Verjährung gesetzliche Befristung nach dem bürgerlichen Rechte des deutschen Reiches [Reprint 2022 ed.] 9783112669907, 9783112669891


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German Pages 79 [156] Year 1905

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Inhaltsverzeichnis
Einleitung
I. Feststellung des begrifflichen Unterschiedes zwischen Verjährung und gesetzlicher Befristung nach geltendem Recht.
II. Gegenstand der Verjährung und gesetzlichen Befristung.
III. Verjährung und gesetzliche Befristung hinsichtlich des Fristenlaufes.
IV. Bedeutung des Ablaufes der Frist bei Verjährung und gesetzlicher Befristung.
V. Öffentlich rechtlicher Charakter der Verjährung und gesetzlichen Befristung.
VI. Verjährung und gesetzliche Befristung im intertemporalen und internationalen Recht.
VII. Grund und Zweck der Verjährung und gesetzlichen Befristung.
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Verjährung gesetzliche Befristung nach dem bürgerlichen Rechte des deutschen Reiches [Reprint 2022 ed.]
 9783112669907, 9783112669891

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Verjährung UNd

gesetzliche Befristung nach dem bürgerlichen Rechte des deutschen Reiches.

von der juristischen Fakultät der Universität München

mit dem Accessit ausgezeichnete j)reisschrift t)OH

Christian weiß Doktor der Rechte.

In magnis et voluisse sat est. Properz. Eleg. 2. 8. 10.

München 1905. I. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier).

Meinen lieben Eltern in dankbarer Verehrung gewidmet.

Inhaltsverzeichnis. Leite

Einleitung...................................................................................... 1 I. Feststellung des begrifflichen Unterschiedes zwischen Verjährung und gesetzlicher Befristung nach geltendem Recht.................... 5 II. Gegenstand der Verjährung und gesetzlichen Befristung . . 31 HL Verjährung und gesetzliche Befristung hinsichtlich des Fristen­ laufes. 1. Beginn der Frist................................................................... 46 2. Verjährung und gesetzliche Befristung hinsichtlich der Hemmbarkeit des Fristenlaufes........................................62 3. Unterbrechungsmöglichkeit der Frist bei Verjährung und gesetzlicher Befristung................................................69 IV. Bedeutung des Ablaufes der Frist bei Verjährung und gesetz­ licher Befristung. 1. Wirkung des Fristablaufes................................................83 2. Geltendmachung des Fristablaufes.................................... 91 3. Beweis des Fristablaufes....................................................99 V. Öffentlich rechtlicher Charakter der Verjährung und gesetzlichen Befristung. 1. Gültigkeit vertragsmäßiger Vereinbarungen über die Dauer der Frist................................... 110 2. Zulässigkeit einer vorherigen Ausschließung der Frist 119 3. Bedeutung des Verzichtes auf die Geltendmachung des Fristablaufes bei Verjährung und gesetzlicher Be­ fristung .................................................................................122 VI. Verjährung und gesetzliche Befristung im intertemporalen und internationalen Recht. 1. Zeitliche Kollision der Rechtsnormen.............................. 125 2. Verjährung und gesetzliche Befristung bei örtlicher Kollision der Rechtsnormen................... 131

VII.

Grund und Zweck der Verjährung und gesetzlichen Befristung 136

Einleitung. Der Umstand, daß bei einer Anzahl von Rechtsinstituten die Zeit von Bedeutung wird, indem ein tatsächlicher Zustand, der seit langem unangefochten bestanden hat, in einen rechtlich anerkannten verwandelt wird, veranlaßte die Schriftsteller früherer Zeiten, welche „unnütze, ja für die Auffassung der einzelnen Rechtsinstitute schädliche Generalisierungen"*) liebten, die Ersitzung (usucapio), das Erlöschen von Rechten an Sachen durch Nichtgebrauch (non usus), den Untergang der Klagerechte durch Nichtausübung unter einen gemeinsamen Gattungsbegriff zusammenzufassen. Sie schufen ein Begriffsganzes und gaben ihm den Namen „Verjährung" oder Präscriptio und teilten diese ein in erwerbende und erlöschende Verjährung (paerscriptio a^quisitiva und extinctiva). Um die Verwirrung zu erhöhen, haben dann die Juristen „durch eine will­ kürliche, grundlose Abstraktion"^ aus der erwerbenden Verjährung einen allgemeinen Entstehungsgrund sämtlicher Rechte und aus der erlöschenden Verjährung eine allen Rechten gemeinsame Art des Unterganges gemacht. Daß dies nur auf Kosten der jedem einzelnen Rechtsinstitute charakteristischen Merkmale geschehen konnte, bedarf keines Beweises; man sah über dem, was Verjährung der Klage­ rechte, Legalbefristung, Untergang von Rechten durch non usus und Usucapion gemeinsam hatten, nicht die großen Unterschiede, welche eine getrennte Behandlung dieser Rechtsinstitute als not­ wendig und wünschenswert erscheinen lassen. Schon bei den Glossatoren finden wir Andeutungen eines solchen allgemeinen Ver­ jährungsbegriffes. Das Preußische Landrecht, der Code civil und das österreichische allgemeine bürgerliche Gesetzbuch sind von der alten Theorie beherrscht; von letzterem sagt Unger, System I S. 227, daß es „in einer früher allgemein üblichen, aber durchaus verwerf­ lichen und deshalb heutzutage ebenso allgemein aufgegebenen Weise die zwei wesentlich verschiedenen Institute der Ersitzung und Ver­ jährung in einem gemeinsamen Abschnitte" behandle. Und in der Tat, man muß diese Institute „wesentlich verschieden" nennen; denn bei der Verjährung haben wir eine rechtsvernichtende, bei der Er­ sitzung eine rechtserzeugende Tatsache vor uns. Nicht durch Ver*) Zrodlowski, die Verjährung nach österreichischem Recht S. I. 2) Savigny, System 4 S. 299.

2 jährung, sondern biirct) das Recht des Ersitzenden gti)t das gegen­ teilige Recht unter; nicht die Untätigkeit der Beteiligten, sondern die Tätigkeit des Ersitzenden bewirkt die Rechtsänderung; indem dieser das Recht erwirbt, geht das ältere Zug um Zug unter; bei der Ersitzung liegt der Nachdruck auf dem Rechtserwerb; bei der Verjährung auf dem Nechtsverlust. Savigny hat mit dem alten System gebrochen und Verjährung und Ersitzung gesondert be­ handelt. Ihm folgend hat unser bürgerliches Gesetzbuch reinlich geschieden zwischen Verjährung und Ersitzung, während „das Er­ löschen von Rechten an Sachen durch Nichtgebrauch Anerkennung überhaupt nicht gefunden hat"i). Wenn man somit die ältere Theorie dahin korrigierte, daß man die Verjährung von der Ersitzung schied, so war doch noch nicht alles getan. Es wurde aus den Fristen, die man bis dahin unter dem Namen Verjährungsfristen zusammengefaßt hatte, noch eine Gruppe ausgeschieden als nicht hierher gehörig, und es wurden diese Fristen als Legalfristen den Fällen der Verjährung gegen­ übergestellt. Da die Frage nach dem Wesen dieser beiden Arten von Fristen der Gegenstand der ganzen folgenden Untersuchung sein soll, so wird es angezeigt sein, hier einiges über die Ge­ schichte dieser Frage zu bringen. Schon lange bevor Theodosius IT. im Jahre 424 eine all­ gemeine Klagenverjährung einführte, gab es für einzelne actiones kurze Fristen, indem der Prätor versprach, er werde einem Rechte nur innerhalb eines annus utilis Schutz gewähren; solche actiones nannte man temporales actiones im Gegensatz zu den actiones perpetuae, welche an keine Frist gebunden waren. Es ist wohl nicht richtig, in diesen actiones temporales die direkten Vorläufer der späteren praescriptio actionum zu sehen, sondern man wird wohl mit Demelius^) annehmen müssen, daß die Klageverjährung aus einer älteren praescriptio triginta annorum, die nur für dingliche Klagen galt, hervorgegangen ist. Dieses Erwachsen der .Klagenverjährung aus der „Ersitzungsidee"^ hat dazu geführt, eine begriffliche Verschiedenheit zwischen den actiones temporales und der neuen Klagenverjährung zu konstruieren. Den ersten Schritt tat D o n e l l u s, indem er wenigstens ein unterscheidendes Merkmal hervorhob; er sagte nämlich: die Ver­ jährung der actiones perpetuae werde nur dann wirksam, wenn sie von dem verjährt Verpflichteten eingewendet werde, während die actiones temporales „post id tempus seu finito eo tempore ipso iure nullae‘4* )2 3seien. Donellus blieb ohne Nachfolger. *) 2) 3) 4)

Motive I S. 289. Untersuchungen aus dem röm. Zivilrecht. Demelius a. a. O. S. 6. Vergleiche seinen Comment de iure civili lit. XVI c. VIII.

§21. 22.

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Erst in neuerer Zeit fand die Frage nach der Wesenheit der Verjährungs- und Legalfristen erweiterte Beachtung. Zwar beschränkt sich die Literatur im wesentlichen auf kurze Bemerkungen in Lehr­ büchern, doch haben wir auch eingehendere Bearbeitungen. Zuerst hat Alexander Fick einen begrifflichen Gegensatz zwischen vor- und nachtheodosianischer Verjährung behauptet in seiner Dissertation: „Quid intersit—quoad vim tempore in jus exercitam —intet exceptionell! temporis actionibus perpetuis opponendam et alias quas dicunt temporis praescriptiones.“ Drei Unter­ scheidungsmerkmale stellt er auf: 1. Wenn sich schon in jure herausstellt, daß bei einer actio temporalis das tempus vorüber war, so war nicht nötig, dies durch exceptio geltend zu machen, sondern die actio wurde schlecht­ hin vom Prätor benegiert. 2. Während der unter 1. angegebene Unterschied mit dem von D o n e l l u s angegebenen übereinstimmt, hat Fick zuerst einen Unterschied dahin festgestellt, daß bei den actiones temporales nach Ablauf der Frist eine naturalis obligato im Gegensatz zur Verjährung nicht übrig bleibe. 3. Bei den actiones temporales treffe anders als bei der Verjährung den Kläger die Beweislast, wenn der Beklagte behaupte, die Frist für die Geltendmachung des Rechtes sei bereits abgelaufen. Diese Unterschiede erscheinen Fick durch die Privilegiennatur der actiones temporales begründet; er nennt sie „beneficia intra certum tempus coercita“. Donellus und Fick behaupten die unterscheidenden Merkmale nicht nur für das römische Recht, sondern wollen auch, daß sie als in dem zu ihrer Zeit geltenden gemeinen Recht bestehend anerkannt werden. Diesen beiden steht gegenüber Demelius. Seine Ansicht (ct. a. O. S. 5) ist wohl auch die, daß „in der theodosianischen Klageverjährung und den Zeitbeschränkungen, welche sich für ge­ wisse Klagerechte im früheren Rechte finden, zwei ganz verschiedene Rechtsbegriffe zu erblicken" seien, und zwar ist seine begriffliche Unterscheidung die gleiche wie bei Donellus und Fick, aber sein Resultat für das gemeine Recht ist ein anderes. S. 104 ff. seiner Untersuchung sagt er, daß das ältere Institut der Temporal­ klagen in dem jüngeren der Klageverjährung „aufgegangen" sei und daß alles, was von der Klagenverjährung gelte, auch auf die actiones temporales Anwendung zu finden habe. Welche Ansicht die richtige ist, interessiert uns hier nicht weiter; die Hauptsache ist, daß sich hier zum ersten Male die Wissenschaft mit zwei verwandten und doch so wesentlich verschie­ denen Rechtsinstituten befaßt hat. Es ist begreiflich, daß die Frage, inwieweit der Unterschied zwischen Verjährung und Rechtstemporalität noch im geltenden Rechte Anspruch auf Anerkennung machen könne, 1*

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bald eingehenderer Behandlung teilhaftig wurde. Am gründlichsten geschieht dies in der i. I. 1880 erschienenen Abhandlung von Alexander Grawe in: „Verjährung und gesetzliche Befristung", welche sehr verschiedene Beurteilung erfahren hat Da diese Schrift nicht nur die ausführlichste in unserer Materie ist, sondern zugleich auch grundlegende Bedeutung für dieselbe besitzt, da dieselbe ferner noch oftmals ex officio in der folgenden Untersuchung Berücksichti­ gung finden muß, so kann hier in der Einleitung von einer Würdigung derselben abgesehen werden. Die Praxis hat nicht viel Gelegenheit gehabt, sich mit der aufgeworfenen Frage zu befassen; die Entscheidungen des Preußi­ schen Obertribunals, des Reichsoberhandelsgerichtes und Reichs­ gerichtes beschäftigen sich zwar in erster Linie mit den in Ver­ sicherungsverträgen vorkommenden vertragsmäßigen Fristen, die­ selben geben uns aber, wie wir noch des näheren sehen werden, manchmal brauchbare Fingerzeige auch für die Erkenntnis des Wesens der gesetzlichen Befristung. Zum Schluffe sei noch folgende prinzipielle Bemerkung ge­ stattet: Unser Thema lautet: „Verjährung und gesetzliche Befristung nach dem bürgerlichen Rechte des deutschen Reiches." Es soll dem­ gemäß im folgenden versucht werden, die genannten Rechtsinstitute so darzustellen, wie wir sie im geltenden bürgerlichen Rechte des deutschen Reiches vorfinden; es wird keine Rechtspolitik ge­ trieben werden; es sollen keine Postulate für die Zukunft auf­ gestellt werden; es gilt lediglich das jus quod est zu behandeln, was freilich nicht hindern kann und darf, daß hie und da Kritik an dem Bestehenden geübt werde.

I. Feststellung -es begrifflichen Unterschiedes zwischen Ver­ jährung und gesetzlicher Befristung nach geltendem Recht. Während man im gemeinen Recht ganz verschiedene Rechts­ institute unter dem Sammelnamen „Verjährung" zusammenfaßte, kam der Gesetzgeber wenigstens in den Partikularrechten frühzeitig zu der Einsicht, daß es doch nicht angehe, alle irgendwo im Rechts­ system vorkommenden Fristen völlig gleichmäßig zu behandeln, sondern daß es vielmehr notwendig sei, gewisse Fristen von beit „eigentlichen", „wahren", „wirklichen" Verjährungsfristen zu scheiden. So haben z. B. die Gesetzesrevisoren in Preußen im Jahre 1829 im ganzen 72 im allgemeinen Landrecht vorkommende Fristen als zweifelhaft bezeichnet und 44 von denselben sollten nach ihrer Meinung nicht unter den Begriff der Verjährungsfristen zu subsumieren sein?) Die Resultate, zu welchen Theorie und Praxis in dieser Frage ge­ kommen waren, mußten naturgemäß bei dem großen Kodifikations­ werk, das ein einheitliches bürgerliches Recht für das ganze deutsche Reich schuf, Berücksichtigung finden. Wenn vor dem Entstehen des bürgerlichen Gesetzbuches die Meinungen geteilt waren, so ist das durch das Inkrafttreten des­ selben nicht anders geworden. Die einen*2) leugnen jeglichen Unter­ schied zwischen Verjährung und gesetzlicher Befristung; die anderen?, und zwar die Mehrzahl, nehmen einen solchen an, doch sind auch sie nicht einig über das Maß, wie weit eine etwaige Verschiedenheit anzuerkennen sei. Unser B.G.B. hat die Frage nicht direkt entschieden; namentlich hat es keine allgemeinen Bestimmungen für die Fristen getroffen, *) Die Zusammenstellung dieser 44 Fristen bei H eyde m an n, Einleitung in das System des Preuß. Civilrechts 2. I. S. 93. 2) Riezler in Staudingers Kommentar I. S. 525; Wendt im Archiv für civ. Pr. Bd. 92 S. 171; Hölder im Arch. für ein. Pr. Bd. 93 S. 98, sowie Rosenberg in seiner in den jüngsten Tagen erschienenen Abhandlung: Berjährnng und gesetzliche Befristung nach dem bürgerl. Recht des deutsche!: Reiches. Alts manu, das Recht des B.G.B. S. 68; Co sack, Lehrbuch des deutschen bürgerl. Rechtes I S. 266 ff.; Crome, System des deutschen bürgerl. Rechtes I S. 498 ff.; Dernburg, das bürgerl. Recht I S. 508, 509; Engelman::, das bürgerl. Recht S. 140 ff.; Enneccerns-Lehmann, das bürgerl. Recht S. 335; Förster-Ecc^ius, Pr. Privatrecht I § 46 S. 217; Gareis, der allgein. Teil des B.G.B. S. 227; Hachenburg, Borträge S. 294 ff.; Heilfrou, Lehrbuch des bürgerl. Rechts, Bd. 1 S. 609; Helln: a n n, Borträge S. 219; K r ü ck n: ann, Institutionen S. 577; Matthias;, Lehrbuch des bürgerl. Rechts I S. 289 ff.; Müller und Meikel, das bürgerl. Recht I S. 196; Philler, Borlcfungen S. 55; Staudinger, Borträge S. 455; Weyl, Borträge I S. 292 und insbesondere die schon genannte Abhandlung Graweins.

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welche nicht als Verjährungsfristen angesehen werden können. Die Befristung ist nirgends als ein einheitliches Rechtsinstitut ge­ regelt; da sie nicht „auf einem einheitlichen Grundgedanken beruhe, sondern mannigfachen Zwecken diene." *) Es wurde in der I. Kom­ mission der Antrag gestellt, es solle in den allgemeinen Teil zwischen den 7. Abschnitt (Anspruchsverjährung) und den 8. (Selbstverteidigung und Selbsthilfe) ein weiterer Abschnitt unter der Überschrift „Aus­ schlußfristen" eingestellt werden, der einige von den für die Ver­ jährung geltenden Hemmnngsgründen auf die Fälle der gesetzlichen Befristung ausdehne; aber dieser Antrag wurde abgelehnt, da eine solche allgemein gehaltene Bestimmung untunlich sei, und nur „an Handen der einzelnen Fälle darüber befunden werden könne, inwie­ weit eine Abschwächung der präklusiven Befristung im Sinne des An­ trages geboten, beziehungsweise am Platze sei" (Prot. S. 11647 ff.). Im großen und ganzen sind wir mif einige wenige Bemer­ kungen der Motive angewiesen; doch dürfen diese als nicht un­ bedeutendes Hilfsmittel für die Beantwortung der Frage angesehen werden, welche Behandlung unsere. Materie im Gesetzbuche selbst erfahren hat. Außer der oben (S. 6) angeführten Stelle haben wir noch folgende zwei Bemerkungen in den Motiven : Teil I S. 292 heißt es: „Streng auseinander gehalten ist die Anspruchsverjährung und die präklusive Befristung. Zur Vermeidung von Zweifeln, ob eine gesetzte Frist eine Verjährungs- oder Ausschlußfrist sei, wird überall da, wo die Setzung einer Verjährungsfrist bezweckt ist, aus­ drücklich von „Verjährung", „verjähren" gesprochen." Sodann lesen wir Teil I S. 347: „Allgemeine Vorschriften über die im Ent­ wurf sich findenden zahlreichen Ausschlußfristen (Präklusivfristen) sind nicht aufgestellt. Der Begriff der Ausschlußfrist gibt, wie neuere Untersuchungen auf diesem Gebiete gezeigt haben, die maß­ gebenden Grundsätze ohne weiteres an die Hand. Soweit eine Abschwächung der der Ausschlußfrist eigenen Strenge im einzelnen Fall unbedenklich erschien, ist das Erforderliche an geeigneter Stelle bestimmt." Aus diesen Sätzen erfahren wir nur das eine, daß zwischen Verjährnngs- und Präklusivfristen ein Unterschied gemacht werden soll, daß also das, was für die Verjährung gilt, nicht ohne weiteres auch für sonstige gesetzliche Fristen, welche „Präklusivfristen" genannt werden, Anwendung finden könne. Wir erfahren dagegen nicht, was die Motive unter „Präklusivfrist" eigentlich verstehen und worin die sie von den Verjährungsfristen unterscheidenden Merkmale gefunden werden sollen; es ist ein sehr schwacher An­ haltspunkt, den uns die Motive geben, wenn sie sagen, an der Hand des begrifflichen Unterschiedes könnten die maßgebenden Grund­ sätze ohne besondere Schwierigkeiten gefunden werden. v) Motive zum (£.W. Art. 102, heute 1 c>9, 2. 254.

Um zu einem befriedigenden Resultate zu gelangen, müssen wir vor allem einige Fälle näher ins Auge fassen, in welchen beide Arten von Fristen verwertet sind. I. A. a) § 29 des Gesetzes vom 19. Juni 1901 betr. das Urheberrecht usw. lautet: „Der Schutz des Urheberrechtes endigt, wenn seit dem Tode des Urhebers dreißig Jahre und außerdem seit der ersten Veröffentlichung des Werkes zehn Jahre abgelaufen sind." b) § 7 Abs. 1 des Patentgesetzes vom 7. April 18)1 heißt es: „Die Dauer des Patentes ist 15 Jahre." c) § 6 des Gesetzes vom 10. Januar 1876 betr. den Schutz der Photographien bestimmt: „Der Schutz des gegenwärtigen Ge­ setzes gegen Nachbildung wird dem Verfertiger des photographischen Werkes 5 Jahre gewährt." d) § 8 des Gesetzes vom 1. Juni 1891 betr. den Schutz von Gebrauchsmustern sagt:. „Die Dauer des Schutzes ist drei Jahre" — „Bei Zahlung einer weiteren Gebühr .... tritt eine Ver­ längerung der Schutzfrist um drei Jahre ein." B. a) „Der Anspruch auf Ersatz des aus einer unerlaubten Handlung entstandenen Schadens verjährt in 3 bezw. 30 Jahren" (§ 852 B.G.B.). b) „Dividendenrückstände verjähren binnen vier Jahren .... zum Vorteil der Bank" (Bankgesetz § 24 Abs. 4). Es mögen hier diese zwei Fälle als Beispiele von Verjährungs­ fristen genügen; sie lassen sich ja leicht in beliebiger Zahl ver­ mehren. Was lehren uns nun die zitierten Fristen? Bei der erstell Gruppe haben wir lauter Rechte, die mit einer zeitlichen Beschränkung ihres Lebens zur Entstehung gelangen. Der Erfinder weiß, daß er 15 Jahre lang ausschließlich befugt ist, „gewerbsmäßig den Gegen­ stand der Erfindung herzustellen, in Verkehr zu bringen, feilzuhalten oder zu gebrauchen" (§ 4 des Patentgesetzes), der Urheber eines Schriftwerkes weiß, daß er für die Dauer seines Lebens und dann die Erben noch 30 Jahre lang das ausschließliche Recht der Ver­ vielfältigung, Verbreitung u. s. w. haben. Mag der Patentinhaber, der Urheber eines Schriftwerkes, der Hersteller eines photographischen Werkes die ganze Schutzfrist hindurch sein Recht ausgeübt haben, es hilft ihm das nichts, nach Ablauf der im Gesetz bestimmten Frist ist sein Recht erloschen, es fällt in sich zusammen, ohne daß es noch eines besonderen Aufhebungsgrundes bedürfte. Das Gleiche gilt im Falle des § 1708 B.G.B/: „Der Vater des unehelichen Kindes ist verpflichtet, dem Kinde bis zur Vollendung des 16 Lebens­ jahres .... Unterhalt zu gewähren". Ob nun der Vater zur Leistung des Unterhaltsbeitrages während der 16 Jahre angehalten wurde oder nicht, ist ganz gleichgültig; mit dem Augenblicke, in dem das Kind das 16. Lebensjahr vollendet hat, sann das Kind



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beziehungsweise dessen gesetzlicher Vertreter von dem Vater nichts mehr verlangen; für eine fernere Zeit braucht der Vater nichts mehr zum Unterhalt des Kindes beizutragen. Inwieweit frühere Leistungen des Vaters noch rückständig sind und auch nach Ablauf des 16. Lebensjahres innerhalb der Verjährungszeit verlangt werden können, ist eine ganz andere Frage. Wir sehen, daß alle diese Fälle das gemeinsam haben, daß nach Ablauf einer bestimmten Frist ein Recht untergeht ohne jede Rücksicht auf das Verhalten des Berechtigten; es kommt hier auf das Tun oder Unterlassen der Beteiligten gar nichts an. Der Laie und vielfach auch der Jurist wird hier sagen: Das Recht ist erloschen, weil die gesetzliche Frist abgelaufen ist. Das ist aber zum mindesten ungenau; denn nicht die Zeit an sich könnte den Untergang des Rechtes bewirken; maßgebend ist der Wille der Gesetzgebers, der das Recht nur. für einen von vorneherein fest bestimmten Zeitraum entstehen ließ. Der Grund des Unterganges liegt also hier „im Rechte selbst und zwar in seiner zeitlichen Beschränktheit, in seiner Unkraft, über einen dies fatalis hinaus fortzubestehen" (Grawein S. 24). Ganz anders liegt die Sache bei der zweiten Gruppe von Fristen, bei den Verjährungsfristen. An sich kann es dem Gesetz­ geber ganz gleichgültig sein, ob der A seine Darlehensforderung in einem Jahre oder in 20 oder 30 Jahren oder noch später geltend machen will. Ob freilich der Berechtigte auch im Prozesse Recht bekommen wird, toemi er Jahrzehntelang mit der Ausübung seines Rechtes wartet, ist eine andere Frage; es dürfte ihm da oftmals der Beweis seines Rechtes schwer werden. Es sind somit prinzipiell alle Rechte von ewiger Dauer und mit der Kraft aus­ gestattet, zu jeder Zeit, wann der Berechtigte will, sich wirksam zu zeigen. Aber dieser Grundsatz kann nicht ausnahmslos zur Geltung kommen; aus gutem Grunde, wie wir noch hören werden, bestimmt der Gesetzgeber, daß der Berechtigte, der sich so und so lange nichts um sein Recht gekümmert und somit gezeigt hat, daß sein Interesse an der Durchsetzung desselben nicht gar groß ist, den Schuldner nicht mehr zur Leistung solle zwingen können. Dies ist der Grundgedanke des Verjährungsinstitutes und diesen müssen wir unter allen Umständen festhalten, wenn wir den Unterschied zwischen den Verjährungsfristen und den Fristen der I. Gruppe erkennen wollen. Während bei den letzteren das Verhalten der Beteiligten gar keine Rolle spielt, ist dieses bei den Verjährungsfristen ausschließlich maß­ gebend. Wenn ich das Recht habe, von einem andern jährlich 10 Mk. zu verlangen, so habe ich dieses Recht nicht nur für einen im voraus jeft umgrenzten Zeitraum; es kann sein, daß ich das Recht 40, DO Jahre, ja noch länger ausüben kann, und doch ist es möglich, daß ich dasselbe verliere, wenn ich es eine Zeit

9 lang nicht ausgeübt habe und auch der Verpflichtete so klug war, das Stillschweigen nicht zu brechen. Die Veränderung, die das Recht erleidet, indem es nach Ablauf der Verjährungsfrist nicht mehr wider den Willen des Schuldners verwirklicht werden kann, wird hier verursacht durch das negative Verhalten der Parteien. Der rechtsaufhebende Tatbestand liegt mithin hier nicht im Wesen des Rechtes selbst, in seiner Unkraft, einer: schon bei seiner Ent­ stehung festgesetzten dies ad quem zu überleben, sondern in einem von außen her an das Recht herantretenden Umstande; denn die Untätigkeit der Parteien ist etwas dem Rechte Fremdes. Das Wesen des Rechtes besteht darin, daß es sich betätigt, daß es jeder: Widerstand überwindet. Wenn das Stillschweigen gewisse Ver­ änderungen an dem Rechte zu bewirken imstande ist, so kann dies nicht im Wesen des Rechtes gelegen sein, sondern wir haben hier eine demselben selbständig gegenübertretende Tatsache, an derer: Vorhandensein der Gesetzgeber den Eintritt gewisser Änderungen an dem Rechte knüpft.

Diese Betrachtungen lasser: uns auch die Bedeutung erkenner:, welche der Zeit bei den beiden Gruppen von Frister: zukommt: im einer: Fall begrer:zt sie die Lebensdauer des Rechtes selbst; wenn irgendwo gilt hier der Satz: „Wie viel Frist, so viel Recht"; — im andern Fall bestimmt sie, wie lange das Still­ schweigen der Beteiligten, der rechtsarrfhebende Tatbestand *), an­ dauern muß, sie ist „das Maß für den Umfang des das Recht aufhebenden Tatbestandes" (Grawein a. a. O. S. 26). Dieser Unterschied zwischen den Fristen der Gruppen I und II ist Wohl allseitig anerkannt und derselbe ist auch so offensichtlich, daß man diese Fristen nicht miteinander verwechseln karm. Doch mußte auf denselben hingewiesen werden; denn die genannten zustandartiger: Rechte sind die typischen Fälle gesetzlicher Befristung und bei ihrer hohen Bedeutung für das heutige Leben dürfte man, selbst wenn es sonst keine befristeten Rechte mehr gäbe, nicht mit Reuters sagen: „Solche Fristen haben keine Ähnlichkeit mit Verjährungsfristen, und ihretwegen den Gegensatz zwischen Verjährung und Befristung der Rechte aufzustellen, lohnt sich nicht". II. Neben diesen Rechten, welche eine dauernde oder wenig­ stens wiederholte Ausübung zulassen, gibt es noch eine große Zahl von Rechten, denen eine Frist gesetzt ist und welche mit ihrer ein­ maligen Ausübung zugleich konsumiert werden. Wie sich diese Fälle von denen der Verjährung unterscheiden, das soll im folgenden *) Man hat bestritten, daß das Stillschweigen der Parteien die juristische causa der Rechtsänderung sein könne. Wir werden hierauf sofort 51t sprechen kommen. -) Reuter: Über die Berechtigung des (Gegensatzes „Verjährung und ge^ setzlichc Befristung" u. s. w. S. 39.

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näher untersucht werden. Es mögen auch hier wieder an die Spitze einige Beispiele gestellt werden. 1. § 16 der Gebührenordnung für Zeugen und Sachver­ ständige vom 30. Juni 1878 lautet: „Die Gebühren der Zeugen und Sachverständigen werden nur auf Verlangen derselben ge­ währt. Der Anspruch erlischt, wenn das Verlangen binnen 3 Mo­ naten nach Beendigung der Zuziehung oder Abgabe des Gutachtens beim zuständigen Gerichte nicht angebracht ist". 2. § 22 der bayerischen Telegraphenordnung vom 26. Juni 1897 sagt, daß auf Antrag bei Verlust, Entstellung oder Ver­ spätung von Telegrammen in gewissen Fällen die Gebühren zurück­ erstattet werden. Abs. IV bestimmt dann weiter noch: „Jeder An­ spruch auf Erstattung der Gebühr muß bei Verlust des Anrechtes innerhalb dreier Monate, vom Tage der Erhebung an gerechnet, anhängig gemacht werden." 3. Art. 7 Abs. 1 des bayer. Hagelversicherungsgesetzes vom 13. Februar 1884 bestimmt: „Wer wegen eines erlittenen Hagel­ schadens Entschädigung beansprucht, hat hierüber binnen 2 Tagen nach eingetretenem Schaden schriftlich oder mündlich Anzeige an die Gemeindebehörde zu erstatten." 4. „Für den Verlust von Reisegepäck, das zur Beförderung aufgegeben ist, haftet die Eisenbahn nur, wenn das Gepäck binnen acht Tagen nach der Ankunft des Zuges, zu welchem es aufgegeben ist, auf der Bestimmungsstation abgefordert wird." H.G.B. § 465 Abs. 1. 5. Endlich sei noch hingewiesen auf die vielen im B.G.B. sich findenden Anfechtungsfristen: §§ 121, 124, 1339, 2082 usw. Von der Anführung von Verjährungsbeispielen können wir hier absehen. Wenn wir die eben zitierten und ähnliche befristete Rechte mit verjährbaren Rechten vergleichen, die ebenfalls nur eine ein­ malige Ausübung zulassen, so zeigt sich, wie Grawein trefflich nachgewiesen hat, die Unrichtigkeit der bisher üblichen Definition der Verjährung, welche zur allergrößten Verwirrung Veranlassung gegeben hat. Wenn man sagt, wie es früher zu geschehen pflegte und noch heute vielfach der Brauch ist: „Verjährung ist Ver­ lust eines Rechtes infolge dauernder Nichtausübung", so verschwindet jeder Unterschied zwischen Verjährung und Befristung. Es gibt dann nämlich nur zwei Möglichkeiten: das verjährbare Recht wird ausgeübt, dann ist es zugleich in seiner ferneren Dauer vernichtet, oder es wird nicht ausgeübt, dann geht es mit Ablauf der Ver­ jährungszeit unter; eine dritte Möglichkeit ist nach dieser Definition undenkbar. Wenn das Recht unter allen Umständen vernichtet wird — sei es durch Ausübung, sei es durch Ablauf der Ver­ jährungszeit —, so kann man eigentlich nicht mehr davon sprechen,

11 daß es zu immerwährender Dauer befähigt sei, sondern es ist gleich einem befristeten Rechte. Gibt es doch auch hier nur zwei Mög­ lichkeiten: entweder wird z. B. das Anfechtungsrecht ausgeübt, dann ist es konsumiert, oder es wird nicht ausgeübt, dann erlischt es mit Ablauf der Anfechtungsfrist. Soll also das Recht die vom Gesetz bestimmte Frist hindurch bestehen, so muß zum „Positiven Momente des Zeitablaufs" (Grawein S. 49) noch das negative der Nichtausübung hinzukommen. Verjährung und gesetzliche Be­ fristung sind also ein und dasselbe. So schön dieser Schluß er­ scheinen mag, so irrig ist er, indem er auf einer ungenauen Defi­ nition der Verjährung beruht. Grawein hat nun wohl die Un­ richtigkeit derselben nachgewiesen; aber das, was er an ihre Stelle setzt, ist auch nicht einwandfrei. Er sagt S. 51: „Die Untätigkeit des Berechtigten, welche bei der Verjährung die rechtsaufhebende Tatsache bildet, hat man fälschlich als Nichtausübung des Rechtes charakterisiert. Fälschlich deshalb, weil sich die Untätigkeit des Berechtigten nicht bezieht auf die Ausübung des Anspruches selbst, sondern nur auf die Vornahme gewisser Schutzmaßregeln, welche durch das Gesetz als Unterbrechungs­ gründe der Verjährung statuiert werden und als solche ein Mittel bilden, den Anspruch trotz fortdauernder Nichtausübung dennoch weit über die Dauer seiner Verjährungszeit hinaus aufrecht zu erhalten." Wind scheid sucht den Ausdruck und damit auch den Begriff „Nichtausübung" zu retten, indem er sagt (Pand. § 108), es sei nicht notwendig „volle Ausübung des Anspruches d. h. die Ver­ wirklichung des dem Anspruch entsprechenden Verhaltens des Ver­ pflichteten," es genüge, daß „kraft des Anspruches irgend etwas von dem Verpflichteten erlangt werde, z. B. Zinsen. ... Ja es ge­ nüge zum Ausschluß der Verjährung, daß der Berechtigte das Seine tue, um sich die Befriedigung des Anspruches zu sichern, d. h. daß er klage gegen den Verpflichteten." Ganz abgesehen davon, daß die Ausdehnung des Begriffs der Ausübung eines Rechtes auf Handlungen wie die Empfang­ nahme einer Zinszahlung, eines neuen Schuldscheines, sehr gewagt ist und berechtigte Zweifel Hervorrufen muß, es scheitert jeder Ver­ such, die Verjährung als Verlust eines Rechtes infolge „Nichtaus­ übung" zu definieren, an folgenden Erwägungen: nehmen wir an, A. hat dem B. 1000 Mark als Darlehen (unverzinslich) gegeben, rückzahlbar am 1. März 1904. Nun kommt einige Tage nach dem 1. März der B. zu dem A. und bittet um Stundung, der A. möge sich noch einige Zeit gedulden, er werde in einigen Wochen sicherlich das Geld bekommen. Wenn sich der Gläubiger darauf einläßt, so kann man gewiß nicht sagen, er habe sein Recht „ausgeübt", im Gegenteil, er hat versprochen, dasselbe nicht ausüben zu wollen, und trotzdem wird, da in diesem Stundnngsvertrag, was in der

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Regel der Fall sein wird, ein Anerkenntnis des Verpflichteten liegt, die Verjährung unterbrochen. Der bereits verstrichene Zeitraum wird nicht in dieselbe eingerechnet und während der Stundungs­ frist ist die Verjährung gehemmt; aber all das nicht deswegen, weil der Gläubiger sein Recht ausgeübt hat, sondern weil der Verpflichtete eine Handlung vorgenommen hat, welcher der Gesetz­ geber unterbrechende Wirkung beilegt. Wenn wir dies im Auge behalten, so erkennen wir auch den Mangel der Graweinschen Begriffsbestimmung. Er sagt wohl ganz allgemein S. 55: Verjährung sei Aufhebung eines Anspruches in­ folge Nichtvornahme der Unterbrechungshandlungen; allein aus den sonstigen Erörterungen geht hervor, daß er wie Stroh al (G r ü n h u t s Zeitschrift 9 S. 69), Krasnopolski (Krit. Viertel­ jahresschrift 23 S. 360), Schwalbach (Jherings Jahrbücher20 S. 328) hervorheben, nur die eine Art von Unterbrechungsgründen berücksichtigt, nämlich diejenigen Akte, welche das Schweigen auf Seite des Gläubigers unterbrechen, nicht aber diejenigen, welche der Schuldner vornimmt und welche gewöhnlich „Anerkennungs­ handlungen" genannt werden. Wenn somit die Definition Gra­ we i n s auch einen großen Fortschritt gegen früher aufweist, indem sie die „Nichtausübung" aus dem Verjährungsbegriff eliminiert, so bedarf sie immerhin noch einer Berichtigung. Ungerechtfertigt scheinen mir die sonstigen Vorwürfe Krasnopolskis, der a. a. O. sagt: „Eine Wissenschaft kann die Verjährung in dieser Weise nicht definieren, solange an eine Definition gewisse logische Anforde­ rungen gestellt werden, vor allem die, das zu Definierende nicht in die Definition aufzunehmen." Nach seiner Meinung ist die Graweinsche Definition nicht besser als die: „Verjährung ist Aufhebung eines Anspruchs durch Verjährung"; denn ob gewisse Akte die Kraft hätten, einen Fristablauf zu unterbrechen, das wüßten wir ja erst, wenn feststehe, daß die Frist eine Verjährungs­ frist sei; daß sie aber eine solche sei, solle sich wieder daraus er­ geben, daß gewisse Akte unterbrechende Wirkung hätten. Dem gegenüber möchte ich folgendes bemerken: Es kommt Grawein lediglich darauf an, auf den Unterschied hinzuweisen, der hinsicht­ lich des Verhaltens der Parteien bei der Verjährung und der Be­ fristung eines Rechtes besteht. Bei der Verjährung spielt eben das untätige Verhalten die erste Rolle; dieses verursacht die nach Ab­ lauf der Zeit eintretende Rechtsänderung und die Zeit hat nur die Bedeutung, Maß für das Stillschweigen der Beteiligten zu sein; bei der Befristung dagegen liegt die Ursache des Rechtsunterganges nicht in dem Verhalten der Parteien, sondern ganz anders wo. Das wollte Grawein sagen und gar nichts weiter. Dies sind aber nicht die einzigen Vorwürfe, die ihm gemacht werden; die Kritik setzte noch an einem andern Prmkte ein. So

13 sagt Sch Walbach a. a. O. S. 267 : „Grawein verstoße gegen eine Grundwahrheit, deren Nichtbeachtung namentlich im Strafund Prozeßrecht verhängnisvoll gewesen sei; gegen den Satz, daß nur geschehene Ereignisse Wirkungen erzielen könnten, das Unter­ bleiben von Ereignissen zwar Bedingung von vielem, aber nicht Ursache von irgend etwas sein könne". Ähnlich äußert sich H ö l d e r im Archiv für civ. Praxis Bd. 93 S. 97. Dieser Einwand ist nicht stichhaltig. Es ist ja freilich richtig, wenn man sagt, aus nichts kann nichts werden; ein bloßes Nichtstun kann also auch nichts verursachen, es kann bloß eine Bedingung neben anderen sein, welche dann zusammen den Erfolg herbeiführen. Ferner ist nicht zu leugnen, daß man gerade bei Privatrechten meinen sollte, der Berechtigte bezw. seine Erben könnten noch in 100 Jahren ein Recht geltend machen; aber nun kommt der Gesetzgeber und sagt: Dies geht nicht an; im Interesse des Schuldners, des wirtschaft­ lichen Lebens und auch im Interesse des Gläubigers bestimme ich, daß der Schuldner nicht mehr solle zur Leistung gezwungen werden können, wenn die Parteien sich eine Zeit lang nichts um das Recht bezw. die Verpflichtung gekümmert haben. Das maßgebende Mo­ ment ist also der Wille des Gesetzgebers und dieser Wille besteht darin, daß er dem negativen Verhalten der Beteiligten eine ge­ wisse Wirkung beilegt und damit dieses die Ursache dieser Wirkung sein läßt. Wir können also mit gutem Recht das Unterbleiben gewisser Handlungen als causa efficiens der Verjährungswirkung bezeichnen; denn der Gesetzgeber rechnet dies „einer bestimmten Person als Unterlassung zu" (Hölder a. a. O. S. 97 a. A.). Ganz anders verhält sich's bei den befristeten Rechten. Bei den zustandartigen Rechten, wie z. B. der väterlichen Gewalt, den Ur­ heberrechten usw. haben wir gefunden, daß es hier auf die Tätigkeit d. h. Untätigkeit des Berechtigten wie eines etwa vor­ handenen bestimmten Verpflichteten nicht ankommt. Anders scheint es in den uns hier interessierenden Fällen zu sein, wo die erste Ausübung des befristeten Rechtes zugleich dessen Vernichtung bedeutet; bei jenen Rechten tritt deutlich hervor, daß der Unter­ gang die Folge des „Verbrauchs der Lebenskraft" ist, wie Regelsberger, Pand. S. 463 sich ausdrückt; nicht so klar erscheint der Grund des Unterganges bei den anderen Fällen, die wir nun be­ trachten wollen. Haupttypus dieser Fristen sind die Anfechtungs­ fristen; so hat z. B. der getäuschte Ehegatte das Recht, die Ehe innerhalb 6 Monaten anzufechten (§ 1339 ff.). Er kann dieses Recht an jedem Tage innerhalb der 6 Monate ausüben; hat er jedoch diese Frist verstreichen lassen, so ist es fernerhin nicht mehr möglich, auf Grund der Täuschung sich von der Ehe frei zu machen. Die Zeit allein kann hier, wie überall, den Untergang des Rechtes nicht herbeiführen; denn „tempus est non modus constituendi

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vel dissolvendi Juris“. Andererseits ist es auch irrig, die Nicht­ ausübung des Rechts, wie man ja freilich bei oberflächlicher Be­ trachtung anzunehmen geneigt sein möchte, in irgend welchen ur­ sächlichen Zusammenhang mit dem Verlust des Rechtes zu bringen. Freilich wird die Nichtausübung eines befristeten Rechtes die Ur­ sache davon sein, daß der Berechtigte wirtschaftlich keinen Vorteil aus demselben erlangt, daß er z. B. nach Versäumung der An­ fechtungsfrist einen ihm ungünstigen Vertrag nicht mehr abschütteln kann, oder daß er sogar direkt Nachteil erleidet, indem er z. B. die Frist für die Anfechtung der Ehelichkeit eines während der Ehe geborenen Kindes verstreichen läßt und dieses Kind dann als sein eheliches Kind gilt; aber seine Untätigkeit ist nicht die Ursache davon gewesen, daß er sein Anfechtungsrecht verloren hat. Ursache ist auch hier wie bei der Verjährung der Wille des Gesetzgebers; aber dieser äußert sich hier irr einer ganz anderen Weise. Bei der Verjährung bestimmt der Gesetzgeber, daß eine neben dem Rechte mit selbständiger Existenz bestehende Tatsache die Wirkung haben soll, gewisse Änderungen an einem Rechte hervorzubringen; hier

dagegen will der Gesetzgeber, daß das Recht überhaupt nur für eine von vornhinein bestimmte Zeit dem Berechtigten zustehe und mit Ablauf derselben erlösche, wenn es nicht vorher geltend gemacht worden ist. Der Berechtigte soll gewisse Tatbestände nach Ablauf dieser Frist nicht mehr zur Sprache bringen können. Ganz unbe­ kümmert darum, ob der Berechtigte von dem ihm zustehenden Rechte Gebrauch machen werde oder nicht, hat das Gesetz demselben einen Endtermin gesetzt, bis zu welchem es höchstens ausgeübt werden kann. Ursache des Rechtsverlustes ist also nicht die „Nichtaus­ übung" von Seite des Berechtigten, sondern die dem Rechte zu­ folge des unabhängigen Willens des Gesetzgebers anhaftende zeit­ liche Beschränktheit. Die Unfähigkeit des Rechtes, einen bestimmten „dies“ zu überleben ist eine wesentliche Eigenschaft dieses Rechtes; dasselbe kann gar nicht gedacht werden ohne diese zeitliche Be­ grenzung seiner Dauer. Noch in einem Punkte unterscheiden sich diese Fälle von der Verjährung. Wir wissen, daß bei der letzteren die drohende Rechts­ minderung abgewehrt werden kann durch Handlungen des Gläubigers und Schuldners; bei den eben besprochenen Fällen dagegen wird der mit Ablauf der gesetzlichen Frist eintretende Rechtsverlust nur abgehalten durch wirkliche Ausübung des Rechtes. Die Anfechtungs­ frist wird nur gewahrt, wenn der Berechtigte dem Anfechtungs­ gegner seinen Willen erklärt, daß er das Rechtsgeschäft nicht gelten lassen wolle oder wenn er, wie z. B. bei der Eheanfechtung, die Anfechtungsklage erhebt; die in der Gewerbeordnung § 112 be­ stimmte Frist wird nur gewahrt, wenn der Arbeiter seinen An­ spruch durch Klage oder Einrede geltend macht. Nirgends finden

15 wir eine Andeutung, daß der Schuldner durch „Anerkennuugshandlungen" etwas dazu beitragen könne, dem Gläubiger sein Recht auch über die vom Gesetz bestimmte Zeit hinaus zu erhalten; immer muß das Recht im vollsten Sinne des Wortes in der im Gesetz angegebenen Weise „ausgeübt" werden; mag nun diese Ausübung in einer einfachen Willenserklärung oder in der Erhebung einer Klage oder in der Vornahme einer sonstigen Handlung bestehen. Die Untätigkeit der Parteien hat also einen ganz anderen Inhalt, je. nachdem es sich um einen Fall der Verjährung oder gesetzlichen Befristung handelt: dort besteht dieselbe in der Nichtvornahme einer Reihe von Handlungen, an deren Eingetretensein der Gesetz­ geber den weiteren Bestand des Rechtes knüpft; hier bedeutet die­ selbe die nicht rechtzeitige Vornahme einer einzelnen, im Gesetz genau bestimmten Handlung, welche als „Allsübung" des Rechtes zugleich dessen Vernichtung im Gefolge hat. Wenn somit die Befristung auch dieser Rechte nicht verwechselt' werden darf mit der Verjährung, so unterscheidet sie sich anderer­ seits nicht von der zeitlichen Beschränktheit der oben behandelten Rechte auf einen vom Gesetz garantierten Zustand. In beiden Fällen ist dem Rechte ein äußerster Termin gesetzt, bis zu welchem es ausgeübt werden kann. Mit dem Ablauf der Frist wird der Berechtigte mit der Geltendmachung seines Rechtes ausgeschlossen; es ist ihm jede Möglichkeit versagt, dasselbe ferner­ hin noch auszuüben. Daß in dem einen Falle das Recht schon früher erlöschen kann, indem es rechtzeitig vor Ablauf der Frist realisiert wird, das folgt aus feiner Natur, daß es mir eine ein­ malige Ausübung zuläßt und mit derselben verbraucht wird; es folgt aber hieraus nichts für einen etwaigen Unterschied im Wesen der dem Rechte vom Gesetz beigefügten Frist und deren Bedeutung für das befristete Recht. In beiden Fällen ist die Ursache des Unterganges des Rechtes die zeitliche Begrenzung, welche es dem Willen des Gesetzgebers verdankt; in beiden Fällen hat der Gesetz­ geber die Lebensdauer des Rechtes auf eine bestimmte Zeitfrist ein­ geschränkt ohne Rücksicht auf das, was die Parteien tun oder lassen werden. Bei zustandartigen Rechten geht dasselbe schlechthin und unbedingt mit Ablauf der gesetzlichen Frist unter, ganz gleich, ob der Berechtigte wirtschaftlichen Vorteil gehabt hat oder nicht; bei den anderen Rechten dagegen tritt der Untergang infolge der zeit­ lichen Beschränkung nur bedingt ein, nämlich nur dann, wenn nicht rechtzeitig der dem Rechte entsprechende Zustand hergestellt wurde. „Bedingt" sage ich; damit ist angedeutet, daß die Untätigkeit des Berechtigten im Gegensatz zur Verjährung hier nicht Ursache, son­ dern nur Bedingung ist; Förster sagt (Preuß. Privatrecht 8 46): Bei der Befristung „bewirkt der Eintritt des Zeitpunktes die Ver­ änderung (das ist ungenau und bedeutet, daß die dem Rechte ge-

16 setzte zeitliche Schranke seiner Existenz die causa efficiens ist) und die Nichtausübung tritt nur charakterisierend hinzu". Es besteht also Wohl ein Unterschied hinsichtlich der Art der be­ fristeten Rechte, nicht aber kann ein solcher angenommen werden bezüg­ lich des Wesens der vom Gesetz statuierten Frist; beidemale wird die Verfolgung von Rechten abgeschnitten, die früher verfolgt werden konnten innerhalb der gesetzlichen Frist. Da mit Ablauf derselben das Recht zusammenfällt und der Berechtigte mit der ferneren Geltendmachung und Benutzung desselben ausgeschlossen wird, so können wir alle diese Fristen Ausschlußfristen oder mit einem Fremd­ wort Präklusivfristen nennen, welche jedoch streng gesondert werden müssen von den im Prozesse so häufig vorkommenden Präklusiv­ fristen, mit denen wir uns hier nicht weiter zu befassen haben. Bei diesen prozessualen Fristen handelt es sich lediglich um die Be­ fristung einer prozessualen Befugnis, bei den materiell rechtlichen Fristen dagegen um die Befristung einer materiellen Berechtigung. Nicht unter die Präklusivfristen in dem hier erörterten Sinne fallen die der Wirkung irgend welches rechtsgeschäftlichen Tat­ bestandes gesetzten Fristen, wie wir sie namentlich im Erbrecht finden. So gewähren gemäß 8 10 Ziff. 4 des Zwangs-Verst.-Gesetzes ein Recht auf Befriedigung aus dem Grundstücke in der vierten Rangklasse nur diejenigen Ansprüche auf wiederkehrende Leistungen, welche wegen der laufenden und der aus den letzten „zwei" Jahren rückständigen Beträge bestehen; so wird ferner nach § 2325 bei der Berechnung des außerordentlichen Pflichtteils eine Schenkung nicht berücksichtigt, wenn zur Zeit des Erbfalles 10 Jahre seit der Leistung des geschenkten Gegenstandes verstrichen sind; hierher gehören auch die 861 Abs. 2, 1170 Abs. I1), 2252 und andere. Da es sich in allen diesen Fällen nicht um die Befristung eines Rechtes handelt und wir uns im Gegensatz zu der Verjährung nur mit der Befristung von Rechten zu be­ schäftigen haben, so scheide" diese Art von Fristen aus dem Bereich unserer Betrachtung aus. Die bisherigen Ausführungen zeigen uns, daß Verjährung und gesetzliche Befristung in unserem geltenden bürgerlichen Rechte keineswegs identisch sind. Der Umstand, daß bei beiden die Zeit, teilweise auch das Verhalten der Beteiligten eine gewisse Rolle spielt, darf nicht dazu verleiten, ihre Wesensverschiedenheit zu ver­ kennen. Bei der Verjährung wird ein wahrscheinlicher Rechtszustand — wahrscheinlich um deswillen, weil er eine gewisse Zeit lang un­ angefochten bestanden hat und daher als ein zu Recht bestehender vermutet wird — bekräftigt und geschützt; bei der Ausschlüßfrist dagegen haben wir ein zeitlich beschränktes Recht vor uns; eine *) Vergleiche dagegen Rosenberg a. a. O. S. 15.

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Handlung oder Begebenheit kann und mich, wenn sie rechtlich wirk­ sam sein soll, nur innerhalb der gesetzlichen Frist erfolgen (ähnlich Striethorst, Archiv 48 S. 321 ff.). Unsere nächste Aufgabe ist nun, die verschiedenen Theorien, die bisher ausgestellt wurden über das Wesen der Verjährungs- und Legalfristen, auf ihre Haltbarkeit zu untersuchen, und dabei wird es sich zugleich zeigen, ob es richtig ist, den Verjährungsfristen eine einheitliche Gruppe von Ausschluß­ oder Präklusivfristen entgegenzustellen. G r a w e i n stellt in der schon mehrfach zitierten Schrift der Verjährung und der gesetzlichen Befristung, wo die Zeit einmal das „Maß für den Umfang einer rechtsvernichtenden Tatsache", das andere mal das „Maß für das untergehende Recht selbst" bildet, die sogenannten materiellrechtlichen Präklusivfristen gegenüber. Das Wesen dieser Präklusivfristen soll darin bestehen, daß ihre Versäumung nicht den Verlust eines bereits vorhandenen, sondern das Nichtzustandekommen eines Rechtes zur Folge hat; der an den Fristablauf geknüpfte Nachteil besteht „in der Vereitelung der im Zuge befindlichen Bildung eines zukünftigen Rechtes"?) Es ist nicht zu leugnen, daß es Fälle gibt, in welchen die Nichtvor­ nahme einer Handlung innerhalb einer Frist die Folge haben kann, daß infolge des Ausbleibens eines wesentlichen Bestandteiles eines kon­ stitutiven Tatbestandes, dessen vollständige Verwirklichung ein Recht zur Entstehung gebracht hätte, eben dieses Recht nicht zum Leben kommt. Ferner ist G r a w e i n auch dahin beizustimmen, wenn er die in den Art. 19, 31, 41, 43, 45, 62, 99 der W.O. aufgestellten Fristen Präklusivfristen nennt. G r a w e i n macht nun den Fehler, daß er das, was von diesen wechselrechtlichen Fristen gilt, verall­ gemeinert zu einer „richtigen Konstruktion der Präklusivfrist" über­ haupt. Strohal hat darauf hingewiesen, daß schon während der ganzen Frist ein verfolgbares Recht vorhanden sein kann und daß dasselbe, wenn der Berechtigte mit der Vornahme der bestimmten Handlung säumig ist, dann mit Ablauf der Frist untergeht. Ein kurzer Blick auf das ins quod est zeigt uns die Unrichtigkeit der G r a w e i nschen Definition der Präklusivfrist. So erlischt z. B. nach § 76 der bayerischen Bauordnung vom 17. Februar 1901 das Recht aus einer Baubewilligung, wenn nicht innerhalb 2 Jahren mit dem Bau begonnen wird; nach § 9 des Patentgesetzes erlischt das Patent, wenn der Patentinhaber nicht rechtzeitig (§ 8) die Ge­ bühren einbezahlt. Hierher paßt auch folgendes Beispiel, in dem es sich allerdings nicht um eine unmittelbar vom Gesetz bestimmte, sondern um eine von einer Behörde gesetzte Frist handelt: § 12 der bayerischen Allerhöchsten Verordnung vom 20. Juni 1855, die Erbauung von Eisenbahnen betreffend, sagt: „die erteilte Konzession T) GraweinS. 35 und ähnlich Bendir, deutsches Privatrecht I S. 193. 2

18 erlischt a) wenn der Zeitraum beendet ist, für welchen die Konzession erteilt wurde, b) wenn der Termin nicht eingehalten wird, welcher für die Vollendung der Bahn oder einzelner Bahnstrecken, sowie für die Eröffnung des Betriebes in der Konzessionsurkunde ausdrücklich dorgeschrieben ist, es sei denn, daß eine besondere Nach­ sicht von Seite der Kgl. Staatsregierung erwirkt worden wäre". In keinem dieser Fälle haben wir einen „inkompleten" rechts­ begründenden Tatbestand; diese Fristen wären also nach Grawein keine Präklusivfristen, aber auch keine Fälle der „gesetzlichen Befristung", da ja das Patentrecht, die Baukonzession sowie die Eisen­ bahnkonzession nicht befristet sind; im Gegenteil, wenn die im Gesetze vorgeschriebene Handlung rechtzeitig vorgenommen wird, dann besteht das Recht ohne zeitliche Schranke weiter. Unter den Begriff der Verjährung können diese Fristen ebenfalls nicht gebracht werden, da nur Ansprüche oder Klagerechte von der Verjährung erfaßt werden, es also hier an einem Objekte für die Verjährung fehlt.

