternativen Wertestruktur entspräche (emanzipatorische Romane), oder akzeptiert er die erfahrbaren Werte und Normen auf politischem, ökonomischem und kulturellem Gebiet (affirmative Romane)? Auf den letzten Aspekt wird noch näher einzugehen sein, da die Bemühungen der Schriftsteller aus der Unterhaltungsbranche, die sich der neuen politischen Situation angepaßt haben und normenkonforme, häufig aristokratische Werte konservierende Inhalte mit einer konsumorientierten Schreibweise kombinieren, historisch gesehen in ein neues Licht rücken.

59 60

H. Sanders: Institution Literatur, p. 112. Anknüpfend an Lukács, cf. Femeras Ausführungen zur geschlossenen Form des Epos: »La forma cerrada del poema ¿pico, con héroe paradigmático, se encuentra en íntima conexión con la visión del mundo de una sociedad cerrada, jerarquizada, sin rupturas, etc., en la que todo gesto tiene una significación precisa.« (J.I. Ferreras: Fundamentos de sociología, p. 66).

38 2.1.2. Verortung der Entwicklungsvariante Konsumliteratur: Zur Frage der Dichotomisierung von hoher und niederer Literatur Die Rekonstruktion der Literatursoziologie unter Verwendung des Institutionsbegriffs durch Hans Sanders spart einen Bereich im allgemeinen Erklärungsversuch, der das Institutionen-Modell in den historischen Kontext einbinden soll, aus. Sanders sieht, anknüpfend an frühere Aufsätze von Adorno, Habermas, Lukäcs et al. die Genese der Gattung Roman ursächlich in der Entwicklung der bürgerlichen Gesellschaft begründet. Dabei läßt er jedoch die für eine literatursoziologische Analyse wichtigen Entstehungszusammenhänge von Trivialliteratur (worunter die affirmative Romanliteratur fällt) und bürgerlicher Gesellschaft unbeachtet, die sich in der Entflechtung der Hauptsysteme, des ökonomischen, politischen und kulturellen als Folge von auf Arbeitsteilung beruhender zunehmender gesellschaftlicher Komplexität und tendenzieller 'Verknappung der Ressource Sinn'6i ausdrücken. Nun ist es aber gerade der affirmative Romano, zu dem neben den sentimentalen Romanen auch Propagandaromane gerechnet werden müssen, der in Spanien nach 1939 ungehindert Verbreitung findet, während sich in der Tradition der 'höhergewerteten' Romanliteratur durch Exilierung der republikanischen Intellektuellen ein Bruch vollzieht. Neben »Ästhetizismus« und »Engagement« soll diese dritte Entwicklungsvariante der Institution Literatur im folgenden ergänzend zum Modell von Sanders herausgearbeitet werden. Mit einer Textsammlung zur Dichotomisierung von hoher und niederer Literatur^ versuchen die Institutions-Theoretiker diese Lücke zu schließen, indem sie bisherige Ansätze der Trivialliteraturforschung historisieren und in den Institutionen-Ansatz integrieren. Ihr Erkenntnisinteresse ist auf den Prozeß der Dichotomisierung in ihrem geschichtlichen Verlauf und ihre Funktion für den jeweiligen Entwicklungsstand der Gesellschaftsformation gerichtet. Christa Bürger, die sich bedauerlicherweise inzwischen vom russischen Formalismus und tschechischen Strukturalismus distanziert hat, anstatt deren Textanalyseverfahren für den Institutionen-Ansatz fruchtbar zu machen, hat in ihrer frühen Untersuchung Textanalyse und Ideologiekritikß4 bereits wichtige, für unseren Zusammenhang weiterführende Aussagen gemacht. Indem Trivialliteratui^s gesellschaftliche Wider61 62

Cf. H. Sanders: Institution Literatur, p. 109. Die psychische Stütz- und Ventil-Funktion, die Marcuse der Kunst in der zweckrationalen Gesellschaft zuschreibt, trifft auf den Bereich der Konsumliteratur uneingeschränkt zu.

63

Christa Bürger, Peter Bürger, Jochen Schulte-Sasse (ed.): Zur Dichotomisierung von hoher und niederer Literatur. Frankfurt/M.: Suhrkamp 1982 (es 1089; Heft f. Krit. Lit. wiss. 3). Christa Bürger Textanalyse und Ideologiekritik. Zur Rezeption zeitgenössischer Unterhaltungsliteratur. Frankfurt/M.: Syndikat 21980.

64 65

An der traditionellen Trivialliteraturforschung ist zu kritisieren, daß sie deren Texteigenschaften und ihnen zugeordnetes Rezeptionsverhalten nicht historisch faßt und daß der kommunikative Gebrauchswert von Trivialliteratur nicht genügend berücksichtigt wird. (Cf. J. Schulte-Sasse, R. Werner: Einführung in die Literaturwissenschaft. München: W. Fink 1977, p. 209) Die wissenschaftlich problematische Definition von Trivialliteratur wird in den

39 Sprüche sowie den Protest der Rezipienten gegen das Bestehende eliminiere^, den Erwartungshorizont der Leser nicht sprenge, sondern bestätige, begebe sie sich bewußt in den Dienst der bestehenden Herrschaftsverhältnisse und verpflichte die Massen zur Loyalität gegenüber dem herrschenden S y s t e m . B ü r g e r leitet daraus die Notwendigkeit von Ideologiekritik für Konsumliteratur ab.68 In dieser Hinsicht folgt ihr G. Waldmann in seinen Untersuchungen zur Unterhalt u n g s l i t e r a t u r 6 9 , indem er rezeptionsästhetische mit ideologiekritischen Fragestellungen verknüpft. Horkheimer und Adorno zufolge hat »die leichte Kunst... die autonome als Schatten begleitet ... Die Reinheit der bürgerlichen Kunst, die sich als Reich der Freiheit im Gegensatz zur materiellen Praxis hypostasierte, war von Anbeginn mit dem Ausschluß der Unterklasse erkauft ...«70 Während die Institution Kunst in der friihbürgerlichen Phase der Aufklärung noch mit Geschichte und Erfahrung verknüpft war, werde im historischen Prozeß ihrer Ausdifferenzierung7i und zunehmender Reduzierung ihrer Adressaten auf eine Bildungselite Trivialliteratur als Instrument zur Befriedigung 'niederer Lebensbedürfnisse' des Massenpublikums ausgegrenzt und gerate in Anpassung an den Markt zum späteren Abhandlungen C. Bürgers durch den wertneutralen, historisierten Begriff der »ausgegrenzten niedergewerteten Literatur« ersetzt. 66

Cf. Chr. Bürger: Textanalyse, p. 26.

67

Ibid.. p. 29.

68 69

Ibid., p. 37. Gunter Waldmann: Theorie und Didaktik der Trivialliteratur. Modellanalysen - Didaktikdiskussion - literarische Wertung. München: W. Fink 2 1977 (Krit. Inform. 13) und idem: Literatur zur Unterhaltung, 1 Bde. Reinbek b. Hamburg: Rowohlt 1980 (rororo Allg. Reihe 7351/52).

70

Max Horkheimer, Th.W. Adomo: Dialektik der Abklärung. Frankfurt/M.: Fischer '1982, p. 121. Niedere Kunst wird von Adorno als Instrument des Massenbetrugs radikal abgekoppelt und abgewertet Seine Position steht im Widerspruch zu einigen Vertretern der Trivialliteraturforschung (cf. H. Kreuzer: Veränderung des Literaturbegriffs. Göttingen: Vandenhoeck 1975 und Rudolf Schenda: Volk ohne Buch. Frankfurt/M.: Klostermann 1970), die sich um eine Aufwertung der massenhaft gelesenen populären Literatur bemühten. Die Bewertungsfiage wird erneut von PieiTe Bourdieu (in: Bürger/Bürger/Schulte-Sasse: Zur Dichotomisierung, pp. 40-61) aufgegriffen; sie erscheine in dem Moment problematisch, wo die reale Funktion der Dichotomie als in der Legitimation einer Klassengesellschaft bestehend erkannt wird. J. Schulte-Sasse (»Gebrauchswerte der Literatur. Eine Kritik der ästhetischen Kategorien 'Identifikation' und 'Reflexivität', vor allem in Hinblick auf Adorno«, in: Biirger/Bürger/Schulte-Sasse: Zur Dichotomisierung, pp. 62-107) sieht im Prozeß der Ausdifferenziening der Kunst durch ihre zunehmende Intellektualisierung die Gefahr des Verlustes an Lebenspraxis. Er plädiert - vom psychoanalytischen Identitätsbegriff ausgehend - für eine Institutionalisierung von Praxis, in der verschiedene Rezeptionshaltungen nebeneinander gelten; die historisch-hermeneutische Reflexion über die Interdependenz produktionsästhetischer Bedeutungsobjektivation und der rezeptionsästhetischen Deutungsleistung und die »identifikatorische«, auf Lebenspraxis orientierte Lektürehaltung (pp. 101, 103). In der Verknüfbarkeit dieser verschiedenen Ansätze liegt der Vorzug des Modells von Hans Sanders, das die mögliche Institutionalisiemng von Praxis auch in der ausdifferenzierten Institution Literatur zu verorten veimag. Sanders und Goebel (»'Literatur' und Aufklärung«, in: P. Bürger (ed.): Zum Funktionswandel, pp. 82ss. plädieren beide für eine »Abkoppelung der Autonomie-Doktrin vom Autonomie-Status. Bedingung für ästhetizistische und engagierte Funktionsbestimmungen sei der Autonomie-Status (cf. ibid., p. 90).

71

Cf. Chr. Bürger: »Das menschliche Elend oder Der Himmel auf Erden? Der Roman zwischen Aufklärung und Kunstautonomie«, in: Bürger/Bürger/Schulte-Sasse (ed.): Zur Dichotomisierung, p. 197. Anstelle des Begriffs der »autonomen« Kunst soll im folgenden der Begriff der ausdifferenzierten Institution Kunst verwandt werden, da die Entflechtung der Hauplsystemc nicht notwendigerweise eine Entflechtung von politischer und literarischer Öffentlichkeit zur Folge haben muß, wie Sanders zu Recht betont hat. (Cf. H. Sanders: Institution Literatur, p. 112).

40

Konsumartikel, der allenfalls kompensatorische Fluchtträume anbieten könne. 72 Folgende Überlegungen können vor dem Hintergrund der Dichtomisierung von hoher und niederer Literatur in der bürgerlichen Gesellschaft^ für die Einzeluntersuchung an spanischen Bürgerkriegsromanen von Bedeutung sein: Offensichtlich erfährt die affirmative niedere Literatur in Spanien nach dem Ende des Krieges unter bestimmten Bedingungen eine Aufwertung.?* Sofern sie pro-franquistisch engagiert ist, wird sie nicht nur geduldet, sondern gefördert. Es fragt sich, ob die von der ausdifferenzierten Institution Literatur - gleichgültig, ob in ihrer Entwicklungsvariante Ästhetizismus oder Engagement - als trivial ausgegrenzten Kunstmittel hinfort von den offiziellen Schriftstellern und Literaturkritikern zur literarischen Norm erhoben und zur Manipulation eingesetzt wurden, um auch diejenigen Leserschichten erreichen zu können, die aufgrund diskriminierter Bildung komplexere ästhetische Gebilde nicht rezipieren konnten. Wenn wir für die Nachkriegsjahre Engagement als institutionale Ausprägung annehmen, gleichgültig, ob der Legitimationsmodus 'rationale Kritik' oder 'Tradition' zum Tragen kommt, so hieße das im Hinblick auf die Unterhaltungsliteratur und damit einen Teil der Bürgerkriegsromane, daß das Ziel staatlicher Einflußnahme immer dann ihre scheinbare Re-Integration in die Institution Literatur war, wenn ihre Inhalte den staatlichen Sinnbedürfnissen entsprachen, scheinbar deshalb, weil die Dichotomisierung ursächlich mit dem ökonomischen Entwicklungsstand der spät-bürgerlichen Gesellschaft verknüpft ist und folglich auch nicht ohne eine Veränderung des ökonomischen Systems aufgehoben werden kann. Als »Nicht-Kunst« wurden im frühen Franquismus vor allem jene literarischen Produkte ausgegrenzt, die die fraglos Geltung beanspruchende Diktatur kritisierten oder auch nur andere, die bestehenden Herrschaftsverhältnisse erschütternde Handlungspotentiale anboten.75 Das empirische Material allein kann darüber Aufschluß geben, ob die Konsumliteratur, deren Gegenstand die Episodios Nacionales sind, in die Entwicklungsvariante Engagement integriert und allenfalls hinsichtlich der Adressatengruppe von den übrigen Romanen mit Bürgerkriegsthema unterschieden wurde, oder aber weiterhin von der Literaturkritik aus der Institution Literatur ausgegrenzt blieb. Eine Funktionsbestimmung der Unterhaltungsliteratur ließe sich unter Anwendung des Ansatzes von Hans Sanders wie folgt konkretisieren: Ihre universale Funktion be72

73

74 75

»Beide sind daher gleichermaßen entfremdet von den wirklichen Bedürfnissen der Menschen, die niedere Literatur als Nicht-Kunst ausgegrenzt von der Institution, geht den Weg in die Kulturindustrie, die autonome Literatur den der Esoterik.« (Chr. Bürgen »Die Dichotomie von hoher und niederer Literatur. Eine Problemskizze«, in: Bilrger/B(lrger/Schulte-Sasse (ed.): Zur Dichotomisierung, p. 12). Die Erklärung, die nissische Formalisten für den bestehenden Zusammenhang von hoher Literatur und Unterhaltungsliteratur geben, deizufolge 'automatisierte' Formen (cf. P. Bürger: Vermittlung, p. 97) in die Trivialliteratur absinken (ibid., p. 198), würde eine Verkürzung der Zusammenhänge auf den ästhetischen Aspekt bedeuten. Auf das Interesse der in der Tradition der Unterhaltungsliteratur stehenden Produzenten von Bürgerkriegsromanen an einem möglichst großen Absatzmarkt für ihre Erzeugnisse wurde im Eingangskapitel bereits hingewiesen. Cf. die Ausführungen in Kapitel 4.4.1. dieser Arbeit

4L

steht in der ülusions- bzw. Evasionsbefriedigung breiter Leserschichten; gleichzeitig sind ihre Verhaltensanweisungen herrschaftsstabilisierend. Ihre partikulare Funktion ließe sich daher mit dem von Adorno eingeführten Begriff der »Residual-Ideologie« am treffendsten charakterisieren: Je weniger die Ideologien mehr in konkreten Vorstellungen über die Gesellschaft bestehen, je mehr ihr spezifischer Inhalt verdampft, desto ungehinderter rutschen sie in subjektive Reaktionsformen, die psychologisch tiefer liegen als manifeste ideologische Inhalte und darum deren Wirkung übertreffen mögen.76 Inwieweit auch dem Unterhaltungsgenre zuzurechnende Romane mit archaischen, aristokratischen Werten und Normen aufgeladen werden, also eher dem Legitimationsmodus 'Tradition' folgen, kann ebenfalls nur die Textanalyse der Einzelwerke ergebend 2.1.3. Zum Problem der methodischen Verknüpfung von Institutionenbegriff Textanalyse

und

Wie eingangs bereits erwähnt, darf die Romananalyse nicht darauf beschränkt bleiben, die Legitimationsfunktion von Herrschaft sowie die Explikation von Sinnhandeln am Inhalt auszumachen; vielmehr soll anknüpfend an Lukäcs die Ausdrucksebene als Transportmittel auf ihren ideologischen und sinnstiftenden Gehalt überprüft werden. In diesem Zusammenhang sei nochmals betont, daß der von mir entwickelte Frageansatz anders als der der Ideologiekritiker nicht auf den herrschaftslegitimierenden Aspekt beschränkt bleiben will, sondern auch darüber hinausweisende Bedeutungskomplexe mitzuerfassen sucht. Zu Recht weist Hans Sanders darauf hin, daß Peter Bürger zwar die Frage nach der Dialektik von Einzelwerk und institutionellem Rahmen stellt, seine Vermittlungskategorien »Norm« und »Material« jedoch zu eng ansetzt, um forschungspraktisch eine geeignete »Verknüpfung von Werkanalyse und Analyse der strukturellen Wirkungsmechanismen« zu leisten^; gleichwohl läßt Sanders in seinen Einzeluntersuchungen?9 neuere Textanalyseverfahren unberücksichtigt, die sich an einer semiotischen Theoriebildung und deren Beschreibungsverfahren orientieren.80 Sanders' Ausrich76

Th.W. Adorno: Einleitung zw Musiksoziologie, p. 63, zit. nach Chr. Bürger: Textanafyse, p. 29.

77

Die für den Roman konstitutive Möglichkeit der Normennegation wird in der Trivialliteratur auf »harmonisches« Einverständnis zurückgenommen. Identität ist hier (nach Parsons) »die Summe der lebensgeschichtlich entscheidenden Identifikationen. Sie erscheint als Matrix des jeweiligen sozio-ökonomischen und sozio-kulturellen Status quo«. (Cf. H. Sanders: Institution Literatur, pp. 75,76).

78

Cf. H. Sanders: Kommunikationssoziologie,

79

Cf. den foischungspraktischen Teil von H. Sanders: Institution Literatur, p. 125ss. Einschrankend sei auf die spätere Unterschuchung Sanders' zur »Gattungsnorm und literarische(n) Praxis: Balzac/Sue«, in: P. Bürger (ed): Zum Funktionswandel, pp. 147-162) verwiesen, in der der Autor sehr wohl die Erzähltechnik der Romane zur Bestimmung des Funktionswandels der Gattung heranzieht, ohne allerdings die Art der Verknüpfung von Form-Analyse und Institutionen-Theorie zu explizieren.

80

z.B. Claude Lévi-Strauss: Strukturale Anthropologie, 1.2. Frankfurt/M.: Suhrkamp 1975; J. Mukarovsky: Kapitel

p. 293.

42 tung an soziologischen Kategorien wie Rolle, Handeln oder Identität sowie daran anknüpfend die Anerkennung der von Girard eingeführten Materialelemente Dreieckswunsch und Konversion für die Struktur des RomansSi ist zwar wegen ihrer problemlos realisierbaren Verortung im soziologisch-interaktionistischen, um die historische Komponente erweiterten Institutionenmodell nützlich, scheint aber wegen starker Vernachlässigung der Form-Aspekte ergänzungsbedürftig, zumal in unserem konkreten Untersuchungszusammenhang bei einer Beschränkung auf die Inhaltsebene die zeitliche Verschiebung von erzählter Welt (Bürgerkrieg) und dem realen Stand der Gesellschaftsformation (Franquismus) kaum mitgedacht werden könnte.82 Wenn wir im Sinne von Sanders Literatur »als institutionaliserte Form der Kommunikation begreifen«83, wird eine Verknüpfung von strukturalistischer Textanalyse und übergeordnetem Institutionenbegriff ansatzimmanent realisierbar, ohne die verengte strukturalistische Auffassung der Literatur als »Korpus von Texten«84 übernehmen zu müssen. Die von der Semiotik ausgehende Kommunikationstheorie sieht vor, daß wir sprachliche Zeichen zunächst als Bedeutungsträger für Kommunikation aufzufassen haben. Auf den literatursoziologischen Ansatz angewandt hieße das, daß Erzähltexte Handlungsmuster in Form von Normen anbieten, die das implizite und explizite

aus der Ästhetik. Frankfurt/M.: Suhrkamp 3 1978; J.M. Lotmann: Die Struktur literarischer Täte. München: W. Fink 1972; F.K. Stanzel: Theorie des Erzählens. Göttingen: Vandenhoek & Ruprecht 21982 (UTB 904); Wolf Schmid: Der Textaußau in den Erzählungen Dostojewskijs. München: W. Fink 1973 (Beihefte zur Poética 10), pp. 9-79); Dieter Janik: Die Kommunikationsstruktur des Erzählwerks. Ein semiologisches Modell. Bebenhausen: Rotsch 1973 (Thesen und Analysen 3). 81

Cf. H. Sanders: Institution Literatur, pp. 90ss.

82

Bezeichnenderweise liegen noch keine Fallstudien seitens der am Institutionenbegriff orientierten Literaturtheoretiker zu historischen Romanen vor, für die das Element der zeitlichen Verschiebung in bezug auf die Gesellschaftsstruktur, in die sie durch Produktion und Rezeption eingebettet sind, konstitutiv ist. Das Problem der Ungleichzeitigkeit, das auch etwa bei der Aufnahme 'klassischer' Kunstgebilde zutage tritt, will man sie mit der Gesellschaftsformation der Rezipienten in Beziehung setzen, scheint mir im Institutionen-Ansatz noch nicht befriedigend gelöst Im Falle der Bürgerkriegsromane haben wir es mit zwei verschiedenen Ausprägungen zeitlicher Verschiebung zu tun: Zum einen besteht - wie bereits erwähnt - eine Ungleichzeitigkeit aller nach 1939 produzierten Romane mit Bttrgerkiegsthema hinsichtlich der Vermittlung politisch-historischer Weikgehalte (Bürgerkrieg) und aktueller Gesellschaftsformation (Franquismus), wie sie in noch ausgeprägterer Form für »historische Roman« zutrifft. Die Rezeption der Sinnangebote der Texte durch die Leser im Nachkriegsspanien, die im Idealfall zur Umsetzung in konkretes gesellschaftliches Handeln führt, soll daher im folgenden mit dem von dem Prager Strukturellsten Vodicka eingeführten Begriff der Konkretisation beschrieben werden. Zum anderen gelten für den im Bürgerkrieg zur Verteidigung der »Nationalen Erhöbung« entstandenen Roman, der auch nach 1939 Verbreitung in Spanien findet, Gesetzmäßigkeiten, für deren Analyse ich die Begriffe des Artefakts und des ästhetischen Objekts (MukaJrovsky) einfuhren will, die aufgrund der Einbeziehung historischen Wandels mit dem Institutionen-Modell vermittelbar sind: »Durch jede Verschiebung in der Zeit, im Raum und in der sozialen Umwelt verändert sich die aktuelle künstlerische Tradition, durch deren Prisma das Werk wahrgenommen wird, und unter Eindruck dieser Verschiebungen verändert sich auch das ästhetische Objekt, das im Bewußtsein der Mitglieder des jeweiligen Kollektivs dem materiellen Artefakt, der Schöpfung des Künstlers entspricht.« (Felix V. Vodicka: »Die Konkretisation des literarischen Weiks«, in: Rainer Waming (ed.): Rezeptionsästhetik. München: W. Fink 21979, pp. 88,89)

83

H. Sanders: Institution Literatur, p. 128, sowie J. Habermas: Theorie des kommunikativen Handelns, Bd. 1. Frankfurt/M.: Suhrkamp 1981.

84

H. Sanders: Institution Literatur, p. 104.

43 Selbstverständnis einer Praxis bestimmen.85 Unter der Prämisse, daß Institutionen Systeme von Normen und Werten sind, die das Handeln von gesellschaftlichen Klassen und Gruppen unter angebbaren ökonomischen, politischen und kulturellen Bedingungen o r i e n t i e r e n 8 6 , lassen sich die Bürgerkriegsromane für das Nachkriegsspanien in Hinblick auf die in den Romanen enthaltenen Handlungspotentiale deuten. Es fragt sich jedoch, wie auf Inhalts- und Ausdrucksebene der Texte Kommunikation organisiert wird, auf welche Weise darüberhinaus Romane der Explikation von Sinnhandeln dienen und drittens inwieweit durch Verflechtung von literarischer und politischer Öffentlichkeit über die Romane die Herrschaftslegitimation durch Tradition/rationale Kritik transportiert wird. Eine Strukturanalyse der Einzelwerke könnte Aufschluß geben über den impliziten Autor/Leser, der in einem zweiten Untersuchungsschritt im Rahmen der Öffentlichkeit auf die tatsächliche historische Trägerschaft der Romane (d.h. Produzenten- und Rezipienteninstanz) zurückgeführt werden müßte. Ein solcherart konkretisiertes methodisches Vorgehen hat den Vorteil, daß es mühelos erzähltheoretische, am semiotischen Modell orientierte Ansätze integrieren kann, ohne in logischen Widerspruch zum Institutionen-Ansatz zu geraten. Zum praktischen Vorgehen bei der Vermittlung von Werkgruppen und Gesellschaftsstrukturen durch den übergeordneten Institionenbegriff schlägt Sanders eine Reihung vor, die in einer Folge von Untersuchungsschritten das Einzelwerk zunächst im Kontext der Gattung und dem der Institution Literatur einer bestimmten Epoche zu situieren [hätte]. Sodann wäre ausgehend von einer Rekonstruktion der jeweils relevanten Bereiche einer historischen Gestalt der Öffentlichkeit der Bezug zur Gesamtgesellschaft zunächst auf der Ebene des institutionellen Rahmens herzustellen. Der Bezug zur Sozialstruktur und der Ideologie der Träger- bzw. Rezipientengruppe wäre im Rahmen der Öffentlichkeit zu entwickeln. Von daher wäre in einem weiteren Arbeitsschritt die Frage eines Bezuges zum jeweiligen Entwicklungsstand des ökonomischen Systems a n z u g e h e n . 8 7 Die Vorteile dieser Vorgehens weise gegenüber dem Zurechnungsparadigma Vermeidung der ausschließlichen Zurechnungen der Werkstruktur zu einer sozialen Gruppe, Kombinierbarkeit von Autonomiestatus und Funktionsfrage eines Werkes im gesellschaftlichen Bezugsrahmen, differenzierter Gesellschaftsbegriff, Einheit von Genese, Werkstruktur und Funktion in einem einzigen theoretischen Modell etc. 85

M. Waltz, zit. nach H. Sanders: Institution Literatur, p. 105. Sanders kritisiert am Ansatz von Waltz, der sich mit der stmkturalistischen Erzähltheorie auseinandersetzt (cf. ibid., p. 31), daß er nicht die Beziehungen von Arbeit, Herrschaft und Kommunikation expliziere (cf. ibid., p. 35), wohl aber den normativ-subjektiven Aspekt der Institution erkläre. Es sei ein Widerspruch, Gesellschaft einerseits als Kommunikationssystem zu begreifen, andererseits aber zu postulieren, daß zweckrationale Handlungsmuster ständig zunehmen (cf. ibid., p. 34), was bedeuten würde, daß sich die Gesellschaftsstruktur nicht mehr als Kommunikationssystem beschreiben ließe.

86

Cf. H. Sanders: Kommunikationssoziologie, p. 295.

87

Cf. H. Sanders: Institution Literatur, pp. 94,95.

44_

bleiben auch dann uneingeschränkt bestehen, wenn lediglich anstelle einer induktiven eine deduktive Vorgehensweise gewählt wird. Für den vorliegenden Gegenstand scheint eine Schrittfolge vom allgemeinen gesellschaftlichen Bezugsrahmen zum Einzelwerk sinnvoller, da die Bürgerkriegsromane sich überhaupt erst aus den gesellschaftlichen Bedingungen erschließen lassen, denen sie sich verdanken, also das Ergebnis der neuen Funktionsbedingungen von Literatur sind. Die neue politische Situation - Gleichschaltung der Institution Literatur im Rahmen der Öffentlichkeit mit der staatlichen Institution - ermöglicht erst die ungehinderte Produktion der Werke. Das soll nicht besagen, daß ein einfaches Kausalverhältnis angenommen werden kann, da die Manipulation der Öffentlichkeit nicht in erwarteter Weise gelingt und schon bald ästhetisch anspruchsvollere Werke anderer Thematik als der unmittelbaren Vergangenheitsbewältigung eine größere Publikumsresonanz erzielen, als es die Episodios Nacionales trotz offizieller Förderung vermögen. Ergänzend zur Problematik der Konsumliteratur sei betont, daß die Deutung der Bürgerkriegsromane als Werkgruppe unter bestimmten Aspekten, wie z.B. Darstellung der Kirche, Familie etc. im gesamten Romankorpus88, den Blick für literarisch kanonisierte ästhetisch anspruchsvollere Bürgerkriegsromane, die vereinzelt im angegebénen Zeitraum entstehen konnten89, verstellen würde. Eine Orientierung am Institutionenmodell wirkt der herrschenden literaturwissenschaftlichen Praxis entgegen, eine Dichotomisierung von Kunst als gegeben vorauszusetzen und die Trivialliteraturforschung als mehr oder weniger eigenständigen Bereich aus der Literaturwissenschaft auszudifferenzieren.90

88

Wie z.B. in R. Schnell (ed.): Kunst und Kultur im deutschen Faschismus. Stuttgart: Metzler 1978 (Literaturwissenschaft und Sozialwissenschaften 10).

89

z.B. G. Torcenie Ballester: Javier Marino (1943) oder P. de Lorenzo: La quinta soledad (1943).

90

Cf. Chr. Bürger: Die Dichotomie, p. 13.

45

3. Rekonstruktion der sozialen Institutionen im Kontext der spanischen Gesellschaftsformation nach dem Sieg der Aufständischen Gesellschaft ist als Einheit von ökonomischer und normativer Synthesis zu definieren.1 Wenn hier die Frage nach den institutionellen Ausprägungen des franquistischen Herrschaftssystems gestellt wird, so sind dabei folgende Aspekte zu berücksichtigen: 1) Die Rekonstruktion des sozialen Gefüges muß seine mögliche historische Wandlung einschließen, und 2) die objektive sowie subjektive Dimension gesellschaftlicher Praxis müssen zusammengedacht werden.2 Die vorhandenen sozialgeschichtlichen Beschreibungsmodelle sind für eine (wie auch immer rudimentäre) Charakterisierung des Franquismus nur bedingt geeignet; angesichts der von H.-W. Franz3 aufgeführten Theorien über den Faschismus wird das Dilemma der herrschenden Franquismusforschung in bezug auf unser Erkenntnisinteresse deutlich: die Ansätze von Linz, Duverger und Moore jr. (Funktionalistische Schule) gehen typologisierend vor und unterlassen es, »die Möglichkeit einer Verän1

Cf. H. Sanders: Institution Literatur, p. 95.

2

Ibid., p. 96.

3

H.-W. Franz: Der Frankismus, pp. 77-129; Juan José Linz: »An Authoritarian Regime: Spain«, in: Stanley G. Payne (ed.): Politics and Society in Twentieth Century Spain. New York, London: New Viewpoints 1976; Maurice Duverger. Institutions politiques et droit constitutionelle. Paris: Pr. Univ. de France 14 1975 (Thèmes: Science politique); Bamngton Moore jr.: Social Origin of Dictatorship and Democracy. Lord and Peasant in the Making of the Modern World. Boston: Beacon Pr. 1966 (Modemisierungsvertreter der strukturell-funktionalen Schule); André und Francine Demichel: Les dictatures européennes. Paris: Presses Univ. de France 1973; Reinhard Opitz: »Über die Entstehung und Verhinderung von Faschismus«, in: Das Argument 87 (Nov. 1974), p. 543ss. (Zum Problem des Zurechnungsparadigmas cf. Kapitel 2 dieser Arbeit.); Equipo Comunicación: »Hegemonía y dominación en la España de la posguerra (1)«, in: Zona abierta (Madrid) 4 (1975), pp. 43-59. Guy Hermet rekompiliert ebenfalls relativ ausführlich die marxistischen, liberal-bürgerlichen und funktionalistischen Erklärungsansätze autoritärer Staatsformen. (Guy Hermet: »La Espafla de Franco: Formas cambiantes de una situación autoritaria«, in: Manuel Tuflon de Lara y otros (ed.): VII Coloquio de Pau. De la crisis del antiguo régimen al franquismo. Madrid: Ed. Cuadernos para el Diálogo 1977, pp. 103-130. Neben den oben zitierten Ansätzen erwähnt er noch u.a. M. Ramírez Giménez: »Modernización política en Espafla. Hipótesis para su estudio«, in: Revista de Estudios Sociales 5 (1972), pp. 3-27 und Klaus von Beyme: Vom Faschismus zur Entwicklungsdiktatur. Machtelite und Opposition in Spanien. München: Piper 1971 sowie G.Hermets Untersuchungen: La politique dans l'Espagne de Franco. Paris: C. Colin 1974. Unter den historischen Studien hebt er besonders L. Garmccio: Spagna sema miti. Milan: U. Mursia 1968 hervor. Zum Verhältnis Falange und Faschismus cf. Manuel Pastor: Los orígenes del fascismo en España. Madrid: Ed. Tucar 1975; Stanley G. Payne: Falange. A History of Spanish Fascism. Stanford, Cal.: Univ. Pr. 1961 und Herbert R. Southworth: Antifalange. Estudio critico de »Falange en la guerra de Espafla: la Unificación y Hedilla«. Paris: Ruedo Ibérico 1967; Christian Rudel: La Phalange. Histoire du fascisme en Espagne. Paris: Ed. Speciale 1972 und Eduardo Alvarez Puga: Historia de la Falange. Barcelona: Dopesa 1969. Eine klare Abgrenzung der Falange vom Faschismus verficht Manuel Cantarero del Castillo: Falange y socialismo. Barcelona: Dopesa 1973, Kapitel 6.

46

derung des Regimes und Herrschaftssicherung als Prozeß in die Begriffsbestimmungen selbst mit aufzunehmen«*, erfüllen also die erste Forderung nicht; die marxistischen Franquismustheorien von Opitz, Demichel, Poulantzas und dem Equipo Comunicación vernachlässigen den normativen Aspekt (Punkt 2), indem sie die subjektive Dimension gesellschaftlicher Praxis den objektiven Produktionsverhältnissen unterordnen.5 Da eine Rekonstruktion der spanischen Gesellschaftsformation unter Rückgriff auf politologische und soziologische Forschungsergebnisse zu Franco-Spanien auf der Basis eines Gesellschaftsbegriffs erfolgen soll, der nicht ausschließlich ökonomisch, soziokulturell oder normativ gefaßt wird, sind anhand des historischen Materials 6 die für die Untersuchung zentralen Fragen zu prüfen: - Wie sehen die institutionale Struktur und Funktion sowie ihre impliziten Normen aus, die unter den veränderten ökonomischen, politischen und kulturellen Bedingungen nach dem Ende des Bürgerkriegs das gesellschaftliche Handeln bestimmen, und läßt sich - in Hinblick auf unsere Periodisierung - im Jahre 1943 ein Normenwandel konstatieren? - Wie ist das Verhältnis der Institutionen zueinander (Dominanz einzelner Institutionen)? - Ist der Legitimationsmodus 'Tradition' auch für andere als die kulturellen Institutionen relevant? Einigkeit herrscht in der Forschung darüber, daß aufgrund der Eigenartigkeit des Franquismus die an Deutschland und Italien orientierten Faschismusdefinitionen für die Situation in Spanien zu kurz greifen.7 Die Typologisierungsvorschläge für das Herrschaftssystem Francos sind jedoch so unterschiedlich wie die politischen Ansätze ihrer Vertreter selbst; den Franquismus definiert Linz als »autoritäres Regime««, Duverger als »paternalistische Diktatur«?, 4

H.W. Franz: Der Frankismus, p. 101.

5

Nicos Poulantzas: Pouvoir politique et classes sociales de l'état capitaliste. Paris: F. Maspero 21982, der immerhin unter Rückgriff auf Gramsci ein differenzierteres Faschismusmodell als Opitz entwickelt, lehnt Funktionalisten wie T. Parsons ebenso wie Webers historizistischen Legitimationsbegriff ab; Horkheimer und Marcuse bleiben unerwähnt (Cf. ibid., pp. 214ss.).

6

Hier ergibt sich das Problem, daß die (sozial-)geschichtlichen, politologischen und soziologischen Abhandlungen zum Franquismus aufgrund unterschiedlicher theoretischer Ansätze Uber keinen einheitlichen Begriffsapparat verfügen. E. Nolte zit. nach R. Kilhnl (ed.): Faschismustheorien. Texte zur Faschismusdiskussion, Bd. 2. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt 31981, p. 144. Cf. auch Juan F. Marsal: Pensar bajo el franquismo. Barcelona: Ed. Península 1979, Kapitel: »El régimen franquista«, pp. 30-33. Marsal stimmt mit dem Historiker Tuflón de Lara (Tuflön de Lara et al.: Ideología y sociedad en la España contemporánea. Para un análisis del franquismo. Madrid: Edicusa 1977) darin Uberein, daß angesichts der Klassifikationsvielfalt des Franquismus der Deskriptor 'Faschismus' den breitesten Konsens finde. (Cf. J.F. Marsal: Pensar, p. 33) Im allgemeinen wird der Falangismus eher als der Nachkriegs-Franquismus mit dem Attribut faschistisch versehen. (Cf. H.R. Southworth: Antifalange oder M. Pastor: Los orígenes).

7

8

»Una teoria del Régimen autoritario. El caso de España«, in: M. Farga et al.: La España de los setenta, III. El Estado y la política. Madrid: Moneda y Crédito 1974. Cf. hierzu H.W. Franz: Der Frankismus, p. 81.

9

H.W. Franz: Der Frankismus, p. 87.

47 Moore jr. als »Modernisierungsdiktatur« 10, A. und F. Demichel als »Honoratiorendiktatur« 11 und Poulantzas als »Militärdiktatur« bzw. »kapitalistischen Ausnahmestaat«i2. Es kann davon ausgegangen werden, daß die bisher geleistete sozialgeschichtliche Forschung zu Spanien nicht unmittelbar literatursoziologisch anwendbar ist, da sie, an ihrem spezifischen Untersuchungsgegenstand ausgerichtet, Kultur als autonomes soziales Gebilde ausgrenzt. 13 Da eine auf politologische und soziologische allgemeine Fragestellung abzielende kritische Würdigung und gegebenenfalls Weiterentwicklung vorhandener Ansätze zur spanischen Variante des Faschismus nicht Gegenstand dieser Arbeit sein kann, sollen im folgenden unter Bezugnahme auf die Untersuchungsergebnisse von H.W. Franz die institutionalen Ausprägungen der spanischen Gesellschaftsformation nach dem literatursoziologischen Ansatz von P. Bürger und H. Sanders rekonstruiert werden. Dabei kommt der Kategorie Öffentlichkeit eine für die hier gewählte Fragestellung besonders wichtige Bedeutung zu, da sie zwischen ökonomischer und normativer Dimension gesellschaftlicher Synthesis vermittelti 4 und den Bezugsrahmen für die Institution Kunst/Literatur liefert. Aus diesem Grunde wird die Ausformung der spanischen Öffentlichkeit gesondert in Kapitel 4 abgehandelt. Unter Rekurs auf die Zentralkategorien Institution, Identität15 und Öffentlichkeit lassen sich die sozialgeschichtlichen Daten über die frühe Phase des Franquismus literatursoziologisch deuten.

3.1. Der Staat - Ausbildung des franquistischen Herrschaftssystems Der Bürgerkrieg war mit seiner Bündniskonstellation das Vorspiel des Zweiten Weltkrieges. Sein Ausbruch konnte aufgrund der zögernden Haltung der Westmächte (Appeasement Politics) angesichts faschistischer und später kommunistischer Intervention in Spanien nicht verhindert werden. 16 10

Ibid., p. 94.

11

Ibid., p. 99.

12

Cf. N. Poulantzas: La crisis de las dictaduras. Madrid: Siglo Veintiuno 21976, p. 103. Cf. hierzu auch Benjamin Oltra, Amando de Miguel: »Bonapartismo y catolicismo. Una hipótesis sobre los orígenes ideológicos del franquismo«, Vorwort zu »El regimen franquista«, in: Papers (Barcelona) 8 (1978), p. 7.

13

Cf. H. Sanders: Institution Literatur, p. 79.

14

H. Sanders: Institution Literatur, p. 96.

15

Unter Identität im engeren Sinne versteht Sanders die Beziehung zwischen den sozioökonomischen handlungsleitenden Normen und dem einzelnen Subjekt.

16

Zur Geschichte des Bürgerkrieges vergleiche u.a. Carlos M. Rama: La crisis española del siglo XX. México, Buenos Aires: Fondo de Cultura Económica 1962; Pierre Broué und Emile Témime: Revolution und Krieg in Spanien. 1.2. Frankfurt/M.: Suhrkamp 1975; Hugh Thomas: The Spanish Civil War. Rev. and entlarged ed. New York: Harper & Row 31977 und Raymond Carr: The Spanish Tragedy: the Civil War in Perspective. London: Weidenfeld and Nicolson 1977; idem: Spain 1808-1975. Oxford: Clarendon 21982. Zur Geschichte des Franquismus cf.

48 Das politische System der ersten Nachkriegsjahre muß als »Resultat des Krieges und der heterogenen Kräfte, die ihn auf nationalistischer Seite führten« n , gesehen werden. Die Außenpolitik nimmt seit Beginn des Weltkrieges das Hauptgewicht der Regierungstätigkeit ein. Aus der Hilfe, die den Aufständischen in Spanien während des Bürgerkrieges zuteil wurde, ergeben sich die engen Beziehungen der spanischen Regierung mit den Achsenmächten: Bereits im März 1939 tritt Spanien dem AntiKomintern-Pakt bei. Im Mai desselben Jahres schließt Franco ein wichtiges Abkommen mit Deutschland, das Spanien formal zum politischen Bundesgenossen der Nationalsozialisten macht. Gleichzeitig jedoch werden mit Großbritannien und den Vereinigten Staaten wichtige Handelsbeziehungen erneuert. 18 Als Hitler die Tschechoslowakei besetzt und in Polen einfallt, erklärt Spanien im September seine Neutralität. Diesen Status gibt es nach den Siegen des deutschen Faschismus in Frankreich im Mai-Juni 1940 zugunsten einer achsenfreundlicheren Haltung der »no-beligerancia« auf'9 und besetzt Tanger, um Deutschland das von den Alliierten nach dem Ersten Weltkrieg konfiszierte Konsulatsgebäude zurückzugebend Während der zweiten Hälfte des Jahres 1940 wird Francos Optimismus durch die realistische Vermutung gedämpft, daß England nicht zur Kapitulation zu bewegen sei. Zwar erfolgen weiterhin Verhandlungen über die »Operation Felix«, den Angriff auf Gibraltar^, doch die Bedingungen, die Franco erfüllt sehen möchte, wenn Spanien auf Seiten der Achsenmächte in den Krieg eintreten solle, sind für Deutschland so unerfüllbar22, daß es zu keiner Einigung kommt, woran auch das Treffen zwischen Franco und Hitler in Hendaya im Oktober 1940 nichts zu ändern vermag. Immerhin ersetzt Franco seinen anglophilen Außenminister Beigbeder durch den falangistischen Serrano Súñer, der als starker Befürworter des Kriegseintrittes Spaniens gilt. Die deutsche Invasion in der Sowjetunion im Juni 1941 unterstützt Spanien aktiv durch Entsendung der División Azul. Die Ereignisse des Jahres 1942, d.h. die zunehmenden Erfolge der Alliierten, veranlassen Spanien erneut, bei verbaler Unterstützung der Achsenmächte seine Neutralität zu wahren23, was die Absetzung Serrano Súfiers und darüber hinaus Herbert R. Southworth: El mito de la cruzada de Franco. Crítica bibliográfica. Paris: Ruedo ibérico 1963 (Critica 1) und Femando Viscaíno Casas: La España de la posguerra. 1939-1953. Barcelona: Ed. Planeta 31976 (Col. Espejo de Espafla 14). 17 18

H.W. Franz: Der Frankismus, p. 181. Cf. auch S.G. Payne: Falange, p. 200 und Ramón Tamames: La república. La era de Franco. Madrid: Alianza Ed. Alfaguara 41976 (Historia de España Alfaguara VII). p. 365. Cf. G. Jackson: Annäherung an Spanien. 1898-1975. Frankfurt/M.: Suhrkamp 1982, p. 132.

19

R. Tamames: La república, la era, p. S3S und R. Gómez Pérez: Política y religión, p. 23, Anm.

20

Cf. G. Jackson: Annäherung, p. 132 und R. Tamames: La república, ¡a era, p. S36.

21 22

R. Tamames: La república, la era, p. 337. Die territorialen Forderungen sind Gibraltar, Französisch-Marokko, Oran sowie die Expansion spanischer Besitzungen in Rfo de Oro und den Kolonien am Golf von Guinea, daneben verlangt er materielle Versorgung mit Weizen, Phosphaten, öl, Gummi und Baumwolle.

23

Cf. R. Tamames: La república, la era, p. 542.

49 Wiederemennung des als anglophil bekannten Conde de Jordana zum Außenminister zur Konsequenz hat. 24 Als 1943 das deutsche Heer vor Stalingrad kapituliert, das Afrika-Korps in Libyen scheitert und Mussolini im Juli abgesetzt wird, sieht Franco sich genötigt, offiziell auf Distanz zur Politik der faschistischen Mächte zu g e h e n . 2 5 Im Dezember zieht er die División Azul von der russischen Front ab 26 und drängt Alliierte und Achsenmächte vergeblich zu Friedensverhandlungen.2? Innenpolitisch richtungsweisend für die staatliche (und ökonomische) Neukonstituierung nach 1939 ist das noch während des Bürgerkrieges im März 1938 erlassene Fuero del Trabajo, das die in der FET y de las JONS vertretenen Strömungen repräsentiert. Neben der links-falangistischen Forderung nach Verstaatlichung des Bankund Kreditwesens stützt sich das paternalistische Grundgesetz der Arbeit auf eine traditional-katholische Definition von Arbeit als sozialer Pflicht: Renovando la Tradición Católica de Justicia Social y alto sentido humano que informó nuestra legislación del Imperio, el Estado, nacional en cuanto es instrumento totalitario al servicio de la integridad patria, y sindicalista, en cuanto representa una reacción contra el capitalismo liberal y el materialismo marxista, emprende la tarea de realizar - con aire militar, constructivo y gravemente religioso - la revolución que España tiene pendiente y que ha de devolver a los españoles, de una vez para siempre, la Patria, el Pan y la Justicia.2» Die Jahre 1939 bis 1942 sind Jahre massiver Repression; ein Gesetz »contra la celebración de Asambleas Públicas« 1939 und ein weiteres »contra la Masonería y Comunismo« im März 1940, verschärft durch das Staatssicherungsgesetz von 1941, unterbinden jede offene Kritik am Nuevo Estado.29 Im Dezember 1939 sind nach offiziellen Schätzungen 250.719 Republikaner in den Gefängnissen und in zu Konzentrationslagern umfunktionierten Fußballstadien.30 Auf das Sinken des faschistischen Stems reagiert Franco mit der Entwicklung eines neuen Ordnungsmodells: Im Juli 1942 erläßt er das Gesetz zur Konstituierung der Cortes, die den parlamentarischen Schein wahren sollen.3i 24

Cf. Payne: Falange, p. 236. Am 16. August 1942 kommt es zwischen demonstrierenden Karlisten und Falangisten in der Vizcaya zu einer Schlägerei, als die Requeté-Veteranen in ein enthusiastisches »¡Viva el Rey!« ausbrechen. Sechs Karlisten weiden dabei durch eine in die Menge gefeuerte Handgranate verletzt. Durch die Anwesenheit des karlistischen Kriegsministers Varela hat der Zwischenfall ein ernstes Nachspiel, das nicht nur zur Absetzung Varelas als Kriegsminister fahrt, sondern auch innenpolitisch Senano Súñer das Genick bricht. (Cf. S.G. Payne: Falange, pp. 234-236).

2

Cf. M. Gallo: Historia de la España franquista, p. 136. Cf. R. Tamames: La república, la era, p. 544. M. Gallo: Historia de la España franquista, p. 131 und Jackson: Annäherung, p. 134. Francisco Franco Bahamonte: »Fuero del Trabajo«, 9-III-1938, in: idem: Habla el Caudillo [Madrid: Ed. Nacional, um 1939], p. 19. Cf. G. Jackson: Annäherung, p. 132. Cf. M. Gallo: Historia de la España franquista, pp. 66 und 88. Cf. H.W. Franz: Der Frankismus, p. 204. Die Cortes treten 1943 erstmals zusammen.

5 26 27 28 2

9 30 31

sa Sinceramente, la ley no atribuía a las Cortes ninguna potestad legislativa; era un órgano de colaboración en esa tarea ... Ninguno de los 424 procuradores de entonces era de elección popular. El Presidente de las Cortes estaba designado por el Jefe del Estado.32 Das Ständeparlament hat als Verfassungsorgan lediglich beratende Funktion; zentrale Dreh- und Angelfigur in und über allen politischen Institutionen ist und bleibt jedoch General Franco.33 Der Staat präsentiert sich institutionell-organisatorisch in den ersten Jahren (bis 1942) als führerorientierte, autoritär-bürokratisch verfaßte Militärdiktatur mit faschistischen Elementen. Mit zunehmender Institutionalisierung des Franquismus als Herrschaftssystem treten die militärischen und vor allem falangistischen Komponenten in den Hintergrund.34 Die fraglose Vormachtstellung des Staates - durch den im Bürgerkrieg errungenen Sieg legitimiert - im gesamten System der spanischen Gesellschaftsformation kann nicht losgelöst von der Person des Caudillo analysiert werden (vgl. Kapitel 3.1.1.). Das Wirken repressiver Staatsorgane dient immer dann der Herrschaft des hegemonialen Blocks - in den Worten Gramscis der »bürgerlichen Klasse« - , wenn gesellschaftliche Institutionen funktional v e r s a g e n . 3 5 Seine These bestätigt sich mit dem Scheitern des durch die CEDA repräsentierten Blocks in der letzten Phase der Zweiten Republik. In der »Nationalen Erhebung« gegen eine demokratische Revolution mit sozialistischem Inhalt findet die in ihrer Vorherrschaft bedrohte Oligarchie ihren gemeinsamen Nenner. Die weltanschauliche Homogenität (gekennzeichnet durch Anti-Kommunismus, Anti-Liberalismus, Nationalismus, Sakralisierung und Hierarchisierung des gesamten öffentlichen Lebens3^) kann jedoch nach dem Sieg der Aufständischen nicht darüber hinwegtäuschen, daß die politischen und gesellschaftlichen Kräfte, die den Franquismus tragen, nur einen Teil des hegemonialen Blocks repräsentieren. Die republikanisch-liberalen, häufig anti-klerikalen Teile der Oligarchie werden dem zentralistisch-dirigistischen, reaktionär-katholischen »Neuen Staat« untergeordnet.3'' Sergio Vilar, der sich mit der Genese von Diktaturen, insbesondere der des Franquismus beschäftigt hat, sieht in dieser Herrschaftsform die historische Konsequenz, die sich aus dem verzögerten Übergang ohne revolutionären Umsturz von Feudalismus zur bürgerlichen Gesellschaft ergeben habe. El peso del pasado, y más concretamente las pervivencias PI [= en lo político e 32 33

34 3 5 36 37

R. Gómez Pérez: Política y religión, p. 35. Cf. H.W. Franz: Der Frankismus, p. 205. Ibid.. pp. 263,264. Cf. U. Meier: Soziologische Bemerkungen, p. 45. Cf. H.W. Franz: Der Frankismus, pp. 223-226; vgl. Kapitel 4 dieser Arbeit. Cf. H.W. Franz: Der Franquismus, p. 263.

51 ideológico] feudal-absolutistas en el capitalismo, pueden explicarse por el hecho de que la sociedad burguesa en sus orígenes, no se opone de manera antagónica al MPF [= modo de producción feudal].38 Dies gelte sowohl für Italien und Deutschland als auch für Spanien: En España, las obsesiones por recuperar el pasado no son menores, desde la organización de múltiples fastuosidades en torno a un catolicismo de tipo inquisitorial hasta las tentativas explícitas de reconstrucción de un Estado feudal. Los falangistas, los integristas, los monárquicos, en suma el conjunto de franquistas, en uno u otro grado, realizan esas prácticas PI [= en lo político e ideológico] en la sociedad española, sobre todo durante las primeras etapas de la dictadura.39 Auch wenn Sergio Vilars Vergleich des Franquismus mit einer absoluten Monarchie eine Überbetonung des formalen Aspekts darstellt, ist sein Eindruck nicht falsch, da Entscheidungsprozesse mangels Parteien »von den Systempfeilern Armee, Bürokratie, Falange und Kirche über ihre jeweils mehr oder minder gegeneinander intrigierenden Clans und Camarillas ... in der hofähnlichen Umgebung Francos betrieben wurden ... Doch ließe sich dasselbe gewiß, wenn auch nicht mit dem auf die feudale Vergangenheit Spaniens abstellenden Gepräge und Gehabe, von anderen Diktaturen sagen.«40 Die Rekonstruktion des ökonomischen Systems wird noch erbringen müssen, in welcher Weise die restaurativen Merkmale des franquistischen Regimes mit ihrem erklärten Rückbezug auf die spanischen imperialen Herrschaftsformen aus den ökonomischen Verhältnissen erwachsen. 3.1.1. Das Staatsoberhaupt und die politischen Kräfte General Franco ist als Primat der staatlichen, politischen und gesellschaftlichen Institutionen im Sommer 1939 de facto die einzige politische Macht in Spanien.4i Als Staatschef, Chef der Regierung, Partei und Gewerkschaften, als oberste gesetzgebende Instanz und Generalissimus in Personalunion ist er bis 1942 die Verkörperung des Zentralismus und der Gewalt.42 Die zentrale Stellung des Caudillo über das Kriegsende hinaus sichert ein Dekret vom 8. August 1939.43 »Franco war keineswegs von Anfang der Verschwörung an 38

Sergio Vilar: »Proposiciones metodológicas para el análisis del franquismo«, in: Tuflon de Lara, Manuel et al. (ed.): VII coloquio de Pau. De la crisis del antiguo régimen al franquismo. Ideología y sociedad en la Espafla contemporánea. Por un análisis del franquismo. Madrid: Ed. Cuadernos para el Diálogo 1977, p. 143. Es handelt sich um methodologische Auszüge aus der Dissertation: Dictature militaire et fascisme en Espagne. Paris: Ed. Anthropos 1976. Cf. auch Sergio Vilar: La naturaleza del franquismo. Barcelona: Península 1977.

39 40

Ibid., p. 145. H.W. Franz: Der Frankismus, pp. 207,208.

41 42 43

Cf. R. Tamames: La república, la era, p. 494 und M. Gallo: Spain under Franco p. 80. Cf. H.W. Franz: Der Frankismus, p. 183 und Gómez Pérez: Política y religión, p. 23. H.W. Franz: Der Frankismus, p. 184.

SI diese in der spanischen Militärgeschichte traditionelle F ü h r e r f i g u r . « 4 4 Die Ermordung José Antonio Primo de Riveras und der Flugzeugabsturz General Sanjuijos erst haben seinen Aufstieg begünstigt.^ Durch geschickte Nutzung der Institutionen und zielgerichtetes politisches Vorgehen, zu dem es gehört, bei gleichzeitiger Ausmerzung unpassender Inhalte die äußere Form zu erhalten, sich einer loyalen Gefolgschaft zu versichern, unterschiedliche Interessengruppen gegeneinander auszuspielen und ständig kompromißfähig zu bleiben^, weiß Franco nach 1939 seine Vormachtstellung abzusichern. Die Zeremonie der Machtergreifung am 20. Mai 1939 vergleicht Beneyto mit einer mittelalterlichen Feier für einen aus der Schlacht siegreich heimkehrenden König: En aquel acto Franco depositó su espada y elevó sus preces, reiterando la antigua liturgia de la investidura del Rey como caballero ... El Caudillo leyó su oración y el Cardenal Primado lo b e n d i j o . 4 7 Die Beschreibung der Feierlichkeiten macht die enge Verknüpfung von kirchlicher und staatlicher Repräsentation^ deutlich: »La iglesia recibía pago de la Cruzada y Franco, ante los hombres y por intermedio de la Iglesia, el apoyo de Dios.«49 Auf dem Wege zum Escorial verweilt Franco am Grabe Karls V., um hierdurch zu zeigen, welcher Tradition - die des spanischen Imperiums - er sich verpflichtet fühlt. 50 In der seit dem 19. Jahrhundert bestehenden spanischen Tradition der Einmischung der Streitkräfte ins unmittelbare politische Geschehen steht auch das 'Pronunciamento' vom 18. Juli 1936. Infolge des Bürgerkriegs und der ungeklärten außenpolitischen Entwicklung während des Zweiten Weltkriegs verfügt das Regime über ein zahlenmäßig relativ großes Offizierskorps.51 Die aktive Rolle des Militärs im Staatsapparat hält auch in den ersten Nachkriegsjahren an, wie aus der starken Beteiligung der Armee an politischen Institutionen hervorgeht. Die Regierungsumbildung vom 9. August 1939 sieht sechs Ministeiposten für das Militär v o r 5 2 , das neben der völligen 44 45

Ibid., p. 183. Cf. ibid., pp. 183,211.

46

Cf. Juan Beneyto: La identidad del franquismo: del alzamiento a la constitución. Madrid: Ed. del Espejo 1979 (Col. ee 22), p. 37 und cf. M. Gallo: Historia de la España franquista, pp. 80ff. J. Beneyto: La identidad, pp. 83,84.

47 48

Zur öffentlichen Herrschaftsrepräsentation im Feudalismus cf. Jürgen Habermas: Strukturwandel der Öffentlichkeit, p. 21: »Die Öffentlichkeit der höfisch-ritterlichen Repräsentation, die sich denn auch an Festtagen ... voll entfaltet, ist keine Sphäre der politischen Kommunikation. Als Aura feudaler Autorität signalisiert sie einen sozialen Status. Ihr fehlt daher auch der angebbare 'Ort': der ritterliche Verhaltenskodex ist allen Herren, vom König herab bis zum halbbäuerlichen Einschildritter, als Norm gemeinsam; in ihm orientieren sie sich nicht nur bei definierter Gelegenheit am definierten Ort, etwa 'in' einer Öffentlichkeit, sondern stets und Überall, wo sie in Ausführung ihrer Herrenrechte repräsentieren. Nur die Geistlichen unter den Heiren haben, über die weltlichen Anlässe hinaus, ein Lokal ihrer Repräsentation - die Kirche.«

49

M. Gallo: Historia de la España franquista, p. 76.

50

Cf. ibid.

51

Cf. R. Tamames: La república, la era, pp. 365, 66; S.G. Payne: Falange, p. 207 und H.W. Franz: Der Frankismus, p. 18S. R. Tamames: La república, la era, pp. 497,98.

52

i! Kontrolle der Sicherheitskräfte auch Repräsentanten in der öffentlichen Verwaltung und wirtschaftlichen Aufsichtsräten hat.53 La ley de 25 de septiembre de 1941, que creaba dicho INI [= Instituto Nacional de Industria, Ref.], situaba, además, como Consejeros, junto a los representantes de los ministerios de Hacienda y de Industria y del Instituto de Moneda extranjera, a los de los Tres Ejércitos y del Alto Estado Mayor.54 Inwieweit die Etikettierung der Armee als Nueva Nobleza des franquistischen Regimes einem imperialen Traum des Generalísimo entspringt, der bereits 1931 die Absolventen der Kadettenanstalt in Zaragoza als Caballeros bezeichnete und das »alto concepto del honor del Ejército« in der Tradition des ritterlichen und adeligen Verhaltenskodex verstanden wissen wolltess, soll die Strukturanalyse seines unter Pseudonym 1942 verfaßten literarischen Versuchs Razc£ ergeben. Den Erfordernissen der auf den Caudillo ausgerichteten Militärdiktatur entsprechen die Leitbegriffe des Falange-Programms von Hierarchie, Disziplin und Ehre. 57 Das am 4. August 1937 verabschiedete 27 Punkte-Programm stellt allerdings schon die verwässerte Form falangistischer Grundsätze dar; bereits mit Verlesen des Dekrets vom 19. April 1937 durch General Franco, das die Errichtung einer Monopolpartei, zusammengesetzt aus Militär, Falangisten und Traditionalisten, besiegelte, setzte die »ideologische Aufweichung«58 der Falange ein. »Diese Partei, die später unter dem ihr angemessenen farblosen Namen Movimiento bekannt werden sollte, hatte keine andere Funktion, als zu gehorchen und die Befehle des Caudillo weiterzuleiten.«59 Franco duldet keine nationalsyndikalistische, revolutionäre Falange, die seine eigene Macht einschränken könnte. 60 Vielmehr ist ihm an einer staatlich kontrollierten Partei ohne autonomen Status gelegen, die nicht mehr als ein politisches Instrument ist, um die Institution Staat und die in ihr operierenden heterogenen Kräfte zusammenzuhalten. Immerhin belegen die Mitgliedszahlen der Partei 61 , daß sie bis 1942 aufgrund des bis dahin aussichtsreichen faschistischen Vormarsches der Achsenmächte eine gewisse Eigenständigkeit bewahren kann. Doch mit Absetzung Serrano Súñers als Außenminister und der Zurückdrängung der Falangisten der ersten Stunde aus dem 53

Ibid., p. 372.

54

J. Beneyto: La identidad, p. 244.

55

Beneyto: La identidad, p. 230.

56

Cf. Kapitel 6.1.4. dieser Untersuchung.

57

Cf. H.W. Franz: Der Frankismus, p. 219.

58

Bernd Nellessen: Die verbotene Revolution. Aufstieg und Niedergang der Falange. Hamburg: Leibniz-Verlag 1963, p. 148.

59

G. Jackson: Annäherung, p. 130.

60

Die Falange ist die einzige Partei des spanischen Regimes, nicht jedoch Staatspartei im faschistischen Sinne. Cf. S.G. Payne: Falange, p. 200 und H.W. Franz: Der Frankismus, pp. 402,03.

61

Cf. H.W. Franz: Der Frankismus, p. 251.

54 Nationalrat des Movimiento 62 ist der Niedergang des Einflusses der Partei eingeleitet. Indeed, the FET had been maintained as a party only because of the fascist vogue and the great need for a State ideology and a political framework. As the vogue began to disappear in 1943, the political framework also began to change.63 Wenn die Falange trotz Scheitems der Achsenmächte nicht völlig aus dem politischen Kräftefeld eliminiert wird, so deshalb, weil sie gegen den seit 1943 drängender werdenden monarchistischen Druck auf Franco, sich der Restauration des spanischen Königreiches nicht länger zu verschließen, ein willkommenes Bollwerk darstellt.64 Durch die innere Zerrissenheit zwischen Karlisten- und Bourbonenanhängern noch begünstigt, geht Franco auch aus diesem drohender werdenden Konflikt gestärkt hervor.65 Das ökonomisch und gesellschaftlich herrschende Finanzgroßbürgertum und der großgrundbesitzende Adel (ehemalige CEDA-Anhänger, Monarchisten, Katholiken, Traditionalisten) dulden die Partei, solange sie innen- und außenpolitisch von Nutzen ist66, wobei das mit traditionalistischen und national-katholischen Elementen aufgeladene Programm des Movimiento67 ihrem politischen Interesse nach Herrschaftsabsicherung durchaus entgegenkommt. Spätestens ab 1943, als abzusehen ist, daß der Weltkrieg von den faschistischen Mächten nicht mehr gewonnen werden kann, dient das katholische Element der Nationalen Bewegungen zunehmend als Abgrenzung gegen die faschistische Falange, die zu keinem Zeitpunkt im Staatsapparat dominierend war. In engem Zusammenhang mit der Funktion der Falange für den Staat ist die Rolle der mit dem Gesetz vom 26.1.1940 offiziell gegründeten vertikalen Gewerkschaft zu sehen, in der Unternehmer, Techniker und Arbeiter gleichermaßen zwangsorganisiert sind.69 Das Gesetz, das die ökonomische Trennung von Kapital und Arbeit aufhebt«), bewirkt die Zentralisierung und Kontrolle der Produktivkräfte durch die Exekutive, weshalb man von der Institutionalisierung und Verstaatlichung der Gewerkschaft sprechen kann/" Der falangistische Nationalsyndikalismus, der sich im übrigen als nationale Ant62

Cf. S.G. Payne: Falange, p. 233.

63 64

Ibid., p. 237. Ibid.

65 66

Cf. M. Gallo: Historia de la España franquista, p. 113. Cf. H.W. Franz: Der Frankismus, p. 252.

67 68

Ibid., pp. 223-228. Cf. H.W. Franz: Der Frankismus, p. 252.

69

»Ley de Unidad Sindical«. Die Gewerkschaften sind Körperschaften des öffentlichen Rechts. (H.W. Franz: Der Frankismus, pp. 334, 36). Die gemeinsame Organisierung von Unternehmern und Arbeitern verhindert jedoch nicht, daB die 'Produktionselemente' in getrennten Sektionen zusammengefaßt wurden. (Cf. ibid., p. 337).

70

Ibid., p. 217.

71

Cf. R. Tamames: La república, la era, p. 475; R. Gómez Pérez: Política y religión, p. 33 und M. Gallo: Historia de la España franquista, p. 55.

i 5

wort auf den Anarcho-Syndikalismus verstand^, war mit seinen Forderungen nach Nationalisierung des Bankwesens, Überführung des Kapitals in gewerkschaftliches Eigentum und Agrarreform stark antikapitalistisch. Wie im Fuero del Trabajo zum Ausdruck kommt, folgt das Gewerkschaftssystem zwar in einigen Punkten dem ursprünglichen Konzept des Nationalsyndikalismus - das Modell der Hierarchisierung der Arbeit und die Integration aller am Produktionsprozeß Beteiligten in einem einzigen wirtschaftspolitischen Vertretungsorgan steht in dieser Tradition.73 Doch funktionieren die 24 vertikalen Gewerkschaften im Nuevo Estado in zunehmendem Maße in ausschließlichem Interesse des Kapitals.74 Jede Form des Streiks ist verboten, das private Eigentum wird staatlich geschütztes Als Gerardo Salvador Merino, gewerkschaftlicher Delegado Nacional, seit September 193976 versucht, entsprechend nationalsyndikalistischer Programmatik eine starke Arbeiterbewegung aufzubauen und die Preiskontrolle und Wirtschaftsintervention als Aufgabe der Gewerkschaft und nicht des Finanzkapitals oder des Staates durchzusetzen, sorgen Vertreter des hegemonialen Blocks für seine Absetzung. Unter Anklage des Freimaurertums wird Merino im Juli 1941 auf die Balearen verbannt und mit ihm jede Chance einer unabhängigen spanischen Gewerkschaftsbewegung.77 Merinos Ausschaltung hat zur Folge, daß die »autoritär-korporativistische Linie der katholischen Soziallehre«7« hinfort stärker zum Tragen kommt. Das Grundgesetz der Arbeit, das die Syndikate gleich der privaten Institution der Familie als staatstragende, »quasi- naturrechtliche Gemeinschaft^ definiert, unterbindet jede individuelle oder kollektive Handlung, die der nationalen Produktion schaden könnte.80 Gleichzeitig verfügt es ganz im Sinne eines patriarchalischen Abhängigkeitsverhältnissesäi, daß die Unternehmen das nationale Verantwortungsbewußtsein ihres Personals zu schulen haben. Aus dem Voraufgegangenen ist deutlich ersichtlich, daß die Gewerkschaften, in denen die einzelnen Wirtschaftszweige zentralisiert werden, dem

72

Cf. H.W. Franz: Der Frankismus, p. 214.

73

Cf. R. Gómez Pérez: Política y religión, p. 33.

74

Cf. S.G. Payne: Falange, p. 201.

75

M. Gallo: Historia de ¡a España franquista, p. 56.

76

S.G. Payne: Falange, p. 216.

77

Die Affaire Merino schildert sehr ausführlich S.G. Payne: Falange, pp. 216-220 und H.W. Franz: Der Frankismus, pp. 215,216.

78

79

H.W. Franz: Der Frankismus, p. 216. »Welche wirtschaftliche Ordnungsvorstellung diesem Arbeitsbegriff zugrunde liegt, läßt sich Erklärung IV entnehmen: 'Das Handwerk wird - als lebendiges Erbe einer ruhmreichen Vergangenheit des Zunftwesens - gefordert und wirksam geschützt'« (ibid., p. 231). Ibid., p. 219.

80

Cf. Dioniso Ridruejo: Escrito en España. Buenos Aires: Losada 1962, p. 108.

81

Im Gegensatz zum bürgerlichen Wirtschaftsprinzip prägen im Feudalismus - auf Formen der geschlossenen Hauswirtschaft basierend - vertikale Abhängigkeitsverhältnisse das heiTschaftsständische System. (Cf. J. Habermas: Strukturwandel, p. 29).

56 Movimiento Nacional, d.h. der Institution Staat, untergeordnet sind und der Ausschaltung des Klassenkampfes bzw. der wirtschaftlichen Harmonisierung dienen.82

3.2. Die katholische Kirche als Stütze des politischen Regimes Angesichts der Heterogenität des Hegemonialblocks kann allein die katholische Kirche mit dem geschlossenen Wertesystem ihrer Sozial- und Morallehre das Bindeglied bilden. 83 Das enge Verhältnis von Kirche und Staat ist eine historische Konstante, die nicht erst 1939 einsetzt, als Franco der Kirche ihre alten Privilegien, die die Republik ihr entzogen hatte, wiedergibt. Bereits das durch die Reconquista ausgedrückte Verhältnis zu Juden und Mauren, die spätere Vereinnahmung des lateinamerikanischen Eroberungskrieges als christlicher Kreuzzug^4, gegenreformatorische Bestrebungen und Unterdrückung des Säkularisierungsprozesses im Zeitalter der Aufklärung, die im 19. Jahrhundert zu der Herausbildung »de las dos Espafias« mit heterodoxem Liberalismus auf der einen und eines sich auf die katholische Kirche stützenden Tradtionalismus auf der anderen Seite führte, kennzeichnen die E n t w i c k l u n g . 8 5 Die Legitimation des Bürgerkrieges als K r e u z z u g 8 6 wird etwa seit August 1936 durch Stellungnahmen einzelner Bischöfe zum Krieg von Seiten der Kirche in Umlauf gebracht und schließlich in den »Brief an die katholischen Bischöfe der ganzen Welt« vom 1.7.1937 aufgenommen^ De los textos que se han reproducido me parece que se deduce claramente la inspiración eclesial en el debatido tema de la cruzada ... No son, pues, los elementos militares - y mucho menos en los pasos iniciales de la guerra - quienes producen la idea de guerra religiosa o cruzada y propenden a su uso. Es la iglesia quien de este modo legitima su opción y ofrece un criterio más de legitimación a todo el bloque.88 Bereits seit 1938, als der Katholizismus zur Staatsreligion erklärt wurde, war der 82 83 84 85 86 87 88

Cf. Miguel A. Rebollo Torio: Vocabulario político, republicano y franquista (1931-1971). Valencia: F. Torres Ed. 1978, p. 123. Cf. Alfonso Alvarez Bolado: El experimento del nacional-catolicismo 1939-1975. Madrid: EDICUSA 1976 (Cuadernos para el Diálogo 100), p. 32 und H.W. Franz: Der Frankismus, p. 220. Cf. Werner Krauss: Spanien 1900-1965. Beitrag zur modernen Ideologiegeschichte. München, Salzburg: W. Fink 1972, p. 37. Cf. R. Gómez Pérez: Polítiqua y religión, p. 151. Cf. R. Tamames: La república, la era, p. 595. Abgedruckt bei Femando Díaz-Plaja: El siglo XX. La Guerra (1936-39). Madrid: Inst. de Estudios Políticos 1963, pp. 499-524. Juan José Ruiz Rico: El papel político de la iglesia católica en la España de Franco (1939-1971). Madrid: Tecnos 1977, pp. 48, 49. Die militärische Erhebung hatte auf der republikanischen Seite antiklerikale Ausschreitungen bewirkt; »Sacerdotes seculares asesinados, 4.317; religiosos, 2.489; religiosas 283; seminaristas, 249« (ibid., p. 23). Cf. auch A. Montero: Historia de la persecución religiosa en España 1936-1939. Madrid: Biblioteca de los Autores Cristianos 1961.

51 konfessionelle Charakter des spanischen Staates manifest.89 Analog zum traditionalen Selbstverständnis der Katholischen Könige legte Artikel XI des Parteiprogramms der FET fest, daß der Jefe des Movimiento vor Gott und vor der Geschichte verantwortlich sei.90 Ständige Bezugnahmen auf die Religion werden offizieller Stil Francos: Nuestra política se apoya en estas tres verdades: primero, en los principios de la ley de Dios, indiscutibles para cuantos nos llamamos católicos; segundo, en el servicio de la Patria, inseparable de la existencia de la propia nacionalidad, y tercero, en el bien general de los españoles, postulado indeclinable de toda política. (29.5. 1942: Medina del Campo, Valladolid) La verdad está en nuestra doctrina, está en estos tres gritos de Dios, Patria y Justicia. (18.4.1943: Zamora)9i Zwei Wochen nach dem Ende des Bürgerkrieges schickt Papst Pius XII den Spaniern folgende Botschaft, die die Haltung des Vatikans unmißverständlich zum Ausdruck bringt: La nación elegida por Dios como principal instrumento de evangelización del nuevo mundo y como baluarte inexpugnable de la fe católica, acaba de dar a los prosélitos del ateísmo materialista de nuestro siglo la prueba de que, por encima de todo, están los valores eternos de la religión y del espíritu.92 Zur Intensivierung der Beziehungen Staat-Kirche trifft Madrid ein Abkommen mit der Santa Sede, wonach die Nominierung der spanischen Geistlichkeit auf Vorschlag des spanischen Staatschefs zu erfolgen hat. 93 Aus der Berufung der Erzbischöfe von Sevilla (Segura), Toledo (Pia y Deniel), Granada (Parrado), Santiago (Muñiz), Burgos (Castro) und der Bischöfe von León (Ballester) und Barcelona (Modrego)?4 als Abgeordnete ins Ständeparlament (Cortes) wird ersichtlich, daß Franco der Kirche größeren Einfluß auf den Staat gewährt als der Falange und sie zum heiligen, traditionalen, unangreifbaren Wappen des Regimes macht. Nicht zuletzt durch stärkere Einbeziehung der Kirche in die Regierungsgeschäfte gelingt es Franco 1943, den spanischen Staat vom Faschismus abzukoppeln.95

90

Cf. M. Gallo: Historia de la España franquista, p. 57. Cf. J. Habermas: Strukturwandel, p. 25: »Die Stellung der Kirche wandelt sich [bis zum Ende des 18. Jahrhunderts] im Zusammenhang mit der Reformation ... Religion wird zur Privatsache.« Im Franco-Spanien konstatieren wir eine umgekehrte, auf feudale Gewalten rekurrierende Entwicklung. Cf. S.G.Payne:Fa/anse,p.201.

91 92 93 94

Pensamiento político de Franco. Antología. Bd. 1. Madrid: Eds. del Movimiento 1975, pp. 220,221. R. Gómez Pérez: Política y religión, p. 126. Cf. R. Gómez Pérez: Política y religión, p. 126ss. R. Gómez Pérez: Política y religión, p. 123; cf. auch R. Tamames: La república, la era, p. 595.

95

M. Gallo: Historia de la España franquista, p. 138: »Así, la evolución de la guerra, la derrota de los fascismos que se anuncia, conducen a partir de 1943 la ideología nacional y católica (especie de nacionalcatolicismo) a dominar de hecho en Espafia.« Cf. auch A. Alvarez Bolado: El experimento, p. 36 und H.W. Franz: Der Frankismus, p. 264. Franz kritisiert an Poulantzas' Faschismuskriterien, wie ich meine zu Recht, daß die starke Stellung der katholischen Kirche als ideologischer Apparat der bürgerlichen Gesellschaft... der von Poulantzas aufgestellten

S8. Während der Klerus sich staatlicher Protektion und Wiederherstellung alter Vorrechte versichert, dient er Franco zur Sanktionierung seiner Vorherrschaft und sorgt für die historische Verwurzelung seines Herrschaftsanspruchs in der Tradition der Katholischen Könige Spaniens. Den gemeinsamen Feind finden beide im atheistischen Bolschewismus, dem »Zerstörer der christlichen Zivilisation«.^ Es stellt sich nun die Frage, ob wir von einer staatlich gelenkten oder einer sozial autonomen Institution Kirche auszugehen haben. Alvarez Bolado, jesuitischer Religionssoziologe, der sich um eine Vermittlung von marxistischer Philosophie und christlicher Theologie bemüht, spricht von einem pragmatischen Integrismus, den das sozio-politische Regime gegenüber der Kirche verfolge: Aparentemente protagonista, y aparentemente 'partenaire' del régimen autoritario que ha configurado a España, la Iglesia española sólo ha sido sutilmente 'subordinada' al integrismo pragmático y ecléctico del régimen. Si este integrismo pragmático ha conseguido unos resultados positivos en la reconstrucción del país hay que reconocer que la Iglesia, con su integrismo religioso y cosmovisional, ha robustecido el integrismo autoritario del régimen. Pero hay que preguntarse también si esta colaboración, incluso en lo que haya tenido de positivo, no ha puesto en cuestión, más allá de lo conveniente la específica libertad de la Iglesia dentro del proceso social.97 Katholizismus und Patria — so die grundlegende These des Nationalkatholizismus - stellen eine unauflösbare Einheit dar.98 Ihre Interdependenz ist ein im Mittelalter in verschiedenen Ländern Europas konstatierbares Phänomen, das jedoch mit Entstehen der bürgerlichen zweckrationalen Gesellschaft durch Reformation und Säkularisierung des öffentlichen Lebens aufgehoben w i r d . 9 9 Das im Franco-Spanien absolute normative Ideal der Verknüpfung Iglesia-Patria in der Tradition des Siglo de Oro wird von Alvarez Bolado als anachronistisch entlarvt: Porque la grandeza de España fue herida gravemente por la Reforma y por el triunfo y posterior desarrollo cultural, social y económico de ésta en los países centro-europeos y noratlánticos; por esta razón ... el factor nacional de nuestro nacionalcatolicismo nos dio primeramente un radical talante antiprotestante y,

96 97

98

99

Rangfolge politischer Apparate (Partei vor Familie und Propaganda) widerspreche (H.W. Franz: Der Frankismus, p. 258). Zur ideologischen Legitimationsfunktion der Kirche cf. auch Kapitel 4.2. dieser Arbeit Cf. M. Gallo: Historia de la España franquista, p. 88. A. Alvarez Bolado: El experimento, pp. 33, 34; hierzu auch Eduardo L. Aranguren und Antonio López Pina: La cultura política de la España de Franco. Madrid: Taurus Ed. 1976, p. 202: »La Iglesia, la gran instancia de poder en España a lo largo de siglos, no sólo renunció en 1939 a ser o perfilarse como esfera cultural autónoma de referencia, sino que en su identificación a ultranza con el Alzamiento Nacional proporcionaría por mucho tiempo los mis importantes componentes de legitimación de la política del Régimen del 18 de Julio.« »Coalición entre pensamiento providencialista reaccionario y las doctrinas seculares de la Iglesia« charakterisieren den spanischen Nationalkatholizismus. (Manuel Vázquez Montalbán: Kapitel Uber die Politik im Franquismus, in: J.M. Castellet (ed.): La cultura bajo el franquismo. Barcelona: Ed. de Bolsillo 1977, p. 71). cf. A. Alvarez Bolado: El experimento, pp. 195,96 und H.W. Franz: Der Frankismus, p. 259.

59 posteriormente, también antiilustrado. ... Por todo ello, la teología política del nacionalcatolicismo, al mismo tiempo que vive de una radical nostalgia del medievo, engloba en una lógica histórica cerrada a todo el proceso que a sus ojos - conduce desde Lutero y Calvino hasta Marx y la revolucón rusa. 100 Es wurde festgestellt, daß der Kirche historisch betrachtet zwei Funktionen im »Neuen Staat« zukommen: innenpolitisch ideologischen Kitt für den Hegemonialblock zu liefern und außenpolitisch ab 1942/43 Spanien vom Makel des Faschismus zu befreien. Die Antimodernität101 der Patria Católica scheint hinreichend zu belegen, daß die Institution Kirche den Legitimationsmodus Tradition mitträgt, indem sie den bestehenden Herrschafts- und Kommunikationsformeni02 traditionale (im Rückgriff auf die mittelalterliche Einheit Iglesia-Patria), nicht hinterfragbare Geltung verschafft. Doch nicht nur in den Bereichen Staat und politische Institutionen verhält sich die Kirche als Stütze der ökonomischen und politischen Macht der spanischen Oligarchie. 103 Als ideologisches Instrument kommt ihr im Kontext der Institutionen Erziehung und Familie eine noch ungleich bedeutendere Rolle zu.

3.3. Der Entwicklungsstand des ökonomischen Systems 3.3.1. Ökonomische Gegensätze: agrarische versus industrielle Produktionsstruktur Für das erste Drittel des 20. Jahrhunderts bis zum Ausbruch des Bürgerkriegs ist der ökonomische Entwicklungsstand!04 mit »semiindustrialisiertem Agrarland« einigermaßen präzise umrissen. Aufgrund der rückständigen Wirtschafts- und Sozialstruktur spricht D u v e r g e r i 0 5 von einer »patemalistischen Diktatur«, die sich nach 1939 trotz konservativer Züge genötigt sieht, die Entwicklung der Produktivkräfte zu ermutigen, die letztlich dazu führen wird, daß sich der Franquismus selbst überlebt. Der Industrialisierungsprozeß wurde von Anbeginn an von den vorhandenen Gegensätzen der agrarischen Produktionsstruktur in den Regionen Andalusien, Extremadura, Galicien, Kastilien und Aragón und der industriellen Produtionsstruktur in den Gebieten Katalonien und Baskenland begleitet. Für die zahlenmäßig kleine Gruppe der Terratenientes war die Zweite Republik ein schwerer Schlag gegen ihre Interessen. Zwar werden per Gesetz vom 7. September 100 A. Alvarez Bolado: El experimento, p. 200. 101 Ibid.. p. 196. 102 Die Kommunikationsformen, Ausdruck gesellschaftlicher Identität, werden im Kapitel über die Kategorie Öffentlichkeit zu untersuchen sein. 103 H.W. Franz: Der Frankismus, p. 246. 104 C.W. Anderson: The Political Economy of Modern Spain. Policy making in an aulhoritarian system. Madison: The University of Wisconsin Press 1970. 105 Zit. nach H.W. Franz: Der Frankismus, pp. 87-90.

60 1939 die alten Grundverhältnisse wieder hergestellt106, doch nimmt die politische Bedeutung des Landadels nach dem Krieg zugunsten einer Machtsteigerung des Finanz- und Industriekapitals ab. Durch Veräußerung von Teilen ihres Grundbesitzes an Unternehmer und gleichzeitige Investition des Gewinnes, den sie aus der Agrarproduktion ziehen, in die Industrie, findet in stärkerem Maße als zuvor eine Symbiose zwischen Großgrundbesitz und Finanzkapital statt. 107 Al mismo tiempo, los que más capital disponen comienzan a invertir sus superbeneficios en empresas industriales y así termina de soldarse a finales de 1939 el bloque de latifundistas y financieros y también el del Estado, el Ejército y la Iglesia. 108 Während die Gruppe der besitzlosen Landarbeiter durch niedrige Löhne und als Opfer der Inflation diejenige soziale Schicht ist, die den Aufschwung des Nachkriegsspanien erwirtschaftet, aber durch ständige Kontrolle durch die Guardia Civil und durch spätere Abwanderung in die Industriegebiete^» als politisches Potential sozialer Veränderungen ausgeschaltet wird, hat das Regime in der mittelständischen Schicht der Labradores, Bauern mittelgroßer Höfe, eine zuverlässige Stütze.no Da sie, anders als der Landadel, ihre Besitzungen zum Anbau für den Markt nutzen, werden in ihrem Interesse die Getreidepreise gezielt staatlich subventioniert und die Löhne im Fuero del Trabajo auf den Stand von 1936 eingefroren.!n Den zentralen Nukleus wirtschaftlicher Macht stellt traditionell das private Bankwesen dar. Der von den Privatbanken 1936 verkündete »status quo bancario«, der die Gründung neuer Banken untersagt, erhält am 17. Mai 1940 Gesetzeskraft.112 Per Erlaß vom 14. Juli 1941 werden die Niederlassungen ausländischer Banken nationalisiert, was die finazielle Monopolisierung noch fördert. Die wichtigsten Wirtschaftsentscheidungen obliegen somit den Großbanken. Die daraus erwachsenden politischen Konsequenzen, wie wirtschaftliche und soziale Vormachtstellung einer sozialen Gruppe, und wirtschaftliche Auswirkungen, wie integrale Protektion und inflationäre Entwicklung, verhindern letztlich, daß sich freier Wettbewerb und liberale Wirtschaftstätigkeit durchsetzen können. H3 Analog zur Finanzmonopolisierung entwik106 Cf. H.W. Franz: Der Frankismus, p. 267. 107 R. Tamames: La república, la era, pp. 374, 75. Cf. auch idem: Introducción a ¡a economíca española. Madrid: Alianza Ed. >1973 und idem: Estructura económica de España. Madrid: Alianza Ed. 121978. 108 M. Gallo: Historia de la España franquista, p. 89. 109 Cf. R. Tamames: La república, la era, p. 376. Immerhin verdienen 1939 noch 60 % aller Spanier ihren Lebensunterhalt in der Landwirtschaft; viele städtische Arbeiter kehren in den Jahren des Hungers in ihre Dörfer zurück. (G. Jackson: Annäherung, p. 144) Diese Entwicklung hält jedoch nicht lange an. 110 R. Tamames: La república, la era, p. 376. 111 1939 war die Agrarproduktion im Verhältnis zum letzten Vorkriegsjahr um 21 %, die Industrieproduktion um 31 %, das Bruttosozialprodukt um 26 % und das Pro-Kopf-Einkommen um 28 % gesunken ... Zwischen 1940 und 1945 stiegen die Lebenshaltungskosten um 50 %. (G. Jackson: Annäherung, p. 142). 112 Cf. H.W. Franz: Der Frankismus, p. 268. 113 Cf. R. Tamames: La república, la era, pp. 377-79.

61 kelt sich eine industrielle (Macht-)Konzentration in den grundlegenden Wirtschaftszweigen, wie Elektrizität, Eisenhüttenindustrie, Zement, glasverarbeitende Industrie, Zuckerfabrikation und öffentliche Monopole. In allen Sektoren kontrolliert eine herrschende Gruppe 50 bis 100 Prozent der Produktion. "4 1941 wird das Instituto Nacional de Industria (INI) ins Leben gerufen, das der Produktionsförderung von Treibstoff, Elektrizität, Stahl, Chemikalien und Zement dienen soll. Schon unmittelbar nach Kriegsende zeichnet sich auf öknomischem Sektor die wirtschaftliche Restauration oligarchischer Herrschaft ab. Eine Unterordnung des Kapitals unter staatliche Interessen scheint nicht zuzutreffen. Versuche, Spanien auch ökonomisch zu refeudalisieren, müssen scheitern. Das bürgerliche Wirtschaftsprinzip wird zwar in einigen Punkten modifiziert, nicht aber aufgegeben. Im folgenden muß vielmehr untersucht werden, inwieweit dem Staat umgekehrt eine wirtschaftsííMízende Rolle zukommt und die wirtschaftliche Dominanz des hegemonialen Blocks sich normativ am Universalitätsprinzip orientiert. Die Frage, die sich aus einer möglichen Orientierung am Universalitätsprinzip ergibt, ist, ob nicht der Legitimationsmodus 'Tradition', der sich in den ersten Jahren des Franquismus etabliert, zu ihr in Widerstreit treten muß. 3.3.2. Staatsinterventionismus oder Staatsprotektionismus? Die Ausmerzung der im Bürgerkrieg entstandenen Schäden sind die vordringlichen wirtschaftlichen Aufgaben in den unmittelbaren Nachkriegsjahren, den »años del hambre«.n5 Auf den Import von Investitionsgütern zur Belebung der nationalen Wirtschaft muß mit Ausbruch des Zweiten Weltkrieges weitgehend verzichtet werden. Kriegsreparationen für Waffen- und Rohstofflieferungen an die Alliierten Italien und Deutschland sind zu entrichten. Das Gold der Spanischen Bank war bereits während des Krieges von den Republikanern in die UdSSR, nach Mexiko und Frankreich für Unterstützung gebracht worden. Exportgewinne lassen sich durch Subvention der deutschen Kriegsindustrie mit Ausfuhr von Wolfram und Blei an das Deutsche Reich erzielen. Korruption und Schwarzmarkt blühen. Die neureichen Kriegsgewinnler in den Provinzen gründen ihre Macht auf den alten Traditionen des Feudalismus. Es stellt sich die Frage 1) ob das franquistische Regime von Anbeginn an über eine strukturierte Wirtschaftspolitik verfügt, 2) welche Rolle der Staat dabei spielt und 3) welche Interessen in einem möglichen Wachstumsmodell zu berücksichtigen sind.11« Als ein Charakteristikum des Franquismus bezeichnet Tamames »(el) predominio de los intereses económicos de la libre empresa y subsidiariedad de la intervención H4

Ibid., p. 379.

115 Cf. G. Jackson: Annäherung, p. 143. 116 Cf. H.W. Franz: Der Franlásmus, p. 270.

62 del Estado«! 17. Zu demselben Ergebnis kommt Franz, der im Staatsprotektionismusii8 den entscheidenden inneren Faktor zur Korrektur unzulänglicher privatkapitalistischer Potenzen sieht.119 Die erste Frage läßt sich für die Jahre 1939-1943 eindeutig positiv beantworten, wenn man sich folgende Aspekte vor Augen hält: Die Arbeitspolitik ist von den Merkmalen des Paternalismus geprägt, der der katholischen Soziallehre entlehnt ist und im Neuen Staat Gesetzesform annimmt. Das Wirtschaftsunternehmen wird mit einer 'großen Familie' verglichen, deren Oberhaupt der Unternehmer als 'Vater' oder 'Herr im Hause' darstellt.120 Das Gesetz vom 2. März 1943 verschärft die Kontrolle über das arbeitnehmerische Protestpotential, indem es politische Streiks und Streiks im öffentlichen Dienst als »militärische Rebellion« in die Militärgesetzgebung aufnimmt. 121 Die Preise für industrielle und agrarische Produkte sind einer strengen staatlichen Kontrolle unterworfen und werden praktisch eingefroren. Die Agrarreform wird zurückgenommen, desgleichen die von Syndikalisten geforderte Gleichstellung von Kapital und Arbeit. Privateigentum wird geschützt und das Finanzkapital nicht beschnitten. Die Beantwortung der zweiten Frage nach der Rolle des Staates hängt eng mit der Frage nach einer wirtschaftspolitischen Strategie zusammen. Äußerlich durch die Gründung des Instituto Nacional de Industria manifest, kommt dem Staat eine zentrale Rolle als zusätzliche Akkumulationsstütze, als »kolletiver Finanzier des angestrebten Industrialisierungsschubs«122 zu. Der dritte Aspekt in der Rekonstruktion des ökonomischen Entwicklungsstandes, die Frage nach der Interessenwahrung des finanzkräftigen Bürgertums, soll im folgenden genauer untersucht werden: Die Oligarchie ging mit dem diktatorischen Regime eine Zweckverbindung ein, um sich gegen das alternative Akkumulationsmodell einer sozialistischen Revolution wirksam zu schützen, als 1936 die traditionelle politische Form bürgerlicher Herrschaftssicherung versagte. Der Sieg der Aufständischen muß somit als Sieg des gesamten, auf industriellem Sektor investierenden Finanzkapitals gewertet werden. 1

17 R. Tamames: La república, la era, p. 495.

118 Franz spricht zwar von »S tazlsinterventionismus«, meint damit aber nicht staatliche Dominanz, etwa durch Verstaatlichung wirtschaftlicher Unternehmen, sondern staatlich gelenkte W\i\scta.f\sförderung, was unserem Terminus Staatsprotektionismus entspricht. 119 H.W. Franz: Der Frankismus, p. 149. Cf. auch E.L. Aranguren und A. López Pina: La cultura política, p. 202. 120 Cf. H.W. Franz: Der Frankismus, p. 354. 12 1 Ibid.. p. 330. 122 Ibid. sowie Jordi Solé Tura, in: SJ. Woolf (ed.): The Nature cf Fascism. Zit. nach G. Hermet: La España de Franco, p. 116: »El régimen de Franco había creado una nueva burguesía, una burguesía industrial, una fusión de proprietaries de la tierra y del capital financiero. También había iniciado un proceso de industrialización intensa mediante la intervención del Estado, creando con ello una nueva burocracia. De donde resultó que la clase gobernante en España ya no era el sector tradicional, sino la nueva burguesía. Por consiguiente, el régimen de Franco, hablando con propiedad, no era pro el 'establishment', sino algo más. Había integrado las fuerzas tradicionales y creado una nueva burguesía.«

M Daraus folgert Franz in seiner Arbeit zur politischen Herrschaftssoziologie des Franquismus abschließend: Der frankistische Staat hingegen war die Organisierung der politischen Macht des herrschenden Blocks unter Ausschluß der nichtmonopolistischen Industriebourgeoisie der Peripherie, aber unter Berücksichtigung ihrer öknomischen Interessen. Die politische Hegemonie der Oligarchie innerhalb des herrschenden Blocks blieb, vermittelt über die frankistische Wirtschaftspolitik - und somit über den Kernbestandteil innerbürgerlicher Hegemonie - , beschränkt auf ein bestimmtes Akkumulationsmodell, dessen Grundlage die Überausbeutung der Arbeiterklasse war. 123 Den Ausführungen von Franz ist unter Ergänzung einiger für diese Untersuchung wichtiger Aspekte zuzustimmen. Die (durch den Profittransfer aus der Agrar- zur Industrieproduktion über das spanische Großbankensystem) ausgemerzte Dichotomie vom großgrundbesitzenden Landadel versus Finanzkapital führt zur Etablierung eines hegemonialen Blocks, der staatlichen Protektionismus duldet, weil er seinem ökonomischen Interesse entgegenkommt. Seine Herrschaftslegitimation bezieht Franco faktisch zunächst aus dem Sieg über die Republik. Die durch die drohende Niederlage der Achsenmächte schon frühzeitig veränderte außenpolitische Konstellation veranlaßt Franco, seiner Herrschaft durch 'Tradition' fraglos Geltung zu verschaffen, womit er den reaktionär-katholischen Kräften im hegemonialen Block entgegenkommt. Auch die Außerkraftsetzung der Falange als Staatspartei mit ihren linksfaschistischen wirtschaftsreformerischen Bestrebungen geschieht ganz im Interesse des hegemonialen Blocks. Der Rekurs auf den ökonomischen Entwicklungsstand hat hinsichtlich der objektiven ökonomischen Dimension gesellschaftlicher Praxis bestätigen können, daß staatliche Einflußnahme sich zunächst nicht nur auf den politischen, sondern auch auf den ökonomischen Bereich erstreckt. Wirtschaftliche Macht wird über Gesetzeserlasse und Einrichtung von ökonomischen Kontrollinstanzen zunächst traditional, durch eine Betonung der paternalistischen Strukturen, legitimiert. Die liberalen Kräfte des Bürgertums können aufgrund der Restauration des alten Herrschaftssystems bzw. Akkumulationsmodells - Stärkung der Finanzoligarchie und des Großgrundbesitzes - erst in den 50er Jahren eine ökonomische Mitherrschaft entfalten. Eine zunehmende politisch-ideologische Einflußnahme (Legitimationsmodus rationale Kritik) wird das ökonomisch erstarkende Bürgertum dann aus seiner Wirtschaftstätigkeit (Universalitätsprinzip) herleiten können.124 Langfristig wird also die staatliche Einflußnahme durch Vorgabe des Legitimationsmodus »Tradition« der historischen Logik bürgerlicher Herrschaft zuwiderlaufen.