Wohin gehören nun diese Fristen? Die Unhaltbarkeit derGraweinschen Definition hat Strohal veranlaßt, den Begriff der Präklusivfrist einer Revision zu unter­ ziehen. Er stellt der Verjährung gegenüber die Fälle, wo „ein zu längerer Dauer befähigtes Recht erlischt, wenn der Berechtigte innerhalb einer bestimmten, regelmäßig kurzen, durch Anerkennung der Gegenpartei nicht unterbrechbaren Frist „etwas" zu tun unter­ läßt". Je nach dem „Etwas", das zu tun nötig gewesen wäre, unterscheidet er (a. a. O. S. 68) zwei Gruppen von Ausschluß­ fristen: bei der einen werde die Frist durch irgend welche Handlung ein­ gehalten, so durch Vorzeigen eines Papieres beim Wechsel, Zahlung von Gebühren, Beginn des Baues; bei der anderen erscheine die Handlung „als Anstellung einer Klage"; aber, so sagt er weiter, an der Natur der Ausschlußfristen werde hierdurch nichts geändert; die Frist sei hier wie dort eine Präklusivfrist. So klar dies alles zu sein scheint, so können diese seine Ausführungen doch nicht auf Richtigkeit Anspruch machen. Es ist unbestreitbar, daß heute unter der Geltung des B.G.B. sämtliche Verjährungsfristen durch Aner­ kennung des Schuldners unterbrochen werden, während dies, wie wir noch sehen werden, bei Ausschlußfristen nicht der Fall ist; aber eine absolute Naturnotwendigkeit besteht nicht, daß dieser Unterschied gemacht werde; es konnte früher die Wechselverjährung, die allgemein als wirkliche Verjährung angesehen wurde, auch nicht durch Anerkennung unterbrochen werden; oder: § 8 der landes­ herrlichen Verordnung' vom 26. Juli 1841 für Oldenburg lautet: Unterbrochen wird die Verjährung nicht anders als: 1. Durch Zustellung der Ladung zum Sühneversuch; 2. durch Zustellung der Klage;

19 3. durch . . . Protestation gegen Abwesende . . . (Rudorfs, Klage­ verjährung S. 68). Dazu kommt noch eines: der Umstand, daß eine Frist durch Anerkennung des Schuldners unterbrochen wird oder nicht, ist eine Folge davon, ob die Frist eine Verjährungs- oder Präklusivfrist genannt werden muß. Das logische Verhältnis ist nicht: weil die Frist durch Anerkennung nicht unterbrochen werden kann,, darum ist sie eine Präklusivfrist, sondern gerade umgekehrt: weil eine Frist eine Präklusivfrist ist, deshalb kann sie durch Anerkennung nicht unterbrochen werden. Endlich sei noch bemerkt, daß S t r o h a l s Einteilung der Präklusivfristen eine ganz willkürliche ist; denn Anfechtungsfristen müßten bald in die eine, bald in die andere Gruppe verwiesen werden, je nachdem das Anfechtungsrecht durch eine einfache Er­ klärung an den Anfechtungsgegner oder durch Erhebung der An­ fechtungsklage ausgeübt wird. S t r o h a ls Bestimmung des Wesens der Ausschlußfrist ist also für das frühere Recht unrichtig, weil es auch Verjährungsfristen gab, für welche die Anerkennungshandlungen nicht als Unter­ brechungsgrund galten; sie ist unhaltbar auch für das neue, heilte geltende Recht, weil sie Grund und Folge verwechselt. Reuter (a. ä. O. S. 42 ff.) hat erkannt, daß es nicht richtig sei, „so viel Gewicht auf jenes Begriffsmerkmal zu legen, daß die Ausschlußfristen durch Anerkennung der Gegenpartei nicht unter­ brochen werden". Was er freilich als richtige Begriffsbestimmung vorschlägt, ist nichts weniger als richtig. Er sagt nämlich: „Bei der Verjährung wie bei der Ausschlußfrist ist die Untätigkeit des Berechtigten allein der Aufhebrmgsgrund", nur in der Art und Weise der Untätigkeit liege der Unterschied: bei der Verjährung Nichtvornahme der als Unterbrechungsgründe allerkannten Hand­ lungen, bei den Ausschlußfristen Nichtvornahme einer einzelnen vom Gesetz genau bezeichneten Handlung. Ich glaube, es bedarf hier keiner besonderen Widerlegung dieser Sätze llach all' dem, was wir oben über das Wesen des Stillschweigens des Berechtigten und Verpflichteten bei beiden Arten von Fristen gehört haben. Endlich ist sowohl gegen Strohal als auch gegen Reuter das Bedenken geltend zu machen, daß sie sich nichts um jene zustandartigen Rechte kümmern, von welchen wir ausgegangen sind. Wir wir schon ge­ hört haben, findet sich Reuter mit dieser Gruppe von Rechten auf sehr einfache Weise ab;*) er sagt, es rentiere sich nicht, für diese wenigen Fälle einen eigenen Begriff aufzustellen; aber ich glaube, selbst wenn es nur wenige Fälle gäbe, in welchen die Lebensdauer *) Ebenso schließt Rosenberg diese Rechte von seiner Betrachtung S. 12 seiner Abhandlung.

ans,

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von derartigen, eine wiederholte Ausübung zulassenden Rechten zeitlich begrenzt ist, so wären wir doch verpflichtet, sie zu berück­ sichtigen. Wie haben wir uns nun in diesem Streite der Meinungen zu Verhalten? Eine befriedigende Lösung werden wir nur dann erhalten, wenn wir die einzelnen befristeten Rechte näher unter die Lupe nehmen. Hier begegnen uns zunächst einmal — allerdings sehr selten, so daß wir sie ruhig als Ausnahmeerscheinung im geltenden Rechte bezeichnen können — die Fälle, daß eine materielle Berechtigung, der eine materielle Verpflichtung eines Schuldners gegenübersteht, kurzum, daß ein „Anspruch" befristet ist; welches diese Fälle sind, werden wir im nächsten Abschnitt kennen lernen. Sodann haben wir in einer Menge von Fällen die Bestim­ mung, daß eine Handlung innerhalb gewisser Fristen vorgenommen werden muß, wenn sie rechtlich bedeutsam sein soll. Hier müssen wir den Hebel einsetzen und es wird sich dann auch zeigen, woran die bisherigen Begriffsbestimmungen kranken. Wir haben da vor allem Fristen, bei denen es sich um die Möglichkeit handelt, durch die Vornahme irgend einer Handlung ein Recht entstehen zu lassen; die Nichteinhaltung der Frist hat mithin zur Folge das Nichtinkrafttreten eines Rechtes; wird die Handlung vorgenommen, so entsteht ein Recht, das von jeder zeit­ lichen Schranke frei ist. Ferner finden wir Fristen, innerhalb deren eine Handlung vorgenommen werden muß, wenn nicht der Berechtigte ein ihm bereits zustehendes, vollendetes Recht verlieren will. In beiden Fällen ist weder das Recht, das mit der Vor­ nahme der Handlung ins Leben treten soll, befristet, noch auch dasjenige, dessen Fortbestand durch die Vornahme der bestimmten Handlung gesichert wird. Endlich gibt es Fälle, wo mit dem Ablauf der Frist irgend eine Vermutung oder gar eine Fiktion eintritt; so z. B. die un­ zähligen Fälle des B.G.B. und sonstiger Gesetze, wo bestimmt ist: eine Einwilligung gilt nach Ablauf einer bestimmten Frist als er­ teilt oder als nicht erteilt (vergl. z. B. B.G.B. §§ 108 Abs. 2,177 Abs. 2, Patentgesetz § 24). Wir sehen, daß die Wirkung, welche sich an den Ablauf der gesetzlichen Frist knüpft, eine ganz verschiedenartige sein kann, und der Hinblick auf diese Wirkung hat die ganze Ver­ wirrung hervorgebracht. In dem einen Falle denkt man nur an die Frist und an das Recht, welches durch die Frist in seiner Existenzfähigkeit beschränkt ist; im anderen Falle begnügt man sich hierbei noch nicht, sondern man denkt zugleich auch voraus an das, was nach dem Ablauf der Frist geschieht; man macht den Fehler,

21 daß man bei der Bestimmung des Wesens der Ausschlußfrist viel­ fach darauf das ganze Wesen derselben aufbauen zu können glaubt, daß bei unbenütztem Verstreichenlassen derselben eine Rechtsänderung eintrete, bezw. deren Eintritt gehindert werde. Hätte man dies nicht getan, so wäre man nicht zu einseitigen Definitionen der Präklusivfrist gekommen; denn sowohl die Definition Graweins wie die Strohals ist einseitig. Graweins Definition zielt dar­ auf ab, daß nach Ablauf der Frist ein Recht nicht mehr entstehen kann; er übersieht die Fälle, wo das weitere Bestehen eines Rechtes gesichert werden kann durch die innerhalb einer bestimmten Frist vorzunehmende Handlung. Strohal spricht in seiner Definition davon, daß ein zu längerer Dauer befähigtes Recht erlösche, wenn der Berechtigte nicht irgend etwas innerhalb einer bestimmten Frist tue. Er denkt somit daran, daß mit dem Ablauf dieser Frist nicht nur die Möglichkeit verloren geht, diese Handlung vorzunehmen, sondern daß damit zugleich noch ein weiterer Rechtsverlust eintritt, sei es, daß ein Recht nicht zur Entstehung gelangt, sei es, daß ein bereits vorhandenes vernichtet wird. Denselben Fehler begeht Blumenstein in einer Schrift: „Verwirkung und Ablauf der Befristung als Endigungsgründe von Privatrechten" (1901). Sein Gedankengang ist etwa folgender: Um den Verpflichteten möglichst rasch darüber aufzuklären, ob der Gläubiger etwas von ihm fordern könne, wähle der Gesetzgeber zwei Wege: entweder werde der betreffende Anspruch zeitlich ein­ geschränkt oder er stelle gewisse Formvorschriften auf, deren Nicht­ erfüllung rundweg der: Verlust des Anspruchs zur Folge habe. Die Form bestehe in der Vornahme einer bestimmten Handlung und diese sei nur innerhalb einer bestimmten Frist möglich: die zeitliche Beschränkung beziehe sich nicht auf das Recht selbst, sondern „einzig und allein auf die vom Gesetzgeber unter Androhung der Verwirkung jenes Anspruchs geforderte Handlung"; er nennt dem­ gemäß diese Fristen „Verwirkungsfristen." Es ist ja nun ganz gleichgültig, wie man die Fristen bezeichnet; es mag Blumenstein diese Art von Fristen immerhin Verwirkungsfristen nennen; irrig ist es jedoch, dieselben in Gegensatz zu den sonstigen gesetz­ lichen Ausschlußfristen zu setzen. Zu welcher Kategorie würde z. B. Blumen st ein die Frist des § 152 der Konkursordnung rechnen: „Konkursgläubiger . . . haben bis zum Ablauf einer Ausschluß­ frist von zwei Wochen . . . den Nachweis zu führen, daß und für welchen Betrag die Feststellungsklage erhoben . . . ist. Wird der Nachweis nicht rechtzeitig geführt, so werden die Forderungen bei der vorzunehmenden Verteilung nicht berücksichtigt." Wir haben hier eine Frist, innerhalb welcher gewisse Handlungen vorgenommen werden müssen, wenn nicht der Erfolg eintreten soll, daß die For­ derung nicht berücksichtigt wird; auf diese Frist findet all' das An-

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Wendung, was Blmnenstein von seiner Verwirkungsfrist sagt: ge­ wisse Handlungen (hier der Nachweis) müssen innerhalb einer bestimmten Frist vorgenommen werden. Mit dem unbenützten Ablauf geht ein Recht (nämlich das Recht, bei der Verteilung im Konkurse berücksichtigt zu werden) verloren; die zeitliche Schranke bezieht sich dabei nicht auf das Recht selbst, sondern nur auf die Vornahme jener Handlungen; durch Versäumnis wird also hier ein Recht verwirkt. Eines ließe sich allenfalls gegen diese Konstruktion einwenden, nämlich Blum en stein sage ja doch, bei der Verwirkung trete ein Rechtsverlust ein infolge „des rechtlich mißbilligten Verhaltens des Be­ rechtigten", und diese „rechtliche Mißbilligung lasse sich in allen Fällen der Verwirkung nachweisen" und die Nichterbringung des Nachweises sei doch kein „rechtlich mißbilligtes" Verhalten; es könne doch dem Gesetzgeber ganz gleichgültig sein, ob der Gläubiger den verlangten Nachweis liefere und somit bei der Verteilung mit seiner Forderung auch zum Zug komme oder nicht. Das ist richtig, allein B l u m e n st e i n nimmt es mit dem Erfordernis der „rechtlichen Miß­ billigung" selber nicht so genau; bezeichnet er doch selbst die Wechsel­ fristen in Art. 19, 31, 41, 43, als Verwirkungsfristen. Es ist ganz unmöglich, diese Fristen als den Präklusivfristen entgegengesetzt zu bezeichnen; die Verwirkungsfristen sind nur ein Teil der Aus­ schlußfristen; B l u m e n st e i n kann diese Gruppe von Fristen nur des­ wegen und nur dann Verwirkungsfristen nennen, weil und wenn er das Wesen der Frist darin sieht, daß mit dem Ablauf derselben ganz bestimmte Wirkungen eintreten. Wir müssen das Recht, welches „verwirkt wird", trennen von demjenigen, welches befristet ist. In all diesen Fällen bezieht sich die Frist nicht auf das Recht, von einem anderen eine Leistung zu verlangen, sondern auf das Recht, irgend eine Handlung mit rechtlicher Wirksamkeit vorzunehmen. Die Möglichkeit, eine Handlung vorzunehmen, kann freilich nicht zeitlich eingeschränkt werden; ich kann jederzeit meinem Anfechtungsgegner mündlich oder schriftlich mitteilen, daß ich ein Rechtsgeschäft wegen Täuschung oder Drohung anfechte, das kann mir niemand ver­ wehren; eine zweite Frage ist, ob der Adressat meiner Erklärung sich um dieselbe etwas zu kümmern braucht. Zeitlich begrenzt ist vielmehr das Recht, die Handlung rechtsgültig vorzunehmen. Wir haben hier nicht Rechte, bei welchen ein Verpflichteter von einem Dulden, Leiden oder Geben befreit wird, sondern wir haben hier nur an eine gewisse Zeit geknüpfte rechtliche Befugnisse jemandes, deren Nichtausübung für ihn zunächst den Verlust der Befugnis bedeutet, während die weiteren Folgen verschieden sein können. Da nun die Möglichkeit, eine Handlung mit rechtlicher Wirksamkeit vorzunehmen, ein Recht ist, so bedeutet die Präklusivfrist die Be­ fristung eines Rechtes und der Ablauf derselben hat den Verirrst

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dieses Rechtes im Gefolge. Es handelt sich somit auch in diesen Fällen um die gesetzliche Befristung eines Rechtes und nicht um verschiedene juristische Erscheinungen; es ist also irrig zu glauben, daß wir es hier mit Fristen zu tun hätten, die ihrer inneren Natur nach verschiedenartig sind.

Es kann nicht scharf genug hervorgehoben werden, daß es sich in all den Fällen, die wir als Beispiele von gesetzlichen Aus­ schlußfristen kennen gelernt haben, tatsächlich um eine Rechts­ befristung handelt. Dies zu erkennen ist um so wichtiger, als schon vielfach behauptet wurde, man könne in der Mehrzahl dieser Fälle nicht von „Rechtsbefristuug", sondern nur von „Klagebefristung" sprechen. So sagt Strohal a. a. O. S. 70, man müsse sich hüten, einmal die Temporalität der actio mit der des Rechtes zu verwechseln, da letzteres fortbestehen könne, auch wenn die für die Vornahme der Klagehandlung limitierte Frist längst abgelaufen sei, sodann vor dem Irrtum, als ob bei der temporalis actio Hemmung und Unterbrechung der Frist zur Klage absolut ausge­ schlossen sei. Ich kann mich damit nicht einverstanden erklären. Nach § 1339 muß die Anfechtung der Ehe innerhalb 6 Mo­ naten erfolgen und zwar zufolge § 1341 auf dem Wege der Klage. Kann hier überhaupt die Frage: Klage- oder Rechtsbefristmrg? ernsthaft gestellt werden? Hat der anfechtungsberechtigte Ehegatte die Frist verstreichen lassen, ohne Klage zu erheben, so ist die Ehe einfach nicht mehr anfechtbar, der Schwebezustand ist beseitigt; der Ehegatte hat sein Anfechtungsrecht ebensogut verloren wie die Möglichkeit, die Anfechtungsklage zu stellen; denn worin anders besteht denn eben das Anfechtungsrecht als gerade in der Befugnis, ein Rechtsgeschäft durch seine Willenserklärung — hier Klage, in anderen Fällen formlose Anfechtungserklärung an den Gegner — zu Fall zu bringen? Recht- und Klagemöglichkeit können also nicht geschieden werden. Dies gilt auch in den Fällen, in denen irgend eine andere Handlung innerhalb der Frist vorgenommen werden muß. Eine seltsame Unterscheidung macht Bucerius/) indem er folgendes ausführt: „Fragen wir aber, was hat das Gesetz be­ fristet, was läßt sich überhaupt befristen? Man muß zwischen An­ fechtung und Anfechtbarkeit unterscheiden: Die erstere ist eine selbständige Befugnis, die Anfechtung hat einen eigenen Tatbestand, aus dem ein Anspruch hervorgeht, zuuächst allerdings mir auf Reszission. Die Wirksamkeit eines solchen Tatbestandes kann be­ fristet werden. Die Anfechtbarkeit dagegen ist eine inhärente Eigen­ schaft des Tatbestandes des anfechtbaren Geschäftes . . ., diese Eigenschaft kann nicht . . . befristet werden, es sei denn, daß das Gesetz ausdrücklich bestimmte, daß ein aufechtbares Geschäft durch *) Erörterung der Begriffe exceptio, Einrede und Einwendung 1899, S. 139.

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Ablauf der Zeit geheilt werde. Das tut jedoch das Gesetz nicht." Diese Unterscheidung zwischen Anfechtung und Anfechtbarkeit scheint mir schlechterdings unmöglich. Wenn das Gesetz sagt, das Rechtsgeschäft solle nur innerhalb einer bestimmten Frist angefochten werden können, so ist damit ziemlich deutlich gesagt: wenn die Zeit verstrichen ist, muß man bei dem Geschäfte stehen bleiben; es ist nicht mehr möglich, das­ selbe umzustoßen. Die Anfechtbarkeit kann nicht von der Anfech­ tungshandlung getrennt werden; denn wenn das Recht, die An­ fechtung zu erklären, verloren ist, so ist damit zugleich auch die Anfechtbarkeit des Rechtsgeschäftes definitiv beseitigt. Diese Erwägungen müssen uns veranlassen anzunehmen, daß es sich auch tu den — es mag dies ja zugegeben werden — auf den ersten Blick zweifelhaften Fällen nicht um Klagebefristung, sondern um eine wahre Rechtsbefristung handelt. Überblicken wir all das, was in diesem Abschnitte über Ver­ jährung und gesetzliche Befristung gesagt ist, so kommen wir zu folgendem Ergebnis: Die wenigen Beispiele, die wir bisher zu er­ örtern Gelegenheit hatten, zeigen, daß der in den Motiven so deutlich ausgedrückte Gedanke des Unterschiedes der Verjährung und Befristung auch in das Gesetz Eingang gefunden hat; es hieße also sich in Widerspruch nicht nur mit dem Willen des Gesetzgebers, sondern auch mit dem Geist des Gesetzes stellen, wenn man jeglichen Unterschied zwischen Verjährung und gesetzlicher Befristung leugnen wollte. So sagt unter anderem Wendts) Verjährung und Be­ fristung seien nur verschiedene Wege, den gleichen Zweck zu ver­ wirklichen, und keinesfalls könne es im Wesen der Ausschlußfrist liegen, daß sie strenger behandelt werden müßte als die Verjährungs­ fristen. Aber Wendt wird sich auf jeden Fall entgegenhalten lassen müssen, daß seine Ansicht im jus quod est keine Stütze findet; sagt doch Riezler im Staudingerschen Kommentar 1 S. 525, der prinzipiell der Meinung Wendts beipflichtet, derselbe wolle „mit seiner Ansicht ein vernünftiges Postulat an den Gesetzgeber gegen den Willen des Gesetzes zur lex lata stempeln". Erst neuer­ dings hat sich wieder ein Angriff erhoben gegen die Trennung der beiden Institute; es spricht nämlich Hölder im Archiv für civ. Pr. 93 S. 98 von der „handgreiflichen" „Verkehrtheit jener Ent­ gegensetzung von Rechtsbefristung und Verjährung". Es ist nun unzweifelhaft zuzugeben, daß die beiden Institute der Hauptsache nach die gleichen Ziele erstreben, daß sie mithin sehr gut als zwei Wege bezeichnet werden können, die zu demselben Endpunkte hin­ führen. Ist jedoch damit die Frage entschieden, ob diese beiden Wege durchaus die gleichen seien? Können nicht auch verschiedene 1) Archiv für civ. Pr. 92 8. 1 71 ff.

25 Wege das gleiche Ende haben? Ich glaube, wir kommen mit dieser: allgemeinen Bemerkungen nicht zum Ziel. Wir brauchen uns gar nicht hinter den Satz verschanzen: „Quand la loi a parle, la raison doit plier“; denn wenn der Gesetzgeber auch das Positive Recht schafft, so darf die Wissenschaft sich doch uicht bei dem Gesetzes­ paragraphen beruhigen. Ich glaube aber, die bisherigen Aus­ führungen haben gezeigt, nicht nur daß unser Gesetz zwischen Ver­ jährung und Befristung unterscheidet, sondern daß diese Unterscheidung, so wie sie vom Gesetze gewollt ist, sich auch vom Standpunkt der wissenschaftlicher: Forschung aus unschwer verteidigen läßt?) Wohl ist es gerechtfertigt, Verjährung ur:d gesetzliche Be­ fristung auseinanderzuhalten; doch muß man sich vor zwei Fehlern: hüten: Vor allem darf mar: rncht glauben, diese Unterscheidung sei von Anbeginn der Welt an gegeben; eine Gesetzgebung sei nicht vollkommen, die nicht diese beiden Institute in ausgeprägter Form einander gegenüberstellte. Das ist ein naturrechtlicher Gedanke, der keine Heimat in unserer modernen Zeit hat. Der Gesetzgeber zieht diese Begriffe nur dann herarr, wenn er sie braucht und zwar gerade so, wie er sie braucht. Bekker sagt daher richtig in seinen Pandekten I § 38 Beil. III: ,,Der einzelne Gesetzgeber knüpft je nach den ihn umgebenden Verhältnissen und nach seiner eigenen Fassungskraft die ihm angemessen diinkenden Rechtsfolge!: an die Tatbestände, deren rechtliche Ordnung er in die Hand niinmt. So entsteht eine Masse nahe zusammenstehender und doch untereinander wie die Bäume im Walde verschiedener Gebilde. Dann kommt das ordnende Nachdenken, die wissenschaftliche Lehre und diese erst er­ findet die Grundtypen, um zu systematischer Übersicht ... zu ge­ langen. Solche nachträglich erfundenen Grundtypen sind Ver­ jährung und Legalbefristung und es ist beinahe selbstverständlich, daß die in Angriff genommene Gruppenbildung sich nicht glatt ausführen läßt, manche Gebilde auf der Grenze stehen, manche, die wir aus überwiegenden Gründen dem einen Typus zusprechen zu können glauben, doch zugleich charakteristische Merkmale des andern zeigen." Sodann darf man bei der Gegenüberstellung von Verjährung und Rechtstemporalität nie vergessen, daß die letztere nirgends vom positiven Recht als einheitliches Rechtsinstitut geregelt ist und auch nicht geregelt werden kann. Gerade hier gibt sich die Notwendig­ keit kund, die Frage nach dem Unterschied zwischen Verjährung *) Damit dürfte auch die Unhaltbarkeit des prinzipiellen Standpunktes Rosenbergs dargetan sein, der entgegen den: deutlich erkennbaren Witten des Ge­ setzes und Gesetzgebers einen begrifflichen Gegensatz von Verjährung und gesetzlicher Befristung leugnet und beide unter einen vom Gesetze nicht anerkannten gemeinsamen Oberbegriff subsumiert (a. a. O. S. 17, 23 ff.)

26 und Legalbefristung stets nach geltendem Recht zu Beurteilen und sich vor naturrechtlichen Abwegen zu hüten. Um dies klar zu machen, müssen wir etwas weiter ausholen. Die Gerichte im Gebiet des Preußischen Landrechtes waren vor allem gezwungen, dem Unterschied zwischen Verjährnng und Rechtstemporalität nachzugehen und streitige Fristen bald in die eine, bald in die andere Gruppe einzureihen. So bildete sich all­ mählich eine Praxis heraus, deren Resultat im folgenden kurz wiedergegeben werden soll: Von Verjährung kann nur da die Rede sein, wo ein be­ stimmter Verpflichteter einem bestimmten Berechtigten gegenüber von einem Leisten oder Dulden befreit wird, weil der bisher Be­ rechtigte die Befugnis, sein Recht zwangsweise gegen den Willen des Verpflichteten durchzusetzen, durch Untätigkeit verloren hat. Präklusivfrist dagegen liegt dann vor, wenn das Verstreichenlassen einer gesetzlichen Frist die Aufhebung von Befugnissen bewirkt, welchen eine konkurrierende Verpflichtung eines anderen nicht gegen­ übersteht, wo also nicht zugleich ein anderer von einer Verbind­ lichkeit befreit wird. Es muß zugegeben werden, daß diese in vielen oberstrichter­ lichen Erkenntnissen sich findende Unterscheidung nach dem ehe­ maligen preußischen Landrecht sehr wohl haltbar ist. Auch heute noch können diese Ausführungen Geltung beanspruchen, wenn auch in eingeschränktem Maße; denn der hier aufgestellte Unterschied ist bei uns verwischt. Bekanntlich unterliegen der Verjährung nach dem B.G.B. nur „Ansprüche"; was nicht „Anspruch" ist, kann nicht verjähren; andererseits sind einzelne „Ansprüche" auch be­ fristet; ein absolut notwendiger Unterschied hinsichtlich des Gegen­ standes besteht hiermit nicht, wie auch bald des näheren aus­ geführt werden soll. Es stünde auch gar nichts im Wege, daß ein Gesetzgeber bestimmte: „das Anfechtungsrecht verjährt", ja es könnten auch prozessuale Befugnisse der Verjährung unterworfen werden. Es ist ganz irrig zu glauben, die Verjährung könne gar nichts anderes sein und bleiben als ein Institut des materiellen Rechtes; ebenso verkehrt ist es zu meinen, es könnten einzig und allein ma­ terielle Berechtigungen, denen eine materielle Verpflichtung ent­ spräche, verjährbar sein. Freilich — und nun kommen wir auf das zurück, was wir besonders betonen wollten — nach dem B.G.B. verjähren nur „Ansprüche"; nach geltendem Recht ist zweifellos die Verjährimg ein Institut des materiellen Rechtes von allgemeiner Bedeutung. Es ist daher möglich, dieses Institut durch allgemeine Sätze ein für allemal zu regeln. Ganz anders verhält es sich mit der gesetzlichen Befristung. Wir haben gehört, daß die verschiedenartigsten Rechte und Befug­ nisse befristet sind, itiib wir können hier auf das Gesagte verweisen;

27 wir haben auch gesehen, daß die Wirkung, die mit dem Ablauf der Frist eintritt, eine einheitliche nur insoferne ist, als das Recht, dem die Frist gesetzt war, untergeht, daß dagegen die weiteren Folgen dieses Rechtsunterganges nichts weniger als gleichartig sind. Die Verschiedenheit der befristeten Rechte, sowie die Verschiedenheit der Wirkungen des Fristablaufes rechtfertigen die bereits zitierten Worte der Motive, daß es nicht ratsam sei, allgemeine Vorschriften über Präklusivfristen aufzustellen. Bei der Behandlung dieser Fristen vergißt man in der Regel, daß dieselben in viel engerem Zusammenhang mit dem befristeten Recht als mit den anderen Fristen stehen; auch Grawein übersieht, daß die Fälle, in welchen der Gesetzgeber eine Ausschlußfrist statuiert, sich nicht von all­ gemeinen Gesichtspunkten aus doktrinell behandeln lassen. Diese Erörterungen setzen uns instand, den Versuch einer Definition der beiden Institute zu wagen. In Anbetracht des Satzes: omnis definitio periculosa und mit Rücksicht darauf, daß es bei der Bestimmung eines Begriffes nur darauf ankommen kann, die wesentlichen Merkmale desselben hervorzuheben, beschränken wir uns darauf, lediglich das in die Definition zu bringen, was gerade die Verjährung von der gesetzlichen Befristung unterscheidet. Wir können etwa sagen: Verjährung ist das dem Verpflichteten vom Gesetz gewährte Recht, die Vollziehung einer ihm obliegenden Leistung zu verweigern infolge des eine bestimmte Zeit hin­ durch andauernden Mangels jener Tatsachen, vor: deren Eintritt der Gesetzgeber das vom Zeitablauf unberührte Bestehen der Leistungspflicht abhängig macht. § 222 B.G.B. gibt dem Schuldner ein Leistungsverweigerungs­ recht; der Gläubiger kann sein Recht nicht mehr wider den Willen des Schuldners verwirklichen, sein Recht ist gelähmt und zwar nicht wegen des bloßen Zeitablaufes, sondern infolge des einen bestimmten Zeitraum hindurch sich fortsetzenden Stillschweigens der Parteien, welches vom Gesetzgeber mit der Fähigkeit ausgestattet ist, diese Veränderungen an dem Rechte zu bewirken, so daß dasselbe unter der entgegengesetzten Voraussetzung trotz des Ablaufes der Zeit in ungeschwächter Kraft fortzubestehen vermag. Riezler sagt in Staudingers Kommentar S. 524: „Verjährung im Sinne des B.G.B. ist die durch Zeitablauf begründete, rechtlich anerkannte Unmöglichkeit, einen Anspruch wider den Willen des Anspruchsgegners durch gerichtliche Hilfe zu erzwingen. Folge der recht­ lichen Anerkennung dieser Unmöglichkeit ist das Leistungsverweigerungsrecht des Anspruchsgegners." Mir scheint hier das logische Verhältnis gerade umgekehrt zu sein in sein Gegenteil und dies wird wichtig werden bei der Geltendmachung der Verjährung im

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Prozesse. $ 222 sagt: Nach Vollendung der Verjährung ist der Verpflichtete berechtigt, die Leistung zu verweigern; dies ist die erste und nächste Wirkung der Verjährung und hieraus folgt dann notwendig, daß der Berechtigte sein Recht nicht mehr gegen den Willen des Schuldners durchsetzen kann; so dürfte sich wohl die Sache logisch gestalten. Ausdrücklich hervorgehoben sei hier noch einmal, daß die Rechtsänderung durch das Unterlassen des Gläu­ bigers und Schuldners verursacht wird und daß dieses Unterlassen die Kraft hierzu dem Gesetze verdankt. Die Temporalität eines Rechtes dagegen be­ deutet, daßderGesetzgeberdemselben unbekümmert um das, was der Berechtigte tun wird, einen End­ termin setzt; die Existenz des Rechtes ist von An­ fang an nur auf eine von vornhinein bestimmte Frist berechnet. Wir haben es hier mit einer auflösenden Befristung zu tun, welche der Gesetzgeber dem Rechte beigefügt hat. Grund des Unter­ ganges ist nicht die Untätigkeit der Parteien wie bei der Ver­ jährung, sondern Grund des Rechtsverlustes ist die dem Rechte kraft Gesetzes anhaftende Unmöglichkeit, einen dies ad quem zu überdauern und weder eine Handlung des Berechtigten noch eine solche des Verpflichteten ist imstande zu bewirken, daß das Recht auch noch nach Ablauf der gesetzlichen Frist bestehen bleibe. Wenn wir nun eine zweifelhafte Frist haben, bei der wir nicht mit Sicherheit angeben können, ob sie in die eine oder in die andere Kategorie von Fristen gehört, so haben wir uns vor allem zu fragen: Ist dem Rechte vom Gesetz eine Frist bestimmt, innerhalb deren es sich bewähren muß; kommt es also mrr mit einer zeitlichen Schranke seiner Dauer zur Entstehung oder ist es eine neben dem Rechte mit selbständiger Existenz bestehende Tat­ sache, welche die Verwirklichung des Rechtes auszuschließen imstande ist? Man möchte versucht sein, bei der Untersuchung, ob eine Frist Verjährungs- oder Legalfrist sei, besonders Gewicht darauf zu legen, ob das Wort „Verj ährung" vom Gesetze gebraucht wird ; ob also etwa der Gesetzgeber sagt: das Recht verjährt in so und so viel Jahren oder ob er bestimmt: das Recht geht unter, wenn es nicht innerhalb einer bestimmten Frist ausgeübt wurde. Hierüber ist zu sagen, daß der Gebrauch des Wortes „Verjährung" nur dann Sinn und Wert haben kann, wenn der Gesetzgeber sich bei der Anwendung dieses Wortes auch seines Begriffes vollkommen bewußt war und namentlich den Unterschied von anderen Fristen nicht übersah. Für alle Gesetze älteren Datums müssen wir annehmen, daß es, wie das R.O.H.G. 12 No. 65 ausgesprochen hat, auf den „Gebrauch des Wortes Verjährung an sich" nicht ankommt, daß hierin also noch kein genügender Grund zu der Annahme liegt,

29 der Gesetzgeber habe eine wahre Verjährungsfrist statuieren wollen. Wie wollte man auch bei dem Gesetzgeber die Kenntnis eines Be­ griffes als vorhanden voraussetzen, von dem weder in Theorie noch in Praxis gesprochen wurde; war doch der Gesetzgeber noch gänzlich befangen im Banne jener gemeinrechtlichen Generalisierungswut, die überall, wo der Zeitablauf bedeutsam wurde für Untergang oder Entstehung eines Rechtes, gleich von Verjährung sprach, ohne sich weiter um das oft sehr verschiedene innere Wesen der einzelne:: Fälle zu kümmern. Ein Beispiel möge dies zeigen: a) S 17 des Gesetzes betr. die Quartierleistung für die bewaffnete Macht des Friedenszustandes sagt: „Entschädigungsansprüche für gewährtes Naturalquartier, sowie alle Nachforderungen müssen zur Vermeidung der „Verjährung" spätestens im Saufe des Kalenderjahres, welches auf dasjenige folgt, in welchem die Zahlungsverpflichtung begründet worden ist, bei dem Gemeindevorstand angemeldet werden" (Gesetz vom 25. Juni 1868). b) Das Gesetz über die Natural­ leistungen für die bewaffnete Macht im Frieden (13. Februar 1875) bestimmt im § 16: „Entschädigungsansprüche, welche auf Grund dieses Gesetzes erhoben werden, sind beim Gemeindevorstand . . . anzumelden. Sie erlöschen . . . , wenn sie nicht innerhalb vier Wochen nach dem Eintritt der behaupteten Beschädigllng . . . angemeldet werden." c) Endlich sei hier noch angeführt der § 22 des Gesetzes über die Kriegsleistungen vom 13. Juni 1873 : „Den... in Anspruch Genommenen ist eine mit dem Tage der Ausgabe des Anzeigeblattes beginnende Präklusivfrist von einem Jahr zur Anmeldung bei den Gemeindebehörden zu stellen." Abs. 2 bestimmt ebenfalls eine „Präklusivfrist" und Abs. 3 sagt noch: „Mit dem Ablauf der Präklusivfrist erlöschen die nicht angemeldeten Ansprüche". Zweifellos ist die Natur der Fristen in der: drei Paragraphen die gleiche; daher ist es falsch, wenn der Gesetzgeber im ersten Fall von einer Vermeidung der „Verjährung" spricht; in allen drei Fällen muß der Anspruch in der vom Gesetz vorgeschriebenen Weise innerhalb einer bestimmten Frist geltend gemacht werden. Das Wort „Verjährung" darf also nicht verleiten, die an­ gegebene Frist als eine Verjährungsfrist anzusehen. Freilich ist es nur eilte äußerliche Frage, wie man ein Rechtsinstitut benennen will. „There is no magic in a name“ gilt wohl auch hier, namentlich für eine Zeit, wo man auf die Fassung eines Gesetzes noch nicht den Wert legte, wie es heute geschieht; man dachte sich, es komme einzig und allein auf den Kern, auf das Wesen des Rechtsverhältnisses und auf seine Funktionen an, seine Bezeichnung sei nur eine äußere Zutat, die mehr oder weniger nebensächlich sei. Aber gerade die Verjährungslehre ist ein Beispiel dafür, daß die falsche Ausdrucksweise auch zu falschen Begriffen führt und daß es nicht gut ist, Verschiedenes mit dem gleichen Namen zu bezeichnen.

30 Wie steht es nun in dieser Beziehung mit unserem B.G.B. ? Es wurde bereits eine diesbezügliche Stelle der Motive zitiert; es heißt nämlich in denselben (I. S. 292): „Zur Vermeidung von Zweifeln, ob eine gesetzte Frist eine Verjährungs- oder Ausschluß­ frist sei, wird überall da, wo die Setzung einer Verjährungs­ frist bezweckt ist, ausdrücklich von „Verjährung", „verjähren" ge­ sprochen." Es sind ja nun die Ansichten über den Wert der Vor­ arbeiten eines Gesetzes und so auch über den der Motive unseres B.G.B. als Auslegungsbehelfe sehr geteilt. Die einen, welche bei der Auslegung des Gesetzes in erster Linie den Willen des Ge­ setzgebers erforschen wollen, werden denselben einen viel höheren Wert beilegen als diejenigen, welche mit der Auslegung nur den Willen des Gesetzes und nicht den des Gesetzgebers klar zu legen beabsichtigen. Den Motiven unseres Gesetzbuches wurde jede Be­ deutung abgesprochen. Auf dem 20. Juristentag wurde sogar von einem Gutachter (Bähr) verlangt, daß sie als wissenschaftliche Aus­ legungsbehelfe geradezu offiziell abgelehnt würden. Ich glaube, auch hier ist der goldene Mittelweg der beste: Da, wo der Wille des Gesetzes mit dem klaren und noch so deutlich ausgesprochenen Willen des Gesetzgebers nicht übereinstimmt, da können uns die Vorarbeiten des Gesetzes nicht maßgebend sein; wenn dagegen der Inhalt der Motive nicht in Widerspruch steht mit dem, was uns das Gesetz selbst bringt, so ist kein Grund einzusehen, warum die Motive nicht zur Auslegung des Gesetzes sollten herangezogen werden dürfen. Wir können für unser B.G.B. sagen, daß die Kontroverse, ob eine Frist eine Verjährungs- oder gesetzliche Ausschlußfrist sei, auf dem Gebiete desselben ausgeschlossen ist; es unterscheidet scharf und konsequent durch seinen Sprachgebrauch die Verjährungs- von den Präklusivfristen, daß ein Zweifel hierüber nicht mehr entstehen kann. Praktische Bedeutung hat die Frage, ob Verjährung oder gesetzliche Befristung gegeben sei, nur noch für die sonstigen Reichs­ gesetze und für das in Geltung gebliebene Landesrecht. Hier ist dann die Frage, geht das ohne zeitliche Schranke entstandene Recht infolge eines von außen an dasselbe herantretenden Umstandes unter oder kommt das Recht überhaupt nur für eine von vornhinein bestimmte Zeitfrist zur Entstehung. Nachdem wir nun gesehen haben, daß Verjährung und ge­ setzliche Befristung als wesentlich verschiedene Rechtsinstitute im geltenden Rechte anerkannt sind, entsteht die wichtige Frage: Wie gestalten sich diese beiden juristischen Erscheinungen im einzelnen, wie kommt die Verschiedenheit ihres Wesens im einzelnen zur Geltung; wie unterscheiden sich die beiden namentlich hinsichtlich des Fristenablaufes, hinsichtlich des Beginnes, der Hemmung und Unterbrechung, der Wirkung, der Geltendmachung des Fristablaufes, des Beweises desselben u. s. w. ?

31 Die Sache wird sich dahinzuspitzen, daß wir untersuchen müsse!:, ob die für das Institut der Verjährung gegebenen prinzipielle!: Rechtssätze auch auf die Fälle Anwendung finden können, wo eine gesetzliche Ausschlußfrist gegeben ist und wo ja bekanntermaßen allgemeine gesetzliche Regeln fehlen. Mit dieser Frage werden sich nun die folgenden Kapitel beschäftigen.

II. Gegenstand der Verjährung und gesetzlichen Befristung. Die bisherigen Erörterungen -haben ergeben, daß es kein allgemeines Institut der Verjährung gibt in dem Sinne, daß- der Zeitablauf ein Entstehungs- und Endigungsgrund von allen mög­ lichen Rechten sei. Es ist ganz irrig zu glauben, das römische Recht habe den Satz aufgestellt, alle Rechte erlöschen durch Nicht­ gebrauch; es mußte vielmehr bei jedem einzeluen Rechte besonders die Verjährbarkeit nachgewiesen werden. Schon das allgemeine preußische Landrecht, das noch ganz auf dem Boden jener früher charakterisierten Generalisierungstheorie steht, läßt die Verjährung nur bei bestimmten Rechten Platz greifen. Es können nämlich in: preußischen Landrecht durch Verjährung untergehen „persönliche Rechte an einen anderen, ingleichen Rechte auf fremdes Eigentum" (L 9 § 508); sie umfaßt somit nur die römische Klageverjährung, den non usus und den Nichtgebrauch deutschrechtlicher Reallasten;*) daneben gibt es noch eine Menge von Rechten, die keiner Ver­ jährung unterliegen, wie namentlich Familienrechte. Es ist Sache des positiven Rechtes zu bestimme!:, wie weit eine Verjährung von Rechten anerkannt sein soll, und wir dürfet: daher nicht fragen: „Welche Rechte können überhaupt verjähren?" Die Frage muß vielmehr konkret lauten: „Welche Rechte sind nach diesem oder jenem Gesetze der Verjährung unterworfen?" Jedes Recht muß also genau bestimmen, wie weit es der Verjährung Einfluß ein­ räumen will. Wenn wir wissen wollen, in welchem Umfang unser B.G.B. die Verjährung zuläßt, so gibt uns § 194 Auskunft; er lautet: „Das Recht, von einem anderen ein Tun oder ein Unter­ lassen zu verlangen (Anspruch), unterliegt der Verjährung". Über die Gründe, warum das B.G.B. nur eine Anspruchsverjährung kennt, lassen sich die Motive folgendermaßen hören (L S. 290): „Der Ausdruck Anspruchsverjährung ist nicht der gemeinübliche; mitunter findet sich die Bezeichnung Rechtsverjährung oder Schuld­ verjährung, zumeist die Bezeichnung Klageverjährung. Gegen den Ausdruck Rechtsverjährung spricht, daß die in Frage stehe::de Ver­ jährung das dingliche Recht unberührt läßt; gegen den Ausdruck Schuldverjährung, daß unter Schuld gewöhnlich nur die dem h F örst er-Eccius: System des Prensi. Privatrechtes I. S. 218.

32 Forderungsrecht entsprechende Verbindlichkeit verstanden wird. Der Allsdruck Klageverjährung dagegen legt das Mißverständnis nahe, daß das spezifische Moment der Klagebefugnis den Gegenstand der Verjährung bilde. Die Verjährung richtet sich nicht gegen die prozessuale Zuständigkeit der gerichtlichen Verfolgung, sondern gegen die Berechtigung selbst. Die vom Entwurf gewählte Bezeichnung hat den Vorzug, dies von vornherein klarzustellen." Nach dem B.G.B. unterliegen also nur „Ansprüche" der Verjährung und was nicht „Anspruch" ist, kann llicht verjähren. Da der Gesetz­ geber mit der Bezeichnung „Ansprllchsverjährung", welches auch die Überschrift des siebten Abschnittes im I. Entwürfe war, einen neuen Begriff in die Verjährung einzuführen gedachte, so war es seine Pflicht, im Gesetze selbst zu sagen, was er unter „Anspruch" verstanden wissen wolle, und dies tat er in § 194, wonach An­ spruch das Recht bedeutet, „von einem anderen ein Tun oder Ünterlassen zu verlangen". Die näheren Erläuterungen geben uns auch hier wieder die Motive, wo es I. S. 291 heißt: „Unter Anspruch wird das Recht in seiner Richtung gegen eine bestimmte Person verstanden, vermöge dessen von ihr eine gewisse Leistung — die zur Verwirklichung des Rechtes erforderliche Handlung oder Unter­ lassung — verlangt werden kann. Das obligatorische Recht er­ schöpft sich in dieser persönlichen Richtung; es geht auf in dem Anspruch oder in den Ansprüchen, welche es erzeugt. Das dingliche Recht erstreckt sich über den aus ihm erwachsenen dinglichen An­ spruch hinaus; das Erlöschen des letzteren läßt das Recht selbst unberührt." Diesen „Anspruch" als Gegenstand der Verjährung hat. nun das B.G.B. keineswegs neu geschaffen; als technischen Begriff verdanken wir denselben dem epochemachenden Werke Windscheids: „die actio des römischen Zivilrechtes vom Standpunkte des heutigen Rechtes. 1856". Der Anspruchsbegriff, wie er von Windscheid aufgestellt wurde und vom B.G.B. im Abschnitt von der Verjährung verwendet wird, ist sehr verschiedener Beurteilung teilhaftig geworden. Ungeteilte Bewunderung und Anerkennung hat er von sehr wenig Seiten erfahren; fast durchweg ist die Be­ urteilung absprechend. Es kann hier nicht unsere Aufgabe sein, den „Anspruch" des 8 194 des B.G.B. zu analysieren, es gälte hier nur, oft Gesagtes zu wiederholen; mag der „Anspruch" des § 194 brauchbar sein oder nicht, wir müssen uns mit demselben abfinden; er ist für unabsehbare Zeit hinaus festgehalten. Doch müssen wir uns, wenn auch in aller Kürze, mit dem Inhalt des Begriffes etwas näher befassen; denn nur dann erkennen wir, welche Gruppe von Rechten von der Verjährung ergriffen wird. Das B.G.B. bemüht sich, wie die Motive I S. 357 sagen, den römischen Begriff der actio aus dem Rechtssystem zu entfernen;

33 der Entwurf wollte keine Aktionenverjährung; es sollte „das im Begriff der actio mitgedachte Element, welches in unserem An­ spruch nicht enthalten ist, das Element des Gerichtes, des gericht­ lichen Gehörs und des gerichtlichen Schutzes, der Möglichkeit ge­ richtlicher Zuerkennung für das Begehren, welches man hat" (Windscheid-KiPP I S. 162), beseitigt werden; das Mittelglied der actio, das sich zwischen Privatrecht und Prozeß entsprechend der römischen Auffassung des Rechtsschutzes einschob, mußte fallen. Die Angriffe Gierkes, die Vorschriften über die Verjährung seien „ein gekünsteltes und in sich widerspruchsvolles System, eins welches der Gesetzgeber nicht verfallen wäre, wenn es nicht von Windscheid als gemeines Pandektenrecht vorgetragen worden wäre", sind übertrieben; weist doch unser Gesetzbuch einen erheblichen Fortschritt auf gegenüber der Lehre Windscheids. Dieser ersetzt die actio, die er „aus den Dar­ stellungen des heutigen Rechtes" dahin stellt, „wohin sie gehören, in die Rechtsgeschichte", durch feinen „Anspruch" und definiert ihn als „das Ansprechen als rechtliche Zuständigkeit, also das Recht zum Ansprechen, das Recht von einem anderen „etwas" zu ver­ langen". In dem „etwas" liegt der Fehler der ganzen Begriffs­ bestimmung. Dieses „etwas" führte Windscheid dazu, daß er das dingliche Recht durch eine „unbegrenzte Vielheit von Ansprüchen" gebildet sein läßt, daß er dem dinglich Berechtigten „einen An­ spruch gegen jedermann, gegen niemand nicht" gibt. Dies hatte die unabweisbare Konsequenz, daß Windscheid, um bei seinem An­ spruch gegen jedermann bleiben zu können, bei der Frage nach dem Beginn der Verjährung zu der haltlosen Scheidung von be­ friedigten — Langheineken nennt sie saturierte') — und un­ befriedigten Ansprüchen kam. Wenn aber Anspruch das Recht ist, einen anderen wegen einer Leistung anzusprechen und es ist der dem Rechte entsprechende Zustand hergestellt, so kann der Berechtigte den anderen nicht ansprechen, er kann nichts durch gerichtliche Hilfe erzwingen wollen, weil er hat, was ihm werden soll. Dies allein ist ein Beweis dafür, daß der Ausgangspunkt der Lehre ein richtiger nicht sein kann, daß die Konstruktion des dinglichen Rechtes als einer Summe von Ansprüchen gegen jedermann verfehlt sein muß. Die Stellung unseres B.G.B. ist nicht zweifellos. H ö ld er fegt*2), gestützt auf den Wortlaut des § 194, daß jeder andere „ein anderer" sei und daß es dem Texte des § 194 zuwiderlaufe, wenn man sage, ein Unterlassen könne nicht Gegenstand eines Anspruches im Sinne des B.G.B. sein. Bezüglich des ersten Punktes dürfte Hölder im Hinblick auf die Motive im Unrecht sein; denn Anspruch ist „das Recht in seiner Richtung gegen eine bestimmte Person". Das B.G.B. zwingt uns durchaus nicht, das dingliche Recht in eine Summe J) Langheineken, Anspruch und Einrede S. 176 und insbes. S. 251. 2) Iherings Jahrbücher 46 S. 296 ff.

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von Ansprüchen gegen jedermann aufzulösen. Es besteht Wohl das dingliche Recht ohne Beziehung zu einer bestimmten Person, nicht aber der dingliche Anspruch. „Dinglicher Anspruch" — wir finden diesen Ausdruck nur an einer einzigen Stelle im B.G.B., nämlich in § 221 — deutet nur auf seine Entstehung hin; er will weiter gar nichts sagen, als daß er durch die Verletzung eines dinglichen Rechtes entstanden ist. Sein Wesen ist das gleiche wie das des Anspruchs, der aus einem relativen Recht entstanden ist; er geht dann immer dahin, daß eine Person eine Leistung bewirke. Wir haben soeben gesagt: durch die Verletzung des ding­ lichen Rechtes ist ein Anspruch erst entstanden; wir setzen uns damit in Widerspruch nicht nur mit Windscheid, sondern auch mit §§ 194 und 198 des V.G.B., wonach es einen Anspruch auf ein Unter­ lassen gibt, dessen Verjährung erst mit der Zuwiderhandlung, also vielleicht lange nach seiner Entstehung beginnt. Ich halte diese Konstruktion für unhaltbar; denn es gibt keinen „Anspruch" auf ein Unterlassen. Das Recht, von einem anderen ein Tun zu ver­ langen, ist prinzipiell verschieden von dem Recht, ein Unterlassen zu verlangen; daran wird auch nichts geändert durch den Umstand, daß das B.G.B. diesen Unterschied ignoriert. Ein Unterlassen kann ja wohl Gegenstand eines Schuldverhältnisses sein, aber wir können das noch keinen „Anspruch" nennen. Ein Schuldverhältnis, das auf ein positives Tun des Schuldners gerichtet ist, können wir als ein Spannungsverhältnis bezeichnen, welches seinen Zweck erreicht mit der Lösung; es ist nicht bestimmt, ewig zu dauern, sondern aufgehoben und gelöst zu werden, indem der Schuldner die ihm obliegende Leistung bewirkt. Die Rechtsverhältnisse, bei denen der Schuldner nicht handeln, also etwas unterlassen soll, sind dagegen auf die Dauer berechnet, eine Erfüllung, Leistung ist hier gar nicht denkbar. Für unsere Ansicht spricht auch die Erwägung, daß bei der gerichtlichen Geltendmachung eines auf eine positive Leistung gerichteten Anspruches der Klagegrund lediglich im Vorhandensein des Anspruches besteht, während beim „Anspruch" auf eine Unter­ lassung des Schuldners es nicht genügt, wenn der Gläubiger nur dartut, daß der Schuldner zu einer Unterlassung verpflichtet sei. Der Kläger würde bei diesem Vorbringen sowohl mit einer Feststellungs- als auch mit einer Leistungsklage abgewiesen werden; es muß zu dieser Klagebehauptung noch etwas hinzu kommen und dieses Moment besteht im Verhalten des Verpflichteten, sei es, daß er schon seine Pflicht verletzt hat, sei es, daß wenigstens die Besorgnis einer künftigen Zuwiderhandlung begründet ist. Die ganze Sache hat übrigens keine praktische Bedeutung; denn man mag auch die Möglichkeit eines „Anspruches auf eine Unterlassung" annehmen, niemals kann ein solcher trotz § 194 Gegenstand der Verjährung sein; so sagt z. B. Langheineken

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a. a. O. S. 251: „dem saturierten Anspruch läuft keine Verjährung". Ganz naturgemäß kann nur das Recht auf Veränderung des zur Zeit bestehenden Zustandes verjähren; nur einem solchen Recht kann die Untätigkeit der Beteiligten gefährlich werden. Unmöglich kann dagegen ein Recht, das auf das Unterbleiben einer Änderung, also gerade auf Untätigkeit gerichtet ist, der Verjährung unterliegen. Wir haben von dem Begriff des Anspruchs etwas ausführ­ licher gesprochen; aber es war dies nötig, wenn wir zu einem Urteil darüber gelangen wollen, ob Rechts-, Klage- oder Anspruchs­ verjährung ein und dasselbe sind oder Verschiedenes bedeuten. Allch hiervon muß noch mit einigen Worten gehandelt werden. Anspruch ist nicht identisch mit dem Recht, aus dem er ent­ steht. Das bedarf für das dingliche Recht im Verhältnis zum dinglichen Anspruch keines weiteren Beweises. Anders scheint es bei den persönlichen Rechten zu sein. Hier ist die Beziehung auf einen bestimmten Gegner schon von vornherein gegeben; darum heißen sie ja relative Rechte. Bei dieser Gruppe von Rechten ist der Unterschied von Recht und dem aus diesem hervorgehenden Anspruch minder groß; aber er kann nicht geleugnet werden und dies ist allch der Standpunkt unseres B.G.B.; denn wenn der persönliche Anspruch identisch wäre mit dem persönlichen Rechte, dann hätten wir eben keine Anspruchsverjährung, sondern eine Rechtsverjährung. Man sagt vielfach, der Anspruch habe keine selbständige Existenz neben dem persönlichen Rechte; jede Änderung des persönlichen Rechtes wirke auch auf den Anspruch ein lmd jede Änderung des persönlichen Anspruchs erzeuge Reflexwirkungen auf das Persönliche Recht und was dergleichen Äußerungen mehr sind. Der Anspruch setzt das subjektive Recht voraus; sein Inhalt wird bestimmt durch den Inhalt dieses Rechtes; allein, wenn er auch das Schicksal des subjektiven Rechtes teilt, so ist dies doch nicht umgekehrt der Fall; im Gegenteil: Der Anspruch kann erlöschen, ohne daß das Recht vernichtet ist; kurz, er hat „Sonderexistenz neben dem subjektiven Recht". ’) Es war im bisherigen gemeinen Recht bestritten, ob bei der Passiven Korrealobligation ein Schuld­ verhältnis bestehe oder ob mehrere Schuldverhältnisse nach der Zahl der Korrealschuldner vorhanden seien. Diese Streitfrage ist freilich heute noch nicht entschieden; die richtige Ansicht?) dürfte aber sein, daß das dem Gläubiger zustehende Recht in so viel Ansprüche zerfällt, als Verpflichtete da sind. Wirtschaftlich ist freilich bloß eine Schuld vorhanden; allein für diese Schuld sind mehrere Personen haftbar und jede dieser Personen kann wegen der ganzen Schuld „angesprochen" werden. Die selb­ ständige Natur ergibt sich auch aus $ 241, wo es heißt: „Kraft x) Matthiaß, Lehrbuch des bürgerlichen Rechtes I S. 69. 2) Bergl. Cosack I S. 255.

36 des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu verlangen." Danach sind also An­ spruch und Schuldverhältnis keineswegs identisch; ein Schuldver­ hältnis kann viele Ansprüche erzeugen; es kann bestehen, bevor noch ein Anspruch entstanden ist (z. B. bei Schuldverhältnissen, deren Gegenstand in einem Unterlassen des Schuldners besteht). Das Recht steht über den einzelnen aus ihm resultierenden An­ sprüchen und es ist daher Wohl bedacht, wenn das B.G.B. von Anspruchsverjährung und nicht von Rechtsverjährung spricht. Statt „Anspruchsverjährung" wurden noch andere Bezeich­ nungen vorgeschlagen, so Forderungsverjährung, Schuldverjährung, Klageverjährung. Was die Motive über den Ausdruck Schuld­ verjährung sagen, ist zu billigen; das Gleiche gilt aber auch für die Forderungsverjährung. Hier möge nur noch mit einigen Worten auf den Begriff der Klageverjährung eingegangen werden. Die Be­ sorgnis der Motive, daß bei diesem Ausdruck an eine Verjährung der „Prozessualen Zuständigkeit der gerichtlichen Verfolgung" ge­ dacht werden könnte, ist wohl unbegründet. Auch bei der Klagen­ verjährung des gemeinen Rechtes dachte man nie an die Ver­ jährung des Prozeßrechtlichen Nrteilsanspruches, sondern immer an die Verjährmlg des durch Klage verfolgbaren materiellen Rechtes. Uns interessiert hier die Frage: Ist unsere Anspruchsverjährung etwas von der Klageverjährung des gemeinen Rechtes Verschiedenes und worin zeigt sich ein etwaiger Unterschied? Auf Schritt und Tritt begegnen wir auch hier wieder Kontroversen. Ohne auf die einzelnen Lehrmeinungen näher einzugehen, wollen wir kurz das berichten, was uns richtig zu sein scheint. Anspruch und Klagerecht sind selbständige Dinge. Man sagt wohl: das Klagerecht ist ein Annexum des Rechtes, ein Zusatz zu feinem Inhalt, nicht ein Recht für sich (Puchta, Pand. 9. Aufl. § 84) oder „Klagerecht ist nicht mehr etwas Selbständiges, außer dem Recht Stehendes, es wohnt dem Recht inne" (Dernburg, Pand. § 127); allein wir haben Klagerechte ohne materiellrechtlichen „Anspruch" — man denke an Feststellungsklagen — und andererseits haben wir auch Ansprüche ohne Klagerechte. Ein Beispiel dafür, daß ein Anspruch wohl rechtlich verfolg­ bar, aber nicht klagbar ist, bietet uns der Ersatzanspruch des Be­ sitzers einer fremden Sache, der diese dem Eigentümer heraus­ geben muß und Ersatz von Verwendungen, die er auf die Sache gemacht hat, verlangen kann. Solange der Besitzer im Besitze der Sache ist, kann er diesen Ersatzanspruch nicht im Wege der Klage, sondern nur verteidigungsweise durch die Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechtes verfolgen; ein Klagerecht erhält der Be­ sitzer erst unter den Voraussetzungen des § 1001. Das Gleiche gilt für den dem Erbschaftsbesitzer zustehenden Anspruch auf Er-

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satz der Verwendungen (§ 2022). Ein treffliches Beispiel bietet uns das englische Recht. Die Trade mark act von 1883 S. 77 bestimmt nämlich: “A person sliall not be entitled to institute any proceeding to prevent or to recover damages for the infringement of a trade mark, unless in the case of a trade mark capable of being registered und er this act it has been registered.“ Aus dem klaren Wortlaut erhellt unzweideutig, daß weder das Dasein des Markenrechtes noch die Existenz eines Anspruches gegen den Zuwiderhandelnden von der Registrierung abhängig ge­ macht ist, sondern lediglich das Recht “to institute any procee­ ding“, d. h. die gerichtliche Erzwingbarkeit?)

Es ist also Anspruch und Klagerecht nicht identisch und es kann infolge davon nicht gleichgültig sein, ob man von Klage­ verjährung oder von Anspruchsverjährung spricht. Was die Ver­ schiedenheit zwischen beiden im einzelnen angeht, so gilt hier wie nicht leicht anderswo der Satz: an den Früchten sollt ihr sie er­ kennen. Das wichtigste unterscheidende Merkmal besteht in der Wirkung der Anspruchs- und Klageverjährung. Bei der ersteren geht die Möglichkeit verloren, ein subjektives Recht gegen den Willen des Schuldners zu realisieren, sei es auf dem Wege des Angriffs durch Klage, sei es auf dem der Verteidigung durch Ein­ rede im Prozesse; bei der Klageverjährung dagegen ergreift die Verjährung nur das Recht, im Wege der Klage — iudicio — Befriedigung zu suchen; ob dabei auch die Möglichkeit verteidigungs­ weiser Geltendmachung erlischt, ist damit noch nicht gesagt, welche Frage übrigens im gemeinen Recht bestritten war. Inwieweit sonst der Unterschied zwischen Anspruchsverjährung und Klage­ verjährung konsequent im Gesetze durchgeführt, d. h. besser inwie­ weit derselbe in Annäherung der ersteren an die frühere Klage­ verjährung nicht konsequent zum Ausdruck gelangt ist, das wird sich im Laufe der Untersuchung ergeben; es genügt hier auf die beiden Gutachten von Bähr und Han au sek auf dem 20. Juristen­ tag hinzuweisen, wo die Frage eingehende Erörterung gefunden hat. Es sei hier nur eine Bemerkung gestattet; Hanausek sagt nämlich: „Die Ausdrücke Anspruchsverjährung und Klageverjährung könnten richtig verstanden einen Gegensatz in der Auffassung des Objektes gar nicht bedeuten, sondern könnten nur bezeichnen einen Gegensatz in der Auffassung der Wirkung der Verjährung." Ich halte dies für ein unnötiges Spielen mit Worten. Die Wirkung ist eben verschieden je nach dem Objekte, welches der Verjährung unterliegt. Je nachdem das Objekt das Recht ist, von einem an*) Bergl. Kohlers M arten re chtS. 81, 259, 553; Grün Huts Zeitschrift Bd. 14 S. 14 fg. nnd Sebastian: Law of trade marks p. 319.

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deren etwas mittels Klage zu erlangen oder „das Recht, t)Oit einem anderer: etwas schlechthin, gleichviel ob mit oder ohne Klage, zu verlangen", je nachdem wird auch die Wirkung der Verjährung eine verschiedene sein. Wirkung und Objekt stehen also hier in engem logischen Zusammenhänge. Im Anschlüsse an das B.G.B. spricht auch das H.G.B. von „Anspruchsverjährung" 26, 61, 113 u. s. w.), während im alten H.G.B. noch von „Verjährung der Klage" die Rede war (Art. 146, 172 u. s. w.). Auch in anderen Gesetzen ist Übereinstimmung mit dem B.G.B. hergestellt worden; § 33 des Gesetzes vom 11. Juni 1870, betreffend das Urheberrecht an Schriftwerken u. s. w. kennt eine Verjährung der Klage auf Entschädigung und Bereicherung; 8 51 des revidierten Gesetzes vom 19. Juni 1901 kennt dagegen eine Verjährung des „Anspruchs auf Schadenersatz". Ein Kuriosum bietet uns das Genossenschaftsgesetz (in neuer Fassung vom 20. Mai 1898); § 74 spricht von der Verjährung der „Klage" und 8 99 Abs. 3 von der Verjährung der „Ansprüche"; das Haftpflichtgesetz dagegen kennt in 8 eine Verjährung der „Forderungen" auf Schadenersatz. Sachliche Unterschiede sind mit diesen abweichenden Bezeichnungen nicht beabsichtigt; es handelt sich lediglich um Redaktionsversehen. Man mag nun unsere „Anspruchsverjährung", die sich als plus gegenüber der Klageverjährung und als minus gegenüber der Rechtsverjährung darstellt, für schön halten wie G. Lehmann, der „die Lehre von der Anspruchsverjährung" in dem Entwürfe so „vorzüglich gearbeitet" findet, „daß der Kritik nur wenig zu sagen übrig bleibt"/) oder man mag sie bedauern wie Gierke-), der den Anspruchsbegriff auf das heftigste bekämpft; denn das, „was sich zwischen Recht und Klage als Anspruch schiebe, sei uns stets ein fremdartiges und nebelhaftes Gebilde" — wir können nach gel­ tendem Recht zu keinem anderen als dem obigen Resultate kommen. Der Verjährung unterliegen nun sowohl persönliche als auch dingliche Ansprüche, wie auch solche aus familienrechtlichen Ver­ hältnissen, mögen dieselben vermögensrechtlicher Natur sein wie der Unterhaltsanspruch oder nicht; freilich die Rechtsverhältnisse als solche verjähren nicht; es verjähren nur die hieraus entstandenen Ansprüche. Dadurch, daß auch der dingliche Anspruch verjährt, er­ halten wir ein dominium sine re, indem wohl das Eigentum des Berechtigten noch besteht, dagegen der aus einer Entziehung des­ selben entstandene Anspruch auf Rückgabe verjährt. Auch G. Leh­ mann meint, daß diese Frage in das „theoretische Gebiet des Rechtes" gehöre. Große Praktische Bedeutung wird die Verjährung des dinglichen Anspruches nicht haben. 900, 902, 927, 932 ff., 937 ff. des B.G.B. schwächen die Wirkung des abstrakten dinglichen 9 Gutachten ans dem Anwaltsstand 2. 97. -) 2cf)nio((erS Jahrbücher Bd. 12 und 13.

39 Rechtes so weit ab, daß wir uns hier mit demselben nicht weiter zu beschäftigen brauchen. Freilich konsequent hält das B.G.B. nicht fest an seinem in § 194 aufgestellten Anspruchsbegriff. So ist das Recht der Wandelung und Minderung beim Kauf in 88 462, 465 als Anspruch konstruiert; Plank (I. S. 244) sagt, es sei vom gesetz­ geberischen Standpunkte aus oft „eine Zweckmäßigkeitsfrage, ob das einer Person einzuräumende Recht als Anspruch konstruiert werden soll oder nicht". Aber gerade bei Wandelung und Minde­ rung zeigt es sich, daß trotz des gesetzgeberischen Standpunktes hier von einem Anspruch im Sinne des $ 194 nicht gesprochen werden kann. Fischer sagt hierüber treffend (hx feinen Beiträgen S. 86): „Von einem Anspruch auf eine Leistung des Gegners ist hier möglicherweise gar nicht die Rede. Das Recht der Minderung gibt erst dann einen Anspruch auf Schadenersatz, wenn der Kauf­ preis gezahlt ist, und der aus dem Rechte der Wandelung hervor­ gehende Anspruch auf Erstattung des Kaufpreises entsteht .... ebenfalls erst dann, wenn der Kaufpreis gezahlt ist." Wenn nun auch nur „Ansprüche" verjähren können, so ist damit nicht gesagt, daß alle Ansprüche wirklich verjähren müssen; im Gegenteil, wir haben eine große Zahl von „Ansprüchen", welche der Verjährung entzogen sind. Es gehören hierher: a) nach § 194 Abs. 2 die Ansprüche aus einem familienrecht­ lichen Verhältnisse, soweit sie auf die Herstellung des dem Verhältnis entsprechenden Zustandes für die Zukunft gerichtet sind; b) eine Reihe nachbarrechtlicher Ansprüche $ 924; c) nach § 902 unterliegen Ansprüche aus eingetragenen Rechte!: nicht der Verjährung; eine Ausnahme enthält 8 1028; d) ferner sind der Verjährung entzogen nach 8 898 die in 88 894—896 bestimmten Ansprüche auf Berichtigung des Grundbuches; vergleiche auch 88 1138 und 1263; e) endlich sind unverjährbar die Ansprüche auf Aufhebung einer Gemeinschaft und auf Auseinandersetzung der Erbengemein­ schaft (§§ 758, 2042). Was Einzelheiten anbelangt, so muß hier auf die Lehrbücher und Kommentare verwiesen werden; es handelt sich ja in erster Linie um eine Aufzählung, welche für uns weiter keine Bedeutung hat. Die Konstruktion der Anspruchsverjährung zeigt sich bedeut­ sam namentlich in zwei Fragen, die wir hier kurz berühren wollen; erstlich: Können Feststellungsklagen verjähren? und sodann: Sind Einrederechte verjährbar? Bezüglich der ersten Frage sagt uns das Gesetz selbst nichts; desto mehr erfahren wir von den Motiven (1. S. 295). Hier wird ausführlich begründet, daß Feststellungsklagen nach dem B.G.B. nicht verjähren können und das wichtigste Argument hierfür ist,

40 daß es hier an einem Anspruch im Sinne des B.Ä.B. fehle. Wie Hölder im Arch. f. civ. Pr. (93 S. 53) ausführt, liegt es im Wesen der Feststellungsklagen, daß sie der Verjährung entzogen sind: „Privatrechtlicher Anspruch wie Feststellungsanspruch bezweckten beide die Beseitigung eines vorhandenen Mangels. Dieser Mangel bestehe bei anderen Ansprüchen darill, daß zurzeit ein dem Recht gemäßer Zustand nicht existiere, bei den Feststellungsansprüchen be­ stehe er in der Gefahr künftiger Nichtexistenz eines dem Rechte gemäßen Zustandes. Durch die Natur der Verjährung — ein be­ stehender Zustand soll durch seine Dauer einem Angriff entrückt werden, dem er bisher ausgesetzt war — sei ihr Ausschluß für Feststellungsansprüche gegeben." Abgesehen davon, daß der Fest­ stellungsklage ein jus judicio persequendi quod sibi debeatur nicht zugrunde liegt, ist auch kein Bedürfnis für eine Verjährung derselben vorhanden. $ 256 Z.P.O. verlangt ein Interesse des Klägers an alsbaldiger Feststellung des streitigen Rechtsverhält­ nisses; wenn die Feststellungsklage nicht alsbald erhoben wird, nachdem das Interesse an der Feststellung eingetreten ist, wird die Klage zurückgewiesen, nicht wegen Verjährung, sondern wegen Mangels eines Rechtsschutzbedürfnisses. Hinwiederum sind Fälle denkbar, daß ein Recht seit Menschengedenken bestanden hat, während jetzt erst ein Interesse an seiner Feststellung entsteht; „mit dem Eintritt eines jeden neuen Feststellungsinteresses wird eine neue Feststellungsklage geboren/") Es kann daher, wie Hellmann a. a. O. einem oberstrichterlichen Erkenntnis gegenüber ausgeführt hat, von einer Verjährung der Feststellungsklagen nicht gesprochen werden. Freilich kann die Verjährung indirekt Einfluß bekommen, wenn das festzustellende Recht bereits verjährt ist. Es ist ja mög­ lich, daß ein verjährt Berechtigter ein Interesse daran hat, daß seine verjährte Forderung festgestellt werde, so z. B. wenn er ein Faustpfand hat und der Verpflichtete unter Leugnung der Existenz der Forderung mit der Klage auf Herausgabe des Pfandobjektes droht. Immerhin sind diese Fälle sehr selten; die Regel wird sein, daß die Feststellungsklage aus einem verjährten Anspruch ausge­ schlossen ist, aber wohlgemerkt, nicht wegen Verjährung der Fest­ stellungsklage, sondern weil infolge der Verjährung des festzustellenden Anspruchs das rechtliche Interesse fehlen wird. Schwieriger gestaltet sich die Beantwortung der zweiten Frage, die nach der Verjährbarkeit der Einreden. Waren die Meinungen über das Wesen der Einrede im gemeinen Recht ge­ teilt, so ist dies unter der Herrschaft des B.G.B. genau ebeuso; namentlich hat der Einredebegriff des Gesetzbuches selbst den hef­ tigsten Widerspruch hervorgerufen. Die Motive entscheiden die Frage b Hellmann, Arch. f. civ. Pr. S4.

41 nach der Verjährbarkeit der Einreden kurz und bündig. Wir lesen I. S 291: „Ansprüche, nicht Einreden sind Gegenstand der Ver­ jährung. Gründet sich der die Geltendmachung eines Anspruches in Form der Einrede ausschließende Umstand in einem der Verjährung unterworfenen Rechte, so hat die Verjährung des Rechtes auch den Verlust der Einrede zur Folge. . . . Soweit Eiureden eine selb­ ständige Bedeutung zukommt, unterliegen sie der Verjährung nicht; eine besondere Einredeverjährung ist dem Entwurf fremd." Klar­ heit hat das B.G.B. sicherlich nicht gebracht; denn an dieser Stelle gebrauchen die Motive selbst „Einrede" zunächst in formellem, dann aber auch in materiellem Sinne mit) sie sind daher eher im­ stande, die Verwirrung zu erhöhen als Klarheit zu schaffen. Die Frage, ob ein Anspruch nach Ablauf der Verjährung noch im Wege der Einrede im Prozeß geltend gemacht werden kann, muß für uns hier ganz ausscheiden; sie hängt aufs engste zu­ sammen mit der Wirkung der Verjährung und wir werden dort hierauf zu sprechen kommen. Von einer Verjährung der Einrede kann hier nicht gesprochen werden. Die Einrede wird hier nicht zurückgewiesen, weil sie verjährt wäre, sondern weil sie materiell unbegründet ist. Diese Art der Scheidung in verjährbare und nicht verjährbare Einreden ist übrigens nicht neu; wir finden genau den gleichen Gedanken in den Anmerkungen zur bayerischen Gerichts­ ordnung im Kap. 6 § 10: „Der Kläger kan zu aller Zeit an­ packen und muß sich also die Schuld selbst beymessen, wann er die zur Klag bestimmte Zeit verstreichen laßt. Der Beklagte hingegen halt sich nur defensive, und muß gleichwohl den ersten Streich erwarten. . . Wie nun aber diese Raison bey jenen Exceptionibns allerdings cessiert, welche auch per Moduin Actionis vor­ gebracht werden können, so . . . stehet ihnen folglich die Verjährung in der nemlichen Maaß wie denen Aktionen entgegen." Das B.G.B. spricht von Einrede nicht schon dann, wenn ein Anspruch einredeweise im Prozeß gelegentlich geltend gemacht wird; es kommt, wie Krönte1) sagt, „nicht auf die zufällige Art der Vor­ schützung, sondern auf die typische Art des Rechtes (auf die Mög­ lichkeit seiner Geltendmachung) an". Unter Einrede im materiell­ rechtlichen Sinne versteht das B.G.B. ein subjektives Recht, eine an sich geschuldete Leistung auf Grund eines besonderen Umstandes verweigern zu dürfen. Der Anspruch des Gegners wird nicht negiert; der Einredeberechtigte gibt zu, daß die Klagetatsachen richtig sind; er gibt auch zu, daß das aus diesen Tatsachen ge­ folgerte Recht bestehe; aber, sagt er, ich behaupte demgegenüber, ein neues Recht zu haben, kraft dessen ich die Leistung verweigern kann; die Einrede richtet sich somit nicht gegen den Bestand des x) System des deutschen bürgerlichen Rechts 1. S. ISO.

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Rechtes, sondern nur gegen dessen Durchführung. Dirß das Recht, eine rechtsgültig geschuldete Leistung infolge eines dem Verpflichteten zustehenden Rechtes zu verweigern, identisch ist mit dem, was das B.G.B. unter Einrede versteht, geht daraus deutlich hervor, daß vielfach da, wo der Entwurf von Einrede sprach, im Gesetz von der „Berechtigung, die Leistung zu verweigern" gesprochen wird; man vergleiche z. B £ 182 des I. Entwurfes mit § 222 des B.G.B. oder § 397 des I. Entwurfes mit 8§ 477, 478 des B.G.B.; doch kann man im letzteren Falle zweifeln, ob hier wirklich eine selbständige Einrede oder etwa nur eine Abschwächung der Ver­ jährungswirkung statuiert werden soll. Es wurde nun freilich behauptet, daß es eine contradictio in adjecto sei, wenn man die „Idee eines existierenden und doch rechtlich unwirksamen Rechtes" festhalte?) Neuerdings hat diesen Gedanken Holder im Arch. f. Ziv.-Prax. 93 S 59 ff. vertreten. Vom wirtschaftlichen Stand­ punkte aus betrachtet, hat Lenel ganz entschieden recht; wenn ich gegen einen anderen einen Anspruch auf die Zahlung einer be­ stimmten Geldsumme habe und der andere kann mir auf eine An­ forderung hin entgegenhalten: ich bin berechtigt, die Zahlung zu verweigern; denn dein Anspruch ist verjährt, so ist es geradeso, als hätte ich nichts zu fordern; ich darf den Posten in meinen Büchern streichen. Anders dagegen steht es mit der juristischen Konstruktion der beiden Rechte: Jedes derselben hat seinen selb­ ständigen Tatbestand; diese Tatsachen können, wie auch Holder zugibt, selbständig nebeneinander bestehen; warum sollen nicht auch die aus den Tatbeständen resultierenden Rechte nebeneinander existieren können? Die eine Summe von Tatsachen ergibt den Anspruch; eine zweite Gruppe von Ereignissen ergibt das Recht, die Durchsetzung dieses Anspruchs zu hindern. Diesem Ge­ danken verleiht Gaius IV § 116 Worte, wenn er sagt: „ . . . saepe enim accidit, ut quis jure civili teneatur, sed iniquum sit eum judicio condemnari.“ Gaius will damit sagen: Es ist unter Umständen unbillig, einen Schuldner, der nach jus civile verpflichtet ist, zu verurteilen, dies nämlich dann, wenn er die Geltendmachung des Rechtes, ohne dessen Bestand und Gültigkeit zu bemängeln, durch irgendwelche Gegenwirkungen ausschließen kann. Unzweifelhaft besteht ein Anspruch nach dem B.G.B., auch wenn demselben eine Einrede entgegensteht. So heißt es z. B. in $ 813: „Dem Anspruch steht eine Einrede entgegen, durch welche die Geltendmachung dauernd ausgeschlossen wird"; ebenso 88 886, 1169, 1254. Dies gilt bei Einreden, welche die Geltendmachung dauernd ausschließen, um wie viel mehr muß dies bei Einreden gelten, welche dem Anspruch nur vorübergehend entgegentreten. l) Venös, Ursprung nnb Wirkung der (^Optionen S. 104.

43 Wenn wir das Wesen der materiellrechtlichen Einrede des B.G.B. betrachten, so ist selbstverständlich eine Verjährung des Einrederechtes unmöglich. Mit dem Anspruch fordere ich eine Leistung des Gegners; ich trete demselben als Angreifer gegenüber; anders bei der Einrede. Diese kann ich nicht beliebig vorbringen, sondern ich kann mein Recht, die Leistung zu verweigern, der Natur der Sache nach nur geltend machen, wenn man die Leistung von mir verlangt. Auf solche Leistungsverweigerungsrechte ist unsere Verjährung nicht zugeschnitten; es verjähren nur die Rechte, von einem anderen etwas zu verlangen, nicht aber die Rechte, eine Leistung zu verweigern, welche ohne selbständiges Angriffs­ mittel bestehen. Man denke auch, wohin es führen würde, die Verjährungseinrede, den Typus des Leistungsverweigerungsrechtes, verjähren zu lassen; der Zweck der Verjährung, tatsächliche Zustände zu schützen, wäre in sein Gegenteil umgeschlagen; ebenso­ wenig geht es z. B. an, die Einrede des nicht erfüllten Vertrags bei gegenseitigen Verträgen verjähren zu lassen. Dabei haben natürlich die prozessualen Einreden völlig auszuscheiden; denn nach geltendem Recht ist die Verjährung ein Institut des materiellen Rechtes und sie kann sich daher nicht auf prozessuale Befugnisse erstrecken. Neben den Einrederechten haben wir noch eine Art von Gegenrechten, nämlich die Anfechtungsrechte und die Aufrechnung. Aus diesen Rechten entstehen auch keine Ansprüche auf ein Leisten; sie unterscheiden sich aber von der: Einrederechten dadurch, daß sie das gegnerische Recht nicht nur in seiner Durchsetzung hemmen, sondern dasselbe voll und ganz zu vernichten imstande sind. Wenn nun alle diese Rechte, welche nicht unter den An­ spruchsbegriff des 8 194 fallen, nicht der Verjährung unterliegen können, so ist damit noch nicht gesagt, daß sie ad infinitum fort­ bestehen könnten, daß auf sie die Zeit keinen Einfluß auszuüben imstande wäre. Der Gesetzgeber hat vielfach, namentlich bei der zweiten Gruppe von Gegenrechten, den Anfechtungsrechten, einen anderen Weg eingeschlagen, um einen unwirtschaftlichen Schwebe­ zustand nicht allzulange andauern zu lassen. Das wird erreicht, indem diesen Rechten eine Ausschlußfrist gesetzt ist; das Recht ge­ langt überhaupt nur für eine von Anfang an bestimmte gesetzliche Frist zur Entstehung. Es sind sämtliche Anfechtungsrechte befristet und das aus gutem Grunde: so schleunig wie möglich soll die Rechtsunsicherheit aus der Welt geschafft werden und da überläßt es der Gesetzgeber nicht dem Belieben der Parteien, durch irgend welche Handlungen das Anfechtungsrecht imd damit auch den Schwebezustand hinsichtlich der Gültigkeit des Rechtsgeschäftes für imbestimmte Zeit festzuhalten; unbekümmert um das, was die Parteien wünschen und tim, sagt er: ich gebe dem Getäuschten,

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demjenigen, der „bei der Abgabe einer Willenserklärung über deren Inhalt im Irrtum" war u. s. w. das Recht, die Willens­ erklärung als ungültig zu behandeln; aber dieses Recht soll er nur innerhalb einer bestimmten Frist auszuüben in der Lage sein; nach Ablauf derselben soll das Recht erlöschen. So finden wir denn eine Menge von Fällen, in welchen Anfechtungsrechten eine zeitliche Schranke ihrer Allsübungsmöglichkeit und damit ihrer Existenz gesetzt ist, siehe 88 121, 124, 1339, 1341, 1350, 1594, 1599, 1944, 2082, 2083, 2340; ferner zählen hierher § 271 des H.G.B., wonach ein Beschluß der Generalversammlung einer Aktiengesellschaft wegen Verletzung des Gesetzes oder des Gesell­ schaftsvertrages im Wege der Klage binnen einem Monat angefochtell werden kann, und 8 51 des Genossenschaftsgesetzes, wonach ein Beschluß der Generalversammlung wegen Verletzung des Ge­ setzes oder der Statuten im Wege der Klage binnen einem Monat angefochten werden kann. Außer diesen Fällen der Befristung haben wir noch eine große Zahl von Fällen, wo Verjährung nicht vorliegt, sei es, daß es sich um keine „Ansprüche" handelt, sei es, daß gerade auch „An­ sprüchen" eine Ausschlußfrist gesetzt ist. Was die erste Gruppe an­ langt, wo wir keine Ansprüche und daher auch keine Verjährung haben, so können hier folgende Beispiele angeführt werden: Nach 8 63 ist befristet das Recht der Verwaltungsbehörde, Einspruch gegen die Eintragung eines Vereins zu erheben. Nach 8 416 kann der Gläubiger die Schuldübernahme nur innerhalb 6 Monaten verweigern; nach Ablauf derselben muß er sich die Schuldüber­ nahme gefallen lassen. Das Wiederkaufsrecht kann nach 8 503 nur innerhalb 3 bezw. 30 Jahren ausgeübt werden. Man kann hier nicht von „Ansprüchen" reden; denn Ansprüche auf Heraus­ gabe des Gegenstandes, auf Beseitigung von Rechten Dritter u. s. w. entstehen erst, nachdem der Wiederkaufsberechtigte sein Recht aus­ geübt hat, d. h. nachdem er die Erklärung abgegeben hat, „daß er das Wiederkaufsrecht ausübe" (8 497). Es ist dies zugleich ein Beispiel für die Unhaltbarkeit der Graweinschen Präklusiv­ frist und der Blumensteinschen Verwirkungsfrist. Grawein würde die in 8 503 bezeichnete Frist eine Präklusivfrist nennen; er würde etwa sagen: Die in §8 498 ff. bestimmten Ansprüche gelangen nur zur Entstehung, wenn innerhalb der in § 503 be­ stimmten Fristen eine bestimmte Handlung vorgenommen wurde; dagegen könnte er ebenso wie wir sagen: dem Wiederkaufsrecht, d. h. dem Recht, die Wiederkaufserklärung abzugeben, ist eine Existenzfrist gesetzt, ein Beweis, daß seine Unterscheidung von „ge­ setzlicher Befristung" und „Präklusivfrist" unmöglich ist. Das gleiche gilt von der Verwirkungsfrist Blumensteins. Es be­ zieht sich die zeitliche Beschränkung nicht auf das Recht selbst (auf

45 die Herausgabe der Sache u. s. ul), sondern „einzig und allein auf die vom Gesetzgeber unter Androhung der Verwirkung jenes Anspruches geforderte Handlung" (hier eine Erklärung an den Wiederverkäufer). Es werden ja hier Ansprüche verwirkt d. h. ver­ loren, aber daß die in § 503 gesetzten Fristen von anderen Prä­ klusivfristen zu trennen seien, davon konnte ich mich nicht überzeugen. Ähnlich wie das Wiederkaufsrecht ist das Vorkaufsrecht beschränkt. Hat der Verpflichtete dem Vorkaufsberechtigten Mitteilung von dem Abschlüsse eines Kaufvertrags gemacht, so kann das Vorkaufsrecht nur innerhalb zwei Monaten bezw. einer Woche seit dem Empfang der Mitteilung ausgeübt werden. Ferner sei erwähnt die in $ 1571 der Scheidungsklage ge­ setzte Frist; die Scheidungsklage kann nur binnen 6 Monaten seit der Erlangung der Kenntnis vom Scheidungsgrunde erhoben wer­ den; ohne Rücksicht auf diese Kenntnis läuft dem Rechte, aus den in §§ 1565—1568 statuierten Gründen die Scheidung der Ehe zu verlangen, eine 10jährige Frist von dem Eintritte des Schei­ dungsgrundes an. Endlich seien hier noch genannt 1944 und 1484 mit 1944. In § 1944 kann die Ausschlagung einer Erb­ schaft nur binnen 6 Wochen erfolgen; nach § 1484 kann die Fort­ setzung der Gütergemeinschaft vom überlebender: Ehegatten nur innerhalb der in § 1944 bestimmten Frist abgelehnt werden. An diese Fälle der gesetzlichen Befristung, wo es sich um „Rechte des rechtlichen Könnens"^ handelt, reiht sich eine Anzahl

von befristeten „Ansprüchen". Es kommen hier namentlich folgende Fälle in Betracht: Nach § 864 erlöschen die nach 861, 862 begründeten An­ sprüche mit dem Ablauf eines Jahres, wenn sie nicht vorher durch Klage geltend gemacht worden sind; § 977 setzt gewissen Ansprüchen gegen den Finder eine zeit­ liche Schranke; gemäß § 1002 ist der Anspruch des Besitzers auf Ersatz von Verwendungen gegen den Eigentümer auf 6 bezw. 1 Monat be­ schränkt; nach § 801 erlöschen Forderungen aus Schuldverschreibungen auf den Inhaber innerhalb 30 Jahren, wenn die Urkunde nicht vor Ablauf derselben vorgelegt oder der Anspruch gerichtlich geltend gemacht ist. Noch zwei befristete Ansprüche enthält die Gewerbeordnung, wo es in § 112 und § 127 f. gleichlautend heißt: „Der Anspruch auf Entschädigung erlischt, wenn er nicht innerhalb vier Wochen nach seiner Entstehung im Wege der Klage oder Einrede geltend gemacht ist." 5 Zitelmann, das' Recht des

allgemeiner Teil L. 180.

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Aus der Allgemeinen deutschen Wechselordnung gehören hierher der wechselmäßige Anspruch in den Art. 19, 20, 31, 45, 60, 61; ferner statuiert das Handelsgesetzbuch in § 465 Abs. 1 eine Befristung des Anspruchs des Eigentümers gegen die Eisenbahn. Endlich seien der Vollständigkeit halber hier noch einmal aufgeführt die „Rechte des rechtlichen Dürfens" (Zitelmann a. a.O.), wie die Urheber- und andere zustandartige Rechte. Diese Beispiele, deren Zahl noch beliebig vermehrt werden kann — denn diese Aufzählung kann ja naturgemäß nicht er­ schöpfend sein —, werden genügen, um uns ein Urteil darüber zu ermöglichen, inwieweit sich Verjährung und gesetzliche Befristung hinsichtlich ihres Gegenstandes, ihres Objektes unterscheiden. Wir können da für unser B.G.B. folgende Regeln aufstellen: 1. Rechte, welche das Gesetz als Ansprüche konstruiert hat, unterliegen a) in der Regel der Verjährung; b) in einigen vom Gesetz genau bestimmter: Ausnahmefällen der gesetzlichen Befristung; c) in einigen Fällen haben wir actio perpetua, z. B. in S 758, 924, 194 Abs. II. 2. Bei anderen Rechten, die feine Ansprüche im Sinne des S 194 des B.G.B. sind, gilt folgendes: a) der Gesetzgeber setzt denselben eine Existenzfrist; er gibt sie den Berechtigten nur für eine von vorhinein bestimmte Frist, z. B. Anfechtungsrechte, b) in aller: übrigen Fällen Haber: wir actio perpetua: Fest­ stellungsklagen d. h. die Möglichkeit, daß ein Feststellungs­ interesse entstehen kann, ist nicht an eine bestimmte Frist ge­ bunden, oder die Ehenichtigkeitsklage in £ 1329 mit Ausnahme des 8 1324 Abs. II. Wir haben somit einen Unterschied zwischen Verjährung und gesetzlicher Befristung hinsichtlich ihres Gegenstandes gefunden und wenn auch in einer Reihe von Fällen dieser Unterschied verwischt ist, so darf das nicht die Ursache sein, die grundsätzliche Verschieden­ heit der beiden Institute ir: dieser Beziehung zu verkennen.

III. Verjährung und gesetzliche Befristung hinsichtlich des Fristenlaufes. 1. Beginn der Frist. Im gemeinen Recht war man einig, daß die Verjährung zu laufen beginne, wenn actio nata gegeben sei; freilich wann dieser Zeitpunkt eintrete, darüber herrschte Meinungsverschiedenheit. Na­ mentlich ist die Ansicht vertreten worden, das Klagerecht und damit

47 der Beginn der Verjährung sei durch eine Rechtsverletzung bedingt. Am schärfsten haben das Dogma von der Rechtsverletzung Kierulff, S a v i g n y und D e m e l i u s zum Ausdrllck gebracht; doch ist der Begriff der Rechtsverletzung bei keinem der genannten Schriftsteller der gleiche; man vergleiche hierüber die ausführlichen Erörterungen von Demelius in seinen „Untersuchungen aus dem römischen Zivilrechte" S. 128 ff. Diese Theorie beruht auf dem richtigen Gedanken, daß der Gläubiger von der Klage erst dann Gebrauch machen wird, wenn der Schuldner nicht gutwillig leistet, was er soll; allein damit ist noch lange nicht gesagt, daß eine Rechtsver­ letzung immer auch die notwendige Voraussetzung der Klagestellllng sein müsse. Das Erfordernis der Rechtsverletzung zum Beginn der Verjährung ist dem römischen Rechtes so fremd wie dem modernen; ließe sich doch „ohne Rechtsverletzung der wirtschaftliche Zweck des Darlehens nicht erreichen; ein Darlehen ohne Rechtsverletzung könnte nur als Kinderspiel oder Karnevalsbelustigung in Szene gesetzt werden."^ Die in der gemeinrechtlichen Praxis herrschende Ansicht wollte von der Rechtsverletzungstheorie nichts wissen3) und unser B.G.B. hat mit derselben endgültig aufgeräumt, indem es sich zum Beginn der Verjährung lediglich mit der „Entstehung des Anspruches" begnügt; § 198 bestimmt nämlich: „Die Ver­ jährung beginnt mit der Entstehung des Anspruches. Geht der Anspruch auf ein Unterlassen, so beginnt die Verjährung mit der Zuwiderhandlung." Diese Bestimmung gibt zu mancherlei Erörterungen Anlaß. Wir wollen bei dem zweiten Satze beginnen: Geht der Anspruch auf ein Unterlassen, so beginnt die Verjährung „nicht mit der Ent­ stehung des Anspruchs, sondern erst mit der Zuwiderhandlung"; Planck (l S. 249) nimmt an, daß der Satz 2 eine Ausnahme von dem im ersten Satze ausgesprochenen Prinzipe darstelle, da der Anspruch auf das Unterlassen schon lange entstanden sei, ohne daß ihm eine Verjährung laufe. Nach dem klaren und unzweideutigen Wortlaute von § 194 unterliegt der Verjährung das Recht, von einem anderen ein Unterlassen zu verlangen. Nach dem ebenso zweifellosen Wortlaute des Satzes 2 des § 198 beginnt der „An­ spruch auf Unterlassung" „mit der Zuwiderhandlung" zu verjähren. Das ist aber falsch und würde zu ganz absurden Resultaten führen; nicht die Unterlassungspflicht, also der Anspruch des Berechtigten auf ein Unterlassen des Schuldners beginnt zu verjähren, sondern lediglich der aus der Zuwiderhandlung entstandene Anspruch auf Beseitigung des dem Recht des Gläubigers widersprechenden Zu­ standes. Daß trotz Verjährung dieser ans einer Zuwiderhandlung *) Vergl. Briegleb, vermischte Abhandlungen I 2. 1G8. 2) Fischer, Beiträge, 6 S. 68. =) Bergt. Senfferts Archiv 28 Nr. 101.

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hervorgegangenen Ansprüche immer noch eine UnterlassungsPflicht des Schuldners und also auch ein Recht des Gläubigers auf diese Unterlassung vorhanden sein kann, weist Hölder im Arch. f. civ. Pr. 93 S. 40 an einem trefflichen Beispiele nach: „Jemand ver­ pflichtet sich seinem Nachbarn gegenüber, auf seinem Grundstücke nicht zu bauen; wenn er aber trotzdem baue und der Bau unge­ hindert wahrend der Verjährungszeit bestanden habe, dann sei das Recht auf Beseitigung des Baues verjährt; nicht aber das Recht des Nachbarn auf Unterlassung des Bauens. Habe sich derselbe einen Bau von geringer Höhe, an dessen Beseitigung ihm nichts gelegen sei, gefallen lassen, so könne er trotzdem die Herstellung eines höheren lästigeren Baues immer noch verbieten." Richtiger Ansicht nach ist also £ 198 Satz 2 teils unnötig, teils irreführend und unrichtig. Dies gilt auch für die sog. dinglichen Ansprüche; die herrschende Meinung (namentlich Planck I S. 249) nimmt an, daß bei 8 198 Satz 2 an dingliche Rechte nicht zu denken sei; denn es entstehe hier erst mit der Zuwiderhandlung eine Beziehung zu einer bestimmten Person, welche das Wesen des Anspruches aus­ mache. Die gegenteilige Ansicht vertritt Riezler in Stau­ ding ers Kommentar I S. 545 — 546. Wem man sich auch an­ schließen mag, so ist doch nicht zu vergessen, daß zwischen dem obligatorischen Ansprüche auf ein Unterlassen — wenn wir über­ haupt einen solchen als vorhanden annehmen — und dem ding­ lichen Ansprüche ein gewaltiger Unterschied besteht. Bei einem obli­ gatorischen Ansprüche stehe ich von vornherein einem bestimmten Dritten gegenüber, von dem ich ein Unterlassen „verlangen" kann; bei dem dinglichen Anspruch dagegen wird erst durch die Zuwider­ handlung eine Beziehung zwischen mir und einem Dritten her­ gestellt und erst jetzt kann ich von ihm ein Tun, unter Umständen auch em Unterlassen „Verlangen". Übrigens ist der ganze Streit für die Praxis von keiner großen Bedeutung; denn man ist einig, daß die Verjährung erst mit einer Zuwiderhandlung beginne. Der Streit dreht sich ledig­ lich darum, ob vor der Zuwiderhandlung schon ein Anspruch be­ standen habe. Für unsere Betrachtung aber ist die Streitfrage immerhin von Wichtigkeit. Nehmen wir an, das Recht darauf, daß der Verpflichtete gewisse Handlungen nicht vornehme, sei be­ fristet. Wenn A sich verpflichtet, auf seinem Grundstücke die näch­ sten 10 Jahre diese oder jene Handlung zu unterlassen, zu deren Vornahme er kraft seines Eigentums an sich berechtigt wäre, so kann selbstverständlich keine Rede davon sein, daß die Frist erst mit einer Zuwiderhandlung beginne; in diesem Augenblicke nimmt frei­ lich eine Frist ihren Anfang, aber nicht die 10jährige Vertrags­ frist, sondern die Verjährungsfrist, welche dem durch die Zuwider­ handlung entstandenen Ansprüche auf Beseitigung der Beeinträchti-

49 gung, Schadenersatz u. s. w. läuft. Die 10jährige Frist beginnt mit dem Tage des Vertragsschlusses bezw. mit dem im Vertrage angegebenen Zeitpunkte. G r a w e i n nimmt hier einen Unterschied zwischen Verjährung und gesetzlicher Befristung an; denn ein „obli­ gatorisches Recht auf ein dauernd negatives Verhalten des Ver­ pflichteten" könne lange bestehen, ohne daß ihm eine Verjährung laufe, während andererseits, wenn dieses Recht befristet wäre, es auf das Verhalten des Verpflichteten gar nichts ankomme, sondern „die Frist ganz notwendig schon von dem ersten Augenblicke des Daseins des Rechtes an zu laufen beginne" (Grawein a. a. O. S. 82). Dieser Unterschied ist gemäß § 194 und 198 zweifellos auch nach unserem B.G.B. vorhanden. Es gibt ja nach dem B.G.B einen auf ein negatives Verhalten des Verpflichteten gerichteter: „An­ spruch". Um nun diesen Anspruch nicht zu einem befristeten zu machen, der nach Ablauf der 30 Jahre von selbst hinfällig würde, war § 198 Satz 2 notwendig. Die Sachlage ist also folgende: Wenn A dem B verpflichtet ist, gewisse Handlungen nicht vorzunehmen, so hat B einen „An­ spruch" im Sinne des § 194; diesem Anspruch läuft aber keine Verjährung; eine solche kann erst mit einer Pflichtverletzung des A beginnen; wir haben somit nach dem B.G.B. einen Fall, daß Entstehung des Anspruchs und Beginn der Verjährung auseinander­ fallen können Wenn wir dagegen das Vorhandensein eines An­ spruches auf ein Unterlassen leugnen oder jedenfalls die Ansprüche in zwei Gruppen scheiden: verjährbare, die ein positives Leisten, inv verjährbare, die ein negatives Verhalten des Verpflichteten zum Gegenstände haben, so ist das Ergebnis ein ganz anderes. Ver­ jährbar sind nur Ansprüche auf positive Leistung; die Verjährung beginnt mit der Entstehung des Anspruchs, also mit der Entstehung des der Verjährung unterliegenden Rechtes. Für die Befristung existiert eine solche Schranke hinsichtlich des Gegenstandes nicht; es kann also jedes Recht, auch das auf ein „negatives Leisten" befristet sein; auch hier fällt die Frist mit der Entstehung des be­ fristeten Rechtes zusammen. Die richtige Ansicht dürfte also sein, daß in diesem Falle ein Unterschied zwischen Verjährungs- und Legalfristen nicht angenommen werden kann; denn beidemale fängt der Fristenlauf sogleich mit der Entstehung des Rechtes an. Wichtiger als die eben besprochene Gruppe von Rechten sind für unsere Betrachtung diejenigen Rechte, welche ein positives Leisten zum Gegenstände haben; gerade hier entsteht die Frage, ob Verjährungs- und Legalfristen in dem gleichen Zeitpunkte zu laufen anheben, eventuell, inwieweit ein Unterschied zu konstatieren ist. Der I. Entwurf bestimmte in dieser Beziehung in 8 158: „Die Verjährung beginnt mit dem Zeitpunkte, in welchem die Be­ friedigung des Anspruches rechtlich verlangt werden tarnt (Fällig4

50 feit)". Im II. Entwürfe § 168 wurde die heutige Fassung des 8 198 beschlossen, weil man den Begriff „Fälligkeit" dem Obli­ gationenrechte Vorbehalten wollte; jedoch wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, daß eine sachliche Änderung damit nicht beabsichtigt sei (Prot. S. 210). 8 24 Abs. 4 des Bankgesetzes spricht noch davon, daß die Verjährung der Dividendenrückstände von dem Tage der „Fälligkeit" an gerechnet beginne. Der Begriff des An­ spruches selbst gibt uns einen festen Anhaltspunkt für die Frage nach dem Anfänge der Verjährung. Ansprüch ist das Recht, von einem anderen eine Leistung zu verlangen, die Befugnis, ein Recht „mit rechtlichen Mitteln zur Geltung zu bringen" (Heilfron, bürgerliches Recht, allgemein. Teil S. 94). Die Verjährung kann daher, wie das allgemeine Landrecht sagt (19 8 543), erst „mit dem Tage beginnen, wo die Erfüllung der Verbindlichkeiten zuerst ge­ fordert werden kann". Rehbein drückt sich zum mindesten un­ genau ans, wenn er sagt (Allg. Teil S. 303): „Der Anspruch entsteht. .., nicht sobald die Befriedigung des Anspruches verlangt werden kann, sondern mit der Begründung des Gläubigerrechts." Unter Gläubigerrecht versteht Rehbein augenscheinlich nichts an­ deres als den Zustand der Gläubigerschaft, daß eine Person be­ rechtigt, eine andere verpflichtet ist; das wäre identisch mit Schuld­ verhältnis, so daß also mit dessen Begründung schon die Verjährung beginnen würde. Aber Entstehen einer Forderung und Fällig­ werden sind zwei sehr verschiedene Dinge. Eine Forderung besteht, sobald der Gläubiger berechtigt und der Schuldner verpflichtet ist; ob dagegen der Gläubiger sofortige Leistung fordern kann, der Schuldner zu sofortiger, gegenwärtiger Leistung verpflichtet ist, das ist eine ganz andere Frage; es tarnt sehr wohl sein, daß ein gegen­ wärtiges Relationsverhältnis zwischen zwei Personen als Berechtigtem und Verpflichtetem besteht und daß andererseits noch keine Ver­ pflichtung zu sofortiger, gegenwärtiger Leistung gegeben ist. Rehbein selbst kann seinen Satz nicht ausnahmslos durchführen; sagt er doch, daß bei befristeten und betagten Rechten die Verjährung erst mit Eintritt der Bedingung oder des Termins beginne, „weil vorher kein Gläubigerrecht besteht, das Befriedigung fordern kann". Er scheint hier vergessen zu haben, daß er einige Zeilen früher sagte, es komme nicht darauf an, ob die Befriedigung des Anspruchs verlangt werden könne, und gerade auf diese Möglichkeit zielt er bei befristeten und betagten Rechten ab. Wie einerseits eine Rechtsverletzung oder auch nur Rechts­ bestreitung Glicht notwendig ist, so ist andererseits die bloße Existenz eines Gläubiger- und Schuldnerverhältnisses noch nicht genügend zum Beginne der Verjährung. Erforderlich ist vielmehr einzig und allein, daß der Gläubiger von dem Schuldner sofortige Leistung verlangen taun; ob dann der Anspruch auch schon fällig ist, das

51 steht auf einem ganz anderen Blatte. Dies scheint sich zu wider­ sprechen ; ein nicht fälliger Anspruch kann doch nicht verjähren; das wird uns aber klar, wenn wir 8 199 Satz 1 ansehen. Es ist hier eine alte gemeinrechtliche Streitfrage entschieden, nämlich die, wann die Verjährung bei einem auf Kündigung ohne Kündi­ gungsfrist gegebenen unverzinslichen Darlehen zu laufen beginne. Das B.G.B. hat sich der richtigen Ansicht angeschlossen und hat bestimmt, daß in einem solchen Falle die Verjährung mit dem Zeitpunkte beginne, von welchem an die Kündigung zulässig sei. Planck behauptet nun, daß ohne £ 199 die Verjährung erst mit der tatsächlich vollzogenen Kündigung beginnen würde (Anm. 1 zu § 199); der richtigen Meinung nach (vergl. Rehbein S. 304) ergibt sich § 199 schon aus „der Rechtsnatur der Verjährung" und es ist irrig, in § 199 eine Ansnahmevorschrift des £ 198 zu er­ blicken ; denn die Notwendigkeit der Kündigung hat nichts zu tun mit der Frage nach dem Bestehen des Anspruchs. Die Sache ist doch die: Die Verjährung beginnt mit dem Zeitpunkte, in welchen: der Anspruch geltend gemacht werden kann. Wenn ein Darlehen mit der Bestimmung gegeben ist, daß es im Falle der Kündi­ gung sofort zurückbezahlt werden müsse — dieser Fall ist in $ 199 gemeint —, so kann die Geltendmachung unmittelbar nach der Hingabe erfolgen; denn was ist die Kündigung anderes als die Geltendmachung? Das zeigt sich am besten dann, wenn der Gläubiger in einer Weise kündigt, welche keinen Zweifel mehr darüber aufkommen läßt, daß er sein Geld wieder haben wolle, wenn er nämlich auf Rückzahlung klagt, ohne vorher privat dieselbe verlangt zu haben. Hier ist die Klage nicht zurückzuweisen, weil er noch nicht gekündigt habe; die Klage enthält vielmehr die Kündigung und der Schuldner wird verurteilt zur Leistung, wenn auch dem Gläubiger nach § 93 Z.P.O. die Kosten auferlegt werden können. Die Geltendmachung des Darlehens wäre also sogleich nach der Hingabe möglich und daher müßte auch ohne § 199 die Verjäh­ rung gemäß 8 198 sofort beginnen. Aber, wenn nun auch die Verjährung schon beginnt, bevor noch die Kündigung erfolgt, so ist damit zugleich angedeutet, daß sie vor der Fälligkeit beginnt; denn ein solches Darlehen ist vor der Kündigung noch nicht fällig (§ 609). Fällig bedeutet doch, daß der Schuldner verpflichtet ist zu „gegenwärtiger, sofortiger Leistung" (L a n g h e i n e k e n a. a. O. S. 87); es muß eine aktuelle Verpflichtung des Schuldners zur Leistung gegeben sein. Nun ist wohl der Gläubiger berechtigt, dieselbe jederzeit zu verlangen, und der Schuldner ist im Hinblick auf §271 Abs. 1 unter Umständen berechtigt, sofort zu zahlen; allein eine Verpflichtung hierzu besteht nicht vor der Kündigung des Gläubigers. Langheineken spricht hier passend von „ver­ haltenen Ansprüchen" (a. a. O. S. 101, 177), deren Wesen darin 4*

liege, daß sie nicht fällig, aber gleichwohl üt keiner Weise gehemmt seien. Sie seien nicht fällig; denn es könne dem Schuldner die Leistung noch nicht zugemutet werden und der Gläubiger könne sich nicht darüber beklagen, wenn die Leistung noch nicht bewirkt werde; trotzdem sei keine Hemmung anzunehmen und zwar aus dem ein­ fachen Grunde, weil dem Ansprüche kein Hemmungsgrund ent­ gegenstehe, der Gläubiger vielmehr jeden Augenblick mit rechtlicher Wirksamkeit denselben geltend machen könne. Wir haben hier also keine Ausnahme von dem in £ 198 aufgestellten Prinzipe; die Ver­ jährung beginnt, wenn der Schuldner in Anspruch genommen werden kann, nicht erst, wenn die Leistung von ihm tatsächlich verlangt wird. Anders verhält es sich mit 8 200. Im ersten Entwürfe fand sich eine Kodifizierung des Satzes: „toties praescribitur actioni nondum natae, quoties nativitas est in potestate creditoris“, in dem 8 158 Abs. 3: „Ist die Entstehung eines Anspruches von dem bloßen Wollen des Berechtigten abhängig, so beginnt die Ver­ jährung mit dem Zeitpunkte, in welchem der Anspruch zur Ent­ stehung gebracht werden konnte." Dies wurde (Prot. S. 208 ff.) als zu weitgehend gestrichen und damit wurde erreicht, daß der Anspruch des Wiederkäufers (§ 498) nicht schon von dem Zeitpunkte an verjährt, von dem an der Wiederkauf ausgeübt werden könnte, d. h. mit dem Abschlüsse des Vertrages, in dem der Wiederkauf Vorbehalten wurde, sondern erst von dem Augenblicke an, in dem das Wiederkaufsrecht ausgeübt wird. Was vom Wiederkaufsrecht gilt, findet auch Anwendung auf den durch den Rücktritt vom Ver­ trag ausgelösten Anspruch des Rücktrittsberechtigten ($ 346). Für einen konkreten Fall ist uns die obige Regel erhalten geblieben in 8 200. Den 8 199, der vielfach auch hierher gerechnet wird, zählen wir nicht hierher, da er ohne diese Regel die richtige Lösung aus dem allgemeinen Prinzipe findet. Rehbein (®. 305) und Hölder (Archiv f. civ. Pr. 93 S. 42) stellen den 8 200 dem § 199 völlig Qleiä) und sagen, § 200 enthalte keine Ausnahme von der prin­ zipiellen Bestimmung des Verjährungsbeginnes; allein das dürfte nicht richtig sein. Wir haben hier den exzeptionellen Fall, daß eine Verjährung läuft, ohne daß noch ein Anspruch gegeben ist; es verjährt hier die „Entstehungsmöglichkeit" (Zite.lmann S. 177). Eine ähnliche Vordatierung des Verjährungsbeginnes findet sich noch in folgenden Fällen: 1. Nach § 852 beginnt die Verjährung des Schadenersatz­ anspruches aus einer unerlaubten Handlung mit der Begehung derselben, während ohne 8 852 die Verjährung erst von der Ent­ stehung des Anspruchs, d. h. von dem Eintritt des Schadens an laufen könnte. 2. Nach § 8 des Haftpflichtgesetzes verjähren die Forderungen auf Schadenersatz in 2 Jahren von dem Unfälle an ohne Rücksicht

darauf, Warrn der Schaderr eingetreten ist (Art. 42. IH. E.G.B.G.B., § 8 des Haftpflichtgesetzes). 3. Endlich möchte ich hierher noch rechnen derr durch Ausschlagung einer Erbschaft oder eines Vermächtnisses in seiner Gel­ tendmachung bedingten Pflichtteilsanspruch in $ 2332 Abs. 3. Übrigens ist dies nicht zweifellos.^

Während in dieser: Fällen irr außergewöhnlicher Weise der Verjährungsbeginn auf einen Zeitpunkt bestimmt wird, in welchem ein verjährbarer Anspruch noch gar rricht vorhanden ist, findet sich auch eine Menge von Ansprüchen, deren Verjährung erst nach ihrer Entstehung zu laufen beginnt. So beginnt die Verjährung der in §§ 196, 197 bezeichneten Ansprüche mit dem Schlüsse des Jahres, in welchem der nach den SS 198—200 maßgebende Zeit­ punkt eintritt (S 201); ferner gehören hierher SS 477, 558 und noch eine ganze Reihe von Fällen; auch in anderen Gesetzen finden wir ähnliche Bestimmungen: S 414 H.G.B., der in §S 423 und 439 auf die Ansprüche gegen den Lagerhalter bezw. Frachtführer wegen Verlust, Minderung, Beschädigung oder verspäteter Ablieferung des Gutes für anwendbar erklärt wird, ferner S 470 des H.G.B. und S 45 des Börsengesetzes; endlich gehören hierher die Fälle, in denen die Verjährung in dem Augenblicke beginnt, in welchem der Be­ rechtigte von seinem Ansprüche Kenntnis erhält, z. B. die dreijährige Verjährungsfrist in § 852. Jene Vordatierung wie diese Hinausschiebung des Verjährungs­ beginnes sind und bleiben aber Ausnahmen und vermögen nichts zu ändern an dem Prinzip, daß die Verjährung immer erst be­ ginnen kann, dann aber auch beginnen muß, sobald der Gläubiger von dem Schuldner die diesem obliegende Leistung verlangen kann, sobald der Anspruch entstanden ist. Wie steht es nun mit dem Beginrre der Frist in der: Fällen, wo einem Rechte eine Ausschlußfrist gesetzt ist? Aus der Funktion, welche die Zeit bei diesen befristeten Rechten zu erfüllen hat, folgt mit Notwendigkeit, daß mit der Entstehung des Rechtes sogleich auch die Frist ihren Anfang nehmen muß; denn sonst würde ja die Frist nicht die Existenz des Rechtes bestimmen. Nach § 112 der Gewerbeordnung beginnt die vierwöchige Frist „mit der Entstehung des Anspruches". Was oben von der Entstehung des Anspruches bei der Verjährung gesagt wurde, findet ausnahmslos auch hier Anwendung. In S 16 des Gesetzes über die Naturalleistungen für die bewaffnete Macht im Frieden vom 13. Februar 1875 heißt es: „Entschädigungsansprüche müssen inner­ halb vier Wochen nach dem Eintritt der behaupteten Beschädigung ]) Bergt. Zitelmaun S. 177, (Snitccccrns, bürgert. Recht I t? 135 S. 338, 339 und L angheittcken 2. i 77.