123

H.W. Franz: Der Frankismus, p. 405.

124

Ibid., pp. 405,06.

64

4. Rekonstruktion der Struktur der spanischen Öffentlichkeit Um die »theoretisch gedachte Einheit von ökonomischer und normativer Synthesis auch soziologisch, d.h. objektiviert in Institutionen dingfest und damit der wissenschaftlichen Untersuchung zugänglich zu machen«, bedient sich Sanders der Kategorie der Öffentlichkeit1, die den Rahmen für die Einzelinstitutionen Familie-PresseKultur2 bildet. Gesellschaftlicher Sinn, d.h. gesamtgesellschaftliche Identität, konstituiert sich dementsprechend komplementär aus den in der Kategorie Öffentlichkeit verorteten Einzelinstitutionen^, deren Entstehungsbedingungen, Struktur und Funktion im folgenden rekonstruiert werden sollen.

4.1. Kontrolle der politischen und literarischen Öffentlichkeit durch Wiedereinführung der Institution Zensur Die Rückkehr zum feudalen Kommunikationsmuster (in die Gemeinschaft zwangsintegrierte Subjekte einerseits und Verwendung traditionaler Weltbilder zur Herrschaftslegitimierung andererseits) vollzieht sich in der Verneinung der bürgerlichen Institutionen. Die wiedereingeführte Zensur illustriert die offizielle Abkehr von der bürgerlichen Meinungs- und Pressefreiheit. Da sowohl politische als auch literarische/kulturelle Publizität direkt von der Kontrolle durch die Institutionen Staat und Kirche abhängig sind, spricht Manuel Abellán von der Zensur als einer »vertiente 'administrativa' de un determinado modo de sentir los valores de la cultura española«4. 1 2

3 4

H. Sanders: Institution Literatur, p. 79. Bei Sanders wird der mediale Ort für Subjektivität in der Literatur gesehen; diese Reduktion scheint mir trotz des eingegrenzten Erkenntnisinteresses von Sanders (Vermittlung von Romanfunktion und Gesellschaftsstruktur) problematisch, da in einer historischen Phase literarischer Marginalität Subjektivität andere mediale Ausdrucksformen sucht und findet. Cf. H. Sanders: Institution Literatur, p. 103. Manuel Abellán: Censura y creación literaria en España (1939-1976). Barcelona: Península 1981, p. 136. Cf. dazu die Aufsatze Abelláns: »Censura y práctica censoria«, in: Sistema 22 (1978), pp. 29-52, »Censura y producción literaria inédita«, in: Insula 339 (1976), »Acotaciones al fenómeno censorio«, in: Schwerpunkt Siglo de Oro. Akten d. dL Hispanistentages, Wolfenbüttel, 28.2.-1.3.1985. Hamburg: Buske 1986, pp. 342-353, »Fenómeno censorio y represión literaria«, in: Censura y literatura peninsulares, pp. 5-25. Außerdem Román Gubem: La censura: Función política y ordenamiento jurídico bajo el franquismo (1936-1975). Barcelona: Península 1981 (Historia, Ciencia, Sociedad 166), die unter Autoren durchgeführte Meinungsumfrage von Antonio Beneyto: Censura

65 Um das Phänomen der Distributionsbehinderung literatursoziologisch beschreibbar machen zu können, scheint es sinnvoll, von einer Institution Zensur zu sprechen, die zur Produktion gesellschaftlichen Sinns beiträgt, indem sie die Informations- und Interpretationstätigkeit manipuliert und die öffentlichmachung von problematischer Subjektivität (d.h. einer von staatlichen und kirchlichen Normen abweichenden Subjektivität) und von Herrschaftsinterpretationen, die nicht dem offiziellen Legitimationsmodus entsprechen, unterbindet (Funktionsbestimmung). Zensur wäre demnach als den Institutionen Presse und Kultur übergeordnet anzusiedeln und soll bei der weiteren Rekonstruktion der Institution Kultur und der Funktionsanalyse der Romane berücksichtigt werden. Sie ist quasi gleichzeitig die Unterkategorie von Öffentlichkeit und der institutionelle Rahmen der Kultur.s Das Zensurwesen hat in Spanien eine lange Tradition, die bis zu dem von den Reyes Católicos in Toledo am 8. Juli 1502 erlassenen Gesetz über die Erteilung von Druckerlaubnissen zurückreicht.6 Seit dem Concilium Tridentinum publiziert die katholische Kirche darüber hinaus den Index librorum prohibitorum, ein Verzeichnis derjenigen Bücher, die gegen das katholische Dogma oder die Moral verstoßen.? Es wäre deshalb ungenau, von einer Genese der Institution Zensur erst im Franco-Regime zu sprechen. Im Gegensatz zur normativen Manipulation in der bürgerlichen Gesellschaft durch ideologische (d.h. partikulare Interessen verallgemeinernde) Interpretation von Herrschaft handelt es sich hier gewissermaßen um die Normengebung durch eine archaische Institution aus der vorbürgerlichen spanischen Gesellschaft, die zur Umstrukturierung bürgerlicher Öffentlichkeit und ihrer Einzelinstitutionen mit dem Endziel einer feudalen Repräsentationsöffentlichkeit führt. Staatliche und kirchliche Zensur spiegeln ebenso wie die Textstruktur literarischer Produkte den Anachronismus staatlicher Umstrukturierungsbemühungen wider, die die Funktion einer längerfristigen Herrschaftssicherung haben: Während »in modernen Gesellschaften ein Zusammenhang zu bestehen [scheint] zwischen dem durch höhere Produktivität der Arbeit erzeugten Reichtum, einer durch die Ablösung des Agrarbereichs als ökonomisch primärem Sektor durch y politica en los escritores españoles. Barcelona: Euros 197S, zur Distributionsbehinderung im spanischen Kino: Carlos Puerto: La censura como problema. Viladrau (Ger.): Cedei 1975; Román Gubem: La censura. Función, política y ordenamiento jurídico bajo el franquismo (1936-1975). Barcelona: Península 1981 und die Ausführungen von José María Martínez-Cachero, in: Historia de la novela, pp. 94 ss. 5

6

7

Öffentlichkeit ^—Zensur Familie Presse Kultur Cf. Fernando Cendan Pazos: Edición y comercio del libro español (1900-1972). Madrid: Ed. Nacional 1972, p. 86. Zum spanischen Zensurwesen im Franco-Regime cf. die zeitgenössischen Studien: Juan Beneyto: Planteamiento del régimen jurídico de prensa y propaganda. Madrid 1944 und Angel González Palencia: Estudio histórico sobre la censura gubernativa en Espana, I-III. Madrid 1934-1941. Zur Inquisition in Spanien cf. Angel Alcalá (ed.): Inquisición española y mentalidad inquisitorial. Barcelona: Ariel 1984; Vigilio Pinto Crespo: Inquisición y control ideológico en la España del siglo XVI. Madrid: Taurus 1983 und Antonio Márquez: Literatura e Inquisición en España (1478-1834). Madrid: Taurus 1980.

úú die Industrie bedingten relativen Freisetzung von Zwängen der Natur und einem relativ größeren Freiheitsspielraum für konkurrierende Normen«8, gilt für die Normen der politischen und literarischen Öffentlichkeit im Franquismus infolge der neu etablierten Institution Zensur ein hoher Grad an Zwangscharakter.' Bereits drei Monate nach Kriegsausbruch hatte sich eine Kommission formiert, die mit dem Thema Zensur befaßt war. Ihr gehörte u.a. J.M. Pemán an, dictó algunas disposiciones sobre la materia que nos ocupa, incluso con índice de autores vitandos comentado por el New York Herald10. Eine Verordnung vom 23. Dezember 1936 legte fest, was hinfort verboten werden sollte: la producción, el comercio y la circulación de libros, periódicos, folletos y toda clase de impresos y grabados pornográficos o de literatura socialista, comunista, libertaria, y, en general, disolventes.n In der Verordnung vom 29. April 1938 wurde der zensorische Verwaltungsablauf geregelt. Danach mußte die Präsentation der Originale in gemeinsamer Verantwortung von Autor und Verleger vor Drucklegung erfolgen. Der Zensurbehörde war die Möglichkeit gegeben, Texte nicht nur zu verbieten, sondern ihre Veröffentlichung auch mit dem Argument der Papierknappheit vorübergehend zu unterbinden. Die Distribution von Werken, die im Ausland erschienen, wurde überwacht und ihre Einfuhr nötigenfalls verhindert. Juan Beneyto, langjähriger Leiter der »Sección de censura de libros«i2, erwähnt in seinem Vortrag »La censura literaria en los primeros años del franquismo. Las normas y los hombres«13 rein kasuistische Normen, die noch während des Krieges aus dem Regierungslager Francos in Salamanca nach Burgos weitergeleitet und ab 1. September 1938 zensorische Praxis wurden.^ ® 9

10

11 12

13 14

H. Sanders: Institution Literatur, p. 40. M. Abellán stellt der Zensur, die in Diktaturen die öffentliche Meinung manipuliere, die bürgerliche Meinungsfreiheit gewissermaßen als positive Alternative gegenüber: »En un estado democrático todo ciudadano tiene derecho a atender o desechar cualquier reclamo de los grupos sociales formal o informalmente constituidos.« (»Literatura, censura y moral en el primer franquismo«, in: Papers (Revista de Sociología) 21 (1984), p. 153.) Meines Erachtens Ubersieht er dabei, daß Meinungs-, Publikations-, Pressefreiheit, d.h. der größere Spielraum für konkurrierende Normen in bürgerlichen Gesellschaften, nur um den Preis relativer Folgenlosigkeit geduldet werden. Juan Beneyto: »La censura literaria en los primeros años del franquismo. Las normas y los hombres«. Vortrag, der auf dem Kongreß »Censura y literaturas peninsulares« am 2.5.1985 in Amsterdam gehalten wurde. Publ. in: M. Abellán (ed.): Censura y literaturas peninsulares. Amsterdam: Rodopi 1987 (Diálogos Hispánicos de Amsterdam 5), p. 28. Orden 23-XII-36, in: Boletín Oficial del Estado (24-XI1-36), pp. 471, 72, abgedruckt im Anhang 2 »Staatliche Zensur«, S. 328f. Er selbst gibt an, diese Tätigkeit bis 1941 ausgeübt zu haben. Die Unterlagen in Alcalá de Henares dokumentieren jedoch, daß er das Amt noch 1944 unter Arias Salgado als Vicesecretario innehatte. (Cf. Anhang 2 »Staatliche Zensur«, Zensurakte Cela, S.307f.). J. Beneyto: Censura literaria, pp. 27-40. Im Anhang zu seinem Vortrag veröffentlicht Beneyto eine Liste sämtlicher zensorischer Normen, die bis 1940 in

SL Nach Kriegsende (Orden de 15 de julio de 1939) werden auch Theaterstücke, Drehbücher, öffentliche Vorträge, Kunst und Musik der zensorischen Kontrolle unterstellt. Der zentralen Zensurbehörde stehen provinzielle Dependencen zur Seite, die allerdings reine Verwaltungsinstanz bleiben, d.h. keine autonomen Zensurbeschlüsse fassen dürfen. Namhafte Falangisten der ersten Stunde, unter ihnen Verfasser von Bürgerkriegsromanen, bekleideten vor Kriegsende in Burgos hohe Posten in der Propagandamaschinerie. J.M. Alfaro war Subsecretario de Prensa y Propaganda, der Autor von El puente, J.A. Giménez Amau, leitete die Presseabteilung, Dionisio Ridruejo, Carmen de Icaza und Angel Riveras de la Portilla die Propaganda. Da das spanische Regime - im Gegensatz zum Faschismus und Nationalsozialismus in Italien und Deutschland - keine kohärente, im einzelnen anwendbare Lehre geschaffen hatte, herrscht in der ersten Etappe der Francoherrschaft normative Willkür in der Zensurausübung. 15 Beneyto liefert in dem oben zitierten Vortrag ein beredtes Zeugnis der internen Machtkämpfe unter den Zensoren verschiedenster Provenienz. Er gehörte zum falangistischen Flügel, dem ab 1942 »tras la adscripción de Propaganda al Partido« die bis dahin uneingeschränkte Kontrolle der gesamten Propagandamaschinerie von den franco-loyalen Vertretern - Aírese als Secretario General del Partido und ab Mai 1941 Arias Salgado als Vicesecretario de Educación Popular^ - streitig gemacht wurde. Als Richtlinie für die Zensoren bei der Anfertigung ihrer Urteile (Informes) entwickelt Beneyto einen Fragenkatalog, der die wichtigsten Beurteilungskriterien für die präsentierten Texte umschrieb: »¿Ataca al Dogma o a la Moral? ¿A las instituciones del Régimen? ¿Tiene valor literario o documental? Razones circunstanciales que aconsejan una u otra decisión«. Dieses Schema löst, wie aus den Zensurunterlagen hervorgeht, 1943 den schlichteren Kanon »Valor literario o artístico, valor documental, matiz político, tachaduras (con referencia a las páginas), otras observaciones« ab. Je fünf Pflichtexemplare präsentieren die Verleger der Censura Previa, deren Existenz, anders als unter der Diktatur Prima de Riveras, offiziell geleugnet wird: Queda prohibido poner 'visado por la censura'. Solamente se admite en los libros escolares la fórmula 'aprobado por la Autoridad'.17 Von Anfang an wird die zensorische Praxis von zwei weiteren politischen Instanzen observiert und modifiziert.

verschiedenen Verordnungen erwähnt wurden und intern in seiner Sektion als Richtlinie dienten. (J. Beneyto: Censura lileraria, pp. 38-40). 15

Cf. W. Krauss: Spanien, p. 137.

16

Cf. M. Abellän: Censura y creacion, p. 16.

17

Anhang »Staatliche Zensur«, Zensurakte Carretero, S.30S.

63. Dejando a un lado la 'praxis' falangista - que más tarde renacerá18 - se estaba a merced de las presiones del ejército y de la iglesia.1' Von militärischer Zensur als unabhängiger, eigenständiger Instanz kann zwar nicht gesprochen werden, doch ist die militärische Konsultation der staatlichen Zensurbehörde in Fällen, die das Militär als politische Gruppierung betreffen, n a c h w e i s b a r . 2 0 Wie die Verordnung vom 16. September 1937 zeigt, die die Konfiszierung »de libros, folletos, revistas, publicaciones, grabados e impresos« betraf, que contengan en su texto láminas o estampas con exposición de ideas disolventes, conceptos inmorales, propaganda de doctrinas marxistas y todo cuanto signifique falta de respeto a la dignidad de nuestro glorioso Ejército, atentados a la Unidad de la Patria, menosprecio de la Religión Católica y de cuanto se oponga al significado y fines de nuestra Cruzada Nacional21 spielte schon in der ersten Phase, in der für die Propaganda noch ausschließlich die Falange verantwortlich zeichnete, die katholische Sozialordnung als Zensurkriterium eine wesentliche Rolle. Schon vor Kriegsende entstehen Kompetenzstreitigkeiten um die normative Sinnkonstitution zwischen Staat und Kirche, die für die Institution Zensur nicht folgenlos bleiben. De un lado pesan las comunicaciones trasladadas desde la Sección Ha del Cuartel

18

Der Autor spielt auf die Liberalisiemngsbemühungen durch Teile der Falange an, filr die es schon 1943/44 vereinzelte Zeugnisse gibt, deren Verbreitung jedoch vom Klerus massiv unterdrückt wird. (Cf. Kapitel 6.3. dieser Untersuchung).

19 20

J. Beneyto: Censura literaria, pp. 34. Das Urteil von Leopoldo Panero über Band XXVm, vol. 6° der Historia de la cruzada española (Madrid: Ed. Espartólas 1943, Auflage: 50.000 Exemplare) lautet folgendermaßen: »Relato de los primeros meses de nuestra guerra, con la minuciosa descripción y examen de las operaciones militares, singularmente de las realizadas por el Ejército del Sur. Constituye uno de los tomos de esta obra ya en marcha y trance de publicación. Hasta donde a nosotros se nos alcanza la obra puede autorizarse, pero dada su peculiar y delicada Indole opinamos debiera remitirse previamente a la Censura Militar Oficial.« Die Publikation wird am 7.1.43 autorisiert »a reserva de censura militar« (Expediente 906-1943 vom 31.12.42. Zu den zitierten Dokumenten aus dem Zensurarchiv in Alcali de Henares cf. Kapitel 6.3.). Ein zweites Zensorurteil, vermutlich aus der Feder eines Militärs, empfiehlt Streichungen auf p. 28 »por creer improcedente la publicación del hecho prescindiendo de la veracidad del mismo que no podemos enjuiciar. Nos permitimos no obstante rogar a la Jerarquía revise lo tachado.« Da das Manuskript fehlt, können Uber die Art der Streichungen keine Aussagen gemacht werden. Die Publikation von Un hombre para dos mujeres (A. Bea Martín) wird ebenfalls vorbehaltlich der militärischen Zustimmung autorisiert (Cf. Anhang 2 »Staatliche Zensur«, Zensurakte Bea Martín, S. 300). Die Praxis einer militärischen Intervention in einigen Fallen bestätigt das Material, das Abellán im Zensurarchiv einsehen konnte. »La censura gubernativa suele denegar tajantemente la publicación de cualquier manuscrito o las partes de él que estén relacionadas con lo militar. En tales casos procede a la suspensión de su dictamen hasta haber consultado con el brazo militar. Sin embargo, la práctica mis corriente consiste en que los militares intervengan, a posteriori, una vez salido a la luz pública el libro, ya sea elevando una protesta contra la obra, ya sea abriendo el correspondiente expediente ante la jursidicción militar. Por lo general, el primer caso es el más corriente.« (M. Abellán: »Sobre censura. Algunos aspectos marginales«, in: Ruedo Ibérico 49/50 (1976), p. 135).

21

Gabilin-Alchud, zil nach M. Abellán: Literatura, censura y moral, p. 158.

69 General; del otro los deseos de la jerarquía eclesiástica que trataba de imponer un índice ampliado.22 Unmittelbar nach der Niederlage der Republik funktioniert die Institution Zensur als Instrument für eine radikale politische Säuberung der gesamten öffentlichkeit.23 Katholizität und Moralität werden den Bürgerkriegsgegnem selbstverständlich abgesprochen und dienen den Siegern zur Ausgrenzung politisch A n d e r s d e n k e n d e r . ^ Im April 1939 erscheint in der Hoja Diocesana des Bistums Barcelona ein Artikel: »Lo que quiere Franco y lo que querían los rojos«, der die Identifikation der Kirche mit der Sache der Aufständischen illustriert.25 Das theologische Sinngebäude, die katholische Moral, dient, wie bereits anhand des Strukturwandels anderer Institutionen dargelegt, einer traditionalen Herrschaftslegitimation Francos.26 Das Konzept der Moral als politischer Ideologiespender umfaßt daher weit mehr als die bloße Normierung von Zwischenmenschlichkeit. Sie löst aufgrund der nicht rational hinterfragbaren Verknüpfung mit der göttlichen Weltordnung global als politische Sittenlehre eine am Prinzip der Demokratie orientierte Staatsform ab: El Estado es un bien necesario, un bien de carácter instrumental, ordenado próximamente a la concepción plena de la vida social y subordinado al fin último del hombre real e histórico, elevado al orden sobrenatural de la gracia, y al que el pecado original no dañó sustancialmente en su libertad natural. 27 Solange die hundertprozentige Interessenharmonie dauert, durchdringen sich politische und kirchliche Normen zur Distributionsbehinderung von Literatur und Presse. Die in Kapitel 3.1.1. erläuterte innenpolitische Machtverschiebung zu Ungunsten der Falange bewirkt, daß die Kirche ab 1942/43 ein absolutes Interpretationsmonopol darüber erhält, was als moralisch unbedenklich zu gelten hat. So erklärt sich, daß nach einer Phase radikaler ideologischer Säuberung in einer Zeit, in der es politisch praktisch nichts mehr zu zensieren gibt, sogar Propagandaromane einiger Falangisten am klerikalen Moralindex scheitem.28 Besonders Ecclesia macht es sich zur Aufgabe, ihre Leser einer kirchlichen Zensur in Form freiwilliger Selbstkontrolle auf der Basis des Indice de libros prohibidos auszusetzen. Zur Geschichte des Index Romanus erscheint 1944 eine Abhandlung, die sich als Rechtfertigung der erneuten Publikationsobservierung durch die katholi22 23

J. Beneyto: Censura literaria, p. 34. Politische Morde, Konzentrationslager. Bucherverbrennungen, Verbot der Regionalsprachen etc. sind Manifestationen derselben Tendenz. (Cf. M. Abellän: Literatura, censura y moral, pp. 161,62).

24 25 26 27

Cf. M. Abellán: Literatura, censura y moral, p. 160. Ibid., p. 162. Cf. ibid., p. 164. Gabriel Arias Salgado: Política Española de la Información II. Madrid: Ministerio de Información y Turismo 1958, p. 15, zit. nach M. Abellán: Literatura, censura y moral, p. 156.

28

Cf. Kapitel 6.3. dieser Untersuchung.

70 sehe Kirche in Spanien liest.® Der Autor hebt die Bedeutung der Indices españoles hervor - regionale Zensurlisten, die bis ins 16. Jahrhundert zurückreichen und bis ins 19. Jahrhundert der spanischen Inquisition als Grundlage dienten. Danach hatte noch der Indice romano offizielle Gültigkeit: En este siglo XX de libertad y progreso, es más necesaria esta censura de las ideas, que conforme a la tradición y al deber reivindica la Iglesia por lo mismo que quiere proteger la verdadera libertad contra el libertinaje. 'La verdad os hará libres', decía el Divino Maestro (Joh. 8, 32) a los que se gloriaban de una falsa libertad, porque en realidad eran esclavos del pecado' (Joh. 8, 34)... En consecuencia ha dado [la iglesia] sus normas sobre los libros, periódicos y cualesquiera otros escritos destinados a la publicidad, reclamando para previa censura lo que interesa a la pureza de la fe e integridad de costumbres.30 Mit dieser Legitimation hängt sich die Kirche an die staatlichen Maßnahmen zur politischen Kontrolle der Öffentlichkeit an. Laizismus und Republik versus katholischer Glaube und Nationalismus sind unauflösbare Bedeutungspaare und dienen letztlich der Stigmatisierung der Verlierer. Libertinaje in Abgrenzung zu nationalistischer Libertad taucht als Schlagwort in vielen pro-franquistischen Bürgerkriegsromanen auf, um den Führungsanspruch der republikanischen Regierung abzuklassifizieren. Die Wiederaufnahme der archaischen Institution Zensur wird, was die Belange der Kirche anbetrifft, mit der schon vorhandenen Existenz einer staatlichen Zensur zum Schutze nationaler Interessen gerechtfertigt. Im Normenkanon des Indice de libros prohibidos, den der Professor für Teología Moral expliziert, steht an neunter Stelle (Kanon 1.399) das Verbot von Büchern, »que tratan, narran o enseñan ex profeso cosas lascivas u obscenas«3i, das für einige Bürgerkriegsromane trotz staatstragenden Inhalts schwerwiegende Konsequenzen haben sollte. Der Index in seiner neuesten Auflage von 1941, auf dem Romane von Ayguals de Izco, Balzac, D'Annunzio, Dumas, Flaubert, France, Hugo, Sand, Stendhal und Sue gleichermaßen stehen, konnte, bezogen auf Spanien, nur den Charakter einer allgemeinen Richtschnur haben. Gestützt auf päpstliche Warnungen vor dem für Glauben und Sitte schädigenden Einfluß der Lektüre gefährlicher Bücher insbesondere für die Jugend32 gründet die Junta Técnica der Acción Católica unter Leitung von Francisco Cervera »el Secretariado de Orientación Bibliográfica«, das den spanischen und ausländischen Buchmarkt auf moralische Werte überprüfen soll. Seine »Urteile« (Dictámenes), die in den folgenden Ausgaben von Ecclesia veröffentlicht werden, unter29

Marcelino Zalba: »Libros prohibidos«, in: Ecclesia (1944), pp. 401, 02; 422,23, in Auszügen zit. im Anhang 3 »Kirchliche Zensur«, S.336f.

30

Ibid., pp. 75,76.

31 32

Marcelino Zalba: »Libros prohibidos«, in: Ecclesia (1944), p. 79. Cf. Benito Fuentes Isla, Francisco Cervera: »¿Que libro y autores puedo leer?«, in: Ecclesia 129 (1944), in Auszügen ziL im Anhang 3 »Kirchliche Zensur«, S.333.

ZI scheiden sich von den staatlichen Zensunirteilen (Informes) 1) durch Vernachlässigung politischer N o r m e n 3 3 , 2 ) durch normative Abhängigkeit von der Institution Kirche und 3) durch ihr Einwirken a posteriori auf die Distribution. Der Übergang zu Buchkritiken ist also fließend. Dennoch muß eine Unterscheidung zu reinen Buchkritiken getroffen werden, da ein kirchlicher Zensor in seinen dictámenes einem bestimmten festgelegten Beurteilungskanon zu folgen hat: l fi Si juzga que le son aplicables las reglas prohibitivas del 'Indice'. O si le parece: 2a Reprobada por la moral 3a Dañosa 4a Peligrosa 5 a Frivola, 6 a Inofensiva 7 a Moral; o en fin, 8 a Moralizadora. Dieselbe Klassifizierung findet auf das Gesamtwerk der Autoren Anwendung. Ebenso wird der zugelassene bzw. ausgeschlossene Leserkreis in 10 Kategorien unterteilt: 1. Ninguno, bajo excomunión, puede leerlas. 2. No pueden leerse. O que sólo pueden leer: 3. Personas muy formadas y con graves motivos. 4. Personas formadas. 5. Personas ilustradas. 6. Personas de mundo. 7. Personas mayores. 8. Obras que pueden ser leídas por todos. 9. [Obras] Para jóvenes. 10. [Obras] Para n i ñ o s . 3 4 Getreu den Richtlinien bannen die Buchinquisitoren in Ecclesia im folgenden De un errante von Felipe Sassone, La lucha por la vida und Camino de perfección von Baroja sowie La catedral von Blasco Ibáfiez. Sie stufen Pabellón de reposo von Cela oder El mar von Baroja als 4 a (gefährlich) ein. Die Werke von Fernández Flórez werden aufgrund der »tendencia pessimista«, »influencia ... de Anatole France«, »su volterianismo«, »escenas ... pornográficas« als schädigende Lektüre für Jugendliche stigmatisiert, sogar Klassiker wie die Schelmenromane Vida del Buscón von Quevedo und Lazarillo de Tormes, die schon zum Zeitpunkt ihrer Entstehung unter Observation der spanischen Inquisition standen, können nicht »bedenkenlos jedem als Lektüre empfohlen w e r d e n « 3 5 . Das Raster ist so eng, daß auch die aufgrund der politi33

Politische Normen waren allerdings, wie bereits erwähnt, nach der radikalen Säuberung auch fllr staatliche Belange der Zensur funktionslos geworden.

34

Cf. Anhang 3 »Kirchliche Zensur«, S.334.

35

Ibid., S.335.

72 sehen Unbedenklichkeit und des starken Evasionsbedürfnisses der spanischen Leserschaft stark angestiegene Übersetzungsliteratur häufig an den Normen der katholischen Moralwächter scheitert: »Frivol« sind El extraño caso del doctor Jekill y míster Hyde von Stevenson und Aventura macabra von E9a de Queiroz; »reprobada por la moral« ist Hombre y superhombre von Shaw und Una vez tuvimos un hijo von Fallada. El secreto de E f f i Briest von Fontane erhält die Bewertungsziffer 3 (dañosa) und wird nur in Händen von »personas muy formadas y con graves motivos« geduldet; sogar El fantasma de Canterville von Oscar Wilde wird Jugendlichen verboten.36 Hierin liegt der Unterschied zur staatlichen Zensur, die bereits vor Publikation der Werke kontrollierend eingreift, während die kirchlichen Dictámenes sanktionierend (z.B. durch Androhimg von Exkommunizierung oder Denominierung der Lektüre als Sünde) auf die Adressaten einwirken. Dies besagt nicht, daß die Kirche nicht auch publikationsverAiWerad wirken kann, wie die in Kapitel 6.3. erörterten Beispiele belegen. Zur Wahrung kirchlicher Interessen beschäftigt die staatliche Zensurbehörde neben den allgemeinen Zensoren sogenannte Censores Eclesiásticos, deren Stellungnahme häufig über die Genehmigung oder Ablehnung der Publikation entscheidend Der massive Eingriff der Kirche in die normative Ausgestaltung der Institution Zensur infolge der Zweckallianz Patria-Iglesia, der für die erste Nachkriegsphase gilt, sollte sich erst Mitte der 50er Jahre lockern: La unión de las espadas y el altar ... quedaba intacta mientras otros males mayores no la pusiesen a prueba. La jerarquía daba a entender que deseaba cierta autonomía de vuelo y el contrato tácito entre los dos quedaba en ciertos aspectos anulado. La moral se relajaba y el régimen estaba dispuesto a permitir el error siempre y cuando se evitara el mayor mal: el debilitamiento de su a u t o r i d a d . 3 8

4.2. Kirchlicher Einfluß auf die privaten Institutionen Ehe und Familie und Monopol im Erziehungswesen Im Rahmen der staatlich erzwungenen Neugestaltung gesellschaftlicher Institutionen erfolgt auch der Zugriff auf die Familie, institutioneller Ort der Primärsozialisation und Ort der Genese bürgerlicher Identität.39 Unter Berufung auf die katholische Soziallehre zur Keimzelle der »natürlichen Gemeinschaft«^ erhoben, ist sie ebenfalls 36

Cf. Anhang 3 »Kirchliche Zensur«, S.335.

37 38 39 40

Cf. Kapitel 6.3.1. und 6.3.2. dieser Untersuchung. M. Abellán: Literatura, censura y moral, p. 172. Cf. H. Sandeis: Institution Literatur, p. 99. Ein von Lukács eingeführtes und später von Habermas weiterentwickeltes Kriterium fttr eine »geschlossene Kultur« vorbürgerlicher Gesellschaftsformationen ist auf der Subjektseite die unmittelbare Einheit der Subjekte mit der »Gemeinschaft«. (Cf. H. Sanders: Institution Literatur, p. 64 und Franz: Der Frankismus, p. 260).

21 organisch-hierarchisch gegliedert41, wobei der Mann über die Frau und die Eltern über die Kinder bestimmen. In dem Maße, wie das Familienoberhaupt, das in Kontakt mit anderen Bereichen der spanischen Öffentlichkeit tritt, »diese Ideologie als seine eigene Lebenserfahrung reproduziert[e], gehört[e] die Familie zu den Institutionen der ideologischen Integration in die bestehende Gesellschafts- und Herrschaftsverhältnisse«42: Una de las instituciones que la revolución marxista agredió más a fondo en España, fué la institución familiar ... Franco, frente a la revolución marxista, ha restaurado en España el concepto cristiano de la familia. La familia como santuario, como núcleo vivo de la tradición, como célula elemental y completa de la Patria.« Die Bezeichnung »educación y descanso« bzw. »cultura popular« kaschieren den gezielten Dirigismus, der die Freizeitgestaltung in der primären moralischen Institution Familie44 bestimmt. Intersubjektivität unterliegt wieder kirchlichen Reglementierungen: Die Möglichkeit ziviler Eheschließung wird im Nuevo Estado 1941 durch ein Abkommen mit dem Vatikan annulliert. Die kirchliche Trauung ist für katholische Spanier die einzig rechtsgültige. Ehebruch wird - trotz formaler Gleichberechtigung der Geschlechter lediglich bei Frauen als strafbare Handlung geahndet.45 Das von den Repubikanem erlassene Scheidungsgesetz wird im September 1939 aufgehoben.4^ Was das Verhältnis der privaten Institutionen zum Staat anbelangt, so teile ich die Auffassung von Hans Werner Franz, daß die Familie als natürliche Grundzelle der Gesellschaft zwar für das diktatorische Regime relevant ist, man aber trotz Sakralisierung und Hierarchisierung nicht von ihr als ideologischem Staatsapparat (cf. Poulantzas' Faschismuskriterien) sprechen kann.4? Mit Normalisierung des öffentlichen Lebens wird die Frage einer adäquaten Struktur des Erziehungswesens akut. Die Schulausbildung wird der Kontrolle der Kirche unterstellt.4« Andachten und samstägliche Unterweisungen im Neuen Testa4

1

Zur Hierarchie ständischer Herrschaft im Feudalismus cf. Habermas, zil nach Sandeis, p. 85. Zur Rolle der patriarchalischen Kleinfamilie in der bürgerlichen Gesellschaft cf. J. Habermas: Strukturwandel, p. 105.

4

2

H.W. Franz: Der Frankismus, p. 261. Cf. hierzu die Funktion der Kleinfamilie in der bürgerlichen Gesellschaft, die mit dem oben beschriebenen Phänomen keinesfalls deckungsgleich ist: Erst im Verlauf der Umstrukturierung des Wirtschaftslebens »wird die Familie zum Schutzraum des nur noch Privaten ... Erst mit Verlust der produktiven Wechselwirkung zwischen Familie und Gesellschaft führt väterliche Autorität zu einem zunehmend gesamtgesellschaftlich überflüssigen Unterwerfungsdruck.« (H. Sanders: Institution Literatur, p. 132).

43

»La familia como santuario«, in: Destino (7.10.1939), p. 2.

44

5

Art. XII, 3 des Fuero del Trabajo von 1939, zit. nach M. Gallo: Historia de la España franquista, p. 55. Cf. auch Amando de Miguel: Sociología del franquismo. Análisis ideológico de los ministros del régimen. Barcelona: Ed. Euros 1975, p. 152. Cf. H. Sanders: Institution Literatur, p. 85: Der private Raum wird öffentlich relevant. H.W. Franz: Der Frankismus, p. 260.

4

6

Cf. G. Jackson: Annäherung, p. 132.

4

7

4

H.W. Franz: Der Frankismus, p. 260. Cf. J. Beneyto: La identidad, p. 218, G. Jackson: Annäherung, p. 139 und M. Gallo: Spain under Franco, p. 132.

74 ment sind in den Grundschulen obligatorisch, konfessionelle Kriterien bei der Einstellung des Lehrpersonals ausschlaggebend. Der Lehrplan vom Juli 1940 berücksichtigt allerdings - dem neuen Konzept des Nationalkatholizismus folgend - auch politische Unterweisungen: Der Befreiungskrieg, seine militärischen Führer, der Caudillo sind die festgelegten Inhalte.*' Unter Absingen der Falange-Hymne »Cara al sol« müssen die Schüler mit faschistischem Gruß die Fahne hissen. Die Schulbücher sind voll von der miteinander verquickten Rhetorik des Faschismus und Christentums.so Acordados, ein Geschichtsbuch für Kinder aus dem Jahre 194251 belegt die aktualisierten traditionalen Werte und Normen in anschaulicher Weise: Den Kindern der für Gott und Vaterland Gefallenen der 'Cruzada de Liberación' gewidmet, schildert das Buch die Geschichte des spanischen Imperiums seit seiner Gründung durch die Reyes Católicos. Unter völliger Auslassung der Ereignisse des 17. und 18. Jahrhunderts wird die Krise Spaniens als Weltmacht auf die nationalen Feinde, den Protestantismus, die Freimaurerei zurückgeführt, gegen die sich das Land im Befreiungskrieg gegen Napoleon, den Karlistenkrieg und Kolonialkriegen verteidigt habe (4959). Franco, Caudillo de España por la Gracia de Dios (85) wird als Retter vor dem »Virus del separatismo« (69), dem »monstruo del ateísmo y anticatolicismo« (71), dem »comunismo, base satánica del Mal« (75) und dem »anarquismo, otra lacra social« (79) glorifiziert.52 In der höheren Schulbildung findet die Kirche als Träger ihr Hauptwirkungsfeld; die privat, von religiösen Orden geleiteten Colegios fördern allerdings lediglich Kinder zahlungskräftiger Mittelschichtfamilien, was eine »educación clasista« noch verfestigt^ Traditionelle Rollenzuweisungen fördert ein nach Geschlechtern getrenntes Erziehungssystem: Por la colaboración reglementada del Frente de Juventudes - en quien tiene todas sus complacencias S.E. el Jefe del Estado - se logra en los masculinos una eduy

50

Cf. M. Gallo: Historia de la España franquista, p. 92. Zu den Normen für Schulbücher unter Berücksichtigung der Aspekte Orthodoxie, Moral und politische Strenge cf. den Circular no. 59 v. 1.12.1943 der Vecesecretaria de Educación Popular, ziL nach Valeriano Bozal: »La edición en Espafla. Notas para su historia«, in: Cuadernos para el Diálogo (mayo 1969), pp. 85,86. G. Jackson: Annäherung, p. 141.

51 52

José M. Torrents: Acordados. Barcelona: Nacional de Artes Gráficas 1942. Das analysierte Beispiel ist kein Einzelfall. »Basta con consultar por ejemplo el libro de Ernesto Giménez Caballero, España nuestra, el libro de las juventudes españolas, editado en 1943 en Madrid por la Vicesecretaría de Educación popular, para medir cuáles son los temas de la ideología dominante ... Es preciso, dice, exaltar estos dos sentimientos fundamentales: el religioso y el heroico ... En el capitulo titulado 'Los fundadores de España' se examina sucesivamente: l 9 los santos; 2° los héroes - el último de los cuales es el Caudillo, tradicional y nuevo a la vez; 3° las multitudes (madres, soldados, burgueses, labradores, artesanos).« (M. Gallo: Historia de la España franquista, p. 141).

53

Neben der Wiedereinführung der privat geführten Colegios regelt das Estatuto de Enseflanza Media vom 20.9.1938 (ergänzt durch die ministerielle Verordnung vom 31. Oktober 1940) die religiöse und patriotische Erziehung in den Institutos Nacionales. 1947 stehen 686 konfessionellen Colegios eist 119 staatliche Institutos gegenüber. (Cf. Franco y la Cultura. Labor del Estado Español (1939-1947). Madrid: Oficina de Información Espadóla 1947, pp. 73-76,83,84).

75 cación física, artística y premilitar, mientras en las femininas trabaja la Sección Feminina de Falange, regentando las Escuelas del Hogar, formando mujeres que sepan los fundamentos de los hogares de mañana.54 Mit Unterstützung des Erziehungsministers Ibañez Martín - einem früheren CEDA-Abgeordneten und kompromißlosen Katholiken - gewinnt die 1928 gegründete Laienorganisation Opus Dei Einfluß auf die Ausbildung einer universitären Führungselite.55 Die mit Kriegsende zunehmend bedeutender werdende Organisation wird im März 1941 vom Bischof von Madrid-Alcalá als diözesische Vereinigung anerkannt und bekommt 1943 vom Vatikan den Status eines »weltlichen Instituts der Kirche« zugesprochen.56 Im November 1939 wird der Consejo Superior de Investigaciones Científicas ins Leben g e r u f e n 5 7 , dessen Aufgabe »la restauración de la clásica y cristiana unidad de las ciencias, destruida en el siglo XVIII« ist.58 Auch auf Hochschulebene wird der normative Doppelcharakter Catolicismo-Patria ab 1943 deutlich: Die »Ley de Ordenación de la Universidad española« vom 29. Juli 1943 legt fest, daß die Universität ihre Lehre an das katholische Dogma und Moralität anpassen s o l l e . 5 9 Gleichzeitig jedoch haben Hochschullehrende die Prinzipien des Movimiento mitzutragen und Studenten des zweiten Studienjahres müssen zur Militia der Falange gehören oder drei Jahre Militärdienst abgeleistet haben.

54

Eduardo Julia Martínez (Franziskaner): »La enseñanza media en el Nuevo Estado«, in: Verdad y Vida 3 (jul.-sept. 1943), p. 595 und Franco y la Cultura, pp. 78,79.

55

56

Cf. G. Jackson: Annäherung, p. 139 und R. Tamames: La república, la era, p. 374. Zu den Pflichtveranstaltungen aller Studenten gehören theologische Studien; das studentische Leben wird in den Colegios Mayores ab 1943 vom Klerus überwacht. (M. Gallo: Historia de la España franquista, p. 139). Cf. M. Gallo: Historia de la España franquista, p. 93 und G. Jackson: Annäherung, p. 139.

57 58 59

G. Jackson: Annäherung, p. 140. Zit. nach M. Gallo: Historia de la España franquista, p. 93. Ibid.. p. 138.

76

4.3. Presse als Medium politischer Öffentlichkeit«) Da es nicht zugelassen werden konnte, »que el periodismo continuara viviendo al margen del Estado«61, verankerte das Pressegesetz von 1938 die Nationalisierung der Presseinstitution und stutzte die Wirkungsmöglichkeiten politischer Information auf regimekonforme Berichterstattung zurecht. Corresponde al Estado la organización, vigilancia y control de la institución nacional de la prensa periódica. En este sentido compete al ministro encargado del Servicio Nacional de Piensa ... la facultad organizadora de la misma. (Art. I 2 ) 62 Propaganda gegen den spanischen Staat oder die Kirche ist untersagt: Se castigan las propagandas que tiendan a subvertir violentamente o destruir la organización política, social, económica o jurídica del Estado; a destruir o relajar el sentimiento nacional; a atacar a la unidad de la nación española o promover o difundir actividades separatistas ... También, la circulación de noticias ... con intención de perjudicar el crédito o la autoridad del Estado. (Art. 251-53)... El escarnio a la Religión Católica, de palabra o por escrito, ultrajando públicamente sus dogmas, ritos o ceremonias lo pena el art. 209. La blasfemia por escrito y con publicidad es delito también. Y la propaganda anticonceptiva (Art. 416).63 Die massive Beschneidung bürgerlicher Informations- und Meinungsverbreitung, die nach 1939 in ganz Spanien einsetzt, wird offiziell durch Verweis auf die politische Instabilität, die in Spanien immer schon mit Pressefreiheit einhergegangen sei, traditional legitimiert: They might have argued also that, insofar as they were products of a culture grounded in the past, they were conditioned to react with fear to a free press, as well as to political freedom, and to seek authoritarian answers to political and social questions .64 Ein freies, liberales Pressewesen wird kausal mit der Zweiten Republik in Zusam60

Presse ist im Franquismus nicht das einzige Medium politischer Öffentlichkeit. Neben der Literatur dienen auch Kino, Radio und Architektur der Herrschaftslegilimation: Auf Erlaß des Innenministeriums vom 2.11.1938, ergänzt durch die Verordnung vom 23.11.42, unterliegen alle Filmproduktionen der staatlichen Zensur. (M. AbeÜán: Censura y creación, p. 23). Ab Januar 1943 sind die Wochenschauen und Kurzfilme des NO-DO (Noticiero Cinematográfico Espaflol) obligatorisch in allen Kinos (M. Abellán: Censura y creación, p. 24, Equipo Resefla: La cultura española durante el franquismo. Bilbao: Mensajero 1977, p. 173), wodurch der Staat praktisch das Monopol über den spanischen Kurzfilm hat

61

62

Zit. nach R. Tamames: La república, la era, p. 591. Cf. auch Henry F. Schulte: The Spanish Press. 1470-1966. Print, Power and Politics. Urbana, Chicago, London: Univ. of Illionois Press 1968, p. 241 und p. 13. La Ley de Prensa vom 22. April 1938 war unter maßgeblicher Mitwirkung von Serrano Súfler entstanden und wurde durch die Ministerialverordnungen vom 24.4.1940 und vom 24.2.1942 ergänzt (R. Tamames: La república, la era, p. 590). Es blieb bis 1966 in Kraft Nicolás González Ruiz (ed.): El Periodismo. Teoría y práctica. Barcelona: Ed. Noguer 21955, p. 502.

63 64

N. González Ruiz (ed.): El Periodismo, p. 505. H.F. Schulte: The Spanish Press, p. 242.

71 menhang gebracht, das mit seiner Art der Berichterstattung zum Chaos der Demokratie beigetragen habe. Nach der »Rettung Spaniens vor dem Untergang« wird es im Neuen Staat ausgegrenzt. Entsprechend lautet die mit dem Pressegesetz verbundene Absicht im Vorwort: ... la empresa de volver a España su rango de nación unida, grande y libre, de los daños que una libertad entendida al estilo democrático había ocasionado a una masa de lectores diariamente envenenada por una Prensa sectaria y a n t i n a c i o n a l . 6 5 Gabriel Arias Salgado, zunächst Leiter der »Prensa y Propaganda« der Falange, wird 1941 Vicesecretario de Educación Popular, was gleichzeitig bedeutet, daß er höchstes politisches Organ zur Kontrolle der spanischen Presse ist. Permanent beruft er sich auf die autoritäre Tradition und nutzt seine Stellung, um das Massenkommunikationsmedium als Propagandainstrument einzusetzen.® El Sol und Heraldo de Madrid, zwei der wichtigsten liberalen Madrider Tageszeitungen, hatten ihr Erscheinen während des Krieges eingestellt; ihre Verlagshäuser werden nach Kriegsende Produktionsstätten des falangistischen Organs Arriba und der von Juan Pujol geleiteten Tageszeitung Madrid. ABC, eine monarchistische Zeitung, die von den Republikanern während des Krieges weitergeführt worden war, untersteht wieder dem Direktor Ignacio Luca de Tena. Auch die katholische Zeitung Ya und das monarchistische Morgenblatt Informaciones unter Víctor de la Sema profitieren von dem neuen politischen Klima.67 Zwischen Bürgerkriegsende und 1944 steigt die Zahl der Tageszeitungen in Madrid von vier auf n e u n . ® Barcelona verfügt über fünf täglich erscheinende Publikationen.69 Insgesamt zirkulieren 104 Zeitungen in S p a n i e n ^ , von denen lediglich 20 Neugründungen sind, allein neun davon offizielle Parteiorgane der FET.71 Nicht nur die Pressetätigkeit, sondern alle Druckerzeugnisse bedürfen von Anbeginn an staatlicher Genehmigung.^ Die autorisierten Presseagenturen Efe, Cifra und Mencheta senden vor der Veröffentlichung die »versión confidencial« ihrer Informationen und Nachrichten ebenso

65

zit. nach Eduardo L. Aranguren und Antonio López Pina: La cultura política, p. 89.

66

Cf. H.F. Schulte: The Spanish Press, p. 8.

68

Cf. H.F. Schulte: The Spanish Press, pp. 15, 16 und Antonio Espina: El cuarto poder. 100 años de periodismo español. Madrid: Aguilar 1960, pp. 295-97. ABC, Arriba, Gol, Informaciones, Madrid, Marca, Ya, Pueblo und El Alcáczar.

69

Diario de Barcelona, Solidaridad Nacional, El Mundo Deportivo, La Prensa, La Vanguardia Española.

70

Sechs weitere erscheinen in den afrikanischen Kolonien.

71

H.F. Schulte: The Spanish Press, pp. 20, 21. Cf. das Verzeichnis der wichigsten politischen und literarischen Zeitungen und Zeitschriften aus den Jahren 1939-43 im Anhang 1.

72

Cf. Kapitel 4.1. und 6.3. Mit Wirkung vom 18.4.1940 unterliegen auch öffentliche Vorträge und Konferenzen, die außerhalb der Kirche, Universität und der Partei gehalten werden sollen, der vorherigen Begutachtung durch die Dirección General de Propaganda (R. Tamames: La república, la era, pp. 592, 93; Eduardo L. Aranguren u. Antonio López Pina: La cultura, p. 88).

wie Telegramme der Auslandskorrespondenten an den Negociado de C e n s u r a i Die Pressekontrolle erstreckt sich über die Zensur hinaus auch auf die Journalisten selbst, die Staatstreue mit folgendem Wortlaut schwören müssen, um Berufserlaubnis zu bekommen: Juro ante Dios, por España y su Caudillo, servir a la Unidad, a la Grandeza y a la Libertad de la Patria con fidelidad íntegra y total a los principios del Estado español, sin permitir jamás que falsedad, la insidia, o la ambición tuerzan mi pluma en la labor diaria.7* Die Veröffentlichung bestimmter, vom Ministerium ausgegebener Texte zu politischen Ereignissen ist obligatorisch und unterliegt der Kontrolle der Dirección General de Prensa.75 Ausnahmen bilden Ecclesia, das offizielle Organ der Acción Católica, und zeitweise Arriba, 1935 von José Antonio Primo de Rivera gegründete Tageszeitung der PET y de las JONS, die 1941 einige Monate lang einen ähnlichen Status genießt. Als diese relative Freiheit wieder zurückgenommen wird, beginnen Dionisio Ridruejo und Antonio Tovar, Vertreter der intellektuellen Führungsspitze der Falange, sich von der offiziellen Propagandaarbeit zu distanzieren.Das monatlich erscheinende Luxusmaganzin Vértice, ein Parteiorgan, das während des Krieges in San Sebastián und ab 1939 in Madrid von Ridruejo und Yzurdiaga herausgegeben wird77, macht es sich zur Aufgabe, in seinen in der Mittelschicht anzusiedelnden Lesern ein neues historisch-politisches Bewußtsein zu entwickeln. Kriegsverherrlichende Artikel herrschen in den ersten Jahren vor.7» Gleichwohl konstatiert Mainer bereits ab 1939 einen stärker werdenden bürgerlich-nostalgischen Rückbezug auf das 19. Jahrhundert79, der sich vermutlich aus der Herkunft seiner Mitarbeiter Giménez Caballero, Agustín de Foxá, Victor de la Sema, Sánchez Mazas, Juan A. Zunzunegui, Edgar Neville, Manuel Halcón und José María Pemán - erklären läßt.80 Zur Ausbildung des Parteikaders gründet eine falangistische Universitätsgruppe am 9. September 1939 das Instituto de Estudios Políticos81, das hinfort der Beschäfti73

cf. Manuel Abellán: »La censura de prensa y publicaciones periódicas«, in: ders.: Censura y creación, pp. 45-54.

74

Zit. nach H J . Schulte: The Spanish Press, p. 25, Anm. 58.

75

Cf. M. Abellán: Censura y creación, pp. 46-49. Abellán beschreibt verschiedene Beispiele dieser Praxis. Cf. R. Tamames: La república, la era, pp. 591,92. Die Verordnung vom 1. Mai 1941 des Innenministeriums, die Arriba die genannten Sonderkonditionen einräumt, ist eine der wenigen offiziellen Hinweise auf die Funktion der Pressezensoren (cf. H.F. Schulte: The Spanish Press, pp. 23,24).

76

77

José Carlos Mainer: Literatura y pequeña burguesía en España. (Notas 1890-1950). Madrid: Ed. Cuadernos para el Diálogo 1972, pp. 213-40; idem: Falange y Literatura. Antología. Barcelona: Editorial Labor 1971 (Textos Hispánicos Modernos 14), pp. 42-44; J. Rodríguez-Puertolas: Literatura fascista I, p. 118; Fanny Rubio: Las revistas poéticas españolas, 1939-1975. Madrid: Ed. Turner 1976, pp. 46-48; Thomas Meimall: »Aesthetics and Politics in Falangist Culture (1935-45)«, in: Bulletin of Hispanic Studies L (1973) 1, p. 46. Mermall gibt irrtümlicherweise eine Berichtszeit der Zeitschrift von 1937-1940 an; tatsächlich wird ihr Erscheinen erst 1946 eingestellt

78 7 9 80

Cf. J.C. Mainer. Literatura y pequeña burguesía, p. 219. Cf. J.C. Mainer Falange, p. 43. J.C. Mainer Literatura y pequeña burguesía, p. 217.

81

Cf. S.G. Payne: Falange, p. 221.

79 gung mit weltanschaulichen und politischen Fragen dient und von Alfonso García Valdecasas, einem ehemaligen Ortega-Schüler und späteren Gründungsmitglied der Falange82, geleitet wird. Ab Januar 1941 fungiert das Institut als Herausgeber der Revista de Estudios Políticos, einer Zeitschrift, die erste Versuche geistiger Innovation einleitet und deren Spektrum vom Soziologen Max Weber bis hin zum nationalsozialistischen Totalitarismustheoretiker Carl Schmitt reicht.83 Die Schwächimg falangistischer Positionen durch den sich abzeichnenden Niedergang des Faschismus und die Absetzung Serrano Súñers ermutigt die katholische Reaktion. Die minimale Öffnung zu liberalem Gedankengut, wie sie die Revista de Estudios Políticos versucht, ruft die traditionale Ultrarechte auf den Plan, deren Sprachrohr ab 1944 die scholastische Zeitschrift Arbor sein wird.84 Das ethisch-religiöse Fundament der falangistischen Staatsphilosophie und ihre Einbindung in die spanische Tradition ermöglichen schon früh die Symbiose PatriaIglesia. Eloy Monero schreibt 1939: Los católicos ... no debíamos oponemos al movimiento denominado fascista ...; debíamos recibirlo con amor y encauzarlo debidamente por derroteros tradicionales y cristianos: era preciso armonizar la moderna corriente autoritaria con nuestra gloriosa tradición y así surgiría un Estado nuevo, libre de las caducas huellas democráticas y liberales, impregnando en nuestras instituciones históricas.85 Ab 1942/43 wird die politische Philosophie in steigendem Maße mit Elementen aus der katholischen Herrschaftsdoktrin und klassischen Autoren des Siglo de Oro aufgeladen, um auf weltanschauliche Distanz zu den faschistischen Staaten gehen zu können.86 Etwa zu diesem Zeitpunkt beobachtet Elias Diaz87, daß in der Revista de

83

Die falangistische Ausprägung des Faschismus fand von Anbeginn an nicht nur in der Pequeña Burguesía ihre Träger, sondern wurde wesentlich von einem Teil der großbürgerlichen jungen Intellektuellen mitgeprägt. Die Revista de Estudios Políticos versteht sich in doppelter Opposition zu Liberalismus und Totalitarismus. (J.C. Mainer: Falange, p. 59; Elias Díaz: Notas para una historia del pensamiento español actual (1939-1973). Madrid: Ed. Cuadernos para el Diálogo 1974, p. 33 und Joan Castellä-Gassol: »El pensamiento espaflol 1939-1979. La palabra y el eco«, in: Tiempo de Histórica VI (1980), 62, p. 132.

84

Cf. J.C. Mainer. Falange, p. 61; E. Díaz: Notas, pp. 37-45; Equipo Reseña (ed.): La cultura española durante el franquismo. Bilbao: Mensajero 1977, pp. 147,48 und Castellä-Gassol: El pensamiento, p. 132. Zu Arbor cf. auch die Ausführungen in Kapitel 4.3. dieser Untersuchung. Díaz (p. 32) weist auf die Bedeutung der Revista de Estudios Políticos für die politische Öffentlichkeit hin und kommt bezüglich der Periodisierung zu einem ähnlichen Schluß: »Sería interesante seguir, a través de su exteriorización en la Revista de Estudios Políticos, la evolución del régimen espaflol (en conexión con el desarrollo de la segunda guerra mundial) y, asimismo, del pensamiento político a dicha evolución vinculado, en esos aflos que van desde 1939 a 1945; una inflexión en ellos podría situarse entre 1942 y 1943 ... cuando el porvenir de los Estados totalitarios comienza a hacerse más dudoso...«.

85

Los estados modernos y la nueva España. Vitoria: Montepío Diocesano 1939, p. 248, zil nach Elias Díaz: Notas para una historia del pensamiento español actual (1939-1975). Madrid: Edicusa 1978, p. 34.

86

Die totalitären Interpretationsversuche der zurückliegenden Jahre kennzeichneten ohnehin eine stärkere Orientierung am »Imperio hacia Dios« und der staatlichen Verknüpfung mit der spanischen Tradition, unter Vermeidung der rassistischen und mythisch-heidnischen Extreme des deutschen Nationalsozialismus (cf. E. Díaz: Notas, p. 33). Die 'doctrina del Imperio' ist Kennzeichen der Instrumentalisierung der Geschichte (cf. das Kapitel Uber die Geschichte im Franquismus von Tuflon de Lara, in: Castellet (ed): La cultura, p. 29 und Alessandra Melloni, Cristina Pefla-Marín: El discurso político en la prensa madrileña del franquismo. Roma: Bulzoni 1980 (Biblioteca di Cultura 185), p. 19.

80 Estudios Políticos der Terminus Faschismus nicht mehr mit dem Neuen Staat in Verbindung gebracht wird. Es besteht wohl kein Zweifel, daß das Organ, als politisches Legitimationsinstrument konzipiert, in zunehmendem Maße politischer Ausdruck falangistischen Unbehagens angesichts der realpolitischen Verhältnisse im Nachkriegsspanien wird und aktiv zur Abkoppelung der Falange vom Franco-Regime beiträgt.«« Hinsichtlich der Analyse der Trägerschicht der Institution Presse kann man sich lediglich auf schriftliche Manifestationen öffentlicher Meinung stützen. Über die individuellen Konkretisationen der Leser können nur Vermutungen angestellt werden. Immerhin produzieren die Tageszeitungen und politischen Zeitschriften, sofern sie nicht offizielle Parteiorgane sind und staatliche Förderung erhalten, für den Markt. Es kann also davon ausgegangen werden, daß die Leserschaft - etwa monarchistischer auflagenstarker Publikationen - die in ihnen angebotene Interpretation von Herrschaft als sinnvoll realisierte. Die einstige Zielgruppe liberaler Organe - das republikanisch eingestellte Bürgertum - wird jedoch durch die offizielle Presse ebensowenig repräsentiert wie die ehemals sozialistisch, kommunistisch oder anarchistisch organisierte Arbeiterschaft.89 Marsal schreibt dem spanischen Faschismus schon in seiner Entstehungsphase konterrevolutionäre Züge, wie »antimodernismo, ruralismo, pronatalismo, machismo, anticientifismo, reforma de las costumbres« zu90, die, so kann man ergänzen, in den Nachkriegsjahren das Bild der politischen Öffentlichkeit solange prägen, wie das liberale, pro-republikanische Bürgertum und die Arbeiterschaft politisch mundtot bleiben. Eine Untersuchung über Art und Gebrauch politischer Termini im republikanischen und franquistischen Spanien von Miguel A. Rebollo Torio bestätigt, daß im Franco-Regime politische Begriffe aus der Zeit vor dem Bürgerkrieg als negativ, zersetzend ausgegrenzt werdend, während Begriffe wie Nuevo Estado (erst Konnotation 'nacional-sindicalista, falangista', später 'destino popular'), Movimiento (zunächst Verkörperung der Idee, später Synonym für Partei), Sindicato, Familia, Municipio die politische Sprache nach 1939 prägen. España - Una, Grande, Libre92 - konnotiert das traditionale Spanien, das Imperium des Siglo de Oro, die Katholizität; es wird 87

Eb'as Díaz: Notas, pp. 34,35.

88 89

Cf. ibid., p. 36. Zuwenig Aufmerksamkeit hat die historisch-politische und soziologische Forschung zweifellos dem Phänomen politischer Apathie der Bevölkerungsmehrheit während der 40er Jahr geschenkt, die eine mögliche Erklärung (neben sozio-ökonomischen Faktoren, die aus dem Verlauf des Bürgerkrieges resultieren) in der rigiden Unterbindung systemkritischen politischen Handelns, etwa in gewerkschaftlich organisiertem Arbeitskampf, findet. Statistisches Material, das als Beweis dienen könnte, fehlt für den hier interessierenden Zeitraum.

90

J.F. Marsal: Pensar, pp. 24,25.

91

Z.B. democracia (cobardía, debilidad, cf. Rebollo Torio, vocabulario político, pp. 126, 127), república (engaño, fraude, demagogia, p. 132), comunismo (barbarie internacional, balcanización, p. 133). Cf. auch Alessandra Melloni y Cristina Peda-Marín: El discurso político, p. 31. M.A. Rebollo Torio: Vocabulario político, pp. 135,36.

92

ß l

durch das Anti-Spanien (la idea rusa, los vencidos, los malos españoles, separatistas, masones93 bedroht und in der Cruzada^ besiegt.95 Die Frage, die noch zu klären bleibt, bezieht sich auf den Legitimationsmodus (rationale Kritik oder Tradition), der sich in den politischen Texten manifestiert. Der Widerspruch - staatliche Legitimation durch Tradition einerseits und (sozio-ökonomischer) Entwicklungsstand der Gesellschaftsformation nach 1939 andererseits taucht im Kontext der spanischen Presseinstitution wieder auf, läßt sich zunächst jedoch in folgender Weise lösen: Aufgrund der Sprengung der Oikoswirtschaft entstand im Zuge der Entwicklung der bürgerlichen Gesellschaft Publizität im Sinne öffentlicher Relevanz des ökonomischen Bereichs.96 Presse entwickelte sich von einem Organ regierungsamtlicher Mitteilungen zu einem Medium kritischer Rationalität, in dem die Regierung öffentliche Gewalt gegenüber den kritisch urteilenden Privatleuten rechtfertigen mußte. Dieses genau sucht das Franco-Regime zu umgehen. Mit Kontrolle der Publikationsorgane durch staatliche Zensur und gleichzeitige Protektion regimekonformer Artikel durch nationale Preise^ droht die Presse im Franquismus zu einem - allerdings staatlich erzwungenen - Organ regierungsamtlicher Mitteilungen zu verkommen. Herrschaftslegitimation durch Tradition kann jedoch in der auch nach 1939 an bürgerlichen Wirtschaftsprinzipien98 orientierten politischen Öffentlichkeit nicht mehr problemlos durchgesetzt werden. Daher muß die traditionale Legitimation immer auch ideologisch-manipulativ (im Sinne der Verallgemeinerung partikularer Interessen) funktionieren.

93 95

Ibid., p. 136. Die Bezeichnung Guerra Civil wird nur von der Opposition und Historikern benutzt Ibid., p. 118. M.A. Rebollo Torio wertet zwar Zeitungsartikel und staatsphilosophische Werke aus und liefert damit einen wertvollen Zitate-Korpus; der breite Berichtsraum und der fast vollständige Verzicht auf die Erhellung des historischen Kontextes, in dem die Zitate zu sehen sind, führen dazu, daß er dem Bedeutungswandel der Begriffe zuwenig Aufmerksamkeit schenkt und eine Zurechnung zur Trägerschicht (anhand der Publikationsorgane oder politischen Provenienz der Autoren) gar nicht erst vornimmt. Zur totalitären, imperialistischen Terminologie cf. José Ortega: Fascismo y cultura, p. 160.

96 97

Cf. J. Habermas: Strukturwandel, pp. 34,38,39 und H. Sanders: Institution Literatur, p. 98. Zur Vergabe des Premio Nacional de Periodismo Francisco Franco und des Premio Nacional de Periodismo José Antonio Primo de Rivera cf. die Ankündigung der Vicesecretarfa de Educación Popular in ABC (31.12.43), p. 25.

98

Das heißt Produktion f(lr den Markt und diffuses Publikum. Cf. auch Manuel Vázquez Montalbán: Informe sobre la información, 2• ed. ampliada y puesta al día. Pról. de Pedro Altares y Antoni Jutglar. Barcelona: Ed. Fontanella 21971, p. 53. V. Montalbán erläutert in seiner Studie den Entstehungszusammenhang moderner Wirtschaftstätigkeit und der Informations-Industrie. Alle wichtigen spanischen Verlage und Presseorgane werden demzufolge in den 60er Jahren von den Großbanken kontrolliert (p. 169). Die staatliche Dominanz, die wir noch für die unmittelbare Nachkriegszeit beobachten können, bricht in den späteren Jahren auf; Presselätigkeit unterliegt den Marktgesetzen, was bewirkt, daß in stärkerem Maße als zuvor die Konzentration des Kapitals, und nicht mehr die Institution Staat, den Informationsmonopolismus verursachen wird.

82

4.4. Die kulturelle Ausprägung der Öffentlichkeit Im folgenden soll anhand bereits historisch gesicherter Daten nach der Art der Realisierung von kultureller Kommunikation in den sogenannten Años de Silencio gefragt werden. In bezug auf die literatursoziologische Fragestellung bedeutet das die Aufbereitung des Entstehungsrahmens der Bürgerkriegsromane. Die Beendigung des Krieges - »el momento de la tabla rasa«99 kennzeichnet den Beginn eines tiefgreifenden Wandels der Institution Kultur. 100 The end of the Civil War meant to the majority of the Victors the continuation on an ideological plane of a Crusade against the vestiges of a secular, liberal and heterodox 'anti-Spain'.ioi Bereits während des Bürgerkriegs verfestigen sich unter Einfluß der intellektuellen Gruppe in Bilbao 1 ^ romanische und imperiale Mythologisierungen zu kulturellen Werten und Normen, die nach 1939 aufrecht erhalten und monopolisiert w e r d e n . 103 Die Bibliotheken werden von nicht-orthodoxen Werken modemer Philosophie bereinigt und Neuauflagen von Texten, die nicht mit dem offiziellen Dogmatismus konform gehen, unterbunden. 104 Die theoretischen Schriften von Unamuno und Ortega y Gasset bieten den falangistischen Intellektuellen zwar genügend Anknüpfungsmöglichkeiten für eine Umdeutung entsprechend eigener Sinnbedürfnisse'05, doch scheitern philosophische Zeugnisse wie diese aus dem Vorkriegsspanien schon bald an den Normen, die von Vertretern des katholischen Integrismus 1 ^ propagiert und unter den veränderten politischen Verhältnissen ab 1943 institutionalisiert werden. In ähnlichem Maße erfahren Publikationsbehinderungen Xavier Zubiri - 1942 von der offiziellen Kritik abgelehnt»" - und der Ortega-Schüler Julian Marias, dem der

" Pere Gimferer »El pensamiento literario (1939-1976)«, in: Castellet (ed.): La cultura bajo el franquismo, p. 109. 100 Sechs Aspekte charakterisieren das kulturelle Panorama im Nachkriegsspanien: 1. Exil; 2. Zensur, 3. politische Isolation; 4. Tendenziöse Kritik; 5. Blühen der Propaganda-Literatur und 6. literarische Preise. (Cf. Angel Basanta: »Introducción«, in: Cuarenta años de novela, pp. 17, 18). Fast im selben Wortlaut listet Tomás Yerro ViUanueva (Aspectos técnicos, pp. 17-21) soziologische Faktoren auf, die den spanischen Roman beeinflußt haben. 101 Thomas Mermall: The Rhetoric ofHumanism: Spanish Culture öfter Ortega y Gasset. Jamaica, New York: Bilingual Press 1976, p. 9. 102 La tertulia de Pedro Eguilior, zu der Ramón de Basterra, Sánchez Mazas, Quadra Salcedo, Lequerica, Mourlane Michelena, E. Giménez Caballero, Victor de la Sema und Eugenio Montes gehörten. 103 Guillermo D(az-Plaja: Sociología cultural del postfranquismo. Barcelona: Plaza & Janes 1979, pp. 34,35. 104 Dionisio Ridruejo im Exil 1960 in Paris, ziL nach Joan Castellá-Gassol: El pensamiento español, p. 128. 105 Cf. meinen Artikel »Faschistische Umdeutung und franquistische Rezeption der Staatsphilosophie José Ortega y Gassets: 'Espafla invertebrada' und 'La rebelión de las masas' zwischen 1932 und 1956«, in: Iberoamericana 2/3 (1981), pp. 38-57, und das Vorwort zu Franco y la cultura, p. 9: »'No se trata de una guerra civil. Se trata de una defensa de la civilización contra la barbarie.' Son éstas palabras de Miguel de Unamuno, y con ellas definía en 1936 aquel máximo espaflol, desde Salamanca, el sentido de la entonces naciente cruzada de liberación.« 106 Sprachrohr der Integristen wird ab 1944 die Zeitschrift Arbor sein. 107 Die Orientierung der Kritiker und Historiker an einem tiaditionalen historischen Konzept wird noch durch die apolitische, antidemokratische und aristokratische Gesellschaftskonzeption unterstützt. (Fernando Alvarez Palacios: Novela y cultura española de postguerra. Madrid: Ed. Cuadernos para el Diálogo 1975, pp. 122,23.

SI Prüfungsausschuß der Madrider Universität die Doktorwürde für seine Arbeit verweigert. 108 Die mittelalterliche Scholastik erlebt ab 1943/44 eine Renaissance und wird zur dominierenden philosophischen Strömung. Mittels ihres Konzeptes der Autorität und der Negierung sozialer Determination der Individuen dient sie in direkter Weise der Legitimation des politischen Regimes. 109 Orthodoxer und liberaler Ansatz suchen jeweils andere Ausdrucksformen. Die Darstellungsform des Traktates wird von ersteren dem Essay vorgezogen: El ensayo es un género nacido a la literatura cuando el tratado teológico y dogmático de nuestra edad de oro decaía ... Nosotros hemos reaccionado salvadoramente contra ese género tan liberal, tan encantador y tan maléfico que ha sido el ensayo.1 !0 Zugunsten der liberalen Form des Essays äußerten sich die Philosophen Julián Marías, Guillermo Díaz-Plaja, Gregorio Marañón und Francisco Maldonado. Insbesondere Escorial, die seit 1940 in Madrid von Dionisio Ridruejo und Pedro Laín Entralgo herausgegebene Kulturzeitschrift111, beabsichtigt, Propaganda »en la alta manera« zu präsentieren, »ya que no hay propaganda mejor que la de las obras, y obras de España ... serán las del espíritu y la inteligencia para las que abrimos estas páginas«112. Trotz erklärter Bemühungen, die imperiale Kultur113 für ihre Leserschaft, die »Minoría Selecta«, zu aktualisieren1 w, wird sie schon bald zum maßgeblichen Kulturorgan, das an die liberale Tradition der Kulturinstitution zur Zeit der Zweiten Republik anknüpft: Pero gradualmente volvieron a aparecer en nuestro país 'las perniciosas ideas modernas'. En gran parte gracias a lo que otras veces he denominado el 'falangismo liberal', volvieron a recuperar vigencia social las directrices del Establishment filosófico anterior a 1936.H5 Regionale Sprachen einstiger republikanischer Hochburgen, Katalanisch und Baskisch, sind wegen der Konnotationen 'Liberalismus, 'Demokratie' und 'Klassen108

109 1

Cf. J.L. Abellán: La cultura en España. (Ensayo para un diagnóstico). Madrid: EDICUSA 1971, p. 28. Equipo Reseda (ed.): La cultura española, p. 149. »Durante algún tiempo se pudo reposar, retibetanizada España en la Escolástica medieval.« (J.L. Aranguren: La cultura española, p. 220).

10 E. Giménez Caballero: »Encuesta sobre el ensayo«, in: La Estafeta Literaria 15 (1944), p. 3, zit. nach J.C. Mainer: Literatura y pequeña burguesía, p. 248.

1 1 1 In ihr veröffentlichten u.a. Menéndez Pidal, Gregorio Marafión, Xavier Zubiri, Rafael Calvo Serer. (Joan CastelláGassol: El pensamiento, p. 131). 1 12 Anonymer Leitartikel (P. Laín-Entralgo) der ersten Nummer, zit. nach J.C. Mainer Falange, p. 53. 113 De r Titel »Escorial« deutet schon darauf hin. (Cf. J.C. Mainer: Literatura y pequeña burguesía, p. 246). 1

14 J.C. Mainer zufolge entspricht die Zeitschrift einer Vorstellung von ständischer Kulturpraxis; gleichzeitig aber sei sie die Antwort auf das politische Sinnbedürfnis des Bürgertums, »que propugnaba la nacionalización - y la intelectualización - de un acuciante problema colectivo: la integración de la cultura en la vida espaflola«. (J.C. Mainer: Literatura y pequeña burguesía, p. 247). 115 J.L. Aranguren: La cultura española, p. 220.

Sí kampf hinfort staatlich nicht mehr tolerierbar und werden verboten. U6 Nicht-kastilische Kulturprodukte gelten per se als subversiv, synonym für oppositionelle Kultur oder politischen Widerstand, n? Nicht nur sprachliche Probleme, auch politische Zensur und die daraus resultierende zwangsläufige Enge des anvisierbaren Publikums führen dazu, daß 1944 lediglich 5 Titel in Katalanisch, der »lengua delincuente«!!« veröffentlicht werden können. Als Folge ergibt sich eine Zentralisierung des kulturellen Lebens in der Hauptstadt. Durch Exilierung von rund 80 %H9 seiner Künstler bzw. Kulturproduzenten und Wissenschaftler erleidet Spanien eine sich unmittelbar bemerkbar machende kulturelle Aushöhlung. Darüber hinaus führt der staatliche Dirigismus zum inneren Exil und zur Selbstzensur jener im Lande verbliebenen Intellektuellen, die nicht problemlos den staatstragenden Werten und Normen folgen. 120 Die offizielle Kultur-Institution unterbindet jede Kommunikation mit der europäischen Kultur liberaler Prägung und propagiert statt dessen religiöse und politische Orthodoxie und weltanschauliche Uniformität.121 Nicht-literarische Kulturprodukte geben Zeugnis ab von der Aufladung der Institution mit traditionalen Werten und belegen die enge Verknüpfung von Herrschaftsöffentlichkeit und Kultur als Träger von Subjektivität: Beispielhaft dafür sind monumentale kolossale Bauten oder barcelonesische pseudo-aristokratische Architektur des Großbürgertums!^ oder klassische Malerei und Skulpturen, die nicht nur offizielle Unterstützung durch Ausstellungen und nationale Wettbewerbe finden, sondern auch kommerzielle Förderung erfahren. 123 Die musikalische Restauration durch das 1939 fertiggestellte »authentisch national-spanische« Concierto de Aranjuez von Joaquín Rodrigoi24 und die Wiederbelebung der spanischen Volksliedtradition durch die Tonadilla und den Chotis »No pasarán decían los marxistas: ya hemos pasao decimos los facciosos«! 25 oder triunfalistische Pasodobles (Banderita tú eres roja; Sus116 In Vértice erscheint ein Artikel von Ernesto Giménez Caballero mit dem sinnträchtigen Titel: »Ante la tumba del catalanismo. Notas de un viaje con Franco a Cataluña«, der die Gefahren der katalanischen Sprache und Kultur für die iberische Halbinsel beschwört (FebVmarzo 1942, p. 1, zit. nach Fanny Rubio: Revistas poéticas, p. 47). 117 c f . Equipo Reseda: La cultura, p. 42. 118 G. Díaz-Plaja: Sociología, p. 38. 119 Tómente Ballester spricht in Tajo (3.8.1940) von 90 % der spanischen Intelligenzia (zit. nach E. Díaz, Pensamiento español, p. 18; cf. auch Equipo Reseda: La cultura española, p. 16 und E. Díaz: Pensiamento español, p. 15 und pp. 45-47. Unter den Romanciers allein Max Aub, Francisco Ayala, Rosa Chacel, Arturo Barea, Arconada, Ramón José Sender, Joan Puig i Ferreter, Mercé Rodoreda, A. Artís Gener, Augstl Bartra, Xavier Benguerel (cf. Equipo Reseda: La cultura española, pp. 29-40 und 46), um nur einige zu nennen. Eine Auflistung der exilierten Philosophen, Sozialwissenschaftler, Literaturwissenschaftler, Historiker, Dichter, Dramaturgen, Essayisten, Naturwissenschaftler und Mediziner gibt E. Díaz: Pensiamento español, pp. 16-19 und J.L. Abellán: La cultura española, pp. 9,10. 120 M. Abellán: Censura y creación, pp. 77,78. 121 122 123 124 125

E. Díaz: Pensamiento español, p. 21. Equipo Reseda: La cultura española, p. 256. Ibid., p. 258. Ibid., pp. 300,316. Ibid., p. 338.

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piros de España) kennzeichnen die staatlichen Bemühungen, die Kultur als Transportmittel für Herrschaftslegitimation nutzbar zu machen. 1 ^ Die spanischen Radiosender, Medien zur massenhaften Verbreitung politischer und kultureller Information^, funktionieren nicht im Sinne öffentlicher Kommunikation, sondern als national-monopolisiertes Informations- bzw. Manipulationsinstrument. Doch auch hier läßt sich schon bald die nur begrenzte Wirkungsmöglichkeit staatlicher Radiosender konstatieren: Radio Nacional ha vivido, y con mayor responsabilidad, de espaldas a la realidad del país. Por dos razones: la primera y secundaria porque ni siquiera ha logrado el calor y la cercanía que, con todos sus defectos y limitaciones, consiguió de su audiencia la radiodifusión no estatal; segundo y por encima de todo, porque, a pesar de su monopolio informativo debido a las circunstacias sobre las que no es necesario insistir y cuyas interpretaciones respeto, su información ha sido recortada y dirigida desde permanentes intereses gubernamentales.12»

4.4.1. Literatur als Medium von Subjektivität Offiziell gefördertes Theater bedeutet für die beginnenden 40er Jahre neben der Wiederbelebung der Klassiker des Siglo de Oro129 die Absage an das moderne, rationaler Kritik zugängliche Drama und seine Substitution durch mediokre Autos Sacramentales. Neben der falangistischen Variante, durch Gonzalo Torrente Ballester repräsentiert (El casamiento engañoso, 1939)130, versuchen sich in diesem Genre jesuitische Autoren wie der Padre Ramón Cué (Y el imperio volvía, 1940)131. Ebenfalls staatlicher Protektion erfreut sich der traditionalistische Komödienschreiber José 126 Zur staatlichen Musikförderung cf. Franco y la cultura, pp. 146-48. Einziges Zeugnis Uber die kollektive Identität der vom kulturellen Leben ausgeschlossenen Bevölkerungsmehrheit, die Subjektivität nicht mehr mit der Erfahrung von Herrschaft vereinbar sieht, ist das Kapitel »Los aflos cuarenta« (pp. 9-60) der Crónica sentimental de España von Manuel Vázquez Montalbán. Barcelona: Ed. Lumen 1971. V. Montalbán beschreibt das kulturelle Leben vom Volk aus. Lieder, Mythen, Sprichwörter dokumentieren die starke Entfremdung und den Kampf ums Überleben. 127 La Sociedad Española de Radiodifusión, Radio Nacional de Espafia, emisoras FET, Radio España de Madrid, Radio Espafla de Barcelona (cf. Equipo Resefla: La cultura española, p. 235). 128 Equipo Resefla: La cultura española, p. 247. 129 Nicolás Gonzalez Ruiz: La cultura española en los últimos veinte años: El teatro, S. Aguirre impr. Madrid 1949, p. 37 und José Monleón: Treinta años de teatro de la derecha. Barcelona: Tusquets 1971 (Ed. de bolsillo SS). 1940 beginnt das Teatro Nacional de la Falange mit der Aufführung diverser Klassiker (cf. Equipo Resefla: La cultura española, pp. 111, 113). Einen allgemeinen Überblick verschaffen Francisco Ruiz Ramón: Historia del teatro español. Siglo XX. Madrid: Ed. Cátedra 31977 und J. Rodríguez-Puértolas: Literatura fascista I, pp. 623ss. 130 Bereits während des Krieges fordert Torrente Ballester eine Rückkehr zum epischen Theater: »Se impone la vuelta a lo heroico y pedir prestados sus nombres a la ¿pica, para otra vez, como nos dice Esquilo, hacer tragedias con las migajas del festín de Homero ... es necesario un drama español para hombres, para los hombres todos.« (»Razón y ser de la dramática futura«, in: Jerarquía 2 (1937), zit. nach Blanco Aguinaga, J. Rodríguez Puértolas, J.M. Zavala: Historia social III, p. 66). 131 Das »Poema-coral-dramático« steht in der Bibliographie von Juan García Durán: Bibliography of the Spanish Civil War, p. 255) irrtümlicherweise unter »Fiction«. Padre Cué ist in Spanien in den 50er Jahren durch eine Polemik mit Gironella um dessen Roman Un millón de muertos bekannt geworden, auf den der Jesuit ein Gedicht als Reaktion schrieb.

86 María Pemán {La santa Virreina, 1939; Metternich: El ministro mariposa, 1942)132. Allen gemeinsam ist die unbedingte Konzessionsbereitschaft an einen paternalistischen Populismus.133 Aus Mangel an anspruchsvollen und gleichzeitig staatstragenden Dramatikern greift man auf folgende Autoren zurück: den Vorkriegsvertreter Benavente, Amiches, Pemán, Calvo Sotelo, Agustín Foxá, die Brüder Alvarez Quintero, Jardiel Poncela, Echegaray, Marquina sowie auf den für die nationalen Belange vereinnahmten Modernisten Manuel Machado.134 Aufgrund der didaktischen Möglichkeiten, die das Theater zur politischen Erziehung bietet, hat das Regime massives Interesse an einer gezielten Einflußnahme: Staat und Falange fördern es im strengen Sinne einer Kunst im Dienste des Volkes. 135 Das Publikum, das nach der traumatischen Bürgerkriegserfahrung im staatspropagandistischen Theaterspektrum seine Sinnbedürfnisse nicht befriedigt sieht, flüchtet ins kommerzielle Evasionstheater. 1939 taucht Miguel Mihura als Autor auf dem Spielplan in Madrid auf. Durch ihn und andere Vertreter^ um die Zeitschrift La Ametralladora (1937) und im Anschluß La Codorniz (1941) bewirkt das humoristische Theater durch bescheidene, verschlüsselte Sozialkritik eine erste, wenn auch sehr begrenzte Innovation. Mit Ni pobre ni rico, sino todo lo contrario von M. Mihura und »Tono« schafft der später für La Codorniz so charakteristische Humor den Durchbruch in die offiziellen Theater: »el público no lo entiende todavía, pero se está aireando el ambiente con esta crítica disparatada de lo 'establecido'.«13? 132

Cf. J.C. Mainer: Falange, p. 52. Im Dezember 1939 wird José María Pemán zum Mitglied der Real Academia ernannt Pemáns Bedeutung als Nationaldichter dokumentiert die Anwesenheit Francos, der ihm höchstpersönlich die akademische Medaille Uberreicht. Thema der Antrittsrede: »El sentido civil en la poesía española«. In ihr versucht Pemán, eine traditionale Linie imperialer Lyrik herzustellen zwischen dem Werk von Alfonso el Sabio, der »Comedia de Ponza« von Santillana, dem Sonett von Hernando de Acuda, den Liedern von Herrera und dem im Gegensatz zu den spanischen 98em Optimismus lehrenden Rubén Dario, um schließlich von der Bürgerkriegslyrik sagen zu können: »El vigor español ha despertado. Este momento grande ha tenido también su gran poeta civil. No tiene nombre. Escribió con sangre su verso sobre la tierra morena...« (»En la Real Academia: El Caudillo presidió ayer la solemne recepción del insigne poeta Pemán«, in: ABC (21.12.1939) p. 9).

133

Cf. R. Tamames: La república, la era, p. 582. Cf. Alvarez Palacios: Novela y cultura española, p. 17; Equipo Resefla: La cultura española, p. 111 und R. Tamames: La república, la era, p. 582. Ein in bezug auf heischende Normen zeitgeschichtlich wertvolles Dokument über das spanische Nachkriegstheater bis einschließlich 1943 ist Alfredo Marqueríe: En la jaula de los leones (Memorias y crítica teatral). Madrid: Ed. Españolas 1944. Insbesondere die Auflistung der 1942/43 auf spanischen Buhnen aufgeführten Stücke würde sich als Korpus für literatur-soziologische Studien zur Funktion des spanischen Nachkriegs-Evasions-Theaters eignen (pp. 282-333). Aufschluß Uber die Verknüpfung von Staatsprotektionismus und Theater gibt darüber hinaus die relativ kurze Abhandlung von Nicolás González Ruiz: La cultura, pp. 31-53.

134

135 Tomás Borrás: »Movimiento teatral«, in: Cuadernos de Literatura Contemporánea I (1942), ziL nach Fanny Rubio: Las revistas poéticas, p. 37: »Al comenzar el año 1942 ... el Estado y la Falange [favorecieron] el desarrollo del teatro en un sentido estricto del arte al servicio del pueblo...«. Die 1942 unter Leitung von J. de Entrambasaguas vom Consejo Superior de Investigaciones Científicas (C.S.I.C.) herausgegebene Literaturzeitschrift Cuadernos de Literatura Contemporánea widmet sich schwerpunktmäßig der Theaterkritik. 136 Antonio Lara unter dem Pseudonym »Tono« und Edgar Neville, der für das »teatro de la comedia« schreibt. (N. González Ruiz: La cultura, p. 39). 137 Equipo Resefla: La cultura española, p. 120. Cf. auch J.C. Mainer: Falange, p. 52 und N. González Ruiz: La cultura española, p. 39.

87 Nicht nur die schriftliche Manifestation der Theaterstücke, sondern auch ihre Aufführungen unterliegen der Kontrolle durch die Z e n s u r . i 3 8 Sowohl offizielles als auch kommerzielles Theater gehorchen den herrschenden Normen 1 ^; Kommunikationsbzw. Sinnangebote des Theaters und reale tägliche Lebenserfahrung des Publikums klaffen weit auseinander. Ähnlich verhält es sich mit dem K i n o i 4 0 , das in Anlehnung an nationalsozialistische und italienisch-faschistische historische Filme seinen neuen Schwerpunkt in der Laudatio des spanischen Volkes und seiner Tradition sowie der Mystifizierung des Bürgerkrieges findet:141 ... hay unos ingenuos intentos de crear un cine épico, triunfalista y militante que cante las gestas de la reciente guerra en un tono de exaltación racista y militaría. Normengebend für das offizielle Kino ist zweifellos der von Sáenz de Heredia inszenierte Bürgerkriegsstreifen Raza, der nach dem gleichnamigen Roman von Jaime de Andrade, Pseudonym für Francisco Franco, 1942 gedreht wird.^3 Da der Roman hauptsächlich in der verfilmten Version rezipiert wurde, soll in Kapitel 6.1.4. auf diese noch gesondert eingegangen werden. Den Publikumsgeschmack treffen die historischen Filme jedoch nicht. 144 Sentimentale ausländische Produktionen nicht nur deutscher, sondern vor allem nordamerikanischer Provenienz, finden erheblich breitere Resonanz bei den spanischen Kinogängern. Trotz der 1939/40 in Primer Acto noch offen geäußerten Kritik der Falangisten an den Hollywoodstreifen »liberaler Dekadenz« künden die Kinoprogramme der Tageszeitungen von der nordamerikanischen Hegemonie.145 Bedingt durch den Bürgerkrieg hat sich die europäische Krise der Avantgarde in Spanien einige Jahre früher bemerkbar gemacht. Die starke Hinwendung zur lyrischen Entwicklungsvariante Engagement (Spaltung in avantgardistische und realistische engagierte Literatur) war nicht nur bei Alberti, sondern auch bei Neruda, Cernuda, Garcia Lorca oder Hernández beobachtbar. 146 Der Zusammenschluß der gesamten literarischen Linken zu einem pro-republikanischen Block gegen den Fa-

138 c f M. Abellán: La censura y creación, p. 62. Abellán erläutert die normativen Eingriffe in die Theaterproduktion, -distribution und -rezeption exemplarisch anhand von statistischen Daten aus dem Jahre 1944 (pp. 31-36). 139 Cf. Equipo Resefla: La cultura española, p. 112. 140 Cf. ibid., p. 175. 141 Cf. Manuel Vázquez Monlalbán: Crónica sentimental, p. 55; Fernando Alvarez Palacios: Novela y cultura, p. 17 und Equipo Resefla: La cultura española, pp. 174,75. 142 Ibid. 143 Equipo Resefla: La cultura española, pp. 172 und 182, 83 (als Erscheinungsjahr wir hier irrtümlicherweise 1941 angegeben) und R. Gubem: La censura, pp. 80 und 103. 144 M. Vázquez Montalbán: Crónica sentimental, p. 55. 145 R. Gubern: La censura, pp. 62, 63. Die Doktorarbeit von R. Gubern kann als Standardwelk zum spanischen Kino in Verknüpfung mit staatlicher Kulturpolitik gelten. 146 Cf. P. Gimferen El pensamiento literario, p. 111.

M schismus bewirkt, daß nach 1939 Lyrik sich anti-avantgardistisch definieren muß14? und sich der klassizistischen Lyrik-Tradition zuwendet. Die Dichotomie Klassizismus-Vanguardia eines Gerardo Diego, mit der sich in der Vorkriegszeit andere Vorstellungen verbanden, wird nun durch die reaktionäre Kritik im Nachkriegsspanien für die offizielle Lyrik-Tradition instrumentalisiert. M8 Die massive Beschneidung literarischer A u s d r u c k s f r e i h e i t i 4 9 bewirkt, daß in den repressivsten Jahren der zweiten Diktatur, 1939-43, kaum bedeutende poetische Zeitschriften von ästhetischer oder programmatischer Qualität erscheinen. i50 Als eines der ersten Zeugnisse der neuen lyrischen Norm hat das epische Bürgerkriegsgedicht von José Maria Pemán, Poema de la bestia y el ángel aus dem Jahre 1938, eine Replik auf republikanische Romanceros, zu gelten.'5i Zu den lyrischen Zeugnissen über den Bürgerkrieg, die wegen ihrer minderwertigen literarischen Qualität in literaturgeschichtlichen Rekonstruktionen der 40er Jahre kaum Beachtung finden, hier aber in Zusammenhang mit der Bürgerkriegsnarrativik zumindest erwähnt werden müssen, zählen die Gedichte von José Maria Castroviejo in Altura (1939), Rafael de Balbín in Romances de la cruzada (1941), Manuel Díaz Crespo in La voz anunciada (1941) und die Anthologie von José Sanz y Díaz Lira bélica (1940).i52 In den Jahren 1939/40 gibt Juan Ramón Masoliver in Barcelona die Lyrik-Reihe Poesía en la mano mit übersetzten und zweisprachigen Texten von Shelley, Keats, Rilke, Mallarmé u.a. heraus, die ihrem Inhalt nach anderen als den offiziellen institutionalisierten Normen folgen. 153 Beachtenswert ist der relativ hohe Anteil übersetzter Poesie von Shelley, Keats, Hölderlin, Novalis, Rilke, Rimbaud, Valéry u.a. in Escorial, in der auch die früheren spanischen Avantgardisten Agustín de Foxá (Modernismus), der Katalane Félix Ros und Adriano del Valle, der mit Arpa fiel 1941 den zweiten nationalen Literatur-Preis »José Antonio« erhält, regelmäßig publizieren. Die erklärte Vorliebe für spanische Klassiker^ ist in der Kulturzeitschrift ebenso nachweisbar wie die Förderung der Vorkriegsautoren Luis Rosales, Leopoldo Panero, Luis Felipe Vivanco sowie Vertreter der Generation von 1925, Gerardo Diego, Vicente Aleixandre und ab 1944 Dámaso Alonso, die in Escorial häufiger vertreten sind

147 ibid., p. 110. 148 ibid., p. 111. 149 Die offizielle Zensur poetischer Produktionen funktioniert jedoch vergleichsweise weniger behindernd als in der Romangattung (cf. M. Abellán: Censura y creación, p. 85). 150 Ein wenn auch eher deskriptives als analytisches Kompendium franquistischer Poetik-Zeitschriften stellt Fanny Rubio: Las revistas poéticas dar. 151 E. Díaz: Pensamiento español, p. 50. 152 J.C. Mainer: Falange, pp. 51,52. 153 Cf. G. Diaz-Plaja: Sociología cultural, pp. 42,43. 154 Lope, Herrera, Fray Luis de León (J.C. Mainer: Falange, p. 49).

B9

als die Mitglieder der Gruppe um die 1943 gegründete lyrische Zeitschrift

Garci-

laso. 155

Der vierhundertjährige Todestag Garcilasos (1936) ist Anlaß für Pedro de Lorenzo und José García Nieto, ihr Lyrik-Forum nach ihm zu benennen. Garcilaso »murió militarmente como ha comenzado nuestra presencia creadora. Y Toledo, su cuna, está ligada también a esta segunda reconquista, a este segundo renacimiento hispánico, a esta segunda primavera del endecasílabo ... el tiempo nos limita en un sistema de coordenadas, y que la actitud, la voz y el ritmo son siempre producto de la circunstancia nacional.«^« Der Lyriker und Romancier Pedro de L o r e n z o i 5 7 , Herausgeber der ersten beiden Nummern, hatte ursprünglich als Untertitel für Garcilaso anstelle der von dem späteren Herausgeber García Nieto favorisierten Formulierung »Juventud Creadora« die aussagekräftigere Bezeichnung »La creación como patriotismo« v o r g e s e h e n . 158 Mit der »Juventud Creadora« werden die neuen poetischen Nonnen - traditionale Metrik - institutionalisiert: Comenzaron los cincelados sonetos, el estremecimiento religioso, el intimismo, todo, en suma, lo que compone el vilipendiado movimiento de la revista Garcilaso. 159

Nicht minder radikal vollzieht sich der Normenwandel im Bereich der Romangattung. Unamuno und Valle-Inclán sind tot, die wenigen in Spanien verbliebenen Romanciers von der literarischen Kommunikation mit dem Ausland völlig abgeschnitten. 160 Als literarische Vertreter der 98er Generation bzw. des Modernismus, die den Bürgerkrieg überlebten, bleiben lediglich Baroja und Azorin, die ihren Beitrag zu einem kulturellen Neubeginn hätten liefern können; Baroja, der auf der Flucht vor der deut155 José García Nieto, Jesús Juan Garcés, Alfonso Moreno, Federico Muelas, Rafael Romero Moliner und Rafael Montesinos (J.C. Mainer: Literatura y pequeña burguesía, pp. 256, 57; idem.: Falange, p. 48 und J. Lechner: El compromiso II, pp. 22-30). 156 Anonymer Leitartikel (v. Jesús Revuelta) in der ersten Ausgabe, Mai 1943, zit. nach Fanny Rubio: Las revistas poéticas, p. 116. Revuelta ist Apologet einer Ästhetik des Kampfes, eines »nuevo estilo ... polílico-heróico-religioso« (cf. ibid., p. 109). Cf. auch J. Rodríguez-Puértolas: Literatura fascista I, p. 423. 157 Lorenzo, geboren 1917 in der Provinz Cáceres, ist 1942 Direktor der Tageszeitung Diario Vasco in San Sebastián und Mitherausgeber von St, der literarischen Beilage von Arriba. 158 Cf. F. Rubio: Las revistas poéticas, p. 109. 159 J.C. Mainer: Falange, p. 48; F. Rubio: Las revistas poéticas, p. 114; Equipo Resefla: La cultura española, pp. 73, 74 und José Ortega: Fascismo y cultura franquista, p. 162. Der Neo-Garcilasismo, der in Abril von Rosales und El rayo que no cesa von Hernández seine Vorläufer in der Vorkriegszeit hatte (cf. Gimferer: El pensamiento literario, p. 109), setzt sich als lyrische Bewegung nicht durch. 1944 erscheinen Hijos de la ira von Dámaso Alonso und Sombra del Paraíso von Vicente Aleixandre, erste literarisch anspruchsvolle Versuche der Integration von Gedicht-Inhalt und Realität (cf. ibid., p. 111 und Equipo Resefla: La cultura española, p. 76). 160 Zum Schein des literarischen Lebens der unmittelbaren Nachkriegszeit cf. den überschwenglichen Bericht Uber die Madrider Tertulias: »La vida literaria en Madrid« von Rodríguez de Rivas, in: Fotos 252 (27.12.1941) s.n„ der die Illusion blühender kultureller Aktivitäten vortäuschen will.