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angemeldet werben". Die Frist beginnt auch hier wiederum mit dem Eintritte des Schadens d. h. mit der Entstehung des Anspruches. Keines weiteren Beweises bedarf es, daß zustandartige, be­ fristete Rechte wie das in $ 1708 dem unehelichen Kinde gegen seinen Vater gewährte Recht auf Unterhalt bis zur Vollendung des 16. Lebensjahres oder wie die Urheberrechte keinen Augenblick be­ stehen können, „ohne mit demselben einen Schritt ihrem Prädestinierten Ende näher zu tun" (Grawein S. 79). Auch hier fällt also Frist­ beginn mit Entstehung des Rechtes zusammen. Den nach §§ 861, 862 begründeten Ansprüchen ist in $ 864 eine einjährige Präklu­ sivfrist gesetzt. Diese beginnt mit der Verübung der verbotenen Eigenmacht, also mit der Entstehung des Anspruches. Der in S 977 statuierte Anspruch auf Herausgabe des durch die Rechts­ änderung Erlangten ist befristet; er erlischt mit dem Ablaufe von drei Jahren nach dem Übergange des Eigentums auf den Finder oder die Gemeinde. Nun besteht die Rechtsänderung, welche den Bereicherungsanspruch zur Entstehung brachte, eben in dem nach SS 973, 974, 976 eintretenden Eigentumserwerb des Finders oder der Gemeinde; es beginnt also auch hier die Frist mit der Ent­ stehung des Anspruches. Die in S 121 Abs. 2 und 124 Abs. 3 dem Anfechtungsrecht gesetzte dreißigjährige Ausschlußfrist beginnt mit der Abgabe der Willenserklärung, also mit dem Augenblicke, da das Anfechtungs­ recht zur Entstehung kam. Das in S 1584 dem Ehegatten gewährte Recht, von dem für allein schuldig erklärten anderen Ehegatten die demselben ge­ machten Schenkungen zu widerrufen, ist dem Berechtigten nur für ein Jahr gegeben. Dieses Jahr beginnt mit der Rechtskraft des Scheidungsurteils d. h. mit der Entstehung des Widerrufsrechtes; denn vor der Rechtskraft dieses Urteils sind die Ehegatten noch nicht geschieden und daher kann vorher auch von keinem Wider­ rufsrecht gesprochen werden. Wie bei der Verjährung finden sich auch bei der Befristung Ausnahmefälle, in welchen der Beginn der Frist nicht mit der Ent­ stehung des Rechtes zusammenfällt. So beginnt z. B. vielfach die Frist mit der Erlangung der Kenntnis von irgend welchen Tatsachen: S 124, 1339 u. s. w. Die Gründe, warum der Ge­ setzgeber in diesen Fällen den Beginn der Frist nicht auf einen objektiven, leicht erkennbaren Zeitpunkt bestimmt hat, werden wir bald kennen lernen, wenn wir davon handeln werden, daß der Gesetzgeber eine Reihe von Ausschlußfristen in ihrem Laufe aus verschiedenen Gründen gehemmt sein läßt. Diese Ausnahmefälle können uns nicht veranlassen, von der durch die oben angeführten Beispiele bestätigten Regel abzuweichen, daß bei befristeten Rechten die denselben gesteckte Frist mit der Entstehung zu laufen beginnt.

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Zu dem gleichen Ergebnis kamen wir auch für die Verjährung; auch hier sagten wir: Entstehung des verjährbaren Rechtes, des „Anspruches", bedeutet zugleich Beginn des Laufes der Verjährungs­ frist. Es scheint also in diesem Punkte kein Unterschied zwischen Verjährung und Befristung zu bestehen. In der Tat, es muß zugegeben werden, daß praktisch in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle ein Unterschied keinesfalls zutage treten wird; Demelius nimmt S. 51 schlechterdings an, daß für beide (Verjährung und Rechtstemporalität) „der Begriff t)er actio nata gleicherweise brauch­ bar und von Entscheidung" sei. Dem gegenüber behauptet Grawein (S. 79 ff.) mit großer Entschiedenheit einen praktischen Unterschied, der sich „aus der Funktion, in welcher die Zeit bei den Erscheinungen auftrete", leicht feststellen lasse. Bei der Befristung sei die Frist Existenzfrist, sie müsse daher schon von dem Zeitpunkte an zu laufen beginnen, in welchem das befristete Recht ins Dasein trete. Bei der Verjährung bilde dagegen die Zeit das Maß für die Untätigkeit der Beteiligten und es könne daher die Verjährung erst dann beginnen, wenn dieser „durch die Frist ausgemessene Tatbestand seinen Anfang nehme". Wir dürfen nicht vergessen, daß bei der Befristung der Gesetzgeber dem Recht eine Existenzfrist gesetzt hat ohne Rücksicht auf das, was etwa der Berechtigte tun wird, daß dagegen bei der Verjährung das Ver­ halten der Parteien, insbesondere das des Berechtigten, von der größten Bedeutung ist. Es kommen hauptsächlich zwei Punkte in Betracht: eirrmal, welchen Einfluß hat eine Suspensivbedingung oder ein dies a quo auf den Lauf der Frist? und dann, welche Wirkung hat ein dem Verpflichteten zustehendes Leistungsverweigerungsrecht auf ihren Beginn? Beschäftigen wir uns zunächst mit der ersten Frage! Der erste Entwurf des $ 158 Abs. 2 bestimmte hierüber: „Insbesondere beginnt die Verjährung eines bedingter: oder betagten Anspruches erst nach dem Eintritt der Bedingung oder des Termins". Eine analoge Bestimmung enthält der Code civil art. 2257: „La prescription ne court point: ä l’^gard d’une cröance qui dopend d’une condition, j’usqu’ä ce que la condition arrive; ä l’egard d’une creance ä jour fixe jusqu’ä ce que le jour soit arrive“ In der zweiten Lesung des Entwurfes zum B.G.B. wurde eine derartige Bestimmrmg für überflüssig gehalten und so wurde 8 158 Abs. 2 als selbstverständlich gestrichen. Man ist ja nun wohl einig, daß die Verjährung nicht vor Eintritt der Bedingung oder des Termines beginnt; alleirr die Begründung ist verschieden. Da diese für mrsere Frage nicht ohne Bedeutung ist, so müssen wir uns mit derselben etwas eingehender befasserr. Nach

56 der einen Meinung besteht hier ein gegenwärtiger Anspruch auf eine nur bei Eintritt eines ungewissen Ereignisses oder mit Ein­ tritt eines bestimmten Termins fällige Leistung; es kann daher lediglich die Durchsetzbarkeit des Rechtes fehlen, man vergl. LangHeineken S. 67 ff., 73 ff., der nur die Fälligkeit des Anspruches durch die Bedingung oder Betagung hinausgeschoben sein läßt (S. 94); die Verjährung beginnt auch nach ihm, da für den An­ spruch hier „eine im objektiven Rechte begründete Hemmung" vor­ liege, erst mit Eintritt der Bedingung und des Termines (S. 169). Dem steht die Ansicht gegenüber, daß ein Anspruch überhaupt erst mit der Erfüllung der Bedingung entstehe. „Während der Be­ fristung ist zwar eine vollkommen gesicherte Expektanz auf eine Forderung vorhanden; die Forderung selbst als vollkommene und präsente ist aber erst mit dem Ablauf der Befristung vorhanden bezw. wiedervorhanden", sagt Fischer (Beiträge 6, S. 105 u. 106). Es ergibt sich dies auch aus §158: „Die von der Bedingung ab­ hängig gemachte Wirkung tritt mit dem Eintritte der Bedingung ein". Vorher herrscht ein Schwebezustand; der Berechtigte hat sein Recht noch nicht erworben; er kann es deshalb auch nicht aus­ üben. 0 Daß bei der aufschiebenden Bedingung noch kein Anspruch gegeben ist, zeigt sich am besten darin, daß nach § 813 Abs. 2 das zum Zweck der Erfüllung einer aufschiebend bedingten Forderung vom Schuldner irrtümlich Geleistete wieder zurückverlangt werden kann. Wenn nun mit dem Eintritte der Bedingung oder des Ter­ mines ein „Anspruch" überhaupt erst zur Entstehung gelangt, so ist es selbstverständlich, daß die Verjährung nach § 198 Satz I nicht vor diesem Zeitpunkt beginnen kann. Wie liegt die Sache bei der Befristung? Grawein glaubt hier einen Unterschied zu finden, der sich aber bei eingehender Be­ trachtung als hinfällig erweist. Er geht zunächst davon aus, daß bei der Verjährung ein Anspruch schon lange vorhanden, der Ver­ jährungsbeginn aber bis zur Erfüllung der Bedingung hinaus­ geschoben sei. Bei der Befristung dagegen „laufe die Existenzfrist schon von dem Tage der Begründung des bedingten Rechtes an und nicht erst vom Tage des Eintrittes der Bedingung". Er sagt: wenn jemand einem anderen innerhalb drei Jahren ein Dar­ lehen zu geben verspricht, aber nur unter der Bedingung, daß er seinen Vetter beerbt, so läuft die Frist nicht erst vom Todestage des zu Beerbenden an, sondern sofort. Dieses Beispiel beweist aber nicht das, was es beweisen soll; denn der Anspruch auf die 5 Ebenso Eosatt I S. 192 und 197; Planck § 198 Amu. 1; Fischer£ eilte § 198 Anin. 3: „Zur Entstehung — es heißt nicht znm Beginn der Berjährnng — gehört der Eintritt einer anfschiebenden Bedingung oder deS Anfangsternnnes."

57 Gewährung des Darlehens kommt erst mit der Erfüllung der Be­ dingung zur Entstehung; seine Existenzsrist ist also gleich drei Jahre weniger den Zeitraum, der von dem Vertragsabschluß bis zum Tode des Vetters verstrichen ist. Diese Frist kann naturgemäß auch gleich Null sein, nämlich dann, wenn die Bedingung erst nach dem Ablauf der dreijährigen Frist eintritt.

Einen ähnlichen Fall können wir auch dem B.G.B. ent­ nehmen. Nach $ 529 kann der Schenker die Herausgabe des Ge­ schenkten verlangen, wenn er innerhalb zehn Jahren seit dem Voll­ zug der Schenkung bedürftig geworden ist. Welches ist hier der Tatbestand, der nur mit Wirkung bis zu einem bestimmten Tag ausgestattet sein soll? Ist dies die Leistung des geschenkten Gegen­ standes oder etwas anderes? Auf keinen Fall ist ersteres anzunehmen; denn daraus, daß ich dem X etwas geschenkt habe, folgt noch lange nicht, daß ich berechtigt bin, dem X das Geschenkte wieder ab­ zuverlangen. Der Tatbestand, der das Recht, die Herausgabe des Geschenkten zu fordern, zum Dasein bringt, ist die Bedürftigkeit des Schenkers. Wenn also im einen Fall mit dem Tode des Vetters, im andern Fall mit dem Eintritt der Bedürftigkeit des Schenkers ein Anspruch überhaupt erst entsteht, so ist damit auch die Unrichtig­ keit der Annahme Graweins dargetan, die Frist laufe in einem solchen Falle dem subjektiven Rechte; ehe die nötigen Vorbedingungen gegeben sind, besteht ein solches gar nicht. Zeitlich begrenzt ist irr § 529 und in dem Graweinschen Beispiel die Anwartschaft darauf, daß vielleicht ein subjektives Recht entstehen werde; befristet ist die „Entstehungsmöglichkeit" eines Rechtes (Zitelmann a a. O S. 177). Wie die Verjährung in einigen Fällen vor der Entstehung eines Anspruches beginnt (siehe S. 52, 53), so haben wir auch hier eine Frist, die ihren Anfang nimmt, ehe noch ein Recht vorhanden ist, das befristet sein könnte. Einen Unterschied zwischen Ver­ jährung und Befristung können wir also aus diesem Beispiel nicht folgern; in beiden Fällen kommt ein Recht erst mit der Erfüllung der Bedingung zur Entstehung; sie unterscheiden sich nur insoferne — was aber für uns belanglos ist —, daß es in einem Falle gleichgültig ist, wann diese Bedingung eintritt, während im anderen Falle das Recht nur dann ins Leben tritt, wenn die Bedingung innerhalb einer bestimmten Frist erfüllt wird; dort ist die Ent­ stehungsmöglichkeit nicht befristet, hier ist sie an eine gesetzliche Frist gebunden. Anders steht es mit dem zweiten Punkte, zu dessen Er­ örterung wir nun übergehen wollen: Welche Wirkung haben be­ stehende Einrederechte auf den Beginn des Fristenablaufes bei der Verjährlmg und Befristllng?

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S 202 Abs. 1 sagt: „Die Verjährung ist gehemmt, solange die Leistung gestundet oder der Verpflichtete aus einem anderen Grunde vorübergehend zur Verweigerung der Leistung berechtigt ist." S 202 denkt wohl zunächst an eine Hemmung der bereits be­ gonnenen Verjährung; derselbe ist aber auch analog auf den Fall anzuwenden, daß einer der in 8 202 bezeichneten Hemmungsgründe vor Beginn der Verjährung eintritt und diesen hinausschiebt. Es ist für uns ohne Interesse, welchen Einreden diese aufschiebende Wirkung beizulegen ist, ob namentlich auch die sogenannten Peremtorischen Einreden hierher gehören — was übrigens richtiger Ansicht nach zu verneinen ist;1) es genügt für unsere Zwecke zu konstatieren, daß auf jeden Fall die Stundungseinrede zu den den Verjährungsbeginn aufhaltenden Einreden gehört. Da der Gläu­ biger die gestundete Forderung nicht geltend machen kann, so wäre es unbillig, wenn man ihm seine Untätigkeit als desidia oder negligentia anrechnen wollte. Im voraus sei hier bemerkt, daß die Ansicht von der Inkompatibilität des gleichzeitigen Bestehens eines Anspruchs und eines Gegenrechtes für uns fernerhin aus dem Spiel bleiben muß. Nach dem B.G.B. ist ein Anspruch, dem eine Einrede entgegensteht, entstanden; es fallen hier Verjährungsbeginn und Entstehung des Anspruchs zeitlich auseinander.

Wir setzen uns dabei nicht in Widerspruch mit dem, was wir oben über den Fall des bedingter: oder betagten Anspruchs gesagt haben; denn wenn hier der Gläubiger während des Schwebezustandes auf Leistung klagen wollte, so würde der Schuldner sagen: Du hast kein Recht, von mir etwas zu verlangen, es ist ja überhaupt noch gar nicht sicher, ob ich jemals dir werde etwas leisten müssen; er verneint also die Berechtigung des Klägers. Ist der Schuldner dagegen nur vorübergehend zur Verweigerung der Leistung berechtigt, so sagt er, von dem Gläubiger belangt, nicht: Du bist nicht mein Gläubiger; sondern er gibt das zu, er sagt: Du bist zwar berechtigt, etwas von mir zu fordern; aber ich habe da einen Gegengrund, der mich berechtigt, vorerst noch deinen Angriff zurückzuweisen. Das Vorbringen des Beklagten ist also in beiden Füller: inhaltlich durch­ aus verschieden und es müssen dieselben daher auch einer ungleich­ artigen Behandlur:g teilhaftig werden. Es entsteht nun die Frage: Welche Wirkung haben Einrede:: auf den Beginn einer Legalfrist? Wir wollen uns auch hier auf die wichtigste Einrede, die Stundungseinrede, beschränke!: und fragen: Können die Parteien durch einen Stundungsvertrag an dem Begim: der Frist irgend etwas ändern? Bei einer ganzen Reihe von befristeten Rechten kann gar fein Zweifel darüber sein, daß Privatwillkür an dem Beginn der gesetzlichen Frist nichts ändern sann; die in 1339 und 1571 ') Berql. z. B. 2 taudinger 2. •")."> 2, Vcuifl s) ei liefen 2.171 ff.



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der Eheanfechtungs- und Ehescheidungsklage gesetzte sechsmormtliche Frist ist jeder Parteidisposition entzogen. Das gleiche muß auch von den sonstigen befristeten Rechten gelten: von den wirtschaft­ lichen Anfechtungsrechten imd den befristeten Ansprüchen. Der Gesetzgeber will diesen Rechten eine zeitliche Schranke setzen und er tut das ohne Rücksicht darauf, ob die Parteien handeln werden oder nicht; es kann also der im Gesetz bestimmte Anfangstermin nicht verrückt werden. Eine ganz andere Frage ist es, auf die wir an anderer Stelle noch zurückkommer: werden, inwieweit die Par­ teien das auf Grund des Gesetzes entstandene Recht durch ein ver­ tragsmäßiges ersetzen können, das mit jenem gesetzlichen gleichen Inhalt hat. So können zweifellos der Finder und der Eigen­ tümer vereinbaren, daß das nach £ 977 als Entschädigung Ge­ schuldete in eine Darlehensschuld umgewandelt werde (£607 Abs. 2); dann ist an die Stelle des befristeten Entschädigungsanspruches eine verjährbare Darlehensforderung getreten. Im übrigen hängt die Frage, ob die Parteien den Beginn einer Legalfrist hinaus­ zuschieben imstande sind, aufs engste zusammen mit der Frage, ob es den Parteien gestattet ist, eine Ausschlußfrist beliebig zu ver­ längern — denn ein Verrücken des Anfanges der Frist über den ursprünglichen Zeitpunkt des Beginnes hinaus ist ja nichts anderes als eine Verlängerung der Frist — und wir können daher hier aufTeil V, erster Abschnitt verweisen, wo wir hiervon eingehend handeln werden. Wir werden da namentlich hören, daß in solcher: Fällen nur scheinbar eine Fristverlängerung vorliegt; die Parteien schaffen in dem Vertrage ein neues Recht; der Gläubiger stützt sich bei der Begründung seiner Klage nicht auf den gesetzlichen, sondern auf den im Vertrag liegenden konstitutiven Tatbestand und nur zur Ergänzung, zur Ausfüllung von Lücke:: greift er nötigenfalls auf das alte Recht zurück; von einer Veränderung des Frist­ beginns wie bei der Verjährung ist also hier keine Rede. Wenn dagegen die Parteienabsicht nicht dahin geht, ein neues Recht zu schaffen, sondern nur, dem Verpflichteter: noch einige Zeit Ruhe zu lassen, so ist das eine „dem Rechte fremde Konnivenz" (Savigny V, S. 293); der Gläubiger schließt den Vertrag ab auf seine Gefahr. Zum Schluß dieser Erörterur:gen wollen wir noch mit einiger: Worten auf die Bedeutung Hinweisen, welche eir: Stundungsvertrag — hier Prolongation genannt — auf die Wechselverjährung aus­ zuüben vermag. Grawein, der vor: dem Gedanken ausgeht, daß die Wechsel­ verjährung keine wahre Verjährung sei, scheint anzunehmen, daß durch eine solche Prolongation die Verjährung in ihrem Beginr:e nicht gehindert werde und er nimmt dies als ein wichtiges Moment für die „Annahme der Befristung der Wechselobligation". Graweirr

60 war mit seiner Theorie von der Wechselverjährung nicht glücklich; weder Theorie noch Praxis ist ihm gefolgt; fast ausnahmslos wird angenommen, daß die Wechselverjährung eine wahre Verjährung im Sinne des bürgerlichen Rechtes sei. Freilich sind die Meinungen darüber, inwieweit die im B.G.B. für die Verjährung gesetzten Bestimmungen auch auf die Wechselverjährung Anwendung zu finden haben, sehr geteilt. Es ist nicht zu leugnen, daß man in Widerspruch gerät mit dem Prinzip der Wechseldiligenz, wenn man alle Ver­ jährungsbestimmungen des B.G.B. auch für die Wechselverjährung gelten läßt, so z B. die Hemmungsgründe des 8 204. Allein diese Erwägungen, mögen sie noch so wohl begründet sein, können uns nicht davon abhalten, in der Wechselverjährung eine wahre Verjährung zu erblicken. Es ist nun allgemein anerkannt, daß die Bestimmlmgen der W.O., soweit nicht ausdrücklich oder stillschweigend etwas anderes gewollt ist, durch das allgemeine bürgerliche Recht ergänzt werden. In der Denkschrift zu Art. 8 des E.G.H.G.B., welcher den früheren Art. 80 der W.O. aufhebt, heißt es: „Da das B.G.B. die Verschiedenheiten beseitigt, welche bisher in den einzelnen Rechtsgebieten hinsichtlich der Unterbrechung der Ver­ jährung bestanden, so liegt kein genügender Anlaß mehr vor, auch künftig noch die Unterbrechung der Wechselverjährung besonderen, vom bürgerlichen Recht abweichenden Grundsätzen zu unterwerfen." Da die W.O. in ihren Artikeln 77 bis 79 nur Vorschriften über Beginn, Arten und Dauer der Verjährung trifft, so muß im übrigen auf das B.G.B. zurückgegriffen werden. Es ist nun, wie Staub in seinem Kommentar ausführt, nicht anzunehmen, daß der Gesetzgeber den juristisch-technischen Ausdruck der Verjährung in der W.O. anders anwenden wollte als in anderen Gesetzen, namentlich wo er sich des Unterschiedes zwischen Verjährung und Präklusivfrist voll bewußt war. Wenn wir dies im Auge behalten, so liegt die Bedeutung der Prolongation in folgendem: Es wird an dem wechselmäßigen Verfalltag nichts geändert. Selbst wenn die Stundung auf dem Wechsel selbst vermerkt werden sollte, bleibt der alte Wechsel in jeder Beziehung unberührt; die Prolongation gibt nur eine Zahlungsfrist, eine Einrede gegen den die Stundung gewährenden einzelnen Gläubiger. Die Prolongation wirkt also stets nur unter den Parteien (inter personas), nie in rem. Soll eine Änderung des Verfalltages herbeigeführt werden, so muß ein ganz neuer, ein sogenannter Prolongationswechsel ausgestellt werden, der frei­ lich nicht novatorisch wirkt; denn der alte Wechsel bleibt in Kraft. Wird dieser von dem Nehmer des Prolongationswechsels geltend gemacht, so hat der Aussteller gegen ihn und jeden bösgläubigen Dritten eine Einrede aus Art. 82; einem gutgläubigen Dritten dagegen ist nicht verwehrt, Honorierung des alten Wechsels zu ver-

61 langen. Wenn wir diese allgemeinl) anerkannte Bedeutung des Prolon gationsvertrages vergleichen mit dem, was wir von der Verjährung eines mit einer Einrede behafteten Anspruchs gehört haben, so sehen wir, daß ein Unterschied nicht zu konstatieren ist. Der Um­ stand, daß die Prolongation nur relativ, d. h. nur zu Gunsten desjenigen, dem sie bewilligt wurde und zu Ungunsten desjenigen, der sie gewährte, wirkt, ist nichts besonderes; denn auch im B.G.B. wirkt gemäß §§ 425, 429 die Verjährung, ihre Unterbrechung und Hemmung nur „relativ". Wollen wir alle die bisheriger: Erörterunger: kurz zusammen­ fassen, so können wir sagen: Bei befristeten Rechten beginnt die Frist sofort mit der Entstehung des Rechtes; denn nur dann ist die Frist wirklich Existenzfrist. Co sack hat also nicht Recht, wenn er sagt (a. a. O. S. 266): „Für den Beginn des Fristen­ laufs bei der Befristung gibt es eine allgemeine Regel überhaupt nicht." Nur insofern ist Cosack beizustimmen, wenn er damit sagen will, daß sich nirgends eine dem $ 198 entsprechende Gesetzesstelle findet; doch ist damit, wie wir gesehen haben, nicht ausgeschlossen, daß sich aus deu einzelnen Fristbestimmilngen eine allgemeine Regel abstrahieren läßt.

Die Verjährung dagegen nimmt ihren Anfang erst dann, wenn der Berechtigte - denn auf dessen Verhalten kommt es ja hier in erster Linie an — aus seinem negativen Verhalten heraus­ zutreten in der Lage ist. Da dies nun, abgesehen von dem Falle eines durch eine Einrede gehemmten Anspruchs, in der Regel schon mit der Entstehung des Anspruches möglich sein wird, so wird der in der Theorie aufgestellte Unterschied sich im praktischen Leben kaum bemerkbar machen. Wie sich aus dem Vorhergehenden ergibt, ist diese Art der Lösung freilich nicht zweifellos. Wir sind davon ausgegangen, daß bei den Rechten, die eine Unterlassungspflicht des Schuldners zum Gegenstände haben, ein Anspruch überhaupt erst mit einer Zuwiderhandlung geboren wird; daß ferner bei be­ dingten und betagten Rechten ein Anspruch ebenfalls erst mit dem Eintritt der Bedingung oder des Termins entsteht; daß endlich ein Anspruch durch ein ihm entgegenstehendes Leistungsverweige­ rungsrecht des Schuldners in seiner Existenz nicht berührt wird. Diese Punkte sind nun alle bestritten und je nach der Stellung, die man in diesen Fragen einnimmt, wird auch die Entscheidung für oder wider uns ausfallen; doch glauben wir, auf Grund unseres geltenden Rechtes zu keinem anderen als dem vorstehenden Ergebnis gelangen zu können. *) En bemann, Handbuch des Handels- und Wechselrechtes IV, S. 247—249, Grnnhnt II, § 104, Ltaub S. 208 ff., Rehbein, Wechselordnung 27.

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2. Vnjiihrung nnd gesetzliche Befristung hinsichtlich der Hemmbarkeit des Fristenlaufes. Der Verjährung liegt der Gedanke zu Grunde, daß einem Rechte, das sich eine bestimmte Zeit lang nicht verwirklicht hat, die gerichtliche Erzwingbarkeit entzogen wird. Es können nun mancherlei Umstände eintreten, welche den Berechtigten an der Verfolgung seines Rechtes hindern. Würde der Gesetzgeber einen Zeitraum, während dessen ein solcher Hinderungsgrund besteht, in die Verjährungsfrist mit einrechnen, so stünde dies im Wider­ spruch mit jener Grundidee der Verjährung; es wäre unbillig, dem Berechtigten seine Untätigkeit, die ja die Schwächung des Rechtes bewirkt, zum Vorwurfe zu machen, we.in er gar nicht tätig werden konnte. Es kennen daher alle Rechte eine Hemmung der Ver­ jährung, indem der Zeitraum, während dessen der Berechtigte, sei es aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen, an der Rechtsver­ folgung gehindert ist, bei der Berechnung der Verjährungsfrist außer Ansatz bleibt ($ 205 B.G.B.). Eine ganze Menge von Hinderungsgründen, namentlich von tatsächlicherVerhinderung, kannte das Preußische Landrecht (I, 9 S 512 ff). Der Code civil nennt in Art. 2251—2259 „des causes qui suspendent le cours de la prescription“. Troplong umschreibt die Wirkung dieser Hemmung folgendermaßen (De la prescription n. 699): „Sus­ pension de la prescription, c’est ä dire, cet accident de droit, qui, la faisant sommeiller, lui oppose un ternps de repos, jusqu'ä ec que la levee de l’obstacle lui permette de continuer son cours en liant ses deux extremes“. Auch dem eng­ lischen Recht ist eine Hemmung der limitation of actions nicht fremd; so heißt es im schottischen Recht entsprechend unserem § 204 für die ten years’ limitation: „Actions by minors against tutors or curators or vice versa, must be brought within ten years from expiration of the office“. Unser B.G.B. hat die ganze Lehre in eine sehr einfache Form gegossen. Es hat die Hemmungsgründe auf eine geringere Zahl reduziert; es hat ferner den in seiner Allgemeinheit un­ richtigen Satz — fameuse maxime nennt ihn Troplong a. a. O. Nr. 699 — „agere non valenti non currit praescriptio“ nicht angenommen, sondern hat es für „angemessener und der Hand­ habung des Rechtes förderlicher" gehalten, „die Hindernisse der Geltendmachung, denen hemmende Wirkung zukommen soll, un­ mittelbar festzustellen" (Mot. I, S. 313). Eine Hemmung soll nach dem B.G.B. in folgenden Fällen eintreten: Der Tatbestand, der eine tatsächliche Hemmung bewirken soll, muß sein höhere Ge­ walt, soferne dieselbe den Berechtigten innerhalb der letzten sechs

Monate der Verjährungsfrist an der Rechtsverfolgung hindert. Eine im objektiven Rechte wurzelnde Hemmung enthält $ 202: Stundung oder ein aus einem anderen Grunde dem Schuldner vorübergehend zustehendes Leistungsverweigerungsrecht. Den Fall, daß ein solcher Grund der: Beginn der Verjährung hinausschiebt, haben wir schon kennen gelernt. Weder ein tatsächliches noch ein rechtliches Hindernis der Geltendmachung liegt in 8 204 vor; es ist vielmehr auf die in 8 204 angegebenen Pietätsverhältnisse, auf den metus reverentialis Rücksicht genommen. Endlich sind noch für einige Einzelfälle bestimmte Hemmungsgründe statuiert: 639 Abs. 2, 802, H.G.B. 8 470, Abs. 2. Keine eigentliche Hemmung statuieren §8 206 und 207; wir können hier passend mit E n n e e cerus (bürgert. Recht I, S. 342) von „Ablaufshemmung" reden; es sollen nämlich die in 8S 206 und 207 bestimmten Gründe nur dann Einfluß auf den Lauf der Verjährungsfrist haben, wenn sie während der letzten sechs Monate eintreten. Andere Hemmungs­ gründe als die eben aufgeführten kennt unser Gesetz nicht; das Gesetz zählt sie nicht nur demonstrativ, sondern taxativ auf. Über­ flüssig ist es, toenrt1) ein bestehendes Pfandrecht als Hemmungs­ grund für die Verjährung der dem Eigentümer eines Pfandes gegen den Pfandgläubigerzustehenden actio pignoratitia auf Rückgewährnng des Pfandes bezeichnet wird; überflüssig deshalb, weil der An­ spruch auf Rückgewährung erst mit dem Augenblick der Bezahlung der durch das Pfand gesicherten Schuld entsteht.') Es entsteht nun die wichtige Frage: Können die eben ge­ nannten, im B.G.B. für die Verjährungsfristen ausgestellten Hem­ mungsgründe auch in den Füller: Anwendung finden, wo es sich nicht um Verjährung, sondern um gesetzliche Befristung handelt? Eine eingehende Darstellung hierüber gibt nur Grawe in S. 90—96; allein dieselbe ist nicht vollständig; indem er bloß von seiner „ge­ setzlichen Befristung" spricht, während er, wie überhaupt in seiner Abhandlung seine „Präklusivfristen" nicht in den Kreis seiner Be­ trachtung zieht, obgleich doch gerade bei diesen „Präklusivfristen" sich die Frage nach der Möglichkeit einer Hemmung aufdrängt. Daß in den Fällen, wo ein vom Gesetz garantiertes zustandartiges Recht auf eine bestimmte Frist eingeschränkt ist, keine Hemmung der Frist eintreten kann, ist klar. Die 21 Jahre, während welcher der Vater die elterliche Gewalt über das Kind auszuüben hat, werden nicht gehemmt, wenn der Vater etwa jahrelang während eines Krieges abwesend ist und daher seine väterlichen Rechte nicht ausüben kann. Ebensowenig wird die Schutzfrist der Urheberrechte durch irgend welche Umstände auch nur im: einen Tag gehemmt. Ihr Inhalt r) Bercil. (Careis, Allgein. Teil S. 242, ebenso I. (Entwurf § 163. 2» Bergt. Savigny V, S. 300 s., B ange row, Pand. 1^147 Mitm. H. 5.

64 ist doch, daß ich in der Verfügung über mein Geistesprodukt all­ mächtig bin und aridere in meine Rechtssphäre nicht eingreifen dürfen. Wenn nun der Gesetzgeber sagen wollte, aus diesen oder jenen Gründen soll eine Verlängerung der Schutzfrist eintreten, da infolge dieser Umstände eine Zuwiderhandlung an sich ausgeschlossen ist, so wäre der Gedanke ja der: Es ist bei den Urheberrechten nicht das Recht des Urhebers, sondern die Zuwiderhandlungslnst der Menschen befristet; ein Zeitraum, während dessen eine Zu­ widerhandlung objektiv unmöglich ist, soll diesen zuwiderhandlungs­ lustigen Menschen nicht zugute gerechnet werden. Genau so ver­ hält sich's mit den Fristen der 74, 78 des H.G.B., wo der Prinzipal verlangen kann, daß der Angestellte innerhalb der im Vertrage bestimmten, höchstens drei Jahre betragenden Frist eine bestimmte gewerbliche Tätigkeit unterlasse. Schwieriger und auch wichtiger ist die Sache bei den Rechten, die nur eine einmalige Ausübung zulassen und die sich innerhalb einer bestimmten Frist verwirklichen müssen. Hier hat das Gesetz in einer Reihe von Fällen die für die Verjährung geltenden Be­ stimmungen der 203, 206, 207 auf gesetzliche Präklusivfristen für anwendbar erklärt; daneben bleibt allerdings noch eine ganze Menge von Fristen übrig, wo weder Hemmung noch Hinaus­ schiebung des Ablaufes der Frist stattfinden soll. Eine erschöpfende Aufzähllmg der Fälle, wo §§ 203, 206, 207 analog angewendet werden müssen und wo eine solche Über­ tragung auf Ausschlußfristen nicht zulässig ist, findet sich bei Hell­ mann, Vorträge über das B.G.B. S. 220 ff. Einen speziellen Hemmnngsgrund einer Ausschlußfrist statuieren 802 und 1571. In der Natur der gesetzlichen Ausschlußfristen ist es begründet, daß sie prinzipiell als tempus continuum ohne Hemmung laufen. Die Gründe, die dazu führen, bei der Verjährung einen gewissen Zeitraum nicht in die Frist einzurechnen, sind hier nicht maßgebend. Bei der Verjährung ist es die Untätigkeit der Parteien, welche dem Rechte Schaden bringt; da ist es nur billig, wenn der Gesetzgeber die Zeit, in welcher eine Unterbrechung des Stillschweigens gar nicht möglich war, unberücksichtigt läßt. Das Wesen des befristeten Rechtes dagegen besteht darin, daß es von vornherein nur in der durch die Frist bestimmten zeitlichen Begrenzung in das Leben gerufen ist.i) Ohne Rücksicht „auf die persönliche Versäumnis"-) des Be­ rechtigten hat der Gesetzgeber dem Rechte die zeitliche Schranke gesetzt und es ist daher auch keine Veranlassung gegeben, beim Lauf der Frist die Möglichkeit beziehungsweise Unmöglichkeit des Tätigwerdens besonders zu beachten. Für die von uns vertretene R.G.E. 48, S. 162. 2) Nnterhol; ner - Lchir m e r, die ges. Berjährnngslehre § 12 Anm. 46.

6a Meinung spricht gerade der Umstand, daß unser Gesetz einige, freilich nicht alle Hemmungsgründe auch auf Präklusivfristen ausdehnt. Gerade darin, daß das Gesetz nicht müde wird, in jedem einzelnen Befristungsfalle, wo §§ 203, 206, 207 Anwendung finden sollen, ausdrücklich auf diese Bestimmungen hinzuweisen, zeigt sich's, daß diese Fälle als Ausnahmen vom Prinzip gewollt sind. Per ar­ gumentum e contrario dürfen wir schließen, daß die anderen Präklusivfristen nicht gehemmt werden können. Daß dies der Wille des Gesetzgebers ist, folgt positiv aus den Motiven (I, ®. 347 und 395) und aus den Protokollen der I. Kommission (S 11647). Es heißt hier, daß ein Antrag, der einige Hemmungsgründe überall da angewendet wissen wollte, wo innerhalb einer gesetzlichen Frist eine Klage erhoben oder eine Erklärung abgegeben werden sollte, abgelehnt wurde in der Erwägung, daß nur an der Hand der einzelnen Fälle darüber befunden werden könne, inwieweit eine Abschwächung der präklusiven Befristung im Sinne des An­ trages geboten sei. Ebenso deutlich heißt es S. 333: Wenn eine Frist durch Gestundung nicht gehemmt und durch Anerkenntnis nicht unterbrochen werde, so werde derselben der Charakter der Verjährungsfrist teilweise entzogen und der einer Präklusivfrist bei­ gelegt. Gewichtige Gründe wurden gegen das eben Vorgetragene geltend gemacht. So sagt Wend t:^) Gegen die herrschende An­ sicht „möchte man am liebsten die Meinung aussprechen, die An­ wendung von § 203 sei überall selbstverständlich, so oft Klage­ erhebung zur Frage steht, ohne Rücksicht darauf, ob es sich um Befristung oder Verjährung handelt; keinesfalls kann es im Wesen der Ausschlußfrist von selbst liegen, daß sie strenger be­ handelt werden müßte als die Verjährungsfristen". Wendt hat Recht, wenn er sich mit der Feststellung des Buchstaben nicht be­ gnügt, und es hat etwas Bestechendes, wenn er seine Ansicht damit zu begründen sucht, daß die gegenteilige Lösung zu einem jus strictum von unerträglicher Härte gelangen würde. Allein selbst etwaige Härten eines Gesetzes dürfen uns nicht dazu verleiten, gegen den ausdrücklichen oder stillschweigenden Willen des Gesetzes zu handeln. Der Umstand, daß die Anwendung des Gesetzes Härten mit sich bringt, darf die Theorie und Praxis nicht zur Aufstellung von Sätzen führen, die sich mit dem jus quod est nicht vereinbaren lassen. Übrigens ist in unserem Falle eines nicht zu übersehen. Daß nämlich die Ausschlußfristen nicht gehemmt werden, hat seinen Grund nicht etwa nur in dem Umstande, weil es das Gesetz so will, sondern weil dies mit ihrem Wesen als Existenzfrist zusammen­ hängt; es ist also nicht bloßes Kleben am Buchstaben des Ge*) W endt, Unterlassungen nnd Bersänmnisse L. 171.

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setzes, wenn wir die in § 202 ff. statuierten Hemmungsgründe, abgesehen von ausdrücklichen Ausnahmen, auf Ausschlußfristen nicht anwenden. Sodann hat der Gesetzgeber selbst in einer Anzahl von Fällen die Härten, die mit einer allzugroßen Nachgiebigkeit irgend welchen theoretischen Anschauungen gegenüber verbunden sein könnten, dadurch beseitigt, daß er in einer großen Anzahl von Fällen auf SS 203, 206, 207 hinweist. Schwalbach (Jherings Jahr­ bücher 20 S. 276) nimmt hieran Anstoß, er sagt: „Wahre Be­ fristung würde nur da vorliegen, wo die Frist als tempus continuum und ohne Rücksicht auf Unwissenheit, Unmündigkeit u. s. w. des Klageberechtigten läuft, also unter keinen Umständen der Lauf der Frist hinausgeschoben werden kann". Im Prinzip muß mau dem ja zustimmen; allein der Gesetzgeber hat doch eine höhere Auf­ gabe als fein ausgearbeitete, wenn auch noch so logisch durchdachte Lehrgebäude zum Gesetz werden zu lassen; er hat sich vor allem zu kümmern um die Bedürfnisse des Lebens und wenn diese mit der strengen Logik kollidieren, so wird Wohl letztere den kürzeren ziehen müssen; denn die Verhältnisse sind mächtiger als logische Sätze auf dem Papier. Noch ein Moment spricht dagegen, aus diesen Ausnahmen ein Prinzip zu machen. Wir Haber: schon Gelegenheit gehabt, darauf hinzuweisen, daß die Ausschlußfrist in innigerem Zusammen­ hänge steht mit dem ihr unterworfenen Rechte als mit den anderen Fristen. Von diesem Gesichtspunkte aus erledigen sich alle schein­ baren Inkonsequenzen. So ist § 203 bei einer Reihe von Fristen anzuwenden, welche sich namentlich als Anfechtungsfristen darstellen: 124, 1339, 1594, 1599, 1954, 2082, 2283/ 2340, 2345. Den Anfechtungsfristen stehen hier gleich die in SS 1571 und 1944 statuierter: Fristen. Welche Rechte sind hier befristet? An eine Ausschlußfrist gebunden ist das Recht, ein Rechtsgeschäft zu Fall zu bringen, sei es durch Anstellung einer hierauf gerichteten Klage oder durch die Kundgebung einer diesbezüglichen formlosen Willens­ erklärung. Würde der Gesetzgeber in allen diesen Beispielen am Prinzipe festhalten, so würde dies zu unbilligen Härten führen. Es verlangen z. B. die S 1339 mit 1341, 1594 mit 1596 die ErHebung einer Anfechtungsklage. Wie nun, wenn innerhalb der vom Gesetz bestimmten Frist eine Anfechtungsklage infolge Gerichts­ stillstandes nicht möglich ist? Da liegt es doch in der Natur der Sache, daß man dem Anfechtungsberechtigten trotz des Ablaufes der gesetzlichen Frist sein Recht nicht entzieht und es findet das seine Begründung nicht im Wesen der Frist, sondern in der Be­ schaffenheit des befristeten Rechts. Gehemmt ist hier nicht die Frist, sondern das Recht und die natürliche Folge hiervon ist, daß währenddem die Frist nicht laufen kann.

67 Auch da, wo das Gesetz eine Ausschlußfrist als hemmbar er­ klärt, geht dasselbe mit der Zulassung von Hemmungsgründen noch sparsamer um als bei der Verjährung; es widerspricht eine Hemmung dem Wesen der Frist und den Zwecken, welche mit der Statuierung einer Ausschlußfrist erreicht werden sollen. Möglichst rasche Klärung der Rechtslage auf möglichst einfache, sichere Weise, das ist das Ziel und dieses wird in der Regel nur dann erreicht, wenn die Frist ein tempus continuum darstellt, was aber nicht ausschließt, daß aus Billigkeitsrücksichten Ausnahmen aufgestellt werden. Auf zwei Punkte sei noch ganz besonders hingewiesen. Der erste bezieht sich auf die Wechselverjährung. Grawein sagt hier­ über S. 93: „Auch in diesem Punkte bietet uns bei der Eruierung der eigentlichen Natur der sogenannten Wechselverjährung das Ge­ setz selbst einen leicht faßbaren Anhaltspunkt, indem durch Art. 80 der a. W.O. jedwede Hemmung im Laufe der Frist als aus geschlossen erscheint". Das aus Art. 80 gezogene Argument fällt für uns von vornherein weg; denn Art. 80 ist beseitigt. Nur: nennt die W.O. weder Bestimmungen des B.G.B., welche an­ gewendet, noch nennt es solche, die nicht angewendet werden sollen. Wenn das Gesetz keinen Unterschied unter den Verjährungsvor­ schriften macht, so sind auch wir nicht hierzu befugt: lege non distinguente nec nostrum est distinguere. Die herrschende Lehre geht aus von dem Grundsatz, daß die Wechselverjährung eine wirkliche Verjährung ist und daß sie daher auch hernmbar ist; allein über den Grad der Hemmbarkeit herrscht keine Einigkeit. Es dreht sich dabei namentlich um die Frage, ob die 204, 206, 207 auch für die Wechselverjährung Geltung beanspruchen können. Grünhut und Dernburg stützen sich auf den Grund­ satz der Wechseldiligenz, um die Anwendbarkeit der §§ 204, 206, 207 zu leugnen; §§ 202 und 203 lassen sie auch für die Wechsel­ verjährung gelten. Es ist nun freilich zuzugeben, daß es „mit der Tendenz des Gesetzes, im Interesse des Wechselschuldners eine längere Dauer der Wechselverpflichtung hintanzuhalten" *) nicht irrt Einklang steht, namentlich § 204 auch für die Wechselverjährung in Anspruch zu nehmen. Aber so beachtenswert dieser Einwand ist, so kann er doch aus den schon im vorigen Kapitel angeführten Gründen nicht maßgebend für uns sein; wir müssen vielmehr die sämtlichen Hemmungsgründe auch auf die Wechselverjährung aus­ dehnen; große praktische Bedeutung hat die Frage allerdings nicht. Der zweite Punkt betrifft die Hemmbarkeit der vertrags­ mäßig gesetzten Fristen. Wir greifen als die typischen Fälle die in Versicherungsverträgen so häufig vorkommenden Fristen heraus. ’) Grünhnt, Wechselrecht IT, S. 543.

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Wir finden hier oftmals die Bestimmung: Der Anspruch auf Ent­ schädigung erlischt, wenn er nicht innerhalb 6 Monaten geltend gemacht wird, oder der Unfall muß innerhalb 2 Tagen von seinem Eintritt an dem Agenten der Gesellschaft angezeigt werden; wird diese Frist versäumt, so ist der Anspruch erloschen. Es fragt sich nun, inwieweit wir hier auf dem Wege der Analogie eine Entschuldigung wegen Versäumnis der Frist zulassen können, ja müssen. Die oberstrichterlichen Entscheidungen führen überein­ stimmend ans, daß die Pflichtversäumnis entschuldigt sei, wenn die „Einhaltung der Frist wegen eines unübersteiglichen faktischen Hin­ dernisses unmöglich, mindestens aber ohne Hintansetzung einer höherer: rechtlichen oder sittlichen Pflicht nicht ausführbar gewesen sei" l). Diese in der Praxis anerkannte Lehre hat für die bayerische Hagelversicherung gesetzliche Sanktion erhalten; es bestimmt nämlich S 7 des Hagelversicherungsgesetzes: „Wer wegen eines erlittenen Hagelschadens Entschädigung beansprucht, hat hierüber binnen 2 Tagen nach eingetretenem Schaden . . . Anzeige an die Ge­ meindebehörde zu erstatten". Abs. 2 fährt dann fort: „Die Ver­ säumung der Anzeigefrist seitens des Beschädigten hat den Verlust des Entschädigungsanspruches zur Folge, insoferne nicht die Ver­ zögerung sich als unverschuldet darstellt, worüber die Anstalts­ verwaltung entscheidet". Freilich, welche Gründe im einzelnen als Entschuldigung einer Fristversäumnis dienen können, darüber gehen die Entschei­ dungen ziemlich weit auseinander. Wenn aber auch die praktische Anwendung des Prinzips sehr differiert, so ist doch allgemein an­ erkannt, daß diese Policebedingungen nicht rigoristisch ausgelegt werden dürfen, indem es sich „um Strafgedinge von tiefgreifender Wirkung handle", „indem die Redaktion der Policebedingungen von den Versicherern ausgehe" und endlich finde dies seine Recht­ fertigung in dem Art. 278 des alten Handelsgesetzbuches, der heute in § 133 des B.G.B. wiederkehrt.-) Man wird nun vielleicht den Einwand erheben, und Wendt a. a. O. S. 184 tut dies auch, und wird sagen: Ja, das ist alles recht schön; aber es besteht dagegen doch ein Bedenken; wenn man sagt, daß all das, was von der gesetzlichen Befristung gilt, auch auf die vertragsmäßige Anwendung findet und umgekehrt, so ist es doch inkonsequent zu sagen, die gesetzliche Ausschlußfrist ist grundsätzlich nicht hemmbar, während die vertragsmäßige der­ artigen Einflüssen sehr wohl zugänglich ist. Diese Schlußfolgerung hat einen Schein von Wahrheit, aber doch nur einen Schein; denn bei näherem Zusehen erweist sie sich als trügerisch. Es ist nicht ') Erk. des O.A.G. ;n Rostock in Sensferts Archiv 27, 18. -) 9i.C.A?.M. Erttsch. Bd. 11 2. 272.

zu leugnen, daß gesetzliche und vertragsmäßige Befristung im wesentlichen gleichartig sind und es trifft somit das, was von der einen gilt, auch auf die andere zu; allein das ist doch nur cum grano salis zu verstehen. Es besteht ein gewaltiger Unterschied, ob der Gesetzgeber sagt, ich gebe dem Berechtigten dieses Recht mit: für eine bestimmte Zeit oder ob die Parteien dieses vereinbaren. Für den Gesetz­ geber gibt es keine rechtliche Schranke. Anders ist es bei einem Untertan. Hier gilt als oberster Grundsatz, daß die Parteien nichts beschließen können, was gegen Treue und Glauben im Verkehr und gegen die guten Sitten verstößt; jeder diesem Prinzipe wider­ sprechende Vertrag ist nichtig. Es sagt daherdasReichsgericht(E.Bd.!9, S. 26) mit Recht, daß nach einer ständigen Judikatur der Versicherer mit der aus dem Ablauf der Frist entnommenen Einrede nicht gehört wird, wenn die Geltendmachung derselben dem im Versicherungs­ vertrag ganz besonders beachtlichen Grundsatz der Vertragstreue und Billigkeit widerspricht. Es steht somit über dem durch die Parteiverabredung geschaffenen Recht noch ein höheres Recht, das in erster Linie Geltung beansprucht und durch Parteivereinbarungen nicht aus der Welt geschafft werden kann und es darf daher aus der Hemmbarkeit der vertragsmäßigen Präklusivfrist nicht ohne weiteres auch auf die der gesetzlichen Ausschlußfrist geschlossen werden. Das Resultat dieses Kapitels können wir in folgende Sätze zusammenfassen: Wenn eine Frist schlechterdings der Hemmung unterworfen ist, so wird uns dies ein wichtiges Argument dafür sein, in derselben eine Verjährungsfrist zu sehen; kann dagegen der Natur der Sache nach, sei es dem ausdrücklichen oder still­ schweigenden Willen des Gesetzes entsprechend, eine Hemmung einer Frist nicht eintreten, so ist dies ein Merkmal für den Charakter der Frist als einer Ausschlußfrist. Ein Anzeichen für das Vor­ liegen einer Ausschlußfrist kann per argumentum e contrario sogar darin erblickt werden, daß einzelne Hemmungsgründe für besonders anwendbar auf einen bestimmten Fall erklärt sind.

3. Unterbrechungsmöglichkeit der Frist bei Verjährung und gesetzlicher Befristung. Außer durch Hemmung kann sich die Vollendung der Ver­ jährung auch durch Unterbrechung verzögern. Das Wesen der Unterbrechung besteht darin, daß die bis zum Eintritt derselben verstrichene Zeit nicht in Betracht kommt und eine neue Ver­ jährung erst nach Beendigung der Unterbrechung beginnen kann (§ 217). Wie bei der Hemmung fhit) auch hier die Handlungen,

70 denen die eben bezeichnete Wirkung zukommen soll, Laxativ im Gesetze aufgeführt; so fehlt vor allem unterbrechende Wirkung der einredeweisen Geltendmachung eines Anspruchs — etwas anderes ist es, wenn durch Einrede mit dem Ansprüche im Prozesse auf­ gerechnet wird — und ferner der privaten Mahnung des Gläu­ bigers, wenn derselbe z. B. dem Schuldner eine Rechnung schickt. Die vom Gesetzgeber statuierte Möglichkeit der Unterbrechung ist nicht etwas willkürlich Bestimmtes, das ebensogut auch anders sein könnte, sondern sie hat ihren tieferen Grund im Wesen der Ver­ jährungsfrist. Wir wissen, daß die der Verjährung unterliegenden Rechte an sich zeitlich nicht begrenzt sind, daß nicht der Zeitablauf als solcher dem Rechte gefährlich wird, daß vielmehr eine andere, die gesetzlich bestimmte Zeit hindurch sich ausdehnende Tatsache das Recht in seiner Erzwingbarkeit lähmt. Diese Tatsache ist die Un­ tätigkeit der beiden Parteien. Wenn nun der Gläubiger sich in irgend einer Weise darum bemüht, sich den Fortbestand seines Rechtes zu sichern — wozu freilich nicht jede bloße Behauptung des Rechtes genügt; es ist dazu schon nötig, daß die Behauptung mit aller Entschiedenheit und mit allem Nachdruck erfolgtl) — oder wem: der Schuldner unzweideutig zu erkennen gibt, daß er sich als Schuldner fühle,-"') so ist das Recht mit neuer Lebenskraft ausgestattet worden und die Gründe, welche zur Einführung des Verjährungsinstitutes führten, sind damit hinfällig geworden; namentlich wird die Vermutung, daß die Forderung schon in irgend einer Weise ihre Erledigung gefunden habe, ihrer Kraft entkleidet, der Gläubiger erhält vielmehr neue Hoffnung, daß der Schuldner gewillt und vielleicht auch imstande sei, die ihm ob­ liegende Leistung voll und ganz zu bewirken. Zudem gleichen Ergebnisse kommt auch Grawein; er sagt S. 98: „Im Falle der Unmöglichkeit, die Verjährungsfrist zu un­ terbrechen, wäre kein Mittel vorhanden, den drohenden Effekt des Fristablaufes abzuwenden. . . . Nur dadurch, daß der Gesetzgeber in einer Reihe von sogenannten Unterbrechungsgründen dem Be­ rechtigten Mittel an die Hand gibt, durch deren rechtzeitig wieder­ holten Gebrauch er den Bestand seines Rechtes für alle Zeiten er­ halten kann, nur dadurch wird es möglich, das verjährbare Recht an sich als zeitlich uneingeschränkt aufzufassen und in der konti­ nuierlichen Nichtvornahme der betreffenden Schutzmaßregeln eine besondere Aufhebungsart der Rechte, nämlich die Verjährung zu erblicken/' Wie steht es hier mit der gesetzlichen Befristung? Bei der Verjährung ist Ursache der Rechtsänderung die Untätigkeit der x) Bergt. 209, 210 -) § 208 B.N.B.

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Beteiligten; der Berechtigte und der Verpflichtete müssen dauernd, continuo, ununterbrochen geschwiegen haben; hier hat es guten Sinn, von einer Unterbrechung des Stillschweigens zu reden. Anders liegt die Sache bei der Befristung. Hier ist das Recht von vornherein in seiner Dauer beschränkt; mit dem Ablauf der Zeit geht das Recht schlechterdings unter ohne Rücksicht darauf, ob die Parteien tätig geworden sind; der Eintritt dieses Erfolges kann durch kein Mittel aufgehalten werden. Es kann also ent­ sprechend dem Wesen der gesetzlichen Befristung hier von Unter­ brechung nicht gesprochen werden. Wir wollen nun prüfen, ob diese allgemeinen theoretischen Erwägungen im geltenden Recht ihre Bestätigung finden und da­ bei zusehen, welche Bedeutung die bei der Verjährung mit Unter­ brechungswirkung ausgestatteten Handlungen für den Lauf einer Präklusivfrist haben. Die Unterbrechungshandlungen werden in zwei Gruppen ein­ geteilt : einmal sind es irgend welche Kundgebungen des Verpflich­ teten, welche dessen Überzeugung von dem Bestehen der Verbind­ lichkeit ausdrücken und daher als Anerkenntnis des Rechtes be­ zeichnet werden können; dann wird die Verjährung unterbrochen durch eine Reihe von gerichtlichen Handlungen des Gläubigers. Was zunächst die Anerkennungshandlungen angeht, so ist es für uns vollkommen gleichgültig, ob das Anerkenntnis nicht nur „Wissensbezeugung", sondern auch „Willensbezeugung" sein müsse?) Auf keinen Fall können sie auch nur den geringsten Einfluß cutf den Lauf einer gesetzlichen Frist ausüben. Daß bei Urheber- und anderen zustandartigen Rechten eine Anerkennung eines Schuldners, wenn eine solche überhaupt möglich, keinesfalls eine Verlängerung der Frist herbeiführen kann, bedarf keines weiteren Beweises. Dasselbe gilt von den befristeten Rechten, die nur eine ein­ malige Ausübung zulassen. Hier haben wir vielfach Rechte, die einer bestimmten Person zustehen, ohne daß derselben ein Schuld­ ner gegenübertritt; der Erbe hat z. B. das Recht, die Erbschaft auszuschlagen; die Ausschlagung muß innerhalb 6 Wochen dem Nachlaßgerichte gegenüber erfolgens 1943 ff.); hier, wo wir keinen Schuldner haben, der zu leisten hätte, kann auch niemand aner­ kennen. Die Frage nach der Wirkung von Anerkennungshandlungen kann nur da gestellt werden, wo wir einen Gläubiger und einen Schuldner haben wie z. B. bei den Anfechtungsrechten. Wenn der Gegner des Anfechtungsberechtigten diesem gegenüber erklären würde, er erkenne an, ihn getäuscht zu haben, derselbe sei daher berechtigt, das Rechtsgeschäft anzufechten, würde dann die gesetz­ liche Anfechtungsfrist verlängert, d. h. unterbrochen werden? OffenT) Vergleiche hierüber insbesondere Prot. I. 2. 222, 2 tandinger, 1.2. öGO, im übrigen die bei Lang Heineken 2. 1G8, Amn. 2 angeführte Literatur.