90 sehen Besatzungsmacht von Frankreich ins Franco-Spanien zurückkehrt^, und Azorin, der 1942 sein Werk El escritor Dionisio Ridruejo widmet, wodurch er vermutlich einen Mäzen mit politischem Einfluß zu gewinnen hoffte 162 , werden zwar beide von der offiziellen Kritik nicht gefördert, aber immerhin geduldet. Manuel Machado, der im Gegensatz zu seinem Bruder das Movimiento unterstützt, gehört neben Azorin zu den Mitarbeitern von El Español, einer im Oktober 1942 von Juan Aparicio gegründeten Wochenzeitschrift, die eine Mischung aus politischem Sensationsjournalismus und literarischer I n f o r m a t i o n s t ä t i g k e i t 163 darstellt. Mit der 1942 einsetzenden Rehabilitation der 98er Generation versucht sie eine vorsichtige Annäherung an Vorkriegstraditionen, um über das de facto herrschende kulturelle Vakuum hinwegzutäuschen: La necesidad de recomponer, siquiera tímidamente, el asolado panorama cultural de posguerra, lleno de anatemas y de excomuniones, obligaba a acomodar al momento la imagen de muchos autores, algunos de ellos condenados por la jerarquía de la Iglesia.164 Aus dem Spektrum der Romanproduktion der unmittelbaren Nachkriegszeit sind, wie in Kapitel 1.2.1. bereits dargelegt, kaum Werke durch die Literaturgeschichtsschreibung kanonisiert worden, wodurch jeder Versuch einer Analyse der Genese, Struktur und Funktion aller zu jenem Zeitpunkt veröffentlichten Romane zu einer auf wenigen literarischen Zeugnissen basierenden Hochrechnung geraten muß. Im Grunde wird La familia de Pascual Duarte (1942) von Camilo José Cela als einziges Dokument erzählerischer Innovation für die Jahre 1939-43 angeführt.1® Der Anti-Held und Ich-Erzähler des Romans, ein zum Tode Verurteilter, der im Gefängnis rückblickend die Umstände, die zu seinem persönlichen Scheitern geführt haben, erzählt, ist in gewisser Weise die Verkörperung spanischer Realität, wie sie von der nichtprivilegierten Bevölkerungsmehrheit jener Jahre durchlitten wird. Die Stilisierung des aus dem Kontext herausgelösten Details mag dazu geführt haben, daß der Roman trotz einer über die für die Institution Literatur geltenden Normen hinauswei161 Ebenso wie Ortega y Gasset war auch sein Werk von der Falange vereinnahmt worden: E. Gimenez Caballero: »Pío Baroja: precursor del fascismo espaflol«, Vorwort zu Barajas Anthologie: Comunistas, judíos, masones y demás ralea. Valladolid: Reconquista 1939. Cf. auch Eutimio Martín: »La actitud de Baroja ante la guerra civil«, in: Caravelle 25 (1975), pp. 119-133 und Andrés Amorós: »Madrid en la revolución, novela inédita de Baroja«, in: Insula 308/9 (jul./ag. 1972), p. 6. (In Bertrand de Mufloz, La guerra civil en la novela I, p. 18, ist fälschlicherweise 1971 angegeben.) Wie mir der Verfasser mitteilte, datiert er das Manuskript, das sich in seinem Besitz befindet, auf 1950, mit Korrekturen bis 1952. Der Roman bleibt weiterhin unveröffentlicht, da die Genehmigung des Erben (Caro Baroja) fehlt. 162 Cf. J.L. Abellán: La cultura en España, pp. 11-13. 163 F. Rubio: Las revistas poéticas, p. 60; J.C. Mainer Falange, pp. 55, 56 und José Ortega: Fascismo y cultura, pp. 159,160. 164 F. Rubio: Las revistas poéticas, p. 60. 165 Ausführliche Würdigung findet neben der puren Aufzahlung der Bürgerkriegs- oder Evasions-Romane (Kapitel 1.2.2.) allenfalls noch der realistische Roman des Falangisten Juan Antonio Zunzunegui: ¡Ay ... estos hijos! (1943), der zur Zeit der Zweiten Republik spielt und dessen erzählte Zeit mit dem Ausbruch des Bürgerkrieges am 18. Juli 1936 endet.

91 senden Sinnintention für staatliche Interessen vereinnahmt und durch Juan Aparicio, Chef der Delegación Nacional de Prensa, offen gefördert wurde. Aktualisiert werden insbesondere jene Teile des Romaninhaltes, die den normativen Bedürfnissen der offiziellen Kritik entgegenkommen. In diesem Sinne positiv bewertet wird die Tatsache, daß der Mörder des Conde de Torremejia Reue zeigt und die Ursache seines Fehlverhaltens selbst mit der morbiden, zum Scheitern verurteilten Republik in Zusammenhang bringt.166 Der Durchschnittsleser von Romanliteratur konsumiert jedoch Vertreter der in Übersetzung verlegten »literatura amable«167 aus dem englischsprachigen Raum, wie Somerset Maugham, Baring, Zilahy oder Pearl S. Buck. M. Baring ist 1941168 der beliebteste Romancier. Die Nachfrage nach seinen Werken sinkt auch 1943 noch nicht. Neben Baring trifft interessanterweise auch K. Hamsun mit Bajo las estrellas de otoño, Hambre, La última alegría und Benoni, alle aus dem Jahre 1942, die Vorlieben des Durchschnittslesers.16' 1942 werden allein 201 Romane aus dem Englischen übersetzt, ein beachtlicher Anteil am Gesamtvolumen von 1.242 veröffentlichten literarischen Werken.1™ Über die Übersetzungsrechte wacht das I.N.L.E. (Instituto Nacional del Libro Español) und der 1942 gegründete Servicio de Inspectores de Traducción (Oficio del Delegado Nacional de Propaganda, vom 3. Juni 1942).ni Die marktorientierten, mit Übersetzungen Gewinn machenden Verlage konzentrieren sich nicht in Madrid, sondern in Barcelona. José Janes ist 1943, wie anhand unbezahlter Autorenrechte abzulesen ist, ein Verlag, der neben Ed. Fax, G. Gili und S. 166

Cf. Ignacio Soldevila Durante: La novela desde 1936. Madrid: Alhambra 1980, pp. 108-110, F. Alvarez Palacios: Novela y cultura, pp. 34, 35 und Equipo Resella: La cultura española, pp. 20,21. In Hinblick auf die politische Zuordnung Celas in der unmittelbaren Nachkriegszeit ist seine von Eutimio Martin (»Camilo José Cela, bardo del franquismo«, in: Quimera 20 (1982), pp. 14-18) aufgespürte Erzählung Adolfo Esteban Ascensión in der Bürgerkriegs-Laudatio Laureados de España. 1936-1939II. Madrid: Fermina Bonilla 1940, pp. 181-189) von Interesse. Der implizite Autor des 1942 erschienenen Romans La familia de Pascual Duarte ist in seiner ausmachbaren politischen Position keineswegs mehr deckungsgleich mit dem impliziten Autor dieser 1939 erschienenen Lobrede auf den baskischen Jagdflieger-Kapitän A.E. Ascensión.

167

Cf. F. Alvarez Palacios: Novela y cultura, p. 18 und Gonzálo Torrente Ballester: Panorama de la literatura española contemporánea I. Madrid: Guadarrama 21961, p. 413. 168 Salvador Pérez-Valiente in der Rezension zu Barings »Seis delfines«, in: Cuadernos de literatura contemporánea 5, 6 (1942), p. 317: »No sabemos si por indudable decadencia del género en nuestro país o por identificación temperamental entre autor y lectores - aburguesada cohorte de plácidos lectores - , el estilo, el pensar y el hacer de Baring lo es también de esas medias gentes que entretienen sus ocios entre boite y boite. Es por ello el escritor de moda.« (zit. nach J.M. Martínez-Cachero: Historia de la novela española, p. 76s.) Brecht veröffentlicht in diesem Jahr Mutier Courage. 169 V. Bozal: La edición en España, p. 87 und Isaac Montero: »Los premios o treinta aflos de falsa fecundidad«, in: Cuadernos para el Diálogo, Extraordinario XIV (Mayo 1969), p. 76. 170 v. Bozal: La edición en España, p. 86. 171 Die Gesamtzahl editierter Werke beträgt für die Jahre 1940-43 laut Bibliografía Hispánica (zit. nach V. Bozal: ¿a edición en España, p. 86) inklusive Trivialromane, Western, Heftchen-Romanen u.ä.: 1940: 2.587,1941: 4.047, 1942: 3.489, 1943: 5.277. Cf. auch den Artikel »Cerca de 3.500 libros«, in: Arte y Letras 4 (15.5.1943), p. 10, das Kapitel »La edición privada« von Darío Fernández Flórez des Artikels »Trance y fortuna de la edición actual espafiola«, in: El Español Semanario (2.1.1943), p. 11, José María Martínez-Cachero: Historia de la novela española, p. 82 zur Verlagskonzentration in Barcelona und Madrid und Femando Cendan Pazos: Edición y comercio, p. 119.

92 Calleja (Madrid) den Übersetzungsmarkt beherrscht. Auf die Welle ausländischer Produktionen reagiert die Vicesecretaria de Educación Popular in dem Rundschreiben Nr. 57 von 1943: ... la Vicesecretaria de Educación Popular ejercerá, desde ahora, en la Censura previa de libros y en la vigilancia reglamentaria de dichos planes [= planes semestrales de edición], un criterio restrictivo, muy especialmente en las obras imaginativas, según el cual concederá su aprobación a aquellas traducciones que no sólo se mantengan dentro de una impecable ortodoxia, sino cuya versión pueda justificarse también por su debido mérito literario.172 Das Problem der Übersetzungsliteratur wird zum Politikum, da sie neben ideologischen Aspekten wirtschaftlich gesehen die Wettbewerbsfähigkeit spanischer Autoren stark reduziert.173 Die an der Distribution beteiligten Organe, Verlage und Zensurbehörden entscheiden über die tatsächliche Publikation literarischer Werke. Auf dem Markt erscheinen daher Veröffentlichungen jener Romanciers, denen staatliche Verlage offenstehen und die durch das I.N.L.E. Förderung erfahren.174 Ein Beispiel nationaler Literaturpolitik ist die Fiesta del Libro, über deren Funktion 1940 in ABC folgendes gesagt wird: El estado español, al adquirir una fisonomía eminentemente nacional, se halla vigilante frente a los libros. Una gran parte de los males de España se debe a los libros, y por esto debemos aspirar a que los bienes los conquistemos con libros también. Todo el estricto y verdadero espíritu nacional se encuentra escrito y publicado. ... Todo el pensamiento español, el auténtico pensamiento de la España

172 y . Bozal: La edición en España, pp. 86,87. 173 »En nuestra Patria, la aportación de la iniciativa privada a la bibliografía de la postguerra está integrada casi en su totalidad por literatura de tercera o cuarta categoría, de producción extranjera. Así esta progresión y fomento de malas traducciones de obras deleznables presenta, como primer mal, la apariencia de falta de valores nacionales en el campo de la novela.« (El Español Semanario (31.10.1942), p. 14). Aus diesem Grunde beginnt die Zeitschrift mit dem Abdruck spanischer Romane, die in Fortsetzung erscheinen. Unter ihnen u.a. neben C.J. Celas Pabellón de reposo ein BUrgerkriegsroman von Vicente Torrente: IV grupo del 75-27. 174 Cf. F. Alvarez Palacios: Novela y cultura, p. 22. Das Gründungsstatut des I.N.L.E. vom 23.S.39 und das Decreto vom 6.4.1943 sind im Anhang I von F. Cendan Pazos: Edición y comercio, pp. 303-3.14 abgedruckt. 1941, als das Scheitern der Achsenmächte noch nicht absehbar ist, schreibt José Sanz y Díaz (»Libros«, in: Rutas de España (1.1.1941) s.n.) unter der Kapitelüberschrift »Los libros y el Estado Nacional-Sindicalista«: »La flamante Espalla ... se debe preocupar de los libros orientadores del pueblo en esta hora en que huyeron a la desbandada los mediocres y petulantes escritorzuelos de la anti-patria. Por tanto, debemos preocuparnos de la fundación de bibliotecas nacionales que ... den a los catecúmenos del Estado Nuevo una visión completa del ideario espaflol presente, basado en los cimientos recios de la Tradición y de la Cultura...« Der Bericht aber die spanische Verlagsproduktion wird in der Ausgabe vom 1.2.1941 fortgesetzt. Zur Autoren-Förderung der Editora Nacional cf. Darío Fernández Flórez: Trance y fortuna, p. 11: »Hay que seflalar, ante todo, la constante y eficaz labor política cultural, desarrollada por la Editora Nacional, que no sólo ha dignificado editorialmente el libro español, sino que ha protegido al autor en forma desconocida en nuestra Patria. Esta editora oficial abona a los autores de originales, es decir, de obras de creación, un mínium del 15 por 100 sobre el precio de venta del ejemplar en librería, entregándole en firme la mitad de estos derechos al aparecer el libro.«

21 autöntica, estä encerrado en los viejos libros de nuestra 6poca de oro y en los que se han escrito en nuestro renacer.ns Die Literaturpreise, die zur Ermutigung nationaler Literatur vergeben werden, stehen in jenen Jahren noch nicht in Konkurrenz zu den kommerziellen, von den Verlagen ausgeschriebenen Wettbewerben, die in Absage an die moralpropagandistische Funktion staatlicher Preise 1 ^ und als Antwort auf den Lesergeschmack das literarische Klima der späten 40er, der 50er und 60er Jahre hinsichtlich spanischer Produktionen bestimmen. 177 Ungeachtet der politischen und kommerziellen Träger haben die spanischen Literaturpreise als moderne Form des Mäzenatentums in bezug auf literarische Normen falsche Stimuli g e g e b e n . Hinsichtlich der Funktion der Kultur im Rahmen der Öffentlichkeit läßt sich abschließend feststellen, daß das Regime gezielt eine enge Verflechtung von politischer und kultureller (literarischer) Öffentlichkeit betreibt. Literatur soll in diesem Zusammenhang gleichzeitig als Medium von Subjektivität und Medium von Herrschaftsinterpretation funktionieren. Trotz staatlichen Mäzenatentums geht jedoch das Interesse der alle Schichten umfassenden Leserschaft andere Wege. Es wird im folgenden in der Einzelanalyse der Bürgeikriegsromane überprüft werden, wo die Ursache der Publikumsapathie gegenüber der offiziellen Literatur-Institution liegt und wie die Trägerschicht der Werke im einzelnen beschaffen ist. Der offizielle Interventionismus, bezogen auf die Institution Kultur, wird von Staat und Kirche gleichermaßen getragen. 179 Die platonische Vorstellung, daß die kulturelle Elite als geistiger Führer für das Volk zu operieren habe 180 , die Wiederbelebung der Literatur des Siglo de Oroi8i, die Renaissance epischer Dichtungsform, der mit der katholischen Machtdoktrin eng verwobene Patriarchalismus, die geschlossene Form der Gesellschaft, Anknüpfung an die spanische imperiale Tradition, Bruch mit der unmittelbaren, liberalen, republikanischen Vergangenheit, nicht nur durch Exilierung der Intelligenz belegbar, sondern auch in den landeseigenen literarischen Zeugnissen ausmachbar, die ständische Idee literarischer Praxis der Zeitschrift Escorial, der Rückgriff auf das rationaler Kritik entzogene archaische Medium der Zensur lassen es zu, nach eingehender Auswertung literaturwissenschaftlich gesicherter Daten und ihrer literatursoziologischen Deutung 175 »La fiesta del Libro«, in: ABC (21.4.1940), s.n. 176 Cf. Wilfried Grauen: »Ästhetische Erkenntnis gegen bürgerliche Moral«, in: P. Bürger (ed.): Zum del, p. 183.

Funktionswan-

17V Ab 1944: Premio »Eugenio Nadal«; ab 1947: Premio »Adonais«; ab 1952: Premio »Planeta«; ab 1958: Premio »Biblioteca Breve«; ab 1965: Premio »Alfaguara«; Cf. I. Montero: Los premios, pp. 79-83. 178 Cf. Equipo Resefla: La cultura española, p. 16 und I. Montero: Los Premios, pp. 73-84, J.L. Abellán: La cultura en España, p. 21, F. Alvarez Palacios: Novelas y cultura, pp. 23,25-28 und 31 undJ.M. Martínez-Cachero: Historia de la novela española, p. 88. 179 Cf. E. Díaz: Pensamiento, p. 22. 180 Cf. ibid., p. 29. 181 Cf. G. Díaz-Plaja: Sociología cultural, p. 35.

94 von dem auch für die Kultur und Presse maßgeblichen, die Realität verschleiernden und damit gleichzeitig ideologisch wirkenden Legitimationsmodus 'Tradition' zu sprechen, der allerdings auch in diesem Bereich nur begrenzte Zeit die einzig gültige Norm bleibt. 182

182 Die Produktion für den Marict und das ökonomisch wieder erstarkende liberale Bürgertum, das zunehmend Einfluß auf Distribution und Rezeption der Artefakten nimmt, sind zwei Faktoren, die den Normenwandel erklaren können.

95

5. Genese des falangistischen Bürgerkriegsromans in den Jahren 1936-1939 Als literarisch bzw. kulturell sterile Jahre bezeichnet Martínez Cachero die Kriegsjahre: Son tiempo de preferente actividad bélica y política, muy poco propicio para la intelectual y literaria que, con harta frecuencia, aparecen teñidas de ideología exasperada y combatiente. Por lo que a la novela atañe debió de ser muy poco lo que hubo1. In der Tat eignete sich die lyrische Gattung als literarische Form besser, um die Unmittelbarkeit der Kriegserfahrung und die Betroffenheit der im Bruderkrieg befindlichen Spanier auszudrücken, als dies der Roman tun konnte. Dennoch ist einschränkend anzumerken, daß bereits während des Krieges die pro-republikanisch gesinnte nationale und internationale Intelligenz die gesellschaftlichen Widersprüche, die in letzter Konsequenz zum Bürgerkrieg geführt hatten, kritisch reflektierte, weshalb man sogar rückblickend vom letzten ideologischen Krieg dieses Jahrhunderts spricht.2 Was die kulturellen Aktivitäten im nationalistischen Lager anbetrifft, so gewinnt die 1936 durch das katastrophale Wahlergebnis zunächst paralysierte Falange als Ideologie-Spender zur Rechtfertigung des Putsches an Bedeutung, da die orthodoxe Rechte über kein geeigneteirhetorisches Rüstzeug verfügt: Evidentemente, la atractiva retórica falangista fue el elemento idóneo para cubrir las necesidades de simbología y exasperación que necesitaba el nuevo movimiento.3 Doch anders als im republikanischen Lager läßt sich eine geistige Trägheit unter den Anhängern des Movimiento - Großbürgertum und Mittelstand - nicht verkennen, mit der sie auf die für ihre Interessenlage bedrohlichen Jahre der Republik reagieren. Neben dem Nationalsyndikalismus feiert auch der Traditionalismus seine Wiedergeburt: Los libros clave del momento ... eran la ejemplar Defensa de la Hispanidad de Maeztu, ... El Estado Nuevo, vademécum del pensamiento tradicionalista de i

M. Martínez Cachero: La novela española, p. 18.

2

Cf. Kapitel 1.1.

3

Vicente Marrero, zit. nach J.C. Mainer: Falange, p. 37.

91 Víctor Pradera; las obras de los grandes pensadores como Donoso, antologado por Antonio Tovar; Menéndez Pelayo, especialmente en la recopilación antológica de sus textos dedicados a la historia de España, hecha por Jorge Vigón; Los tres dogmas nacionales de Mella; las obras de los pensadores de Falange a quienes el Alzamiento sorprendió en plena gestación.* Die Zuständigkeiten für die Institution Kultur werden im Neuen Staat entsprechend unter den ideologischen Gruppierungen aufgeteilt: die Traditionalisten zeichnen für Kulturarbeit im engeren Sinne verantwortlich, die Karlisten für die Reinstitutionalisierung der Katholischen Kirche, während der Falange der Propagandabereich zufällt. Ab 1938 erscheinen monatlich politisch engagierte Kurzromane als Beilage zu der falangistischen Zeitschrift Vértice, die im November eine Ausschreibung für den besten Romanbeitrag mit Kriegsthema startet. Den Wettbewerb gewinnt Pedro Alvarez mit Cada cien ratas, un permiso.5 Kriegsverherrlichung und offene Parteilichkeit kennzeichnen die pro-nationalistisch engagierten Biographien Camisa azul (1937) von Ximénez de Sandoval und Manolo (1937) von Francisco de Cossio sowie die Romane Retaguardia. Imágenes de vivos y muertos (1937), Las alas invencibles (1938), Luna roja. Novela de la Revolución (1938) von Concha Espina; Las fieras rojas. Novela episódica de la guerra (1937) von José Muñoz San Román; Como las algas muertas (1938) von Luis Antonio Vega; Eugenio o la proclamación de la primavera(l938) von Rafael García Serrano und Madrid de corte a cheka (1938) von Agustín Conde de Foxá.6 Während die Kriegsphase, in der Madrid und Barcelona zur republikanischen Zone gehören, verlagert sich die nationalistische Verlagsproduktion in die Provinzen. Neben der Weiterführung von Acción Española unter dem Titel Cultura Española ist vor allem die verlegerische Tätigkeit von Jerarquía, der »revista negra de la Falange«, hervorzuheben.7 Sie ediert 1938 neben Eugenio von García Serrano den bekanntesten Roman des Conde de Foxá: Madrid de corte a cheka. Da sich die Romane der Nachkriegszeit immer auch über voraufgegangene Titel zum Thema definieren und sich an ihnen messen oder sich von ihnen abgrenzen, was sich an der Rezeption, die nach Kriegsende erfolgte, ablesen läßt, soll im folgenden Madrid de corte a cheka als Beispiel für die falangistische Kriegsromanvariante vor 1939 untersucht werden. Die Rekonstruktion der Sinnintention und die Funktionsbestimmung soll daher besonders auf folgende Fragen hin erfolgen: 4

J.C. Mainer. Falange, pp. 37,38.

5

La Novela de Vértice-, marzo 1939,14 p. Literarisches Schäften verstehen die Falangisten als Dienst am Vaterland. Die Gehalte ihrer Werke sind politisch, sie thematisieren die gesellschaftlichen Konflikte vor und während des Bürgerkrieges (cf. H. Sanders: Institution Literatur, p. 112). Cf. M. Martínez Cachero: La novela española, pp. 18-26. Einzig der Roman Susana (1938) von Pío Baroja, in dem der Bürgerkrieg eine untergeordnete Rolle spielt, verzichtet auf offene Kriegsverherrlichung. Cf. J.C. Mainer Falange, pp. 38-42 und J. Rodriguez-Puértolas: Literatura fascista I, pp. 1165.

6 7

97 1) Welche politischen und kulturellen Normen konstituiert bzw. reflektiert der Text? 2) Welchen Handlungsspielraum hat der Protagonist? 3) Unterstützen die verwendeten Kunstmittel (Erzählperspektive, Sprache der fiktiven Personen und des Erzählers, Zentralstellung des Subjektes durch inneren Monolog und erlebte Rede, Position des impliziten Autors, Dominantsetzung bestimmter Isotopien etc.) die Romanfunktion? 4) Auf welche Weise kann der Sinn durch den zeitgenössischen Leser angeeignet werden? (Frage nach der Art, Herrschafts- und Kommunikationsformen zu legitimieren) 5) In welcher literarischen Tradition steht der Roman? Inwiefern bricht er mit den institutionalen literarischen Normen der Vorkriegszeit?

5.1. Paradigmatische Strukturanalyse von Foxá: Madrid de corte a cheka (1938) Noch während des Krieges, im September 1937, beendet Agustín Conde de Foxá in Salamanca seinen einzigen Roman Madrid de corte a cheka, der im April des darauf folgenden Jahres in Pamplona herausgegeben wird.8 Das Werk ist als erster Band einer Serie Episodios Nacionales gedacht, die an die Tradition der Episodios Nacionales von Benito Pérez Galdós anknüpfen will und die historischen Entstehungszusammenhänge des Movimiento Nacional erklären sowie literarisch umzusetzen beabsichtigt.9 Die Serie, deren zweiter Band Salamanca, Cuartel General heißen sollte, wurde nie fortgesetzt. Dem historischen Anspruch getreu ist der Roman in drei Abschnitte gegliedert, die Madrid unter verschiedenen Regierungsformen zeigen. Der erste Teil, Flores de Lis, schildert das Madrider Leben in den letzten Monaten der Monarchie nach dem Sturz der Diktatur Primo de Riveras im Jahre 1930. Der republikanisch gesinnte Student José Félix Carrillo, Sproß einer konservativ-großbürgerlichen Familie, verkehrt in den intellektuellen Kreisen des Ateneo um Valle-Inclán. Den Sommer muß er bei Freunden in der Nähe von Madrid verbringen, nachdem er bei seinem Vater wegen der Beteiligung an der Madrider Studentenrevolte in Ungnade gefallen ist. (30) Während sein Freund Pedro Otaño sich leidenschaftlich für den Sozialismus engagiert (69), wandelt sich Josés Haltung in politische Gleichgültigkeit (62), die sein Vater als Reue deutet, weshalb er ihm verzeiht (68). Tatsächlich aber wurde die politische Abstinenz Josés durch den Verlust seiner Jugendliebe Pilar ausgelöst, die den vermögenden Miguel Solis heiratete, um ihre verschuldete Familie zu sanieren. 8 9

Ich zitiere nach der Erstausgabe Agustín de Foxá: Madrid de corte a cheka. [Pamplona:] Ed. Jerarquía 1938. Cf. Joaquín de Entrambasaguas: »Agustín de Foxá«, in: idem (ed.): Las mejores novelas contemporáneas IX (1935-1939). Barcelona: Planeta 1968, p. 926 und idem: »Foxá y su técnica de novelar«, in: La determinación del romanticismo y otras cosas. Barcelona: Ed. Apolo 1939, p. 177: »Agustín de Foxá inicia con ella ... una serie de nuestros Episodios Nacionales, de los episodios de la nueva nación espaflola.«

m Der erste Teil endet mit der Exilierung König Alfons XIII. und der Regierungsübernahme durch M. Azafia im Jahre 1931. (88) Der Zweiten Republik widmet Foxâ das zweite Kapitel Himno de Riego.w Die Aristokratie Spaniens verbindet ihr freiwilliges Exil mit einer Sommerfrische in Biarritz. Die Regierung Azanas erweist sich als ebenso korrupt wie das alte Regime (120), so daß auch Pedro sich desillusioniert von der Politik zurückzieht und Soledad Cayetano heiratet. Seine frühere Freundin Julia wird von ihrem neuen Verehrer Temente Moreno dazu benutzt, den Bruder Pilars zu denunzieren (159), der zu den Putschisten unter Sanjuijo vom 10. August 1932 gehörte (143ss.). José hat ein Verhältnis mit der Kommunistin Sonnia, was ihn jedoch nur weiter darin bestärkt, sich von der Lebensweise dieser Leute zu distanzieren. Von Pedro erfährt man, daß er der Falange beigetreten sei (186), nachdem offensichtlich wird, daß auch die konservative Koalition unter Lerroux die politische Krise nicht meistert. Nachdem José Félix erfährt, daß Miguel Solis Pilar untreu ist, sucht er wieder den Kontakt zu seiner Jugendliebe (175/191). Auch José schwört der republikanischen Gesinnung ab und wird Falangist (202). Pilar entscheidet sich ihrer kleinen Tochter zuliebe gegen eine Flucht mit José (226), der sich daraufhin intensiv in seine neuen politischen Aufgaben stürzt; mit anderen Falangisten um José Antonio Primo de Rivera ist er an der Dichtung der Falange-Hymne beteiligt. (234) Das Aufbegehren gegen die Regierung Lerroux wächst. Trotz einer großangelegten Wahlkampagne unterliegt Gii Robles bei den Wahlen im Februar 1936. Während sich in Madrid die Volksfront installiert, flüchtet José Félix mit seiner Familie nach Portugal (243). Nachdem er aus Lissabon zurückgekehrt ist, erfährt er, daß die Tocher Pilars gestorben ist (253). Die Ermordung Calvo Sotelos (258) leitet zum dritten Teil des Romanes, Hoz y martillo, über. Als die Wohnung seiner Eltern von Milizsoldaten durchsucht wird, gelingt es José Félix kraft seiner Intelligenz und Kenntnis der linken Schriftstellerszene, der er selbst einmal angehört hat, die Miliz von seiner sozialistischen Gesinnung zu überzeugen (272). Pedro wird bei einem Zusammenstoß zwischen Falangisten und Anarchisten lebensgefährlich verletzt (280) und in einem Krankenhaus unter dem falschem Namen eines toten Sozialisten verborgen gehalten, bis er sich soweit erholt hat, daß man ihn in ein Sanatorium schaffen kann (315). Als ihr Mann vor den Milizen flieht und sie allein zurückläßt, trifft sich Pilar wieder mit José. Ihr Vater, Carlos Conde de Sajeras wird ermordet, als er den Aufenthaltsort seines Sohnes Adolfo nicht preisgeben will (306). Ein weiterer Freund von José, Jacinto Calonge, wird vom Modelo-Gefängnis zur Hinrichtung abtransportiert. Auf der Fahrt gelingt es ihm, seine Feinde mit in den Tod zu reißen, als er aus dem fahrenden Wagen ¡arriba Espana! brüllt. In dem Glauben, ein »Geisterauto« vor sich zu haben, mit dem sich Falangisten unter die Erschießungstransporte der Milizionäre mischen, um die Gefangenen zu retten und ihre Hymne der Zweiten Republik.

99 Mörder zu töten, erschießen die Milizen in einem wahren Kugelhagel alle Insassen des Gefährts (319). Julia, Geliebte Angel Morenos, erfahrt von diesem, bevor er an die Front geht und fällt, daß er es war, der Calvo Sotelo umgebracht habe (325). Auch Julia wird zur Sympathisantin der Nationalisten. José gelingt es aufgrund seiner früheren Beziehungen, Pilars Mann Miguel aus der Cheka Bellas Artes freizubekommen. Zu einem der Geisterwagen gehört der Falangist und Freund Pedros, Joaquín Mora (354), der die junge Celia, die er schon bald darauf heiraten wird, vor dem sicheren Tod bewahrt. Pedros Schwiegervater Don Cayetano fällt einer weiteren Erschießungswelle zum Opfer (372). Pilar hat Nachricht bekommen vom Tod ihres Mannes. Bei ihr hält sich der vor der Miliz auf der Flucht befindliche José verborgen. Als jedoch bei einer Haussuchung ein Anarchist Pilar zu vergewaltigen droht, stellt sich José, um sie zu schützen. Beide werden abtransportiert und von keinem geringeren als Pedro Otaño in einem Geisterwagen gerettet; sie beschließen, ins Ausland zu fliehen. Während José Félix die Flucht vorbereitet, wird Pedro als Spion entlarvt, als er in einem Bordell unter seinem C.N.T.-Decknamen versehentlich von Julia bei seinem richtigen Namen genannt wird (391). Er stirbt - »cara al sol« (394). Pilar, José und Celia werden auf der Flucht an der Grenze festgehalten, als man entdeckt, daß die Papiere nicht in Ordnung sind. Die Kommunistin Sonnia, die José wiedererkennt, bürgt für die drei, die daraufhin sicher nach Frankreich ausreisen können (413). José und Pilar beschließen schon bald, ins nationalistische Spanien zurückzukehren und für ihr Vaterland zu kämpfen; sie lassen Celia in Biarritz zurück, wo sie auf Nachricht von Joaquín wartet. In San Sebastián schließt sich José der Falange von Kastilien an und Pilar wird Krankenschwester (425). Das letzte Kapitel zeigt José im September 1937 im Kampf vor den Toren Madrids, auf dessen baldige Befreiung er hofft. Die fiktiven Ereignisse um den Protagonisten José Félix, die Nuklearhandlung' i, ist simpel in ihrer Struktur und dient nur als erzähltechnischer Aufhänger für den vom Autor intendierten Diskurs12 über die Bedingungen, die im Laufe von Jahrzehnten dazu geführt haben, Spanien in zwei Lager zu spalten. 13 Der Roman setzt sich aus drei historisch rekonstruierbaren Abschnitten zusammen. Das Sterben der Monarchie, ihre Dekadenz und den gleichzeitig immer lauter werdenden Ruf nach einer republikanischen Staatsform schildert der Erzähler als Ausgang skonstellation nicht ohne eine, wenn auch nostalgisch gemilderte, Ironie, die in 11 12

»En ella ... no hay la consabida trama que destaca sobre todo como un retrato sobre el paisaje, típica de la vieja novela.« (Entrambasaguas: Foxá y su técnica, p. 178). Cf. J. Schulte-Sasse, R. Werner: Einführung, p. 147ss. Cf. E. de Nora: La Novela española III, p. 87. Die Personen José Félix und Pilar »no son sino pretextos para penetrar por una via determinada en el laberinto del suceso histórico.« (Gaspar Gómez de la Sema: »El episodio neogaldosiano del Conde de Foxá«, in: idem: España en sus episodios, p. 133.

IM. der Metapherwahl und der Häufung der Synekdochen zum Ausdruck kommt. 2. April 1931: »Los teléfonos de las cuarenta y nueve provincias españolas cantaban en semicírculo la derrota de la Monarquía. Era como una margarita de auriculares deshojándose. ... Tocó el dedo ministerial el botón nacarado del timbre, sobre un muro de yeso empapelado, fingiendo un damasco obscuro. Colgaba del techo con molduras una araña empolvada (72). Todo un régimen milenario se liquidaba en la consulta de un médico, como si se tratase de una nefritis. (78)« Detaillierte Personenbeschreibungen, in denen die Kleidung eine symbolhafte Rolle spielt, costumbristische Stimmungsbilder der spanischen Hauptstadt, ihrer Menschen, werden wie durch einen, hier allerdings ideologisch funktionierenden, Zerrspiegel dem Leser vorgehalten. Muchachas 'bien' de Madrid con trajes claros de primavera ... Los 'pollos', de azul o de gris, calcetines y camisas de seda con coronas bordadas y relojes de pulsera con los números inflamados de fósforo para la hora nocturna de la mesilla. ... - Su Majestad el Rey. ... Iba vestido de azul oscuro con tenues rayas blancas. Sobre el cuello blanco, atravesado por un alfiler de oro, y la corbata alegre, su cara antigua pintada por Velázquez. (41,42) En la plataforma dorada dos lacayos empelucados, delante seis finos caballos de color canela con penachos azules con una franja blanca, el cuello enarcado con orgullo y una espuma de sudor en el correaje charolado con la Corona Real y la cifra del Rey. A. XHI. (69,70) Viejos retratos de algunos Ministros de la Gobernación que dilatabamente habían gobernado el Reino sonreían irónicos, desde los de 1840, con sus mangas de lacre con ojos de oro y las chorreras del XIX, hasta los enlevitados de principios de siglo, con un cuello duro y un fondo de oscuras cortinas. (72) Entró el Rey de luto, digno. (73) Abwertend, verachtend wird die »Rebellion der Massen« charakterisiert und mit der monarchischen Würde kontrastiert: Subía por Atocha una riada de estudiantes y obrerillos despechugados con monos de dril. Silbaban a los guardias. Tiraban piedras. (70) La multitud invadía Madrid. Era una masa gris, sucia, gesticúlante. Rostros y manos desconocidas, que subían como lobos de los arrabales, de las casuchas de hojadelata ya en los muros de yeso y cipreses ... Mujerzuelas de Lavapiés y de Vallecas, obreros de Cuatro-Caminos, estudiantes y burgueses insensatos. (79) La multitud desbordaba por las aceras, se arracimaba en los tranvías. (80) Die Absage an das traditionale Spanien, die neue laizistisch-liberale Staatsform, heraufbeschworen durch den politischen Opportunismus oder die Abstinenz des Großbürgertums und der Großgrundbesitzer, erhitzte parlamentarische Debatten der

m ihrem privaten Ehrgeiz erliegenden Abgeordneten der führenden Parteien, Zusammenprall der sozialistischen mit der faschistischen Jugendbewegung, sind die Hauptbedeutungskomponenten, die sich aus dem zweiten Kapitel über die Jahre der Republik synthetisieren lassen. Wenn die Erzählerhaltung im ersten Teil deskriptiv war, so gibt sie sich nun den Anschein diskursiver Rhetorik. Den Sinn soll sich, wie ich im folgenden darzulegen versuche, der Leser scheinbar auf dem Wege kritischer Prüfung aneignen. Die Protagonisten José Félix und Pedro machen im Verlaufe der Romanhandlung einen politischen Gesinnungswandel durch. Bereits 1930, bei einem Zusammenprall zwischen Karlisten und den Intellektuellen des Ateneo, verhält sich José Félix zurückhaltend und räsonierend: José Félix vacilaba. Ya era republicano por elegancia intelectual del momento, pero los Ramiros y Berengueres de su árbol genealógico, le pesaban en la sangre. Optó por la neutralidad. (12) Auch bei den Kämpfen zwischen katholischen und den in der F.U.E. (Federación Universitaria de Estudiantes) organisierten republikanisch gesinnten Studenten beruht die vorübergehende Festnahme von José als Rädelsführer auf einer Fehleinschätzung seiner Rolle: Se quedó José Félix estupefacto. Era uno de los pocos detenidos. Todo por su curiosidad. (25) Sein Vater wirft ihm vor, die Familie entehrt zu haben und setzt ihn vor die Tür: ¡Mal hijo! vete con tus revolucionarios y no te acuerdes más de nosotros. (30) Der charismatische Pedro, der von einer inneren Unruhe getrieben, als Weltverbesserer im orthodoxen Sozialismus zunächst seine geistige Heimat gefunden hat und Das Kapital von Marx liest, genießt dennoch von Anfang an die Sympathie des Erzählers: Pedro era alto, moreno, de blanca dentadura y firme sonrisa. Gustaba mucho a las mujeres. Era un espíritu apasionado y silencioso, preocupado por el dolor de los hombres. (29) Bei beiden mehren sich schon bald die Zweifel an der Richtigkeit ihrer Ideale: Pedro estaba un poco cansado. Le apasionaba la República, ya cercana, mucho menos que cuando era un vago sueño. (47) Als die Republik Realität wird, bekennt José Félix seine Enttäuschung und wendet sich von der Politik ab, ohne jedoch bereits Handlungsaltemativen gefunden zu haben: En voz baja José Félix comentaba con Pedro: - Chico; yo ya estoy de vuelta de todo esto. Me empiezo a cansar. Qué viejo nos ha salido el nuevo régimen. (120)

102 Der Leser, der sich der positiven Bewertung von José Félix und Pedro durch den Erzähler anschließt, soll parallel zu den Protagonisten zu einer ablehnenden Haltung gegenüber der Republik und ihren Repräsentanten kommen. Es fragt sich, wie der Autor das politische Geschehen nach dem Sturz der Monarchie darstellt, um die Konversion glaubwürdig zu legitimieren. W. Schmid14 hat hierzu grundsätzliche Überlegungen getroffen, ohne jedoch auf die ideologische Komponente der Wiiklichkeitsdarstellung näher einzugehen: Der schöpferische Akt der Auswahl der seinsautonomen Wirklichkeitsausschnitte, ihrer Deformierung (Verfremdung) und Synthese zu dem seinsheteronomen Korrelat der Wiiklichkeit, zur fiktiven dargestellten Welt, wird immer schon von einem subjektiven Interesse, einer wertenden Einstellung gelenkt. In der Weise, wie ausgewählt und dargestellt wird, manifestiert sich - schon vor aller expliziten Wertung - das Verhältnis des Darstellenden zur Wirklichkeit überhaupt. So gesehen ist die Weise der Wirklichkeitsdarstellung im literarischen Werk indiziales Zeichen, Anzeichen, Symptom, für die Stellung des abstrakten Autors zur Welt, für das, was ich seinen Wertungsstandpunkt oder ... 'Bedeutungsposition' nennen möchte. Auffallend an der Zuordnung der fiktiven zu den historisch verifizierbaren Handlungssequenzen ist die Häufung der letzteren. Die Kabinett-Rede Azañas über das katalanische Autonomiestatut im Jahre 1932 (133), der Militärputsch vom 10. August 1932 unter Führung von Sanjuijo (142, 143) oder die Wahlen vom November 1933 (177ss.) werden in spezifischer, vom Autor intendierter Form in fiktiven Dialogen der realen Politiker und eingestreuten Erzählerkommentaren rekonstruiert, noch ehe die Konversion Pedros zum Falangisten offenkundig wird (188). Dialoge der Politiker fingieren Zeugnischarakter, d.h. verleihen dem Textgehalt eine Pseudo-Objektivität. Die Kirchenbrände kommentiert der Präsident Alcalá-Zamora gegenüber Miguel Maura: Desde Palacio don Niceto contemplaba las hogueras. Protestaba. - Oiga usted, Miguel, esto se ha podigo evitar. Atajóle Albornoz: - Más vale la vida de un republicano que todos los conventos de España. (99) Deutlicher schon erfolgt die Wertung im Erzählerkommentar der Rede des Ministeipräsidenten Azaña zum Autonomiestatut von Katalonien im Jahre 1932: Hablaba frío, despectivo, extenso. Construía la frase literariamente salpicándola de cinismo, de ironía, de orgullo. Porque quería epatar, desconcertar, herir. Era árido y de metáforas apagadas. Se veía la carga enorme de rencor y desilusión, que era su motor y su fuerza. 14

W. Schmid: Der Tcxtaijbau, p. 30.

103 Era un lírico del odio, un polemista de la venganza. (133) Noch abwertender wird die Anhängerschaft Azañas - das liberale Bürgertum - geschildert: Un mundo gris y rencoroso de pedagogos y funcionarios de correos, de abogadetes y tertulianos mal vestidos, triunfaban con su exaltación. Era el vengador de los cocidos modestos y los pisos de cuarenta duros de los Gutiérrez y González anónimos, cargados de hijos de envidia, paseando con sus mujeres gordas en el Parque del Oeste, de los boticarios que hablaban de la Humanidad, con h mayúscula, de los cafés lóbregos, de los archivos sin luz, de los opositores sin novia, de los fracasados, de los jefes de negociado veraneantes en Cercedilla, de todo un mundo sin paisaje ni sport, que olía a brasero, a 'Heraldo de Madrid' y a contrato de inquilinato. (133,134) Aus den Wahlen im November 1933 geht die CEDA innerhalb der Koalition der Zentrums- und Rechtsparteien als Sieger hervor. Dennoch trägt Alcalá-Zamora das Amt des Ministerpräsidenten nicht ihrem Führer Gil Robles, sondern Lerroux von der Radikalenpartei an, da die CEDA-Anhängerschaft - Teile des Großbürgertums und landbesitzender Adel - pro-monarchistisch ist. Auch ihre Trägergruppe wird in Madrid de corte a cheka als eine auf ihre Privilegien und Pfründe bedachte Wählerschaft ironisch kritisiert: El viejo Duque brindó por Gil Robles, salvador de España y futuro regente del Reino. Pensaba en sus dehesas de Extremadura salvadas de la reforma agraria. Pero se limitó a decir. - La Religión se ha salvado. (181) Gil Robles charakterisiert der Erzähler folgendermaßen: Era listo, buen parlamentario, dotado de una gran capacidad de agresión. Su voz de timbre chillón, lastimaba al adversario. Sabía hacer política, pero no Historia, porque carecía de esa emoción poética, de ese fuego comunicativo de los conductores de pueblos ... a pesar de sus 35 años, carecía de juventud física y moral, porque era fofo y calvo, y su frase favorita: - Prefiero la eficacia a la gallardía. (182) Um Geschichte zu machen, so deduziert der implizite Leser, muß man sowohl physisch als auch moralisch jung und poetisch sein und Charisma haben, Eigenschaften, die wenige Seiten später José Antonio Primo de Rivera zugeschrieben werden, was die Sympathie des Lesers auf seine Person und politische Gruppierung lenkt, wenn er sich der Insinuation des Erzählers ausliefert: era joven, decidido y poeta, y tenía una prestancia varonil... Era épico y lírico, de ojos claros y ligeramente tristes. Unía la ternura al ímpetu de la lucha. (198) Die Charakterisierungen der Politiker bewirken im Leser einen Stimmungswandel analog zur Konversion von José Félix und Pedro, die die politischen Normen der Re-

104 publik nicht mehr mit ihrem eigenen Sinnhandeln in Einklang bringen konnten und von José Antonio zum Falangismus bekehrt werden: Se percibía el silencio. Aquel muchacho empleaba un lenguaje nuevo, desconocido. Decía que romper las urnas era su más noble destino, que la Patria era una unidad de destino en lo universal y que por defenderla había que emplear la dialéctica de las pistolas, que los pueblos eran movidos por los poetas. Añadía que era candidato sin fe ni respeto. El público le ovacionaba. ¿Qué eran aquellas palabras altas y nobles en medio de la España oficial de las dietas, los diputados y las comisiones? ... José Félix y Pedro Otaño se miraban sonrientes. Experimentaban esa alegría del hombre que se aproxima a la Verdad. (171,72)15 Die hier verwendeten Sememe Patria, noble destino, dialéctica de las pistolas, poetas, la Verdad sind ebenso wie disciplina (308), jerarquía (170), estilos arquitectónicos (94) und época heroica (188) Schlüsselworte der Falange-Rhetorik. 16 Die Zuordnung des impliziten Autors zur falangistischen Trägerschichti7 ist auch ohne Kenntnis biographischer Einzelheiten des realen Autors, die ihren Niederschlag im Roman gefunden haben, wie noch am Beispiel der Szene über die Falange-Hymne zu sehen sein wird, über die Analyse der Personenreden und Erzählerpassagen des Textes möglich. Die spanischen Faschisten definierten sich vor ihrer politisch-ideologischen Aufweichung^ im Jahre 1937 nicht nur anti-liberal, sondern auch anti-kapitalistisch und anti-bürgerlich. 19 Diese Haltung scheint in mehreren Passagen von Madrid de corte a cheka durch: En realidad, Madrid había dejado de ser la capital. Ya tiraban con más fuerza Barcelona y Bilbao, con sus burguesías más hechas, más capacitadas que la madrileña, todavía con el complejo de inferioridad de la aristocracia, a la que intentaba suprimir colocando un 'ex' delante de los títulos. (95) La gente 'bien' prolongaba el veraneo. (106, cf. auch p. 118)

15

Das Treffen im Teatro de la Comedia fand am 29.10.1933 statt (cf. Gaspar Gómez de la Serna: España en sus episodios, p. 141).

16 17

Cf. J.C. Mainer: Falange, p. 39 und Thomas Mermall: The Rhetoric of Humanism, op. cit. Insofern ist der Kommentar von José L. Aranguien (Esludios literarios. Madrid: Ed. Gredos 1976, p. 231) schlicht falsch: »Completamente fuera del ámbito falangista queda Madrid de Corte a Cheka [sic!] (1938), del monárquico Agustín de Foxá.« Cf. Kapitel 3.1.1.

18 19

Dem inaktiven opportunistischen Finanzbürgertum, aber auch dem dekadenten Adel gibt der Erzähler als Stimme des impliziten Autors die Mitschuld am Ausbruch des Bürgerkrieges. Die anti-bürgerliche Haltung kommt auch in der Szene der Wahlkampagne von 1936, besonders in der Beschreibung der Wahlplakate, zum Ausdruck (241, 42).

IOS Los intelectuales sustituían a los aristócratas en los banquetes de Palacio, en las cenas de gala, en los salones de las Embajadas. (112) Die genaue Wiedergabe der Entstehungsumstände der Falange-Hymne Cara al sol (231-235) basiert auf der tatsächlichen Mitwirkung des Autors Augustin de Foxá an der Verfassung des Textes: Fuimos abajo, al sótano, donde había un piano. Venía Tellería, autor de la Venta de Vargas, que tenía dos o tres melodías pensadas. José Antonio, Rafael Sánchez Mazas, Don Pedro Mourlane, Alfaro, Ridruejo, Agustín Aznar y no recuerdo más. A los postres hicimos los 'monstruos' de la letra.20 Die fiktive Umsetzung lautet fast identisch: - Están ya abajo, don José. ... Allí estaban el Marqués de Bolaique, don Pedro, Rafael Sánchez Mazas, Agustín Armendáriz, José María Haro y Dionisio Ridruejo. ... Bolarque, entre la música, hacía los 'monstruos'. (230, 31) Hinter dem Decknamen Agustín Armendáriz verbirgt sich der Verfasser Foxá, von dem die erste Strophe stammt: La primera estrofa: 'Cara al sol con la camisa nueva'. La segunda quedó sin terminar ... 'Volverán banderas victoriosas' es de Alfaro. La última, 'Volverá a reir la primavera', es de José Antonio con algunas aportaciones de Ridruejo y un verso entero cambiado por don Pedro Mourlane, el de ... 'que por cielo, tierra y mar se espera'. 21 Dazu die Romanversion: Armendáriz escribía en una mesa entre las migas de pan y el olor reciente de la fruta. Quiso poner un arranque brioso: 'De cara al sol, con la nueva camisa/Que me bordaste ayer' .../Campanudo y taciturno, Don Pedro ... tachaba con una línea de lápiz el segundo verso de la última estrofa, aquel que ya nadie iba a conocer: 'Y será la vida, vida nueva'. Escribió con letra menuda encima unas palabras. ¿No os gusta más esto: 'Que por cielo, tierra y mar se espera'? Aprobaron unánimes. (232, 33) Dem Protagonisten José Félix, der laut Entrambasaguas autobiographische Züge trägt 22 , kommt nur eine Beobachterrolle zu: » - Tú, José Félix, dame un lápiz« (231). M

21 22

Interview mit Foxá in Pueblo, ziL nach J. Entrambasaguas: Las mejores novelas contemporáneas IX (1935-1939), Barcelona: Planeta 1963, p. 899. Cf. auch »El Peatón«: »Foxá y el 'Cara al Sol'«, in: Informaciones (2.7.1959). Zit nach J. Entrambasaguas: Las mejores novelas contemporáneas IX, p. 900. Foxá, 1939 spanischer Konsul in Bombay, erlebt den Ausbruch des Krieges in Madrid, kann aber nach 3 Monaten in die »nationale Zone« Qberwechseln. Seine BUrgerkriegslyrik ist in dem Sammelband El almendro y la espada. Cantos de guerra. San Sebastián 1940, zusammengefaßt. Entrambasaguas: Las mejores novelas contemporáneas IX, pp. 916,17 schreibt ihnen eine »sonora voz épica« zu. Mit Guiseppe Lombrassa gibt Foxá von Nov. 1940-Juni 1943 die zweisprachige Monatsschrift Legiones y Falanges heraus. (Ibid., p. 924; cf. auch die Rezension von M. Fernández Almagro, in: ABC (2.5.1940), p. 6).

106

Auch die Beschreibung der über den Wahlsieg der Volksfront jubelnden Massen kennzeichnet die Nähe des Erzählers zur ñktionalen Welt: Y al frente, enormes retratos de Lenin y Stalin. Era Rusia que nos invadía. Ni un grito español. (249, Hervorhebung R.S.) Ebenso wie sich im ersten Abschnitt während der Monarchie die Republik vorbereitete, so kündigt sich im zweiten Teil der Gegenstand des letzten Kapitels - der Bürgerkrieg - an. Dies kommt auch in der sich erneut ändernden Ausdrucksform zum Tragen: Dem ersten deskriptiven und dem zweiten diskursiven Teil folgt nun der handlungsintensive23 dritte Teil: Salió a la calle. Allí estaba de nuevo la revolución, la verdad. Le parecían débiles, quebradizos, todos sus años anteriores, llenos de literatura. La revolución le enseñaba las cosas fuertes. Había que amar ciegamente y matar y morir. Le volvía la realidad. (297) Der Protagonist José Félix, der während der republikanischen Ära mit ihrer pluralen Wertestruktur seine Integration in die Gemeinschaft als problematisch empfand, akzeptiert die politischen und kulturellen Normen des Falangismus, die nun seit Kriegsausbruch nicht mehr in diskursiver Auseinandersetzimg mit den Wertehierarchien liberaler, sozialistischer und kommunistischer Prägung definiert und angeeignet werden müssen, sondern durch offenen Kampf der Aufständischen gegen die republikanische Regierung verbreitet werden. Die Dialektik der Pistolen dominiert das Geschehen, wobei es das Privileg der Aufständischen zu sein scheint, für ihre politischen Ansichten und ihr Vaterland zur Waffe zu greifen und zu sterben: Y José Félix ... imaginaba, al otro lado de los montes, la verdadera España. Imaginaba a Franco, joven, con la espada desnuda en la belleza severa de Burgos, edificando una Patria nueva, en un Cuartel General sin palaciegos ni aduladores, rodeado de alegres requetés navarros, de falangistas vestidos de azul que defendían una patria alegre entre el ruido de talleres, con un Estado Mayor de jóvenes capitanes con la Laureada. (324) (Jacinto Calonge) se sentía morir. ... Y se fue apagando alegre, entre la sangre odiada de sus enemigos. (319) Der Feind hingegen, legitimiert durch die republikanische Regierung, setzt sich aus blutrünstigen, enthemmten, undisziplinierten Volksmassen z u s a m m e n : 2 4 23

24

Er besteht aus der Aneinanderreihung der Abenteuer der vorbildlichen Helden José Félix, Pilar, Pedro, Jacinto Calonge und Joaquín Mora: »La peripecia personal de los personajes protagonistas se funde en la gran peripecia colectiva« (Gaspar Gómez de la Serna: España en sus episodios, p. 151). Cf. C. Blanco Aguinaga (et al.): Historia social III, pp. 62,63 und E. de Nora: La novela española III, pp. 87,88. Konkietisationen in der von Foxá intendierten Weise sind G. Gómez de la Sema: España en sus episodios, pp. 145,46, Iglesias Laguna: Treinta años, p. 53 sowie F. Uñarte: Novelas de la guerra española, p. 85: »Foxá des-

IQZ De madrugada se reunían en Palacio, encargándose del Gobierno Martínez Barrios. Explicaba don Diego. - No hay más remedio que pactar. Voy a telefonear a Pamplona para hablar con Mola. Con las luces del alba llegó a Palacio Largo Caballero. - Debemos resistir. Contamos con la ayuda de Francia. Es preciso armar inmediatamente al pueblo. Si el gobierno Martínez Barrios continúa, la clase obrera declarará la huelga general. Hubo que transigir. El boticario Giral fue nombrado presidente. Estaba lívido, sentado en el sillón. Y dió la orden terrible. Que se arme al pueblo. (263, 64) Las masas armadas invadían la ciudad. Bramaban los camiones abarrotados, con mujeres vestidas con 'monos', desgreñadas, chillonas, y obreros renegridos, con pantalones azules y alpargatas, despechugados, con guerreras de oficiales, correajes manchados de sangre y cascos. (264) Dejaron de ser menestrales, obreros de Madrid, carpinteros, panaderos, chóferes, cerrajeros. Un sueño milenario les arrebataba. Les resucitaba una sangre viejísima, dormida durante siglos; ¡alegría de la caza y de la matanza! Eran peor que salvajes porque habían pasado por el borde de la civilización y de las grandes ciudades y complicaban sus instintos resucitados con residuos turbios de películas, de lecturas, de consignas. (265) Die rhetorische Figur der Metonymie dient dabei ebenfalls der Ideologisierang der Aussage: Eran el crimen, el odio y el instinto sexual, andando por la calle. (295) Así murió [don Cayetano]. Los milicianos lo miraron con cierta lástima. - Pobre abuelo. No se daban cuenta, de que habían asesinado al viejo Madrid. (372) Ein weiteres Beispiel indirekter Ideologisierung ist die Episode über die Hausdurchsuchung, bei der es José Félix gelingt, zwei Milizionäre von seiner angeblichen republikanischen Gesinnung zu überzeugen: La conversación le iba descubriendo los puntos de ataque.... Les hablaba de Rusia, de la tumba de Lenín, de la India sovietizada. Elojiaba su gallardía. - Defendéis a Madrid como hace cien años vuestros abuelos cuando el dos de Mayo. Les describía la épica con vivos colores. Notaba que les iba interesando, que los ganaba. ... El otro miliciano era más difícil. Era cetrino, enjuto, fanático. Tenía todos los prejuicios del pueblo y un vago respeto, inculcado en los mítines, por los intelectuales. José Félix se dió cuenta de eso. - Yo hago versos. Ahí tengo mi último libro. - A mí me gustan mucho. Leo siempre los de Luis de Tapia en 'La Libertad'. Le recitó unos trozos de García Lorca. - Le voy a dedicar mi libro ... (272)

cribe las primeras arremetidas del lumpen«.

108 Intelligenz, nicht Muskelkraft, rechtfertigt aus der Sicht des Protagonisten partikulare Herrschaft: Los había dominado. Contempló sus fusiles ya inservibles - hierro y madera entre sus manos. Con su vencimiento, les salía a ellos su humildad ancestral. Se sentían lo que eran, otra vez albañiles y fontaneros, en la casa del señorito. Era el triunfo de la inteligencia sobre la fuerza bruta. (273) Zwei Seiten weiter wird der historische Vergleich mit dem Widerstand gegen die napoleonische Invasion erneut aufgegriffen: Sonaba en el altavoz de la radio la voz aguda de la 'Pasionaria'. Comparaba a los milicianos con los chisperos del 2 de mayo. (275) Sorgfältig zusammengefügte dialogische Episoden und Perspektivenwechsel bewirken beim Leser eine zunehmende Identifikation mit der Erzähler- und Protagonistenmeinung. Der Herrschaftsanspruch der legalen demokratischen Regierung und reale Barbarei der Massen klaffen scheinbar weit auseinander: - Toma; que hoy entoavía no te has desayunao. Y aquella mujer, metía un churro frío, en la boca seca del muerto. ... Todavía sonaba la radio en el bar del Hotel Nacional. La escuchó José Félix. Sonreía con ironía. En medio de aquellos dos pobres peleles, escuchaba las eternas mentiras. - El pueblo español que lucha por la democracia y la libertad. (301) Die Milizionäre werden vom Erzähler als »entfesselter Pöbel« stigmatisiert: - Somos la autoridad. En efecto, eran la autoridad los limpiabotas, los que arreglan las letrinas, los mozos de estación y los carboneros. Siglos y siglos de esclavitud acumulada, latían en ellos con una fuerza indomable. Aquel era el gran día de la revancha. Veían temblando, aduladores, sonriendo, a los grandes burgueses, a los títulos del reino, a los banqueros que les habían hecho temblar con sólo una mirada. (268) In unmittelbarem Wechsel vom Erzählerkommentar auf die Ebene der fiktiven Personen vernimmt der Protagonist José Félix im Radio: - Nuestras valerosas milicias, se preparan a atacar Guadalajara. En este momento nos comunican que Alcalá de Henares es ya de la República. (269) Der Leser wird durch diese Gegenüberstellung aufgefordert, kritisch die vom Erzähler wiedergegebenen Szenen der Hausdurchsuchung und Menschenjagd mit dem Bild zu vergleichen, daß die offizielle Regierung von sich in den Medien gibt. Foxá hat die Erzähltechnik von Pérez Galdós übernommen, die darin besteht, fiktive Personen Schlüsselpositionen einnehmen zu lassen, um aus ihrer Perspektive eine historische Chronik zu erstellen. Doch nicht nur fiktive sowie verschlüsselte

109 bzw. verfremdete Personen25, sondern auch reale historische Figuren fungieren als Handlungsträger.26 Ebenso verhält es sich mit Trägern der Institution Kultur der 30er Jahre27, wobei mit dem politischen Bewußtseinswandel von José Félix, aus dessen Perspektive die Handlung größtenteils geschildert wird, allmählich auch die scheinbar neutrale Haltung des Erzählers (1. Teil) in deutliche Parteilichkeit umschlägt und zur Ablehnung der literarischen 'Dekadenz' und des linksintellektuellen Gedankengutes führt: Volúmenes sexuales, anticoncepcionistas, pornografía pseudocientífica, revuelta con los folletos marxistas, viajes a Rusia llenos de elogios, la 'Vida de Jesús' de Renán, el 'Capital', páginas revolucionarias de Dimitroff. (111) Die costumbristischen Beschreibungen der literarischen Bohème des Ateneo (7ss) im letzten Jahr der Monarchie lassen auf genaue Kenntnis der Madrider Szene durch den Autor Foxá rückschließen, was ein Interview mit ihm in der Zeitung Pueblo28 bestätigt. Die zunehmende Entfremdung des Protagonisten von seiner ehemaligen aufklärerischen liberalen Gesinnung, von der »conversación complicada y artificiosa«, führt zur falangistischen Identitätsfindung: »Qué falsas le parecían aquellas frases junto a los conceptos eternos de astros, guerra y amor!« (173) Distanzierte Analysen und rationale Kritik bewertet die falangistische Anhängerschaft negativ, die wissenschaftliches Engagement mit emotionaler Betroffenheit gekoppelt sehen möchte und die aufklärerische liberale und laizistische Form bürgerlicher Öffentlichkeit radikal ablehnt: 25

Hinter dem duque de Alfd verbirgt sich der duque de Amalfi, hinter dem padre Olaburu der Padre Laburu, hinter Agustín Armendáriz der Autor Agustín Foxá. Der volle Name des Verfassers lautet: Conde de Foxá y marqués de Armendáriz (Manuel Rubio Cabeza; Los intelectuales españoles y el 18 de julio. Barcelona: Ed. Acervo 1975, p. 143). In der deutschen Ausgabe wird fälschlicherweise dechiffriert Agustín Foxá zitiert. Sturm über Madrid. Roman aus der spanischen Revolution. DL Übertragung von G. von Uslar. Hamburg: Chr. Wegner 1940 (Spanische und südamerikanische Romane, hrsg. v. Ibero-amerik. Institut zu Hamburg), p. 228.

26

Um nur einige zu nennen: Dámaso Berenguer (15,79), König Alfons XIII. (42, 73,86, 88), der Royalistenführer Calvo Sotelo (252), La Pasionaria (275, 323), Franco (308,358) werden erwähnt; einige, wie der konservativ-republikanische Innenminister der Zweiten Republik Miguel Maura (77), der sozialistische Abgeordnete Indalecio Prieto (117, 311), Alejandro Lerroux, zweiter Premierminister der Republik (165, 183), CEDA-Führer Gil Robles (182), der Sozialistenführer Francisco Largo Caballero, der die Regierung September 1936 bis März 1937 führt (76,77,397,401), und der erste republikanische Premierminister Manuel Azafla (143,251) werden in politischen Diskussionen wörtlich zitiert José Antonio Primo de Rivera (1%, 198, 233) richtet das Wort sogar an fiktive Personen. Auch in der fingierten Aufdeckung des Mordes an Calvo Sotelo, für den sich Angel Moreno schuldig bekennt (325), werden Dichtung und Wahrheit aufs engste verknüpft.

27

Erwähnt werden: Valle-Inclán (7ss, 115), Ramón Gómez de la Serna (118,120), Spengler (112), der Vertreter des mexikanischen Revolutionsromans Martin Luis Guzmán (36, 37), die liberalen Zeitungen Heraldo de Madrid (79, 218,163), La Gacela literaria (81), Ahora (112), El Debate (143), Ortega y Gasset und die Revista de Occidente (214) und der literarische Zirkel des Ateneo (7ss, 112). Der Surrealismus von Bufluel (151), die französische literarische Schule von Cocteau und André Gide (153), der liberale Pädagoge Francisco Giner de los Ríos (162), Freud und Picasso (169), Neruda (169), García Lorca (173,174), Alberti (151, 169,384) und der progressive Katholik und Herausgeber von Cruz y Raya, José Bergamín (169,214,348,361).

28

In Auszügen zit. in: J. Entrambasaguas: Las mejores novelas contemporáneas IX, p. 892ss.

110 José Antonio no tenía ninguna esperanza en 'Acción Popular'. - Quieren - decía - hacer en frío lo que nosotros hacemos en caliente. En general, los partidos centristas son como la leche esterilizada: no tienen microbios, pero tampoco vitaminas. (197) Und über Don Gumersindo Arellano, die »alma fría de protestante« heißt es: Como la mayoría de los intelectuales de aquel momento, se apasionaba por todo lo que querían destruir. Sus amigos eran anti-católicos y anti-imperiales, pero se pasaban la vida haciendo estudios sobre Garcilaso, Carlos V o los místicos. Así, el racionalista Américo Castro estudiaba a Santa Teresa y Sánchez Albornoz evocaba la Edad Media española y otros hablaron de los misioneros y de los conquistadores. (162) Ein Romanfragment von José Antonio mit einer Metapher »comparando el cristal de un ataúd con la ventanilla sucia de un tren. Detrás, el rostro del muerto o del viajero« (199) verdeutlicht die falangistische Sprachnorm. Das liberale Ateneo und die Treffen im Pombo2? tauschen Pedro und José Felix nach ihrer Konversion gegen die Treffen in den falangistischen Cafés (189, 198) von Recoletos und Ballena Alegre30 und die von José Antonio ausgerichteten Cenas de Carlomagno ein, die ebenso zur politischen und kulturellen Meinungsbildung beizutragen suchten wie andere namhafte literarische Zirkel jener Zeit: Una vez al mes asistía José Félix a las cenas de Carlomagno, organizados por José Antonio en el Café de Paris. Se iba de frac o de smoking, se alumbraban con candelabros de velas, y tomaban platos extraños ... Don Pedro que hacía de Canciller, leía el discurso de la Corona. Las cenas de Carlomagno tenían una intención política; José Antonio quería poner en contacto la Falange con los intelectuales de otros partidos políticos. (235, 36, Hervorhebung R.S.) ebenso wie: La bella marquesa de Cañizar ... poseía el salón más codiciado de Madrid, donde reunía a lo más refinado de la sociedad, mezclando lo mundano con lo intelectual y lo político. Allí acudían Ortega y Gasset y Marañón, José Antonio y Luca de Tena, gentes de 'Acción Española', de 'Cruz y Raya', y de la 'Revista de Occidente*. (214, Hervorhebung R.S.) Der Roman spiegelt auch im kulturellen Kontext die falangistischen Bemühungen um politische Glaubwürdigkeit in den intellektuellen Kreisen wider. Im Bürgerkriegsabschnitt »Hoz y martillo« treten die Beschreibungen des intellektuellen Lebens in Madrid zugunsten der Kampfes- und Schreckensszenen zurück.

30

Die Kulturinstitution der Republik stellt Foxá in die Tradition der Aufklärung: »La botillería de Pombo estaba adornada como en el siglo XVIII. ... Allí podía representarse 'el Café' de Moralin o discutir las disparatadas escenas de 'El gran cerco de Viena'. (118) über die Treffen in der Ballena Alegre, an denen auch Foxá teilnahm, cf. J.C. Mainer: Falange, p. 32.

Ili

Lediglich eine Episode schildert den unüberbrückbar gewordenen Gegensatz zwischen dem Falangisten José Félix und den republikanischen Schriftstellern. Im Gegensatz zu den Kaffeehausgesprächen aus der Zeit der Monarchie wird der Zweite Kongreß der Antifaschistischen Schriftsteller in Außensicht aus der Perspektive José Félix' beschrieben: Pululaban por aquellos aristocráticos salones, muchos escritores. Algunos hablaban en francés, con intelectuales enviados por León Blum. En la 'Serre'ardorosa de sol, encristalada, los escritores ensayaban el nuevo teatro revolucionario. Le saludaron afectuosos María Zambrano, Neruda y Alberti. Todos iban disfrazados de milicianos con pistolas en la cintura. En los descansos tomaban unas copas de Jerez. Un poeta amigo de Cernuda, leyó un poema dedicado a la toma de Cáceres, que nunca dejó de ser de los nacionales. (384)

5.2. Distribution und Rezeption Die Erstausgabe des Romans, noch während des Krieges veröffentlicht, war offensichtlich ein Publikumserfolg, denn bereits im Januar 1939 wendet sich Agustín Foxá an Juan Beneyto, den Chef der Sección de Censura de Libros, und bittet ihn um die Genehmigung einer zweiten Edition mit einer Auflagenhöhe von 10.000 Exemplaren:^1 Hago unas ligeras modificaciones que le enviaré por correo - dos o tres anécdotas.32 Über die Art der Abänderung eines Autors, der bestrebt ist, sich den neuen politischen Verhältnissen anzupassen, geben die Zensurakten zwar keine Auskunft; die Ergänzungen können jedoch anhand eines Editionenvergleichs rekonstruiert w e r d e n . 3 3 Der erste eingefügte Absatz betrifft den ersten Teil der sterbenden Monarchie: [Negreaba la multitud por la Gran Vía;] 31

32 33

Die Zensurakte über Madrid de corte a cheka ist in Alcalá de Henares angeblich nicht auffindbar. Immerhin kann davon ausgegangen werden, daB die 2. Ausgabe nicht, wie ihr Titelblatt vorgibt, noch im selben Jahr der Eistausgabe, sondern erst Anfang 1939 erschienen ist. (Cf. Anhang 2: »Staatliche Zensur«, S.297. Ibid. Folgende Ausgaben habe ich veiglichen: a) Madrid de corte a cheka (s. 1.): Ediciones Jerarquía, Abril 1938,428 pp. (Episodos Nacionales I) b) Madrid de corte a cheka. Segunda edición conegida y aumentada. San Sebastián: Libreria Internacional 1938, 391 pp. [enthalt die Ankündigung »Salamanca, cuartel general, tomo II de los Episodios Nacionales«.] Weitere Editionen, auf der Eistausgabe beruhend: c) Madrid: Ed. Prensa Espafiola 1962 (Colección Los Tres Dedos), 325 pp. d) Madrid de corte a checa [sic!], in: Obras Completas I. Poesía, Teatro y Novela. Madrid: Ed. Prensa Espaflola 1963, pp. 775-1060. Auf der zweiten, erweiterten Auflage basiert: e) Madrid de corte a cheka, in: Joaquín de Entrambasaguas (ed.): Las mejores novelas contemporáneas IX, pp. 947-1338. 0 7a reimpresión. Madrid: Ed. Prensa Espaflola 1976,335 pp., der neuesten mir bekannten Auflage.

112

en su alero de golondrinas del piso último de la casa de la Avenida de Eduardo Dato, Ernesto Giménez Caballero y Ramiro Ledesma, contemplaban el desfile. Ernesto, algún día esta masa será nuestra. Daba el sol, suavizado por el cristal, en la tinta fresca del periódico 'La Conquista del Estado', donde colaboraba la juventud revolucionaria que, a partir de aquel día, iba a dividirse en fascista y comunista. Se sucedían los 'vivas' a la República y los aplausos. [Gemía]34 Ähnlichen Inhalts sind die in der zweiten Ausgabe angefügten, mehrere Seiten umfassenden beiden Textstellen im zweiten Teil Himno de Riego35. Über den intellektuellen Snobismus in den letzten Jahren der Diktatur Primo de Riveras merkt der auktoriale Erzähler an: Los futuros comunistas y fascistas colaboraban juntos en La Gaceta Literaria36, y el comunista Arconada era amigo del futuro fundador de las J.O.N.S., Ramiro Ledesma Ramos.... Se discutía entonces si una cultura podía florecer fuera de las entrañas ardientes de una Patria ... Todo conspiraba contra la vieja cultura; Picasso quebraba las líneas intangibles de la pintura con una anarquía de volúmenes y colores. ... todo arte exótico ... se admitía con fruición con tal de quebrar la claridad clásica y católica de los viejos Museos. Porque la isla antiestatal de Rousseau había terminado en la selva. Algunos jóvenes, se habían salvado por la sanidad y rudeza de sus estirpes, por impulso varonil de sus sangres. Pero los asistentes aquella tarde a la casa de la calle de Viriato, eran el grupo débil y sovietizante que, una vez más, preparaba en los salones el asalto general de las masas. (21938, p. 140) Die dritte Ergänzung betrifft ein Treffen José Félix' mit den faschistischen Vertretern der J.O.N.S. in der Wohnung von Giménez Caballero, wo er die Bekanntschaft von Ledesma Ramos und anderen Mitarbeitern ihrer Zeitschrift Conquista del Estado macht (21938, p. 144). Der Autor unterscheidet deutlich zwischen Faschismus und Falangismus37, dessen Anhänger José Félix später wird, ohne sich je Faschist zu nennen: Se resistía José Félix. - ... El Fascio nunca triunfará en España. ... - No lo creas; tengo ganas de presentarte a Ramiro Ledesma. (21938,144) Die Verherrlichung des italienischen und deutschen Faschismus durch die JONSAnhängerschaft kommt unverblümt zum Ausdruck: Intervenía Ramiro: - Es muy interesante esta fotografía de Mussolini. Se veía al 34

35 36 37

11938, p. 81 und 21938, p. 76. Die Textstelle befindet sich in dem Kapitel »Pasó lento el otoflo..., pp. 140 und 143-147 in 21938, sie fehlt in der Erstausgabe, cf. pp. ISO und 154. »las dos juventudes espirituales que cuajarían el porvenir de Espafia: los comunistas y los fascistas.« (Giménez Caballero: Genio de España, Barcelona: Jerarquía 1939, p. 7. zit. nach J.C. Mainer: Falange, p. 25. Zur Distanzierung José Antonios von der Bezeichnung faschistisch für die Falange-Bewegung im Jahre 1934 cf. S.G. Payne: Falange, p. 78.

m Duce a caballo, con su gorro fascista con penacho y un fondo de columnas y muchedumbre. (21938,144) Ramiro llevaba un breve bigote, como Hitler, que entonces todavía se llamaba 'a lo Chariot'. (145) Ernesto, exhibía, encuadernados, unos números de 'La Gaceta Literaria' que había impreso con tinta perfumada. - ¿No conoces mi libro, 'Genio de España'? Te lo voy a dedicar. Escribió: 'A José Félix, con abrazo romano'. (144,45) Vélez Aparicio, hinter dem sich vermutlich die reale Person Juan Aparicio, Sekretär von Ledesma, verbirgt, frequentiert am folgenden Tag die Orientaciones legales Sociedad Anónima (Olsa), wo sich »Spanier verschiedener Anschauung, aber alle Feinde der marxistischen Republik Azaflas« treffen, zu denen auch der JONS-Fiihrer von Kastilien, Onésimo Redondo, der Conde de Rodezno, General Mola und der rechts-radikale Pedro Sáinz Rodríguez zählen, um nur die bekannteren der realen historischen Personen zu nennen. (21938,146) Im Februar 1934, als nach dem italienischen und deutschen nun auch der österreichische Faschismus Triumphe feierte, fusionierte die spanische Falange mit der 1931 gegründeten faschistischen JONS (Juntas de Ofensiva Nacional-Sindicalista) von Ramiro Ledesma Ramos und Onésimo Redondo. Im April 1937 gingen beide Bewegungen gemeinsam mit Karlisten und Anhängern der Monarchie König Alfons' in der von Franco gegründeten farblosen Falange Española Tradicionalista y de las JONS auf. Die JONS-Anhänger in der Ur-Fassung mit keinem Wort zu erwähnen, entsprach der pro-falangistischen Haltung des Autors Foxá. Die Falange war 1935 auf Distanz zur links-faschistischen Gruppe um Ledesma Ramos gegangen, der den Nationalsyndikalismus in einer Zeit revolutionieren wollte, als die faschistische Bewegung kaum mit breiter Unterstützung in der spanischen Bevölkerung rechnen konnte und noch wenig Mitglieder zählte. Ledesma Ramos wurde aus der Partei ausgeschlossenes Den absehbaren Sieg der Nationalisten Ende 1938, Anfang 1939 mag Foxá als weiteren Triumph des europäischen Faschismus gedeutet und ihn veranlaßt haben, drei die Bewegung verherrlichende Textstellen über den spanischen Faschismus unter politischer Führung von Ledesma Ramos und Onésimo Redondo und ideologischer Schirmherrschaft von Giménez Caballero, dem einstigen Gründer der avantgardistischen Gaceta Literaria, in den Roman einzufügen. Das Verhältnis des realen Lesers zum Gesamtsinn des Romans und zu seiner Wertung hängt davon ab, inwieweit er sich bei der erst nach Kriegsende erfolgten Realisation der Lektüre mit der impliziten Leserrolle identifizieren kann. Konkretisationen von Madrid de corte a cheka sind im ersten Nachkriegsjahr relativ zahlreich und bestätigen die breite Wirkung, die der Roman gehabt hat.

38

cf. S.G. Payne: Falange, pp. 71,72.

114 Der Rezensent der monarchistischen Tageszeitung ABC, Fernández Almagro 3 ', führt den Erfolg des Werkes von Foxá auf die Verflechtung von Subjektivität und historischer Faktizität zu einer literarischen Chronik zurück: »El novelista puede ser el supremo historiador de lo cotidiano«. Schon die Gemälde von Goya beweisen, daß Kunst Wirklichkeit nicht nur abbilde, sondern interpretiere: Goya ... nos lo trascribe fidelísimamente ..., pero al mismo tiempo le traspone a un cierto plano de creación, porque no realiza una copia, sino una interpretación personal. Ebenso Foxá: enjuicia al Madrid que nos hace contemplar, suscitando en nosotros un mundo de correlativos recuerdos. Pero el juicio emana de los datos inmediatos, según los recoge y armoniza una bien sostenida narración novelesca. Obwohl Foxá in seinem Roman die Aristokratie und das finanzstarke Bürgertum gleichermaßen durch einen Zerrspiegel betrachtet und persifliert hat, ist die Kritik in ABC, einem Blatt, das sich an eben die von Foxá kritiserte Leserschaft richtet, relativ verhalten, vielleicht deshalb, weil der Autor selbst zu den Mitarbeitern der Zeitung zählt: Algo hay de sobrecarga en los rasgos que el autor acumula, pero su riqueza, y aún su dispersión ... convienen al propósito de Foxá, interesado, sin duda, en que no falte nada esencial, a fin de que su evocación sea capaz de herir cualquiera de nuestros puntos sensibles. In José Félix, der seinen politischen »Irrtum« einsieht und zum Falangismus konvertiert, sieht Fernández Almagro die spanische Jugend typisiert: José Félix Carillo: certero trasunto de la juventud española, en la parte que fué hija de las circunstancias, cediendo a la solicitación de muchas equívocas, cuando no mortíferas, actualidades, para descubrir, por último, al conjuro de Franco, la más pura y genuina raíz del espíritu nacional. Mit diesem Urteil kommt er gewissermaßen der Denkweise der ASC-Leserschaft entgegen, die die Freigeister des Ateneo ohnehin immer ablehnte und auch mit der anti-republikanischen Falange-Bewegung erst ab 1936 eine gewisse politische Zweckallianz zur Abwehr des von Sozialisten, Anarchisten und Kommunisten initiierten Klassenkampfes einging. Luis de Armiñan^o vergleicht das Phänomen des Bürgerkriegsromanes mit der Kriegsliteratur des Ersten Weltkrieges und streicht deren Zeitgebundenheit heraus:

39

M. Fernández Almagro: »El 'Madrid' de Foxá«, in: ABC (21.4.1939). p. 4.

40

»La literatura en la guerra«, in: Domingo 127 (23.7.1939), p. 2.

m Cada soldado se creyó en el caso de contar aquellos episodios que le tuvieron como testigo. Que yo recuerde sólo dos libro quedaron para siempre. Das biographische Element solcher Romane bedinge ihren großen Erfolg: El libro de Foxá 'Madrid de Corte a Checa* [sie!] debe su grán éxito precisamente a eso, a estar vivido, y, por ello, lo más claro, lo más rotundo, es todo lo que dice en su primera parte. Als Chronik über den Bürgerkrieg läßt der Kritiker den Roman jedoch nicht gelten, da Foxá als Schriftsteller und Diplomat das Kriegsgeschehen nicht aus eigener Erfahrung heraus schildern konnte: La tragedia de Madrid espera aún la pluma que ha de contarla, pero una pluma de la finura de aquella de Galdós que reflejaba el dolor con la misma gracia que la picardía. Den Kriegsroman, für den er paradigmatisch Manolo von F. de Cossio 4 ' anführt, will er als Medium zur Vergangenheitsbewältigung verstanden wissen, in dem Soldaten ihre Eindrücke schildern con la sinceridad ruda del que estuvo de verdad allí... Todo el artificio de los profesionales, que encubren con frases que les falta, estará ausente en esas líneas que todos esperamos. Das Gattungsproblem des historischen Romans greift J.M Selva 42 auf: 'Madrid de Corte a Checa' [sie!] une a una voluntad de historiador, voraz de anécdotas y ambietes, la fuerza creadora del novelista y los finos meandros del poeta. Ihm dient Madrid de corte a cheka lediglich als Aufhänger, um die Episodios Nacionales von Galdós aktualisieren zu können, die den Sinnbedürfnissen der katalanischen bürgerlichen Leserzielgruppe von Destino eher entsprochen haben dürften: Uno y otro responden al tipo del escritor 'beligerante'. ¿Quien cree a estas alturas en la 'imparcialidad' de Galdós? ... Su corazón ultrademocrático y populista le hacía modelar aquellos arbitrarios personajes que se llaman Inesilla, Don Celestino, Pacorro Chinitas, rusonianos entes de ficción en quienes concentra el novelista, frente a una aristocracia corrompida, la perfección de los humildes. Inhibición, neutralidad, imparcialidad, no la pidáis a un escritor que vive, bien o mal, la fiebre de su pueblo. Die ironische Darstellung monarchistischer Dekadenz sowie die radikale Ablehnung der revolutionären Klassenkämpfe sind Bedeutungskomponenten des Romans 4

1

42

Das Werk ist eine Biographie aus dem Jahre 1937, die Bezeichnung Roman trifft nicht zu. »Madrid de Corte a Checa«, in: Destino (5.8.1939), p. 7.

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von Foxá, mit denen sich auch die Vertreter des kapitalstarken katalanischen Bürgertums identifizieren konnten. Joaquín de Entrambasaguas widmet Madrid de corte a cheka ein Kapitel seiner 1939 publizierten Essaysammlung.43 Interessant in Hinblick auf den Wandel der Institution Literatur im Franco-Spanien ist seine neue Verknüpfung der Romangenese mit der imperialen Tradition des Landes: La novela aparece y se desarrolla parallelamente a nuestro casticismo literario. Los libros de Caballerías, la novela sentimental, la novela pastoril, van constituyendo los fermentos de la gran novela del Siglo de Oro.... La misma época imperial produce géneros diversos de novela con abundancia extremada: la novela cortesana, la novela satírica, la novela morisca, la novela histórica ... Sólo en las épocas de ausencia de lo nacional, como en el siglo XVIII, la novela también desaparece, y en el siglo XIX, cuando surge la reacción realista, con ciertas notas frustradas de nacionalismo, su género predilecto es la novela, que sirve de vehículo literario a los Episodios Nacionales y acaba por perder su sentido español ante el predominio del naturalismo novelístico francés. (175) Die ästhetizistische Romanvariante des beginnenden 20. Jahrhunderts, »el arte deshumanizada«, lehnt er folglich wegen ihres Mangels an Nationalgeist ab: En la época contemporánea, de indecisión nacional, entre las corrientes literarias extranjeras ... la novela o arrastraba toda una técnica pasada, sin nervio, derivada del siglo XIX, con sus tópicos arguméntales y estilísticos, o no cuajaba en intentos aceptables. (175,76) Zum Prototyp des Nationalromans getreu den Normen der neuen Kunst-Institution hat er Madrid de corte a cheka auserkoren: Es, pues, significativo que la nueva literatura que ha de surgir con el Movimiento Nacional, precursor del Imperio, se haya anunciado por una novela maestra; por ese Madrid de Corte a Checa [sie!], de Agustín de Foxá ... Ni la poesía,... ni el teatro,... ni menos otros géneros de literatura,... dan hasta el presente un jalón de firmeza equivalente a la novela de Foxá para determinar el nacimiento de otra época distinta en las letras españolas. (176) Der eigentliche Protagonist des Romans sei Madrid zu ihren drei historischen Schlüssel-Zeitpunkten: 1. El cuadro decadente de la Monarquía Española. ... la formación del republicanismo español, superficial y falso, enfermo desde el comienzo, viviendo con drogas exóticas y ocultas de masonería e internacionalismo judaico y comunista. (179) 43

foxá y su técnica, pp. 175-180.

117 2, el fantasma de República que se esfuma poco a poco tras el desarrollo corpóreo del marxismo creciente. (179) 3. el horror de la capital mártir, bajo la barbarie infrahumana del Frente Popular y su transformación en ciudad comunista, rusa, vacía del alma madrileña, e inundada de muertos y de sangre, que describe Agustín de Foxá con una intensa vibración literaria superior aún, en cuanto a tónica emotiva, a las dos partes anteriores, con imágenes y frases inolvidables, verdaderamente magistrales. (180) Die sinnentleerte Rhetorik des Essays, die in den wiederkehrenden stereotypen Schlagworten zum Ausdruck kommt, entspricht der auch in anderen Medien der Öffentlichkeit anzutreffenden anti-republikanischen Propagandakampagne der nationalistischen Sieger.

5. 3. Funktionsbestimmung 1. Aus der Erzählstruktur von Madrid de corte a cheka lassen sich die politischen und ästhetischen Nonnen der falangistischen Trägerschicht ableiten, wie die vorangegangene Untersuchung zeigt. Flügelkämpfe, die auch innerhalb des nationalistischen Blocks eine Rolle spielten, finden in dem Roman von Foxä keinen Niederschlag.44 Franco, der zur Zeit der Abfassung des Textes (September 1937) bereits alle politischen Bewegungen zur später als Movimiento bezeichneten Einheitspartei unter seiner Führung zusammengefaßt hatte, wird nur in untergeordneten Textstellen erwähnt. Aus zwei Gründen setzt sich Foxä mit dem letzten Jahr der Monarchie und der republikanischen Gesellschaftsformation in pseudo-realistisch-direkter (tatsächlich nämlich selektiv-vermittelnder) Form auseinander. Zum einen soll in einer für den Leser nachvollziehbaren Weise als einzig sinnvolles Konzept politischer Handlungsalternativen zum republikanischen »Chaos« das Programm der Falange erscheinen, zum anderen die Erhebung gegen die Republik als unvermeidbare Konsequenz aus der vorangegangenen politisch-öffentlichen Fehlwirtschaft der Republik und ihrer Preisgabe Spaniens an die marxistische Internationale legitimiert werden. Der Autor faßt den Text zu einem Zeitpunkt ab, als die potentielle Leserschaft noch mit anderen politischen Alternativen konfrontiert wird. Um zu überzeugen, verwendet und zitiert er deshalb oppositionelle Argumentationsmuster, die er geschickt mit fingierten Szenen über verbrecherische Taten der pro-republikanischen Volksmassen verknüpft, um dann den Rezipienten das Fazit selbst daraus ziehen zu lassen, daß nämlich die deDie Darstellung des Movimiento als homogene politische Gruppe wurde in der Verordnung vom 1. September 1938 verfügt, die Kriterien für zensorische Eingriffe enthielt: »El conjunto de las normas censorias ... procedía de la... Delegación del Estado. La primera tendía al aludido mantenimiento de la idea de unidad: deberían vigilarse los juicios sobre el Alzamiento, evitando una valoración parcial de los distintos elementos que participaron en aquel.« (J. Beneylo: Censura literaria, p. 30. Cf. die Ausführungen in Kapitel 4.1.)

118 mokratische Herrschaftsform zwingend zur Anarchie (im Sinne legalen Verbrechens) führe. Angesichts des noch nicht endgültig entschiedenen Kriegsverlaufs stehen die pronationalistischen Autoren noch gewissermaßen unter einem Legitimationszvwmg, der für die Literatur nach dem Sieg der Aufständischen nicht mehr notwendig ist. 2. Die politisch-weltanschauliche Situierung der Protagonisten, aus deren Perspektive erzählt wird, in das Umfeld republikanischer Intellektueller im ersten Drittel des Werkes und ihre später erfolgende Konversion zum Falangismus täuscht einen breiten Handlungsspielraum problematischer Helden vor. Formal wird dies jedoch noch durch das typische Romanprinzip unterstützt, auch das innere Geschehen der Personen darzustellen, wobei die narrative Gestaltung in erlebter Rede (z.B. 297) nur für die vorbildlichen Helden, nicht aber für ihre politischen Antagonisten gewählt wird. Die ideologische Funktion des Sinnsystems »problematische Subjektivität« hat schon Waldmann für nationalsozialistische Erzähltexte festgestellt: Offensichtlich ist das philosophische Sinnsystem 'selbstgesetzliche Personalität' der traditionellen Erzählform in hohem Maße geeignet, ... die Heldendichtungsideologie 'Kriegsgeschehen als selbstgesetzlich personales, heroisches Seelengeschehen' zu übermitteln.« Tatsächlich erreicht Foxá in den Erzählerpassagen durch permanent sich steigernde Abwertung des Schauplatzes - das republikanische Madrid - , daß der Seelenkonflikt, in dem sich José und Pedro zunächst befinden, nur dahingehend glaubwürdig aufgelöst werden kann, daß sie die politische Front wechseln. Der innere Bewußtseinskonflikt der Protagonisten kann, wie das Beispiel Gaspar Gómez de la Sema zeigt, vom Leser zudem als Paradigma für den inneren ideellen Bürgerkrieg gedeutet werden, der in Spanien bereits vor 1936 getobt habe. Das Ende des zweiten Teils, Himno de Riego, va a convertir al fin esa sorda guerra civil interna en que se iba consumiendo el país en franca lucha por los campos de España.4^ Auch dieser Argumentationsstrang dient letztlich der Legitimation des Militärputsches, der sich zum Bürgerkrieg ausweitete. Im dritten Teil, Hoz y martillo, ist die Entscheidungsvielfalt der Subjekte zurückgenommen; die Helden unterwerfen sich freiwillig den institutionalisierten Normen der Aufständischen, die - einmal von ihnen als sinnvoll anerkannt - nicht mehr hinterfragt werden.47

45

46 47

G. Waldmann: Kommunikationsästhetik, p. 228. G. Gómez de la Sema: España en sus episodios, p. 143. Cf. H. Sanders: Institution Literatur, p. 220.

119 3. Die ästhetischen Ausdrucksmittel unterstützen Werkgehalt und Legitimationsfunktion des Romanes in jeder Hinsicht. Mit den an der Handlung partizipierenden realen Personen beabsichtigt der Autor, seinem Roman historische Glaubwürdigkeit zu verleihen. Auf Charakterzeichnungen politischer und kultureller Persönlichkeiten, ungeachtet ihrer positiven oder negativen Konnotation, hat Foxä weitaus größere Sorgfalt verwandt als auf die der fiktiven Pers o n e n ^ ; erstere dienen weitgehend der Erstellung eines kostumbristischen Stimmungsbildes. Der ironische Stil und rhetorische Figuren wie Metaphern und Synekdochen, die viele Kritiker veranlaßten, von einer poetischen Erzählweise zu sprechen, haben eine ideologische Funktion. Aus dem Textsinn als Ganzem, aber auch seinen einzelnen Elementen wie Personendialogen und Erzählerpassagen, lassen sich moralisch und politisch eindeutige Wertungen ableiten; normative Probleme, denen sich die Protagonisten anfänglich ausgesetzt sehen, werden scheinbar durch Diskussion, letztlich jedoch durch die einfache Entscheidung für die positiv konnotierten falangistischen Wertalternativen gelöst. 4. Um den Leser zu veranlassen, sich den politischen Ansichten des impliziten Autors anzuschließen, verwendet Foxä eine Erzählstrategie, die Eskin als Perspektivenverkehrung bezeichnet, die den Pseudo-Vordergrund der Handlung bzw. die falsche Front betreffe: that is, telling a story ostensibly dealing with the 'other side', while one's side appears in the background, but in such a way that what emerges most strongly is the commitment to one's own side. 4 ' Obwohl der Handlungsraum die Republik bzw. im dritten Teil die republikanische Zone Madrid ist, ist die Erzählperspektive die der Aufständischen: The advantage of this method is a genuinely strategic one: the reader, in a manner of speaking, is hoodwinked into supposing that he is being shown a substantial image of the men and ideas of the one side, but it all somewhat insidiously turns out to be a picture of the other side.so Im Falle von Madrid de corte a cheka gehen die ideologischen Auswirkungen der »falschen Front« sogar noch weiter: Indem Foxä die republikanische Zone als Hort opportunistischer Politiker und Intellektueller, auf privates Wohlergehen bedachter Großbürger und Adliger und barbarischer, nur ihren niederen Instinkten gehorchenden Volksmilizen schildert, schürt er im Leser gleichzeitig die Ablehnung der mit der Republik verknüpften Begriffe wie Demokratie, Liberalität, Laizismus, Rationalität.

49

50

Cf. J.L.S. Ponce de León: La novela española de la guerra civil, p. 171. S.G. Eskin: The literature, p. 83. Ibid., p. 84.