72 bar nein! Wird durch diese Erklärung der Berechtigte erst mit seinem Anfechtungsrechte bekannt gemacht, so wird die ohne Rück­ sicht auf seine Kenntnis laufende 30jährige Frist ganz beseitigt und diejenige ausgelöst, die erst mit der Erlangung der Kenntnis von dem Anfechtungsgrunde beginnt. Hat aber der Anfechtungs­ berechtigte bereits Kenntnis von seinem Rechte, so kann der Gegner sowohl als auch der Berechtigte in keiner Weise mehr auf den Lauf der Frist einwirken. Daß Ausfchlußfristen durch Anerkennungshandlungen des Schuldners nicht unterbrochen werden, erhellt auch daraus, daß in der Regel bei befristeten Rechten gesagt ist, es könne nur in einer bestimmten Weise, z. B. nur durch Klage oder auch durch Klage oder Einrede geltend gemacht werden; hier ist dann schon im Gesetz ausgedrückt, daß jede andere Handlung irrelevant sein soll. Es besteht also nach geltendem Rechte zwischen Verjährungs- und Aus sch luß fristen der wichtige Unterschied, daß erstere durch das Anerkenntnis des Schuldners unterbrochen werden, letztere da­ gegen nicht. Notwendig, d. h. in der Natur der Verjährung begründet, ist es nicht gerade, daß sie durch Anerkennung des Verpflichteten unterbrochen wird; wir können uns sehr wohl eine Verjährung denken, bei welcher derartigen Handlungen des Schuld­ ners Unterbrechungswirkung nicht beigelegt ist wie z. B. früher die Wechselverjährung oder die Verjährung nach oldenburgischem Partikularrecht; aber nach unserem heutigen Recht ist der oben geschilderte Unterschied zwischen Verjährung und gesetzlicher Be­ fristung unverkennbar vorhanden. Wenn nun auch die Anerkennung des Rechtes durch den Schuldner die Ausschlußfrist nicht zu unterbrechen vermag, so ist dieselbe doch unter Umständen nicht ganz ohne Bedeutung. Neh­ men wir einmal an, ein Arbeiter habe gegen seinen Arbeitgeber den in S 112 der Gewerbeordnung statuierten Entschädigungs­ anspruch; diesen muß er innerhalb der gesetzlichen Ausschlußfrist von 4 Wochen geltend machen. Es kann nun für den Arbeitgeber höchst peinlich sein, wenn dabei offenbar wird, daß er das Arbeits­ buch seiner gesetzlichen Verpflichtung zuwider nicht rechtzeitig aus­ gehändigt oder die vorschriftsmäßigen Eintragungen zu machen unterlassen oder unzulässige Merkmale angebracht und Eintragungen vorgenommen hat. Da kann es sehr wohl möglich sein, daß der Arbeitgeber seine Verpflichtung gegenüber dem Arbeiter, viel­ leicht sogar in der nach § 781 vorgeschriebenen Form anerkennt. Wenn nun das Anerkenntnis in erster Linie dazu bestimmt ist, be­ stehende Verhältnisse zu bestätigen, nicht aber sie abzuändern, so haben wir doch gerade hier einen Fall, daß der Vertrag ein „wahr­ heitswidriges Anerkenntnis" enthält, da „die Wahrheit zu bekennen,

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für die Parteien anstößig oder unbequem ist"1). So wird der Arbeitgeber in unserem Falle etwa anerkennen, daß ihm der Ar­ beiter die Summe, die er, der Arbeitgeber, ihm als Entschädigung zahlen müßte, zur Aufbewahrung gegeben habe. Welche Wirkung hat nun dieser Anerkennungsvertrag auf die in $ 112 der Gewerbe ordnung gesetzte Frist? Der Arbeiter braucht sich jetzt nicht mehr um dieselbe zu kümmern; er kann dem Ende derselben ruhig ent­ gegensehen ; denn in dem Anerkenntnisse des Schuldners hat er ein neues, ein besseres Recht erhalten; seine Beziehungen zu dem Ver­ pflichteten sind fortab lediglich nach dem Inhalt des Anerkenntnis­ vertrages zu beurteilen; er gründet daher eine etwaige Klage gegen seinen Arbeitgeber nicht auf den H 112 der Gewerbeordnung, sondern auf den mit demselben geschlossenen Anerkenntnisvertrag und „nur soweit das Anerkenntnis Lücken enthält", greift er auf den Inhalt des anerkannten Rechtsverhältnisses zurück-). Das Anerkenntnis des Schuldners hat also nicht die alte Frist unterbrochen, sodaß eine neue, der früheren an Dauer gleichkommende beginnen könnte; das ursprüngliche Rechtsverhältnis ist überhaupt beseitigt; der dem Arbeiter zustehende gesetzliche Anspruch hat sich in einen vertrags­ mäßigen verwandelt.

Allerdings kann auch hier, wie Grawein S. 104 ff. aus­ führt, die alte Frist noch von Bedeutung werden, indem z. B. Ar­ beiter und Arbeitgeber eine neue vertragsmäßige Ausschlußfrist von 4 Wochen setzen oder indem sie gar nur ausmachen, es solle der Arbeiter trotz des Anerkenntnisses seinen Anspruch nur noch inner­ halb des Restes der gesetzlichen Frist geltend machen können; aber praktisch werden diese Fälle nicht ins Gewicht fallen. In einer wichtigen Beziehung bleibt freilich der alte dies ad quem von Bedeutung: hat nämlich für den befristeten Anspruch ein von dem persönlichen Schuldner verschiedener Dritter eine ihm gehörige Sache verpfändet oder hat sich ein Dritter für die Schuld verbürgt, so fallen diese akzessorischen Verpflichtungen, soweit nicht der Eigentümer des Pfandes oder der Bürge mit dem Gegenteil einverstanden ist, mit dem Ende der ursprünglichen Frist weg. Dies folgt unmittelbar aus 8 767, Abs. 1, Satz 3 und § 1210, Abs. 1, Satz 2, wo es übereinstimmend heißt, daß durch ein Rechts­ geschäft, das der Schuldner nach Übernahme der Bürgschaft bezw. nach der Verpfändung vornimmt, die Haftung des Bürgen und des Pfandes nicht erweitert wird. Da es nun zweifellos eine Er­ weiterung der Bürgen- oder Pfaudhaftung wäre, wenn sie ihrer zeitlichen Schranke beraubt würden, so kann der Schuldner diese akzessorischen Rechte nicht ohne weiteres von dem befristeten Rechte, r) Cosack st. st. O. T, S. 59]. ’2) (5 os nck st. st. £.

74 für welches sie bestellt sind, auf das neue vertragsmäßige über­ tragen. Gerade die Tatsache, daß trotz des Unerkenntnisvertrages, der mit dem gesetzlichen Rechte auch die gesetzliche Frist bei Seite schiebt, diese immer noch maßgebend ist für etwa vorhandene ak­ zessorische Rechte, ist ein weiterer Beweis dafür, daß Anerkennungs­ handlungen des Schuldners auf den Lauf der gesetzlichen Frist keinen Einfluß auszuüben vermögen. Sollte einmal ein befristetes Recht seinen anfänglichen Todestag „überleben", so kann das seinen Grund nicht darin haben, daß eine Handlung des Verpflichteten den Lauf der Frist im Sinne des $ 217 des B.G.B. unterbrochen und da­ mit den Endtermin derselben hinausgeschoben hat, sondern dies er­ klärt sich einfach daraus, daß an Stelle des kraft Gesetzes entstan­ denen Anspruches ein Recht getreten ist, welches seine Entstehung dem Vertragswillen der Parteien verdankt und welches daher auch in seinem ganzen Inhalte, zu dem ja als wesentliche Eigenschaft die zeitliche Begrenztheit oder zeitliche Schrankenlosigkeit gehört, t)on dem Willen der Parteien abhängig ist. Wir gehen nunmehr über zu der zweiten, weit wichtigeren Gruppe von Unterbrechungshandlungen, welche in den vom Gläu­ biger vorgenommenen gerichtlichen Schritten bestehen und alle auf richterliche Feststellung des Anspruches abzielen. Reine Partei­ handlungen können die Verjährung nicht unterbrechen, so z. B. Mahnungen, Proteste u. s. w.; unterbrechende Wirkung kommt nur den in $ 208 ff. erschöpfend aufgeführten Ausübungshand­ lungen des Gläubigers zu. Das wichtigste von allen Mitteln, die dem Gläubiger zur Konservierung und Geltendmachung seines Rechtes gegeben sind, ist die Klageerhebung, die uns hier vor allem beschäftigen soll. Grawein weist in einer eingehenden Untersuchung nach, daß nach dem von unserem Recht vollständig verschiedenen österreichischen Rechte die „Klageanstellung gar nicht mehr unter die Unterbrechungs­ gründe der Verjährung gezählt werden dürfe" (©. 117). Nach unserm B.G.B. hingegen kommt der Klageanstellung unterbrechende Wirkung zu und zwar erhellt dies aus folgenden Gründen: 1. Nach § 212 soll die Unterbrechung durch Klageerhebung als nicht erfolgt gelten, wenn die Klage durch ein nicht in der Sache selbst entscheidendes Urteil rechtskräftig abgewiesen wird. Hierher gehören namentlich die Fälle, daß vor einem unzuständigen Gericht geklagt und die Klage abgewiesen wurde; es wird hier uicht in der Sache selbst entschieden; der Kläger bekommt kein Sach­ urteil, sondern nur ein Prozeßurteil. Um nun aber den Gläubiger vor dem Verlust seines Rechtes zu bewahren, wenn etwa die Ver­ jährung inzwischen abgelaufen sein sollte, bestimmt § 212, Abs. 2: „Erhebt der Berechtigte binnen 6 Monaten von neuem Klage, so gilt die Verjährung als durch die Erhebung der ersten Klage

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unterbrochen". Dadurch daß der Berechtigte das Gericht um Hilfe an geht, hat er deutlich seinen Willen, Befriedigung zu er­ langen, kundgegeben und das Stillschweigen unterbrochen. Wenn er nun bei der Klageerhebung Formfehler gemacht hat, so kann man ihm das für die Unterbrechung der Verjährung nicht zurechnen; es ist daher nicht nur gerecht, sondern auch dem Wesen der Verjährung gemäß, wenn unser B.G.B. die Unterbrechung der Verjährung unter gewissen Voraussetzungen schon dllrch die Er­ hebung der ersten Klage eintreten läßt. 2. Einen weiteren Beweis dafür, daß die Klageerhebung Unterbrechungswirkung hat, können wir $ 211 des B.G.B. ent­ nehmen. Hier heißt es nämlich: „Die Unterbrechung durch Klage­ erhebung dauert fort, bis der Prozeß rechtskräftig entschieden oder anderweit erledigt ist. Gerät der Prozeß ... in Stillstand, so endigt die Unterbrechung mit der letzten Prozeßhandlung der Par­ teien oder des Gerichtes, Die nach der Beendigung der Unter­ brechung beginnende neue Verjährung wird dadurch, daß eine der Parteien den Prozeß weiter betreibt, in gleicher Weise wie durch Klageerhebung unterbrochen." Wenn nun auch § 211 unrichtigerweise von einer Fortdauer der Unterbrechung spricht*), so zeigt er uns doch, daß die Klage­ erhebung aus eigener Kraft Unterbrechungswirkung besitzt. In § 211 haben wir nichts vor uns wie die Klageerhebung und viel­ leicht noch andere prozessuale Akte und wenn hier die Verjährung unterbrochen wird, kann dies nur die Wirkung derjenigen «Hand­ lung sein, welche zuerst das Stillschweigen gebrochen hat und das ist die Klageerhebung. Ob der Prozeß gehörig fortgesetzt wurde, darauf kommt gar nichts an. Zweierlei könnte uns entgegengehalten werden. Man könnte einmal vorbringen: § 212 sagt doch, die Unterbrechung gelte als nicht erfolgt, wenn die Klage zurückgenommen werde; sei jedoch die Verjährung einmal unterbrochen, so sönne daran die Zurücknahme der Klage nichts ändern. Diese Folgerrmg wäre nicht richtig. Wenn die Klage zurückgenommen wird, so hat das zur Folge, daß der Rechtsstreit als nicht anhängig geworden anzu­ sehen ist (§ 271, Abs. 3 Z.P.O.); lediglich eine Konsequenz dieser Tilgung der prozessualen Wirkungen der Rechtshängigkeit ist auch die Beseitigung ihrer Bedeutung für das materielle Recht. Einen anderen Einwand könnte man $ 218 entnehmen. Derselbe bestimmt, daß ein rechtskräftig festgestellter Anspruch in 30 Jahren verjährt; auch wenn er an sich einer kürzeren Ver­ jährungsfrist unterliegen würde. Man möchte glauben, daß ent­ sprechend dem Wesen der Unterbrechung nach dem Wegfall des Unterbrechungsgrundes eine neue Verjährung von gleicher Dauer x) Bergt. Hold e r, Allgem. Teil, Anm. 1 ;n $ *21 1.

76 wie die unterbrochene beginnen müßte. Hiermit scheint 8 218 in Widerspruch zu stehen. Die Bestimmung des 8 218 erklärt sich aber in einfacher Weise daraus, daß mit der durch das Urteil erfolgenden Feststellung des Anspruches sämtliche Gründe wegfallen, welche über­ haupt zur Einführung der kurzen, namentlich der zwei- und vier­ jährigen Verjährungsfristen geführt haben (Planck und Stan­ ding er zu 8 218). Daraus ein Argument dafür zu entnehmen, daß hier eine Unterbrechung der alten Verjährung nicht vorliege, wie es Grawein S. 121 tut, ist also irrig; wir müßten, wenn 8 218 nicht im Gesetzbuch stünde, notwendigerweise annehmen, daß die nach dem Urteil beginnende Verjährung nicht länger und uicht kürzer sein dürfte als die alte durch die Klageerhebung unterbrochene. Es ist mut unsere Aufgabe zu uutersuchen, welche Wirkung die Klageerhebung auf den Lauf der Ausschlußfristen ausübt. Wendt (a. a. O. S. 173) sagt hierüber: „Die Unterbrechungssätze der Verjährung sind nirgends im Gesetze auch für Ausschlußfristen für anwendbar erklärt. Was folgt hieraus? Die Fristbestimmung ist überall so gefaßt, daß Recht oder Anspruch erlöschen oder aus­ geschlossen sein sollen, wenn nicht vor Ablauf der Frist der Weg der Klage beschritten wird. Darin liegt doch von selbst der Satz, daß der Rechtsverlust dllrch rechtzeitige Geltendmachung des Rechtes abgewendet wird und etwas anderes sagt auch die Unterbrechung der Verjährung nicht. Es ist also ganz selbstverständlich, daß der Fristablauf bei den Ausschlußfristeu in gleichem Sinne durch Klage unterbrochen wird wie bei der Verjährung." Diesen Ausführungen müssen wir in ihrem ganzen Umfange widersprechen. Die überwiegende Anzahl von Fristen scheidet hier für unsere Betrachtung völlig aus, indem bei ihnen von vornherein von einer Unterbrechung des Fristenlaufes keine Rede sein kann. Es gehören hierher einmal sämtliche Fristen, die den schon wieder­ holt genannten zustandartigen Rechten wie z. B. den gewerblichen und schriftstellerischen Urheberrechten gesetzt sind; sodann alle Fristbestimmungen, welche verlangen, daß innerhalb einer gesetzlichen Frist eine Erklärung einem Dritten oder einer Behörde gegenüber erfolgt. Wenn der Anfechtungsberechtigte seine Anfechtungserklärung dem Gegner gegenüber abgegeben hat, so ist sein Recht verbraucht; es ist nach Abgabe der Anfechtungserklärung nichts mehr da, dem eine Frist laufen könnte. Einer Behörde gegenüber ist eine Er­ klärung abzugeben in folgenden Beispielen:

1. Nach 8 1597 erfolgt die Anfechtung der Ehelichkeit eines Kindes nach dessen Tode innerhalb der in 8 1594 gesetzten Frist dllrch Erklärung gegenüber dem Nachlaßgericht;

2. Anfechtung der Ehe nach dem Tode des zur Anfechtung nicht berechtigten Ehegatten (£ 1342). 3. Anfechtung einer letztwilligen Verfügung, durch die ein Erbe eingesetzt, ein gesetzlicher Erbe von der Erbfolge ausgeschlossen, ein Testamentsvollstrecker ernannt oder eine Verfügung solcher Art aufgehoben wird. (§§ 2081, 2082); 4. ferner Anfechtung eines Erbvertrages (§£ 2281, Abs. 2, 2283V Wird in diesen Fällen die Erklärung dem Nachlaßgerichte gegenüber abgegeben, so ist wie bei den wirtschaftlichen Anfechtungs­ rechten das Recht konsumiert; es fehlt auch hier fernerhin an einem Objekt für eine Befristung. An eine Unterbrechung der Frist könnte man nur in den Fällen degken, in welchen der Gesetzgeber Geltendmachung des Rechtes im Wege der Klage fordert. So kann nach §£ 1339, 1341 eine Ehe, solange sie nicht aufgelöst ist, nur durch Erhebung der An­ fechtungsklage angefochten werden; ebenso kann ein Scheidungs­ grund nur auf dem Wege der Klage geltend gemacht werden. Die in ££ 112, 127 f. G.O. dem Arbeiter gegebenen Ansprüche müssen im Wege der Klage (oder Einrede) geltend gemacht werden. Hat nun hier die Klageerhebung unterbrechende Wirkung? Mit der Erhebung der Eheanfechtungs- oder Scheidungs­ klage hat der Klageberechtigte getan, was der Gesetzgeber von ihm zur Wahrung seines Rechtes verlangte; aber damit ist zugleich sein Recht ausgeübt; es fehlt wie in der: oben behandelten Fällen an einem Rechte, das der alten oder ailch einer neuen Frist unter­ liegen könnte. Daß die Klageerhebung Ausschlußfristen nicht zu unterbrechen vermag, das zeigt sich uns noch viel deutlicher, weiln wir die befristeten Ansprüche näher iils Auge fassen. Hat der Berechtigte innerhalb der gesetzlichen Frist geklagt, so hat er das Seinige getan, um die Realisierung seines Rechtes zu erlangen. Wenn nun die Parteien einen Stillstand des Prozesses vereinbareil, was ihnen nicht verwehrt werden kann, da sie ja über den ganzeil Prozeßgegenstand frei verfügen können, so kann die alte gesetzliche Frist nicht von neuem zu laufen beginnen; diese ist endgültig durch die Klageerhebung gewahrt und ist fernerhin ganz bedeutungs­ los. Hier macht sich nun eine bedenkliche Lücke fühlbar, auf die namentlich Hölder in seinem Kommentar wiederholt aufmerksam macht, die Lücke nämlich, daß dem rechtshängigen Ansprüche keine besondere Verjährung bestimmt ist. So ergibt sich in unserem Beispiel folgende Situation: Die alte Frist kanll nach eingetretener Rechtshängigkeit nicht mehr in Betracht kommen; ebensowenig kann eine Verjährung bei einem etwaigen Stillstand des Prozesses ein­ treten; dies wäre nur dann möglich, wenn die Klageerhebung eine bereits laufende Verjährung unterbrochen hätte, die nun nach dem Wegfall der Unterbrechung von neuem beginnen könnte.

78 Die Parteien haben somit hier die Möglichkeit, den An­ spruch durch Klageerhebung und Stillstehenlassen des Prozesses im vollsten Sinne des Wortes zu perpetuieren. Dieses Resultat ist keiueswegs zweckdienlich, aber ich glaube, dem geltenden Rechte entsprechend.

Noch aus einem anderen Grunde kann der Klageerhebung bei der gesetzlichen Ausschlußfrist keine unterbrechende Wirkung zukommen. Wir haben gesehen, daß gemäß £ 212 die Unterbrechung der Ver­ jährung als nicht erfolgt gilt, wenn die Klage zurückgenommen oder durch Prozeßurteil abgewiesen wurde; daß dagegen unter den in Abs. 2 bestimmten Voraussetzungen die erste Klage ihre Unter­ brechungswirkung behalten soll. § 212 ist nun schlechterdings un­ anwendbar auf gesetzliche Präklusivfristeu. Es erhebt z. B. der Gatte innerhalb der 6 Monate (8 1339) die Anfechtungsklage; er zieht dieselbe wieder zurück, besinnt sich aber wieder anders und stellt von neuem Klage, wohl noch innerhalb der Frist des § 212 Abs. 2, aber bereits nach Ablauf der Frist des § 1339; hier muß die Klage als verspätet zurückgewiesen werden. Die erste Klage gilt als nicht erfolgt (§ 271 Z.P.O., 88 1341 Abs. 2, 1596 Abs. 2 B.G.B.); es ist gerade so, als hätte der Klageberechtigte gar nichts getan; er kann sich daher nicht darauf berufen, daß er schon einmal tätig geworden sei; die neue Klage ist demzufolge nicht in der gesetzlichen Frist erhoben und muß daher a iimine zurückgewiesen werden?> Warum Wendts so sehr betont, 8 212 Abs. 1 müsse auch auf die Fälle gesetzlicher Befristung Anwendung finden, „denn sonst bestände ja ein sehr bequemes Mittel, die Frist ins Endlose auszudehnen, zwar zu klagen, dann aber die Klage zurückzuziehen", ist mir unbegreiflich. Handelt es sich doch nicht darum, Sätze, die für die Verjährung bestimmt sind, auf Ausschlußfristen zu über­ tragen, sondern um die Anwendung eines in 8 271 Z-P-O. aus­ gesprochenen Prinzips, das gleicherweise für die Klageerhebung bei Verjährungs- und bei Ausschlußfristen Geltung beansprucht. Es hat auch seinen guten Grund, daß 8 212 Abs. 2 bei Verjährung, nicht aber bei Präklusivfristen gilt; 8 212 Abs. 2 findet für die Verjährung seine Begründung darin, daß die Untätigkeit schon durch die erste Klageerhebung gebrochen ist, daß der Berechtigte sich ge­ rührt hat; bei der Präklusivfrist ist diese Vorschrift nicht nötig; denn auf das Verhalten des Berechtigten kommt es bei der Setzung derselben gar nicht an. Noch eine Frage bedarf hier der Erörterung. Wir wissen, daß nach 8 218 B.G.B. der rechtskräftig festgestellte Anspruch in v) Ebenso Rehbein, S. 300, 301. ") Wendt, (i. n. C. S. 173.

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der gewöhnlichen Frist von 30 Jahren verjährt. Gilt dies auch für die befristeten Ansprüche? Wir stellen die Frage in dieser Weise; denn andere rechtskräftig festgestellte Rechte als Ansprüche können ja hier nicht in Betracht kommen. Mit dieser Beschränkung auf Ansprüche ist auch G r a w e i n s Satz zu verstehen, in dem er­ gänz allgemein sagt (S. 122): „Daß einem temporalen Rechte (!) auf dem Wege feiner Umwandlung in eine actio judicati die zeitliche Schranke genommen werde, daran ist nicht zu zweifeln." Str oh al (a. a. O. S. 67) nennt diesen Satz geradezu „ver­ blüffend", indem demnach jemand, der auf 3 Jahre zum Erben eingesetzt sei, immer Erbe bleiben könnte, wenn er nur innerhalb dieser 3 Jahre die bereditatis petitio angestrengt hätte. Reuter (a. a. O. S. 25) hält dem mit Recht entgegen, daß S t r o h a l sich hier täusche; denn temporal sei in diesem Beispiele das Recht, nicht aber der aus demselben entspringende Anspruch und nur dieser werde, möglicherweise unter Berücksichtigung von $ 268 Ziff. 3 Z.P.O. in eine actio judicati verwandelt. Im übrigen gibt er aber Stroh al doch eher Recht als Gra wein; er bestreitet den von Grawein ausgestellten Satz, da sich eine Bestätigung dafür, daß der befristete Anspruch nach dem Prozeßbeginn dem Einfluß des Fristenablaufes nicht mehr unterliege, sich im positiven Recht nicht finden lasse. Wenn man die Begründung Reuters liest, so bekommt man das Gefühl, er sei der Ansicht, daß der Anspruch trotz rechtzeitiger Klageerhebung immer noch der Gefahr des Unter­ ganges ausgesetzt sei, wenn zwischen Rechtshängigkeit und Urteil die gesetzliche Frist ablaufe, eine Ansicht, die zu widerlegen jedes Wort überflüssig wäre. Wie sich übrigens Reuter selbst die Sache denkt, darüber schweigt er sich aus. Wir brauchen uns nicht weiter damit zu befassen, nur zweierlei sei noch bemerkt: Das Gesetz kann von dem Berechtigten höchstens Erhebung der Klage innerhalb der Frist verlangen; ist dieselbe ordnungsmäßig erhoben, so ist es selbstverständlich, daß es dem Berechtigten nicht schaden kann, wenn das Urteil erst nach Ablauf der Frist rechtskräftig wird; es dürfte sehr überflüssig sein, dem einen besonderen Paragraphen des Ge­ setzbuches zu widmen. Sodann können wir sogar mit einer ge­ setzlichen Bestimmung aufwarten, welche indirekt für unsere An­ sicht spricht. § 218 sagt: „Ein rechtskräftig festgestellter Anspruch verjährt in 30 Jahren". Das Gesetz unterscheidet nicht zwischen Ansprüchen, die einst befristet waren und nun rechtskräftig fest­ gestellt wurden und solchen, die von ihrer Entstehung an schor: der Verjährung ausgesetzt waren; es sagt schlechthin, daß ein solcher Anspruch der dreißigjährigen Verjährung unterliegt. Es wird also nach unserem Gesetzbuch einem befristeteten Anspruch durch seine urteilsmäßige Feststellung die zeitliche Schranke genommen; er wird perpetuiert, d. h. er ist jetzt für die Dauer bestimmt und

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ist nicht mehr an eine Frist gebunden; die Zeit sann ihm höchstens noch in Form der Verjährung gefährlich werden. Diese Ausführungen sind ein neuerlicher Beweis dafür, daß der Klageerhebung bei der gesetzlichen Befristung keine Unter­ brechungswirkung zukommt; würde dies zutreffen, so könnte nach der Beendigung der Unterbrechung (8 211) immer nur wieder eine gesetzliche Ausschlußfrist zu laufen beginnen, nicht aber eine Verjährungsfrist. Werfen wir einer: Blick zurück auf das, was wir von der Wirkung der Klageerhebung auf den Lauf der beiden Arten von Fristen gehört haben, so ergibt sich: die Klageanstellung bewirkt nach unserem B.G.B. eine Unterbrechung der Verjährung im tech­ nischen Sinn des Wortes, während es sich bei der zeitlichen Be­ fristung eines Rechtes lediglich „um Wahrung der Frist durch Geltendmachung, nicht um Unterbrechung" handelt (Fischer in seinen Beiträgen, Heft 6 S. 135). Die Klageerhebung ist nicht das einzige Mittel, das dem Berechtigten ermöglicht, die Verjährung zu unterbrechen; 88 209, 210, 220 zählen noch eine Reihe von Handlungen auf, welche die gleiche Wirkung wie die Klageerhebung haben sollen. Es würde zu weit führen, wenn wir alle die aufgeführten Unterbrechungs­ handlungen einzeln betrachten wollten; es mögen hier folgende Bemerkungen genügen: Bei den meisten Fristen wird die Vornahme einer bestimmten Handlung zur Wahrung der Frist, verlangt; die Frist für die Geltendmachung der Anfechtbarkeit einer Ehe wird nur durch Austellung der Anfechtungsklage und gar keine andere Handlung gewahrt; bei den sogenannten Erklärungsfristen wird die Frist gewahrt durch eine Erklärung an den Gegner oder an eine Behörde; auch hier wird die Frist nur durch Abgabe der Erklärrmg gewahrt, nicht durch irgend welche andere Handlung. In diesen und ähnlichen Fällen sind die in § 209, 210, 220 genannten Surrogate der Klageerhebung ohne Bedeutung. Auch für die beiden in der Gew.-Ord. 112, 127 f. bezeichneten Ansprüche gibt es nur zwei Möglichkeiten, den Rechtsverlust abzuwehren: Geltend­ machung im Wege der Klage oder der Einrede; andere Arten der Betätigung des Rechtes sind belanglos. In 88 801, 977, 1002 B.G.B. wird zur Verhütung des Rechtsverlustes verlangt „gerichtlicheGeltendmachung"; darunter sind Klageerhebung und sämtliche in § 209 derselben gleichgestellte Hand­ lungen zu verstehen. Es genügt somit, wenn der Berechtigte z. B. seinen Anspruch im Konkurse des Schuldners anmeldet; wenn er auf Feststellung klagt u. s. w. Aber alle diese Handlungen, soweit sie hier und bei anderen befristeten Ansprüchen zulässig sind — so wird es sicherlich zur Wahrung der 4 wöchigen Frist in § 112 Gew.-Ord. genügen, wenn der Arbeiter seinen Anspruch im Kon-

81 kurs des Fabrikherrn anmeldet; denn was wollte er mit einer Klage außerhalb des Konkurses erreichen? — haben niemals die Wirkung einer Unterbrechung der Frist, sondern es wird durch dieselben diese Frist gewahrt und damit hat sie ihre ganze Be­ deutung verloren. Die Geltendmachung der Aufrechnung im Pro­ zesse in §§ 801, 977, 1002 hat zur Folge, daß die beiderseitigen Forderungen, soweit sie sich decken, mit rückwirkender Kraft ipso jure beseitigt werden (§ 389); von einer Unterbrechung einer Frist kann hier nicht geredet werden; denn die Ansprüche sind getilgt und es kann keine neue Frist beginnen; soweit dagegen die For­ derungen sich nicht decken, läuft für den ungedeckten Rest die ge­ setzliche Frist ununterbrochen weiter, als wäre nie eine Aufrechnung erfolgt. Zum Schlüsse sei auch in diesem Abschnitt kurz der Wechsel­ verjährung gedacht. Grawein scheint S. 112, 114 anzunehmen, daß dieselbe weder durch ein ausdrückliches Anerkenntnis, noch durch Abschlagszahlung, Zinsleistung u. s. w. unterbrochen werde. Wir können seine Ansicht nicht würdigen und auch nicht widerlegen; denn der 2. Band seines Werkes, den er für die Darlegung seiner Theorie der Wechselverjährung bestimmte, wurde nicht geschrieben. In unserem heutigen Rechte stehen sich auch in dem uns hier be­ schäftigenden Punkte zwei Meinungen gegenüber, aber nur bezüglich der Anerkennungsakte. Daß durch die gerichtlichen Handlungen des Gläubigers die Wechselverjährung immer unterbrochen wird, darüber dürfte kein Zweifel bestehen. Dem formlosen Allerkenntnis bestreitet Dernburg die Wirksamkeit, da „die Ordnung des Wechselverkehrs hiedurch gestört würde". Auch Unterholzner, der prinzipiell die Meinung vertritt, die Wechselverjährung ist eine wirkliche Ver­ jährung, sagt (a. a. O. II, S. 337): „Es würde dem Geiste des Wechselverfahrens, in welchem nur das Urkundliche berücksichtigt zu werden pflegt, entgegen sein, wenn man auch durch die bloße Anerkennung der Schuld u. dgl. die Wechselverjährung wollte unter­ brechen lassen, obgleich die gewöhnliche Verjährung dadurch aller­ dings unterbrochen wird." Unterholzner entnimmt seine Begründung dem Wechselprozeß und der demselben eigentümlichen Beschränkung der Beweismittel; aber was hat mit unserer Frage der Prozeß zu tun, wie kommt da auf einmal die Frage nach den Beweis­ mitteln herein? Es ist ja möglicherweise gar nicht streitig, daß ein formloses Anerkenntnis vom Schuldner abgegeben worden sei und es braucht infolgedessen auch nichts bewiesen zu werden. Die richtige Ansicht, die namentlich von Gareis, Staub und Lehmann vertreten wird, ist die, daß im Hinblick auf die Entstehungsgeschichte des Art. 8 des E.G.H.G.B., der den Art. 80 der W.O. beseitigte, die im B.G.B. für die bürgerliche Verjährung geltenden Unter­ brechungsgründe auch auf die Wechselverjährung Anwendung zu



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finden haben. Staub sagt mit 9tedjt: „Nur so weit ist das bürgerliche Recht von der subsidiären Anwendung ausgeschlossen, wo die Vorschriften des Wechselrechtes oder die sich aus den Vor­ schriften ergebenden rechtlichen Konsequenzen zu einem anderen Ergebnis führen. Hier kann das nicht gelten." Die rechtlichen Konsequenzen müssen ein anderes Resultat ergeben; es reicht also zur Ausschließung des bürgerlichen Rechtes nicht hin, daß aus prak­ tischen und wirtschaftlichen Gründen eine andere Lösung wünschens­ wert und im Wesen der Wechselverpflichtung begründet erscheint. Übrigens wirkt die Unterbrechung der Wechselverjährung durch ein Anerkenntnis seitens eines Wechselschuldners ebenso wie ein Stun­ dungsvertrag gemäß 88 425, 429 des B.G.B. immer nur zuun­ gunsten des seine Verpflichtung anerkennenden Schuldners und zu Gunsten des Gläubigers, dem gegenüber die Verpflichtung aner­ kannt wird; dritte Personen, ..Indossanten und sonstige Regreß­ berechtigte und Regreßverpflichtete werden von dem Anerkenntnisse weder zu ihren Gunsten noch zu ihren Ungunsten berührt. Die Untersuchungen dieses Abschnittes liefern uns ein wich­ tiges Unterscheidungsmerkmal zwischen Verjährungs- und Präklusiv­ fristen. Es liegt im Wesen der Verjährung, daß die Handlungen, welche das Stillschweigen der Parteien brechen, welche dem Gläu­ biger neue Aussicht auf Befriedigung eröffnen, den bisher ab­ gelaufenen Zeitraum seiner Wirkung entkleiden. Es würde be­ grifflich nichts im Wege stehen, auch der privaten Mahnung des Gläubigers diese Wirkung zuzuerkennen; aber aus praktischen Gründen ist es zu billigen, daß der Gesetzgeber die Verjährung nur durch ganz bestimmte, leicht beweisbare Handlungen unterbrechen läßt; ferner ist auch zu bedenken, daß eine private Mahnung entweder zu einer Anerkennung führen wird, dann ist die Verjährung hierdurch unterbrochen oder sie hat eine Anerkennung nicht im Gefolge, dann hat der Gläubiger umsomehr Anlaß, zu stärkeren Mitteln zu greifen und endlich wäre es durch die Zulassung einer privaten Mahnung als Unterbrechungshandlung in die Hand des Gläubigers gegeben, die Verjährung ad infinitum auszudehnen, er bräuchte den Schuldner nur von Zeit zu Zeit brieflich anzufordern. Anders steht es bei der Befristung. Hier liegt nach der ge­ setzgeberischen Absicht die Nichtunterbrechbarkeit im Wesen der Frist; der Begriff der Unterbrechung ist, wie sich aus unseren Darlegungen ergibt, bei ihr ein „juristisch unmöglicher".^) Sollte es tatsächlich einmal vorkommen, daß der Berechtigte auch nach Ablauf der ur­ sprünglichen Frist noch ein Recht hat — ich sage ausdrücklich ein Recht und nicht sein (gesetzliches) Recht —, so liegt dies daran, *) Staub, Kommentar S. 189. 2) Demelius a. a. O. S. 61, 62.

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daß die Parteien an die Stelle des gesetzlichen ein vertragsmäßiges Recht gesetzt haben. Dieser Unterschied besteht zwischen Verjährung und gesetzlicher Befristung nicht nur hinsichtlich der Anerkennungshandlungen des Schuldners, sondern auch hinsichtlich der Gruppe von Unterbrechungs­ gründen, welche wir unter dem Namen der gerichtlichen Geltend­ machung seitens des Gläubigers zusammenzufassen pflegen.

IV. Bedeutung des Ablaufes der Frist bei Verjährung und gesetzlicher Befristung.

1. Wirkung des Fristablaufes. Wie im gemeinen Rechte, so ist auch heute kein Streit, daß das dingliche Recht durch die Verjährung des dinglichen Anspruches nicht berührt wird; von diesem Grundsätze machen nur die 901, 1028 Abs. 1 Satz 2 eine Ausnahme. Bei den persönlichen Rechten dagegen war es von jeher bestritten, ob nach Ablauf der Verjäh­ rung das Recht völlig erloschen sei (sog. stärkere Wirkung, nament­ lich bei W i n d s ch e i d und dem Reichsgericht vertreten) oder ob das Recht als naturalis obligatio weiter bestehe (sog. schwächere Wirkung, namentlich gestützt durch die Autorität S a v i g u y s). Unser B.G.B. bestimmt die Wirkung der Verjährung in § 222 dahin, daß nach Vollendung derselben der Verpflichtete be­ rechtigt ist, die Leistung zu verweigern. Die Verjährung erzeugt eine peremtorische Einrede gegenüber dem Leistungsbegehren des Gläubigers; der Schuldner hat es in der Hand, ob er die Schuld trotz der Verjährung als noch bestehend behandeln will oder nicht. Über dieses Leistungsverweigerungsrecht hinaus greift die Wirkung der Verjährung nicht. Interessant ist die Entwicklungsgeschichte des § 222: In dem Teilentwurf des Redaktors lautete § 194 folgendermaßen: „Die vollendete Verjährung hebt der: Anspruch, soweit das Gesetz nicht ein anderes bestimmt, v o l l st ä n d i g auf". Es entspann sich im Anschluß hieran, wie die Protokolle S. 387 ff. berichten, eine längere Debatte über die Wirkung der Verjährung. Es bestand Einvernehmen, daß der Anspruch mindestens in zwei­ facher Beziehung noch als wirksam betrachtet werden müsse: er müsse anerkennungsfähig und die Rückforderung des zur Befriedi­ gung eines verjährten Anspruchs Geleisteten müsse ausgeschlossene sein. § 182 Abs. 1 des ersten Entwurfes hatte als Wirkung der Verjährung eine Einrede bezeichnet, „durch welche die Geltend­ machung des Anspruchs dauernd ausgeschlossen sei". Infolge der an dem Einredebegriff geübten Kritikwurde diese Bestimmung 9 Namentlich Fischer a. a. O. S. 101 ff.

84 bei der Revision gestrichen und heute gibt § 222 dem Verpflich­ teten das Recht, die Stiftung zu verweigern. Das Gesetz steht hier mit den Motiven in grellem Widerspruch. Während diese (I, S. 342) unzweideutig aussprechen, daß die stärkere Wirkung der Verjährung anerkannt sei, bestimmt der Gesetzestext selbst gerade das Gegenteil. Ein verjährter Anspruch vermag nämlich noch in folgenden nicht unbedeutenden Beziehungen wirksam zu werden: 1. Nach § 222 Abs. 2 Satz 1 kann das zur Befriedigung eines verjährten Anspruchs Geleistete nicht mehr zurückgefordert werden, auch wenn die Leistung in Unkenntnis der Verjährung be­ wirkt wurde. Wäre die condictio indebiti nur dann ausgeschlossen, wenn die Leistung trotz der Kenntnis der Verjährung bewirkt worden wäre, so ließe sich das einfach aus dem Gesichtspunkte des Verzichtes auf die Verjährungseinrede erklären; aber gerade darin, daß die Rückforderung ausgeschlossen sein soll, auch wenn der Ver­ pflichtete die Verjährung bei der Leistung nicht gekannt hat, zeigt sich, daß der Gesetzgeber die Zahlung einer verjährten Schuld nicht als Schenkung, nicht als die Leistung eines indebitum aufgefaßt wissen will. 2. § 222 fährt in Abs. 2 Satz 2 fort: „Das Gleiche gilt von einem vertragsmäßigen Anerkenntnisse, sowie einer Sicherheits­ leistung des Verpflichteten". Das Gleiche gilt, das will sagen, daß ein vertragsmäßiges Anerkenntnis') oder eine Sicherheitsleistung in gleicher Weise unanfechtbar ist, wie wenn die Forderung noch nicht verjährt wäre; „die Verjährung der ursprünglichen Schuld be­ gründet weder die Möglichkeit der Anfechtung noch die des Wider­ rufes des Anerkenntnisses bezw. der Sicherheitsleistung, noch begründet sie gegenüber der Inanspruchnahme aus diesen Rechtsgeschäften eine Einrede"?) Für die Bürgschaft gilt eine in ihrem Wesen begründete Besonderheit: Wenn sich jemand ohne Wissen und Wollen des Schuldners dem Gläubiger für eine verjährte Forderung ver­ bürgt, so wird natürlich hierdurch der Schuldner nicht gehindert, die Verjährungseinrede geltend zu machen; denn hier hat ja der Schuldner keine Sicherheit geleistet; daß sich ein Dritter für ihn verbürgt hat, kann ihm ganz gleich sein; der tut das auf seine Gefahr. Wie weit in einem solchen Falle die Haftung des Bürgen geht, ob er namentlich die dem Schuldner zustehende Verjährungs­ einrede geltend machen kann, hängt von dem Inhalt des Bürg­ schaftsvertrages ab; es kann ja sein, daß der Bürge darauf ver­ zichtet hat, sich derselben zu bedienen und es wird dabei eine große Rolle spielen, ob der Bürge die Verjährung der Hauptschuld ge­ kannt hat oder nicht. b Über die Form siehe Rehbein a. a. O. S. 333, Staudinger I, S. 576. 2) St au ding er a. a. O.

85 3. Die Verjährung hindert den Berechtigten nicht, aus einem für den Anspruch bestellten Pfandrecht (Faustpfand und Hypothek) sowie ans einem zur Sicherung übertragenen Rechte (sog. fiducia) Befriedigung zu suchen (§ 223 Abs. 1, 2 mit der naturgemäßen Ausnahme des Abs. 3). Die Anhänger der stärkeren Wirkung, die mit Rücksicht auf c. 7. C. 7. 39 und die positiven Bestimmungen anderer Gesetzbücher die Fortdauer des Pfandes auch nach Ver­ jährung des persönlichen Anspruches zugeben müssen, befinden sich dieser Fortdauer der Pfandhaftung gegenüber in einer unbequemen Situation. So begründen die Motive dieselbe mit folgendem (I, S. 344): „Ob die Vorschrift dahin aufzufassen ist, die Forde­ rung bleibe bis zur Höhe des Wertes des Pfandes und unter Be­ schränkung auf die Befriedigung aus demselben unverjährt oder dahin, die verjährte Forderung bestehe nur insoferne fort, als das Pfandrecht seiner akzessorischen Natur wegen einer Grundlage be­ dürfe, darf dahingestellt bleiben". Ebenso nimmt Windscheid an, nicht daß das Pfand wegen der nicht völligen Vernichtung des Anspruches, sondern daß die Forderung wegen des Pfandes als Basis für dasselbe bestehen bleibe. Bei Annahme der schwächeren Wirkung erklärt sich die Fortdauer der Pfandhaftung auf ganz ein­ fache Weise; der Anspruch bleibt bestehen und nur so weit etwas anderes im Gesetz bestimmt ist, verliert er seine Kraft. § 223 findet keine Anwendung, wenn der Anspruch im Grundbuch nicht end­ gültig eingetragen, sondern nur durch eine Vormerkung gesichert ist. Nach § 886 kann also die Aufhebung der Vormerkung ver­ langt werden, wenn der vorgemerkte Anspruch verjährt ist. 4. Nach § 390 kann eine Forderung, der eine Einrede ent­ gegensteht, nicht aufgerechnet werden, jedoch soll nach Satz 2 des § 390 die Verjährung die Aufrechnung nicht ausschließen, wenn die verjährte Forderung zu der Zeit, zu welcher sie gegen die an­ dere Forderung aufgerechnet werden konnte, noch nicht verjährt war. Diese Bestimmung folgt eigentlich schon aus § 389: In dem Augenblick, in dem die Forderungen einander ausrechenbar gegenübertraten, war keine von beiden verjährt; die Verjährung hat keine rückwirkende Kraft; sie bewirkt nur, daß in Zukunft der Verpflichtete die Leistung verweigern kann und es kann daher der Umstand, daß eine Forderung jetzt verjährt ist, die Aufrechnung nicht hindern, wenn dieselbe zu einem früheren Zeitpunkt möglich war. § 389 fordert, daß eine verjährte Forderung die Kompen­ sationskraft behält, wenn sie zu der Zeit, zu der die Kompensation möglich gewesen wäre, noch nicht verjährt war. $ 390 Satz 2 wurde erst notwendig durch die Bestimmung des ersten Satzes. Schwieriger ist die Frage, ob mit einer Forderung auch dann noch aufgerechnet werden kann, wenn sie bereits verjährt war, ehe die Gegenforderung entstanden ist. A. hat eine Forderung gegen

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13., die entstanden ist, nachdem eine solche des B. gegen A. schon verjährt war; kann der B. mit seiner Forderung gegen die des A. aufrechnen? § 390 sagt, sie kann nicht aufgerechnet werden, d. h. nun nicht, es sei absolut unzulässig, mit einer solchen Forderung aufzurechnen; sondern: der A. braucht sich's nicht gefallen zu lassen, daß B. die verjährte Forderung aufrechnet. Er kann unter Be­ rufung auf § 222 sagen: Ich bin dir nicht verpflichtet zur Leistung, in welcher Weise du auch deine Forderung geltend machen willst, und die Aufrechnungserklärung ist eine Geltendmachung der Forde­ rung. Hat sich der A. dagegen mit der Aufrechnung einverstanden erklärt, so ist dieselbe vollgültig und er kann ihre Gültigkeit nicht anfechten, wenn er hinterher erst erfährt, daß die Forderung des B. ja schon längst verjährt war. Es folgt dies aus § 222 Abs. 2; denn auch bei der Aufrechnung wird ..geleistet"; wir haben hier sogar zwei Leistungen: jeder Kontrahent leistet, indem er den Gegner von seiner Leistung befreit; die Kompensation ist ja nur eine vereinfachte Form der Leistung und es kann daher ohne Be­ denken § 222 angewendet werden. Etwas eingeschränkt ist die nach § 390 Abs. 2 sonst zulässige Aufrechnung in den 479, 480, 490, 639; H.G.B. §§ 414, 423, 439. 5. Ein verjährter Anspruch kann wider den Willen des Schuldners nicht durchgesetzt werden, weder angriffs- noch ver­ teidigungsweise. Hievon gibt es einige Ausnahmen, wo ein ver­ jährter Anspruch noch die Kraft behält, daß mit ihm ein vom Gegner geltend gemachter Anspruch zurückgewiesen werden kann. Nach § 821 kann derjenige, der ohne rechtlichen Grund eine Ver­ bindlichkeit eingegangen ist, die Erfüllung auch dann verweigern, wenn der Anspruch auf Befreiung von der Verbindlichkeit verjährt ist. Auf dem gleichen Gedanken beruhen §§ 853, 478 und 490 Abs. 3. Diese fünf Punkte zeigen, daß die „stärkere Wirkung" sich aus dem Gesetze nicht beweisen läßt. Windscheid zieht die Möglichkeit, daß bei der Verjährung von dem Anspruch noch etwas übrig bleibe, gar nicht in Betracht und nennt die Ansicht von der stärkeren Wirkung als eines Beweises gar nicht bedürftig (Pand. § 112 Note 5). Vielleicht werden unsere Erörterungen auch Weber (Unterschied zwischen Verjährung und ge­ setzlicher Befristung) von der Unhaltbarkeit der stärkeren Wirkung überzeugen, der, selbst Anhänger derselben, sich zu be­ haupten getraut, daß es unmöglich ist, die schwächere Wirkung zu beweisen. Heute dürfte kein Zweifel darüber bestehen, daß im geltenden Recht die schwächere Wirkung anerkannt ist, wenn auch von mancher Seite eine andere Regelung gewünscht wird. Gewöhnlich sagt

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man, nach der Verjährung bleibe eine naturalis obligatio übrig. Das Wesen einer solchen obligatio naturalis besteht darin, daß sie der Klagbarkeit ermangelt. Dies ist allen natürlichen Verbind­ lichkeiten eigen; welche positiven Wirkungen sie haben, ist damit noch nicht gesagt; das muß in jedem einzelnen Fall besonders untersucht werden?! Natürliche Verbindlichkeiten sind z. B. die aus Spiel und Wette, aus Lotterie und Ausspielgeschäften ent­ stehenden Forderungen; ferner dürfte hierher gehören die Forderung auf den ungedeckten Rest nach erfolgtem Zwangsvergleich (§ 193 Konk.-Ord.). Hier haben wir Forderungen, welche nicht durch Klage geltend gemacht werden können und der Richter muß diesen Mangel von Amts wegen beachten. Ganz anders steht es bei der Verjährung. Es ist nicht richtig, die verjährte Forderung eine natürliche Verbindlichkeit zu nennen"); sie besteht nicht nur als ein Teil ihres früheren Wesens, sondern unverändert weiter mit der einzigen Einschränkung, daß dem Schuldner ein selbständiges Einrederecht gegeben ist. Wir haben schon früher gehört, daß ein Anspruch als vollbestehend anzusehen ist, auch wenn er in seiner Erzwingbarkeit durch ein Gegenrecht hemmbar ist. Die Verjährungseinrede unterscheidet sich nun von anderen Gegenrechten, daß sie in ihrer Wirkung viel schwächer ist als diese; man vergleiche §§ 813, 814 mit § 222 Abs. 2 und 1169, 1254 mit g 223. Wir wissen, daß die Einrede des B.G.B nicht die Existenz eures All­ spruches, .sondern nur seine Erzwingbarkeit berührt; § 222 be­ stimmt, daß die Wirkung der Verjährung darin bestehen soll, daß dem Schuldner eine materiellrechtliche Einrede gegeben wird, die ihn berechtigt, die Leistung zu verweigern. Es ist nirgends be­ stimmt, daß einem verjährten Anspruch die Klagbarkeit fehle; nir­ gends finden wir den Satz, daß es dem Berechtigten verwehrt sei, seinen verjährten Anspruch durch Klage geltend zu machen; davon, daß wie in den oben genannten Beispielen der obligatio naturalis der Richter die Klage als unstatthaft a limine zurückweisen müßte oder dürfte, kann keine Rede sein. Wir sehen also, daß ein ver­ jährter Anspruch keineswegs als bloße naturalis obligatio sich fort­ fristet, daß der Gesetzgeber den Anspruch vielmehr als fortbestehend anerkennt und sich darauf beschränkt, dem verjährt Verpflichteter: das Recht zu geben, die Durchsetzung des Anspruches, mag diese klage- oder einredeweise erfolgen, nach Belieben zu hindern. Genau so wird die Wirkung der Verjährung im französischen und englischen Rechte definiert. Merlins sagt: ,,La loi qui declare une dette prescrite n’aneantit pas le droit du creanb Bergl. die Abhandlung von Schwanert über die Naturalobligationen. -) Crome, Syst. II, S. 16, 17: Langheineken a. a. £. 3. 189. 3) Repertoire universcl et raisonne de jurisprudence, prescription I, tz 3.

88 cier en soi, eile ne fait qu’opposer une barriäre ä ses poursuites'h In A treatise of the law of the bills of exchange von Byles heißt es S. 339: ,,The Statute of limitation does not destroy the debt, but only bars the remedy“. Während die Wirkung der Verjährung im Gesetze nach aller: Seiten hin genau umgrenzt ist, fehlt uns eine ausdrückliche Be­ stimmung über die Wirkung des Ablaufs der gesetzlichen Ausschluß­ frist; wir sind darauf angewiesen, ein etwa vorhandenes Prinzip aus den einzelnen Fällen zu abstrahieren. Grawein geht S. 162 und 163 aus von dem begrifflichen Wesen der Rechtsbefristung und erhält dadurch „eine ganz zuver­ lässige Antwort". „Wenn die gesetzliche Frist in Wahrheit als ein zeitliches Limito der Rechtswirkungen anzusehen ist, dann ist eine Fortdauer des befristeten Rechtes über seinen Endtermin hinaus, und sei es auch nur als ein abgeschwächtes Recht, vollständig un­ denkbar. Denn könnte das Recht als klagelos den dies ad quem überleben, dann wäre eben nicht das Recht selbst, sondern nur die Klagbarkeit desselben zeitlich eingeschränkt. Da sich aber die Be­ fristung nicht auf letztere, sondern auf das Recht selbst bezieht, so kann jenseits des legalen dies auch nicht eine Spur jener Rechts­ wirkungen übrig bleiben." So einleuchtend dies alles zu sein scheint, so können wir die Beweisführung doch nicht so ohne weiteres hinnehmen; denn ein­ mal berücksichtigt auch hier Grawein seine „Präklusivfristen" nicht, dann ist es eine petitio prineipii, ob mit Ablauf der Frist das Recht oder nur seine Klagbarkeit erlösche; Grawein setzt als selbstverständlich die Befristung des Rechtes voraus; aber gerade dies muß bewiesen werden. Hier muß es sich zeigen, ob unsere Erklärung der Ausschluß­ frist als der einem Rechte gesetzten Frist richtig ist, ob es sich wirklich um Rechtsbefristung und nicht nur um Klagebefristung handelt. Bei einer Reihe befristeter Rechte ist jeder Zweifel darüber, daß mit Ablauf der Frist das Recht ohne jegliches residuum erloschen ist, ausgeschlossen. Man denke nur an das Recht, eine Ehe oder die Ehelichkeit eines Kindes anzufechten; an das Recht, Scheidung einer Ehe zu verlangen und an die Fälle, wo innerhalb einer Frist einer Behörde, z. B. dem Nachlaßgerichte gegenüber eine Erklärung abgegeben werden muß. In all diesen Beispielen ist mit dem Ablaufe der Frist das Recht selbst, nicht nur seine Ausübungsmöglichkeit vernichtet. Zweifel können nur bei wirtschaftlichen Anfechtungsrechten und bei befristeten Ansprüchen entstehen. Bezüglich der Anfechtungs­ rechte ist besonders auf Bucerius^) hinzuweisen, der, wie schon h Bucerius, a. a. L. S. 138 ff.