120 Der Leser soll durch den Lektürevorgang im Umkehrschluß Diktatur, autoritäre Herrschaftsform, Katholizismus, Vitalität und Tradition - Säulen der franquistischen Herrschaftsvorstellung - als normative Alternative anstreben. Um es an einem Beispiel zu verdeutlichen: Foxá bezichtigt die freie republikanische Presse der Parteilichkeit und wirft ihr Propagandatätigkeit und ideologische Verfälschung politischer Nachrichten vor (300, 332, 333, 335). Beim Leser will er damit nicht zuletzt eine bereitwillige Akzeptanz der Pressezensur im Franco-Regime bewirken. Tatsächlich werden die Romanpassagen noch 1954 von Gómez de la Sema entsprechend aktualisiert: Con parejo realismo impresionista da cuenta de la colaboración de la prensa en aquel terror ...5i Der Romansinn soll von der Leserschaft scheinbar auf dem Wege kritischer Prüfung, im rationalen Diskurs über die republikanische Institution Staat und ihre Öffentlichkeit mit den Institutionen Presse und Kultur, angeeignet werden. Indem die Herrschafts- und Kommunikationsformen der Nationalisten positiv, die der Republikaner negativ konnotiert sind, wird jedoch jede diskursive Hinterfragung des Werkgehaltes verhindert. Der Text funktioniert im Sinne der Verallgemeinerung partikularer Interessen ideologisch. Das im voraufgegangenen Kapitel erläuterte romaninteme Kommunikationssystem ermöglicht es, daß bei stärkerem Schein kommunikativen, ja bewußten Verhaltens in Wirklichkeit jeder Diskurs verhindert und aus einer restringierten eine pervertierte Kommunikation wird, die geradlinig Ideologie indoktriniert.52 5. Den Nexus Kunst-Kultur-Politik, den ich als dominantes Textelement aufzuzeigen versucht habe, beschreibt Eskin als ein gemeinsames Merkmal von Bürgerkriegsliteratur: Another associational strategy to promote a political cause is enlisting art and culture. Both right and left can be quite explicit in asserting that their side represents art, culture and civilized valúes while their enemies are destroyers and perverters of these v a l u e s . 5 3 Diese Erzählstrategie mag Eskin in Werken beider Lager gefunden haben; als Universalie muß sie jedoch meines Erachtens historisiert werden. Vertreter der republikanischen Institution Kunst knüpfen an die literarischen Vorkriegsnormen an, während die Intelligenz der aufständischen Zone mit dieser literarischen Tradition explizit 51 52 53

España en sus episodios, p. 147. G. Waldmann: Kommunikationsästhetik, p. 78. S.G. Eskin: The literature, p. 80.

121

bricht54, um sich stärker auf das kulturelle Erbe des Siglo de Oro zu beziehen.55 Literarische Vertreter beider Zonen unterwerfen sich unterschiedlichen institutionellen Normen. Die einen berufen sich auf die bürgerlich liberale, aufklärerische Tradition des 18. Jahrhunderts sowie auf die moderne Avantgarde; die anderen greifen auf künstlerische Werte feudaler und imperialer Vergangenheit zurück^, die zunehmend in Widerspruch zu den realen sozio-ökonomischen Verhältnissen der zeitgenössischen spanischen Gesellschaftsformation geraten werden. Madrid de corte a cheka ist seiner Form nach der bürgerlichen Roman-Tradition des 19. Jahrhunderts verpflichtet und folgt dem Legitimationstypus »rationale Kritik«, um partikulare Herrschaft zu rechtfertigen; sein Gehalt entspricht jedoch bereits der neuen Institution Kunst/Kultur, die nach 1939 für ganz Spanien fraglose Geltung beansprucht.

55

»Su línea medular seguía ... sin contacto hacia su inmediato antecedente como fue la ... línea de la novela deshumanizada orteguiana o la 'novela ensayo' de Unamuno.« (M. Sáenz Alonso: Breve estudio, p. 87). Cf. Kapitel 4 dieser Untersuchung.

56

Cf. den Essay von J. Entrambasaguas, in: La determinación, pp. 175-180.

722

6. Produktion und Distribution von Romanen mit Bürgerkriegsthematik unter den neuen politischen und kulturellen Bedingungen nach 1939

6.1. Der fingierte Tatsachenbericht Die Rekonstruktion der Öffentlichkeit im frühen Franco-Spanien hat deutlich machen können, daß die Vertreter des hegemonialen Blocks eine Verflechtung der politischen und literarischen Institutionen betreiben, um jede Hinterfragung ihres Machtanspruchs zu verhindern. Ihnen muß auch nach der Kapitulation der republikanischen Regierung Kriegsliteratur willkommen sein, solange sie ihren moralischen oder politischen Prinzipien bzw. Interessen entgegenkommt. Als besonderes Kennzeichen aller pro-franquistisch engagierten Romane ist folglich ihre totale Konformität mit dem Regime zu erwarten. Wenn im folgenden an einigen Romanbeispielen die Art der Verknüpfung von realen sozio-politischen und fiktiven Ereignissen gezeigt werden soll, so geschieht dies unter starker Berücksichtigung des Formaspekts, der in bisherigen Untersuchungen zum Bürgerkriegsroman immer vernachlässigt wurdei, obwohl nicht nur in komplexeren ästhetischen Texten, sondern gerade auch in der Tendenzliteratur die fiktionale Struktur ebenso Bedeutungs- und potentieller Ideologie-Träger wie der Inhalt ist. Dabei soll das Engagementproblem2 bzw. die Frage nach der Parteilichkeit politischer Literatur, zu der die Bürgerkriegsromane zu zählen sind, mit Hilfe des Institutionenmodells erfaßt werden, das gegenüber den traditionellen Definitions- und Abgrenzungsbemühungen von engagierter Literatur und Tendezdichtung (Propaganda) den Vorteil der Historisierung der Kategorien besitzt. Die formalen rhetorischen Methoden, auktoriale Parteilichkeit literarisch zu vermitteln, sind bei Stanley G. Eskin zusammengefaßt: Widmungen, Kongruenz von Wort und Tat, Kongruenz von Öffentlichkeit und privatem Raum, Assoziierung der politischen Sache mit positiven Kräften wie Naturgewalten oder sexueller Potenz, die Indienstnahme von Kunst und Kultur, die Perspektivierung der falschen Front sowie

1

Cf. Malcolm Alan Compitello: The novel, Ihe critics, p. 133.

2

Cf. Kapitel 2.1.1.

m die Verknüpfung von Geschichte und Fiktion3, die häufig eine Abgrenzung der Romane von Reportage erschwert.4 In Ergänzung zu den in Kapitel 5 formulierten Fragen an die zu untersuchenden Romanbeispiele sind folgende, die Variante des fingierten Tatsachenberichts betreffende Teilaspekte zu berücksichtigen: 6. Erzählerische Realisierung von Authentizität, d.h. formal: Verhältnis Von Histoire (Plot) und Discours (Story)5, inhaltlich: Verknüpfung von Fiktion und historischen Tatsachen.® Der anders gelagerte Untersuchungsschwerpunkt - Primat der Formanalyse - erfordert eine von bisherigen Klassifikationen abweichende Kanonisierung der Romantitel. Anstelle der Unterscheidung von Besatzungs- und Front-Literatur? oder einer heuristischen Zuordnung der Romane zu ihrer jeweiligen politischen Trägerschicht wird mit der Bezeichnung »fingierter Tatsachenbericht« ein formales Kriterium zugrunde gelegt, das auf verschiedene Romantypen (Frontroman, Besatzungsroman, historischer Roman, Reportage-Roman, fingierte Biographie, fingierte Autobiographie, Falangeroman, Roman der Traditionalisten, der Karlisten) zutrifft. Allen gemeinsam ist der Anspruch, historische Wahrheit künstlerisch zu vermitteln. Um eine fingierte Biographie handelt es sich bei der »Novela de la Gran Cruzada« Méndez, cronista de guerra des Journalisten José Morales López». Im ersten Kapitel führt sich der auktoriale Erzähler als Chronist der Erlebnisse seines Freundes Méndez ein: »Como me lo contó os lo cuento. Sean mis líneas un homenaje a los que luchan y mueren por la Patria«^. Der Protagonist, falangistisch organisierter Journalist und Spion für die Aufständischen in der »roten Zone«, rettet seine Braut aus dem feindlichen Inferno und flüchtet mit ihr erneut ins nationalistische Lager. Die Gleichschaltung der Presse in der »Nationalen Zone« zu Propagandazwecken wird vom Erzähler verschleiert, indem er sie auf die subjektive Ebene des handelnden Protagonisten zurücknimmt: Méndez ocupó su puesto como corresponsal de guerra. La pluma puesta al servicio de las armas, desde el primer día de la gran llamada. (56) 3 4

The lileralure of the Spanish Civil War, pp. 78ss. Zum Reportage-Charakter der Romane cf. Gonzalo Sobejano: Novela española de nuestro tiempo, pp. 56,57.

5 6

Cf. J. Schulte-Sasse, R. Werner: Einführung, p. 147. Gemeint ist die Verflechtung einer erfundenen Geschichte mit rekonstruierbaren Fakten des Bürgerkrieges, nicht das Verhältnis des Textes zu den gesellschaftlichen Institutionen (dem kommunikativen Kontext) zum Zeitpunkt der Veröffentlichung.

7

Cf. Kapitel 1.2.2. dieser Untersuchung.

8

Zur fingierten Biographie ist ebenfalls der Roman von Leopoldo Huidobro Pardo: Memorias de un finlandés (1939) zu zählen, der thematisch starke Ähnlichkeiten zu Wenceslao Fernández Flórez: Una isla en el mar rojo aufweist. (Cf. Kapitel 6.2.) Die Grenzen zur reinen Biographie sind fließend; Francisco de Cossio z.B. berichtet in Manolo (1937) aber das Schicksal seines Sohnes.

9

José Morales López: Méndez, cronista de guerra. Badajoz: Gráfica Corporativa 1939, p. 8.

124

El tenía su misión concreta e importantísima que cumplir. Había de mantener con su pluma el fuego sagrado de la Revolución Nacionalsindicalista. (58) Als Chronist des geistigen Werdeganges und Herausgeber einiger fingierter Briefe von Leoncio Pancorbo^ greift José María Alfaro einleitend das Thema der Biographie auf: En pocas cosas ... se ha ejercitado tanto el ingenio del hombre de hoy como en el arte de la biografía. Parece que, consciente de su falta de sentimiento histórico, el hombre contemporáneo busca en la intimidad ajena las razones motoras del mundo.... Pero Leoncio Pancorbo no es ni un Gengis-Kan, ni un Miguel Angel, ni un Byron. Su ejemplaridad viene precisamente de no participar ni en una de sus horas del roce con las fronteras de lo genial. ... Fué Leoncio uno más; uno más de los que sintió hasta sus tuétanos, quemándose en ella misma, la tragedia profunda de la vida española. (9,10) Die philosophische Gedankenlyrik, die stark von Nietzsches Also sprach Zarathustra beeinflußt scheint11 und bezüglich ihrer falangistischen Trägerschicht 12 und poetischen Stils an Eugenio o la proclamación de la primavera von García Serrano erinnert, spiegelt die philosophische Identitätssuche und politische Selbstfindung'3 eines jungen Intellektuellen in den Jahren der Diktatur Primo de Riveras und der Republik wider, wie sie für die falangistische Jugend um José Antonio, zu der auch der Autor J.M. Alfaro zählte, typisch war. Auf den Bürgerkrieg verweisen der Epilog des fingierten Herausgebers der Briefe, der von Leoncios Tod im Jahre 1937 an der Nationalistischen Front handelt, und eine kurze Anmerkung des Autors im Anschluß an die Einleitung, in der Alfaro auf seine Gefangenschaft in der republikanischen Zone anspielt.1* 10

José Marli Alfaro Polanco: Leoncio Pancorbo. Madrid: Editora Nacional 1942.

11

Die Nietzsche-Rezeption im Nationalsozialismus ist bekannt; auch die spanische Falange aktualisiert Nietzsches Philosophie: »no en balde han leído a Nietzsche y Karolenko, apósteles de la violencia« (Pedro de Lorenzo: »Leoncio Pancorbo«, in: Arriba (7.3.1943), p. 5.

12

Unverständlich scheint mir, daß J.C. Mainer in seiner Anthologie Falange y Literatura auf Auszüge aus einem so typischen poetischen Falange-Text verzichtet hat. Auszüge (2 Seiten) zitiert J. Rodrfguez-Puértolas: Literatura fascista II, pp. 627s.

13

»Un día del mes de julio, en 1936 ... se encuentra a sí mismo, encuentra la acción« (Azorín: »Leoncio Pancorbo«, in: ABC (17.12.1943), p. 27.

14

Alfaro, 1934, 35 ebenso wie Foxá, Ros und Ridruejo Mitglied der Ballena Alegre und Mitarbeiter von F E., gehört nach seiner Entlassung aus dem republikanischen Gefängnis zunächst zu den bedingungslosen Unterstützen! des Neuen Staates und erhält eine Schlüsselposition in der Parteihierarchie. (Cf. S.G. Payne: Falange, p. 207) Als Schriftsteller gehört er zu den Säulen der Institution Literatur in den ersten Nachkriegsjahren (cf. J.C. Mainer: Falange, pp. 3 0 , 3 4 , 4 2 , 4 7 und J. Rodríguez-Puértolas: Literatura fascista I, p. 504). Doch schon bald sieht auch er das Abrücken des Franco-Regimes von den Falange-Idealen und zählt ab 1942 zu dem liberalen Falange-Flügel der Zeitschrift Escorial, deren Direktor er seit diesem Zeitpunkt isL In einem Interview mit Federico Izquierdo Luque in Arriba (17.10.43, p. 5) erwähnt Alfaro einen Roman, den er in Arbeit habe: »La rueda del destino, con subtítulo 'Crónica del tiempo'. También dentro de la literatura política a que nos venimos refiriendo. El asunto comienza en París, en tiempo de la Dictadura, y termina al final de nuestra guerra. El protagonista, un intelectual, vive las azarosas jornadas de España en estos últimos años.« Dieser Roman ist nie erschienen, sei es aus Gründen der Selbstzensur oder aufgrund eines möglicherweise erfolgten offiziellen Einspruchs.

725 Der Eindruck der biographischen Form wird durch das fast völlige Fehlen personaler Dialoge erhärtet. Immerhin zeigen die zahlreichen Reaktionen der literarischen Fachwelt (zumeist falangistischer Provenienz), daß Leoncio Pancorbo durchaus als literarische Sonderform des Romans begriffen wurde.15 Da der Bürgerkrieg selbst nicht mehr eigentlicher Gegenstand des Romanes ist, soll wegen thematisch mangelnder Vergleichsmöglichkeit mit anderen Werken auf eine Strukturanalyse dieses für die Falange-Intelligenz so typischen Prosabeispiels verzichtet werden. Vísperas de gloria16 (1943) von Juan José de la Colina dokumentiert den Versuch der katholischen Anhängerschaft, einen eigenen Zugang zum patriotischen Roman zu finden. Die Phase der Zweiten Republik dient als Plattform für die antidemokratische, ultra-reaktionär- katholische Legitimation des Bürgerkrieges als Eingriff der nationalistischen Truppen zur Wiederherstellung von Frieden und Ordnung. Der Protagonist Joselin, dem vorbildliche Eigenschaften zugesagt werden (»Tienes madera de héroe y Dios no prodiga inútilmente el material selecto con que a tí de hizo. Algo grande, sin duda, te tiene reservado«, 84), kommt kurz nach der Erhebung in Córdoba bei einem Angriff ums Leben. Übelste Abqualifizierungen vorwiegend liberal-republikanischen Gedankengutes kontrastieren mit den Lobgesängen auf eine traditionalistische Weltordnung. Die Widmung en recuerdo y homenaje a mi hijo Juan José, caído gloriosamente por Dios y por España en Villafranca de Córdoba el 30 de julio de 1936« enthüllt den autobiographischen Hintergrund des Romans, dessen wahre Intention wohl in erster Linie in der distanzlos-emotionalen Abrechnung des Autors mit den 15

Azorln (op. cit.) schreibt hierzu: »La novela es significativa, lo es por su fábula y por su estilo.... está escrita en un estilo vivo, expresivo, rápido,... Advertimos - y esto es esencial - que el autor se asoma por momentos a una nueva fase, en cuanto a la prosa, y no acaba todavía de salir de la presente.« In der äußerst ausfuhrlichen Würdigung verweist Pedro de Lorenzo (in: Arriba, 7.3.43 und 21.3.43, p. 5) auf den autobiographischen Charakter, das Doppelgängermotiv des Textes: »La primera mitad del siglo este en que vivimos aparece confinada por la irrupción de las parejas de jóvenes, simbólicas representativas; me refiero concretamente, a José Martínez Ruiz y a José María Alfaro. Como las dos figuras - Judith y Salomé del esquema orteguinao, que se presentan con dos cabezas cada una - la suya y la cortada -, Martínez Ruiz surge en 1902 acompañado de su 'Antonio Azorín', y, cuarenta aflos más tarde, Alfaro se nos muestra encamado en el 'Leoncio Pancorbo'.... para esta pieza mayor, en esta obra fundamental y fundadora que es 'Leoncio Pancorbo', el autor no acude a su potencia narrativa, sino que se subsume y adentra en el trasmundo del esquema biográfico.... Una nueva literatura cuya característica decisiva es la narración de ideas, con un método directo que se aproxima a lo presentativo.... Porque libro que trasciende, que ensetla, que ejemplariza, no permite, al acabar su lectura, más que la mano firme ... de nuestra autenticidad: la de realizarnos con la vida nuestra, y no otra, a que un destino generacional inapelable nos ha hecho acreedores.« Lorenzo will mit seiner Aktualisierung vermutlich auf die intellektuelle Krise der Falangisten im Neuen Staat anspielen. Auch S. Ros weist auf die fließenden Grenzen von Biographie, Autobiographie und Roman hin: (Vértice S3/S4 (feb./marzo 1942), p. 63): »El libro de Alfaro es biografía, y aún diríamos que en muchos aspectos autobiografía, como cumple a la buena novela, según nuestro entender.« Einzig für Joaquín de Entrambasaguas (»Un libro para una generación espaflola«, in: Cuadernos de Literatura Contemporánea 1 (1942), p. 95) Uberwiegt das biographische Element: »que no es novela, que no es ensayo, que es ... como es - la orientación biográfica.« Er kündigt in einer Fußnote einen eigenen Entwicklungsroman zum Thema an: Ciudad (la novela de una generación española), der ebenso wie der Roman von Alfaro La rueda del destino nie erschienen ist. Zur Charakterisierung der Publikationsorgane cf. Anhang 1: »Verzeichnis der Zeitungen und Zeitschriften«.

16

Sevilla: Editorial Católica Espaflola 1943.

721 vermeintlichen Mördern seines Sohnes zu suchen ist, die jede christliche Versöhnungshaltung, die man von einem »katholischen« Roman erwarten könnte, vermissen läßt. Die Ich-Form der Handlungsdarstellung ist ebenfalls ein in Bürgerkriegsromanen verbreitetes Stilmittel, um die im historischen Kontext fiktiv umgestalteten Ereignisse als vom Erzähler selbst erlebt erscheinen zu lassen. Der Autor von Madridgrado17, 18 Francisco Camba , nimmt in dem »Documental Film«, wie er die Darstellungsweise bezeichnet, die Rolle des Erzählers ein:'9 Acumulando sus experiencias personales y asistiéndolas con su oficio de escritor, Francisco Camba acaba de publicar una novela ...«20 Dennoch besteht kein Zweifel, daß es sich um Fiktion und nicht um rein Autobiographisches handelt^, wie nicht zuletzt die fingierten Dialoge der republikanischen Politiker hinlänglich beweisen, deren Augenzeuge der Autor/Erzähler nicht sein konnte.22 Doch der Erzähler, der mit der Position des impliziten Autors deckungsgleich ist, bemüht sich zum Ziele der Glaubwürdigkeit dargestellter Ereignisse gerade um die Verschleierung der Fiktionalität: Si esto fuese una novela yo no me atrevería a escribir lo que sigue. Pero el autor

17 18

Francisco Camba: Madridgrado. Documental Film. Madrid: Ed. Espadólas 1939,414 pp. Als Franco-loyaler Romancier ist Camba zu dem Zeitpunkt der Herausgabe von Madridgrado (1939) bereits durch sein ehrgeiziges Projekt bekannt, das wie bei Foxá darin besteht, episodios contemporáneos analog zu den episodios nacionales von Pérez Galdós zu schreiben. (Cf. Anthony George Lo Ré: The novel, pp. 129, 130) Von den geplanten 3 Serien La monarquía, La república, La nueva España, mit insgesamt 30 Romanen hat er bis zu seinem Tod 1947 die eiste abgeschlossen und einen Roman der zweiten Reihe vollendet. Die Geschichtsdeutung, die sich in den Werken manifestieren soll, lautet - der neuen institutionalen Ausprägung gemäß - folgendermaßen: »En este siglo se desarrolla la lucha entre el ayer, que arrastra la fueiza creada en milenios por los regímenes capitalistas y pseudo democráticos, y los dos ideales de renovación, antitéticos, que pretenden la dominación universal: el ideal del Estado, basado en la tradición, en la Religión, en la Patria, en la familia (Hervorhebung, R.S.) y el ideal de los sin Dios, encamado por el comunismo en un régimen también totalitario contra la ideología del siglo XIX, hijo de la Revolución francesa. A estudiar esta transformación en todos los aspectos, tiende la colección ...« (F. Camba, zit. nach Lo Ré: The nove!, p. 130).

19

Haupthandlungsträger ist der Freund des Erzählers Pitipá, eigentlicher Protagonist die Stadt Madrid, »secuestrado por el republicanomarxismo« (M. Fernández Almagio: Impresiones y recuerdos del tiempo rojo ...«, in: ABC (18.2.40), p. 5).

20 21

M. Fernández Almagro: Impresiones, p. 5. »la narración recoge los elementos de la realidad histórica y los enriquece con los propios de la invención novelesca« (ibid., cf. auch M. Betrand de Muñoz: La guerra civil española, I, p. 15). »El escritor ... aplica ahora a este gran tema de la ciudad encarnizada y sovietizada su rico arte de novelista. Y sobre los materiales que una realidad inigualable le brinda, va creando una serie de tipos y de momentos de extraordinaria fueiza« (José Montero Alonso: »Madridgrado. Novela por Francisco Camba«, in: Domingo 1S2 (14.1.1940), p. 11).

22

Ein Werk, das stärker in Richtung auf die Autobiographie tendiert, ist Preventorio D. Ocho meses en el S.I.M. Barcelona: Ed. Yunque, September 1939, Auflage: 5.000 Exemplare. Sein Autor, der Überzeugte Falangist Félix Ros, distanzieit sich in der 2. Ausgabe von 1974 (Madrid: Ed. Prensa Espafiola) im Vorwort explizit von der Parteilinie nach 1939. M. Bertrand de Mufioz hat den Text, wie z.B. auch Spanish Testament von Arthur Koestler, ausgegrenzt Zu F. Ros cf. auch die Rezension von M. Fernández Almagro in: ABC (18.2.1940), p. 5; Nicolás González Ruiz, in: Ya (31.12.39), p. 7; Juan Teixidor, in: Destino (23.12.39), p. 14; J. Montero Alonso, in: Domingo 161 (17.3.40). p. 11.

127 de la realidad no tiene por qué preocuparse de tantos escrúpulos de verosimilitud. (Madridgrado, p. 197) Pero así como antes los novelistas imitaban a la realidad, la realidad imitaba por veces a los novelistas. (379) Die Selbstverpflichtung der Schriftsteller, »el gran deber c o m ú n « 2 3 für FrancoSpanien wird in den offiziellen Würdigungen immer wieder betont.24 Auch dem Falangisten José Antonio Giménez Arnau wird die »clara visión política«, seinem Roman El puente25, der, in starker Anlehnung an Madrid de corte a cheka von Foxá, anhand des Schicksals von vier Schulfreunden aus Salamanca spanische Zeitgeschichte aus den Jahren 1925 bis 1940 nachzeichnet, »un ritmo de poesía y un calor de autobiografía« bescheinigt.2® Der mit einer Auflage von 5.000 Exemplaren 1941 erscheinende Roman reflektiert die politischen Normen der Falange und schließt gleichzeitig, wie zuvor Madrid de corte a cheka, formal an die narrativen Normen der Vorkriegstradition an. Bevor die Protagonisten, insbesondere Gómez2?, die Rolle ihrer Generation - als Brücke zwischen der »dekadenten republikanischen Demokratie« und dem »Neuen Spanien« zu fungieren - finden, durchleben sie eine Phase problematischer Selbstfindung (112,199ss.), die auf der Ausdrucksebene durch erlebte Rede wiedergegeben wird (133). Falangistische Herrschafts- und Kommunikationsformen werden in direkter Auseinandersetzung mit politischen Positionen der republikanischen Seite über den Modus rationaler Kritik gerechtfertigt (cf. 95, 73, 231,327, 332). Eine inhaltliche Besonderheit von El puente ist die Fortführung der Handlung über das Kriegsende hinaus. »La otra orilla«, Titel des dritten Teils, ergeht sich, um die Zensur zu passieren, in vorsichtigen Anspielungen auf die Nichteinlösung der Falange-Ideale durch das Regime unter Franco. Der politische Wandel im Neuen Staat, die zunehmende Entmachtung der Falangisten, wird als Generationenproblem auf den privaten Raum zurückgenommen. Gómez und Domingo, die beiden überlebenden Freunde, schaffen nicht die völlige Integration in die Nachkriegsgesellschaft:

23 24

José Montero Alonso: Madridgrado; cf. Literaturverzeichnis, II: Rezeptionszeugnisse. »Todo escritor espafiol de esta hora tiene el deber de dejar al tiempo futuro un libro que sea testimonio o reflejo de la gran tragedia ahora vivida por Espafla« (José Montero Alonso: Madridgrado [Rez.]). »Habrá de pasar mucho tiempo, y todavía se publicarán libros y libros, en testimonio de la guerra liberadora, en honor del Caudillo, en memoria de los Caldos, en abominación del régimen rojo, en apología de las grandes verdades debatidas y victoriosas ...« (M. Fernández Almagro: Impresiones [Rez.]).

25

Madrid: Ed. Españolas 1941.

26

J.V.P. »Introducción« zum Vorabdruck eines Kapitels aus El puente (pp. 284-294 in der Edition Madrid: Ed. Nacional, 21956) in Fotos 219 (10.5.1941). Der Vorabdruck umfaßt die dramatische Szene, in der Gómez sich vergeblich bemüht, den verwundeten Alberto lebend aus der Schußlinie zu bergen. Der Satz des Vorgesetzten, der Gómez zunächst nicht gestattet, den Verwundeten zu holen: »Hasta la noche tiene tiempo de morir cien veces« (p. 291 in 2 1956) wurde im Vorabdruck unterschlagen.

27

Gómez ist Träger der Position des impliziten Autors. Zwischen ihm und der Biographie von Giménez Amau lassen sich Parallelen aufweisen.

128

ellos eran puente y sufrían las tentaciones de las dos márgenes. Cuando se apoyaban en una orilla, su cabeza les proyectaba sobre la otra, y deseaban que la autoridad acabase con la farsa de una libertad privilegio de pocos, tópico manejado por quienes les recortaban diariamente las alas. En cambio, cuando llegaban a la otra y veían un mundo formado en la austeridad y en la disciplina, añoraban enfermizamente la polémica, el paseo por el mundo, todas las cosas que la orilla liberal les había mostrado a un precio cruel. (301,02) Y la parte rebelde de su persona - la sangre, llena de virus sentimental - echaba de menos la peligrosa emoción de otra época. Aquella en que todos los esfuerzos se dirigían a una victoria que, entre otras cosas, debía traerles este orden que una vez conseguido chocaba con el pedazo de anarquista que muchos llevaban dentro. (326). El puente gehört aufgrund des kritischen Untertons nicht zu jenen staatlich geförderten, von der offiziellen Kritik propagierten Bürgerkriegsromanen, die im folgenden analysiert werden sollen. Paradigmatisch wurden vier Titel ausgewählt, die typische Realisationen von Bürgerkriegsromanen mit Authentizitätsanspruch darstellen und die Aspekte »historischer Roman«, »Zeugenroman«, »fingiertes Tagebuch« und »szenischer Roman« berücksichtigen. 6.1.1. Der Franco-phile »historische Roman«: Cara al sol (A. Cruz Rueda) Eine einzige Hymne auf Franco und das spanische Vaterland ist der Roman Cara al sol.ix Als erster Hinweis auf die auktoriale Parteilichkeit ist das Vorwort in Form einer Widmung abgefaßt: Acción de gracias. A Dios por haberme salvado, y vivir pidiéndole la gloria para nuestros mártires. Al General Franco por salvar ima España y un mundo. A una juventud pletòrica de valor y patriotismo. A la parte de la raza hispana que despierta y está con nosotros. A los que sin ser españoles, saben y admiran la sagrada misión de ESPAÑA. ¡Salve a todos! Der Untertitel (escenas vividas ...) und die Bedeutung des Pseudonyms Cruzado (Bezeichnung für die Kämpfer auf der nationalistischen Seite) veimitteln, abgesehen von ihrem ideologischen Gehalt, zunächst Direktheit und Affirmation.29 Die Bezeichnung »novela histórica«30 verweist auf die historiographische Funktion, die das 28 29 30

Escenas vividas en la guerra civil espartóla por el Cruzado X. [d.i.] Angel Cruz Rueda. Novela histórica. Bilbao: Imp. Palomeque 1939. Cf. S.G. Eskin: The literature, p. 78. Zum spanischen historischen Roman, insbesondere zur Definition der Episodios Nacionales als zeitgeschichtliche Fiktion cf. M. de Gogorza Fletcher The Spanish Historical Novel, p. 1: »Spanish literature in the nineteenth and twentieth centuries has developed a new genre, the episodio nacional, or the historical novel of the recent past, of

129 Werk haben soll; in ihr klingt die Intention des Autors an: der reaktionäre Literaturwissenschaftler Angel Cruz RuedaSi will mit seinem Lobgesang auf das Neue Spanien und dessen Retter General Franco literarisch und historisch Bleibendes, lange Gültiges schaffen. Den Eindruck tatsachengetreuer Wiedergabe der Kriegsereignisse untermauert er durch die sporadisch angefügten Fußnoten, die auf Textauszüge eines französischen stark antikommunistischen historischen Pamphlets von Jacques Bardoux32: Le chaos espagnol. Eviterons nous la contagions? [sie!] verweisen. Dieser Abhandlung zufolge hatte die Sowjetunion eine spanische und französische Revolution für den ersten Mai 1936, »la hora H«, festgesetzt und bis ins Detail geplant. Die Anmerkungen aus der historisch fragwürdigen Quelle sollen den Putsch vom 18. Juli rechtfertigen, mit dem Franco dieser abenteuerlichen Theorie zufolge zur Rettung Spaniens der kommunistischen Invasion zuvorkommen konnte, die nur aufgrund einer Eingabe der Kommunistischen Partei Frankreichs wegen mangelnder Vorbereitung um einige Monate verschoben worden war.33 Auf den stark antikommunistischen Tenor des Romans verweist auch der Titel des ersten Romanteils: La hiena del volga, der die Wechselfalle der Geschwister Infante und ihres Cousins Fernando Aguilarejo nach Kriegsausbruch schildert. Die Geschichte ist einfach strukturiert: Pilar heiratet Fernando, nachdem ihr Verlobter Emilio sich aus Schwäche und Egoismus als Militärarzt der Roten verpflichtet und an der Front fällt (2. Teil: Camisa azul). Ihre Brüder Pepe und Arturo und auch ihr Mann Fernando sind Falangisten. Fernando verliert im Kampf einen Arm und sein Augenlicht; Pilars Bruder Arturo trägt eine Beinverletzung davon, und Pilars Mutter wird von den Milizen verschleppt, gefoltert und getötet, als sie den Aufenthaltsort ihrer Söhne nicht preisgeben will. Im September 1938 bringt Pilar einen Sohn zur Welt,

which two types may be discerned: (1) the novel of a recent historical period prior to the writer's experience and (2) the novel of historical events contemporary with the writer's own lifetime.« Zur zweiten Gruppe zählt die Verfasserin auch die Romane über den spanischen Bürgerkrieg. »Recent national history (the province of the episodio nacional) exerts a stronger emotional pull on the author than remoter history does and makes the author reveal his political beliefs and his expectations for the future of his country. Recent history is more emotionally charged than events of the distant past« (p. 2). Cf. auch G. Lukács: »Der historische Roman«, in: idem: Werke. Probleme des Realismus III, 6. Neuwied, Berlin: Luchterhand 1965, pp. 7-430. 31

Die traditionale Haltung des Autors wird auch in seinem Artikel über die Lyrik Pemáns (in: Cuadernos de Literatura Contemporánea 8, 1943, pp. 157-180) deutlich. Azorin charakterisiert ihn als hombre »ligado profundamente con la tradición«. (A. Cruz Rueda: Mujeres de Azorín. Madrid: Biblioteca Nueva 1953, p. 8). Cruz Rueda ist vor allem als Herausgeber der Werke Azorins bekannt (Azorín: Obras completas. Madrid: Aguilar 21975), mit dem ihn eine lange Freundschaft verband. Der Gymnasiallehrer hatte sich in seiner Jugend verschiedentlich erfolglos in der Schriftstellerei versucht (Dolor sin fin. Llama de amor viva. Desquite/Romane; La fiesta und Santo Tomás, una y no máVTheaterstUcke). In der Werkchronologie des Autors von 1953 (in: Mujeres) fehlt das unter Pseudonym verfaßte Bürgerkriegspamphlet.

32

Pseudonym für Achille Octave Marie-Jacques. Der 47seitige polemische Essay erschien 1937 in Frankreich.

33

Das politische Ereignis wurde in die Fiktion eingearbeitet: Don Mateo hält in seinem Exil in Paris folgenden politischen Monolog: »Están en Francia como estábamos nosotros en Madrid en Marzo de 1936.... Espafla es hoy un espejo donde Francia puede verse la cara ... ¡Recuerde Francia que el Komintern ruso quiso desarrollar su programa y que estallara a la vez en Francia y en Espafla la revolución comunista y que los nacionales españoles al adelantamos - y 'sublevamos' ... hemos salvado a Francia ...!« (131, 32) In einer FuBnote wird auf die Informationen am Anfang verwiesen.

IM der auf den sinnträchtigen Namen Francisco José Antonio getauft wird (3. Teil: Empieza a amanecer). Mit diesem Handlungskern bemüht sich Cruz Rueda um die vorbildliche Darstellung der heldenhaften Familie Infante, deren Angehörige keine Opfer scheuen, um die Unterwerfung ihrer Privatinteressen unter den Nationalzweck willig zu vollziehen und andere zu verurteilen, die ihre Opferbereitschaft nicht teilen. Pilar wirft ihrem Verlobten Emilio Opportunismus und Feigheit vor, als dieser als Arzt an die republikanische Front geht: Total un egoísta que por salir de la cárcel, por seguir tu camino y tu carrera de médico te dedicas hoy a ejercer tu profesión curando tal vez a alguno que mañana u otro día mate a mis hermanos, asesine a Femando o me quite a mi madre. Eres de los hombres, Emilio, que se acoplan a las cicunstancias. Para tí ni la Patria, ni el sacrificio, ni mi amor te han servido para nada. (55) Cruz Rueda erklärt Eigensucht zum Todfeind. Während Emilio eine verabscheungswürdige Haltung repräsentiert, verhält sich Fernando vorbildlich. Als er sein Augenlicht verliert, tröstet Pepe seine Schwester Pilar: - El se siente feliz. Dió más que su vida por la patria. (186) Die historische Digression über den Opfertod des Sohnes von Moscardó für die Verteidigung des Alcázar enthält dieselbe ideologische Aussage, daß das Wohl des Ganzen die völlige Aufgabe privater Ansprüche und freudige Akzeptanz jeglicher Entbehrung erfordere. Beispielhaftigkeit beweist, wem das Opfer als selbstverständlich gilt, auch wenn der Preis der Tod des eigenen Sohnes ist: La sublime aureola del martirio, debió rodear aquella cabeza, pero su honor flotó sobre el amor de padre. Poco después se supo fué fusilado el hijo de 'Moscardó el Bueno'. (77) Auch das hervorragende Verdienst um die Rettung Spaniens und der westlichen Welt können keinen Anspruch auf persönliches Glück begründen. Die Verzichtspredigt tut sich auch in den Erzählerpassagen kund und soll vom Leser geteilt werden: ¡Mujer piensa que eres dos veces madre si de tí salió el hijo para la vida y dió su vida para la Patria! (51) Nicht rationaler Sinn, benennbare Ziele legitimieren den Kampf, sondern die Quantität der Opfer, die er kostet. Jeder Nationalist ist ein Held, egal, wie und wofür er sein Leben läßt. In »San Sebastián épicamente patriótica« gedenkt Don Mateo der gefallenen Helden: Oir el himno patriótico nos enternece, nos hace sentir el dolor que no puedan escucharlo nuestros mártires caídos. (157)

131 Bei den Karlisten-Anhängern tritt der Kreuzzugsaspekt des Krieges stärker in den Vordergrund. Es que defendemos la causa de Dios - decía el requeté - admitimos cualquier linaje de muerte ¿no hemos nacido para morir? Si la muerte nos toca en el campo de batalla, será la más hermosa y la más grande - principio de mejor vida - además la Patria exije el sacrificio de la vida de los buenos patriotas ¿creéis que nuestros veinte años son como los de generaciones pasadas? ¿Señoritismo, holgazanería, vicios?" (160,61) Da das soziale Interesse als Kriegsmotiv offiziell geleugnet wird, ist die Verklärung des Todes für die zu Idealisten und Helden stilisierten Soldaten notwendige Legitimation. Indem die Aufständischen ihren anti-demokratischen Putsch zum nationalen Krieg erklären, suggerieren sie, für die ganze Nation, ja die abendländische Zivilisation zu kämpfen: Ojalá sintieran todos los españoles como nosotros a la madre Patria [sagt Arturo]. Sin embargo, cuántos titulados españoles nos dicen con desprecio 'sofascistas', como si el ser fascista fuera patente o marca de antiespañol, de retrógado, cuando somos los que más adoramos y lucharemos por convertir la nación en Imperio, Uno y Grande.... Hay que crear una Armonía en el Universo. El Orden, la Disciplina, es la salud espiritual del hombre. La Ley es la voluntad creadora y conservadora de Dios... (24) Als Auslöser für die Erhebung dient Cruz Rueda wie Foxá die Ermordung des Vorsitzenden der oppositionellen monarchistischen Partei durch zwei sozialistische Offiziere der Guardia de Asalto. Verantwortlich für den Mord macht er die republikanische Regierung Quiroga/Prieto: - Aquella misma noche - 13 de julio de 1936, a las tres y media de la madrugada fué vilmente asesinado, por secuaces del presidente del Gobierno Casares Quiroga - inspirado por Indalecio Prieto -, el Excelentísimo Sr. D. José Calvo Sotelo. (20) Über eine Verwicklung des Premierministers in die Angelegenheit liefen zum Zeitpunkt des Ereignisses Gerüchte, die sich aber als falsch erwiesen. Wie auch andere pro-nationalistische Schriftsteller in ihren Werken unterschlägt Cruz Rueda in seinem historischen Roman die vorangegangene Ermordung der beiden sozialistischen Offiziere Carlos Faraudo und José Castillo im Mai und am 12. Juli 1936 durch Anhänger der Falange35, auf die die Ermordung Calvo Sotelos die Antwort war. 34

Cf. Hugh Thomas: The Spanish Civil War, p. 208, Anm. 2.

35

Cf. ibid., p. 206.

132 Bei der Erwähnung der Zerstörung von Guernica durch die deutsche Legion Condor zitiert Cruz Rueda die von Francos Pressestelle am 29. April 1937 abgegebene Erklärung, Guernica sei von den »roten Horden« in Brand gesteckt worden, um die Tat dem Gegner in die Schuhe schieben zu können. In einer der Erzähler-Digressionen heißt es: El 29, Guernica, e incendios, dinamita, destrucción ... Era la estela que dejaban los rojos, pretendiendo hacer creer al mundo que lo destruían los nacionales, ¡lo que con tanto tino, ciencia, arte, valor y piedad se iba conquistando para España! (189) Mit dem Dementi hatte die nationalistische Regierung auf die internationale Entrüstung über den Vorfall reagiert.36 Die nationalistische Version hielt sich trotz später veröffentlichter Quellen, die die Deutschen als die Verantwortlichen ausweisen, hartnäckig über Jahrzehnte franquistischer Herrschaft. Ein anderer historischer Exkurs des kommentierenden Erzählers behandelt die »Checas«37 und die tödlichen Spazierfahrten (paseos), mit denen unliebsame Anhänger der Feindesseite außerhalb Madrids, häufig in der Casa de Campo, eliminiert wurden (p. 63 des Romans). Die Bezeichnung »dar el paseo« rührt aus Hollwood-Inszenierungen her, die zur Zeit der Diktatur Primo de Riveras die spanischen Kinos überfluteten.38 Den Anschein historischer Zuverlässigkeit erwecken die Fußnoten des Textes. Die Zahlenangabe (69, Anm. 1), um nur ein Beispiel zu nennen, die von 100.000 Toten allein in Madrid bis Juli 1938 spricht, ist falsch.39 Auffallend an den kapiteleinleitenden historischen Digressionen sind formal die ideologischen Erzähleimonologe. Aussagen über die neuen Werte des durch Franco realisierten Staates werden mit dem »kommunistischen Verbrechertum« in der republikanischen Zone kontrastiert. Die Schuld an den Kriegsereignissen wird den sowjetischen Agenten zugeschrieben: Y Franco salvará a España de las garras de la fiera comunista. Transformará la política del planeta, demostrará que más, mucho más de mil millones de seres humanos no desean otro vivir que el del trabajo, la paz, la familia, el respeto a las ideas. Demostrará también que la política de los hombres fracasados y encerrados en la piel de la bestia, no tienen derecho ni razón para destruir una civilización que costó muchos siglos llegar a ella, ni a hundir... una creencia religiosa. (9,10) Soziale, demokratische Prinzipien erfahren eine radikale Ablehnung, und histori36

Cf. Brou6, Tim ine: Revolution II, pp. 502,03 und H. Thomas: The Spanish Civil War, pp. 624-629.

37

Für Quellenangaben der Historiker zu den Praktiken der Untersuchungskomitees, die nach russischem Vorbild Checas genannt wurden; cf. die Ausführungen in Kapitel 6.1.2. dieser Untersuchung. Cf. H. Thomas: The Spanish Civil War, p. 275. Cf. die Statistik in Hans-Christian Kirsch (ed.): Der spanische Bürgerkrieg in Augenzeugenberichten. München: Deutscher Taschenbuch Verlag 1971, pp. 448, 49, die von 89.000 mörderischen Vergeltungsmaßnahmen für die republikanische Zone wahrend des gesamten Krieges spricht.

38 39

133 sehe Kategorien, wie die römische Geschichte, werden der politischen Sinnintention entsprechend aktualisiert und umgedeutet; die Erzählerpassagen arten in offene, polemische Beschimpfung republikanischer Politiker aus: El ser más malo habido en el mundo, salido de entrañas de mujer -, aún peor que aquel hijo de Agripina, el de las Teas humans -, el consentidor y aún más, autorizador indirecto de centenares de miles de asesinatos de honrados españoles, dejémosle también organizando la defensa rojo-rusa, dejémosle al maldito, nacido Manuel Azaña, ¡EL SUPERNERON!... (10) Als Gegenmodell erscheint Franco, der wiederauferstandene Cid, auserwählter Retter Spaniens und der Menschheit. Auf die Refeudalisierungstendenz des Neuen Staates, der die Kultur-Institution und damit die Literatur global folgt, verweisen neben Aktualisierungen der imperialen Kultur des Siglo de Oro (5, 6,11) die Zitate, die die patriarchalische Herrschaftsform Francos idealisieren: El se ocupa de nosostros y su alma superior penetra ya 'en nuestro misterio negro* ... y con óleos de ternura y vibración de aguja imantada, en su trabajo, atiende a todo victoriosamente, la guerra, la diplomacia, al Estado, al herido, al ciego ... a todo. Es el regalo que Dios ha hecho a España. ¡Nuestro padre Franco! (180) Es häufen sich Erzählerkommentare mit pathetischem Gestus, wahre Heldengesänge über seine Beispielhaftigkeit: vencedor de la hidra anarquista, atea y bolchevique. (10) el elegido para ser el Caudillo de la guerra mundial, bella y grande, defensor, no solamente de la Patria Hispana, sino de la Humanidad. (11) Eres el elegido. Nuestro Cid revive en tí. (11) Gracias a ¡Franco!, ¡Franco!, ¡Franco! Artífice de la obra que salvará a milliones de seres de un mundo que estaba a punto de caer... (165) ¡FRANCO! Es nombre claro. Hace temblar la mentira. ¡FRANCO! cantado o gritado tres veces, se prolonga del pasado al presente y de éste al futuro. ¡FRANCO! es el que nos devolvío la enterrada bandera, sol y sangre de España ... (213,14) Heroisierende Kennzeichnungen und anaphorische Häufung durch Wiederholung des Führernamens sind Mittel des rhetorischen Pathos zum Zwecke stärkerer Suggestivwirkung. Auch die zahlreichen Ausrufe im gesamten Text - Stilmittel des Affekts - kennzeichnen die triumphale Stimmung, mit der die Anhängerschaft Francos Ende 1938, dem Zeitpunkt der Abfassung des Pamphlets, der Niederlage der Republik entgegensieht. Charakteristisch hierfür ist die Indienstnahme von Rubén Daríos Marcha Triunfal40 für die Sinnbedürfnisse des Autors. Darios antiimperialistische Haltung gegen40

In: Cantos de vida y esperanza (1905). Eine Rezeptionsgeschichte der Generación del 98 (spanische Ausprägung

134 über den USA, sein Bekenntnis zum Kulturerbe Spaniens und zum autochthonen Lateinamerika wird von Cruz Rueda für die spanische Institution Literatur vereinnahmt. (70) Die Institutionen Religión - Patria - Familia werden ebenso wie die mit ihnen verknüpften traditionalen Werte Fe (89), Armonía (24), Orden (24), Disciplina (24), Ley (24) etc. dominant gesetzt und typographisch durch Großschreibung hervorgehoben: ¡RELIGION! ¡PATRIA! ¡FAMILIA! ... Trinidad de la civilización ¿Podrá ser destruida? ¿Volverá? (5) Der imperialen Tradition widersetzt sich die Republik, deren politische Tolerancia (7) die Zerstörung der Humanidad (11) zur Folge hat. Verschiedene Verweise des Erzählers auf seine ich-hier-jetzt-origo41 lassen keinen Zweifel entstehen, daß das Pamphlet Ende 1938 verfaßt wurde, seine Veröffentlichung jedoch bereits in die Nachkriegsphase mit anderem gesamtgesellschaftlichem Kontext fiel. In Cara al sol tauchen einige Helden-Episoden auf, die auch Foxá in Madrid de corte cheka literarisch auswertet. Der Vergleich der verfolgten Nationalisten im republikanischen Madrid mit der Christenverfolgung (Cruz Rueda, 51; Foxá, 323), die Cheka »Bellas Artes« (Cruz Rueda, 63; Foxá, 340), die Episode des Falangisten, der beim Abtransport zur Hinrichtung die Milizen mit in den Tod reißt, indem er aus dem Auto den Faschistengruß brüllt, wurde bei Foxá mit der Fiktion verwoben; der Falangist war Jacinto Calonge (319). Cruz Rueda gelingt eine derartige Verknüpfung von Dichtung und Heldensage nicht: In einem längeren Monolog, hinter dem sich der Erzähler verbirgt, berichtet ein übergelaufener »Roter« von den mutigen Taten der Faschisten: un falangista en Madrid que viendo lo llevan a dar 'el paseo' al pasar ante un cuartelillo de rojos, sacó medio cuerpo fuera de la ventanilla del auto y gritó: '¡Viva el fascio!', '¡Arriba España!', oir esto los del cuartelillo y acribillar el coche a balazos fué cosa de segundos. ... En sus últimos momentos decía el falangista: ¡Ya muero a gusto! (93) Es ist auf die fehlende erzählerische Begabung des Autors zurückzuführen, daß die meisten Nebenhandlungsstränge nur in Rückschau berichtend abgehandelt werden. Der Brand im Madrider Modelo-Gefängnis (Foxá, 308ss; Cruz Rueda, 39ss.), in dessen Folge Femando Primo de Rivera erschossen wird42, erfährt bei beiden Autoren

41

42

des Modernismus) im Franco-Spanien steht noch aus. »Este fué Franco, hoy admirado mundialmente por su obra hecha ... y por su indomable voluntad de vencer.« (p. 9) Die Textstelle ist ein Hinweis, daB der Krieg zum Berichtszeitpunkt noch nicht beendet war. Zeitreferenz des Erzählers, der in einer Fußnote auf die 100.000 Morde (fiktive Zahl mit Authentizitätsanspruch) »actualmente, a los 24 meses de guerra« (p. 69) verweist (= Juli 1938). Bezeichnend fllr den frühen Bürgerkriegsroman ist die offene Laudatio der faschistischen Trias Hitler - Mussolini - Franco im Kampf gegen den Kommunismus (cf. Cara al sol, pp. 170,172,182,213). Cf. S.G. Payne: Falange, p. 141.

135 eine ausführliche Würdigung. Foxá berichtet aus der personalen Perspektive des Gefangenen Jacinto Calonge; Cruz Rueda entgleitet erneut aus der Ebene der fiktiven Personen auf die Ebene des Erzählers. Im folgenden spielen die dargestellten Personen der erzählten Welt keine Rolle mehr, die Erzählung gerät zur Reportage, aus der Perspektive des Erzählers kommentiert: Serían las dos de la tarde cuando bajaron [don Mateo, Apaz y Galer] al patio ... habían tenido en la comida 'hasta entremeses'. [Perspetivenwechsel:] ¡Es la tarde del 22 de Agosto de 1936! ¿quién podría suponer que aquella tarde había de ser tal vez la más trágica e infame de la guerra, hasta para los mismos rojos? (41) Sowohl Foxá als auch Cruz Rueda erwähnen die Verschwörung der Milizen mit den Strafgefangenen gegen die politischen Häftlinge. Cruz Rueda: La inteligencia entre los vagos y maleantes y los presos por delitos comunes con los milicianos, era completa. (42) Foxá: Entraban agitados los milicianos de la C.N.T. En las celdas cuchicheaban con los presos comunes. Una afinidad moral los hacía simpatizar con ellos. Habían sido sus precursores. (308) Beide Autoren integrieren den historisch belegbaren Massensturm auf das Mustergefängnis43 in ihre Romane. Während in Cara al sol der Erzähler das Resultat kollektiver Panik als minutiös geplanten Massenmord durch die Milizionäre darstellt: la intención era hubiera incendio, pretexto de fuga para los suyos y matanza de 'azules' para los rojos (43) erzielt Foxá die wesentlich effektivere indirekte Beeinflußung des Lesers, indem er die Aussage in einen fiktiven Dialog historischer Personen kleidet: Prieto le escuchaba con indiferencia. - Eso no es nada. Lo grave es lo que está pasando ahora mismo en Madrid. Las milicias han entrado en la cárcel y están fusilando a los presos. (311) Es kann davon ausgegangen werden, daß Cruz Rueda und Foxá Ereignisse für ihre Romane aufgegriffen haben, die bereits zum Zeitpunkt der Abfassung (1938) ihrer Romane in der nationalistischen Zone von der offiziellen Propaganda mythisch erhöht worden waren, um in der Öffentlichkeit jeden Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Putsches gegen die Republik auszuschalten. Die Mythisierung, d.h. Schaffung rational nicht hinterfragbarer symbolischer Heldenepisoden aus dem Bürgerkrieg, 43

»Den Massensturm auf das Madrider Cárcel Modelo ... mit der Abschlachtung wehrloser Gefangener im August 1936 hatten zwei Dinge ausgelöst die grausigen Nachrichten Uber die Bluttaten der aufständischen Truppen in Badajoz und das Gerücht, daß im Gefängnis eine Meuterei der inhaftierten Republikgegner ausgebrochen sei, die Feuer an das Gebäude gelegt hatten.« (Broué, Témine: Revolution, pp. 147,48).

136 bewirkt, daß tagespolitische Ereignisse in alltagsfeme, religiös-werthaltige Bereiche gehoben werden. Ein Aspekt, der trotz propagandistischer Wirkungsabsicht des Autors die Verwertungsmöglichkeiten des Romans zur politischen Manipulation der Öffentlichkeit stark reduziert, sind die stilistischen Mängel, die jeden ästhetischen Lektüre-Genuß verhindern. Unkorrekte Syntax (z.B. »laismo«, 27), typographische Fehlerhäufungen im 3. Teil, triviale Züge sprachlicher Gestaltung^, Schimpftiraden des auktorialen allwissenden Erzählers gegen die politischen Gegner (10), Indienstnahme der Personenrede als Ideologieinstrument45, sowie erzähltechnisch nicht voneinander getrennte narrative Ebenen46 machen den Roman zu einem Manifest politischer Pornographie, die auch für eine Leserschaft unannehmbar sein mußte, die sich mit den politischen Zielen der Aufständischen identifizierte. Im Gegensatz zu Foxá, der, falangistischer Rhetorik folgend, zur politischen Manipulation seiner Rezipienten gestalterische Anleihen bei der sozialistischen und anarchistischen Arbeiterbewegung macht, indem er seine Protagonisten mit den attraktiven Attributen eines Kollektivbewußtseins und kämpferischer Haltung versieht und die positive Wirkung dieser handlungspolitischen Normen für seine ideologischen Zwecke zu nutzen weiß, verharrt der Franco-phile Cruz Rueda in offener Ablehnung des Kommunismus, wie die gehäuften irrationalen Projektionen »lepra bolchevista« (15), »hienas del Volga« (10,11), »la ciénaga bolchevique« (65), »infrabestia« (181), »fiera marxista« (185), »fieras rojas« (198), »el puñal de Moscovia ...«, »¡el ególatra Stalin!«, »¡la bestia"« (177), »la garra Staliniana« (170), »la víbora rusa« (171), »la prostituta y degenerada Rusia« (169, 70), die synonymisch mit dem demokratischen, antitraditionalen »judaismo y la masonería« (170) verwendet werden, hinlänglich beweisen. Der Kommunismus, der hier mit der anarchistischen Bewegung gleichgesetzt wird, fungiert als Sündenbock für die Krise in der Zweiten Republik, die 1932-33 durch die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise ausgelöst worden war. Darüber hinaus soll er den Militärputsch und Sturz der legalen Volksfrontregierung vom Juli 1936 legitimie44

»Este es el nuevo, el supremo y grande amor... es... nueva génesis,... ave Fénix ... es ... es el de los jóvenes del primer Aflo Triunfal de España...! (pp. 151,52)

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Pp. 31, 32: Arturo hört die Unterhaltung zweier katalanischer Tischgenossen - geweikschaftlich organisierte Arbeiten »Barcelona no volverá a ser espadóla; mi jefe será igual que yo, porque si triunfa el comunismo el comité de obraos se apropiará de la fábrica y me nombrarán gerente y director. ... Ahora diSe el patrón que se vende mis, pero que cobra menos, total que pierde. Es claro que yo doy toda clase de facilidades, porque el asunto es producir cuanto más mejor, y si hay más fallidos en los cobros no es por culpa mía es ... a causa de la situasión.« (Hervorhebungen, R.S.) Dialekt- bzw. Minderheitensprache, besonders katalanisch, ist den niederen Schichten und politisch republikanisch Gesinnten vorbehalten. Ideologisch funktioniert auch die Erzählelperspektive: »se nos presentan de modo que tengamos que ver a 'los otros' por medio de alguien que no siente por ellos simpatía alguna.« (J.L.S. Ponce de León: La novela y el modelo Tolstoi, p. 11).

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Sozio-politischer Kontext und fiktive Handlung sind nicht zu einem harmonischen Ganzen verwoben. (Cf. die Digressionen pp. 1-11, 75ss, 80, 87s, 96, 174) (Cf. J.L.S. Ponce de León: La novela y el modelo Tolstoi, p. 11) Wörtliche Rede der handelnden Personen und Erzählerrede sind nicht immer typographisch voneinander abgegrenzt, (pp. 131 und 213)

111 ren. Er erscheint als Zerstörer traditionaler Werte, der Zivilisation überhaupt. Die Internationale wurde von der gesamten pro-nationalistischen Propaganda-Maschinerie zum ersten Feind der spanischen Nation gestempelt. Sinnentleerte Sememverknüpfungen wie diese dienten während des Krieges der emotionalen Aufheizung der Bevölkerung in der Zone der Aufständischen und blieben auch sicher nicht ohne Wirkung. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung von Cara al sol im entbehrungsreichen Nachkriegsklima kann es Cruz Rueda jedoch nicht mehr gelingen, den Siegesrausch und den Mythos vom Retter Spaniens mit seinem propagandistischen Pamphlet zu verlängern. Die völlig ausbleibende Wirkung der Romane dieser Machart erklärt sich aus dem Fehlen einer realen Trägerschicht für das Lebensgefühl, das sie propagieren. Mögliche Rezipienten aus dem anti-liberalen Großbürgertum und die falangistische Intelligenz werden, wie bereits erwähnt, von der ästhetischen und stilistischen Minderwertigkeit abgestoßen worden sein; das zahlenmäßig in Spanien unbedeutende Kleinbürgertum dürfte angesichts realer Existenznöte, wie Hunger und Armut, gegen die politische Aussage - fraglose Anerkennung des Franco-Regimes - ebenso unempfänglich gewesen sein wie die einst sozialistisch, anarchistisch oder kommunistisch organisierte Arbeiterschaft, Verlierer des Krieges, da sie mit ihrem Alltagsbewußtsein nicht übereinstimmte. 6.1.2. Die Novela Testimonio: republikanische Belagerung aus der pronationalistischen Sicht. Checas de Madrid (Tomás Borr äs) Auch der Typus des Zeugenromans täuscht Authentizität vor.47 Die Novela Testimonio von Tomás Borras erscheint in erster Kurzfassung im September 1939 als La Novela del Sábado48. Diese Serie, die an die Kolportage-Tradition des Pliego Suelto des 19. Jahrhunderts anknüpft, hat ihr Verlagszentrum von Sevilla, »enfebrecida de fervor patriótico«, nach Madrid verlegt und erscheint nach Kriegsende, angepaßt an die literarische Institution. Vorankündigungen der Romane Los asesinos de almas (Jacinto Benavente), Santa María del Buen Aire (Enrique Larreta), La ciudad de los siete puñales (Emilio Carrere), Teresina y la rosa de oro (Mariano Tomás), Carlos V, hombre extraño (Felipe Sassone), Ama Matilde (Francisco Cossío), El falso Guzmán (Manuel Machado), Sin redención (J.M. Carretero, 'El Caballero Audaz'), El gran señor de la Torre Abad (L. Astrana Marín), La grandeza del nombre (Antonio Reyes Huertas) y otras originales de W. Fernández Flórez, Ricardo León, Pío Baroja, Juan Pujol, Joaquín Arrarás, 47

E. Nora (Der spanische Bürgerkrieg) zählt Borrás zu den Autoren der Zeugenromane. Als Verarbeitung eigener Bürgerkriegserlebnisse in Madrid charakterisiert auch J. de Entrambasaguas (Las mejores novelas contemporáneas VI, pp. 1313,1314) den Roman: »Testimonios de cuanto vio en aquel trágico período es su novela Checas de Madrid ... constituye además un tesoro documental, en parte tan original como fehaciente, que dará siempre a Checas de Madrid primordial valor para el conocimiento de un periodo intenso y terrible de la vida madrileña«. Eine kurze Würdigung des Romanes findet sich in J. Rodríguez-Puértolas: Literatura fascista I, pp. 495-98.

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Checas de Madrid. Novela por Tomás Borrás, in: La Novela del Sábado 16 (2.9.1939), pp. 5-122.

IM Blanca de los Ríos, Concha Espina, Rafael López de Haro, Cristóbal de Castro, Manuel Sánchez del Arco, Francisco Camba, Serrano Anguita, José del Río, Samuel Ros ...49 sind nicht nur ein Spiegel der offiziellen Romanautoren, sondern sie zeugen auch von dem thematisch breiten Spektrum, das von der Novela Rosaso bis zu Romanen kanonisierter Erfolgsautoren reicht, die von der neuen Institution Literatur vereinnahmt werden, vorausgesetzt, daß ihre Werke den Sinnbedürfnissen des Franco-Regimes nicht zuwider laufen: Sólo decimos que en nuestra casa tendrán la suya todos los auténticos prestigios españoles y estranjeros, sin más limitación para su obra que el respeto y el servicio del supremo interés nacional.5i Tomás Borrás (1891-1976) war schon vor Kriegsausbruch als Joumalist52, Romancier und Verfasser zweitklassiger Theaterstücke, Zarzuelas und Operetten bekannt. Obschon der erfolgsgewohnte Autor der Unterhaltungsliteratur der 20er Jahre, Alberto Insúa, seinerzeit den lyrischen Stil von Borrás mit der Ausdrucksweise zeitgenössischer Romanciers wie Giraudoux oder Pérez de Ayala verglichen hatte und ihn somit in den Rang literarisch anerkannter europäischer Schriftsteller hob, deuten Rezensent und die Verlage seiner Publikationen auf die tatsächliche Rezipientenschicht seiner populären Lesestoffe hin, die sich auch damals schon zum größten Teil aus den Clases Medias rekrutiert haben wird.53 Es gehörte offensichtlich zu den Gepflogenheiten von Borrás, einzelne Kapitel quasi als Novela Corta in der Reihe La Novela del Sábado zu veröffentlichen; auch Oscuro heroísmo54 war als Kapitel eines größeren Werkes geplant.55 Die Lesbarkeit des Textes in seiner vorläufigen Kurzfassung ist im Grunde schon ein Hinweis auf die episodische Struktur des Romans, dessen Nebenhandlungsstränge austauschbar sind und Kurzgeschichten oder Zeitungsessays gleichen. Bereits ein Jahr nach Veröffentlichung der ersten beiden Acciones in der Novela 49 50

Checas de Madrid, p. 2. Der Subskriptionspreis der Serie für ein Jahr beträgt 50 Pesetas. Der auf Checas de Madrid folgende Roman ist Una mujer von Pedro Mata (no. 17).

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Checas de Madrid, 1939, p. 3. Ein ähnlicher Kanon spanischer Romane, die den Normen der neuen literarischen Institution entsprechen, findet sich bei Juan del Arco (d.i. Francisco Mota): Novelistas españoles contemporáneos. Antología. Madrid, Burgos: Aldecoa 1944, pp. 423-433: »Cronología de la novela espaflola (1893-1943)«. In der von Borrás herausgegebenen, politisch unabhängigen Zeitung La Tribuna (Madrid 1912-26) publizierten Unamuno, José Ortega y Gasset und Azorín. (Cf. H.F. Schulte: The Spanish Press, pp. 219, 20). Während des Krieges leitete er FE. in Sevilla, und nach Kriegsende publiziert er u.a. in ABC und El Español. Cf. die Autobiographie von Borrás in Joaquín de Entrambasaguas: Las mejores novelas VI: (1920-1924), Barcelona: Planeta 1970, pp. 1267-1292.

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54 55

Nach eigener Aussage (Umfrage in La Estafeta Literaria 6 (31.5.1944), p. 19), ist »la obra que me ha producido más ... 'Checas de Madrid', 3.000 pesetas«. Erst aufgrund der neuen institutionalen Bedingungen findet Borrás Verlage (Escelier und Aguilar), die sein literarisches Schaffen ökonomisch honorieren. Sevilla: La Novela del Sábado; Genio y Hombres de Espafla; 2, vom 4. Februar 1939. Falsch ist die Behauptung von Lo Ré (.The novel, p. 53), daß Oscuro heroísmo später in Checas de Madrid integriert wurde. Cf. den Brief von T. Borrás an Lo Ré, abgedruckt in Lo Ré: The novel, p. 271.

139 del Sábado erscheint die endgültige Fassung mit dem Untertitel »Epopeya de los caídos«56, auf der alle weiteren Auflagen b a s i e r e n . 5 7 Nach seiner Intention befragt, Bürgerkriegsliteratur zu schreiben, äußert sich Borras noch 1960 zur Funktion des Schriftstellers als Augenzeuge und Chronist. Einen derart wichtigen Abschnitt spanischer Geschichte mit narrativen Mitteln abzubilden, sei die Verpflichtung de quien hubiera sido testigo y actor de tan supremos instantes ... 'Declarar ante la Historia' ... Haciéndolo en forma novelesca por ser la que puede presentar un cuadro de vida más potente, fuera de la rigidez, frialdad y aburrimiento de los datos documentales en fila.58 Das Geschichtsbild, das Borras mit Checas de Madrid seiner ausschließlich spanischen Leserschaft59 vermittelt, ist jedoch ein monströser Zerrspiegel historisch rekonstruierbarer Begebenheiten. Zentrum der auch zeitlich referenzialisierbaren Ereignisse ist das republikanische Madrid während des Bürgerkrieges. Die anarchistischen und sozialistischen Häscher des Großgrundbesitzersohnes José Hurtado de Mendoza60 können ihre »fette Beute« nur dann für sich in klingende Münze in Form einer hohen Lösegeldsumme für seine Freilassung umwandeln, wenn ein anderer Gefangener als Strohmann in der Buchführung des Komitees auftaucht. Zu diesem Zwecke nimmt der Milizionär Paco Yeles in Absprache mit dem Pförtner des Hauses den 15jährigen Federico Contreras fest, der nach einer Odyssee durch die Madrider Checas tatsächlich wenige Tage vor dem Einmarsch der Truppen Francos in Madrid unter falschem Namen hingerichtet wird;61 Im ersten Buch zentriert sich der Haupthandlungsstrang um Federico, im zweiten um die Beschreibung der Praktiken in den Madrider Checas. Zu diesem Zwecke werden die Anti-Helden don Roque (der in der Sowjetunion geschulte Vorsitzende des »Comité de barrio de la Juventud Socialista Unificada«), Sabino (Freimaurer des »Real Arco«62, Erkenntnisstufe »grado 13«) sowie Fadrique de Lorenzana (Journalist des liberalen Heraldo de Madrid) eingeführt. Der dritte Abschnitt schildert die Flucht 56 57

Madrid: Escelicer 1940. 3i944: Madrid: Ed. Espaflolas; 41956: Barcelona: Caralt; 51963: Madrid: Bullón. Ich zitiere nach der fünften Ausgabe.

58

Brief Borrás' an Lo Ré, in: The novel, p. 270. Über den Verlauf der Kriegsjahre berichtet der seit 1935 der Falange angehörende Autor in: J. de Entrambasaguas: Les mejores novelas VI, pp. 1285-1291. Die Auswahlbibliographie der Weike von Tomás Bonás bis 1943 von Juan del Arco (Novelistas españoles, p. 295) erwähnt eine Übersetzung ins Deutsche, deren Existenz mit Hilfe von Bibliographien nicht verifiziert werden konnte. Der Leser soll vermutlich diesen fiktiven Namen mit dem Dramatiker des Siglo de Oro, Antonio Hurtado de Mendoza (1586-1644), und dem Schriftsteller Diego Hurlado de Mendoza (1503-1575) in Zusammenhang bringen. Lo Ré (The novel, p. 54) gibt den Inhalt des Romans falsch wieder. Er verwechselt das Schicksal Federicos mit dem eines jungen Falangisten, der in einer Episode gefoltert wird, um den Aufenthaltsort seines jesuitischen Bruders preiszugeben. Die Freimaurerloge »Royal Arch« tauchte 1743 in Irland auf.

59

60

61

62

140 Federicos und sein Leben im Madrider Untergrund vor seiner erneuten Festnahme. Im vierten Buch verlagert sich das Geschehen auf die zweite positiv besetzte Romanheldin, Sagrario, Spionin für die Aufständischen, deren Schicksal im fünften Buch als Haupthandlungsstrang fortgeführt wird. Die inhaltliche Verknüpfung von Historie und Fiktion illustriert die offizielle Aufarbeitung der unmittelbaren Vergangenheit im Nachkriegsspanien besonders gut. Das Primat historischer Authentizität sucht Borrás zunächst ganz vordergründig durch die realistische Erzählweise einzulösen, die im fingierten Tatsachenbericht durch die parteiische Beobachtung zum Dogma erstarrt, wobei die positiven Helden Federico, Sagrario und ihr Gesinnungsgenosse Paco alias Marcial nicht in einer - fingierten persönlichen Eigenart charakterisiert werden, sondern zu bloßen Personentypen geraten, die bestimmte Abenteuer zu bestehen haben. Diese Ereignisse werden in episodisch lockerer Form um die Zentralpersonen gereiht. Hierzu ergreift der Erzähler als Sprachrohr des impliziten Autors verschiedene Kriegs- und Voikriegsereignisse auf, um sie mit den fingierten Episoden inhaltlich zu verknüpfen. So nimmt er beispielsweise auf den Bergarbeiterstreik von Asturien im Oktober 1934 als Vorläufer des Bürgerkrieges aus der Perspektive der Aufständischen Bezug, der sich als zunächst einzig erfolgreicher Teil des Generalstreiks gegen den Regierungseintritt der CEDA richtete.® [Sprachrohr: republikanischer Brotverkäufer] Es el que mandó las tropas en Asturias, en la gloriosa revolución de hace dos años, que bien me recuerdo. Estar, ese general se estaba en el Hospital Militar de Carabanchel, diz que haciéndose el enfermo, pa huir de la justicia popular. Pero los asturianos teníanle bien vigilado. Por lo visto, entraron, y ... escabechao. (29, ed. 1963) Die Referenz des Streiks bei gleichzeitiger Unterschlagung des Putsches von General Sanjurjo im Jahre 1932 sowie der Ausschreitungen bei der blutigen Niederschlagung durch die Fremdenlegion und Regulares unter Goded und Franco6* oder auch der Folterungen politischer Häftlinge in den Gefängnissen von Asturien65 als Auswirkung des Aufstandes suggerieren dem Leser, daß auch schon während der republikanischen Regierungsphase das Recht zweifellos uneingeschränkt auf Seiten der Ruhe und Ordnung schaffenden Militärs war, die sich mit »unzivilisierten Arbeiterhorden« konfrontiert sahen. Den »checas«66, Untersuchungskomitees in der frühen 63

Cf. Broué, Témine: Revolution I, p. 75.

64

Cf. H. Thomas: The Spanish Civil War, p. 142.

65

Ibid., p. 144.

66

Zur Stabilisierung dieser Einrichtungen in Anlehnung an die sowjetischen Polizeiorgane, die 1934 dem NKWD eingegliederten wurden, cf. Broué, Témime: Revolution I, pp. 151-154 und H. Thomas: The Spanish Civil War, pp. 274,75: [In the larger towns] »The left-wing political parties set up investigation bodies which were proud to call themselves, on the Russian model, by the name of checa. There were several dozen of these in Madrid alone. A positive maze of different groups, each with power of life and death, each responsible to one party or department of state or even individual, characterized these first days of the civil war in the republican cities.«

141 Phase des Bürgerkrieges, Zentren der Willkürherrschaft und der Gewalt, deren Repräsentanten sich aus allen Parteien der Volksfront rekrutierten, schreibt Borrás unzulässigerweise auch noch für die Jahre 1938 und 1939 uneingeschränkte Menschenfolter zu, als die blutige Phase der Revolution realiter längst dem Primat der Kriegsführung gewichen war und Ausschreitungen in der vom Autor geschilderten Form kaum mehr für das republikanische Madrid typisch gewesen sein dürften.67 Als Federico in die checa des S.I.M. in der calle San Lorenzo transportiert wird, liest er an den Zellenwänden: '¡Viva Cristo Rey!' 'Día 7-VIÜ-38: hoy han matado a 17.' (370) Um den zeitgenössischen Leser seines Romans, der ebenfalls Augenzeuge der Kriegsereignisse war und einer republikanischen Staatsform möglicherweise weniger ablehnend gegenübersteht, von der Rechtmäßigkeit des Führungsanspruches Francos zu überzeugen, versucht der implizite Autor immer wieder, die offiziellen Bemühungen der republikanischen Zone um die Verteidigung der Demokratie und um die Verminderung der gesellschaftlichen Widersprüche, die zum Krieg geführt hatten, als propagandistische Farce zu entlarven, die zu dem realen politischen Handeln ihrer Repräsentanten in krassem Gegensatz stand: Mira, el 'Heraldo' de anteayer: 'La fama que ha adquirido el 'Comité de Investigación Popular' por sus magníficos hallazgos de tesoros escondidos por el clero y las gentes de derechas ..." ... En 'La Libertad' de hace tres días: 'La clase trabajadora puede tener la seguridad de que los que trabajan en el 'Comité de Investigación Popular' sólo tienen una aspiración común: servir enteramente al marxismo contra un capitalismo fracasado, y para ello, si es preciso, entregarán los compañeros del Comité sus vidas. (285) Über die tatsächliche Anzahl der spanischen Checas variieren die Angaben beträchtlich. Im Roman werden für Madrid über 150 Checas erwähnt (75); im Nachwort von Eduardo Comín Colomer zur fünften Ausgabe im Jahre 1963, der praktisch ohne Quellenangaben nachweisen will, daß Checas de Madrid ein »tejido de episodios absolutamente auténticos, aún aquellos más horribles« sei (453), werden sogar 226 dieser Einrichtungen, geordnet nach ideologischer Zugehörigkeit, aufgeführt (452). H. Thomas68 spricht von »several dozen of these in Madrid alone«. »En memoria de los cien mil martirizados y asesinados de Madrid y de los novecientos mil en toda España«, so lautet die Widmung des Romans, die eine erste 67

Zu den Verhör-Praktiken der Nationalisten nach dem Sieg über die Republik, die nicht minder grausam waren, cf. M. Gallo: Historia de la España franquista, p. 68: »Confesiones arrancadas por la tortura, tribunales militares, abogados que son siempre oficiales designados de oficio, juicios fallados en tres minutos, sentencias impresas de antemano y que se completan en unos instantes, penas ejecutadas incluso cuando se ha obtenido la gracia, prisioneros liberados para ser raptados y matados a las puertas de la ciudad (como el rector de la Universidad de Granada, el doctor Ernesto Vila), este es el cuadro que ofrece en 1939 la justicia, que no es más que una máquina de condenar.«

68

H. Thomas: The Spanish Civil War, p. 274.

142 historische Manipulation der Leserzielgruppe darstellt. Historische Quellen neueren Datums schreiben, wie bereits erwähnt, der republikanischen Zone 86.000 politische Morde, der nationalistischen Zone ohne die Vergeltungsmaßnahmen nach dem Sieg im Jahre 1939 40.000 politische Morde zu.® Mangelnde historische Aufarbeitung, unzugängliches Quellenmaterial durch die lange Franco-Herrschaft leisten dem fiktiven Zerrbild natürlich Vorschub. Viele Seiten des Romans werden den Foltermethoden der Sozialisten, Anarchisten und Kommunisten gewidmet™, und ihre erzählerische Verdichtung übersteigt vielfach den bloßen Willen dokumentarischer Authentizität. Die Schilderungen reichen von der Ermordung unschuldiger Kinder (86, 101, 128), rollenden Köpfen (29), mit Nägeln durchstoßenen weiblichen Brustwarzen (147, 48) bis zu den Vivisektionen des bezeichnenderweise mexikanischen Chirurgen und Checa-Vorsitzenden Coronel Morelos (101, 108ss.). Die Detail-Beschreibungen erfordern einiges an grauenvoller Phantasie und dürften im zeitgenössischen Leser psychologisch die ins Unbewußte verdrängte Lust an Greuel, Tötung und offiziell unterdrückten Sexualtrieben auf triviale Art möglicherweise befriedigt haben. Um nur einige Beispiele herauszugreifen: Empezó a limarle el hueso del tobillo: redondel sanguinolento, rotos del calcetín y de la piel: el hueso daba un chirrido áspero al roce de la lima; el cuerpo se sacudía con latigazos de dolor. ... El miliciano seguía limando el hueso, ya pringadas las manos de esquirlas y fibras de nervios y músculos. Se detuvo. - ¿Sabes ya dónde está el jesuita? (49, 50) - ¡Lo de los dedos! Seguían el repertorio del coronelito. Clavábanle astillitas entre la uña, como no se desprendiera, arrancaban la uña con la tenaza. Los alaridos del martirizado les enfurecía más. (99) A Fadrique de Lorenzana le repelía aquel escenario dispuesto para la crueldad. Sufrir con nervios al aire, con carne abierta, con una viscera pinzada, el doble dolor de la tortura fisiológica y del traumatismo moral... - Cuando nota usted que se agotan, ¿que hace? - Les reanimo: tónicos fuertes. No hay que dejarlos morir. (108,09) ... extrajeron a un hombre desmayado, sangrantes narices y boca, manchas cárdenas de erosiones, despellejaduras, los ojos vagorosos, con el vértigo del mareo ... (125) Estirándola, en cruz, la pincharon los pechos con el punzón. Gritaba deseo de martirio, de morir. - ¡No me importa! ¡No me importa! Máscara de tierra inmóvil con dos rendijas, iris negros asomándose, se proyectó ante ella, ocupándolo todo. Rosa apretaba jirones de la camisa a los redondelitos rojos de los pinchazos. Su 69

70

Hans-Christian Kirsch (ed.): Der spanische Bärgerkrieg, pp. 448,49, und ähnliche Schätzungen zweier europäischer Journalisten in Herbert S. Southworth: El mito de la cruzada de Franco. Paris: Ruedo Ibérico 1963, pp. 278, 79. Neben den unten aufgeführten Zitaten cf. die ausführliche Beschreibung der Foltermethoden, pp. 366-68.

143 sentido se inundó de aquella máscara inmutable. ¿Había debajo de la careta asiática un rostro europeo? Rosa retrocedía. - ¡Un chino! ¡Salvadme, por favor! ... Borboteaban, incontenibles, las carcajadas. - ¿Está de jangaditas, niña? Pues ... llévenla al entretenedor. Dos bocas de dientes finísimos serraban sus dos pechos, sostenidos entre sus dedos como fruto rezumando sangre.... - No quiere cantar.... En un instante, desnuda, sus ropas tiradas al voleo, un brazo anillaba su torso, caían labios glotones sobre el esguince de pudor de su cabeza. Logró desasirse, estallante su energía por la conmoción nerviosa. Corrió maculando de sangre el cuerpo nubil, acuciada por el trote rijoso. Se estrelló en la pared, sin verla: rebote del cráneo, doble golpe en pared y piso. Tendida, sucia, obscena, su temblor daba un reflejo puro: como tiembla el azul en los charcos pisados. (147,48) Bezeichnenderweise sah die Institution Zensur in diesen abstoßenden Schildeningen keine Verletzung der Moral, da sie der Abschreckung vor Demokratie und dem republikanischen Spanien dienten. Wie auch schon bei Cruz Rueda wird in Checas de Madrid die Auslandshilfe an Kriegsmaterial und Truppen, insbesondere der Sowjets?!, für das »rote« Spanien betont, selbstverständlich ohne die militärische Intervention der Achsenmächte^ oder den englisch-französischen Beschluß der Nichteinmischung zu erwähnen:^ Generales destripaterrones, coroneles de carbonería, Estados Mayores extranjeros, reforzaban las líneas ... - ¡Ni con esos humos nos puede la canalla fascista! En el auto Paco Yeles comentaba la invención del enemigo. - Los franceses y los rusos saben más que ellos; tóo lo tién estudiao. (223) Beschreibung der Plakate in den Madrider Straßen: 'La U.R.S.S. está con nosotros' ... 'Entrega tu donativo para el KonsomoV ... '¡Vivan los soviets chinos!' ... tanques aplastando con el vientre obispos de mitra y banqueros de frac, mujeres cavando, el soldado ruso y su aureola, la estrella soviética. (172, 73) 71

Zur sowjetischen und internationalen Intervention cf. Broug, Timime: Revolution 2, p. 459ss.

72

Cf. ibid., p. 687ss. Lediglich in einer Anekdote über republikanische Menschenrechtsverletzungen wird die Legion Condor erwähnt. (390)

73

Cf. ibid., p. 407ss. und H. Thomas: The Spanish Civil War, p. 387ss. Sowjetwaffen und -Instrukteure treffen am 12. Oktober 1936 in Spanien ein; deutsche und italienische Flugzeuge landen am 26. Juli 1936 in Marokko, am 6. September landen italienische Flugzeuge auf Mallorca. (Cf. die Zeittafel in Brou£, Timime: Revolution 2, p. 688ss.) Internationale Intervention nach Schätzung von H. Thomas: The Spanish Civil War, p. 958: Republikanische Seite: 2-3.000 sowjetische kämpfende Truppen 35.000 Ausländer in den internationalen Brigaden 15.000 weitere Ausländer in zum Teil nicht-kämpfenden Einheiten (davon 90 Mexikaner) Nationalistische Seite: 17.000 Deutsche 75.000 Italiener 75.000 marokkanische Freiwillige

144 Der Machtverfall der Anarchisten bzw. die Verschiebung des Kräfteverhältnisses im republikanischen Lager Anfang 1937 zugunsten der Kommunisten?* wird im Retaguardia-Roman Checas de Madrid wie auch in der literarischen Vorlage von Foxá an keiner Stelle thematisiert. In diesem wie in allen Retaguardia-Romanen haben wir es mit der Erzählstrategie der »falschen Front« zu tun. Der Gesamtsinn des Werkes erschließt sich für den impliziten Leser, den vom Text vorausgesetzten und geforderten Adressaten, durch die Position des impliziten Autors, die erzähltechnisch auf unterschiedliche Art und Weise realisiert wird. 1) Zentralstellung der Subjekte: Der implizite Autor verbirgt sich ungebrochen hinter der erlebten Rede und dem inneren Monolog der positiven Helden, wodurch eine Identifikation von Leser und Romanheld bewirkt werden soll, indem der Erzähler zunehmend in den Hintergrund tritt. Die republikanischen Antihelden werden dagegen nie in Innenschau gezeigt (cf. Punkt 3b). a) Federico rekapituliert in erlebter Rede sein politisches Engagment für die Falange: '¡Arriba!', había escandalizado tantas veces, lleno de orgullo, elevado el espíritu, sintiéndose digno de José Antonio, el arcángel adolescente que dejaba de ser el ensoñador de España ... (16) b) Innerer Monolog der problematischen Heldin: Sagrario, falangistische Agentin im republikanischen SIM, hat sich nach einem inneren Bewußtseinskonflikt zwischen der Entscheidung für ein glückliches Leben im privaten Raum als Ehefrau des Falange-Agenten Paco alias Marcial und der politischen Verpflichtung, ihre SpionageTätigkeit unter Einsatz ihres Lebens fortzuführen, für die politische Aufgabe entschieden, die in der Ermordung eines gefährlichen Doppelagenten besteht, um ihrem verstorbenen Verlobten treu bleiben zu können. In einem Zwiegespräch mit Gott rechtfertigt sie die Entscheidung: Lo horrible en que estoy agarrada, no tiene más que dos salidas: la indignidad o el sacrificio.... Dios mío, perdóname que elija la muerte, pero no quiero pudrirme, y Tú me has enseñado a no quererlo ... tampoco puedo querer a ese hombre honrado y valiente, que para extirpar al monstruo renunciará a todo en la vida, hasta a la vida, hasta a mí, por cumplir un deber anónimo, que nadie sabrá ni agradecerá nunca. Yo admiro ese hermoso y varonil desprecio de todo y ese caer por cosas grandes, sin provecho propio ... Pero, a pesar mío, anhelo también la vida, y las cosas nobles y atractivas de la vida, y amo también al que vive ... me siento lle74

Cf. Bioui, Témime: Revolution 1, p. 279ss. und H. Thomas: The Spanish Civil War, p. 671 s.

141 vada a él contra mi voluntad, como si estuviese en una barquita pequeña ... Amo a los dos, al que murió y al que vive, estoy en pecado, según mi conciencia, aunque yo no tengo la culpa, pero puedo salvarme de ese pecado y me salvaré, y, además, le salvaré a él y seguirá viviendo por mí, y así le pagaré su cariño, corresponderé a él de una manera pura, ¿verdad, Señor? Por eso pienso en morir y no en salvarme, aunque mi confusión es si no cometeré pecado.... Esa es la verdad y la belleza de la verdad: el sacrificio y el servicio. ... Y dame odio, Señor, odio que se transforme en la fuerza de tu justicia. ... Odio que me arrebate, Señor, aunque lo expíe después. (426-429) Die Sünde besteht bezeichnenderweise in ihren Freitodgedanken und nicht in der Tötung des Doppelagenten. 2. Die Position des impliziten Autors ist mit der des kommentierenden Erzählers deckungsgleich. Wertende Erzählerpassagen sind jedoch selten, da Borrás eine überwiegend personale Erzählperspektive gewählt hat, die alle Hauptpersonen zu Medien des impliziten Autors macht. Sie treten gehäuft in Beschreibungen der republikanischen Öffentlichkeit auf. Folter und Brutalität auf Seiten der »republicano-anarcomarxistas« (346), der »milicianhorda« (223) in der besetzten Hauptstadt kontrastiert Borrás mit Disziplin, Moral, Ehrenhaftigkeit und Traditionsbewußtsein der kultivierten Repräsentanten des pro-faschistischen Spanien: Los cainitas, rellenados de reos frescos los cupos de mazmorra, antes de la madrugada poníanse a su trabajo: extirpar la población que se negaba a marxismo, ateísmo, anarquismo, despedazamiento de la nacionalidad, coloniaje, anti-España. (366) Ausführlich werden die grausamen Foltermethoden beschrieben, die in der Ermordung der Opfer gipfeln: Después - ha sido imposible arrancar confesión al cogido - los cainitas le borran del existir: con una bomba de bicicleta insuflan aire en sus intestinos, o le inyectan un enema de cemento: indeación [sie!] de injuria chulesca. Y le mandan a morir despacio a cualquier checa sucursal, fuera de las inspecciones simuladas de los tutores extranjeros. (368) Erzählpassagen, die eine Identifikation des Erzählers mit der Sache der Aufständischen ausdrücken: [Über die Untergrundarbeit der Falange:] Constantemente comprobaban la eficacia de su labor y la actividad y número de los afiliados: desaparecían sospechosos, recibían dinero y víveres los escondidos, documentos falsificados facilitaban acciones y fugas, multiplicábase resistencia

146 pasiva y 'sabotaje', corrían secretos político-militares al Cuartel del Generalísimo, con la velocidad del reguero de pólvora... (414) Darüber hinaus finden sich Passagen, die sich auszeichnen durch: a) ironische Distanz des Erzählers. Einleitend zum Dialog des Pförtners mit Paco Yeles, dem Milizionär: Le miraba el miliciano con la admiración del proletario por los ingeniosos y los enredadores políticos: - No, si tú harás algo bueno. ¡Lástima que seas de la U.G.T.! (26) Por la mañana, la sala de espera incautada para trámite de detenciones y muerte era escena democrática: reunión del Comité de barrio de la Juventud Socialista Unificada. (51) b) Verwendung rhetorischer Figuren in deutlicher Aktualisierung der Erzählweise von Foxá. ba) Metonymie zur ideologischen Beeinflußung des Lesers: La manifestación inundaba la Glorieta de Atocha ... los barrios bajos ... vomitaban en el lujoso centro de la capital sus heces turbias. Mujeres aviejadas, saco liado al esqueleto, pingo en la pelambre, manos encamadas de coger ladrillos en el tejar, vendedoras de verduras, y aguardiente, y gallinejas; comadres de casa de vecindad con crios al pecho; hampones en traje de prendería, tizne de obreros del andamio, el pozo negro y la fragua; niños encanijados, en camisa, vientre inflamado y piernecillas de hilo; carreteros y corsarios de faja y faca ... (28)

bb) Abwertung der Demokratie durch die Synekdoche und Methapher-Konnotation: En la calle se hacía alarde de 'democracia'. El Frente Popular se arrancó la corbata, se despeinó y dejó de lavarse por instinto revolucionario. (34) Metapherwahl: »los caninitas«, »rojos« oder »milicianhorda«. Sie werden für Anhänger der republikanischen Seite gewählt und dienen der Hervorhebung der Aussage, wodurch im Leser die Ablehnung der beschriebenen Demokratie und willige Akzeptanz des autoritären Franco-Regimes bewirkt werden soll. 3. Die Position des impliziten Autors dringt indirekt durch die Zitate der pro-nationalistischen Personen, die positiv konnotiert sind, bzw. ist als Gegenposition zur Perspektive der republikanischen Personen aufzufassen.

141 a) Wörtliche Rede der pro-nationalistischen Helden (+) illustriert vorbildliches Verhalten: [Sprachrohr: Don Enrique Hurtado de Mendoza] - Por mi hijo lo daría todo: lo que tengo, lo que pueda tener ... Venderé la casa entera, pediré limosna ... (43) [Sprachrohr: katholischer Priester im Dialog mit Fedrico] En 'El escultor de su alma', Ganivet definió: 'Sin fe se puede vivir, mas no se puede morir'. España es el paladín de la inmortalidad del alma. - Por eso - apostilló Federico - nuestros soldados inventaron ese grito que los españoles, y nadie más, son capaces de crear y entender: ¡Viva la Muerte! (209,10) (Verknüpfung von katholischer und falangistischer Ideologie) [Sprachrohr: falangistische Spionin Sagrario] - 'Servicio y sacrificio ...' Tú me lo enseñaste. (299)

b) Wörtliche Rede der republikanischen Anti-Helden (-) illustriert animalisches Verhalten oder Opportunismus und niedere Beweggründe ihrer Taten. [Sprachrohr: Milizionäre in der Checa] - ¿Sabes ya dónde está el jesuita? ... - ¿Es que se ha muerto? El jefe se inclinó a tocarle los pulsos. - Yo no entiendo. Está frío. - ¿Tan pronto? No resisten nada. Son unos tísicos.... 'Yo tampoco entiendo. Como no íbamos a sacarle nada, y han mandado que le liquidemos ... ¿Qué más da? Ayuda. (50) In den Beschreibungen der Anti-Helden durch den Erzähler und in den fingierten Selbstdarstellungen ihrer Repräsentanten Don Roque (52ss.), Sabino (55, 59ss.) und Fadrique de Lorenzana (71ss.), die in der Einrichtung einer Checa die Möglichkeit privater Bereicherung sehen, kommt die politische Haltung des impliziten Autors zum Ausdruck, die sich in der Ablehnung des Kommunismus, Anarchismus und Liberalismus gleichermaßen äußert. c) Pro-nationalistische Personen (+) referieren über Greueltaten der Republikaner (-): [Sprachrohr: Gefangene in den Checas] - Mi novio se despidió para pasarse a Franco. ¿Habrá podido? ¿Qué crees tu? ¿Es fácil...? - También cogen criadas. Aquí hay dos. Para que denuncien a sus amos y a los vecinos. - Les interesa todo el que pueda dar pistas. - A mí, porque no de-

148 nunciaba a mi primo, que es obrero, ya ves tú, obrero ..., pero le llamaban 'amarillo' porque no era marxista ..., en el primer interrogatorio me pusieron cigarros escendidos en el brazo. (387) [Sprachrohr: Don Enrique Hurtado de Mendoza, zu Doña Fuencisla, der Mutter Federicos] El pobre joven, defendiéndose, gritaba: '¡No doy un paso! ¡Matadme aquí!' Lo repetía enérgico. 'Puesto que te pones tan pesado, ¡toma! ...' Esos fueron los tiros, doña Fuencisla .. Esta mañana vino el forense y certificó 'defunción por hemorragia'. Es el diagnóstico de los asesinatos. ¡A esto llaman los milicianos 'hacer la impieza' o 'limpiar la retarguardia'! (163)

d) Pro-nationalistische Personen (+) referieren über die Heldentaten Gleichgesinnter (+)• [Sprachrohr: Sagrario zu Federico, der sich in ihrer Wohnung auf der Flucht vor der erneuten Gefangennahme verborgen hält.] - Mi padre era el general Milán ... 'Escóndase', le decía Carlos, mi prometido, al ver el sesgo que tomaban los sucesos. Carlos era capitán de artillería. Mi padre rechazó, terco, la insinuación. 'Un militar, no huye. ¿Te escondes tú? - le preguntaba a mi novio. - Pues yo tampoco. Además, a mis años ...' ... A él no le engañaron y fue a la muerte como soldado. ... A las siete, mi doncella fue a la comisaría. Volvió al instante, espantada ... Junto a un solar de los alrededores estaban los cadáveres de mi padre y de mi novio rodeados de gente ...; ¡Después de matarlos vinieron a burlarse! (195-97)

e) Republikanische Personen (-) zitieren positives Verhalten bzw. Heldentaten der Nationalisten (+) Die starke Orientierung von Checas de Madrid an dem Roman von Foxá: Madrid de corte a checa zeigt sich nicht nur in der Kongruenz der Romantitel, sondern auch in der Wiederholung der mythisch überhöhten Heldenepisoden der Falangisten, die Borras plagiiert": [Sprachrohr: Mitglieder des »Comité de barrio de la Juventud Socialista Unificada« in einer Versammlung.] 75

Zur Wiederholung bestimmter Kriegsepisoden in den pro-nationalistischen Romanen cf. Blanco Aguinaga, Rodríguez Puénolas, Zavala: Historia social III, p. 62. An anderer Stelle bekennt sich Borrás zur literarischen Legitimität des Plagiats. In der Umfrage unter Schriftstellern [José Montero Alonso: »El plagio literario ¿debe de tener una sanción?«, in: Fotos 305 (2.1.1943) o.S.] weist Borrás an literarischen Beispielen nach, daß es Plagiate immer gab und sie Teil literarischer Praxis seien.