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erwähnt wurde, die Meinung vertritt, daß mit Ablauf der in der Regel sehr kurz bemessenen Anfechtungsfrist nicht das Anfechtungs­ recht im ganzen erlösche, sondern daß das in demselben steckende Einrederecht unverändert bestehen bleibe; mit andern Worten: Bucerius behauptet, daß die Anfechtbarkeit eines Rechtsgeschäftes auch nach Ablauf der Anfechtungsfrist noch einredeweise geltend gemacht werden kann. Wenn dies der Fall ist, dann ist nicht das Anfechtungsrecht befristet, sondern nur dessen angriffsweise Realisierungsmöglichkeit, während die Verteidigung mit demselben noch offen steht. Diese Auffassung steht jedoch mit unserem Gesetze in direktem Widersprüche. Dieses verlangt die Ausübung des An­ fechtungsrechtes innerhalb einer bestimmten Frist; eine Form ist für die Anfechtungserklärung nicht vorgeschrieben, namentlich ist nicht Klageerhebung erforderlich. Die Anfechtung kann also im Prozesse als Einrede, Replik oder Duplik, sie kann außerhalb des Prozesses in irgend welcher Form erfolgen. Wenn das Gesetz sagt, nach einer gewissen Frist solle das Rechtsgeschäft nicht mehr beseitigt werden können, so ist damit jede Art der Anfechtung ausgeschlossen. Zu einer anderen Entscheidung könnte man bloß dann kommen, wenn das Gesetz nur eine Art der Ausübung des Anfechtungs­ rechtes mit dem fruchtlosen Verstreichen der Frist ausgeschlossen, eine andere dagegen noch Vorbehalten hätte. Da aber unser Gesetz unter den verschiedenen Möglichkeiten, wie das Anfechtungsrecht ausgeübt werden kann, nicht unterscheidet, so müssen wir die von Bucerius mit so großer Bestimmtheit ausgesprochene Ansicht für irrig halten. Es ist auch wahrlich kein Bedürfnis vorhanden, die im Anfechtungsrecht steckende Einrede zu konservieren. Die dreißigjährige Frist der §S 121, 124 ist so lang, daß es der rat io der Befristung der Anfechtung Widerstreiten würde, wenn man die Anfechtbarkeit noch in der Form der Einrede im Prozesse wirken lassen wollte und dies gilt in noch höherem Maße für die in §§ 121, 124 bestimmten kurzen Fristen, deren Beginn von der Erlangung der Kenntnis des Anfechtungsgrundes abhängt. Aus­ nahmen enthalten § 41 Abs. 2 der Konk.-Ord., wonach in dem Falle, daß durch die anfechtbare Handlung eine Verpflichtung des Gemeinschuldners begründet wurde, der Konkursverwalter die Leistung verweigern kann, auch wenn die Anfechtung infolge Ablaufs der Anfechtungsfrist ausgeschlossen ist, und § 2083 B.G.B., dem zufolge derjenige, der durch eine letztwillige Verfügung mit einer Leistung be­ schwert ist, die Vollziehung derselben verweigern kann, auch wenn er das Recht, diese Verfügung anzufechten, durch Zeitablauf verloren hat. Etwaige Ungerechtigkeiten werden durch SS 821 u. 853 vermieden. Es erübrigt nun noch, mit einigen Worten auf die Wirkung des Fristablaufes bei befristeten Ansprüchen einzugehen (SS 864, 977, 1002; Gew.-Ord. §§ 112, 127 f.).

90 Wendt äußert sich zu dieser Frage folgendermaßenl): „Hätte es (er hat dabei §§ 977, 1002 im Auge, da § 864 Praktisch hier nicht von Bedeutung werde) einen triftigen Grund, die nachträg­ liche, freiwillige Leistung nicht als Zahlung gelten zu lassen? Soll man unbedingt die condictio indebiti gewähren, wenn in Unkenntnis des Fristablaufes die Leistung erfolgt? Soll der Be­ rechtigte verhindert sein, seine Befriedigung, falls ihm Hypothek oder Pfandrecht zuständig war, aus dem verhafteten Gegenstand zu suchen?" In §§ 977, 1002 des B.G.B. heißt es ausdrück­ lich: Der Anspruch erlischt, wenn er nicht innerhalb der Frist geltend gemacht -ist; den gleichen Wortlaut finden wir in der Ge­ werbeordnung §§ 112, 127 f. in der neuen Fassung vom 26. Juli 1900. Der Ausdruck „Erlöschen" läßt meines Erachtens keinen Zweifel darüber, was der Gesetzgeber in diesen Paragraphen sagen will; es ist damit klar und deutlich zu erkennen gegeben, daß es sich nicht um Klagebefristung, sondern um Rechtsbefristung handelt. Das Gesetz sagt nicht, die Klage ist ausgeschlossen nach dieser oder jener Zeit; es sagt: der Anspruch selbst soll erlöschen, d. h. er soll vernichtet werden. Am deutlichsten zeigt uns dies § 465 Abs. 1 H.G.B., wo es heißt, daß die Eisenbahn für den Verlust von Reisegepäck, das zur Beförderung aufgegeben ist, nur dann haftet, wenn das Gepäck binnen acht Tagen nach der Ankunft des Zuges, zu welchem es aufgegeben wurde, auf der Bestimmungs­ station abgefordert wird. Wenn also der Reisende sein Gepäck nach Ablauf der acht Tage verlangt, so haftet ihm die Eisenbahn nicht mehr für den Fall des Unterganges desselben; sein Anspruch ist erloschen. Sollte nun einmal nach Ablauf der gesetzlichen Frist in Un­ kenntnis des Fristablaufs etwas geleistet worden sein, so kann das Geleistete mit der condictio indebiti gemäß § 812 zurückverlangt werden und dies zu beweisen, dürfte nicht allzuschwer fallen. Der Anspruch ist erloschen, also besteht keine Verbindlichkeit mehr und wenn jemand eine Leistung zur Erfüllung einer nur vermeintlich bestehenden Verbindlichkeit gemacht hat, so kann er Herausgabe des Hingegebenen verlangen.

Wenn wir auch prinzipiell eine andere Meinung vertreten als Wendt, so wird das nicht hindern, bei der Beurteilung der einzelnen Fälle unter Umständen zu dem gleichen Resultate zu kommen. So wird vielleicht nichts im Wege stehen, daß der Be­ rechtigte auch nach Ablauf der Frist sich aus einem bestehenden Pfandrechte Befriedigung verschafft; nicht weil der gesetzliche Anspruch nicht völlig erloschen ist, sondern weil die Parteien das so vereinbart haben, was ihnen bei der Art des Streitgegenstandes freisteht. W endt, a. st. C. L

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91 Dies Ergebnis ist für unsere Untersuchung von der größten Bedeutung; denn es folgt hieraus ein tiefgreifender Unterschied zwischen Verjährung und gesetzlicher Befristung. Die Verjährung läßt den Anspruch in seiner Existenz unangetastet; sie richtet sich nur gegen seine Erzwingbarkeit, indem die­ selbe durch ein dem Schuldner gewährtes Leistungsverweigerungsrecht gelähmt werden kann. Der Ablauf einer Ausschlußfrist hingegen hat zur Wirkung das Er­ löschen der Berechtigung selbst, nicht nur eine Lähmung der Durchsetzbarkeit des Rechtes,, sondern dessen volle Vernichtung. Wir haben mithin in richtiger Weise die Ausschlußfristen als Rechts- und nicht als Klagefristen bezeichnet und definiert. Dieser Unterschied besteht nach geltendem Rechte. Es ist nicht ausgeschlossen, daß der Verjährung die gleiche Wirkung bei­ gelegt wird, wie dem Ablauf einer Ausschlußfrist, wie es bekannt­ lich im Teilentwurf unseres Gesetzbuches beabsichtigt war. Die Wirkung der kurzen Verjährungen in unserem bayerischen Ver­ jährungsgesetz vom Jahr 1859 war Me völlige Zerstörung des Rechtes; Völderndorff sagt: Verjähren sei gleichbedeutend mit erlöschen. Aber auch bei dieser Regelung wird man doch nicht umhin können, das verjährte Recht in dieser oder jener Be­ ziehung noch als wirksam gelten zu lassen, wie dies auch tu den Protokollen unzweideutig anerkannt wird; denn eine verjährte Schuld ist und bleibt eine Schuld und ein anständiger Mensch wird dieselbe ebenso gut bezahlen wie eine nicht verjährte.

2. Geltendmachung des Fristablaufcs. Das Wort praescriptio deutet darauf hin, daß im römischen Rechte die Verjährung als Einrede gedient hat. Praescriptio ist die wörtliche Übersetzung des griechischen welches be­ deutet: die Exzeption des Beklagten gegen eine eingereichte Klage (Benseler zu jragaygatfo)). Im gemeinen Recht erhob sich ein heftiger Streit, ob der Richter die Tatsache der Verjährung von Amts wegen berücksichtigen dürfe oder nicht. Es ist eigentlich nicht ganz richtig zu fragen, ob eine Berücksichtigung von Amts wegen stattfinden dürfe; hiervon spricht man in der Regel nur dann, wenn der Richter von sich aus, ohne das Vorbringen irgend einer Partei abwarten zu dürfen, nach dem Vorhandensein einer Tat­ sache forschen muß. Bei der Verjährung dagegen muß die Frage lauten, ob der Richter dieselbe nur dann beachten dürfe, wenn sie der Beklagte für sich geltend mache oder schon dann, wenn sie irgendwie, auch von feiten des Klägers, in den Prozeß eingeführt worden sei. Die herrschende Meinung im gemeinen Recht verlangte

92 zur Beachtlichkeit der Verjährung ausdrückliches Vorschützen seitens des Beklagten. Freilich gab es daneben eine Menge von Partikular­ rechten, in denen der gegenteiligen Ansicht zum Sieg verhalfen war, wie z. B. das bayerische Recht?) Den entgegengesetzten Standpunkt nehmen ein das preußische Landrecht/) ebenso das französische Recht/) das sächsische B.GB. 153) und das allgemeine B.G.B. für Österreich (§ 1501). An den Gesetzgeber des B.G.B. trat nun die Aufgabe heran, Stellung in dieser Frage zu nehmen. § 194 des Teilentwurfes des Redaktors lautet: „Der Richter darf die Verjährung nicht von Amts wegen berücksichtigen." Der Kommissionsentwurf und das Gesetzbuch selbst enthalten eine solche ausdrückliche Bestimmung nicht. Es ist nicht zu leugnen, daß gewichtige Gründe für beide Ansichten ins Feld geführt werden können. Der Gesetzgeber be­ findet sich in einem fatalen Dilemma: soll er das allgemeine Ver­ kehrsinteresse oder das Gerechtigkeitsgefühl im einzelnen Falle höher stellen? Zweifellos wird der Zweck, dem das Verjährungsinstitut dient, besser erreicht, wenn der Richter die Verjährung „supplieren" darf, auch wenn der Beklagte sie nicht eigens vorbringt. Ander­ seits läßt sich sagen, daß die Verjährungseinrede eine minus hoivsta exceptio ist und daß ein anständiger Mensch nicht wegen Verjährung im Prozesse befreit werden will. Unser B.G.B. hat durch § 222 jedem Streit ein Ende be­ reitet, indem es zweifellos die Verjährungswirkung in das Belieben des Schuldners stellt. Die Motive begründen dies folgendermaßen (1. S. 341): „Die Wirkung der vollendeten Verjährung ist keine unmittelbare. Der in ihr liegende Schutz vor Behelligung mit einem veralteten Anspruch wird nur gewährt, so weit ein Bedürfnis vorhanden ist. . . Das bei der Verjährung gleichzeitig obwaltende öffentliche Interesse ist zur Genüge gewahrt, wenn der einzelne jederzeit irr der Lage ist, auf die Verjährung sich zu berufen und so seine Befreiung zu erzielen. Folge dieser Gestaltung ist, daß die Vollendung der Verjährung im Prozesse vom Richter nicht von Amts wegen berücksichtigt werden darf." Fischer (a. a. O.S.125) nennt dies eine Halbheit; allein es läßt sich diese Art der Regelung wohl begründen und für uns muß sie als geltendes Recht die maßgebende sein. Es bräuchte nun keiner weiteren Ausführungen mehr, hätte nicht Hölder?) hiegegen Front gemacht. Er sagt, „der Satz, daß nur die oom Beklagten vorgeschützte Verjährung zu beachten sei, *) Bergl. Entscheidung des O.-L.-G. 5, S. 160 ff. -) Siehe Koch, I. S. 273. 3) C. c. art. 2223: les juges ne peuvent pas suppiger d* offiee le moyen resiiltant de la prescription. 4) Arch. f. ziv. Pr. 93, ©,111.

93 ist so weit davor: entfernt, sich aus dem Wesen der Verjährung zu ergeben, daß er vielmehr zu einem dem Zweck ihrer Einführung geradezu widersprechenden Ergebnisse führt. Wir können uns da­ her nur darüber freuen, daß die Absicht der Verfasser des B.G.B., diesen Satz zum Rechtssatz zll erheben, nicht zur Verwirklichllng gelangt ist". Wir stimmen mit Hölder überein, daß das Wesen der Verjährung der Bestimmung, der Richter müsse sie auch ohne Vor­ schützen seitens des Beklagten berücksichtigen, llicht im Wege steht. Allein es dürfte kaum zulässig sein, entgegen dem Willen des Ge­ setzes aus dem Zweck der Verjährung eine so „exorbitante Wirkung" zu konstruieren.') Selbst wenn unsere Wünsche in dieser Beziehung andere sein sollten, so müssen wir doch daran festhalten, daß nach der ganzen Anlage des Verjährungsinstitutes im B.G.B. der Richter die Verjährung nur dann in seinen: Urteil verwerten darf, wenn dies der Beklagte wünscht. Hierfür sprechen namentlich folgende Erwägungen. An sich geht es nicht an, sich einfach auf die Wirkung der Verjährung zu berufen und zu sagen: Wird der Anspruch durch die Verjährung völlig zerstört, so bedarf es keiner Geltendmachung durch den Beklagten; es genügt, wenn der Ver­ jährungstatbestand irgendwie im Prozesse hervortritt; bedeutet da­ gegen die Verjährung nicht die gänzliche Vernichtung des Anspruches, so ist die entgegengesetzte Entscheidung die richtige. Diese Schluß­ folgerung ist deswegen unrichtig., weil es sich ganz gut mit einander vereinbaren läßt, daß die Verjährung unmittelbar die Existenz des Anspruches betrifft und doch vorgeschützt werden muß — Beweis hierfür sind der Teilentwurf und die Protokolle der ersten Kommission (S. 391).

In anderem Sinne hingegen dürfen und müssen wir die Wirkung der Verjährung heranziehen. Dieselbe besteht nach unserem B.G.B. darin, daß dem Verpflichteten ein Verteidigungsmittel gegen einen etwaigen Angriff des Berechtigten gegeben wird. Nirgends findet sich das Verbot für den Berechtigten, feilt Recht noch zu verfolgen; nirgends findet sich ein Gebot für den Verpflichteten, von seinem Verteidigungsrechte Gebrauch zu macheu. Die Verjährungseinrede ist somit kein „Anspruchsvernichtungsrecht", sondern ein „Leistungsverweigerungsrecht".-) Der Verpflichtete erhält ein „Recht", die Leistung zu verweigern, das nach allge­ meinen Grundsätzen seiner freien Disposition unterliegt. Wir müssen hier scharf auseinanderhalten Einwendung und Einrede im Sinne des B.G.B. Der Kläger wird höchst wahrscheinlich weder den Tatbestand der einen noch den der anderen anführen; allein sollte *) Vergl. Kierulff, Theorie S. 215. 2) Vergl. Friedenthal, Einwendung und Einrede S. 62.

94 es doch einmal geschehen, so wäre die Wirkung eine verschiedene. Die Einrede ist nach unserem B.G.B. die Befugnis, gewisse, dem Tatbestand des streitigen Rechtsverhältnisses fremde Tatsachen im Prozesse mit demselben in Verbindung zu bringen. Unter Ein­ wendungen hingegen versteht das B.G.B. irgend welche privat­ rechtlich erheblichen Umstände, die, ohne die Klagetatsachen zu be­ rühren, den Bestand des aus ihnen gefolgerten Anspruchs negieren; Hauptfall ist der Einwand der Zahlung. Wenn Tatsachen der letzteren Art im Prozesse hervortreten; wenn z. B. der Kläger selbst aus Versehen die bereits geschehene Zahlung erwähnt, so muß unter allen Umständen der Richter zu einem das Klage­ begehren abweisenden Urteil kommen; denn der in der Klage geltend gemachte Anspruch erweist sich als ein rechtlich unbegrün­ deter ; er existiert nicht. Anders liegt die Sache bei den Einreden. Hier handelt es sich um ein Recht des Verpflichteten, einem gül­ tigen Anspruch gegenüber die Leistung zu verweigern. Die Be­ rufung des Klägers auf einen seinen Anspruch begründenden Rechtssatz wird unwirksam gemacht dadurch, daß sich der Beklagte auf einen neuen Rechtssatz stützt, der jenem vom Kläger angeführten entgegentritt und dessen Wirkung aufhebt. Die Einrede ist somit ein dispositives Recht des Beklagten, das der Richter nicht ohne weiteres berücksichtigen darf. Der Richter darf nur dann das Klagebegehren abschlägig bescheiden, wenn sich dasselbe im Prozesse als unbegründet darstellt; bei der Verjährung ist aber der An­ spruch nicht unbegründet und der Richter muß daher abwarten, ob sich der Verpflichtete die Verjährung zunutze machen will. Es wäre verkehrt, wollte man sich auf die prozessuale Verhandlungs­ maxime berufen. § 286 Z.P.O. sagt: „Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Über­ zeugung zu entscheiden". Der Richter darf also nur das be­ rücksichtigen, was ihm die Parteien vorgetragen haben. Daraus ist aber noch nicht zu folgern, daß er zugunsten einer Partei immer nur das beachten dürfte, was auch von dieser Partei selbst vorgebracht worden war. Wohl aber können wir uns auf den Satz berufen, auf dem unser ganzes zivilprozessuales Rechtsschutz­ system aufgebaut ist, nämlich auf den Satz: nemo invitus agere cogitur. Da dem Verpflichteten durch die Verjährung ein Recht zuständig wird, so kann er über dasselbe frei verfügen; denn auch das einredeweise Vorbringen eines Rechtes ist eine Geltendmachung desselben und es steht ganz im Belieben des Berechtigten, ob er von seinem Rechte Gebrauch machen will. Es ist hierbei nicht notwendig, daß der Beklagte sich ansdrücklich auf das ihm gemäß § 222 zustehende Leistungsverweige­ rungsrecht beruft; es genügt, wenn der Beklagte zu erkennen gibt,

95 er wünsche losgesprochen zu werden, da der Kläger zu lange mit der Geltendmachung seines Anspruches gezögert habe. Diese Meinung wird auch im französischen Recht vertreten. Troplong sagt (a. a. O. Nr. 91): „Du reste, il n’est pas necessaire que la prescription soit propo^ee en termes explicites ; il siiftit qu’elle ressorte implicitement de la nature des de lenses“.

Die Konsequenz davon, daß die eingetretene Verjährung von dem Verpflichteten vorgeschützt werden muß, um wirksam zu werden, zeigt sich im Versäumnis- und Mahnverfahren. Der Kläger muß jedenfalls — man mag Anhänger der Substanziierungs- oder Jndividualisierungstheorie sein — soviel an Tatsachenmaterial in seiner Klage Vorbringen, daß daraus auf die Begründetheit seines in der Klage ausgesprochenen Begehrens mit Hilfe der Sätze des Privatrechtes geschlossen werden faini. Im Versäumnisverfahren besteht nun die Aufgabe des Richters lediglich darin, zu Prüfen, ob das „tatsächliche mündliche Vorbringen des Klägers", welches als „zugestanden anzunehmen" ist, den Klageantrag rechtfertigt. Insoweit dies der Fall ist, ist Versäumnisurteil zu erlassen; andern­ falls ist die Klage abzuweisen. Das Gericht muß sich hierbei die Frage vorlegen, ob bei Anwendung der maßgebende!: Rechtsnormen das vom Kläger behauptete Recht existiere. Es werden dabei nicht bloß die dem Kläger günstigen, sondern auch die ihm ungünstigen Tatsachen von der Fiktion des Zugeständnisses getroffen. Hier tritt der Unterschied von Einwendung und Einrede deutlich zutage. Geht aus dem Vorbringen des Klägers hervor, daß sein Anspruch durch Zahlung oder Verzicht erloschen sei, so kann kein Versäumnis­ urteil ergehen; denn sein Petitum wird durch sein Vorbringen nicht gestützt. Eine ganz andere Bedeutung kommt dagegen der materiellrechtlichen Einrede zu. Das Vorhandensein einer solchen hindert nicht, daß zugunsten des Klägers ein Versäumnisurteil ergeht; denn das tatsächliche Vorbringen desselben läßt den Klageanspruch als begründet erscheinen und das dem Beklagten zustehende Gegenrecht kommt für die Richter solange nicht in Be­ tracht, als es nicht ausgeübt wird?) Auch Praktische Gründe ver­ bieten die Berücksichtigung der Einreden ohne deren Vorschützen seitens des Einredeberechtigten. Nehmen wir an, der Kläger stützt seine Darlehensklage auf einen Schuldschein, der vor mehr als 30 Jahren ausgestellt wurde. Könnte hier der Richter ohne weiteres die Klage zurückweisen, so wäre der Kläger gezwungen, in die Klage alle etwaigen Hemmungen und Unterbrechungen aufzunehmen; daß dies nicht zur Vereinfachung beitragen würde, ist ohne wei­ teres einleuchtend. Ebenso muß der Amtsrichter den Zahlungss) Seuffert, Kommentar zur Z.P.O. § 331, Anm. 2 c.

befehl auch dann erlassen, wenn der ganze Verjährungstatbestand aus dem Gesuch des Gläubigers hervorgeht.

Aus dem Gesagten ergibt sich also mit Bestimmtheit, daß nach unserem B.G.B. der Verjährungstatbestand nur dann bei der Urteilsfällung zugrunde gelegt werden darf, weiln der Ver­ pflichtete von seinem Rechte, die Leistung zu verweigern, Gebrauch gemacht hat. Dies ist auch die herrschende Meinung?) Während uns hinsichtlich der Geltendmachung der Verjährung das Gesetzbuch selbst die nötige Auskunft gibt, fehlt es an jeder gesetzlichen Bestimmung bezüglich der Befristung. Über die Berück­ sichtigung einer Präklusivfrist können in einer ganzen Reihe von Fällen keine Zweifel auftauchen. Das Eheanfechtungs- und Ehe­ scheidungsrecht und das Recht, die Ehelichkeit eines Kindes anzu­ fechten, sind im öffentlichen Interesse an kurze Ausschlußfristen ge­ bunden. Hier hat der Richter im vollsten Sinne des Wortes von Amts wegen darauf zu achten, daß er keine Klage annimmt, die außerhalb der Frist erhoben wird. Ebenso hat das Nachlaßgericht von Amts wegen darauf Bedacht zu nehmen, daß es z. B. nach Ablauf der in § 1594 gesetzten Frist keine Anfechtungserklärung mehr entgegennimmt. Um diese Fälle handelt es sich jedoch nicht, wenn man fragt, ob der Richter den Ablauf einer Ausschlußfrist auch ohne Geltend­ machung durch den Beklagten beachten müsse. Wir haben in den oben angeführten Beispielen vor allem die Fälle genannt, für welche die Z.P.O. ein außerordentliches Verfahren statuiert und im Interesse der Sache in weitem Umfang eine Offizialtätigkeit des Richters anerkannt hat. Wenn man die Frage stellt, unter welchen Voraussetzungen der Ablauf einer Ausschlußfrist für die Richter beachtlich werde, so denkt man hauptsächlich an diejenigen Fristen, die einem Rechte gesetzt sind, welches vollkommen der Disposition der Parteien unterliegt. Auch hier müssen wir wieder auf Wendt Hinweisen, der (a. a. O. S. 174, 175) unsere Frage behandelt. Er hat Recht, daß im richterlichen Urteil der Frist­ ablauf nicht deswegen von Amts wegen berücksichtigt werden muß, weil die Ausschlußfrist ipso iure Recht und Anspruch vernichte; es ließe sich, wie wir schon gesehen haben, ganz gut zusammen­ reimen, daß das Recht zerstört würde und daß dennoch die Geltend­ machung seitens des Beklagten notwendig wäre. Abzulehnen ist dagegen der Satz Wendts: „Es findet sich mehrfach der Satz, der Ablauf der Ausschlußfrist sei vom Richter ex officio zu be­ rücksichtigen und doch handelt sichs auch hierbei nur um etwas der Verteidigung des Beklagten Überlassenes, um eine Einrede im prozessualen Sinne". Die befristeten Ansprüche erlöschen mit Ab-

97 lauf der Frist; das Pfandrecht des Vermieters erlischt nach § 561 Abs. 2 unter den dort bezeichneten Voraussetzungen mit dem Ab­ lauf eines Monats, wenn es nicht vorher gerichtlich geltend gemacht wurde; der Beschluß einer Generalversammlung einer Aktiengesell­ schaft kann nur binnen einem Monat durch Klage angefochten werden. Wie hat sich in diesen Fällen der Richter zu verhalten, wenn aus dem Klagevorbringen der Ablauf der Frist hervorgeht oder wenn derselbe sonst auf irgend eine Weise festgestellt ist, ohne daß ihn der Beklagte rügt? Nehmen wir an, der Kläger habe nach Ablauf der gesetzlichen Frist Klage erhoben. Der Richter muß nun nach allgemeinen Grundsätzen prüfen, ob sich aus den in der Klage angeführten Tatsachen das Petitum ergibt. Wenn er sieht, daß die Klage ver­ spätet ist, so folgt hieraus für ihn die Notwendigkeit, dieselbe ab­ zuweisen ; denn unter Anwendung der Sätze des Privatrechtes auf den in der Klage vorgeführten Komplex von Tatsachen muß er zu dem Resultate kommen, daß das in der Klage geltend gemachte Recht „an sich als unbegründet sich herausstellt" (§ 507 Z.P.O.). Man kann hier nicht von der Supplierung einer Einrede durch den Richter sprechen; denn es handelt sich hier nicht um eine Ein­ rede im Sinne des B.G.B., um das Recht, die Erfüllung einer zu Recht bestehenden Verbindlichkeit durch Anführung neuer Tat­ sachen verweigern zu dürfen; das vom Kläger beanspruchte Recht ist erloschen. Es wird aber auch nicht etwa eine Einrede im Sinne der Z.P.O. von Amts wegen beachtet. Hat vielleicht der Richter den Fristablauf übersehen und bringt nun der Beklagte vor, die Klage sei zu spät erhoben, so ist das keine Einrede; es ist dies bloß eine Anregung für den Richter, hierauf sein Augen­ merk zu richten; der Beklagte übernimmt dadurch, wie wir im nächsten Kapitel hören werden, nicht etwa die Beweislast für seine Behauptung; er macht den Richter darauf aufmerksam, daß er die Anwendung eines Rechtssatzes unterlasse, wenn er der Klage stattgebe. Diese kurzen Andeutungen zeigen uns, daß der Richter nicht eine Einrede suppliert, wenn er den Kläger wegen Versäumung der Ausschlußfrist abweist, sondern daß er Pflichtgemäß untersucht, ob die in der Klage zur Begründung des Rechtes zusammengestellten Tatsachen unter Anwendung der betreffenden gesetzlichen Bestim­ mungen das Klagepetitum tragen. Planck und Staudinger bemerken zu § 864 ausdrücklich, daß der Richter den Ablauf der Frist zu berücksichtigen hat, sobald sich derselbe aus dem Vor­ bringen einer Partei ergibt, auch wenn der Beklagte sich nicht auf denselben berufen hat. In treffenden Worten verleiht Unger (Syst. II, § 124 Nr. 21) diesem Gedanken Ausdruck: „Wenn sich aus den eigenen Anführungen des Klägers ergibt, daß das Klage-

98 recht ein gegenwärtig daseiendes nicht sei, somit die Behauptung eines Klageanspruchs mit des Klägers eigenen Behauptungen im Widerspruch steht, so darf der Richter zwar nicht von Amts wegen Einreden berücksichtigen, aber er hat von Amts wegen juristische Logik zu üben". Was für die gesetzliche Befristung gilt, findet auch auf die vertragsmäßige Befristung, z. B. auf die in Versicherungsverträgen vorkommenden Präklusivfristen, Anwendung, doch mit einer Ein­ schränkung : Hier weiß in der Regel der Richter nicht, ob ein An­ spruch befristet ist und es wird daher immer eines ausdrücklichen Hinweises darauf bedürfen; sodann weiß der Richter auch nicht, ob das Recht nicht hinterher seiner zeitlichen Schranke entkleidet wurde. Wenn sich aber im übrigen z. B. aus dem Klagevortrage des Versicherten ergibt, daß er die im Versicherungsverträge fest­ gesetzte Frist habe unbenützt verstreichen lassen — was ja keines besonderen Beweises bedarf; denn es wird der Klage ein Exemplar des Versicherungsvertrages beigegeben sein und die Tatsache eines Brandes oder eines Todesfalles ist auch nicht schwer zu beweisen —, so muß Abweisung der Klage eintreten, auch wenn die beklagte Versicherungsgesellschaft nicht besonders auf die Versäumung der Versicherungsfrist hinweist. Wir haben im Vorstehenden einen nicht unwichtigen Unter­ schied zwischen Verjährung und gesetzlicher Befristung kennen ge­ lernt. Die Verjährung wirkt nicht unmittelbar schon durch die Tatsache ihrer Vollendung; sondern es ist Sache der verjährt ver­ pflichteten Partei, sich auf dieselbe zu berufen, wenn sie nicht riskieren will, trotz Verjährung der Forderung zur Leistung verurteilt zu werden. Der Untergang eines befristeten Rechtes hingegen tritt mit dem Ablauf der Frist mit Notwendigkeit und unvermittelt ein; der Richter darf daher, wenn derselbe im Prozeß zu Tage tritt, nicht warten, bis die Gegenpartei die Tatsache der Verspätung vorbringt. Zum Schluffe wollen wir noch einige Worte über die Geltendmachung der Wechselverjährung anfügen. Entgegen der von Grawein, Lehmann (I he rings Jahrb. 34, S. 434) und Vierling (Hausers Zeitschrift für Reichs- und Landes­ recht II, S. 349) verteidigten Theorie halten wir die Wechselver­ jährung mit der herrschenden Lehre für eine wirkliche Verjährung im Sinne unseres B.G.B. Allein die herrschende Lehre ist gerade in diesem Punkte nicht einig. Grünhut und Dernbnrg stützen sich auf Art. 83 und verlangen, daß der Richter die Verjährung von Amts wegen beachten müsse, während Staub und Riezler (ct. a. O. S. 525), wenn auch beide mit verschiedener Begründrmg, die Wechselverjährung nicht anders behandelt wissen wollen als die Verjährung des B.G.B. Ausgehend von dem Satze: soweit

99 nicht positive Vorschriften der W O. etwas anderes vorschreiben, können, dürfen und müssen die Bestimmungen des B.G.B. über die Verjährung auch auf die Wechselverjäbrung Anwendung finden, glaube ich, daß das richtige Resultat von Riezler vertreten wird. Daß der Wechselbeklagte sich auf die Tatsache der Verjährung der Wechselobligation berufen müsse, war von jeher die überwiegende Ansicht, die besonders gestützt wird durch die Judikatur des R.O.H.G., wo wiederholt*) ausgeführt wird, die Annahme, „daß der Richter vor Einleitung des Wechselprozesses von Amts wegen verbünde): sei zu prüfen, ob die erhobene Wechselklage nach Art. 78, 79 ver­ jährt sei", sei rechtsirrtümlich. Es unterscheidet sich also die Wechselverjährung in keiner Weise von der Verjährung des allgemeinen bürgerlichen Rechtes.

3. Beweis des Fristablaufes. Das materielle Recht knüpft an das Vorhandensein einer Gruppe von Tatsachen oder Ereignissen gewisse Rechtswirkungen. Derjenige, welcher diese Rechtswirkungen für sich in Anspruch nimmt, hat auch die Grundlage derselben, also die tatsächlichen Voraus­ setzungen, von deren Eingetretensein das Gesetz die rechtlichen Wir­ kungen abhängig macht, darzutun; nicht nur zu behaupten, sondern nötigenfalls auch zu beweisen. Wenn man dieses Prinzip konsequent durchführen wollte, so müßte der Kläger nicht nur behaupten, daß er das Darlehen gegeben habe, sondern auch, daß beide Parteie:: handlungsfähig gewesen seien, daß kein Betrug, keine Täuschung, kein Irrtum sich ereignet habe, daß keine Zahlung erfolgt sei u. s. w. Es zeigt sich hier die Irrigkeit der Meinung, daß die Verteilung der Beweislast ein- für allemal mit logischer Notwendigkeit fest­ gelegt sei; die Beweislast ist keine rechtliche, sondern eine tatsäch­ liche, Billigkeitserwägungen entsprungen. So kam die Wissenschaft und im Anschlüsse hieran die Gesetzgebung dazu, unter den den Klageanspruch begründenden Tatsachen zwei Gruppen zu unter­ scheiden: Die eine derselben umfaßt alle diejenigen Tatsachen, aus welchen nach dem normalen Verlauf der Dinge das Privatrecht Rechte, wie der Kläger eines in concreto für sich beansprucht, entstehen läßt; die andere Gruppe umfaßt alle sonstigen außerhalb des konkreten Tatbestandes stehenden Tatsachen, deren Vorhanden­ sein oder Fehlen eine allgemeine Voraussetzung aller oder doch einer größeren Gruppe von Rechten ist. Diese beiden Gruppen von Tatsachen unterscheiden sich dadurch, daß der Richter bis auf weiteres eine normale Entwicklung des Tatbestandes wird annehmen

T) Vergl. Entsch. Bd. 2, S. 124; 3, S. 131; G, S. 228.

100 dürfen und daß daher der Kläger nur den normalen Tatbestand zu beweisen hat, während den Beklagten die Beweislast trifft, wenn er sich auf den Eintritt einer den normalen Gang der Ereignisse ausschließenden Tatsache beruft. Es war bisher immer nur die Rede von der Beweislast des Klägers; die gleichen Regeln gelten, wenn der Beklagte im Pro­ zesse die Rolle eines Angreifers übernimmt. Den Beklagten trifft nicht 11111* dann die Beweislast, wenn er einen „anormalen Mangel" behauptet, sondern jedesmal, wenn er eine neue Tatsache in den Prozeß einführt, die den Komplex der Klagetatsachen unberührt läßt, denselben aber in seiner Wirkung zu beeinträchtigen vermag. Gibt der Beklagte den Vortrag des Klägers als richtig zu, ver­ langt aber nichtsdestoweniger Abweisung desselben auf Grund eines ihm zustehenden selbständigen Gegenrechtes, so muß er die tatsäch­ liche Grundlage für seine Verteidigungsbehauptung liefern und auch beweisen. Wenden wir nun diese allgemeinen Grundsätze auf das kon­ krete Beispiel der Verjährung und gesetzlichen Befristung an! Die verjährte Schuld ist noch Schuld; sie besteht noch zu Recht; sie kann sogar noch eingeklagt und einredeweise zur Verteidigung be­ nützt werden; aber sie leidet an dem Mangel, daß der Verpflichtete jeden Versuch, das verjährte Recht wider seinen Willen zu verwirk­ lichen, zurückweisen kann. Die Wirkung der Verjährung besteht ja nach § 222 darin, daß der Verpflichtete das Recht hat, die Leistung zu verweigern. Dieser Satz bildet den Ausgangspunkt für unsere Untersuchung : Der Beklagte, der sich auf die Verjährung beruft, um ein freisprechendes Urteil zu erwirken, gesteht die vom Kläger zur Begründung des Klagebegehrens angeführten Tatsachen völlig zu; er bestreitet weder, daß er ein Darlehen in der vom Kläger behaupteten Höhe empfangen habe, noch auch etwa, daß er vom Gläubiger mehrere Mahnbriefe erhalten habe, und trotzdem verlangt er Abweisung der Klage; er stellt dem vom Kläger gel­ tend gemachten Rechte ein neues entgegen, welches jenes in seiner Durchsetzung zu hemmen vermag und, wenn vorgebracht und ge­ hörig begründet, auch wirklich hemmt. Der Beklagte stützt sich auf ein selbständiges Recht und nach allgemeinen Regeln trifft ihn, wenn er die Abweisung der Klage herbeiführen will, nicht nur die Last, zu behaupten, sondern auch die Pflicht, zu beweisen, daß er das Recht, die Leistung zu verweigern, erworben habe. Unrichtig ist die Ansicht Stölzels (in der Zeitschrift Das Recht 1902 S. 573), daß die Verjährungseinrede „nie eine den Beklagten be­ weispflichtig machende Einrede, sondern zum Unterschied von allen sonstigen Einreden ein lediglich aus den klagebegründenden Tat*) Zitelmann, B.G.B. S. 26.

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fachen gefolgerter Rechtseinwand, eine Rechtsdeduktion sei" nut) daß deshalb der Kläger beweisen müsse, die Verjährung sei noch nicht eingetreten. Stölzel hat einen Vorgänger in Z r o d l o w s k i (a. a. O. § 19). Wir wollen mit einigen Worten dessen Ausführungen skizzieren, da Grawein denselben für seine Meinung in An­ spruch nimmt. Es kann das nur ein Irrtum sein. Grawein behauptet nämlich, daß derjenige, der sich auf die Verjährung be­ ruft, den Ablauf der Verjährungszeit beweisen müsse, wogegen der Gegenpartei die Replik zustehe, die Verjährung sei gehemmt oder­ unterbrochen worden. Zrodlowski dagegen sagt, die Einwen­ dung der Verjährung sei in gewisser Beziehung Widerspruch und daher habe das Nichtverjährtsein der Forderung nicht der Wider­ sprechende (der Exzipient!), sondern dessen Gegner (also der Kläger!) zu beweisen; dieser habe zu zeigen, daß die von dem Wider­ sprechenden in Abrede gestellte Prämisse seines Klagebegehrens nicht defiziere. Daß dann der Kläger etwaige Hemmungs- und Unter­ brechungsgründe zu beweisen hat, versteht sich von selbst; Zrod­ lowski vertritt also eine andere Meinung als Grawein und es beruht daher Anm. 125 des Graw ei rischen Buches auf einem Mißverständnisse. Auch Holder hat sich im Arch. f. ziv. Pr. 93, S. 95 ff. der von Stölzel vertretenen Ansicht angeschlossen. Ich glaube, die­ selbe steht in Widerspruch mit dem Geist des Verjährungsinstitutes unseres B.G.B.; wir können zur Widerlegung der Hölder'schen Ausführungen auf unsere obigen Bemerkungen Hinweisen. Wir haben gesagt: der Schuldner, der sich auf die Verjäh­ rung beruft, muß beweisen, daß dieselbe eingetreten sei. Was ge­ hört nun alles zu diesem Beweis? Der Verjährungstatbestand setzt sich aus zwei Momenten zusammen: Einmal der Untätigkeit der Parteien, d. h. also dem Nichteingetretensein einer Hemmung oder Unterbrechung und sodann dem Ablauf der Verjährungszeit. Muß nun der Schuldner beide Tatbestandselemente beweisen oder wenn nicht, wie muß hier geschieden werden? Der Schuldner muß allgemeiner Regel gemäß die tatsächliche Grundlage seiner Einrede beweisen. Zur Begründung seines Leistungsverweigerungsrechtes muß er all die Tatsachen vorbringen, an deren Vorhandensein die rechtliche Möglichkeit des Entstehens dieses Einrederechtes an sich geknüpft ist. Dazu gehört weiter nichts, als daß ein der gesetzlichen Verjührungszeit gleichkommender Zeit­ raum seit der Entstehung des Anspruches abgelaufen ist. Dieser Beweis wird in der Regel keine besonderen Schwierigkeiten machen; Zweifel können sich ergeben, wenn der Kläger einen vom Vor­ bringen des Beklagten verschiedenen Anfangspunkt der Verjährung behauptet, wenn etwa der Kläger ein aufschiebend bedingtes Ge-

102 schäft, der Beklagte beit Abschluß eines unbedingten Geschäftes behauptet. In einem solchen Falle muß der Beklagte den unbedingten Abschluß des Rechtsgeschäftes beweisen; denn der Beginn der Ver­ jährung ist ein Teil des tatsächlichen Einredefundamentes, dessen Beweis im allgemeinen dem Einredeberechtigten obliegt. Während, wie schon erwähnt, hinsichtlich dieses Bestandteiles des Verjährungstatbestandes die Meinungen geteilt sind, herrscht wohl Einstimmigkeit darüber, daß der Kläger eine allenfalls ein­ getretene Hemmung oder Unterbrechung zu beweisen hat; freilich sind die Begründungen sehr verschieden. Unterholzner (ct. a. O. I, S. 496) stützt sich auf den Satz, daß „rein verneinende Sätze in der Tat unerweislich sind"; für Zrodlowski, Stölzel und Holder ist es nur eine notwendige Konsequenz der von ihnen ver­ tretenen Ansicht über die Verteilung der Beweislast hinsichtlich des Verjährungstatbestandes, wenn sie dem Kläger den Beweis über eine eingetretene Hemmung oder Unterbrechung der Verjährung aufbürden. Grawein kommt zu dem gleichen Ergebnis aus Billigkeits- und Praktikabilitätsgründen, indem er sagt, den Beweis der Nichtunterbrechung bezw. Nichthemmung zu erbringen, sei der Schuldner außer stände; der Haupteid sei in der Regel nicht zu­ lässig, da es sich hier vielfach um weit zurückliegende Ereignisse handle; also müsse der unerbringliche Beweis dem Schuldner ab­ genommen und dem Gläubiger replicando in positiver Form auf­ erlegt werden. Ich halte nur das Endresultat für richtig, allein die vor­ getragene Begründung für ungenügend. Die richtige Lösung dürfte folgende sein: Wenn der Beklagte vorbringt, die Forderung sei verjährt, so genügt es, wie wir oben gehört haben, zur Substanziierung dieser Einrede, daß er den Beginn der Verjährung behauptet und nötigenfalls beweist und daß er fernerhin dartut, seit diesem Zeit­ punkte sei die Verjährungszeit verstrichen, was ja dann nur mehr ein einfaches Rechenexempel ist. Zu Gunsten des Gläubigers hat nun das Gesetz eine Reihe von Gründen angeführt, welche be­ wirken, daß bei Berechnung der Verjährungsfrist ein bestimmter Zeitraum außer Ansatz bleibt oder daß bei Eintritt eines be­ stimmten Ereignisses der ganze bisherige Verjährungslauf seiner Wirkung entkleidet wird. Wenn der Gläubiger will, daß die Be­ hauptung des Beklagten, es sei die Verjährungszeit bereits ab­ gelaufen, im Prozesse paralysiert werden soll, so muß er repli­ zieren, daß ein Stnndungsvertrag abgeschlossen worden sei, daß der Schuldner unter der Zeit einmal eine Abschlagszahlung ge­ macht habe, kurz, daß aus irgend einem Grunde die Verjährung noch nicht vollendet sei, obwohl schon dreißig Jahre seit der Ent-

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stehung des Anspruchs verflossen seien. Wenn sich dieser Behauptung gegenüber der Beklagte ablehnend verhält, so trifft den Be­ hauptenden die Beweislast. Dies wird besonders deutlich, wenn wir den Unterschied gegenüber der Beweislast hinsichtlich des Be­ ginnes der Verjährung näher ins Auge fassen. Hier behauptet der Beklagte, der Gläubiger habe sein Recht zu einem bestimmten Zeitpunkt erworben; der Kläger sagt hierauf: Nein, das ist nicht richtig, mein Recht ist erst später entstanden; infolge dieser Be­ streitung muß der Beklagte seine Behauptung beweisen. Anders, wenn der Kläger die Hemmung oder Unterbrechung der Verjäh­ rung und deswegen die ungeschwächte Fortdauer seines Anspruches trotz Ablaufs der Verjährungsfrist behauptet. Hier bestreitet der Kläger keine der Behauptungen des Beklagten; er gibt zu, daß der von diesem angeführte Verjährungsbeginn richtig sei und daß schon 2, 4, 30 u. s. w. Jahre seitdem vergangen seien; aber trotz alledem behauptet er, noch zur Geltendmachung seines Anspruches berechtigt zu sein. Bestreitet dies der Beklagte, so muß der Kläger für seine Replikbehauptung das Tatsachenmaterial herbeischaffen und die Wahrheit seiner Bebauptung beweisen. Ein Beispiel wird dies klar machen: Gläubiger und Schuld­ ner haben, nachdem die Verjährung eines unverzinslichen Darlehens bereits begonnen hatte, einen Stundungsvertrag geschlossen. Der­ selbe involviert eine Hemmung, in der Regel auch eine Unter­ brechung. Klagt der Gläubiger im 33. Jahre seit der Entstehung der Darlehensforderung auf Rückgabe der Geldsumme und macht der Beklagte die Einrede der Verjährung geltend, so wird der Gläubiger auf den Stundungsvertrag Hinweisen, um die Verteidi­ gung des Gegners illusorisch zu machen. Er führt damit ein neues, ein Zusatzgeschäft in den Prozeß zu seiner Verteidigung gegen die Verteidigung des Beklagten ein und hierfür ist er beweis­ pflichtig. Ebenso sind alle anderen Hemmungs- und Unterbrechungs­ gründe zu behandeln. Die Beweislast verteilt sich also, wenn wir das Gesagte noch einmal rekapitulieren, folgendermaßen: Der Schuldner muß be­ weisen, daß zwischen Entstehung und Geltendmachung des Rechtes der im Gesetz bestimmte Verjährungszeitraum inmitten liege. Der Kläger seinerseits kann sich vor der Abweisung der Klage nur da­ durch schützen, daß er den Eintritt von Hemmungs- oder Unter­ brechungsgründen behauptet und beweist. Diese Ansicht wird in der Theorie') und namentlich in der Praxis vertreten. So heißt es R.G.E. 4, S. 237 und R.O.H.G. 16, S. 180, daß der Beklagte den Beweis des Verjährungsein’) Z B. Wächter: Württemberger Privatrecht TI. bei« a. a. O. S. 335.

3. 507 ff. nnb Rel) -

104 wandes zu führen habe. Besonders eingehend spricht sich das preußische Obertribunal aus*): „Zur Begründung dieses Einwandes (nämlich der Verjährung) gehört weiter nichts als die Behauptung, daß die zur Verjährung erforderliche Zeit abgelaufen sei; die so begründete Einrede kann der Gläubiger nur durch die Replik elidieren, daß irgend eine Tatsache oder ein rechtlicher Umstand vorliege, wodurch der Ablauf der Verjährung gehemmt oder unter­ brochen worden sei . . . Es ist Sache des Klägers, die posi­ tiven Tatsachen, wodurch der an sich rechtlich mögliche Anfang der Verjährung und Lauf derselben in concreto gehindert worden sei, selbständig nachzuweisen. Mit anderen Worten, die Behauptung der Zinszahlung bildet einen vom Kläger zu beweisenden Tat­ bestand der Replik."

Gerade mit Bezug auf die Wechselverjährung hat das R.O.H.G. eine Reihe von Entscheidungen gefällt, welche den Beweis der Ver­ jährung demjenigen auferlegen, der dieselbe geltend macht?) Aus­ drücklich heißt es in einem Urteil (Seufferts Arch. 15, S. 240): Die Ansicht, daß die Einhaltung der Verjährungszeit ebenso zu den Regreßbedingnngen gehöre wie die gehörige Präsentation, könne nicht gebilligt werden. Wer das Erlöschen des nach Art. 41 und 45 der W.O. entstandenen Regreßanspruches behaupte, der müsse dies auch beweisen, ganz gleich, welcher Grund des Er­ löschens vorgebracht werde. In allen diesen Entscheidungen ist an­ erkannt, daß sich bei der Wechselverjährung die Beweislast ebenso verteilt wie bei der Verjährung des allgemeinen bürgerlichen Rechtes und wir können dies als ein weiteres Argument dafür bezeichnen, daß die Wechselverjährung nicht den Charakter einer Präklusivfrist hat; denn hier ist die Beweislastverteilung eine ganz andere, was jetzt nachgewiesen werden soll.

Da von Beweislast und von Beweisverteilung nur da ge­ sprochen werden kann, wo der Richter bei der Entscheidung eines Rechtsstreites lediglich die ihm von den Parteien dargebotenen und bewiesenen Tatsachen berücksichtigen darf, wo also die Verhand­ lungsmaxime anerkannt ist, da scheiden für unsere Betrachtung alle die Fälle aus, wo die Offizialtätigkeit des Richters Platz greift. Nach § 622 der Z.P.O kann das Gericht von Amts wegen zum Zweck der Aufrechterhaltung einer Ehe auch solche Tatsachen be­ achten, welche die Partei nicht vorgebracht hat. Der Ablauf einer Eheanfechtungs- und Ehescheidungsfrist ist eine solche Tatsache, die der Ehe günstig ist und es wird daher von Amts wegen das Gericht darauf achten, ob die Klage in der richtigen Frist erhoben wurde. ’) Striethorst, Arch. 37, S. 175. -) Bergt, z. B. Entsch. Bd. 2, S. 124; 6, S. 229/230; 11, S. 351.

105 Von diesen Fällen abgesehen kann man zweifeln, welche Partei den Ablauf bezw. Nichtablauf einer Präklusivfrist zu beweisen hüt, wenn derselbe von einer Seite behauptet wird. Reuter (a. a. O. S. 45) sagt kurz und bündig: „Der Beweis muß wie bei der Verjährung so auch hier dem Beklagten auferlegt werden; denn indem er die dauernde Untätigkeit des Berechtigten als Befreiungsgrund geltend macht, behauptet er eine außerhalb des präklusivbefristeten Rechtes liegende rechtsaufhebende Tatsache, die er als Beklagter zu beweisen hat". Die Unrichtigkeit dieser Aufstellungen wird sich aus den folgenden Ausführungen von selbst ergeben. Wenn der Beklagte die Verjährung vorschützt, so setzt er dem an sich begründeten Verlangen des Klägers einen neuer: Tatbestand entgegen, der den Anspruch in seiner Verwirklichung hemmt. Da das Leistungsverweigerungsrecht des Schuldners als selbständiges Recht dem Anspruch des Klägers entgegentritt, so trifft der: Schuldner die Beweislast. Behauptet nun auch beim befristeter: Recht der Beklagte, wenn er den Fristablauf im Prozesse rügt, wirklich „eir:en außer­ halb des präklusivbefristeten Rechtes liegenden rechtsaufhebender: Tatbestand" ? Ist in der Tat der Fristablauf eine dem befristeter: Rechte fremd gegenübertretende Tatsache? Eine richtige Antwort auf diese Fragen werden wir erhalten, wenn wir uns das Wesen und die Bedeutung der vom Beklagter: erfolgten Erklärung, die dem klägerischen Recht gesetzte Ausschlußfrist sei bereits vor der Klageerhebung abgelaufen, klar gemacht haben. Die Situation ist hier nicht die, daß der Verpflichtete zugibt, der Kläger habe zwar das Recht gehabt und habe es noch; er könne aber eir: Gegenrecht in das Feld führen und so seine Verurteilung hindern; die Sachlage ist vielmehr eine ganz andere; der Beklagte sagt zum Kläger: du hast ja gar nicht das Recht, von mir etwas zu fordern, dein Recht ist vernichtet. Es ist dies keine Einrede im Sinne des B.G.B.; aber auch nicht Einrede im Sinne der Z.P.O.; denn diese bekämpft das Begehren des Klägers „ungeachtet der Richtigkeit des Klage­ grundes" ; die Klagetatsachen werden also zugegeben, nur der An­ spruch wird geleugnet. In unserem Falle dagegen ficht der Be­ klagte unmittelbar den Klagegrund an. Ja, wird man da vielleicht entgegenhalten, er muß doch zugeben, daß der Kläger das Recht einmal besessen hat; er macht dagegen geltend, das Recht sei erloschen; da nun allgemein der Kläger nur das Entstehen seines Rechtes beweisen muß und der Fortbestand desselben vermutet wird, so ist es Sache des Beklagten, das Erlöschen des Rechtes nachzuweisen. Dieser Einwand entbehrt jeglicher Begründung. Diese Rechtsvermutung kann vernünftigerweise nur da in Betracht kommen, wo dem Recht eine zeitliche.Schranke seiner Existenz nicht

106 gesetzt ist; wo dagegen der Gesetzgeber sagt: das Recht ist nur für ein Jahr dem Berechtigten gegeben, da ist für diese Vermutung kein Platz; es versteht sich hier keineswegs von selbst, daß der Kläger sein Recht, nachdem er es erworben hat, immer noch habe. Wenn nun auch diese Rechtsvermutung bei befristeten Rechten nicht angewendet werden kann, so ist damit doch noch nicht bewiesen, daß die Einhaltung der Frist zum Fundamentum der Klage gehört. Dies erhellt aber aus den eingangs dieses Kapitels dargelegten allgemeinen Grundsätzen über die Beweislast. Wir haben dort ausgeführt, daß den Beklagten dann die Pflicht des Beweises trifft, wenn er den Klagetatsachen, die zugegeben werden und in der vom Kläger gegebenen Zusammenstellung mit der in der Klage behaupteten rechtlichen Wirkung ausgestattet sind, eine neue Tat­ sache gegenüber stellt. Wenn nun der Beklagte darauf hinweist, daß der Kläger die ihm vom Gesetz gestellte Frist nicht eingehalten habe, so behauptet er nicht ein neues Moment gegenüber einer Gruppe von Tatsachen, an welche der Gesetzgeber an sich die Existenz eines Rechtes knüpft, sondern er sagt: der Komplex von Tatsachen und Ereignissen, die vorhanden sein müssen, damit dem Kläger ein Recht zustehen soll, ist nicht vollständig; es fehlt noch ein Tatbestandsmerkmal. Während der Beklagte, der die Ver­ jährung vorschützt, dem vollständigen Tatbestand etwas Neues ent­ gegenhält, behauptet er hier, der Kläger habe noch nicht alles vorgebracht, was nach dem Gesetze notwendig sei, um ihn als Kläger legitimiert erscheinen zu lassen. Ein Beispiel möge dies veranschaulichen: § 22 der schon einmal zitierten bayer. Telegraphenordnung vom 26. Juni 1897 sagt, daß in gewissen Fällen die gezahlten Telegraphengebühren zurückerstattet werden, daß jedoch der An­ spruch auf Rückerstattung der Gebühr bei Verlust des Anrechtes innerhalb dreier Monate vom Tage der Erhebung an geltend ge­ macht werden müsse. Setzen wir nun den Fall, daß nach Ablauf der drei Monate bei der Postverwaltung Gebühren reklamiert werden und diese den Erstattungsanspruch mit Rücksicht auf die Verspätung zurückweist, so behauptet die Postbehörde, der Rekla­ mierende stütze seine Reklamation auf einen nicht schlüssigen Tat­ bestand; es seien nicht alle Bedingungen erfüllt, von welchen das Gesetz den Anspruch abhängig macht; der Kläger müsse daher nach­ weisen, daß alle Merkmale des im Gesetz vorgestellten Tatbestandes in concreto vorhanden seien; es greift also die Postverwaltung das Klagefundament selbst an; sie leugnet, daß der Kläger alles behauptet habe, was notwendig sei; daher möge der Kläger das Fehlende bei Vermeidung der Abweisung ergänzen. Noch ein Moment können wir für unsere Auffassung auf­ führen, nämlich die analoge Behandlung der vertragsmäßigen Be-

107

fristung. Es scheiden hier die Fälle aus, daß hinterher dem Rechtsgeschäft noch eine auflösende Befristung hinzugefügt wurde; es ist dies ein Zusatzgeschäft und dieses muß natürlich von dem­ jenigen bewiesen werden, der es behauptet. Wir reden hier nur von den Rechtsgeschäften, die von Aufang tut mit einem bestimmten Endtermin abgeschlossen wurden; es gehören hierher namentlich die Präklusivfristen in Versicherungsverträgen. Es ist nicht unbestritten, wie sich die Beweislast verteilt, wenn der Kläger ein unbefristetes, der Beklagte ein auflösend be­ fristetes Rechtsgeschäft oder, was im Grunde völlig das Gleiche ist, wenn der Beklagte einen anderen Endtermin als der Kläger be­ hauptet. Stölzel sagt im „Recht" (1902 S. 573), daß sich die Substanziierungspflicht des Klägers erweitere, sobald der Beklagte eine Befristung des Rechtsgeschäftes geltend mache; denn diese Be­ hauptung des Beklagten schließe ein Leugnen des Klagegrundes tu sich. Seusifert^) unterscheidet, „ob eine Bestimmung über die Zeit der rechtsgeschäftlichen Wirkungen zu den wesentlichen Er­ fordernissen des Geschäftes gehört oder nicht". — - Behaupte der Beklagte bei einem Geschäfte der ersteren Art eine andere Zeit­ bestimmung als sich aus den Behauptungen des Klägers ergebe, so liege darin eine Bestreitung und den Kläger treffe mithin die Beweislast. Bei der zweiten Gruppe dagegen liege Geständnis mit selbständiger Behauptung vor uttd es müsse daher von dem Beklagten der Beweis hinsichtlich der Zeitbestimmung verlangt werden. Wir können uns nicht weiter mit der Frage befassen, ob Stölzel oder Seuffert eher Recht zu geben ist; man ver­ gleiche hierüber die in S e u f f e r t s Archiv Bd. 5, S 239 f. mit­ geteilte, eingehend begründete Entscheidung, worin namentlich be­ tont wird, daß der Beklagte, der die Berechtigung des Klägers bestreite, da dieser einen dem Rechtsgeschäft beigefügten Endtermin nicht eingehalten habe, keine selbständige Behaupttmg aufstelle, sondern nur leugne, daß die Übereinstimmung so wie sie vom

Kläger behauptet werde abgeschlossen worden sei.