149 El falangista se pone a fumar,... y les dice: 'Vais a matarme, pero que conste que vosotros caeréis conmigo.' ... El crío se levanta, pone la mano como la ponen ellos y grita ... ¡Viva la Falange! ¡Arriba España!'... En un segundo se armó el bollo. Los socialistas disparan, los compañeros del camión se levantan a sujetar al escuerzo y ofrecen más blanco; descargas cerradas ...; ¡el cisco! Todos los del camión, bajas ... Nos dicen que somos los amos de Madrid y estamos cayendo como chinches! ... - ¡Tampoco cogen al automóvil fantasma que nos está asesinando todas las noches! - gritaban. - ¡Ni a los espías de la Sierra! - ¡Ni a los acaparadores de víveres! (56, cf. Foxá: Madrid, 319) Über die Verteidigung und den Heldenmut eines Faschisten: Se le abalanzan, les entrega la pistola, y les dice, guasón: 'Tomen ustedes, que ya se me han acabado las municiones.' Allí mismo se dejó fusilar, como quien lava. - ¿Y por qué no se suicidaría? - Esos no se suicidan; son muy orgullosos. (56, 57) Patriarchalische Herrschaftsstrukturen werden zwar scheinbar in Diskussion zweier Republikaner verurteilt, der Rezipient soll jedoch im Leseakt die Handlungsweisen des Hacendero als nobel und selbstlos klassifizieren: [Sprachrohr: Milizionär und Ex-Mitarbeiter des Heraldo im Gespräch mit Fadrique de Lorenzana über seine ehemaligen Brotgeber in Extremadura, die er der Ermordung preisgibt, weil er ihre Protektion als demütigend empfand.] Nuevos derechos, ninguna gratiud. ... Razón, justicia es lo que se nos debe a los pobres, no lástima y caridades. ... Tres generaciones soportando el suplicio más horrible: el de la protección ajena. ¡Que sabes tú! Mi abuelo, zagal de 'Los Primores' en tiempos del abuelo de ellos; se llevaban, en edad, unos meses. Le cayó en gracia al amo; jugaba con el zagal, le vestía con las sobras de sus ropas, comía las sobras de su mesa. ... Larga vida de centinela fiel; la labor, entregada a su ciencia por el propietario, que le permitía tutearle ... Mi padre ... no toma una resolución personal sin consultar al amo, que es su dios. ... El no lo ve, te dije; ignora su estado de esclavitud ... Por tercera vez se repite el ciclo de hechos ... Nacemos el que tú conoces y yo. Nos criamos juntos. Pero yo pertenezco a la época en que los hombres ven y juzgan, y se establecen los cimientos de una existencia basada en la igualdad. (115,16)

f) Republikanische Personen (-) referieren über eigene Fehlschläge bzw. politische Unfreiheit. [Sprachrohr: Milizionär] - Cuenta algo. ¿La verdá, o lo que manda decir el Gobierno? Al irnos de la bri-

150 gada, el comisario político nos ha cantao las cuarenta: o hablamos que todo son batallas ganadas y triunfos,... o se nos castiga. Y te pueden hasta fusilar. Estamos espiaos. (168)

g) Republikanische Personen (-) zitieren Unwahrheiten über die Aufständischen (+), die der Leser mühelos als solche entschlüsseln kann. A mí me han dicho que los fachistas cogen a un proletario y se lo echan a los moros, que comen carne humana. (18) Das Zitat soll die republikanischen Volksmassen als uninformiert und einfaltig erscheinen lassen. Da der Rezipient dazu neigt, in einem realistischen, historisch referenzialisierbaren Roman wörtliche Rede als Wahrheit, nicht als Fiktion zu akzeptieren, erliegt er leicht der Meinungsbeeinflußung. 4) Der implizite Autor ist über die Sprache der fiktiven Personen ausmachbar. Die pro-nationalistischen Helden bzw. Märtyrer verfügen übereinstimmend mit dem Erzähler über eine neutrale Hochsprache, einen elaborierten Code, während sich die republikanischen Personen je nach Couleur eines restringierten Codes bedienen, meist dialektal gefärbt, mit Argot, oder im Falle des liberalen intellektuellen Journalisten Fadrique de Lorenzana eines zwar elaborierten Codes, der jedoch hyperbolisch ins Absurde gesteigert wird. Madrider Sprachvariante, Sprachrohr: Milizionär - ¡Anda, si es el Poca, su agüela, y trai churros! (9) nosotros hemos dao los informes. (12) Hay que descastar Madrí de fascistas. (27) Andalusische Sprachvariante, Sprachrohr: Gefangenenwärter der Checa Tú venía a luchá con nosotros, y por poco te damo mulé. ¡Er sino! ... - Debe sé inglé. Too los inglese tién mal fario. ¿Qué quié tú, arma mía? ¿Quié un bisté? (33) Extremadurische Sprachvariante, Sprachrohr: Landarbeiter A un concejal de Don Benito le jechamos el jierro de los cerdos, con perdón, en las janeas, al rojo vivo; jedía el chamusco y balaba lo mismo que la joveja. (144)

151

Mexikanische Sprachvariante, Sprachrohr: Der Direktor der Checa, ein morphiumsüchtiger Arzt und Erforscher der Vivisektionen, Coronel Morelos: - Siéntese y ándele. ¿Qué quiere, viejo? ... Sí, ya sé. Vos lo llevás, nomás, sea quien sea. ( 8 2 ) 7 6 Übersteigerter elaborierter Code, Sprachrohr: Fadrique de Lorenzana La vida tiene la misma técnica para sus dramas que Shakespeare, que se pronuncia Chopenauer. La misma técnica, 'mes amis': lo trágico está junto a lo bufo, lo sublime mezclado a lo grotesco, simultáneamente, sin transición, sin matiz sin 'nuance'... Y a propósito de francés: Blasco Ibáñez recibió sus jardines colgantes de Mentón a un periodista de París jubilosamente: '¡Oh, mon eher, senté vu, senté vu!'... La vida copia a Shakespeare. Ya descubrió Oscar Wilde - nadie en la República se dé por aludido - que si había niebla en Londres era porque los pintores la habían puesto antes en sus cuadros ... Ingenio, 'quid divinum, relámpago, chispa ... Lo que no tiene el marxismo. El marxismo es el burro de la zoología política. (73,74)

5) Der Tempuswechsel vom Präteritum zum Präsens in den in erlebter Rede wiedergegebenen Abschnitten über die Suche von Doña Fuencisla nach ihrem Sohn Federico (9, 219,400, 442) dient der Erzeugung von Unmittelbarkeit des Geschehens. Der implizite Leser ist im Gegensatz zur begrenzten Sichtweise von Doña Fuencisla über das Schicksal Federicos informiert und erlebt daher die zu Unrecht gehegten Hoffnungen der Mutter auf eine Rettung ihres Sohnes als besonders tragisch. Interessant in Hinblick auf die institutionalen literarischen Normen im frühen FrancoSpanien sind einige in der zweiten Auflage von 1940 getroffene Ergänzungen im Text. Aus den zahlreichen Auffüllungen der knappen Histoire mit zusätzlichen diskursiven Einschoben auf der fiktiven und der Erzählebene?? sei auf einige Stellen

76

Hier scheint sich Borrás freilich nicht recht auszukeimen, da das Voseo in Mexiko allenfalls dialektal vorkommt

77

Auf pp. 36, 37 der Edition von 1963 wurden zwei Absätze ergänzt, die in der Edition von 1939 (p. 29) fehlen, ebenso sind auf pp. 37,38 (1963) und 39,40 (1963) Ergänzungen, die in der ersten Ausgabe (p. 30) fehlen. Kapitel XIII, p. 54 (1963) Ergänzungen, p. 43 (1939)"; acción segunda: Kapitel IV, pp. 83. 84 (1963) pp. 68, 69 (1939)", p. 89 (1963), eine Strophe des Liedes »Bandera roja« und »¡Viva Francia!« als Ausruf der Demonstranten p. 73 (1939)", antinationalistische Haltung der Milizionäre: Exaltation der ausländischen Intervention, p. 91 (1963) p. 74 (1939)®, Abwertung der »Institución Libre de Enseflanza« als Keimzelle anti-nationalistischen Gedankengutes, p. 91 (1963) p. 74 (1939)", »A qué bueno este bochinche«, p. 100 (1963), p. 82 (1939)«', Anekdote über die Bücherverbrennung und Veräußerung von Kulturgütern für ausländische Devisen durch die republikanische Regierung (p. 112,1963 p. 88 (1939)°», p. 120 (1963) p. 95 (1939)", p. 132,33 (1963) p. 106 (1939)".

152 verwiesen, die eine indirekte Rechtfertigung für die im September 193978 erfolgte Annullierung des Scheidungsgesetzes d a r s t e l l e n ^ und die historische Rechtmäßigkeit kirchlicher Einflußnahme auf das öffentliche Leben illustrieren sollen. Ein ganzes Kapitel widmet der Autor der Episode über drei schwangere republikanische Apologetinnen der freien Liebe, um die Bestrebungen der Republik nach einer zivilen Handhabung des Familienrechts abzuwerten (Abschnitte pp. 102-106, Kapitel VII der Ausgabe von 1963 fehlen auf p. 84 in der Edition von 1939). Entre unos y otros me afiliaron a lo del amor libre y cada domingo, eso sí lo sabes, una chica con un chico diferente.... Dijeron entonces los chíbiris que al venir la nuestra los hijos serían del Estado; pues bueno, que me recomiende el cabo Principio al Estado, para que reconozca al crío. (103) Die Anekdote über Valle-Inclán und die republikanische Abgeordnete in einer »tertulia del Congreso« soll die Unvereinbarkeit von politischem Handeln der Frauen mit weiblichen Reizen illustrieren: Valle-Inclán intervino: 'Rezpeten a la dama, no se murmura de quien pudiera llamarse, con justo título, 'madre de la Patria'. La diputaduela se dio por ofendida. 'No estoy embarazada, pero si lo estuviera, no sería de usted.' La clavó Valle-Inclán: 'Yo me gazto mejor miz dos pezetas'... (111) Aus der distanzierten Perspektive erläutert der republikanische Journalist und Intellektuelle Fadrique de Lorenzana, über den später bekannt wird, daß er ehemals »seminarista« war, dem mexikanischen Coronel Morelos die Bedeutung der Religion für Spanien. (Beispiel der »falschen Perspektive«): En España, ni la bohemia puede eludir el círculo mágico de la Iglesia. ¡La religión es la medula del esqueleto nacional! Femando Ríos me envidiaría la frase, él que se despepita por demostrar que lo sustantivamente español es la molla de la República. (110) Eine in Las mejores novelas contemporáneas (VI, p. 1266) abgedruckte Seite (pp. 9,10 in 51963) des im Besitz von Entrambasaguas befindlichen Manuskriptes läßt die Art der moralischen Bereinigung erahnen, die der Text vor Drucklegung erfahren hat: La estampa de Nuestra Señora de los Dolores se quitó y en pedacitos se tiró al retrete... wird zu »hubo que quemarla« sublimiert. Trotz seiner Orientierung an der Erzählstrategie aus der bürgerlichen Romantradition und seiner Ideologisierung der Leserschaft durch eine scheinbar rationaler Kritik zugängliche Herrschaftslegitimationso gelingt es Borrás offenbar nicht, den Nach78 79 80

Zu diesem Zeitpunkt war die erste Version des Romans bereits erschienen. Cf. Kapitel 4.2. dieser Untersuchung. Für Borrfs wird Madrid de corte a cheka von A. Foxi zur literarischen Norm.

m kriegsleser zu überzeugen bzw. in ihm Abscheu und Schrecken zu evozieren. Vielmehr gerät er aufgrund des Zeugenromans trotz seiner journalistischen Popularität schon bald ins literarische Abseits.81 Aus dem Kanon der K u r z r e z e n s i o n e n 8 2 sticht lediglich eine Konkretisation des »libro magistral« in der falangistischen Tageszeitung Arriba83 hervor. Der Rezensent verweist zur literarischen Einordnung von Checas de Madrid erneut auf die Episodios Nacionales von Pérez Galdós, auf die Memorias de un hombre de acción von Baroja sowie El 93 (Quatre-Vingt-Treize) von Victor Hugo, Beispiele für eine gelungene literarische Verarbeitung historischer Stoffe. Historische Zuverlässigkeit wird auch Checas de Madrid bescheinigt: Tiene la necesaria frialdad objectiva de la Historia ... La documentación es perfecta e inexorable. Ni el paisaje ni los seres están falsificados. Aus der narrativen Verarbeitung des Kriegsgeschehens könne der Leser mehr lernen als aus den historischen Dokumenten, Zeugenaussagen und eigenen Erfahrungen, da die Fiktion über die bloßen faktischen Analysen hinaus die privaten Implikationen gesellschaftlichen Handelns in der republikanischen Zone darstelle: Conocíamos los hechos y sus resultados. ¿Y el porqué? ... ¿que repercusión tenía en el alma de las gentes el fenómeno político y el económico? ¿Cual era el resultado individual de la siembra anarquista o marxista-leninista? ... La Historia podrá contar ese hecho verídico. La novela lo proyecta con todo su horror, tratado literariamente, con una gran concisión, pero de tal modo que su recuerdo será indeleble. ... Borrás mueve un mundo de personajes, y los vivisecciona moralmente. ... los que la Historia no menciona, quedan para siempre en las páginas de este libro.84 Die Metapher »moralische Vivisektion« für die Charakterzeichnung fiktiver Personen, ein fernes Echo des Naturalismus, taucht 1943 in der Ästhetik von Borras erneut auf: El novelista ... tiene que hincar el bisturí en los hombres, ahondar en ellos, viviseccionarlos, sin asustarse de la crudeza, apurando hasta la última fibra su psicología de sufrimiento, de acción, de esperanza, de amor; ... La novela es, de la vida: o crónica, o poema, o p a n o r a m a . 8 5 81 82

Cf. E. Nora: La novela española contemporánea II, p. 357. Ais »obra de antología e historia« bezeichnet der Rezensent in Fotos 211 (15.3.1941) den Roman; die kurze Würdigung in Vértice no. 42 (marzo 1941) bescheinigt dem Roman eine »densidad humana« mit »Carácteres y tipos (que) van ajustados a la prosa de Boirás sin aditamentos de grasa retórica.«

83 84

Maximiano García Venero: »Una gran novela«, in: Arriba (3.5.1941), p. 3. Zur Charakterisierung der Zeitung cf. Anhang 1.S.291. Als »historischen Roman« bezeichnet der Rezensent Checas de Madrid 1944 in seinem Artikel anläßlich der Neuerscheinung. (Maximiano García Venero: »Una novela histórica. El Madrid de 1936-1939 interpretado por Tomás BOITÜS«, in: La Estafeta Literaria 16 (15.11.1944), p. 12).

85

In: Juan del Arco: Novelistas españoles, p. 294.

154 Es entbehrt nicht einer gewissen psychoanalytischen Pikanterie, daß in einer Romanepisode der Ausdruck »Vivisektion« in seiner konkreten Bedeutung eine narrative Entsprechung findet. Muß der bei Coronel Morelos evidente kalte Sadismus als Teil des auktorialen Unbewußten gedeutet werden? Die politische Funktion des Bürgerkriegsromans für Franco-Spanien wird von García Venero in der vom Autor intendierten Weise konkretisiert: Borrás nos incorpora al Madrid de julio de 1936. Despierta al lector de la realidad actual, y le lleva al escenario auténtico de la capital de la República hace cinco años ... Lo pasado no fué un sueño. Más bien es un sueño la realidad actual, terminada la guerra, desaparecidos el peligro de la vida, el riesgo de la libertad individual, la amenaza de la ruina económica. Geschickt wird das Bürgerkriegs-Chaos, das nicht zuletzt Folge des militärischen Putsches war, mit den politischen Normen der Republik verknüpft, mit denen der Rezensent die aktuelle politische Ordnung des Franco-Regimes positiv kontrastiert, die tatsächlich aber nur für die Unterstützer der nationalistischen Seite persönliche Sicherheit, Freiheit und wirtschaftlichen Aufschwung bedeutete. Als Camilo José Cela 1942 mit seiner »obra tremendista« La familia de Pascual Duarte durchschlagenden Erfolg erzielt, versucht Tomás Borrás für seinen Zeugenroman als frühes Zeugnis des Tremendismo zu werben^, was ihm aber vermutlich aufgrund der ideologischen Implikationen von Checas de Madrid nicht gelungen ist. Wie spätere Stellungnahmen von spanischen Bürgerkriegsautoren i l l u s t r i e r e n ^ , rekrutierte sich die Leserschaft der fingierten Tatsachenberichte hauptsächlich aus den eigenen Reihen, d.h. aus Autoren, die selbst in der stofflichen Verarbeitung des Krieges unter den neuen politischen Verhältnissen ideale Anknüpfungsmöglichkeiten für ihre literarischen Absichten sahen.88 6.13. Das fingierte Tagebuch: Se ha ocupado del kilómetro seis (C. Benítez de Castro) Die häufigste Form literarischer Verarbeitung des Kriegsthemas durch engagierte Falangisten89 ist der Typus des Frontromans als literarische Ausprägung des pro-nationalistischen Kriegsromans.90 86

Cf. Zitat T. Borrás in J.M. Martínez Cachero: La novela española entre 1936 y 1975, p. 35, Anm. 37, in dem er sich in einer Linie mit Cela, Garcia Serrano und Garcia Suarez sieht. »Si... hemos hablado tajante y crudamente, no se tome a dilección por lo morboso, sino a propósito revulsivo.«

87

Cf. die Autorenbriefe im Anhang von Lo Ré: The Novel. Borrás (ibid., pp. 270, 71) führt eine Liste der von ihm rezipierten BUrgerkriegsromane auf, in der interessanterweise der Roman Madrid de corle a cheka von A. Foxá, der doch eindeutig für seine fiktionale Verarbeitung des Krieges Pate gestanden hat, fehlt.

88

Cf. Kapitel 1.1. dieser Untersuchung.

89

Prominentester Falange-Autor eines Reanguardiatoman&s ist Foxá.

90

Neben den paradigmatisch analysierten Romanen von Benítez de Castro und García Serrano verdient außer El puente von Giménez Amau der Roman von José Vicente Torrente: IV grupo del 75-27 Erwähnung, der als Serie in El Español zwischen Oktober 1942 und August 1943 veröffentlicht wird. (Cf. Kapitel 4.4.1. dieser

115 In dem Roman Se ha ocupado el kilómetro seis von Benítez de Castro wird die Schlacht um den Ebro, bzw. der Kampf um die militärische Stellung des »Kilometer sechs« im engeren Sinne, als vom Erzähler Julio Aguilar selbst erlebt dargestellt. Trotz fehlender Datenangaben der einzelnen Abschnitte und der künstlichen Kapitelüberschriften, die den Romancharakter unterstreichen und auf den impliziten Autor verweisen, sind die Ereignisse nicht als Memoiren von einem einzigen erzählerischen ich-hier-jetzt-origo-Standpunkt rückschauend abgefaßt. Die Erzählsequenzen beziehen sich vielmehr, wie dies in Tagebüchern üblich ist, auf unmittelbar Voraufgegangenes, so daß der Erzähler Julio die begrenzte Einsicht in die Geschehen der handelnden fiktiven Person Julio teilt, weshalb von der Form des fingierten Tagebuches gesprochen werden kann. Hoy he salido con Lucía otra vez. (196)9! ¿Por qué tiemblo al escribir esto? ¡Oh! mis memorias están llenas de preguntas. ... ¿Por qué yo, que no tiemblo ante la idea de morir, tiemblo ante la idea de dejar sola a esta mujer? (199) Estos seis días han ocupado poco espacio en mi vida. (201) Die autobiographische Perspektive ist in mehr oder weniger ausgeprägter Form das Darstellungsprinzip aller Frontromane. Die Aufzeichnungen des Gefreiten setzen im Juni 1938 ein, als die Division, die in Caspe neu zusammengestellt worden war, nach Gandesa geschickt wird, um von dort aus den Ebro zu überschreiten. Mit von der Partie sind außer dem Ich-Erzähler Julio Untersuchung, p. 92, Anm. 173) Mit der Publikation will die Wochenzeitschrift nationale Romane fördern und der kulturellen Überfremdung durch die stark rezipierte übersetzte Literatur entgegenwirken: »esta progresión y fomento de malas traducciones de obras deleznables presenta, como primer mal, la apariencia de falta de valores nacionales en el campo de la novela. El Español cree que se puede demostrar lo contrario: que entre nuestros escritores de hoy se distinguen algunos como magníficos novelistas, capaces de convencer literariamente al más exigente lector ... Aunque sea preciso olvidar un poco esa última razón de los editores y que acaso sea la clave del problema: las ventajas económicas que una traducción cualquiera ofrece, frente a los justos y normales derechos del escritor de una buena novela.« (31.10.1942, p. 14) Für J.V. Torrente weiden die Romane von Benítez de Castro und Giménez Araau zur Norm, deren Themata er im Text an verschiedenen Stellen aufgreift Das Problem der »lost generation«, das auch der europäische Kriegsroman (Im Westen nichts Neues und The Sun Also Rises von Hemingway) thematisierte und in Spanien bereits 1941 von Giménez Arnau in El puente aufgegriffen worden war, klingt auch hier an und zeugt von der Rezeption der bereits publizierten falangistischen Frontromane: »Los combatientes ... no comprendían por entonces más meta que acabar la guerra ... Los otros, los que les seguían y por su edad o por su naturaleza no encajaban en el marco guerrero, no habían comprendido nunca aquellas palabras.« (10.4.43, p. 14), und an anderer Stelle: »De aquella generación que combatió la tara política y luego hizo la guerra precisamente por servir de puente entre dos formas distintas de vivir.« (10.7.43) »El gran movimiento nacional lo iban a realizar gentes que venían detrás de ellos.« (14.8.43) Der Autor stellt sich explizit in die Kriegsromantradition von Benítez de Castro und Giménez Arnau. In indirekter Anspielung auf die Abwertung der BUrgerkriegsromane durch die etablierten Schriftsteller wie Pío Baroja, der im Januar 1943 in El Español (»Baroja declara que no es tiempo de novelas. No cree en el tema de guerra«, 2.1.1943, p. 9) den spanischen Kriegsroman als »reportaje«, als »novela partidista« offen ablehnt, verteidigt José Vicente Torrente IV grupo del 75-27 als einen Frontroman, der zwar von ästhetisch minderwertiger Qualität sei, aber Berechtigung als »historia apasionada... 'en caliente', de unas juventudes y de una época« erhalte. 91

Mir bekannte Auflagen der frühen Nachkriegsjahre: Cecilio Benítez de Castro: Se ha ocupado el kilómetro seis. (Contestación a Remarque) Prol. de Luys Santa Marina. Barcelona: Ed. Maucci [1939]; Barcelona: Ed. Juventud 2 1939; Barcelona: Ed. Molina [s.a. Heftroman, ohne Vorwort]. Ich zitiere nach der Ausgabe Maucci, die der Zensurbehörde am 29.7.39 eingereicht wurde.

m der Galicier »El Bicho«, »Mamá Valentin«, so benannt wegen seiner mütterlichen Sorge um das Wohl seiner Freunde, und Pitilin, Überläufer aus der »zona roja« in Bilbao (31). Nach einem erfolgreichen Angriff auf die feindlichen Schiffe erkrankt Julio und wird ins Hospital in Gandesa verlegt, wo er Nury, die falangistische Krankenschwester, kennenlernt. Während der Rekonvaleszenz macht er die Bekanntschaft von Esther, Arturo und Enrique, Falange-Kameraden von Nury, mit denen er den zweiten Jahrestag des Putsches feiert (83). Nach der Rückkehr an die Front wird die Brigade vom Feind eingekesselt, der »en una superioridad numérica grandiosa« (105) den Ebro überquert und den Rückzug nach Gandesa abgeschnitten hat. Julio wird zur Verstärkung zum »Kilometer sechs« gesandt. Bei der Rückkehr wird er vom Feind überholt. In Gandesa trifft er Pitilin. Dieser erzählt ihm vom Heldentod von Mamá Valentín (143), der die Stellung gehalten hatte, um den Kameraden den Rückzug zu ermöglichen. Gandesa kann verteidigt werden, und Julio tritt wegen eines Beinbruchs im August Heimaturlaub in Valladolid an. Desillusioniert durch die Entfremdung von seiner Verlobten Lucia (188) und wegen der Unfähigkeit, sich wieder ins zivile Leben einzugliedern, kehrt er erleichtert an die Front zurück. Im November 1938, nach der Neueingliederung in ein anderes Bataillon (210), wird Julio während der nationalistischen Gegenoffensive beim Sturm auf den Ebro als Fahnenträger tödlich verwundet. Seine Aufzeichnungen verwahrt sein Kamerad »Lolita« (256). Über die Zuordnung seines Werkes zum Genre des Kriegsromans sowie über seine patriotische Position läßt Benitez de Castro keinen Zweifel: Geschrieben als Gegenstück zum »defaitistischen« Im Westen nichts Neues, widmet er seinen Kriegsroman nicht nur den in Spanien »por un motivo determinado« gefallenen Soldaten, sondern er gedenkt aller Soldaten, »a tantos combatientes como en el mundo han sido«, insbesondere auch der des Ersten Weltkrieges »[que] cayeron por los campos de Europa con clarín y bandera y sin ambas cosas«, aus deren Perspektive Remarque 1929, in direkter Anklage des Krieges, Im Westen nichts Neues verfaßt hatte. Die europäischen Kriegsromane von Remarque und Johannsen waren 1929 bzw. 1932 ins Spanische übertragen worden und stießen insbesondere bei den Jugendlichen, die dann 1936 als Soldaten eingezogen werden sollten, auf starke Resonanz: Es una irrefrenable corriente vital que llega a los jóvenes españoles a través de esa deforme literatura extranjera que les azota el rostro con hedor de cadáveres y fango: la noble corriente de la sangre, que alcanza limpiamente su corazón a pesar de que se la muestren inútilmente encharcada en las zanjas abiertas en el barro, junto a las letrinas destripadas por la metralla.92 Von der Rezeptionsweise der Falangisten zeugt die - wenn auch fiktive - Aktualisierung des Protagonisten Julio in Se ha ocupado el kilómetro seis^\ 92

Cf. G. Gómez de la Serna: España en sus episodios, p. 110.

93

Zur Aktualisierung von Im Westen nichts Neues durch die Falangisten cf. den Artikel von Jesús Revuelta: »De

131 Lo leí de pequeño muchas veces. Recuerdo que la figura central me absorbía por completo y que, más de una vez, pensé que era verdad cuanto decía. Entonces mi mentalidad política no veía más que las cosas y no las ideas. ... Y ahora, ante el libro de Remarque, medito. Podría decir que razono, pero faltaría a la verdad. Simplemente, recuerdo. ... el hombre no es un borrego que va a la guerra a sufrir, porque le obligan. Hay muchos así, es cierto. Pero hay muchos más que tienen plena conciencia de lo que ocurre, que desean el medio violento, porque reconocen su necesidad y que mueren seguros de que su sacrificio era necesario. Esto, Remarque, no lo tuvo en cuenta. (194,95) Typisch ist auch seine biologistische Kriegsrechtfertigimg: La guerra es execrable, es molesta. Pero ¿Es por ello menos necesaria? ¿No es doloroso un parto? ¿No es dolorosa una operación?) ... Por la misma razón las naciones, que tienen una razón física en la Historia, necesitan de medios físicos para sanar sus dolencias en determinados instantes.... Remarque no ha analizado. Ha criticado. Eso es muy fácil. Y ha buscado en su obra el punto débil de los hombres. La comodidad. ( 1 9 6 ) 9 4 Interessanterweise stehen die Anti-Kriegsromane von Remarque, Arnold Zweig, Glaeser, Renn und Johannsen nicht wie im nationalsozialistischen Deutschland auf dem Index, sondern werden von der falangistischen Anhängerschaft zur Abgrenzung von ihrem eigenen - affirmativen - Kriegsromantypus in der von Benitez de Castro mit Se ha ocupado el kilómetro seis vorgeführten Weise aktualisiertes Um den Unterschied der Herangehensweise zu verdeutlichen, grenzt Gómez de la Serna die spanische Kriegsprosa als Episodios Nacionales von den europäischen Kriegsromanen ab: En la novela europea la guerra se quiere hacer patente como factor que desequilibra un mundo, una realidad históricosocial no afectada por ninguna crisis vital ... saca de su normalidad a los protagonistas, mezcla bajo las bombas ruinas de la más diversa y entera realidad social. Tal es el propósito de los novelistas europeos; aunque, más fuerte que él, se imponga al cabo el peso de la realidad que muestra a la guerra como producto de la crisis general del espíritu. En el episodio

94

95

cómo Erich María Remarque no estuvo en la División Azul«, in: Haz (Zeitschrift des S.E.U.) (febr. 1943), ziL nach Martínez Cachero: La novela española entre 1936 y 1975, p. 63, Anm. 26. Cf. J. Rodríguez-Puértolas: Literatura fascista, p. 506. Ähnlich die Äußerungen des Autors aus dem Jahre 1960: »La novela no debe ser un proyectil polémico y mucho menos ser empleada para atizar discordias o para envenenar los sanos impulsos patrióticos de la juventud«, in: Lo Ré: The novel, p. 282. Cf. auch die Aktualisierung von José Vicente Tonente: »Un Remarque dijera que aquellos cuatro o cinco hombres, o veinte o cien, que morían diariamente en el frente, valían más que el todo y los principios de la Patria. El no. Sabía que en la concepción de su ideal no podía caber nunca este pensamiento.« (El Español, 20.3.1943, p. 14) Als Antwort auf Remarque, dessen Roman - »una visión tuerta de la guerra« - er an der Front gelesen habe, möchte auch Torrente seinen Kriegsbericht verstanden wissen (cf. J.V. Torrente: »Justificación de una novela. A todos los que saben de la existencia de IV grupo del 75-27«, in: El Español 48,25.9.43, p. 6).

158 español la guerra se toma, en cambio, como último capítulo de un desequilibrio anterior que afecta vitalmente a los protagonistas mismos;... La novela europea de guerra se había acercado al combatiente para poner al descubierto el humano dolor que fluye de su inútil sacrificio.... El crudo realismo de la técnica literaria ... coopera a subrayar el derrumbamiento del espíritu ... [remarquismo] ... La experiencia española traía al campo de las Letras una guerra vital, no artificialmente impuesta, sino sentida por el pueblo.... este tremendismo realista que prevalece en el nuevo episodio de la revolución española ... [mantenido por los siguientes motivos:] sinceridad de esa generación que llama a las cosas por sus nombres, gratos o ingratos; herencia literaria recién adquirida; regusto por subrayar el duro precio del espíritu.96 Gómez de la Serna deutet das Problem »de las dos Españas« als Motiv für den Kriegsausbruch. Offensichtlich werden die europäischen Kriegsromane erst in späteren Jahren für die offiziellen Sinnbedürfnisse unannehmbar. 1968 erscheint eine Neuausgabe des Romans von Benitez de Castro ohne den Untertitel »Contestación a Remarque«.^ Wie auch Remarque, schildert Benitez de Castro98 das Leben an der Front aus der Sichtweise des einfachen Soldaten, der ebenfalls gemeinsam mit einer Handvoll Kameraden Kampf und Entfremdung vom zivilen Sozialkontext erlebt und dem Tod begegnet. Im Gegensatz zu Paul Bäumer, dessen Kriegsbegeisterung schon bald der Resignation und Hoffnungslosigkeit weicht, erfährt der Protagonist Julio Aguilar sein Handeln, den Einsatz seines Lebens »für die Sache«, als sinnvoll. In diesem Punkt unterscheidet sich der autobiographische Frontroman in Spanien nach Ansicht Gómez de la Sernas ebenfalls von dem europäischen Kriegsromantypus: [En la novela europea de guerra] el escritor relata su peripecia de individuo aislado y acorralado por la Historia; habla desde el hondón de una trinchera que corta radicalmente el curso autónomo de su existencia insolidaria. ... Por el contrario, el escritor del episodio nacional prentende insuflar en su modo autobiográfico la voz comunal - histórica y vitalmente común - de toda la generación de la que él forma parte. Escribe, más que en nombre propio, en nombre de todos; no es tanto su yo el

96 97

G. Gómez de la Serna: España en sus episodios, pp. 114-116. Cf. J. Martínez Cachero: La novela entre 1936y 1975, p. 37, Anm. 40.

98

C. Benitez de Castro (Jahrgang 1917) publiziert in den ersten Nachkriegsjahren eine Reihe zweitklassiger Romane (Paul Dufour en España, Barcelona 1939; El creador, Madrid 1940; La rebelión de los personajes, Barcelona 1940; Los dos amores de Máximo Claudel. Novela humorística, 1940; Malení (La obsesión), Barcelona 1940; Cuarto galeón, Barcelona 1941; Compás eterno, Barcelona 1942; Cabeza de hierro, Barcelona, Sevilla 1943; El frío de la tarde, Barcelona 1943; Cesar Grabb (Pseud.): Huracán sobre Asia, Barcelona 1943; Fidelio Erimalción (Pseud.): Las memorias de Calígula, Barcelona 1943) bevor er 1947 nach Argentinien emigriert, wo er 1958 als »gereift»'« Schriftsteller mit ¿o iluminada den internationalen Preis des Editorial Losada erhält. »Es fácil concluir que el fracaso primero del novelista, a los veintitrés años, fue el resultado de ese vacío inmediato a la guerra que, como hemos repetido, ocasionó prematuras y fugaces famas.« (Ignacio Soldevila: La novela desde 1936, p. 118.

159 que aspira a la expresión historicoliteria como ese nosotros que por doquier se le oye cantar, o gritar o rezar orgullosamente.99 Die von Gómez de la Serna als Gattung definierten Episodios Nacionales tragen wichtige Züge der literarischen Entwicklungsvariante Engagement: Verflechtung von Privatsphäre und Öffentlichkeit sowie die Integration der Erfahrung von Subjektivität und der Erfahrung von Herrschaft. Wie die folgenden Zitate beweisen, gelingt jedoch nur scheinbar eine Integration von literarischer und politischer Öffentlichkeit. Tatsächlich verzichtet Benitez de Castro in seinem Kriegsroman nämlich gerade auf politische Aufklärung. Im Vorwort hebt Luys Santa Marina hervor, daß Se ha ocupado el kilómetro seis ohne Weichlichkeit und Sentimentalismus die Seele »de unos muchachos en guerra« widerspiegele, »[que] viven, luchan y mueren sin pensarlo mucho, con una magnífica 'virtus', es decir, eficacia« (7). Die beschränkte Perspektive und die Nichthinterfragung politischer Zusammenhänge sind es, die als positive soldatische Eigenschaften hervorgehoben werden: Además, los muchachos, en esta guerra internacional que España ha sufrido, saben por qué mueren. Hay un combate a ganar y ello se define en objetivos inmediatos; una cota, una masía, un río. La suma de todo es la Victoria. La VICTORIA de áureas alas resonantes. Y bien vale la pena morir; y vivir en tensión meses y meses. (8) Der Sieg als Universalie ist Handlungsziel, ohne inhaltlich, d.h. politisch-gesellschaftlich ausgefüllt zu werden. Die Trägerschicht der Kriegsapologie100, die falangistische Jugend, zu der sich auch der Autor des Vorwortes zählt, muß nicht erst über den Text rekonstruiert werden: Para los hombres de la Falange, ... tal actitud ante la vida no es nueva. Verdad y poesía van siempre unidas en su 'carne', en lo que pudiéramos llamar su cuerpo místico, como el amor y la muerte en la vida y en nuestro patético himno. (8) Das Primat des Kollektiven«» kommt in den spärlichen politischen Diskussionen im Roman selbst zum Ausdruck. Der Erzähler erläutert an der Konversion von Pitilin zum pro-nationalistischen Patrioten die Notwendigkeit autoritärer Führung einerseits und fragloser Unterordnung andererseits, die jeden politischen Diskurs überflüßig mache. Die Textstelle dient natürlich der Legitimation der Franco-Herrschaft auch nach 1939 sowie der Ablehnung der republikanischen Demokratie: Está visto que en España lo de los partidos políticos era una filfa. Aquí no hay ni 99 G. Gómez de la Sema: España en sus episodios, pp. 122-24. 100 Cf. G. Sobejano: Novela española de nuestro tiempo, p. 59. 101 »Lo que cuenta no es su historia, sino la historia de su generación« (G. Gómez de la Sema: España en sus episodios, p. 124).

ML había más que españoles y lo que hacía falta era cogerles de la mano y enseñarles un camino. Uno de la UGT, o de la FAI, ... es un buen soldado si se le enseña a luchar y si se le dice que España tiene otro quehacer que perder el tiempo en discusiones inútiles. (31) An die Stelle der politischen Argumente tritt der Imperativ der Disziplin und des unbedingten Gehorsams: [Sprachrohr: El Bicho, ehemaliger Seminarist und Philosophiestudent:] - Si criticas a un superior demuestras ya que no eres capaz. Luego, criticarías a tu alférez; y si eras [sie!] alférez, a tu teniente. No hay que sentirse superior a los que mandan sobre uno. Hay que sentirse, solamente, capaz de hacer una cosa, y hacerla. (33) Eines der typischen Merkmale der faschistischen Ideologie, die in den Textstellen durchklingt, ist das masochistische Prinzip absoluter Unterordnung unter die Autorität des Führers.102 Über die Handlungsmotive der »Roten« genügt es zu wissen, »que se oponen a que todo el País viva« (45, Sprachrohr: Julio), um das Engagement der Soldaten zu legitimieren. Julio und seine Kameraden kämpfen, porque no había Justicia y porque no había seriedad entre los que mandaban. Luchamos por que [sie!] el hombre trabaje y coma, tengamos patria y tengamos Dios. Luchamos por no dejar de ser españoles. Y nuestros enemigos, por todo lo contrario. Por el olvido de Dios y la pérdida de la Patria, vendida al extranjero, y por otra revolución que es el desorden y la anarquía. (54) Der politisch völlig unmündige Soldat (auch das Anti-Vorbild von Remarque ist im Grunde genommen unpolitisch, da nur an einer Stelle die Kriegsursache diskutiert wird, ohne jedoch historische Analyse zu sein) wird vom Erzähler zum Vorbild hochstilisiert; politische Naivität und kämpferischer Aktionismus kennzeichnen ihn: Parece que las marchas suenan en los oídos, que las banderas le empujan a uno. Que delante está el honor y detrás la vergüenza. Y que el enemigo no es una cosa buena, porque si lo fuera no lucharíamos contra él.... Y eso es estar dispuesto a morir en defensa o en ataque, si la inteligencia del País, los Gobiernos, lo creen necesario.... El soldado que está en la guerra y piensa si debe estar o si no debería estar, no es tal soldado, ni un nacional. (52, 53) Die anti-patriotische Haltung der Republik, ihre freiwillige Preisgabe an internationale ökonomische Interessen werden von Julio in seinen Memoiren als Grund für den notwendigen Kampf der Nationalisten gegen die Republikaner genannt: 102 Cf. G. Waldmann: Kommunikationsästhetik, p. 120ss.

161 Un Estado, unas leyes, un sistema. Todo depende de nosotros. Si los dejásemos, si desfalleciésemos, esas mujeres y esos hombres y esos niños vivirían de otra manera, esas leyes serían otras, y otros los individuos que nos gobernasen.... Nos hablarían de los asuntos económicos y de nuestros amigos los franceses. Nos dirían que Rusia quiere que la declaremos madre adoptiva y que no hay como el gran pueblo europeo con su capital, Moscú, y su rey, Stalin. Y entonces no sabríamos por qué luchamos contra los franceses, por qué combatimos en Lepanto, ni por qué nuestras madres deben ser honradas, santas nuestras mujeres y estudiosos nuestros hijos, desde el punto y momento en que damos por bueno todo lo opuesto a lo que hicimos.... Comprendo que las cabezas de Estado deben tener una delegación de derechos divinos. Es el único modo de que los pisaverdes que crecen aquí y allá no se crean con derecho a derrocarlos. (152, 53) Die autoritäre Diktatur Francos soll als rechtmäßiger Schutz gegen das, was in genauer Opposition zur falangistischen Werteskala den republikanischen Institutionen zugeschrieben wird, empfunden werden. Die partikularen Interessen des franquistischen Herrschaftsblocks werden aufgrund ihrer Universalsetzung nicht weiter hinterfragt. Während die oben beschriebenen »diskursiven« Teile des Romans an keiner Stelle eine Aufarbeitung der politisch-gesellschaftlichen Verhältnisse auch nur aus der Perspektive der Aufständischen zu sein beabsichtigen, d.h. unpolitisch sind, wie die beschränkte Sichtweise des Erzählers/Protagonisten Julio illustriert, ist die Histoire unschwer in das wahre Kriegsgeschehen verortbar; Zeit und Raum der fiktiven Ereignisse - die Schlacht am Ebro im Sommer und Herbst 1938 - entsprechen den tatsächlichen historischen Begebenheiten. 103 Hinsichtlich des Gesamtsinns des Textes ist eine Unterscheidung zwischen der Position des impliziten Autors und der des Erzählers/Protagonisten Julio überflüssig. Die Nähe zur Autobiographie hat der Autor ohnehin später bestätigt: Nunca estimé mucho sus méritos literarios. Tenga en cuenta que la escribí a los 21 años, todavía de uniforme, en 40 días, sin más trabajo que recordar. ... En parte como un testimonio de la impresión que en mi adolescencia me había causado la lectura de la obra de Remarque.!04 Unterschieden werden muß lediglich die begrenzte politische Einsicht Julios vom umfassenderen politischen Kenntnisstand des impliziten Autors, der trotz der späteren Beteuerungen des realen Autors, distanzlos erinnernd berichtet zu haben, in einigen Textstellen nachweisbar ist. Um nur ein Beispiel für die textimplizite politische In103 Zur Schlacht am Ebro cf. H. Thomas: The Spanish Civil War, pp. 835-44, 852, 854s. und Broué, Témime: Revolution II, pp. 636-645. 104 Brief von Cecilio Bcnítez de Castro an Lo Ré vom 26.2.1960, in: Lo Ré: The novel, p. 282; cf. auch Jacob Omstein und James Y Causey: »Una década de la novela española contemporánea«, in: Revista Hispánica Moderna XVII (1951), p. 128: »el autor... quisiera borrarla [- Se ha ocupado el kilómetro seis] de su catálogo.«

162 formiertheit des Autors zu nennen, die in der Ich-Erzählerpassage durchscheint, die Julios politisches Desinteresse belegen soll: A última hora Enrique y Arturo se ponen a discutir. Les ha contagiado Pérez. No sé qué de la sindicación obligatoria y de la coacción de no sé qué elementos. (81) Die implizite Autoiposition entspricht dem Kenntnisstand des impliziten Lesers, der im Gegensatz zu den fiktiven Personen den Kriegsausgang kennt und auch die Anspielung auf die im Franco-Spanien etablierte Einheitsgewerkschaft versteht. Die textimplizite Autorposition zeigt sich darüber hinaus inhaltlich in der Darstellung der disziplinlosen kommunistischen Truppen (117, 205, 233, 248, 256), der Betonung des ungleichen Kräfteverhältnisses (105) 105 und der Überbewertung der internationalen Intervention (54, 122, 127, 244) bei gleichzeitiger Unterschlagung der deutschen Hilfe durch die Legion Condor während der Ebro-Gegenoffensive 1 ^, wodurch das historische Bild willkürlich verzerrt wird. Auch die innere Krise zwischen Franco und den Falangisten nach der geglückten Ebro-Offensive der Republikanern^ bleibt nicht nur unerwähnt, sondern wird in ihr Gegenteil unbedingter Einigkeit verkehrt. Die asturischen Bergarbeiter des Aufstandes von 1934 werden in diesem Roman einmal nicht als anarchistische Verbrecher stigmatisiert, sondern als zum Nationalismus konvertierte Arbeiter dargestellt (80, 110, 181). Der radikale Anti-Intellektualismus ist ebenfalls eine dominant gesetzte Isotopie des Textes, hinter der sich die Position des impliziten Autors verbirgt, nämlich die aus dem Text rekonstruierbare Weltanschauung des 21jährigen Benitez de Castro, der am Anfang seiner schriftstellerischen Laufbahn und noch ganz unter dem Eindruck der Kriegserfahrung steht. Der Ich-Erzähler als Sprecher des impliziten Autors schließt Raisonnement und Reflexion als Hindernis für kriegerische Parteilichkeit aus: - A ver esos hombres de pró. Que esto no es el 12.40. Pero están muy escamados y no se acerca nadie. Hay por aquí un tal Pérez, que trabaja en Información, que es la cosa más pesada y pedante que haya podido echarse nadie a la cara. ... Tipo de hombre débil, casi enclenque, blanquecino y de pelo rizado, parece un intelectual agotado en sus elubraciones. Indudablemente entiende de Filosofía, de Historia y de Literatura, y, por lo menos, saca a relucir nombres tan extraños que todos nos quedamos a dos velas aunque ni Arturo, ni Enrique, ni yo, ni Nury, seamos precisamente unos ignorantes. (77) ¡Eres un embustero, camarada! Abogado, Licenciado en Letras y Filosofía, premios del Conservatorio, pintor ... ¡Eres un embustero! Y si tienes veinticuatro 105 Historischer Ausgangspunkt der Ebro-Offensive war der Sieg der Franco-Heere in Aragón und die Abschnilmng Kataloniens (H. Thomas: The Spanish Civil War, p. 833). Mit der Ebro-Offensive wurde der Versuch gemacht, von Valencia abzulenken. Anders als von Benitez de Castro insinuiert, besaß die nationalistische Seite schon bald die Waffen- und Materialubermacht (cf. Broué, Témime: Revolution II, pp. 641,43). Die Internationalen Brigaden wurden noch wahrend der Schlacht um den Ebro zurückgezogen (cf. H. Thomas: The Spanish Civil War, p. 852). 106 Cf. Broué, Témime: Revolution II, pp. 640-42. 107 Cf. H. Thomas: The Spanish Civil War, p. 848.

lúl años lo que tienes que hacer es coger un fusil como lo hemos hecho todos y salir a tirar tiros. (79) Gómez de la Serna generalisiert das Postulat als Charakteristikum der autobiographischen Episodios Nacionales: La objectividad que hay que pedir al escritor es de muy otro orden; no es distanciamiento del objeto sino pasión por el objeto que trata.1*® Geschichte wird nicht durch distanzierte Analyse, sondern soldatische Praxis gemacht: Cada escritorzuelo, cada quisque que sabe algo, dictamina en seguida, enjuicia y condena o absuelve los grandes hechos históricos que él no determinó.... Ningún intelectual podría ganar esta batalla con un artículo. (153) Die Textstelle ist eine indirekte Kritik an Kriegsromanautoren wie Remarque, die die Sinnlosigkeit des Soldatentodes, die Unmenschlichkeit des Krieges zum Gegenstand haben. Ohne Zwischenschaltung des Ich-Erzählers wird die Autorposition im Epilog vermittelt, der durch seine ich-hier-jetzt-origo gleichzeitig einen Hinweis auf den Zeitpunkt der Beendigung des Romans enthält, die bereits in die Nachkriegszeit fällt. los nuestros rodearon Miravet. (254) Las fuerzas rojas, vencidas y desarmadas, ... repasaban el río ... La Batalla del Ebro era el fin de la guerra.... Una batalla que duró poco menos de cuatro meses. En la que las dos partes jugaron la partida con todas las cartas. Pero el valor acompaña a la razón y la razón triunfa siempre. Poco después terminaba la guerra y en España reina una sola bandera: La suya. (255, 56, Hervorhebungen R.S.) In stärkerem Maße als der Frontroman von García Serrano: La fiel infantería109 orientiert sich Benitez de Castro, was die literarische Umsetzung der Rolle der Frau in der spanischen Öffentlichkeit betrifft, an den »Sittenstücken« unter den Bürgerkriegsromanen, die in simpler Dichotomisierung dem republikanischen Moralverfall die traditionalen Sittenvorstellungen entgegenhalten, die in der nationalistischen Zone, unterstützt durch Vertreter der katholischen Kirche, zur Norm erhoben werden. Den positiv konnotierten Falange-Frauen Nury und Esther wird Lucia gegenübergestellt, die sich in Abwesenheit von Julio zu einer materialistisch orientierten, leichtfertigen Person entwickelt hat: Aquella Lucía que soñara no fumaba ni bebía, ni tenía tanto descaro. (193)

108 G. Gómez de la Serna: España en sus episodios, p. 125. 109 Cf. Kapitel 6.3.1. dieser Untersuchung.

164 [- dagegen über Falangistinnen des Auxilio Social:] Vienen con carniza azul.... - Podrían estar en sus casas, y se sacrifican. (68, 69) Der von der pro-nationalistischen Propaganda idealisierte Frauentyp, konkretisiert in der Verlobten des gefallenen »Mamá Valentin«, lehnt emanzipatorische Bestrebungen, die mit der Liberalisierung der Öffentlichkeit während der republikanischen Jahre einhergingen, ab: Su novia no creerá nunca en el amor libre ni se divorciará si algún día se casa. (153) Der kriegsbedingte »lockere« Lebenswandel der Soldaten, mit einer Liebe in jedem Standort, wird nicht geleugnet, doch die Frauen werden gemäß der nationalistischen Moral in fast allen Bürgerkriegsromanen aus der Perspektive der Aufständischen in ein Mehrklassensystem eingeteilt: die Braut in der Heimat (70), die sich durch unbedingte Treue auszeichnen soll, die Falangistin, die man als Kameradin respektiert (95), die Liebelei an der Front (10) und die amoralische republikanische Frau, die in dem Roman von Benitez de Castro jedoch nicht realisiert wird.no Vermutlich sind es gerade der soldatische Lebenswandel des carpe diem und die nachlässige Ausdrucksweise des Protagonisten, die den Zensor veranlaßt haben, am Manuskript der Ausgabe von 1939 Streichungen vorzunehmen.ni Die nachlässige Erzählweise - laismo (133, 147, 187), Argot (31), Aneinanderreihung kurzer handlungsintensiver und reflexionsarmer Sätze (114, 165, 231) mit Wechsel ins Präsenz, Verzicht auf rhetorische Figuren und ausgewogene Charakterzeichnungen der fiktiven Personen - unterstützt den Eindruck, daß es sich nicht um Fiktion, sondern Reportage erlebter Begebenheiten handelt. Dem historisch rückwärtsgewandten Prinzip traditionsgeschützter Verallgemeinerung partikularer Interessen, das der literarischen und politischen Ausprägung der Öffentlichkeit zugrunde liegt, folgt auch die literarische Konkretisation von Benitez de Castro Se ha ocupado el kilómetro seis. Der Autor schaltet das kritische Vermögen des impliziten Lesers aus, die historischen Ereignisse zu beurteilen, und hält ihn - wie die im Roman dargestellten Soldaten - dazu an, politischen Ereignisse fraglos zu akzeptieren, d.h. nicht nachzuprüfen, ob der Neue Staat und seine politischen Repräsentanten seine Interessen wahren. Die intendierte Rezeptionshaltung beschreibt Gómez de la Serna folgendermaßen: Si a través de su obra llega hasta el lector el latido apasionado del vivir - su angustia, su duelo, su esperanza - la repercusión subjetiva, pero valedera para todo 110 Cf. die Frauentypen in IV grupo del 75-27: Pilar, eine getreue Nachbildung von Lucía, die ihren Lebenswandel mit Glücklosigkeit in der Nachkriegszeit bezahlt; die Falangistin Katia und die Geliebte Elena. 111

»Autorizado suprimiendo lo tachado 8-8-39«. Da Manuskript und Zensorurteil im Archiv fehlten, können über die Art der Streichungen nur Vermutungen angestellt werden. Da der Frontroman von García Serrano vier Jahre später in sehr viel stärkcrem Maße von der Distributionsbchindcrung betroffen sein wird, sei an dieser Stelle nur darauf verwiesen, daß bereits 1939 der Einfluß der katholischen Sittenlehre auf die Institution Literatur deutlich ist.

165 un grupo humano (una generación) de una situación histórica determinada, entonces el episodio habrá cumplido su función ...112 Das im Roman in der oben entschlüsselten Weise für patriotische Spanier zur Handlungsnonn erhobene traditionale Prinzip von Subjektivität dürfte tatsächlich dem Lebensgefühl der jugendlichen Falangesoldaten in der Kriegssituation entsprochen haben. Die zunehmende Verdrängung der Falange aus dem franquistischen Herrschaftsblock und die damit verbundene politische Desillusionierung ihrer Mitglieder hat jedoch zur Folge, daß sich im Nachkriegsspanien keine Trägerschicht mehr für den falangistischen Kriegsroman und die politisch-gesellschaftlichen Handlungsnormen, die er beinhaltet, findet. 6.1.4. Verschleierung des vermittelnden Erzählers im szenischen Roman. Der imperiale Traum des Caudillo: Raza (F. Franco) Parallel zur Film-Version veröffentlicht der Caudillo unter dem Pseudonym Jaime de Andrade n 3 1942 die Erzählung Razaiw. Der einzige fiktionale Text Francisco Francos schildert das Schicksal der Adelsfamilie Churruca115 während des Bürgerkrieges. Die Handlung setzt im Jahre 1897 ein, als Kapitän Churruca für kurze Zeit in die Arme seiner Frau Isabel de Andradenö und seiner vier Kinder Pedro, José, Isabel und Jaime zurückkehrt. Pedro, der älteste Sohn, fällt durch negatives Sozialverhalten auf: Er quält ein Vögelchen und betrügt einen Spielkameraden, wofür er von seiner Mutter zurechtgewiesen wird. Ganz anders ist José, der im Gegensatz zu seinem Bruder Sinn für die Familientradition hat, die von jeher eng mit der spanischen Marine verknüpft war. Als der Vater zwei Jahre später (Juli 1898) im Krieg um Cuba als Held der Marine in Erfüllung seiner Pflicht den Tod findet (54), zieht die Familie nach Madrid. Zur Zeit der Diktatur Primo de Riveras hat Pedro endgültig mit der Offizierstradition gebrochen und die juristische Laufbahn eingeschlagen, während José, »todo un Churruca« (60), zur Militärakademie in Toledo geht. Isabel heiratet den besten Freund ihres Bruders José, den Offizier Luis Echeverría, dessen Onkel, ein konservativer Industrieller, dadurch charakterisiert ist, daß er für Werte wie »Deber« und »Servicio de la Patria« (74) ebenso wenig übrig hat wie der inzwischen als Rechtsanwalt nieder112 G. Gómez de la Sema: España en sus episodios, p. 126. 113 Der Name Andradc ist von einem adligen Vorfahren Francos, mütterlicherseits entlehnt, dessen Stammbaum bis ins 14. Jahrhundert zurückreicht. (Cf. Román Gubcm: Raza: un ensueño del General Franco. Madrid: Ediciones 99,1977, p. 10. Zu Raza cf. J. Rodríguez-Puértolas: Literatura fascista I, pp. 616-620. 114 Jaime de Andrade (d.i. Francisco Franco Bahamonde): Raza. Anecdotario para el guión de una película. Madrid: Ed. Numancia 1942. 115 Die Intention traditionaler Sinnkonstitution kommt schon in der Wahl des Familiennamens zum Ausdruck. Der spanische Offizier der Marine Cosme Damián de Chumica y Elorza (1761-1805), von dem Franco den Namen entlehnt, starb in der Schlacht von Trafalgar. 116 Ebenso wie das Pseudonym des Verfassers ist die Wiederkehr des Namens Andradc im Text bereits ein Hinweis auf den autobiographischen Charakter des Textes.

166 gelassene, demokratisch gesinnte Pedro. Jaime, der jüngste Chronica, gibt seine Karriere als Marineoffizier auf, um dem Johanniter-Orden beizutreten (77, 82, 83). Während der Zweiten Republik läßt sich Pedro als Abgeordneter aufstellen. Bei einer Kirchenschändung durch eine »Horde Halbstarker« (78) erleidet die Mutter eine Herzattacke, der sie kurz darauf erliegt. Dadurch erspart ihr Gott, »ihr Vaterland zerstört zu sehen« (82). Im Friihjar 1936 »cuando el Frente Popular, desde el Poder, comienza la desintegración de España« (83), ist José Lehrer an der Militärakademie in Toledo. Nach einem Aufenthalt in Madrid wird er am 18. Juli 1936 von Republikanern an der Rückkehr nach Toledo gehindert. Im Cuartel de Ingenieros bekommt er den Auftrag, General Fanjul im Cuartel de la Motafla eine Botschaft zu übermitteln. Als republikanischer Milizionär verkleidet, wird er von einem republikanischen Soldaten erkannt (96), gefangengenommen und zum Tode verurteilt. Als das Erschießungskommando auf ihn zielt, erfolgt gerade ein feindlicher Luftangriff. Hastig wird das Urteil vollstreckt, José fällt, von Kugeln getroffen, zu Boden, die Soldaten fliehen. Marisol, die Jugendliebe von José, und der loyale Diener Tano holen den vermeintlichen Leichnam, um ihn zu bestatten. Im Hause der Schwester von Tano stellt Marisol, als sie ihr Gesicht dem des Helden nähert, fest, daß José noch lebt (114). Inzwischen wird Jaime im August 1936 in einem von den Johannitern geleiteten Kinderkrankenhaus in Calafell in Katalonien bei einer anti-klerikalen Erschießungsaktion getötet (121). Pedro, der in Barcelona das S.I.M. (Servicios de Información) leitet, findet unter den von Milizionären geraubten Gegenständen das Heiligenmedaillon seines Bruders Jaime. Das Blut der Churruca fließt auch in ihm, und so beginnt er, an der Sache der Republik zu zweifeln: »¡No; esto es una locura, esto no es el Deber!« (123). José gelingt es mit Hilfe eines loyalen Zahnarztes, der als Agent sein »pasado malo, de izquierdismo« (128) reinwäscht, aus der republikanischen in die »nationale« Zone zu fliehen, wo er sich wieder zum Militär meldet (135). An der Front in Vitoria tut Kapitän Luis Echeverría, der Ehemann von Isabel, seinen Dienst. Angst um seine Familie in der feindlichen Zone in Bilbao veranlaßt ihn zu desertieren (150), doch seine Frau gewährt ihm keinen Einlaß und öffnet ihm die Augen über seine wahre Pflicht. Luis verschwindet in den Straßen Bilbaos (154). José gehört zu den Truppen, die etwa einen Monat später Bilbao nehmen, und er erfährt dort von seiner Schwester vom Verschwinden Luis'. Pedro, in den zwei Jahren des Dienstes für den Servicio de Información frühzeitig gealtert (175), wird von einer »nationalen« Agentin bekehrt und verhilft ihr zu geheimen Dokumenten und Pässen (179). Ihre Spionagetätigkeit wird entdeckt und Pedro zum Tode verurteilt. Vor der Vollstreckung des Urteils beichtet Pedro und stirbt in Pflichterfüllung als wahrer Churruca (185). Der Epilog bringt das happy end: José findet zu Marisol, und unter den gerührten Blicken der Seinen marschiert er im Siegeszug der »Befreier« mit. Die Abfassung des Manuskriptes erfolgte vermutlich Ende 1940 oder Anfang

167 1941.H7 Zwei logische Fehlen 18 lassen vermuten, daß Franco den Text, der bereits in seiner Anlage eher als Drehbuch konzipiert ist, in Eile geschrieben haben muß. Den augenfälligen biographischen Transfer des eigenen Curriculum Vitae in die fiktive Version macht R. Gubern in seiner psychoanalytischen Studie transparent. Aufgrund des anders gelagerten Erkenntnisinteresses dieser Arbeit soll die Erzählstruktur im folgenden gleichwohl analysiert werden. Der Text ist als Träger kommunikativer Zwecke zu verstehen; die in ihm handelnden Personen verkörpern Weltanschauungen und Ideen, die aus folgenden Zitaten extrapoliert und zu Isotopienbündeln zusammengefügt werden können: Schon in der Kindheit werden Pedro und José in ihren unterschiedlichen Verhaltensweisen miteinander kontrastiert. Pedro sieht durchs Fernglas das nahende Schiff des Vaters: ¿A mi? ... Desde aquí parece muy bello; pero me gusta poco el mar. (20) José dagegen zeigt sich beeindruckt: ¡Qué hermoso dar la vuelta al mundo! (20) Pedro zeigt wenig Patriotismus: No comprendo que el morir pueda ser hermoso. El Padre. - Lo es, Pedríto, lo es. El Deber es tanto más hermoso cuantos más sacrificios entraña. Sois muy chicos, tal vez, para comprender mis palabras. José. - No, papá. Yo te comprendo. (32) Pedro. - Oye, papá; y cuando has tenido que elegir uno entre aquellos marineros para llevarle a la muerte, ¿a quién escogiste? ... (Con recelo.) ¿Al más malo? El Padre. -... Yo he elegido, de los que no tenían hijos, al más bravo, al que podía hacerlo mejor. ... José. - Oye, papá, ¿es cierto lo que dice el tío Manolo, de que los marinos y los militares, cuando van a morir, se ponen de gala? El Padre. -... Esto es, se muere con toda la arrogancia, con toda la despreocupación y con toda la grandeza ... (33, 34) Pedro bricht mit der Familientradition, schlägt nicht die Laufbahn des Offiziers ein: Isabel. -... ha defraudado nuestras ilusiones. (59) José, der die Militärakademie besucht, es todo un Churruca. El llenaba de alegría y de espíritu nuestra casa. (60) Zur Abschiedsfeier der Kadetten in Toledo kommt die ganze Familie Churruca, außer Pedro: 117 R. Gubern: Raza: un ensueño, p. 7. IIS In der Dialoganweisung wird der Name José versehentlich durch den des Bruders Pedro ersetzt, der einige Seiten zuvor erschossen worden war (p. 192). Der Enkel von Don Luis wird fälschlicherweise als dessen Sohn zitiert (p. 33). (Cf. R. Gubem: Raza: un ensueño, pp. 19 und 106).

168

José, - Sí; él no comprende estas cosas. (63) Pedro ist materialistisch eingestellt: ... ahora que Isabel se casó, mi deseo de recibir la legítima de papá. (76), und teilt nicht den Idealismus seines Bruders: José (Con indignación.) - ¡Pedro! ... Cuanto tenemos es de nuestra madre; otra cosa sería villanía. (76) Erst mit Verlauf des Bürgerkrieges beginnt Pedro zu zweifeln; als José zum Tode verurteilt wird, drängt Marisol ihn, seinen Einfluß für seinen Bruder geltend zu machen: Marisol (Saliendo.) - Es tu deber (con energía) Pedro (Retirándose con la mano en la frente, repite en voz baja:) ¿Mi deber? ... (105), und als er das geraubte Medaillon des ermordeten Jaime in Händen hält: ¡No; esto es una locura, esto no es el Deber! (Apoya la cabeza sobre las manos.) (123) Schließlich kann er das Blut, das in ihm fließt, nicht verleugnen; als ihn die Spionin der Aufständischen fragt: ¿Donde está su Deber? (177), neigt Pedro den Kopf mit Tränen in den Augen und liefert sich selbst ans Messer, als seine Komplizin gefaßt wird: ¡Asesinos! ¡cobardes! ¡Asesinos de mujeres! Estáis llenando de fango y sangre a España. ¡Canallas! (Esconde la cara entre las manos.)... Ellos tienen razón; ellos harán una España honrada: nosotros la haríamos de criminales y asesinos. (183) Pedro, »hermano del valiente Capitán Churruca« (176), stirbt »contento cara el Deber« (185). Wenn man davon ausgeht, daß die fiktiven Personen in Raza Objekte eines dominierenden Autorbewußtseins sind119, läßt sich aus den Zitaten folgendes deduzieren: José hat als Sprachrohr des impliziten Autors zu gelten. Das politisch und gesellschaftlich falsche Bewußtsein verköipert der Bruder Pedro. Der reale Autor, Francisco Franco, ist der Zweitgeborene der Familie und hat in Raza zweifellos seine Auseinandersetzungen mit dem republikanisch gesinnten Bruder Ramón verarbeitet.^ Der Familie kommt die Rolle der Pflanzstätte konservativer Werte zu. Die weiblichen Figuren - die Mutter Isabel, deren Tochter Isabel und Marisol, ihre Freundin und

119 Cf. W. Schmid: Der Textaufbau, p. 10. 120 Cf. R. Gubem: Raza: un ensueño, p. 16.

JM spätere Verlobtre von José - zeichnen sich durch Altruismus, Familiensinn^ und karitative Haltung aus: Isabel. - ... ¡Con qué gusto se deshacen [las cajas] y qué produce tener que prepararlos! ... Churruca. - El Deber, Isabel ... Isabel {Con tristeza.) - Sí, el Deber... (42) La Madre. - Fué el deseo de tu padre y la tradición de la familia. ... Hemos cumplido nuestro Deber; más si algún día, Jaime, la mar te pareciese pesada carga confirmándose lo que mi instinto de madre adivina, no lo dudes, estás dispensado. (77) La Madre. - Ande, suba con nosotros, que la llevamos. {El cochero baja y la ayuda a subir.) Señora Eufrasia. - Gracias, señorita; usted siempre tan buena. Se lo agradezco, pues las piernas me pesan y no sé si llegaría. (18) Isabel. -... ¿Como van los niños? Pescadora. - Rompiendo ropa, señora. Isabel. - Bueno, vaya por casa y le daré algo para ellos. (21) Ebenso wie in Cara al sol gilt auch hier das Primat Vaterland vor Familie. Die Tochter Isabel erkennt besser als ihr Mann Luis die patriotische Pflicht, die in der Wichtigkeit noch vor der Liebe zur Familie rangiert. Als Luis desertiert ist, ruft sie erbleichend: ¡No! ¡No! ¡Dime que no! Tú no has hecho eso ...! ¡Vete! ¡¡Vete, por Dios, con los nuestros!!... (Y con la mano le señala la puerta, abierta todavía.) (153) und später gesteht sie ihrem Bruder José: Sólo pedía a Dios que me lo volviese con Honor.... Durante muchos días, creí que había hecho bien, que eso era mi Deber, el nuestro; pero hoy dudo y vacilo. ¡Es espantoso! José. - Has hecho muy bien, Isabel. No había otro camino. Ese era el Deber.... (169) Als die 'siegreichen nationalen Truppen' in Bilbao einmarschieren, lächelt Isabel »con dulce amargura« (174) ihren Kindern zu. Marisol ist entschlossen, nachdem ihre Interventionen bei Pedro gescheitert sind und sie José nicht retten kann, den Toten aus dem Gefängnis zu holen und ihn christlich zu begraben: Acaso me falte el valor para verlo morir, pero no para recogerlo (109). 121 Auch Concha Espina bedient sich der Institution Familie, um die ideologische Zweiteilung Spaniens exemplarisch darzustellen: in Retaguardia (1937) gehört der Protagonist zu einer politisch zerrütteten Familie; die Eltern sind Sympathisanten des Sozialismus, die Kinder Anhänger der faschistischen Bewegung. (Cf. auch Lo R6: The novel, p.60).

170 Als sie entdeckt, daß José noch lebt, kümmert sie sich um seine Wunden: Marisol (Amorosamente las seca y cura; también lo hace con la herida de la pierna.)... (De rodillas, al lado de la cama, no abandona el pulso del herido.) Sí, ¡aún tiene vida! (115). Im Krankenhaus weiß der Arzt José von Marisol folgendes zu berichten: Se ha hecho enfermera de uno de mis hospitales de niños. Es un sacrificio que ha ofrecido a Dios si usted se curaba. Curar incluso a sus enemigos. ¡Es ejemplar! (125) Das Schicksal des Deserteurs Luis Echeverría, Neffe eines Industriellen, kündigt sich schon früh an; er wird als opportunistisch, ängstlich, rückgratlos, depressiv geschildert. In der Militärakademie war José der Praktiker und Luis der Theoretiker, was das Geschichtsbewußtsein anging. José über Luis: Sí, primero en clase, maestro en la repetición de los relatos fríos y sin alma de algún autor adocenado; los episodios de la Historia sin fuego y sin calor... (66) Als Luis Isabel heiratet, äußert die Mutter gegenüber José ihre Befürchtungen: Hay que pedir a Dios que Luis no salga a su tío ... ¡Que distintos somos! ... (75) Aus dem letzten Satz läßt sich entnehmen, daß Luis nicht zu den beispielhaften Figuren der spanischen Rasse zählt. Als José dem kleinen Sohn von Luis zur Zeit der Zweiten Republik den Faschistengruß ¡Arriba España! beibringt, unterbricht Luis: No debes enseñarle eso; es una imprudencia; puede acarrearnos disgustos (83) und über Jaimes Entschluß, Mönch zu werden: No son estos tiempos los más indicados para alegrarse. En muchos lugares de España los conventos cerrados y la Iglesia perseguida, son anuncio de los dolores de sus miembros. Tal vez hubiera sido prudente esperar... (85) Luis zweifelt am Sieg der Aufständischen über Bilbao: Luis. - No. Hace unos días lo creía, hoy ya no. Inglaterra y Francia los ayudan, eficazmente. No quieren que lleguemos; el tiempo también los favorece. Esto no puede terminar bien. Nuestros soldados no tienen relevo, carecemos de reservas. Ni un solo día han descansado. Soldados de hierro no existen en ningún ejército; un día se derrumban. (143) Luis' plötzliches Erkennen seines Fehlverhaltens als Deserteur erfolgt zu spät; der Erzähler kommentiert in Innenschau: Luis, anonadado, vacila unos momentos. Siente su vida derrumbarse en un instante. Una luz nueva se hace en su cerebro; su deber, unirse otra vez a los suyos ... balas que silban; carreras en la noche; paradas y sobresaltos, acostado sobre el

171 suelo encharcado, presiden la lucha del Capitán Echeverría contra el destino trágico ... (154) Jaime, der jüngste Bruder, gibt die Ausbildung zum Marineoffizier auf und tritt dem Johanniter-Orden bei: Soy, como vosotros, un soldado, pero del más esclarecido Capitán, y en el sacrificio por El, en la muerte o en el dolor sufrido en su servicio encuentro el más sublime de los premios (86) und in Anspielung auf Franco als Caudillo von Gottes Gnaden: José. - Y tú, nuestro querido santo,... pide por España y por cuantos estamos en su camino para que nos otorgue también un buen Capitán, que mucho lo necesitamos ... ¿verdad, Luis? ... Jaime. - Dios lo hará, (Con firmeza serena.) (86) Als christlicher Märtyrer (173) stirbt Jaime in Katalonien durch die Kugeln der Milizionäre: Jaime. - Dejadme, hijitos, que me llama el Señor... (120) In einer der wenigen Erzählerpassagen wird die Prozession der Märtyrer, »procesión heroica«, kommentiert: Sin una resistencia, sin un gesto de dolor o de rebeldía, en fila interminable, marcha, entre insultos y bayonetas, la Orden de San Juan de Dios.... Serenos y con la vista en alto esperan el sublime sacrifico. (121) Die Rhetorik unterscheidet sich kaum von den Beschreibungen militärischen Heldentums: Procesión heroica, soldado del más esclarecido capitán. Sie deutet auf die Hierarchisierung der Bedeutungskomponente Vaterland, Militär vor der der Kirche: Es ... probable que para el Franco anterior a 1939 la Iglesia haya sido una fuerza política que le convenía instrumentalizar al servicio de sus designios, sobre todo a partir del vasallaje que significó la publicación por el obispo Pía y Daniel de la pastoral Las dos ciudades, en septiembre de 1936, legitimando la sublevación fascista. 122 Weitere Vertreter der spanischen Rasse, die als Nebenfiguren auftreten und sich durch beispielhaftes Verhalten hervortuni23, sind der loyale Diener Tano und seine Schwester (109-117), der Arzt, der sogar die feindlichen Verwundeten versorgt (124127), der Zahnarzt, der seinen Izquierdismo bereut (127-129), der lateinamerikanische Freiwillige, »uno de los mejores«, der die Aufgabe seiner bereits für die natio122 R. Gubem: Raza: un ensueno, p. 77. Cf. auch Kapitel 3.2. dieser Untersuchung. 123 Raza ist gewissermaßen das Gegenbild zu Espaiia invertebrada von Ortega y Gasset, der der spanischen Rasse Rttckgratlosigkeit bescheinigt und das Fehlen einer Elite beklagt. Zum ambivalenten Verhältnis faschistischer Ideologen zur Philosophie Ortegas cf. Kapitel 4.4., p. 82, Anm. 10S dieser Untersuchung.

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nale Sache gefallenen Söhne weiterführen will und sich im Alter von 58 Jahren zur Truppe der Aufständischen meldet (144-147), und die Frau, die nach dem Tod ihres Mannes als nationale Agentin tätig wird und Pedro bekehrt (176-183). Der Antagonismus La Cruzada versus Gobierno Rojo wird im Verlauf des Geschehens auf der Ebene der fiktiven Personen dahingehend aufgelöst, daß Pedro und Luis geläutert werden und ihren »Irrtum« mit dem Tod bezahlen. Milizionäre, republikanisches Militär und der im republikanischen Bilbao lebende Onkel von Luis stellen nicht näher spezifizierte Randfiguren dar, die als Kontrastmittel dienen, um das exemplarische Verhalten der spanischen Rasse zu illustrieren. Raza ist den »Juventudes de España« gewidmet, »que con su sangre abrieron el camino a nuestro resurgir«; ihnen gilt auch das Vorwort, in dem der implizite Autor bereits eine Deutung des Roman-i24Titels gibt und selbst schon auf die wichtigsten Bedeutungselemente hinweist: Vais a vivir escenas de la vida de una generación; episodios inéditos de la Cruzada española, presididos por la nobleza y espiritualidad características de nuestra raza. Unz familia hidalga es el centro de esta obra, imagen fiel de las familias españolas que han resistido los más duros embates del materialismo. Sacrificios sublimes, hechos heroicos, rasgos de generosidad y actos de elevada nobleza desfilarán ante vuestros ojos. Nada artificioso encontraréis. Cada episodio arrancará de vuestros labios varios nombres ... ¡Muchos! ... Que así es España y a s í e s la raza.125

Ricardo Gullón hat in seiner Analyse von Raza bereits die am häufigsten wiederkehrenden Bedeutungselemente (Sem-Rekurrenzen) aufgelistet126, wobei er drei dominante Bedeutungskomponenten in der hierarchischen Anordnung synthetisiert: 1) eje militar, 2) eje familiar, 3) eje religioso, die die Kohärenz des Textes ausmachen. Folgende Isotopien bzw. Isotopienbündel kennzeichnen die Rhetorik von Raza: ± Patriotismus + Traditionsbewußtsein/adlige Gesinnung + Familienorientierung + weiblicher Altruismus + Gemeinschaft von sozial Hoch- und Niedrigstehenden 124 Auf dem Einbanddeckel der Ausgabe von 1942 steht »Novela«, auf dem Titelblatt schon etwas korrekter der Untertitel: »Anecdotario para el guión de una película«, was die nanative Form eher trifft. 125 Hervorhebungen R.S. 126 Cf. R. Gubem: Raza: un ensueño, p. 112: EJE MILITAR: Militar, oficial, jefe, capitán, comandante, general, almirante 193x; Deber 28x; Guerra, guerrero 19x; Bandera lSx EJE FAMILIAR: Padre, madre, papá, mamá, hijo-a, hermano-a, esposo-a, marido 195x; familia, familiar 23x. EJE RELIGIOSO: Dios, Cristo, Seflor 56x; Iglesia, capilla, templo, ermita, catedral, convento 25x; Capellán, sacerdote, fraile, clérigo 18x. »Otros vocablos de intenso peso significativo en el relato de Franco son los siguientes: Espada 55x; Patria 18x; Raza lOx; Honor lOx. Y entre términos que denotan cualidad ejemplar, los más utilizados por Franco son, este orden: gloria, glorioso: héroe, heroico, heroísmo; arrogancia, arrogante; nobleza, noble, bravura, bravo.«

173 + patriarchalische Hausstruktur ± katholischer Glaube ± Materialismus ± Rationalität ± Opportunismus. Den Personen, die die Exemplarität der spanischen Rasse verkörpern, was gleichzusetzen ist mit traditional-nationaler Gesinnung und Unterstützung der Aufständischen, werden folgende Bedeutungsmerkmale zugeordnet: + Patriotismus + Traditionsbewußtsein + Familienorientierung + patriarchalische Hausstruktur + weiblicher Altruismus + Gemeinschaft von sozial Hoch- und Niedrigstehenden + katholischer Glaube - Materialismus - Rationalität - Opportunismus, und den Vertretern republikanischer Gesinnung werden jeweils die oppositionellen semantischen Merkmale zugewiesen. Die Zuordnung semantischer Binäroppositionen zu positiv und negativ bezeichneten fiktiven Personen dient dazu, ein geordnetes Personen- und Weltbild zu erstellen, das sich mit der franquistischen Ideologie hundertprozentig deckt. Sie hat somit eine didaktische Funktion. Auf der simplen Binäropposition national versus republikanisch, die sich auch im literarischen Raum des hier (= Zone der Aufständischen) und dort (= Zone der Republikaner) ausdrückt, basiert die ebenso simple wertmäßige Zuordnung zu gut-böse. Die Bedeutung des richtigen Bewußtseins im Sinne des impliziten Autors soll dem Leser nachdrücklich ins Bewußtsein gehoben werden. Zur spanischen Rasse, der Hispanidad (146), gehört allein, wer national denkt oder zumindest seine zunächst »falsche« republikanische Gesinnung tätig bereut (Pedro, Luis, Zahnarzt). Die positive Konnotation der Handlungsachse Militär gilt selbstverständlich nur für die aufständischen Streitkräfte. Der Kommandant Domínguez der republikanischen Zone in Bilbao z.B. wird als verkrachte Existenz geschildert, die seinerzeit von der Kadettenanstalt in Toledo, die José und Luis besucht haben, verwiesen wurde (151). Bestimmte Eigenschaften werden als positiv bewertet, wenn sie durch national gesinnte Figuren vertreten werden, und dieselben Eigenschaften oder Äußerungen negativ beurteilt, wenn es sich um Personen des feindlichen Lagers handelt: »Canalla(s)« ist als Beschimpfung jugendlicher Kirchenschänder (80) und der opportunistischen Justiz der Republik (101) zulässig, als Beschimpfung für Faschisten (97) jedoch zu verurteilen. Die Unterstützung der Aufständischen durch die Achsenmächte, als »voluntarios extranjeros« (196) bezeichnet, wird vom Volk bejubelt; die

174 Anwesenheit von »muchos rusos« (135) in Madrid und die Ankunft weiterer »6.000 internacionales« (133) hingegen verurteilt, was durch die vorangegangene Erzählerinformation, daß die Volksfront den Kommunismus in Spanien einführen wolle (89), noch erhärtet wird, ja die zitierte Rede erst glaubwürdig macht. Während Luis Echeverría belehrt werden muß, daß die patriotische Pflicht vor der Liebe zur Familie zu rangieren habe, wird Pedro gerade dafür kritisiert, daß ihm sein politisches Engagement wichtiger als die Familienpflicht ist: Pedro (Besando a su madre.) - Perdona, mamá; y usted, mi General. Un compromiso. No podía faltar. Mi profesor daba esta tarde una conferencia en el Ateneo y me pidió asistiese. Isabel. - Tan importante era que no has podido justificar la ausencia en un día tan señalado? ... Pedro ... Se trataba de una conferencia importante sobre nuestra acción en Marruecos; un estudio objetivo. (60, 61) Über den Erzählerstandpunkt127 des Textes gibt es keinen Zweifel. Zu Beginn des Epilogs erfahren wir: »La Cruzada ha triunfado. ... Barcelona ha sido rodeada por nuestros soldados«, die Truppen José Churrucas befreien »nuestros hermanos cautivos« (189 - Hervorhebung R.S.). Die politische Positionszuweisung des impliziten Autors ist denkbar einfach. Er ist mit der Erzählerfigur deckungsgleich: »Episodios inéditos de la Cruzada española, presididos por la nobleza y espiritualidad características de nuestra raza«, kündigt das Vorwort an. Es handelt sich um das einfache Grundschema impliziter Autor = unpersönlicher Erzähler = Protagonist. Selbst negativ besetzte Gegenfiguren wie Luis Echeverría werden durch die Autorposition dominiert: Zu einem Kommandanten der Republikaner sagt Luis beim Überlaufen: Soy el Capitán Echeverría, del Ejército Nacional. Me he pasado al enemigo (152, Hervorhebung R.S.) anstelle der glaubwürdigeren Formulierung: me he pasado a vuestra zona. Bis auf einige Ausnahmen auktorialer Wertung handelt es sich jedoch um eine szenische Erzählsituation, die übliche Form für ein Film-Drehbuch, als das der (auf dem Deckblatt allerdings mit Roman bezeichnete) Text ja auch intendiert war. Die Erzählweise vermittelt dem Leser die Illusion, das Geschehen so zu sehen, wie es dem beobachtenden Erzähler sichtbar und auffaßbar war, er sieht das Geschehen so, wie es ein unbeteiligter und uneingeweihter, aber zuverlässig beobachtender und wiedergebender Augenzeuge sieht und berichtet. 128 Durch die Perspektive des Erzählers als scheinbar unbeteiligtem Chronisten gewinnt der implizite Autor an Seriosität. Es wird eine historisch zuverlässige Sachdar127 Zu den wenigen Passagen, in denen der Erzähler explizit in Erscheinung tritt, d.h. auf seine ich-hier-jetzt-Situation Bezug genommen wird, gehören die historischen bzw. politischen Digressionen am Anfang der Erzählsequenzen. 128 G. Waldmann: Kommunikationsästhetik, p. 189; F.K. Stanzel: Theorie des Erzählens, p. 70: »dramatisierte Szene (reiner Dialog und Dialog mit knappen Regieanweisungen oder stark verkürztem Handlungsbericht eines unpersönlichen Erzählers)«.

175 bietung fingiert. Ein direkt übermitteltes szenisches Erzählgeschehen erfordert vom Rezipienten, daß er den Sinn des Romanganzen über die glaubhaften Momente der übermittelten Nachricht erfaßt. 129 De facto aber wird eine kritische Überprüfung der Ereignisse durch den Leser verhindert. Die szenische Erzählsituation leistet durch Konditionierung des Lesers zur Aufnahme politisch tendenziöser Nachrichten der Ideologisierung Vorschub. Eine Besonderheit von Raza ist die Verschleierung der realen Autorschaft durch das Pseudonym Jaime de Andrade, das für den impliziten Autor steht. Der extratextuelle reale Autor Francisco Franco ist als historische Figur gleichzeitig Teil der Fiktion. Einige Male verweist der Autor auf die eigene Person: Desde media mañana toma cuerpo el rumor de un alzamiento de las tropas de Marruecos, a las órdenes del general Franco. La radio de onda corta de Tenerife repite, cada media hora, el texto de su proclama. (89) El Generalísimo ha estado esta mañana con nosotros y estaba muy tranquilo. Y ha dado orden a la Aviación de destruir al Jaime. (142) Los pájaros de acero dibujan en el cielo el nombre del Caudillo de España. (197) Dieser Kunstgriff, dessen Aufdeckung die peinliche Selbsterhöhung Francos offenkundig gemacht hätte, sollte der intendierten Leser-Zielgruppe selbstverständlich verborgen bleiben. Dem zeitgenössischen Publikum wurde diese pikante Information der Urheberschaft bis 1964 vorenthalten, als ABC über den Beitritt Francos in die Sociedad General de Autores de España berichtete und das Pseudonym enthüllte^o, nachdem zwei Jahre zuvor E. de Nora die literarische Fachwelt bereits informiert hatte.i3i Da die Textversion von Raza (gedruckt im Mai 1942) gleichzeitig mit der Verfilmung (Januar 1942) an die Öffentlichkeit trat, wurde sie praktisch nur über den 129 Cf. G. Waldmann: Kommunikationsästhetik, p. 194-197. 130 Cf. R. Gubem: Raza: un ensueño, p. 123. 131 La novela española contemporánea in, p. IOS. Noch 1970 weist Iglesias Laguna nur verschlüsselt auf Franco als Autor hin; er zitiert Jaime de Andrade in Anführungszeichen und fügt das Geburtsdatum Francos - 1892 - an. In einer Fußnote erläutert e r »En realidad 'Jaime de Andrade' no es propiamente novelista, pero su guión Raza daría gran impulso a la nanativa sobre la guerra civil. Raza fue el primer gran éxito del cine espaflol de posguerra. (Treinta años de la novela, p. 72) In der Einleitung zum zehnten Band der Mejores novelas contemporáneas bezieht dagegen Joaquín de Enuambasaguas im selben Jahre offen zur Autorschaft von Raza Stellung. Sein ausfuhrlicher Kommentar ist eine offene FUhrer-Huldigung: »Raza ... es algo más que una novela; es la cristalización literaria del espíritu que animó a su autor y a los españoles que constituimos... el Movimiento Nacional que ha dado la Espafia próspera de hoy ... En Raza la historia ha creado los personajes, las situaciones y Franco ha dado forma narrativa muy acertada, de tipo novelesco, que le da mayor comprensión y amplitud, al sentir histórico de Espafla en un momento crucial de su existencia que el propio Franco resolvió con éxito absoluto, al dejar realizada una época histórica, de importancia definitiva y un libro Raza, de tema documental y tono novelesco, para mayor acercamiento al público, que cae dentro, plenamente, de la llamada... 'literatura de testimonio' o testimonial... no está escrita por un literato profesional, mejor o peor informado, testigo de los sucesos, sino por el protagonista histórico mismo, que lo escribe con el latir de Espafla entera, (pp. XV, XVI)

m Film rezipiert, der als Modell für das patriotische spanische Kino richtungsweisend sein sollte: con el obvio objetivo de legitimar para el público español las razones de la insurrección militar contra las instituciones democráticas de la República.132 Der Regisseur Sanz de Heredia hatte sich weitgehend an die Buchvorlage gehalten, mit der Ausnahme, daß Luis nur mit dem Gedanken spielt zu desertieren, aber von José noch rechtzeitig davon abgehalten werden kanni33, und Jaime in Abweichung vom Text mit seinem Bruder Pedro telefoniert und diesen bittet, sich um die Kinder des Hospitals zu kümmern.134 Im Gegensatz zum Text werden des weiteren in der Film-Version weder Falange noch Requetés erwähnt oder gezeigt, was damit zusammenhängen mag, daß die Absetzung Serrano Súñers als Außenminister 1942 den Niedergang falangistischen Einflusses auf die Politik Spaniens besiegelte.'35 Zur Premiere im Januar 1942 erscheinen erste öffentliche Reaktionen zur FilmVersion: Raza es la exaltación de todas las virtudes que animan a los españoles y que a través de la historia han determinado sus actos, que fueron tejiendo esta gloriosa tradición de nuestra Patria. ... Para dar continuidad cinematográfica a la trama se ha tomado una familia, ... cuyos miembros, generación tras generación, en un servicio constante a la Patria, legan el ejemplo de su actuación henchida de las mejores virtudes raciales. !36 Aus der Art des Kommentars in Primer Piano läßt sich schließen, daß ihr Autor A. Mas-Guindal wußte, wer sich hinter dem Pseudonym Jaime de Andrade verbarg. Er schreibt: En la vida de las grandes razas, como en la vida de las grandes civilizaciones, no puede hablarse de épocas de decadencia, sino de transición. Esta visión genial de los valores espirituales que no mueren ... ha movido a la idea ... que crea el asunto de Raza.... Solamente una visión exacta, perfectamente sentida espiritual y litera-

132 R. Gubem: Raza: un ensueño, p. 113. Cf. Kapitel 4.4.1. 133 »José Chunuca ... se incorpora el Ejército nacional, donde se encuentra a su cuflado, deprimido por la lentitud de las operaciones y a punto de cometer la locura de pasarse a las filas rojas. El espíritu de José y el ejemplo magnífico de tantos otros evitan a tiempo esta catástrofe.« (Zitat aus der Photodokumentation in der falangistischen Frauenzeitschrift Y 49 (1942) s.n. cf. auch R. Gubem: Raza: un ensueño, p. 117. 134 Pedro rat ihm, sich gegenüber den Milizionären als sein Bruder zu erkennen zu geben, um sein Leben zu retten, worauf der nicht-opportunistische Jaime verzichtet. (R. Gubem: Raza: un ensueño, p. 120). 133 Cf. Kapitel 3.1. dieser Untersuchung. Die Schlagerei der Falangislen mit den Karlisten am 16.8.1942 in Bilbao, die sich zu einem innenpolitischen Machtkampf zwischen beiden Gruppierungen ausweitete, hatte zur Absetzung des traditionalistischen Kriegsministers Varela, des Innenministers Galarza und des achsentreuen Außenministers SeiTano beigetragen und war vermutlich ein Grund für die Eliminierung der Requetés und Falangisten aus dem Drehbuch. (Cf. S.G. Payne: Falange, pp. 234-236). 136 Anonyme Rezension in: Misión. Semanario del Hogar 117 (10.1.1942), p. 1S.

177 ñámente, como la de 'Jaime de Andrade', es capaz de dar fondo y forma a lo que por otros cauces hubiera podido d e r r a m a r s e . 137 Die Publikation der Buchvorlage wird mit dem Erfolg begründetes, den die Verfilmung gehabt habe; tatsächlich darf bezweifelt werden, ob der Text überhaupt rezipiert worden wäre, wenn er nicht durch die Verfilmung einen gewissen Bekanntheitsgrad erreicht hätte, der zudem noch durch massive Propaganda unterstützt wurde: In Letras^) wird die Werbung für den Film in einen fingierten Dialog zwischen einem Arzt und einem Ingenieur gekleidet (beides Berufsgruppen mit hohem Sozialprestige). Auf dem Weg zur U-Bahn erzählt der Arzt, daß er Raza gesehen habe, una cinta española que me ha satisfecho extraordinariamente. ... Todo el mundo me hablaba con entusiasmo de 'Raza'. ... Me ha gustado, sobre todo, por ser nacional. ... he podido valorar paso a paso, por la costumbre profesional, todos los méritos de la película. (44) Auf die Frage des Ingenieurs, ob er nun an das spanische Kino glaube, antwortet er: ... lo único que me importa, como español, es esta demostración magnífica de que en España se pueden hacer películas tan excelentes como las de cualesquiera [sie!] otro país de prestigio cinematográfico.... Y 'Raza' nos ha demostrado, a mí y a muchos que pensaban como yo, que las esencias nacionales son lo que verdaderamente importa y que con ellas se pueden hacer obras de subida calidad. (45) Letras richtet sich an die weibliche Leserschaft, die auf diese Weise von den von ihr bevorzugten internationalen Kino-Romanzen abgelenkt und für den patriotischen Film gewonnen werden soll. Im November 1942 erscheint in Mediterráneo^o eine Rezension der im Mai publizierten Roman-Version, die die kenntnisreiche Darstellung der heldenhaftesten Episoden »de nuestra guerra de liberación« lobt. Ihr Autor interpretiert den politischen Antagonismus von Pedro-José als Beispiel für den Gegensatz zwischen Studenten a muchos de los cuales llena de hastío el pasado de su propio pueblo und der 'minoría inasequible' que comprende la razón de España, le aliente y pone en su defensa hasta la propia vida en el tiempo precursor de la lucha y aún en el desarrollo de ésta por la reconquista de la Patria. Hier wird zum einen auf das bekannte Bild der Minoría Selecta von Ortega y Gas137 138 139 140

No. 65 (11.1.1942), zit. nach R. Gubern: Raza: un ensueño, pp. 116,17. Anonyme Rezension in La Tarde (Málaga) (8.10.1942), p. 3. Carlos Fernández Cuenca: »La vida en celuloide«, in: Letras. La revista del hogar 55 (febr. 1942), pp. 44,45. H.: »Raza de Jaime de Andrade«, in: Mediterráneo (22.11.1942), p. 4.

178 set rekurriert und zum anderen der Bürgerkrieg mit der spanischen Reconquista verglichen, um den Militärputsch von 1936 problemlos zu legitimieren. Der Hinweis auf geringfügige Abweichungen der Film-Version vom Text wird inhaltlich nicht näher belegt und mit den spezifischen Erfordernissen des anderen Mediums entschuldigt. Abschließend hebt der Rezensent die Funktion von Raza als Rechtfertigung des Bürgerkrieges gegenüber internationalen kritischen Stimmen folgendermaßen hervor: sirviendo para que, quienes no nos conocen, puedan estudiar nuestro modo de ser. Jaime de Andrade ha hecho un buen servicio a España con su obra, porque, desde el cine, el mundo ha podido entender en parte la razón y la verdad de nuestra guerra, en la cual todavía hay gentes que no quieren creer por móviles determinados. Gleich zweimal bezieht Darío Fernández Flórez 1943 Stellung: In der Rezension zur Romanversion hebt er auf die »más puros valores morales como un fruto maduro del mismo árbol centenario y potente de la raza« ab, die Raza evoziere. Er setzt die Bedeutungskomponente Religion dominant. Die Rassentheorie basiere nicht nur auf der ethnischen Grundlage, sondern sobre esa gran base de los valores morales que sólo puede ser lo religioso, lo ecuménico. ... creando una comunidad que lleva en su sangre ... la generosa voz de lo ecuménico, de la catolicidad hispana militante que sabe defender la cruz amparadora del Cristo en todas las tierras y en todas las latitudes. Por eso cuando la espada de nuestro César remata la primera victoria de la gran contienda en curso contra los enemigos del cristianismo, de la catolicidad europea que siempre supimos defender, Francisco Franco, acallado ya el amor de las armas, pudo prostemarse ante Dios, ungido por sus propios méritos, y, entre antífonas y oraciones rogar así: 'Señor, que todos los hombres conozcan que Jesús es el Cristo, el Hijo de Dios vivo.' Oración máxima de una raza lograda sobre una creencia religiosa que la nutre de purísimas generosidades. Voz de un Caudillo invictor que se hizo, de pronto, clamor de la historia milenaria de todo un pueblo nunca avasallado. Die Konkretisation verdeutlicht sehr plastisch die institutionale Allianz EstadoIglesia.142 Zu den herausragenden Verdiensten der spanischen Verlagstätigkeit gehöre das in der Edición de la Vicesecretaría de Educación Popular mit großem Erfolg verlegte Buch von Jaime de Andrade,

141

Dario Fernández Flórez: »Signo de la raza«, in: Arriba (28.2.1943), p. 7.

142 Das Sinnsystem von Raza entspricht den kalholischcn Normen. Raza »puede y debe ponerse en todas las manos« (cf. Anhang »Kirchliche Zensur«, p. 341). Die Charakterisierung Pedros, »pervertido en las tertulias del Ateneo«, kommt der anti-liberalen Haltung des Klerus entgegen.