Für unseren Zweck genügt es, darauf hinzuweisen, daß nicht Mur nach Stölzel, sondern auch nach der von Seuffert ver­ tretenen Meinung die Verteilung der Beweislast, wie sie uns bei dem Ablauf einer gesetzlichen Präklusivfrist angemessen scheint, die richtige sein dürfte; denn die gesetzlich befristeten Rechte sind zweifellos zu den Rechten zu zählen, „bei denen die Bestimmung über die Zeit der Wirkungen zu den wesentlichen Erfordernissen" des rechtsbegründenden Tatbestandes gehört.

*) Seuffert, Kommeut. Z.P.47. I. S. 446.

108 Es stehen sich also bezüglich der Beweislast gesetzliche und vertragsmäßige Befristung im wesentlichen gleich. So gut wie der Viehkäufer beweisen muß, daß er die Mängel rechtzeitig ge­ rügt habe, ebenso obliegt bei Versicherungsfristen der Beweis dem­ jenigen, der aus der Versicherung Rechte herleiten will; der Ver­ sicherte muß dartun, daß er den Anspruch innerhalb der Frist geltend mache, daß er den Eintritt des Brandes rechtzeitig an­ gezeigt habe; nicht aber muß der Versicherer das Gegenteil be­ weisen. Wir müssen hinsichtlich der Beweislast auflösende Bedingung und Eintritt eines dem Rechte gesetzten Endtermines unterscheiden. Es ist kein Widerspruch, wenn wir sagen: den Nichteintritt des dies ad quem hat der Kläger; den Eintritt der auflösenden Be­ dingung der Beklagte zu beweisen.

A. hat dem B. versprochen, ihm bis zu seiner Verheiratung jährlich 1000 Mk. zu zahlen. Wenn der B. die 1000 Mk. ver­ langt und der A. will dies mit Erfolg bekämpfen, so muß er be­ weisen, daß das Ereignis eingetreten ist, bei dessen Geschehen das Recht des B. zusammenfällt. Dem befristeten Rechte ist von An­ fang an ein bestimmter Todestag gesetzt; es fällt von selbst weg, wenn seine Zeit gekommen ist. Ganz anders bei dem auflösend bedingten Rechte. Was bereitet denn hier dem Rechte den Unter­ gang ? Sicherlich nicht die dem Rechte innewohnende Unkraft, einen bestimmten Zeitpunkt zu überleben; es kann jeden Zeitpunkt über­ leben und kann uralt werden, wenn der B. das Leben hat und nicht heiratet. Dem Rechte wird hier der Untergang bereitet durch einen äußeren Umstand, der mit dem Rechte in gar keinem inneren Zusammenhänge steht. Die Tatsache der Heirat bewirkt das Erlöschen des Rechtes; daß nun diese Tatsache in einem gewissen Zeitpunkte eintritt, dürfte kaum etwas Außergewöhnliches an sich haben. Be­ fristung eines Rechtes liegt doch immer nur dann vor, wenn die dem Rechte gesetzte Existenzfrist in ihrem Umfange genau bestimmt ist; der Todestag muß sein dies certus an et quando; alle anderen Fälle können nicht zu befristeten Rechten gezählt werden und es sind daher die Sätze, die für befristete Rechte gelten, durchaus nicht ohne weiteres zu übertragen auf die Fälle, die bei ober­ flächlicher Betrachtung eine gewisse Ähnlichkeit mit denselben an

den Tag legen. Nach unserer Auffassung muß also z. B. der Kläger im Falle des 8 864 beweisen, daß er innerhalb der gesetzlichen Jahresfrist Klage erhebe?) Ebenso müßte derjenige, welcher eine Willens­ erklärung wegen Irrtums, Täuschung oder Drohung anficht, nach1) n. A. P lstnek zn $ 864: insofern stls er bezüglich des Beginnes der 3'rift dell Beklstgten beweispflichtig fein läßt.

loO weisen, daß er rechtzeitig anfechte, d. h. er müßte nicht nur den Anfangspunkt der dreißigjährigen Frist, den Zeitpunkt der Abgabe der Willenserklärung, sondern auch den Anfang der Jahresfrist, die Entdeckung der Täuschung bezw. die Endigung der Zwangs­ lage beweisen. Diese Ansicht wird von Crome (System I, S. 357 Sinnt. 13) vertreten.

Nach der überwiegenden Mehrzahl der Schriftsteller muß jedoch der Anfechtungsberechtigte dartun, daß er die Willenserklärung angefochten habe und behaupten, daß dies unverzüglich (§ 121) bezw. innerhalb Jahresfrist (§ 124) geschehen sei. Dem Anfechtungsgegner wird dann die Beweislast über - den Zeitpunkt der Entdeckung des Irrtums oder der Täuschung und über der: Moment des Aufhörens der Zwangslage aufgebürdet, wenn er daraus den Verlust des Anfechtungsrechtes durch Fristversäumnis herleiten will.') Auch wir schließen uns der herrschenden Ansicht an, wenn­ gleich wir prinzipiell eine andere Beweislastverteilung bei den Ausschlußfristen befürworten. Wir weichen hier von der Regel ab aus folgenden zwei Gründen: Vor allem können wir uns auf den Sprachgebrauch des Gesetzbuches selbst berufen.

Nirgends ist hier für die rechtliche Wirksamkeit einer Willens­ erklärung bestimmt, daß in der Person des Erklärenden gewisse positive Voraussetzungen erfüllt sein müssen. Es ist immer nur die Rede davon, daß unter den und den Umständen, wenn dies oder jenes zutreffe, einer Willenserklärung nicht die normale Be­ deutung zukomme, sondern nur eine geminderte oder auch gar keine. Aus dieser Formulierung folgt, daß „die Beweislast hier­ abweichend" von der Regel „hat bestimmt werden sollen" (Planck a. a. O.) Es bildet mithin die Thatsache, daß die Anfechtung unverzüglich, bezw. binnen Jahresfrist erfolgt sei, nach der Fassung der §§ 121, 124 nicht einen Bestandteil des Klagegrundes; sondern die Behauptung, die an sich zulässige Anfechtung sei infolge Frist­ versäumnis ausgeschlossen, ist Einrede \im prozessualen Sinne) und muß daher von dem Behauptenden im Falle entstehender Ungewiß­ heit außer Zweifel gestellt werden. ?)

Für diese Art der Verteilung der Beweislast sprechen ferner noch prozessuale Erwägungen. Es wäre in vielen Fällen höchst ungerecht, wenn man vom Kläger den Beweis verlangen wollte, Gareis § 121 Amn. 6; Riezler § 121 Sinnt. 2, § 124 Sinnt. 2: Planck § 121 Sinnt. 4; Staudinger § 1954 unter III/2; Rehbein I, S. 147: Scherer § 124 Aum. 8; Naumann, Handausgabe des B.G.B. § 124 Nr. 2: Endemann, Einführuug I, § 72 Sinnt. 15; Bendix, d. d. Privatrecht S. 134; Fischer-Henle § 121 Sinnt. 4. 2) Planck I, S. 45 fg.; Beckh, Beweislast S. 48 fg., 141 fg.

110 — daß er rechtzeitig angefochten habe, d. h. wenn er den Zeitpunkt, in dem er Kenntnis von dem Anfechtungsgrunde erhalten habe, beweisen müßte. Wir haben hierein factum internum; soweit nicht Äußerungen des Berechtigten, briefliche Mitteilungen u. s. w.

vorhanden sind, ist die Benützung jedes anderen Beweismittels ausgeschlossen; nur ein richterlicher Eid wäre allenfalls möglich. Ganz anders und viel einfacher liegt die Sache, wenn man den Beweis über den Zeitpunkt der Erlangung der Kenntnis von dem Irrtum oder der Täuschung von dem Anfechtungsgegner fordert. Hier kann dem Anfechtungsberechtigten, soweit ihm nicht die Ver­ säumung der Frist anderweitig nachgewiesen wird, der Eid zngeschoben werden, er solle schwören, er habe erst in dem von ihm behaupteten Zeitpunkte die zur Auslösung der Frist nötige Kenntnis erhalten. Bei den Anfechtungsfristen ist somit die Beweislast anders unter die Parteien verteilt als bei den sonstigen Präklusivfristen. Die für die Ausschlußfristen gefundene Regel ist also wesentlich verschieden von dem, was wir für die Beweislast bei der Geltendmachnng des Verjährungstatbestandes gehört haben. Der Verpflichtete, der dem Allspruch des Gläubigers gegenüber dessen Verjährung behauptet, hat zu beweisen, daß seit der Ent­ stehung desselben die Verjährungszeit verstrichen ist. Der Kläger kann diese Einrede durch die von ihm zu beweisende Replik­ behauptung elidieren, der an sich mögliche Ablauf der Verjährung sei noch nicht eingetreten; denn dieselbe sei gehemmt gewesen oder unterbrochen worden. Behauptet hingegen der Angegriffene, die dem Rechte des Angreifers gesetzte Existenzfrist sei abgelaufen, so macht er nicht eine der Existenzfrage des Rechtes fremde Tatsache geltend, sondern er leugnet, daß alle Voraussetzungen gegeben seien, die notwendig sind, um den konkreten Anspruch als begründet er­ scheinen zu lassen. Es muß also, soweit nicht das Gesetz aus­ drücklich oder stillschweigend das Entgegengesetzte bestimmt, wie z. B. bei der Anfechtung des B.G.B, bei einem befristeten Rechte der Kläger nachweisen, daß er noch innerhalb der Frist stehe, nicht aber trifft den Beklagten die Beweislast, daß die Frist bereits ver­ strichen ilnd das Recht erloschen sei.

V. Öffentlich rechtlicher Charakter der Verjährung und gesetzlichen Befristung. 1. Gültigkeit vertragsmäßiger Vereinbarungen über die Dauer der Frist. § 225 des B.G.B. bestimmt, daß die Verjährung durch Rechtsgeschäft nicht erschwert werden kann, daß dagegen eine Er­ leichterung der Verjährung, insbesondere eine Abkürzung der Ver-

111 jährungsfrist zulässig ist. Wir haben uns hier nur mit einer Art der Erschwerung zu belassen, nämlich mit einer Verlängerung der Verjährungsfrist. Das B.G.B. hat in $ 225 eine gemeinrechtliche Kontroverse entschieden. Das preußische Landrecht stellte es den Parteien frei, kürzere oder längere Fristen als die gesetzmäßigen sind, zu verabreden (I, 9 § 565 ff.); nur mußte ein solcher Vertrag gerichtlich verlautbart werden. Dies ist nicht zu billigen. Auch die Gesetzesrevisoren sprachen sich dahin aus, daß die Verjährung als öffentlich rechtliches Institut jeder Verlängerung durch Partei­ willkür zu entziehen sei. In neuerer Zeit sind Thibaut und Unterholzner dafür eingetreten, daß die Verjährung durch Vertrag solle beliebig verlängert werden können. Thibaut korrigierte sich später dahin, daß die Verjährung nicht über die praescriptio longissimi temporis ausgedehnt werden dürfe. Die Gründe, welche den Gesetzgeber bestimmen, eine Ver­ jährung überhaupt anzuerkennen, müssen ihn mit zwingender Not­ wendigkeit veranlassen, jede Verlängerung der von ihm gesetzten Verjährungsfristen zu verbieten. Wenn die Parteien beliebig mit einander vereinbaren könnten, es solle die Verjährungsfrist einer zwischen ihnen bestehenden Forderung 100 oder mehr Jahre be­ tragen, so würden alle die Zwecke, die der Gesetzgeber mit der Verjährung erreichen will, illusorisch gemacht werden; Verjährung wäre dann nur mehr ein Wort des deutschen Sprachschatzes, nicht mehr aber ein Begriff mit rechtlich bedeutsamem Inhalte; die Parteien hätten es in der Hand, durch das Setzen einer langen Verjährungszeit die Verjährung tatsächlich auszuschließen. Bei der Würdigung unserer Frage darf noch ein Moment nicht übergangen werden. Das B.G.B. stellt in § 195 die gemein­ rechtliche dreißigjährige Verjährungsfrist als die Regel auf, während ein jüngeres Gesetz, nämlich das japanische B.G.B. (§ 167) für Forderungsrechte eine ordentliche Verjährung von 10 Jahren ein­ führt. Von der Regel des § 195 werden aber so viele Ausnahmen gemacht, daß weitaus die Mehrzahl der Ansprüche einer kürzeren Verjährung unterliegt. Die dreißigjährige Frist ist schon vielfach bekämpft worden. Völderndorff hat in feinem Kommentar zum bayerischen Verjährungsgesetz vom Jahre 1859 auf die Un­ zweckmäßigkeit der langen Verjährungsfrist hingewiesen. Ebenso bezeichnet Cretschmar (Arch. f. ziv. Pr. 81) die Verjährungsfrist, welche Theodosius eingeführt hat, als nicht mehr den heutigen Lebensverhältnisfen entsprechend. Bezeichnend hierfür ist auch, daß die verschiedenen Handels- und Gewerbekammern, kaufmännischen und Gewerbevereine Petitionen an die I. Kommission richteten, die kurze Verjährung auf ein Jahr festzusetzen; ihnen war also die zwei- und vierjährige Frist noch zu lang. Nach den Proto­ kollen (S. 332) wurde in der I. Kommission über die Länge der

112 Verjährungsfrist eingehend debattiert. Trotz allem, was dagegen vorgebracht wurde, ging die dreißigjährige Frist als regelmäßige Verjährungsfrist in das Gesetzbuch über. Es muß Befremden er­ regen, wenn nach § 44 H.G.B der Kaufmann seine Handels­ bücher nur 10 Jahre aufbewahren muß, während ein Nichtkauf­ mann seine Quittungen 30 Jahre aufheben soll; es ist nicht recht einzusehen, warum zur Todeserklärung eine 10jährige Verschollen­ heit genügt, während zur Verjährung einer Darlehensforderung 30 Jahre erforderlich sind. Aber man mag hierüber denken wie man will, sicherlich reicht die dreißigjährige Verjährungsfrist, zumal da auch die Möglichkeit einer Hemmung und Unterbrechung er­ öffnet ist, vollkommen aus, um den Gläubiger vor unverdientem Rechtsverlust zu schützen. Wenn er 30 Jahre gezögert hat, so kann man nicht mehr sagen, er leide unbilligerweise Schaden, wenn ihm der Gesetzgeber die Möglichkeit, sein Recht zwangsweise durchzusetzen, entzieht. Von diesem Gesichtspunkte aus werden wir es ganz naturgemäß finden, wenn der Gesetzgeber eine Erschwerung der Verjährung, in Sonderheit eine Verlängerung der Verjährungs­ fristen nicht zuläßt. Auf Grund dieser Erörterungen läßt sich auch die Frage beantworten, ob in den Fällen, wo eine Verlängerung der kurzen Verjährungsfristen ausnahmsweise gestattet ist, diese Frist über die Dauer der gewöhnlichen Verjährungsfrist hinaus erstreckt werden darf. Solche Ausnahmen von dem in S 225 ausgesprochenen Grundsätze finden sich z. B. §§ 477 Abs. 1, 638 und im H.G.B. 414 Abs. 1, 423, 439. § 152 des sächsischen B.G.B. sagte: „Bei kürzerer Verjährung ist eine Verlängerung bis zu dreißig Jahren zulässig und ein Verzicht auf die kurze Verjährung hat die Folge, daß die Forderung der dreißigjährigen Verjährung unterliegt". Im Anschluß hieran bestimmte der 1. Entwurf in § 397 (heute § 477): „Die Frist kann durch Vertrag bis zur ordentlichen Verjährungszeit verlängert werden". Im Gesetz fehlt dieser Satz; die Kommission strich ihn, da sie es innerlich nicht für gerechtfertigt hielt, mit dem Entwurf die Verlängerung nur auf 30 Jahre zuzulassen; es bestehe für diese Schranke kein ge­ nügender Grund. Auch Planck ($ 477 Anm. 5, § 638 Anm. 9) ist dieser Ansicht. Ich halte dies jedoch für unrichtig;*) und zwar nicht nur wegen des gesetzgebungspolitischen Grundes der Verjährung, der sicherlich durch eine vereinbarte endlose Verjährung vereitelt werden würde — und es würde sich wohl jeder Schuldner auf eine beliebige Verjährungsfrist einlassen, da er in der Regel an eine Befreiung infolge Verjährung nicht denken wird —, sondern deshalb, weil 2) Ebenso Standinger § 477 Anm. 3: Oertmann, Schuldverh. S. 202.

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225 hiergegen spricht. Nehmen wir an, die Parteien setzen statt der in § 638 bestimmten sechsmonatlichen Verjährungsfrist eine solche von vielen Menschenaltern, so ist de facto die Verjährung ausgeschlossen. Es dürfte somit eine Verlängerung dieser kurzen Ver­ jährungsfristen nur bis zur Dauer der ordentlichen dreißigjährigen zulässig sein und jeder Vertrag, der eine längere als diese Frist festsetzte, wäre nichtig.

$orto:£l) hat Recht, insofern als die Verjährung etwas positiv Rechtliches, etwas dem verjährbaren Rechte an sich Fremdes ist und man eigentlich hieraus folgern möchte, daß die Parteien frei über ihre Rechte verfüget: könnten. Aber dadurch, daß der Gesetzgeber die Verjährung einführte, hat er dargetan, daß die Allgemeinheit ein Interesse hieran hat und daß es daher den Par­ teien nicht gestattet sein kann, etwas zu vereinbaren, was im Widerspruch mit dem Geiste des Gesetzes steht. Alle Gesichtspunkte, welche gegen die Zulassung einer Ver­ längerung der Verjährungsfristen sprechen, fallet: weg bei der Frage, ob eine Abkürzung derselben gestattet sein soll. Nach £ 225 ist eine Abkürzung der Verjährungsfrist für zulässig erklärt. Damit ist freilich nicht gesagt, daß ein unverjährbarer Anspruch zu einem verjährbaren gemacht werden könne; denn wenn eine Verjährung soll erleichtert werden können, so ist doch Voraussetzung, daß eine Verjährung da ist, bei der eine Abkürzung eintreten kann; insofern sind die Bestimmungen über Verjährung zwingendes Recht. Die Motive (I, S. 345) setzen dies auch als selbstverständlich voraus. $ 225 Satz 2 steht ebenso in engem Zusammenhänge mit dem Wesen der Verjährung wie die Ausschließung einer Verlängerung. Während hier der Gesetzgeber sein Ziel erreicht, indem er der Parteivereinbarung eine Grenze steckt, werden dort die Zwecke des Gesetzgebers: Sicherheit des Verkehrs und des Schuldners, durch die Partei­ verabredung gefördert. Es ist freilich zuzugeben, daß die Ver­ jährung juris publici ist und daß von diesem gilt: jus publi­ cum pactis privatorum mutari non potest (L. 38 D. 2. 14) und privatorum conventio juri publico non derogat (L. 45 § 1 I). 50. 17); allein man darf den öffentlich rechtlichen Charakter doch nicht zu sehr urgieren und darüber vergessen, daß der Ge­ setzgeber mit der Verjährung auch dem Interesse des Schuldners entgegenkommen will. Ein so starres jus cogens, das jede Partei­ verfügung ausschließen würde, stellen die Sätze über die Verjährung nicht dar; sagen doch auch die Motive (I, S. 346k „Ein genügender Grund, die Erleichterung der Verjährung der Privatwillkür zu entziehen, liegt nicht vor. Derartige Verfügungen' fördert: det: Verjährungszweck"; denn derselbe wird dadurch in einem viel *) Horwitz, Gutachten a. d. Anw.-Ltcmd L. 587 ff.

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früheren Zeitpunkte erreicht, als es ohne Parteiverabrednng möglich gewesen wäre.

Wenn nun die Parteien an Stelle der gesetzlichen Ver­ jährungsfrist eine kürzere Frist setzen, so kann diese Vereinbarung zweifache Bedeutung haben: entweder wird lediglich die im Gesetz bestimmte Verjährungsfrist auf einen kürzeren Zeitraum herab­ gesetzt, sodaß der Gläubiger nach Ablauf derselben sein Recht wider den Willen des Schuldners nicht mehr solle ausüben können oder es kann von den Parteien beabsichtigt sein, daß das sie verbindende Rechtsverhältnis überhaupt nur bis zu einem bestimmten Zeit­ punkte bestehen solle. Im ersteren Falle haben wir weiter nichts wie eine gewöhnliche Verjährungsfrist, auf welche alle Regeln über die Verjährung Anwendung zu finden haben; im zweiten Falle dagegen endigt das Recht als ein von Haus aus sub die ent­ standenes mit dem Ablallf der Frist von selbst.

Im Zachariäischen Handbuch des franz. Zivilrechtes (1, S. 414 Anm. 4) heißt es, es läge in jedem Falle der vertragsmäßigen Abkürzung der Verjährungsfrist „eine präjudizielle kontraktliche Frist zur Geltendmachung des Anspruches", also Temporalität vor. Allein so schlechthin, wie er ausgesprochen wurde, vermag dieser Satz nicht Geltung zu beanspruchen; es kommt immer auf den Willen der Parteien an und zwar auf den wirklichen Willen; es ist nicht an dem bilchstäblichen Sinne des Ausdruckes zu haften (B.G.B. S 133). Allgemeine Regeln lassen sich hierüber nicht auf­ stellen; nur soviel ist sicher, daraus allein, daß die Parteien die von ihnen vereinbarte Frist eine Verjährungsfrist genannt haben, folgt noch gar nichts (R.O.H.G. 8, Nr. 65). Wie soll man einem Laien die Kenntnis und scharfe Scheidung von Begriffen zumuten, die noch bis vor kurzem in den Gesetzbüchern kunterbunt durch­ einander geworfen wurden und die heute noch sogar von Juristen promiscue gebraucht werden. Ein Urteil des franz. Kassationshofes vom 24. Februar 1826 sagt treffend: „Les parties ne connaissent pas toujours Ja valeur scientifique des inots. C’est leur esprit, qu’il saut consulter, et non des ras 6 nein en', s academiques bons pour les gavants“. Noch ein Indizium nennt Grawein (a. a. O. S. 133): „Auffallende Abkürzungen der Frist werden in der Regel zugunsten der Umwandlung der Verjährung in eine Befristung sprechen". Man darf hieraus jedoch keine sicheren Schlüsse ziehen und vor allem muß man sich hüten, hierin mehr als ein bloßes Indizium für die Absicht der Parteien zu erblicken.

Besonders häufig wird eine Entscheidung über den Charakter solch kurzer vertragsmäßiger Fristen nötig bei Versicherungspolicen

115 und Zeitkaufgeschäften. ’) Das preußische Obertribunal hat früher in den Versicherungsbestimmungen, daß der Versicherte innerhalb einer gewissen Frist seinen Anspruch geltend machen müsse, widrigen­ falls er erlösche oder daß der Versicherte den Unfall innerhalb einer bestimmten Frist bei dem Agenten der Versicherungsgesellschaft anz'eigen müsse, keine Verträge über die Verjährung, sondern lediglich die Festsetzung einer Bedingung erblickt, welche von dem Versicherten bezw. dessen Rechtsnachfolgern erfüllt werden müsse, wenn er über­ haupt aus dem Versicherungsverträge ein verfolgbares Recht er­ halten solle.*2) Dieser Auffassung ist Koch in seinem Kommentar zum Preußischen Landrecht (I, 4 tz 100 und I, 9 £ 565) scharf zu Leibe gegangen; auch Heydemann (Einleitung in das System des P.Z.R. 2, I, S. 210) wendet sich gegen die Ansicht des Ober­ tribunals mit den Worten: „Es handelt sich hier um solche Ver­ einbarungen, welche nicht etwa die gesetzlichen Bestimmungen über die Verjährung der erst aus dem Vertrage hervorgehenden Rechte und Klagen zu ändern resp, zu beschränken beabsichtigen, sondern vielmehr gleich von Hause aus die Substanz des Vertrages affi­ gieren und das Recht selbst nicht anders als in dieser bestimmten Fristbegrenzung konstituieren". Auch das R.O.H.G. vertrat die Ansicht, daß es sich bei dell Versicherungsfristen um etwas ganz anderes handle als um ab­ gekürzte Verjährungsfristen. So heißt es einmal (Bd. 12, S. 205): Es dürfe nicht angenommen werden, daß alle betreffs der Ver­ jährung geltenden Bestimmungen auf das Rechtsverhältnis an­ gewendet werden könnten; denn es sei sehr unwahrscheinlich, daß die Versicherungsgesellschaft die Versicherungsfrist in jedem Rechts­ gebiet anders behandelt wissen wolle und bei der verschiedenartigen Gestaltung des Verjährungsinstitutes sei eine einheitliche Behandlung der Versicherungsfrist sicherlich nicht zu erwarten. Dieser Grund ist ja Wohl für unser heutiges Recht beseitigt; denn die Verjährung hat eine für das ganze Reich geltende einheitliche Regelung er­ fahren; aber nichtsdestoweniger dürfte an dem Resultate kaum etwas zu ändern sein; denn es ist hier eine Ausschlußfrist ent­ schieden besser am Platze als eine Verjährungsfrist, wie auch Blumenstein gegenüber Roelli bemerkt, der in seinem schweizerischen Ent­ wurf (Art. 45) für alle Versicherungsklagen eine Verjährungsfrist vorsieht. Das Gleiche gilt von Zeitkaufgeschäften. Das Ober­ tribunal^) hat entschieden, daß die in den Schlußzetteln der ver­ eidigten Berliner Kourtiers sich vorfindende Bestimmung: „Auch müssen überall die Rechte aus dem gegenwärtigen Geschäft in ben ’) Bergl. Nehbein, a. a. O. 300; Nie; l e r a. a. C. 3. 370 : D e r n bnrg I, S. 502. 2) Bergl. Striethorst, Arch. 38, S. 34 ff. 8) Bergl. Striethorst, Arch. 14, Nr. 9.

— 116 — nächsten (> Wochen nach dein Erfüllungstage bind) gerichtliche Klage geltend gemad)t werben, widrigenfalls selbige unbedingt erlöschen und nicht mehr verfolgt werden können", nicht als Vertrag über die Verjährung anzusehen sei; sondern daß der Fristbestimmung die Absicht zugrunde gelegen habe, das ganze Geschäft, wie es dessen Natur mit sid) bringe, innerhalb eines kurzen Zeitraums zu beschränken; die Rechte aus demselben seien von Anfang an nur mit der Maßgabe der Ausübung innerhalb dieser Frist er­ worben worden. Es ist also bei einer vertragsmäßigen Fristbestimmung sehr genau zuzusehen, ob nur eine Abkürzung der Verjährungsfrist oder die Setzung einer Ausschlußfrist beabsichtigt war; weder für das eine noch für das andere spricht die Vermutung; es kommt lediglich auf die Umstände des einzelnen Falles und auf den Willen der Parteien an. Wenn wir uns nun fragen, wieweit die Dauer einer gesetz­ lichen Präklusivfrist der Verfügung der Parteien unterstellt ist, so fehlt uns hier eine gesetzliche Bestimmung; wir sind wie überhaupt bei der Betrachtung dieser Fristen auf allgemeine Erwägungen an­ gewiesen. Die Frage, ob die Parteien über die Länge einer gesetzlichen Präklusivfrist verfügen können, ist identisch mit der Frage, ob das befristete Recht ihrer Disposition unterstellt ist. Grawein kommt (a. a. O. S. 133 u. 134) zu dem Ergebnis, daß allgemein eine ver­ tragsmäßige Änderung der Dauer der Frist zulässig ist;' nur neben­ bei erwähnt er, daß es auch einige Fälle gebe, wo man zu dem entgegengesetzten Resultate kommen müsse. Sehen wir uns einmal einige Beispiele an: Bei einer Reihe von Fällen bedarf es keines Beweises, daß weder eine Verlänge­ rung noch eine Verkürzung der Frist zulässig ist. Hierher gehören einmal die gewerblichen und literarischen Schutzfristen; sodann vor allem die in SS 1339, 1594, 1954, 2082, 2340 bestimmten An­ fechtungsfristen, die in S 1571 für die Erhebung der Scheidungs­ klage gesetzte Frist, ferner die Ausschlagungsfrist für eine angefallene Erbschaft (§ 1944). Diese Fristen sind lediglich im öffentlichen Interesse eingeführt und schon deshalb in jeder Beziehung der willkürlichen Parteivereinbarung entrückt; sodann dürfte überhaupt hier die ganze Frage illusorisch sein, da es in allen diesen Fällen an einem Schuldner fehlt, der innerhalb der Frist zu einem Leisten gezwungen werden kann. Dem steht eine Reihe von Fristen gegenüber, bei welchen eine Änderung in ihrer Ausdehnung nach oben wie nach unten für zulässig erachtet werden muß. Das Gesetz hat dies in einigen Fällen ansdrücklich gesagt, z. B. in 503 und 510, da man namentlich beim Wiederkaufsrecht wohl nicht ohne Grund hätte

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dazu gelangen können, eine Verlängerung der Frist für unstatthaft zu erklären, wie z. B. Troplong Nr. 44, der irrtümlicherweise die dem Wiederkaufsrecht gesetzte bjährige Frist eiue „prescription“ nennt; in anderen Fällen ergibt sich dies von selbst. So können ganz zweifellos die Parteien die zwischen ihnen bestehenden be­ fristeten Ansprüche durch vertragsmäßige ersetzen und aridere Fristen vereinbaren; ebenso können die Parteien die Anfechtungsfristen bei wirtschaftlichen Anfechtungsrechten und die Prüsentationsfrist beim Wechsel in beliebiger Höhe festsetzen. Die Befristung des Anfechtungsrechtes will bewirken, daß der Schuldner nicht zu lange hingehalten wird; er soll so schleunig wie möglich wissen, woran er ist; verzichtet er auf dieses beneficium, so' ist dies seine Sache. Diese beiden Gruppen von Fristen stehen sich diametral gegen­ über; bei der einen ist jede Ändenrng der Dauer unmöglich; hier sind die Fristen absolut und ein für allemal bestimmt; bei der anderer: Gruppe ist sowohl eine Verlängerung als auch eine Abkürzung der Frist zulässig. In der Mitte zwischen dieser: beider: Extremer: stehen noch zwei Arten vor: Fristen. Nach § 617 muß unter der: dort bezeichneten Voraussetzunger: der Dienstberechtigte dem Ver­ pflichteten bis zur Dauer vor: sechs Wocher: Verpflegung urhd ärzt­ liche Behandlung gewähren. Diese dem Dienstberechtigter: obliegende Verpflichtung kann nach $ 619 nicht im voraus d. h. vor Be­ endigung des Dienstverhältnisses beschränkt rverden. Dagegen steht nichts im Wege, daß die beiden Parteier: z. B. beirr: Abschluß des Dienstvertrages vereinbaren, der Dienstpflichtige solle Verpflegung und Unterhalt statt für 6 Wochen, für 2, 3 Monate verlangen können. Ebenso steht es mit dem Unterhaltsanspruch des unehelichen Kindes. Der Vater muß demselben bis zum vollendeter: 16. Lebens­ jahre den der Lebensstellung der Mutter entsprechenden Ur:terhalt gewähren. Eine Vereinbarung zwischer: dem gesetzlichen Vertreter des Kindes und dem Vater des Inhaltes, daß der letztere ver­ pflichtet sein solle, nur 14 Jahre lang Unterhaltsbeiträge zu zahlen, wäre nichtig; dies würde einen unentgeltlichen Verzicht auf den Unter­ halt für die Zukunft bedeuten (§ 1714 Abs. 2); dagegen dürfte kaum ein Grund gegen die Gültigkeit eines Vertrages geltend ge­ macht werden können, in- welchem sich der Vater verpflichtet, dem Kinde etwa bis zum vollendeten 21. Lebensjahre Unterhalt zu ge­ währen. Es sind dies Fristen, wo es sich gerade umgekehrt verhält wie bei der Verjährung; es ist in den angeführter: Beispiele:: wohl eine Verlängerung der Frist, nicht aber eine Abkürzung derselben zulässig. Es erübrigt mir noch, von einer 4. Gruppe von Fristen zu sprechen: § 77 des H.G.B. Abs. 2, dein der tz 127b der Gew-Ord.

118 zum Vorbilde biente, sagt: „Das Lehrverhältnis kann, soferne nicht eine längere Probezeit vereinbart ist, während des ersten Monats nach dem Beginne der Lehrzeit ohne Einhaltung einer Kündigungs­ frist gekündigt werden. Eine Vereinbarung, nach der die Probe­ zeit mehr als 3 Monate betragen soll, ist nichtig". Wir haben hier den Fall, daß dem Parteivereinbaren eine doppelte Schranke gesetzt ist: Die erste Frist von einem Monat kann bis zu einem bestimmten Höchstbetrag verlängert, nicht aber abgekürzt werden; die zweite, dreimonatliche Frist kann nicht durch eine längere, wohl aber durch eine kürzere ersetzt werden; dies aber auch nicht schlecht­ hin, sondern die vertragsmäßige Frist darf unter einen gesetzlich festgelegten Minimalbetrag nicht herabgehen. Ich denke, diese Beispiele genügen, um uns ein brauchbares Resultat zu liefern. Sie zeigen uns, daß sich eine einheitliche Theorie darüber, inwieweit eine Verlängerung oder Verkürzung der gesetzlichen Fristen im Belieben der Parteien steht, nicht-auf­ stellen läßt. Wir haben gesehen, daß es Fristen gibt, welche jeder Einwirkung durch die Parteien unzugänglich sind, daß andere ent­ weder nur verlängert oder nur verkürzt und daß endlich wieder andere, nach beiden Richtungen hin durch die Parteien abgeändert werden können. Wir haben der Kürze halber bisher immer gesagt: Die Parteien können die Frist verlängern oder verkürzen; es ist dies eigent­ lich ungenau. Welche Bedeutung kommt denn einem solchen Ver­ trage zu, irr dem bestimmt wird, dem Arbeiter soll der Entschädi­ gungsanspruch ($ 112 Gew.-Ord.) 3 Monate lang zustehen? Er­ schöpft sich da wirklich der Inhalt des Vertrags mit der Änderung der Frist? Nein; der Vertrag geht inhaltlich weiter. Dies wird deutlich, wenn wir den Fall setzen, daß die gesetzliche Frist ver­ längert wurde und der Berechtigte sein Recht innerhalb der ver­ tragsmäßigen, jedoch nach Ablauf der gesetzlichen Frist geltend macht. Weiln hier der Beklagte den Ablauf der gesetzlichen Frist Vorbringen würde, so würde der Kläger sich auf den Vertrag stützen; der Vertrag hat das kraft Gesetzes entstandene Recht durch ein neues ersetzt, welches zwar den gleichen Inhalt wie das ge­ setzliche hat, im übrigen aber selbständiger Existenz fähig ist. Der Vertrag, in dem die Parteien die Dauer einer gesetzlichen Aus­ schlußfrist — soweit dies überhaupt zulässig — ändern, geht über diesen bescheidenen Inhalt hinaus; er gibt ein ganz neues Recht, so daß sich der Berechtigte selbstverständlich nichts mehr um die gesetzliche Frist zu kümmern hat. Es läßt sich somit nicht, wie Graweill meint, ein weiterer prinzipieller Unterschied zwischen Verjährung und gesetzlicher Be­ fristung anfstellen dahin, daß bei der ersteren eine Verlängerung der Frist unzulässig, bei der letzterer: zulässig wäre. In jedem ein-

119 zelnen Falle, in dem wir eine gesetzliche Befristung vor uns haben, müssen wir zusehen, ob die Frist vom Gesetzgeber ausschließlich int öffentlichen Interesse gegeben ist oder nicht; je nachdem wird un­ sere Entscheidung lauten. Daraus allein, daß eine Frist nicht ver­ längert werden kann, ist noch kein entscheidendes Argument für oder gegen das Vorhandensein einer Präklusivfrist zu entnehmen. Der Umstand, daß eine gesetzliche Frist verlängert werden kann, ohne daß dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist, spricht ja dafür, daß sie keine Verjährungsfrist ist; aber dies darf nicht dahin um­ gekehrt werden: Jede Frist, die nicht verlängert werden kann, ist eine Verjährungsfrist; denn wir haben eine stattliche Reihe von Präklusivfristen kennen gelernt, die ebensowenig wie die Verjährungs­ fristen einer Ausdehnung fähig sind. Znm Schluffe sei noch eine Bemerkung gestattet. Wir haben gehört (f. S. 70, 82), daß eine private Mahnung des Gläubigers die Verjährung nicht zu unterbrechen vermag, obwohl man eigentlich das Gegenteil annehmen möchte; denn das Stillschweigen ist doch gebrochen. Hier wird es uns klar, daß dies guten Sinn hat. Wäre nämlich der privaten Anforderung des Gläubigers (Schicken einer Rechnung it. s. w.) unterbrechende Wirkung beigelegt, so könnte die Verjährungsfrist nicht nur durch private Abmachung, sondern durch eine einseitige Handlung des Gläubigers nicht nur verlängert, sondern tatsächlich ausgeschlossen werden; er bräuchte mir von Zeit zu Zeit einen Mahnbrief zu schicken.

2. Zulässigkeit einer vorherigen Ausschließung der Frist. Über die Zulässigkeit der vertragsmäßigen Ausschließung der Verjährungswirkungen, also eines vor Ablauf der Verjährung er­ klärten Verzichtes auf ihre Wirkung, herrschte im gemeinen Rechte Streit. Unser B.G.B. hat in 8 225 entschieden, daß die Ver­ jährung durch eine Vereinbarung der Parteien nicht ausgeschlossen werden kann. Die gleiche Bestimmung finden wir im sächsischen B.G.B. (152) und im C. c. (Art. 2220); diese Anordnung ist vernünftig und findet ihre Begründung in den gleichen Momenten, welche gegen die Zulassung einer Verlängerung der Verjährungs­ frist sprechen und es kann daher zur Begründung des Verbotes der vertragsmäßigen Ausschließung der Verjährung auf das im vorigen Abschnitte über die Unzulässigkeit der vertragsmäßigen Ausdehnung der Verjährungsfrist Gesagte verwiesen werden. Auch T r o p l o n g findet Art. 2220 des C. c. ganz in der Ordnung. Er sagt Nr. 43: „Dans la reuonciation anticipec a une prescription non acquise, il y a quelque ehosc qui trouble le bien public, qui encourage la laute ou l’incurie, et deroge

120 ä une loi d’utilite gönerale. D’ailleurs, sans cette precaution, les renonciations aux prescriptions non echues deviendraient de style, et la faiblesse des particuliers desarmerait la societe, en lui enlevant son plus ferme appui“. Wie steht es nun hinsichtlich der Ausschließung der Verjährung in den Fällen, wo der Gesetzgeber bestimmt, daß eine kurze Ver­ jährungsfrist von den Parteien verlängert werden könne? Können hier die Parteien bestimmen, daß überhaupt jegliche Verjährung ausgeschlossen sein solle? Ich glaube nicht; sowenig meiner An­ sicht nach in diesen Fällen die Verjährungsfrist über die Dauer von 30 Jahren hinaus ausgedehnt werden kann, ebensowenig kann sie gänzlich ausgeschlossen werden; ich meine vielmehr, daß der Verzicht auf die kurze Verjährung die Wirkung hat, daß der An­ spruch nunmehr der ordentlichen 30jährigen Verjährung rmterliegt. Diese Ansicht war in Sachsen Gesetz (§ 152 des sächs. B.G.B.). Horwitz (ö. a. O. S. 587) vertritt eine dem ersten Satze des S 225 entgegengesetzte Meinung. Ihm scheint es vom Stand­ punkte der Theorie aus nicht verständlich, daß der Schuldner nicht auf die noch laufende oder noch nicht begonnene Verjährung solle verzichten können, nachdem das Wirksamwerden des Verjährungs­ ablaufs ganz von dem Belieben des Schuldners abhänge. Auch die praktischen Erwägungen erscheinen ihm nicht so dringend, als daß dadurch § 225 gerechtfertigt würde. Es ist wohl zuzugeben, daß viel gegen, aber ebensoviel, vielleicht noch mehr für § 225 spricht. Es hat guten Sinn, wenn das Gesetz eine Ausschließung der Verjährung verbietet; denn wäre dies nicht der Fall, so könnten §§ 194—225 ruhig aus dem Texte des B.G.B. entfernt werden. Es würde wohl kaum Vor­ kommen, daß sich ein Schuldner gegen den Ausschluß der Ver­ jährung sträubt. Entweder er muß sich fügen, auch wenn er nicht wollte, weil er sonst ben gewünschten Kredit nicht bekäme oder er wird sich mit dieser Vertragsbestimmung ohne weiteres einverstanden erklären, da er ihr gar keine Bedeutung beimißt; denn er spekuliert in der Regel nicht darauf, durch Verjährung, sondern durch Leistung vor: seiner Verbindlichkeit frei zu werden. „Mit der nämlichen Sicherheit", wie bezüglich der Verjährung, beantwortet Grawein hinsichtlich der gesetzlichen Befristung die Frage, die in diesem Abschnitte behandelt werden soll. Nach seiner Ansicht kann es den Parteien nicht verwehrt werden, die dem Rechte anhaftende zeitliche Schranke zu beseitigen; er macht dabei nicht ein­ mal den bescheidenen Vorbehalt, von dem wir int vorigen Ab­ schnitte gesprochen haben, daß es doch vielleicht die eine oder andere Frist geben könne, bei der eine Ausschließung unstatthaft sei. Es dreht sich hier wiedertlm itnt die Frage: Können die Parteien den dem rechtsbegründenden Tatbestände anhaftenden Mangel dadurch

121 beseitigen, daß sie an Stelle des befristeten'Rechtes ein vertrags­ mäßiges begründen, welches von jeder zeitlichen Schranke frei ist und unter Umständen nur mehr der Verjährung unterliegen kann? Dies letztere kann nur dann eintreten, wenn die Parteien verein­ baren, der Berechtigte solle statt des gesetzmäßigen „Anspruches" einen Anspruch gegen den Verpflichteten haben, der nicht mehr in seiner zeitlichen Extension begrenzt ist. In den anderen Fällen werden nur zwei Möglichkeiten in Frage kommen: Können die Parteien das gesetzlich befristete Recht durch ein Recht mit neuem Endtermin ersetzen — inwieweit dies angängig ist, davon wurde schon gesprochen —, oder können sie dem Rechte jede zeitliche Schranke nehmen, sodaß es ad infinitum weiterzubestehen vermag? Die Möglichkeit einer solchen vertragsmäßigen Beseitigung der zeitlichen Beschränkung des Rechtes muß überall da angenommen werden, wo es den Parteien gestattet ist, an Stelle der gesetzlichen Frist eine längere Frist zu vereinbaren; in allen anderen Fälle:: dagegen, wo aus irgend einem anderen Grunde die Parteien die einem Rechte vom Gesetze beigefügte gesetzliche Zeitfrist nicht ver­ längern können, ist die entgegengesetzte Entscheidung die richtige. Es ist also ebensowenig wie bezüglich der vertragsmäßigen Verlängerung der Frist hinsichtlich ihrer gänzlichen Beseitigung ein prinzipieller Unterschied zwischen Verjährung und gesetzlicher Befristung zu konstatieren. Wir können nür das eine sagen: Die Verjährung kann prinzipiell nicht beseitigt werden und sollte auch eine kurze Verjährungsfrist ausgeschlossen werden können; die ordentliche Verjährungsfrist bleibt trotzdem bestehen; auf sie kann im vornhinein nicht verzichtet werden. Bei der gesetzlichen Be­ fristung dagegen müssen wir in jedem cn^ebtcn Falle genau zu­ sehen, ob eine Beseitigung der das Recht zeitlich begrenzenden Schranke zulässig oder ob Glicht der gesetzliche Endtermin unab­ änderlich ist. Aus dem Grunde allein, daß die einem Rechte bei­ gefügte Frist nicht beseitigt werden kann, ist also noch kein zwingen­ der Schluß auf das Vorhandensein einer Verjährungsfrist zu ziehen. Wollen wir hier einen Augenblick innehalten! Wenn wir den Inhalt der beiden letzten Kapitel noch einmal überblicken, so zeigt sich die Richtigkeit besser:, was wir über die Geltendmachung rmd den Beweis des Ablaufs einer gesetzlichen Präklusivfrist gesagt haben. Die Frage, ob eine Abänderung oder Arrsschließrrng der Existenzfrist eirres Rechtes möglich sei, könrren wir nrrr beantworten aus dem Wesen des befristeten Rechtes. Gerrau in dem gleicher: Umfange, in welchem die Parteien über dieses Recht disponiere!: können, steht ihnen die Verfügung über die gesetzliche Frist zu. Es ist dies ein Beweis dafür, daß die Frist mit dem Wesen des befristeten Rechtes aufs er:gste zusammenhängt, daß sie selbst eine wesentliche Eigenschaft des befristete:: Rechtes ist. Lediglich eine

122 Folge dieser Tatsache' ist der Satz, daß die Einhaltung der Frist zu den die Klage begründenden Tatsachen, zum Klagegrund gehört und daß daher die von dem Beklagten ausgehende Rüge der Ver­ säumung der Frist nicht die Geltendmachung eines selbständigen Berteidigungsbehelfes, sondern ein Leugnen des Klagegrundes ist.

3. Bedeutung des Verzichtes auf die Geltendmachung deS Frist­ ablaufs bei Verjährung und gesetzlicher Befristung. Wir haben gehört, daß eine verjährte Schuld noch in mannig­ facher Beziehung wirksam sein kann und daß eine verjährte Schuld für einen ehrbaren Mann ebensogut eine Schuld ist wie eine noch nicht verjährte; wir haben ferner gehört, daß der Beklagte sich auf die Tatsache der eingetretenen Verjährung berufen muß, wenn der Richter dieselbe soll berücksichtigen dürfen und daß nichts den Berechtigten hindert, eine Forderung trotz ihrer Verjährung ein­ zuklagen; kurz wir wissen, daß die Wirkung der Verjährung in der Erzeugung einer materiellrechtlichen Einrede besteht, die den Schuldner berechtigt, ungeachtet des rechtsgültigen Bestandes seiner Verpflichtung deren Erfüllung zu verweigern. Das Wesen der Einrede besteht nach dem B.G.B. darin, daß sie den Bestand des Rechtes unangetastet läßt, während sie dessen Durchsetzbarkeit zwar nicht zu einer gehemmten, aber doch zu einer hemmbaren macht. Die Einrede ist also ein Recht des Schuldners, ein Gegenrecht, mit dem er das Recht desGläubigers hemmen kann. Auf dieses Recht kanu der Schuldner, wie auf jedes andere Recht auch, so­ weit es seiner Verfügung untersteht, verzichten. $$ 768 Abs. 2, 773 Z. 1, 1137 Abs. 2, 1211 Abs. 2 sprechen ausdrücklich von einem Verzicht auf eine Einrede. Auch ein Verzicht ans die Ein­ rede der Verjährung kann keinem Bedenken unterliegen. Da die Verjährung nnr dann beachtet werden darf, wenn sie vorgeschützt wird, so liegt in dem Nichtvorbringen derselben ein stillschweigender Verzicht, vorausgesetzt, daß der Einredeberechtigte von der Ver­ jährung Kenntnis hat. Wenn der Verpflichtete eine verjährte For­ derung bezahlt oder eine Sicherheit für dieselbe bestellt, so ist in diesen Handlungen, wenn er sie in Kenntnis der eingetretenen Verjährung vornimmt, der Wille-, auf die Verjährung zu ver­ zichten, ziemlich deutlich zum Ausdruck gebracht. Wenn nun der Schuldner einfach durch Nichtgeltendmachen der Verjährungseinrede die Schuld behandeln kann, als sei sie noch nicht verjährt, so kann er noch vielmehr ausdrücklich durch einen mit dem Gläubiger ge­ schlossenen Vertrag sich seines Einrederechtes begeben. Ein solcher Vertrag, in dem der Verpflichtete auf die durch die Verjährung erlangten Vorteile verzichtet, enthält mm an sich nicht einen neuen

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konstitutiven Tatbestand; er beseitigt lediglich eine der freien Realisierung des Rechtes entgegenstehende Schranke. Es bedarf ja auch gar keines neuen, rechtsbegründenden Aktes; das alte Recht besteht ja noch. Dies besagt auch ein Urteil des R.O.H.G. (13,®. 29): „Um dem Forderungsrechte nach Ablauf der Verjährungsfrist Wirk­ samkeit zu verschaffen, bedarf es nicht einer Neubegründung der Schuld, sondern es genügt die Beseitigung der dem Forderungs­ rechte entgegenstehenden Einrede". Die Zulässigkeit eines Verzichtes auf die Geltendmachung der Verjährungswirkungen wird allseits anerkannt. Auch die fremden Gesetzgebungen gestatten denselben. Das österreichische Gesetzbuch verbietet nur die Entsagung „im voraus", woraus Grawein mit Recht schließt, daß der „erst nach Ablauf der Verjährungs­ zeit geleistete Verzicht" gültig ist. Eure ausdrückliche Bestimmung enthält der C. c. art. 2220 und 2221. Nachdem zunächst eine Ausschließung der Verjährung für unzulässig erklärt ist, heißt es weiter: ,,on peut renoncer ä la prescription acquise“. Hiezu bemerkt treffend Troplong (a. a. O. Nr. 49): ,,Cette renonciation ä un droit tombe desormais dans le domaine prive a quelque chose de favorable; eile est le plus souvent un acte de conscience et do delicatesse“. Ebenso wie bei der Verjährung müsserr wir allch bei der gesetzlichen Befristung auf die Wirkung des Zeitablaufes zurück­ gehen, wenn wir die Bedeutung eines nach Beendigung der ge­ setzlichen Frist ausgesprochenen Verzichtes auf die Geltendmachung jener Wirkung in richtiger Weise würdigen wollen. Wir wissen, daß mit dem Ablauf des dies supremus das Recht in sich zu­ sammenfällt, daß es ohne weiteres erlischt. Es scheiden auch hier wieder von unserer Betrachtung eine große Zahl von Fristen aus, nämlich alle diejenigen, die lediglich im öffentlichen Interesse ein­ geführt sind. So ist es selbstverständlich, daß die Ehegatten durch einen Vertrag das mit dem Ablauf der gesetzlichen Frist erloschene Ehescheidungs- und Eheanfechtungsrecht nicht wieder Herstellen können; auch wenn der Gegner des zur Anfechtung oder Schei­ dung berechtigten Ehegatten erklärt, er wolle nicht, daß der Ab­ lauf der Frist berücksichtigt werde, so ist diese Äußerung ganz be­ langlos. Zum Vergleich können mtr diejenigen befristeten Rechte herangezogen werden, welche der Disposition der Parteien nicht entzogen sind. Es begegnen uns hier wieder die so oft genannten Ansprüche der 864, 977, 1002 des B.G.B. Wendt sagt (a. a. O. S. 176): „Sofern es sich um Ansprüche rein vermögens­ rechtlicher Natur handelt, wird von einem öffentlichen Interesse an der Wahrung der Frist nicht die Rede sein können und werden wir auch die Zulässigkeit eines Verzichtes des Verpflichteten all-

124 zuerkennen haben"; dem können wir jedoch nicht beistimmen. Es unterliegt keinem Zweifel, haft der Anspruch mit dem Ablauf der Frist „erlischt", daß er völlig vernichtet wird. Ein Verzicht auf diese Wirkung des Fristablaufes hätte die Bedeutung, daß das ur­ sprünglich befristete Recht immer noch zu Recht besteht, daß also das erloschene Recht wieder hergestellt wird. Das ist unmöglich; das erloschene Recht kann nicht wieder zum Leben gebracht werden. Was wäre denn die Folge eines solchen Verzichtes des Verpflichteten, er wolle im Prozeß nicht ans den Ablauf der Frist Hinweisen? Merkt der Richter ans irgend welchem Vorbringen, daß der Be­ rechtigte die Frist nicht eingehalten hat, so erfolgt Abweisung der Klage, auch wenn der Verpflichtete dies nicht wünschen sollte. Aber eine solche Verzichtserklärung kann über einen einfachen Verzicht auf die Geltendmachung der Wirkung des Fristablaufes hinausgehen; es kann in dem formlosen Verzichtsvertrag die Be­ gründung einer neuen Schuld liegen. Die Parteien werden hier vielleicht vereinbaren, der Gläubiger solle sein Recht trotz des Fristablaufes fernerhin noch ausüben können; aber es liegt hierin keineswegs ein Verzicht auf die Wirkung des Fristablaufes. Das sehen wir am besten aus folgendem: Es verspricht z. B. der Finder dem Eigentümer, daß er dasjenige, was er durch die Rechtsänderung erlangt habe, trotz Ablaufs der in £ 977 festgesetzten Frist zahlen wolle. Stützt mm der Eigentümer sein Verlangen ans den Tat­ bestand, welcher die Grundlage des in S 977 bestimmten Anspruches bildet? Neiu; deun weuu er das täte, so wäre sein Begehren un­ gerechtfertigt. Der Grund feiner Berechtigung liegt in dem Ver­ trag, den die beidell abgeschlossen haben; er gründet eine etwaige Klage nicht auf £ 977, sondern auf den Anspruch, den er durch dell Vertrag erworben hat. Welm dieser Anspruch auch deu gleichen Inhalt hat wie der des S 977, so ist doch der alte gesetzliche nicht mehr imstande, das Flrndament einer begründeten Klage zll bilden. Ählllich liegt die Sache bei dell wirtschaftlichen Anfechtungsrechtell. Wenll ein solches infolge Ablaufes der Anfechtungsfrist erloschen ist, so kaml diese Wirkung nicht mehr rückgängig gemacht werden. Dagegell steht es den Parteiell frei, ein in seiner Wirkung dem Anfechtungsrecht sehr llahekommendes llelles Recht zu schaffen, illdem dem ehemaligell Anfechtungsberechtigten ein vertragsmäßiges Rücktrittsrecht eingeräumt wird. Ein Vertrag, in deln ans die Geltendmachung des mit Ab­ lauf der Frist eintretellden Erfolges verzichtet wird, hat also eine ganz verschiedelle Bedeutung, je nachdem es sich um Verjährung oder gesetzliche Befristlmg handelt. Hat ein vertragsmäßiger Ver­ zicht auf die Verjährung stattgefllllden, so braucht der Kläger sich zllr Begründllllg seiner Klage llicht auf diesen Vertrag zll berufen; derselbe wird erst bann im Prozesse voll Bedelltllllg werdell, wenn

der Beklagte die Verjährung vorschützt. In diesen: Falle wird es Sache des Klägers sein, den Verzichtsvertrag in einer Replik zur Elidierung der Verjährungseinrede zu benützen. Bei der gesetzlichen Befristung dagegen ist ein Zurückgehe:: auf den ursprünglichen gesetzlichen Tatbestand ausgeschlossen; will der Kläger obsiege::, so muß er gleich zur Begründung seiner Klage dartun, daß er kraft des Vertrages, der den gesetzlichen An­ spruch durch einen vereinbarten ersetzt habe, zn seinem in der Klage ausgesprochenen Begehren berechtigt sei. Wir haben hiemit einen wichtigen Unterschied zwischen Ver­ jährung und gesetzlicher Befristung gewonnen. Ein verjährter Anspruch kann durch Verzicht des Verpflichtete:: auf sei:: Leistungsverweigerungs­ recht seine alte Kraft wieder zurückbekommen, als wäre nie eine Ver­ jährung eingetreten. Bei der gesetzlichen Befristung dagegen kann von einem Verzicht auf die Geltendmachung des Fristablaufes nicht gesprochen werden. Es kann ja wohl bei einem Teil der gesetzlich befristeten Rechte der gleiche Erfolg erreicht werden, der sich aus einem Verzicht auf die Wirkung des Fristablaufes ergeben würde; allein dieser Erfolg wird nicht sowohl einem in dem Vertrage steckenden Verzichte, als vielmehr dem im Vertrag liegenden konstitutiven Tatbestände verdankt. Die befristeten Rechte sind also nicht wie Wendt meint, in der Weise einzuteilen, daß bei der einen Gruppe die „Möglich­ keit eines Verzichtes des Ablaufes der Frist" anzuerkennen ist, bei der anderen nicht; es kann hier nur so gefragt werde::: Kanu iu einem konkreten Falle das durch deu Fristablauf erloschene Recht durch ein inhaltlich gleiches vertragsmäßiges Recht ersetzt werden oder nicht?