179 debido a la maestría novelística del argumento, que hace de esta obra la mejor novela de nuestra g u e r r a . Die normengebende Bedeutung von Raza für die von Franco intendierte Institution Literatur im Neuen Staat wird durch die Herausgabe einer bibliophilen Edition des Textes in begrenzter Auflage von der Delegación Nacional de Propaganda unterstrichen, [que] constituye un verdadero y ejemplar alarde de todas las artes españolas del libro.144 Im Jahre 1943 war für eingeweihte Kreise der Propaganda-Maschinerie, zu denen auch der als Zensor145 tätige Darío Fernández Flórez gehört haben muß, längst bekannt, daß Raza aus der Feder des traditional patriarchalisch ambitionierten Generalísimo stammte. 146 Die traditionalen Denkmuster, die in Raza vermittelt werden, produzieren falsches Bewußtsein, indem sie die desillusionierende problematische Nachkriegsgegenwart durch das utopische Bild der glorifizierten unmittelbaren Vergangenheit verdrängen helfen.147 6.1.5. Funktionsbestimmung der Texte Die Strukturanalyse der fingierten Tatsachenberichte hat im Hinblick auf den politischen Gehalt bzw. die auktoriale Parteilichkeit folgendes ergeben: 1) Die Romane von Cruz Rueda, Franco, Borras und Benítez de Castro konstituieren in mehr oder weniger ausgeprägter Form übereinstimmend als Gegenmodell zur Werteskala der bürgerlichen Republik und ihrem sozialen Kriegsmotiv ökonomischer Widersprüche eine Bürgerkriegsinterpretation auf der Basis eines traditionalen Weltbildes: Integration partikularer Herrschaft in das System göttlicher Ordnung (Caudillo von Gottes Gnaden bei Cruz Rueda, Franco), Rückkoppelung an die imperialen Institutionen Staat und Kultur und Verflechtung ihrer Normen (z.B. die Aktualisierung des Cid zur Legitimation des Führerkultes), Primat der Kollektivität vor der Subjektivität (cf. Punkt 2), Übernahme familialer Rollenmuster in die normative Struktur der Institution Staat (das Staatsoberhaupt als autoritärer, aber im Interesse der Gemeinschaft befehlender Patriarch und gleichzeitig politische Aufwertung der Rolle des Familienvaters als Vermittler zwischen politischer Öffentlichkeit und privatem Raum: Vater Churruca in Raza). Für die politisch-soziale Krise des beginnenden 20. Jahrhunderts, die mit dem Verlust der letzten amerikanischen Kolonien im Jahre 1898 143 D. Fernández Flórez: Trance y fortuna, p. 11. 144 Ibid. 145 Cf. M. Abellán: Censura y creación, p. 158. 146 Cf. dazu Francos Rede in der Militärakademie in Zaragoza über den adligen Verhaltenskodex der Kadetten. (Kapitel 3.1.1., p. 53 dieser Untersuchung) 147 Insofern trifft der Kurzkommentar zu Raza in der Bibliographie von M. Bertrand de Mufloz (La guerra civil española en la novela I) nicht zu, wenn sie schreibt: »Novela de lectura agradable« (p. 111).

180 einsetzt und schließlich in offenen Klassenkampf mündet, wird der bürgerliche Liberalismus, der zum Kommunismus geführt habe, verantwortlich gemacht. Die durch sie erfolgte Zerstörung der traditionalen Weltinterpretation, festgemacht am Zeitalter der Aufklärung, die de facto mit der Etablierung eines veränderten sozio-ökonomischen Prinzips auf der Basis zunehmender Arbeitsteilung und Differenzierung gesellschaftlicher Zusammenhänge einherging, soll durch den Kreuzzug der Nationalisten rückgängig gemacht werden. Cruz Rueda und Franco konstruieren in erster Linie eine rückwärtsgewandte Utopie des Neuen Staates. Raza reflektiert ohne Einschränkung die von Franco für Spanien angestrebte Gesamtgesellschaftsformation, wie sie in Hinblick auf den sozio-ökonomischen Entwicklungsstand, politische Gruppierungen und Funktion der einzelnen Institutionen bereits in den Kapiteln 3 und 4 dieser Untersuchung rekonstruiert wurden. Sie besteht unmittelbar in der Aufhebung der Reformen aus der republikanischen Ära. Wie auch bei Cruz Rueda sind weder der traditional verstandene Katholizismus, der in der Nachkriegszeit als Ordnungsmodell funktioniert, noch der Falangismus als Ideologiespender der ersten Phase, noch der Traditionalismus karlistischer Prägung dominant gesetzte Sinnträger des Textes. Vielmehr ist es in Cara al sol trotz der Assoziierung des Titels mit der falangistischen Ideologie der Führungsanspruch des patriarchalischen Caudillo und in Raza darüber hinaus die vorbildliche Rolle der Militärs, die als wichtigste Bedeutungselemente hervortreten. Die Institutionentrias Staat (Vaterland) - Kirche - Familie mit dem Primat Patria vor Kirche und Kirche vor Familie werden in Raza und Cara al sol gleichermaßen fiktiv umgesetzt. Borrás, dessen Roman aus der Perspektive der falschen Front in erster Linie die Diffamierung der republikanischen Gesellschaftsform zum Gegenstand hat, entwikkelt einen geradezu militanten Anti-Liberalismus, der in der Anarchie, Synonym für Barbarei, mündet und wie der Anti-Kommunismus bei Cruz Rueda als Sinn-Konstituente dominant gesetzt wird. Vordergründig unpolitisch ist der affirmative Frontroman von Benitez de Castro, der politische und kulturelle Normen kaum explizit thematisiert. Seine politische Komponente liegt in der gesellschaftlichen Handlungsanweisung für den intendierten Leser, der ebenso wie der Autor des Vorwortes, der textimplizite Autor und der Protagonist Julio als falangistischer Idealist bürgerlicher Provenienz zu gelten hat: Verzichtspredigt, Opferbereitschaft, Heldenkult und Todesverklärung. 2) Die Rolle der Protagonisten bzw. die Funktion der fiktiven Personengruppen, die die Handlung vorantreiben, gleicht den Schicksalskämpfen epischer Helden. Als gattungskonstituierendes Merkmal der Episodios Nacionales bezeichnet G. Gómez de la Sema daher auch das epische Element. Speziell der zeitgenössische Bürgerkriegsroman ist seiner Meinung nach in diesem Sinne zu verstehen: El escritor que hace episodio nacional de esta fase histórica apenas acabada, en la

m que 61 ha actuado de protagonista, se ve naturalmente inclinado a reincorporar a su trama y a su tdcnica el hilo roto de la epopeya.14« Im Gegensatz zu den nationalsozialistischen Kriegsromanen, die die Kriegsgeschehen ideologisch gerade dadurch verfälschen, daß sie das Romanprinzip »selbstgesetzliche Personalität« durch unbegrenzte Innenschau des allwissenden Erzählers für ihre Heldendichtung anwenden^, orientiert sich der spanische Bürgerkriegsroman an der archaischen literarischen Gattung. 150 Das Handeln der Bürgerkriegshelden erfolgt nicht aus ihrer persönlichen, selbstgesetzlichen Innerlichkeit, sondern durch eine den Einzelnen übergreifende Wirklichkeit: der Bürgerkrieg als historische Notwendigkeit in Frontromanen und als barbarische Revolution infolge der traditionalen Nonnenerosion in der republikanischen Ära in Romanen mit der Perspektive der »falschen Front«. Er wird von den Anhängern der Aufständischen ausgetragen, um dem bedrohten traditionalen Weltbild wieder Geltung zu verschaffen, d.h. weltliche politische Normen an nicht anzweifelbare göttliche Prinzipien zu binden. Das Romangeschehen ist nicht in erster Linie durch die Figuren, sondern durch die kollektiven Handlungen bestimmt, ebenfalls ein archaisches erzählerisches Prinzip: Das alte Epos hat seinen Kern in den gemeinsamen großen Handlungen, das neue Epos [= der Roman] in den Charakteren. !5i Der Roman als »Epopöe der gottverlassenen Welt« - so Lukäcs in der Theorie des Romans - löst mit dem Verfall traditionaler Weltordnung das Epos ab, das »eine von sich aus geschlossene Lebenstotalität« gestaltete. 152 Der Held der Epopöe ist, strenggenommen, niemals ein Individuum. Es ist von alters her als Wesenszeichen des Epos betrachtet worden, daß sein Gegenstand kein persönliches Schicksal, sondern das einer Gemeinschaft ist. Mit Recht, denn die Abrundung und die Geschlossenheit des Wertsystems, das den epischen Kosmos bestimmt, schafft ein zu organisches Ganzes, als daß darin ein Teil sich so weit in sich abschließen, so stark auf sich gestellt sein könnte, um sich als Innerliches zu finden, um zur Persönlichkeit zu werden.153 Genau dieses Sinnsystem, die Gesellschaft als »organisches Ganzes«, liegt den 148 G. Gómez de la Sema: España en sus episodios, p. 118. Zum epischen Charakter der Episodios cf. auch sein Kapitel: »Lo épico en los Episodios«, p. 40ss. und Lo Ré: The Novel, p. 154: »The historical novel of the Spanish Civil War can be traced after a fashion, back to the early epics and chronicles of the eleventh and twelfth centuries.« 149 Cf. G. Waldmann: Kommunikalionsäslhetik, p. 213ss. 150 Bezeichnenderweise wurde ja die nationalsozialistische völkische Literatur sehr viel stärker rezipiert als der spanische Bürgerkriegsroman. Der Grund hierfür wird u.a. in der an bürgerliche Romanprinzipien anknüpfenden Erzahlform liegen. (Cf. G. Waldmann: op. cit., p. 226). 151 W. Dilthey, zit. nach G. Waldmann: Kommunikalionsäslhetik, p. 218. 152 Georg Lukács: Theorie des Romans, p. 51. 153 Ibid., p. 57.

182

meisten franquistischen Bürgeikriegsromanen zugrunde. Die stoffliche Nähe zur Epik zeigt sich nicht nur in der narrativen Reihung von Abenteuern^ (d.h. formal Primat der Handlung vor der Darstellung der Charaktere), dem prädestinierten Heldentum, Heldenmythen und -gesängen oder dem Primat der Kollektivität vor der Individualität, sondern auch in der Zuweisung eindeutiger Wertungen. Nur republikanisch gesinnte Romanfiguren haben normative Probleme, die sie durch Konversion zum Nationalismus lösen (Pitilin in Se ha ocupado el kilómetro seis). Für ihre normativen Irrtümer zahlen sie (Emilio in Cara al sol und Pedro in Raza) häufig mit dem Tod. Auch dieses Element lehnt sich in seiner ideologisch funktionierenden Konkretisation einer »reine[n] Kinderwelt, in der das Übertreten feststehend übernommener Normen notwendig eine Rache nach sich zieht« 155, an das Epos an. Lediglich im Falle von Checas de Madrid löst sich die Handlung nicht in ein Happy End durch den Sieg der Aufständischen auf: Sie endet mit der Ermordung Federicos, nachdem zuvor darauf hingewiesen wurde, daß sich der liberale Journalist F. de Lorenzana und die Sozialisten Sabino und Don Roque unbehelligt mit ergaunertem Geld ins Ausland absetzen konnten. 3) Das Verhältnis von Werkgehalt und ästhetischer Vermittlung ist für die untersuchten Romanbeispiele nicht generalisierbar. Alle Formen der Erzählerperspektivierung können ideologisch funktionieren. Cruz Rueda wählt die auktoriale Erzählerperspektive 156 als narrative Organisationsform seiner Sinnintention. Das durch den Erzähler vermittelte Orientierungssystem entspricht dem des gläubigen Hörers, der dem alle Zusammenhänge durchschauenden und kundigen Berichter willig folgt. !57 Der politische Gehalt des Romanes, der rekonstruierbare historische Kontext, bewirkt jedoch, daß der zeitgenössische Leser die dargestellte Welt mit der eigenen Bürgerkriegserfahrung in Zusammenhang bringt. Die ausbleibende Rezeption solcherart idealisierter patriotischer Romane, für die Cara al sol nur ein Beispiel unter vielen ist, dokumentiert das Auseinanderklaffen der beiden Erlebnisbereiche: einerseits die fingierte Welt des Romans, die den pronationalistischen Sinnbedürfnissen der Konstituierung einer Idealisierung des Putsches entspricht und andererseits die Identität des realen Lesers als Zeuge des unmit-

154 »Die Bedeutung, die eine Begebenheit in einer derart geschlossenen Welt erhalten kann, ist... immer eine quantitative: die Abenteuerreihe, in der sich die Begebenheit versinnbildlicht, erhält ihr Gewicht von der Wichtigkeit, die sie für das Wohl und Wehe eines großen, organischen Lebenskomplexes, eines Volkes oder Geschlechtes besitzt.« (G. Lukäcs: Theorie des Romans, pp. 57,58). 155 Ibid., p. 52. 156 Charakteristika sind die Dominanz der Erzählerpassagen gegenüber den Dialogen der Romanfiguren, gehäufte Verwendung von indirekter Rede und Gcdankcnbcricht, der Bezug des Erzählers auf seine ich-hier-jetzt-origo, seine Kommentare zum Handlungsverlauf, Vor- und Rückvcrweise und raum-zeilliche Ferndeixis (damals-doit). (Cf. F.K. Stanzel: Theorie des Erzählens, p. 242ss.) 157 Zur Form der gläubig akzeptierten, autorilälsvcrmittclten Wahrnehmung in der auktorialen Erzählform cf. G. Waldmann: Kommunikaiionsästheiik, pp. 186,87.

183 telbar vorausgegangenen Krieges und der Umsetzung franquistischer Herrschaftsvorstellungen in gesellschaftliche Praxis. Tomás Borras wählt eine Erzählstrategie, die für den bürgerlichen Roman des 20. Jahrhunderts charakteristisch ist und zuvor von Foxá für die falangistische Bürgerkriegsvariante nutzbar gemacht worden war. Die schicksalhaften Wechselfälle um Federico werden in der Er-Form dergestalt erzählt, daß sie von ihm aus gesehen werden. Die implizite Leserrolle ist die des Mitleidenden, der aus der Optik des unschuldigen Opfers die Barbarei der »Roten« sieht. Was die Erzählerposition in den Abschnitten, die aus der Sicht der republikanischen Romanfiguren geschildert werden, anbetrifft, so kommt hier das Moment der »falschen Perspektivierung« zum Tragen: Indem die Episoden aus der Sicht der Figuren, die ausschließlich mit niederen Handlungsmotiven ausgestattet sind, dargestellt werden, ist dem Leser aufgrund des »asozialen Psychogramms« ihrer Repräsentanten jede Identifikation mit den republikanischen Normen unmöglich gemacht. Wie schon zuvor Foxá, setzt Borras für den Ideologie-Transfer die modernen erzählstrategischen Mittel des inneren Monologs und der erlebten Rede ein, wie er auch sprachliche Differenzierung als Mittel zur Abwertung der republikanischen Anhängerschaft bzw. Aufwertung der positiven Helden nutzt. Auch Benitez de Castro läßt die erzählte Figur Julio in den Vordergrund treten: er wird zum Erzähler des gerade Erlebten. Der Autor wählt die Form des fingierten Tagebuchs, um dem Leser die Einsicht in die Gedankenwelt Julios glaubwürdig gewähren zu können, ohne auf die Autorität eines omniszienten Erzählers zurückgreifen zu müssen: Die Erzählerperspektive ist... dadurch bestimmt, daß der textinterne Erzähler so erzählt, als ob er im jeweiligen Augenblick des Erzählens genauso viel und so wenig weiß wie seine erzählten Figuren. Für den Ich-Erzähler bedeutet es, daß er ein ihn in früherer Zeit betreffendes und jetzt erinnertes Ereignis ... aus der Perspektive, wie er seinerzeit das Ereignis erlebte, aus der Perspektive des früher Erlebenden [erzählt]. Diese Perspektive stellt sich dann von selbst ein, wenn das erzählende Ich unmittelbar nach dem Ereignis in Brief- oder Tagebuchform als das erlebende Ich erzählt. 158 Es ist allerdings ein Mangel des Werkes, daß von der Möglichkeit der Innenschau des Protagonisten, die die Tagebuchform bietet, lediglich zur Realisierung der Reaktion Julios auf den Anti-Kriegsroman von Remarque und zur Bestätigung der franquistischen Normen Gebrauch gemacht wird, da Julio nicht als selbstgesetzlicher konfliktiver Held zwischen verschiedenen Wertealternativen angelegt ist. Der implizite Leser nimmt wahr, was Julio als falangistischer Soldat an der Front in Katalonien gesehen und erfahren hat. Er ist gehalten, dem Protagonisten und Ich158 G. Waldmann: Kommunikaiionsäsihcük,

p. 188.

IM. Erzähler in Personalunion als »vertrauenswürdigem B e t e i l i g t e n « ^ zu glauben. Waldmann bezeichnet diese Form vermittelter Wahrnehmung, die sich ebenfalls zum Ideologie-Transfer eignet, als die »Form vertrauenswürdiger, beteiligtenvermittelter Wahrnehmung«. Die Nähe des erzählenden Ich zum erlebenden Ich bewirkt, daß die Distanzierung vom Wahrnehmungshorizont des erlebenden Ich durch die Wirkung der Erinnerung als Katalysator der Bedeutungssubstanz der Abenteuer f e h l t 1 « ) und sich genau darin von der mittlerweile distanzierten Position des zeitgenössischen (falangistischen) Lesers nach Kriegsende unterscheidet, der die vom Text geforderte Rezeptionshaltung nicht mehr einnehmen kann. Franco situiert die fiktiven Ereignisse im realen historischen Kontext des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts, dessen gesellschaftlicher Wandel als Ursache für die Eskalation zum Bürgerkrieg gedeutet wird. Er vermittelt dem Betrachter das Geschehen szenisch wie im Film, in dessen Konkretisation der Text ja auch rezipiert wurde. Da diese Wahmehmungsform jedoch eigentlich impliziert, daß der Erzähler weniger weiß als die von ihm erzählten Figuren, so daß er nur jeweils vorführen kann, was er beobachtet, aber nicht aus dem Wissen um vorher und nachher und um die inneren Motive und Reaktionen der Betroffenen gewichten und deuten kann'61, die Rolle des unbeteiligten Beobachters dem Bedürfnis patriotischer Romane aber zuwiderläuft, die Ereignisse zu werten, stellt er den Dialogpassagen die historischen Digressionen voran, die durch einen auktorialen Erzähler vermittelt werden. In diesem Perspektivierungsbruch liegt eine weitere formale Schwäche des Textes. 4) und 5) Borräs gelingt es mit Checas de Madrid aufgrund der Anschließung an die bürgerliche Romantradition und das Anknüpfen an das triebhafte Unbewußte des zeitgenössischen Lesers, das im Franquismus besonders rigide durch Normierung von Subjektivität unterdrückt wurde, wohl am ehesten, eine Leserschaft für sein Werk zu finden. Der pathetische Stil mythisch überhöhter Anekdoten bzw. Kriegsabenteuer von Raza und Cara al sol dokumentiert ungeachtet der unterschiedlichen Erzählperspektiven die partielle Institutionalisierung rückwärtsgewandter literarischer Normen. Die Rechtfertigung der Franco-Diktatur mit ihren institutionalen Ausprägungen durch die Aktualisierung der imperialen katholischen Tradition, die sich literarisch in der starken Bezugnahme auf Autoren und Werke des Siglo de Oro manifestiert, ist jedoch für die Mehrzahl der an der politischen und literarischen Öffentlichkeit partizipierenden Spanier nicht glaubhaft. Die Praxis der Romanfiguren wird von ihnen nicht als Maßstab für eigene Handlungsmöglichkeiten akzeptiert. Trotz des offiziellen staatlichen 159 Ibid. 160 Cf. F.K. Stanzet: Theorie des Erzählens, p. 273. 161 G. Waldmann: Kommuükationsästhetik, pp. 188,89.

m Protektionismus erreichen die »patriotischen« Werke ihre Leserzielgruppe nicht, gleichgültig, ob sie an die europäische Tradition der Kriegsliteratur (Benitez de Castro), an das spanische Nationalepos des Cid (Franco, Cruz Rueda) oder an die nationalen historischen Romane von Pérez Galdós (Cruz Rueda) anknüpfen, um ihrer Fiktion den Charakter von Authentischem zu verleihen. 6) Eine inhaltliche Verknüpfung von Fiktion und historischen Tatsachen erfolgt bei Borras unter Ausschlachtung des rhetorischen Prinzips der »falschen Front« durch Situierung der handelnden Personen in den örtlich und zeitlich referenzialisierbaren Kontext des republikanischen Madrid. Glaubwürdigkeit erreichte Foxá u.a. durch fingierte Kommentare realer Politiker zum Handlungsgeschehen. In Checas de Madrid sind ausschließlich fiktive Personen Träger der impliziten Autorposition. Ihm dient die »falsche Perspektivierung«, d.h. die Handlungswiedergabe aus der Sicht der negativ besetzten Repräsentanten der republikanischen Zone, als narratives Mittel, um seinem ideologischen Zerrspiegel einen authentischen Anstrich zu geben. Bei Cruz Rueda und Franco wechseln die historischen Digressionen und handlungsintensiven Romanpassagen einander ab, ohne sich gegenseitig zu durchdringen. Benitez de Castro situiert seinen Ich-Erzähler in eine bestimmte Phase der kriegerischen Auseinandersetzung. Vor dem Hintergrund der kriegsentscheidenden Schlacht am Ebro vollzieht sich das soldatische Schicksal eines vorbildlichen Helden: willige Unterordnung privater Interessen unter die kollektive Pflicht und Opfertod. Authentizität erzielt der Autor durch die Romanform der fingierten Autobiographie. Zeitgeschichtliche Züge trägt sie durch Integration der Erlebnisse des Ich-Erzählers in übergreifende Zusammenhänge. Die subjektive Weltsicht des fingierten Tagebuchautors Julio, die der Leser aus der Rechtfertigung seiner Taten und Gedanken deduzieren kann, deckt sich mit dem franquistischen Ideal militärischen Selbstverständnisses. Militärische Ordnung gehorcht in ihrer autoritären Struktur einem rückwärtsgewandten Identitätsprinzip. Sie folgt damit in Status und Funktion der Logik franquistischer Sinnkonstitution. Der politische Diskurs hat in den Romanen Checas de Madrid, Cara al sol und Raza Vorrang vor der eigentlichen Histoire; lediglich für den Kriegsroman Se ha ocupado el kilómetro seis gilt das Primat der Histoire. Abschließend können ergänzend zum Periodisierungsschema von Sanders die Merkmale einer literarischen Entwicklungsvariante Propaganda folgendermaßen beschrieben werden: Hinsichtlich des sozio-ökonomischen Bezugsrahmens: Nicht mehr auflösbare Widersprüche zwischen Lohnabhängigen und Kapital in der entwickelten bürgerlichen Gesellschaft führen zu einer Krise, die in einen politisch gewaltsamen Umsturz mündet. Die Repräsentanten der neuen staatstragenden Mächte sichern durch die Errichtung einer Diktatur (soziologisch die Dominantsetzung der Institution Staat) innenpolitisch den Status quo. Dies bedeutet, daß der politischen und literarischen öffent-

TM lichkeit eine Institution Zensur übergeordnet wird, die wiederum mit der Institution Staat, eventuell auch der Institution Kirche, eng verknüpft ist. Politische und literarische Öffentlichkeit sind zwanghaft verflochten. Die Privatsphäre wird öffentlich relevant, d.h. sie ist der offiziellen Kontrolle ausgesetzt. Dies impliziert das Fehlen einer kollektiven Identität, denn problematische Subjektivität wird unterbunden. Der globale Modus der Sinnkonstitution ergibt sich aus dem Interpretationsmonopol der staatlichen Institutionen. Die Struktur propagandistischer Romane unterscheidet sich folglich von der Variante engagierter Romane dadurch, daß sie keine Normenverweigerung zuläßt, sondern vielmehr normenaffirmativ funktioniert. Dies bedeutet, konkret bezogen auf das spanische Romanmaterial, daß die spanischen Propagandaromane des Bürgerkrieges und der ersten Franco-Periode nach Kriegsende der staatlichen Sinnkonstitution in ihrer traditionalen Ausprägung folgen. Der Typus öffentlicher Sinnkonstitution wird in Abgrenzung zum Marktprinzip und dem bürgerlichen Legitimationstypus 'rationale Kritik' errichtet, der nicht-partikulare, auf eine einzige, nämlich die herrschende Gesellschaftsgruppe, bezogene Sinngehalte^ möglich machte. Das Interpretationsmonopol normativer Strukturen haben die Institutionen Staat und Kirche. Aufgrund des rückwärtsgewandten Legitimationsmodus 'Tradition* zerfällt die literarische Öffentlichkeit in Produzenten, deren Sinnintention auf die Integration der Erfahrung von Subjektivität und Erfahrung von Herrschaft für eine breite Bevölkerungsschicht abzielt 1 ^, und Rezipienten, die sich einer erzwungenen ahistorischen, traditionalen gesellschaftlichen Sinnkonstitution in zunehmendem Maße verweigern. Infolge der ausbleibenden Publikumsreaktion auf Bürgerkriegsromane wenden sich die am Markt orientierten Distribuenten (d.h. nicht-staatliche Verlage) ebenfalls von den patriotischen Romanen ab, für die sie keinen Absatzmarkt finden, und investieren in die offiziell geduldete Konsumliteratur.

162 Cf. H. Sanders: Institution Literatur, p. 87. 163 An bürgerlicher Sinnkonsütution festhaltende Schriftsteller verweigern ihre aktive Mitgestaltung an den neuen institutionalen Normen (inneres Exil).

Ißl

6.2. Privatisierung des Geschichtlichem: der Unterhaltungsroman mit Bürgerkriegsthematik Neben der Propagandaliteratur im eigentlichen Sinne lebt in der durch Exilierung republikanischer Intellektueller ausgezehrten spanischen Öffentlichkeit die Literaturvariante der Novela Rosa fort und erfreut sich ungeminderter Popularität, wie sich aus der Auflagenhöhe ihrer Romane ablesen läßt: Sigue ... el inevitable cultivo de la novela rosa, cuyo sentido de evasion es por esta 6poca especialmente necesario.2 Ihre Repräsentanten, zum größten Teil schon aus der Vorkriegszeit bekannt3, greifen das Thema des Bürgerkrieges auf, gewissermaßen als Resultat ihrer Anpassungsbemühungen an die neue Institution Kultur. Sie tun das nicht nur, um ihr patriotisches Engagement literarisch umzusetzen, sondern vermutlich auch, um ungehindert von der Zensur weiterproduzieren zu können, vielleicht auch, weil sie sich von diesem Thema ein starkes Leserinteresse erhoffen. Der Tradition der an bestimmten Leserbedürfnissen orientierten Konsumliteratur entspricht die formal andere Gewichtung von Discours und Histoire sowie der häufig nur aufgesetzte missionarische Eifer ihrer Autoren: die Handlung oszilliert zwischen Liebesthematik und aktuellem Zeitbezug mit eindeutigem Primat der Liebesthematik. Neben Romanzeugnissen der traditionell aus der literarischen Institution als minderwertig ausgegrenzten »Trivial-Literatur« sollen in diesem Abschnitt noch weitere Romantypen untersucht werden, die von Autoren verfaßt wurden, die vor 1936 als Vertreter der Unterhaltungsliteratur galten, nun aber unter den neuen normativen Bedingungen der Institution Literatur als Repräsentanten der hohen Literatur kanonisiert werden. Im Gegensatz zur Propagandaliteratur scheinen Romane der Unterhaltungsbranche mit Bürgerkriegsthematik den Publikumsgeschmack trotz der problematischen Situierung ihrer fiktiven Helden in die Bürgerkriegszeit zu treffen. Zu ihnen gehören Texte, die das Leserbedürfnis nach Innerlichkeit, Aggression oder Entspannung durch distanzschaffenden Humor mit einem gewissen ästhetischen Anspruch befriedigen. Allen gemeinsam ist die Absicht, die Bürgerkriegsereignisse reduziert auf den privaten Erfahrungsraum ihrer Leserschaft darzustellen. Aufgrund der stofflichen und formalen Ausrichtung der Romane an ihrem inten1

Cf. C. Bürger: Textanalyse, p. 67ss.

2

M. A. Garrido Gallardo: Literatura y sociedad, p. 41.

3

Rafael Pérez y Pérez (Las dos Españas, 1940,41, El chófer de María Luz, 1941, Sexta bandera, 1942), El Caballero Audaz (d.i. José María Carretero: Malas costumbres, Sie tu supieras, Tania, la mujer nueva, 1941-42, ¡Ver!, 1942), Rafael López de Haro {Adán, Eva y yo, 1939), Concha Linares Becerra QA sus órdenes, mi coronel!, 1943), María Mercedes Ortoll y Galindo (Nuevos horizontes, 1940), Rosa María Aranda (Boda en el infierno, 1942), Antonio Pérez de Olaguer (El romance de Ana María, 1939, Elvira Tomás Rífalo y yo, 1939) sind die bekanntesten Vertreter der Novela Rosa, die nun ihre Romanhelden in die Wirren des Bürgerkrieges versetzen.

188 dierten Publikum scheint es sinnvoll, die Strukturanalyse stärker als bisher an der erzähltheoretischen Instanz des vom Werk implizit vorausgesetzten^ Lesers zu orientieren. Ergänzend sollen in diesem Abschnitt folgende Fragen berücksichtigt werden: 7. - Inwiefern gleichen bzw. unterscheiden sich Propagandaromane und sentimentale bzw. Unterhaltungsromane in ihrer Struktur und Funktion? 8. - Erfolgt eine Integration (bzw. Ausgrenzung) der Konsumliteratur in den (aus dem) institutionalen Kontext? Die Autoren der sentimentalen Literatur bedienen sich zum Teil derselben narrativen Technik, Authentizität zu erzielen, wie die Propaganda-Schriftsteller. Paloma en Madrieß, die »Memoiren einer Spanierin von Juli 1936 bis Juli 1937« von Alfonso de Ascanio aus dem Jahre 1939 werden als fingiertes Tagebuch publiziert. Princesas del martirio (1940)6 von Concha Espina erscheint als fingierte Biographie dreier nationalistischer Krankenschwestern in Asturien, als deren Herausgeberin sich die Autorin ausgibt, wie aus dem Vorwort der Auflage von 1941 hervorgeht: Los elementos informativos que debo a don José Aragón, Secretario de la Cruz Roja en la Asamblea astorgana, y al destacado falangista José María Domínguez; hombres relacionados, por su actuación regional, con el horrible episodio bolchevique de Somiedo.... logré reconstruir el martirio de las tres enfermeras predestinadas, ... insignes en el álgido suplicio de la dictadura roja en España. Así pude llamar 'perfil histórico' a mis apuntes literarios, apenas un boceto de tan bizarra historia.7 Zur Verschleierung der fiktionalen Form wird der Roman in der Gesamtausgabe nicht unter Novelas oder Cuentos aufgeführt, sondern in der Gruppe Estudios y Biografías. Der poetische Stils des Requiems auf die toten Märtyrerinnen dient dem rhetorischen Ziel der Verdammung der »hijos de nada« (1750), »degeneración humana hasta el fondo satánico de la materia« (1754), »hienas« (1757), »chusma de Europa« (1761), »los sin Patria y sin Dios« (1761) und Heiligsprechung der pro-nationalistischen Verteidiger christlicher Werte, die mit »estilo religioso y viril de la Falange« (1751) »la España Citerior« dem »satanismo ruso« (1754) entreißen und deren unschuldige »mártires« (1757), »misioneras de España« (1763) nach erfolgreicher »cruzada franquista« (1757) dem Schutz Gottes anempfohlen werden. Die relativ populäre Erzählung ist beredtes Beispiel franquistischer Versuche, die sinnlosen Opfer 4

Cf. W. Schmid: Textaufbau, p. 14.

5

Alfonso de Ascanio: Paloma en Madrid. Avila: Impr. Sigirano Díaz, 1939.

6

Eine erste limitierte Edition erscheint 1940 (Barcelona: Ed. Armiño), eine zweite populäre Auflage in Madrid (Afrodisio Aguado, 1941). Mit einem Vorwort versehen wird der Kurzroman in Obras completas de Concha Espina, Madrid: Ed. Fax 1944, p. 1747ss. Ich zitiere nach der Gesamtausgabc.

7

Obras completas, p. 1747.

8

Nach der Verbrennung des Franco-loyalcn Arztes: »Y tal que un serafín debió ascender al ciclo el alma de quien pudo inmolarse en holocausto por su Patria y por su Dios.« (Obras completas, p. 1753).

189 vieler Frauen im Bürgerkrieg durch religiöse Sublimierung in Sinnhaftigkeit zu verkehren, um weibliche Fremdbestimmung und moralische Restriktionen im Nachkriegsspanien für sie erträglicher erscheinen zu lassen und sich ihrer Herrschaftsloyalität zu versichernd Die Sinnkonstitution ihrer Werke, die schon vor der Etablierung der traditional geprägten Institution Literatur im Franco-Spanien konservativ-katholische Züge trug'O, bringt die Schülerin Azoríns Concha Espina (geb. 1880) auf eine Linie mit dem ebenfalls dem Realismus des beginnenden 20. Jahrhunderts angehörigen ultrakonservativen Ricardo León, dessen Bürgerkriegsroman Cristo en los infiernos weiter unten paradigmatisch analysiert werden soll. Die fingierte Autobiographie von Wenceslao Fernández Flórez Una isla en el mar rojo (1939) nimmt, was ihre Klassifizierung anbetrifft, eine gewisse Sonderstellung ein, da der Roman aus dem besetzten Madrid mit einer gewissen Berechtigung als fingierter Tatsachenbericht angesehen werden kann.n Die stärkere Gewichtung der Histoire gegenüber dem Discours, und des fiktionalen Geschehens gegenüber den historisch rekonstruierbaren Tatsachen sowie die Verwendung des Legitimationsmodus 'rationale Kritik' in Aktualisierung der von Foxá ein Jahr zuvor initiierten ideologisch wirkenden Erzählstrategie lassen es angeraten erscheinen, Una isla en el mar rojo erst an dieser Stelle aufzuführen. Als Beispiel für die Amalgamierung von Satire und ideologischem Gehalt im Bürgerkriegsroman wurde jedoch der 1941 erschienene Roman La novela no 13 seiner distanzierteren Perspektive wegen für die Einzelanalyse ausgewählt. Der eindeutigen Zuordnung zu den Entwicklungsvarianten Propaganda- oder Konsumliteratur sperrt sich auch der phantastische Roman El valle perdido (1942)12 von Jaime del Burgo. Pro-nationalistische Piloten werden nach einem Absturz in ein Tal 9

Die zeitgenössischen Rezeptionszeugnisse sowie Sekundärliteratur sind im Literaturverzeichnis dieser Untersuchung »Kritiken und Autorenaussagen 1939-1944« verzeichnet. Den Schriftwechsel Concha Espinas mit der Real Academia, zu deren Mitglied sie »als Frau« nie ernannt wurde, verzeichnet die Manuskripte-Abteilung der Biblioteca Nacional zu Madrid.

10

Concha Espina bezeichnet ihre Schreibweise selbst als »estética moral, estética del Cristianismo« (in: Juan del Arco: Novelistas españoles, p. 140).

11

Der Autor weist selbst auf den dualen Charakter des Werkes hin: »No sé clasificar este libro. ¿Novela? Pero él es más bien hijo de mi memoria que de mi fantasía.... ¿Historia? Pero hay un hilo irreal, con que van unidos los sucesos, y una armadura artificiosa para soportarlos.... En todo caso... inventé hombres y trances, pero no dolores.« (W. Fernández Flórez: Una isla en el mar rojo, Zaragoza: Librería General, 1941, Madrid: Espasa-Calpe 1941, 21944,31946,41962,51971, zit. nach Obras completas, IV, Madrid: Aguilar 1950, p. 553).

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Bei einem Editionen-Vergleich fand ich ähnliche Abänderungen wie in der Raza-Film-Version im Vergleich zur Romanfassung: »El airoso uniforme del Requeté - boina roja y camisa kaki -« der Edition von 1942 (p. 12) wird in der Ausgabe von 1954 zu »El airoso uniforme de los voluntarios navarros« (p. 10) (Jaime del Burgo: El valle perdido. Pamplona: Ed. Navarra 1942, und Pamplona: Ed. Siempre 2 1954). Die Neuausgabe erscheint erheblich gekürzt und im Text verändert, obwohl das Vorwort zur 2. Auflage folgendermaßen lautet: »Introducir modificaciones en la intriga, so pretexto de correcciones de estilo, seria delito imperdonable. Vaya así como salió, con sus imperfecciones y sus defectos.« Die Zensurakten weisen auf keinen äußeren Eingriff hin und lassen auf Selbstzensur schließen. Die 2. Edition erschien ohnehin nur in einer Auflage von 500 Exemplaren. Die phantastische Karlistcn-Legende war 1954 unannehmbar geworden, nachdcm 1943 Fai Conde, Führer der Karlistcn, die an der Erhebung vom 18.7.36 bedeutsamen Anteil gehabt hatten, von Franco nach Mallorca in die Verbannung geschickt worden war.

ISO. verschlagen, in dem Karlisten seit einem Jahrhundert von der Außenwelt abgeschnitten leben. In einem der beiden - Carlos - glaubt der Stamm seinen Führer entdeckt zu haben, währenddessen Kamerad Javier in die Hände der feindlichen Königin Arali fällt. Erst nach Monaten gelingt beiden die Flucht. Der Bürgerkrieg liefert lediglich die Rahmenhandlung zu der ins Fabel-hafte gesteigerten historischen Auseinandersetzung zwischen Karlisten und den Anhängern Isabels IL Was die Vertreter der katholisch-traditionalistischen Trägerschicht angeht, so scheitern sie aufgrund der von ihnen bevorzugten rückwärtsgewandten Romanstruktur in dem Versuch, Privatheit im Bürgerkrieg erzählerisch populär zu gestalten. Auch die werbende Wirkung der Publikation durch den Verlag Espasa-Calpe, der auf literarische Qualität seiner Werke Wert legt, vermag nichts daran zu ändern, daß die clichéhaften Romane von Julio Romano (d.i. Hipólito Rodríguez de la Peña) ohne jede literarische Wirkung bleiben. In La luz en las tinieblas (1940), um nur dieses Beispiel traditionalistischer Realisation von »Trivial«-literatur zu nennen, wird das glückliche Leben einer patriarchalischen Großgrundbesitzerfamilie, mit »familiaridad« und »sencillez« (21) in paradiesischem Miteinander, in harmonisch-vertikaler Gemeinschaft mit ihren Landarbeitern in Andalusien jäh zerstört, als die Revolutionäre ins Dorf eindringen, die Massen verführen, Kirchen anzünden und die Vertreter der guten alten katholisch-traditionalen Ordnung foltern und töten: ¡Le han cortado la cabeza a Andrés! ¡Y están jugando con ella en la plaza al fútbol! (131) Wie Christus als Licht in der Finsternis, erscheint Franco mit seinen Truppen und räumt mit der »peste bolchevique« (214) auf. Das auch in anderen sentimentalen Romanen übermittelte traditionale Bild der Volksgemeinschaft von führendem Adel und willig folgenden Bauern, der idealisierten Frau - »El amor de la mujer al hombre es siempre matemal« (42) und des gütigen Paters als braver Hüter seiner Herde (26) gerät hier in erzähltechnischer Reduktion auf Dialoge und wertende Erzählerkommentare ohne jede Darstellung innerseelischer Vorgänge der fiktiven Personen zu banaler ultra-katholischer Rhetorik, die in dieser Form vom intendierten Publikum nicht angenommen wurde. Die folgenden vier Romanbeispiele sind typische narrative Realisationen der 'Privatisierung des Geschichtlichen*. ¡Quien sabe ...! ist ein Spannung erzeugender Spionage-Roman als Sonderform des Kriminal- und des Detektivromans, La novela no 13 eine Satire auf die »Unsitten« und »Mißstände« in der republikanischen Zone, Cristo en los infiernos ein konservativ-moralischer Thesenroman im Stil populärer realistischer Regionalromane der Jahrhundertwende und El chófer de María Luz Beispiel eines sentimentalen Romans mit Zeitgeschichtsbezug.

191 6.2.1. Der politisch ambitionierte Spionage-Roman: ¡Quien sabe ...! (C. de Icaza) Einen enormen Publikumserfolg erzielt in den frühen 40er Jahren ¡Quien sabe ...! von Carmen de Icaza'3 mit einer Auflagenhöhe von 10.000 Exemplaren je Auflage bei fünf Wiederabdrucken in drei Jahren, M Der erste Teil des Romans schildert die Abenteuer des Falange-Doppelagenten el Siete, zwei Monate nach Ausbruch des Bürgerkrieges in der republikanischen Zone. In geheimer Mission wird er mit drei Mitarbeitern in das Haus des Diplomaten Marqués de Penarreal geschickt, der in einer Checa ermordet worden war, um von ihm unveröffentlichte Schriften von internationalem Interesse zu suchen, die er vermutlich in einem silbernen Bilderrahmen versteckt hielt (41).i5 Bei Durchsuchimg des Gartenpavillons, der zahlreiche Bilder mit Silberrahmen enthält, werden die vier FalangeAgenten von Anarchisten gestellt, festgenommen und verhört. Nur mit rhetorischer Überzeugungskraft können sie die Gegner von ihrer scheinbaren republikanischen Gesinnung und der Richtigkeit ihrer Dokumente überzeugen (83). In Alicante werden el Siete und ihr Begleiter el Doce mit neuen Ausweispapieren versehen und bereiten sich auf die Ausreise per Schiff in die USA vor (93). In Marseille wechseln sie auf den Kreuzer Rex und in Italien entledigt sich José Maria, alias el Siete zur Überraschung des Lesers bzw. der Leseriniö seiner männlichen Tarnkleidung und erscheint in seiner wahren Identität als Marisa Castell, die nun auf der Rex einen Spion der Gegenseite, eine Schlüsselfigur in der Mission, dessen Name jedoch nicht bekannt ist, ausfindig machen und beschatten soll. Der zweite Teil (121 ss.) entwickelt zunächst den sentimentalen Handlungsfaden des zarten Liebesabenteuers, das sich zwischen Marisa und einem gewissen Lord Aberdeen an Bord des Rex anbahnt. In New York angekommen, ist ausgerechnet er, der am wenigsten Verdächtige, der gesuchte russische Spion, der die Formel für den Impfstoff gegen ein tödliches Virus besitzt, das als bakteriologischer Kampfstoff im spanischen Bürgerkrieg durch die Republikaner erprobt werden soll. Obwohl Isa Castell ihre Liebe der Sache des nationalistischen Spanien opfert und sein Angebot ausschlägt, sich aus dem Agentenleben loszusagen und ihn zu heiraten - denn er vertritt das kommunistische Interesse nur halbherzig als Sproß einer alten Aristokratenfamilie, der von seiner Mutter zur »falschen« politischen Gesinnung verführt wurde - sen13 14

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Weitere populäre Werke der Autorin bis 1944: Cristina Guimán, profesora de idiomas (1936), Serienroman, veröffentlicht in Blanco y Negro. Soñar la vida (1941), Vestida de tul (1942), La boda del duque Kurt (1935). Laut Bibliografía Española erscheinen in Madrid bei Afrodisio Aguado Erst- und Zweitauflage 1939, 31940, 41940; den fünften Neudruck beantragt die Autorin bei der Delegación Nacional de Propaganda, Sección General de Censura, im August 1941. Eine weitere Ausgabe, die mir bekannt ist: Madrid: Gráfica Clemaies 1953. Zum Vergleich: La familia de Pascual Duarte von Cela erscheint als Erstauflage mit 3.000 Exemplaren, die Zweitausgabe von 1943 sogar nur in einer Höhe von l.ijOO Exemplaren. Umso beachtlicher ist die sofortige literaturkritische Resonanz auf Celas Roman in der Presse. Ich zitiere nach der Ausgabe 41940. Der Text fordert implizit eine Leserin (cf. Vorwort), was nicht heißen soll, daß zur realen Leserschaft nicht auch Männer gehört haben können. Im folgenden wird konsequenterweise von der impliziten Leserin bzw. Rezipientin die Rede sein.

192 det ihr Alejandro Irvosky alias Aberdeen verborgen unter einem Veilchenbouquet die Formel, bevor er gemeinsam mit einem Wissenschaftler, der von dem Virus und seinen möglichen politischen Gefahren wußte, im Auto ums Leben kommt. Ein Unfall? »¡Quien sabe...!« Der Roman nimmt innerhalb der Novela Rosa durch Thematik und ästhetische Form eine Sonderstellung ein." Er ist die Kombination eines sentimentalen Handlungsstranges mit einer Spionage-Geschichte. 18 Das Interesse des Lesers am literarischen Stoff wird durch das Kunstmittel der Spannung erzeugt und aufrechterhalten. Sie wird erreicht durch bewußtes Aussparen handlungswichtiger Informationen, über die die Protagonistin verfügt, nicht aber die Rezipientin. Der erste Teil beschreibt die Abenteuer des Agenten número Siete, ohne den Inhalt seiner »Mission« preiszugeben, und kulminiert in der Enthüllung der wahren Identität des Agenten als Marisa Castell. Der zweite Teil greift den Spannungsbogen in der zweiten Hälfte auf und liefert der Leserin wohl dosiert die notwendigen Handlungsversatzstücke nach, die vor der erzählten Zeit liegen. Andeutungen aus dem ersten Teil verdichten sich. So wurde beispielsweise bei der Durchsuchung des Hauses von Peñarreal der Focus auf das Photo einer schönen Frau »Ana Irvosky« gelenkt: Bajo una tiara rutilante, el Siete ve un rostro fino, iluminado por unos ojos apasionados y tristes. - Es la misma del retrato de la mesa de noche. En el marco de plata, grabada, una corona imperial, y en la cartulina sólo una firma: Ana Irvosky. - Si yo tuviera que acordarme de alguna de éstas en la hora de mi muerte ... - El Cursi no completa la frase. (52) Die Festnahme der Agenten durch die Anarchisten verhindert die genaue Untersuchung des Photos im Silberrahmen. Die Autorin bedient sich hier der Technik eines Sequenzabschlusses, der ungelöste Fragen aufwirft und deren Beantwortung hinausschiebt. Erst im spannungsauflösenden eigentlichen Schlußkapitel XXXVI, dem wie in allen D e t e k t i v r o m a n e n ^ quasi als Epilog noch zwei Kapitel folgen, wird Isa der wahren Identität Aberdeens gewahr, als sie bei ihm in New York ein Bildnis seiner Mutter entdeckt, eben dieser Frau, deren Photographie ihr und ihren Agentenkollegen in Spanien im Hause Peñarreals aufgefallen war: Entre un cerco de turquesas y granadas y oros, un rostro de mujer, fino, inflexi17

M.A. Garrido Gallardo: Literatura y sociedad, p. 41: »De una mejor calidad, dentro de esta línea, son las novelas de Carmen de Icaza ¡Quien sabe ....' (1941) (sie!) o Soñar la vida (1942), por ejemplo.« Willkürlich erscheint mir die Beurteilung von Maryse Bertrand de Muñoz (La guerra civil española en la novela, I, p. 243) novela »de poco valor«, wenn sie auf der anderen Seite die Trivialromane von Pérez y Pérez »mediocre«, den Propagandaroman von Franco sogar als »agradable« einstuft

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Folgende Bilrgeikriegstitel bedienen sich der Struktur der Kriminal-, Detektiv- bzw. Spionageromane: Bonmati de Codecido: Pilar. Novela de guerra, espionaje y amor (1939), Linares Becerra: ¡A sus órdenes, mi coronel! (1943), Cecilio Benítez de Castro: Paul Dufour en España. ¡Dos agentes en servicio! (1939), Solá: Alto espionaje (1940), Viza: Rosa-roja y flor de lis (1941). Sie waren jedoch alle nicht so erfolgreich wie ¡Quien sabe ....'

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Cf. dazu Paul Gerhard Buchloh, Jens Peter Becken Der Detektivroman. Darmstadt: Wiss. Buchgesellschaft 1973 und Peter Hilhn: »Zu den Gründen für die Popularität des Detektivromans«, in: Arcadia 12 (1977), pp. 273-96.

193 ble, la contempla.... ' Si yo a la hora de la muerte, tuviese que acordarme de alguna de estas.... - ¿Quien es? - pregunta al fin. - Mi madre ... (...) ¿Por qué se han apagado de repente todas las luces? ¿Por qué se siente Marisa los pies de plomo? ... - ¿Como se llamaba tu madre? - ¡Qué importa eso ahora! - se impacienta él. Marisa lo mira. Su rostro delgado es sólo pupilas patéticas. - ¡Se llamaba Ana Irvosky! - dice, desesperada. (328, 29) Teilinformationen über die geheime Mission erhält die implizite Leserin, die sich während der gesamten Ereignisfolge auf dem Wissensstand von Marisas Agentenkollegen Juan José alias el Doce befindet, als diese wenige Seiten zuvor ihrem Kollegen, Rückschau haltend, ihre gesamten bisherigen Kenntnisse über den Giftstoff, der die nationalspanischen Soldaten infizieren soll, offenbart (296). Spannung wird auch dadurch erzeugt, daß die Leserin aus der Perspektive der beiden Falange-Agenten Andeutungen und Auffälligkeiten der Passagiere an Bord des Rex aufnimmt, die als mögliche Gegenspione verdächtigt und beschattet werden. Auch hier folgt die Autorin dem Prinzip aller Detektiv- oder Kriminalromane: die völlig unverdächtige schwatzhafte Madame Duval wird in New York als französische Agentin demaskiert. Schon der Titel, Leitsatz Marisas, der zumeist als Anspielung auf ihren umfassenderen Kenntnisstand über den gesamten Text verstreut immer wieder auftaucht (21, 149, 208, 215, 259, 350), hat diese Funktion der Spannungserzeugung. Unwahrscheinliche Konstellationen, der Zufall als Hilfsmittel der detektivisch begabten und mutigen Agentin Marisa, werden dadurch für den Leser glaubhafter, daß die Protagonistin selbst Gesetzmäßigkeiten des Kriminalromans auf ihre Spionagetätigkeit anwendet: - En las novelas policíacas siempre es el criminal aquel de quien menos se sospecha. Pongamos en tu lista a lord Aberdeen en primer lugar. Yo me encargaré de vigilarle (181) und auf die märchenhaften Fügungen verweist, die im allgemeinen nur in Romanen anzutreffen sind: A mí me pasa un poco lo que a tí: esta historia me parece de folletín o de film. Pero también es cierto que, después de lo que acabamos de vivir, ya no es posible afirmar que existen en el mundo cosas irrealizables. (303) Das Problemlösungsverfahren nach dem Kriminalromanschema der Mensch [ist] kraft seiner Vernunft autonomer Herr seines Geschicks und souveräner Gestalter einer geordneten Welt2 wird hier abgewandelt durch Einführung des von Gott gelenkten Zufalls. Die Personenzeichnung - Isa als außergewöhnlich intelligente, mutige, aber auch einfühlsam 20

G. Waldmann: Theorie und Didaktik der Trivialliteralur. München: Fink 2 1977, p. 46.

194 weibliche Agentin -, die mit erzählerischen Mitteln der Spannung gestaltete Handlung, die Requisitenverwendung - der Geschlechtertausch der Mittelpunktsheldin und der Motivgebrauch - Verhinderung eines bakteriologischen Krieges gegen das nationalistische Spanien - sind Strukturelemente des Detektivromans, die nicht zuletzt eine willige Aufnahme der politischen Botschaft durch die Rezipientin bewirken. Aus dem Schema der Agentengeschichte - Agent jagt einem Gegenagenten eine von seinen Auftraggebern begehrte Information ab - wird durch Anreicherung des kriminalistischen Handlungsgerüstes mit den stofflichen Requisiten des spanischen Bürgelkrieges eine politisch motivierte pro-falangistische Bürgerkriegsstory gemacht: Die pro-nationalistisch engagierte Marisa, alias el Siete, tritt nach dem Tod ihres Bruders im Cuartel de la Montaña in männlicher Verkleidung dem S.I.M. (Servicio de Información Militar, hier der republikanischen Seite) bei und leistet als Doppelagentin dem falangistischen Untergrund in der republikanischen Zone wertvolle Dienste. Im Auftrage des nationalistischen Spanien entlarvt sie den russischen Gegenagenten, der den Schlüssel zur Vernichtung oder Rettung des »wahren« Spanien, mit »todos los hombres honrados, de buena fe ... dignos de llamarse españoles« (320) in der Hand hält, und erreicht ohne Gewaltanwendung, die nicht zum Bild des »humanitären« aufständischen Spanien gepaßt hätte, quasi durch Liebe und kraft ihres politischen Glaubens die Auslieferung der begehrten Formel, die nun, so soll die vom Roman geforderte Leserin unterstellen, von offizieller pro-franquistischer Seite nicht für einen bakteriologischen Krieg gegen den Feind eingesetzt, sondern vernichtet wird. Politik wird als Bedeutungskomponente des Textes vor allem im ersten Teil und im aufklärenden Schlußteil des zweiten Kapitels dominant. Wie folgende Zitate zeigen, fördert die spannende Spionagegeschichte den Transfer ideologischer Positionen, d.h. die Darstellung falangistischer Normen bzw. Gesinnungen. An der wiederholten Bezugnahme auf José Antonio Primo de Rivera läßt sich nicht nur die Zugehörigkeit der impliziten Autorin zur Falange ablesen - die Widmung des Romans »A mis camaradas, las mujeres de la Falange«21 ließ daran schon keinen Zweifel.22 Äußerungen über den in Alicante inhaftierten José Antonio, wie: 21 22

Die Widmung wurde in der Ausgabe von 1953 aus dem Werk herausgenommen - zu jenem Zeitpunkt war ein Überschwengliches Bekenntnis zur Falange nicht mehr akzeptabel. Zur Aktivität der Autorin als Vorsitzende des Auxilio Social, für die ihr 1940 von Franco der Orden »La Gran Cruz de Beneficencia« verliehen wird (Notiz in ABC, 7.11.1940, p. 4) cf. die Photoreportage in der Frauenzeitschrift Y (30, Mayo 1941: »Las manillas del reloj en la vida de una escritora«), und die Kuizbiographie in Nueve millones. Madrid: Afrodisio Aguado [1944] s.n. Nueve millones war eine Mehrverfasser-Kriminalgeschichte aller offiziellen Autoren (neben C. de I.: Concha Espina, Luis Astraila Marin, Joaqufn Calvo Sotelo, Emilio Carrete und als prominentester Vertreter Camilo José Cela) die als Hörspiel für Radio Madrid konzipiert war. Jeder Autor schrieb ein Kapitel der später in Buchform verlegten Geschichte. Für das Schlußkapitel der Kettenerzählung wurde eine Ausschreibung gestartet, die eine Hörerin (Maria Luisa Rubio y de Benito) gewann. Das HOrspiel ist ein interessantes Beispiel für die offiziellen Versuche in den ersten Nachkriegsjahren, die Institution Kunst in die gesellschaftliche Praxis zu leintegrieren. Aus der Biographie Uber Carmen de Icaza geht hervor, daß sie unmittelbar nach der Kapitulation von Madrid »Secretaria General de Propaganda del Ministerio de la Gobernación« war. Als Uberzeugte, achsenfreundliche Falangistin sollte sie dieses Amt natürlich nicht lange wahrnehmen. Die Ordenverleihung verdeckt vermutlich nur nach außen die sich all-

m. es el primer místico de su doctrina. Sabe que tarde o temprano, contra unos o contra otros, triunfará nuestra Revolución ... (93) und offene achsenfreundliche Propaganda Los pasajeros se han agrupado para ver pasar los cruceros germánicos. Las sirenas lanzan su aullido. Bajo la cruz gamada, la tripulación de enfrente, en posición de firme, saluda con el brazo extendido. Y entonces, olvidando toda prudencia y toda consideración, los dos seudoamericanos entonan las estrofas vibrantes y emotivas del cantar de guerra y de amor de la Falange (97)23 lassen auf den frühen Abfassungstermin des Romanes noch während des Bürgerkrieges schließen^, da zu einem späteren Zeitpunkt die Intervention der Achsenmächte auf Seiten der Aufständischen in den Bürgerkriegsromanen schlicht geleugnet wurde. Auch eine anti-semitische Textstelle im zweiten Teil, wo über den verdächtigen Rosenberg gesagt wird, es un extraño sujeto. Yo no creo que sea sueco, sino más bien turco o egipcio. ¡Judío clavado! Se pasa el día entero escribiendo (175,76) entspricht der politischen Gesinnung der Falange, die so unverhüllt in späteren Jahren nicht mehr literarisch verarbeitet wird. »Politik« löst als dominant gesetzte Textkomponente in den Kapiteln VI-X des ersten Teils die Textkomponente »Agentenstory« ab. Die vier Spione werden von Anarchisten festgenommen und überzeugen qua Intelligenz den einfältigen Anarchistenchef El Labriego von ihrer angeblichen republikanischen Loyalität. In restringiertem Sprachcode, der den Anarchisten vorbehalten bleibt, nimmt El Labriego die Nachricht seiner Beförderung zum Bataillonskommandeur in Empfang: Me han nombrao comandante de un Batallón, 'en premio de mis servicios a la Patria y la República'.... ¡Viva el comunismo libertario! ¡Viva Rusia! (81) Unter Anwendung des erzählerischen Mittels der »falschen Front« wird die republikanische Propaganda durch die antifaschistischen Intellektuellen von dem FalangeAgenten in cognito ironisch kopiert und der Lächerlichkeit preisgegeben: - ¡Compañeros! - dice en tono enfático -; aunque vosotros no lo creáis, éste es un momento de honda emoción para mí. ... A este hombre la Patria, digna hija natural de Rusia, le premia dándole el grado honroso de comandante de su ejército proletario. ¡Compañeros! - El Estudiante se mesa los pelos con gesto de poeta mählich vollziehende Entmachtung der Falange. 23

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Ein weiteres Zitat bezieht sich auf die Gefangenschaft José Antonios. »- ¿Estás seguro de que José Antonio vive? - Segurísimo. Dicen que todos los días el comandante de un barco de gueira alemán manda a recoger su fuma.« (92) Die Autorin bestätigt gegenüber der Presse (Angeles Villana: »Un nuevo libro de Carmen de Icaza«, in: Domingo 154,28.1.1940, p. 2), daß sie den Roman an Bord eines Schiffes auf dem Weg nach Italien geschrieben habe.

196 romántico -. Yo, que desde mi más tierna edad he jugado con la hoz y el martillo, me abalanzo sobre este ejemplar típico de la Revolución española y, estrechando su mano encallecida, que adivino llena de sangre de tantos fascistas, exclamo: \Labriego, haz conmigo lo que quieras! ¡Mátame, ya no me importa! ... ¡Viva El Labriegol ¡Mueran los fascistas! ¡Viva Rusia! - ¡Eso, eso! - aplaude el coro, entusiasmado. El Labriego ha escuchado al Estudiante con estupefacción primero, con complacencia después. (81, 82) Des narrativen Mittels, pro-nationalistische Anhänger in der Konnotation »Intelligenz«, und Anarchisten der republikanischen Zone als einfältige Opfer kommunistischer Propaganda darzustellen, hatte sich schon der Parteigenosse Conde de Foxá in Madrid de corte a cheka erfolgreich bedient.2^ Wie bei Foxá und Borrás taucht auch in diesem Roman, obschon weniger ausführlich und dem Romanganzen völlig untergeordnet, die abqualifizierende Beschreibung der republikanischen Massen auf: Y los desfiles excitados, puños en alto, a los atuendos de La Internacional. Rostros patibularios de quemadores de iglesias. Mujerzuelas provocativas y desgreñadas. Y la propaganda comunista penetrando hasta en la última aldea. Huelgas. Sabotajes. Asesinatos impunes. Tiros en todas las esquinas (124, 25) die nur durch eine »minoría selecta« von ihrem fehlgeleiteten Weg abgebracht werden können: esa minoría selecta que primero triturase y después encuadrara dirigiera a los otros, ¡entonces sí sería fácil la reconstrucción de España! (320) Das elitistische Staatskonzept von Ortega y Gasset dient auch hier der Falange wieder dazu, eine Diktatur, die nach Kriegsende etabliert werden sollte, ideologisch vorzubereiten. Als propagandistische Rhetorik, die ungenügend mit der Kriminalgeschichte verknüpft ist, müssen die acht Seiten Zitate-Sammlung aus der republikanischen Presse gewertet werden, die Marisa in New York in die Hände bekommt: Sobre su cama va alineando los números sueltos del ABC, 'Diario republicano de izquierdas'. Y hojea las páginas venidas de aquel Madrid martirizado y siniestro, con sus brochazos reveladores de heroísmos y cobardías, de dignidad serena y criminal desenfreno. Con sus mentiras estúpidas y su falso empaque cursilón.

(281) Unter den Schlagzeilen: »Un aviador ejecutado por negarse a combatir contra los leales« (282), »La justicia popular: el traidor Moscardó condenado a muerte en rebeldía« (283), »Siete 25

Cf. Kapitel 5.1.

197 penas de muerte en Barcelona« (284), »miliciano desertor del frente« (284), »Causa contra los jefes y oficiales del Grupo de Alumbrado del Cuartel de la Montaña« (285), »El mitin de la Alianza de Intelectuales Antifascistas« (286), »La masonería afirma su actitud« (286), »El mitin comunista de ayer« (287), »Los gorros milicianos, moda feminina en Odesa« (287), »Llegada de antifascistas internacionales« (287, 88), »No cayó ayer sobre Madrid ninguna bomba tal vez por suerte para los de la 'quinta columna'« (288) folgen Wiedergaben von Artikeln, die die angebliche Diskrepanz zwischen öffentlicher Meinung und propagandistischer Presse-Manipulation in der republikanischen Zone widerspiegeln sollen.^ Unbemerkt sollen Passagen politischen Inhalts in das Bewußtsein der Leserin dringen, die aufgrund ihrer kompensatorischen Rezeptionsbedürfnisse, die in Spannung und abenteuerlicher Unterhaltung bestehen, keine kritische Distanz zum Lesestoff entwickelt, die ihr Evasionsinteresse stören würden. Nicht nur der Weitblick des Falange-Führers José Antonio in politischen Angelegenheiten oder die Verfilzung republikanischer Politik mit der kommunistischen Internationale, sondern auch die historische Authentizität der Spionagegeschichte soll der Leserin in folgendem Dialog suggeriert werden: Mira, la ultima vez que fui, en Madrid, a ver al Jefe a la cárcel, me dijo que estaba convencido de que si lográbamos desenmarañar de raíz todo este asunto, nos encontraríamos con algo mucho más complejo de lo que a primera vista pudiese parecer. El espionaje rojo, dirigido por mano maestra desde el extranjero, extiende sus tentáculos por doquier. ... Toda esa red misteriosa, aunque por un lado se comunica con Madrid, tiene en realidad sus puestos de mando allende la frontera. (176,77) Die Glaubwürdigkeit Marisas - »Te hablo de lo que sé; no olvides que estaba enterada de muchas cosas« - wird von der Leserin mit fortschreitender Lektüre um so fragloser akzeptiert, als die Aufklärung der - fiktiven - Spionagegeschichte das oben Gesagte zu bestätigen scheint. Ideologisch funktionieren auch einige sentimentale Romanpassagen. Die Verknüpfung von politischen Wertungen und Liebesgeschichte gelingt der Novela Rosa-erfahrenen Falangistin noch selbstverständlicher als die Amalgamierung von SpionageThema und realem Zeitbezug. Der zweite Romanabschnitt an Bord des Rex wird durch einen flashback Marisas in ihr früheres Leben als Tochter eines Generals27 und politisch engagierte Schwester 26

Die Pressenotizen erschienen zwischen dem 14. und 28.10.1936 in ABC. In ihrer Auswahl liegt die Wertung. Ein weiterer in Fußnote zitierter Artikel (Vértice 3, 1937, s.n.) betrifft die Histoire von ¡Quien sabe ...! In einer dreiseitigen Dokumentation unter dem Titel: »Sensacional asunto de gran espionaje. ¡¡Se nos quería hacer la guerra bacteriológica!!« wird die Möglickeit eines von der Republik initiierten bakteriologischen Krieges erörtert Diese Notiz in der falangistischcn Presse hatte C. de I. zu der Spionagegeschichte inspiriert

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Die nationalistische Idealfrau ist fast immer Tochter hoher Militärs. Cf. die Generalstochter Soledad in Foxi: Ma-

198 des S.I.M. Agenten José Luis eingeleitet. Noch einmal durchlebt sie die häuslichen Szenen mit Diskussionen der politischen Ereignisse. Da war zunächst die Gewißheit in der Öffentlichkeit, daß ein kommunistischer »golpe de Estado« Spanien in eine Diktatur verwandeln werde (125), dann die Ermordung Calvo Sotelos »como chispa suprema en el polvorín de la indignación nacional« (125). Politisch sinnträchtig in Umkehrung wahrer Verhältnisse werden die Bezeichnungen »golpe de Estado« und »dictadura« für die zu erwartende Revolution des Proletariats gewählt und mit »el clarín glorioso de la sublevación militar«, deren totalitäre Züge mit keinem Wort erwähnt werden, der Staatsstreich der Militärs umschrieben. Der ausbrechende Bürgerkrieg ist nur noch eine Abfolge von »horrores sin nombre« (126). »Dios mío, aparta esta cáliz de mí ...« (126), mit diesem Satz leitet die Autorin über in eine Welt trivialer Zukunftsromantik: Los violines - ¿o son las estrellas? - mumuran blandamente: 'Marisa, pequeña Marisa, acostumbrada a dominarte y que hoy te has dejado ir, levanta la cabeza. Ha de llegar la hora en que alguien te coja en sus brazos protectores y borre de tus labios tu gesto de amargura. Y tome en sus manos fuertes tus dedos helados. Y te diga con el tono con que te dijo tu padre: ¡Pobrecita mía! ... ¡Pobrecita mía!' (127) Die Verheißung der schützend starken Männerarme, die Isa aus dem »bitteren« Leben in Selbstverantwortung in Erfüllung ihrer »wahren« Weiblichkeit in die süße Unmündigkeit zurückgeleiten, entspricht der Erwartungs- und Bedürfnishaltung der mehrheitlich unpolitischen weiblichen Leserschaft, die in der Affirmation der ihr zudiktierten Rolle im klerikalmoralisch dominierten Franco-Spanien und dem kompensatorischen Ideal einer klar geordneten Welt der Liebe und Geborgenheit besteht, das den restriktiven düsteren Alltag vergessen machen soll. Indem durch den sentimentalen Inhalt diese Bedürfnisse scheinbar befriedigt werden, gelingt überhaupt erst die politische Indoktrination. Die willige Unterwerfung der Frau unter die traditionale Institution Familie, wie sie in Kapitel 4.2. beschrieben wurde, wird in ¡Quien sabe .../ schon im ersten Teil vorbereitet, als die Falange-Agenten in der Checa der Anarchisten auf eine alte Dörflerin treffen - glaubwürdige Repräsentantin des »einfachen Volkes« - die in stereotyper Form über das Frauenbild in der republikanischen Zone referiert: - Un día vino una mujer. Una rabanera. ¡Había que verla! Despechugada y todo. Y con los pelos pintados. Una asquerosa. Que después se fué en un automóvil de esos que tienen lo de alante que brilla. Y vino aquí a decir cosas de revolución. Y de armarla. Y habló del país de Rusia, que decía estaba estupendo. Y que los pobres debían vivir en las casas de los ricos, y los ricos labrar la tierra. Y desde entonces empezaron las cosas a ir del revés. (67) drid de corte a cheka und Sagrario in Borrás: Checas de Madrid. Pilar (in Cruz Rueda: Cara al sol) verlor ihren Vater als er Verwaltungsoffízier war, Isabels Vater (in Franco: Raza) war Seeoffizier.

199 Die Leserin soll sich mit diesem Rollenangebot natürlich nicht identifizieren, sondern wird sich im Leseakt jenem Frauentypus zugehörig fühlen, den sich der positiv konnotierte Falange-Agent Juan als Partnerin wünscht: ¿quieres saber lo que todos añoramos en un momento dado? A nuestra madre. O la mujer que a fuerza de querernos la sustituye. Yo, a la mujer que necesitaría precisamente ahora sería la novia grave y dulce ..., la compañera, la camarada, la amiga que hubiera sabido con su intuición penetrar en ese 'rincón divino' que todo hombre posee ... (101,02) Die von der Kirche propagierte Rolle der idealistischen Frau in weltlichem Abklatsch der Mutter Gottes kontrastiert mit einer republikanischen Frauenrolle der triebhaften Verfechterin der sexuellen Befreiung, die allein schon aufgrund ihrer politischen negativen Besetztheit abzulehnen ist. Dem brüsken Sturz Marisas aus den rosaroten Wolken ihrer Liebe zu Aberdeen, die sich in seinem Angebot, sie zu ehelichen, zu erfüllen scheint, in die brutale Wirklichkeit durch Entdeckung der wahren Identität Aberdeens, folgt ihre flammende residualpolitische Rede, in der sie, um ihre Ehre wiederherzustellen, Aberdeen darüber aufklärt, daß sie nicht, wie er glaubte, Agentin des roten Spanien, sondern »de la otra, de la rebelde, de la mística, de aquella España« sei, que está demostrando al mundo que contra la fe y la hidalguía se estrellan vuestros tanques, vuestra fuerza bruta y vuestras bandas de asesinos.... - ¿Que quieres saber quién soy? Pues bien: la hija de un general asesinado. (333) Sie überzeugt Irvosky alias Aberdeen von der Legitimität ihres Anliegens nicht durch einen rationalen Diskurs, sondern durch ihr leidenschaftliches Engagement, ihren traditionalen Pathos: Irvosky se dice que por mucho que su internacionalismo escéptico creyese conocer de la vida y de los hombres, aún había mundos que le quedaban por explorar. En medio del patetismo excitado de Marisa sonaba la vibración convincente de todo lo que no es fingido. (333, 34) Die traditionalen Inhalte, die die Rede Marisas evoziert, greift Aberdeen - eigentlich die Verkörperung typisch bürgerlich-liberaler Identität - auf, indem er Marisa mit den verfolgten Christen in Rom vergleicht, wie der Gedankenbericht durch die Erzählerin zeigt: El ruso tiene la clara sensación de que, como sus camaradas de España, entre todo (sie!) los peligros y frente a todas las muertes, Marisa Castell sería la misma, pura, mística, vibrante, llena de esa fe indomable que hacía cantar '¡Aleluya!' a los cristianos de los circos de Roma. (333) 'Wahrheit' entzieht sich hier jeder rationalen Kontrolle, sie ist Sache des Gefühls, des Glaubens, und so wird sie auch vom fiktiven Adressaten Irvosky (und mit ihm

200 von der überwiegend weiblichen Leserschaft) aufgenommen, »tiene la sensación«, nicht »está convencido«. Isas Verzicht auf privates Glück an der Seite Aberdeens (338) reflektiert wie auch der Verzicht der weiblichen Personen in den Romanen von Foxá, Franco, Cruz Rueda und Borrás in deutlicher Absage an bürgerliche Privatheit das im Franquismus geforderte Primat kollektiver Identität. Die Erzählstrategie des Romans unterstützt die inhaltliche Zweiteilung. Der handlungsintensive erste Teil ist vorwiegend dialogisch, mit Argot der negativ besetzten Anarchisten und Hochsprache der Falange-Agenten. Die lovestory des zweiten Teils weist mehr Erzählerpassagen auf und bildet Marisas Innerlichkeit formal durch innere Dialoge mit Gott (344), innere Monologe (z.B. 132, 345) und erlebte Rede (129, 256) ab. Dort, wo in diese Passagen, die wie die gesamte Erzählung in Unmittelbarkeit erzeugendem Präsens abgefaßt sind, politische Inhalte, Motivationen einfließen, wird die Bereitschaft der Leserinnen am größten sein, an die ideologisch wirkenden Aussagen anzuschließen. Die personale Erzählerperspektive wird nur insofern durchbrochen, als die implizite Autorin dort, wo sie am überzeugendsten sein will, in politische Rhetorik abrutscht, indem sie auf ihre ich-hier-jetzt-origo in Form einiger Fußnoten verweist: NOTA. - En la época a que se alude no existía aún en Marsella el servicio de ayuda a los refugiados blancos, que estableció al poco tiempo el Gobierno de la España Nacional. (112) Im zweiten Teil verweist sie - ebenfalls in Fußnoten (266, 282) - auf die Quellen der Artikel aus der republikanischen Presse, um historische Zuverlässigkeit zu erzeugen. Getreu dem Novela Rosa-Genre ermöglicht die Autorin im zweiten Teil des Romanes die Flucht in die luxuriöse Welt einer Kreuzfahrt. Die mit französischen Floskeln und Ausdrücken gespickte Diplomatensprache und die eingestreuten Verse Heinrich Heines als Zeugnis bürgerlicher Bildungsprivilegien entsprechen der Sozialisation Carmen de Icazas als Diplomatentochter, die Jahre in Berlin und den USA verbrachte und Europa und Mittelamerika bereiste.28 Eine ausführliche Rezension in dem Frauenblatt Domingo bestätigt die Wichtigkeit der affektiven Bedeutungskomponente als Identifikationsangebot der Rezeptionsvorgabe: [Marisa Castell] Es la muchacha, española integral,... se revela de manera gran28

In der Neuauflage von 1953 wurden viele der Fremdwörter durch die spanischen Entsprechungen ersetzt. In einer Zeit des kalten Krieges und normativer Dominanz antiaufklärerischer klerikaler Positionen hat die Autorin gegenüber den Editionen der 40er Jahre vermutlich in Kenntnis der Normen der Institution Kirche, die in den 50er Jahren noch massiven Einfluß auf die literarische Produktion nahm, aus dieser Ausgabe längere Passagen herausgestrichen, die den Laizismus, ja die gesamte liberal-bürgerliche Identität Aberdeens zu konkret illustrieren (» Yo me encojo de hombros ante cuanto me suene a mùsica celestial. Creo, en cambio, en el buen gusto, en la elegancia, en la estética, en una palabra.« - p. 209) oder republikanische Pressestimmen betreffend, deren Inhalte die pro-republikanischen Argumente der Freimaurer und Kommunisten Uberzeugend, rational nachvollziehbar erscheinen lassen (pp. 286,87: »La masonerfa afirma su actitud« und »El mitin comunista de ayer«).

201

diosa, a fuerza de heroísmo silencioso y de abnegación callada; es la mujer que, después de darlo todo sin una queja, sin una lamentación, sigue su vida de luchadora anónima ... ha de producir en las lectoras igual tristeza desgarrada como la de Marisa, tanto supo enamorarlas Peter Aberdeen. ... no es este libro de 'unos', es el libro que todos leen con igual deleite, y si la muchachita suena con un Aberdeen, el padre lo hace con una hija que se parecerá a Marisa, la madre gozará encontrándose puntos semejantes con los de Madame Duval, mientras el estudiante acaso aspire a una de esas 'girls' inglesas que hacen con igual destreza deporte y flirteo.29 Hervorgehoben wird darüber hinaus ebenfalls analog zur Romanstruktur die pakkende Erzählstrategie: tiene la trama un interés tan grande, han humano, que, una vez comenzada la lectura, no es que resulte difícil, es que no se deja.30 Als typische Realisation von Frauenromanen, die sich im allgemeinen durch »su extraordinaria capacidad sentimental« auszeichnen, d.h. die Affektnatur narrativ umzusetzen vermögen, wertet der Rezensent M. Fernández Almagro den Spionageroman ¡Quien sabe ...!. Auch er weist auf die einfache Prosa und die filmische Erzählerperspektive hin, die das Interesse der Leser am Romanstoff wecken: Prosa fácil, coloreada por oportunas figuras de expresión, acarrea personajes, situaciones y episodios cuyo desfile mantiene vivo el interés del lector.31 Handlungszentrum sind die Abenteuer Marisas, denen »escenas del Madrid rojo« als Plattform, »la historia de espionaje« ais »armadura« dienen. Das melodramatische Ende, »- exigencia del género -; de lo melodramático que, en gran parte, es lo inverosímil« wird als narrative Strategie politisch legitimiert, da auch die Bürgerkriegsrealität häufig unberechenbar gewesen sei: Pero, después de nuestra guerra, con su multitud de imprevistas vertientes, ¿cómo recusar nada por inverosímil? Hábilmente justificado todo, el relato, decididamente novelesco, resulta sobremanera ameno. Wie auch Foxá bedient sich die Autorin narrativer Ausdrucksformen der bürgerlichen Romantradition. Ihre Inhalte sind, was sowohl politische als auch sentimentale Passagen anbetrifft, traditional geprägt. Nicht die politische Aussage, sondern die Ausdrucksweise des bürgerlichen Romans in Kombination mit der Darstellung von »Innerlichkeit« und Befriedigung des Unterhaltungsbedürfnisses durch Spannungserzeugung erklären den Erfolg, den der Spionageroman gehabt hat.32 29

Angeles Villarta: »Un nuevo libro de Carmen de Icaza«, in: Domingo 154 (28.1.1940), p. 2.

30

Ibid.

31

M. Fernández Almagro: »Tres libros de mujer«, in: ABC (8.2.1940), p. 6.

32

Die hohen Auflagen übersetzter Evasionsliteratur, zu der auch die Kriminalromane zählen, bestätigen das Ergebnis.

202 6.2.2. Humor im Dienste der Ideologie: »La novela número 13« (W. Fernández Flórez) Am klassischen Detektivroman orientiert sich auch La novela número 13 (1941) von Fernández Flórez, wenn auch seine Absicht eine gänzlich andere ist als die von Carmen de Icaza. Die Abenteuer des englischen Privatdetektivs lesen sich als Parodie auf das Kriminalromangenre und als Satire32a auf die republikanische Politik und Öffentlichkeit während des Bürgerkrieges. Charles Ring wird in offizieller Mission nach Spanien gesandt, um ein dort verschollenes berühmtes englisches Tumierpferd Wotan - aufzuspüren. Nach zahlreichen kriminalistischen Bewährungsproben wird Ring des Pferdes auf unvorhergesehene Weise habhaft. Ahnungslos genießt er selbst vom Fleisch des »pura sangre«, der in den Bürgerkriegswirren geschlachtet worden war, um der hungernden Bevölkerung Barcelonas als Nahrung zu dienen. Wenceslao Fernández Flórez33 hatte zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Romanes literarisch schon lange reüssiert.^4 Aus der Reihe seiner Vorkriegsromane ist die Satire auf die Zeit der Zweiten Republik Los trabajos del Detective Ring (1934) aufgrund der Übereinstimmung des Protagonisten Charles Ring zu erwähnen. Schon 1934 wird Fernández Flórez zum Mitglied der Real Academia bestimmt, kann jedoch seine Antrittsrede aufgrund der Kriegswirren erst 1945 halten. Seine politisch immer offensichtlicher werdende Antipathie gegen das republikanische Regime hat José Carlos Mainer in exzellenter Weise anhand der journalistischen Tätigkeiten von Fernández Flórez in jenen Jahren nachgezeichnet. In nostalgischer Rückbesinnung auf die »Jahre der Ordnung« unter Primo de Rivera steht er der Republik dennoch zunächst nicht feindlich, wohl aber skeptisch g e g e n ü b e r . 3 5 Seine anfangs neutrale Haltung gegenüber Azaña, Vollzieher der Trennung zwischen Kirche und Staat, wandelt sich in Ablehnung, als der bürgerliche Besitzstand durch die drohende proletarische Revolution gefährdet scheint. Der Autor flüchtet sich nach Kriegsausbruch in die niederländische Botschaft und geht anschließend nach Portugal ins Exil. Der Gesinnungswandel im Franco-Regime vom erklärten Antimilitaristen und Kritiker des Heroismus, des Nationalismus und der katholischen Doppelmoral zum Verteidiger des neuen katholisch-nationalistisch geprägten Staates mag verwundern: 32a Sara Bolaflo (Wenceslao Fernández Flórez y su obra. México: Ed. Patria 1963, p. 22) unterscheidet Satire und Humorismus folgendermaßen: »Siempre en el fondo del humorismo existe la sátira, este es el caso de toda la novela picaresca española, pero la sátira en sf tiende a ser una crítica reflexiva y didáctica' sin el lado de libre inspiración que hay en lo humorístico. Esta moraleja constante que hay en lo satírico llega a ser molesta, antipática. El humorismo trata de cambiar el estado de cosas, pero no es cruel ni aburrido.« La novela número 13 wäre demnach der Satire zuzuordnen. 33

Aus seinem Geburtsdatum (um 188S) hat er zeitlebens ein Geheimnis gemacht. Er starb 1964.

34

Zur Biographie des Autors cf. F. Valle de Juan: »Notas para la biografía de Wenceslao Fernández Flórez«, in: Cuadernos de Literatura 3 (1948), no. 7, pp. 61-70; José Carlos Mainer: Análisis de una insatisfacción: las novelas de W. Fernández Flórez. Madrid: Castalia 1976, pp. 11-48; Albert Phillip Mature: Wenceslao Fernández Flórez y su novela. México: Ed. de Andrea 1968, pp. 11-25.

35

Cf. J.C. Mainer: Análisis, p. 86.

203 Indudablemente, quien había creído tan poco en la política - siempre a la espera de caudillos, solemnidades y entusiasmos; nunca de ideas, discusiones y conciencias - abjuró definitivamente de ella el 18 de julio de 1936; su abjuración fue la de toda una burguesía y en esa comunidad de prejuicios, las novelas del escritor con su ironía limitada, su universal ternura, su moderado escepticismo - pudieron reencontrar un éxito nuevo. 36 Seine Werke helfen die Lücke zu füllen, die die Exilierung republikanisch engagierter Künstler im Kanon der spanischen Gegenwartsliteratur gerissen hatte. In den Jahren zwischen 1938 und 1942 ist Fernández Flórez populärer denn je, fast alle seine Erzählungen erscheinen in Neuausgabe.37 Die angestammte Leserschaft seiner Romane war nun nach Kriegsende wirtschaftlich und kulturell dominierend geworden. Wenn ich eingangs darauf hingewiesen habe, daß der Roman verglichen mit Una isla en el mar rojo den Bürgerkriegsereignissen distanzierter gegenübersteht, so ist diese Distanz nicht als ideologische zu verstehen, denn der Roman verteidigt, wie im folgenden dargelegt wird, dieselben politischen und kulturellen Normen wie die stark autobiographische Odyssee Ricardos durch das republikanische Madrid.3« Distanzierter als der vorangegangene Roman ist er jedoch in Hinblick auf die narrative Aufbereitung durch Indienstnahme der Komik zur Übermittlung der Sinnbedürfnisse des Autors. Stärker als in bisherigen Romanbeispielen gerät die Ausdrucksebene zum eigentlichen Übermittler ideologischer Inhalte.3? Die Bedeutungskomponenten aller bisher analysierten Bürgerkriegsromane in ihrer 36

Ibid, p. 94.

37 38

J.C. Mainer: Análisis, p. 38. »Afortunadamente, aquí no tenemos las predispuestas ideas nacionalistas y los elogios a Franco, que tanto presenciamos en Una isla. Los dos años que transcurrieron entre la publicación de las dos obras (1939-1941) aparentemente habían atenuado un poco los sentimientos e ideas políticas del autor. Esto no quiere decir que en La novela número 13 no ataque a los rojos con el mismo fervor critico que en Una isla, pero al menos los ataques están cargados de comicidad, y esto en la novelística de Fernández Flórez es un valor que siempre se ha de tener en cuenta.« (Albert Phillip Mature: Wenceslao Fernández Flórez y su novela, p. 131). In diesem Sinne wirkt Matures abschließende Wertung von La novela número 13 mißverständlich, wie die Reaktion von J.C. Mainer zeigt: »Se equivoca rotundamente Albert Mature cuando coloca a La novela número 13... en un nivel de comprensión ideológica superior al alcanzado en Una isla en el mar rojo, donde ... la pluralidad de discursos propiciaba un predominio del testimonio personal sobre el nivel propagandístico.... no creo que el excipiente humorístico que encaja todas las piezas del nuevo relato sea una garantía de objetividad y distancia.« (José Carlos Mainer: Análisis, p. 349) Mainers »Aufwertung« des frühen Biirgerkriegsromanes Una isla en el mar rojo, der als Verarbeitung persönlicher Erfahrungen erst in zweiter Linie propagandistische Absichten trage, liegt seinerseits eine Mißachtung der Scheinhaftigkeil des Diskurspluralismus zugrunde. Eine genaue Analyse der politischen Diskussion würde nämlich ergeben, daß die Verteidiger republikanischer Ansichten in den fingierten Dialogen diese kaum argumentativ ausfüllen können. Nur kurze Sätze unterbrechen die langen Erwiderungsmonologe der pro-nationalistischen Repräsentanten (z.B. die Diskussion zwischen Demetrio Rieh und Gabrielas Vater, Kapitel IV, Una isla en el mar rojo, in: W. Fernández Flórez: Obras completas IV. Madrid: Aguilar 1950, pp. 635-640). Trotz der leserzentrierten literatursoziologischen Herangehensweise der bisher umfassendsten Würdigung des Gesamtwerkes von Fernández Flórez ist Mainer in diesem Aspekt selbst der Lesermanipulation des Autors erlegen.

39

Weitere humoristische Bürgerkriegsromane: Barreiro Vázquez: Metralla blanca del Madrid rojo (1939), Cecilio Benítez de Castro: El espantable caso de los 'tomadores' de ciudades (s.a., 1939?) und Miguel Mihura y Tono: María de la Hoz (1939).

204 jeweils unterschiedlichen Dominantsetzung tauchen auch im »Opus 13«40 des Romankomponisten Fernández Flórez auf, nur werden hier alle Konzepte der »falschen Front« gewissermaßen ironisiert dargestellt.41 Als Reisebegleitung werden Ring drei der Republik loyale Spanier zugeordnet, Konsul Martínez, Professor Tordera und Gorgonio »figura considerable de la agrupación libertaria La Honrada Blusa« (857), die nach Ausführung regierungsamtlicher Aufträge in England nach Spanien zurückkehren. Martínez und Gorgonio ziehen jedoch das bequeme Exil in England vor, und mit ihnen bleibt das Geld und Gepäck der Kommission, um dessen Verschiffung sie sich zu kümmern vorgaben, auf der Insel. In Paris sucht der geprellte Tordera die spanische Botschaft auf und wird vom Botschafter folgendermaßen belehrt: Isotopie: »Exilierung der spanischen Intelligenz« Y ... cuando salió usted de España, ¿no trajo ..., no trajo algo que guardar...? - insinuó. - ¿Algo de qué ...? - preguntó el catedrático, sorprendido. - Algo ..., vamos ..., alguna cosa de esas con las que se suele viajar ahora ... Un cuadro del Museo. ¿No ...? ¿Alhajas sin desmontar? ... ¿Incunables? ... Se lo digo porque aquí solemos conservar bien los estorbos ..., y hasta conocemos compradores, aficionados... Es raro que usted, un hombre inteligente, haya salido así... (867) Politischer Humor entsteht hier durch die Gleichsetzung der Bedeutungselemente »Exilierung« + [intellektuell], + [non-konformistisch] und »Flucht mit Beute ins Ausland« + [kriminell]. Im Pariser Kabarett »La Gallina Demente«, das von einem katalanischen Separatisten gegründet worden war, trifft Tordera alte Bekannte:

40

Im Vorwort an den Herausgeber begründet Fernández Flórez den Titel: »Así como a los músicos les es permitido numerar sus composiciones, y la séptima sinfonía de Beethoven, la quinta de Dvorak o la rapsodia catorce de Liszt son umversalmente conocidas por tan simples y modestos apelativos, que no señalan intenciones líricas, sino orden de aparición, así yo quiero designar esta obra con un sencillo número.« (Ich zitiere nach der Gesamtausgabe Obras completas IV. Madrid: Aguilar 1950, pp. 855-1106).

41

Zum Humor von Fernández Flórez cf. Joaquín Arrarás: »Fernández Flórez: el periodista, el novelista y el hombre de humor«, in: Cuadernos de Literatura 3 (1948), no. 7. pp. 3-14 und Carlos Consiglio: »Wenceslao Fernández Flórez, como definidor del humorismo«, in: op. cit., pp. 55-60, zwei zeitgenössische Würdigungen der Antrittsrede von Fernández Flórez in der Real Academia. Zur Verortung des Autors in der Tradition spanischer humoristischer Romane cf. Santiago Vilas: El humor y la novela española contemporánea. Madrid: Ed. Guadarrama 1958, pp. 145-174. Die beißenden satirischen Episoden von La novela número 13 sind ein klarer Beweis dafür, daß Fernández Flórez den eigenen humoristischen Ansprüchen nicht immer gerecht wurde. Vor der Real Academia definiert er den Humor folgendermaßen: »El humor se coge del brazo de la vida, con una sonrisa un poco melancólica... El humor tiene la elegancia de no gritar nunca, y también la de no prorrumpir en ayes. Pone siempre un velo ante su dolor. Miráis sus ojos, y están húmedos, pero mientras sonríen sus labios. (ziL nach Arrarás, op. CÍL, p. 11). Kritisiert, da er nicht den Erfordernissen der neuen institutionalen Ausprägung von Literatur entsprach, wurde sein Pessimismus und sein Ausspruch, Kunst sei immer Resultat einer Unzufriedenheit. Unter Rekurricrung auf tradilionale literarische Normen entgegnet Carlos Consiglio (op. eil., p. 56): »Sin embargo, lo más del arte clásico no es desconlcnlo, sino gozo, exaltación jubilosa, o, cuando no, serena contemplación.«

201 Isotopie: »Kommunismus« El diputado que proyectaba curarse de algo y el ateneísta que había de conquistar la opinión de Francia vinieron a sentarse con Tordera y Ring, impulsados, más que por afecto o admiración, por el ortodoxo impulso comunista de no pagar las consumiciones. (868) Dem »Kommunismus«, »Marxismus« wird das im Text rekurrente Sem + [schmarotzend] zugeordnet. Die Episode gipfelt darin, daß Tordera sich seinerseits an der spanischen Grenze mit Geld und Dokumenten von Charles Ring aus dem Staube macht (877). In Spanien angekommen, wird Ring versehentlich zu den Internationalen Brigaden verschlagen, wo er auf »alte Kunden« aus seiner bewegten Detektivlaufbahn, auf Verbrecher, die er einst gejagt hatte, trifft: Isotopie: »Internationale Brigaden«, + [verbrecherisch] - Yo siempre estoy encantado de verte, Ankerman; ya sabes que dediqué muchas horas de mi vida a buscarte. Debí reconocerte ahora por el punch.... Ring vió que Ankerman y Arrow llevaban insignias de oficial y sonrió maliciosamente. - Este es - dijo - un buen sitio para que un hombre como yo renueve antiguos conocimientos. Toda la clientela de los presidios de Europa se encuentra en España. (912,13) Die zu republikanischen Offizieren avancierten Gauner klagen über die Niveaulosigkeit der offiziellen republikanischen Kriminalität, die kein Anreiz mehr für Leute ihres Kalibers sei: Los hombres colocados fuera de la Ley encontrábamos un asilo ... Pero pronto descubrimos el juego, y ya tenemos bastante. Esta es la misma sociedad que conocíamos, aunque al revés. ... Robar es aquí más fácil que en cualquier otra parte hacer una visita.... Piense usted como piense, míster Ring, ha de reconocer que lo que nosotros hacíamos nos ponía en grandes riesgos y exigía audacia, valor, hasta inteligencia. ... Aquí no hay un sólo ladrón decente, y hasta los asesinos de hombres no valen más que los asesinos de criaturas. Es una cobardía espesa, que da náuseas. (915,16) Komik entsteht durch die Kritik der Gauner am »spanischen Staat«, der mit dem Semem »Verbrechen« + [einfach] + [feige] - [kunstvoll], - [intelligent] gleichgesetzt wird. Auf seiner Suche nach Wotan kommt Ring in ein aragonesisches Dorf. Dort trifft er auf eine Frau, a la que no faltarían muchos años para los cincuenta y cuyas cames fofas temblaban a cualquier movimiento bajo la fuerte luna en una desnudez descarada (980).