VL Verjährung und gesetzliche Befristung im intertemtzoralen und internationalen Recht.

1. Zeitliche Kollision der Rechtsnormen. Jedesmal, wenn durch eiue neue Gesetzgebung das bisher geltende Recht geändert wird, entsteht die Frage, wie die unter dem alten Recht entstandenen und noch bestehenden Verhältnisse zu regeln sind. Diese Frage mußte besonders brennend werden bei einem Kodifikationswerk, wie wir es in unserem B.G.B. vor uns haben, das vielfach im Widerspruch mit dem, was bisher ge­ golten hatte, einheitliches Recht für unser Vaterland schuf.

Eine:: Satz, der freilich im Gesetzbuch keine ausdrückliche Er­ wähnung gefunden hat, im Gegensatz zu andern Gesetzgebungs­ werken (z. B. C. c. Art. 2), müssen wir festhalten; einen Grund-

126 sah, den Theodosius und Valentinian folgendermaßen faßten: „Leges et constitutiones futuris certum est dare formam negotiis, non ad facta praeterita revocari, nisi nominal im etiam de praeterito tempore adhuc pendentibus negotiis cautum sit“ Cod. I, 14, 7). Im Anschluß hieran entwickelte sich der Satz, wohlerworbene Rechte würden bom Wechsel der Gesetzgebung nicht berührt oder wie man auch sagt, Gesetze haben keine rückwirkende Kraft. Das hindert aber nicht, wie auch die Kaiser in dem Satz mit nisi andenten, daß namentlich aus Zweckmäßigkeits- und Billigkeitserwägungen das neue Recht auch auf bereits fertige Tat­ bestände für anwendbar erklärt wird, daß also das Gesetz sich selbst rückwirkende Kraft beilegt. Die Kontroversen über die Bedeutung des Wechsels der Ge­ setzgebung bei der Verjährung finden im Art. 169 E.G.B.G.B. ihre Lösung. Es ergeben sich hieraus folgende Bestimmungen: 1. Eine beim Inkrafttreten des B.G.B. bereits vollendete Verjährung wird in jeder Beziehung nach altem Recht beurteilt, auch hinsichtlich der Wirkung auf das der Verjährung zugrunde liegende Recht, sodaß wenn z. B. die Verjährung in den Gebieten des französischen Rechtes nichts weiter begründet als eine durch Eid entkräftbare Vermutung der Tilgung, diese bereits vor dem 1. Januar 1900 eingetretene Wirkung auch nach diesem Tage in Geltung bleibt. 2. Auf eine zur Zeit des Inkrafttretens des B.G.B. laufende Verjährung finden dessen Bestimmungen grundsätzlich Anwendung. Dieser Satz wird jedoch nicht ausnahmslos durchgeführt. Einmal bestimmen sich Beginn, Hemmung und Unterbrechung für die Zeit vor der Geltung des B.G.B. nach den bisherigen Gesetzen und ferner wird die Verjährungsfrist von dem Inkrafttreten des B.G.B. an berechnet, wenn die neue kürzer ist als nach den bisherigen Ge­ setzen, jedoch mit der Ausnahme, die damit wieder zur Regel zu­ rückkehrt, daß die Verjährung mit dem Ablauf der nach dem bis­ herigen Gesetze längeren Frist vollendet wird, wenn diese früher als die im Gesetzbuch bestimmte Frist endigt. Als in der Natur der Sache begründet können wir nur den Satz bezeichnen, daß eine bereits vollendete Verjährung nach altem Recht zu beurteilen ist. Alles andere ist Positives Recht. Die Motive (E.G. S. 251) begründen Art. 169 mit den Worten: „Eine beim Inkrafttreten des B.G.B. laufende Verjährung ist ein noch nicht fertiger juristischer Tatbestand, welcher unter dem B.G.B. zum Abschluß gelangen soll. Vor unvollendeten juristischen Tatsachen zieht sich ein neues Gesetz nicht zurück". Es geschieht hiermit keiner Partei zu wehe. Ist die neue Frist länger, so wird dem Schuldner keine bereits erlangte Rechtsstellung genommen; denn er hat ja von vorneherein kein Recht, durch Verjährung befreit zu

127 Werder:; ist die neue' Verjährungsfrist kürzer, so verliert der Gläubiger nichts; denn es wird nur von ihm verlangt, daß er sich mit der Regelung seiner Angelegenheiten besser beeilen solle (vergl. auch R.O.H.G. XX, S. 1). Dazu kommt noch ein Punkt, welcher der Beachtung wert ist. Wenn ein Gesetz eine Verjährungsfrist ver­ längert oder abkürzt, so wird der Gesetzgeber seine Gründe dafür­ haben und diese Gründe werden sowohl für bereits entstandene, als auch für noch entstehende Rechte in gleicher Weise maßgebend sein. Ein Wahlrecht, wie es Grawein annimmt, ist in unserem Rechte nicht anerkannt und dies mit gutem Grunde; denn dies verträgt sich, wie die Motive richtig sagen, nicht mit dem zwingenden Charakter der Verjährungsfristen und dann bliebe bis zur Aus­ übung des Wahlrechtes in suspenso, welches Recht denn eigentlich gelten solle. Art. 169 gilt nur für Verjährungsfristen. Die Motive haben es ausdrücklich abgelehnt (im Gegensatz zu den preußischen Patenten vom 15. November 1816 und 21. Juni 1825), die für die Ver­ jährung gegebenen Sätze des Art. 169 auf die Ausschlußfrist aus­ zudehnen und zwar geschah dies „wegen der Verschiedenheit, die zwischen beiden obwalte und weil die Ausschlußfristen nicht wie die Verjährungsfristen auf einem einheitlichen Grundgedanken be­ ruhten, sondern mannigfachen Zwecken dienten". Eine analoge Anwendung muß ebenfalls abgelehnt werden; den:: die Voraus­ setzung jeglicher Analogie: Gleichheit des rechtlichen Grundes, ist nicht gegeben. Auch das Reichsgericht') vertritt die Meinung, daß es infolge der prinzipiellen Verschiedenheit in der Wirkung der Verjährungs- und Ausschlußfristen ausgeschlossen ist, Art. 169, Abs. 1, Satz 1 — um diesen handelt es sich ja in erster Linie — auf Ausschlußfristen mitzubeziehen. Diese Betrachtungen ergeben mit* ein negatives Resultat: Art. 169 gilt nicht für Ausschlußfristen. Auch sonst bringt das E.G. nirgends etwas über die Behandlung dieser Fristen. Um zu einem positiven Ergebnis zu gelangen, müssen wir von dem Wesen der gesetzlichen Befristung ausgehen. Die gesetzliche Befristung eines Rechtes ist eine demselben innewohnende Eigenschaft; das Recht ist mit dem Mangel zeitlicher Beschränktheit zur Entstehung gelangt; es kann nicht losgelöst von seiner zeitlichen Schranke gedacht werden. Wenn nun unter der Herrschaft des alten Gesetzes ein solches, in seiner zeitlichen Dauer beschränktes Recht zur Entstehung ge­ langt, so ist damit ein völlig fertiger Tatbestand gegeben. Will der Gesetzgeber die Wirkungen, die dieser Tatbestand hervorzubringen imstande ist, ändern, sei es beschränken, sei es erweitern, so muß das ausdrücklich bestimmt werden; von selbst versteht es sich keinesp E. Bd. 48, S. 157 fg.

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Wegs, daß es in der Absicht des Gesetzgebers lag, in die Wirkungen einer rechtsbegründender: Tatsache einzugreifen. Die Ausschlußfrister: sind also nach dem Rechte 311 beurteilen, dem der Tatbestand unter­ liegt, dessen Wirkungen sie zeitlich begrenzen. Dieses Recht ist nun grundsätzlich das alte Recht; denn fertige Tatsachenkomplexe werden in der Regel nicht beeinflußt von einem Wechsel in der Gesetz­ gebung und hieraus folgt, daß Ausschlußfrister: nach altem Recht zu beurteilen sind. Allein dies gilt nur in der Regel. Es ist ja begreiflich, wenn der Gesetzgeber so wenig als möglich an bereits bestehenden Rechten ändert; aber ganz Läßt sich dies nicht vermeiden. Ist ein Rechtsverhältnis ganz dem neuen Recht unterworfen, so gilt auch die Ausschlußfrist des B.G.B., freilich unter Einrechnung des vor­ dem 1. Januar 1900 verstrichenen Zeitraumes. Nach Art. 201 erfolgen Scheidung und Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft von dem Inkrafttreten des B.G.B. an nach dessen Vorschriften. Es findet somit die in $ 1571 bestimmte zehnjährige Frist Anwendung, auch wenn der Scheidungsgrund vor dem 1. Januar 1900 ein­ getreten ist; die Frist wird jedoch nicht erst vom 1. Januar 1900 an, sondern schor: von dem Eintritte des Scheidungsgrundes an berechnet. Schwierigkeiter: könne:: sich ergeben, wenn ein Rechtsverhältnis teils nach altem, teils nach neuem Recht beurteilt Werder: soll. Ein allgemeiner Grundsatz läßt sich hier kaum aufstellen; es ist bei jedem einzelnen Rechtsverhältnis besonders zu untersuchen, ob die alte oder r:eue Ausschlußfrist zur Anwendung kommt und in­ wieweit ein vor dem 1. Januar 1900 verstrichener Zeitraum an­ gerechnet werden muß. Wir haben bisher immer vorausgesetzt, daß sowohl das alte als auch das neue Recht die gleiche Art der Frist anwendet; daß in beiden Gesetze:: eine Verjährungs- beziehungsweise Ausschluß­ frist statuiert ist. Es können r:un aber Komplikationen entstehen: das alte Recht kennt bei einem bestimmten Rechte keine Verjährung beziehungsweise keine Befristung, wohl aber das neue und um­ gekehrt; oder das alte Recht befristet ein Recht, während dasselbe r:ach neuem Rechte verjährt und arrch hier wieder läßt sich der entgegengesetzte Fall denken. Wir können hier diese Frager: nur kurz berühre::; vor: einer eingehenden Erörterung müssen und können wir absehen, da sie nicht im direkter: Zusammerchang mit unserem Thema stehen und uns mit ihren Details viel zu tief in die Lehre vom intertemporaler: Recht führen würden. Ist ein nach früheren Gesetzer: verjährbares Recht durch das B.G.B. dem Einflüsse der Verjährung entzogen, so kann die am 1. Januar 1900 begonnene, aber noch nicht vollendete Verjährung

129 nicht mehr weiter laufen (Motive E.G. S. 252, Planck Art. 169, Anm. 2). Umgekehrt beginnt für ein Recht, das nach früherem Recht nicht verjährte, Wohl aber nach heutigem Recht verjährbar ist, die neue Verjährung zu laufen, sobald die für den Beginn der­ selben in unserem B.G.B. geltenden Voraussetzungen erfüllt sind, also frühestens am 1. Januar 1900. Zu einem anderen Ergebnis führen uns die Betrachtungen bei der gesetzlichen Befristung. Die Befristung eines Rechtes bildet eine demselben innewohnende Eigenschaft. Diejenige Norm, welche für den rechtsbegründenden Tatbestand maßgebend ist, muß unter allen Umständen auch für die einzelnen Eigenschaften dieses Tat­ bestandes bestimmend sein. Das unter dem alten Gesetz entstandene Recht ist nur befristet, nichtsdestoweniger ist der Tatbestand nicht ein unvollkommener zu nennen. Wenn nun das neue Recht aus der gleichen Gruppe von Tatsachen unbefristete Rechte entstehe!: läßt, so sind diese Rechte wesentlich verschieden von jenen befristeten des alten Rechtes, unterscheiden sie sich doch in einer wesentlichen Eigenschaft. Sind daher unter dem alten Gesetze Rechtsverhält­ nisse dieser Art entstanden, so läuft die denselben gesetzte Frist auch nach dem Inkrafttreten des B.G.B. weiter. Im anderen Falle, wenn das alte Recht unbefristete, das neue Recht aber aus demselben Tatsachenkomplex befristete Berechtigungen entstehen läßt, so kann für die unter dem alten Rechte zum Dasein gelangten Rechtspositionen die Frist des B.G.B. nicht maßgebend sein. Wollte der Gesetzgeber den fertigen Tatbestand nach altem Recht beurteilen, wie es Regel ist, und doch die neue Ausschluß­ frist anwenden, so hieße das dem Rechte etwas ihm Fremdes auf­ pfropfen. Da die Befristung mit dem Wesen des Rechtes untrenn­ bar verbunden ist, so würde die Anwendung der neuen Frist auf den vor dem 1. Januar 1900 entstandenen Tatbestand einer Unter­ werfung desselben unter das neue Recht gleichkommen, die gerade nicht gewollt war; der Gesetzgeber würde sich also mit sich selbst in Widerspruch setzen. Wie ist nun zu entscheiden, wenn unter der Herrschaft des alten Rechtes eine Verjährungs- oder Ausschlußfrist galt, während das neue Gesetz die entgegengesetzte Frist setzt? Dies wird nach unserem B.G.B. besonders' dann eintreten, wenn unter dem alten Gesetze Rechte verjähren konnten, die nach dem B.G.B. als der Anspruchsnatur ermangelnd der Verjährung entzogen und entweder befristet oder überhaupt jedem Einflüsse der Zeit entrückt sind. Wir scheiden hier zwei Gruppen, einmal „Ansprüche", welche nach früherem Recht verjähren, nach dem B.G.B. dagegen befristet sind, dann sonstige nach altem Rechte verjührbare Berechtigungen. . Im ersten Falle ist wieder auseinanderzuhalten, ob das ganze Rechtsverhältnis nach altem oder neuem Rechte Beurteilt wird; je 9

130 nachdem läuft die alte Verjährungsfrist auch uach dem 1. Januar 1900 weiter oder wird von diesem Tag an durch die gesetzliche Ausschlußfrist des B.G.B. ersetzt. Habicht bringt hiefür (a. a. O. S. 155) folgendes treffende Beispiel: Für Besitzklagen kannte das gemeine Recht eine einjährige Verjährungsfrist, während das B.G.B. denselben Ansprüchen eine Ausschlußfrist setzt (§ 864). Nach Art. 180 fiuden auf ein zur Zeit des Inkrafttretens des B.G.B. bestehendes Besitzverhültnis von dieser Zeit an die Vor­ schriften des B.G.B. Anwendung. Ansprüche, welche jedoch schon vor dem 1 Januar 1900 dem Besitzer zuständig wurden, sind nach bisherigem Rechte zu beurteilen. Für diese gilt daher auch die Verjährung des gemeinen Rechtes, nicht die Befristung des B.G.B. Zieht dagegen das B.G.B. ein Rechtsverhältnis ganz in den Bereich seiner Einwirkung, so gilt auch die neurechtliche Aus­ schlußfrist genau ebenso wie in dem Falle, daß die nach altem Rechte zulässige Verjährung eines nicht unter den Begriff des An­ spruchs subsumierbaren Rechtes am 1. Jan. 1900 noch nicht ab­ gelaufen ist. So läßt C. c. Art. 1304 die Anfechtung wegen Betrugs in der Form der action en nullite in 10 Jahren ver­ jähren ; in Sirey und Gilbert wird die 10jährige Frist, innerhalb deren die action en nullitö ou rescision dauert, eine ,,prescription decennale“ genannt (1304 Anm. 1); das B.G.B. verlangt eine Anfechtungserklärung innerhalb einer einjährigen Präklusivfrist (§ 124). Mit dem 31. Dez. 1899 muß natürlich die alte Verjährung zu laufen aufhören, da dieselbe nach dem B.G.B. unzulässig ist; dem B.G.B. ist eine Verjährung von An­ fechtungsrechten fremd. Andererseits kann das Anfechtungsrecht nicht ad infinitum fortbestehen und es muß daher die Ausschluß­ frist des B.G.B. eintreten. Es fragt sich nun, wann diese Aus­ schlußfrist beginnt, d. h. ob auch die bereits verstrichene Ver­ jährungszeit mit in Anrechnung gebracht wird. Dies ist zu ver­ neinen. Zu diesem Resultate gelangen wir nicht nur deswegen, weil wegen der inneren Verschiedenheit der Fristen eine einfache Addition und Subtraktion nicht zulässig erscheint — denn addieren und subtrahieren kann man nur Gleiches zu oder von Gleichem —, sondern hauptsächlich aus dem Grunde, daß dies zu unerträglichen Härten für den Gläubiger führen könnte. Nehmen wir einmal an, die 10jährige Verjährung des C. c. habe 1898 begonnen. Wollte man nun in die die Verjährungsfrist ablösende Ausschluß­ frist von einem Jahr den am 1. Jan. 1900 verstrichenen Zeitraum einrechnen, so wäre das Anfechtungsrecht schon verloren gegangen; dies dürfte doch kaum der Billigkeit entsprechen. Darum ist die Meinung gerechtfertigt, daß in derartigen Fällen die Ausschlußfrist des B.G.B. am 1. Jan. 1900 zu laufen beginnt ohne jegliche Berück­ sichtigung eines etwa schon vorher verflossenen Verjährungszeitraumes.

131 All dies findet entsprechende Anwendung, wenn das alte Recht eine Ausschlußfrist, das B.G.B. eine Verjährungsfrist statuiert. Praktisch kann diese Frage nur werden, wenn ein „Anspruch" nach früherem Recht befristet war, während er nach dem B.G.B. der Verjährung unterliegt. Will das Gesetz in das vor dem 1. Jan. 1900 begründete Rechtsverhältnis nicht eingreifen, so bleibt es bei der alten Ausschlußfrist; wird dasselbe dagegen sofort dem neuen Rechte unterworfen, so fällt auch die bisherige Ausschlußfrist weg und es beginnt mit dem 1. Jan. 1900 die Verjährungsfrist des B.G.B. Es ist dies die natürliche Folge davon, daß der Anspruch dem neuen Rechte unterliegen soll. Dadurch bekundet der Gesetz­ geber, daß für das Wesen dieses Anspruches fernerhin die Be­ stimmungen des B.G.B. maßgebend sein sollen und hier wird das Wesen dahin fixiert, daß der Anspruch nicht befristet ist. Es wird also mit dem 1. Jan. 1900 der bisher befristete Anspruch seiner zeitlichen Schranke entkleidet. Überblicken wir diese wenn auch noch so skizzenhaften Er­ örterungen, so sehen wir, daß ein prinzipieller Unterschied zwischen Verjährung und gesetzlicher Befristung bei zeitlicher Kollision der Rechtsnormen nicht zu konstatieren ist. Man kann ja freilich ein Prinzip aufstellen und sagen wollen: Auf eine noch nicht voll­ endete Verjährung findet grundsätzlich das neue Recht Anwendung, während die Dauer der Ausschlußfristen durch einen Wechsel in der Gesetzgebung nicht berührt wird. Allein dieses Prinzip ist praktisch wertlos; denn es ist sowohl hinsichtlich der Verjährung als auch hinsichtlich der Befristung durch so viele Ausnahmen durchbrochen, daß nahezu die Ausnahmen zur Regel werden. Nachdem wir keine gesetzliche Bestimmung über die Behand­ lung der Ausschlußfristen in temporalen Kollisionsfällen haben, so muß in jedem einzelnen Falle untersucht werden, ob altes oder neues Recht hinsichtlich der Dauer der Frist zur Anwendung zu kommen hat.

2. Verjährung und gesetzliche Befristung bei örtlicher Kollision der Rechtsnormen. Wie man in der Lehre vom internationalen Privatrechte allenthalben auf Kontroversen stößt, so ist begreiflicherweise auch die Frage nach dem örtlichen Rechte der Verjährung keineswegs geklärt, zumal sich unser E.G B.G B. hierüber in tiefes Schweigen hüllt. Es sind verschiedene Ansichten vertreten worden, über welche wir kurz referieren wollen. 1. Zunächst wurde die Verjährung als ein Institut des Prozeßrechtes betrachtet und als solches der lex fori unterstellt?) 0 Holzschuher, Theorie I, S. 76; Vangerow, Pand. I, § 27.

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132 Dies war früher auch die Ansicht vieler unserer höchsten Gerichts­ höfe; man vergleiche z. B. die in Seufferts Arch. VIII 7, IX 246, XII 334, XVI 80, 184, XXlll 2 mitgeteilten Ent­ scheidungen. In dem letzt zitierten Urteil heißt es: Wenn man die Frage nach der Klageverjährung auch nicht als eine „rein Prozessualische" bezeichnen wolle, so „trete doch dieser Charakter in überwiegender Weise dabei hervor". Die Auffassung, daß Verjährungsgesetze Prozeßgesetze seien, hat namentlich in der englisch-amerikanischen und schottischen Jurisprudenz Wurzel gefaßt und ich halte es nicht für richtig, wenn Grawein (S. 197 Note 134) die englischen und amerikanischen Schriftsteller nicht hieher rechnet, sondern als Vertreter der Ansicht, daß die lex domicilii des Schuldners maß­ gebend sei, aufführt. Es ist ja wohlrichtig, daß nach dem common-law die lex fori das am Wohnsitz des Schuldners geltende Gesetz ist; allein wenn von der Verjährung gehandelt wird, sprechen diese Schriftsteller nie vom Wohnsitze des Schuldners, sondern nur vom Prozeßforum; sie messen also dem ersteren für diese Frage offenbar keine Bedeutung bei. Zwei Äußerungen mögen dies beweisen: Storys sagt: „ . . it bas become a formulary inter­ national jurisprudence, that all suits must be brought within the period prescribed by the local law of the Country, where the suit is brought otherwise the suits will be barred“. Noch deutlicher erfahren wir von einem anderen Schrift­ steller, daß immer an die lex fori, nie an die regelmäßig damit zusammenfallende lex domicilii des Schuldners gedacht wird. Wharton^') schreibt, obgleich er der Ansicht Savignys und Wächters großes Lob spendet: „the views of the AngloAmerican Courts are based on the principle that questions of limitation as touching the remedy are to be determined by the lex fori (!)“. Die Unhaltbarkeit dieser Ausführungen ist bereits von Wächters und vonBar^) nachgewiesen worden; es kann daher hier auf eine weitere Erörterung verzichtet und auf diese Schrift­ steller verwiesen werden. 2. Pothier (prescription n. 251) sagt, daß die Verjährung ihre Regelung durch das Recht desjenigen Staates empfange, in dem der Gläubiger wohne. Diese Ansicht wird wohl ein­ stimmig verworfen; Troplong meint (n. 38 Anm. 4): „c’est J) Story, Commentaries on the conflict of laws, § 576. 2) W harton, A treatise on the conflict of laws or private international law, § 543. 3) Wächter, Arch. f. ziv. Pr. 25, S. 410. 4) Bar, Theorie und Praxis des internationalen Privatrechtes II, S. 94 und 95.

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une erreur difficile ä comprendre dans un jurisconsultc d’un aussi grand sens“.

3. Von vornherein zurückzuweisen ist eine dritte Theorie, welche das dem Gläubiger günstigere Recht entscheidend sein lassen will. (Tittmann, de compcentia legum, ©. 12 : ,,ea potior esse videtur lex, quae maxime favet ei, cujus jus praescribitur“)- Abgesehen davon, daß diese Theorie von ganz falschen, naturrechtlichen Voraussetzungen ausgeht, daß nämlich die Ver­ jährung der natürlichen Billigkeit zuwider durch die Positive Ge­ setzgebung eingeführt sei, läßt sich dieselbe in der Praxis nicht durchführen. Welches Recht ist denn das günstigere, wenn die Dauer der Verjährungsfristen sowie die Voraussetzungen der Ver­ jährung verschieden sind?

4. Eine 4. Theorie läßt die lex domicilii des Schuldners allein ausschlaggebend sein. Diese Ansicht wird namentlich von Graw ein eingehend begründet und auch Bar hat sich früher für dieselbe entschieden. Grawein argumentiert folgendermaßen (er. a. O. S. 201): Der Verjährungstatbestand bestehe im Nicht­ eintritt eines Unterbrechungsgrundes und der Ort, an welchem die Unterbrechungsakte sich ereignen müßten, sei unzweifelhaft der Wohnsitz des Schuldners. Es ist zuzugeben, daß die Klageanstellung und ihre Surrogate gemäß § 13 Z.P.O. am Wohnort des Schuldners vorgenommen werden müssen; praktisch würde dadurch die Sache doch wieder auf die vor: Grawein verpönte lex fori hinauslaufen. Sodann ist die Begründung Graweins für die Anerkennungshandlungen des Schuldners unbrauchbar. Setzen wir den Fall: A. ist Schuldner und wohnt in Berlin; B. ist Gläubiger und wohnt in Paris. Wenn A. in seinem Arbeits­ zimmer deutlich und unzweifelhaft seinem Wissen nicht nur, daß er Schuldner sei, sondern vielleicht auch seinem Wollen, die Schuld abzutragen, Ausdruck gibt, so wird es keinem Menschen einfallen zu sagen, hier sei die Verjährung unterbrochen. Die Aner kennungshandlungen sind „dem Berechtigten gegenüber" (§ 208) vorzunehmen; eine Zinsleistung oder Abschlagszahlung ist regel­ mäßig dem Gläubiger an dessen Wohnsitz zu übermitteln (§270); Geldschulden sind im Zweifel Bringschulden. Bei der Argumentation Graweins kann man mit demselben Recht sagen: Die Aner­ kennungshandlungen werden am Wohnsitz des Gläubigers vorge­ nommen, also entscheidet die lex domicilii des Gläubigers, was allgemein als irrig bezeichnet wird. Auch Bar hat die Ansicht, daß die lex domicilii des Schuldners das Verjährungsrecht bestimme, wie schon erwähnt, für richtig gehalten; aber in der zweiten Auflage seines Werkes S. 105 muß er selbst zugeben, daß er „die Anwendung des Domizilgesetzes

134 des Schuldners zu ausschließlich" vertreten habe; er nimmt in der 2. Auflage eine vermittelnde Stellung ein.

5. Die meiner Ansicht nach richtige Meinung läßt das materielle Recht der Rechtsverhältnisse auch für die Verjährung gelten. Grawein bringt hiegegen folgendes Bedenken vor (a. a. O. S. 199): Dieser Meinung liege die irrige Vorstellung zugrunde, daß die Verjährungsfrist den Inhalt des Rechtes selbst bestimme; gehe man dagegen von der richtigen Auffassung aus, daß das verjährbare Recht an sich ein ewiges sei und daß durch die Verjährungsfrist nur der Umfang einer rechtsaufhebenden Tat­ sache festgesetzt sei, dann nötige nichts, dasjenige Gesetz, welches für den Inhalt eines Rechtes maßgebend sei, auch für die Länge seiner Verjährungszeit als maßgebend zu erklären. Diese Sätze enthalten nichts, was gegen unsere Meinung spricht. Freilich be­ stimmt die Verjährung keineswegs den Inhalt eines Anspruchs, wohl aber dessen Realisierbarkeit. Die Verjährungseinrede ent­ kräftet den Anspruch oder wie man früher zu sagen Pflegte: Die Verjährung bildet einen Aufhebungsgrund des Rechtes seinem zivilen Bestände nach. Ich halte es nur: für inkonsequent, die Voraussetzungen der Entstehung sowie die materielle Gültigkeit mit) den Inhalt eines Anspruches nach einem anderen Gesetze zu beurteilen als die Frage, ob der Schuldner noch zur Leistung ge­ zwungen werden könne; denn was ist die Verjährung anders als der „negative Ausdruck"^ der Frage, ob der Anspruch noch erfüllt werden muß? Es nimmt also mit Recht die gemeine Meinung an, daß die Verjährung örtlich nach dem Rechte zu be­ urteilen ist, dem auch sonst die Obligation unterliegt. Diese An­ sicht wird namentlich vom R.O.H.G. und Reichsgericht und in einer großen Menge von Entscheidungen anderer Gerichtshöfe (z. B. Seufferts Arch. 11, Nr. 120; XIII, 5; MV, 108; XIX, 106; XXV, 2, 114) Vertreten; auch die Theorie hat sich in überwiegender Mehrzahl hiefür erklärt/-') Wie die gewöhnliche bürgerrechtliche Verjährung, so ist auch die Wechselverjährung nach demjenigen örtlichen Rechte zu beur­ teilen, welches das gesamte Schuldverhältnis überhaupt beherrscht?) Eine internationale Abmachung über die Verjährung von Ansprüchen haben wir in Art. 45 des „Internationalen Übereinkommens über

den Eisenbahnfrachtverkehr vom 14. Okt. 1890".

Es heißt hier:

x) 91 uborff, Klageverjährung S. 4. 2) Rehbein, Allg. Teil S. 336, Riezler, Allg. Teil S. 527; Dernburg, Bürg. Recht I, S. 104; Cosack, Lehrbuch I, S. 268, Niemeyer, Internationales Privatrecht des S. 54; Crome, System I, S. 147 und die bei Bar a. a. O. II, S. 96, Anm. 4 angegebene Literatur. s) Rehbein, Anm. 1 zu Art. 77 und Staub, § 12 zu Art. 77 der W.O., ebenso die Praxis des R.G. nnd R.O.H.G. und auch Bar, a. a. O. II, S. 171 fg.

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„Entschädigungsforderungen . . . verjähren in einem Jahre und im Falle des Art. 44 Nr. 1 (bei Arglist und grober Fahrlässigkeit der Eisenbahn) in 3 Jahren". Abs. 2 regelt den Beginn der Verjährung und Abs. 3 bestimmt: „Bezüglich der Unterbrechung der Verjährung entscheiden die Gesetze des Landes, wo die Klage angestellt ist". Wenn wir im Vorstehenden gesehen haben, daß die Ver­ jährung als ein den Bestand des Forderungsrechtes berührendes materiellrechtliches Institut nach den Gesetzen zu beurteilen ist, welche für das verjährbare Recht an sich maßgebend sind, so wissen wir noch nicht genug. Es entsteht jetzt erst die wiederum be­ strittene Frage: Welches ist denn das Recht der Obligation, die lex contractus, lex solutionis oder lex domicilii des Schuldners? Es kann im Rahmen dieser Arbeit auf diese Frage auch nicht andeutungsweise eingegangen werden; es genügt für uns festzustellen, daß die Verjährung ihre Regelung nach dem Recht erfährt, welches auch sonst die Obligation erfaßt. Dabei ist jedoch zu bemerken: Gerade im internationalen Privatrecht spielen Billigkeit und Zweckmäßigkeit eine große Rolle und es kann daher wünschenswert sein, daß man nicht starr am Prinzip festhält, sondern vielleicht in dem einen oder anderen Falle von demselben abweicht. Ferner ist immer zu bedenken, daß der ganze Streit oft nur ein Streit um Worte ist; im Leben wird sich meist die Sache viel einfacher darstellen, indem lex domicilii, lex contractus und lex solutionis zusammenfallen. Einfacher als bei der Verjährung läßt sich bei der gesetzlichen Befristung die Bedeutung einer örtlichen Statutenkollision bemessen. Wir wissen, daß hier die Frist im engsten Zusammenhänge mit dem Inhalte des Rechtes steht, indem es ja denselben zeitlich be­ grenzt und es dürfte daher kaum begründeten Zweifel Hervorrufen, wenn man sagt, daß das Recht hinsichtlich seiner zeitlichen Extension nach dem Gesetz beurteilt werden muß, welchem es auch in seinen sonstigen Beziehungen unterliegt. Bar (a. a. O. II, S. 105) sagt ohne weitere Begründung : „Der Endtermin einer Verpflichtung ist selbstverständlich der lex obligationis unterworfen". Wenn ein Recht als befristetes zur Entstehung gelangt ist, so kann eine nachträgliche Änderung im Prozeßforum, eine später eintretende Änderung im Wohnsitze des Gläubigers oder Schuldners keinen Einfluß auf die Dauer und den Lauf der Frist ausüben. Es sagt z. B. Art. 21 E.G.B.G.B.: „Die Unterhaltspflicht des Vaters gegenüber dem unehelichen Kinde und seine Verpflichtung, der Mutter die Kosten der Schwangerschaft, der Entbindung und des Unterhaltes zu ersetzen, wird nach den Gesetzen des Staates be­ urteilt, dem die Mutter zur Zeit der Geburt des Kindes angehört". Es soll also, wenn z. B. die Mutter bei der Geburt des Kindes

136 Französin oder Engländerin war, französisches, bezw. englisches Recht Anwendung finden und namentlich die Bestimmung darüber, wie lange der Vater Unterhalt zu gewähren hat; nur sollen nach Art. 21 weltergehende Ansprüche, als nach deutschen Gesetzen be­ gründet sind, nicht geltend gemacht werden können.

Wir sehen also, daß sowohl die Verjährung als auch die gesetzliche Befristung eines Rechtes bei einer räumlichen Kollision der Rechtsnormen nach der lex obligationis behandelt werden muß, daß also in dieser Beziehung ein Unterschied nicht besteht.

VII. Grund und Zweck der Verjährung und gesetzlichen Befristung. Savigny, Unter Holzner und andere haben sich mit der rat io des Institutes der Verjährung befaßt und manche Gründe aufgeführt, welche es nicht nur als zweckmäßig, sondern auch als gerecht erscheinen lassen, daß der Gesetzgeber an den Ablauf einer bestimmten Zeit gewisse Wirkungen knüpft. Der Zweck der Ver­ jährung liegt nicht darin, dem Berechtigten sein Recht zu ent­ ziehen, ihr Schwerpunkt ist vielmehr darin zu suchen, daß die tatsächliche Gestaltung der Verhältnisse geschützt werden soll gegen eine Beunruhigung durch ,/k)ergU6te//1) Ansprüche. Wenn jemand als Gläubiger auftritt und die Bezahlung einer vor vielen, vielen Jahren entstandenen Forderung verlangt, so kann der Schuldner sich in einer sehr schwierigen Lage befinden, indem es ihm unmöglich ist, die Tilgung der Forderung zu beweisen. Die Quittung ist ver­ loren gegangen, die Zeugen sind gestorben; die Beweisführung wird namentlich dann schwierig sein, wenn der Rechtsstreit von den Erben der ursprünglich Beteiligten geführt wird. Der Verpflichtung, die ihn entlastenden Umstände geltend zu machen und sich auf eine zeitraubende und schließlich doch erfolglose Be­ weisführung einzulassen, wird der Beklagte dadurch enthoben, daß ihm in der Verjährung ein Mittel gegeben ist, ohne weitere Prüfung über die materielle Gültigkeit seiner Verpflichtung die Leistung zu verweigern. Aber nicht allein im Interesse des Schuldners, auch vom Standpunkte des Gläubigers aus rechtfertigt sich die Zulassung der Verjährung. Es ist irrig zu sagen, die Verjährung sei eine poena negligentiae des Gläubigers; der Gläubiger werde dadurch für seine Lässigkeit gestraft. Erstens straft der Gesetzgeber keinen Menschen, weil er ein ihm zustehendes Recht nicht geltend gemacht hat und *) Endemann, Einführung T. S. 385.

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dann könnte von einer negligentia des Berechtigten immer nur da gesprochen werden, wo er sein Recht gekannt hat und zu faul, zu bequem war, sich um dessen Durchsetzung zu kümmern. Dieser Grund verschlägt völlig, wenn, wie in unserem Rechte, die Ver­ jährung von der Kenntnis des Berechtigten unabhängig zu sein Pflegt. Trotz alledem liegt in der poena negligentiae ein richtiger Kern; es gilt nur, denselben aus der Schale des Fehlerhaften, welche ihn umgibt, herauszulösen. Das ist nämlich der Gedanke: wenn der Gläubiger sich lange, lange Zeit nichts um sein Recht gekümmert hat, so muß man wohl annehmen, daß er sein Recht selbst nicht mehr des Schutzes wert erachtet und es ist dann kein Grund vorhanden, daß nichtsdestoweniger die Rechtsordnung einem solchen Rechte Schutz angedeihen läßt. Die Verjährung — und namentlich von den kurzen Ver­ jährungsfristen der §§ 196, 197 ist das zu sagen — soll den Gläubiger dahin beeinflussen, daß er seine Geschäftsaußenstände rechtzeitig einzieht und seinen Betriebsfonds stärkt und die Gelder sobald als möglich wieder gewinnbringend anlegt. Sollte ja ein­ mal der materiellen Gerechtigkeit Eintrag geschehen, was der Ge­ setzgeber mit der Anerkennung der Verjährung durchaus nicht beabsichigt, so ist, wie wir gesehen haben, dieser Rechtsverlust nicht unbegründet; „es ist dies ein Opfer, das der Betreffende dem Gemeinwohl bringen muß" (Motive I. S. 291). Aus all dem ersehen wir, wie notwendig es ist, daß der Gesetzgeber einem Zustande, der seit langer Zeit nicht angefochten wurde, seine Anerkennung nicht versagt, sondern daß er ihn als zu Recht bestehend annimmt und so eine gewisse Stetigkeit und Festigkeit im Verkehrsleben herbeiführt. Um dieses letzte Ziel: Sicherheit des Schuldners und Verkehrs, zu erreichen, kann der Gesetzgeber zwei Wege einschlagen; er kann das Institut der Verjährung oder das der gesetzlichen Befristung zu Hilfe nehmen. Während dieses Endziel bei beiden Instituten übereinstimmt, so unterscheiden sie sich doch in ihrem Grunde: Mit der Verjährung will der Gesetzgeber den wahrscheinlich zu Recht bestehenden tatsächlichen Zustand befestigen; derselbe soll fernerer Anfechtung entzogen werden. Bei der Befristung mag ja wohl auch eine Beweiserleichterung erstrebt sein; allein bei ihr tritt der Gedanke, den wahrscheinlichen Rechtszustand zu bekräftigen, tu den Hintergrund; der Gesetzgeber will hier Rechtssicherheit schaffen ohne Rücksicht auf das, was wahrscheinlich rechtens ist. Es handelt sich nun für uns darum festzustellen, warum der Gesetzgeber in dem einen Falle die Verjährung, in einem anderen dagegen die gesetzliche Befristung angewendet hat. Es scheiden völlig aus die auf Parteivereinbarung beruhenden Rechte. Hier ist es Sache der Parteien zu bestimmen, ob ihr Recht

138 nur bis zu einem bestimmter: Endpunkt bestehen soll; der Gesetz­ geber mischt sich hier in der Regel nicht weiter ein; doch kann es auch hier zweckmäßig sein, daß der Parteiwillkür Schranken ge­ setzt werden. So bestimmt z. B. § 503, daß das Wiederkaufs­ recht nur bis zum Ablauf von drei bezw. dreißig Jahren ausgeübt werden kann; freilich kehrt Satz 2 wieder zur Regel zurück, indem er gestattet, die gesetzliche Frist durch eine vertragsmäßige zu ersetzen. Uns interessieren hier nur die Fälle, wo der Gesetzgeber an vorgestellte, im Gesetze genau fixierte Tatbestände die Entstehung von Rechten knüpft. Es bedarf Wohl kaum einer besonderen Begründung, warum zustandartige Rechte wie die elterliche Gewalt oder privilegienartige Rechte nicht der Verjährung unterliegen können. Wie wollte es der Berechtigte anstellen, die Verjährung eines Urheberrechts zu verhindern? Die im Gesetz angeführten Unterbrechungsakte können nicht vorgenommen werden; es handelt sich hier bloß um Aus­ übung seines Rechtes, nicht aber um Unterbrechungshandlungen. Andererseits kann man dem Inhaber diese Rechte nicht ad infinitum verleihen. Dies würde dem Berechtigten ein kapitalistisches Monopol verschaffen und dies wäre im Interesse der Gesamtheit sowohl aus wirtschaftlichen wie auch aus intellektuellen Gründen nicht zu billigen; hat doch die ganze Umgebung, die geistige At­ mosphäre, in der er sich bewegt, auf den Erfinder, den Urheber eines Schriftwerkes den größten Einfluß. Heimat, Sprache, Er­ ziehung, kurz alle die Momente, welche wir als nationale Eigen­ tümlichkeiten bezeichnen und welche den Einzelnen zum Angehörigen eines bestimmten Volkes im Gegensatz zu anderen Völkern machen, haben für seinen Entwicklungsgang nicht geringe Bedeutung. Es wäre somit ein Permanentes Urheberrecht die größte Ungerechtigkeit gegenüber der Allgemeinheit. Wichtiger, weil schwieriger auseinanderzuhalten, sind die­ jenigen Rechte, deren erstmalige Ausübung zugleich ihre Konsum­ tion bedeutet. Warum wählt hier der Gesetzgeber einmal die Ver­ jährung, ein andermal den radikaleren Weg der Legalbefristung? Grawein hat im letzten Teil seiner Untersuchung in vortreff­ licher Weise die Gründe dargelegt, welche den Gesetzgeber veran­ lassen können, zu dem einen oder anderen Mittel zu greifen. Selbst Str oh al gibt zu, daß dieser Teil der Grawein'schen Abhandlung der beste sei, wenn er freilich auch das Resultat derselben für nicht befriedigend hält. Was unser geltendes Recht anlangt, so haben wir hier in erster Linie die Frage zu beantworten: warum ist es für unser B.G.B. überhaupt notwendig, neben der Ver­ jährung ein Institut der Befristung anzuerkennen; warum reicht nach unserem B.G.B. das Institut der Verjährung nicht aus, um Sicherheit des Schuldners nnd des Verkehrs herbeizuführen?

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Die Antwort auf diese Frage ist für uns ziemlich einfach. Unser Verjährungsinstitut ist aufgebaut auf der Windscheid'schen Anspruchstheorie und das gibt uns des Rätsels Lösung. Die Ant­ wort kann daher nur lauten: Alles, was nicht Anspruch ist im Sinne der Legaldefinition des § 194, kann nicht verjähren und da muß dann, wenn diese Rechte nicht in alle Ewigkeit fortbestehen sollen, auf andere Weise geholfen werden, was durch Setzung einer Ausschlußfrist' geschieht. § 34 der K.O. (a F) bestimmte: „Das Anfechtungsrecht ver­ jährt in einem Jahr seit der Eröffnung des Verfahrens"; diese Bestimmung lautet heute in § 41: „Die Anfechtung kann nur binnen Jahresfrist seit der Eröffnung des Verfahrens erfolgen". Das Anfechtungsrecht ist das Recht, ein Recht anzufechten; es wird damit kein Tun oder Unterlassen verlangt und es kann also auch keine Verjährung dieses Rechtes geben. In der Be­ gründung der Konkursnovelle zu § 34 heißt es daher: „Nach B.G.B. unterliegen nur Ansprüche der Verjährung; das Anfech­ tungsrecht ist aber nicht als ein Anspruch im Sinne des Gesetz­ buches anzusehen. Der Entwurf hat daher im Anschlüsse an den § 124 Abs. 1 B.G.B., der von der Anfechtung einer Willens­ erklärung wegen Täuschung oder Drohung handelt, die Fassung dahin geändert, daß die Anfechtung nur binnen Jaüresfrist er­ folgen kann". Wie weit Rechte als Ansprüche konstruiert werden sollen, ist, wie Planck (I. S. 244) sagt, eine Zweckmäßigkeits­ frage. So ist, um nur ein Beispiel zu erwähne!:, das Recht auf Wandelung beim Kauf, auch beim Viehkauf, ein Anspruch nut) da­ her verjährbar §§ 477, 490); das Rücktrittsrecht ist kein Anspruch; es erlischt daher nur durch Ablauf der vereinbarten oder nach § 355 von dem anderen Teile bestimmten Frist. Wenn wir daran festhalten, daß nach § 194 nur „Ansprüche" verjähren können, so löst sich die Frage nach dem Grunde der Setzung einer Ausschlußfrist gemäß der ganzen Struktur unseres Verjährungsinstitutes in zwei Fragen auf; erstlich: warum sind einzelne Rechte, welche „Ansprüche" im Sinne des § 194 darstellen, befristet, sodann: warum sind sonstige Berechtigungen der Wirkung des Zeitablaufes ausgesetzt, indem ihrem Dasein eine zeitliche Grenze gesteckt ist? Die Antwort auf die erste dieser Fragen ist sehr wenig zu­ friedenstellend. Hier haben wir zunächst den § 864: „Ein nach §§ 861, 862 begründeter Anspruch erlischt mit dem Ablauf eines Jahres nach der Verübung der verbotenen Eigenmacht, wenn nicht vorher der Anspruch im Wege der Klage geltend gemacht wird". Was wir an Begründung hierfür finden, ist gänzlich ungenügend. Die Denkschrift — und auch Achilles im Planck'schen Kommentar

140 zu § 864 bringt keine neuen Momente — begründet diese Be­ fristung folgendermaßen: „Die Frage, auf wessen Seite in den Fällen einer Entziehung oder Störung des Besitzes die Eigenmacht war, unterliegt leicht der Verdunkelung; in der Regel wird, wenn der angeblich Verletzte nicht binnen kurzer Frist gerichtlichen Bei­ stand sucht, dem anderen Teile durch Verzögerung der Gegenbeweis erschwert". Könnten nicht die gleichen Worte gebraucht werden, um eine Verjährungsfrist, etwa eine sehr kurz bemessene, zu recht­ fertigen? Dafür, daß der Gesetzgeber in § 864 eine Ausschlußfrist für einen Anspruch statuiert hat, werden wir höchstens zwei Gründe namhaft machen können; einmal schien es ihm zweckmäßiger, eine Frist zu setzen, bei der die Möglichkeit einer Hemmung und Unter­ brechung und so einer Hinausschiebung des Endpunktes ausgeschlossen ist und dann haben andere Gesetze es auch so gemacht; so namentlich Art. 23 des Code de proc. civ.: ,,Les actions possessoires ne seront recevables qu’autant qu’elles auront ete formöes dans Fanne'e du tnnible“; ebenso hatte der bayerische Entwurf eine einjährige Erlöschungsfrist (III, Art. 88). Noch magerer ist die Begründung, welche die Denkschrift für die in § 1002 gesetzten Ausschlußfristen gibt: „Im Interesse des Eigentümers wird dem Besitzer für den Fall, daß er die Sache herausgegeben hat, die Geltendmachung des Ersatzanspruches nur während einer kurzen Allsschlußfrist gestattet". Ähnlich ist es in folgendem Falle: Nach § 558 verjähren die Ansprüche des Vermieters wegen Veränderungen und Verschlechterrmgen der vermieteten Sache in 6 Monaten; dagegen erlischt das Pfandrecht und der dadurch begründete Anspruch auf Heraus­ gabe der ohne Wissen oder unter Widerspruch des Vermieters ent­ fernten Sache zum Zweck der Zurückschaffung, wenn er nicht inner­ halb 6 Monaten seit der Erlangung der Kenntnis geltend gemacht wird. Bei der Beantwortung der zweiten Frage sind wir eher imstande, brauchbare und greifbare Argumente für die Wahl einer Ausschlußfrist anzuführen. Freilich dürfen wir nicht alle überhaupt vorkommenden Ausschlußfristen mit einander vergleichen; wir müssen den Kreis der Fristen, für welche wir gemeinsame Grundgedanken nachweisen wollen, bedeutend enger ziehen. Bei einer Gruppe von Rechten sind es lediglich öffentliche Interessen, welche die Setzung einer Präklusivfrist veranlassen. So bringt Heydemann (a. a. O. S. 103 ff.) eine große Reihe vor: Beispieleri, daß die Geltendmachung von Forderungen an staatliche und kommunale Kassen sowie die Abgabe von Rekla­ mationen und sonstigen Erklärungen gegenüber Behörden innerhalb bestimmter Fristen zu erfolgen habe. Es ist begreiflich, wenn der Gesetzgeber im Interesse seines Budgets und seiner eigenen Rechnungs­ kontrolle schlelmigst Ordnung in seine Kassenbestände bringen will.

141 Ausschließlich öffentliche Interessen sind es, welche eine Be­ fristung der dem Familienrecht angehörenden Anfechtungsrechte fordern. Gerade bei diesen Rechtsverhältnissen ist es dringend not­ wendig, daß sich sobald als irgend möglich die Frage nach ihrer Gültigkeit entscheide. Die Ehelichkeit eines Kindes, der Bestand einer Ehe iönnen nicht lange in suspenso bleiben. Die sittlichen und sozialen Grundlagen unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens würden aufs ernsteste gefährdet werden, wenn man etwa noch nach langen Jahren die Scheidung einer Ehe wegen eines weit zurück­ liegenden Scheidungsgrundes zulassen wollte; hier tut rasche Klärung not. Das Gesetz gibt dem Berechtigten solange Zeit, daß er sich es reiflich überlegen kann, ob er von seinem Anfechtungs- oder Scheidungsrechte Gebrauch machen will; hat er sich aber dafür ent­ schieden, von einer Geltendmachung desselben abzusehen, so ist kein Grund vorhanden, ihm später, wenn er nach unverhältnis­ mäßig langer Zeit plötzlich anderen Sinnes geworden ist, noch die Anfechtung zu ermöglichen. Dieser zuletzt angedeutete Gesichtspunkt ist es auch, der zur Befristung der wirtschaftlichen Anfechtungsrechte führen muß. Rechte dieser Art sind für den Schuldner besonders drückend, namentlich deshalb, weil er nicht weiß, ob sein Gegner das ihm zustehende Recht ausüben wird. Gerade bei diesen Anfechtungsrechten wird oft das Interesse an einer Beseitigung des anfechtbaren Rechts­ geschäftes fehlen. Da ist es nur recht und billig, daß der Gesetz­ geber dem Gläubiger soviel Zeit läßt, daß er alle Für mrd Wider erwägen kann, ehe er zur Anfechtung schreitet, aber auch nur soviel Zeit; denn „die Unzuträglichkeiten einer späteren Anfechtung würden sich um so fühlbarer machen, als die Angelegenheit mit der Anfechtung keineswegs abgetan wäre, vielmehr die aus der Anfechtung sich ergebenden Ansprüche noch innerhalb der ganzen, von der Anfechtung an laufenden Verjährungszeit geltend gemacht werden könnten" (Mot. J, S. 209). Aber nicht nur das Interesse des Schuldners, auch die Rücksichtnahme auf beachtenswerte Interessen des Gläubigers kann die Statuierung einer Ausschlußfrist notwendig machen. So muß nach § 501 H.G.B. der Mitrheder, der das Abandonrecht ausüben und sich dadurch von der Pflicht zu Nach­ zahlungen befreien will, innerhalb drei Tagen seit dem Tage des Majoritätsbeschlusses, gegebenen Falles seit der Mitteilung desselben den anderen Mitrhedern den Abandon anzeigen. Desgleichen kann der Gesellschafter einer unlimitierten Zubußgesellschaft der Pflicht zur Zahlung des auf den Geschäftsanteil eingeforderten Nachschusses dadurch entgehen, daß er den Geschäftsanteil der Gesellschaft zur Verfügung stellt und zwar muß dies innerhalb eines Monats nach der Aufforderung zur Einzahlung geschehen (Ges. betr. die G. m. b. H.

142 § 27 Abs. 1). Es ist ohne weiteres einleuchtend, daß das von der Abandonnierungsbefugnis Gebrauch machende Mitglied einer Rhederei oder einerLimitgesellschaftnicht dieMachthaben darf, die anderen Gesell­ schafter hinzuhalten und sie im Ungewisser: zu lassen, ob es die Zuschuß­ pflicht auf sich nehmen wolle oder nicht; daher wird das Abandon­ recht dem Gesellschafter nur innerhalb einer kurzen Frist gewährt. Diese Beispiele werden hinreichen, um uns zu zeigen, daß das Unternehmerr, ein allgemeines Prinzip für die Verwen­ dung der Befristung aufstellen zu wollen, bei der Verschieden­ artigkeit der befristeter: Rechte nicht über das Stadium des Ver­ suches hinauskäme. Dabei darf allerdings nicht übersehen werden, daß es Fälle gibt, wo die Statuierung einer Verjährungsfrist mit Hemmbarkeit und namentlich mit Unterbrechungsmöglichkeit dem praktischer: Bedürfnisse geradezu Hohn spräche. Ein einziges Beispiel möge dies beweisen: Wäre es etwa zweckmäßig, den Parteien zu gestatten, daß sie das Recht, einen Ehcscheidungsgrund im Wege der Scheidungsklage geltend zu machen, durch Anerkennungshandlungen, denen ja bei der Verjährung unterbrechende Wirkung zu­ kommt, konservieren und dadurch die Entscheidung über den Fort­ bestand der Ehe ins Endlose hinausziehen? Es lassen sich also Umstände denken, die es angezeigt, ja saft geboten erscheinen lassen, daß der Gesetzgeber, auch wenn nicht nur „Ansprüche", sondern außerdem noch irgend welche anderen Rechte Gegenstand der Verjährung sein könnten, neben den ge­ wöhnlichen Verjährungsfristen noch eine zweite Art von Fristen einführte, um „äußeren Umständen schlechthin den Einfluß auf Er­ ledigung des betreffenden rechtlichen Verhältnisses zu entziehen" (Motive I, S. 395). Als einheitliche Idee, welche der Anwendung der Befristung überhaupt zugrunde liegt, läßt sich somit nur das eine Vorbringen, daß es der Gesetzgeber für zweckmäßig erachtet, schleuniger und wirkungsvoller als durch die Verjährung die Entscheidung über das Bestehen einer Berechtigung, über den Wegfall einer Ver­ pflichtung herbeizuführen. Der Gesetzgeber, der an den Eintritt gewisser Ereignisse rechtliche Wirkungen knüpft, will nicht, daß nach einem bestimmten Zeitraum dieser Tatbestand noch Gegenstand einer Erörterung werde und dies erreicht er hier nicht dadurch, daß er es in das Belieben des Schuldners stellt, eine Untersuchung über die Berechtigung des Gläubigers abzuschneiden; dieser soll vielmehr den Schuldner gar nicht mehr belästigen dürfen. Welche Momente dann gerade zur Befristung dieses oder jenes Rechtes führen, das muß in jedem einzelnen Falle besonders untersucht werden; allgemeine Regeln lassen sich hierüber nicht geben.

143 Wenn wir nun — und dies namentlich im letzten Abschnitte — den Gegnern, die einen prinzipiellen Unterschied zwischen Verjährung und gesetzlicher Befristung leugnen, soweit entgegenkommen, daß wir zugeben, die beiden Institute erstrebe!: im letzten Grunde das gleiche Ziel und sie sind zwei Wegen vergleichbar, die zu demselben Endpunkte hinführen, so müssen wir doch daran festhalten, daß diese Wege in ihrem Wesen grundverschieden sind; der eine Weg führt schnurgerade zum Ziel, der andere ist ein dornenvoller Umweg. Die in dieser Untersuchung gefundenen Unterschiede zwischen Verjährung und Legalbefristung, deren Aufzählung wohl erschöpfend sein dürfte, sind unserer Meinung nach Beweis genug, daß der in den Motiven ausgesprochene Wille des Gesetzgebers, die Verjährung und gesetzliche Befristung von Rechten als in ihrem Wesen ver­ schiedene Institute behandelt zu sehen, Wille des Gesetzes selbst ge­ worden ist. Es müssen also nach dem geltenden bürgerlichen Rechte diese beiden Institute scharf von einander geschieden werden und man darf sich nicht dazu verleiten lassen, die eigenen, entgegen­ gesetzten Wünsche in das Gesetz hineinzuinterpretieren. Wir glauben, daß diese Erörterungen, die begreiflicherweise in erster Linie das neue B.G.B. sich zur Richtschnur nahmen und das außerhalb desselben bestehende Reichs- und Landesrecht nur beispielsweise heranzogen, uns instand setzen, den Charakter einer zweifelhaften Frist, für welche die Terminologie unseres B.G.B. nicht gilt, zur Zufriedenheit festzustellen.

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