206 Die Anarchisten halten seit Beginn der Revolution das Dorf in ihren Händen. Ihr Wortführer ist Genosse »Progreso«, der von den Bewohnern geachtet wird, weil er die Welt gesehen hat »aunque no para cultivarse, sino por sumisión a la Policía, que le expulsaba de todo lugar donde lugar donde se refugiaba« (983). Er hat zum Zwecke der Eliminierung der letzten sozialen Ungerechtigkeiten Bekleidungsverbot angeordnet, dem nun das ganze Dorf in »natürlichster«, von Fernández Flórez ausführlich beschriebener Selbstverständlichkeit Folge leistet. Das Thema »soziale Gerechtigkeit« wird hier auf eine andere Bedeutungsebene transponiert und ad absurdum geführt.42 Hierzu José Carlos Mainer: El excipiente humorístico ... [es] el pretexto de una hostilidad burlona que linda [F.F.] muy a menudo con lo soez. Piénsese, por ejemplo, en una anécdota ... que pretende ser un dato real levemente anovelado: la experiencia de nudismo colectivo en un pueblecito bajoaragonés, más o menos vinculado - por lo que inferimos de La novela número 13 - al célebre Consell d'Aragó, precisamente derrocado por el propio gobierno republicano. ... los hechos están personalizados en campesinos concretos cuya vileza, estupidez y gregarismo resalta sobre toda otra cosa, para proyectarse además como juicio de valor sobre toda la retaguardia republicana ... no solamente el humor ajusta las cuentas a la imbecilidad del enemigo (con el consiguiente regocijo del público que cabe suponer para un relato de 42

Das Absurde als künstlerisches Prinzip, politische Aussagen Uber die republikanische Zone sachlicher Reflexion durch die Leser zu entziehen, wird besonders von den späteren Gründern der humoristischen Zeitschrift La Codorniz Miguel Mihura und »Tono« (d.i. Antonio Lara Gavilán) in ihrem Prosawerk María de la hoz (Madrid: Ed. Espaflolas 1939, La Novela del Sábado; 25) perfektioniert Diese Novela del Sábado (vom 4.11.1939) ist eher dem absurden Drama als dem realistischen Roman verpflichtet: keine »Histoire/Plot« hält die locker aneinandergereihten Episoden, die auf Dialoge fiktiver Personen verzichten, zusammen. Hier einige Textbeispiele: »AI declararse la guena en Espafla lo primero que hizo el Estado Mayor del Gobierno revolucionario fué reunirse en el café Colonial para tomar acuerdos y unas gambas« (S). Kapitel III: »Vendo tanque de ocasión; seis plazas, seminuevo. ... '¡Vendo la ametralladora, bairata! - voceaban los vendedores de ametralladoras, camino del frente. Largo Caballero iba con frecuencia a verlo, con su traje de jardinero y una regadera en la mano, y se retrataba siempre poniendo la primera piedra de las trincheras.« (9) Kapitel IV: »Era una 'cola' tan bonita, que ganó el primer premio de 'colas' a pie.... A lo mejor se veía a un individuo tirando tiros con un fusil en la Cibeles y resultaba que era un miliciano que estaba en la guerra. Lo que pasaba es que era el último de la cola. Pero el primero - que siempre era un ruso - estaba en el fíente de Guadarrama.« (12) (Ober die hungernde Zivilbevölkerung:) »La carne era imposible de conseguir. Al principio, cada vez que un miliciano veía una vaca por la calle, la mataba. Esto dió lugar a que las vacas se asustasen mucho y se escondiesen en casa de algún amigo o se disfrazaran de milicianas. Y algunas, que tenían influencia con la L.A.P.E., consiguieron irse en avión a Suiza, con el pretexto de que estaban enfermas del pecho.« (14) »Para parecer más feroces y más revolucionarios, los hombres del Frente Popular se habían disfrazado de rusos, de judíos y de campesinos extremeños. En cuanto a las personas honorables, todas iban disfrazadas de lámparas de comedor, de buzos y de camas de matrimonio.« (56) Die absurde Logik dieser »verkehrten Welt«, die grotesken Beschreibungen des republikanischen Alltags im Bürgerkrieg lesen sich als Kritik gegen die Scheingerechtigkeit des Sozialismus. Allerdings darf vermutet werden, daß pro-firanquistisch-propagandistisches Engagement nicht der Hauptaspekt dieser Episoden war, sondern daß sie die Gesellschaft gewissermaßen durch einen humoristischen Zerrspiegel, als »esperpento« betrachtet, wiedergeben sollten. (Cf. »Una óptica espeipéntica«, in: Fernando Ponce: Miguel Mihura. Madrid: EPES A 1972, p. 83 s.) Da die Zensur Kritik am Dogma des Movimiento nicht zuließ und die Autoren ihre kabarettistischen Absichten nicht, wie in der bürgerlich-demokratischen Gesellschaft auf die Widersprüche der sie umgebenden Öffentlichkeit lenken konnten, dürfte die besiegte Republik den einzig möglichen Aufhänger für ihren Humor geboten haben.

207 este tipo), sino que ... el subsidiario desarrollo de una nueva 'novela de gentes humildes' proporciona una inesperada y áspera moraleja social.43 Mit der Episode von Charles Ring im geheimen Schlachthof für Haustiere außerhalb von Barcelona will der Autor die Hungersnot unter der republikanischen Bevölkerung und die Nichteinmischungspolitik Englands entlarven. Die implizite Leserrolle als moralischer Richter des Geschilderten wird durch die Form der Satire begünstigt. Ring, der während seines Spanienaufenthaltes relativ ungerührt die Tötung von Menschen mit angesehen hatte, wird unfreiwilliger Zeuge der Verwurstung einiger Vierbeiner: Toda el ansia de su corazón estaba puesta en un pequeño scotch-terrier. (1032) Buen inglés, con todas las virtudes y muy pocos de los defectos de su raza, el martirio de los animales secuestrados por los tres criminales levantaba en ardiente protesta sus sentimientos. (1037) Bei seinem Versuch, die Tiere zu befreien, wird er in flagranti von den Tierschlächtern gestellt, der faschistischen Spionage verdächtigt und festgenommen. In der Checa in Barcelona erfährt Ring von einem Mitgefangenen den Grund für dessen Verhaftung: Isotopie: »checa« En un registro me encontraron unas viejas tarjetas de bridge, llenas de números, entre las hojas de unos libros, y están empeñados en que se trata de una clave. Aún no me torturaron, pero temo que cualquier día.... (1048) Amüsiert lächelnd soll die zeitgenössische Leserschaft der Romane von Fernández Flórez die Bedeutungsaspekte + [grausam], + [dumm], - [gerecht], - [wahrheitsgemäß] aktualisieren. Wieder auf freiem Fuß läßt Ring von seiner politischen Neutralität ab und macht dem englischen Schriftsteller Wilkinson folgende Eröffnung seiner politischen Überzeugung: Es muy difícil encontrar una monstruosidad, una tara, una fealdad, una ordinariez o un fracaso que no se hayan alistado en el marxismo.... La riqueza, el placer y el mando tienen sus cauces naturales, que casi siempre desembocan en individuos especialmente preparados para recibirlos, e intentar canalizarlos en una especie de sistema de riego del que se aprovechasen todas las sedientas plantas humanas, es tanto como sería pretender que nuestras hormonas fuesen igualmente ricas y numerosas: una utopía. La actual sociedad ni es equitativa ni venturosa; pero la que intentan esos hombres sería espantosamente peor. ... - He visto algo horrible, amigo mío. Conozco bien sus sentimientos y no sé si usted podrá soportar mi re43

I.C. Mainer: Análisis, pp. 349,50.

208 lato. Y contó las escenas de la carnicería de gatos y de perros. (1054, 55) Durch die Unverhältnismäßigkeit von Ursache (Tiermißhandlung) und Wirkung (Politisches Manifest von Ring) wird Lächerlichkeit erzeugt. Beim spanischen Minister macht der politisierte Ring eine offizielle Eingabe, d.h. er führt im Namen seiner Regierung Beschwerde über die skandalösen Zustände in der republikanischen Zone. Den Zeugen »Obras públicas« und »Hacienda« - man beachte die Verwendung der Metonymie (Ministerberuf für die Person), um dem Leser jeden Respekt, jede Achtung gegenüber den offiziellen republikanischen Repräsentanten zu nehmen - kommen folgende Redefetzen Rings im Gespräch mit ihrem Kollegen zu Ohren: -... respecto a la democracia y sus procedimientos - oyeron decir al policía -. Mi país lo ha demostrado bien. Pero los hechos que Inglaterra conoce y que el Gobierno de la República no puede ignorar han soliviantado a la opinión. Debo decir que la han indignado. Puedo poner a disposición de vuecencia periódicos, cartas, discursos, manifestaciones numerosas del sentimiento inglés. Esas víctimas inocentes ... Hacienda cambió una mirada rápida con Obras Públicas. - Una reclamación - murmuró - contra la justicia del pueblo. ... El inglés decía: - ¿Cuántos sufrieron esas crueldades? Hay que suponer que fueron millares y millares, sin que entre ustedes se alzase una voz en su favor ni se hiciese nada por evitarlo. Personalmente, no debo ocultar a vuecencia que conozco uno de los lugares donde estaban encerrados, que presencié el sacrificio de algunos, que vi sus cadáveres ... (1080, 81) Spätestens hier wird es dem Leser offenkundig, daß Rings Verteidigungsrede nicht - wie die lauschenden Minister befürchteten - den verfolgten Regime-Gegnern, die er während seines Aufenthaltes in Spanien kennengelernt hat, sondern den als Menschenfutter bestimmten Haustieren gilt. Rings Plädoyer wirkt im höchsten Maße komisch und funktioniert politisch ideologisierend: -... nosotros recomendamos ... La opinión inglesa se atreve a esperar ... No consideríamos benévolamente a quienes ... Bien sabe vuecencia que la no intervención es algo más que elástica; pero se enajenarían nuestras simpatías si continuase ... Y contestando, sin duda, a una pregunta con la que acaso Ring le apremiaba para que definiese su actitud, protestó: - No; yo nunca he matado a ninguno. ... Declaro con la misma franqueza que en mi juventud ... comí uno que mató un compañero de taller. Con arroz. Ignoro lo que pensará usted. Pero estaba muy bueno. Obras Públicas y Hacienda abrieron la boca, estupefactos. (1081, 82) Der implizite Leser nimmt den Dialog aus der Perspektive der zwei im Hintergrund des Raumes anwesenden Zeugen wahr, ist jedoch aufgrund oben zitierter Episoden informierter als diese und formt aus dem komischen Mißverständnis die ideologische Botschaft: Die englische Demokratie als Wahrer der Appeasement Politics im spani-

209 sehen Bürgerkrieg zeigt sich ungerührt gegenüber Menschenrechtsverletzungen durch die Republikaner, Engländer zeigen mehr Herz für Tiere als für Menschen.44 In den Termini der strukturalen Semantik ausgedrückt, handelt es sich um eine Situation, in der sich verschiedene Kommunikationsteilnehmer (die fiktiven Minister »Obras Públicas« und »Hacienda« einer - und impliziter Leser andererseits) auf unterschiedlichen Kommunikationsebenen bewegen und in der Anhörung Rings beim Minister unterschiedliche Seme dominant setzen. In den Sememen hechos.. han indignado víctimas inocentes crueldades fueron millares y millares sacrificio de algunos cadáveres nunca he matado ninguno setzen die zuhörenden Minister, denen der kontextuelle Zusammenhang der Satzfetzen nicht bekannt ist, das Sem + [menschlich] dominant, während der informierte implizite Leser das Anliegen Rings schon bald erraten kann und das geforderte Sem + [tierisch] dominant setzt. Die Komik wird besonders durch die Steigerung im letzten Absatz comí uno que mató un compañero con arroz estaba muy bueno durch die Seinkombination + [menschlich] und + [schmackhaft] erreicht. Durch den Isotopienbruch wird die eigentliche Meinungsmanipulation des Lesers vollzogen. Die Erzählerkommentare zu den Abenteuern des englischen Meisterdetektivs, die an die Romane von Agatha Christie um den schrulligen Hercule Poirot als Protagonisten, an die Sherlock-Holmes-Geschichten von Conan Doyle oder auch an die Episoden des Pickwick-Clubs von Charles Dickens erinnern, bestärken über den umittelbar politischen Gehalt des Romans hinaus den Eindruck einer Parodie auf das englische Kriminalromangenre, das sich besonders in den ersten Nachkriegsjahren in Spanien großer Beliebtheit erfreute .45 44

In diesem Sinne aktualisiert Joaquín de Entrambasaguas noch 1970 (Las mejores novelas contemporáneas, X, p. 790) die Schlachthofepisode.

45

Ironisch aus der Warte des impliziten Autors ist insofern auch die Aussage von Wilkinson zu werten: »le fué diciendo ... después de lo que había podido ver, no creía que en España interesan en mucho tiempo las novelas de policía« (943). Die Nachfrage nach europäischen Unterhaltungs-, besonders auch Kriminalromanen ist in jenen Jahren so groß, daß sogar einige spanische Autoren der Novela Rosa unter englischem bzw. französischem Pseudonym schreiben, um ihre Auflagenzahlen zu steigern. (Cf. den Hinweis des Herausgebers der Novela Ideal an die Leserschaft: »La Novela Ideal es una publicación netamente espaflola.... Los nombres extranjeros que han aparecido hasta ahora en sus portadas son meros seudónimos. Los nombres de Rocq Morris (= Autor des Detek-

210 Fernández Flórez versieht Ring in parodistischer Übertreibung mit den klassischen Requisiten und Charaktereigenschaften englischer Detektive. Nie sieht man den kriminalistisch versierten Protagonisten ohne seine mit Menthol gefüllte Zigarrenattrappe: Charles Ring no ha fumado nunca; no obstante, comprende que un detective sin una pipa o un cigarro entre los dientes no llega a ser jamás un personaje que atraiga la atención de un novelista, y míster Ring, en el fondo de su corazón, abriga la esperanza de que un nuevo Conan Doyle o un nuevo Maurice Leblanc ocupen algún día su pluma en narrar sus proezas. Y cuida la caracterización de su persona cargando con mentol el atornillado depósito de su puro de hueso. (857) An zahlreichen Stellen verweist der Erzähler auf angebliche frühere Abenteuer des Detektivs. Als Ring den tödlich verwundeten Hund in der Nähe des illegalen Schlachthofes findet, löst folgender Gedankenbericht durch den Erzähler die Personenrede ab: - ¡Sangre! - exclamó. ¿Cuántas veces los labios de Ring pronunciaron esta terrible palabra, a lo largo de su azarosa vida, después de inclinarse sobre un desdichado, en circunstancias de un dramatismo espeluznante?^ In gleicher Weise wird der Zufall als unverzichtbares narratives Mittel der Detektivromanautoren parodiert: »[La] Providencia, que siempre acude en socorro de los policías famosos« (941) verhilft Ring zu dem überraschenden Zusammentreffen mit den englischen Gaunern oder auch auf die Spur Wotans in Barcelona (1085), denn schon immer »se refugiaba en la ilusión ... de verlo un día avanzar hacía él, salido del misterio, llevado por esa casualidad tan propicia a firmar pactos de ayuda con los detectives« (1026). Mit der Gewißheit, daß »La Providencia de los detectives velaría por él, como tantas otras veces« (1046) kann er alle Abenteuer mit stoischer Ruhe meisterhaft bestehen. Auch der ungenügend ausgearbeitete »Plot« ist ein Beleg dafür, daß es dem Autor nicht um eine wahre Adaption des Genres ging. Die Kritik des impliziten Autors an der Publikumsbegeisterung für englische Kriminalromane in Spanien verdeutlicht auch die Quijote-Parodie in Kapitel III. Ring tivromans El cofre de las piedras azules, erschienen in derselben Serie], Laura de Cominges y Silvia Visconti, son las firmas que, en La Novela Ideal consagran una vez más a conocidos escritores espafloles.« (In: Laura de Cominges, d.i. Josefina de la Torre Millares: María Victoria. Madrid 1940, La Novela Ideal; 11). Die Herausgeberbemerkung bezog sich auf die Schwierigkeiten, die die Romane versehentlich mit der Zensurbehörde hatten: »Cabe citar alguna pintoresca anécdota, que afortunadamente no llegó a repetirse en relación con los autores 'extranjeros'. La ilusión de que todo fuese nacional, tendía a rechazar nombres poco castizos. A Dionisio Ridruejo le preocupan tantos nombres extrafios a nuestra onomástica en algunas series de novela ... Y resultó que casi todos consultados eran seudónimos, empezando por el de Laura de Cominges, utilizado por Mercedes Ballesteros [sie!].« (Juan Beneyto: Censura literaria, p. 32). 46

P. 1028. Cf. auch die fingierten Verweise auf frühere Detektivromanepisoden um Charles Ring, z.B. pp. 1015, 1030,1039,1050.

211

und der Gauner Petersen werden in einem aragonesischen Dorf Zeugen der Versteigerung eines klapprigen Esels, für den als höchste Summe 60 Pesetas geboten wurden, als sich zwei seltsame Individuen, einer mit »narriz redondeada y breve, como una esfera, y una boca de gruesos labios que rajaba de este a oeste una faz más ancha que larga«, und der andere, »más alto y más flaco, de desmayados bigotes y mejillas hundidas, llevaba una expresión solemne y triste en su cara acaballada« (929) nähern und sich gegenseitig überbieten bis der »flaco« in freundschaftlicher Übereinstimmung mit seinem Kameraden den Esel für 5003 Peseten und 75 Céntimos zugesprochen bekommt (932). Später stellt sich heraus, daß es sich bei den beiden um zwei Opfer der »roten« Folter in den ersten Monaten der Revolution handelte, die ihren Verstand verloren hatten, da sie ihre Peiniger nicht davon überzeugen konnten, daß sie bettelarm waren. Wie einst Cervantes eine Parodie auf die zahlreichen kursierenden Ritterromane geschrieben hatte, so will Fernández Flórez seinen Roman als AntiDetektivroman verstanden wissen. Die parodistischen Absichten des Autors sind bisher von der Sekundärliteratur, die je nach politischer Zugehörigkeit ihrer Verfasser in Lob oder Ablehnung der politisch-satirischen Bedeutungskomponenten verharren, nicht genügend beachtet worden. Ohne den Roman aufwerten zu wollen, der an übergreifenden literarischen Maßstäben gemessen als mittelmäßige Unterhaltungsliteratur für eine bürgerliche Trägerschicht zu bewerten ist, gebührt ihm jedoch im Kontext der damals kursierenden Propaganda* und sentimentalen Romane eine herausragende Stellung. Als eingeschobene Geschichte nehmen die Episoden um Saldaña eine autonome Stellung ein (Kapitel I und II teilweise, Kapitel IV, VE, Kapitel VIH teilweise). Sie erinnern stärker an den Erzählstil von Una isla en el mar rojo, werden doch in ihnen politische Ideologie und Rollenclichés ohne den verfremdenden Effekt, der in den Abenteuern von Charles Ring durch den Einsatz von Humor erreicht wurde, direkt vermittelt. Wie José Félix in Madrid de corte a cheka wird Saldaña, aus dessen Perspektive die Episoden erzählt werden, zunächst als glühender Befürworter des Sozialismus eingeführt, der im selben Zug wie Charles Ring aus Frankreich, wo er als kleiner Bankangestellter einer spanischen Zweigstelle arbeitslos geworden war, nach Spanien zurückkehrt, um sich als republikanischer Freiwilliger zu melden (873). Die soziale Gerechtigkeit, für die er zu kämpfen beabsichtigt, um den Status quo »[que] unos poseen con exceso y otros carecen de lo preciso« (875) verändern zu helfen, ist allerdings nur der Vorwand, der privaten Neid und Rache verdeckt. Denn Ring gegenüber fahrt er fort: Luego ..., cada uno tiene sus reclamaciones particulares, sus cuentas que arreglar. (875) Im Grande kann er dem Ahnenforscher Bermudo Valdés nicht verzeihen, daß er ihm seine Jugendliebe Magdalena ausgespannt hat. In Madrid beginnt Saldaña an der Notwendigkeit seiner politischen Mission zu zweifeln. Er wählt auf Ratschlag seines

212 Freundes Figuera den bequemeren Weg als pro-republikanischer Angestellter in der Casa de Banca (881). Der Gedanke an private Bereicherung läßt ihn auf Distanz zu seinen Idealen gehen: Sus entusiasmos bélicos estaban muy apagados.... Su afán de sumirse en el pueblo evolucionaba poco a poco en el sentido de lograr para sí mismo algo de aquel bienestar que se anunciaba, de coger su parte de botín. (886, 87) Nicht die Entdeckung der wahren ideologischen Heimat in einer pro-nationalistischen Gruppierung wie der Falange, sondern der zufällige Gewinn Saldañas in einer Lotterie bewirken, anders als bei José Félix, seine politische Konversion. Von den früheren Freunden als Vermögender verfolgt, der nicht gemeinsame Beute machen will, vollzieht sich der Frontenwechsel des Anti-Helden, des ewigen Verlierers: Sin transición, por un capricho de la suerte, desaparecida la seguridad que ponía cristales de color ante sus ojos, se encontraba al otro lado de la barrera que la víspera le amparaba, y se daba cuenta de la espantosa brutalidad del ambiente. Y era uno más entre los perseguidos, y comprendía. (901) In der Botschaft, in die er sich flüchtet, geht er der Habgier seiner Neider emeut auf den Leim. Seine unnötige Flucht aus der »sicheren Enklave« öffnet ihm die Augen über die Sinnlosigkeit von Freiheit: En cuanto a la libertad ..., tú la sientes como una embriaguez, y, si hay que decirlo todo, no sirve de maldita la cosa. - ¿No sirve la libertad? - La que tú amas, no. Seriamente hablando, ¿qué gana la Humanidad con que te sea permitido abrazar hoy a uno, mañana a otro, merendar con éste o comer con aquél? (965) Die Textstelle dient dem Autor dazu, den impliziten Leser glauben zu machen, daß der Verlust demokratischer Freiheiten ein Scheinverlust, das restriktiv-autoritäre Francoregime dagegen ein Sicherheit spendendes Staatsgebilde sei. Der Zufall beschert Saldaña ein Wiedersehen mit Magdalena und ihrem Verlobten Valdés. Gemeinsam flüchten die drei vor dem »roten Terror« nach Barcelona, wo sie in der Wohnung von Charles Ring Unterschlupf finden, die sich unter dem Schutz der englischen Regierung befindet. In Gesprächen mit Valdés erkennt Saldaña seine Unterlegenheit gegenüber seinem vorbildlichen Konkurrenten an: Ahora se avergonzaba de sus ideas anteriores, de las que le habían empujado a correr a España para sumarse a la horda de saqueadores y asesinos. (1060) Der problematische Anti-Held opfert sein Geld, um Valdés vor dem Hungertod zu retten. Das durch den geschäftstüchtigen Katalanen Pons y Peix beschaffte Fleisch des von Ring so gesuchten »pura sangre« kann das Ableben des ältlichen Verlobten von Magdalena jedoch nicht mehr verhindern. In gewissem Bruch zum bisherigen Verlauf der Saldaña-Abenteuer, entbehrt die Sterbeszene nicht einer gewissen Komik. Vor Schwäche kann Bermudo das spanische Phonem % nicht mehr artikulieren,

213 bevor er sein Leben - ohne Anrufung geistlicher Instanzen, unter Murmeln unverständlicher Worte - aushaucht: Valdés no dijo nada. Estertoró casi imperceptiblemente medio minuto. Luego calló. Cuando acabó el ruidillo acabó su vida. (1071) Aufgrund der kriegsbedingten Hochkonjunktur der Bestattungsunternehmen kann der Leichnam nicht sofort beigesetzt, sondern muß vorübergehend ausgelagert werden: Y a la terraza fué conducido don Bermudo. Y se quedó allí, mirando entre sus párpados entornados las estrellas y los aviones. (1076) Passanten haben den unglaublichen Fall, daß jemand eines natürlichen Todes gestorben war, zum Anlaß einer höchstpersönlichen Inspektion genommen: Hoy es muy difícil encontrar un cadáver normal. Da gusto ver éste, tan tranquilo, tan serio. (1075) Enttäuscht ziehen sie ab, als sie erfahren, daß Valdés eines durchaus unnatürlichen Hungertodes gestorben sei: Y el pobre Bermudo, tieso, cuadrado ante la muerte, frío, indiferente, tan tenaz y tan ajeno que parecía irónico. (1075) Auffallend an der tragikomischen Episode ist das völlige Fehlen des katholischen Dogmas, das Mainer zu der abschließenden Bemerkung veranlaßt: en estas páginas en las que no alienta ni la sombra de un mito ideológico ni una sublimación alentadora para sus partidarios: autor y lectores eran plenamente conscientes de los niveles 'reales'en los que intercambiaban sus recientes experiencias bélicas. Y dentro de ellas, Leonardo Saldaña no es más que un intruso destinado al fracaso y al ridículo.47 So vermutet Mainer wohl zu Recht, daß der Agnostizismus von Fernández Flórez neben seinem frühen anti-militaristischen Spott und der Freundschaft mit Befürwortern der Republik dazu geführt haben dürfte, daß er in den ersten Nachkriegsjahren Schwierigkeiten mit der Zensur hatte.4« Die Dokumente in Alcalá de Henares, wie auch immer lückenhaft, belegen, daß Una isla en el mar rojo an einigen Stellen modifiziert werden mußte, um die Publikationsgenehmigung zu erhalten^, La novela número 13 hingegen erstaunlicherweise als »Sátira fina, delicada y sútil« problemlos die Zensur passierte, was als ein Beleg für die Willkür zensorischer Eingriffe, wie mir scheint, zu bewerten ist.

47

J.C. Mainer: Análisis, pp. 354,55.

48

Ibid., p. 38.

49

Cf. Anhang 2: »Staatliche Zensur«, p. 310.

214 Saldaña scheitert auch in seiner Liebe zu Magdalena. Sein Antrag wird zugunsten von Pons y Peix, dem Mann der Zukunft, zurückgewiesen: Recordó [Saldaña] la frase de Valdés: 'La mujer ama al hombre como a un espejo en el que pueda verse como quisiera ser.' El antiguo ideal no servía ya para los momentos actuales; las condiciones de existencia imponían al hombre fuerte para la vida, al que clavase la garra en su ración de felicidad ... Ese era el héroe y el arquetipo para una muchachita temerosa de la pobreza, temerosa de la soledad, temerosa del hambre. (1105) Die scheinbar deutliche Absage an die traditionalen Werte, wie sie Valdés verkörperte, läßt die Nostalgie des Autors den alten Normen gegenüber durchscheinen, die jedoch nicht dem Lebensgefühl seiner wirtschaftlich orientierten mittelständischen Leserschaft entsprochen haben wird. Sie dürfte sich eher mit dem Katalanen Pons y Peix identifiziert haben.50 Der Verzicht auf jede Sublimierung des pro-nationalistischen Regimes als legitimer Erbe und Erneuerer der spanischen Imperialgeschichte war vermutlich ebenso ganz im Sinne seiner Leserschaft. Auch formal ist der Roman trotz seiner episodischen Struktur und der auktorialen Erzählerperspektive - u.a. in den Kapitelüberschriften manifest - trotz seiner Wahrung der Einheit Erzähler/impliziter Autor, der bürgerlichen Erzäliltradition des 19. Jahrhunderts verpflichtet, die von der Unterhaltungsliteratur des 20. Jahrhunderts in Absage an jede avantgardistische Neuerung fortgeführt wurde.si Die Satire auf die republikanische Zone, die Parodie auf den englischen Detektivroman, die ironische Perspektive des Erzählers/impliziten Autors durch die Strategie der »falschen Front«, absurde Episoden wie die Freikörperkultur als soziale Befreiung, die komischen Elemente wie Rings Engagement für das Schicksal der Haustiere oder der Tod don Bermudos, witzige Namensgebungen zur Charakterisierung der Republik (- der von seinem republikanischen Besitzer in Urss umgetaufte »pura sangre«, das Kabarett der Exilspanier in Paris, »La Gallina Demente«, die Loge »La Honrada Blusa« -) sind die Ingredienzen des politischen Humors, wie er sich in La novela número 13 manifestiert. Die Ablehnung der spanischen Republik nach dem Volksfrontsieg wird zwar beispielsweise im politischen Bekenntnis Rings anläßlich 50

51

In einem Interview nennt Fernández Flórez 1943 (»Balance artístico y literario de 1942«, in: Arle y Letras I, 6.1.1943) als Grund für die Krise des Romans, der Literatur im allgemeinen: »Hoy, el hombre de acción tiene la palabra en el mundo. El soflador se ha callado.« Den Mann der Tat verkörpert in La novela número 13 Pons y Peix. »Creo que es Wenceslao de los escritores modernos más impermeables a toda innovación.... Es la de Wenceslao una novela que sigue los principios tradicionales de la novelística espafiola ... Los títulos de capítulos así lo denuncian, sus disquisiciones quieten seguir el mismo patrón, con una mezcla de un anhelo tan cervantino como quevedesco« (Santiago Vilas: El humor, p. 153). »Wenceslao parecía escribir para una burguesía sin inquietudes estéticas, sin mayores ambiciones literarias.« (Ibid., p. 155). Cf. hierzu auch Bolaflo: Wenceslao Fernández Flórez y su obra, aber die traditionale Schieibweise des Autors und die daraus resultierende kleinbürgerliche Leserschaft, die Torrente Ballester als »escaso de apetencias literarias y parco en exigencias« charakterisiert hat (zit. nach Bolaflo, op. cit., p. 54).

211 der Tierschlachtung der Ratio scheinbar zugänglich begründet. Tatsächlich, so konnten die Textstellen hinlänglich belegen, schafft der humoristische Erzählstil jedoch keine Distanz zu den politischen Ereignissen, wie auch die Konversion des scheinbar problematischen Helden Saldafia (scheinbar, weil nicht politische Überzeugung, sondern materielle Bequemlichkeit und private Rachemotive Antriebsfeder für den Gesinnungswandel waren) nicht über die Tatsache hinwegtäuschen kann, daß eine Institutionennegation der fiktiven Helden sich nur auf die republikanische Regierung bezieht, nicht aber auf das Regime der Aufständischen. Augenfällig ist darüber hinaus die textimplizit festgelegte Wertehierarchie im Sinne gut/böse. Ferner ist dieser Text nicht an dem Primat der Kategorie Vergangenheit orientiert und ermöglicht auch keine ausgeprägt nostalgische Rückbesinnung auf den Status quo des besitzenden Bürgertums und des Adels, wie dies in Una isla en el mar rojo der Fall war.52 Im ungebrochen unternehmerisch denkenden, ökonomisch flexiblen, politisch pragmatischen Pons y Peix den idealen Nachkriegshelden zu stilisieren, dürfte jedoch kaum dem Lebensgefühl des Autors entsprochen haben, sondern als Zugeständnis an den materiell motivierten Anpassungswillen seiner Leserschaft nach Kriegsende zu werten sein. 6.2.3. Der Evasionsroman mit Zeitgeschichtsbezug - ein Widerspruch? El chófer de María Luz (R. Pérez y Pérez) Die für den Konsum bestimmten Evasionsromane werden aufgrund ihres Gebrauchswertes nicht notwendigerweise billiger gehandelt als ästhetisch höher gewertete Literatur. Zehn Peseten muß die - überwiegend weibliche - Leserschaft 1941 für Romane von Pérez y Pérez oder »El Caballero Audaz« ausgeben; für acht Peseten könnte sie Susana y los cazadores de moscas von Pío Baroja, für sechs Peseten Paz en la guerra von Unamuno und für ebenfalls zehn Peseten El chiplichandle von Zunzunegui erwerben.53 El chófer de María Luz von Rafael Pérez y Pérez, einem der bekanntesten Vertreter des sentimentalen Romans, erscheint im selben Jahr wie Cristo en los infiernos und La novela número 13. Die Autoren des Novela-Rosa-Genres können auf eine Stammleserschaft rechnen, deren Lektüreinteresse sich ohne die Literaturkritik als Vermittler entfaltet. Um ihr Kaufinteresse zu wecken, bedarf es einer ansprechenden visuellen Darbietungsform - im vorliegenden Falle eine verträumt in die Ferne blickende gutaussehende Frau, im Hintergrund ein Mann, der am Strand unter Palmen einen kleinen Jungen auf ein Schiff am Horizont aufmerksam macht. Der Titel in rotem Fettdruck, der Automame in schwarzen Lettern. Weder Titel noch Titelbild verweisen auch nur in kleinster Andeutung auf eines der dominanten Bedeutungselemente des Romanes, den Bürgerkrieg. 52

Cf. J.C. Mainer: Análisis, p. 345.

53

Libros Hispánicos. Boletín bibliográfico de la Librería Tormos. Madrid, OcL 1941. Lediglich Heftromane liegen mit etwa zwei Peseten unter diesem Preisniveau.

216 Werbung für weitere Romane des Autors54 mit Preisangabe findet sich auf der Rückseite des Bucheinbandes. Der Verlag - Editorial Juventud55 - hatte sich schon vor dem Krieg auf die Herausgabe von Romanen, Biographien etc. spezialisiert, die einen guten Absatzmarkt hatten und hohe Auflagenzahlen sicherten. Einzig die Papierknappheit schränkt nach 1939 ihre Publikationstätigkeit ein. Die Serie La Novela Rosa erfreut sich ungebrochener Popularität56, denn die Evasionsliteratur hilft, die triste Gegenwart des Hungers und der Entbehrung und die Trauer um gefallene Familienmitglieder im Bürgerkrieg zu verdrängen, indem sie die Flucht in eine Wunschwelt anbietet, in der sich gesellschaftlich angesehene, vermögende, kultivierte Personen bewegen, die nach Bestehen einiger Scheinbewährungen Garanten für ein glückliches Ende sind (universale Funktion). Wie diese Scheinrealität mit der realen Welt des Bürgerkrieges vereinbar ist, dieser Frage soll im folgenden nachgegangen werden. Getreu den Anforderungen der Gattung entstammt der Protagonist, mit dem vorbildlichen Namen José Antonio, der angesehenen Adelsfamilie der Melgar, Condes de Castillo de Villel. Von Beruf ist er Leutnant der spanischen Marine - erste Anlehnung an das narrative Strickmuster aller damaligen Bürgerkriegsromane. Aufgrund seiner Weigerung, bei Ausbruch des Bürgerkrieges in der republikanischen Flotte loyal zu dienen, ist er genötigt zu fliehen57 und kann nach Bestehen einer Reihe von Abenteuern und Verwicklungen mit falschen Dokumenten als Gregorio Méndez untertauchen. Unter diesem Namen wird er für die Ehefrau des sozialistischen Subsecretario des Verteidigungsministers, María Luz Losada, eingestellt. In der weiblichen Heldin María Luz treffen wir die ebenfalls in Bürgerkriegsromanen unverzichtbare Generalstochter, die hier in jugendlicher Unerfahrenheit eine Mesalliance mit einem ihr in seiner sozialen Herkunft unterlegenen republikanischen Politiker eingegangen ist. Natürlich wurde die Ehe wegen unüberbrückbarer Gegensätze nicht glücklich (98). Die sich zwischen den beiden Romanhelden anbahnende platonische Liebe, die noch dadurch geschürt wird, daß sich beide ihre wahre nationalistische Gesinnung gestehen (100), wird argwöhnisch und eifersüchtig von der im Hause lebenden Verwandten, Rita Losada, russische Agentin und Anti-Frau, beobachtet. Ihr Verrat an José Antonio alias Gregorio kann das notwendige Happy End nicht verhindern, das nach Kriegsende in der Erschießung Ritas als Mörderin in 20 Fällen und der Heirat der beiden Romanhelden besteht, nachdem der republikanische Funktionär Losada 54 55 56

57

Pérez y Pérez (geb. 1891) hatte zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Titels bereits über 40 Novelas Rosas publiziert Barcelona 1941. José Sauz y Diaz rezensiert in seinem nationalen Rechenschaftsbericht Uber den spanischen Buchmarkt im Jahre 1941 acht Titel des Verlages, »libros de honda emoción, lujoso porte y lectura sana y moral«, »los últimos éxitos de una gran editorial« (Libros, in: Rutas de España 1.1. und 1.2.1941, s.n.). Als »Deserteur« wäre er natürlich bezeichnet worden, wenn es sich um einen republikanisch gesinnten Offizier in der nationalistischen Zone gehandelt hätte. (Cf. Luis Echeverría in Raza).

217 durch seinen Tod im französischen Exil die unmögliche Liebe zwischen María Luz und ihrem Chauffeur möglich gemacht hat. Der Roman ist nicht der erste Versuch des Autors, seine Liebesromanzen in den sozio-historischen Kontext des Bürgerkrieges zu situieren. Die Trilogie Dos Españastt, bestehend aus Elena, Juan Ignacio und De una España a otra verweist schon im Titel auf den Zeitbezug: A Josefina de Toledo y Sanz, perfecta encarnación de la joven cristiana, flor linda y delicada de un hogar modelo por su fe en Dios y su amor a la Patria (De una España a otra, p. 3), so lautet eine der Widmungen, die ebenso wie das Erscheinen in der Nueva Colección Hogar auf die Zielgruppe verweist, die der Roman auf die Normen der neuen Institution Familie - christliche Moral und Vaterlandsliebe, offizielle Ingredienzen franquistischer Ideologie in der klassischen Zweieinigkeit Patria-Iglesia - verpflichten will. Der unbedingte Wille des Autors zur Anpassung an die neuen gesellschaftlichen Bedingungen wird meines Erachtens schon in der Tatsache deutlich, daß die 1940 erschienene Trilogie inhaltlich die politische Bedeutungskomponente der FalangeIdeologie dominant setzt, während El chófer de María Luz, der zunehmenden innenpolitischen Machtverschiebung zu Ungunsten der Falange angemessen, sich in Lobpreisungen auf Franco, »hombre más grande« (243) ergeht und den Romanhelden José Antonio trotz des mit seinem Namen assoziierten Falangismus als Anhänger der traditionalistischen Karlisten (208) ausweist, die mit den anderen politischen Gruppierungen im Lager der Aufständischen scheinbar konfliktlos koexistieren.59 Der Protagonist des 1942 erscheinenden Bürgerkriegsromanes Sexta bandera60 symbolisiert bereits in der Namensgebung »Francisco« die Vormachtstellung Francos vor allen politischen Strömungen. Francisco, der sein Tagebuch aus dem Bürgerkrieg seiner Freundin zur Lektüre überläßt, ist dieser Tendenz folgend auch nicht überzeugter Falangist wie Elena und Juan Ignacio in den Romanen Dos Españas, sondern Soldat einer Kompanie der marokkanischen Legion. Der Titel El chófer de María Luz ist ein Hinweis darauf, daß das Bürgerkriegsthema der Liebesromanze untergeordnet wird; in realistischer Einschätzung der Lektürebedürfhisse seiner Leserinnen wird dieser Roman mit einer Auflage von 20.000 Exemplaren verlegt, während für die übrigen Bürgerkriegstitel bei der Zensurbehörde nur halb so hohe Auflagen beantragt werden.« Die Leser(innen) rezipieren Romane wie El chófer de María Luz identifikatorisch, d.h. sie akzeptieren die ihnen innewohnenden Handlungsanweisungen als Verhal58

Barcelona: Ed. Juventud 1940.

59

Den Falangismus verkörpert in El chófer de M&ria Luz Rafael Figlos, der José Antonio schließlich zur Flucht verhilft.

60

Barcelona: Ed. Juventud.

61

Cf. Anhang 2, p. 317. Eine zweite Auflage von El chófer de María Luz wird von der Zensurbehörde (ohne Angabe des Datums) ebenfalls genehmigt

218 tensmodell für die eigene Praxis. Die ideologische Wirksamkeit liegt in der Reduktion politischer Ausagen auf herrschaftsstabilisierende Verhaltensanweisungen (partikulare Funktion: Residualideologie). Welcherart die Rollenmuster sind, und wie sie mit der politischen Aussage verknüpft werden, soll anhand von zwei textdominanten Aspekten des Romans analysiert werden: 1. Die Übertragung des ontologischen Gegensatzes gut-böse auf die sich im Bürgerkrieg bekämpfenden politischen Systeme der Aufständischen und der Republikaner durch Personifizierung im Gegensatzpaar María Luz und Rita. 2. Die Deutung des Klassenkampfes im Bürgerkrieg aus der fingiert »authentischen« Dienstbotenperspektive. Zu 1: Wie die ersten einführenden Erzählerkommentare aus der Perspektive José Antonios verdeutlichen, wird die Protagonistin Maria Luz mit allen gesellschaftlich hochbewerteten Eigenschaften einer »Idealfrau« ausgestattet. Schönheit, Distinguiertheit, Bildung, die klassischen Attribute aller Romanheldinnen dieses Genres, ungeachtet ihrer politischen Aussage, führen die vorbildliche María Luz allerdings in der republikanischen Zone ins gesellschaftliche Abseits: El comentario unánime fué que era demasiado señorita. Quizá, si no hubiese sido mujer de un tan destacado personaje rojo, se hubieran adelantado hasta a decir que debía ser una fascista, porque tenía los pies demasiado pequeños, las manos cuidadas y demasiada buena educación para no dar qué pensar (84). Die Eigenschaften + [gebildet], + [schön] + [distinguiert] harmonieren laut Textanweisung eigentlich nicht mit + [republikanisch], sondern vielmehr mit + [nationalistisch], so daß die im Handlungsfortgang enthüllte Tatsache, daß María Luz in Wahrheit Parteigängerin Francos ist, von der (impliziten) Leserin als nur allzu logisch-organische Konsequenz akzeptiert wird. Mit der Zurückgezogenheit von María Luz kontrastiert die marxistische Unverfrorenheit Ritas, die den Romanhelden José Antonio geradezu abstößt: Es una mujer que debe estar en los treinta. No es simpática, y a José Antonio, especialmente, por su marcado anti-fascismo, le es repulsiva hasta el extremo de que en muchas ocasiones no logra disimular la aversión que hacia ella experimentaba. (85) Las mujeres le dan miedo desde que estalló la revolución y ésta, sobre todas, prodúcele una impresión de recelo y desconfianza irreprimible (86). Die vornehme Distanz, die María Luz zunächst zu ihrem vermeintlichen Chauffeur hält, unterstreicht narrativ die Imperfektform, während die Penetranz Ritas, mit der sie José Antonio nachstellt, demgegenüber im unmittelbaren Präsens erzählerisch abgebildet wird.

219 Konform mit den normativen Erfordernissen der franquistischen traditional geprägten Institution Familie und der in ihr festgelegten Rolle der Frau übt María Luz Triebverzicht, wenn sie in Abwesenheit ihres Mannes »la vida de monja« (84) führt. In Verzicht auf Selbstverwirklichung ordnet sie darüber hinaus die Erfüllung ihrer Liebe zu José Antonio der Liebe zum Vaterland nach. Beim Abschied von José Antonio: Ella palidece hasta volverse blanca ... pero existe algo que está sobre ella, sobre el amor, sobre la vida, y es España. Y a España hay que ofrendarle este nuevo dolor como se le ofrendaron otros, como se le ofrendan en el otro lado miles y miles de vidas. (214) Als pflichtgetreue Gattin folgt María Luz ihrem »roten« Ehemann ins Exil: Usted no sabe lo que es de duro esto de tenerse que arrancar a todo lo que una más quiere: Patria, ideales, familia, amigos ... para irse a una nación extraña y odiada, con un hombre a quien ya no se puede amar (322). Die Unterdrückung ihrer emotionalen Bedürfnisse wird vom Schicksal jedoch letztlich durch Erfüllung ihrer Wünsche belohnt. Antonio Losada stirbt in Bordeaux, und nach Ablauf eines Jahres hält José Antonio in schmucker Uniform um ihre Hand an. Die textimmanent angelegte identifikatorische Rezeptionshaltung soll den Romanleserinnen die konfliktreiche Bewältigimg der realen Alltagssituationen und die Anpassung an ihre sozialen Rollen (Unterordnung und Entsagung) ermöglichen: ... die Leserin [kann] sich in den Identifikationsfiguren durch ein Verhalten der Innerlichkeit (z.B. aufopfernde, entsagende Liebe) als anerkannt erfahren und den Aufstieg in eine Wunschwelt [in diesem Falle die Heirat mit dem Marineoffizier adeliger Herkunft] imaginieren.62 Zu der reaktionären Aufbereitung der repressiven Familienstruktur, die der Sicherung und Tradierung der franquistischen Staatsform dient, gehört auch die Vernichtung alternativer Rollenmuster durch Koppelung weiblicher Autonomiebestrebungen und Erotik an asoziale Verhaltensweisen und die marxistische Gesellschaftstheorie. In dem vorliegenden Romanbeispiel verkörpert Rita das ideologische Konstrukt der Antifrau. Was ihre Funktion im Hause von María Luz anbetrifft, so fragt sich José Antonio: ¿Podría ser una espía comunista Rita Losada? (100) En el fondo, lo que Rita deseaba ... era estar cerca de Antonio Losada. ¿Con qué fin? Ese era el problema a resolver. ¿Afán de lujo, de faroleo y de bambolla, muy verosímiles en una mujer de clase inferior, con pretensiones de brillar y de imponerse? ¿Plan para cumplir una misión inconfesable, pero muy posible en aquellos 62

G. Waldmann: Theorie und Didaktik der Trivialliteralur, p. 62.

220 días en que la mitad de los habitantes de la zona roja tenían la comisión de vigilar y espiar a la otra mitad? Enigma. (100,101) Zur Charakterisierung des weiblichen Typus der politischen Andersdenkenden werden die voibildlichen Eigenschaften von María Luz einfach ins Gegenteil verkehrt. Rita, con una sonrisita irónica y cruel estereotipada sobre los gruesos labios de aquella boca sensual de bestia en celo (235) ist + [häßlich], + [ordinär], + [geldgierig]. Der imbedingten Treue der positiven Identifikationsfigur zu ihrem Ehemann steht Ritas Auffassung von »freier Liebe« (192) gegenüber. Untreue und republikanische Gesinnung werden auch in der männlichen Stereotype Antonio Losada verknüpft. Wie María Luz erfahren hat, will er sich mit seiner Geliebten nach Barcelona absetzen (194). Er erinnert sich erst auf dem Sterbebett im Exil seiner Frau und seines Sohnes. Wie schon die Analyse anderer Bürgeikriegsromane ergeben hatte, werden auch hier die negativ besetzten Repräsentanten der republikanischen Zone erzählerisch in Außenschau abgebildet, die erzähltechnisch einzig als Auslöser für die inneren Konflikte der nationalistischen Helden eingesetzt werden. Innerlichkeit, Strukturmerkmal der Novela Rosa, ist den nationalistischen Helden vorbehalten. Für ihre Negativ-Eigenschaften wie auch ihre Erpressungsversuche, als sie Namen und Beruf José Antonios zufällig erfährt, und für ihren Verrat, als dieser ihr Angebot, sie zu ehelichen, ablehnt, muß Rita mit dem Tod bezahlen. Ihr werden noch nicht einmal politische Ideale als Handlungsmotivation zuerkannt. Sie verrät José Antonio aus weiblicher Rache, weil der positive Held, den auch Frauen wie sie begehren und auf ihre Art - »toda instinto« (260) - lieben, ihr Werben abweist. Auf der Flucht con tres socios escapados a la escabechina de Besteiro ... con treinta mil pesetas en plata, siete barras de oro ... y un saco de alhajas (318) wird »esta diabólica mujer« (251) gestellt und der »justicia del Caudillo« (328) überantwortet: A Rita la fusilaron una madrugada, después de habérsele probado la intervención en una veintena de asesinatos. (323) Im Gegensatz zu Ritas Bereicherungsinstinkten verweigert die vorbildliche Maria Luz nach dem Tode ihres Mannes die Erbschaft, »dinero rojo« (332): Me hubiera quemado las manos (331). Unter diesen Umständen wird ihre vorübergehende Berufstätigkeit legitimiert. Als Sekretärin eines Richters, der die Ermittlungen gegen die republikanischen »Mörder« leitet, verdient sie nach dem Sieg der Aufständischen für sich und ihren Sohn den Lebensunterhalt, bis sie von ihrem Märchenprinzen José Antonio nach Einhaltung des Trauerjahres heim an den Herd geführt werden kann. Die Individualitätsform einer

221 berufstätigen emanzipierten Frau ist, von ökonomischen Notsituationen abgesehen, unmöglich. Die eigentliche Existenzberechtigung ist nach wie vor der - private - Reproduktionsbereich. Hier wird ein tatsächlicher gesellschaftlicher Konflikt thematisiert63, jedoch einer Scheinlösung durch Affirmation traditionaler Rollenverteilung zugeführt. Ebenso ideologisch wirksam wird die liberal-republikanische Abkehr von der katholischen Staatsreligion mit ihrer kapitalistischen Wirtschaftsform verknüpft, um der Rezipientin die Akzeptanz des traditional geprägten ökonomischen Systems des Franquismus als Glaubensfrage zu präsentieren: rompí... con toda mi familia, que no me han perdonado nunca el unirme con un laico, con un hombre sin sentimientos religiosos, sin más culto que el dinero ni más afán que el medro y el negocio ... - Ese es el dios de los que nunca han sido nada ni nadie en el mundo: el dinero y la bambolla. (188, 89) Unterordnung unter die göttliche Vorsehung wird als vorbildliches Altemativverhalten angeboten, dessen Befolgung die Romanheldin Maria Luz schließlich zum Happy End führt: - Si tuviéramos verdadera fe y confianza en la Providencia, nos plegaríamos con más docilidad a la voluntad de Dios. ... si Dios no nos enviara de cuando en cuando algún dolor o alguna contrariedad, llegaríamos hasta a olvidarnos de que existe. (150) Die »falsche« republikanische Gesinnung eines Teiles der spanischen Bevölkerung wird für den Ausbruch des Krieges verantwortlich gemacht. Die Ausschreitungen der kommunistischen Revolution und ihre Niederlage in Spanien - denn sie, und nicht der faschistische Putsch wird als Auslöser betrachtet - soll als Fingerzeig Gottes gegen diejenigen gedeutet werden, die sich vom traditionalen Weltbild abgekehrt haben. Zu 2: Auf die strukturelle Ausrichtung aller sentimentalen Romane an der Zielgruppe wurde eingangs hingewiesen. Die Rezipienten der klassischen Novela Rosa rekrutieren sich aus den Clases Medias (Handwerker, Handel, Angestellte, Bauern), aber auch aus Teilen der Clases Trabajadoras (vor allem den Dienstboten). Die Arbeiterschicht verhielt sich aufgrund politischer und gewerkschaftlicher Organisierung zur republikanischen Regierung loyal und gehörte folglich zu den Verlierern des Krieges. Aus diesem Grunde ist sie auch nach 1939 den nationalistischen Propagandaromanen eines Cruz Rueda, Benítez de Castro, Borrás, Foxá oder »Jaime de Andrade« gegenüber abstinent, die mit der Alltagserfahrung - Stagnation der Löhne, Verbot der freien 63

Weiblicher Autonomiegewinn durch Erwerbstätigkeil während und nach einem Krieg wird in allen bürgerlichen Gesellschaften wieder aufgehoben und die Rücknahme in immer gleicher Weise ideologisch legitimiert, wenn die allgemeine Arbeitsverknappung die traditionale Vorstellung von männlicher Identität bedroht.

222 Gewerkschaften, Vergeltungsmaßnahmen an ehemaligen Republikanern - nicht übereinstimmt. Um diesen Teil seiner Leserschaft nicht zu verlieren, offeriert Pérez y Pérez ihm in seinen Romanen die Identifikationsmöglichkeit mit zahlreichen »francophilen«, loyalen Dienern, die in natürlich harmonischer Gemeinschaft mit ihren Dienstherren leben. Von der »horda« (22, 45), »chusma« (22, 39), »populacho« (31), »masa ignorante« (31), von Schiffsbesatzungen, die den Offizieren lebend die Augen ausstanzen und sie, mit einer Kanonenkugel beschwert, über Bord gehen lassen (41), hebt sich in El chófer de María Luz der »gute«, d.h. nationalistisch gesinnte Dienstbote ab: ¡Esto es muy gordo, señorito, porque una se había hecho la ilusión de que ganaran los militares ...! ¡Pues no sé quién tiene que ganar! ¿Dónde va a ponerse el asqueroso del Gobierno con el general Franco ... y con toda la honra de España que se ha levantado en armas? ¡Vamos! (31,32) Aus der Perspektive der Köchin von Doña Manolita werden die politischen Ereignisse (der Fortgang der Besetzung spanischer Regionen durch die Militärs) auf der fiktiven Ebene der »Herrschaft« bzw. auf der übergeordneten Textebene der impliziten Leserin zur Kenntnis gebracht. Dieses eigentlich dramaturgische Hilfsmittel des Botenberichtes sowie José Antonios und Doña Manolitas teichoskopische Beobachtung der republikanischen Anhängerschaft, vom Balkon des Hauses aus, wie diese in einer Bar am Radio die Niederlage der Republik in Sevilla verfolgt, sind hier erzählerische Ausdrucksmittel der politischen Indoktrinationsstrategie des impliziten Autors, mit der er die implizite Leserin veranlaßt, die Geschehnisse als objektive Faktizität zu aktualisieren. Natürlich verhilft der treue Chauffeur von Doña Manolita nicht nur dem Offizier Pomares zur Flucht, sondern bietet José Antonio an, mit ihm gemeinsam in die nationalistische Zone überzuwechseln: Yo desde el primer momento, tengo como una voz de dentro que me está diciendo que el Gobierno pierde la guerra. Y además: ¿quiere usté que se lo diga claro, señor? Yo no siento todo esto de la República ni de las democracias, ni todos esos líos que predica esta gente; yo soy español y cristiano viejo, como decía mi abuelo, y me sentaría como un tiro el que me obligasen a coger un fusil para ir en defensa de toda esta cuadrilla de asesinos y ladrones. (43) Der Plan scheitert, José Antonio wird bei einer Hausdurchsuchung von Milizionären festgenommen und ins Gefängnis geworfen. Der Kraftfahrzeugmechaniker Juan Méndez, Schwiegersohn des Pförtners im Hause von Doña Manolita, verkörpert den »guten« Arbeiter, »con aire inconfundible de obrero bien retribuido« (21). Seine Bekanntschaft hatte José Antonio am Tage der Kirchenbrände gemacht. Méndez distanzierte sich aufgrund der damaligen Aus-

223 schreitungen von seiner linken politischen

G e s i n n u n g :64

Yo soy un obrero; yo estoy en una Sindical; yo he votado a las izquierdas; pero esto, no. ¡Esto no! Con esto no se soluciona nada; con esto no vamos a ninguna parte, como no sea a ahondar el abismo que separa a la mitad de los españoles de la otra mitad desde que entró la República. (21) Auf eine pauschale Aburteilung der spanischen Arbeiterschaft verzichtet Pérez y Pérez, da er in ihr zu Recht potentielle Abnehmer seiner Illusionserzeugnisse sieht. Den politischen Dialog zwischen den beiden »idealen« Vertretern des Adels und der Arbeiterschaft entwickelt er auf dem Boden der neuen politischen Normen: En seguida, la otra mitad de españoles que no nos conocen, ni nos comprenden, dice: 'La masa obrera, esto o aquello' ... entre ese montón de carne de presidio que tenemos a la vista, no hay ni un obrero honrado. Ni un verdadero obrero ... El obrero español no es malo. No quiere más que pan y trabajo. Dele usted eso, y se acabó la lucha. (22) Vor dem Hintergrund des vollzogenen politischen Seitenwechsels kann Méndez in der Auseinandersetzung mit der entfesselten revolutionären Masse sogar pro-republikanische Argumente äußern, die innerhalb der Volksfront-Koalition von Vertretern des gemäßigten Flügels tatsächlich vorgebracht wurden: La revolución debe ser, para que sea fecunda, algo constructivo; y vosotros estáis haciendo, con todo esto, una labor negativa. Y escandalizando al mundo internacional, que nos va a tomar por unos salvajes y a retiramos su apoyo, y abriendo las puertas al fascismo ... (26) Textstellen wie diese helfen, den Fokus fort von dem tatsächlich erfolgten Militärputsch als Kriegsauslöser hin zu einer blutigen anarcho-kommunistischen Revolution zu lenken. Méndez taucht als Retter auf, als José Antonio im Modelo-Gefängnis in Barcelona sitzt. Er bewahrt ihn vor dem sicheren Tod des Paseo und händigt ihm die Papiere seines gefallenen Bruders Gregorio aus. (69)

64

Cf. die Charakterisierung des Arztes, Foxi: Madrid de corte a cheka, der sich ebenfalls nach anfänglicher Unterstützung der Republik von ihr abwendet. Die Personengestaltung konvertierter Republikaner ist im Grunde genommen eine rhetorisch viel wirksamere Methode der LeserbeeinfluBung als das ausschließliche Besingen franquistischer Helden, da sie im Nachkriegsspanien als Versöhnungsangebot für diejenigen Republikaner gewertet werden konnte, die ihren »Irrtum« bereit waren einzusehen. Die Romantrilogie von José Maria Carré te ro (Pseud.: El Caballero Audaz) Malas costumbres (1941), ¡Si tu supieras! (1942) und Tania, la mujer nueva (1942) stellt als Fazit ebenfalls eine neue nationale Gemeinsamkeit in Aussicht. (Cf. Thomas M. Scheerer: Studien zum spanischen Unterhallmgsroman, p. 234). Auch in den Romanen dieses Erfolgsautors kommen »gute« Revolutionäre vor: »Nur weil historische Schuld eindeutig verteilt ist, ... kann der Romancier es sich auf diesem festen Boden neuer Tatsachen erlauben, einzelne »Gute« unter den bitter Bekämpften zu finden, um im Namen ganz und gar unpolitischer Menschlichkeitsphrasen den politischen Sinn des Krieges vergessen zu machen« (op. eil., p. 236). Zur Distributionsbehindening der Trilogie cf. meine Ausführungen in Kapitel 4.1. und Kapitel 6.3 sowie die Zensorurteile im Anhang 2, pp. 303-305.

224 Die Camouflage des Protagonisten als Chauffeur Gregorio Méndez eröffnet erzähltechnisch ungezählte Möglichkeiten, den Kriegsverlauf und seine Interpretation aus der Dienstbotenperspektive wiederzugeben. Die Machtkämpfe innerhalb der beiden großen Geweikschaften UGT und CNT werden an die Erfahrungen José Antonios als anarchistischer LKW-Fahrer unter der Aufsicht sozialistischer Gewerkschafter rückgekoppelt. Die Sympathie des Autors gehört in diesem Zusammenhang, wie auch in De una España a otrats, eindeutig den Anarchisten, die sich russischer Fremdbestimmung nicht unterordnen wollen. Über Archena in Alicante, wo Freiwillige für die Front ausgebildet werden, berichtet ein CNTista: todo está en manos de los comunistas. Rusos por arriba y rusos por abajo. En las puertas los letreros en español y en ruso. Desde luego, todos los mandos rusos. Y eso para un cenetista como yo, la verdad, era demasiado fuerte. Yo no me pienso haber nacido para esclavo, y menos de Rusia. (72) Aufgrund seiner »guten Manieren« wird José Antonio für den Dienst als Chauffeur des Politikers Losada abgestellt: - Necesita un chofer de mucha confianza ... un hombre que se pueda presentar, porque, ahora mismo, ... tiene que alternar con los diplomáticos extranjeros e ir con ellos de acá para allá y, como comprenderás, no es cosa de que lleve al volante a un animal como ésos que estaban hablando contigo ahora mismo ... José Antonio sonríe para su capote. ¡Los nuevos señores; los burgueses de reciente creación, los que predicaron la igualdad; y ya buscaban que los que habían de servirles fuesen educados y correctos y tuviesen buen aspecto! (75) In jeder Gesellschaftsformation, so lautet im Klartext die Botschaft dieser Passage, setzt sich auch ohne besondere Protektion oder Vormachtstellung die hervorragende Minderiieit aufgrund ihrer besonderen Qualifikation als natürliche gesellschaftliche Elite durch. Batiste, treuer Diener der von den neuen sozialistischen Machthabern vertriebenen Besitzer des Landgutes La Ceniola, auf dem María Luz mit ihrem Sohn und Bediensteten lebt (106), sowie das Kindermädchen Modesta, »muchacha fidelísima, decente y honrada« (92), erweisen sich als Regimegegner und Verteidiger einer gesellschaftlichen Ungleichheit zwischen einer traditional legitimierten Elite (José Antonio oder María Luz) und der Masse der Nicht-Gebildeten. Batiste bekennt sich offen zur patriarchalischen Herrschaftsstruktur: Don Francisco era mi amo. Como su padre lo fué del mío y su abuelo de mi abuelo ... Y a muchísima honra porque los Fomés han sido de siglos señores de verdad, sí, señor; no de esto que se estila ahora, que con ponerse un traje y com65

Elena kann den antikommunistisch eingestellten Anarchisten Martingala, der menschlich positiv konnotiert ist, fllr die »nationale Sache« gewinnen (109), bevor er wider Willen zur 5. Kolonne eingezogen und erschossen wird.

225 prarse un 'auto' se dicen señores ... Don Francisco era mi amo, todo un señor de cuna, ya lo creo; el mejor amo del mundo, Dios le haya perdonado. (163) Wie die folgenden Zitate zeigen, dient die Wiedergabe der Rede Modestas im restriktiven Sprachcode hier einmal nicht der Abwertung der sie verwendenden Romanperson, sondern soll den Charakter von Authentizität verleihen. Die Ablehnung des sozialen Prinzips gleicher Bildungschancen für alle Bevölkerungsteile, das die Regierung der Zweiten Republik zu realisieren anstrebte, durch Modesta, die ja gerade zu der Gruppe der Minderprivilegierten zählt, die von dieser Maßnahme profitieren sollte, ist natürlich rhetorisch wirkungsvoller als ein Monolog des auktorialen Erzählers, dessen Funktion als Sprachrohr des impliziten Autors für den Leser viel leichter zu durchschauen gewesen wäre: Gregorio, que eso de que tós somos iguales es una filfa. Ni ha sío nunca, ni podrá ser jamás. ... Con esto quiero decirte que de familia a familia había mucha diferencia. (95) Wahre Bildung, so führt sie den Gedanken aus, kann nur traditional im Elternhaus, nicht in der Schule qua Intelligenz erworben werden, wie das Beispiel Antonio Losada beweise: no es que no tenga educación ... pero es una educación de esas que no se aprenden en casa, sino en la escuela ... La educación hay que mamarla. (95) Antonio Losada wird von Modesta antithetisch zu der Persönlichkeit seiner vorbildlichen Gattin als Aufsteiger niederer Herkunft charakterisiert, der seine politische Heimat folglich im Sozialismus finden mußte: El papá de mi señorita, general de artillería, más caballero y más señor que el rey ... Y el padre de don Antonio, guardia urbano en Madrí ... Ya sé que vas a decirme que tié mucho mérito que un hombre pobre haya podio dar una carrera a un hijo y que el hijo la haya estudiao y hoy procure salirse del montón y ser alguien. Estoy de acuerdo; pero es que había algo más. (95) Dieses »algo más«, der alles weitere politische Engagement prägende Unterschied zwischen Republikanern wie Losada und Anhängern des nationalistischen Spanien, »más aún que diferencias de clase, de posición y de educación« (95), ist jedoch mit Rücksichtnahme auf die Leserschaft, die ebenfalls der Gesellschaftsschicht Losadas angehört, nicht die soziale Herkunft, sondern seine Gottlosigkeit und sein Freimaurertum: es un hombre de estos del día. Ni cree en Dios, ni pué ver una monja, ni un cura, ni un fraile ... Yo no me mato por tó eso (disimula, Modesta, dándose cuenta de que el chófer es rojo y de que ha metido la pata), pero en la familia de mi señorita han sío siempre muy cristianos. Además, aquellos son fascistas remataos; a la República, es decir que no han podido olería nunca (Y Modesta se calla que ella y

22L su familia están en el mismo caso) y lo que toca don Antonio se perece por la República y ha sío diputao socialista ... Además, los señores se enteraron de que era una cosa que le dicen masón, que yo no sé lo que es. (95,96) Die politische Bekennung zur einen oder anderen Seite der sich bekämpfenden Interessengruppen im Bürgerkrieg wird auf die Frage der Kinderstube und des richtigen Glaubens reduziert. An Gestus und Habitus erkennt man die positiv konnotierten Anhänger des Militärputsches. Die Landarbeiter eines kleinen Nachbargehöftes sind aufgrund ihres Verhaltens, nicht etwa aufgrund politischer Äußerungen, für José Antonio als FrancoAnhänger erkennbar: Ya le había parecido notar 'algo' muy especial en aquellas personas de la Llorensa ... Labradores honrados, gente de buena cepa, humildes, pero de magníñca formación (116). Die Ursachendeutung des Bürgerkrieges aus der Dienstboten-Perspektive konstruiert der Autor als Identifkationsangebot für seine L e s e r . 6 6 Modesta und Batiste verkörpern ebenso wie die Landarbeiterfamilie die von den Institutionen Staat und Kirche im Franco-Regime geforderte ideale Haltung für Repräsentanten der unteren Mittel- und Arbeiterschicht. Die Konflikte der republikanischen Öffentlichkeit in ihrer politischen und kulturellen Ausprägung einerseits und die zu ihr in Widerspruch getretenen Hegemonialinteressen der Unterstützer des Militärputsches andererseits werden durch Rückbindung an die Privatheit ihrer Repräsentanten auf einer Ebene von Subjektivität ausgetragen, die sich rationaler Kritik völlig entzieht. Die Legitimation des Franquismus erfolgt für die Adressaten sentimentaler Romane67 residualideologisch. In der Zeit der Papierknappheit bekommt Pérez y Pérez trotz literarischer Minderwertigkeit seiner Konsumware, vermutlich aufgrund der Situierung der Romanhandlung in die Bürgeikriegszeit, die Genehmigung für die Publikation: Es una novela más del género peculiar de este autor. Su único interés estriba en encuadrarla en la zona roja durante nuestra guerra de liberación, logrando fundir acertadamente lo novelesco de la trama con unas gotas de patriotismo y una crítica acerba de la barbarie roja.68

66 67

Cf. Christa Borger: Textanalyse, p. 160. Zu den zwischen Kriegsende und 1943 veröffentlichten sentimentalen Romanen mit Bürgerkriegsthematik gehören neben den schon erwähnten: Aramburu: Estampas de un amor, Aranda: Boda en el infierno, Ascanio: Paloma en Madrid, Bea: Un hombre para dos mujeres. Caballero Alvarez: Romance en la guerra. El Caballero Audaz (José María CarTetero): ¡Ver!, Cominges: María Victoria, Ferrari Billoch: La innominada und La monja fugitiva, Lopez de Haro: Adán, Eva y yo, Mancl: Isabel de Valderas, Ortoll y Galindo: Nuevos horizontes, Pérez de Olaguer. El romance de Ana Maria und Elvira, Tomás Rúfalo y yo. Reyes Huertas: La grandeza del nombre. Sal azar Allende: Tú no eres de los nuestros, cf. den Romankorpus, p. 347.

68

Anhang 2, p. 317.

227 So begründet der Zensor das Urteil. Ein Wortspiel in der Erzählerrede als Anspielung auf die Falange-Hymne wird allerdings aus dem Text gestrichen: Sobre la arena, [cara al sol 'pero todavía no con la camisa nueva'] José Antonio esperó a que Rita tuviese a bien explicarle el motivo de aquella conferencia que le intrigaba. (264) Argument des Zensors: Las tachaduras responden a un juego de palabras que aunque hecho sin intención se presta a la burla de un concepto sagrado del Himno de Falange®. Deutlich wird an den zensorischen Beurteilungen der sentimentalen Bürgerkriegsromane vor allem: Ästhetisch minderwertige Konsumliteratur wird zwar generell abgelehnt, aber meist dann befürwortet, wenn sie staatstragende Propaganda beinhaltet. Die offizielle Literaturkritik aktualisiert weniger die partikulare Funktion der Novela Rosa, die sie ja mit der höhergewerteten kanonisierten Propagandaliteratur gemeinsam hat, sondern ihre universale Funktion: die durch private Lektüre realisierbare Flucht der Frauen in eine Wunschwelt als Kompensation für die öffentlich-sozialen Rollenzwänge, die im traditional geprägten Franquismus mehr denn je repressiven Charakter haben. Zwei Jahre nach Erscheinen von El chófer de María Luz entbrennt in allen literaturkritischen Kolumnen der nationalen Presse der Streit um Sinn und Gefahr der Novela Rosa. Je deutlicher das Scheitern der neuen nationalen Kultur zutage tritt, je offensichtlicher die Unfähigkeit einer traditional geprägten Institution Literatur wird, den massenhaft gelesenen sentimentalen Romanen etwas entgegenzusetzen, desto erbitterter werden die offiziellen Kampfmaßnahmen gegen die ausgegrenzte Evasionsliteratur, desto auffälliger die Bemühungen um die Infiltration der spanischen Leserschaft mit den von Staat und Kirche gemeinsam aufgestellten Werten und Normen. Zu Recht werden ästhetische Minderwertigkeit und realitätsfeme Inhalte kritisiert. Doch handelt es sich hier um die Defekte einer Gattung, die auch vor dem Bürgerkrieg ihr breites Publikum hatte, ohne deshalb gleich ins Zentrum literaturtheoretischer Auseinandersetzungen zu rücken. Der eigentliche Konfliktpunkt ist wohl eher in dem konstanten Massenerfolg zu suchen, den die Novela Rosa, ganz im Gegensatz zur sterilen politisch engagierten, moralisierenden, offiziell geförderten Nationalliteratur, verbuchen kann: Lo malo es la superabundancia que existe hoy y ... la ausencia absoluta de preocupaciones de índole moral en los escritores ... Lo que sí es peligroso es su enorme influencia en la vida de nuestra juventud femenina. 70

69

Ibid. Die Verordnung vom 1. September 1938 Uber Zensur hatte zu diesem Aspekt (»evitar interpretaciones torcidas de la doctrina y del estilo de la Falange«) Richtlinien geschaffen. (Cf. J. Beneyto: Censura literaria, p. 30.)

70

Federico Izquierdo Luque: »La novela rosa«, in: Ya (30.7.1943), p. 4.

228 Wieder einmal wird die Institution Zensur angerufen, dieser Literatur endlich Einhalt zu gebieten: Yo brindaría a la Sección Femenina de la Falange ... la idea de realizar sobre estas novelas una especie de censura sentimental, lo que posiblemente haría disminuir la influencia arrolladora que van alcanzando.71 Der Artikel von Izquierdo Luque provoziert die Reaktion des Publikums, das in Form von Leserbriefen in Ya Stellung bezieht, so daß der Autor sich veranlaßt sieht, das Thema noch einmal a u f z u g r e i f e n . ^ Doch eine befriedigende Antwort auf die Frage nach literarischen Alternativen weiß der Autor nicht zu geben: Yo aconsejaría ... a mis amables comunicantes que leyeran cualquier cosa antes que una novela rosa. Es preferible aburrirse con el 'Quijote' a entontecerse con 'La muchacha del Castillo'. Deutlicher noch macht Cristóbal de Castro die Kosumliteratur für das Scheitern einer franquistischen Kultur, die kein Publikum für ihre Werke gefunden hat, verantwortlich: Los peligros de esos beleños, enmascarados con la moda de un éxito circunstancial y artificioso, impuestos por la audacia de un mimetismo aristocrático, entre elegantes de folletín y duques de guardarropía, amenazan con adueñarse de los lectores, haciendo tabla rasa de la cultura n a c i o n a l . 7 3 Die Kirche sieht sich genötigt, ihrerseits in den zensorisch wirkenden wöchentlichen Buchbeurteilungen in Ecclesia gegen die Novela Rosa Stimmung zu machen. Der Klerus unterscheidet seinen Bedürfnissen entsprechend zwei Typen sentimentaler Romane, unas exaltan, dentro de ciertas formalidades convenidas, los valores morales y éticos, o por lo menos los aceptan, y las otras los olvidan por completo™, und verdammt auch nur die »frivole« Variante als geeigneten Lesestoff für junge Mädchen. Dagegen sei die Lektüre der Novelas Rosas für »lectores imunizados« (Kriegsverwundete, Geschäftsleute, »personas modernas«) unbedenklich, als unterhaltende Freizeitbeschäftigung, ergänzend zur Arbeit, sogar s i n n v o l l . 7 5 Ein Kommentar in Estrella del Mar, Organ der Marianischen Kongregation, relativiert ebenfalls den verderblichen Einfluß der Novela Rosa auf die weibliche Jugend, indem er ihr die »weit schädlichere« kanonisierte Literatur gegenüberstellt:

71

Ibid.

72

»La mujer y la novela rosa«, in: Ya (10.8.1943), p. 5.

73

»La hora del libro«, in: ABC (5.12.1943), p. 51.

74

»Consultorio bibliográfico«, in: Ecclesia (1944), p. 661.

75

Ibid.

229 en muchos casos y dada la 'tendencia' de algunos de nuestros 'mejores novelistas', del mal, el menos Eine Ehrenrettung des sentimentalen Romans versucht Angeles Villarta, indem sie die triviale Ausdrucksform der Romane auf den negativen Einfluß ausländischer Romanprodukte zurückführt und das Fehlen von Alternativen auf dem gehobenen Unterhaltungssektor kritisiert: Se le [= a la novela rosa] ha dado excesiva importancia creyendo a un mal engendro nacional. Y no es así. Es pura y sencillamente ... una imitación del extranjero ... y es que en España no existe apenas una novela intermedia, ligera e interesante.77 Die Autorinnen massenhaft gelesener sentimentaler Romane sehen sich schließlich genötigt, die Zugehörigkeit ihrer eigenen literarischen Erzeugnisse zu dieser Gattung schlicht zu leugnen.^ Die Polemik um die Novela Rosa findet in der Kritik kanonisierter Werke im selben Jahr ihre Entsprechung in den zahlreichen Artikeln zum Thema der Krise des Romans7?, die sich ebenfalls wie eine unterschwellige Bankrotterklärung einer nationalistischen Ausprägung der Institution Literatur lesen. 6.2.4. Die Amalgamierung von christlicher Offenbarung und Zeitgeschichte. Einlösung der Apokalypse: Cristo en los infiernos (R. León) Als Religionskrieg deutet das ultra-reaktionäre Mitglied der Real Academia^ Ricardo León (1877-1943) in seinem 1943 erschienenen Monumental-Roman den spanischen Bürgerkrieg: El novelista, en fin, imaginó poner aquí frente a frente las dos religiones - Cristo y el Anticristo -, las dos revoluciones que chocaron luego en España con ímpetu y trascendencia uni versales. 81 76 77 78

79

R.: »Ante la 'Novela Rosa'. Del mal el menos«, in: Estrella del Mar 517 (27.5.1944), p. 12. »Personajes y palabras en la novela rosa«, in: El Español (Semanario) (17.6.1944), p. 3. P. García Suarez: »No existe novela rosa. Yo escribo novelas modernas, dice Concha Linares Becerra« und Julio Trenas: »Aportación femenina a la novela. Lo 'rosa' no existe y es inocuo, dice Carmen de Icaza«, in: La Estafeta Literaria 1 (5.3.1944), p. 7. Cf. u.a. »Baraja declara que no es tiempo de novelas. No cree en el tema de guerra«, in: El Español (2.1.1943), p. 9. B. löste damit eine heftige Diskussion Uber Funktion und Krise des Gegenwartsromans aus, die in allen literarischen Fachorganen ausgefochten wurde. Cf. López Trescastro: »La crisis de la novela«, in: El Español 52 (23.10.1943), p. 3; A. Cagigal: »La novela y sus problemas«, in: Destino 335 (18.12.1943) sowie C. Benftez de Castro: »El teatro y la novela no han muerto«, in: El Español (14.8.1943), p. 3. In einer Umfrage in Arte y Letras 9 (1.8.1943), pp. 12,13, beziehen Cela, Zunzunegui und Benítez de Castro Stellung zu der Frage »¿A qué atribuye usted que la guerra espartóla no haya motivado una importante producción novelística?« Cela entgegnet, daß »en los ambientes guerreros y de victoria, jamás ha habido causa de motivación novelística«. Ihm widerspricht Benftez de Castro: »la ha motivado, en realidad, aunque de momento los efectos no sean extraordinariamente visibles.«

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R. León wurde 1912 in die Akademie gewählt, 1915 hielt er seine Antrittsrede.

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»Prólogo zu Cristo en los infiernos, zit. nach Ricardo León: Obras completas II. Madrid: Biblioteca Nueva 1945, p. 502. Die Erstausgabe von 1941 erschien in Madrid: Librería General de Victoriano Suárez. Ich zitiere nach der

220 Stereotypisiert belegt der implizite Autor im Vorwort die beiden Fronten mit eindeutigen Werte- und Normenalternativen: Das nationalistische Spanien (+) Die spanische Republik (-) »civilización cristiana y española« (499) »barbarie marxista« (499) »Cruzada Nacional« (499) »Madrid del Terror« (501) »la unidad, la autoridad, la jerarquía, el »satánico non serviam« (501) orden ... la obediencia y ... servicio« (501) »deber« (501) »el concepto falso... de la felicidad« (501) »virtudes heroicas; el sentimiento »el pancismo burgués, las herejías religioso y militar de la vida« (501) solapadas del mal menor y del catolicismo liberal, el desenfreno económico y la dialéctica marxista« (501) »revolución materialista« (501) »Anticristo ... Antihéroe« (501)

»Cruzada Nacional« (501) »Revolución cristiana, la Tradición española« (501) »Cristo ... en la noche de la santa Cena y del huerto de los Olivos« (502) »la Culpa« (502) »la salvación, la necesidad del sacrificio, la obligación de las virtudes heroicas, la colaboración de los mártires« (502) Das angeblich bereits Ende Juli 1936 fertiggestellte Manuskript zu dem R o m a n 8 2 präsentiert Ricardo León seiner Leserschaft drei Jahre nach dem Sieg der Aufständischen »aus historischer Distanz«: Mirada al través del tiempo y la distancia, y a la luz de los nuevos horizontes, me pareció que en vez de amortigarse cobraba mayor relieve. Al fin y al cabo mi novela era Historia también. (500,01) Ein fingierter Tatsachenbericht also? Ja, insofern er der Romantradition des Realismus angehört und nicht nur Fiktion, sondern historisches Dokument zu sein beansprucht; nein, da er die politisch-historische Auseinandersetzung auf einer anderen Ebene des Glaubens- und Moralkrieges darstellt und die Zeitgeschichte als Glaubensfrage auf den privaten Raum reduziert.83 82

83

Gesamtausgabe von 1945. Über die Bewahrung des Manuskriptes vor der Vernichtung durch die »Roten« cf. das Interview mit R. León (Plauderer: »El autor habla de su libro. La esposa de Ricardo León salvó las cuartillas de 'Cristos en los infiernos' en un sótano de Torrelodones«, in: Fotos 306 (9.1.1943), s.n.). »The establishment of the Republic, the ensuing strikes and riots, the Casas Viejas incident, the revolution in Asturias in 1934, the Popular Front victory are related in conjunction with the plot, but these events take, nevertheless, a position secondary to the plot and to the characters.« (Lo Ré: The novel, pp. 99, 100). Die Bilrgerkriegsromane von González Anaya Luna de plata (1941) und Luna de sangre (1942), in Anknüpfung an die

221 Da der Bürgerkrieg lediglich als letzte Steigerung einer mit dem Sturz des Diktators Primo de Rivera einsetzenden liberal-demokratischen Zerstörung spanischer Tradition, ja der Zivilisation überhaupt gesehen wird, beginnt die Romanhandlung im Jahre 1931, wird dann aber im flashback anhand der Schilderung der heranwachsenden Margarita auf die ersten 30 Jahre des 20. Jahrhunderts ausgedehnt. Der Kampf um den Herrschaftsanspruch zwischen dem großgrundbesitzenden Adel und dem aufstrebenden liberalen Finanzbürgertum, der seit dem 19. Jahrhundert ausgefochten wird, ist in Cristo en los infiernos in den Duques de Ayamonte und der Bankiersfamilie der Gelves personifiziert. Zwischen ihren Sprossen, Margarita Gelves, Unterstützerin der Republik, daher Antiheldin, aus deren Perspektive der auktoriale Erzähler überwiegend berichtet, und Pablo Guzmán de Ayamonte, traditionalistischer Held und Gegenspieler Margaritas, oszilliert die Handlung, bis in der Schlußszene Margarita zu Füßen des von den »Roten« gekreuzigten Pablo die »Wahrheit« erkennt und tot zusammenbricht (923). Aus der Genealogie der Bankiersfamilie Gelves leitet der Autor die historische Entstehungsgeschichte der Antiespaña her: Casta de españoles descastados, gente misteriosa y raez de muchas caras y de muchas sangres, vinculada de tiempo inmemorial a todas las impurezas, rencores y bastardías que adulteraron el genio español y traicionaron su misión histórica; ralea de aventureros y felones, turbio linaje de solapados y serviles, muy de antiguo famosos en lo de mudar libreas, servir a muchos amos y darle gusto al demonio cuando está el demonio en el poder. (543) Schon hier wird deutlich, daß der Angriff des Autors sich in erster Linie gegen den demokratischen Liberalismus richtet, den er für das Entstehen sozialistisch-marxistischer Ideologien verantwortlich macht. Mit den Sememen »bastardías«, »turbio linaje de solapados y serviles«, »mudar libreas«, »servir a muchos amos« verbindet der spanische Rezipient das Bild des klassischen Picaro. Margaritas politische »Fehlentwicklung« zum Kommunismus läßt sich auf familiäre Negativeinflüsse in ihrer Jugend zurückführen. Die Mutter hatte sich der »natürlichen Bestimmung« einer Frau widersetzt und lebte ihren eigenen Interessen. Der Vater hatte alles aus der Kinderstube verbannt, was nicht vernunftmäßiger Weltbewältigung diente (569). In Margaritas späterem Ehemann Angel Ponce finden wir den linkssozialistischen Parvenue aus anderen Bürgerkriegsromanen wieder. Er bringt es unter der republikanischen Regierung bis zum Minister. Die Ehe mit Margarita jedoch scheitert endgültig, als diese ihn für die Massaker von Casas Viejas»4 verBriefromantradition, gehören ebenfalls in die Gruppe kanonisierter Unterhattungsromane. G.Anaya war wie León, mit dem er befreundet war, Mitglied der Real Academia. (Cf. Eduardo Juliá Martínez: »Biografía de Ricardo León«, in: Cuadernos de Literatura Contemporánea 11-12 (1943), p. 371). 84

»Im Januar 1933 hatten sich unter der Führung anarchistischer Funktionäre die Bauern von Casas Viejas in Andalusien erhoben und die Einführung eines 'freiheitlichen Kommunismus' angekündigt. Für die biutale Niederwerfung der Dorfrevolte zeichneten Azafla und sein Innenminister Casares Quiroga verantwortlich. Die Zivilgarde

232 antwortlich macht (752,60), ein Hinweis darauf, daß sich hinter Angel Ponce Casares Quiroga, Innenminister unter Azaña, verbirgt. Margaritas Bewunderung für Pablo, von dem sie jedoch ideologische Welten trennen, wandelt sich allmählich in eine unmögliche Liebe (761).85 Der Bergarbeiteraufstand in Asturien wird als Akt der Massenverführung durch eine kommunistische und anarchistische intellektuelle Minderheit dargestellt. Auch Margarita dient 1934 dem »Antichristen«, synonymische Bezeichnung für die marxistische Revolution (623): ... a falta de otros estímulos vitales ponía en la pasión revolucionaria todo el fuego de sus amores frustrados y sus anhelos impotentes. (770) Francos blutige Niederschlagung des Streiks erhöht der vorausschauende, ständig in rhetorische Polit-Digressionen abschweifende Erzähler zum ersten Symbol für die Rettung des christlich-traditionalen Spanien durch den Sieg der Aufständischen im Jahre 1939: ... por fortuna para Madrid y para España, ya en el palacio de Buenavista ... está también el hombre providencial - Francisco Franco - dispuesto a dar la batalla, una y otra vez, a toda la inmensa muchedumbre de enemigos conjurados en la noche contra España y la Cristiandad. (784) Margaritas kommunistisches Engagement wird mit der politischen Arbeit der historischen Person Margarita Nelken, die als Projektion weiblicher Fanatikerinnen ebenso wie La Pasionaria durch viele pro-nationalistische Bürgerkriegsromane spukt, verglichen (687). Ihr »fehlgeleiteter« Idealismus geht soweit, daß sie eine Finanzaffaire aufdeckt, in die das Bankhaus ihrer Familie verwickelt ist (805). Private Tragödie und politische Krise spitzen sich zu: Die Ehe mit Angel Ponce wird im Juli 1936 geschieden, als die Ermordung Calvo Sotelos bekannt wird. Pablo, dem Margarita ihre Liebe gesteht, weist sie als eine vom Teufel Besessene zurück (840). Wenn der Leser bis dahin glauben konnte, Margarita könne in der Liebe zu Pablo konvertiert werden und zu privatem Glück finden, wird er nun auf ein tragisches Ende vorbereitet. Magdalena Gelves gesteht ihrer Tochter, daß ihr leiblicher Vater der Duque de Ayamonte, Pablos Vater, sei (842), und nimmt sich das Leben, als ihr Liebhaber sich ohne sie nach Mexiko absetzt. Mit der Enthüllung der Vaterschaft ist die Unmöglichkeit der Konversion besiegelt. Pablos Märtyrertum und die Vergeltungsmaßnahmen der »marxistischen Horden« am spanischen Adel und Bürgertum, mit denen sich Margarita nicht mehr identifizieren kann, bewirken in ihr die politische Wende: Hay en el dolor no merecido, en el dolor de prueba con que Dios regala a sus leales; hay, sobre todo en el sacrificio voluntario, hecho por amor a Él, consuelos

erschlug 23 braceros und setzte ihre Häuser in Brand.« (Broué, Témime: Revolution I, pp. 59,60.) 85

Cf. Ritas Liebe zu dem vorbildlichen Helden José Antonio in El chófer de Maria Luz.

221 y resplandores que son como centellas de la gloría, como pequeños sorbos y anticipos de la eterna felicidad. (866) Margarita que padecía de esta suerte, apenas osaba mirar a Pablo, pero sentía su presencia como un reproche constante, como un fallo de condenación, como un tormento indecible ... Y la fiebre infecciosa del marxismo empezaba a remitir en el alma de Margarita. La visión directa de aquel Madrid del 19 de julio, los horrores de las jomadas siguientes, le produjeron una profunda consternación. Hasta entonces no había visto 'de cerca', real y tangible, a pleno sol, al monstruo de las tinieblas apocalípticas. (867) Mit den Worten Ortega y Gassets, die 1933 seine Enttäuschung über die spanische Republik ausgedrückt hatten, untermauert der Autor die Abkehr der Anti-Heldin von ihren marxistischen Idealen: »- No es esto, no esto« (868).86 Margaritas Antipode, Pablo Guzmán, verkörpert den katholischen Edelmann (605), der als Mitglied der Acción Católica (622) patriarchalisch-karitativ den armen Bauern auf den Landgütern seines Vaters bei der Konstruktion von Bewässerungsanlagen hilft. Das Aufbegehren der andalusischen Campesinos gegen die Ausbeutung durch die Hacendados zur Zeit der Diktatur Primo de Riveras wird vom Erzähler ins Gegenteil verkehrt, d.h. als Vernichtungsweik linker Revolutionäre gegen die wohlgeordnete vertikale Gemeinschaft von Großgrundbesitzern und Landarbeitern dargestellt. Die Textstelle reflektiert darüber hinaus die antikapitalistischen Reminiszenzen Leóns, der Anhänger der alten Ständeordnung war und gegen die politisch mächtige katalanische Großindustrie opponierte: Era, sin duda, la consigna revolucionaria interrumpir, y a ser posible destrozar, las obras de la presa, fuente de vida y de salud para estos yermos, y respetar en cambio las propiedades de los Gelves, las casas y las haciendas de todos los epulones y farsantes, enemigos del pueblo, pero amigos de la revolución, mecenas y 86

Auch hier wieder die Aktualisierung von La rebelión de las masas zur Illustration eigener Sinnbedilrfhisse: »desbordamiento de masas incultas y feroces empujadas por apetitos viles y sin otro fin que el de imponer al mundo la barbarie...« (701) [Sprachrohr: F. Valdés, Adeliger aus Extremadura:] »Mi conversión se ha operado al golpe de la adversidad, por la embestida de esta República soviética que ha provocado 'la rebelión de las masas' en los pobres campos españoles.« (727) »Eran las masas en que fermentan y se pudren todos los elementos disolventes de los fracasos individuales y de las civilizaciones en crisis: el odio histórico de castas, viejo como el pecado y el mundo; el instinto de rebelión; las propagandas destructoras; la resistencia a la ley; la envidia de los inferiores; la desesperación de los perdidos y los viles; las malas pasiones de la carne; el ansia de los bienes de la tierra; las tentaciones del abismo; el salto atrás de la horda; la apelación al salvaje que todos llevamos dentro...«(882) [Aktualisierung von La deshumanización del arte:] »de las tertulias del Ateneo y del café saltó a la cumbre de la República, el hombre deshumanizado, sin corazón y sin tuétano, duro 'como un secarral'... Asistido por un estado mayor de 'intelectuales', de los invertebrados e invertidos, y a hombres de las multitudes, llegó a juzgarse omnipotente.« (707) [Die Textstelle, die außerdem noch España invertebrada referenzialisiert, bezieht sich auf die Machtergreifung des »Anticristo« während der republikanischen Regierungsphase (1933). Sie ist eine Erzählertirade auf die ersten zwei Jahre nach Proklamation der Republik.] Die Kapitelüberschrift- »Cieno, sangre, lágrimas« (706) bezieht sich auf den Ausspruch von Martínez Barrio, es handele sich um eine Regierung von »barro, sangre y lágrimas«, den Presse und parlamentarische Opposition aufgriffen, um die Regierung Azafla zu stigmatisieren. (Cf. Broiié, Témime: Revolution I, p. 60; cf. dazu die Referenz in Foxá: Madrid de corte a cheka, p. 161).

224 anfitriones de los caudillos rojos. ... ¿Que iban a hacer los profesionales del tumulto ... mercachifles del hambre y del desorden, el día que se impusieran la caridad y la justicia? ¿Donde hallarían un mendrugo ... cuando ya no hubiese prodigalidad, miseria ni esclavitud, sino un orden equitativo, un régimen cristiano a imagen y semejanza del Reino de Dios? (635) Natürlich soll im Franquismus, der die Träume des Autors von der Rückkehr zum traditionalen Feudalismus wahrzumachen scheint, dieses irdische Reich Gottes gesehen werden. In Pablos Vater, Luis Felipe Ayamonte, finden wir einen scheinbar problematischen Helden verkörpert. Repräsentant der dekadenten Bourbonenmonarchie, einstiger Höfling und weltlicher Lebemann, nie Kostverächter amouröser Abenteuer, mit denen er seine Frau schließlich in den Tod treibt, übt er auf sein Patenkind Margarita großen Einfluß aus: Y sin embargo, con saber el áspero infortunio de aquella santa señora, mártir de su diabólico marido, aun Margarita no sabía sino hallar razones para aborrecerla y disculpar en él, con depravada ternura, los más atroces desafueros. (603) Im zweiten Jahre der Republik, in dem die Landgüter der Ayamontes enteignet werden, gelingt es Pablo, seinen Vater vor dessen Tode zum katholischen Glauben zurückzuführen, Indiz dafür, daß problematische Subjektivität als nicht-traditionale Identitätsfindung unakzeptabel ist. Der auktoriale Erzähler nutzt die Bekehrungsszene zu einer indirekten Anspielung auf die faschistische Verklärung der Jugend: Luis Felipe se fué amansando y convirtiendo poco a poco, hasta entregarse como un niño en las manos de Dios, empujado hacia El por las de Pablo.... Tiempo es ahora en que los viejos tienen mucho que aprender en las escuelas de los mozos. (687) Mit der Rückkehr des Vaters in den Schoß der Kirche geht die politische Reue für Vergehen einher, die von seinem Sohn Pablo gesühnt werden: Horaces y hogueras fueron para su alma de español, militar y procer, en mala hora infiel a sus deberes, los ultrajes de aquellos años malditos que dieron cauce de ley, rumbo y guión a la horda: los incendios, asaltos y matanzas; la 'trituración' del Ejército, de la Nobleza, de todos los poderes y valores históricos, los únicos aún redimibles y capaces, en la rota España presente,.de salvar la civilización y dar un nuevo espíritu de vida a la España del porvenir. (688) In platter Analogie zu den neutestamentarischen Evangelien vom Leben und Werk Jesu Christi vollzieht sich das Schicksal Pablos: Pero hubo otro español, otro Guzmán libre de culpas, que pagó por todas las de su casta y su sangre más, mucho más que Luis Felipe: su hijo. (688) Indem León in der Person Pablos und seinen Taten traditional-feudale Vorbildlich-

221 keit und Gottesfürchtigkeit zu einem Sinnganzen verknüpft, gelingt es ihm, den politischen Führungsanspruch Francos unhinterfragbar zu legitimieren. Diener Gottes zeichnen sich durch Gehorsam gegenüber der divinen Ordnung aus und leiten aus ihr ihren weltlichen Herrschaftsanspruch ab: En la persona de aquel mozo, que tenía también sangre de príncipes, se dibujaba la figura de uno de aquellos españoles nacidos a la vez para la acción y la oración, para mandar y obedecer, para servir y dominar. (689) Christliches Engagement wird hier durchaus nicht als außerpolitische Tätigkeit verstanden. Pablo als Sprachrohr des impliziten Autors versieht die Institutionen Kirche und Militär sogar mit demselben Wertebündel, an dem sich die spanische Öffentlichkeit neu zu orientieren habe: El Ejército ha de ser aquí... la mejor Escuela nacional, el vértice de las energías varoniles, el dechado de la vida civil, que para no caer en la horda se ha de fundar también en las virtudes eternas, comunes a la Religión y a la Milicia: la obediencia, el servicio, la hermandad, la disciplina, el orden, la reverencia jerárquica, el sentimiento del honor y la voluntad del sacrificio. (691) Im Gespräch mit Margarita vertritt Pablo die klassische Kreuzzugsideologie: Hay guerras justas y santas que son deber de conciencia y mandato de religión, y España, que sabe de esto más que las otras naciones, tiene la obligación de defender su alma cristiana y su civilización católica frente a las herejías del mundo y a los asaltos del infierno. (701) Der Kongruenz von Sein und Sinn des traditionalen Weltbildes stellt León die infernale (problematische) bürgerlich-republikanische Öffentlichkeit gegenüber, gegen die sein Angriff gerichtet ist. Der Bürgerkrieg gerät in Cristo en los infiernos zum Kampf von Tradition (»la obra de los grandes siglos católicos y españoles)«? und Modernität (»revolución burguesa y materialista«, »pensiamiento sin Dios«, »capitalismo sin patria«, »revolución marxista y bolchevique«) (899). Die zunächst getrennt verlaufenden Handlungsstränge um Margarita und Pablo als Repräsentanten des republikanischen und des aufständischen Spanien konvergieren, als beide im Tod ihre Erlösung finden. Margarita versucht vergeblich, Pablo, der sich 87

Im Jahre 1939 arbeitet R. León mit an dem Siegerpamphlet Laureados de España (cf. Anm. 166, p. 91 dieser Untersuchung), das schon ganz im Sinne der neuen institutionalen Ausprägung angelegt ist. Neben León leisten fast alle Träger der Institution Literatur einen Beitrag. Die prominentesten unter ihnen: José Pemartín, J.H. Casariego, Manuel Machado, Gerardo Diego, Camilo José Cela, Victor de la Sema, Juan Antonio Zunzunegui, Joaquín Calvo Sotelo, Felix Ros, J.V. Puente, Juan Ignacio Luca de Tena. Im Beitrag Leóns Uber General Mola ist die traditionale Einheit Patria-Iglesia die dominante Bedeutungskomponente: »En aquellos cadetes, como Franco y Mola, que en tiempos tan desastrosos, abrazan la religión de las armas por vocación ascética, por tradición de raza y reacción contra el ambiente de bellaquería universal« (p. 113). Der Beitrag Celas folgt ebenfalls noch ganz dem Legitimationsmodus Tradition: »la bendición de Dios para Francisco Franco, nuestro Caudillo y Padre« (p. 183) und »tener casta ... es ... algo de lo más auténticamente español que nos va quedando, que quizás hayamos empezado ya a reconstruir; que es, apuradamente, algo de lo más ancestral, tradicional, de lo español; algo de lo que viene de más atrás.« (p. 187).

m bei Kriegsausbruch geweigert hatte, unterzutauchen und nun in einer Checa auf seine Hinrichtung wartet, vor dem Tode zu bewahren. Sie findet seinen Leichnam eines Dezembermorgens in einem Vorort von Madrid und stirbt an einer Herzattacke zu seinen Füßen, nicht ohne vorher in Reue zu Gott zurückgefunden zu haben: Crucificado en una encina estaba Pablo, casi desnudo, lleno de hielo y de sangre, con la cabeza caída con los brazos abiertos, atados a las ramas del árbol, y los pies al tronco ... Parecía el Cristo de Velázquez. ... Sintió Margarita como si el mundo entero, derrumbado de pronto, se le viniera encima y le aplastase el corazón. ... antes de nublársele los ojos y la conciencia, le fué dado ver y conocer, por el signo del Arbol de la Vida ... el misterio formidable de la Culpa que despeñó a los ángeles y a los hombres en los abismos del Mal, y la eterna victoria del Amor, más poderoso que el dolor, más fuerte que la muerte y que el infierno. ... Cuando el hermano de Benjamín y sus amigos acudieron al lugar de la tragedia ... ya Margarita estaba en la Verdad. (923) Nicht nur Antiheldin (Kommunistin bürgerlicher Herkunft) und Held (adeliger Traditionalist, Organisator der karlistischen Requetés, Freund von Onésimo Redondo und José Antonio) sind Personifikationen politischer Gruppierungen und Gesellschaftsschichten, auch die übrigen fiktiven Personen des Romans lassen sich unschwer als Sprachrohr für bestimmte politische Parteien und ihre Trägerschichten erkennen. Das Großbürgertum ist vertreten durch den Gelves-Clan: Doña Regla, eine Tante Margaritas von »santa estupidez« (800), ist eine typische »católica beata«, Gründerin des »Centro de Acción Social« (520); ihre Brüder Julian, Sozialist, der sich hinter der Fassade des romantischen Träumers als berechnender Materialist entpuppt (513), und Valentín, Margaritas Vater, Angehöriger des liberalen pro-republikanischen Finanzbürgertums (526), sowie der Gelves-Bastard Mateo Barquín, ein liberaler Republikaner mit den drei Idealen »Tanto por Ciento, la Casa Gelves»« y la República Federal« (821), der vermutlich für die Wählerschaft Azañas stehen soll. Sie alle repräsentieren die »Dekadenz« ihrer Gesellschaftsschicht, die schon von Foxá 1938 in Madrid de corte a cheka für die Eskalation der Zwei Spanien im Bürgerkrieg verantwortlich gemacht worden war. Hinter Fernando Pulgar, einem Studienfreund von Margarita, verbirgt sich der utilitaristische, ökonomisch orientierte Karrierist (585 ss.). Der positiv konnotierte Bruder Federico Gelves ist Falange-Mitglied (755) und Offizier des Afrika-Korps unter Franco. Margaritas Freundin Aida Ruysch, »burguesa anarquista« jüdischer Herkunft, ist »una de tantas infelices empañadas en romper con los valores eternos, sin los cuales la mujer sólo es una hembra, la sociedad una horda y la cultura un instrumento de barbarie« (592) und Rafael Morquecho, Liebhaber von Margaritas Mutter Magdalena, wird als intellektueller Liberaler, Laizist und Bohemien typisiert (534 s.). 88

Um seinen Lebensunterhalt zu verdienen, war León als Angestellter der Banco de EspaAa tätig. In der Aburteilung des Gelves-Clan hat er vermutlich eigene berufliche Frustrationen sublimiert.

221 Die Stigmatisierung des Bürgerkrieges als Vorwegnahme der Apokalypse, die laut neutestamentarischer Überlieferung in der Offenbarung des Johannes nach dem endgültigen Sieg über den Satan und Antichristen das Reich Gottes bringen soll, ist bereits im Titel des Romans angelegt und durchzieht den gesamten Text.»' Der Erlöser Jesus Christus steht synonymisch für das traditionale Spanien, durch dessen Wiedergeburt die Überwindung des Antichristen gelingen kann. Die historische Erzählerdigression in Abschnitt 1 des letzten Kapitels liest sich als Hymne auf traditionale Werte und Nonnen, der Putsch wird als »Reacción cristiana y apostólica frente a la rebelión de Satanás« (874) legitimiert. Das Wiederanknüpfen des FrancoRegimes an die spanische Imperialgeschichte ist ganz im Sinne des Autors: Volvían a florecer... los siglos de Reconquista y de Cruzada, las epopeyas de las edades juveniles de la Historia, las virtudes caballerescas de los antiguos capitanes y los famosos donceles, el honor, la fe, la lealdad, el entusiasmo, el sacrificio, todos los altos valores que dan precio y dignidad a la vida, nobleza y gloria a la sangre, belleza y santidad a la muerte.... Tornaba Mío Cid a cabalgar por tierras de Castilla.... Se repetían ... los episodios de abnegación y de grandeza estoica de la raza ... Tiene esta tierra, tienen sus madres y sus hombres unas raíces vitales, una virtud restauradora ... la España pobre movilizaba sus mozos y a falta de aviones, de fusiles y cartuchos, les armaba de fe, de tradición, de historia ... Ya era posible la Reconquista palmo a palmo de los solares perdidos.90 Ya se podía vencer al Anticristo rojo y a las potencias del dinero. (875,76) Ricardo León, der 21jährig den Verlust der letzten spanischen Kolonien miterlebte, sieht in der Erhebung Francos Spaniens Chance, durch die rückwärtsgewandte politische Utopie einer Reconquista die Niederlage von 1898 wieder gutzumachen. Einen 89

»Allí, donde cultivaron con lanía solicitud las flores más venenosas del Anticristo y la Antiespafia« (S39, zum Ursprung des Anarchismus in Asturien, zu Beginn des Jahrhunderts) »presunciones de Anticristo« (707) [14. April 1933:] »Espafla, a imitación de Cristo, desfallece en la cruz donde la tienen clavada« (747) [1934, Aufstand in Asturien:] Dem Kapitel »la mujer vestida de escarlata« wird ein Zitat aus der Offenbarung des Johannes vorangestellt: »... Vi a una mujer sentada sobre una bestia bermeja ... Y la mujer traía un vestido de escarlata ... Y en la mano un cáliz lleno de abominaciones ...« (767) [Frühjahr 1936:] »¡Ahora sí que se 'mascaban' en el aire los vientos apocalípticos!« (802) [Wahl Februar 36:] »Así paga el Diablo« (820) [Nach dem Putsch, Sommer 36:] »Los ángeles del Apocalipsis vertieron sus copas sobre el mundo« (870) »Mientras en la Espafla roja hacían explosión todas las cargas infernales de una revolución extranjera, obra de la chusma internacional y de los anticristos rusos, otra más profunda y poderosa rebelión se alzaba con imponente majestad« (874) »Esa religión de las potencias subterráneas y abismales, esa mística de alumbrados, de enfermos y poseídos, disfrazada de redención social, con que el Anticristo ruso quería imponer a los hombres la esclavitud de las tinieblas y el reinado de Lucifer, que es el peor de los amos y el más terrible de los ídolos.« (833) »Pablo, que siempre aborreció a los muelles, los egoístas y los tibios, a cuantos viven de espaldas al amor de Dios y las angustias del prójimo, vela en ellos, como San Juan en su visión profética, una de las razones principales del presente y doloroso apocalipsis.« (899) »¿Como extrañar que esas hordas ... que sólo saben de la Patria para maldecirla y de Dios para blasfemarlo, se abracen a Lucifer y a sus apóstoles?« (900) Die apokalyptische Vision wird auch in anderen BUrgericriegsromanen zum Ideologietransfer eingesetzt Cf. Bonás: Checas de Madrid (ed. 1963), p. 96 und Pérez y Pérez: El chófer de María Lia, p. 31.

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Im Beitrag Leóns über Mola in Laureados de España heißt es in wörtlicher Übereinstimmung mit obigem Zitat: »Aún era posible la Reconquista, palmo y palmo, del solar perdido.« (113) Ebenso an anderer Stelle in Analogie zu Cristo ...: »Revolución cristiana y apostólica frente a la revolución de Lucifer. Guerra de arcángeles contra las potencias del abismo.« (IIS, 16).

238 jesuitischen Freund von Federico Gelves läßt er über die Erhebung in Navarra am 19. Juli 1936 enthusiastisch verkünden: Nunca, hasta entonces, sentí con tal ímpetu militar y religioso la fuerza de la Tradición, la sacudida de esas raíces, que nos prenden a nuestro origen divino y a nuestro pasado histórico y nos empujan al más allá por encima del tiempo y de la muerte... (886) Vertreter des Siglo de Oro und der Mystik (530) auf der einen und Vertreter der Aufklärung (545) auf der anderen Seite werden als historische Vorläufer den sich im Krieg gegenüberstehenden faschistischen und antifaschistischen Intellektuellen des 20. Jahrhunderts und dem politischen System, für das sie sich engagieren, zugeordnet und kennzeichnen damit die Dichotomisierung der Kultur. Diese Zweiteilung sowie die Abrechnung in den historischen Erzählerdigressionen mit realen Politikern wie Azaña, Prieto oder Lerroux erfolgen in schlechter Analogie zu Madrid de corte a cheka von Foxá. Wie auch er wählt León für die Darstellung der republikanischen Krise vor dem Putsch der Militärs das biologistische Bild einer unheilbar Kranken, um die historischen Ereignisse anschaulich in seinem Sinne umdeuten zu können: La República fenecía a su vez tras cinco años mortales de hemorragias y delirios, convulsiones y vomitonas. Y aunque la enfermedad estaba tan a la vista, los doctores ... no acertaban a establecer el diagnóstico. Y las consultas médicas menudeaban más que nunca. (799) Una noche de aquel mes fatídico de abril ... le despertaron de madrugada para acudir en nuevo y urgente auxilio de la Enferma, ya de remate desde la última crisis bajo el terrible maleficio de aquellos dos presidentes - Azaña y Casares Quiroga -, sus verdugos. Cuando llegó el doctor Alegre ya era tarde. La pobre Niña se moría ... a chorros de sangre y cieno ... El entierro de la Niña fué el primero de mayo. ... A la cabeza del duelo iban ... los mismos que fueron parte al deshonor, enfermedad y muerte de la Niña. (801)91 Je mehr der implizite Autor in die durch den Erzähler beschriebenen politischen Ereignisse involviert ist, desto häufiger tritt der Dialog der Romanfiguren hinter rhetorischen Erzählermonologen zurück.' 2 Die archaische S p r a c h v e r w e n d u n g 9 3 unter91 92

Cf. Kapitel 5.1., p. 99f. dieser Untersuchung. Cf. besonders die nach Art der Romane des 19. Jahrhunderts eingestreuten historischen Episoden (722-747), die mit der eigentlichen Romanhandlung in keinem direkten Zusammenhang stehen.

93

»so pretexto«, »so capa de novela« (506,07), »so capa de religión« (511), »Ayudóla a bien morir« (509), um nur einige Beispiele zu nennen. »[H]ablando en seudo-castellano del siglo XVI, era incapaz de ver el presente con ojos críticos.... Lo inaceptable es trasponer a la narrativa de hoy el lenguaje místico de fray Juan de los Angeles. Inadmisible es también quera ser el 'prosista de oro, inimitable poeta de la tradición espaflola' que decían sus editores y escribir escenas de amor por la técnica del folletín más rastacuero.« (A. Iglesias Laguna: Treinta años, p.48).

239 stützt die Intention des Autors, einen historischen Roman traditionaler Prägung zu schreiben. Die Kreuzigungsszene am Ende der Romanhandlung steht als Symbol für das Ende des Bürgerkriegs, aus dem der Neue Staat unter der Vorherrschaft Francos »aufersteht«. Die christliche Metaphorik und Erzählersprache wurde nicht um ihres religiösen Gehaltes willen gewählt, sondern sie dient letztlich der Legitimation der politischen Herrschaft Francos als Repräsentant eines traditionalen Spanien (Primat Institution Staat vor Kirche). In den Normen der Institution Literatur unter den nach 1939 veränderten gesellschaftlichen Bedingungen glaubt Ricardo León seine eigenen traditionalen Sinnbedürfnisse wiederzuerkennen. Er, der jahrzehntelang aufgrund seiner unzeitgemäßen Romane als zweitklassiger Unterhaltungsschriftsteller im Schatten seiner berühmten Zeitgenossen publizierte, hofft nun, ebenso wie Pemán, als offizieller Staatsepiker anerkannt zu werden. Tatsächlich findet der Roman in den offiziellen Presseorganen ein überwiegend positives E c h o . 9 4 Natürlich bemüht man sich um die Popularisierung von Cristo en los infiernos, der aufgrund seiner absolut regimekonformen Bedeutungskomponenten, zudem aus der Feder eines Mitglieds der Real Academia, als Prototyp des traditionalen Romanes für die Ausprägung der Institution Literatur unter den veränderten politischen Bedingungen eine normative Funktion haben könnte. Die Strukturanalyse hatte bereits ergeben, daß sich in der Handlungsanlage Ähnlichkeiten mit Madrid de corte a cheka aufweisen lassen: Beide Romane versuchen eine Ursachendeutung des Bürgerkrieges aus nationalistischer Perspektive; die Übersteigerung der traditionalen Werte und Normen in Cristo en los infiernos sowie die Dominanz falangistischer Rhetorik in Madrid de corte a cheka enthüllen jedoch die Unterschiede in der politischen Position beider Autoren. Luis de Armiñán lobt Cristo en los infiernos als ersten spanischen Romanerfolg seit Madrid de corte a cheka, der als Alternative zu den stark rezipierten ausländischen Romanen in spanischen Übersetzungen zu gelten habe: Puede decirse que 'Desde Corte a Checa' [sic!] de Foxá, la novela española dormitaba. Un viejo la vivifica.... 'Cristo en los infiernos' ha producido ese milagro del éxito antes de ser conocida, que sólo tienen aquellos que por su historia y su genio pueden l o g r a r l o . 9 5 94

León hatte zu Lebzeiten mit allen seinen Romanen große Publikumserfolge erzielt, geriet aber schon bald nach seinem Tode in Vergessenheit »El tiempo no pasa en balde: en 1943 llegó a haber cola para comprar su última novela; en 1968 sus libros deben estar a la cola en cuanto a venta.« (A. Iglesias Laguna: Treinta años, p. 47; cf. auch losé Domingo: La novela española del siglo XX, II, p. 89 und J. Rodríguez-Puértolas: Literatura fascista I, p. 396s.) Allenfalls La familia de Pascual Duarte hat ab 1942 eine ähnlich starke Resonanz in der Literaturkritik wie Cristo en los infiernos gehabt. Zu den Rezeptionszeugnissen von Cristo ..., cf. das Literaturverzeichnis, p. 353f.

95

Rezension von Cristo en los infiernos in der Rubrik »Crónica de Madrid«, in: Diario de Barcelona (30.12.1942),

240 In La Región erscheint Anfang 1943 eine ausführliche Kritik, die besonders auf den patriotischen Gehalt und die Authentizität des Romans abhebt: novela de historia y de tesis ... no se cuenta la historia en frío, sino con el calor y la pasión de quien la ha vivido ... En todo momento, salvo lo que pertenece a la ficción novelesca, Ricardo León dice la verdad... esos hechos están reproducidos al vivo, con su acción y sus detalles, a la manera del poeta épico.96 Die autoritäre Form der Vermittlung durch einen kommentierenden, wertenden Erzähler würdigt der Rezensent ganz im Sinne der institutionalen Erfordernisse als angemessene Erzählstrategie für engagierte Romanliteratur: Además la gran tragedia está vista y referida por alguien que la ha sentido tan hondamente, que no puede, como en otras novelas modernas de tesis, dejar que los hechos hablen, o acogerse al subterfugio de hacer que los personajes hablan por él, sino que el mismo narrador habla y juzga y comenta.97 Der Romanstruktur angemessen, greift er erst in zweiter Linie die religiöse Bedeutungskomponente auf, die León qua Titel und Metaphorik zum Vehikel seiner patriotischen Sinnbedürfnisse gemacht hatte: Sobre todo, en 'Cristo en los infiernos', domina la gran idea cristiana de la expiación ... España ha sido sometida a una tremenda expiación, y es precisamente esta idea la que ha de salvarla, es decir, el reconocimiento del pecado y la enmienda de vida.'« Die Allusion auf historische Personen in der Zeichnung der Romanfiguren wurde vom zeitgenössischen Leser durchaus verstanden, wie die Konkretisation von V. Risco zeigt: Podríamos todavía estudiar tipos y personajes - Pulgarcito, el notabilísimo Mateo Barquín, Don Valentín Gelves, el campechano Doctor Alegre, Angel Ponce - y aún rebuscar su semejanza con numerosos actores reales de la política española de los últimos veinte años.99 Altersmäßig wäre Ricardo León zu der Schriftstellergeneration von 1898 zu zählen, allein seine reaktionäre, wenig resignative Haltung zur letzten großen Niederlage des spanischen Imperiums ließ einen Vergleich mit ihnen von jeher nicht zu: Si por la fecha de nacimiento León pudo pertenecer en calidad de benjamín poético a la generación del 98, por su espíritu se halla alejado diametralmente del

96 97 98 99

p.7. Vicente Risco: »Ricardo León. 'Cristo en los infiernos'«, in: La Región (Orense) (24.1.1943), p. 3. Ibid. Ibid. Ibid.

241

derrotismo, de la abulia, del criticismo, de la ideología nietzscheana de sus más conspicuos contemporáneos y mayores. 100 Das ambivalente Verhältnis der francospanischen Institution Literatur zu den modernistischen Schriftstellern der Jahrhundertwendei°i äußert sich in einigen Aktualisierungen von Cristo en los infiernos. Die reaktionäre Weltanschauung wird R. León gewissermaßen als Weitsichtigkeit ausgelegt, die ihn vor den zeitgenössischen Europeizantes auszeichne: Salida España de su ultimo colapso colonial, comenzó a bullir una aldeana comezón desmedida por todo lo imitable de fuera: se inventó el verbo 'europeizar*. ... En realidad, todo venía a resolverse en un escepticismo derrotista.... En medio de aquel pantano de la primera década del siglo había empezado a oírse una voz independiente, aún no fuerte, pero segura, que hablaba de Dios, pretendiendo conmover a su generación con los temas de la España católica y antañona. Apelaba a las viejas virtudes para salvar del caos la hora presente. ... El nuevo novelista, de eufónico nombre, Ricardo León, apartaba su vista de lo actual para acogerse al pasado.102 Cristo en los infiernos, »la obra [que] corresponde al cénit de una misión literaria«, wird demgemäß als modernes Kreuzzugs-Epos angepriesen, »siendo ... como una réplica moderna de la epopeya antigua«. In ähnlicher Weise versucht J.A. de Zunzunegui für die falangistische Leserschaft R. León als Alternative zu den unannehmbar gewordenen literarischen Vertretern der Generation von 1898 aufzubauen, indem er ihn als den »aktuellsten« seiner Schriftstellergeneration preist: Pérez de Ayala recama con exceso el idioma y crea sus caracteres y tipos con una fría y alquitarada inteligencia. ... 'Azorín' reproduce, pero no inventa. ... Baroja cae con frecuencia en un desaliño excesivo. Hay que llegar a Ricardo León para dar con el escritor y el novelista en una pieza, k» Seinen letzten Roman klassifiziert er in Konformität mit den politischen Anschauungen seiner Leserschaft als »novela políticosocial de nustra guerra«, ohne näher auf

100 Gerardo Diego: »La poesía de Ricardo León«, in: Cuadernos de Literatura Contemporánea 11-12 (1943), p. 382. 101 Elias Díaz markiert fünf Entwicklungsstufen der Rehabilitierung liberalen Gedankengutes im Nachkriegsspanien: 1. Costa und seine Anhänger 2. Die Generation von 1898 3. Ortega und seine Schüler 4. Krausisten und Institutionalisten 5. Republikanische Politiker und demokratische Sozialisten. (Notas para una historia del pensamiento español actual 1939-1975). Madrid: EDICUS A 21978 (Cuadernos para el Diálogo 65), p. 57). Aus der Institution Literatur zwischen 1939 und 1943 bleiben die 98er im allgemeinen noch ausgegrenzt. 102 Lope Mateo: »Ricardo León: 'Cristo en los infiernos'«, in: Arriba (31.1.1943), p. 5. 103 J.A. de Zunzunegui: »Literatura y Libros«, in: Vértice 63 (1943), s.n.

242 die Bedeutungskomponenten Moral, Religion, Verherrlichung aristokratischer Werte einzugehen. Der Klerus aktualisiert Cristo en los infiernos zunächst als christliches Romanmodell: Todo libro que, dentro de la justicia y sin olvidar la caridad cristiana, trata de refrescar la memoria de los españoles sobre los hechos sin nombre peipetrados en España por la revolución masónico-comunista realiza labor patriótica y de necesaria profilaxis social.1** Ein enger Freund von Ricardo León, der Franziskaner Juan Bta. Gomis, lobt 1944 Cristo en los infiernos als »eco sorprendente de las vibraciones más depuradas de nuestro Siglo de Oro«, ohne den Tod des Autors im Dezember 1943 auch nur zu erwähnen, obwohl er selbst die Totenmesse gehalten hatte. i°5 Cristo en los Infiernos es una obra cristianamente redentora. ... En ella, el genio hispano, católico, adquiere vibraciones y resonancias eternas.i06 Die Rezension von Padre Félix García in Ecclesia im Juli 1943 fällt ebenfalls positiv aus: Con realismo implacable van desfilando por estas páginas candentes hechos y personas que la garra del escritor apresa con seguridad y arte. ... El novelista que narra con abundante verbo, quizá con difusa elocuencia, cede a veces ante el orador que levanta su voz indignada desde la tribuna de la novela o ante el cronista minucioso que sorprende los hechos, los analiza con gráfica expresividad y aporta documentos humanos que sirven para darnos la tónica de un momento histórico. 107 Der Nekrolog des Literaturkritikers N. González Ruiz, der ebenfalls im offiziellen Organ der Acción Católica erscheinti08, würdigt Cristo en los infiernos als »la más madura, la más lograda y la más perfecta de sus novelas«, seinen Verfasser als »Gran católico, gran español, gran escritor«. Da setzt wenige Monate nach dem Tod von Ricardo León der Klerus plötzlich denselben Roman, den er vorher einhellig gelobt hatte, auf seinen Moralindex. In Ecclesia erscheint in der Rubrik »Consultorio bibliográfico« folgende Relativierung der bisherigen Pressereaktionen:

104 G.C.: »Ricardo León - Cristo en los infiernos«, in: Archivo Iberoamericano kaner) 10 (1943), p. 251.

(Historische Zeitschrift der Franzis-

103 »Ha muerto Ricardo León. El insigne novelista fue enterrado ayer humildemente, por disposición suya, en el cementerio de Torrelodones«, in: Ya (8.12.1943), p. 7 und 10. Weitere Nekrologe, cf. Literaturverzeichnis, p. 353. 106 Juan Bta. Gomis: »León (Ricardo), Crislo en los l/fternos«,

in: Verdad y Vida 5 (enero-marzo 1944), p. 242.

107 »Orientaciones bibliográficas. Ricardo León, Crislo en los infiernos«, in: Ecclesia Autor nennt fälschlichcrwcisc 1943 als Jahr der Erslcrschcinung. 108 »La obra literaria de Ricardo León«, in: Ecclesia 127 (die. 1943), p. 613.

103 (3 julio 1943), p. 22. Der

241 En Ricardo León ... hay que distinguir, tanto en su aspecto moral como en el literario, dos cuestiones: una, lo que se propone, su intención; otra, lo que consigue su esfuerzo, y si se apura el análisis, lo que en realidad obtiene, pese a la buena intención que nadie discute al finado académico. 109 Die Beschreibung der moralischen Zielsetzung des republikanischen Großbürgertums und des Adels - uneheliche Kinder, Ehebruch, Liebe vor der Ehe, materielle Berechnung, geheuchelte Gottesfurcht - war in ihrer bloßen Verbalisierung trotz der Intention des Autors, sie der Leserschaft zur Abschreckung zu präsentieren, zunehmend auf Kritik gestoßen. Die Unterscheidung zwischen Autorintention und Weikstruktur ermöglicht es dem Klerus, der nun nach dem Zusammenbruch des Faschismus seinen Einfluß auf die Institutionen Ehe und Familie, das öffentliche Erziehungswesen und die Literatur als institutionalem Ort, an dem die Sozialisationsfunktion der Familie gewissermaßen fortgeführt wird, ungehindert geltend macht, die Romanlektüre wegen amoralischer Ingredienzen seiner katholischen Leserschaft zu untersagen, ohne gleichzeitig den wegen seiner politischen Inhalte offiziell geförderten Schriftsteller pauschal aburteilen zu müssen. Mit dem Urteil »Peligrosa. Personas mayores de sólida formación moral y literaria« versehen, bleibt Cristo en los infiernos hinfort aus dem literarischen Kanon der katholischen Kirche ausgegrenzt. n o 6.2.5. Funktionsbestimmung der Texte Die Hypothese, daß Unterhaltungsromane mit Bürgerkriegsthema neben der partikularen in stärkerem Maße auf die universale Romanfunktion abheben, hat die Strukturanalyse der Einzelbeispiele bestätigen können. Historisch konkretisiert liegt ihr universaler Aspekt darin, die durch den politischen Umsturz und durch die kriegsbedingte normative Auszehrung bestimmte spanische Gesellschaft mit archaischen, dem Kontext der Feudalgesellschaft entstammenden Sinnpotentialen - katholischer Glaube, Tradition, Patriarchat - aufzuladen. Die Fragen an den Text lassen sich wie folgt zusammenfassend beantworten: 1. In noch ungebrochener Weise spiegelt ¡Quien sabe ...! von Carmen de Icaza die Position der Falange wider, die in dieser den Faschismus verherrlichenden Art und Weise nach dem sich abzeichnenden Scheitern der Achsenmächte im Zweiten Weltkrieg nicht mehr offiziell geduldet werden konnte.111 Der Roman von Fernández Hórez La novela número 13 reflektiert zwar kulturelle und politische Normen, die für Franco-Spanien konstitutiv sind (z.B. politisch: die anti-demokratische Haltung der 109 »Consultorio bibliográfico«, in: Ecclesia (1944), p. 685, im Wortlaut auszugsweise zitiert im Anhang »Kirchliche Zensur«, p. 342f. 110 Cf. die Rezension von Cristo en los infiernos in der »Semana Literaria«, in: Ecclesia (1944), p. 1045, sowie Maria Lázaro: Selección de Libros. (Juicio sobre ochocientas obras de actualidad), Valencia: Biblioteca y Documentación 1944, p. 155, abgedruckt im Wortlaut im Anhang »Kirchliche Zensur«, p. 344. 111 Im Mai 1941 zeigen Photos in der Frauenzeitschrift der Falange y Carmen de Icaza als spanische Gesandte des »Comité Internacional Alegría y Trabajo [= KdF]... en Berlin« (in: y 40 (mayo 1941) s.n.).

244 Romanhelden und kulturell: die anti-reformatorischen Bewertungen durch Erzähler und fiktive Personen sowie die Abwertung antifaschistischer Intellektueller und prorepublikanisch engagierter Literatur), auffallend ist jedoch die resignative Tendenz, mit der der Anhänger eines elitistischen Gesellschaftsmodells den Triumph des kapitalistischen Wirtschaftssystems voraussagt, und der bewußte Verzicht auf die Verwendung kirchlicher Werte und Normen zur Illustration der Bürgerkriegsschrecken. Fernández Flórez vermeidet eine erzählerische Abwertung realer republikanischer Politiker ebenso wie die Lobeshymnen auf die pro-nationalistischen Führerfiguren José Antonio und Franco. Die Kriegsmitschuld gibt er den demokratischen Nationen für ihre Appeasement Politics. Stark anti-kommunistisch ist El chófer de María Luz von Pérez y Pérez. Die ideologische Nähe der frühen Falange-Bewegung, insbesondere aber der J.O.N.S., zum Anarchismus erklärt vermutlich die positive Charakterisierung der anarchistischen Romanfiguren, die zu pro-nationalistischen Kämpfern bekehrt werden. Privatbesitz an Produktionsmitteln als ökonomische Basis des Staates wird hier als Folge der Fähigkeit des begabten Individuums legitimiert, während der stark anachronistische Roman von R. León, Cristo en los infiernos, das Finanzund Monopolkapital massiv attackiert. Auffallend an Cristo en los infiernos ist das Gebundensein an die Werte und Normen der Kirche, die, wie die Analyse ergeben hat, jedoch nur erzählerisches Vehikel sind, um die traditional-patriotischen Sinnbedürfnisse von Ricardo León zu legitimieren. Doch gerade dieser Roman, der in Inhalt und Ausdruck am konsequentesten traditionaler Herrschaftsbegründung folgt, wird ab 1944 durch die katholische Kirche gebannt. 2. Die Protagonistin im Roman von Carmen de Icaza hat scheinbar freie Entscheidungsmöglichkeiten, tatsächlich aber, das erweist der Handlungsverlauf, einen nur begrenzten Handlungsspielraum. Als politisch engagierte Falangisten bleibt ihr, vor die Wahl gestellt, lediglich der Verzicht auf privates Glück. Die Heldin beugt sich freiwillig einer politisch vorgegebenen »Ständeklausel«112, die eine Lebensbeziehung mit einem Regimefeind, wenn er dem spanischen Nationalismus gegenüber indifferent bleibt, untersagt. Die Hauptfiguren José Antonio und María Luz in der Novela Rosa von Pérez y Pérez haben ebenfalls keine normativen Probleme; ihre Handlungsentscheidungen werden als individuelle moralische Wertentscheidungen und nicht als Unterwerfungsakt unter vorhandene institutionale Normen dargestellt. Insofern die Helden scheinbar bürgerliche Selbstgesetzlichkeit reflektieren, dienen sie der ideologischen Herrschaftslegitimation. Tatsächlich nämlich fügen sie sich, in Übereinstimmung mit dem traditionalen Rollenmuster, in ihr Schicksal und üben Gehorsam gegenüber der höheren Gewalt, die sie von vornherein als sinnvoll akzeptieren. 112 Die Ständeklausel des Mittelalters und des Siglo de Oro, die den Aufstieg in eine höhere Gesellschaftsschicht, etwa durch Heirat, untersagte, wird hier filr politische Legitimationszwecke eingesetzt.

241 Angelegt als eine durch Rasse, Geburt, Erziehimg prädestinierte Anti-Heldin, erfolgt die Konversion der Romanfigur Margarita in Cristo en los infiernos, anders als in Madrid de corte a cheka, erst am Schluß der Handlung nach einem glücklosen Irrweg des weltlichen Satans durch die republikanischen Institutionen. Mit dem Sühnemotiv, durch Pablo versinnbildlicht, transponiert León die politische Schuldfrage in eine göttliche Ordnung, deren Rechtmäßigkeit als religiöse Norm irdischer Rationalität entzogen ist. Wie auch in den Romanen von Pérez y Pérez, Fernández Flórez und Icaza sind in Cristo en los infiernos für die pro-republikanischen Anti-Helden nicht politische Ideale, sondern persönliche Gründe wie Liebe, Rache oder Bereichungsgedanke politische Handlungsantriebe. Der politisch zunächst neutrale Detektiv Ring in La novela número 13 besteht unzählige Abenteuer in der republikanischen Zone. Die zunehmende Distanzierung von seiner ursprünglichen Beobachterrolle hin zu einem verbalen Engagement für die Sache der Aufständischen wird nicht durch Kritik an den republikanischen Menschenrechtsverletzungen, deren Zeuge er häufig werden konnte, sondern durch die Tierschlachtungen im hungernden Katalonien ausgelöst. Hier manifestiert sich der beißende Spott, mit dem der Autor die Appeasement Politics Englands belegt. Weder in Ring noch in Saldaña, dessen Konversion aus ökonomischen Gründen und weniger aus politischer Überzeugung erfolgte, finden wir den patriotischen Helden der übrigen propagandistischen wie sentimentalen Bürgerkriegsromane. 3. Die Ausdrucksweise unterstützt sowohl die partikulare Funktion der Herrschaftslegitimation als auch die universale Funktion als traditionaler Sinnspender für die durch den Bürgerkrieg ausgezehrte Nachkriegsgesellschaft. Der Erzähler von ¡Quien sabe ...! tritt zugunsten der Perspektive der Personen zurück, was ja der Strategie von Kriminalromanen entspricht, Spannung zu erzeugen. In den übrigen Beispielen (La novela número 13, El chófer de María Luz, Cristo en los infiernos) trifft man dagegen auf einen auktorialen Erzähler. Er ist, wie in allen für den Konsum bestimmten sentimentalen Romanen, die erzähltechnische Umsetzung eines inhaltlichen Anachronismus sowie einer Affirmation des gesellschaftlichen Status quo und erfüllt als Sprachrohr des impliziten Autors und als Träger des durch ihn repräsentierten Gesamtsinnes am ehesten die Funktion, rückwärtsgewandte soziale, ethische, religiöse Werte und wirtschaftliche und politische Normen der Franco-Diktatur einer möglichst breiten Leserschaft als Handlungs- und Sinnangebote zu offerieren. Entsprechend wählen Fernández Flórez und León eine überwiegend direkte und auktoriale indirekte Personenrede, um ihre didaktische Intention unvermittelter zum Ausdruck zu bringen^, während Carmen de Icaza, aber auch Pérez y Pérez, den inneren Monolog und die erlebte Rede als Kunstmittel zur Darstellung von Innerlichkeit nutzen 113 In Cristo en los infiernos treten die Personendialoge deutlich gegenüber der auktorialen indirekten Rede zurück, deren Wiedergabe sich häufig dem reinen prophetischen Erzählertext nähert.

246 und damit dem Geschmack und den Sinnbedürfnissen ihrer Leser entsprochen haben dürften (Primat Innerlichkeit vor Handlung). Diesen beiden Romanen des Novela Rosa-Genres liegt das Schema impliziter Autor = Erzähler = Protagonist zugrunde. Auf der Inkongruenz von Erzähler und Protagonist hingegen baut León seine Geschichte auf. Durch ironische Distanz und die Verschachtelung von zwei voneinander relativ unabhängigen Handlungssträngen mit den Protagonisten Ring und Saldaña drückt sich die Hierarchie der verschiedenen Seinsebenen in La novela número 13 aus: = Erzähler = Protagonist (Saldaña) impliziter Autor / Erzähler = Protagonist (Ring) Die Episodenreihung läßt La novela número 13 stark an die Pickwick Papers von Dickens erinnern. Der Humor dient in allen seinen erzählerischen Varianten in Kombination mit der Perspektivierung der »falschen Front« dem rational schwer kontrollierbaren Ideologietransfer. Alle Autoren setzen anstelle der Charakterzeichnung ihrer Personen ein Requisitenarsenal, um sie als Träger bestimmter Werte und Normen für den Leser zweifelsfrei erkennbar zu machen. Als Besonderheit gegenüber anderen Bürgerkriegsromanen dient die Dialektsprache in El chófer de María Luz nicht der Abwertung pro-republikanischer Personentypen, sondern der Darstellung authentischer franco-loyaler Dienstboten. Mit dieser Strategie will Pérez y Pérez sich offenbar diese Berufsgruppe als Leserschaft seiner Romane halten. Durch die bildhafte Bibelsymbolik erfolgt in Cristo en los infiernos die Zuweisung eindeutiger Wertungen zu den jeweiligen positiv bzw. negativ konnotierten Figuren. Die dominant gesetzten Isotopien »Christus« für das feudal-aristokratische Spanien und »Hölle« für den von den Republikanern zu verantwortenden Bürgerkrieg verhüllen letztlich nicht, daß das religiöse Sühnemotiv der patriotischen Sinnintention lediglich als Mittel zum Zweck diente. 4. Durch emotionale Identifikation der überwiegend weiblichen Leserschaft mit den Heldinnen in !Quien sabe .../ und El chófer de María Luz kann der Gesamtsinn des Textes residualideologisch angeeignet werden. In der Typisierung Margaritas als Abschreckungsbeispiel bietet Cristo en los infiernos den Leserinnen von Unterhaltungsromanen aus dem gesamten pro-franquistisch gesinnten Bürgertum Möglichkeiten, das eigene Rollenkorsett in Antithese zu diesem Negativbeispiel einer republikanischen Frau als sinnvoll zu empfinden. Die mögliche unterbewußte Identifikation mit den »Lastern« der Antiheldin als Befreiungsphantasie ruft freilich den katholischen Klerus auf den Plan, der die Romanlektüre insbesondere für die weibliche Jugend mit dem Verdikt der moralischen Sünde belegt. Der Rezipient in der Haltung des gläubigen Zuhörers soll sich mittels Perspektivierung der falschen Front und durch Reduzierung der historischen Widersprüche auf die beiden gegensätzlichen Familien der Gelves und Ayamonte den Sinn des Romanganzen aneignen, der in der Rückbesin-

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nung auf eine feudalstrukturierte Gesellschaftsformation besteht. Diesem Schema traditionaler Herrschaftslegitimation folgen auch die Romane El chófer de María Luz und ¡Quien sabe ...!. La novela número 13 nimmt in diesem Punkt ebenfalls eine Sonderstellung ein: In politischen, scheinbar rationaler Kritik zugänglichen Diskussionen der fiktiven Personen, erfolgt die Legitimation von Herrschafts- und Kommunikationsformen. Das kritische Vermögen der Leser wird allerdings durch das Kunstmittel humoristischer Darstellung der Episoden textimplizit behindert. In diesem Sinne wirkt der Roman ideologisch. Die Satire ruft durch Anprangern der Barbarei in der republikanischen Zone die Leser zu Richtern auf. Den Maßstab für richtiges gesellschaftliches Handeln sollen sie vermutlich in den Normen des Franco-Regimes sehen, das in der ersten Phase nach Kriegsende dem Bürgertum ein Garant für Ruhe und Ordnung ist. 5. In der Tradition der Novela Rosa stehen ¡Quien sabe .../ und El chófer de Maria Luz. Sentimentale Romane dieser Machart erfreuten sich schon vor Ausbruch des Krieges großer Beliebtheit bei ihren Konsumenten. Auch der Typus des Kriminalromans gehört in diese Gruppe institutional ausgegrenzter Gebrauchsliteratur und wird nun stärker rezipiert denn je. El chófer de Maria Luz repräsentiert den sentimentalen Roman in seiner reinsten Ausprägung, der nur oberflächlich mit Propaganda-Ingredienzen angereichert wurde, um trotz Bestehen der Institution Zensur weiter ungehindert auf dem Markt erscheinen zu können. Der Autor von La novela número 13, einem humoristischen, der Realismustradition des 19. Jahrhunderts verpflichteten Roman, rekrutierte seine Leserschaft schon vor 1939 überwiegend aus den Clases Medias, die Anfang der 30er Jahre, als die gesellschaftlichen Widersprüche in eine Revolution des Proletariats zu münden drohten, starke Befürchtungen um den Fortbestand des ökonomisch-sozialen, aber auch normativen Status quo hegte. Ricardo León, der ebenfalls in der realistischen Tradition steht und sogar als seine Vorbilder Daudet und Balzac nennt, beschreibt seine Ästhetik als arte moderno y clásico a la vez; idealista y realista juntamente. Es decir, íntegro, universal y humano. Libre y abierto a todos los influjos. Sensible a todas las hondas. Un arte para todos, para los selectos y para el vulgo, erudito y popular también. ... Ese realismo español que sublima las cosas más rudas y viles al tocarlas con la pluma y el pincel; que hace perenne lo fugitivo, estético lo feo, irónico lo triste, humano lo divino, y lo maravilloso familiar ... constituye la substancia de eso que llamamos clásico, de lo que a través de siglos y fronteras hace familiares, coetáneos y presentes a Homero y Shakespeare, Cervantes y Molière. 114 114

In: Juan del Arco: Novelistas

españoles,

p. 119.

248 Gerade weil sich Cristo en los infiernos an diesem Konzept orientiert, stößt er letztlich, wie auch andere realistische Romane, trotz seiner religiösen Symbolsprache, auf die Ablehnung der Kirche. 6. In ¡Quien sabe .../ haben die fiktiven Liebesromanzen und die Spionagegeschichte Vorrang vor der historischen Tatsachenwiedergabe. Die diskursiven Textstellen sind spärlich. Pérez y Pérez will historische Glaubwürdigkeit gegenüber seinen Lesern durch Schilderung und Bewertung der Ereignisse aus der Dienstbotenperspektive erzielen. Die Bürgerkriegsgeschehen sind gegenüber der fiktiven Histoire sekundär und werden gewissermaßen in Außenschau dargestellt. Der fast ausschließlich fiktionale Charakter von La novela número 13 entsteht durch die hyperbolisch gesteigerten Episoden. Reale Politikeipersönlichkeiten werden zwar namentlich erwähnt, jedoch nie in längeren Erzählerpassagen etwa bewertet. Die episodische Struktur des humoristischen Zerrspiegels deutet auf die Bedeutungslosigkeit der eigentlichen Histoire des Romans. Den Wahrheitsanspruch erhebt allenfalls Ricardo León. Dennoch ist Cristo en los infiernos nicht als fingierter Tatsachenbericht, sondern als melodramatischer Thesenroman einzustufen. Dafür spricht der stark diskursive Erzählstil (den er allerdings mit einigen Propagandaromanen teilt) und die Bindung der historischen Ereignisse an den privaten Raum der Familien Gelves und Ayamonte. 7. In beiden ideologischen Präsentationssystemen, der Unterhaltungs- und der Propagandaliteratur, erscheint als zentrales Problem die Thematisierung des Bürgerkrieges und die mit ihr verbundene systemkonforme Beantwortung der Schuldfrage sowie die Frage der Herrschaftslegitimation. Das Franco-Regime bemüht sich nach Kriegsende, letztlich im Dienste der Erhaltung kapitalistischer Wirtschaftsprinzipien, um eine Reaktualisierung feudaler Herrschafts- und Sinnstrukturen. In den Unterhaltungs- sowie Propagandaromanen finden diese Normen und Werte ihren Niederschlag in der Aufspaltung der fiktional umgestalteten Gesellschaft, die sich in der Herrschaft der Fähigsten über die Masse ausdrückt. Je nach politischen Vorzeichen sinkt sie in einem demokratischen System in blanke Barbarei ab oder ordnet sich in der Zone der Aufständischen der Herrschaft der dafür geborenen Elite willig unter, us Die Interessenharmonie einer hierarchischen Gesellschaft wird in der Propaganda- wie sentimentalen Romanvariante dem anarchistischen Klassenkampf gegenübergestellt. Zentraler Punkt zur Bekämpfung des liberalen Individualismus, aber auch des Sozialismus, ist in beiden Romantypen der Glücksverzicht und Verzicht auf Selbstverwiiklichung. Er wird insbesondere von der spanischen Frau verlangt, während die männliche Rollenerfüllung im soldatischen Kampf oder Märtyrertum liegt. Durch die Betonung von Kameradschaftlichkeit (männlich Rolle) und mütterlicher Affekte (weibliche Rolle) wird Liebe domestiziert. Gegenüber der klassischen Novela IIS Adaption der Staatsphilosophie José Ortega y Gassets.

249 Rosa verschiebt sich in den Romanen dieser Gattung mit Bürgeikriegsthematik die Handlung vom ausschließlich privaten Feld mehr und mehr auf das öffentliche. Noch konsequenter an der Kategorie Öffentlichkeit ausgerichtet ist natürlich der propagandistische Bürgerkriegsroman. Dementsprechend kreist in Propagandaromanen die Handlung um die Institution Staat, politische Gruppierungen und die Presse als Medium der politischen Öffentlichkeit, während in sentimentalen Romanen insbesondere die Institutionen Ehe, Familie, Kirche reaktionär aufbereitet werden. Eine Personalisierung und Subjektivierung der historischen und sozialen Ursachen des Bürgerkrieges verhindert in beiden Romantypen die Wahrheitsfindung. Beide folgen in unterschiedlich starker Ausprägung dem Legitimationsmodus Tradition. Formal ist im Vergleich zum fingierten Tatsachenbericht in den sentimentalen Romanen eine Abnahme expositorischer Erzählermonologe und theoretischer Dialoge beobachtbar (Ausnahme: R. León). Ansonsten gleicht sich beider Ausdrucksweise, mit der sie jedoch jeweils andere Inhalte wiedergeben und andere Leserbedürfnisse befriedigen. In allgemeinverständlicher, emotional gefärbter Sprache mit klassischen Kolportageelementen (Adjektivredundanz, klischeehafte Handlung, Scheinkonfliktlösung, typisierten Figuren) produziert die Novela Rosa kollektive Massenträume und dient durch Schöpfung sozialer Leitbilder der Verfestigung der im Franco-Regime repräsentierten Herrschaftsstrukturen. Die hohen Auflagen belegen ihren Publikumserfolg, der auch dann noch anhält, wenn die Autoren/-innen den spanischen Bürgerkrieg als Bühne für ihre klischeehaften Romanhandlungen wählen. Neben dem Wunsch nach Unterhaltung befriedigen sie das Bedürfnis nach Innerlichkeit und nach Evasion aus einer entbehrungsreichen Alltagswelt. In dem Maße, wie es auch populären Unterhaltungsschriftstellern wie Fernández Flórez oder León gelingt, ihre Romane auf diese Leserbedürfnisse abzustimmen, können sie darauf zählen, für ihre Romane mit Zeitgeschichtsbezug ein Publikum zu finden (Bestätigung des Erwartungshorizontes der Adressaten). Anders die rein propagandistischen Bürgerkriegsromane. Ihre Leserrolle ist, generalisiert gesprochen, Kampf, männliche Bewährung, politisches Engagement für die Aufständischen. Die Agression, die sie kanalisieren, mag während der Zweiten Republik und des Bürgerkrieges in Teilen des um seinen Status quo besorgten Bürgertums durchaus vorhanden gewesen sein; nach dem Sieg Francos über die Republik können diese Romane nur noch in dem Maße auf Publikumsresonanz rechnen, wie sie neben rein politischer Propaganda das Trachten der Sieger nach Rache und Vergeltung widerspiegeln. (So erklärt sich der Erfolg von Checas de Madrid.) La narrativa 'nacionalista' de la guerra civil refleja las inquinas, los temores y las esperanzas de su público natural; el manjar literario, en la novela, recoge el anecdotario sangriento de la vida en la España republicana. La burguesía conserva-

m dora, atemorizada, venga de esa manera los agravios inferidos por la 'horda' en los años frentepopulistas.116 Aus den inhaltlich unterschiedlichen Schwerpunkten erklärt sich, daß die Adressaten der sentimentalen Romane überwiegend Frauen sind, die Adressaten der fingierten Tatsachenberichte sich geschlechtsübergreifend aus dem gesamten Bürgertum rekrutieren. 8. Die Darstellung der Affektnatur in den sentimentalen Romanen, die nicht mit der streng moralischen Ausprägung der Öffentlichkeit übereinstimmt, führt zu ihrer offiziellen Bekämpfung durch die Traditionalisten und den Klerus. Sie bleiben trotz ihrer archaischen Inhalte nach wie vor aus der Institution Literatur ausgegrenzt. Die populären Unteihaltungsschriftsteller (León, Fernández Flórez, Espina, González Anaya et al.), die aufgrund ihrer auf Inhalts- wie Ausdrucksebene rückwärtsgewandten Romane bisher als zweitklassige Künstler im Schatten der zeitgenössischen »Achtundneunziger« produziert hatten, werden nun von der offiziellen Literaturkritik als Prototypen der neu etablierten Institution Literatur gefeiert. Der ab 1943 zunehmende Einfluß der Institution Kirche auf die literarischen Normen führt aber dazu, daß sowohl Barden des Franquismus wie León, dessen Romane in den Kanon offiziell geförderter Literatur aufgenommen wurden, als auch Autoren ausgegrenzter sentimentaler Romane wie Carretero den Rotstift des Zensors zu spüren bekommen. Wie neben der offiziellen Literaturkritik vor allem auch die Inhalte der Bürgerkriegsromane belegen, werden neben der moralisch nicht den Normen der Kirche gehorchenden Konsumliteratur vor allem pro-republikanisch engagierte, an den Normen einer bürgerlichen Öffentlichkeit orientierte Kunstprodukte ausgegrenzt.

116 Blanco Aguinaga, Rodriguez-Puértolas, Zavala: Historia social III. p. 61.

m 6.3. Durch Zensur behinderte Bürgerkriegsromane Durch die für Diktaturen charakteristische Wiedereinführung einer - gemessen an den Nonnen bürgerlicher Sinnkonstitution - archaischen Institution Zensur ändert sich der normale Kommunikationsprozeß zwischen Autor, Text und Leser erheblich. Häufig schiebt sich bereits in die Manuskriptabfassung durch den Schriftsteller die Kontrollinstanz in Form einer Selbstzensur, i Offensichtlicher und historisch rekonstruierbar ist jedoch die Art der Distributionsbehinderung, die die Leserkonkretisation des Artefaktes manipuliert, indem sie über die öffentlichmachung des Textes entscheidet bzw. durch Änderungsvorschläge oder Herausstreichung einzelner Textelemente in den Prozeß der Bedeutungskonstitution eingreift. Das Normengebilde der Institution Literatur entsteht nicht mehr in bloßer Dialektik von Autor, Werk und Rezipient in einem historisch wandelbaren gesamtgesellschaftlichen Kontext, sondern es wird von den Machtinteressen politisch dominanter Gruppierungen geleitet. Herrschaftssicherung bedeutet, daß Wandlungsprozesse einzelner Institutionen, wo sie nicht der Sicherung des Status quo dienen, unterbunden werden. Staat und Kirche teilen sich, wie in Kapitel 4.1. dargelegt, nach Kriegsende in einer Art Zweckallianz die Kontrolle der Öffentlichkeit, wobei, bezogen auf die Institution Literatur, der Staat auf die Überwachung der partikularen Romanfunktion abhebt, während die Kirche massiver auf die universale Dimension der Sinnkonstitution einzuwirken sucht. Aufgrund der erfolgten Distributionsbehinderung einiger zwischen 1939 und 1943 erschienener Bürgerkriegsromane verschiebt sich das Erkenntnisinteresse bei der Strukturanalyse und Funktionsbestimmung auf den genetischen Prozeß literarischer Kommunikation.2 Als Quelle dienen die Zensurakten aus dem Archiv des Kultusministeriums in Alcalá de Henares.3 1

M. Abellán: »Censura y autocensura en la producción literaria española«, in: Nuevo Hispanismo 1 (1982), pp. 169-180.

2

Genetischer Prozeß soll hier nicht im Sinne der strukturalistischen Methode L. Goldmanns verstanden werden, sondern als Entstehungsprozeß literarischer Kommunikation. Seitens der Literaturwissenschaft bzw. Literatursoziologie fehlen Studien, die die Distribution und ihre Behinderung in das (semiotische) Textmodell mit aufnehmen, wie dies für den Bereich der literarischen Rezeption in den letzten Jahrzehnten bereits geleistet wurde. Die Romangenese muß in Zukunft, wie schon Abellán erwähnte (.Sobre censura, p. 139), starker prozessual gesehen werden. Auch im historisch konkreten Falle der Institution Literatur in Franco-Spanien sollten literaturtheoretische Analysen diese Aspekte zcnsorischer Manipulation literarischer Kommunikation stärker als bisher berücksichtigen.

3

Über Monate versuchte ich vergeblich, Zugang zum Zensurarchiv in Alcalá de Henares zu bekommen, das die Unterlagen Uber die staatlich betriebene Distributionsbehinderung literarischer Kommunikation beherbergt und bis 1984 lediglich von M. Abellán konsultiert worden war. Aufgrund der bekannt gewordenen Falle von zensorischen Eingriffen in die Romane La familia de Pascual Duarte, La fiel infantería, La quinta soledad, Javier Marino und ¡Ay ... estos hijos!, die alle mehr oder weniger entfernt mit der unmittelbaren Bürgeikriegsbewältigung zu tun haben, vermutete ich die Existenz weiterer Bttrgerkriegsromane, die unter dem Stift des Zensors nie an das

252 Die staatliche Zensur reduziert sich nach der erfolgten Säuberung der Institution Literatur von republikanischem Gedankengut im Falle der pro-franquistischen Propagandaliteratur auf die Funktion regimekonformer Literaturkritik.4 Lediglich in dem autobiographischen Pamphlet El predestinado o el crimen de Valderrible führt die ästhetische Minderwertigkeit zu Streichungen am Text. La grandeza del nombre von Reyes Huertas, nach Äußerung des Verlegers J. Pérez Madrigal gegenüber Beneyto »formal, literaria y doctrinalmente ... irreprochable«^ ist zunächst von einer temporären Zurückstellung der Publikation betroffen: Geplant als Nummer 4 der Serie La Novela del Sábado, erscheint der Roman schließlich als Nummer 21. Auch hier kann nur vermutet werden, daß der Grund eher in der Verletzung der katholischen Moraldoktrin gelegen hat. Die Rezeptionsanalyse hatte bereits ergeben, daß der massenhafte Konsum der Novela Sentimental aufgrund ihrer teilweise erotischen Textkomponenten vom Klerus argwöhnisch beobachtet wird. So verwundert es wenig, daß in der ersten Phase nach Kriegsende besonders diese Romanvariante unter zensorischen Eingriffen zu leiden hat.« Moralisch anstößige Passagen oder Wörter werden aus Bea Martin: Un hombre para dos mujeres, vor allem aber aus den Novelas Rosas des »Caballero Audaz« herausgestrichen. Das erste Zensorurteil (29. Juli 1941) von Malas costumbres fällt negativ aus?, da der Zensor besonders den Anfangsteil wegen »tipos y ambientes Licht der Öffentlichkeit gedrungen waren. Darüber hinaus wollte ich die Zensor-Urteile und Manuskripte der Bürgeikriegsromane zwischen 1939 und 1943 einsehen, die mir auch im Falle pro-nalionalistischer Propaganda in Hinblick auf die geltenden insti tulionalen Normen interessant zu sein schienen. Erst durch die Vermittlung der Friedrich-Ebert-Stiftung erwirkte ich im Juli 1984 nach vorheriger Ablehnung meines Antrages durch die verantwortlichen Behörden die Genehmigung zur Konsultation vom spanischen Kultusminister Javier Solana. Dennoch, oder vielleicht gerade weil die Genehmigung des Kultusministers vorlag, wurde mir die Arbeit vor Ort derart erschwert, ja unmöglich gemacht, daß man von gezielter Forschungsbehinderung sprechen muB. Alle Dokumente, die man mir trotz meiner vorherigen Anmeldung erst in dem Moment herauszusuchen begann, als ich persönlich vorstellig wurde, und dann Uber Wochen brOckchenweise zur Verfügung stellte - es waren ohnehin sehr wenig -, mußte ich per Hand abschreiben, da mir das Photokopieren, Diktieren auf Band etc. verboten war (cf. Anhang 2 »Staatliche Zensur«, p. 299). Ich mußte mich verpflichten, die Zensornamen weder zu publizieren noch in meinen handschriftlichen Notizen zu erwähnen. Aufgrund des mangelnden Entgegenkommens der zuständigen Behörden habe ich keine Bedenken, an dieser Stelle wenigstens für die bekanntesten Romane die Anonymitat der Zensoren zu lüften, soweit ich ihre Namen ermitteln konnte: Cela: La familia de Pascual Duarie, 1. Zensor Leopoldo Panero und José Hernández Rubio, 2. Zensor no. 3 [NX.]. García Serrano: La fiel infantería, 1. Zensor Valentín García Yebra, 2. Zensor (ecclesiàstico): [N.N.]. Salazar Allende: Tú no eres de los nuestros, 1 .Zensor: L. Panero. Torrente Ballester Javier Marino, 1. Zensor L. Panero, 2. Zensor: J.M. Peña, 3. Zensor (ecclesiàstico): Andrés de Lucas. Zunzunegui: ¡Ay... estos hijos!, Zensor L. Panero. - Den freien Zugang zum Katalog, der die Dokumente der frühen Franco-Phase nachweist, konnte ich bis zum Schluß nicht erwirken, so daß ein wesentlicher Teil meiner Hypothesen, die die nie veröffentlichten Romane jener Jahre betreffen, weder bestätigt noch falsifiziert werden konnte und ich mich in diesem Kapitel nur auf die schon erwähnten, vor dem Zensoreingriff bereits publizierten Romane stützen kann, die in erster Linie an der kirchlichen Zensur gescheitert waren. Für weitere Forschungsvorhaben aber die literarische Zensur sei auf die erhellenden Ausführungen von M. Abellán (»Acotaciones al fenómeno censorio«, p. 343, Anm. 1) verwiesen, der dort das Verhalten der Archivare kritisiert, die mit zweierlei Maß messend unlängst der Sensationspresse (Cambio 16) eine Bilddokumentation ermöglichten, während sie Wissenschaftlern den Zugang gezielt erschweren. 4 5

Cf. M. Abellán: Censura y creación literaria, p. 159. Cf. Anhang 2 »Staatliche Zensur«, p. 481.

6

Einziges Beispiel aus der Gruppe sentimentaler Romane mit Bürgerkriegsthema für die Streichung eines politischen Textelementes ist das schon erwähnte Werk El chófer de María Luz von R. Pérez y Pérez. Cf. Anhang 2 »Staatliche Zensur«, Zensurakte Carretero.

1

251 de completa depravación y ausencia de moralidad« verwerflich findet. Aus diesem Grunde wird, wie immer in solchen Fällen, ein zweites Gutachten, vermutlich von einem kirchlichen Zensor, erstellt. Die Streichungen am Original von Malas costumbres erhöhen sich im zweiten Urteil von zwei auf acht Textstellen. In der Schilderung der Einzelschicksale der Protagonisten vergesse der Autor »un tanto de nuestro movimiento y de las causas que los motivaron«8. Arias Salgado gibt am 11. Juni 1942 den Beschluß über die Zurücknahme der Edition bekannt »por estar en contraposición con el Decreto de 23 de Diciembre de 1936«9. Die Romane El dolor de las caricias, El divino pecado, Amor de media noche. Revelaciones de un espejo mundano werden ebenfalls nachträglich »por no estar autorizadas con arreglo a lo dispuesto en la O. de 29. de Abril de 1938«io aus dem Verkehr gezogen. ii Während der zweite Band der Trilogie ¡Si tú supieras! ohne Streichungen die Zensurbehörde passiert, - el clima moral de la novela es el acostumbrado de este autor, pero bastante atenuado -12 muß Tania, la mujer nueva wieder zensorische Eingriffe hinnehmen.13 Die Bezeichnung »influicioso« für Tito Alvaro als indirekter Hinweis auf die korrupte spanische Gesellschaft wird aus dem Text herausgestrichen, M Die Bedenken der Kirche gegen Autoren wie Carretero tauchen unverblümt in den Buchbewertungen der Orientaciones Bibliográficas auf: No se trata de restablecer la Inquisición - aunque no estaría mal, para poner muchas cosas en su punto -... Se trata... de apuntar unas observaciones ingenuas, que quizá puedan servir de voz de alerta para las gentes de buena fe ... ¿Como en esta hora afanada de reconstrucción y depuración ... se siguen vendiendo y anunciando novelas como las de 'El Caballero Audaz', ese abastecedor de pornografía en España, que ahora continúa colocando al lado de otros libros, con que intenta la mercantilización de lo patriótico?is 8

Cf. ibid., Urteil vom 15.8.1941.

9 10

Die Verordnung ist im Wortlaut im Anhang 2 »Staatliche Zensur«, p. 328f. wiedergegeben. Verordnung zitiert im Anhang 2 »Staatliche Zensur«, p. 329f.

11 12 13 14

Cf. Anhang 2 »Staatliche Zensur«, Zensurakte Carretero. Ibid. Ibid. Eine Rezension des Romans in der popularen Wochenzeitschrift Domingo mit einer Uberwiegend weiblichen Leserschaft illustriert die Diskrepanz zwischen offiziellen Normen der Moral und Rezeptiotisbedürfnis der Leserschaft. An dem futuristischen Frauenbild moniert der Rezensent lediglich die unweibliche Kleidung der Protagonistinnen: »Tania y Paloma - aunque esto suceda en el aflo 1960 - nos agradarán más con alegres vestiditos que luciendo pantalones, por muy coquetones que ellos sean« (A. Caballero Audaz: »Tania, la mujer nueva«, in: Domingo 305 (20.12.1942), p. 6).

15

P. Félix García: »¿Por que son mejor recibidos los náufragos de la fe que los que en ella persevaron?«, im Ecclesia (1943), p. 213.

254 Politische Gründe, und nicht Motive der Moral, führen 1943 zur Zurücknahme der Publikationsgenehmigung für La quinta soledad, dem Erstlingswerk des falangistischen Gründers der poetischen Zeitschrift Garcilaso. In einer kommentierten Zweitausgabe von 197316 schildert Pedro de Lorenzo den Weg des Romanes durch das Dickicht der politisch kontrollierten Institution Literatur. La quinta soledad bezieht sich in Ergänzung der Cuatro Soledades von Góngora auf die Einsamkeit des Gefangenen. Über den Grund oder Zeitpunkt der Gefangenschaft erfährt der Leser nichts. Der Roman, den man treffender als Poema en Prosa klassifizieren könnte, läßt sogar offen, ob der Gefangene zuletzt schläft oder stirbt. Im Herbst 1942 präsentiert Lorenzo La quinta soledad der Censura Previa17, die die Publikation genehmigt. Nach der Drucklegung und noch vor der Distribution der Ausgabe durch den Buchhandel erhält der Autor am 31. August 1943 einen Brief von José García Nieto, Mitherausgeber der Ediciones Garcilaso, die La quinta soledad verlegt hatten: Malas noticias. Me han mandado recoger tu novela y hay orden de no publicar nada tuyo. ... Por lo visto el prólogo de tu novela ... ha abierto los ojos sobre algunas cosas y hay informes malos tuyos que yo desconozco. ... Aparicio1« ha estado cordial, pero un poco seco conmigo. Ya al final, después de yo darle argumentos, me ha dicho: 'No, no; en el mejor de los casos eso es una chiquillada que no debía haber hecho'. Se refería, claro, a la publicación de LA QUINTA SOLEDAD. Y añadió: ¡'Y ese prólogo, ese prólogo ...!'... Me han quitado tu original de Garcilaso y también el anuncio de LA QUINTA SOLEDAD, w Die zeitliche Konkretisierung der Abfassung im Vorwort von Francis de la Asunción hatte zu der politisierten Konkretisation des Artefaktes durch den Pressechef geführt: Al presentar esta novela, escrita por Pedro de Lorenzo, ante mis propios ojos, en los primeros días de marzo de 1939, debo exponer brevemente los motivos que provocan la edición.... LA QUINTA SOLEDAD, que es la única obra autorizada 16

Madrid: Sala Ed. 21973. Die stilistischen Änderungen gegenüber der Edition von 1943 läßt der Autor in seinem Kommentar leider unerwähnt (cf. La quinta soledad, Madrid: Garcilaso 1943).

17

Expediente nüm. 6-685/9643 vom 29.10.1942. Trotz dieser exakten Angabe seitens des Autors war es mir unmöglich, der erwähnten Zensurakten in Alcali habhaft zu werden. Wesentliches Material aus den frohen Jahren ist angeblich verloren gegangen. Es sei an dieser Stelle hinzugefügt, daß nicht nur politische Gründe für die lückenhafte Dokumentation verantwortlich sind, sondern auch die Gleichgültigkeit der Archivare, die zu einem jahrzehntelangen Schlendrian geführt hat, der sich nun ohne Investition größerer Summen für geschultes Fachpersonal nicht mehr beheben laßt. Mit einer lückenlosen Bestandsaufnahme und Herausgabe einer Bibliographie sämtlicher noch vorhandener Dokumente mit Standortnachweis dürfte in den nächsten 10 bis 20 Jahren wohl nicht zu rechnen sein. Schon jetzt fehlen Dokumente, die von anderen Wissenschaftlern oder Schriftsteilem andernorts zitiert werden, und es liegt der Verdacht nahe, daß insbesondere die Schriftsteller selbst,.die wie Cela oder Lorenzo zensorisch tätig waren, sich wichtige Dokumente (zumindest die eigenen Romane betreffend) widerrechtlich angeeignet haben. (Cf. M. Abellän: Liieratura, censura y moral, p. 168). Juan Aparicio ist zu dem erwähnten Zeitpunkt Delegado Nacional de Prensa. Er ist für die Rücknahme des Romans verantwortlich.

18 19

z i t nach Pedro de Lorenzo: La quinta soledad, 21973, p. 118.

251 por el autor para publicarse hoy, como representativa de aquel momento de formación dura y amplia fecundidad que se cierra en el verano de 1939.20 Pedro de Lorenzo, der in der ersten Phase nach Kriegsende selbst als Zensor arbeitete, macht in der Zweitausgabe des Romans Andeutungen über die Zensorurteile, die darauf schließen lassen, daß er selbst die Dokumente eingesehen, wenn nicht sogar in seinen Besitz gebracht hat: Interesante - no por LA QUINTA SOLEDAD, libro nada pretencioso; por el clima de la época -, sería ver el expediente de censura: los informes, de Maravall y de Leopoldo Panero, las notas - '¿Cuenta cómo fue detenido por las fuerzas nacionales?' - de apremio político, los archivos; en fin ...21 Die erwähnten Urteile von Panero und Maravall zitiert Martínez Cachero, ohne zu erwähnen, wie sie in seinen Besitz gelangten: Había pasado a lector - Leopoldo Panero - el 31-X; Panero informó así: Valor literario: Suficiente. - Observaciones: Novela de buena calidad literaria, ambiente provinciano y desarrollo lírico, con influencias estilísticas muy acusadas de Gabriel Miró, que le dan a su prosa timbre poético; sus valores principales son por lo tanto estéticos. Puede, desde luego, a u t o r i z a r s e . 2 2 Die Gegenprobe zur Beurteilung der politischen Bedeutungskomponente von La quinta soledad stammt von José Antonio Maravall: Desde el punto de vista político que se interesa, nada de particular. ... Sólo el pequeño capítulo de las páginas 51-53 permite deducir que se trata de un detenido en zona nacional, sin dar a esto ninguna significación política. En todo caso, quitando estas páginas, o incluso solamente las líneas señaladas, ya no quedaría nada sobre qué llamar la atención.23 Das erwähnte Kapitel (VI: Reja) scheint mir ebensowenig einen Hinweis auf die Referenzialisierbarkeit des Ortes der Gefangenschaft zu geben wie das letzte Kapitel XX: La carta, in dem der Ehefrau von Pedro Mora seine Freilassung angekündigt wird: Dice el reverso: 'Media filiación que se cita: Nombre: Pedro Mora. Edad: 28 años. Estado: Casado. Naturaleza: Villena, Provincia: Idem. Ojos: Claros. Cabello: Liso, castaño. Profesión: Periodista.24

20

La qu¡nta soledad, 1943, pp. 11,12.

21 22

La quinta soledad, 21973, p. 129. Zit. nach J.M. Martínez-Cachero: La novela entre 1936 y 1980. Historia de una aventura. Madrid: Castalia 31985, p. 105. Ibid., p. 106. La quinta soledad, 1943, p. 137.

23 24

m. Aus den Personalien kann man allenfalls deduzieren, daß Pedro Mora aus dem ehemals republikanischen Alicante s t a m m t . 2 5 Zensorische Eingriffe erleidet zur selben Zeit auch der mit La quinta soledad themenverwandte Erstling von Cela, La familia de Pascual Duarte26, der später als ein Werk in die Literaturgeschichte eingehen wird, das nach den »Jahren des Schweigens« den literarischen Neubeginn einläutete. Die Erstausgabe mit einer Auflage von 3.000 Exemplaren wird aufgrund des Urteils von Leopoldo Panero genehmigt27, die Neuauflage dagegen im Dezember des darauf folgenden Jahres vom Verkauf zurückgenommen und der Vertrieb verbliebener Exemplare der Erstausgabe ebenfalls untersagt.28 Erst im Juni 1944 wird eine auf 300 Exemplare limitierte Luxusausgabe unter Rücksprache mit Arias Salgado genehmigt, allerdings »sin nueva publicidad y una vez que se cumplan los trámites establecidos«29. Auf Anordnung von David Jato, dem Delegado Nacional de Propaganda, werden im Dezember 1944 zwei neue Zensorurteile angefertigt, von denen eines aus der Feder eines Asesor Eclesiástico und das zweite von dem staatlichen Lektor No. 3 stammt. Über Inhalt und Autorschaft fehlte in Alcalá de Henares jede Spur. Ersatzweise von Interesse ist in diesem Zusammenhang das Gutachten über La familia de Pascual Duarte in Ecclesia30, das den Roman weniger aufgrund unmoralischer Textstellen als vielmehr global wegen des »abstoßenden« Realismus, »contagiad(o) del fatalismo ruso« als »dañosa para la generalidad« einstuft, wenn auch der literarische Wert des Werkes nicht bestritten wird. Die Rekonstruktion der Romangenese von ¡Ay ... estos hijos! erweist sich aufgrund der lückenhaften Quellenlage im Zensurarchiv ebenfalls als schwierig. Unklar bleibt, ob Zunzunegui bereits 1943 das Kapitel über das Treffen von Luis mit der Sozialistin3i in seinen Roman einfügen wollte oder ob die 1950 der Zensurbehörde eingereichten Manuskriptseiten tatsächlich erst 1950 abgefaßt worden waren. Inhaltlich ergeben sich gewisse Parallelen zu dem Roman Javier Mariño von Torrente Ballester, der im Anschluß an die Strukturanalyse von La fiel infantería ebenfalls in seinem genetischen Prozeß rekonstruiert werden soll.

25

26 27 28

29 30 31

Bezeichnenderweise fehlt der Absatz über die Angabe der Personalien in der Ausgabe von 1973 (100), die ohnehin stilistisch und durch Änderung der Kapitelanordnung so stark modifiziert wurde, daß man im Grunde genommen von einem neuen Artefakt gleichen Titels sprechen muß. Durch die vom Autor vorgenommenen Textändenmgen ist die Ausgabe von 1973 als kritische Edition wertlos. Madrid: Aldecoa 1942. Cf. Anhang 2 »Staatliche Zensur«, Zensurakte Cela. Verantwortlich für die Zurücknahme der Publikationsgenehmigungen von La fiel infantería, Javier Marino und La familia de Pascual Duarte im Januar 1944 ist Arias Salgado, der Vicesecretario de Educación Popular. Cf. die interne Benachrichtigung vom 7.1.44 von B. Romero an David Jato, abgedruckt im Anhang 2 »Staatliche Zensur«, Zensurakte García Serrano, p. 313. Anhang 2 »Staatliche Zensur«, Zensurakte Cela, p. 307. Cf. Anhang 3 »Kirchliche Zensur«, p.340f. Die Episode, die sich auf pp. 441-454 der Edition von 1959 befindet, fehlt in der Ausgabe von 1943 (p. 366). (Cf. Anhang 2 »Staatliche Zensur«, Zensurakte Zunzunegui, p. 325).

257 6.3.1. Scheitern an den kirchlichen Normen der Moral: La fiel infantería (R. Garcia Serrano) Der 1943 erschienene Roman La fiel infantería ist nicht das erste literarische Werk des Autors über die Falange-Jugend, zu der auch er sich zählte.32 Schon Eugenio o la proclamación de la primavera, ein episches Gedicht33 über die politisch bewegten zwölf Monate von Mai 1935 bis Mai 193634, ist ein Manifest der politischen und kulturellen Metaphorik des spanischen Faschismus.35 Als eine politische Minderheit aus dem studentischen Milieu und zumeist großbürgerlicher Herkunft, sehen diese Jugendlichen unter der Führerschaft von José Antonio Primo de Rivera während der Phase der Zweiten Republik im Falangismus eine revolutionäre Bewegung, die Spanien erneut imperiale Geltung verschaffen will. Die in Eugenio als Bedeutungselemente dominant gesetzten Ideale der Falange sind, umgesetzt in eine stark emotionale Sprache, Ausdruck der Reaktualisierung eines vorbürgerlichen traditionalen Modus von Herrschaftslegitimation.36 Der Heldengesang mystifiziert Eugenio, der bei den studentischen Unruhen auf dem Campus den Tod findet, als Archetyp der politisch noch unbedeutenden Falangejugend: Somos jóvenes, elementales, orgullosos, católicos y revolucionarios.37 Die 1936 als freiwillige Soldaten kämpfenden Falangisten sind der kollektive Protagonist des zweiten Romanes von García Serrano, der im Herbst 1943 von der Editora Nacional herausgebracht wird. Dieser staatliche Verlag, der 1941 die Ediciones Vértice ablöst38, bemüht sich um die systematische Förderung junger Schriftsteller, deren Funktion es sein soll, das kulturelle Vakuum normativ zu füllen, d.h. zur Etablierung einer neuen regimekonformen Institution Literatur beizutragen.39 Neben einem offiziellen Publikationsprotektionismus für regimekonforme Schriftsteller wirkt es sich für La fiel infantería ebenfalls werbewirksam aus, daß der Roman kurz nach der Veröffentlichung mit dem Premio Nacional de Literatura »José Anto32

Rafael García Serrano (geb. 1917) war als Student der Geisteswissenschaften zunächst Mitglied der pio-republikanischen F.U.E. (Federación Universitaria de Estudiantes) und trat, nachdem er wegen seiner faschistischen Ansichten ausgeschlossen worden war, der Falange bei. Er ist der faschistischen Ideologie bis heute treu geblieben, wie zahlreiche Artikel in der Tageszeitung El Alcázar belegen.

33 34

Spuren desselben lyrischen Stils finden sich noch fünf Jahre später in La quinta soledad von Pedro de Lorenzo. Cf. G. Gómez de la Sema: España en sus episodios, pp. 153,54.

35

Cf. E. de Nora: La novela española contemporánea III, p. 89 und J. Rodrfguez-Puértolas: Literatura fascista I, p. 237. Die Sprache der Falange bezeichnet Mermall als »hardly one of reason and restraint« (T. Mermall: The Rhetoric of Humanism, p. 19). Vorwort von Rafael Garcia Serrano: Eugenio o la proclamación de la primavera. (Bilbao:) Ed. Jerarquía 1938. Die Vermeidung einer falangistischen Symbolsprache im Verlagsnamen spiegelt erneut den Machtverfall der Falange innerhalb des Movimiento wider.

36 37 38 39

Cf. J.M. Martínez-Cachero: Historia de la novela española entre 1936 y 1975, pp. 59, 60. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung von La fiel infantería wird der Verlag allerdings bereits von Pedro Laín En traigo geleitet, der gemeinsam mit anderen »liberalen« Falangisten um eine gewisse Öffnung der normativ rückwärtsgewandten Institution Literatur kämpft.

258 nio Primo de Rivera« ausgezeichnet wird, der in jenem Jahr für den besten Nachkriegsroman ausgeschrieben worden war. Ich habe eingangs (Kapitel 4.4.1) schon auf die staatliche Variante literarischen Mäzenatentums verwiesen: Die gesamte Institution Literatur wird durch die Vergabe werbewirksamer Preise manipuliert: Premios - y libros y autores premiados -, editoriales y colecciones, páginas de diarios, semanarios y revistas, entidades oficiales y sus directores (que pueden aparecérsenos como manipuladores de la actividad intelectual y literaria), tienden a dar la impresión de que las aguas han vuelto a su cauce después de la sangrienta inundación reciente y de que ... ha comenzado con firme paso la tarea continuadora y de reconstruccion.40 Das Thema des Romans klingt bereits unmißverständlich im TiteHi an: freudiger Opfertod der spanischen Infanteristen für das Vaterland. Aus der Perspektive der drei Soldaten Miguel, Matías und Ramón vermittelt der Frontroman Eindrücke über die ersten Monate des Bürgerkrieges. Den ersten Abschnitt »La columna del 19« bilden fingierte Aufzeichnungen des Kameraden Miguel, der von der ich-hier-jetzt-origo im Nachkriegsspanien42 über seine Erlebnisse an der Front bei Somosierra im August 1936 berichtet. Eingestreute Rückblenden in die ersten Tage nach dem Putsch handeln von der Mobilmachung der Freiwilligen in Pamplona. Zu ihnen zählt neben dem Erzähler auch ein gewisser Mario, der sich nach und nach zum eigentlichen Protagonisten des ersten Romanteils entwickelt. Einer der erzähltechnisch evidenten Mängel des Romanes besteht in einer vorübergehenden Ablösung des auktorialen Ich-Erzählers durch einen personalen Erzähler. Er gibt in der dritten Person in Rückblenden - nicht etwa aus der Sichtweise des erzählenden Miguel, sondern aus der Perspektive Marios dessen Erlebnisse und Gedanken sowie seine unmittelbar vor Kriegsausbruch erfolgte Konversion von politischer Indifferenz zum engagierten Falangismus überwiegend in erlebter Rede wieder (715), springt aber auch zurück in die Frontrealität in Somosierra und berichtet gewissermaßen parallel zum Ich-Erzähler Miguel: Miguel, Aug. 36, Somosierra (7):

40

41

»Cuando a mí se me llevaba el sueño, todavía tenía Mario los ojos abiertos, grandes, Encima, las eternas estrellas ... x x x

J.M. Martínez-Cachero: Historia de la novela española entre 1936 y 1975, p. 61. Der Titel entstammt einer offiziellen Hymne der Infanterie »pues aún te queda la fiel Infantería/que, por saber morir, sabrá vencer« (cf. La fiel infantería, M973, p. XXII und E. de Nora: La novela española contemporánea

m,p.91).

42

»Por eso se nos hacia larga la espera a ochenta kilómetros de la capital. Y hablan de pasar casi tres altos para que alcanzásemos la presa.« (La fiel infantería, *1973, p. 49. Ich zitiere nach dieser Ausgabe.)

259 Rückblende Mario, Como la tarde estaba serena y amable, Mario prefirió marchar a Juli 36, Pamplopie ... Era entonces cuando la ciudad no tenía ningún pecado ... na (7,8): Realmente en Mario estaban influyendo demasiado sus amigos. A veces hasta pensaba en hacer versos. Todo un día estuvo enredando con un endecasílabo que le saltó al camino, redondo y suavísimo: por el aire liviano de la tarde. (Claro está que Mario no podía encajarlo, por ejemplo, en un terceto. Pero el endecasílabo le parecía cada vez más bello y creía en su creciente orgullo que eso era él, el endecasílabo ... sin ajustarse, ya medida, a un sistema, a una arquitectura.... Mario, Aug. 36, - Eh, tú, Mario, despierta. - Ya estoy despierto. No he podido Somosierra (11,12): dormir. ... Mario empezó su guardia oteando, en pie; estaba la noche para pensar.... Rückblende Mario, Pamplona (13,15):

... él ya se iba redimiendo desde aquella mañana que recordaba como suya, poique desde dos días antes databan su conversión y su ansiedad de combate.... Fueron aquellas siete de la mañana las horas más gloriosas que jamás vio el cielo despejado.

Bericht Ich-Erzäh- Yo mismo me desperté con el sobresalto de la hora. Mi reloj ler Miguel, Aug. 36, marcaba la del relevo de Mario.« Somosierra (15): Die Episode wäre ohne die Einleitung des in Ich-Form berichtenden Miguel glaubwürdiger gewesen. Ohne jede Verbindung zum ersten Teil folgt in dem kurzen zweiten Abschnitt »Invierno« der Erlebnisbericht von Matías, der, rückschauend vor seiner Abkommandierung an die Front, über seinen Dienst an der spanisch-französischen Grenze im November 1936 erzählt. Während eines Heimaturlaubes trifft Matías einen alten Lehrer, einen zum Nationalismus konvertierten Liberalen: De golpe, comprende que los niños se le escaparon de las manos, se le hicieron hombres, otros hombres distintos de los que él quiso. Se derrumba su vida a mis plantas, le brillan los ojos cuando me coge la mano tímimamente entre las suyas y me la va oprimiendo, confiándose - se le borra el miedo y le nace la paternidad en la boca -, hasta hacerme daño. Me da lástima. - Tenían ustedes razón. (77) Die Szene ist wie in Im Westen nichts Neues eine Anklage gegen die ältere Generation, hier allerdings unter politisch umgekehrten Vorzeichen: Während der Erzähler als Sprachrohr Remarques den Eltern und Lehrern die Schuld dafür zuweist, die Jugend mit chauvinistischen Reden in den Weltkrieg getrieben zu haben, wirft der im-

26Q_ plizite Autor García Serrano, der sich hinter dem Protagonisten verbirgt, dem Bürgertum politische Gleichgültigkeit und Opportunismus vor, wie der Gedankenbericht von Matías illustriert: - En efecto, señor profesor, teníamos razón; pero su sabiduría y el cuento ese de la experiencia de los años le han costado una pierna a mi camarada. Una pierna parece poco pensando en los miles que mueren, pero párese a meditar un momento y comprenderá todo lo enorme del sacrificio. Resulta más cómodo arrepentirse que perder una pierna por convencer. De gallardía no hablemos. Y usted, señor profesor, ya no me da tanta pena. (78) Die »Antwort auf Remarque« durchzieht den gesamten Roman. Eine direkte Absage erteilt der implizite Autor dem Anti-Kriegsroman Im Westen nichts Neues bereits im ersten Abschnitt: Mario y yo acabamos también allí de leer un ejemplar de 'Sin novedad en el frente'. Sus páginas, luego de leídas, nos servían para los más ínfimos menesteres: las usábamos con frecuencia, debido a las aguas de la roca, las conservas y el calor. (57) Die Parallelen zu dem vier Jahre zuvor publizierten Frontroman Se ha ocupado el kilómetro íe/'i43 sind evident. Den literarischen Einfluß, den der Kriegsroman von Remarque auf La fiel infantería gehabt hat, erkennt auch G. Gómez de la Sema in seiner pro-falangistischen Aktualisierung des Episodio Nacional von García Serrano an: De Remarque ha tomado, acaso, cierto tono desgarrado, cierta crudeza expresiva y hasta en alguna ocasión ... la similitud de situaciones estéticas, de momentos descriptivos y de ritmo literario. Pero frente al 'remarquismo' García Serrano ... ha llenado de sanidad espiritual el episodio. Al tono deportivo ... ha unido la conciencia misional y generacional, que, tanto como aquél, faltaba en la novela europea de guerra.44 Für Gómez de la Serna handelt es sich im Falle von La fiel infantería um das Romanzeugnis eines politisch engagierten Schriftstellers. Seine Deutung, in direktem Anschluß an die Intention, die García Serrano mit der Abfassimg des Romanes gehabt hatte, würde, in literatursoziologische Termini übertragen, folgendermaßen lauten: Im Gegensatz zu der von Remarque beschriebenen fremdbestimmten Jugend im Ersten Weltkrieg entwickelt die Generation von García Serrano vor und während des Bürgeikrieges eine kollektive Identität, kann also subjektive Erfahrung mit der Erfahrung von Herrschaft koppeln - eine Aussage, die in ihrer generalisierenden Übertragung auf die gesamte Generation sicher nicht haltbar ist und im Grunde auch nicht 43

44

Cf.Kapitel 6.1.3. Gaspar Gómez de la Sema: España en sus episodios, p. 188.

261 mehr das politische Selbstverständnis der Falangisten im Jahre 1943 trifft, als ein Teil der spanischen Faschisten nach der Entmachtung ihrer Partei allmählich auf politische Distanz zur Franco-Diktatur geht. Falangistisches Engagement erfolgte, wie der Roman von García Serrano zeigt, während des Krieges nicht aufgrund von kritischem Raisonnement, sondern eines propagandistisch gezielt erzeugten, gefühlsbeladenen, daher unpolitischen Patriotismus. Hier einige Textbelege: Im dritten und längsten Abschnitt, »Bienaventurados los que mueren con las botas puestas«, der im Gegensatz zu den fingiert autobiographischen ersten beiden Teilen von einem Er-Erzähler wiedergegeben wird, bemüht sich der Protagonist Ramón, der nach der Absolvierung der Academia de Alfereces Provisionales in Avila an die Front zurückkehrt, um die politische Schulung seiner Soldaten: Quería ponerles en claro la razón de la guerra. (147) Ramón cuidaba especialmente de los obreros, desarraigados ya de la unidad santísima. ... Una paz hermosa e igual para todos. Una vida nueva, un afán superior a la minucia. Un plantarse en el mundo con los brazos en jarras y decir aquí estamos. Un imperialismo, el imperialismo de las gentes humildes. La grandeza de la Patria es la única finca para la felicidad de los desheredados. ... Ganarían en la guerra el deber de la revolución ... y el hombre predestinado que guardaba la cárcel de Alicante vendría a ordenar el tiempo nuevo. (148) Seine Konversion zum Falangismus begründet einer der Soldaten in Ramóns Einheit folgendermaßen: Salí del cuartel con el propósito de pasarme a la primera ocasión. Todavía ... les llamaba esquiroles a los que cantaban con alegría y a los falangistas. Después los he visto morir cantando, a todos, y eso no lo hace ... sino un hombre convencido. ... Hay algo enormemente bello en las ideas esas de la Patria. La martingala de la Patria, decíamos antes. Cosas de burgueses ... Pero si morir en el combate es bello, ha de ser, también, bueno. O eso sirve para engrandecer la vida o es una canallada. (150, 51) Als Führer wird José Antonio (6,9,43, 50, 105, 149) mystifiziert. Franco, der zum Zeitpunkt der Abfassung bereits Staatschef war, wird nur an untergeordneter Stelle (14,111) in seiner Funktion als oberster Militär erwähnt. Die in La fiel infantería auftauchenden Sememe deber, verdad, Estado, Patria, revolución, heroísmo, héroes, muerte, fe, disciplina, César, sacrificio, honor liefern ein semantisches Feld, das für die Literatur der falangistischen Trägerschicht typisch ist und sich in der patriotischen Sprache etwa von traditionalistischen Propagandaromanen wie Raza, in denen revolución, César, José Antonio keine oder eine untergeordnete Rolle spielen, unterscheidet. Dem faschistischen Selbstverständnis entspricht es auch, daß García Serrano die

262 Mitwirkung deutscher Nationalsozialisten im spanischen Bürgerkrieg erwähntes, die Franco bekanntlich zu leugnen begann, als mit einem Sieg des Faschismus nicht mehr zu rechnen w a r . 4 6 Um nur zwei Beispiele für den poetisch-metaphorischen Gehalt der Falange-Sprache zu nennen, hinter der sich eine ideologische Botschaft verbirgt: [Beschreibung der Fähnrichsausbildung in Avila:] Sabían que estaban celebrando ... unas míticas bodas con su Patria y que toda aquella sangre - inmensa sangre - era nupcial (101) Quería que amasen la pólvora que utilizaban, que al disparar un tiro no les quemase el alma un escozor de crimen, sino que les ardiese en justicia seca y dolorosa; pólvora bautismal. (148) Das semantische Überschußpotential, das die Symbolik der Ehe des Soldaten mit dem Vaterland in sich birgt, soll vom Leser (wie auf fiktiver Ebene von den Soldaten) in folgender Weise konkretisiert werden: Zum einen assoziiert er mit »bodas« »Gelübde«, »Treueschwur«, »unauflösliche Gemeinschaft«, zum anderen wird sich ihm in Analogie der Vergleich der ewigen Gemeinschaft weiblicher Ordensmitglieder mit dem Abstraktum Gott aufdrängen. Gott oder Vaterland: der Mensch verpflichtet sich, im Glauben an eine höhere Bestimmung gehorsam zu dienen. Pólvora bautismal: Mit dem Schießpulver wird der Soldat zum Täufer. Der Akt der Feindestötung wird zur Weihehandlung verklärt. In richtiger Einschätzung der falangistischen Trägerschicht haben in zwei Teilen des Romans literarisch ambitionierte Studenten die Protagonistenrolle inne. Die faschistischen Intellektuellen unter den Soldaten wenden sich mit höhnischem Spott gegen den Geist der Aufklärung, mit dem bürgerliche Emanzipation und Selbstverständnis schon immer verbunden gewesen sei: La Humanidad y la Reforma nacieron im día en que Lutero cagaba. Estoy seguro: la Humanidad es una solterona inglesa: ama a los gatos y odia a los hombres. 47 ... Hasta jota jota Rousseau hubiese sido capaz de llegar a sargento por méritos; él, tan blandito, tan amigóte del buen salvaje. (107) Als Vorbild betrachten die literarisch ambitionierten Falangisten die klassischen Heldenepen Ilias und Odyssee von Homer. (126) In Gegenposition zu der Zentralstellung der Subjekte in bürgerlichen Romanen versucht García Serrano, epische Normen in La fiel infantería literarisch zu aktualisieren, indem er einen kollektiven 45 46 47

»Hombres rubios de la Legión Condor traían su vieja experiencia germana.« ( 4 1973,102). »Los brigadas instructores, legionarios de la Cóndor se cuadraban ante sus antiguos alumnos.« (130) Cf. Max Gallo: Historia de la España franquista, pp. 130,31. Die Konnotation der englischen Demokratie mit krankhaft Ubersteigerter Tierliebe tauchte bereits in La novela número 13 von Fernández Flórez auf (cf. Kapitel 6.2.2.).

263 Protagonisten einführt und die Romanhandlung in eine Reihe von Heldenepisoden auflöst: Ramón, Miguel y Matías enfilaban la puerta para marcar el rumbo a los suyos. (98) Iban descubriendo un nuevo amanecer de España, Ramón, Miguel, Matías. (99) Así, pues - Ramón, Miguel, Matías -, peleaban por la vida. ... Ramón, Miguel, Matías, esos tres, se sentían atados por las plantas a la tierra que pisaban, enraizados hasta ser árboles o rocas o matojos y notaban cómo subía piernas arriba el frío hondo a mezclarse con sus huesos y su sangre, a trasfundirles los huesos y la sangre de miles de generaciones asentadas sobre el viejo solar, a emparentarlos con millones de muertos esparcidos por todos los continentes, por todos los siete mares. (100) Cada mañana, todavía no saben si faltando a la ordenanza, Ramón, Miguel y Matías, levantaban pájaros epitalámicos por sus cabezas, sin perjuicio de no perder el paso, ni olvidar la canción, ni dejar de rendir una mirada maestra en los ojos de las muchachas que pasaban, acomodadas en algún coche, por la carretera de Arévalo. Tres auténticas obligaciones entre aquellos que aspiraban a una estrella de seis puntas en la fiel Infantería de España. (101) Die Technik der kollektiven Romanfigur hat García Serrano laut Gómez de la Sema von Valle-Inclán übernommen, der jedoch »el amorfo pueblo-masa« zum Protagonisten von El ruedo ibérico erwählt habe. Was Gómez de la Sema im folgenden als strukturell besonders geglückt hervorhebt, ist neben mangelndem narrativem Können nichts weiter als der anachronistische Versuch, dem Leser eine politische Message rational unhinterfragbar zu übermitteln: La urdimbre psicológica del episodio ... debía en pro de su función históriográfica, pasar de individual a social.... ¡Tentadora perspectiva! No limitarse a la descripción de un personaje o de una docena de personajes, sino dar, en cambio, la imagen gigantesca del personaje sintético, e impar de una generación que latió al unísono y que bajo la bandera aparencial de la política perseguía un nuevo concepto de la existencia, una voluntad común de poner en marcha la Historia.^ Der Faschismus wußte das Bedürfnis des Menschen nach einem Aufgehen in der Gemeinschaft, das neben dem gegenpoligen Bedürfnis nach Abgrenzung für psychische Stabilität sorgt, für seine Zwecke zu nutzen: Quien no haya marchado jamás a la guerra ... no sabe cuál es el orgullo de sentirse apenas nada, algo mínimo aplastado bajo el heroísmo colectivo. (20) Trotz aller Bemühungen García Serranos, den erzähltechnischen Anforderungen eines Bürgerkriegsepos zu genügen, weisen gerade jene Episoden über den dokuG. Gómez de la Sema: España en sus episodios, pp. 168,69.

264 mentarischen Wert von La fiel infantería hinaus, die die Innerlichkeit eines problematischen Individuums abbilden, also der bürgerlichen Romantradition in ihrer klassischen Ausprägung folgen. Ein Beispiel ist die Darstellung innerer Bewußtseinsvorgänge von Ramón, der, an Tuberkulose erkrankt, in einem Militärhospital auf seinen Tod wartet. Für ihn ist es die größte Schmach, seiner Bestimmung nicht folgen zu können, im Kampfe für das Vaterland zu fallen, sondern nach längerem Siechtum sinnlos sterben zu müssen. Seiner anfänglichen Rebellion gegen das Schicksal folgt die Resignation: Ramón había llegado. ... Ramón predestinado, Ramón superior, Ramón gibelino, Ramón litigando ante el Dios de los acampados, Ramón alférez, Ramón con su historia, Ramón ha llegado ya, - piensa desobedeciendo al médico. - Ya no duda, ya no se desespera, ya no es altanero; ya sólo es un resignado. ... La resignación ... ¿verdad, Matías? - es un artificio para ocultar la derrota. Seguramente que en cuanto tenga un minuto libre el activo burócrata, Ramón habrá terminado y nadie sabrá qué universo de sueños nutría y qué mochila de ambiciones llevaba a la espalda mientras defendía su paso con las manos armadas. (179,80) Die stark autobiographische Komponente des Romanes entdeckt, wer sich mit der Lebensbeschreibimg von García Serrano beschäftigt: El mismo 19 de Julio salí como voluntario falangista camino de Madrid, aunque, como es sabido, aquella columna se quedó en Somosierra. ... Me hice Alférez Provisional de Infantería, luché en Teruel y de allí pasé al hospital, donde entre mas y otras cosas, pasé casi cinco años, para perder un pulmón, nueve costillas y la pleura y otras proquerías.4' Zum fünften Jahrestag des Militärputsches erscheint am 19. Juli 1941 ein Kapitel aus dem ersten Abschnitt von La fiel infantería als Vorabdruck in Fotos^. Aus gesundheitlichen Gründen legt García Serrano jedoch erst fünf Jahre nach Beginn der Abfassimg bzw. zwei Jahre nach ihrer Fertigstellung5i, Anfang September 1943, La fiel infantería der Zensurbehörde zur Genehmigung vor. Das Urteil wird von Valentín Garcia Yebra angefertigt: Espíritu altamente falangista y patriótico. Pero abundan en él las escenas violentas, a veces ya repugnantes, y las palabras groseras, de esas que ... mucho menos deben publicarse en un libro.52 49 50

51 52

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